Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Druck und Papier von Fr. Vieweg und Sohn in Braunschweig. Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Von Justus Liebig, Dr. der Medizin und Philosophie, Professor der Chemie an der Ludwigs-Universität zu Gießen, Ritter des Großherzogl. Hessischen Ludwigsordens und des Kaiserl. Russischen St. Annenordens 3ter Klasse, auswärtiges Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm, der Royal Society zu London, Ehrenmitglied der British association for the advancement of Science, Ehrenmitglied der Königlichen Akademie zu Dublin, correspondirendes Mitglied der Königlichen Akademieen der Wissenschaften zu Berlin, München und St. Petersburg, des Königlichen Institutes zu Amsterdam, der Königlichen Societät der Wissenschaften zu Göttingen, der naturforschenden Gesellschaft zu Heidelberg ꝛc. ꝛc. ꝛc. Braunschweig, Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. 1842. Meinem Freunde J. J. Berzelius als ein Zeichen inniger Zuneigung und aufrichtiger Hochachtung gewidmet. Vorwort . D urch die Uebertragung der Methoden, welche die Phy- siker seit Jahrhunderten in der Ermittelung der Ursachen der Naturerscheinungen befolgen, auf die Chemie, durch Beach- tung von Maß und Gewicht, ist von Lavoisier der Grund- stein einer neuen Wissenschaft gelegt worden, welche durch die Pflege ausgezeichneter Männer in außerordentlich kurzer Zeit einen hohen Grad von Vollendung erhalten hat. Es war die Aufsuchung und das Festhalten aller Bedin- gungen, die sich zu einer Beobachtung vereinigen müssen, es war die Erkenntniß der richtigeren Grundsätze zu Forschun- gen, welche die Chemiker vor Irrthümern schützten und sie auf einem ebenso einfachen als sicheren Wege zu Entdeckun- gen führten, welche in die früher dunkelsten und unbegreif- lichsten Naturerscheinungen Licht und Klarheit brachten. Die nützlichsten Anwendungen auf Künste und Industrie und alle der Chemie verwandten Zweige des Wissens, er- gaben sich aus den von ihnen erforschten Gesetzen und dieser Einfluß zeigte sich nicht erst, nachdem die Chemie den erreich- baren Grad von Vollendung erhalten hatte, sondern er machte sich mit jeder einzelnen neuen Erfahrung geltend. Vorwort. Alle in den anderen Fächern bereits vorhandenen Erfah- rungen und Beobachtungen wirkten in ganz gleicher Weise fördernd, auf die Ausbildung und Entwicklung der Chemie zurück, so daß sie eben so viel von der Metallurgie und In- dustrie empfing, als sie gegeben hatte; indem sie zusam- men an Reichthum zunahmen, bildeten sie sich mit und ne- ben einander aus. Nach der allmäligen Vervollkommnung der Mineralchemie wandten sich die Arbeiten der Chemiker einer andern Rich- tung zu; aus der Untersuchung der Bestandtheile der Pflan- zen und Thiere sind neue und veränderte Ansichten hervor- gegangen; das vorliegende Werk ist ein Versuch zu ihrer Anwendung in der Physiologie und Pathologie. In früheren Zeiten hat man, in vielen Fällen mit gro- ßem Erfolg, die aus der Bekanntschaft mit den chemischen Erfahrungen erworbenen Ansichten auf die Zwecke der Heil- wissenschaft anzuwenden versucht; ja, die großen Aerzte, welche zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts lebten, wa- ren die ausschließlichen Kenner und Begründer der Chemie; das phlogistische System der Chemie, mit allen seinen Unvollkom- menheiten, erschien als die Morgenröthe eines neuen Tages, es war der Sieg der Philosophie über die roheste Experi- mentirkunst. Die neuere Chemie hat mit allen ihren Entdeckungen der Physiologie und Pathologie nur unbedeutende Dienste gelei- stet, und Niemand kann sich über die Ursache dieser Theil- nahmlosigkeit täuschen, wer in Erwägung zieht, daß alle in Vorwort. dem Gebiete der anorganischen Chemie erworbenen Erfah- rungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper und ihrer in Laboratorien darstellbaren Verbindungen mit dem lebendigen Thierkörper und dem Verhalten seiner Be- standtheile in keine Art von Beziehung gebracht werden konnten. Die Physiologie nahm keinen Theil an den Fortschritten der Chemie, weil sie lange Zeit hindurch, zu ihrer eigenen Förderung, nichts von dieser Wissenschaft zu empfangen hatte. Dieser Zustand hat sich seit fünfundzwanzig Jahren geändert; allein auch in der Physiologie sind in dieser Zeit neue Wege und Mittel zu Forschungen in ihrem eigenen Gebiete ge- wonnen worden, und erst mit der Erschöpfung dieser Quellen von Entdeckungen ließ sich einer neuen Richtung in den Arbeiten der Physiologen entgegensehen. Auch diese Zeit liegt uns nahe, und ein Weiterschreiten auf dem einge- schlagenen Wege würde jetzt das Gebiet der Physiologie, aus dem sich sehr bald fühlbar machenden Mangel an fri- schen Anhaltspunkten zu Forschungen, nur breiter, aber we- der tiefer noch gründlicher machen. Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die Ermittelung der Formen und der Bewegungserscheinungen nicht nothwendig oder nützlich wäre, sie muß im Gegentheil als durchaus unentbehrlich zur Erkenntniß der Lebensprocesse angesehen werden; allein sie umfaßt nur eine einzige Klasse von Bedingungen zur Erkenntniß, und diese reichen für sich allein nicht dazu hin. Vorwort. Die Erforschung der Zwecke und Functionen der einzel- nen Organe und ihres gegenseitigen Verbandes im Thier- körper, war in früherer Zeit der Hauptgegenstand der phy- siologischen Untersuchungen; er ist in der neuern Zeit in den Hintergrund getreten. Die größte Masse aller neueren Ent- deckungen hat die vergleichende Anatomie weit mehr als die Physiologie bereichert. Für die Erkennung der ungleichen Formen und Zustände im gesunden und kranken Organismus geben diese Arbeiten ohne Zweifel die werthvollsten Resultate, allein für eine tie- fere Einsicht in das Wesen der vitalen Acte bieten sie keine Aufschlüsse dar. Durch die genaueste, anatomische Kenntniß der Gebilde kann man zuletzt nicht erfahren, zu welchem Zwecke sie die- nen, und mit der mikroskopischen Untersuchung der feinsten Verzweigungen der Gefäßnetze wird man nicht mehr von ih- ren Verrichtungen wissen, als man über den Gesichtssinn durch das Zählen der Flächen auf dem Auge einer Stuben- fliege erfahren hat. Die schönste und erhabenste Aufgabe des menschlichen Geistes, die Erforschung der Gesetze des Lebens, kann nicht gelös’t, sie kann nicht gedacht werden, ohne eine genaue Kenntniß der chemischen Kräfte, der Kräfte nämlich, die nicht in Entfernungen wirken, die in einer ähnlichen Weise zur Aeußerung gelangen, wie die letzten Ursachen, von welchen die Lebenserscheinungen bedingt werden, die sich überall thätig zeigen, wo sich differente Materien berühren. Die Pathologie versucht noch heutzutage, wiewohl ganz Vorwort. nach dem Muster der phlogistischen Chemiker (der qualitati- ven Methode), Anwendung von chemischen Erfahrungen zur Beseitigung von Krankheitszuständen zu machen, allein den Ursachen und dem Wesen der Krankheit ist man mit allen diesen zahllosen Versuchen um keinen Schritt näher ge- kommen. Ohne bestimmte Fragen zu stellen, hat man Blut, Harn und alle Bestandtheile des gesunden und kranken Organis- mus mit Alkalien und Säuren und allen Arten von chemi- schen Reagentien in Berührung gebracht und aus der Kennt- niß der vorgegangenen Aenderungen Rückschlüsse auf ihr Verhalten im Körper gemacht. Auf diesem Wege konnte der Zufall vielleicht zu nützlichen Heilmitteln führen, allein eine rationelle Pathologie kann auf Reactionen nicht begründet, der lebendige Thierkörper kann nicht für ein chemisches Laboratorium angesehen werden. Bei krankhaften Zuständen, in dessen Folge das Blut eine dickflüssige Beschaffenheit erhält, kann diese nicht durch eine che- mische Wirkung auf die in den Blutkanälen circulirende Flüs- sigkeit dauernd gehoben werden; die Abscheidung von Sedi- menten im Harn läßt sich vielleicht durch Alkalien verhin- dern, ohne daß damit nur entfernt die Krankheitsursache be- seitigt sein kann; und wenn man im Typhus unlösliche Am- moniaksalze in den Faeces und eine ähnliche Aenderung der Be- schaffenheit der Blutkörperchen beobachtet, so wie sie durch Ammoniakflüssigkeit künstlich im Blute hervorgebracht werden kann, so darf deshalb das im Körper vorhandene Ammoniak Vorwort. nicht als die Ursache, sondern stets nur als der Effect einer Ursache angesehen werden. So hat die Medizin, nach dem Vorbilde der aristotelischen Philosophie, sich Vorstellungen geschaffen über Ernährung und Blutbildung, man hat die Speisen classificirt in nahrhafte und nichtnahrhafte; aber auf Beobachtungen gestützt, denen die wesentlichsten Erfordernisse zu richtigen Schlüssen mangelten, konnten diese Theorien nicht als Ausdrücke der Wahrheit gelten. In welcher Klarheit erscheinen uns jetzt die Beziehungen der Speisen zu den Zwecken, zu welchen sie im Thierkörper dienen, seitdem die organische Chemie ihre quantitative Unter- suchungsmethode auf ihre Ermittelung in Anwendung brachte! Wenn eine magere 4 Pfund wiegende Gans in 36 Ta- gen, während welchen sie mit 24 Pfund Welschkorn (Mays) gemästet worden ist, 5 Pfund über ihr ursprüngliches Ge- wicht zunimmt und man 3½ Pfund reines Fett aus ihr ge- winnt, so kann dieses Fett nicht fertig gebildet in der Nah- rung gewesen sein, da diese noch nicht den tausendsten Theil an Fett oder fettähnlichen Materien enthält. Und wenn eine gewisse Anzahl Bienen, deren Gewicht man genau kennt, mit reinem, wachsfreiem Honig gefüttert, für je 20 Theile verbrauchten Honigs einen Theil Wachs liefern, ohne daß sich sonst in ihrem Gesundheitszustande oder in ihrem Ge- wichte etwas ändert, so kann man über die Erzeugung von Fett in dem Thierkörper aus Zucker nicht im Zweifel sein. Ganz ähnlich wie bei der Entscheidung der Frage über die Fettbildung, verhält es sich mit der Erforschung des Ur- Vorwort. sprungs und der Veränderung der Secrete und anderer Er- scheinungen im Thierkörper. Von dem Augenblick, wo man anfängt die Antworten auf Fragen, mit Ernst und Gewissen- haftigkeit zu suchen, wo man sich die Mühe nimmt, durch Maß und Gewicht die Beobachtungen festzuhalten und in Glei- chungen auszudrücken, ergeben sich die Antworten von selbst. Durch eine noch so große Anzahl von Beobachtungen, welche nur die eine Seite der Frage erläutern, wird man nie- mals im Stande sein, das Wesen einer Naturerscheinung in seiner ganzen Bedeutung zu erforschen; sie müssen nothwen- dig, wenn sie Nutzen schaffen sollen, nach einem ganz be- stimmten Zweck und Ziel gerichtet sein, sie müssen einen or- ganischen Zusammenhang besitzen. Mit Recht schreiben die Physiker und Chemiker ihren Forschungsmethoden den größten Theil des Erfolgs in ih- ren Arbeiten zu. Jede chemische oder physikalische Arbeit, welche einigermaßen den Stempel der Vollendung an sich trägt, läßt sich im Resultate in wenigen Worten wiederge- ben. Allein diese wenigen Worte sind unvergängliche Wahr- heiten, zu deren Auffindung zahllose Versuche und Fragen erforderlich waren; die Arbeiten selbst, die mühsamen Ver- suche und verwickelten Apparate fallen der Vergessenheit an- heim, sobald die Wahrheit ermittelt ist; es sind die Leitern, die Schachte und Werkzeuge, welche nicht entbehrt werden konnten, um zu dem reichen Erzgang zu gelangen; es sind die Stollen und Luftzüge, welche die Gruben von Wasser und bösen Wettern frei hielten. Vorwort. Eine jede, auch die kleinste chemische oder physikalische Arbeit, wenn sie auf Beachtung Ansprüche macht, muß heut- zutage diesen Character an sich tragen; aus einer gewissen Anzahl von Beobachtungen muß ein Schluß, gleichgültig ob er viel oder wenig umfaßt, gezogen werden können. Es kann nur in der Methode, nur in ihrer Untersuchungs- weise liegen, daß seit einem halben Jahrhundert in Beziehung auf eine tiefere Einsicht in die Functionen der wichtigsten Organe, der Milz, der Leber und zahlreichen Drüsen, von den Physiologen so wenig neue feststehende Wahrheiten ge- wonnen worden sind, und sicher wird die unvollkommene Be- kanntschaft mit den Forschungsmethoden der Chemie das Haupthinderniß bleiben, was den Fortschritten der Physio- logie entgegensteht, der Hauptvorwurf, den sie nicht zu be- seitigen vermag. Die Chemie stand der Physik vor Lavoisier, Scheele und Priestley nicht näher, als heutzutage der Physio- logie; sie ist jetzt mit der Physik so innig verschmol- zen, daß es schwer halten dürfte, zwischen beiden eine scharfe Grenzlinie zu ziehen; ganz dasselbe Band vereinigt die Chemie mit der Physiologie, und in einem halben Jahrhundert wird man ihre Trennung für ebenso unmöglich halten. Unsere Fragen und Versuche durchschneiden in unzähli- gen krummen Linien die grade Linie, die zur Wahrheit führt, es sind die Kreuzungspunkte, die uns die wahre Richtung erkennen lassen; es liegt in der Unvollkommenheit des mensch- lichen Geistes, daß die krummen Linien gemacht werden Vorwort. müssen. Die Chemiker und Physiker behalten stets ihr Ziel im Auge, dem einen gelingt es, streckenweise den geraden Weg zu verfolgen, allein alle sind auf die Umwege vorbe- reitet; des Erfolgs ihrer Anstrengungen bei Beharrlichkeit und Ausdauer gewiß, wächst die Begierde und ihr Muth mit den Schwierigkeiten. Einzelne Beobachtungen ohne Zusammenhang sind auf einer Ebene zerstreute Punkte, die uns nicht gestatten, einen bestimmten Weg zu wählen. In der Chemie hatte man Jahrhunderte lang nichts als diese Punkte, deren Zwischen- räume auszufüllen Mittel genug in Anwendung kamen; allein bleibende Entdeckungen, wahre Fortschritte wurden erst dann gemacht, als man ihre Verknüpfung nicht mehr der Phantasie überließ. Ich habe den Zweck gehabt, die Kreuzungspunkte der Phy- siologie und Chemie in diesem Buche hervorzuheben und die Stellen anzudeuten, wo beide Wissenschaften gegenseitig in einander greifen. Es enthält eine Sammlung von Aufga- ben, so wie sie gegenwärtig von der Chemie gestellt werden, und eine Anzahl von Schlüssen, die nach ihren Regeln aus den vorhandenen Erfahrungen sich ergeben. Diese Fragen und Aufgaben werden ihre Lösung erhal- ten, und kein Zweifel kann darüber sein, daß wir alsdann eine neue Physiologie und eine rationelle Pathologie haben werden. Gewiß ist unser Senkblei nicht lang genug, um die Tiefe des Meeres zu messen, allein es verliert deshalb seinen Werth für uns nicht; wenn es uns vorläufig nur hilft, um Vorwort. die Klippen und Sandbänke zu vermeiden, so ist dieser Nutzen groß genug. In der Hand des Physiologen muß die orga- nische Chemie zu einem geistigen Hilfsmittel werden, mit dem er im Stande sein wird, die Ursachen von Erscheinungen zu erforschen, die das leibliche Auge nicht mehr erkennt; und wenn von den Resultaten, die ich in diesem Buche entwickelt oder angedeutet habe, nur ein Einziges eine nützliche Anwen- dung zuläßt, so halte ich den Zweck, für den es geschrieben ist, für vollkommen erreicht. Der Weg, der dazu geführt hat, wird andere Wege bahnen, und dies betrachte ich als den höchsten Gewinn. Gießen, im April 1842. Dr. Justus Liebig . Erster Theil . Der chemische Proceß der Respiration und Ernährung. I. I n dem Thierei, in dem Samen einer Pflanze erkennen wir eine merkwürdige Thätigkeit, eine Ursache der Zunahme an Masse, des Ersatzes an verbrauchtem Stoff, eine Kraft in dem Zustande der Ruhe. Durch äußere Bedingungen, durch die Begattung, durch Gegenwart von Feuchtigkeit und Luft wird der Zustand des statischen Gleichgewichtes dieser Thätigkeit aufge- hoben; die in Bewegung übergehende Kraft äußert sich in einer Reihe von Formbildungen, welche, wenn auch zuweilen durch grade Linien eingeschlossen, doch weit entfernt von geometri- schen Gestalten sind, so wie wir sie beim krystallisirenden Minerale beobachten. Diese Kraft heißt Lebenskraft . Die Zunahme an Masse in einer Pflanze wird durch den Akt einer Zersetzung bedingt, die in gewissen Pflanzenthei- len durch die Einwirkung des Lichts und der Wärme vor sich geht. Dieser Zersetzung unterliegen in dem Lebensproceß der Pflanze ausschließlich nur anorganische Materien, und wenn man mit ausgezeichneten Mineralogen die Luft und gewisse andere Gase als Mineralien gelten läßt, so kann man sa- gen, daß die vegetative Lebensthätigkeit die Verwandlung 1 Der chemische Proceß der des Minerals in einen mit Leben begabten Organismus be- wirkt, das Mineral wird Theil eines Trägers der Lebens- kraft. Die Zunahme an Masse in einer lebenden Pflanze setzt voraus, daß gewisse Bestandtheile der Nahrung zu Bestand- theilen des Pflanzenkörpers werden, und eine Vergleichung der chemischen Zusammensetzung von beiden, zeigt mit un- zweifelhafter Gewißheit, welche von den Bestandtheilen der Nahrung ausgetreten, welche assimilirt worden sind. Die Beobachtungen der Pflanzenphysiologen und die Un- tersuchungen der Chemiker, sie haben gegenseitig dazu ge- dient, um den Beweis zu führen, daß das Wachsthum und die Entwickelung der Pflanze abhängig sind von einer Aus- scheidung von Sauerstoff, der sich von den Bestandtheilen ihrer Nahrungsmittel trennt. Im geraden Gegensatz zu dem Pflanzenleben äußert sich das Thierleben in einer nie aufhörenden Einsaugung und Verbindung des Sauerstoffs der Luft mit gewissen Bestand- theilen des Thierkörpers. Während kein Theil eines organischen Wesens zur Nah- rung einer Pflanze dienen kann, wenn er nicht vorher, in Folge von Fäulniß und Verwesungsprocessen, die Form ei- nes anorganischen Körpers angenommen hat, bedarf der thie- rische Organismus zu seiner Erhaltung und Entwickelung höher organisirter Atome. Die Nahrungsmittel aller Thiere sind unter allen Umständen Theile von Organismen. Durch ihre Fähigkeit, den Ort zu wechseln, und im All- Respiration und Ernährung . gemeinen durch die Sinne unterscheidet sich das Thier von der Pflanze. Alle diese Thätigkeiten gehen von gewissen Werkzeugen aus, die in der Pflanze fehlen. Die vergleichende Anatomie zeigt, daß die Bewegungs- und Gefühlsäußerungen von ge- wissen Apparaten abhängig sind, die mit einander in keinem andern Zusammenhange stehen, als daß sie sich in einem ge- meinschaftlichen Centrum vereinigen. Die Substanz des Rü- ckenmarks, der Nerven, der Gehirnmaterie sind in ihrer Zu- sammensetzung und ihrem chemischen Verhalten wesentlich von der Substanz der Zellen, Membranen, Muskeln und der Haut verschieden. Alles, was im Thierorganismus Bewegung genannt werden kann, geht von den Nervenapparaten aus. Die Be- wegungserscheinungen in den Pflanzen, die Saftcirculation, die man in manchen Charen beobachtet hat, das Schließen der Blüthen und Blätter hängt von physikalischen und me- chanischen Ursachen ab. Eine Pflanze enthält keine Nerven. Wärme und Licht sind die entfernteren Ursachen der Bewe- gungen in Pflanzen, in den Thieren erkennen wir in den Nervenapparaten eine Quelle von Kraft, die sich in jedem Zeitmomente ihres Lebens wieder zu erneuern vermag. Aehnlich wie die Assimilation der Nahrungsmittel in den Pflanzen, ihr ganzer Bildungsproceß, abhängig ist von ge- wissen äußeren Ursachen, welche die Bewegungen vermitteln, ist die Entwickelung des Thierorganismus bis zu einem ge- wissen Grade unabhängig von diesen äußeren Ursachen, eben 1* Der chemische Proceß der weil er in sich selbst durch ein besonderes System von Ap- paraten die zu dem Lebensproceß unentbehrliche Kraft der Bewegung erzeugt. Der Bildungsproceß, die Assimilation, der Uebergang des in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zustand der Ruhe geht bei Pflanzen und Thieren in einerlei Weise vor sich, es ist die nämliche Ursache, die in beiden die Zunahme an Masse bedingt, es ist dies das eigentliche vegetative Leben, es äußert sich ohne Bewußtsein. In der Pflanze giebt sich die vegetative Lebensthätigkeit unter Mitwirkung von äußeren Kräften, in Thieren durch Thätigkeiten kund, die sich in ihrem Organismus erzeugen. Die Verdauung, der Blutumlauf, die Absonderung der Säfte, sie stehen jedenfalls unter der Herrschaft des Nervensystems, allein es ist ein und dieselbe Kraft, welche dem Keim, dem Blatt, der Wurzelfaser die nämlichen wunderbaren Eigen- schaften giebt, welche die secernirende Haut, die Drüse be- sitzen, welche jedes Organ im Thier befähigt, seinen eigenen Funktionen vorzustehen; nur die Ursachen der Bewegungen sind in beiden verschieden. Während wir in den niedrigsten Thierklassen die Apparate der Bewegung, wie im befruchteten Keim des Thierei’s, in dem sie sich zu allererst entwickeln, nie vermissen, finden wir in höheren Thierklassen besondere Apparate des Gefühls und Empfindens, des Bewußtseins und des höheren geistigen Lebens. Der Patholog zeigt uns, daß das eigentlich vegetative Leben keineswegs an das Vorhandensein dieser Apparate ge- Respiration und Ernährung . knüpft ist, daß der Nutritionsproceß in den Theilen des Kör- pers, wo diejenigen Nerven gelähmt sind, welche das Gefühl oder die willkürlichen Bewegungen vermitteln, in der näm- lichen Form vor sich geht, wie in anderen, in denen sie sich in normalem Zustande befinden, so wie auf der andern Seite die kräftigste Energie des Willens auf die Zusammen- ziehung des Herzens, auf die Bewegung der Eingeweide und die Secretionsprocesse keinen Einfluß auszuüben vermag. Die Erscheinungen des höheren geistigen Lebens, sie kön- nen auf dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft nicht auf ihre nächsten, viel weniger auf ihre letzten Ursa- chen zurückgeführt werden, wir wissen weiter nichts davon, als daß sie vorhanden sind; wir schreiben sie einer immate- riellen Thätigkeit zu, und zwar insofern ihre Aeußerungen an die Materie sich gebunden finden, einer Kraft, welche durchaus verschieden ist und nichts gemein hat mit der Le- benskraft. Diese eigenthümliche Kraft übt, wie nicht geleugnet wer- den kann, einen gewissen Einfluß auf die vegetative Lebens- thätigkeit aus, ähnlich wie dies von anderen immateriellen Potenzen, von Licht, Elektricität, Wärme und Magnetismus geschieht, allein dieser Einfluß ist nicht bedingender Art, son- dern er äußert sich nur als eine Beschleunigung, Störung oder Verlangsamung der vegetativen Lebensprocesse; auf eine ganz ähnliche Weise übt die vegetative Lebensthätigkeit rückwärts gewisse Wirkungen auf das bewußte geistige Leben aus. Es sind zwei Kräfte, die sich neben einander in Aktion Der chemische Proceß der befinden, allein Bewußtsein und Geist, sie fehlen im Thiere und der lebendigen Pflanze, ohne daß wir in diesen etwas Anderes vermissen, als den Mangel einer besondern Ursache der Steigerung oder Störung; abgesehen davon, gehen alle vitalchemischen Processe im Menschen und Thiere auf einerlei Weise vor sich. Das unaufhörlich sich erneuernde Streben, die Beziehun- gen der Psyche zu dem animalischen Leben ermitteln zu wol- len, hat von jeher die Fortschritte der Physiologie aufgehal- ten, es war ein beständiges Heraustreten aus dem Gebiete der Naturforschung in das Reich der phantastischen Gebilde; denn die begeisterten Physiologen, sie waren weit davon ent- fernt, die Gesetze des rein thierischen Lebens zu kennen. Keiner von ihnen hatte eine klare Vorstellung über den Ent- wickelungs- und Ernährungsproceß, keiner von der wahren Ursache des Todes. Sie erklärten die verborgensten psychischen Erscheinungen und waren nicht im Stande zu sagen, was Fie- ber ist und in welcher Weise das Chinin bei seiner Heilung wirkt! Um die Gesetze der Bewegungen im Thierkörper zu er- mitteln, war nur die eine Bedingung, die Kenntniß der Ap- parate erforscht, welche die Bewegungen vermitteln, aber die Substanz der Organe, die Veränderungen, welche die Nah- rungsmittel im lebenden Körper erfahren, ihr Uebergang zu Bestandtheilen der Organe und rückwärts wieder in leblose Verbindungen, der Antheil, den die Atmosphäre an den Le- bensprocessen nimmt, alle diese Grundlagen zu weiteren Schlüssen waren noch nicht gegeben. Respiration und Ernährung . Was hat die Psyche, was hat Bewußsein und Geist mit der Entwickelung des menschlichen Fötus, mit der des Fö- tus im Hühnerei zu schaffen? gewiß nicht mehr als sie An- theil nimmt an der Entwickelung des Samens einer Pflanze! Suchen wir vor der Hand die nicht psychischen Erscheinun- gen auf ihre letzten Ursachen zurückzuführen, und hüten wir uns vor Schlüssen, ehe wir eine Grundlage haben. Wir kennen genau den Mechanismus des Auges, allein weder die Anatomie, noch Chemie wird uns jemals Aufschluß ge- ben, wie der Lichtstrahl zum Bewußtsein gelangt. Die Na- turforschung hat eine bestimmte Grenze, die sie nicht über- schreiten darf, sie muß sich stets daran erinnern, daß mit al- len Entdeckungen nicht in Erfahrung gebracht werden kann, was Licht, Elektricität und Magnetismus für Dinge sind, eben weil der menschliche Geist nur Vorstellungen hat für Dinge, welche Materialität besitzen. Wir können aber die Gesetze ihres Zustands der Ruhe und der Bewegung erfor- schen, eben weil sie sich in Erscheinungen äußern. So kön- nen zweifellos die Gesetze des Lebens und Alles, was sie stört, befördert oder ändert, erforscht werden, ohne daß man jemals wissen wird, was das Leben ist; so führte die Er- forschung der Gesetze des Falles und der Bewegung der Himmelskörper auf eine vorher nie gedachte Vorstellung über ihre Ursache. Diese Vorstellung konnte in ihrer Klarheit nicht entstehen ohne die Kenntniß der Erscheinungen, aus denen sie sich entwickelte; an und für sich ist ja die Schwer- kraft, wie das Licht für einen Blindgebornen, ein bloßes Wort. Der chemische Proceß der Die neue Wissenschaft der Physiologie hat die Methode des Aristoteles verlassen, sie erfindet keinen horror vacui, keine Quinta essentia mehr, um den gläubigen Zuhörern Aufschlüsse und Erklärungen von Erscheinungen zu geben, deren eigentlicher Verband mit anderen, deren letzte Ursache nicht ermittelt ist, zum Heil der Wissenschaft, muß man hin- zusetzen, und zum Segen für die Menschheit. Wenn wir festhalten, daß alle Erscheinungen in dem Organismus der Pflanzen und des Thieres einer ganz ei- genthümlichen Ursache zugeschrieben werden müssen, welche in ihren Aeußerungen durchaus verschieden ist von allen an- deren Ursachen, die Zustandsänderungen oder Bewegungen bedingen, wenn wir die Lebenskraft also gelten lassen für eine für sich bestehende Kraft, so haben wir in den Erschei- nungen des organischen Lebens, wie in allen anderen Er- scheinungen, welche Kräften zugeschrieben werden müssen, eine Statik (Zustand des Gleichgewichtes, bedingt durch einen Widerstand) und eine Dynamik der Lebenskraft. Alle Theile des Thierkörpers bilden sich aus einer eigen- thümlichen, in seinem Organismus circulirenden Flüssigkeit, in Folge einer, jeder Zelle, jedem Organe oder Theile eines Organs inwohnenden Thätigkeit. Die Physiologie lehrt, daß alle Bestandtheile des Körpers ursprünglich Blut wa- ren, oder daß sie wenigstens den entstehenden Organen durch diese Flüssigkeit zugeführt worden sind. Die gewöhnlichsten Erfahrungen geben ferner zu erken- nen, daß in jedem Momente des Lebens in dem Thierorga- Respiration und Ernährung . nismus ein fortdauernder, mehr oder minder beschleunigter Stoffwechsel vor sich geht, daß ein Theil der Gebilde sich zu formlosen Stoffen umsetzt, daß sie ihren Zustand des Le- bens verlieren und wieder erneuert werden müssen. Die Physiologie hat entscheidende Gründe genug für die Mei- nung, daß jede Bewegung, jede Kraftäußerung die Folge einer Umsetzung der Gebilde oder der Substanz derselben ist, daß jede Vorstellung, jeder Affekt Veränderungen in der chemischen Beschaffenheit der abgesonderten Säfte zur Folge hat, daß jeder Gedanke, jede Empfindung von einer Aende- rung in der Zusammensetzung der Gehirnsubstanz begleitet ist. Zur Unterhaltung der Lebenserscheinungen im Thiere ge- hören gewisse Stoffe, Theile von Organismen, die man Nahrungsmittel nennt; in Folge einer Reihe von Ver- änderungen dienen sie entweder zur Vermehrung seiner Masse (zur Ernährung), oder zum Ersatze an verbrauchtem Stoff (Reproduktion), oder sie dienen zur Hervorbringung von Kraft. II. Wenn wir die Aufnahme von Nahrungsmitteln als die eine Bedingung des Lebens bezeichnen, so ist die zweite eine fortdauernde Einsaugung von Sauerstoff aus der atmosphä- rischen Luft. Von dem Standpunkte des Naturforschers aus zeigt sich das Thierleben in einer Reihe von Erscheinungen, deren Zu- Der chemische Proceß der sammenhang und Wiederkehr vermittelt wird durch eine in dem Organismus vorgehende Veränderung, welche die Nah- rungsmittel und der eingesaugte atmosphärische Sauerstoff unter der Mitwirkung der Lebenskraft erleiden. Alle vitalen Thätigkeiten entspringen aus der Wechsel- wirkung des Sauerstoffs der Luft und der Bestandtheile der Nahrungsmittel. In der Ernährung und Reproduktion erkennen wir den Uebergang des Stoffs aus dem Zustande der Bewegung in den Zustand der Ruhe (des statischen Gleichgewichts); durch den Einfluß des Nervensystems gelangt dieser Stoff in den Zustand der Bewegung. Die letzten Ursachen dieser Zustände der Lebenskraft sind die chemischen Kräfte. Die Ursache des Zustandes der Ruhe ist ein Widerstand, welcher bedingt wird durch eine Kraft der Anziehung (Ver- bindung), welche zwischen den kleinsten Theilchen der Ma- terie wirkt und nur bei unmittelbarer Berührung, oder in unmeßbar kleinen Entfernungen sich thätig zeigt. Diese besondere Art der Anziehung, man kann ihr na- türlich die verschiedensten Namen geben, der Chemiker nennt sie aber Affinität . Die Bedingung des Zustandes der Bewegung liegt in einer Reihe von Veränderungen, welche die Nahrungsmittel in dem Organismus erleiden, in Folge also von Zersetzungs- processen, welche die Nahrungsmittel an und für sich, oder die daraus entsprungenen Gebilde, oder Bestandtheile der Organe erleiden. Respiration und Ernährung . Der Hauptcharacter des vegetativen Lebens ist ein steter Uebergang des in Bewegung gesetzten Stoffs in den Zustand des statischen Gleichgewichtes. So lange die Pflanze lebt, ist kein Stillstand in der Zunahme bemerklich, kein Theil eines Organs der Pflanze nimmt an Masse ab. Wenn eine Zer- setzung erfolgt, so ist sie eine Folge der Assimilation. Eine Pflanze erzeugt in sich selbst keine Kraft der Bewegung, kein Theil ihrer Gebilde verliert, durch eine in ihrem Organismus vorhandene Ursache, den Zustand des Lebens und geht in formlose Verbindungen über, in ihr findet kein Verbrauch statt. Der Verbrauch im Thier ist eine Aenderung des Zu- standes und der Zusammensetzung gewisser Bestandtheile des Thierkörpers, er geht mithin vor sich in Folge chemischer Actionen. Der Einfluß der Gifte, der Arzneimittel auf den lebenden thierischen Körper zeigt auf eine evidente Weise, daß der Act der chemischen Zersetzung und Verbindung im Thier- körper, die sich uns in der Form von Lebenserscheinungen zu erkennen geben, daß sie durch ähnlich wirkende chemische Kräfte gesteigert, durch entgegengesetzt wirkende verlangsamt und aufgehoben werden können, daß wir auf jeden Theil eines Organs durch Stoffe, die eine bestimmte chemische Action besitzen, eine Wirkung auszuüben vermögen. Aehnlich also wie in der geschlossenen galvanischen Säule durch gewisse Veränderungen, welche ein anorganischer Kör- per, ein Metall, bei seiner Berührung mit einer Säure, erlei- det, ein gewisses Etwas für unsere Sinne wahrnehmbar wird, was wir mit einem Strome electrischer Materie bezeichnen, Der chemische Proceß der entstehen in Folge von Umsetzungen und Veränderungen von Materien, die früher Theile von Organismen waren, gewisse Bewegungs- und Thätigkeitsäußerungen, die wir Leben nennen. Der electrische Strom giebt sich uns zu erkennen durch gewisse Erscheinungen der Anziehung und Abstoßung, welche andere, an und für sich bewegungslose, Materien durch ihn empfangen, durch Erscheinungen der Bildung und Zersetzung chemischer Verbindungen, die sich überall äußern, wo der Wi- derstand die Bewegung nicht aufhebt. Von diesem Standpunkte allein und von keinem andern aus darf die Chemie die Lebenserscheinungen studiren. Wunder finden wir überall; die Bildung eines Krystalls, eines Octae- ders ist nicht minder unbegreiflich, wie die Entstehung eines Blatts oder einer Muskelfaser, und die Entstehung des Zin- nobers aus Quecksilber und Schwefel ist ein ebenso großes Räthsel, wie die Bildung eines Auges aus der Substanz des Blutes. Aufnahme von Nahrungsmitteln und Sauerstoff sind die ersten Bedingungen des thierischen Lebens. In jedem Zeittheilchen seines Lebens nimmt der Mensch durch die Organe der Respiration Sauerstoff auf; nie ist, so lange das Thier lebt, ein Stillstand bemerklich. Die Beobachtungen der Physiologen zeigen, daß der Kör- per eines erwachsenen Menschen, nach 24 Stunden, bei hin- länglicher Nahrung, am Gewicht weder zu- noch abgenom- men hat, dennoch ist die Menge von Sauerstoff, die in dieser Respiration und Ernährung . Zeit in seinen Organismus aufgenommen wurde, höchst be- trächtlich. Nach Lavoisier’s Versuchen werden von einem erwach- senen Manne in einem Jahre 746 Pfd., nach Menzies 837 Pfd. Sauerstoffgas aus der Atmosphäre in seinen Kör- per aufgenommen, und dennoch finden wir sein Gewicht zu Anfang und Ende des Jahres entweder ganz unverändert, der die Ab- und Zunahme bewegt sich um wenige Pfunde 1 ). Wo ist, kann man fragen, dieses enorme Gewicht an Sauerstoff hingekommen, was ein Individuum im Verlaufe eines Jahres in sich aufnimmt? Diese Frage ist mit befriedigender Sicherheit gelös’t; kein Theil des aufgenommenen Sauerstoffs bleibt im Körper, sondern er tritt in der Form einer Kohlenstoff- oder einer Wasserstoffverbindung wieder aus. Der Kohlenstoff und Wasserstoff von gewissen Bestand- theilen des Thierkörpers haben sich mit dem durch die Haut und Lunge aufgenommenen Sauerstoff verbunden, sie sind als Kohlensäure und Wasserdampf wieder ausgetreten. Mit jedem Athemzuge, in jedem Lebensmomente trennen sich von dem Thierorganismus gewisse Mengen seiner Be- standtheile, nachdem sie mit dem Sauerstoff der atmosphäri- schen Luft eine Verbindung in dem Körper selbst eingegan- gen sind. Wenn wir, um einen Anhaltspunkt zu einer Rechnung zu haben, mit Lavoisier und Seguin annehmen, daß der erwachsene Mensch täglich 65 Loth Sauerstoff (46037 Cu- Der chemische Proceß der bikzoll = 15661 Gran fr. Gew.) in sich aufnimmt, und wir seine Blutmasse zu 24 Pfund, bei einem Wassergehalt von 80 pCt. annehmen, so ergiebt sich aus der bekannten Zusammensetzung des Blutes, daß zu einer völligen Ver- wandlung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs im Blut, in Kohlensäure und Wasser 64103 Gran Sauerstoff nöthig sind, die in 4 Tagen und 5 Stunden in den Körper eines er- wachsenen Menschen aufgenommen werden 2 ). Gleichgültig ob der Sauerstoff an die Bestandtheile des Bluts tritt oder an andere kohlen- und wasserstoffreiche Ma- terien im Körper, es kann dem Schlusse nichts entgegenge- setzt werden, daß dem menschlichen Körper, welcher 65 Loth Sauerstoff täglich einathmet, in 4 Tagen und 5 Stunden so viel an Kohlenstoff und Wasserstoff in seinen Nahrungsmitteln wieder zugeführt werden muß, als nöthig wäre, 24 Pfund Blut mit diesen Bestandtheilen zu versehen, vorausgesetzt, daß das Gewicht des Körpers sich nicht ändere, daß er seine normale Beschaffenheit behaupten soll. Diese Zufuhr geschieht durch die Speisen . Aus der genauen Bestimmung der Kohlenstoffmenge, welche durch die Speisen in den Körper aufgenommen werden, so wie durch die Ausmittelung derjenigen Quantität, welche durch die Faeces und den Urin unverbrannt, oder wenn man will, in einer andern Form, als in der Form einer Sauer- stoffverbindung, wieder austritt, ergiebt sich, daß ein erwach- sener Mann, im Zustande mäßiger Bewegung, täglich 27,8 Loth Kohlenstoff verzehrt 3 ). Respiration und Ernährung . Diese 27 8/10 Loth Kohlenstoff entweichen aus Haut und Lunge in der Form von kohlensaurem Gas. Zur Verwandlung in kohlensaures Gas bedürfen diese 27,8 Loth Kohlenstoff 74 Loth Sauerstoff. Nach den analytischen Bestimmungen von Boussingault ( Annales de chim. et de phys. LXX. 1. S. 136) verzehrt ein Pferd in 24 Stunden 158¼ Loth Kohlenstoff, eine milch- gebende Kuh 141½ Loth 4 ). Die hier angeführten Kohlenstoffmengen sind als Kohlen- säure aus ihrem Körper getreten, das Pferd hat in 24 Stun- den für die Ueberführung des Kohlenstoffs in Kohlensäure 13 7/32 Pfd. und die Kuh 11⅔ Pfd. Sauerstoff verbraucht. Da kein Theil des aufgenommenen Sauerstoffs in einer andern Form als in der einer Kohlenstoff- oder Wasserstoff- verbindung wieder aus dem Körper tritt, da ferner bei nor- malem Gesundheitszustande der ausgetretene Kohlenstoff und Wasserstoff wieder ersetzt wird durch Kohlenstoff und Wasser- stoff, den wir in den Speisen zuführen, so ist klar, daß die Menge von Nahrung, welche der thierische Organismus zu seiner Erhaltung bedarf, in geradem Verhältniß steht zu der Menge des aufgenommenen Sauerstoffs. Zwei Thiere, die in gleichen Zeiten ungleiche Mengen von Sauerstoff durch Haut und Lunge in sich aufnehmen, verzehren in einem ähnlichen Verhältniß ein ungleiches Ge- wicht von der nämlichen Speise. In gleichen Zeiten ist der Sauerstoffverbrauch ausdrück- bar durch die Anzahl der Athemzüge; es ist klar, daß bei Der chemische Proceß der einem und demselben Thiere die Menge der zu genießen- den Nahrung wechselt, je nach der Stärke und Anzahl der Athemzüge. Ein Kind, dessen Respirationswerkzeuge sich in größerer Thätigkeit befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr Nahrung zu sich nehmen, als ein Erwachsener, es kann den Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel stirbt bei Man- gel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum so viel Sauerstoff verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlensäure wahr- nehmbar ist, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung. Im Zustand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge weniger als im Zustand der Bewegung und Arbeit. Die Menge der in beiden Zuständen nothwendigen Nahrung muß in dem nämlichen Verhältniß stehen. Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeath- metem Sauerstoff (an Bewegung), so wie starke Bewe- gung (die zu einem größeren Maaß von Nahrung zwingt) und schwache Verdauungsorgane sind unverträglich mit einander. Die Menge des Sauerstoffs, welche ein Thier durch die Lunge aufnimmt, ist aber nicht allein abhängig von der An- zahl der Athemzüge, sondern auch von der Temperatur und der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft. Die Brusthöhle eines Thieres hat eine unveränderliche Größe, mit jedem Athemzuge tritt eine gewisse Menge Luft ein, die in Beziehung auf ihr Volumen als gleichbleibend Respiration und Ernährung . angesehen werden kann. Aber ihr Gewicht und damit das Gewicht des darin enthaltenen Sauerstoffs bleibt sich nicht gleich. In der Wärme dehnt sich die Luft aus, in der Kälte zieht sie sich zusammen. In einem gleichen Volum kalter und warmer Luft haben wir ein ungleiches Gewicht Sauer- stoff. Im Sommer enthält die atmosphärische Luft Wasser- gas, im Winter ist sie trocken; der Raum, den das Wasser- gas in der warmen Luft einnimmt, wird im Winter durch Luft eingenommen, d. h. sie enthält bei gleichem Volum im Winter mehr Sauerstoff. Im Sommer und Winter, am Pole und Aequator ath- men wir ein gleiches Luftvolumen ein. Die kalte Luft er- wärmt sich beim Einathmen in der Luftröhre und den Lun- genzellen, und nimmt die Temperatur des Körpers an. Um ein gewisses Sauerstoffvolumen in die Lunge zu bringen, ist im Winter ein geringerer Kraftaufwand nöthig, als im Sommer; für denselben Kraftverbrauch athmet man im Win- ter mehr Sauerstoff ein. Es ist einleuchtend, daß wir bei einer gleichen Anzahl von Athemzügen an dem Ufer des Meeres eine größere Menge von Sauerstoff verzehren, als auf Bergen; daß die Menge der austretenden Kohlensäure, so wie das einge- saugte Sauerstoffgas mit dem Barometerstande sich ändert. Das aufgenommene Sauerstoffgas tritt im Sommer und Winter in ähnlicher Weise verändert wieder aus, wir athmen in niederer Temperatur und höherem Luftdrucke mehr Kohlen- stoff aus wie in höherer, und wir müssen in dem nämlichen 2 Der chemische Proceß der Verhältniß mehr oder weniger Kohlenstoff in den Speisen genießen, in Schweden mehr wie in Sicilien, in unsern Ge- genden im Winter ein ganzes Achtel mehr wie im Sommer. Selbst wenn wir dem Gewicht nach gleiche Quantitäten Speise in kalten und warmen Gegenden genießen, so hat eine unendliche Weisheit die Einrichtung getroffen, daß diese Spei- sen höchst ungleich in ihrem Kohlenstoffgehalte sind. Die Früchte, welche der Südländer genießt, enthalten im frischen Zustande nicht über 12 pCt. Kohlenstoff, während der Speck und Thran des Polarländers 66 bis 80 pCt. Kohlenstoff enthalten. Es ist keine schwere Aufgabe, sich in warmen Gegenden der Mäßigkeit zu befleißigen, oder lange Zeit den Hunger unter dem Aequator zu ertragen, allein Kälte und Hunger reiben in kurzer Zeit den Körper auf. Die Wechselwirkung der Bestandtheile der Speisen und des durch die Blutcirculation im Körper verbreiteten Sauer- stoffs ist die Quelle der thierischen Wärme . III. Alle lebenden Wesen, deren Existenz auf einer Einsau- gung von Sauerstoff beruht, besitzen eine von der Umgebung unabhängige Wärmequelle. Diese Wahrheit bezieht sich auf alle Thiere, sie erstreckt sich auf den keimenden Samen, auf die Blüthe der Pflanze und auf die reifende Frucht. Nur in den Theilen des Thieres, zu welchen arterielles Respiration und Ernährung . Blut, und durch dieses der in dem Athmungsproceß aufge- nommene Sauerstoff gelangen kann, wird Wärme erzeugt. Haare, Wolle, Federn besitzen keine eigenthümliche Temperatur. Diese höhere Temperatur des Thierkörpers oder, wenn man will, Wärmeausscheidung ist überall und unter allen Umständen die Folge der Verbindung einer brennbaren Sub- stanz mit Sauerstoff. In welcher Form sich auch der Kohlenstoff mit Sauer- stoff verbinden mag, der Akt der Verbindung kann nicht vor sich gehen, ohne von Entwicklung von Wärme begleitet zu seyn, gleichgültig, ob sie langsam oder rasch erfolgt, ob sie in höherer oder niederer Temperatur vor sich geht, stets bleibt die freigewordene Wärmemenge eine unveränderliche Größe. Der Kohlenstoff der Speisen, der sich im Thierkörper in Kohlensäure verwandelt, muß eben so viel Wärme entwickeln, als wenn er in der Luft oder im Sauerstoff direct verbrannt worden wäre; der einzige Unterschied ist der, daß die erzeugte Wärmemenge sich auf ungleiche Zeiten vertheilt; in reinem Sauerstoffgas geht die Verbrennung schneller vor sich, die Temperatur ist höher, in der Luft langsamer, die Temperatur ist niedriger, sie hält aber länger an. Es ist klar, daß mit der Menge des in gleichen Zeiten durch den Athmungsproceß zugeführten Sauerstoffs die An- zahl der freigewordenen Wärmegrade zu- oder abnehmen muß. Thiere, welche rasch und schnell athmen und demzufolge viel Sauerstoff verzehren, besitzen eine höhere Temperatur als 2* Der chemische Proceß der andere, die in derselben Zeit, bei gleichem Volum des zu erwärmenden Körpers, weniger in sich aufnehmen; ein Kind mehr (39°) als ein erwachsener Mensch (37,5°), ein Vogel mehr (40—41°) wie ein vierfüßiges Thier (37—38°), wie ein Fisch oder Amphibium, dessen Eigentemperatur sich 1½ bis 2° über das umgebende Medium erhebt 5 ). Alle Thiere sind warmblütig, allein nur bei denen, welche durch Lungen athmen, ist die Eigenwärme ganz unabhängig von der Tem- peratur der Umgebung. Die zuverlässigsten Beobachtungen beweisen, daß in allen Klimaten, in der gemäßigten Zone sowohl wie am Aequator oder an den Polen, die Temperatur des Menschen, so wie die aller sogenannten warmblütigen Thiere, niemals wechselt; allein wie verschieden sind die Zustände, in denen sie leben. Der Thierkörper ist ein erwärmter Körper, der sich zu seiner Umgebung verhält wie alle warmen Körper; er empfängt Wärme, wenn die äußere Temperatur höher, er giebt Wärme ab, wenn sie niedriger ist, als seine eigene Temperatur. Wir wissen, daß die Schnelligkeit der Abkühlung eines warmen Körpers wächst mit der Differenz seiner eignen Tem- peratur und der des Mediums, worin er sich befindet, d. h. je kälter die Umgebung ist, in desto kürzerer Zeit kühlt sich der warme Körper ab. Wie ungleich ist aber der Wärmeverlust, den ein Mensch in Palermo erleidet, wo die äußere Temperatur nahe gleich ist der Temperatur des Körpers, und der eines Menschen, Respiration und Ernährung . der am Pole lebt, wo die Temperatur 40 — 50 Grade nie- driger ist. Trotzt diesem so höchst ungleichen Wärmeverlust, zeigt die Erfahrung, daß das Blut des Polarländers keine nie- drigere Temperatur besitzt, als das des Südländers, der in einer so verschiedenen Umgebung lebt. Diese Thatsache ihrer wahren Bedeutung nach anerkannt, beweis’t, daß die nach Außen hin abgegebene Wärme in dem Thierkörper mit großer Schnelligkeit ersetzt wird; im Winter erfolgt diese Erneuerung schneller wie im Sommer, am Pole rascher wie am Aequator. In verschiedenen Klimaten wechselt nun die Menge des durch die Respiration in den Körper tretenden Sauerstoffs nach der Temperatur der äußern Luft; mit dem Wärmeverlust durch Abkühlung steigt die Menge des eingeathmeten Sauer- stoffs; die zur Verbindung mit diesem Sauerstoff nöthige Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff, sie muß in einem ähn- lichen Verhältniß zunehmen. Es ist klar, daß der Wärmeersatz bewirkt wird durch die Wechselwirkung der Bestandtheile der Speisen, die sich mit dem eingeathmeten Sauerstoff verbinden. Um einen trivialen aber deswegen nicht minder richtigen Vergleich anzuwenden, verhält sich in dieser Beziehung der Thierkörper, wie ein Ofen, den wir mit Brennmaterial versehen. Gleichgültig, welche Formen die Speisen nach und nach im Körper an- nehmen, welche Veränderungen sie auch erleiden mögen, die letzte Veränderung, die sie erfahren, ist eine Verwandlung Der chemische Proceß der ihres Kohlenstoffs in Kohlensäure, ihres Wasserstoffs in Wasser; der Stickstoff und der unverbrannte Kohlenstoff, sie werden in dem Urin und den festen Excrementen abgeschieden. Um eine constante Temperatur im Ofen zu haben, müssen wir, je nach der äußern Temperatur wechselnd, eine ungleiche Menge von Brennmaterial einschieben. In Beziehung auf den Thierkörper sind die Speisen das Brennmaterial; bei gehörigem Sauerstoffzutritt erhalten wir die durch ihre Oxydation freiwerdende Wärme. Im Winter, bei Bewegung in kalter Luft, wo die Menge des eingeath- meten Sauerstoffs zunimmt, wächst in dem nämlichen Ver- hältniß das Bedürfniß nach kohlen- und wasserstoffreichen Nahrungsmitteln, und in Befriedigung dieses Bedürfnisses er- halten wir den wirksamsten Schutz gegen die grimmigste Kälte. Ein Hungernder friert. Jedermann weiß, daß die Raubthiere der nördlichen Klimate an Gefräßigkeit weit den in südlichen Gegenden voranstehen. In der kalten und temperirten Zone treibt uns die Luft, die ohne Aufhören den Körper zu verzehren strebt, zur Ar- beit und Anstrengung, um uns die Mittel zum Widerstande gegen diese Einwirkung zu schaffen, während in heißen Kli- maten die Anforderungen zur Herbeischaffung an Speise bei weitem nicht so dringend sind. Unsere Kleider sind nur Aequivalente für die Speisen; je wärmer wir uns kleiden, desto mehr vermindert sich das Bedürfniß zu essen, eben weil der Wärmeverlust, die Abküh- lung und damit der nöthige Ersatz durch Speisen kleiner wird. Respiration und Ernährung . Gingen wir nackt wie der Indianer, oder wären wir beim Jagen und Fischen denselben Kältegraden ausgesetzt wie der Samojede, so würden wir 10 Pfund Fisch oder Fleisch und noch obendrein ein Dutzend Talglichter bewältigen können, wie uns warmbekleidete Reisende mit Verwunderung erzählt haben; wir würden dieselbe Menge Branntwein oder Thran ohne Nachtheil genießen können, eben weil ihr Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt dazu dient, um ein Gleichgewicht mit der äußeren Temperatur hervorzubringen. Die Menge der zu genießenden Speisen richtet sich nach den vorhergehenden Auseinandersetzungen, nach der Anzahl der Athemzüge, nach der Temperatur der Luft, die wir ein- athmen und nach dem Wärmequantum, was wir nach außen hin abgeben. Keine isolirte, entgegenstehende Thatsache kann die Wahr- heit dieses Naturgesetzes ändern. Ohne der Gesundheit einen vorübergehenden oder bleibenden Nachtheil zuzufügen, kann der Neapolitaner nicht mehr Kohlenstoff und Wasserstoff in den Speisen zu sich nehmen, als er ausathmet, und kein Nordländer kann mehr Kohlenstoff und Wasserstoff ausath- men, als er in den Speisen zu sich genommen hat, wenn nicht im Zustand der Krankheit, oder wenn er hungert, Zu- stände, die wir näher beleuchten werden. Der Engländer sieht mit Bedauern seinen Appetit, der ihm einen häufig wiederkehrenden Genuß darbietet, in Ja- maica schwinden, und es gelingt ihm in der That, durch Cayennepfeffer und die kräftigsten Reizmittel die nämliche Der chemische Proceß der Menge von Speisen zu sich zu nehmen wie in seiner Hei- math; allein der in den Körper übergegangene Kohlenstoff dieser Speisen, er wird nicht verbraucht, die Temperatur der Luft ist zu hoch und eine erschlaffende Hitze erlaubt nicht die Anzahl der Athemzüge (durch Bewegung und Anstrengung) zu steigern, den Verbrauch also mit dem, was er zu sich ge- nommen, in Verhältniß zu setzen. Im Gegensatz hierzu sendet England seine Patienten, deren kranken Verdauungsorganen die Fähigkeit abgeht oder vermindert ist, die Speisen in den Zustand zu versetzen, in welchem sie sich zur Verbindung mit dem Sauerstoff eignen, welche also weniger Widerstand produziren, als das Klima , die Temperatur ihrer Heimath verlangt, nach südlichen Ge- genden, wo die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs in ei- nem so großen Verhältniß sich vermindert, und das Resultat, eine Verbesserung des Gesundheitzustandes, ist sichtbar. Die kranken Verdauungsorgane haben Kraft genug, um die ge- ringere Menge von Speise in Verhältniß zu setzen mit dem verbrauchten Sauerstoff; in dem kälteren Klima würden die Respirationsorgane selbst zu diesem Widerstande dienen müssen. Im Sommer sind bei uns die Leberkrankheiten (Kohlen- stoffkrankheiten), im Winter die Lungenkrankheiten (Sauer- stoffkrankheiten) vorherrschend. Die Abkühlung des Körpers, durch welche Ursache es auch sei, bedingt eine größeres Maaß von Speise. Der bloße Aufenthalt in freier Luft, gleichgültig ob im Reise- wagen oder auf dem Verdecke von Schiffen, erhöht durch Respiration und Ernährung . Strahlung und gesteigerte Verdunstung den Wärmeverlust, selbst ohne vermehrte Bewegung; er zwingt uns mehr wie gewöhnlich zu essen. Dasselbe muß für Personen gelten, welche gewohnt sind große Quantitäten kaltes Wasser zu trinken, welches auf 37° erwärmt wieder abgeht, es vermehrt den Appetit, und schwächliche Constitutionen müssen durch an- haltende Bewegung den zum Ersatz der an das kalte Was- ser abgegebenen Wärme nöthigen Sauerstoff dem Körper hinzuführen. Starkes und anhaltendes Sprechen und Sin- gen, das Schreien der Kinder, feuchte Luft, alles dieses übt einen bestimmten nachweisbaren Einfluß auf die zu genießen- den Speisen aus. IV. In dem Vorhergehenden ist angenommen worden, daß vorzüglich der Kohlenstoff und Wasserstoff zur Verbindung mit dem Sauerstoff und zur Hervorbringung der animalischen Wärme dient; die einfachsten Beobachtungen