Die verhaͤngnißvolle Gabel. Ein Lustspiel in 5 Akten von August Grafen v. Platen Hallermuͤnde. Stuttgart und Tuͤbingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1826 . Χαίρων εὔ τελέσειας ὁδὸν μεγάλου διὰ πόντου, Καί σε Ποσειδάων χάρμα φίλοις ἀγάγου! Die verhaͤngnißvolle Gabel . 1826 . Personen . Damon , Schultheiß von Arkadien. Mopsus , ein Schaͤfer. Schmuhl , ein Jude und Chorus der Comoͤdie. Sirmio , Amtsdiener. Der Wirth zur Gabel . Phyllis , des Mopsus Gattin. Salome , ein Gespenst. Erster Akt . Haus des Schultheißen . Damon, Phyllis, Sirmio . Ortsrichter bin genannt ich in Arkadien, Und werde streng handhaben die Gerechtigkeit: Was weiß Sie Naͤheres uͤber das Entwendete? Es war ein altes, zinnernes Service, o Herr! Doch unsrer Wirthschaft unentbehrlich Eigenthum. Ihr wißt, es sind vier Jahre nun, seit welchen ich Den Mopsus, der ein Schaͤfer ist, heirathete. Es ward ein Dutzend Kinderchen von uns erzeugt, Da Gott mich viermal segnete mit Drillingen. Daß ich Geschirr verbrauche, viel und mancher Art, Was auf den Tisch kommt oder anderweitigem Gebrauch bestimmt ist, werdet ihr begreifen, Herr! Darum bedien’ ich unzerbrechlichen Metalls Statt irdner Waaren stets mich oder Porcellans. Zur Sache, Frau! Wir leben in Arkadien, Und kennen kaum, dem bloßen Namen nach, das Wort Umschweif, das nur als einen technischen Begriff Der deutschen Trauerspiele wir von dort entlehnt. Laßt uns zur Sache kommen! Ja, wir muͤssen auch Zur Sache kommen; aber zur gestohlenen. Wann ward’s entwendet? Heute Nacht. Von wem und wie? Durch einen Diebstahl, doch von wem, ist unbekannt. Hat man Verdacht? Ob man Verdacht hat, weiß ich nicht. Wir haben allerdings Verdacht. Auf wen jedoch? Auf einen Juden, welcher gestern schacherte Mit meinem Manne, waͤhrend ich im Hofe war, Und unsre Ferkel fuͤtterte. Des Abends nun Fand ich die ganze Tafel abgeraͤumt, es blieb Nur eine Gabel uͤbrig, weil die Zaͤhne just Mein Mann mit ihr, da jener stahl, sich stocherte. Nur eine Gabel? Aber weilt der Jude noch Hier in Arkadiens schaͤferlichem Paradies? Er geht umher und handelt alte Schachteln ein. (zu Sirmio). Man such’ ihn auf! Ein Schilling werd’ auf seinen Kopf Hiermit gesetzt! Wohl! Doch den Schilling werd’ ich ihm Wo anders hin versetzen, wenn ich ihn entdeckt. (ab.) Damon, Phyllis . Doch sage Sie, weswegen denn Ihr Bettgenoß Den schlauen Dieb am Stehlen nicht verhinderte, Wenn er, wie Sie behauptete, zugegen war? Er war zugegen, aber blos als koͤrperlich, Sein Geist befand sich anderwaͤrts, er machte just Die Reise nach der guten Hoffnung Vorgebirg. Wie kam er dorthin? Wißt Ihr, was Ideen sind? Wie sollt’ ich nicht? Auch solche, die man fixe nennt Zwar schaͤtz’ ich mehr die Dukaten, die man Fuͤchse nennt, Doch auch von jenen weiß ich. Dieses ist der Fall Mit meinem Mopsus, welcher auf dem Vorgebirg Der guten Hoffnung mit der Zeit ein Rittergut Zu kaufen wuͤnscht, und Alles diesem Zweck erspart. Wie kam er darauf? Durch Ideenverbindungen, Die oft Verschiedenart’ges an einander reih’n, Da just ich guter Hoffnung war, und niederkam Am Tag, wo vierzig Ritter im Kalender stehn. Das gaͤbe recht den deutschen Psychologen Stoff. Doch gehe Sie zu Hause jetzt, bestohlne Frau! Den Juden will ich fahen lassen, spaͤterhin Werd’ ich Sie wieder hercitiren. Doch bedenkt Daß wir zu vierzehn Maͤulern Eine Gabel nur Im Hause haben! Unterdessen koͤnnt ihr ja Mit den Fingern essen! Und trinken aus dem Fingerhut, Wie ein Canarienvogel? Denn es fehlen uns Die Becher. Trinkt, wie Diogenes, aus hohler Hand, Aus hohler Hand zu trinken ist naturgemaͤß. Das leuchtet ein, Herr Schultheiß! Darum macht man auch, Wenn man ein Trinkgeld fordert, eine hohle Hand. Ich danke fuͤr den guten Rath, gestrenger Herr! (ab.) Ich imponire, seh’ ich wohl, dem Bauernvolk Durch meine schwer erworbene Gelehrsamkeit, Fuͤr die ich in Leipzig manchen Scheffel Schweiß geschwitzt. Ich koͤnnte selbst ankaufen mir ein Rittergut, Wenn ich verhandeln koͤnnte den Arkadiern Die Excerptenstoͤße, welche dort ich angehaͤuft. Doch nicht mit Duͤnger waͤgen sie sie hier mir auf, Und selbst die Kaͤsehaͤndler sind mit Druckpapier Auf lange Zeit vom Dresdner Liederkranz versorgt, Der, wie ich hoͤre, reißende Geschaͤfte macht; Doch waͤr’ er klug, er machte blos zerreißende. — Da kommt der Jude; doch ich will von fern zuerst Ausspaͤhen seinen aͤußerlichen Habitus, Und ob er lange Finger oder kurze hat? Damon, Sirmio, Schmuhl . Nur den Schnappsack aufgebunden! oder, Herr! ich schlage d’rein, Und mein Stock auf Seinem Ruͤcken lehr’ Ihm dann das Mein und Dein! Laß Er los mich! Ich gehoͤre nicht zum Schacherjudenpack. Auch die besten Juden schachern: nur herab den Bettelsack! Laß Er mich, ich bin ein großer Astronom und Negromant, Der Natur geheime Kraͤfte sind mir alle wohlbekannt. Ja, das will ich glauben, jeder diebische, geheime Kniff. Sey Er nicht so grob, erheb’ Er Seine Seele zum Begriff! Moses sagt: Du sollst nicht stehlen, oder du empfaͤngst den Lohn! War das Moses aus Aegypten oder Moses Mendelsohn? Foppt Er mich? Des Juden Stimme hab’ ich irgendwo gehoͤrt. Nur herunter mit dem Schnappsack! Laß Er ziehn mich ungestoͤrt! Was ist d’rin? Es klirrt und klappert? Talismane mancher Art, Raritaͤten, die auf Reisen ich gesammelt und erspart: Ein’ge Wiener Leckerbissen, Katechismen aus Turin, Aus Morea Griechenschaͤdel, und Scholastik aus Berlin. Alle diese Dinge waͤren keinen halben Batzen werth, Nimmer glaub’ ich, daß ein Jude sich mit solchem Zeug beschwert. Zwar die Leckerei’n begreif’ ich: der nur ist ein großer Mann, Der vom Himmel nichts erbittet — außer was man essen kann! Von den Katechismen schweig’ ich: denn der Glaube gilt fuͤr blind, Und die Pfaffen necke keiner, weil sie unversoͤhnlich sind. Aber sag’ Er, was mit Seinen Griechenschaͤdeln soll geschehn? Dosen lass’ ich aus den Knochen fuͤr die Diplomaten drehn. Aber die scholast’schen Phrasen? Sag’ ich jungen Leuten her, Die sie woͤrtlich wiederholen, weil ihr Hirn gedankenleer: Manche, denen nichts das Leben lehrte, setzen sich in Kopf, Sie begriffen Erd’ und Himmel, wenn von Worten voll ihr Kropf. Nein! Ich halte mich nicht laͤnger. Bist du nicht der Jude Schmuhl? Aufzuwarten. O der Freude! Sirmio, bring’ Er einen Stuhl! Kennst du mich noch? Mein Gedaͤchtniß ist verworren und verstoͤrt. Damon aus Arkadien bin ich, der in Leipzig Jus gehoͤrt! Waͤr’ es moͤglich? Find’ ich einen akademischen Cumpan? Geh’ Er Sirmio! Dieser war es nicht, die Sach’ ist abgethan. (Sirmio ab.) Laß dich tausendmal umarmen! Lege weg den Sack und Hut! (bei Seite). Oefters vor Gerichte stand ich, selten lief es ab so gut. Nun gesteh mir im Vertrauen, ob du der Entwender bist? Altes Zinn und Eisen braucht’ ich; denn ich bin ein Alchymist, Und so hoff’ ich, daß man mich der Kleinigkeiten nicht beraubt. O der Wissenschaft ist Alles, was sie foͤrdern kann, erlaubt! Diese Bauersleute nuͤtzen ihr Geraͤth zu niederm Zweck: Ist ein Teller blos vorhanden, um zu schneiden drauf den Speck? Ward der Pfanne kein genetisch hoͤherer Beruf bescheert, Als um Brei darin zu kochen, ist sie kaum des Stehlens werth! Ja, du bist der Alte! Du benimmst mir eine große Last. Aber eine Gabel hast du doch vergessen in der Hast. Wenn du es erlaubst, so geh’ ich auf ein Andermal darum, Und ich schenke diese Gabel dir voraus als Pretium. Guͤt’ger Freund! Doch nun erzaͤhle, wie es dir bisher erging! Noch in Leipzig — Theures Leipzig, wo ich oͤfters Grillen fing! Zwar in den Collegien hatten Langeweile wir genug. Aber sonderlich bei Gottsched. Jetzo hat man sie bei Krug. Leipzig soll mir Keiner schimpfen! Brave Leute fand ich dort. Ja, die Sachsen sollen leben! Aber fahre weiter fort. Noch in Leipzig ergab ich mich ganz, wie du weißt, Schwarz- kuͤnsten und chemischen Studien, Und der Chiromantie und der Pyromantie und der Negroman- tie des Agrippa; D’rauf las ich fuͤr mich Pfaff’s Astrologie, und in Goͤttingen trieb ich Punktirkunst; Doch trieb ich es nur insgeheim, weil dort schon ein denkender Mensch ein Phantast heißt. Laut ruͤhmen sie sich in derselbigen Stadt, daß nie die Natur- philosophen Bei ihnen gediehn, ja, daß ein Poet, wie Buͤrger, vor Hun- ger beinah starb. Die Vorigen. Sirmio . (bei Seite). Aufreizt mich der Sinn, zu belauschen das Paar, nicht laͤnger bezaͤhm’ ich die Neugier. Was mag nun wohl an den Herrn Schultheiß der fatale He- braͤer verschachern? Und es stachen ihm doch aus dem Schnappsack vor die gestohle- nen Messer und Gabeln. Als einst bei Nacht ich im Mondschein saß auf der Plesse ro- mantischen Truͤmmern, Und ein Zephyr strich durch’s Buchengezweig, und uͤber die Felder der Eb’ne; Da erschien mir ein Geist, den lang’ ich citirt, Inhaber betraͤchtlicher Schaͤtze, Der Salome hieß, denn es war das Gespenst von einer arka- dischen Ahnfrau! Sie begann, und ich selbst, aufhorcht’ ich genau, denn sie redete wienerisch Hochdeutsch: Du vergeudest die Zeit durch Goldmacherei, statt wirkliche Schaͤtze zu heben! In Arkadien liegt ein betraͤchtliches Geld drei Schuh tief un- ter der Erde; Und fragst du mich, wo? antwort’ ich, es liegt verschlossen in eiserner Kiste, In des Mopsus Hof, der Schaͤfer und Schaf, just unter dem hoͤlzernen Hundstall. O erfreuliche Post! Ich eile davon, um zuerst zu ertheilen die Nachricht. (ab.) Und Salome fuhr, nach kurzem Verzug, im Gespraͤch fort folgendermaßen: Doch huͤte dich auch vor dem tuͤckischen Schatz, weil ihm un- suͤhnbare Blutschuld Anhaftet und er mir ein Erbtheil ist von meinem ermordeten Ehherrn, Den ich, sein Weib, in die andere Welt, unschuldiger Weise, gefoͤrdert. Von Kindheit auf, wie noch jetzt als Geist, fuͤhlt’ ich brech- pulvrigen Abscheu Vor Spinnen, und floh dieß haͤßliche Thier noch mehr als Laster und Suͤnde. Als Abends ich einst mit meinem Gemahl, dem behaglichen, saß an der Tafel, Spann ploͤtzlich, weh! sich ein solches Gethuͤm von der Docke herab in den Mund mir: Ich schrie, wie am Spieß, das erraͤthst du, doch nicht, was nun mein Chegemahl that? Er erschrak und stach sich die Gabel in Schlund, da er just Kartoffelsalat aß. So starb er und mir blieb stets in der Brust ein grausam nagender Vorwurf, Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu betaͤuben. Doch hinderlich ging’s mir stets und betruͤbt, seit jenem erbaͤrmlichen Unfall: Wenn ich am Putztisch mich schminkte, ve gaß ich gemeinig- lich eine der Backen; Wenn ich emsig und schnell Naͤhnadeln sodann einfaͤdelte, fand ich das Oehe nicht; Wenn ich mahlte Kaffee, gleich sprangen sofort zur Muͤhle heraus mir die Bohnen; Wenn ich beim Backwerk aufstreute den Zimmt, so ergriff ich die Buͤchse mit Streusand; Wenn im Freien ich saß, hob immer den Fuß bei mir ein pissender Mops auf. Kurz, Alles mißlang und das Beste mißrieth, durch sichtliche Rache der Vorsicht; Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines Geschlechtes, Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerster Sprosse verschieden. Aber mein Ursohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus- backige Kinder. „O greuliche Brut!