Roͤmische Geschichte von B. G. Niebuhr. Zweyter Theil . Mit einer Charte . Berlin , in der Realschulbuchhandlung , 1812 . Vorrede . D ie Geschichte des anderthalbhundertjaͤhrigen Kampfs zwischen Patriciern und Plebejern, aus dem zuerst in den zwoͤlf Tafeln gleiches buͤrgerliches Recht, dann eine gleiche Theilung der hoͤchsten Ge- walt hervorging; die der allmaͤhlichen Ausbildung der Verfassung waͤhrend dieses Zeitraums, und Untersuchungen uͤber wichtige Theile des roͤmischen Staatsrechts, woruͤber meistens ganz falsche, we- nigstens verworrene Vorstellungen angenommen sind, machen in einem ungleich uͤberwiegenden Verhaͤltniß, im Umfang wie in der Wichtigkeit, den bedeutende- ren Inhalt des gegenwaͤrtigen Bandes aus. Bey dem roͤmischen Geschichtschreiber herrscht ein ganz anderes Verhaͤltniß zwischen diesem Theil der Geschichte und dem der Kriege, und eben so ver- schieden von den meinigen sind die Ansichten nach de- nen seine Darstellungen gefaßt sind. Jene Verschie- denheit des Ebenmaaßes entschuldige ich nicht: je- der muß sie billigen der in jedem Zeitraum das eigen- thuͤmlich Wichtigste, nicht in allen nur eine einzige Art der Gegenstaͤnde sucht, und einraͤumt daß die Untersuchungen nicht entbehrlich sind: uͤber die zweyte habe ich mich wiederhohlt im Lauf der Ab- handlung gerechtfertigt, und muß es dennoch nicht fuͤr uͤberfluͤssig halten auch hier an ihrem Eingange einige Worte fuͤr den ernsten und berufenen Mitfor- scher zu sagen. Es waͤre um die Geschichte gethan, und ein sonst großer Geschichtschreiber, der nicht zugleich das un- bestochene Gemuͤth und den tiefdringenden Blick des Thukydides und Polybius haͤtte, waͤre ein wahrer Unheilbringer fuͤr das Andenken der vergangenen Zeiten, wenn seine Ansicht den nachfolgenden Ge- schlechtern Gesetze vorschreiben duͤrfte. Die freye und immer rege Pruͤfung die allen Wissenschaften allein das Leben erhalten kann, darf der Geschichte nicht fehlen. Unter dem Druck eines gegenwaͤrtigen Uebels, wie im Rausch des Factionsgeistes, ver- breiten sich oft hoͤchst ungerechte Urtheile, und be- maͤchtigen sich auch sehr tuͤchtiger Geister. Nicht zu reden von den Knechten der Mode und der Luͤge, un- behuͤlflichen litterarischen Gauklern und Springern, wie stark auch dies Unkraut in Deutschland wuchert. Wenn aber unter jenen Maͤnnern , die wir ehren, einzelne die paͤbstliche Hierarchie lobpreisen, Luther und Gustav Adolph schmaͤhen, werden wir uns irre machen lassen, und nicht mit der Wahrheit des Gesche- henen ihr Urtheil von unserm Gemuͤth abwenden? Ueber den Rhetor Dionysius als kritischen oder urtheilenden Historiker zu reden lohnt es der Muͤhe gar nicht. Livius als Autoritaͤt der Ansicht darf ich schon wegen der Inconsequenz und der Widerspruͤche verwerfen, welche in dieser Geschichte so oft ge- ruͤgt sind. Fuͤr aͤcht kann in der aͤlteren Geschichte Roms nur der kuͤrzeste Begriff der Vorfaͤlle selbst gelten: jede Ausfuͤhrlichkeit ist verdaͤchtig: die beurtheilende Erzaͤhlung das Werk einer spaͤten, dem Alterthum ganz fremd gewordenen Zeit. Und wie fremd! Sal- lust ist im Urtheil und im Verstaͤndniß der Geschichte ohne Vergleich uͤber Livius, wie wenig aber auch er nur einen Begriff davon hatte worin die innere Geschichte der alten Zeit von der des Jahrhunderts seiner Vaͤter und seiner Jugend verschieden und gar nicht mit ihr zu vergleichen war, muß jedem klar werden der ihn aufmerksam ließt. Wie Livius durch die Taͤuschung gleichlautender Worte die mit den Jahrhunderten einen ganz andern Sinn angenom- men hatten und den Zauber der Factionsnahmen irre geleitet ward, erklaͤrt sich so sehr leicht. In der neueren Geschichte ist es nicht schwer, unser Urtheil unabhaͤngig zu halten: gleichzeitige Zeugen reden noch mit tausend Zungen, jedem ver- nehmlich der sie hoͤren will. In der griechischen hat nur Xenophon verfaͤlscht. Auch uͤber die roͤmische koͤnnen wir nicht irren. Ich nehme die einzelnen Begebenheiten: den Mord des Genucius: die be- schuͤtzten Gewaltthaͤtigkeiten der frechen Jugend: Appius den Decemvir, und die Patricier seiner Zeit: den Wuchergraͤuel: den Bruch jedes Ver- trags: die Verweigerung einer Armee an den plebe- jischen Dictator als das Vaterland bedroht war: eine ganze Reihe von Thaten in demselben Geist; — und ihnen stelle ich der Plebejer Ruhe, Gelassenheit und Gesetzlichkeit entgegen, die auch nicht durch eine ein- zige Beschuldigung angetastet wird. Darum halte mich Niemand der laͤcherlichen Meinung faͤhig, die Staͤnde Roms, wie sie ver- schiedenes Nationalursprungs waren, waͤren, der eine ein niederes und gottloses, der andere ein hoͤheres und tugendhaftes Geschlecht gewesen, und ich behauptete diesen Vorrang fuͤr die Plebejer. Wohl aber bewaͤhrt es sich in dieser Geschichte, wie in der aller spaͤteren, auch der gepriesensten, Aristo- kratieen, daß die Herrschaft eines Standes — un- ter der Monarchie ist sie unmoͤglich — nothwendig argwoͤhnisch, ungerecht und unedel ist, und ihn selbst, weit mehr als die Unterthanen, verderbt. So wird hingegen auch dieser Geschichte Fortgang be- waͤhren, daß abgesondert bestehende Staͤnde zur Fort- dauer einer Republik, oder einer gemischten Verfas- sung, nothwendig sind: denn nur festgegruͤndete Schranken koͤnnen, bey der wenigen Faͤhigkeit welche die Menschen zu allen Zeiten gehabt haben Freyheit zu ertragen, das Zerstoͤrende ihrer Bewegungen aufheben. So war anfaͤnglich die Opposition der Plebs heilsam: das Gleichgewicht beyder Staͤnde war die Vollkommenheit: als sie zusammenflossen verlohr die Verfassung alle Haltung. Diesen Band sollte ein vollstaͤndiges Register uͤber die beyden jetzt erschienenen schließen: das ist wegen seines uͤber Erwarten erweiterten Umfangs unterblieben. Es wird mit dem dritten gegeben wer- den, und auch diesen begreifen. Inhaltsverzeichniß . E inleitung. Seite 1 Verfassung Roms seit Errichtung des Tribunats. — 5 Innere Geschichte von Cassius Tod bis auf das Decemvirat. — 16 Der vejentische, die volskischen und aͤquischen Kriege. — 72 Volkszaͤhlungen. — 99 Die ersten Decemvirn und die zwoͤlf Tafeln. — 107 Das zweyte Decemvirat. — 120 Herstellung und Begruͤndung der Volksfreyheit. — 144 Innere Geschichte bis auf den vejentischen Krieg. — 162 Die Kriege bis zum Ausbruch des letzten vejen- tischen. — 200 Vom Anfang des letzten verjentischen bis zum gal- lischen Kriege. — 215 Von den Celten und ihrer Einwanderung in Italien. — 251 Der gallische Krieg und die Einnahme Roms. — 264 Rom nach der Raͤumung. — 281 Die Kriege des Zeitraums von Herstellung der Stadt bis zur Staatsveraͤnderung von 389. — 294 Innere Geschichte bis zum Jahr 378. — 305 Die licinischen Rogationen. — 335 Das agrarische Recht. — 349 Fortsetzung von den licinischen Rogationen. Seite 394 Die neuen curulischen Wuͤrden des Jahrs 389. — 414 Innere Geschichte bis zur voͤlligen Befestigung des plebejischen Consulats. — 422 Ueber den Unzialzinsfuß. — 431 Fortsetzung der abgebrochenen inneren Geschichte. — 440 Kriegsgeschichte von 389 bis 411. — 453 Rom im Bunde mit Latium. — 468 Der erste samnitische Krieg. — 482 Der latinische Krieg. — 507 Die Gesetze des Dictators Q. Publilius. — 522 Anhang . I. Beylagen zum ersten Theil. — 525 1. Romulus, Aeneas Enkel. — 526 2. Die Urstadt. — 527 3. Servius Tullius und Caͤles Vibenna. — 529 II. Ueber die Agrimensoren. — 532 III. Zu der Charte Italiens. — 562 Die D ie griechische Geschichte ist in ihrem Ursprung eine Entwicklung der epischen Dichtung: wie die Prosa ih- rer Erzaͤhlung ein von allem Zwang befreyter lyrischer Rhythmus. Sie enthielt eine nothwendige geruͤndete Einheit, und schmuͤckte sich mit Episoden: denn es wi- derte ihr das todte Gesetz der Zeitfolge, sogar die Zeit- bestimmung ist ihr gleichguͤltig: und noch Thukydides, wiewohl er die Erzaͤhlung nach dem Umlauf des Jahrs abtheilen mußte, bewahrt den alt epischen Charakter. Diese Form war zarter als daß sie, da nun ein jeder der zu erzaͤhlen hatte Geschichte zu schreiben an- fing, sich lange haͤtte erhalten koͤnnen. Xenophon zu- erst fiel in das platte taͤgliche Leben herab, und bald wurden, weil sie gemaͤchlich waren, flache Ideen uͤber historische Treue, Ordnung und Vollstaͤndigkeit herr- schend, welche zu der annalistischen Behandlung auch der laͤngst vergangenen Zeiten fuͤhrten, die sich in Ti- maͤus allgemeiner Geschichte festsetzte. Es hat vielleicht selbst unter den Griechen, seit der Nation Verfall, keinen Zeitraum gegeben worin die Lit- teratur sich nicht fortschreitend und vervollkommt ge- waͤhnt haͤtte. Die Taͤuschung ist natuͤrlich, weil aller- Zweiter Theil. A dings immer irgend etwas ausgebildet wird was in der Vorzeit gering geschaͤtzt, also versaͤumt, und doch unter seinem Gesichtspunkt auch nicht ohne Werth war. Denn wenige Zeitalter sind so versunken daß sie nicht ihre eigne Vorzuͤglichkeit haͤtten: an dieser hat man Freude, und sonst koͤnnte sie nicht da seyn, fuͤr das Verschwundne giebt es keinen Trieb mehr, denn daher verschwand es. Bilde- ten also auch die Vaͤter der roͤmischen Geschichte ihre Art an griechischen Geschichtschreibern, so waren es die Zeit- genossen, oder die von ihnen Gelesensten, in Italien noth- wendig Timaͤus: und so konnte wohl kaum eine andre als die annalistische Form sich ihnen als Muster darbieten. Sie trugen, wie es aus einzelnen Anfuͤhrungen bey Dio- nysius und den capitolinischen Fasten erhellt, diese Form, soweit sie es vermochten, mit betruͤgerischer Hand selbst auf die rein epische Zeit der Koͤnige hinuͤber: vom Anfang der Republik fanden sie chronikenmaͤßige Anzeichnungen bey den Fasten, die selbst, vor allen die Triumphalfasten, ohne Zweifel von Alters her wie ein Buch gelesen und im Gedaͤchtniß eingegraben gewesen sind. Es folgten sich viele die, ihre Vorgaͤnger tadelnd, alle die ganze Folge der Geschichte von Aeneas bis auf ihre Zeit schrieben: und wenn einzelne sich einen Zeitraum aussonderten, wie An- tipater, Fannius, Sisenna, so scheint doch Sallust das einzige Beyspiel der Darstellung eines durch innere Ein- heit abgeschiedenen Ganzen, mit voͤlliger Vernachlaͤssi- gung der Jahrrechnung und Gleichzeitigkeit, im altgriechi- schen Sinn, zu geben, dessen die roͤmische Litteratur sich haͤtte ruͤhmen gekonnt. Man kann sich nicht treuer an die Annalenform bin- den als es Livius thut; vielleicht daß sie ihm, vielleicht weil sie dem Publicum die einzige zulaͤssige schien: er for- dert Anerkennung daß er alle Episoden vermeide Livius IX. c. 17. . Aber aus dieser Form entsteht ihm selbst und dem Leser großer Nachtheil. Indem er jede Jahrgeschichte fuͤr sich und in sich schließt, entgeht das Vergangne seiner Aufmerksam- keit: seine Erzaͤhlung wird nicht nur zerstuͤckt, sie wird luͤckenhaft und fuͤllt sich mit Widerspruͤchen. Der Leser aber wird sich, wenn er nicht mit Studium liest, ermuͤdet durch eine anscheinende Einfoͤrmigkeit der Kriege und in- nern Unruhen, die ganze erste Decade hindurch auch nicht einmal das verworrene Bild vor Augen stellen koͤnnen welches die Geschichte enthaͤlt. Eine kritische Geschichte, wie diese, ist am entfernte- sten von der sorglosen Lebensfuͤlle der urspruͤnglichen grie- chischen Vollkommenheit. Sie muß bey jedem Schritt anhalten, sich orientiren, sie bahnt anderen den Weg wo moͤglich ihn kuͤnftig ohne gemessene Behutsamkeit zu wandeln. Aber sie befreyt sich von dem Zwang der Anna- lengestalt, und sie faßt, fuͤr die buͤrgerliche Geschichte und die Kriege, nach inneren Einheiten zusammen was groͤ- ßere Zeitraͤume erfuͤllt, und sie fordert sich das Recht zu jeder Episode, welche zu tieferer und schaͤrferer Kenntniß, und zu hellerer Anschauung nothwendig ist. Eine solche Einheit bildet der ganze Zeitraum welcher zwischen Cassius drittem Consulat, und der Decemvirn Ernennung liegt. Alle innere Bewegungen entstehen aus A 2 dem Ackergesetz des ungluͤcklichen Consuls: anfangs bezie- hen sie sich unmittelbar nur auf dieses: in der Folge ver- vielfachen sich ihre Zwecke und Beziehungen, sie gewinnen an Wichtigkeit und Groͤße im Verhaͤltniß des ungerechten Widerstandes, sie erheben sich uͤber die beschraͤnkten An- spruͤche welche sich durch Geld messen und entschaͤdigen lassen: aber sie gehen hervor aus jenen urspruͤnglichen Forderungen. Die ganze Zeit hindurch herrscht ein Geist des erbitterten Hasses, einer wilden Gewaltthaͤtigkeit, den die Gesetzgebung der zwoͤlf Tafeln auf immer verbannte. Die Geschichte der Kriege ist die des fortwaͤhrenden Ver- falls ehemaliger Groͤße: die Jahrbuͤcher zaͤhlen kaum ein- zelne Triumphe, nur eine einzige Eroberung, und auch diese von kurzer Dauer. Dagegen treffen die sinkende Re- publik schmaͤhliche und furchtbare Niederlagen: ihr Da- seyn selbst wird von den Tuskern bedroht: die Eroberun- gen der Aequer verbreiten sich, und gegen ihre Verhee- rungen findet der Landmann nur Schutz in Roms Mauern. Alles dieses Elend entsteht aus dem verblendeten Streben der Patricier, denn eine leidliche Entfernung der bitter- sten Beschwerden durch die Gesetzgebung wendet auch die- sen Strohm des aͤußern Ungluͤcks. Und wie physische Landplagen sich fast immer dem Druck innerer und aͤuße- rer verschuldeter Noth zugesellen, als zerstoͤre ein Volk welches sich selbst zerruͤttet bis auf die Keime seines Da- seyns, so fiel in diesem ungluͤcklichsten Zeitraum zwey- mal eine schreckliche Pest auf die roͤmische Nation, und eben so oft wuͤthete der Hunger. Verfassung Roms seit Errichtung des Tribunats . Die Republik bestand damals unter einer Verfas- sung, von der sich kein voͤllig aͤhnliches zweytes Bey- spiel in der Geschichte findet. Zwey zusammengefuͤgte Voͤlker bildeten den Staat, in denselben Ringmauern neben einander, wenn auch nicht vermischt, wohnend: in dem einen ein souverainer Stand mit vielen Erbun- terthaͤnigen, das andere aus gleichen Freyen bestehend. Der Adel jenes Volks herrschte uͤber das Ganze: die plebejische Nation, von der Regierung ausgeschlossen, uͤbte ein Verweigerungsrecht bey den Vorschlaͤgen zu Wahlen und Gesetzen: und wenn diese Macht nur auf sehr seltne Veranlassungen beschraͤnkt war, so machte sie dagegen, mit wohlbegruͤndeter voͤlkerrechtlicher Befug- niß, das Recht geltend den Gehorsam zu verweigern wenn sie sich beeintraͤchtigt fuͤhlte, und erhielt sich so in einer durch keine Verjaͤhrung verwuͤrkten freyen Leistung sofern die Regierung ihren Rechten nicht zu nahe trete. Ueber Verletzung dieser Rechte, und Vergehungen gegen ihren gesammten Stand, richtete die plebejische Gemeinde selbst: nach dem italischen Voͤlkerrecht, kraft dessen der beleidigte Staat die Auslieferung derer, die er gegen sich schuldig nannte, fordern konnte um sie selbst zu richten; weil die Plebejer, wie in ihrem Ursprung, als ein verschiedenes Volk galten. Dieses Recht ist von der roͤmischen Republik gegen die uͤbrigen Voͤlker bestaͤndig geltend gemacht worden, und man darf das nicht als eine besondere Anmaaßung Roms deuten. Es ward so sehr als allgemeines Gesetz anerkannt daß Rom den Gesandten von Apollonia gegen das Ende des fuͤnften Jahrhunderts nur durch Auslieferung der Schuldigen genuͤgen zu koͤnnen glaubte Epitome des Livius XV. ; es wird dabey der fromme Glaube vorausgesetzt, eine ungerechte Verurtheilung sey unwahrscheinlicher als Lossprechung aus zwiefacher Par- theylichkeit. Aus diesem Voͤlkerrecht erklaͤren sich die sonst so sonderbaren Gerichte der Volksgemeinde uͤber die er- sten unter den Patriciern in dem Zeitraume wo dieser Stand noch alles allein war. Diese Gerichte sind haͤu- fig; auf gleichem Grund waren die Patricier berechtigt uͤber Plebejer zu richten welche sich an ihrem Stande vergangen hatten. So gewiß dieses aus den Grund- saͤtzen folgt, so findet sich doch nur ein Beyspiel in dun- kelm Andenken erhalten welches bestimmt dahin zu ge- hoͤren scheint. Jene allgemeine Loͤsung der Gehorsamspflicht des ple- bejischen Standes, die von dem herrschenden auch nur gezwungen geachtet, und in jedem einzelnen Fall als Em- poͤrung angeklagt ward, uͤbten die Volkstribunen, und ihre Unverletzlichkeit gab dem Volk Einheit und Entschluß. In der hoͤchsten Gewalt war die Theilnahme des Volks nur ein Schatten. Selbst die Gemeinde der Centurien, ob- wohl den Patriciern und ihrem Einfluß offen, war ohn- maͤchtig: beschraͤnkt in Hinsicht der Gesetze hoͤchstens den Antrag des Senats zu verwerfen, in einem Zeitalter wo vielmehr nach Herkommen als nach Gesetzen verwaltet ward, und fuͤr die Wahlen eingeschraͤnkt auf sehr wenige Wuͤrden: fuͤr diese Wuͤrden, die plebejischen Aemter aus- genommen, auf den patricischen Stand allein, und an- faͤnglich auf die vom Senat vorgeschlagenen Candidaten. Als aber auch die Gemeinde ihr Recht schon wesentlicher ausuͤbte, kam es noch immer auf die Willkuͤhr des vor- sitzenden Consuls an, ob er fuͤr den, der von der Mehrheit, nicht als Candidat des Senats, ernannt ward, Stim- men annehmen wollte: und wenn der Wahlfreyheit durch einen die Nation achtenden Consul kein Eintrag geschah, so war die vollbrachte Wahl doch immer noch abhaͤngig von der Patricier Billigung oder Verwerfung. Diese Na- tionalgemeinde stand in der Mitte eingeschlossen zwischen beyden patricischen Versammlungen, dem Senat, der da- mals gewiß, was auch Brutus neuernd oder nach der Koͤnige Beyspiel gethan haben mag, ausschließlich aus Patriciern bestand, und dem großen Rath der patricischen Geschlechter, oder den Curien. Von jenem ward ihr vor- gelegt woruͤber sie stimmen durfte; was sie genehmigt hatte war noch nicht guͤltig ehe die gesammte Gemeinde der Patricier zugestimmt hatte, welche sich nicht ihrer gan- zen Souverainetaͤt fuͤr den Senat entkleidete. Bey dem Senat war damals die Macht Krieg und Frieden zu beschließen: die Aushebung eines Heers zu verordnen: die unumschraͤnkte Gewalt der Dictatur her- vorzurufen: Steuern auszuschreiben: uͤber das Gemein- gut zu verfuͤgen: seinen Ertrag zu verwalten: selbst die Kriegsbeute dem Heer zu verleihen oder zu entziehen. Kein einziges Beyspiel belehrt uns ob in diesem Zeit- raum Verfuͤgungen uͤber das Privatrecht gesetzlich be- stimmt geworden sind, noch weniger wissen wir also factisch von welcher Macht diese ausgegangen seyn moͤch- ten. Aber bezweifeln laͤßt es sich nicht daß, wenn sie ein- traten, ihr Ursprung aus dem Stande seyn mußte, bey dem noch lange nachdem ein Gleichgewicht zwischen den Staͤnden in Wahrheit eingefuͤhrt war, das Recht als ein geheiligter Besitz blieb, daher auch die Praͤtur vom Consu- lat abgesondert ward als die Plebejer Theil an diesem em- pfingen. Alle Voͤlker die ein Religionsgesetz als geoffen- bart verehren, knuͤpfen an dieses, oder leiten aus ihm ein buͤrgerliches Recht, und in den priesterlichen Vorrechten der Patricier war es gegruͤndet daß sie so lange die Be- wahrer der Rechtskunde blieben. In dieser Hinsicht konnte es damals noch gleich gelten ob der Senat oder die Curien diese Gesetzgebung ausuͤbten. Das aber ist klar daß die plebejische Gemeinde keinen Antheil daran gehabt haben kann. Auch ist es, weil der Senat eigentlich nur als ein en- gerer Ausschuß der Curien zu betrachten ist, als die Ver- sammlung der Notabeln aus der patricischen Gemeinde, der Idee einer strengen Oligarchie nicht beeintraͤchtigend, wenn es dargethan wird, daß unter den Vaͤtern, von de- ren Genehmigung die Guͤltigkeit der Beschluͤsse der Centu- rien abhing, die Curien, nicht der Senat zu verstehen sind. Die entgegengesetzte Meinung hat fuͤr sich kaum einen an- dern Schein als was Livius uͤber Numas Wahl erzaͤhlt I. c. 17. Ich erkenne gern des aͤlteren Gronovs große Verdienste und philologische Autoritaͤt, aber die roͤmische , wo es freylich nicht zu bezweifeln ist daß er eine Wahl des Volks, und eine Pruͤfung derselben im Senat voraus- gesetzt hat. Eine ganz mythische Erzaͤhlung kann freylich eine streng historische Form tragen, und so moͤchte uns eine aͤcht alte Sage uͤber Numas Wahl so gut wie die No- tiz uͤber die eines Consuls aus der aͤltesten Zeit von den Formen des urspruͤnglichen Staatsrechts belehren. Aber das Kleid einer Sage aͤndert sich mit dem Jahrhundert: und auch hier ist es sichtbar wie die epischen Gedichte von den Koͤnigen sich in den Zeiten in ihre letzte Gestalt umge- bildet haben, wo die Plebejer schon die Wahlen ent- schieden. Denn kein Senatusconsult zeichnet die Wahl vor, und die Wahlgemeinde ist plebejisch, waͤhrend dieser Stand in der Zeit welche hier bezeichnet werden soll, noch gar nicht gedacht werden kann. Andre Zeugnisse erkennen in diesen Vaͤtern die gesammten Patricier, und nennen sie Livius VI. c. 42. Patricii se auctores futuros negabant (comitiorum quibus L. Sextius consul factus erat) . Der Senat hatte vor der Wahl nachgegeben. — Dahin ge- hoͤrt auch die Stelle in der Rede pro domo c. 15. wo durchaus von dcn Patriciern im strengsten Sinn die Rede ist: freylich begeht der halb unterrichtete Rhetor den Feh- ler, der bey ihm nicht auffallen kann, nicht nur die Ent- scheidungen der Centurien, sondern auch die der Curien vor die Patricier gelangen zu lassen. : oder sie reden von den Patres, waͤhrend sie sonst mit der groͤßten Bestimmtheit des Sprachgebrauchs die Verfassung hat er schlechterdings nicht begriffen, und uͤber sie nur Irrthuͤmer begruͤndet. Senatoren als solche so nicht nennen Cicero pro Plancio c. 3. Quod Patres apud majores nostros tenere non potuerunt ut reprehensores essent co- mitiorum. . Ein großer Rath der Patricier war in einer sonst so streng aristokrati- schen Verfassung so unentbehrlich, daß, wenn die Zeug- nisse uns nicht entgegenkaͤmen, wir eine Einrichtung die- ser Art aufsuchen muͤßten: es laͤßt sich nicht denken daß die Mehrheit des Adels auf eine so schwache Ausuͤbung ihrer souverainen Rechte beschraͤnkt gewesen waͤre als den Rittern in den Centuriatcomitien eingeraͤumt war. Ist es nun fruͤher durch sich erlaͤuternde Stellen erwiesen daß die Gemeinde der Curien die Gemeinde der Patricier war Th. I. S. 234. : daß diese sich unter keiner andern Form versam- melten, wie sie sich doch auch nothwendig unter einer her- koͤmmlich bestimmten versammeln mußten, so erhalten die Curiencomitien, deren Bestaͤtigung, wenn auch nur als ein Schattenbild, den Wahlen der Centurien nothwen- dig blieb und die unmoͤglich als Schattenbild angefan- gen haben koͤnnen, eine bestimmte und unzweifelhafte Bedeutung. Fuͤr Gesetze ward diese Bestaͤtigung durch das publilische Gesetz (416) zur leeren Form: fuͤr Wah- len, wahrscheinlich ein halbes Jahrhundert spaͤter, durch das Maͤnische. Wie noch lange nachher das Volk dadurch von dem schon laͤngst ganz anders constituirten Senat ab- haͤngig gehalten ward, daß die Richter in allen bedeu- tenden Civilprozessen aus den Senatoren genommen wurden Polybius VI. c. 17. Τὸ δὲ μέγιςον, ἐκ ταύτης (τῆς Συγ- κλήτου) ἀποδίδονται κριταὶ τῶν πλείςων καὶ τῶν δημοσίων καὶ τῶν ἰδίων συναλλαγμάτων, ὅσα μέγεϑος ἔχει τῶν ἐγ- κλημάτων. , so ist nicht zu bezweifeln daß diese Einrich- tung von der aͤltesten Zeit her bestand: denn in den Ver- aͤnderungen der Verhaͤltnisse des Senats zum Volk war es jener der nach dem natuͤrlichen Gang der Begebenheiten fortschreitend verlohr, nie gewann. Es ist auch klar wie druͤckend diese Abhaͤngigkeit fuͤr die Plebejer war, so lange, kraft der Verfassung des Senats, nur Patricier zu Gericht saßen. Die Gewalt der Consuln war noch vollkommen koͤnig- lich. Von ihrem Vortrag war die Verhandlung aller Sachen im Senat und in der Centuriengemeinde abhaͤn- gig. Sie hatten im Krieg unbeschraͤnkten militaͤrischen Oberbefehl, und es waren ihnen die Mittel dieser Gewalt Gehorsam zu erzwingen uͤbergeben: sie konnten die Aushe- bung, wenn nicht ausdruͤcklich durch tribunicischen Wi- derspruch gehindert, mit strenger Ahndung gegen den Wi- derspenstigen vollziehen: sie waren im Felde unbeschraͤnkte Richter uͤber Leben und Tod. Erscheinen sie auch in den Verhandlungen mit fremden Voͤlkern in unsern Annalen nur, wie ein naͤheres Andenken die Schriftsteller auch fuͤr die alten Tage anzunehmen veranlaßte, in Vollmacht des Senats die Bedingungen der Vertraͤge unterhandelnd, so ist doch diese angebliche Beauftragung so gewoͤhnlich daß man wohl annehmen darf, auch hier sey nur im Verlauf der Zeit Beschraͤnkung einer hoͤheren Gewalt eingetre- ten, und es sey urspruͤnglich den Consuln vermoͤge ihrer Wuͤrde zugekommen die Vertraͤge, mit Vorbehalt der Bestaͤtigung der Republik, festzusetzen. Die Quaͤstoren des Schatzes wurden damals noch von ihnen ernannt, also waren die Gelder des Staats fast ohne Beschraͤnkung in ihrer Gewalt. Noch vereinigten sie mit der Gewalt der obersten ausfuͤhrenden Regierung die censorische und praͤ- torische. Vermoͤge jener verfaßten, wahrscheinlich alljaͤhr- lich, die antretenden Consuln eine Liste des Senats, er- gaͤnzt durch Nahmen ihrer Freunde, und mit Auslassung derjenigen die ihnen mißfaͤllig waren Festus s. v. Præteriti Senatores. . Eben so ward von ihnen die Liste der Rittercenturien, der Klassen, und der plebejischen Tribus verfaßt, und es stand in ihrer Ge- walt hier zu erhoͤhen und zu erniedrigen. Durch diese waren sie die Quelle des Rechts: die Guͤltigkeit der wichtigsten Verhandlungen war davon abhaͤngig daß sie vor ihnen und durch sie in gesetzmaͤßiger Foͤrmlichkeit vollzogen wur- den: sie ertheilten die Richter in Civilprocessen. Sie wer- den aber auch selbst als Richter genannt: und es leidet keinen Zweifel daß sie als Nachfolger der Koͤnige wie diese uͤber alle Vergehungen richteten, von der leichtesten bis zu denen die mit Verlust des Lebens oder der Freyheit geahn- det wurden Terentillus bey Livius III. c. 9. qui — omnes metus legum omniaque supplicia verterent in plebem. . Sie konnten die Unterthanen in den Ker- ker fuͤhren und hinrichten lassen. Diese Gewalt blieb den Dictatoren in ihrem ganzen Umfang, waͤhrend sie den Consuln allmaͤhlich geschwaͤcht oder entrissen ward, und diese Beschraͤnkungen sind es die uns zur Kenntniß der ur- spruͤnglichen Verfassung zuruͤckfuͤhren. Geldbußen sprachen die Consuln noch waͤhrend eines großen Theils dieses Zeitraums ohne Appellation an das Volk aus: und auch das valerische Gesetz wird richtiger mit Dionysius auf die richterliche neben der souverai- nen Gewalt der Consuln, als auf die letzte allein ge- deutet werden. Noch immer blieb so das consularische Gericht die erste Instanz fuͤr die Plebejer: ihre eigene Gemeinde richtete nur auf Appellation: doch war da- durch, und durch den geheiligten tribunicischen Schutz der Blutbann uͤber Plebejer der Gemeinde der Tribus uͤbergeben. Alle Rechte welche das Volk allmaͤhlich erwarb waren schon fruͤher, ja gleich alt mit Rom, in der Patricier Besitz: nur auf der Plebs lasten Dictatur und Consulat, nur sie bedingt sich die Provocation, sie strebt bis in das fuͤnfte Jahrhundert nur nach Erlan- gung derselben Rechte, durch welche der erste Stand von jeher frey war: und so wurden die Patricier ohne Zweifel nur von ihren Standesgenossen in der Gemeinde der Curien gerichtet, und waren gegen Einkerkerung und Verurtheilung zum Tode in dem Sinn gesichert wie es in den goldenen Zeiten der Verfassung jeder Qui- rite war. In der Verfassung und Unabhaͤngigkeit der Gerichte, darin daß jeder von Gleichen gerichtet werde, setzten die alten Voͤlker, wie die germanischen, das Wesen der Freyheit. Daher konnten die Makedonier sich frey nen- nen, wiewohl sie Koͤnigen gehorchten deren Macht in allem was der hoͤchsten Gewalt eigenthuͤmlich ist, unbe- schraͤnkt genannt werden kann. Denn uͤber Leben und Tod richtete nur die Nation: Alexander erschien als Philotas Anklaͤger vor der Armee welche diese in Asien repraͤsentirte, sie sprach das Urtheil Arrian Anab. Alex. 1. III. p. 72. C. ed. Steph. . Daß die Pa- tricier diese Freyheit genossen, daß sie nur von ihrer eig- nen Gemeinde gerichtet wurden, waͤhrend die Plebejer unter der consularischen Macht standen, ist augenschein- lich weil sie mit dem Consulat zufrieden waren. Auch die Koͤnige uͤbten den Blutbann nicht uͤber die Patricier. Schon unter ihnen wurden die Quaͤstoren oder Blutrichter erwaͤhlt Junius Gracchanus bey Ulpian, l. un. D. de officio quæstoris. Livius I. c. 26. Fenestella hatte in den Pon- tificischen Buͤchern gefunden die Provocation sey schon unter den Koͤnigen ausgeuͤbt geworden. Seneca epist. 108. Dies kann nur auf die patricische Freyheit bezogen werden. , deren Verhaͤltniß zu den Angeklagten und zur Gemeinde in die Dichtung von den Horatiern verwebt ist. Die Quaͤstoren thaten den ersten Aus- spruch uͤber Schuld oder Unschuld: ihre Lossprechung befreyte: von ihrer Verurtheilung appellirte der fuͤr schuldig erklaͤrte an die Gemeinde. Sie wurden, jaͤhr- lich zwey, erwaͤhlt: standen nun die Plebejer unter dem koͤniglichen, dann unter dem consularischen Gericht, und waren die Quaͤstoren Vermittler der patricischen Frey- heit, so scheint es nothwendig daß sie nicht allein, wie es aus allen Spuren erhellt, aus, sondern auch nur von den Patriciern gewaͤhlt wurden. Daher erklaͤrt es sich daß, nach Abschaffung der Monarchie, von ihnen das Gesetz uͤber die Beybehaltung dieser Magistratur beschlossen ward Durch eine lex curiata . Tacitus Annal. XI. c. 22. . Daß die Polizey uͤber den plebejischen Stand den Aedilen urspruͤnglich beygelegt, daß ihr Amt gleich alt mit der Anordnung der Plebs als geschlossener Stand ge wesen, scheint nicht zu bezweifeln, weil die Aedilitaͤt in allen latinischen Staͤdten eine einheimische Magistratur, und der wichtigsten eine war, in den Municipien blieb, und auch die plebejische Gemeinde Roms nicht ohne Municipalverfassung gewesen seyn kann. Aber sehr beschraͤnkt war noch die Zahl der Faͤlle wo fremde richterliche Gewalt zur Entscheidung aufgefordert wurde, durch die Selbststaͤndigkeit der kleineren Vereine aus denen der gesammte Staat bestand. Der Vater war Richter des Sohns, der Patron des Clienten: er ahndete an ihm sein eignes Mißfallen, sogar mit To- desstrafe Es ist ein Fall bey Valerius Maximus VI. c. 1. n. 4. von P. Maͤnius, der einen Freygelassenen, weil er die sei- nem Hause schuldige Ehrerbietung verletzt, hinrichten ließ ( in eum animadvertit ). Wir werden uns nicht irren in- dem wir diesen Vorfall in das fuͤnfte Jahrhundert setzen, welches die Zeit der Groͤße der Maͤnischen Familie war: und obwohl hier nur von einem Freygelassenen die Rede ist, so duͤ n wir das Halsrecht des Patrons wohl aus dem all- gemeinen Recht des Patronats ableiten. Die Regel wird nie irre fuͤhren daß urspruͤnglich alle Bande weit fester und : unter sich konnten die Clienten keinen andern Richter haben, und auch fuͤr den dritten gab des Patrons richterliche Macht eine einfachere und schnelle Entscheidung, von der ihm, wenn sie ungenuͤ- gend schien, noch immer die Abrufung der Sache vor ein gewoͤhnliches Gericht offen stand. Was die Volksgemeinde damals nur noch war, an- faͤnglich nichts als eine richtende Versammlung, und erst im Verlauf dieses ersten Zeitraums berechtigt Beschluͤsse zu fassen, die aber noch keineswegs gesetzliche Kraft hatten, sondern nur als Vorstellungen den Senat noͤ- thigten uͤber ihren Inhalt zu beschließen, ist schon oben gesagt worden Th. I. S. 422. Man erlaͤutere sich den Begriff der da- maligen Plebiscite durch Erinnerung an die unterthaͤnigen Vorstellungen der Staͤnde im sechszehnten Jahrhu nde rt, oder sogar des englischen Parlaments in jener Zeit, oder in noch spaͤterer der versammelten Kammern an den Seigneur Roi . ; ich erinnere daran damit es sich der Leser zum Verstaͤndniß der folgenden Geschichtser- zaͤhlung vergegenwaͤrtige. Innere Geschichte von Cassius Tod bis auf das Decemvirat . Ein Grundfehler verderbt Livius Darstellung der gan- zen aͤlteren Geschichte; vor seinem Blick schwebte kaum ein dunkles Bild der urspruͤnglichen Verfassung noch der Ge- stalten welche sie bey den sich folgenden Hauptveraͤn- derungen haͤrter gezogen waren und sich im Verfolg der Zeit immer mehr loͤßten. derungen annahm, und diese fernen Bilder verwechselten sich oder wichen dem der spaͤtesten Zeit. Die aͤlteren An- nalen, geschrieben ehe der Nation und der Verfassung Grundzuͤge verblichen waren, als von dem schon abgestor- benen doch die aͤußere Gestalt oder eine sehr bestimmte Er- innerung noch bestand: und auch unter den juͤngeren die Buͤcher solcher Verfasser, die, wie Licinius Macer, alte Urkunden benutzt hatten, und, als Staatsmaͤnner, das alte Staatsrecht historisch kannten: diese hatte er freylich vor Augen, und hat aus ihnen an nicht wenigen Stellen durch uͤberraschende Bestimmtheit ausgezeichnete Anga- ben entlehnt die so unverkennbar das Gepraͤge der Zuver- laͤssigkeit tragen als sie folgenreich sind. Wo aber Livius, sey es daß er forteilend abkuͤrze, oder daß er rhetorisch ausbilde, sich von dem Buchstaben der Aelteren entfernt, da irrt er ohne einen Pfad zu erkennen, durch Nahmen und Worte verfuͤhrt. So redet er in diesem Zeitraum von Ackergesetzen die von den Tribunen mit Ungestuͤm und Gewaltsamkeit promulgirt seyn sollen. Mit weit groͤßerem Fleiß und muͤhseligerer Sorg- falt, so wie mit ungleich weniger Geist als Livius hat Dio- nysius geschrieben. Ist es an ihm sehr zu tadeln daß er auf den Glauben der weitschweifigeren Annalen den Bege- benheiten einen truͤgerischen Anschein von historischer Be- stimmtheit giebt, und durch Ausfuͤhrlichkeit taͤuscht, so faßt er dagegen die ihm zugaͤnglichen Nachrichten viel sorgfaͤltiger auf, und widerspricht sich nicht, wie es Li- vius so oft thut, vergessend welche Darstellung er fruͤher gewaͤhlt hatte. Ihm verdanken wir die ganz bestimmte Zweiter Theil. B Kunde daß die Tribunen in diesem Zeitraum keineswegs eigene Ackergesetze, wie in den folgenden Zeiten, dem Volk vortrugen, noch die Gemeinde der Tribus sich be- fugt hielt uͤber eine Vertheilung des Gemeinlands, sey es ausschließend oder mit Zustimmung des Senats, zu beschließen. So oft bey ihm von diesen Bewegungen die Rede ist, so oft bezieht er sie, wie mit geflissentli- cher Sorgfalt um den Gedanken an den spaͤteren Gang der Ackergesetze zu entfernen, auf die Nichterfuͤllung der Zusagen des Senats, denen das Volk das cassische Ge- setz aufgeopfert: jenes Senatusconsults, wodurch die Anweisung eines Theils, und die Steuerpflichtigkeit des uͤbrigen von der Domaine verordnet geworden S. Th. I. S. 453. Dionysius VIII. c. 81. c. 87. IX. c. 1. c. 5. c. 17. c. 37. c. 51. ff. . Dieser Darstellung ist es wenigstens verwandt daß auch Livius einmal mit jener ihm eignen schon geruͤgten Vergeßlichkeit, in dem Ackergesetz der Tribunen das cas- sische sieht Livius II. c. 42. Dulcedo agrariæ legis ipsa per se, demto auctore, subibat animos . . Vermuthlich schwiegen die Annalen wel- che er bey diesem Theil der Geschichte zum Grunde legte von dem Senatusconsult woruͤber Dionysius so vieles zu erzaͤhlen weiß, und es scheint, daß neben dieser Erzaͤh- lung eine andre, wenigstens nicht unwahrscheinlichere, galt, nach welcher das cassische Gesetz angenommen wor- den, aber nicht zur Ausfuͤhrung gekommen ist; daß in die- ser als Inhalt des Gesetzes angegeben war was jene als den Inhalt des Senatusconsults meldete. Ein schlimmerer Widerspruch ist es, daß Livius bald, als Aeußerung der Billigeren unter den Patriciern, ge- steht, die Anspruͤche des Volks waͤren gerecht gewesen Ebend. c. 48. , bald das Ackergesetz ein Gift der Tribunen Ebend. c. 52. Tribuni plebem agitare suo veneno, agraria lege . , ihre Opposition eine Stoͤrung des oͤffentlichen Heils schilt Ebend. c. 44. Adversus unum moratorem publici commodi . , und urtheilt, es habe die blinde Wuth der Menge zu er- regen keiner tribunicischen Bestechungen bedurft Ebend. c. 42. Satis superque gratuiti furoris in mul- titudine credentes esse, largitiones, temeritatisque invita- menta horrebant . . Er waͤre entschuldigt wenn solche Aeußerungen nur im Sinn eines Redenden oder des gesammten Senats vorkaͤmen. Wo dieses bey ihm geschieht, wuͤrde eine Ruͤge unbillig seyn, wenn nur auch die bittere Leidenschaft des andern Theils sich dem Leser eben so vernehmlich machte. Es wuͤrde vielmehr Lob verdienen, weil der traͤge oder un- erfahrne Leser sich aus den entwickelten Veranlassungen den Zustand der von Partheyleidenschaften aufgeregten Gemuͤther nicht lebendig vorbilden, also auch diese Stim- mung als wirkende Kraft nicht begreifen kann. Deme- gorieen, aus dem innersten Gefuͤhl des Redenden, er- setzen jene Entwickelungen als etwas weit vollkommne- res. Aber nicht nur sind solche Aeußerungen der ple- bejischen Leidenschaft unendlich seltner eingestreut, son- B 2 dern die haͤrtesten Urtheile erscheinen als des Geschicht- schreibers eigne So hilft es nicht daß in Decius Rede uͤber das Ogulni- sche Gesetz die Indignation eines edeln Plebejers gluͤht, denn nicht diese zeugt von Livius Urtheil, sondern die Aeu- ßerung uͤber die Urheber dieses Gesetzes, sie haͤtten nach Stoͤrung des Friedens, und die Patricier dem Volk zu ver- laͤumden getrachtet. X. c. 6. : und von hier an, waͤhrend der folgenden zwey Jahrhunderte der ersten Decade, bleibt sich Livius Meinung uͤber die innern Zwistigkeiten gleich, entschieden partheyisch fuͤr die Patricier, deren Habsucht und Gewaltthaͤtigkeiten er nicht verhuͤllen kann, gegen die Plebejer deren Dulden und Langmuth er eingestehen muß. Eine Ungerechtigkeit die den Unwillen des Lesers der nach eigner Pruͤfung urtheilt schmerzlich reizt, und der dennoch die Liebe, welche der große Historiker in uns erregt, gern eine Entschuldigung darbietet. Livius war kein Staats- mann, nicht durch sein Gemuͤth, nicht durch sein Leben. Schon seine erste Jugend fiel in die Zeit der Gewalt; er hatte kaum noch als Knabe die Republik gesehen: ein dun- kles Gefuͤhl knuͤpfte an den Nahmen der aristokratischen Parthey die Idee des Republicanismus, weil die Repu- blik durch die welche sich demokratisch nannte umgestuͤrzt war. Livius war Pompejaner, mit einem ganz specula- tiven Gefuͤhl, denn schon der Juͤngling sah die Partheyen nicht mehr; und aus dieser Gunst, je weniger er das gleichbenannte unterschied, ergriff er in der Vorzeit jede Parthey des Senats und der Aristokratie, als seiner Liebe verwandt, nicht eingedenk daß die juͤngste Aristokratie aus dem erwachsen war was er als Volksparthey im Alter- thum schmaͤht, und deswegen haßt weil er die Volkspar- they in den Tagen seiner Vaͤter fuͤr alles Ungluͤck verant- wortlich macht was sich durch sie entschied. Die Plebs des dritten Jahrhunderts muß ihm fuͤr die welche im achten also genannt ward, ihre Tribunen muͤssen fuͤr Saturninus und Clodius, die Ackergesetze der alten Republik fuͤr die der Triumvirn buͤßen: und so wird eines der liebenswuͤr- digsten Gemuͤther, ohne es zu ahnden, im Widerspruch gegen seine innersten und eigentlichen Gefuͤhle, ungerecht gegen die gute Sache, der ungerechten hold. Mag nun der Beschluß uͤber eine gerechtere Ord- nung wegen der Domaine in einem foͤrmlichen Gesetz, oder nur in einem Senatusconsult abgefaßt gewesen seyn, so hatte doch der Senat dem Volk die eingeraͤum- ten Vortheile in unbestreitbar guͤltiger Form bewilligt, und konnte die Ausfuͤhrung seines eignen Beschlusses nicht ohne Wortbruͤchigkeit versagen. Dies feierlich ge- gebne Wort ward gebrochen. Es war verordnet daß die Consuln des folgenden Jahrs (269) die Commissa- rien fuͤr die Abgraͤnzung des Ager Publicus, die Ab- sonderung eines Theils zum Verkauf und zur Assigna- tion, und die Verpachtung des Zehenten, ernennen soll- ten: dies geschah nicht. Die Tribunen mahnten um Ausfuͤhrung der Verordnung. Zur Antwort kuͤndigten die Consuln eine Truppenaushebung an, wodurch die Berathschlagung der Volksgemeinde gehindert ward, in- dem man dazu in dem ganzen Lauf dieser innern Feh- den den Tag waͤhlte worauf diese von den Tribunen an- gesagt war; und die Consuln durch ihre koͤnigliche Ge- walt die heftigsten Mißvergnuͤgten aus der Stadt fuͤh- ren, ohne Sold so lange sie wollten im Felde halten, dem Feinde als Schlachtopfer uͤberliefern Wie es von dem Consul T. Romilius und dem Alttri- bunen L. Siccius erzaͤhlt wird. Dionysius X. c. 44. ff. , oder selbst unter einem Vorwand zum Tode verdammen konn- ten. Wir haben Muͤhe den Greuel zu dem im Alter- thum oligarchische Tyranney stieg zu fassen und zu glau- ben: doch spiegelt er sich in dem Eide der in griechi- schen Oligarchieen von wegen des Staats denen die an der Herrschaft Theil nahmen auferlegt ward: sie woll- ten dem Volke gram seyn, und nach bestem Wissen ra- then was ihm zum Schaden gereiche Aristoteles Politic. V. c. 9. Νῦν μὲν ἐν ἐνίαις ὀλιγαρ- χίαις ὀμνὐουσι, Καὶ τῷ δήμῳ κακόνους ἔσομαι, καὶ βουλεύσω ὅ τι ἂν ἔχω κακὸν . . Haͤtten nun die Soldaten eine sichre Hoffnung gehabt wenigstens was sie erbeuteten ausgetheilt zu erhalten, so wuͤrde die Menge sich schon williger gefunden haben in das Feld zu zie- hen: aber auch hier verkuͤrzte sie der Geiz der Patricier. Die Beute war fuͤr den Staat behalten In publicum redactum . Livius II. c. 42. , ein Aus- druck dessen Sinn sehr unschuldig seyn und nur bedeu- ten koͤnnte daß der fuͤr den Verkauf geloͤßte Ertrag in den Schatz eingezahlt, und zu den Staatsausgaben ver- wandt geworden; wahrscheinlich aber etwas ganz ande- res anzeigt. Die treueste Uebersetzung naͤmlich ist daß die Beute zum Gemeingut eingezogen ward, und da dieses, wie gezeigt ist, nicht von dem gesammten Staat, sondern persoͤnlich von den Patriciern, als aus denen die urspruͤngliche Gemeinde bestand, benutzt ward, so haͤtte nach dieser Auslegung, was das Heer mit Blut und Schweiß erkauft, nur gedient sie zu bereichern. Der Unwille des Volks so oft es geschah, sogar des Geschicht- schreibers Tadel, welcher ungerecht seyn wuͤrde wenn man annaͤhme, es waͤre damit ein andres Beduͤrfniß des Staats bestritten, also eine Kriegssteuer erspart ge- worden, scheinen fuͤr die Zeit der strengen Oligarchie keine andere Auslegung zuzulassen. Die Tribunen machten daher, als in einem außeror- dentlichen Fall, das Recht ihres Standes geltend den Ge- horsam zu verweigern, und die Consuln jenes welches ih- nen im gewoͤhnlichen Gang der Verwaltung unbestritten zukam, die Widerspenstigen mit willkuͤhrlichen Strafen, Pfaͤndung, Verkauf der Habe, Streichen oder selbst mit dem Tode zum Dienst zu zwingen. Die mit Strafe be- drohten fluͤchteten sich unter dem Schutz der Tribunen, deren Macht die Aristokratie, wie sie ihre Entstehung nicht hindern gekonnt, auch nicht mit offenbarer Gewalt zu be- kaͤmpfen wagte. Es war nur die Ueberzeugung von der unbedingten Unterwerfung des Volks unter die gesetzlichen Formen welche ihr Muth gab andre Mittel zu versu- chen. Man kuͤndigte an, der Senat werde einen Dictator proclamiren lassen wenn die consularische Macht unzu- reichend sey: und da, nach dem Buchstaben des Ge- setzes, tribunicischer Widerspruch gegen die Dictatur nichtig, Widerstand Rebellion war, so gaben Tribunen und Volk nach vor der Furcht dieses Nahmens, nicht der vier und zwanzig Lictoren. Mit dieser Erfahrung zoͤgerte der Senat nicht die jaͤhrlich erneuerten Anspruͤche des Volks wiederhohlt mit der naͤmlichen Taktik zu bekaͤmpfen. Wenn die Tribunen hartnaͤckigere Entschlossenheit zeigten, so konnte auch ohne die Dictatur der Buchstabe des Gesetzes diese vereiteln. Der tribunicische Schutz erstreckte sich nur auf die Stadt und eine Bannmillie Livius III. c. 20. Neque enim provocationem esse longius ab urbe mille passuum; et tribunos, si eo adve- niant, in alia turba Quiritium subjectos fore consulari imperio . , daher konnten die Consuln, wenn sie sich außerhalb dieses Bezirks begaben um die Aushebung vorzunehmen (271), mit willkuͤhrlicher Strenge verfahren. Entzog auch der ausbleibende im Umfang des tribunicischen Schutzgebiets seinen Leib ihren Mißhandlungen, so haftete doch seine Habe; alles ward weggenommen oder verbrannt, und wer ergriffen ward buͤßte koͤrperlich Dionysius VIII. c. 87. . So erzwangen die Consuln wohl den augenblicklichen Gehorsam der Furcht: aber ein willi- ger und freudiger Dienst ließ sich nicht erzwingen: die Ar- mee wollte nicht siegen (273), und wich vor dem schon ge- schlagenen Feinde zuruͤck Livius II. c. 43. . Es hatte in diesem Jahre noch mehr erbittert daß Schlauheit den tribunicischen Schutz vereitelt hatte, als fruͤher, wenn offenbare Gewalt angewandt war: und das Volk glaubte sich selbst, wenn auch auf unerlaubten Wegen helfen zu muͤssen, da es sich von einem Theil seiner eignen Repraͤsentanten verrathen fand. Die Patricier gewannen einige aus dem Collegium, deren Gegenintercession das Veto desjenigen aus ihrer Mitte aufhob der, seiner Pflicht treu, die Ausfuͤhrung des Ackergesetzes zur Bedingung des plebejischen Gehor- sans machte Derselbe ebendas. und c. 44. . Eine verderbliche List, welche das Wesen der tribunicischen Gewalt aͤnderte, und die heil- same Milderung der Volksleidenschaften durch eine ver- mittelnde Macht aufhob, zwischen der und dem Senat, sobald dieser die Eintracht wollte, eine friedliche Verstaͤn- digung mit gegenseitiger Nachgiebigkeit leicht bewirkt werden konnte. Auch blieb den weiseren Patriciern die Verschlimmerung der Gaͤhrung nicht verborgen: die stol- zen Fabier ahndeten daß sie zu weit gegangen waͤren, und, nach dem etruskischen Siege des Jahrs 274, einem Siege, so theuer erkauft, daß, wer es mit dem Va- terlande wohl meinte, fuͤhlen mußte Rom habe keine Kraͤfte zu verschwenden oder zu vernachlaͤssigen, suchten sie die Eintracht durch Liebe herzustellen. Der Consul M. Fabius vertheilte die verwundeten Plebejer zur Pflege und Heilung in die patricischen Haͤuser: das fabische Geschlecht nahm fuͤr sich die groͤßte Zahl: und sorg- same Pflege, vielleicht um so mehr als Wohlwollen eben des Geschlechts, mit dem das Volk am hartnaͤk- kigsten gehadert hatte, unerwartet seyn mochte, ge- wann das ehrliche Gemuͤth der braven Soldaten so sehr daß alle Herzen der Plebejer sich den Fabiern zuwand- ten Livius II. c. 47. . Ein edelmuͤthiger Aristokrat der durch Liebe im Volk herrschen kann, wird leicht dessen Freund wer- den: das waͤre ein ganz verwelktes Herz welches allge- meine Liebe nicht erwiederte. Die Fabier vertraten nun die plebejische Sache im Senat, und erklaͤrten die Aus- fuͤhrung des Ackergesetzes fuͤr die heilsam nothwendige Be- dingung der Eintracht: dafuͤr nannte die herrschende Par- they sie Verraͤther Ebendas. c. 48. . Der Entschluß ihres Geschlechs das Fort an der Cremera zu besetzen, erklaͤrt sich vielleicht hinreichend aus andern sehr einfachen Gruͤnden: wie es aber eigentlich eine Auswandrung und Gruͤndung einer Colonie war, so mag auch der Unmuth uͤber ihrer Mit- staͤnde Ungerechtigkeit, und den heillosen innern Zustand der Republik ihren Haͤuptern Rom verleidet haben. Caͤso Fabius, der Consul, durch den jener Antrag geschehen war, fuͤhrte selbst seine Geschlechtsgenossen noch in dem Jahre seines Consulats aus der Stadt. Unter diesen Bewegungen hatte das Volk einen Vor- theil gewonnen, von dem die Geschichtschreiber welche al- lein gelesen werden schweigen, und dessen Andenken sich nur bey einem sehr unscheinbaren und demuͤthigen, unter einem Reichthum andrer gleich unersetzlicher Notizen, uͤbersehen oder verschmaͤht erhalten hat. Schon im Jahr 272 ward nachgegeben, daß, da bisher beyde Consuln von den Machthabenden ernannt waren, einer von beyden durch das Volk mit freyer Wahl aus den Patriciern er- kohren werden solle; es hatte dies benutzt und Sp. Fu- sius zum Consul des Jahrs 273 erwaͤhlt. So lautet die Nachricht des Zonaras Zonaras VII. c. 17. Χρόνῳ δέ ποτε — οὐκ εἴων καὶ ἄμ- φω τȣ`ς Ὑπάτȣς ἢ Στρατηγȣ`ς ὑπὸ τῶν δυνατῶν ἀποδείκνυ- ϑαι, ἀλλ̕ ἤϑελον καὶ αὐτοὶ τὸν ἕτερον ἐκ τῶν Εὐπατριδῶν αἱρεῖσϑαι. ὡς δὲ τȣ῀το κατεργάσαντ ο , προείλοντο Σπȣ´ριον Φȣʹριον. Ich habe diesen Byzantiner schon fruͤher, und werde ihn noch haͤufig mit großem Vertrauen und Dankbarkeit anfuͤhren. Es ist bekannt, daß seine aͤltere roͤmische Ge- schichte, von Aeneas bis auf die Zerstoͤrung Korinths, das letzte Drittheil des ersten Tomus nach seiner eignen, das siebente bis zum neunten Buch nach Du Fresnes Abthei- lung, nichts als ein Auszug aus den verlohrnen Buͤchern des Dio Cassius ist: ein Auszug worin er, wie Konstan- tins Eklogen darthun, haͤufig die Worte seines Originals beybehalten hat, wo er durch Auslassen hinreichend abkuͤr- zen konnte; oft aber auch, wie die hoͤchst vulgaͤre und feh- lervolle Sprache beweißt, eine eigne Einkleidung giebt. Jenes ist zum Gluͤck an allen Stellen wo er von der Ver- fassung redet, im Wesentlichen unvermeidlich fuͤr ihn gewe- sen, weil er von allem dem woruͤber er schrieb nichts wei- ter gewußt zu haben scheint als was vor ihm lag. An Verfaͤlschung ist bey ihm nicht zu denken. Es ist ein großer Nachtheil daß sein Werk nur fuͤr die Zeiten beach- tet geworden ist wo uns andre Nachrichten fast ganz feh- len. Jene drey Buͤcher haͤtten dem Dio Cassius vorgedruckt : welches, wie wir wis- sen, nur Dios Erzaͤhlung, durch ihn uͤberbracht, seyn kann, uͤberbracht mit treuer Einfalt: und Dio kannte die roͤmische Verfassung in jeder ihrer Perioden ohne allen Vergleich schaͤrfer als irgend ein Historiker des augusteischen Zeitalters: stets folgt er ihren Verwand- lungen mit sorgfaͤltiger Aufmerksamkeit. Er war Se- nator und Staatsmann, er lebte in dem Zeitalter der hoͤchsten Bluͤthe des buͤrgerlichen Rechts; die Kriegsge- schichte schrieb er mit seltnen Abweichungen nach Li- vius, die politische hat er sichtbar ganz aus den aͤlteren und schon versaͤumten Annalen ausgearbeitet. Diese Machthabenden sind nicht die Patricier als Stand, welche gleich nachher mit dem bey diesem Schrift- steller gewoͤhnlichen correcten Wort als Eupatriden ge- nannt werden, sondern der Senat, von dem gleich zuvor auf dieselbe Weise die Rede war ο ἱ δυνατοὶ — πολέμȣς ἐκ πολέμων ἐπίτηδες ἐκίνουν. : das Volk aber ist hier die Gemeinde der Centurien. Es hat eine innere Conse- quenz welche unwiderstehlicher Beweis ist, daß der Senat, wie die Gesetze so die Candidaten, dem in den Centurien versammelten Volk durch ein Senatusconsult προβȣʹλευμα. zur Annahme vorschlug. Es war der erste Keim der Freyheit daß dieser Nationalgemeinde wenigstens das Recht der werden sollen, und es waͤre ein wahres Verdienst einen ein- fachen Abdruck des ziemlich unverdorbnen Textes der Pari- ser Ausgabe zu veranstalten, wodurch sie allgemeiner ver- breitet wuͤrden. Der Rest seiner Annalen ist fast ganz ent- behrlich, und kann ohne Schaden in seiner Dunkelheit blei- ben. — Zonaras schrieb um die Mitte des zwoͤlften Jahr- hunderts, und das ist keine traͤumerische Hoffnung, was er in Haͤnden hatte moͤchte auch noch jetzt irgendwo verborgen liegen. Er selbst hatte von Dio nur was er in Auszug brachte; wie es mir scheint die ersten zwanzig Buͤcher. Verwerfung gegeben war, wenn sie auch weder Maͤnner noch Maaßregeln ihrer eigenen Wahl aufstellen konnte, und durch wiederholtes Verwerfen ermuͤdet, oder dabey bedroht, sich dem Willen der Regierung endlich fuͤgen mußte. Die Freyheit begann zu athmen als eigene Wahl, zwar nur eines der beyden Consuln, und immer eines Pa- triciers, aber eines freundlich gesinnten, den der Senat nie vorgeschlagen haͤtte, dem Volk freygegeben war. So gewann des Volks Wohlwollen Wichtigkeit fuͤr den Patri- cier der hohe Ehren wuͤnschte. Fuͤr den andern Consul blieb es bey der alten Ordnung bis zum Decemvirat: fuͤr das Jahr 283 ward Appius Claudius durch Senatsbe- schluß zum Consul vorgeschlagen Dionysius IX. c. 42. Ἄππιον Κλαύδιον — προεβȣʹ- λευσἀν τε καὶ ἐψηφίσαντο ἀπόντα ὕπατον. Den urspruͤng- lich gesetzlichen Gang aller Wahlen die der Centurienge- meinde eingeraͤumt waren, bezeichnet eine andre Stelle, X. c. 4. ὔτε βȣλῆς δόγμα ὑμᾶς ἀποδείκνυσιν ἐπὶ τὴν ἀρχὴν, οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ- ρουσιν. Sie ist erweisend fuͤr die allgemeine Regel, ob- gleich nur halb richtig fuͤr den Gegenstand wovon dort die Rede ist: denn darauf kann man freylich schwoͤren daß die Volkstribunen, als sie noch von der Nationalgemeinde er- waͤhlt wurden, doch nie vom Senat vorgeschlagen waren. : eine Nachricht welche von Dionysius abgerissen, aber unzweydeutig, und durch jene voͤllig erklaͤrt, gegeben wird. Hieraus erklaͤrt sich in seinem Ursprung das Recht des vorsitzenden Con- suls Stimmen fuͤr einen Candidaten nicht anzunehmen. Das neue Recht, das erste welches die harte Oligarchie des Senats in ihrer Consequenz zerriß, ward vermuthlich eingeraͤumt um den Widerspruch der Plebejer gegen einen Kriegszug zu heben. Eine Oligarchie die zuruͤckweicht ist schon uͤberwunden, wie lange auch noch ihr Widerstand fortgesetzt werden mag: und das roͤmische Volk siegte ge- gen die Patricier wie die Nation uͤber Italien, durch un- verdrossene Beharrlichkeit im unscheinbaren geringen An- fang, durch hartnaͤckige Anstrengungen um anscheinend geringe erste Vortheile, durch rasches Ergreifen des guͤn- stigen Augenblicks, ausdauernde Geduld, und Sorge nur nicht zuruͤckgedraͤngt zu werden in schwierigen Zeiten, end- lich durch vervielfachtes Aufbieten lange gesammelter Kraft, als die Fuͤlle der Zeit gekommen war, durch Be- festigung des entscheidenden Siegs, und ruhiges Ein- erndten seiner unbedeutenderen Fruͤchte. Das Ungluͤck des vejentischen Kriegs, wodurch die Republik in den folgenden Jahren niedergedruͤckt ward, beschaͤftigte alle Gemuͤther durch das Gefuͤhl gegenwaͤrti- ger Noth, und es ward, so lange diese waͤhrte, nicht uͤber den Besitz von Fluren gestritten, die in der Gewalt des Feindes waren. Eben dieses Ungluͤck ward aber Veran- lassung daß die tribunicische Gewalt aus einer Ohnmacht und Unthaͤtigkeit erwachte worin sie seit Jahren versunken war. Die Tribunen des Jahrs 278 forderten von dem Altconsul T. Menenius das Blut der Fabier, welche er, wie es schien, haͤtte retten gekonnt, und, mit naͤherem und unbestreitbarem Recht, das Blut so vieler Plebejer, die in einer durch seine Schuld erlittenen schimpflichen Niederlage umgekommen waren. Hieruͤber konnte der Volksgemeinde das Gericht nicht entzogen werden. Es war aber den Tribunen weniger um den Untergang des Angeklagten zu thun, als darum daß ein Vorgang dieses Recht des Gerichts wieder in Kraft setze, welches seit Co- riolans Anklage geruht zu haben scheint; deswegen ward die Mult von ihnen so niedrig geschaͤtzt daß die Patricier, welche wenigstens eben so sehr nach dem Gelde als nach der Ehre urtheilten wo sie ihre aͤußersten Kraͤfte zum Wi- derstand aufbieten muͤßten, der Sache mit groͤßerer Lau- heit zusehen moͤchten, und das Volk sich nicht durch Mit- leiden von der Verurtheilung zuruͤckhalten lasse. Die Mult ward nur auf 2000 Assen geschaͤtzt, aber die Ver- dammung zerriß das Herz des Ungluͤcklichen unheilbar: er starb am Gram. Im folgenden Jahr (279) sprachen die Tribus den Consular Sp. Servilius auf eine gleiche tribunicische Anklage frey: weil, in der verzweifelten Lage des Staats, auch ein ungluͤcklicher Erfolg eine gewagte Unternehmung nicht verdammen durfte. Als nun die Befugniß der Tribunen, Patricier vor das Volksgericht zu rufen, aufs neue factisch anerkannt war, versuchten sie es sich ihrer Schrecken zu bedienen, damit das Schicksal bestrafter Consuln ihren Nachfolgern zur eignen Angelegenheit mache die alten Zusagen des Senats nicht laͤnger unerfuͤllt zu lassen. Fuͤr die Nichter- fuͤllung des Ackergesetzes waren, wie der Tribun Cn. Ge- nucius (281) erklaͤrte, alle Consuln verantwortlich die seit Sp. Cassius den curulischen Thron eingenommen: weil die Commissarien deren Ernennung damals den fol- genden Consuln befohlen worden, nie ernannt waͤren. Er wolle dies aber nur an denen des zunaͤchst vergangenen Jahrs, L. Furius und A. Manlius, ahnden, welche er demnach vor das Volksgericht citirte Dionysius IX. c. 57. Livius II. c. 54. Der letzte uͤber- geht den Gegenstand der Anklage. . Es ist nicht gemeldet, worauf der Tribun die Anklage richtete; damit sie nicht zum zwecklosen und wilden Streit werde, forderte sie wohl nur Geldstrafe. Dieser Anklage nun konnten die Patricier nichts entgegensetzen als die unredliche Ausrede wodurch die Consuln des damaligen Jahrs die Forderun- gen des Tribuns abgewiesen, und ihn grade zu heftigeren Schritten gezwungen hatten: jener Senatsbeschluß habe nur die naͤchsten Consuln verpflichtet, — von denen wenig- stens Q. Fabius schon im Grabe lag — jetzt sey die Sa- che veraltet. Genucius hatte der Volksgemeinde geschwo- ren seine Anklage sich nicht entreissen zu lassen: seine Col- legen waren unerschuͤtterlich und unbestechlich wie er. Die Verurtheilung der Angeklagten war gewiß: eine Frevelthat, die ein schreckliches Licht auf den Zustand der Zeiten wirft, vereitelte das Gericht. Schon lange war das Volk versammelt, mit den uͤbrigen Tribunen; man harrte auf den ausbleibenden Anklaͤger. Endlich ward ge- melder er liege todt in seinem Hause. Es war kein Tod von der Hand des Schicksals. Livius, nach dessen Vor- urtheil sonst die Rechtlichkeit wenigstens so sehr als das Recht bey den Patriciern war, muß den Glauben wel- chen die Umstaͤnde dieses Todes aufdringen, durch das einstimmige Zeugniß der Annalen bestaͤtigt gefunden ha- ben, weil er gar keinen Zweifel uͤber veruͤbten Meuchel- mord mord zulaͤßt Dionysius sagt hier, im Zusammenhang der Geschichte, es habe sich an der Leiche keine Spur eines gewaltsamen Todes gefunden ( IX. c. 37.). An einem andern Ort hin- gegen redet er von der Ermordung des Genucius ( X. c. 38.). Ihm geschieht es sehr selten daß er sich widerspricht: also mag jene Stelle nur andeuten sollen was sie buchstaͤblich sagt, nicht daß Genucius in der That natuͤrliches Todes gestorben waͤre. Mir scheint hier eine Erinnerung an des juͤngeren Scipio Tod dem Dionysius oder einem seiner Annalisten vorgegaukelt zu haben. . Es fließt aus dieser gewissen Ueberzeu- gung, wenn er erzaͤhlt wie eine teuflische Freude uͤber den Mord laut ausgebrochen sey: wie jeder Patricier, auch wer der That fremd gewesen, sich der Mitschuldigkeit ge- ruͤhmt habe: fuͤr historische Ueberlieferung darf das nicht gelten, und nicht den ganzen patricischen Stand mit dem Vorwurf des Mords belasten. Auch die Kraft der Erbitterung womit das Volk un- mittelbar nachher, unter der Fuͤhrung des Tribunen Vo- lero Publilius, jene entscheidende Veraͤnderung der Ver- fassung errang, welche den Comitien der Tribus eine Ini- tiative in der Gesetzgebung einraͤumte; auch diese deutet hier auf ein Verbrechen, welches als das meuchlerische Werk feiger Wuth seinen Urhebern nur Schande und Schaden bringen konnte. Unmittelbar nach dem Morde singen die Consuln an Soldaten auszuheben, wiewohl alles friedlich war: ohne von den Tribunen, die fuͤr ihr Leben zitterten, Widerstand zu erfahren. Volero Publilius ward von ihnen als Ge- Zweiter Theil. C meiner aufgerufen; er hatte als Offizier gedient, und fuͤhlte diese Herabsetzung als schnoͤdes und geflissentli- ches Unrecht Dionysius nennt diesen Publilius einen Mann von niedri- ger Herkunft: wahrscheinlich ohne einen andern Grund als den bey ihm herrschenden Wahn die Plebs habe aus dem ar- men Volk bestanden. Man moͤchte vielmehr aus dem spaͤte- ren Glanz des publilischen Geschlechts auf das Gegentheil schließen, so weit plebejische Haͤuser ausgezeichnet seyn konn- ten so lange ihnen die ersten Wuͤrden verschlossen waren. Doch war auch sein Verdienst hinreichend um seine Nach- kommen zu erheben. . Er rief vergebens zu den zagenden Tri- bunen um Schutz: er fand diesen bey der Menge, die ihn den ausgesandten Lictoren entriß: der Aufstand ward allgemein und wuͤthend: die Consuln entsagten ihrem Feldzuge. Fuͤr das folgende Jahr (282) ward Publilius zum Tribun des Volks gewaͤhlt. Man hatte erwartet daß er seinen eignen Zwist durch Anklage der Consuln raͤchen wuͤrde; das verschmaͤhte er: dieselben Anstrengungen welche ihre Verurtheilung erfordert haͤtte konnten einen wesentlichen und entscheidenden Sieg gewinnen. Es war unstreitig ein Recht der Plebejer zu bestimmen, in welcher Form sie die ihnen ausschließlich eigenthuͤmlichen Aemter vergeben wollten. Die Tribunen waren dem Volk als Repraͤsentanten der Klassen zugestanden; daher, und nach der Analogie der consularischen Wahlen, wurden sie ur- spruͤnglich von den Centurien ernannt, und, gleich den Consuln, von den Curien bestaͤtigt Dies sagt ausdruͤcklich die schon angefuͤhrte Stelle, in den . Dieses ist, schon vor Alters, dahin mißverstanden worden daß sie durch die letzten erwaͤhlt waͤren: eine widersinnige Erzaͤhlung; als Vorwuͤrfen der Consuln an die Tribunen, bey Dionysius X. c. 4. οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ- ρȣσιν: sie stimmen nicht uͤber euch: nicht : sie erwaͤhlen euch nicht. Haͤtte er das letzte sagen wollen, er, dessen Sprachgebrauch vollkommen correct ist, er wuͤrde geschrie- ben haben ὑμᾶς χειροτονȣ῀σιν. Denn der von ihm gebrauchte Ausdruck kann dieses nicht bezeichnen. Dadurch berichtigt sich erweißlich das Mißverstaͤndniß uͤber die angebliche Wahl der Tribunen durch die Curien bey Dionysius IX. c. 41. und Cicero; wie ich es vermu- thete (S. Th. I. Zusatz zu S. 424.). Ich darf wohl Ver- zeihung fordern wenn in dem Aufraͤumen dieses Schutts einiges uͤbersehen ist, wie dieses entscheidende Zeugniß. Haͤtte ich es fruͤher gehoͤrig gefaßt, so wuͤrde eine schwan- kende Darstellung der Curien, der schwaͤchste Punkt des er- sten Theils, die Consequenz des Entwurfs der Grundver- fassung, und ihre einleuchtende Evidenz nicht gestoͤrt haben. Ich glaubte naͤmlich anfangs Dionysius Zeugniß uͤber die Wahl der Tribunen durch die Curien nicht beseitigen zu koͤnnen, und diese Erzaͤhlung, mit Livius ( II. c. 56.) ver- bunden, zwang mich fuͤr die Plebejer und fuͤr die Clienten einen Platz in den Curien zu suchen (Th. I. S. 234.) ob- wohl ich nach der Macht aller uͤbrigen Zeugnisse gezeigt und behauptet hatte, urspruͤnglich sowohl als spaͤter waͤren die Curien die Gesammtheit und Gemeinde nur der patricischen Gentes gewesen. Diese Ansicht stelle ich jetzt ohne irgend einige Beschraͤnkung auf, und nehme alles zuruͤck was in jener accommodirenden Darstellung ihr entgegen ist. Die neuen Centurien des Koͤnigs Tarquinius sind den Curien zuverlaͤssig ganz fremd geblieben: vielmehr scheint C 2 ob es denkbar waͤre, daß die Gemeinde der Patricier den Plebejern ihre Repraͤsentanten gewaͤhlt, und so un- gluͤcklich gewaͤhlt haͤtte daß sie sich Jahr fuͤr Jahr ihre eigenen bittersten Feinde ernannt. In den Centurien waren die Clienten nicht ausgeschlossen, also die plebe- jischen Wahlen nicht ungestoͤrt Res — (die publilische Rogation) — quæ patriciis om- nem potestatem per clientium suffragia creandi, quos vel- lent, tribunos auferret. Livius II. c. 56. , wiewohl es sicht- bar falsch ist zu sagen die Patricier haͤtten durch sie Tribunen ihrer Wahl ernannt: auch die Negative der Curien hinderte die Wahlen im plebejischen Sinn nicht: es waͤre wohl zu bedenklich gewesen, sie hartnaͤckig aus- zuuͤben: doch war es recht und billig daß die plebeji- schen Wahlen ganz frey wurden. Publilius stellte die Rogation auf, daß diese hinfort durch die Tribus ge- schehen sollten. Vergebens suchten die Patricier mit al- ter List das Collegium zu trennen: kein Tribun gewaͤhrte ihnen seine Intercession. Die Patricier versuchten also mir der Ursprung jener darin zu suchen daß sie nach dersel- ben Regel wie die patricischen Centurien oder Tribus der Gentes (γενικαὶ φυλαὶ; Dionysius IV. c. 14.) in dreyßig Tribus, wie diese in Curien eingetheilt wurden. Diese Vermuthung vollendet, wie es scheint, die Consequenz und Analogie der aufgestellten Geschichte der plebejischen Frey- heit: zuerst waͤren die latinischen Ritter zu einer Corpora- tion erhoben worden, dann die uͤbrigen Freyen. Diese waͤ- ren ihnen in den Tribus zugesellt geworden: in der Centu- rienverfassung waͤre noch das Andenken des Unterschieds ge- blieben. eine neue Taktik der Gewaltsamkeit: sie vertheilten sich mit ihren Clienten auf dem Forum, uͤbertaͤubten die Verhandlungen, hinderten mit offenbarer Gewalt die Abstimmung, und vereitelten so das ganze Jahr hin- durch alle Versammlungen der Gemeinde. Beyde Staͤnde bereiteten sich fuͤr das folgende zur Entscheidung: das Volk erwaͤhlte Publilius aufs neue, mit gleich standhaf- ten Collegen; die Patricier vergaßen auch diesesmal daß der Hochmuth und die Unerbittlichkeit des ersten Appius ihrem Stande die bestrittnen Vorrechte nicht erhalten, sondern ihre Aufopferung demuͤthigend gemacht hatte. Die Wahl des Appius Claudius zum Consulat, als Can- didaten des Senats, ward erzwungen Livius II. c. 56. Dionysius IX. c. 42. . Neben der erneuerten publilischen Rogation ward jetzt auch ihre Ausdehnung auf die Wahl der Aedilen promulgirt Dionysius IX. c. 43. , welches die Sage widerlegt daß diese an- faͤnglich nur Diener der Tribunen gewesen, da man doch wohl annehmen muß auch diese Veraͤnderung sey von Uebertragung der Wahlen von den Centurien auf die Tribus zu verstehen. Aber ohne Vergleich wichtiger war eine neue Rogation: eine Erklaͤrung, die Plebs sey be- fugt abgesondert von den Patriciern, in der Gemeinde der Tribus, uͤber alle Gegenstaͤnde des oͤffentlichen Wohls zu berathschlagen und zu beschließen Zonaras VII. c. 17. ἐξεῖναι τῷ πλήϑει καὶ καϑ̕ ἱαυτῷ συνιέναι, καὶ ἄνευ ἐκείνων (τῶν Εὐπατριδῶν) βουλεύεσϑαι, καὶ χρηματίζειν πάνϑ̕ ὅσα ἂν ἐϑελήση. Dionysius IX. . In jenen Comi- tien war die Plebs unabhaͤngiger als in den Centurien, wo die patricischen Rittercenturien die erste, und daher eine sehr entscheidende Stimme, obwohl mit einer klei- nen Zahl, gaben: weit nachtheiliger aber war es daß in den Centurien auch die Clienten stimmten, wenn sie steuerpflichtiges Eigenthum besaßen, und die censorische Willkuͤhr der Consuln mit diesen, nur unter der Ver- pflichtung der Steuerzahlung, nach einer Vermoͤgens- schaͤtzung welche kein Tribun zu pruͤfen und zu verwer- fen im Stande war, die ersten Klassen anfuͤllen, und die Comitien beherrschen konnte. Waͤren aber auch die Centurien eine so rein plebejische Gemeinde gewesen wie sie es nach dem Sinn ihrer Errichtung seyn sollten, so waren sie doch den Tribunen geschlossen: denn nur die c. 43. Προςγράφοντες — καὶ πάντα τὰ ἄλλα ὅσα ἐν τῷ δήμῳ πράττεσϑαί τε καὶ ἐπικυροῦσϑαι δεήσει ὑπὸ τῶν φυ- λετῶν ἐπιψηφίζεσϑαι κατὰ ταὐτό. Livius hat grade dieses Hauptstuͤck der publilischen Rogationen uͤbersehen, und haͤlt nur die Form der tribunicischen Wahlen im Auge. Uebri- gens beruht die Notiz daß die Erklaͤrung uͤber das Delibe- rationsrecht der Tribus spaͤter vorgeschlagen sey als die Veraͤnderung der Wahlen, auf der factischen Autoritaͤt der Annalen, welche in solchen Faͤllen sehr zweifelhaft ist, ge- gen die innere Wahrscheinlichkeit daß beyde ein gleichzeitig aufgestelltes Ganzes ausgemacht haͤtten. Das unzweydeutigste Zeugniß uͤber diese von den Alten selbst fast ganz uͤbersehene und mißkannte aͤußerst wichtige Veraͤnderung ist jenes eben angefuͤhrte des Zonaras; und es ist ein sehr unverdaͤchtiges: Wahrheit aus dem Munde des Unmuͤndigen. Consuln konnten ihnen vortragen, und den Tribunen war ohne Zweifel so wenig als andern Buͤrgern gestattet in dieser das Heer darstellenden Versammlung auch nur zu reden. Es war also unmoͤglich, so lange es keine andre gesetzmaͤßig berechtigte fuͤr Berathschlagungen der Plebejer gab, Beschluͤsse zu fassen welche die Beduͤrfnisse und Forderungen ihres freyen Standes ausdruͤckten. Auch nach der Annahme der publilischen Gesetze waren diese Plebiscite noch immer weit entfernt von der Kraft und Guͤltigkeit welche sie im Fortgang der Entwicklung der Verfassung gewannen. Sie waren aber doch schon nicht weniger als eine Bill, welche durch das Haus der Gemeinden gegangen ist: kein Gesetz, bis sie von den mitwirkenden Zweigen der Gesetzgebung angenommen worden, aber, als die Willensaͤußerung des zahlreichsten Theils der Nation, sobald von dringenden Forderungen die Rede ist, nur in sehr ruhigen Zeiten ohne Erschuͤtte- rung abzuweisen. Es erhellt aus der Geschichte dieser Nogationen selbst Dionysius IX. c. 49. Das Icilische Gesetz X. c. 32. Die Rogation des C. Terentillus X. c. 48. In der Nach- richt uͤber die Vermehrung des tribunicischen Collegiums X. c. 30. erscheint die spaͤtere gesetzliche Form, welche ihr der Erzaͤhler gegeben haben kann. , und andern verwandten Vorfaͤllen aus diesem Zeitraum, nach ihrer Annahme, daß ein Ple- biscit nur dadurch Gesetz ward daß sein Inhalt, in einem Senatusconsult verfaßt, den Centurien vorgetragen ward, worauf dann die Curien ihre Bestaͤtigung geben mußten: folglich mußte eine tribunicische Rogation uͤber allgemeine Gegenstaͤnde der Legislation durch vier Ver- sammlungen angenommen seyn, ehe sie Gesetz ward. Wie die Verfassung aus der Oligarchie zur Politie, und von dieser in Demokratie uͤberging, indem die Zahl der berath- schlagenden Pruͤfungen vermindert ward, und zuletzt die Gemeinde der Tribus ganz unabhaͤngig und alleinherr- schend uͤbrig blieb, werde ich bey der naͤchsten Veraͤnde- rung der nun festgesetzten Ordnung darstellen. Wenn gleich in Zonaras Erzaͤhlung der inneren Vor- faͤlle dieser Zeit Verwirrung der Zeitordnung unverkenn- bar ist, und es zweifelhaft scheint ob man eine andre Ro- gation hoͤchst wichtigen Inhalts, deren er mit den publi- lischen gedenkt, zu ihnen zaͤhlen duͤrfe, so gehoͤrt sie doch wenigstens in diese Jahre, und zu den wesentlichsten Er- oberungen fuͤr die plebejische Freyheit. Das Recht der Provocation von den consularischen Urtheilsspruͤchen an die Gemeinde ward auf alle ausgesprochene Strafen aus- gedehnt Zonaras VII. c. 17. Κᾄν τις ἐπ̕ αἰτίᾳ τινι παρὰ τῶν Στρατηγῶν προςτιμωϑῇ, ἔκκλητον ἐπὶ τȣʹτοις τὸν δῆμον δι- κάζειν ἔταξαν. : und das ist der Anfang der Gerichtsbarkeit der Tribus wie sie in der folgenden Zeit ausgeuͤbt ward. An dem Tage der Volksversammlung der fuͤr die Ab- stimmung anberaumt war, verbreiteten sich die Patricier, noch immer waͤhnend sie koͤnnten an der Spitze ihrer Clienten dem Volk mit Gewalt widerstehen, auf dem Fo- rum: und die Consuln, vermoͤge ihres Rechts zur Ge- meinde zu reden, widersprachen den Antraͤgen. T. Quinc- tius, von einem nichts weniger als der Demokratie guͤn- stigen Geschlecht, aber durch die Erfahrung belehrt die Gewalt des Strohms werde nur reissender wenn man ihn aufzuhalten versuchen wolle, suchte die Gemuͤther zu ge- winnen und abzulenken: Appius Claudius redete hoͤhnend und veraͤchtlich. Der Tribun M. Laͤtorius, dem der Ur- heber der Gesetze ihre Verhandlung eingeraͤumt hatte, for- derte die Patricier auf sich mit den Ihrigen zu entfernen, damit die Tribus zur Stimmengebung zusammentreten koͤnnten: eine Forderung welche in allgemein anerkanntem Voͤlkerrecht gegruͤndet war, weil die Fremden sich aus je- der Gemeinde entfernen mußten ehe man die Stimmen sammelte, und die Patricier mit ihrem Anhang fuͤr die Plebejer nicht weniger Fremde waren als diese ihnen. Seine Aufforderung fand keinen Gehorsam, und ihre Aus- fuͤhrung Widerstand. Appius nannte es eine tolle Ver- messenheit des Plebejers Gewalt gegen Mitglieder des er- sten Standes zu verfuͤgen, denen er nicht zu gebieten habe: ein Tribun sey nichts mehr als jeder andre Unterthan, ja sein eigner Stand brauche ihm nur nach Willkuͤhr zu ge- horchen. Er befahl seinen Lictoren den Laͤtorins zu ver- haften. Dieser erwiederte die Beleidigung durch einen gleichen Befehl gegen den Consul. Die Lictoren suchten den Tribun zu ergreifen, das Volk draͤngte sich um ihn zusammen, die Steckenbuͤndel der Lictoren wurden ihnen entrissen und zerbrochen: es ward allen sichtbar daß wenn die Patricier eine gewaltsame Entscheidung herbeyriefen, ihr Untergang unvermeidlich war. Sie fluͤchteten vom Forum: dies genuͤgte den Tribunen. In der Versamm- lung des Senats trug der Consul T. Quinctius auf die Genehmigung der Rogationen an, und die Mehrheit, williger mit Schande als mit Freundlichkeit nachzugeben, stimmte nach seinem Vorschlage. In der Erzaͤhlung die- ser Vorfaͤlle wird die foͤrmliche Fassung des Beschlusses in der Volksgemeinde uͤbergangen, wohl aber, von Diony- sius, die Annahme des Senatusconsults durch die Centu- rien, als Gesetz, angedeutet Dionysius IX. c. 49. ἐπικυρωϑέντος τȣ῀ προβȣλεύματος — ὁ δῆμος ἐπεψήφισε τὸν νόμον. . In allen Freystaaten welche sich nicht ganz demokra- tisch regieren, so daß die Laune und das gleich wandel- bare Interesse des Augenblicks Regenten ernennt die kein andres als dieses fluͤchtig wechselnde System kennen und befolgen, vererben sich bey angesehenen Geschlechtern der Vorfahren Grundsaͤtze auf den spaͤten Enkel als ein heili- ges Vermaͤchtniß. Den Abtruͤnnigen straft die oͤffentliche Meinung, selbst der geheime Tadel der Parthey welche ihn gewinnt, und es ist dieses Band wodurch Verfassun- gen Dauer erhalten welche sonst einer ewigen Wandelbar- keit hingegeben zu seyn scheinen. Denn der Nationalgeist, wiewohl er, als bewußtlos, die maͤchtigste und reinste Ge- waͤhr der Fortdauer urspruͤnglicher Eigenthuͤmlichkeit ist, aͤndert sich unvermerkt und oft bis zur voͤlligsten Revolu- tion der Gesinnungen: in einer ernsten Nation kann auf ihrer ganzen Oberflaͤche Leichtsinn ausbrechen. Daher waren den Stiftern der Demokratieen im Alterthum die Verbindungen der Geschlechter und Familien, die Be- schraͤnkung des Buͤrgerrechts auf Eingebohrne, verhaßt: sie untergruben und zerstoͤrten sie offen und geflissentlich. Unter den Roͤmern hingegen herrschte die Einheit der Vorfahren und der Nachkommen, also daß eines Hauses Leben in der Republik war wie eines einzelnen Mannes, selbst bis in die Zeiten allgemeiner Verdorbenheit hin- ab. Ein Valerius, der Zeitgenosse und Unterthan Do- mitians, trug in seinem Gewissen die buͤrgerliche Religion seiner Ahnen: und als sich plebejische Geschlechter erho- ben bewahrten sie mit gleicher Treue den Charakter des Stifters ihres Adels. Der Urenkel empfing die Grund- saͤtze seines Ahnherrn als Gesetz, und seine großen Gedan- ken zur Ausfuͤhrung. So vollendete der Dictator Q. Pu- blilius was der Tribun vier Menschenalter vor ihm begon- nen hatte, und seine Gesetze verliehen den Comitien der Tribus, die sein Ahnherr in das Leben gerufen hatte, ihre volle Freyheit: der Verfassung vielleicht die hoͤchste Voll- endung: denn wiewohl die Gestalt worin sie bis zum Un- tergang der guten Tage, die Bewunderung des weisen Augenzeugen Polybius und auf ewig der Nachwelt, be- stand, in wesentlichen Stuͤcken durch die Gesetzgebung des folgenden Zeitalters bestimmt worden, so ist doch an die- ser, was nicht Entwicklung der publilischen Gesetze war, mehr als unvermeidlich zu entschuldigen, als zu loben. Durch die ganze Geschichte der plebejischen Kaͤmpfe in der Verfassung bewaͤhrt sich jene Erblichkeit der Familien- grundsaͤtze. Mehr als vierhundert Jahre nachdem L. Si- cinius die tribunicische Gewalt fuͤr das Volk gewonnen, war es ein Tribun gleiches Nahmens der sie von Sullas Nachfolgern wieder zu fordern zuerst wagte: von einem Tribunen der ersten Zeit bis auf C. Macer sind die Lici- nier die Vorkaͤmpfer des Volks; jener Maͤnius, welcher den Curien die letzten Reste der Herrschaft entriß, handelte wie sein Vorfahr der die Erfuͤllung des ersten Ackergesetzes mit Todesgefahr forderte: ein Junius Brutus, ein De- cius werden unter den ersten Tribunen als die Haͤupter ihres Standes genannt. Ein ruhiger Friede zwischen den Staͤnden konnte die Folge eines Gesetzes nicht seyn, welches dem zweyten Stande grade die Befugniß gab seine Forderungen mit Kraft und Bestimmtheit zu aͤußern. Es mußte sich jetzt eine neue Verfassung bilden, wenn auch die Patricier end- lich den Beschluß uͤber die Domaine ausgefuͤhrt, und nicht auch die Fesseln dieses Vertrags abzuwerfen ge- sucht haͤtten. Es gehoͤrt fuͤr die Geschichte der Kriege, wie Appius Claudius, durch tyrannische Mißhandlungen die Demuͤ- thigungen raͤchend welche er vor der Volksversammlung erfahren hatte, die Armee zur Verzweiflung, und zu Ver- gehungen brachte welche allerdings nicht ohne die harte Strafe hingehen konnten womit er sie ahndete. Unzer- trennlich von diesen Vorfaͤllen ist die Geschichte seiner An- klage vor dem Volk: alles zeugt von der wuͤthenden Er- bitterung beyder Partheyen, und einer unbestreitbaren Uebermacht der Plebejer welche nur durch eine fast un- glaubliche gesetzliche Maͤßigung zuruͤckgehalten ward. Un- erklaͤrlich wuͤrde es seyn wie dennoch die Patricier es wagen konnten fortwaͤhrend das unzweydeutigste Recht zu versagen, und die kleine Zahl gegen die jetzt zu einer maͤch- tigen Einheit verbundne Menge persoͤnliche Gewaltthaͤtig- keiten uͤbte, wenn nicht der Besitz der hoͤchsten Gewalt und Regierung an sich eine in alle Verhaͤltnisse eingrei- fende und viele tausend Einzelne uͤberwaͤltigende Macht waͤre, die gewoͤhnlich, wenn auch nicht durch ein stehen- des Heer geschuͤtzt, nur wenn sie uͤber ihre eigne Macht irre wird, ohne Gewaltsamkeit faͤllt. Sich keine Gewaltsamkeit zu erlauben war, so lange der Staͤnde Mißverhaͤltniß waͤhrte, eine unverbruͤchliche Maxime des Volks, und dieser Tribunen deren Nah- men Wohlgesinnte und Uebelmeinende zur Bezeichnung verwuͤstender Demagogen mißbraucht haben. Den fried- lichen Charakter ihrer Widersetzung bezeichnet das Wort Sedition, Absonderung. Der Roͤmer strenge Religiositaͤt hemmte die Ausbruͤche des Unwillens gegen die Personen des herrschenden Priesterstands: die hoͤchsten Wuͤnsche konnten nur fordern von ihm nicht unterdruͤckt, und ihm buͤrgerlich gleich zu seyn; nie, nach der griechischen Re- publiken Art, Rache zu nehmen und zu vertilgen. Ein Jahrhundert verging, nachdem schon der Freyheit Grund gelegt war, ehe der einzelne Plebejer sich dem Patricier ganz gleich fuͤhlte. Persoͤnliche Verbindungen und Ruͤck- sichten mochten manche Tribunen und viele aus der Ge- meinde laͤßig machen: und der roͤmische Charakter der Bedaͤchtigkeit und Vorsicht, wie er sich neben Kuͤhnheit und Ausdauer in den Kriegen zeigt, machte auch die Fortschritte der Freyheit sehr langsam. Die Fuͤhrer des Volks ließen jedes neuerworbene Recht zur Gewoͤhnung werden ehe sie weiter hinaus neue Eroberungen versuch- ten. So vergingen neun Jahre nach der Annahme des publilischen Gesetzes in den fruchtlosen gewoͤhnlichen Zwi- stigkeiten uͤber die Domaine, ehe die Tribunen die neu erworbnen Vorrechte der Plebs zu großen Zwecken be- nutzten. Aus zwey ganz abgesonderten Voͤlkern Dionysius nennt, in der Geschichte dieses Zeitraums, die Staͤnde Voͤlker: τὰ ἔϑνη. X. c. 60. beste- hend, die sich, wiewohl in einer Stadt vereinigt, frem- der waren als viele weit entfernte, indem nicht einmal Eherecht sie verknuͤpfte Welches doch zwischen den roͤmischen Patriciern und den Sabellern von Maleventum bestand, ohne Zweifel nur dem Adel, und allgemein mit dem sabinischen Adel. S. Festus s. v. Numerius. , bildeten die damaligen Roͤ- mer noch keine buͤrgerliche Einheit; es waren nur noch Patricier und Plebejer, keine roͤmische Buͤrger. Jede Erweiterung der plebejischen Rechte, wie sie so nothwen- dig als gerecht war, erweiterte doch die Spaltung, und ohne eine Gesetzgebung die im ganz entgegengesetzten Sinn die Staͤnde sich naͤherte und verband, ging Rom unvermeidlich einem Buͤrgerkriege entgegen, wenn auch das plebejische Gemuͤth seinen Ausbruch noch eine Zeit- lang aufhielt. Das natuͤrliche und allenthalben sicht- bare Streben der Plebejer ging dahin die Trennung zu heben, und ihren Stand mit den Patriciern zu einem Volk zu verbinden. Noch war die Aussicht zu entfernt voͤllige Isegorie zu erwerben: aber auch Isonomie war ein dringendes Beduͤrfniß Dionysius X. c. 1. Ich nehme, nach ihm, den oft . Wie die Grundgesetze der Verfassung in den etruskischen Ritualbuͤchern ge- schrieben standen, so scheint es mir daß niemand der das Wesen religioͤs als aus einer Offenbarung nieder- geschriebener Gesetze kennt, bezweifeln koͤnne daß die etruskischen heiligen Schriften, gleich den mosaischen und indischen Gesetzbuͤchern, das buͤrgerliche Recht ne- ben dem Ritual und den Verfassungsgesetzen enthalten haben werden. Dieses Recht aber mußte sich nothwen- dig auf die patricischen Geschlechter und ihre Schutz- verwandten beschraͤnken. Wie spaͤterhin die Ertheilung der Civitaͤt das buͤrgerliche Recht eines Municipiums nicht aͤnderte, wenn dieses nicht freywillig das roͤmi- sche annahm, so, und noch vielmehr befanden sich die Plebejer außer dem Umfange dieses etruskischen der Pa- tricier. Da nun aber die plebejischen Staͤmme aus vie- len Gemeinden erwachsen waren, unter denen sehr ab- weichende Rechte gelten mochten, und aus vielen Ein- zelnen deren Gemeinden vernichtet, oder die von ih- nen abgerissen waren, so mußte hieraus eine immer wachsende Verwirrung des Rechts entstehen: und diese Rechte waren sicher nur herkoͤmmlich erhalten, nicht auf- gezeichnet. Es wird nicht irrig seyn anzunehmen, daß die Verschiedenheit des buͤrgerlichen Rechts zwischen den beyden Staͤnden nicht weniger nachtheilig empfunden ward als die Verwirrung desselben unter den Plebejern. Haͤtte von Alters her fuͤr die plebejischen Grundstuͤcke ein Commercium mit den Patriciern bestanden, so wuͤr- schwankenden Sinn des Worts ἰσηγορία, fuͤr politische Gleichheit, ἰσονομία fuͤr Einerleyheit der Gesetze. den jene gegen die Mitte des vierten Jahrhunderts wohl nicht so ausschließlich in den Haͤnden der Plebejer ge- wesen seyn Siehe die Th. I. S. 451. angefuͤhrte Stelle des Livius IV. c. 48. . In dem Criminalrecht mochte die Ver- schiedenheit des Rechts noch nachtheiliger seyn. Auffallend waͤre es also nicht daß das Volk auf eine allgemeine Gesetzgebung mit einer nicht geringeren Heftigkeit drang als ob es die unmittelbare Sicherheit und das Vermoͤgen jedes Einzelnen betraͤfe, wenn man auch der Rogation des Tribunen C. Terentillus Arsa (292) keinen groͤßeren Zweck einraͤumen wollte als die Abfassung der Gesetztafeln, in deren Inhalt man gewoͤhn- lich nur Privatrecht, ohne einige Abaͤnderungen im Staatsrecht, sucht. Aber weder koͤnnen diese Gesetze sich auf jenes beschraͤnkt haben, noch that es der Tri- bun, noch je eine andre Nomothesie des Alterthums. Dionysius, der den Sinn und Zusammenhang die- ser Begebenheiten sehr sorgfaͤltig und bestimmt aufge- faßt hat, nur, mit einer unwesentlichen Verschieden- heit, als den Urheber der Rogation den Tribun A. Vir- ginius nennt, und sie in das folgende Jahr 293 setzt, meldet, es sey dadurch angetragen worden, die gesetz- liche Volksversammlung solle zehn verstaͤndige und ver- traute Maͤnner erwaͤhlen, Gesetze fuͤr das Staatsrecht und Privatrecht fuͤr alle Buͤrger zu schreiben, den Obrig- keiten und dem Buͤrger zur Richtschnur X. c. 3. . Er verkennt es es nirgends daß von dieser Rogation die Ernennung der Decemvirn und ihre Beauftragung ausging: ihrer Gesetzgebung Gegenstaͤnde dadurch bestimmt waren. Die gesetzliche Wahlgemeinde ist offenbar die der Centurien, und so erscheint der Vorschlag gar nicht auf eine ein- seitige Handlung der Tribus gerichtet, sondern, wie es den damaligen Plebisciten angemessen ist, als eine resol- virte Vorstellung der Plebejer an den Senat. Bey Livius ist alles verwirrt, doch so daß es sich durch Dionysius Darstellung aufloͤßt. Er beschraͤnkt die Rogation des Terentillus auf die consularische Macht, und nach ihm ward dem Volk vorgeschlagen selbst fuͤnf Maͤnner zu ernennen um diese gesetzlich zu begraͤnzen III. c. 9. : weiterhin redet er von dem Gesetz welches die inneren Un- ruhen erregte bestaͤndig als von einer Erneuerung des terentillischen III. c. 10. 31. , und doch ist dies auch fuͤr ihn das naͤmliche woraus, nur in einer veraͤnderten Form, die Ernennung und der Beruf der Decemvirn hervorging III. c. 31. . Man koͤnnte vermuthen die urspruͤngliche Rogation des Terentillus sey von Livius richtig angegeben, und diese durch die spaͤtere des Virginius zu einem groͤßeren Umfang erweitert geworden: doch wahrscheinlicher ist hier Ver- wirrung, und die Erwaͤhnung des Vorschlags daß die Plebs fuͤnf Gesetzgeber ernennen solle, ist wohl das Fragment einer Notiz daß schon vom Anfang gleiche Repraͤsentation beyder Staͤnde im Decemvirat gefordert Zweiter Theil. D ist. Auch kann es dem Sinn nach nicht unrichtig heissen wenn Livius die Gesetzgebung fuͤr das Staats- recht nur auf das Consulat bezieht. Nicht sowohl durch den Senat litt das Volk, als durch die unmaͤßige und tyrannisch mißbrauchte consularische Gewalt. Wirklich ward diese wenige Jahre nach der Decemviralgesetzge- bung wesentlich vermindert und eingeschraͤnkt: und es kann wohl nicht fuͤglich bestritten werden, daß es we- nigstens eben solche Beschraͤnkungen waren welche die Tri- bunen forderten, auch nicht wegen der alten Geschicht- schreiber Stillschweigen behauptet diese Veraͤnderungen waͤren nicht schon durch die zwoͤlf Tafeln wenigstens ana- logisch verordnet worden, wenn gleich sie erst mehrere Jahre spaͤter zur Wirklichkeit kamen. Diese Schrift- steller konnten freylich die zwoͤlf Tafeln lesen, und hat- ten sie auch wohl einmal gelesen, aber fuͤr die Geschichte versaͤumten sie es sie zu benutzen. Nun ist es sehr moͤg- lich daß allerdings ein großer Theil des darin auf- gestellten Staatsrechts etwas ganz anderes anordnete als die consularische Verfassung unter diesem Nahmen und dieser Gestalt, und dies wuͤrde es erklaͤren warum so gar kein Gebrauch davon fuͤr die Geschichte gemacht ist. Endlich koͤnnen wir auch wohl nicht einraͤumen daß die Plebejer, wenn sie durch diese Rogationen Isegorie forderten, sich begnuͤgt haͤtten, Milderung der consulari- schen Gewalt in der Patricier Haͤnden zu bezwecken, und nicht schon nach der Theilung mit ihrem Stande getrach- tet, in der Form der bisherigen Verfassung oder in einer anderen weniger monarchischen. Es bedarf keiner Entwickelung der Gruͤnde welche den Senat zu der heftigsten Opposition gegen diese Ro- gation bestimmten. Zwar haͤtte auch die Annahme des Volks ihr nicht den gesetzlichen Charakter gegeben, dem nur eine wahre Empoͤrung den Gehorsam verweigern konnte, wie Plebisciten im Zeitalter der Gracchen: zwar ward sie nie zum Gesetz, und konnte nie ausgefuͤhrt werden, wenn der Senat sie nicht genehmigte und sie der Nationalgemeinde und dem großen patricischen Rath nicht vortragen ließ: aber es war nur zu leicht moͤglich daß neue Unruhen mit einer zweyten Auswanderung des Volks geendigt haͤtten, worin der Staat untergehen, oder Nachgiebigkeit gegen jede Forderung nicht vermieden werden konnte. Alles lag daran Zeit zu gewinnen, und die Sache veralten zu lassen. Es war unmoͤglich die In- tercession eines Tribunen zu gewinnen: die Urheber der Rogation wurden jaͤhrlich wiedergewaͤhlt, und verbanden sich einander eidlich als ein Mann zu handeln. Wun- derzeichen wurden dahin gedeutet daß innere Unruhen dem Staat mit Untergang drohten, das Volk ward ge- warnt sich nicht zu versuͤndigen: aber die Tribunen er- wiederten mit ihres Standes Beyfall, nicht der welcher etwas gerechtes und heilsames fordere sey fuͤr die Un- ruhen verantwortlich welche aus der halsstarrigen Ver- weigerung entstehen moͤchten. Die Patricier erneuerten daher das System dessen ungluͤcklicher Erfolg bey dem publilischen Gesetz sie haͤtte warnen sollen. Den Wider- spruch der Consuln hoͤrte die Gemeinde gesetzlich und gelassen, wenn auch daruͤber der Tag verstrich, und eine D 2 neue Versammlung auf die dritte Nundine anberaumt werden mußte. Aber waͤhrend der Versammlung ward das Volk von den Patriciern mit dem Gefolge ihrer Clien- ten, die sich auf dem Forum vertheilt hatten, gestoͤrt, beleidigt, verhoͤhnt, gemißhandelt, und das Zusammen- treten der Tribus mit Gewalt verhindert. Nur Scheu fuͤr das Andenken der Vorfahren scheint die Geschicht- schreiber von dem Bekenntniß zuruͤckzuhalten, es sey da- mals oft in der Stadt und auf dem Forum mit den Waf- fen gefochten worden Man sehe Livius Erzaͤhlung III. c. 11. Sæpe pulsi foro tribuni, fus ac fugata plebs est. . Unzweydeutig hat von der Wildheit dieser Zeiten Dio Cassius geredet, der keineswe- ges geneigt war die Suͤnden der republikanischen Zeit mit Schonung zu verdecken. Nach ihm scheuten die Patricier offenbaren Kampf, aber sie befreyten sich durch Meuchel- mord von den gefaͤhrlichsten unter ihren Gegnern Zonaras I. c. 17. Οἱ Εὐπατρίδαι φανερῶς μὲν οὐ πάνυ ἀντέπραττον, πλὴν βραχέων· λάϑρα δὲ συχνȣ`ς τῶν ϑρασυτάτ ν ἐφόνευον . Also nicht Genucius allein. . Der Anfuͤhrer jener Gewaltthaͤtigkeiten, und daher seines Standes Liebling, war Caͤso Quinctius, stolz und gefuͤrchtet durch den in Kriegen wohl erworbnen Ruhm ausgezeichnetes Muths. Waͤre auch die Beschuldigung welche seine Verurtheilung entschied, durch ein unverdaͤch- tiges Urtheil fuͤr erdichtet erklaͤrt, so konnte sie doch nur dadurch allgemeinen Glauben gefunden haben daß damals Mißhandlungen bis zu toͤdtlicher Verwundung gegen ver- haßte Maͤnner aus dem Volk, und bandenweises Umher- streifen der jungen Patricier mit einer Schaar ihrer Clien- ten nichts unerhoͤrtes waren. Solche Frevel sind in Grie- chenland haͤufig, oft die Veranlassung des Umsturzes der Oligarchieen gewesen Aristoteles Polit. V. c. 10. Namentlich fuͤr di Pontali- den zu Mitylene. ; und selbst in dem demokrati- schen Athen verleitete seine hohe Geburt nicht weniger als uͤbermuͤthiges Kraftgefuͤhl Alkibiades zu aͤhnlichen Zuͤgellosigkeiten. Caͤso ward (293) wegen Verletzung der beschwornen Volksfreyheiten und Beleidigung des geheiligten Charak- ters der Tribunen, auf den Tod angeklagt. Zu spaͤt demuͤ- thigte sich der Schuldige, und vergebens suchten er und seine Angehoͤrige, der Plebejer Haͤnde kuͤssend und ihre Kniee umfassend, diejenigen zu ruͤhren, denen er mit je- der hoͤhnenden Mißhandlung, wie Unfreyen, begegnet hatte. Nur des Vaters, L. Quinctius Cincinnatus, Tu- genden konnten Caͤso vor dem Volk zu Gut kommen, und die Tribunen waren nicht gefuͤhllos fuͤr sie: denn es war kein geringes daß ihm vergoͤnnt ward Sicherheit fuͤr seine Erscheinung am Tage des Gerichts zu stellen, da sonst die Strenge des Gesetzes die Verhaftung des wegen Mord An- geklagten befahl oder rechtfertigte. Denn ehe der Ge- richtstag kam, war jener neue Zeuge der Gewaltsamkeiten des unbaͤndigen Juͤnglings aufgetreten, ihn anklagend, daß er an der Spitze eines ihm ergebnen Haufens einen kranken Plebejer so gemißhandelt daß dieser von den Schlaͤgen und Wunden seinen Geist aufgegeben habe. Mit Muͤhe entrissen die Tribunen den Angeklagten der Wuth des ergrimmten Volks: sein Schicksal war ent- schieden, und ohne den Spruch der Gemeinde zu erwar- ten begab er sich zu den Tuskern. Zehn Buͤrgen hatten mit 30000 Assen seine Erscheinung am Gerichtstage zuge- sagt: es wird den Tribunen vorgeworfen daß sie diese Summe mit Haͤrte von seinem Vater eingefordert haͤtten, dem, da er also voͤllig verarmt, nichts als eine Huͤtte mit vier Jugern jenseits der Tiber uͤbrig geblieben sey. Mir scheint es daß die Tribunen mit sehr grundloser Gehaͤssigkeit fuͤr des großen Mannes Ungluͤck verantwort- lich gemacht werden. Einmal war ohne Zweifel die Buͤrgschaft, wie eine Mult, nicht der Volkscasse sondern den Goͤttern verfallen; die Tribunen waren nicht be- fugt sie zu erlassen, vielleicht nicht einmal das Volk: dann, wie ehrwuͤrdig auch der Vater, so schuldig war der Sohn, selbst wenn das Zeugniß des Volscius falsch gewesen seyn sollte, und ein strenges Beyspiel war un- vermeidlich um die Ruhestoͤrer zu schrecken. Endlich ist es wohl mehr als wahrscheinlich daß dieser Fall viel- mehr zu denen gehoͤrt wo es, wenn die Umstaͤnde in Vergessenheit gerathen waren, der Parthey, die sich ih- rer Handlung zu schaͤmen hatte, gelungen ist den boͤsen Schein auf ihre Widersacher zu bringen. Vom Vater koͤnnen die Tribunen die Buͤrgschuld nicht eingefordert haben, sondern nur von den Buͤrgen: es war aber wie Polybius sagt bey den alten Roͤmern unerhoͤrt etwas zu schenken Polybius XXXII. c. 13. , und so sind es diese, doch gewiß auch Patricier, gewesen, welche ihren Verlust als eine Schuld- forderung an den Vater, unerbittlich beygetrieben ha- ben. In einem aͤhnlichen Fall kaufte der Senat aus dem Schatz die confiscirten Guͤter verurtheilter Schul- diger fuͤr sie zuruͤck Dionysius X. c. 42. : niemand haͤtte es hindern ge- konnt wenn fuͤr den ehrwuͤrdigen Cincinnatus ein aͤhn- liches geschehen waͤre. Im Jahr 294, dem welches auf Caͤsos Verurthei- lung folgte, ward die Stadt in einer Nacht mit Ent- setzen aus dem Schlaf geweckt. Das Capitol, fest wie jeder Tempel des Alterthums, und die Burg, keine Fe- stung, nur der unzugaͤnglichste der roͤmischen Huͤgel, waren uͤberrascht, und die Fliehenden welche sich aus dem Blutbade gerettet hatten, wußten nur zu erzaͤhlen daß Feinde, aber Roͤmer, den festesten Theil der Stadt eingenommen hatten. Die Patricier argwohnten eine Empoͤrung der Plebejer: das Volk eine Verschwoͤrnng der Patricier um ihren verbannten Liebling Caͤso mit Gewalt zuruͤckzufuͤhren, und die erlangten Vorrechte des Volks abzuschaffen. Geruͤchte solcher Absichten hatten die Gemuͤther schon fruͤher mit Verdacht erfuͤllt, und wenn wir den Annalen glauben duͤrfen daß die Tribu- nen dem Senat angezeigt, es sey ihnen bewußt daß eine Verschwoͤrung bestehe Caͤso mit Bewaffneten in die Stadt aufzunehmen Dionysius X. c. 9. ff. , so koͤnnen wir darin unmoͤg- lich eine Arglist erkennen, vielmehr dringt sich die Ver- muthung auf daß was jetzt geschah eben das fruͤher an- gekuͤndigte Unternehmen war. In so abweichenden Be- sorgnissen bewaffneten sich die verschiedenen Gegenden der Stadt die damals noch groͤßtentheils abgesondert von den drey Staͤnden bewohnt wurden: man ruͤstete sich zur einzelnen Vertheidigung in den Straßen und von den Daͤchern; aber weder die Consuln wagten das Volk zu den Waffen zu rufen, noch vertraute das Volk seine Wohnungen zu verlassen. Als es Licht geworden, entdeckte man den Feind, der sich zu schwach gefuͤhlt hatte den ersten Schrecken seiner Erscheinung zu be- nutzen. Roͤmische Verbannte, und Sklaven, zusammen viertausend Mann, unter dem Befehl eines Appius Her- donius welcher ein Sabiner genannt wird, — von Dio- nysius ein vornehmer Sabiner welcher eine große Anzahl Clienten zu diesem Wagestuͤck aufgeboten hatte Dionysius X. c. 14. συνήϑροιζε τȣ`ς πελάτας. —, wa- ren es, die in der Stille der Nacht durch das stets offne Karmentalische Thor den Capitolinischen Huͤgel uͤber- rascht hatten. Von der Hoͤhe riefen sie die Sklaven auf zur Empoͤrung. Gelang dies nicht, und ihr Auf- ruf hatte keinen Erfolg, so hofften sie sich so lange zu behaupten bis eins der benachbarten Voͤlker die Gele- genheit ergreifen wuͤrde die Stadt von der Burg her einzunehmen. Kein Heer stand gegen Rom im Felde, auch bewog der unerwartete Vortheil weder die Vejen- ter ihren Waffenstillstand zu brechen, noch die Volsker in das Feld zu ziehen; so daß dieser Ueberfall offenbar ein bloß von den Verbannten gewagtes Unternehmen war, bey dem auf fremde Huͤlfe nur als auf das aͤußerste Huͤlfsmittel der Noth gerechnet ward. Aber die Zahl der Verbannten, waͤre sie auch die kleinere des ganzen Hau- fens gewesen, ist auffallend; denn Rom in dem histori- schen Zeitalter zaͤhlte deren weniger als eine kleine grie- chische Republik. Sie laͤßt auf eine Wuth und einen Umfang der Unruhen oder auf eine Strenge der Ge- richte schließen welche die Geschichte kaum andeutet: oder waren viele der Ungluͤcklichen fluͤchtige Schuldner? Oder waren es zum Theil Soͤhne der ausgewanderten Anhaͤnger des letzten Koͤnigs? In griechischen Republi- ken und Italiens Mittelalter begleiteten nicht selten die Enkel alter Verbannter die Fahnen derer die durch eine Spaltung unter den Nachkommen der Parthey vertrie- ben waren, welche ihre Vorfahren aus dem Vaterlande verjagt hatten; Dante focht neben den Gibellinen. Im Elend und der Landfluͤchtigkeit haͤtten sich wohl Caͤso und ausgestoßene Tribunicier vereinigt. War Caͤso un- ter den Landesfeinden, wie das Geruͤcht fruͤher gemur- melt hatte? Kaum laͤßt sich daran zweifeln, die Chro- niken scheuten des Vaters Manen. Als die Gefahr enthuͤllt, und nicht mehr furchtbar war, versammelten die Consuln die Buͤrger unter den Waffen. Da wagten es die Tribunen zu fordern daß zuvor ihr vorgeschlagnes Gesetz angenommen werde, ehe sie gestatten wollten daß das Volk zu den Fahnen des Consuls schwoͤre. Ungeziemend wie der Augenblick war, so war er dies doch mehr als gefaͤhrlich; ein immer wach gehaltenes Mißtrauen ließ sie nicht uͤbersehen, wel- cher Gefahr das Volk hingegeben sey wenn sich alle zum militarischen Gehorsam eidlich verbunden haben wuͤr- den: denn ein Eid war dem Roͤmer mehr als alle zwingende Gewalt: und dieses Mißtrauen sah keine Ge- spenster. Sie wichen aber der Zusage des Consuls P. Valerius, dessen Nahme seinem Worte hoͤheren Glau- ben gab, es solle die Abstimmung nicht mehr gehindert werden, sobald die Burg frey seyn werde, wenn sie nur in der Versammlung Vorstellungen uͤber das schaͤd- liche des Gesetzes anhoͤren wollten Die Abweichungen der beyden vollstaͤndigen Geschicht- schreiber koͤnnen nur selten angedeutet werden. In Livius sind allenthalben die verschiedenartigen Fragmente des alten Stoffs durch die Widerspruͤche selbst sichtbar; der Grieche hat sie verarbeitet, und sehr oft eine nur taͤuschende Har- monie daruͤber verbreitet. Doch scheint es nicht daß die un- gleich groͤßere Wahrscheinlichkeit seiner Erzaͤhlung ( X. c. 15.) des innern Zwists waͤhrend dieser Gefahr sie ver- daͤchtig machen duͤrfe: denn die des Livius, nur vorurtheils- vollem Hasse glaublich, hat vielmehr den Anschein von die- sem auch ersonnen zu seyn. — Zonaxas setzt das Abentheuer des Appius Herdonius nach Cincinnatus Dictatur ( VII. c. 18.) eine Verschiedenheit die nicht als Verwirrung uͤber- sehen werden darf. . Ciaudius be- setzte die Mauern und Landstraßen gegen aͤußere Feinde: Valerius stuͤrmte das Capitol mit den Buͤrgern und einer tusculanischen Legion welche der Dictator L. Mami- lius unaufgefordert Rom zu Huͤlfe gefuͤhrt hatte. Die Eingeschloßnen wehrten sich verzweifelt, und erst als ihr Geschoß, und was sie darin verwandeln konnten, er- schoͤpft war, gelang es den Stuͤrmenden, nach sehr gro- ßem Verlust, die Hoͤhe des Huͤgels zu erreichen. Noch mußten sie den Tempel einnehmen der mit gleicher Hart- naͤckigkeit vertheidigt ward. Der Consul Valerius drang zuerst hinein, und fiel an der Spitze seiner Truppen. Fast alle Abentheurer, deren keiner Verschonung zu hof- fen hatte, starben mit den Waffen in der Hand, unter ihnen ihr Anfuͤhrer Herdonius: die Gefangenen wurden hingerichtet. Der Tod des Consuls gab einen Vorwand mit ge- wohnter Unredlichkeit seine Zusage, als nur persoͤnlich gegeben, zu brechen. Die Wahl seines Nachfolgers ward auf Cincinnatus geleitet, der seine Wuͤrde mit den Gefuͤhlen eines erbitterten Vaters und eines stolzen Pa- triciers antrat, der in den Vergehungen seines verur- theilten, vielleicht durch Verzweiflung in die eben ver- tilgte Verschwoͤrung hineingerissenen, und ehrlos umge- kommenen Sohns, eigentlich nur das uͤberschrittene Maaß tadelte. Er trug sich mit einem verwegnen Plan die Constitution durch eine Gegenrevolution mit scheinbarer Achtung der dem Roͤmer so ehrwuͤrdigen Formen dahin zuruͤckzufuͤhren, wo sie vor der Auswandrung des Volks gestanden hatte. Als der feind in der Stadt war hat- ten alle Buͤrger den Soldateneid geschworen, der sie verpflichtete dem Consul unbedingt zu gehorchen, und ihm zu folgen wohin er sie fuͤhren wollte. Kraft dieses Eids verordnete Cincinnatus, unter dem Vorwand eines Kriegs gegen die Aequer, daß ein allgemeines Aufge- bot sich ruͤsten solle ins Feld zu ziehen. Der Krieg war kaum ein Vorwand, der Zweck, das Volk vom Schutz der Tribunen zu entbloͤßen. Die Comitien der Centu- rien waren das Bild eines Heers, und versammelten sich stets außer den Mauern auf dem inaugurirten Mars- felde. Ein gesammter Heerbann, an einem Ort ver- sammelt der gehoͤrig inaugurirt war, konnte unstreitig als Versammlung der Centurien handeln: erst spaͤt, nach einem noch unregelmaͤßigeren, und doch von den Pa- triciern gutgeheissenen Beyspiel, wurden militaͤrische Comitien durch ein weises Gesetz verboten Im Jahr 398. Livius VII. c. 16. . Denn da die Soldaten dem Consul unbedingten Gehorsam ge- schworen hatten, und er berechtigt war diesen im Felde durch unbeschraͤnkte Strafen zu erzwingen: da die Tri- bunen damals außer Rom und dem Weichbilde der Stadt ohnmaͤchtig waren: so war eine solche Volksver- sammlung ganz willenlos, und ein fuͤrchterliches Werk- zeug der Consuln. Zu dieser Zeit haͤtte die Anwesen- heit der Tribunen sie nur dem Zorn des Consuls Preis gegeben: spaͤterhin scheint dieses veraͤndert geworden zu seyn; die Gegenwart der Tribunen im Heer der un- gluͤcklichen Consuln Postumius und Veturius, welche mit den Consuln, den Quaͤstoren und den Kriegsbefehlsha- bern, den Samnitern die Erfuͤllung der Friedensbedin- gungen verbuͤrgten, laͤßt schließen, daß sie damals (433) von Amtswegen die Consuln ins Feld begleiteten um auch da dem Misbrauch der Gewalt vorzubeugen. Um die Form voͤllig zu beobachten ward den Augurn auf- getragen am See Regillus ein Feld fuͤr die Comitien zu inauguriren, und es ward laut gesagt daß es die Absicht sey gleich nach den Comitien einen Dictator zu ernennen, welcher in der Stadt mit derselben unbe- graͤnzten Hoheit gebieten, und die Ausfuͤhrung der neuen Gesetze uͤbernehmen werde. Daß der Staat in dem Kampf der alten Formen mit einem Streben nach Freyheit welches mit jedem Sieg zu groͤßerer Aufloͤsung fuͤhrte, der Zerstoͤrung ent- gegen ging, und die Form nicht dauernd bestehen durfte welche sich in unmittelbaren Beduͤrfnissen und gegen- waͤrtiger Nothwendigkeit gebildet hatte: dies empfanden beyde Staͤnde, obwohl sie daraus ganz entgegengesetzt folgerten. Die Plebejer, daß ihre Freyheit vollendet, die Patricier daß ihre alten Rechte hergestellt werden muͤßten: nur auf einem Wege von beyden konnte der Staat zu einer Einheit der Verfassung gelangen. Die Erfahrung hat gezeigt daß der erste Stand als Buͤrger Roms ohne Vergleich fuͤr jedes Opfer entschaͤdigt ward welches die plebejische Freyheit forderte: und schon waͤre es unrichtig eine getheilte Macht aufgeopfert zu nennen. Verzeihlich ist es indessen daß die Patricier, denen kein Gesicht die ferne Zukunft oͤffnete, dies nicht fuͤhlten, und die Ursache der Schwaͤche des Staats in der Ple- bejer Empoͤrung sehen mochten: verzeihlich wenn sie den unstreitigen ehemaligen Besitz ihrer Rechte als entschei- dend uͤber alle Anspruͤche ansahen welche sich auf ihren Mißbrauch und ihre Verderblichkeit stuͤtzten. Begreiflich ist es auch daß sie nicht einsahen, was der Uebermacht eingeraͤumt sey, und wodurch sie sich verstaͤrkt hatte, koͤnne ihr nicht wieder entrissen werden. Doch war es geblendete Verwegenheit zu wagen, was die Angegriffe- nen zu offenbarer Empoͤrung treiben mußte, wenn die Ehrfurcht vor der Maske der gesetzlichen Formen einen Augenblick wich: und diese war um so mehr in Gefahr, da das Gefuͤhl durch heuchlerische Beobachtung des Ge- setzes in scheinbares Unrecht gebracht zu seyn, zu den allerempoͤrendsten gehoͤrt. Aber vielfach gefaͤhrlicher ward der Versuch hier, weil der Eid dessen Heiligkeit allein dem Consul bey einem solchen Unternehmen Ge- horsam verschaffen konnte, nicht der Person des Cincin- natus geschworen war; hatten sich die Soldaten des Dictator M. Valerius durch diesen Umstand berechtigt geglaubt sich dem Gehorsam der Consuln zu entziehen welche den Befehl seines Heers uͤbernahmen, so war es wahrscheinlich daß auch dieses Heer sich des Beyspicls erinnern, und vielleicht den Consul sogar feindlich be- handeln wuͤrde. Daher mag dem Senat vor der Aus- fuͤhrung das Bild der Gefahr furchtbarer erschienen seyn als ihr Muth ertrug: daher endigten diese drohenden Vorbereitungen mit einem Vergleich: daß die Tribu- nen waͤhrend des gegenwaͤrtigen Jahrs das vorgeschla- gene Gesetz ruhen lassen wollten, wenn die Consuln kein Heer aus der Stadt fuͤhrten. Ein solcher Vergleich nach solchen nicht leicht vergessenen Drohungen war ein Sieg der Plebejer: diese Gefahr konnte nicht wieder ernenert werden. Jaͤhrlich wurden die naͤmlichen Tri- bunen wieder erwaͤhlt, und es ließ sich nicht erwarten daß die Mißbilligung welche der Senat jetzt gegen alle Wiedererwaͤhlungen aussprach, gerichtet gegen die tri- bunicischen, bey diesen beachtet werden wuͤrde. Daher bemuͤhten sich die Patricier Cincinnatus im Censulat zu erhalten, der, mit aͤchtem Roͤmersinn, seinen Collegen verpflichtete ausgehen zu lassen: er werde keine Stim- men fuͤr ihn annehmen; der Wille des Senats, feyer- lich erklaͤrt, duͤrfe nicht voruͤbergehenden Ruͤcksichten aufgeopfert werden. Sein guter Daͤmon hatte ihn aus der Gefahr errettet in einer verzweifelten Partheyunter- nehmung die Republik zu zerstoͤren; er fuͤhrte ihn auch jetzt aus erneuerten Versuchungen in die Huͤtte zuruͤck, wo sein Weib und drey Soͤhne mit ihm Feldarbeit und Duͤrftigkeit theilten. Dem Vater mag es auch verziehen werden, wenn er, ein anderes Mal an das Ruder der Republik bern- fen, und zu ihrer Rettung mit der Dictatur bekleidet, an dem Anklaͤger eines geliebten Sohns seinen Kummer selbst mit Unrecht gerochen haben sollte. M. Volscius ward schon 295 von den Quaͤstoren angeklagt Caͤso durch falsches Zeugniß des Vaterlands beraubt zu haben. Vor welches Gericht diese Anklage gebracht ward, sagt Li- vius nicht. Von den Tribus kann hier die Rede nicht seyn: die spaͤtere Verfassung verleitet an die Centurien zu denken, doch scheinen diese erst in den zwoͤlf Ta- feln zu einem Gericht erhoben zu seyn. Aber wie die Tribus Patricier richteten welche sich gegen ihren Stand vergangen hatten, so gebuͤhrte nothwendig den Patriciern ein gleiches Recht; und so erscheint es auch hier: die Consuln hinderten die Comitien — der Tribus — uͤber das Verfassungsgesetz: die Tribu- nen die — der Curien — uͤber die Anklage gegen Volscius Livius III. c. 24. 25. . Im folgenden Jahr schwieg der tribu- nicische Widerspruch vor der Macht der Dictatur welche L. Cincinnatus nicht eher niederlegte als nachdem Vol- scius in den Comitien verurtheilt war. Die innere Gaͤhrung waͤhrte unberuhigt fort, die Sache der Tribunen gewann langsam und sicher. Daß die Zahl ihres Collegiums im Jahr 297 auf zehn ver- doppelt ward Livius III. c. 30. , scheint nur dadurch ein Vortheil ge- wesen zu seyn, daß eine eintraͤchtige groͤßere Zahl auch mit groͤßerer Lebhaftigkeit handelt. Im folgenden er- langte der Tribun L. Icilius daß der Aventinische Huͤ- gel dem Volk abgetreten ward. Auf diesem hatte An- cus den Latinern von Politorium, Tellenaͤ und Ficana Wohnungen angewiesen: aber die kleinen Gemeinden fuͤllten den groͤßten der roͤmischen Huͤgel nicht, dessen Umfang eine ansehnliche Stadt gefaßt haͤtte, und weit- laͤuftige Strecken waren noch mit Wald bedecktes Ge- meinland. Auch hier war dieses durch Usurpationen ge- schmaͤlert, es waren an ausgerodeten Orten Gebaͤude errichtet. Die Verfuͤgungen des Icilischen Gesetzes scheint Dionysius Dionysius X. c. 32. aus der Tafel zu geben worauf es noch in seinen Tagen im Tempel der Diana auf dem Huͤgel dessen Besitz es dem Volk verschaffte, gelesen ward: und wie groß auch die Gunst ist die ein langer Besitz bey billigen Gemuͤthern genießt, ungerecht sind seine Bestim- mungen mungen nicht. Das Privateigenthum blieb, wie bey allen Ackergesetzen, ausdruͤcklich geachtet: der Werth von Gebaͤuden, die auf verstohlen oder gewaltsam usurpir- tem βεβικςμένοι ἢ κλοπῆ λαβόντες. Vi aut clam. , der Republik eigenthuͤmlichem, Boden errichtet waren, ward abgeschaͤtzt und aus der Staatscasse ersetzt; dann die ganze Grundflaͤche in vermeßnen Loosen dem Volk zum Eigenthum vertheilt. Denn bey der Gruͤn- dung neuer Staͤdte, oder der regelmaͤßigen Erweiterung alter auf dem Boden der Domaine, ward, bey Ziehung der Straßen und Abgraͤnzung der Grundstuͤcke, nach Moͤglichkeit die naͤmliche geometrische Regelmaͤßigkeit beobachtet wie bey den Feldlaͤgern, und bey der Thei- lung und Anweisung von Laͤndereyen Forma urbis occupatæ magis quam divisæ similis. Li- vius V. c. 55. . Auf einen ganz andern Inhalt wuͤrde der Titel rathen lassen unter dem Livius dieses Gesetzes gedenkt De Aventino publicando. Livius III. c. 31. , aber auf keinen begreiflichen oder wahrscheinlichen, denn zu geschweigen daß der Staat das Grundeigenthum auf dem Aventinus nicht einziehen konnte, so waͤre damit den Plebejern eben das allernachtheiligste widerfahren. Dionysius Nach- richt hat eine entschiedene innere Glaublichkeit: doch ist die Ausfuͤhrung voll Dunkelheit. Es scheint daß wenn nicht vielleicht die vom Staat eingeloͤßten Gebaͤude nie- dergerissen, und die Materialien den neuen Eigenthuͤmern insgemein uͤberlassen wurden, das Loos, zwischen Gebaͤu- den, und wuͤstem, noch nicht einmal zum Bau geebne- Zweiter Theil. E tem Boden, aͤußerst ungleich austheilte. Und die Zer- stoͤrung der alten Gebaͤude ist doch auch um so weniger wahrscheinlich da schon fruͤher der Aventinus als der eigentliche Wohnort des Volks genannt wird, dem so sein Obdach zerstoͤrt geworden waͤre um ihm Bauplaͤtze und Schutt zu schenken. Das Volk zaͤhlte dieses Gesetz zu sei- nen theuersten Privilegien: es gehoͤrt, nebst den beschwor- nen Buͤndnissen vom heiligen Berge, zu denjenigen, deren Unverletzlichkeit ausbedungen ward, als das Volk sich fuͤr die Dauer der Decemviralgesetzgebung der tribunicischen Macht begab. Außer dem Vortheil und dem Reiz eigen- thuͤmlicher Wohnungen fuͤr den Einzelnen, scheint fuͤr die Fuͤhrer der Plebejer der ausschließende Besitz eines abgeson- derten damals noch durch eine tiefe Schlucht vom Palati- nus getrennten Dionysius III. c. 43. Theils der Stadt wichtig gewesen zu seyn, den im traurigsten Fall eines innern Kriegs die Macht des Volks versammelt behaupten konnte: vielleicht waren auch die Versammlungen welche sie dort ansagen mochten unabhaͤngig von aller Stoͤrung unter religioͤsem Vorwand, indem der Aventinus nicht im Pomoͤrium der Stadt begriffen war. Erneuerte stuͤrmische Mahnungen uͤber das Ackerge- setz, Anklagen und Verurtheilungen der Consuln, sobald ihre Magistratur geendigt war In diese Zeit faͤllt die Erzaͤhlung von dem schaͤndlichen Verrath welchen die Consuln an dem Helden L. Siccius und einer Schaar von achthundert Maͤnnern, die, nach aus- gedienter Kriegspflicht, freywillig mit ihm gezogen waͤren, , und patricischer Ru- hestoͤrer der Comitien, warnten endlich den Senat daß ein laͤngerer Widerspruch gegen die geforderte Gesetzgebung allzugefaͤhrlich sey. Haͤtten die Tribunen dem Senat die Form der Gesetzgebung uͤberlassen, und eingewilligt daß sie von den Patriciern allein entworfen werde Livius III. c. 31. , so traͤfe die Widerspenstigen eine noch schwerere Verantwort- lichkeit, daß sie den Frieden so lange gestoͤrt, und die Ab- sichten der Tribunen erschienen hoͤchst uneigennuͤtzig. Li- vius theilt hier fuͤr die von ihm beguͤnstigte Parthey eine sehr gewoͤhnliche Eitelkeit, lieber unrecht handeln zu wol- len, als zur Nachgiebigkeit gezwungen zu seyn. Aber so wenig die Plebejer sich vermaßen einseitig dem Staat Ge- setze vorschreiben zu wollen, so wenig unterwarfen sie sich jetzt der patricischen Willkuͤhr: es ist nicht zu verkennen daß der Senat voͤllig nachgab, mit dem heimlichen Vor- behalt die Ausfuͤhrung nach seinem Sinn zu lenken. Daß Gesetzgeber ernannt werden und zugleich als alleinige hoͤchste Obrigkeit gebieten sollten, ward im Jahr 300 vom Senat beschlossen; und Abgeordnete an die griechischen Staͤdte Italiens und bis Athen gesandt, um die Gesetze zu sammeln welche fuͤr die weisesten gehalten wurden, und sie fuͤr den Gebrauch der Decemvirn heimzubringen. Eine Nachricht deren allgemeine Wahrheit die Verzeich- nung der Nahmen der Abgeordneten beglaubigt; die aber, versucht haͤtten. X. c. 44. ff. Eine solche Frevelthat waͤre gewiß haͤrter als mit einer leichten Geldstrafe geahndet worden, und schon deswegen muß man hier Glauben versa- gen: aber sie schildert den Geist und die Sitten der Zeiten. E 2 was die Sendung nach Athen betrifft, verdaͤchtig ist, weil andre durch die Chronologie als unmoͤglich darge- thane Erzaͤhlungen die roͤmischen Annalisten eines leicht- sinnigen Hanges zeihen, dunkle Sagen die sich auf Grie- chen bezogen an das in ihren Tagen beruͤhmteste dieses Volks anzuknuͤpfen, unbesorgt ob sich dieses rechtfertige. An sich waͤre die Sage nicht unglaublich; denn Athen war, nicht so gar lange nachher, nicht ohne Verbindung mit Tyrrhenien Im sicilischen Kriege liehen Tyrrhener den Athenien- sern Beystand, Thukydides VII c. 53. 