zeigen in der That, daß der Wasserstoff der Speisen eine nicht minder wichtige Rolle wie der Kohlenstoff spielt. Der ganze Respirationsproceß erscheint in völliger Klar- heit, wenn wir den Zustand eines Menschen oder Thieres, bei Enthaltung aller Speise, ins Auge fassen. Die Athem- bewegungen bleiben ungeändert, es wird nach wie vor Sauer- stoff aus der Atmosphäre aufgenommen und Kohlensäure und Wasserdampf ausgeathmet. Wir wissen mit unzweifelhafter Der chemische Proceß der Bestimmtheit, woher der Kohlenstoff und Wasserstoff stammt, denn mit der Dauer des Hungers sehen wir den Kohlenstoff und Wasserstoff des Körpers sich vermindern. Die erste Wirkung des Hungers ist ein Verschwinden des Fettes; dieses Fett ist weder in den sparsamen Faeces, noch im Urin nachweisbar, sein Kohlenstoff und Wasserstoff sind durch Haut und Lunge in der Form von Sauerstoffverbin- dungen ausgetreten; es ist klar, diese Bestandtheile haben zur Respiration gedient. Jeden Tag treten 65 Loth Sauerstoff ein und nehmen beim Austreten einen Theil von dem Körper des Hungernden mit. ( Currie sah einen Kranken, der nicht schlingen konnte, während eines Monates über 100 Pfd. an seinem Gewichte verlieren, und ein fettes Schwein, was durch einen Berg- sturz verschüttet wurde, lebte 160 Tage ohne Nahrung, und hatte über 120 Pfd. am Gewichte verloren. ( Martell in den Transactions of the Linnéan Soc. Vol. XI. p. 411.) Das Verhalten der Winterschläfer, so wie die periodenweise Ansammlung von Fett bei andern Thieren, von Fett, was in andern Perioden ihres Lebens wieder verschwindet, ohne eine Spur zu hinterlassen, alle diese wohlbekannten Thatsachen beweisen, daß der Sauerstoff in dem Respirationsproceß keine Auswahl unter den Stoffen trifft, die sich zu einer Verbin- dung mit ihm eignen. Der Sauerstoff verbindet sich mit allem, was ihm dargeboten wird, und nur Mangel an Wasser- stoff ist der Grund, warum sich überhaupt Kohlensäure bil- det, eben weil bei der Temperatur des Körpers die Ver- Respiration und Ernährung . wandtschaft des Wasserstoffs zum Sauerstoff bei weitem die des Kohlenstoffs übertrifft. Wir wissen in der That, daß die grasfressenden Thiere ein dem eingeathmeten Sauerstoff gleiches Volum Kohlen- säure wieder ausathmen, während bei den Fleischfressern, der einzigen Thierklasse, welche Fett in ihrer Nahrung genießt, mehr Sauerstoff aufgenommen wird, als dem ausgeathmeten Kohlensäurevolum entspricht; bestimmte Versuche haben dar- gethan, daß in manchen Fällen nur die Hälfte von dem Vo- lumen des Sauerstoffs an Kohlensäuregas ausgeathmet wird. Diese Beobachtungen sind keiner Widerlegung fähig, sie sind überzeugender, als alle die künstlich und willkürlich hervor- gerufenen Erscheinungen, die man Versuche nennt, Versuche, welche, völlig entbehrlich, alles Gegengewichtes ermangeln, wenn die Gelegenheit zur Beobachtung in der Natur sich darbietet und diese Gelegenheit verständig benutzt wird. Bei Hungernden verschwindet aber nicht allein das Fett, sondern nach und nach alle der Löslichkeit fähigen, festen Stoffe. In dem völlig abgezehrten Körper der Verhunger- ten sind die Muskeln dünn und mürbe, der Contractibilität beraubt, alle Theile des Körpers, welche fähig waren, in den Zustand der Bewegung überzugehen, sie haben dazu ge- dient, um den Rest der Gebilde vor der alles zerstörenden Wirkung der Atmosphäre zu schützen; zuletzt nehmen die Be- standtheile des Gehirns Antheil an diesem Oxydationsproceß, es erfolgt Wahnsinn, Irrereden und der Tod, das heißt, aller Widerstand hört völlig auf, es tritt der chemische Pro- Der chemische Proceß der ceß der Verwesung ein, alle Theile des Körpers verbinden sich mit dem Sauerstoff der Luft. Die Zeit, in welcher ein Verhungernder stirbt, richtet sich nach dem Zustand der Fettleibigkeit, nach dem Zustand der Bewegung (Anstrengung und Arbeit), nach der Tempe- ratur der Luft, und ist zuletzt abhängig von der Gegenwart oder Abwesenheit des Wassers. Durch die Haut und Lunge verdunstet eine gewisse Menge Wasser, durch deren Austre- ten, als die Bedingung aller Vermittelung von Bewegun- gen, der Tod beschleunigt wird. Es giebt Fälle, wo bei ungeschmälertem Wassergenuß der Tod erst nach 20, in ei- nem Fall erst nach 60 Tagen erfolgte. In allen chronischen Krankheiten erfolgt der Tod durch die nämliche Ursache, durch die Einwirkung der Atmosphäre. Wenn die Stoffe fehlen, welche in dem Organismus zur Unterhaltung des Respirationsprocesses bestimmt sind, wenn die Organe des Kranken ihre Funktion versagen, wenn sie die Fähigkeit verlieren, zu ihrem eignen Schutz die genosse- nen Speisen in den Zustand zu versetzen, in dem sich ihre Bestandtheile mit dem Sauerstoff der Luft zu verbinden ver- mögen, so wird ihre eigne Substanz, das Fett, das Gehirn, die Substanz der Muskeln und Nerven dazu verwendet In Beziehung auf den wahren Vorgang verweise ich auf die Be- trachtung des Stoffwechsels in dem Körper der Carnivoren (s. im Folgenden). . Die eigentliche Ursache des Todes ist in diesen Fällen der Respirationsproceß, die Einwirkung der Atmosphäre. Respiration und Ernährung . Mangel an Nahrung, an Fähigkeit, sie zu Bestandtheilen des Organismus zu machen, ist Mangel an Widerstand, es ist die negative Ursache des Aufhörens der Lebensthätigkeit. Die Flamme geht aus, weil das Oel verzehrt ist; es ist der Sauerstoff der Luft, der es verzehrt hat. In manchen Krankheitszuständen erzeugen sich Stoffe, die zur Assimilation nicht verwendbar sind, durch bloße Enthal- tung von Speisen werden sie aus dem Körper entfernt, sie verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, indem ihre Bestandtheile mit dem Sauerstoff der Luft in Verbindung treten. Von dem Augenblicke an, wo die Funktion der Haut oder Lunge eine Störung erleidet, erscheinen kohlenstoffrei- chere Stoffe im Urin, der seine gewöhnliche Farbe in braun umändert. Von der ganzen Oberfläche des menschlichen Kör- pers wird Sauerstoff aus der Luft aufgenommen, der sich mit allen Materien verbindet, die seiner Action keinen Wi- derstand entgegensetzen; an allen Stellen des Körpers, wo der Zutritt des Sauerstoffs gehemmt ist, unter den Achsel- höhlen und an den Füßen z. B., bemerken wir eine Aus- scheidung von Stoffen, die sich durch ihren Zustand oder durch den Geruch den Sinnen zu erkennen geben. Die Respiration ist das fallende Gewicht, die gespannte Feder, welche das Uhrwerk in Bewegung erhält, die Athem- züge sind die Pendelschläge, die es reguliren. Wir kennen bei unseren gewöhnlichen Uhren mit mathematischer Schärfe die Aenderungen, welche durch die Länge des Pendels oder durch äußere Temperaturen ausgeübt werden, auf ihren re- Der chemische Proceß der gelmäßigen Gang; allein nur von Wenigen ist in seiner Klar- heit der Einfluß erkannt, den Luft und Temperatur auf den Gesundheitszustand des menschlichen Körpers ausüben, und doch ist die Ausmittelung der Bedingungen, um ihn im normalen Zustand zu erhalten, nicht schwieriger, wie bei ei- ner gewöhnlichen Uhr. V. Der Mangel an einer richtigen Ansicht von Kraft und Wirkung und dem Zusammenhang der Naturerscheinungen hat die Chemiker dahin geführt, einen Theil der im Thier- organismus sich erzeugenden Wärme den Wirkungen des Ner- vensystems zuzuschreiben. Wenn man damit einen Stoff- wechsel als Bedingung der Nervenwirkungen ausschließt, so will dies nichts anders sagen, als das Vorhandensein einer Bewegung, die Aeußerung einer Thätigkeit hervorgehen zu machen aus Nichts. Allein aus Nichts kann keine Kraft, keine Thätigkeit entstehen. Niemand wird ernstlich den Antheil läugnen, welchen die Nervenapparate an dem Respirationsproceß nehmen, keine Art von Zustandsänderung kann im Thierkörper vor sich ge- hen, ohne die Nerven, denn sie sind die Bedinger aller Be- wegungen. Durch sie, durch ihre Mitwirkung produciren die Eingeweide die Stoffe, welche als Mittel zum Wider- stande gegen die Einwirkung des Sauerstoffs zur Hervor- bringung der animalischen Wärme dienen, und mit dem Auf- hören ihrer Funktionen muß der ganze Akt der Sauerstoff- Respiration und Ernährung . aufnahme eine andere Form annehmen. Beim Durchschnei- den des Gehirns von Hunden beim Pons varolii, bei Con- tusionen gegen Scheitel und Hinterhaupt fährt das Thier eine Zeitlang zu athmen fort, oft rascher und lebhafter, wie im gesunden Zustande, die Schnelligkeit des Blutumlaufs nimmt in der ersten Zeit eher zu als ab, allein das Thier erkaltet, wie wenn ein plötzlicher Tod eingetreten wäre, der dann auch unabwendbar erfolgt; ganz ähnliche Erfahrungen hat man bei Durchschneidung des Rückenmarks, des Nervus vagus gemacht. Die Athembewegungen dauern eine Zeitlang fort, allein der Sauerstoff findet die Stoffe auf seinem Wege nicht vor, mit denen er sich im normalen Zustande verbun- den haben würde, weil sie ihm von den gelähmten Unter- leibsorganen nicht geliefert werden können. Die sonderbare Ansicht über die Erzeugung der thierischen Wärme durch die Nerven, sie ist, wie man leicht bemerkt, aus der Vorstellung hervorgegangen, daß das eingesaugte Sauerstoffgas in dem Blute selbst zu Kohlensäure werde, in welchem Fall, in obi- gen Versuchen, freilich die Temperatur des Körpers nicht abnehmen dürfte, allein es kann, wie später entwickelt wer- den soll, keinen größeren Irrthum geben. Aehnlich wie bei Durchschneidung der pneumogastrischen Nerven die Bewegung des Magens und die Secretion des Magensaftes aufgehoben und damit dem Verdauungsproceß eine unmittelbare Gränze gesetzt wird, ändert die Lähmung der Bewegungsorgane des Unterleibs den Respirationspro- ceß; beide stehen in dem engsten Zusammenhang mit einan- Der chemische Proceß der der; eine jede Störung des Nervensystems, der Verdauungs- nerven übt rückwärts einen wahrnehmbaren Einfluß auf den Respirationsproceß aus. Man hat zuletzt die Beobachtung gemacht, daß durch die Contraction der Muskeln Wärme erzeugt wird, ähnlich wie in einem Stücke Kautschuck, was man, rasch aus einander gezogen, sich wieder contrahiren läßt. Man ist so weit ge- gangen, einen Theil der thierischen Wärme den mechanischen Bewegungen im Körper zuzuschreiben, als ob die Bewegun- gen selbst entstehen könnten, ohne einen gewissen Aufwand von Kraft, welche durch diese Bewegungen verzehrt wird. Durch was aber, kann man hier fragen, wird diese Kraft erzeugt? Durch verbrennenden Kohlenstoff, durch Auflösung eines Metalls in einer Säure, durch die Vereinigung der beiden Elektricitäten, durch Einsaugung von Licht entsteht Wärme. Gleichermaßen entsteht Wärme, wenn wir zwei Stücke eines festen Körpers mit einer gewissen Geschwindigkeit auf einan- der reiben. Durch eine Menge in ihren Aeußerungen höchst ver- schiedener Ursachen können wir einerlei Effekt hervorbrin- gen. Wir haben in der Verbrennung und in der Elek- tricitätserzeugung einen Stoffwechsel, oder, wie in dem Licht und der Reibungswärme, die Verwandlung einer vorhande- nen Bewegung in eine neue, die auf eine andere Weise auf unsere Sinne wirkt. Wir haben ein Substrat, etwas Ge- gebenes, was die Form eines andern Substrates annimmt, in allen Fällen eine Kraft und eine Wirkung. Wir können Respiration und Ernährung . durch Feuer unter einer Dampfmaschine alle möglichen Ar- ten von Bewegungen, und durch ein gegebenes Maaß von Bewegung Feuer hervorbringen. Ein Stück Zucker, das wir auf einem Reibeisen reiben, erleidet an den Berührungsflächen des Eisens die nämliche Veränderung, wie durch eine hohe Temperatur, und zwei Stücke Eis schmelzen an den Punkten, wo sie sich reibend berühren. Man muß sich nur erinnern, daß die ausgezeichnetsten Physiker die Erscheinungen der Wärme nur als Bewegungs- erscheinungen gelten lassen, eben weil der Begriff der Er- zeugung einer Materie, wenn auch einer gewichtslosen, schlechterdings nicht vereinbar ist mit ihrer Entstehung durch mechanische Ursachen, wie durch Reibung und Bewegung. Alles zugegeben, was von elektrischen und magnetischen Störungen in dem Thierkörper Antheil nehmen mag an den Funktionen seiner Organe, die letzte Ursache aller dieser Thätigkeiten ist ein Stoffwechsel, ausdrückbar durch einen in einer gewissen Zeit stattfindenden Uebergang der Bestand- theile der Speisen in Sauerstoffverbindungen; diejenigen un- ter ihnen, welche diesen allmähligen Verbrennungsproceß nicht erfahren, sie werden unverbrannt oder unverbrennlich in der Form von Excrementen ausgestoßen. Es ist nun schlechterdings unmöglich, daß eine gegebene Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff, welche verschiedene Formen sie auch im Laufe der Verbrennung annehmen mö- gen, mehr Wärme hervorzubringen fähig ist, als wie sie 3 Der chemische Proceß der liefert, wenn sie im Sauerstoffgas oder in der Luft direkt verbrannt wird. Wenn wir Feuer unter eine Dampfmaschine machen und die erhaltene Kraft benutzen, um durch Reibung Wärme her- vorzubringen, so kann diese in keiner Weise jemals größer sein, als die Wärme, die wir nöthig gehabt haben, um den Dampfkessel zu heizen, und wenn wir in einer galvanischen Säule den Strom zur Hervorbringung von Wärme benutzen, so ist diese unter allen Umständen nicht größer, als wir sie haben können durch die Verbrennung des Zinks, was sich in der Säure auflös’t. Die Contraction der Muskeln erzeugt Wärme, die hierzu nöthige Kraft äußert sich durch die Organe der Bewegung, die sie durch einen Stoffwechsel empfangen. Die letzte Ur- sache der erzeugten Wärme kann natürlich nur dieser Stoff- wechsel sein. Durch die Auflösung eines Metalls in einer Säure ent- steht ein elektrischer Strom; durch einen Draht geleitet, wird dieser zu einem Magneten, durch den wir verschiedene Effekte hervorzubringen vermögen. Die Ursache aller erzeugten Er- scheinungen ist der Magnetismus, die Ursache der magneti- schen Wirkungen suchen wir in dem elektrischen Strom, und die letzte Ursache des elektrischen Stromes, wir finden sie in einem Stoffwechsel, in einer chemischen Action. Es giebt verschiedene Ursachen der Krafterzeugung; eine gespannte Feder, ein Luftstrom, eine fallende Wassermasse, Feuer, was unter einem Dampfkessel brennt, ein Metall, was sich in einer Respiration und Ernährung . Säure lös’t, durch alle diese verschiedenen Ursachen der Bewe- gung läßt sich einerlei Effekt hervorbringen. In dem thierischen Körper erkennen wir aber als die letzte Ursache aller Kraft- erzeugung nur eine , und diese ist die Wechselwirkung, welche die Bestandtheile der Speisen und der Sauerstoff der Luft auf einander ausüben. Die einzige bekannte und letzte Ur- sache der Lebensthätigkeit im Thier sowohl, wie in der Pflanze ist ein chemischer Proceß; schließen wir ihn aus, so stellen sich die Lebensäußerungen nicht ein, oder sie hören auf, wahrnehmbar zu sein; hindern wir die chemische Action, so nehmen die Lebenserscheinungen andere Formen an. Nach den Versuchen von Despretz entwickelt 1 Loth Kohlenstoff bei seiner Verbrennung so viel Wärme, daß da- mit 105 Loth Wasser von 0° auf 75° erwärmt werden können, im Ganzen also 105mal 75° = 7875° Wärme. Die 27,8 Loth Kohlenstoff, welche sich in dem Körper eines Soldaten in Kohlensäure verwandeln, entwickeln mithin 27,8mal 7875° Wärme = 218825° Wärme. Mit dieser Wärmemenge kann man 1 Loth Wasser auf diese Temperatur erheben oder 68 \nicefrac{4}{10} Pfd. Wasser zum Sieden oder 185 Pfd. auf 37° erhitzen, oder 12 Pfd. Wasser bei 37° in Dampf verwandeln. Wenn wir nun annehmen, daß die Ausdünstung durch Haut und Lunge in 24 Stunden 48 Unzen (3 Pfd.) betrage, so bleiben, die hierzu nöthige Wärmemenge abgezogen, 162093 Grad Wärme, welche durch Strahlung, durch Erwärmung der ausgeathmeten Luft, durch Faeces und Urin aus dem Körper treten. 3* Der chemische Proceß der Es ist in dieser Rechnung die durch den verbrennenden Wasserstoff, durch seinen Uebergang in Wasser, erzeugte Wär- memenge nicht in Anschlag gebracht. Wenn man sich nun erinnert, daß die specifische Wärme der Knochen, des Fet- tes, der Substanz der Organe weit geringer ist, als die des Wassers, daß sie also, um auf 37° erwärmt zu werden, weit weniger Wärme bedürfen, als ein gleiches Gewicht Wasser, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß, alle diese Verhältnisse mit in Rechnung gezogen, die durch den Verbrennungsproceß erzeugte Wärme vollkommen hinreicht, um die constante Temperatur des Körpers und die Verdun- stung zu erklären. VI. Alle Versuche der Physiker über die Sauerstoffmenge, die ein Thier in einer gegebenen Zeit verzehrt, so wie die Schlüsse, die man daraus auf die Entstehung der animali- schen Wärme gezogen hat, sind völlig bedeutungslos, denn diese Sauerstoffmengen wechseln, nach der Temperatur und der Dichtigkeit der Luft, nach dem Zustand der Bewegung, Arbeit und Anstrengung, sie ändern sich nach der Menge und Qualität der genossenen Nahrung, mit der mehr oder weniger warmen Kleidung, nach der Zeit, in welcher die Speise verzehrt wurde. Die Gefangenen in dem Zuchthaus (Arbeitshaus) zu Ma- rienschloß verzehren nicht über 21 Loth Kohlenstoff, die in dem Arresthaus zu Gießen, denen alle Bewegung mangelt, Respiration und Ernährung . nicht über 17 Loth 6 ) und in einer mir bekannten Haushaltung verzehrten 9 Personen (4 Kinder, 5 Erwachsene) durchschnitt- lich nicht über 19 Loth Kohlenstoff In dieser Haushaltung wurden im Monat verbraucht 151 Pfd. Schwarz- brod, 70 Pfd. Weißbrod, 132 Pfd. Fleisch, 19 Pfd. Zucker, 15,9 Pfd. Butter, 57 Maaß Milch, der Kohlenstoff der Gemüse und Kartoffeln, des Wildprets, Geflügels und Weins für die Excremente angeschlagen. . Annäherungsweise kann angenommen werden, daß die aufgenommenen Sauer- stoffmengen sich wie diese Zahlen verhalten, allein durch Fleisch, Wein und Fettgenuß ändern sich diese Verhältnisse in Folge des ausgetretenen Wasserstoffs dieser Nahrungs- mittel, der in seiner Verwandlung in Wasser bei gleichem Gewichte eine weit größere Wärmemenge hervorbringt. Die Versuche über die Bestimmung der Wärmemenge, die sich für einen gegebenen Sauerstoffverbrauch aus einem Thier entwickelt, sind nicht minder bedeutungslos. Man hat Thiere in geschlossenen, mit kaltem Wasser umgebenen Räu- men athmen lassen, die Wärmezunahme der Umgebung durch den Thermometer gemessen und die Menge des verschwunde- nen Sauerstoffgases, so wie die erzeugte Kohlensäure durch die Analyse der ein- und ausgetretenen Luft bestimmt. In diesen Versuchen hat man gefunden, daß das Thier mehr Wärme verlor, als dem verzehrten Sauerstoff entsprach, und zwar 1/10 mehr, und wenn man dem Thiere die Luftröhre zugebunden haben würde, so wäre das merkwürdige Ver- hältniß eingetreten, daß das umgebende Wasser durch das erkaltende Thier Wärme empfangen hätte, ohne allen Ver- Der chemische Proceß der brauch von Sauerstoff. Die Temperatur des Thiers war 38°, die des umgebenden Wassers in den Versuchen von Despretz 8,5°. Diese Versuche beweisen also, daß bei ei- ner großen Differenz der Temperatur des Körpers und der der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme entweicht, als dem eingeathmeten Sauerstoff entspricht; in gleichen Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde eine weit größere Menge Sauerstoff aufgenommen worden sein, ohne bemerkbare Erhöhung des Wärmeverlustes. Dieser Zustand tritt bei Menschen und Thieren zu ge- wissen Jahreszeiten ein, und wir sagen in diesem Fall, daß wir frieren. Es ist klar, daß, wenn wir einen Menschen mit einem metallischen Kleide umgeben, der Wär- meverlust, wenn wir ihm Hände und Füße binden, bei glei- chem Sauerstoffverbrauch weit größer sein wird, als wenn wir ihn in Pelz und Wolle stecken, ja wir finden sogar, daß er in dem letztern Fall anfängt zu schwitzen, daß war- mes Wasser quellenweise aus den feinen Schweißlöchern sei- ner Haut tritt. Wenn man hinzunimmt, daß ganz bestimmte Beobach- tungen vorliegen, wo Thiere, die gebunden in einer unna- türlichen Stellung, z. B. auf dem Rücken liegend, athmeten, daß die Temperatur ihres Körpers durch den Thermometer meßbar abnimmt, so kann man wohl schwerlich über die Schlüsse, die man aus diesen Versuchen gezogen hat, im Zweifel sein. Diese Schlüsse haben für die Meinung, daß eine andere Respiration und Ernährung . unbekannte Quelle der Wärme in dem thierischen Körper existire, nicht den allergeringsten Werth. VII. Wenn wir die Erzeugung von Kraft, die Bewegungs- erscheinungen mit Nervenleben , und den Widerstand, den Zustand des statischen Gleichgewichtes mit vegetativem Leben bezeichnen, so ist klar, daß im jugendlichen Alter bei allen Thierklassen das letztere, nämlich das vegetative Leben, das Nervenleben überwiegt. Der Uebergang des in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zustand der Ruhe zeigt sich in einer Zunahme an Masse, in einem Ersatz an verbrauchtem Stoffe; die Bewegung selbst, die Krafterzeugung stellt sich dar als ein Verbrauch an Stoff. In dem jugendlichen Thiere ist der Verbrauch kleiner, als die Zunahme, und diesen Zustand eines intensiveren ve- getativen Lebens behält das weibliche Thier bis zu einem gewissen Lebensalter unverändert bei, es erreicht nicht, wie beim männlichen Thiere, mit der Ausbildung aller Organe eine Gränze. Das weibliche Thier ist zu gewissen Perioden des Jahrs der Fortpflanzung fähig, durch äußere Bedingungen, Tem- peratur, Nahrung ꝛc. wird das vegetative Leben in seinem Organismus gesteigert, er producirt mehr als er verwendet; diese Fähigkeit zeigt sich in der Fortpflanzung. Unabhängig von äußeren Bedingungen der Steigerung des vegetativen Der chemische Proceß der Lebens ist das Weib des Menschen, mit der Ausbildung al- ler seiner Organe, zu jeder Zeit der Fortpflanzung fähig, die Empfängniß ist an keine Periode gebunden, und eine wun- derbare Weisheit hat in seinen Körper die Fähigkeit gelegt, bis zu einem bestimmten Lebensalter alle Bestandtheile seiner Organe in größerer Menge zu erzeugen, als sie zur Repro- duktion der umgesetzten Gebilde erforderlich sind. Dieses Erzeugniß enthält nachweisbar alle Elemente eines ihm glei- chen Wesens, es vermehrt sich in jedem Lebensmomente und wird, bis es Verwendung findet, periodenweise aus dem Körper abgeschieden. Mit der Befruchtung des Ei’s hört diese Abscheidung auf, jeder Tropfen des mehrerzeugten Blu- tes formt sich zu einem der Mutter ähnlichen Organismus. Durch Bewegung und Anstrengung wird die Menge des abgeschiedenen Blutes geringer, und bei krankhafter Unter- drückung der Menstruation zeigt sich das vegetative Leben in einer gesteigerten Fettbildung. Wird das Gleichgewicht des vegetativen und Nervenlebens bei dem Manne gestört, wird die Intensität des letztern, wie bei den Castraten, verringert, so zeigt sich das Uebergewicht des erstern in einer gleichen Form, in einer Steigerung der Fettbildung. VIII. Wenn wir festhalten, daß die Zunahme an Masse in dem thierischen Körper, daß die Ausbildung seiner Organe und ihrer Reproduktion aus dem Blute, d. h. aus den Be- Respiration und Ernährung . standtheilen des Blutes, geschieht, so können nur diejenigen Materien Nahrungsmittel genannt werden, welche fähig sind zu Blut zu werden. Die Untersuchung der Stoffe, die sich hierzu eignen, beschränkt sich hiernach auf die Ausmitte- lung der Zusammensetzung der Nahrungsmittel und ihrer Vergleichung mit der Zusammensetzung der Bestandtheile des Blutes. Zwei Materien sind als Hauptbestandtheile des Blutes vorzüglich in Betracht zu ziehen. Die eine davon scheidet sich augenblicklich aus dem Blute ab, sobald es aus der Cir- culation genommen wird. Jedermann weiß, daß das Blut in diesem Fall gerinnt, es trennt sich in eine gelbliche Flüs- sigkeit, in Blutserum , und eine gallertartige Masse, die sich in weichen, zähen elastischen Fäden an einen Stab oder eine Ruthe anhängt, mit denen man das frische Blut wäh- rend seines Gerinnens peitscht oder schlägt. Dieser Körper ist das Fibrin , Blutfaserstoff, er ist identisch in seinen Ei- genschaften mit der von allen anderen Materien befreiten Muskelfaser. Der zweite Hauptbestandtheil des Blutes ist im Blut- serum enthalten, er ertheilt dieser Flüssigkeit alle Eigenschaf- ten des weißen Theils des Hühnerei’s, indem er identisch mit diesem Bestandtheil aller Eier ist. Er gerinnt in der Hitze zu einer weißen elastischen Masse; dieser gerinnende Bestandtheil hat den Namen Albumin erhalten. Fibrin und Albumin, die Hauptbestandtheile des Blutes, enthalten im Ganzen 7 chemische Elemente, unter welche Der chemische Proceß der namentlich Stickstoff, Phosphor und Schwefel, so wie die Substanz der Knochen gehört. In dem Serum befinden sich Kochsalz und Salze in Auflösung, welche Kali, Natron als Basen enthalten, sie sind mit Kohlensäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure verbunden. Die Blutkörperchen enthal- ten Fibrin und Albumin, sowie einen rothen Farbstoff, in welchem Eisen einen nie fehlenden Bestandtheil ausmacht. Außer diesen enthält das Blut noch einige fette Körper in geringer Menge, die sich von den gewöhnlichen Fetten durch verschiedene Eigenschaften unterscheiden. Die chemische Analyse hat zu dem merkwürdigen Nesul- tate geführt, daß Fibrin und Albumin einerlei organische Ele- mente und zwar in dem nämlichen Gewichtsverhältniß enthalten, in der Art also, daß, wenn man zwei Analysen, die eine von Fibrin, die andere von Albumin neben einander stellt, wir keinen größeren Unterschied in der procentischen Zusammen- setzung wahrnehmen, wie in zwei Analysen von Fibrin, oder in zwei Analysen von Albumin. In beiden Blutbestandtheilen sind offenbar, dies zeigt ihr verschiedener Zustand, die Elemente auf verschiedene Weise geordnet, allein ihrer Zusammensetzung nach sind sie identisch. Dieser Schluß ist neuerdings aufs Schönste dadurch be- stätigt worden, daß es einem ausgezeichneten Physiologen (P. Denis ) gelang, Fibrin in den Zustand von Albumin künstlich überzuführen, ihm also die Löslichkeit und Gerinn- barkeit zu geben, die das Eiweiß charakterisirt. Neben der gleichen Zusammensetzung haben sie noch die Respiration und Ernährung . chemische Eigenschaft mit einander gemein, daß sie sich beide in starker Salzsäure zu einer intensiv indigblauen Flüssigkeit lösen, welche gegen alle Materien, die man damit zusam- menbringt, ein ganz gleiches Verhalten zeigt. Albumin und Fibrin können beide in dem Ernährungs- processe zu Muskelfaser werden, und Muskelfaser kann rück- wärts wieder in Blut übergehen. Dieser Uebergang ist von den Physiologen längst außer allen Zweifel gestellt, und die Chemie hat also nur nachgewiesen, daß die Metamorphose rückwärts und vorwärts erfolgen kann, kraft einer einwir- kenden Thätigkeit, ohne Zuhülfenahme eines dritten Körpers oder seiner Bestandtheile, ohne daß also ein fremdes Ele- ment aufgenommen zu werden oder ein in Verbindung vor- handenes auszutreten braucht. Wenn wir nun die Zusammensetzung aller Gebilde mit der des Fibrins und Albumins im Blute vergleichen, so er- geben sich folgende Beziehungen. Alle Theile des Thierkörpers, die eine bestimmte Form besitzen, welche Bestandtheile von Organen sind, enthalten Stickstoff. Kein Theil oder Bestandtheil eines Organs, wel- ches Bewegung und Leben besitzt, ist frei von Stickstoff, alle enthalten Kohlenstoff und die Elemente des Wassers, wie- wohl diese letzteren nie in dem Verhältniß, wie im Wasser. Die Hauptbestandtheile des Blutes enthalten nahe an 17 pCt. Stickstoff, kein Theil eines Organs enthält weni- ger, wie siebzehn Procent Stickstoff 7 ). Die entscheidendsten Versuche und Beobachtungen haben Der chemische Proceß der bewiesen, daß der thierische Organismus durchaus unfähig ist, ein chemisches Element, Kohlenstoff oder Stickstoff, aus anderen Materien, in denen diese Körper fehlen, hervorzu- bringen, und es ist hiernach einleuchtend, daß alle Nahrungs- mittel, die zur Blutbildung oder zur Bildung von Zellen, Membranen, Haut, Haaren, Muskelfaser dienen sollen, eine gewisse Portion Stickstoff enthalten müssen, eben weil dieser einen Bestandtheil der genannten Organe ausmacht, diese aus anderen Elementen, die man ihnen darbietet, keinen Stickstoff erzeugen können und weil kein Stickstoff aus der Atmosphäre in dem Lebensproceß verwendet wird. Der thierische Körper enthält in der Nerven- und Ge- hirnsubstanz eine große Menge Albumin und außer diesem zwei eigenthümliche fette Säuren, die sich von allen ande- ren Fetten durch einen Gehalt von Phosphor (-säure?) un- terscheiden ( Fremy ). Eins dieser Fette enthält Stickstoff. Wasser und Fett machen zuletzt die stickstofffreien Be- standtheile des Thierkörpers aus, beide sind formlos und nehmen nur in sofern Antheil an dem Lebensproceß, als durch sie die Lebensfunktionen vermittelt werden. Die nicht- organischen Bestandtheile des Thierkörpers sind Eisen, Kalk, Bittererde, Kochsalz, sowie die Alkalien. IX. Die Ernährung der Fleischfresser nimmt unter allen Thier- klassen die einfachste Form an; sie leben vom Blut und Fleisch Respiration und Ernährung . der gras- und körnerfressenden Thiere, allein dieses Blut und Fleisch ist identisch in allen seinen Eigenschaften mit ih- rem eigenen Blut und Fleisch, weder chemisch, noch physio- logisch ist ein Unterschied wahrnehmbar. Die Nahrung der fleischfressenden Thiere ist aus Blut entstanden, sie wird in ihrem Magen flüssig und überführbar in andere Körpertheile, sie wird in ihrem Leibe wieder zu Blut, und aus diesem Blut erzeugen sich alle Theile ihres Körpers wieder, die eine Veränderung oder Umsetzung er- litten haben. Bis auf Klauen, Haare, Federn und Knochenerde ist kein Bestandtheil der Nahrung der Carnivoren unassimilirbar. In chemischem Sinne kann man also sagen, daß das fleischfressende Thier zur Erhaltung seiner Lebensprocesse sich selbst verzehrt. Dasjenige, was zu seiner Ernährung dient, ist identisch mit den Bestandtheilen seiner Organe, welche erneuert wer- den sollen. Ganz anders stellt sich dem Anschein nach der Ernäh- rungsproceß der pflanzenfressenden Thiere dar; ihre Ver- dauungsorgane sind minder einfach und ihre Nahrung besteht aus Vegetabilien, die ihrer Hauptmasse nach nur sehr wenig Stickstoff enthalten. Aus welchen Stoffen, kann man fragen, entsteht bei ih- nen das Blut, aus dem sich ihre Organe entwickeln? Diese Frage läßt sich mit genügender Sicherheit beant- worten. Der chemische Proceß der Die chemischen Untersuchungen haben dargethan, daß alle Theile von Pflanzen, welche Thieren zur Nahrung dienen, gewisse Bestandtheile enthalten, welche reich sind an Stick- stoff, und die gewöhnlichsten Erfahrungen beweisen, daß die Thiere zu ihrer Erhaltung und Ernährung der Quantität nach um so weniger von diesen Pflanzentheilen bedürfen, je reicher sie an diesen stickstoffhaltigen Stoffen sind; sie kön- nen nicht mit Materien ernährt werden, worin sie fehlen. In vorzüglicher Menge sind diese Erzeugnisse der Pflan- zen in den Samen der Getreidearten, der Erbsen, Linsen, Bohnen, in Wurzeln und in den Säften der sogenannten Gemüspflanzen enthalten, sie fehlen übrigens in keiner ein- zigen Pflanze, in keinem ihrer Theile. Diese stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe lassen sich im Gan- zen auf drei Materien zurückführen, die ihrer äußern Be- schaffenheit nach leicht von einander zu unterscheiden sind. Zwei davon sind im Wasser löslich, der dritte wird davon nicht aufgenommen. Wenn man frisch ausgepreßte Pflanzensäfte sich selbst überläßt, so tritt nach wenigen Minuten eine Scheidung ein, es sondert sich ein gelatinöser Niederschlag ab, gewöhn- lich von grüner Farbe, welcher, mit Flüssigkeiten behandelt, die den Farbestoff lösen, eine grauweiße Materie hinterläßt. Diese Substanz ist unter dem Namen grünes Satzmehl der Pflanzensäfte den Pharmaceuten wohl bekannt. Dieß ist der eine von den stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln der Thiere, er hat den Namen Pflanzenfibrin erhalten. Der Respiration und Ernährung . Saft der Gräser ist vorzüglich reich an diesem Bestandtheil, er ist in reichlichster Menge in dem Weizensamen, so wie überhaupt in den Samen der Cerealien enthalten, und kann aus dem Weizenmehl durch eine mechanische Operation ziem- lich rein erhalten werden. In diesem Zustande heißt er Kleber , allein die klebenden Eigenschaften gehören ihm nicht an, sondern einer geringen Menge eines beigemischten frem- den Körpers, der in den Samen der übrigen Getreidearten fehlt. Wie sich aus der Art seiner Darstellung ergiebt, ist das Pflanzenfibrin im Wasser nicht löslich, obwohl man nicht zweifeln kann, daß es in der lebenden Pflanze im Safte gelös’t vorhanden war, aus dem es sich, ähnlich wie das Fibrin aus Blut, erst später abschied. Der zweite stickstoffhaltige Nahrungsstoff ist in dem Safte der Pflanzen gelös’t, er scheidet sich daraus bei gewöhnlicher Temperatur nicht ab, wohl aber, wenn der Pflanzensaft zum Sieden erhitzt wird. Bringt man den ausgepreßten klaren Saft, am besten von Gemüspflanzen, von Blumenkohl, Spargel, Kohlrüben, weißen Rüben u. s. w. zum Sieden, so entsteht darin ein Coagulum, welches in seiner äußern Beschaffenheit und sei- nen Eigenschaften schlechterdings nicht zu unterscheiden ist von dem Körper, der sich als Gerinnsel abscheidet, wenn man mit Wasser verdünntes Blutserum oder Eiweiß der Siedhitze aussetzt. Dies ist das Pflanzenalbumin ; in vorzüglicher Menge findet sich dieser Körper in gewissen Sa- Der chemische Proceß der men, in Nüssen, Mandeln und anderen, in denen das Amy- lon der Getreidesamen sich vertreten findet durch Oel oder Fett. Der dritte stickstoffhaltige Nahrungsstoff, den die Pflan- zen produciren, das Pflanzencasein , findet sich haupt- sächlich in den Samenlappen der Erbsen, Linsen und Boh- nen, er ist wie das Pflanzenalbumin im Wasser löslich, un- terscheidet sich aber von ihm dadurch, daß seine Auflösung durch Hitze nicht coagulirt wird; beim Abdampfen und Er- hitzen zieht sie an der Oberfläche eine Haut, und, mit Säu- ren versetzt, entsteht darin ein Gerinnsel wie in der Thier- milch. Diese drei Stoffe, Pflanzen-Fibrin, -Albumin und -Ca- sein, sind die eigentlichen stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe der pflanzenfressenden Thiere, alle anderen in Pflanzen vorkom- menden stickstoffhaltigen Materien werden entweder, wie die Stoffe in den Giftpflanzen und Medizinalpflanzen, von den Thieren nicht genossen, oder sie sind ihrer Nahrung in so außerordentlich kleinen Mengen beigemischt, daß sie zur Ver- mehrung der Masse ihres Körpers nicht beizutragen ver- mögen. Die chemische Untersuchung der drei genannten Substan- zen hat zu dem interessanten Resultate geführt, daß sie ei- nerlei organische Elemente in dem nämlichen Gewichts-Ver- hältnisse enthalten, und was noch weit merkwürdiger ist, es hat sich ergeben, daß sie identisch sind in ihrer Zusammen- setzung mit den Hauptbestandtheilen des Blutes, mit Fibrin Respiration und Ernährung . und Albumin. Sie lösen sich alle drei in concentrirter Salz- säure mit der nämlichen indigblauen Farbe auf, und auch in ihren physikalischen Eigenschaften sind Thierfibrin und Thier- albumin von Pflanzenfibrin und Pflanzenalbumin in keiner Weise verschieden. Es verdient ganz besonders hervorgeho- ben zu werden, daß hier unter einer gleichen Zusammensetzung nicht bloß eine ähnliche gemeint ist, sondern es ist auch in Beziehung auf ihren Gehalt an Phosphor, Schwefel, Kno- chenerde und Alkalien kein Unterschied wahrnehmbar 8 ). In welcher bewundernswürdigen Einfachheit erscheint nach diesen Entdeckungen der Bildungsproceß im Thiere, die Ent- stehung seiner Organe, der Hauptträger der Lebensthätigkeit. Die Pflanzenstoffe, welche in den Thieren zur Blutbildung verwendet werden, enthalten die Hauptbestandtheile des Blu- tes, Fibrin und Albumin, fertig gebildet allen ihren Ele- menten nach, alle Pflanzen enthalten noch überdies eine ge- wisse Menge Eisen, was wir im Blutfarbestoff wiederfinden. Pflanzenfibrin und Thierfibrin, Pflanzenalbumin und Thier- albumin sind kaum der Form nach verschieden; wenn diese Stoffe in der Nahrung der Thiere fehlen, so hört die Er- nährung der Thiere auf, und wenn sie darin gegeben wer- den, so empfängt das pflanzenfressende Thier die nämlichen Materien, auf welche die fleischfressenden zu ihrer Erhaltung beschränkt sind. Die Pflanzen erzeugen in ihrem Organismus das Blut aller Thiere, denn in dem Blut und Fleisch der pflanzen- fressenden verzehren die fleischfressenden im eigentlichen Sinne 4 Der chemische Proceß der nur die Pflanzenstoffe, von denen die ersteren sich ernährt haben; Pflanzenfibrin und -Albumin nehmen in dem Magen des pflanzenfressenden Thiers genau die nämliche Form an, wie Thierfibrin und Thieralbumin in dem Magen der Car- nivoren. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, daß die Entwicke- lung der Organe eines Thiers, ihre Vergrößerung und Zu- nahme an Masse an die Aufnahme gewisser Stoffe geknüpft ist, die identisch sind mit den Hauptbestandtheilen ihres Blutes. In diesem Sinne kann man sagen, daß der Thierorga- nismus sein Blut nur der Form nach schafft, daß ihm die Fähigkeit mangelt, es aus anderen Stoffen zu erzeugen, die nicht identisch sind mit seinen Hauptbestandtheilen. Damit kann freilich nicht behauptet werden, daß ihm die Fähigkeit, andere Verbindungen zu erzeugen, abgehe, wir wissen im Gegentheil, daß sein Organismus eine große Reihe von seinen Blutbestandtheilen in ihrer Zusammensetzung abweichender Verbindungen hervorbringt, aber den Anfangs- punkt der Reihe, seine Blutbestandtheile, diese kann er sich nicht bilden. Der Thierorganismus ist eine höhere Pflanze, deren Ent- wickelung mit denjenigen Materien beginnt, mit deren Er- zeugung das Leben der gewöhnlichen Pflanze aufhört; so- bald diese Samen getragen hat, stirbt sie ab, oder es hört damit eine Periode ihres Lebens auf. In der unendlichen Reihe von Verbindungen, welche mit den Nahrungsstoffen der Pflanzen, mit Kohlensäure und Am- Respiration und Ernährung . moniak und Wasser anfängt, bis zu den zusammengesetztesten Bestandtheilen des Gehirns im Thierkörper finden wir keine Lücke, keine Unterbrechung. Der erste Nahrungsstoff des Thieres ist das letzte Produkt der schaffenden Thätigkeit der Pflanze. Die Substanz der Zellen und Membranen, der Nerven und des Gehirns erzeugt die Pflanze nicht. Das Wunderbare in der schaffenden Thätigkeit der Pflanze verliert sich, wenn man erwägt, daß die Erzeugung der Blutbestandtheile nicht auffallender erscheinen kann, als wenn wir Ochsentalg und Hammelstalg (in den Kakaobohnen), oder Menschenschmalz (im Olivenöl), oder die Hauptbestandtheile der Kuhbutter (Palmbutter) auf Bäumen wachsend finden, daß wir das Pferdefett und den Fischthran in den ölreichen Samen entstehen sehen. X. So wenig man nun auch, wie sich aus dem Vorherge- henden ergiebt, über die Art und Weise in Ungewißheit sein kann, wie die Zunahme in der Masse der Organe eines Thieres vor sich geht, so bleibt immer noch eine überaus wichtige Frage zu lösen, die Rolle nämlich auszumitteln, welche die stickstofffreien Substanzen, Zucker, Amylon, Gummi, Pectin u. s. w. in dem thierischen Körper spielen. Die größte aller Thierklassen kann ohne diese Materien nicht leben, ihre Nahrung muß eine gewisse Menge davon 4* Der chemische Proceß der enthalten, und wir sehen ihrem Leben ein rasches Ziel gesetzt, wenn sie in ihr fehlen. Diese wichtige Frage erstreckt sich gleichfalls auf die Be- standtheile der Nahrung des fleischfressenden Thieres in der frühsten Periode seines Lebens, denn auch diese Nahrung enthält gewisse Bestandtheile, welche sein Körper zu seiner Erhaltung im erwachsenen Zustande nicht bedarf. In dem jugendlichen Körper der Fleischfresser geschieht offenbar die Ernährung in einer ähnlichen Weise, wie in dem Körper der pflanzenfressenden Thiere; seine Entwicke- lung ist an die Aufnahme einer Flüssigkeit gebunden, welche der Leib der Mutter in der Form der Milch absondert. Die Milch enthält nur einen stickhoffhaltigen Bestand- theil, den sogenannten Käsestoff, Casein; außer diesem sind ihre Hauptbestandtheile Butter (Fett) und Milchzucker. Aus dem stickstoffhaltigen Bestandtheil der Milch muß das Blut des jungen Thieres, seine Muskelfaser, Zellen und Nervensubstanz und seine Knochen, erzeugt worden sein, denn Butter und Milchzucker enthalten keinen Stickstoff. Die Untersuchung des Caseins hat nun zu dem Resul- tate geführt, was nach dem Vorhergehenden kaum mehr über- raschen kann, daß auch dieser Stoff identisch ist in seiner Zusammensetzung mit den Hauptbestandtheilen des Blutes, mit Fibrin und Albumin, ja was noch mehr ist, die Ver- gleichung seiner Eigenschaften mit denen des Pflanzencaseins hat gezeigt, daß er mit diesem auch identisch ist in allen seinen Eigenschaften, in der Art also, daß gewisse Pflanzen Respiration und Ernährung . wie die Erbsen, Bohnen, Linsen, den nämlichen Körper zu erzeugen vermögen, welcher aus dem Blute der Mutter ent- steht und zur Blutbildung in dem Körper des jungen Thie- res verwendet wird 9 ). In dem Casein, das sich durch seine außerordentliche Löslichkeit und Nichtgerinnbarkeit in der Wärme von dem Fibrin und Albumin unterscheidet, empfängt demnach das junge Thier, seinem Hauptbestandtheil nach, das Blut seiner Mutter; zu seinem Uebergang in Blut gehört kein dritter Stoff, und keiner der Bestandtheile des Blutes seiner Mut- ter trennt sich davon bei ihrem Uebergang in Casein. In chemischer Verbindung enthält das Casein der Milch eine weit größere Quantität von Knochenerde, als wie das Blut, und zwar in höchst löslichem Zustande, überführbar also in alle Körpertheile. Auch in der frühsten Periode ihres Le- bens ist die Entwickelung und Ausbildung der Träger der Lebensthätigkeit im jungen Thiere an die Aufnahme einer Materie gebunden, welche in Beziehung auf seine organischen Bestandtheile identisch ist in ihrer Zusammensetzung mit den Hauptbestandtheilen seines Blutes. Wozu dient nun aber das Fett der Butter, der Milch- zucker? Was ist der Grund, warum sie zu dem Leben der jungen Thiere unentbehrlich sind? Butter und Milchzucker enthalten keine fixen Basen, kei- nen Kalk, kein Natron, kein Kali; der Milchzucker besitzt eine den gewöhnlichen Zuckerarten, dem Amylon, dem Gummi ähnliche Zusammensetzung, sie bestehen aus Koh- Der chemische Proceß der lenstoff und den Elementen des Wassers, und zwar genau in dem nämlichen Verhältnisse, wie im Wasser. Durch diese stickstofffreien Stoffe ist also ihren stickstoff- haltigen eine gewisse Menge von Kohlenstoff, oder, wie in der Butter, von Kohlenstoff und Wasserstoff zugesetzt, ein Ueber- schuß von Elementen also, der zur Blutbildung schlechterdings nicht verwendet werden kann, eben weil ihre stickstoffhaltigen Nahrungsmittel genau die Kohlenstoffmengen schon enthalten, welche zur Bildung von Fibrin und Albumin nöthig sind. Man kann, wie aus den folgenden Betrachtungen sich ergeben wird, kaum einen Zweifel hegen, daß dieser Ueber- schuß an Kohlenstoff allein, oder an Kohlen- und Wasserstoff zur Hervorbringung der animalischen Wärme, daß er zum Widerstand gegen die äußere Einwirkung des Sauerstoffs verwendet wird. XI. Betrachten wir zuförderst, um zu einer klareren Einsicht in das Wesen des Ernährungsprocesses in den beiden Thier- klassen zu gelangen, die Veränderungen, welche die Nahrung des fleischfressenden Thieres in seinem Organismus erfährt. Wir geben einer erwachsenen Schlange eine Ziege, ein Kaninchen oder einen Vogel zu verzehren und finden, daß die Haare, Klauen, Federn, Knochen dieser Thiere scheinbar unverändert ausgeworfen werden, denn sie haben ihre Form und natürliche Beschaffenheit behalten, sie sind zerbrechlich, Respiration und Ernährung . weil sie von allen nur den der Auflösung fähigen Bestand- theil (Leimsubstanz) verloren haben. Eigentliche Faeces gehen von der Schlange so wenig, wie von den fleischfressenden Vögeln ab. Das Fleisch, das Fett, das Blut, die Gehirn- und Ner- vensubstanz des verzehrten Thieres, alles übrige ist, wenn die Schlange ihr ursprüngliches Gewicht wieder erhalten hat, verschwunden. Als das einzige Excrement finden wir eine Materie, welche durch die Harnwege ausgeleert wird; im trocknen Zustande ist sie blendend weiß wie Kreide, sie ist sehr reich an Stick- stoff, und enthält nur kohlensauren und phosphorsauren Kalk beigemischt. Dieses Excrement ist harnsaures Ammoniak, eine chemi- sche Verbindung, in welcher sich der Stickstoff zum Kohlenstoff in dem nämlichen Verhältniß befindet, wie im sauren kohlen- sauren Ammoniak, sie enthält auf 1 Aeq. Stickstoff 2 Aeq. Kohlenstoff. Die Muskelfaser, das Blut, die Membranen und Häute enthielten aber auf die nämliche Quantität Stickstoff vier- mal so viel Kohlenstoff, nämlich 8 Aequivalente, und wenn man hierzu den Kohlenstoff des genossenen Fettes, der Ner- ven- und Gehirnsubstanz hinzurechnet, so ist klar, daß die Schlange auf 1 Aeq. Stickstoff weit mehr als 8 Aeq. Koh- lenstoff verzehrt hat. Wenn wir nun annehmen, daß das harnsaure Ammoniak allen Stickstoff des verzehrten Thieres enthält, so sind offen- Der chemische Proceß der bar im geringsten Falle 6 Aeq. Kohlenstoff, die mit diesem Stickstoff verbunden waren, in einer andern Form ausgetre- ten, wie die übrigen zwei Atome, die wir im harnsauren Ammoniak wiederfinden. Wir wissen nun mit zweifelloser Gewißheit, daß dieser Koh- lenstoff aus Haut und Lunge ausgetreten ist, und zwar konnte dies nur geschehen in der Form einer Sauerstoffverbindung. Die Excremente eines Bussards, der mit Rindfleisch ge- füttert worden, aus der Kloake genommen, bestanden der Untersuchung nach (L. Gmelin u. Tiedemann ) aus harn- saurem Ammoniak. Ebenso sind die Faeces bei Löwen und Tiegern sparsam und trocken, sie enthalten der Hauptsache nach Knochenerde und nur Spuren von kohlenstoffhaltigen Materien, aber ihr Harn enthält kein harnsaures Ammoniak, sondern Harnstoff, eine Verbindung, welche Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniß wie im neutralen kohlensauren Ammoniak enthält. Angenommen, daß ihre Nahrung (Fleisch ꝛc.) Stickstoff und Kohlenstoff in dem Verhältniß wie 1 : 8 enthielt, so finden wir in dem Harn beide nur in dem Verhältniß wie 1 : 1 wieder, ein kleineres Verhältniß von Kohlenstoff also, wie bei den Schlangen, in denen der Respirationsakt bei weitem weniger thätig ist. Aller Kohlenstoff und Wasserstoff, den die Nahrung dieser Thiere mehr enthielt, als wir in ihren Excrementen wieder finden, sie sind, als Kohlensäure und Wasser, durch den Re- spirationsproceß verschwunden. Respiration und Ernährung . Hätten wir das verzehrte Thier in einem Ofen verbrannt, so würde die vorgegangene Veränderung nur der Form der Stickstoffverbindungen nach eine andere gewesen sein. Den Stickstoff würden wir als kohlensaures Ammoniak, den übrigen Kohlenstoff als Kohlensäure, den übrigen Was- serstoff als Wasser wiederbekommen haben. Es würden die unverbrennlichen Theile als Asche, die unverbrannten als Ruß übrig geblieben sein. Die festen Excremente sind aber nichts anders als die im Thierkörper unverbrennlichen, oder unvollkommen verbrannten Theile der Nahrung. In dem Vorhergehenden ist angenommen worden, daß die Bestandtheile der von dem Thiere genossenen Nahrungs- mittel in seinem Organismus, in Folge des durch Lunge und Haut aufgenommenen Sauerstoffs, ihr Kohlenstoff in Kohlensäure, ihr Wasserstoff und ihr Stickstoff in eine chemi- sche Verbindung, welche die Elemente des kohlensauren Am- moniaks enthält, übergehen. Diese Voraussetzung ist nur der äußeren Erscheinung nach wahr, in der That erlangt nach einer gewissen Zeit der Thierkörper sein ursprüngliches Gewicht wieder, sein Ge- halt an Kohlenstoff und den andern Elementen hat in seinem Körper nicht zugenommen, es ist genau so viel Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff ꝛc. wieder ausgetreten, als ihm davon in der Speise zugeführt wurde. Aber nichts kann gewisser sein, als daß der ausgetretene Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff nicht von der Speise herrührt, wenn sie auch, der Quantität nach, den dadurch zugeführten gleich waren. Der chemische Proceß der Es wäre aller Vernunft entgegen, wenn man annehmen wollte, die Stillung des Hungers, das Bedürfniß nach Speise habe keinen andern Zweck, als die Erzeugung von Harnstoff, Harnsäure, Kohlensäure und den andern Excrementen, von Materien, die der Körper ausstößt, in seiner Haushaltung also zu nichts verwendet. Die Speisen dienen in dem erwachsenen Thiere zum Er- satz an verbrauchtem Stoff, gewisse Theile der Organe ha- ben ihren Zustand des Lebens verloren, sie sind aus der Substanz der Organe ausgetreten, sie haben sich zu neuen und zwar formlosen Verbindungen umgesetzt. Die Speise des Fleischfressers wurde zur Blutbildung ver- wendet und aus dem neuerzeugten Blute haben sich die um- gesetzten Organe wieder neu gebildet. Der Kohlenstoff und Stickstoff der Nahrung sind zu Bestandtheilen des Organis- mus geworden. Eben so viel Kohlenstoff und Stickstoff als die Organe abgegeben haben, genau so viel ist ihnen durch das Blut und in letzter Form durch die Speise wieder ersetzt worden. Wo sind denn aber, kann man fragen, die neuen Verbin- dungen hingekommen, welche durch die Umsetzung der Be- standtheile der Organe, der Muskelfaser, der Substanz der Membranen und Zellen, der Nerven- und Gehirnsubstanz, entstanden sind? Diese neuen Verbindungen, sie konnten keinen Moment, insofern sie löslich waren, an dem Platze beharren, wo sie entstanden sind, denn eine sehr wohlbekannte Thätigkeit, die Respiration und Ernährung . Blutcirculation nämlich, widersetzt sich diesem Beharren. Durch die Erweiterung des Herzens, in dem sich zwei Systeme von Kanälen vereinigen, welche sich in ein unendlich feines Netzwerk von Röhrchen durch alle Theile des Thier- körpers hin verzweigen, entsteht abwechselnd ein luftleerer Raum, in dessen unmittelbarer Folge, durch den äußern atmosphärischen Druck, alle Flüssigkeiten, die in dieses Röh- rensystem gelangen können, nach der einen Seite des Herzens hin mit großer Gewalt getrieben werden. Diese Bewegung wird bei der Zusammenziehung des Herzens durch einen von dem Gewichte der Atmosphäre unabhängigen Druck aufs kräftigste unterstützt. Wir haben mit einem Worte in dem Herzen eine Druck- pumpe, durch welche arterielles Blut in alle Theile des Körpers getrieben wird, und eine Saugpumpe, durch welche alle Flüssig- keiten, von welcher Beschaffenheit sie auch sein mögen, sobald sie in das Röhrensystem der Saugadern, die sich mit den Venen vereinigen, gelangen können, nach dem Herzen hin geführt werden. Diese Aufsaugung, in Folge des im Herzen entstan- denen luftleeren Raums, ist ein rein mechanischer Act, der sich, wie bemerkt, auf flüssige Stoffe jeder Art, Salzauflösun- gen, Gifte ꝛc. erstreckt. Es ist nun einleuchtend, daß durch das Einströmen des arteriellen Blutes in die Capillargefäße alle dort vorhandenen Flüssigkeiten, sagen wir die löslichen Verbindungen, die durch die Umsetzung der Gebilde entstanden sind, eine Bewegung nach dem Herzen hin empfangen müssen. Diese Materien können zur Neubildung der nämlichen Der chemische Proceß der Organe, aus denen sie entstanden sind, nicht verwendet wer- den; sie gelangen durch das Saug- und Lymphgefäßsystem in die Venen, wo ihre Anhäufung dem Ernährungsproceß eine sehr rasche Grenze setzen würde, wenn sich dieser Ansamm- lung nicht zwei, ganz besonders zu