“ Frau Salome sprach’s, mit manchem Da Capo von Weh mir! Du hebe den Schatz, so befahl sie zuletzt, mir helfe der lei- dige Satan! Sie verschwand und es wich der Nachtflor schon, tief sanken zu Thale die Nebel, Aber ich ließ nach Arkadien mich einschreiben im Goͤttinger Posthaus. Zwar ward ich dafuͤr vom Postpersonal, als tollhauswuͤrdig, verspottet; Doch dacht’ ich, es scheint ein vorzuͤglicher Mann stets laͤ- cherlich nuͤchternen Gecken. So kamst du hieher? So kam ich hieher; doch nicht ohn’ alle Beschwerde: Denn in Oestreich ließ mich Niemand durch, im Wahn, ich huͤlfe den Griechen; Ich sprach, nicht gilt’s mir Gefecht noch Kampf, mir gilt’s nur leidigen Mammon; Doch glaubten sie fest, ich wollte dahier mein Blut ver- spritzen der Freiheit. Nun h ilf mir, o Freund, zu erbeuten den Schatz, und das Uebrige laß mich behalten! Das findet sich, Freund! Wir ziehen uns leicht durch List aus dieser Geschichte. Doch laß uns hinein ins Tafelgemach, auf Leipzigs oder auf Gottscheds Wohlseyn und Gedeihn ausleeren ein Glas und besingen die Rebe von Chios. Zwar Gottsched starb, man bewahrt nur noch in Germanien seine Peruͤcke, Doch geht sie allda von Kopfe zu Kopf, ihr duͤrfen wir bringen ein Vivat! Wer traͤgt sie denn jetzt? Das haͤlt man geheim; doch wie es dem Midas ergangen, So ergeht’s auch hier, und ich fuͤrchte beinah, daß irgend ein Badergeselle In ein Binsengebuͤsch an der Elster und Spree sanft lispele: Diesem und Jenem Umtrottelt das Haupt, bis fast ans Knie, die Alongen- peruͤcke von Gottsched. Nun gehn wir hinein! Ich folge sogleich, ich liebe die suͤd- lichen Weine. ( Damon ab. Schmuhl wirft Mantel und Bart weg, und erscheint als Chorus , indem er bis an den Rand des Thea- ters vortritt.) Wißt ihr etwa, liebe Christen, was man Parabase heißt, Und was hier der Dichter seiner Akte jedem angeschweißt? Sollt’ es Keiner wissen, jetzo kann es lernen jeder Thor: Dieß ist eine Parabase, was ich eben trage vor. Die verhaͤngnißvolle Gabel. 2 Scheint sie euch geschwaͤtzig, laßt sie; denn es ist ein alter Brauch, Gerne plaudern ja die Basen, und die Parabasen auch. Doch sie wissen, daß in Deutschland, wo nur Gaͤnse wer- den fett, Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor’m Kopf ein Brett; Wissen also, daß ich nie vor euch sie recitiren darf, Darum sind sie um so kecker, um so mehr bestimmt und scharf. Ja, sie wagen euch zu tadeln, wie ihr seyd mit Sack und Pack, Euer ungewisses Urtheil, euern ledernen Geschmack! Mittelmaͤß’gem klatscht ihr Beifall, duldet das Erhabne blos, Und verbannet fast schon Alles, was nicht ganz gedankenlos. Ja, in einer Stadt des Nordens, die so manches Uebels Quell, Gibt man Clauren’s Albernheiten und verbietet Schiller’s Tell! Schreibe nur, o Freund, das beste, das gediegenste Ge- dicht, Biet’ es aber nie der Buͤhne, denn das Beste will sie nicht. O verstuͤndet ihr, von bloßen Redensarten uͤberhaͤuft, Geistigern Genuß zu schluͤrfen, der aus ew’gen Rhythmen traͤuft! O ihr wuͤrdet bald empfinden, daß man lieber hoͤrt von dort, Wo ihr jetzt das Leerste hoͤret, ein mit Sinn begabtes Wort! Aber hoff’ ich, daß ihr jemals an ein Lustspiel euch gewoͤhnt, Das ein freies Spiel des Geistes, das der Zeit Gebrechen hoͤhnt? Nun zu euch, ihr Buͤhnendichter, sprech’ ich, wend’ ich mich fortan: Wollt ihr etwas Großes leisten, setzet euer Leben dran! Keiner gehe, wenn er einen Lorber tragen will davon, Morgens zur Kanzlei mit Akten, Abends auf den Helikon: Dem ergibt die Kunst sich voͤllig, der sich voͤllig ihr er- gibt, Der den Hunger wen’ger fuͤrchtet, als er seine Freiheit liebt. Die Geburt verleiht Talente, ruͤhmt ihr euch, so sey es — ja — Doch die Kunst gehoͤrt dem Leben, sie zu lernen seyd ihr da! Muͤndig sey, wer spricht vor Allen; wird er’s nie, so sprech’ er nie, Denn was ist ein Dichter ohne jene tiefe Harmonie, Welche dem berauschten Hoͤrer, dessen Ohr und Sinn sie fuͤllt, Eines reingestimmten Busens innerste Musik enthuͤllt? Selten zeigt sich Einer, welchem jeder Puls wie Feuer schlaͤgt, Weil ihn die Natur als ihren Liebling auf den Haͤnden traͤgt: Soll’s auch Diesem nicht mißlingen, hab’ er viel und tief gedacht, Aber ferne von Scholastik, die die Welt zur Formel macht! Waͤre mit so leichten Griffen zu entraͤthseln die Natur, Haͤtte sie auf euch gewartet, ihr zu kommen auf die Spur? Auch das Beste, was ihr bildet, ist ein ewiger Versuch, Nur wenn Kunst es adelt, bleibt es stereotyp im Zei- tenbuch. Schoͤnheit ist das Weltgeheimniß, das uns lockt in Bild und Wort, Wollt ihr sie dem Leben rauben, zieht mit ihr die Liebe fort: Was noch athmet zuckt vor Abscheu, Alles sinkt in Nacht und Graus, Und des Himmels Lampen loͤschen mit dem letzten Dichter aus! Zweiter Akt . Platz vor dem Hause des Mopsus . Wer kann sich frei erhalten von Versuchungen, Und waͤr’ er in Arkadien auch, von Wuͤnschen frei? Wenn Einer sich in einen Zobelpelz verliebt, Zieht’s ihn aus freien Stuͤcken nach Sibirien. Durch mein Gelust veroͤd’ ich dieß Elysium, Wie den Heroen biblischer Sylbenstecherei Das Paradies zur Wuͤste wird durch eignen Wust. Vergebens sagt die Phyllis, meine Frau, zu mir: Geneuß das Leben, spare nicht fuͤr’s Rittergut, Das doch ja blos an der Hoffnung Vorgebirge liegt! Was frommte dir nach einem halben Saͤculum Bestaͤndiger Entbehrungen ein Rittergut, Wenn dir in schlaffer Hose knackt das morsche Knie? Du solltest lieber idyllisch an des kuͤhlen Quells Krystallnen Fluthen liegen mit dem Dudelsack! Doch ich entgegne meiner Frau gewoͤhniglich: Sey weniger fruchtbar, oder ich sende deine Brut Ins Findelhaus, wie Rousseau, der Erzieher, that Mit seines Weibs Emilen und Emilien, Wovon vielleicht noch Manche lebt und unbewußt Ueber ihres Rabenvaters Heloise gaͤhnt. Mopsus, Phyllis . Ich weiß, du hast erspartes Geld, du besinnst dich ja Bei jedem Heller, den du in den Haͤnden drehst, Um in die Tasche wieder ihn zuruͤckzuthun. Gib nur so viel, daß Teller ich und ein Besteck Fuͤr unsre Wirthschaft kaufen kann. Wir haben ja Die Gabel noch. Das ist was Rechtes! So? Es ist Ein altes Erbstuͤck einer Ururgroßmama. Was seufzest du? Dieselbige soll einen Schatz Verscharret haben, einer alten Schrift gemaͤß, Die ich als Kind gelesen; doch vergebens grub Ich nach in Hof und Garten, ich entdeckte nichts. So hast du keine Wuͤnschelruthen angewandt? Sie kleckten nicht, sie senken nach Metall sich blos: Vielleicht besteht in Diamanten dieser Schatz. Vielleicht im Aberglauben blos, wer weiß, worin? Doch gib das Geld her, wenigstens das noͤthigste! Geld ist ja nicht das Noͤthigste, das Wasser ist’s. Was waͤren ohne Wasser wir? Bedenke nur! Wo naͤhme denn die Klerisei zur Fastenzeit Die Karpfen her? Wie wuͤrde der Kaffee gekocht? Wie kaͤmen unsre Schiffe nach Amerika? Fouqu é ’s Undine, wo geriethe diese hin? Die Enten muͤßten ganz verzweifeln! Ja, was waͤr’s Mit unsern Waͤscherfrauen, den natuͤrlichen, Und auch den metaphysischen, wie Krug und Fries? Trink Wasser, Schatz! Ich werde nach den Schafen sehn. (ab.) Der Grobian! Wenn unser Schultheiß nur den Dieb Indeß entdeckt! Ich sollte wieder fragen gehn. Phyllis, Sirmio . O Gluͤck, allein zu treffen dich, du Theuerste, Du meines Herzens erste Liebe! Heute gilt’s Ein wichtiges eleusisches Mysterium. Was fluͤstert Er von Laͤusen und von Mist herum? Mein Mopsus ist auf’s Feld gegangen. Sprech’ Er laut! Heut zeige mir, daß unsre Seelen wahlverwandt. O ja, so weit es moͤglich meiner Ehepflicht. O weiter noch! O weiter noch um Einiges! Was mir an Ihm gefallen koͤnnte, wuͤßt’ ich nicht. O ho! Ein huͤbscher Bursche glaub’ ich doch zu seyn. Wo ist an Ihm was Huͤbsches, laß Er hoͤren, Freund! Die rothen Haare deuten auf ein Feuerherz. O geh’ Er mit symbolischen Beziehungen! Des feuchten Auges schwaͤrmerischer Liebesblick. Nach jeder Schuͤrze schielen solche Blicke gern. Auf uͤppiger Unterlippe brennt Schoͤnheitsgefuͤhl. Brennesseln also waͤren seine Lippen? Pfui! Die robuste Hand vermaͤnnlichet den Haͤndedruck. Ich ziehe die weichen Haͤnde vor. Was Anderes! Im hohlen Ruͤcken spiegelt sich der stolze Gang. Die hohlen Spiegel lieb’ ich nicht. Was Anderes! Der Bauch — Er Unverschaͤmtester in der Christenheit! Den untern Theil begehr’ ich nicht. Warum denn nicht? Der untre Theil des Koͤrpers ist des obern Halt: Das nenn’ ich Freundschaft, welche bis zum Nabel geht, Allein der Blick der Liebe sinkt verschaͤmt herab. Schon gut! Ich aber halte mir die Ohren zu. Noch einen Vorschlag, Theuerste! Wir koͤnnten wohl Zusammen durchgehn heute Nacht, mitsammt dem Geld. Mit welchem Geld? Das ist ja mein Mysterium: In Euerm Hof befindet sich ein alter Schatz. Ein alter Schatz? Waͤr’s moͤglich? Haͤtte Mopsus Recht? Allein er grub den ganzen Hof umsonst herum. Weil er den Hundstall wegzuthun vielleicht vergaß, Denn der verhuͤllt der Eisenkiste Heiligthum. Wenn ich sie finde, Vielgeliebte, gehst du durch? Durch Feu’r und Wasser geh’ ich, wie Pamina that, Und lasse meinem Gatten hier die Kinderchen. Ich geh’ hinein und grabe. Halte den Mopsus hier Zuruͤck, wenn heim er kehren sollte, daß er mich Im Hofe nicht ertappe, ja den Schatz zugleich Entdecke, jenen koͤstlichen, der morgen fruͤh Durch Nacht und Nebel uns begleiten soll. Nur fort! Ich warte hier; doch nimm vor’m Hunde dich in Acht! ( Sirmio ab.) Das kommt mir doch gerade recht. Der Sirmio Ist ein gewandter Junge! Meinem Geizigen Lass’ ich die sechs Paar Drillingsbruͤder, wie die zwoͤlf Gestirn’ im Thierkreis. Alle zwoͤlf beisammen sind Die rechte Zahl, indessen man im Trauerspiel Nur fuͤnfe braucht; doch freilich wird das fuͤnfte blos Als Stier bei den Hoͤrnern hergezogen; waͤhrend doch Der Dichter selbst das fuͤnfte waͤr’ als Wassermann: Auch ist Elvire keine Jungfrau, denk’ ich mir. Allein wohin lass’ ich herab mich, und warum Verleih’ ich einer Albernheit Unsterblichkeit? — Da kommt mein Mann. Er will doch nicht ins Haus hinein? Pst! Mopsus! Phyllis, Mopsus . Nun? Erzaͤhle