68. und Plato er- laubt die Annahme tyrrhenischer Religionsgebraͤuche. De legibus V. p. 738. c. : es bluͤhte eben damals, zwischen dem persischen und dem peloponnesischen Kriege, im hoͤchsten Glanz des Ruhms und des Gluͤcks, und wenn die Schranken gefallen waren welche fruͤher den Mißbrauch der Volksfreyheit unmoͤglich machten, so waren sie doch noch immer im wesentlichen durch gute Sitte ersetzt. Die angebliche Verwandtschaft Solonischer Gesetze und einiger von den Tafeln gewaͤhrt keinen Beweis; der eigenthuͤm- liche Charakter beyder Gesetzgebungen ist so verschieden wie der Voͤlker fuͤr die sie geschrieben wurden; und die wenigen Aehnlichkeiten in Nebensachen scheinen entweder zufaͤllig, oder in einer allgemeineren Verwandtschaft be- gruͤndet, wie man andre in den Gesetzen von Voͤlkern die Rom und Griechenland ganz fremd scheinen nachweisen kann: oder sie koͤnnen aus den Gesetzen italiotischer Staͤdte entnommen seyn, wo Charondas nicht ohne Kenntniß der solonischen Gesetze das Thurische Volk geordnet hatte. Noch vor der Decemviralgesetzgebung gewann die persoͤnliche Freyheit eine große Befestigung durch die Bestimmung des Maaßes der von der hoͤchsten Obrigkeit aus Machtvollkommenheit ausgesprochenen Strafen. Die alten Voͤlker waren weit entfernt es fuͤr moͤglich, oder auch nur fuͤr wuͤnschenswerth zu halten die unzulaͤssigen Handlungen gesetzlich mit ihren Strafen so zu verzeichnen, daß, wie in einem Zollregister, die nicht aufgefuͤhrten fuͤr frey gelten, und einer jeden verbotnen eine bestimmt an- wendbare Strafe vorgeschrieben steht. Sie hielten dies verderblich fuͤr die Sitten, fuͤr die Freyheit gar nicht we- sentlich, wohl aber eine freye und unabhaͤngige Einrich- tung der Gerichte: sie urtheilten, daß zwar die meisten Vergehungen des gewoͤhnlichen buͤrgerlichen Lebens einer unveraͤnderlichen Strafe als Suͤhnung faͤhig waͤren; daß bey einigen Verbrechen die Ausrottung des Suͤnders nothwendig sey: daß aber die Uebergehung in den Straf- gesetzen kein Grund der Straflosigkeit seyn duͤrfe, und daß sehr viele Vergehungen schlechterdings nur nach den Umstaͤnden auf ganz verschiedene Weise geahndet werden koͤnnten. So bestimmten die Atheniensischen Volksgerichte in sehr vielen Faͤllen die Art und den Grad der Strafen, und so thaten es in einigen die Comitien der Tribus in den freyeren Zeiten der roͤmischen Verfassung: doch diese fast nur da wo die Majestaͤt des Staats, und die Wuͤrde der Buͤrger betroffen war. Auch war es eine Handlung der souverainen Macht welche von ihnen ausgeuͤbt ward in- dem sie eine Mult aussprachen: die Tribunen und Volksaͤdilen, als Minister des Volks, konnten es nicht: sie irrogirten die Mult, das ist sie schlugen sie dem Volk zur Entscheidung vor. Der consularischen Wuͤrde hingegen blieb das koͤnig- liche Vorrecht eine Mult auszusprechen ( multam di- cendi ). Urspruͤnglich wohl in dem ganzen Umfang der nachher den Tribus eingeraͤumt war, und vielleicht in einem noch viel weiteren: die zwoͤlf Tafeln moͤgen in vie- len Faͤllen zuerst unveraͤnderliche Strafen festgesetzt haben. Dieses Recht war durch die Appellation an das Volk schon fast aufgehoben. Noch aber blieb den Consuln das Recht, und es mußte ihnen bleiben, ihrer hoͤchsten Ge- walt durch Strafen Kraft zu verleihen: nur daß diese nicht, unter solchem Vorwand, unerschwinglich und zu Grunde richtend bestimmt wuͤrden. Das Herkommen hatte das Maaß der Mult in Haͤup- tern kleines oder großes Viehs ausgedruͤckt. Dieses ward zuerst auf einen festen Geldpreis geschaͤtzt (J. 300) und dann (J. 302) das hoͤchste Ziel festgesetzt welches nicht uͤberschritten werden durfte Festus s. v. Peculatus. Gellius XI. c. 1. Der Irrthum des Dionysius uͤber das Haterische Gesetz ist nnstreitig . . Beyde Gesetze waren von der Zahl der langsam reifenden Fruͤchte der sich kraͤf- tig entwickelnden Freyheit. Die hoͤchste Mult welche der Consul bestimmen konnte waren dreyßig Rinder und zwey Schaafe, jene zu hundert, diese zu zehn Assen geschaͤtzt. Es ist eine thoͤrichte Auslegung bey Gellius dies sey so an- geordnet weil die Rinder im Ueberfluß, die Schaafe sel- ten gewesen waͤren: galt ein Rind zehn Schaafen gleich so waͤre es eine Tautologie gewesen, diese statt jenes zu nennen, und die Strafe von einem oder zwey Schaafen traf den Armen fuͤhlbar; andern diente sie als Warnung; daher die Consuln die Mult steigernd aussprachen, von einem Schaaf beginnend. Gehorsam, dann noch gelei- stet, schuͤtzte gegen fernere Strafe. Alle Notizen verdienen sorgfaͤltige Aufbewahrung, die sich außer den vollstaͤndigen Geschichten und unver- einbar mit ihnen aus dem fruͤheren Reichthum von Sa- gen erhalten haben, welcher dem Bestreben aufgeopfert ist zusammenhaͤngende Annalen zu bilden. Dieser Art ist eine Erzaͤhlung bey Valerius Maximus und Zonaras, denn es ist nicht zu bezweifeln daß beyde von demselben Vorfall reden. Valerius VI. c. 3. n. 2. ruͤhmt unter andern Bey- spielen alter Strenge, daß ein Volkstribun P. Mucius seine neun Collegen im Feuer hingerichtet habe, weil sie, verleitet von Sp. Cassius, die Magistratswahlen gehin- dert haͤtten. Zonaras erzaͤhlt Zonaras VII. c. 17. Οὔτε τȣ῀το τȣ`ς λοιποὺς ἐπέσχεν, ȣ῎ϑ̕ ὅτι ποτὲ ἐννέα δήμαρχοι πυρὶ ὑπὸ τȣ῀ δήμȣ παρεδόϑησαν. Οὐ μόνον γὰρ οἱ μετὰ ταῦτα δημαρ- χοῦντες οὐκ ἠμβλύνοντο, ἀλλὰ μᾶλλον καὶ ἐϑρασύνοντο· εἰς τȣ῀το ὑπὸ τῶν Εὐπατριδῶν προήχϑη ὁ ὅμιλος. , nachdem er den In- halt der publilischen Gesetze berichtet, so wenig die meuch- lerischen Ermordungen kuͤhner Plebejer haͤtten andere er- schreckt, als daß einst das Volk neun Tribunen lebendig habe verbrennen lassen: dahin haͤtten die Patricier sie ge- trieben. Die Erzaͤhlung des Valerius gehoͤrt zu einer Ge- schichte welche Sp. Cassius bestimmter hochverraͤtheri- scher Unternehmungen anklagte, die aber selbst Dionystus verborgen gewesen seyn muß: denn sonst wuͤrde er sie nicht versaͤumt, sondern mit einer Emendation die Schwierigkeit gehoben haben daß das Volk damals hoͤch- stens fuͤnf Tribunen hatte. Eben wegen der Zahl muͤßte der Vorfall nach dem Jahre 297 gesetzt werden, und das that auch, wie es scheint, Dio, dessen Erzaͤhlung wir nur aͤußerst zusammengezogen und verworren haben. Der Scheiterhaufen war Strafe der Hochverraͤther; aber, was ein Gericht des Volks uͤber Abtruͤnnige gewesen waͤre, ist sichtbar widersinnig neben die Ermordung seiner Haͤupter gestellt. Das ist wohl Schuld des Epitomators: man moͤchte vermuthen, wann auch die Sache geschah, daß die Curien das Urtheil sprachen, und mit dem Beystand eines Tribuns vollzogen: und die verstaͤrkte Garantie der tribunicischen Unverletzlichkeit nach dem Fall der Decem- virn sich auf solche Vorfaͤlle bezog. Der vejentische, die volskischen und aͤquischen Kriege . Unter den Etruskern welche Rom nach der Tarquinier Verbannung uͤberzogen und besiegten, waren die Vejenter vielleicht die Hauptmacht, und gewiß die welche des Kriegs bleibende Vortheile genossen: aber ihre Obmacht in jenem Kriege beruhte auf ihren Verbuͤndeten und roͤ- mischen Ausgewanderten oder Verraͤthern: mit eigner Kraft konnte Veji Rom nicht uͤberwaͤltigen. An Um- fang war es Rom gleich, so groß sich dieses in seiner Bluͤthe unter den Koͤnigen erweitert hatte, beyde Staͤdte waren nicht kleiner als Athen in den Mauern des The- mistokles Dionysius II. c. 51. IV. c. 13. , ihre innere Kraft war sehr verschieden. Die roͤmischen Bauern, freye Eigenthuͤmer ihrer Hufen, waren unbegreiflich zahlreich: in den etruskischen Staa- ten herrschte strenge Aristokratie, und ihre Heere be- standen aus den Erbunterthaͤnigen des Adels Dionysius IV. c. 5. , wie ihre Staͤdte, gleich den griechischen, mit Sklaven ange- fuͤllt waren. Veji bluͤhte durch die Kuͤnste des Frie- dens, Gewerbe und Handel, Rom erhielt sich durch Krieg; jenes suchte keinen andern Vortheil von der Macht die ihm Reichthum im Nothfall zu Gebot stellte als sich Ruhe mit Rom durch wiederhohlte Waffenstillstaͤnde fuͤr eine lange Reihe von Jahren zu sichern: Rom war seit der Abschaffung der Monarchie zu sehr geschwaͤcht um nicht Krieg gegen andre Feinde, den die verbuͤndeten Latiner theilten, dem gegen das nur drittehalb Meilen ent- fernte Hundert Stadien. Dionysius II. c. 51. , stark befestigte Veji vorzuziehen, dessen ganze Last es vielleicht allein tragen mußte, und wodurch ganz Etrurien erregt werden konnte. Doch war Veji wohl noch im Besitz der Rom ent- rissenen Landschaft; und war eine Moͤglichkeit erschienen diese wieder zu gewinnen, so entstand vermuthlich dar- aus im Jahr 272 ein Krieg, der zu den ungluͤcklichsten gehoͤrt welche in diesem traurigen Zeitraum Roms Da- seyn in Gefahr brachten. Im zweyten Jahr desselben fuͤhrte Caͤso Fabius, der als Blutrichter den Altconsul Sp. Cassius verurtheilt hatte, als Consul das roͤmische Heer gegen die Vejenter. Der Beyfall der Patricier hatte ihm die hoͤchste Wuͤrde verliehen; nicht die Hei- ligkeit des Eides, nicht die Furchtbarkeit der Kriegszucht vermochte seine rechtmaͤßige Gewalt gegen den Groll der Soldaten zu behaupten durch deren Arm er siegen sollte. Das Volk liebte Cassius Andenken, unglaͤubig uͤber eine vereitelte Gefahr, weil die Feinde des Hingerichteten auch die seinigen waren; das Heer wollte nicht siegen, damit der Consul nicht im Triumph zuruͤckkehre. Beyde Armeen waren einander gegenuͤber gelagert, und zur Schlacht in ein Thal herabgekommen welches sie trennte. Die Vejen- ter wichen, und wurden von der roͤmischen Reuterey ver- folgt: die Legionen weigerten sich den Angriff fortzusetzen. Dionysius erzaͤhlt, die Empoͤrung habe sich nicht auf die- ses Verbrechen eingeschraͤnkt: die Soldaten waͤren nach Rom zuruͤck aus dem Lager aufgebrochen, welches mit vieler Beute und den Verwundeten in die Gewalt der Etrusker gekommen sey: diese Nachricht laͤßt fast auf eine verhuͤllte Niederlage schließen; denn die Annalen dieser Jahrhunderte sind durchaus verfaͤlscht, und es war nicht das Zeitalter roͤmischer Siege. Im folgenden Jahr (274) zogen beyde Consuln gegen Veji. Sie fanden ein sehr zahlreiches etruskisches Heer im Felde: der vorige Feldzug hatte einem nicht kriegliebenden, aber auch nicht unkriegeri- schem Volk Lust und Muth erregt, entweder durch einen erfochtnen Sieg, oder durch Vertrauen auf die innre Zwietracht der Roͤmer. Das reiche Veji konnte, wie fremde Staaten, mit Erfolg in Etrurien werben: und Freywillige aus allen etruskischen Staͤdten mit einer Menge ihrer Clienten hatten sich bey den Vejentischen Fahnen eingefunden. Die Consuln hatten sich, wie es Sitte war, abgesondert mit ihren Heeren gelagert: ein Wetterzeichen bewog sie sich in einem Lager zu vereinigen, denn der Blitz hatte das Praͤtorium des Consuls Cn. Manlius getroffen, den Altar zertruͤmmert, sein Streit- roß getoͤdtet; die Haruspices weissagten daraus, das La- ger werde vom Feinde eingenommen werden. Der roͤmi- sche Feldherr suchte dem Schicksal zu entgehen; die Etrusker verkuͤndeten er habe es auf beyde roͤmische Heere gebracht. Das vereinigte Lager ward von den Etruskern eingeschlossen, die Consuln wagten es nicht ein Heer zur Schlacht herauszufuͤhren, dem sie, wegen des uͤbeln Wil- lens oder des Ungluͤcks im vorigen Feldzuge, nur dann gegen die Uebermacht trauten wenn es zur Verzweiflung gebracht war. Die Soldaten forderten eine Schlacht, vom Hunger bedroht: und schworen nur als Sieger zu- ruͤckkehren zu wollen. Sie erfuͤllten ihren Eid, und ein Sieg rettete sie und Roms Ehre: aber Cn. Manlius ent- ging dem Schicksal nicht. Waͤhrend das ganze roͤmische Heer mit der aͤußersten Anstrengung die tuskische Ueber- macht kaum zuruͤcktrieb, war das Lager nur schwach be- setzt, und ward von einer abgesonderten etruskischen Le- gion eingenommen. Cn. Manlius entriß es ihnen, aber die darin eingeschloßnen Feinde bahnten sich einen Weg durch die roͤmischen Reihen, und der Consul fiel in dem wuͤthenden Gefecht. Die Etrusker behaupteten ihr Lager: und nur die Ungunst des Kriegs war von Rom abgewandt. Auch wird im folgenden Feldzug einer Riederlage des Consuls gedacht, nach der das geschlagne Heer verlohren gewesen waͤre, wenn nicht Caͤso Fabius den Volskischen Krieg verlassen, und es gerettet haͤtte. Nach diesem Sieg der Vejenter ist es nicht denkbar, daß, wie Livius meldet, der Krieg in diesen Gegenden geruht habe, und nur die Graͤnze durch gegenseitige Streifereyen unsicher gewesen sey. Nach frischer Niederlage eines consularischen Heers, nach einer blutigen nur nicht verlohrnen Schlacht, in einem Kriege den noch kein einziger Sieg erfreulich machte, war eine bestaͤndige Besatzung an der feindli- chen Graͤnze nicht alles was der Krieg forderte um das Land zu decken, wenn anders das roͤmische Gebiet sich weiter als die vaticanische Feldmark uͤber die Tiber er- streckte, und den Feind bis zum Frieden zu ermuͤden. Die Befestigung eines gelegnen Orts im feindlichen Lande ἐπιτειχισμὸς. war aber ein maͤchtiges Mittel den Krieg druͤckend zu ma- chen, und dem Feind ein Schlachtfeld zu bestimmen: erst durch die Behauptung von Dekelea fing der Peloponnesi- sche Krieg an verderblich fuͤr Athen zu werden: die Bela- gerungskuͤnste waren so aͤrmlich, daß ein Fort in kurzer Zeit fest genug gemacht werden konnte um, hinreichend besetzt, einer Belagerung zu widerstehen; und dieses Sy- stem des Kriegs verschwand auch als die Belagerungs- maschinen um die Mitte des vierten Jahrhunderts bey den Griechen sich zu der Vollkommenheit zu erheben an- fingen, welche sie ein Jahrhundert spaͤter erreichten. Dieses war also wohl der Zweck der Gruͤndung des Forts an der Cremera, dessen Anlage unter dem Schutz der vereinigten consularischen Heere ausgefuͤhrt ward vor denen sich die Vejenter, nachdem ihnen der Sieg entrissen worden, gegen ihre Stadt zuruͤckgezogen hat- ten, und dessen Behauptung das Fabische Geschlecht un- ternahm. Ich zweifle nicht daß die Camenen des Alterthums den Untergang der Fabier besungen haben, und aus den Abweichungen der Lieder, wie der Gedaͤchtnißreden, moͤ- gen die sehr verschiedenen Erzaͤhlungen entstanden seyn von denen die Rede seyn wird. Aber was in der Sage von den dreyhundert und sechs Fabiern durch deren Tod das ganze Geschlecht bis auf einen Knaben vertilgt ge- worden sey, schon von dem Kritiker Dionysius fabelhaft gefunden ist, verdient keineswegs verworfen zu werden. Die Zahl so vieler streitbarer Maͤnner, unglaublich von der ausgebreitetsten Familie, ist fuͤr ein roͤmisches Ge- schlecht, aus vielen Familien verbunden, nicht unglaub- lich: und die Ausrottung des Geschlechts durch den Fall der waffenfaͤhigen Maͤnner, so daß nur ein Kind uͤber- lebte welches sich zufaͤllig zu Rom befand, scheint eine fest begruͤndete Sage. Das Fabische Geschlecht zog aus mit allen seinen Clienten, deren Zahl gegen viertausend, oder zu fuͤnf- tausend Dionysius IX. c. 15. Festus s. v. Scelerata porta. angegeben wird: und in der damaligen Zer- ruͤttung Roms ist der Wunsch sehr begreiflich eine ab- gesonderte Niederlassung zu behaupten. Gruͤndeten sie diese, so folgten ihnen auch ihre Familien, und alles ging mit ihnen unter, und so moͤgen unter den drey- hundert und sechs Fabiern auch Greise und Kinder be- griffen gewesen seyn. Die Fabier benutzten die Vortheile ihres Postens mit großer Thaͤtigkeit, und verheerten die entlegneren Gegenden, wenn die Vejenter dem roͤmischen Heer ent- gegen zu gehen genoͤthigt waren. Im Jahr 276 schlug auch der Consul L. Aemilius das vejentische Heer. Ein Sieg berechtigte Rom einen fruchtlosen und ungluͤckli- lichen Krieg zu endigen: Veji wuͤnschte Frieden. Er ward ohne Veraͤnderung der Graͤnzen geschlossen, und die Raͤumung des Forts am Cremera zugesagt. Diese aber erfolgte nicht, sey es daß sie, nach dem Wunsch des Senats das Volk bestaͤndig unter den Waffen zu halten, nicht ernsthaft befohlen ward, oder daß die Fa- bier sich unabhaͤngig behaupteten. Daher erneuerte sich der Krieg schon im naͤchsten Jahr wieder: und daher vielleicht fielen die Fabier ohne Huͤlfe. Trotz dem Frie- den fuhren sie fort die Gegend zu pluͤndern, und da ge- lang es den Vejentern durch eine taͤuschend dargebotene Beute die groͤßere Zahl von ihrer Feste zu entfernen, zu umringen und nieder zu machen. Cremera ward erstie- gen, und die Besatzung niedergehauen, so daß nur in einem einzigen Knaben der Republik die Wurzel dieses Geschlechts erhalten wurde, welches ihr durch Tugenden und große Maͤnner Ruhm und Stuͤtze ward. Eine andre Erzaͤhlung welche Dionysius widerlegt und als ungereimt verwirft Dionysius IX. c. 19. , ist offenbar die alt poe- tische. Die dreyhundert und sechs Fabier, von wenigen Clienten begleitet, ziehen, im Vertrauen auf den Frie- den, nach Rom, um heilige Gebraͤuche ihres Geschlechts zu vollziehen. Sie ahnden nicht daß die Vejenter den Frieden brechen, daß ganz Etrurien unter den Waffen und ihnen nahe ist. Unerwartet finden sie sich angegriffen: die gesammte etruskische Macht umringt sie, und sie fallen, nicht vor dem Schwerdt oder dem Speer, son- dern von Wurfgeschossen, aus der Ferne auf die Unnah- baren geschleudert. Diodor von Sicilien, dessen Nachrichten von der aͤlteren roͤmischen Geschichte aͤußerst duͤrftig sind, und, wie von dem Ekel eines griechischen Sophisten an bar- barischen Vorfaͤllen, fluͤchtig, ist doch dadurch merkwuͤr- dig daß er Fabius, und vielleicht nur ihn allein unter den Roͤmern gebrauchte. Seine ganz abweichenden Er- zaͤhlungen tragen viele Spuren leichtsinniger Bearbeitung, die ihm selbst zur Last fallen; dennoch duͤrfen sie nicht uͤbersehen werden; was ihnen zum Grunde liegt ist eine von den vielen verschiedenen Gestalten welche die roͤmische Geschichte anfaͤnglich trug als sie aus Sagen niederge- schrieben ward, ehe ihrer eine, nur vorgezogen, herr- schend war. Denkbar ist es freylich auch daß er seinem Landsmanne, dem Sikelioten Timaͤus, den Vorzug vor barbarischen Annalisten, selbst in ihrer einheimischen Ge- schichte gegeben habe. Diodor nun schweigt von den fruͤhern und den spaͤteren Vorfaͤllen dieses Kriegs, und redet nur bey den Consuln dieses Jahrs von einer gro- ßen Schlacht welche die Roͤmer am Cremera gegen die Vejenter verlohren haͤtten, und worin die dreyhundert Fabier gefallen waͤren Diodor XI. c. 53. ; eine Erzaͤhlung welche o f- fenbar in ihrer Wurzel von der verschieden ist, der un- sre Geschichtschreiber folgen. Der Consul Menenius brach sogleich nach dem Un- gluͤck am Cremera (277) nach Etrurien auf. Ihm be- gegneten die siegsstolzen Etrusker, schlugen ihn voͤllig, erbeuteten sein Lager, die Adler, und die Verwundeten. Das geschlagne Heer konnte auch nicht das Janiculum, Roms Vormauer, behaupten: es ward fliehend uͤber die Bruͤcke in die Stadt getrieben. Die Ankunft des an- dern Consuls C. Horatius der sich schleunig von der Volskischen Graͤnze zuruͤckzog, rettete die Stadt. Als die Hoffnung sie stuͤrmend einzunehmen verschwunden war, gingen die Etrusker oberhalb uͤber den Strohm, um sie einzuschließen. Zwey Gefechte, das letzte am Collini- schen Thor, richteten den tiefgesunknen Muth der roͤmi- schen Soldaten auf. Aber Hungersnoth wuͤthete in der Stadt, da ein verheerender Krieg unerwartet die Mauern umgeben hatte, ehe Vorraͤthe auch nur fuͤr das drin- gendste Beduͤrfniß geborgen werden konnten: was das Land enthielt ward des Feindes Raub, und der Strohm war in seiner Gewalt. Die Noth trieb das aͤußerste zu wagen (278). Die Etrusker waren, nach einem neuen nachtheiligen Gefecht im Lauf ihrer Pluͤnderungen, mit der ganzen Macht auf Floͤssen uͤber die Tiber gegangen, und hatten das Heer des Consuls Sp. Servilius ange- griffen. griffen. Die Roͤmer behaupteten ihre Stellung, und die Feinde waren gezwungen mit großem Verlust uͤber den Strohm zuruͤck zu gehen. Der Sieger folgte, ungeduldig durch Benutzung des Augenblicks eine unertraͤgliche Be- draͤngniß zu endigen. Servilius stuͤrmte das Janiculum, aber ohne die zeitige Ankunft seines Collegen A. Virginius waͤre diese Verwegenheit wohl toͤdtlich fuͤr Rom gewor- den. Schon wich das Heer, von den befestigten Hoͤhen zuruͤckgeschlagen, und es mußte an den Ufern und im Strohm der Tiber sein Grab finden. In diesem fuͤrchter- lichen Augenblick erstieg Virginius den Huͤgel im Ruͤcken der Tusker mit einem noch ungeschwaͤchten Heer. Um- ringt und uͤbermannt suchten sie sich einen Weg zu bahnen. Ihr Lager auf dem Janiculum, voll tuskischer Reichthuͤ- mer, voll Beute und Lebensmittel, fiel in die Gewalt der Sieger und naͤhrte die hungrige Stadt. Ich habe schon bemerkt daß die Geschichte dieses Kriegs das unverkennbare Ebenbild oder Urbild der Bela- gerung Porsenas ist Th. I. S. 353. . Von dem Verlust des Jani- culum bis zu der Erquickung welche die Vorraͤthe und die Reichthuͤmer des etruskischen Lagers gewaͤhren, sind in beyden Geschichten dieselben Grundzuͤge unverkennbar; uͤbertragen aus der historischen Sage in das Gedicht. So schwer war die Niederlage auf dem Janiculum fuͤr ein Volk welches nicht in einem Reichthum an freyen Landleuten unversiegende Kraͤfte zur Ausdauer hatte, daß die Vejenter, von den uͤbrigen etruskischen Staͤdten nie mit gemeinsamer Macht unterstuͤtzt, verlassen von den Zweiter Theil. F Freywilligen welche Sold oder Beute gelockt hatte, zu ih- rer Vertheidigung einen Bund mit den Sabinern schlos- sen, oder bey ihnen warben. Oft unfriedlich mit Rom, oft durch roͤmische Streifzuͤge verwuͤstet, oft die Verhee- rung vergeltend, so daß die Gegend zwischen dem Sabi- nischen Eretum und dem Anio vielfach ausgepluͤndert und verbrannt ward, finden wir die Stammvaͤter des Volks welches Rom bis in die letzte Stunde seines Daseyns die Herrschaft streitig machte, unter den unbedeutendsten Feinden der Republik: doch war es wohl nie ein großer Theil des in Cantonen unabhaͤngig getheilt lebenden Volks, wenn die Sabiner Rom befehdeten. Die naͤch- sten Consuln uͤberwanden die vereinigten Vejenter und Sabiner unter den Mauern von Veji, und eroberten ihr Lager. Diese Niederlage brach den Muth der Tusker gaͤnzlich, und sie boten Frieden, der von dem folgenden Consul (280) auf vierzig Jahre abgeschlossen ward. Es war Sitte, wahrscheinlich religioͤse Vorschrift, bey den Tus- kern nur auf eine bestimmte Zahl Jahre Frieden zu schlie- ßen. Vielleicht wurden durch diesen Vertrag die sieben Pagi wiedergewonnen, welche nach der Sage von Porsena dieser Held als Sieger empfing, und großmuͤthig zuruͤck- gegeben haben soll: ein Theil der zehn Regionen welche die Republik in ihren ersten Tagen verlohr. Die Kriege gegen die Volsker und Aequer fuͤhrte Rom als Bundesgenossen der Latiner und Herniker, die das roͤmische Gebiet von beyden Voͤlkern trennten: selbst von Antium, welches, entfernt von den uͤbrigen volskischen Staͤdten, und abgesondert von ihnen durch die Colonieen im Pomptinischen Gefilde, oftmals auf seine eigenen Kraͤfte beschraͤnkt gewesen zu seyn scheint. Diese Kriege waren jetzt gewoͤhnlich nichts mehr als Streifzuͤge, bey denen kein Angriff gegen die Staͤdte unternommen ward, wohin der Landmann fluͤchtete sobald der Feind sich zeigte: und wenn es ein kleiner Haufen war, so gewaͤhrten die kleinen Kastelle genuͤgenden Schutz. So waren in Attika auf schwer zugaͤnglichen Bergen Kastelle angelegt; Mauern die einen leeren Raum einschlossen welcher hin- reichte die Bauern der umliegenden Gegend mit ihrem Vieh aufzunehmen: die Befestigung aͤhnlicher, freylich ge- wiß nur mit Graben und Pfaͤhlen, wie eine tuͤrkische Pa- lanka, umgebner Zufluchtsorte im roͤmischen Gebiet ward dem Stifter alles dauernd Wohlthaͤtigen, dem Koͤnig Servius zugeschrieben Dionysius IV. c. 15. . Zwischen dem Anio und den noͤrdlichen Staͤdten der Latiner und Herniker im Gebuͤrg brachen die Aequer haͤufig hervor in einer rauhen Gegend, welche ihren leichtgeruͤsteten, jeder Schlacht ausweichen- den Schaaren alle Vortheile des kleinen Kriegs darbot. Am suͤdlichen Rand der Latiner und Herniker, am Ab- hang der Gebirge, fielen die Volsker ein, deren Waffen- platz wenn die entlegneren Staͤmme an den Kriegen Theil nahmen, das feste Ecetraͤ, nicht weit von Ferentinum Livius IV. c. 61. , war: ein Feind der sich auch in der Ebne einem roͤmischla- tinischen Heer eine Schlacht anzubieten nicht scheute. Die roͤmischen Siege uͤber beyde Voͤlker welche von dem Anfang dieses Zeitraums gemeldet werden, sind F 2 hoͤchst zweifelhaft, um so mehr da nicht gelaͤugnet wird, daß die Aequer eine latinische Stadt Ortona eingenom- men hatten Dionysius VIII. c. 91. vergl. Sylburgs und Hudsons Anmerkung. . Waͤhrend des vejentischen Kriegs tru- gen Latium und die Herniker des volskischen ganze Last, so wie Rom von ihnen keine Huͤlfe erhalten zu haben scheint. Unter den unaufhoͤrlich wiederkehrenden einfoͤr- migen Feldzuͤgen gegenseitiger fruchtloser Verwuͤstung, zeichnet den des Jahrs 283, in dem Appius Claudius das Heer gegen die Volsker anfuͤhrte, eine Empoͤrung aus, welche ihren Ursprung in der Zwietracht des Forums hatte. Schon einmal hatte ein roͤmisches Heer dem Sieg entsagt, um einem verhaßten Consul den Triumph zu ent- reissen: aber Appius war verabscheut. Die Soldaten verweigerten ihm den Gehorsam, verließen die Schlacht- ordnung, dann das Lager, und zwangen den Consul das feindliche Gebiet zu raͤumen worin er schon eingedrungen war. Das roͤmische Kriegsrecht befugte ihn zu einer Strenge, deren Ausuͤbung durch ihre Unerbittlichkeit selten nothwendig ward: er verurtheilte die Fahnentraͤger welche ihre Fahnen verlohren; die Hauptleute welche sich von ihren Manipeln entfernt hatten, und den zehnten Mann unter den unbewaffnet entflohenen Gemeinen gestaͤupt und enthauptet zu werden. Im Bewußtseyn der Schuld un- terwarf sich das nur eben aufgeloͤßte Heer dieser Strenge, und so ward die Disciplin hergestellt und die Republik ge- rettet. Es war nach strengem Recht vergoßnes Blut, aber eine jammervolle Folge der Buͤrgerfehden: denn in eben demselben Jahre hatte das Heer des wohlwollenden Consuls T. Quinctius fuͤr seinen Ruhm wie fuͤr den eines geliebten Vaters sich ausgezeichnet. Appius ward, als sein Jahr um war, von den Tribunen angeklagt. Nach foͤrmlichem Recht haͤtte ihn das Volksgericht nicht ver- dammen koͤnnen, aber seinem eignen Gewissen zeugte das Betragen des andern Heers, daß der Hingerichteten Blut auf seiner Seele hafte, weil er die an sich gerechte Erbitte- rung verschuldet hatte, welche bis zu jenem ungluͤcklichen Aufstand verwilderte. Er starb ehe der Gerichtstag her- angekommen war; nach einer Sage bey Dionysius von seiner eignen Hand: die Tribunen verweigerten dem Tod- ten die Lobrede: aber das Volk hatte seine mißbrauchten großen Eigenschaften, es hatte den Stolz geehrt womit er der Anklage auf den Tod begegnet war, der Tod hatte die Gefahr seiner Fehler vernichtet: es forderte und schuͤtzte die Lobrede, und folgte seiner Leiche zahlreich. Der Feldzug des App. Claudius war wohl gegen die Antiatischen Volsker gerichtet gewesen: es ist augenschein- lich daß damals kein roͤmischlatinisches Heer in das innere volskische Land eindringen konnte. Im Jahr 286 kaͤmpf- ten beyde Voͤlker vor Antium mit ungewoͤhnlicher Anstren- gung. Der Consul T. Quinctius behauptete zuerst das Feld gegen den Feind: dann, als von allen volskischen Staͤdten, und selbst von den Aequern, die vom Algidus durch ihre latinischen Eroberungen die Graͤnzen der An- tiater erreichten, zahlreiche Verstaͤrkungen bey dem Feinde eingetroffen waren, vertheidigte er sein bestuͤrmtes Lager, und verfolgte den Sieg bis zu einer voͤlligen Niederlage der Feinde. Diese war so entschieden daß Antium dem Sieger die Thore oͤffnete: eine Stadt reich durch Schif- fahrt, aber verrufen bey den Griechen durch ihren Miß- brauch zur Seeraͤuberey. Dies war eine glaͤnzende Ero- berung, die einzige des ganzen Zeitraums, und nur ein kurzer Besitz. Im folgenden Jahr ward eine Colonie hin- gesandt: aber so schwach und zwecklos wurde damals noch von den Roͤmern und Latinern dieses gewaltige Mittel der Befestigung der Herrschaft gebraucht, daß die zuruͤckge- bliebenen Volsker schon im Jahr 295 ihre neuen Mitbuͤr- ger uͤberwaͤltigten, zum Theil verfuͤhrten, ihre Unabhaͤn- gigkeit und das verlohrne Landeigenthum wieder gewannen. Viele Antiater waren ausgewandert und hatten sich nach Ecetraͤ und zu den Aequern begeben, sey es, daß nur die denen ihr Land genommen war, entweder weil sie aus- gezeichnet wurden, oder weil es in dem Umfang des zur Assignation abgerissenen Bezirks der Feldmark lag, ihre Heimath verließen; oder daß die Stadt durch buͤrgerliche Zwietracht von einer Parthey uͤbergeben war, vor deren Herrschaft die unterliegende auswanderte. Daß Antium so roͤmisch geworden sey, machen viele Umstaͤnde glaub- lich; es war nicht nur ein großer Theil der alten Buͤrger in die Colonie aufgenommen, sondern sie waren die weit uͤberwiegende Mehrheit: eine Seestadt hatte von Ein- schließung nichts zu befuͤrchten, und fast alle Mauern wa- ren damals noch den Roͤmern und Latinern zu fest: also deutet schon eine freywillige Uebergabe, wie sie auch in der Geschichte gemeldet wird, auf Verrath und entzweyte Factionen, Eben so hatte sich Velitraͤ fruͤher, auch wohl nicht ohne Ruͤckkehr, von der volskischen Nation getrennt, und latinische Mitbuͤrger angenommen — wie Oropus und Eleutheraͤ sich von den Boͤotern absonderten, wie Am- phipolis Chalkidier aufnahm, wie Capua Samniter, wel- che die alten Buͤrger vertrieben. Unbillig zeiht Livius die Plebejer, weil wenige nach Antium gezogen waͤren, einer meuterischen Launenhaftig- keit welche nur das Versagte gefordert haͤtte. Der ganze Vorwurf scheint keinen andern Grund zu haben als daß die Mehrzahl der Buͤrger Antiums, als Colonie, aus Volskern bestand, und wenn der Loose nur wenige waren so darf nicht vergessen werden daß Latinern und Hernikern zwey Drittheile der Eroberung gebuͤhrten. Uebrigens waͤre es auch nichts weniger als tadelnswerth wenn Ar- muth im Vaterlande lieber war als Eigenthum durch Ver- lust des Buͤrgerrechts erkauft; und dieses Gefuͤhl legte keine Pflicht auf deswegen ein rechtmaͤßig gebuͤhrendes Eigenthum im Vaterlande mit geringerer Beharrlichkeit zu fordern. Um diese Zeit war die Graͤnze durch einen Friedens- schluß mit den Aequern beruhigt. Sey es daß die ver- bannten Antiater ihre Fehde fortsetzten, oder daß Rom schon damals vertriebenen Gegnern keine Rast und keine Zuflucht vergoͤnnte; die Aequer wurden aufgefordert sie auszuliefern: eine Forderung aus der ein schwerer und un- gluͤcklicher Krieg entstand, worin das roͤmische Gebiet selbst mit allen Schrecken der Verwuͤstung heimgesucht ward. Latium war von den feindseligen Voͤlkern durch keine geschlossene Graͤnze getrennt: seit ihrer erobernden Ausbreitung besaßen diese mehrere Orte mitten unter den latinischen Staͤdten: dagegen behaupteten sich auch einzelne latinische, wie Norba und Signia auf den Ber- gen, von einer volskischen Landschaft umringt. Unter der kleinen Zahl latinischer Staͤdte die ihre Unabhaͤn- gigkeit bewahrt hatten, waͤhrend viele fremdes Joch tru- gen, andre zerstoͤrt waren, scheint Tusculum die ansehn- lichste gewesen zu seyn, sie wenigstens wird fast allein genannt: und so eng beschraͤnkt war damals der Um- fang Latiums daß ihr Gebiet an die Aequer graͤnzte Dionysius X. c. 20. XI. c. 3. . Die Graͤnze bildete der Schwarzwald des Algidus, so daß dieser in der Aequer Gewalt war: Corbio und Ortona, mit so vielen andern latinischen Staͤdten schon fuͤr die spaͤte- ren Roͤmer nur als leere Nahmen erhalten, und bis auf jede Spur ihrer Lage von dem Boden verschwun- den, muͤssen auf diesen Hoͤhen gesucht werden. Zwischen den Volskern und Aequern darf man ein aͤhnliches Buͤndniß annehmen wie jenes welches Rom mit den La- tinern und Hernikern vereinigte. Dieses war voͤllig gleich, wenn auch der roͤmische Geist Latiums damalige Schwaͤche benutzt haͤtte, zuweilen ein den Vertraͤgen wi- dersprechendes Uebergewicht zu aͤußern. Wir koͤnnen eine ganz verfaͤlschte Geschichte nicht auf die urspruͤng- liche Gestalt zuruͤckfuͤhren, wir muͤssen, obwohl des Ge- gentheils gewiß, mit den Annalen reden, als ob Rom der unmittelbar kriegfuͤhrende, von den Bundesgenossen nur unterstuͤtzte Staat gewesen waͤre: wir muͤssen aber des wahren Verhaͤltnisses eingedenk seyn, dem gemaͤß die verbuͤndeten Heere, abwechselnd unter dem Ober- befehl roͤmischer Consuln oder Dictatoren, und dem eines latinischen Dictators in das Feld zogen: nicht in abgesonderten Legionen, sondern jeder Manipel aus einer Centurie von jedem Volk zusammengesetzt. Von einer solchen Einverleibung der Herniker ist keine Spur: viel- mehr ist es wahrscheinlich daß ihr Contingent abgeson- dert diente, wie die Bundesgenossen bey den spaͤteren roͤmischen Heeren. Im Jahr 289 gingen den Aequern zwey consulari- sche Armeen entgegen, als sie sich auf den Hoͤhen des Algidus festgesetzt hatten, von denen die schoͤnen Ge- genden von Alba und der Abhang des Gebuͤrgs gegen das Meer und den Anio ihren Verheerungen offen la- gen. Auch die Roͤmer nahmen ein festes Lager; so wie kein Sommer ohne Streifzuͤge verging, so war ein Feld- zug von laͤngerer Dauer als wenige Wochen einem Heerbann der ohne Sold, sich selbst vom Hause verpflegend dien- te, nicht ertraͤglich. Der Unmuth reizte zu Aufforderungen zur Schlacht: sie ward bestimmt, und ein langer Kampf, aus dem die Feinde, obgleich uͤberwunden, nicht entflo- hen, zeigte, daß wenn, wie Livius sagt, die Vermessen- heit der Aequer Rom zu Anstrengungen sie zu zuͤchtigen reizte, welche keine Gefahr erfordert haͤtte, die damali- gen Roͤmer, wie ihr Geschichtschreiber, den Feind und sich falsch schaͤtzten. Livius meldet, die Aequer haͤtten sich in ihre Graͤnzen, in ihre einheimischen Gebuͤrge zuruͤckge- zogen, und das muthige Volk habe sich uͤber den Verlust einer Feldschlacht getroͤstet: es sey ihnen schon recht ge- schehen, weil sie eine Art des Kriegs erwaͤhlt fuͤr den ihre Nation nicht tauge: Aequer muͤßten den Roͤmern nicht in Schlachtordnung begegnen, sondern nur kleinen Krieg mit vielen abgesonderten Haufen fuͤhren. Nach den Auc- toren des Dionysius, die doch dem roͤmischen Hochmuth im Ganzen noch mehr opfern als Livius, wichen die Aequer nur in das feste Lager zuruͤck, welches sie vor der Schlacht auf dem Gebuͤrge inne gehabt hatten. Waͤhrend sie hier, auch der Algidus war im Aequerlande, die roͤmi- schen Heere aufhielten, umgingen sie diese mit einem Theil ihrer Macht, und die Flammen der Doͤrfer, und die Flucht des Landmanns verkuͤndigte zu Rom den Ein- bruch der Feinde. Alles Gewerbe ward geschlossen, ein allgemeines Aufgebot gegen die Pluͤnderer gefuͤhrt, sie hatten sich mit vielen Gefangenen und andrer Beute ent- fernt. Doch endigte ihr Zug oder dessen Wiederhohlung ungluͤcklich: der Consul Q. Fabius schnitt ihnen den Ruͤck- weg ab, toͤdtete viele und gewann die weggefuͤhrte Beute wieder. Hierauf verließen die Aequer das Feld, und zo- gen sich hinter die Mauern ihrer Staͤdte Dionysius redet an mehreren Stellen von der Stadt der Aequer als einer einzigen, ohne sie zu nennen. So IX. c. 60. 61. Sie zaͤhlten eine große Menge kleiner Staͤdte in ihrem Lande, aber sie moͤgen damals eine Hauptstadt aner- kannt haben: ob Praͤneste? oder das sonst volskisch ge- nannte Ecetraͤ? zuruͤck, waͤh- rend der Sieger ihre ganze Landschaft mit Feuer und Schwerdt verwuͤstete. Im naͤchsten Jahr (290) erschei- nen die Volsker von Ecetraͤ als Verbuͤndete der Aequer. Beyde Voͤlker waren in das Land der Herniker eingefallen, denen der Consul Sp. Furius zum Beystand gesandt ward. Nach einem ungluͤcklichen Treffen retteten sich die Roͤmer in ihr Lager wo sie von den Feinden so eng eingeschlossen gehalten wurden daß Rom nur aus den naͤchsten Staͤdten der Bundsgenossen Berichte uͤber ihre Lage empfing. Diese schien rettungslos. Indessen be- freyten doch die Latiner und Herniker durch ein allge- meines Aufgebot den Consul, der in einem ungluͤcklichen Ausfall großen Verlust erlitten hatte, und ohne schleu- nigen Entsatz das Gesetz des Siegers anzunehmen ge- zwungen gewesen waͤre. Ein aͤhnliches roͤmisches Auf- gebot schlug ein aͤquisches Heer zuruͤck, welches aufs neue bis in das roͤmische Gebiet eingedrungen war: und das consularische, welches ohne den Feind zu verfolgen sich nach Rom zuruͤckbegab, soll den Zuruͤckziehenden einen noch fuͤhlbareren Verlust zugefuͤgt haben. Doch macht die ungluͤckliche Lage der Dinge im folgenden Jahr (291) diese Vortheile hoͤchst zweifelhaft. Man moͤchte vielmehr glauben daß der Sieg den Aequern ent- schieden geblieben sey, obgleich das roͤmische Heer vom Untergang gerettet war: denn in dem erwaͤhnten Jahr erscheinen sie unbestritten als Herren des Feldes. Der roͤmische Landmann dessen Habe die Kastelle gegen einen so zahlreichen Feind keinen Schutz gewaͤhrten, war mit seinem Vieh in die Stadt gefluͤchtet: und diese Anhaͤu- fung erregte, oder beguͤnstigte, wie zu Athen im Pelo- ponnesischen Kriege, die Entwicklung einer Pest welche die Stadt entwaffnete. Diese Pest soll zuerst unter dem Vieh begonnen haben, eine Erzaͤhlung die vielleicht nichts weniger als fabelhaft ist, da der Mangel an Futter und selbst an Wasser unter der in die Stadt zu- sammengetriebenen Menge Seuchen erzeugen konnte, die durch unvorsichtige Beruͤhrung, oder gar durch den Genuß des Fleisches der gefallenen Rinder, allerdings pestartige Uebel hervorzubringen hinreichten. Es wird ge- sagt Dionysius IX. c. 67. , die Pest habe um den Anfang des Septem- bers begonnen, und ein ganzes Jahr gewuͤthet: dies entspricht beynahe dem consularischen, dessen damals oft geaͤnderter Anfang in jenem Jahre mit dem Sextilis zusammenfiel Livius III. c. 6. . Vom Anfang des Jahrs erscheint auch die Flucht des Landmanns, und wenn die Monate den unsrigen entsprachen oder ihnen voreilten Im Jahr 278 folgte der Anfang des Sextilis nahe auf die Sommersonnenwende: Dionysius IX. c. 25. , so war der September an den Ufern der Tiber der gefaͤhr- lichste zur Entwicklung eines giftigen Fiebers. Die guͤnstigste Jahrszeit fuͤr die zerstoͤrenden Einfaͤlle der alten Kriegsgeschichte, welche in Griechenland wie im Mittelalter Italiens stets benutzt ward, war die worin das Korn mit schon ausgetrockneten Halmen, eben vor der Reife, im Felde steht, so daß die Aehrenfelder ohne Schwierigkeit Feuer fangen, und doch die Koͤrner noch nicht so weit gereift sind daß eine uͤbereilte Erndte fuͤr den Landmann einigen Vortheil gaͤbe: dieselbe Jahrs- zeit in der es dort noch Gras fuͤr die Pferde giebt, und die Baͤche noch nicht versiegt sind: in diesem Vorsommer muß man sich auch den eben erzaͤhlten Feldzug denken. Von da bis zum Anfang Septembers waͤren, wenn jene Zeit in den Anfang unsers Junius faͤllt, weni- ger als drey Monate vergangen; und wenn im Septem- ber die Stadt voll Fluͤchtlinge war, so scheint es daß die Aequer in vollem Besitz der Vortheile des letzten Feldzugs geblieben seyn muͤssen. Diese Pest raffte beyde Consuln und eine zahllose Menge Menschen hin. Rom konnte kein Heer aufstellen: die Aequer erschienen unter den Mauern der Stadt: nachdem sie das ganze roͤmi- sche Gebiet verwuͤstet hatten, drangen sie in die entleg- neren Gegenden der Latiner ein. Diese vereinigten ihre Kraͤfte zum Widerstand, aber sie wurden bey Tusculum gaͤnzlich geschlagen; und waͤre damals Eroberung der Zweck der Bergbewohner gewesen, so haͤtten die latini- schen Staͤdte vielleicht nur schwachen Widerstand leisten koͤnnen. Aber sie zogen sich freywillig aus einem Lande zuruͤck, in welchem sich wahrscheinlich die Ansteckung von Rom her gefaͤhrlich verbreitet hatte, wenn die Seuche in der Stadt ausgebrochen war und nicht vielmehr zu einer viel verbreiteteren Contagion gehoͤrte. Mit dem Jahre hatte diese aufgehoͤrt, und die neuen Consuln tilgten die Schmach und den Verlust des verflossenen. Die Volsker wurden in ihrem eignen Lande geschlagen (292): und ein Streifzug auf das roͤmische Gebiet, welchen der Consul nicht zu hindern vermocht hatte, ward an dem pluͤndernden Haufen blutig gerochen. Ein zweyter Sieg uͤber die vereinigten feindlichen Heere brachte die Feldherrn mit dem fast entwoͤhnten Triumph nach Rom zuruͤck. In den beyden folgenden Jahren ruh- ten diese Kriege, durch die waltende Gunst des Schicksals welches Rom beschirmte, da ein Einbruch der Aequer, waͤhrend das Capitol in feindlicher Gewalt war, das Da- seyn der Republik in vielleicht rettungslose Gefahr ge- bracht haben wuͤrde. Im Jahr 295 warf Antium das Joch ab, und zugleich uͤberraschte ein aͤquisches Heer Tusculum, oder die Burg dieser Stadt: denn nach Li- vius gelang es auch den Tusculanern das weitere Ein- dringen einer nicht zahlreichen feindlichen Schaar zu wehren, bis roͤmifche Huͤlfe eintraf. Jenen Verlust entschaͤdigten volskische Siege nicht, wenn sie auch wohl bewaͤhrt waͤren: und ein Maͤhrchen der juͤngeren Annali- sten duͤrfen wir es nennen (der aͤlteren Stillschweigen wis- sen wir durch Livius), wenn erzaͤhlt wird, wie der Abfall Antiums nach schneller Wiedereroberung gestraft worden sey; denn von jener Zeit an, so lange es freye Volsker gab, besteht diese Stadt feindlich und unabhaͤngig gegen Rom. Die Besatzung der Burg von Tusculum ward im Angesicht einer aͤquischen Macht durch Hunger zur Ueber- gabe gezwungen, aber ein anderes roͤmisches Heer erwar- tete die wehrlos entlassenen auf ihrem Heimwege und er- wuͤrgte sie, als nicht durch den Vertrag gebunden, wel- cher mit den Tusculanern geschlossen sey, nicht mit den Roͤmern die sich dort nur als Huͤlfsvoͤlker befaͤnden. Zu den historisch sehr verdaͤchtigen Sagen Nach den capitolinischen Fasten triumphirten die Consuln Q. Fabius und L. Cornelius, — mit deren Nahmen wir gehoͤrt, daß nach diesem Vorfall Friede mit den Aequern geschlossen sey; dieses unruhige Volk dennoch aber (296) ungereizt mit einem großen Heer aus seinem gewoͤhnlichen Lager auf dem Algidus die Gebiete der latinischen Staͤdte aufs neue verwuͤstet habe. Der Bruch der Treue soll dem aͤquischen Feldherrn von roͤmischen Gesandten vorgewor- fen, und diese von ihm angewiesen seyn ihre Beschwerden einer Eiche zu erzaͤhlen: er habe keine Muße fuͤr sie. Ein roͤmisches consularisches Heer zog auf den Algidus: es ward in eine unwegsame Gegend gelockt und eingeschlossen. Nur L. Quinctius Cincinnatus schien faͤhig ein allgemeines Aufgebot zur Rettung der Republik zu fuͤhren. Abgeord- nete Senatoren fanden ihn, zu arm einen Knecht zu be- sitzen, und zu weniger Aecker Herr als daß er fremde Huͤlfe zu ihrer Bestellung bedurft haͤtte, unbekleidet pfluͤ- gend, wie der Landmann Italiens im Sommer auf dem Felde zu arbeiten gewohnt war. Die Abgeordneten er- mahnten ihn eine Toga anzulegen, um die Botschaft des das Jahr 295 bezeichnen, die aber, gleich den Archonten Athens, nur die letzte Haͤlfte dieses Jahrs und die erste des folgenden, 296, einnehmen, — im Mai; also des Jahrs 296: L. Cincinnatus aber an den Iden des Septembers, also des naͤmlichen Jahrs. Diese Zeit ist nun doch wohl zu kurz fuͤr den Schluß und den Bruch des Friedens, und den ganzen Feldzug auf dem Algidus. Es scheint hier of- fenbar eine Wiederhohlung aus den Annalen des Jahrs 288 zu seyn: der erste der Gesandten welche uͤber den Friedensbruch Beschwerde fuͤhren, ist auch jetzt Q. Fabius (Livius III. c. 25.), wie er, auf gleiche Weise 288 genannt wird (Dio- nysius IX. c. 60.). Senats anstaͤndig zu vernehmen: und als sein Weib Ra- cilia dieses Gewand aus der Huͤtte gebracht, und er sich eingehuͤllt hatte, begruͤßten sie ihn als Dictator, und fuͤhrten ihn zur Stadt. Am andern Ufer der Tiber em- pfingen ihn Soͤhne und Vettern, und der groͤßte Theil der Patricier. Aber bey dem Volk ward die aufgehende Hoff- nung getruͤbt durch das Andenken an die Drohungen sei- nes Consulats, und an seinen ungerochnen vaͤterlichen Kummer. Der Dictator waͤhlte den Obersten der Ritter nicht aus den glaͤnzenden und reichen Haͤusern, sondern einen Mann aus einem sonst gaͤnzlich unbekannten patrici- schen Geschlecht, L. Tarquitius, der so arm wie er selbst war. Dann ließ er alle Buden schließen, alle Geschaͤfte ruhen, und die Buͤrger saͤmmtlich zu den Waffen schwoͤ- ren; so daß alle Waffenfaͤhige bey Sonnenuntergang sich mit Speise auf fuͤnf Tage versehen, und jeder mit zwoͤlf Schanzhoͤlzern, marschfertig auf dem Marsfelde einfin- den sollten, von da er sie sogleich zum Entsatz fuͤhren wolle. Dieses Gebot der hoͤchsten Anstrengung erregte in jedem Muth und Siegsvertrauen: die Zuruͤckbleibenden halfen den Ausziehenden alles bereiten: das Heer war zur vor- geschriebnen Stunde versammelt, und eigne Lust verdop- pelte ihren Schritt. Um Mitternacht erreichten sie die Naͤhe des Feindes; der ganze Zug umgab sein Lager, ihr Kriegsgeschrey verkuͤndigte den Eingeschlossenen die An- kunft und die Menge ihrer Befreyer, und forderte sie zu einem Ausfall auf. Indem dieser die Aequer von dem Heer des Dictators abzog, gewann es die Nacht um so lange der Consul L. Minucius nicht zu sehr gedraͤngt wuͤrde, wuͤrde, das feindliche Heer mit einer verschanzten Linie zu umringen. Als es hell ward, zog sich der Consul in das Lager zuruͤck, und die Aequer sahen sich ringsum von einer Linie eingeschlossen, welche sie zu durchbrechen nicht vermochten. Ermuͤdung von ununterbrochnen Gefechten, und Hunger zwangen sie um ihr Leben zu bitten. Es ward ihnen befohlen alle Waffen niederzulegen, und im Unter- kleide ganz wehrlos unter dem Joch abzuziehen; eine De- muͤthigung, die dem Sieger den Genuß gewaͤhrte die Zahl der Entlassenen zu erfahren, und den Vortheil, sich von ihrer voͤlligen Entwaffnung zu uͤberzeugen, und den lan- gen wehrlosen Zug zu zerstreuen. Um diesen schweren Preis erkaufte Gracchus Cloͤlius das Leben und die Frey- heit der Soldaten: er selbst und seine Obersten mußten sich den Roͤmern uͤberliefern, die sie in Ketten zum Tri- umphe und zum Tode nach der Stadt fuͤhrten. Die Stadt Corbio mußte als Loͤsegeld fuͤr das Leben der Ent- lassenen geraͤumt werden. Am Triumphe des Dictators und an der Beute nahmen der Consul und sein Heer keinen Antheil, jener ward seiner Wuͤrde entsetzt: doch begruͤß- ten er und das Heer ihren Retter als Patron, und reich- ten ihm einen goldenen Kranz, ein Pfund schwer. Der Tag des Triumphs war der festlichste fuͤr das ganze Volk: alle bewehrte Maͤnner waren ausgezogen gewesen, und bey dem Einzug wurden die Heimkehrenden vor allen Haͤu- sern bewirthet. Am sechszehnten Tage nach seiner Er- nennung legte L. Cincinnatus die Dictatur nieder. Wer sich uͤberzeugt hat daß die reicheren Erzaͤhlungen der aͤltesten roͤmischen Geschichte aus Liedern entstanden Zweiter Theil. G sind, den wird sein Gefuͤhl einen gleichen Ursprung dieser Geschichte von Cincinnatus Dictatur ahnden las- sen, und aͤhnliche Kennzeichen werden ihm, zur Genuͤge beweisend, sich leicht entdecken. Es ist schon angedeu- tet wie hoͤchst wahrscheinlich der aͤquische Friede aus der fruͤheren Geschichte hieher gezogen ist: aber auch ein aͤqui- scher Feldherr Cloͤlius wird mit seinem Heer auf gleiche Weise bey Ardea im Jahr 311 eingeschlossen, und em- pfaͤngt dieselben harten Gesetze Livius IV. c. 10. . Der eingeschlosse- nen Armee wird jetzt, wie im Jahr 290, T. Quinctius zu Huͤlfe gesandt Dionysius IX. c. 63. X. c. 23. . Cincinnatus war, der Sage nach, durch Caͤsos Verurtheilung verarmt: seitdem hatte er schon das Consulat bekleidet, doch jetzt erst wird seine Armuth geschildert. Denn alle Roͤmer stimmen hieruͤber mit Livius, und nur Dionysius, der das Verdaͤchtige empfindet aber ihm durch Verfaͤlschung abhelfen will, versetzt die Botschaft des Senats auf das Consulat, und wiederhohlt sie bey der Dictatur. So verfaͤlscht er auch die uͤbrigen ganz dichterischen und ganz unhistorischen Umstaͤnde der Erzaͤhlung: er uͤbergeht die zwoͤlf Schanz- pfaͤhle welche jedermann in diesem allgemeinen Aufgebot getragen haben soll: eine unertraͤgliche Buͤrde, da die alten Legionsoldaten ihrer nur drey oder vier trugen Polybius XVIII. c. 1. , welches schon eine bewunderte Anstrengung war: und er vertilgt in seiner Erzaͤhlung gaͤnzlich die Einschließung der Aequer durch die entfaltete Linie der Roͤmer. Auch hier fordere ich nur Anerkennung des Gedichts, und dessen Bewahrung gegen jede aͤhnliche angebliche Ver- staͤndigung. Wie groß dieser Sieg geschildert wird, so war er doch ohne dauernde Folgen: das abgetretene Corbio ging wieder verlohren, mit ihm Ortona. Die Obmacht blieb noch eine geraume Zeit bey den ausonischen Voͤlkern, wenn gleich in einzelnen Feldzuͤgen auch ihr Land die Verheerungen empfand welche sie jeden Sommer auf der feindlichen Graͤnze uͤbten. Volkszaͤhlungen . Aus diesem Zeitraum werden die Zahlen von drey Buͤrgerschaͤtzungen angegeben, bey Dionysius vom Jahr 280 Dionysius IX. c. 36. : bey Livius von 289 und 295 Livius III. c. 3. c. 24. . Jene soll 103000, die zweyte 104214: die dritte 117319 Buͤrger von erwachsenem alter Τῶν ἐν ἥβῃ Ῥωμαίων. Dionysius V. c. 20. und 75. IX. c. 36. οἱ τιμησάμενοι πολῖται σφᾶς τ̕ αὐτȣ`ς, καὶ χρή- ματα, καὶ τȣ`ς ἐν ἥβῃ παῖδας. ergeben haben. Wittwen und Waisen, obwohl selbststaͤndig, waren in diesen Zaͤh- lungen nicht begriffen Præter orbos orbasque. Livius III. c. 3. Χήραις καὶ ὀρφανοῖς ἀνεϑείσης τῆς εἰςφορᾶς. Plutarch Public. p. 103. d. Orba ist hier offenbar dem allgemeineren Begriff von vi- dua, lediges Weib, gleich. , weil sie vom Schoß befreyt waren: diese Befreyung blieb den Wittwen bis auf Ca- G 2 millus Censur Plutarch Camill. p. 129. e. , und ward durch die Verpflichtung den Rittern einen Zins zu zahlen aufgewogen. Diese Ausschließung eines Theils der freyen buͤrger- lichen Bevoͤlkerung von der Zahl des Census, wuͤrde schon hinreichen den Schluß zu begruͤnden daß die ver- heiratheten Frauen und Kinder nicht darin begriffen wa- ren, wenn dies auch nicht von Dionysius mit bestimm- ten Worten gesagt wuͤrde Dionysius IX. c. 25. , der doch den Census als eine noch bestehende Institution kennen mußte. Das erwachsene Juͤnglingsalter ward von dem vollendeten siebzehnten Jahr gerechnet Tubero bey Gellius X. c. 28. : mit diesem Alter ward der Juͤngling, wahrscheinlich in die Klasse seines Va- ters, obwohl er selbst kein Eigenthum angeben konnte, eingeschrieben, und ohne Zweifel auch in der Curie oder der Tribus seiner Familie stimmfaͤhig. Jetzt begann seine Dienstpflichtigkeit, welche in den Centurien der Juͤngeren bis zum vollendeten fuͤnf und vierzigsten Jahr Varro bey Censorinus c. 14. Acht und zwanzig Jahre: auch die etruskischen Buͤcher theilten der Menschen Leben nach Stufenjahren von sieben zu sieben. waͤhrte: alsdann bis zum sechszigsten unter den Alten Varro bey Nonius c. 12. n. 22. s. v. Sexagenarios. : jene Epoche des Lebens bey der auch unter den Athe- niensern die Dienstverpflichtung aufhoͤrte. Die Gesammtzahl der Roͤmer von beyden Geschlech- tern und jedem Alter muͤßte nun, nach den bekanntesten Regeln, mehr als vierfach die der im Census geschaͤtz- ten ausgemacht haben. Es ist Dionysius verzeihlicher, die Bevoͤlkerung Roms, mit Inbegriff der Sklaven und Fremden, nur auf viermal die Zahl des Census ge- schaͤtzt zu haben, als Montesquieu daß er sich hieruͤber von dem Rhetor irre leiten ließ. Mit jenen entsteht eine Zahl, deren Ernaͤhrung auf Roms eng begraͤnztem Boden ganz unbegreiflich bleiben muß: und der es wohl erlaubt ist unsern Glauben zu versagen. Livius selbst scheint den alten Censusangaben mißtraut zu haben, da er sowohl die fruͤheren welche sich bey Dionysius finden, als alle spaͤtere vor dem Jahr 459 uͤbergeht. Und schon die beyden aus dem Umfang dieses Zeitraums, welche er, wohl mehr zufaͤllig als absichtlich, wider jene Re- gel aufgenommen hat, sind durch ihre eigne Beschaffen- heit verwerflich. Denn das darf man schlechthin un- moͤglich nennen, daß waͤhrend sechs Jahren, in denen viel Blut floß und eine fuͤrchterliche Pest wuͤthete, un- mittelbar nach dieser, die Bevoͤlkerung sich um ein Acht- theil vermehrt haben sollte. Wahrscheinlich sind diese alle das Werk leichtsinni- ges Betrugs spaͤter Annalisten, und dahin moͤchte man versucht seyn auch den Census vor der gallischen Ein- nahme zu rechnen, wenn nicht die seit Errichtung der Censur verfaßten Register in den censorischen Familien als heilige Erbstuͤcke aufbewahrt geworden waͤren Dionysius I. c. 74. . Ist nun diese Angabe wirklich aͤcht, so kann man sie sich nur durch die Hypothese begreiflich machen daß der Cen- sus von Rom und Latium damals vereinigt geworden sey, wie die nach dem Census dienenden Buͤrger bey- der Staaten in denselben Legionen centurienweise ver- bunden waren. Noch zweifelhafter verhaͤlt es sich mit dem Census aus den ersten Jahren der Republik, 246, 256 und 261: in denen 130000, 150700 und 110000 Buͤrger gezaͤhlt seyn sollen Dionysius V. c. 20. c. 75. VI. c. 69. . Jene ersten großen Zahlen und ihre Verminderung mag auf den Verlust Roms in jenem Zeitalter deuten: aber in den ersten zehn Jahren konnte Rom keinen Zuwachs gewinnen, noch in den folgenden fuͤnf deren 40000 verlieren, wenn anders einiger Grund in unsern Annalen ist, und der Krieg des Porsena nicht vielleicht zehn Jahre spaͤter, in die Epoche des latini- schen, gesetzt werden muß. Die Todtenlisten einer Pest gehoͤren nebst den Er- zaͤhlungen von Finsternissen und Meteoren, von Wasser- fluthen und theurer Zeit, zu den Nachrichten welche die Chroniken mit der groͤßten Sorgfalt und Zuverlaͤssigkeit verzeichnen; und was uns von dieser Art erhalten ist, da die spaͤteren Annalisten nicht veranlaßt seyn konnten es zu verfaͤlschen, duͤrfen wir als ausgezogen aus den pontisicischen Buͤchern, fuͤr ganz historisch achten Wie die pontificischen Buͤcher unsern Chroniken hierin ganz glichen zeigt ein Fragment aus Catos Origines p. 10. Cort . . Von der Pest des Jahrs 291 wird gemeldet daß sie beyde Consuln, die meisten Volkstribunen, den vierten Theil der Senatoren, zwey Augurn, und den Obercurio wegraffte Dionysius IX. c. 67. Livius III. c. 6. 7. . Eben so verheerend kehrte sie nach zehn Jahren wieder. Einer der regierenden und einer der de- signirten Consuln, vier Volkstribunen, viele Senatoren, ein Augur, ein Flamen, werden unter den Todten ge- nannt Dionysius X. c. 53. Livius III. c. 32. ; es mag nur eine emphatische Bezeichnung des Umfangs der Seuche seyn wenn gesagt wird die Haͤlfte des Volks sey hingestorben. So verwuͤstend ist nur eine wahre Pest, wenn auch die Meinung richtig waͤre daß die Beulenpest Europa erst im dritten Jahrhundert erreicht haͤtte. Die attische hatte allerdings einen andern Charak- ter, aber sie war darum nicht weniger Pest, ploͤtzlich aus- gebrochen, unaufhaltsam verbreitet und alles hinraffend. Sie war nicht so moͤrderisch wie diese roͤmischen Thukydides III. c. 87. verglichen mit der Zahl der Hopli- ten am Anfang des Kriegs II. c. 13. . Gleichzeitig mit Athen ward Rom wieder von einer Seu- che heimgesucht, deren Verwuͤstungen nicht naͤher bezeich- net werden, und also weniger fuͤrchterlich gewesen seyn muͤssen: aber diese Uebereinstimmung der Zeit moͤchte der Vermuthung Gewicht geben daß alle diese Pestseuchen, seit der ersten roͤmischen des Jahrs 291, Erscheinungen derselben Erdplage waren. Thukydides sagt nichts weni- ger als daß die Seuche schnell aus Aethiopien durch Ae- gypten Athen ergriffen habe; vielmehr deutet seine Erzaͤh- lung auf einen viel aͤlteren Ursprung, nur zu Athen brach sie damals im Piraͤeus, wie ein gelbes Fieber, ploͤtzlich aus. Er weiß, daß sie auch das persische Reich uͤberzo- gen hatte, und Libyen: hier erscheint sie fuͤrchterlich um die Mitte des vierten Jahrhunderts: ihre Verwuͤstungen schienen Karthagos Macht vernichtet und die punische Na- tion fast vertilgt zu haben Diodor XIII. c. 14. XIV. c. 41. 43. 47. . War nun diese Seuche aus fortglimmenden Funken jener entbrannt welche fruͤher in Italien und Griechenland gewuͤthet hatte, so glich diese Pest auch in ihrer Ebbe und Fluth, und ihrer mehr als sechszigjaͤhrigen Periode jener des sechsten Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung welche die Vertilgung der alten Welt mehr entschieden hat als die Barbaren. Diese vieljaͤhrigen Perioden, an deren Ende sie aufhoͤren oder ihre Art aͤndern, sind den zerstoͤrendsten Seuchen gemein: wenn sie sich mildern, dann scheint es als ob die Heilkunst Mittel gegen sie gewonnen haͤtte; und die Geschlechter welche in einer Zeit leben die von ihnen frey ist, anstatt dem Schicksal zu danken, das die Laͤnder in ihren Tagen dem Wuͤrgengel nicht hingiebt, waͤhnen sich durch Polizey und vervollkommte Wissenschaft geschuͤtzt. Solche Pesten sind Zeiten der Herrschaft des Todes, als positiven Prinzips der Vertilgung des Menschenlebens, wie er an den Orten unverkennbar erscheint, wo, bey uͤp- pigem Gedeihen der Vegetation, ganze Landstriche dem Menschen toͤdtlich, oder doch nur durch unaufhoͤrliche Er- gaͤnzung der Aussterbenden bewohnbar sind, und ihre Graͤnzen zum Theil mit jedem Jahr erweitern. In an- dern Gegenden stirbt auch die Vegetation ab, und auf ewig: durch anwachsende Duͤrre, Versalzung des Bo- dens, durch Ausbreitung der Region des Frosts, durch Versandung aus den Wuͤsten, und Entbloͤßung der Hoͤ- hen und Flaͤchen. Man hat gesagt, es sey dem Menschengeschlecht na- tuͤrlich in geometrischer Progression anzuwachsen, und da sich die Production der Nahrungsmittel nur in arith- metischer vermehren lasse, entstehe so ein Conflict welcher es zur Pflicht mache dem Anwachs der Menschenzahl ent- gegen zu arbeiten. Die Voraussetzung ist factisch un- wahr. Ein Streben zur Vermehrung der Zahl ist freylich einerley mit dem Streben zur Erhaltung: aber dieses wird durch zwey Umstaͤnde regulirt, welche die allerverschieden- sten Resultate geben. Einmal durch die Menschenart, ja selbst durch die viel feineren Unterschiede der Volksstaͤm- me: und hier gewaͤhrt unter den edleren Menschenarten ein hoͤherer Grad gesunder Belebung groͤßere Fruchtbar- keit, wie im Gegentheil bey niedrigen Racen eine einigen eigenthuͤmliche Prolificitaͤt erscheint, und die Chineser dar- in ihrem Lieblingshausthier gleichen. Zweitens dadurch, daß die Natur in dem Umfang eines bestimmten Bezirks nur einer gewissen Summe Menschenlebens, verschieden fuͤr verschiedene Arten und Staͤmme, faͤhig ist; dieses aber sich zu dieser Summe zu entwickeln strebt, wenn es nicht unterdruͤckt wird. Daher ist die Vermehrung in neu angebauten Laͤndern so reissend schnell, und nimmt ab in dem Verhaͤltniß wie die Bevoͤlkerungszahl des Flaͤchen- inhalts zunimmt; ihr Gesetz ist das umgekehrte Verhaͤlt- niß der Volkszahl zur Quadratflaͤche, bis sie ein Maxi- mum erreicht, wo die Fortpflanzung selbst zur Erhaltung ungenuͤgend wird. Daher erklaͤrt es sich daß die Negersklaven, unter gleich harten Arbeiten und gleich harter Behandlung, in demselben abscheulichen Mißverhaͤltniß der Geschlechter- zahl eingefuͤhrt, in den weitlaͤuftigen Provinzen des festen Landes, selbst auf Cuba, sich stark vermehren: waͤhrend es ein frommer Traum bleiben wird, ihre Zahl lasse sich auf den kleineren Inseln ohne erzwungene Ergaͤnzung er- halten: daher sind in neu angebauten Laͤndern die Frauen uͤber die Graͤnze ihrer Zeit hinaus fruchtbar, und die es nie waren werden es: daher die unlaͤugbare außerordent- liche Zahl der Geburten welche immer einer schweren Pest folgt: es ist die Fruchtbarkeit der Geschlechtsverbindun- gen weit mehr als die Zahl der Ehen welche den Anwachs der Volksmenge bestimmt. Es giebt Volksstaͤmme die, seitdem wir sie kennen, in bestaͤndiger Abnahme sind; Menschenarten denen die bloße umgebende Naͤhe einer andern verderblich ist, durch jene Antipathie wie sie im Pflanzenreich wohl bekannt ist: die, umgeben von Europaͤern, aussterben, wo diese sich unbeschreiblich vermehren: oder sie sterben hin wenn ihre angeerbte Lebensweise geaͤndert, und eine andre, auch ohne alle Mißhandlung, ihnen aufgedrungen wird; und dies vermindert die Schuld der Europaͤer bey der Entvoͤl- kerung der neuen Welt. Es giebt Nationen welche durch Elend und Sklaverey niedergetreten, in der Leibeigen- schaft vegetirend, die kleine Zahl nicht anwachsen sehen mit der sie sparsam uͤber fruchtbare Landschaften zerstreut sind. Auch andre Voͤlker, obwohl ihr Loos leichter ist, doch gefallen von einer ehemaligen Hoͤhe, und in unauf- geregte Leblosigkeit versunken, wachsen kaum oder lang- sam wieder zu einer dichteren Zahl in ihrem schwach be- wohnten Lande heran, dessen Anbau inzwischen in einem viel groͤßeren Verhaͤltniß als die Volkszahl zunahm. Was der allgemeinen Geschichte so wesentlich ist wie der Gegenstand woruͤber hier Thesen aufgestellt sind, deren Erweis und Entwicklung sehr leicht waͤren, mag, beylaͤu- fig in der Geschichte eines einzelnen Volks erwaͤhnt, als auch ihr nicht fremd geduldet werden. Die ersten Decemvirn, und die zwoͤlf Tafeln . Plato urtheilt, die Einfuͤhrung neuer Gesetze geschehe am vollkommensten durch die uneingeschraͤnkte Macht eines Einzelnen: und diese Macht empfingen stets diejeni- gen welche zu allgemeinen Gesetzgebungen ernannt wur- den: der Rath der dreyßig, der von seinen Thaten den Nahmen der dreyßig Tyrannen traͤgt, wie Solon. Also wurden auch, da, nach erneuertem Zoͤgern, die Ernen- nung der Gesetzgeber zu Rom endlich zur Ausfuͤhrung kam, fuͤr die Dauer ihrer Amtsfuͤhrung die vom Consulat unabhaͤngigen Gewalten mit ihm aufgehoben, das Tribu- nat und die Quaͤstur Dionysius X. c. 56. : wodurch beyde Staͤnde den De- cemvirn untergeben wurden. Fuͤr die Patricier war dieses Opfer gering, da ihr Stand sich im ausschließlichen Besitz aller zehn Stellen behauptete: fuͤr die Plebejer aus derselben Ursache sehr gefaͤhrlich. Die Capitulationen waren freylich fuͤr Grund- gesetze erklaͤrt, an denen die Gesetzgeber nichts aͤndern duͤrften, aber sie waren unter dieser dictatorischen Ge- walt von jeder Gewaͤhrleistung entbloͤßt. Daß die Gesetz- gebung beschlossen worden, war Sieg der Plebejer, also mußte ihnen auch bewilligt seyn was allein sie beruhigen konnte, daß sie gemeinschaftlich geschehe: und auf diese Bedingung mochten sie damals glauben, sie duͤrften dem Tribunat entsagen. So war es in der Macht des Con- suls welcher die Comitien hielt, auch ohne offenbare Ge- waltsamkeit die Wahl dahin zu wenden daß nur Patricier ernannt wurden. Die des folgenden Jahrs zeigt augen- scheinlich daß eine gleiche Repraͤsentation beyder Staͤnde dem Decemvirat wesentlich war: wie im Volkstribunat ward jede der fuͤnf Klassen durch einen Plebejer ver- treten. Im Jahr 303, an den Iden des Mai, uͤbernahmen die Decemvirn ihr Amt. Sie vereinigten sich daß jeder von ihnen waͤhrend zehn Tagen vorsitzen, und Recht spre- chen, und waͤhrend dieser Tage Ich folge in dieser Geschichtserzaͤhlung durchweg Livius. Zonaras ( VII. c. 18.) laͤßt die Lictoren taͤglich wechseln: Dionysius redet unbestimmt von der Tage Zahl. die zwoͤlf Lictoren ha- ben solle; die uͤbrigen erschienen in derselben Zeit ohne den Glanz und die Schrecken der hoͤchsten Wuͤrde. Die Er- fahrung dieses Jahrs gewaͤhrte eine taͤuschende Bestaͤti- gung des Spruchs daß alle Formen gleichguͤltig seyen, und ihren Werth nur von der Anwendung empfingen. Denn obgleich nur Patricier erwaͤhlt waren, vermißte, wie die Geschichte erzaͤhlt, das Volk den Schutz der Tri- bunen nicht: weil ein andrer aus dem Collegium gleich den Tribunen Huͤlfe gewaͤhrte, wenn das Volk von dem Spruch eines seiner Collegen provocirte. Einmuͤthig un- ter sich, gerecht gegen das Volk, geliebt, in tiefem Frie- den, verwalteten sie die Republik so ruhmwuͤrdig daß alle Staͤnde die Veraͤnderung als Gluͤck priesen. Von den beyden Haupttheilen der Gesetzgebung konnte die Verfassung des Privatrechts ohne Gefahr einem von beyden Staͤnden ausschließlich anvertraut werden: denn nur ein blindes Vorurtheil haͤtte der Verwirrung des Rechts das Wort reden koͤnnen; sie brachte niemanden Vortheil. Auch waren die Decemvirn nicht Gesetzerfinder, sondern ihr erstes Geschaͤft war schon guͤltige Gesetze zu sammeln; wie die herkoͤmmlichen germanischer Voͤlker aufgeschrieben sind: dann lag ihnen ob aus allen zu waͤh- len was allgemein guͤltig in Kraft treten sollte: ihre Aus- wahl zu ergaͤnzen: die Willkuͤhr wo sie herrschte gegen feste Regeln zu vertauschen. Sie erfuͤllten ihren Beruf ein all- gemeines roͤmisches Recht anstatt der bisherigen Standes- und Localrechte zu verfassen Auch auf diese Abfassung eines allgemeinen buͤrgerlichen und Criminalrechts scheint zu deuten Livius III. c. 34. Se — omnibus summis infimisque jura æquasse, und c. 56. quod æquandarum legum causa — consulatu abisset. . Es ist schon gesagt worden daß die Gesetze der zwoͤlf Tafeln, so weit ihr Inhalt bekannt ist, durchaus eigen- thuͤmlich italisch, und weder von griechischer Philosophie noch von griechischer Staatsklugheit abgeleitet waren. Eine alte Sage nennt zwar als Gehuͤlfen der Decemvirn bey der Gesetzgebung einen Ephesier Hermodorus, den Freund des weisen Heraklitus, den seine Mitbuͤrger ver- bannt hatten aus Verdruß daß er sie beschaͤme, da sie sich alle an Schlechtigkeit gleich seyn wollten S. Menagius uͤber Diogenes Laertius IX. c. 2., und die von ihm angefuͤhrten Stellen. . Auch laͤßt sich nicht wohl erklaͤren wie sie ersonnen seyn sollte, wozu nur ein beruͤhmter Nahme Veranlassung geben konnte, waͤhrend der des Hermodorus den Griechen selbst nur durch den Spruch seines Freundes bekannt gewesen zu seyn scheint. Aus diesem Grunde darf die Benennung der Statue, welche zu Rom als die seinige unterschrieben war, fuͤr aͤcht gelten. Lebte er aber auch hier, geehrt von seinen Zeitgenossen den Gesetzgebern, und ihnen nuͤtzlich, so folgt daraus doch nicht, daß durch seinen Rath in die fuͤr uns verlohrnen Gesetze der Tafeln viel aus griechischen uͤberging: die Roͤmer hielten zu fest an ihrem eignen Her- kommen um es gegen fremde Einrichtungen zu vertauschen, und die Verschiedenheit zwischen ihnen und den Griechen war so groß daß der weise Hermodorus eine Nachaͤffung nicht hat empfehlen koͤnnen. Ein seltneres Gluͤck war es daß die Decemvirn mit gleicher Unpartheylichkeit und Weisheit die Gesetze des Staatsrechts schrieben. Hier waren sie Gesetzgeber, und sie genuͤgten dem Beschluß der Nation daß groͤ- ßere Gleichheit in die Verfassung gebracht werden solle Zonaras VII. c. 18. ἐψηφίσαντο ἰσοτέραν ποιεῖσϑαι τὴν πολιτείαν. . Dieses zu sagen wuͤrden uns die wenigen Bruchstuͤcke der Gesetze nur unvollkommen berechtigen: die alten Schriftsteller nehmen fast gar keine Ruͤcksicht auf diesen ihren wichtigeren Theil. Aber es ist eine Kluft zwischen dem Geist der Verfassung vor der Decemviralzeit, und nach derselben, welche diese Zeit als Urheberin der groͤßten Veraͤnderungen andeutet: und uns mag es gleich gelten, wenn von diesen auch mehr als bekannt ist, dem Zeitpunkt unmittelbar nach der Besiegung der Decemvirn angehoͤ- ren sollte. Die erste Bedingung der Gleichheit war Vereinigung der Staͤnde zu einer Nation, und diese forderte eine Na- tionaleintheilung anstatt der staͤndischen nach den Ge- schlechtern und nach den Landschaften. Jene konnte die Plebejer nicht aufnehmen, wohl aber diese die Patricier. Daher werden diese von jetzt an als begriffen in einer oͤrt- lichen Tribus genannt: wenige Jahre nach der Gesetzge- bung Mam. Aemilius Livius IV. c. 24. , und nach sechszig Jahren Ca- millus Derselbe V. c. 32. . Von nun an sind die urspruͤnglich plebeji- schen Tribus gleichbedeutend mit dem Inbegriff der ge- sammten souverainen Nation Omnibus quinque et triginta tribubus emovere; id est civitatem — eripere. Livius XLV. c. 15. . Dabey moͤgen die laͤndlichen Tribus die Nahmen patricischer Geschlechter empfangen haben, welche bey vielen unverkennbar sind, und bey andern, obwohl gleichgenannte Geschlechter nicht bekannt sind, auf untergegangene schließen lassen. Durch diese Vereinigung der Patricier mit dem Volk ward der Anspruch moͤglich, den sie ein Jahr nach der Revolu- tion welche die Decemvirn gestuͤrzt hatte, machten: wahl- faͤhig zum Volkstribunat zu seyn: wenn dieses nun als Nationalrepraͤsentation betrachtet ward. Wie die Plebejer in dieser Hinsicht zu den Patriciern erhoben wurden, so zog auf der anderen Seite die Vereini- gung der Staͤnde die caͤritischen Buͤrger, welche der Pa- tricier Clientel bildeten, zur Gleichheit mit ihnen hinauf, und gewaͤhrte auch diesen Raum in den Tribus. Denn seit der Gesetzgebung der zwoͤlf Tafeln bleibt von der Ent- gegenstellung der Plebejer und der Clienten auch nicht die geringste Spur; vielmehr werden die letzten jetzt zum Volk gerechnet Livius V. c. 32. Accitis domum tribulibus, clientibus- que: magna pars plebis erat. VI. c. 18. Quot clientes circa singulos fuistis patronos. . Noch nicht die Freygelassenen: denn erst Appius der Blinde brachte diese in die Tribus Th. I. S. 388. : wohl aber ihre Nachkommen. Ein Fragment der zwoͤlf Tafeln, wodurch den Sanates gleiche Rechte mit den Fortes zu- gesichert werden, scheint, nach einer Deutung mehrerer aͤlterer Auctoren des Verrius Flaccus Festus s. v. Sanates. , sich auf diese Aenderung zu beziehen. Unter den Sanates sollen die Bewohner bezwungener abtruͤnniger Orte zu verstehen seyn, geheilt durch ihre Reue und Ruͤckkehr, im Gegen- satz der gesunden treuen. Wie nun, in den spaͤteren Jahr- hunderten, die unterthaͤnigen Voͤlker sich in die Clientel eines eines roͤmischen Großen begaben, so laͤßt es sich nicht be- zweifeln daß auf gleiche Weise vom Anbeginn die Einwoh- ner der unterwuͤrfigen Orte von einem Patron abhingen; und aus diesem Band mochte in vielen Faͤllen der von einer Stadt hergeleitete Beynahme, wie Camerinus, Me- dullinus, gebildet seyn. Diese neuen Tribulen stimmten in der Volksgemeinde, von der nur die patricischen Geschlechter ausgeschlossen blieben Plebes dicitur in qua gentes civium patriciæ non in- sunt. Capito bey Gellius X. c. 20. Als die alten Begriffe sich ganz verwirrt hatten gab Gajus die barbarische Defini- tion, Plebs est ceteri cives sine senatoribus (l. 238. de V.S.), welche schließen laͤßt daß ihm kein Glossator mehr gethan haben kann, als er selbst in Unwissenheit des Alterthums an den zwoͤlf Tafeln gesuͤndigt haben muß. . Wie das in der Veraͤnderung der Stim- mung dieser Versammlung kund wird, wird im Verfolg der Geschichte angedeutet werden. Die allgemeinen Comitien, oder die der Centurien, wurden durch die zwoͤlf Tafeln zum alleinigen Halsgericht erhoben. Jede Anklage deren Ausgang uͤber Freyheit und Buͤrgerrecht entschied gehoͤrte vor dieses Gericht Cicero de legib. III. c. 4. 29. . Dadurch wurden das consularische Gericht erster Instanz fuͤr die Plebejer, und die Verschiedenheit der Gerichts- hoͤfe fuͤr beyde Staͤnde aufgehoben: dadurch eben die Einerleyheit des Buͤrgerrechts entschieden verkuͤndigt. Im zweyten Jahr nach Abschaffung des Decem- virats wurden die Quaͤstoren zuerst vom Volk er- Zweiter Theil. H waͤhlt Im 63sten nach der Koͤnige Verbannung. Tacitus An- nal. XI. c. 22. : unter dem Volk, von welchem die Wahl einer Magistratur vollbracht wird, sind unstreitig die Comitien der Centurien zu verstehen. Wir koͤnnen diese Nachricht ohne Zoͤgern auf Tacitus bestimmtes Zeugniß annehmen, wenn wir gleich die Irrthuͤmer schon angedeutet haben, worin er sich hier und oͤfter verwickelt, wo der roͤmischen Alterthuͤmer bey ihm gedacht wird. Es hat eine große Wahrscheinlichkeit daß diese Aenderung durch die Ta- feln vorgeschrieben war: vielleicht durch die letzten wel- che spaͤter von der Nation angenommen wurden. Varro sagt Varro de L. L. IV. c, 14. Quæstores a quærendo qui conquirerent publicas pecunias et maleficia quæ triumviri capitales nunc conquirunt: ab his postea qui quæstionum iudicia exercent, quæstores dicti. die Quaͤstoren waͤren also genannt worden weil sie die Forderungen des Staats und Verbrechen aufgesucht haͤtten: welches eine Vereinigung des Amts der alten Blutrichter und der Schatzmeister andeutet: die anfaͤngliche Ernennung der letzten, deren damaliger Amtsnahme vielleicht ein ganz anderer war, durch die Consuln kann nicht bezweifelt werden. Es scheint daß die urspruͤnglichen Quaͤstoren aus einer patricischen Ma- gistratur eine allgemeine der Nation wurden, welche so der Freyheitsrechte theilhaft wurde die anfaͤnglich nur der erste Stand genoß: daher ihre Wahl auf die Centurien uͤbertragen ward: daß die Verwaltung des Schatzes in ihre unabhaͤngigen Haͤnde niedergelegt, und auch so die Gewalt der hoͤchsten Obrigkeit gemaͤßigt worden ist. Privilegien, oder Gesetze gegen einen einzelnen Buͤrger, wurden untersagt Cicero de legibus a. a. O. . Sie muͤssen also fruͤ- her, wie die englischen Aechtungsgesetze, uͤblich gewesen seyn: sie konnten, nach der damaligen Verfassung, un- moͤglich von den Tribunen vorgeschlagen werden, und Cicero hat sicher nicht unuͤberlegt geschrieben, aufruͤhre- rische Tribunen waͤren damals noch ganz unbekannt gewe- sen, man haͤtte sie nicht einmal moͤglich geglaubt. Also von einer ganz anderen Seite mußten diese gefaͤhrlichen Gesetze ausgehen, und wir scheinen befugt sie in den Curien aufzusuchen, da hier die Gesetzgebung uͤber den einzelnen blieb; freylich in der schuldlosesten Art, bey den Testamenten, der Arrogation, und der Zuruͤckberu- fung eines Buͤrgers aus der Verbannung Camillus. Livius V. c. 46. . Wie hier das Buͤrgerrecht wiedergegeben ward, so mochte es in aͤlteren Zeiten auf gleiche Weise genommen seyn, wenn man zugiebt daß eine dem Ostracismus aͤhnliche Einrichtung, welche nichts weniger als gerichtliche Schuld und Verdammung voraussetzt, wie sie Athen keineswegs eigenthuͤmlich war, auch zu Rom geherrscht haben kann. Oder entsagten beyde Staͤnde dem in der alten Tren- nung gegruͤndeten Richteramt in Fehden mit Buͤrgern des entgegengesetzten? Die Abschaffung des Volkstribunats durch die zwoͤlf Tafeln scheint keinem Zweifel unterworfen zu seyn. Nur auf eine foͤrmliche Abschaffung, nicht auf eine nur vor- uͤbergehende Suspension dieses Volksministeriums, nach H 2 der gewoͤhnlichen Ansicht vom Wesen des Decemvirats, kann Ciceros hoͤchst unglimpfliche Erwaͤhnung der Sa- che Cicero de legib. III. c. 8. gedeutet werden: und dafuͤr redet auch Livius sehr glaubliche wiederhohlte Meldung, die Abschaffung des Tribunats habe auch den Besseren unter den Patri- ciern Eifer fuͤr die Erhaltung der Decemviralverfassung erweckt. Es gilt fuͤr ausgemacht diese Verfassung sey nur eine voruͤbergehende, einzig auf den Zweck und fuͤr die Zeit der Gesetzgebung errichtete, durch List verlaͤngerte, und zuletzt frech behauptete Ordnung gewesen. Mir scheint es daß hier die Bevollmaͤchtigung der ersten Ge- setzgeber, und die Einrichtung des zweyten decemvirali- schen Collegiums verwechselt werden. Die Geschichtschrei- ber erzaͤhlen es sey die Meinung erregt worden die Ge- setzgebung beduͤrfe noch einer Ergaͤnzung: dadurch habe man eine zweyte Wahl bewirkt. Dies waͤre ganz an- nehmlich wenn nicht der Senat, nach derselben Erzaͤh- lung, sich bemuͤht haͤtte Wiedererwaͤhlungen zu hindern; und wenn nicht die Wahlen zur Haͤlfte Plebejer er- nannt haͤtten. Daß die Ernannten, unter dem Vor- wand der Nothwendigkeit die Gesetzgebung zu vollen- den, gleiche Macht wie ihre Vorgaͤnger erlangten, ist nicht unwahrscheinlich. Aber viele Umstaͤnde deuten da- hin daß das Consulat nicht weniger als das Tribunat abgeschafft, und durch ein zur Haͤlfte aus jedem Stande ernanntes decemviralisches Collegium ersetzt war. Nur um diesen Preis konnten sich die Plebejer bey der Aufhe- bung des Tribunats beruhigen, und, ehe eine bittere Er- fahrung sie belehrte, waͤhnen daß vielmehr ihr Stand an Freyheit, wie Einzelne von ihnen an Macht und aͤußeren Vortheilen, gewonnen habe. Livius, dessen Widerspruͤche, wie schon erwaͤhnt ist, daher kommen daß er an verschiedenen Stellen nach ver- schiedenen Annalisten redet, beginnt die Erzaͤhlung vom Decemvirat indem er diese Veraͤnderung der Verfassung mit der Abschaffung der Koͤnigswuͤrde vergleicht, hinzu- fuͤgend, nur darum sey sie weniger beruͤhmt als die Einfuͤhrung des Consulats weil sie keinen Bestand ge- habt, indem der bluͤhende Anfang dieser Magistratur bald verwildert sey Livius III. c. 33. . An einem andern Ort schilt ein Consul des Volks Wankelmuth, und preißt der Pa- tricier Nachgiebigkeit: ihr wolltet Decemvirn, wir er- laubten ihre Wahl: ihr wurdet ihrer muͤde, wir zwan- gen sie abzudanken Derselbe III. c. 67. . Mehr Stellen, wo das De- cemvirat unzweydeutig genug neben andern bleibenden Veraͤnderungen aufgefuͤhrt wird, will ich aus andern Buͤchern nicht haͤufen, da sich die Praͤcision des Ge- dankens in solchen Faͤllen leicht bestreiten laͤßt. Unmittelbar nach der Herstellung des Volkstribu- nats ward die Unverletzlichkeit der Richter und Decem- virn wie der Volkstribunen und Aedilen verordnet: eine Bestimmung welche von einigen zu Gunsten der Con- suln und Praͤtoren gedeutet ward Derselbe III. c. 55. . Eine Deutung welche nur dadurch entstanden seyn kann daß mit gu- tem Fug auf das Consulat, nachdem die Republik die- ses als die alleinige Form der hoͤchsten Macht anerkannt hatte, angewandt ward, was fuͤr diese in einer andern Gestalt verordnet war. Fuͤr die Richter fand sich noch eine gezwungene Deutung bey der Meinung es sey un- mittelbar von consularischer Verfassung die Rede: allein fuͤr die ausdruͤcklich genannten Decemvirn keine. Er- waͤgt man aber wie vieles anderes in der Herstellung des Consulats nur auf eine vorlaͤufige Maaßregel deu- tet, wie denn, nach wenigen Jahren, die hoͤchste Ge- walt Militartribunen, ebenfalls um sie zwischen beyden Staͤnden zu theilen, anvertraut, und die Censur abge- sondert ward, so findet, wenn auch jenes Gesetz ein va- lerisches und nicht tribunicisch gewesen, alles seine Deu- tung. Es waͤre die Absicht gewesen die hoͤchste Gewalt einem decemviralischen Collegium von Praͤtoren zu las- sen, beschraͤnkt durch Volkstribunen, deren Wuͤrde her- gestellt war, und nur fuͤr damals waͤre sie den beyden Maͤnnern anvertraut geworden welche des Volks un- eingeschraͤnktes Vertrauen hatten. Nicht zu uͤbersehen ist eine Nachricht daß erst nach der Entsetzung der De- cemvirn die beyden Haͤupter des Staats Consuln ge- nannt geworden waͤren. Fruͤher haͤtten sie den Feld- herrntitel gefuͤhrt Zonaras VII. c. 19. : also, nach dem gewoͤhnlichen Verhaͤltniß des griechischen zum lateinischen Nahmen, Praͤtoren, vielleicht aber waͤre dieser aͤltere Titel, wie in den latinischen Staͤdten, Dictator gewesen, da die Dictatoren Roms anfaͤnglich nicht also, sondern Heer- meister Magister populi. Varro de L. L. IV. c. 14. Cicero de leg. III. c. 5. genannt wurden. Es gab nicht mehr Candidaten des Senats: die Wahl des zweyten Decemvirats ist sichtbar ganz frey dem Volk uͤberlassen, und so blieben es die folgenden Comitien, wenn der vorsitzende Magistrat seine Macht nicht mißbrauchte. Die Idee daß die Gesetzgebung der zwoͤlf Tafeln zum Zweck hatte die Nation zu vereinigen waͤre wider- legt wenn es wahr waͤre daß erst durch sie das Connu- bium der Staͤnde verboten sey. Aber das koͤnnen wir als einen Wahn des Dionysius schlechthin verwerfen, welcher Verzeichnung des bestehenden Rechts, und Ge- setzgebung verwirrte Dionysius X. c. 60. : er fuͤhlte nicht einmal die Un- wahrscheinlichkeit daß dies geschehen seyn solle waͤhrend eben ein Theil der Decemvirn plebejisch war. Ein sol- ches Gesetz kann nur durch unvordenkliches Herkommen bestehen, nicht eingefuͤhrt werden. Sehr glaublich ist es hingegen daß erst jetzt ein allge- meines Commercium, Veraͤußerungs- und Erwerbrecht der Gegenstaͤnde quiritarisches Eigenthums, zwischen den verschiedenen Staͤnden eingefuͤhrt ward. Die Fragmente der zwoͤlf Tafeln sind so zufaͤllig erhalten, und so gering, daß sie wenig Belehrung uͤber das buͤrgerliche und peinliche Recht gewaͤhren welches diese Gesetzgebung enthielt: und diese zerrissenen Bruch- stuͤcke koͤnnen hier nicht eroͤrtert werden. Auch die, von einer solchen Sammlung sehr verschiedene, Herstellung des aͤltesten Rechts fordert andre Kenntnisse als die meinigen, und eine abgesonderte Abhandlung. Alle Nachrichten sind einstimmig, daß die zehn er- sten Tafeln zugleich von den ersten Decemvirn aufge- stellt wurden, die beyden letzten aber ihr Werk nicht wa- ren. Livius und Dionysius schreiben sie den zweyten Decemvirn zu: Diodor den Consuln L. Valerius und M. Horatius Diodor XII. c. 26. . Das zweyte Decemvirat . Die Tyranney und der Sturz der Decemvirn der zweyten Wahl sind von Dionysius und Livius mit einer Uebereinstimmung geschrieben welche eine gemeinschaft- liche Quelle ihrer Nachrichten beweißt, nicht aber daß sie eine historisch unbestrittene Ueberlieferung erhalten ha- ben. Denn uͤber die Volksrevolution sind ganz abwei- chende Erzaͤhlungen erhalten; und so wenig sich die Wahrheit einer patricischen Tyranney unter dieser Ver- fassung bezweifeln laͤßt, so rechtfertigen doch innere Un- wahrscheinlichkeiten, zu denen auch die der zu genauen Schilderung gehoͤrt, den Verdacht, daß plebejische Bit- terkeit das dunkle Andenken dieser Zeiten mit großer Gehaͤssigkeit ausgebildet hat. Wir muͤssen jener Erzaͤhlung folgen, weil sie die einzige ist: sonderbar daß Livius sie mit Lebhaftigkeit und sichtbar festem Glauben darstellen, und unmittel- bar nachher in seine gewoͤhnliche Partheyansicht zuruͤck- fallen konnte. Als das erste Jahr der Decemviralregierung zu Ende ging, erhob sich, je mehr die Zahl der Stellen be- deutender, die Wahrscheinlichkeit sie zu erlangen groͤßer als bey Consularcomitien war, und je mehr es den Pa- triciern darum galt die Plebejer zum zweytenmal auszu- schließen, eine heftige Bewerbung unter den ersten des Senats wie sie nie gesehen worden war. Man bemerkte die Ehrsucht des Appius Claudius, der schon durch an- genommene Anspruchslosigkeit und Milde, wie durch ausgezeichnetere Talente die Gunst des Volks vor seinen Collegen gewonnen hatte. Wiedererwaͤhlung war durch kein Gesetz verboten; sein Ehrgeiz war schon verdaͤchtig; und die altvaͤterische Rechtlichkeit seiner Collegen sah in einem Auswege Huͤlfe gegen diese Gefahr, der nur einen von Gefuͤhlen gemaͤßigten Ehrgeiz zuruͤckhalten konnte, ungebaͤndigter Herrschsucht ihr Unternehmen erleichterte. Der Senat hatte in feyerlichen Resolutionen die Wie- dererwaͤhlung derselben Magistraturen fuͤr tadelnswuͤr- dig erklaͤrt; dies berechtigte den bey der Wahl vorsitzen- den Magistrat nicht, unzweifelhafte Stimmen fuͤr seinen Collegen zu verwerfen: aber Scheu und Ehrfurcht ge- boten ihm die nicht anzunehmen welche ihm selbst gege- ben wurden. In dem Vertrauen daß Appius Claudius nicht ganz unempfindlich gegen diese Gefuͤhle seyn koͤnne, uͤbertrugen sie ihm als dem juͤngsten den Vorsitz bey den Comitien fuͤr das folgende Jahr. Er aber fand eben hierin die Mittel seinen Wunsch zu erreichen; wie es scheint, durch einen foͤrmlichen Vertrag mit den Haͤuptern des Volks; er wolle gesetzmaͤßig die Stimmen fuͤr fuͤnf plebejische Candidaten annehmen, wenn er selbst mit den von ihm empfohlnen Patriciern gewaͤhlt wuͤrde. Ein unseliger Vertrag, dessen Schuld aber nicht auf die Plebs, der der offne Weg zum Genuß ihrer Rechte verschlossen war, sondern auf die Arglist der Patricier faͤllt, welche jedes zum Vortheil des Volks gegebene Gesetz in der Ausfuͤhrung vereitelten. So waren nun zum erstenmal seit Brutus Tode Plebejer zur hoͤchsten Wuͤrde der Republik gelangt. Dies verkennt auch Dionysius nicht, obwohl er irrig zwey der plebejischen Decemvirn, M’. Rabulejus und T. Antonius nicht zu ihnen zaͤhlt, da doch an der Plebitaͤt dieser Geschlechter nicht der geringste Zweifel seyn kann Dionysius X. c. 58. . Dem Schein nach war diese Wahl mehr als Ersatz fuͤr den Verlust der tribunicischen Gewalt: die Erfahrung dieser Zeit belehrte das Volk, und sogar die Patricier; als das Consulat und alle Wuͤrden zwischen beyden Staͤnden getheilt waren blieb das Tribunat doch unent- behrlich als eigentliche Volksrepraͤsentation; es verlor seine finstre Feindseligkeit, und ward den Patriciern nicht weniger wohlthaͤtig als dem Volk. — Die plebejischen Decemvirn waren, so weit uns die Nahmen der thaͤti- gen Tribunen bekannt sind, nicht aus ihrer Mitte: es scheinen reiche, unbedeutende und charakterlose Leute ge- wesen zu seyn, die sich von dem Glanz der Geburt und fruͤher bekleideter Wuͤrden ihrer patricischen Collegen verdunkelt fuͤhlten, und ihre Autoritaͤt fuͤr die Vortheile verkauften welche Appius fuͤr ihre Mitschuldigkeit an- bot. Auch die Patricier waren wohl zum Theil nur die Werkzeuge der eigentlichen Tyrannen. Wie Kritias und Charikles die dreyßig, so beherrschten Appius Clau- dius, und Q. Fabius, welcher dreymahl mit Auszeich- nung Consul gewesen war, das ganze Collegium; doch auch der letzte war von dem thaͤtigeren und heftigeren Ehrgeiz des juͤngeren abhaͤngig. Im ersten Jahr hatte die Selbststaͤndigkeit der einzelnen Decemvirn, bey der unbegraͤnzten Gewalt des ganzen Collegiums, die Frey- heit erhalten; und im Volk nach so vieljaͤhrigen innern Fehden das Gefuͤhl der Behaglichkeit erregt welches die milde Ausuͤbung einer wohlwollenden unbeschraͤnkten Herrschaft hervorbringt. Jetzt empfand die Nation welches Gut ihr jene unruhigen Bewegungen gesichert hatten, und wie wenig sie ein zu theurer Preis waren. Am ersten Tage der Magistratur erschien jeder der Decemvirn mit den consularischen zwoͤlf Lictoren. Der Buͤrger welcher von dem ungerechten Spruch eines De- cemvirs den Schutz eines andern anrief, empfand durch vermehrte Mißhandlung daß sich alle wechselseitig ty- rannische Willkuͤhr zugesagt hatten. Es genuͤgte ihnen nicht die Buͤrger an Ehre und Vermoͤgen zu kraͤnken: die Beile, welche Publicola innerhalb der Mauern aus den Steckenbuͤndeln der Lictoren genommen hatte, wa- ren nicht umsonst von den Decemvirn wieder eingefuͤgt, und das erwaͤhlte Schlachtopfer blutete um die Wuth des Tyrannen zu befriedigen, oder um ihn sicher zu stellen. Wie es funfzig Jahr spaͤter die dreyßig Ty- rannen zu Athen hielten, sie beriefen weder den Senat noch die Gemeinde; alles verfuͤgten und verwalteten sie allein despotisch wie sie richteten. Und diese stolzen Patricier, welche gegen das Volk uͤber jede Frage des Rechts lieber die aͤußerste Gefahr wagten, als von ihrem Besitz im geringsten zu weichen, sie ertrugen es mehr als ruhig von Appius Claudius, der alles beherrschte, alles Ansehens beraubt zu seyn. Die plebejischen Decemvirn waren Schattenbilder, die furchtbaren tribunicischen Anklagen ruhten, vor allem war die Rede nicht mehr vom widerrechtlichen Besitz der Domaine. Livius, den niemand gehaͤssiger Gesin- nungen gegen die Optimaten irgend eines Zeitalters ver- daͤchtig machen kann, erzaͤhlt wie die jungen Patricier Appius Claudius umgeben; wie sie in der Unterdruͤckung des Volks geschwelgt haͤtten: wie jeder Hader des ein- zelnen mit einem Manne vom Volk durch Geisselung und Tod vor dem Tribunal gerochen, wie der Anklaͤger durch Schenkung des Vermoͤgens seines Opfers erfreut worden waͤre. Kein Patricier ward gekraͤnkt; und die Jugend dieses Standes fand den ungebundnen Frevel dieses Zustands gluͤcklicher als allgemeine Freyheit Livius II. c. 36. 37. . Es waren die Zeiten des letzten Koͤnigs, und die Wuͤn- sche der Genossen seiner Soͤhne wiedergekehrt. Das Jahr verging, ohne Comitien fuͤr eine neue Wahl: und die Decemvirn, als ob auf immer ernannt, legten ihre Macht nicht nieder. Selbst dieses weckte die schuldige Gleichguͤltigkeit des Senats nicht. Aber die benachbarten Voͤlker, entweder bis dahin ruhig, oder in ihren Fehden mit den Bundesgenossen von den nur auf innre Herrschaft sinnenden Decemvirn unbeachtet, schreckten ihn aus dem Schlummer den er willig genoß. Die Sabiner hatten die Landschaft uͤber dem Anio ver- wuͤstet: die Aequer waren auf dem Algidus gelagert, und das treue Tusculum flehte um Beystand. Es schien selbst den Decemvirn zu kuͤhn Truppen auszuheben ohne einen Schein von Ermaͤchtigung durch die Republik. Sie beriefen den Senat: sehr wenige erschienen: es hatte das Ansehen als weigerten sich die erkohrnen Vaͤter einer Zusammenberufung zu gehorchen welche von de- nen an sie erging, die der Senat, als Unerwaͤhlte, nur fuͤr Privatpersonen und unbefugt ihn zu versammeln er- kennen konnte. Livius sagt, dies sey nicht der Fall ge- wesen, sondern, entwoͤhnt sich zu versammeln, haͤtten sich die Senatoren auf ihre Landguͤter zerstreut gehabt; am folgenden Tage waͤren sie gehorsam erschienen. Es ist aͤußerst unwahrscheinlich daß diese auf dem Lande ge- blieben seyn sollten, wenn die Feinde uͤber die Graͤnzen gegangen waren, und kein Heer ihnen entgegenstand: entweder also kamen sie, weil eine erste Bewegung des Unmuths, und des Andenkens an die Freyheit der vor- sichtigen Ueberlegung wich; oder auch diesesmal waͤre der Feind nicht gefaͤhrlich gewesen, und die Decemvirn suchten nur unter einem Vorwand ein Heer aufzustel- len. So erlosch bald die leichtsinnige Hoffnung des Volks, welches ohne Haupt, ohne ein Mittel der Ver- einigung, auf die Patricier hinblickte bey denen es doch auch einiges Gefuͤhl fuͤr die Freyheit erwartete, und in seinem Widerstand den Anfang ihrer Wiederbelebung zu sehen traͤumte. Am folgenden Tage war der Senat zahl- reich versammelt: und Appius Claudius trug auf den Beschluß an, Soldaten auszuheben. Die Versammlung nahm den Vortrag an ohne Einwendung gegen das Verfassungswidrige. Unter allen Patriciern war nur noch zwey Maͤnnern die Freyheit theuer, nur zwey be- wahrten die Grundsaͤtze und die Sinnesart ihrer Vor- fahren, und ihren Muth: L. Valerius Potitus, und M. Horatius Barbatus. Valerius forderte daß vor allem der Zustand der Nation erwogen werde: und als die Decemvirn ihn unter Drohungen auf den Gegenstand des Vortrags einschraͤnkten, rief er, wenn ihn der Se- nat nicht hoͤren wolle, so werde er das Volk berufen: die Decemvirn waͤren nicht besser berechtigt als er Vor- rechte der Magistratur auszuuͤben. Horatius redete noch drohender. C. Claudius, des Decemvirs Oheim, sprach besaͤnftigend, und warnte gegen heftige Bewegungen welche das Interesse des Standes in Gefahr braͤchten. Er bat die Decemvirn sich mit dem Senat friedlich zu verstaͤndigen; und trug darauf an daß kein Beschluß ge- faßt werde. Dies haͤtte die Gesetzwidrigkeit der gegen- waͤrtigen Macht erklaͤrt, und, wenn sie weichen wollte, eine Unterhandlung vorbereitet, entweder sie, mit Her- stellung des Ansehens des Senats, zu bestaͤtigen, oder eine Veraͤnderung zu treffen wodurch die tribunicische Gewalt abgeschafft geblieben waͤre. L. Cornelius Ma- luginensis, Altconsul, und Bruder eines der Decemvirn, schalt die Anklagen des Valerius und Horatius auf- ruͤhrerisch: der Staat sey in Gefahr; die Sache der Formen unbedeutend: es sey Pflicht des Senats die Re- publik zu retten; wenn dies erreicht worden, dann werde es Zeit genug seyn zu untersuchen, ob die Decemvirn mit Recht behaupteten, nicht, wie die fruͤheren Magi- strate, auf die Dauer des Jahrs, sondern bis die Ge- setzgebung nach ihrem Gewissen vollendet seyn werde, erwaͤhlt zu seyn; oder die Opposition mit Grund vor- gebe, ihre Gewalt sey mit dem abgewichenen Jahr er- loschen. Dieser Rede stimmten die juͤngeren Patricier bey, und ein Senatsbeschluß ward nach dem Antrag des Decemvirs gefaßt. Noch einmal erhoben sich Va- lerius und Horatius fuͤr die Constitution. Was Ne- bensache genannt werde, sey weit dringender als der aͤußere Krieg der nur, wie schon so oft geschehen, ohne die Republik zu vernichten, Felder und Haͤuser verwuͤ- sten koͤnne. Wenn der Senat sie nicht hoͤren wolle, das Volk werde sie doch hoͤren: nicht die Decemvirn, nicht ihre Lictoren, nicht ihre Mitverschwornen, nicht ihre Clienten wuͤrden die Enkel der Gruͤnder der Freyheit schrecken. Appius Claudius sandte Lictoren um sie fort- schleppen zu lassen, seine Freunde hemmten die rasche Unbesonnenheit und empfahlen ihm den Zorn der Re- publikaner in kraftlosen Reden in der Curie verhallen zu lassen. Nicht nur die jungen Patricier wuͤnschten die Fortdauer der Tyranney: die bejahrten duldeten al- les lieber als Volksfreyheit, und fuͤrchteten die gezwun- gene Abdankung der Decemvirn als den Anfang ihrer Herstellung Livius III. c. 41. . So war es ungewiß ob die Gewalt der Usurpatoren durch diese Versammlung erschuͤttert oder befestigt sey. Fuͤr jetzt war diese Gewalt durch den Senatsbe- schluß mit allen consularischen Zwangsmitteln zur Aus- hebung der Soldaten bewaffnet. Ohne tribunicischen Schutz war das Volk nur eine ohnmaͤchtige einheitslose Masse: die Bildung der Legionen ward ohne Wider- stand vollendet, ein Heer gegen die Sabiner, ein andres gegen die Aequer gesandt. Aber die gewaltsam Ausge- hobenen waren die murrenden Knechte, nicht die sieg- duͤrstenden Soldaten ihrer Beherrscher. Es mag auch Schuld der befehlshabenden Decemvirn gewesen seyn daß die Aequer auf dem Algidus das roͤmische Heer schlugen, und das Lager eroberten; denn hier war un- ter den Befehlshabern L. Minucius, der in eben dieser Gegend durch den Dictator Cincinnatus kaum gerettet war. Aber der Soldat machte dem Feind in seinem Unmuth den Sieg kaum streitig, und troͤsiete sich, als die Zerstreuten entwaffnet und entbloͤßt in Tusculum zusammenkamen, mit der Unehre seiner Anfuͤhrer. Als sie gesammelt, wieder bewaffnet und verstaͤrkt waren, naͤherten sie sich dem Feinde wieder, aber die Feldher- ren wagten es nicht ein verschanztes Lager und das Gebuͤrg zu verlassen. Das andre Heer war nicht gluͤck- licher. Die Sabiner, die selten eine Schlacht gegen Roͤmer Roͤmer wagten, schlugen sie an ihrer Graͤnze, und die roͤmischen Befehlshaber suchten auch hier Sicherheit hinter Verschanzungen ruͤckwaͤrts im roͤmischen Gebiet. Bey diesem Heer befand sich ein alter Krieger dessen Anblick den Decemvirn ihre Niederlage und ihre viel- fache Schuld vorwarf, und dessen unwillige Schmaͤ- hungen ihren Zorn reizen mochten. Unermuͤdliche Kriegs- lust, selbst unter einer Oberherrschaft wie der verhaß- ten Decemvirn, muß L. Siccius Dentatus, dessen schon einmal gedacht ist, in dieses Heer gefuͤhrt haben; denn sein Alter und sein beyspielloser Ruhm haͤtten ihn vom gezwungenen Dienst befreyt. In der ganzen Kriegsge- schichte Roms, in der die Schlachten dieses Zeitraums so unbedeutend erscheinen, ist ihm kein andrer Krieger jemals zu vergleichen gewesen, selbst nicht M. Sergius mit der eisernen Hand Ueber diesen Helden siehe Plinius VII. c. 29. Sein Zeitalter war der hannibalische Krieg. Er gelangte nicht zum Consulat, und in der Praͤtur wollten ihn seine Collegen, wegen der Verstuͤmmelungen die er fuͤr das Vaterland erlitten, von den Opfern ausschließen: eine merkwuͤrdige Analogie mit dem mosaischen Gesetz. . L. Siccius hatte in 120 Gefechten gestritten, acht Feinde im Zweykampf erlegt; neun Triumphe begleitet, deren Siege er vor- zuͤglich entschieden hatte: er zaͤhlte 45 Narben, keine auf dem Ruͤcken, und an Ehrenzeichen und Belohnun- gen, Pferdegeschirr, Spießen, Halsketten, Armketten, den verschiedenen Kronen welche die Tapferkeit auszeich- neten, und andern Ehrengeschenken, eine fast unermeß- Zweiter Theil. J liche Menge Plinius a. a. O. Gellius II. c. 11. Dionysius X. c. 37 . Auch als Buͤrger war er sehr ge- achtet, und Plinius rechnet es am Verdienst seinen Kriegsthaten gleich daß er im Jahr 300 als Volkstri- bun den Consul des verflossenen Jahrs, T. Romilius, an- geklagt und zur Strafe gezogen hatte. Ein solcher Mann konnte, wenn er sich entschloß, das Heer wie einst Sici- nius zum Aufstand bestimmen, und nur der Mangel eines Anfuͤhrers erhielt noch den Gehorsam. Q. Fabius der Befehlshaber dieser Armee ersann einen Weg ihn verborgen umzubringen. Unter dem Vorwand, das Heer solle wieder vorruͤcken, befahl er dem Siccius die Gegend zu recognosciren und den Ort eines Lagers aus- zusuchen. Die Begleiter welche ihm beygegeben wur- den, ausgewaͤhlt unter den schuldigsten Anhaͤngern der Decemvirn, hatten den Auftrag ihn an einem einsamen Ort zu ermorden, und vorzugeben er sey in einem Ge- fecht mit dem Feinde gefallen: Siccius aber, obgleich arglos uͤberfallen, starb wie er gelebt hatte, und fiel geraͤcht unter einem großen Haufen seiner Moͤrder. Das Schicksal welches die Decemvirn verderben wollte, fuͤgte es daß diese verruchte That sinnlos ausgefuͤhrt ward. Niemand scheint erwogen zu haben daß Liebe und Treue die alten Gefaͤhrten des Ermordeten zu seiner Leiche hinziehen werde, und die Meuchelmoͤrder hatten geeilt sie zu verlassen, um die Erfuͤllung ihres Auftrags zu berichten. Die Soldaten fanden den Todten in al- len Waffen, ungepluͤndert, umgeben von Roͤmern die sichtbar von ihm erlegt waren, auch diese Leichen un- beruͤhrt; und vom Feinde keine Spur. Die Entdeckung vollendete den Abscheu der Armee; aber so maͤchtig ist die Gewohnheit des Gehorsams, und so stark betaͤubt einfaͤltige Gemuͤther eine dreiste Ablaͤugnung, auch ge- gen allen Augenschein, daß ein feyerliches Leichenbegaͤng- niß womit die Decemvirn das Andenken des Todten zu feyern vorgaben, die Gaͤhrung fuͤr jetzt noch be- saͤnftigte. Die Annalisten haben L. Siccius den roͤmischen Achilles genannt; wir koͤnnen ihn fuͤglicher den roͤmi- schen Roland nennen, auch deswegen weil er wie die- ser Held der waͤlschen Dichtung durch Verrath fiel. Den Heroen der griechischen Poesie darf kein Krieger eines historischen Zeitalters: kein roͤmischer Hauptmann dem Peliden verglichen werden. Es scheint daß die Decemvirn sich nie sichrer waͤhn- ten als damals, da alle Bande zwischen der Nation und ihnen durch dieses Verbrechen zerrissen waren. Fre- velhafte Mißhandlungen der Weiber und Toͤchter der Unterthanen waren haͤufig in den Oligarchieen des Al- terthums Polybius VI. c. 8. , und gewoͤhnlich die Veranlassung der Revolutionen worin sie untergingen: wie in entlegnen Laͤndern wo die Leibeigenschaft in der schrecklichsten Ge- stalt besteht, noch jetzt gleiche Verbrechen gegen die Wehrlosen nicht selten sind, manchmal aber zur Ermor- dung des Gutsherrn gefuͤhrt haben. Appius Claudius hatte luͤsterne Blicke auf ein schoͤnes Maͤdchen gewor- fen, die Tochter eines wuͤrdigen Hauptmanns L. Vir- J 2 ginius, der mit dem Heer gegen die Aequer im Felde stand. Wie wenig auch die Patricier den plebejischen Geschlechtern selbst nur diesen Nahmen einraͤumen woll- ten, so waren doch schon viele ihrer Familien durch Tribunate und Kriegswuͤrden ausgezeichnet; und die Virginier muͤssen zu den angesehenen gehoͤrt haben, da ein Tribun dieses Nahmens ihn merkwuͤrdig gemacht hatte, und die Mutter und der Verlobte der ungluͤckli- chen Virginia ausgezeichnete plebejische Nahmen trugen. Verfuͤhrung, unter den Roͤmern bey der Strenge der vaͤterlichen Gewalt und den heiligen Sitten der Muͤt- ter damals wohl fast unerhoͤrt, konnte den Decemvir hier nicht zu seinem Zweck fuͤhren; aber ein Frevel mehr machte ihm den Liebeshandel anziehender. Schrift ward damals nicht im Kindesalter erlernt, es war eine Kunst welche dem herangereifteren Alter vorbehalten war. Auf dem Wege zur Schule, die sich, wie noch im Morgenlande, unter den andern Buden befand welche das Forum, wie einen Bazar, einschlos- sen, ergriff ein Client des App. Claudius die schutzlose Virginia und riß sie fort: vorgebend, sie sey von einer Sklavin gebohren die sein eigen gewesen waͤre, und der Numitoria untergeschoben. Als das Volk sich bey dem Jammergeschrey des Maͤdchens zusammendraͤngte, und die Theilnahme sich stuͤrmischer aͤußerte da man ihre Schoͤnheit sah, und den Nahmen ihres Verlobten hoͤrte: L. Icilius der dem Volk in seinem Tribunat lieb gewe- sen war, und ihm den Besitz des Aventinischen Bergs gewonnen hatte: erklaͤrte der Raͤuber, er beduͤrfe keiner Gewalt: er wende sich an den Richterstuhl des Decem- virs der auf dem Forum zu Gericht saß. Es war Ap- pius Claudius selbst, der mit einem einzigen seiner Col- legen in der Stadt geblieben war. Der angebliche Klaͤ- ger wiederhohlte das Maͤhrchen, und forderte daß ihm seine Sklavin zugesprochen werde. Das Kind einer Sklavin gehoͤrte dem Herrn der Mutter zu eigen; wo er es fand, wenn es ihm heim- lich oder unredlich vorenthalten war, konnte er es mit unverjaͤhrtem Recht in Anspruch nehmen. Dadurch ge- schah es haͤufig daß der persoͤnliche Stand eines Buͤr- gers streitig gemacht ward, oder ein vermeinter Buͤrger die Freyheit verlohr. Nur ein Richterspruch konnte die Frage zwischen dem anmaaßlichen Herrn und dem an- geblichen Buͤrger entscheiden: bis dahin blieb dieser im Besitz seiner persoͤnlichen Rechte; doch, da Gefahr war daß er, eben wenn die Forderung des Klaͤgers gerecht war, entfliehen wuͤrde, so mußte er Sicherheit stellen vor dem Gericht erscheinen zu wollen. Dieses Recht war in den zwoͤlf Tafeln wiederhohlt: sicher nicht durch sie bestimmt, denn wenn irgend eines so gehoͤrte dieses zu dem allgemeinen Rechte aller Voͤl- ker (dem jus gentium ), wie es sich allenthalben ent- scheiden mußte, da Freyheit neben der Sklaverey am hoͤchsten gewuͤrdigt wird. Am heiligsten aber mußte es seyn wenn die Freyheit eines Weibs streitig gemacht ward, denn eine Sklavin, oder die ihr Schicksal theilte, war durch nichts gegen die aͤußerste Mißhandlung ge- schuͤtzt. Aber eben deswegen sprach Appius Claudius gegen das Gesetz welches er selbst verzeichnet hatte, als die welche fuͤr die Jungfrau redeten flehten, es moͤge der Spruch verschoben werden bis es moͤglich sey den Vater aus dem Lager zu rufen, damit er selbst sein Theuerstes vertheidigen koͤnne. Er finde diese Forde- rung, sagte er, allerdings billig, es solle auch dem an- geblichen Vater sein Recht nicht gekraͤnkt werden: darum verschiebe er seinen Spruch bis zu dessen Zuruͤckkunft. Waͤre das Maͤdchen selbststaͤndig, oder waͤre der Va- ter in dessen Gewalt sie sey anwesend, so wuͤrde der Klaͤger sich beruhigen muͤssen wenn ihm Sicherheit ge- stellt werde. Aber die dem Vater Unterthaͤnige koͤnne niemand an seiner Stelle rechtlich verbuͤrgen, und Ge- faͤlligkeit von Seiten des Klaͤgers eine nichtige Sicher- heit anzunehmen, koͤnnte, bey leicht moͤglicher Unred- lichkeit der Virginischen Familie, ihn seines Eigenthums berauben. Daher muͤsse er in diesem Fall von dem Buchstaben des Gesetzes abweichen: der Klaͤger solle das Maͤdchen wegfuͤhren, aber Buͤrgschaft gewaͤhren daß er sie, wenn der angebliche Vater sich einfinde, vor dem Gericht stellen werde. Bey diesem fuͤrchterlichen Urtheil erhob sich lautes Jammergeschrey. Icilius, von des Maͤdchens Oheim Numitorius begleitet, war durch Geruͤcht auf das Fo- rum gerufen. Liebe und gewohnte Vertheidigung der Freyheit gaben ihm Entschlossenheit und Macht. Er stieß die Lictoren zuruͤck, ein Kreis muthiger Verthei- biger schloß das Maͤdchen ein, und es war nicht mehr moͤglich sie jetzt durch Schrecken noch Gewalt wegzu- schleppen. Appius wußte daß ein Haufe den, ohne in- nere Vereinigung, Mitgefuͤhl uͤber fremdes Ungluͤck be- waffnete, ohne Gewalt zerstreut uͤber Nacht erkaltet; daß Bedenklichkeiten und Furchtsamkeit erwachen, und die Menge zitternd ausfuͤhren sieht woruͤber sie im er- sten Gefuͤhl bis auf den Tod gekaͤmpft haben wuͤrde. Er konnte am folgenden Tage eine bedeutende Macht aufbieten: durch seine Mitschuldigen, und die Schaaren ihrer Clienten — sein Geschlecht allein zaͤhlte deren Tausende — konnte er auch offenbare Gewalt wagen, da die meisten der Waffenfaͤhigen aus dem Volk im Felde standen. Mit der Mine des vaͤterlichen Herr- schers, welcher die wilde Gaͤhrung einer irregeleiteten Menge gern uͤbersieht, und mit Schonung beruhigt, that er den Ausspruch: Virginia moͤge im vaͤterlichen Hause bleiben, und bis zum Gericht von denen ver- buͤrgt werden die sich als die Ihrigen eindraͤngten: aber bey dieser Beguͤnstigung der Beklagten sey es noͤthig den Rechtsspruch zu beschleunigen, und er setze den mor- genden Tag dafuͤr an. Wenn dann der Vater nicht erscheine, so werde er die Gesetze und seine Wuͤrde zur Bekraͤftigung des Ausspruchs zu behaupten verstehen, den er dann ohne Menschenfurcht wie es Rechtens sey zu geben wissen werde. Er kenne diesen Icilius, und diese ehemaligen Tribunen; er wisse daß ihr vorgegebe- nes Gefuͤhl nichts als Meuterey und ein ohnmaͤchtiges Wuͤthen sey uͤber den Verlust ihrer Gewalt: er aber werde auch zu thun wissen was der Verfassung, der Republik und ihm selber gebuͤhre. Die Freunde Virginiens sahen, daß wenn nur die aͤußerste Anstrengung hinreichte dem Vater die Botschaft und ihn vor der Stunde des Gerichts zur Stadt zu bringen, die kleinste Frist dem Tyrannen die Moͤglich- keit gewaͤhrte ihn im Lager verhaften zu lassen. Ihm war der Tod des Siccius bereitet: aber auch hier wal- tete das vorsehende Schicksal uͤber Rom. Icilius hielt die Sitzung des Decemvirs hin durch Zoͤgerung bey Verabredung der Buͤrgen; alle Anwesende hatten die Haͤnde aufgehoben und ihre Buͤrgschaft angeboten. Inzwischen hatten sich zwey seiner Freunde heimlich ent- fernt, und eilten mit der aͤußersten Kraft der Pferde ins Lager. Noch ahndeten die befehlshabenden Decem- virn nichts: Virginius erhielt unter gleichguͤltigem Vor- wand Urlaub nach Rom zu gehen. Sie hatten das La- ger verlassen ehe Appius Botschaft eingetroffen war ihn auf keine Weise zu entlassen. Wie es Licht geworden fuͤllte sich das Forum mit Buͤrgern und mit Frauen die der Entscheidung angst- voll entgegen sahen. Virginius und seine Tochter ka- men in Trauerkleidern. Er ergriff die Haͤnde, umfaßte die Kniee der Theilnehmenden, beschwor ihren Schutz, warnte daß sein Ungluͤck nur ein Vorzeichen der gleichen Gefahr fuͤr jeden sey. Alles weinte mit ihm: aber Ap- pius Ankunft, der, wie gegen eine Verschwoͤrung und einen Ausstand, in großer Begleitung das Tribunal be- trat, verbreitete starres Schrecken. Sein Client brachte die Klage vor: wahnsinnig von wilder Begierde, scham- los gleichguͤltig auch nur wie am gestrigen Tage einen Schein rechtliches Verfahrens zu heucheln, sprach der Decemvir, ohne den Vater, ohne auch nur falsche Zeu- gen des Anklaͤgers zu hoͤren, die Jungfrau als Skla- vin seinem Diener zu. Dieser eilte Virginia zu ergrei- fen: er ward von dem Kreise der Freunde und Frauen zuruͤckgestoßen: der Vater flehte um Schutz zu den Buͤr- gern. Appius und sein Gefolge enthuͤllten Waffen: das Volk fluͤchtete: die Jungfrau stand verlassen: die Licto- ren naͤherten sich ihr: alle Huͤlfe war verschwunden. Da bat Virginius den Decemvir um die einzige Gunst von seiner Tochter Abschied nehmen zu duͤrfen, und in ihrer Gegenwart ihre Waͤrterin uͤber die Wahrheit zu befragen. Er entfernte sich mit den Frauen: ergriff ein Messer von einer Fleischerbank, und erstach das Maͤd- chen. Keiner wagte sich ihm zu nahen, als er, das blu- tige Messer empor haltend, nach dem Thore wandelte: bald schuͤtzte ihn eine begleitende Menge. Auf dem Fo- rum sammelte sich alles um Icilius und Numitorius, die an der keuschen Leiche das Volk zur Freyheit auf- riefen. Die Lictoren wurden zuruͤckgetrieben. Appius warf sich mit seiner Schaar unter das Volk, um Ici- lius zu ergreifen. Er ward uͤberwaͤltigt: die Stecken- buͤndel zerbrochen. Vergebens versuchte Appius die Buͤr- ger anzureden, sie hoͤrten nur die Reden ihrer Freunde. Er entfloh verhuͤllt nach seiner Wohnung. In diesem Tumult berief der andre anwesende De- cemvir Sp. Oppius den Senat. Diese Botschaft be- ruhigte das Volk; man vertraute, nach jener That muͤsse sich auch dieser gegen die Decemvirn erklaͤren, die doch nun nicht mehr furchtbar waren; ein Sena- tusconsult genuͤgte die Freyheit herzustellen. Aber die Patricier empfanden nicht wie das Volk. Sehr viele waren mitschuldig: diese sahen keine Straflosigkeit fuͤr sich als in der Fortdauer der Decemviraltyranney. Haß und Verachtung gegen die Plebejer mochte nur in sehr wenigen die Stimme menschlicher Gefuͤhle uͤber die Trag- oͤdie des Tags laut werden lassen: wenigstens ver- stummte sie vor der Furcht den Anspruͤchen ihres Standes zu vergeben. Moͤglichkeit des Mißbrauchs der hoͤchsten Gewalt sey von ihrem Besitz unzertrennlich; und wenn auch dieser Mißbrauch noch so sehr zu tadeln waͤre, so sey der gewaltsame Widerstand doch weit strafwuͤrdiger, weil er graͤnzenlos gefaͤhrlich und bis in seine Quelle ganz wi- derrechtlich sey. Es wuͤrde eine unsinnige Gutmuͤthigkeit seyn wegen eines solchen Vorfalls der Gegenparthey Waf- fen zu ihrer Vertheidigung zu gewaͤhren, von denen sie ja auch, und gegen die deren Kraͤnkung ein weit groͤßeres Unrecht sey, Mißbrauch machen koͤnnten. Waͤre es bis dahin wuͤnschenswerth gewesen die Decemvirn zu bewegen ihre Macht gewaͤhlten Consuln zu uͤberlassen, sofern die tribunicische auf ewig vernichtet bliebe, so sey es jetzt nothwendig, unerschrocken Meinung und Schein verach- tend, sich an sie anzuschließen und ihr Ansehen zu behaup- ten. In diesen Gesinnungen taͤuschten sie alle vertrau- liche Hoffnungen des Volks. Zwar beschlossen sie es fuͤr jetzt nicht weiter zu reizen: aber die jungen Patricier wur- den in die Laͤger gesandt, um durch alle Mittel die Ar- meen im Gehorsam zu erhalten. Es war zu spaͤt. Vir- ginius war zuruͤckgekommen; von ihm und seinen Beglei- tern, zu zahlreich als daß die feigen Decemvirn es gewagt haͤtten sie zu verhaften, hatten die Soldaten die Vorfaͤlle des Morgens vernommen. Sie waren bewaffnet: sie fuͤhlten daß sie frey waren zu handeln. In tumultuari- scher Bewegung ward beschlossen die Fahnen zu nehmen und nach Rom zu gehen. Dort angelangt besetzten sie den Aventinus; hier versammelte sich bey ihnen wer Schutz bedurfte, und wer fuͤr die Befreyung des Vaterlands ent- schlossen war. Der Senat blieb in der Tyrannen Knecht- schaft. Abgeordnete begaben sich auf den Aventinus, im Nahmen des Senats den Rebellen ihr Vergehen vorzuwer- fen, und sie aufzufordern zum Gehorsam zuruͤckkehrend Ver- zeihung zu erwerben. Das Volk entließ sie ohne Antwort und mit der Erklaͤrung; sie wuͤrden nur L. Valerius und M. Horatius anhoͤren. Auch das andre Heer, durch Ici- lius und Numitorius aufgerufen, entsagte den Tyran- nen. Unter Fahnen und Waffen ruͤckten die von der sabi- nischen Graͤnze zuruͤckkehrenden Legionen durch das Colli- nische Thor in die Stadt ein, durchzogen sie friedlich, und vereinigten sich mit dem ersten Heer auf dem Aventinus. Jedes hatte zehn Tribunen als seine Obern anerkannt, also daß jede plebejische mit ihrer Region erhaltene Tribus einem Obersten gehorchte, und von ihm repraͤsentirt ward. Die ein und zwanzigste, die Claudia, war dem Volk fremd. Auch dieses deutet auf eine Magistratur plebejischer Tribu- nen, aͤlter und verschieden von den Volksrepraͤsentanten, zu der das Volk zuruͤckkehrte weil die letzten ihm fehlten. Von diesen Vorstehern der zwanzig Tribus hat Pompo- nius ein dunkles Geruͤcht vernommen Er verwirrt sie mit den consularischen Militartribunen. l. 2. §. 