diesem Zwecke eingerich- tete, Filtrirapparate widersetzen würden. Das venöse Blut nimmt, ehe es zum Herzen gelangt, seinen Weg durch die Leber, das arterielle Blut geht durch die Nieren, welche alle für den Ernährungsproceß untaugli- chen Stoffe davon scheiden. Die neuentstandenen Verbindungen, welche den Stickstoff der umgesetzten Organe enthalten, sammeln sich in der Harnblase an und treten, indem sie einer weiteren Verwen- dung durchaus unfähig sind, aus dem Körper aus. Alle anderen, welche den Kohlenstoff der umgesetzten Ge- bilde enthalten, sammeln sich in Gestalt einer löslichen, mit Wasser in allen Verhältnissen mischbaren Natronverbindung in der Gallenblase an, aus der sie sich im Duodenum mit dem Speisebrei wieder mischen. Alle Theile der Galle, die ihre Löslichkeit in dem Verdauungsproceß nicht verlieren, kehren während der Verdauung frisch genossener Nahrung im un- endlich fein zertheilten Zustande wieder in den Körper zurück. Das Natron der Galle, so wie alle durch schwache Säure nicht fällbaren, kohlenstoffreichen Bestandtheile (diese betragen 99/100 aller übrigen), behalten ihre Fähigkeit, durch die Saug- adern des Dünndarms und Dickdarms wieder resorbirt zu werden, unverändert bei. Ja diese Fähigkeit ist direct be- Respiration und Ernährung . weisbar durch gallehaltige Klystiere, deren Gallegehalt mit der Flüssigkeit im Mastdarm verschwindet. Die stickstoffhaltigen Verbindungen, welche in Folge der Umsetzung der Gebilde entstanden, wir wissen genau, daß sie, durch die Nieren von dem venösen Blute geschieden, als einer weiteren Veränderung durchaus unfähig, aus dem Körper treten, aber die kohlenstoffreichen Produkte, sie kehren in den Körper des fleischfressenden Thieres zurück. Die Nahrung des fleischfressenden Thieres ist identisch mit den Hauptbestandtheilen seines Körpers; die Metamor- phosen, welche seine Gebilde erfahren, sie müssen identisch sein mit den Veränderungen, welche in ihren Lebensakten ihre Nahrungsmittel erleiden. Das verzehrte Fleisch und Blut giebt seinen Kohlenstoff zur Unterhaltung des Respirationsprocesses her, seinen Stick- stoff erhalten wir als Harnstoff oder Harnsäure wieder. Ehe aber diese letzte Veränderung erfolgt, wird das todte Fleisch und Blut zu lebendigem Fleisch und Blut, und es ist im eigentlichen Sinne der Kohlenstoff der durch Umsetzung der lebenden Gebilde entstandenen Verbindungen, welcher zur Hervorbringung der thierischen Wärme dient. Die Speise des Fleischfressers verwandelt sich in Blut, das Blut ist bestimmt zur Reproduktion der Organe, durch die Blutcirculation wird ein Strom von Sauerstoff allen Theilen des Körpers zugeführt. Die Träger dieses Sauer- stoffs, die Blutkörperchen, welche nachweisbar keinen Antheil an dem Nutritionsprocesse nehmen, geben ihn beim Durch- Der chemische Proceß der gang durch die Capillargefäße wieder ab. Dieser Sauerstoff- strom begegnet auf diesem Wege den durch die Umsetzung der Gebilde entstandenen Verbindungen, er verbindet sich mit ihrem Kohlenstoff zu Kohlensäure, mit ihrem Wasserstoff zu Wasser, und alles, was diesen Oxydationsproceß nicht erlitten hat, kehrt in der Form von Galle wieder in den Körper zurück, wo sie nach und nach völlig verschwindet. Bei den Fleischfressern enthält die Galle den Kohlenstoff der umgesetzten Gebilde, dieser Kohlenstoff verschwindet in dem thierischen Körper, die Galle verschwindet in dem Le- bensproceß, ihr Kohlenstoff tritt als Kohlensäure, ihr Was- serstoff als Wasser durch Haut und Lunge aus; es ist klar, die Bestandtheile der Galle dienen zur Respiration und zur Hervorbringung der animalischen Wärme. Alle Theile der Nahrung der Fleischfresser sind fähig in Blut überzu- gehen, ihre Excremente enthalten nur anorganische Substanz (Knochenerde ꝛc.), und was wir an organischen Stoffen diesen beigemischt finden, sind lediglich Excretionen, welche den Durchgang durch die Eingeweide vermitteln. Bei den fleisch- fressenden Thieren enthalten die Excremente keine Galle, kein Natron; keine Spur einer der Galle ähnlichen Substanz wird von Wasser daraus aufgenommen, die Galle ist aber in allen Verhältnissen darin löslich und damit mischbar. Ueber den Ursprung der Bestandtheile des Harns und der Galle können die Physiologen nicht im Zweifel sein; wenn der Magen bei Enthaltung aller Speise sich darmartig zu- sammenzieht, kann sich aus der Gallenblase, da sie keine Be- Respiration und Ernährung . wegung empfängt, keine Galle ergießen; in dem Körper der Verhungerten finden wir die Gallenblase straff und voll. Wir beobachten Galle- und Harnsekretion bei den Winterschläfern, wir wissen, daß der Harn der Thiere (Hunde), die während 18 bis 20 Tagen keine andere Nahrung als reinen Zucker bekamen, ebensoviel an dem stickstoffreichsten Produkt des Thierkörpers, ebensoviel Harnstoff enthielt, als im gesunden Zustande ( Marchand, Erdm . J. XIV. p. 495.). Unter- schiede in der Menge des secernirten Harnstoffs erklären sich in diesen und ähnlichen Versuchen durch den Mangel oder die Gestattung der natürlichen Bewegungen. Eine jede Be- wegung steigert den Umsatz der Gebilde, nach einem jeden Spaziergang vermehrt sich beim Menschen die Harnsekretion. Der Harn der Säugethiere, Vögel, der Amphibien ent- hält Harnsäure oder Harnstoff, der Koth der Weichthiere, der Insecten, der Canthariden, des Seidenwurm-Schmetter- lings enthält harnsaures Ammoniak; die Beständigkeit des Vorkommens einer oder zweier Stickstoff-Verbindungen in den Ausleerungen der Thiere, bei einer so großen Verschie- denheit in der genossenen Nahrung, zeigt mit Bestimmtheit an, daß sie aus einer und derselben Quelle entspringen. Ebensowenig zweifelhaft kann man über die Rolle sein, welche die Galle in dem Lebensproceß übernimmt. Wenn man sich erinnert, daß essigsaures Kali, in der Form eines Klystiers oder als Fußbad genommen, den Harn im hohen Grade alkalisch macht ( Rehberger in Tiedemann’s Zeit- schrift für Physiologie II. 149.), daß die Umwandlung, welche Der chemische Proceß der hier die Essigsäure erfährt, nicht ohne ein Hinzutreten von Sauerstoff gedacht werden kann, so ist klar, daß die löslichen Bestandtheile der Galle, veränderlich im hohen Grade, so wie wir sie kennen, welche durch die Eingeweide in den Orga- nismus wieder zurückkehren, da sie zur Blutbildung nicht ver- wendet werden können, der Einwirkung des Sauerstoffs in einer ganz ähnlichen Weise unterliegen müssen. Die Galle ist eine Natronverbindung, deren Bestandtheile in dem Körper des fleischfressenden Thieres bis auf das Natron verschwinden. Nach der Ansicht vieler der ausgezeichnetsten Physiologen ist die Galle zur Ausleerung bestimmt, und nichts kann ge- wisser sein, als daß eine an Stickstoff so arme Materie in dem Nutritionsproceß keine Rolle übernimmt, allein die quan- titative Physiologie muß die Ansicht, daß sie zu keinerlei Zwecken dient, daß sie unfähig zu weiteren Veränderungen ist, mit Entschiedenheit zurückweisen. Kein Bestandtheil eines Organs enthält Natron, nur in dem Blute ( Serum ), in dem Gehirnfett und in der Galle haben wir Natronverbindungen. Wenn die Natronverbin- dungen des Bluts in Muskelfaser, in Membranen und Zellen übergehen, so muß ihr Natron in eine neue, in eine andere Verbindung treten; das in Muskelfaser, in Membranen über- gehende Blut giebt sein Natron an Verbindungen ab, welche durch die Umsetzung der Gebilde entstanden sind. Eine die- ser neuen Natronverbindungen erhalten wir in der Galle wieder. Wäre die Galle zur Ausleerung bestimmt, so müßten Respiration und Ernährung . wir sie verändert oder unverändert, wir müßten das Natron in den festen Excrementen wiederfinden. Aber bis auf ge- wissen Mengen von Kochsalz und schwefelsauren Salzen, welche Bestandtheile aller thierischen Flüssigkeiten sind, finden wir in den festen Excrementen nur Spuren von Natronverbin- dungen. Das Natron der Galle ist aber jedenfalls aus den Eingeweiden in den Organismus wieder zurückgekehrt, und das nämliche muß von den organischen Stoffen gelten, die mit diesem Natron verbunden bleiben. Ein Mensch secernirt nach den Beobachtungen der Phy- siologen 17—24 Unzen Galle, ein großer Hund 36 Un- zen, ein Pferd 37 Pfd. Galle ( Burdach’s Physiologie 5r Band S. 260.) Die festen Excremente eines Menschen wie- gen aber durchschnittlich nicht über 5½ Unzen, die eines Pferdes 28½ Pfd. Boussingault (7½ Pfd. trockne Sub- stanz und 21 Pfd. Wasser). Die letzteren geben mit Alkohol behandelt nur 1/76 ihres Gewichts lösliche Theile ab. Die- ser sechsundsiebzigste Theil von dem Gewicht der festen Ex- cremente des Pferdes müßte Galle sein. Den Wassergehalt der Galle zu 90 pCt. angenommen, secernirt ein Pferd täglich 592 Unzen Galle, welche 59,2 Un- zen feste Substanz enthalten, während aus 120 Unzen trock- ner Excremente (7½ Pfd.) nur 6 Unzen einer Substanz ausziehbar sind, die man für Galle nehmen könnte. Aber das, was der Alkohol aus den Excrementen auflös’t, ist keine Galle mehr, von dem Weingeist befreit bleibt ein weicher, ölartiger Rückstand, welcher seine Löslichkeit im Wasser gänz- 5 Der chemische Proceß der lich eingebüßt hat, er hinterläßt nach dem Verbrennen keine alkalische Asche, kein Natron 10 ). Während dem Verdauungsproceß ist also das Natron der Galle und mit ihm alle Bestandtheile derselben, die ihre Lös- lichkeit nicht verloren haben, in den Organismus zurückge- kehrt; wir finden dieses Natron in dem neugebildeten Blute wieder, wir finden es zuletzt in der Form von phosphorsau- rem, kohlensaurem und hippursaurem Natron im Urin. In 1000 Theilen fester, frischer Menschenexcremente fand Berze- lius nur 9 Theile einer der Galle ähnlichen Substanz, fünf Unzen würden hiernach nur 21 Gran fester Galle enthalten, entsprechend mit ihrem Wassergehalte 200 Gr. Galle im na- türlichen Zustande; es werden aber beim Menschen 9640 bis 11520 Gran Galle täglich secernirt, also 45- bis 56mal mehr als man in den durch den Darmkanal ausgeleerten Stoffen nachzuweisen vermag. Welche Vorstellung man nun auch hegen mag über die Richtigkeit der physiologischen Versuche in Beziehung auf die Menge der in verschiedenen Thierklassen secernirten Galle, so viel ist vollkommen gewiß, daß auch das Maximum der- selben noch nicht den Kohlenstoff enthält, den ein Mensch oder ein Pferd in 24 Stunden ausathmet. Mit allen ihren Gemeng- oder Bestandtheilen an Fett ꝛc. enthalten 100 Theile fester Galle nicht über 69 pCt. Kohlenstoff; in 37 Pfd. Galle, die ein Pferd secernirt, sind demnach nur 80 Loth Kohlenstoff enthalten. Das Pferd athmet aber täglich nahe doppelt soviel Kohlenstoff in der Form von Kohlensäure aus. Ein Respiration und Ernährung . ganz ähnliches Verhältniß findet bei dem Menschen statt. Mit dem zur Neubildung und Reproduction bestimm- ten Stoff wird durch die Blutcirculation allen Theilen des Körpers Sauerstoff zugeführt. Welche Verbindung dieser Sauerstoff in dem Blut auch eingegangen sein mag, es muß als gewiß angenommen werden, daß die- jenigen Bestandtheile, welche zur Reproduktion verwendet werden, keine wesentliche Veränderung durch ihn erlitten haben, in der Muskelfaser finden wir das Fibrin mit allen seinen Eigenschaften, die es im venösen Blute besitzt, wie- der vor, das Albumin im Blut nimmt kein Sauerstoffgas auf; der im Blute aufgenommene Sauerstoff mag dazu ge- dient haben, um gewisse unbekannte Bestandtheile des Blutes in Gaszustand zu versetzen, aber die zur Ernährung und Reproduktion dienenden bekannten Hauptbestandtheile dessel- ben, sie können von der Natur nicht dazu bestimmt sein, um den Respirationsproceß zu unterhalten, keine ihre Eigenschaften rechtfertigt eine solche Vorstellung. Ohne die Frage über den Antheil, den die Galle an den Lebensprocessen nimmt, hier einer erschöpfenden Erörterung zu unterwerfen, geht, wie bemerkt, aus der einfachen Ver- gleichung der assimilirbaren Bestandtheile der Nahrung eines fleischfressenden Thieres mit den letzten Producten, in die sie verwandelt wird, hervor, daß aller Kohlenstoff derselben, der sich nicht im Harne befindet, in der Form von Koh- lensäure ausgetreten ist. Dieser Kohlenstoff stammte aber von der Substanz der 5* Der chemische Proceß der umgesetzten Gebilde und, dieses festgesetzt, lös’t sich die Frage über die Nothwendigkeit des Vorhandenseins von kohlen- stoffreichen und stickstofflosen Materien in der Nahrung der jugendlichen Carnivoren und der pflanzenfressenden Thiere auf eine höchst einfache Weise. XII. Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß in einem er- wachsenen fleischfressenden Thiere, was an Gewicht von Tag zu Tag weder merklich zunimmt, noch abnimmt, Nah- rung, Umsetzung der Gebilde und Sauerstoffverbrauch in ei- nem ganz bestimmten Verhältniß zu einander stehen. Der Kohlenstoff der entwichenen Kohlensäure, der des Harns, der Stickstoff des Harns und der Wasserstoff, welcher als Ammoniak und Wasser austritt, diese Elemente zusam- mengenommen müssen dem Gewicht nach vollkommen gleich sein dem Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff der umge- setzten Gebilde, und, insofern diese durch die Nahrung genau ersetzt worden sind, dem Kohlenstoff, Stickstoff und Wasser- stoff der Nahrung. Wäre dies nicht der Fall, so würde das Gewicht des Thieres sich nicht gleich bleiben können. Das Gewicht des sich entwickelnden jungen fleischfressen- den Thieres bleibt sich aber nicht gleich, es nimmt im Gegen- theile von Tag zu Tag um eine bestimmbare Größe zu. Diese Thatsache setzt voraus, daß der Assimilationsproceß in dem jugendlichen Thiere stärker, intensiver ist, als der Respiration und Ernährung . Proceß der Umsetzung der vorhandenen Gebilde. Wären beide Thätigkeiten gleich, so könnte ihr Gewicht nicht zunehmen, wäre der Verbrauch größer, so müßte sich ihr Gewicht ver- mindern. Der Blutumlauf ist in dem jungen Thiere aber nicht schwächer, er ist im Gegentheil beschleunigter, die Athembe- wegungen sind rascher, und bei gleichem Körper-Volum muß der Sauerstoffverbrauch eher größer als kleiner sein, wie bei er- wachsenen Thieren. Aber da die Umsetzung der Gebilde langsamer vor sich geht, so würde es an denjenigen Materien fehlen, deren Kohlenstoff und Wasserstoff sich zur Verbindung mit dem Sauerstoff eignet, denn es sind ja bei den fleischfres- senden Thieren die neuen Verbindungen, die aus der Um- setzung der Organe entstanden, welche die Natur zum Widerstande gegen den einwirkenden Sauerstoff und zur Hervorbringung der animalischen Wärme bestimmt hat. Was also an diesem Wi- derstande fehlt, setzt eine bewunderungswürdige Weisheit dem jungen Thiere in seiner Nahrung zu. Der Kohlenstoff und Wasserstoff der Butter, der Kohlenstoff des Milchzuckers, aus welchen kein Bestandtheil zu Blut, zu Fibrin und Albumin werden kann, sie sind zur Unterhaltung des Respirationsprocesses in einem Lebensalter bestimmt, wo ein stärkerer Widerstand sich der Metamorphose der vorhande- nen Gebilde entgegensetzt, der Erzeugung von Stoffen also, welche im erwachsenen Zustande in völlig zur Respiration aus- reichender Menge produzirt werden. Das junge Thier empfängt seine Blutbestandtheile in dem Der chemische Proceß der Casein der Milch, eine Umsetzung der vorhandenen Gebilde geht vor sich, denn Gallen- und Harnsekretion finden statt, die Substanz der umgesetzten Gebilde tritt in der Form von Harn und von Kohlensäure und Wasser aus ihrem Körper, allein die Butter und der Milchzucker der Milch sind ebenfalls verschwun- den, sie lassen sich in den Faeces nicht nachweisen. Butter und Milchzucker sind in der Form von Wasser und Kohlensäure ausgetreten und ihre Verwandlung, in Sauerstoffver- bindungen beweist aufs klarste, daß weit mehr Sauerstoff auf- genommen wurde, als nöthig war, um mit dem Kohlenstoff und Wasserstoff der umgesetzten Gebilde Kohlensäure und Wasser zu bilden. Die in dem Lebensproceß des jungen Thieres vor sich ge- hende Veränderung und Umsetzung der Gebilde liefert demge- mäß, in einer gegebenen Zeit, weit weniger Kohlenstoff und Wasserstoff in der zur Respiration geeigneten Form, als dem aufgenommenen Sauerstoff entspricht, die Substanz ihrer Or- gane würde einen rascheren Stoffwechsel erfahren, sie würde der Einwirkung des Sauerstoffs unterliegen müssen, wenn der fehlende Kohlenstoff und Wasserstoff von einer andern Quelle nicht geliefert werden würde. Die fortschreitende Zunahme an Masse, die freie und unge- hinderte Entwickelung der Organe des jungen Thieres, sie wird also durch die Gegenwart fremder Materien bedingt, die in dem Ernährungsproceß keine andere Rolle spielen, als daß sie die neu sich bildenden Organe vor der Einwirkung des Sauerstoffs schützen, ihre Bestandtheile sind es, die sich mit dem Sauerstoff Respiration und Ernährung . verbinden; ohne zu unterliegen, würden die Organe selbst die- sen Widerstand nicht übernehmen können, d. h. eine Zunahme an Masse, bei gleichem Sauerstoffverbrauch, würde schlechter- dings unmöglich seyn. Ueber den Zweck, zu welchem die Natur der Nahrung der jungen Säugthiere stickstofffreie Materien zugesetzt hat, die ihr Organismus zur eigentlichen Ernährung, zu Blutbildung nicht verwenden kann, Materien, die zur Unterhaltung ihrer Lebens- funktionen in erwachsenem Zustande völlig entbehrlich sind, kann man nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft seyn. Bei den fleischfressenden Vögeln ist der Mangel aller Bewegung offenbar ein Grund eines verminderten Stoffwechsels. Der Ernährungsproceß der fleischfressenden Thiere stellt sich mithin in zwei Formen dar, von denen wir die eine Form in den gras- und körnerfressenden Thieren wiederkehren sehen. XIII. Bei dieser Thierklasse beobachten wir, daß während ihrer ganzen Lebensdauer ihre Existenz an die Aufnahme von Stoffen geknüpft ist, welche eine dem Milchzucker gleiche oder ähnliche Zusammensetzung besitzen. Allem was sie genießen, ist jeder- zeit eine gewisse Quantität von Amylon (Stärke), oder Gummi, oder Zucker beigemischt. Die am meisten verbreitete Substanz dieser Klasse ist das Amylon; es findet sich in Wurzeln, Samen, in den Stengeln, in dem Holzkörper, abgelagert in der Form von rundlichen oder Der chemische Proceß der ovalen Körnchen, welche nur in der Größe, aber keineswegs in der chemischen Zusammensetzung 11 ) von einander abweichen. Wir finden in einer und derselben Pflanze, in den Erbsen z. B., Stärkemehl von ungleicher Größe, in dem ausgepreßten Saft von Erbsenstengeln haben die sich absetzenden Stärkekörnchen einen Durchmesser von 1/200 bis 1/150 Millimeter, während die Stärkekörnchen der Samenlappen drei- bis viermal größer sind. Vor allen andern sind die Stärkekörnchen der Pfeilwurzel und der Kartoffel ausgezeichnet durch ihre Größe, die des Reises und des Weitzens durch ihre Kleinheit. Es ist wohlbekannt, daß durch sehr verschiedene Einwir- kungen das Stärkemehl übergeführt werden kann in Zucker; dies geschieht in dem Keimungsproceß (in dem Malzproceß), und namentlich durch die Einwirkung von Säuren. Die Ueberführung des Stärkemehls in Zucker wird, wie sich durch die Analyse darthun läßt, durch eine einfache Aufnahme der Bestandtheile des Wassers bewirkt 12 ). Allen Kohlenstoff der Stärke, wir bekommen ihn in dem Zucker wieder, es ist keiner ihrer Bestandtheile ausgetreten, und außer den Elementen des Wassers ist kein fremdes Element hinzugetreten. In sehr vielen, namentlich fleischigen Früchten, die im un- reifen Zustande sauer und herbe, im reifen hingegen süß sind, wie in den Aepfeln und Birnen, entsteht der Zucker aus dem Amylon, was diese Früchte enthalten. Wenn man unreife Aepfel oder Birnen auf einem Reibeisen in einen Brei verwandelt und diesen auf einem feinen Sieb mit Respiration und Ernährung . Wasser auswäscht, so setzt sich aus der trüben ablaufenden Flüssigkeit ein höchst feines Stärkmehl ab, von dem man in den sogenannten reifen Früchten keine Spur mehr wahrnimmt. Manche von diesen Obstsorten werden auf dem Baume süß (Sommer-Birnen, -Aepfel), andere hingegen erst einige Zeit nachher, wenn sie, vom Baume genommen, aufbewahrt werden. Dieses sogenannte Nachreifen, wie man dieses Süßwerden nennt, ist ein rein chemischer Proceß, der mit dem Pflanzenleben nichts zu thun hat. Mit dem Aufhören der Vegetation ist die Frucht zur Fortpflanzung geeignet, d. h. der Kern ist völlig reif, allein die fleischige Hülle unterliegt von diesem Zeitpunkte an der Einwirkung der Atmosphäre, sie nimmt wie alle verwesenden Substanzen Sauerstoff auf, und es trennt sich von ihrer Substanz eine gewisse Menge kohlensaures Gas. Aehnlich nun wie die Stärke in faulendem Kleister oder durch verwesenden Kleber in Zucker übergeführt wird, verwandelt sich das Amylon der genannten verwesenden Früchte in Traubenzucker, sie werden in dem Verhältniß süßer, als sie mehr Stärke enthielten. Zwischen Amylon und Zucker findet nach dem Vorerwähn- ten ein ganz bestimmter Zusammenhang statt; durch eine Menge chemischer Actionen, welche auf die Elemente des Amylons keine andere Wirkung äußern, als daß sie die Richtung ihrer gegenseitigen Anziehung ändern, sind wir im Stande, das Amy- lon in Zucker und zwar in Traubenzucker überzuführen. Der Milchzucker 13 ) verhält sich in vielen Beziehungen ähnlich wie das Amylon, er ist für sich der weingeistigen Gährung nicht fähig, er erlangt aber die Eigenschaft in Alkohol und Koh- Der chemische Proceß der lensäure zu zerfallen, wenn er mit einer gährenden Materie (dem faulenden Käse in der Milch) bei Gegenwart von Wasser einer höheren Temperatur ausgesetzt wird. In diesem Fall ver- wandelt er sich zuerst in Traubenzucker; die nämliche Verwandlung erfährt der Milchzucker, wenn er mit Säuren, mit Schwefelsäure z. B., bei gewöhnlicher Temperatur in Berührung gelassen wird. Das Gummi hat eine dem Rohrzucker gleiche procentische Zusammensetzung 14 ), es unterscheidet sich von den Zuckerarten und dem Amylon, insofern ihm die Fähigkeit abgeht, durch den Proceß der Fäulniß in Weingeist und Kohlensäure zu zer- fallen; gährenden Substanzen zugesetzt, erleidet es keine merk- liche Veränderung, woraus man mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen kann, daß seine Elemente in der Ordnung, in wel- cher sie vereinigt sind, mit einer stärkeren Kraft zusammenge- halten sind, wie die Elemente der verschiedenen Zuckerarten. Einen gewissen Zusammenhang zeigt das Gummi übrigens mit dem Milchzucker, beide geben nämlich bei Behandlung mit Salpetersäure einerlei Oxydationsproducte, nämlich Schleimsäure, die sich unter denselben Bedingungen aus den Zuckerarten nicht darstellen läßt. Wenn wir, um die Aehnlichkeit in der Zusammensetzung dieser verschiedenen Materien, welche in dem Ernährungsproceß der pflanzenfressenden Thiere eine so wichtige Rolle überneh- men, noch mehr hervortreten zu machen, 1 Aequivalent Kohlen- stoff mit C (= 75,8 Kohlenstoff) und 1 Aequivalent Wasser mit aqua (= 112,4) bezeichnen, so erhalten wir für die Zu- sammensetzung der genannten Substanzen folgende Ausdrücke: Respiration und Ernährung . Amylon = 12 C + 10 aq. Rohrzucker = 12 C + 10 aq. + aq. Gummi = 12 C + 10 aq. + aq. Milchzucker = 12 C + 10 aq. + 2 aq. Traubenzucker = 12 C + 10 aq. + 4 aq. Auf die nämliche Anzahl von Aequivalenten Kohlenstoff ent- hält also das Amylon 10 Aeq. Wasser, der Rohrzucker und das Gummi 11 Aequivalente, der Milchzucker 12 und der kry- stallisirte Traubenzucker 14 Aequivalente Wasser, oder der Be- standtheile des Wassers. XIV. In diesen verschiedenen Substanzen, welche in der Nahrung der pflanzenfressenden Thiere niemals fehlen, ist also den stick- stoffhaltigen Bestandtheilen derselben, dem Pflanzen-Albumin, -Fibrin, -Casein, woraus sich ihr Blut bildet, im strengsten Sinne nur eine gewisse Quantität Kohlenstoff im Ueberschusse zugesetzt, der in ihrem Organismus zur Erzeugung von Fibrin und Albumin schlechterdings nicht verwendet werden kann, weil ihre stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe den zur Blutbildung erfor- derlichen Kohlenstoff schon enthalten und das Blut in dem Leibe der fleischfressenden Thiere erzeugt wird, ohne Mitwirkung dieses Ueberschusses von Kohlenstoff. Auf eine klare und überzeugende Weise stellt sich der An- theil heraus, den diese stickstofffreien Materien an dem Nutri- Der chemische Proceß der tionsproceß der pflanzenfressenden Thiere nehmen, wenn wir die verhältnißmäßig so geringe Menge Kohlenstoff in Betrach- tung ziehen, die sie in ihren stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln genießen; sie steht durchaus in keinem Verhältniß zu dem durch Lunge und Haut aufgenommenen und verbrauchten Sauerstoff. Ein Pferd kann z. B. in vollkommen gutem Zustande erhal- ten werden, wenn ihm täglich 15 Pfd. Heu und 4½ Pfd. Ha- fer zur Nahrung gegeben werden. Wenn wir uns nun den gan- zen Gehalt dieser Nahrungsstoffe an Stickstoff, so wie ihn die Elementaranalyse festgesetzt hat (Heu 1,5 pCt., Hafer 2,2 pCt.) 15 ) rückwärts in Blut, nämlich in Fibrin und Albumin, mit dem ganzen Wassergehalt des Blutes (80 pCt.) verwandelt denken, so empfängt das Pferd täglich nur 8 9/10 Loth Stickstoff, welche etwas über 8 Pfd. Blut entsprechen. Mit diesem Stickstoff hat aber das Thier, von den andern Bestandtheilen, welche damit verbunden waren, nur 28 9/10 Loth Kohlenstoff empfangen. Nur 15 9/10 Loth von diesen 28 9/10 Loth Kohlenstoff konnten zur Respiration verwendet worden sein, denn mit dem Stick- stoff, der durch den Harn ausgeleert wird, treten in der Form von Harnstoff 6 Lothe und in der Form von Hippursäure 7 weitere Lothe wieder aus. Ohne weitere Rechnung anzustellen, wird Jedermann zuge- ben, daß das Luftvolum, was ein Pferd ein- und ausathmet, daß die Menge des von ihm verzehrten Sauerstoffgases und in dessen Folge die Menge des ausgetretenen Kohlenstoffs, weit größer ist, wie beim Respirationsproceß des Menschen. Nun verbraucht aber ein erwachsener Mensch täglich nahe an 28 Respiration und Ernährung . Loth Kohlenstoff, und die Bestimmung von Boussingault , wonach ein Pferd täglich 158 Loth ausathmet, kann von der Wahrheit nicht sehr entfernt sein. In den stickstoffhaltigen Bestandtheilen seiner Nahrung er- hält das Pferd mithin nur etwas mehr, wie den fünften Theil des Kohlenstoffs, den sein Organismus zur Unterhaltung des Respirationsprocesses bedarf, und wir sehen, daß die Weisheit des Schöpfers allen seinen Nahrungsmitteln ohne Ausnahme die übrigen ⅘ Kohlenstoff, welche in den stickstoffhaltigen Be- standtheilen fehlen, in mannigfaltigen Formen, als Amylon, Zucker u. s. w. zugesetzt hat, welche das Thier, ohne der Ein- wirkung des Sauerstoffs zu unterliegen, nicht entbehren kann. Es ist offenbar, daß in dem Organismus des pflanzenfres- senden Thieres, dessen Nahrung eine verhältnißmäßig so kleine Menge seiner Blutbestandtheile enthält, der Akt der Umsetzung der vorhandenen Gebilde, daß demzufolge ihre Erneuerung, die Reproduktion derselben, bei weitem minder rasch vor sich geht, wie bei den fleischfressenden Thieren, denn wäre dies der Fall, so würde eine tausendmal reichere Vegetation zu ihrer Er- nährung nicht hinreichen; Zucker, Gummi, Amylon würden keine Bedingungen zur Erhaltung ihres Lebens sein, eben weil die kohlenstoffhaltigen Produkte der Umsetzung ihrer Organe für den Respirationsproceß hinreichen würden. Der fleischessende Mensch bedarf zu seiner Erhaltung und Ernährung eines ungeheuren Gebietes, weiter und ausgedehnter noch, wie der Löwe und Tiger, weil er, wenn die Gelegenheit sich darbietet, tödtet, ohne zu genießen. Der chemische Proceß der Eine Nation von Jägern auf einem begrenzten Flächenraum ist der Vermehrung durchaus unfähig, der zum Athmen unent- behrliche Kohlenstoff muß von den Thieren genommen werden, von denen auf der gegebenen Fläche nur eine beschränkte An- zahl leben kann. Diese Thiere sammeln von den Pflanzen die Bestandtheile ihrer Organe und ihres Blutes, und liefern sie den von der Jagd lebenden Indianern, die sie unbegleitet von den stickstofffreien Substanzen genießen, welche während der Le- bensdauer des Thieres seinen Respirationsproceß unterhielten; es ist bei dem fleischessenden Menschen der Kohlenstoff des Fleisches, welcher das Amylon, den Zucker ersetzen muß. In fünfzehn Pfund Fleisch ist aber nicht mehr Kohlenstoff enthalten, wie in 4 Pfund Amylon 16 ) und während der Indianer mit einem einzigen Thier und einem ihm gleichen Gewichte Amylon eine gewisse Anzahl von Tagen hindurch sein Leben und seine Gesundheit würde erhalten können, muß er, um den für diese Zeit, für seine Respiration unentbehrlichen Kohlenstoff zu erhalten, 5 Thiere verzehren. Man sieht leicht, in welchem engen Verbande die Vermeh- rung des Menschengeschlechtes mit dem Ackerbau steht. Der Anbau der Culturpflanzen hat zuletzt keinen andern Zweck, als die Hervorbringung eines Maximums der zur Assimilation und Respiration dienenden Stoffe, auf dem möglichst kleinsten Raume. Die Getreide- und Gemüsepflanzen liefern uns in dem Amylon, dem Zucker, Gummi, nicht nur den Kohlenstoff, der unsere Or- gane vor der Einwirkung des Sauerstoffs schützt, und in dem Organismus die zum Leben unentbehrliche Wärme erzeugt, son- Respiration und Ernährung . dern in dem Pflanzenfibrin, -Albumin und -Casein noch über- dies unser Blut, aus dem sich die übrigen Bestandtheile des Körpers entwickeln. Der fleischessende Mensch athmet wie das fleischfressende Thier auf Kosten der Materien, die durch die Umsetzung seiner Organe entstanden sind, und ähnlich wie der Löwe, der Tiger, die Hyäne in den Kasten unserer Menagerien durch unaufhör- liche Bewegung den Umsatz ihrer Gebilde beschleunigen müssen, um den zur Respiration nöthigen Stoff zu erzeugen, muß sich der Indianer, des nämlichen Zweckes wegen, den größten An- strengungen und mühevollsten Beschwerden unterziehen; er muß Kraft verbrauchen, lediglich um Stoff zum Athmen zu schaffen. Die Cultur ist die Oekonomie der Kraft; die Wissenschaft lehrt uns die einfachsten Mittel erkennen, um mit dem gering- sten Aufwand von Kraft den größten Effect zu erzielen, und mit gegebenen Mitteln ein Maximum von Kraft hervorzu- bringen. Eine jede unnütze Kraftäußerung, eine jede Kraft- verschwendung in der Agricultur, in der Industrie und der Wissenschaft, so wie im Staate, characterisirt die Rohheit oder den Mangel an Cultur. XV. Die Vergleichung der Zusammensetzung des Urins der fleisch- und pflanzenfressenden Thiere zeigt auf eine evidente Weise, daß der Act der Umsetzung der Gebilde in beiden in der Zeit und Form verschieden ist. Der chemische Proceß der Der Harn der fleischfressenden Thiere ist sauer, wir ha- ben darin alkalische Basen mit Harnsäure, mit Phosphorsäure und Schwefelsäure vereinigt. Wir wissen genau, aus wel- cher Quelle diese beiden Säuren stammen. Alle Gebilde, bis auf Zellen und Membranen, enthalten Phosphorsäure und Schwefel, der durch den Sauerstoff des arteriellen Blutes in Schwefelsäure verwandelt wird. In den verschiedenen Flüs- sigkeiten des Thierkörpers finden wir nur Spuren von phos- phorsauren oder schwefelsauren Salzen, aber in dem Harn finden wir beide in reichlicher Menge. Es ist klar, sie stam- men beide von dem Phosphor und Schwefel der Gebilde, die sich umgesetzt haben; sie gelangen als lösliche Salze in das Blut und werden bei ihrem Durchgang durch die Nie- ren davon geschieden. Der Harn der grasfressenden Thiere ist alkalisch; er ent- hält kohlensaures Alkali in überwiegender Menge und eine so geringe Menge von phosphorsaurem Alkali, daß sie von den meisten Beobachtern übersehen worden ist. Der Mangel, oder, wenn man will, die Abwesenheit der phosphorsauren Alkalien in dem Harn der grasfressenden Thiere zeigt offenbar, daß diese löslichen Salze zu bestimm- ten Zwecken verwendet werden; denn wenn wir annehmen, ein Pferd verzehre eine dem Gehalte des Stickstoffs (8 9/10 Loth) in seinen Nahrungsmitteln entsprechende Menge Pflan- zenfibrin oder -Albumin, und wenn wir den umgesetzten Theil der Gebilde gleichsetzen dem neugebildeten, so ist die Quantität der Phosphorsäure, die wir in dem Urin (in Respiration und Ernährung . 3 Pfund, dem täglichen Abgang nach Boussingault ) finden müßten, nicht so klein, daß sie nicht mit Leichtigkeit durch die Analyse nachweisbar wäre (sie betrüge nach dieser Voraussetzung nahe an 0,8 pCt.), allein, wie bemerkt, die meisten Beobachter haben keine Phosphorsäure darin auffin- den können. Die Phosphorsäure, welche in Folge der Umsetzung der Gebilde in der Form von löslichem phosphorsauren Alkali erzeugt wird, kehrt offenbar bei diesen Thieren in den Organismus zurück, der sie zur Bildung der Gehirn- und Nervensubstanz nicht entbehren kann. Bei den pflanzenfressenden Thieren, die eine verhältniß- mäßig so kleine Quantität von Phosphor oder phosphor- sauren Salzen genießen, sammelt der Organismus offenbar alle durch die Umsetzung der Gebilde erzeugten löslichen phosphorsauren Salze, und verwendet sie zur Ausbildung der Knochen und der phosphorhaltigen Bestandtheile des Gehirns; die Secretionsorgane scheiden sie von dem Blute nicht ab. Die durch Stoffwechsel in Freiheit gesetzte Phos- phorsäure tritt nicht als phosphorsaures Natron aus; wir finden sie in den festen Excrementen in der Form von un- löslichen phosphorsauren Erden. XVI. Vergleichen wir die Fähigkeit der Zunahme an Masse, die Kraft der Assimilation in den gras- und fleischfressenden 6 Der chemische Proceß der Thieren, so führen die gewöhnlichsten Beobachtungen auf einen großen Unterschied. Eine Spinne, welche mit dem größten Heißhunger das Blut der ersten Fliege aussaugt, wird durch die zweite und dritte Fliege in ihrer Ruhe nicht gestört; eine Katze frißt die erste, vielleicht die zweite Maus, und wenn sie auch die dritte tödtet, sie wird von ihr nicht verzehrt. Ganz ähnliche Beobachtungen hat man an Löwen und Tigern gemacht; sie verzehren ihre Beute erst dann, wenn sich in ihnen das Be- dürfniß des Hungers regt. Zur bloßen Erhaltung bedürfen die fleischfressenden Thiere an sich einer geringeren Menge von Nahrung schon deshalb, weil ihre Haut keine Schweiß- poren hat, weil sie also bei gleichem Volum weit weniger Wärme verlieren, als die Grasfresser, welche die verlorne Wärme durch die Nahrung ersetzen müssen. Wie ganz anders zeigt sich die Stärke und Intensität des vegetativen Lebens bei den pflanzenfressenden Thieren! Ein Schaf, eine Kuh auf der Weide, sie fressen mit geringer Un- terbrechung so lange die Sonne am Himmel steht. Ihr Or- ganismus besitzt die Fähigkeit, alle Nahrung, die sie mehr genießen, als sie zur Reproduction bedürfen, in Bestand- theile ihres Körpers zu verwandeln. Alles Blut, was mehr erzeugt wird, als zum Ersatz an verbrauchtem Stoff erforderlich ist, wird zur Zelle und Muskelfaser; das pflanzenfressende Thier wird bei gesteiger- ter Nahrung fleischig oder feist, während das Fleisch des fleischfressenden ungenießbar, zähe und sehnenartig bleibt. Respiration und Ernährung . Denken wir uns nur einen Hirsch, ein Reh oder einen Ha- sen, welche ähnliche Nahrungsmittel genießen, wie das Rind- vieh oder Schaf, so ist es evident, daß bei Ueberfluß an Nah- rung ihre Zunahme an Masse (ihr Feistwerden) abhängig ist von der Menge des genossenen Pflanzenalbumins, -Fibrins oder -Caseins. Bei einer freien ungehinderten Bewegung nehmen sie Sauerstoff genug auf, um den Kohlenstoff des genossenen Gummi’s, des Amylons, des Zuckers und überhaupt aller lös- chen stickstofffreien Nahrungsmittel verschwinden zu machen. Ganz anders stellt sich dieses Verhältniß bei unseren Haus- thieren, wenn wir bei reichlicher Nahrung die Abkühlung und Exhalationsprocesse hindern, wenn wir sie in unseren Ställen füttern, wo die freie Bewegung unterdrückt ist. Das Thier, welches den Stall nicht verläßt, frißt und ruht bloß, um zu verdauen, es nimmt in der Form von stickstoff- haltigen Stoffen weit mehr Nahrung auf, als es zur Repro- duktion bedarf, und in gleicher Zeit mit diesen genießt es weit mehr stickstofffreie Substanzen, als zur Unterhaltung des Re- productionsprocesses und zum Ersatz an verlorner Wärme nö- thig sind. Mangel an Bewegung und Abkühlung ist aber gleichbedeutend einem Mangel an Zufuhr von Sauerstoff; es nimmt, da diese vermindert sind, bei weitem weniger Sauer- stoff auf, als zur Verwandlung des in der stickstofffreien Nah- rung genossenen Kohlenstoffs in Kohlensäure erforderlich ist. Nur ein kleiner Theil dieses Ueberschusses von Kohlenstoff tritt aus dem Körper bei Pferden und dem Rindvieh in der Form von Hippursäure aus, alles übrige wird zur Erzeu- 6* Der chemische Proceß der gung einer Materie verwendet, die sich nur in kleinen Quanti- täten als Bestandtheil der Nerven und des Gehirns vorfindet. Im normalen Zustand der Bewegung und Arbeit enthält der Urin des Rindviehs und Pferdes Benzoesäure (mit 14 At. Kohlenstoff), sobald es ruhig im Stalle steht, hingegen Hip- pursäure (mit 18 At. Kohlenstoff). Das Fleisch der wilden Thiere ist fettlos, die Hausthiere dagegen bedecken sich bei der Mästung mit Fett. Lassen wir das fette Thier in freier Luft sich bewegen oder schwere Lasten ziehen, so verschwindet wieder das Fett. Es ist offenbar, die Fettbildung im Thierkörper wird be- dingt durch ein Mißverhältniß in der Menge der genossenen Nahrungsmittel und des durch Lunge und Haut aufgenom- menen Sauerstoffs. Ein Schwein wird bei Mästung mit stickstoffreichen Nah- rungsmitteln feist; bei Kartoffel- (Amylon-) Fütterung er- hält es wenig Fleisch, aber eine Decke von Speck. Die Milch einer Kuh, welche bei Stall-Fütterung eine reichliche Menge Butter enthält, wird auf freier Weide an Käsestoff reicher und an Fett und Milchzucker in dem nämlichen Verhältniß ärmer. Durch Bier und amylonhaltige Nahrung wächst der Buttergehalt der Frauenmilch; Fleischnahrung giebt weniger, aber an Käsestoff reichere Milch. Wenn man erwägt, daß in der ganzen Thierklasse der Carnivoren, die außer dem verzehrten Fett kein stickstofffreies Nahrungsmittel genießen, die Fettbildung im Körper höchst unbedeutend ist, daß sie auch bei diesen zunimmt (wie bei Respiration und Ernährung . Katzen und Hunden), wenn sie gemischte Nahrung genießen, daß wir bei den andern Hausthieren die Fettbildung steigern können und zwar nur durch stickstofffreie Nahrungsmittel, so kann man kaum einen Zweifel hegen, daß die letzteren in einer ganz bestimmten Beziehung stehen müssen zur Fettbildung. Dem natürlichen Gange der Naturforschung gemäß er- schließen wir rückwärts aus den genossenen Nahrungsmitteln die entstandenen Gebilde, aus den stickstoffhaltigen Pflanzen- stoffen die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Blutes, und es ist diesem Gange völlig angemessen, die Beziehungen der stickstofffreien Nahrungsmittel zu den stickstofffreien Bestand- theilen des Thierkörpers festzustellen; ein enger Zusammen- hang zwischen beiden kann nicht verkannt werden. Vergleichen wir die Zusammensetzung des Milchzuckers, des Amylons und der andern Zuckerarten mit denen des Hammel- talges, Ochsentalges, Menschenfettes, so finden wir, daß sie einerlei Verhältniß Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten und lediglich in dem Gehalte an Sauerstoff von einander abweichen. Hammeltalg, Menschenfett, Schweineschmalz enthalten nach den Analysen Chevreul’s 79 pCt. Kohlenstoff auf 11,1 pCt., 11,4 pCt., 11,7 pCt. Wasserstoff 17 ). Das Amylon enthält auf 44,91 Kohlenstoff 6,11 Wasserstoff; der Zucker und das Gummi 42,58 „ 6,37 „ 18 ) Nun ist aber aus dem Folgenden einleuchtend, daß diese Zahlen, welche das relative Gewichtsverhältniß des Kohlen- stoffs und Wasserstoffs im Amylon, im Zucker und im Gummi ausdrücken, zu einander in dem nämlichen Verhältniß stehen, Der chemische Proceß der wie der Kohlenstoff und Wasserstoff in den verschiedenen Fetten. 44,91 : 6,11 = 79 : 10,99 42,58 : 6,37 = 79 : 11,8. Es ist hieraus klar, daß durch ein einfaches Austreten von Sauerstoff, Amylon, Zucker und Gummi übergehen kön- nen in Fett, oder, wenn man will, in einen Körper, welcher genau die Zusammensetzung des Fetts besitzt. Nehmen wir in der That von der Formel des Amylon 9 Atome Sauer- stoff hinweg, so haben wir in 100 Theilen: C 12 . . . . 79,4 H 20 . . . . 10,8 O . . . . 9,8. Die nächste empirische Formel des Fetts ist C 11 H 20 O ; sie giebt in 100 Theilen: C 11 . . . . 78,9 H 20 . . . . 11,6 O . . . . 9,5. Nach dieser Formel würden sich von dem Amylon die Elemente von 1 Atom Kohlensäure und 7 Atome Sauerstoff getrennt haben. Mit diesen beiden Formeln stimmt aber sehr nahe die von allen verseifbaren fetten Körpern überein. Nehmen wir von drei Atomen Milchzucker C 36 H 72 O 36 die Elemente hinweg von 4 Atomen Wasser und lassen wir 31 Atome Sauerstoff austreten, so haben wir C 36 H 64 O , eine Formel, welche ein genauer Ausdruck ist für die Zu- sammensetzung des Cholsterins 19 ). Respiration und Ernährung . Gleichgültig, welche Ansicht man auch über die Entstehung der fetten Bestandtheile des Thierkörpers haben mag, soviel ist unläugbar gewiß, daß die Wurzeln und Kräuter, welche die Kuh verzehrt, keine Butter enthalten, daß in dem Heu und der Nahrung des Rindviehs kein Ochsentalg, in der Kartoffelschlempe, welche die Schweine bekommen, kein Schwei- neschmalz und in dem Futter der Gänse und des Geflügels kein Gänsefett oder Kapaunenfett enthalten ist. Die großen Massen von Fett in dem Körper dieser Thiere erzeugt ihr Organismus, und aus dieser Thatsache, ihrem wahren Werthe nach anerkannt, muß geschlossen werden, daß von den Bestand- theilen der genossenen Nahrung eine gewisse Quantität Sauerstoff in irgend einer Form austritt, denn ohne eine solche Ausscheidung von Sauerstoff kann kein Fett aus irgend einem Bestandtheil der Nahrung gebildet werden. Die chemische Analyse giebt auf die bestimmteste Weise zu erkennen, daß in den Nahrungsmitteln, die ein Thier ver- zehrt, sich eine gewisse Menge Kohlenstoff und Sauerstoff be- finden, die, in Aequivalenten ausgedrückt, folgende Reihe bilden. Im Pflanzenfibrin, -Albumin, -Casein sind enthalten auf 120 Aeq. Kohlenstoff 36 Aeq. Sauerstoff Im Amylon » » » 120 » » 100 » » Im Rohrzucker » » » 120 » » 110 » » Im Traubenzucker » » » 120 » » 140 » » Im Gummi » » » 120 » » 110 » » Im Milchzucker » » » 120 » » 120 » » Der chemische Proceß der Nun sind aber in allen fetten Substanzen im Mittel auf 120 Aeq. Kohlenstoff nur 10 Aeq. Sauerstoff enthalten . Da nun der Kohlenstoff der fetten Bestandtheile des Thier- körpers von den Nahrungsmitteln stammt, indem es keine andere Quelle giebt, die ihn liefern könnte, so ist klar, in der Voraussetzung, das Fett entstehe aus Albumin, Fibrin oder Casein, daß für je 120 Aeq. Kohlenstoff, die sich als Fett abgelagert haben, 26 Aeq. Sauerstoff von den Bestand- theilen dieser Nahrungsmittel austreten müssen, es ist ferner klar, daß, wenn wir annehmen, das Fett entstehe aus Amylon, 90 Aeq., aus Zucker 100 und aus Milchzucker 110 Aeq. Sauerstoff abgeschieden werden müssen. Es giebt also nur einen einzigen Weg, auf welchem die Fettbildung im Thierkörper möglich ist, und dieser ist absolut der nämliche, auf welchem die Fettbildung in den Pflanzen vor sich geht, es ist eine Scheidung und Trennung des Sauer- stoffs von den Bestandtheilen der Nahrungsmittel. Der Kohlenstoff, den wir in den Samen und Früchten der Pflanzen in der Form von Oel und Fett abgelagert finden, er war früher ein Bestandtheil der Atmosphäre, er wurde als Kohlensäure von der Pflanze aufgenommen. Sein Uebergang in Fett wurde unter Mitwirkung des Lichtes durch die vegetative Lebensthätigkeit bewirkt, der größte Theil des Sauerstoffs dieser Kohlensäure kehrte als Sauerstoffgas in die Luft zurück Ueber die Bildung des Wachses aus Honig bei den Bienen siehe Anhang. 20 ). Respiration und Ernährung . Im Gegensatz zu dieser Lebensäußerung in der Pflanze wissen wir, daß der Thierorganismus Sauerstoff aus der Luft aufsaugt und daß dieser Sauerstoff in der Form einer Kohlenstoff- oder Wasserstoffverbindung wieder austritt, wir wissen, daß durch den Akt der Bildung von Kohlensäure und Wasser die constante Temperatur des Körpers hervor- gebracht wird, daß ein Oxydationsproceß die einzige und Hauptquelle der animalischen Wärme ist. Mag das Fett in Folge einer Zersetzung des Fibrins oder Albumins, der Hauptbestandtheile des Blutes gebildet werden, mag es aus Amylon, aus Zucker, aus Gummi oder Milchzucker entstehen, das Resultat der Zersetzung muß be- gleitet seyn, von einer Ausscheidung des Sauerstoffs, von den Bestandtheilen dieser Nahrungsmittel, aber dieser Sauerstoff tritt nicht als Sauerstoffgas aus dem Thierkörper aus, eben weil er in dem Organismus selbst, Stoffe vorfindet, welche die Fähigkeit haben, eine Verbindung mit ihm einzugehen; er tritt in der nämlichen Form aus, wie der durch Lunge und Haut aus der Luft aufgenommene Sauerstoff. Man beobachtet leicht, in welchem merkwürdigen Zusam- menhange die Fettbildung mit dem Respirationsproceß steht. XVII. Der abnorme Zustand, durch den Ablagerung von Fett in dem Thierkörper bewirkt wird, beruht, wie früher erwähnt worden, auf einem Mißverhältniß in der Menge des genosse- Der chemische Proceß der nen Kohlenstoffs und dem durch Haut und Lunge aufgenom- menen Sauerstoff. Im normalen Zustande wird eben so viel Kohlenstoff ausgeführt wie eingeführt, der Körper erhält kein Uebergewicht an kohlenstoffreichen und stickstofflosen Be- standtheilen. Steigern wir die Zufuhr der kohlenstoffreichen Nahrungs- mittel, so bleibt nur in dem Fall das normale Verhältniß, wenn durch Bewegung und Anstrengung der Umsatz beför- dert, wenn in gleichem Grade die Zufuhr an Sauerstoff ver- mehrt wird. Jede Art von Fettbildung ist stets die Folge eines Man- gels an Sauerstoff, der zur Vergasung des im Ueberschusse zugeführten Kohlenstoffs unbedingt erforderlich ist. Dieser als Fett sich ablagernde Kohlenstoff, er zeigt sich bei dem Beduinen, bei dem Araber der Wüste nicht, der mit Stolz seine muskelstarken, magern, fettfreien, sehnenartigen Glieder dem Reisenden zeigt und in Liedern besingt, er zeigt sich aber bei der kärglichen Nahrung in den Kerkern und Gefängnissen als Aufgedunsenheit, er zeigt sich in dem Weibe des Orients und in den wohlbekannten Bedingungen des Mästens bei unseren Hausthieren. Die Erzeugung von Fett beruht auf einem Mangel an Sauerstoff, allein in ihr, in der Fettbildung selbst, öffnet sich dem Organismus eine Quelle von Sauerstoff, eine neue Ur- sache der Wärmeerzeugung. Der in Folge der Fettbildung freiwerdende Sauerstoff, er tritt aus dem Körper als eine Kohlenstoff- oder Wasser- Respiration und Ernährung . stoffverbindung aus, mag nun dieser Kohlenstoff oder Wasser- stoff von der Substanz selbst, die auch den Sauerstoff zu- führte, oder mag er von einer andern Verbindung genommen worden sein, es muß durch diese Kohlensäure- oder Wasser- bildung ebensoviel Würme entwickelt werden, wie wenn wir eine gleiche Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff in der Luft oder im Sauerstoffgas verbrannt hätten. Wenn wir uns denken, daß sich von 2 Aeq. Amylon 18 Aeq. Sauerstoff trennen, daß sich diese 18 Aeq. Sauer- stoff mit 9 Aeq. Kohlenstoff aus der Galle, z. B. zu Koh- lensäure, verbunden hätten, so ist niemand zweifelhaft darüber, daß in diesem Fall gerade so viel Wärme entwickelt werden muß, wie wenn wir diese 9 Atome Kohlenstoff direct ver- brannt hätten. In dieser Form wäre also die Wärmeent- wickelung in Folge der Fettbildung nicht bestreitbar; sie kann also nur für den Fall hypothetisch sein, wo sich von einer und derselben Substanz Kohlenstoff und Sauerstoff in den Verhältnissen, wie in der Kohlensäure, trennen. Wenn wir z. B. voraussetzen, daß sich von 2 At. Amy- lon, C 24 H 40 O 20 die Elemente von 9 At. Kohlensäure ab- scheiden, so würden wir eine Verbindung übrig behalten, welche auf 15 At. Kohlenstoff, 40 At. Wasserstoff und 2 At. Sauerstoff enthält: C 15 H 40 O 2 + C 9 O 18 = C 24 H 40 O 20 . Oder wenn wir annehmen, daß Sauerstoff aus Amylon in der Form von Kohlensäure und Wasser austritt, so wür- den wir bei Abscheidung der Bestandtheile von 6 At. Was- Der chemische Proceß der ser und 6 At. Kohlensäure die Verbindung C 18 H 28 O 2 übrig behalten. Diese Form der Ausscheidung des Sauerstoffs festgestellt, bleibt zu entscheiden übrig, ob die austretende Kohlensäure und das Wasser in dem Amylon als solche enthalten waren oder nicht. War die Kohlensäure und das Wasser fertig gebildet in dem Amylon, so konnte die Trennung vor sich gehen, ohne von einer Wärmeentwickelung begleitet zu sein, war hinge- gen der Kohlenstoff und Wasserstoff in einer andern Form in dem Amylon (oder der Verbindung, aus der sich das Fett gebildet haben mag) zugegen, so ist klar, daß eine Aende- rung in der Anordnung der Atome vor sich gegangen ist, in deren Folge sich die Atome des Kohlenstoffs und Was- serstoffs mit den Atomen des Sauerstoffs zu Kohlensäure und Wasser vereinigt haben. So weit nun chemische Forschungen reichen, kann aus dem bekannten Verhalten des Amylons und der Zuckerarten kein anderer Schluß gezogen werden, als daß sie keine fer- tig gebildete Kohlensäure enthalten. Wir kennen nun eine große Anzahl von Umsetzungspro- cessen ähnlicher Art, wo sich die Elemente der Kohlensäure und des Wassers von gewissen vorhandenen Verbindungen trennen, und wir wissen mit Bestimmtheit, daß alle diese Zersetzungsweisen begleitet sind von einer Wärmeentwicke- lung, gerade so, wie wenn sich Kohlenstoff und Wasserstoff direct mit Sauerstoff verbinden. Respiration und Ernährung . Ein solches Austreten von Kohlensäure haben wir in allen Gährungs- und Fäulnißprocessen, sie sind ohne Aus- nahme begleitet von einer Entwickelung von Wärme. In der Gährung einer zuckerhaltigen Flüssigkeit tritt in Folge einer Umsetzung der Elemente des Zuckers eine ge- wisse Menge seines Kohlenstoffs und Sauerstoffs zu Kohlen- säure zusammen, welche sich gasförmig abscheidet, und als Resultat dieser Zersetzung haben wir eine sauerstoffarme, flüchtige, brennbare Flüssigkeit, nämlich Alkohol. Wenn wir zu zwei Atomen Zucker die Elemente treten lassen von 12 At. Wasser und von der erhaltenen Summe der Atome 24 Atome Sauerstoff hinwegnehmen, so haben wir 6 At. Alkohol ( C 24 H 48 O 24 + H 24 O 12 ) — O 24 = C 24 H 72 O 12 = 6 At. Alkohol. Diese 24 At. Sauerstoff reichen hin, um ein drittes Atom Zucker vollkommen zu verbrennen, seinen Kohlenstoff in Kohlensäure zu verwandeln, und wir erhalten durch diese Verbrennung die 12 At. Wasser wieder, die wir hinzutreten ließen, gerade so, als ob sie keine Rolle hierbei gespielt hätten. C 12 H 24 O 12 + O 24 = 12 CO 2 + 12 H 2 O . Nach der gewöhnlichen Ansicht trennen sich von 3 At. Zucker 12 Atome Kohlenstoff in der Form von Kohlen- säure: wir bekommen 6 At. Alkohol, in beiden also dieselben Produkte, wie wenn der eine Theil Zucker an den andern Theil Sauerstoff abgegeben hätte und dessen Bestandtheile auf Kosten dieses Sauerstoffs verbrannt worden wären. Der chemische Proceß der C 36 H 72 O 36 = C 24 H 72 O 12 + 12 CO 2 In Beziehung auf das Verständniß der Formeln siehe die Einlei- tung zum Anhang. . Man beobachtet leicht, daß die Spaltung eines Körpers in Kohlensäure und eine an Sauerstoff arme Verbindung völlig gleichbedeutend ist in ihrem Resultate einer Ausschei- dung von Sauerstoff und einer Verbrennung von einem Theile der Substanz auf Kosten dieses Sauerstoffs. Es ist wohlbekannt, daß sich die Temperatur einer gäh- renden Flüssigkeit erhöht, und wenn wir annehmen, daß ein Stückfaß Most = 600 Darmstädter Maaß = 1200 Litres = 2400 Pfund, 16 pCt. Zucker, im Ganzen also 384 Pfund Zucker enthalte, so muß während der Gährung die- ses Zuckers eine Wärmemenge frei werden, welche derjenigen gleich ist, die sich bei der Verbrennung von 51 Pfund Koh- lenstoff entwickelt. Dies ist ausdrückbar durch eine Wärmequantität, wodurch jedes Pfund der Flüssigkeit auf 165½ Grad erhoben wer- den kann, vorausgesetzt, daß die Zersetzung des Zuckers in einem unmeßbaren Zeittheilchen vor sich ginge. Dies ist bekanntlich nicht der Fall, die Gährung dauert 5 — 6 Tage und die 165½ Wärmegrade empfängt jedes Pfund Flüssig- keit während eines Zeitraums von 120 Stunden. In der Stunde wird also eine Wärmemenge entwickelt, durch welche jedes Pfund Flüssigkeit um 1 4/10 Grad an Temperatur zu- nimmt, eine Erhöhung, welche durch äußere Abkühlung im Respiration und Ernährung . Keller, durch Verdunstung von Wasser und Alkohol beträcht- lich herabgestimmt wird. XVIII. Die Fettbildung, mit bekannten analogen Erscheinungen der Trennung von Sauerstoff verglichen, ist demnach von einer Wärmeentwicklung begleitet; sie ersetzt dem thierischen Körper eine gewisse Menge des zu den vitalen Processen un- entbehrlichen, atmosphärischen Sauerstoffs, und zwar in allen denjenigen Fällen, wo der durch Haut und Lunge eingeath- mete Sauerstoff nicht hinreicht, um den vorhandenen und dazu geeigneten Kohlenstoff in Kohlensäure zu verwandeln. Dieser Ueberschuß von Kohlenstoff, welcher in dem Kör- per zu einem Bestandtheil der Organe nicht verwendet wer- den kann, lagert sich in der Form von Talg oder Oel in Zellen ab. In jedem Momente des Lebens eines Thieres tritt Fett- bildung ein, wo ein Mißverhältniß zwischen dem durch die Nahrung zugeführten Kohlenstoff und dem eingeathmeten Sauerstoff statt hat; es trennt sich Sauerstoff in Folge einer Umsetzung von vorhandenen Verbindungen, und dieser Sauer- stoff tritt als Kohlensäure oder Wasser aus dem Körper aus. Die hierbei entwickelte Wärme trägt dazu bei, um die con- stante Temperatur des Körpers zu erhalten. Ein jedes Pfund Kohlenstoff, welches seinen Sauerstoff, mit dem es Der chemische Proceß der Kohlensäure bildet, von Materien erhielt, die in Fett über- gingen, muß so viel Wärme entwickeln, daß man damit 200 Pfunde Wasser auf 39 Grade erheben kann. In der Fettbildung schafft die Lebenskraft sich selbst ein Mittel, um dem Mangel an Sauerstoff und an der zu den vitalen Processen nöthigen Wärme zu begegnen. Die Erfahrung zeigt, daß das Anbinden der Füße bei dem Geflügel und eine mittlere Temperatur ein Maximum von Fettbildung nach sich zieht. Diese Thiere sind in die- sem Zustande einer Pflanze vergleichbar, die im eminenten Grade die Fähigkeit besitzt, alle Nahrungsstoffe in Theile ihrer selbst zu verwandeln. Die im Ueberschuß zugeführten Blutbestandtheile werden zu Fleisch, zu Bestandtheilen der Gebilde, Amylon und die stickstofffreien Materien verwandeln sich in Fett. Bei dem Fettwerden auf Kosten stickstofffreier Nahrungsstoffe nehmen nur gewisse Theile des Organismus an Volumen zu; so ist die Leber einer gemästeten Gans 4—5mal größer, wie die einer ungemästeten, ohne daß man damit sagen kann, daß die Substanz der Leber selbst eine Zunahme erfahren hat. Während die Leber der ungemäste- ten Gans fest und elastisch ist, zeigt die der gemästeten eine weiche schwammige Beschaffenheit; der Unterschied liegt ledig- lich in einer mehr oder minderen Erweiterung der Zellen, ausgefüllt durch Fett. In einigen Krankheiten erleiden nachweisbar die amylon- reichen Stoffe diejenigen Veränderungen nicht, die sie befähi- gen, den Respirationsproceß zu unterhalten oder in Fett Respiration und Ernährung . überzugehen. In dem diabetes mellitus wird das Amylon nicht weiter als in Zucker verwandelt, der ohne eine Ver- wendung zu finden aus dem Körper entfernt wird. Wir finden ferner in andern Krankheiten, bei Leber- entzündungen z. B., das Blut reich an Oel und Fett, und mit der Vorstellung, daß unter gewissen Bedingun- gen gewisse Bestandtheile der Galle in Fett metamorpho- sirt werden, steht die Zusammensetzung der Galle nicht in Widerspruch. XIX. Nach dem Vorgehenden lassen sich die Nahrungsmittel der Menschen eintheilen in zwei Klassen: in stickstoffhal- tige und in stickstofffreie . Die ersteren besitzen die Fä- higkeit, in Blut überzugehen, den andern geht diese Eigen- schaft ab. Aus den Nahrungsmitteln, welche sich zur Blutbildung eignen, entstehen die Bestandtheile der Organe, die andern dienen im normalen Zustande der Gesundheit zur Unterhal- tung des Respirationsprocesses. Die stickstoffhaltigen bezeich- nen wir als plastische Nahrungsmittel , die stickstoff- freien nennen wir Respirationsmittel . 