von den Schafen was, Und bleib’ im Freien! Keineswegs! Ich geh’ hinein. Bleib, Herzensmann! Erzaͤhle von den Schafen was! Was soll ich denn erzaͤhlen? Von den Schafen was! — Mir faͤllt vor Angst nichts Bess’res ein — Bleib, Herzens- mann! Ich will ins Haus. Die Stuben werden aufgefegt, Du kommst vom Felde und beschmutzest Alles! Nun, ich will Die Schuhe wegthun. Warte doch! Warum denn das? Die Kinder schlafen, morde nicht den suͤßen Schlaf! Sonst wird der Rittergutsherr auf dem Vorgebirg Der guten Hoffnung nicht mehr schlafen. Glaube mir! So will ich auf den Zehen schleichen. Laß mich doch! O bleib! Die Scham verbietet dir hineinzugehn, Weil unsre Viehmagd eben ein Klystier bekommt. So halt’ ich zu die Augen oder blinzle blos. (ab.) O du Weltunheil! O du Schicksalstag! Er enteilt, er entdeckt mir das Geld, er entdeckt Mir den lieblichen Wicht! Und er zaust mir den Wicht und erobert das Geld, Er ergreift, der Barbar, mit der Rechten den Schopf Des Geliebten, o weh! und die Linke durchwuͤhlt Habgierig indeß die Dukaten! Ha! Soll ich vielleicht ihm goͤnnen das Gluͤck? Aufopfern zugleich den metallenen und Rothlockigen Schatz? Das geschieht niemals! das geschieht niemals! Eh kehre zuruͤck und verderbe die Welt Die titanische Brut, die unendliche Nacht, Und das uranfaͤngliche Chaos! Wie errett’ ich das Geld dem Geliebten und mir? — Es durchzuckt das Gemuͤth mir ein Graunvorsatz, Ein entsetzlicher Wunsch! O Medea, du schwebst mir bestaͤndig im Geist, Du erstachst herzhaft dein Schlangengezuͤcht, Dann schwangst du dich frei in die Wolken empor, Auf drachenbespannter Kalesche! Doch Judith war noch kecker als du! Denn es ging ja mit ihr Holofernes zu Bett, Und sie hatte den Sack In Bereitschaft schon fuͤr den Kopf des Gemahls. Ich darf doch wohl, wie mich duͤnkt, fuͤr’s Geld Und den Sirmio thun, was Judith’s Muth Fuͤr bloße Hebraͤer gethan hat? Nur Sirmio darf nichts wissen davon, Denn es ist sein Herz noch kindisch und weich, Aber mein Ehherr Soll heut mir des Nachts mit Tod abgehn! Und der Hausahnfrau zweizinkiger Dolch Durchbohre des Manns unersaͤttliche Brust, Gleich einer gebratenen Gansbrust! Phyllis, Mopsus mit Sirmio . Dir fuͤhr’ ich den Dieb bei den Ohren heraus; denn du bist seine Genossin! Doch im Haus, Gottlob! steht unversehrt die gewichtige Riesenschatulle. Was scheltet ihr mich? Ich habt mir ja doch zu verdanken die ganze Bescheerung. Geh heim, Gaudieb! Ich verdanke dir nichts! Mir dank’s, wenn ich nicht in der Zornwuth Dir die Faust anleg’ ans glatte Gesicht, und den Stock an die zierlichen Schenkel! (leise). Geh, Sirmio, geh! denn es bleibt ja dabei, und du kommst fruͤh morgens und holst mich. Ach, aber das Geld! Wir entwenden es schon. Laß mich nur sorgen und komm brav! So gescheh’s! So gescheh’s! Was fluͤstert ihr noch? Geh, Sirmio, laß mir den Brummbaͤr! Ich nehm’s mit ihm auf! Geh! Soll ich dem Herrn mit dem Flegel die Beine befluͤgeln? Geh! Hab’ ich doch schon, an den Sohlen zumal, als Amts- merkurius Fluͤgel! (Zur Phyllis .) Wir sprechen uns noch; denn ich fuͤhre mit mir heut Abend heruͤber den Schultheiß, Dann muß er mich ja doch dulden, der Mops, wir aber besprechen das Weitre. (ab.) Xantippe, hinein! Bin ich das, gieß’ ich auf den Schaͤdel herab dir, du weißt was? (ab.) Abtruͤnniges Weib! O ich moͤchte vor Wuth umbiegen die Pole des Himmels: Phraseologie, die im Kopf mir blieb aus einem Tragoͤdien- ruͤhrei! Doch denk’ ich indeß an den Schatz, durchstroͤmt mein Herz unsaͤgliche Wollust! Nur Schade, daß rings das Behaͤltniß fest zu ist, nicht Riegel noch Oeffnung, Noch Vorlegschloß sieht man und es ist hermetisch verschlos- sen die Kiste; Aus schwerem Metall aneinandergefuͤgt, schlitzt keiner so leicht ihr den Bauch auf. Doch hoff’ ich noch Rath. O waͤr’ ich bereits, wo mir stets hinwinket die Hoffnung! Was haͤlt mich zuruͤck in des Reichthums Schoos, da den koͤstlichen Schatz ich besitze? Soll hier ich etwa durchbringen das Geld mit den Kindern und meiner Gemahlin, Statt dort mir ein Gut zu erhandeln und dort zu beschlie- ßen in Ruhe das Leben? Soll hier ich dafuͤr ankaufen Geraͤth’, Breinapf, Reibeisen, Kaffeezeug, Und Putz fuͤr die Frau, Stecknadeln und Schawls, Tanz- schuhe, geflitterten Unsinn? Ja, waͤchst das Gezuͤcht mir heran, so bedarf’s noch Schul- geld sammt Abcbuch, Und zuletzt noch was, wenn gelehrter sie sind, man nennt’s Cornelius Nepos, Fuͤr die Kinder ein Schreck; wir kannten doch blos, da wir selbst jung waren, den Wauwau. — Anwandelt mich Wuth und Zerstoͤrungstrieb, wenn ich mir vorstelle den Aufwand! Waͤr’s Unrecht wohl ans herrliche Ziel, wie ein Held, uͤber Leichen zu schreiten? Zwar Helden auch trifft ein entsetzliches L oos, Napoleon starb in Verbannung, Und der Schiller’sche Held, der ermordete, geht jetzt uͤber die Bretter als Yngurd, Zu beweisen der Welt, was Hamlet sagt, daß Helden gekne- teter Lehm sind. Dieß schrecke mich nicht! Auch kommt mir in Sinn, was eine Zigeunerin sagte, Nachdem sie zuvor in die Hand mir gesehn, in die Karten und ihren Kaffeesatz: Wenn du nicht umbringst dein Ehegespons, Elender, so bringt es dich selbst um. Ich verstand nichts mehr, was weiter sie sprach; doch glaub’ ich, sie wollte mir sagen: Wenn du nicht umbringst dein Ehegespons, Elender, so bringt es dich selbst um Kapital und Prozent. Ja, thut sie mir das, dann bringt sie mich sicherlich selbst um. Mopsus, Schmuhl (verkleidet). Herr! Euch aufzuwarten wagt ein junger Mann von vielem Geist. Welcher um der guten Hoffnung Vorgebirg herumgereist. Welche Freude! Seyd willkommen! Seyd gereist ihr rings herum? Rings herum, doch stets vergebens, wie das deutsche Publikum, Das auf seinen Schaugeruͤsten einen Loͤwen hofft zu schau’n, Aber fast nur schaͤb’ge Kater schleichen sieht und hoͤrt miau’n. Innig freut mich’s, da man selten solche Reisewunder trifft! Ach wer haͤtte nicht zuweilen jenes Vorgebirg umschifft? Ja, vor allen faͤhrt die Liebe diesen Klippenweg vorbei, Aber unter ihren Fuͤßen geht der morsche Kahn entzwei! Darf ich wohl um Euren Namen mich erkundigen, Musje? Robinson der juͤngre heiß’ ich, den sie nennen Crusoe. Wie? Ihr lebtet noch? Ihr setzt mich wirklich in Verwunderung. Da ich stets bei Kindern lebte, blieb ich etwas laͤnger jung. O erzaͤhlt von jenem Vorgebirg, das meiner Wuͤnsche Thron! Das was sich auf Eurer Insel zugetragen, weiß ich schon. Zwar es ist des braven Ritters Erd- und Voͤlkerkunde hier, Doch unbrauchbar wird sie durch das reimerische Loͤschrapier. O versetzt mich in das schoͤne Land, das all mein Sinn begehrt, Wenn ein Adam auch, wie ich bin, keines Paradieses werth! Setzen ja die Jambenschmierer, deren Vers den Vers zerstoͤrt, Den Spondaͤus oft an Stellen, wo er gar nicht hingehoͤrt! Auf jenem Gebirg, wo die Hoffnung wohnt, ist’s ganz wie im Land der Schlaraffen, Und der Boden wie Sammt, und der Himmel wie Glas, und die Wolken wie Flocken von Purpur. Und die Sonne, wie lacht sie in Klarheit stets! Doch breitet sich schattige Woͤlbung Die verhaͤngnißvolle Gabel. 3 Von Baume zu Baum, von Gebuͤsch zu Gebuͤsch, und es neigt sich Rose zu Rose. Stets knospet’s im Laub, und es wimmel darin Papagaien und bunte Fasane, Stolz wandelt der Pfau durch silbernen Sand und schlaͤgt gold- augige Raͤder, Und es taucht sich der Schwan und der Colibri schlaͤft im Kelche der flammigen Tulpe, Und der Harzbaum wuͤrzt die geschwaͤngerte Luft und der feine Geruch der Jasmine. Nicht Fliegen erblickst du noch Raupengezuͤcht noch Unkraut, denn es vertritt hier Kirschlorber den Platz des bedornten Gestraͤuchs, Stechpalme die Stelle der Distel. Und der Springquell fuͤllt, in bestaͤndigem Scherz, alabasterne Becken mit Goldschaum: Dort kuͤhlt sich im Bade der Jungfrgu’n Leib, und der Juͤng- linge goͤttliche Nacktheit: Hyacinthenes Haar umwuchert das Haupt und des Nackens unsterbliche Bildung. Es verkuͤndet der Wuchs kein irdisches Maß und die Haltung schwebet in Anmuth. Sanft plaͤtschert um sie die melodische Fluth und es hebt sich Floͤtengesaͤnsel, Vom Winde verweht, der leis’ im Gefolg balsamischer Duͤfte daherzieht, Und er schuͤttelt vom Ast, im Vorbeigehn mild, den vergol- deten Ball der Orange, Und die kuͤhlende Frucht der Granate mit ihr, fuͤr kuͤnftig Durstende sorgend. Dort quaͤlt kein Schmerz, und die bitterste Pein ist dort wie Seufzer der Liebe; Dort lehnt sich der Freund an die Schulter des Freunds, nie bange vor einstiger Trennung, Und der Efeu mischt sein ewiges Blatt in die wallenden Locken der Dichter; Als Luͤge nur gilt dort Alter und Tod, das Unmoͤgliche nen- nen sie wirklich. Das leuchtet mir ein; doch findet man dort auch Speciesthaler und Mardors? Wohl! Alles genug, und die Kiesel im Bach sind blos Hollaͤn- der Dukaten. O ich reise vielleicht noch morgen dahin, und ich bitt’ Euch, mich zu begleiten! Verbindlichen Dank! Doch habt Ihr denn auch fuͤr die Fahrt hinlaͤngliches Zehrgeld? Kommt Zeit, kommt Rath. Bis morgen jedoch schlaͤgt wenige Zeit von der Thurmuhr. Fuͤr’s Geld sorg’ ich. Doch jetzt lebt wohl, Herr Crusoe, weil ich hinein muß. So vergoͤnnt, daß ich mit eingehe, damit ich im Haus Euch leiste Gesellschaft. Schon bin ich versehn, denn ich habe darin zwoͤlf Kinder und eine Gemahlin. Lebt wohl! (ab.) Lebt wohl! Was haͤlt er mich denn von der Schwelle zuruͤcke, der Schafpelz? Wie verschafft er sich dann das benoͤthigte Geld, die gewaltige Reise zu machen? Waͤr’s denkbar, daß er den Schatz mir entdeckt? Unglaublich! haͤtte die Ahnfrau Von Goͤttingen her mich citirt, um hier es zugleich zu ver- trauen dem Mopsus? Wenn die Nacht einbricht, will nochmals hier spioniren ich, ob ich den Eingang Ins Haus, in den Hof frei finde, sodann geht’s uͤber den leidigen Hundstall; Jetzt muß ich indeß ein gewisses Geschaͤft noch abthun hier in der Eile. (hervortretend.) Wie kommt es, liebes Publicum, daß du die groͤßten Geister So oft verkennst, und stets verbannst die sonst beruͤhmten Meister? So ist bei dir der Kotzebue in Mißkredit gekommen, Der sonst doch ganz allein beinah die Bretter eingenommen: Du klatschtest seinen Herrn und Frau’n, du liebtest seine Spaͤße, Er war dein Leib- und Herzpoet, der dir allein gemaͤße: Was galten dir vor dem Apoll die Musen alle neune? Auf jeder Buͤhne fand man ihn, ja fast in jeder Scheune: Deß ruͤhmt kein andrer Dichter sich, drum weigert ihm nicht laͤnger Als deutschem Sophokles den Kranz, als nationellstem Saͤnger! Er schmierte wie man Stiefel schmiert, vergebt mir diese Trope, Und war ein Held an Fruchtbarkeit wie Calderon