25. de O. J. Interdum viginti fuerunt, interdum plures, nonnunquam pauciores. Mehr als zwanzig, weil die Tribus auf 35 vermehrt wurden. . Unter ihnen wurden zwey zu obersten Befehlshabern erwaͤhlt. Auch diese drohende Vereinigung der Volksmacht beugte den Starrsinn der Patricier nicht, weil sie sich al- ler Feindseligkeiten enthielt. Zwar wandte man sich an die beyden Patrioten, um sie zu bewegen durch ihren Ein- fluß das Volk zum Gehorsam zuruͤckzubringen. Sie aber forderten daß die Decemvirn zuvor abdanken sollten. Dies ward als straͤfliche Partheylichkeit, als feige Nach- giebigkeit verworfen. Noch immer trotzten die Patricier auf die Schaaren ihrer Clienten: auch war ein Buͤrger- recht, wie sie es den Plebejern goͤnnten kein zu koͤstliches Geschenk, um es nicht den Sklaven im Nothfall anzubieten, und fuͤr diese noch immer eine reizende Verfuͤhrung. M. Duilius, Alttribun, und mit dem Geiste des Senats durch alte Erfahrung bekannt, uͤberzeugte das Volk, so werde der Zwist nie endigen. Nur ein unwi- derruflicher Schritt koͤnne die Unterdruͤcker beugen. Noch einmal muͤsse man die Stadt verlassen, und sich auf dem heiligen Berge lagern wo zuerst die Freyheit gewonnen war. Das Andenken jener Zeit werde erwachen und schrecken. Noch immer glaube der Senat die Plebejer seyen nicht zum aͤußersten entschlossen: erst wenn sie die Stadt verlassen; erst wenn man sie entschlossen saͤhe im aͤußersten Fall auch die Heimat zu verlassen; ein neues Vaterland sich zu gruͤnden oder anzunehmen, und die un- natuͤrliche Feindseligkeit der Mutterstadt vertilgend zu vergelten: erst dann werde man sie hoͤren. Alle Be- waffneten brachen auf: ihnen folgte das ganze uͤbrige Volk mit Weibern und Kindern: sie lagerten sich auf dem heiligen Berge, auch diesesmal ohne das Eigen- thum ihrer Feinde zu verletzen. Im Senat sank nun der Trotz. Valerius und Ho- ratius gingen in das Lager, abgeordnet um die Forde- rungen des Volks zu vernehmen und bevollmaͤchtigt sie zu bewilligen. Sie wurden mit begeisterter Herzlichkeit empfangen: man dankte ihnen fuͤr ihre Treue und daß sie ihr unverbruͤchliches Wort dem Volk braͤchten. Im Nahmen der Gemeinde fuͤhrte Icilius die Rede. Man begehrte nur Herstellung der tribunicischen Macht und der Provocation; und daß es keinem zum Verbrechen gerechnet werde, Volk oder Armee zum Aufstand bewo- gen zu haben. Auch bitte das Volk, die Decemvirn moͤchten ihm ausgeliefert werden, um sie lebendig zu verbrennen. Die Gesandten erwiederten auf jene For- derungen; sie waͤren so bescheiden daß es vielmehr Pflicht gewesen waͤre sie anzubieten. Unbillig sey auch das Ver- langen nicht die Verbrechen der Decemvirn an ihren schuldigen Haͤuptern zu ahnden. Aber die Republik be- duͤrfe Verzeihung und Aussoͤhnung, und eine solche un- vergeßliche Rache wuͤrde nicht gut thun. Es werde die Unterdruͤcker genug demuͤthigen wenn sie unter gleichen Rechten mit ihnen leben muͤßten: und Stillschweigen in diesem Augenblick vergebe dem Volk das Recht nicht, die Schuldigen durch gerichtliche Anklagen zur Strafe zu ziehen. Einstimmig vertraute die Gemeinde die Ent- scheidung den Wuͤnschen und der Weisheit ihrer Freunde. Auch die Faction der Decemvirn konnte nicht ge- gen den Frieden reden da ihre Achtserklaͤrung nicht ge- fordert ward. Zwar auch diese wuͤrde nicht verweigert seyn, denn es ist offenbar daß in den Patriciern ein Gefuͤhl von Ohnmacht erwacht war welches sie noͤthigte unbedingt dem Volk zu weichen, und nur zu streben wie sie es besaͤnftigen moͤchten. Die Decemvirn legten ihr Amt oͤffentlich nieder, und die Herstellung der ple- bejischen Freyheit ward als die erste Angelegenheit der Republik anerkannt. Die Ausgewanderten ruͤckten be- waffnet in Rom ein: sie besetzten das Capitol Cicero, Fragm. der Corneliana. : und versammelten sich dann, unter den Waffen, auf dem Aventinus zur Wahl ihrer Tribunen unter dem Vorsitz des Oberpontifex. Ich habe hier Livius Erzaͤhlung ergaͤnzt aus dem Bruchstuͤck einer Darstellung dieser Revolution womit Cicero freylich dem Volk zu gefallen suchte, dennoch aber sie nicht ohne Annalen erdichtet haben kann. Bedenk- lich fuͤr diese ganze Geschichte ist daß er hier die ersten Abgeordneten des Senats, deren Sendung nach Livius fruchtlos war, als diejenigen nennt welche die Ruͤckkehr der Plebs unterhandelt haͤtten. Wenn er dennoch L. Valerius Gesandtschaft und seine Verhaͤltnisse zum Volk als historisch anerkannt haͤtte, so wuͤrde er an einem andern Ort nicht hieruͤber schweigen, und als den Be- weis daß er beredt gewesen seyn muͤsse die Reden an- fuͤhren womit Valerius nach dem Sturz des Decemvi- rats die gegen den ganzen patricischen Stand erbitter- ten Plebejer besaͤnftigt habe Cicero Brutus. c. 14. Qui post decemviralom invidiam plebem in patres incitatam legibus et concionibus suis mitigaverit. . Das bezieht sich auf eine ganz andere Erzaͤhlung dieser Vorfaͤlle welche nur in Virginias tragischer Ge- schichte mit der unsrigen uͤbereinstimmt. Diese muß in allen Sagen und Traditionen unveraͤndert vorgekommen seyn; selbst Diodor erzaͤhlt sie ohne bedeutende Abwei- chung Diodor XII. c. 24. 25. . Ganz verschieden aber ist bey ihm die Ent- wickelung, und so sehr daß, wenn wir ihn nicht faͤhig hal- ten roͤmische Annalisten in einem Grade mißzuverstehen, wie das Mißverstaͤndniß eines Buchs kaum begreiflich ist, irgend einer der aͤlteren Griechen welche Roms Archaͤolo- gie aus Sagen und anderen Quellen schrieben, seine Au- toritaͤt gewesen seyn muß. Die Entscheidung geschah nach ihm sehr schnell, nachdem das Heer mit Virginius den Aventinus eingenommen hatte. Die Decemvirn ruͤsteten sich zum Widerstand, doch Vermittelung hinderte den Ausbruch des Buͤrgerkriegs. Zehn Volkstribunen soll- ten, als die hoͤchste Macht in der Verfassung, jaͤhr- lich erwaͤhlt werden: die Ernennung eines der Con- suln aus den Plebejern waͤre nothwendig, beyder er- laubt geworden. Timaͤus oder Hieronymus, gewiß nicht Polybius, hat mit dieser Revolution die erste Auswanderung der Plebs, und die licinischen Rogatio- nen zusammengemischt. Herstellung und Begruͤndung der Volksfreyheit . Es gab zu dieser Zeit keine Obrigkeit in der Repu- blik, und die hoͤchste Gewalt war der Gemeinde der Ple- bejer als Siegern uͤbergeben, damit sie die Verfassung bestimme. Bei patricischen Magistraten ersetzte ein Interrex die Unterbrechung der regelmaͤßigen Ordnung, daß der Vor- gaͤnger den Vorsitz bey des Nachfolgers Wahl haben mußte, oder derjenigen welche Collegen seiner Wuͤrde waren. Ein aͤhnliches Mittel die Folgereihe ununterbro- chen zu erhalten fehlte den Plebejern, und niemand konnte rechtmaͤßig den Vorsitz bey der Wahl einnehmen welche das unterbrochene Volkstribunat herstellen sollte. Daher ist es nicht auffallend daß dieser Mangel durch das Ober- haupt der Religion ersetzt ward. Dies scheint aber nicht der einzige Grund gewesen zu seyn: war es doch nicht bey der Einsetzung des Tribunats geschehen. Nirgends wird ge- sagt wer den Vorsitz bey den Comitien der Curien fuͤhrte; eine Andeutung rechtfertigt die Vermuthung daß es der Oberpontifex war Gellius V. c. 19. Comitia arbitris Pontificibus præben- tur quæ curiata appellantur. : und wie dieser aus dem gesamm- ten Collegium in spaͤteren Zeiten, lange vor dem domiti- schen Gesetz, vom Volk ernannt ward, so fuͤhrt die Ana- logie logie der ganzen Verfassung darauf daß diese Ernennung von den Curien, seitdem das Collegium nur noch zur Haͤlfte patricisch war, auf die Nationalgemeinde uͤber- ging, und daß jene patricische Gemeinde ihn auswaͤhlte weil sein Beruf nicht bloß geistlich war. Irrt diese Hy- pothese nicht, so wurden die Plebejer als Stand jetzt da- durch feyerlich den Patriciern gleich gestellt. Unmittelbar nach der Wahl legte der Tribun M. Dui- lius der Gemeinde den Antrag vor, Consuln mit Provoca- tion an das Volk zu erwaͤhlen. Dies war kein geringer constitutioneller Vortheil: hergestellt durch das Volk, war das Consulat rechtmaͤßig seinen Beschraͤnkungen un- terworfen: hergestellt durch ein Gesetz strenger Form waͤre es, wie fruͤher, seinen Verfuͤgungen gesetzlich unerreich- bar gewesen. Bis dahin war das Consulat die Grund- lage der Verfassung: jetzt wurden es Volkscomitien und ihre Repraͤsentanten die Tribunen. Zwar erfuhr auch diese neue Bestimmung das Schicksal lange nur als ein in der Wirklichkeit nicht guͤltiger Grundsatz da zu stehen; doch war es wie der festgeworfne Grund eines Damms in der See, dessen oberen Bau Fluthen vor seiner Vollen- dung zerstoͤrt haben, fuͤr die Zukunft nicht verlohren. Kraft dieses Gesetzes waren die, endlich erfolgvollen, An- strengungen spaͤterer Tribunen rechtmaͤßig, wodurch das Consulat zwischen beyden Staͤnden getheilt ward. Doch war dieses Plebiscit kein Gesetz wodurch das Consulat dauernd als hoͤchste Obrigkeit hergestellt ward, sondern nur ein Beschluß daß sie fuͤr diesesmal in dieser Form er- nannt werden solle, wie nachher der Senat jaͤhrlich ver- Zweiter Theil. K ordnete ob Militartribunen oder Consuln zu waͤhlen seyen. Ein anderes sagt, ohne vorgefaßte Meinung gelesen, auch Livius Erzaͤhlung nicht. Ist es gegruͤndet daß die Consuln erst damals diesen Titel ihrer Wuͤrde empfingen, so scheint auch in einer Bezeichnung welche die Vereinigung zweyer fuͤr die hoͤchste Wuͤrde, nicht Macht und Herrschaft andeutet, eine Spur gemilderter und veraͤnderter Gewalt sichtbar zu seyn. Es stand damals in der Macht des Volks sich die Theil- nahme am Consulat zu geben, und die Nachkommen moͤ- gen es seinen damaligen Haͤuptern oft vorgeworfen haben daß sie eine so einzige Gelegenheit entgehen ließen. Aber veredelt wird die Revolution durch diese Maͤßigung, welche alles entfernte wodurch Versoͤhnung und Beruhi- gung gestoͤrt werden konnten. Die Haͤupter des Volks suchten nichts fuͤr sich; das Volk forderte nur Freyheit. Eben daher entstand zwischen ihnen und den beyden Patriciern ihren Freunden jenes innige Band der Liebe welches eine fast einzige Erscheinung in der Ge- schichte ist. Waͤre auch den Plebejern das Recht zum Consulat gewonnen worden, bey der ersten Wahl wuͤrden doch L. Valerius und M. Horatius die Einstimmigkeit genossen haben welche sie zum Consulat erhob. Eintraͤchtig im Besitz der Macht wie im Widerstand gegen die Tyranney gruͤndeten sie die Freyheit auf Gesetze die entweder veral- tet waren, oder fehlten. Diese Gesetze trugen sie selbst in den Comitien der Centurien vor, und als sie hier angenommen waren, wagten es die Curien nicht ihre Genehmigung zu versagen Livius III. c. 55. und 59. Multi erant qui mollius consultum dicerent quod legum ab iis latarum Patres auctores fuissent. . Ein Vortrag bey den Cen- turien, ohne vorhergehenden Senatsbeschluß, scheint nicht denkbar. Aber verweigert konnte dieser nicht wer- den, so wenig als die Ratification der allgemeinen Ver- sammlung der Geschlechter. Die Patricier waren gede- muͤthigt, voll Sorgen wegen der drohenden Anklagen uͤber die noch ein duͤstres Stillschweigen herrschte: jeder maß seine Gefahr nach dem Bewußtseyn seiner Schuld und seines Hasses: die Gesetze der Consuln wurden ohne Wi- derspruch angenommen. Das erste aͤchtete jeden der die Ernennung einer Ma- gistratur ohne Provocation bewirken wuͤrde. Dies scheint auch die Dictatur zu untersagen: aber als die Zeit das Bild der Gefahr geschwaͤcht hatte, selbst nachdem die De- mokratie in der Verfassung schon vorherrschend geworden war, gebot anerkannte Nothwendigkeit gegen die sich nicht Buchstab noch Kluͤgeln straͤubte, diese Anwendung des Ge- setzes ruhen zu lassen. Das zweyte erneuerte, unter Wiederhohlung des ur- spruͤnglichen feyerlichen Eids, die fuͤrchterliche Strafdro- hung gegen jeden der den Tribunen und ihren Aedilen schade. Auch die Richter wurden jetzt unter dieser Sanc- tion begriffen, wahrscheinlich die Quaͤstoren: und mit ih- nen die Decemvirn, worauf fruͤher als auf eine sichtbare Spur gedeutet ist daß damals noch das Decemvirat als die bleibende, nur durch Umstaͤnde verschobene Verfas- K 2 sung der Republik, anerkannt ward. Es bezeichnet spre- chend die Veraͤnderung in dem Verhaͤltniß der Staͤnde daß die plebejischen Magistrate hier vor den patricischen genannt werden. Derselbe Geist entwarf das dritte Gesetz der Consuln, daß die Verordnungen der plebejischen Gemeinde der Tri- bus fuͤr alle Quiriten verbindlich seyn sollten. Der eigent- liche Sinn dieses Gesetzes ist keiner unbestrittenen Bestim- mung faͤhig. Es kam eine Zeit in der die Volksgemeinde die Macht des Senats und der hoͤchsten Obrigkeiten will- kuͤhrlich beschraͤnkte, und, durch agrarische Gesetze, das Vermoͤgen der Adlichen verminderte Polybius VI. c. 16. : damals waren die Plebiscite fuͤr jeden Roͤmer Gesetze, denen auch der Senat durch keinen Widerspruch den Gehorsam verwei- gern konnte. Daß diese Machtfuͤlle der Volksgemeinde durch das valerische Gesetz noch nicht begruͤndet war, da- von zeugt die Geschichte der Rogationen wodurch allmaͤh- lich die Gleichheit des plebejischen Standes errungen ward: die lange Dauer dieses Kampfs und die lange Folge von Schranken welche, ehe jenes Ziel erreicht ward, weggeraͤumt werden mußten. Drey Gesetze, dieses valerische, das publilische (416) und das hortensische (466 oder 467) haben im Lauf von hundert und sechszig Jahren mit den naͤmlichen Worten die Gesetzkraft der Plebiscite verordnet. Dies scheint eine Erneuerung des urspruͤnglichen durch straͤfliche Nicht- beobachtung veralteten Gesetzes: wie das valerische wider willkuͤhrliche Leibesstrafen wiederhohlt erneuert werden mußte. Aber die sichtbare Entwickelung der Verfassung, und der augenscheinlich verschiedene Charakter der Pie- biscite in ihren verschiedenen Perioden, leiden diese Aus- legung nicht: entweder hatten dieselben Worte der drey Gesetze in jedem einen ganz verschiedenen Inhalt, oder die Sorglosigkeit der Geschichtschreiber hat ihren fluͤch- tig gefaßten Sinn mit den Worten ausgedruͤckt die einem von ihnen eigenthuͤmlich angemessen waren. Nichts ist unglaublicher als daß dasselbe uͤber diesen Gegenstand verordnet sey, da die Plebejer noch ganz von dem Se- nat und der Regierung ausgeschlossen waren, und da das Uebergewicht ihres Standes schon so entschieden war daß die patricische Gemeinde geschlossen ward. Ich wuͤrde geneigt seyn dieses valerische Gesetz nur fuͤr eine Bestaͤtigung der duilischen Plebiscite durch Centurien und Curien zu halten, wenn nicht von nun an die tribunicischen Rogationen einen viel ernsteren Charakter gewoͤnnen. Sie gelten gesetzlich sobald der Senat sie genehmigt hat, obwohl die Patricier auch da noch den licinischen den Gehorfam verweigerten: und eben daher scheint die Folgerung gerechtfertigt zu seyn, das sey das Wesen der damaligen gesetzlichen Bestim- mung gewesen, was auch ihre Worte seyn mochten: — ein Volksbeschluß, vom Senat genehmigt, solle nicht gerin- gere Kraft haben als ein foͤrmlich von beyden Gemein- den angenommenes vom Senat vorgeschlagenes Gesetz. Dieser, damals noch ganz patricisch, vertrat hierin sei- nen gesammten Stand. Denn daß des Senats nicht gedacht wird, beweißt keineswegs daß ein Volksbeschluß seine Einwilligung entbehren konnte: in den Verfassun- gen des Alterthums, bis sie in voͤllige Demokratie uͤber- gingen, waren ein Senat und eine Volksgemeinde, oder nach unsern Gewohnheiten zwey Kammern, unzertrenn- lich, und ihre Mitwirkung zur Gesetzgebung und zu Be- schluͤssen der hoͤchsten Gewalt unerlaͤßlich Dieses urspruͤngliche Verhaͤltniß im Zeitalter der Ari- stokratie ist nach demjenigen nicht zu bezweifeln, welches unter der Demokratie Grundregel war. Livius XXXVIII. c. 36. . Viele Plebiscite die in ewigem Andenken geblieben sind, waren die Folge dieser Ordnung, welche die Ver- sammlung der Tribus dem Hause der Gemeinden gleich stellte, waͤhrend Consuln und Senat die koͤnigliche Ge- walt und die einer schon sinkenden Feudalaristokratie besaßen. Die Ausuͤbung dieser Macht war gegen die Zeit da das publilische Gesetz beschlossen ward, so viel haͤufiger und durch glaͤnzende Beyspiele bezeichnet gewor- den, daß hier wahrlich von keiner Erneuerung veralte- ter Rechte die Rede seyn konnte. Sie ward fortgesetzt wie fruͤher; jetzt aber werden auch Plebiscite anderer Art erwaͤhnt, von denen sich fruͤher keine Spur findet. Um den langsamen Gang der Beschluͤsse durch die Co- mitien abzukuͤrzen, wurden Senatsbeschluͤsse den Tri- bunen mitgetheilt, und auf ihren Antrag vom Volk ge- nehmigt Livius VIII. c. 23. 29. . War nun dieses, wie es mir sehr glaublich scheint, durch die publilischen Gesetze eingefuͤhrt, welche den An- theil der Curien an der Gesetzgebung vernichteten, und also ihre Ausuͤbung durch die Plebejer in den Tribus oder den Centurien gleichguͤltig machten; so glaube ich darf man es dem hortensischen Gesetz zuschreiben daß die Tribus die hoͤchste constituirende Gewalt , ganz unabhaͤngig vom Senat, annahmen, waͤhrend sie uͤber Beschluͤsse und Maaßregeln der Verwaltung auf die Beurtheilung eines vorhergehenden Senatuscon- sults beschraͤnkt blieben Siehe Note 149. . Es war weniger unbillig als es scheint auch die Patrtcier den Volksbeschluͤssen zu unterwerfen, da die Senatoren wenigstens das Vorrecht hatten in der Volks- gemeinde zu reden, wo die Plebejer außer den Tribunen selbst schwiegen: ein Vorrecht von ungleich groͤßerer Wich- tigkeit als eine einzelne Stimme Livius III. c. 63. 71. VI. c. 40. . Die Genehmigung des Senats konnte stillschweigend ertheilt werden, wie die Einwilligung der Volkstribunen: und wie Consuln, gegen das tribunicische Veto, sich den Willen des Senats genuͤgen ließen, so konnten sie auch, gegen den Senat, den Willen des Volks sich Gesetz oder Bestaͤtigung seyn lassen Sine auctoritate Senatus, populi jussu, triumphatum est. Livius III. c. 63. . Von denselben Consuln ward ferner, zu Erhaltung der tribunicischen Aufsicht uͤber den Senat, verfuͤgt, daß alle Senatusconsulte schriftlich den plebejischen Aedilen uͤbergeben, und in ihrem Archiv bewahrt werden sollten: denn bis dahin waren diese Beschluͤsse durch die Consuln nicht selten verfaͤlscht oder unterdruͤckt worden Livius III. c. 55. . Ein Verbrechen dessen eigentlicher Zweck nur seyn konnte die Tribunen zu hintergehen: gegen den Senat gerich- tet waͤre es nicht ungeahndet geblieben. Im Entwurf konnte ein Beschluß sehr harmlos lauten, und ohne Wi- derspruch der Tribunen durchgehen: die Verfaͤlschung stellte den beabsichtigten Sinn her. Die plebejischen Aedilen wurden dadurch Archivare der Republik. Ih- nen uͤbertrugen die Consuln auch die Promulgation der Decemviralgesetze, die in zwoͤlf eherne Tafeln eingegraben bleibend zu allgemeiner Kenntniß aufgestellt wurden Die elfenbeinernen Tafeln bey Pomponius l. 2. §. 4. de O. J. sind merkwuͤrdig im Geist eines Zeitalters welches sich nichts wichtiges ohne Prunk und Koͤstlichkeit des Mate- rials denken kann. . Nach den consularischen Gesetzen schloß ein tribunici- sches, des M. Duilius, die große Gesetzgebung dieses Jahrs, wodurch Staͤupung und Enthauptung dem als Strafe angedroht ward, der einen Magistrat ohne Pro- vocation einsetzen, oder das Volk ohne Tribunen las- sen wuͤrde Nach Diodor XII. c. 25. der Scheiterhaufen. . Als jetzt die Freyheit durch Gesetze sicher begruͤndet schien, die freylich erst durch einen langen Kampf zu vol- ler Kraft gediehen, begannen die Tribunen die Anklage der einzelnen Decemvirn. L. Virginius Daß der Vater Virginiens, nicht einer seiner Angehoͤ- klagte Ap- pius Claudius vor dem Volk an. Der roͤmische Staat haͤtte in einer voͤlligen Zuͤgello- sigkeit aller Verbrechen untergehen muͤssen, wenn die Be- fugniß der Todesstrafe durch Verbannung zu entgehen, also fuͤr den Ungebundnen voͤllig straflos zu bleiben, ein unverwirkbares Geburtsrecht aller Quiriten gewesen waͤre. Aber Raͤuber und Moͤrder starben zu Rom in jedem Zeit- alter den Tod welchen die Gesetze ihren Verbrechen droh- ten, ohne daß tribunicische Huͤlfe sie vom Kerker rettete, wo sie zum Gericht verwahrt wurden Jacere vinctum inter fures nocturnos et latrones. Li- vius III. c. 58. . Auf diese Huͤlfe war die Befreyung des Roͤmers von Kerker und Banden, und die freye Wahl gegruͤndet ob er lieber als Buͤrger sterben, oder als Verbannter leben wollte. Denn die Macht der Obrigkeit verhaften zu lassen war nicht aufgehoben, sondern der tribunicische Schutz dem Buͤrger verliehen, damit sie in einzelnen Faͤllen nicht angewandt werde. Dieser Schutz konnte aber keinem Verbrecher zu Gute kommen welcher sich am Leben oder der Sicherheit eines Mitbuͤrgers vergangen hatte, und dessen That das Gesetz ausdruͤcklich mit dem Tode be- strafte, sobald diese, und daß er sie vollbracht, außer Zweifel war. Das laͤßt sich behaupten, weil das Gegen- theil voͤllig widersinnig gewesen waͤre. Auf zwey Faͤlle beschraͤnkt war jenes große Freyheits- recht gefahrlos fuͤr die Republik wie fuͤr den Buͤrger wich- rigen, der erst erwaͤhlte Volkstribun war, daß man bey Livius III. c. 54. L. nicht A. lesen muß, beweißt die Stelle selbst nicht weniger als die folgende Erzaͤhlung. tiger als alle andre: in Staatsverbrechen, die oft nicht moralisch verdammlich waren, oder von einer Faction grausam verfolgt wurden: — und auch da rettete es M. Manlius nicht, weil ihn die Tribunen verließen; — und bey Criminalfaͤllen wo der Angeklagte nicht als Thaͤter ergrif- fen, oder das Verbrechen nicht als unter das Gesetz gehoͤ- rend unzweifelhaft erwiesen war: denn auch hier sollte die moͤgliche Unschuld der hoͤchsten Gunst genießen. Es scheint daß in Faͤllen dieser Art der Klaͤger oder der Be- klagte eine Sponsion anbieten konnte, jener um den tri- bunicischen Schutz aufzuheben: dieser um sich ihn zu erwerben Außer dem Fall zwischen Virginius und Claudius sind noch zwey andre keiner Mißdeutung faͤhig. Der erste gegen Volscius, wo Caͤsos Freunde sich erboten den Beweis zu fuͤhren, daß dieser zu der Zeit wo er den Mord veruͤbt haben solle gar nicht in der Stadt gewesen sey, also Volscius ihn durch Verlaͤumdung in das Elend getrieben habe: ni ita esset multi privatim ferebant Volscio judices . Livius III. c. 24. Der zweyte noch viel buͤndigere findet sich bey Valerius Maximus VI. c. 1. n. 10. wo die Tri- bunen ihre Intercession verweigern, obgleich der Verhaf- tete, sponsionem se facere paratum diceret quod adolescens ille — quæstum factitavisset. Also infam gewesen sey, und die Suͤnde, welche er nicht laͤugnete, nicht unter das Gesetz falle. . Also haͤtte Virginius den Patricier Appius Clau- dius, obwohl berechtigt ihn wegen seiner Amtsfuͤhrung vor dem Volksgericht anzuklagen, nicht verhaften lassen koͤnnen, wenn er ihm nicht die Sponsion angeboten haͤtte, ob er wahrlich als Richter gegen den Besitz der Freyheit erkannt; welches todeswuͤrdig war, indem es die Person eines freyen Buͤrgers in die Knechtschaft brachte Livius III. c. 56. wo die Lesart zweifelhaft und dunkel ist: u. c. 57. Proinde, ut ille iterum ac sæpius provocet, sic se iterum atque sæpius judicem illi ferre, ni vindi- cias ab libertate in servitutem dederit: si ad judicem non eat pro damnato in vincula duci jubere. . Im Fall der Weigerung werde er ihn in Ketten legen lassen. Nahm Appius die Sponsion an, so entging er ebenfalls dem Kerker nicht, indem die Thatsache des Verbrechens alsdann rechtlich entschieden war, und dem Gericht nur der Ausspruch der Strafe uͤbrig blieb. Also beantwortete er diese Aufforderung nicht, sondern rief die Huͤlfe der Tribunen an, die fuͤr einen solchen Verbrecher nicht geschaffen war, und schweigend verweigert ward. Bis zu dem Gerichtstage ward er in den Kerker geworfen den er scherzend das Quartier der Plebejer zu nennen gewohnt gewesen war Livius a. a. O. Quod domicilium plebis Romanæ vo- care sit solitus. Das ist wohl ein alter patricischer Spaß, aus Zeiten in denen die Patricier von Standeswegen voͤl- lig befreyt von Einkerkerung waren. , Ehe dieser Tag kam suchte sein Oheim C. Claudius die Begnadigung des Schuldigen vom Volk zu erbitten; selbst unverdaͤchtig der Mitschuld, weil er, nachdem es ihm fehlgeschlagen war die Decemvirn zu bewegen ihre Macht vor dem Senat niederzulegen, die Stadt ver- lassen und in der alten Heimath zu Regillus gelebt hatte. Er und alle Claudier mit ihren Clienten misch- ten sich in Trauerkleidern unter das Volk: aber sie hat- ten keine mildernden Entschuldigungen vorzustellen. Die Schande des Geschlechts, daß ein Claudius unter Moͤr- dern und Raͤubern im Kerker liege; die Schmach fuͤr die Republik selbst daß der welcher vor kurzem ihr Haupt war dies erfahren muͤsse, solche Gruͤnde wurden uͤber- wogen von des Vaters Erinnerungen an seine Trauer, an der Tochter Schicksal, an die Zertretung der Frey- heit aller. Appius blieb im Kerker, und starb, wahr- scheinlich freywillig, ehe der Gerichtstag eintrat, den die Tribunen schonend lange genug verschoben hatten um den Entschluß und die Ausfuͤhrung zu beguͤnstigen. Der zweyte Angeklagte war sein unmittelbarer Mit- schuldiger, der Plebejer Sp. Oppius, welcher mit ihm die Stadt verwaltete und zur Zeit des Urtheils gegen Virginia dort anwesend war: Umstaͤnde welche es mir glaublich machen daß Standeshaß Verbrechen allgemei- ner Leidenschaften ungerecht ausschließlich der patricischen Tyranney zugeschrieben hat. Dieser ward auf das Zeug- niß eines alten Soldaten verurtheilt, den der Tyrann nach sieben und zwanzig Feldzuͤgen ohne auch nur einen Vorwand anfuͤhren zu koͤnnen hatte staͤupen lassen. Auch er endigte sein Leben mit eigner Hand im Kerker. Die uͤbrigen verbannten sich ehe eine bestimmte Anklage ge- gen sie erhoben war: ihr Vermoͤgen ward eingezogen wie das der beyden Verurtheilten. Nach der Bestrafung der Tyrannen schien gleiche Gefahr uͤber ihren Mitschuldigen zu schweben: und es fehlte nicht an erbitterten Anklaͤgern gegen einen großen Theil des Senats. Diese entfernte M. Duilius durch die Erklaͤrung er werde keine weitere Anklage und keine Verhaftung wegen politischer Vergehungen unter der Herrschaft der Decemvirn gestatten. So große Maͤßi- gung haͤtte Eintracht herstellen sollen; aber kaum waren die Patricier frey von Furcht, als sie Rache dafuͤr such- ten gefuͤrchtet zu haben. Die Consuln kehrten mit seltnem Glanz aus dem Felde zuruͤck: die Liebe des Volks hatte ihnen ein zahlrei- cheres Heer verschafft als ihre Macht sie aufzubieten be- rechtigte, und ein besseres; denn alles folgte freywillig, auch die alten Krieger deren Jahre sie vom Dienst losspra- chen. Derselbe Eifer erwarb ihnen große Siege: die Soldaten kaͤmpften aus aͤußersten Kraͤften um ihren Lieb- lingen und Wohlthaͤtern herrliche Triumphe zu erringen. Fuͤr die Siege zweyer abgesonderter Heere, deren eines die Sabiner so uͤberwunden hatte daß sie waͤhrend 165 Jahren nie wieder die Waffen gegen Rom nahmen, beschloß der Senat nur einen Festtag: das Volk ließ sich nicht verwehren einen zweyten, wie es sich gebuͤhrt haͤtte zu verordnen, mit Danksagungen in allen Tempeln zu feyern. Die Heere kamen zuruͤck, und die Consuln ent- boten, um uͤber den Feldzug zu berichten, und den Triumph zu begehren, nach der Sitte den Senat aus der Stadt. Dieser aͤußerte den schaͤndlichen Verdacht, es sey die Absicht sie von den Soldaten ermorden zu las- sen. Die Consuln verließen die Armee, und beriefen den Senat auf den Aventinus: außerhalb der Stadt, wie das Herkommen es forderte, da sie ohne den Feldherrnbe- fehl niederzulegen und dem Triumph zu entsagen, nicht innerhalb der Mauern kommen konnten: aber getrennt von dem gefuͤrchteten Heer. Jetzt ward ihnen der Triumph mit großer Bitterkeit versagt: er gebuͤhre sol- chen Verraͤthern nicht. Das Volk wandte seine neuen Vorrechte zuerst an, um seinen Freunden dankbar zu seyn. L. Icilius trug vor den Tribus an daß sie den Triumph zuerkennen sollten. Selbst bis in die Volksgemeinde setzten die Patricier den Widerstand fort: ohne Scheu und ohne Klugheit die ihnen schimpflichen frischen Wunden aufreis- send, welche die Haͤupter des Volks schonend geschlossen hatten. Mit angeblichem Unwillen uͤber vermessene Ein- griffe in unverbruͤchliche Vorrechte des Senats waren Schmaͤhungen vermischt: der Sieg dessen Feyer man den Consuln zu verleihen trachte waͤre uͤber die Patricier nicht uͤber die aͤußeren Feinde gewonnen. Die Einstimmigkeit des Volks blieb ungestoͤrt, und die Consuln fuͤhlten sich befugt nach diesem Ausspruch zu triumphiren. Mit Sorge sah jetzt das Volk das Ende dieses Con- sulats herannahen. Die Feindschaft der Patricier war seit der Revolution mehr erbittert als besaͤnftigt, und die Gesetze schienen sich nur unter dem Schutz ihrer Urheber befestigen zu koͤnnen. Man wollte die Consuln und die Tribunen wieder erwaͤhlen: neun unter diesen waren fuͤr beydes entschlossen. Aus dem ganzen Collegium wider- setzte sich allein M. Duilius, dem der Vorsitz der Wahl zugefallen war, entweder aus sehr hoher Strenge der Grundsaͤtze, oder der gemeinschaftlichen Sache untreu. Unbezweifelt ist die Reinheit der Gesinnungen welche die Erklaͤrung der Consuln eingab: sie wuͤrden keine Stim- men fuͤr sich annehmen. Fuͤr sie, denen ihre Feinde vor- geworfen haben wuͤrden, sie ahmten den von ihnen ver- schrieenen Decemvirn nach, waͤre es ein zu großes Opfer gewesen die Sicherung der Rechte des Volks fuͤr ein Jahr laͤnger durch Laͤsterung ihres Rufs zu erkaufen. Es war nur eine so kurze Frist, denn wenn auch immer einmal ihre Gewalt in andre Haͤnde uͤberging so konnte sie nur in feindselige kommen, da der ganze Senat von einem Geist durchdrungen war: sie selbst waren eine wohlthaͤ- tige Erscheinung die wenn sie auch laͤnger verweilte doch endlich scheiden mußte. Auch war es gewiß daß die Patricier, schon durch den Vorwand des Beschlus- ses gegen die Wiedererwaͤhlungen geruͤstet, ihrer Ernen- nung die Bestaͤtigung versagen, und sie genoͤthigt seyn wuͤrden entweder schmaͤhlich abzutreten, oder ihre Wahl mit Gewalt und mit dem gehaͤssigsten Schein zu be- haupten. Sie mußten zuruͤcktreten, und das Volk seiner eignen Entschlossenheit anvertrauen. Sie schieden, mit der Ueberzeugung nie wieder zum Consulat zu gelan- gen; denn wie oft und wie zahlreich sie auch bey spaͤ- teren Wahlen die Stimmen des Volks gehabt haben muͤssen, kein vorsitzender Consul hat Stimmen fuͤr Maͤnner angenommen, die ihr ganzer Stand Verraͤther nannte. Das Horatische Geschlecht erlischt in der Geschichte zwey Menschenalter nach dem Sieger der Sabiner. Das Valerische uͤberlebte mit dem Cornelischen alle andre pa- tricische der Republik: es glaͤnzte noch, freylich nicht mehr in den entwuͤrdigten Fasten, bis in ein Zeitalter welches nicht zu uͤberleben auch eine Wohlthat des Schick- sals war. Der Vater des Praͤfecten Symmachus nennt unter den Ersten des Senats auf deren Freundschaft er stolz war, den Valerius Proculus, wuͤrdig der alten Publi- cola, also daß die Groͤße seiner Ahnen ihn nicht druͤcke, und preiset seine Wahrheitsliebe und Rechtschaffenheit Symmachus Epist. I. 2. . Ein lobenswerther Mann aus dem Schutt der letzten Zeit Derselbe I. 4. war freylich aufs beste ein dunkles Bild seiner Vorfahren, doch eigenthuͤmliche, von den aͤußern Um- staͤnden die eine ganze Nation heben oder niederdruͤcken unabhaͤngige, Entartung hatte dies Geschlecht nicht ge- troffen. Vergeltungen des Stolzes, eben wie veruͤbtes Unrechts, treffen sicher wenigstens die spaͤten Nachkom- men, obwohl fast immer mit einem neuen Unrecht, dem einst auch seine Ahndung folgt. So ward, um dies bey- laͤufig zu sagen, der Adelstolz der alten Patricier dadurch vergolten, daß, wie jene versificirte Schilderung geprie- sener Zeitgenossen zeigt aus der wir diesen Valerius ken- nen, die plebejische Nobilitaͤt der praͤnestinischen Anicier von den Magnaten des theodosischen Zeitalters fuͤr einen vornehmeren Adel gerechnet ward als das mehr denn tau- sendjaͤhrige Patriciat der Valerier und Cornelier. Doch konnten jene auch nicht einen unter den ihrigen nennen der dem geringsten unter den großen Maͤnnern dieser Ge- schlechter zu vergleichen gewesen waͤre: es war ihr uner- meßlicher meßlicher Reichthum, und der Besitz wesenloser hoher Aemter unter den Kaisern des verfallenden Reichs, wo- durch sie die ersten in der Meinung waren. Das Reich ging unter, die Eroberer theilten sich die Guͤter: was von einheimischem Adel die Vertilgung der Senatoren uͤberlebt hatte, waͤren es auch Anicier gewesen, verlohr, als sich die Feudalitaͤt Roms bemeisterte, arm und vernichtet so- gar das Andenken seines Standes; barbarischer Ur- sprung machte den roͤmischen Adel des Mittelalters. So lange die Republik bestand, vorzuͤglich so lange das Volk in seinen Rechten Schutz bedurfte, sind ihm die Valerier nie untreu geworden. Wenn plebejische Mili- tartribunen, wenn nach gewaltsamer Unterbrechung des Licinischen Gesetzes zuerst aufs neue ein plebejischer Con- sul ernannt ward, war fast immer ein Valerius unter der Magistratur des vorigen Jahrs, also daß man annehmen kann ihm sey der Vorsitz bey der Wahl zugefallen gewesen, und er habe diesen zur Ausfuͤhrung der Gesetze angewandt. Besonders aber betrachtete dieses Geschlecht als sein Erb- amt die Gesetze zu erneuern und lebendig zu erhalten, welche uͤber die persoͤnliche Unverletzlichkeit der Buͤrger wachten Die Revolution wodurch das Decemvirat gestuͤrzt ward, faͤllt in den December 305: es kann nicht bezweifelt wer- den daß L. Valerius und M. Horatius das Consulat an den Iden dieses Monats antraten, wie es Regel war bis zum Jahr 335 (Livius V. c. 11.). Daher auch daß der gesetz- liche Tag fuͤr den Anfang des Tribunats der vierte vor den Iden war; welches nicht auf die erste Einsetzung son- dern auf diese Erneuerung bezogen werden muß. Jenes . Zweiter Theil. L Innere Geschichte bis auf den vejen- tischen Krieg . Eine ungluͤckliche Folge entstand aus dem Entschluß des Tribunen M. Duilius die Wiedererwaͤhlung des Collegiums zu hindern, welche fruͤher oft und bitter vom Senat getadelt war, und jetzt um so gehaͤssiger gedeutet worden waͤre da der Partheygroll keinen Unterschied zwischen freywilliger Wiedererwaͤhlung und der Decem- thut Dionysius ( VI. c. 89.), daher verlaͤngert er die Zeit der ersten Secession in das Unglaubliche. Hier scheiden sich die catonischen Fasten von den varro- nischen, weil jene das letzte Jahr der Decemvirn und das erste hergestellte Consulat unterscheiden, diese sie unter der Zahl 306 vermengen. Ich hatte anfangs, aus vieljaͤhriger Gewoͤhnung, den Gebrauch der letzten beybehalten, und waͤhrend des vierten Jahrhunderts wuͤrde der Unterschied unbedeutend seyn: ganz anders aber ist es im fuͤnften, wo die eingeschobenen Dictaturen fuͤr den der eine fortlau- fende Geschichte schreibt, den Gebrauch dieser Fasten un- moͤglich machen. Daher habe ich mich entschließen muͤssen ihnen zu entsagen: und dies obwohl ich in der regelmaͤßi- gen Folge der Saͤcularfeste nach den varronischen, nicht nach den catonischen, Fasten einen sichern Beweis sehe daß die Gesammtzahl der Jahre in jenen, nicht in diesen richtig ist. Eben in den saͤcularischen Perioden muß Varro die Veranlassung zu seiner Abweichung gefunden haben: Cato hat die Jahre vernachlaͤssigt welche durch Interregnen, ver- laͤngerte Magistraturen, u. s. w. verlohren gegangen waren: aber diese lassen sich nicht einschieben, und Varro hatte es, wie von ihm zu erwarten war, hoͤchst ungluͤcklich gethan. virn eigenmaͤchtiger Verlaͤngerung ihrer Magistratur ge- macht haben wuͤrde. Zum denkwuͤrdigen Beyspiel daß, wenn wir es uns und andern im allgemeinen schuldig sind boͤsen Schein zu vermeiden, zu große Aengstlichkeit ihn zu fliehen viel Boͤses anrichten kann. Das Volk war so entschlossen die Tribunen wieder zu erwaͤhlen daß nur fuͤnf andre Candidaten, und diese, mit Ausnahme eines einzi- gen, Creaturen des Senats, nicht entschieden verworfen wurden. Duilius schloß die Wahl, welche in einem ein- zigen Tage vollendet seyn mußte, mit der Erklaͤrung, es sey seinem Gesetze genuͤgt, indem das Collegium nicht abtrete ohne Nachfolger zu hinterlassen; und er fand ent- weder einen Ausweg ihrer Unvollzaͤhligkeit abzuhelfen, oder er schlug ihn vor Je nachdem man bey Livius III. c. 64. liest: ab iis qui creati essent, cooptari collegas jube ret oder jube bat : aber die letzte Lesart scheint mir nothwendig. . Die erwaͤhlten sollten die gesetz- liche Zahl von zehn Tribunen durch Cooptation ergaͤnzen, und die cooptirten gleich rechtmaͤßig wie die unmittelbar gewaͤhlten ernannt seyn. Vielleicht, wenn wir sein Ver- fahren guͤnstig ausdeuten koͤnnen, wollte er eben dadurch die Ehrsucht seiner Nachfolger vereiteln, indem nach sol- chem Beyspiel zu erwarten war, das Volk werde lieber neue Tribunen waͤhlen, als in die Gefahr gerathen durch solche die es nicht erwaͤhlt repraͤsentirt zu werden. Zufolge der Vereinigung beyder Staͤnde in den Tri- bus cooptirten die Tribunen auch zwey Patricier, welche nach dem Geist der plebejischen Magistratur wenigstens so lange als die Patricier noch ausschließlich den Besitz der L 2 Regierung behaupteten, ihrer unfaͤhig waren. Der ein- zige unabhaͤngige Tribun L. Trebonius, welcher dieses arglistige Verfahren nicht zu hindern vermochte, wehrte ihm doch fuͤr die Zukunft durch das Gesetz, daß die Wahl der Tribunen fortgesetzt werden muͤsse bis die ge- setzliche Zahl der Zehn vollstaͤndig sey: und so ergaͤnzte sich Roms Gesetzgebung bestaͤndig durch Wachsamkeit auf je- den Vorfall welcher Maͤngel enthuͤllte. Es fehlte viel daß die Gemuͤther versoͤhnt und beru- higt gewesen waͤren. Nur allmaͤhlig befestigte sich der erste und unmittelbare Vortheil der Decemviralgesetzge- bung, gleiche Sicherheit fuͤr alle, und daher gleiche Scheu andre zu verletzen: denn die Anwendung der Ge- setze war im ausschließenden Besitz des einen Standes. Das Volk litt unaufhoͤrlich von frevelhaften Mißhand- lungen der jungen Patricier Der Senat und die Senatoren hatten ihren Nahmen ohne Zweifel nicht so ohne Ruͤcksicht auf des Worts Bedeu- tung als untrr der Kaiser Herrschaft. Wie das fuͤnf und vierzigste Jahr unter den uͤbrigen Buͤrgern die juͤngeren von den aͤlteren schied, so auch ohne Zweifel bey den Patriciern: und dies waͤre der Unterschied zwischen den juniores patrum (Livius III. c. 50. 65.) und den seniores (das. c. 63. 65.). Es scheint glaublich daß der Senat ausschließlich aus den letzten berufen ward, sicher enthielt er nicht alle: die juͤnge- ren also waren nichtsenatorische Patricier. : die Thaͤter wurden von den Senatoren in Schutz genommen, und die Unmoͤglich- keit vor dem Tribunal Recht zu erhalten, veranlaßte tri- bunicische Anklagen Livius III. c. 65. 66. . Das erzaͤhlt Livius, und mit unbegreiflichem Leichtsinn leiht derselbe unmittelbar nach- her dem Consul T. Quinctius Capitolinus eine Rede welche das Mißvergnuͤgen des Volks straft, ja er redet von der Beschaͤmung und der Reue des Volks bey diesen Vorwuͤrfen. Indessen regte sich doch stets die Entwicklung der roͤmischen Freyheit. Im 63sten Jahr nach Verbannung der Koͤnige, dem Jahr der Stadt 307, wurden, nach Tacitus, zuerst die Quaͤstoren vom Volk erwaͤhlt. Von dieser Veraͤnderung ist schon geredet Siehe oben Th. II. S. 113. 114. , und sie ist dahin erklaͤrt geworden, daß wahrscheinlich damals die Blut- richter, bisher von den Curien allein erwaͤhlt, von nun an als Nationalmagistratur, durch die Centurien ernannt wurden, und die Aufsicht uͤber den Schatz mit ihrem Richteramt vereinigt ist, bis diese sich voͤllig fremdar- tigen Geschaͤfte aufs neue in dem Vergleich uͤber die lici- nischen Rogationen getrennt wurden. Eine andre, dieser voͤllig widersprechende Notiz, welche die Volkswahl der Quaͤstoren, als Schatzmeister, bis in Publicolas erstes Consulat hinaufruͤckt Plutarch Public. p. 103. D. , scheint, wie die Erzaͤhlung daß er den Senat durch Plebejer er- gaͤnzt, auf ihn zu uͤbertragen was von Brutus im Anden- ken war, und eine Entstellung der gesetzlichen Bestaͤtigung der Blutrichter Tacitus a. a. O. Siehe oben Th. II. S. 15. unter den ersten Consuln zu seyn: der quaͤstorische Nahme verstanden, wie ihn ein lateinischer Rhetor gegen das Ende des siebenten Jahrhunderts faßte. Die ersten Quaͤstoren waren L. Valerius Potitus und Mam. Aemilius. Nach der spaͤteren Stufenfolge der hohen Aemter wuͤrde man in jenem einen Sohn des Consuls zu sehen glauben; aber noch vergingen mehr als zwey Jahrhunderte ehe es fuͤr ungeziemend gehalten ward, die geringeren Aemter nach der hoͤchsten Magistratur und jene mehr als einmal zu bekleiden: und es ist viel glaublicher, daß das Volk, dem es nicht gestattet ward Valerius mit einem zweyten Consulat zu ehren, ihm durch diese Ernennung Anhaͤnglichkeit und Vertrauen zeigte. Auch sein College, der Dictator des Jahrs 321, gehoͤrt zu den seltneren Maͤnnern jener Zeit. Anfangs, und so lange nur zwey Quaͤstoren erwaͤhlt wurden, war diese Magistratur ausschließlich den Patriciern vorbehalten. Es war eine Folge der Kasteneintheilung Livius IV. c. 1. Contaminari sanguinem suum Patres, confundique jura gentium rebantur. c. 2. Colluvionem gen- tium, perturbationem auspiciorum publicorum privato- rumque afferre. und des verschiedenen Nationalursprungs welche Patricier und Plebejer schieden, daß zwischen beyden Staͤnden keine guͤl- tigen Ehen geschlossen werden konnten: oder nach dem Ausdruck des alten Rechts, daß kein Connubium zwi- schen ihnen bestand. Nur durch dieses traten die Kin- der in den Stand des Vaters Livius IV. c 4. Quid juris tandem mutatur? Nempe patrem sequuntur liberi. Ulpian tit. 5. §. 8. Connubio interveniente, liberi semper patrem sequuntur: non inter- veniente connubio matris conditioni accedunt. , und genossen Erb- recht, welches einer außer den Graͤnzen dieses Rechts geschlossenen Ehe versagt war Livius IV. c. 3. connubium quod finitimis externisque dari solet. . Es war nicht auf die Buͤrger eingeschraͤnkt: es ward durch Vertraͤge auch mit andern Voͤlkern errichtet Festus s. v. Numerius. : schon fruͤher verhei- ratheten sich roͤmische Patricier mit den Toͤchtern sam- nitischer Edeln Ich verdanke Savigny die einleuchtende Bemerkung daß aus Gewissensehen die, ungeachtet des abmahnenden Ge- setzes, doch ohne Zweifel geschlossen wurden, die plebeji- schen Familien patricischer Geschlechter entstanden seyn muͤs- sen, indem der Sohn in den Stand der Mutter trat. Hin- gegen, wenn vor dem Canulejischen Gesetz eine Patricierin sich einem Plebejer verheirathete, blieb ihr Kind plebejisch, weil jeder Patricier einem bestimmten Geschlecht seines Stan- des angehoͤren mußte. Wie noch spaͤter das Kind eines Frem- den und einer Buͤrgerin fremd war. . Von den Etruskern ist es nicht zu bezweifeln, daß die roͤmischen Geschlechter, wenn sie auch der Nation schon fremd geworden waren, durch Verheirathung mit ihren Lucumonen, in deren Unterricht die Wissenschaft der Auspicien als aus ihrer Quelle bewahrt ward, diese Gabe durch Verwirrung des Bluts zu stoͤren nicht vor- geben konnten. Daß der sabellische Adel ebenfalls eine Priesterkaste war, folgt daraus daß mit ihm ein Con- nubium bestehen konnte, welches allerdings noch einen gesetzlichen Staatsvertrag voraussetzt. Aber die Schei- dung der Kasten war im Abendlande nicht unverletzlich, der religioͤse Vorwand kein Glaube: Roms aͤltere Ge- schichte nannte einen Koͤnig der, von einer Magd ge- boren, dennoch nicht ungluͤcklichere Auspicien gehabt hatte als die wenigen welche einem patricischen Stamm angehoͤrten. Auch forderten die Plebejer die Aufhebung des Gesetzes nur als Wegnahme einer Schmach, und sie erinnerten die Patricier, es bleibe ganz in ihrer Macht solche Ehen zu vermeiden, wenn ihr Glaube sie verboͤte. Das canulejische Gesetz uͤber das Connubium beyder Staͤnde ward angenommen (310). Allmaͤhlich verschwand nun ihre bisherige Entfernung; die persoͤn- lichen Verbindungen der einzelnen milderten den Zwist der Staͤnde denen sie angehoͤrten: der Hochmuth und die Mißhandlungen der jungen Patricier hoͤrten auf: Familienverhaͤltnisse verschafften den Plebejern Aufnahme in den Senat, und in demselben fuͤr ihre Forderungen Freunde unter den Patriciern selbst, welche nicht wenig zu ihrer endlichen Bewilligung mitwuͤrkten. Zu gleicher Zeit hatten neun Tribunen die Roga- tion bekannt gemacht: daß es der Nation freystehen solle, nach ihrem Gefallen plebejische oder patricische Consuln zu erwaͤhlen. Je maͤchtiger die Plebiscite durch das valerische Gesetz waren, um so heftiger strebte der herrschende Stand die Annahme der Rogation durch die gewoͤhnlichen Mittel zu hindern, indem die Consuln das Volk von der Gemeindeversammlung zur Aushebung abriefen. Als aber die Tribunen sich dadurch nicht stoͤ- ren ließen, schwankten die Patricier zwischen einem wuͤthenden Entschluß, und taͤuschender Nachgiebigkeit um Zeit zu gewinnen. In Versammlungen der Haͤup- ter des Standes von denen unter allen Consularen nur Valerius und Horatius ausgeschlossen wurden, trug C. Claudius auf den Mord der Tribunen an: ein Vorschlag den Cincinnatus mit Unwillen verwarf. Auch die Mehr- heit scheute das graͤßliche Unternehmen; und da den Plebejern die Form gleichguͤltig war, verglichen sich beyde Staͤnde daß die hoͤchste Gewalt nicht mehr von zwey Consuln, sondern von sechs Militartribunen, drey Patriciern und eben so vielen Plebejern, ausgeuͤbt wer- den solle Dionysius XI. c. 56. 60. Zonaras VII. c. 19. Livius laͤßt die Zahl unbestimmt, und nimmt an die Stellen waͤ- ren nicht getheilt, sondern beyden Staͤnden ohne Unterschied offen gewesen, welches als urspruͤngliche Anordnung weit unwahrscheinlicher ist als der abweichende Bericht. . Doch scheint es kaum glaublich daß die Plebejer sich schon stark genug gefuͤhlt haͤtten, Anspruch auf Theilnahme an des Consulats koͤniglichem Glanz zu machen. Wahrscheinlicher war es ein Vergleich fuͤr die Nichternennung des Decemvirats und die Herstel- lung des Volkstribunats, so daß hier der gesammte Ritterstand, nach den sechs Centurien Koͤnig Tarquinius des Alten, repraͤsentirt ward: folglich von dem plebeji- schen Stande die Ritter, anstatt aller steuerpflichtigen Buͤrger wenn fuͤr jede Klasse ein Plebejer im decemvi- ralischen Collegium Sitz nahm. Ich bin in den fruͤheren Zeiten dieser Geschichte der herkoͤmmlichen einstimmigen Meinung gefolgt, es habe unter den Koͤnigen die Magistratur eines Tribuns der Celeres bestanden, welcher dem Obersten der Rit- ter unter den Dictatoren verglichen wird. Aber wenn jede Tribus, oder Centurie von hundert Geschlechtern, einen Tribun zum Vorsteher hatte Dionysius II. c. 7. ; wenn die Rit- ter damals Celeres genannt und die Tribus des alten Tarquinius in ihrer Ordnung den urspruͤnglichen gleich- gestellt wurden Festus Sex Vestæ sacerdotes. ; so muß man annehmen es habe sechs Tribunen der Celeres gegeben: auch gedenkt Dio- nysius ihrer wirklich in der Mehrzahl unter den Prie- stercollegien, wie der Curionen Dionysius II. c. 64. . So ist es auch nicht auffallend daß Brutus, obwohl Plebejer, Tribun der Celeres war: und wie sich diese Einrichtung, nach dem Geist der roͤmischen Revolution, auch in die Re- publik hinuͤber erhalten mußte, scheint sie hier in der Form des Militartribunats wieder hervorzutreten. Sechs Militartribunen war die Zahl der Oberoffi- ciere in einer Legion, als dem urspruͤnglichen Maaß eines roͤmischen Heers. So viele zu ernennen ward dem Volk im Jahr 393 eingeraͤumt Livius VII. c. 5. : wobey es wohl sehr zweifelhaft ist, ob es nicht fuͤr eine bloße eingeschobene Meinung gelten muß daß sie bis dahin von den Consuln ernannt waͤren, ob sie nicht vielmehr bis zu diesem Zeitpunkt allgemeiner Freyheit jeder von einer der alten Centurien erwaͤhlt wurden. Fuͤr vier Legionen erwaͤhlte das Volk in Polybius Zeit vier und zwanzig Polybius VI. c. 19. — eine gleiche Zahl fuͤr die einzelne. Dies bildet, nach der alten Einrichtung der Legion welche weiter unten entwickelt werden wird, sechs Cohorten, jede von sechshundert Mann, dergleichen Dionysius zwanzig Jahr vor dieser Veraͤnderung erwaͤhnt Dionysius IX. c. 71. . Sechs, nach jener urspruͤnglichen Bestimmung, war freylich die Zahl der ernannten consularischen Militartri- bune erst von dem Jahr 350, und blieb es, bis das Con- sulat bleibend als Form der hoͤchsten Gewalt festgesetzt ward: anfaͤnglich drey, und dann gewoͤhnlicher vier. Es ist erwiesen ein Irrthum daß Livius, verleitet durch nach- laͤßig geschriebene Fasten, im Jahr 352 acht Nahmen nennt Livius V. c. 1. Onuphrius Panvinius im Commentar uͤber seine Fasten J. 350 Cap. Aera. : dennoch bezweifle ich nicht daß eine Zeitlang das tribunicische Collegium auf diese Zahl gesetzlich be- stimmt gewesen ist. Wie werthlos auch die Gelehrsamkeit des Kaisers Claudius in seinem gestoͤrten Gemuͤth war, so unschaͤtzbare Notizen mußte doch der Herrscher Roms be- sitzen da ihn gelehrte Liebhaberey trieb rare Nachrichten aus alten Zeiten zu sammeln: daß er es that, laͤßt nicht nur der Titel seiner tyrrhenischen Geschichte schließen, es ist durch die Fragmente seiner Rede uͤber die Civitaͤt Gal- liens erwiesen. In diesen gedenkt er, unter den Umbil- dungen der Verfassung, der Militartribunen mit consula- rischer Gewalt, deren Zahl auf sechs, oft acht, bestimmt gewesen waͤre Claudius Rede, erste Tafel: Quid (nunc commemo- . Dem widerstreitet gar nicht daß sie in dieser Zahl nie in den Fasten vorkommen: vielmehr, wie die Ernennung von dreyen auf sechs, so deutet die von vieren auf ein vollzaͤhliges Collegium von acht Tribunen. Es uͤbte naͤm- lich der bey einer Wahl vorsitzende Magistrat, zuverlaͤßig von jener Zeit her als den Centurien nur uͤber die vom Se- nat vorgeschlagenen Candidaten zu stimmen erlaubt war, ein Vorrecht aus fuͤr die deren Wahl er nicht gestatten wollte, keine Stimmen anzunehmen Rationem eorum non habebat, oder, seit dem licinischen Gesetz, de plebe consulem non accipiebat. Livius IV. c. 6. Cicero Brut. c. 14. Siehe von solchem Verfahren eben diese Stelle Ciceros, und Livius VII. c. 17. 18. u. a. O. . Diese Macht blieb wenigstens bis in spaͤte Zeiten, als die urspruͤngliche Veranlassung laͤngst in jeder Spur verschwunden war: und sie ist sicher oft heilsam gewesen, indem sie gefaͤhrliche Menschen von der hoͤchsten Gewalt entfernte welche sich die Stimmen des Volks verschafft haben wuͤrden. Aber sie bot sich tyrannischem Mißbrauch dar, weil die einzige moͤgliche Hemmung, durch persoͤnliche Ahndung einer em- pfangenen Beleidigung, nach den Sitten des Alterthums nicht Statt fand. Kraft dieses Vorrechts konnte der vorsitzende Magi- strat plebejische Candidaten gaͤnzlich von der Stimmen- sammlung ausschließen. Erhielten dann von den patri- cischen, so viele als Stellen zu besetzen waren, eine voll- rem) inp .... uris (l. inter plures) distributum consulare imperium, tribunosque militum consulari imperio ap- pellatos qui seni et sæpe octoni crearentur. staͤndige Stimmenmehrheit, dann war die Wahl vollen- det, auch wenn es nur fuͤr die Haͤlfte geschah welche Pa- triciern zugesichert war. Hatten aber die Plebejer auch diese Schwierigkeit uͤberwunden, so war den Curien die Bestaͤtigung nicht als ein leeres Recht gegeben Siehe die schon mehrmals angefuͤhrte Stelle, Livius VI. c. 42. . So erklaͤrt es sich wie manchmal sechs, dann vier, dann drey Tribunen vorkommen, und wie so selten, obwohl haͤufiger als es von Livius anerkannt wird, Plebejer erwaͤhlt wur- den. Jene Vorwuͤrfe der Volkstribunen an ihren Stand uͤber seine Lauheit fuͤr ihre Ehre Livius IV. c. 25. 35. 44. 49. sind rhetorische Aus- bildungen, veranlaßt nur dadurch daß die Fasten in jenen Jahren keine plebejische Nahmen zeigen. Huͤtet Euch vor dem Tadel — sprach C. Gracchus zu der Volksgemeinde, als der blutige Inquisitor P. Po- pillius, Jahre lang von den sogenannten Optimaten be- schuͤtzt, endlich vor Gericht stand, — mit blinder Leiden- schaft gewuͤnscht zu haben, was Ihr leichtsinnig ent- schluͤpfen ließet da es das Schicksal gewaͤhrte Gellius XI. c. 13. . Die- sen Tadel haͤtte das roͤmische Volk verdient, und nicht das Lob einer idealischen Maͤßigung, wie Livius es ausspricht, wenn es wahr waͤre was er glaubt; daß schon die erste Wahl freywillig nur auf Patricier gefallen sey. Nicht verdienstvoll waͤre es gewesen, sondern kindisch, die Ruhe des Staats zu erschuͤttern nur um einer leeren Eitelkeit willen, und damit ein Recht eingeraͤumt werde welches man nicht benutzen wollte. Aber diese Thorheit war nur im Sinn der Annalisten. Uebersahen sie auch daß nicht sechs, sondern nur die Haͤlfte dieser Zahl fuͤr das Jahr 311 ernannt wurden, so haͤtten sie doch nicht uͤbersehen sol- len daß auch unter diesen dreyen ein unlaͤugbar plebeji- scher Nahme ist, L. Atilius Longus. Der bloße Gentil- nahme ist allerdings unsicher in jenen alten Zeiten uͤber Plebitaͤt zu entscheiden, da wir nur einen sehr kleinen Theil der patricischen Geschlechter kennen: denn, wie vor- her bemerkt ist, eine sehr beruͤhmte plebejische Familie kann aus einer alten Mißheirath entstanden, und ihr pa- tricischer Stamm ohne einiges Andenken erloschen seyn. So duͤrfte man, wenn auch der dritte Tribun, wie bey Livius, Caͤcilius und nicht Cloͤlius zu nennen waͤre, dar- aus seine Plebitaͤt vielleicht nicht behaupten, wie beruͤhmt auch die Meteller sind. Anders aber ist es wenn eine Fa- milie durch Beynahmen bestimmt wird, denn nicht nur wissen wir von den gesammten Atiliern nichts denn nur als von Plebejern, sondern die Fasten zeigen im Jahr 356 einen zweyten L. Atilius Longus, und diesen nennt Livius ausdruͤcklich Plebejer Livius V. c. 13. . Auch waͤre es unerklaͤrlich warum der Senat die Mi- litartribunen schon im dritten Monat ihrer Magistratur, durch ein Decret der Augurn, abzudanken noͤthigte, wenn nicht ein Plebejer unter ihnen gewesen waͤre. Fuͤr den uͤbrigen Theil des Jahrs wurden, nach fruchtlosem Wi- derspruch der Volkstribunen, Consuln erwaͤhlt, und das Consulat mehrere Jahre hindurch gegen die Anmahnungen der Plebejer behauptet. Diese List erklaͤrt die Einwilli- gung der Patricier in die neue Ordnung. War der erste Sturm verrauscht, dann ließ sich unter beguͤnstigenden Umstaͤnden, bey nachgiebigeren Volkstribunen, wieder in Kraft setzen, was nur nicht foͤrmlich aufgegeben war. Von nun an wechselten Consulat und das consulari- sche Militartribunat: jedesmal verordnete der Senat ob die eine oder die andre dieser Magistraturen erwaͤhlt wer- den solle. Diese Frage, anfangs der Gegenstand heftiges Partheystreits, ward allmaͤhlich beyden Staͤnden gleich- guͤltig: den Plebejern mochte es fast troͤstlicher seyn kein Recht zu haben, als sich die Ausuͤbung eines gewonnenen unredlich immer aufs neue entreissen zu sehen. Den Pa- triciern mißfiel es nicht in groͤßerer Zahl die hoͤchste Ge- walt theilen zu koͤnnen, sobald sie sich ihren Besitz aus- schließlich sicherten, ja zuletzt hatten beyde Staͤnde die Vertheidigung des Consulats unter sich gewechselt. In diesem ganzen Zeitraum finden sich mit der einzigen Aus- nahme des Q. Antonius Merenda, im Jahr 333, nur unbezweifelt patricische Nahmen in den Fasten. Militartribunen mit consularischer Gewalt theilten diese unvermindert, wenn ihr Amtsnahme nicht ganz taͤuscht. Aber der aͤußere Glanz des Consulats war wohl mehr als getheilt. Es wird bemerkt daß kein Militartri- bun die Ehre des Triumphs genossen, obgleich viele von ihnen Siege erfochten die ihrer werth gewesen Zonaras VII. c. 19. : eine Bemerkung welche mit Livius Erzaͤhlungen uͤbereinstimmt, und nichts zufaͤlliges betrifft. Nie ward ein Consul Ober- ster der Ritter, wohl aber ein Militartribun: daher sagte P. Manlius mit Recht, jene Wuͤrde sey nicht hoͤher als das consularische Tribunat Livius VI. c. 38. . Der Mythus welcher die Gruͤndung der Volksfreyheit durch Servius Tullius erzaͤhlt, hat seines ersten Census gedacht: eine apokryphische Geschichte bestimmte das Jahr, und meldete daß der Koͤnig ihn viermal wieder- hohlt habe. Nach Abschaffung der Monarchie ward der Census von den Consuln gehalten: nicht in jedem Lustrum, sondern zu sehr ungleich entfernten Zeitpunkten. Seit dem letzten waren im Jahr 311 sechszehn Jahre verflos- sen Dionysius XI. c. 63. : ein unertraͤglicher Zustand fuͤr die Nation, weil fortwaͤhrend nach jenen veralteten Registern gesteuert ward Ich habe fruͤher, Th. I. S. 398. 399. auf diesen uͤberse- henen Umstand aufmerksam gemacht, und der Beweis liegt schon in der Natur der Sache. Historisch belegt wird diese Behauptung und die daß von ausstehenden Schuldforderun- gen gar nicht, hingegen von dem schoßpflichtigen buͤrgerli- chen Vermoͤgen, da Realverpfaͤndung dem alten Recht ganz fremd war, ohne allen Abzug der Schuldenlast gesteuert ward, durch eine Stelle welche ich an jenem Ort anzufuͤh- ren versaͤumt habe. Die Schuldenliquidation des Jahrs 403, wodurch Eigenthum nach abgeschaͤtztem Werth in Zah- lung gegeben ward, machte einen neuen Census noͤthig, wegen der haͤufigen Eigenthumsveraͤnderungen (Livius VII. c. 22.). Bey einer wahren Vermoͤgenssteuer waͤre dadurch nichts veraͤndert worden, nur wuͤrde der Creditor jetzt nicht : wie die gleiche Versaͤumniß zu den schwersten Klagen Klagen uͤber die Regierung des letzten Koͤnigs gehoͤrt. Die Verzeichnung eines so zahlreichen Buͤrgervolks mit genauer Schaͤtzung des steuerbaren Vermoͤgens war ein ungeheures Werk, unausfuͤhrbar fuͤr die vielbeschaͤftigten Consuln, welche damals auch noch Jurisdiction uͤbten; die Zeit eines Jahrs unzureichend, und doch war es sehr wichtig daß das Werk von einer Hand vollendet werde. Jede Trennung eines Theils der koͤniglichen Macht vom Consulat, und eine solche welche den Senat von demfel- ben unabhaͤngig machte, war ein Gewinn fuͤr die Frey- heit. Vielleicht aber muß man auch annehmen, wie die Praͤtur nach den licinischen Gesetzen abgesondert ward, daß diese Trennung schon ein Jahr fruͤher, und als Forderung des Senats, beschlossen sey, als die consularische Regie- rung an Militartribune uͤberging; damit, wenn die An- erkennung von Plebejern in dieser Magistratur nicht ver- weigert werden koͤnnte, wenigstens nicht die Berufung zum Senat in ihre Gewalt gerathe. Die Censoren hatten anfangs dem Umfang nach doch nur einen sehr kleinen Theil der Geschaͤfte welche sich nach- her mit den Eroberungen unermeßlich ausdehnten. An- statt der Kornabgaben, des Kopfgeldes, der Zoͤlle und Accise, Bergwerke und Forsten aus drey Welttheilen hat- mehr mit tausend Assen Schuldforderung sondern mit der- selben Summe in Land oder beweglichem Eigenthum auf- gefuͤhrt seyn: der Schuldner aber haͤtte diesen Werth auch schon fruͤher nicht versteuert. Ward ein Census nothwen- dig, so zeigt dieses daß außerdem nicht ab- und zugeschrie- ben werden konnte. Zweiter Theil. M ten sie von oͤffentlichen Einnahmen nur Zoͤlle zu verpach- ten, wahrscheinlich auch den Ertrag der Salzwiesen: noch keine Zehenten; denn die alte Domaine war damals noch ohne Abgaben zu entrichten im Besitz der Patricier Th. I. S. 453. Note 620. , und keine gluͤckliche Kriege erweiterten sie. Der Schoß war seiner Natur nach, als fest in Geld bestimmt, keiner Verpachtung unterworfen, er ward durch die Quaͤstoren beygetrieben. Fuͤr Bauten besaß der Schatz kein Geld; die wenigen Tempel welche in dem ersten Zeitraum der Republik eingeweiht wurden, waren offenbar schon von den Koͤnigen angefangen, und drey und vierzig Jahre nach Tarquinius Verbannung ward ein Tempel einge- weiht dessen Bau er begonnen hatte Dionysius IX. c. 60. . Nachher schweigt die Geschichte ganz von neuen Tempeln, obgleich die Chronik der Pontifices solcher Einweihungen gewiß vorzuͤglich gedachte. Die Verzeichnung des Senats, der Ritter und des Volks in den Tribus war der große Beruf der Censoren, welcher die Wuͤrde ihres Amts uͤber alle andere er- hoͤhte, so daß auch der aͤlteste unter den gewesenen Censo- ren herkoͤmmlich der Erste des Senats war. Die Geburt gab Anrechte: der Gesammtheit der aͤlteren Patricier, theils auf Sitz im Senat, theils, nebst ihrer Jugend, auf Stimme in den urspruͤnglichen, wie den Plebejern von ritterlichem Geschlecht in den neueren Rittercenturien; jedem Plebejer Stimme zu geben in der Tribus worin er gebohren war, in einer Klasse der Centurien nach seinem Vermoͤgen, und auf den Genuß aller Vortheile des voll- kommnen Buͤrgerrechts. Aber ob jeder seine Geburtsrechte persoͤnlich ausuͤben duͤrfe, entschied der Censor, und ver- stieß den Unwuͤrdigen. Wie dieses so geschah daß der aus der Tribus zu den Aerariern Verwiesene alle politische Buͤrgerrechte verlohr, und nur die des Caͤriten behielt, ist fruͤher erlaͤutert geworden Th. I. S. 379. 386. . Die Notationen der Censoren trafen Uebertretun- gen der Pflichten gegen Staat und Stand. Es ist wahrscheinlich daß die Gegenstaͤnde von denen sie Kennt- niß nahmen gesetzlich oder durch ein Edict verzeichnet waren Agrum male colere censorium probrum judicabatur. Plinius H. N. XVIII. c. 3. . Muthwillige Ehelosigkeit oder eine gesetzlich unguͤltige Ehe, weil beydes den Staat an Buͤrgern arm machte Dies scheint der Sinn der Formel uxor liberorum quæ- rendorum causa. , Versaͤumniß des Ackerbaues, unanstaͤndi- ges Gewerbe, wie Kramhandel oder Handwerk, Treu- losigkeit gegen Clienten, Verschwendung, Irreligiositaͤt, und jedes von den Gesetzen durch Strafe geruͤgte Ver- brechen, zog auf gleiche Weise die Notation nach sich: nicht aber moralische Vergehungen die der Staat nicht ruͤgt. In einzelnen Faͤllen dehnten einzelne Censoren ihre Ahndung allerdings weiter aus. Aber haͤusliche Grausamkeit, schlechtes Gemuͤth, boͤser Sinn bey den politischen Partheyungen, zogen sie schwerlich je unter ihre Kenntniß. M 2 Die Entehrung durch Notation, deren Guͤltigkeit des Collegen Widerspruch hinderte, dauerte fort wenn sie von den folgenden Censoren nicht aufgehoben ward. Aber dieses geschah wenn sie aus Feindseligkeit verfuͤgt war, und schon ehe die Kraͤnkung rechtsfoͤrmlich abge- stellt werden konnte, hielt sich die Republik dadurch nicht immer gebunden Livius IX. c. 30. . Es darf daher gar nicht wundern Mam. Aemilius wenige Jahre nachdem die beleidigten Censoren ihm die Buͤrgerrechte genommen hatten, zum drittenmahl als Dictator zu sehen. Die Macht der Censoren war aber nicht geringer zu erhoͤhen als zu erniedrigen, und hier fand sie eine weit haͤufigere Anwendung. Freylich war es eine Majestaͤtshandlung der Na- tion ganzen Staͤdten und Landschaften das Buͤrgerrecht zu verleihen, auch einzelne Maͤnner wurden so belohnt. Aber gesetzmaͤßig bestand sicher mit den Latinern als mit einem verbruͤderten Volk schon in dieser alten Zeit jenes nachher auf alle Italiker ausgedehnte Recht, daß der einzelne das caͤritische Buͤrgerrecht zu Rom gewin- nen konnte, wenn er sich mit seinem Vermoͤgen dem Schoß unterwarf; vorausgesetzt daß er in seiner Hei- math Soͤhne zuruͤckließ Livius XLI. c. 8. . Nun war es das Recht der Censoren in die Tri- bus, den Ritterstand und den Senat Wuͤrdige einzu- schreiben, wie die Unwuͤrdigen auszuschließen Siehe die Th. I. S. 386. Anm. 547. angefuͤhrte Stelle aus Zonaras. . Kraft dieser Befugniß konnten sie Einzelnen, wie Appius der Blinde es zum Vortheil aller Freygelassenen that, das volle plebejische Buͤrgerrecht verleihen. Es scheint so- gar, nach Strenge des Ausdrucks, daß neue Tribus von den Censoren aus eigener Machtfuͤlle, nicht durch ein Gesetz angeordnet wurden, um die mit der vollen Civitaͤt belehnten Gemeinden aufzunehmen Tribus propter novos cives additæ Mæcia et Scaptia: censores addiderunt Q. Publilius Philo, Sp. Postumius. Livius VIII. c. 17. . Waͤre der Ritterstand vom Anfang, wie im letzten Jahrhundert der Republik, nichts anders als eine al- lererste Klasse der Reichen gewesen, so wuͤrde die Be- fugniß in denselben zu erheben keine weitere Erwaͤhnung verdienen als die in die uͤbrigen Klassen der Centurien nach dem geschaͤtzten Vermoͤgen einzutragen. Aber in beyden Notizen uͤber die Centurienverfassung, in denen die Vermoͤgensgraͤnze jeder Klasse so genau angegeben wird, ist von einer solchen Bestimmung auch nicht die leiseste Andeutung: die erste Klasse waͤre demnach auch nicht die erste gewesen. Es ist gezeigt worden daß die achtzehn Centurien des Servius Tullius eine Aufloͤsung der sechs seines koͤniglichen Vorgaͤngers waren, bey denen doch offenbar noch nicht an Vermoͤgensabschaͤtzung zu denken ist. Daß in der Folge der Geldadel dem alten Begriff des Ritterstands als Geschlechtsadel untergeschoben ist, deutet Polybius als eine Neuerung an Polybius VI. c. 20. τοὺς ἱππεῖς τὸ μὲν παλαιὸν , und es ge- hoͤrt zu dem Ganzen jener Veraͤnderungen welche, wahr- scheinlich bald nach dem Schluß des ersten punischen Kriegs, die roͤmische Verfassung demokratisch machten. Jedes italische Volk hatte einen Adel, und dieser ward von den Roͤmern ihr Ritterstand genannt Campanorum equites non desciverant. Livius VIII. c. 11. . Ward einer ganzen Gemeinde das vollkommne Buͤrgerrecht gewaͤhrt, so war es natuͤrlich daß die Ritter des neuen Munici- piums von den Censoren in die plebejischen Rittercentu- rien aufgenommen wurden: wie diese urspruͤnglich ohne Zweifel aus edeln latinischen Geschlechtern gebildet waren: es konnte aber auch Auszeichnung des Einzelnen seyn. Bey der Verzeichnung des Senats hatten die Cen- soren urspruͤnglich volle Freyheit nach ihrem Wohlge- fallen zu berufen und zu entfernen, weil es noch keine Schande brachte uͤbergangen zu seyn Festus s. v. præteriti Senatores. . Die Notation des Consulars P. Rufinus ist die aͤlteste dieser Art von ὑστέρους εἰώϑεσαν δοκιμάζειν — νῦν δὲ προτέρους, πλου- τίνδην γεγενημένης ὑπὸ τοῦ τιμητοῦ τῆς ἐκλο- γῆς; seitdem das Vermoͤgen Maaßstab ihrer Auswahl geworden ist. Sollte hier keine Causalverbindung bezeichnet werden, so haͤtte Polybius geschrieben γενομένης: sie wer- den nach dem Vermoͤgen ausgewaͤhlt. Erwaͤhnt freylich wird der census equester bey Livius V. c. 7. aber das ist sichtbar falscher Gebrauch einer unpassen- den Redensart spaͤter Zeit: bey ritterlicher Geburt, der nicht nothwendig Reichthum entsprach, war es verdienstlich den Roßdienst auf eigne Kosten anzubieten, bey ritterlichem Vermoͤgen nicht also. der sich eine Nachricht erhalten hat: Appius anstoͤßige Veraͤnderung der Senatsliste gehoͤrt noch zu der alten Willkuͤhr. Anstatt der Curien welche uͤber die erwaͤhlten Con- suln stimmten, ward die Wahl der Censoren durch die Centurien bestaͤtigt Cicero adv. Rullum. II. c. 11. welches offenbar, wenigstens ur- spruͤnglich, auf andre Comitien deutet: aber nicht ganz ohne Zweifel die Folgerung berechtigt daß es die Tri- bus waren welche sie erwaͤhlten. Die Dauer der censorischen Macht war urspruͤng- lich ein ganzes Lustrum, oder fuͤnf buͤrgerliche Jahre. Denn daß man sich nicht wie es schon Glareanus er- gangen ist durch Censorinus irre machen lassen darf, den die griechische Pentaeteris, und die Epochen der capitolinischen Spiele verleiteten, bedarf eigentlich kei- nes Beweises bey der Uebersicht der Lustern die uns die Fasten aus ungestoͤrten Zeiten gewaͤhren. Unwiderleglich aber ist daß Appius Claudius der Blinde nach vollendeten achtzehn Monaten die Censur nicht niederlegen, sondern sie noch drey und ein halbes Jahr behaupten wollte, weil ihre Dauer fuͤnfjaͤhrig sey Livius IX. c. 33. . Der Dictator Mamercus Aemilius beschraͤnkte sie schon im Jahr 321 auf jene achtzehn Monate, welche die Dauer ihrer eigentlichen hohen Gewalt waren. Andere achtzehn Monate wurden ihnen freylich in spaͤteren Zei- ten vom Senat prorogirt, um die verdungenen Bauten vollendet zu sehen und anzunehmen; darin aber darf man keine Verlaͤngerung ihrer eigentlichen Amtszeit gegen das Aemilische Gesetz sehen. Ihre Staatsgeschaͤfte muß- ten voͤllig geschlossen seyn ehe sie diese Prorogation er- bitten konnten Livius XLV. c. 15. . Die Folge der Censoren entspricht aber keineswegs genau der Zahl chronologischer Lustern. Ihre Wahl ward in unruhigen Zeiten oft unterlassen oder verspaͤ- tet: so verging nach der Einnahme der Stadt eine lange Zeit ehe die Censur wieder eingerichtet ward, und da- her zaͤhlte Livius in dem hundert zwey und funfzigsten Jahr nach ihrer Errichtung die sechs und zwanzigsten anstatt der ein und dreyßigsten Censoren. Von diesen hatten nur ein und zwanzig ein Lustrum geschlossen, welches bey eingetretenem Ungluͤck zu thun fuͤr verderb- lich galt Derselbe X. c. 47. III. c. 22. . Die Register des Census dienten fuͤr die Conscrip- tion und die Steuer welche bis zu den licinischen Ge- setzen die einzige bedeutende Einnahme der Republik war: auch nachher noch lange ihre sicherste Huͤlfsquelle blieb. Daher war die Verpflichtung sich mit sei- nem steuerbaren Vermoͤgen verzeichnen zu lassen uner- laßlich, auch fuͤr den Armen der weder zu dienen noch zu steuern hatte: wer es versaͤumte ward mit seiner Habe verkauft. Alle steuerbare Gegenstaͤnde waren in einer Taxe Formula : Livius XXIX. c. 14. zu Geldwerth angeschlagen, so daß aus der schriftlichen oder unterzeichneten Cicero pro Flacco c. 32. subsignari apud ærarium. muͤndlichen Angabe die Schaͤ- zung des Vermoͤgens berechnet ward. Dieses war ein wesentlicher Grund die Einheit der assignirten plebeji- schen Hufen zu erhalten: wenn diese nur im Ganzen oder im Unzialverhaͤltniß veraͤußert werden konnten, so erhielt sich die Ordnung der Kataster weit leichter als wenn einzelne Felder von unregelmaͤßigem Inhalt ab- gerissen waͤren. Die Calculatur, und alle eigentliche Buͤreaugeschaͤfte, welche in einigen Staaten als eine nothwendige Vorschule der hoͤheren Geschaͤfte betrachtet werden, wurden zu Rom wie zu Athen, gleich Hand- werksarbeiten, von Sklaven gefuͤhrt Livius XLIII. c. 16. , die auf Ko- sten des Staats gekauft und darin unterrichtet waren. Man mag immer so idealisch von der buͤrgerlichen Tugend der aͤltesten Roͤmer denken: obwohl im allge- meinen Redlichkeit und Treue bey ihnen Natur waren, so konnten doch die Ausnahmen nicht fehlen; und um zu verhuͤten daß nicht viel steuerbares Eigenthum ver- schwiegen ward, bedurfte es, außer der Angabe unter dem Nahmen eines jeden, einer andern nach den Orten der zu versteuernden Gegenstaͤnde geordneten: eines Re- gisters nach den Tribus als Volkseintheilung, und eines andern nach den Tribus als Regionen Cicero a. a. O. In qua tribu ista prædia censuisti? . Haͤtten Grundstuͤcke Steuerfreyheit erhalten wenn sie an einen Latiner uͤbergingen, wie es bey einer eigentlichen Ver- moͤgenssteuer haͤtte geschehen muͤssen, so wuͤrden Schein- verkaͤufe den Staat, oder wirkliche den plebejischen Stand arm gemacht haben. Das war aber sicher nicht der Fall: der so ansaͤssige Halbbuͤrger war der Aerarius. Es versteht sich daß mit ihm Commercium Statt finden mußte, sonst konnte das Eigenthum im Landbuch nicht uͤberschrieben werden; es waͤre dem vorigen Besitzer zur Last geblieben. Auf beyde Faͤlle bezog sich wohl die Wich- tigkeit der Mancipation: in jenem beurkundeten die Zeugen an wen das Eigenthum mit seiner Last uͤbertra- gen war Auch roͤmische Buͤrger mußten in Provinzialstaͤdten, wo sie doch nicht Buͤrger noch Beysassen waren, Vermoͤgens- steuer von Grundstuͤcken zahlen. Cicero a. a. O. . Daß hingegen, wie fruͤher gesagt worden, der Be- sitz auf der Domaine nicht im Census geschaͤtzt ward, ist an sich klar, weil er kein Eigenthum, und dem Staat vom Ertrag Abgabe schuldig war. Die kuͤnstliche Be- rechnung des Erbpachtgewinns zu Capital, mit Ruͤck- sicht auf die Gefahr der Einziehung durch den Staat, ist einer Finanzbehoͤrde des Alterthums ganz fremd. Also zahlten die Patricier von diesem Theil ihres Vermoͤgens gar keine Steuer, und es ist nicht zu viel gesagt daß der Schoß fuͤr sie etwas geringes war: wenn es auch, weil sie doch von andern Gegenstaͤnden steuerten, ein zu sehr geschaͤrfter Ausdruck ist, daß der versprochene Sold ein Geschenk aus fremdem Vermoͤgen sey, denn er koͤnne nur aufgebracht werden indem man Schoß vom Volk fordere Livius IV. c. 60. Unde eam pecuniam confici posse nisi tributo populo indicto? ex alieno igitur largitos. . An einer anderen Stelle nennt Livius die Plebs noch bestimmter als den steuerpflichti- gen Stand Livius V. c. 20. Ut eo minus tributi plebes conferret. Ebendaselbst: Satius esse reconciliari eo dono plebis ani- mos: exhaustis atque exinanitis tributo tot annorum succurri. . Im Jahr 315 entstand aus voͤlligem Mißwachs eine entsetzliche Hungersnoth. Um dem Elend Graͤnzen zu setzen ward auf das Geschrey des Volks eine außeror- dentliche Magistratur, die Praͤfectur der Annona, er- richtet, wozu L. Minucius, wie es scheint vom Volke, ernannt ward. Die im Ausland versuchten Einkaͤufe schlugen fehl; vielleicht hatte das Mißjahr seine Ver- wuͤstungen weit erstreckt: nur aus Etrurien empfing die Stadt einige Zufuhr. Der Praͤfect ward zu den trau- rigsten und fruchtlosesten Zwangmitteln genoͤthigt: alles vorraͤthige Getreide ward verzeichnet, und die Besitzer gezwungen alles was sie uͤber einen monatlichen Bedarf fuͤr ihr Haus verwahrten, dem Staat zu verkaufen. Die Kornhaͤndler wurden als Verbrecher verfolgt. Es ist nicht zweydeutig daß der Praͤfect die Rationen be- stimmte, welche allen Buͤrgern zu festgesetzten Preisen aus den Magazinen uͤberlassen wurden; fuͤr die ungluͤck- lichen Sklaven ward nur ein Theil des Brodtes wel- ches sie zur Saͤttigung bedurften, angewiesen. Aber Mangel und Theurung waren so druͤckend, daß viele Plebejer sich verzweifelnd in den Strohm stuͤrzten. In dieser Noth beschaͤmten die erfolgvollen Anstren- gungen eines Privatmanns die fruchtlosen und verderb- lichen Maaßregeln des Staats. Der reichste unter den plebejischen Rittern, Sp. Maͤlius, aus einer Familie welche im vierten Jahrhundert nicht selten genannt wird, verwandte sein Vermoͤgen um Getreide in Etrurien an- zukaufen, und ihm gelang es große Vorraͤthe zu erhalten, offenbar weil er den Preis nicht scheute. Dies Getreide vertheilte er den Armen, waͤhrend der Staat ver- kaufte Livius IV. c. 12. 13. : eine Freygebigkeit die bey dem groͤßten Reichthum auf spaͤrliche Gaben beschraͤnkt seyn mußte, wenn auch der Hohn nicht woͤrtlich gefaßt werden kann, das Volk habe ihm seine Seele fuͤr Portionen von ein Paar Pfund Korn verkauft. Freylich ist es nicht noͤ- thig daß die Huͤlfe ausreiche, um dem Wohlthaͤter in der Noth die Herzen zu gewinnen. Was der ganz Huͤlflose zum Allmosen empfing, erhielt der Duͤrftige zu leidlichen Preisen Zonaras VII. c. 20. , und die Dankbarkeit des Ar- men redete in den wohlhabenderen Plebejern als Ach- tung, und als Stolz auf den Mann ihres Standes. Es ist eine traurige Wahrheit daß unter allen Tu- genden Aufopferung des Vermoͤgens am seltensten eine ganz reine Quelle hat: und wir selbst koͤnnen der Be- schuldigung der Annalisten unsern Glauben nicht versa- gen daß Maͤlius durch ehrgeizige Absichten zu seinen Spenden bewogen ward. Wir muͤssen nicht vergessen daß Gefuͤhle der christlichen Caritaͤt, dieser Tochter des Morgenlands, den Republikanern der alten Zeit fremd waren. Auch konnte der Senat uͤber den Anhang un- ruhig werden, den Maͤlius sich bildete; in den griechi- schen Republiken hat das Volk, von Liebe und Haß uͤber alle Graͤnzen getrieben, sich haͤufiger selbst die Ket- ten geschmiedet als sie von uͤberwaͤltigender Gewalt empfangen. Dennoch scheint es kaum denkbar daß zu Rom ein plebejischer Ritter im Vertrauen auf den Anhang erkaufter Armer, sich vermessen habe nach der Tyranney zu trachten; wenigstens waͤre es das Unternehmen eines Unsinnigen gewesen. Nicht einmal das Consulat, nur Erzwingung der Wahl von Militartribunen, und ge- waltsame Behauptung seiner Ernennung, ist ein denk- barer Zweck fuͤr einen ehrgeizigen, durch Freygebigkeit maͤchtigen Plebejer jenes Zeitalters. Hier haͤtte er die ganze Unterstuͤtzung der Haͤupter seines Standes genos- sen; strebte er nach koͤniglicher Macht, so mußte er eben sie bekaͤmpfen welche die des Decemvirats gestuͤrzt hatten, denn sie versoͤhnte es nicht daß Maͤnner ihres Standes die Tyranney theilten. Fuͤr seine Unschuld redet die schreckliche Uebereilung seines Todes, da die Comitien der Centurien in denen alle gewonnene Anhaͤnger des Angeklagten ohnmaͤchtig waren, wenn er schuldig gewe- sen waͤre seine Verdammung nicht weniger entschieden als der Senat selbst ausgesprochen haben wuͤrden. Fuͤr sie redet daß er so leicht fiel, ohne einen Ver- such von Gegenwehr: daß nach seinem Tode nicht die Rede von Waffen ist die in seinem Hause gefunden waͤ- ren, obgleich der Kornvorraͤthe gedacht wird; daß der Schlag ihn allein traf, und niemand als Mitschuldiger vor das Gericht des Dictators gezogen ward, obgleich der Livianische Minucius die Volkstribunen erkauft nennt ihm die Koͤnigswuͤrde zu verschaffen. Und wahrlich es ist sehr denkbar daß, wenige Jahre nachdem C. Clau- dius den Senat aufgefordert hatte die Motionen der Tribunen zur Theilnahme der Plebejer an der hoͤchsten Gewalt in ihrem Blute zu ersticken, Herrschsucht und Partheywuth dem Senat den Entschluß eingaben einen Mann zu ermorden dessen persoͤnliche Macht ihm die Ernennung zu den bestrittenen Wuͤrden und ihren Besitz sicherte. Dieses ist vielmehr so wahrscheinlich: der Se- nat der Decemviralzeit hat so gar keine Anspruͤche auf das geringste guͤnstige Vorurtheil, daß Sp. Maͤlius Un- schuld wenig Zweifel leiden kann. Denn Ehrgeiz eine erlaubte Macht zu erlangen, selbst mit Gewalt zu be- haupten wenn sie gewaltsam dem geweigert wird der sie in rechtlicher Form erhielt, ist doch in einer Repu- blik kein Verbrechen. In der Ruhe des aͤußeren Friedens ward, auf die angebliche Anzeige des Praͤfecten L. Minucius, es wuͤr- den im Hause des Maͤlius heimliche Versammlungen gehalten, und Waffen gehaͤuft, L. Cincinnatus damals ein mehr als achtzigjaͤhriger Greis zum Dictator er- nannt. Der Senat war den ganzen Tag versammelt, und seine Beschluͤsse waren Geheimniß: in der Nacht wurden Capitol und andre feste Gegenden von den Rit- tern besetzt Zonaras VII. c. 20. : und Cincinnatus, umgeben von Be- waffneten, errichtete sein Tribunal als Dictator auf dem Forum. Erwartungsvolle Unruhe versammelte hier das Volk, unter ihm war Maͤlius gekommen. Vor- gerufen, den Tod vor den Augen, verbarg er sich un- ter der Menge. Gegen die Diener schuͤtzten ihn die Umgebenden, aber vor C. Servilius Ahala, dem Ober- sten der Ritter, wichen sie zuruͤck, der bewaffnet, mit einem Gefolge bewaffneter patricischer Juͤnglinge, das wehrlose Schlachtopfer verfolgte, ihn ergriff, und nie- derhieb. Das ist Mord: und nichts entschuldigt ihn; denn wer Maͤlius erreichen und ungeraͤcht toͤdten konnte, vermochte auch ihn vor das Tribunal des Dictators zu fuͤhren: und der Dictator selbst mußte nicht richten wo er Parthey scheinen konnte: es war genug daß er die Macht hatte den Angeklagten verhaften zu lassen, damit er sich dem Spruch der Centurien nicht entziehen konnte. Gegen Appius Claudius hatten die Tribunen jede Form des Rechts beobachtet. Partheygeist und Familieneitelkeit in den Leichenreden des Quinctischen und des Servilischen Geschlechts haben den Mord als eine große Handlung ausgerufen: die Nachwelt hat sich von ihnen uͤberreden lassen. Aber der kritische Pruͤfer darf nach Jahrtausenden die Beschuldigung nicht scheuen daß er den Glauben der Alten willkuͤhrlichem Haschen nach Neuheit oder eigensinnigen Ansichten aufopfere: er muß bey seinem Todtengericht aussprechen: es scheine daß der Erschlagene, die Tugend seiner Handlungen moͤge, streng beurtheilt, auch nicht rein gewesen seyn, als ein Opfer fiel um die Plebejer auf viele Jahre vom Streben nach den hohen Wuͤrden abzuschrecken: auch blieb die That nicht ohne ihren Erfolg. Es ist ein truͤber Gedanke daß ein Mann wie Cin- cinnatus, ein Greis am Ziel eines tugendhaften und großen Lebens, im Dienst einer Faction wahrscheinlich gemordet hat: und doch muͤssen wir es ahnden. Nir- gends sind die Charaktere haͤrter, nirgends ist Trotz ge- gen Gewissensbisse fuͤr die Zwecke einer Faction, neben großen Tugenden, einheimisch gewesen wie in aristokra- tischen Republiken, nicht im Alterthum allein. Maͤnner von sonst fleckenlosem Wandel haben in ihnen als Fa- natiker, oft ohne Leidenschaft, fuͤr ihre Faction das reinste und edelste Blut vergossen. Der seditiose Dema- gog war oft nicht so blutig: aber gewoͤhnlich, wenn er mordete, nicht so reiner Fanatiker wie sie, denn er han- delte mehr fuͤr sich, weniger fuͤr die Idee seines Stan- des. Doch waren jene auch nur das edlere Raubthier. Das Haus des Maͤlius ward niedergerissen, und die leere Staͤtte, das Aequimaͤlium, erinnerte nach einem halben Jahrtausend an sein Schicksal und schien von sei- ner Schuld zu zeugen. Seine Kornvorraͤthe vertheilte der Praͤfect L. Minucius um einen geringen Preis, den Mo- dius fuͤr einen As. Dadurch soll er das Volk so gewon- nen haben daß es ihn als seinen Retter mit einem praͤch- tigen Opferstier beschenkt haͤtte Bove aurato. Livius IV. c. 16. Mit vergoldeten Hoͤr- nern, s. Decius Belohnung VII. c. 37. . Der Leichtsinn waͤre in jedem andern Fall nicht außerordentlich: doch Dank- barkeit barkeit fuͤr den wohlfeilen Verkauf geraubter Vorraͤthe welche, nicht geraubt, umsonst ausgetheilt geworden waͤ- ren, ist schwer zu glauben. Eine andre Erzaͤhlung Einige Annalen bey Livius IV. c. 16. Plinius H. N. XVIII. c. 4. hat viel wahrscheinlichere Beziehungen: sie redet von einem Aufstand den Maͤlius Tod erregt hatte, Minucius aber besaͤnftigte: mit dem bedeutenden Zusatz er habe seinem Stande entsagt, sey als aufgenommener Plebe- jer von den Tribunen als der elfte in ihr Collegium co- optirt worden, und habe in dieser Magistratur, nicht als Praͤfect der Annona, in drey Markttagen den Preis des Getreides auf einen As herabgebracht: das habe die Gunst des Volks so gewonnen daß ihm durch allgemeine Beysteuer eine Statue vor der Porta Trigemina errich- tet sey. Die Zusage Wohlfeilheit zu bewuͤrken wuͤrde das regelwidrige Verfahren des Collegiums der Tribu- nen begreiflich machen. Die Regierung, Consuln wie Militartribunen, ehr- ten gewoͤhnlich die Hoheit des Senats so sehr, daß sie sogar Senatsbeschluͤssen Folge leisteten, denen die Volks- tribunen widersprochen hatten Livius IV. c. 57. Si quis intercedat Senatusconsulto, auctoritate se fore contentum. . Dies war im Geist des sonderbaren Verhaͤltnisses zwischen Senat und Volk, wo eine auf dieselben Gegenstaͤnde gerichtete Macht bey- der concurrirend galt. Der Widerspruch der Tribunen berief die Entscheidung des Volks: ihr Stillschweigen war einer Genehmigung gleich: aber nur ihre ausdruͤcklich er- Zweiter Theil. N klaͤrte Zustimmung machte den Ungehorsam gegen den Willen des Senats zur Empoͤrung. Das erkannte der Senat im Jahr 324, als die Consuln sich weigerten einen Dictator zu ernennen. Fruchtlos ihre Herrschsucht bekaͤmpfend, wandte er sich zuletzt an die Volkstribu- nen, deren Drohung die Consuln in den Kerker fuͤhren zu lassen sie zum Gehorsam noͤthigte Livius IV. c. 26. . Im Jahr 327 uͤbten die Aedilen die Polizey uͤber den Gottesdienst zur Entfernung auslaͤndischer Religions- gebraͤuche Derselbe c. 30. . Die Polizey des Kornhandels in gewoͤhn- lichen Zeiten muͤssen sie schon weit fruͤher gehabt haben, da Plinius berichtet, der Volksaͤdilis M’. Marcius habe zuerst, vor L. Minucius, Korn vertheilt den Modius zu einem As Plinius a. a. O. . Das folgende Jahr (328) ist durch eine große Be- schraͤnkung der aristokratischen Gewalt des Senats merk- wuͤrdig. Ohne das Volk zu befragen, entschied dieser bisher uͤber Krieg und Frieden: auch die Vermoͤgens- steuer ward von ihm allein ausgeschrieben. In diesem Jahr erlangten die Tribunen daß Kriegserklaͤrungen kuͤnf- tig in einem Senatusconsult den Centurien vorgeschla- gen werden mußten. Von dieser Zeit an geschieht kaum eine fluͤchtige und zweifelhafte Erwaͤhnung tribunicisches Widerstands gegen Soldatenaushebung: denn jetzt war jeder Krieg von der Nation beschlossen, fruͤher immer eine Willkuͤhr des Senats, gewoͤhnlich mehr gegen das Volk als gegen die Feinde gerichtet. Daher ist es auch wahrscheinlich daß der Widerspruch der Volkstribunen gegen Aushebungen nicht allein bestimmt war Stoͤrung mit Stoͤrung zu vergelten, und mittelbar Einwilligung in vorgeschlagene Gesetze zu erzwingen, sondern oft und eigentlich zum naͤchsten Zweck gehabt haben mag den An- spruch des Volks geltend zu machen, daß Kriege nicht einseitig vom Senat erklaͤrt werden duͤrften, und eine von ihm allein befohlne Truppenaushebung ungesetzlich sey. Zwey Quaͤstoren waren eine unzureichende Zahl wenn beyde consularische Heere ins Feld zogen; dann war die Stadt ohne Zahlamt, und, wie es nach einer fruͤheren Untersuchung wahrscheinlich ward, auch ohne Criminal- richter. Die Consuln unbegleitet von Quaͤstoren in das Feld gehen zu lassen, obgleich die Auszahlungen so lange die Armee noch keinen Sold empfing unbedeutend seyn mußten, war bedenklich: die eroberte Beute mochte fuͤr den Staat oder die Soldaten verkauft werden. Die Tribunen aber machten es zur Bedingung ihrer Einwil- ligung in den Senatsbeschluß, daß vier Quaͤstoren er- waͤhlt werden sollten, wenn diese Magistratur ohne Un- terschied aus beyden Staͤnden besetzt wuͤrde. Die ver- doppelte Zahl ward im Jahr 335 erwaͤhlt, aber erst elf Jahre spaͤter (346) uͤbte das Volk zum erstenmahl sein gewonnenes Recht durch die Wahl dreyer plebejischer Quaͤstoren Livius IV. c. 44. 54. . Dadurch wurden auch Plebejer dem Senat beygemischt: denn wiewohl die Ergaͤnzung der Wahl der Censoren ganz uͤberlassen war, so kann doch zu Rom von der aͤltesten Zeit her der Grundsatz nicht N 2 unguͤltig gewesen seyn, nach dem sogar zu Athen, als die Wuͤrden verlooßt wurden, der gewesene Archon in den Areopagus eintrat. Auch vermehrte Sulla die Zahl der Quaͤstoren auf zwanzig, um den Senat zu er- gaͤnzen Tacitus Ann. XI. c. 22. . Sieht man von den inneren Bewegungen dieses Zeit- raums seit dem canulejischen Gesetz zuruͤck auf die vor- hergehende Periode, so ist die Versoͤhnlichkeit und Milde, die Entfernung jener alten Erbitterung auffallend. Es ist nicht mehr ausschließlich die Rede von staͤndischen Zwistigkeiten: es gilt auch schon die Bestimmung der Verhaͤltnisse zwischen der Regierung und der Nation: und der Senat findet unter den Tribunen selbst Anhaͤn- ger welche durch Widerspruch die Handlungen ihrer Col- legen aufheben. So lange die buͤrgerliche Freyheit ihres Standes unvollkommen war, herrschte nur ein Gefuͤhl und eine Stimme in dem tribunicischen Collegium: Ver- aͤnderungen der Verfassung, und Gesetze welche den Besitz erschuͤtterten, zum Vortheil ihres eigenen Standes, konn- ten wohlgesinnten und unabhaͤngigen Plebejern bedenk- lich und gefaͤhrlich in ihren Folgen erscheinen, wenn kuͤhnere Tribunen fuͤr ein groͤßeres Ziel, mit gleicher Reinheit der Absicht, sie auszufuͤhren strebten. Es kann nicht befremden daß einige Jahre vergin- gen ehe die vereinigenden Bestimmungen der zwoͤlf Ta- feln in die volle Kraft der Gewohnheit getreten waren. Als aber der so lange unterlassene Census endlich aus- gefuͤhrt war, und die Tribus ihre neuen Buͤrger em- pfangen hatten, fanden die Volkstribunen auch nicht mehr jene alte, unvermischte, als Nation einige Plebs, auf die sie zu wuͤrken gewohnt waren: sondern eine Ge- meinde worin die Patricier durch ihre Clienten, wie die Ritter des Mittelalters in Landsgemeinden durch ihre Leibeigenen Einfluß ausuͤbten. Anklagen vor dem Volks- gericht waren sehr selten und ohne bedeutende Folgen. Bewegungen uͤber das alte cassische Ackergesetz oder das dadurch veranlaßte Senatusconsult, welche vor der Decemviralgesetzgebung die Nation so oft und heftig er- schuͤttert hatten, kennen die Annalen der ersten groͤßeren Haͤlfte dieses Zeitraums nicht. Man moͤchte glauben daß die Gemuͤther auch hieruͤber durch Bestimmungen in den zwoͤlf Tafeln beruhigt geworden waͤren, wenn nicht ausdruͤcklich gesagt wuͤrde daß die patricischen Besitzer der Domaine noch immer keine Abgaben zahlten Livius IV. c. 36. . Je laͤnger ihr Besitz dauerte, wenn auch die Abgaben- freyheit angemaaßt war, je mehr naͤherte er sich fuͤr das Gefuͤhl dem Eigenthum, und die Tribunen scheinen fuͤr diese alte Domaine nichts als die Herstellung der Ab- gabe gefordert zu haben Livius a. a. O. . Aber im Jahr 329 ward Fidenaͤ eingenommen; 337 Lavici, 340 Bolaͤ, 349 Anxur, und diese Eroberungen gewaͤhrten, wenn auch zum Theil gemeinschaftlich fuͤr Rom und Latium, neuen Besitzern offene Feldmarken. Die erste fiel offenbar Rom allein zu. Daher erhoben sich vom Jahr 330 an agrarische Antraͤge welche in den Jahren 338 bis 345 vorzuͤglich heftig wurden: denn die Patricier wollten nach altem Recht die gewonnenen Marken unter sich theilen: die Tribu- nen forderten, meistens vergeblich, einen Antheil fuͤr das Volk Agrariælegis, quæ possesso per injuriam agro publico Pa- tres pellebat. Hæc ipsa indignitas angebat animos, non in reti- nendis modo publicis agris, quos viteneret, pertinacem nobi- litatem esse; sed ne vacuum quidem agrum, nuper ex hos- tibus captum, plebi dividere; mox paucis, ut cetera, futu- rum prædæ . Livius IV. c. 51. Der Geschichtschreiber ver- kennt das urspruͤngliche Recht der Patricier, er redet von einem gewaltsamen Besitz, der gewiß damals nicht Statt fand: er sagt mit Unrecht von den Patriciern was von der Nobilitaͤt des gracchischen Zeitalters galt: und indem er jenes schrieb, und so urtheilte, nennt er die Ackergesetze aufruͤhre- risch (so IV. c. 43. 48.). . Zwar nach Lavici ward eine Colonie gesandt, wahrscheinlich roͤmischer Buͤrger. Der Aufstand bey dem Mord des Tribunen Postumius fuͤhrte, nach einem Zeu- gen den zu achten wir gewohnt sind, dahin, daß die Ar- mee nicht bloß, wie es die Tribunen schon gethan hat- ten, eine Colonie zu Bolaͤ, sondern die Auftheilung der gesammten Domaine forderte Zonaras VII. c. 19. , und mit Gewalt aus- zufuͤhren unternahm. Der Vermehrung der Coloniebuͤr- ger zu Velitraͤ im Jahr 350 gedenkt Diodor Diodor XIV. c. 34. . Ar- dea war schon im Jahr 312, erschoͤpft und veroͤdet durch einen Buͤrgerkrieg, eine latinische Colonie geworden. Noch immer war ein großer Theil von Latium in der Volsker und Aequer Gewalt: als unabhaͤngig und verbuͤndet werden nur Staͤdte genannt die schon im vo- rigen Zeitraum so erwaͤhnt wurden. Ardea muß von diesen sogar getrennt gewesen seyn, ehe es als Colonie in den Bund zuruͤckgefuͤhrt ward, weil im Jahr 311 ein eigenes Buͤndniß mit ihr geschlossen ist, und weil Rom, nicht die latinische Bundesgemeinde, Schiedsrich- terin in der Fehde zwischen den Ardeatern und Arici- nern war. Ein Weihgeschenk im Haupttempel eines verbuͤnde- ten Staats bezeugte, unter den westlichen Voͤlkern wie in Griechenland, bey gluͤcklichen Vorfaͤllen und in schwie- rigen Schicksalen, das Mitgefuͤhl unabhaͤngiger Natio- nen: als Geluͤbde fuͤr der Freunde Wohl. Nicht anders als wie nach dem Sieg des ersten samnitischen Kriegs Karthago, sandten Latiner und Herniker nach dem Sturz des Decemvirats einen goldnen Kranz dem capitolini- schen Jupiter, von geringer Kostbarkeit, wie die Voͤlker damals arm waren Livius III. c. 57. VII. c. 38. . Die Geschichte der Natur aus den roͤmischen Annalen gewaͤhrt in diesem Zeitraum wenig Nutzbares. Von den noch immer wieder erscheinenden Seuchen ist schon gere- det. Erwaͤhnung verdient eine widernatuͤrliche Duͤrre, wodurch Quellen und Baͤche versiegten, das Vieh ver- schmachtete oder an Seuchen hinfiel, welche sich den Men- schen mittheilten, also Milzbrand. Sie faͤllt in das Jahr 327, und steht sichtbar in Verbindung mit den haͤufigen und schrecklichen Erdbeben die damals Griechenland heim- suchten, und dem dritten Ausbruch des Aetna Livius IV. c. 30. Das Jahr 327 nach Cato ist Ol. 88¾. In demselben Jahr geschah die große Eruption des Aetna, . Die Kriege bis zum Ausbruch des letzten vejentischen . In sich geheilt, obwohl noch in seiner Entwickelung durch Ordnungen denen es entwachsen war zuruͤckgehal- ten, begann Rom jetzt sich aus vieljaͤhriger Demuͤthi- gung zu Siegen und Macht zu erheben. Das einzige Beyspiel der Geschichte daß ein gefallener und tief zer- ruͤtteter Staat eine zweyte Jugend erlebte. Sind aber auch die Kriege dieses Zeitraums wichtig als Vorbereitung der roͤmischen Obmacht, so darf ihre Erzaͤhlung doch das meiste uͤbergehen, wo jede Umstaͤnd- lichkeit historisch verdaͤchtig ist. Der Sieg des Consuls M. Horatius (306) endigte die sabinischen Kriege, weniger wohl durch tiefe Schwaͤ- chung der Ueberwundnen, als weil die Nation sich in Aus- wandrungen erschoͤpfte: denn gleich nachher erscheinen die Samniter als Eroberer in Kampanien Hat Diodor die Entstehung der Kampaner, das heißt die samnitische Eroberung, nach roͤmischen Annalen angegeben, so , und bald in die dritte seitdem Griechen in Sicilien wohnten (Thukydi- des III. c. 116.). Erdbeben wuͤtheten waͤhrend des ganzen peloponnesischen Kriegs weit und breit: der große Geschicht- schreiber redet unter andern namentlich von denen der Jahre Ol, 88, 2. 3. 