7 Der chemische Proceß der Plastische Nahrungsmittel sind: Pflanzenfibrin Pflanzenalbumin Pflanzencasein Fleisch und Blut der Thiere Respirationsmittel sind: Fett Amylon Gummi die Zuckerarten Pectin Bassorin ꝛc. Wein Bier Branntwein. XX. Als eine ganz allgemeine Thatsache, welcher bis jetzt keine einzige Erfahrung entgegensteht, haben die Untersuchun- gen ergeben, daß alle stickstoffhaltigen Bestandtheile der Pflanzen eine mit den Hauptbestandtheilen des Blutes gleiche Zusammensetzung besitzen. Kein stickstoffhaltiger Körper, dessen Zusammensetzung ab- weicht von der des Fibrins, Albumins und Caseins, ist ver- mögend, den Lebensproceß im Thiere zu unterhalten. Der Thierorganismus besitzt ohnstreitig die Kraft, aus den Bestandtheilen seines Blutes die Substanz seiner Mem- branen und Zellen, der Nerven und des Gehirns, die orga- nischen Bestandtheile der Rippen, Knorpel und Knochen zu erzeugen, allein sein Blut muß ihm, bis auf die Form, fertig gebildet dargeboten werden, und wenn dies nicht ge- Respiration und Ernährung . schieht, so ist damit der Blutbildung und dem Leben eine Grenze gesetzt. Von diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, ist es leicht erklär- lich, woher es kommt, daß die leimgebenden Gebilde, die Gallerte der Knochen und Häute, zur Ernährung und zur Unterhaltung des Lebensprocesses sich nicht eignen, denn ihre Zusammensetzung ist ungleich der des Fibrins und Al- bumins im Blute. Dies will natürlich nichts anders sagen, als daß die Organe in dem Thierkörper, welche die Blut- bildung vermitteln, die Kraft nicht besitzen, um eine Meta- morphose in der Anordnung der Elemente der Gallerte (leim- und chondringebenden Gebilde) zu bewirken. Die Leimgebilde, die Gallerte der Knochen, Membranen, Zellen und Häute erleiden in dem Thierkörper durch den Einfluß des Sauerstoffs und der Feuchtigkeit eine fortdauernde Ver- änderung, ein Theil davon tritt aus und muß aus dem Blute wieder erneuert werden, aber diese Verwandlung und Wiederherstellung ist offenbar in sehr enge Grenzen einge- schlossen. Während in dem Körper des Verhungernden und Kran- ken das Fett verschwindet und die Muskelsubstanz die Form von Blut wieder annimmt, sehen wir die Sehnen und Mem- branen ihren Zustand behaupten, alle Glieder des Todten behalten ihren Zusammenhang, den sie diesen Gebilden ver- danken. Auf der andern Seite sehen wir, daß von einem Kno- chen, den ein Hund verschluckt hat, nur die Knochenerde 7* Der chemische Proceß der wieder abgeht, daß die Gallerte in seinem Körper völlig verschwunden ist; die nämliche Beobachtung machen wir an Menschen, die als Nahrungsmittel verhältnißmäßig mehr Gallerte (in Fleischbrühe) als andere Stoffe genießen, daß sie weder in dem Urin, noch in den Faeces austritt; sie hat also offenbar eine Veränderung erlitten und in dem Körper zu gewissen Zwecken gedient. Es ist klar, daß sie in einer andern Form aus dem Körper wieder austritt, als die ist, in welcher sie genossen worden ist. Für den Uebergang des Albumins in Blut, zu einem Bestandtheil eines fibrinhaltigen Organs, läßt sich in der gleichen Zusammensetzung beider kein Widerspruch entneh- men. Wir finden im Gegentheile die Verwandlung eines löslichen und gelös’ten Stoffes in einen nichtlöslichen Trä- ger der Lebensthätigkeit begreiflich und in chemischer Bezie- hung erklärt, eben weil sie in ihrer Zusammensetzung iden- tisch sind. So ist denn die Meinung einer näheren Be- gründung nicht unwürdig, daß die in Auflösung genossene Gallerte in dem Organismus wieder zur Zelle und zu Mem- branen, zu einem Bestandtheil der Knochen wird; daß sie dazu dienen kann, um die leimgebenden Gebilde, welche eine Veränderung erlitten haben, zu erneuern und ihre Masse zu vermehren. Und wenn die Kraft zur Reproduction im ganzen Körper sich mit dem Zustand der Gesundheit ändert, so muß, wenn auch die Fähigkeit der Blutbildung die nämliche bliebe, die Respiration und Ernährung . organische Kraft, durch welche die Bestandtheile des Bluts zu Membranen und Zellen werden, im Zustand der Krank- heit nothwendig abgenommen haben; die Intensität der Le- benskraft, ihre Fähigkeit, Metamorphosen überhaupt zu be- wirken, sie nimmt im Kranken, in seinem Magen sowohl, wie in allen Theilen seines Körpers ab. In diesem Zustande zeigt die practische Medizin, daß die löslich gemachten leim- gebenden Gebilde einen ganz entschiedenen Einfluß auf das Befinden des Körpers äußern; in einer Form dargeboten, in der sie sich zur Assimilation eignen, dienen sie zur Erspa- rung von Kraft, ähnlich so wie es für den Magen durch zweckmäßig zubereitete Speise geschieht. Die Knochenbrü- chigkeit bei den grasfressenden Thieren ist offenbar die Folge einer Schwäche in denjenigen Theilen des Organismus, welche bestimmt sind, die Metamorphosen der Blutbestand- theile in Zellensubstanz zu bewirken, und wenn die Angaben von Aerzten, die sich im Oriente aufgehalten haben, Ver- trauen verdienen, so haben die türkischen Weiber in der Reisnahrung und in den häufigen Klystieren von Fleisch- brühe die Bedingungen vereinigt zur Zellen- und Fettbil- dung. Zweiter Theil . Die Metamorphosen der Gebilde. I. 1. D ie absolute Gleichheit in der Zusammensetzung der Haupt- bestandtheile des Bluts und der stickstoffhaltigen Nahrungsmit- tel der Thiere wäre vor wenigen Jahren noch ein Argument gewesen, um das Resultat der chemischen Analyse zu leugnen, zu einer Zeit, wo man noch nicht die Erfahrung gemacht hatte, daß es eine Menge stickstoffhaltiger und stickstofffreier Körper giebt, die bei einer großen Verschiedenheit in ihren physikalischen Eigenschaften eine vollkommen gleiche procentische Zusammen- setzung besitzen, von denen manche sogar die nämliche Anzahl von Atomen an Elementen enthalten. 2. Wir kennen z. B. in der Cyanursäure einen stickstoffhal- tigen Körper, welcher in schönen klaren Octaedern krystallisirt, die sich in Wasser und Säuren mit Leichtigkeit lösen, in dem Cya- melid haben wir einen zweiten Körper, welcher in Wasser und Säuren absolut unlöslich, weiß, zusammenhängend und undurchsichtig wie Porzellan oder locker wie Bittererde ist, eine dritte Substanz kennen wir in dem Cyansäurehydrat , welche flüchtiger wie starke Essigsäure, auf der Haut Bla- sen zieht und mit Wasser nicht zusammengebracht werden kann, ohne augenblicklich in neue Produkte zerlegt zu werden. Der chemische Proceß der Diese drei Stoffe zeigen nicht allein in der Analyse ein absolut gleiches Gewichtsverhältniß an Elementen, sondern sie können auch der eine in den andern vorwärts und rückwärts verwan- delt werden und zwar in hermetisch geschlossenen Gefäßen, ohne daß also an dieser Verwandlung ein Stoff von Außen Antheil nimmt 21 ). Unter den stickstofffreien Substanzen kennen wir in dem Aldehyd eine mit Wasser mischbare brennbare Flüssigkeit, welche in der Wärme der Hand schon siedet, mit großer Begierde Sauerstoff aus der Luft anzieht und sich in Essigsäure verwandelt. Dieser Aldehyd läßt sich selbst in zugeschmolzenen Gefäßen nicht aufbewahren, schon nach Stunden oder Tagen ändert sich seine Beschaffenheit, seine Flüchtigkeit, seine Fähigkeit Sauerstoff anzuziehen; es setzen sich lange farblose, harte Nadeln darin ab, welche bei Siedhitze des Wassers noch nicht flüchtig sind, und die Flüssigkeit, in welcher es geschieht, ist kein Aldehyd mehr, sie siedet erst bei 60°, mischt sich nicht mehr mit Wasser und krystallisirt in eis- ähnlichen Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdesto- weniger hat die Analyse dargethan, daß diese drei so verschie- denen Substanzen identisch in ihrer Zusammensetzung sind 22 ). 3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin, Fibrin und Casein. Bis auf ihre physikalischen Eigenschaften weichen sie in ihrem Gehalte an organischen Elementen nicht von einander ab. Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Casein in einer mäßig starken Kalilauge lös’t und diese Flüssigkeit eine Zeit- lang einer höhern Temperatur aussetzt, so werden diese Ma- Umsetzung der Gebilde. terien zerlegt. Durch Zusatz von Essigsäure scheidet sich aus diesen Auflösungen ein gelatinöser, halb durchscheinender Nie- derschlag ab, welcher einerlei Beschaffenheit und Zusammen- setzung zeigt, von welcher der genannten drei Thiersubstanzen derselbe auch dargestellt werden mag. Mulder , dem wir die Entdeckung dieses Körpers verdan- ken, fand durch genaue und sorgfältig ausgeführte Analysen, daß diese Substanz die nämlichen organischen Elemente, und zwar in demselben relativen Verhältnisse enthält, wie die Thier- stoffe, aus denen sie erhalten worden war, in der Art also, daß, wenn man von Albumin, Fibrin und Casein die Aschen- bestandtheile, den Schwefel und Phosphor, den sie enthalten, abzieht, und den Rest der Bestandtheile auf 100 Theile be- rechnet, man zu den nämlichen Zahlenverhältnissen, zu denen die Analyse des durch Kali erhaltenen Zersetzungsproduktes führt, gelangt 23 ). Von diesem Gesichtspunkte aus lassen sich die Hauptbe- standtheile des Blutes und der stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe der Thiermilch als Verbindungen von phosphorsauren und andern Salzen, von Phosphor und Schwefel, mit einem aus Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehenden Körper betrachten, in welchem das relative Verhältniß dieser Elemente nicht wechselt, und dieser Körper läßt sich als An- fangs- und Ausgangspunkt der ganzen Reihe der übrigen Thier- gebilde ansehen, eben weil sie alle aus dem Blute erzeugt werden. Diese Betrachtungsweise veranlaßte Mulder , dem erwähn- Der chemische Proceß der ten Zersetzungsprodukt den Namen Protein zu geben, von πρωτεύω »ich nehme den ersten Platz ein,« und das Blut, oder die Bestandtheile des Blutes sind hiernach Verbindungen dieses Protein’s mit wechselnden Mengen von andern nicht orga- nischen Substanzen. Mulder fand ferner, daß der in Wasser unlösliche stickstoff- haltige Bestandtheil des Weizenmehls, das Pflanzenfibrin, durch Behandlung mit Kali dasselbe Zersetzungsprodukt, nämlich Protein, liefert, und es hat sich zuletzt ergeben, daß Pflanzen- albumin und Pflanzencasein sich gegen Kali genau so verhalten, wie Thieralbumin und Thiercasein. 4. Soweit als unsere Forschungen reichen, kann man es demnach als ein Erfahrungsgesetz betrachten, daß die Pflanzen in ihrem Organismus Proteinverbindungen erzeugen und daß sich aus diesen Proteinverbindungen die zahlreichen Gebilde und Be- standtheile des Thierkörpers unter Mitwirkung des Sauerstoffs der Luft und der Bestandtheile des Wassers durch die Lebens- kraft entwickeln Die Erfahrung von Tiedemann und L. Gmelin , welche Gänse mit gekochtem Eiweiß nicht am Leben erhalten konnten, erklärt sich leicht, wenn man erwägt, daß ein körnerfressendes Thier in der Substanz seiner umgesetzten Organe, wenn ihm überdies Bewegung mangelt, nicht Kohlenstoff genug zum Respirationsproceß vorfindet. Zwei Pfunde Eiweiß enthalten nur 7 Loth Kohlenstoff, von denen in dem letzten Produkt des Stoffwechsels der vierte Theil und zwar in der Form von Harnsäure wieder abgeht. . Obwohl es nun nicht bewiesen werden kann, daß das Pro- tein fertig gebildet in diesen stickstoffhaltigen Pflanzenstoffen und Umsetzung der Gebilde. Thiersubstanzen enthalten ist, indem die Verschiedenheit ihrer Eigenschaften darauf hinzudeuten scheint, daß ihre Elemente nicht auf gleiche Weise mit einander vereinigt sind, so gewährt dennoch, als Ausgangspunkt für die Entwickelung und Ver- gleichung ihrer Eigenschaften, die Annahme der Präexistenz des Proteins viele Bequemlichkeit. Jedenfalls ordnen sich die or- ganischen Elemente der genannten Substanzen auf einerlei Weise, wenn sie bei einer höhern Temperatur mit kaustischem Kali in Berührung gebracht werden. Alle organischen stickstoffhaltigen Bestandtheile des Thierkör- pers, so verschieden sie auch in ihrer Zusammensetzung sich darstellen mögen, stammen vom Protein ab; sie sind daraus gebildet worden durch Aus- oder Hinzutreten der Bestand- theile des Wassers oder des Sauerstoffs und durch Spal- tung in zwei oder mehrere neue Verbindungen. 5. Dieser Satz muß als eine unleugbare Wahrheit angenom- men werden, wenn man sich an die Entwickelung des jungen Thieres im Hühnerei erinnert. Nachweisbar enthält das Hüh- nerei außer dem Albumin keinen anderen stickstoffhaltigen Be- standtheil, das Albumin des Dotters ist identisch mit dem Albumin des Weißen im Ei 24 ); der Dotter enthält ein gelb ge- färbtes Fett, in dem sich Cholsterin und Eisen als Bestand- theile nachweisen lassen. Wir sehen nun, daß in der Bebrütung des Eies, wo bis auf den Sauerstoff der Luft kein Nahrungs- stoff, keine Materie von Außen Antheil an dem Entwickelungs- proceß nehmen kann, daß sich aus dem Albumin, Federn, Klauen Blutkörperchen, Fibrin, Membranen und Zellen, Arterien und Der chemische Proceß der Venen erzeugen; an der Bildung der Gehirn- und Nerven- substanz mag das Fett des Ei’s einen gewissen Antheil genom- men haben, allein zur Erzeugung der stickstoffhaltigen Träger der Lebensthätigkeit konnte sein Kohlenstoff nicht verwendet wer- den, eben weil das Albumin des Weißen und Dotters im Ei auf den gegebenen Stickstoffgehalt die zur Hervorbringung der Gebilde nöthige Kohlenstoffmenge schon enthält. 6. Der eigentliche Ausgangspunkt aller Gebilde im Thierkör- per ist hiernach das Albumin; alle stickstoffhaltigen Nahrungs- stoffe, gleichgültig, ob sie von Thieren und Pflanzen stammen, verwandeln sich, ehe sie Theil an dem Nutritionsproceß nehmen, in Albumin. Alle Nahrungsstoffe, welche das Thier genießt, werden in seinem Magen löslich und überführbar in das Blut. An diesem Löslichwerden nimmt außer dem Sauerstoff der Luft nur eine Flüssigkeit Antheil, welche von den Wänden des Magens abgesondert wird. Die entscheidendsten Versuche der Physiologen haben dar- gethan, daß der Verdauungsproceß unabhängig ist von der Lebensthätigkeit, er geht vor sich in Folge einer rein chemi- schen Aktion, ganz ähnlich den Zersetzungs- oder Umsetzungs- processen, die man mit Fäulniß, Gährung oder Verwesung bezeichnet. 7. In der einfachsten Form ausgedrückt ist Gährung und Fäulniß der Vorgang der Umsetzung (neuen Lagerung) der Ele- mentartheile (Atome) einer Verbindung, zu einer oder zu mehreren neuen Gruppen (Verbindungen), welche bewirkt Umsetzung der Gebilde. wird durch die Berührung mit andern Körpern, deren Ele- mentartheile sich selbst im Zustand der Umsetzung (Zersetzung) befinden. Es ist eine Uebertragung und Mittheilung eines Zustandes der Bewegung, welche die Atome eines sich in Bewegung befindlichen Körpers in andern Materien her- vorzubringen vermögen, deren Elementartheile nur mit einer geringen Kraft zusammengehalten sind. 8. So enthält denn der klare Magensaft eine im Zustand der Umsetzung befindliche Materie, durch deren Berührung mit den an und für sich im Wasser unlöslichen Bestandtheilen der Speise, diese die Fähigkeit sich zu lösen, in Folge einer neuen Gruppirung ihrer Elementartheile, empfangen. Wäh- rend der Verdauung enthält der abgesonderte Magensaft eine freie Mineralsäure, durch deren Gegenwart eine jede weitere Veränderung aufgehalten wird. Daß die Löslichwerdung der Speisen unabhängig von der Lebensthätigkeit der Verdauungsorgane ist, haben die Physiolo- gen aufs klarste durch eine Menge der schönsten Versuche darge- than. Speisen, in metallene durchlöcherte Röhren eingeschlossen, so daß sie mit den Wänden des Magens nicht in Berührung kommen konnten, verschwinden ebenso leicht und schnell, sie wer- den eben so gut verdaut, wie wenn diese Hülle nicht vorhanden gewesen wäre, und frisch aus dem Körper genommener Ma- gensaft, in dem man gekochtes Eiweiß, Muskelfleisch bei der Temperatur des Thierkörpers eine Zeitlang erhält, bewirkt, daß sie ihre feste Beschaffenheit verlieren; sie lösen sich in der Flüssigkeit auf. Der chemische Proceß der 9. Die in dem Magensaft vorhandene, im Zustand der Ver- änderung befindliche Materie ist, wie man kaum bezweifeln kann, ein Produkt der Umsetzung des Magens selbst. Keine mehr wie die Produkte, welche durch die fortschreitende Zersetzung der Leim- (Chondrin-?) gebenden Gebilde erzeugt werden, besitzen in so hohem Grade die Fähigkeit, in andern Stoffen eine Umse- tzung ihrer Bestandtheile hervorzurufen. Wenn man die Mem- branen des Magens irgend eines Thieres (den Labmagen des Kalbes z. B.) durch anhaltendes Waschen mit Wasser reinigt, so zeigt er keine Art von Wirkung, wenn er mit Zucker, Milch und andern Substanzen zusammengebracht wird; läßt man dieselben Membranen eine Zeitlang an der Luft liegen, oder trocknet man sie und bringt sie mit Wasser und den genann- ten Substanzen in Berührung, so verwandelt sich der Zucker, je nach dem Zustand der Zersetzung, in der sich die Thiersub- stanz befindet, in Milchsäure oder in Schleim und Mannit oder in Alkohol und Kohlensäure; die Milch wird davon au- genblicklich zum Gerinnen gebracht. Eine gewöhnliche Thier- blase behauptet in trocknem Zustande ihren Zustand und alle ihre Eigenschaften unverändert, aber bei Gegenwart von Feuchtigkeit und Luft geht sie einer Veränderung entgegen, ohne daß man diese durch besondere äußere Zeichen wahr- nimmt; wird sie in diesem Zustande in eine Auflösung von Milchzucker gelegt, so verwandelt sich dieser in kurzer Zeit in Milchsäure. 10. Frischer Labmagen des Kalbes, mit schwacher Salzsäure in Berührung, ertheilt dieser Flüssigkeit nicht die geringste Umsetzung der Gebilde. Fähigkeit, gekochtes Fleisch oder Eiweiß aufzulösen; war aber der Labmagen vorher getrocknet worden, oder läßt man ihn eine Zeitlang im Wasser liegen, so lös’t mit Salzsäure ange- säuertes Wasser eine Materie in höchst geringer Menge daraus auf, deren Zustand der Zersetzung sich in der Auflösung vollen- det; durch die Uebertragung des Aktes der Zersetzung auf das coagulirte Eiweiß wird es an den Rändern zuerst durchscheinend, dann schleimig und lös’t sich zuletzt bis auf trübende fette Ge- mengtheile völlig auf. Sauerstoff wird durch das arterielle Blut allen Theilen des Thierkörpers zugeführt, überall befin- det sich Feuchtigkeit, in beiden finden wir die Hauptbedingungen aller Veränderungen im Thierkörper vereinigt. Aehnlich also wie der im Keimungsproceß der Samen in einem Zustande der Umsetzung seiner Bestandtheile be- findliche Körper, dem man den Namen Diastase gegeben hat, die Löslichwerdung des Amylons (seine Verwandlung in Zucker) bewirkt, veranlaßt ein Produkt der Metamorphose der Sub- stanz der Verdauungsorgane, indem sich seine Zersetzung im Magen vollendet, die Verflüssigung aller der Lösung fähigen Bestandtheile der Speisen. In gewissen Krankheitszuständen erzeugen sich aus den stickstofffreien Bestandtheilen der Spei- sen, aus Amylon und Zucker, Milchsäure 25 ) und Schleim, die nämlichen Produkte, die wir durch Membranen, welche sich im Zustande der Zersetzung befinden, außerhalb des Magens hervorbringen können; allein im normalen Zustande der Ge- sundheit wird im Magen keine Milchsäure gebildet. 11. Die Eigenschaft vieler Respirationsmittel, des Amy- 8 Der chemische Proceß der lons und der Zuckerarten, bei Berührung mit Thiersubstan- zen, die sich im Zustande der Zersetzung befinden, in Milch- säure überzugehen, hat einen Grund bei den Physiologen abgegeben, um ihre Entstehung während der Verdauung ohne weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorsau- ren Kalk aufzulösen, veranlaßte sie, der Milchsäure die Rolle eines allgemeinen Auflösungsmittels zuzuschreiben. Allein es gelang weder Prout noch Braconnot , Milch- säure im Magensafte nachzuweisen, und selbst Lehmann (s. sein Lehrbuch der physiologischen Chemie 1. Bd. S. 285) erhielt aus dem Magensaft einer Katze nur mikroskopisch erkennbare Krystalle, die er für milchsaures Zinkoxyd erklärt, obwohl ihr chemischer Charakter nicht ausgemittelt werden konnte. Das Vorhandensein von freier Salzsäure im Magen- safte, was Prout zuerst beobachtete, ist später von allen Chemikern, die sich mit seiner Untersuchung beschäftigt haben, bestätigt worden. Diese Salzsäure stammt offenbar von dem Kochsalz her, dessen Natron bei dem Uebergang des Fibrins und Caseins in Blut eine ganz bestimmte Rolle über- nimmt. In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulösen, wird die Salzsäure von keiner organischen Säure übertroffen, und Essigsäure steht in dieser Eigenschaft der Milchsäure gleich. Von einer Nothwendigkeit der Gegenwart der Milchsäure während des Verdauungsprocesses kann hiernach keine Rede sein; mit Bestimmtheit weiß man, daß sie in dem künstlichen Umsetzung der Gebilde. Verdauungsproceß nicht erzeugt wird. Berzelius hat zwar milchsaure Salze im Blut und Fleisch der Thiere ge- funden, allein damals war die außerordentliche Leichtigkeit und Schnelligkeit noch nicht bekannt, mit welcher diese Säure bei Gegenwart von Thierstoffen aus einer Menge von Materien zu entstehen vermag, welche die Elemente der Milchsäure enthalten. In dem Magensafte eines Hundes fand Braconnot , neben Salzsäure, nachweisbare Spuren eines Eisensalzes, was er anfänglich für einen zufälligen Bestandtheil ansah, dessen Gegenwart sich aber in dem Magensafte eines zweiten Hundes, den man mit der nöthigen Vorsicht gewonnen hatte, bestätigte ( Ann. d. chim. et d. phys. T. 59. S. 349). Dieser Eisengehalt ist für die Blutbildung bedeutungsvoll. 12. An der Wirkung des Magensaftes auf die Speisen nimmt, außer Wasser, kein anderes Element als der Sauerstoff nachweisbaren Antheil. Dieser Sauerstoff wird aus der atmosphärischen Luft dem Magen zugeführt. Während des Kauens der Speisen wird im Munde, durch besonders dazu bestimmte Organe, eine Flüssigkeit abgesondert, welche die ausgezeichnete Fähigkeit, Luft schaumartig einzuschließen, in weit höherem Grade noch wie Seifenwasser besitzt. Diese Luft gelangt durch den Speichel mit den Speisen in den Magen, wo ihr Sauerstoff eine Verbindung eingeht; der Stickstoff dieser Luft wird durch Haut und Lunge ausgeath- met. Je länger die Verdauung dauert, je größeren Wider- stand die Speisen der auflösenden Aktion entgegensetzen, 8* Der chemische Proceß der desto mehr Speichel, und mit ihm desto mehr Luft gelangt in den Magen. Das Wiederkäuen bei gewissen grasfressenden Thieren hat offenbar noch den Zweck einer neuen und wieder- holten Hinzuführung von Sauerstoff, denn eine vollkommnere mechanische Zertheilung verkürzt nur die Zeit, in welcher die Auflösung vor sich geht. Aus der ungleichen Menge von Luft, welche bei ver- schiedenen Thierklassen bei dem Kauen der Speisen mit dem Speichel in den Magen gelangt, erklären sich die wohlbe- gründeten Beobachtungen der Physiologen, welche die That- sache außer Zweifel gestellt haben, daß die Thiere durch Haut und Lunge reines Stickgas ausathmen, eine Erfahrung, die um so wichtiger ist, da sie in sich selbst den entscheidendsten Beweis trägt, daß der Stickstoff der Luft in der thierischen Oekonomie keine Verwendung findet. Das Austreten von Stickgas aus Haut und Lunge er- klärt sich durch das Vermögen der Thiergewebe Gase aller Art durchzulassen, was sich durch die einfachsten Versuche darthun läßt. Eine Blase, die man, mit kohlensaurem Gas, Stickgas oder Wasserstoffgas gefüllt, wohlverschlossen in die Luft hängt, verliert in 24 Stunden ihren ganzen Gehalt an diesen Gasen; durch eine Art von Austausch sind sie nach Außen hin in die Atmosphäre entwichen, ihren Platz finden wir von atmosphärischer Luft eingenommen. Ein Darm, ein Magen oder eine Haut, die wir mit diesen Gasen füllen, verhält sich ganz ähnlich wie die Blase; dieses Durchlassen der Gase ist eine physikalische Eigenschaft, die allen thierischen Umsetzung der Gebilde. Geweben angehört; wir beobachten sie in dem lebenden Kör- per in gleichem Grade wie an den todten Substanzen. Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht selten ein eigenthümlicher Zustand entsteht, wo beim Athmen die atmo- sphärische Luft von den Luftwegen aus in das angränzende Zellgewebe eindringt. Diese Luft wird durch die Respira- tionsbewegungen von der Wundstelle aus in dem Zellgewebe immer weiter fortgetrieben und bildet so den unter dem Namen Emphysem bekannten Krankheitszustand. Sobald das fernere Eindringen der atmosphärischen Luft in das Zellge- webe frühzeitig genug verhindert wird, verliert sich dieser Zustand allmälig von selbst wieder, der Sauerstoff dieser Luft ist, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten, das Stickstoffgas ist durch Haut und Lunge ausgeathmet worden. Es ist ferner bekannt, daß bei vielen grasfressenden Thie- ren, wenn sie sich im Genuße frischer saftiger Pflanzen die Verdauungswerkzeuge überladen haben, diese Stoffe in dem Magen selbst der nämlichen Zersetzung unterliegen, die sie au- ßerhalb des Körpers in gleicher Temperatur erfahren; sie gehen in Gährung und Fäulniß über, wobei sich eine so große Menge kohlensaures und entzündliches Gas entwickelt, daß diese Or- gane auf eine ungewöhnliche Weise (zuweilen bis zum Zer- sprengen) aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres Magens oder ihrer Mägen, können diese Gase durch den Schlund nicht entweichen, man sieht aber nach einigen Stunden schon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und nach 24 Stunden ist von allem Gase keine Spur mehr vorhanden 26 ). Der chemische Proceß der Erinnert man sich zuletzt an die tödtlichen Zufälle, die in Weinländern so häufig durch den Genuß von sogenanntem federweißen Wein veranlaßt werden, so kann man nicht den geringsten Zweifel hegen, daß Gase jeder Art, im Was- ser lösliche oder unlösliche, das Vermögen besitzen, die thie- rischen Gewebe zu durchdringen, ähnlich wie Wasser von un- geleimtem Papier durchgelassen wird. Der federweiße Wein ist in Gährung begriffener Wein, welche durch die Tempera- tur des Magens gesteigert wird; das entwickelte kohlensaure Gas dringt durch die Wände des Magens, des Zwerchfelles, durch alle Häute in die Lungenzellen, und verdrängt aus die- sen die atmospärische Luft. Der Mensch stirbt mit allen Zei- chen der Erstickung in einem irrespirablen Gase, und der sicherste Beweis für ihr Vorhandensein in der Lunge ist un- streitig der Umstand, daß das Einathmen von Ammoniakgas als das beste Gegenmittel gegen diesen Krankheitszustand anerkannt ist. Die Kohlensäure der moussirenden Weine, welche in den Magen gelangt, die Kohlensäure, die man im Wasser, was damit gesättigt ist, in der Form eines Klystiers zu sich nimmt, sie treten durch Haut und Lunge wieder aus, und in glei- chem Grade muß dies von dem Stickgas gelten, was durch den Speichel in den Magen gelangt. Gewiß mag ein Theil dieser Gase durch das Saug- und Lymphgefäßsystem in das venöse Blut und von da in die Lunge gelangen, wo sie abdunsten, allein ihrem directen Ein- dringen in die Brusthöhle und Lunge steht in den Membranen Umsetzung der Gebilde. selbst, nicht das geringste Hinderniß im Wege. Es ist in der That schwer zu glauben, daß die Saug- und Lymphge- gefäße ein besonderes Bestreben haben, Luft, Stickgas, Was- serstoffgas ꝛc. aufzusaugen und dem Blute zuzuführen, da die Eingeweide, der Magen, alle Räume, die nicht mit festen oder flüssigen Stoffen ausgefüllt sind, Gase enthalten, die nur bei einer gewissen Volumsvergrößerung ihren Platz ver- lassen, die also nicht aufgesaugt werden. Von dem Stickgas im besondern, mit dem sich das Blut bei seinem Durchgange durch die Lunge, wie eine jede andere Flüssigkeit sättigt, d. h. von dem es so viel aufnimmt, als seinem Auflösungsvermö- gen entspricht, muß angenommen werden, daß es nicht durch den Kreislauf des Blutes, sondern auf einem directeren Wege wieder aus dem Magen tritt. Durch die Athembewegungen werden alle Gase, welche die leeren Räume ausfüllen, nach der Brusthöhle hingetrieben, indem durch die Bewegung des Zwergfelles und die Erweiterung der Brusthöhle ein luft- verdünnter Raum entsteht, in dessen Folge, durch den atmo- sphärischen Luftdruck, Luft von allen Seiten her in die Lun- gen eingetrieben wird; es findet freilich das Maximum der Ausgleichung durch die Luftröhre statt, aber auch von Innen her müssen alle Gase eine Bewegung nach der Brusthöhle und Lunge hin empfangen. Bei den Vögeln und Schild- kröten ist dieses Verhältniß umgekehrt. Wenn wir annehmen, daß ein Mensch in einer Minute nur ⅛ Kubikzoll Luft mit dem Speichel seinem Magen zuführt, so macht dies in 18 Stun- den 135 Kubikzoll aus, wenn wir den fünften Theil davon Der chemische Proceß der als Sauerstoff abrechnen, so bleiben immer noch 108 Kubik- zoll Stickgas, welche den Raum von drei Pfund (hessische) Wasser einnehmen. So wenig oder so viel die verschluckte Stickstoffmenge nun auch betragen mag, gewiß ist, daß dieses Gas durch den Mund, Nase oder Haut wieder austritt, und wenn wir die große Menge Stickgas in Betrachtung ziehen, welche von Magendie in den Eingeweiden Hingerichteter nach- gewiesen worden ist, so wie die Abwesenheit von allem Sauer- stoffgas in den nämlichen Organen 27 ), so muß angenommen werden, daß auch in Folge der Resorbtion durch die Haut Luft, d. h. Stickgas, eintritt, welches durch die Lunge wieder ausgeathmet wird. Bei dem Athmen der Thiere in Gasen, die keinen Stick- stoff enthalten, wird mehr Stickgas ausgeathmet, eben weil sich in diesem Falle das Stickgas im Körper gegen den Raum außerhalb verhält, wie wenn dieser Raum luftleer wäre. (S. Graham über die Diffusion der Gase.) Die Unterschiede in der Menge des ausgeathmeten Stick- gases von verschiedenen Thierklassen erklären sich hiernach leicht; die Herbivoren verschlucken mit dem Speichel mehr Luft wie die Carnivoren; sie athmen mehr Stickgas aus, beim Fasten weniger wie nach frisch genossener Nah- rung. 13. Aehnlich wie die aus dem Leibe genommene Muskel- faser den Zustand der Zersetzung und Umsetzung, in welchem sich ihre Bestandtheile befinden, dem Wasserstoffhyperoryde überträgt, wirkt ein durch den organischen Proceß, in Folge Umsetzung der Gebilde. der Umsetzung der Bestandtheile des Magens und der Ver- dauungsorgane, entstehendes Product, indem sich seine Me- tamorphose im Magen vollendet, auf die Bestandtheile der genossenen Speisen. Die unlöslichen erhalten die Fähigkeit sich zu lösen, sie werden verdaut. Es ist gewiß bemerkenswerth, daß gekochtes Eiweiß oder Fibrin, wenn sie durch gewisse Flüssigkeiten, durch organi- sche Säuren oder schwache alkalische Laugen, löslich ge- macht werden, daß alle ihre übrigen Eigenschaften bis auf die Form (den Cohäsionszustand) nicht die geringste Aende- rung erfahren, ihre Elementartheile ordnen sich sicher auf eine andere Art, allein sie theilen sich nicht in zwei oder mehre Gruppen, in zwei oder mehre neue Verbindungen, sondern sie bleiben zusammen vereinigt. Ganz dasselbe findet in dem Verdauungsprocesse statt; im gesunden Zustande erleiden die Speisen nur eine Aufhe- bung ihres Cohäsionszustandes. Das größte Hinderniß, was sich der klaren Auffassung des Verdauungsprocesses, der in dem Vorhergehenden zu den chemi- schen Metamorphosen gerechnet worden ist, die man Gährung und Fäulniß nennt, entgegenstellt, beruht auf der unwillkührli- chen Erinnerung und in der Festhaltung der Erscheinungen, welche die Gährung des Zuckers und der Thiersubstanzen (Fäulniß) begleiten, allein es giebt zahllose Fälle, wo eine Umsetzung der Bestandtheile einer Verbindung vor sich geht, ohne die geringste Gasentwickelung, und es sind hauptsäch- lich diese, welche man ins Auge zu fassen hat, wenn man Der chemische Proceß der den chemischen Begriff der Verdauung frei von Irrthum in sich aufnehmen will. Alle Materien, welche die Erscheinungen der Gährung und Fäulniß in Flüssigkeiten aufzuheben vermögen, stören, in den verdauenden Magen gebracht, die Verdauung. Die Wirkung der brenzlichen, empyreumatischen Stoffe von Caffee, Tabacksdampf, Kreosot, Quecksilbermittel u. s. w. verdienen in dieser Beziehung für Dietätik eine besondere Beachtung. Durch die Gleichheit in der Zusammensetzung der Be- standtheile des Bluts mit den stickstoffhaltigen, vegetabilischen Nahrungsstoffen haben wir, gewiß auf eine sehr unerwartete Weise, erfahren, warum faulendes Blut, Eiweiß, Fleisch, Käse in Zuckerwasser die nämliche Veränderung hervorbrin- gen, wie Hefe, warum Zucker damit in Berührung je nach dem Zustande der Zersetzung, in welchem sich die faulenden Materien befinden, bald in Alkohol und Kohlensäure, bald in Milchsäure und Schleim sich zerlegt. Die Ursache liegt einfach darin, daß die Materie, welche man Hefe (Ferment) genannt hat, im Zustande der Zersetzung begriffenes Pflan- zenalbumin, -Fibrin oder -Casein ist, Substanzen, welche identisch sind mit den Bestandtheilen des Fleisches oder des Blutes. Die Fäulniß der genannten Thiersubstanzen ist in ihrem Vorgang identisch mit dem Proceß der Metamorphose der ihnen identischen Pflanzenstoffe, es ist ein Zerfallen in minder complexe neue Verbindungen. Und wenn man die Umsetzung der Bestandtheile des Thierkörpers (den Verbrauch an Stoff vom Thiere) als einen chemischen Proceß betrach- Umsetzung der Gebilde. tet, welcher unter dem Einflusse der Lebensthätigkeit vor sich geht, so ist die Fäulniß derselben außerhalb des Thier- körpers ein Zerfallen in einfachere Verbindungen, an welchen die Lebenskraft keinen Antheil nimmt. Die Action ist in beiden Fällen die nämliche, nur die Producte sind verschie- den. Die practische Medicin hat über die Wirkung empy- reumatischer Stoffe (Holzessig und anderer) auf bösartige Wunden und Geschwüre die schönsten und interessantesten Beobachtungen gemacht. In diesen Krankheitserscheinungen gehen zwei Actionen neben einander vor sich, eine Metamor- phose, welche unter dem Einfluß der Lebensthätigkeit sich zu vollenden strebt, und eine zweite, welche unabhängig von ihr ist. Die letztere ist ein chemischer Proceß, welcher durch empyreumatische Substanzen gänzlich unterdrückt und aufge- hoben wird; es ist der reine Gegensatz von der schädlichen Einwirkung, welche faulendes Blut, auf frische Wunden ge- legt, in dem Organismus hervorbringt. II. 14. Den nächsten Ausdruck für die Zusammensetzung des Proteins oder die relativen Verhältnisse der organischen Bestandtheile des Bluts, so wie sie durch die Analyse fest- gestellt worden sind, giebt die Formel C 43 H 72 N 12 O 14 Ueber die Verwandlung dieser und der folgenden Formeln in Pro- cente siehe Anhang. . Al- Der chemische Proceß der bumin, Fibrin, Casein enthalten Protein; das Casein enthält Schwefel, keinen Phosphor; Albumin und Fibrin enthalten beide Substanzen in chemischer Verbindung, das erstere mehr Schwefel als wie das Fibrin. In welcher Form der Phos- phor in diesen Materien vorhanden ist, kann direct nicht entschieden werden, aber man hat bestimmte Beweise dafür, daß der Schwefel nicht im oxydirten Zustande darin enthal- ten sein kann. Alle diese Materien geben nämlich mit einer mäßig starken Kalilauge erhitzt den Schwefel ab, den man in der Flüssigkeit als Schwefelkalium wiederfindet; mit einer Säure versetzt entwickelt er sich daraus als Schwefelwasser- stoff. Lös’t man reines Fibrin oder gewöhnliches Eiweiß in schwacher Kalilauge auf, setzt essigsaures Bleioxyd mit der Vorsicht hinzu, daß alles Bleioxyd in der alkalischen Lauge gelös’t bleibt, und erhitzt nun zum Sieden, so wird die Flüssigkeit schwarz wie Dinte und es schlägt sich Schwe- felblei als feines Pulver nieder. Es ist außerordentlich wahrscheinlich, daß durch die Ein- wirkung des Alkali’s der Schwefel als Schwefelwasserstoff, der Phosphor als Phosphorsäure hinweggenommen wird. Da nun in diesem Falle Schwefel und Phosphor auf der einen Seite, Wasserstoff und Sauerstoff auf der andern aus- treten, so sollte man denken, daß Fibrin und Albumin mit ihrem Schwefel und Phosphor mehr Wasserstoff und Sauer- stoff in der Analyse geben müßten, als das Protein. Allein dies läßt sich thatsächlich durch die Analyse nicht darthun. Man hat z. B. in dem Fibrin 0,36 pCt. Schwefel gefun- Umsetzung der Gebilde. den. Angenommen nun, der Schwefel trete mit Wasserstoff aus, so würde das Protein 0,0225 pCt. Wasserstoff weni- ger enthalten, wie das Fibrin, anstatt den mittleren Gehalt von 7,062 pCt. Wasserstoff würde man im Protein also 7,04 pCt. bekommen müssen. In einer ähnlichen Weise würde durch das Austreten vom Sauerstoff mit dem Phos- phor der Sauerstoffgehalt des Fibrins von 22,715 pCt. oder 22,00 auf 22,5 oder 21,8 pCt. in dem Protein zurück- geführt werden. Die Fehlergrenzen unserer Analysen sind aber im Durchschnitt größer als ein Zehntel Procent in der Wasserstoffbestimmung, und über 4/10 pCt. in der Sauerstoff- bestimmung; in den angegebenen Fällen würde der Unterschied in dem Wasserstoffgehalte nur 1/48 pCt. betragen. Wenn man zuletzt bedenkt, daß das Austreten von Sauer- stoff und Wasserstoff mit dem Phosphor und Schwefel ein Hinzutreten der Bestandtheile des Wassers nicht ausschließt, wenn wir annehmen, daß mit den organischen Bestandtheilen des Albumins und Fibrins eine gewisse Menge Wasser in Verbindung tritt, um Protein zu bilden, so hört alle Wahr- scheinlichkeit völlig auf, durch die chemische Analyse darüber zu einer bestimmten Ansicht zu gelangen. Man hat von der Bildung des Schwefelkaliums rück- wärts Schlüsse auf das Vorhandensein von nicht oxydirtem Phosphor in dem Fibrin und Albumin gezogen, indem man annahm, daß der Sauerstoff des Kalis dazu gedient habe, um mit dem Phosphor Phosphorsäure zu bilden; allein das Casein, in welchem kein Phosphor zugegen ist, verhält sich Der chemische Proceß der gegen Kali ganz den anderen gleich; es entsteht nämlich Schwefelkalium, dessen Bildung ohne ein Austreten von Schwefelwasserstoff nicht erklärbar ist. Beim bloßen Kochen von Fleisch, bei der Bereitung von Fleischbrühe, entwickelt sich, wie Chevreul gefunden hat, Schwefelwasserstoff. Zuletzt sind die Schwefelmengen im Fibrin und Albumin auf dieselbe Phosphormenge nicht gleich, woraus man keinen andern Schluß ziehen kann, als daß die Bildung des Schwe- felkaliums zu diesem Phosphorgehalt in keiner Beziehung steht; es bildet sich Schwefelkalium aus Casein, in welchem man keinen freien (als Säure ungebundenen?) Phosphor voraussetzt und ebenso aus Albumin, was nur halb so viel Phosphor enthält wie das Fibrin. Eine jede Bemühung, die wahre Anzahl der Atome des Fibrins und Albumins in einer rationellen Formel festzusetzen, in welcher Schwefel und Phosphor zu ganzen Atomzah- len aufgenommen sind, wird immer unfruchtbar bleiben, weil uns schlechterdings alle Mittel fehlen, um mit absoluter Ge- nauigkeit die so äußerst geringen Mengen von Schwefel und Phosphor in den Thiersubstanzen bestimmen zu können, und eine Abweichung, welche kleiner ist als die gewöhn- lichen Grenzen der Beobachtungsfehler, um 10 und mehr Atome, die Anzahl der Atome des Kohlenstoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs in der Formel ändert. Man muß sich in dieser Hinsicht über das, was die chemische Analyse zu leisten vermögend ist, keiner Täuschung hingeben, mit Gewißheit wissen wir, daß die Zahlenver- Umsetzung der Gebilde . hältnisse der Analysen vom Fibrin und Albumin nicht von einander abweichen, und wir erschließen hieraus die gleiche Zusammensetzung. Dieser Schluß verliert von seiner Wahr- heit nichts, obwohl wir die Anzahl der Atome ihrer Ele- mente nicht kennen, welche zu dem zusammengesetzten Atome sich vereinigt haben. 15. Eine Formel für Protein ist für uns nichts weiter wie der genaueste und nächste Ausdruck der Analyse, einer Er- fahrung, über die wir alle Zweifel als beseitigt betrachten. Dies allein hat vorläufig Werth für uns. Wenn wir uns nun denken, daß aus dem Albumin und Fibrin im Blute alle andern Gebilde entsprungen sind, so ist vollkommen sicher, daß dies nur auf zwei Weisen ge- schehen kann. Es sind nämlich entweder gewisse Elemente hinzu-, oder es sind von ihren Bestandtheilen gewisse Mengen ausgetreten. Suchen wir nun z. B. für die Zellen und leimgebenden Gebilde, Sehnen, Haare, Horn und die übrigen, einen analytischen Ausdruck auf, in welchem die Anzahl der Atome des Kohlenstoffs als eine unveränderliche Größe festgesetzt wird, so giebt sich auf den ersten Blick zu erkennen, in welcher Art und Weise sich das Verhältniß der andern Ele- mente geändert hat; dies umfaßt aber alles, was die Phy- siologie bedarf, um Einsicht in das Wesen des Bildungs- und Ernährungsprocesses im Thierkörper zu erlangen. 16. Aus den Untersuchungen von Mulder und Sche- rer 28 ) ergeben sich folgende empirische Formeln: Der chemische Proceß der Bestandtheile der organischen Gebilde. Albumin ....... C 48 N 12 H 72 O 14 + P + S Die hier als P und S angeführten Phosphor- und Schwefelmengen Fibrin ........ C 48 N 12 H 72 O 14 + P + 2 S Casein ......... C 48 N 12 H 72 O 14 + S Leimgebilde, Sehnen C 48 N 15 H 82 O 18 Chondrin ꝛc. ..... C 48 N 12 H 80 O 20 Arterienhaut ..... C 48 N 12 H 76 O 16 Haare, Horn .... C 48 N 14 H 78 O 15 . Die Vergleichung dieser Formeln zeigt, daß bei dem Uebergang des Proteins in Chondrin (Substanz der Rippen- knorpeln) die Bestandtheile von Wasser und Sauerstoff, bei der Bildung der serösen Membranen, Zellen und Sehnen außer diesen Elementen noch Stickstoff hinzugetreten ist. Bezeichnen wir die Formel des Proteins C 48 N 12 H 72 O 14 mit Pr , so sind Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, in der Form von bekannten Verbindungen geordnet, bei der Bil- dung der Leimsubstanzen, Haare, Horn, Arterienhaut hinzu- getreten. Umsetzung der Gebilde . 17. Aus dieser Uebersicht geht hervor, daß alle Gebilde des Thierkörpers auf eine gleiche Anzahl von Kohlenstoff atomen mehr Sauerstoff enthalten als die Bestandtheile des Bluts; bei ihrer Entstehung ist ohne Zweifel Sauerstoff aus der Atmosphäre oder durch die Elemente des Wassers zu den Bestandtheilen des Proteins hinzugetreten; wir finden in den Haaren und Membranen mehr Stickstoff und Wasser- stoff, und zwar beide im Verhältniß wie im Ammoniak. Die Chemiker sind bekanntlich heute noch nicht einig über die Art und Weise, wie die Bestandtheile des schwefelsauren Kali’s geordnet sind, es wäre deshalb dem Chemismus zu viel eingeräumt, wenn man die Arterienhaut für ein Hydrat, das Chondrin für das Oxyd des Proteinhydrats, wenn wir Haare und Membranen für Oxyde des Proteins in Verbin- dung mit Ammoniak ansehen wollten. Diese Formeln drücken mit Bestimmtheit die Verschieden- heit in der Zusammensetzung der Hauptbestandtheile der Thiere aus, sie zeigen, daß auf einen gleichen Kohlenstoffge- halt das relative Verhältniß ihrer Elemente abweicht, wie- viel der eine Stoff mehr Sauerstoff oder Stickstoff enthält wie der andere. 18. Es kann daraus gefolgert werden, wie sie aus den Bestandtheilen des Bluts entstehen; aber die Erklärung ihrer Entstehung nimmt zwei Formen an, von denen zu entschei- den ist, welche der Wahrheit am nächsten kommt. drücken nicht Atomgewichte aus, sondern bezeichnen nur die relativen durch die Analyse gefundenen Verhältnisse. 9 Der chemische Proceß der Auf einen gleichen Kohlenstoffgehalt enthalten die Membra- nen und die leimgebenden Gebilde mehr Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff wie das Protein; es ist denkbar, daß sie aus Albumin entstanden sind durch Hinzutreten von Sauerstoff, der Bestandtheile des Wassers und des Ammoniaks und durch Austreten von Phosphor und Schwefel; jedenfalls ist ihre Zusammensetzung von der der Hauptbestandtheile des Bluts durchaus verschieden. Das Verhalten der Leimgebilde gegen ätzende Alkalien zeigt mit Bestimmtheit, daß sie kein Protein mehr enthalten, auf keine Weise kann Protein daraus erhalten werden, alle durch die Einwirkung des Alkali’s erzeugten Producte wei- chen von den Producten, welche die Protein-Verbindungen unter den nämlichen Bedingungen liefern, durchaus ab; mag fertig gebildetes Protein in dem Fibrin, Casein und Albu- min enthalten sein oder nicht, gewiß ist, daß sich ihre Ele- mente durch die Einwirkung des Alkali’s zu Protein ordnen; diese Fähigkeit geht den Elementen der Leimsubstanz ab. Zur zweiten Form der Bildung der Leimsubstanz und zwar zur wahrscheinlicheren gelangt man, wenn seine Bil- dung abhängig gedacht wird von einem Austreten von Koh- lenstoff. Angenommen, der Stickstoffgehalt des Proteins bleibe in der Leimsubstanz, so würde die Zusammensetzung der letztern (auf 12 At. Stickstoff berechnet) durch die Formel C 38 N 12 H 64 O 14 ausgedrückt werden müssen. Diese Formel stimmt am näch- sten mit der Analyse von Scherer , wiewohl sie kein ge- Umsetzung der Gebilde . nauer Ausdruck dafür ist. Eine den Analysen entsprechendere Formel ist C 32 H 54 N 10 O 12 oder, nach Mulder’s Analyse berechnet, die Formel C 54 H 84 N 18 O 20 Die Formel, welche Mulder angenommen hat, C 52 H 80 N 16 O 20 giebt in der berechneten procentischen Zusammensetzung zu wenig Stickstoff. . Nach der ersten Formel wäre Kohlenstoff und Wasser- stoff, nach den beiden andern wäre ein gewisses Verhältniß aller Elemente ausgetreten. 19. Als das für uns wichtigste Resultat in der Betrachtung der Zusammensetzung der Leimsubstanz muß als eine unleug- bare Wahrheit angenommen werden, daß sie, obwohl aus Protein-Verbindungen entstanden, aus der Reihe der Protein- Verbindungen herausgetreten ist. Ihr chemisches Verhalten und ihre Zusammensetzung rechtfertigt diesen Schluß. Keine Beobachtung steht dem Erfahrungsgesetz entgegen, wonach die Natur ausschließlich nur Protein-Verbindungen zur Blutbildung bestimmt. In den Vegetabilien existirt kein der Leimsubstanz ähnlicher Körper, sie ist keine Protein- Verbindung, sie enthält keinen Phosphor, keinen Schwefel, sie enthält mehr Stickstoff oder weniger Kohlenstoff wie das Protein. Durch die Lebensthätigkeit der zur Blutbil- dung bestimmten Organe nehmen die Protein-Verbindungen eine neue Form an, aber in ihrer Zusammensetzung erleiden sie keine Veränderung; diese Organe besitzen, soweit unsere Erfahrungen reichen, das Vermögen nicht, Protein-Verbin- dungen kraft einer einwirkenden Thätigkeit zu erzeugen 9* Der chemische Proceß der aus Stoffen, die kein Protein enthalten. Thiere mit Leim- substanz, mit dem stickstoffreichsten Bestandtheil der Nahrung der Carnivoren ausschließlich ernährt, starben den Hungers- tod; die Leimsubstanzen sind unfähig zu Blut zu werden. Aber es unterliegt keinem Zweifel, sie wird aus den Bestandtheilen des Bluts erzeugt und kaum läßt sich die Vorstellung zurückweisen, daß das Fibrin des venösen Bluts, indem es zu arteriösem Fibrin wird, sich auf der ersten Stufe der Umbildung zur Leimsubstanz befindet. Mit eini- ger Wahrscheinlichkeit kann man kaum den Membranen und Sehnen die Fähigkeit zuschreiben, sich selbst aus Stoffen zu bilden, die ihnen durch das Blut zugeführt werden; wie könnte in der That ein Stoff zur Zelle werden, kraft einer einwirkenden Thätigkeit, welche noch keinen Träger hat; eine schon bestehende Zelle mag die Fähigkeit besitzen, sich zu erhalten oder zu vervielfältigen, allein zu beidem gehören Stoffe, welche identisch in ihrer Zusammensetzung mit der Substanz der Zellen sind. Diese Stoffe werden in dem Organismus erzeugt, und keiner kann sich mehr zu ihrer Bildung eignen als die Zellen und Membranen selbst, die in dem Magen des Thiers in dem Proceß der Verdauung löslich geworden sind, oder welche der Mensch im löslichen Zustande genießt. 