und Lope. In Versen schrieb er selten zwar; doch konnt’ euch das nicht stoͤren: Ihr seyd ja Menschen, wollt ihr denn der Goͤtter Sprache hoͤren? Er sprach wie ihr, das war euch recht; er nahm, um euch zu schonen, Aus eurem eignen Kreise sich die fadesten Personen. Auch habt ihr euren Kotzebue nicht ganz und gar verlassen, Zwar starb er euch, doch blieben euch des Edlen Hintersassen: Der Advokat in Weissenfels, und aͤhnliche Gesichter, Die klein wie er als Menschen sind und groß wie er als Dichter! Wir sehen einen solchen Knirbs nach Lorbeerzweigen schielen, Weil er geborgt ein Trauerspiel aus zehen Trauerspielen, Indeß er euch nur Scheußliches und Niegescheh’nes zollte, Das man, und waͤr’ es auch geschehn, mit Nacht bedecken sollte! Was sind nun solche Koryphaͤ’n moderner Dithyramben, Als Kotzebue’s im Domino, staffirt in lahme Jamben? Gern haͤtt’ ich Manches woͤrtlich euch aus ihnen nachgewiesen, Doch ihre Verse sind zu schlecht, sie passen nicht zu diesen. Wie Mancher duͤnkt sich Virtuos und schlaͤgt gewalt’ge Triller, Der blos als leere Phrase drischt, was Goethe sprach und Schiller: Wenn die sich auch nur deß bedient, was Andre schon er- worben, So stuͤnden wir bei Ramler noch, der laͤngst in Gott ver- storben! Wen die Natur zum Dichter schuf, dem lehrt sie auch zu paaren Das Schoͤne mit dem Kraͤftigen, das Neue mit dem Wahren; Dem leiht sie Phantasie und Witz in uͤppiger Verbindung, Und einen quellenreichen Strom unendlicher Empfindung; Ihm dient, was hoch und niedrig ist, das Naͤchste wie das Fernste, Im leichten Spiel ergoͤtzt er uns, und reißt uns hin im Ernste; Sein Geist, des Protens Ebenbild, ist tausendfach gelaunet, Und lockt der Sprache Zierden ab, daß alle Welt erstaunet! Er fuͤrchtet keinen neid’schen Feind und keinen tuͤck’schen Spoͤtter, Und vor dem Tode bangt ihm nicht, als einem Freund der Goͤtter: Er weiß, daß nach Aeonen noch, was sein Gemuͤth erstrebet, Im Mund verliebter Juͤnglinge, geliebter Maͤdchen lebet; Indeß der Zeit Pedanten laͤngst, verwahrt in Bibliotheken, Vor Staub und Schmutz vermoderten, als wurmige Schar- teken. Dritter Akt . Hof im Hause des Mopsus . (allein). Schon daͤmmert es rings und der Venusstern Tritt aus dem Gewoͤlk in die Nacht glorreich; Zwar Sirmio fehlt und der Schultheiß fehlt, Doch brennt in der Brust die Begierde mir stets Nach Blut und Verderb, und der Fluchtvorsatz. Wie ertrug ich so lang, was dieser Gemahl Aufs Herz mir gelegt, solch vielfach Leid? In der Brautnacht schon, was that mir der Wicht? Ich trug, wie bekannt, ringsfließendes Haar, Wie ein Bandwurm lang, wie der Ruß kohlschwarz: In der Brautnacht nun, als schnarchend ich lag, Scheert mir der Barbar das Gelocke vom Kopf, Und er gibt’s zum Verkauf in der Fruͤhe sogleich An den naͤchsten Peruͤckenverfert’ger! Mit den Kindern sodann, was denkt er zu thun? Denk’ ich’s , uͤberlaͤuft mich die Ganshaut kalt! Denn er will ja die zwoͤlf Kernjungen mir als Karl Witte’s erziehn, zu gelehrten Genie’s. Mit denen, die just drei Jahr alt sind, Treibt er den Euklid und die Regel de Tri, Ja, Einem, der kaum noch den Fallhut traͤgt, Lehrt er das Gesetz vom beschleunigten Fall, Und mit Einem, der noch in die Windel hofirt, Liest er im Virgil der Harpy’n Unart. Kurz alle gedenkt er nach Deutschland einst Zu verhandeln, um dort Professores zu seyn Im sechsten bereits oder siebenten Jahr, Als zwoͤlf Karl Witte die juͤngsten! Phyllis, Mopsus . Deklamirst du hier im Hofe? Geh hinein zu deinen Kindern! Hier im Mondenschein zu schwaͤrmen, soll mich kein Ge- mahl verhindern. Doch es hindert dich der Bullenbeißer, und vom Dach der Kater. Dennoch will ich deklamiren; denn die Welt ist ein Theater. Aber das Theater selber, ist es zur Tuͤrkei geworden, Denn, wo sonst Heroen schritten, tummeln sich Barbaren- horden? Stille, stille! lerne lieber nach des Poͤbels Pfeife tanzen, Und verehre tief im Staube den Geschmack der Intendanzen! Freilich! Intendanten machen sich das Schlechteste zu Nutze, Denn das Gute hilft sich selber, das entzieht sich ihrem Schutze. Demnach aber darf das Gute deutsche Bretter nie besteigen? Nie, wofern es reich und kraͤftig, uͤberlegen, keck und eigen. Wehrt denn diesem Volk zuweilen nicht ein Fuͤrst herab vom Throne? Schmeichler nahn sich ihm als Flecken, truͤben den Brillant der Krone: Ein Poet stolzirt in Waffen, ist des Helikons Bestuͤrmer, Aber Manche kriechen aufwaͤrts, wie gekruͤmmte Regen- wuͤrmer, Und das Publikum, das alte Hoͤckerweib, entbloͤßt von Zaͤhnen, Schließt sogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene macht zum Gaͤhnen. Auf die neuern Dramaturgen waͤre sonach nichts zu halten? Das vernein’ ich. Gutes mag sich, doch mir unbewußt, ge- stalten: Ja, ich koͤnnte selbst citiren ein’ge schoͤne, neu’re Data: Kam nicht Herzog Ernst aus Schwaben? Kam nicht aus Burgund Renata! Kommt nicht eben hier der Schultheiß? Noch so spat, was kann er wollen? Die Vorigen, Damon, Sirmio . Nichts als einen nachbarlichen, freundlichen Besuch euch zollen. Auch versichr’ ich: Jener Jude, den des Diebstahls ihr be- zuͤchtigt, Ist als Ehrlichster von allen Kindern Israels beruͤchtigt. Kennt ihr nicht das alte Sprichwort, daß der Hehler wie der Stehler? Glaubt mir, Mopsus, Dieberei ist jenes Juden kleinster Fehler. Nun, wer hat es denn gestohlen? Stille, Phyllis, mir zu Liebe! Soll ich meine Meinung sagen, waren Elstern eure Diebe. Elstern! Was fuͤr Maͤhrchen! Soll ich Elstern vor Gericht verklagen? Hat nicht auch Rossini’s Elster ein Besteck davongetragen? Ei Rossini! Ja, ich koͤnnt’ euch einen neuern Fall entdecken, Der, als Trauerspiel behandelt, tausend Seufzer wuͤrde wecken. O erzaͤhlt! Ich lese taͤglich Meißners Kriminalgeschichten. Mitternacht ist nah, da hoͤrt man Ammenmaͤhrchen gern berichten. In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anarimander, Er und seine Gattin schliefen eines Abends bei einander; Aber neben ihr, so war es ihr Gebrauch, auf einem Tischchen Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder sonst ein Wischchen. Offen standen alle Fenster, da es Sommer war, und freier Luͤftete des Zephyrs Athem der Gardinen gruͤne Schleier; Aber mit dem Zephyr kam ein Elsterchen herbeigeflogen, Dieses wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen, Flog ans Tischchen, sah die Predigt, nahm jedoch den Ring alleine, Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen — auf dem Ra- bensteine. Weil’s vom Schicksal war beschlossen, daß es so geschehen sollte, Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben raͤ- dern wollte, Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieses Dinges. Des Anarimanders Gattin merkte den Verlust des Ringes Schon am andern Tag, verschweigt es aber weislich ihrem Gatten, Weil sie hofft, der Zufall werd’ ihr ihn gewiß zuruͤcker- statten. Doch im Stall Anarimanders, dieses duͤrft ihr nicht ver- gessen, Da’s die Quintessenz von Allem, war ein Ochs krepirt in- dessen: Nach dem Fallknecht schickte Jener, daß er weg den Ochsen bringe, Und begegnet an des Knechtes Finger seinem Eheringe. Zwar er schweigt: doch kann er seine Wuth nur kurze Zeit verschließen. Kennt ihr Eifersucht? Was wollt’ er machen, als das Weib erschießen? Er erschießt es auch, begraͤbt es heimlich, aller Welt ver- borgen, Und vermaͤhlt mit einer andern Gattin sich am andern Morgen. Diese ward ihm aber wirklich ungetreu, sie war umrungen Von Bewerbern, und ersah sich einen allerliebsten Jungen Zur Gesellschaft. Dieser wollte seiner Liebsten was verehren, Und er fing ein Elstermaͤnnchen, dem er wollte sprechen lehren. Dieß gelang, es sprach, worauf er’s seiner Herzenskoͤn’gin sendet; Aber ach! Es war der Vogel, welcher einst den Ring ent- wendet. Leider konnt’ er jetzo sprechen! Er berichtet unbefangen Dem Anarimander Alles, wie es mit dem Ring ergangen, Dieser fuͤhlt sich, wie begreiflich, ganz von Reu’ und Leid zerrissen, Malt sich das Schaffot poetisch, faselt von Gewissensbissen, Klagt sich selbst an, wird gerichtet auf demselben Rabensteine, Und es raͤdert auch derselbe Henkersknecht ihm Arm’ und Beine! Auch das Weib, das ungetreue, starb an Champignons ver- giftet, Und die Elster fiel in Wahnsinn, weil sie all dieß angestiftet. O der herrlichen Verwicklung! Waͤr’ es doch schon auf den Brettern! Aufgestutzt mit Modefloskeln! Und durchwebt mit Donnerwettern! Welche wunderbare Fuͤgung! Und der Rabenstein, mir schaudert! Doch der Jude scheint mir auch ein Elstermaͤnnchen, wel- ches plaudert. Plaudert, aber nie gestohlen! (zu Sirmio ). Siehst du nicht, wie Damon immer Nach dem Hundstall schielt hinuͤber? Steht der Schatz bereits im Zimmer? Wohlverwahrt, doch uneroͤffnet. Morgen loͤsen wir die Siegel. Komm nur puͤnktlich! Mit dem Fruͤhsten. Offen stehen Schloß und Riegel. Aber bring’ auch einen Karr’n mit, um den Kasten auf- zuladen! Ja doch! Gute Nacht, ihr Leute! Ich empfehle mich zu Gnaden. ( Damon und Sirmio ab, von Mopsus begleitet.) Nun schleuß dich, o Herz, dem Mitleid zu! Weil schon des Gehegs Nachtwaͤchter die Zeit Der entsetzlichen That im Dorfe posaunt, Und der Schwengel sich schon Zwoͤlfmal in der Glocke des Thurms regt. (zuruͤckkommend). Nur hinein! Nur hinein! Was willst du noch hier? Bald folg’ ich dir nach. Unheimlicher laͤßt Sich die Nacht jetzt an. Nur hinein ins Haus! (bei Seite). Jetzt geh’ ich h in ein, Bald kehr’ ich zuruͤck mit der Gabel. (ab.) Wie es pfeift in der Luft, wie so ploͤtzlich sich das gestirnte Gewoͤlbe verfinstert! Ein Gewitter ist nah, und im Wachsen der Sturm, und es haͤuft sich Gewoͤlk an Gewoͤlke; Laut bloͤckt mir das Vieh in den Stallungen rings, und der Kater miaut und der Hund bellt. Was deutet mir das? Und wie leg’ ich’s aus? Gibt’s Ah- nungen oder was gibt’s denn? Wenn die Scheere, die faͤllt, in den Boden sich spießt, so be- hauptet man, daß es Besuch gibt; Das verschuͤttete Salz, anzeigt es Verdruß, und am Lichte der Raͤuber ein Brieflein; Wenn man Schafen begegnet, bedeutet’s ein Gluͤck, wenn man Schweinen begegnet, ein Unheil; Fuͤhlt Einer sich krank und er soll abziehn, sieht Nachts er die Bahre vorbeiziehn; Wird einer gekoͤpft, ein Verbrecher, so zuckt vorher an der Manuer das Richtschwert. Was deutet m ir nun dieß Hundegebell? Ist’s mein Tod oder der Phyllis? Mopsus, Phyllis . Sacht schleich’ ich heran; doch treff’ ich ihn wohl? Wo steht er? Ich sehe ja keinen Stich hier in der Nacht, wie soll ich ihm denn beibringen den Stich mit der Gabel? Es rumort in der Luft und der Donner beginnt. O