4., auch gedenkt er der ungewoͤhnlichen Duͤr- ren, und des Hungers welcher aus ihnen entstand ( I. c. 23.). Er empfand daß nicht zufaͤllig, als die selige alte griechische Welt sich zerstoͤrte, auch die Natur zerrissen ward: das be- gann von dem Ausbruch des Aetna 277: auch die roͤmische Landschaft ward 319 durch Erdbeben verheert. Lucanien; es ist aber wahrscheinlich daß viele Kriegslu- stige aus dem Stammvolk, welches sich gegen Westen nicht auszudehnen vermochte, die Heimath verließen, sich zu dem maͤchtig anwachsenden suͤdlichen Stamm gesell- ten, und seine Kraͤfte vermehrten, wodurch denn das Mut- terland in Schwaͤche und Dunkelheit sinken mußte S. Th. I. S. 62. . Auch an den Volskern und Aequern hatten die Con- suln der hergestellten Republik die Ehre der roͤmischen Waffen zu raͤchen. L. Valerius fand das vereinigte Heer der Feinde auf dem Algidus, es war dem seinigen an Zahl uͤberlegen. Ruhig in seinen Verschanzungen erregte er in ihnen Ungeduld uͤber den Verzug, und sie sandten Haufen aus die entlegneren Gegenden zu pluͤndern. Die- sen Augenblick benutzte der Consul: die Aequer und Volsker waͤhlten eine Schlacht lieber als leidende Ver- theidigung ihrer Verschanzungen; sie wurden geschlagen und dann ihr Lager erobert (306). Zwey Jahre ver- gingen ruhig: im dritten (309) uͤberraschte die Roͤmer ein pluͤndernder Einfall dieser Voͤlker welche aufs neue vom Algidus her die ganze Landschaft bis an das esqui- linische Thor uͤberschwemmten. Es war der letzte Zug mit dem sie Rom erschreckten. So unerwartet wie der Feind erschienen war, verschwand er, mit mehr Ver- heerung als Beute. Die Consuln brachen eilig auf mit faͤllt sie in das Jahr 310: fand er das Olympiadenjahr 85, 3. bey einem Griechen, so ist das Jahr Roms 315 anzuneh- men: denn in dieser Zeit ist die Harmonie der Olympiaden und Consulate bey ihm gegen Dionysius um sechs Jahre zuruͤck, abweichend. dem gesammten Heerbann, am Tage nachdem der Feind vor der Stadt gesehen worden: aber er war schon ent- wichen. Am folgenden Tage erreichten sie ihn bey Cor- bio im Aequerlande: am dritten endigte der Feldzug durch einen großen Sieg der Roͤmer, der ihnen die weg- gefuͤhrte Beute wiedergab. Es scheint daß diese Kriege, obwohl l yde Voͤlker genannt werden, nur mit den Aequern, vielleicht verbunden mit einigen der oͤstlichen Volsker, gefuͤhrt wurden, nicht mit denen von Antium. Mit jenen bestand von nun an eine dreizehnjaͤhrige Waf- fenruhe, denn sicher waren es nur die Antiater welche im Jahr 312 durch das Volk von Ardea vor diese Stadt gerufen wurden. Die Nobilitaͤt die in buͤrgerlicher Fehde ihre Gegner verjagt hatte, opferte die Unabhaͤngigkeit der Stadt auf um roͤmischen Schutz zu erhalten: das Volk nicht weniger um mit volskischem Beystand seine Ruͤckkehr zu erzwingen. Die Erzaͤhlung wie die Volsker welche Ardea eingeschlossen hielten sich umringt fanden, und mit der Freyheit ihres Feldherrn, des Aequers Cloͤ- lius, es erkauften entlassen zu werden, ist an seinem Ort als das Nebenbild von L. Cincinnatus Sieg auf dem Algidus erwaͤhnt worden. Wahrscheinlich war die Ruhe mit den Aequern durch einen Waffenstillstand begruͤndet gewesen, wie ein solcher bald nachher wieder geschlossen ward, und dieser war verlaufen, als im Jahr 323 die Ruͤstungen der verbuͤn- deten Voͤlker beyde consularische Heere auf das Graͤnz- gebuͤrge, den Algidus, riefen. Die Consuln wurden ge- schlagen, aber mit Muͤhe erzwang der Senat von ihrer Ehrsucht die Ernennung des Dictators, A. Postumius Tubertus, auf dessen Nahmen ein dunkles Andenken von Groͤße wie auf wenigen seiner Zeitgenossen ruht. Er zog auf das Gebuͤrge mit dem gesammten Aufgebot der Waf- fenfaͤhigen: Herniker und Latiner vereinigten sich mit ihm. Die Gefahr schien so dringend daß der Dictator außerordentliche Festlichkeiten fuͤr den Sieg gelobte. Das große roͤmisch-latinische Heer theilte sich um das Land zu decken; der Dictator stand unter Tusculum, der Con- sul T. Quinctius unter Lanuvium in festen Laͤgern. Das letzte griffen die Feinde in der Nacht an. Waͤhrend sie bis zum Anbruch des Tags vergebens stuͤrmten, naͤherte sich der Dictator zur Huͤlfe, und der ermuͤdete Feind war zwischen zwey siegenden Heeren eingeschlossen. Ein muthiger Volsker, dessen Andenken ein seltnes Gluͤck in den der Feinde Ruhm bis in das Andenken ihrer Nah- men vertilgenden roͤmischen Annalen erhalten hat, Vet- tius Messius, uͤbernahm in dieser verzweifelten Lage, durch sein Genie berufen, den Befehl des Heers. Er durchbrach in einem unbeschreiblich blutigen Kampf die Schlachtreihen des Dictators, und erreichte mit den Ue- berlebenden das volskische Lager. Die Aequer hatten das ihrige abgesondert, und dieses war schon in der Nacht von einer roͤmischen Legion uͤberrascht worden. Auch die vols- kischen Verschanzungen wurden erstuͤrmt, das ganze feind- liche Heer soll die Waffen gestreckt haben, und die Gefan- genen, außer dem Adel Præter Senatores . Livius IV. c. 29. So redet er von dem Senat von Velitraͤ VIII. c. 14. Im 5ten Jahrh. n. C. ward Senator und Edelmann gleichbedeutend: daher Seigneur. , als Sklaven verkauft seyn. Dieser große Sieg endigte die Uebermacht der au- sonischen Voͤlker: ein achtjaͤhriger Waffenstillstand war seine naͤchste Folge. Beruͤhmt ist das Andenken dieser Schlacht geblieben, haͤufiger aber wird der Dictator Po- stumius genannt, weil er, wie spaͤter T. Manlius, um den Kriegsgehorsam zu erhalten, das Todesurtheil uͤber seinen Sohn ausgesprochen habe, welcher aus einem un- tersagten Gefecht siegreich zuruͤckgekommen sey: eine Erzaͤhlung deren Wahrheit Livius vielleicht mit gutem Grund bezweifelt. Doch waren in den alten Annalen der Sieg und die unerbittliche Strenge des Dictators unzertrennlich Diodor XII. c. 64. Valerius Maximus II. c. 7. n. 6. Gellius XVII. c. 21. . Als acht cyclische Jahre um waren, im Jahr 332, zogen die Volsker aus mit einem zahlreichen und streng geordneten Heer. Der roͤmische Consul C. Sempronius Atratinus hatte Ordnung und Kriegszucht versaͤumt: die Roͤmer kaͤmpften ohne Vertrauen auf sich noch auf ihren Feldherrn, nur um eine Niederlage abzuwehren. Die ersten Ordnungen wichen allenthalben, der Consul gab keine Befehle, die Reuterey mußte die herannahende Niederlage der Legionen zuschauend erwarten, da for- derte einer ihrer Hauptleute, Sex. Tempanius, sie auf, ohne Befehl sich in das Gefecht zu mischen. Ihm freywil- lig gehorsam fochten sie zu Fuß, und stellten die Ordnung her wo die ihrigen am heftigsten gedraͤngt wurden Diese in der aͤltesten roͤmischen Kriegsgeschichte haͤufig erwaͤhnte Einmischung der absitzenden Reuter in das Tref- . Die Volsker wichen, unvorsichtig drangen sie in die ge- brochenen Reihen, fanden sich von dem roͤmischen Heer getrennt, und gezwungen sich auf einen Huͤgel im Ruͤk- ken der feindlichen Reihen zu ziehen, dorthin wurden sie verfolgt und umringt. Die Nacht hatte die Schlacht getrennt; beyde Heere glaubten sich uͤberwunden, und verließen ihre Laͤger, verzweifelnd sie vertheidigen zu koͤn- nen. Die Kunde vom Ruͤckzug der Ihrigen bewog die Volsker welche die Ritter auf der Hoͤhe eingeschlossen hielten sich um Mitternacht zu entfernen. Sex. Tem- panius fand den Weg zum roͤmischen Lager offen, hier aber nur verlassene Verwundete, ohne zu vernehmen wo- hin sich der Consul mit dem Heer gezogen haͤtte. Er schickte sich an die welche fortgebracht werden konnten unter dem Schutz der Ritter nach Rom zu fuͤhren, ehe die Feinde zuruͤckkehrten. In der Stadt glaubte man das ganze Heer vertilgt; an der Ritter Untergang zwei- felte keiner. Der Freude uͤber ihre Rettung war die Er- bitterung gegen den Consul, den Urheber des Ungluͤcks, gleich: und nicht unbillig, denn kaum zaͤhlen die roͤmi- schen Annalen eine einzige Niederlage deren Schuld nicht den Feldherrn trifft. Auf einer andern Straße fuͤhrte auch der Consul die Ueberreste seiner Armee in die Stadt zuruͤck. Sex. Tempanius, als Plebejer, ward durch fen der Fußvoͤlker setzt immer dichterisch die persoͤnliche Ue- berlegenheit einer adlichen Schaar voraus. Erwogen scheint es unbegreiflich wie sie mit ihren Waffen den Linientrup- pen auch nur gleich seyn konnten, geschweige daß sie haͤtten die Entscheidung geben koͤnnen. keine hohe Wuͤrde belohnt. Doch erwaͤhlte das Volk ihn und drey andre Hauptleute der Ritter seines Stan- des Unter diesen ist auch ein Icilius, also gehoͤrte sein Ge- schlecht, dessen Nahmen Livius fast gleichbedeutend fuͤr einen Meuterer und Volksaufwiegler gebraucht, zu den ple- bejischen Ritterfamilien. fuͤr das folgende Jahr zu Volkstribunen. Schon nach der Niederlage hatte Tempanius den Unwillen des Volks gegen den Consul zu besaͤnftigen gestrebt: als Tri- bune gewaͤhrten er und seine drey Collegen, mit der Pie- taͤt zu der ein roͤmischer Soldat gegen seinen Feldherrn verpflichtet war, ihm Schutz als einer ihrer Collegen ihn vor dem Volk anklagte. Nicht durch Hemmung des Gerichts, sondern durch Fuͤrbitte in Trauerkleidern: das erschuͤtterte den Anklaͤger, er nahm seine Regation zu- ruͤck. Aber zwey Jahre spaͤter erwachte das Andenken der verziehenen Schuld durch des Altconsuls gehaͤssige Leidenschaftlichkeit gegen die Sache des Volks, er ward angeklagt und in eine Mult verurtheilt. Zum letztenmal war im Jahr 337 der Algidus Schau- platz eines Kriegs mit den Aequern. Diesen, verbunden mit den Lavicanern, gewaͤhrte die Thorheit der roͤmischen Militartribunen, die nur auf die Eitelkeit des Vorrangs dachten, einen leichten Sieg. Q. Servilius, zum Dic- tator ernannt, tilgte die Schmach der Niederlage, und eroberte Lavici mit Sturm. Ob diese latinische Stadt seit dem großen volskischen Krieg mit den uͤbrigen Er- oberungen den Aequern geblieben war, oder ob sie frey geworden, und erst im vorhergehenden Jahre, wie er- zaͤhlt wird, sich mit ihnen wieder verbunden hatte, muͤs- sen wir zwischen der Wahrscheinlichkeit und der Auto- ritaͤt eines Zeugnisses unentschieden lassen. Bolaͤ aber, welches drey Jahre spaͤter (340) erobert ward, scheint unstreitig seit jenem Kriege den Aequern geblieben zu seyn: mit hartnaͤckiger Anstrengung entrissen sich nun abwechselnd Aequer und Roͤmer den Besitz dieser Stadt: er blieb den letzten. Diese Eroberung veranlaßte ein Verbrechen welches bis auf die Syllanischen Zeiten ein- zig in der roͤmischen Geschichte ist. Die Soldaten for- derten Assignation der eroberten bolanischen Landschaft, wenigstens die gewonnene Beute als Entschaͤdigung fuͤr ihren unbesoldeten Dienst: beydes ward ihnen abge- schlagen. Als die Beute fuͤr den Staat verkauft ward, entstand ein Auflauf; ein Steinwurf verwundete oder toͤdtete den Quaͤstor Zonaras VII. c. 19. . Der Militartribun M. Po- stumius, dessen Haͤrte und schnoͤde Worte die Erbitterung erregt hatten, rechnete zu stolz auf die Gewalt seiner Wuͤrde: er hielt ein unerbittliches Gericht. So lange die Schuldigsten buͤßten, erhielt das Bewußtseyn schwe- res Vergehens den Gehorsam: als aber der Tribun ohne Ziel mit grausamen Strafen wuͤthete, brach eine zweyte Empoͤrung aus, worin Postumius das Leben verlohr. Von dieser Zeit an verfaͤllt die Macht der Aequer und Volsker sichtbar. Nicht die roͤmisch-latinischen Kriege hatten sie gebrochen: deren Sitz bisher ihr eig- nes Land hoͤchst selten, und immer nur seine aͤußerste Graͤnze gewesen war. Es erklaͤrt sich nur durch den großen Anwachs der samnitischen Macht die, eben in diesem Zeitraum, erobernd uͤber alle Graͤnzen stroͤmte und die noch uͤbrigen ausonischen Staͤmme allenthalben unterwarf oder verdraͤngte. Seit vierzig Jahren im Besitz von Capua, drangen sie auch am obern Vultur- nus und gegen den Liris in das Land der Volsker und Aequer ein, welche, ihnen an dieser Graͤnze unterliegend, auch den Latinern den Sieg und die gewonnenen Orte nicht mehr streitig machen konnten. Ihre Eroberungen er- streckten sich, freylich in einer spaͤteren Zeit, bis Sora, Fregellaͤ und Fabrateria am Liris. In den Jahren ihrer Groͤße hatten die Volsker den Hernikern Ferentinum entrissen: dieses ward von den Verbuͤndeten im Jahr 342 erobert und den Herni- kern zuruͤckgegeben. Die folgenden Jahre werden nur durch unbedeutende Unternehmungen an der Graͤnze be- zeichnet. Kaum glaublich ist es daß die Roͤmer schon in diesem Zeitraum bis an den See Fucinus Livius IV. c. 57. vorge- drungen waͤren. Der Feldzug des Jahrs 349 war wich- tiger als irgend ein vorhergehender. Drey roͤmisch-la- tinische Heere ruͤckten in das Volskerland ein; zum er- stenmahl in der roͤmischen Geschichte zeigen sich ver- bundene Bewegungen abgesonderter Corps, und wir fuͤhlen uns befreyt von der langwierigen Einfoͤrmigkeit kunstloser pluͤndernder Einfaͤlle, die ein einziges Zusam- mentreffen endigt. Eine Abtheilung bedrohte Antium, eine eine zweyte Ecetraͤ, indessen ruͤckte die Hauptmacht ge- gen das sich selbst uͤberlassene Anxur vor. Diese Stadt war den roͤmischen Koͤnigen unterthan gewesen; damals und spaͤter als latinische Stadt ward sie Tarracinaͤ ge- nannt Polybius III. c. 22. Siehe Th. I. S. 334. : seitdem vor neunzig Jahren die Volsker sie erobert, oder ihre volskischen Bewohner sich unabhaͤngig gemacht, fuͤhrte sie den fremden Nahmen. Sie war fest durch ihre Lage auf einem Berge am Rand der Suͤmpfe. Die Mauern aller Staͤdte diesseits der Tiber welche von den Haͤnden der damals sie bewohnenden Staͤmme aufgefuͤhrt waren, schuͤtzten nur gegen einen rohen Angriff mit Sturmleitern: und die von Anxur wurden uͤberstiegen indem die Roͤmer den Angriff und die Aufmerksamkeit der Belagerten theilten. Diese Er- oberung stellte an der Seekuͤste die aͤußerste Graͤnze des koͤniglichen Reichs her: aber in ihrem Umfang behaup- teten Antium, und im Innern andre ausonische Staͤdte, welche vormals ohne Zweifel mit ganz Latium den Koͤ- nigen gehorchten, ihre Unabhaͤngigkeit: und die Latiner waren nicht mehr Unterthanen, sondern Mitherren der wiedereroberten Gegenden. Anxur in ihrer und der Roͤ- mer Gewalt, und die in den Annalen uͤbergangne, nur durch die Gruͤndung einer neuen Colonie beurkundete Wiedereroberung des im volskischen Kriege verlohrnen Circeji, gewannen den verbuͤndeten Staaten den Besitz der pomptinischen Ebenen. Diese, die weitlaͤuftigsten Ita- liens Dionysius IV. c. 63. , waren vor Alters und unter der volskischen Zweiter Theil. O Herrschaft nicht minder fruchtbar und angebaut: eine Tradition redete von drey und dreyßig Staͤdten in ih- rem Umfang Plinius H. N. III. c. 9. , wie Campanien waren sie die Korn- kammer wo Rom im Mißwachs kaufte Livius II. c. 34. IV. c. 25. . Fleiß und große Werke hatten sie aus Sumpf zu dieser Bluͤthe um- gebildet: nach der Eroberung scheinen sie oͤde gelegen zu haben, und verwilderten so in kurzer Zeit zu der Wuͤsteney woraus Rom sie nie ganz und dauernd wie- derzugewinnen vermochte. Wir duͤrfen es nicht ver- schweigen daß dieses das Bild der Bluͤthe Italiens vor den Roͤmern, und seiner Einoͤde nach ihren Eroberun- gen ist: der lockenden Preise des Siegs, und ihrer Zer- stoͤrung ehe sie gewonnen wurden. Der vejentische Waffenstillstand des Jahrs 280 von vierzig cyclischen Jahren Siehe Th. I. S. 202. war im fastischen Jahr 314 abgelaufen; entweder also herrschte schon offenbarer Krieg zwischen Rom und Veji, oder die Ruhe ward stillschweigend oder durch Vertraͤge hingehalten, als Fi- denaͤ im Jahr 317 zu den Vejentern abfiel. Diese Stadt, welche Livius etruskisch nennt Livius I. c. 15. , wieder aber auch, mit Dionysius, eine roͤmische Colonie Derselbe IV. c. 17. , deren Gruͤn- dung auf Romulus, das heißt auf die vorlatinische Zeit Roms, bezogen wird, war so wenig wie Ostia eine la- tinische Colonie gleich denen des Koͤnigs Tarquinius und der Republik: diese sind unter den dreyßig latinischen Staͤdten aufgefuͤhrt, jene nicht: also ist der zwiefache Charakter einer etruskischen Stadt und einer Colonie Roms in ihr vereinigt und vertraͤglich, als in einer caͤritischen S. Th. I. Zusatz zu S. 182. . Zwey Kriege fuͤhrte Rom gegen Veji, welche sich um das abtruͤnnige Fidenaͤ bewegten, und durch sein Schicksal entschieden wurden. Die Vorfaͤlle beyder sind sichtbar unter einander verworren, und Livius selbst zwei- felt, ob er Cossus Sieg und fuͤrstliche Beute auf das Jahr 318 oder 320, oder gar auf sein in allen Fasten stumm angedeutetes Consulat 327, beziehen solle. Als Erzaͤhler nimmt er das zuerst genannte Jahr an; wir verdanken es auch wohl nur seiner Ruͤcksicht nicht zu vernachlaͤssigen, was er aus Augusts Munde erfahren, und, sonderbar genug, in Rom selbst als Augenzeuge zu erkundigen nicht der Muͤhe werth geachtet, daß er berichtet der Imperator habe auf den Spolien Cossus consularischen Titel gelesen. Er selbst weiß auch daß ein gewoͤhnlicher Militartribun opime Spolien nicht wei- hen konnte, wohl aber ein consularischer: und die des Cossus sind stets im Andenken beruͤhmt gewesen, wie der Tod des vejentischen Koͤnigs welcher fuͤr den Gesand- tenmord buͤßte. Auch irrt er in der Meinung alle An- nalen waͤren einstimmig fuͤr die Epoche des ersten Kriegs: Diodor schrieb vor ihm, und die denen er folgte, wahr- scheinlich Fabius, nur eines fidenatischen Kriegs geden- kend, fuͤhrten den Mord der Gesandten unter dem Jahre 329 an Diodor XII. c. 80. . Auch wuͤrde nach der gewoͤhnlichen Mei- nung die zweyte harmlosere Empoͤrung von Fidenaͤ mit O 2 Zerstoͤrung der Stadt bestraft, der Mord der Gesandten nach der ersten nur leicht geahndet seyn, welches un- denkbar ist. Ich verlasse daher in dieser Geschichte Li- vius Zeitordnung. Der Abfall von Fidenaͤ versetzte den etruskischen Krieg auf das linke Ufer der Tiber: mit den Vejentern zogen die Falisker als ihre Verbuͤndete gegen Rom. Die Bewegungen der Heere zwischen zwey Staͤdten de- ren Burgen einander sichtbar waren, sind keiner Erzaͤh- lung faͤhig. Die Consuln des Jahrs 318. lieferten den Etruskern suͤdlich vom Anio eine blutige und unentschie- dene Schlacht: Anstrengungen wie die Dictatur sie ge- bieten konnte fuͤhrten auch diesesmal den Sieg zuruͤck: mehr aber koͤnnen wir von dieser Schlacht nicht sagen, denn die welche Livius mahlt gehoͤrt dem Jahr 328 an. Roͤmer und Etrusker wurden im folgenden Jahr von Seuchen heimgesucht, und erst der zweyte Feldzug, 320, ist der Erwaͤhnung werth. Von zwey Voͤlkern, deren Hauptstaͤdte keinen Tageweg von einander entfernt wa- ren, uͤberraschte dasjenige welches fruͤher den Entschluß faßte den kurzdauernden Zug zu unternehmen welcher in jedem Kriegsjahr die Feindseligkeiten begriff. Auch die- sesmal erschienen die Etrusker vor dem Collinischen Thor den Roͤmern unerwartet. A. Servilius, zum Dictator ernannt, fuͤhrte das Aufgebot aus der Stadt: vor ihm wichen die Etrusker uͤber den Anio bis Nomentum: dort geschlagen vermochten sie nicht die Belagerung von Fi- denaͤ zu hindern. Obgleich mit Gewalt erobert, wur- den die Fidenater schonend behandelt, und nur durch die Anweisung eines Theils ihrer Feldmark an neue roͤmi- sche Colonisten gestraft, welche als Besatzung ihre Treue bewachen sollten Livius IV. c. 30. . Hierauf ward Waffenstillstand mit den Vejentern, wie es scheint im naͤchsten Jahre und fuͤr acht Jahre, geschlossen Ebendas. : im Jahr 328 hatte die- ser sein Ende erreicht. Wahrscheinlich im folgenden (329), als die Fidenater aufs neue abfielen und die unter ih- nen wohnenden roͤmischen Colonisten erschlugen, geschah dort die Greuelthat, daß vier roͤmische Abgeordnete, aus- gesandt um die verdaͤchtige Stimmung dieser Stadt zu beobachten und sie im Gehorsam zu erhalten, von den Empoͤrern ermordet wurden: nach einigen auf Befehl des vejentischen Koͤnigs Tolumnius, nach andern unter dem Vorwand seines Willens, ihm unbewußt. Mam. Aemi- lius, der in seiner ersten Dictatur die Etrusker von der Stadt entfernt und geschlagen hatte, ward fuͤr diesen Krieg zum drittenmal zu dieser Wuͤrde erhoben: denn drey consularische Militartribune, denen der Oberbefehl uͤber das Heer zugefallen war, hatten vor Veji eine schimpf- liche Niederlage erlitten. Der Dictator ernannte den vierten Tribun dieses Jahrs A. Cornelius Cossus zum Obersten der Ritter. Die Schilderung der Schlacht vor Fidenaͤ welche den Untergang dieser alten Stadt entschied ist das Werk unge- bundener Phantasie. Waͤhrend die etruskischen und roͤ- mischen Legionen in regelmaͤßiger Schlacht fochten, soll eine Schaar, das Haar durchwunden mit bunten Binden gleich dem Schlangenhaar der Furien Florus I. c. . , Fackeln und Feuerbraͤnde schuͤttelnd, aus der Stadt unter das roͤmi- sche Heer gestuͤrzt seyn. Der etruskische Aberglaube mag einer solchen Mummerey nicht fremd gewesen seyn: — eine aͤhnliche wird von den Tarquiniensern erzaͤhlt Livius VII. c. 17. — der Anblick konnte Entsetzen verbreiten: aber das kann der strengglaͤubigste nicht fordern daß wir es als Geschichte nehmen sollen wenn erzaͤhlt wird, wie die Pferde entzuͤ- gelt waͤren und sich in die Flammen gestuͤrzt haͤtten vor denen die Reuter zuruͤckbebten. Es war wohl in dieser Schlacht daß A. Cossus den vejentischen Koͤnig erlegte, seine Spolien erbeutete, und sie dem Jupiter Feretrius weihte. Der Legat T. Quinctius hatte die Etrusker mit einer Abtheilung des Heers umgangen, und als sie vor dem Dictator flohen, die Vejenter sich in die Tiber stuͤrz- ten, die Fidenater durch ihr Lager, welches sie nicht mehr zu vertheidigen unternahmen, in die zu ihrer Rettung ge- oͤffneten Thore hineindraͤngten, brach er mit ihnen zugleich in die Stadt ein. Bald vereinigte sich der Dictator mit ihm; die Einwohner welche das Schwerdt verschonte wur- den als Sklaven verkauft, und der Rahme von Fidenaͤ ward das Symbol eines veroͤdeten Fleckens. Den ermordeten Gesandten wurden Statuen errichtet, welche, unter den aͤltesten Werken roͤmischer Kunst, bis in Ciceros Jugend erhalten waren, und in dieser Zeit, welche so viel Altes vertilgte, untergegangen zu seyn scheinen Cicero Phil. IX. c. 2. Plinius XXXIV. c. 11. hielt nachgebildete Statuen welche er sah fuͤr jene urspruͤngli- chen alten. . Vom Anfang des letzten vejentischen bis zum gallischen Krieg . Auf die Einnahme von Fidenaͤ folgte (330) ein Waf- fenstillstand zwischen Rom und Veji auf zwanzig cyclische Jahre: dieser waͤhrte durch unbestimmte Verlaͤngerung noch einige Zeit uͤber seine verabredete Dauer: denn schon am Anfang von 348 war er erloschen Eo anno quia tempus induciarum cum Vejente popule exierat — res repeti cœptæ. Livius IV. c. 58. . Die Vejenter suchten vergeblich eine dauerndere Erneuerung. Fruͤher hatte ihre eigene Kraft dem roͤmischen Kriege genuͤgt: jetzt da sie angstvoll auf die schnell emporwachsende Ueber- macht des Volks sahen welches, gierig nach ihren frucht- bareren Gefilden, sie bekriegte um sie zu vertilgen, entzog ihnen die eigne Gefahr der entfernteren Verbuͤndeten den schwachen Beystand welchen die etruskische Foͤderation haͤtte gewaͤhren moͤgen. Denn eine Voͤlkerwandrung war uͤber die Alpen eingebrochen: die aͤltesten und groͤßesten Staͤdte um den Padus wurden vertilgt, und der Apenni- nus war kein Schirm fuͤr die noch nicht angegriffenen. So konnte Veji nur von den naͤchsten Staͤdten Beystand hof- fen, und nur Capena und Falerii gewaͤhrten ihn treu: Tarquinii schwach: Caͤre aber war Rom eng verbunden, wenn auch wohl neutral im Kriege. Der Senat erkannte daß dieser Augenblick unschaͤtzbar sey um eine Laufbahn von Eroberungen zu betreten. Volsker und Aequer wa- ren nicht mehr furchtbar; ihnen waren Latiner und Her- niker stark genug. Aber das bisherige Kriegssystem Roms machte Eroberungen gegen etruskische Staͤdte unmoͤglich, die durch starke Befestigungen gesichert waren, und den Frieden suchten, nicht aus Mißtrauen in ihre Mauern sondern um ihr Gebiet nicht verheert zu sehen. Waͤhrend der ganzen Zeit die nach der Verbannung der Koͤnige ver- flossen war, hatte noch kein roͤmischer Feldzug laͤnger als zwey oder drey Wochen gewaͤhrt: der ungluͤckliche vejenti- sche Krieg worin der Feind die Stadt eingeschlossen hielt, widerspricht dem nicht, und die Aushungerung der Ae- quer auf der Burg von Tusculum war durch die Noth ge- boten. Oft scheinen acht Tage die Kriegsthaten eines Jahrs begriffen zu haben. Die uͤbrige Zeit hindurch war sogar der Verkehr nicht gestoͤrt: Kaufleute zogen hin und her zwischen feindlichen Voͤlkern, wie mit einem Ge- leit So ging Anxur verlohren: die volskischen Kaufleute wur- den zugelassen: die Roͤmer hausirten im Volskerlande, Liv. V. c. 8. In der pomptinischen Ebene ward waͤhrend der Kriege Korn gekauft: Anm. 246.; und waͤhrend der etruskischen besuchten die roͤmischen Kaufleute die Versammlungen bey dem Tempel der Voltumna. : so soll auch an der georgischen Graͤnze außer den Kriegsmonaten Handel gefuͤhrt werden, und offener Ver- kehr bestehen. Solche Kriegsmonate sind unverkennbar bey den Roͤmern und ihren oͤstlichen Nachbarvoͤlkern, wie im Orient, wo alle alte Sitte erhalten ist: wie in Habbesch die Vasallen mit ihrem Gefolge zu gesetzter Zeit bey dem Unterkoͤnig zum Feldzug zusammenkommen. Wie Roͤmer und Latiner, so Volsker und Aequer. Erschien der Feind fruͤher, dann ward eilig ein Heer gegen ihn versammelt: war dieses ungluͤcklich dann zog ein allgemeines Aufgebot unter einem Dictator ins Feld. Der Schauplatz des Kriegs lag selten uͤber einen Tagemarsch entfernt von Rom, den Feinden nicht ferner: man traf zusammen, und wer einmal das seltne Gluͤck hatte entscheidend zu sie- gen, verwuͤstete ein Paar Tage lang die naͤchsten Gegen- den, und eilte dann seine Beute in Sicherheit zu bringen. Diese Schlachten, so ernsthaft geschildert, waren sicher auch nicht moͤrderischer als die gewoͤhnlichen der griechi- schen Geschichte, welche oft entscheidend und folgenreich waren, wenn einige Hunderte fielen; obgleich freylich die Niederlage in Sicilien der von Cannaͤ kaum nachsteht. Daher erstaunt Livius Livius VI. c. 12. nur weil ihn falsche Bilder irre leiten, wie Volsker und Aequer durch mehr als hundert- jaͤhrige Kriege nicht voͤllig aufgerieben waͤren. Zwey Jahrhunderte lang bekriegten sich die lombardischen Staͤdte rastlos und erbittert, dabey wuchsen sie an Volks- menge und Bluͤthe so lange sie frey blieben: Toscana nicht minder. Zu diesen Schlachten kamen die Roͤmer, und ohne Zweifel auch die Feinde, jeder Soldat mit eignen Waffen, und mit Speisevorrath vom Hause verse- hen Οἰκόσιτοι. Zonaras VII. c. 19. : eine Kriegsweise welche dem Zug in sehr weni- gen Tagen sein Ziel setzte, wenn nicht Beute dem Mangel abhalf. So war es nicht allein unmoͤglich einen Sieg zu verfolgen und Eroberungen zu machen, weil jeder eilte zu- ruͤck zu kehren; auch der Kriegsgeist der Nation konnte sich nicht bilden; und der aͤlteste Veteran besaß weniger Erfahrung als ein Soldat der spaͤteren Legionen welcher einen Feldzug gedient hatte: Ausdauer, Herstellung des Gluͤcks durch Muth und Gewandtheit, waren den Feld- herren und der Armee voͤllig fremd. In den spaͤteren Feldzuͤgen dieses Zeitraums zeigen sich Spuren langwie- rigerer Unternehmungen die durch Erfolg belohnt wur- den; aber der Mißmuth der Soldaten welche, auf ihre Armuth eingeschraͤnkt, im Felde hungerten, und daher alle Beute fuͤr sich nicht mit Unrecht forderten, brach in den Mord des Militartribunen M. Postumius aus. Es war also nothwendig eine Armee zu besolden um sie zu bil- den, wie Athen schon laͤngst dem Buͤrger aller Klassen im Felde Sold zahlte: und zwar einen hohen Sold: denn am Anfang des peloponnesischen Kriegs empfing der atti- sche Liniensoldat eine Drachme taͤglich fuͤr sich, und eben so viel fuͤr einen Diener Thukydides III. c. 17. Die uͤbrigen Griechen gaben dem Lanzknecht drey Obolen, dem Reuter eine Drachme. Der- selbe V. c. 47. . Die unlaͤugbaren Eroberungen der Koͤnige sind nur dadurch moͤglich, daß schon unter ihrer Herrschaft der Krieger Sold empfangen haben muß. Es ist schon be- merkt worden daß ihre außerordentlichen Werke und Bauten ebenfalls große Einkuͤnfte voraussetzen, und daß diese nur aus dem Antheil des Souverains an dem Er- trag den die Staatsdomaine dem Anbauer gewaͤhrte ent- stehen konnten: theils von eroberten und unterwuͤrfigen Staͤdten, theils von veroͤdeten Feldmarken deren Besitz den Patriciern eingeraͤumt ward. Als nach der Verban- nung der Koͤnige Roms Macht sank, gingen die Steuern der Unterthanen verlohren; und die Patricier fanden ihren Vortheil bey der Abschaffung der Monarchie nicht bloß in der Souverainetaͤt; auch, und noch unmittelbarer darin daß sie die Abgaben vom Gemeinlande nicht mehr zahlten. So war nun der Staat seines Reichthums ent- bloͤßt, und auf die Vermoͤgenssteuer beschraͤnkt, uͤber de- ren verderbliche Beschaffenheit schon an mehr als einem Ort geredet ist. Einige Zeit am Anfang der Republik mag der Sold noch fortgedauert haben: und aus der druͤckenden Erhebung des Schosses entstand wahrschein- lich die schreckliche Verarmung des Volks, welche die Auswandrung auf den heiligen Berg veranlaßte: diese Ursache wird namentlich angegeben: es laͤßt sich aber fuͤr die Ausschreibung des Schosses kein anderer Zweck denken als der Armee Sold zu zahlen. Nach dem Vergleich zwi- schen Senat und Volk wird weder uͤber große Verschul- dung noch uͤber den Druck der Steuer geklagt, so daß diese nur etwa zum Behuf von Getreideeinkaͤufen aufge- legt geworden zu seyn scheint. Der Staat entsagte dem nothwendigen Mittel seine Groͤße wieder zu gewinnen; wenn dieses aber fuͤr die erschoͤpfte Nation unerschwing- lich war, und sie innerlich verzehrte, so war es viel wei- ser sich viele Jahre lang bescheiden zu beschraͤnken, um Kraͤfte und Wohlstand im Innern herzustellen. Freylich gab es auch eine andre Einnahme wovon ein maͤßiger Sold haͤtte bestritten werden koͤnnen, wenn das Gesetz oder Senatusconsult des Jahrs 268 aus- gefuͤhrt, und die Abgabe von den Gemeinlaͤndereyen erhoben waͤre. Das forderten die Volkstribunen im Jahr 331 IV. c. 36. ostentata spes vectigali possessoribus agro- rum imposito in stipendium militum erogandi æris. , ausdruͤcklich damit Sold gezahlt werden koͤnne: welches ihnen also nicht weniger angelegen war als dem Senat, und achtzehn Jahre fruͤher von ihnen vorgeschlagen ward ehe der Senat es verordnete. Die- ser aber war noch so tief unter dem Beruf die Voͤlker zu beherrschen daß er diese Erwaͤhnung nicht duldete, ob- gleich die Eroberungen welche nur durch besoldete Armeen moͤglich waren, nach der Absicht der Patricier, sicher nur sie bereichern sollten: denn auch nach der Einnahme von Veji machten sie Anspruͤche auf den ausschließen- den Besitz des eroberten Gebiets. Allerdings ist nichts glaublicher als daß die Tribunen, da auf einmal der Armee Sold versprochen ward, die Freude des Volks durch die Warnung stoͤrten, es sey ein Geschenk welches der Senat aus fremden Mitteln gebe, und welches den Plebejern schwer genug fallen werde: das aber war, weil die Abgabe vom Gemeinland nicht hergestellt ward, strenge Wahrheit, nicht haͤmische Unempfindlichkeit bey der allgemeinen Freude Livius IV. c. 60. . Das Volk war am Ende des Kriegs durch die unaufhoͤrlichen Ausschreibungen des Schosses ganz verarmt Derselbe V. c. 20. . Um die Zahl der Steuer- pflichtigen zu vermehren zwang Camillus als Censor, drey Jahre nach Einfuͤhrung des Solds, die wohlhabenden Wittwen sich zu verheirathen, und zog das bis dahin freye Vermoͤgen der Waisen unter die Besteurung, woraus zu folgen scheint daß die Ritter nicht mehr eine Rente vom Vermoͤgen lediger Frauen sondern Sold vom Staat be- zogen Plutarch Camill. p. 129. E. Hierauf ist wohl die von Li- vius in eine sehr dichterische Erzaͤhlung verwebte Nachricht aus demselben Jahr zu beziehen: Tum primum equis merere equites cœperunt. Livius V. c. 7. Zonaras VII. c. 20. . Auch ist es klar, daß der Betrag der Loͤh- nung, selbst eines nicht zahlreichen Heers, ausschließend durch Schoß aufgebracht, eine schreckliche Last fuͤr die Plebejer war, welche sie nie geduldet haben wuͤrden, wenn nicht hier das Interesse der Armen, die weit mehr empfingen als zahlten, fuͤr die Fortdauer des Solds auch auf diese Weise, wenn die Patricier keine andre zulassen wollten, geredet haͤtte. Allenthalben ist im Fortgang der Zeit an der Loͤhnung des Soldaten im Verhaͤltniß der Vermehrung der Heere und im umgekehrten der steigenden Theurung und des Geldgehalts gekuͤrzt worden; so muß- ten die roͤmischen Soldaten spaͤter die Asse zu zehn auf den Denar annehmen, als er fuͤr alle uͤbrige Rechnungen auf sechszehn gesetzt war. Man kann es daher fuͤr entschieden halten daß urspruͤnglich, wie am Anfang des siebenten Jahrhunderts, die taͤgliche Loͤhnung des roͤmischen Sol- daten in drey Assen bestand, der Centurio empfing das doppelte, der Ritter das dreyfache Polybius VI. c. 39. . Von einer hoͤ- heren Besoldung der obern Offiziere ist nirgends die Rede; sie scheinen nur den Sold eines Ritters bezogen zu haben, wie der Dey von Algier Loͤhnung als Janitschar em- pfaͤngt, und verfassungsmaͤßig fuͤr das uͤbrige nur von der Republik freygehalten wird, und auf die Vortheile angewiesen ist welche er als Feldherr auf Kosten fremder Staaten und der Unterthanen durch Geschenke genießt. Die Consuln erhielten theils uͤberliefert was ihre Wuͤrde erforderte, theils stellten sie in Rechnung was nach ihrem eignen Urtheil sie zu erhalten noͤthig war. Nimmt man nun an daß zwey Legionen, von der urspruͤnglichen, auf dem Census des Servius gegruͤndeten Staͤrke, wie sie auch bis nach dem Ende des ersten punischen Kriegs ge- woͤhnlich war, gegen Veji im Felde gestanden haͤtten, eine Zahl die doch fuͤr eine Belagerung oder fortgesetzte Blokade ganz unzureichend war, so wuͤrde die Loͤhnung allein fuͤr ein ganzes Jahr 10,380,600 Asse, oder 1,038,060 Denarien betragen haben Naͤmlich in der Legion 3600 Gemeine, 120 Centurionen, und 300 Ritter: ohne noch etwas fuͤr die Accensi (das Depotbataillon) zu rechnen, noch die Fahnentraͤger von den Gemeinen abzusondern. . Rechnet man diese zu einer Million attischer Drachmen, so haͤtte der jaͤhrliche Schoß von einem Grundvermoͤgen welches dem des attischen Katasters Demosthenes περὶ συμμοριῶν. p. 183. ed. R. Polybius II. c. 62. gleich gekommen waͤre, drey Procent jaͤhrlicher Capitalsteuer erfordert. Aber in At- tika gab es schlechterdings keine steuerfreye Grund- stuͤcke, welche sicher den wichtigsten Theil der liegenden Gruͤnde im roͤmischen Gebiet ausmachten. Attika war ohne Vergleich ausgedehnter als dieses, und der Geld- werth aller Gegenstaͤnde so viel hoͤher zu Athen als zu Rom daß, wenn auch jener Census nur Land und Haͤu- ser befaßt haͤtte So scheint es nach Demosthenes: Polybius freylich redet bestimmt fuͤr das Gegentheil. Der Census lag der attischen Hypothekenordnung zum Grunde. , und zu Nom mehrere Gegenstaͤnde darin begriffen gewesen waͤren, dennoch nicht bestritten werden kann daß der roͤmische Census damals jenen bey weitem nicht erreichte. Es war aber die Loͤhnung, wenn auch der hauptsaͤchlichste, dennoch nicht der einzige Ge- genstand der Kriegskosten; wenn auch der Brodgroschen und der Werth ersetzter Waffen gekuͤrzt wurden, und je- der sich selbst urspruͤnglich ruͤsten und bewaffnen mußte. Man darf sich also bey einer so augenscheinlichen Un- erschwinglichkeit keineswegs durch Livius ausdruͤckliche Erzahlung verleiten lassen an eine fortgesetzte Einschlie- ßung der Stadt waͤhrend zehn Sommern und Wintern durch ein zahlreiches Heer, durch die gesammte Jugend der Nation Livius V. c. 2. 7. 22. Im Jahr 354 sollen nicht nur alle Juͤngere (vom siebzehnten bis zum fuͤnf und vierzigsten Jahr) conscribirt seyn, sondern auch ein Theil der Aelteren. , oder daran zu glauben daß der Sold immer fuͤr ein ganzes Jahr, nicht nach der Zeit des wirklich geleisteten Dienstes, ausbezahlt sey Livius V. c. 4. Annua æra habes, annuam operam ede. An tu æquum censes, militia semestri solidum te stipendium accipere? . Auch haͤtte Veji, wenn es dauernd durch roͤmische Linien ein- geschlossen gewesen waͤre und andere Linien das Lager gegen Etrurien gedeckt haͤtten, weit fruͤher durch Hun- ger fallen muͤssen, und der stete Verkehr mit Etrurien, welchen die Geschichte der Belagerung voraussetzt und erzaͤhlt, waͤre dann unmoͤglich gewesen. Glaublich ist nur daß mehrere Schanzen um die Stadt her aufge- fuͤhrt waren, und von roͤmischen Besatzungen behauptet wurden, welche, gegen einen gewagten Sturm hinreichend befestigt, im Fall eines ernsthafteren Angriffs durch ein allgemeines Aufgebot aus dem weniger als zwanzig Mil- lien entfernten Rom entsetzt werden konnten. Solche Kastelle, wie sie die Sprache der roͤmischen Kriegskunst nannte, machten die Bestellung der Felder fast unmoͤg- lich, und erschwerten die Zufuhr außerordentlich, wenn sie gleich nicht hinreichten voͤlligen Hunger in der Stadt hervorzubringen. Sie waren, wie Dekelea, unter dem Schutz der Armee aufgefuͤhrt, und alljaͤhrlich lagerte diese sich aufs neue vor der Stadt: dann waren sie der Sitz der Zu- ruͤstungen und die Basis der Belagerungswerke, wie die Kindheit der italischen Kriegskunst sie kannte, wenn diese unternommen wurden. Im dritten Feldzug (352) schei- nen diese Kastelle zuerst aufgefuͤhrt zu seyn: damals ward die Stadt auch regelmaͤßig belagert. Ein Schutt war gegen die Mauer gefuͤhrt, von hoͤlzernen Geruͤsten eingeschlossen, auf daß er nicht zerfalle: das war auch in Griechenland damals noch die Belagerungsart, einen Damm in gleicher oder groͤßerer Hoͤhe der Mauer, und von großer Breite, an sie hinanzufuͤhren, um die Bela- gerten auf ebener Flaͤche oder von einem hoͤheren Ort auzugreifen Thukydides II. c. 75 — 77. . Mauerbrecher waren noch aͤußerst selten: selten: die Peloponnesier hatten ihrer zwey vor Plataͤaͤ, und diese waren schwach: erst um diese Zeit wurden die Katapulten zu Syrakusaͤ, in der Vaterstadt der hohen Mechanik, erfunden. Als die Werke so weit gediehen wa- ren beschloß der Senat in einem Winterfeldzug bey der Belagerung auszuharren: aber die Hoffnung eines nahen Siegs ward vereitelt durch einen Ausfall der Vejenter, welche die Roͤmer zuruͤckwarfen, die Geruͤste anzuͤnde- ten, und den Schutt ebneten. Seitdem ward die Bela- gerung bis zum letzten Feldzug nicht wieder erneuert. Im folgenden Jahr (353) standen zwey roͤmische Laͤ- ger vor Veji, ein groͤßeres unter dem Tribun L. Virgi- nius, ein kleineres unter seinem Collegen M’. Sergius. Die Capenaten und Falisker unternahmen den Entsatz der verbuͤndeten Nachbarstadt. Waͤhrend ihr zahlreiches Heer das Lager des Sergius bestuͤrmte, ward dieses zugleich durch einen Ausfall der Vejenter angegriffen. Zwischen den beyden roͤmischen Befehlshabern herrschte eingewur- zelter Groll. Unterrichtet von der Bedraͤngniß der an- dern Armee, nahe genug um die seinige ihr zeitig zu Huͤlfe zu fuͤhren, blieb Virginius unbeweglich, unter dem Vorwand der Vorsicht, und daß er seinem Collegen eine Huͤlfe nicht aufdraͤngen koͤnne, welche dieser, forderte es die Gefahr, verlangen wuͤrde. Mit gleicher Bethoͤrung zog Sergius unvermeidliche Niederlage der vermeinten Demuͤthigung vor durch seinen persoͤnlichen Feind aus der Gefahr gerettet zu werden. Das Lager ward erobert und die Fluͤchtlinge zerstreuten sich bis Rom. So war Veji entsetzt, obgleich das andere roͤmische Heer sich in der Zweiter Theil. P Naͤhe der Stadt behauptete. Auch wurden die verlohr- nen Kastelle von den folgenden Militartribunen (354) wie- der erobert, oder hergestellt, waͤhrend Camillus und ein anderer Tribun die Niederlage des vorigen Jahrs an den Faliskern und Capenaten durch Verheerung ihres Landes bis an die Mauern der Staͤdte raͤchten. Zwey Jahre nach- her (356), als die Roͤmer ebenfalls in zwey Laͤgern vor Veji standen, kamen dieselben Voͤlker aufs neue zum Ent- satz. Aber waͤre auch der Wahnsinn des Sergius und Virginius bey roͤmischen Befehlshabern nicht eine sehr seltene Ausartung gewesen, die Strafe, welche das Volk uͤber sie ausgesprochen hatte, wuͤrde doch die Wiederho- lung des Vergehens unmoͤglich gemacht haben. Waͤh- rend die Verbuͤndeten das kleinere Lager bestuͤrmten, wur- den sie von der roͤmischen Hauptarmee umgangen und ge- schlagen: dann die Vejenter in die Stadt zuruͤckgewor- fen; eine Menge von ihnen ward vor den furchtsam ge- schlossenen Thoren den verfolgenden Siegern aufgeopfert. Dies war der erste Sieg plebejischer Militartribunen. Das folgende Jahr verging thatenlos, im zweyten streifte ein anderes verbuͤndetes etruskisches Volk, die Tarqui- nienser, ohne Erfolg fuͤr Vejis Befreyung und nicht un- gestraft in das roͤmische Gebiet. Der Feldzug des Jahrs 359, in dem Veji fiel, begann nicht mit verheissenden Aussichten fuͤr Rom. Die Militartribunen Cn. Genu- cius und L. Titinius hatten einen Einfall in das Gebiet der Capenaten und Falisker unternommen; wahrscheinlich um sie durch eigne Gefahr, waͤhrend der kurzen Sommer- jahrszeit welche auch diese Voͤlker dem Kriege nur noch weihten, von einer Unternehmung zum Entsatz von Veji abzuschrecken. Unbesonnener Muth verfuͤhrte die Anfuͤh- rer ihre Truppen in eine unguͤnstige Gegend zu wagen: Genucius versoͤhnte seinen Fehler durch einen tapferen Tod an der Spitze der Seinigen: Titinius gluͤcklicher, indem er die umringenden Feinde durchbrach. Um einen Krieg zu endigen bey dessen fortwaͤhren- der Dauer den Feind nur noch seine Mauern schuͤtzten, ward Camillus, ohne Vergleich der erste Feldherr Roms in seinem Zeitalter, zum Dictator ernannt. Die Anstren- gungen waren so groß wie die Hoffnung auf nahen Sieg, die Begierde nach reicher Beute, und das Beduͤrfniß einen uͤber alle Erwartung verlaͤngerten und druͤckenden Krieg zu endigen, sie erforderten. Außer einem zahlrei- chen roͤmischen Heer, der gesammten Jugend, fuͤhrte der Dictator auch latinische und hernicische Huͤlfsvoͤlker, wie es scheint nur Freywillige. Denn uͤberhaupt ist es zwei- felhaft ob diese Voͤlker an den etruskischen Kriegen der Stadt Theil nahmen: waͤren sie aber auch dazu verpflich- tet gewesen, so ward die Erfuͤllung der Verpflichtung jetzt unmoͤglich, wenn nicht Latium zugleich mit Rom seine Soldaten besolden konnte. Um Veji ungestoͤrt zu bela- gern beschloß Camillus die befreundeten etruskischen Voͤl- ker in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Er traf auf die vereinigten Falisker und Capenaten bey Repete, und erfocht einen großen Sieg. Von nun an war seine ganze Sorge auf die Belagerung gewandt. Die Schan- zen wurden vervielfaͤltigt und die Stadt enger einge- schlossen: aber der Soldat ward ausschließlich bey den P 2 Arbeiten beschaͤftigt, und kein zweckloses Gefecht der Vorposten geduldet. Die Geschichte der Einnahme von Veji war in den aͤltesten Annalen offenbar ganz dichterisch: einiges hat Li- vius gemildert; anderes als Dichtung angedeutet: viel unmoͤgliches schien ihm faͤlschlich nicht unhistorisch. So lautete die alte Erzaͤhlung. Unter andern Wunderzeichen hatte ein ungewoͤhnli- ches Anschwellen des Albanersees zwey Jahre fruͤher die religioͤsen Gemuͤther der Roͤmer entsetzt. Zwischen Ber- gen eingeschlossen, ohne sich in einen Strohm zu ergießen, verschwand ohne Zweifel das Uebermaaß seines Gewaͤssers durch unterirdische Kluͤfte welche durch die in diesem Zeitalter unaufhoͤrlichen Erdbeben verschuͤttet seyn moch- ten. In einem trocknen Sommer schwoll der See uͤber alles Maaß an, und drohte, den Kessel worin er sich be- findet anfuͤllend, uͤber die einschließenden Berge mit reis- sender Ueberschwemmung zu stroͤmen. Diese Erscheinung soll in den etruskischen Schicksalsbuͤchern geweissagt, und an der Entladung des Sees das Schicksal von Rom und Veji gebunden gewesen seyn; so lange der See ohne Ab- fluß sey werde Veji bestehen; stroͤme sein Gewaͤsser in das Meer, dann muͤsse zwar Veji fallen, aber auch Rom werde untergehen: werde es abgeleitet und zerstreut, dann sey Vejis Untergang entschieden ohne Gefahr fuͤr Rom Cicero de Divinat. I. c. 44. . Vom Schicksal getrieben, frohlockte ein alter Aruspex in der belagerten Stadt uͤber die Blindheit der Roͤmer: die Belagerer erfuhren seine Wissenschaft, lockten ihn aus den Thoren und fuͤhrten ihn gefangen Cicero a. a. O. hat eine andere Erzaͤhlung, daß ein Ver- raͤther das Geheimniß der Propheten offenbart habe. Diese scheint schon aus dem Dichterischen gekuͤnstelt. Merkwuͤrdig ist aber dabey, — wie in den aͤlteren Annalisten neben ih- ren Verfaͤlschungen der alten Sage viel uraltes sich erhielt, hier dieses, dort jenes, — daß er von einer Friedensgesandt- schaft erzaͤhlt welche die Vejenter um diese Zeit nach Rom geschickt: diese habe den Roͤmern die Wahrheit des verra- thenen Schicksalsspruchs bekannt, aber gewarnt, es sey hin- zugefuͤgt, dann werde Rom in kurzer Zeit von den Galliern eingenommen werden. . Zugleich aber ward eine Gesandtschaft nach Delphi gesandt, da die etruskischen Aruspices hier nicht unverdaͤchtige Zeugen waren. Als auch der pythische Gott jene Aussage be- waͤhrt hatte, soll die Ableitung des Sees durch den be- ruͤhmten Emissarius, bis an die Ebene wo der Strohm in Bewaͤsserungsgraͤben uͤber die Felder vertheilt ward, unternommen, und ehe Camillus vor Veji erschien, vollendet seyn. Von den Goͤttern der Eroberung versichert wenn von seiner und des Heers Seite nicht versaͤumt wuͤrde was die Erfuͤllung des Schicksals erforderte, vollfuͤhrte Camillus, ungeahndet von den Feinden, ein kaum ge- ringeres Werk zu ihrem Untergang durch menschliche Mittel. Er schien unthaͤtig: keine Werke wurden ange- legt: die Roͤmer standen ruhig auf ihren Posten, und schienen der langsamen Entscheidung einer hartnaͤckigen Blokade entgegen zu sehen. Aber das Heer war in sechs Schaaren getheilt, und arbeitete, ohne Rast nach jeder sechsten Stunde sich abloͤsend, einen Minengang, der in die vejentische Burg, in dem Tempel der Juno, an den Tag fuͤhren sollte. So gewiß war jetzt der Dictator vom Erfolg daß er vor dem Sturm den Senat befragte: wie mit der Beute verfahren, ob sie den Soldaten uͤberlassen oder fuͤr die Staatscasse eingezogen werden solle? Fuͤr das letzte stimmte Appius Claudius, des Decemvirs Enkel; unter dem Vorwand, man koͤnne den Ertrag anwenden um Sold davon zu zahlen, anstatt Schoß auszuschrei- ben. Gegen diesen Antrag erklaͤrte sich P. Licinius, nach Livius der erste plebejische Consulartribun. Mit der Vor- sicht einen Verdacht gegen die vor denen man redet, wenn man ihn auch mit allen theilt, als eine beleidi- gende Beschuldigung darzustellen, welcher keinen Schein zu leihen ihre Ehre erfordere, stellte er dem Senat vor: das Volk werde glauben es sey die Absicht ihm die Fruͤchte einer Eroberung ganz zu entziehen welche es mit seinem Blut und unendlichen Steuern erkauft habe: beydes sey nur fuͤr die Bereicherung der Patricier ver- schwendet, welche sich den Ertrag der Beute theilen wuͤrden, wie sie schon im Geist die vejentische Feldmark in Landguͤter unter sich austheilten. Einem so verderb- lichen Argwohn duͤrfe keine Nahrung gewaͤhrt werden. Es wuͤrde aber auch unbillig seyn nur die anwesenden Soldaten eine Beute theilen zu lassen welche durch die Aufopferungen aller Buͤrger erkauft sey. Daher solle man bekannt machen, wer Theil an der Beute nehmen wolle koͤnne sich in das Lager begeben. Man muß annehmen daß die alte strenge Ordnung welche das roͤmische Kriegsgesetz bey Pluͤnderungen er- oberter Staͤdte vorschrieb, eine Ordnung die, wenn et- was bey einem so graͤßlichen Gegenstand mit Beyfall genannt werden darf, bewundernswerth heißen muß, in Augustus Zeitalter nicht mehr beobachtet ward, um es einigermaaßen entschuldigen zu koͤnnen, daß Livius dem Patricier einen Einwurf gegen diese Maaßregel zuschreibt, der, wie dreist auch der Eigennutz jeden Vorwand auf- stellt, doch wohl nicht leicht aus dem Munde eines Roͤ- mers gehoͤrt werden konnte. Denn der roͤmische Soldat war bey der Pluͤnderung nur befugt zu sammeln und herbeyzutragen: die Haͤlfte der Eroberer war damit be- schaͤftigt, waͤhrend die uͤbrige unter den Waffen stand: daher Unordnung bey Pluͤnderung eines Lagers den Roͤ- mern nie, den Griechen so oft, einen schon gewonnenen Sieg wieder entrissen hat. Die ganze Beute ward dann, theils durch das Loos vertheilt, theils verkauft: und der Ertrag, wenn er dem Soldaten gewaͤhrt war, kopf- weise ausgezahlt, sonst fuͤr den Schatz behalten Polybius X. c. 16. . Alles redlich abzuliefern, nichts unterzuschlagen, ver- pflichtete den Soldaten der Lagereid; den ohne Zweifel auch die ganze Menge schwoͤren mußte, welche sich, weil Licinius Antrag durchging, in das Lager vor Veji be- gab. Wie heilig noch drittehalb Jahrhunderte spaͤter, als Freygeisterey bey den hoͤheren Staͤnden schon be- gann Mode zu werden, als diese uͤberhaupt schon ganz verderbt waren, den Roͤmern unter einander ein Eid war, bezeugt Polybius Polybius VI. c. 56. : noch viel heiliger mußte er damals seyn. Eben so gewissenhaft trugen die Ara- ber der ersten Khalifen auch die kostbarste Beute zusam- men. Daher ist es nicht denkbar daß gierige Pluͤnderer dem tapfern Soldaten die reichste Beute entrissen haͤt- ten, wie der gewissenhafte Claudius bey Livius befuͤrch- tet; und wie der von der roͤmischen Kriegssitte nicht unterrichtete Leser des Livius glauben, und den Licini- schen Vorschlag fuͤr sehr ungereimt halten wird. Es war aber nichts anderes, als ein Vorschlag den ganzen Ertrag unter das Volk als Entschaͤdigung fuͤr die so lange gezahlten Kriegssteuern zu vertheilen; nur dadurch fuͤr die aͤrmeren Klassen guͤnstiger, daß die welche es verschmaͤhten Theil daran zu nehmen nichts empfingen; und daß, mit Ausnahme der verhaͤltnißmaͤßig groͤßeren Antheile der Hauptleute und Ritter, alle gleich viel be- kamen; sie mochten nun in der ersten oder in der sech- sten Klasse gestenert haben. Da nun der Schacht vollendet war welcher aus dem Gang in die Burg fuͤhrte, und der Erfolg von dem Willen der Koͤnigin Juno abhing, in deren Tempel er sich oͤffnen sollte, richtete der Dictator an sie Gebete und Geluͤbde, Verheissungen noch groͤßerer Ehre, um ihr Herz dem Volk zu entziehen welches bisher ihren Schutz genossen hatte: und seine Beschwoͤrungen waren nicht fruchtlos. Zu bestimmter Stunde war der Gang mit Cohorten angefuͤllt: die Drommeten bliesen zum An- griff, und rings umher ward die Stadt von dem zahl- losen roͤmischen Heer umgeben, welches Sturmleitern herantrug, wie es schien, die Mauern auf allen Punkten zu ersteigen. Die Buͤrger vertheilten sich zur Verthei- digung, getrost das tollkuͤhne Unternehmen zu vereiteln. Waͤhrend sie hier den Feinden begegneten, opferte ihr Koͤnig im Tempel der Juno; und als das Opferthier erschlagen war, vernahmen die Roͤmer unter dem Boden den Ausspruch des Aruspex: dasjenige Volk werde siegen dessen Buͤrger die Opferstuͤcke darbringen wuͤrden. Sie brachen hervor, erschlugen die Opferer, und erfuͤllten die Weissagung. Von der Burg, welche schnell und unwider- stehlich eingenommen war, verbreiteten sie sich in der Stadt, und oͤffneten den Stuͤrmenden die naͤchsten Thore. Die Beute war den Roͤmern selbst unerwartet und unglaublich. Alles empfing die Armee, nur die Freyge- wesenen, welche das Blutvergießen durchlebt hatten, bis Habsucht die Wuth besaͤnftigte, und Unbewaffneten das Leben geschenkt ward, wurden nicht vertheilt, sondern als Sklaven fuͤr den Staat verkauft. Schon waren alle Gegenstaͤnde menschliches Eigen- thums aus den leeren Mauern fortgeschafft, nur die Bild- saͤulen der Goͤtter waren noch unberuͤhrt. Juno hatte das Geluͤbde eines Tempels auf dem Aventinus angenommen; aber jeder zitterte ihr Bild zu fassen, welches nach etruskischer Religion nur ein Priester aus einem be- stimmten Geschlecht ohne Todesfurcht wagen konnte. Die es unternahmen dieses Bild aus seinem Sitz zu heben, begaben sich in Feyerkleidern in den Tempel, und frag- ten die Goͤttin ob sie einwillige nach Rom zu ziehen? Sie vernahmen die bejahende Stimme der Antwor- tenden Plutarch Camill. p. 132. A. schreibt ausdruͤcklich Livius die Milderung zu daß ein Roͤmer einen bejahenden Wink zu sehen geglaubt haͤtte, dieses von den uͤbrigen begierig aufge- nommen, und darauf die Erzaͤhlung von der muͤndlichen Be- jahung gefabelt sey. Die alte Sage nahm diese also im strengsten Sinn. . Diese Erzaͤhlung ist eng und unzertrennlich in die Geschichte der Eroberung verwachsen: von dieser lauten Gunst der Goͤttin laͤßt sich der in ihren Tempel hinauf- gefuͤhrte, ihrer Obhut anvertraute Schacht nicht schei- den. Sie also giebt uns den Maaßstab des ganz poe- tischen Charakters der Sage von Vejis Untergang. Aber ganz unhistorisch sind auch alle ihre einzelnen Geschich- ten. So die von dem durch das Schicksal zum Verder- ben seines Vaterlands angetriebenen Aruspex: welche, wie schon bemerkt worden, in einigen Annalen zu einem Verrath vernuͤchtert ward. Nicht anders ist es mit der Ableitung des Albaner- sees. Man muͤßte lebendig heidnisch glaͤubig seyn, um die Uebereinstimmung des pythischen Orakels bey einem Gegenstand so entfernter Laͤnder mit dem Wort des etrus- kischen Wahrsagers moͤglich zu halten. Nicht minder un- moͤglich darf man die Ausfuͤhrung eines so außerordentli- chen Werks in so kurzer Frist durch die einzelnen Kraͤfte einer noch armen und durch einen schweren Krieg er- schoͤpften Stadt nennen. Der Emissarius mißt dreytau- send siebenhundert Schritt, ist sechs Fuß hoch, drey und einen halben breit, durch vulcanisches Gestein ge- brochen, und dieses Werk soll Rom damals in einem Jahr vollendet haben. Es ist aber auch sichtbar wider- sinnig daß ein augenscheinlich in der Absicht unternom- menes Werk um die niedriger liegenden Gefilde gegen die Gefahr einer Ueberstroͤmung zu sichern, und das ih- nen drohende Gewaͤsser zu ihrer Fruchtbarkeit zu verwen- den, von einem Staat ausgefuͤhrt seyn soll, der damals entweder gar kein Interesse, oder doch einen sehr gerin- gen Antheil an diesen Laͤndereyen hatte. Denn so lange Latium als ein unabhaͤngiges Volk bestand, waren sie Eigenthum entweder angraͤnzender latinischer Staͤdte, oder des gesammten Bundes. Bey dem unzweifelhaften hohen Alter des Werks, dessen Beziehung auf das Schick- sal Vejis uns nicht irren darf, ist es wahrscheinlicher daß es dem gesammten Latium, oder, wenn es Rom nicht fremd war, dem Zeitalter der roͤmischen Koͤnige an- gehoͤrt Vorzuͤglich bewundernswerth ist, nach Hirts Bemer- kung, die Kunst wodurch das Wasser allmaͤhlig bis auf die Hoͤhe abgezapft ist, worauf es durch die letzte, noch fort- wuͤrkende Muͤndung des Emissars herabgesetzt werden sollte. . Die Sage daß Veji durch einen unterirrdischen Gang eingenommen worden, ist nicht weniger unzertrennlich von der Geschichte der Eroberung als die von der Entla- dung des Albanersees; auch Diodor hat sie, wiewohl er Annalen folgt welche von den Quellen des Livius so außer- ordentlich abweichen, daß man fast zweifeln muß ob es auch uͤberall Roͤmer und nicht Griechen waren Diodor XIV. c. 93. Βοιοὺς ἐξεπολιόρκησαν, διώρυγα κατασκευάσαντες. . Sie ist mir aber in ihrem Zusammenhang nicht minder zweifel- haft als jene Sage selbst: man vergesse nicht daß nur eine schaale Willkuͤhrlichkeit sie von dem eben so beglaubigten Hervorbrechen im Tempel der Juno und dem Wunderzei- chen der Goͤttin trennen kann. Daß der Schacht in dem Tempel der Juno hervorgeht, ist nicht Zufall, sondern Absicht. Ich frage nun aber ob eine solche Leitung ohne Com- paß nicht absolut unmoͤglich war, wenn auch der Gang nicht, wie doch auch gesagt wird, und gedacht werden muß, in einer weiten Entfernung Zonaras VII. c. 21. begonnen haͤtte. Kaum die Stadt, nicht die Burg, geschweige den Tempel zu erreichen haͤtte man sicher seyn koͤnnen. Zwar ist der Boden von Veji ein nicht schwer zu bearbeitender Tuf Nach Hirts muͤndlicher Belehrung. , und der Gang haͤtte sich ohne Zimmerwerk erhalten koͤn- nen: doch waͤre es immer ein Werk so langsames Fort- gangs gewesen, indem nur eine kleine Zahl nicht der sechste Theil des Heers Denn das ist offenbar der Sinn der alten Sage, obwohl Livius zweydeutig mildernde Ausdruͤcke sucht. darin haͤtte arbeiten koͤnnen, daß Camillus Dictatur nicht zur Vollendung hingereicht haben wuͤrde: und die Vollendung haͤtte den Erfolg im- mer von einem Zufall abhaͤngig gelassen. In einem aͤlte- ren Zeitraum wuͤrde ich dies Dichterische ganz unerklaͤrt lassen: in dieser sonst schon historischen Zeit kann es schei- nen, Veji sey nach der damaligen Belagerungskunst ein- genommen, wo das Untergraben der Mauern eines der bedeutendsten Angriffsmittel war: die Erwaͤhnung des Cuniculus sey dichterisch so umgestaltet. Weit wahrschein- licher ist es aber daß hier eine ganz freye Dichtung herrscht. Veji ist das von alter roͤmischer Dichtkunst nachgebildete Ilion: daher die zehnjaͤhrige Belagerung; gegen Annalen und Moͤglichkeit: daher der in die Burg gefuͤhrte Gang voll Bewaffneter: das Roß des Epeus, auf Trojas Pergamum hinaufgebracht. Der Triumph des Dictators uͤbertraf die herkoͤmm- liche Sitte an Glanz so weit wie die Wichtigkeit der Ero- berung die gewohnten Siege. Doch soll sein Stolz die Gemuͤther des Volks von ihm abgewandt haben: denn in- dem er mit dem Gespann Jupiters oder Sols durch die Stadt auf das Capitolium zog war er des demuͤthigen Ge- bets nicht mehr eingedenk womit er, im Anschauen seines Siegs, um schonende Zuͤchtigung wegen uͤbermaͤßiges Gluͤcks fuͤr die Republik und sich gefleht hatte. Abhold ward ihm das Volk noch mehr, weil er, was vor der Eroberung verschwiegen war, auch noch eine Zeit nachher Geheimniß blieb, spaͤt, und da die Beute nicht nur vertheilt, sondern zum Theil schon verthan war, erklaͤrte, er habe dem pythi- schen Apollo den Zehenten gelobt. Dieses Geluͤbde, wie es von der persischen Beute verheissen ward, ist in der griechischen Geschichte haͤufig; in der roͤmischen einzig in diesem Beyspiel. Zeitig verkuͤndigt, und vor der Ver- theilung ausgefuͤhrt, wuͤrde es den religioͤsen Gemuͤthern der Roͤmer ehrwuͤrdig gewesen seyn, ohne den einzelnen zu kraͤnken; jetzt schien es ein Betrug durch den das feind- selige Gemuͤth des Dictators den Verdruß raͤchen wollte daß die Beute dem Volk zugefallen war. Sollte es streng erfuͤllt werden, so mußte man Einforderungen bey jedem einzelnen erwarten, welche manchem der seinen verfallnen Hausstand kaum mit dem Gewinn hergestellt hatte, aͤu- ßerst druͤckend werden mußten. Diese Besorgniß ward durch die Erklaͤrung der Pontifices beruhigt: es sey fuͤr die Republik hinreichend wenn jeder den Zehenten der ihn treffe abschaͤtze: wer dabey unredlich und fahrlaͤssig handle versuͤndige sich ihm selber, nicht dem Staat. Zu dem Werth der beweglichen und fortgefuͤhrten Habe ward auch der des Bodens hinzugefuͤgt, von dessen Schaͤtzung die Republik den Zehenten zu entrichten hatte: so weit er vor dem Geluͤbde im Besitz der Vejenter, und durch den Sieg gewonnen war. Eine Einschraͤn- kung welche diesen Gegenstand unbedeutend machte, in- dem außer Veji wohl nur wenige andere feste Orte, uͤber deren Eroberung nach dem Fall der Stadt die Geschichte schweigt, den Roͤmern noch nicht unterworfen waren, die schon das ganze flache Land beherrschten. Fuͤr den Er- trag der saͤmmtlichen Steuer ward ein goldner Krater, dessen Gewicht auf acht Talente angegeben wird, ver- fertigt, und nach Delphi gesandt. Die Angabe des Ge- wichts, wenn sie aus alten roͤmischen Schriftstellern ent- lehnt ist, und grade uͤber Dinge dieser Art darf man am ersten alte Autoritaͤten erwarten und ihnen glauben, muß, wie bey einem andern Fall dargethan ist Th. I. S. 297. Auch in diesem Fall kehrte dem Wort , von alten italischen Talenten verstanden werden, zu hundert Pfunden: welches, wenn man das Verhaͤltniß des Gol- des zum Silber wie Zehn zu Eins annimmt, einen Werth von achtzig Talenten Silber, oder 800,000 De- narien ergiebt. Ein großes Geschenk an eine fremde Gottheit, waͤhrend die einheimischen hoͤchstens Feste, ge- woͤhnlich nur spaͤrliche Gaben verlangten: bedeutend ge- nug um die Groͤße der Eroberung darzuthun: aber auch, wenn Veji mit einigem Recht an Groͤße mit Rom ver- glichen, an Reichthum hoͤher geschaͤtzt wird, mit jeder Kuͤrzung fuͤr den Werth der schon eingenommenen Land- schaft, und fuͤr leichtsinnige Gewissen, hinreichend ge- ring um die vorhergehenden Berechnungen des geringen Betrags steuerbares Vermoͤgens, und der Unmoͤglichkeit großer Geldaufbringungen zu Rom darzuthun. Histo- risch wird die Sendung des Geschenks nach Delphi durch die Notiz daß es im Thesaurus der Massilienser aufge- stellt sey Diodor XIV. c. 93. : wodurch auch die Erzaͤhlung dieser Stadt von ihrem uralten Buͤndniß mit Rom bewiesen wird Justin XLIII. c. 5. : dann durch die Aufbringung der roͤmischen Triremis nach Lipara, und den Schutz, welchen sie dort von Ti- masitheus erfuhr, der sie nach ihrer Bestimmung ent- ließ, und mit dem der Senat zum Dank ein Gastrecht nach griechischer Sitte schloß, welches seine Nachkom- men im ersten punischen Kriege rettete. Von der zwie- spaͤter seine urspruͤngliche Bedeutung zuruͤck: im sinkenden Reich ist ein Centner und ein Talent edles Metalls wieder gleichbedeutend. fachen Erzaͤhlung, die Triremis sey von liparaͤischen Kor- saren, oder sie sey von Schiffen dieser Stadt als eine Korsarengaleere aufgebracht worden, ist die letzte welche sich nur allein bey Plutarch findet Plutarch Camill. p. 133. C. weit die wahr- scheinlichste: denn die latinische Kuͤste war wie Tyrrhe- nien wegen Seeraͤuberey uͤbelberuͤchtigt; ein tyrrhenischer Seeraͤuber Postumius, dessen Nahme ihn als Latiner verraͤth, ward von Timoleon ergriffen und hingerich- tet Im Jahr vor dem großen latinischen Krieg. Diodor XVI. c. 82. ; und Antium trieb das Gewerbe gegen die Grie- chen selbst noch unter roͤmischer Herrschaft Strabo V. c. 3. §. 5. , daher Schiffe aus diesen Gegenden in griechischen Gewaͤssern keine freundliche Aufnahme erwarten konnten. Die verbuͤndeten etruskischen Staͤdte waren souve- raine Orte, deren jede eine große Landschaft beherrschte, in deren Umfang kleinere Staͤdte von ihnen abhingen. Die lauen und mißlungenen Bestrebungen der naͤchsten etruskischen Voͤlker im vejentischen Kriege, zogen, als durch den Fall von Veji das ganze Gebiet dieser Stadt unter die Herrschaft der Roͤmer gekommen war, ihre Waffen tiefer in Etrurien hinein, und ohne das galli- sche Ungluͤck wuͤrden die vorliegenden Orte dieses Landes wahrscheinlich bald unter Roms Gewalt gerathen seyn. Capena verließ die Falisker durch Schließung eines ab- gesonderten Friedens. Die Falisker wurden von Ca- millus unter den Mauern ihrer Stadt, Falerii, geschla- gen, gen, und ihr Lager erobert (361), doch hatte der roͤmi- sche Feldherr um so weniger Hoffnung eine starke und uͤberfluͤssig mit Lebensmitteln versehene Festung einzu- nehmen, da das Volk heftig murrte daß die Patricier sich den Besitz der vejentischen Feldmark theilten, und sehr unwillig die Anstrengungen und Aufopferungen eines neuen, nicht weniger langwierigen und viel entfernteren Kriegs ertragen haben wuͤrde. Jedermann kennt die Er- zaͤhlung, wie ein Lehrer vornehmer Knaben zu Falerii seine Schuͤler verraͤtherisch in das roͤmische Lager fuͤhrte, und Camillus Edelmuth die Falisker zur Unterwerfung bewogen haben soll. Unterwerfung aber, wie Livius die Bitte um Frieden nennt, war der geschlossene Vertrag gewiß nicht: denn 37 Jahre spaͤter, im Jahr 398, er- scheinen die Falisker, verbuͤndet mit Tarquinii, als Roms offene Feinde; nicht wie Rebellen, sondern als ein unabhaͤngiges Volk. Bis dahin war ungestoͤrter Friede, und so scheint es hoͤchst wahrscheinlich daß, nach der etruskischen Sitte Waffenstillstand auf bestimmte Zeit, und gewoͤhnlich entweder auf zwanzig oder auf vierzig cyclische Jahre abzuschließen, im Jahr 361 ein Vertrag fuͤr die zuletzt genannte Zeit geschlossen ward, der, still- schweigend oder durch Uebereinkunft, wie der letzte ve- jentische, drey Jahre uͤber sein Ziel fortgedauert hatte. Mit diesem Vertrag verknuͤpft sich die den Faliskern aufgelegte Verbindlichkeit den Sold der Armee auf ein Jahr zu zahlen, eben wie bey dem volsiniensischen Waf- fenstillstand Livius V. c. 32. : und weit natuͤrlicher als mit der Er- Zweiter Theil. Q zaͤhlung der unbedingten Unterwerfung, wodurch nach roͤmischem Voͤlkerrecht die Nation entwaffnet, durch Geis- seln und Besatzung gebunden, ihre Landschaft des Ober- herrn Eigenthum ward. Unmittelbar nach der Wiedereroberung der Stadt finden wir Rom im Besitz der Schutzherrschaft uͤber zwey etruskische Staͤdte, Sutrium und Nepet, welche, zwi- schen Veji und Volsinii gelegen, lange nachher die Graͤnz- festungen des roͤmischen Gebiets gegen Etrurien aus- machten. Unabhaͤngig waren diese Orte sicher nicht ge- wesen, aber welcher souverainen Stadt sie von den Roͤ- mern entrissen wurden, und wann, daruͤber schweigt Li- vius. Als die Zeit der Einnahme von Sutrium scheint Diodor das Jahr 361 anzugeben Diodor XIV. c. 98. : er erwaͤhnt eines Zugs gegen diese Stadt nach dem Friedensschluß mit den Faliskern. Wahrscheinlich waren also beyde Orte dem vor Alters sehr großen Volsinii unterthaͤnig, wahr- scheinlich auch ergaben sie sich den Roͤmern freywillig, weil sie verbuͤndete Staͤdte genannt werden: und die An- nahme ihrer Unterwerfung erregte vermuthlich den fol- genden Krieg mit Volsinii. Diesen entschied im zweyten Feldzug ein großer Sieg der Roͤmer, nach dem achttau- send Etrusker die Waffen streckten. Ein zwanzigjaͤhriger Waffenstillstand ward unter der Bedingung geschlossen daß die Volsinienser den Sold eines Jahrs fuͤr die roͤmische Armee zahlten Eine Nation welche sonst nie genannt wird, die Salpinaten, war in diesem Kriege mit Volsinii verbuͤndet. Livius V. c. 31. 32. . Die volskischen und aͤquischen Kriege dieses Zeit- raums sind unbedeutend, als die sinkender und ermatte- ter Voͤlker gegen ein sich innerlich staͤrkendes, dessen Kraͤf- ten wichtigere Zwecke eine andre Richtung geben. Diesen Kriegen genuͤgten die Latiner und Herniker, waͤhrend die Roͤmer gegen Veji stritten, und diese sandten nur als- dann Truppen wenn ihre eigenen Besitzungen angegrif- fen wurden. Anxur war durch die Nachlaͤssigkeit der Garnison verlohren, von der die meisten Soldaten sich auf Urlaub zerstreut hatten um Handel zu treiben, waͤh- rend volskische Kaufleute ohne Unterschied zugelassen wur- den (353): welches mitten in einem feindlichen Lande sonderbar erscheint, aber, wie schon gezeigt worden, im Verkehr der Friedensmonate leicht moͤglich war. Nach zwey Jahren ward dieser wichtige Ort wiedererobert. Ohne Folgen, wie wahrscheinlich ohne innere Erheblich- keit, waren die abwechselnden Siege der Roͤmer und Aequer in den letzten Jahren dieses Zeitraums: aber ein empfindlicher Verlust traf jene durch die Zerstoͤrung einer Colonie Vitellia (362). Der strafwuͤrdige Egoismus der Tribunen M’. Ser- gius und L. Virginius bewog den Senat eine Macht auszuuͤben, deren Besitz nachher, als der Geist der Ver- fassung sich aͤnderte, an das Volk uͤberging: die Magi- stratur zu noͤthigen ihre Wuͤrde vor der Zeit niederzu- legen. Dadurch daß dieses geschah, oder entdeckte ir- rige Auspicien bey der Wahl eine vorzeitige Abdankung geboten, oder im Gegentheil das Jahr ohne Comitien verfloß, und mehrere Interregnen sich folgten, geschah Q 2 es daß der Anfang der Magistratur bald fruͤher, bald spaͤter versetzt ward. Jene Ahndung genuͤgte dem Se- nat, und er wollte den Tribunen nicht gestatten die Feldherrn vor das Volksgericht zu ziehen, deren Ver- fahren er selbst als strafwuͤrdig bezeichnet hatte. Des- wegen, und um das Murren uͤber die Ungerechtigkeit der Besteurung zu entfernen, strebten die Patricier die Wahl der neuen Volkstribunen zu stoͤren, und gegen das Tre- bonische Gesetz eine Cooptation der fehlenden; gegen das Grundgesetz Ergaͤnzung durch Mitstaͤnde zu bewuͤrken. Jenes gelang, dieses nicht: der Zweck aber ward ganz verfehlt. Acht Tribunen waren von Volk erwaͤhlt, sie strebten durch eifrige Erfuͤllung ihres Berufs Vergessen- heit fuͤr ihre Schwaͤche bey der Uebertretung des Tre- bonischen Gesetzes zu erlangen; und die cooptirten wag- ten es nicht die gegen ihre Goͤnner uͤbernommenen Ver- pflichtungen zu erfuͤllen. Die abgesetzten Militartribu- nen wurden vom Volk in eine Mult verurtheilt. Und bey dieser Ahndung der beleidigten Majestaͤt der Repu- blik, zwiefach beleidigt durch die Bemuͤhung die Schul- digen ihrer Strafe zu entziehen, beruhigten die Volks- tribunen sich nicht. Sie untersagten die Erhebung der einseitigen und ungerechten Vermoͤgenssteuer, und die Armee, wohl wissend daß ihr nicht der Sold mißgoͤnnt sondern Uebernahme wenigstens eines großen Theils des- selben auf die rechtmaͤßige Einnahme der Republik vom Gemeinlande gefordert werde, war im Begriff sich gegen den Senat zu empoͤren da die Zahlung ausblieb. Diese Gefahr schreckte die Patricier so, daß sie, in der Wahl entweder Abgaben zu zahlen, oder die Ernennung plebejischer Militartribunen zu gestatten, sich durch einen Vergleich mit den Volkstribunen fuͤr das letzte entschie- den. Von sechs Militartribunen des Jahrs 355 waren fuͤnf Plebejer; nicht, wie Livius mit einer bey ihm nicht auffallenden Unkenntniß des Standes bekannter aber in seiner Zeit erloschner Geschlechter sagt, nur der einzige P. Licinius Calvus aus diesem Stande erwaͤhlt; und eben denselben Ausgang hatten die Comitien fuͤr das folgende Jahr. Die Regierung dieser Tribunen war un- straͤflich und ruͤhmlich: aber die Patricier glaubten die Macht verlohren, nicht getheilt zu haben: der Senat war ruhig daß die Volkstribunen dem vejentischen Krieg nicht durch Opposition gegen die Steuern den nahe scheinenden Sieg entziehen wuͤrden: und man erlangte (357) daß alle Militartribunen aus den Patriciern ge- waͤhlt wurden, indem die Priester die Gemuͤther aͤngstig- ten, daß ein ungewoͤhnlich harter Winter, in dem die Tiber durch Eis unschiffbar war, und ein seuchenvoller Sommer den Unwillen der Goͤtter wegen Uebertragung der Auspicien an eine unbefugte Kaste verkuͤndigten. Im folgenden Jahr war die Wahl den Patriciern aufs neue guͤnstig. So erzaͤhlt Livius diese Vorfaͤlle; aber die Wahl des Jahrs 359 welche nur Plebejer enthaͤlt, die Bewe- gungen welche ihr vorangingen, und die Uebereinkunft vor den Comitien daß, wie er ferner sagt, der groͤßte Theil der Militartribunen aus den Plebejern gewaͤhlt werden solle; — eine Vereinigung die nur den vorsitzen- den Magistrat, und die Curien wegen der Annahme von Stimmen und der Anerkennung, nicht das Volk zu ver- pflichten bestimmt seyn konnte — laͤßt vielmehr vermu- then daß Senat und Tribunen sich fruͤher verglichen hatten, abwechselnd Jahr um Jahr solle die Regierung aus einem der beyden Staͤnde erwaͤhlt werden: der Se- nat aber den Vergleich nicht hielt. Nach diesem Jahr, in dem Veji fiel, zaͤhlt dieser Zeitraum keine plebejische Militartribunen mehr; und zweymal ward jede Frage von der Erwaͤhlbarkeit eines Plebejers durch Consular- comitien aufgehoben. Nach der Einnahme von Veji erneuerte sich der Zwist uͤber den Besitz der erworbenen Domaine um so heftiger, je groͤßer die Wichtigkeit der Eroberung, und je schnoͤder die Anmaaßung der Patricier war, die ge- wonnene Landschaft sich zu theilen, den Vortheil des Eigenthuͤmers von ihr zu ziehen, und sie ohne Abgabe zu besitzen. Die Geschichte schreibt den Volkstribunen den sinnlosen Gesetzvorschlag zu: die ganze Nation solle sich zwischen Rom und Veji theilen: eine Haͤlfte des Senats solle mit einer Haͤlfte des Volks die eroberte Stadt bewohnen, die Rom durch die Schoͤnheit ihrer Gebaͤude weit uͤbertraf; und solle sich doch so getheilt als ein Ganzes verwalten. Ein so unsinniger Vorschlag haͤtte den heftigsten Widerstand des Senats gerechtfer- tigt. Aber viel groͤßere Wahrscheinlichkeit hat es daß der Antrag dahin ging, diesesmal das ganze eroberte Land zu theilen, aber unter die ganze Nation: so daß auch die Patricier mit ihren Clienten einen Antheil als Eigenthum empfingen: daher die Erwaͤhnung des Se- nats nach der Ideengewoͤhnung des siebenten und achten Jahrhunderts: dagegen haͤtten sie in diesem Fall das alte Benutzungsrecht des Gemeinlandes nicht in Ausuͤbung bringen koͤnnen. Einem Theil waͤren dann auch Haͤuser in der nicht verwuͤsteten Stadt angewiesen worden; doch konnte es die Absicht nicht seyn sie anders als in der Form einer Praͤfectur zu verwalten, und das haͤtte die Einheit der Republik in keine Gefahr gebracht. Aber neben den Bedingungen der Theilung welche dem Eigennutz der Patricier mißfielen, mußte sie auch die Macht beunruhigen welche die Ansiedelung eines großen Theils des Volks in einer festen Stadt im Fall einer neuen Secession den Plebejern gewaͤhrte: von Veji waͤ- ren die Drohungen der Gekraͤnkten weit furchtbarer ge- wesen als vom heiligen Berge. Zuerst versuchte der Senat das Volk durch die Theilung eines Districts im Volskerlande zu beruhigen; aber ein Geschenk welches nur einer kleinen Anzahl gewaͤhrt, ihr in duͤrftigem Maaß in einer unsichern Gegend gegeben ward, und sie vom Vaterland entfernte, mußte ohne Erfolg bleiben. Nach dreyjaͤhrigem Hader gab der Senat nach, als das Volk nicht laͤnger auf der Anweisung der Stadr Veji bestand, und ertheilte jedem Plebejer sieben Jugern im vejentischen Gebiet. Es wird hinzugesetzt, dieses herkoͤmmliche, vielleicht gesetzliche, Maaß sey diesesmal nicht auf die Familienvaͤter beschraͤnkt, sondern jeder freye Kopf im Hause gezaͤhlt worden, um zahlreichen Familien wohlzuthun. Auf diese Freygebigkeit bezieht sich die abweichende Erzaͤhlung einiger Annalen bey Diodor Diodor XIV. c. 102. , es waͤren jedem Buͤrger acht und zwanzig Jugern angewiesen worden, indem fuͤr jeden Hausvater und die Seinigen als Mittelzahl vier Loose gerechnet werden. Ungewiß wie die Volkszahl Roms in jenem Zeitalter ist, wie sehr man sie auch gegen die angebli- chen Zahlen der alten Censusregister herabstimmt, er- scheint doch die Flaͤche, welche nach dieser Norm getheilt seyn muͤßte, unglaublich: besonders da das Gebiet von Veji, wie viel auch altitalischer Fleiß gethan haben mochte um Felsen mit Erde zu bedecken, an vielen Or- ten aus nacktem Gestein bestehen soll, und nur Acker und Rebenland getheilt wurden: endlich gewiß ein eben so großer Antheil als Domaine fuͤr den Besitz der Pa- tricier und vieles den Gemeinden blieb die sich Rom unterworfen hatten, und spaͤter das Buͤrgerrecht em- pfingen. Diodor meldet Derselbe ebendas. im Jahr 362 sey eine Colonie nach Circeji gesandt worden; eine Angabe die historisch wichtig scheint, weil diese Colonie aͤlter ist als der gal- lische Krieg, und doch diejenige welche der letzte Koͤnig dort gruͤndete in dem großen volskischen Kriege erobert, und die latinischen Colonisten verjagt waren Livius II. c. 39. , ohne daß der Wiedereroberung gedacht oder es begreiflich waͤre, wie eine einzeln abgesonderte latinische Stadt mit- ten unter den Volskern, so lange diese entschieden uͤber- maͤchtig waren, zwischen Antium und Anxur haͤtte beste- hen koͤnnen. Man moͤchte daher die Colonie im Vols- kerlande, wo im Jahr 360 dreytausend Colonisten jedem 3 7/12 Jugern zugetheilt wurden Livius V. c. 24. , ungeachtet der ab- weichenden Zeitrechnung auf Circeji beziehen, wenn nicht zwey Jahre nachher von einer sonst nie genannten Co- lonie Vitellia erzaͤhlt wuͤrde, sie sey von den Aequern uͤberrascht worden Ebendas. c. 29. , worauf, je mehr eine neue Co- lonie beydes schwaͤcher war und die benachbarten mehr erzuͤrnte als eine aͤltere, jene Anweisung also eine wahr- scheinlichere Beziehung findet. Aequisches und volski- sches Gebiet wird so achtlos verwirrt, daß der Ort, wahr- scheinlich ein Berg, Verrugo, den die Roͤmer zum Sitz von Streifereyen an der Graͤnze mehrmals befestigten, ganz unentschieden zu dem einen und zu dem andern Lande gerechnet wird Derselbe IV. c. 1. V. c. 28. . Wenn man wahrnimmt wie Camillus das Volk ver- achtete und haßte, wie er es bey jedem Anlaß, als Feld- herr durch Entziehung der Beute, als Proconsulartri- bun und Senator durch Verweigerung eines Antheils an der Regierung und an dem eroberten Lande anfein- dete, wie der Senat bey diesen Irrungen ihn immer als Haupt der Faction anerkannte; dann ist es weniger auffallend daß auch das Volk seiner Verdienste als Feld- herr vergaß und ihn in eine Mult verurtheilte. Selbst nach Livius Erzaͤhlung ist es falsch daß er durch ein Ur- theil des Volks verbannt sey. Er ward, wie es jeder Buͤrger ertragen mußte, von der Volksversammlung verurtheilt: aber er ertrug die Beleidigung nicht, vor Gericht gestellt zu werden, und verbannte sich selbst an- statt zu erscheinen, obgleich seine Tribulen und Clienten sich bereit erklaͤrten die Mult welche von den Volkstri- bunen gegen ihn angetragen war fuͤr ihn zu zahlen. Wir sind weit entfernt diesen Stolz zu tadeln, da Ca- millus den Muth hatte seine Folgen zu ertragen: aber sein Charakter als Buͤrger war und blieb strafwuͤrdig, und mit der allgemeinen Freyheit unvertraͤglich. Auf- fallend ist es daß er angeklagt ward einen Theil der ve- jentischen Beute sich zugeeignet zu haben, und daß, nicht als ein loses Geruͤcht, hinzugefuͤgt wird: man habe in seinem Hause eherne Thuͤren aus dieser Beute bemerkt Plutarch Camill. p. 134. E. . Eine Anklage die gegen Cincinnatus nie erhoben wor- den waͤre: und es erregt ein, bey dem Andenken an einen großen Mann, wie groß auch seine politischen Suͤnden waren, sehr unangenehmes Gefuͤhl, daß die welche sich bereit erklaͤrten fuͤr ihn, nach der Pflicht ihres ange- stammten Verhaͤltnisses, die Strafe zu zahlen, ihm zu- gleich bekannten: freysprechen koͤnnten sie ihn nicht Livius V. c. 32. Se collaturos quanti damnatus esset, absolvere eum non posse. . Nach Diodor Diodor XIV. c. ult. haben einige Annalen die Multation des Camillus bey einem ganz andern Zeitpunkt, einige gar nicht erwaͤhnt. Angenommen daß sie historisch zu- verlaͤssig sey, so war das Gebet eines freywillig Aus- wandernden, aus Stolz sich selbst verbannenden, graͤß- lich, daß die Goͤtter ihn bald der Nation nothwendig machen moͤchten. Den griechischen Helden fehlte manche Tugend, die Reinheit welche die Roͤmer der schoͤnsten Zeit der Republik, besonders des fuͤnften Jahrhunderts, schmuͤckte; aber so ruchlos beteten sie nicht: auch De- mosthenes nicht. Von den Celten und ihrer Einwan- derung in Italien . Die Macht Roms hatte sich waͤhrend dieses Zeit- raums reissend und erstaunenswuͤrdig entwickelt. Die Graͤnze welche damals gegen Etrurien gebildet war er- weiterte sich waͤhrend fuͤnf und siebzig Jahren nicht mehr: sie schien sogar unuͤberschreitbar, und es war voͤllig ver- gessen daß die roͤmischen Legionen einst jenseits des ci- minischen Waldes Krieg gefuͤhrt hatten. So schwer fiel die Republik durch die gallische Einnahme. Staͤdte welche dem erwachsenen Rom dreyßig Jahre lang wi- derstanden, beugten sich damals schon vor seiner Ober- macht: freylich galt es spaͤter Unterjochung, jetzt nur Loskauf von Pluͤnderungen um einen Theil der Schaͤtze an denen die etruskischen Orte statt an Buͤrgern reich waren. Freylich dankte Rom seine entschiedene Uebermacht in diesen Kriegen der gleichzeitigen gallischen Voͤlkerwan- derung welcher die etruskische Nation unterlag. Aber Vortheile, gewonnen durch Benutzung der Noth welche die Siege eines anderen weit maͤchtigeren Volks uͤber die Angegriffenen brachten, dauern nicht laͤnger als bis dieses sich gegen den Staat wendet der den guͤnstigen Augenblick zu seiner Vergroͤßerung benutzte; und die Freude mit der Rom die etruskischen Niederlagen am Po vernommen haben mag, verkehrte sich in Angst, als die Eroberer das adriatische Meer erreichten, die Apen- ninen uͤberstiegen, und Clusium belagerten. Schreckli- cher als Etrurien fiel Rom unter diesem Ungewitter; der Genius der Republik errettete sie durch wunderba- res Gluͤck; Gluͤck war es auch daß gleiches Schicksal weit und breit die italischen Voͤlker traf, mit denen die Stadt sich maaß; und die Vortrefflichkeit der Nation glaͤnzte in den weisen Anstrengungen womit sie, von dem Augenblick als Besonnenheit wiedergekehrt war, sich von ihrem tiefen Fall erhob: einem Augenblick den traͤge Ver- saͤumniß, oder noch schlimmere thoͤrichte Vergeudung der geretteten Kraͤfte auf ewig verscherzt, und Rom dem Untergang hingegeben haͤtten. Die, welche entweder aus einer gewaͤhnten Glau- benspflicht, oder aus einer genealogischen, fuͤr die Man- nichfaltigkeit der aͤltesten Staͤmme und die Analogie der Natur verschlossenen Ansicht, alle Voͤlker von einem Ursprung, und aus einer ausgezeichneten Gegend ablei- ten, — durch die Zerstreuung der uͤber die oͤde Erde ver- wehten Geschlechter durchaus passiver, an Gestalt, Sin- nesart und Sprache durch aͤußere Umstaͤnde zu formender Geschoͤpfe, aus denen allmaͤhlich hier Griechen, dort Neu- hollaͤnder wurden, — muͤssen von der Erscheinung betrof- fen seyn, daß, wider die auch in der Geschichte unver- letzte Regel daß der Strohm nicht zu seiner Quelle zu- ruͤckkehrt, die Celten, aus dem westlichsten Europa aus- wandernd, wieder bis in Vorasien gekommen seyn soll- ten. Den ersten freylich weicht jede Schwierigkeit die- ser Art, als ein allerdings sonderbares Factum, vor einer ihnen weit gewisseren Wahrheit, so wie die be- stimmten Wunder, wodurch sie die Umwandlung von Gestalt und Sprache erklaͤren, ihren Glauben weit uͤber die schaale Oberflaͤchlichkeit des deutenden Wahns der zweyten Ansicht erheben; denn gerade dadurch erkennen sie seine Unvernunft. Nach einer andern Ueberzeugung, gegruͤndet auf der Erdoberflaͤche Vertheilung unter verschiedene Geschlechter des Lebens, als Gott sie fuͤr die gegenwaͤrtige Form der Naturentwickelung belebte, waren die Celten ein urspruͤngliches außerordentlich gro- ßes Volk des Westens, welches, bey dem Anfang seiner Geschichte, außer fast ganz Gallien, die britannischen In- seln und einen großen Theil von Iberien bewohnte. Im allgemeinen scheint dieses Riesenvolk, wie die Slavonier der spaͤteren Geschichte, eine große innere Gleichfoͤrmig- keit gehabt, und kaum in wenige merklich verschiedene Staͤmme getheilt gewesen zu seyn; wie viele Voͤlker- schaften sie auch enthielt. Doch moͤchten die Belgen ein solcher Stamm gewesen seyn, wenn man anders mit Recht ihre Sprache in der Kymrischen erkennt, welche von der Galischen mehr als die Litthauische von den Slavischen abweicht, und nicht bloß durch die Beymi- schung deutscher Eroberer geaͤndert seyn kann. Das hohe Alter der celtischen Bevoͤlkerung Britanniens ist klar durch die Einwanderung der Belgen welche die alten Bewohner von der suͤdlichen Kuͤste der Insel verdraͤng- ten. Es war auch Tradition der Druiden, ein Theil ihrer Nation habe einheimisch urspruͤnglich Gallien be- wohnt: ein andrer sey von den aͤußersten Inseln, und uͤber den Rhein her eingewandert Ammianus Marcellinus XV. c. 9. . So ist es auch mit nichten gewiß, was gewoͤhnlich als zweifellos an- genommen wird, daß die Celten Iberiens — außer den Celtiberiern die Celtiker am Anas und Minius — ein- gewanderte gallische Fremdlinge waren. Eine bestimmte Sage daruͤber findet sich nicht einmal Nicht bey Diodor V. c. 33., welcher nach Timaͤus oder Posidonius schrieb, und nur von den langwierigen Kriegen redet welche mit der Verschmelzung der Celten und Iberer geendigt haͤtten. Strabo freylich nimmt die Einwanderung der Celten an: es ist schon bemerkt daß jede große Wande- rung leicht in den beyden entgegengeseßten Richtungen er- zaͤhlt wird. . Aber die Iberer in Aquitanien Strabo IV. c. 1. in. und Narbonensis Bis an den Rhodanus vermischt mit den Ligurern. Sky- lax p. 2. , von den Pyrenaͤen in die Ebenen hinein mit unbestimmten Graͤn- zen wohnend, erscheinen vielmehr als Eingewanderte in Gallien, welche dort Celten, hier Ligurer aus ihren Wohnsitzen gedraͤngt, oder als herrschendes Volk sich unterworfen haben. So zerrissen und entfernt wie die Celtiker im westlichen Iberien, erhalten sich wohl ein- zelne tapfere Reste einer uͤberwaͤltigten Nation, aber so siedelt sich keine einwandernde an. Eben so ist in den Wohnsitzen der Celtiberer eine Gegend nicht zu verken- nen, in der sich eine aus lachenderen Landschaften zu- ruͤckgedraͤngte Nation behauptet. Ihr Land war das Gebuͤrge welches den Lauf des Iberus vom Baͤtis und von den westlich fließenden Stroͤhmen absondert, und der obere Theil dieser Gewaͤsser, des Tagus und Du- rius. Die Celtiberer waren, wie es ihr Nahme sagt, eine Mischung von Celten und Iberern Diodor V. c. 33. , aber in al- lem was wir von ihnen wissen ist der iberische Cha- rakter so sichtbar, daß es bey aufmerksamer Erwaͤgung keinen Zweifel leiden kann daß die Iberer das vorherr- schende Volk waren, welches zuletzt auch das Gebuͤrge eingenommen, und sich mit den Celten vereinigt hatte. Ihre Sitten enthalten keine Spur celtischer Art: ihre Nahmen sind iberisch nicht celtisch: ihre Verfassung ist republikanisch frey. Die Celten in Gallien waren damals ein ungleich roheres Volk als jenes welches Caͤsar von fruͤheren roͤ- mischen Siegen und innerer Zerruͤttung erschuͤttert, durch Abhaͤngigkeit vom Genuß der Erzeugnisse fremder Laͤn- der verweichlicht fand: die furchtbarste Nation des al- ten Europa. Ihre Schilderung bey Polybius Polybius II. c. 17. und bey Diodor, wahrscheinlich zum Theil aus Timaͤus ent- lehnt Diodor V. c. 24. ff. , giebt uns ein bestimmtes Bild ihres damali- gen Seyns, welches sich aus Caͤsar und den roͤmischen Schriftstellern, ohne Furcht den Zustand verschiedener Jahrhunderte zu vermengen, ergaͤnzen laͤßt. Sie waren in viele Voͤlkerschaften getheilt; doch so daß eine den Vorrang und einen freywillig anerkannten Einfluß uͤber die andern, welcher der Oberherrschaft nahe gekommen zu seyn scheint, ausuͤbte. Misbrauch dieses Vorrangs, und die Unfaͤhigkeit in einer Bundesverfassung Sicher- heit dagegen zu finden, bewog einen Theil dieser Voͤl- ker sich von dem herrschenden, in alten Tagen den Bi- turigern, abzureissen, und dem maͤchtigsten unter ihnen dieselbe Hoheit zu verleihen. So aͤnderten sich mehr- mals die herrschenden Staaten: das System blieb. Eben so schuͤtzten sich die einzelnen Voͤlker gegen innere Ty- ranney nicht durch Verfassung und Gesetze, sondern indem die Buͤrger sich gegen den Unterdruͤcker an einen andern Maͤchtigen anschlossen. Die Druiden und Prie- ster besaßen eigenthuͤmliche Wissenschaften, Astronomie und Naturkunde waren ihnen nicht fremd, und der große Caͤsar, dessen Kenntnisse nicht geringer waren als sein Geist und Urtheil, spricht nicht veraͤchtlich von ihrem Wissen. Sie hatten auch Poesie, und gebrauchten sie zum Gewand der Wissenschaft. Ihre Kenntnisse waren einheimisch, aͤlter als die Einfuͤhrung der Buchstaben- schrift, deren Gebrauch sie fuͤr diese verschmaͤhten, ob- gleich sie zum Beduͤrfniß des Lebens angewandt ward. Sie lehrten Unsterblichkeit: aber ihre Religion war voll Greuel, und das Werkzeug eines frevelhaften Priester- despotismus. Nur der Adel hatte Ansehen: das Volk lebte in der demuͤthigsten Clientel; einem Verhaͤltniß wie es sich in Irrland bis vor zweyhundert Jahren erhielt. Die Zweykaͤmpfe und die wilde Voͤllerey sind ein Eben- bild des rohesten Mittelalters. Staͤdte waren selten, die Haͤuser Haͤuser der sehr zahlreichen Doͤrfer elend: ihr Geraͤth armseelig: Ackerbau fuͤr das Beduͤrfniß: Weinbau und alle Gewaͤchse suͤdlicher Gegenden diesseits der Alpen ganz fremd, in einem Clima welches damals aͤußerst rauh war. Reich waren sie an Heerden, und an Gold, welches der Sand der Fluͤsse, und einige durch diese ent- deckte und bearbeitete Bergwerke gaben. Mit Gold schmuͤckte sich jeder wohlhabende Gallier, und wenn er in der Schlacht nackt erschien, so trug er doch goldne Ketten an den Armen, und dicke goldne Ringe um den Hals. Ihre bunten, gewuͤrfelten, mit Regenbogenfar- ben schimmernden Maͤntel sind noch die mahlerische Tracht ihrer Stammgenossen der Bergschotten, welche die Brak- ken der alten Gallier abgelegt haben. Große Koͤrper, ein langes struppichtes gelbes Haar, wilde Zuͤge, mach- ten ihren Anblick furchtbar: ihre Gestalt, ihr wilder Muth, ihre unermeßliche Zahl, der betaͤubende Laͤrm einer ungeheuern Menge Hoͤrner und Trompeten bey ih- ren Heeren, und die graͤßlichen Verwuͤstungen welche dem Siege folgten, laͤhmten die Voͤlker welche sie uͤber- zogen mit Entsetzen. Ihr Kriegssinn war groß; doch fehlte ihnen Einheit, Gehorsam gegen ihre Feldherrn, und Ausdauer. Auch waren ihre Waffen schlecht: sie hat- ten selten Harnische; ihre Schilde waren schwach und un- geschickt: sie warfen sich auf den Feind mit breiten, schlecht gestaͤhlten, sehr schwachen Schlachtschwerdtern Die Claymores der Hochlaͤnder, welche bey Killikranky und Prestonpans gegen Artillerie und regulaͤre Truppen entschieden, sind gleicher Art, aber weit tuͤchtiger. , die Zweiter Theil. R oft durch den ersten Hieb auf Eisen gebogen und un- brauchbar wurden: leichte Truppen hatten sie nicht, und wußten sich ihrer nicht zu erwehren. Ueber den Zeitpunkt ihrer Einwanderung in Italien finden sich zwey aͤußerst verschiedene Angaben: eine bey Livius Livius V. c. 34. , der Urquell der allgemein herrschenden Mei- nung von der zwiefachen Auswanderung unter Bellove- sus und Sigovesus, welche sie in die Zeit der Regie- rung des alten Tarquinius setzt; nach der zweyten, an- genommen von allen aͤlteren Schriftstellern, erschienen die Gallier erst zweyhundert Jahre spaͤter, waͤhrend des vejentischen Kriegs. Dies glaubten Polybius Polybius II. c. 17. 18. Diodors Annalisten Diodor XIV. c. 113. , die des Appian Appian Celt. Ecl. de Legat. , offenbar auch Trogus Pompejus Justinus XXIV. c. 4. , wichtig schon deswegen weil er aus einer gallischen Familie abstammte, Dio Cas- sius Zonaras VII. c. 23. , und anders urtheilte auch nicht der Annalist, nach dessen Vorgang Livius die den Vejentern ertheilte Entschuldigung der Etrusker erzaͤhlt: sie koͤnnten ihnen keine Huͤlfe senden; denn sie selbst wuͤrden von den Gal- liern bedroht; einem nie gesehenen Volk, neuen Nach- baren Livius V. c. 17. : und ferner: ein nie gesehener, nie gehoͤrter Feind, vom Oceanus und den aͤußersten Weltenden her- ziehend Derselbe V. c. 57. . Wohl ist es wahr daß die Sage Begebenheiten oft zusammendraͤngt, welche durch Jahrhunderte getrennt waren, und den urspruͤnglichen Anfang mit dem Aus- gang zusammenzieht, zu dem sich die Begebenheit durch eine langsame Folge vorwaͤrts bewegt hat: wohl waͤre es moͤglich daß der Pataviner, wenn er Nachrichten uͤber die gallische Voͤlkerwanderung suchte, genauere Sagen haͤtte entdecken koͤnnen als Polybius zu Rom vernahm: obgleich es doch eine große und diesem ernsten Forscher sonst ganz fremde Nachlaͤssigkeit waͤre, wenn er sich, zweyhundert funfzig Jahre nach der Einnahme Roms, um zwey Jahr- hunderte uͤber den Zeitpunkt der gallischen Einwanderung geirrt haͤtte. Aber Livius Zeitbestimmung beruht sichtbar auf einem Umstand den wir entdecken, und dessen Unan- wendbarkeit zu seinem Zweck wir zeigen koͤnnen. Er nennt die Zeit der Regierung des alten Tarquinius weil er den Uebergang des Bellovesus uͤber die Alpen mit einer histo- risch bestimmten Begebenheit verbindet, der Gruͤndung von Massilia, welche allerdings in diese Zeit, naͤmlich in die 45ste Olympiade gehoͤrt Timaͤus bey Skymnus Chius, v. 210 — 14. . Aber diese Verbindung ist nichtig, denn hier wird angenommen die Salluvier haͤtten die Phokaͤer gehindert sich niederzulassen, und Bellovesus habe sich an die Kuͤste gewandt, um den Segen der Goͤtter durch ein gutes Werk an Fremdlin- gen zu verdienen, die, wie er, neue Sitze suchten, und ihm haͤtten sie sichre Niederlassung verdankt; da es doch aus einheimischen Massilischen Geschichten bekannt ist daß der Koͤnig der Segobrigier, welcher an dieser Kuͤste R 2 herrschte, die Phokaͤer sehr freundlich aufnahm, und einem ihrer Anfuͤhrer seine Tochter vermaͤhlte Justinus XLIII. c. 3. Athenaͤus XIII. p. 576. ed. Ca f . . Mit der Entfernung dieser chronologischen Autoritaͤt sinkt in Livius eigener Erzaͤhlung der ausgedehnte Zeit- raum zusammen. Bellovesus, der uͤber die Alpen der Tauriner geht, schlaͤgt die Etrusker am Ticinus, und gruͤndet Mediolanum im Insubrischen Lande. Dieser Sieg, diese Eroberungen, sind offenbar verbunden mit der Einnahme der großen etruskischen Stadt Melpum in eben dieser Landschaft, welche, nach der Angabe des sorg- faͤltigen Geschichtforschers Cornelius Nepos, eines tuski- schen Transpadaners, gleichzeitig mit Veji fiel (359) Th. I S. 77. . Hat Livius von dieser gewußt, so ist es unbegreiflich wie er sich mit der Vorstellung beruhigte, die ungeheure Zahl der einwandernden Gallier waͤre zweyhundert Jahre lang in dem engen Winkel zwischen den hohen westlichen Alpen und dem Ticinus ruhig gewesen. War es ihm auch unbe- kannt, so verkennt er doch nicht weniger den sichtbaren Charakter der Voͤlkerwanderung; die uͤberstroͤmende Ge- walt zahlreicher Nationen, die sich bis in Apulien schnell und unwiderstehlich ausbreiteten: ja fast ganz Italien ein- nahmen, waͤhrend die Roͤmer uͤber dem Schutt ihrer Stadt zitterten Justinus XXVIII. c. 2. Vergl. Diodor XIV. c. 117. , und die in sechs Jahren leicht vom Adda bis Rom vordringen konnten. Nicht so Polybius, dessen Mangel an dichterischer Darstellung durch die scharfe Bestimmtheit reichlich verguͤtet wird, womit er sich und uns jede Zeit vergegenwaͤrtigt von der er, waͤre es auch nur voruͤbergehend, redet. Nach ihm wohnten die Gallier bis in die Alpen; die gesegneten Fluren um den Padus waren ihnen, als Benachbarten, wohl bekannt und reizten sie: unerwartet uͤberfielen sie die Etrusker, schlugen diese, und warfen sie aus dem ganzen Lande. Wenige Zeit darauf erschienen sie vor Rom Polybius a. a. O. . Man kann die Einnahme von Melpum wohl nicht unmittelbar auf den ersten Anfang der gallischen Einwan- derung setzen: wenigstens ist es nicht nothwendig. Waͤre es aber auch, so wuͤrden dennoch sechs oder sieben Jahre fuͤr die Folge der Voͤlker, welche nach den ersten Erobe- rern nach Italien hinabkamen, keine zu kurze Frist seyn. Einmal aufgeregt, bedurfte es nicht Menschenalter um Hunderttausende zum Zug uͤber die Alpen aus einer uͤber- fuͤllten Heimath zu bewegen. Der Zug des Sigovesus, oder die Einwanderung der Celten in die Donaugegenden, ist mit dem des Bellovesus verbunden, und sein Alter verschwindet mit diesem. Aber so wenig man auch die alten Zuͤge der Celten uͤber den Rhein bezweifeln kann Caͤsar de bello Gall. VI. c. 24. , eben so wenig darf man ihre Niederlassungen in Noricum, an der Mitteldonau, in Pannonien und Illyricum, von wo sie sich uͤber Griechen- land, Thracien und Vorasien ausbreiteten, von der Ein- wanderung in Italien trennen. Caͤsar, der hoͤchste Zeuge Summus Auctorum Divus Julius. Tacitus Germ. c. 38. , dem die Geschichte der Noriker gewiß nicht fremd war, da sie zu seinen Provinzen gehoͤrten, leitet von den Auswanderungen uͤber den Rhein nur allein die Volker Tektosager ab die unter dem Herkynischen Forst wohnten Caͤsar a. a. O. , nicht die oͤstlichen Celten; ein ganz zu- verlaͤssiger Beweis daß er jenen Zug des Sigovesus nicht glaubte, oder doch ihn nur als Heerfuͤhrer der Volker betrachtete Nach Dio (Zonaras VII. c. 23.) zog ein Theil der Cel- ten uͤber die Alpen: ein anderer unter die rhipaͤischen Ge- buͤrge; eine Erzaͤhlung deren griechischer Ursprung unver- kennbar ist. Vergl. Plutarch Camill. p. 135. E. , der auch von den Rhipaͤen redet. . Die westlichen Graͤnzen des deutschen Volksstamms scheinen seit zweytausend Jahren im Gan- zen unveraͤndert: suͤdlich bis in Wallis hinein wohnten halbdeutsche Voͤlker Livius XXI. c. 38. : also daß die oͤstlichen Celten von dem eigentlichen Gallien ganz geschieden waren. Von Italien, obgleich die Veneter Noricum von Cis- alpinien trennten, hatten sie sich nach Illyrien und Pan- nonien gewandt, und sich einen Weg durch die wider- stehenden Voͤlker gebahnt Justinus XXIV. c. 4. . Hierauf bezieht sich der Ausdruck des Skylax Um die 105te Ol. oder 393; 28 Jahre nach der gallischen Eroberung Roms. , die Celten am innersten Bu- sen des adriatischen Meers, suͤdlich von den Venetern, waͤren von dem Zuge zuruͤckgeblieben ἀπολειφϑέντες τῆς ϛρατείας. Skylax p. 6. . Auch finden wir die Bojer beydes an der Donau und am Padus, so daß wir auf die Absonderung des einen Volks von dem andern schließen koͤnnen. Noch bedeutender ist, daß Celten um das adriatische Meer, welche eine Gesandt- schaft an Alexander schickten, um ihn ohne Furcht uͤber seinen getischen Sieg zu begruͤßen (417) Arrians Anab. Alex. p. 5. a. ed. Steph. den fruͤ- heren Griechen unbekannt sind. Herodot (um 320) kennt nur Illyrier und Triballer in ihren spaͤteren Wohn- sitzen: die Celten als das aͤußerste Volk Europas, naͤchst den Kyneten; die Quellen des Isters im celtischen Lande sind so unbestimmt als des Strohms Ursprung bey Py- rene. Die Triballer bewohnten in seinem Zeitalter die Ebenen des jetzigen Slavoniens und Niederungarns: sein Angrus ist offenbar der Drin: der Brongus die Sau: denn bis an den Einfluß dieses Strohms laͤuft das Ge- buͤrge am suͤdlichen Ufer der Donau fort, und erst in Slavonien beginnt die Ebene Herodot IV. c. 49. . Diese Triballer aber erscheinen zwoͤlf Jahre nach der Einnahme Roms (377. Ol. 101. 1.) in Thracien als ein auswanderndes Volk Diodor XV. c. 36. , aus ihrer Heimath vertrieben von den Skordiskern Appian Illyr. p. 758. a. ed. Steph. , einer Nation von jenen Gallischen die so kurze Zeit nach- her ihr ehemaliges Land bewohnen. Die Kraft einer Voͤlkerwanderung ist in ihrem ersten Beginn am heftig- sten, langsam fortschreitend zeigt sie sich nur wo gewal- tige Massen ihr entgegenstehen: bey der Gewalt der er- sten Anstrengung ist es so wenig auffallend wenn die Celten, zwanzig Jahre nach ihrem Uebergang uͤber die Alpen, schon ein Volk an der Mitteldonau vertrieben hatten, als es vielmehr undenkbar ist daß sie in hundert und siebzig Jahren nach dem Uebergang uͤber den Rhein, in Gegenden wo keine feste Staͤdte ihren Fortgang auf- hielten, noch nicht so weit vorgedrungen waͤren. Der gallische Krieg und die Ein- nahme Roms . Fast uͤber keinen Theil der roͤmischen Geschichte weichen die Sagen so widersprechend ab, als uͤber die- sen gallischen Krieg. Denn die urspruͤngliche Wahrheit hat sich nur in schwachen Umrissen erhalten: dagegen hat geflissentliche Verfaͤlschung ein glaͤnzend ausgemahl- tes Bild aufgestellt, welches jener gewaltsam unterge- schoben ist: als ob der Schutt der Stadt und das un- austilgbare Andenken der Niederlage nicht jedes Ver- suchs spottete, die Schmach auf dem Papier wegzudich- ten. Ich werde aber dennoch was nicht durchaus thoͤ- richt ist zusammenstellen; die Reste alter Dichtung be- wahren; vieles muß, weil es historische Farbe angenom- men hat, als historisch behandelt werden, obwohl es ohne das Alter des Glaubens als auffallende Erdichtung schnell und ganz verworfen werden muͤßte. Vor Clusium soll der Vormund eines Lucumo, un- versoͤhnlich von ihm durch die Verfuͤhrung seines Wei- bes gekraͤnkt, die furchtbaren Feinde gerufen haben, wie Graf Julian die Araber nach Spanien. Eine andere Sage, und vielleicht meint Polybius diese, sagt, durch einen solchen Ungluͤcklichen waͤren sie uͤber die Alpen ein- geladen worden, und er habe sie durch den Reiz des Weins gelockt: der Fuͤlle, und des Besitzes der Reben- huͤgel; sonst freylich verschaffte den Galliern theils Mas- silien gegen gallisches Gold schon seit zwey Jahrhunder- ten griechische und italische Weine, theils auch boten die Alpen, ehe wandernde Voͤlker uͤber sie zogen, offene Han- delsstraßen dar. Die allgemeine Gefahr vereinigte Staa- ten die bis dahin uͤber Obermacht, nicht uͤber das Da- seyn stritten. Die Clusiner flehten um die Huͤlfe der Roͤmer, und diese erkannten, daß die Rettung der vor- liegenden Staͤdte ihre eigene sey. Sie versuchten Ver- mittlung; aber die Gallier verwarfen sie: ihre Bedin- gung war die Abtretung eines Theils der clusinischen Landschaft, nothwendig mit der Unterwerfung der Stadt, in dem Sinn wie die wandernden germanischen Voͤlker die Laͤndereyen der eroberten roͤmischen Provinzen theil- ten. So waren ihnen ohne Zweifel, welches Polybius von vielen Voͤlkern sagt, schon die Umbrer, Italiens aͤltestes und einst groͤßtes Volk, und die Picenter in der kurzen Laufbahn ihrer Siege gehorsam geworden. Nach Diodor Diodor XIV. c. 114. sandte der Senat die Abgeordneten, weni- ger in der thoͤrichten Hoffnung zu vermitteln, als um die Macht der Celten zu erkundschaften. Daruͤber stimmen alle Sagen uͤberein, daß diese roͤ- mischen Abgesandten sich in ein Gefecht zwischen den Clusinern und den Galliern mischten, und von diesen er- kannt wurden. Ein gallischer Anfuͤhrer ward von einem derselben, Q. Fabius, niedergestoßen. Die Beleidigung des Voͤlkerrechts erbitterte die Senoner, auch sie schick- ten Gesandte nach Rom, und forderten die Auslieferung der Schuldigen. Nach Livius schauderte die Senatoren vor der Aufopferung befreundeter Maͤnner; doch um die Verantwortung eines fuͤrchterlichen Kriegs nicht zu tra- gen — um diese elende Scheinberuhigung des Bewußt- seyns war es nur zu thun — uͤberliessen sie dem Volk die Entscheidung. Dieses verweigerte nicht nur die Aus- lieferung: wie zum Trotz erwaͤhlte es die drey Gesand- ten, es waren Fabier und Bruͤder, zu Proconsulartri- bunen. Als die Gallier diesen Ausgang ihrer Gesandt- schaft vernahmen, verliessen sie den clusinischen Krieg und brachen eilig gegen Rom auf: in so schnellen Maͤr- schen daß das roͤmische Heer ihnen kaum elf Millien von der Stadt am Allia begegnete, wo zwischen beyden Heeren, wie sie auf einander trafen, die Schlacht be- gann, deren Andenken und ihres unseligen Tags bis in die spaͤtesten Tage Roms verwuͤnscht blieb. Das roͤmi- sche Heer war nicht zahlreicher als zu einem alltaͤglichen Kriege ausgehoben. In dieser ganzen Erzaͤhlung ist kein Punkt dem nicht pruͤfende Erwaͤgung der Umstaͤnde, oder andre Zeugen widerspraͤchen. Die Schlacht am Allia machte, weil der Quinctilis damals 29 Tage zaͤhlte, den 15ten vor den Sex- tilkalenden, oder den Tag nach den Iden, verrucht Gellius V. c. 17. Livius verkennt den alten Calender. ; eine Zeitbestimmung die wir nur sehr uneigentlich durch den 16ten Julius ausdruͤcken wuͤrden. Fuͤr die Critik der Geschichte aber ist es hinreichend daß die Militartribunen ihre Wuͤrde am ersten Quinctilis antraten, und daß die Wahlen nur durch außerordentliche Umstaͤnde, von denen hier aber kein Wort erwaͤhnt wird, bis an, oder im Fall von Interregnen uͤber das Ende des Jahrs der Magistra- tur verschoben, sonst mehrere Monate fruͤher gehalten wur- den, und daß dieses auch diesmal geschehen war koͤnnen wir nicht einer solchen Erzaͤhlung zu Gefallen bezweifeln. Aber auch zugegeben daß die Wahlen bis an den Ausgang des Magistratjahrs verspaͤtet waͤren, so sind mehr als vierzehn Tage von dem Augenblick da die Gallier die Nachricht empfingen, fuͤr ein erbittertes Heer eine viel zu lange Zeit um eine Entfernung von drey starken Tage- maͤrschen zuruͤckzulegen Polybius II. c. 25. . Diodor sagt nichts von der Ernennung der Gesandten zum Militartribunat: er weiß auch nur von einem dessen Auslieferung, um Blutrache an ihm zu uͤben, gefordert ward, und dieser ist der Sohn eines der Militartribunen, welcher ihn von dem Volk losbittet, nachdem der Senat seinen Schutz auf- gegeben hat. Weit wichtiger aber ist der Unterschied seiner Erzaͤh- lung darin, daß nach den Annalen denen er folgte alle Waffenfaͤhige aufgeboten und ins Feld gefuͤhrt waren, ein Umstand den Roms voͤllige Wehrlosigkeit nach der Schlacht, auch ohne ein historisches Zeugniß, anzuneh- men noͤthigen wuͤrde. Nach Polybius Derselbe II. c. 18. standen sogar die Roͤmer in der ungluͤcklichen Schlacht nicht allein, son- dern ihre Verbuͤndeten theilten die Niederlage. Wie haͤt- ten sich auch Latiner und Herniker einem Feldzug entzie- hen koͤnnen, an dem viel eher Volsker und Aequer, als an einer gemeinsamen Sache Aller, Theil genommen ha- ben koͤnnen? Wo aber waren diese mehr als hunderttausend Waf- fenfaͤhigen der angeblichen alten Censusregister? Wie be- greift die kleine Zahl der Bewaffneten, oder die Vernich- tung der angenommenen Menge, wer mit Plinius ernst- haft glaubt in dem Lustrum vor Eroberung der Stadt waͤ- ren 152,573 Buͤrger gezaͤhlt geworden Plinius H. N. XXXIII. c. 5. Wohlverstanden, alle mannhaft. ? Zwar bey einer solchen waffenruͤstigen Bevoͤlkerung haͤtte es Livius auch nicht erstaunen muͤssen, daß vierzig Jahre spaͤter (406), als das Buͤrgerrecht schon in großer Erweiterung mitgetheilt war, in zehn Legionen, nach der ihm selbst zweifelhaft duͤnkenden Sage der Annalen Erdichtung ist sie allerdings, denn sie redet von Legionen wie sie erst um das Jahr 520 eingerichtet wurden. , fuͤnf und vierzigtausend Mann in einem ganz allgemeinen Aufge- bot bewaffnet wurden. Selbst diese Zahl erreichte das roͤmische Heer in der Schlacht am Allia nicht: obgleich auch die betagten Ausgedienten und die Ungeuͤbten jedes Alters und Standes mitgefuͤhrt wurden. Dennoch zaͤhlten sie nur vierzigtausend Mann Plutarch, Camill p. 137. C. , wahrscheinlich nicht Roͤmer allein, sondern Roͤmer und Latiner, wie sie in Manipeln verbunden waren. Auch wird die Zahl der waffenfaͤhigen Roͤmer waͤhrend die Stadt in feindlicher Gewalt war, ohne die welche auf dem Capitol belagert wurden, nur auf zwanzigtausend geschaͤtzt Zonaras VII. c. 23. . Die eigentliche Armee, auf welche die Republik ver- traute, war aber nur vier und zwanzigtausend Mann stark: diese standen, wie es scheint, den Allia, einen Bergstrohm von sehr hohen Ufern, vor der Fronte, die linke Flanke an die Tiber, die rechte an einen Huͤgel angelehnt, auf dem, als einem Ort der auch fuͤr schlech- tere Truppen durch natuͤrliche Festigkeit haltbar war, die uͤbrigen, mehr eine Zahl als Soldaten, wahrscheinlich die Bejahrten uud die ganz Ungeuͤbten aufgestellt wa- ren Diodor XIV. c. 114. . So weit laͤßt sich die Anordnung des roͤmischen Feldherrn vielleicht nicht tadeln, da er den ungluͤcklichen Entschluß faßte eine Schlacht zu liefern, gegen einen furchtbaren und weit uͤberlegnen Feind, dessen Zahl auf siebzigtausend angegeben wird: denn die Senoner, welche vor Clusium erschienen waren, hatten große Verstaͤrkun- gen neuer Einwanderer an sich gezogen. Aber im Allge- meinen ist Livius Ausspruch hoͤchst wahr daß eine entsetz- liche Verblendung die Roͤmer in das Verderben stuͤrzte. Man uͤberließ die Republik, der Dictatur uneingedenk, alltaͤglichen Anfuͤhrern, welche fuͤr gewoͤhnliche Zeiten er- nannt waren: nicht die gemeinste Vorsicht, die in ge- woͤhnlichen und fast gleichguͤltigen Kriegen nie versaͤumt ward, war beobachtet; das Lager war nicht verschanzt; nichts fuͤr einen Ruͤckzug angeordnet; an die Befestigung und Vertheidigung der Stadt, deren Schicksal ganz al- lein von dem Sieg oder der Niederlage des Heers ab- hing, war nicht gedacht. Es war eine taumelnde Eile zur Schlacht, wohl nicht aus waͤhnender Siegstrunkenheit: vielmehr, weil die Gefahr zu groß war als daß der Rath- schluß gewoͤhnlicher Befehlshaber sie abwehren konnte: weil man den Blick vor ihr schloß um ihr mit blinder Ver- wegenheit zu begegnen: weil weder die Anfuͤhrer sich Er- folg durch Feldherrnkunst verheissen durften, noch ihnen die Nation vertraute. Es war Verhaͤngniß des Schick- sals, welches den Fall Roms beschlossen hatte. Doch waren die Roͤmer nicht ohne einen Oberbefehls- haber: Q. Sulpicius hat unter seinen Collegen das trau- rige Vor r echt als solcher in dieser Schlacht Gellius V. c. 17. und bey dem Abschluß des Loskaufs der Stadt Livius V. c. 48. genannt zu werden; eine Auszeichnung auf die seine Nachkom- men nicht eitel gewesen seyn werden. Auch ist Livius Beschuldigung daß die Militartribunen versaͤumt haͤtten den Schutz der Goͤtter vor der Schlacht durch Opfer zu gewinnen auf einem Mißverstaͤndniß gegruͤndet. Q. Sulpicius hatte geopfert, und konnte nach dem Zeichen vielleicht Sieg hoffen: aber er hatte das Schicksal an einem schwarzen Tage gefragt, an dem die heiligen Zei- chen taͤuschten Verrius Flaccus bey Gellius a. a. O. . Den gallischen Feldherrn nennt die Geschichte Bren- nus, wie den welcher hundert und sieben Jahre spaͤter die oͤstlichen Celten auf dem ungluͤcklichen Zuge gegen Delphi fuͤhrte: sey es daß spaͤter die Annalisten Roms diesen in der griechischen Geschichte beruͤhmten Nahmen auf den Anfuͤhrer der Senoner uͤbertrugen, um ihrer aͤlteren Geschichte das bewegtere Leben zu verleihen wel- ches aus der Bezeichnung bestimmter Nahmen hervor- geht; oder daß, wie celtische Sprachdeuter gesagt ha- ben, das Wort in der Kymrischen Sprache einen Koͤ- nig bedeute. Die Gallier wandten ihre ganze Macht gegen den rechten Fluͤgel der Roͤmer, dem die vortheilhafte Stel- lung eine kurze Zeit Kraft gab sich zu behaupten. Zu- gleich aber umgingen sie ihn, und vereitelten die weite Ausdehnung der roͤmischen Schlachtordnung, welche dem Angriff in der Fronte schon eine sehr schwache Linie entgegenstellte. Auf einmal ergriff ein panisches Schrek- ken das ganze Heer. Abgeschnitten von Rom floh alles nach den Ufern der Tiber, in einer ungeheuern verwor- renen Masse die sich selbst die Flucht hemmte. Von al- len Seiten brachen die Gallier unter sie ein, und das Blutvergießen war unermeßlich: nicht rettete die Flucht das Heer, indem sie die Stadt aufopferte, wie Livius, Cannaͤ und Allia vergleichend, uneingedenk seiner eignen Erzaͤhlung sagt Livius XXII. c. 50. , auch konnte die Flucht hier nicht retten. Wenige durchschwammen die Tiber mit vollen Waffen; die meisten welche entkamen hatten sie am Ufer von sich geworfen. Zwar mindert es die Vorstellung vom Umfang der Niederlage daß wir wenigstens zwey der Tribunen nachher als uͤberlebend und nicht einen von ihnen als gefallen genannt finden: doch zeigt Roms voͤllige Wehrlosigkeit daß hoͤchstens nur eine kleine Zahl, wie es auch fast mitten durch ein siegendes Heer ge- schehen kann, die Stadt erreicht hatte. Den Abend und die Nacht verweilten die Sieger auf dem Schlachtfelde, beschaͤftigt die Beute zu sammeln, und nach barbari- scher Sitte die Koͤpfe der Erschlagenen als Siegeszei- chen abzuschneiden. Am folgenden Tage erschienen sie vor Rom. Undenkbar ist der Wahnsinn, wenn auch die Mauern kaum besetzt waren, die Thore offen zu lassen, und jene aͤngstliche Vorsichtigkeit eines Siegers, der stets mit verwegner Kuͤhnheit angriff, die den Ueberwundenen zwey ganze Tage Frist geschenkt haben soll sich zu retten, und den Reichthum seiner Beute zu schmaͤlern. Geschlos- sen waren die Thore allerdings nach der weit glaublicheren Erzaͤhlung Diodor XV. c. 115. , daß die Gallier drey Tage nach der Schlacht das collinische Thor aufhieben, weil die Mauern oͤde waren, und mit großer Vorsicht in die Stadt einzo- gen, wo ihnen nirgends Gegenwehr bevorstand. Undenk- bar ist es ferner, und es waͤre aͤrger als Raserey gewesen, in einem Zeitalter, wo jeder den die letzte Stunde einer eroberten Stadt in ihren Mauern traf dem Tod, oder der Sklaverey, und den frevelvollsten Mißhandlungen entgehen zu koͤnnen nicht traͤumen durfte, wenn die wehr- losen Einwohner, ungehindert die Stadt zu verlassen, eine solche Frist nicht genutzt haͤtten um sich zu retten und zu zerstreuen: wenn Weiber und Kinder großentheils in der Stadt geblieben waͤren Livius V. c. 40. 43. : nicht weniger aber daß eine große Zahl die sich zugedraͤngt habe, in das Capitol und die Burg aufgenommen worden sey: als ob die Ver- zweiflung nicht alle hinzugedraͤngt haben muͤsse, wenn nicht nicht alle zuruͤckgewiesen wurden. Ein so kleiner Huͤgel konnte wohl nur wenig mehr als tausend Bewaffnete aufnehmen: neben dem Speisevorrath der fuͤr sie aufge- legt werden mußte. Sey es auch daß der Entschluß die Greise aufzuopfern nichts weniger als undenkbar in einer Republik des Alter- thums gewesen sey; undenkbar, selbst bey dem starrsten Phlegma, von dem die Roͤmer nicht ganz frey zu spre- chen sind, und widersinnig uͤber allen Begriff, ist die Gelassenheit mit der diese Opfer, bewogen durch das Beyspiel patricischer Greise, ihr Schicksal erwaͤhlt ha- ben sollen. Konnte man auch ihre Entfernung nicht erleichtern, mußte jeder, wie seine schwachen Kraͤfte hin- reichten, sich fortzuschleppen suchen, wußten sie denn ob ein erwuͤnschter Tod sie schnell erloͤsen wuͤrde: ob sie nicht als Sklaven, nicht nach ihren Kraͤften sondern nach dem Willen ihrer Treiber, fortgeschleppt werden wuͤrden? Haben sich doch, in menschlich gefuͤhrten Krie- gen, wo fuͤr die zuruͤckbleibenden Verwundeten keine Ge- fahr als Kriegsgefangenschaft nach der Genesung war, Verstuͤmmelte und Schwerverwundete, wenn die Hospi- taͤler nach einer verlohrnen Schlacht fuͤr den der sich herauszugehen getraute geoͤffnet wurden, viele Meilen weit fortgeschleppt, ohne daß auf der Straße Hunger oder der Anblick sterbend Niedersinkender die uͤbrigen vom Wege aufhielt? Wollten die Greise sterben, warum be- setzten sie nicht die Mauern und die Thore? Auch kennt nur Livius diese allgemeine Resignation. Andre erzaͤhl- ten: waͤhrend das ganze uͤbrige Volk sich rettete, haͤtten Zweiter Theil. S achtzig patricische Greise in curulischem Pomp sitzend den Tod erwartet Zonaras VII. c. 23. : ein freywilliger gegenseitig zu- gesagter Entschluß unter Gleichen, der nichts unwahr- scheinliches enthaͤlt; am wenigsten wenn die zum Tod Entschlossenen sich feierlich in die Haͤnde des Oberpon- tifex fuͤr die Republik und zum Verderben der Feinde geweiht hatten Livius V. c. 41. : eine begeisterte Aufopferung, deren reines Bild nicht durch die Hinzumischung einer grau- samen Preisgebung ungern Sterbender entstellt wer- den darf. Niemand verkenne was auch hier gegen Livius ge- sagt werden muß, als meine es Verkleinerung. Eine meisterhaftere Schildernng als die eben dieser Zeit bey ihm hat kein Geschichtschreiber beyder Nationen: und man muß den Einseitigen beklagen, dem historische Feh- ler und Widerspruͤche, wie arg sie auch seyn moͤgen, einen Genuß verderben, der fuͤr den Unbefangenen durch die genaueste Kenntniß der Verzeichnung nicht gestoͤrt wird. Denn wir duͤrfen die Geschichtschreiber mit den Mahlern vergleichen, und wenn Thukydides dem groͤß- ten Florentiner entspricht, so hat Livius beydes die Vor- trefflichkeit und die Maͤngel der venetianischen Schule. Die reiche Lieblichkeit seines Colorits ersetzt die Unvoll- kommenheit der Zeichnung; und doch trifft dieser Fehler unter den uns erhaltenen Buͤchern hauptsaͤchlich nur die zehn ersten: in den uͤbrigen konnte er Polybius meister- hafter Zeichnung folgen, und vollendete sie durch das Leben seiner Farben. In dem Capitol und der Burg, fest nur durch die damals steilen Waͤnde des hohen Felsenhuͤgels und der maͤchtigen Substructionen, nicht durch umgebende Mau- ern, war der Senat, mit ihm wohl die noch uͤbrige patri- cische Jugend, versammelt. Nicht uneinnehmbar war der Ort bey einem entschlossenen Sturm; Appius Herdonius hatte den Roͤmern unterliegen muͤssen. Auch die Gal- lier versuchten es den Krieg schnell zu endigen; aber ihr Angriff ward mit großem Verlust zuruͤckgeschlagen. Von der Zeit an wagten sie keinen neuen Sturm, sie rechneten auf den Hunger der die Uebergabe zuletzt er- zwingen muͤsse, da jeder Entsatz unmoͤglich schien. Mehr auf Beute bedacht als auf Niederlassung in so entfern- ten Gegenden, in einer fuͤr sie wenig lockenden unfrucht- baren Landschaft, hatten sie die Stadt allmaͤhlig, da al- les was des Wegnehmens werth seyn konnte fortge- schleppt war, angezuͤndet, und außer wenigen Haͤusern auf dem Palatium, die ihre Heerfuͤhrer wahrscheinlich zur Wohnung fuͤr sich verschonen ließen Diodor XIV. c. 115. , einge- aͤschert. Daher, als die Uebergabe der Burg sich ver- zoͤgerte, begannen sie selbst ohne Obdach Ungemach zu leiden: der Herbst, vor Alters wie bis auf diesen Tag, besonders fuͤr den Nordlaͤnder, seuchenvoll zu Rom, er- zeugte Fieber, die eine Menge Gallier wegrafften, wie Barbarossas nordisches Heer in denselben Monaten un- ter Roms Mauern hinstarb. Die Gegend wo die Tod- ten aufgehaͤuft verbrannt wurden, ward, so lange das S 2 alte Rom sich erhielt, durch den Nahmen der gallischen Scheiterhaufen bezeichnet Nach einer andern Erklaͤrung wurden die zuruͤckgelasse- nen gallischen Leichen hier von den Roͤmern nach der Raͤu- mung der Stadt verbrannt. . Mangel an Lebensmitteln oder Lust an leichten Er- oberungen veranlaßte die Gallier sich zu theilen und La- tium zu durchstreifen. Nach der Erzaͤhlung daß Camil- lus damals in freywilliger Verbannung zu Ardea lebte, ermunterte er die Buͤrger dieser Colonie einen pluͤndern- den Haufen anzugreifen, und ihm die zusammengetrie- bene Beute zu entreissen. Zu Veji waren viele aus der Schlacht Entflohene versammelt: auch der beste war von der allgemeinen Verwirrung zur Flucht fortgerissen worden. Aber es fehlte an Waffen; einen Anfuͤhrer und Waffen durch ihn gab die Noth, welche den Ausgezeichneten hervor- ruft. Bey der tiefen Demuͤthigung Roms erwachte in den Etruskern Wenn Volsinii, Falerii und Capena nicht den beschwore- nen Stillstand brachen, welches ihnen nicht vorgeworfen wird, so koͤnnen hier, wie nach der Raͤumung, nur die Tarquinienser, verbunden vielleicht mit andern hinter lie- genden Staͤdten, gedacht werden. Begierde fruͤhere Demuͤthigungen an den Gefallenen zu raͤchen. Sie streiften in das vejen- tische Gebiet, wo sich befand was aus der Stadt nicht in fremde Mauern geborgen war. Die Roͤmer zu Veji erwachten durch diese Schmach aus der Betaͤubung. Sie erwaͤhlten zu ihrem Anfuͤhrer einen Hauptmann M. Caͤdicius, dessen Nahme neben denen der groͤßten Feldherrn Roms genannt werden sollte Sonderbar daß auch der also genannt wird welcher die weissagende Stimme vernommen hatte die Gallier kaͤmen. . Dieser uͤberraschte die verachtungsvollen Pluͤnderer, befreyte die Gefangenen, gewann die weggefuͤhrte Beute wieder, und eroberte, was weit wichtiger war, viele Waffen, mit de- nen er seine Soldaten ruͤstete. Die frohe Botschaft, und Ermunterung auszudauern, ward durch einen kuͤhnen Juͤngling in das Capitol verkuͤndigt, der gluͤcklich durch die Posten der Feinde hinkam und zuruͤckkehrte Diodor XIV. c. 116. . Schwerlich ward dies gewagt um in Mittheilung zwi- schen den Fluͤchtlingen zu Veji, dem Ueberrest des Volks, und dem Senat auf dem Capitol, die Form bey der Zuruͤckberufung des Camillus und seiner Ernennung zum Dictator zu beobachten. Es bedurfte allerdings eines Gesetzes um das Buͤrgerrecht dem wiederzugeben der ihm freywillig entsagt hatte: aber so unfoͤrmlich wie dieses, nach roͤmischen Begriffen, auf einem fuͤr die Auspicien uneingeweihten, von allen Goͤttern verlassenen Boden ge- geben werden konnte, waͤre das Maaß in der mehreren Beobachtung sehr gleichguͤltig gewesen. Camillus Er- nennung zum Dictator fuͤr den gallischen Krieg, und vor der Raͤumung der Stadt, kennen auch nur die welche von ihrer Wiedereroberung fabeln Derselbe ebend. c. 117. . Aus dem kuͤhnen Wagestuͤck des Pontius Cominius entstand fuͤr die Roͤmer die aͤußerste Gefahr. Die Gal- lier hatten Fußtritte bemerkt die an die Felsenwand un- ter der Kapelle der Carmenta fuͤhrten, und erforscht daß diese nicht unersteiglich schroff seyn koͤnne. In der Mit- ternachtsstunde naͤherten sie sich in tiefer Stille. Unbe- merkt von den Schildwachen, und von den Hunden durch deren Wachsamkeit die Belagerten sich schuͤtzten, hatte bereits ein Gallier die Hoͤhe der Felsenwand er- stiegen, als das Geschrey der Gaͤnse, welche als der Juno geweiht bey nagendem Hunger geschont wurden, M. Manlius, Altconsul und einen der Helden des Zeital- ters, erweckte. Er stuͤrzte den emporgeklommenen Gal- lier hinunter: sein Fall warf die nachsteigenden nieder, und das Capitol ward gerettet. Zum Dank brachte ihm jeder der sich in der Burg befand ein halbes Pfund Korn, und einen Quartarius Wein: die herzlichste Gabe in einer Hungersnoth, als Anerkennung eines jeden dieses eine Leben sey theurer als das seinige und jedes anderen. Nach dem Mißlingen dieses Versuchs begannen die Gallier williger auf die Antraͤge der Roͤmer zu hoͤren ihren Abzug zu erkaufen: ein Vertrag den der steigende Hunger fuͤr die Belagerten unvermeidlich machte. So lange aber Hoffnung war die Burg mit Gewalt einzu- nehmen, welche die Schaͤtze der Tempel, und was von Kostbarkeiten des Privateigenthums geborgen war, ent- hielt, schien es Aufopferung des unausbleiblich Gewon- nenen sich mit einer Summe zu begnuͤgen die nur aus diesen Schaͤtzen entlehnt werden konnte. Eine unerwar- tete Diversion, ein Einbruch der Veneter, rief die Gal- lier in ihre Heimath zuruͤck, und der Vergleich ward ge- schlossen, sie sollten tausend Pfund Gold — eine Mil- lion Denare — empfangen, Rom und das roͤmische Ge- biet zu verlassen. Damals geschah es daß, als das Gold dargewogen werden sollte, falsche Gewichte ge- braucht wurden; und da legte Brennus, als Q. Sul- picius uͤber das Unrecht klagte, Schwerdt und Wehr- gehenke in die Wagschale: Ueberwundne muͤßten dulden. So ward die Stadt geraͤumt um die Iden des Fe- bruar, sieben Monate nach der Niederlage am Allia Plutarch Camill. p. 144. B. . Schon laͤngst hat wohl niemand mehr mit einigem Glauben Livius Erzaͤhlung gelesen, wie der Dictator Camillus, waͤhrend die Zahlung geleistet ward, mit sei- nem Heer in die Stadt geruͤckt sey: den Vertrag als nichtig aufgehoben und die Gallier aus der Stadt ver- trieben, dann uͤber sie auf der Straße von Gabii einen Sieg gewonnen habe, von dem auch kein Bote entron- nen sey Nachricht anzusagen. Ein weit guͤltigerer und aͤlterer Zeuge, Polybius, der nie partheyisch wider die Roͤmer ist, und es fuͤr die Gallier nicht seyn konnte, bewaͤhrt, daß die Sieger mit der Beute nach ihrer Hei- math zuruͤckgekehrt sind Polybius II. c. 18. . Allgemein ist allerdings bey den Roͤmern die Erzaͤhlung das gezahlte Gold sey wiedergewonnen worden; es soll bis zum Kirchenraub des Crassus auf dem Capitol in Jupiters Heiligthum niedergelegt gewesen seyn Plinius H. N. XXXIII. c. 5. , durch Beute auf das doppelte vermehrt. Doch selbst nach Livius Livius V. c. 50. war dieses capitolinische Gold kein Beweis, und vielmehr aus den Schaͤtzen verschiedener Tempel gesammelt, deren Sonderung zur Ruͤckgabe unmoͤglich schien: und eben die Verdoppelung moͤchte Ersatz nach Gebrauch zur Zahlung der Kriegssteuer beweisen. Es schien Livius entsetzlich und unertraͤglich wenn Roms Daseyn um Gold erkauft sey: daher ist auch seine Erzaͤhlung, nach der Camillus Ankunft die Zah- lung hinderte, dichterisch consequent. Neben ihr bestan- den, außer Polybius schmerzlicher Wahrheit, zwey Fa- milien andrer Sagen, welche den Abzug der Gallier mit dem Golde nicht laͤugneten, aber es ihnen nicht fruchten liessen. Zu der ersten scheint auch die schon angefuͤhrte des Plinius zu gehoͤren: sie findet sich am bestimmtesten bey Diodor. Nach ihm gewann Camillus das Loͤsegold und fast alle uͤbrige Beute wieder bey dem Entsatz einer von den Galliern belagerten roͤmischverbuͤndeten Stadt Diodor XIV. c. 117. Diese Stadt nennt er Οὐεάσκιον; ein unerhoͤrter Nahme; ob Οὐολσίνιον, Volsinii? oder, was bey jedem Schriftsteller der weniger nachlaͤssig in der Or- thographie barbarischer Nahmen verfaͤhrt als Diodor ganz unleidlich waͤre, Tusculum, Θύσκλον statt Τύσκλον? . Die andere Sage scheint es hinreichend fuͤr Roms Ehre gehalten zu haben wenn nur die Gallier den Siegs- gewinn nicht heimfuͤhrten. Sie redet als Zeugin fuͤr die bittere von Polybius entdeckte Wahrheit. Nach ihr erzaͤhlt Strabo von den Caͤretanern sie haͤtten die von Rom zuruͤckkehrenden Gallier geschlagen und ihnen die weggefuͤhrte Beute entrissen Strabo V. c. 2. §. 