20. Ich gebe in dem Folgenden einen Versuch zur analyti- schen Entwicklung der in dem thierischen Körper vorgehenden Haupt-Metamorphosen, und zwar, um allen und jeden Miß- verständnissen vorzubeugen, mit der ausdrücklichen Verwah- Umsetzung der Gebilde . rung gegen alle Schlüsse und Folgerungen, die man jetzt oder zu irgend einer Zeit gegen die Ansichten daraus ziehen könnte, welche ich in dem Vorhergehenden, mit dem sie in keinerlei Verbindung stehen, entwickelt habe. Die Resultate, zu denen ich gelangt bin, befremden mich nicht minder und flößten mir die nämlichen Zweifel ein, die sie in Andern erwecken werden, allein sie sind keine Schö- pfungen der Phantasie, und ich gebe sie, weil ich die Ueber- zeugung hege, daß der Weg, der zu ihrer Ermittelung ge- führt hat, der einzige ist, auf welchem wir hoffen können, Einsicht in die organischen Processe zu erlangen. Alle die zahllosen qualitativen Untersuchungen thierischer Substanzen sind absolut werthlos für die Physiologie so- wohl, wie für die Chemie, so lange ihnen nicht ein ganz bestimmter Zweck, eine deutlich ausgedrückte Frage unterlegt wird. Wenn wir in einem Satze, den wir entziffern wollen, die Buchstaben auseinander nehmen und in eine Reihe stel- len, so sind wir dem Sinne um keinen Schritt näher ge- kommen. Um ein Räthsel zu lösen, müssen wir völlig klar über die Aufgabe sein. Es giebt freilich viele Wege, um die höchste Kuppe eines Berges zu erklimmen, allein nur die- jenigen haben Hoffnung, dem Ziele sich zu nähern, welche die Spitze im Auge behalten. Mit aller Arbeit und An- strengung in einem Sumpfe erreicht man nichts weiter, als daß man sich immer mehr mit Schlamm und Koth beladet, das Höhersteigen wird durch selbstgeschaffene Schwierigkeiten Der chemische Proceß der immer mühevoller und auch die größte Kraft muß zuletzt unter diesem Unrath erliegen. 21. Wenn es wahr ist, daß aus dem Blute oder den Bestandtheilen des Bluts alle Theile des Thierkörpers entwi- ckelt und gebildet werden, daß die vorhandenen Organe in jedem Zeitmomente des Lebens sich durch den Einfluß des zuge- führten Sauerstoffs in neue Verbindungen umsetzen, so müs- sen die Secrete des Thierkörpers nothwendig die Producte der umgesetzten Gebilde enthalten. 22. Wenn der Schluß ferner wahr ist, daß der Harn die stickstoffhaltigen und die Galle die kohlenstoffreichen Pro- ducte aller Gebilde enthält, die in dem Lebensproceß sich in anorganische Verbindungen umgesetzt haben, so ist klar, daß die Bestandtheile der Galle und des Harns zusammengenom- men gleich sein müssen, in ihrem relativen Verhältnisse, der Zusammensetzung des Bluts. 23. Aus dem Blute sind die Organe entstanden, die Or- gane enthalten die Bestandtheile des Bluts; sie haben sich in neue Verbindungen umgesetzt, zu diesen neuen Verbindungen ist außer Sauerstoff und Wasser kein anderer Körper hinzu- gekommen, das relative Verhältniß ihres Kohlenstoffs und Stickstoffs muß gleich sein dem relativen Verhältniß des Kohlenstoffs und Stickstoffs im Blute. Wenn wir also von der Zusammensetzung des Bluts die Bestandtheile des Harns abziehen, so müssen wir, den hinzu- gekommenen Sauerstoff und das Wasser abgerechnet, die Zu- sammensetzung der Galle bekommen. Umsetzung der Gebilde . Oder wenn wir von den Bestandtheilen des Bluts ab- ziehen die Bestandtheile der Galle, so müssen wir harnsau- res Ammoniak oder Harnstoff und Kohlensäure übrig behalten. Man wird es vielleicht bemerkenswerth finden, daß diese Betrachtungsweise auf die wahre Formel der Galle, oder richtiger, auf den empirischen Ausdruck für ihre Zusammen- setzung geführt hat, auf den Schlüssel zur Erklärung ihrer Metamorphosen durch Säuren und Alkalien, den man bis jetzt ohne Erfolg zu suchen bemüht war. 24. Wenn man frisches Blut über eine 60° heiße Silber- platte fließen läßt, so trocknet es zu einem rothen firnißarti- gen Ueberzug ein, der sich leicht pulverisiren läßt; anfänglich in gelinder Wärme, zuletzt bei 100°, trocknet frisches fett- freies Muskelfleisch zu einer braunen pulverisirbaren Masse ein. Die Analysen von Playfair und Boeckmann 29 ) führen als den nächsten Ausdruck der erhaltenen Gewichts- verhältnisse ihrer Elemente für das Muskelfleisch (Fibrin, Albumin, Zellen und Nerven) und für das Blut zu einer und derselben empirischen Formel, sie ist: C 48 N 12 H 78 O 15 (empirische Formel des Bluts). 25. Der Hauptbestandtheil der Galle ist nach den Untersu- chungen von Demar ç ay eine den Seifen ähnliche Verbin- dung von Natron mit einer eigenthümlichen Materie, welche den Namen Choleinsäure erhalten hat; sie wird in Verbin- dung mit Bleioxyd gefällt, wenn man eine durch Alkohol von allen darin unlöslichen Stoffen befreite Galle, mit essig- saurem Bleioxyd vermischt. Der chemische Proceß der Diese Choleinsäure wird durch Salzsäure zerlegt in Taurin, Salmiak und in eine neue stickstofffreie Säure, in Choloidinsäure . Durch Kochen mit ätzendem Kali zerfällt sie in Kohlen- säure, Ammoniak und in Cholinsäure (verschieden von Gmelin’s Cholsäure). Es ist nun klar, daß die wahre Formel der Cholein- säure den analytischen Ausdruck für diese Zersetzungsweisen in sich schließen, daß sie erlauben muß, die Zusammensetzung der entstandenen Producte in eine ganz bestimmte und ein- fache Beziehung zu der Zusammensetzung der Choleinsäure zu bringen. Dieser Ausdruck verliert an seiner Wahrheit nichts, wenn sich auch ergeben sollte, daß die Choleinsäure und Choloidinsäure, wie aus den Untersuchungen von Ber- zelius hervorzugehen scheint, Gemenge von mehreren ver- schiedenartigen Verbindungen sind, die relative Anzahl der Atome kann hierdurch in keiner Weise geändert werden. 26. Zur Entwickelung der Metamorphosen, welche die Cho- leinsäure durch Säuren und Alkalien erleidet, kann als em- pirischer Ausdruck ihrer Zusammensetzung nur die folgende Formel angenommen werden: Formel der Choleinsäure: C 76 H 132 N 4 O 22 30 ). Ich wiederhole es, diese Formel kann der Ausdruck sein für die Zusammensetzung von zwei oder mehreren Verbindun- gen, gleichgültig, wie viel es auch sein mögen, sie enthält die relative Anzahl aller ihrer Elemente zusammengenommen. Nehmen wir von den Elementen der Choleinsäure die Umsetzung der Gebilde . durch Einwirkung der Salzsäure entstehenden Producte, Am- moniak und Taurin, hinweg, so gelangen wir zur empiri- schen Formel der Choloidinsäure. Formel der Choleinsäure .......... C 76 H 132 N 4 O 22 ab 1 At. Taurin C 4 H 14 N 2 O 10 — C 4 H 20 N 4 O 10 1 Aeq. Ammoniak H 6 N 2 Bleibt die Formel der Choloidinsäure C 72 H 112 O 12 31 ). 27. Werden ferner von den Elementen der Choleinsäure die Bestandtheile von Harnstoff und 2 At. Wasser (2 At. Koh- lensäure und 2 Aeq. Ammoniak) hinweggenommen, so haben wir die Formel und Zusammensetzung der Cholinsäure. Formel der Choleinsäure ........ C 76 H 132 N 4 O 22 ab 2 At. Kohlensäure C 2 O 4 — C 2 H 12 N 4 O 4 2 Aeq. Ammoniak N 4 H 12 Formel der Cholinsäure C 74 H 120 O 18 32 ). Wenn man die so große Uebereinstimmung der Zahlenresul- tate der Analysen 30 ) 31 ) 32 ) mit den obigen Formeln ins Auge faßt, so wird man kaum zweifeln können, daß die aufgefun- dene Formel der Choleinsäure so nahe, wie man bei Analy- sen dieser Art Substanzen nur erwarten kann, die relative Anzahl der Atome ihrer Elemente ausdrückt, gleichgültig, in wieviel verschiedenen Formen sie auch darin vereinigt sein mögen. Der chemische Proceß der 28. Addiren wir nun die Hälfte der Zahlen, welche die relativen Verhältnisse der Elemente der Choleinsäure ausdrü- cken, zu den Bestandtheilen des Harns der Schlangen, zu den Elementen des neutralen harnsauren Ammoniaks, so erhalten wir: Formel der Choleinsäure ........ C 38 H 66 N 2 O 11 hierzu 1 Aeq. Harnsäure C 10 H 8 N 8 O 6 1 » Ammoniak H 6 N 2 = C 10 H 14 N 10 O 6 in Summa C 48 H 80 N 12 O 17 . 29. Diese Formel drückt aber aus die Zusammensetzung des Bluts, zu welchem die Elemente von 1 At. Wasser und 1 At. Sauerstoff getreten sind. Formel des Bluts ..... C 48 H 78 N 12 O 15 . hierzu 1 At. Wasser H 2 O 1 » Sauerstoff O H 2 O 2 in Summa C 48 H 80 N 12 O 17 . 30. Wenn wir ferner zu den Elementen des Proteins die Elemente treten lassen von 3 At. Wasser, so haben wir, bis auf 2 At. Wasserstoff, genau die Elemente der Choleinsäure und des harnsauren Ammoniaks. 1 At. Protein C 48 H 72 N 12 O 14 3 » Wasser H 6 O 3 C 48 H 78 N 12 O 17 . Umsetzung der Gebilde . 31. Betrachten wir also die Choleinsäure und das harnsaure Ammoniak als die Producte der Umsetzung der Muskelfaser, indem es keine andern Gebilde im Thierkörper giebt, welche Protein enthalten (Albumin geht in Gebilde über, ohne daß man sagen kann, daß es im Lebensproceß direct eine Umse- tzung in Harnsäure und Choleinsäure erfährt), so haben wir darin mit Zuziehung der Bestandtheile des Wassers alle zu der Metamorphose nöthigen Elemente; bis auf den Schwe- fel und Phosphor, die sich beide oxydirt haben mögen, ist kein anderes Element ausgetreten. Diese Art der Metamorphose bezieht sich auf die Umse- tzung in den niedrigen Thierklassen der Amphibien und viel- leicht der Würmer und Insecten. In den höhern Thier- klassen verschwindet in dem Harn die Harnsäure, an ihrer Stelle finden wir Harnstoff. Das Verschwinden der Harnsäure und die Erzeugung von Harnstoff steht offenbar in sehr enger Beziehung zu dem durch den Respirationsproceß aufgenommenen Sauer- stoff und zu der Menge von Wasser, welche verschiedene Thiere in einer gegebenen Zeit genießen. Wenn wir der Harnsäure Sauerstoff zuführen, so zerlegt sie sich, wie man weiß, zuerst in Alloxan 33 ) und Harnstoff, eine neue Quantität Sauerstoff dem Alloxan zugeführt, macht, daß es entweder in Oxalsäure und Harnstoff, Oxalur- säure und Parabansäure 34 ) oder in Kohlensäure und Harn- stoff zerfällt. 32. Wir finden in den sogenannten Maulbeersteinen oxal- Der chemische Proceß der sauren Kalk, in den andern Harnsteinen harnsaures Ammoniak und zwar stets bei Personen, in denen durch Mangel an Bewegung und Anstrengung, oder durch andere Ursachen die Sauerstoff- zuführung gemindert ist. Nie finden sich Harnsteine, welche Harnsäure oder Oxalsäure enthalten, bei Schwindsüchtigen (siehe S. 24); und es ist eine gewöhnliche Erfahrung in Frankreich bei Personen, welche an Steinbeschwerden leiden, sobald sie sich auf das Land begeben, wo sie sich mehr Be- wegung machen, daß die in der Blase während ihres Auf- enthaltes in der Stadt sich absetzenden harnsauren Verbin- dungen (durch die vergrößerte Sauerstoffaufnahme) in oxalsaure Salze (in Maulbeersteine) übergehen; bei noch mehr Sauerstoff würde sich wie bei gesunden Menschen nur das letzte Oxydationsprodukt des Kohlenstoffs, nämlich nur Kohlensäure, haben bilden können. Die falsche Interpretation der unleugbaren Beobachtungen, daß durch die Nieren alle von dem Organismus nicht ver- wendbaren Substanzen verändert oder unverändert abgeschie- den und in dem Harn ausgeleert werden, hat die praktische Medizin zu der Ansicht geführt, daß die Nahrung und nament- lich stickstoffhaltige Nahrungsstoffe einen directen Einfluß haben können auf die Erzeugung der Harnsteine. Es giebt keine Gründe, diese Meinung zu stützen, es giebt unzählige, die sie wider- legen. Möglich ist es, daß in den Speisen eine Menge durch die Kochkunst umgewandelter Stoffe genossen werden, welche, als für Blutbildung nicht mehr tauglich, durch den Respirationsproceß mehr oder weniger verändert, aus dem Umsetzung der Gebilde . Harn ausgestoßen werden, allein Braten und Kochen ändern in keiner Weise die Zusammensetzung der Fleisch- speisen 35 ). Das gekochte und gebratene Fleisch wird zu Blut, die Harnsäure und der Harnstoff stammen von den umgesetzten Gebilden. Die Menge dieser Produkte steigt mit der Schnel- ligkeit der Umsetzung in der gegebenen Zeit, sie steht in keiner Beziehung zu der in dem nämlichen Zeitraume ge- nossenen Nahrung. Bei einem Hungernden, welcher sich einer starken und anhaltenden Bewegung hingeben muß, wird mehr Harnstoff secernirt, als bei dem wohlgenährtesten Men- schen im Zustande der Ruhe; in Fiebern bei rascher Abma- gerung ist der Harn harnstoffreicher als im Zustande der Gesundheit ( Prout ). 33. Aehnlich also wie die in dem Urin des ruhenden Pfer- des vorhandene Hippursäure in benzoesaures Ammoniak und Kohlensäure verwandelt wird, sobald es sich in Arbeit und Bewegung befindet, verschwindet die Harnsäure in dem Harn des Menschen, der durch Haut und Lunge eine zur Oxyda- tion der Produkte der umgesetzten Gebilde hinreichende Menge Sauerstoff in sich aufnimmt; der Genuß von Wein und Fett, die in dem Organismus nur insofern sich weiter verändern als sie Sauerstoff aufnehmen, hat einen entschie- denen Einfluß auf die Bildung von Harnsäure. Nach dem Genuß von fetten Speisen ist der Harn trübe und setzt beim Erkalten kleine Krystalle von Harnsäure ab ( Prout ). Das- selbe beobachtet man nach dem Genuß von Weinen (nie bei Der chemische Proceß der Rheinweinen), in denen das zur Löslicherhaltung der Harn- säure nothwendige Alkali fehlt. Bei Thieren, welche größere Mengen Wasser genießen, wodurch die schwerlösliche Harnsäure in Auflösung erhalten wird, so daß der eingeathmete Sauerstoff darauf wirken kann, finden wir im Harn keine Harnsäure, sondern Harn- stoff. Bei Vögeln ist als Secretionsproduct die Harnsäure vorherrschend. Wenn wir zu 1 Atom Harnsäure 6 Atome Sauerstoff und 4 Atome Wasser hinzutreten lassen, so zerlegt sie sich in Harnstoff und Kohlensäure 1 At. Harnsäure C 10 N 8 H 8 O 6 = 2 At. Harnstoff C 4 N 8 H 16 O 4 4 » Wasser 6 » Sauerstoff H 8 O 10 6 » Kohlensäure C 6 O 12 C 10 N 8 H 16 O 16 C 10 N 8 H 16 O 16 34. Der Harn der Gras fressenden Thiere enthält keine Harnsäure, wohl aber Ammoniak, Harnstoff und Hippursäure, oder Benzoesäure. Bei einem Hinzutreten von 9 Atomen Sauerstoff zu der empirischen Formel ihres Blutes, fünf mal genommen, haben wir darin die Elemente von 6 Atomen Hippursäure, 9 At. Harnstoff, 3 At. Choleinsäure, 3 At. Wasser und 3 At. Ammoniak; oder wenn wir uns denken, daß während der Metamorphose dieses Blutes 45 Atome Sauerstoff hinzutreten, so haben wir 6 At. Benzoesäure, 13½ At. Harnstoff, 3 At. Choleinsäure, 15 At. Kohlen- säure und 12 At. Wasser. Umsetzung der Gebilde . 5 (C 48 N 12 H 78 O 15 + 9 O = C 240 N 60 H 390 O 84 = = 6 At. Hippursäure 6 (C 18 N 2 H 16 O 5 ) = C 108 N 12 H 96 O 30 9 » Harnstoff 9 (C 2 N 4 H 8 O 2 ) = C 18 N 36 H 72 O 18 =3 » Choleinsäure 3 (C 38 N 2 H 66 O 11 ) = C 114 N 6 H 198 O 33 3 » Ammoniak 3 (N 2 H 6 ) = N 6 H 18 3 » Wasser 3 (H 2 O) = H 6 O 3 C 240 N 60 H 390 O 84 oder 5 (C 48 N 12 H 78 O 15 ) + O 45 = C 240 N 60 H 390 O 120 = = 6 At. Benzoesäure 6 (C 14 H 10 O 3 ) = C 84 H 60 O 18 27/2» Harnstoff 27 (C N 2 H 4 O) = C 27 N 54 H 108 O 27 3 » Choleinsäure 3 (C 38 N 2 H 66 O 11 ) = C 114 N 6 H 198 O 33 15 » Kohlensäure 15 (C O 2 ) = C 15 O 30 12 » Wasser 12 (H 2 O) = H 24 O 12 Summa C 240 N 60 H 390 O 120 35. Verfolgen wir zuletzt die Metamorphose der Gebilde in dem Foetus der Kuh und betrachten wir das im Blute der Mutter zugeführte Protein als den Stoff, welcher eine Umsetzung erleidet oder erlitten hat, so ergiebt sich, daß 2 At. Protein ohne Hinzutreten von Sauerstoff oder einer fremden Substanz die Elemente enthalten von 3 At. Al- lantoin, 4 At. Wasser und 1 At Choloidinsäure, (Kinds- pech, Meconium??). 2 At. Protein = 2 (C 48 N 12 H 72 O 14 ) + 2 At. Wasser = C 96 N 24 H 148 O 30 = = 3 At. Allantoin 3 (C 8 N 8 H 12 O 6 ) = C 24 N 24 H 36 O 18 1 » Choloidinsäure C 72 H 112 O 12 C 96 N 24 H 148 O 30 Der chemische Proceß der 36. Die Elemente von drei Atomen Allantoin, die in obiger Formel aufgeführt sind, entsprechen aber genau der Anzahl der Elemente von 2 At. Harnsäure, 2 At. Harnstoff und 2 Atomen Wasser. 3 At. Allantoin = C 24 N 24 H 36 O 18 = 2 At. Harnsäure C 20 N 16 H 16 O 12 2 » Harnstoff C 4 N 8 H 16 O 4 2 » Wasser H 4 O 2 C 24 N 24 H 36 O 18 Die Beziehungen des Allantoins, in dem Harn des Foetus der Kuh, zu den stickstoffhaltigen Bestandtheilen des Harns bei athmenden Thieren sind, wie aus der Nebeneinanderstellung beider Formeln hervorgeht, unverkennbar. In dem Allantoin befinden sich die Elemente der Harnsäure und des Harnstoffs, das heißt der stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte der Pro- teinverbindungen. 37. Wenn wir ferner zu der Formel des Proteins, dreimal genommen, hinzutreten lassen die Elemente von 4 Atomen Wasser und von der ganzen Anzahl aller Bestandtheile die Hälfte der Elemente der Choloidinsäure hinwegnehmen, so bleibt eine Formel, welche außerordentlich nahe die Zusam- mensetzung des Leims ausdrückt. 3 (C 48 N 12 H 72 O 14 ) + 4 H 2 O = C 144 N 36 H 224 O 46 = ab ½ At. Choloidinsäure = C 36 H 56 O 6 bleibt = C 108 N 36 H 168 O 40 oder 4 (C 27 N 9 H 42 O 10 ) 36 ). Umsetzung der Gebilde . 38. Nehmen wir von dieser Formel des Leims die Bestand- theile von 2 At. Protein hinweg, so bleiben uns die Ele- mente des Harnstoffs, der Harnsäure und des Wassers, oder 3 At. Allantoin und 3 At. Wasser. Formel des Leims nach Mulder C 108 H 168 N 36 O 40 ab 2 Protein C 96 H 144 N 24 O 28 bleiben C 12 H 24 N 12 O 12 = 1 At. Harnsäure C 10 H 8 N 8 O 6 1 » Harnstoff C 2 H 8 N 4 O 2 = 3 At. Allantoin C 12 H 18 N 12 O 9 4 » Wasser H 8 O 4 3 = Wasser H 5 O 3 C 12 H 24 N 12 O 12 C 12 H 24 N 12 O 12 39. Abgesehen von dem größeren Stickstoffgehalt, in wel- chem diese Zahlenverhältnisse von Mulder’s und Scherer’s Analysen abweichen, geht aus der gegebenen Auseinander- setzung hervor, daß, wenn wir zu den Elementen von 2 At. Protein hinzutreten lassen die Bestandtheile der stickstoffhal- tigen Umsetzungsproducte von einem dritten Atom Protein, von Harnstoff, Harnsäure und Wasser, oder wenn wir von drei Atomen Protein hinwegnehmen die Bestandtheile eines stickstofffreien Körpers, den wir als Zersetzungsproduct der Choleinsäure ebenfalls erhalten können, daß wir in beiden Fällen eine der Zusammensetzung der Leimsubstanz nahe kommende Formel erhalten. Man darf diesen Formeln, wie ich wiederholt in Erinnerung bringe, keinen höheren Werth beilegen als sie verdienen; sie sollen zu weiter nichts als 10 Der chemische Proceß der zu Anknüpfungspunkten dienen, um zu richtigeren Vorstel- lungen über das Entstehen und Zerfallen der Substanzen zu gelangen, woraus die thierischen Gebilde bestehen. Es sind die ersten Versuche zur Auffindung des Weges, den wir ein- zuschlagen haben, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, und dieses Ziel, nach dem wir streben, es kann und muß er- reichbar sein. Die Erfahrungen von Allen, die sich mit der Erfor- schung der Naturerscheinungen beschäftigt haben, kommen zu- letzt darin überein, daß diese durch weit einfachere Mittel und Ursachen bedingt und hervorgebracht werden, als man sich gedacht hat oder als wir uns denken, und gerade ihre Ein- fachheit müssen wir als das größte Wunder betrachten. Die Leimsubstanz entsteht aus Blut, aus Proteinver- bindungen, sie kann durch Hinzutreten von Ammoniak und Sauerstoff oder von Wasser, Harnstoff und Harnsäure zu den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer stick- stofffreien Materie gebildet worden sein. Die Lösung aller dieser Aufgaben wird minder schwierig, wenn die Fragen zur Beantwortung reif und klar gestellt sind. Eine jede Verneinung derselben ist der Anfangspunkt einer neuen Frage, deren Ermittelung zuletzt die nothwendige Folge der ersten Fragestellung ist. 40. In dem Vorhergehenden ist außer der Choleinsäure keiner der andern Bestandtheile der Galle in Rechnung gezogen worden, und zwar deswegen, weil man nur bei dieser Säure mit Bestimmtheit weiß, daß sie Stickstoff enthält. Wenn Umsetzung der Gebilde . nun vorausgesetzt wird, daß ihr Stickstoffgehalt von den Gebilden herrührt, die sich umgesetzt haben, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Kohlenstoff und die übrigen Be- standtheile, die wir damit vereinigt finden, aus der näm- lichen Quelle entsprungen sind. Bei den fleischfressenden Thieren ist es nicht dem gering- sten Zweifel unterworfen, daß die Bestandtheile ihres Harns und ihrer Galle Produkte der Umsetzung von Proteinver- bindungen sind, denn außer Fett genießen sie nur Stoffe, welche Protein enthalten oder welche aus Protein entstan- den sind; ihre Nahrung ist identisch mit ihrem Blute, und es ist vollkommen gleichgültig, welche von beiden als Aus- gangspunkt der chemischen Entwickelung ihrer Metamor- phosen gewählt werden. Für den Proceß der Ernährung kann es keinen größern Widerspruch geben, als wenn vorausgesetzt wird, daß der Stickstoff der Nahrungsmittel fähig wäre, in den Harn als Harnstoff überzugehen, ohne vorher zu einem Bestandtheil der Gebilde geworden zu sein, denn Albumin, der einzige Bestandtheil des Bluts, der seinem Gewichte nach in Be- tracht kommen kann, kann bei seinem Durchgange durch die Leber nicht die geringste Veränderung erlitten haben, da wir es in allen Theilen des Körpers von gleicher Beschaffenheit und Eigenschaften wieder finden. Diese Organe können zu einer Metamorphose, zu einer Veränderung oder Zersetzung des Stoffes nicht geeignet sein, aus dem sich alle übrigen entwickeln. 10* Der chemische Proceß der 41. Aus dem Verhalten des Chylus und der Lymphe geht mit Zuverlässigkeit hervor, daß die löslichen Bestandtheile der Speisen oder des Chymus die Form von Albumin er- halten. Das gekochte Eiweiß, der gekochte oder geronnene Faserstoff, welche in dem Magen wieder löslich geworden, ihre Gerinnbarkeit an der Luft oder durch die Hitze aber verloren hatten, erhalten diese Eigenschaften nach und nach wieder. In den Chylusgefäßen ist die saure Reaction des Chymus bereits in die schwach alkalische des Blutes über- gegangen, nach seinem Durchgange durch die Drüsen des Mesenteriums, in dem Ductus thoracicus angelangt, enthält er in der Hitze gerinnendes Albumin und scheidet, sich selbst überlassen, Fibrin ab. Alle Proteinverbindungen, welche beim Durchgange des Chymus durch die Eingeweide auf- gesaugt wurden, werden zu Albumin, welches, wie die Er- fahrung beim Bebrüten des Hühnerei’s ergiebt, bis auf den Eisengehalt, der von andern Seiten her geliefert wird, die Grundbestandtheile aller übrigen Organe enthält. Die Frage, was beim Menschen aus den im Ueberschuß zugeführten Proteinverbindungen wird, welche Verwandlung die überreichliche stickstoffhaltige Speise erfährt, hat die practische Medicin längst entschieden. Die Blutgefäße zeigen sich mit Blut, die übrigen mit Säften überfüllt, und wenn die Zufuhr an Speisen fortdauert und das Blut oder die Säfte, die sich zur Blutbildung eignen, keine Verwendung finden, wenn die löslichen Materien von den dazu bestimm- ten Organen nicht aufgenommen werden, so entwickeln Umsetzung der Gebilde . sich in den Eingeweiden, wie bei Fäulnißprocessen, Gase mannigfaltiger Art, die festen Ausleerungen nehmen in Farbe, Geruch u. s. w. eine veränderte Beschaffenheit an, und wenn die Säfte in dem Saug- und Lymphgefäßsystem eine ähnliche Umsetzung erfahren, so ist dies sogleich in der Blutmischung sichtbar, und durch dieses nimmt alsdann der Ernährungsproceß andere Formen an. 42. Keine von allen diesen Erscheinungen dürfte sich zei- gen, wenn Nieren und Leber fähig wären, eine Zersetzung der löslich gewordenen, im Ueberschuß zugeführten, Proteinver- bindungen in Harnstoff, Harnsäure und Galle zu bewirken. Durch alle Beobachtungen, die man hinsichtlich des Ein- flusses der stickstoffhaltigen Nahrung auf die Bestandtheile des Harns gemacht hat, ist diese Voraussetzung nicht im ent- ferntesten bewiesen, denn dieser Einfluß ist einer andern und weit einfacheren Interpretation fähig, wenn man mit der Nahrung die Lebensweise und Gewohnheiten der Personen in Betracht zieht, welche zu Gegenständen der Beobachtung gedient haben. Harngries und Harnsteine finden sich bei Personen, welche sehr wenig animalische Kost genießen. Nie sind bis jetzt Harnsäure-haltige Concretionen bei Fleisch-fres- senden Säugethieren, welche im freien, wilden Zustande leben, beobachtet worden Das Vorkommen des harnsauren Ammoniaks in dem Harnstein von ei- nem Hunde, der von Lassaigne untersucht wurde, muß bezweifelt werden, wenn er ihn nicht eigenhändig aus der Blase des Hundes genommen hat. , und bei Nationen, welche keine andere Nahrung als Fleischspeisen genießen, sind Ablagerun- Der chemische Proceß der gen von Harnsäure-haltigen Concretionen an den Gliedern oder in der Harnblase völlig unbekannt. 43. Was in Beziehung auf den Ursprung der Galle, oder richtiger vielleicht, der Choleinsäure bei den Fleisch-fressenden Thieren als eine unleugbare Wahrheit angesehen werden muß, kann in keiner Weise für alle Bestandtheile der Galle gelten, welche von der Leber der Gras- und Körner-fressen- den Thiere secernirt werden, denn es ist bei der so großen Menge Galle, die von der Leber eines Ochsen secernirt wird, schlechterdings unmöglich anzunehmen, daß aller Koh- lenstoff derselben von der Substanz der umgesetzten Gebilde stammt. Nehmen wir an, daß die 59 Unzen trockner Galle (von 37 Pfunden secernirter Galle) den nämlichen Stickstoffgehalt enthielten, wie die Choleinsäure (3,86 p. c. ), so würden wir darin nahe an 4½ Loth Stickstoff haben, und wenn dieser Stickstoff von der Substanz der umgesetzten Gebilde stammt, so könnte sich im höchsten Fall, wenn aller Kohlen- stoff derselben in die Galle übergehen würde, nur eine dem Gewicht von 143/10 Loth Kohlenstoff entsprechende Menge Galle bilden, dies ist aber weit unter derjenigen Quantität, welche den Beobachtungen nach, secernirt wird. 44. Es müssen nothwendiger Weise, außer den Protein- Verbindungen, noch Materien anderer Art, an der Bildung der Galle in dem Organismus des Gras- und Körner-fressen- den Thieres Antheil nehmen, und diese können nur die stick- stofffreien Nahrungsmittel sein. Umsetzung der Gebilde . 45. Der Gallenzucker Gmelin’s (Picromel, Bilin nach Berzelius) , welchen Berzelius als den Hauptbe- standtheil der Galle betrachtet, während ihn Demar ç ay im Wesentlichen für Choleinsäure hält, brennt an der Luft erhitzt wie Harz, liefert ammoniakalische Produkte und giebt, mit Säuren behandelt, Taurin und die Zersetzungsproducte der Choleinsäure, mit Alkalien liefert er Ammoniak und Cholinsäure. Jedenfalls enthält diese Substanz Stickstoff als Bestandtheil, ein weit kleineres Verhältniß von Sauerstoff wie Amylon oder Zucker und eine größere Menge wie die fetten Säuren. Wenn wir in der Metamorphose des Gallenzuckers oder der Choleinsäure durch ätzende Al- kalien den Stickstoff austreten machen, so erhalten wir eine krystallisirte, den fetten Säuren außerordentlich ähn- liche Säure (Cholinsäure), fähig mit den Basen Salze zu bilden, welche die Haupteigenschaften mit den Seifen gemein haben. Ja wir können sogar diese Hauptbestandtheile der Galle als Verbindungen von fetten Säuren mit organischen Oxyden betrachten, ähnlich den gewöhnlichen Fetten, und nur in sofern von ihnen verschieden, als sich kein Glyceryl- oxyd darin befindet. Die Choleinsäure z. B. läßt sich be- trachten als eine Verbindung von Choloidinsäure mit den Elementen des Allantoins und des Wassers. oder von Cholinsäure, Harnstoff und Wasser: Der chemische Proceß der 46. Wenn nun in der That, woran man kaum zweifeln kann, die Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsmittel an der Bildung der Galle in dem Körper der Gras-fressenden Thiere Antheil nehmen, so steht dieser Ansicht, in der Zu- sammensetzung der Hauptbestandtheile der Galle, nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse, kein Hinderniß entgegen. Wenn das Amylon hierbei die Hauptrolle übernimmt, so kann dies in keiner andern Weise geschehen, als daß sich, ganz ähnlich wie bei seinem Uebergang in Fett, von seinen Elementen eine gewisse Quantität Sauerstoff trennt, denn es enthält auf die gleiche Anzahl an Kohlenstoffatomen (auf 72 At.) fünfmal so viel Sauerstoff wie die Choloidinsäure. Ohne ein Austreten von Sauerstoff, von den Elementen des Amylon’s, ist hiernach sein Uebergang in Galle nicht denk- bar und, dies vorausgesetzt, ist die chemische Entwickelung seiner Verwandlung in eine zwischen seiner eignen und der Zu- sammensetzung der fetten Säuren stehenden Verbindung keiner- lei Schwierigkeit unterworfen. 47. Um diese Auseinandersetzung nicht zu einem müssigen Spiele mit Formeln zu machen und um den Hauptzweck nicht aus den Augen zu verlieren, führt also die Betrachtung des quantitativen Verhältnisses der in dem Körper der Gras- fressenden Thiere abgesonderten Galle zu folgenden Schlüssen: Die Hauptbestandtheile der Galle der Gras-fressenden Umsetzung der Gebilde . Thiere enthalten Stickstoff; dieser Stickstoff stammt von Pro- tein-Verbindungen. Sie enthält eine größere Menge Kohlenstoff als der genossenen stickstoffhaltigen Nahrung, oder der Substanz ihrer Gebilde entspricht, die in ihrem Lebensprocesse eine Verän- derung erlitten haben. Ein Theil dieses Kohlenstoffs muß demnach von den stickstofffreien Nahrungsmitteln geliefert werden und, um in einen stickstoffhaltigen Bestandtheil der Galle überzugehen, müssen sich nothwendig eine gewisse Anzahl ihrer Elemente verbunden haben mit einem stickstoffhaltigen Körper, der aus einer Proteinverbindung entstanden ist . Für diesen Schluß ist es ganz gleichgültig, ob man an- nimmt, daß die Protein-Verbindung von der Nahrung oder den Gebilden stammt. 48. Es ist neuerlichst von Ure angegeben worden, daß Benzoesäure innerlich gegeben, in dem Harn als Hippur- säure wieder erscheint. Wenn sich diese Beobachtung bestätigen sollte Die Analyse der aus dem Harn beim Zusatz von Salzsäure sich abscheidenden Krystalle ist nicht gemacht worden. Ure’s Angabe, daß in Salpetersäure aufgelös’te Hippursäure beim Zusatz von Ammoniak sich röthet, ist übrigens falsch, sie beweis’t, daß die von ihm erhaltenen Kry- stalle Harnsäure enthielten. , so er- langt sie eine große physiologische Bedeutung, weil sie offen- bar beweisen würde, daß der Akt der Umsetzung der Gebilde im Thierkörper, durch gewisse, in den Speisen genossene Mate- Der chemische Proceß der rien, eine andere Form in Beziehung auf die neugebildeten Verbindungen annimmt, denn die Hippursäure enthält die Elemente des milchsauren Harnstoffs, in dessen Zusammen- setzung die Elemente der Benzoesäure eingetreten sind. 1 At. Harnstoff C 2 N 4 H 3 O 2 1 » Milchsäure C 6 H 8 O 4 = 2 At. kryst. Hippursäure. 2 » Benzoesäure C 28 H 20 O 5 = 2 (C 18 N 2 H 18 O 6 ) C 35 N 4 H 36 O 12 . 49. Wenn wir uns den Akt der Umsetzung der Gebilde in dem Körper der Gras-fressenden Thiere, auf eine ähnliche Weise denken, wie bei den Fleisch-fressenden, so wird ihr Blut, in den letzten Produkten der Umsetzung, von allen Organen zusammengenommen, Choleinsäure, Harnsäure und Ammoniak (S. 138) liefern müssen, und wenn wir der Harn- säure eine ähnliche Wirkung zuschreiben wie der Benzoe- säure in Ure’s Beobachtung, daß nämlich durch ihre Ge- genwart die weitere Umsetzung eine andere Form an- nimmt, insofern ihre Elemente in die neuentstehenden Pro- dukte mit aufgenommen werden, so ergiebt sich z. B., daß 2 At. Protein, zu welchen die Elemente von 3 At. Harn- säure und zwei Atome Sauerstoff treten, zur Bildung von Hippursäure und Harnstoff Veranlassung geben können. 2 At. Protein 2 ( C 43 N 12 H 72 O 14 ) = C 96 N 24 H 144 O 28 3 » Harnsäure 3 (C 10 N 8 H 8 O 6 ) = C 30 N 24 H 24 O 18 2 » Sauerstoff O 2 in Summa C 126 N 48 H 168 O 48 = Umsetzung der Gebilde . = 6 At. Hippursäure 6 (C 18 N 2 H 16 O 5 ) = C 108 N 12 H 96 O 30 9 » Harnstoff 9 (C 2 N 4 H 8 O 2 ) = C 18 N 36 H 72 O 18 C 126 N 48 H 168 O 48 . 50. Wenn wir zuletzt festhalten, daß bei den Gras-fressenden Thieren, die stickstofffreien Nahrungsmittel (Amylon u. s. w.) eine bestimmte Rolle in der Bildung der Galle spielen müssen, daß zu ihren Elementen ein stickstoffhaltiger Körper noth- wendig treten muß, um die stickstoffhaltigen Bestandtheile der Galle hervorzubringen, so ergiebt sich als das bemerkens- wertheste Resultat dieser Combinationen, daß die Elemente des Amylons und die der Hippursäure, gleich sind, den Ele- menten der Choleinsäure, plus einer gewissen Menge Koh- lensäure. 2 At. Hippursäure 2 (C 18 N 2 H 15 O 5 ) = C 36 N 4 H 32 O 10 5 » Amylon 5 (C 12 H 20 O 10 ) = C 60 H 100 O 50 2 » Sauerstoff O 2 C 96 N 4 H 132 O 62 = 2 At. Choleinsäure C 76 N 4 H 132 O 22 20 » Kohlensäure C 20 O 40 C 96 N 4 H 132 O 62 51. Da nun die Hippursäure neben Harnstoff aus den Proteinverbindungen entstehen kann, wenn in die Zusammen- setzung derselben die Elemente der Harnsäure aufgenommen werden (S. 154), da ferner Harnsäure, Ammoniak und Cholein- säure (S. 138) die Elemente des Proteins in einer nahe gleichen Anzahl von Elementen enthalten, so ist klar, daß, wenn Der chemische Proceß der beim Hinzutritt von Sauerstoff und den Elementen des Wassers, von 5 At. Protein die Bestandtheile der Cholein- säure und Ammoniak austreten, wir die Elemente der Hip- pursäure und des Harnstoffs übrig behalten, und wenn ferner bei diesem Austreten und der weiter vorgehenden Umsetzung die Elemente von Amylon sich gegenwärtig befinden und in die neu entstehenden Verbindungen eintreten, so erhalten wir eine neue Menge Choleinsäure, sowie eine gewisse Quan- tität gasförmige Kohlensäure. Dies will also sagen, daß, wenn die Elemente von Protein und Amylon sich bei Gegenwart von Sauerstoff und Wasser neben und mit einander umsetzen, wir als Produkte dieser Umsetzung Harnstoff, Choleinsäure, Ammoniak und Koh- lensäure und außer diesen kein anderes Produkt erhalten . Die Elemente von 5 At. Protein 9 At. Choleinsäure. 15 » Amylon 9 » Harnstoff. 12 » Wasser 60 » Kohlensäure. 5 » Sauerstoff 6 » Ammoniak. Es sind nemlich: 5 At. Protein = 5 (C 48 N 12 H 72 O 14 ) = C 240 N 60 H 360 O 70 15 » Amylon = 15 (C 12 H 20 O 10 ) = C 180 H 300 O 150 12 » Wasser = 12 (H 2 O) = H 24 O 12 5 » Sauerstoff = 5 (O) = O 5 in Summa = C 420 N 60 H 684 O 237 . Umsetzung der Gebilde . = 9 At. Choleinsäure = 9 (C 38 N 2 H 66 O 11 ) = C 342 N 18 H 594 O 99 9 » Harnstoff = 9 (C 2 N 4 H 8 O 2 ) = C 18 N 36 H 72 O 18 60 » Kohlensäure = 60 (C O 2 ) = C 60 O 120 6 » Ammoniak = 6 (N H 3 ) = N 6 H 18 in Summa = C 420 N 60 H 584 O 237 Die Umsetzung der in dem Thierkörper vorhandenen Protein-Verbindungen wird bewirkt durch den im arteriellen Blut zugeführten Sauerstoff, und wenn die Bestandtheile des in dem Magen des Thieres löslich gewordenen und in allen Theilen des Körpers verbreiteten Amylons in die neu ent- standenen Verbindungen mit aufgenommen werden, so er- halten wir die Hauptbestandtheile der Se- und Excretionen des Thierkörpers; Kohlensäure als Excretion der Lunge, Harnstoff und kohlensaures Ammoniak als Excretion der Nieren, Choleinsäure als Secret der Leber. Der Ansicht, daß ein Theil des Kohlenstoffs der stickstoff- freien Nahrungsmittel in die Galle übergehen kann, steht mithin in der chemischen Zusammensetzung der Stoffe, welche denkbarer Weise an dem Stoffwechsel im Thier Antheil neh- men können, kein Hinderniß entgegen. 52. Das Fett verschwindet in dem Thierkörper bei gehö- riger Zufuhr von Sauerstoff, beim Mangel an Sauerstoff kann die Choleinsäure übergehen in Hippursäure, Lithofellin- säure und Wasser. Die Lithofellinsäure 37 ) ist bekanntlich der Hauptbestandtheil der in gewissen Gras-fressenden Thieren vorkommenden Bezoare. Der chemische Proceß der 2 At. Choleinsäure C 76 N 4 H 132 O 22 10 » Sauerstoff O 10 2 At. Hippursäure C 36 N 4 H 32 O 10 1 » Lithofellinsäure C 40 H 72 O 8 14 » Wasser H 28 O 14 C 76 N 4 H 132 O 32 C 76 N 4 H 132 O 32 53. Zur Erzeugung von Galle im Thierkörper gehört unter allen Umständen eine gewisse Quantität Natron, ohne die Gegenwart einer Natronverbindung kann sich keine Galle bilden. Bei Abwesenheit von Natron kann sich durch Um- setzung der Proteingebilde nur Fett und Harnstoff bilden. Denken wir uns das Fett nach der empirischen Formel C 11 H 20 O zusammengesetzt, so haben wir beim Hinzutreten von Wasser und Sauerstoff zu den Elementen des Proteins die Bestandtheile des Fettes, der Kohlensäure und des Harnstoffs. Protein. Wasser. Sauerstoff. 2 (C 48 N 12 H 72 O 14 ) + 12 H 2 O + 14 O = C 96 N 24 H 168 O 54 = = 6 At. Harnstoff . . = C 12 N 24 H 48 O 12 Fett. . . . . . . . . = C 66 H 120 O 6 18 Kohlensäure . . = C 18 O 36 C 96 N 24 H 168 O 54 . Die Zusammensetzung aller Fette liegt zwischen den em- pirischen Formeln C 11 H 20 O oder C 12 H 20 O. Gehen wir von der letzteren aus, so geben die Elemente von Protein (2 Pr. ) beim Hinzutreten von 2 At. Sauerstoff und 12 At. Wasser, 6 At. Harnstoff, Fett ( C 72 H 120 O 6 ) und 12 At. Kohlensäure. Umsetzung der Gebilde . Bemerkenswerth in Beziehung auf die Bildung des Fet- tes bleibt es immer, daß die Abwesenheit des Kochsalzes (eine Natrium-Verbindung, welche dem Organismus das Natron liefert) die Fettbildung begünstigt, daß das Mästen eines Thieres unmöglich gemacht wird, wenn wir seiner Nahrung einen Ueberfluß von Kochsalz, wiewohl weniger als nöthig wäre, um Purgiren zu bewirken, zusetzen. 54. Als eine Art von Ueberblick über die Metamorphosen der stickstoffhaltigen Secrete des Thierkörpers, ist es hier ganz an seinem Orte, die Aufmerksamkeit darauf hinzulen- ken, daß die stickstoffhaltigen Producte der Metamorphose der Galle, identisch sind mit den Bestandtheilen des Harns, mit welchen die Elemente des Wassers in Verbindung getreten sind. 1 At. Harnsäure C 10 N 8 H 8 O 6 1 » Harnstoff C 2 N 4 H 8 O 2 = 3 At. Taurin C 12 N 6 H 42 O 30 22 » Wasser H 44 O 22 3 » Ammoniak N 6 H 18 C 12 N 12 H 60 O 30 C 12 N 12 H 60 O 30 . 1 At. Allantoin C 4 N 4 H 6 O 3 = 1 At. Taurin C 4 N 2 H 14 O 10 7 » Wasser H 14 O 7 1 Aeq. Ammoniak N 2 H 6 C 4 N 4 H 20 O 10 C 4 N 4 H 20 O 10 . 55. Für die Metamorphosen der Harnsäure und der stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte der Galle, ist es nicht minder bedeutungsvoll, daß beim Hinzutreten von Sauerstoff und Wasser zu den Bestandtheilen der Harnsäure, Taurin und Harnstoff, oder Taurin, Kohlensäure und Ammoniak ent- stehen kann. Der chemische Proceß der 1 At. Harnsäure C 10 N 8 H 8 O 6 2 At. Taurin C 8 N 4 H 28 O 20 14 » Wasser H 28 O 14 = 1 » Harnstoff C 2 N 4 H 8 O 2 2 » Sauerstoff O 2 C 10 N 8 H 36 O 22 C 10 N 8 H 36 O 22 = 2 At. Taurin C 8 N 4 H 28 O 20 Hierzu 2 At. Wasser H 4 O 2 2 » Kohlensäure C 2 O 4 C 10 N 8 H 40 O 24 2 » Ammoniak N 4 H 12 C 10 N 8 H 40 O 24 56. Alloxan plus einer gewissen Menge Wasser, ist in sei- ner Zusammensetzung gleich der des Taurin, das letztere ent- hält zuletzt die Elemente des sauren oxalsauren Ammoniaks. Taurin . 1 At. Alloran Es wäre von großem Interesse, die Wirkung des Alloxaus auf den menschlichen Körper zu untersuchen; zwei bis drei Drachmen im krystallisirten Zustande Kaninchen gegeben, gaben keine schädlichen Wirkungen zu erkennen. Beim Menschen schien eine starke Dosis nur auf die Urin- secretion von Einfluß zu sein. Bei gewissen Krankheiten der Leber dürfte das Alloxan eins der wichtigsten Arzneimittel abgeben. C 8 N 4 H 8 O 10 10 » Wasser H 20 O 10 = 2 (C 4 N 2 H 14 O 10 ) 1 At. Taurin C 4 N 2 H 14 O 10 = 2 At. Oxalsäure C 4 O 5 1 » Ammoniak N 2 H 5 4 » Wasser H 8 O 4 C 4 N 2 H 14 O 10 57. Die Vergleichung des Kohlenstoffgehaltes der in dem Körper eines Gras-fressenden Thieres secernirten Galle, mit der Kohlenstoffmenge seiner Gebilde oder seiner stickstoff- haltigen Nahrungsmittel, welche in Folge des Stoffwechsels in Galle übergehen können, führt, wie sich aus dem Vorher- gehenden ergiebt, auf einen großen Unterschied. Umsetzung der Gebilde . Die Kohlenstoffmenge der secernirten Galle beträgt im geringsten Falle mehr wie das 5fache, von dem was durch den Stoffwechsel ihrer Gebilde oder die stickstoffhaltigen Be- standtheile ihrer Nahrung der Leber zugeführt werden kann, und der Schluß, daß an der Bildung der Galle bei diesen Thieren, die stickstofffreien Bestandtheile ihrer Nahrung einen ganz bestimmten Antheil nehmen, darf als wohlbegründet angesehen werden, denn es giebt keine Erfahrung oder Beob- achtung, die seiner Richtigkeit entgegenstände. 58. Es ist in dem Obigen der analytische Beweis nieder- gelegt, daß aus allen Bestandtheilen des Harns, aus Hip- pursäure, Harnsäure und Allantoin, die stickstoffhaltigen Pro- ducte der Umsetzung der Galle, nämlich Ammoniak und Taurin entstehen können, und wenn wir uns daran erinnern, daß durch ein bloßes Austreten von Sauerstoff und Wasser, aus den Bestandtheilen des Amylon, Choloidinsäure gebildet wer- den kann, 6 At. Amylon = 6 (C 12 H 20 O 10 ) = C 72 H 120 O 60 hiervon ab 44 At. Sauerstoff 4 » Wasser H 8 O 48 bleibt Choloidinsäure = C 72 H 112 O 12 daß zuletzt die Choloidinsäure, das Ammoniak und Taurin die Elemente der Choleinsäure in sich schließen, 11 Der chemische Proceß der 1 At. Choloidinsäure C 72 H 112 O 12 1 » Taurin C 4 N 2 H 14 O 10 2 » Ammoniak N 2 H 6 Choleinsäure = C 76 N 4 H 132 O 22 so wird durch die Kenntniß dieser Thatsachen, ein jeder Widerspruch gegen die Möglichkeit dieser Vorgänge entfernt. 59. Die chemische Analyse sowohl wie die Beobachtung des lebenden Thierkörpers unterstützen sich alle gegenseitig; sie führen beide zu dem Schlusse, daß eine gewisse Quantität des Kohlenstoffs der stickstofffreien Nahrungsstoffe (Respi- rationsstoffe) von der Leber in der Form von Galle secernirt wird, daß ferner die stickstoffhaltigen Producte der Umsetzung der Gebilde der Gras-fressenden Thiere nicht direct und un- mittelbar wie bei den Fleischfressern zu den Nieren gelan- gen, sondern daß sie vor ihrem Austreten durch die Harn- blase, in gewissen anderen Processen, und namentlich in der Bildung der Galle eine Rolle übernehmen. Mit den Elementen der stickstofffreien Nahrungsstoffe werden sie der Leber zugeführt, sie kehren in der Form von Galle wieder in den Körper zurück und werden erst zuletzt, wenn sie zur Bildung des allgemeinsten Respirationsmittels gedient haben, durch die Nieren aus dem Körper entfernt. 60. Wenn wir den Harn sich selbst überlassen, so verwan- delt sich der darin enthaltene Harnstoff in kohlensaures Am- moniak; seine Elemente sind genau in dem Verhältniß zu- gegen, daß mit dem Hinzutreten der Elemente des Wassers Umsetzung der Gebilde . aller Kohlenstoff in Kohlensäure, aller Wasserstoff in Am- moniak übergehen kann. 1 At. Harnstoff C 2 N 4 H 8 O 2 = 2 At. Kohlensäure C 2 O 4 2 » Wasser H 4 O 2 2 Aeq. Ammoniak N 4 H 12 61. Wären wir im Stande, aus Harnsäure oder Allantoin geradezu Taurin und Ammoniak darzustellen, so möchte dies wohl als ein weiterer Beweis für den Antheil angesehen werden dürfen, welcher diesen Materien an der Bildung der Galle zugeschrieben worden ist, allein es darf nicht als Ein- wurf betrachtet werden, wenn diese Verwandlung mit den Mitteln, die uns zu Gebote stehen, nicht bewirkt werden kann. Ein solcher Einwurf verliert seine Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß das Vorhandensein von Taurin und Ammoniak in der Galle schlechterdings nicht vorausgesetzt werden kann, ja daß es sogar nicht einmal wahrscheinlich ist, daß sie in der Form, wie wir sie als Zersetzungspro- ducte der Galle bekommen, wirkliche Bestandtheile davon ausmachen. Durch die Einwirkung der Salzsäure auf Galle zwingen wir gewissermaßen ihre Elemente in solchen Formen zu- sammenzutreten, welche durch den nämlichen einwirkenden Körper keiner weiteren Veränderung mehr fähig sind, und wenn wir uns anstatt der Salzsäure des Kali’s bedienen, so erhalten wir die nämlichen Elemente, wiewohl in einer andern und ganz verschiedenen Weise geordnet. Wäre Taurin als solches in der Galle vorhanden, so müßte man durch 11* Der chemische Proceß der Alkalien die nämlichen Producte erhalten, wie durch Säuren. Alles dies ist gegen die Erfahrung. Wenn wir also auch im Stande wären, das Allantoin oder Harnsäure und Harnstoff, in Taurin und Ammoniak überzuführen, so würden wir an Einsicht in den wahren Vorgang nicht reicher sein, eben weil die Präexistenz von Ammoniak und Taurin in der Galle bezweifelt werden muß, und weil wir keinen Grund haben zu glauben, daß Harn- stoff als Harnstoff, Allantoin als Allantoin zur Bildung der Galle vom Organismus verwendet wird; wir können darthun, daß ihre Elemente zu diesem Zwecke dienen, allein es ist uns gänzlich unbekannt, in welcher Weise diese Ele- mente eingetreten sind, welchen chemischen Charakter die stickstoffhaltige Verbindung besitzt, die sich mit den Elementen des Amylons zu Galle oder vielmehr zu Choleinsäure ver- einigt. 62. Choleinsäure kann entstehen aus den Elementen des Amylons, der Harnsäure und des Harnstoffs, oder des Al- lantoins, oder der Harnsäure, oder des Alloxan’s, oder der Oxalsäure und des Ammoniaks, oder der Hippursäure; diese verschiedenen Formen von Stickstoffverbindungen zeigen an und für sich schon, daß sich alle stickstoffhaltigen Pro- ducte des Stoffwechsels im Thierkörper zur Bildung von Galle eignen, ohne daß wir damit wissen, in welcher Weise sie dazu verwendet werden. Wir können durch Behandlung mit kaustischen Alkalien das Allantoin zerlegen in Oxalsäure und Ammoniak; die Umsetzung der Gebilde . nämlichen Producte erhalten wir aus dem Oxamid, ohne daß wir aus der Gleichheit derselben einen Schluß rückwärts auf ihre Identität, auf eine gleiche Constitution dieser Ver- bindungen machen können. So gestatten uns denn die Pro- ducte, die wir aus Choleinsäure durch die Einwirkung von Säuren erhalten, in keiner Weise einen Schluß über die Art und Weise, wie ihre Elemente sich darin geordnet befinden. 63. Wenn die Aufgabe der organischen Chemie in der Un- tersuchung der Veränderungen besteht, welche die Nahrungs- mittel im Thierkörper erfahren, so hat sie darzuthun, welche Elemente hinzu-, welche ausgetreten sind, um die Verwand- lung einer gegebenen Verbindung in eine zweite und dritte zu bewirken oder überhaupt möglich zu machen, allein syn- thetische Beweise können von ihr nicht erwartet werden, weil alle Vorgänge im Organismus unter dem Einfluß einer immateriellen Thätigkeit stehen, über welche der Chemiker nicht nach Willkühr verfügen kann. Die Beobachtung der Erscheinungen, welche die Meta- morphosen der Nahrungsmittel im Organismus begleiten, die Ermittelung des Antheils, den die Atmosphäre oder die Bestandtheile des Wassers an diesen Veränderungen nehmen, führen von selbst auf die Bedingungen, welche sich zur Ent- stehung eines Secretes oder eines Theiles oder Bestand- theiles eines Organs vereinigen müssen. 64. Das Vorhandensein von freier Salzsäure im Magen, sowie der Natrongehalt des Blutes setzen die Nothwendig- Der chemische Proceß der keit des Kochsalzes für den organischen Proceß außer allen Zweifel, allein die Quantität von Natron, welche verschie- dene Thierklassen zur Unterhaltung der vitalen Processe be- dürfen, ist außerordentlich ungleich. Wenn wir uns denken, daß eine gegebene Menge Blut als Natronverbindung betrachtet, in dem Körper eines Fleisch- fressenden Thieres in Folge des Stoffwechsels in eine neue Natronverbindung, in Galle nämlich, übergeht, so muß vorausgesetzt werden, daß im normalen Zustande der Ge- sundheit der Natrongehalt des Blutes vollkommen hinreicht, um mit den entstandenen Producten der Umsetzung Galle zu bilden. Das zu den vitalen Processen verbrauchte oder über- flüssige Natron wird, durch die Nieren von dem Blute ge- schieden, in der Form eines Salzes austreten müssen. Wenn es nun wahr ist, daß in dem Körper eines Gras- fressenden Thieres eine weit größere Menge Galle gebildet wird, als der Quantität des erzeugten oder umgesetzten Blu- tes entspricht, daß der größte Theil ihrer Galle von gewis- sen Bestandtheilen ihrer Nahrung stammt, so kann das Na- tron des zu Gebilden gewordenen (assimilirten, umgesetzten) Blutes bei weitem nicht hinreichen, um den zur Bildung von Galle täglich nöthigen Bedarf an Natron zu liefern. Das Na- tron der Galle der Gras-fressenden Thiere muß demzufolge direct von den Nahrungsmitteln geliefert werden; ihr Orga- nismus muß die Fähigkeit haben, alle in den Speisen vor- handenen und von dem Organismus zerlegbaren Natronver- bindungen unmittelbar zur Bildung von Galle zu verwen- Umsetzung der Gebilde . den. Alles Natron im Thierkörper stammt, wie sich von selbst versteht, von den Speisen, allein die Speise des Fleisch-fressenden Thieres enthält im Maximo nur die zur Blutbildung erforderliche Menge Natron; in den meisten Fällen kann man bei dieser Thierklasse voraussetzen, daß nur eine der Menge des zur Blutbildung verwendeten Natrons entsprechende Quantität durch ihren Harn wieder austritt. Wenn sie eine zur Blutbildung hinreichende Quantität Natron zu sich nehmen, so wird eine dieser gleiche Menge durch den Harn ausgeleert, genießen sie weniger, so behält ihr Organismus einen Theil des zur Ausleerung bestimmten Natronsalzes zurück. Ueber alle diese Verhältnisse giebt die Zusammensetzung des Harns der verschiedenen Thierklassen die unzweideutig- sten Belege. 65. Als letztes Product der Veränderung aller Natron- verbindungen im Thierkörper erhalten wir im Harn, das Natron in der Form eines Salzes, den Stickstoff als Am- moniak oder Harnstoff. Das Natron in dem Harn der Fleisch-fressenden Thiere finden wir an Schwefelsäure und Phosphorsäure gebunden, nie fehlt neben diesen Natronsalzen eine gewisse Menge eines Ammoniaksalzes, Salmiak oder phosphorsaures Am- moniak. Es kann keinen entscheidenderen Beweis für die Meinung abgeben, daß das Natron ihrer Galle oder ihrer umgesetzten Blutbestandtheile bei weitem nicht hinreicht, um die austretenden Säuren zu neutralisiren, als wie die Ge- Der chemische Proceß der genwart dieser Ammoniaksalze im Harn; dieser Harn reagirt sauer. Im graden Gegensatz hierzu finden wir in dem Harn der Gras-fressenden Thiere eine überwiegende Menge von Natron und zwar nicht an Schwefelsäure oder Phosphor- säure gebunden, sondern an Kohlensäure, Benzoesäure oder Hippursäure. 66. Diese wohlbegründeten Erfahrungen beweisen, daß die Gras-fressenden Thiere eine weit größere Menge Natron genießen als zur Neubildung ihres täglichen Bedarfes an Blut erforderlich ist. In ihrer Nahrung finden wir alle Bedingungen vereinigt zur Erzeugung einer zweiten Natron- verbindung, welche zum Respirationsmittel bestimmt ist, und nur eine geringe Erfahrung in dem Wesen der mit so großer Weisheit geordneten Natureinrichtungen dürfte den Natrongehalt der Speise und des Harns der Gras-fressen- den Thiere für zufällig erklären. Es kann kein Zufall sein, daß das Leben, die Entwicke- lung einer Pflanze abhängig ist von der Gegenwart der Al- kalien, die sie dem Boden entzieht; diese Pflanze dient zur Nahrung einer großen Thierklasse, deren vitale Processe aufs engste an die Gegenwart dieser Alkalien geknüpft ist. Wir finden diese Alkalien in der Galle, ihre Gegenwart im Thier- körper ist die unerläßliche Bedingung zur Erzeugung des ersten Nahrungsstoffs des jungen Thieres, ohne eine reich- liche Menge Kali kann die Bildung der Milch nicht gedacht werden. Umsetzung der Gebilde . 