haͤtt’ ich doch Anatomie noch Als ledig studirt, nun wuͤßt’ ich den Fleck, wo es ihn zu verwunden am besten! Wo treff’ ich das Herz? Liegts links oder rechts, daß ich nicht in den Magen ihn stoße? Sein Magen verdaut so entsetzlich gut, daß er koͤnnte ver- dauen die Gabel. Nun geh’ ich hinein, wo die Phyllis traͤumt, und mach’ ihr im Stillen den Garaus. Jetzt wendet er sich, jetzt eil’ ich hinzu. Stirb, Graͤßlicher! Aber was ist das? (Blitz und Donnerschlag. Salome erscheint mit Gepolter und Flammen. Phyllis laͤßt die Gabel fallen und entflieht.) Ein Gespenst! Ein Gespenst! fort eil’ ich ins Haus! Wenn Gott will, frißt es den Mopsus. (ab.) Ich rettete dich, mein Urursohn! Heb’ auf vom Boden die Gabel! Dank beb’ ich dir zu. Wer bist du, Gestalt? Ein Geschoͤpf, sprich, oder ein Unding? Ein Geschoͤpf, wie du selbst, vormals theilhaft des verrin- nenden Sands in der Sanduhr, Jahrhunderte jetzt in entsetzlicher Haft, durch nie zu be- rechnenden Zeitlauf. Doch seh’ ich dich frei. Um zwoͤlf Uhr blos, jetzt blos, in der Mitte der Nacht blos. Doch wird mir auch dieß zur entsetzlichen Qual, denn die Nacht ist schrecklich um die Zeit! Zwar hoͤrt’ ich das oft, doch glaubt’ ich es nicht, ich hielt’s fuͤr chimaͤrischen Wahnsinn; Auch hielt ich mich nicht fuͤr ein Sonntagskind, denn ich bin ja geboren am Samstag. Thut nichts, da der Sabbath als Sonntag gilt, wir fuͤh- ren den Judenkalender, Seitdem durch Geist uns Geister bestach der beruͤchtigte Jude Spinoza. Was waͤlzt sich denn in der Mitte der Nacht so Entsetzli- ches uͤber den Erdkreis? O gluͤckliches Auge des Menschengeschlechts, das nicht ins Dunkel der Nacht dringt! Doch erscheint auch euch voll Grauen die Nacht, durch Ah- nung mehr als Gewißheit. O koͤnntet ihr schau’n in den Kern der Natur mit erleuchte- ten Augen um zwoͤlf Uhr! Da bewegt sich die subtellurische Macht als Windsbraut unter der Erde, Und sie weht als Dunst von der Hoͤlle herauf, kohlschwarz wie die Saͤule des Dampfboots. Das ist’s, was eben verheert die Natur, sonst haͤttet ihr ewiges Wachsthum: Die verhaͤngnißvolle Gabel. 4 Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor steigt’s auf als Gift der Zerstoͤrung, Und es schleicht als Tod ins thierische Herz, und vermaͤhlt sich menschlichem Odem; Drum lebt auch laͤnger der Vogel als ihr, der weniger klebt an der Erde, Der seltener auch den entsetzlichen Dunst aus hoͤherer Luft- region zieht. O koͤnntest du jetzt in der Mitte der Nacht durchschweben Gefild und Gebirge! Aus Schluchten empor widerhallt das Gestein vom Zaͤhnege- klapper der Hoͤlle, Und vernehmlich kraͤchzt aus Wipfel und Dach halbmensch- liche Worte der Uhu, Denn es irrt die Natur, und vermischt graͤulvoll Labyrin- thisches untereinander! Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meerniren ihr schilfiges Antlitz Und den schuppigen Leib, und stoͤren den Traum des Ermuͤ- deten, welcher am Bach schlaͤft; Und das Muͤhlrad peitscht aufzischenden Schaum in verdop- pelter Schnelle wie rasend. Und der Muͤhlknecht stuͤrzt in den Trichter hinab, wenn er just aufgießet das Korn jetzt. Auf dem Kirchhof staͤubt die Gebeine herum lautsausend ein wuͤthender Windstoß, Und es knarren der Gruft Thuͤrangeln, es flammt, wie von Blitzen erleuchtet, die Grabschrift, Und die Todten im Sarg, aufwachen sie halb, und behorchen mit Schauder den Holzwurm. Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grausige Stunde, huhu, hu! Ungluͤcklicher Geist! O waͤr’ ich erloͤst! Zu betrachten das menschliche Daseyn Ist schrecklich, waͤhrend man Mensch noch ist, ist schreckli- cher einem der Geister: Die Geburt und der Tod, einander so nah, sind blos durch Schmerzen geschieden, Sind Schmerzen sie selbst. O trauriges Loos, wohl werth unsterblicher Thraͤnen, Wie ein Gott sie geweint! Doch seyd ihr erloͤst, was thut ihr, luftige Geister? Wir tanzen den Reihn und beruͤhren im Flug mit schwe- benden Sohlen die Sterne. Was kann ich dir thun? Viel, viel, wenn du willst; doch halt’ ich das Beste geheim noch. Nein, sprich, was ich soll? Was wolltest du denn mit der Gabel beginnen, o Mopsus? Ich wollte damit auch Kinder und Weib dort unter die Sterne versetzen; Doch tadelst du das, so — Genire dich nicht! thu was der Instinkt dir gebietet! Man metzelt in neuen Tragoͤdien auch schlechtweg, nach kurzer Versuchung. Doch, wenn du befiehlst — O nein! wie gesagt, ich billige deine Begierden. Doch moͤcht’ ich dich noch ausfragen, warum — Jetzt nicht, da verronnen die Zeit ist: In den Kerker zuruͤck eilt jetzt mein Geist, und schmachtet ent- gegen der Freiheit: O Erloͤsungstag, wann seh’ ich entzuͤckt die Vergoldungen deiner Aurora? (Sie verschwindet.) Vortrefflicher Geist! Du erriethst mich gleich, wohl kennst du das menschliche Herz recht. Nun koͤnnt’ ich vor Muth mein ganzes Geschlecht, als waͤr’s Pappdeckel, zerstechen! O Gabel, du bist in der Hand mir jetzt der plutonische, graͤß- liche Zweizack! Jetzt koͤnnt’ ich mit dir, in titanischer Kraft, aufgabeln als Ku- gel den Erdball, Ihn laden, und dann todtschießen mit ihm die gestirnten Ar- meen des Himmels! Was hoͤr’ ich denn da? (der uͤber die Mauer steigt). Wenn der Hund nicht bellt, so vollend’ ich den herrlichen Anschlag. Was dringt fuͤr ein Ton durch Nebel und Nacht? Ist denn schon wieder ein Geist hier? Wer wandelt denn dort? He! He da, Gespenst! Gib Antwort! Wenn du ein Geist bist, So verhindre mich nicht an der loͤblichen That, und laß den ge- fundenen Schatz mir! Den gefundenen Schatz? O weh mir, weh! Gib Antwort, wenn du ein Geist bist! Auch ohne das, Freund! Wir kennen uns ja, als kuͤnftige Reisegenossen. Wie? Crusoe, du? Wie kamst du herein in den Hof und eben um die Zeit? Das Gewitter, du hast es gesehen; es schlug mich ein Blitz schnurstracks in den Hof her. Das wundert mich doch! Im Uebrigen kannst du mich waͤhrend der Reise begleiten; Denn ich gehe noch heut und bedarf recht sehr des erfahrenen Wandergefaͤhrten. Aber laß uns jetzt eintreten ins Haus, ich helfe dir packen, Geliebter! O es ist schon gepackt, nichts nehm’ ich mit mir, als eine Schatulle von Eisen. Bleib hier nur im Hof, gleich kehr’ ich zuruͤck, dann koͤnnen wir Alles besprechen; Jetzt laß mich hinein, ich nehme nur noch von Weib und Kin- derchen Abschied. (ab.) Abtruͤnniges Gluͤck! So muß ich mich denn mit der Haͤlfte des Schatzes begnuͤgen? O Geld! Was opfert das Menschengeschlecht nicht dir und dei- nem Besitzthum? Dir wuchert der Filz, und der Saͤmann saͤt nur dir, es be- zieht der Soldat blos Die Parade fuͤr dich und ererzirt, und der Schreiber copirt, und es gucken Buhldirnen fuͤr dich zum Fenster heraus, ja, Schornsteinfeger zum Schornstein! Vor den Uebrigen ziehst du das Judengemuͤth dir zu, wie ein Schiff der Magnetberg. Aber Eins verleihst du, o himmlisches Geld, was Wenige, die dich besitzen, Zu besitzen verstehn, zu genießen verstehn, was ist dieß Eine? die Freiheit. (Er wirft den Mantel ab und tritt als Chorus an den Rand der Buͤhne. Der Himmel wird wieder hell und die Gestirne treten hervor.) O goldne Freiheit, der auch ich entstamme, Die du den Aether, wie ein Zelt, entfaltest, Die du, der Schoͤnheit und des Lebens Amme, Die Welt ernaͤhrst und immer neu gestaltest; Vestalin, die du des Gedankens Flamme Als ein Symbol der Ewigkeit verwaltest: Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen, Lehr’ uns die Wahrheit, die du kennst, ertragen! Du wolltest guͤtig uns das Wort verleihen, Das als ein Funke deinem Herd entglommen, Du, die du gibst ihm deine sieben Weihen, Durch die’s der Menschen Herzen eingenommen, Die du es toͤnen laͤssest und gedeihen Vom Rednerstuhl, dem weltlichen und frommen: Leih’ auch den Genien dieses heitern Ortes Den schoͤnsten Ausdruck des lebend’gen Wortes! Wer hier zum Volke spricht in stolzen Toͤnen, Der sey auch wuͤrdig vor dem Volk zu sprechen; Entnervendes zu bieten statt des Schoͤnen, Ist an der Zeit ein Majestaͤtsverbrechen. Zeigt ihr der Vaͤter sonst’gen Ruhm den Soͤhnen, So sucht, durch stille Groͤße zu bestechen, Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale, Kredenz’ euch Anmuth erst die Zauberschale! Doch laßt ihr stets euch voll Geduld beschenken Mit allen Gattungen von Mißgebilden, Die hoͤchst possirlich jedes Glied verrenken, Um zu gefallen euch, den Allzumilden; Doch hoffe Keiner ohne tiefes Denken Den ew’gen Stoff zur ew’gen Form zu bilden, Und schwierig ist’s, mit Wuͤrde sich zu fassen Auf einem Stuhl, den Schiller leer gelassen. Lernt erst das Edle kennen und erproben, Und scheiden lernt den Schwaͤtzer vom Propheten! Wie lange wollt ihr diese Reimer loben, Die fremdes Mehl, doch ohne Wuͤrze, kneten? Verlangt ihr Großes, hebt den Blick nach Oben, Denn nicht herunter steigen die Poeten, Und selten wird euch schmeicheln ihre Strenge: Die Kunst ist keine Dienerin der Menge. Was frommt’s dem Stuͤmper, einen Kranz zu tragen, Und wenn ihr braͤchtet ihn auf seidnem Kissen? Im Innern muß ihn blos die Sorge nagen, Ein so gemeines Haupt bekroͤnt zu wissen: Wer Schoͤnes bildet, kann dem Preis entsagen, Er kann ein Land, das ihn verkennt, vermissen: Wer Dichter ist in seiner Seele Tiefen, Der fuͤhlt von Lorbern seine Schlaͤfe triefen! Der Fruͤhling kommt, ihr koͤnnt es nicht verwehren; Die Luft erquickt, ihr koͤnnt sie nicht verschließen; Der Vogel singt, ihr koͤnnt ihn nicht belehren; Die Rose bluͤht, es darf euch nicht verdrießen; Und naht ein Dichter, eure Lust zu mehren, So lernt ihn auch im vollsten Maß genießen, Anstatt sein Thun bestaͤndig zu verneinen: Was soll der Mond denn anders thun als scheinen? Vierter Akt . Vor dem Hause des Mopsus . Wie bin ich froh, daß meiner Frau Nachkommenschaft, Sie selbst mit ihr, gesegnet alles Zeitliche! Man wird doch vieler Sorgen mit den Kindern quitt, Auch gilt als Wuͤnschenswerthestes ein fruͤher Tod, Wie meine Kleinen fanden durch das Gaͤbelchen. Dann war das Weib ein Meisterstuͤck von Gottes Zorn: Waͤr’ ich in England, haͤtt’ ich lange sie verkauft, Was aber soll ich machen in Arkadien? Hier sind die Frau’n stets uͤber oder unterm Preis. Falsch war sie, das bezweifelt kaum ein Skeptiker: Nicht falscher ist das rege Flammenelement, Das listenreiche, taͤuschende, verfaͤngliche, Salamanderkoͤrperbildungenernaͤhrende! Oft sagt’ ich ihr, wenn Keiner just zugegen war: O haͤttest du mehr Guͤrtel als das Guͤrtelthier, Du loͤstest doch die saͤmmtlichen um Weniges! Und haͤtt’ ich sie verschonen sollen? Nimmermehr! Die Tugend großer Seelen ist Gerechtigkeit. Doch fort ans Cap, und lassen