3. . Auch Diodor hat die Sage von einem Siege dieser Nation Diodor a. a. O. Er nennt sie hier Κέριοι, welches auf eine roͤmische Quelle deutet, sonst heissen sie ihm Agyllaͤer. uͤber die aus Apulien zuruͤckkehrenden Gallier: er haͤuft beyde Er- zaͤhlungen. Das Geruͤcht von Roms Verwuͤstung erscholl bis Athen, und erhielt sich laͤnger als ein halbes Jahrhun- dert im Andenken, ehe noch Rom fuͤr die Griechen auch nur so wichtig war als die Lucaner, welche der Rhetor Isokrates den Triballern als unbedeutende Barbaren gleichstellt. Nur als ein Theil, und als einen der groͤß- ten Vorfaͤlle, in Italiens allgemeiner Verwuͤstung konnte Roms Schicksal die Athenienser beschaͤftigen. Nicht lange Zeit mochte vergangen seyn als Heraklides der Pontiker Roms Zerstoͤrung durch eine Auswanderung von den Hyperboreern her gedachte Plutarch Camill. p. 140. A. : Theopompus aber schrieb erst nach Philipps Tod. Er konnte der gal- lischen Eroberung Plinius H. N. III. c. 9. nur in einer der vielen Episoden seiner großen Geschichte erwaͤhnen: wahrscheinlich in einer allgemeinen Nachricht uͤber die celtische Voͤlkerwan- derung, zu der ihn die Schicksale der von der Mitteldo- nau vertriebenen Voͤlker veranlassen mochten. Rom nach der Raͤumung . Mit der Herstellung Roms beginnt, nach Livius Urtheil, die reichere und gewissere Geschichte der aus ihrer Wurzel kraͤftiger wieder aufsprossenden Stadt, de- ren aͤltere Jahrbuͤcher und historische Denkmaͤhler in der gallischen Zerstoͤrung groͤßtentheils untergegangen waͤren. Aehnliche Erfahrungen uͤber das Dunkel worin Zerstoͤ- rung der Archive und Chroniken die Geschichte einzelner Landschaften versenkt hat, geben dieser Aeußerung einen Schein von Glaublichkeit. Selbst die Gesetztafeln waren im Brande untergegangen: und das Archiv der Aedilen mit allen Senatusconsulten ist ohne Zweifel ganz preis- gegeben worden: nur aͤußerst weniger Buͤndnisse und des Vertrags zwischen Senat und Volk scheint man sich in der allgemeinen Betaͤubung als rettungswerther Schaͤtze erinnert zu haben, wenn sie sich nicht schon auf dem Capitol befanden. Aber von Urkunden machten kaum einzelne unter den Historikern Roms Gebrauch: und die spaͤteren ver- nachlaͤssigten vielmehr die Forschungen ihrer Vorgaͤnger aus dem Zeitalter vor dem marsischen Kriege. Livius hat offenbar sogar die licinischen Gesetze nicht selbst ge- lesen: die vollstaͤndigsten Archive vom Anfang der Repu- blik an waͤren fuͤr ihn todte Schaͤtze gewesen. Von Chroniken ging wahrscheinlich nicht einmal etwas bedeutendes verlohren: die wichtigsten waren doch wohl die Annalen der Pontifices, und Fastenverzeichnisse mit Erwaͤhnung der Triumphe, welche erhalten wurden. Haͤtte es auch außer der Poesie in jener alten Zeit eine Litteratur zu Rom gegeben, so war ihre Sprache doch vielleicht, wie die Bildung und Erziehung, etrus- kisch Siehe Th. I. S. 95. : eben wie sie griechisch ward als Rom grie- chische Muster annahm. Etruskische Schriften aber waͤ- ren, wenn auch nicht zerstoͤrt, den spaͤteren Jahrhun- derten gleich nutzlos gewesen. Die Duͤrftigkeit der Geschichte des Zeitraums zwi- schen der Schlacht am Regillus und der gallischen Ein- nahme entstand aus ihren Quellen, von denen uns einige Chroniken des sechsten und der folgenden Jahrhunderte unserer Zeitrechnung ein Bild geben koͤnnen: ihre Falsch- heit und Unzuverlaͤssigkeit ist das Werk ihrer litterari- schen Bearbeitung. Aber fuͤr den Zeitraum dessen Dar- stellung der uͤbrige Theil dieses Bandes enthalten wird, behaͤlt die Geschichte denselben Charakter ganz unveraͤn- dert den sie fruͤher trug. Sie ist vielmehr noch ver- worrener, noch geflissentlicher verfaͤlscht: wo sie in ein- zelnen Faͤllen reicher erscheint, ist sie weit entfernt zu- verlaͤssig zu seyn; sie schoͤpft nun haͤufiger aus den hoͤchst verdaͤchtigen Familiennachrichten, nur noch selten aus Gedichten. Die Annalen blieben was sie fruͤher waren. Nach Livius taͤuschenden Traͤumen hatte die galli- sche Eroberung Rom nicht mehr geschwaͤcht als ein all- gemeiner Brand gethan haben wuͤrde. Schon bey der Geschichte des naͤchsten Jahrs scheint er die schreckliche Niederlage nur als eine schimpfliche aber unblutige Flucht zu betrachten Siehe oben Anm. 346. . Die Stadt erhebt sich schnell aus ihrer Asche, mit ungeschwaͤchter, und vielmehr ge- weckter Kraft. Das Jahr nach ihrer angeblichen Wie- dereroberung bringt nach ihm die entscheidende Besiegung und Unterwerfung eines durch hundertjaͤhrigen Kampf von der unverletzten Republik vorher nie gebrochenen feindlichen Volks Ad deditionem Volscos septuagesimo demum anno sub- egit. Livius VI. c. 2. Das siebzigste Jahr rechnet von Cincinnatus Sieg auf dem Algidus: seit Coriolans Krieg waren aber schon hundert Jahr verflossen. Eine merkwuͤr- dige und wohl nicht durch Fehler der Lesart erklaͤrbare Ver- wirrung der Zeitrechnung. . Nur die unermuͤdliche Hart- naͤckigkeit der Besiegten, welche gleich nachher aufs neue unter den Waffen stehen, und der Uebertritt alter roͤmischer Bundsgenossen zu ihnen, muͤssen den glaͤubi- gen Leser befremden. Eine ganz andre Vorstellung von Roms huͤlflosem Zustand nach der Raͤumung gewaͤhrt eine Nachricht welche die Verfaͤlscher der Geschichte aus ihr verdraͤngt haben: und mit ihrem Geist stimmen erhaltene Sagen uͤberein, welche Dichtung seyn moͤgen, doch aber sichtbar in einer sehr alten, der gallischen Eroberung nahen, Zeit ent- standen sind, und das Bild darstellen unter dem sich die Nachkommen dieser Schicksale erinnerten. Waͤhrend der sieben Monate in denen die Gallier ungestoͤrt in Rom gelagert waren, hatten sie auch die Mauern der Stadt zerstoͤrt, welche von den Koͤnigen mit etruskischer Groͤße aufgefuͤhrt waren. Diese zerrissenen Mauern auszufuͤllen war nebst der Wiedererbauung der Haͤuser das Geschaͤft des zuruͤckkehrenden Volks waͤh- rend des ersten Jahrs nach der Raͤumung Zonaras VII. c. 23. Τὰ τείχη ἀνεκαίνισαν. . Es ward aber damals nur fuͤr das unmittelbare Beduͤrfniß gearbeitet: erst im Jahr 377 ward eine neue Mauer von Werkstuͤcken um die Stadt aufgefuͤhrt Livius VI. c. 32. . Anfangs also waren die Zuruͤckgekehrten, beschaͤf- tigt den Schutt aufzuraͤumen, so unbeschuͤtzt gelagert, und unter nicht minder bitteren Feinden, als die Colo- nie welche Esra auf die Ruinen der Stadt ihrer Vaͤter zuruͤckfuͤhrte. In dieser Lage ist es nicht befremdend daß die unterwuͤrfigen Orte, daß Staͤdte die so tief herabgekommen waren oder so lange gehorcht hatten wie Fidenaͤ und Ficulea, sich empoͤrten, und daß die ploͤtz- liche Annaͤherung ihrer Bewaffneten ein panisches Schrek- ken unter den Roͤmern verbreitet habe, dessen Andenken in der Solemnitaͤt der Volksflucht, an den Ronen des Quinctilis, zum Trotz aller Geschichtsverfaͤlschung, bis in Trajans Zeitalter erhalten war. Varro, welcher den angeblichen Sieg des Camil- lus verwirft, indem er sagt dies sey nach dem Abzug der Gallier vorgefallen Post decessum Gallorum. Varro de L. L. V. c. 3. , unterscheidet von dieser Erzaͤh- lung, die ihm fuͤr vollkommen historisch gilt, eine andre beruͤhmtere uͤber diese Empoͤrung. Denn er erklaͤrt das Fest der Nonaͤ Caprotinaͤ, an deren Tage die Populi- fugia dargestellt ward, aus alter latinischer Religions- sitte, nicht aus jener von Plutarch und Macrobius er- zaͤhlten Sage Plutarch Romul. p. 36. D. Camill. p. 145. 146. Ma- crobius Saturnal. I. c. 71. Der letzte, welcher Plutarchs philosophische Schriften compilirt hat, schrieb vielleicht hier . Nach dieser haͤtten sich die benachbarten Orte unter dem Befehl des Dictators von Fidenaͤ, Postumius Li- vius, vor Rom gelagert, und von den Roͤmern als Bedingung des Friedens, oder als Geisseln, Frauen und Jungfrauen von guten Geschlechtern gefordert. Die Roͤ- mer haͤtten zwischen dieser Schmach und der Unmoͤglich- keit sich zu vertheidigen unschluͤssig gewankt: bis ihnen eine Magd, des Nahmens Philotis oder Tutula, Rath ersonnen und ausgefuͤhrt haͤtte. Diese waͤre, wie sie es selbst angegeben, nebst andern Maͤgden, als edle Jung- frauen mit der Praͤtexta bekleidet, unter taͤuschenden Thraͤnen der Scheidenden den Latinern uͤbergeben wor- den. Als diese sich des uͤbermuͤthigen Vertrags schwel- gerisch freuten, und von den Listigen noch mehr zum Wein ermuntert, sorglos und achtlos in tiefem Schlaf lagen, soll die Anfuͤhrerinn nach der Stadt hin das Zei- chen einer brennenden Fackel erhoben; darauf sollen die Roͤmer das unbewachte Lager ploͤtzlich uͤberfallen, und sich an diesen Feinden voͤllig geraͤcht haben: wofuͤr der Tutula und ihren Begleiterinnen mit Freyheit und Aus- steuer gelohnt worden sey. Aus ungenannten Schriften nahm Verrius Flac- cus Festus s. v. Sexagenarios . die Sage daß nach der Raͤumung der Stadt beschlossen sey die sechszigjaͤhrigen Greise in die Tiber zu nur nach seinen historischen. Waͤre es hingegen gewiß daß er aͤltere einheimische Buͤcher vor Augen gehabt, so wuͤrden die starken Ausdruͤcke uͤber Roms Ohnmacht merkwuͤrdig seyn: Cum sedatus esset Gallicus motus: respublica vero ad te- nue deducta. stuͤrzen, um das wenige Brod fuͤr die von deren Ernaͤh- rung die Erhaltung der Republik abhing zu ersparen. Eine Grausamkeit die im Alterthum so wenig unerhoͤrt war daß sie vielmehr auf Keos als Gesetz bestand, und, natuͤrlich außer den Ufern der Insel, gepriesen ward. Doch der Fortgang der Erzaͤhlung enthuͤllt ihren mythi- schen Charakter: ein einziger Greis sey von seinem from- men Sohn verborgen worden, und zum Dank fuͤr den weisen Rath den die Republik von ihm durch den Mund dieses Sohns oft empfangen habe, waͤre das Gesetz ab- geschafft worden. An solchen einheimischen Geschichten, wie vom Papirius Praͤtextatus, von dem zum Hunger- tode verurtheilten gesaͤugten Vater, war die roͤmische Sage reich ehe sich die Historie bildete; was als Ent- schluß der Verzweiflung denkbar waͤre, ist in Rom als Gesetz ganz unglaublich. Es bedarf aber keiner mythischen Darstellung, um ein Bild von Roms Elend zu fassen. Die Bluͤthe der Maͤnner war am Allia Indem ich hier zum letztenmal diesen den Roͤmern ver- fluchten Nahmen nenne, mag es erlaubt seyn zu bemerken daß unsere Aussprache und Schreibart von den Dichtern herruͤhrt, welche den kurzen Vocal der ersten Sylbe von Alia, wie die wirkliche Aussprache lautete, durch Verdop- pelung des Consonanten verlaͤngerten. Servius zur Ae- neis VII. v. 717. vertilgt. In der Stadt selbst und auf dem Lande an beyden Ufern des Strohms fielen alle die nicht entfliehen konnten unter dem Schwerdt oder in die Knechtschaft des Siegers. Unmoͤglich schuͤtzte weder die Tiber die vejentanische Feldmark gegen die Streifereyen so zahlreicher Horden, noch die schwachen Mauern latinischer Staͤdte: damals kann ein Theil je- ner untergegangenen Orte vertilgt seyn, deren trauriges Verzeichniß Plinius giebt: und die gefluͤchteten Roͤmer moͤgen bis tief in Latium vom Verderben erreicht wor- den seyn. Die Uebriggebliebenen hatten alles verlohren was nicht nach Veji und auf das Capitol gerettet ward, und der groͤßte Theil ihrer Habseligkeiten mußte in der Stadt zuruͤckgelassen seyn, da selbst von den Heiligthuͤ- mern nur ein kleiner Theil fortgeschafft, das meiste ver- graben war. Um so mehr muͤssen wir, wenn auch Me- tall und Geld fortgebracht werden konnten, an den Schaͤ- tzen zweifeln welche nach Diodor auf dem Capitol ge- haͤuft waren. Am linken Ufer der Tiber konnte der Land- mann, wenn er nicht schon vor der Schlacht gefluͤchtet war, nicht einmal sein Vieh forttreiben, da der Feind schon am Tage nach der Schlacht vor Rom erschien, folglich auch die ganze Gegend um die Stadt bedeckte. Die Zerstoͤrung der Gebaͤude hat sich, nach damaliger Kriegssitte, nothwendig auf jedes Dorf erstreckt welches nicht zufaͤllig unberuͤhrt blieb. Und dieses Elend traf nicht nur ein armes, auf seinen Boden und seinen Fleiß beschraͤnktes, sondern ein verschuldetes und verarmtes, durch Steuern lange hartgedruͤcktes Volk, welches sich nur eben durch die erzwungenen Landanweisungen zu erho- len angefangen hatte. Daher darf das Grauen womit das Volk auf die Wie- dererbauung der Stadt hinblickte, und sein heftiges Ver- langen langen mit dieser Quaal verschont zu bleiben ihm nicht ganz als verwerfliche Feigheit angerechnet werden. Wie eng und gering auch die Huͤtte war welche dem alten Roͤ- mer selbst in der Zeit der Groͤße der guten Zeit genuͤgte, auch sie konnte, der alles verlohren hatte, nicht ohne Schulden zu machen auffuͤhren. Und dabey lag Veji vor aller Augen, schon vor der Verwuͤstung Roms durch schoͤnere Gebaͤude anlockender als die Stadt selbst, und wenigstens fuͤr die jetzt uͤbrige Volksmenge hinreichend ge- raͤumig, wenn es auch fruͤher nur einen Theil haͤtte fassen koͤnnen. Daher empfand das Volk den Befehl des Se- nats: daß die Stadt innerhalb eines Jahrs wieder aufge- baut seyn muͤsse, was dann noch unvollendet stehe dem Staat anheimfallen solle: als eine unleidliche Tyranney. Freylich war hier auch das Interesse der Staͤnde getheilt. Das Gemeinland, dessen Besitz fuͤr die Patricier die hoͤchste Wichtigkeit hatte, muß groͤßtentheils auf dem linken Ufer der Tiber gelegen haben, und war, wenn Rom ver- lassen ward, fast aufgegeben, wenigstens dem unmittel- baren Schutz der Waffen entzogen: dem Volk aber war das vejentanische Gebiet, wo ihm so große Strecken ange- wiesen waren, wichtiger, und groͤßere Naͤhe ihrer Stadt und ihres Landeigenthums wohlthaͤtig. Dennoch, wenn auch Selbstsucht bey der Beharrlichkeit des Senats nicht ohne Einfluß seyn konnte, so darf man doch nicht zwei- feln daß auch groͤßere Ansichten sie bestimmten, und noch weniger verkennen daß der harte Druck der Gegenwart der spaͤteren Groͤße Roms unvermeidlicher Preis war. Die zerstoͤrte Stadt aufzugeben waͤre ein Bekenntniß von Zweiter Theil. T Schwaͤche gewesen nach welchem die Nation ohne Scheu ein System leidendes Daseyns erwaͤhlen konnte, und wahrscheinlich erwaͤhlt haben wuͤrde: auch fuͤr die Entsa- gung fruͤheres Ruhms und fruͤheres Triebs nach Groͤße ist nur der erste Schritt zoͤgernd und entscheidend. Ein Wohnsitz jenseits der Tiber wuͤrde das alte Band zwischen den Roͤmern und Latium voͤllig zerrissen haben, dessen Erhaltung fuͤr die Herstellung des Staats wichtiger war als je: und mit den Volskern vereinigt, wie sie sich vierzig Jahre spaͤter verbuͤndeten, haͤtten die Latiner wahrschein- lich gesucht die Verwandlung der Roͤmer in Vejenter zu ihrem Vortheil zu benutzen und die Tiber zur Graͤnze zu machen. Es ist hoͤchst wahrscheinlich daß sie eine Colonie in die verlassenen Mauern gefuͤhrt, und der Strohm den roͤmischen Vejentern so unuͤbersteiglich geworden waͤre als er es fuͤr die etruskischen gewesen war. Und auch wenn diese Gefahren, welche unvermeidlich scheinen muß- ten, nicht eingetreten waͤren, doch war es unmoͤglich daß dasselbe Volk, in einer andern Stadt, in einem andern Vaterland, entfernt von allen frommen, mythischen und historischen Andenken und Erinnerungen, haͤtte bleiben koͤnnen was es in seiner Heimath war. Es waͤre zu einer Colonie herabgesunken, der Roms Andenken so fremd ge- worden waͤre, als es den Roͤmern ihre Mutterstadt war. Das gluͤckliche Omen eines vielleicht mit großer Weisheit veranstalteten Worts, entschied die zwischen Noth und Schaam unentschlossenen Gemuͤther. Rom ward in einem Jahr wieder aufgebaut; gewiß hoͤchst aͤrm- lich; und aͤußerst unregelmaͤßig. Denn anstatt der her- koͤmmlichen Ordnung daß der Plan einer neuen Stadt geometrisch abgesteckt, und mit Vorbehalt breiter Stra- ßen, welche dem Staat verblieben Daher in publicum prodire . , die Bauplaͤtze als Eigenthum angewiesen wurden, — eine Regelmaͤ- ßigkeit welche bey der allmaͤhlichen Erweiterung des alten Roms beobachtet geworden zu seyn scheint, — ward jetzt jedem erlaubt sich anzubauen wo er es wuͤnschte, damit der Eifer des Beginnens durch Entfernung alles Zwangs er- muntert, und so viel mehrere nach einigem Fortgang ge- gen die Stimme des Wankelmuths und der Erschoͤpfung fuͤr die Ausdauer gewonnen seyn moͤchten. Der Staat scheint alles Privateigenthum des Bodens in der Stadt fuͤr erloschen durch die feindliche Eroberung angesehen zu haben. Die Nachkommen, uneingedenk daß ohne diesen Nachtheil sie Rom wahrscheinlich nicht bewohnt haͤtten, beklagten in der Folge die Unordnung der Uebereilung, in- dem es selbst im groͤßten Glanz der Stadt unmoͤglich war die Kruͤmme und Enge der Straßen abzuaͤndern. Auch war daraus ein sehr wesentlicher Nachtheil entstanden, indem die Cloaken, auf denen nicht mehr die Straßen, sondern groͤßtentheils Gebaͤude ruhten, fuͤr ihre Zwecke unbrauchbarer geworden waren: selbst die Gesundheit der Stadt muß gelitten haben, indem breite, gesunden Win- den, dem Ost und Nord, offene Straßen im heissen Suͤden als wesentlich nothwendig fuͤr das gesunde Leben der Buͤr- ger anerkannt wurden Aristoteles Polit. VII. c. 11. : ein Vortheil den eine nach den Regeln der Limitation gebaute Stadt genoß. Doch T 2 waren die Gassen in den alten griechischen Staͤdten, selbst zu Athen Dikaͤarch p. 8. , so eng und krumm wie noch jetzt im Orient; außer im Piraͤeus, den Hippodamus regelmaͤßig anlegte. Die strenge Anordnung, ausgehend vom Ganzen, war den Griechen fremd, deren Einrichtungen von den Indi- viduen der Buͤrger und dem Begriff urspruͤngliches Pri- vateigenthums ausgingen. Zur Erleichterung der Bauenden schenkte der Senat Ziegel: Steine zu brechen und Holz zu faͤllen ward jedem vergoͤnnt wo er wollte, wenn er die Vollendung des Baus waͤhrend Jahresfrist verbuͤrgte. Jene Ziegel konnte der verarmte Staat nur von ihm gehoͤrenden Gebaͤuden schen- ken, die er zum Niederreissen hingab: nicht sie kaufen, oder anfertigen lassen, da der contribuable Stand unfaͤ- hig war dafuͤr zu steuern, und es doch eine Wohlthat fuͤr ihn seyn sollte. Die Gebaͤude von Veji konnten sie ge- waͤhren; und es laͤßt sich nicht bezweifeln daß der Senat, um den verhaßten Gedanken der Auswandrung auf immer zu entfernen, diese Gelegenheit uͤberhaupt wahrnahm die Abtragung jener Stadt zu beguͤnstigen, welche nur als ein geringer Ort bestand, bis sie sich in sehr spaͤten Zeiten als Militarcolonie ein wenig wieder erhob. Auch zu den Substructionen des Capitols, welche bald nachher, sicher nicht der Pracht wegen, und wohl nur verstaͤrkt, nicht neu aufgefuͤhrt wurden, und zur Herstellung der Mauern wird Veji die fertigen Bruchsteine gegeben haben; es ist sogar wahrscheinlich daß der Wunsch die Zerstoͤrung der vejenti- schen etruskischgroßen Mauern unter einem das Andenken eines verhaßten Zwists nicht aufregenden Vorwand zu be- wuͤrken, die entscheidende Veranlassung zu jenem im Jahr 367 unternommenen, Roms damaligem Schicksal sonst unangemessenen Werk gewesen ist. Die welche aus Scheu vor der Last des Bauens zu Veji geblieben waren, wurden durch ein Senatusconsult unter Todesstrafe vor einem bestimmten Tage zuruͤckgerufen. Waͤhrend die Stadt aufgebaut ward, empfingen, um den Verlust so vieler Buͤrger zu ersetzen, Capenater, Fa- lisker und Vejenter, die sich waͤhrend der Kriege mit die- sen Republiken fuͤr Rom erklaͤrt hatten, das Buͤrgerrecht, und wurden zwey Jahre spaͤter (368) in vier neue Tribus vereinigt Livius VI. c. 4. 5. , also daß deren jetzt fuͤnf und zwanzig wur- den. Livius nennt diese Etrusker Uebergegangene; un- wahrscheinlich, weil es nicht zu bezweifeln ist daß ihre Zahl sehr groß gewesen seyn muß. Rom hat spaͤter ein System bey der Bildung neuer Tribus aus aufgenomme- nen Buͤrgern unveraͤnderlich befolgt, welches so weise ist daß in keinem Zeitraum ein anderes denkbar waͤre; dieses naͤmlich die neuen Tribus weit zahlreicher zu bilden als die urspruͤnglichen alten, damit das Uebergewicht der Kopf- zahl den neuen Buͤrgern keinen gefaͤhrlichen Vortheil bringe. Das ward nach dem italischen Kriege wenigstens versucht, und fruͤher waren die Sabiner nur in zwey Tri- bus eingetheilt worden. So darf man auch nicht bezwei- feln daß diesesmal die neuen Buͤrger weit zahlreicher als etwa der fuͤnfte Theil der alten seyn mußten, selbst wenn diese nicht durch den Krieg vermindert gewesen waͤren; wahrscheinlich eher der Haͤlfte gleich: und dieses, und die von zerstreut entfernten etruskischen Gegenden herge- nommenen Nahmen der neuen Tribus, macht es glaub- lich daß Ortschaften, den bekriegten etruskischen Staͤdten unterthan, welche von ihnen abgefallen waren, nicht le- dige Ueberlaͤufer, diesen Vortheil genossen haben. Ja es ist vielmehr zu vermuthen daß ganz Capena damals roͤ- misch geworden sey, weil es in der Folge nie mehr als ein selbststaͤndiger Staat erwaͤhnt wird. Es war weise der durch die Entvoͤlkerung veranlaßten Abhaͤngigkeit von den Latinern, Ergaͤnzung der Volkszahl durch nicht- latinische Voͤlker entgegenzustellen. Bey dieser nothwendigen Erklaͤrung wird es merk- wuͤrdig daß Livius meldet den neuen Buͤrgern sey Land angewiesen worden. Denn die Bewohner ganzer Ort- schaften, welche, weil sie sich freywillig unterworfen hat- ten im Besitz ihrer Feldmarken geblieben seyn mußten, scheinen dieses nicht bedurft zu haben. Aber es deutet auf die nothwendige Beziehung welche zwischen dem Stimmrecht in einer Tribus und dem Landeigenthum nach quiritarischem Recht war, welches in diesem Fall der Republik uͤbergeben ward, und als Belehnung von ihr zuruͤckkehrte. Die Kriege des Zeitraums von Herstel- lung der Stadt bis zur Staatsver- aͤnderung von 389 . In Etrurien wird das Gebiet der Tarquinienser am Anfang dieses Zeitraums ausdruͤcklich feindlich ge- nannt Livius VI. c. 4. : und es ist schon bemerkt worden daß die Kriege welche um diese Zeit mit Etruskern uͤber den Besitz der Graͤnzstaͤdte Sutrium und Nepet vorfielen, wahrscheinlich gegen diesen damals maͤchtigen Staat nicht gegen fast ganz Etrurien Derselbe VI. c. 3. gefuͤhrt sind. Im Jahr 366 war Rom auf allen Seiten von Krieg umge- ben. Waͤhrend Camillus im Felde gegen die Volsker stand, ward Sutrium von den Etruskern belagert, und die Republik vermochte nicht den Bedraͤngten Entsatz zu senden, ehe er sein siegreiches Heer von der aͤqui- schen Graͤnze zuruͤckfuͤhrte. Denn ein einziges mußte damals gegen vielfache Feinde Schutz gewaͤhren: die gluͤckliche Lage der Stadt, welche ihre Vereinigung im- mer hindern konnte, beguͤnstigte den Erfolg unermuͤdeter Maͤrsche von einer Graͤnze zur andern. Doch fand Ca- millus Sutrium schon verlohren, und die Einwohner, mit Zuruͤcklassung aller Habe abziehend, begegneten sei- nem Heere. Die Sorglosigkeit der Eroberer die kein roͤmisches Heer nahe ahndeten, machte ihm die Wieder- eroberung der Stadt leicht, welche den treuen Verbuͤn- deten zuruͤckgegeben ward. Der folgende Feldzug ge- waͤhrte Rache durch die Einnahme und Zerstoͤrung zweyer tarquiniensischer Staͤdte. Auch zwey Jahre spaͤter (369) war die Republik genoͤthigt die etruskische Militargraͤnze ihrer eignen Ver- theidigung zu uͤberlassen, bis der volskische Feldzug durch eine gewonnene Schlacht geendigt war. Waͤhrend die- ses Verzugs hatte sich Nepete den Etruskern ergeben: die Mauern von Sutrium waren erstiegen, und die Buͤr- ger vertheidigten sich nur noch hinter Abschnitten in den Straßen. Auch diesesmal erschien ihnen Camillus als Retter. Die Feinde wurden in der von ihnen einge- nommenen Region eingeschlossen und von allen Seiten bestuͤrmt: sie versuchten zu entfliehen und wurden ver- tilgt. Von Sutrium fuͤhrte der Feldherr das Heer ge- gen Nepete, dessen Haͤupter, weil sie die Uebergabe ent- schieden hatten, vor Roms Rache zitterten. Daher wur- den den Roͤmern, unter dem Vorwand der Abhaͤngig- keit von einer etruskischen Besatzung, die Thore nicht geoͤffnet; aber auch diesesmal konnte der ungluͤckliche Ort sich nicht vertheidigen: dem Volk welches die Graͤuel des Sturms uͤberlebt hatte, ward das Leben als Gnade geschenkt, und die des Verraths angeklagten Magistrate buͤßten mit ihrem Leben. Die Wiedereroberung dieser Staͤdte scheint den tarquiniensischen Krieg beendigt zu haben. Wahrscheinlich ward im folgenden Jahr ein drey- ßigjaͤhriger Waffenstillstand geschlossen, denn erst nach verflossenen dreyßig cyclischen Jahren (396) erscheinen die Tarquinienser wieder als Roms Feinde; und die Gesandtschaft der Fetialen von der Livius bey diesem Jahre redet Livius VII. c. 12. bezog sich nicht immer auf vorgefallene Feindseligkeiten, sondern auch der Ablauf eines Waffen- stillstands veranlaßte sie Derselbe IV. c. 58. . Sie war nothwendig um oͤffentlich und feyerlich zu erklaͤren daß der bisherige Friedenszustand ein Ende genommen habe, und wenn er fortdauern solle einer bestimmten Erneuerung beduͤrfe: deren Bedingungen jedes Volk, nicht mehr gebunden durch die erloschenen Vertraͤge, nach dem Maaß seiner Kraͤfte angeben konnte. Die Buͤndnisse des Sp. Cassius mit den Latinern und Hernikern hatten seit einem Jahrhundert in unge- schwaͤchter Kraft bestanden: denn gegenseitiges Beduͤrf- niß hatte sie gestiftet, und die gewaltige Entwickelung der roͤmischen Macht vor dem gallischen Ungluͤck hielt das Band zusammen als der Verfall der oͤstlichen Voͤl- ker Roms Waffen ihren Verbuͤndeten weniger nothwen- dig machte. Zwar war es nur der kleinere Theil der alten dreyßig Staͤdte welcher seit dem großen volskischen Kriege die latinische Nation ausmachte: Laurentum, La- vinium, Lanuvium, Aricia, Tusculum, Gabii, und die Colonieen Ardea, Signia, Norba, Cora, Setia. Von den entfernten Orten Tibur und Nomentum ist wenig- stens gar keine Spur daß sie damals verbuͤndet waren; Velitraͤ scheint eine nur roͤmische Colonie gewesen zu seyn; und hier und zu Circeji war die volskische Be- voͤlkerung vorherrschend. Roms Ungluͤck trennte dieses Verhaͤltniß. Schon im Jahr 366 ist die Rede von dem Abfall der Latiner und Herniker Defectio Latinorum Hernicorumque. Livius VI. c. 2. : drey Jahre spaͤter beschwerte sich der Se- nat bey ihren Landgemeinden daß diese Zeit her von ihnen keine Huͤlfsvoͤlker gegeben waͤren; und das Ge- fuͤhl der Ohnmacht zwang eine leere Entschuldigung an- zunehmen Derselbe VI. c. 10. . Mehr aber als Absonderung war der ge- ruͤgte Abfall nicht. Livius nennt Latium verdaͤchtig, im Jahr 372: aber in demselben Jahr sind Tusculum und Gabii Rom anhaͤnglich Livius VI. c. 21. — Lavici war eine roͤmische Colonie. Sobald der alte Bund aufgegeben und ein Vertrag mit den Volskern geschlossen war, kann es nicht befremden, und es war keine allgemein feindliche Hand- lung, wenn Freywillige aus latinischen Staͤdten in vols- kischen Heeren dienten Derselbe VI. c. 7. 10. 12. 17. . Unsere Nachrichten aus diesem Zeitraum sind aͤußerst unbefriedigend, und eigent- lich dunkeler und verworrener als uͤber die Zeiten vor der gallischen Eroberung: eine große und weit verbrei- tete Erschuͤtterung und Veraͤnderung ist aber unverkenn- bar und leicht erklaͤrlich. Denn in der That ist nichts begreiflicher als wenn die Latiner, da Rom, waͤre es ein gewoͤhnlicher Staat gewesen, mit Recht auf ewig gefallen scheinen mußte, den benachbarten, nicht mehr furchtbaren, gleich ihnen in ihrem Daseyn von den Galliern bedrohten Voͤlkern, Frie- den und Freundschaft anboten, ohne daß die Roͤmer darin einbegriffen waren. Diese Absicht war keineswegs feindselig gegen Rom: da die Gallier sich in andere Ge- genden wandten, konnte es leicht geschehen daß einzelne Staͤdte, wie Lanuvium Livius VI. c. 21. , sich genauer mit den neuen Freunden verbanden, waͤhrend andre, als einzelne Orte, mit Rom verbuͤndet blieben. Der latinische Bund scheint in der That in diesem Zeitraum, die religioͤsen Verei- nigungen ausgenommen, aufgeloͤßt gewesen zu seyn: erst im folgenden stellte er sich her, in einer weit groͤßeren Wichtigkeit und Macht als fruͤher; und da ward auch das roͤmische Buͤndniß erneuert. Hievon wird unter dem Jahr 396 geredet werden. Der falsche Schein als ob die Latiner aus treuen Verbuͤndeten Roms Feinde ge- worden waͤren, wird hauptsaͤchlich dadurch befoͤrdert daß Praͤneste, in spaͤten Tagen das groͤßte aller Municipien in Latium, und in dem alten Verzeichniß der dreyßig Staͤdte genannt, vom Jahr 372 Haupt einer volskischen Verbuͤndung gegen Rom war. Wenn aber schon fruͤher bemerkt ist daß Praͤneste damals keine latinische Stadt seyn konnte, sondern aͤquisch gewesen seyn muß, weil die Graͤnze zwischen Tusculum und ihr lag: — sey es nun daß sie im großen volskischen Krieg erobert wor- den, oder daß sie sich mit den Aequern, wie im Gegen- theil Velitraͤ mit den Roͤmern, vereinigt hatte: — so ist es nicht weniger uͤberzeugend daß dieser praͤnestinische Krieg die bisher unaufhoͤrlich erneuerten aͤquischen ersetzt. Denn von den Aequern ist nach dem Jahr 366, in wel- chem ihnen Bolaͤ wieder entrissen wird, die Rede nicht mehr; erst nach dem Schluß des zweyten samnitischen Kriegs kommt ihr Nahme wieder in der Geschichte vor. Praͤneste herrschte uͤber acht Staͤdte Livius VI. c. 21. : mehrere wa- ren den Tiburtern unterthan, welche Livius eine Nation nennt Derselbe VII. c. 19. . Es scheint daß auch die aͤquische Verbuͤn- dung, gleich der latinischen, sich aufgeloͤßt hatte: die Aequer welche Rom um die Mitte des fuͤnften Jahr- hunderts unterjochte, waren die eigentliche Nation deren Nahme auf ihre Verbuͤndeten uͤbergegangen war, in den Gebuͤrgen zwischen dem Liris und Fucinus, und um den Ursprung des Anio. Daher daß ein Theil der latinischen Orte Rom an- haͤnglich blieb erklaͤrt es sich wie, ungeachtet der Aufloͤ- sung des Buͤndnisses, auch in diesem Zeitraum neue la- tinische Colonieen gegruͤndet werden konnten, wie Su- trium und Nepet; alte ergaͤnzt, wie Setia. Unter den unbestimmt genannten Volskern gegen die Rom Krieg fuͤhrte, darf man sich nicht die des in- nern Landes, sondern nur die Antiater und Ecetraner Livius VI. c. 31. denken, gewoͤhnlich auch nur die nahe gelegene erste Stadt. Im Jahr 366 stellte Camillus den Muth der Roͤmer und das Ansehen der Stadt her, durch einen nicht weit von Lanuvium uͤber ein zahlreiches volskisches Heer erfochtenen Sieg. Dieser Feldzug wird zwiefach erzaͤhlt. Nach einigen Annalisten Diodor XIV. c. 117. Plutarch Camill. p. 146. E. kam der Dictator zum Entsatz einer hartgedraͤngten roͤmischen Armee: nach Livius war er vom Anfang des Feldzugs ernannt, und fuͤhrte das erste Heer welches nach dem Ungluͤck aus Rom zog. Einige Annalen von denen der ersten Dar- stellung erzaͤhlten jetzt daß er die Volsker, wie Cincin- natus, zwischen beyden Heeren vernichtete: andre ver- einigten sich mit denen deren Fuͤhrung Livius erwaͤhlte. Nach ihnen wichen die Volsker, muthlos einen sicher gewaͤhnten Sieg sich entrissen zu sehen, in ihr Lager zu- ruͤck, und umgaben die Verschanzung, auch ihr miß- trauend, mit einem Verhack. Dieses soll Camillus, wahrnehmend als ein starker Wind sich gegen das Lager erhoben hatte, angezuͤndet, und da die Flamme auch die Pallisaden ergriffen hatte, von denen die Festigkeit der Verschanzungen im Alterthum vorzuͤglich abhing, zwar den Wall durch die halbverbrannten Staͤmme muͤhsam er- reicht, dann aber das Lager nach geringem Widerstand eingenommen haben. Eine Darstellung die bey der ein- fachsten Pruͤfung eben so verwerflich erscheint als die kuͤhne Erdichtung, deren Verantwortung aber nicht Livius allein zu tragen hat Sie findet sich im wesentlichen auch bey Diodor a. a. O. , uͤber die Folgen des Siegs: daß Camillus das ganze Land der Volsker durchzogen sey und ihre Unterwerfung empfangen habe. Denn nach drey ver- flossenen Jahren (369) lieferten die Antiater, mit Bunds- genossen und einer Menge Freywilliger, die nicht dem Besiegten zustroͤhmen, Camillus selbst eine hartnaͤckig bestrittene Schlacht bey Satricum. Ein Gewitterregen trennte die Heere: aber der Ausgang zeigte wem der Sieg gehoͤrte. Das volskische Heer zog sich nach Antium zu- ruͤck. Satricum, urspruͤnglich latinisch, war eine von den Eroberungen der Volsker im Kriege des Coriolanus, und seitdem ihnen geblieben. Diese Stadt ward mit Sturm gewonnen, obwohl weitere Verfolgung des Siegs durch die Nothwendigkeit gestoͤrt ward den Etruskern eine Macht entgegen zu stellen. Daher erforderte der volskische Krieg im folgenden Jahr (370) einen Dic- tator, A. Cornelius Cossus, der uͤber die Volsker und die schon zu ihnen uͤbergetretenen Colonieen Cir- ceji und Velitraͤ eine Schlacht im pomptinischen Ge- biet gewann. Velitraͤ hatte seit hundert und zehn Jahren als Colonie Roͤmer zu Mitbuͤrgern, vielleicht das Buͤr- gerrecht Roms angenommen: aber auch die erhaltenen Denkmaͤhler bezeugen daß der volskische Stamm in ihr herrschend geblieben war, und die neuen Buͤrger wahr- scheinlich in sich aufgenommen hatte ohne von ihnen ver- aͤndert zu werden. Erst im Jahr 372 ward dieser Abtruͤn- nigen der Krieg erklaͤrt, womit Rom aus großer Erschoͤp- fung so sehr gezoͤgert hatte daß es daruͤber bey den be- nachbarten Voͤlkern in Verachtung gekommen war. Auch jetzt noch wollte man in den Praͤnestinern keine Feinde se- hen, obgleich sie die Graͤnzen der treu gebliebenen latini- schen Staͤdte verheert hatten. Im folgenden Jahr er- schien dieses Volk als Verbuͤndete der Veliterner, und die Roͤmer ruͤhmen sich eines Siegs uͤber die vereinigten Feinde bey Velitraͤ. Doch als im naͤchsten Sommer (374) auch die Volsker zu ihnen gestoßen waren, ward Satricum verlohren, wohin eine roͤmische Colonie ge- sandt war, und die ganze Wuth des Kriegs traf die Einwohner der erstuͤrmten Stadt. Fuͤr diesen Feldzug ward der schon betagte Camillus zum sechstenmal zum Proconsulartribun erwaͤhlt, und seine Vorsicht schuͤtzte die Republik gegen eine Niederlage welche er von der eiteln Unbesonnenheit seines juͤngeren Collegen ahndete, und daher, als seine Warnungen sich bewaͤhrten, ab- wenden konnte noch ehe alles unwiderbringlich verloh- ren war. Unter den Gefangenen wurden Tusculaner entdeckt, fuͤr deren Schuld oder Leichtsinn ihre Repu- blik verantwortlich gemacht ward. Es wird erzaͤhlt diese haͤtte den Entschluß gefaßt, bey wirklicher Schuld, durch den angenommenen Schein der Ruhe eines ganz arglo- sen Bewußtseyns zu entwaffnen; uͤberzeugt daß ihre Be- theurungen und Rechtfertigungen verachtet werden wuͤr- den. Das roͤmische Heer welches Camillus, ohne Ve- litraͤ weiter zu draͤngen, sogleich gegen Tusculum fuͤhrte, fand auf dem Lande und in der Stadt, wo es durch offene Thore einruͤckte, die Ruhe und die Geschaͤftigkeit des Friedens; die Soldaten in den angewiesenen Quar- tieren die Gastfreundschaft alter Bundesgenossen. Die- ses Vertrauen habe die Roͤmer erstaunt und geruͤhrt, der Tusculanische Senat, angewiesen sich nach Rom zu begeben und sich zu rechtfertigen, habe nicht nur Ver- zeihung gefunden, sondern bald nachher waͤre Tusculum das Buͤrgerrecht ertheilt worden. Gern moͤchte man mit den alten Geschichtschreibern diese tiefe Klugheit des unbesonnen in einen boͤsen Handel gerathenen Schwachen, und den Edelmuth des Maͤchtigeren, dem unbedingt vertrauenvolles Hingeben die zur Strafe erhobne Hand gefesselt haͤtte, bewundern; wenn nicht die Unbefangenheit des Staats und des Volks, da keine Anklage vorher- gegangen zu seyn scheint, vielmehr das Ansehen wahrer Schuldlosigkeit der tusculanischen Republik truͤge, was auch einzelne ihrer Buͤrger gefehlt haben mochten. Hatte auch Camillus eine Niederlage abgewandt, einen Sieg durfte Rom sich wohl nicht anmaaßen, auch wird ihm kein Triumph zugeschrieben. Im naͤchsten Jahr wenig- stens (375) erschienen die Praͤnestiner vor den Thoren der durch innere Unruhen zerruͤtteten Stadt. Schmach und Gefahr weckten die Republik, wie immer: und das Andenken eines Triumphs und ein Denkmahl auf dem Capitol ließen an der Wahrhaftigkeit der Annalen nicht zweifeln, wenn sie erzaͤhlten daß der kurze Feldzug des T. Quinctius Cincinnatus glaͤnzend gewesen sey, wel- cher am zwanzigsten Tage nach seiner Ernennung, wie sein Ahnherr, die Dictatur niederlegte. Freylich ist eine Schlacht am Allia zwischen Roͤmern und Praͤnestinern unwahrscheinlich: doch ein goldner Kranz vom Gewicht von zwey und einem Drittheil Pfund den Cincius selbst auf dem Capitol gesehen zu haben scheint, mit seiner Inschrift Festus s. v. trientem tertium. , und die Statue des Jupiter Imperator bezeugten daß Praͤneste seine Thore geoͤffnet habe, nach- dem acht unterthaͤnige Staͤdte in neun Tagen mit Ge- walt eingenommen waren. Das Stillschweigen der In- schrift uͤber Velitraͤ widerlegt Livius, der auch diese Stadt zu den Eroberungen des Dictators rechnet. Auffallend ist es freylich daß Praͤneste schon im folgenden Jahr Kraft hatte den Krieg zu erneuern, und seine Unabhaͤn- gigkeit noch beynahe vierzig Jahre lang behauptete: doch jener Denkmaͤhler Zeugniß darf nicht bestritten werden. Unterwerfung mag genannt seyn was ein unruͤhmlicher Friede war, dessen Schande ihn bey guͤnstiger Gelegen- heit zu brechen reizte, aber daß eine rebellische roͤmische Colonie erobert und doch mit solcher Milde behandelt waͤre, wie Velitraͤs bald aufs neue gegen Rom gewandte Macht Macht anzeigen wuͤrde, kann am wenigsten gegen Denk- maͤhler zugegeben werden. Schon im folgenden Jahr erscheinen diese Staͤdte wieder mit den Volskern verbunden, da ein roͤmisches Heer durch die Unvorsichtigkeit seiner Anfuͤhrer großen Verlust erlitten hatte: die Praͤnestiner aber als der Mit- telpunkt anderer Latiner. Die Niederlage raͤchte die Re- publik im naͤchsten Feldzuge durch Verheerung des Vols- kerlands, und nachher (378) noch gluͤcklicher durch einen Sieg bey Satricum, worauf die Latiner — auch hier darf man nur an Praͤnestiner und Veliterner denken — diese Stadt bey ihrem Ruͤckzuge verbrannten; Antium aber, von ihnen verlassen, sich Rom unterworfen haben soll. Dies ist wieder ein mehr als zweifelhafter Be- richt, oder die Befreyung waͤre verschwiegen; ein Ereigniß welches bey einer sehr festen Stadt, welche Rom sicher nicht ohne Besatzung gelassen haͤtte, von einem fuͤhlba- ren Verlust unzertrennlich war; denn Antiums voͤllige Unabhaͤngigkeit ist in der Folge der Geschichte sonnen- klar, ohne auch nur die leiseste Erwaͤhnung einer vor- uͤbergehenden Abhaͤngigkeit. Oftmals, von den Jahren 384 bis 388, wird von der Belagerung von Velitraͤ ge- redet, bey dem letzten Jahr als von einer zwar lang- wierigen, doch in ihrem Ausgang sichern Unterneh- mung Livius VI. c. 42. : dennoch ist auch diese Stadt zuverlaͤssig nicht erobert worden, wie Livius durch jene Wendung anzu- deuten wuͤnschte, zu erzaͤhlen nicht wagte: Plutarch aber scheut sich nicht die Einnahme von Velitraͤ als die letzte Zweiter Theil. U Kriegsthat des Dictators Camillus zu erzaͤhlen Plutarch Camill. p. 151. C. . Sie erneuerte den Krieg im Jahr 397 Livius VII. c. 15. ohne die Praͤ- nestiner; mit beyden Voͤlkern muß Rom also fruͤher Friede geschlossen haben. Wahrscheinlich ist dies im Jahr 389 geschehen, als der Senat den plebejischen Con- sul, dessen Antritt er nicht hatte verwehren koͤnnen, we- nigstens voͤllig unthaͤtig zu lassen suchte. Auch war es kein gleichguͤltiger Krieg; denn das treue Tusculum ward von den feindlichen Latinern einmal erobert, und nur weil die Burg behauptet war ihnen wieder entrissen (378): sechs Jahre nachher belagert (384). Auch ein gallischer Krieg wird am Schluß dieses Zeitraums erwaͤhnt, worin M. Camillus seine letzten Lorbeern gewonnen haben soll (388). Befremdend ist es schon daß Livius diesen Krieg und eine große Schlacht in der viele Tausende Gallier, viele andre bey der Ein- nahme des Lagers, gefallen waͤren, nicht weiter als mit diesen wenigen Worten schildert: verdaͤchtig ist die Ab- weichung der Annalisten nach denen er schrieb, von de- nen Claudius Quadrigarius die Schlacht an den Anio legte, andre in die Gegend des alten Alba: verwerflich wird die ganze Erzaͤhlung durch Polybius Meldung Polybius II. c. 18. , daß der gallische Zug des Jahrs 394, auch dieser so fa- belhaft in den roͤmischen Annalen, der erste gewesen sey von dem Rom nach der Einnahme heimgesucht ward; und dadurch daß man in der zwiefachen Nachricht die einheimische Suͤnde der roͤmischen Annalen, fabelhafte Verdoppelung einer historisch wahren Begebenheit durch Versetzung aus spaͤterer Zeit in eine fruͤhere, wiederer- kennt. Bey Claudius war es ein zuruͤckgeworfener Wie- derschein des Kriegs vom Jahr 394: bey den andern Annalisten, die ihn nicht ganz uͤbergingen, wie wir nach Polybius und Diodors Schweigen annehmen koͤnnen daß wenigstens Fabius es gethan, ist hier eine Anticipation des großen Siegs den L. Furius Camillus im Jahr 406 bey Alba gewann; und worauf die Gallier, eben wie hier erzaͤhlt wird, von Latium nach Apulien zogen. Plutarch Plutarch Camill. p. 150. 151. folgt wahrscheinlich auch jetzt dem Diony- sius, der sicher in den spaͤteren Zeiten der verlohrnen Buͤcher seiner Archaͤologie so wenig als in den fruͤheren sich irgend eine Schlacht rauben ließ deren auch nur die leichtglaͤubigsten Annalisten gedacht hatten: nach ihm war sie am Anio, und so finden wir wohl hier die selbst von Livius verworfene Erzaͤhlung des Claudius. Daß um diese Zeit die roͤmische Taktik veraͤndert ward, ist schon fruͤher gesagt worden: bestimmt nannten die Annalen Camillus als den der eine ganz veraͤnderte Bewaffnung einfuͤhrte. Dies bewaͤhrt nicht die Nach- richt von jener letzten von ihm gegen die Gallier gewon- nenen Schlacht, obgleich es in Beziehung auf sie erzaͤhlt wird Plutarch Camill. p. 150. D. E. . Berechnet fuͤr den furchtbarsten aller Kriege, den gallischen, war diese Aenderung gewiß: aber fuͤr die Zukunft vorbereitet. Bey der Botschaft, daß der Feind heranziehe, waͤre sie nicht mehr ausfuͤhrbar gewesen. U 2 Von der roͤmischen Kriegsordnung, wie sie am Anfang des fuͤnften Jahrhunderts bestand, werde ich weiter unten reden. Hier genuͤgt es, daß Camillus damals der Armee eiserne Helme gab, die Schilde mit einem ehernen oder wahrscheinlicher auch eisernen Rande versah, und die Lan- zen der beyden ersten Bataillone mit dem Pilum ver- tauschte. Nach der alten Bewaffnung hatte der Phalanx eherne Helme getragen, vielleicht ward also hier nur Wohlfeilheit und groͤßere Leichtigkeit bey weniger sproͤdem Metall bezweckt. So lange man gegen einen Phalanx kaͤmpfte brauchten die Helme nur gegen Geschoß zu dek- ken: aber die entscheidende Waffe der Gallier war ihr Schwerdt. Zur urspruͤnglichen Bewaffnung der Roͤmer gehoͤrten altgriechische eherne Schilde: anstatt dieser war um die Mitte des vierten Jahrhunderts das Scutum ein- gefuͤhrt Livius I. c. 43. VIII. c. 8. . Aber zusammengefugte, mit einer Rinds- haut uͤberspannte, Latten waren ein unzureichender Schirm gegen Schwerdter, obgleich genuͤgend den Stoß einer Lanze abzuwenden: daher ward wenigstens der Rand mit einer eisernen Platte gedeckt. Die alten Spiesse waren im geschlossenen Angriff nicht weniger unhaltbar gegen das Schlachtschwerdt: allein das Pilum ward tauglich gemacht dessen Hieb aufzufangen, und seine Schaͤrfe zu biegen; nicht weniger brauchbar war es als Angriffswaffe schon in einiger Entfernung. Der roͤmische Infanterist gebrauchte schwerlich schon damals ein wahres Schwerdt: bey der allmaͤhlichen Entwickelung aus der Bewaffnung des Phalangiten ist es wahrscheinlicher daß er nur noch, wie dieser, Messer von der Art der albanesi- schen trug. Wir glauben einem Zeugniß welches vom hoͤchsten Gewicht zu seyn scheint, daß das hispanische Schwerdt erst um Hannibals Zeit bey der roͤmischen Ar- mee eingefuͤhrt ward; obwohl sie schon fruͤher ein anderes, wahrscheinlich dem gallischen nachgebildetes, fuͤhrte Schweighaͤuser zu Polybius II. c. 30. . Die Erwaͤhnung des hispanischen in der Geschichte vom Zweykampf des Manlius beweißt sein Alter nicht im ge- ringsten mehr als auf Darstellungen roͤmischer Geschichten durch Kuͤnstler des Mittelalters Costum oder Waffen ihrer Zeit. Innere Geschichte bis zum Jahr 378 . Ohne Vergleich wichtiger als die Kriege dieses Zeit- raums sind die inneren Bewegungen und Unruhen, die jetzt eben so heftig ausbrachen als das Volk seit der Revo- lution von 305 bis zur Einnahme der Stadt den Stolz der Patricier im Ganzen mit stiller Gelassenheit ertragen hatte. Diese Ruhe laͤßt, wenigstens bis zum vejentischen Krieg, auf wachsenden Wohlstand schließen: welcher sich auch bilden mußte, da alle Staͤnde, fast ohne Abgaben zu zah- len, waͤhrend eines halben Jahrhunderts unverheertes Land bauten, und die Kriege bey geringen Kosten oft Beute gaben. Das Elend welches die gallische Eroberung zuruͤckließ erregte die Gaͤhrung dieses Zeitraums. Unru- hen, die aus allgemeiner Noth entstehen, haben fast al- lenthalben zu Verwilderung oder Erstarrung, in den grie- chischen Republiken zum Untergang der Freyheit gefuͤhrt. Rom allein verdankte es dem Charakter seines Volks daß die schrecklichste aller Gaͤhrungen zum zweytenmal gesetz- liche Freyheit tiefer und in groͤßerem Umfang begruͤndete. Was Zerstoͤrung der Verfassung drohte heilte ihre innere Krankheit, und die Republik erreichte jenen Zustand, wel- cher bey der Hinfaͤlligkeit menschlicher Dinge, wie eine aͤhnliche Stufe fuͤr unser Gluͤck, vielleicht der wohlthaͤ- tigste ist: — wo die Verfassung nur noch um einen Schritt von der Vollendung entfernt war, mit deren Ausbildung unmittelbar Entartung zu dem entgegengesetzten Verfall beginnen mußte, — wenn auch ungeahndet, und wenn auch, durch die Vortrefflichkeit der Sitten, die Verfassung praktisch noch mehrere Menschenalter hindurch nicht ver- schlechtert schien; bis auf einmal der ausgehoͤhlte Boden unter ihr brach. Leicht troͤsten wir uns uͤber die Mangelhaftigkeit, selbst uͤber die Maͤhrchen veralteter Kriegsgeschichte: aber die Verfaͤlschung, und die absichtlicher Verstuͤmmelung gleichende Duͤrftigkeit dieser buͤrgerlichen Geschichte ist ein unersetzlicher Verlust. Die Verschiedenheit des Privatrechts zwischen den Staͤnden war in Hinsicht zahlungsunfaͤhiger Schuldner durch die zwoͤlf Tafeln nicht gehoben. Das Recht der Schuldknechtschaft bestand schon bey dem ersten Aufstand nur fuͤr die Plebejer, und als es abgeschafft ward begann fuͤr sie eine neue Freyheit Eo anno plebi Romanœ velut aliud initium libertatis fac- tum est quod nuti desierunt. Livius VIII. c. 28. Die Freyheit der Patricier ( antiquissimi cives, Cicero) war, . Die Gesetzgebung der Decemvirn gegen den insolventen Plebejer, in ihren Grundzuͤgen dem alten griechischen Recht verwandt, war so viel grausamer, daß, wenn zu Athen die Anwendung des sirengen Rechts einen Greuel hervorgebracht hatte den Solon nicht zu dulden vermochte, nichts so stark fuͤr die Prosperitaͤt Roms waͤhrend der ersten Haͤlfte des Jahrhunderts zeugt als daß diese Gesetze damals ertra- gen werden konnten. Als allgemeines Elend einbrach, erschuͤtterten eben sie bis zur Freyheit der Republik. Die zwoͤlf Tafeln haben allerdings auch hier nur Gewohnheitsrecht verzeichnet; denn solche Gesetze wer- den nicht erfunden; auch war die Schuldknechtschaft all- gemeines altes Recht, und bestand zu Rom namentlich schon 259 Livius II. c. 23. . Nach ihnen ward der Schuldner, der dreyßig Tage nach einem rechtskraͤftigen Spruch seinen Glaͤubiger nicht befriedigt hatte, ihm auf sechszig Tage als Schuldknecht zugesprochen. Der Schuldherr war verpflichtet den Gefangenen zu fesseln, mit Ketten nicht weniger als fuͤnf und zwanzig Pfund schwer: es stand ihm frey ihr Gewicht so weit er wollte zu vermehren. Waͤhrend der Gefangenschaft war er nicht verpflichtet ihm mehr als ein Pfund Korn taͤglich zu seinem Unter- halt zu geben; doch durfte er ihn nicht hindern sich reich- licher auf seine eigenen Kosten zu speisen. Gegen das Ende jener sechszig Tage ward der Schuldknecht wenn wie schon mehrmals erinnert ist, urspruͤnglich vollstaͤndig. — Im ersten Theil S. 401. ist die Grundverschiedenheit dieses Rechts nicht gehoͤrig aufgefaßt. er nicht gezahlt oder sich mit dem Schuldherrn vergli- chen hatte, an drey Nundinen nach einander vor den Praͤtor — damals den Consul — gefuͤhrt, und der Be- trag seiner Schuld ausgerufen; damit er sich oder ein Anderer ihn loͤse. Denn der Zugesprochene blieb im un- verminderten vollen Eigenthum seiner Habe, wenigstens alles dessen was er mit quiritarischem Recht besaß: er konnte im Schuldkerker so guͤltig daruͤber verfuͤgen als im unbeschraͤnktesten Genuß der Freyheit; und hierauf geht wohl die Bestimmung der Gesetztafeln, nicht auf die politischen Rechte, daß der wegen Schulden Gefes- selte gleiches Recht haben solle wie der Freye Nexo solutoque idem jus esto. . Fand er also Gelegenheit sein Eigenthum so zu verkaufen daß er entweder seine Schuld abtragen oder doch wenigstens sich mit dem Schuldherrn abfinden konnte, oder nahm dieser es in Zahlung an, dann ward er frey. Denn als Aengstigung zur aͤußersten Anstrengung war diese Haͤrte und die fuͤrchterliche Entscheidung welche ihm bevorstand wenn er nicht zahlte, eigentlich, und selbst nach den Ausdruͤcken des Gesetzes, gemeint. Hatte er sich am dritten Gerichtstage nicht geloͤßt, dann ward er dem Schuldherrn hingegeben ihn zu toͤdten oder uͤber die Ti- ber zu verkaufen. Dies lautet bey Gellius dem wir die Kenntniß dieser Gesetze verdanken Gellius XX. c. 1. fast so als ob der Schuldherr, wie er den Gefangenen nicht mit leichteren Ketten fesseln durfte als bestimmt war, auch keine Wahl eines Dritten gehabt haͤtte; ihn nicht als Knecht fuͤr seine Schuld dienen lassen durfte. Aber schon bey der er- sten Erwaͤhnung der Schuldknechtschaft 259. Livius II. c. 23. ward von der Zahl gefangener Schuldner geredet, als ob es Tausende gewesen waͤren: spaͤter, am Schluß dieses Zeitraums, bey der licinischen Gesetzgebung, von den Schaaren zuge- sprochener Schuldknechte, die in Kerkern bey dem Hause jedes Patriciers gehalten wurden Gregatim quotidie de foro addictos duci et repleri vinc- tis nobiles domos: et ubicunque patricius habitet, ibi car- cerem privatum esse. Livius VI. c. 36. . Dies scheint eine Befugniß zu Umwandlung der verhaͤngten Strafen nach des Schuldherrn Willkuͤhr oder Abkaufung der Todes- strafe durch freywillige Knechtschaft zu beweisen. Denn war jeder nur waͤhrend sechszig Tagen im Hauskerker, so konnte dieser auch bey dem reichsten Wucherer kaum zufaͤl- lig viele Ungluͤckliche enthalten. Noch entschiedener redet fuͤr diese Meinung daß der Sohn sich fuͤr den Vater in die Schuldknechtschaft und den Kerker ergeben konnte Cum se C. Publilius ob æs alienum paternum nexum dedisset. Livius VIII. c. 28. . Waren mehrere Glaͤubiger, so gestattete ihnen das Ge- setz den Verurtheilten nach dem Uncialverhaͤltniß ihrer Schuldforderung zu zerhauen, und eine ausdruͤckliche Clausel die es unstraͤflich machte dieses Maaß nicht ganz genau beobachtet zu haben Si plus minusve secuerunt se fraude esto. Gellius a. a. O. Dies allein haͤtte doch aus jedem gesunden Kopf den Gedan- ken an einen sector bonorum entfernen sollen. Erst das poͤteli- sche Gesetz nahm das Vermoͤgen in Anspruch. Livius a. a. O. , befreyte sie von der Excep- tion welche Shylock bey einer aͤhnlichen Rechtsbefugniß im Wege stand. Dieses scheint ein zwecklos empoͤrendes Gesetz, da der Tod eines Ungluͤcklichen der Habsucht ge- nuͤgen konnte, auch ohne Auslassung ihrer Wuth; der Sinn aber war wohl kein anderer als dieser, daß, wenn unter mehreren Glaͤubigern auch nur einer ganz unerbitt- lich war, dieser das Recht hatte den verurtheilten Schuld- ner, wenn die uͤbrigen ihn nur zur Knechtschaft verkaufen wollten, zu verstuͤmmeln, sofern er ihm nur das Leben nicht nahm: welches dann aber die uͤbrigen dem jetzt werthlosen Sklaven gewiß nicht erhielten. Keine Gesetzgebung irgend eines Volks ist empoͤren- der als diese, sicher ist aber auch jede Deutung falsch die an ihrer frevelvollen Unmenschlichkeit auch nur das Ge- ringste mildert. Aber das Interesse des Glaͤubigers mil- derte, der seinen Vortheil bey der aͤußersten Haͤrte weni- ger als bey glimpflicherem Verfahren fand; und das Eigenthumsrecht welches dem Verurtheilten blieb, und ihm einen Stuͤtzpunkt gab, durch den er die Unerbittlich- keit mit Trotz bekaͤmpfen konnte. Er durfte was er be- saß, wenigstens was er mit heiligem quiritarischem Eigen- thumsrecht besaß, weggeben: that er es nicht so fiel es doch seinen Erben heim, der Glaͤubiger mochte ihn toͤdten oder verkaufen. Und hier compensirten sich wohl nach der Absicht der Gesetzgebung der Vortheil und der Nachtheil des Schuldherrn gegen menschlichere Verfuͤgungen, wie sie in Kraft traten als die Fesseln abgeschafft wurden, wo gewiß gleichzeitig der Zuspruch des Vermoͤgens an den Glaͤubiger eingefuͤhrt ward. Rom erkannte nur persoͤnli- chen Credit: und als bey allgemeiner huͤlfloser Armuth der Verschuldete unvermeidlich unter die Haͤrte des Ge- setzes fiel, bemerkt der Geschichtschreiber selbst; was den Credit habe erhalten sollen sey zur Criminalstrafe gewor- den Pœna in vicem fidei cesserat. Livius VI. c. 34. . Diese Kraft des Trotzes einen leidlichen Ver- gleich zu erzwingen, durch den Trost die Seinigen nicht ganz bettelarm zu hinterlassen, muß in jenen eisernen Ge- muͤthern weit groͤßer gewesen seyn als wir uns nach unserm Charakter, unsern Sitten und Gefuͤhlen vorstellen koͤnnen. Ich weiß, sagte ein Janitschar in der Levante an einen europaͤischen Consul der ihn wegen einer Schuld heftig draͤngte, daß du ein Todesurtheil gegen mich auswuͤrken kannst. Aber ich sage dir daß ich nicht mehr bezahlen will als ich geboten habe, und wenn ich hingerichtet werde, was empfaͤngt der Kaufmann dann Felix Beaujour Tableau du Commerce de la Grèce. T. II. p. 176.: ein ganz vortreffliches Werk. ? Fuͤr den als Schuldknecht Zugesprochenen gab es kei- nen rechtmaͤßigen tribunicischen Beystand, weil das Ur- theil nach einem unzweydeutigen Gesetz erkannt war. Er- laubten sich die Tribunen ihn zu gewaͤhren, wie das im Jahr 375 geschah Livius VI. c. 27. , so uͤbten sie eine Gesetzwidrigkeit, welche nur durch den empoͤrenden Mißbrauch des positi- ven Rechts zu entschuldigen ist. Hingegen konnten sie, wie in andern Faͤllen die freye Bewegung der Administra- tion, auch das Gerichtsverfahren bey Schuldklagen im Allgemeinen hemmen, und dies ist in diesem Zeitraum geschehen Livius VI. c. 31. . Dieses war dann nichts anderes als wenn ein Parlament oder Staͤnde dem Landesherrn Subsidien versagt haben. Das Elend welches aus dem allgemeinen Ungluͤck und jener hoͤchst ungerechten einseitigen Belastung des ple- bejischen Standes hervorging, ward durch die Verwir- rung erhoͤht welche die Zerstoͤrung der Stadt in die Ver- waltung gebracht hatte. Es ist schon fruͤher gezeigt wor- den, daß, eben weil die Gesetze keine Art von Realhypo- theken kannten, — diese Schoͤpfung des attischen Rechts, wo sie schon so weit als nur in neueren Staaten ausgebil- det war, — die persoͤnliche Verschuldung die Last der auf dem gesammten quiritarischen Eigenthum des Plebejers haftenden Steuer gar nicht verminderte: und daß von Lustrum zu Lustrum, ohne alle Ruͤcksicht auf die eingetre- tenen Veraͤnderungen, wie bey den Indictionen der spaͤte- ren Kaiser, nach dem Cataster des letzten Census gesteuert werden mußte. Aber auch dieser war durch die allge- meine Verwuͤstung unbrauchbar geworden. Waͤhrend funfzehn Jahren nach der Raͤumung der Stadt ward die Vermoͤgenssteuer nur nach ungefaͤhren Abschaͤtzungen er- hoben Einen andern Sinn kann die Nachricht von dem tributum temerarium nicht haben. Festus s. v. tributum. . Zwar ließ sich das Beduͤrfniß nicht verheh- len, und endlich wurden zweymal Censoren erwaͤhlt, um eine gerechtere Ordnung herzustellen (375 und 377). Sie sollten auch den Schuldenzustand der Nation untersuchen, vermuthlich um, wie es spaͤter geschah, eine allgemeine Liquidation durch abgeschaͤtzten Werth anstatt Geld einzu- leiten. Aber sie blieben unthaͤtig: die ersten dankten sogar ab unter einem religioͤsen Vorwand Livius VI. c. 27. 31. . Hier ist die Hand des herrschenden Stands unverkennbar, welcher die Gelegenheit wahrnahm die Plebs zu beugen: und doch, so lange die Patricier im abgabenfreyen Besitz des Gemein- lands blieben, konnten sie sich nur mit der aͤußersten Ver- blendung einer gerechten Besteurung widersetzen, wenn sie auch den steuerbaren Theil ihres eignen Vermoͤgens traf; denn die Fortsetzung des interimistischen Systems mußte offenbar in sehr kurzer Zeit den Staat gaͤnzlich zu Grunde richten. Habsucht brach das Reich der roͤmischen Oligarchie: sie haͤtte sich erhalten koͤnnen wenn sie nur stolz gegen die plebejischen Ritter gewesen waͤre, und wie die karthagi- niensische, und die einiger griechischen Staͤdte, vor allem aber die der Republik Bern, fuͤr den Wohlstand der Volks- menge Sorge getragen haͤtte, anstatt sie auszusaugen. Es ist eine hoͤchst irrige Meinung daß im Alterthum die Fi- nanzen keinen Einfluß auf die buͤrgerliche Geschichte ge- habt haͤtten. Waͤre der Senat mit den Mitteln die Noth der Gegenwart zu uͤbertuͤnchen und den Nachkommen zu uͤberantworten bekannt gewesen, welche die neuere Finanz erfunden: haͤtten die roͤmischen Gesetze ein System hypo- thekarisches Credits, und dauernde Darlehen gekannt; so moͤchte auch ohne milde und gerechte Verwaltung die Olig- archie viel laͤnger bestanden haben. M. Manlius, der Retter des Capitols, ein Mann eben so ehrgeizig als bis dahin ruhmwuͤrdig, fand sich in seinen Anspruͤchen auf Dankbarkeit, Ehre und Auszeich- nung, bitter getaͤuscht. Er war nach seinem eigenen Ge- fuͤhl Camillus Nebenbuhler: und kalte Zuruͤcksetzung ohne alle Erinnerung an eine große That, die, in ihren Folgen uͤber alle seine Handlungen hervorragend, doch nicht fremd in der langen Reihe eines Heldenlebens stand bessen Kraft noch lange nicht erschoͤpft war, erregte in ihm eine vergiftende Bitterkeit. Er war einer von den maͤchtigen Menschen die von der Natur einen unlaͤugbaren Beruf empfangen haben die Ersten in ihrem Vaterlande zu seyn, und welche Gleichguͤltigkeit und Zuruͤcksetzung von denen die sie tief unter sich fuͤhlen zum Verbrechen und Verder- ben hintreiben; oder Mißtrauen und Anfeindung recht- schaffener aber furchtsamer Maͤnner, welche, scheu vor ihrem daͤmonischen Gemuͤth, sie fliehen, dem boͤsen Geist uͤberantworten. Gott wird ihre Seelen von denen for- dern welche sie auf die unseligen Abwege trieben: ihren Schwaͤchen wird er gnaͤdig seyn, aber nicht denen die sein herrlichstes Werk verderbten. Scipio schwang sich empor uͤber die Gefahr: Caͤsar unterlag der Verfuͤh- rung eines verworfenen Zeitalters: ein aͤhnlicher Cha- rakter war Alkibiades. Gewoͤhnlich wohnt in einer so starken Seele auch urspruͤnglich ein tiefes Gefuͤhl fuͤr Recht und Wahrheit, Erbarmen gegen den Ungluͤck- lichen, Grimm gegen den nur durch Zufall maͤchtigen, an sich feigen und kraftlosen Unterdruͤcker: dieses Gefuͤhl wird den wilden Leidenschaften dienstbar, aber seine in- nere Gluth erlischt nie ganz; und es ist schreyend unge- recht alle Handlungen die, von ihm ausgehend, schoͤn und loͤblich sind, bey ihnen als Heucheley oder berechne- tes Werk zu brandmarken. Mit reinen Gefuͤhlen gewiß begann Manlius sich der huͤlflosen Schuldner zu erbarmen. Er erkannte auf dem Forum einen alten Kriegsgefaͤhrten, einen durch vielfache Thaten ausgezeichneten Hauptmann, den der Wucherer, ihm durch Urtheil zugesprochen, gefesselt wegfuͤhrte. Auf der Stelle zahlte er fuͤr ihn die, wenn eine solche Zahlung moͤglich war, fuͤr den Reichen ge- wiß kleine Schuld, und gab ihn den Seinigen wieder. Laut und graͤnzenlos war die Dankbarkeit des Gerette- ten gegen den der ihm wie ein Engel des Himmels er- schien, als nur schmaͤhlicher Tod oder elende Knecht- schaft zum Schluß eines ruͤhmlichen Lebens vor ihm lag. Er erzaͤhlte sein Schicksal, worin die meisten der Zu- hoͤrer ihr eigenes erkannten: der Krieg, und die gezwun- gene Herstellung seiner Wohnung hatten ihn in Schulden gestuͤrzt: die Zinsen, zum Capital geschlagen, dieses bald so weit uͤberstiegen daß fuͤr ihn jede Moͤglichkeit der Zahlung verschwunden war. Er enthuͤllte dem Volk seine ruͤhmlichen Narben aus vielen Kriegen. Er gelobte seinem Retter ewigen Dank und unbedingte Treue. Das ganze Volk war bewegt, Manlius war begeistert. Er verkaufte oͤffentlich ein Landgut, sein reichstes Erbe, und schwur, so lange ihm noch ein Pfund bleibe werde er nicht dulden daß ein Quirite als Schuldknecht abgefuͤhrt werde. Auch hat er das treu gehalten: denn als er auf den Tod angeklagt ward, hat er an vierhundert Buͤr- ger als Zeugen gestellt, denen er zur Zahlung ihrer Schulden Geld ohne Zinsen vorgeschossen und sie vom Schuldkerker errettet hatte. Von diesem Tage war sein Haus das Heiligthum des Volks, und es scheint ihm durch allgemeines Ge- fuͤhl der Nahme des Patrons der Plebs gegeben zu seyn: ein Nahme der allerdings fuͤr den Staat beunruhigend seyn konnte Livius VI. c. 18. Victor de vir. ill. c. 24., wo aber dieser große Ehrennahme (veraͤndert: patronus populi ) schon auf die Rettung des Capitols bezogen wird. Es scheint uͤbrigens eine ungezwungene Folgerung: wenn die gesammte Plebs sich einen Patron ernannte so hatte der einzelne eigentliche Plebejer keinen. . In seinem Hause auf der Burg be- gannen Plebejer von allen Klassen sich zu versammeln, und hier klagte er seine Mitstaͤnde als die Urheber des allgemeinen Elends an. Zu gerechten Anklagen war nur zu reicher Stoff. Aber wenn wir die Erzaͤhlungen, wie das Loͤsegeld der Stadt, entweder wegen Camillus Entsatz gar nicht gezahlt, oder nebst einem gleichen Werth an anderem erbeuteten Golde den Galliern wie- der entrissen sey, als entschiedene Erdichtung verwer- fen, so koͤnnen wir auch die nicht guͤnstiger beurtheilen, daß Manlius die Patricier beschuldigt, sie haͤtten sich dieses Gold heimlich zugewandt, welches hingereicht ha- ben wuͤrde die Schulden der Plebs zu zahlen. Ist es nothwendig hier einigen historischen Grund anzunehmen, und und ist es erlaubt diesen durch Vermuthungen aufzusuchen, so scheint sich nur eine Deutung zu finden. Die Con- tribution ward durch eine Vermoͤgenssteuer bezahlt Livius VI. c. 14. Cum conferendum ad redimendam civitatem a Gallis aurum fuerit, tributo collationem factam. : wenigstens aber fuͤr die Zerstreuten konnte diese auf dem Capitol nicht angelegt und von ihnen auch nicht erhoben werden, um den Feind zu befriedigen, der vor empfangener Zahlung die Stadt nicht raͤumte. Plinius Erzaͤhlung von den zweytausend Pfunden Gold welche auf dem Capitol nach dem gallischen Kriege niederge- legt waͤren Plinius H. N: XXXIII. c. 5. ist verworren: doch das sagt er aus- druͤcklich daß die Masse dieses Metalls welche ganz Rom, mit allen seinen Tempeln, vor dem gallischen Kriege be- saß, hoͤchstens dieser gleich war. Die eine Haͤlfte be- stand, nach ihm, aus dem Golde welches die Gallier in den Tempeln und unter der uͤbrigen Beute gefun- den hatten, nebst dem ihnen abgenommenen Geschmeide; die andre war die roͤmische Kriegssteuer. Fuͤr das Gold des capitolinischen Tempels, der doch unstreitig der reichste seyn mußte, und schon von freundschaftlichen Voͤlkern Geschenke empfangen hatte, und fuͤr dasjenige welches aus andern Tempeln der Stadt dorthin gefluͤch- tet war, rechnet er nichts in diesem Anschlage des saͤmmt- lichen damals in Rom vorhandenen Goldes. Dieses muß also nach seinem Urtheil unter der zuruͤckeroberten Contribution enthalten gewesen seyn: im Gegensatz von Zweiter Theil. X Livius Erzaͤhlung, welcher versichert es sey nicht beruͤhrt worden, sondern die Matronen haͤtten ihr Geschmeide zur Zahlung dargeboten: was aber auch nur fuͤr eine Wiederhohlung der Sage gelten kann, uͤber die Art wie das Gold angeschafft worden womit Camillus Geluͤbde wegen Veji geloͤßt ward Die Massilienser erzaͤhlten als Beyspiel ihrer uralten Nationalfreundschaft fuͤr Rom: auf die Botschaft von der gallischen Eroberung habe die ganze Stadt Trauer ange- legt; und hernach Gold zur Zahlung der Contribution uͤber- sandt. Dafuͤr zum Dank haͤtte ihnen der roͤmische Senat Atelie und Prohedrie decretirt. Justinus XLIII. c. 5. Die Erzaͤhlung ist sichtbar aͤcht genug aus massiliensischen Chroniken: darum aber nicht weniger verdaͤchtig. Von sol- chen griechischen Ehrenbeschluͤssen findet sich in der roͤmi- schen Geschichte kein Beyspiel. . Eine offenbar verdorbene Stelle bey Plinius Plinius a. a. O. scheint eine Verbesserung zu for- dern, wonach dem capitolinischen Gott das empfangene zwiefach, durch jene in Jupiters Cella niedergelegte zwey- tausend Pfunde, wiedergegeben ward; wird diese zuge- lassen, dann erklaͤrt es sich wie uͤber das zur Contribu- tion verwandte Gold ein Mißvergnuͤgen herrschte, wel- ches einem Demagogen Stoff zu Anklagen gewaͤhrte. Nach der Raͤumung der Stadt mußte das vom Capitol erborgte Gold durch eine Vermoͤgenssteuer wiederersetzt werden; und der Senat glaubte die Republik verpflich- tet das Empfangene zwiefach zu erstatten. Je hoͤher aber das Elend gestiegen war, um so weniger mochte dem Volk die Verpflichtung einleuchten auch nur mit der Zuruͤckgabe des entlehnten zu eilen: wenn auch damals die aͤngstlich religioͤse Nation sich nicht ermaͤchtigt hielt, wie zu Athen schon fruͤher geschehen war, wie es zu Rom dreyhundert Jahre spaͤter geschah, in der Zeit der Noth die Reichthuͤmer der Tempel zur Erhaltung des Staats zu verwenden. Ward das Doppelte gefordert, und zum Behuf einer vor allen Augen verschlossenen Niederlegung, dann war es der gequaͤlten Armuth nicht zu verargen wenn sie einen fuͤr die Regierung beleidi- genden Argwohn faßte: es sey nur eine Erpressung un- ter scheinheiligem Vorwand zum Vortheil maͤchtiger Pluͤn- derer: und diesen Argwohn, der noch mehr als das Ge- fuͤhl und das Andenken aller andern Bedruͤckungen die Gemuͤther in die schreckliche Stimmung bringen mußte worin Aufstand ein willkommner Gedanke wird, kann Manlius genaͤhrt, und ihm durch Beschuldigungen ge- gen Einzelne Schein gegeben haben. Ein Schriftsteller von freylich sehr schlechtem Ge- halt, geistlos, unwissend und fluͤchtig, auf den man auch, weil die meisten Abweichungen seiner Erzaͤhlung nur aus diesen Fehlern entstanden sind, im allgemeinen vor dem Zeitpunkt wo Polybius Geschichte anhebt, welche Posidonius fortsetzte, nur dann Ruͤcksicht nehmen muß, wenn der Mangel uns treibt Wurzeln und Kraͤuter ge- gen den Hunger zu sammeln, hat hier einige Umstaͤnde welche er weder erfunden noch verdreht haben kann. Manlius, sagt Appian, forderte Tilgung der Schulden, oder daß das Gemeinland verkauft, und der Ertrag zur Zahlung fuͤr die Plebejer verwandt werden solle. Dies X 2 war, wenn es nur mit einem Theil geschah, — soviel als zur Assignation haͤtte kommen koͤnnen, — nur diese in einer veraͤnderten Form Appian Ital. fr. 9. ed. Schw. Er las ein wenig La- tein, und hat uͤber diese Zeitlaͤufte den Cassius (Hemina) gebraucht ( Celt. fr. 6.). Das große Lob, welches der ver- storbene Muͤller gelegentlich in einer Flugschrift diesem seich- ten Alexandriner gab, ist hoͤchst befremdend, und muß nicht verfuͤhren. . Der volskische Krieg gab dem Senat Veranlassung zur Ernennung eines Dictators, A. Cornelius Cossus, dessen Gewalt auch nach der schnellen Beendigung des Feldzugs fortdauerte. Manlius ward als Verlaͤumder der Regierung vor sein Tribunal citirt, und in den Ker- ker geworfen. Als ob einen Angehoͤrigen oder einen na- hen Freund dieses Schicksal getroffen haͤtte, erschienen, so lange Manlius in Ketten lag, nebst denen die seinen Wohlthaten Freyheit und Tageslicht verdankten, viele andre Plebejer in Trauerkleidern und mit verwildertem Haupthaar und Bart, wodurch die Sitte bezeichnete daß dem Bekuͤmmerten und Verzagenden jede Sorgfalt fuͤr den Anstand seiner aͤußern Erscheinung gleichguͤltig geworden sey. Taͤglich wuchs die Zahl welche sich so als Parthey auszeichnete, und vom Anbruch des Mor- gens den ganzen Tag nicht von den Thuͤren seines Ker- kers wich. Sicher kann damals noch keine entschiedene Schuld Manlius Gefaͤngniß gerechtfertigt haben, weil der Senat, erschrocken uͤber die anwachsende dumpfe Gaͤhrung, den Entschluß faßte ihm die Freyheit wieder- zugeben: ein Entschluß wonach seine Verhaftung unsin- nig gewesen seyn wuͤrde, wenn man nicht erwartete daß dieses heftige Gemuͤth, wuͤthend uͤber die erlittene Schmach und die unverhohlne Absicht gegen sein Leben, sich jetzt so weit verirren wuͤrde daß er fallen muͤsse. Wahrscheinlich war Manlius, wie zweydeutig auch sein Betragen erscheinen mochte, und wenn gleich bey schoͤnen Handlungen, sobald sie nicht mehr aus ganz lauterem Sinn geschehen, die ganze Seele verdirbt und alle innere Wahrheit schnell verliert, bis zu seiner Ver- haftung nur noch ein ehrgeiziger Buͤrger, nicht schuldi- ger als viele Andre die ohne Schmach, und sogar mit Ruhm im Andenken geblieben sind: rein von jedem be- wußten Gedanken der Empoͤrung. Der Wunsch nach Tyranney mußte in der That fuͤr einen Roͤmer so un- sinnig scheinen daß nur die Wuth eines Eingekerkerten ihn erzeugen konnte. Aber wer in schwarzen Stunden einen Gedanken des Frevels in sich aufgenommen hat, der tritt auf immer aus den Banden des Gesetzes; er gebietet nun uͤber alle Kraͤfte deren Gebrauch Tugend und Gewissen ihm bisher versagten; und Manlius hatte die Menge und die Leidenschaft seiner Anhaͤnger kennen gelernt. Der Senat hatte waͤhrend seiner Gefangen- schaft eine Colonie roͤmischer Buͤrger nach Satricum zu senden beschlossen, um das Volk von ihm abzuziehen: aber zwey und ein halbes Jugerum fuͤr die Familie, zweytausend Buͤrgern angeboten, war die Freygebigkeit eines Geizigen die nur mit Hohn empfangen wird. Auch war die Lage des Orts so gefaͤhrlich, mitten unter den Volskern, daß die ungluͤcklichen Verfuͤhrten bald nach- her vertilgt wurden. Als Manlius in seine Wohnung zuruͤckgekehrt war, begann er seine Anhaͤnger dort bey sich zu versammeln, und wenigstens erschien er jetzt als ein trotzendes Partheyhaupt, mit dunkeln Absichten, und entschlossen der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Die Lage seines Hauses auf der Burg machte diese Versamm- lungen je zahlreicher sie wurden immer gefaͤhrlicher: die Besetzung des Capitols durch das Volk waͤre drohender gewesen als die des Aventinus. Ob aber Manlius entschiedene hochverraͤtherische Absichten bey sich ausgebildet, ob er eine unzweydeutig verbrecherische Unternehmung seinen Anhaͤngern angedeu- tet hat; daruͤber fand Livius in seinen Annalen auch nicht einmal eine bestimmte Beschuldigung Quæ præter cœtus multitudinis, seditiosasque voces, et largitionem, et fallax indicium, pertinentia proprie ad regni crimen — objecta sint — apud neminem auctorem invenio. Livius VI. c. 20. . Wir koͤnnten ihn fuͤr einen gefaͤhrlichen Buͤrger halten der nicht mit Unrecht fiel weil er in seinem Herzen nicht schuldlos war; der aber dennoch vielleicht nie bis zum Verbrechen gekommen waͤre, wenn seine Handlungen in einem verlaͤngerten Leben uͤber ihn haͤtten richten sol- len. Alles haͤngt davon ab, ob es wahr sey daß ihn die Volkstribunen als Hochverraͤther angeklagt haben: dann kann er nicht von einer feindseligen Faction un- terdruͤckt seyn: und als seine Anklaͤger werden zwey Tri- bunen aus den edelsten und unabhaͤngigsten plebejischen Geschlechtern genannt. Freylich aber ist diese Anklage der Tribunen nicht von allen Annalen erzaͤhlt geworden: eine andere Sage, deren Livius selbst gedenkt, meldete, er sey von Duumvirn, erwaͤhlten Richtern uͤber Hoch- verrath, zum Tode verurtheilt, und vor diesen klag- ten gewiß die Volkstribunen nicht an. Dio Cassius freylich Fragm, XXXI. ed. Reim. besonders aber sein Epitoma- tor Zonaras VII. c. 24., durch den jenes Fragment erst verstaͤndlich wird. hat die Geschichte einer Empoͤrung der fre- velhaftesten Art erzaͤhlt. Nach ihm hatte Manlius mit seinen Anhaͤngern das Capitol eingenommen: Camillus war zum Dictator ernannt, und der Buͤrgerkrieg herrschte in der Stadt. Unter dem Vorwand daß er der Bote einer Verschwoͤrung seiner Mitbruͤder sey welche um den Preis der Freyheit ihre Huͤlfe anboͤten, waͤre ein Sklav auf dem Capitol zugelassen, haͤtte Manlius in einer vor- geblichen geheimen Unterredung an dem Rand des Huͤ- gels hin gefuͤhrt, bis zu einer Stelle wo am Fuß Sol- daten verborgen gewesen waͤren, und hier habe er ihn hinuntergestoßen. Camillus habe den Gefangenen vor Gericht gestellt. In dieser Erzaͤhlung steht Dio ganz allein: und sie ist um so auffallender da Livius, nach seiner Versicherung, beweisende Umstaͤnde der Schuld des Manlius, die ihm freylich deswegen nicht zweifel- haft wird, in allen Annalen vergebens gesucht hatte, also nirgends etwas gefunden haben kann was der Er- zaͤhlung des Dio aͤhnlich war. Nach Livius war auch kein Dictator ernannt, sondern den Proconsulartribu- nen, von denen Camillus einer war, vom Senat die Vollmacht gegeben alles zur Erhaltung des Staats zu thun. Auch in dieser Wuͤrde konnte Camillus, wie es erzaͤhlt wird, Vorsitz und Leitung des Gerichts uͤber sei- nen Nebenbuhler ausuͤben Plutarch Camill. p. 148. C. . Doch eine bestimmte Spur der Sage von der Dictatur ist bey Livius selbst Livius VI. c. 20. die Erwaͤhnung des Obersten der Ritter C. Servilius, welchen Manlius, abwesend, unter denen aufgefuͤhrt deren Leben er im Kriege gerettet. Servilius hatte je- nes Amt im Jahr 366 bekleidet: aber es kann seiner nicht unter dem Titel einer Wuͤrde gedacht seyn, die er so lange niedergelegt hatte: denn Livius redet immer mit der musterhaftesten Richtigkeit; und viel eher gleicht es ihm daß er vergaß zu erwaͤhnen: nach einigen sey Ca- millus Dictator, und unter ihm Servilius Oberster der Ritter in diesen Unruhen gewesen. Nach Livius muͤßte man schließen daß Manlius die- sesmal nicht in den Kerker geworfen, sondern frey auf die Ladung der Tribunen vor Gericht erschienen sey; welches freylich nicht wahrscheinlich ist. Wie auch der Gang des Processes war, — sey es daß Manlius von den Blutrichtern an die Nation appellirte, der durch die zwoͤlf Tafeln der letzte Ausspruch bey allen Halsgerich- ten zuerkannt war, oder daß die Tribunen ihn vor der Versammlung der Centurien anklagten, — am ersten Ge- richtstage ward das Volksgericht vor der Abstimmung entlassen weil die Lossprechung des Angeklagten gewiß schien. Die Erbitterung der Patricier; die Verlaͤug- nung aller Gefuͤhle des Bluts selbst bey seinen Bruͤdern, welche die Trauerkleider in denen sie anfangs erschienen waren, vielleicht durch Drohungen geschreckt, abgelegt hatten; zeigten Manlius um so mehr in dem Licht eines Maͤrtyrers seiner Volksliebe, weil es im Andenken war daß C. Claudius und das ganze Claudische Geschlecht waͤhrend der Anklage des Decemvirs Trauer angelegt hatte. Als er aber die denen er Freyheit und Eigen- thum wiedergegeben, die denen er in Kriegen das Leben gerettet hatte, als Zeugen vorrief: als er die Ruͤstungen dreyßig erlegter Feinde, vierzig von den Feldherrn em- pfangene Ehrengeschenke zeigte: als er die Narben sei- ner Brust enthuͤllte; und von der Gemeinde nach dem Capitol gewandt, welches uͤber dem Marsfelde hervor- ragt, mit aufgehobenen Haͤnden, nicht mehr die jeder Wohlthat undankbar vergessenden Menschen sondern die ewigen Goͤtter anflehte, ihm in seiner Noth zu geden- ken daß er ihren heiligen Tempel von Entweihung und Zerstoͤrung errettet: da fuͤhlten sich auch die welche ihn schuldig glaubten unwuͤrdig uͤber einen solchen Mann zu richten. Die Gemeinde ward zum zweitenmal vor dem Nomentanischen Thor versammelt. Hier sprach sie das besohlne Todesurtheil. Der Ungluͤckliche ward, um sei- nen Tod mit Hohn zu verbittern, damit er fuͤhle daß seine siegenden Feinde bey dem Andenken seiner großen That nicht jene zuruͤckbebende Scheu empfaͤnden welche Marius aus den Haͤnden des Cimbers rettete, von dem tarpejischen Fels, wo er die stuͤrmenden Senoner zuruͤck- geworfen hatte, hinabgestuͤrzt. Sein Haus ward ge- schleift, und, nach einer Sage Die Rede pro domo. c. 38. , die Staͤtte mit zwey Hainen bepflanzt: nach einer andern Livius VI. c. 10. der Tempel der Juno Moneta, spaͤter auch die Muͤnze, dort auf- gefuͤhrt. Damals soll auch vom Volk verordnet seyn daß kein Patricier kuͤnftig auf der Burg wohnen duͤrfe: ein Beschluß der nach einer Erfahrung von hundert sechs und zwanzig Jahren sehr uͤberfluͤssig gewesen zu seyn scheint wenn man diese feste Wohnung wegen An- lockung des Volks durch Wohlthaͤtigkeit und Herablas- sung gefaͤhrlich hielt. Auch verordnete das Manlische Geschlecht durch einen Beschluß auf ewige Zeiten daß kein Patricier von ihnen den Vornahmen Marcus fuͤh- ren solle, wie das Cla n dische einst den Nahmen Lucius fuͤr sich ausschließen mußte, weil z . ihrer Gentilen, die ihn fuͤhrten, der eine wegen Mord, der andre we- gen Straßenraub verurtheilt waren. M. Manlius ward im Jahr 371 hingerichtet. Nach seinem Tode vergingen drittehalb Jahrhunderte, in de- nen die jetzt bald befestigte Harmonie der Verfassung dem ehrgeizigen Buͤrger keine Verfuͤhrung darbot sich am Staat zu versuͤndigen; keine Gebrechen die auch eine gewaltsame Abhuͤlfe als ein unvermeidliches Uebel er- scheinen lassen konnten. Auch Manlius Blut, wie sehr er sich verirrt haben mag, lag auf der Seele der Se- natoren; denn bey gerechter und menschlicher Verwal- tung waͤre er nie gefaͤhrlich, bey billiger Wuͤrdigung seiner großen und gerechten Anspruͤche nie zum aͤußersten getrieben worden; und nichts waͤre leichter gewesen als durch eine wohlthaͤtige Gesetzgebung ihn ganz zu ent- waffnen. Das Volk beweinte ihn, und Pest und Miß- wachs, die seinem Tode folgten, schienen, indem sie das Elend vermehrten, auch Rache des Himmels uͤber seine Verurtheilung zu seyn. Ein sonderbares Spiel des Schicksals hat fuͤr viele Voͤlker Jahrhunderte hindurch jenen dichterischen Glanz, den die alte Sage fuͤr Camillus schuf, auf seinen ungluͤck- lichen Nebenbuhler uͤbertragen. Johannes Malalas er- zaͤhlt, aus einem Brunichius, vom Mallio Capitolinus, wie er von boshaften Feinden aus Rom verbannt, sich auf seine Guͤter bey Apuleja zuruͤckgezogen. Aber nach der Einnahme der Stadt habe ihn der reuige Senat zum Feldherrn erwaͤhlt: er habe die Legionen aus den Be- satzungen zusammengezogen: mit ihnen das Capitol ent- setzt: Brennus mit eigner Hand erschlagen: sey darauf zum Oberherrn ernannt, und habe seinen Erzfeind, den verraͤtherischen, aus gallischem Geschlecht abstammenden Senator Februarius verjagt Malalas Chronogr. VII. p. 233 — 239. . Diese Erzaͤhlung hat Cedrenus aus ihm entlehnt, und es ist kein Zweifel daß sie, eine sehr kleine Zahl historisch Gelehrter ausgenom- men, vom sechsten Jahrhundert an im byzantinischen Orient allgemein geglaubt wurde. Mit dem Verfall des westlichen Reichs erscheinen schon Spuren einer voͤlligen Entstellung der alten Ge- schichte in der volksmaͤßigen Erzaͤhlung. Die Nahmen sind erhalten, aber sie dienen als Substrat immer will- kuͤhrlicherer Fabeln: wie im Mittelalter ahndete man schon nicht mehr daß auf dem Boden den man betrat einst eine ganz andre Welt lebte; und was man von ihr hoͤrte begriff keiner: Republik und alte Ordnungen waren todte Worte. Die großen Nahmen lebten fort mit einer inneren Unsterb- lichkeit, aber die Phantasie spielte wild mit ihnen, wie die eines Kindes, oder wie sich die Geschichte und Geo- graphie in Ritterromanen gestaltet. So war Hannibal in der Tradition Roms im zwoͤlften Jahrhundert ein roͤmi- scher Feldherr, von dem eine Familie der Stadt ihr Ge- schlecht ableitete. Es sind mehrere Schriften erhalten welche diese sonderbaren Traͤume darstellen; sie werden als sinnlos verachtet, und sind doch merkwuͤrdig; an einem andern Ort werde ich von ihnen ausfuͤhrlicher reden. Malalas kennt die roͤmische Geschichte vor August nur so: er erzaͤhlt wie Romulus die Factionen des Circus ge- stiftet, und Brutus den befreyten Knecht Vindicius zum Comes ernannt habe. Wilikuͤhrliche Erfindungen von ihm sind diese Erzaͤhlungen nicht; und Brunichius ist kein erdichteter Nahme, obgleich sonst keiner ihn nennt. Ein Roͤmer war dieser gewiß auch nicht. Der Nah- me Brunich ist offenbar gothisch, wie Wittich, und nichts ist begreiflicher als daß die germanischen Ansiedler in Ita- lien die einheimischen Geschichten, die wieder zu Sagen geworden waren, theils unvollkommen auffaßten, theils mit derselben Freyheit behandelten wie sie es an ihren ererbten gewohnt waren. Auch war dies wahrlich harmlos, und den abgeschiedenen Geistern willkomme- ner als voͤllige Vergessenheit so lange die Geschichte im Grabe lag Die Geschichte von Camillus hat schon bey Servius ( ad Aeneid. VI. v. 826.) offenbare Zuͤge einer solchen Gestal- tung. Eigenthuͤmlich ist daß er nach dem Sieg in das Exil zuruͤckgeht. Sichtbar jung ist die Angabe vom Ort des Siegs: bey Pisaurum; etymologisch daher erklaͤrt: es muß schon Pesaurum ausgesprochen seyn, von dem italienischen pesare. Dachte man nicht an Stilicho bey jenen Sagen? . Wie nach Maͤlius Tode dem Volk wohlfeile Getreide- preise gegeben wurden, so beschloß jetzt (372) der Senat die Assignation des pomptinischen Gebiets, welche schon vor vier Jahren (368) von den Tribunen gefordert war Livius VI. c. 5. 21. . Doch war das Volk zu sehr verarmt um diese Freygebigkeit mit Freude aufzunehmen, weil es am Gelde fehlte die Wirthschaften einzurichten. Auch war der Besitz in dieser entlegnen Gegend wohl sehr unsicher, und ward durch den Verlust von Satricum wieder zerstoͤrt, bey dem die ungluͤcklichen Colonisten dieser Stadt Leben oder Freyheit verlohren. Unter gluͤcklicheren Auspicien zo- gen die aus welche um Eigenthum zu erlangen, in die lati- nischen Colonieen Sutrium (372) Vellejus I. c. 14. , Setia (376) Livius VI. c. 30. Aber nach Vellejus a. a. O. 373. und Nepete (372) Livius VI. c. 21: nach Vellejus a. a. O. 382. wandernd, dem Buͤrgerrecht ent- sagten. Wichtig ist fuͤr die Geschichte der Verfassung die Er- waͤhnung daß die Comitien der Tribus jetzt uͤber Kriegs- erklaͤrungen entschieden, welches fruͤher die Centurien thaten Livius VI. c. 20. IV. c. 30. . Einmal (377) da die Noth des Volks immer wuchs, verwehrteu die Tribunen die Aushebung bis der Senat zugesagt hatte daß waͤhrend der Dauer des Feldzugs uͤber Schuldforderungen kein Recht gesprochen, und keine Steuer erhoben werden solle. Geschah dieses nicht, so konnte auch kein Sold gezahlt werden, welches die Ple- bejer fuͤr den geringeren Nachtheil gehalten haben muͤs- sen. Die Kuͤrze der Feldzuͤge, und ihre Art, die ganz wieder zu der der fruͤheren Zeiten zuruͤckkehrt, machen es wahrscheinlich daß uͤberhaupt jetzt wieder, wenigstens oft, kein Sold gegeben ward. Dennoch aber wurden die Lasten und das Elend des Volks so wenig vermin- dert, daß es ganz unter dem Druck zu erliegen begann, und in ein dumpfes Dulden versank, wobey die Frage uͤber die Gleichheit der Staͤnde, fuͤr die schon achtzig Jahre fruͤher mit so großer Heftigkeit gestritten war, jetzt ganz fuͤr den herrschenden entschieden zu seyn schien. Die Zahl der Freyen verminderte sich bestaͤndig: die Verschuldung der uͤbrigen machte sie voͤllig abhaͤngig, und die Patricier herrschten ohne Widerstand in den Wah- len. Rom war im Begriff zu einer elenden Oligarchie herabzusinken; seine Macht, schon wieder so sehr ver- mindert, waͤre bald ganz erloschen, und der Nahme einer latinischen Stadt bey griechischen Geographen waͤre wahrscheinlich alles was wir von ihr wuͤßten, wenn nicht in diesem Zeitpunkt des tiefsten Verfalls, und einer schon beginnenden Aufloͤsung, zwey Maͤnner aufgestanden waͤ- ren, die, mit fester Entschlossenheit, auf einem Wege, den zu bahnen ihr inneres Bewußtseyn sie berechtigte, die Nation aus dem Elend zur Groͤße fuͤhrten. Die licinischen Rogationen . Von C. Licinius Stolo und L. Sextius, diesen Ur- hebern der Wiedergeburt Roms, wissen wir, die rhetori- schen Ausbildungen von Livius Erzaͤhlung hinweggenom- men, kaum mehr als ihre Nahmen und sehr unvollstaͤndig den Inhalt ihrer Gesetze. Aber die Groͤße und Kuͤhnheit ihrer entworfenen Gesetzgebung, ihre unermuͤdliche Be- harrlichkeit, die Ruhe womit sie, streng auf die gesetz- lichen Wege sich beschraͤnkend, die Vollendung heran- reifen ließen, ohne daß weder ihnen noch dem Volk, in einem Zeitalter wo die Annalen noch lange ausschließ- lich von der feindseligen Parthey geschrieben wurden, die geringste Gewaltthaͤtigkeit vorgeworfen wird: das alles giebt uns das Maaß ihres Geistes und ihres Cha- rakters. Es sind nicht stuͤrmische Demagogen Griechen- lands, welche, alle Gesetze beugend, die Leidenschaften eines Tyrannen zu saͤttigen suchten: noch weniger sind es vernichtende Zertruͤmmerer, in deren Seele nur das Chaos herrscht, eben so unfaͤhig eine Idee der Schoͤpfung zu fassen und auszubilden, als die wonach das zum Theil Abgestorbene, oder Veraltete, dessen Zerstoͤrung sie her- beyrufen, sich gebildet hatte. Sie hatten die Krankheit der Republik tief ergruͤndet; sie waren entschlossen sie zu heilen; und fuͤr den Zweck fest entschieden duͤnkten ihnen die einzigen Mittel nicht zu langwierig, welche, ohne Ge- walt und todte Ummodelung, sondern frey und lebendig zum Ziele fuͤhrten. Eine Revolution die in griechischen Republiken oder in Florenz gewaltsam in wenigen Mona- ten unternommen, ausgefuͤhrt oder gescheitert, mit Ver- bannungen und Blut besiegelt waͤre, reifte waͤhrend zehn Jahren unablaͤssigen maͤnnlichen Ringens, und hat kei- nem einzigen Buͤrger seinen Frieden gestoͤrt Doch Obst, das bald vom Baume gehet, Das taugt gemeiniglich nicht viel: Ich denke, wie’s im Liede stehet, Laß fahren was nicht bleiben will. Opitz . . Einer so groß gedachten, so groß ausgefuͤhrten Un- ternehmung hat dennoch der Haß der unterliegenden Parthey elende weibliche Eitelkeit als Ursache angedich- tet. Freylich kann es nicht befremden, daß sie die ge- rechten Anspruͤche eines laͤngst der Kindheit entwachse- nen Standes auf Gleichheit als eine leidige Eitelkeit verschrie, wie sie ihre eigene Herrschsucht als pflicht- maͤßige Erhaltung ererbter, ihren Nachkommen schuldi- ger Rechte angesehen haben wollte. Selbsttaͤuschung ist in solchen Faͤllen, wenn auch manchmal eine warnende Stimme im innersten Bewußtseyn redet, so begreiflich, daß der Unbefangene nicht hart uͤber sie richten darf: aber er darf auch nicht zulassen daß ihr Urtheil als be- gruͤndet gelte. Daß die Erzaͤhlung wie die beleidigte Eitelkeit der Gattin des C. Licinius Calvus Stolo ihn angetrieben habe die Verfassung umzuschaffen, fuͤr histo- risch, risch, fuͤr etwas besseres als ein elendes Memoirenmaͤhr- chen, angenommen worden, ist ganz unbegreiflich; denn gerade diese laͤßt sich, vor vielen andern ebenfalls ersonne- nen, auf die unwidersprechlichste Weise in ihr Nichts auf- loͤsen. Dies hat schon laͤngst ein geistreicher und gelehrter Mann gethan Beaufort sur l’incertitude de l’histoire Romaine. II. c. 10. : wie es aber sonst als ein zuverlaͤssige- res Urtheil anerkannt wird was zwey Maͤnner, ohne Ver- abredung und Mittheilung, uͤbereinstimmend abgeben, so darf ich ihn hier nicht als die Quelle, sondern als Bestaͤ- tigung der folgenden Kritik anfuͤhren S. die Vorrede zum ersten Bande. S. XII. . Es wird erzaͤhlt, nicht von Livius allein und denen die nur aus ihm geschrieben haben, sondern auch von Dio Zonaras VII. c. 24. : von zwey Toͤchtern des M. Fabius Ambustus sey die aͤlteste mit Ser. Sulpicius, der im Jahr 378 Con- sulartribun war, die juͤngere mit C. Licinius, einem Ple- bejer, verheirathet gewesen. Der geraͤuschvolle Pomp, womit Sulpicius vom Forum zuruͤckkehrte, habe die juͤn- gere Fabia, ungewoͤhnt in einem plebejischen Hause an den Laͤrm womit die Lictoren den Eintritt des Herrn an- kuͤndigten, erschreckt: sie sey zusammengefahren, und von ihrer Schwester uͤber eine Furcht verspottet worden, wel- che den niedrigen Stand verriethe, wohin sie ihre Hand vergeben habe. Diese Beleidigung habe sie bewogen ihren Mann und selbst ihren Vater zu verfuͤhren, daß sie ihr ge- lobten nicht zu ruhen bis aͤhnlicher Glanz auch ihr Haus schmuͤcke. Zweiter Theil. Y Es ist unbegreiflich daß jene alten Historiker nicht fuͤhlten wie unsinnig es sey anzunehmen daß das Ge- praͤnge der Magistratur der Tochter eines Patriciers fremd gewesen sey, der vier Jahre fruͤher das Consular- tribunat bekleidet hatte? Und was haͤtte sie fuͤr ihren Mann gewuͤnscht? Doch wohl, als eitle Frau, was er- reichbar schien, was gewoͤhnlich war, nicht, wonach trachtend, das erreichbare und befriedigende aufgeopfert ward: wie die Erzaͤhlung sagt, Gleichheit mit ihrer Schwester; also das Consulartribunat. Nicht das Con- sulat, welches als eine veraltete Institution seit der Ein- nahme der Stadt gar nicht mehr zur Rede kam: dessen Erreichung fuͤr die Plebejer unter weit guͤnstigeren Um- staͤnden entschieden vereitelt war, und auch der leichtbluͤ- tigsten Phantasie kaum als eine entfernte dunkle Moͤglich- keit erscheinen konnte, nur dem kuͤhnen und großen Mann als der Kranz der heftigsten Kaͤmpfe auf Sieg oder Unter- gang. Dahin haͤtten sich die Wuͤnsche einer eiteln Frau gerichtet, waͤhrend die Theilnahme am Consulartribunat nicht nur gesetzlich zugesagt war, sondern auch in der That von Zeit zu Zeit wirklich ward? Und keine plebejische Familie konnte den Genuß des Rechts mit groͤßerer Leich- tigkeit erlangen als die licinische, welche schon drey Ahnen- bilder zaͤhlte; ja, ein C. Licinius Calvus war gerade im vorhergehenden Jahr (377) Consulartribun gewesen. Kaum scheint es denkbar das in einer Familie zwey Maͤn- ner desselben Vornahmens gleichzeitig Anspruͤche auf die hoͤchste Magistratur haͤtten erheben koͤnnen, ein Zufall von dem sich in der roͤmischen Geschichte selbst unter den Pa- triciern vielleicht kein einziges Beyspiel findet: auch hat Plutarch den Ritterobersten des Jahrs 387, welcher nach Livius eben jener ehemalige Militartribun war, fuͤr den Volksfuͤhrer gehalten. Doch dem widerspricht daß je- des andere Amt mit dem Volkstribunat unvertraͤglich scheint Plutarch Camill. p. 130. B. Livius VI. c. 39. Panvi- nius im Commentar zu den Fasten. Er konnte noch nicht wissen daß auch Dio Cassius fr. 33. ed. Reim. den Tribun C. Stolo und den Ritterobersten unterscheidet. . Kann man also Beaufort auch dieses nicht einraͤumen, so hat doch der Erfolg eines nahen Verwand- ten dem Eidam eines Fabius sichrere Aussichten gege- ben als irgend ein andrer Plebejer haben konnte, und selbst fuͤr Albinier, Antistier und Sextilier war dieser Ehrgeiz sogar in jener Zeit (376) nicht hoffnungslos. Im Jahr 378 wurden C. Licinius Stolo und L. Sextius zu Volkstribunen erwaͤhlt. Jenen muͤssen wir als die Seele der Unternehmung ansehen zu der beyde verbunden waren, weil die Gefetze seinen Nahmen fuͤhr- ten: auch nennt ihn die Tradition als den der die Hitze des Kampfs trug: obgleich sein College zuerst durch das Consulat belohnt ward. Alles was fruͤhere Tribunen ein- zeln ohne Erfolg gefordert hatten, umfaßten ihre An- traͤge; denn, was Klugheit geschienen hatte, entweder nur Macht fuͤr die plebejischen Ritter, oder Vortheil, vorzuͤglich fuͤr das Volk, zu fordern, und beydes mit scheuer Maͤßigung, war Ursache geworden daß jeder ein- zelne Antrag fiel, oder in seinen Folgen vereitelt ward. Dauernder Erfolg, und ein Ende des elenden Zustandes in Y 2 dem die Republik krankte, war nur dadurch moͤglich daß Alles gewonnen ward. Denn ohne einen plebejischen Consul waͤre kein Gesetz uͤber das Gemeinland ausge- fuͤhrt worden: ohne dessen Besteurung und ohne Her- stellung des Wohlstands blieb das Volk verzweiflungs- voll gleichguͤltig uͤber jede Maaßregel welche die Erhal- tung der Republik forderte, und der Staat schwand hin. Auch ward freylich wohl durch die Gesammtheit der Gesetze eine heftigere Erbitterung erregt: aber die- ser waren die Tribunen durch unermuͤdliche Ausdauer zu begegnen entschlossen: der Widerstand gegen alle licinische Rogationen konnte nicht hartnaͤckiger seyn als er gegen jede einzelne erhoben seyn wuͤrde. Sehr ruhig konnten die Tribunen die Drohung eines Buͤrgerkriegs und ge- waltsamen Widerstands vernehmen, sobald das Volk sich gewoͤhnte als ein Mann um sie versammelt zu ste- hen, wie die Patricier durch den Senat vereinigt waren. Es ist fruͤher eroͤrtert, wie wahrscheinlich es sey daß durch die zwoͤlf Tafeln diejenigen unter den Clien- ten der Patricier welche caͤritisches Buͤrgerrecht hatten in die Tribus aufgenommen, und nach Errichtung der Censur darin eingeschrieben seyen: es ist angedeutet wie sichtbar, und sonst unerklaͤrlich, der Geist der plebeji- schen Gemeinde seitdem veraͤndert erscheine Th. II. S. 196. 197. . Nur dadurch wird auch der Einfluß der Patricier auf die tribunicischen Wahlen zur Zeit der licinischen Rogatio- nen begreiflich, wo anfaͤnglich acht Tribunen die Oppo- sition bildeten: anstatt jener Eintraͤchtigkeit der alten Zeit: und die Unschluͤssigkeit der noch unter Canulejus so heftig entschiedenen Volksgemeinde. Waren aber die Comitien durch jene Veraͤnderung gezaͤhmt, so vermin- derte sich hingegen auch die Macht der Patricier all- maͤhlig durch die naͤmliche Ursache. Wie patricische Fa- milien ausstarben wurden ihre Clienten jetzt freye Ple- bejer; das Band der Abhaͤngigkeit mußte sich loͤsen wie der tribunicische Schutz es entbehrlicher machte; und die Vermischung der Clienten in den Tribus mußte sie von den Schutzherren ihrer Vorfahren entfernen, mit den Plebejern vertraut machen. Der Proceß des Ca- millus zeugt von der Unabhaͤngigkeit womit auch sie, ihren Buͤrgereiden getreu, selbst uͤber ihre Patrone rich- teten, ein Fall den das alte Gesetz nicht geahndet hatte, und wie sie ihre eigenthuͤmlichen Verpflichtungen mit ihren Buͤrgerpflichten vereinigten. Ein blindes Werk- zeug, eine fuͤr die Patricier geruͤstete Schaar, waren sie schon laͤngst nicht mehr als Licinius auftrat; und dieser Vortheil war groͤßer fuͤr die Sache der Freyheit als die Verzoͤgerung des Entschlusses der Comitien, den aller- dings der Einfluß der Patricier aufhalten konnte. Nicht den patricischen Stand aufzuheben, wie zu Athen, noch weniger ihm die Buͤrgerrechte zu rauben, wie es zu Florenz und in andern italienischen Republiken ge- schehen ist Ueber diese schreyende Ungerechtigkeit, und wie sie sich gestraft, noch mehr deswegen strafen mußte weil die italie- nischen Plebejer unkriegerische Kraͤmer und Handwerker wa- ren, der Vorrang unter ihnen nur durch Reichthum be- , verlangten die Plebejer: nur daß beyde Staͤnde neben einander, gleichberechtigt, die Souverai- netaͤt theilen und den Staat verwalten sollten. Daß sehr lange nachher der patricische Stand fast erlosch, und seine politische Absonderung verlohr, war nicht we- niger nothwendige Folge der absoluten Geschlossenheit und Unergaͤnzbarkeit der Zahl seiner Geschlechter, als der herrschend gewordenen, viel eitleren, Anspruͤche der plebejischen Nobilitaͤt und der ungluͤcklichen Einfuͤhrung des Geldadels: dafuͤr aber ist das licinische Gesetz nicht verantwortlich. Eingeraͤumt war die gleiche Theilung der Regierung in Hinsicht der Decemvirn und urspruͤng- lich der Militartribunen; aber nicht nur wurden die Stellen der Plebejer viele Jahre lang gegen das Gesetz nicht ernannt, sondern ehe sie sich einige Wahlen er- rangen scheint verordnet zu seyn daß alle Stellen ohne Unterschied aus beyden Staͤnden, oder abwechselnd, be- setzt werden sollten. Jenes konnte ein groͤßeres Recht scheinen, aber nur zwingende Noth verschaffte ihnen den Genuß: und das Consulat war unstreitig eine weit bes- sere Verfassung als ein zahlreiches Collegium von hoͤchsten Regenten. Das erste licinische Gesetz verordnete: daß hin- fort nicht mehr Militartribunen sondern Consuln erwaͤhlt werden sollten, aus den Patriciern und dem Volk: einer von beyden muͤsse nothwendig aus diesem ernannt werden. stimmt ward, redet Machiavelli vortrefflich am Eingang des dritten Buchs seiner Geschichte, dagegen die weise Ge- rechtigkeit der Roͤmer vergleichend. Sehr lehrreich ist Sis- mondis historische Darstellung der revolutionnairen Tyran- ney gegen den Adel, T. IV. ch. 25. T. V. ch. 36. Viele unter den Patriciern, wenn sie auch nicht mehr den alten Wahn einer hoͤheren Kastenabstammung hegten, konnten diesem Antrage mit redlicher Meinung ihres wohlbegruͤndeten strengen Rechts auf das Aeußerste widerstehen. Nicht weniger redlich konnten Plebejer, ohne den Vorwurf des Eigennutzes zu verdienen, ihre Anspruͤche auf volles Buͤrgerrecht, bekraͤftigt durch zwey- hundertjaͤhrigen Dienst, uͤber Satzungen stellen, welche das lange nachher entstandene nicht binden konnten: wenn nicht schon an sich Veraͤnderung und Wandel dem Leben so nothwendig waͤren als daß die Veraͤnderungen aus dem urspruͤnglichen Keim sich entwickeln, oder dem was er sich angeeignet. Die Weisheit eines Gesetzes bewaͤhrt unwi- dersprechlich oft nur die Erfahrung. Livius laͤßt dem Tribun scheinbar treffend einwenden: wenn der groͤßte Mann des Zeitalters, in der dringendsten Gefahr zum Heil des Vaterlands um das Consulat werbend, ein Patricier waͤre, — sein Appius konnte nur Camillus nennen, wir denken fuͤglicher an den großen Scipio, — wenn er mit verdienten Patriciern und einem einzigen nichtswuͤrdi- gen plebejischen Demagogen die Magistratur suchte, ob es alsdann nicht unsinnig sey daß er seiner Erwaͤhlung ungewiß seyn, vielleicht sie verfehlen muͤsse, waͤhrend der Plebejer sie muͤßig erwarten koͤnne? Der Geschichtschrei- ber der eine solche Einwendung unbeantwortet hinstellt, verfaͤhrt unredlich, weil er Leser erwarten kann welche das willkuͤhrlich oder nachlaͤssig unbeantwortete fuͤr unwi- derleglich halten. Er haͤtte Licinius die Antwort leihen muͤssen: in Rom wuͤrden aus beyden Staͤnden noch lange nur im Krieg erprobte Maͤnner sich um’ das Consulat be- werben duͤrfen: des groͤßten Feldherrn plebejischer Mit- bewerber werde dem patricischen nicht nachstehen, wenn auch beyde seiner Groͤße sich nicht vergleichen koͤnnten. Aber auch ein Plebejer koͤnne eben sowohl dieser Held sei- ner Zeit seyn, wenn ihm nur nicht der belebende Sonnen- glanz freyer Obermacht entzogen wuͤrde: und einen sol- chen wollten die Patricier der Republik ganz rauben, ihn nur dann dienstbar dulden wenn ein patricischer Consul die Geneigtheit haben moͤchte ihn zu befragen und zu hoͤ- ren. Auch waͤre die Bestimmung welche man angreife nur wegen der Erfahrung unverbesserlicher Treulosigkeit noth- wendig. Verfuͤhre der erste Stand redlich, dann moͤchte die Wahl der Wuͤrdigsten unter den Buͤrgern ohne alle Beschraͤnkungen des Buchstabens erlaubt und empfohlen werden, obgleich keine freye Verfassung den Buchstaben entbehren koͤnne. Wer aber duͤrfte nach solchen Erfahrun- gen an die gute Treue der Patricier glauben? Gluͤcklich die Republik wenn auch der heilig beschworene, aͤngstlich abgewogene Buchstabe dieses Gesetzes gegen freche Ver- letzung sicher seyn wuͤrde! Waͤre einst der alte staͤndische Geist in allgemeine Vaterlandsliebe aufgeloͤßt; kaͤmen dann pruͤfende Tage des Ungluͤcks; dann koͤnne der bessere Enkel fuͤr eine Zeit die Fesseln des Gesetzes loͤsen. Eine Niederlage sogar sey ertraͤglicher als Knechtschaft, und verkruͤppelnde Einzwaͤngung des lebensvollen Koͤrpers. Woher aber diese dunkeln Besorgnisse plebejischer Unfaͤ- higkeit und Untugend? Doch nicht aus der Erfahrung; denn in dem einzigen Zeitraum wo es den Patriciern nicht gelungen sey sie von der Fuͤhrung der Heere auszu- schließen, haͤtten plebejische Consulartribunen auf dem naͤmlichen Boden gesiegt, der durch die verschuldete Niederlage ihrer patricischen Vorgaͤnger traurig gewor- den war. Wer bey Allia dem Heer geboten habe? Und im schlimmsten Fall biete die Verfassung selbst die Ret- tung dar: durch die Dictatur, welche an keinen Stand gebunden seyn solle. Denn auch aus den Plebejern wuͤr- den Maͤnner erstehen die als Dictatoren ihr Vaterland ret- ten, es nicht bedrohen, noch Waffen die fuͤr den Feind bestimmt waren gegen die Buͤrger wenden wuͤrden. Weise habe der roͤmische Staat von Alters her gan- zen Gemeinden die Civitaͤt verliehen um eine Buͤrgerschaft zu einer großen Nation zu erweitern. Fuͤr hoͤhere Zwecke als seit der patricischen Alleinherrschaft gefaßt waͤren, werde eine weit groͤßere Ausdehnung dieses Systems noth- wendig seyn. Koͤnne man denn aber die verbuͤrgerrechte- ten Voͤlker an das neue Vaterland mit Liebe binden wenn ihrem Ritterstand alle Ehren versagt wuͤrden? Und wenn, wie schon patricische Geschlechter ausgestorben waͤren, ihre Zahl fortdauernd abnaͤhme, wenn man die Plebejer gewaltsam von allem edeln Emporstreben abhielte, ihre Reichen zum Gelderwerb als Beschaͤftigung hinwiese, die Erneuerung des ersten Standes durch reinitalische edle Geschlechter hindere, wenn aufgenommene Freygelassene den Stamm der Nation verfaͤlschten, duͤrfe dann das Maaß der Geistesgroͤße und Tugend der noch uͤbrigen Pa- tricier den Beruf der Republik bestimmen? Jede Erfah- rung lehre daß Oligarchieen nicht schleuniger an Zahl als an geistiger Kraft ausstuͤrben. Dies moͤge dem gleichguͤl- tig scheinen, dem Herrschaft und Bereicherung in seinen Tagen genuͤge; aber wie wolle man verhindern, daß, wie es so vielen griechischen Republiken geschehen sey, eine halb ausgestorbene und immer mehr tyrannische Oligar- chie durch eine blutige Demokratie oder einen Tyrannen vertilgt werde? Vielleicht wuͤrde diese Revolution sehr nahe seyn. Aller Seegen zukuͤnftiger Groͤße, den die Goͤt- ter in die Augurien der Stadt, bey ihrer Geburt und der Gruͤndung des Capitols, gelegt, wuͤrde dann auf ewig untergehen. Schon lange leide und sieche der Staat weil er in einem unnatuͤrlichen Zustand lebe. Befreyt von die- sem, eintraͤchtig in sich, gestaͤhlt durch die innere Kraft wodurch er sich sein gesundes Leben hergestellt haben werde, sey er zu jeder Groͤße berufen. Dieses alles haͤtte Licinius, ohne den Geist der Weissa- gung zu haben, sagen koͤnnen: so mußte Livius aus sei- ner Seele reden, wenn er hier redende Eroͤrterung an- gemessen fand. Denn die spaͤtere Geschichte Roms be- waͤhrt daß neben unendlichem Segen auch kein einziger Nachtheil aus diesem Gesetz entstanden ist. Plebejer wa- ren die Decier die sich als Suͤhnopfer fuͤr das ganze Volk hingaben Bauerngeschlecht war der Decier Stamm, plebejische Seelen Waren sie nur: fuͤr Quiriten jedoch, und die saͤmmt- liche Heerschaar, Fuͤr die Verbuͤndeten all, und fuͤr Latiums kaͤmpfende Jugend, : es waren Plebejer welche Pyrrhus erst aufhielten, dann besiegten: ein Plebejer unterwarf die Gallier Italiens: derselbe hemmte Hannibals Siege: ein Plebejer vertilgte die Cimbern und Teutonen, der baͤurische Feldherr aus der Instenhuͤtte Auch er war Arpiner, gewohnt auf Volskergebirgen Tagelohn, ermuͤdet an fremdem Pfluge, zu fordern. Blutend brach seine Scheitel alsdann den knotigen Rebstock, Wenn er im Feld saumselig geschanzt mit zoͤgerndem Beile. Doch er ists, der die Cimbern besteht: der die nahe Vertilgung Wendet von uns: und allein er schirmt die bebende Hauptstadt. Als zu dem Wahlplatz nun und der Cimbern Staͤtte die Raben Flogen herbey: — nie nagten sie je so gewaltige Rie- sen: — Schmuͤckt ein geringerer Lorbeer den hochgebohrnen Collegen. Juvenal ebend. v. 245—253. : ein plebeji- scher Consul rettete Rom gegen die Verschworenen Ca- tilinas: Plebejer waren die Catonen, die Gracchen, und Brutus. Scipio der Große allerdings war Patricier, und er ragt uͤber seiner Nation hervor wie Hannibal uͤber allen Voͤlkern. Die Aemilier, die Valerier, die Sulpicier, die Fabier, noch neben den Scipionen andere Familien der Cornelier, zaͤhlten Maͤnner die zu den er- Nahmen die Todtengoͤtter sie hin, und Erde, die Mutter. Denn ihr Werth war hoͤher denn alles was sie gerettet. Juvenal VIII. v. 254—258. sten der Republik gehoͤrten. Ihre Bilder stehen fried- lich neben denen der großen Plebejer: auf den Thaten eines jeden erhob sich der andere zu neuen Hoͤhen. Alle entarteten allmaͤhlich im Besitz der Uebermacht, und in der Gewalt des seelenbeherrschenden Reichthums. Aber die Municipien verjuͤngten das Volk mit neuen Fami- lien: die Patricier, mit Ausnahme weniger Geschlechter, die um so schoͤner glaͤnzen, verdarben so tief wie es die Verschwoͤrung des Catilina zeigt; deren Haͤupter, er selbst, Lentulus und Cethegus, alle Patricier waren: daher Cor- nelius Severus sie mit dem schrecklichen Nahmen des pa- tricischen Verbrechens bezeichnet Patricium nefas . Bey M. Seneca Suasor . 6. . Eine zweyte Rogation wodurch den Plebejern bisher versagte Ehren gefordert wurden, gehoͤrt so nothwendig zum Ganzen dieser Gesetzgebung, daß man wohl ver- muthen darf, ihre Promulgation werde faͤlschlich auf das Jahr 387 gesetzt. Die Sibyllinischen Buͤcher wur- den von zwey Vorstehern bewahrt, welche fuͤr die Zeit ihres Lebens, urspruͤnglich von den Koͤnigen, damals vielleicht von den Consuln, vielleicht von den Curien ernannt wurden. Sie waren fuͤr die Sicherheit der hei- ligen Buͤcher gegen Veruntreuung und Neugierde ver- antwortlich: durch sie ließ der Senat diese Urkun- den befragen, und sie leiteten die Ausfuͤhrung der von den Orakeln gebotenen Feyerlichkeiten; auch weihten sie Tempel die auf ihr Gebot errichtet waren. Ihre Wuͤrde war kein Priesteramt, sie wird von Dionysius nicht mit den acht patricischen Priestercollegien aufgefuͤhrt; daher die Amtsfaͤhigkeit der Plebejer nicht unter diesem Vor- wand bestritten werden konnte. Licinius erhob ihre Zahl auf ein Collegium von zehn Maͤnnern, zur Haͤlfte Ple- bejer: und wahrscheinlich uͤbertrug er zuerst ihre Wahl der Nationalgemeinde. Die dritte Rogation enthielt das licinische Acker- gesetz. Das agrarische Recht . Vor nicht sehr langer Zeit waͤre es in jedem, nicht ausschließlich fuͤr den Philologischgelehrten, geschriebenen Werk, um die entsetzlichste Mißdeutung zu verhindern, nothwendig gewesen mit großer Sorgfalt zu erweisen, daß die Ackergesetze der Tribunen das Landeigenthum nicht betrafen. Jetzt erlauben uns bekannte, aus Ap- pian und Plutarch verfaßte, Erzaͤhlungen der gracchi- schen Unruhen, als schon eingeraͤumt vorauszusetzen daß kein tribunicisches Ackergesetz dieses heilige Recht ver- letzte: doch ist es an sich wichtig zu betrachten wie zwey große Denker uͤber die roͤmische Geschichte jene falsche und schreckliche Ansicht gefaßt haben. Ihre Kuͤhnheit das verwegen Frevelhafte des vermeinten allgemeinen Heils wegen mit Beyfall zu beschauen, moͤchten wir nicht theilen: doch ist sie vielleicht verzeihlich: an dem einen weil er in einer seit Jahrhunderten unaufhoͤrlich erschuͤtterten, und an jede Kraͤnkung des foͤrmlichen Rechts gewoͤhnten Republik: an dem andern weil er in einem Zeitalter lebte welches seiner Ruhe uͤberdruͤssig, und, mit Revolutionen seit Menschenaltern unbekannt, nach ihnen als einer Wuͤrze luͤstern war. Aber auch der groͤßte Geist traͤgt die Form und die Krankheit sei- nes Zeitalters. Machiavelli Machiavelli Discorsi I. c. 37. glaubte schlechthin daß die Acker- gesetze ein Maaß der Groͤße des Privatlandeigenthums bestimmten, und dasjenige welches die Reichen mehr besaßen den Armen zutheilten. Er setzt hinzu, es sey fuͤr einen jeden Freystaat nothwendig daß er reich sey, seine Buͤrger aber arm: und es scheine daß die dazu noͤ- thigen Gesetze in den fruͤheren Zeiten Roms entweder gar nicht oder unvollkommen angeordnet gewesen, oder daß sie allmaͤhlich entartet waͤren. Er sieht ferner in den Ak- kergesetzen zwar die Veranlassung des Untergangs der Re- publik: aber in dem Kampf uͤber sie den Hauptgrund ih- rer so langen Erhaltung. Montesquieu Montesquieu Considerations ch. 3. nimmt die Sage bey Dionysius als historisch an, daß Romulus die roͤmische Landschaft unter die ersten Ansiedler in gleichen kleinen Loosen vertheilt habe. In diese Gleichheit setzt er die Kraft Roms: und die tribunicischen Bewegungen sind, nach seinem Urtheil, wie die Revolutionen des Agis und Kleomenes, ein Ver- such erloschene Gesetze herzustellen, und die Verfassung auf ihre Grundideen zuruͤckzufuͤhren. Aber der Satz daß alle Ackergesetze nur den Ager pu- blicus, das Gemeinland oder die Domaine, betrafen, ist nicht nur unfruchtbar ohne weitere Entwickelung, son- dern die welche man aus den schon genannten beyden Hauptschriftstellern gezogen hat, so verworren, unbegreif- lich und voll Widerspruͤche, daß dem Nachdenkenden nichts unklareres vorkommen kann. Vergebens sucht er Licht im roͤmischen Recht; kaum entdeckt er einige Bezie- hungen: kein Civilist hat den Gegenstand eroͤrtert. Schon im ersten Bande meiner Geschichte mußte ich der strengern Untersuchung durch einige Erwaͤhnungen voreilen, um das erste Ackergesetz begreiflich zu machen. Ich habe von dem Grundsatz der Erwerbung des Ge- meinlands, und seiner Benutzung geredet Th. I. S. 116. 