67. Alle Beobachtungen führen, wie sich aus dem Vor- hergehenden ergiebt, zu der Ansicht, daß gewisse stickstofffreie Bestandtheile der Nahrung der Gras-fressenden Thiere (Amylon, Zucker, Gummi ꝛc.) die Form einer Natronver- bindung erhalten, welche in ihrem Körper zu den nämlichen Zwecken dient, wozu, wie wir mit Bestimmtheit wissen, die Galle (das kohlenstoffreichste Product der Umsetzung ihrer Gebilde) in dem Körper des Fleisch-fressenden Thieres ver- wendet wird. Sie dienen zur Unterhaltung gewisser vitalen Processe, und werden zuletzt zur Hervorbringung der ani- malischen Wärme, zum Widerstand gegen die Einwirkung der Atmosphäre verbraucht; bei den Fleischfressern ist der rasche Umsatz ihrer Gebilde eine Bedingung ihres Bestehens, eben weil erst in Folge des Stoffwechsels die Materien ge- bildet werden müssen, welche zur Verbindung mit dem Sauer- stoff der Luft bestimmt sind; in diesem Sinne kann man sagen, daß die stickstofffreien Nahrungsmittel den Stoff- wechsel hindern, daß sie ihn verlangsamen und eine ebenso rasche Beschleunigung wie bei den Fleischfressern jedenfalls unnöthig machen. 68. Mit dieser Fähigkeit der stickstofffreien Nahrungsstoffe, als Respirationsmaterie zu dienen, steht die verhältnißmäßig so geringe Menge von stickstoffhaltiger Nahrung, die sie zur Unterhaltung ihrer Lebensfunctionen bedürfen, in dem engsten Zusammenhang, und es dürfte vielleicht sich heraus- stellen, daß die Nothwendigkeit zusammengesetzterer Verdauungs- organe in dem Körper der Pflanzen-fressenden Thiere weit Der chemische Proceß der mehr durch die Schwierigkeit bedingt ist, gewisse stickstoff- freie Nahrungsmittel (Gummi? stärkemehlartige Faser?) löslich und geschickt zu machen, an den vitalen Processen Antheil zu nehmen, als die Ueberführung und Verwandlung des Pflanzen-Fibrins, -Albumins und -Caseins in Blut zu bewirken, denn für diesen Zweck finden wir die minder zu- sammengesetzten Apparate der Carnivoren vollkommen aus- reichend. 69. Wenn in dem Körper des Menschen, der an gemischte Nahrung gewöhnt ist, das Amylon eine ähnliche Rolle über- nimmt, wie in dem Körper der Gras- und Körner-fressen- den Thiere, wenn also vorausgesetzt wird, daß ihre Ele- mente an der Bildung ihrer Galle einen ebenso bestimmten Antheil nehmen, so folgt hieraus von selbst, daß ein Theil der stickstoffhaltigen Producte der Umsetzung ihrer Organe, ehe sie durch die Harnblase austreten, von der Leber aus, in der Form von Galle, in den Kreislauf zurückkehren und erst als letztes Product des Respirationsprocesses durch die Nie- ren von dem Blute geschieden werden. 70. Beim Mangel an stickstofffreien Substanzen in der Nahrung des Menschen wird diese Form der Gallenbildung nicht stattfinden können, die Secrete müssen in diesem Fall eine andere Beschaffenheit besitzen, und das Erscheinen von Harn- säure im Harn in gewissen Krankheiten, die Ablagerung von Harnsäure in den Gliedern und in der Harnblase, sowie der Einfluß, den ein Ueberfluß von Fleischnahrung, der als gleichbedeutend angesehen werden muß einem Mangel an Umsetzung der Gebilde . Amylon, auf die Absonderung der Harnsäure bei gewissen Individuen ausübt, dürfte hierin seine Erklärung finden. Fehlt es an Amylon, an Zucker ꝛc., so wird ein Theil der durch den Stoffwechsel gebildeten oder sich bildenden Stick- stoffverbindungen entweder an dem Orte beharren, wo sie erzeugt worden sind, sie werden nicht von der Leber aus als Respirationsmittel in den Organismus zurückkehren, und durch die Einwirkung des Sauerstoffs die letzten Verände- rungen erfahren, die sie überhaupt zu erleiden fähig sind, sondern von den Nieren in irgend einer andern Form abge- schieden werden müssen. 71. In dem Vorhergehenden ist der Beweis zu führen versucht worden, daß die stickstofffreien Nahrungsmittel einen ganz bestimmten Einfluß auf die Natur und Beschaffenheit der Secrete des Thierkörpers ausüben; ob dies direct ge- schieht, ob ihre Elemente nämlich unmittelbar an dem Acte der Umsetzung der Gebilde Antheil nehmen, oder indirect, möchte durch sorgfältige und umsichtige Versuche und Beob- achtungen entschieden werden können. Möglich ist es, daß die stickstofffreien Nahrungsmittel, in irgend einer Weise ver- ändert, von den Eingeweiden aus gradezu der Leber zuge- führt werden, daß sie in diesem Organ, wo sie mit den Producten der umgesetzten Gebilde zusammentreten, die Ver- wandlung in Galle erfahren und dann erst ihren Kreislauf im Körper vollenden. Diese Meinung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man in Betracht zieht, daß in dem arteriellen Blute bis Der chemische Proceß der jetzt noch niemals weder eine Spur Amylon noch Zucker aufgefunden worden ist, selbst nicht bei Thieren, die man ausschließlich mit diesen Materien zu ernähren versuchte. Diesen Materien kann man demnach, da sie in dem arteriel- len Blute fehlen, keinen Antheil an dem Ernährungsprocesse zuschreiben, und das Erscheinen von Zucker im Harne Dia- betischer, von Zucker, welcher, nach allen Beobachtungen, von der Nahrung stammt, sowie die völlige Abwesenheit dieses Zuckers in dem Blute der an dieser Krankheit Leidenden, beweis’t offenbar, daß Amylon und Zucker als solche in die Blutcirculation nicht aufgenommen werden. 72. Ueber die Anwesenheit gewisser Bestandtheile der Galle im Blute des gesunden Menschen findet man in den Schrif- ten der Physiologen viele Belege, wiewohl sie quantitativ schwerlich bestimmbar darin ist; denken wir uns in der That, daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen) durch die Leber gehen und von diesem Blute 2 Tropfen Galle (zu drei Gran den Tropfen) abgesondert würden, so macht dies 1/9600 von dem Gewichte der Blutmasse aus, ein Gehalt, der durch die Analyse nicht mehr festgestellt werden kann. 73. Der größte Theil der Galle entsteht nach dem Vor- hergehenden in dem Körper der Gras- und Körner-fressenden Thiere, sowie in dem des Menschen, der an gemischte Nah- rung gewöhnt ist, aus den Bestandtheilen seiner stickstoff- freien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht gedacht werden, ohne ein Hinzutreten eines stickstoffhaltigen Körpers, denn die Galle ist eine Stickstoffverbindung. Alle bis Umsetzung der Gebilde . jetzt untersuchten Gallen geben bei der trocknen Destillation Ammoniak und stickstoffhaltige Producte; aus der Ochsengalle hat man Taurin und Ammoniak dargestellt; der Beweis, daß diese beiden Producte aus allen anderen Gallen darstellbar sind, ist nur deshalb nicht geführt worden, weil es schwer hält, sich von anderen Thieren hinlängliche Mengen von Galle zu verschaffen. Mag nun die stickstoffhaltige Verbindung, die sich mit den Bestandtheilen des Amylons zu Galle vereinigt, von den Speisen oder von der Substanz der umgesetzten Gebilde stammen, der Schluß, daß die Gegenwart derselben als eine Bedingung der Gallensecretion anzusehen ist, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Da nun die Gras- und Körner-fressenden Thiere in ihren Nahrungsmitteln nur solche stickstoffhaltige Materien genießen, welche identisch sind mit ihren Blutbestandtheilen, so stammt der stickstoffhaltige Bestandtheil, den wir in der Galle finden, jedenfalls von einer Proteinverbindung ab, er ist entweder durch eine Veränderung entstanden, welche die Proteinverbindungen der Speise erlitten haben, oder er ist aus dem Blute oder aus der Substanz der Gebilde in Folge des Stoffwechsels erzeugt worden. 74. Wenn nun der Schluß wahr ist, daß stickstoffhaltige Verbindungen, gleichgültig, ob sie von der Substanz des Blutes oder den stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln stammen, an der Bildung der Secrete und namentlich an der Bildung der Galle einen bestimmten Antheil zu nehmen vermögen, so ist Der chemische Proceß der klar, daß der Organismus die Fähigkeit besitzen muß, fremde Materien, welche weder Theile, noch Bestandtheile der Trä- ger der Lebensthätigkeit ausmachen, zu gewissen vitalen Zwe- cken dienen zu machen; alle stickstoffhaltigen, der Auflösung fähigen Substanzen ohne Unterschied dem Blute oder den Verdauungsorganen zugeführt, wenn sie sich durch ihre Zu- sammensetzung zu diesen Zwecken eignen, werden von dem Organismus in ähnlicher Weise dazu verwendet werden müs- sen, wie die stickstoffhaltigen Producte, die sich durch den Stoffwechsel gebildet haben. Wir kennen eine Menge Materien, welche auf den Akt der Umsetzung der Gebilde, sowie auf den Ernährungspro- ceß einen ganz bestimmten Einfluß ausüben, ohne daß ihre Elemente an den vor sich gehenden Veränderungen Antheil nehmen, es sind dies lauter solche Substanzen, deren Theile sich in einem gewissen Zustand der Zersetzung befinden, der sich allen Theilen des Organismus überträgt, welche fähig sind, eine ähnliche Umsetzung zu erfahren. 75. Die Arzneistoffe und Gifte umfassen eine zweite au- ßerordentlich zahlreiche Klasse von Verbindungen, welche die Fähigkeit haben, durch ihre Elemente direct oder indirect Antheil an den Secretionsprocessen oder dem Stoffwechsel zu nehmen. Sie lassen sich in drei große Klassen eintheilen, von denen die eine (wozu die metallischen Gifte gerechnet werden müssen) eine chemische Verbindung mit gewissen Theilen oder Bestandtheilen des animalischen Körpers ein- geht, welche durch die Lebensthätigkeit nicht aufgehoben Umsetzung der Gebilde . wird. Die zweite Klasse (ätherische Oele, Camphor, empy- reumatische Materien, Antiseptica ꝛc.) besitzt die Eigenschaft, den Zustand der Umsetzung ihrer Elementartheile, welchen ge- wisse sehr zusammengesetzte, organische Atome zu erleiden vermögen (Umsetzungsprocesse, die man, wenn sie außerhalb des Thierkörpers vor sich gehen, gewöhnlich mit Gährung und Fäulniß bezeichnet) zu hindern oder zu verlangsamen. Die dritte Klasse von Arzneistoffen nimmt durch ihre Elemente an den im Thierkörper vor sich gehenden Verän- derungen einen directen Antheil; dem Organismus zugeführt, steigern und erhöhen sie die vitale Thätigkeit einzelner oder mehrerer Organe, sie bringen im gesunden Körper Krank- heitserscheinungen hervor; alle üben schon in verhältnißmä- ßig sehr kleinen Gaben eine bemerkbare Wirkung aus, viele wirken in größeren Massen als Gifte. Von keinem dieser Körper läßt sich behaupten, daß er in dem Ernährungspro- cesse eine entschiedene Rolle spiele, daß er von dem Orga- nismus zur Blutbildung verwendet werden könne, theils, weil ihre Zusammensetzung von der der Blutbestandtheile abweicht, theils, weil die Masse, in der sie die Wirkung äu- ßern, gegen die Blutmasse verschwindend klein ist. In die Blutcirculation aufgenommen, ändern sie, wie man gewöhnlich sagt, die Qualität des Bluts, und um durch den Magen in die Blutgefäße mit ihrer ganzen Wirksamkeit überzugehen, muß vorausgesetzt werden, daß sie durch die organische Thätigkeit, welche dieses Organ besitzt, keine Ver- änderung in ihrer Zusammensetzung erfahren, sie werden im Der chemische Proceß der unlöslichen Zustande darin löslich gemacht (verdaut), aber nicht zerstört, denn in letzterem Fall würden sie keine Wir- kung ausüben können. 76. Das Blut besitzt im normalen Zustande der Gesundheit zwei Qualitäten, welche mit einander in engem Zusammen- hange stehen, obwohl eine von der andern als ganz unab- hängig gedacht werden kann. In den Blutkörperchen enthält das Blut die Träger des zur Neubildung gewisser Theile des Thierkörpers, sowie zur Hervorbringung der animalischen Wärme dienenden Sauer- stoffs; durch die Fähigkeit dieser Blutkörperchen, den in der Lunge aufgenommenen Sauerstoff wieder abzugeben, ohne daß sie damit ihren Character verlieren, bedingen sie im All- gemeinen den Stoffwechsel. Die zweite Qualität des Blutes, seine Fähigkeit, zu Be- standtheilen von Organen zu werden, sich für die Zunahme an Masse und Neubildung der Organe, sowie zum Ersatz von verbrauchtem Stoff zu eignen, verdankt es vorzugsweise dem in Auflösung vorhandenen Fibrin und Albumin. Diese beiden Hauptbestandtheile, welche zur Nutrition und Repro- duction dienen, sättigen sich bei ihrem Durchgang durch die Lunge mit Sauerstoff, sie nehmen jedenfalls soviel davon aus der Atmosphäre auf, daß sie die Fähigkeit völlig verlie- ren, den anderen Materien, die sich im Blute befinden, Sauer- stoff zu entziehen. Mit Bestimmtheit wissen wir, daß die Blutkörperchen des venösen Blutes in der Lunge, bei ihrer Berührung mit Umsetzung der Gebilde . der Atmosphäre, ihre Farbe ändern, daß dieser Farbenwechsel begleitet ist von einer Absorbtion von Sauerstoff; alle Bestand- theile des Blutes, welche die Fähigkeit überhaupt besitzen, sich mit Sauerstoff zu verbinden, nehmen in der Lunge Sauerstoff auf und sättigen sich damit. Neben diesen anderen Materien behal- ten die Blutkörperchen ihre hochrothe Farbe bis in die feinsten Verzweigungen der Arterien, erst bei ihrem Durchgange durch die Capillargefäße beobachten wir, daß sie dieselbe wechseln und die dunkelrothe Farbe annehmen, welche die Blutkörperchen des venösen Blutes characterisirt. Aus diesen Thatsachen muß gefolgert werden, daß den Bestandtheilen des arteriellen Blutes die Fähigkeit völlig abgeht, den Sauerstoff der im arteriel- len Blute circulirenden Blutkörperchen, welchen sie aus der Luft aufgenommen haben, zu entziehen, und aus der in den Capillargefäßen stattfindenden Farbenveränderung läßt sich kein anderer Schluß ziehen, als daß sie (die Blutkörperchen des arteriellen Blutes) während diesem Durchgang, in den Zustand zurückkehren, den sie im venösen Blut besitzen, daß sie also den in der Lunge aufgenommenen Sauerstoff abge- geben und damit das Vermögen wieder erlangt haben, sich mit Sauerstoff aufs Neue zu verbinden. 78. Wir finden demnach in dem arteriellen Blut Albumin, was sich, wie alle anderen Bestandtheile, bei seinem Durch- gange durch die Lunge mit Sauerstoff gesättigt hat, und Sauerstoffgas, was jedem Körpertheilchen durch die Blut- körperchen in chemischer Verbindung zugeführt wird. So weit unsere Beobachtungen (bei der Bebrütung des Ei’s) reichen, 12 Der chemische Proceß der vereinigen sich darin die Bedingungen zur Erzeugung aller Gebilde; der zur Neubildung oder in dem Proceß der Re- production nicht verbrauchte Sauerstoff vereinigt sich mit der Substanz der belebten Körpertheilchen, er bedingt, indem er in ihre Elemente aufgenommen wird, den Act der Umse- tzung, den wir mit Stoffwechsel bezeichnet haben. 79. Es ist klar, daß alle in den Capillargefäßen vorhande- nen oder abgeschiedenen oder durch Endosmose oder Imbibition zugeführten Stoffe, welcher Art sie auch sein mögen, wenn ihnen die Fähigkeit nicht völlig abgeht, sich mit Sauerstoff zu vereinigen, daß sie, bei Berührung mit den Trägern des Sauerstoffs, sich ähnlich verhalten müssen, wie die lebendi- gen Körpertheilchen selbst, sie werden, oder ihre Elemente werden mit diesem Sauerstoff in Verbindung treten, es wird in diesem Fall entweder kein Stoffwechsel stattfinden, oder er wird sich in einer andern Form, in der Bildung von Producten anderer Art, zu erkennen geben. 80. Der Begriff einer Aenderung der beiden in dem Vor- hergehenden berührten Qualitäten des Blutes durch einen in dem Blute enthaltenen oder aufgenommenen fremden Stoff (Arzneistoff) setzt demnach zweierlei Wirkungsweisen voraus. Angenommen, daß der Arzneistoff keine, der Lebensthä- tigkeit eine Grenze setzende, chemische Verbindung mit den Bestandtheilen des Blutes einzugehen vermag, daß er ferner sich nicht im Zustande einer Umsetzung befindet, die sich auf die Bestandtheile des Blutes oder der Organe fortpflanzen und übertragen kann, daß ihm die Fähigkeit abgeht, durch Umsetzung der Gebilde . seinen Contact mit den lebenden Körpertheilchen ihren Stoff- wechsel, die Umsetzung ihrer Elemente, zu hindern, so bleibt für diese Art von Stoffen, um ihre Wirkungsweise erklär- lich zu finden, nichts anders übrig, als anzunehmen, daß ihre Elemente an der Erzeugung gewisser Bestandtheile des lebenden Thierkörpers oder an der Bildung gewisser Secrete Antheil nehmen. 81. Insoweit der vitale Act der Secretion mit dem Chemis- mus in Beziehung steht, ist er in dem Vorhergehenden einer Untersuchung unterworfen worden; bei den Fleisch-fressenden Thieren haben wir Grund zu glauben, daß ohne Hinzutre- ten eines fremden Stoffes von Außen, die Galle und die Bestandtheile des Harns an dem Orte gebildet werden, wo der Stoffwechsel vor sich geht; bei den anderen Thierclassen hingegen kann angenommen werden, daß in dem Secretions- organ selbst, aus gewissen zugeführten Stoffen (bei den Gras- fressenden Thieren aus den Bestandtheilen des Amylons und einem stickstoffhaltigen Product der umgesetzten Organe) die Erzeugung der Secrete vermittelt wird. Diese Vorstellung schließt die Meinung übrigens nicht aus, daß bei den Fleisch- fressenden Thieren die Producte der umgesetzten Organe, eine Spaltung in Galle, Harnsäure oder Harnstoff, erst in den Secretionsorganen erleiden, oder daß die Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsstoffe, direct den Körpertheilen zugeführt, wo Stoffwechsel stattfindet, mit den Elementen der umgesetzten Gebilde zu den Bestandtheilen des Harns und der Galle zusammentreten. 12* Der chemische Proceß der 82. Wenn nun vorausgesetzt wird, daß gewisse Arzneimittel zu Bestandtheilen von Secreten werden können, so kann dies nur auf zweierlei Weise geschehen; entweder gelangen sie in die Blutcirculation und nehmen an dem Stoffwechsel directen Antheil, insofern ihre Elemente in die Zusammensetzung der neuen Producte eintreten, oder sie werden den Secretions- organen zugeführt, wo sie auf die Bildung oder auf die Beschaffenheit des Secretes einen Einfluß durch Hinzutreten ihrer Elemente äußern. In beiden Fällen müssen sie in dem Organismus ihren chemischen Character verlieren, und wir wissen mit genügen- der Sicherheit, daß diese Classe von Arzneistoffen spurlos im Körper verschwindet. Schreibt man ihnen in der That eine Wirkung zu, so können sie durch den Magen ihre Eigen- thümlichkeit nicht verlieren, sie können durch den Verdauungs- proceß nicht zerstört worden sein; ihr Verschwinden setzt also voraus, daß sie zu gewissen Zwecken verwendet worden sind, was ohne Aenderung ihrer Zusammensetzung nicht denkbar ist. 83. So wenig man nun auch, bis auf die Galle, mit der Zusammensetzung der übrigen Secrete bekannt sein mag, mit Bestimmtheit weiß man, daß alle Secrete Stickstoff in che- mischer Verbindung enthalten; sie gehen in stinkende Fäul- niß über und liefern entweder in diesem Zersetzungsproceß oder bei der trocknen Destillation ammoniakhaltige Producte; selbst der Speichel, mit Kalihydrat zusammengebracht, ent- wickelt reichlich Ammoniak. 84. Durch ihre Zusammensetzung theilen sich die Arznei- Umsetzung der Gebilde . mittel in zwei Klassen, in stickstoffhaltige und in stickstofffreie. Vor allen ausgezeichnet durch ihre medizinischen Wirkungen auf den Organismus sind die stickstoffhaltigen Pflanzenstoffe, de- ren Zusammensetzung von den eigentlichen, stickstoffhaltigen Nahrungsstoffen, welche der Organismus der Pflanze eben- falls erzeugt, abweicht. Die Arzneiwirkungen dieser Materien sind außerordent- lich verschieden; von der mildesten Form der Wirkung der Aloe bis zum furchtbarsten Gifte, dem Strychnin, beobach- ten wir Unterschiede der mannigfaltigsten Art. Bis auf drei Verbindungen, bringen alle diese Materien im gesunden Organismus Krankheitszustände hervor und wirken in gewissen Gaben giftig, die meisten besitzen den chemischen Character der Basen. Kein stickstofffreies Arzneimittel übt in gleichen Gaben eine giftige Wirkung aus Diese Betrachtung oder Vergleichung hat zu einer neuen und ge- naueren Untersuchung des Picrotoxins geführt und Herr Francis hat einen bis jetzt übersehenen Stickstoffgehalt darin unzweifelhaft darge- than und seine Menge bestimmt. . 85. Die arzneiliche oder giftige Wirkung der stickstoffhalti- gen Pflanzenstoffe steht mit ihrer Zusammensetzung in einer bestimmten Beziehung, sie kann nicht unabhängig von ihrem Stickstoffgehalte gedacht werden, allein sie steht keineswegs in directem Zusammenhang mit diesem Stickstoffgehalte. Das Solanin 38 ), das Picrotoxin 39 ), welche die geringste Stickstoffmenge enthalten, sind starke Gifte, Chinin 40 ) enthält Der chemische Proceß der mehr Stickstoff wie Morphin 41 ); Caffein 42 ) und Theobromin 43 ), die stickstoffreichsten Pflanzenstoffe, die man kennt, sind nicht giftig. 86. Ein stickstoffhaltiger Körper, der durch seine Elemente auf die Bildung oder die Qualität eines Secretes eine Wir- kung äußert, muß in Beziehung auf seinen chemischen Cha- racter die Rolle übernehmen können, welche die stickstoff- haltigen Producte des Thierkörpers in der Bildung der Galle spielen, die Rolle also eines Productes des Le- bensprocesses. Ein stickstofffreies Arzneimittel, insofern seine Wirkung sich in den Secreten äußert, muß in dem Thier- körper dieselbe Rolle spielen können, die wir den stickstoff- freien Nahrungsstoffen zugeschrieben haben. Wenn wir uns also denken, daß die Elemente der Hip- pur- oder Harnsäure von den Trägern der Lebensthätigkeit stammen, daß sie als Producte ihrer Umsetzung den Charac- ter des Lebens, aber keineswegs die Fähigkeit verlieren, Ver- änderungen durch den eingeathmeten Sauerstoff oder durch die Einwirkung der Secretionsapparate zu erleiden, so läßt sich kaum ein Zweifel hegen, daß Stickstoffverbindungen ähn- licher Art, Producte des Lebensprocesses der Pflanzen, in den Thierkörper gebracht, wenn sie sich zu gleichen Zwecken eignen, ganz auf die nämliche Weise von dem Thierorganis- mus verwendet werden können, wie die stickstoffhaltigen Pro- ducte der Metamorphosen der Thiergebilde selbst; und wenn Hippur- oder Harnsäure oder eins ihrer Elemente Antheil z. B. zu nehmen vermögen an der Bildung und Erzeugung Umsetzung der Gebilde . von Galle, so muß anderen stickstoffhaltigen Substanzen ein ähnliches Vermögen zugeschrieben werden. Unerforschlich wird es immer bleiben, wie die Menschen auf den Genuß eines heißen Aufgusses von Blättern gewis- ser Stauden oder der Abkochung gerösteter Samen gekom- men sind; es muß eine Ursache geben, welche erklärt, wie er ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden ist. Noch weit merkwürdiger ist es gewiß, daß die wohlthätigen Wirkungen auf die Gesundheit, in beiden Pflanzenstoffen, ei- ner und derselben Materie zugeschrieben werden müssen, deren Vorhandensein in zwei Pflanzen, welche verschiedenen Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die kühnste Phantasie nicht voraussetzen konnte. Nicht minder bemerkenswerth ist es gewiß, daß der Fleisch-essende Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel entdeckte, welches den Umsatz seiner Gebilde verlangsamt und damit den Hunger erträglicher macht, daß er dem Ge- nusse des Branntweins nicht zu widerstehen vermag, der in seinem Körper als Respirationsmittel dient und die Func- tion seiner umgesetzten Gebilde übernimmt. Thee und Caffee treffen wir ursprünglich bei Nationen an, welche vor- zugsweise vegetabilische Nahrung genießen. 87. Ohne auf die medicinischen Wirkungen des Caffeins und Theins einzugehen, wird man es jedenfalls, selbst wenn man sich darin gefallen sollte, ihren Einfluß auf den Secretionsproceß zu leugnen, höchst auffallend finden, daß Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von Wasser und Der chemische Proceß der Sauerstoff in Taurin, in den der Galle eigenthümlichen stickstoffhaltigen Bestandtheil übergehen können. 1 At. Caffein, Thein C 8 N 4 H 10 O 2 9 » Wasser H 18 O 9 9 » Sauerstoff O 9 2 » Taurin 2 ( C 4 N 2 H 14 O 10 ) Eine ganz ähnliche Beziehung beobachten wir in dem Hauptbestandtheil der Spargeln, dem Althäin oder Asparagin; beim Hinzutreten von Sauerstoff und Wasser bekommen wir ebenfalls die Elemente des Taurin’s. 1 At. Asparagin C 8 N 4 H 16 O 6 6 » Wasser H 12 O 6 8 » Sauerstoff O 8 2 » Taurin 2 ( C 4 N 2 H 14 O 10 ) Beim Hinzutreten der Elemente des Wassers und einer gewissen Menge Sauerstoff zu den Elementen des Theobro- mins, des Hauptbestandtheils der Cacaobohnen, haben wir Harnstoff und Taurin oder Harnsäure, Taurin und Wasser. 1 At. Theobromin C 18 N 12 H 20 O 4 4 At. Taurin C 16 N 8 H 56 O 40 22 » Wasser H 44 O 22 = 1 » Harnstoff C 2 N 4 H 8 O 2 16 » Sauerstoff O 16 C 18 N 12 H 64 O 42 C 18 N 12 H 54 O 42 oder: 1 At. Theobromin C 18 N 12 H 20 O 4 4 At. Taurin C 16 N 8 H 56 O 40 24 » Wasser H 48 O 24 = 2 » Kohlensäure C 2 O 4 16 » Sauerstoff O 16 2 » Ammoniak N 4 H 12 C 18 N 12 H 68 O 44 C 18 N 12 H 68 O 44 Umsetzung der Gebilde . oder: 1 At. Theobromin C 18 N 12 H 20 O 4 2 At. Taurin C 8 N 4 H 28 O 20 8 » Wasser H 16 O 8 = 1 » Harnsäure C 10 N 8 H 8 O 6 14 » Sauerstoff O 14 C 18 N 12 H 36 O 26 C 18 N 12 H 36 O 26 88. Um die Wirkung des Caffeins, Asparagins ꝛc. auf den Organismus erklärlich zu finden, muß man sich erinnern, daß der Hauptbestandtheil der Galle nur 3,8 pCt. Stick- stoff enthält, von dem nur die Hälfte dem Taurin angehört (1,9 pCt. ). Die Galle enthält im natürlichen Zustande 80 Theile Was- ser und 10 Theile feste Substanz. Nehmen wir nun an, diese 10 Theile seien Choleinsäure mit 3,87 pCt. Stickstoff, so enthalten 100 Gewichtstheile Galle im natürlichen Zustande in der Form von Taurin 0,171 Gewichtstheile Stickstoff. Diese Quantität Stickstoff ist aber in 0,6 Caffein enthalten oder 28/10 Gran Caffein können in der Form von Taurin, einer Unze Galle den Stickstoff liefern, und wenn ein Theeaufguß auch nur den zehnten Theil eines Grans Thein enthält, so kann, wenn es überhaupt zur Gallenbildung beiträgt, seine Wirkung nicht gleich Null gesetzt werden. Man wird eben so wenig leugnen können, daß bei einem Ueber- fluß von stickstofffreien Nahrungsmitteln und bei Mangel an Bewegung, welche den Umsatz der Gebilde bedingt und die zur Gallenbildung nöthige Stickstoffverbindung liefert, daß in diesem Zustande der Genuß von Stoffen der Gesund- heit zuträglich sein mag, welche die Rolle der zur Respira- Der chemische Proceß der tionsmaterie unentbehrlichen Stickstoffverbindung, die der Kör- per erzeugt, zu übernehmen vermögen. In chemischer Bezie- hung und dies allein soll mit Obigem dargethan werden, eig- nen sich Thein, Caffein, Theobromin, Asparagin mehr, wie alle anderen stickstoffhaltigen Pflanzenstoffe, ihrer Zusammen- setzung nach, zu dieser Verwendungsweise. Ihre Wirkungen sind für die gewöhnlichen Zustände nicht in die Augen fallend, wiewohl unleugbar vorhanden. 89. Was die Wirkung der andern stickstoffhaltigen Pflanzen- stoffe betrifft, des Chinins, der Bestandtheile des Opiums ꝛc. ꝛc., die sich nicht in den Secretionsprocessen, sondern in anderen Erscheinungen äußert, so sind die Physiologen und Patholo- gen nicht zweifelhaft, daß sie vorzugsweise auf die Nerven und das Gehirn gerichtet ist; sie ist, wie man gewöhnlich sagt, dynamischer Art, was ausdrücken will, daß sie die Bewe- gungserscheinungen des Thierlebens entweder beschleunigt oder verlangsamt, oder in irgend einer Form ändert. Beachtet man nun, daß die Wirkung materiellen, mit der Hand greifbaren und wägbaren Stoffen angehört, daß sie in dem Organis- mus verschwinden, daß eine doppelte Portion stärker wirkt, wie eine einfache, daß nach einiger Zeit eine neue Dosis gegeben werden muß, wenn man die Wirkung zum zweiten- mal hervorbringen will, so läßt dies Verhalten, in chemi- scher Beziehung, nur eine einzige Form von Erklärung, die Vorstellung nämlich zu, daß sie durch ihre Elemente Theil an der Bildung oder Umsetzung der Gehirn- und Nerven- substanz nehmen. Umsetzung der Gebilde . So sonderbar nun auch der Gedanke auf den ersten Blick zu sein scheint, daß die Bestandtheile des Opiums, oder der Chinarinde, die Elemente des Codeins, Morphins, Chinins ꝛc. in Bestandtheile der Gehirn- und Nervensub- stanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus die Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt wer- den, daß sie zu einem Bestandtheil der Substanz werden, mit deren Hinwegnahme der Sitz des geistigen Lebens, des Gefühls und des Bewußtseins vernichtet wird, so bleibt nicht minder gewiß, daß alle diese Fähigkeiten und Thätigkeiten auf’s engste mit der Existenz und einer gewissen Beschaffen- heit der Gehirn-, Rückenmark- und Nervensubstanz im Zu- sammenhange stehen, in der Art, daß alle Aeußerungen des Lebens dieser Stoffe, die in der Erscheinung sich als Be- wegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben, eine an- dere Form annehmen, so wie ihre Zusammensetzung sich ändert. Die Gehirn- und Nervensubstanz erzeugte der Or- ganismus des Thieres aus Materien, die ihm von den Pflanzen geliefert wurden; es sind die Bestandtheile ihrer Nahrung, welche in Folge einer Reihe von Veränderungen die Eigenschaften und die Beschaffenheit annehmen, die wir an ihnen kennen. 90. Wenn nun als eine unbestreitbare Wahrheit angesehen werden muß, daß aus den Bestandtheilen des Pflanzen- Fibrins, -Caseins, -Albumins allein, oder mit Zuhülfenahme der Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsmittel, oder des daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und Nervensubstanz er- Der chemische Proceß der zeugt wird, so hat die Meinung nichts Absurdes, daß an- dere Bestandtheile der Vegetabilien, die in ihrer Zusammen- setzung zwischen beiden (den Fetten nämlich und den Pro- teinverbindungen) stehen, daß diese in dem Organismus zu gleichem Zwecke verwendet werden können. 91. Nach Fremy ’s Untersuchung ist der Hauptbestand- theil des Gehirnfettes die Natronverbindung von einer eigen- thümlichen Säure, der Cerebrinsäure, welche in 100 Th. enthält: Kohlenstoff . . . . . . . . . 66,7 Wasserstoff . . . . . . . . . 10,6 Stickstoff . . . . . . . . . 2,3 Phosphor . . . . . . . . . 0,9 Sauerstoff . . . . . . . . . 19,5 Wie man leicht bemerkt, weicht die Zusammensetzung der Cerebrinsäure von der der fetten Körper und der stick- stoffhaltigen Bestandtheile des Blutes gänzlich ab; die Fette sind frei von Stickstoff, die Proteinverbindungen enthalten nahe an 17 pCt. Stickstoff. Bis auf den Phosphor(säure?)- gehalt kann die Zusammensetzung der Gehirnsubstanz am nächsten nur mit der Zusammensetzung der Choleinsäure verglichen werden, obwohl beide mit einander nicht verwechselt werden können. 92. Die Gehirn- und Nervensubstanz sind jedenfalls auf eine ähnliche Weise entstanden wie die Galle, entweder durch Austreten einer stickstoffreichen Materie aus den Bestand- theilen des Blutes, oder durch Zusammentreten eines stick- Umsetzung der Gebilde . stoffhaltigen Productes des Lebensprocesses mit einem stick- stofffreien (einem fetten!) Körper. Alles was in dem Vor- hergehenden über die verschiedene Art und Weise der Ent- stehung der Galle gesagt worden ist, alle Schlüsse, zu de- nen wir über die Mitwirkung stickstoffhaltiger oder stickstoff- freier Nahrungsstoffe gelangt sind, lassen sich mit gleichem Rechte oder mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf die Bildung und Erzeugung der Gehirn- und Nervensubstanz anwenden. Man darf nicht aus den Augen verlieren, daß, wie man auch die vitalen Vorgänge betrachten mag, die Ent- stehung der Gehirnsubstanz aus Blut eine Aenderung in der Zusammensetzung und den Qualitäten der Blutbestand- theile voraussetzt; diese Aenderung findet eben so gewiß statt, als die Existenz der Gehirnsubstanz nicht geleugnet werden kann. In diesem Sinne muß angenommen werden, daß aus einer Proteinverbindung ein erstes, zweites, drittes ꝛc. Product hervorgeht, ehe eine gewisse Anzahl ihrer Elemente zu Bestandtheilen der Gehirnsubstanz werden können, und es muß als vollkommen gewiß angesehen werden, daß ein Pro- duct des Lebensprocesses einer Pflanze, dem Blute zugeführt, die Rolle der ersten, zweiten, dritten Producte der Verän- derung der Proteinverbindung übernehmen wird, wenn ihre Zusammensetzung sich zu diesem Zwecke eignet. Es kann in der That nicht als zufällig angesehen werden, daß die Zusam- mensetzung der wirksamsten Arzneistoffe, der organischen Basen, mit keinem Bestandtheil des Thierkörpers außer mit der Gehirnsubstanz in Beziehung gebracht werden kann; alle ent- Der chemische Proceß der halten eine gewisse Menge Stickstoff; sie stehen, in Beziehung auf ihre Elemente, in der Mitte zwischen den Proteinver- bindungen und den Fetten. 93. Im Gegensatz zu ihrem chemischen Charakter finden wir in der Gehirnsubstanz die Eigenschaft einer Säure; sie ent- hält eine weit größere Menge von Sauerstoff wie die or- ganischen Basen. Wir beobachten, daß Chinin und Cinchonin, Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die sich in ihrer Zusammensetzung so nahe stehen, wenn nicht eine gleiche Wirkung äußern, doch darin sich näher stehen, als den anderen, welche größere Unterschiede in ihrer Zusam- mensetzung zeigen. Wir finden, daß mit ihrem Sauerstoff- gehalte (wie beim Narcotin) ihre energische Wirkung ab- nimmt, daß im strengsten Sinne keine durch die andere voll- kommen ersetzt werden kann. Es giebt aber keinen entschei- denderen Beweis für die Art und Weise ihrer Wirkung, als das letztere Verhalten, sie muß in der engsten Beziehung zu ihrer Zusammensetzung stehen. Wenn diese Stoffe in der That eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung der Qualitäten der Gehirn- und Nervensubstanz ausüben, so erklären sich ihre Wirkungen auf den gesunden so wie auf den kranken Organismus auf eine überraschend einfache Weise, und wenn man nicht versucht ist zu leugnen, daß der Hauptbestandtheil der Fleischbrühe in dem Körper des Men- schen oder der organische Bestandtheil der Knochen in dem Leibe eines Hundes, obwohl sie zur Blutbildung schlechter- dings nicht geeignet sind, daß also Stickstoffverbindungen, Umsetzung der Gebilde . welche den Proteinverbindungen durchaus unähnlich sind, eine ihrer Zusammensetzung entsprechende Verwendung finden, so werden wir daraus schließen dürfen, daß ein anderes, dem Protein ebenfalls unähnliches, aber einem Bestandtheil des Thierkörpers ähnliches Product des Pflanzenlebens in dem Organismus des Thieres eine ähnliche Verwendung findet, wie das Product, welches durch die vitale Thätig- keit seiner Organe ursprünglich ebenfalls aus einer Pflanzen- substanz erzeugt worden ist. Die Zeit ist noch nicht lange vorübergegangen, wo man über die Ursache der verschiedenartigen Wirkungen des Opiums nicht die allergeringste Vorstellung hatte, wo die Wirkung der Chinarinde in ein unbegreifliches Dunkel gehüllt schien. Jetzt, wo man weiß, daß sie kristallisirbaren, chemischen Ver- bindungen angehört, welche in ihrer Zusammensetzung ebenso verschieden sind, wie sie in ihrer Wirkung auf den Organis- mus von einander abweichen, jetzt also, wo man die Stoffe kennt, denen die arzneiliche oder giftige Wirkung zukommt, kann nur der Unverstand ihren Antheil an dem Lebenspro- ceß für unerforschbar halten; sie deshalb, wie Manche ge- than haben, für unerforschbar erklären, weil sie in kleinen Gaben wirken, ist eben so ungereimt, wie wenn man die Schärfe eines Rasirmessers beurtheilen wollte nach seinem Gewichte. 94. Es wäre völlig zwecklos, diesen Schlüssen eine größere Ausdehnung zu geben, sie verdienen, so hypothe- tisch sie sich auch darstellen mögen, nur in so fern Beachtung, Der chemische Proceß der als sie den Weg andeuten, den die Chemie verfolgt, oder den sie nicht verlassen darf, wenn sie in der That der Physiologie und Pathologie Dienste leisten soll. Die Com- binationen des Chemikers beziehen sich stets auf den Stoff- wechsel vorwärts und rückwärts, auf den Uebergang der Nah- rung in die mannigfaltigen Gebilde und Secrete und ihrer Um- setzung in leblose Verbindungen; seine Untersuchungen sollen zeigen, was im Körper vor sich gegangen ist, und was vor sich gehen kann. Sonderbarer Weise sehen wir die Arznei- wirkungen alle abhängig von gewissen Stoffen, die sich in ihrer Zusammensetzung nicht ähnlich sind, und wenn durch die Hinzuführung eines Stoffes gewisse abnormale Zustände zu normalen werden, so wird man die Ansicht nicht zurück- weisen können, daß diese Erscheinung in einer Aenderung der Zusammensetzung der Bestandtheile des kranken Orga- nismus beruht, an welcher die Elemente des Arzneimittels einen bestimmten Antheil haben, einen ähnlichen Antheil, wie der ist, den die Bestandtheile der Pflanzen an der Bildung des Fettes und der Membranen, des Speichels, der spermatischen Ma- terie ꝛc. genommen haben; ihr Kohlenstoff, ihr Wasserstoff, Stickstoff, oder was sonst zu ihrer Zusammensetzung ge- hört, sie stammen ja von dem Organismus der Pflanze ab; die Wirkungen des Chinins, des Morphins, der vegetabi- lischen Gifte sind zuletzt keine Hypothesen. 95. Aehnlich also wie man in gewissem Sinne von Caffein, Thein, Asparagin, so wie von den stickstofffreien Nahrungs- stoffen sagen kann, daß sie Nahrungsstoffe für die Leber sind, Umsetzung der Gebilde . indem sie die Elemente enthalten, durch deren Gegen- wart dieses Organ befähigt wird, seinen Functionen vor- zustehen, lassen sich die stickstoffhaltigen, durch ihre Wir- kung auf das Gehirn und die Substanz der Bewegungsap- parate so merkwürdigen Arzneistoffe als Nahrungsstoffe für die unbekannten Organe betrachten, welche zur Metamor- phose der Blutbestandtheile in Gehirn- und Nervensubstanz bestimmt sind, Organe, die in dem Thierkörper nicht fehlen können, und wenn im Zustande der Krankheit ein abnormaler Proceß der Bildung oder Umsetzung der Bestandtheile der Nerven- und Gehirnsubstanz sich eingestellt hat, wenn in den dazu bestimmten Organen die Fähigkeit vermindert ist, aus den Blutbestandtheilen Nerven- und Gehirnsubstanz zu erzeugen, oder einer abnormalen Umsetzung Widerstand zu leisten, so steht der Ansicht in chemischer Beziehung kein Hinderniß ent- gegen, daß Materien von einer der Gehirn- und Nerven- substanz ähnlichen Zusammensetzung, die sich für die Bildung derselben eignen, statt der aus dem Blute erzeugten zum Widerstand oder zur Herstellung des normalen Zustandes ver- wendet werden können. Beide sind Producte des Lebenspro- cesses; die Blutbestandtheile sowohl, wie die Körper, welche wir Arzneimittel nennen, stammen von den Pflanzen, nur in ihrer Form zeigen sie Verschiedenheiten. 96. Einige Physiologen und Chemiker haben die Eigen- thümlichkeit der Cerebrinsäure, welche ihrem Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalte und ihren physikalischen Eigenschaften nach einer stickstoffhaltigen fetten Säure gleicht, in Zweifel ge- 13 Der chemische Proceß der zogen; ein stickstoffhaltiges Fett, was einen sauren Charak- ter besitzt, ist aber in der That keine Anomalie. Die Hip- pursäure ist in manchen ihrer Eigenschaften den fetten Säu- ren sehr ähnlich, sie ist aber durch ihren Stickstoffgehalt wesentlich davon unterschieden; die organischen Bestandtheile der Galle, sie gleichen in ihren physikalischen Eigenschaften den sauren Harzen und sind ebenfalls stickstoffhaltig; die organischen Basen stehen in ihren physikalischen Eigenschaften zwischen den fetten Körpern und den Harzen, alle sind stickstoffhaltig; eine stickstoffhaltige fette Säure ist eben so wenig unwahrschein- lich, wie die Existenz eines stickstoffhaltigen Harzes, was die Eigenschaften einer Salzbase besitzt. 97. Ein genaues Studium möchte wahrscheinlich in der Substanz des Gehirns, des Rückenmarks und der Nerven Ver- schiedenheiten darthun. Nach den Beobachtungen von Va- lentin ändert sich die Beschaffenheit der Gehirn- und Ner- vensubstanz von dem Tode an, mit großer Schnelligkeit, und ganz besondere Sorgfalt müßte auf die Sonderung fremder, der Mark- und Gehirnsubstanz nicht angehörender Materien zu verwenden sein. So groß nun auch die Schwierigkeiten sich darstellen mögen, so scheint die Untersuchung dennoch ausführbar. Vorläufig wissen wir, daß gegen einen großen Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt in der Gehirnsubstanz alle Erfahrungen sprechen; die Abwesenheit von Stickstoff als Bestandtheil der Nerven- und Gehirnsubstanz erscheint jeden- falls unwahrscheinlich. Sie darf ferner nicht zu den Fetten gerechnet werden, denn wir finden sie mit Natron vereinigt; Umsetzung der Gebilde . alle Fette sind aber Glycerylverbindungen. Was den Phos- phorgehalt der Gehirnsubstanz betrifft, so haben wir über den Zustand, in welchem der Phosphor darin enthalten ist, nur Vermuthungen. Walchner beobachtete vor Kurzem, daß sich aus einem Brunnentroge in Carlsruhe, auf dessen Boden Fische faulten, selbstentzündliches Phosphorwasserstoff- gas in Blasen entwickelte, und auch in der Fäulniß der Gehirnsubstanz sind phosphorreiche Gase beobachtet worden Das Museum zu Genf übergab eine große Portion Weingeist, der zur Aufbewahrung von Thieren (Fischen) gedient hatte, an Herrn Leroyer, Apotheker, der seine Reinigung übernahm. Er destillirte den- selben über ein Gemenge von Chlorcalcium mit gebranntem Kalk und dampfte den Rückstand an der Luft über Feuer ab. Sobald die Masse eine gewisse Consistenz und eine höhere Temperatur angenom- men hatte, entwickelte sich eine außerordentliche Menge entzündliches Phosphorwasserstoffgas ( Dumas V. 267.) . 13* Dritter Theil . Die Bewegungserscheinungen im Thierorganismus. I. D ie zahllosen Bilder, welche sich der menschliche Geist über die Natur und das Wesen der eigenthümlichen Ursache ge- schaffen hat, welche als der letzte Grund der Erscheinungen angesehen werden muß, die das Thier- und Pflanzenleben characterisiren, mit einem neuen zu vermehren, dürfte nicht der Beachtung werth gehalten werden, wenn sich nicht aus den Vorstellungen über diese Ursache, welche im Eingang zum ersten Theil dieser Schrift entwickelt worden sind, ge- wisse Begriffe als nothwendige Folgerungen ergäben, deren nähere Erörterung in dem Folgenden versucht werden soll. Von vorne herein muß zugegeben werden, daß alle diese Folgerungen ihre Bedeutung verlieren, wenn der Beweis geführt werden kann, daß die Ursache der Lebensthätigkeit mit anderen bekannten Ursachen, welche Bewegung oder Form- und Beschaffenheitsänderungen der Materie bewirken, in ih- ren Aeußerungen nichts gemein hat. Eine Vergleichung ihrer Eigenthümlichkeiten mit der Wirkungsweise dieser anderen Ursachen, kann übrigens schon deshalb keinen Nachtheil bringen, weil die Natur und das Wesen einer Naturerscheinung nicht durch Abstraction, son- Die Bewegungserscheinungen dern nur durch vergleichende Beobachtungen erkennbar sind. Wenn die Lebenserscheinungen nämlich als Aeußerungen einer eigenthümlichen Kraft angesehen werden, so müssen die Wirkungen dieser Kraft an gewisse erforschbare Gesetze ge- bunden sein, die mit den allgemeinsten Gesetzen des Wider- standes und der Bewegung im Einklange sind, welche die Weltkörper und Weltkörpersysteme in ihren Bahnen erhalten, wodurch Form- und Beschaffenheitsänderungen in den Kör- pern bedingt werden, ganz abgesehen von dem Stoff, wel- cher als Träger der Lebenskraft sich darstellt, oder der Form, in der sich die Lebenskraft äußert. Die Lebenskraft giebt sich in einem belebten Körpertheil als eine Ursache der Zunahme an Masse, sowie des Wider- standes gegen äußere Thätigkeiten zu erkennen, welche die Form, Beschaffenheit und Zusammensetzung der Elementar- theilchen ihres Trägers zu ändern streben. Als eine Kraft der Bewegung, Form- und Beschaffen- heitsänderung der Materie zeigt sie sich durch Störung und Aufhebung des Zustandes der Ruhe, in dem sich die chemi- schen Kräfte befinden, durch welche die Bestandtheile der ih- ren Trägern zugeführten Verbindungen, die wir als Nah- rungsstoffe kennen, zusammengehalten werden. Die Lebenskraft bewirkt eine Zersetzung dieser Nahrungs- stoffe, sie hebt die Kraft der Anziehung auf, die zwischen ihren kleinsten Theilchen unausgesetzt thätig ist, sie ändert die Richtung der chemischen Kräfte in der Art, daß die Ele- mente der Nahrungsstoffe sich in einer andern Weise ordnen, im Thierorganismus . daß sie zu neuen, den Trägern der Lebenskraft gleichen oder unähnlichen Verbindungen zusammentreten; sie ändert die Richtung und Stärke der Cohäsionskraft, sie hebt den Cohä- sionszustand der Nahrungsmittel auf und zwingt die neuen Verbindungen, zu Formen zusammenzutreten, welche keine Aehnlichkeit mit den Formen haben, welche durch die frei (ohne Widerstand) wirkende Cohäsionskraft gebildet werden. Die Lebenskraft äußert sich als eine Kraft der Anzie- hung, insofern die durch die Form- und Beschaffenheitsände- rung des Nahrungsstoffes neu gebildete Verbindung, bei gleicher Zusammensetzung mit ihrem Träger, zu einem Be- standtheil dieses Trägers wird. Die dem Träger der Lebenskraft unähnlichen, neuerzeugten Verbindungen treten aus dem Körpertheile aus, sie erlei- den in der Form gewisser Secretionen, anderen Körperthei- len zugeführt, bei ihrer Berührung damit, eine Reihe ähn- licher Veränderungen. Als Widerstand giebt sich die Lebenskraft in belebten Körpertheilen zu erkennen, insofern durch sie, durch ihr Vor- handensein in ihren Trägern, die Elemente derselben das Vermögen erlangen, Störungen und Aenderungen in ihrer Form und Zusammensetzung durch äußere Thätigkeiten zu widerstehen, eine Fähigkeit, die sie für sich als chemische Verbindungen nicht besitzen. Wie bei anderen Kräften umfaßt der Begriff einer un- gleichen Intensität der Lebenskraft in einem belebten Körper- theil nicht nur die ungleiche Fähigkeit der Zunahme an Die Bewegungserscheinungen Masse und der Ueberwindung von (chemischen) Widerstän- den, sondern man bezeichnet damit auch gradezu die Ver- schiedenheit in der Größe des Widerstandes selbst, den die Theile oder Bestandtheile eines belebten Körpertheils einer Aenderung in der Form und Zusammensetzung durch neue äußere einwirkende Ursachen entgegensetzen; ganz ähnlich wie die Stärke der Cohäsionskraft oder der Affinität in gradem Verhältniß steht zu dem Widerstande, den diese Kräfte einer äußern mechanischen oder chemischen Ursache entgegensetzen, welche die Theile einer Verbindung von ein- ander zu trennen strebt. Die Aeußerungen der Lebenskraft sind abhängig von ei- ner gewissen Form ihrer Träger und einer bestimmten Zu- sammensetzung der Substanz des lebendigen Körpertheils. Die Fähigkeit der Zunahme an Masse in einem belebten Körpertheil wird bedingt durch die unmittelbare Berührung mit Stoffen, die sich zu einer Zersetzung eignen, oder deren Elementartheile zu Bestandtheilen des Trägers der Lebens- thätigkeit übergehen können. Die Aeußerung der Zunahme setzt voraus, daß die ein- wirkende Lebenskraft mächtiger ist, als der Widerstand, den die chemische Kraft einer Zersetzung oder Umsetzung der Ele- mentartheile der Nahrungsstoffe ihr entgegensetzt. Die Aeußerungen der Lebenskraft sind abhängig von ei- ner gewissen Temperatur; weder in einer Pflanze, noch in einem Thiere zeigen sich Lebenserscheinungen, wenn die Tem- peratur in gewissen Verhältnissen abnimmt. im Thierorganismus . Die Lebenserscheinungen eines belebten Organismus neh- men an Stärke und Intensität durch Wärmeentziehung ab, wenn die Temperatur, welche er besitzt, nicht durch andere Ursachen wieder erneuert wird. Entziehung von Nahrungsstoff setzt allen Lebensäußerun- gen eine bestimmte Grenze. Der Contact der belebten Körpertheile mit Nahrungs- stoff wird in dem Thierorganismus bedingt durch eine me- chanische Kraft, welche in ihm selbst erzeugt wird und ge- wissen Organen die Fähigkeit giebt, Ortsveränderungen zu bewirken, eine mechanische Bewegung hervorzubringen, me- chanische Widerstände aufzuheben. Man kann einem ruhenden Körper eine gewisse Bewe- gung ertheilen durch eine Menge in ihren Aeußerungen höchst verschiedener Kräfte; wir setzen ein Uhrwerk in Be- wegung durch ein fallendes Gewicht (durch die Schwere), durch eine gespannte Feder (durch Elasticität). Wir bringen jede Art von Bewegungen hervor durch die elektrische oder magnetische Kraft, sowie durch die chemischen Kräfte, ohne daß wir im Stande sind zu sagen, wenn wir die Aeußerung dieser Thätigkeiten nur in ihrer Erscheinung ins Auge fas- sen, durch welche von diesen verschiedenen Ursachen des Ortswechsels der ruhende Körper die Bewegung oder Ge- schwindigkeit empfangen hat. In dem Organismus des Thieres kennen wir nur eine Quelle der bewegenden Kraft, und diese Quelle ist die näm- liche Ursache, welche die Zunahme belebter Körpertheile an Die Bewegungserscheinungen Masse bedingt, welche ihnen das Vermögen giebt, äußeren Actionen Widerstand zu leisten, es ist die Lebenskraft . Um zu einer klaren Einsicht dieser in ihrer Form so verschiedenen Aeußerungen der Lebenskraft zu gelangen, muß man sich erinnern, daß eine jede Kraft sich in einer Materie durch zwei für die Beobachtung durchaus verschiedene Zu- stände der Thätigkeit zu erkennen giebt. Die in den Theilchen eines Steins vorhandene Kraft der Schwere ertheilt ihnen ein unausgesetztes Streben, sich nach dem Mittelpunkte der Erde hinzubewegen. Für die Wahrnehmung verschwindet diese Thätigkeit, wenn der Stein z. B. auf einem Tische liegt, dessen Theile der Aeußerung seiner Schwere einen Widerstand entgegense- tzen. Die auf ihn wirkende Kraft ist stets vorhanden, sie äußert sich als Druck auf die Unterlage, allein er bleibt auf seinem Platze, er besitzt keine Bewegung. Mit Gewicht bezeichnen wir die Aeußerung seiner Schwere im Zustande der Ruhe. Was den Stein am Fallen hindert, ist ein Widerstand, welcher bewirkt wird durch eine Kraft der Anziehung, mit welcher die Theilchen des Holzes zusammenhängen; eine Wassermasse würde ihn am Fallen nicht gehindert haben. Wenn die Kraft, welche die Theilchen des Steins nach dem Mittelpunkte der Erde hintreibt, größer wäre als die Kraft, womit die Holztheilchen zusammenhängen, so würde die Cohäsionskraft überwunden werden, sie würde den Stein am Fallen nicht hindern können. im Thierorganismus . Nehmen wir den Tisch und damit die Kraft hinweg, welche die Aeußerung der Schwere aufgehoben hatte, so zeigt sich die letztere als die Ursache der Ortsveränderung des Steins, er kommt in Bewegung, d. h. er fällt: Wider- stand ist stets eine Kraft. Je nachdem wir ihn kürzere oder längere Zeit fallen lassen, erlangt er Fähigkeiten, die er im ruhenden Zustande nicht besaß, er erhält nämlich das Vermögen, schwächere oder stärkere Widerstände (Kräfte) aufzuheben, oder ruhenden Körpern Bewegung mitzutheilen. Von einer gewissen Höhe herabfallend macht er einen bleibenden Eindruck an dem Orte, den er berührt, von einer noch größern Höhe (längere Zeit) fallend, macht er ein Loch in die Tischplatte; seine eigene Bewegung theilt sich einer gewissen Anzahl Holztheilchen mit, die nun mit dem Steine selbst fallen. Keine dieser Eigenschaften besaß der ruhende Stein. Die erlangte Geschwindigkeit ist stets die Wirkung der bewegenden Kraft. Sie ist unter sonst gleichen Umständen dem Druck proportional. Ein frei fallender Körper gewinnt nach einer Sekunde eine Geschwindigkeit von 30 Fuß. Derselbe Körper auf dem Monde fallend, würde in einer Sekunde nur eine Ge- schwindigkeit von 30/3600 = 0,1 Zoll gewinnen, weil dort die Intensität der Schwere (der Druck, welcher auf den Körper wirkt, die bewegende Kraft) 3600 mal kleiner ist. Wenn der Druck gleichförmig fortwirkt, so steht die Ge- Die Bewegungserscheinungen schwindigkeit genau im Verhältniß zum Druck, dergestalt, daß z. B. der 3600mal langsamer fallende Körper nach 3600 Se- kunden dieselbe Geschwindigkeit annimmt, wie der andere nach einer Sekunde. Die Wirkung ist folglich nicht der bewegenden Kraft allein, noch der Zeit allein, sondern dem Druck, multiplicirt mit der Zeit = Kraftmoment , proportional. In zwei gleichen Körpermassen bezeichnet die Geschwin- digkeit das Kraftmoment. Unter dem Einfluß desselben Drucks bewegt sich aber ein Körper um so langsamer, je größer seine Masse; die doppelte Masse braucht, um in gleicher Zeit eine gleiche Geschwindigkeit zu erlangen, einen doppelten Druck, oder sie muß unter dem einfachen Drucke eine doppelt so lange Zeit in Bewegung bleiben. Um einen Ausdruck für die ganze eingetretene Wirkung zu haben, muß man daher, die Masse mit ihrer Geschwindig- keit multipliciren. Dieses Product heißt Bewegungsgröße . Die Größe der Bewegung eines Körpers muß in allen Fällen dem Kraftmoment genau entsprechen. Größe der Bewegung und Kraftmoment wird auch schlecht- weg mit Kraft bezeichnet, weil man sich vorstellt, daß ein kleiner Druck, der z. B. 10 Sekunden gewirkt hat, ebensoviel werth ist, als ein zehnmal größerer Druck, der nur eine Sekunde thätig war. Bewegungsmoment heißt in der Mechanik die Wir- kung einer Kraft ohne Rücksicht auf die Zeit (Geschwindig- im Thierorganismus . keit), in welcher sie zur Aeußerung kam. — Wenn ein Mann z. B. dreißig Pfunde 100 Fuß hoch hebt, ein zweiter dreißig Pfund auf 200 Fuß Höhe, so hat der zweite doppelt so viel Kraft wie der erste verwendet; ein dritter welcher 60 Pfund auf 50 Fuß Höhe gehoben hat, verbraucht dazu nicht mehr Kraft wie der erste, um 30 Pfund 100 Fuß hoch zu heben. Die Bewegungsmomente des ersten (30 × 100) und des dritten (60 × 50) sind sich gleich, das Bewegungsmoment des zweiten (30 × 200) ist doppelt so groß. Kraftmomente und Bewegungsmomente sind demnach in der Mechanik Ausdrücke oder Maßstäbe für Kraftwirkungen, die sich auf eine in gegebener Zeit erlangte Geschwindigkeit oder auf einen gegebenen Raum beziehen; in diesem Sinne lassen sie sich auf die Wirkungen aller anderen Ursachen der Bewegung, Form- und Beschaffenheitsverände- rung übertragen, wie groß oder wie klein auch der Raum oder die Zeit sein mag, in der sich ihre Wirkung für die Sinne offenbart. Eine jede Kraft äußert sich demnach in der Materie als Widerstand gegen äußere Ursachen der Orts- (Form- und Beschaffenheits-) Veränderung; als Bewegung-erzeugende Kraft zeigt sie sich, wenn ihr keine Widerstände entgegenste- hen oder in der Ueberwindung von Widerständen. Eine und dieselbe Kraft wirkt Bewegung mittheilend und Bewegungen vernichtend; in dem einen Falle, wenn ihrer Thätigkeitsäußerung keine Widerstände entgegenste- hen; in dem andern, wenn sie selbst die Aeußerung einer Die Bewegungserscheinungen andern Ursache der Bewegung (Form- und Beschaffenheits- Aenderung) aufhebt. Gleichgewicht (oder Ruhe) heißt der Zustand der Thätigkeit, wo ein Kraft- oder Bewegungs- moment, durch ein entgegengesetztes Kraft- oder Bewe- gungsmoment aufgehoben ist. Beide Thätigkeitsäußerungen beobachten wir an der Kraft, welche den belebten Körpertheilen ihre eigenthümlichen Eigenschaften giebt. Durch Aufhebung der zwischen den Bestandtheilen der Nahrungsstoffe wirkenden chemischen Kräfte (der Cohäsion und Affinität), durch Aenderung der Lage oder des Ortes, in welchem sich ihre Elementartheilchen befinden, giebt sich die Lebenskraft als bewegende Kraft zu erkennen; sie äußert sich als Bewegung erzeugende Kraft durch Ueberwindung der chemischen Anziehung der Bestandtheile der Nahrungs- stoffe und als die Ursache, die sie zwingt, sich in einer neuen Ordnung mit einander zu vereinigen. Es ist klar, daß einem belebten Körpertheil, welcher also die Fähigkeit besitzt, Widerstände aufzuheben und den Elementar- theilchen der Nahrungsstoffe eine Bewegung mitzutheilen durch die in ihm frei sich äußernde Lebenskraft, ein Bewegungsmoment zukommen muß, was ja nichts anderes ist, als das Maß der eingetretenen Bewegung, Form- und Beschaffenheits-Aenderung. Wir wissen, daß dieses Bewegungsmoment der Lebens- kraft in einem belebten Körpertheil verwendbar ist, um ruhen- den Materien Bewegung zu ertheilen (Zersetzung zu be- wirken, Widerstände aufzuheben), und wenn die Lebenskraft im Thierorganismus . in ihren Aeußerungen sich ähnlich verhält wie andere Kräfte, so muß dieses Bewegungsmoment mitgetheilt oder fortgepflanzt werden können durch Materien, die in sich selbst durch eine entgegenwirkende Thätigkeit seine freie Aeußerung nicht aufheben. Die durch irgend eine Ursache gewonnene Bewegung eines Stoffes oder einer Materie kann in sich selbst nicht vernichtet werden, sie kann zwar für die Wahrnehmung verschwinden, allein auch aufgehoben durch Widerstände (durch entgegengesetzte Kraftwirkungen) wird ihr Effect nicht vernichtet. Der fallende Stein übt durch seine im Fallen gewonnene Bewegungsgröße, auf dem Tische an- gelangt, eine Wirkung aus; der hervorgebrachte Eindruck auf das Holz, die Geschwindigkeit, welche von der seinigen sich auf die Holztheile überträgt, ist sein Effect. Uebertragen wir die Begriffe von Bewegung, Gleichgewicht und Widerstand auf die chemischen Kräfte, die in ihrer Wir- kungsweise der Lebenskraft unendlich näher stehen, als die Schwere, so wissen wir mit der größten Bestimmtheit, daß sie nur bei unmittelbarer Berührung sich thätig zeigen; wir wissen, daß die ungleiche Fähigkeit chemischer Verbindungen, Widerstand gegen äußere Störungen zu leisten, gegen die Einwirkung der Wärme, der elektrischen Kraft, die ihre Theil- chen zu trennen streben, so wie ihr Vermögen Widerstände in anderen Verbindungen aufzuheben (Zersetzung zu bewirken), daß mit einem Worte die in einer Verbindung thätige Kraft, abhängig ist von einer gewissen Ordnung, in welcher sich ihre Elementartheilchen berühren. 