wir die Todten ruhn! Wo aber bleibt denn Crusoe, der Kinderfreund? Mopsus, Schmuhl . Die Kutsche steht im naͤchsten Busch bereit bereits, Und auch gepackt ist Alles. Danke, Crusoe! Doch faͤllt in diesem Augenblick noch Eins mir bei: Du weißt doch, was die Polizei Steckbriefe nennt? Visitenkarten, die man an den Spiegel steckt? Nicht ganz. Genug, ich fuͤrchte diese Briefe sehr, Und darf als Mopsus keineswegs die Reise thun, Auch reisen Schaͤfer selten in Arkadien. Dann mußt du dich verkleiden, scheint’s. Als was jedoch? Je nun, als Musterreiter, wenn dir das gefaͤllt. Ich reite gar nicht, wenigstens nicht musterhaft. Als Virtuos auf irgend einem Instrument. Ich blase keins, auf welchem man Concerte gibt. Als Einer, der Gastrollen spielt, als Buͤhnenheld. Als Held, o Gott! Ich bin ja kaum drei Spannen lang. Als reisender Gelehrter willst du nicht? O pfui! Auch wohl als Handwerksbursche nicht? Ich fechte nicht. So besteig’ als Passagier den Hinrichs. Was ist das? Ein Obertollhausuͤberschnappungsnarrenschiff. Wo man den Faust scholastizirt? Da fahr’ ich nicht! Nur Einer Art von Reisenden gedenk’ ich noch. Die ist? Als eine Brittin. Wie? Als englische Gemahlin eines reichen Lords. Ich spiele gern Den Kammerdiener. Allerdings das scheint mir klug! Ich waͤre dann aufs Sicherste verkappt dabei, Und hinge stets den Schleier vor. Wo kriegen wir Den Lord jedoch? Wir machen uͤberall bekannt, Daß er aus langer Weile juͤngst gestorben ist. Doch was den Reichthum anbelangt, so weißt du ja, Daß stets die große Kiste noch unaufgesprengt. Laß mich nur sorgen! Was ich will, vermag ich auch. Den Mond vom Himmel zieh’ ich, wenn es mir beliebt, Als Negromant, und als ein zweiter Archimed Nehm’ ich der Erde Hemigloben in die Hand! Die Hemigloben allenfalls, worauf man sitzt. Die ohnedem. Der ew’gen Sphaͤren Harmonie Sperr’ ich, wie ihr die Nachtigall, in Kaͤfige. Sprich doch von dir bescheidener, o Crusoe! Ein großer Mensch spricht edel von der Welt und sich, Ein kleiner klein und niedrig; aber das gefaͤllt, Das nennen dann die Niedrigsten Bescheidenheit. Verschone mit Sentenzen mich, o Crusoe! Genug! Ich oͤffne deinen Schatz, ich fuͤhr’ es aus, Und sollten drohn mir alle Schauder der Natur, Der Tod von Basel und der Neid von Weißenfels. Ich geh’ in irgend eine Troͤdelbude jetzt, Und schaffe mir die Kleider einer englischen Milady an. Ich eile fort und kaufe Thee, Denn ohne Thee reist keine Lady. Wehe mir! Thee trinken muß ich? Kaufe doch zum wenigsten Wohlfeilen ein, Hollunderthee. Der treibt den Schweiß. Was moͤgen erst die andern treiben! Schnell davon! Ich hoͤre Leute kommen. (Beide ab.) Damon (tritt auf). Wo der Schmuhl mir bleibt, Muß ich mich doch erkundigen. Wie leicht, daß ihn Der rohe Mopsus, wenn er ihn ertappt, entleibt! Wenn ich es wuͤnschen koͤnnte, waͤr’ es etwa nur, Um beizusitzen einem Kriminalprozeß, Was fuͤr die Menschenkennerschaft hoͤchst foͤrderlich. War etwa Shakespear irgend Kriminaljurist, Da es heißt in den aͤsthetischen Compendien, Daß er ein Menschenkenner war? Doch conterfei’n Ihn Andre wieder anders, und er mahlt sich selbst Als Einen, der die Nase nicht in Alles steckt, Verschlossen, still, zartfuͤhlend bis zum Eigensinn, Und in sich eine groͤßre Welt als außer ihm. Ist das gegruͤndet, wuͤrd’ ich, waͤr’ ich Praͤsident Von einer wissenschaftlichen Akademie Aufstellen als Preisfrage diesen kurzen Satz: Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her? Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man schickte dann Compilatoren, Schwaͤtzer und Pedanten hin, Die voll von Mitleid auf Poeten niedersehn, Und sich so viel auf ihre Sitzgelehrsamkeit Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem Buchstaben noch was Andres gibt in Gottes Welt. Allein, was fall’ ich aus der Rolle? Sehn wir erst Nach unserm Schmuhl, o hieß’ es doch nach unserm Schatz! (Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.) (singend). O wonnigliche Reiselust, An dich gedenk’ ich fruͤh und spat! Der Sommer naht, der Sommer naht, Mai, Juni, Juli und August, Da quillt empor, Da schwillt empor Das Herz in jeder Brust. Ein Thor, wer immer stille steht, Drum Lebewohl und reisen wir! Ich lobe mir, ich lobe mir Die Liebe, die auf Reisen geht! Drum saͤume nicht, Und traͤume nicht Wer meinen Wink versteht! Sirmio, Damon . Aus dem Hause stuͤrzt der Schultheiß? Was ist das? Was ist geschehen? Jammer uͤber Jammer! Wehe! Wehe mir! Was mußt’ ich sehen! Blutig ist er, in den Haͤnden haͤlt er eine blut’ge Gabel. Ha! Das geht noch uͤber Kain, Kain schlug doch blos den Abel! Ei, warum so fruͤh, Herr Schultheiß, und aus welchem In- teresse — Was fuͤr Untersuchungskosten! Was fuͤr Kriminalprozesse! Hoͤrt ihr mich denn nicht, Herr Schultheiß? Sagt mir nur, woher so fruͤhe? Eile selbst hinein zum Mopsus, und erspare mi r die Muͤhe! ( Sirmio ab.) Nein! Ich beb’ an allen Gliedern! Haͤtte Schmuhl mir das be- gangen? Einen Universitaͤtsfreund sieht man doch nicht gern gehangen! Er, der in Moralcollegien schlummernd neben mir gesessen! Zwar, es kann der beste Mensch sich einen Augenblick vergessen! Doch in einigen Minuten hat er das wol nicht verbrochen, Stcher hat er an so Vielen stundenlang herumgestochen. Laͤßt er nicht sich doch vertheid’gen? Bin ich denn umsonst belesen? Ließe sich denn nicht behaupten, daß es blos ein Spaß gewesen? Daß die Kinder Wechselbaͤlge, die zu toͤdten nur zur Ehre Kann gereichen? Dann auch sind ja Gabeln keine Mordgewehre: Selbst in Raupachs Trauerspielen sah man nie mit Gabeln spießen. Weiß man, ob sich nicht die Kleinen etwa selbst zur Ader ließen? Ob sie nicht sich duellirten, weil um’s Butterbrod sie schmollten? Ob sie nicht Ideen hatten, und fuͤr diese sterben wollten! Ist denn auch der Tod ein Uebel? Ist er wirklich ein Verderben? Ja, sogar der beste Mensch, was kann er Bess’res thun als sterben? (zuruͤckkehrend). Weib und Kinder! Welch Entsetzen! O weswegen kam ich spaͤter Als der Raͤuber an, der Moͤrder? Wehe dir, verruchter Thaͤter! Ich der Thaͤter? Rast der Bursche? Wer denn sonst? Das moͤcht’ ich wissen! Seiner Geldbegierde wegen haben sie ins Gras gebissen. Phyllis hatte falsche Zaͤhne, ja die Kinder fast noch keine. Wie? Er spottet noch, Verruchter? Sah man eine Schuld wie Seine? Doch Er soll mir kahler werden, als ein Vogel in der Mause! Bin denn ich der Moͤrder, Gimpel? Nun, was that Er sonst im Hause? Haͤlt Er nicht die blut’ge Gabel noch in Haͤnden? Soll ich schweigen, Geb’ Er mir den Schatz, wo nicht, so geh’ ich fort, es anzuzeigen. Weiß denn der nun auch vom Schatze? Sirmio, laß mich ziehn in Ruhe! Moͤrder! Moͤrder! Ei beileibe! Nun, wo hat Er denn die Truhe? Haͤtt’ ich sie, wie gerne theilt’ ich sie mit dir aus alter Liebe! Moͤrder! Moͤrder! Ei beileibe! Moͤrder! Moͤrder! Diebe! Diebe! (ab.) Daͤmonisches Loos, das just jetzt mich, zur mißlichsten Stunde hiehertrieb! Wie errett’ ich mich nun? Wie wend’ ich von mir den Verdacht, der allzuberedt spricht? Ich ergreife die Flucht! In der Naͤhe zumal ist ja die arkadi- sche Graͤnze. Ach, aber zu Fuß, und ohne Kredit, und ohne die noͤthige Baarschaft, Wie frist’ ich das Ding, das Leben genannt wird unter den Physiologen? Mit dem Dinge vielleicht, das bei Polizeidirektorien Betteln genannt wird? Die verhaͤngnißvolle Gabel. 5 Wie romantisch dacht’ ich mir doch vormals das gemuͤthliche Le- ben der Bettler! Wenn geschaͤftslos sie, durch Nichtsthun fett, Almosen erzwin- gen vom Mitleid, Wenn sie sorglos ziehn in den Staͤdten umher, durch sonnige Doͤrfer und Maͤrkte, Das Erhaschte sogleich aufzehren und nichts in den lumpigen Taschen behalten, Stets leicht und vergnuͤgt und sodann ausruhn im bluͤhenden Schatten der Linde, Und dabei, gleichsam wie ein ernstes Geschaͤft abfangen den huͤp- fenden Floh sich! Aber jetzt daͤucht mich’s ein beschwerliches Loos, um Pfennige flehen mit Inbrunst. Doch muß ich daran! ja, fort! fort! fort! Sonst koͤpfen sie ohne Verzug mich. Bin ich weg, dann moͤgen sie ohne Verzug in effigie mich an den Galgen Festnageln, wo Stoff ich liefere dann fuͤr eine Tragoͤdie Deutsch- lands, Auf daß des Absurden Absurdestes auch selbst fuͤhle, wie sehr es absurd ist, Und ein Volk es bewundre, vor welchem zugleich Iphigenie steht und Pandora! Jetzt fort, denn man kommt! (ab.) Schmuhl (tritt auf). He, Damon! he! Der nimmt ja gewaltigen Reißaus; Was hat er im Kopf? Doch sey’s, wie’s sey, mein Schaͤflein bring’ ich ins Trockne. Da kommt ja der Mopsus als Lady bereits, mit seinem entsetz- lichen Strohhut. Schmuhl, Mopsus . Hier steh’ ich verkappt als brittisches Weib; doch kommt mir das Englische hart an: Kein voller Accent, und ein Sprachwirrwarr, und stets ein- sylbige Woͤrtlein: Nie koͤnnt’ ich damit anapaͤstischen Schwung in die raschen Te- trameter zaubern; Da lob’ ich mir doch vielgliedrige, ja, weltkugelumsegelnde Worte. Dieß fuͤhrt mich zuruͤck auf unsere Fahrt. Hier hab’ ich ein Rei- severzeichniß, Marschroute genannt, denn wir ziehn doch wohl durch Deutsch- lands beste Provinzen, Und du wirst mir dabei angeben, was mir Merkwuͤrdiges etwa zu schau’n ist. Hier unten zuerst am oͤstlichsten Punkt steht Wien, Augarten und Prater. Ein bewaͤssertes Land, von Gelehrten bewohnt, die aber dem Griechischen abhold, Und ein Volkslustspiel, das lustiger ist, als sammtliche deutsche Theater. Das dacht’ ich mir wohl. Nach Muͤnchen sodann — Dort ist jetzt Alles in Gaͤhrung: Wer weiß, was es gibt? Ueber Augsburg dann — Wo die Fugger zu Hause. Nach Stuttgart. Von dorther dringt ein gemuͤthlicher Ton zartfuͤhlender, heimi- scher Lieder. Dann zieht sich der Weg uͤber Onolzbach — Dort siehst du das Uzische Denkmal. Im selbigen Jahr, als Uz abstarb, und zwar im herrlichen Weinmond, Ward dort uͤberdieß noch ein zweiter Poet hoͤchst wuͤrdigen Ael- tern geboren: Doch loͤst er dem Uz sein Schuhband kaum, und war ein ge- ringer Ersatz blos. Nach Dresden sodann — Dort moͤcht’ ich, wenn dort nicht waͤ- ren so schoͤne Gemaͤlde, Auch gemalt nicht seyn. Dann leiden wir fast Schiffbruch im berlinischen Sandmeer. Dort lehre man uns, wie man Sprache verdirbt, mit Schrau- ben sie foltert und radbricht: Was geschmacklos ist, manirirt und gesucht, das ging vom suͤßen Berlin aus. Beduinische Kunst, kritisirende blos kommt fort im dasigen Klima, Und gesellt ist ihr, in Geschwisterlichkeit despotische, seile Scho- lastik. Doch werd’ auch diese spartanische Stadt durch Lob und Gesaͤnge verherrlicht, Denn des Volks Aufschwung, in heroischer Zeit, der ging