450—452. . Alles eroberte Land ward Eigenthum des siegenden Staats Pomponius l. 20. D. de captivis et postlim. Publica- tur is ager qui ex hostibus captus sit . : hatten es die Ueberwundenen fruͤher einem andern Volk entrissen, so blieb dessen Recht erloschen Das geschah mit den cimbrischen Eroberungen gallischer Landschaften. : war es aber roͤmisch gewesen, so kehrte es dem Herrn wie- der zuruͤck Pomponius a. a. O. . Gewaltsame Einnahme, oder Dedition, wie es schon deren Formel darthut Th. I. S. 351. , oder Abtretung durch Friedensschluß, waren die Arten der Erwerbung. Und wie alles Eigenthum vom Staat ausgegangen war, so konnte dieser auch ohne Entschaͤdigung die Privatgrund- stuͤcke in einer Landschaft abtreten. Falsch aber ist es daß alle Laͤndereyen in den Provinzen Eigenthum des roͤmischen Staats gewesen waͤren: nur in Italien war Befreyung von einer Ertragssteuer der sichere Charakter eigenthuͤmliches Landes Aggenus p. 47. ed. Goesii. Omnes etiam privati agri (in provinciis) tributa atque vectigalia persolvunt . Cicero adv. Rullum I. c. 4. Si Recentoricus ager privatus est . . In den Provinzen, — wie in Sicilien, — zahlten die Laͤndereyen der verbuͤndeten und freyen Staͤdte keine Abgaben, sie genossen italische Immunitaͤt: aber die in den abhaͤngigen Orten waren nicht weniger Privateigenthum, obwohl zehentpflichtig, freylich nach fremdem und allgemeinem, nicht nach qui- ritarischem Recht. Nur von einzelnen Landschaften hatte Rom durch Eroberung des Grundeigenthum ge- wonnen Cicero Verrina frument. c. 6. . Auch die Saracenen gaben dem Eroberungsrecht dieselbe Ausdehnung und Beschraͤnkung. In Staͤdten die sich unterwarfen blieb das Grundeigenthum, aber nicht in denen die mit dem Schwerdt erobert waren, und der Feldherr erklaͤrte daß selbst die Bekehrung zum Islam es den Einwohnern von Circesium nicht erhalte; sie muͤß- ten pachten Mohammed Elwakedi Geschichte der Eroberung von Me- sopotamien. . In Indien, wie in der That in ganz Asien und im alten Aegypten, traͤgt alles Landeigenthum den Charakter des roͤmischen Ager publicus: der Lan- desherr ist es im strengsten Sinn, und aller Privat- besitz nur darin verschieden ob er seinen Antheil vom Ertrag einfordert, oder erlaͤßt, oder verschenkt Nur das Geschenk dieses landesherrlichen Antheils, nicht . Von Von der vielfachen und verschiedenartigen Masse des roͤmischen so erworbenen Staatseigenthums muͤssen wir bey der ferneren Untersuchung alles sondern was nicht Acker, im weitesten Sinn, ist. Denn ganze Staͤdte mit allen ihren Gebaͤuden gehoͤrten zu diesem Eigenthum, For- sten, Bergwerke, Steinbruͤche, Salinen. Von diesen laͤßt sich nur Verpachtung derselben Art denken wie sie al- lenthalben fuͤr Kammerguͤter Statt findet, denn Regie ist niemals zu Rom fuͤr irgend einen Gegenstand der Staatseinkuͤnfte gewesen, obwohl unveraͤnderliche in Geld bestimmte Abgaben gradehin erhoben und abgelie- fert wurden. Zoͤlle und Accise wurden nothwendig an Speculanten verpachtet. Bey dieser herrschenden Verbreitung des Verpach- tungssystems in der roͤmischen Verwaltung, und da auch in Beziehung auf die Domaine von Pacht und Pachtern die Rede ist, und der Rahme und Begriff des Ager publi- cus das fortwaͤhrende Eigenthum des Staats enthaͤlt, so ist nichts natuͤrlicher als daß Neuere voraussetzten, gleich den Staaten unserer Zeit habe die Republik ihre Domaine verpachtet. Plutarch schon glaubte es Plutarch, Gracch. p. 327. , und seine Meinung hatte ein sehr unverdientes Gewicht, denn nur zu lange ist es uͤbersehen wie schwach das Urtheil und wie seicht die Kenntnisse dieses sonst liebenswuͤrdigen Schrift- des Bodens zu Vorwerken, ist auch in der alten Geschichte zu verstehen, wenn der große Koͤnig Landschaften an The- mistokles zur Haushaltung oder an Parysatis zum Schmuck schenkt. Zweiter Theil. Z stellers sind. Andere Stellen von groͤßerer Autoritaͤt konnten den Schein verstaͤrken, aber dieser weicht allent- halben einer strengeren Erklaͤrung. Die Nichtigkeit der plutarchischen Nachricht ergiebt sich aus ihrer Pruͤfung allein, deren die Unwissenheit eines griechischen Sophisten kaum wuͤrdig ist. Wir wis- sen wenigstens das gewiß daß die Abgabe vom Ge- meinland auf eine bestimmte Quote der Erndte festgesetzt war: so daß allerdings ihr Ertrag, in Hinsicht auf die Ergiebigkeit und die Getreidepreise waͤhrend fuͤnf Jahren, ein Gegenstand der Speculation und des Mehrgebots seyn konnte, keineswegs aber die Abgabe selbst. Es ist sogar uͤberfluͤssig gegen Plutarch zu bemerken, daß der Reiche welcher einen großen Besitz zu vereinigen sucht, nie so viel von einem kleinen Grundstuͤck zahlen kann als der Bauer der mit eigenen Haͤnden arbeitet: und eine Combination mit eigenem Verlust die Klasse der kleinen Besitzer auszu- rotten wird man nicht annehmen. Wie vereinigt man Lustralpacht und einen durch Erbe oder Kauf seit Jahr- hunderten uͤbertragenen Besitz Cicero de offic. II. c. 22. Quam autem habet æquita- tem ut agrum multis annis , aut etiam seculis ante pos- sessum, qui habuit amittat? c. 23. Ut cum ego emerim , ædificaverim, tuear, impendam, tu, me invito, fruare meo? Appian de bell. civil. p. 355. A. B. ed. Steph . ? Bey der Verpach- tung des Bodens waͤre ferner eine Uebertretung des Maa- ßes, sobald es einmal vorgeschrieben war, unmoͤglich ge- wesen, wenn ein einziger patriotischer Censor die Register untersuchte. Und welche Vorstellung muß man von dem Umfang der Geschaͤfte der Censur haben, um es moͤglich zu finden daß die unermeßlichen Domainen in kleinen Parcelen haͤtten verpachtet werden koͤnnen? Man muͤßte also nothwendig offenbare Verpachtungen weitlaͤuftiger Districte, nicht von fuͤnfhundert, sondern von vielen tau- send Jugern, annehmen, welche dann die Generalpachter, wenn sie gewollt, in kleine Besitzungen zerschlagen haͤtten. Fuͤr diese Meinung scheint eine Stelle des Hyginus anwendbar, welche von Verpachtung oder Verkauf auf hundert Jahre redet Hyginus de condit. agr. p. 205. ed. Goësii. Qui super- fuerant agri vectigalibus subjecti sunt, alii per annos qui- nos, alii vero mancipibus ementibus, id est conducenti- bus, in annos centenos. — Mancipes autem qui emerunt lege dicta jus vectigalis , ipsi per centurias locaverunt aut vendiderunt proximis quibusque possessoribus. . Aufmerksam gefaßt ist sie viel- mehr fuͤr die wahre Meinung wichtig, und redet unzwey- deutig nur von dem Verkauf der dem Staat gebuͤhrenden Steuerquote (des jus vectigalis ), woruͤber der General- pachter sich oft fuͤr die ganze Dauer seines Contracts mit den Steuerpflichtigen vereinigen mochte. Verkauf ist der eigentliche Ausdruck fuͤr censorische Location S. die unten Anm. 466. angefuͤhrte Stelle aus Festus. , und von einer jaͤhrlich zu erlegenden Summe, nicht von einem Ca- pital zu verstehen, wodurch der Kaͤufer eine Annuitaͤt er- langt, der Verkaͤufer die Revenuͤe anticipirt. Von einem Manceps, und Verkauf durch Mancipation, koͤnnte bey einem Pachtcontract uͤber den Boden die Rede nicht seyn: allerdings aber wurden Rechte an laͤndliche Grundstuͤcke, Z 2 wohin das Recht der Erhebung einer Steuer vom Ertrag gehoͤrt, durch Mancipation veraͤußert Ulpian tit. XIX. §. 1. Der ager publicus war fuͤr die Republik allerdings Gegenstand der Mancipation; er ward durch die Quaͤstoren verkauft. . Unter der Republik findet sich keine Erwaͤhnung einer Verpachtung der Staatseinnahme auf laͤngere Zeit als ein Lustrum: es scheint allerdings Neuerung aus einer Zeit worin die Cen- sur aufgehoͤrt hatte, aber nach Vespastan kann sie auch nicht befremden. Eine Stelle Appians Appian bell. civil. I. p. 353. B. ed. Steph. ἐπίπρασκον ἢ ἐξεμίσϑουν. nennt freylich auch Ver- pachtung unter den Arten der Verfuͤgung uͤber die Do- maine, allein im Gegensatz der Besitzbenutzung, und muß auf die den alten Eigenthuͤmern steuerpflichtig gelas- senen, oder die zu einer wahren Verpachtung geeigneten Gegenstaͤnde bezogen werden. Auch Polybius Polybius VI. c. 17. Πολλῶν γὰρ ἔργων ὄντων τῶν ἐκδι- δομένων ὑπὸ τῶν τιμητῶν — πολλῶν δὸ ποταμῶν, λιμέ- νων , κηπίων, μετάλλων, χώρας . redet in Ausdruͤcken welche Mißverstaͤndniß veranlassen koͤnnen. Er beruͤhrt aber den Gegenstand so ganz gelegentlich daß die nothwendig umstaͤndliche Erklaͤrung einer den Griechen nicht weniger als uns fremden Einrichtung un- passend, und ein schwankender Ausdruck angemessener war. Wie er unter den verpachteten Gegenstaͤnden Haͤ- fen nennt, die es doch nur in Hinsicht ihres Ertrags durch die Zoͤlle wurden, so konnte er auch Laͤndereyen auffuͤhren in Beziehung auf die Abgabe von ihrem Ertrage. In dem angeblichen Senatusconsult uͤber das Ge- meinland zur Zeit der cassischen Ackerbewegungen, bey Dionysius Dionysius VIII. c. 73. , wird die fuͤnfjaͤhrige Verpachtung des nichtverkauften und nicht assignirten Theils verordnet. Die Bestimmung des Ertrags — Sold zu zahlen —, ist, was nach Livius spaͤter der Zweck eines alten Vor- schlags war Ertragssteuer vom Gemeinland zu erhe- ben. Bey Dionysius ist ein Mißverstaͤndniß um so we- niger auffallend, und um so weniger darf es uns auf- halten, da er an derselben Stelle das ungetheilte Ge- meinland limitiren laͤßt; waͤhrend die regellose Occupa- tion dessen entschiedener Charakter war. Es ist nicht zu tadeln wenn man dem evidentesten innern Beweise wegen einer ausdruͤcklichen Aeußerung classischer Schriftsteller seinen Glauben versagt. So koͤnnte die Unbegreiflichkeit und scheinbare Widersinnig- keit der Verpachtung des Bodens eingeraͤumt, und den- noch eine Stelle bey Livius Livius XLII. c. 19. M. Lucretius legem promulgavit, ut agrum Campanum censores fruendum locarent . als unwiderleglich ange- fuͤhrt werden. Doch auch diese erklaͤrt sich aus einem wenig bekannten Sprachgebrauch. Cicero sagt von den sicilischen Staͤdten, deren Land, obwohl an Rom ver- fallen, ihnen wieder eingeraͤumt war, dieses werde von den Censoren verpachtet Cicero Verrina frum. c. 6. Perpaucæ Siciliæ civitates . Der Boden selbst konnte hier unmoͤglich Gegenstand der Verpachtung seyn, der war ja zuruͤckgegeben. Also nur der Antheil des Staats am Ertrag So Festus s. v. Venditiones olim dicebantur censoriæ locationes quod velut fructus publicorum locorum veni- bant. So ist dieser Ausdruck auch im Edict zu verstehen. Ulpian l. 1. D. de loco publico fruendo. : und agrum Campanum fruendum locare ist so gleichbedeutend mit fructus agri Campani locare oder vendere. Dies erlaͤutert sich auch aus der Erzaͤhlung von Einfuͤhrung der Accise zu Capua, und ihrer Verpachtung Livius XXXII. c. 7. Censores portoria venalium Ca- puæ — fruenda locarunt . . Die Habsucht der Einzelnen hatte im campanischen Gefilde der Republik waͤhrend dreyßig Jahren nicht eine Pacht sondern den Zehenten entzogen. Der Sprachgebrauch beguͤnstigte hier Zweydeutig- keit: aber wenn er von der Location redet, daß ein Schein entsteht als haͤtte sie den Boden betroffen, so gestattet er dagegen nie entsprechend von einer Conduction zu reden. Hier vielmehr wird er selbst zum sichersten Be- weis des wahren Verhaͤltnisses. Vom Pachter kann nie gesagt werden daß er ein Grundstuͤck besitze: Pachtung und Besitz einer Sache sind widersprechende Begriffe Marcellus l. 19. D. de adquir. v. amitt. possess. Ja- volenus l. 21. eod. . Besitz aber und Besitzer sind in allen Erwaͤhnungen der sunt bello a majoribus nostris subactæ: quarum ager cum esset publicus P. R. factus, tamen illis est redditus. Is ager a censoribus locari solet. Ackergesetze die eigenthuͤmlichen und zahllos wiederhohl- ten Ausdruͤcke fuͤr die in der Domaine enthaltenen Land- guͤter, und die welche, ihren Besitz innehabend, weder ihre Eigenthuͤmer noch Pachter waren Es braucht keiner vollstaͤndigen Sammlung erweisender Stellen. Folgende bieten sich dar ohne muͤhseliges Nachsu- chen. Cicero de off. II. c 22. Qui agrariam rem tentant ut possessores suis sedibus pellantur. Siehe oben Anm. 457. Livius II. c. 61. Ap. Claudio, causam possessorum publici agri sustinenti. IV. c. 36. vectigali possessoribus agrorum imposito. c. 51. Agrariæ legis quæ possesso per injuriam agro publico Patres pellebat. c. 53. si injusti domini pos- sessione agri publici cederent. VI. c. 5. Nobiles in posses- sionem publici agri grassari. c. 15. nec jam possidendis publicis agris contentos esse. c. 35. ne quis plus D ju- gera possideret . Epitome LVIII. eben dieses mit dem Zu- satz ex agro publico. Florus III. c. 13. Reduci plebs in agros unde poterat sine possidentium eversione —? Pau- lus l. 11. D. de eviction. Has possessiones ex præcepto principali partim distractas, partim veteranis adsignatas. (S. unten Anm. 497.) Auf die allerbuͤndigste Weise unter- scheidet Cicero adv. Rullum III. c. 3. die Possessionen vom Eigenthum, unter andern: Sunt multi agri lege Cornelia publicati , nee cuiquam assignati, neque venditi, qui a paucis — possidentur . — hos privatos facit: hos — agros — Rullus non vobis assignare vult, sed eis condonare qui possident . Ferner: cum ea quæ vestra sunt condonari pos- sessoribus videatis. : und immer wird auf einen vieljaͤhrigen, ererbten oder erkauften, Besitz gedeutet. Ein jedes Landgut heißt prædium: aber nur das- jenige dessen Eigenthum dem Besitzer gehoͤrt heißt, in Beziehung auf ihn, ager: was wir in Besitz haben, un- ser Eigenthum aber nicht ist und nicht seyn kann, pos- sessio. So sagt Javolenus l. 115. D. de V. S. Auch im Gesetz des Rullus wurden agri und possessiones sich entgegengesetzt. Cicero adv. Rul- lum III. c. 2. : eine andere Definition der roͤmischen Possessionen giebt Festus, welche mehrere auszeichnende Merkmahle der Besitzungen im Gemein- lande enthaͤlt. Sie werden angegeben als weitlaͤuftige Landguͤter, welche nicht durch Mancipation sondern zur Benutzung besessen wuͤrden, und nach Willkuͤhr einge- nommen waren Festus s. v. Possessiones appellantur agri late patentes publici privatique, quia non mancipatione sed usn tene- bantur, et ut quisque occupaverat collibebat. Die Lesart ist auch am Schluß ganz verdorben, aber der Sinn deutlich. . Verderbt ist die Erklaͤrung durch den Zusatz privatique: welcher doch wahrscheinlich vom Festus selbst ist: Verrius mag gesagt haben, auch Privat- grundstuͤcke wovon man nur den Usus nicht das Eigenthum habe, wuͤrden Possessionen genannt. Richtig: aber die uͤbrigen Bestimmungen der Definition sind den Domai- nenguͤtern eigenthuͤmlich. Eine andere Definition, des Aelius Gallus, faßt die Sache allgemein: Possession sey der Usus von Grundstuͤcken im Gegensatz des Eigen- thums Festus s. v. Possessio. In diesem Sinn ist Lucrezens bekannter Vers: Vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. Das Leben gehoͤrt zum Gemeingut der Natur: es wird nie Eigenthum des Besitzers, dem sie es entziehen kann wann . Unmittelbar auf den vorliegenden Gegenstand be- zieht sich in Javolenus Definition der Ausdruck: was unser Eigenthum nicht seyn kann: denn es war eine Grundregel des alten Rechts daß Usucapion gegen den roͤmischen Staat schlechterdings unmoͤglich sey Der sogenannte Aggenus des Rigaltius, de controversiis agrorum tit. de alluvione p. 69. ed. Goësii. . Na- tuͤrlich: weil alles quiritarische Eigenthum vom Staat ausging. Vielfache Beyspiele und Erwaͤhnungen wie Domainengrundstuͤcke dem Staat nach langer Usurpation zuruͤckvindicirt worden, in Geschichtschreibern, Agrimen- soren und Inschriften, zeigen wie streng dieser Rechts- grundsatz von der aͤltesten Zeit her bis auf Vespasians Censur geltend gemacht ist. Der Begriff des Ager publicus, als einer Art des Publicum, oder des Staatseigenthums, muß aus die- sem allgemeineren entwickelt werden. Dieses ist dasje- nige, dessen Eigenthum der Gesammtheit der Gemeinde gehoͤrt, die Benutzung jedem einzelnen Buͤrger frey- steht So redet Cicero vom Marsfeld, es vergleichend mit dem . So gehoͤrt, aufsteigend, das Meer der All- sie will. Mancipium ist das alte Wort fuͤr Eigenthum. Nur vor- laͤufig: Usus scheint im aͤltesten Sprachgebrauch der Besitz, subjectiv, gewesen zu seyn: Possessio das Object des Besitzes: daher usu capere: jenes erst spaͤter beschraͤnkt wie in unserm Civilrecht, wo es auch nur Privatverhaͤltnisse betrifft. Der bloße Usus ließ dem Eigenthuͤmer das jus fruendi — das Recht einer Abgabe von der uͤberlassenen Benutzung (oben S. 358. Anm. 466.): durch den Ususfruetus accrescirte es dem Nutzniesser. gemeinheit des Menschengeschlechts, und jeder mag es benutzen, ohne Ruͤcksicht welches Staats Buͤrger er ist Die Verwechselung dieser Gegenstaͤnde und der Gemein- guͤter ist ein barbarischer, von Neueren begangener, Fehler. : absteigend besitzen die in der Gesammtheit des Staats enthaltenen Gemeinden, von den groͤßten bis zur kleinsten, ihre Gemeinguͤter nach der Analogie der Republik Res universitatis. , welche sie theils dem einzelnen Genossen unmittelbar zur Benutzung uͤberlassen, theils, was bey ihrer Lage und Eigenthuͤmlichkeit moͤglich ist, in Erbzins oder Pacht geben koͤnnen. Die roͤmische Nation benutzte ihr unermeßliches Eigen- thum ebenfalls auf verschiedene Weisen. Theils, sofern es Gegenstaͤnde waren die keine unmittelbare Benutzung fuͤr die Buͤrger zuließen, nur als Einnahme fuͤr den Staat durch Verpachtung des Objekts selbst, oder den Verkauf einer Ertragssteuer — dieses bey den ihren ehe- maligen Eigenthuͤmern als precarer Besitz zuruͤckgegebe- nen Feldmarken: theils beydes, zur Einnahme fuͤr den Staat durch die Ertragssteuer, und zur Benutzung fuͤr die Buͤrger: theils zur Benutzung ohne Steuer. Die Benuz- zung konnte bey einigen Gegenstaͤnden, ihrer Natur nach, noch uͤbrigen ungetheilten Gemeinlande. — Fuͤr den obi- gen Satz redet der Inhalt der l. 2. u. 4. D. de di- vis. rer. In dem Zeitalter der Juristen aus denen die Pan- decten gesammelt und nach denen die Institutionen ge- schrieben sind, kannte man freylich in Italien kaum ande- res Gemeingut des roͤmischen Volks als Fluͤsse, Haͤfen, Straßen, Plaͤtze u. s. w. Statt finden, ohne daß der welcher sie ausuͤbte einen an- dern dadurch ausschloß, oder sich einen bestimmten Ort zueignete: so Fischerey in Stroͤhmen und Seen. Ver- wandt ist dieser Art die Hutnutzung, welche ebenfalls nicht unveraͤnderlich an die Scholle gebunden ist: aber bey der Benutzung zu Ackerbau und Pflanzungen tritt ein aus- schließender Besitz ein, welcher ohne gleiche Vertheilung, oder Wechsel, oder festes Gesetz, mit dem Begriff des Gemeinlands unvereinbar scheint. Beydes, der Anbau und die Weidenutzung waren, eben als ausschließender Gebrauch Einzelner, der Abgabe von einem Theil des Gewinns an die Gemeinde des Staats nothwendig un- terworfen. Es ist schon fruͤher angedeutet worden daß, so gewiß eine Zeit war worin nur die Patricier die souveraine Gemeinde Roms, und die eigentlichen Buͤrger der Repu- blik waren, eben so gewiß ihnen damals das Benutzungs- recht des Gemeinlands ausschließlich gehoͤrte; daß dieses Recht fortwaͤhrte als es eingefuͤhrt war die Plebejer durch eigenthuͤmliche Landanweisungen abzufinden, und voͤllig rechtmaͤßig fortgedauert haben wuͤrde wenn diese Anwei- sungen redlich vollzogen, und alle uͤbrigen urspruͤnglichen und uͤbernommenen Verpflichtungen erfuͤllt waͤren Th. I. S. 451. . Daher sind die Aeußerungen des Geschichtschreibers uͤber ihre widerrechtliche und gewaltsame Usurpation des Ge- meinlands Livius eigenes Urtheil IV. c. 51. Oben S. 198. Anm. 230. Als Aeußerungen der Tribunen IV. c. 53. V. c. 5. ganz falsch: Vorwuͤrfe welche die Nobili- taͤt des siebenten Jahrhunderts mit großem Recht treffen, weil sie, ohne die Anspruͤche eines seit unvordenklicher Zeit abgesonderten Standes zu haben, sich uͤber ihre Glei- chen usurpirend erhob, auch Sullas Sieg ganz raͤuberisch benutzte. Livius stoͤrt diese vermeinte tyrannische Anmaa- ßung der Patricier nicht in seiner Vorliebe fuͤr ihren Stand: es ist nur gerecht, ohne diese Vorliebe zu thei- len, Andeutungen zu widersprechen welche der Unpar- theyische, wenn sie gegruͤndet waͤren, sehr ernsthaft neh- men wuͤrde Es ist wiederhohlt erinnert daß die patricischen Landguͤ- ter zur Domaine gehoͤrten, die plebejischen Hufen Eigen- thum waren. Damit will ich aber nicht behaupten, was sich weder bejahen noch verneinen laͤßt, daß die urspruͤng- liche roͤmische Feldmark nicht eigenthuͤmlich unter die Buͤr- ger der patricischen Geschlechter getheilt und assignirt war. Die Hauptstelle bey Livius redet allerdings nicht von die- sem urspruͤnglichen Bezirk, sondern von dem eroberten: nur betrachtet sie jenen als sehr unbedeutend. . Es scheint hoͤchstens nicht unmoͤglich daß auch der plebejische Ritterstand einigen Antheil an dem Benuz- zungsrecht hatte: das licinische Gesetz aber hatte zum Zweck es allen Plebejern zu gewaͤhren, und durch die Festsetzung eines Maaßes fuͤr den hoͤchsten erlaubten Be- des Manlius VI. c. 15. (Anm. 469.) des Licinius VI. c. 37. Noch heftiger laͤßt Dionysius selbst Koͤnig Servius schmaͤ- hen IV. c. 9. τῆς δημοσίας γῆς τȣ`ς α̕ναιδεςάτȣς κρατεῖν: und Sp. Cassius VIII. c. 70. τῶν α̕ναιδεςάτων, καὶ σὺν σὐδενὶ δικαίῳ κατεσχηκότων πατρικίων. So urtheilt er auch selbst VIII. c. 69. sitz, bey der zunehmenden Erweiterung welche der Ur- heber der Rogation als Folge derselben verheissen durfte, einer bedeutend großen Zahl den wirklichen Genuß zu verschaffen. Aber es waͤre widersprechend gewesen un- mittelbaren Antheil an dem Besttz des Gemeinlands uͤber den Umfang der Buͤrgergemeinde hinaus zu verlei- hen; und wenn in der Geschichte der gracchischen Un- ruhen von den Italikern erwaͤhnt wird daß ihr Besitz in der Domaine bedroht war, so ist dies entweder auf zuruͤckgegebene Feldmarken zu beziehen, oder auf Be- sitzungen welche sie durch Pachtung oder Kauf oder pre- car von roͤmischen Buͤrgern empfangen hatten. Der Besitz der einzelnen Buͤrger welche ihr Recht an der Domaine ausuͤben konnten und wollten, begann, nach vielfachen Zeugnissen, durch Occupation, oder Be- sitznahme Haͤufig wird dies angedeutet bey den Agrimensoren. So bey Siculus Flaccus p. 3. Nec tantum occupaverunt quod colere potuissent, sed quantum in spe colendi reservavere. Daher die agri occupatorii und arcifinales: die latifundia arcentium vicinos bey Plinius XVIII. c. 4. Auch Livius: Nec agros occupandi modum — Patribus fore. VI. c. 37. Die Stelle aus Festus oben Anm. 471. Sibi sumere: Fragm. der Lex Thoria. Der entsprechende Ausdruck fuͤr das Ver- haͤltniß des Staats war Concession. Im Gesetz des Rullus waren vom verliehenen Eigenthum die Ausdruͤcke publico data, assignata gebraucht: von den Possessionen concessa. Cicero adv. Rull. III. c. 8. , nicht durch bestimmte Anweisung und Verleihung von Seiten des Staats. Eine Form aller- dings muß dieses Geschaͤft gehabt haben. Nach Ap- pian Appian de bell. civil. I. p. 353. ed. Steph. wurden die Buͤrger vom Staat aufgefordert die wuͤsten Strecken zur Benutzung in Besitz zu nehmen. Von welcher Magistratur das Edict ausging, und welche Ordnung Gewaltthaͤtigkeiten und Verwirrung hinderte, meldet er nicht. So gering Appians Werth sonst im Gan- zen ist, so vorzuͤglich ist die allgemeine Darstellung der rechtlichen Verhaͤltnisse welche er vor der Geschichte der gracchischen Unruhen giebt: ich glaube daß man ohne einigen Zweifel annehmen kann, er folge, hier und im ganzen ersten Buch von den buͤrgerlichen Unruhen, dem im Alterthum sehr hochgeachteten Posidonius von Apa- mea, welcher Polybius Geschichte mit seinem Geist und seiner Einsicht fortsetzte. Dieser Besitz war der Uebertragung durch Schen- kung, Verkauf, Vererbung faͤhig S. die schon angefuͤhrten Stellen aus Cicero de off. II. c. 22. 23. Ferner Appian de bell. civil. I. p. 355. A. B. ed. Steph. Florus III. c. 13. Relictas sibi a majoribus sedes, ætate, quasi jure hereditario possidebant. Paulus l. 11. D. de eviction. ; wodurch aber, wie bemerkt ist, niemals durch Usucapion Eigenthum entstehen konnte. Dieses blieb dem Staat, bis er es foͤrmlich uͤbertrug, mit uneingeschraͤnkter Befugniß den immer precaren Besitz aufzuheben, und die erledigten Grundstuͤcke zu verkaufen oder zu assigniren. Der Un- terthan der das eingeraͤumte Land seiner Vorfahren baute, konnte nicht murren wenn die Republik fuͤr gut fand anders daruͤber zu verfuͤgen Cicero adv. Rullum II. c. 21. . Nicht unverletz- licher war der Besitz des Buͤrgers, selbst innerhalb der fuͤnfhundert Jugern welche das licinische Gesetz nur zu uͤberschreiten verbot, nicht zusicherte; obwohl Ti. Grac- chus den Besitz bis zu diesem Maaß als verjaͤhrt ehrte und bestaͤtigte. Unzweifelhaft beweisen die folgenden Bey- spiele. Der Ager trientius tabuliusque, womit der dritte verfallene Termin der Anleihe aus dem hannibalischen Krieg abgetragen ward, lag um Rom: es war den Staatsglaͤubigern erlaubt sich in dem Bezirk innerhalb funfzig Millien um die Stadt Grundstuͤcke auszusuchen, welche doch hier nothwendig alle im Besitz roͤmischer Buͤr- ger seyn mußten Livius XXXI. c. 13. . So war die Feldmark von Capua zwischen einer großen Menge kleiner Besitzer, roͤmischen Buͤrgern, getheilt: dennoch war nicht das Recht streitig sie ihnen zu entziehen um eine Colonie zu gruͤnden, nur die Billigkeit und Klugheit Cicero adv. Rullum II. c. 31. . Nach dieser Darstellung wird es nicht zweifelhaft seyn daß die roͤmische Republik, wenn sie die Niederlegung eines Theils ihrer Domaine zu allgemeinen Assignationen, zu Colonieen oder zum Verkauf, beschloß, eben so rechtmaͤßig handelte als ein Landesherr welcher Vorwerke, die meh- rere Menschenalter in der Pachtung einer Familie geblie- ben, zu parcelliren oder zu verkaufen beschließt. Dem einzelnen entgeht freylich ein großer Vortheil, und es kann ihn sehr hart treffen wenn er es verlernt hatte einen solchen Wechsel seines Schicksals zu erwarten. Ganz an- ders verhaͤlt es sich mit der Einziehung des Bauernlands, selbst bey fortdauernder Erbunterthaͤnigkeit. Nur gaͤnz- liche Unkunde des einheimischen alten Rechts hat es ver- kennen koͤnnen daß Bauernland von Alters her bey allen deutschen Voͤlkern abgesondert vom Hofland, unverein- bar mit ihm, und unverletzlich bestanden hat: wenn auch uͤber das erbliche Anrecht der einzelnen Besitzer, und die Freyheit der Herren in der Belehnung, Abweichungen Statt fanden. Durchgehends war der Besitz veraͤußerlich und in der Familie erblich, immer wenigstens mußte er einem Bauern verliehen seyn. Der unterthaͤnige Bauer war nur zu Zinsen, Laudemien und Diensten pflichtig, und dem Gericht seines Herrn unterworfen, daher frey- lich auch seiner Willkuͤhr uͤberlassen, und nur durch sein Ge- wissen geschuͤtzt Eine Hauptstelle uͤber dies germanische Recht auch außer Deutschland findet sich aus dem franzoͤsischen Juristen Pe- trus de Fontanis bey Ducange s. v. Villanus. Die weitere Eroͤrterung fordert eine eigene Abhandlung. , wie der Unterthan gegen den Landes- herrn. Dieses, fuͤr kuͤnftige Ausbildung in sich vorberei- tete Verhaͤltniß, ist zu einem voͤlligen Eigenthumsrecht des Gutsbesitzers an den Boden, und einem geduldeten Pacht- besitz des Bauern verdreht worden: zugleich hat sich die Predigt vom Mehrertrag der großen Wirthschaften, und der verschwenderischen Kostbarkeit kleiner Besitzthuͤmer fuͤr den Nationalreichthum, erhoben. Man wollte reiche Staaten, zusammengesetzt aus der groͤßten moͤglichen Summe Summe Privatreichthums : waͤre diese auch nur un- ter die kleinste Zahl vertheilt moͤglich, die ganze uͤbrige Nation abhaͤngig und arm, statt selbststaͤndig und wohl- behalten. Darauf hat die Zerstoͤrung des Bauernstands begonnen, und wo sie gefoͤrdert hat werden die Staaten, zu spaͤt ihre Fehler wenn auch nicht ihre Ungerechtigkeit bereuend, ihn nie wieder herstellen koͤnnen, so wenig es im sinkenden roͤmischen Reich moͤglich gewesen waͤre. In alten Tagen, und ehe noch Municipien entstan- den, war das Gemeinland wohl gewiß in seinem Umfang und Werth ungleich bedeutender als das quiritarische Ei- genthum, gebildet durch Assignation und Verkauf von je- nem. Dieses Verhaͤltniß scheint, sogar nachdem viele Municipien und ganze Landschaften roͤmischer Boden ge- worden, und wieviel auch dagegen von der Domaine durch Verkauf, allgemeine Assignation, uͤber dreyßig latinische und mehrere Buͤrgercolonieen, getrennt war, wenigstens bis zu den Sempronischen Gesetzen, vielleicht bis zum mar- sischen Krieg nur auf kurze Zeiten geaͤndert zu seyn. Wie unmoͤglich es immer ist die Bestandtheile des Gemeinlands einzeln aufzufuͤhren, so unstreitig laͤßt sich doch annehmen daß es, ohne jene allmaͤhlichen Absonderun- gen , im eigentlichen Italien bis an die Macra und Ari- minum, weit mehr als die Haͤlfte des ganzen Flaͤchenin- halts der Halbinsel betragen haben wuͤrde. Nun scheint es doch undenkbar daß ein Gegenstand von solcher Wichtigkeit, der eigentliche Reichthum ur- spruͤnglich des patricischen Standes und dann der Nobili- taͤt, der Unsicherheit Preis gegeben sey, die, dem An- Zweiter Theil. A a schein nach, von einem Besitz unzertrennlich seyn mußte, welcher nichts als dieses, aber doch vererblich und ver- aͤußerlich war. Wir sind berechtigt unmittelbare Ruͤck- sicht der Gesetzgebung, sey es des Staats oder der praͤto- rischen, vorauszusetzen und aufzusuchen. Ich will es nur als eine bloße Moͤglichkeit vermuthet haben daß die Tradition, von der in den zwoͤlf Tafeln, in unbekannter Beziehung, die Rede gewesen ist, sich auf diesen Besitz bezogen haben moͤchte: denn wenn sie auch die einzige Form der Ueberantwortung desselben war, so konnten die Gesetze doch auch damals schon von ihr reden bey Gegenstaͤnden welche nicht mancipirt wurden. Hin- gegen halte ich nichts fuͤr unzweifelhafter gewiß als die un- mittelbare und urspruͤngliche Beziehung der possessorischen Interdicte auf diesen Besitz. Ausdruͤcklich wendet Cicero sie an auf den Besitz des Gemeinlands Cicero adv. Rullum III. c. 3. Hæc trib. pl. promul- gare ausus est, ut, quod quisque — possidet, id eo jure teneret quo qui optimo privatum? Etiamne si vi ojecit? etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo hac lege jus civile, causae possessionum, prætorum inter- dicta tollentur . Die erlaͤuternde Folge oben Anm. 469. doch bitte ich jeden das zweyte und dritte Capitel ganz zu lesen. Auch Dionysius giebt schon aus dem Icilischen Ge- setz eine Erwaͤhnung des Besitzes vi aut clam . Siehe oben Anmerk. 65. , und ihr In- halt deutet unmittelbar hieher. Freylich nicht die Formel des Interdicts uti possidetis, wie wir sie jetzt aus dem bestaͤndigen Edict lesen: denn hier ist die Rede von Haͤu- sern: wohl aber die weit aͤltere, die aus Verrius Flaccus und urspruͤnglich aus Aelius Gallus erhalten ist Bey Festus s. v. Possessio. Uti nunc possidetis eum fundum: anstatt eas ædes, in den Pandecten. Es ist un- moͤglich die Ansichten welche bey lebhaftem Ideenwechsel dem Freunde urspruͤnglich mehr als uns selbst gehoͤren, die welche er weckte, zu scheiden, obgleich sie in ihrem Ur- sprung unser eigentlich nicht sind. Das mitgetheilte koͤnnen wir als seine freye Gabe nennen: die obenstehende Bemer- kung hat Savigny mir mitgetheilt. . Diese redet ausdruͤcklich von einem Fundus. Ferner: wie der Besitz des benutzenden Privatus gegen den Staat precar war, so ohne Zweifel auch der des Clienten ge- gen den Patron, der ihm von seinem Antheil der Domaine ein kleines Grundstuͤck eingeraͤumt hatte Th. I. S. 236. Sie gaben ihnen, sagt Festus, Land, wie ihren eigenen Soͤhnen: und jeder Besitz des Sohns war precar nach des Vaters Willkuͤhr. . Solche Beleh- nungen dauerten natuͤrlich fort als die alte Clientel laͤngst nicht mehr bestand: das Gesetz gebot, nach Appian, die Ansiedelung freyer Insten im Verhaͤltniß der Flaͤche jedes Landguts Appian de bell. civil. I. p. 354. ed. Steph. . Man nenne es keine moderne Idee wenn angenommen wird, diese, obwohl sie nothwendig in einem gegenseitig ganz freyen Verhaͤltniß standen, waͤren durch eine Kathe und ein Paar Morgen fuͤr die Dauer ihrer Dienste mit dem Gut verbunden gewesen. Sie waren nicht nothwendig roͤmische Buͤrger, auch freye Italiker konnten in dieses Verhaͤltniß treten, wie in der alten Clientel. Ein solcher Client war, auf des alten Catos Gut, Salonius, dessen Tochter er heirathete. Was in A a 2 Zeiten entstand wo buͤrgerliche Macht wenigstens nicht der untergeordnete Zweck der meisten Großen war, und das allgemeine Wohl Roms und Italiens mehr galt als des Einzelnen Gewinn, mußte aufhoͤren als Habsucht und Bereicherung der einzige Gegenstand der Wuͤnsche wur- den. Da geschah es, was Tiberius Gracchus bejam- merte, daß die kleinen Leute aus ihren Besitzungen ver- trieben, und diese zu Weiden verwandelt wurden Appian a. a. O. Plutarch, Gracch. p. 828. D. Schon Sir Thomas More schrieb, Schaafe waͤren fuͤr den Land- mann furchtbarere Raubthiere als Woͤlfe. In den Hoch- landen haben die Einwohner vieler Doͤrfer auswandern muͤssen, weil der Gutsherr die Schaafzucht eintraͤglicher fand: elfhundert gingen von einem einzigen Gut nach Canada. : da trauerte Horaz uͤber die Ausstoßung der armen Clienten aus der vaͤterlichen Huͤtte Horaz Carm. II. 18. Deine Habsucht, nimmer satt, Verruͤckt den Markstein jedes nahen Ackers: Und du uͤberschreitest stets Des Schuͤtzlings Graͤnzrein: ausgestoßen wandern Weib und Mann: er traͤgt im Schooß Der Vaͤter Hausgott und die armen Kinder. Wehe einer Nation wenn der alte Feudalstolz erlosch, und der Gewinnsucht wich, alles nur als Speculation berechnet wird, Liebe und von Geschlecht zu Geschlecht ererbte Anhaͤnglich- keit keinen Reiz mehr haben, Guͤter eine jedem Wucherer kaͤufliche Waare werden: wenn dann nicht die Verhaͤltnisse des Bauern zum Gutsherrn und sein eigenthuͤmlicher Be- sitz schon unverruͤckbar. festgesetzt sind. Eine Bettelfreyheit hilft nicht. . Der Praͤtor wollte nicht daß das willkuͤhrlich ver- liehene ( precario ) gegen den Geber als fester Besitz be- hauptet werde, waͤhrend er diesen, wie er bestand , ( uti possidetis ) unter seinen Schutz nahm: aber er schuͤtzte nicht weniger den unabhaͤngigen kleinen Besitzer, indem er den gewaltsamen Besitz ( vi ) fuͤr unguͤltig erklaͤrte. Auch uͤber diesen klagen die Gracchen und alle Tribunen ihres Zeitalters bitterlich: waͤhrend der Soldat gegen den Feind diente, vertrieb der maͤchtige nach seinem Guͤtchen luͤsterne Nachbar sein Weib und seine Kinder. Dies war bey Eigenthum offenbar unmoͤglich: bey der Entfernung vieler Landschaften von roͤmischer Jurisdic- tion konnte es leicht auf dem Gemeinlande geschehen. Dem Abwesenden, dem Reichen wie dem Armen, konn- ten ihm unbewußt ( clam ) Felder von den Nachbarn entzogen werden; hier schuͤtzte keine Limitation. Auch in solchen Faͤllen gewaͤhrte der Praͤtor Huͤlfe; und in kei- nem Fall konnte der entzogene Besitz durch Verjaͤhrung verlohren gehen, welche nur das Eigenthum betraf. Alle Deutung auf das Verhaͤltniß zum Staat ward durch die Formel einer vom andern ( alter ab altero ) ausgeschlossen. Man bezieht die Interdicte auf das praͤtorische Eigen- thum: eine besendere Sorgfalt fuͤr dieses, und Wich- tigkeit desselben in den alten Zeiten der Republik, ehe die Ertheilung des Buͤrgerrechts an Latiner und Itali- ker alles umgestaltete, scheint mir gar nicht im roͤmi- schen Sinn. Als Bestaͤtigung der Beziehung auf den Besitz des Gemeinlands laͤßt sich vielleicht auch anfuͤh- ren daß nach der Ordnung der Abhandlung in Ulpians Commentar, wie in den Pandecten, jene Interdicte auf die Verfuͤgungen welche das Gemeingut ( publicum ) betrafen, im Edict gefolgt zu seyn scheinen Die Verfuͤgungen uͤber das Publicum stehen Dig. XLIII. tit. 6—15. dann folgen die Interdicte. Jene bey Ulpian im 69sten, diese im 70sten Buch des Commentar. . Wenn dieses auch hier hauptsaͤchlich nur auf Stroͤhme, Ufer, Straßen, beschraͤnkt war, so erklaͤrt sich das daher, daß seit Domitian von der einst unermeßlichen Fuͤlle fast nur dieses in Italien dem Staat noch geblieben war. Denn nachdem das Gemeinland in der Halbinsel abwechselnd durch die Buͤrgerkriege und ihre Confisca- tionen angewachsen, und durch Militarcolonieen oder allgemeine Assignationen wieder fortgegeben war: nach- dem der Krieg wodurch Vespasian das Reich eroberte, und die Belohnungen seiner Legionen, die letzten großen Veraͤnderungen dieser Art verursacht hatten: vindicirte seine strenge Oeconomie alle vernachlaͤßigte, von den Colonieen und Municipien als Communalland usurpirte, vom Staat nicht ausdruͤcklich vergebene, Landstriche — die Subseciva. Dies erschuͤtterte das Vermoͤgen fast aller Landstaͤdte, und Domitian ward durch ein Edict, welches dieses saͤmmtliche Land den Gemeinden schenkte die es fruͤher benutzt hatten, der Wohlthaͤter Italiens Der sogenannte Aggenus tit. de subsecivis, p. 68. 69. ed. Goësii. . Dadurch aber verschwand auch fast alles Landeigenthum des Staats: und ein Schriftsteller, der wahrscheinlich in Trajans Zeitalter gehoͤrt, weiß nur noch in dem da- maligen Picenum, um Reate, von Laͤndereyen welche Eigenthum des roͤmischen Volks waren, und deren Steuer der Schatz empfing Siculus Flaccus p. 2. ed. Goësii. . Die Schriftsteller der Pandecten kennen solche Nationalguͤter freylich noch: Paulus redet von ihnen unter dem Nahmen agri pu- blici, und lehrt: ihr Besitz, da sie auf ewig verpachtet waͤren, koͤnne nur unmittelbar vom Kaiser zuruͤckgeru- fen werden Paulus l. 11. D. de public. et vectig. . Von diesem aber ohne Entschaͤdigung: und die Wegnahme zu Verkauf oder Assignation ward nur als ein Ungluͤck betrachtet, welches den Besitzer traf Paulus l. 11. D. de eviction. (oben Anm. 469.) . Der Fall uͤber den Paulus hier ein Gutachten ab- gab, betraf ein Landgut in Deutschland, oͤstlich vom Rhein, eigentlich jenseits der Provinz in der aͤußersten Militargraͤnze. Auf sie war jetzt, wie es scheint, diese Form des alten Besitzes beschraͤnkt, und dauerte hier fort bis auf Honorius und Theodosius. Ein Gesetz des Jahrs 423 vertilgte auch dies uralte Recht: der Kai- ser verwandelte den bisherigen Besitz in volles Eigen- thum l. un. C. Th. de rei vindicat. . Die Constitution ist zu Ravenna gegeben: uͤberhaupt scheint die Sache dem oͤstlichen Reich fremd gewesen zu seyn: und es ist kein Wunder daß nicht nur das Gesetz des Honorius im Codex fehlt, sondern auch in den Pandecten fast keine Spuren des alten Rechts uͤbrig sind Von den kaiserlichen Kammerguͤtern, die auch dem Pri- vateigenthum entgegengesetzt werden, kann hier die Rede nicht seyn. . Dagegen reden diese haͤufig, auch in einem eigenen Titel, von den staͤdtischen Vectigalguͤtern. Diesen ha- ben die, welche sich dem richtigen Begriff am meisten naͤherten, die Besitzungen des Gemeinlands gleichgestellt. Doch ist der rechtliche Unterschied nicht weniger groß als der Gegenstaͤnde Umfang und Wichtigkeit: drey Hauptpunkte sind hieruͤber entscheidend. Es ist bemerkt daß der dritte rechtliche Besitzer nie ein Grundstuͤck des Gemeinlands des roͤmischen Volks usucapiren konnte: Vectigalguͤter der Staͤdte konnten so usucapirt wer- den Savigny vom Besitz, 2te Ausg. S. 110. . Nach Paulus l. 1. D. §. 1. si ager vectigalis. hatte der Vectigalbesitzer eine Klage gegen das Municipium, wenn ihm, bey richtiger Zahlung der Erbpacht l. 2. eod. , sein Grundstuͤck entzogen ward, gleich dem Zeitpaͤchter l. 3. eod. Nach dieser bestimmten Angabe muß man, mit Haloander, l. 1. pr. tamdiu und quamdiu versetzen, wel- ches die Florentina sinnlos umstellt. Hiernach war der spaͤ- tere Vectigalbesitz von dem emphyteutischen nur in Hinsicht der verpachtenden Personen verschieden: dort nothwendig eine Commune, hier auch Privatpersonen. . Die roͤmische Republik hatte ein unbeschraͤnktes Recht den Besitzer ohne alle Entschaͤdi- gung zu entlassen: es versteht sich daß auch die aufge- fuͤhrten Gebaͤude ihr anheimfielen. Ein Municipium uͤberließ die Erbpacht seiner Grund- stuͤcke einem jeden rechtlich befugten durch Contract, die Republik nur den Mitgenossen der Souverainetaͤt, oder den alten Einwohnern, durch Concession. Wie die ganze Verwaltung des Staatsvermoͤgens dem Senat gehoͤrte, so verfuͤgte er auch Assignation und Verkauf. Doch war die Einmischung der Volks- versammlung rechtmaͤßig: fruͤher, weil zum Nachtheil ihres Standes die Gesetze nicht erfuͤllt wurden: spaͤter, weil sie, anerkannt als der Souverain, Kenntniß von dem der Verwaltung anvertrauten Staatseigenthum zu nehmen und daruͤber zu verfuͤgen unstreitig befugt war. Die folgende Eintheilung des Grundeigenthums, nach strengen roͤmischen Begriffen, giebt, mit der Ueber- sicht, die eigenthuͤmlich gebraͤuchlichen Ausdruͤcke des alten Staatsrechts. Ager (Mark) ist die Gesammtheit des einer Staatsgemeinde eigenthuͤmlichen Bodens, im Gegensatz von terra, Land, welches viele solcher Eigen- thumsbezirke neben einander begreift Varro de L. L. VI. c. 2. . Alles Landeigenthum ( ager im engeren Sinn) ist entweder roͤmisch oder fremd ( aut Romanus aut pere- grinus ). Unter dem letzten ist auch latinisches zu ver- stehen. Alles roͤmische Land ist Eigenthum des Staats (Ge- meinland, Domaine), oder Privateigenthum ( aut pu- blicus aut privatus ). Das Landeigenthum des Staats ist entweder den Goͤttern geweiht ( sacer ) oder menschlicher Benutzung gewidmet ( profanus, humani juris ). Spaͤtere Ansicht machte diese Eintheilung zur hoͤchsten, und unterschied dann das Eigenthum menschliches Rechts in Gemein- gut und Privateigenthum Gajus l. 1. pr. D. de divis. rer. . Aber eine Schrift welche offenbar unter Domitian verfaßt ist Das von Rigaltius herausgegebene, von ihm dem Aggenus zugeschriebene, Fragment de controversiis agrorum, kann, nach der Art wie Domitians darin gedacht wird, nur unter seiner Regierung geschrieben seyn ( Præstantissimus Domi- tianus: Tit. de subsecivis p. 69. ed. Goësii ). So kann niemand nach seinem Tode von dem geredet haben dessen Nahmen auf allen Denkmaͤhlern getilgt ward, wie wir es noch an den capitolinischen Fasten sehen. : — die einzige unter den Agrimensoren welche zu den classischen gezaͤhlt werden kann, und mit wahrer Rechtswissenschaft ge- schrieben ist: — diese sagt, der Boden heiliger Haine sey unstreitig Eigenthum des roͤmischen Volks Tit. de locis sacris et religiosis p. 74. ed. Goësii. . Dies bestaͤtigt die Nachricht bey Livius daß der Tempel und Hain der Juno zu Lanuvium gemeinschaftliches Eigen- thum des roͤmischen Volks und des Municipiums ge- worden sey, als den Lanuvinern das Buͤrgerrecht ge- geben ward Livius VIII. c. 14. . Alles Landeigenthum des Staats, menschlichen Rechts, ist entweder den alten Eigenthuͤmern oder den Buͤrgern zum Besitz uͤberlassen ( aut redditus, aut oe- cupatus. ) Alles Privatlandeigenthum ist entweder aus dem Gemeinland ausgeschieden ( ex publico factus privatus ) oder es ist durch Verleihung des Buͤrgerrechts an eine fremde Gemeinde roͤmisch geworden ( ager municipalis ). Jenes ist entweder verkauft ( quæstorius ) oder verlie- hen ( assignatus ): und das verliehene ist entweder al- len Plebejern in gleichen Loosen gegeben — eigentlich jedem Familienvater, denn eine groͤßere Allgemeinheit war Ausnahme Livius V. c. 30. — ( viritanus Festus s. v. ): oder nur einer bestimmten in eine Gemeinde vereinigten Anzahl ( colo- nicus ). Ist die Colonie latinisch, so verliert das ange- wiesene Land die Eigenschaft eines roͤmischen Bodens, und wird fremd; wie der dorthin ziehende Roͤmer sein Buͤrgerrecht aufgiebt: doch tritt es nicht aus den Graͤn- zen des Commercium, und dem Souverain bleibt das Recht, im Fall von Veroͤdung, zur Erhaltung der urspruͤnglichen Buͤrgerzahl eine neue Assignation zu verfuͤgen. Das Municipalland war entweder das Gemeinland welches in ihrer alten Selbststaͤndigkeit jede italische Stadt besessen hatte, — um nur von Italien zu reden — ( ager vectigalis der Pandecten): oder es war Pri- vateigenthum ( privatus ). Dasselbe gilt fuͤr die Co- lonieen; die latinischen der Republik, und die mili- tarischen. Jenes alte Recht, dem diese Eintheilung angehoͤrte, ist ganz untergegangen. Aber eine andre, ihre Haupt- klassen durch aͤußere Form bezeichnend, hat sich in den Agrimensoren erhalten: den unverstaͤndlichsten und am meisten vernachlaͤßigten Schriftstellern der roͤmischen Lit- teratur, der sie auch eigentlich nicht mehr angehoͤren als der unsrigen Buͤcher ungebildeter Maͤnner uͤber Ge- genstaͤnde des ganz taͤglichen Lebens. Aber nichts ge- winnt durch den Verlauf der Zeit an Werth wie solche Schriften: technologische des Alterthums waͤren jetzt schaͤtzbarer als nur nicht vortreffliche Dichter. Auch diese, welche jedem Roͤmer, der den Beruf ihrer sonderbaren Kunst nicht uͤbte, ganz gleichguͤltig seyn mußten, da wohl jeder anschaulich einen Begriff von ihren Grund- regeln hatte, sind fuͤr uns mit Recht der Gegenstand eines muͤhsamen Studiums. Denn es lohnt sich wohl, und nur durch sie ist es zu erlangen, jene Form zu ken- nen wodurch die Roͤmer das zum Eigenthum vom Ge- meingut abgesonderte Land bezeichneten, und seine ein- zelnen Theile mit unveraͤnderlichen Graͤnzen umschrie- ben: eine Form aͤlter als die Stadt, und die, dem Anschein nach eine gezwungene und hinfaͤllige Kuͤnsteley, mit der innern Kraft roͤmischer Institutionen, den Un- tergang des westlichen Reichs um ein halbes Jahrtau- send uͤberlebt hat. Diese Form, von den Etruskern gebildet und auf ihre Aruspicin gegruͤndet Hyginus de limitib. p. 150. fragm. de limitib. p. 215. ed. Goësii. , war, wie es scheint, auch von andern Voͤlkern Italiens angenommen, und sogar von den griechischen Italioten, waͤhrend man den Grie- chen jenseits des Meers jede auch nur analoge Einrich- tung entschieden absprechen kann. Auf den Tafeln von Heraklea wird die Lage von Grundstuͤcken durch Bezeich- nungen angedeutet, worin Mazzocchi mit Recht eine der roͤmischen aͤhnliche Limitation erkennt Mazzocchi Tab. Heracl. p. 180—182. Was dem limes entspricht wird hier mit einem sonst ganz unerhoͤrten Wort ἄντομος genannt. . Ist nun die- ses gewiß, so kann man auch wohl annehmen daß die Ab- sonderung der Feldmark welche sich die Abkoͤmmlinge der Sybariten zu Thurii anmaaßten, von der ihren neuen Mit- buͤrgern angewiesenen, dem italischen agrarischen Recht und seinen aͤußeren Formen so analog war wie ihre An- spruͤche auf ausschließlichen Besitz der buͤrgerlichen Wuͤr- den den patricischen Diodor XII. c. 11. . Aber im Sinn des agrarischen Rechts ist nur das Land limitirt welches dem Herkommen der Republik, und den Formen der Aruspicin gemaͤß die sie angenommen, mit dieser Eintheilung bezeichnet ist. Jede andre Limita- tion laͤßt es, fuͤr den Roͤmer, formlos. Der Agrimen- soren Gegenstand ist das limitirte Land: des uͤbrigen er- waͤhnen sie nur durch Entgegensetzung. Limitirt nun ist jedes Feld welches die Republik vom Gemeinland abgesondert hat: keine Absonderung kann ohne Limitation geschehen: und wo diese sich findet ist, wenn auch einzelne Landstuͤcke im Umfang des limitirten Ganzen dem Gemeinland geblieben sind, doch fuͤr das Ganze jene Ausscheidung nothwendig angedeutet. Formlos dagegen ( arcifinius ), nur durch natuͤrliche oder willkuͤhrliche Feldscheiden abgegraͤnzt, ist, außer je- der fremden, auch jede Municipalmark: der wichtigste Theil dieser Klasse aber ist das roͤmische Gemeinland Latifundia arcentium vicinos. Plinius H. N. XVIII. c. 5. . Hier verwirren die spaͤten Schriftsteller zwey Begriffe: der Form nach gehoͤrt das Gemeinland unter den ager arcifi- nius: auch als es, vielleicht unter Trajan, eingefuͤhrt ward die Domainen in den Provinzen zu vermessen und abzugraͤnzen, geschah dies mißbraͤuchlich zwar auch nach den Regeln der wahren Limitation, richtiger aber in Streifen und Bloͤcken ( per strigas et scamna ). Aber nur vom eigentlichsten Gemeinland kann der Ausdruck occupatorius gebraucht werden, der die Art der Besitz- ergreifung bezeichnet. Der Begriff aller Limitation ist die Ziehung von Li- nien, in der Richtung der vier Weltgegenden, parallel und sich kreuzend, zur gleichfoͤrmigen Eintheilung der vom Gemeinland in Privateigenthum uͤbergehenden Landloose, und zu unveraͤnderlicher Feststellung ihrer Graͤnzen Von denen sie, wie es scheint, meistens zwey Seiten und einen Winkel, wenigstens eine Seite unmittelbar bildeten, und mittelbar die uͤbrigen Seiten und Winkel anzeigten. Von der wirklichen Begraͤnzung kommt der gewoͤhnlichere Sprachgebrauch des Worts limes. . Daher werden sie — die Limites — durch eine ihnen angewiesene, von allem Anbau ausgeschlossene Breite, als Reine, oder Wege, bezeichnet; und ihre Winkel durch eine Reihe unverkennbarer Steine bestimmt und gezaͤhlt. Die Ziehung der Grundlinien beruht auf etruskischer Theologie und Aruspicin. Wie das Himmelsgewoͤlbe templum hieß, und der urspruͤngliche Begriff eines Tem- pels war, so ist auf der Erde ein Tempel, was der Augur in seinem Gemuͤth, nach den Weltgegenden, soweit der Blick traͤgt, als ein Ganzes zum Behuf der Auspicien ab- gegraͤnzt hat. Nur in einem Tempel konnten Auspicien und Augurien genommen werden; aber die ganze Stadt war — durch die urspruͤngliche Inauguration — ein Tempel: auch ein Lager war ein Tempel, weil in ihm Au- spicien wahrgenommen werden mußten: daher waren Mauern und Thore sancta : daher die Unveraͤnderlichkeit des Pomoͤrium. Denn alles was auf diese Weise bestimmt war sollte unverruͤcklich seyn, wenn es nicht durch staͤr- kere Auspicien aufgehoben ward; aber geheiligt war es nicht: hingegen waren auch die Kirchen der Goͤtter — fuͤr ein einziges Mal muß dieser Ausdruck erlaubt seyn — nicht nothwendig Tempel, nicht in allen konnten Auspi- cien genommen werden: — und wieder waren viele Tempel den Goͤttern nicht geweiht, also auch nicht heilig, wie Varro lehrt Varro de L. L. VI. c. 2. . Doch muͤssen wir dem Sprachgebrauch, obgleich er falsch ist, gehorchen, vornaͤmlich um keinen anstoͤßigen Ausdruck zu gebrauchen, und die den Goͤttern geweihten Gebaͤude ohne Unterschied, und nach dem Zu- faͤlligen als waͤre es die Hauptsache, Tempel nennen. Eben so war nun ein ganzes, zur Theilung durch Auspi- cien bestimmtes Territorium, in der That ein Tempel, und unverruͤcklich: hierauf beziehe ich den Ausspruch Ci- ceros als Augur, in einer Sache die nach unsrer Ansicht fuͤr die Beurtheilung des Staatsrechts gehoͤrt, daß, wo einmal eine Colonie unter aͤchten Auspicien gegruͤndet war, so lange sie unverheert bestand, daselbst keine neue ange- siedelt werden duͤrfe Cicero Philipp. II. c. 40. . Also bekam jede Landassigna- tion, selbst jeder Verkauf von der Domaine, eine religioͤse Sicherheit: sie konnte vom Staat nie wieder zuruͤckge- nommen werden. Ueber den Standpunkt der Augurn bey der Bestim- mung eines Tempels finden sich drey abweichende Anga- ben. Nach Livius Livius I. c. 18. schaute der Augur, bey der Inau- guration des Koͤnigs, und wie aus Dionysius Dionysius II. c. 5. klar wird, auch eines Consuls, nach Osten, und bestimmte Nord als links, Suͤd als rechts. Neben ihm saß, gegen Suͤden gewandt, der dessen Inauguration gesucht ward. Hieher gehoͤrte auch die spaͤtere Richtung der Limiten von Westen nach Osten Hyginus de limitib. p. 152. ed. Goësii. . Nach Varro Varro de L. L. VI. c. 2. und bey Festus s. v. Sinistræ. schaute er gegen Suͤden, und Ost war links: hierauf bezieht sich auch die Eintheilung des Himmelsgewoͤlbes bey Fe- stus Festus s. v. posticum ostium . , und was aus Servius Sulpicius, in einer ver- stuͤmmelten Stelle desselben Festus s. v. postica . , ausgezogen war. Aber nach nach Hyginus De limitib. constituend. p. 150. und das Fragm. de limitib. p. 215. ed. Goësii. war bey der Eintheilung des Bodens der Gesichtspunkt Westen. Daher heißen ihnen die an der Westseite der durch den Standpunkt des Augurs ge- henden Mittagslinie gezogenen Limiten anticæ, die an der Ostseite posticæ : wogegen Servius Sulpicius die suͤdlich und noͤrdlich von der von Ost nach West gezoge- nen Linie, worauf der Augur steht, fallenden Parallellimi- ten, anticæ und posticæ genannt haben muß Festus s. v. Sinistræ . . Diese drey so verschiedenen Angaben lassen sich, wie es scheint, durch eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der Augur dachte sich schauend, wie die Goͤtter auf die Erde schauten: der Wohnsitz der Goͤtter ward im Norden der Erde gedacht Varro bey Festus s. v. Sinistræ . . In dieselbe Weltgegend setzen die In- dier den Goͤtterberg Meru: selbst die Griechen dachten sich diese Erdgraͤnze, jenseits des Boreas, als eine selige Ge- gend, die Heimath gottgeliebter Menschen. Vom Nor- den her richteten die Goͤtter nach den drey uͤbrigen Welt- gegenden ihren uͤber die Erde waltenden Blick: nur wenn sie ihr zornig den Ruͤcken wandten reichte ihre Linke nach Westen: und daß sie es thaten wenn die Auspicien unguͤn- stig erschienen, war zuverlaͤssig die Lehre der Augurn. Ein Widerspruch ist also in diesen verschiedenen Gesichts- punkten, dem Sinn nach, nicht. Daß, so lange die alte Religion in ihrer Kraft lebte, fuͤr die Landtheilung in der That auch ein zwiefacher bestand, Suͤd und West, ist aus Zweiter Theil. B b den angefuͤhrten Stellen klar. Jener erste war den spaͤte- ren Landmessern unbekannt geworden; weil aber Nord und Suͤd die Richtung des Kardo ist, der Hauptlinie die- ser Eintheilung, scheint er gerade der aͤlteste gewesen zu seyn. Der aͤlteste Feldmesser war unstreitig ein Augur, begleitet von etruskischen Priestern, oder ihren Schuͤ- lern, denn diese waren gewiß allein im Besitz der we- nigen mathematischen Kenntnisse welche Rom zum Haus- gebrauch aus dem vielleicht reichen Schatz Etruriens er- borgte. Der Augur, welcher auf seinem Standpunkt die im Senatsbeschluß oder Volksgesetz bestimmten Graͤn- zen im Sinn faßte, — vorsichtig gegen ein Versehen der Rede die Inauguration durch den Vorbehalt zu schuͤtzen, es gelte was er meine, — dieser fehlte bey den Assigna- tionen der Kaiserzeit. Da nahm der Feldmesser seine Stelle ein: auch dieser begann damit sich zu orientiren, und zwar nach den wahren Weltgegenden, nicht nach dem zufaͤlligen Ort des Aufgangs und Niedergangs der Sonne. Letzteres ist allerdings doch zuweilen geschehen; ein Beweis von der Rohheit der einheimischen roͤmi- schen Meßkuͤnstler Hyginus de limitib. p. 153. . Hierauf zog er die Hauptlinie von Mittag nach Mitternacht, welche, als der Weltaxe entsprechend, Kardo genannt ward. Die welche sie rechtwinklich durchschnitt trug den Nahmen Decuma- nus, wahrscheinlich von der Kreuzform der Durchschnei- dung die dem Zahlzeichen X entspricht, wie decussatus. Diese beyden Hauptlinien wurden bis an die Graͤnze des zur Theilung bestimmten Bezirks verlaͤngert, und ihnen parallel, naͤher oder ferner, wie es die Groͤße der Vierecke worin die Feldmark eingetheilt werden sollte angab, andere Linien abgesteckt, welche mit dem Nah- men der Hauptlinie bezeichnet wurden der sie parallel liefen: diese ward durch den Zusatz maximus unter- schieden. Alle wurden auf dem Boden, so weit es seine Beschaffenheit zuließ, durch Reine bezeichnet, von de- nen die welche die Grundlinien darstellten die groͤßte Breite empfingen: nach ihnen, wenn wir nach griechi- scher Weise zaͤhlen, je der sechste, oder, nach roͤmischer Sitte im Raum wie in der Zeit, da keine zweymal, sondern diejenige welche auf die Grundlinie folgt als die erste gezaͤhlt wird, der fuͤnfte Eben so ist quinquennale tempus fuͤr Roͤmer unstreitig eine Zeit von fuͤnf Jahren, waͤhrend die griechische Πςνταε- τηρὶς nur vier begreift. . Diese Streifen nun, die anschauliche Gestalt der formalen Linien, werden limites genannt: sie blieben Gemeingut: und in Italien alle, nicht nur jene breite- ren, zu oͤffentlichen Wegen vorbehalten. Ihr Flaͤchen- inhalt ward dem zur Theilung bestimmten Boden ent- zogen, so daß die an die breiteren Straßen graͤnzenden Gevierte kleiner als die uͤbrigen geriethen: ohne Zweifel um den unwissenden Landmesser jeder nur halbverwickel- ten Berechnung bey der Eintheilung zu uͤberheben Hyginus de limitib. p. 152. . Die Entfernung der Limiten von einander ward durch die Groͤße der Vierecke bestimmt, welche sie zu B b 2 bezeichnen dienten. Diese befaßten in den spaͤteren Zei- ten, unter dem Nahmen von Centurien, als Quadrate oder Parallelogramme, 200, 210, und mehr Jugern. Alt ist anerkannt die Eintheilung des zum Verkauf ge- stellten Ackers in gleichseitige Vierecke von 50 Jugern Flaͤcheninhalt. Dieses Maaß gebrauchten noch die Trium- virn als Centurie, unter diesem Nahmen, welchen die Agrimensoren auf die alten quaͤstorischen Aecker nicht anwenden wollten. Denn sie dachten nur an das Ju- gerum als Einheit: das Mehr erklaͤrten sie sich, aber das Weniger war ihnen unbegreiflich. Aber das Jugerum war, wie es auch der Nahme andeutet, ein Doppelmaaß Columella V. c. 1. , und die eigentliche Ein- heit des roͤmischen Feldmaasses ist der Actus, von 14400 Quadratschuhen, also ein Geviertes von dem jede Seite 120 Fuß mißt Nur ungefaͤhr diesem entsprechen, so daß die Roͤmer in Gallien die Worte gleichbedeutend gebrauchten, konnte der gallische Aripennis: so wenig der Arpent von irgend einer Groͤße dem altgallischen genau gleich seyn kann. . Ein Quadrat von 50 Ju- gern Flaͤcheninhalt hielt zehn Actus ins Gevierte Denis actibus L jugera incluserunt. Siculus Flac- cus p. 2. , und ist allerdings eine Centurie, freylich nicht von hun- dert Jugern sondern von hundert Actus. Nur diese fuͤhrt ihren Nahmen eigentlich: und ist gewiß urspruͤng- lich allein gebraͤuchlich gewesen. Sie enthaͤlt siebenmal das Maaß eines plebejischen Landlooses von sieben Ju- gern: das funfzigste kommt auf die Graͤnzreine von fuͤnf Fuß Breite und was den Limiten zufaͤllt. Zu der Quadratwurzel des roͤmischen Actus oder Fundus, zwoͤlf zehnfuͤßigen Ruthen, verhielt sich die des etruskischen und umbrischen Versus von zehn der- selben, gerade wie zu dem roͤmischen buͤrgerlichen Jahr das cyclische. Als Landmaaß jener Voͤlker kennen wir den Versus oder Vorsus aus dem Fragment einer gu- ten Schrift Fragm. de limitib. p. 216. ed. Goësii. , durch Varro Varro de R. R. I. c. 10. als Maaß Campa- nieus, wo es sich von der Zeit der etruskischen Colonie erhalten haben muß. Eine Centurie von hundert Actus enthielt also 144 Versus, naͤmlich das Quadrat von zwoͤlfen. Die Linien der aͤltesten roͤmischen Limitation, sowohl die Decumane als die Kardines, waren, jenem gemaͤß, immer zwoͤlfhundert Fuß von einander entfernt gezogen: die etruskische Limitation hingegen ohne Zwei- fel von tausend zu tausend Fuß, so daß zwoͤlf etruski- sche zehn roͤmischen Centurien gleich waren. So durch- greifend ist das Parallelverhaͤltniß des roͤmischen Duo- decimal zum etruskischen Decimal-Zahlsystem. Eingetheilt ward nach diesen Regeln der ganze Di- strict dessen Assignation beschlossen war: aber assignirt, zu Eigenthum uͤbergeben, wurden nur Aecker und Pflan- zungen Qua falx et arater ierit. Hyginus de limitib. p. 192. Unstreitig eine uralte Bestimmung, obgleich er sie nur aus augusteischen Ackergesetzen anfuͤhrt; er kannte die aͤlteren gar nicht. . Das Ackergesetz bestimmte den zu theilen- den District, die Groͤße der Ackerloose, und wie Viele Land empfangen sollten: die Vertheilung geschah durch Verloosung, indem so viele Berechtigte, als deren An- theile zusammen eine Centurie fuͤllten, unter eine Num- mer zusammengezaͤhlt, eben so Loose fuͤr alle ganz aus urbarem Lande bestehende Centurien, jede durch die Zah- len ihrer Graͤnzlimiten bestimmt, in eine Urne gethan wurden, von denen man dann eine nach der andern heraushob, und nach der Ordnung wie sie herauskamen der entsprechenden Nummer der Nahmen zuschrieb. Die Beschaffenheit des Bodens war dem Gluͤck uͤberlassen; das Maaß allein, und daß der Acker angebaut gewesen war, kam in Betrachtung: nur als ein sehr seltner Fall, wo die Verschiedenheit des Bodens gar zu groß gewe- sen seyn muß, wird bey den Colonieen der Kaiser Aus- gleichung nach der Bonitaͤt erwaͤhnt. Aus der Art der Verloosung folgte nothwendig daß alle Centurien die entweder ganz oder zum Theil aus unurbarem Lande bestanden, oder, an die unregelmaͤ- ßige Graͤnzlinie stoßend, nicht volles Maaß hielten, gar nicht zur Vertheilung kamen: denen auf die sie gefal- len waͤren wuͤrde Unrecht geschehen seyn. Diese Grund- stuͤcke blieben unter dem Nahmen Subseciva (Reste) Eigenthum des roͤmischen Volks, und mit ihnen auch die vollstaͤndigen Centurien urbares Landes welche bey der Verloosung uͤbrig bleiben mochten. Die urbaren Reste wurden zuweilen den Gemeinden neuer Eigenthuͤ- mer geschenkt, gewoͤhnlicher als Domaine genutzt: Wald, Weide und Wuͤste, jenen fast ganz als Mark verliehen; denn nie durften Gemeintriften fehlen weil nur Bauland zugetheilt ward. Waͤre das urbare Land nicht hinrei- chend gewesen jedem sein volles Maaß zu gewaͤhren, so wuͤrde unter der Republik ein andrer Domainenbe- zirk das fehlende ersetzt haben: bey den Militarcolo- nieen that es gesetzlose Confiscation der angraͤnzenden Landschaft, wie Mantua dieses Schicksal erfuhr. Das limitirte und das formlose Land hatten, mit allen uͤbrigen Eigenschaften des quiritarischen Grund- eigenthums, auch die directe Steuerfreyheit unter sich ge- mein. Ihr Werth ward allerdings im Census abge- schaͤtzt, und im Tributum versteuert. Dem Gemeinland hingegen war die directe Steuerpflichtigkeit so eigen- thuͤmlich, daß auf das in Zahlung gegebene Domainen- land ein Nominalgrundzins von einem As fuͤr das Ju- gerum gelegt ward, um seine Eigenschaft zu bezeichnen, damit die Republik ihr Einloͤsungsrecht bewahre Livius XXXI. c. 13. . Sonst aber hatte das limitirte Land Rechtseigen- thuͤmlichkeiten, wovon freylich kaum eine andre Notiz ausdruͤcklich erhalten ist als die daß ihm die Alluvion fehlte l. 16. D. de adquir. rer. dom. l. 1. §. 6. D. de fluminib. : weil ein bestimmtes Maaß die Bedingung seiner Bildung war. Fast vorherrschend in den meisten Regionen Italiens, gewoͤhnlich in den Provinzen des Westens, scheint im Osten dieser Charakter des Grund- eigenthums aͤußerst selten gewesen zu seyn, daher die Versaͤumniß bey den Auszuͤgen fuͤr die Pandecten. Die Nichterwaͤhnung auch der auffallendsten Eigenschaften kann folglich nicht als Widerlegung ihres Daseyns gel- ten; wir duͤrfen aus innern Beweisen folgern was fac- tisch darzulegen zufaͤllige Zerstoͤrung der Zeugnisse viel- leicht auf immer unmoͤglich gemacht hat, vielleicht auch nur einem beleseneren und gluͤcklicheren Forscher vor- behalten ist. Es ist klar daß die ganze Kunst der Agrimensoren die urspruͤnglichen Graͤnzscheiden zu entdecken, an der Freyheit einzelne Landstuͤcke von willkuͤhrlichem Umfang zu veraͤußern haͤtte scheitern muͤssen: und, gewohnt diese vorauszusetzen, finden wir jene eben deswegen zwecklos und widersinnig. Die urspruͤnglichen Graͤnzen mochten sie ausmitteln, aber von nun an entschieden nur Kauf- briefe und andere Documente: und wenn diese nicht vollkommen geometrisch bestimmt abgefaßt waren, so konnte kein Eigenthum unsicherer seyn als Erwerbungen auf limitirtem Boden, wo die in derselben Centurie Be- guͤterten die Controverse de modo erheben konnten. Dies fuͤhrt auf die Vermuthung daß ein assignir- ter Fundus als eine geschlossene Hufe, als ein Ganzes in unveraͤnderlichen Graͤnzen, anzusehen ist. Eine Vor- stellung welche schon in den Grundzwecken der Limita- tion ihre Bewaͤhrung zu haben scheint. Aus den Pandecten, Inschriften, und alten Urkun- den, ist bekannt daß ein Fundus haͤufig einen eigen- thuͤmlichen Nahmen trug, nicht nach dem jedesmaligen Besitzer veraͤnderlich, sondern so fortdauernd daß noch jetzt, wer diesen Spuren nachginge, ohne Zweifel, vor- zuͤglich in der roͤmischen Campania und Sabina, viele hundert Beyspiele ganz kenntlich erhaltener roͤmischer Nahmen von Grundstuͤcken finden wuͤrde. Von den vier fundis welche die Schenkung des A. Quinctilius zu Fe- rentinum nennt, haben zwey ihren Nahmen fast unver- aͤndert bewahrt Ich finde diese Nachricht in einem Heft des Werks der Marianna Dionigi uͤber die cyklopischen Mauern. , und dies wird gar nicht als etwas auffallendes berichtet. So meldet der h. Hieronymus, jener Fundus welchen der Dichter Attius bey der As- signation der Colonie Pisaurum zu seinem Loos empfan- gen, werde nach seinem Nahmen genannt Hieronymus Chron. 11. 1877. : und so wenig man laͤugnen kann daß auch in nichtgetheilten Landschaften solche dauernde Benennungen gelten moch- ten, so einfach wahrscheinlich ist es daß sie auf assignir- tem Boden, wie dort zu Pisaurum, nach den ersten Be- lehnten gegeben sind, unter deren Nahmen sie in das Landbuch eingeschrieben wurden. Nun aber finden sich in den aͤltesten Urkunden je- uer suburbicarischen Gegenden die laͤndlichen Grundstuͤcke fast immer unter einem solchen Nahmen bezeichnet, und ihr Verkauf oder Vermaͤchtniß bald fuͤr das Ganze, bald im Unzialverhaͤltniß. Damit stimmt die in den Pan- decten haͤufige, uns auch so fremde, Erwaͤhnung mehrerer Eigenthuͤmer eines Fundus: damit, aus der alten Ge- schichte Roms, jene Guͤtergemeinschaft der sechszehn Aelier, denen eine einzige Hufe im Vejentanischen gehoͤrte Valerius Maximus IV. c. 4. n. 8. : sie waren Plebejer. Dieses schließt aber nicht Theilung Daher die termini comportionales. , ja auch nicht Verkauf, im Unzialverhaͤltniß , aus: aber die urspruͤngliche Graͤnze schloß alles wie ein Ganzes in sich: und alle Theile hafteten fuͤr den Modus der ersten As- signation. Es ist auch schon bemerkt worden wie nur durch solche unveraͤnderliche Einheiten der Kataster der Censoren in Ordnung erhalten werden konnte. Ackergesetz war der Nahme einer jeden gesetzlichen Verordnung uͤber das Gemeinland: auch derjenigen welche Colonieen einrichteten. In solchen Gesetzen wur- den auch die Maͤrkte und Versammlungsorte ( fora et conciliabula ) angeordnet Capita legis Marniliæ etc. p. 339. ed. Goësii. : Worte deren strenge Er- klaͤrung wir entbehren: doch scheint es daß die letzten in den allgemein getheilten Landschaften errichtet seyn moͤgen, wo die Ansiedler ohne Form einer Municipal- verfassung wohnten; die Maͤrkte hingegen auf occupir- tem Gemeinland. Wenigstens gehoͤren die Gegenden wo die bekanntesten Fora genannt werden zu solchen confis- cirten Laͤndern deren Theilung sogar unwahrscheinlich ist. Beyderley Orte sicherten auch dem entfernt wohnenden Buͤrger roͤmische Rechtspflege. Fortsetzung von den licinischen Rogationen . Das licinische Ackergesetz hat zwey Haupttheile ge- habt: einen allgemeinen, bleibend legislatorischen, und einen fuͤr die Gegenwart verfuͤgenden. Ich glaube daß folgende Hauptstuͤcke als darin enthalten aufgefuͤhrt werden koͤnnen, weil es unstreitig das Grundgesetz des spaͤteren agrarischen Rechts war. 1. Das Gemeinland des roͤmischen Volks soll in seinen Graͤnzen bestimmt werden. Grundstuͤcke welche Privatpersonen davon usurpirt haben, sollen der Repu- blik vindicirt: die deren Eigenthum streitig ist, verkauft werden, damit das Recht unter Privatpersonen ent- scheide Gewiß hat Dionysius jenes Senatusconsult welches dem Volk das cassische Gesetz verguͤtet haben soll ( VIII. c. 76.) nicht ersonnen: aber wie mehr als unwahrscheinlich ist die Authenticitaͤt dieser genauen Urkunde eines nie ausgefuͤhr- ten Beschlusses, bey der Heimlichkeit der Senatsarchive vor dem Jahr 305? Die Nichtigkeit der Reden wird jeder ein- raͤumen. Mir scheint es daß die Annalisten auch hier eine duͤrftige Notiz aus dem Stoff eines spaͤteren Zeitalters aus- bildeten: also wahrscheinlich aus dem ihnen noch wohlbe- kannten licinischen Gesetz, welches sich folglich in diesem Hauptstuͤck aus Dionysius herstellen lasse. Usurpation war anlockend auch als die Domaine keine Abgabe zahlte, weil Privateigenthum, als unter allen Umstaͤnden sicher, doch einen hoͤheren Kaufwerth gehabt haben muß. . 2. Jeder Besitz der nicht groͤßer ist als dieses Ge- setz gestattet, nicht gewaltthaͤtig, nicht verstohlen, nicht geliehen, soll gegen jeden Dritten geschuͤtzt seyn. 3. Jeder roͤmische Buͤrger soll berechtigt seyn neu erworbenes Gemeinland, wenn es nicht im Besitz der alten Eigenthuͤmer gelassen, noch dem Volk eigenthuͤm- lich vertheilt, oder eine Colonie darauf gegruͤndet wird, fuͤr seinen Antheil durch Besitz zu nutzen, sofern er das Maaß nicht uͤberschreitet welches dieses Gesetz be- stimmt Seit dem licinischen Gesetz ist die Benutzung der Do- maine durch Plebejer unzweifelhaft, da C. Stolo selbst sein Gesetz uͤberschritt. Dies koͤnnte durch Kauf geschehen seyn, und so mochten reiche Plebejer schon fruͤher diesen Besitz theilen: aber die Nobilitaͤt des gracchischen Zeitalters war groͤßtentheils plebejisch, und ihr Besitz gruͤndete sich auf die Occupation ihrer Vorfahren. . 4. Niemand darf vom Gemeinland an Acker und Pflanzungen mehr als fuͤnfhundert Jugern besitzen, noch auf der Gemeinweide mehr als hundert Haͤupter gro- ßes, und fuͤnfhundert Stuͤck kleines Vieh grasen lassen. Wer dagegen handelt den sollen die Aedilen vor dem Volk auf eine Geldstrafe belangen; er soll das Land- maaß, welches er gesetzwidrig besaß, verbrochen haben. Eben so diejenigen welche ihre Triften unerlaubt er- weitern Nichts ist bekannter als das Maaß des Landbesitzes: wie die Hutgerechtigkeit beschraͤnkt gewesen, meldet Appian ( de bell. civil. I, p. 354, ed. Steph. ). Die plebejischen Aedilen erscheinen als Anklaͤger vor dem Volk gegen gesetzwidrige Ackerbesitzer im Jahr 454, mit Erfolg: (Livius X. c. 13.) wegen uͤbermaͤßiger Weidebenutzung (derselbe X. c. 23. 47. XXXIII. c. 42. XXXV. c. 10. Ovidius fast. V. v. 283. ff.). Gewiß war auch M. Popillius Laͤnas Aedilis des Volks ( VII. c. 16.), als er den Urheber des Gesetzes uͤberwieß daß er selbst, durch Emancipation seines Sohns, ihm listig ausweichend entgegenhandle. Der Geldstrafen wird in al- len Faͤllen gedacht. C. Licinius Stolo ward zu zehntau- . 5. Die Besitzer des Gemeinlands sollen an die Re- publik vom Acker den zehnten Scheffel, von Baum- pflanzungen und Weinbergen den fuͤnften des Ertrags entrichten: von jedem Haupt großes Viehs, welches sie auf der Gemeinweide halten, … Asse, von jedem Stuͤck kleines Viehs … Asse jaͤhrliches Grasgeld zahlen Wir muͤssen annehmen daß diese Verordnung, welche Appian ( de bell. civilib. I. p. 353.) erhalten hat, im lici- nischen Gesetz enthalten war, denn es ist wiederhohlt be- merkt wie bis dahin unter der Aristokratie nichts erlegt ward. Vom Obst scheint allgemein eine hoͤhere Ertrags- steuer gezahlt zu seyn als vom Getreide; so entrichtete Ju- daͤa den Syrischen Koͤnigen von jenem die Haͤlfte, von die- . send Assen verurtheilt, weil er tausend Jugern besaß. Nicht daß jene Geldsumme, oder eine bestimmte Zahl fuͤr das Jugerum, eine feste Strafe gewesen waͤre: Veraͤnderlichkeit nach erschwerenden oder mildernden Umstaͤnden ist der noth- wendige Charakter einer irrogirten Mult. Daß aber uͤbri- gens nur der unerlaubte Besitz eingezogen, nicht auch der gesetzmaͤßige seinetwegen verwirkt ward, scheint durch die Milde der Sempronischen Gesetzgebung bewiesen. Fuͤnfhundert Jugern sind ungefaͤhr 490 Magdeburger Morgen: ein Vorwerk von nicht veraͤchtlichem Umfang, und dadurch noch bedeutender daß es ganz in Ackerland oder Pflanzung bestand; indem die Gemeintrifft zur Weide diente. Dem Athenienser haͤtte dieser Besitz sehr groß und glaͤnzend geschienen, da Alkibiades Familiengut weniger als dreyhundert Plethren maaß: noch nicht eiumahl 120 Ju- gern (Plato, Alcib pr. p. 123. c. ). Uebrigens galt die Beschraͤnkung durchaus nur fuͤr den Besitz, nicht fuͤr den Erwerb von Eigenthum, roͤmischem und fremdem: dem wa- ren keine Schranken gesetzt. 6. Die Censoren sollen die dem roͤmischen Volk vom Gemeinland vorbehaltene jaͤhrliche Abgabe jedesmahl auf ein Lustrum an den Meistbietenden verkaufen. Die Finanzpachter sollen der Republik Sicherheit fuͤr die Er- fuͤllung ihrer Verpflichtungen stellen. Bey unvorher- gesehenen Ungluͤcksfaͤllen mag der Senat ihnen Er- laß an der schuldigen Summe gestatten. Der Ertrag sem den dritten Scheffel (1 Maccab. X. 39.). Der Zehnte war eine geringe Steuer. Aegypten zahlte an die Pharao- nen den Fuͤnften (1 Mosis XLVII. 24. 26.). Die Indier steuern von einem Viertheil bis zu drey Viertheilen, wo sie dann im letzten Fall immer das Saatkorn, und oft Brodkorn von den Generalpachtern borgen muͤssen. Diese Ertragssteuern waren allenthalben in Asien die Quelle der unermeßlichen fuͤrstlichen Schaͤtze: daher erklaͤren sich die Reichthuͤmer Davids und Salomos, naͤmlich aus der Grund- steuer Syriens. Karthago scheint von dem unterthaͤnigen Afrika ein Viertheil des Ertrags erhoben zu haben: denn, als im ersten punischen Kriege der Tribut der Staͤdte ver- doppelt ward, ist vom Lande die Haͤlfte der Erndten an Getreide und Fruͤchten gefordert worden (Polybius I. c. 72.). Die Araber erhoben nur den Zehenten (die Aschera): eine außerordentliche Erleichterung fuͤr den von den byzantinischen Finanzen ausgesogenen Orient, der ge- wiß keine milderen Steuern entrichtete als jene Syrischen; denn Rom erleichterte so viel wir wissen nur einmal die Lasten der eroberten Laͤnder. So verschmerzten die Unter- thanen der Khalifen leicht die bey der Eroberung geforder- ten Kriegssteuern; nur dann war ihr Loos hart wenn der Landesherr das Eigenthumsrecht ausuͤbte, welches er durch die Eroberung gewonnen hatte. soll zur Zahlung des Solds an die Armee verwandt werden Verkaufen, durch Mancipation: s. oben Anmerk. 459. Ueber die Verbuͤrgung und den Erlaß s. Polybius VI. c. 17. Die Verwendung im Senatusconsult bey Dionysius. . 7. Die Finanzpachter sollen sich mit den Besitzern uͤber den Antheil einigen den sie, von wegen des Staats, vom Ertrag ihres Besitzes zu fordern berechtigt sind. Kein Vieh darf ohne bey ihnen verzeichnet zu seyn und Hutgeld gezahlt zu haben, auf die Gemeinweide getrieben wer- den: was so der Abgabe entzogen wird, verfaͤllt der Republik Zu unterscheiden von dem verbotenen Uebermaaß: Cap. 4. Cicero Verr. frum. c. 11. Varro de R. R. II. c. 1. . 8. Die Besitzer des Gemeinlands sind verpflichtet, in einem bestimmten Verhaͤltniß zum Umfang ihres Be- sitzes Freye als Feldarbeiter zu gebrauchen Diese Verfuͤgung giebt Appian a. a. O. . So weit waren die Bestimmungen des Gesetzes welche sich entdecken lassen allgemeines und dauerndes Inhalts. Das folgende war Verfuͤgung in Hinsicht der Gegenwart. 9. Was Einzelne gegenwaͤrtig uͤber fuͤnfhundert Ju- gern Acker und Pflanzung vom Gemeinland besitzen, soll allen Plebejern in Loosen von sieben Jugern zum Eigen- thum angewiesen werden Varro de re rust. I. c. 2. und auch Columella I. c. 3. scheinen einen von dem Gesetzgeber verschiedenen Tribun C. Licinius Stolo als Ackervertheiler an das Volk zu mei- nen: doch Varros Stelle ist so tief auf den Grund verdor- ben, die Erklaͤrung von dem C. Licinius Crassus ein so . 10. Zur Ausfuͤhrung dieses Gesetzes sollen Decem- virn vom Volk erwaͤhlt werden Eine außerordentliche Magistratur, ein Collegium von groͤßerer oder geringerer Zahl, ward zur Ausfuͤhrung eines jeden Ackergesetzes ernannt. Gewoͤhnlich waren es Trium- virn: ich nehme hier Decemvirn an, nach dem Senatus- consult bey Dionysius. Consularische Senatoren, von denen er redet, koͤnnen es freylich nicht gewesen seyn: denn der Tribun uͤbertrug die Ausfuͤhrung gewiß nicht den Patriciern allein: und Consulare im strengen Wortsinn hatte Rom da- mals vielleicht gar nicht. . 11. Dieses Plebiscit soll als Grundgesetz von beyden Staͤnden beschworen werden Appian a. a. O. . Nach dieser Darstellung bedarf es wohl jetzt so wenig einer Rechtfertigung des licinischen Ackergesetzes, als der Volkstribun vor seinen Zuhoͤrern eine weitlaͤuftige Ent- wickelung handgreiflicher Irrthum, daß nur Emendation Sinn schaf- fen kann. Columella aber ist der Geschichte so unkundig daß er die erste Ackervertheilung, wodurch der Senat nach der Verbannung der Koͤnige das Volk zu gewinnen suchte, einem Volkstribunen, dem Licinius, zuschreibt. Eine As- signation war vom Zweck des licinischen Gesetzes unzertrenn- lich, so sehr, daß wir ohne Zeugniß das Daseyn solcher An- ordnungen darin annehmen duͤrften und muͤßten. Aber die licinischen sieben Jugern waren sprichwoͤrtlich, obwohl schon fruͤher herkoͤmmliches Maaß. Sieben Jugern sind ungefaͤhr 6, 86 Magdeburger Morgen, und um so mehr hinreichend eine Familie zu ernaͤhren, da sie außerdem genuͤgendes Weideland hatte. wickelung des Rechts und der Vortheile noͤthig finden konnte. Die Billigkeit ist wahrscheinlich damals wie spaͤ- ter bestritten worden, und es war auch unmoͤglich daß hier das allgemein Heilbringende Einzelne nicht hart ge- troffen haͤtte. Hat aber ein Patricier sich auf alte aus- schließende Anspruͤche berufen, so wird ihm der Tribun die lange usurpirte Entziehung der Abgaben erwiedert: er wird geltend gemacht haben daß der plebejische Stand seit seiner Bildung urspruͤngliches Recht auf Assignation habe, und daß er es sey welcher in den Legionen die Schlachten der Republik kaͤmpfe. Er wuͤrde selbst den Habsuͤchtigen ermahnt haben zu erwaͤgen, wie vielfacher andrer Erwerb, und andrer Landbesitz, den sein Gesetz nicht beschraͤnkte, sich eroͤffne, sobald die Republik, bey innerer Gesundheit, bey Wohlhabenheit des Volks, und unversiegenden Fi- nanzen, sich erobernd ausbreiten koͤnne. Er hat sagen koͤnnen, der Staat muͤsse auf eine zahllose Menge kleiner eigenthuͤmlicher Bauerguͤter gegruͤndet, durch groͤßere Besitzungen der edeln Familien geschmuͤckt werden. Als Pabst Leo IV , — den die Roͤmer der besten Jahrhunderte als aͤchten Mitbuͤrger anerkannt, und ihn wuͤrdig ge- funden haben wuͤrden das Pomoͤrium zu erweitern, — zu Portus eine Colonie gruͤndete, um die Stadt gegen die Saracenen zu schuͤtzen, hat er ihr nicht nur Laͤnde- reyen des roͤmischen Stuhls und Klosterguͤter, sondern sogar Privatgrundstuͤcke eingeraͤumt. Er liebte das Va- terland mehr, sagt sein Geschichtschreiber, und die Er- haltung des ihm vertrauten Volks, als hinfaͤllige Guͤ- Zweiter Theil. C c ter, deren geizige Behauptung vielen das Leben und die geliebten Guͤter selbst gekostet hat Anastasius de vitis Pontific. p. 283. ed. Mogunt. . Gluͤcklich der Staat wo durch ein licinisches Gesetz die Herstellung einer Nation freyer Landleute gesetzmaͤßig moͤglich war! Da in Griechenland jede Ackertheilung, ge- billigt von den Philosophen, selbst wie Timoleon sie als ein unvermeidliches Uebel ausfuͤhrte, das Eigenthum umstuͤrzte, und ein neues hinstellte welches nie seine wahre Festigkeit erhielt. Die vierte licinische Rogation beugte allerdings das Recht. Sie verfuͤgte, daß vom Capital der Schulden der Betrag der bisher erlegten Zinsen abgezogen, und der Ueberrest in drey jaͤhrlichen Terminen zu gleichen Theilen abgezahlt werden solle. Diese Rogation laͤßt sich nur durch Gruͤnde entschuldigen wie etwa ein um fortschrei- tende allgemeine Verarmung zu hindern beschlossener par- tieller Staatsbankerott — durch eigenmaͤchtige Herab- setzung der Zinsen —, wobey immer eine nie zu hebende Einsage des Rechts der Gekraͤnkten, und der allgemeinen Erhaltung Aufgeopferten, uͤbrig bleibt. Die moralische Beurtheilung vergangener Zeiten darf freylich nicht von den uns gewoͤhnlichen Ansichten ausgehen, sondern von einer Kenntniß dessen was nach dem Gefuͤhl des Zeitalters der Handlung loͤblich oder wenigstens erlaubt war. Das Alterthum haßte und verdammte den Zinshandel fast so sehr als die alte christliche Kirche, oder der Islam, und haͤufige Beyspiele machten vertraut mit dem Gedanken daß der Staat sich in die Verhaͤltnisse der Schuldner und Glaͤubiger mischen duͤrfe, waͤhrend, nach unsern Ansichten, ein Vermoͤgen, hingegeben unter den Schutz bestehender Gesetze, und der Wachsamkeit des Eigenthuͤmers entzo- gen, eben dadurch, wie jeder Wehrlose, groͤßere Unver- letzlichkeit und Heiligkeit gewonnen hat. Doch auch im Alterthum konnte nur die reinste Pruͤfung seiner Einsicht und seines Willens den Urheber solcher Gesetze beruhigen und rechtfertigen: vor allem aber daß er selbst, und nicht in geringem Maaß, durch die von ihm ausgehenden Be- schluͤsse verlohr. Haͤtten sie ihn gar nicht getroffen, so konnte er leichtsinnig uͤber das Vermoͤgen Anderer schal- ten: entzog er sich ihren Schlaͤgen, so war er fast so verworfen als wenn ihm Vortheil daraus entstand. Der spaͤtere Reichthum der licinischen Familie, wodurch sie schon im hannibalischen Krieg beyde Staͤnde uͤbertraf, der sehr große Landbesitz des Tribunen selbst, und das Stillschweigen jeder Beschuldigung, machen es fast gewiß daß C. Licinius nicht eigennuͤtzig gehandelt habe. Ueber- haupt vertraute sich die roͤmische Nation nur wohlha- benden und wohlbehaltenen Maͤnnern: auch die Armuth des großen, keinem Schein dienenden, Mannes ist in dem beduͤrfnißlosen Suͤden wohlhabend genug: Curius und Fabricius mangelte nichts. Widerrechtlich wie das licinische Schuldgesetz war, ist dennoch der Umfang seiner Schaͤdlichkeit so viel ge- ringer gewesen als der jedes Eingriffs eines neueren Staats in die Schuldrechte seyn wuͤrde, wie die Art und der Umfang der Verschuldung in der alten roͤmi- C c 2 schen Republik mit den Verhaͤltnissen woran wir ge- woͤhnt sind, nicht verglichen werden koͤnnen. Verschuldung war unter den Roͤmern eine Unehre, wie sie nach dem alten Recht zur Knechtschaft, und auch nach dem Poͤtelischen Gesetz zur buͤrgerlichen Ehrlosig- keit, fuͤhren konnte. Zum Gewinn und zu Speculatio- nen borgte nur der Kaufmann auf Bodmerey, und Rom war keine Handelsstadt. Der Landwirth verbes- serte sein Feld soweit seine und der Seinigen Arbeit reichte. Die groͤßte Quelle der Privatverschuldung fehlte weil es kein Hypothekenrecht gab. Die Kaufsumme von liegenden Gruͤnden ward baar bezahlt, und wenn meh- reren ein Grundstuͤck durch Erbschaft zufiel, so blieb es entweder in gemeinschaftlichem Besitz, oder es ward in der Substanz getheilt. Die Schulden welche das lici- nische Gesetz betraf waren also, was bey uns ein klei- ner Theil der ganzen Schuldenmasse ist, nur aus wah- rer Noth entstandene: denn Verschwendung war auch noch ganz unbekannt: sie glichen in ihrer ganzen Be- schaffenheit den Wechselschulden. Dies nun bestimmt auch die moralische Beurtheilung; denn borgen aus Noth erzeugt Wucher; der Wucher ist gesetzlichen Schutzes unwuͤrdig; und das licinische Gesetz war doch nur wie eine Fallitenordnung zum Vortheil derer die, im Durch- schnitt, zwey Drittheil ihrer Schuld abtragen konnten. Die Gesetze uͤber den Bankerott beguͤnstigen die Erhal- tung eines Theils vom Vermoͤgen: das licinische be- wahrte die persoͤnliche Freyheit, und erhielt der Repu- blik Buͤrger die sonst als Sklaven uͤber die Graͤnze ver- kauft wurden. So hatte auch die Kuͤrzung der gezahl- ten Zinsen keineswegs die Folge welche von einem aͤhn- lichen Gesetz bey uns unzertrennlich seyn wuͤrde, daß der Schuldner vielleicht das ganze Capital wegrechnen koͤnnte. Ich glaube bey der Untersuchung des Unzial- zinsfußes wahrscheinlich machen zu koͤnnen, daß das ge- woͤhnliche Zeitmaaß eines Darleihens vor Alters das zehnmonatliche Jahr gewesen ist: nach dessen Ablauf der Schuldner, wenn ihm eigene Mittel fehlten, sich einen neuen Glaͤubiger Festus s. v. Versura. , natuͤrlich oft fuͤr Capital und Zin- sen, suchen, oder sich mit dem ersten Zinsherrn verei- nigen mußte. So war der Verlust des Glaͤubigers am Capital in den meisten Faͤllen nicht sehr groß: die Zin- sen von zwey Jahren wurden ihm allerdings auch ge- nommen. Die dreijaͤhrige Zahlung war der Termin der auch unverzinslichen Dos, und wie diese drey Jahre cyclisch waren, so auch ohne Zweifel diese tribunicischen Fristen. Sonderbar ist es daß die Tribunen weder die Haͤrte des alten Schuldrechts milderten, noch Wuchergesetze einfuͤhrten. Die aͤltere Gesetzgebung kann keine enthal- ten haben, sonst haͤtten die Tribunen den Schuldnern, um ihnen aufzuhelfen, nur die vierfache Strafe zu schenken gebraucht welche der Republik verfallen war: denn in jener Zeit der Noth war gewiß jedes Geschaͤft wucherisch. Wenigstens die drey Hauptrogationen wurden von C. Licinius und L. Sextius unter den Militartribunen des Jahrs 378 Die Chronologie dieses Zeitraums ist in einer vollkom- menen Verwirrung Den catonischen Fasten getreu, und jaͤhrige Dictaturen als Luͤckenbuͤßer der varronischen ver- werfend, nehme ich 365 als das Jahr der Eroberung, 389 fuͤr das erste plebejische Consulat, und fuͤnfjaͤhrige Anar- chie, an. Dennoch bleibt eine Luͤcke von einem Jahre; Li- vius selbst setzt die zehnte Wahl der beyden Volkstribunen in das Jahr 387: also ihre erste in 378 Wir koͤnnen uns nur helfen, indem wir dieses fehlende Jahr der Anarchie zurechnen: denn Dodwell handelt auch hier mit der ihm gewoͤhnlichen Schiefheit, indem er vier Militartribunen fuͤr das Jahr 379 aus Diodor aufnimmt, welche nur das zweymal angefuͤhrte Collegium des Jahrs 385 mit Auslas- sung zweyer, und verstuͤmmelten Nahmen, sind. Anders sind uͤberhaupt die Fasten Diodors nicht beschaffen. promulgirt, in welchem sie vier Tage vor den Iden des Decembers ihr Amt antraten, waͤhrend jene ihre Magistratur bis an die Kalenden des Quintilis bekleideten. Wie das Volk zu Hoffnun- gen belebt, und sein Wille fuͤr die Annahme am Tage der Abstimmung unzweifelhaft war, so ergriff den Se- nat Furcht, Unwille und Erbitterung. Waren die Ro- gationen von den Comitien angenommen, dann fehlte ihnen allerdings zur Gesetzkraft noch die Einwilligung des Senats, aber die Verweigerung brachte dann den Streit sogleich zur aͤußersten Entscheidung. Abgewandt konnte die Gefahr nur dadurch werden daß die Roga- tionen hinstarben ehe das Volk sie beschloß. Um dieses zu erreichen gewann der Senat die saͤmmtlichen acht Collegen der beyden Tribunen den Vortrag in der Volks- gemeinde zu hindern; vielleicht sehr rechtliche neue- rungsscheue Maͤnner. Als Licinius und Sextius die Gemeinde an dem bestimmten Tage berufen hatten, un- tersagten diese die Verlesung der Rogationen, welche der Abstimmung vorhergehen mußte. Verlesen vor der Volksgemeinde konnte nur ein Schreiber, uͤber dessen Ungehorsam nach der Willkuͤhr des widersprechenden Volkstribunen Todesstrafe verhaͤngt war: die geheilig- ten Tribunen konnten den Widerspruch nicht dadurch vereiteln daß sie selbst die Tafeln nahmen. Denn die Gewalt ihres Amts war ganz persoͤnlich, sie herrschten dadurch daß nichts unternommen werden konnte, wo nicht der Tod die Strafe des ihrem Willen Ungehorsa- men geworden waͤre; und daher zerstoͤrte allerdings in dem letzten Zeitalter der Republik C. Cornelius die Kraft der Intercession, indem er selbst, als sein Diener dem Verbot weichen mußte, den Entwurf eines Gesetzes verlas Asconius in argum. Cornelianæ. . Dem Volk konnte kein Tribun das Abstim- men verwehren: er war ja nur dessen Repraͤsentant: auch seinem Collegen nichts unmittelbar untersagen, denn er konnte ihn nicht strafen: aber bis zu dem Augenblick in dem sich die Tribus absonderten konnte er die Ab- stimmung bey jedem den Dienern zukommenden Ge- schaͤft, welches vorher vollendet seyn mußte, stoͤren und unmoͤglich machen Cicero fragm. Cornelianæ und Asconius im Commentar. . Also unuͤberwindlich gehindert, und nicht keck wie Cornelius, waren die Urheber der Gesetze ihrer Gegner Spott. Aber sie empfanden das nicht kleinmuͤthig: als das Jahr ablief, und der Tag kam die Militartribu- nen des folgenden zu ernennen, verwehrten sie die Wahl. Waͤhrend fuͤnf oder sechs Jahren blieb die Repu- blik ohne curulische Magistrate: nothwendig unter einer ununterbrochenen Folge von Interregen. Kriege konn- ten diese nicht fuͤhren da jeder nur auf fuͤnf Tage er- nannt war, obwohl die innere Verwaltung, so unbe- schaͤftigt im Alterthum, fortging; und da auch die be- nachbarten Voͤlker gern ruhten, so erhohlte sich das Volk, befreyt von Steuern und Kriegsdienst, eben durch die Regierungslosigkeit welche dem Anschein nach der Republik Verderben drohte. Der Interrex hatte aller- dings Jurisdiction Livius XLI. c. 9. ; doch ist kein Zweifel daß die Tribunen keines einzigen Rechtsspruchs Ausfuͤhrung in Schuldsachen duldeten. So mußte selbst den Glaͤubi- gern die Beendigung eines Zustandes wuͤnschenswerth werden, dessen Verlaͤngerung ihnen nachtheiliger war als die Ausfuͤhrung des vorgeschlagenen Gesetzes. Das Tribunat des Licinius und Sextius ward von Jahr zu Jahr erneuert: und wenn auch der Einfluß des Senats hinreichte die Opposition durch Wiedererwaͤhlung, oder die Ernennung andrer Anhaͤnger, zu erhalten, bey dem fortwaͤhrenden Ringen beyder Partheyen gewann die des Volks immer mehr Grund: Freunde der licinischen Gesetze wurden zu Tribunen erwaͤhlt, und die Zahl und die Entschlossenheit der Widersacher nahmen allmaͤhlich in gleichem Verhaͤltnisse ab. Als aber die Veliterner Tusculum belagerten, und ein roͤmisches Municipium in Gefahr war, da hinderten die Fuͤhrer des Volks nicht daß Militartribunen erwaͤhlt wurden und ein Heer zum Entsatz fuͤhrten (385). Von Tusculum zogen sie vor Velitraͤ, wo sie die Legionen un- ter dem Vorwand der Belagerung hielten. Jetzt, da ein Krieg sich erhoben hatte dessen Beendigung vom Senat abhing, aus dem die Nation nicht willkuͤhrlich zuruͤckwei- chen, am wenigsten ihr Heer ohne Oberbefehl verwaiset lassen konnte, jetzt versagte den Tribunen der Einfluß der Wahlverhinderung. Doch blieb ihnen das Volk treu; und unter Licinius und Sextius achtem Tribunat bildeten nur noch fuͤnf Volkstribunen, und diese muthlos und kleinlaut, die Opposition. Bey der folgenden Wahl scheint endlich das ganze Collegium gleichgesinnt gewesen zu seyn. Das sagt auch Livius am Anfang der Erzaͤhlung von den Unruhen des Jahrs 387 mit klaren Worten Cum tribus vocarentur, — nec intercessio collegarum latoribus obstaret, trepidi Patres ad — ultima auxilia — decurrunt. Livius VI. c. 38. : obwohl er, mit beyspielloser Vergeßlichkeit, wenige Zei- len nachher von dem Streit der Tribunen gegen ihre wi- dersprechenden Collegen redet. Dies widerlegt aber der Anblick der Vorgaͤnge. Gleich am Anfang des Jahrs brachten die Volkstribunen die Annahme ihrer Gesetze zur Entscheidung, wie man eilt wenn endlich ein uner- traͤgliches Hinderniß entfernt ist welches uns jahrelang gefesselt hatte. Der Senat aber kehrte zu den aͤußersten Mitteln der innern Fehden zuruͤck, welche, so lange ihnen tribunicische Intercession zu Gebot stand, entbehr- lich gewesen waren. Camillus ward zum Dictator ernannt, und begann an dem zur Abstimmung angekuͤndigten Tage ein Heer zu conscribiren Plutarch Camill. p. 150. A. . Er befahl unter fuͤrchterlichen Drohun- gen daß das Volk, welches schon angefangen hatte zu stimmen, sich aus dem Comitium entfernen solle: er ge- bot den Lictoren Gewalt zu gebrauchen. Den Schrecknis- sen der dictatorischen Macht setzten die Volkstribunen ru- hige Entschlossenheit entgegen. Die Abstimmung uͤber die Gesetze war gestoͤrt Es war gesetzwidrig eine in der Gemeinde unterbrochene Verhandlung an demselben Tage zu erneuern: wenn aber das Volk sich nicht stoͤren ließ einen neuen Antrag schleunig anzunehmen, so ist hier kein Widerspruch. ; aber das Volk beschloß auf ihren Antrag daß Camillus, wenn er als Dictator handle, in eine Mult von 500000 Assen verfallen seyn solle. Die Dictatur besaß ihre Allmacht nur durch den freyen und ehrerbietigen Gehorsam Aller, die den Einzelnen Preis gab. Daher ist es sehr begreiflich daß sie in dieser Gaͤh- rung ohnmaͤchtig war, und Camillus, dem Sturm wei- chend, abdankte: Livius Zweifel an der Moͤglichkeit so großer Kuͤhnheit eines Tribunen und an ihrem Erfolg sieht nur auf gewoͤhnliche Zeiten. Waͤren ihm, indem er die Jahrgeschichten fortruͤckend nach den Aelteren schrieb, die Vorfaͤlle der fast unmittelbar folgenden Jahre schon be- kannt und gegenwaͤrtig gewesen, so haͤtte er erwaͤgen muͤssen daß auch im Jahr 392 der Dictator L. Manlius von den Volkstribunen gezwungen ward abzudanken Livius VII. c. 3. : wahrscheinlich ebenfalls durch Androhung einer Mult. Auch war der Volksbeschluß keineswegs verfassungswi- drig. Camillus konnte als Dictator handeln, wenn er sich gefaßt machte nach dem Umlauf seiner Zeit die verord- nete Buße zu erlegen. Dem Greisen gab der Senat P. Manlius zum Nach- folger: aber so sehr hatten sich schon die Verhaͤltnisse ver- aͤndert, daß dieser, entweder der Sache wohlwollend, oder um zu versoͤhnen, einen ihm und dem Gesetzgeber verwandten Plebejer, C. Licinius Calvus, zum Obersten der Ritter ernannte. Damals scheint ein Versuch unter- nommen zu seyn einen Vergleich zu stiften Dio Fragm. 33. ed. Reim. : der Se- nat, scheint es, zeigte sich willig alles, nur nicht das ple- bejische Consulat, zu bewilligen: es mochte leicht scheinen, so lange nur dieses vereitelt war, das Volk durch einige wirkliche Gewaͤhrungen zu besaͤnftigen; es dann zu taͤu- schen und ihm das alte Joch aufzulegen: daß eben da- durch zuletzt eine blutige Empoͤrung erregt werden muͤsse, scheinen die Patricier nicht geahndet oder geachtet zu ha- ben. Ist es auch wahr daß das Volk, welches fruͤher un- zweydeutig allen Rogationen hold gewesen war, jetzt, da der Dictator Manlius die Volksgemeinde nicht hinderte, nur fuͤr die ihm unmittelbar vortheilhaften Rogationen, das Ackergesetz und das Schuldengesetz, stimmte Livius VI. c. 39. , so war dies wohl gewiß nur Folge des Verlangens endlich das der Menge naͤchste und wichtigste Ziel und Ruhe zu erreichen, bey der Drohung des Senats, er werde das Gesetz wegen des Consulats nie genehmigen: nicht Lau- heit fuͤr die Ehre seiner Haͤupter, noch Blindheit daruͤber daß nur ihnen fuͤr die Ausfuͤhrung des Gesetzes zu ver- trauen sey; dafuͤr zeugt die gewaltsame Bewegung des fol- genden Jahrs. Die Tribunen hingegen faßten jetzt die drey Hauptgesetze in eine einzige Rogation zusammen, damit das Ganze angenommen oder verworfen werde: eigent- lich wohl wegen des Senats: — wie in schwierigen Zeiten das englische Haus der Gemeinen, uneins mit der Krone, wenn das Haus der Pairs ihr anhing, Beschluͤsse, wofuͤr die Beystimmung dieses Standes nicht zu erwarten war, einer Geldbill einverleibte, wie fremdartig sie ihr auch seyn mochten; weil das Oberhaus diese nicht aͤndern durfte, sondern sie ganz annehmen oder verwerfen muß. Es wird erzaͤhlt Licinius habe dem Volk mit altvaͤteri- schem Witz gesagt; sie muͤßten essen wenn sie trinken woll- ten ὡς οὐκ ἂν πίοιεν, εἰ μὴ φάγοιεν: nach einer Emenda- tion von J. A. Fabricius, in Dio Fragm. 33. . Auch nahmen er und Sextius ihre Wiederer- waͤhlung zum zehnten Tribunat nur unter der Zusage an, daß das Volk alles zu erringen entschlossen sey. Doch ward noch in diesem Jahr die Rogation zum Gesetz, wo- durch die Obhut der sibyllinischen Buͤcher beyden Staͤnden gemeinschaftlich anvertraut ward. Das Jahr 388 brachte den innern Frieden. Leider gedenkt die Geschichte nur mit fluͤchtigen Worten der un- geheuern Kaͤmpfe die endlich, nach Livius, den Starrsinn des Senats und des Dictators besiegten. Die Rogatio- nen waren vollstaͤndig vom Volk beschlossen: es fehlte ih- nen nur die Sanction des Senats. Diese war d verwei- gert, und Camillus noch einmal zum Dictator gegen das Volk ernannt. Daß er es auch diesesmal durch Aushe- bung eines Heeres von der Ausuͤbung seiner Rechte bey den annahenden Wahlen abzuhalten suchte, ist nicht zwei- felhaft; daß es die Absicht war, wie einst unter Cincin- natus, das Heer aus der Stadt zu fuͤhren, und die be- schlossenen Gesetze durch dictatorisch gebotene Beschluͤsse in einer Scheinversammlung der Centurien wieder aufzu- heben, ist wenigstens hoͤchst wahrscheinlich. Aber auch diesesmal versagte der Dictatur die Macht, die zu boͤsen Zwecken entweiht werden sollte. Hieher muͤßte Plutarchs Erzaͤhlung gehoͤren Plutarch Camill. p. 151. D. , daß die Tribunen in der Erbitte- rung des Streits Camillus auf dem Forum zu verhaften befohlen haͤtten: er draͤngt in wenige Tage zusammen was Monate erfuͤllt zu haben scheint. Endlich waren die Gesetze vom Senat bestaͤtigt, und die Comitien zur Consulwahl versammelt. L. Sextius Lateranus ward als plebejischer Consul erwaͤhlt. Aber die Patricier, in den Curien versammelt, versagten dieser Ernennung ihre Zustimmung. An dieser unsinnigen Wei- gerung entzuͤndete sich die kaum gedaͤmpfte Flamme fuͤrch- terlicher als je. Livius sagt nur, es waͤre zu schreck- lichen Drohungen, und nahe an eine Secession des Volks gekommen: Ovidius, in den Fasten ein sorg- faͤltig belesener Kenner alter Erzaͤhlungen, und uͤber hi- storische Dinge einem historischen Zeugen gleich zu ach- ten, sagt mehr Ovidius fast. I. v. 643. : und jener, der uͤber alle diese Vor- faͤlle, unwillig zu verweilen, hineilt, mag verschwiegen haben was die alten Annalen vielleicht einstimmig erzaͤhl- ten. Nicht von nur drohender Gaͤhrung redet Ovidius: er erzaͤhlt, das Volk habe die Waffen ergriffen, und sich zusammengezogen. Ohne Zweifel auf dem Aventinus. Aber selbst Camillus war des verderblichen Kampfs muͤde, und sehnte sich in Frieden zu entschlafen. Vier und sechs- zig Jahre waren nun seit der Schlacht des Dictators A. Postumius vergangen, in der er den ersten Ruhm und die ersten Wunden empfangen hatte. Er versuchte nicht mehr die Schrecken der Dictatur, er vermittelte den Frieden unter beyden Staͤnden; und gelobte der Concordia einen Tempel fuͤr den gluͤcklichen Erfolg. Die Curien sanctio- nirten die Wahl, und wahrscheinlich sind alle licinische Gesetze als Grundgesetz von beyden Staͤnden beschworen worden, wie dies vom Ackergesetz bestimmt gemeldet wird. Dagegen willigten die Plebejer in die Verminderung der jetzt mit ihnen getheilten consularischen Machtfuͤlle. Die neuen curulischen Wuͤrden des Jahrs 389 . Schon vor der Decemviralzeit hatte die Nation eine Beschraͤnkung der Macht des Consulats gefordert, welche nur durch Zertheilung seiner Attribute moͤglich war: in diesem Sinn ward das decemviralische Collegium errich- tet, dann das Militartribunat mit consularischer Macht bekleidet, die Censur, und die Criminaljurisdiction uͤber die Plebejer von der hoͤchsten Wuͤrde abgesondert. Es ist sehr wahrscheinlich daß die sechs Militartribunen, wie sie waͤhrend des letzten Zeitraums bestaͤndig ernannt wurden, sich in die Gewaltzweige, welche dem Consulat noch gehoͤr- ten, durch das Loos theilten, also daß die Nation schon laͤngst gewohnt war die Jurisdiction von der hoͤchsten Regierung und der Feldherrnwuͤrde abgesondert zu sehen: doch so daß der mit jener beauftragte Tribun in dringen- den Zeiten auch ein Heer fuͤhrte. Als das Consulat zwischen beyden Staͤnden getheilt ward, forderten die Patricier wohl deswegen den aus- schließenden Besitz der Jurisdiction, weil das buͤrgerliche Recht, nicht weniger als das geistliche, die Wissenschaft ihrer Casie, und besonders der nur aus ihnen ernennba- ren Pontifices war Livius IX. c. 46. . Es wurden so eigentlich drey Consuln, anstatt zweyer, eingesetzt: daher hatte der Praͤ- tor sechs Fasces: die Consuln zusammen hatten ihrer auch nur zwoͤlf: der Praͤtor war ihr College, er ward unter denselben Auspicien erwaͤhlt wie sie, und unter dem Vor- sitz eines Consuls Derselbe VIII. c. 15. . Also hatten die Patricier von drey Stellen sich zwey erhalten, und behaupteten dieses Ver- haͤltniß den ganzen Zeitraum hindurch dessen Geschichte der noch uͤbrige Theil dieses Bandes enthalten wird. In- dem aber die Jurisdiction den Praͤtoren uͤbertragen ward, blieb sie dennoch auch dem Consulat Ders. XLI. c. 9. als urspruͤnglich in ihm enthalten, und der Consul reformirte sogar auf Appellation praͤtorische Ausspruͤche Valerius Maximus. VII. c. 7. u. 6. . Die urspruͤnglichen Attribute der Praͤtur erhielten sich, die Dauer der Republik hindurch, unter den ihr zuge- legten Erweiterungen: sie sind daher wohlbekannt, und erfordern keine Eroͤrterung. Ganz anders verhaͤlt es sich mit der curulischen Aedilitaͤt. Die anfaͤngliche Bedeutung und Wichtigkeit dieser Magistratur ist unbemerkt geblie- ben, weil sie sich in einem Zeitalter aͤnderten dessen Anna- len untergegangen sind. Livius thut dem hochstolzen Sinn der alten Patricier Unrecht, indem er erzaͤhlt sie haͤtten sich bey der Erwer- bung einer Wuͤrde beruhigt deren Werth eigentlich nur im Rang, ohne Wesentlichkeit, bestanden haben wuͤrde, waͤre sie nicht mehr gewesen als er sie definirt. Aber wir muͤs- sen seine Erzaͤhlung von ihrem Ursprung aus der Weige- rung der plebejischen Aedilen die Kosten einer Verlaͤnge- rung der großen Feste zu tragen, ganz verwerfen. Denn wir wissen aus einem weit besseren Zeugen, aus Fa- bius Dionysius VII. c. 71. , daß die Republik bis zum ersten punischen Kriege zu diesen Kosten jaͤhrlich fuͤnfhundert Pfund Silber, oder 500000 Asse, angewiesen habe. Die Aenderung daß daraus eine Liturgie — im attischen Sinn — entstand, konnte durch die große Finanzbedraͤngniß des Staats ver- anlaßt seyn: sie konnte aus dem System des Geldadels entstehen welches sich nach dem Schluß jenes Kriegs fest- setzte. Fruͤher war die Leitung der Festlichkeiten gewiß keine Buͤrde welcher sich die plebejischen Aedilen haͤtten entziehen wollen. Aber Aber nichts anderes als eben diese thoͤrichte Erzaͤh- lung deutet darauf daß sie fruͤher jene Leitung hatten. Unwahrscheinlich hingegen im hohen Grade ist es, weil die Festlichkeiten dem Gottesdienst angehoͤrten, und dieser ganz dem patricischen Stande: daher es viel glaublicher ist daß auch sie bis dahin dem Consulat anvertraut waren. Es ist schon bemerkt daß die plebejischen Aedilen eine Municipalmagistratur latinisches Ursprungs fuͤr ihren Stand waren. Als solche hatten sie wohl von Alters her den Vorsitz bey den plebejischen Spielen: sie uͤbten die Po- lizey, auch gegen fremden Gottesdienst: sie brachten An- klagen vor die Volksgemeinde wegen Uebertretung der Plebiscite: sehr wichtige Gesetze wurden eben jetzt unter ihre Wachsamkeit gestellt. Ihren Befugnissen entspre- chend ward allerdings die curulische Aedilitaͤt gebildet: die Polizey mag unter beyde getheilt seyn: die großen Festlichkeiten wurden von der neuen Magistratur verwal- tet: wie die plebejischen Aedilen die Aufsicht uͤber den Tempel der Ceres hatten, so sie uͤber alle andere Tempel der Goͤtter. Aber sie erhielten als Hauptgeschaͤft einen ungleich wichtigeren Beruf, der ihnen achtzig Jahre lang unvermindert, und zu einem Theil noch weit laͤnger er- halten blieb: die Untersuchung von Verbrechen und die Anklage der schuldig Befundenen vor dem Volk auf den Tod oder Geldstrafe. Wie das Gericht uͤber alle eigentliche Verbrechen bis in das siebente Jahrhundert von der Nation oder den Tribus ausgeuͤbt ward, wie alle Geldstrafen der Gemeinde verfallen waren, die spaͤter der Anklaͤger ge- Zweiter Theil. D d wann Die Geldstrafe fuͤr den Wucher ward, wie die uͤbrigen eigentlichen Criminalbruͤchen, fuͤr den Staat eingezogen, und zu oͤffentlichen Zwecken verwandt: vielleicht eben so fuͤr Diebstahl. , so konnte auch waͤhrend dieser Zeit nicht nur nicht jeder willkuͤhrlich, sondern nicht einmal der unmit- telbar Gekraͤnkte vor dem Volk anklagen. Es ist sichtbar, daß es noch immer der einzige Gerichtsgang war, der Ma- gistratur, welche die Criminalinquisition hatte, Anzeige zu machen: daß ihre Lossprechung den Angeklagten von aller Verfolgung befreyte: und daß sie, wenn sie Schuld fand, die Sache vor dem Volksgericht anhaͤngig machte. Nur die letzten Buͤcher der ersten livianischen Decade koͤnnen uns die Criminalinquisition in den Haͤnden der cu- rulischen Aedilen zeigen; denn im elften war die Ein- setzung der Triumviri capitales (gegen das Jahr 464) er- zaͤhlt, auf welche sie so uͤberging wie urspruͤnglich die Quaͤstoren sie gehabt hatten Varro de L. L. IV. c. 14. . Spaͤter ist allerdings der Fall des M. Marcellus, aber unter ganz eigenthuͤmli- chen Umstaͤnden Er war Vater des Beleidigten. : und man vergesse die Grundregel nicht, daß einer roͤmischen Magistratur ihr urspruͤnglich gehoͤrende Attribute nie so entzogen wurden daß sie nicht in einzelnen Faͤllen wieder ausgeuͤbt werden konnten. Die Wuchergesetze wurden noch in der letzten Haͤlfte des sech- sten Jahrhunderts durch dieser Aedilen Sorgfalt in Kraft erhalten Noch 561. . Auch dieses, und was dem aͤhnliches uͤbrig war, mußte aufhoͤren, als die Strafen nicht mehr fuͤr die Republik eingeklagt wurden, und die Uebertragung aller Sachen dieser Art an das Tribunal der Praͤtoren dies fis- calische Verfahren aufhob, und jedem Buͤrger die unmit- telbare Klage gestatteet, wie ohne Zweifel auch schon fruͤher jeder die Anzeige vor die Inquisition hatte bringen koͤnnen. Folgende Faͤlle zeugen in den erhaltenen Schriften von diesen alten Verhaͤltnissen der Aedilen als inquiriren- der und anklagender Behoͤrde. Die Giftmischerey der Matronen ward dem Aedi- lis curulis Q. Fabius angezeigt Livius VIII. c. 18. . Die zwoͤlf Tafeln verhaͤngten Todesstrafe uͤber den der von einem fremden Felde Korn auf das seinige hinuͤberzau- bere: wegen dieses Verbrechens brachte der Aedilis curu- lis Sp. Postumius Albinus eine Anklage vor das Volk Plinius XVIII. c. 8. : ein Fall der die Ausrede abschneidet, es moͤchte doch immer nur an staͤdtische Polizey zu den- ken seyn. Die Schaͤndung eines freyen, nicht durch seine Hand- lungen ehrlosen Buͤrgers, auch mit seiner eigenen Einwil- ligung, selbst schaͤndliche Antraͤge, bestraften die den rei- nen Sitten der alten Nation entsprechenden alten Gesetze mit dem Tode: auch die Triumvirn fuͤr Halssachen ver- fuhren nach ihnen Valerius Maximus VI. c. 1. n. 10. . Eben so klagte M. Marcellus als Aedilis curulis vor dem Volk gegen den der seinen Sohn zu verfuͤhren gesucht Ders. ebend. n. 7. Plutarch Marcell. p. 298. E. Der Verbrecher ward allein wegen der lauteren Rechtschaffenheit seines Anklaͤgers, und auf das erroͤthende Schweigen des : daß die Anklage gegen einen D d 2 Volkstribun waͤhrend der Dauer seines Amts angenom- men ward, und der Beweis welcher dem Volk genuͤgte, waren nicht weniger außerordentliche Umstaͤnde als daß Marcellus die alten Befugnisse seiner Wuͤrde wieder gel- tend machte. Die Verletzung der Keuschheit freygebohrner Buͤrge- rinnen Die Sitten der Freygelassenen uͤberließ das Gesetz ihnen selbst: und die Vermuthung war so sehr, wenigstens gegen die Zeit ihres Sklavenstands, daß daher wohl die Ehe mit einer Freygelassenen eines Freygebohrenen buͤrgerliche Ehre verletzte: vielleicht ihn ehrlos machte. ward an ihnen selbst und an ihren Verfuͤhrern als Staatsverbrechen geahndet. An den Weibern selbst mit schweren Geldstrafen: an den schuldigen Maͤnnern vielleicht haͤrter. Gegen diese Livius VIII. c. 22. und gegen jene Derselbe X. c. 31. brachten die curulischen Aedilen die Anklage vor das Volksgericht. Eben so gegen Wucherer Derselbe VII. c. 28. X. c. 23. XXXV. c. 41. . Ich habe die Vermuthung geaͤußert daß die Quaͤsto- ren des Schatzes urspruͤnglich die fremdartigen Geschaͤfte der Criminalinquisition und des Schatzmeisteramts ver- einigten, und daher die sonderbare Verwirrung in der Geschichte ihres Amts entstanden sey Oben Th. II. S. 113. 114. 