14 Die Bewegungserscheinungen Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit einander vereinigt, äußern mit anderen Verbindungen in Be- rührung eine höchst ungleiche Fähigkeit Widerstand zu leisten oder Widerstände aufzuheben, in der einen Form ist die zur Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper ist activ, eine Säure z. B.), in der andern nicht (er ist indifferent), in einer dritten Form ist sein Kraftmoment der ersten ent- gegengesetzt (er ist activ, aber eine Basis). Aendern wir die Ordnung der Elemente, so sind wir im Stande, die Bestandtheile einer Verbindung durch einen andern activen Körper zu trennen, die, in einer andern Form vereinigt, seiner Action einen unüberwindlichen Widerstand entgegensetzten. Aehnlich wie zwei gleiche unelastische Massen von gleicher Geschwindigkeit, die aus entgegengesetzter Richtung getrieben, mit einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich also wie zwei gleiche aber entgegengesetzte Bewegungsmomente sich gegenseitig aufheben, kann das Kraftmoment einer chemischen Verbindung, durch ein gleiches aber entgegengesetztes Kraft- moment einer zweiten Verbindung ganz oder zum Theil auf- gehoben, allein es kann nicht vernichtet werden, so lange die Ordnung nicht gestört wird, durch welche die in ihnen wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt ist. Die chemische Kraft der Schwefelsäure ist im Gyps eben so ungeschwächt vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die Wahrnehmung ist sie verschwunden; nehmen wir die Ursache hinweg, die ihre Aeußerung auf andere Materien aufhob, im Thierorganismus . so zeigt sie sich in ihrem Träger mit ihrer ganzen Stärke. So kann die Cohäsionskraft eines festen Körpers durch eine chemische Kraft (in der Auflösung), durch Wärme (beim Schmelzen), für die Beobachtung völlig verschwinden, ohne daß sie nur entfernt geschwächt oder vernichtet wäre. Ent- fernen wir die ihr entgegenwirkende Kraftäußerung (den Widerstand), so zeigt sie sich in der Krystallisation unver- ändert. Durch die elektrische Kraft, durch die Wärme, sind wir im Stande, der chemischen Kraft in ihren Aeußerungen die mannigfaltigsten Richtungen zu geben; wir stellen damit die Ordnung fest, in welcher sich die Elementartheilchen ver- einigen sollen. Nehmen wir die Ursache hinweg (Wärme, elektrische Kraft), die ihrer schwächeren Anziehung nach der einen Richtung hin das Uebergewicht gab, so wird die stär- kere Anziehung nach einer andern Richtung hin sich unaus- gesetzt thätig zeigen, und wenn diese stärkere Anziehung das Beharrungsvermögen der Elementartheilchen über- winden kann, so werden sich die Elementartheile in einer neuen Form mit einander vereinigen, das ist, es wird eine neue Verbindung von veränderten Eigenschaften gebildet werden müssen. In Verbindungen dieser Art, in welchen also die freie Aeußerung der chemischen Kraft, durch andere Kräfte ge- hindert wurde, kann ein Stoß, eine mechanische Reibung, die Berührung mit einer Materie, deren Elementartheile sich im Zustande der Bewegung (Umsetzung, Zersetzung) be- 14* Die Bewegungserscheinungen finden, irgend eine Ursache von Außen, deren Thätigkeit sich der stärkeren Anziehung der Elementartheilchen nach einer andern Richtung hinzufügt, hinreichen, um dieser stärkeren Anziehung das Uebergewicht zu geben, das Beharrungs- vermögen zu überwinden, ihre Form und Beschaffenheit, welche sie der Mitwirkung fremder Ursachen verdanken, zu ändern, ein Zerfallen der Verbindung in eine oder meh- rere neue Körper von veränderten Eigenschaften zu be- wirken. Umsetzungen, oder wenn man will, Bewegungserschei- nungen, können in Verbindungen dieser Classe, bewirkt werden durch die in einer andern chemischen Verbindung frei und verwendbar wirkende chemische Kraft, und zwar ohne daß ihre Aeußerung durch Widerstände erschöpft oder aufgehoben wird. So wird das Gleichgewicht in der Anziehung der Elemente des Rohrzuckers, durch Berührung mit einer sehr kleinen Menge Schwefelsäure aufgehoben; er verwandelt sich in Traubenzucker; ganz ähnlich sehen wir die Elemente des Amylons sich mit den Elementen des Wassers zu einer neuen Form ordnen, ohne daß die Schwefelsäure, welche gedient hatte, um diese Umsetzung zu bewirken, ihren chemischen Charakter verliert, sie bleibt in Bezug auf andere Ma- terien, auf die sie eine Wirkung äußert, ebenso activ als wie vorher, grade so, als wenn sie keine Art von Wirkung auf das Amylon ausgeübt hätte. Ganz verschieden von der Aeußerung der sogenannten mechanischen Kräfte haben wir in den chemischen Kräften im Thierorganismus . Ursachen von Bewegungserscheinungen, von Form- und Be- schaffenheitsänderungen, ohne wahrnehmbare Erschöpfung der Kraft, wodurch sie hervorgerufen werden, erkannt; allein der Grund der fortdauernden Thätigkeitsäußerung bleibt stets derselbe, es ist der Mangel einer entgegengesetzten Thätig- keit (eines Widerstandes), der sie aufzuheben oder ins Gleich- gewicht zu setzen fähig ist. Aehnlich wie die Aeußerungen der chemischen Kräfte (das Kraftmoment einer chemischen Verbindung) abhängig erscheinen von einer bestimmten Ordnung, in der sich ihre Elementar- theilchen berühren, zeigt die Erfahrung, daß die Lebenser- scheinungen unzertrennlich von der Materie sind, daß die Aeußerungen der Lebenskraft in einem belebten Körpertheil bedingt werden durch eine gewisse Form des Trägers und durch eine gewisse Ordnungsweise seiner Elementartheilchen; heben wir die Form oder Zusammensetzung des Organs auf, so verschwinden alle Lebensäußerungen. Nichts hindert uns, die Lebenskraft als eine besondere Eigenschaft zu betrachten, die gewissen Materien zukommt, und wahrnehmbar wird, wenn ihre Elementartheilchen zu einer gewissen Form zusammengetreten sind. Diese Vorstellung nimmt den Lebenserscheinungen nichts von ihrer wunderbaren Eigenthümlichkeit, man kann sie als einen Anhaltspunkt betrachten, von dem aus sich eine Un- tersuchung derselben, sowie die Erforschung ihrer Gesetze anknüpfen läßt, ganz so wie man die Eigenschaften und Ge- setze der Bewegungen des Lichts, als abhängig von einer Die Bewegungserscheinungen Lichtmaterie, oder einem Aether betrachtet, der mit den er- forschten Gesetzen nichts weiter zu thun hat. In dieser Form gedacht, vereinigt die Lebenskraft in ihren Aeußerungen alle Eigenthümlichkeiten der chemischen Kräfte und der nicht minder wunderbaren Ursache, die wir als den letzten Grund der elektrischen Erscheinungen ansehen. Die Lebenskraft äußert sich nicht wie die Schwerkraft oder magnetische Kraft in unendlichen Entfernungen, sondern sie ist, wie die chemischen Kräfte, nur bei unmittelbarer Berührung thätig, sie wird durch einen Complex materieller Theile wahrnehmbar. Ein belebter Körpertheil erhält nach obiger Voraussetzung die Fähigkeit, Widerstand zu leisten und Widerstände aufzuheben, durch das Zusammentreten seiner Elementartheilchen in einer gewissen Form und er muß, so lange diese Form und Ord- nung durch entgegengesetzte Kräfte nicht aufgehoben wird, seine Kraft unausgesetzt zu behaupten vermögen. Wenn durch den Act der Thätigkeitsäußerung eines be- lebten Körpertheils die Elemente der Nahrungsstoffe in der ihm gleichen Form und Beschaffenheit zusammengetreten sind, so erlangen sie eine ihm gleiche Fähigkeit; es gelangt durch dieses Zusammentreten die in ihnen wohnende Lebens- kraft zur freien Aeußerung, sie wird in gleicher Weise ver- wendbar. Wenn man sich nun erinnert, daß alle Nahrungsstoffe belebter Organismen Verbindungen zweier oder mehrerer Elemente sind, welche durch chemische Kräfte zusammengehal- im Thierorganismus . ten werden, wenn man erwägt, daß in dem Act der Thätig- keitsäußerung eines belebten Körpertheils die Elemente der Nahrungsstoffe in einer andern Ordnung zusammentreten, so ist völlig gewiß, daß das Kraft- oder Bewegungsmoment der Lebenskraft stärker war, als die zwischen den Elementen der Nahrung sich äußernde chemische Anziehung Die Hände eines Mannes, welcher mit einem Seile 30 Pfund 100 Fuß hoch hebt, legen einen Weg von 100 Fuß zurück, während seine Muskelthätigkeit einem Widerstand (Druck) von 30 Pfunden das Gleich- gewicht hält. Wäre die von dem Manne anwendbare Kraft nicht größer, als um dem Druck von dreißig Pfunden das Gleichgewicht zu halten, so würde er nicht vermögend sein, das Gewicht zu der an- gegebenen Höhe zu heben. . Die chemische Kraft, welche die Bestandtheile zusammen- hielt, wirkte gleich einem Widerstande, welcher überwunden wurde durch die active Lebenskraft. Wären beide gleich gewesen, so würde keine Art von wahrnehmbarer Wirkung eingetreten sein; bei überwiegen- der chemischer Action würde der belebte Körpertheil eine Veränderung erlitten haben. Wenn wir uns nun denken, daß eine gewisse Quantität von Lebenskraft dazu verwendet werden mußte, um sich mit der chemischen Kraft ins Gleichgewicht zu setzen, so bleibt immer noch ein Ueberschuß von Kraft, durch welchen die Zersetzung bewirkt wurde; in diesem Ueberschuß besteht das Kraftmoment des belebten Körpertheils, durch den die Zer- setzung bewerkstelligt wurde; er erhält durch ihn ein dauern- des Vermögen, weitere Zersetzungen zu bewirken und seinen Die Bewegungserscheinungen Zustand, seine Form und Beschaffenheit gegen äußere Actio- nen zu behaupten. Wir können uns denken, daß dieser Ueberschuß hinweg- genommen und in einer andern Weise verwendet werden kann; das Bestehen des belebten Körpertheils würde dadurch nicht gefährdet werden, eben weil in diesem Falle ein Ruhe- und Gleichgewichtszustand eintreten würde; allein mit der Hinwegnahme dieses Ueberschusses würde er seine Fähigkeit der Zunahme an Masse, sein Vermögen weitere Zersetzun- gen zu bewirken, äußeren Ursachen von Störungen zu wi- derstehen, verlieren. Wenn ihm in diesem Gleichgewichtszu- stande Sauerstoff (eine chemische Action) zugeführt werden würde, so würde dessen Streben, sich mit einem Elemente des belebten Körpertheils zu vereinigen, kein Hinderniß ent- gegenstehen, eben weil ihm das Vermögen, Widerstand zu leisten, durch anderweitige Verwendung von Lebenskraft ge- nommen worden ist. Je nach der Menge des zugeführten Sauerstoffs würde eine entsprechende Menge des belebten Körpertheils seinen Zustand des Lebens verlieren und die Form einer chemischen Verbindung erhalten von einer dem belebten Stoff unähnlichen Zusammensetzung, es würde mit einem Worte ein Wechsel in den Eigenschaften der belebten Verbindung, ein Stoffwechsel entstehen. Wenn wir erwägen, daß die Fähigkeit der Zunahme an Masse in der Pflanze beinahe keine Grenze hat, daß hundert Weidenzweige, von einem Baume genommen, zu hundert Bäumen werden, so kann man kaum einen Zweifel hegen, im Thierorganismus . daß mit dem Zusammentreten der Elemente des Nahrungs- stoffs zu einem Bestandtheil der Pflanze, zu dem vorhande- nen Kraftmoment, in dem neugebildeten Pflanzentheile ein neues Kraftmoment hinzukommt, in der Art, daß mit der Zunahme an Masse die Summe von Lebenskraft wächst. Je nach der Quantität verwendbarer Lebenskraft ändern sich die Producte, die durch ihre Thätigkeit aus dem zuge- führten Nahrungsstoff gebildet werden. Die Bestandtheile der Knospe, der Wurzelfaser, des Blattes, der Blüthe und Frucht sind höchst verschieden; die chemische Kraft, wodurch ihre Elemente zusammen gehalten werden, ist sehr ungleich. Von den stickstofffreien Bestandtheilen der Pflanzen kann man behaupten, daß kein Theil des Kraftmomentes verwen- det wird, um ihre Form und Beschaffenheit zu behaupten, sobald ihre Elemente einmal in der Ordnung zusammenge- treten sind, in der sie zu Trägern der Lebenskraft werden. Ganz verschieden verhalten sich die stickstoffhaltigen Pflan- zenstoffe, denn sie gehen, wie man gewöhnlich sagt, von der Pflanze getrennt, von selbst in Gährung und Fäulniß über. Die Ursache dieser Zersetzung oder Umsetzung ihrer Ele- mente ist die chemische Action, welche der Sauerstoff auf ei- nen ihrer Bestandtheile ausübt. Wir wissen nun, daß, so lange die Pflanze Lebenserscheinungen zeigt, Sauerstoffgas von ihrer Oberfläche abgeschieden wird, daß dieser Sauer- stoff ohne alle Wirkung ist auf die Bestandtheile der leben- digen Pflanze, zu denen er sonst die größte Anziehung be- sitzt, und es ist klar, daß eine gewisse Quantität Lebenskraft Die Bewegungserscheinungen verwendet werden muß, theils um die Elemente der com- plexen stickstoffhaltigen Bestandtheile, in der Form, Beschaf- fenheit und Ordnung zu erhalten, die ihnen zukommt, theils als Widerstand gegen die unaufhörliche Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf ihre Elemente, so wie des Sauer- stoffs, der in ihrem Organismus durch den Lebensproceß abgeschieden wird. Mit der Zunahme an diesen veränderlichen Bestandthei- len, in der Blüthe z. B. und in der Frucht, wächst die Summe von chemischer Kraft, deren freie Aeußerung durch ein entsprechendes Maß von Lebenskraft im Gleichgewicht gehalten, als Widerstand verbraucht wird. Die Pflanze nimmt so lange an Masse zu, bis sich die in ihr wohnende Lebenskraft mit allen äußeren Ursachen, die ihrer Aeußerung entgegenwirken, ins Gleichgewicht ge- setzt hat, eine jede neue Ursache von Störung, die sich den vorhandenen hinzufügt (Temperaturwechsel ꝛc.), nimmt ihr jetzt die Fähigkeit, Widerstand zu leisten, sie stirbt ab. In den perennirenden Pflanzen (den Holzpflanzen z. B.) ist die Masse der veränderlichen Bestandtheile (der stickstoff- haltigen), verglichen mit den stickstofffreien, so klein, daß von der ganzen Summe von Kraft, als Widerstand, nur ein verschwindendes Moment verbraucht wird; bei den jähri- gen Pflanzen ist dieses Verhältniß umgekehrt. In allen Perioden des Lebens einer Pflanze wird die vorhandene active (durch Widerstände nicht aufgehobene) Le- benskraft nur zu einer Form von Lebensäußerung verwen- im Thierorganismus . det, zur Zunahme an Masse nämlich, zur Ueberwindung von Widerständen; kein Theil der Kraft wird zu anderen Zwecken verbraucht. In dem Organismus des Thieres zeigt sich die Lebens- kraft, wie in der Pflanze in der Fähigkeit der Zunahme an Masse, als die Ursache des Widerstandes gegen äußere Ein- wirkungen, allein die Zunahme so wie der Widerstand sind in gewisse Grenzen eingeschlossen. Wir beobachten nämlich, daß der Uebergang der Nah- rungsstoffe in Blut, die Berührung des Blutes mit den belebten Körpertheilen bedingt wird von einer mechanischen Kraft, deren Aeußerung von besonderen Organen ausgeht und vermittelt wird durch ein besonderes System von Appa- raten, denen die Fähigkeit zukommt, die empfangene Bewe- gung fortzupflanzen und zu verbreiten; von einem zweiten Systeme ähnlicher Apparate finden wir das Vermögen des Thieres abhängig, den Ort zu wechseln und durch seine Glieder mechanische Effecte hervorzubringen. Diese Apparate, so wie die von ihnen ausgehenden Bewegungserscheinungen, fehlen in der Pflanze. Um sich ein klares Bild über den Ursprung und die Quelle der mechanischen Bewegungen im Thierkörper zu verschaffen, dürfte es eine Erleichterung sein, sich an die Wirkungsweise anderer Kräfte zu erinnern, welche der Le- benskraft in ihren Aeußerungen am nächsten stehen. Wenn wir eine Anzahl Zink- und Kupferplatten in ei- ner gewissen Weise geordnet mit einer Säure in Berührung Die Bewegungserscheinungen bringen, so tritt, wenn man die beiden äußersten Punkte des Apparates mit einem Metalldraht in Verbindung setzt, eine chemische Action an den Zinkplatten ein, und der Draht er- hält in Folge dieser Action die merkwürdigsten und wun- derbarsten Eigenschaften. Dieser Draht zeigt sich nämlich als der Träger einer Kraft, welche durch ihn mit außerordentlicher Schnelligkeit nach allen Richtungen hingeleitet und fortgepflanzt werden kann; er ist der Leiter oder Fortpflanzer einer ununterbro- chenen Reihe von Thätigkeits-Aeußerungen. Eine solche Fortpflanzung von Bewegung ist nicht denk- bar, wenn in dem Drahte eine Ursache des Widerstandes zu überwinden wäre, jeder Widerstand würde einen Theil der bewegenden Kraft zur ruhenden machen. Wird der Draht in der Mitte zerschnitten, sein Zusam- menhang unterbrochen, so hört damit die Fortpflanzung der Kraft auf, und wir sehen, daß in diesem Falle die Action der Säure auf das Zink augenblicklich aufhört. Stellen wir die Verbindung wieder her, so tritt die ver- schwundene Action mit ihrer ganzen Energie wieder ein. Wir können durch die in dem Drahte vorhandene Thä- tigkeit eine Menge der verschiedenartigsten Effecte bewirken, Widerstände aller Art überwältigen, Lasten heben, Schiffe in Bewegung setzen, und, was noch weit merkwürdiger ist, dieser Draht verhält sich wie eine hohle Röhre, in welcher ein Strom von chemischer Kraft frei und ohne Hinderniß circulirt. im Thierorganismus . Die Eigenschaften, die wir als festgekettet an gewisse Materien mit dem Ausdruck der stärksten und energischsten Verwandtschaft bezeichnen, wir finden sie, dem Anschein nach, frei und ungebunden an diesem Drahte wieder, wir können sie, von ihm aus, auf andere Materien übertragen und ih- nen damit eine Affinität (die Fähigkeit, Verbindungen ein- zugehen) ertheilen, die ihnen für sich nicht zukommt; je nach der Quantität der Kraft, die in dem Drahte circulirt, kön- nen wir damit Verbindungen zerlegen, deren Elemente die mächtigste Verwandtschaft zu einander haben, und an allen diesen Thätigkeitsäußerungen nimmt die Substanz des Drah- tes nicht den geringsten Antheil, er ist nur der Leiter der Kraft. An diesem Drahte beobachten wir noch überdies Erschei- nungen der Anziehung und Abstoßung, die wir dem aufge- hobenen Gleichgewichtszustande der elektrischen und magne- tischen Kraft zuschreiben müssen, und es stellen sich bei der Wiederherstellung des Gleichgewichts des gestörten elektri- schen Zustandes, Licht und Wärme, als ihre nie fehlenden Be- gleiter ein. Alle diese merkwürdigen Erscheinungen werden hervorge- rufen durch die chemische Action, welche Säure und Zink auf einander ausüben, sie sind begleitet von einer Form- und Beschaffenheitsänderung, welche beide erleiden. Die Säure verliert ihren chemischen Character, das Zink geht eine Verbindung mit ihr ein. Die in dem Metall- drahte hervorgerufenen Thätigkeitsäußerungen, sie sind eine Die Bewegungserscheinungen unmittelbare Folge des Wechsels in ihren Eigenschaften. Ein Theilchen Säure nach dem andern verliert seine, ihm zukommenden, chemischen Eigenschaften und wir sehen, daß in eben diesem Grade der Draht eine chemische, mecha- nische, galvanische oder magnetische Kraft, oder wie man sie nennen will, empfängt; je nach der Anzahl von Theilchen der Säure, welche in einer und derselben Zeit diese Verän- derung erfahren (je nach der Oberfläche des Zinks), em- pfängt der Draht eine größere oder geringere Quantität von diesen Kräften. Die Fortdauer des Stromes von Kraft hängt ab von der Fortdauer der chemischen Action, die Fortdauer der che- mischen Action ist aufs engste geknüpft, an die Ableitung der Kraft. Hindern wir die Fortpflanzung der Kraft, so behält die Säure ihren chemischen Character; wird sie zur Ueberwin- dung von chemischen oder mechanischen Widerständen ver- braucht, zur Zersetzung chemischer Verbindungen oder zur mechanischen Bewegung, so dauert die chemische Action fort, das heißt, ein Theilchen Säure nach dem andern wechselt seine Eigenschaften. Wir haben in dem Vorhergehenden diese merkwürdigen Erscheinungen in einer Form aufgefaßt, welche unabhängig von den Erklärungen der Schule ist. Ist die in dem Drahte circulirende Kraft, die elektrische Kraft? ist es Affinität? pflanzt sie sich in dem Leiter wie eine in Bewegung gesetzte Flüssigkeit, oder als eine Reihe von Bewegungsmomenten, im Thierorganismus . wie der Schall, das Licht, von einem Theilchen des Leiters zu dem andern fort? Alles dieses weiß man nicht, und wird es nie ermitteln. Auf die Wahrheit der Erscheinungen haben alle Vorstellungen, die man ihnen als Erklärungen unterlegt, nicht den geringsten Einfluß, denn sie beziehen sich lediglich auf die Form, in welcher sie sich äußern. Nur darüber ist man nicht im Zweifel, daß nämlich alle Effecte, welche durch den Draht hervorgebracht werden kön- nen, bedingt werden von dem Wechsel in den Eigenschaften des Zinks und der Säure, denn der Ausdruck »chemische Action« bezeichnet ja nicht mehr und nicht weniger, als den Act ihrer Veränderung; daß sie abhängig sind, von dem Vor- handensein eines Leiters, einer Substanz, welche die eintre- tende Thätigkeitsäußerung, das Kraftmoment, fortpflanzt nach allen Richtungen hin, wo es durch Widerstände nicht aufgehoben wird, daß es also in ein Bewegungsmoment übergeht, mit dem man mechanische Bewegungen hervorbrin- gen kann, was, auf andere Körper übertragen, diesen alle Eigenschaften giebt, deren letzte Ursache die chemische Kraft selbst ist; sie erhalten das Vermögen, Zersetzungen und Ver- bindungen zu bewirken, was ihnen, ohne Zufuhr an Kraft, durch den Leiter, völlig abgehen würde. Wenn wir diese wohlbekannten Erfahrungen als Mittel benutzen, um, durch sie geführt, die letzte Ursache der mecha- nischen Effecte im Thierorganismus zu erforschen, so giebt die Beobachtung zu erkennen, daß die Bewegung des Blu- tes und der Säfte von ganz bestimmten Organen ausgeht, Die Bewegungserscheinungen welche, wie das Herz und die Eingeweide, die bewegende Kraft nicht in sich selbst erzeugen, sondern von anderen Sei- ten her empfangen. Wir kennen mit zweifelloser Gewißheit in den Nerven die Leiter und Verbreiter mechanischer Effecte, wir wissen, daß durch sie die Bewegung nach allen Seiten hin fortgepflanzt wird. Für jede Bewegung kennen wir einen besondern Ner- ven, einen besondern Leiter, mit dessen Leitungsvermögen, mit dessen Unterbrechung sich die Fortpflanzung verändert oder eine Grenze findet. Durch die Nerven empfangen alle Theile des Thierkör- pers, die Glieder, die zu ihren Functionen, zum Ortswech- sel, zur Hervorbringung mechanischer Effecte unentbehrliche Kraft der Bewegung, wo die Nerven fehlen, vermissen wir Bewegung; die an einem Orte im Ueberfluß erzeugte Kraft wird den anderen durch die Nerven zugeleitet, was das eine Organ in sich selbst an Kraft nicht zu erzeugen vermag, wird ihm von anderen Seiten zugeführt, was ihm an Lebenskraft fehlt, um Widerstand zu leisten gegen äußere Ursachen von Störungen, um Widerstände aufzuheben, empfängt es als Ueberschuß von einem andern Organe, welches ihn für sich selbst nicht zu verwenden vermag. Wir beobachten ferner, daß die willkührlichen und un- willkührlichen Bewegungen, daß alle mechanischen Effecte im Thierorganismus begleitet, daß sie abhängig sind von einer eigenthümlichen Form- und Beschaffenheitsänderung in der Substanz gewisser belebter Körpertheile, deren Zu- oder Ab- im Thierorganismus . nahme im engsten Zusammenhange steht mit dem Maß von Bewegung oder mit der Quantität von Kraft, welche durch die Bewegungen verzehrt worden ist. Als eine unmittelbare Folge der zur Aeußerung gelang- ten, mechanischen Kraft sehen wir, daß ein Theil der Mus- kelsubstanz ihre vitalen Eigenschaften, ihren Character des Le- bens verliert, daß sie aus dem belebten Körpertheile austritt, daß dieser Theil seine Fähigkeit der Zunahme an Masse, sein Vermögen Widerstand zu leisten, einbüßt; wir finden, daß dieser Wechsel in den Eigenschaften begleitet ist von der Aufnahme eines fremden Elementes, des Sauerstoffs, in die Zusammensetzung der belebten Muskelsubstanz (ähnlich wie die Säure ihren chemischen Character durch Aufnahme von Zink verlor), und alle Erfahrungen beweisen, daß dieser Uebergang der belebten Muskelsubstanz, in Verbindungen ohne alle Lebensäußerungen, beschleunigt oder verlangsamt wird, je nach der Quantität der verbrauchten Kraft zur Bewegung; ja daß sie sich gegenseitig proportional sind, daß ein rascher Uebergang der Muskelsubstanz, sagen wir, ein rascher Stoff- wechsel, eine größere Quantität von mechanischer Kraft und ein größeres Maß von mechanischer Bewegung (verbrauchter, mechanischer Kraft) einen rascheren Stoffwechsel gegenseitig bedingen. Aus diesem ganz bestimmten Zusammenhange des Stoff- wechsels im Thierkörper mit der durch mechanische Bewe- gungen verzehrten Kraft kann kein anderer Schluß gezogen werden, als daß die in gewissen, belebten Körpertheilen active 15 Die Bewegungserscheinungen oder verwendbare Lebenskraft die Ursache ist der mechani- schen Effecte des Thierkörpers. Die bewegende Kraft stammt zweifellos von belebten Körpertheilen, sie besaßen ein Kraft- oder Bewegungsmoment, was sie in eben dem Grade verloren, als andere ein Kraft- oder Bewegungsmoment empfangen haben; sie verlieren ihre Fähigkeit der Zunahme an Masse, ihr Vermögen, Wider- stand gegen äußere Ursachen von Störungen zu leisten; es ist klar, die letzte Ursache, die Lebenskraft, von denen sie diese Eigenschaften erhielten, sie hat zur Hervorbringung der mechanischen Kraft gedient, sie ist als Bewegung ver- zehrt worden. Wie ließe sich in der That einsehen, daß ein belebter Körpertheil den Zustand des Lebens verliert, daß er unfä- hig wird, der Einwirkung des im arteriellen Blute ihm zu- geführten Sauerstoffs zu widerstehen, daß er das Vermögen einbüßt, chemische Widerstände aufzuheben, wenn das Kraft- moment der Lebenskraft, was ihm alle diese Eigenschaften gab, nicht zu anderen Zwecken verwendet worden wäre! Durch das Vermögen der Leiter (der Nerven), das Kraft- moment eines belebten Körpertheils, den Effect, den die in ihm thätige Lebenskraft auf alle seine Umgebungen äußert, fortzupflanzen nach anderen Orten hin, wo die Kraft (d. h. ihr Bewegungsmoment) ohne alle Widerstände verzehrt wird (ohne Bewegung tritt kein Stoffwechsel ein, ist die Bewe- gung eingetreten, so steht ihr kein Widerstand entgegen), wird offenbar in dem belebten Körpertheil ein Gleichgewichts- im Thierorganismus . zustand zwischen den chemischen Kräften und der noch in ihm wohnenden Lebenskraft herbeigeführt, der ohne diesen Verbrauch an Lebenskraft zur mechanischen Bewegung nicht eingetreten wäre. Eine jede dem Organismus fremde Ursache, welche auf die Form, Beschaffenheit und Zusammensetzung des Organs eine Wirkung auszuüben vermag, findet jetzt keinen Wider- stand mehr. Ohne die Ableitung der Kraft und ihre Ver- wendung zu anderen Zwecken, ohne das Hinzutreten von Sauerstoff würde das Organ seinen Zustand, aber ohne alle Lebensäußerung behauptet haben, erst durch die chemische Action des Sauerstoffs findet der Stoffwechsel, d. h. das Austreten in der Form einer unbelebten Verbindung statt. Stoffwechsel, mechanische Kraftäußerung und Sauerstoffauf- nahme, stehen in dem Thierkörper in so enger Beziehung zu ein- ander, daß man die Quantität von Bewegung, die Menge des umgesetzten, belebten Stoffes, in einerlei Verhältniß setzen kann mit einer gewissen Menge, des, von dem Thiere, in einer gegebenen Zeit aufgenommenen und verbrauchten Sauerstoffs. Für ein bestimmtes Maß von Bewegung, für eine Proportion als mechanische Kraft verbrauchter Lebenskraft, gelangt ein Aequivalent von chemischer Kraft zur Aeußerung, d. h. es wird ein Aequivalent Sauerstoff zum Bestandtheil des Or- gans, was die Lebenskraft verlor, und ein ihm gleiches Ver- hältniß von der Materie dieses Organs tritt aus dem Kör- pertheil, in der Form einer Sauerstoffverbindung aus. Alle Theile des Thierkörpers, welche die Natur zum 15* Die Bewegungserscheinungen Stoffwechsel (zur Hervorbringung von mechanischer Kraft) bestimmt hat, sind nach allen Richtungen hin von den fein- sten Kanälen durchzogen, in denen unausgesetzt ein Strom von Sauerstoff in der Form von arteriellem Blut circulirt, der zum Austreten ihrer Bestandtheile (zur Störung des Gleichgewichtes) unumgänglich nöthig ist. So lange die Lebenskraft dieser Körpertheile nicht zu anderen Zwecken verbraucht und abgeleitet wird, äußert der Sauerstoff des arteriellen Blutes nicht die geringste Wir- kung auf ihre Substanz und stets wird nur eine der Ablei- tung entsprechende (den hervorgebrachten mechanischen Effecten correspondirende) Menge davon aufgenommen. Der Sauerstoff der Atmosphäre ist die von außen her wirkende Ursache des Verbrauchs an Stoff im Thierkörper, er wirkt wie eine Kraft, welche die Aeußerung der Lebens- kraft in jedem Zeitmomente stört und aufzuheben strebt; als chemische Action wird aber seine Einwirkung, die von ihm ausgehende Störung, im Gleichgewicht gehalten durch die in dem belebten Körpertheile frei wirkende Lebenskraft, oder sie wird vernichtet durch eine der seinigen entgegengesetzte, chemische Thätigkeit, deren Aeußerung immer als abhängig angesehen werden muß von der Lebenskraft. Nach chemischen Begriffen heißt die chemische Action des Sauerstoffs vernichten, ihm Stoffe darbieten, Theile von Materien, die sich mit ihm zu verbinden vermögen. Die Action des Sauerstoffs (Affinität) wird entweder durch die Bestandtheile des Organs (nach Ableitung der im Thierorganismus . Lebenskraft), die sich mit ihm zu verbinden vermögen, aus- geglichen, oder das Organ setzt ihr (der Action des Sauer- stoffs) die Producte von anderen Organen, oder gewisse Stoffe entgegen, welche aus den Bestandtheilen der Nah- rung, in Folge der vitalen Thätigkeit gewisser Apparate entstanden sind. Nur das Muskularsystem producirt in diesem Sinne, in sich selbst, einen Widerstand gegen die chemische Action des Sauer- stoffs und gleicht sie vollständig aus. Die Substanz der Zellen, Membranen und Häute, deren kleinste Theilchen sich nicht im unmittelbaren Contact mit arteriellem Blut (mit Sauerstoff) befinden, ist nicht zum Stoffwechsel bestimmt. Welche Art von Veränderungen sie auch im Lebensprocesse erleiden mag, sie treffen unter allen Umständen nur ihre Oberfläche. Die Leimgebilde, Schleimhäute, Sehnen ꝛc. sind nicht zur Hervorbringung von mechanischer Kraft bestimmt, sie enthalten in ihrer Substanz keine Leiter der mechanischen Effecte. Das Muskularsystem ist mit zahllosen Nerven durch- webt. Die Substanz des Uterus ist von der übrigen Mus- kelsubstanz chemisch, in keiner Weise verschieden, allein sie ist nicht zum Stoffwechsel, zur Krafterzeugung bestimmt, sie enthält keine Ableiter der bewegenden Kraft. Den Membranen, Schleimhäuten und Zellen geht das Vermögen, sich bei Gegenwart von Feuchtigkeit mit Sauer- stoff zu verbinden, keineswegs ab, wir wissen, daß sie im feuchten Zustande mit Sauerstoff nicht in Berührung Die Bewegungserscheinungen gebracht werden können, ohne eine fortschreitende Verände- rung zu erfahren. Die eine Oberfläche der Eingeweide, die Lungenzellen, sind aber unausgesetzt in Berührung mit Sauer- stoff; es ist klar, daß sie eine eben so rasche Umsetzung, Veränderung durch seine chemische Action erfahren müßten, wenn in dem Organismus selbst, nicht eine Quelle von Widerstand existirte, der die Einwirkung des Sauerstoffs völlig vernichtete. Unter diesem Widerstande lassen sich alle Materien zusammenfassen, welche die Fähigkeit haben oder unter dem Einfluß der Lebenskraft erhalten, sich mit Sauer- stoff zu verbinden und in ihrem Vermögen seine chemi- sche Action auszugleichen, die Substanz der Leimgebilde übertreffen. Alle Bestandtheile des Thierkörpers, welche in sich selbst durch die Lebenskraft, der Einwirkung des Sauerstoffs nicht zu widerstehen vermögen, müssen sich zu diesem Zwecke weit mehr eignen, wie die unter dem Einfluß der Lebenskraft, wenn auch nur durch die Nerven, stehenden Gebilde; die Bedeutung der Galle für die Substanz der Eingeweide, der Lungenzellen, so wie die des Fettes, Schleimes und der Secre- tionen überhaupt, kann nach dieser Betrachtung nicht ver- kannt werden. Wenn die Membranen durch ihre eigne Substanz Wider- stand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs produciren müssen, wenn es also an den Stoffen fehlt, welche die Na- tur zu ihrem Schutze bestimmt hat, so werden sie, da ihre Erneuerung in enge Grenzen eingeschlossen ist, der chemi- im Thierorganismus . schen Action unterliegen müssen. Eingeweide und Lunge wer- den immer gleichzeitig abnormale Veränderungen erfahren. In dem Stoffwechsel selbst, in der Umsetzung der be- lebten Substanz des Muskularsystems, erhalten diese Organe den zu ihrem Bestehen unentbehrlichen Widerstand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs; je nach seiner Beschleunigung nimmt die Quantität der secernirten Galle zu, die Menge des vorhandenen Fettes nimmt in gradem Verhältniß ab. Zur Unterhaltung der unwillkürlichen Bewegungen im Thierkörper wird in jedem Zeitmomente seines Lebens eine gewisse Quantität Lebenskraft verbraucht und es findet des- halb ein unaufhörlicher Stoffwechsel statt, allein die Menge der Substanz, welche in Folge der verbrauchten Kraft ihren Zustand des Lebens, ihre Fähigkeit der Zunahme an Masse verliert, ist in enge Grenzen eingeschlossen; sie steht in gra- dem Verhältniß zu der, zu diesen Bewegungen, nöthigen Kraft. Wenn wir uns nun auch denken können, daß die belebte Muskelsubstanz bei hinreichender Zufuhr an Nahrung ihre Fähigkeit der Zunahme in keinem Zeitmomente verliert, daß sich diese Form der Lebens-Aeußerung unausgesetzt gel- tend macht, so kann dies keineswegs für diejenigen Kör- pertheile angenommen werden, deren frei wirkende Lebens- kraft zur mechanischen Bewegung verbraucht worden ist. Der Verbrauch an Stoff durch Bewegung und Anstrengung ist bei je zwei Individuen höchst verschieden. Wenn man nun erwägt, daß die unmerklichste Bewegung eines Fingers und der Glieder Kraft verbraucht, daß, in Die Bewegungserscheinungen Folge der verzehrten mechanischen Kraft, ein correspondiren- der Theil der Muskeln an Volumen abnimmt, so ist klar, daß ein Gleichgewicht im Ersatz und Verbrauch an Stoff (an belebten Körpertheilen) nur dann sich herstel- len kann, wenn der ausgetretene Körpertheil in dem nämli- chen Augenblicke, wo er seinen Zustand des Lebens ver- liert, wieder an einer andern Stelle erneuert wird. Die Fähigkeit der Zunahme an Masse ist abhängig von dem, einem jeden Körpertheile zukommenden Kraftmomente, sie muß sich unausgesetzt äußern können, so lange (bei hin- länglicher Zufuhr von Nahrungsstoff) er dieses Kraftmoment nicht verliert (durch Verwendung z. B. zur mechanischen Be- wegung). Unter allen Umständen ist die Zunahme selbst an die Zeit gebunden, d. h. sie kann für eine begrenzte Zeit nicht unbe- grenzt sein. In dem nämlichen Augenblick, in welchem ein belebter Körpertheil seinen Zustand des Lebens verliert und aus dem Organ in der Form einer unbelebten Verbindung austritt, kann dieser Theil nicht zunehmen, seine Masse, seine Volu- men nehmen ja ab. Durch die fortdauernde Verwendung der Kraftmomente belebter Körpertheile zu mechanischen Effecten, wird demnach ein fortdauerndes Austreten von Masse bedingt, und erst von dem Augenblicke an, wo die Ursache des Verbrauchs nicht mehr wirkt, kann sich die Fähigkeit der Zunahme wieder äußern. im Thierorganismus . Da nun verschiedene Individuen in 24 Stunden, je nach der zur Hervorbringung willkürlicher, mechanischer Effecte verwen- deten Kraft, eine ungleiche Menge von ihren belebten Körper- theilen verbrauchen, so muß für ein jedes, wenn die Bewe- gungserscheinungen nicht ihre Grenze finden sollen, ein Zu- stand eintreten, in welchem alle willkürlichen Bewegungen völlig unterdrückt sind, wo also für diese kein Verbrauch stattfindet. Dieser Zustand heißt Schlaf . Auf die Fähigkeit der Zunahme an Masse eines Körpertheils, dem sein Kraftmoment nicht genommen worden ist, kann der Verbrauch desselben zu mechanischen Effecten in einem andern Körpertheil, nicht den geringsten Einfluß äußern (der eine kann an Masse zunehmen, während der andere abnimmt, ohne daß sich beide Actionen stören), der Verbrauch in dem einen kann den Ersatz in dem andern nicht vermindern und nicht steigern. Da nun der Verbrauch an mechanischer Kraft zu den un- willkürlichen Bewegungen im Schlafe fortdauert, so ist klar, daß auch ein Verbrauch an Stoff im Schlafe fortdauert, und es muß, wenn das ursprüngliche Gleichgewicht wieder eintre- ten soll, vorausgesetzt werden, daß während des Schlafes eine eben so große Quantität von Kraft (in der Form belebter Körpertheile) sich wieder sammelt, als in der vorherge- gangenen Zeit des Wachens zu den willkürlichen und unwill- kürlichen mechanischen Effecten verwendet worden ist. Wird das Gleichgewicht in Ersatz und Verbrauch von Stoff im mindesten gestört, so giebt sich dies sogleich in Die Bewegungserscheinungen einem Unterschied von verwendbarer Kraft zu mechanischen Effecten zu erkennen. Es ist ferner klar, daß wenn ein Mißverhältniß in der Leitungsfähigkeit der Nerven der willkürlichen und unwill- kürlichen Bewegungen stattfindet, so wird nach dem Grade, in welchem die einen oder die anderen dies Bewegungsmo- ment, was sie durch Stoffwechsel empfangen haben, fort- zupflanzen vermögen, der Unterschied in den Bewegungser- scheinungen selbst bemerklich sein. Mit der Zunahme der Blutbewegung und der Bewegung der Eingeweide wird die Hervorbringung mechanischer Effecte durch die Glieder in gradem Verhältniß abnehmen müssen (wie bei den sogenann- ten Fressern), und wenn in einer gegebenen Zeit für mecha- nische Bewegung (durch Anstrengung, Laufen, Tanzen ꝛc.) mehr Lebenskraft verbraucht wird, als für die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen überhaupt verwendbar ist (als sich in der gegebenen Zeit an Stoff umsetzen kann), so wird zur Ausgleichung der für die willkürlichen Bewe- gungen mehrverbrauchten mechanischen Kraft ein Theil der Kraft, die zu den unwillkürlichen Bewegungen nöthig ist, verwendet werden müssen. Die Bewegung des Herzens, der Eingeweide muß verlangsamt werden oder sie hört gänz- lich auf. Von dem ungleichen Grade der Leitungsfähigkeit der Nerven müssen die Zustände abgeleitet werden, die man mit Lähmung, Ohnmacht, Krampf bezeichnet. Die Läh- mung der Nerven der willkürlichen Bewegung kann für im Thierorganismus . sich keine Abmagerung nach sich ziehen; häufig wiederkehrende epileptische Anfälle (Verbrauch von Lebenskraft zu mechani- schen Effecten) sind stets von einer außerordentlich raschen Abmagerung begleitet. Es muß die höchste Bewunderung erwecken, wenn man erwägt, mit welcher unendlichen Weisheit der Schöpfer die Mittel vertheilt hat, die das Thier, die Pflanze, zu seinen Functionen, zu seinen ihm eigenthümlichen Lebensäußerungen befähigen. Die ganze Richtung, die ganze Stärke der Lebenskraft behält der belebte Pflanzentheil durch die Abwesenheit aller Leiter der Kraft. Durch sie wird das Blatt befähigt, die stärksten chemischen Anziehungen zu überwinden, die Kohlen- säure zu zerlegen und sich die Bestandtheile ihrer Nahrungs- stoffe anzueignen. Nur in der Blüthe der Pflanze findet ein dem Stoff- wechsel im Thierkörper ähnlicher Proceß statt, es zeigen sich Bewegungserscheinungen, allein die mechanischen Effecte pflan- zen sich nicht fort aus Mangel an Leitern der Kraft. Die nämliche Lebenskraft, die wir in der Pflanze als eine beinahe unbegrenzte Fähigkeit der Zunahme an Masse kennen, verwandelt sich in dem Thierkörper in bewegende Kraft (in einen Strom von Lebenskraft), und eine wunder- bare und weise Oekonomie bestimmt zur Ernährung des Thieres nur solche Stoffe, die eine mit den Organen der Krafterzeugung (dem Muskularsystem) identische Zusammen- setzung besitzen. Der Aufwand von Kraft, den ihre belebten Die Bewegungserscheinungen Theile bedürfen, um aus dem Blute sich selbst wiederzuer- zeugen, der Widerstand der chemischen Kraft, welcher in den Bestandtheilen der stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe durch die Lebensthätigkeit der Organe überwunden werden muß, welche bestimmt sind, sie zu Bestandtheilen des Blutes zu machen, ist für nichts zu achten gegen die Kraft und Energie, mit welcher die Bestandtheile der Kohlensäure zusammenhängen. Eine gewisse Quantität Kraft könnte nicht in bewegende Kraft übergehen, wenn sie zur Ueberwindung der chemischen Kräfte verwendet werden müßte; das Bewegungsmoment der Lebenskraft wird durch alle Widerstände verringert. Der Uebergang der Bestandtheile des Blutes in Muskelfaser (in ein Organ der Krafterzeugung) ist nur eine Formände- rung, beide sind gleich zusammengesetzt; das Blut ist flüssig, die Muskelfaser ist festes Blut; man kann sich denken, daß er vor sich geht ohne allen Verbrauch von Lebenskraft, denn bei dem Uebergang eines flüssigen Körpers in einen festen bedarf es keiner Kraftäußerung, sondern nur der Beseitigung von Hindernissen (Wärme z. B.), die sich der Kraft, welche der Zustand bedingt (der Cohäsionskraft), in ihren Aeuße- rungen entgegensetzen. In welcher Form, auf welche Weise die Lebenskraft die mechanischen Effecte im Thierkörper bewirkt, ist gänzlich un- bekannt und wird durch Versuche so wenig ermittelt werden können, wie der Zusammenhang der chemischen Action mit den Bewegungserscheinungen, die wir mit der galvanischen Säule hervorzubringen vermögen; alle Erklärungen, die man im Thierorganismus . zu geben versucht hat, sind immer nur Bilder der Er- scheinung, es sind mehr oder weniger genaue Beschreibun- gen und Vergleichungen bekannter Erscheinungen mit diesen unbekannten; es geht uns in dieser Beziehung wie dem Un- kundigen, dem das Aufundniedersteigen eines eisernen Stem- pels in einem Gefäße, worin das Auge nichts Sichtbares erkennen kann, und sein Zusammenhang mit dem Drehen und Bewegen von Tausenden von Rädern, die sich in einer ge- wissen Entfernung von dem Stempel befinden, unbegreiflich erscheint. Wir wissen nicht, wie ein an sich unsichtbares, unwägba- res Etwas, die Wärme, gewissen Materien die Fähigkeit er- theilt, den ungeheuersten Druck auf ihre Umgebungen zu äußern, wie überhaupt dieses Etwas hervorgebracht wird, wenn wir Holz oder Kohlen verbrennen. So ist es denn auch mit der Lebenskraft und den Er- scheinungen, welche belebte Körper darbieten; ihre Ursache ist nicht chemische Kraft, nicht Elektricität, nicht Magnetis- mus, es ist eine Kraft, welche die allgemeinsten Eigenschaf- ten aller Ursachen der Bewegung, Form- und Beschaffen- heitsänderung der Materie besitzt, und eine eigenthümliche Kraft, weil ihr Aeußerungen zukommen, welche keine der anderen Kräfte an sich trägt. Die Bewegungserscheinungen II. In der belebten Pflanze überwiegt die Intensität der Le- benskraft bei weitem die chemische Action des Sauerstoffs. Wir wissen mit der größten Bestimmtheit, daß der Sauer- stoff durch den Einfluß der Lebenskraft von Elementen ab- geschieden wird, zu denen er die stärkste Affinität besitzt; daß er in Gasform austritt, ohne die geringste Einwirkung auf die Bestandtheile der Säfte auszuüben. Wie groß muß in der That der Widerstand erscheinen, den die Lebenskraft dem terpentinöl- oder gerbsäurehalti- gen Blatte verleiht, wenn wir die Verwandtschaft in Be- tracht ziehen, welche der Sauerstoff zu diesen Bestandtheilen besitzt! Diese Intensität der Wirkung oder des Widerstandes er- hält das belebte Blatt durch das Sonnenlicht, dessen Ein- fluß in chemischen Actionen mit der eines hohen Wärme- grades (einer schwachen Glühhitze) vergleichbar ist und ver- glichen wird. In der Nacht zeigt sich in der lebendigen Pflanze ein entgegengesetzter Proceß, wir sehen, daß sich die Bestand- theile der Blätter und grünen Theile mit dem Sauerstoff der Luft verbinden, eine Fähigkeit, die ihnen im Lichte ab- ging. Man kann hieraus keinen andern Schluß ziehen, als daß die Intensität der Lebenskraft mit der Abnahme des Lichts im Thierorganismus . sich vermindert, daß mit der kommenden Nacht ein Gleich- gewichtszustand eintritt und bei völliger Abwesenheit des Lichts alle Theile der Pflanze, die während des Tages die Fähigkeit besaßen, den Sauerstoff aus chemischen Verbin- dungen auszuscheiden oder seiner Einwirkung Widerstand zu leisten, diese Fähigkeit völlig verlieren. Eine ganz ähnliche Erscheinung beobachten wir bei den Thieren. Nur in gewissen Temperaturen zeigt der belebte Thierkör- per die ihm zukommenden Lebensäußerungen. Einem be- stimmten Kältegrade ausgesetzt, hören sie völlig auf. Eine Entziehung von Wärme muß deshalb völlig gleich- bedeutend angesehen werden, einer Verminderung der Lebens- thätigkeit; der Widerstand, den die Lebenskraft belebten Kör- pertheilen gegen äußere Ursachen von Störungen verleiht, muß in gewissen Temperaturen in dem nämlichen Verhältniß abnehmen, wie die Fähigkeit ihrer Elementartheile zunimmt, sich mit dem Sauerstoff der Luft zu verbinden. Durch die Verbindung des Sauerstoffs mit den Bestand- theilen der Gebilde, die sich umgesetzt haben, wird bei den fleischfressenden Thieren die zur Aeußerung der Lebensthätig- keit nöthige Temperatur erzeugt. Bei den grasfressenden Thieren wird eine gewisse Menge Wärme durch die Be- standtheile ihrer stickstofffreien Nahrungsmittel entwickelt, welche die Fähigkeit haben, eine Verbindung mit dem Sauer- stoff einzugehen. Es ist klar, daß die Temperatur eines Thierkörpers sich Die Bewegungserscheinungen nicht ändern kann, wenn die Menge des eingeathmeten Sauer- stoffs mit dem Wärmeverlust durch äußere