vom großen Berlin aus! Dann schiffen wir uns bei Hamburg ein. Nun geht’s die veroͤdete See durch; Nur treib’ uns nicht ein verdrießlicher Wind nach meiner ermuͤ- denden Insel. Hier sind’ ich nur noch Sankt Helena’s Strand. Dort siehst du die Stuͤrme des Weltmeers, Und feierlich klingt’s, wenn die Fluth aufrauscht, wie home- rische Heldengesaͤnge. Nun, Erusoe, rasch in die Kutsche hinein! Nur Eins noch will ich dich fragen: Was thun wir zuerst an der Hoffnung Cap? Wir bauen ein neues Theater. Und die Bauart sey? Im dorischen Styl. Was setzen wir in die Metopen? Abbildungen wohl von den Affen des Cap’s und die Schicksals- dichter dazwischen. Jetzt weiß ich genug, ich folge dir nach. O waͤren wir uͤber der Graͤnze! (ab.) (als Chorus ). Eh’ ich in den Wagen steige, bring’ ich euch noch hier zu Fuß Unsres euch bekannten Dichters euch bereits bekannten Gruß! Merkt ihr endlich, liebe Christen, zwischen diesem seinem Lied Und den sonstigen Comoͤdien einen kleinen Unterschied? Merkt ihr endlich, daß es komisch keineswegs ihm duͤnkt und fein, Euch Gemeines nur zu geben und zu geben es gemein? Nein! Was haͤßlich scheint und niedrig, und entbloͤßt von Halt und Norm, Werde zierlich wie das Schoͤne, durch des Geistes edle Form! Nichts von Allem, was das Leben euch vergiftet, fecht’ euch an, Alles taucht die Hand des Dichters in der Schoͤnheit Dcean! Nicht allein der Glauben ist es, der die Welt besiegen lehrt, Wißt, daß auch die Kunst in Flammen das Vergaͤngliche ver- zehrt! Widerfahre denn auch unserm Freunde Billigkeit und Recht: Seyd ihr taub, so hoͤre du ihn, ungeborenes Geschlecht! Denn es werden gute Geister schweben uͤber seinem Wort, Wenn es geht von Mund zu Munde, wenn es wechselt Ort um Ort! O wie manche Quasidichter, (sie zu nennen fehlt die Zeit,) Die man ihm als Muster lobte, ließ er hinter sich so weit! Gerne beugt er sich der Stirne, die ein Zweig mit Recht umlauht, Beugt vor Goethe’s greisen Schlaͤfen ein noch nicht bekraͤnztes Haupt; Doch vor Eingedrungnen, sey’n sie auch begabt mit Sinn und Witz, Die er nicht erkennt als Meister, springt er nicht empor vom Sitz. Groͤßres wollt’ er wohl vollenden; doch die Zeiten hindern es: Nur ein freies Volk ist wuͤrdig eines Aristophanes. Zwar der Dichter freut sich eines großgesinnten Koͤnigs Gunst, Doch Europa’s Seufzer steigen um ihn her als Nebeldunst! Da der Sonnenstrahl der Freiheit seine Tage nicht erhellt, Gibt er, statt des Weltenbildes, nur ein Bild des Bilds der Welt. Mag er wissen, was vom deutschen Schaugeruͤst man sich ver- spricht, Wie es steht in deutschen Landen, frage man Poeten nicht! Einem spaͤtern Meister uͤberlaͤßt er die beruͤhmte That, Volk und Maͤchtige zu geißeln, ein gefuͤrchtet Haupt im Staat. Zuͤrnt ihr ihm, wenn seine Feder, die die Buͤhne sich als Stoff Auserkoren, von Satyre, wie die Reb’ im Lenze, troff? Der Begeisterung Altaͤre sind in Dampf gehuͤllt und Qualm, Und im Pantheon der Helden singen Pfuscher ihren Psalm: Wo Gestalten schreiten sollten, schwebeln Schatten, leer und hohl, Und der Dichter sagt den Brettern ein entschiednes Lebewohl! Wehe Jedem, der vertrauend unter ein Geschlecht sich mischt, Welches heute klatscht der Thorheit, und der Wahrheit morgen zischt; Ein Geschlecht, das gern die Muͤhe, Großes zu verstehn, er- spart, Ach, und dem den Sinn des Schoͤnen nie ein Gott geoffenbart! Das jedoch, mit dreister Stirne, Jeden gleich zu meistern denkt, Der der Kunst sein tiefstes Sinnen, ja das Leben selbst geschenkt; Ein Geschlecht, das stets zerrissen, stets vom Halben halb er- faßt, Jede Seele, die als Ganzes sich harmonisch rundet, haßt! Goͤnne das Geschick dem Dichter nur den Wunsch, fuͤr den er gluͤht, Bald sich in ein Land zu fluͤchten, wo die Kunst so reich gebluͤht, Bis zuletzt die deutsche Sprache seinen Ohren fremder toͤnt, Eine Sprache, die sich ehmals unter seiner Hand verschoͤnt: Ja, dann mag er sterben, wie es schildert euch ein fruͤh’res Lied, Lanzenstiche viel im Herzen, als der Dichtkunst Winkelried! Fuͤnfter Akt . Saal im Gasthof zur Gabel . (allein). Verdaͤchtig kommt mir diese fremde Lady vor, Die nie den Schleier luͤftet und so wenig spricht. Reich mag sie seyn, nach Allem, was der Diener sagt, Steinreich; doch eine Fledermaus an Haͤßlichkeit, Wenn nicht was Fuͤrchterlich’res noch dahintersteckt, Man hat Exempel in der Zeit, daß Affen selbst Auf Reisen gingen, Urangutangs thren Geist Ausbildeten und hie und da schriftstellerten. Doch bergen Solche mit Bedacht ihr Angesicht, Und bleiben stets, wie Recensenten, anonym. Vielleicht auch ist die Lady die beruͤchtigte Prinzessin mit dem Schweineruͤssel, welche sich Vormals in Deutschland sehen ließ, wiewohl man glaubt, Daß eine blos symbolische Person sie war, Des deutschen Nationalgeschmacks Versinnlichung; Denn blos Gemeines nutzt sich ab in der Hand des Volks, Wie wuͤrde gaͤng und gaͤbe das Erhabene? Auch faͤllt noch eine dritte Moͤglichkeit mir ein: Vielleicht, daß einst der guten Lady Mutter sich An Herrn von X versehen hat, und hinter drein Ein Demagogenriechernashornsangesicht Zur Welt gebracht, ein immerwaͤhrend schnuͤffelndes. Wirth. Schmuhl . Hat man der Lady Thee servirt? Drei Kannen voll; Reicht’s hin? Es reicht. Doch zuͤndet jetzt die Lichter an. Sogleich! (ab) Da steht der verwuͤnschte Schatzbehaͤlter noch, Zwar uneroͤffnet, aber schwer wie Blei. Ich ließ Hier in den Vorsaal setzen ihn geflissentlich: Vielleicht gelingt mir’s heute Nacht im Mondenschein Ihn fortzuschaffen, waͤhrend unsre Lady schnarcht. (zuruͤckkommend). Die Dame sitzt ja stets im Schleier. Ist sie schoͤn? Nicht eben blendend. Aber doch auffallend? Ja, So ziemlich. Das vermuth’ ich. Wird sie reich geschaͤtzt? Was meint ihr, daß dem Postillon Trinkgeld sie ga b ? Je nun, vielleicht dasselbige was Gellert einst, Um das Rhinoceros zu sehen, eingesteckt? Ein Stuͤck Papier als unbegraͤnzten Wechselbrief, Zahlbar fuͤr Jeden, und einige Besitzungen Im Norden Groͤnlands. Himmlische Verschwenderin! Den Goͤttern dank’ ich, daß sie dich ins Haus gefuͤhrt! Vielleicht, wenn etwa morgen ihr die Zeche macht, Gibt sie zum Angedenken euch Australien. Wie konnte sie so Vieles denn eruͤbrigen, Wofern sie nicht aus fuͤrstlichem Gebluͤte stammt? Das fragt bei Rothschilds, oder sonst in Israel. Ich lege nachgerade mich zu Bette jetzt. (ab.) Schlaft wohl! — das nenn’ ich einmal eine Reisende! Wenn aber diese Lady nicht ein Toͤchterchen Von einem Dalai Lama, ja, Großmogul, ist, So will ich nicht der Speisewirth zur Gabel seyn! Sie ist vielleicht dieselbe Tibetanerin, Von welcher neulich mitgetheilt ein Reisender, Daß sie die kuͤnft’ge Heldin eines Trauerspiels Des Dichters waͤre, der die Schuld geschneidert hat, Die Geschichte war hoͤchst tragisch, ungefaͤhr wie folgt: Ein frommer Taschenspieler ging als Missionaͤr Nach Asien und verliebte sich mit Leidenschaft In eine junge, tibetanische Person, Huͤbsch, reich, ein wahres Muster von Vollkommenheit. Doch um sie zu besitzen, soll der Braͤutigam Den Glauben wechseln, eine Sache, die vorerst Ihm nur geringe Skrupel macht. Er dachte so: Da doch auf keine Weise sich das Christenthum Anheischig macht, in dieser Welt die Herzen schon Zu begluͤcken, durch harmonische Befriedigung Des ganzen Menschen, wie es das Heidenthum gethan, Da es hoͤchst naiv jenseitiges Gluͤck allein verspricht, So reicht’s ja hin, in der andern Welt ein Christ zu seyn, In dieser blos ein Gluͤcklicher, was Jeder wuͤnscht. So dachte dieser Philosoph und Proselyt. Nun aber kam das Schwerste, was er nicht bestand: Er soll, um zu bewaͤhren sich als Glaͤubiger, Verzehren eine Speise, die, bereits verdaut, Im Darm des Dalai Lama schon gewesen war. Er stutzt, er kommt auf keine Weise zum Entschluß: Umsonst beschwoͤrt der Priester ihn, der Lama selbst, Die Geliebte laͤßt ihn ihre Reize hoffend schau’n, Und bringt auf goldnem Teller ihm die Suͤßigkeit. Vergebens! Stets noch zaudert er, und kehrt sich ab, Und Eckel frißt der Seele tiefstes Mark ihm auf. (Wie wird der große Dichter diesen großen Kampf Uns conterfei’n, den aͤrgsten, den ein Mensch gekaͤmpft, In einem wahren Meisterstuͤck von Monolog!) Beleidigt tritt die Tibetanerin zuletzt Von ihm zuruͤck, um einem Eingeborenen Die Hand zu reichen. Dieser fuͤhrt sie zum Altar. Der Missionaͤr verzweifelt, krampfhaft windet sich Sein Innerstes, von eifersuͤchtiger Qual bewegt. Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf: Halt! Halt! Er hat gegessen das Geheiligte, Er ist der Sieger seiner selbst, bekroͤnet ihn! Doch ach, zu spaͤt! die Beiden waren schon vermaͤhlt. Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragisches Geschick fuͤr unsern Helden! Mit den Zaͤhnen knirscht Er laut, und schlaͤgt die Stirne sich, und flucht sich selbst, Umsonst vollbracht’ ich, heulet er, das Graͤßliche! O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole sich Beruͤhren, und des einen Pols Produkte durch Den andern Pol verschlungen werden, wehe dann! Er spricht’s, und nun, in jenen widersinnigen, Hiatusreichen Halbtrochaͤ’n, die Jeder kennt, Wo bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht, Bricht unser Missionarius den Geist heraus, Versteht sich, blos den Muͤllnerischen, doch vermischt Mit eines Lama’s heiligem Ingrediens. Wirth, Damon . Seyd ihr der Wirth zur Gabel? Ja, zu dienen, Herr! Kann ich ein Obdach finden hier, fuͤr diese Nacht? Die Stuben zwar sind schon besetzt; doch wollt ihr hier Im Saale bleiben, schaff’ ich eine Streu herein! Ich ziehe vor, zu schlafen auf dem Kanapee. Wie’s euch beliebt. Doch bitt’ ich, schnarcht mir nicht zu laut! Hierneben schlaͤft die reichste Lady von der Welt. Seht hier die Kiste, welche voll von Louisd’ors, Doch ist das nichts, verglichen mit dem Uebrigen! Zwar ganz geheuer ist sie nicht, den Schleier legt Sie nie von sich, und ihre Mutter hat vielleicht Sich in Berlin, wie’s haͤufig dort geschieht, versehn. Doch geht man leicht daruͤber weg, ein Billionaͤr Darf bis auf einen gewissen Grad unleidlich seyn. — Doch seyd ihr muͤde, wie mir scheint, gehabt euch wohl, Und macht euch hier, so gut ihr koͤnnt, im Saal zurecht; Bis morgen raͤumt die Lady dort das Kabinet. (ab.) Hier waͤr’ ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig und aͤrmer als Hiob! Wie werd’ ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die kommenden Tage verbringen? Nichts konnt’ ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die gelehrten Excerpten, Die in Deutschland kein Buchhaͤndler verschmaͤht