165. . Sie wird nicht widerlegt dadurch daß bey dem Prozeß des M. Manlius Duumvirn der Perduellion erwaͤhnt werden, denn diese wurden als außerordentliche Magistratur noch in Caͤsars Knaben, welcher den Greuel nicht aussprechen konnte, ver- urtheilt. und Ciceros Tagen ernannt Cicero pro Rabirio. . Da nun die Quaͤstur schon laͤngst unbestimmt beyden Staͤnden offen war, und fruͤh selbst die Mehrheit der vier Quaͤstoren aus der Plebs erwaͤhlt ward, so scheint es sehr erklaͤrlich daß die Patri- cier sich diese Magistratur, zu curulischem Rang erhoben, als eine Art Entschaͤdigung einraͤumen ließen. Zwar dem ausschließenden Besitz mußten sie schon im folgenden Jahr entsagen: zuerst abwechselnd, Jahr um Jahr, war die Wahl spaͤter an keinen Stand gebunden Livius VII. c. 1. . Die Ge- schaͤfte der Quaͤstoren des Schatzes mußten durch die Be- steurung des Gemeinlands so außerordentlich vermehrt werden, daß eine Absonderung der fremdartigen ihres Amts sehr wohl begruͤndet war. Auch die curulischen Aedilen vereinigten sonderbar verschiedene Geschaͤfte: auch ihr Nahme deutet nur einen Theil derselben an. Daß sie nicht, wie in Ciceros Tagen und seiner roͤmischen Constitution, nur die Aufseher der Stadt, des Kornmarkts, und der Festlichkeiten waren, ihre Wuͤrde die erste Stufe zu den hoͤheren Cicero de legibus III. c. 3. , erhellt wohl schon daraus, daß M. Valerius Corvus sie viermal bekleidete, er, der schon im drey und zwanzigsten Jahr Consul war. So ward in alten Tagen T. Quinctius, nach drey Consulaten, zum Blutrichter erwaͤhlt Livius III. c. 25. . Innere Geschichte bis zur voͤlligen Be- festigung des plebejischen Consulats . Zwischen zwey Staͤnden die aus uraltem Verhaͤltniß des Stolzes und der Kraͤnkung zur Gleichheit uͤbergegan- gen waren, konnte nur die Zeit, welche den Gesetzen durch Gewohnheit die mildeste und wohlthaͤtigste Gewalt ver- leiht, einen aufrichtigen Bund stiften: und sie mußte mit Consequenz vollenden was zum Heil der Nation begonnen war. Es war natuͤrlich daß die Patricier trachteten die verlohrnen Vorrechte wiederzugewinnen: es bedurfte einer fuͤhlbaren Belehrung daß dieses Stre- ben eitel sey, und es mußte ihnen selbst gefaͤhrlich ge- worden seyn, ehe die Republik innere Ruhe bey Frey- heit genießen konnte. Fuͤnf und zwanzig Jahre verflos- sen in dumpfen oder heftigen Bewegungen bis dieses Ziel erreicht ward: und diese Geschichte der Vollendung des licinischen Gesetzes, wenn gleich zum Theil in die der Kriege desselben Zeitraums verwebt, wird es zweck- maͤßiger seyn vor ihnen zu erzaͤhlen als zu ver- schieben. Auf die Revolution, wie sie durch voͤllige aͤußere Ruhe oder Unwichtigkeit der Kriege moͤglich geworden war, folgte eine Stille, in der das Volk, frey von Steuern und Kriegsdienst, die Wohlthaten der Gesetz- gebung ungestoͤrt genoß. Die Ausfuͤhrung der Gesetze erforderte eine sehr lange Zeit und die ganze Aufmerk- samkeit der Regierung. Es mag wahr seyn daß der Senat keinen Krieg wollte, damit der plebejische Con- sul in ruhmloser Unthaͤtigkeit bleibe Livius VII. c. 1. . Auch herrschte eine Pest Eine Pest kann man sie wohl nennen, da sie einen Cen- sor, einen Aedilis curulis, drey Volkstribunen, wegraffte, und im Verhaͤltniß moͤrderisch unter der Nation gewesen seyn soll. In dieser Seuche starb M. Camillus im hoͤchsten Alter. Auch die roͤmische Geschichte zeigt daß Feldherrn- groͤße zu den hoͤchsten Jahren fuͤhrt, welches jedem sehr be- greiflich seyn muß der aus eigener Erfahrung weiß wie nichts so lebensnaͤhrend ist als die planmaͤßige und genau ausgefuͤhrte Verwirklichung fruchtbarer Gedanken. Es ist etwas wahrhaft schoͤpferisches, und gerade dem Feldherrn im hoͤchsten Grad gegeben: dabey wecken Rastlosigkeit und ge- spannte Leidenschaften sein Innerstes: Einfoͤrmigkeit laͤhmt ihn nicht. Auch der Dichter lebt so, tief und jung. Der Staatsmann des Alterthums lebte so: ganz im Gegentheil der Geschaͤftsmann unserer Zeit: auch wir Schriftsteller ge- lehrter Buͤcher werden von unserer Arbeit erschoͤpft, sel- ten belebt. : und der Strohm uͤberschwemmte die Stadt. Doch so veraͤndert war die Stimmung der Nation in wenig mehr als einem Menschenalter, daß diesesmal das Volk nicht durch den vorgegebenen Un- willen der Goͤtter, wegen der Wahl aus unwuͤrdigen Geschlechtern, bey den Comitien irre gemacht werden konnte. Vier Jahre verflossen so ohne Kriege: da reifte in den Patriciern das Vorhaben, das licinische Gesetz durch die alten Schrecken der Dictatur und einer ge- waltsamen Aushebung waͤhrend der Wahlen wieder außer Kraft zu setzen. Der Senat beschloß unter religioͤsem Vorwand die Ernennung des hochmuͤthigen und ge- waltsamen L. Manlius zur Dictatur (392) Livius VII. c. 3. . Die- ser, obwohl nur fuͤr eine Caͤremonie ernannt, begann ein Heer gegen die Herniker auszuheben: aber die Tri- bunen, den Zweck durchschauend, zwangen ihn seinem Unternehmen und seiner Wuͤrde zu entsagen. Als im folgenden Jahr dieser Krieg ausbrach; als der plebejische Consul L. Genucius von den Hernikern uͤberrascht ward, und, wie die Legionen, von Schrecken ergriffen, flohen, im Gefecht fiel, da, sagt Livius Derselbe VII. c. 6. , graͤmte die Patricier das Ungluͤck des Heers wenig: sie frohlockten uͤber die Schmach des plebejischen Heerfuͤh- rers. Ein Dictator ward ernannt, und eben so in den beyden folgenden Jahren; so daß, was bisher unerhoͤrt gewesen war, vier Jahre von Dictaturen sich folgten. Den Vorwand wenigstens daß die plebejische Unfaͤhig- keit der Auspicien der Republik mit einem Unheil drohe welches nur so abgewandt werden koͤnne, vernichtete schon jetzt des Consuls Poͤtelius Verdienst und Gluͤck. Aber die Gelegenheit darzuthun daß plebejische Auspi- cien weder taͤuschend noch veraͤchtlich waͤren, verdankte er einem außerordentlichen Beschluß des Volks welches ihm den tiburtischen Krieg uͤbertrug; also wollte der Senat, — von dem die Vertheilung der Armeen so aus- schließend abhing daß Einmischung des Volks Verwen- dung der Tribunen wegen Mißbrauch andeutet, — dem patricischen Consul oder dem Dictator alles zuwenden, den Plebejer uͤbergehen. Auch findet sich im naͤchsten Jahr (395) Erwaͤhnung einer gefaͤhrlichen Zwietracht zwischen Senat und Volk, welche nur durch das Schrek- ken des tiburtischen Kriegs besaͤnftigt ward Livius VII. c. 12. . Of- fenbar hat diese Gaͤhrung die Patricier furchtsamer ge- macht; denn ungeachtet des Kriegs verging dieses Jahr ohne Dictatur: die des folgenden ward durch einen gal- lischen Tumult gerechtfertigt. Im Jahr 398 ließ der patricische Consul Cn. Man- lius von seinem Heer bey Sutrium an der etruskischen Militargraͤnze, in einer Versammlung nach den Tribus, eine Abgabe von fuͤnf von hundert vom Werth freyge- lassener Sklaven beschließen. Der Senat bestaͤtigte die- ses sonderbare consularische Plebiscit Ders. VII. c. 16. . Der Inhalt war untadelhaft, weil es die Freylassungen erschwerte wodurch die Nation und bald die Buͤrgergemeinde mit Fremden angefuͤllt ward; auch erhielt der Staat eine neue Einnahme: doch waͤre beydes leicht verfassungsge- maͤß zu erlangen gewesen. Es war aber ein Versuch, mit einem scheinbar loͤblichen Vorgang, gesetzgebende Versammlungen unter der Gewalt des Soldateneids und unbedingtes militarisches Gehorsams, einzufuͤhren, wie Cincinnatus vor einem Jahrhundert, das Volks- tribunat abzuschaffen, sie halten wollte. Daher verpoͤn- ten die Tribunen noch in demselben Jahr solche Ver- sammlungen mit Todesstrafe Ders. ebendas. . Als der Consul M. Fabius im Jahr darnach (399) von den Etruskern geschlagen war, ward mit dem aͤu- ßersten Widerwillen des Senats C. Marcius Rutilus, plebejischer Altconsul des vorigen Jahrs, mit der Die- tatur bekleidet. Daß ihn der Plebejer M. Popillius ernannt habe, ist außer Zweifel: es ist die erste unzwey- deutige Spur daß der Dictator von dem Consul er- nannt, nicht bloß proclamirt ward. Wahrscheinlich hatte das Volk auf tribunicischen Antrag die hoͤchste Gewalt verordnet, und dem Consul die Ernennung aufgetragen. So sehr erbitterte es die Patricier dem zweyten Stand auch die dictatorische Majestaͤt mitgetheilt zu sehen; so gefuͤhllos fuͤr das Heil der Republik waren die, in de- ren Seele der ihnen hingegebene Geschichtschreiber, in den fruͤheren Zeiten, den Volkstribunen Hochverrath vorwirft, wenn sie Aushebungen verwehrten deren ei- gentlicher Zweck nur war das Volk zu ermatten und vom Forum zu entfernen; so schamlos versaͤumten sie das Vaterland uͤber ihre Standesanmaaßungen, daß der Senat, als das etruskische Heer bis an die Salinen, nahe an der Muͤndung der Tiber, vorgedrungen war, dem plebejischen Dictator alle Mittel eine Armee zu bil- den verweigerte Livius VII. c. 17. . Der Krieg aber ward gegen den Feind gefuͤhrt welcher vor zwey Jahren dreyhundert ge- fangene Roͤmer geopfert hatte. Unter solchen Herrschern war Rom verlohren, wenn nicht der Geist des Volks, und die Freyheit welche es schon uͤben konnte, ihre Suͤnden unschaͤdlicher gemacht haͤtten. So wie, — als Faction und Neid dem großen Scipio die Mittel versagten das Vaterland, wie er es mit prophetischer Gewißheit verheissen konnte, zu retten und zu raͤchen, und ihm hoͤhnisch mit der Erlaubniß seine Entwuͤrfe auszufuͤh- ren, nur solche Kraͤfte anwiesen mit denen er in Unmuth unthaͤtig bleiben oder untergehen mußte, — das Volk und ganz Italien, so weit es treu war, weit mehr freywil- lig dem Helden hingaben, als der Senat haͤtte befehlen koͤnnen; so fand C. Marcius im Willen der Buͤrger alle Mittel die ihm der Senat versagte. Als er von einem glorreichen Feldzuge heimkehrte verdankte er dem Volk auch den Lohn des Triumphs den der Senat abschlug. Das war den Patriciern zu viel: sie waren erinnert alles fuͤr den Umsturz des licinischen Gesetzes zu wagen. Die Consularwahlen wurden gestoͤrt bis das Jahr um war; und patricische Interregen hielten die Comi- tien. Sie ließen keine Stimmen gelten fuͤr plebejische Candidaten; und indem sie so die beyden Patricier, welche die meisten Stimmen hatten, fuͤr gewaͤhlt erklaͤrten, fuͤgte der Interrex Fabius den Hohn hinzu: nach den zwoͤlf Ta- feln entscheide der juͤngste Beschluß des Volks gegen aͤltere Gesetze, so auch hier die Wahl, sein erzwungenes Werk, gegen das licinische. Also kamen ungeachtet der tribuni- cischen Intercessionen die Consularfasces des Jahrs 400, im zwoͤlften nach dem licinischen Gesetz, wieder an zwey Patricier Livius VII. c. 17. 18. . Diese nannten es bey der naͤchsten Wahl eine Ehrenpflicht ihrem Stande den wiedergewonnenen ausschließlichen Besitz des Consulats zu erhalten. Da sie also alle Stimmen fuͤr plebejische Candidaten starrsinnig verwarfen, verließ das freye Volk, die Plebs, das Wahl- feld mit den Tribunen, und die Consuln vollendeten eine Scheinwahl durch die Stimmen der Patricier und ihrer Clienten Livius VII. c. 18. . Auch fuͤr das dritte Jahr, 402, behaupteten sich die Patricier in dem gesetzwidrigen Besitz. Aber jetzt muß die Gaͤhrung so heftig geworden seyn daß der Senat der Macht des Consulats mißtraute. Waͤhrend fuͤnf sich fol- gender Jahre (402 — 6) ward alljaͤhrlich, in Frieden oder unter unbedeutenden Kriegen, ein Dictator ernannt, sichtbar immer, wenn auch nicht immer mit Erfolg, um die Wahlen nach den Anspruͤchen der Patricier durchzu- fuͤhren. Die groͤßere Gewaltsamkeit rief heftigeren Wi- derstand hervor. T. Manlius, als Dictator, war ent- schlossen lieber das Consulat untergehen zu lassen als einen plebejischen Consul zu dulden Ebendaselbst c. 21. . Aber die Tri- bunen gestatteten ihm nicht die Wahl zu halten; die Zeit seiner Magistratur verfloß, und ein Interregnum trat ein welches sich durch gleiche Hartnaͤckigkeit beyder Partheyen bis zum elften Interrex verlaͤngerte. Endlich befahl der Senat, das licinische Gesetz solle beobachtet werden. Doch war es nur erzwungene Nachgiebigkeit fuͤr ein einziges Mal: eben wie ein dem Frieden gebrachtes Opfer Concordiæ causa. Livius a. a. O. genannt ward, was schlechthin Pflicht, kei- nes Danks werth war, und keineswegs auch nur die ge- haͤuften Suͤnden der Widerspenstigkeit gegen das Gesetz versoͤhnte. Im folgenden Jahr siegten die Patricier durch zwey Interregnen; fuͤr das Jahr 405 behauptete das Volk die Kraft seines Gesetzes: aber der Dictator L. Furius Ca- millus, dem der Senat die Wahlen fuͤr das naͤchste Jahr anvertraute, erreichte den Zweck seiner Faction. Nicht unbelohnt: denn waͤhrend ein altes Senatusconsult die Wiedererwaͤhlung curulischer Magistrate verbot, und ob- gleich die aͤußerste Schmach unanstaͤndiger Herrschsucht den traf, der fuͤr sich selbst Stimmen annahm, so er- nannte dieser Dictator dennoch sich selbst mit einem patri- cischen Collegen durch erzwungene Stimmen, und eine so schamlose Wahl billigten die Patricier wie sie mit aͤußer- ster Anstrengung sie unterstuͤtzt hatten Livius VII. c. 24. . So hoch ward sein Verdienst geachtet, so erheuchelt war das Beduͤrfniß der Dictatur, daß, als ihm sein College Appius Claudius starb, nicht allein kein Consul nachgewaͤhlt ward, wo ein Plebejer vielleicht nicht haͤtte entfernt werden koͤnnen, sondern der Senat auch nicht die Ernennung eines Dicta- tors forderte Ders. c. 25. . Das Uebermaaß der Frechheit, im Lichte des glaͤnzenden plebejischen Consulats des Jahrs an dessen Schluß diese schmaͤhliche Wahl gehalten war, erleichterte vielleicht die Behauptung des licinischen Ge- setzes waͤhrend drey Jahren: aufs neue ward es verletzt in den Jahren 410 und 412. Dieses war das letzte Mal. Unter dreyzehn Consulaten die vom Jahr 400, da das li- cinische Gesetz zuerst gebrochen ward, bis zu dem genann- ten sich folgten, waren sieben gesetzwidrig. Rom war fortwaͤhrend in einem Zustand innerer Angst und gewalt- samer Stoͤhrung, der um jeden Preis endigen mußte. Alle Hoffnung war verschwunden daß die Patricier mit ihren unseligen Quaͤlereyen nachlassen wuͤrden. Wie die Republik wunderbar, auf einem Wege gerettet ward der fast allen Freystaaten Verderben gebracht hat, durch die Tugend des Volks ihr aber heilsam ward, werde ich jetzt, einer großen Begebenheit gerecht die schrecklich entstellt ist, erzaͤhlen, wenn zuvor einiger wichtigen Gesetze gedacht seyn wird, welche dieser Zeitraum brachte. Erweiterung der Rechte des Volks war es unstreitig, als ein Gesetz des Jahrs 393 die Erwaͤhlung von sechs Kriegstribunen der Nation uͤbertrug Livius VII. c. 5. : nur als Be- schraͤnkung des Consulats moͤchte es nicht anzusehen seyn. Waren die Tribunen bisher die Phylarchen der alten Rit- tercenturien, durch sie erwaͤhlt Oben Th. II. S. 170. , so gewannen jetzt die Plebejer der fuͤnf Klassen, wie die Ritter ihres Standes durch die Theilung des Consulats; die Republik das Ta- lent vieler Hauptleute fuͤr einen groͤßeren Beruf. Im Jahr 397 wurden zwey neue Tribus errichtet Livius VII. c. 15. : wie der Rahme der pomptinischen Tribus ohne Zweifel schließen laͤßt, aus Volskern, die Roͤmer wurden, waͤh- rend andere ihrer Staͤdte in demselben Jahr zu Latium traten: so ward das Gleichgewicht zwischen beyden Bun- desstaaten bewahrt. Das licinische Schuldgesetz hat, wie jedes welches den Privatcredit verletzt, den Verschuldeten die gehofften Vortheile nur unvollkommen gewaͤhrt. Abzahlung des Capitals, auch unverzinslich, in drey Terminen, war keine leichte Last, da mit dem frischen Gefuͤhl seines Ver- lusts jeder scheu gewesen seyn muß Darleihen zu geben: und es laͤßt sich nicht bezweifeln daß alle waͤhrend der Zeit, da die Annahme des Gesetzes unentschieden war, ge- schlossenen Schuldcontracte gegen seine Wirkung verwahrt worden sind. Allgemeine Privatverschuldung ist das Faß der Danaiden. Daher wurden die Klagen uͤber Armuth und Zahlungsunfaͤhigkeit in kurzer Zeit wieder laut und dringend; besonders da das licinische Gesetz selbst noth- wendig zur Folge haben mußte daß der Zinsfuß zu einer ganz wucherischen Hoͤhe stieg. In dem Wahn diesem Elend abzuhelfen, ward, zehn Jahre nach jenem Gesetz, der Unzialzinsfuß ( fœnus unciarium ) verordnet Livius VII. c. 16. . Ueber den Unzialzinsfuß . Tacitus sagt, dieser sey schon durch die zwoͤlf Tafeln festgesetzt Tacitus Annal. VI. c. 16. . Das Talent des gleichzeitigen Geschicht- schreibers ist aber so verschieden von der gelehrten Kennt- niß alter Zeiten, daß die hoͤchste Vortrefflichkeit in jener Kunst das Urtheil und Zeugniß in dieser Gelehrsamkeit noch nicht bewaͤhrt. Daß Tacitus, was er dennoch haͤtte vereinigen koͤnnen, nicht vereinigt hat, ist allenthalben klar wo er in das Alterthum zuruͤckgeht, und er ist wahr- lich hier nicht die Autoritaͤt der wir das Unwahrschein- lichste glauben koͤnnen: daß eine Verordnung der Ta- feln durch ein spaͤteres Gesetz als neu wiederhohlt worden waͤre; und Livius redet von einer ganz neuen Gesetzge- bung. Eben dahin deutet die so bald hernach eingetretene Herabsetzung auf die Haͤlfte. Es ist auch schon angedeu- tet daß zur Zeit der licinischen Gesetzgebung keine Wucher- gesetze in Kraft gewesen seyn koͤnnen. Jetzt erst koͤnnen also auch die Strafbestimmungen gegen Wucherzinsen, urspruͤnglich zum Vortheil der Staatscasse, eingetreten seyn; und man muß dieses Gesetz gaͤnzlich aus den Her- stellungen der zwoͤlf Tafeln entfernen. Ueber die Groͤße dieses Zinsfußes gelten zwey in einem vielleicht beyspiellosen Grade von einander abweichende Meinungen: neben ihnen und gegen sie muß ich eine dritte aufstellen. Jene beyden setzen gemeinschaftlich voraus daß die spaͤter in Rom unstreitig allein herrschende Zins- rechnung nach Monaten auch urspruͤnglich allein ge- braͤuchlich gewesen sey: aber von hier weichen sie in das Entgegengesetzteste aus einander. Die Erklaͤrung, welche die Centesima, das monatliche Procent, als die Einheit ansieht, deren Zwoͤlftheil der gesetzliche Zinsfuß gewesen sey, rechnet diesen zu Eins vom Hundert im Jahr: die welche die Einheit, das As, im Capital sieht, von dem monatlich ein Zwoͤlftheil stipulirt werden durfte, auf hun- dert Procent jaͤhrlich. Diese letzte kann sich nur als Hypothese darbieten, denn ihr dient keine einzige Stelle weder als Zeugniß noch als Analogie: und anstatt innerer Wahrscheinlichkeit, die auch einer nicht unterstuͤtzten Hypothese das Wort reden kann, leidet sie vielmehr an der hoͤchsten Unglaublichkeit. Ein solcher Zinsfuß hat in der ganzen Welt nie und nir- gends bestanden noch bestehen koͤnnen. Denn wer aus Roth borgt, und so viel Eigenthum besitzt daß er dem Darleiher zahlungsfaͤhig scheint, wird doch sein Eigen- thum noch mit weniger als funfzig Prozent Verlust ver- kaufen kaufen koͤnnen, und dabey gewinnt er gegen ein solches Anleihegeschaͤft: hat er so viel Eigenthum nicht, so wird ihm keiner leihen. Wer aber zu Speculationen Geld auf- nimmt, der kann, vorzuͤglich auf Bodmerey, allerdings hohe Zinsen zahlen, aber es gehoͤrt zu den allereinzelnsten Gluͤcksfaͤllen daß jemand, auch in den entlegensten Gegen- den, mehr als Capital auf Capital durch ein planmaͤßiges Geschaͤft gewinne. Im Lande selbst ist es unmoͤglich: sonst koͤnnte der Kaufwerth aller Dinge nur ihrem jaͤhrli- chen Ertrag gleichstehen, waͤhrend die Capitalanhaͤufung durch den Zinsfuß wieder eine die Preise sehr steigernde Concurrenz hervorbringen muͤßte. Denn hier ist von einer Regel, nicht von aͤußerst einzelnen Wucherenormitaͤten gegen Thoren und Unerfahrne die Rede. Ferner, was gesetzlich als Erleichterung des Volks, und von ihm, zum Kummer der Patricier, leidenschaftlich verfuͤgt ward Livius VII. c. 16. Haud æque læta Patribus — rogatio: et plebs aliquanto cam cupidius scivit. , mußte einen noch ungleich hoͤheren fruͤher gebraͤuchlichen Zinsfuß abschaffen. Man moͤchte fragen ob denn wohl fruͤher 200 Procent der legale oder auch nur gebraͤuchliche Zinsfuß gewesen waͤren, wie man bald nachher auf die Haͤlfte, oder nach dieser Hypothese, auf 50 Procent her- abkam? Hingegen nach dem licinischen Schuldgesetz selbst mußte nothwendig nach Abzug der gezahlten Zinsen ein Rest des Capitals uͤbrig bleiben. Im Gegentheil wuͤrde es, mit Consequenz, zur Palintokie gefuͤhrt haben Plutarch quæst. Græc. p. 295. C. . Zweiter Theil. E e Mit ganz anderem Gewicht ist die entgegengesetzte und wohl eigentlich herrschende Meinung, welche in dem Unzialzinsfuß nur ein Prozent jaͤhrlich erkennt, allerdings ausgeruͤstet. Daß in spaͤteren Zeiten das monatliche Procent die Einheit war deren Zwoͤlftheile den Zinsfuß ausdruͤckten, ist so streng erwiesen wie irgend ein Punkt der Alterthumskunde. Aber eben daß es auch die Einheit der alten Unzialzinse war, dafuͤr giebt es keinen Beweis, hingegen ist es an sich hoͤchst unglaublich Die Unciæ usurarum nomine in l. 47. §. 4. D. de ad- ministr. et peric. waren allerdings eine geringere Zinse als die Centesimæ: die Differenz ward durch die Garantie der Tuteren ausgeglichen. Ein Procent ist aber so ganz un- bedeutend daß man nicht einsieht warum der Testator, wenn ihm nur daran lag das Capital der Unmuͤndigen gesichert zu haben, es vorbehielt: aber die Differenz zwischen dem laufenden Discont und dem Unzialzinsfuß nach meiner Erklaͤrung giebt ein vernuͤnftiges Delcredere. Unciæ im Plu- ralis wegen der jaͤhrlichen Zahlung. Ich gebe dies als eine ungesuchte Erklaͤrung, sonst gilt mir der Sprachgebrauch des dritten Jahrhunderts ganz gleich. . Die Gesetze waren nicht zum Schein gegeben; sie waren unter die Obhut der curulischen Aedilen gestellt S. Anm. 583. . Das Volk selbst richtete uͤber die Anklagen, und hielt, drey Jahre nachdem der Zinsfuß auf eine halbe Unze herabgesetzt war, harte Gerichte uͤber angeklagte Wucherer. So war es unstreitig Ernst des Gesetzes vom Jahr 408 daß kein hoͤ- herer Zins als eine halbe Unze genommen werden duͤrfe: kein gesteigerter symbolischer Ausdruck der Mißbilligung des Zinshandels uͤberhaupt durch die Substitution eines halben Procents jaͤhrlich anstatteines einzigen. Keines von beyden konnte je im Ernst als gesetzliche Norm bestimmt werden: eben so wenig aber war auf eine solche Herab- setzung anwendbar was Livius erzaͤhlt Livius VII. c. 27. : auch so haͤtte noch ein großer Theil des Volks gelitten, aber man haͤtte die Schwierigkeiten mit denen Einzelne kaͤmpfen mußten geringer geachtet als die Treue welche der Staat dem Ei- genthum schuldig sey. Dasselbe Gesetz verordnete naͤm- lich daß alle Schulden in vier gleichen Terminen innerhalb drey Jahren abgezahlt werden sollten. Und da haͤtte es als Erleichterung gelten koͤnnen daß man den noch nicht abgezahlten Rest des Capitals nur mit einem halben an- statt mit einem ganzen Prozent jaͤhrlich verzinsete? Dies sind innere Unmoͤglichkeiten welche, bey einer Sache die zu allen Zeiten gleicher Natur ist, nur einem strengen Beweise aufgeopfert werden koͤnnen. Nicht weni- ger aber darf man fordern daß gezeigt, wenigstens daß an- gedeutet werde, zu welcher Zeit denn der gesetzliche Zins- fuß eines halben Procents gesetzlich auf das vier und zwanzigfache, auf zwoͤlf Procent, erhoͤht worden sey; und daß man angebe was denn berechtige diesen letzten als die alterthuͤmlich herkoͤmmliche Einheit, als das As, anzusehen? Damit dieses gelten koͤnnte muͤßten die Cen- tesimæ der urspruͤngliche Zinsfuß seyn; wenigstens durch die zwoͤlf Tafeln festgesetzt: das wird aber im Ge- gentheil von der Unze gesagt, also war es diese die fuͤr aͤlter galt. Vielmehr ist es wohl unmoͤglich eine E e 2 einzige Erwaͤhnung jenes Zinsfußes nachzuweisen welche aͤlter waͤre als Ciceros Schriften; und in diesen wird er, bis zur Vervierfachung, sehr oft bey den Schuld- forderungen genannt welche reiche Roͤmer in den grie- chischen Provinzen ausstehen hatten; fuͤr Rom selten, und dann, mit dem vollen Schwanken eines Disconto, auch unter dem Einheitsmaaß bis zu vier Procent herab. Zu Athen war das monatliche Procent, eine Drachme von der Mna, und in gewissen Faͤllen, wie fuͤr Frauengut, anderthalb Procent, neun Obolen, gesetzlich, ohne Zwei- fel von Solons Zeit, der doch den Schuldherrn haͤrter fiel als irgend ein roͤmischer Tribun. Dieser Zinsfuß, wie er noch bis auf den heutigen Tag in der Levante gilt, erhielt sich auch unter der roͤmischen Herrschaft, und die roͤmischen Banquiers, die ihr Vermoͤgen in den Provinzen benutzten, zogen Vortheil von seiner Hoͤhe, und der fuͤrchterlichen Leichtigkeit ihn zu steigern welche der Ausdruck selbst gewaͤhrte. Es bedarf in der That eines positiven Beweises, daß diese Berechnungsart nicht erst von dort nach Rom im siebenten Jahrhundert ge- kommen sey. Der griechische Zinsfuß muß allerdings damals ganz herrschend geworden seyn: aber als eine durch den Gebrauch eingefuͤhrte und geduldete Sache. So wie er einmal gebraͤuchlich war, veranlaßte die all- gemeine roͤmische Sitte die Berechnung der geringeren Verhaͤltnisse nach Zwoͤlftheilen. Die Einheit wovon die Unze, und nach einigen Jahren die halbe Unze, erlaubte Zinse war, ist wohl nur im Capital, aber nicht fuͤr den Monat, sondern fuͤr das Jahr, und zwar urspruͤnglich fuͤr das alte cy- clische Jahr von zehn Monaten, zu suchen. Gab sie fuͤr dieses 8⅓ Procent, dann betrug fuͤr das buͤrgerliche Jahr die Unzialzinse zehn Procent, und die halbe Unze fuͤnf: ein Maaß das von dem aller Zeiten und Laͤnder nicht abweicht, welches mit Leidlichkeit fuͤr den Glaͤu- biger und den Schuldner zwischen drey und zwoͤlf Pro- cent betraͤgt: dieses, wo die Capitalien von wenigen, dem eigentlichen Betrieb fremden Personen, monopolisirt werden, und der Capitalwerth des fruchtbaren Eigen- thums sehr niedrig ist, jenes im Gegentheil. Bey dieser Annahme verschwinden alle innere oben geruͤgte Schwie- rigkeiten: und nichts ist ungezwungener als anzuneh- men daß das Capital die Einheit, und ein Jahr das Zeitmaaß der Schulden war. Von Discontgeschaͤften auf Monate ist gewiß nicht die leiseste Spur in der aͤl- tern roͤmischen Geschichte: sondern vielmehr deuten die von den tribunicischen Gesetzen der Jahre 388 und 408 bestimmten, auf Jahre vertheilten Termine, auf eine jaͤhrige Guͤltigkeit der Schulden. Dahin deuten auch die Termine der Auszahlung legirter Aussteuer, welche in drey cyclischen Jahren zahlbar war Polybius XXXIII. c. 13. An andere Jahre, obwohl nachher die gewoͤhnlichen angenommen wurden, ist in der alten Zeit bey allen Terminalzahlungen der Dos nicht zu denken. . So war es auch Sitte bey dem Verkauf der Oliven, und der Trauben am Stamm, auch des Weins auf Faͤssern, die Zahlung, als Schuld, nach zehn Monaten zu bedin- gen Cato de R. R. c. 146—148. , und daher nehme ich den Betrag der Unzial- zinse fuͤr zwoͤlf Monate, nicht auf 8⅓, sondern auf zehn Procent an. Dies wuͤrde nun gewiß außer allem Zwei- fel seyn, wenn eine Stelle des Festus Festus s. v. Unciaria lex dici cœpta est quam L. Sulla et Q. Pompejus tulerunt, qua sanctum est ut debitores de- cimam partem . . . . . vollstaͤndig waͤre. Denn in diesem am Schluß um wenige Worte verstuͤmmelten Fragment wird vom zehnten Theil des Capitals geredet: zwischen diesem aber und der Unze laͤßt sich nur in Hinsicht auf das zehnmonatliche Jahr Beziehung denken. Die wahrscheinlichste Ergaͤnzung duͤnkt mir, daß man die Zinsen als den Inhalt des verlohrnen Satzes ansehe, und annehmend, Sulla, der in allem, wo es gerathen und nicht gerathen war, das Alte herstellte, habe die alten Wuchergesetze erneuern wollen, mit den Worten ergaͤnze: — sortis annuis usuris penderent. Hier waͤre naͤmlich vom buͤrgerlichen Jahr die Rede. Wollte man annehmen es betreffe die Abzahlung des Ca- pitals in Terminen, so wuͤrde immer dieselbe Beziehung auf das cyclische Jahr vorhanden seyn. Aber eine so große Nachsicht — groͤßer als die Tribunen je zeigten — war Sullas altpatricischem Sinn gewiß fremd. Ich halte es fuͤr ganz unmoͤglich irgend eine dritte andere Deutung mit einigem Schimmer von Wahrscheinlichkeit zu geben. Daß der roͤmische Zinsfuß einst ein Zwoͤlftheil des Capitals war, scheint auch auf eine hoͤchst einleuchtende Weise in den Strafbestimmungen gegen den schuldigen Theil bey Ehescheidungen angedeutet zu seyn, obwohl die schon erwaͤhnte Verwandlung der Fristen bey dem Frauen- gut in gewoͤhnliche Jahre, auch hier die Unze auf dieses, und nicht mehr auf das cyclische bezieht. Ulpian mel- det Ulpian Tit. de dotib. §. 12. 13. daß die Frau fuͤr große Unsitte durch den Ver- lust des sechsten Theils ihrer Dos; fuͤr geringere mit einem Achttheil bestraft ward: der Mann dadurch, daß er, im ersten Fall anstatt der drey jaͤhrigen Fristen sogleich zuruͤckzahlen mußte: im zweyten in sechsmonatlichen Ter- minen. Nimmt man nun an daß die Strafe fuͤr beyde gleich seyn sollte, also der Mann durch Zinsen so viel ver- liehren als die Frau am Capital; so ergiebt sich fuͤr den ersten Fall der jaͤhrliche Zinsfuß von einem Zwoͤlftheil auf dem ersten Blick: und im zweyten nicht weniger, wenn man einraͤumt daß der durch keine Parallelstelle bestimmte Ausdruck senum mensum die die Erklaͤrung zulaͤßt der erste Termin sey sogleich faͤllig gewesen, die beyden fol- genden waͤren von sechs zu sechs Monat gefallen Denn im ersten Fall verliert der Mann an jaͤhrigen Zin- sen ⅓ + ⅔ + 1 = 2 = ⅙ des Capitals; im zweyten, nach jener Erklaͤrung, ⅓ + ½ + ⅔ = 1½ = ⅛ des Capitals. Es gehoͤrt nicht zu dieser Rechnung, ist aber nicht zu uͤberse- hen, daß der gekraͤnkte Theil gerade so viel gewann als der schuldige verlohr . Auch auf diese Stelle hat mich Savignys Freundschaft geleitet. Er hatte zuerst hier die Entdeckung eines alten Zinsfußes erwartet, aber bey der Berechnung die Zinszin- sen hineingezogen, wodurch ein sehr verwickeltes Resultat . Fortsetzung der abgebrochenen inne- ren Geschichte . Das Gesetz des Jahrs 398 beschraͤnkte, nach dieser Erklaͤrung, die erlaubten Zinsen auf zehn von hundert fuͤr das buͤrgerliche Jahr. Daß eine allgemeine Abzah- lung der Schulden beabsichtigt ward, und daß die Schuld- forderungen ohne vorhergehende Kuͤndigung, mit dem Ablauf des Jahrs, faͤllig wurden, erhellt aus der wichti- gen und wohlthaͤtigen Gesetzgebung von 403 Livius VII. c. 21. . Auch hier erscheint der freundliche Valerische Rahme. P. Pu- blicola, und sein plebejischer College C. Marcius Rutilus, liessen das Volk fuͤnf Commissarien erwaͤhlen, zwey Patri- cier und drey Plebejer, welche eine allgemeine Liquidation der Privatschulden uͤbernahmen ( quinqueviri mensarii ). Wer, bey wirklichem Vermoͤgen, unfaͤhig war baare Zah- lung zu leisten, dem Staat aber Sicherheit zu stellen vermochte; fuͤr den leisteten diese Zahlung durch Vor- schuß aus der Staatscasse: wer keine annehmliche Buͤrgen geben konnte, aber Eigenthum besaß, dem ward es ab- geschaͤtzt, und dem Glaͤubiger als Zahlung uͤbergeben. Auch aus diesem Verfahren erhellt, wie fremd dem alten Recht urspruͤnglich der Gedanke war daß Vermoͤgen fuͤr entstand. Ich darf es aͤußern daß ihm meine Erklaͤrung vollkommen genuͤgt: und ich wiederhohle daß genaue Ueber- einstimmung in Zahlverhaͤltnissen allenthalben als der aller- buͤndigste Beweis anerkannt werden muß, wie das unge- faͤhre dabey ganz unleidlich ist. Schuld hafte: nicht minder merkwuͤrdig ist es wie reich jetzt seit dem licinischen Gesetz die Staatscasse war. Diese Befriedigung der Glaͤubiger durch Werth anstatt Geld, sagt Livius, hatte die Eigenthuͤmer vieler Gegenstaͤnde veraͤndert, und machte einen neuen Census nothwen- dig Livins VII. c. 32. : eine folgenreiche Bemerkung die schon an einer anderen Stelle eroͤrtert ist. Fuͤr diesen Census ward C. Marcius, welcher seinem Stand zuerst den Glanz der Dictatur verliehen hatte, durch die lebhafteste Gunst des Volks, nicht ohne großen Widerstand der Patricier, zum ersten plebejischen Censor ernannt; in einem Jahr wo die patricischen Bestrebungen gegen das licinische Gesetz nicht ohne Erfolg geblieben waren. Als im Jahr 408 der Zinsfuß auf fuͤnf von hundert herabkam, ward fuͤr die Abtragung des Capitals eine Frist von drey Jahren gewaͤhrt, wobey man wieder an cyclische denken muß. Ein Viertheil sollte gleich gezahlt werden, und die uͤbrigen in drey gleichen Terminen Derselbe ebend. c. 27. . Ein wunderbares Dunkel ruht auf der Insurrection der Armee im Jahr 413. Ist es wahr daß alles, daß vor allem menschlicher Handlungen Triebe aus den Fruͤchten am richtigsten erkannt werden, so muß jeder, auch wer die alte Geschichte Roms ohne alle Skepsis lieset, befrem- det erstaunen, wie ein Raͤubergesindel, welches die verruch- teste That im Sinn getragen, und sich in der Erbitterung uͤber ihre Vereitelung empoͤrt haben soll, fuͤr sich nichts ungeziemendes ausbedungen haͤtte, als das Vaterland wehrlos in seiner Macht war; und wie, als unverkennbare Folge dieses Aufstands heilsame Gesetze gegeben werden konnten; wie er, anstatt militarische Tyranney uͤber die Republik zu bringen, sie von ihrer innern Plage erloͤset. Wer sich aber uͤber den historischen Gehalt der roͤmischen Annalen, auch in diesem Zeitraum, nicht taͤuscht, und dann die von Livius vernachlaͤßigten Erzaͤhlungen pruͤft, so weit er uns Kenntniß davon vergoͤnnt hat, der muß sich uͤberzeugen, daß der Geschichtschreiber auch hier einer ganz unwahren Darstellung den Vorzug gegeben hat: nicht ahndend daß er Vorfaͤlle entstelle welche vor an- dern die Buͤrgertugend des Volks der alten Zeiten in ih- rem hoͤchsten Glanz gezeigt haben wuͤrden. Nach Livius Erzaͤhlung erweckte der Glanz und die Ueppigkeit des reichen Kapua, und der um sie her gelege- nen kampanischen Staͤdte, bey den roͤmischen Legionen welche im Winter von 412 dort in Besatzung lagen, die schaͤndliche Versuchung, die Einwohner zu ermorden oder zu unterjochen, und dann einen neuen Staat zu stiften, wie ehemals die Sabeller an den tuskischen Buͤrgern von Vulturnum gethan haͤtten. Als der Consul C. Marcius Rutilus im Jahr 413 zur Armee kam, sey dieser Entwurf zu einer voͤlligen Verschwoͤrung gediehen gewesen. Um sie einzuschlaͤfern habe er das Geruͤcht ausgebreitet, die Truppen wuͤrden auch im folgenden Winter die Quartiere nicht verlassen: er habe dann, die Meuterer stille beob- achtend, jeden Anlaß benutzt um ihre Raͤdelsfuͤhrer, bald als ausgedient von den Fahnen zu entlassen, bald auf den leisesten Wunsch ihnen Urlaub nach Rom gegeben, wo sein College O. Servilius Ahala sie zuruͤckgehalten haͤtte. Eine Zeitlang sey die List gelungen: allmaͤhlich aber haͤtten die Soldaten den Plan errathen, da keiner von ihren beur- laubten Genossen zuruͤckkam. Eine Cohorte habe bey Lau- tulaͤ, einem Paß oͤstlich von, und nahe bey Terracina, auf der roͤmischen Straße, Halt gemacht: an diese haͤtten sich die angeschlossen welche der Consul einzeln beurlaubt entließ: bis ihre Zahl zu einem starken Heer herange- wachsen waͤre Appian Samnit. fr. 1. ed. Schw. giebt die Zahl des Heers der Aufruͤhrer zu 20000 Mann an. Sie haͤtten die gefesselten Feldarbeiter in Freyheit gesetzt, durch diese waͤre ihre Menge angeschwollen. Er scheint Schuldknechte zu mei- nen, und bezieht uͤberhaupt den Aufstand auf die Verschuldung des Volks: das thut auch Victor de vir. illustr. c. 29. . Ich muß hier die Erzaͤhlung unterbrechen um auf — es ist unmoͤglich den Ausdruck zu mildern — das Unge- reimte ihres Inhalts zu deuten. Ganze Cohorten haͤtte der Consul beurlaubt, daß sie unter ihren Fahnen heimge- kehrt waͤren, vor dem Angesicht des Feindes, und so viele Einzelne daß aus ihnen ein Heer anwachsen konnte. Den Consul selbst, und das Heer was bey ihm nach allen diesen Entlassungen doch geblieben seyn muͤßte, verliert Livius ganz aus dem Gesicht. Aber er, fuͤr die alte Dich- tung so empfaͤnglich, der auch die Geschichte wo immer er sichre Fuͤhrer hatte vortrefflich schrieb, war verdrossen in den verworrenen Perioden des Mittelalters Zusam- menhang und Moͤglichkeit zu pruͤfen: er umhuͤllte die erste Gestalt welche sich ihm darbot mit einem Mantel an- muthiges Vortrags. Die Irrthuͤmer worin er auf diese Weise faͤllt, verrathen den Mann der die Geschichte nicht im Licht des Forums und der Feldlaͤger, sondern nur in seinem Municipium anschauen gelernt hatte. Vielleicht wollte Asinius Pollio nichts anders als dieses, was auch spaͤter in den militarischen Darstellungen oft anstoͤßig erscheint, und die zuweilen flimmernde, den Personen und der Zeit manchmal wenig angemessene, mehr aus der Litteratur und der Schule, als, wie bey Thukydides, aus der ernsten Fuͤlle des Lebens geschoͤpfte, Eloquenz seiner Reden, durch den Tadel der Patavini- taͤt bezeichnen. Er faͤhrt fort: dieses Heer sey von Lautulaͤ ohne Plan, ohne Anfuͤhrer, gegen Rom gezogen. Sie waͤren aber doch inne geworden daß ihnen ein Haupt fehle, und haͤtten beschlossen, sich dazu einen edeln Herrn, wie die Bauern den Goͤz, mit Gewalt zu holen. In der albani- schen Feldmark habe ein alter Patricier T. Quinctius auf seinem Gut gelebt, am Fuß gelaͤhmt, nach glorrei- chen Feldzuͤgen vom Staat zuruͤckgezogen Die Annalisten haben wohl entweder an den Consul des Jahrs 401 (T. Quinctius Pennus) oder an den des Jahrs 404 (T. Quinctius Cincinnatus) gedacht. . Sein Haus haͤtten sie Nachts uͤberfallen, und ihn durch Todes- drohung gezwungen den angetragenen Befehl zu uͤber- nehmen. Er sey darauf als Feldherr begruͤßt, und mit allen Ehren dieser Wuͤrde empfangen und bekleidet wor- den. Sie haͤtten sich acht Millien von Rom gelagert, und waͤren im Begriff gewesen gegen die Stadt aufzu- brechen, als sie vernahmen, es ruͤcke ein Heer ge- gen sie aus, gefuͤhrt von dem Dictator M. Valerius Corvus. Die Heere haͤtten, zur ersten Buͤrgerschlacht geruͤ- stet, sich gegenuͤber gestanden; da waͤren alle Herzen weich geworden, in allen sey Sehnsucht nach Aussoͤh- nung erwacht. Der Dictator, dem Volke hold und treu, wie es einem Manne seines Geschlechts eignete, habe Frieden angeboten: auf ihres Feldherrn Rath haͤtten auch die Empoͤrer beschlossen sich einem Valerius ganz zu vertrauen. Mit diesem Trost sey der Dictator nach Rom zuruͤckgegangen, und nach seinem Antrag habe die Volksgemeinde den Soldaten Straflosigkeit und allge- meine Vergessenheit gewaͤhrt; auch in Scherz noch Ernst nie einem Schuldigen den Aufstand vorzuwerfen, dem Dictator zugesagt. Hierauf waͤre ein Kriegsgesetz an- genommen und beschworen worden, daß kein Soldat wi- der seinen Willen von der Musterrolle ausgestrichen, und keiner der schon als Tribun gedient, nachher als Haupt- mann angestellt werden solle. Auch hier ahndet Livius nicht wie ihn thoͤrichte An- nalisten irre fuͤhren. Mit diesem Gesetz sollen es die Empoͤrer gegen einen Offizier L. Salonius gemeint ha- ben, der sich von ihrem Verbrechen rein gehalten haͤtte: dieser sey in abwechselnden Jahren Tribun und Haupt- mann eines Manipels gewesen. Das letzte durch Ernen- nung vom Consul: jenes durch seine oder des Volkes Wahl. Aber ein roͤmischer Hauptmann war eigentlich nicht Offizier, kaum der Primipilus: und so war es nicht minder empfindlich fuͤr den welcher schon Tribun gewesen war, zum Centurio gesetzt zu werden, als Dienst des Gemeinen fuͤr den der schon Hauptmann war. So hat es hier das Ansehen als ob eben das Volk den Sa- lonius jedes zweyte Jahr unter den sechs Tribunen waͤhlte die es zu ernennen hatte. Der jaͤhrlichen Wahl mochten Latiums gleiche Rechte hinderlich seyn. Aber die Consuln hatten die groͤßere Zahl zu ihrer Ernennung, und wenn ritterlicher Stolz — um nicht von patricischem allein zu reden — ihn dann uͤberging und in einen niederen Rang setzte, so ist es klar wie ein solches Verfahren die Solda- ten wegen eines Mannes empoͤrte der aus ihren Gliedern sich empor gedient hatte. Empor, nicht herauf; denn ein Heraufsteigen auf vielen Staffeln einer militarischen Rangordnung kannte die Verfassung des roͤmischen Heers nicht, und dies ist nicht die letzte Ursache seiner Vor- trefflichkeit gewesen: wer Fluͤgel hatte schwang sich schnell empor. — Nach Livius muͤßte man glauben die Armee habe gefordert, wer einmal Tribun gewesen, solle ent- weder nur dies oder gemeiner Soldat seyn. Nicht also, Befreyung vom Kriegsdienst hat sie gefordert, oder Rit- terdienst. Ob die Forderung daß der Sold der Ritter, drey- fach gegen den des Fußvolks, vermindert werden solle, Erfolg hatte, bleibt nach Livius Worten unentschieden: waͤre hierin nachgegeben, so muͤßte sich die alte Ord- nung spaͤter wieder hergestellt haben: denn jenes Ver- haͤltniß galt noch in Polybius Tagen Polybius VI. c. 39. . Und hier hat Livius offenbar eine Empoͤrung des ganzen Heeres im Sinn: darum haͤtten die Meuterer an den Rittern Rache gesucht, weil sie nicht mit ihnen sich empoͤren gewollt Fuͤr den ganzen Hergang: Livius VII. c. 38—41. Ap- pian a. a. O. weiß gar nichts von den militarischen Be- schwerden; er erzaͤhlt den ganzen Vorfall, vom Anfang der Conspiration gegen Kapua, als eine Folge großer Noth und Verschuldung, und bezieht den beruhigenden Vertrag auch nur hierauf. . Und so unbedeutend endigt nun bey Livius, ohne eine Erwaͤhnung, ich sage nicht Kapuas, sondern solcher Vor- theile wie sie spaͤter die Veteranen, als ihnen fast natur- rechtlich gebuͤhrend, begehrten, mit Abhuͤlfe einiger Klagen, — die laͤcherlich unbedeutend sind gegen die alten Beschwerden des ganzen plebejischen Standes, deren Ab- stellung mit nie gestoͤrter Ruhe und Geduld erlangt war, — eine Empoͤrung die von Missethaͤtern angesponnen seyn soll. Was in seiner Wurzel boͤse ist, vergiftet sich tiefer und heftiger je laͤnger es reift: davon zeugt Roms spaͤtere Geschichte so redend als irgend ein Zeitraum der neueren. Und hier, nachdem einer Raͤuberhorde ihre Beute ent- wandt worden, nachdem sie im Grimm uͤber diese Taͤu- schung — von etwas anderem ist gar nicht die Rede ge- wesen — vor den Thoren der Hauptstadt erschienen war, waͤre sie geruͤhrt in sich gegangen, und haͤtte sich beru- higt nachdem sie, wie Livius es ansieht, die Befriedigung gehabt denen weh zu thun, die ein Unternehmen nicht theilen gewollt, dessen sie selbst muͤde waren und sich schaͤmten! Wohlverstanden daß diese Befriedigung die Bedingung ihrer Unterwerfung war: waͤre sie verwei- gert so haͤtte ihre Empoͤrung, ohne einigen Zweck , fortgedauert. Ist das Geschichte so ist ein Maͤhrchen be- greiflicher und verstaͤndiger. Ganz andre Wahrscheinlichkeit hat hingegen die Er- zaͤhlung welche Livius verschmaͤhte, wahrscheinlich weil er sie nur mit wenigen Zuͤgen in den aͤltesten Chroniken fand die nicht mehr gaben als sie aus dieser schreibkargen Zeit vorfanden: da hingegen Valerius Antias und Claudius umstaͤndliche Nachrichten darboten. Der selbsturtheilende Geschichtschreiber, im vollen Besitz aller alten Annalen, haͤtte hier uͤber die historische Wahrheit nicht verlegen seyn koͤnnen. Nach dieser Erzaͤhlung hat der Aufstand keineswegs von der Armee begonnen, sondern ist in der Stadt ausge- brochen, und hat sich zu einer Secession gestaltet. Aller- dings mochte diese wohl nicht den Charakter besonnener Gelassenheit haben welcher die fruͤheren Auswanderungen des Volks ehrt. Die Mißvergnuͤgten ergriffen die Waf- fen: sonderbar ist es daß auch hier ein Patricier, aber C. Manlius, genannt wird, den sie mit Gewalt zu ihrem Hauptmann machten. Also waͤren sie aus der Stadt in das Lager gezogen welches sie, vier Millien von ihr ent- fernt, nahmen. Hier nun muß die Armee aus Kampa- nien, den verbuͤndeten Latinern den Krieg uͤberlassend, zu ihnen gestoßen seyn: in der Erwaͤhnung der Cohorte welche Lautulaͤ besetzt, und andern Umstaͤnden moͤgen Fragmente der wahren Geschichte unbrauchbar erhalten seyn. Kein Dictator sey ernannt worden: die Consuln haͤtten haͤtten ein Aufgebot gegen sie gefuͤhrt. Als aber beyde Heere zum Treffen ausgeruͤckt waͤren, haͤtte das consula- rische die Insurgenten begruͤßt, und anstatt zu fechten haͤt- ten die Maͤnner beyder Heere sich die Haͤnde geboten, und sich weinend umarmt. Man moͤchte hierin einen letzten vereitelten Versuch der Patricier erkennen, ihre Clientel gegen das freye Volk gewaltsam zu gebrauchen. Als es nun sichtbar geworden daß Gewalt unmoͤglich sey, haͤtten die Consuln sich entschließen muͤssen im Senat auf Aus- soͤhnung mit dem Volk anzutragen. Von nun an vereini- gen sich beyde Erzaͤhlungen. Aber es ist klar, daß der Aufstand Gesetze von weit hoͤherer Wichtigkeit veranlaßte als jene militarischen. Von diesem Jahr an ist das licinische Gesetz nie wieder verletzt worden. Nur Appius der Blinde wollte es versu- chen, der nie eine Gelegenheit voruͤbergehen ließ sich sei- nem Uebermuth hinzugeben: aber selbst er, der bey an- dern Gelegenheiten allen Gesetzen Hohn sprach, wich dem Ernst des Volkstribuns Cicero Brut. c. 14. . Eine so ploͤtzliche Heilung einer so tief eingewurzelten boͤsen Neigung kann nur das Werk aͤußerst ernsthafter Belehrung gewesen seyn. Also muß unstreitig das licinische Gesetz uͤber das Consulat bey dieser Veranlassung durch neue Sanctionen eingeschaͤrft, hoͤchst wahrscheinlich seine Uebertretung durch Todesstra f e dem Verbrechen der Ernennung einer Magistratur ohne Provocation Siehe oben Th. II. S. 147. gleichgestellt seyn. Dies scheint durch vollkommen genuͤgende innere Evidenz erwiesen, obwohl Zweiter Theil. F f Livius und Dio Zonaras VII. c. 25. ein Gesetz hieruͤber nicht unter den andern uͤber die Magistraturwahlen anfuͤhren welche die Republik diesem Sturm verdankte. Das wissen wir daß sonst hieruͤber eben jetzt bessere Ordnung geschafft ward. Die Maͤchtigen in einer kleinen Zahl hatten sich fast ausschließend des Consulats bemeistert, welches derselbe vier und fuͤnfmal nach Zwischenraͤumen von einem oder wenigen Jahren bekleidete. Dadurch hinderten auch Ple- bejer, welche Einfluß gewonnen hatten, die Ausbreitung des Adels unter ihrem Stande, wie denn C. Marcius selbst und M. Popillius das Consulat viermal erlangten. Eine andre Unsitte der noch kein Gesetz vorbeugte war, daß der naͤmliche, seitdem mehrere curulische Wuͤrden bestanden, sie vereinigte. Das mag am haͤufigsten ge- schehen seyn daß der patricische Consul zugleich die Praͤ- tur bekleidete. Jetzt ward verordnet, daß niemand die- selbe Magistratur vor zehn verlaufenen Jahren aufs neue: niemand zwey verschiedene zugleich erhalten duͤrfe. Allerdings finden sich Ernennungen, die mit dem er- sten Gesetz zu streiten scheinen, schon nach einiger Zeit: und sie werden fast haͤufiger gegen die Mitte des fuͤnften Jahrhunderts, bis sie, nach der letzten Secession des Volks, ganz aufhoͤren. Im Allgemeinen aber sind, wenn derselbe Nahme in den Fasten wiedererscheint, wenigstens zehn Jahre seit dem letzten Consulat verflossen: und die in kuͤrzeren Zeitraͤumen wiederhohlten Consulate werden gewoͤhnlich von Maͤnnern gezaͤhlt deren Groͤße die Repu- blik stuͤtzte. Diese sind ohne Zweifel ausdruͤcklich vom Gesetz entbunden worden. Ein namentliches Beyspiel ist O. Fabius Maximus Livius X. c. 13. : im hannibalischen Krieg ge- schah es durch ein allgemeines Gesetz; fuͤr C. Marius persoͤnlich. Es geschah durch ein Plebiscit Derselbe a. a. O. : das Volk selbst mußte die zum Schutz seiner Freyheit gegen Oligar- chie verfaßten Gesetze loͤsen. Auch kann man annehmen daß der Ausgezeichnete nicht fuͤr den einzelnen Fall allein sondern voͤllig ausgenommen ward, wie denn die Fasten die Ausnahme bey demselben gewoͤhnlich wiederhohlt zeigen. Zugleich soll das Volk erklaͤrt haben es sey rechtmaͤßig auch beyde Consuln aus dem plebejischen Stande zu er- waͤhlen. Verhaͤlt es sich richtig mit diesem Beschluß, ist er nicht vielleicht als eine vom Senat nicht aner- kannte Rogation verschwunden, so gewaͤhrt die ganze Geschichte kein hoͤheres Beyspiel von Maͤßigung und gewis- senhafter Selbstversagung als dessen Nichtbenutzung dar- bieten wuͤrde. Die Plebejer haͤtten mit dem reinsten Edelmuth den Verdruß uͤber die noch frischen patricischen Verletzungen der Gesetze verschmerzt, weil sie anerkannt haͤtten daß, bey dem damaligen Verhaͤltniß der Nation, strenge Theilung der Gewalt zwischen beyden Staͤnden die billigste Verfassung, und ihre Bewahrung der einzige Schutz gegen schleunigen Uebergang zu einer aufloͤsenden Demokratie sey. Ihr Gesetz waͤre nur als ernste Erinne- rung an ihre Obermacht und den Mißbrauch welchen sie davon haͤtten machen koͤnnen aufgestellt: damit die Ueber- wundenen ihre Vergehungen zu wiederhohlen nie versuch- F f 2 ten. Vor dem Jahr 537 scheint allerdings das patrici- sche Recht auf den nothwendigen Besitz einer der Stellen des Consulats erloschen gewesen zu seyn: denn damals fand nur ein religioͤses Bedenken Statt gegen zwey plebe- jische Consuln: die Wahl hatte sie ernannt Livius XXIII. c. 31. . Erst von 580 an beginnen diese ganz plebejischen Consulate, und folgen sich oft haͤufig, als der urspruͤngliche Unter- schied der Staͤnde durch die zahlreiche plebejische Nobili- taͤt ganz in Vergessenheit gekommen war, und die Patri- cier selbst so wenig mehr darauf achteten, daß es einer von ihnen war der bey der ersten Wahl dieser Art vorsaß Derselbe XLII. c. 9 . Ein Plebiscit welches Zinsdarleihen untersagt haben soll, kann nicht zur Ausfuͤhrung gekommen seyn: hat doch selbst die Schuldknechtschaft bis zum Jahr 429 bestanden. Diese bestehen zu lassen und den Zinshandel zu untersagen, waͤre hoͤchst widersinnig gewesen. Vielleicht ist es damit auch nur ein Mißverstaͤndniß; vielleicht muß man Appian und Victor Appian Samnit. fr. 1. ed. Schw. Victor de vir. il- lustr. c. 29. glauben, welche berichten daß durch ein gewaltsames Gelegenheitsgesetz die Schulden getilgt waͤ- ren. Schon einmal sahen wir daß Livius diese von an- dern eingestandene Schmach verschwieg. Zonaras meldet nur die politischen Gesetze Zonaras VII. c. 25. . Ist es erlaubt als wahrscheinlich anzunehmen daß auch diese, in sich einige, Gesetzgebung von einem einzi- gen Urheber ausgegangen ist, wie die licinische, die duili- sche, beyde publilische, und zuletzt die sempronischen und die des Drusus, so erinnert der Nahme des L. Genu- cius, welchen Livius als den Verfasser der Rogation ge- gen den Zinshandel nennt, an jenen Tribun der fuͤr seine Pflichttreue meuchelmoͤrderischen Tod litt. So waͤre nach hundert dreyßig Jahren ein Raͤcher aus seinen Gebeinen erstanden, und haͤtte seine Manen durch endliche Feststel- lung der plebejischen Freyheit beruhigt. Kriegsgeschichte von 389 bis 411 . An den Kriegen dieses Zeitraums bewaͤhrt es sich, daß die licinische Gesetzgebung die Republik von widerna- tuͤrlichen Fesseln befreyte, welche sie, traurig und elend, gegen das Ausland in Ohnmacht hielten. Bis hieher sind nur die innern Lebensbestrebungen diesen toͤdtenden Zwang zu brechen in der roͤmischen Geschichte der Auf- merksamkeit werth gewesen: von nun an beginnt die Ent- wickelung Roms in seinem Beruf die Voͤlker zu beherr- schen. Die Klagen uͤber den Druck der Abgaben verstum- men, die Unmoͤglichkeit ihnen zu genuͤgen ist verschwun- den, weil die Republik zu dem Genuß ihres reichen Eigen- thums zuruͤckgekehrt war Und daß sie verstummen, die vor dem licinischen Ak- kergesetz verzweiflungsvollen Klagen, beweißt hinlaͤnglich, daß erst durch dieses die Besitzsteuer hergestellt ward. : kein Widerspruch gegen Aushebungen laͤßt sich vernehmen, sondern Klage wenn Soldaten wider ihren Willen von den Fahnen entlassen werden; so schnell war die Nation kriegslustig geworden, so reich war sie an Kriegstugenden und Soldaten, seit- dem jeder sich den ihm gebuͤhrenden Platz erwerben konnte, und ein freyes Bauernerbe besaß. Es darf nicht taͤuschen daß die Geschichtschreiber von den gallischen Kriegen reden als waͤren sie unmittelbar ge- gen Rom gerichtet gewesen: die Chroniken hatten sich auf den noch sehr engen Kreis einheimischer Begebenheiten be- schraͤnkt, und der Spaͤteren Sorglosigkeit uͤbersah Ita- liens allgemeines Schicksal. Denn die Gallier suchten nicht Rom, manchen Tagemarsch von ihren Wohnsitzen entfernt, und durch andre Voͤlker getrennt, sondern auch das roͤmische Gebiet und Latium verwuͤsteten sie auf den verheerenden Zuͤgen womit sie bis in die entferntesten Ge- genden unwiderstehlich vordrangen. Wahrscheinlich wur- den diese gewoͤhnlich von Schwaͤrmen neuer Einwanderer unternommen, welche die schon angesiedelten Staͤmme aufregten, oder von ihnen selbst, um nicht ihre Wohnsitze theilen zu muͤssen, weiter zu ziehen bewogen wurden. Diese Voͤlkerwanderung ist die erste Stufe der Zerstoͤrung und des Verfalls der urspruͤnglichen Bluͤthe Italiens: nur um weniges spaͤter als Griechenlands innere Verwuͤ- stung, und beynahe gleichzeitig mit der nie hergestellten Zertruͤmmerung Siciliens und Großgriechenlands. Durch sie wurden unstreitig Roms Eroberungen vorbereitet und erleichtert: weit umher muß alles geschwaͤcht und ermat- tet gewesen seyn, und viele Voͤlker waren den Galliern unterthan Polybius II. c. 18. . Zu zwey Zeitpunkten ward Rom in diesen Jahren durch der Gallier Annaͤherung in Schrecken gesetzt. Die- ser Gefahren und ihrer Abwendung gedenkt auch Poly- bius A. a. O. : hoͤchst abweichend von der Erzaͤhlung des roͤmi- schen Geschichtschreibers. Eine Verschiedenheit die uns wohl berechtigt die von diesem geschilderten Schlachten und Siege zu bezweifeln: waͤhrend es doch auch gar nicht denkbar ist daß sie ohne allen Stoff erdichtet seyen, und jene Kriegszuͤge so schnell und so thatenlos abgewandt waͤ- ren wie sie von dem Griechen erzaͤhlt werden. Anstatt wi- dersprechendes zu vermitteln, koͤnnen wir nur beyde Er- zaͤhlungen neben einander stellen. Nach der Raͤumung Roms waren, wie Polybius mel- det, die gallischen Voͤlker in Italien theils durch innere Kriege, theils durch Angriffe der Alpenvoͤlker gehindert ihre Eroberungen auszudehnen: Umstaͤnde, welche auch in spaͤterer Zeit fortwuͤrkend das uͤbrige Italien vorzuͤglich gerettet zu haben scheinen. Im dreyßigsten Jahre nach der Einnahme Roms, welches das Jahr 394 seyn wuͤrde, waͤren sie mit einem großen Heer unerwartet bey Alba er- schienen: die Roͤmer, abgeschnitten von der Bundesge- nossen Huͤlfe, haͤtten sich in die Mauern der Stadt einge- schlossen. Von einem zweyten Zuge, zwoͤlf Jahre spaͤter, also im Jahre 406, unternommen, haͤtten die Roͤmer zei- tige Kunde erhalten; mit ihren Verbuͤndeten haͤtten sie den Feind im Felde erwartet. Es sey Zwietracht unter den Galliern entstanden, und sie haͤtten sich, mit dem Schein einer Flucht, zuruͤckgezogen. Die roͤmischen Heldenlieder haben einen Zweykampf besungen worin der roͤmische Juͤngling T. Manlius einen Riesen uͤberwand und toͤdtete, welcher hoͤhnend aus den gallischen Reihen hervortrat und einen roͤmischen Ritter forderte: einen Riesen, nach des Worts eigentlichster Bedeutung in den Sagen und Dichtungen, nicht einen nur vor dem gewoͤhnlichen Menschengeschlecht durch Lei- besgroͤße Ausgezeichneten. Die Sage lautet daß der roͤ- mische Kaͤmpfer dem gewaltigen Schwerdstreich seines Gegners gewandt auswich, mit seinem Schild den unter- sten Rand des großen gallischen Schilds in die Hoͤhe stieß, hinter ihn trat, und so, durch die Naͤhe geschuͤtzt, das Ungeheuer mit dem Schwerd anfiel. Er durchstach ihm Weichen und Wanst; so hoch ragte der Riese uͤber ihm wie ein Fels: als er stuͤrzte, deckte der Leichnam einen ge- waltigen Raum gleich dem homerischen Ares. Der Sie- ger gewann sich die goldene Halskette des Erschlagenen, und davon den Beynahmen Torquatus Dies ist treu wiedergegeben Livius Erzaͤhlung. Auch hier zeigt dieser dichterische Geist Ehrerbietung fuͤr die alte Sage, ihre poetischen Zuͤge sorgsam hervorhebend, weit entfernt sie zu historischer Moͤglichkeit abzustumpfen: wie es von dem ein Jahrhundert aͤlteren Annalisten Q. Claudius geschehen war, dessen hoͤchst nuͤchterne Erzaͤhlung Gellius mit gemachter Bewunderung abschreibt: IX. c. 13. Aller Voͤlker alte Poesie redet von Riesen: es ist nicht bloß ein nordisches Gespenst. Selbst der Ilias Heroen werden als Riesen angedeutet: nicht vor den Blick gefuͤhrt, wel- ches, gewiß nach Cyklikern, Quintus sehr roh thut. — In der Odyssee sind die Helden unseres Geschlechts: Polyphemus verachtet den Zwerg Odysseus. . Fuͤr diese Dichtung suchten die Annalisten einen Zeit- punkt. Claudius setzte den Zweykampf in den angeblichen Krieg des Camillus: die meisten in das Jahr 394, bey einem Zug der Gallier, wo der Anio beyde Heere getrennt haͤtte Livius VI. c. 42. . Doch gesteht Livius, Licinius Macer sage: der Dictator jenes Jahrs sey nur fuͤr die Comitien er- nannt gewesen, und er nennt ihn nur muthmaaßend als Feldherrn des gallischen Kriegs Derselbe VII. c. 9. : welcher, nach ihm selbst, außer jenem Zweykampf ganz thatenlos verging. Die Gallier zogen durch Tibur nach Campanien. Jene Stadt, damals von den Roͤmern bekriegt, huldigte den wilden Schaaren, oder kaufte ihre Lohndienste. Im folgenden Jahr (395) kehrten sie nach Latium zuruͤck. Die oͤstliche Landschaft bis an die Mauern Roms ward fuͤrchterlich verwuͤstet: sie erschienen vor dem Collinischen Thor, durch welches sie vor dreyßig Jahren sich den Weg in die Stadt eroͤffnet hatten. Ein consularisches Heer beobachtete Tibur: alle uͤbrige waffenruͤstige Roͤmer er- warteten den Feind unter den Mauern. Nach einer lan- gen und sehr blutigen Schlacht, mehr zuruͤckgedraͤngt als besiegt, wichen die Gallier gegen Tibur: ehe sie es er- reichten griff der Consul Poͤtelius den unordentlichen Zug an, und vollendete den Sieg. Das bezeugen dem Consul auch die Triumphalfasten. Vielleicht von einem Zug in sehr ferne Gegenden der Halbinsel zuruͤckkehrend — wie die Cimbern erobernd um- herwanderten, und zuweilen durch Widerstand, zuweilen durch Hunger zuruͤckgetrieben wurden — kamen die Gal- lier im zweyten Sommer (397) durch das praͤnestinische Gebiet bis Pedum, in die Gegend welche fruͤher der be- staͤndige Schauplatz aͤquischer Kriege gewesen war. In der drohenden Gefahr erneuerten Rom und Latium das veraltete Buͤndniß. C. Sulpicius, einer der großen Feld- herrn seines Zeitalters, faßte mit dem Heer eine feste Stellung. Lange standen die Heere einander gegenuͤber: die Soldaten murrten uͤber die Unthaͤtigkeit worin der Dictator sie in dem verschanzten Lager hielt, welches die Gallier zu stuͤrmen nicht unternahmen. Der roͤmische Feldherr wollte den Feind ermuͤden und schwaͤchen; aber die Ungeduld der Soldaten brachte Gefahr daß sich ein unordentliches Gefecht erheben koͤnnte. Die Schlacht, endlich erlaubt, rechtfertigte jenes Zoͤgern: denn sie ward, nachdem die Legionen schon gegen das Lager zuruͤckgewor- fen waren, nur durch die Verzweiflung und durch eine Kriegslist gewonnen. Troßknechte, auf den Saumthie- ren des Lagers, die sich im Ruͤcken der Gallier zeigten, schienen ihnen roͤmische Reuterey welche sie zu umringen drohte. Die Fliehenden warfen sich in die Waͤlder, wohin sie heftig verfolgt wurden. Die Wahrheit des Siegs ist durch das Andenken eines Triumphs bewaͤhrt: und durch die Weihung des erbeuteten Goldes, welches auf dem Capitol eingemauert ward. Acht Jahre waren verflossen als Latium und das roͤ- mische Gebiet unter M. Popillius Laͤnas drittem Consu- lat (405) aufs neue von den Galliern heimgesucht wur- den. Auch nahte sich ihnen der Consul mit großer Vor- sicht. Er waͤhlte sein Lager auf der Hoͤhe eines schwer- zugaͤnglichen Bergs, und ungesaͤumt begannen die Tria- rier die Verschanzungen aufzuwerfen, waͤhrend das uͤbrige Heer, sie deckend, in Schlachtordnung stand. Die Gal- lier liefen an gegen die Hoͤhe; sie wurden in die Ebene zu- ruͤckgeworfen. Eine Wunde des Consuls, und die frische Menge welche den verfolgenden Roͤmern begegnete, mach- ten die Schlacht zweifelhaft. Die Wunde war nicht leicht: lange nach dem Siege lag der Consul an ihr nie- der: doch kehrte er in das Treffen zuruͤck, und eine neue Anstrengung zersprengte die dichten gallischen Haufen. Sie flohen in das albanische Gebuͤrge, und die reiche Beute ihres Lagers belohnte den Soldaten. In das Ge- buͤrge verfolgte der Consul sie nicht: noch waren die Feinde unbezwungen und streiften waͤhrend des Winters von dort herab in Latium. L. Furius Camillus, ein so vorzuͤglicher Feldherr als gefaͤhrlicher Buͤrger, hatte als Consul den Ruhm diesen Krieg zu endigen. Waͤhrend die Gallier das albanische Gebuͤrge behaupteten, haͤtte er es nie wagen gekonnt einen solchen Feind in einer solchen Stellung zwischen sich und Rom zu lassen, er haͤtte nicht in die pomptinische Landschaft hinab ziehen koͤnnen, wenn Rom in dieser allgemeinen Noth von dem muͤrrischen Stolz seiner Bundesgenossen thoͤricht verlassen gewesen waͤre Livius VII. c. 25. , wenn nicht vielmehr das allgemeine Verder- ben alle Voͤlker Latiums, auch die Volsker, an Rom knuͤpfte, und der Consul den Krieg in diese Gegenden ver- legte, um ihre gesammten Streitkraͤfte zu benutzen. Als sich die Heere hier naͤherten soll uͤber den siegrei- chen Zweykampf des Juͤnglings M. Valerius Corvus die Schlacht begonnen haben. Auch dieses Zweykampfs Er- zaͤhlung ist poetisch: die Goͤtter sandten dem roͤmischen Krieger einen Raben zur Huͤlfe welcher, auf dem Helm des Galliers angeklammert, mit Schnabel und Fluͤgel- schlag seine erwaͤhlte Beute zum Kampf unfaͤhig machte. In der Schlacht des Camillus widerstanden die Gallier nicht lange: der Mangel des Winters hatte sie schon vor dem Treffen uͤberwunden. Sie flohen, sagt Livius, durch das Volskerland an den Vulturnus, zerstreut: von dort zog ein Theil nach Apulien. Es ist aber unmoͤglich daß ein fliehendes und zerstreutes Heer diesen Zug durch die sabellischen Laͤnder haͤtte vollbringen koͤnnen; und an eine Niederlage der Gallier koͤnnen wir um so weniger glauben da von keinem Triumph des Consuls geredet wird. Poly- bius Erzaͤhlung ist schon gemeldet worden. Es war aber auch schon dem glaͤnzendsten aller andern Siege gleich die Gallier zum Ruͤckzug zu noͤthigen, denn das ist gewiß daß dieser Zug der letzte war auf dem sie Latium betraten. Daher konnte Lucius Camillus auch in fernen Landen als Sieger der Gallier und Retter Roms beruͤhmt seyn, und so nannte ihn selbst Aristoteles Plutarch Camill. p. 140. A. . Sein Feldzug faͤllt in das dritte Jahr der 108ten Olympiade, zu welcher Zeit der Philosoph zu Pella lebte. So ruhten die Roͤmer auf lange Zeit von gallischen Kriegen. In ihnen hatten sie, wie Polybius bey einer spaͤ- teren Zeit sagt, sich gewoͤhnt zerhauen zu werden, und aus ihnen traten sie als vollendete Kaͤmpfer in alle italische. Ich habe zuerst von diesen Kriegen geredet, weil alle uͤbrige gegen sie unbedeutend waren: jene galten das Da- seyn, diese nur Herrschaft Sallust Jugurth. c. 114. . Der Zeitordnung nach haͤtte in diesem Zeitraum des Kriegs gegen die Herniker zuerst gedacht seyn muͤssen. Sie hatten sich schon nach der Einnahme der Stadt von dem roͤmischen Buͤndniß getrennt Th. II. S. 297. Anm. 383. . Eine eigent- lichere Veranlassung zum Krieg wird nicht erwaͤhnt: schon der Dictator L. Manlius suchte ihn Bellum Hernicum affectans. Livius VII. c. 3. : aͤußere Bewe- gungen staͤrkten die Macht des Senats und der Patricier. Doch ward im ersten Feldzug 393 dem plebejischen Consul L. Genucius der Befehl gegeben. Der Ausgang schien die Warnung zu bewaͤhren daß der Republik vom Mißbrauch der Auspicien durch einen ungeheiligten Stand Ungluͤck drohe. Das roͤmische Heer ward uͤberrascht, sein Anfuͤh- rer fiel: ein gluͤcklicher Tod, der ihm die Demuͤthigungen ersparte welche eine feindselige Faction unfehlbar auf sein Haupt gehaͤuft haͤtte, die uͤber der Freude an der Nieder- lage des ersten heerfuͤhrenden plebejischen Consuls alles Leid wegen der Republik vergaß Livius VII. c. 6. . Doch war der Verlust geringer als die Schmach der Niederlage. Der Legat C. Sulpicius hatte das Lager behauptet, und schon durch einen gluͤcklichen Ausfall den Stolz der Sieger ge- daͤmpft, ehe Appius Claudius, als Dictator, ein neues Heer mit dem consularischen vereinigte. Mit diesen Kraͤften konnten die Roͤmer eine Schlacht wagen, die noch immer nichts weniger als gewissen Sieg verhieß. Die Herniker waren ihnen gleich an Muth und Kriegszucht: ihre Anstrengungen waren die eines kleinen Volks welches jede Kraft die es aufbie- ten kann aufs aͤußerste entwickelt. In ihrer Schlacht- ordnung standen acht Cohorten, jede von vierhundert Mann, ihre erlesenste Jugend; diese dienten mit dop- peltem Sold und verheissener Befreyung von fernern Heerdiensten, wenn dieser groͤßte Krieg geendigt seyn wuͤrde. Sie erfuͤllten, so weit ihre Kraͤfte hinreichten, den Auftrag und das Vertrauen des Vaterlands: den- noch mußte sich das Heer zuletzt uͤberwaͤltigt zuruͤckzie- hen; am folgenden Tage auch sein Lager verlassen. Den Sieg zu verfolgen wehrte den Roͤmern ihr großer Verlust; der vierte Theil der Ihrigen war gefallen, und darunter viele der ersten Juͤnglinge der Nation: denn die Ritter hatten absitzen muͤssen, um den Cohorten der Herniker auch Roms Bluͤthe entgegenzustellen. Aber der naͤchste Feldzug (394) brachte uͤber die Herniker alle Folgen der ungluͤcklichen Schlacht: das platte Land ward verheert, Ferentinum gewonnen: vermuthlich durch Vertrag, denn diese Felsenmauern koͤnnten wohl unserm Geschuͤtz trotzen. Wahrscheinlich im Gefuͤhl eigner Gefahr, erklaͤrten sich die Tiburter jetzt fuͤr die Herniker; wenigstens ge- nuͤgte Verweigerung des Durchmarsches durch ihre Stadt den Roͤmern als feindselige Handlung. Eine Zeitlang verschwinden diese Kriege in einem groͤßeren, seit der Erscheinung der Gallier, mit denen sich Tibur verbuͤn- dete. Durch mehrere Feldzuͤge und Gefechte, welche als eben so viele Siege genannt werden, sollen die Herni- ker im Jahr 397 uͤberwunden und unterjocht seyn Devicti subactique sunt. Livius VII. c. 15. : die Tiburter, nachdem zwey ihrer Staͤdte erobert wa- ren, den uͤbrigen das naͤmliche Schicksal drohte, sich im Jahr 401 Roms Herrschaft unterworfen haben Ad deditionem pugnatum —: universa gens, positis armis, in fidem Consulis venit. Livius VII. c. 19. . Beydes ist nur eine eitle Erweiterung der alten Mel- dung daß in diesen Jahren der Friede mit ihnen ge- schlossen sey. Denn Tiburs Autonomie ist in dem gro- ßen latinischen Kriege eben so ausgemacht als die aller uͤbrigen verbuͤndeten Staͤdte: und weit entfernt daß die Herniker vor dem Jahr 447 Rom als Unterthanen ge- horcht haͤtten, empfingen sie vielmehr bis zu dieser Zeit, freylich wohl nicht mehr das urspruͤnglich ihnen gebuͤh- rende Drittheil der Kriegsbeute — denn das waͤre jetzt unverhaͤltnißmaͤßig gewesen — aber doch eine Entschaͤ- digung in Geld So scheint Plinius dunkler Ausdruck am richtigsten er- klaͤrbar, H. N. XXXIV. c. 11: Q. Marcius — qui — capta Anagnia populum stipendio liberaverat. . Ein achtjaͤhriger etruskischer Krieg gegen die Tar- quinienser und Falisker (von 397 bis 404) endigte ohne Vortheile durch einen vierzigjaͤhrigen Waffenstillstand. Er war im Ganzen matt und nicht gluͤcklich gefuͤhrt worden. Die Tarquinienser unternahmen ihn ohne Bun- desgenossen; im ersten Feldzug schlugen sie den roͤmi- schen Consul C. Fabius, und machten Gefangene, von denen sie dreyhundert und sieben den Goͤttern opferten. Im folgenden Jahr (398) nahmen auch die Falisker oͤffentlich Theil am Kriege; das roͤmische Heer hielt sich vertheidigend bey Sutrium. Darnach drangen die Etrus- ker bis an die Salinen vor (399), nach einer Schlacht deren Ausgang diese Folgen entdecken, obgleich die roͤ- mischen Annalen nur eine erste Flucht eingestehen, welche gehemmt, und in einen Sieg und Eroberung des feind- lichen Lagers verwandelt seyn soll. Seit dem Kriege des Tolumnius hatten die Ufer der roͤmischen Tiber keinen etruskischen Feind gesehen. Jetzt wurden, mit dem Vejentanischen Gebiet, Roms schoͤnster Landschaft, auch die alten roͤmischen Marken bis an den Strohm verheert. C. Marcius Rutilus, fuͤr diese Gefahr zum Dictator ernannt, hielt sein Heer an- faͤnglich am linken Ufer: wo sich eine Gelegenheit dar- bot pluͤndernde Haufen aufzufangen, ging er hinuͤber, und bereitete so die Seinigen zu groͤßeren Unternehmun- gen, waͤhrend der Feind geschwaͤcht ward. Als Zeit und Umstaͤnde erfuͤllt waren griff er die Etrusker an, er- oberte ihr Lager, und fuͤhrte achttausend Gefangene nach Rom. In einem kriegerischen Staat, wo jede tapfre That eines Soldaten durch Ehrenzeichen anerkannt ward, verweigerte der Senat fuͤr einen so großen Sieg den Triumph welchen oft kleine Vortheile uͤber die oͤstlichen Graͤnzvoͤlker erworben hatten. Denn der ihn forderte war Plebejer; er hatte gegen den Willen des Senats gesiegt: gesiegt: aber wie das Volk ihm freywillig die verwei- gerten Kriegskraͤfte gewaͤhrt hatte, so ehrte es auch sei- nen Mitbuͤrger mit dem Triumph. Nach einigen Feld- zuͤgen suchten die Etrusker Frieden Livius VII. c. 22. . Rom konnte die Waffen niederlegen, denn der Frevel an den Gefan- genen war durch die Hinrichtung von dreyhundert acht und funfzig Tarquiniensern geraͤcht worden. Vier Jahrhunderte sind in den roͤmischen Annalen verflossen, ohne daß eine einzige Fehde mit Caͤre vor- fiel: obwohl diese Stadt an der Kuͤste unmittelbar an das roͤmische Gebiet gegraͤnzt haben muß. Dieses Ver- haͤltniß, so ganz entgegengesetzt dem worin Rom zu al- len uͤbrigen Nachbarstaaten lebte, und ohne ganz eigen- thuͤmliche Veranlassungen widernatuͤrlich fuͤr die rastlose Kriegernation, ist schon fruͤher, unterstuͤtzt von andern eigenthuͤmlichen Umstaͤnden, als Begruͤndung einer Hypo- these, daß beyde Staͤdte urspruͤnglich durch das innigste Band verknuͤpft waren, erwogen worden Th. I. Zusatz zu S. 182. . Die Caͤriter hatten die alte Freundschaft bewaͤhrt als zur Zeit des gallischen Ungluͤcks Roms Priester und Heiligthuͤmer bey ihnen Aufnahme und Schutz fanden. Wenige Jahre nachher (369) traf sie ein unvermuthetes Ungluͤck, welches den Reichthum und die Schwaͤche ih- rer Stadt andeutet. Dionysius von Syrakusaͤ uͤberfiel und eroberte die Hafenstadt Pyrgi, schlug die heran- eilenden Caͤriter in die Flucht, pluͤnderte den Tempel der Matuta, und kehrte mit einer Beute von fuͤnfhundert Zweiter Theil. G g Talenten zuruͤck Diodor XV. c. 14. . Von Griechen zugefuͤgt ein zwie- fach hartes Unrecht: denn Agylla allein war rein von Seeraͤuberey, und ehrte von alter Zeit her die griechi- schen Goͤtter durch Geschenke und Theorieen; eine Ver- bindung woher am wahrscheinlichsten auch in die roͤmi- sche Religion gekommen ist was schon in alten Zeiten ihr mit der griechischen gemeinschaftlich war. Caͤre ward beschuldigt heimlichen Antheil an den Streifereyen der Tarquinienser genommen zu haben. Rom ruͤstete sich zur Rache (402): die Bitten der Be- drohten entwaffneten sie, aber, nach Dio Dio, fragm. 142. , nicht durch edelmuͤthige Erinnerung an die alte Freundschaft im Ungluͤck Livius VII. c. 20. , sondern um den harten Preis der Haͤlfte ihrer Landschaft, vielleicht ihres Gemeinlands, ward ihnen ein hundertjaͤhriger Waffenstillstand gewaͤhrt. Die Annalen des Zeitraums wo dieser erlosch, sind verlohren: aber im Jahr 547 ward Caͤre noch unter den etruskischen Voͤlkern genannt: es kann also damals noch nicht zu einer Tribus gerechnet seyn Derselbe XXVIII. c. 45. . Aber dasje- nige Buͤrgerrecht, welches nach ihnen benannt war, muͤssen sie schon vor der ungluͤcklichen Stoͤrung ihres Friedens mit Rom gehabt haben, weil die Tusculaner schon fruͤher es empfangen hatten Derselbe VI. c. 26. VIII. c. 14. vergl. mit Festus s. v. Municipes. . War jenes Recht Isopolitie und gegenseitig, aus einem urspruͤnglichen Verhaͤltniß entstanden, so war auch ein Krieg zwischen beyden Staaten nicht fuͤr Rebellion zu achten. Raͤthselhaft ist im Jahr 406 die Erscheinung einer griechischen Flotte, welche den ganzen Sommer an der la- tinischen Kuͤste verweilte, und haͤufige pluͤndernde Landun- gen unternahm. Die Roͤmer haben hier zum erstenmal ge- gen Griechen gefochten. Wer und woher diese Fremden waren, fand sich in den Annalen nicht. Livius Vermuthun- gen haben kein Gewicht bey einer Sache uͤber die sich nur aus der uͤbrigen gleichzeitigen Geschichte urtheilen laͤßt. Hier raͤth er auf sicilische Tyrannen: ganz gewiß irrig, denn in diesen Jahren waren die Sikelioten in sich zerris- sen, kraftlos, ohne Flotten, voͤllig unfaͤhig eine Unterneh- mung uͤber die See zu wagen welche Karthago beherrschte. In demselben Jahr worin Latium diesen Raubzug er- fuhr, (Ol. 108, 3.) schiffte sich Phalaͤkus nach Italien ein mit den achttausend geworbenen Soldaten fuͤr die er in Phokis auf freyen Abzug capitulirt hatte Diodor XVI. c. 62. . Zwar er erreichte sein Ziel nicht: Meuterey zwang ihn nach Kreta zu gehen. Es war aber damals in Altgriechenland eine allgemeine Zeit unruhiger Bewegung: allenthalben liefen Schaaren den Werbern zu: der Krieg naͤhrte den Krieg, die Maͤnner aus zerstoͤrten Staͤdten und veroͤde- ten Landschaften wurden Soldaten und entschaͤdigten sich fuͤr ihr Elend, indem sie es auf andere Gegenden brachten. Oft trieb Ungluͤck oder Rastlosigkeit die edelsten Juͤng- linge unter diese wilden Rotten, oder sie waren genoͤ- thigt sie zu versammeln: also that es Archidamus von Sparta. Oft waren sie unbeschaͤftigt, und damit sie sich nicht verliefen mußten die Anfuͤhrer eine Unterneh- G g 2 mung wagen deren Beute bezahlte; eben damals rief der Krieg zwischen Tarent und den Lucanern die griechischen Banden nach Italien. Dorthin ging Archidamus, wo er ruͤhmlich fuͤr Griechenland fiel, obwohl an der Spitze eines Raͤuberhaufens: dorthin wollte Phalaͤkus: und eine solche eingeschiffte Bande muß es gewesen seyn die, bis sie einen regelmaͤßigen Dienst fand, sich durch Raub auf der Kuͤste von Latium naͤhrte. Nicht ohne Zusammenhang mit diesem Vorfall moͤchte es seyn daß im folgenden Jahr der Tractat mit Karthago erneuert ward Livius VII. c. 27. . Polybius scheint diesen nicht gekannt zu haben, und der wovon er als dem zweyten redet der Vertrag von 447 zu seyn. Rom und Latium konnten An- griffen von der See auf ihre Kuͤsten nicht begegnen, aber der Karthaginienser Kriegsschiffe herrschten damals im Meer um Lucanien Ol. 108. 4. 408. Diodor XVI. c. 66. Schon fruͤher stellten sie das verwuͤstete Hipponium her. Ders. XV. c. 24. , Sardinien und ein Theil von Corsica, der etruskischen und latinischen Kuͤste gegenuͤber und nahe, waren in ihrem Besitz, und die Sicherheit je- ner Gewaͤsser war ihre eigene Angelegenheit. Rom im Bunde mit Latium . Wie Roms Fall im ersten gallischen Kriege den alten Bund mit den Latinern zerrissen, und neue Verbuͤndun- gen unter den Staaten in Latium veranlaßt hatte, so stiftete gemeinsame Gefahr, als die Gallier aufs neue jene Laͤnder uͤberzogen, eine allgemeine Vereinigung zwi- schen Rom, den alten Latinern und ihren zugewandten Staͤdten Polybius II. c. 18. Ῥωμαῖοι — τὰ κατὰ τȣ`ς Λατίνȣς αὖ- ϑις πράγματα συνεςήσαντσ; ist hierauf zu beziehen. , wie schon damals der Trieb eines neuen sich vorbereitenden Zeitalters allenthalben die uralten kleinen Staaten in groͤßere Koͤrper zusammenzog. Im Jahr 397 ward das Buͤndniß mit den Latinern erneuert welches seit vielen Jahren nicht beobachtet war, und sie stellten ein großes Heer zur Abwehrung des galli- schen Kriegs Livius VII. c. 12. . Offenbar falsch ist der Zusatz des Ge- schichtschreibers: die Latiner haͤtten den erbetenen Frieden erlangt, — ein Irrthum aus dem entstanden der in ihrer Absonderung eine Empoͤrung und Kriege zu sehen waͤhnte. Wie aus Livius eigener Erzaͤhlung hervorgeht daß Tuscu- lum und andere naͤhere Orte nie aufgehoͤrt hatten Rom unmittelbar bundesverwandt zu seyn, so war bey ihm selbst schon waͤhrend zehn Jahren keine Erwaͤhnung eines Kriegs auch nur mit Velitraͤ oder Praͤneste, welche er sonst zu latinischen vergroͤßerte. Die angefuͤhrte Nachricht wuͤrde uns weder berechti- gen noch veranlassen hierin mehr zu sehen als eine Erneue- rung der Verhaͤltnisse wie sie bis zu der gallischen Erobe- rung mit dem Theil latinischer Staͤdte bestanden welcher sich frey erhalten, oder nicht an fremde Vereinigungen angeschlossen hatte: aber der Bund erscheint in den letzten Jahren seiner Dauer in einer Groͤße ganz neuer Art. Nicht nur alle urspruͤnglich latinische Staͤdte sind darin vereinigt, und mit ihnen die Colonieen ihres Nahmens, sondern auch die Volsker Livius VIII. c. 5. Florentissimum — Latium — nunc etiam Volscis adjunctis —; colonias quoque vestras La- tinum Romano prætulisse imperium. . Blicken wir auf die aͤl- tere Geschichte seit dem großen volskischen Krieg, so zeigen sich in Latium mehrere Verbuͤndungen gegen ein- ander mit nie besaͤnftigter Feindseligkeit kaͤmpfend: seit der Eroberung Roms Aufloͤsung, und neue Verhaͤltnisse, aber noch immer keine Einheit: diese kann erst mit der er- neuerten Gefahr der Voͤlkerwanderung begonnen haben, so wie sie wenige Jahre nachher bestimmt ausgebildet erscheint. Denn nun werden die Aurunker ein Volk des lati- nischen Nahmens genannt Livius VII. c. 28. : und eben so Antium Derselbe VIII. c. 13. 14. . Nur durch diese Foͤderation kann die Zahl der an den latinischen Ferien theilnehmenden Staͤdte auf sieben und vierzig, mit Inbegriff der Volsker von Antium und Ecetraͤ Dionysius IV. c. 49. , erhoben seyn. So lange diese der Latiner Erbfeinde waren ist ihre Theilnahme undenkbar; eine hi- storische Notiz aus der Zeit des letzten Koͤnigs uͤber ihre voruͤbergehende Vereinigung hat wenig Anspruͤche auf Glaublichkeit, und die Zahl dreyßig eigentlich latinischer Orte gehoͤrt zu den sehr wohl bewaͤhrten Nachrichten. Eine Landesgemeinde des erweiterten Bundes der Voͤlker- schaften welche jetzt latinisch genannt wurden, war im Jahr 407 im Hain der Ferentina versammelt Livius VII. c. 25. , da wo schon vor Alters die Landtagsstaͤtte der dreyßig Orte gewesen war. Sie mag roͤmische Anmaaßungen zuruͤck- gewiesen haben: aber daß sie Huͤlfstruppen abgeschla- gen haͤtte, ist, nach Polybius, so gewiß falsch als es unsinnig gewesen seyn wuͤrde, da der Feind, gegen den augenscheinlich alles zehn Jahre fruͤher zur Vertheidi- gung zusammengetreten war, sich mitten im Lande fest- gesetzt hatte. Vor Alters erwaͤhlten sich die latinischen Voͤlker einen Dictator zum Bundeshaupt Th. I. S. 445. : zwey Praͤtoren, fuͤr ein Jahr ernannt, waren die oberste Magistratur des erweiterten Bundes Livius VIII. c. 3. . Vereinigt mit den Latinern, und unmittelbar der Vergroͤßerung ihrer Macht foͤrderlich, eroberten die Roͤ- mer 398 Privernum, und 410 Sora am Liris, beydes volskische Staͤdte, auch, im letzten Jahr, die Stadt der Aurunker, wohl nicht Suessa sondern einen Ort unbekannter Lage. Wenn aber auch die volskischen Staͤdte dem Bunde beytraten, so war doch die Verknuͤpfung aller Foͤdera- tivstaaten des Alterthums so lose, daß Kriege zwischen verbuͤndeten Staͤdten nur seltener, aber so wenig ganz ausgeschlossen waren als unter den sich voͤllig fremden. So konnte Antium schon im Jahr 407, als latinische Stadt, mit Rom verbuͤndet seyn, obwohl die Herstellung des vor acht und zwanzig Jahren zerstoͤrten Satricums durch eine antiatische Colonie einen Krieg zwischen beyden Staͤdten erregte, worin der hergestellte Ort, 409, ero- bert und aufs neue verwuͤstet ward. Forschen wir nun bey Livius nach dem Verhaͤltniß zwischen Rom und Latium, so gilt es ihm fuͤr ausge- macht daß dieses nach der Schlacht am Regillus durch den Friedensschluß in die Abhaͤngigkeit zuruͤckfiel, deren Joch es abzuschuͤtteln gestrebt hatte: daß diese in ihrer hoͤchsten Strenge sogar die Selbstvertheidigung gegen feindliche Einfaͤlle untersagte, und die Bedraͤngten har- ren hieß bis Nom die Waffen zu ihrer Vertheidigung nehme: daß die Latiner nach der Einnahme der Stadt sich empoͤrt haͤtten: daß endlich nach dreyßig Jahren ihren Bitten der Friede auf die Bedingungen des alten Vertrags gewaͤhrt, also die gaͤnzliche Abhaͤngigkeit wie- derhergestellt waͤre. So redet er denn auch von dem großen latinischen Krieg als von einer frechen und hoͤchst strafwuͤrdigen Nebellion. Es war den Roͤmern eine ehrfuͤrchtige Sorgfalt fuͤr der Vorfahren guten Ruf eigen, die ihre Ungerechtig- keiten aͤngstlich verschleyerte, und allen ihren Handlun- gen die Gestalt einer guten Sache und reines Gewis- sens zu geben trachtete. Neben dieser aus loͤblichem Trieb hervorgehenden Unredlichkeit bewegte sie eine ganz thoͤrichte Eitelkeit zu verstecken daß es eine Zeit gegeben hatte in der die Republik klein und schwach gewesen war: diese Thorheit nahm zu je mehr sie ihrem Alterthum fremd wurden, ihre aͤltesten Annalisten schei- nen ganz unbefangen gewesen zu seyn. Beyde Ursachen der Verfaͤlschung haben gewuͤrkt ein ganz unwahres Bild von dem Verhaͤltniß zwischen Rom und Latium zu erkuͤnsteln. Wir kennen einen Theil vom Inhalt des Tractats zwischen beyden Voͤlkern nach der Schlacht am Regil- lus. Rom hat sich dadurch nicht einmal einen Schein von Hegemonie erhalten: beyder Staaten gegenseitige Gleichheit und voͤllige Unabhaͤngigkeit ist ganz unzwey- deutig. Ein ausdruͤckliches Zeugniß, vom hoͤchsten Gewicht durch seinen Urheber, habe ich schon mehr als einmal aus der Vergessenheit aufgerufen. Wir wissen aus einer Schrift von L. Cincius, uͤber die consularische Macht Festus, Prætor ad portam. , daß die hoͤchste Gewalt fuͤr die gemeinschaftlichen Ange- legenheiten bey der Landesgemeinde in ihren Versamm- lungen am Quell der Ferentina war bis zum Consulat des T. Manlius und P. Decius. Im Nahmen der latinischen Nation wurden die Auspicien auf dem Capitol beobachtet in dem Jahr wo Rom der Oberbefehl des Heers zu- kam: ein Ausdruck welcher die Folgerung veranlaßt daß abwechselnd, Jahr um Jahr, Rom und Latium die Feld- herrn gaben. Der roͤmische Befehlshaber, durch die Au- spicien bestaͤtigt, empfing am Thor die Huldigung der Soldaten des latinischen Bundes Commune Latium bey Festus giebt uns die richtige Ue- bersetzung fuͤr τὸ κοινὸν τῶν Θεσσαλῶν u. s. f. . Nun ist zwar in der roͤmischen Geschichte jede Spur der latinischen Heerfuͤhrung ausgetilgt: redend aber zeu- gen die latinischen Ferien von jenen Landtagen, wo Rom mit gleicher Stimme gegen das gesammte Latium, ehe man in das Feld zog, die Unternehmungen uͤberlegte und beschloß. Freylich sind diese Ferien in der histori- schen Zeit nur ein Schattenbild und eine wesenlose Foͤrm- lichkeit: wie die Curien. Aber wenn auch jedes Zeug- niß untergegangen waͤre, koͤnnte es doch nicht zweifel- haft seyn daß auch diese Nationalzusammenkuͤnfte un- moͤglich von ihrem Ursprunge her eine leere Form und ein Schattenbild seyn konnten. So lange die Republik bestand durfte der Consul erst nach dieser feyerlichen Versammlung zum Heer ab- gehen, und seine Feldherrnmacht antreten Livius XXI. c. 63. . Nicht allein das Opfer im Tempel des latiarischen Jupiters ge- nuͤgte, es bedurfte der latinischen Voͤlker Versammlung, ob sie gleich schon laͤngst, theils Buͤrger, theils Untertha- nen waren. Waͤren nun diese gemeinschaftlichen Landsge- meinden auch ganz unterbrochen gewesen so lange Latium sich von Rom getrennt hatte, so war ihre Herstellung doch eine unmittelbare Folge des erneuerten Buͤndnisses: aber eben so nothwendig war es daß Latium jetzt in einem weit bedeutenderen Verhaͤltniß zu seiner Bundesschwester stand als in jenen alten Tagen der Demuͤthigung und Zer- truͤmmerung. Wenn Livius sagt: Tarquinius habe die Latiner mit den Roͤmern in denselben Manipeln vereinigt Derselbe I. c. 52. , so ist das, wie man es auch betrachten mag, ein Zeugniß von der Sache als einer uralten Einrichtung. Er wiederhohlt dieselbe Nachricht in der Geschichte des Kriegs der La- tiums Freyheit vertilgte Derselbe VIII. c. 6. . Von der alten roͤmischen Taktik zu reden verschiebe ich bis zu dem Zeitpunkt wo sie mit der griechischen zu- sammentraf, und eine Vergleichung beyder nothwendig ist. Nur als Erlaͤuterung wie Roͤmer und Latiner in jener Zeit in den Manipeln vereinigt waren, welches auch wieder die Gleichheit beyder Nationen und ihre enge Verbindung darthut, entwickele ich hier die Ein- theilung der Legion aus Livius Schilderung der alten Kriegsordnung Livius VIII. c. 8. . Wenige Stellen der alten Schrift- steller sind mit einer so wilden Conjecturenkritik behan- delt worden als diese: wenige enthalten solche Fuͤlle von Belehrung: und sie ist schlechterdings nicht verstan- den Philologen von großer Sprachgelehrsamkeit und Bele- senheit begriffen nicht daß auch im Alterthum der Zeiten Lauf die Formen der Einrichtungen aͤnderte; daß vielmehr innere Evidenz darthun muß ob Jahrhunderte fruͤher oder spaͤter dieselben Eigenthuͤmlichkeiten bey einem mit demsel- ben Nahmen benannten Gegenstand politischer und milita- rischer Einrichtungen gedacht werden duͤrfen. Weil Poly- bius die alte Legion, wie sie vor Marius war, beschrieben hatte, so sollte seine Beschreibung fuͤr jede aͤltere Zeit gel- ten, und jede Erwaͤhnung mußte ihr gewaltsam angepaßt werden: eben als wenn man ein Bataillon des niederlaͤn- dischen oder dreyßigjaͤhrigen Kriegs fuͤr einerley mit dem hielte was wir jetzt so nennen, und der Geschichte Gewalt anthun wollte um dieses Bild hineinzutragen. . Ist es nun auch unvermeidlich anzudeuten daß Livius in einem einzelnen Punkt seine vortrefflichen Nachrichten mißdeutete, so wird dies keiner Entschul- digung beduͤrfen, indem es einen in sich vollkommen zusammenhaͤngenden, durch alle Handschriften bestaͤtig- ten Text gegen die Gewaltsamkeit einer blinden Kri- tik rettet. Nach diesem Bericht bestand die Legion am Anfang des fuͤnften Jahrhunderts aus fuͤnf verschiedenen Ab- theilungen, welche wir der bestimmten Bezeichnung we- gen, mit der Freyheit welche unsere Vorfahren sich in solchen Dingen erlaubten, Bataillons nennen koͤnnen. Es waren die Hastaten, die Principes, die Triarier, die Rorarier und die Accensi. Die drey ersten sind aus der spaͤteren Legion bekannt genug, die Rorarier waren leichte Infanterie, welche nachher mit dem Nah- men Velites eine vollkommnere Einrichtung und aus- gedehnteren Gebrauch erhielt: die Accensi eigentlich ein Depotbataillon, welches aber der Legion folgte, und vielleicht als leichte Truppe diente. Hieruͤber waͤre Li- vius, obwohl von Andern abweichend, wohl nicht ent- schieden irrig: eine arge Verwirrung aber hat er in den Elementen gemacht aus denen die Zahl der drey letzten Bataillone, und also auch der gesammten Legion her- vorgehen soll, und fuͤr diese verdient er großen Tadel. Denn er muͤßte sie bemerkt haben, und leicht haͤtte er sie dann berichtigen koͤnnen, wenn er nur die Zahlen aus- gerechnet haͤtte; wie es aber augenscheinlich ist daß er das gar nicht versucht hat, so muß dieses Beyspiel zur Rechtfertigung des Kritikers dienen, welcher ihn als Zeugen uͤber die veralteten Formen verwirft wo er nicht Aeltere kopirt. Jedes der beyden ersten Bataillone zaͤhlte funfzehn Manipeln, jedes von sechszig Gemeinen, und zwey Cen- turionen Der Vexillarius gehoͤrt unter die sechszig Gemeinen, nicht wie die Hauptleute außer ihrer Zahl. , also jedes neunhundert Gemeine und drey- ßig Centurionen. Die drey letzten, als hinter den Fah- nen in Reserve aufgestellt, waren, nach dem Schriftstel- ler den Livius vor Augen hatte, zusammen nur in funf- zehn Ordines eingetheilt: deren jeder drey Vexilla, eines von jedem Bataillon hatte: folglich also dreyfach so stark war als ein Manipulus der vorderen Treffen, naͤmlich hundert sechs und achtzig Mann, unter denen sechs Centurionen zu verstehen sind Ich verweise auf die schon angefuͤhrte Stelle, welche hier einzuruͤcken zu weitlaͤuftig ist. Lipsius sind fuͤnf und vierzig Manipeln oder Ordines ein vertilgungswerthes Aergerniß, weil die polybianische Le- gion ihrer nur dreyßig zaͤhlte; also muß anstatt quindecim zweymal decem geschrieben werden, und anstatt triginta, viginti . So verfaͤhrt er durchgehends, und ruft dabey im hoͤchsten Vergnuͤgen: Uro et seco ! Ueber eine solche chir- urgische Kritik ist nun jetzt der Stab gebrochen. Gronovius, der sich auch hier von dem Feld verirrt auf dem allein er nutzte und glaͤnzte, stimmt Lipsius in allen Dingen bey. Den argen Rechnungsfehler hat der letzte uͤbrigens auch bemerkt und geruͤgt. . Hier verwirrt sich Livius: denn er nimmt fuͤr die Staͤrke des Vexil- lum was Staͤrke des Ordo war, und macht jenen den- noch zum dritten, vielleicht zum neunten Theil des Ordo, woraus fuͤr die drey Bataillone anstatt 2700 Gemeine, eine Zahl von 8100, oder gar von 24300 entsteht, waͤh- rend er selbst die Zahl der Legion doch nur auf 5000 angiebt. Sein Irrthum ist aus bloßer Fluͤchtigkeit ent- standen, und, einmal bemerkt, kann er dem reinen Be- griff der gar nicht verwickelten Sache nicht weiter im Wege stehen. Die naͤchste Eintheilung der Bataillone sind die Ma- nipeln, jeder von sechszig Mann mit zwey Centurionen, also aus zwey Centurien bestehend, jede von dreyßig Mann. Folglich enthielten die beyden ersten Linienba- taillons sechszig Centurien, die Reserve, die Triarier, dreyßig: diese letzten waren Veterane. Erinnert man sich nun der servianischen Centurieneintheilung, so zeigt diese in den drey ersten Klassen, welche allein die Linienin- fanterie bildeten, sechszig Centurien der Juͤngeren, und sechszig der Alten, und wir finden hier daß von jeder der ersten in einer Legion dreyßig Mann dienten, von den Centurien der Alten aber immer die Haͤlfte frey vom Kriegsdienst war, wie denn auch diese ungleich schwaͤ- cher an Zahl gewesen seyn muͤssen. Fuͤr die vierte und fuͤnfte Klasse, funfzig Centu- rien, bleiben die Rorarier, dreyßig Centurien, und, nach Livius, auch die Accensi von gleicher Staͤrke. Sieht man nun jene als einen nothwendigen Theil der Legion an, diese aber fuͤr Ueberzaͤhlige, oder fuͤr ein Depot aus allen Klassen, so haͤtte von fuͤnf Centurien der Aelteren der letzten Klassen nur je eine im Felde gedient: wurden beyde Bataillone aus ihnen gefuͤllt — und die Accensi konnten ausschließlich aus ihnen bestehen, fast unbewaffnet bis sie, fuͤr die Dauer des Feldzugs, in die Nummer eines Gefallenen oder Verwundeten eintraten und seine Waffen bekamen — so waͤre auf die weit groͤ- ßere Anzahl Waffenfaͤhiger Ruͤcksicht genommen welche diese nachstehenden Klassen enthalten mußten, und ihre Juͤngeren haͤtten fuͤr jede Centurie womit sie stimmten vielleicht zwey ins Feld gesandt Dies ist mir aus den im ersten Theil S. 286. entwickel- ten Gruͤnden wahrscheinlich. Zu den Accensi koͤnnen aber auch Proletarier und andere gefuͤgt seyn. . Wir sehen also hier noch die Centurienordnung des Servius Als ich uͤber ihren Ursprung und anfaͤngliches Wesen schrieb, hatte ich sie in dieser Gestalt noch nicht wieder ent- deckt: daher sich vieles in jener Darstellung abaͤndert. An Centurien von dreyßig Mann dachte ich nicht, und wer haͤtte es wagen duͤrfen sie hypothetisch aufzustellen? , und so lange sie bestand hat auch gewiß seine Verfassung der Centurien sich erhalten: sie findet sich nicht mehr seitdem die spaͤtere Legion eingerichtet war. Freylich, wie es Livius sagt, der Phalanx ist aufgeloͤßt: aber die beweglich gemachten Grundtheile waren schon fruͤher vorhanden, die Umschaffung beginnt erst mit der Legion die Polybius erklaͤrt. Jede Centurie des Servius hatte einen Centurio Festus ni quis scivit . , so wie jede Tribus einen Tribun: und unter ihm ohne Zweifel zog ihr Contingent in den Krieg, so lange die ganze Heeresmacht in einer Legion bestand. Wenn mehrere Legionen bewaffnet wurden, sind nothwendig auch eben so viele Centurionen ernannt worden. Auch die spaͤtere Legion ward nach den Tribus con- scribirt. Hier nun deutet die Zahl dreyßig unverkennbar auf die urspruͤnglichen plebejischen Tribus, so daß fuͤr jede Centurie ein ihr angehoͤriger Buͤrger aus jeder ausgehoben ward. Als ein Theil der Regionen verlohren war, als ihre Zahl allmaͤhlich ergaͤnzt ward, ist die Form noch geblieben, aber die Anwendung nothwendig abgeaͤn- dert worden, bis man in der Form der spaͤteren Legion zu einem deutlich regelmaͤßigen Verfahren zuruͤckkehrte, wie es die veraͤnderten Umstaͤnde empfahlen. Wenn nun in denselben Legionen und in denselben Manipeln Roͤmer und Latiner verbunden waren, so laͤßt sich dies nur so verstehen daß eine roͤmische und eine lati- nische Centurie zu einem Manipel vereinigt waren, und diese Vereinigung muß eben die Entstehung dieser Ord- nungen veranlaßt haben. Einer der beyden Centurionen fuͤhrte den Befehl uͤber das Ganze Ordinem ducobat: Livius VII. c. 41. : und daß derselbe Roͤmer dieses Jahr um Jahr that L. Salonius: Livius a. a. O. , deutet an wie die- ser Vorrang bey den Hauptleuten beyder Nationen jaͤhr- lich abwechselte. So ernannten auch die Latiner Tribunen fuͤr die Legionen Derselbe VIII. c. 6. , von denen jeder eine Cohorte von sechshundert Mann, aus allen vier Abtheilungen, fuͤhrte: da die Accensi schon ihrem Nahmen nach im streng- sten Sinn wohl nicht zur Legion gerechnet wurden, — welche ohne sie eine Zahl bildet die aus den bey allen roͤmischen roͤmischen Einrichtungen wiederkehrenden Grundzahlen 12, 30 und 10 entsteht, naͤmlich 3600 Legionen von 4200 Mann (Livius VII. c. 25.) oder von 5000 (derselbe VIII. c. 8.) sind im Widerspruch mit dieser Heeresordnung, also im fuͤnften Jahrhundert auch unmoͤg- lich. Es ist bezweifelt worden daß die Ritter einer Legion, der aͤlteren Einrichtung nach, 300 gewesen waͤren (Schweig- haͤuser zu Polybius VI. c. 20.); diese Zahl folgt aber un- mittelbar aus der aͤltesten Nationaleintheilung. . Auch fuͤr Latium, das Land der dreyßig Staͤdte, ent- springt die Bildung der Centurien von dreyßig Mann, einem aus jeder Stadt, aus seiner urspruͤnglichen Verfas- sung; auch hier blieb die alte Form erhalten als sie durch die Veraͤnderungen der Zeit uneigentlich und unbequem geworden war: da sich der Bund auf sieben und vierzig Staͤdte erweitert hatte, wie zu der Zeit seiner groͤßten Verengung. Aber was so dieselbe Form traͤgt muß gleichartig seyn, und so deuten die Centurien auf Klassen, und auf die Verfassung des Servius als eine allgemeine latinische Constitution. Es zeigte sich bald daß Latiums neugewonnene Groͤße die roͤmische Herrschaft zu gruͤnden diente, obwohl da- mals eine Gleichheit bestand, welche gemeinsamen Ge- nuß der zusammen errungenen Vortheile verhieß. Rom hatte den Herrschergeist, und Rom hatte sich durch seine inneren Bewegungen und ihre Frucht, die Verfassung der Freyheit, verjuͤngt. Es stand einer Foͤderation mit dem ganzen Vortheil der Einheit gegenuͤber. Gegen das Aus- land erhob sich die noch ungestoͤrt verbundene Kraft bey- Zweiter Theil. H h der Staaten: den kleinlichen Unternehmungen der aͤlteren Zeit waren sie entwachsen: aber ein anderes Volk wuͤrde ihnen nahe Graͤnzen gesetzt haben, wenn nicht dessen Er- oberungslust Staͤdte voll Reichthum und Huͤlfsquellen aber ohne Kriegssinn zur Vereinigung mit dem neu em- porwachsenden Staat getrieben haͤtte, und wenn die Bundesverfassung in Latium nicht bald der Einheit in Roms Herrschaft gewichen waͤre. Der erste samnitische Krieg . Die Samniter waren damals in der Fuͤlle ihrer Macht: an Volksmenge und Ausdehnung des Gebiets Rom und dem ganzen latinischen Bunde weit uͤberlegen. Von dem untern Meer, wo sie Kampanien von Lucanien trennten, wohnten ihre Voͤlkerschaften bis an das obere: gegen den Liris, in dem Gebuͤrg Lucaniens, und in die Flaͤche Apuliens hinab, umfaßten ihre Graͤnzen weit mehr als den Raum welcher auf den Landcharten den Nahmen Samnium trug. Aus ihrer Mitte waren zwey Voͤlker ausgegangen welche jetzt dem Mutterlande fremd waren, die Kampaner und die Lucaner; von den Voͤlkern des eigentlichen Sam- nium hatten sich die Frentaner abgesondert. Die uͤbrigen betrachteten sich allerdings noch immer als ein Volk, meh- rere von ihnen waren auch nicht ohne Bundesobrigkeit, doch scheint es daß diese nie alle Staͤdte und Voͤlker ver- einigte. Neben einander faßte Italien Rom und Sam- nium nicht. Haͤtten die Samniter sich und den Staat den sie besiegen oder dem sie unterliegen mußten, nicht nach der Volkszahl, dem Muth und der Kriegslust allein gemessen, sondern auch nach der inneren Form welche die Kraͤfte alle beleben und anwenden sollte, haͤtten sie, wie die Italiker des siebenten Jahrhunderts ihre Souve- rainetaͤt in einer Hauptstadt zusammengezogen, als die einzige vollstaͤndige Art fester Vereinigung eines Volks durch einen Mittelpunkt deren die Voͤlker Italiens faͤhig waren, so gehoͤrte die Oberherrschaft Italiens ihrer Na- tion. Davon zeugt die verfaͤlschte und unredlich verklei- nernde Geschichte ihrer roͤmischen Kriege, ihrer felsenfe- sten Ausdauer, ihrer Leiden, und ihres Untergangs. Es laͤßt sich nicht verkennen daß sie und alle groͤßere Voͤlker Italiens durch die Thorheit fielen, um Sieg und Erhal- tung nur mit den Mitteln und Einrichtungen zu ringen welche, noch unversehrt und unerschoͤpft, im ersten Kampf den Sieg versagten, waͤhrend die Roͤmer, unablaͤs- sig den Zwecken nachdenkend, und ihnen angemessen ruͤ- stend, sich unter den feindlichen Siegen wie der kraͤftige Juͤngling unter einem harten Lehrer bildeten. Seit dem Jahr 310 war Kapua samnitisch: aber die Trennung welche sogar zwischen den Gebuͤrgsvoͤlkern herrschte, aͤußerte sich noch ungleich staͤrker zwischen ihnen und ihren Stammgenossen die im Reichthum der uͤppig- sten Stadt Italiens ihren alten Sitten fremd geworden waren. Schon nach einem Jahrhundert war zwischen den glaͤnzenden Staͤdtern, und den Hirten des Gebuͤrgs Verachtung und Haß eingewurzelt, so bitter wie einst zwischen den verweichlichten Etruskern von Vulturnum und den alten Sabellern, als diese von den Bergen her- H h 2 abstiegen, um sich den Besitz des reichsten Kleinods zu er- obern welches Italien in seinem ganzen Umfang enthaͤlt. Auch war die Entartung der kampanischen Samniter da- durch befoͤrdert daß sie nur als herrschendes Volk unter einer zahlreichen Nation lebten, den Nachkommen der alten Osker, und den uͤbrig gebliebenen Etruskern. Un- vermeidlich mußte so im Verlauf dreyer Menschenalter der alte samnitische Charakter entstellt, und die Buͤr- gerschaft sehr gemischt werden. Kapua, welches neben Rom und Karthago genannt wird, welches von der Oberherrschaft Italiens traͤumen konnte, hat dem damaligen Rom sicher weder an Groͤße noch an Volksmenge nachgestanden. Aber Volksmenge in den Ringmauern einer Stadt gab nicht das Maaß kriegerischer Macht, nicht einmal die Zahl der Freyen, nur die der Buͤrger: und diese ist zu Kapua im Ver- haͤltniß gegen Rom nothwendig klein gewesen, weil die souveraine Nation nur eine seit einem Jahrhundert be- stehende Colonie war So erklaͤrt es sich daß Kapua, ungeachtet die kampani- schen Buͤrger weggefuͤhrt wurden, gar nicht veroͤdet war. . Die der Sklaven mußte groß in der Stadt seyn in der die Gladiatoren ent- standen: und selbst die hohe Bluͤthe der Kuͤnste, welche in den alten Republiken, wenn auch von Freyen gelei- tet, doch von Sklaven ausgeuͤbt wurden, laͤßt auf ihr Uebergewicht in jeder Fabrikstadt schließen. Vielleicht be- schaͤftigte der Anbau des reichsten Gefildes der Welt auch viele Freye; aber in einer Stadt, die im hoͤchsten Luxus und der wildesten Ueppigkeit schwelgte, kann der Ackerbau nicht das ehrende Geschaͤft jedes Buͤrgers von jedem Stande gewesen seyn, wie zu Rom. Der Schweiß an der Bestellung des duͤrftigen Bodens der roͤmischen Feldmark bildete Maͤnner, und jene freyen Landleute die keine Versuchung und keine Leidenschaft vom Wege der strengen Pflicht ablockte: Kampaniens fette Fluren ge- waͤhrten unerschoͤpflichen Reichthum, drey Erndten folg- ten sich im Jahr, dem Getraide war an Vortrefflichkeit wie an Fuͤlle der Frucht kein andres zu vergleichen, Wein und Oel uͤbertrafen alles was Italien hervorbrachte: aber die Besitzer dieses seligen Landes entarteten in ihm. Die Schilderung der scheußlichen Unsittlichkeit Kapuas ist keine Erdichtung des roͤmischen Hasses; die kalte Grausamkeit der Kampaner beweißt, bey einem so gebildeten Volk, jene unmaͤßige Wollust deren sie angeklagt werden; und die Entschlossenheit ihrer Vertheidigung als keine Rettung außer in der Ausdauer, sie aber gar nicht hoffnungslos war, waͤhrend niemand sich uͤber die Folgen einer Capitu- lation taͤuschen konnte, diese waͤscht den Schimpf der Feig- heit nicht ab, welchen Roms Geschichtschreiber freylich uͤber viele Voͤlker oft sehr unverdient aussprechen. Eine Stadt deren Hauptgasse, — die Seplasia —, von Laͤ- den eingefaßt war, in denen Salben und Wohlgeruͤche feil standen; eine Stadt in der Ueppigkeit fortlebte als uͤber ihre Angesehenen das schrecklichste Gericht ergangen, und nur noch der niedrigste Poͤbel in ihr zuruͤckgelassen war: in der ein solcher Senat und ein solches Volk mit einander haderten wie sie Pacuvius Calavius am Anfang des hannibalischen Kriegs gegen einander miß- brauchte: in der das Volk so schamlos aller Achtung ge- gen die Regierung vergaß, aus Gefuͤhllosigkeit gegen ihre Wuͤrde, nicht aus Unwillen uͤber ihre Entweihung durch Unwuͤrdige: eine solche Stadt ist in der Geschichte gerich- tet. Aber wir muͤssen nicht verschweigen daß die bilden- den Kuͤnste in Kampanien die Hoͤhe griechischer Vortreff- lichkeit erlangt hatten: weder die Gemaͤhlde noch Muͤnzen stehen griechischer Kunst nach: die Kuͤnstler hatten das Idealische gefaßt, dem die Etrusker stets fremd blieben: sie arbeiteten groß und leicht; die mechanische Ausfuͤhrung ist so vortrefflich als das gedachte Bild, welches der Kuͤnst- ler aus seiner Seele darzustellen strebte. Der Gebrauch der griechischen Sprache auf den Muͤnzen beweißt eine ganz allgemeine Kenntniß, und die griechische Mytholo- gie der Kunstwerke laͤßt auf Vertraulichkeit mit der Poesie Griechenlands unfehlbar schließen: aber diese Litteratur war nur eingeimpft, und es hat sich auch nicht das leiseste Andenken irgend eines kampanischen Dichters oder Schriftstellers in griechischer Sprache erhalten, ob- gleich es gewiß daran nicht fehlte. An eigenthuͤmlicher Litteratur hatten sie burleske Komoͤdien, die Atellanen, welche gewoͤhnlich improvisirt geworden zu seyn schei- nen, und an deren Darstellungen, Nachahmungen oder Uebersetzungen, das roͤmische Publicum lebhaftes Wohl- gefallen hatte. Allerdings bedeutet der Nahme Kampaner, Buͤrger von Kapua: aber auf die Stadt ist er nicht eingeschraͤnkt. Eine Landschaft Kampanien hatte schon das damalige Ita- lien, freylich in weit engeren Graͤnzen als die zu denen es als Region bis an den Liris erweitert ward. Kapua war einst kriegerisch gewesen, und es befand sich, nach dem italischen Voͤlkerrecht, im Besitz weitlaͤuftiger Land- schaften. Außer der eigentlichen kampanischen Feldmark, den phlegraͤischen Feldern, gehoͤrten der Stadt, was wir namentlich kennen, der Falerner District, das Stellati- sche Feld, und die Bezirke von Vulturnum, Liternum, und dem altgriechischen Dikaͤarchia Salernum und Buxentum, welche durch den Untergang des kampanischen Staats an Rom verfielen, koͤnnen zu der Zeit von der hier geredet wird noch nicht ihr Eigenthum gewesen seyn: wann sie es wahrscheinlich geworden sind wird spaͤter angegeben werden. . Aber außer die- sem eigenthuͤmlichen Besitz Kapuas gehoͤren zu Kampanien die Staͤdte welche, in einem Halbkreis um ihr Haupt gele- gen, ebenfalls von Sabellern beherrscht wurden, ehemals griechisch oder tuskisch-oskisch gewesen waren. Die sou- verainen Buͤrgerschaften zu Kumaͤ, Atella, Acerraͤ, Cala- tia, Suessula, waren gleiches Stamms; sie waren frey, und standen zu Kapua in einem aͤhnlichen Verhaͤltniß wie die latinischen Staͤdte zu Rom. Nuceria und Nola, sa- bellische Colonieen derselben Art, groß und volkreich, wa- ren als samnitische Orte dem Muttervolk treu. Die Samniter breiteten sich damals erobernd vom Vulturnus gegen den Liris aus: uͤber eine Landschaft wo alte ausonische Staͤmme sich gegen die Voͤlkerwanderun- gen welche in dem benachbarten Kampanien neue Staaten gruͤndeten, unverletzt behauptet hatten. Unter diesen wa- ren die Sidiciner das bedeutendste Volk, ihre Stadt Tea- num hieß, selbst unter den weitlaͤuftigen Staͤdten Ita- liens, groß Strabo V. c. 3. §. 9. , und ihr Gebiet erstreckte sich einst bis Fregellaͤ Livius VIII. c. 22. . Doch als die Samniter sie uͤberzogen, ver- zagten sie an ihrer eigenen Kraft, und suchten Huͤlfe bey den Kampanern. Es ist sonderbar daß, waͤhrend Italiens kriegerische Voͤlker auf die kampanischen Legionen mit Verachtung sa- hen, diese im vierten und fuͤnften Jahrhundert unter den fremden Corps welche in Sicilien ihre Dienste verkauften, so sehr bedeutend sind Unter den kampanischen Regimentern sind uͤbrigens im Verlauf der Zeit andre Nationen (Samniter und Luca- ner) wohl so vorherrschend an Zahl geworden, wie Fremde aller Voͤlker unter den Wallonischen Regimentern Spa- niens. Die Roͤmer litten keine fremde Werbungen, und werden sie auch in Kampanien verboten haben sobald sie dort herrschten. Daher ist nach Agathokles Tode nicht mehr von Kampanern die Rede sondern von Mamertinern, als dem allgemeinen Nahmen der sabellischen Miethsoldaten. Im fuͤnften Jahrhundert finden sich auch tyrrhenische Trup- pen auf Sicilien in verdungenem Dienst, nicht fruͤher. , ohne daß ihr Muth oder ihre Kriegszucht getadelt wuͤrde, wohl aber ihre Treue. Denn kein andrer barbarischer Haufe folgte so frevelhaft dem Meistbietenden, ohne den mindesten Sinn fuͤr Kriegsehre. Furchtbar waren sie den Staͤdten wo sie in Quartieren la- gen; unaufhoͤrlich versuchten sie sich ihrer zu bemeistern, und wenn es ihnen gelang so verfuhren sie nicht als Ero- berer sondern als Raͤuber: sie ermordeten die Maͤnner, und theilten sich Weiber und Kinder. So anlockend war der Dienst in Sicilien fuͤr das lose Gesindel dieser Gegen- den, daß Plato sagt, es sey zu seiner Zeit Gefahr gewe- sen daß die Griechen der Insel ausgerottet, und ihre Staͤdte punisch oder oskisch wuͤrden Plato Ep. VII. p. 353. e. . So hatten sie sich schon Meister von Entella gemacht, und bewohnten auch Aetna. Jenen wilden Freywilligen waren die Mili- zen des reichen Kapua nur durch den Rahmen aͤhnlich. Sie wurden von den Samnitern im ersten Treffen bey Teanum geschlagen, und retirirten nach ihrer Hauptstadt. Die Sieger folgten, den Krieg gegen die Sidiciner ver- schiebend: sie gingen uͤber den Vulturnus, und lagerten sich auf dem Gebuͤrg Tifata, welches Kapua uͤber- schaut. Von hier verheerten sie die reiche Ebene rings um die Stadt, bis die Flammen der Hoͤfe und Landhaͤu- ser die Kampaner in das Feld lockten, und den Samni- tern eine gewuͤnschte neue Schlacht gewaͤhrten. Ein zwey- ter leichter Sieg, Beute und Verheerung, scheinen ih- nen genuͤgt zu haben. Sie unternahmen die Belage- rung nicht, und der Zusammenhang der Erzaͤhlung zeigt daß sie sogar das Gebiet Kapuas gaͤnzlich verließen. Wahrscheinlich dienten ihre Soldaten als Aufgebot, ohne Sold, fuͤr die Beute: daher ihre Feldzuͤge nie den Zu- sammenhang und die Dauer der roͤmischen hatten: ihre Eroberungen waren groͤßtentheils mit dem Ungestuͤm einer Voͤlkerwanderung ausgefuͤhrt. Kapua hatte von einer Belagerung wohl wenig zu besorgen; aber alle Reichthuͤmer seines Gebiets lagen ohne Schutz jaͤhrlichen Einbruͤchen der Samniter offen. Nur das Buͤndniß eines maͤchtigen Staats konnte sie von der Wahl zwischen diesem Ungluͤck, oder einem Frieden wie ihn der Sieger vorschrieb, befreyen. Sie wandten ihre Blicke, wie Livius sagt, auf Rom, welches allein den Kampf mit Samnitern bestehen konnte, und konnte wagen wollen. Aber seit dem Jahre 401 wa- ren beide Nationen durch ein Buͤndniß vereinigt, wozu, außer der Annaͤherung ihrer, sonst durch nicht unbedeu- tende Voͤlker getrennten Graͤnzen, auch die in jenem Zeit- raum vorzuͤglich furchtbare Gefahr von den Galliern, Ver- anlassung gewesen zu seyn scheint. Freylich war ein Buͤndniß, im Sinn der italischen Voͤlker, im Allgemei- nen ein Vertrag durch den zwey Staaten in bestimmte Verhaͤltnisse zu einander traten; bey weitem nicht immer ein Huͤlfstractat. Nach den Begriffen jenes Voͤlkerrechts konnte in einem fremden Staat niemand in seiner eigenen Person aus irgend einem Geschaͤft oder Vertrag Rechte ausuͤben, wenn nicht das Volk dem er angehoͤrte dies durch gegenseitige ausdruͤckliche Zusicherung gewonnen hatte. Wie Voͤlker die sich bekriegt hatten eines Buͤnd- nisses bedurften um wieder in gesetzliche Verhaͤltnisse ge- gen einander zu treten, so bedurften es auch die zwischen denen zuerst Beziehungen entstanden. Dann beschraͤnk- ten sie sich auch gegenseitig ihr Kriegsrecht; welche Orte es jedem erlaubt sey anzugreifen und sich zu unterwer- fen; welche jeder Staat als seine kuͤnftigen Unterthanen im Gemuͤth occupirt hatte; wo dann der andere allerdings befugt war, wenn Krieg ihn so weit fuͤhrte, Eroberungen zu machen, doch durfte er nur Menschen und Habe weg- fuͤhren, die Staͤdte und den Boden verpflichtete er sich seinem Verbuͤndeten einzuraͤumen Das erhellt aus den alten Tractaten zwischen Rom und Karthago, und in Hinsicht auf Samnium aus Livius VIII. c. 1. Pacem — bellique jus adversus Sidicinos petierunt . . Kapua hatte ohne Zweifel bedeutenden Verkehr mit Rom, das Gegentheil ist in der That undenkbar, und schon der Nahme der Porta Capena ist erweisend: es muß also auch einen Vertrag gehabt, dieser aber bloß Eigenthumsverhaͤltnisse betroffen haben; schwerlich kann man Livius glauben daß der Roͤ- mer samnitisches Buͤndniß uͤber Kampanien schwieg. Er verfaͤlschte die Wahrheit, ich glaube in seiner eigenen Ueberzeugung, wo die aͤlteren Annalisten vielleicht einen Schleyer gezogen hatten, aus dem liebenswuͤrdigen Wunsch die Roͤmer alter Tage fleckenlos gerecht zu sehen: und diese Verfaͤlschung verbreitet sich uͤber die ganze Er- zaͤhlung auch des latinischen Kriegs welcher aus dem sam- nitischen entstand. Denn er aͤndert die Wahrheit der bei- den Angelpunkte dieser Ereignisse. Nach Livius Darstellung war es Rom allein, La- tiums rechtmaͤßiges souveraines Haupt, damals aber von einer Empoͤrung seiner Unterthanen bedroht, unter dessen Botmaͤßigkeit sich die Kampaner begaben. Nun waͤre es aber doch das ungeheuerste Mißverhaͤltniß der Kraͤfte ge- wesen, wenn Rom ohne Latium es unternommen haͤtte in diese weit entlegnen Gegenden, gegen eine Nation wie die samnitische, Heere zu senden. Es ist vor allem nicht denkbar daß diese verwegne Unternehmung gewagt waͤre, wenn nicht wenigstens das hoͤchste Vertrauen auf die Treue der Latiner geherrscht haͤtte. Rom war verlohren wenn diese sich fuͤr Samnium erklaͤrten waͤhrend die roͤmischen Heere am untern Vulturnus standen; wenigstens das ganze Gebiet der Republik haͤtte ihnen wehrlos offen gele- gen. Denn eben jetzt stand Latium in junger Staͤrke. Die Latiner aber sind in den Krieg gegen die Samniter verwickelt Livius VIII. c. 2. . Das Jahr 413, in dem die roͤmische Armee sich empoͤrte, vergeht auf eine ganz unerklaͤrliche Weise, ohne irgend einen Kriegsvorfall gegen die Sam- niter: ohne daß diese den Verlust des vorigen Feldzugs durch Benutzung der roͤmischen Unthaͤtigkeit zu ersetzen versucht haͤtten: der Consul des folgenden Jahrs fuͤhrt die roͤmische Armee vielmehr nach Samnium, so daß die Fruͤchte der fruͤheren Siege durch jene Wehrlosigkeit nicht verlohren waren. Eben so wenig benutzen die Latiner, welche schon im vorigen Jahr zum roͤmischen Krieg ge- ruͤstet gewesen seyn sollen Derselbe VII. c. 38. , diesen Zeitpunkt. Die Heere welche im Jahr 412 uͤber die Herrschaft Kampa- niens kaͤmpfen, sind aͤußerst zahlreich, wenn auch die angegebenen Zahlen uͤbertrieben seyn sollten, nach denen beiden roͤmischen Armeen hunderttausend Samniter ent- gegengestanden haben muͤßten; ein Feind, den einige Le- gionen allein zuverlaͤssig nicht so besiegen konnten. Bey dem Ausbruch des latinischen Kriegs wird mit einer Be- stimmtheit, die sehr von der willkuͤhrlichen Ansicht eines Annalisten verschieden ist, bemerkt: es sey wie ein Buͤr- gerkrieg gewesen, denn die Offiziere haͤtten haͤufig in denselben Legionen als Collegen, die Soldaten neben einander in denselben Manipeln gedient Livius VIII. c. 6. 8. . Livius sezt voraus, die Latiner haͤtten im Jahr 406, also neun Jahre vor diesem Kriege, ihr Contingent verweigert, und seitdem bestaͤndig den Krieg gegen Rom vorbereitet, am wenigsten also Truppen gegeben Derselbe VII. c. 25. 27. 28. 38. 42. VIII. c. 4. In der letzten Stelle sagt derselbe Schriftsteller welcher seit der gal- lischen Zeit immer von latinischen Kriegen, und unter dem Jahr 397 von dem Friedensschluß geredet hat, in der Per- son des Praͤtors Annius, die Weigerung (von 406) habe eine zweyhundertjaͤhrige Sitte gebrochen. Bedarf es eine weitere Rechtfertigung, neben so vielen schon gehaͤuften, wenn wir uns von Livius Inconsequenz, Fluͤchtigkeit und Wider- spruͤchen unabhaͤngig machen, sein Urtheil und seine Ansicht uͤber die alte Geschichte ganz verwerfen, und nur die Ma- terialien aus ihm hervorsuchen, denen er zum Gluͤck sehr oft, eilfertig zusammenfuͤgend, ihre mit seiner Anordnung gar nicht zu vereinigende Gestalt ließ? . Nun aber war nach ihm selbst das Buͤndniß erst 397 erneuert — ich erinnere daran daß er da von einem Friedensschluß redet — dieser Zeitraum von neun Jahren konnte doch keine solche Vertraulichkeit stiften, wenn wieder eben so viele in feindseliger Absonderung verflossen waͤren. Es ist fer- ner zu beachten daß die Marser und Peligner der Sam- niter Freunde waren Livius VIII. c. 6. , aber das Land der letztge- nannten uͤberzogen die Latiner waͤhrend des ersten Feld- zugs Derselbe VII. c. 38. . Verfaͤlscht ist ebenfalls, ohne allen Zweifel, Livius Darstellung, Rom habe gewissenhaft das Buͤndniß der Kampaner abgelehnt: als aber ihre Abgesandten ihr Va- terland der Republik zum Eigenthum uͤbergeben haͤtten, als Gewissenssache, den Schutz der Unterthanen, als eine hoͤhere Verpflichtung, dem samnitischen Buͤndniß vorge- zogen. Kapua stand zu Rom nicht in diesem Verhaͤlt- niß der Unterthaͤnigkeit; es haͤtte nach Livius eigener Ansicht schon damals, so gut als zwey Jahre spaͤter, ein gleiches Buͤndniß mit den Latinern schließen koͤn- nen, welche dem wahrlich stark genug scheinen mußten sie zu schuͤtzen, der uns erzaͤhlt wie ihr mit den Kam- panern vereinigtes Heer die Samniter zu muthloser Ver- zweiflung und zu den demuͤthigsten Bitten gegen Rom trieb. An eigentlichen Unterthanen wuͤrden denn auch die Roͤmer Abfall ganz anders geahndet haben als Ka- puas Strafe nach dem latinischen Kriege fiel. Auf diese Enthuͤllung der inneren Unwahrheit der livianischen Erzaͤhlung, neben ihrer Wiederholung, muͤßte sich meine Geschichte auch jetzt, wie schon so oft, be- schraͤnken, wenn wir nicht hier die Wahrheit der Grund- punkte denen bey Livius falsche untergeschoben sind, wuͤßten, oder uns doch nicht uͤber sie taͤuschen koͤnnten; und wenn nicht die ziemlich ausfuͤhrlich erhaltene Kunde der einzelnen Begebenheiten eine Herstellung ihrer ge- flissentlich zerstoͤrten Umrisse beguͤnstigte. Ich wage diese: uͤberzeugt daß sie der Wahrheit weit naͤher stehen wird als die Erzaͤhlung welche sich fuͤr historisch ausgiebt: aber auch wohlwissend daß sich zwar das Erdichtete sicher erkennen und fortschaffen, aber das Zerstoͤrte, wel- ches ihm aufgeopfert ward, meistens nur hypothetisch in die dann sichtbaren Luͤcken hineinzeichnen laͤßt. Des- wegen ist doch der Versuch nicht zu tadeln, und der Geschichte ist eine erzaͤhlende Darstellung des Hergangs jener großen Begebenheiten unentbehrlich, wodurch Rom jene Hoͤhe erstieg von der es nach Italiens Reich stre- ben konnte. Die Goͤtter versagten sich Pelops Wieder- belebung nicht obwohl sie ihm die elfenbeinerne Schul- ter geben mußten. Unsere Arbeit ist aber vielmehr der eines Naturforschers zu vergleichen der ein betruͤgerisch zusammengesetztes Skelett fossiler Knochen von den fal- schen Zusaͤtzen befreyte: fuͤr das nun fehlende, wenn ihm das Gluͤck diente, Ergaͤnzungen schaffte, und aus dem aufgefaßten Begriff des Baus, die einst lebendige Gestalt in ihren Umrissen zeichnete. Er selbst wuͤrde sich bescheiden daß er in einzelnen Verbindungen irren koͤnne, und daß es ihm und jedem unmoͤglich sey durch Divi- nation das Auge, die Farbe, und die eigentliche Form des Lebens in allen beweglichen Theilen zu errathen; dennoch haͤtte er der Wissenschaft genutzt. Im Jahr 412 erschienen kampanische Gesandte vor der roͤmischen und latinischen Landesgemeinde um als Bundesgenossen aufgenommen zu werden, und Schutz gegen die siegenden Samniter zu erhalten. Kapua bot den Beytritt der reichsten Stadt Italiens und ihrer Verbuͤndeten dar, ein weitlaͤuftiges Gebiet, und alles was Ehrsucht locken konnte. Mit ihnen wurden, wahr- scheinlich, die Sidiciner als fremde Bundesgenossen auf- genommen, und alle diese Voͤlker traten so zu dem gro- ßen Staat, den schon fruͤher die Furcht welche vor den Samnitern herging erweitert hatte, dessen Oberbefehl in jenem Jahre Rom fuͤhrte. Der Senat ließ den Samnitern das abgeschlossene Buͤndniß mit Kapua anzeigen, und forderte daß alle Feindseligkeiten gegen die Kampaner und Sidiciner Sonst wuͤrden die Samniter sich im Friedensschluß von 414 das Recht des Kriegs gegen die Sidiciner nicht ausbe- dungen haben. Livius VIII. c. 1. eingestellt wuͤrden. Die Samniter aber erkannten in der Verbuͤndung mit ihren erklaͤrten Feinden einen Friedens- bruch; stolz nahmen sie den Krieg an, und ihre Cohor- ten zogen vor den Augen der roͤmischen Gesandten nach Kampanien. Beyde Consuln fuͤhrten Heere dorthin; eines be- stimmt die Feinde aus dem Lande der Bundesgenossen zu vertreiben, unter M. Valerius Corvus: das zweyte durch Eroberung der Gebuͤrgspaͤsse die Gegend von Ka- pua zu decken, und die Verwuͤstungen des Kriegs nach Samnium selbst zu tragen. Valerius fand die Feinde zwischen dem Vulturnus und dem Meerbusen von Neapel ausgebreitet, wo die Griechen von Parthenope, wie immer der naͤchste Furcht- bare zur Verbuͤndung mit seinem Feinde treibt, von den Kampanern, den Verwuͤstern ihres Mutterstaats bedroht, mit ihnen im Buͤndniß standen Livius VIII. c. 22. Dionysius Exc. de Legat. p. 2324. ed. R. . Der roͤmische Con- sul sul nahm sein Lager uͤber Kumaͤ, auf dem uͤber den Lucri- nersee hervorragenden, damals fruchtbaren und waldrei- chen, jetzt, seit der Saracenen Zeit, nackten und wuͤsten Berge Gaurus Fuͤr diesen, gegen einen andern Berg gleiches Nahmens bey Nuceria (Eckhel Doctr. num. I. p. 114.) entscheiden die Vorfaͤlle nach der Schlacht. Waͤre sie in der Gegend von Nuceria vorgefallen, so wuͤrden die Samniter nach Suessula vorgeruͤckt, nicht zuruͤckgewichen seyn. : eine Stellung die theils durch ihre ausgesuchte Festigkeit auf Vertheidigungskrieg deutet, theils eine erzwungene Wahl verraͤth, weil sie ein Winkel ist wohin sich nur ein zuruͤckgedraͤngtes Heer begeben wuͤrde; wo, fast umringt von der See, abgeschnitten von Kapua, den tiefen Vulturnus auf der Straße nach Rom, das roͤmische Heer nach einer Niederlage rettungslos ver- lohren war. Die Geschichte der ersten Vorfaͤlle des Feld- zugs, welche Gefechte den Consul zwangen bis in diese gefaͤhrliche Lage zu weichen, und den Samnitern das Siegsvertrauen gaben, mit dem sie ungestuͤm zum Angriff eilten sobald sie das consularische Heer erblickten; diese Geschichte ist, wie fast alles wodurch uns die samnitischen Kriege begreiflicher werden wuͤrden, in ewige Nacht gehuͤllt. Die Schlacht am Gaurus, wie selten sie auch ge- nannt wird, gehoͤrt zu den merkwuͤrdlgsten der Weltge- schichte: sie entschied als Praͤrogative uͤber den großen Kampf der jetzt zwischen Sabellern und Latinern uͤber der Welt Herrschaft angehoben hatte. An Muth waren die Samniter den Roͤmern gleich: an Bewaffnung noch uͤber- Zweiter Theil. J i legen; denn von ihnen entlehnten diese erst die ausgezeich- net vorzuͤglichsten ihrer Waffen Sallustius Catil. c. 51. . Auch Kriegskunst entschied an diesem Tage nicht, nur Ausdauer, und wahrscheinlich die Verzweiflung des Heers welches siegen mußte um nicht vertilgt zu werden. Die Samniter, als Bergbewohner, hatten ihre ganze Staͤrke in der Infan- terie. Die Reuterey der Roͤmer, immer ihre schlechteste Waffe, versuchte vergebens die eisernen Reihen zu durch- brechen. Aber die roͤmischen Ritter waren die Bluͤthe der Nation, und der Legionen sobald sie zu Fuß dienten. Ihre Todesverachtung entfernte jede Furchtsamkeit aus der Seele des Fußknechts, wie die Aufopferung der Offi- ziere wenn sie im Moment der Noth voran treten. Tau- sende waren bey den samnitischen Fahnen gefallen, welche die Roͤmer mit unaufhoͤrlich erneuerter Anstrengung stuͤrmten: beyde Heere waren, nach Livius schoͤnem Aus- druck, entschlossen sich nur vom Tode besiegen zu lassen: der Tag war weit vorgeruͤckt: noch schwankte keins der beyden Heere; da entschied ein letzter verzweiflungsvoller Angriff der Roͤmer. Die Samniter wichen, und unor- dentliche Flucht verbreitete sich, ehe ihr verschanztes La- ger sie aufnahm. Dieses raͤumten sie in der Nacht, und gaben dem Sieger Preis was nicht fortzuschaffen war. Die samnitischen Soldaten dieser Schlacht haben nachher gesagt: es habe ihnen gedaͤucht, die Augen der Roͤmer brennten: ihre Minen haͤtten Wahnsinn geredet: vor die- sem Anblick waͤren sie geflohen. Vom Gaurus zog das samnitische Heer sich auf Sues- sula zuruͤck, am Fuß der Huͤgel gelegen, auf der Straße die von Kapua nach Nola fuͤhrt. Im feindlichen Lande, in dieser gedraͤngt bewohnten Ebene, durchschnitten von Canaͤlen, durchkreuzt von dichten Baumpflanzungen, ward der Ruͤckzug hinter Verhacken, abgeworfenen Bruͤk- ken und brennenden Doͤrfern leicht gedeckt. Valerius war als Sieger von den frohlockenden Kampanern empfangen worden; aber es erwartete ihn noch ein zweyter Kampf ehe das Land vom Feinde befreyt war. Waͤhrend er am Gaurus siegte, brachte die Unkunde und Unbesonnenheit seines Collegen A. Cornelius Cossus das ihm anvertraute Heer in die aͤußerste Gefahr; in den- selben oder benachbarten Bergpaͤssen wo Rom, ein und zwanzig Jahre spaͤter, die Caudinische Schmach betraf. Samniums Graͤnze lag nahe an Kapua: die erste Stadt war Saticula: von dort fuͤhrte der Weg uͤber die Gebirge nach Beneventum, in fruchtreiche und lachende Thaͤler. Die Bergreihen des Apenninus laufen hier parallel von Nor- den in einer suͤdlichen Richtung: zwischen ihnen liegen wohlgewaͤsserte Gefilde, die Straße uͤbersteigt die Berg- ruͤcken, und durchschneidet die von ihnen eingeschlossenen Thaͤler Vergl. Livius IX. c. 2. mit der an sich kaum verstaͤndli- chen Erzaͤhlung VII. c. 34. . Auf diesem Verderben drohenden Weg fuͤhrte der Consul sein Heer sorglos, weil, was ihn haͤtte beunruhi- gen sollen, kein Feind sichtbar war. Als aber die Spitze der Colonne schon das Thal erreicht hatte, erblickte man die Samniter auf der Hoͤhe des Bergruͤckens von dem sie J i 2 herabstieg, seitwaͤrts im Walde der das ganze Gebuͤrg und seine Soͤhne deckte Ich gebe die einzige Darstellung der von Livius erzaͤhlten Begebenheit welche fuͤr mich nach vielfacher Ueberlegung denkbar ist. . Es war ein ganzes Heer, und schon bewegte sich dieses um den Nachzug anzugrei- fen: der Weg uͤber die gegenuͤberstehenden Berge war gesperrt. Es gab keine Rettung als nur auf seinen Schrit- ten zuruͤckzukehren: aber ehe dies gelang, konnte schon der Ruͤckweg abgeschnitten seyn. In dieser entsetzlichen Gefahr erbot sich der Tribun P. Decius mit den Hastaten und den Principes seiner Legion, achtzehnhundert Mann, eine Berghoͤhe einzunehmen, die auf dem Wege woher die Samniter andrangen hervorragte. Es gelang ihm sie vor den Feinden zu erreichen. Von diesem kleinen Corps aus der Hoͤhe mit jeglichem Geschoß angegriffen, machten sie Halt, um es zu vertreiben. Der heftigste Widerstand, und freywillige Angriffe der Roͤmer hielten das ganze Heer auf, bis der unwiederbringliche Augenblick verlohren war, und die roͤmische Armee den Berg wieder gewonnen hatte, von dem sie in sicherer Ordnung in eine bessere Stel- lung zuruͤckkehrte. Indessen behauptete sich Decius mit den Seinigen in unaufhoͤrlichem Gefecht, bis die Nacht einbrach und die Samniter sich um den Huͤgel herlagerten. Hier uͤber- ließen sie sich dem Schlaf: um die zweite Nachtwache stie- gen die Roͤmer herab, um sich einen Weg durch die Feinde zum Heer des Consuls zu bahnen. Sie waren schon in der Samniter Mitte als sie entdeckt wurden: ihr Muth verließ sie nicht, und fuͤhrte sie gluͤcklich an das Ziel. Als sie dem Lager nahe waren, ließ Decius sie Halt machen bis es tage: es gezieme sich nicht daß solche Maͤnner unter dem Schatten der Nacht zuruͤckkehrten. Da das Heer erfuhr, die, welche sich fuͤr sein Heil dem Tode dargebo- ten, waͤren erhalten und nahe, eilte ihnen alles entgegen: der Tribun zog im Glanz eines freywilligen Triumphs in das Lager ein; und der Consul begruͤßte ihn mit oͤffentli- chem Dank. Aber Decius unterbrach die muͤßige Lobrede: es sey die Zeit, der Feinde Bestuͤrzung ob ihrer zwiefachen Taͤuschung zu benutzen. Ungesaͤumt sollen die Legionen gegen die Berge gefuͤhrt, viele Feinde zerstreut niederge- macht, viele entflohen seyn. Dreyßigtausend, die sich in das Lager geworfen, waͤren allzumal darin niederge- hauen. Diesen Sieg erzaͤhle ich zweifelnd, weil nicht auf die entfernteste Weise angedeutet wird daß der Zweck des Zugs, Samniums Verheerung, verfolgt ward; welches doch nach einem solchen Vortheil haͤtte geschehen muͤssen. Der Triumph des Consuls beweißt ihn nicht: denn er theilte ohne Zweifel die Schlacht von Suessula. Freylich koͤnnte man auch muthmaßen, es sey der Ruͤckzug seines Collegen bis Kumaͤ gewesen welcher ihn genoͤthigt haͤtte der Benutzung des Siegs zu entsagen. Es scheint mir glaublich daß die mit denen A. Cor- nelius focht, ein Aufgebot waren welches die Hei- math deckte, waͤhrend der Kern der Armee auf feind- lichem Boden den Krieg fuͤhrte. Es erfreut, die Belohnungen welche Decius und die Seinigen empfingen, nach dem roͤmischen Geschichtschrei- ber zu erzaͤhlen. Der Tribun erhielt, außer andern ge- woͤhnlichen Ehrenzeichen, einen goldenen Kranz, hundert Rinder, und einen ausgezeichneten weißen Stier mit ver- goldeten Hoͤrnern. Dies war vor Alters die hoͤchste Beloh- nung. Die Soldaten empfingen auf immer doppelte Portio- nen, jeder zwey Kleider, und einen Ochsen. Die Ar- mee, das Geschenk des Consuls mit lautem Geschrey billigend, uͤberreichte Decius einen von Gras gewunde- nen Kranz, den Ehrenlohn desjenigen der ein Heer aus Feindes Gewalt und Belagerung befreyte: einen glei- chen weihten ihm seine Gefaͤhrten. Er brachte den Opfer- stier dem Kriegsgott dar, die hundert Rinder schenkte er seinen Soldaten; und um ihr Fest zu vollenden, gab jeder Soldat des uͤbrigen Heers ihnen ein Pfund Korn und einen Schoppen Wein. Gegen Suessula muͤssen beyde roͤmische Heere unter Valerius Oberbefehl vereinigt gewesen seyn, weil dieser, den Feind von dort verfolgend, zwey Legionen zuruͤck- ließ: mehrere aber, außer den Huͤlfstruppen, zaͤhlte ein consularisches Armeecorps nach der alten Einrichtung nicht, also daß deren zwey vereinigt gewesen seyn muͤssen. Dort hatte sich das am Gaurus geschlagene Heer gesetzt, durch zahlreiche Aushebungen hergestellt, und fuhr fort Kampanien zu verwuͤsten. So vorsichtig als entschlossen, wagte es Valerius nicht das feste Lager an- zugreifen: er schickte allen Troß fort, welcher in Ka- puas Naͤhe um so leichter entbehrlich war, und bezog ein enges Lager welches nur die Bewaffneten, vermuth- lich, wie das Lager der Consuln C. Claudius und M. Livius, beyde Armeen faßte. Getaͤuscht durch den Schein, und die Zahl der Soldaten berechnend wie ein Lager dieses Umfangs sie zu enthalten pflegte, sehnten sich die Samniter es zu stuͤrmen: ihre Feldherrn gestatteten es nicht. Lange scheinen sich die Heere gegenuͤber gelegen zu haben: einreißender Mangel noͤthigte die Samniter das Land um Vorraͤthe zu durchstreifen. Die Unthaͤ- tigkeit des Consuls ermunterte sie solche Zuͤge in wei- terem Umfang zu wagen: dies war sein Zweck. Er bemaͤchtigte sich nun des schwachvertheidigten Lagers: zwey Legionen blieben zur Besatzung zuruͤck; das uͤbrige Heer theilte sich die zerstreuten Corps der Samniter anzugreifen, und ihnen Vereinigung oder Ruͤckzug ab- zuschneiden. Alles gelang: die, welche in Schlacht- ordnung am Gaurus bis auf den Tod gefochten hat- ten, fluͤchteten bestuͤrzt, oder streckten die Waffen. Vier- zigtausend Schilde, von Todten und Fluͤchtlingen, und hundert und siebzig Fahnen, sollen vor dem Consul auf- gehaͤuft worden seyn: freylich sind die roͤmischen Anga- ben erbeuteter Trophaͤen selten frey vom Verdacht eini- ger Uebertreibung. Solche Triumphe wie dieser Consuln hatte Rom noch nie gesehen. M. Valerius war der erste Feldherr seines Zeital- ters Livius VIII. c. 16. ; aber nicht weniger maͤchtig im Heer durch Lie- benswuͤrdigkeit als durch Bewunderung und Vertrauen. In den edeln Spielen, die statt der Wuͤrfel der rohen Horden des dreyßigjaͤhrigen Kriegs Wie ihre Sitten mit der alleranschaulichsten Wahrheit im Simplicissimus geschildert sind. den roͤmischen Soldaten im Lager ergoͤtzten, im Lauf, im Sprung, im Aufrichten schwerer Hebel Sallustius Fragm. Histor. p. 284. ed. Bip . , maß er sich, als Feld- herr, außer den Stunden des ernsten Befehls, mit je- dem Soldaten: er neckte sie vertraulich, und hoͤrte un- beleidigt den soldatischen Scherz Livius VII. c. 33. . Er war die Zu- versicht seiner Nation im Krieg und im Staat, er ver- mittelte den endlichen Frieden der Staͤnde. Sein Le- ben war beyspiellos durch reiche Fuͤlle von Gluͤck, und dessen langen Genuß. Im neun und zwanzigsten Jahr siegte er uͤber die Samniter, im drey und zwanzigsten war er zu seinem ersten Consulat erwaͤhlt: sechs und vierzig Jahre nachher bekleidete er das sechste; nicht als ein bloßes Geschenk der Volksliebe, sondern weil die Republik in einer sehr schwierigen Zeit den alten Hel- den aufrief. Es ist suͤß fuͤr eine große Seele aus we- nigen Proben in fruͤher Jugend erkannt, und aus der gewoͤhnlichen Reihe auf ihre eigenthuͤmliche Stelle ent- ruͤckt zu werden: es ist noch seltner daß ein solcher Mann Bestaͤndigkeit bey seinem Volk fuͤr ein halbes Jahrhun- dert, und, wie Valerius, in einem Menschenalter finde welches die Zeit seiner Vaͤter durch Reichthum an großen Maͤnnern verdunkelt. Ein und zwanzigmal hat er den curulischen Thron eingenommen, und das hundertste Lebensjahr erreicht. Er hat noch den Sieg uͤber Pyr- rhus, und Italiens Unterwerfung erlebt, welche er be- gruͤndet hatte. Waͤhrend dieses Feldzugs uͤberzog ein abgesondertes latinisches Heer die Peligner, der Samniter Stammge- nossen und Verbuͤndete; eine Unternehmung die fuͤr das Urtheil des Unbefangenen in unlaͤugbarer Verbindung mit dem ganzen Plan dieses glorreichen Feldzuges steht. Im folgenden Jahr muß der abwechselnde Ober- befehl bey den Latinern gewesen seyn, denn Rom war durch die Empoͤrung der Armee gelaͤhmt: es wird kei- nes einzigen Kriegsvorfalls gedacht, und es ist schon be- merkt worden daß ungeachtet dieser scheinbaren Unthaͤ- tigkeit alle im vorigen Feldzuge gewonnenen Vortheile den Verbuͤndeten geblieben seyn muͤssen. Vielmehr ist es wahrscheinlich daß waͤhrend des Jahrs 413 neue er- fochten wurden, aber durch die Latiner: am Ende des Feldzugs von 412 streiften die Samniter ungeachtet der großen verlohrnen Schlachten doch an beyden Seiten des Vulturnus, und noͤrdlich sogar bis Suessa Livius VII. c. 38. : so unverzagt verschmerzte das maͤnnliche Volk auch die groͤßten Niederlagen. Dagegen dringt im Jahr 414 ein einziges consularisches Heer, unter L. Aemilius, unge- hindert in Samnium ein. Ohne Zweifel stand die sabel- lische Armee in einer anderen Gegend gegen einen ge- faͤhrlicheren Feind: und der Krieg zwischen Rom und Samnium war in den Gemuͤthern schon geendigt. Ihn fortzusetzen, die besten Kraͤfte an einer sehr entlegenen Graͤnze zu verbluten, war fuͤr Rom nichts weniger als zweckmaͤßig, sobald Gefahr da war daß die Fruͤchte theuer erkaufter Siege fuͤr Andere gewonnen wuͤrden, und die Republik sich also im zwiefachen Ver- haͤltniß schwaͤche und in Gefahr bringe. Nach den Sie- gen der ersten Feldzuͤge konnte die voͤllige Demuͤthigung Samniums nahe scheinen; und dann war die Verbin- dung Latiums und Kampaniens eine furchtbare Macht welche Rom gegen sich selbst gestaͤrkt, sich selbst des Ge- gengewichts beraubt hatte welches die samnitische Na- tion gewaͤhrt haben wuͤrde. Es war also dringend noth- wendig diesen Krieg zu endigen, die Macht eines ent- fernten Volks zu schonen, und seine Freundschaft wie- derzugewinnen. Der Friede ward leicht geschlossen: fuͤr Roms Ehre genuͤgte es daß die Samniter den Betrag eines jaͤhrlichen Solds zahlten, und eine drey- monatliche Getreideverpflegung fuͤr die Armee abliefer- ten; aber sie verlohren keinen Zollbreit Landes, und die Roͤmer versprachen sie nicht zu hindern sich die Sidiciner zu unterwerfen, uͤber welche der Krieg ent- standen war, und deren Land, mit Samninm vereinigt, Latium und Kampanien trennte. Dem Frieden folgte, oder war in ihm enthalten, ein foͤrmliches Vertheidi- gungsbuͤndniß beyder Staaten Dies ist klar aus dem Anfang des latinischen Kriegs: die Consuln ziehen durch das Land der Marser und Peligner, durch die Samnitische Graͤnze, und vereinigen sich bey Ka- pua mit den Samnitern, ohne daß ein neues Buͤndniß ge- schlossen waͤre. Livius VIII. c. 6. . Dieses konnte nur gegen diejenigen gerichtet seyn, an deren Seite noch eben vorher die roͤmischen Soldaten gefochten hatten: deren wachsende Macht aber jetzt Unruhe und Abgunst erregte. Sie hingegen setzten, vereinigt mit den Kam- panern und Sidicinern, den Krieg gegen Sam- nium fort. Der latinische Krieg . Feindseligkeiten zwischen Rom und den Latinern scheinen schon im Lauf dieses Jahrs ausgebrochen zu seyn: denn so nahe wie die Antiaten jetzt mit Latium verbunden waren, dem auch Privernum sich ohne Zwei- fel angeschlossen hatte, ist der Krieg welchen die Roͤ- mer noch in demselben Jahr 414 gegen beyde, damals kraftvolle, Staͤdte fuͤhrten, nicht anders denn als feind- selig gegen den gesammten Bund anzusehen. So war es sichtbar daß ein harter Kampf zwischen Rom und Latium entscheiden mußte, ob jenes eine la- tinische Stadt, oder dieses Rom unterthaͤnig werden sollte: und fuͤr diesen Kampf erwaͤhlte die Nation zum Consulat, mit T. Manlius, den Retter des cornelischen Heers in Samnium, P. Decius, dessen Leben dem Va- terland ganz, nicht ihm selbst, gehoͤrte. Es war das Jahr 415. Die Latiner indessen wuͤnschten diesem Krieg durch einen Verein auszuweichen: welcher, nach dem recht- lich und factisch geltenden Verhaͤltniß der Gleichheit zweyer voͤllig freyer Voͤlker beurtheilt, von dem dar- geboten welches damals an Zahl eigener und verbuͤn- deter Streiter das zahlreichste gewesen seyn muß, kei- neswegs so unzulaͤssig erscheinen darf als ihn Livius schildert. So weit seine Erzaͤhlung uns fuͤr historisch gelten kann, unternahmen die Roͤmer, um einen Vor- wand des Kriegs gegen die Latiner zu haben, die Ver- mittelung zwischen ihnen und den Samnitern. Latini- sche Gesandte, und selbst die beyden Praͤtoren des Bun- des begaben sich nach Rom, wo ihnen der Senat auf dem Capitol Gehoͤr gab. Diese Gesandten erklaͤrten im Nahmen ihrer Nation: Sie saͤhen wohl ein daß das von den Vorvaͤtern ererbte Verhaͤltniß nicht mehr auf die jetzigen Umstaͤnde anwendbar sey, und daß es sich durch Krieg oder Vertrag aͤndern muͤsse. Sie waͤren bereit Roms Vorrang anzuerkennen, und den gemein- schaftlichen Nahmen ihres Landes mit dem der ersten unter allen latinischen Staͤdten zu vertauschen. Der roͤmische Nahme moͤge statt des latinischen herrschen. Aber seiner Wuͤrde und Freiheit etwas zu vergeben, sey Latium so wenig genoͤthigt als geneigt, jetzt da es das Haupt aller umwohnenden Voͤlker sey. Es gebe nur eine wahre Verbindung zweyer Voͤlker, in gemein- schaftlicher Regierung und voͤlliger Gleichheit. Rom und Latium moͤchten zu einer Nation zusammentreten: die Haͤlfte des Senats aus Latinern bestehen, und ein Consul aus Latium erwaͤhlt werden. — In dem Sinn dieses Antrags war nothwendig enthalten daß die Zahl der roͤmischen Tribus — es waren ihrer damals sieben und zwanzig — durch eben so viele latinische vermehrt, und die Theilnahme an den Magistraturen auf jede die zwiefache Stellen hatte ausgedehnt, alle andern, durch Erweiterung, dieser Theilung haͤtten faͤhig gemacht wer- den sollen. Ein solcher Antrag mißfiel nicht heftiger dem Se- nat und den Maͤchtigen als jedem Quiriten, der auf diese Weise seine individuelle Theilnahme an der Lan- deshoheit eingeengt und verkuͤmmert sah. Eine andere Frage ist die der Billigkeit: daß aber diese haͤtte ent- scheiden, oder ihre Eroͤrterung unter dem Sturm sol- cher Leidenschaften geduldet werden sollen, konnte nicht gefordert werden. Die Senatoren erhoben sich um so erbitterter gegen die stolzen Latiner, als der Ausgang des Kampfs nichts weniger als entschieden war. Sie klagten sie des Eidbruchs und der Treulosigkeit an, sie riefen die Goͤtter zu Raͤchern ihrer Sache. Den- noch scheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu ha- ben welche den Wunsch nicht verhehlten, durch einen Vergleich, der allerdings eine sehr furchtbare Macht gebildet und die Erobernng Italiens wohl noch mehr beschleunigt haben wuͤrde, einem Kampf zu entgehen der sich wenig vom Buͤrgerkriege unterschied. Gegen diese, und um den Anfang nachgiebiger Abstimmungen zu verhuͤten, erklaͤrte der Consul T. Manlius, er wuͤrde, wenn die Republik diese Forderungen feig bewilligte, bewaffnet in den Senat kommen, und den ersten La- tiner den er in der Curie erblicke niederstoßen. Bey solcher Heftigkeit der Gemuͤther war die Sen- dung der latinischen Gesandten beendigt, und sie ent- fernten sich mit nicht geringerer Bewegung als ihre For- derungen erregt hatten. Der Praͤtor L. Annius von Setia, ihr Wortfuͤhrer, eilte mit der Heftigkeit des Zorns die Stufen des Huͤgels hinunter: ein Fehltritt brachte ihn zum Wanken, er stuͤrzte hinab und lag entseelt am Fuß der Treppe So redeten fast alle Annalen: Livlus VIII. c. 6.; er zog mit einigen eine Ohnmacht vor, um des Wunderba- ren weniger zu haben. . Auch erzaͤhlte die Sage daß Jupiter seinen Zorn uͤber die Verletzung seiner Majestaͤt durch ein fuͤrchterliches Gewitter kund that, welches sich erhob da die Roͤmer, nachdem die latinischen Gesandten ihre Rede geendigt hatten, seinen Beystand anriefen. Die Latiner standen im Felde gegen Samnium, ver- eint mit den Kampanern, bey Kapua Livius VIII. c. 6. . Man muß an- nehmen daß sie dorthin schon fruͤher aufgebrochen waren ehe ihre Gesandten zur Unterhandlung nach Rom eingela- den wurden; denn, haͤtten sie den nahen Ausbruch eines roͤmischen Kriegs erwartet, schwerlich haͤtten sie dann ihre ganze Macht in die entlegenste Entfernung gesandt. Daß ihr Heer in Kampanien stand ehe die roͤmischen dort ein- trafen, sagt Livius; auch ist es nicht wahrscheinlich daß, waͤre dieses nicht gewesen, die Bitten der Kampaner sie bewogen haben wuͤrden ein dann so augenscheinlich ver- kehrtes Verfahren anzunehmen. Die Roͤmer aber entwarfen und verfolgten einen Plan des Feldzugs der zu den kuͤhnsten zugleich und tief- sten gehoͤrt, welche je einen Feldherrn mit Lorbern ge- kraͤnzt haben. Zwey consularische Heere, vier Legionen, waren fuͤr den Krieg bestimmt: eine Reserve, von soge- genannten staͤdtischen Legionen, blieb ohne Zweifel unter dem Praͤtor bey Rom. Wahrscheinlich unmittelbar nach- dem die Unterhandlungen abgebrochen waren, eilten die Armeen in forcirten Maͤrschen durch das Land der Sabi- ner, der Marser und Peligner, wo allenthalben das sam- nitische Buͤndniß freye Straßen und Quartiere bereitete, nach Samnium: den Bogen beschreibend dessen Sehne die Straße von Rom nach Kapua bildet. Das latinische Heer befand sich an dessen entferntestem Punkt, und die Kuͤhnheit selbst der Unternehmung bannte sie fest dar- auf: denn es war unentschieden ob und wo die Roͤmer von ihrer Straße abweichen, ob sie sie bis in Kampanien verfolgen wuͤrden; dieses mußten die Latiner nach kleinen Motiven lieber als Latium Schauplatz des Kriegs sehen; schwankende Hin- und Hermaͤrsche, durch Geruͤchte von den Bewegungen des Feindes geleitet, wuͤrden schon al- lein den Ausgang des Feldzugs gegen sie entschieden ha- ben. Dieses, und daß die Latiner Kapua, ihren großen Erwerb, nicht sich selbst und seiner Muthlosigkeit uͤberlas- sen wuͤrden, konnten die Roͤmer berechnen, und darauf berechneten sie ihren Feldzug. Der staͤrkere Geist gebietet seinem schwachsinnigeren Gegner die Fehler welche er begehen soll. Waren die La- tiner wohlbedacht, so mußten sie von Kapua eilig aufbre- chen, und gegen Rom ziehen: alsdann zerstoͤrten sie den Plan des Feldzugs; sie schnitten die Armee von der Stadt ab; sie hatten nur gegen die Roͤmer allein zu kaͤmpfen; eine Schlacht konnte unter guͤnstigen Umstaͤn- den entscheiden, wenn diese auf die Nachricht von dem Entschluß der Latiner ihren Marsch abgebogen haͤtten; ihr Verlust war nicht vernichtend mitten im eignen Lande und unter festen Staͤdten. Auch fuͤr die großen Hoffnungen der Zukunft lag Rom maͤchtig daran daß die Samniter nicht allein in Kampanien entscheiden moͤchten; denn, hatte Kapua ein- mal ihnen gehuldigt, dann war damals wenig Hoffnung, je wieder das Reich uͤber den Vulturnus ausdehnen zu koͤnnen. So durchgreifend war die Verfaͤlschung der roͤmi- schen Annalen, daß einige vorgaben die Samniter waͤren erst nach der Schlacht zu den Roͤmern gestoßen, waͤhrend die meisten vernuͤnftig erzaͤhlten, das roͤmische Heer sey mit den Samnitern vereinigt vor Kapua geruͤckt Livius VIII. c. 11. vergl. 6. 10. Dionysius ergreift die Luͤge, als Stoff zu Staatsdiscoursen. Exc. de leg. p. 2320. 2323. ed. R. . Aber nicht bey dieser Stadt, sondern am Fuß des Vesuvs entschied die Schlacht Ich nenne sie die Schlacht am Vesuvius: Livius sagt, sie sey am Fuß des Berges vorgefallen, auf der Straße ad Veserim. Daher die Roͤmer sie die Schlacht ad Veserim nennen: wir wissen aber nicht ob das ein Ort oder ein Fluß war. . In den Tagen da beyde Heere einander gegenuͤber standen ereignete sich der Vorfall welcher den Nahmen des Consuls Manlius mit einem schrecklichen Andenken be- zeichnet hat. Der Aufstand der Armee vor zwey Jahren mochte eine Aufloͤsung zuruͤckgelassen haben deren Folgen die Feldherrn in einem solchen Kriege fuͤrchteten, wo alles Heil Heil von der unbedingten Kriegszucht abhing, wodurch das Heer ein physischer Koͤrper wird dessen Seele der Feldherr, und mit ihm nur ein lebendes Ganze ist. Da- her das Verbot der Consuln, und die Nothwendigkeit es ohne alle Milderung in Kraft zu erhalten, daß, bey To- desstrafe, keiner sich in ein einzelnes Gefecht bey den Vor- posten einlassen solle, wozu der Anlaß um so leichter ent- stehen konnte, da alle Roͤmer und Latiner aus den fruͤhe- ren Feldzuͤgen sich kannten. Denn daraus konnte sich leicht zu unguͤnstiger Stunde ein allgemeines Gefecht erhe- ben, oder die Nothwendigkeit entstehen einen Nachtheil zu verschmerzen. Der Sohn des Consuls Manlius recogno- scirte mit einigen Reutern: ihm begegnete ein tuskulani- scher Befehlshaber, und hoͤhnte ihn, weil er einem Ge- fecht auswich. Die Kraͤnkung riß den Juͤngling hin eine Ausforderung zum Zweykampf anzunehmen; er siegte. Hinreissend schoͤn ist Livius Erzaͤhlung wie der bethoͤrte Siegstrunkene seinem entsetzten Vater die blutigen Spo- lien darbrachte; wie dieser sein Urtheil sprach, und voll- ziehen ließ; wie die Kriegsgefaͤhrten des ungluͤcklichen Juͤnglings seine Leiche mit den traurigen Siegszeichen verbrannten, welche, haͤtte er sie in erlaubtem Gefecht ge- wonnen, ihn bey dem Triumph seines Vaters begleitet, und seine Penaten geschmuͤckt haben wuͤrden; wie die Krie- ger, waͤhrend der Vater sein Herz verhaͤrtet hatte, den Todten klagten: wie die Juͤnglinge dem Sieger nicht entgegen gingen, und ihn, so lange er lebte, flohen und verwuͤnschten Livius VIII. c. 7. 12. . Zweiter Theil. K k Im Traum erschien beyden Consuln die Gestalt eines uͤbermenschlichen Wesens, und verkuͤndigte ihnen, der Feldherr des einen der kaͤmpfenden Heere, das andere Heer, seyen den Todtengoͤttern und der Mutter Erde ver- fallen. Beyde vereinigten sich, der, dessen Fluͤgel anfinge zu weichen, wolle sich und das feindliche Heer der Unter- welt weihen. Auch vor der Schlacht weissagte das Opfer dem Decius Ungluͤck: es schadet nicht, antwortete er dem Aruspex, weil er vernahm daß sein College gluͤckliche Wahrzeichen gefunden habe. Die Roͤmer verschweigen den Antheil der Samniter an dem entscheidenden Tage: aber es war nicht Geist dieses Volks, entfernt aufgestellt dem Leben der Schlacht muͤßig zuzuschauen: auch schien der Preis des Siegs fuͤr sie noch naͤher als fuͤr Rom, wenn es auch diesem gelang ihn zu entwinden. Vermuthlich standen sie den Kampanern, wie die Roͤmer den Latinern, sabellische Kriegsordnung der sabellischen, latinische der latinischen entgegen. Ich wiederhohle nicht Livius Erzaͤhlung dieser Schlacht, weil sie eine Aufstellung voraussetzt welche man ohne An- stand fuͤr praktisch unmoͤglich erklaͤren muß, und die Ei- genthuͤmlichkeit der verschiedenen Waffen verkennt Naͤmlich eine Aufstellung der Manipeln en échelon in fuͤnf Treffen, augenscheinlich mit so großen Intervallen daß ein entschlossener Cavallerieangriff die ganze Legion in wenigen Augenblicken haͤtte zersprengen muͤssen. Oder, wenn die Latiner ihre Manipeln zusammenzogen, und in einer ge- schlossenen Masse auf die lose Schlachtordnung eindrangen, so war diese auch so ohne Huͤlfe zerrissen. — Livius haͤlt die . Als auf dem linken roͤmischen Fluͤgel, wo Decius befahl, das erste Treffen, die Hastaten, auf die Prin- cipes zuruͤckwich, da vollfuͤhrte der Consul sein Ge- luͤbde. Nach der vom Pontifex M. Valerius ausge- sprochenen Formel, betete er im Feyerkleide, mit ver- huͤlltem Haupt, auf einem Schwerdte stehend: „Ja- nus, Jupiter, Vater Mars, Quirinus, Bellona, La- ren, Ihr neun Goͤtter Dii Novensiles : die einfachste Erklaͤrung ist von den neun blitzsendenden Goͤttern der etruskischen Religion. Die Ungewißheit hieruͤber gehoͤrt zu den sprechendsten Beweisen wie das hohe Alterthum schon Caͤsars Zeitgenossen ein ver- schlossenes Buch war, und entscheidet wie wenig Autoritaͤt ihre Meinungen daruͤber haben koͤnnen. , Ihr Ahnengoͤtter, Goͤtter die ihr uͤber uns waltet und uͤber die Feinde, und Ihr Todtengoͤtter: zu Euch bete ich, Euch flehe ich, daß Ihr wollet dem roͤmischen Volk der Quiriten Gewalt und Sieg segnen und gedeihen lassen, Furcht, Grausen, Tod auf die Feinde senden. Also weihe ich fuͤr die Re- publik der Quiriten, fuͤr das Heer, die Legionen, die Bundesgenossen des roͤmischen Volks der Quiriten, der Feinde Legionen und Verbuͤndete mit mir den Todten- goͤttern und der Mutter Erde“. Dann schwang er sich aufs Pferd, und sprengte in die feindlichen Reihen. Rorarier fuͤr Linientruppen, das waren sie aber nicht, son- dern leichte Infanterie. Ist die Schlachtgeschichte aus alten Erzaͤhlungen nur mißverstanden, so hat vielleicht Manlius den Sieg durch zweckmaͤßigen Gebrauch der in der Kindheit der alten Kriegssysteme sehr versaͤumten leichten Truppen vorbe- reitet: in die Linie kann er sie nicht gebracht haben. K k 2 Beyden Heeren erschien er als ein uͤberirdisches We- sen, als der Geist des Verderbens der sich unter die latinischen Legionen stuͤrze. Entsetzen ging vor ihm her: und als er von Geschossen durchbohrt niedersank, da wichen die Latiner. Manlius aber bestand inzwischen einen schweren Kampf. Erst als die Kerntruppen der Reserve, die Triarier, einruͤckten, lange zur Entschei- dung zuruͤckgehalten bis die latinischen Triarier schon ermattet waren, erklaͤrte sich der Sieg voͤllig fuͤr Rom. Auf den hartnaͤckigsten Widerstand folgte eine allge- meine Flucht und ein unermeßliches Blutbad. Kaum der vierte Theil der latinischen Armee soll entkommen seyn. Unmittelbar nach der Schlacht eroberten die Sie- ger das Lager, und machten eine große Menge Gefang- ner, besonders Kampaner. Decius Leichnam ward erst am folgenden Tage unter einem Haufen feindlicher Tod- ten entdeckt, und herrlich bestattet. Die Truͤmmer des latinischen Heers, ohne Zweifel verlassen von den Kampanern, welche, wie es nicht zu bezweifeln ist, dem Sieger bald nach der Schlacht auf leidlichen Accord ihre Stadt uͤbergaben, sammel- ten sich erst hinter dem Liris, in der Ausonischen Stadt Vescia. Verzweiflung, Gewißheit einer blutigen Rache, fuͤhrte jetzt auch die Cohorten einiger Staͤdte welche den fuͤr ihr Schicksal entscheidenden, von Rom nie vergessenen Schritt einer zoͤgernden und unschluͤssi- gen Bewegung, gethan hatten Das Contingent von Lavinium vernahm die Nachricht von der Niederlage eben als es zu den Thoren ausruͤckte. , und einen allge- meinen Landsturm, dem latinischen Feldherrn Numi- sius zu, der die Nation beschwor den Krieg nicht auf- zugeben. Er wagte es mit diesem unordentlichen Heer uͤber den Liris zu gehen, der ihn gedeckt hatte: bey Trifanum, zwischen Sinuessa und Minturnaͤ, traf ihn der Consul, und die Erbitterung trieb beyde Heere sogleich zur Schlacht. Die Niederlage der Latiner war so ent- schieden, daß alle Staͤdte außer Antium capitulir- ten. Waͤhrend des Winters wurden sie von dem Sie- ger gerichtet. Das Blut welches nach den unabaͤnder- lichen Grundsaͤtzen roͤmischer Obmacht in allen Staͤdten geflossen seyn muß; das Blut welches ein Consul wie Manlius vergossen haben muß, ist unsern Blicken durch die mildernde Geschichte entzogen. Wir haben nur Kunde von der Vertheilung des latinischen Gemeinlands, welches durch die Aufloͤsung des Bundes dem Sieger verfallen war, und mit zwey Drittheilen der Priver- nermark, und der Falerner Landschaft bis an den Vul- turnus, der kampanischen Republik confiscirt, fuͤr das roͤmische Volk getheilt ward; doch so daß den Vorneh- men noch ein großes Gemeinland geblieben seyn muß Daher die Klage uͤber geizige Assignation: ager maligne plebei divisus. Livius VIII. c. 12. , denn die welche diesseits des Liris Land empfingen, er- hielten nur 2¾, die aber jenseits, 3¼ Jugern. Aeußerst Es scheint daß sie ihren Marsch einstellten, und damit die Sache vergessen glaubten: indem gemeldet wird, ihr Praͤ- tor Milionius, anders gesinnt, habe gesagt, sie wuͤrden fuͤr den kurzen Weg den Roͤmern theuer bezahlen muͤssen. merkwuͤrdig ist daß der kampanische Adel, weil er Rom treu geblieben war, das roͤmische Buͤrgerrecht erhielt, und der Republik Kapua die Verpflichtung aufgelegt ward, jedem Ritter, es waren ihrer aber sechszehn- hundert, eine jaͤhrliche Rente von 450 Denarien zu zah- len. Es laͤßt sich nur vermuthen daß sie, bey einer der roͤmischen aͤhnlichen Verfassung, durch einen Curien- beschluß, sich fuͤr Rom erklaͤrt hatten. Die Rente ward ihnen wohl als Entschaͤdigung fuͤr die Falernische Land- schaft, als von ihnen benutztes Gemeinland ihres Staats, zugesprochen. Die Groͤße der Summe, 720000 Dena- rien, zeugt merkwuͤrdig von Kapuas Reichthum, und es war sehr klug auf diese Weise die große, und, wenn sie nur wollte, maͤchtige Stadt zu theilen, und ihre Vornehmen, gleich den Eigenthuͤmern einer Staats- schuld, an Roms Schicksal zu knuͤpfen. Was die Samniter durch diesen Krieg gewannen, koͤnnen wir nicht angeben: wahrscheinlich freye Erwei- terung gegen den oberen Liris. Kapua entging ihnen; dennoch kann ihr roͤmisches Buͤndniß wohl nicht als unbesonnen getadelt werden. Denn Latium war ihnen eben so gefaͤhrlich, Latium und Rom mit frischer Macht zu einem Staat verbunden noch gefaͤhrlicher als Rom: diese Vereinigung entstand aber wahrscheinlich wenn sie Rom sich selbst uͤberließen; jetzt verbluteten und schwaͤch- ten sich beyde Voͤlker, ehe sie unter einer Souveraine- taͤt vereinigt wurden. Antium, welches noch allein die Waffen nicht nie- dergelegt hatte, verwuͤstete das roͤmische Gebiet, und bewog durch sein Beyspiel die bey den Leiden welche dem Kriege folgten verzweifelnden Latiner im folgen- den Jahr (416) zu einer allgemeinen Empoͤrung. In den praͤnestinischen Gebuͤrgen ward Pedum der Sitz dieses Aufstands, und hier versammelte sich ein Heer aus Tibur, Praͤneste, Velitraͤ und Antium. Daran daß dieser Krieg sehr matt gefuͤhrt ward, sieht man klar, wie entsetzlich blutig und erschoͤpfend der vorige Feldzug auch fuͤr Rom gewesen seyn muß. Der Con- sul Ti. Aemilius schlug die Insurgenten im Felde, aber er vermochte nicht Pedum einzunehmen. Die Eroberung Latiums ward im Jahr 417 vol- lendet. Die Latiner hatten der Hoffnung entsagt in Schlachten zu widerstehen: sie beschraͤnkten sich darauf daß jede Stadt ihre Mauern vertheidige, und im Fall eines Angriffs von den uͤbrigen unterstuͤtzt werde. Der Consul C. Maͤnius schlug die Veliterner, Ariciner und Lanuviner, welche zum Entsatz der Antiater heranka- men; mit diesen, am Fluß Astura, L. Camillus die Ti- burter und Praͤnestiner, die ihn um die Belagerung von Pedum aufzuheben angriffen. Nach diesen Nie- derlagen legten alle Latiner die Waffen nieder, roͤmi- sche Besatzungen hielten ihre Staͤdte in Unterwuͤrfigkeit. Aber Latium wuͤrde eine nutzlose Eroberung gewe- sen seyn, Rom haͤtte die Truppen verlohren welche bis dahin die Legionen verdoppelten, es waͤre ohnmaͤchti- ger durch seinen Sieg geworden, und die Empoͤrung haͤtte sich bey jeder Veranlassung wieder entzuͤndet, wenn nicht der Senat ein System der Maͤßigung und der Klugheit angenommen haͤtte. Die latinischen Voͤlker wurden getheilt, einige, zu Roͤmern erhoben, von ih- ren alten Verbuͤndeten getrennt, und ihren Wuͤnschen und Unternehmungen entgegengestellt: die vornehmsten ihrer Staͤdte wurden geschwaͤcht und gedemuͤthigt ohne daß die ganze Nation es als ihre Sache ansah. Lanuvium, Aricia, Nomentum und Pedum erhiel- ten, Tusculum blieb in dem Besitz des Buͤrgerrechts: alle ohne Zweifel mit Stimmrecht. Den Antiaten wur- den ihre bewaffneten Schiffe genommen, und ihre Stadt zu einer Hafencolonie caͤritisches Rechts gemacht, so daß auch die alten Buͤrger darin aufgenommen wur- den, folglich ein Theil des Grundeigenthums Antiatern blieb, obgleich nicht so viel noch dasjenige welches je- der fruͤher besessen hatte. Denn auch fuͤr den Theil der nicht an roͤmische Colonisten kam, war die Theilung und Assignation eine Separation durch das Loos. Ve- litraͤ ward sehr hart behandelt: die Mauern der Stadt wurden eingerissen, der Adel uͤber die Tiber verbannt, ihre Guͤter eingezogen, und an roͤmische Colonisten ver- theilt: wahrscheinlich die Domaine der Republik Veli- traͤ, die nach altem Recht im Besitz ihrer Patricier war. Tibur und Praͤneste verlohren einen Theil ihrer Landschaft. Allen latinischen Voͤlkern wurden Landtage unter- sagt, und das Recht guͤltiger Ehen und Landeigenthum zu erwerben auf die Buͤrger jeder einzelnen Stadt be- schraͤnkt Das ganze Grundgesetz bey Livius VIII. c. 14. . So konnte sich nicht nur keine Vereini- gung durch Beschluß der Regierungen bilden, Empoͤ- rungen, wenn sie vorfielen, waren nur tumultuarische Bewegungen: allmaͤhlich wurden sich die Orte fremd, und, wie es unter benachbarten Gemeinden geht sobald sie sich von einander entfernen, feindselig: in einer Stadt die in Verfall gerieth konnte kein fremder La- tiner die im Werth sinkenden Grundstuͤcke kaufen; sie kamen in die Haͤnde roͤmischer Buͤrger Es sollte uͤberfluͤssig seyn, ist es aber vielleicht nicht, daß der Geschichtschreiber welcher die tiefberechnete Zweckmaͤßig- keit solcher Verfuͤgungen erklaͤrt sich gegen die Beschuldi- gung verwahre daß er sie mit Wohlgefallen entwickle. Ich bin wohl weit entfernt Roms Entscheidung uͤber der Latiner Loos edel und großmuͤthig, und seine Sache in diesem Kriege gerecht zu finden: aber moralische Betrachtungen sind muͤßig: es hat keine Gefahr daß der Leser partheyisch fuͤr Rom sey. Das Mitgefuͤhl mit dem Ungluͤcklichen ist eine ganz andre Sache: und das gebuͤhrt den Latinern. . Kapua, Kumaͤ, Suessula, Fundi und Formiaͤ wur- den roͤmische Municipien, aber ohne Stimmrecht Nach Vellejus I. c. 14. erhielten Kapua und ein Theil der Samniter vier Jahre spaͤter, 421, das Buͤrgerrecht. Die Erwaͤhnung der Samniter ist raͤthselhaft. . Das alte latinische Buͤndniß war vernichtet: und die Latiner dienten nun mit abgesonderten Contingenten außer den Legionen, mit den Hernikern und den Volskern. Ein solches Contingent fuͤhrte den Nahmen Cohorte, der nachher in der Marianischen Taktik eine Zeitlang große Bedeutung hatte. Das unterschied die Latiner und die Italischen Bundesgenossen, daß diesen, groͤßten- theils, ihre Verpflichtungen durch Vertrag bestimmt wa- ren, jenen durch einseitiges Gesetz: viel fehlte daran daß sie, obgleich den Roͤmern verwandt, groͤßere Rechte genossen haͤtten. Die Gesetze des Dictators Q. Pu- blilius . Der Consul Ti. Aemilius, im Jahr 416, war mit dem Senat entzweyt, und ernannte, als ihm vorgeschrie- ben ward den Befehl der Armee einem Dictator zu uͤber- geben, Q. Publilius Philo, einen heftigen Plebejer, aus dem Geschlecht, und vielleicht einen Nachkommen des Volkstribunen Volero, durch den die Gemeinde der Tri- bus ein Zweig der Gesetzgebung geworden war. In dieser Wuͤrde berechtigt die Centurien zu ver- sammeln, und maͤchtig den Widerspruch der Aristo- kratie zu uͤberwinden, fuͤhrte Q. Publilius drey Ge- setze durch, welche die neue Verfassung zur Vollendung brachten. Die Theilung der hoͤchsten Gewalten zwischen beyden Staͤnden ward durch das erste auch auf die Censur mit gleicher Nothwendigkeit ausgedehnt. Ein zweytes hob das Veto der Curien in der Gesetzgebung auf, und erhielt nur zum Andenken eine vorlaͤufige Genehmigung des Be- schlusses den die Centurien fassen wuͤrden Livius VIII. c. 12. Ut legum quæ comitiis centuriatis ferrentur ante initum suffragium Patres auctores fierent. ; eine Foͤrm- lichkeit die nachher als ganz unbedeutend aufgehoͤrt zu ha- ben scheint. Fuͤr die Wahlen blieb die Abstimmung der Patricier noch ein halbes Jahrhundert laͤnger, und bis sich die neue Nobilitaͤt voͤllig gebildet hatte. Bey diesen naͤmlich hatte der Senat schon laͤngst keine Stimme mehr, waͤhrend Gesetze den Centurien nur in Gemaͤßheit seines Beschlusses vorgeschlagen werden konnten; der Senat aber, nothwendig damals noch immer in einer weit uͤberwie- genden Mehrheit aus Patriciern bestehend, repraͤsentirte hier ihren bisher in diesem Fall zwiefach entscheiden- den Stand. Der Sinn des dritten Gesetzes, welches die Plebiscite fuͤr alle Buͤrger verbindlich machte, ist schon in einer Un- tersuchung der drey Gesetze die dasselbe verfuͤgt zu haben scheinen, eroͤrtert Oben Th. II. S. 150. : es ist bemerkt worden daß die Ge- nehmigung oder die Initiative des Senats nicht aufgeho- ben, wahrscheinlich aber eine einfachere Form anstatt der Beschluͤsse der Centurien fuͤr Gegenstaͤnde der Verwaltung eingefuͤhrt ward, die fruͤher den Tribus nicht vorge- legt wurden. Also ward damals die Verfassung vollendet, die in- nere Zwietracht verbannt, ein schnell ausgebreiteter weit- laͤuftiger Staat dauerhaft gegruͤndet, und eine weit glaͤn- zendere Zukunft vorbereitet: es begann jenes goldene Zeit- alter der roͤmischen Tugend und Heldengroͤße, welches die erwachende Aufmerksamkeit der Griechen auf das Wie es erwiesen ist daß die Sanction der Patres bey den Wahlen von den Patriciern und den Curien zu verstehen ist, so kann es auch hier nur auf diese, nicht auf den Senat bezo- gen werden. maͤchtig emporwachsende Barbarenvolk mit ehrerbietiger Bewunderung erfuͤllte: ein Zeitalter welches die Welt nur einmal gesehen hat, und zu dem schon der censorische Cato als aus der Mitte eines entarteten Geschlechts wehmuͤthig hinaufblickte. Anhang . I. Beylagen zum ersten Theil . W as sich an den Resultaten meines ersten Theils uͤber die roͤmische aͤlteste Verfassung und ihre Erweiterung, ab- zuaͤndern gefunden hat, ist in den Anmerkungen dieses Bandes bemerkt worden. Diese Berichtigungen sind kein Widerruf der aufgestellten neuen Ansichten, sondern viel- mehr bewaͤhren sie ihre Wahrheit noch mehr; denn sie sind buͤndig erwiesen, und heben Inconsequenzen, die ich fruͤ- her lieber unaufgeloͤset bestehen lassen, als scheinbar be- stimmte Zeugnisse verwerfen wollte. Bestaͤtigende und erlaͤuternde Stellen behalte ich andern Veranlassun- gen vor. Eine Menge Zusaͤtze haͤufen sich fuͤr jede mythische Geschichte; und wenn der Stoff der roͤmischen in ihren Quellen ohne Vergleich duͤrftiger ist als der griechischen, so geraͤth die Nachlese wegen ihrer gaͤnzlichen Versaͤu- mung bey der ersten Bearbeitung um so reichlicher. Aus dieser scheint es mir nicht uͤberfluͤssig schon jetzt einiges ein- zeln herauszuheben. 1. Romulus, Aeneas Enkel . Naͤvius und Ennius wußten nichts von albanischen Vorfahren der Gruͤnder der Stadt: Ilia, auch bey die- sen Dichtern ihre Mutter, war, nach ihnen, Aeneas Toch- ter. Ennius erzaͤhlte, Amulius von Alba habe sie in den Strohm stuͤrzen lassen: es ist ungewiß ob er die Tiber oder den Anio nannte: der Flußgott habe sie errettet und sich vermaͤhlt. (Servius, ergaͤnzt aus dem Cod. Fuld. ad Aeneid. I. v. 274. und VI. v. 778. Schol. zu Horaz Carm. I. 2. Auch erklaͤrt sich hieraus in dem Enniani- schen Fragm. p. 124. ed. Hessel. Post ex fluvio for- tuna resistet. ) Sonst aber fand sich in seinem Gedicht die einheimische Sage von der Knaben goͤttlicher Erzeu- gung und wunderbarer Ernaͤhrung (Serv. ad Aeneid. VIII. v. 630.); und diese scheint so unzweydeutig allgemei- ner Nationalglaube gewesen zu seyn, daß man jener ande- ren roͤmischen Erzaͤhlung (bey Dionysius I. c. 73.) ohne Bedenken den Charakter der Aechtheit und des Alterthums absprechen kann, welche Romulus und Remus zwar auch, der Chronologie zum Trotz, an Aeneas Zeit, als seine Enkel, hinaufruͤckt, aber von ihnen nichts als prosaische Historie weiß. Jene Poeten des sechsten Jahrhunderts, besonders Ennius, ein Halbgrieche und gar kein Fremdling in der Litteratur, haͤtten wohl leicht die einheimischen Sagen zur Uebereinstimmung mit der Chronologie des Eratosthenes und Timaͤus gekuͤnstelt: daß sie von ihr sich entfernt haben sollten wenn es die alte Dichtung nicht gebot, oder gar eine Annaͤherung zeigte, ist gar nicht denkbar. Wohl aber mußten spaͤtere Prosaiker so verfahren, welche, rech- nend, der unermeßlichen Kluft inne wurden die Roms Gruͤndung nach den Fasten, von Trojas Zerstoͤrung nach den griechischen Chronologen, trennte. Amulius muß nach dieser Sage dem Geschlecht des Aeneas fremd, oder sein Sohn gewesen seyn: wahrschein- licher jenes. Ilia redet in dem Ennianischen Fragment von einer Schwester, die allen uͤbrigen Erzaͤhlungen unbe- kannt ist: man moͤchte auch mit Bestimmtheit vermuthen daß sie dort nicht Vestalin war, welches nur in der Ge- schichte von Amulius und Numitor wesentlich ist. Daß Fabius Pictor diese aus einer fremden Bearbeitung der vaterlaͤndischen Sage entlehnte, moͤchte ich jetzt nicht laͤugnen, so gewiß auch der Grieche, wer er gewesen seyn mag, Mars den Erzeuger, die ungluͤckliche Mutter und die saͤugende Woͤlfin aus altroͤmischer Dichtung empfing. 2. Die Urstadt . Nach Briefen aus Rom sind bey dem Aufraͤumen der Arena des Colosseum, unter deren ehemalige Flaͤche man gegraben hat, auch Reste einer cyklopischen Mauer an das Licht gekommen. Ihre Richtung ist leider nicht angege- ben, vermuthlich wird es sich zeigen daß sie der Roma quadrata angehoͤrte, obgleich es sonderbar scheint daß sie hier im tiefen Thal gezogen war. Diese Bauart zeugt fuͤr ein Alter der Stadt weit uͤber unsere Zeit- rechnung hinaus, und auf ein verschwundenes Volk al- ter Einwohner. Nahe und fern um Rom hatte jede Feldmark ihren Nahmen von der Stadt der sie angehoͤrte, so der ager Tusculanus, Lavicanus, Albanus. Wie dieser letzte seine Benennung bewahrte obwohl die Stadt zerstoͤrt war, und ihr Andenken erhielt, so deutet auch der Nahme des Ager Vaticanus auf eine Stadt Vaticum oder Vatica, die einst in seinem Umfang gestanden haben muß, deren laͤngst vertilgtes Daseyn keiner unserer Autoren ahndet. Haͤtte doch Plinius ( H. N. XVI. c. 87.) die erklaͤrten Worte jener etruskischen Inschrift gegeben welche, mit ehernen Buchstaben an einer heiligen Eiche in der vatica- nischen Feldmark befestigt, aͤlter gewesen seyn soll als Roms Gruͤndung! Cascus, sagt man, heißt alt, und daher Casci po- puli, wie Ennius die aͤltesten Bewohner Latiums nannte, nur so viel als die alten Voͤlker. Er aber hat es offen- bar als einen eigenthuͤmlichen Nahmen der uralten Na- tion gebraucht (s. die angefuͤhrten Stellen bey Columna p. 14. ed. Hessel. ) — man vergleiche als Volksnahmen mit gleicher Endung Tusker, Casker, Osker — und man benannte vielmehr das Uralte nach ihrer Zeit, wie wir das Altgestaltete gothisch oder altfraͤnkisch nennen. Waͤre es nicht wohl angemessen jenes nahmenlose verschol- lene Volk so zu benennen welches die cyklopischen Staͤdte gruͤndete, und diese caskisch? 3. Servius 3. Servius Tullius und Caͤles Vibenna . Die glaͤubigsten Anhaͤnger der Meinung von einer angeblichen eigentlichen Geschichte der aͤltesten Zeiten Roms koͤnnten uns die Aufforderung nicht abschlagen etruskischen Geschichtsbuͤchern die Entscheidung zu uͤberlas- sen, wenn ein wunderbarer Gluͤcksfall sie uns in einer verstaͤndlichen Sprache verschaffte. Denn sie muͤssen ein- raͤumen, daß Etrurien eine weit aͤltere Litteratur als Rom hatte, und daß die aͤltesten roͤmischen Schrift- steller den juͤngsten etruskischen in der Zeit nur gleich gestanden haben koͤnnen. Es hat sich aber in der That eine Nachricht von dem erhalten was jene Historien uͤber einen bey den Roͤmern sehr bestimmt ausgebildeten Theil sogar der spaͤteren koͤniglichen Geschichte meldeten, welche zur Ent- scheidung genuͤgt; indem es darnach unwidersprechlich ist daß die etruskischen Annalen uͤber die roͤmischen Koͤ- nige eine mit der unsrigen schlechterdings unvereinbare Geschichte enthielten. Sie findet sich in den Fragmen- ten der Rede des Kaisers Claudius uͤber die Aufnahme vornehmer Gallier in den Senat, welche seit Lipsius nicht selten mit Tacitus Werken gedruckt sind, aber wohl selten einen Leser finden. Das sollte nicht seyn, schon wegen ihrer litterarischen und psychologischen Merkwuͤr- digkeit, woruͤber zu reden hier freylich der Raum nicht erlaubt. Noch wichtiger aber ist ihr historischer In- halt, und es ist unmoͤglich nach ihnen den Verlust der Zweiter Theil. L l Schriften, besonders der tyrrhenischen Geschichte, des un- gluͤcklichen gemuͤthskranken Fuͤrsten nicht eben so sehr als den der herrlichsten Meisterwerke zu beklagen; ob- wohl man auch denen verzeihen muß, die, fuͤr die Ge- schichte ganz verschwundener Zeiten gleichguͤltig, Buͤ- cher untergehen ließen die ohne Zweifel eben so sehr als jene Rede die Geisteskrankheit ihres Verfassers ver- riethen. Claudius beginnt vom Ursprung der Stadt herzu- zaͤhlen wie oft die Verfassung geaͤndert, wie das Buͤr- gerrecht und die Souverainetaͤt ausgedehnt, und wie schon die Koͤnigswuͤrde auch Fremden mitgetheilt sey. Nachdem er nun die gewoͤhnliche Erzaͤhlung von Ser- vius Tullius niedriger Geburt wiederholt hat, faͤhrt er fort: Also sagen unsere Annalen; folgen wir aber den Etruskern so war er der treuste Gefaͤhrte des Caͤles Vibenna, und theilte alle seine Schicksale. Zuletzt, durch mancherley Ungluͤck uͤberwaͤltigt, raͤumte er Etru- rien mit den Ueberresten des caͤlianischen Heers, zog nach Rom, und nahm dort den Berg Caͤlius ein, den er nach seinem ehemaligen Feldherrn benannte. Er selbst vertauschte den tuskischen Nahmen Mastarna mit dem roͤmischen, erlangte die Koͤnigswuͤrde, und beklei- dete sie fuͤr den Staat hoͤchst ersprießlich. Ich zweifle kaum daß dieses wahre Geschichte ist: wir koͤnnen sie aber nicht aufnehmen weil sie die Ein- heit der Gedichte von der Koͤnigszeit zerreißt. Wenn wir aber in Servius den Anfuͤhrer eines in sich ver- bundenen Heers sehen, welches zu Rom, vielleicht un- ter sehr guͤnstigen Bedingungen, Aufnahme fand, so verbreitet sich ein neues Licht uͤber seine ganze Gesetz- gebung. Die Landanweisung sorgte fuͤr seine Begleiter; die militarische Constitution wird noch erklaͤrlicher, und die Zahl der Centurien der ersten Klasse kann nicht mehr auffallen, wenn man die Wahrscheinlichkeit zugiebt daß der Feldherr seine Liniensoldaten darin aufnahm, ohne von ihnen den vorgeschriebenen Census zu fordern: von den beyden Erfordernissen, Vermoͤgen und Waffen, hat- ten sie das letzte. Es erklaͤrt sich dann auch auf eine weit weniger verhaßte Weise die Verschwoͤrung der Pa- tricier gegen ihn, und die Revolution welche ihn stuͤrzte. Caͤles Vibenna scheint der Anfuͤhrer eines fuͤr sich bestehenden, keinem etruskischen Staat angehoͤrenden Heers gewesen zu seyn, mit dem er sich ein Reich zu gruͤnden versuchte, aber in dem Unternehmen nach viel- fachem Gluͤckswechsel unterlag. Nach dieser etruskischen Nachricht hat er selbst Rom nicht mehr erreicht. Die Kunde von ihm, und der Niederlassung der Seinigen auf dem Caͤlius, und daß dieser nach ihm benannt sey, ist bey den Roͤmern nicht ganz untergegangen, obgleich sie aus dem Gedicht entfernt war dessen Inhalt Livius er- halten hat. Nach diesem ward der Caͤlius den Albanern angewiesen. Die ungestoͤrte dichterische Consequenz sei- nes ersten Buchs gehoͤrt eben zu dessen hohen Schoͤn- heiten, aber in einzelnen Notizen Varros und der Gram- matiker fließt allein, eine zwar hoͤchst getruͤbte und ver- faͤlschte, doch vielleicht auf vielen Umwegen aus tuski- schen Quellen abgeleitete historische Wahrheit. L l 2 Nach ihnen wohnte Caͤles selbst mit den Seinigen zu Rom. Er kam dorthin nach Varro ( de L. L. IV. c. 8.) und Dionysius ( II. c. 36.) in Romulus sabinischem Kriege: nach Tacitus ( Annal. IV. c. 65.), der die Wi- derspruͤche der Annalen bemerkt, unter Tarquinius Pris- cus. Beyde Erzaͤhlungen sagen daß Rom ihn mit seiner Macht zu Huͤlfe rief. Festus hat einmal die erste ( s. v. Cælius mons ): an einer andern Stelle die zweyte, hier macht er aus Caͤles und Vibenna zwey Bruͤder die L. Tar- quinius nach Rom gefolgt waͤren, ( s. v. Tuscus vicus: wo man anstatt secum, secuti lesen muß). II. Ueber die Agrimensoren . Ich habe in der Untersuchung uͤber das agrarische Recht nicht seltenen und nicht geringen Gebrauch von den Schriften und Fragmenten uͤber die Feldscheidekunst ge- macht; deren Sammlung wenigstens in der juͤngsten der drey verschiedenen Ausgaben des sechszehnten und sieb- zehnten Jahrhunderts, von denen jede der spaͤteren neue Zusaͤtze aus Handschriften enthaͤlt, keineswegs zu den lit- terarischen Seltenheiten auch gewoͤhnlicher Privatbiblio- theken gehoͤrt: wohl aber, wie schon bemerkt worden, unbekannter ist als irgend ein anderes Werk der profanen alten Litteratur. Es lautet kaum glaublich daß sie in litterarischen Werken unter die uͤber den Ackerbau gestellt ist; und wenn einzelne Citate anzudeuten scheinen daß diese Schriften in der juͤngsten Zeit etwas weniger verachtet wurden, so sieht man doch klar daß sie noch immer ein verschlossenes Raͤthselbuch sind, worin man nur die ein- zelnen abgesondert verstaͤndlichen Stellen beachtet, der- gleichen sich selbst in cabbalistischen Buͤchern finden. Mich haben diese Schriften aus mehreren Ursachen mit einem eigenthuͤmlichen Reiz angezogen. Den aͤußert schon an sich alles Raͤthselhafte und Schwierige: und da sie, wo ich sie einigermaßen verstehen lernte, mir lehr- reich wurden, so erwachte das Gefuͤhl der Dankbarkeit welches auch fuͤr versaͤumte Schriften eine besonders leb- hafte Theilnahme erregt. Wir verlieren uns in einem Bilde von Roms Schicksalen und der Umgestaltung Ita- liens, wenn wir in diesen sonderbaren Fragmenten ein Bruchstuͤck der Schrift eines etruskischen Aruspex aus dem fuͤnften Jahrhundert der Stadt finden, anderswo einen Ingenieur reden hoͤren welcher Trajan bey der Er- oberung Daciens diente, und die Hoͤhe der Siebenbuͤrger Alpen maß, und endlich, in der juͤngsten der verschiede- nen Sammlungen, Auszuͤge aus einem Buch des wei- sen, sein Zeitalter unterrichtenden Pabstes Gerbert, vom Schluß des zehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, antreffen. Alle Zeiten des roͤmischen Nahmens stehen hier neben einander: die alte Aruspicin und Religion, und das Christenthum: Plebiscite und Titel aus dem theo- dosianischen Gesetzbuch und den Pandecten: uraltes La- tein, und das beginnende Italienische des siebenten Jahr- hunderts. Der Ort wo die Sammlung gemacht ward, die Zeit in der sie entstand, sind ein Raͤthsel; und wenn wir es loͤsen, so finden wir uns zu Rom in dem Zeitalter wo die gefallene Hauptstadt mit dem allerdichtesten Schleyer verhuͤllt ist. Einige allgemeine, das Verstaͤndniß dieser Schriften erleichternde Bemerkungen, werden also auch hier zuge- lassen werden koͤnnen: denn was an sich wichtig ist wird besser an einem auch nicht ganz passenden Ort aufgenom- men als ganz uͤbergangen werden. Ich wuͤnsche dasselbe Interesse an der Sache in Anderen zu erregen. Denn mir fehlt was zum voͤlligen Verstaͤndniß der juͤngeren Frag- mente unentbehrlich ist: ich war nie in Italien, wo ohne Zweifel, besonders in der Campagna, unbeachtet von Reisenden und selbst von Einheimischen, eine Menge Eigenthuͤmlichkeiten der Feldscheidekunst und der Bezeich- nung der Graͤnzsteine bis auf den heutigen Tag fortge- dauert haben werden, wodurch sich das unverstaͤndlichste dieser Buͤcher von selbst erklaͤren wuͤrde. Von Handschrif- ten ist wenig Heil zu erwarten: denn die ersten Ausgaben sind nach uralten gemacht, andere sind bey ihnen vergli- chen, und haben eine sehr geringe Ausbeute gegeben: die entsetzliche Verwirrung des Textes ist aͤlter als jede die moͤglicherweise erhalten seyn kann: doch auch diese Huͤlfe, welche mir ganz fehlt, muͤßte zu einer kritischen Ausgabe vorhanden seyn. Das Geschaͤft der roͤmischen Agrimensoren betraf Vermessung und Theilung von Feldmarken deren Assigna- tion beschlossen war, — wovon die Charte im kaiserlichen Archiv, eine Copie in dem der Colonie niedergelegt ward — Vermessung und Katastrirung von formlosen Laͤnde- reyen fuͤr den Staat, gewoͤhnliche Feldmessung fuͤr den Eigenthuͤmer, Erhaltung und Entdeckung der Graͤnzen der assignirten Fundi Man moͤchte vielleicht gegen die oben S. 392. aufgestellte Vermuthung daß die assignirten Fundi unveraͤnderliche Ein- heiten waren, l. 1. C. fin. regund. und l. 12. D. eod. an- fuͤhren, deren letzte im Edict. Theodor. §. 105. aufgenom- men ist: ich glaube aber daß diese nicht nur ohne Zwang auf den Ager arcifinius allein bezogen werden koͤnnen, son- dern daß solche Erklaͤrungen nur da abgegeben werden konn- ten wo es eine bedeutende Klasse von Laͤndereyen gab de- nen das Gegentheil eigenthuͤmlich und nothwendig war. , ihre Bezeichnung auf dem form- losen Lande, und die Kunst mit Huͤlfe der Grundrisse und eigenthuͤmlicher Zeichen jede unrechtmaͤßige Veraͤnderung der Graͤnzen zu entdecken: endlich mußten sie auch von dem Graͤnzrecht und den bey laͤndlichem Eigenthum vor- fallenden Controversen unterrichtet seyn, wo sie theils mit richtender Gewalt, theils als Kunstverstaͤndige sehr haͤu- fig beauftragt wurden. Sie bildeten im sinkenden Reich einen zahlreichen und angesehenen Stand, dem Theodosius der juͤngere den Titel und Rang der Spectabilitaͤt gewaͤhrte: ihre Muͤhe ward durch eine vom Staat festgesetzte sehr reichliche Re- muneration belohnt. Sie hatten foͤrmlich eingerichtete Schulen, nicht weniger als die Rechtsgelehrten, und schon den Studirenden war das Clarissimat verliehen. (Theodosius und Valentinian p. 343. ed. Goësii. ) Es gab der Schriften uͤber den nicht mathematischen Theil ihrer Kunst eine große Menge, und aus diesen ward, vielleicht um die Zeit der theodosianischen Gesetzge- bung, eine weitlaͤuftige Sammlung gemacht, deren zwoͤlf- tes Buch in der unsrigen angefuͤhrt wird (Ueberschrift p. 220. vergl. mit Rigaltius Anm. p. 276. not. Arca- dius p. 259. ed. G. ). Diese aber enthielt nun nicht bloß wissenschaftliche Abhandlungen wie die des Frontinus, Hygenus (denn so lesen die Handschriften unveraͤnder- lich), sondern auch die Gesetze welche die Gegenstaͤnde der Kunst betrafen, und eine Menge Specialberichte uͤber Assignationen und Limitationen, und Grundrisse aufgenom- mener Landschaften mit ihren begleitenden Berichten. Aus solchen besteht der groͤßte Theil der kleinen Frag- mente. Ein Schriftsteller ihrer Zunft scheint von ihnen vorzugsweise Auctor genannt zu seyn. Der Sinnesart jenes Zeitalters war es angemessen daß die spaͤteren Agrimensoren, wovon die des zweyten Jahrhunderts noch gar nichts gewußt zu haben scheinen, eine große Kuͤnstlichkeit in der Form und Bezeichnung der Graͤnzsteine erfanden, welche ihre urspruͤngliche Stellung bey jeder Verruͤckung kenntlich machen sollte: so wie sie auch mit wohl noch groͤßerer Muͤhseligkeit eine Symbolik aussannen, um weitlaͤuftige Charten zu ersparen. Diese letzte wird uns immer ganz unverstaͤndlich bleiben. Alles war in ihre Pandecten aufgenommen, und diese waren es ohne Zweifel welche von den Lehrstuͤhlen erklaͤrt wurden: sie wuͤrden uns, wenn sie vollstaͤndig erhalten waͤren, gar nicht schwer auszulegen seyn. Der Barbarey und der Armuth, die sich schon mit dem fuͤnften Jahrhundert uͤber Italien verbreiteten, und bereits vor dem Ende des sechsten die hoͤchste Stufe erreich- ten, waren weitlaͤuftige Werke eine unnuͤtze und beschwer- liche Last. Ein Zeitalter welches keine tuͤchtige Schriften hervorbringen kann, vermag auch nicht Buͤcher zu lesen. So war es damals: es ist als ob die Faͤhigkeit zu ergruͤn- den und zu entwickeln in jenen ungluͤcklichen Jahrhunder- ten ganz verschwunden gewesen waͤre. In dem geheim- nißvollen Wuͤrken des Geistes welches im Lauf des Lebens die Gedankenwelt schafft die unser eigentlicher Reichthum ist, koͤnnen wir wenigstens die lebensvollen, vor dem an- schauenden Nachsinnen aufkeimenden und sich entfaltenden Ideen, sey es daß wir sie unmittelbar bilden oder daß sie von Andern auf uns hinuͤbergehen, von denen sehr be- stimmt unterscheiden welche leblos, nur unter der aͤußern Huͤlle der sie bezeichnenden Worte, bestehen. Wie nun die Gewohnheit die Ideen von der aͤußeren Seite zu be- handeln die Kraft ihr Leben zu wecken gefaͤhrdet, und so- fern das Wortgedaͤchtniß nicht mit Unrecht als bedenklich verrufen ist, so giebt es Nationen und Zeitalter welche nur einer aͤußerlichen Verbindung derselben faͤhig sind: denen ihre Belebung versagt zu seyn scheint. Man muß dies von den Morgenlaͤndern eingestehen, und es ist eben so gewiß von den Jahrhunderten welche vom Verfall Roms bis zur Wiederbelebung Italiens verflossen. Das zeigt sich in den zeichnenden Kuͤnsten, welche, mit einer merkwuͤrdigen Uebereinstimmung zwischen den Gestalten der Kunstwerke jener Zeit und denen welche noch jetzt die persischen und indischen Mahler hervorbringen, auch bey sorgfaͤltiger Behandlung leblos und unnatuͤrlich sind: es zeigt sich in der Unfaͤhigkeit in den Wissenschaften uͤber den Begriff des unmittelbar vorliegenden hinauszugehen. Das Zeitalter worin Glossatoren entstehen konnten welche die Rechtsbuͤcher durch unaufhoͤrliche Vergleichungen aus sich selbst erklaͤrten, hatte den entscheidenden Schritt aus der Barbarey gethan, und stand schon in der Geistesfrey- heit wovon Italien zur Poesie und zu den Wundern der Kuͤnste fortgehen konnte. Ein muͤndlicher Unterricht erhielt sich noch uͤber die Agrimensur in jenem Elend der Barbarey, und fuͤr den wurden kuͤrzere Werke gebraucht. Nicht zusammengezo- gene Systeme, denn das Zeitalter hatte kein Beduͤrfniß fuͤr sie, sondern Werke worin ein Theil des zu lehrenden vor- kam. Muͤndliche Tradition mochte einiges ergaͤnzen was sich nicht in ihnen fand. Gerade so stand es mit dem Recht. Damals ist der Auszug jener alten Sammlung ver- faßt worden welchen wir haben. Die Zunft der Landmes- ser dauerte fort, ihre Kunst ward in allen Theilen Ita- liens gebraucht welche der griechischen Herrschaft und den roͤmischen Gesetzen unterworfen blieben. Die Untertha- nen der Longobarden verlohren freylich nicht nur ihre Ge- setze, sondern der Vertilgungskrieg uͤbertrug fast allent- halben das Eigenthum an Barbaren die sich neue Graͤn- zen setzten. Aber das Exarchat, das roͤmische Gebiet, ein großer Theil von Suͤditalien und Sicilien blieben in der Verfassung die sie unter Justinian empfangen hatten. Die rohe Unwissenheit der Zeit ist sichtbar in jedem Theil der Sammlung. Ihr Verfasser muß ein sehr ver- worrenes Exemplar vor sich gehabt haben, worin Blaͤt- ter der verschiedensten Tractate vermischt waren, andere faͤlschlich in mehrere getrennt schienen. Er arbeitete bey der Compilation nach der Sitte seines Zeitalters; ge- woͤhnlich abschreibend, verkuͤrzend durch Weglassung, selten einmal nur zusammenziehend oder wieder ergaͤn- zend; denn die Latinitaͤt der Aelteren ist nur aͤußerst einzeln durch eingeschobene Worte der spaͤteren Sprache verderbt. Das ist klar daß er selbst bey den ganz zer- ruͤtteten Stellen sich nichts gedacht haben kann. Ohne muͤndlichen Unterricht wuͤrde das Ganze auch den damaligen Landmessern unbrauchbar gewesen seyn: man begreift es daß dieser das Nothwendige verstaͤnd- lich machte. Das Beduͤrfniß der Agrimensoren war aber zwie- fach: der Feldmesser brauchte einen Unterricht in der Geometrie, wonach er die vorkommenden Probleme me- chanisch aufloͤsen konnte: andere, welche sich eigentlich nur dem Geschaͤft und Mysterium der Graͤnzscheidekunst widmeten, bedurften mehr die rechtlichen Kenntnisse und die Symbolik. Dadurch erklaͤrt es sich wie jene zwey theils von einander ganz verschiedene, theils uͤbereinstimmende Sammlungen entstanden sind, welche sich in den uralten Handschriften finden, seit Rigaltius im Druck zusammen- geworfen sind: wobey es sich aus der Planlosigkeit des Zeit- alters leicht erklaͤrt daß die fuͤr den Feldmesser bestimmte dennoch einiges enthaͤlt was den Graͤnzscheider eigen- thuͤmlich betrifft, und doch in seiner Sammlung fehlt: wie die aͤchten Fragmente des Frontinus, theils unter seinem eigenen Nahmen, theils unter denen die ihn verstecken. Wir wollen jene Sammlung, deren Haupturkunde der Codex Arcerianus ist, die erste, die welche Turnebus herausgegeben hat, die zweyte nennen. Das Zeitalter zu bestimmen worin jene verfaßt ist, fehlen uns die Kennzeichen, welche fuͤr die zweyte die Zeit uͤber die sie nicht hinausgesetzt werden kann unzweydeutig angeben, da sie sich groͤßtentheils in Schriften finden welche die erste entweder nie, oder auf den am Anfang und Schluß verlohrnen Blaͤttern hatte. Dahin gehoͤrt die um die Grammatik gekommene Sprache, wie de latus se (an seiner Seite) und die Nominative Frusinone, Formias, Puteolis (wie bey dem h. Gregorius Fundis, Liparis ): oder solche Worte als fontana, branca, casale, cam- pania, cambiare, de sub, flumicellus, monticellus. Der Pandectentitel den drey Handschriften enthielten, von denen wenigstens zwey uralt waren, verbietet uns uͤber die Mitte des sechsten Jahrhunderts: das Excerpt aus Isidors Origines ( p. 290. ed. G. s. Rigaltius not. ) bis an den Anfang des siebenten zuruͤckzugehen. Diesem Jahrhundert aber glaube ich sie mit großer Wahrscheinlichkeit zuschreiben zu koͤnnen, und Rom als den Ort wo sie verfaßt worden annehmen zu duͤrfen. Jenes, wegen der schon erwaͤhnten Aehnlichkeit der Sprache mit der des Zeitalters des h. Gregorius und Urkunden dieses Jahrhunderts: sie ist ganz rustik, aber sie hat noch nichts germanisches: dann, weil die wich- tigsten Handschriften mit sehr alter Uncialschrift geschrie- ben waren (uͤber den Codex Arcerianus s. Lipsius Elect. I. c. 15. bey Go ë sius, und Hase in Bredows Epistolæ Parisienses, p. 208. ff., welche ich gerade erhalte da diese Blaͤtter zum Druck gegeben werden sollten: uͤber den von St. Omer P. Gallandius in der Vorrede zu Turnebus Ausgabe, und die Literæ Agrimensorum da- selbst p. 202. 203.: uͤber den Heidelberger, Rigaltius in der Vorrede). Jene zufaͤllig gegebene Zuͤge der Hand- schrift von St. Omer stimmen, das M ausgenommen, namentlich in der seltneren Gestalt des B, G, R und S mit den eben darin eigenthuͤmlichen Papyrusfragmenten der Pandecten uͤberein, von denen Savigny eine meisterhaft treue Abzeichnung besitzt. Aus dem achten Jahrhundert giebt es eine so schoͤne Uncialschrift wohl nicht mehr. Endlich weil die Abschreiber des Griechischen voͤllig kun- dig waren, und zwar nicht bloß in einer, sondern we- nigstens in zwey Handschriften, der von St. Omer, und der des Alciatus. Zu Rom glaube ich sie verfaßt, theils, weil gesagt wird eine Notiz sey aus dem Archiv von Albanum genommen ( p. 145. ed. G. ), theils, weil so gar keine Beziehung auf Ravenna vorkommt wohin man sie sonst setzen muͤßte. Nur weniges uͤber die aͤlteren Buͤcher der Samm- lung. Außer Hygenus uͤber die Limitation, der voll- staͤndig zu seyn scheint, und der Vorlesung des Agge- nus Urbicus uͤber den sogenannten Frontinus, sind alle uͤbrige nur Fragmente, und groͤßtentheils ganz zerrissen. Bey weitem das ehrwuͤrdigste ist das Excerpt aus Vegoja ( p. 258. ed. G. ). Es ist gewiß aus einer Ueber- setzung einer aͤchtetruskischen Schrift, die Erwaͤhnung des achten Saͤculums, welches beynahe das letzte sey, ( ob avaritiam prope novissimi octavi sæculi ) beweißt die Aechtheit nach der etruskischen Lehre von den Welt- altern (Th. I. S. 91.). Die Schrift welche Rigaltius aus dem Codex Ar- cerianus unter dem Titel Aggenus de controversiis gegeben hat, traͤgt diesen wohl in der Handschrift: er aber setzte hinzu Pars altera. Sie ist offenbar unter Domitian geschrieben, und, wenn auch entstellt, doch sehr vorzuͤglich und antik. Nun will ich zwar nicht laͤugnen daß ein Aggenus unter Domitian geschrieben haben koͤnnte, obwohl es befremdet daß es einem so aͤußerst tuͤchtigen Gelehrten wie Rigaltius denkbar schien daß dieses Fragment, und der elende, des schlechtesten unter den Glossatoren wuͤrdige Commentar, von einem Verfasser seyn koͤnnten. Weil aber Frontinus so haͤufig als Agrimensorischer Auctor erwaͤhnt wird, — obwohl ihm, außer zwey Frag- menten, von denen das eine vorzuͤglich ( p. 215 — 219) seiner wuͤrdig ist, das uͤbrige alles faͤlschlich zugeschrieben wird, — weil er unter Domitian die Buͤcher von den Kriegs- listen schrieb, in denen er von ihm nicht weniger ehrerbie- tig redet als hier, so halte ich es fuͤr hoͤchst wahrschein- lich daß diese wichtige Schrift von ihm ist. Die Sprache sogar scheint denselben Verfasser anzudeuten: sie ist noch nicht schlecht, aber sie hat schon die Schwerfaͤlligkeit welche in den spaͤteren Jahrhunderten immer herrschender ward. Die vier Controversen welche gewoͤhnlich zuerst ge- nannt werden, de terminorum positione, de rigore, de fine, de loco, fehlen: sie lassen sich hingegen groͤßten- theils, obwohl ganz zerruͤttet, so daß man eine durchge- hende Versetzung der Blaͤtter wahrnimmt, in dem Liber Simplicii wiedersinden. Aus diesem wird eine Stelle als Excerpt aus dem zweyten Buch des Frontinus wieder- holt (Vgl. p. 78. 79. 308. 309.), und was der Com- mentator Aggenus aus Frontinus anfuͤhrt, findet sich in diesem Simplicius (S. Rigaltius ad p. 51. not. p. 244. ed. G. ). Ich zweifle auch nicht daß jene verworrenen Truͤmmer mit den besser erhaltenen Controversen unter Aggenus Nahmen ein Ganzes bildeten, und zu des Fron- tinus Werk gehoͤrten: welches aus sechs Buͤchern bestan- den hat ( p. 86.). Das alte Plebiscit ist zuverlaͤssig durch Frontinus erhalten, eben wie er in das Buch uͤber die Wasserlei- tungen Gesetze und Senatusconsulte als Belege eingetra- gen hat. Der Commentar des Aggenus Urbicus gehoͤrt in die spaͤteste Zeit, vielleicht in das sechste Jahrhundert. Es ist ein hoͤchst einfaͤltiger Compilator, von roher Unwissenheit. Was Frontinus an Celsus uͤberschrieben ist, sollte nun gewiß seinen Nahmen nicht fuͤhren. Die Schrift de agror. qualitate mag ein Excerpt aus ihm seyn: wie das Buch von den Colonieen theils aus ihm (so die Provincia Tuscia p. 111. ed. G. ), theils aus einem andern unter oder nach Commodus geschriebenen Werke gezogen ist. Lie- ber moͤchte man jene erst genannte Schrift mit der ersten Sammlung einem Balbus zuschreiben, oder mit andern dem Nypsus. Rigaltius und Go ë sius haben sie interpo- lirt durch das zweyte Capitel aus Pabst Gerberts Geome- trie (bey Pezius T. III. P. 2.), welches vielleicht auch nur aus Nypsus entlehnt ist. Der Anfang des ersten Buchs des Euklides ( p. 316. u. f. ed. G. ) ist aus einer vollstaͤndigen Geometrie des Boethius genommen: der gedruckten fehlen die Beweise und Aufloͤsungen. Es gehoͤrt aber dieses Bruchstuͤck so wenig als die uͤbrigen von Turnebus mit besondern Sei- tenzahlen herausgegebenen Stuͤcke zu einer der alten Sammlungen. Zu den groͤßten Merkwuͤrdigkeiten der zweyten Sammlung — denn wenigstens im Arcerianus fehlen sie — sind die Titel aus den beyden großen kaiserlichen Rechtssammlungen zu zaͤhlen: von denen der aus dem theodosianischen Codex, unter der Aufschrift de finium regundorum, nach dem Fragment an Celsus; der Pan- dectentitel unter den gemischten Excerpten p. 177. ed. Turneb. sich findet. Der Titel des theodosianischen Codex ( II. 26.) fin- det sich in den Ausgaben vollstaͤndig, obwohl das Bre- viarium nur die l. 2. enthaͤlt. Daß er in der von Cuja- cius (1566.) aus unserer Sammlung hergestellt sey, hat, wie es scheint, selbst Jacob Gothofredus nicht bemerkt: und so ist die einzige Quelle sogar von Rigaltius nur fuͤr ein verschiedenes Exemplar angesehen worden. Außer den vollstaͤndigen Gesetzen des Titels finden sich zwey Fragmente aus Constitutionen Impp. Theodosius et Va- lentinianus Numo M. O., und Florentino P. P. (p. 343.) und die Novelle Tit. X. 1. Iidem Impp. Cyro P. P. O. Auch uͤber jene beyden Fragmente, welche in allen Aus- gaben gaben des Codex Theodosianus fehlen, hat Etatsrath Cramer mich belehrt daß sie, nach der Zeitrechnung, aus Novellen genommen sind. Diese Constitutionen sind zuerst von Joh. Sichardus im Maͤrz 1528 mit dem Breviarium herausgegeben, und zwar als in der Schrift des Frontinus enthalten: daher er weder auf dem Titel noch in der Vorrede ihrer gedenkt. Fruͤher aber schon hatte sie Alciatus in einer Hand- schrift, denn wenn gleich die Zueignung seiner Schrift de quinque pedum præscriptione erst vom August 1529 ist, so kannte er doch den Pandectentitel aus den Agri- mensoren schon im Jahr 1519, als er die Dispunctiones schrieb ( Lib. II. c. 6.). In den Stellen jener Schrift p. 12. 13. 29. 30. (ed. Lugdun. 1529.) wo er von diesen Constitutionen redet, hat er Lesarten die von den Sichar- dischen abweichen: er nennt den Commentator nicht Aggenus sondern Agennius, die erlaͤuterte Schrift legt er nicht dem Julius Frontinus sondern dem Junius Hyp- sus (Druckfehler, statt Nypsus) bey. Neben diesen aͤchten Constitutionen steht eine unter- geschobene, angeblich von Tiberius. Ein unwissendes Zeitalter fabelt und faselt, so die Byzantiner uͤber Con- stantin. So bezogen die Agrimensoren den Ursprung ih- rer Kunst auf Julius Caͤsar und Augustus: auf eine allge- meine Vermessung des ganzen roͤmischen Gebiets unter diesem, welche sie vielleicht mit der biblischen Erzaͤhlung von dem allgemeinen Census begruͤndeten, theils aber auch auf die Messung des Balbus bezogen, welche ein Itinera- rium geschafft zu haben scheint. Sie hatten einen angeb- Zweiter Theil. M m lichen Brief Caͤsars, der ihnen als Stiftungsurkunde ih- rer Zunft galt (Cassiodor Var. 52. l. III. p. 120. 121. ed. 1656. Liber de Colon. p. 109. ed. G. Boethius Geo- metr. II. p. 1537. 1538. ed. Basil. 1570.). Auch steht hier aus Julius Paulus V. 22. §. 2., nicht aus dem Breviarium, sondern aͤcht. Es ist ein nicht beachteter merkwuͤrdiger Umstand daß ein Theil des theodosianischen Codex noch nach der Justi- nianeischen Gesetzgebung in Italien practische Wichtig- keit behalten hat. Eine nicht geringere Merkwuͤrdigkeit, und eben so uͤbersehen, ist der Pandectentitel Finium regundorum. Wir wissen bestimmt daß er sich in vier Handschriften be- fand, von denen wenigstens eine der Florentina am Alter gleich stand. Aus der von St. Omer hat ihn Turnebus mit augenscheinlich buchstaͤblicher Treue abdrucken lassen; aus einer andern giebt Alciatus ( Dispunct. II. c. 6.) den griechischen Text in der l. 13., welchen Haloander aus ihm hat. Ich nenne den Abdruck des Turnebus buchstaͤb- lich treu, weil er aus der Vergleichung des Codex Herve- tianus eine Variante giebt die ein gemeiner Schreibfehler ist: und weil er nicht einmal die Verwirrung abstellt die, in der ganzen Sammlung herrschend, auch diesen Titel er- griffen hat. Naͤmlich l. 4. bricht ab mit dem §. 10. dann folgen l. 7. 9. 10. 13. Alsdann werden unter der Rubrik Item post alia von l. 4. §. 9. 10. wiederholt, und der §. 11. hinzugefuͤgt, nun kommen l. 5. 6. 8. 11. 12. Diese Unordnung ist ganz unerklaͤrlich: an Verwir- rung der Blaͤtter kann man hier wohl nicht denken da je- des Gesetz ein einzelnes Blatt eingenommen haben muͤßte: und die meisten enthalten nur wenige Zeilen. Dies waͤre nur eine Sonderbarkeit; aber wir finden hier einen von der Florentina sowohl als von der Bononiensis (Cra- mer præf. ad Tit. de V. S. p. 13.) ganz abweichenden Text. Er enthaͤlt originale und singulaͤre Varianten, un- ter denen einige der Pruͤfung sehr werth sind. Unter die Quellen der Bononiensis gehoͤrt die Recension keines- wegs von der sich hier ein Theil erhalten hat: denn nur in aͤußerst wenigen Faͤllen stimmt sie mit ihr gegen die Florentina zusammen. Contius hat in der Ausgabe 1571 (in 16 mo ) die wichtigsten Varianten als aus Julius Frontinus gege- ben: sie scheinen ganz in Vergessenheit gerathen zu seyn: in der Gebauerschen Ausgabe sind, nach Brenkmann, nur einige wenige, nicht die wichtigsten, angefuͤhrt. Ich gebe daher am Schluß dieser Abhandlung eine vollstaͤn- dige Vergleichung mit der Florentina, und an allen Stellen wo diese Texte variiren, (aber auch nur an die- sen) mit alten Ausgaben, und der Haloandrischen und Sennetonischen. Rigaltius ließ den Titel weg aus sei- ner Ausgabe, und Goesius redet gar nicht von ihm. Ohne handschriftliche Autoritaͤt hat er hingegen l. 7. u. 8. §. 1. dieses Titels, l. 16. de adquir. res. dom. und l. 3. §. 2. de term. moto abdrucken lassen, als ob sie zum Corpus gehoͤrten. Ich vermuthe daß er Turnebus Ausgabe nur dem Nahmen nach gekannt hat. Es wuͤrde sehr wichtig seyn die Handschriften zu kennen die von unserer Sammlung gebraucht, zu wissen M m 2 wo sie noch etwa vorhanden sind, und welche unbenutzt seyn moͤgen. So wie ich alle diese Bemerkungen nur darum gebe weil meine Lage mich nicht hoffen laͤßt die Un- tersuchung viel weiter zu foͤrdern, ich also nur suchen kann sie Andern erleichtert zu empfehlen die das Schicksal hierin mehr beguͤnstigt, so versuche ich auch nur unter diesem Gesichtspunkt eine aͤußerst unvollkommene Uebersicht der handschriftlichen Quellen. 1. Die erste Erwaͤhnung der Agrimensoren ist bey Raphael Volaterranus. Er erzaͤhlt daß Thomas Phaͤ- drus sie 1494 im Kloster zu Bobbio entdeckt habe: er selbst las und excerpirte sie aus der Handschrift des Ang. Colotius ( Fabricii bibl. lat. l. IV. c. 7. Vol. 2. p. 475. Ed. Venet. 1728. Raph. Volat. l. XXX. ad calcem Agrimenso- rum Turnebi. ). 2. Dann folgt dem Zeitalter nach Alciatus , der, wie schon gedacht, bereits 1519 den Titel D. fin. regund. hatte: der das ganze einem Junius Nypsus zuschreibt, und seinem Commentator Agennius. Seine Handschrift muß also von denen aller folgenden verschieden ge- wesen seyn. 3. Sichardus hat den sogenannten Julius Frontinus, die kaiserlichen Constitutionen und den Aggenus, aus einem Strasburger , und einem Fuldischen Codex, vor- zuͤglich nach dem letzten, abdrucken lassen ( Cod. Theod. ed. 1528. margo fol. 174. vers. ). Er hatte aber noch mehrere gesehen ( margo fol. 171. vers. ). Er hatte auch den Siculus Flaccus und Innocentius ( Dedic. ad Ferdin. Reg. ), also eine Handschrift der zweyten Sammlung. 4. Im Jahr 1554 ließen P. Gallandius und A. Tur- nebus, in der Druckerey des letzten, den Text einer Hand- schrift abdrucken welche sie zu St. Omer in der Biblio- thek des Klosters St. Bertin entdeckt hatten. Sie nennen sie vetustissimum exemplar, venerandæ vetustatis monumentum: und offenbar war sie auch uralt. 5. Zu einem Theil von Siculus Flaccus, zum Hy- genus de limitib., dem Plebiscit, und dem Pandecten- titel, gaben sie Varianten aus einem Codex, den Gen- tianus Hervetus aus Italien gebracht hatte ( p. 256. ed. Turneb. ); man sieht nicht ob ein Original oder eine Abschrift. Daß Rigaltius ihn beylaͤufig ein Pergament nennt ( p. 262. not. ed. G. ), kann unser Urtheil nicht entscheiden: denn was er daraus anfuͤhrt hat er alles aus Turnebus entlehnt. 6. Eben so melden sie an einem andern Ort von einer Handschrift, ohne zu sagen ob sie alt gewesen, welche, an ungedruckten Schriften, Stuͤcke unter den Nahmen Vitruvius, Epaphroditus, Balbus, Simpli- cius und den Hyginus von der Castrametation enthielt ( dedic. ed. Turneb. ): der Text schien ihnen fuͤr einen Abdruck gar zu heillos zerruͤttet. Es kann eben der Codex des Hervetus gewesen seyn, denn wie diesem, nach der Collation, außer dem Pandectentitel, alle Stuͤcke fehlen welche die Turnebische Sammlung mehr hat als die vorher mit dem Nahmen der ersten bezeichnete, naͤm- lich der Commentar des Aggenus, der theodosianische Titel und die Excerpte uͤber die eigentliche Graͤnzschei- dekunst, so wuͤrden dagegen die Schriften aus denen Varianten gegeben sind, verbunden mit den obengenann- ten, das Ganze jener ersten Sammlung ausmachen. 7. Vielleicht aber haben sie schon den Hauptcodex vor Augen gehabt, jene Handschrift welche Rigaltius die Arcerianischen Fragmente nennt. Diese be- schreibt er als pervetustum codicem — grandioribus litteris exaratum (præf.): und Lipsius ( Varior. testim. in pr. ed. Goës. ) sagt daß sie mit großen roͤmischen Buchstaben, das heißt reinen Uncialen, geschrieben war. Denn der Codex Arcerianus und der Nansianus von dem Lipsius hier redet, sind dieselbe Handschrift (vgl. Lipsius a. a. O. P. Scriverius præf. ad Vegetium S. 4. ed. 1607.): woraus der eben angefuͤhrte Gelehrte des Hyginus Gromaticus herausgab (a. a. O. und Ri- galtius præf. ). Der Nansianus ward von Rutgersius dem Rigaltius, es scheint in einer Abschrift, mitgetheilt ( Testim. in pr. ed. Goës. ). Die Handschrift war ihm, wie jener schreibt, hoͤchst nuͤtzlich: aber unter denen die er als benutzt verzeichnet kommt keine vor welche dafuͤr ge- nommen werden koͤnnte, wenn es nicht die so oft ange- fuͤhrte Arcerianische ist. Ich hatte die Induction fuͤr die Identitaͤt beyder Handschriften viel ausfuͤhrlicher verfolgt, als ich, — was man wohl am allerwenigsten erwarten konnte, uͤber einen seit zweyhundert Jahren aus dem Gesicht gekommenen Gegenstand eben in den Tagen worin man sich besonders mit ihm beschaͤftigt Kunde zu erhalten, — durch die in Bre- dows Epist. Paris. enthaltene Notiz von Hase uͤber diesen Codex uͤberrascht ward. Er befindet sich naͤmlich, wie es scheint seit 1805, in der kaiserlichen Bibliothek zu Paris, wohin er aus Deutschland (aus Wien?) gefuͤhrt ist: da die Nahmen der Besitzer, von Sixtus Arcerius bis auf P. Scriverius, eigenhaͤndig eingeschrieben sind, so wuͤrde man mit inneren Beweisen uͤberfluͤssige Worte verlieren. Hase hat aus dieser Handschrift einen Theil der geo- metrischen Fragmente bekannt gemacht, und buchstaͤblich wie sie mit Unzialen in zwey schmalen Columnen ge- schrieben stehen. Auch hier findet sich wie wir sie schon aus dem Ab- druck des Hyginus de Castrametatione , und aus dem sogenannten M. Baro, und selbst dem Titel von dem Trac- tat des M. Betrubius sehen, grade dieselbe abscheu- liche Orthographie welche in der Florentina fuͤr ihre An- beter ein koͤstlicher Rost ist. Es ist aber nichts anderes als die gemeine roͤmische Aussprache, welche durch das Mit- telalter fortdauerte: in dem Leben von Cola di Rienzo, nach der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, lesen wir eben so, Balerio, Bespasiano, benne, und hingegen vattaglia, havitazione u. s. f. Zu Ravenna sprach und schrieb man so nicht. Da nun unter den Exarchen die griechische Sprache die des Hofs und der Geschaͤfte war, da es so vornehm duͤnkte sich ihrer zu bedienen daß man in den Urkunden jener Zeit Italienisch (Latein kann man es nicht mehr nennen) mit griechischer Schrift nicht sel- ten findet, so ist es wohl nichts weniger als ausgemacht daß der Schreiber der Florentina ein Grieche war, son- dern viel glaublicher daß er ein eigentlicher Roͤmer gewe- sen ist, den Jargon seiner Heimath in der Orthogra- phie darstellend; in den Geschaͤften gewoͤhnt an den Ge- brauch der Sprache der Regierung, ihn sogar affectirend: sein Zeitalter aber das siebente Jahrhundert. Das Verzeichniß der im Arcerianus enthaltenen Stuͤcke giebt Hase genauer als Lipsius, aber so wie sie bey Go ë sius uͤberschrieben sind, leider nicht mit den Titeln der Handschrift. 8. Sammelt man nun aus Rigaltius Anmerkungen die Stellen an denen er die Abschrift der Colotianischen Handschrift, unter dem Nahmen des Codex Memmianus, anfuͤhrt, welche wahrscheinlich N. 7229. der Pariser Bi- bliothek ist, — Hase irrt, indem er meint, Rigaltius habe nur diese gebraucht — so erhellt daß diese und die Arcerianische in ihrem Inhalt uͤbereinstimmen. Nun aber ist die letzte von der Zeit am Anfang und am Schluß verstuͤmmelt, und so muͤßte man erwarten daß eine an- dere, gleichfalls alte, mehr als sie enthalten muͤßte, wenn sie urspruͤnglich uͤbereingestimmt haͤtten. Da die- ses der Fall nicht ist, so wird die Vermuthung gerecht- fertigt seyn daß Sixtus Arcerius eben diesen Colotia- nischen Codex uͤber die Alpen brachte. Und war dieser verschieden von jenem der zu Bob- bio entdeckt ward, und unter denen gewesen seyn duͤrfte die Th. Phaͤdrus von dort nach Rom brachte? Auch das wuͤrde ich fuͤr unwahrscheinlich halten, da alle von Volaterranus daraus angefuͤhrte Schriften sich im Ar- cerianus finden, selbst Hyginus de castrametatione, wenn nicht die Rubrik: Cæsarum leges agrariæ (Vo- laterranus bey Fabricius a. a. O.) zweifelhaft machte. Freylich hat diese Ueberschrift etwas unauthentisches: sie waͤre so unpassend fuͤr den theodosianischen Titel f inium regundorum, den die erste Sammlung nicht hat, als falsch fuͤr das Plebiscit, welches sie enthaͤlt: und wie dieses im Arcerianus uͤberschrieben ist, meldet Hase leider nicht, obwohl wir freylich von ihm erfahren daß es die aus der zweyten Sammlung genommene Ue- berschrift: Lex Mamilia etc. nicht hat. Inzwischen ist die- ser Umstand doch bis weiter nicht leicht zu beseitigen. Die Handschrift des Hervetus war aber gewiß ver- schieden von der des Arcerius: denn sie hatte den Pan- dectentitel, und es werden aus beyden abweichende Va- rianten angefuͤhrt. 9. Neben der Arcerianischen hatte Scriverius noch eine andere sehr alte Handschrift, wenigstens von eini- gen Stuͤcken ( p. 164. ed. 1607). 10. Rigaltius benutzte ferner, durch Gruter, einen Heidelberger Codex, den er auch uralt nennt ( p. 341. ed. Rigalt. ). Dieser und der von St. Omer gehoͤrten zu einer Klasse. Beyde hatten die der zweyten Sammlung eigenen Stuͤcke: dagegen nicht den Aggenus (Frontinus) von den Controversen, den Simplicius, die aͤchten Frag- mente des Frontinus, und die geometrischen Buͤcher. Der Heidelberger Codex war der vollstaͤndigere und bessere, er gab den Innocentius, wie eine von Sichardus Hand- schriften, war vielleicht diese selbst. 11. Goësius besaß selbst eine Handschrift, die, weil sie ein Excerpt aus Pabst Gerberts Geometrie, unter seinem Nahmen, enthielt, nicht juͤnger als das elfte Jahrhundert gewesen seyn kann. 12. In dasselbe Jahrhundert setzt Bandini ( Catal. Codic. Latinor. Bibl. Laurent. Tom. II. p. 47 — 50.) einen Codex ( Plut. XXIX. cod. 32.), welcher, in zwey Buͤcher eingetheilt, das erste Frontinus, das zweyte Nyp- sus zugeschrieben, eine neue Abkuͤrzung der Samm- lung darbietet. Man sieht aus dem sehr ausfuͤhrlich ge- gebenen Inhalt, daß hier nur das noch vorkommende Rechtliche und das Geometrische Zweck war: das Alter- thuͤmliche, wie die Lehre von der Limitation, ist als un- praktisch uͤbergangen, obgleich wegen der elenden Art womit solche Abkuͤrzungen gemacht wurden hin und wie- der einiges zuruͤckgeblieben ist. Der Titel des C. Th ist uͤberschrieben: Ex Corpore Theodosiani libri secundo titulo de finium regundorum. 13. Von dieser aͤußerst schlechten Epitome scheinen die Handschriften nicht selten zu seyn. Vermuthlich war die des Go ë sius von dieser Art: zuverlaͤssig die Mode- nesische aus der Muratori ( Antiq. Ital. T. III. p. 981 ff.) eine Probe gegeben hat. Ich moͤchte dasselbe von Hand- schriften in der Vaticana (Montfaucon Bibl. Manusor. p. 110. D. ) und zu St. Germain ( p. 1153. F. ) ver- muthen. Von den im 16ten und 17ten Jahrhundert gemach- ten Abschriften zu reden waͤre uͤberfluͤssig: der Pariser Catalogus zeigt keine andre, und leider hat man bey den uͤbrigen großen Bibliotheken, wenn auch die Ver- zeichnisse der griechischen Handschriften leidlich bekannt gemacht sind, die lateinischen ganz versaͤumt. Gudius fuͤhrt in den Noten zum Phaͤdrus einen ihm gehoͤren- den antiquissimus Codex des Siculus Flaccus an: in dem Catalog seiner Manuscripte habe ich ihn nicht fin- den koͤnnen. 14. Aem. Ranconnetus, der sich mit den Agrimen- soren eifrig beschaͤftigte, hat auf ein Blatt in seinem Exemplar der Sichardschen Ausgabe des Breviarium eine Reihe von Titeln theils bekannter theils jetzt ganz verschwundener Buͤcher geschrieben, welche er entweder selbst gehabt, oder gesehen haben muß. (Notiz von Sa- vigny). Zuletzt steht, raͤthselhaft, Sña Muciorum de finibus regundis: und dann, unter einem Strich, ein Verzeichniß einer agrimensorischen Sammlung, welches einen von den uns naͤher bekannten verschiedenen Codex verraͤth. Merkwuͤrdig ist daß der Commentator Agge- nus hier, wie bey Alciatus, Agennius heißt, und daß nach Hyginus de limitibus angefuͤhrt wird: Boëtius de eadern re . Wie es sich damit auch verhalten mag, so ist es augenscheinlich klar daß der Abschnitt uͤber die Graͤnz- scheidekunst in Boethius Geometrie ( p. 1537. — 1541) unmoͤglich von dem geistreichen und gelehrten Consular geschrieben seyn kann. Es ist ein verworrener Wust, fast noch aͤrger als die große Compilation. Boethius Geometrie war, bis die des Pabstes Gerbert erschien, mit Nypsus, Vitruvius uud Epaphroditus, das Hand- buch der Landmesser, und von ihrer einem ist dieser den Nahmen des großen Mannes entweihende Zusatz hin- eingeschrieben; so wie die rohe Unwissenheit der Ab- schreiber, wenigstens der Handschrift welche den Druk- ken zum Grunde liegt, die Saͤtze und Diagramme vom wesentlichsten entkleidet hat. Ein kuͤnftiger Herausgeber der Agrimensoren muͤßte allerdings auch dieses Stuͤck mit der Sammlung ver- binden. Wie moͤchte ich diesen Herausgeber hervorru- fen der den ehrwuͤrdigen Ruinen, ruͤhrend durch die Erinnerungen welche sie wecken und durch ihre Ent- stellung selbst, den philologischen Geist unserer Zeit, die Gelehrsamkeit und den Fleiß der franzoͤsischen Schule des sechszehnten Jahrhunderts weihte! Er koͤnnte schon, ohne seine Heimath zu verlassen, eine reiche Lese aus den Ausgaben des Turnebus und Rigaltius machen, deren erste Go ë sius ganz versaͤumt, aus der zweyten vieles vernachlaͤßigt hat. Rigaltius Verdienst um unsere Schriften ist groß: Go ë sius muͤh- selige Arbeit fast ohne Werth. Er muͤßte das in den spaͤteren Ausgaben hinzugekommene abtrennen: sich die zusammengeworfenen Fragmente ordnen: das sogenannte Buch des Simplicius in die Blaͤtter aufzuloͤsen suchen welche sinnlos durcheinander geworfen und zusammen- gefuͤgt sind: diese dann mit dem besser erhaltenen Frag- ment von den Controversen verbinden. Der Commen- tar des Aggenus wuͤrde ihn dabey leiten, und viele Er- gaͤnzungen geben koͤnnen. Aber dies kann noch lange nicht hinreichen: er muß auch die Handschriften untersuchen, wenigstens die von hohem Alterthum. Gewaͤhrt ihm dann das Gluͤck daß er Rom besuchen kann, so thue er endlich was noch Niemand that, weil fast jeder, den nicht die Kunst dort- hin fuͤhrt, eben so wenig weiß was er dort zu thun hat als die Meisten es fuͤr ihr ganzes Leben wissen, wenn ihnen nicht, wohlthaͤtig, ein nothwendiger Beruf vorge- schrieben ist worin sie einfoͤrmig fortgehen muͤssen bis ihre Zeit um ist. Er gehe auf das Land: er verschmaͤhe es nicht auch die kleinste Eigenthuͤmlichkeit zu beobachten und zu fassen: alles ist Reliquie auf dem heiligen Boden: irgendwo werden ihm die Raͤthsel geloͤst werden an de- nen wir an die nordische Barbarey Geketteten unsern Scharfsinn vergebens versuchen wuͤrden. Es ermuntere ihn daß er eine Arbeit behandele welche die etruskische Zeit, freylich durch tausend Ab- stufungen und Entstellungen, an das spaͤtere Mittelal- ter knuͤpft. Dort ist es auch, in Italien selbst, in Archiven und Bibliotheken, wo allein die Frage beantwortet wer- den kann, wann das eigenthuͤmliche alte Acker- und Graͤnzscheidenrecht ganz verschwand. Ich kann daruͤber, zum Schluß dieser schon zu sehr erweiterten Abhandlung, nur wenige Data geben; meine Untersuchungen sind nicht unfleißig, aber in ihren Huͤlfsmitteln leider sehr be- schraͤnkt gewesen. Es laͤßt sich erwarten, und man erhaͤlt bald davon vollkommene Gewißheit, daß in allen lombardischen Staaten diese alten Rechte mit der Eroberung unterge- hen mußten, und daß sie sich nur im roͤmischen Gebiet, und in den drey neapolitanischen Republiken, erhalten konnten. In den griechischen Provinzen machte die Sprache die agrimensorischen Schriften unbrauchbar. Ich habe nur uͤber das roͤmische Gebiet Spuren gefun- den wo der Limitation als einer noch wohlbekannten und praktischen Sache erwaͤhnt wird. In Schenkungsurkunden und Kaufbriefen kommt die Formel sehr haͤufig vor cum omnibus finibus, termi- nis, limitibusque suis: diese findet sich noch in einem Diplom von Pabst Leo IX , vom Jahr 1049, bey Ughelli, Italia sacra, Tom. I. p. 122.: mir ist sie spaͤter nicht vorgekommen. Eine solche Formel konnte freylich bey den Nota- rien lange sinnlos fortdauern: wenn aber der Limes als Graͤnzbestimmung angegeben wird, so kann man doch nicht bestreiten daß das Wort in seinem eigent- lichsten alten Sinn zu nehmen ist. Auch davon will ich nur die juͤngsten mir bekannten Beyspiele anfuͤhren. In einer Urkunde des Jahrs 961 ( Marini, papiri diplomatici n. CII. p. 160. 161.) wodurch ein Graf Balduinus einem roͤmischen Kloster ein Casale an der Via Appia, sechs bis sieben Millien von der Stadt, schenkte, wird dessen eine Graͤnze bestimmt: Exinde per limitem alto majure , infra silva, recte in arca marmorea antiqua. In einer tiburtinischen Urkunde von 990 (ebendas. Annotazioni p. 255.) heißt es, ebenfalls in einer Graͤnz- bestimmung: deinde venientem usque in limite ma- jore qui dividit inter nostros Episcopio terra que de Marengi, et deinde ipso limite venientem in via publica. Hier sind schon alle Nahmen lombardisch, in jener Urkunde waren sie, außer dem des Gebers, roͤmisch. Auch noch in einer Urkunde Pabst Benedict VIII vom Jahr 1019 kommt dieselbe Bestimmung vor: Sicuti a muro, et a fluvio Tyberis, atque limitibus circumda- tur (Ughelli Tom. I. p. 116.). Pabst Gerbert, am Ende des zehnten Jahrhunderts, verwieß uͤber die Controversen, die Qualitaͤten und Nah- men der Aecker, und die Limiten, auf Julius Fronti- nus, und Aggenus Urbicus (Rigaltius in not. p. 240. ed. Goës. ). Das alles muß also noch praktisch gewe- sen seyn; das beweißt auch das Daseyn von Handschrif- ten aus dem elften Jahrhundert, und die wahrscheinlich sogar damals gemachte neue Abkuͤrzung. Die roͤmischen Statuten, selbst in der Ausgabe aus dem funfzehnten Jahrhundert, enthalten gar nichts: Terminus ward nicht mehr verehrt, seitdem die deut- schen Kaiser, durch ihre Belehnungen in der Campania und rings um die Stadt, das ehrwuͤrdige matt fortle- bende Alterthum getoͤdtet, und die Barbarey in Rom eingefuͤhrt hatten. Die Glossatoren, in der lombardischen Stadt, konn- ten die alten Rechte nicht praktisch kennen. Daß sie aber doch sehr wohl wußten was ein Ager limitatus sey, und wie er entstand, zeigt ihre Erlaͤuterung ad l. 16. D. de adquir. rer. domin. Auch die Urheber der Glosse zum Titel C. fin. regund. waren mit dem Geschaͤft der Agrimensoren gar nicht unbekannt. Bey der l. 7. D. eod. denken sie freylich an lombardische Einrichtungen, Gemeinheitstheilung. Vergleichung des Pandectentitels Finium regundorum , aus der Turnebischen Aus- gabe der Agrimensoren, mit der Floren- tina, und Ausgaben des funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts . Die bey den abweichenden Stellen vergliche- nen Ausgaben, saͤmmtlich aus Savignys Bibliothek, sind folgende: A. Nuͤrnberg, Koberger, 1482. B. Venedig, Fratres Furlivienses, 1484. C. Venedig, De Tortis, 1501. D. Paris, Boucard, 1509. E. Lyon, Fradin, 1514. F. Paris, Blaublom, 1528. Hal. Haloander, 1529. S. Lyon, Senneton, 1550. Wo diese oder eine von ihnen von der Florentina, wie sie in der Goͤttinger Ausgabe gegeben ist, sonst abweicht, stimmt der Text im Corpus der Agrimensoren mit der letz- ten zusammen. Die Versetzungen sind schon oben ange- geben (S. 546.): sie sind keine Variante sondern ein grober Irrthum. Die Varianten des Alciatischen Codex zu dem Solo- nischen Gesetz in l. 13. (aus den Dispunct. II. c. 6.) sind aus dem vierten Theil seiner Werke, Frankfurt 1617. l. 1. Flor. und Alle: rei est . Turn. rei sit . l. 2. pr. Flor. und Alle: in confinio. Turn. in confini um . §. 1. Von den Worten et si forte ein neues Gesetz, mit der Inscription: PAULUS lib. XXIII. ad edictum. Wahrscheinlich besser. — Alle Ausg. wie Flor. Flor. judicationem. Turn. und Alle: ad judicationem. l. 3. l. 3. inscr. Flor. Gajus. Turn. Cajus. (auch l. 13.) l. 4. pr. Flor. und Alle: scindi. Turn. re scindi. §. 1. Flor. inique. Alle: an inique. Turn. non inique. Gut. Flor. und Alle: So lo . Turn. So cio . §. 2. Flor. A. C. D. E. Hal. ju dicio . Turn. B. F. S. ju- dici um . et dolus exinde. Codex Hervetianus (ed. Turn. p. 257.) et dolus et duobus exinde. (bloßer Schreibfehler.) Flor. und Alle: præs tantur . Turn. præs tatur . Flor. A. B. C. hoc in . Turn. D. E. F. Hal. (fehlt bey Geb.) S. in hoc . Flor. und Alle: ve nient . Turn. ve niunt . §. 5. Flor. und Alle: parti adjudicare. Turn. adjudicare parti. Flor. A. bis F. habet, et pro indiviso. Qui. Hal. S. habet quam et pro indiviso habebat. Qui. Turn. habet. Et ii, pro indiviso qui. Eine schoͤne Lesart. §. 7. Flor. und Alle: Et scribit. Turn. scribit. Flor. und Alle: Sed unius. Turn. Sed et unius. §. 8. Flor. A. B. Hal. Singuli. Turn. C. D. E. F. S. Si Singuli. §. 9. Flor. und Alle: actio et in. Turn. Actio in. §. 10. Flor. urbauorum. Alle: in urbanorum. Turn. nam in confinio prœdiorum urbanorum. Flor. und Alle: etsi in agris. Turn. an der ersten Stelle: (S. oben S. 546.) eben so. An der zwey- ten: si agris. Flor. B. C. F. S. Turn. p. 180. S i nt. Turn.. p. 181. A. D. Hal. S u nt. §. 11. Flor. Sive via. Turn. Sive flumen sive via. A bis F. Si vero via. Hal. S. Si vero flumen vel via. l. 6. inscr. Flor. XXIII. Turn. XVIIII. (als ob aus Ulpian.) l. 7. inscr. Flor. X. Turn. primo et decimo. Zweiter Theil. N n l. 8. pr. Flor. A. conf u dit. Turn. B. bis F. conf un dit. Hal. S. conf uderit . §. 1. Flor. und Alle: Ad off. Turn. Et ad off. l. 10. Flor. erciscundæ. Turn. herciscundæ. l. 11. Flor. Hal. S. ordinati. Turn. ordinatim. In den alten Drucken fehlt hier alles zwischen monumenta und sequenda: dann lesen sie sunt statt est. l. 13. Flor. A bis F. Solonem. Turn. Hal. S. Solon. Flor. Alc. Hal. S. ἁιμασιὰν. Turn. ἁιμασιὰ. Flor. Turn. Hal. ὀρυγῇ. Alc. S. ὀρύξῃ. Flor. Turn. παραβαίνειν. Alc. Hal. S. διαβαίνειν. Flor. ἀπολιπεῖν. Turn. Alc. Hal. S. ἀπολείπειν. Flor. Alc. Hal. ὅσον τὸ βάϑος ᾖ. Turn. ὅσον τὸ βάϑος. S. ὅσον ἂν τὸ βάϑος ᾖ. Flor. ἀπολιπεῖν. Turn. Alc. Hal. ἀπολείπειν. ( S. Druckf. ἀπολείπει.) Flor. Alc. Hal. ἐλαίαν. Turn. S. ἐλέαν. Flor. Turn. καὶ συκῆν. Alc. Hal. S. ἢ συκῆν. Flor. Turn. Hal. πέντε. Alc. S. marg. Hal. δύο. III. Zu der Charte Italiens . Zuvoͤrderst muß ich bemerken daß das Verdienst der geographischen Darstellung, wie die Pflicht sie zu rechtfertigen, sowohl fuͤr diese Charte als die des vor- hergehenden Bandes, nicht mir gebuͤhrt sondern dem ge- schickten Zeichner dessen Nahmen beyde anzeigen: ich habe nur die Orte und Graͤnzen eingetragen. Doch muß ich der Bemerkung zuvorkommen, daß, waͤhrend das suͤdoͤst- liche Italien (das alte Calabrien) nach den neuesten Be- richtigungen entworfen ist, also bedeutend oͤstlicher vor- tritt, Apulien, die Kuͤste bis uͤber Ancona, und die angraͤn- zenden innern Gegenden eine damit nicht harmonirende nach Westen verschobene Lage behalten haben. Doch dies ist bey einer bloß historischen Charte kein sehr wesentli- cher Nachtheil. Die gegenwaͤrtige beruͤcksichtigt Stammverschiedenheit nur in so fern als sie politische Absonderung veranlaßte: verschiedene Voͤlker, in einem Staat vereinigt, sind als ein Ganzes bezeichnet. Rom, Samnium und Etrurien sind durch Farben unterschieden. Die uͤbrigen unabhaͤngigen, nicht griechischen, Voͤlker Italiens haben eine Farbe: ihre Graͤnzen sind so wahrscheinlich als moͤglich, nicht ohne sorgfaͤltige Pruͤfung, gezeichnet. Zu Samnium in der damaligen Periode rechne ich, was im dritten Theile naͤher erwiesen wird, nicht nur die Kuͤste vom Vesuv bis an den Silarus, sondern auch das volskische Land am linken Ufer des obern Liris, und von Apulien nicht nur Luceria, sondern auch Venusia. Dies ward als eine samnitische Stadt erobert (Dionysius Exc. Valesiana p. 2335. ed. R. ): unter den von dort vertriebe- nen Sabellern (Horaz Serm. II. 1. v. 36.) koͤnnen auch nur Samniter verstanden seyn. Auch Acherontia rechne ich zu Samnium, weil es auf den Muͤnzen Akurunniar, oskisch, geschrieben wird, und, nach Eckhels Bemerkung, alle lucanische Muͤnzen griechische Aufschriften haben. So wie hier den Nahmen Akurunniar habe ich, wo Muͤnzen die einheimische Schreibart angaben diese ge- waͤhlt: also Paisto, Nuvla, Nuvkrinum, Velatherri N n 2 (durch Ergaͤnzung der Vokale), Tianur, Louceria. Die daraus entstehende Dissonanz mit den mehreren Nahmen deren Schreibart wir nur latinisch haben ließ sich nicht vermeiden. Einige Staͤdte die auf der Charte des vorigen Ban- des als griechisch bestehen, gehoͤren hier barbarischen Staaten, nicht nur Kumaͤ, sondern auch Posidonia (hier schon Paisto), Hipponium (jetzt Vibo). Dieses, und daß die griechischen Staaten nicht mehr die ganze Kuͤste zusammenhaͤngend bis Tarent einnehmen, von einander getrennt, großentheils erobert und zerstoͤrt durch die Lu- caner und Bruttier, rechtfertigt die Geschichte von Groß- griechenland. Die griechischen Colonieen auf den Inseln an der il- lyrischen Kuͤste, und Ankon, gehoͤren in das Zeitalter des aͤlteren Dionysius. Nach dem Etymologicum M. (S. Wesseling zum Diodor XV. c. 13.) habe ich auch Hatria (die Schreibart haͤtte jetzt seyn sollen Adria) als griechisch bezeichnet: es war eine Colonie des alten Dionysius. Ohne Zweifel ist auch bey Skylax p. 6. nicht Σπίνη son- dern Ἀδρία ausgefallen. Das marrucinische Adria kann, bey der Macht dieser sabellischen Voͤlker, nicht gemeint seyn: das tuskische, umringt von Barbaren, nahm eine griechische Colonie wahrscheinlich mit Freuden auf. Auch ist Dionysius venetische Pferdezucht bekannt. Ariminum und Pisaurum haͤtten als picentisch be- zeichnet werden sollen. Die Graͤnze zwischen den gallischen und ligurischen Staͤmmen in Hochitalien ist nach Plinius gezogen: Tau- riner und Vercellaͤ sind ligurisch, Novaria gallisch (Pli- nius H. N. III. c. 21.). Das Land der Bojer ist auf Danvilles Charte viel zu beschraͤnkt. Die illyrischen Voͤlker sind nach dem Zeitgenossen Skylax angezeigt. Eine groͤßere Genauigkeit als geleistet werden kann, darf niemand fordern. Wer es thaͤte muͤßte allen anschau- lichen Darstellungen der alten Geographie entsagen; von Hypothesen kann keine ganz frey seyn: ich hoffe daß die meinige ihrer so wenige als moͤglich hat. Die Graͤnze der karthaginiensischen Eparchie in Sici- lien ist die von Timoleons Frieden. Auf der Charte des ersten Bandes sind die Sikaner durch ein Versehen auf eben dieses Land eingeschraͤnkt: es haͤtte ihnen außer dem westlichen auch der suͤdliche Theil der Insel zugetheilt wer- den sollen. Druckfehler und Verbesserungen . S. 10. letzte Zeile statt) setze 6 ). — 23. Z. 11. v. u. statt dem lies den . — 41. Z. 6. v. u. die Worte: der Lictoren auszustreichen. — 57. Z. 14. st. hatten l. hatte . — 82. Z. 4. v. u. st. Bundesgenossen l. Bundesge- nossin . — 90. Z. 12. st. verkuͤndigte l. verkuͤndigten . — 102. Z. 9. st. mag l. moͤgen . — 109. Z. 2. st. das Volk, l. ein Buͤrger . — 179. Z. 3. v. u. st. boͤser l. boͤsen . — 211. Z. 9. st. 320 l. 329. — 212. Z. 15. st. 328 l. 329. — 236. Z. 7. die Worte: der Juno auszustreichen. — 239. Zu Anm. 84. setze hinzu: Appian Ital. fr. 8. ed. Sch. Der Krater ward von Onomarchus eingeschmelzt, aber die Basis war erhalten. — 299. Z. 4. st. 396 l. 397. — 310. Anm. 2. Z. 2. v. u. st. nuti l. necti . — 346. Z. 8. st. Seegen l. Segen . — 352. Z. 8. st. des l. das. — 359. Anm. 69. Z. 5. v. u. st. hee l. nec . — 365. Z. 5. st. Besttz l. Besitz . — 375. Z. 4. v. u. st. 93 ) l. 98 ). — 416. Z. 6. st. ist l. sind . — 419. Z. 3. st. gestatteet l. gestattete . — 434. Anm. 10. Z. 1. st. in l. in . — 477. Z. 2. st. jedes l. jeden . — 482. Z. 11. v. u. st. trug l. traͤgt . 6. v. u. st. ein Volk l. eine Nation . — 483. Z. 6. st. Volks l. Staats . Im ersten Theil haben sich noch folgende Druckfehler gefunden: S. 197. Z. 5. st. 25″ l. 15″, und S. 199. Anm. 57. Z. 15. v. u. st. Kalender l. Kalenden .