und verab- saͤumt haͤtte, das weiß ich: Was recht schwerfaͤllig und ledern erscheint, das halten die Deutschen fuͤr gruͤndlich, Denn diese Nation saalbadert so gern, saalbadert herab von der Kanzel, Saalbadert zu Haus, saalbadert sodann vor Gericht, saal- badert im Schauspiel; Drum sind auch blos Saalbader in Gunst bei ihr, Saal- bader in Achtung; Drum liest sie nur dich, statt Goethe und statt Jean Paul, saalbadernder Clauren, Und blaͤttert, anstatt in der Bibel, in euch, saalbadernde Stunden der Andacht! Ach, waͤhrend der Wirth mir erzaͤhlte, befiel mich im Her- zen die staͤrkste Versuchung: O haͤtt’ ich doch nur die geringste Partie vom Riesenver- moͤgen der Lady! Sie koͤnnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Roͤllchen Dukaten als Zehrgeld: Es erfordert ja doch ein gerechtes Gesetz gleichmaͤßige Guͤ- tervertheilung! O koͤnnt’ ich doch nur aufsprengen dahier die gewaltige Kiste von Eisen! Aber das ist ganz unmoͤglich, scheint’s, da zu stark und fest sie verwahrt ist. Mag seyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der Lady die Boͤrse Auf dem Nachttisch liegt, die koͤnnt’ ich ja wohl, ganz ohne Gefaͤhrde, stipitzen. Doch wuͤrde mir wach die Britannierin? Dann muͤßt’ ich verstopfen den Mund ihr. Wie verhaͤngnißvoll, daß gerad’ ich noch mithabe die Gabel des Mopsus! Nur ein Stich, so spaziert noch heute mir durch elysaͤische Felder die Lady: Gluͤckseliges Loos! Auch sagte der Wirth, sie waͤre vermuth- lich ein Scheusal. Hat Herkules nicht von solchem Gethuͤm die gesaͤuberten Laͤnder befreit einst? Und thu’ ich es auch, kann seyn, daß sie mir auch Tempel errichten und Statuen. Nun will ich hinein, doch horch! mir scheint, daß eben die Lady heraus will. Damon, Mopsus . Was fliehst du mich, Schlaf? Ihr Ahnungen, ach! was legt ihr euch uͤber die Brust mir, Wie ein Alp, der fest sich die Klau’n einklemmt in den ath- menden Busen des Maͤgdleins? Das wundert mich sehr, daß sie Maͤgdlein ist annoch; doch sagt sie es selbst ja. O mußte denn auch der Gasthof just zur goldenen Gabel getauft seyn! Was fluͤstert sie da von der Gabel, sie hat mich am Ende be- lauscht, die Verschmitzte. Abscheulicher Traum, wie quaͤltest du mich! Ich sah den le- bendigen Satan; Zwar Anfangs wand’ er den Ruͤcken mir zu; doch ploͤtzlich steckte den Kopf er Sich zwischen die Beine hindurch und besah mich in dieser entsetzlichen Stellung, Mit funkelndem Blick, und loderndem Bart, und feurigen Zaͤhnen im Rachen. Wenn sie lange so fort vom Teufel erzaͤhlt, gleich faͤllt in die Hose das Herz mir. Dann sah ich den Tod mit der Sense vor mir, und er maͤhte mich unter die Bettstatt. Jetzt siehst du den Tod mit der Gabel vor dir, gib drein dich, oder du stirbst doch! Wie wird mir, o Gott! Ist’s Damon nicht? Ist’s nicht mein Richter und Schultheiß? Mit der Gabel, o weh! Jetzt bin ich dahin, jetzt hat mir geschlagen das Stuͤndlein! Was lispelt sie da? Stich zu! Stich zu! Gern ruf’ ich dem Leben Ade zu! Wie entschlossen! Das ist kein weibisches Weib, die ist, wie Johanne, die Paͤpstin. Stich zu! Stich zu! Ich getraue mich nicht, stich selbst, hier hast du die Gabel! Ja, ich sterbe, ja, mich Arme druͤckt die Schuld und kneipt die Suͤnde, Meine Kinder stach ich selbst ab, wie die Graͤfin Orlamuͤnde: Diese laͤßt als weiße Frau nun ihre Schluͤsselbuͤndel kollern, Wenn ein Fleck sich soll verdunkeln an der Sonne Hohenzollern! Die verhaͤngnißvolle Gabel. 6 Sagt’ ich’s nicht? Man wird poetisch auf des Lebens letzten Stadien. Sieh mich sterben; aber wisse, daß ich Mopsus aus Arkadien! (er ersticht sich.) Ist es moͤglich? Ja, die Stimme fiel mir auf, ich ruf’ um Rettung: Huͤlfe, Huͤlfe her! Vergebens! Dieß ist des Geschicks Ver- kettung, Nichts errettet mich. Mir ist es blos zu thun um dein Vermaͤchtniß, Schenke mir vor ein’gen Zeugen deine Gelder zum Gedaͤchtniß! Huͤlfe! Huͤlfe! Die Vorigen, Schmuhl, der Wirth, Dienerschaft . Nun, was gibt es? Mopsus hat sich selbst erstochen. Du hier, Damon? Schmuhl, und du hier? Kommt die Hoheit in die Wochen? Nein, sie stirbt, doch mir vermacht sie diese maͤchtige Schatulle. Solch ein Testament ist wirklich eine wahre goldne Bulle. Mir gehoͤrt die Kiste, Mopsus! Daß der Boͤse dich verderbe! Mir gehoͤrt sie. Theilt euch beide bruͤderlich darein, ich sterbe. (er stirbt.) Her die Kiste! Her die Kiste! Was rumort denn drin im Kasten? Horch, es kracht, es springt der Deckel, wie emporgesprengte Lasten! (Der Deckel springt auf, Salome erscheint in einer Glorie.) Was? Ein Geist, anstatt des Geldes? Schafft mir solche Schaͤtze weiter! Das ist Salome, doch jetzo scheint sie ganz verklaͤrt und heiter. Ja, gekommen ist die Stunde, diese Brut ist ausgerottet, Und ihr seht den Geist erloͤset, welcher nun der Bande spottet, Welcher, da dieß fratzenhafte, moͤrdrische Geschlecht bezwun- gen, Seinen Fittich stolz erhebet von der Erde Niederungen. Folget seinem Flug und lasset unter euch der Sorgen jede, Und mit Adlerklau’n zum Himmel traͤgt er euch als Gany- mede! Wo die Schoͤnheit mit verschaͤmtem Laͤcheln senkt den Blick, den suͤßen, Und von staͤter Jugend traͤumet zu des ew’gen Vaters Fuͤßen; Wo ein holder Wonnetaumel spielt in alle Seelentriebe, Holder als ein menschlich Auge, wenn es blickt den Blick der Liebe! Dort, wo Friede wohnet, moͤgt ihr seligen Gesaͤngen lauschen; Aber lebet wohl, es fangen meine Fluͤgel an zu rauschen! (sie verschwindet.) Hast du vom Galimathias dieses Geists ein Wort ver- standen? Wenig gilt ein Wort im Leben, waͤre nur das Geld vor- handen! Duͤrfen Geister denn betruͤgen? Welch ein schaͤndliches Ver- fahren! Freilich, doch die Menschen koͤdert man so selten mit dem Wahren; Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am ersten ihren Willen, Denn in Suͤßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen. Wenigstens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge- reinigt, Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt; Alle ruf’ ich hier zu Zeugen wider eine solche Fabel! Aber im Archiv bewahren werd’ ich diese Wundergabel. Jetzo geh’ ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine maͤste, Unterdessen Gott befohlen! (ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.) Nun beginnt, ihr Anapaͤste! (Er tritt vor.) Sein Abschiedswort thut euch durch mich der Comoͤdiendich- ter zu wissen, Der oftmals schon, im Laufe des Stuͤcks, vortrat aus sei- nen Coulissen! Ueberseht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs Gute bestechen! Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn selbst mit jedem Gebrechen; Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann waͤr’ es derselbe ja nicht mehr, Und ein Mensch, der nichts zu verzeihen vermag, nie seh’ er ein Menschengesicht mehr! Wohl weiß der Poet, daß dieses Gedicht ihm Tausende werden verketzern, Ja, daß es vielleicht Niemanden gefaͤllt, als etwa den Dru- ckern und Setzern: Es verleidet ihm auch wohl ein Freund sein Werk, und des Kritikers Laune verneint es, Und der Pfuscher vermeint, er koͤnne das auch; doch irrt sich der Gute, so scheint es. Durch Deutschland ist, die Latern’ in der Hand, nach Men- schen zu suchen so mißlich; Wohlwollende triffst du gewiß niemals, kurzsichtige Tadler gewißlich. Zwar moͤch te das Volk, aus eitler Begier, an poetischen Genien reich seyn, Doch sollen sie auch Bußprediger, ja, Betschwestern und Alles zugleich seyn! Doch, reichten sie nichts als milchige Kost, als ganz un- schuldige Speise, Dann waͤr en sie wohl viel weiser als Gott, der Thoren ge- schaffen und Weise. Was Jede m geziemt, das uͤb’ er getrost, mit dem Seinen bescheide sich Jeder: Im Sonn ensystem ist Raum fuͤr mehr, als fuͤr des Zeloten Katheder! Wir schellten es nicht, will Einer’ die Welt und die welt- lichen Dinge verpoͤnen, Doch wer anschaut die Gebilde der Kunst, geh’ unter im Geiste des Schoͤnen! Ein Pedant, den nichts zu begeistern im Stand, armselig steht er und einsam, Zwar hat er vielleicht mit den Thieren den Fleiß, doch nichts mit den Menschen gemeinsam! Glaubt nicht, daß unser Poet, der gern, was krank ist, saͤhe geheilet, Mißguͤ ns tigen Sinns Eingebungen folgt, wenn er auch Ohrfeigen vertheilet: Wer Heiß im Gemuͤth und Bosheit traͤgt und wer unlau- tere Regung, Dem weigert die Kunst jedweden Gehalt und die Grazie jede Bewegung. Wen k uͤ mmert es, was ein Poet urtheilt? Doch, zeigte sich Einer empfindlich, Uebertreff’ er ihn auch, denn er macht sich dadurch zu gedieg- neren Worten verbindlich. Doch, kommt er kutschirt mit leichtem Gepaͤck und gekritzel- ter Stuͤmperdepesche, Gleich schicke man ihn uͤber Schilda zuruͤck, in des Nicolai Kalesche! Euch aber, zur Gunst und zur Liebe geneigt, weissage der Dichter vertraulich Des Gedichts Vorzug, wie er selbst es versteht, denn er haͤlt es fuͤr huͤbsch und erbaulich: Ihr findet darin, bei sonstigem Spaß, auch Rath und nuͤtz- liche Lehre, Und Alles zum Trotz dem Verkehrten der Zeit und dem Trefflichen Alles zur Ehre. Ihr findet darin manch witziges Wort und manche gefaͤllige Wendung, Und erfindende Kraft und Leichtigkeit und eine gewisse Vollendung; Denn, wie sich enthuͤllt jemaliger Zeit Volksthurn in den epischen Liedern, So spiegelt es auch in Comoͤdien sich, mit allen Gelenken und Gliedern; Drum hat der Poet euch Deutschland selbst, euch deutsche Gebrechen geschildert, Doch hat er den Spott durch freundlichen Scherz, durch huͤpfende Verse gemildert. Nicht wirkungslos bleibt dieses Gedicht, das glaubt nur meiner Betheurung, Und der wahren Comoͤdie Sternbild steht im erfreulichen Licht der Erneu’rung. Der Aesthetiker wird’s, da es nun da ist, als ganz alltaͤg- lich ermessen, Doch bitt’ ich, ihr Herrn, des Columbus Ei nicht ganz und gar zu vergessen! Liebhaber jedoch, gern werden sie es anhoͤren; und gern es in Lettern Anschauen sofort, auch wuͤrden sie gern es vernehmen herab von den Brettern; Laut heischten sie dann, mit Heroldsruf, nach Weise der alten Thesiden: Es erscheine der Chor, es erscheine der Chor des gelieb- ten Aristophaniden! Wie bedarf er des Ruhms und der Liebe so sehr, im Be- wußtseyn gaͤhrender Triebe, Ihm werde zum Ruhm der Befreundeten Gunst; denn Ruhm ist werdende Liebe. Nun sey es genug! Stets reiht an die Zeit des musikauf- wirbelnden Reigens Sich die Stunde des Ruh’ns und ich lege sogleich an die Lippe den Finger des Schweigens; Denn die Zeit ist um, nun schlendert nach Haus, doch ja nicht ruͤmpfet die Nasen, Und begnuͤgt euch huͤbsch mit dem Lustspiel selbst, und den zierlichen Schlußparabasen!