Abkühlung in gradem Verhältniß zunimmt. Zwei Individuen von gleichem Gewichte, welche unglei- chen Kältegraden ausgesetzt sind, verlieren in einer gegebenen Zeit, nach Außen hin, eine ungleiche Menge Wärme. Die Erfahrung lehrt, daß sie, wenn die ihnen eigenthümliche Temperatur und ihr ursprüngliches Gewicht sich nicht än- dern soll, einer ungleichen Menge Speise bedürfen; in der niedrigern Temperatur mehr Speise wie in der höhern. Das Gleichbleiben des Gewichts bei ungleicher Quanti- tät genossener Nahrung setzt, wie sich von selbst versteht, voraus, daß in derselben Zeit eine der Temperatur propor- tionale Menge Sauerstoff aufgenommen worden ist, in der niedern Temperatur mehr wie in der höhern. Wir finden, daß das Gewicht beider Individuen nach 24 Stunden gleich ist dem ursprünglichen Gewichte; an- genommen, daß die Nahrung zu Blut wird, daß das Blut zur Ernährung gedient hat, so ist klar, daß mit der Wiederkehr des ursprünglichen Gewichtes ein den Be- standtheilen der Speise gleiches Gewicht von den Bestand- theilen des Körpers seinen Zustand des Lebens verloren und mit dem Sauerstoff verbunden wieder ausgetreten ist. Das eine Individuum, was bei dem höhern Kältegrade mehr Speise zu sich nahm, hat auch mehr Sauerstoff aufge- nommen, es ist eine größere Menge seiner Körpertheile mit diesem Sauerstoff ausgetreten und in Folge der Verbindung im Thierorganismus . des Sauerstoffs mit den umgesetzten Bestandtheilen ist ein größeres Maß von Wärme frei geworden, wodurch die entführte Wärme wieder ersetzt und die seinem Organismus zukommende Temperatur erhalten wurde. Durch die Wärmeentziehung muß demnach, bei hinrei- chender Nahrung und ungehindertem Sauerstoffzutritt, der Stoffwechsel beschleunigt werden und mit der, in einer gege- benen Zeit beschleunigten Umsetzung der belebten Körpertheile muß gleichzeitig ein größeres Maß von Lebenskraft zu me- chanischen Effecten verwendbar geworden sein. Mit der äußern Abkühlung verstärken sich die Athembe- wegungen, mit der niedern Temperatur wird ein größeres Gewicht Sauerstoff dem Blute zugeführt, der Verbrauch an Stoff nimmt zu und wenn der Ersatz mit diesem Verbrauch nicht im Gleichgewicht (durch Zufuhr an Speise) erhalten wird, so nimmt die Temperatur des Körpers allmählig ab. In einer gegebenen Zeit kann aber keine unbegrenzte Menge Sauerstoff in den Körper aufgenommen, es kann nur eine gewisse Quantität des belebten Stoffs seinen Zu- stand des Lebens verlieren, es kann nur ein begrenztes Maß von Lebenskraft als mechanische Kraft zur Aeußerung gelan- gen. Nur in dem Falle wird also die Temperatur des Thier- körpers sich nicht ändern, wenn Abkühlung, Krafterzeugung und Sauerstoffaufnahme sich einander im Gleichgewichte hal- ten. Nimmt die Wärmeentziehung über einen bestimmten Punkt hinaus zu, so nehmen die Lebenserscheinungen in dem nämlichen Verhältnisse ab, denn die Temperatur nimmt ab, 16 Die Bewegungserscheinungen welche als eine sich gleichbleibende Bedingung, zu ihrer Aeußerung angesehen werden muß. Die Erfahrung zeigt nun, daß bei der Abnahme der Tem- peratur des Körpers, das Vermögen der Glieder, mechanische Effecte hervorzubringen (die zu den willkürlichen Bewegun- gen nöthige Kraft) ebenfalls abnimmt, es tritt der Zustand ein, den man Schlaf nennt, zuletzt hören alle unwillkürlichen Bewegungen (des Herzens, der Eingeweide) auf, es tritt ein Scheintod ein. Es ist klar, daß die Ursache der Krafterzeugung, der Stoffwechsel nämlich, deshalb abnimmt, weil mit der Ent- ziehung von Wärme, ähnlich wie durch Abnahme des Lich- tes bei der Pflanze, die Intensität der Lebenskraft sich ver- mindert; es ist klar, daß das Kraftmoment eines belebten Körpertheils abhängig ist von der ihm zukommenden Tem- peratur, ganz ähnlich, wie der Effect eines fallenden Kör- pers in einer bestimmten Beziehung steht zu gewissen an- dern Bedingungen, die man Masse nennt oder Geschwindigkeit. Nimmt die Temperatur ab, so nimmt die Lebensthätig- keit ab; mit dem Steigen der Temperatur muß das Kraft- moment belebter Körpertheile in seiner ganzen Intensität wieder hergestellt werden. Krafterzeugung zu mechanischen Effecten und Tempera- tur müssen deshalb, in einer ganz bestimmten Beziehung ste- hen, zu der Menge des in einer gegebenen Zeit von dem Thierkörper aufnehmbaren Sauerstoffs. Die Menge von Sauerstoff, welche ein Wallfisch und im Thierorganismus . ein Fuhrmannspferd in einer gleichen Zeit einzuathmen ver- mögen, ist sehr ungleich. Die Temperatur, sowie die Menge des Sauerstoffs, ist bei dem Pferde weit größer. Die mechanische Kraft, welche ein harpunirter Wallfisch entwickelt, dessen Körper von dem umgebenden Medium getragen wird, so wie die Kraft eines Fuhrmannspferdes, was seinen eigenen Körper und eine schwere Last 8 — 10 Stunden lang fortzubewegen hat, muß mit dem von beiden verzehrten Sauerstoff in einerlei Verhältniß stehen. Wenn man die Zeit beachtet, in welcher die Kraft zur Aeußerung gelangt, so ist sie offenbar bei dem Pferde weit größer. Beim Besteigen hoher Berge, wo durch das Einathmen einer sehr verdünnten Luft, in gleichen Zeiten, weit weniger Sauerstoff dem Blute zugeführt wird, wie in Thälern oder an dem Ufer des Meeres, nimmt der Stoffwechsel in dem nämlichen Verhältniß und damit die zu mechanischen Effecten verwendbare Kraft, ab; Neigung zum Schlaf, Man- gel an Kraft für die willkürlichen Bewegungen stellt sich meistens ein; nach zwanzig oder dreißig Schritten zwingt die Ermüdung zu neuer Ansammlung von Kraft durch Ruhe (Einsaugung von Sauerstoff, ohne Verbrauch an Kraft für willkürliche Bewegungen). Durch die Aufnahme von Sauerstoff in die Substanz belebter Körpertheile verlieren sie ihren Zustand des Lebens und treten als formlose Verbindungen aus, allein nicht aller eingeathmete Sauerstoff wird zu dieser Umsetzung verwen- det; der größte Theil dient zur Vergasung, zur Entfernung 16* Die Bewegungserscheinungen aller dem Organismus nicht mehr angehörenden Stoffe, und wie erwähnt, wird in Folge der Verbindung ihrer Elemente mit diesem Sauerstoff, die dem Organismus zukommende Temperatur erzeugt. Wärmeerzeugung und Stoffwechsel stehen in enger Be- ziehung zu einander, allein obwohl im Thierkörper Wärme hervorgebracht werden kann ohne allen Stoffwechsel, so kann der letztere dennoch nicht unabhängig von der Mitwirkung des Sauerstoffs gedacht werden. Nach allen bis jetzt gemachten Beobachtungen enthält nach dem Genuß von geistigen Getränken, weder die ausge- athmete Luft, noch der Schweiß, noch der Urin, Spuren von Alkohol, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß seine Bestandtheile sich im Thierkörper mit Sauerstoff verbinden, daß sein Kohlenstoff und Wasserstoff als Kohlensäure und Wasser wieder austreten. Der Sauerstoff, welcher diese Verwandlung bewirkt, muß nothwendig von dem arteriellen Blute genommen wor- den sein, denn wir kennen keinen andern Weg als die Blut- circulation, auf welchem Sauerstoff in das Innere des Kör- pers gelangen kann. Vermöge seiner Flüchtigkeit und der Leichtigkeit, womit der Alkoholdampf von den Membranen und thierischen Ge- weben durchgelassen wird, kann er sich überall nach allen Orten im Körper hin verbreiten. Wäre die Fähigkeit der Bestandtheile des Alkohols, sich mit Sauerstoff zu vereinigen, nicht größer, als die der im Thierorganismus . Verbindungen, welche durch den Stoffwechsel gebildet wer- den, oder als die der Substanz der belebten Körper- theile ist, so würden sie (die Bestandtheile des Alkohols) sich mit Sauerstoff nicht verbinden können. Es ist deßhalb einleuchtend, daß durch den Genuß von Alkohol, dem Stoffwechsel in gewissen Körpertheilen, eine rasche Grenze gesetzt werden muß. Der Sauerstoff des ar- teriellen Blutes, der sich ohne die Gegenwart des Alkohols mit belebtem Stoff verbunden haben würde, tritt jetzt an die Bestandtheile des Alkohols, ein Theil des arteriellen Blutes wird zu venösem Blut, ohne daß die Muskelsubstanz an dieser Umwandlung Antheil nimmt. Wir beobachten nun, daß die Wärmeentwickelung im Or- ganismus nach dem Genuß von Wein eher zu-. als abnimmt, ohne daß damit ein entsprechendes größeres Maß von me- chanischer Kraft zur Aeußerung gelangt. Eine mäßige Quantität Wein bedingt bei Frauen und Kindern, welche an Weingenuß nicht gewöhnt sind, ganz im Gegentheil eine Abnahme der zu den willkürlichen Be- wegungen nöthigen Kraft; Müdigkeit, Abgeschlagenheit der Glieder, Neigung zum Schlaf geben offenbar zu erkennen, daß die zu mechanischen Effecten verwendbare Kraft, dies will sagen, daß der Stoffwechsel abgenommen hat. Gewiß kann an diesen Symptomen eine Verminderung der Leitungsfähigkeit der willkürlichen Bewegungsnerven einen gewissen Antheil haben, allein dies muß auf die Summe von verwendbarer Kraft ohne allen Einfluß sein. Die Bewegungserscheinungen Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft- effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her- zen, den Eingeweiden zugeführt werden müssen. Die Blut- bewegung wird in diesem Fall, auf Kosten der zu willkür- lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft beschleunigt erscheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von mechanischer Kraft erzeugt worden ist. Wir beobachten zuletzt bei den Winterschläfern, daß wäh- rend ihres Winterschlafs die Fähigkeit der Zunahme an Masse (eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus- schluß aller Speise, völlig unterdrückt ist; bei manchen tritt in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab- gestimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be- hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer- stoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf- genommen; wir finden vor dem Winterschlaf alle Theile ih- res Körpers, die in sich selbst keinen Widerstand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs zu produciren vermögen, welche wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechsel bestimmt sind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben, welche diesen Widerstand übernimmt. Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win- terschlafs aufgenommene Sauerstoff nicht in die Zusammen- im Thierorganismus . setzung der belebten Körpertheile, sondern mit den Bestand- theilen des Fettes in Verbindung tritt, so wird der belebte Körpertheil, obwohl ein gewisses Bewegungsmoment zu der Unterhaltung des Blutumlaufs verwendet worden ist, nicht austreten. Mit der höhern Temperatur wächst in gleichem Grade die Fähigkeit der Zunahme an Masse, die Blutbewegung nimmt mit der Sauerstoffaufnahme zu. Manche dieser Thiere magern während dem Winterschlafe, andere erst mit dem Erwachen aus dem Winterschlafe ab. Bei den Winterschläfern wird die in den belebten Kör- pertheilen thätige Kraft ausschließlich nur zur Unterhaltung der unwillkürlichen Bewegungen verbraucht, alle Kraft- verwendung zu willkürlichen Bewegungen ist völlig unter- drückt. Im Gegensatz zu diesen Erscheinungen wissen wir, daß bei Uebermaß von Bewegung und Anstrengung, die in den belebten Körpertheilen thätige Kraft ausschließlich und vollstän- dig zur Hervorbringung willkürlicher mechanischer Effecte verzehrt werden kann, in der Art, daß für die unwillkür- lichen Bewegungen keine Kraft mehr zu verwenden übrig bleibt. Ein Hirsch kann zu Tode gehetzt werden, aber dies kann nicht geschehen ohne Umsetzung aller belebten Theile seines Muskularsystems, sein Fleisch ist nicht genießbar; der Zustand der Umsetzung, in den es durch einen enormen Kraft- und Sauerstoffverbrauch übergegangen ist, setzt sich mit dem Auf- hören aller Bewegungserscheinungen fort; in seinen belebten Die Bewegungserscheinungen Körpertheilen ist aller Widerstand der Lebenskraft gegen äu- ßere Ursachen und Störungen völlig aufgehoben. So eng mit einander verknüpft nun auch die Bedingun- gen der Wärme- und Krafterzeugung zu mechanischen Effe- cten sich der Beobachtung darstellen mögen, so kann die Wär- meentwicklung für sich allein in keiner Weise als die Ur- sache der mechanischen Effecte angesehen werden. Alle Erfahrungen beweisen, daß es im Organismus nur eine Quelle von mechanischer Kraft giebt und diese Quelle ist der Uebergang belebter Körpertheile in leblose Verbin- dungen. Von dieser Wahrheit ausgehend, welche unabhängig ist von jeder Theorie, läßt sich das animalische Leben als be- dingt durch die Wechselwirkung entgegengesetzter Kräfte be- trachten, von denen die einen als Ursachen der Zu- nahme (des Ersatzes an Stoff), die andern als Ursa- chen der Abnahme (des Verbrauchs an Stoff) angesehen werden müssen. Die Zunahme an Masse wird in belebten Körpertheilen bewirkt durch die Lebenskraft ; ihre Aeußerung ist abhän- gig von der Wärme (von einer gewissen einem jeden Or- ganismus eigenthümlichen Temperatur). Die Ursache des Verbrauchs ist die chemische Action des Sauerstoffs , ihre Aeußerung ist abhängig von einer Entziehung von Wärme, so wie von der Verwendung der Lebenskraft zu mechanischen Effecten . Der Act des Verbrauchs heißt Stoffwechsel , im Thierorganismus . er tritt ein in Folge der Aufnahme von Sauer- stoff in die Substanz belebter Körpertheile; diese Aufnahme von Sauerstoff findet nur dann statt, wenn der Widerstand, welchen die Lebenskraft belebter Körpertheile der chemischen Action des Sauerstoffs entgegensetzt, kleiner ist als diese chemische Action selbst, und dieser schwächere Wi- derstand wird bedingt durch Entziehung von Wärme oder durch Verwendung der in den Kör- pertheilen thätigen Kraft zu mechanischen Be- wegungen . In Folge der Verbindung des im arteriellen Blute zu- geführten Sauerstoffs mit allen Bestandtheilen des Thierkör- pers, die seiner chemischen Action keinen Widerstand entge- gensetzen, wird die zur Aeußerung der Lebensthätigkeit nö- thige Temperatur erzeugt. Aus den Beziehungen des Sauerstoffverbrauches zu dem Stoffwechsel und zur Wärmeentwickelung im Thierkörper ergeben sich die folgenden allgemeinen Regeln. Für jedes Verhältniß Sauerstoff, was in dem Körper in Verbindung tritt, muß eine entsprechende Menge Wärme er- zeugt werden. Die Summe der zu mechanischen Effecten verwendbaren Kraft muß gleich sein der Summe von Lebenskraft aller zum Stoffwechsel geeigneten Gebilde. Wenn in gleichen Zeiten eine ungleiche Menge von Sauer- stoff verzehrt worden ist, so zeigt sich dies in einem unglei- Die Bewegungserscheinungen chen Maß von freigewordener Wärme und mechanischer Kraft. Ein ungleiches Maß von verbrauchter mechanischer Kraft oder von Wärme bedingt die Aufnahme einer entsprechenden Menge Sauerstoff. Zum Uebergang belebter Körpertheile in leblose Verbin- dungen, sowie zur Verbindung des Sauerstoffs mit den Be- standtheilen des Thierkörpers, welche Verwandtschaft zu ihm haben, gehört Zeit . In einer gegebenen Zeit kann nur ein begrenztes Maß von mechanischen Effecten zur Aeußerung gelangen, es kann nur eine begrenzte Menge von Wärme in Freiheit gesetzt werden. Was in den mechanischen Effecten an Geschwindigkeit verbraucht wird, geht an Zeit ab, d. h. je rascher die her- vorgebrachten Bewegungen sind, desto schneller wird die Kraft erschöpft. Die Summe der im Thierkörper in einer gegebenen Zeit erzeugten mechanischen Kraft ist gleich der Summe der in der nämlichen Zeit zur Hervorbringung der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen nöthigen Kraft, d. h. alle Kraft, welche das Herz, die Eingeweide ꝛc. zu ihren Be- wegungen bedürfen, geht für die willkürlichen Bewegungen verloren. Die Menge der zur Herstellung des Gleichgewichts zwi- schen Verbrauch und Ersatz nöthigen, stickstoffhaltigen Speise steht im graden Verhältniß zu der Menge der umgesetzten Gebilde. im Thierorganismus . Die Menge des belebten Stoffs, welcher in dem Thier- körper seinen Zustand des Lebens verliert, steht bei gleichen Temperaturen in geradem Verhältniß zu den in der gegebe- nen Zeit hervorgebrachten mechanischen Effecten. Die Quantität der in einer gegebenen Zeit umgesetzten Gebilde ist meßbar durch den Stickstoffgehalt des Harns. Die Summe der bei gleichen Temperaturen in zwei In- dividuen hervorgebrachten mechanischen Effecte ist proportio- nal dem Stickstoffgehalt ihres Harns, gleichgültig ob die mechanische Kraft zu den willkürlichen oder unwillkürlichen Bewegungen verwendet, ob sie durch die Glieder, oder das Herz und die Eingeweide verzehrt worden ist. Der Zustand des Thierkörpers, den man mit Gesund- heit bezeichnet, umfaßt den Begriff eines Gleichgewichts zwischen allen Ursachen des Verbrauchs und den Ursachen des Ersatzes, und das Thierleben giebt sich hiernach zu er- kennen als die Wechselwirkung beider Ursachen, es zeigt sich als eine sich wiederholende Aufhebung und Wiederherstellung des Gleichgewichtszustandes. Der Masse nach ist in den verschiedenen Lebensaltern der Ersatz und Verbrauch an Stoff ungleich, allein im Zustand der Gesundheit muß die verwendbare Lebenskraft stets als eine der Summe der belebten Körpertheile entsprechende, un- veränderliche Größe angesehen werden. Die Zunahme an Masse steht in jedem Lebensalter in einem ganz bestimmten Verhältniß zu der als bewegende Kraft verbrauchten Lebenskraft. Die Bewegungserscheinungen Die Lebenskraft, welche zu mechanischen Effecten verwen- det wird, geht von der Summe an Kraft ab, welche zur Zunahme verwendbar ist. Die thätige Kraft, welche in dem Thierkörper zur Ueber- windung von Widerständen, sagen wir zu Bildungsef- fecten (zur Zunahme an Masse), verwendet wird, ist gleichzei- tig nicht zur Hervorbringung mechanischer Effecte verwendbar. Hieraus folgt von selbst, daß wenn der Masse nach, wie in dem Kindesalter, der Ersatz (die Zunahme an Masse) größer ist, als der Verbrauch, daß die hervorgebrachten me- chanischen Effecte in demselben Verhältniß kleiner gewesen sein müssen. Mit der Steigerung der mechanischen Effecte vermin- dert sich in dem nämlichen Verhältniß die Fähigkeit der Zu- nahme oder des Ersatzes an belebten Körpertheilen. Ein vollkommnes Gleichgewicht in dem Verbrauch der Lebenskraft zu Bildungseffecten und mechanischen Effecten fin- det demnach nur in dem erwachsenen Zustande statt; es zeigt sich unverkennbar an dem vollkommnen Ersatz von verbrauch- tem Stoff. Im Greisenalter wird mehr verbraucht, im Kindesalter wird mehr ersetzt als verbraucht. Die zu mechanischen Effecten von einem erwachsenen Manne verwendbare Kraft wird in der Mechanik zu einem Fünftel seines eigenen Gewichts angenommen, was er acht Stunden lang mit einer Geschwindigkeit von 5 Fuß in zwei Secunden fortbewegen kann. Nehmen wir das Gewicht eines Mannes zu 150 Pfund im Thierorganismus . an, so ist seine Kraft gleich einem Gewicht von 30 Pfun- den, die er 72000 Fuß weit trägt. Für jede Secunde ist sein Kraftmoment 30 × 2,5 = 75 und für die ganze Tageszeit sein Bewegungsmoment 30 × 72000 = 216000. Durch die Wiederherstellung seines Körpergewichts sam- melt der Mann nun eine Summe von Kraft wieder an, die ihm den zweiten Tag gestattet, ohne Erschöpfung eine gleiche Anzahl von mechanischen Effecten hervorzubringen. Dieser Ersatz an Kraft geschieht in einem sie- benstündigen Schlaf . In den Fabriken von gewalztem Eisen kommt es häufig vor, daß für den gewöhnlichen Gang der Maschine ihr Druck nicht stark genug ist, um eine Eisenstange von einer gewissen Dicke durch die Cylinder der Walze durchgehen zu machen. Man hilft sich in diesem Fall, indem man die ganze Kraft des Dampfs auf das Schwungrad wirken läßt und alsdann erst, wenn dieses eine große Geschwindigkeit erlangt hat, die Eisenstange unter die Walze bringt, wo sie dann (während das Schwungrad seine Geschwindigkeit ver- liert) mit großer Leichtigkeit zu einer Tafel zusammengepreßt wird. Was das Schwungrad an Geschwindigkeit zunahm, gewann die Walze an Kraft; durch dieses Verfahren ist of- fenbar in der Geschwindigkeit Kraft angesammelt worden; allein in diesem Sinne häuft sich im lebendigen Organismus keine Kraft an. Die Wiederherstellung der Kraft geschieht im Thierkör- Die Bewegungserscheinungen per durch die Neubildung der ausgetretenen, zur Krafterzeu- gung bestimmten Körpertheile, durch die Verwendung der thätigen Lebenskraft zu Bildungseffecten und mit der Wiederherstellung der ausgetretenen Körpertheile, erhält der Organismus eine der verwendeten, gleiche Kraft zurück. Es ist einleuchtend, daß die während des Schlafs in Bildungseffecten sich äußernde Lebenskraft, gleich sein muß, der ganzen Summe der im wachenden Zustande zu allen me- chanischen Effecten zusammengenommenen verwendeten bewe- genden Kraft, plus einer gewissen Quantität von Kraft, welche zur Unterhaltung der im Schlafe fortdauernden, unwillkür- lichen Bewegungen erforderlich war. Von Tag zu Tag erhält der arbeitende Mann bei hin- länglicher Nahrung durch sieben Stunden Schlaf diese ganze Summe von Kraft zurück, und abgesehen von der zu den unwillkürlichen Bewegungen nöthigen Kraft, die in allen Individuen gleich ist, kann man annehmen, daß die zur Ar- beit verwendbare, mechanische Kraft in gradem Verhältniß steht zu der Anzahl von Stunden Schlaf. Der Mann schläft 7 und wacht 17 Stunden; bei Wie- derherstellung des Gleichgewichtes nach 24 Stunden sind demnach die in 17 Stunden geäußerten mechanischen Effecte gleich den in 7 Schlafstunden verwendeten Bildungseffecten. Wenn ein Greis nur 3½ Stunden schläft und alles übrige gleich wie bei dem Manne gesetzt wird, so würde er jeden- falls nur die Hälfte der mechanischen Effecte hervorzubringen vermögen, wie der Mann von gleichem Gewicht, er würde im Thierorganismus . nur 15 Pfund die nämliche Strecke weit tragen können. Der Säugling schläft 20 Stunden und wacht 4 Stun- den; die in ihm thätige Kraft, welche zu Bildungseffecten verwendet wird, verhält sich zu der, welche zu mechanischen Effecten (zur Bewegung der Glieder) verwendet wird, wie 20 : 4; aber seine Glieder besitzen kein Kraftmoment, denn er kann seinen eigenen Körper noch nicht tragen. Nehmen wir an, der Greis und Säugling verbrauche zu mechanischen Effecten eine dem Verhältniß, der von dem Manne verwend- baren, entsprechende Menge Kraft, so stehen die mechani- schen Effecte im Verhältniß zu der Anzahl der Stunden des Wachens, die Bildungseffecte im Verhältniß zu der Anzahl der Stunden Schlaf, und wir haben: Bei dem Manne findet zwischen Verbrauch und Ersatz ein vollkommnes Gleichgewicht statt, beim Säugling und Greis weichen Ersatz und Verbrauch von einander ab. Setzen wir den Kraftverbrauch in den siebzehn Stunden des Wachens gleich dem Kraftverbrauch zur Wiederherstellung des Gleich- gewichts im Schlaf = 100 = 17 Wachestunden = 7 Schlafstunden, so ergeben sich folgende Verhältnisse. Die Bewegungserscheinungen Die mechanischen Effecte verhalten sich zu den Bildungs- effecten beim Mann = 100 : 100 beim Säugling = 25 : 250 beim Greis = 125 : 50 oder die Zunahme zur Abnahme beim Erwachsenen = 100 : 100 beim Säugling = 100 : 10 beim Greis = 100 : 250 Es ist hiernach klar, daß wenn der Greis eine den Schlafstunden des Mannes proportionale Arbeit verrichtet, so wird der Verbrauch größer sein wie der Ersatz, d. h. sein Körper wird rasch abnehmen, im Fall er 15 Pfund, mit einer Geschwindigkeit von 2½ Fuß in der Sekunde 72000 Fuß weit trägt, aber 6 Pfund Last wird er diese Strecke weit fortbewegen können. Beim Kinde verhält sich die Zunahme zur Abnahme wie 10 : 1 und wenn wir den Verbrauch an mechanischen Effecten bei ihm also um das zehnfache steigern, so wird erst dann ein Gleichgewicht an Ersatz und Verbrauch eintreten; das Kind wird in diesem Fall freilich nicht an Masse zunehmen, allein es wird daran auch nicht abnehmen. Wenn bei dem Erwachsenen der Kraftverbrauch zu me- chanischen Effecten in 24 Stunden, über die in 7 Schlafstun- den ersetzbare Quantität gesteigert wird, so muß, wenn das Gleichgewicht sich wiederherstellen soll, in den folgenden 24 im Thierorganismus . Stunden, in dem nämlichen Verhältniß, weniger Kraft zu me- chanischen Effecten verwendet werden, im entgegengesetzten Fall nimmt die Masse des Körpers ab und es tritt mehr oder weniger schnell der Zustand ein, welcher das Greisen- alter characterisirt. Mit jeder Stunde Schlaf mehrt sich beim Greise die Summe der verwendbaren Krafteffecte, oder nähert sich dem Gleichgewichtsverhältniß an Ersatz und Verbrauch wie beim erwachsenen Menschen. Es ist ferner klar, daß wenn ein Theil der Kraft, welche zu mechanischen Bewegungen ohne Störung des Gleichge- wichtes verwendbar ist, zur Bewegung der Glieder, Hebung von Lasten, Arbeit ꝛc. nicht verzehrt wird, so wird sie durch die unwillkürlichen Bewegungen verwendbar sein. Wenn die Bewegung des Herzens und der Säfte, der Eingeweide (der Blutumlauf und die Verdauung) sich in dem nämlichen Verhältniß beschleunigt findet, wie zu mechanischen Effecten durch die Glieder weniger Kraft verbraucht wird, so wird das Gewicht des Körpers in 24 Stunden weder zu- noch abnehmen; der Körper nimmt an Masse also nur dann zu, wenn die in den Schlafstunden gesammelte und zu me- chanischen Effecten verwendbare Kraft weder für die willkür- lichen, noch unwillkürlichen Bewegungen verzehrt wird. Die angeführten approximativen Zahlenwerthe für den Kraftverbrauch im Organismus des Menschen beziehen sich, wie ausdrücklich hervorgehoben worden, nur auf eine gege- bene, unveränderliche Temperatur; in ungleicher Temperatur 17 Die Bewegungserscheinungen und bei Mangel an Nahrung müssen sich alle diese Verhält- nisse ändern. Wenn wir einen Körpertheil mit Eis und Schnee um- geben, während die übrigen in ihrer gewöhnlichen Beschaf- fenheit bleiben, so tritt mehr oder weniger schnell in Folge der Entziehung von Wärme, ein rascherer Stoffwechsel an der abgekühlten Stelle ein. Der Widerstand der belebten Körpertheile gegen die Ein- wirkung des Sauerstoffs an der abgekühlten Stelle ist klei- ner, als an allen übrigen Orten, was im Resultate ganz gleich ist einer Erhöhung des Widerstandes an diesen andern Orten. Das Kraftmoment der Lebenskraft an den nicht abgekühl- ten Stellen wird nach wie vor zur mechanischen Bewegung verbraucht, allein die ganze Wirkung des eingeathmeten Sauer- stoffs wendet sich der abgekühlten Stelle zu. Denken wir uns einen Cylinder von Eisen, in den wir Dampf unter einem gewissen Drucke einströmen lassen, so wird, wenn die Kraft, mit welcher die Theile des Eisens zu- sammenhängen, gleich ist der Kraft, welche sie zu tren- nen strebt, ein Gleichgewichtszustand eintreten, d. h. die ganze Wirkung des Dampfes wird durch den Widerstand aufgeho- ben. Wenn aber eine der Wände des Cylinders beweglich ist, ein Stempel z. B., dem Druck des Dampfes also einen geringeren Widerstand entgegensetzt, als die anderen Wände, so wird der ganze Druck in der Bewegung dieser einen Wand, in der Hebung des Stempels, verzehrt. Wenn wir nicht im Thierorganismus . neuen Dampf (neue Kraft) hinzuströmen lassen, so wird sich bald ein Gleichgewichtszustand einstellen. Einen gewissen Druck hält die Wand aus ohne sich zu bewegen, durch einen größe- ren Druck wird der Stempel gehoben; wenn dieser Ueber- schuß von Kraft verzehrt ist durch die Bewegung, so wird er nicht weiter gehoben werden; wenn immer neuer Dampf hinzuströmt, so wird seine Bewegung fortdauern. An der abgekühlten Stelle setzen die belebten Körpertheile der chemischen Action des Sauerstoffs ein kleineres Hinderniß entgegen; seine Fähigkeit, mit ihren Bestandtheilen eine Ver- bindung einzugehen, ist an diesem Orte erhöht; einmal aus- getreten hört aller Widerstand völlig auf, und in Folge der Verbindung des Sauerstoffs mit den Bestandtheilen der um- gesetzten Gebilde wird ein größeres Maß von Wärme frei. Für eine gegebene Quantität Sauerstoff bleibt sich die erzeugte Wärmemenge völlig gleich; an der abgekühlten Stelle nimmt der Stoffwechsel und damit die Wärmeentwicklung zu, an den anderen nimmt der Stoffwechsel (die Wärme- entwicklung) ab. Hat aber die abgekühlte Stelle, durch die Verbindung des Sauerstoffs mit den ausgetretenen Körper- theilen, ihre ursprüngliche Temperatur wiedererhalten, so nimmt damit der Widerstand ihrer belebten Körpertheile ge- gen den nachströmenden Sauerstoff wieder zu, an allen übri- gen Orten ist aber nun der Widerstand kleiner geworden, d. h. es tritt nun auch an diesen ein rascherer Stoffwechsel, eine Erhöhung der Temperatur ein, und mit dieser wird, wenn die Ursache des Stoffwechsels fortdauert, ein größe- 17* Die Bewegungserscheinungen res Maß von Lebenskraft zu mechanischen Effekten verwendbar. Denken wir uns nun, daß der ganzen Oberfläche des Körpers Wärme entzogen wird, so wird die ganze Wirkung des Sauerstoffs der Haut zugelenkt werden, in kurzer Zeit muß der Stoffwechsel im ganzen Körper zunehmen; das Fett, so wie alle Bestandtheile des Thierkörpers, welche die Fähig- keit haben, mit dem in größerer Quantität zugeführten Sauer- stoff sich zu verbinden, werden in der Form von Sauerstoff- verbindungen aus dem Körper treten. Theorie der Krankheit . Ein jeder Stoff oder Materie, eine jede chemische oder mechanische Thätigkeit, welche die Wiederherstellung des Gleich- gewichtes in den Aeußerungen der Ursachen des Verbrauches und Ersatzes in der Art ändert oder stört, daß sich ihre Wirkung den Ursachen des Verbrauches hinzufügt, heißt Krankheits-Ursache ; es entsteht Krankheit , wenn die Summe von Lebenskraft, welche alle Ursachen von Störun- gen aufzuheben strebt (wenn also der Widerstand der Lebens- kraft), kleiner ist, als die einwirkende, störende Thätigkeit. Tod heißt der Zustand, wo aller Widerstand der Lebens- kraft völlig aufhört; so lange dieser Zustand nicht eintritt, im Thierorganismus . äußern die belebten Körpertheile stets noch einen Widerstand. In der Beobachtung zeigt sich die Wirkung einer Krank- heitsursache in dem gestörten Verhältnisse zwischen dem, ei- nem jeden Lebensalter zukommenden, Verbrauch und Ersatz. In der Heilkunde heißt Krankheit jeder abnorme Zustand des Ersatzes oder Verbrauchs, in allen Körpertheilen oder in ei- nem einzelnen Körpertheil. Es ist klar, daß eine und dieselbe Krankheitsursache auf den Organismus, je nach dem Lebensalter, eine höchst ungleiche Wirkung äußern muß, daß ein gewisses Maß von Störung, welche Krankheit in dem erwachsenen Zustande bewirkt, ohne Einfluß auf die Lebensäußerungen im Kindes- oder Greisen- alter sein kann. Eine Krankheitsursache kann im Greisen- alter, wenn sie sich der Wirkung der Ursache des Verbrauchs hinzufügt, den Tod bewirken (allen Widerstand der Lebens- kraft vernichten), während sie im reifen Lebensalter nur ein Mißverhältniß im Verbrauch und Ersatz (Krankheit), und im Kindesalter nur ein Gleichgewichtsverhältniß zwischen Ver- brauch und Ersatz, das ist, den abstracten Zustand von Ge- sundheit, hervorbringt. Eine Krankheitsursache, welche die Ursache des Ersatzes verstärkt, entweder direct, oder insofern die Ursache des Ver- brauchs in ihrer Wirkung dadurch geschwächt wird, hebt den relativ normalen Gesundheitszustand im Kindesalter und im reifen Alter auf, und setzt im Greisenalter Verbrauch und Ersatz in’s Gleichgewicht. Ein Kind erträgt, leicht gekleidet, Abkühlung durch hohe Die Bewegungserscheinungen Kältegrade ohne Störung seiner Gesundheit, seine zu mecha- nischen Effekten verwendbare Kraft, so wie seine Temperatur nehmen mit dem durch Abkühlung sich einstellenden Stoff- wechsel zu, während ein hoher Wärmegrad, welcher den Stoff- wechsel hindert, einen krankhaften Zustand nach sich zieht. Wir sehen im Gegensatze hierzu in den Hospitälern und in den wohlthätigen Anstalten (in Brüssel ꝛc.), in welchen alte Leute ihre letzten Lebenstage zubringen, daß, wenn die Temperatur des Schlafraums (im Winter) zwei bis drei Grade unter die erwartete Temperatur fällt, daß durch diese schwache Abkühlung der Tod von den ältesten und an sich schwächsten Greisen und Greisinnen herbeigeführt wird; man findet sie in ihren Betten ruhig liegend ohne die geringsten Symptome von Krankheit oder anderen erkennbaren Ursachen des Todes. Mangel an Widerstand eines belebten Körpertheils gegen die Ursachen des Verbrauchs ist, wie sich von selbst versteht, Mangel an Widerstand gegen die Einwirkung des atmo- sphärischen Sauerstoffs. Wenn nun durch irgend eine Ursache der Störung in einem belebten Körpertheil dieser Widerstand abnimmt, so nimmt in gleichem Grade der Stoffwechsel zu. Da nun die Bewegungserscheinungen in dem Thierkörper abhängig sind von dem Stoffwechsel, so folgt mit der Steigerung des Stoffwechsels in irgend einem Körpertheil, von selbst, eine Beschleunigung aller Bewegungen; je nach der Fortpflanzungsfähigkeit der Nerven vertheilt sich die ver- im Thierorganismus . wendbare Kraft auf die Leiter der unwillkürlichen Bewe- gungen allein oder auf alle zusammengenommen. Wird demnach in Folge einer krankhaften Umsetzung der belebten Körpertheile ein größeres Maß von Kraft erzeugt, als zur Hervorbringung der normalen Bewegung erforderlich ist, so zeigt sich dies in einer Beschleunigung aller oder einzelner, unwillkürlichen Bewegungen, so wie in einer höhe- ren Temperatur des kranken Körpertheils. Dieser Zustand heißt Fieber . Bei einem Uebermaß von Krafterzeugung durch Stoff- wechsel überträgt sich die Kraft (da sie nur durch Bewegung verzehrt werden kann), auf die Apparate der willkürlichen Bewegung. Dieser Zustand heißt Fieberparoxysmus . In Folge der durch den Fieberzustand beschleunigten Blutbewegung wird in einer gegebenen Zeit dem kranken Ort sowohl, wie allen anderen Orten, ein größeres Maß arterielles Blut und damit Sauerstoff hinzugeführt, und wenn die thätige Kraft an den gesunden Orten in ihrer Aeußerung sich gleich bleibt, so muß die ganze Wirkung des mehr hinzugeführten Sauerstoffs sich auf den kranken Ort allein erstrecken. Je nachdem ein einzelnes Organ oder ein System von Organen, krank ist, erstreckt sich der Stoffwechsel auf einen einzelnen Ort, oder auf das ganze ergriffene System. Entstehen an den kranken Orten in Folge des Stoff- wechsels aus den Bestandtheilen des Gebildes oder Blutes Die Bewegungserscheinungen neue Producte, welche die nächstliegenden Theile zu ihren eigenen vitalen Function nicht verwenden können, sind ihre Umgebungen unfähig, sie anderen Orten, wo sie eine Verän- derung erfahren können, zuzuführen, so erleiden sie an dem Orte selbst, wo sie sich gebildet haben, einen der Verwe- sung, Fäulniß oder Gährung ähnlichen Umsetzungsproceß. In gewissen Fällen beseitigt die Heilkunde diese Krank- heitszustände, indem sie in der Nähe des kranken, oder an irgend einem andern passenden Ort, einen künstlichen Krank- heitszustand (Blasenpflaster, Senfpflaster, Haarseil ꝛc.) her- vorbringt, indem sie an diesen Orten den Widerstand der Lebensthätigkeit durch künstliche Störungen vermindert; es ge- lingt dem Arzte, den ursprünglichen Krankheitszustand zu he- ben, wenn die hervorgebrachte Störung (der verringerte Wi- derstand) die zu besiegende Krankheitsstörung überwiegt. Der raschere Stoffwechsel und die höhere Temperatur an dem kranken Orte zeigt, daß der Widerstand der Lebens- thätigkeit an dem kranken Orte gegen den Sauerstoff schwä- cher ist, wie im gesunden Zustande, aber erst mit dem Tode hört er völlig auf. Durch die künstliche Verminderung des Widerstandes an einem andern Körpertheil wird der Wi- derstand des ursprünglich kranken Theils zwar direct nicht verstärkt, allein die chemische Action (die Ursache des Stoff- wechsels) nimmt an dem kranken Körpertheil ab, indem sie einem andern Orte zugelenkt wird, wo es der Kunst des Arztes gelungen ist, einen noch geringern Widerstand gegen Stoffwechsel (gegen die Einwirkung des Sauerstoffs) hervor- im Thierorganismus . zubringen. Es tritt eine vollkommne Hebung der ursprünglichen Krankheit ein, wenn Widerstand und Einwirkung an dem kranken Körpertheil ins Gleichgewicht gebracht sind. Es erfolgt Ge- sundheit, Wiederherstellung des kranken Körpertheils in seinem ursprünglichen Zustande, wenn es gelingt, die störende Action des Sauerstoffs durch irgend ein Mittel so weit zu schwächen, daß sie kleiner wird, als der Widerstand der un- ausgesetzt vorhandenen, wiewohl verminderten Lebensthätig- keit; denn dies ist die Bedingung der Zunahme an Masse im lebendigen Organismus überhaupt. In Fällen anderer Art, wo die äußeren künstlichen Stö- rungen ohne Wirkung sind, schlägt der praktische Arzt, um den Widerstand der Lebensthätigkeit zu erhöhen, andere in- directe Wege ein, auf welche die vollendetste Theorie, weder scharfsichtiger noch richtiger, hätte führen können; er ver- mindert nämlich durch Blutentziehung die Anzahl der Trä- ger des Sauerstoffs und damit die Bedingung des Stoff- wechsels; er schließt in der Speise alle Stoffe aus, welche die Fähigkeit besitzen, zu Blut zu werden; er giebt ausschließ- lich oder vorzugsweise nur stickstofffreie Nahrung, welche den Respirationsproceß unterhält, so wie Obst und Theile von Vegetabilien, welche die zu den Secreten nöthigen Alkalien enthalten. Gelingt es ihm, die Einwirkung des Sauerstoffs im Blute auf den kranken Körpertheil so weit zu vermindern, daß die Lebensthätigkeit des letztern, sein Widerstand, die chemische Action nur etwas überwiegt, und geschieht dies, ohne den Die Bewegungserscheinungen Functionen der anderen Organe eine Grenze zu setzen, so ist die Wiederherstellung gewiß. Zu der in diesen Fällen mit Geschick und Beobachtungs- gabe angewendeten Heilmethode fügt sich, man kann sagen zur Hülfe des kranken Körpertheils, die Lebenskraft der übri- gen, nicht ergriffenen Theile hinzu, denn durch Blutentziehung, durch Ausschluß der zur Blutbildung nöthigen Speise, nimmt ja auch auf sie die äußere Ursache der Störung ab, welche ihre eigne Lebenskraft im Gleichgewicht erhielt; ihre eigne Thätigkeit erhält ein Uebergewicht; der Stoffwechsel nimmt zwar im ganzen Körper ab, und damit die Bewegungs- erscheinungen, allein die Summe aller Widerstände zusam- mengenommen nimmt zu in dem Grade, wie der auf sie in dem Blute einwirkende Sauerstoff sich vermindert. In dem Gefühl von Hunger gelangt gewissermaßen dieser Wider- stand zum Bewußtsein, und die überwiegende Lebensthätig- keit zeigt sich bei vielen Verhungernden in einer abnormalen Zunahme oder einer abnormalen Umsetzung gewisser Theile von Organen. Mitleidenschaft heißt eine Uebertragung des geringern Widerstandes der Lebensthätigkeit von einem kranken Körpertheil nicht gerade auf die zunächstliegenden, sondern auf andere Organe, wenn die Functionen beider sich gegenseitig bedingen. Wenn die Verrichtungen des kranken Organs mit denen eines andern in Verbindung stehen, wenn das eine z. B. die Materien nicht mehr producirt, welche zur vitalen Function des andern gehören, so überträgt sich auf diese, wiewohl nur scheinbar, der Krankheitszustand. im Thierorganismus . Ueber die Natur und das Wesen der Lebenskraft kann man sich wohl keiner selbstgeschaffenen Täuschung hingeben, wenn man beachtet, daß sie sich in allen ihren Aeußerungen ganz ähnlich wie andere Naturkräfte verhält, daß sie ohne Bewußtsein, völlig willenlos, einem Blasenpflaster unterge- ordnet ist. Die Nerven, welche die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen im Thierkörper vermitteln, sind, nach dem Vor- hergehenden, nicht die Erzeuger, sondern nur die Leiter der Lebenskraft; sie pflanzen die Bewegung fort und verhalten sich gegen andere Ursachen von Bewegungen, welche in ih- ren Aeußerungen der Lebenskraft ähnlich sind, gegen einen elektrischen Strom z. B. auf eine völlig gleiche Weise, sie gestatten ihm den Durchgang und bieten als Leiter der Elek- tricität alle Erscheinungen dar, welche ihnen als Leitern der Lebenskraft zukommen. Niemandem wird es wohl, nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse, in den Sinn kommen, als die Ursache der Bewegungserscheinungen in dem Thierkörper die Elektricität anzusehen, allein die medicini- schen Wirkungen der Elektricität, so wie die eines Magne- ten, der in Berührung mit dem Körper die Entstehung ei- nes elektrischen Stromes vermittelt, können nicht geleugnet werden. Denn zu der vorhandenen Kraft der Bewegung und Störung addirt sich in dem elektrischen Strome eine neue Ursache von Bewegung, Form- und Beschaffenheitsän- derung, deren Wirkungen nicht gleich Null gesetzt werden dürfen. Die Bewegungserscheinungen Auf eine höchst rationelle Weise wendet die praktische Medicin in manchen Krankheiten die Kälte als Mittel an, um den Stoffwechsel auf eine ungewöhnliche Weise zu steigern und zu beschleunigen. Dies geschieht namentlich bei gewissen krankhaften Zuständen der Substanz des Centrums der Bewegungsapparate, wenn eine glühende Hitze und ein rascher Strom von Blut nach dem Kopfe, eine abnormale Umsetzung des Gehirns erkennen lassen. Wenn dieser Zustand über eine gewisse Zeit hindurch dauert, so giebt die Erfah- rung zu erkennen, daß alle Bewegungen im Thierkörper auf- hören; wenn sich der Stoffwechsel auf das Gehirn vorzugs- weise beschränkt, so nimmt der Stoffwechsel, die Krafterzeu- gung, in allen anderen Theilen ab; durch Umgebung dieses Körpertheils mit Eis wird die Temperatur herabgestimmt, allein die Ursache der Wärmeentwicklung dauert fort; der Widerstand der Lebensthätigkeit wird vermindert, die Um- setzung, die Entscheidung über den Ausgang der Krankheit, wird auf eine kürzere Zeitdauer beschränkt. Man darf nicht vergessen, daß das Eis schmilzt und Wärme aus dem kran- ken Körpertheil aufnimmt, daß mit der Entfernung des Ei- ses, vor dem Verlauf der Umsetzung, die höhere Temperatur wieder sich einstellt, daß man durch Umgebung mit Eis weit mehr Wärme entzieht, als durch Umhüllung mit einem schlechten Wärmeleiter; es ist offenbar in der gleichen Zeit eine größere Menge Wärme frei geworden, was nur durch gesteigerte Zufuhr von Sauerstoff, der eine raschere Um- setzung bedingen mußte, möglich ist. im Thierorganismus . Ein nicht ganz unpassendes Bild für die Vorgänge im Thierkörper geben die sich selbst regulirenden Dampfmaschi- nen ab, an denen zur Hervorbringung einer gleichförmigen Bewegung der menschliche Geist den bewundernswürdigsten Scharfsinn bethätigt hat. Jedermann weiß, daß in dem Rohre, was den Dampf zu dem Cylinder führt, in welchem ein Stempel in die Höhe gehoben werden soll, ein durchbrochener Hahn angebracht ist, durch dessen Oeffnung aller Dampf seinen Weg nehmen muß; durch eine mit dem Schwungrad in Verbindung ste- hende Vorrichtung öffnet sich dieser Hahn, wenn das Rad langsamer, es schließt sich mehr oder weniger, wenn es ge- schwinder geht, als zur gleichförmigen Bewegung erforderlich ist. Mit dem Oeffnen des Hahns strömt mehr Dampf zu (mehr Kraft), die Bewegung der Maschine wird beschleu- nigt; mit dem Schließen des Hahns wird der hinzuströmende Dampf mehr oder weniger abgeschlossen, die Kraft, welche auf den Stempel wirkt, nimmt ab, die Spannung des Dam- pfes im Kessel nimmt zu; sie wird zu einer spätern Ver- wendung aufgespart. Die Spannung des Dampfes, die Kraft, wenn man will, wird hervorgebracht durch Stoff- wechsel, durch Verbrennung von Kohlen unter dem Heerde der Maschine. Die Kraft steigt (die Menge des entwickel- ten Dampfes und seine Spannung nehmen zu) mit der Tem- peratur des Heerdes, welche abhängig ist von Zufuhr an Kohlen und Luft. Es finden sich an diesen Maschinen an- dere Vorrichtungen, welche beide zu reguliren bestimmt sind. Die Bewegungserscheinungen Steigt die Spannung des Dampfes im Kessel, so schließen sich die Luftzüge, die Verbrennung wird verlangsamt, die Zufuhr an Kraft (an Dampf) vermindert; geht die Maschine langsa- mer, so strömt ihr mehr Dampf zu, die Luftzüge öffnen sich und die Ursache der Wärmeentwicklung (Krafterzeugung) nimmt zu, eine letzte Vorrichtung wirft dem Heerde ohne Unterlaß Kohlen zu. Wenn wir nun an irgend einer Stelle des Dampfkessels die Temperatur erniedrigen, so nimmt seine Spannung ab; dies giebt sich sogleich an den Regulatoren der Kraft zu erken- nen, die nun ganz die Functionen verrichten, wie wenn wir eine gewisse Quantität Dampf (Kraft) aus dem Kessel hät- ten heraustreten lassen; der Dampfregulator, die Luftzüge öffnen sich, die Maschine wirft sich selbst eine größere Menge Kohlen zu. Ganz ähnlich wie in diesen Maschinen, verhält es sich im Thierkörper hinsichtlich der Wärme und Krafterzeugung. Mit der Abnahme der äußern Temperatur verstärken sich die Athembewegungen, es wird Sauerstoff häufiger und in ver- dichteterem Zustande zugeführt, der Stoffwechsel erhöht sich, es muß mehr Nahrungsstoff zugeführt werden, wenn die Temperatur nicht wechseln soll. Es bedarf wohl keiner Erinnerung, daß ein gespannter Dampf in dem Thierkörper, so wenig wie ein elektrischer, Strom, als die Ursache der Krafterzeugung angesehen wer- den kann. Aus der in dem Obigen entwickelten Theorie der Krank- im Thierorganismus . heit ergiebt sich von selbst, daß ein ausgebildeter Krankheits- zustand in einem Körpertheil durch die chemische Action eines Arzneimittels nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Einem abnormalen Umsetzungsproceß kann durch Arznei- mittel eine Grenze gesetzt werden; er kann beschleunigt oder verlangsamt werden, allein damit ist der Normal- (Gesund- heits-) Zustand nicht zurückgekehrt. Die Kunst des Arztes besteht in der Kenntniß der Mit- tel, die ihm gestatten, einen Einfluß auf den Verlauf der Krankheit auszuüben, und in der Beseitigung und Entfer- nung aller störenden Ursachen, deren Wirkung sich der Wir- kung der Krankheitsursache hinzufügt. Eine jede Theorie bringt nur durch die richtige Anwen- dung ihrer Principien einen wirklichen Nutzen. Eine und dieselbe Heilmethode kann dem einen Individuum die Ge- sundheit wiedergeben, während sie, auf ein anderes ange- wandt, den sichern Tod nach sich zieht. So hat in gewissen, entzündlichen Krankheiten, bei muskelreichen Personen, die antiphlogistische Behandlung ihren entschiedenen Werth, während Blutentziehung bei anderen von nachtheiligen Fol- gen begleitet ist. Das belebende Blut bleibt immer die wichtigste Bedingung zur Wiederherstellung eines aufgehobe- nen Gleichgewichts-Zustandes, welche stets an den Gewinn von Zeit geknüpft ist; es muß als die letzte und wichtigste Ursache eines dauernden, vitalen Widerstandes der kranken sowohl, wie der nicht ergriffenen Körpertheile angesehen und im Auge behalten werden. Die Bewegungserscheinungen Es ist ferner klar, daß in allen Krankheiten, wo das Fieber die Bildung von Ansteckungsstoffen und Exenthemen begleitet, zwei Krankheitszustände sich neben einander vollen- den, und daß das Blut (Fieber) als der Träger des Stoffs (Sauerstoffs), ohne dessen Mitwirkung die krankhaften Erzeug- nisse nicht unschädlich gemacht, zerstört und aus dem Körper ent- fernt werden können, reaktionell als Heilmittel auftritt, durch dessen Mitwirkung zuletzt eine Ausgleichung bewirkt wird. Theorie der Respiration . Bei dem Durchgang des venösen Blutes durch die Lunge ändern die Blutkörperchen ihre Farbe, mit diesem Farbewech- sel beobachten wir, daß Sauerstoff aus der Luft aufgenom- men, daß für jedes Volumen Sauerstoff in den meisten Fäl- len, ein ihm gleiches Volumen Kohlensäure abgeschieden wird. Die Blutkörperchen enthalten eine Eisenverbindung , kein anderer Bestandtheil der lebendigen Körpertheile enthält Eisen. Welche Art von Veränderung auch die übrigen Bestand- theile des Blutes in der Lunge erleiden mögen, gewiß ist, daß die Blutkörperchen des venösen Blutes einen Farbewech- sel erfahren, welcher abhängig ist von der Einwirkung des Sauerstoffs. im Thierorganismus . Wir sehen nun, daß die Blutkörperchen des arteriel- len Blutes in den weiten Kanälen ihre Farbe bewahren, daß sie sie erst bei dem Durchgange durch die Capillargefäße verlieren. Alle Bestandtheile des venösen Blutes, welche die Fähigkeit hatten sich mit Sauerstoff zu verbinden, nehmen in der Lunge einen entsprechenden Theil davon auf; Versuche mit Serum zeigen, daß es mit reinem Sauerstoff in Be- rührung dessen Volumen nicht merklich ändert. Venöses Blut mit Sauerstoff in Berührung röthet sich unter Absorption des Sauerstoffs; es wird hierbei eine entsprechende Menge Kohlensäure gebildet. Es ist klar, der Farbewechsel der Blutkörperchen hängt von der Verbindung von irgend einem ihrer Bestandtheile mit dem Sauerstoff ab, und mit dieser Sauerstoffaufnahme tritt eine gewisse Quantität Kohlensäure aus. Von dem Serum scheidet sich diese Kohlensäure nicht ab, denn es besitzt nicht die Fähigkeit, bei Berührung mit Sauer- stoff Kohlensäure abzugeben; das Blut von den Blutkörper- chen getrennt (das Serum) absorbirt sein halbes bis gleiches Volumen Kohlensäure (siehe den Artikel Blut in dem Hand- wörterbuche der Chemie von Poggendorff, Wöhler und Liebig , Seite 877), es ist bei gewöhnlicher Temperatur nicht mit Kohlensäure gesättigt. Das arterielle Blut geht, von dem Thiere genommen, unausgesetzt einer Veränderung entgegen, seine hochrothe Farbe wird schwarzroth; das hochrothe Blut, was seine Farbe den Blutkörperchen verdankt, wird schwarzroth durch 18 Die Bewegungserscheinungen Kohlensäure; diese Farbeänderung trifft die Blutkörperchen; es absorbirt eine Menge Gase, welche sich in der Blutflüs- sigkeit (ohne Blutkörperchen) nicht lösen; es ist klar, die Blutkörperchen haben das Vermögen, sich mit Gasen zu verbinden . Die Blutkörperchen ändern ihre Farbe in verschiedenen Gasen; dieser Wechsel kann von zwei Ursachen, einer Ver- bindung oder einer Zersetzung herrühren. Durch Schwefelwasserstoff werden sie schwarzgrün und zuletzt schwarz, die ursprüngliche rothe Farbe kann durch Contact mit Sauerstoffgas nicht wieder hervorgebracht wer- den; es ist offenbar hier eine Zersetzung vor sich gegangen. Die durch Kohlensäure schwarzroth gewordenen Blutkör- perchen werden beim Contact mit Sauerstoff unter Abschei- dung von Kohlensäure wieder hochroth, ähnlich verhalten sie sich gegen Stickoxydulgas; es ist klar, daß sie keine Zerse- tzung erfahren hatten; sie besitzen also die Fähigkeit, eine Verbindung mit Gasen einzugehen, ihre Verbindung mit Kohlensäure wird durch Sauerstoff wieder aufge- hoben ; sich selbst überlassen, wird außerhalb des Thierkör- pers die Sauerstoffverbindung wieder schwarzroth, ohne durch Sauerstoff wieder hochroth zu werden. Die Blutkörperchen enthalten eine Eisenverbindung. Aus dem nie fehlenden Eisengehalt des rothen Blutes muß geschlossen werden, daß er unbedingt für das animali- sche Leben nothwendig sei, und seitdem die Physiologie be- wiesen hat, daß die Blutkörperchen an dem Ernährungspro- im Thierorganismus . cesse keinen Antheil nehmen, kann es keinem Zweifel unter- liegen, daß sie in dem Respirationsproceß eine Rolle über- nehmen. Die Eisenverbindung in den Blutkörperchen verhält sich wie eine Sauerstoffverbindung, denn durch Schwefelwasser- stoff wird sie ganz auf dieselbe Weise zerlegt, wie die Eisen- oxyde oder die ihnen ähnlichen Eisenverbindungen. Durch verdünnte Mineralsäuren läßt sich aus frischem oder getrockne- tem Blutroth Eisenoxyd, bei gewöhnlicher Temperatur ausziehen. Das Verhalten der Eisenverbindungen giebt vielleicht Aufschluß über die Rolle, welche das Eisen in dem Respira- tionsprocesse spielt; kein einziges Metall kann in Beziehung auf merkwürdige Eigenschaften mit den Eisenverbindungen verglichen werden. Die Eisenoxydulverbindungen besitzen das Vermögen an- deren Sauerstoffverbindungen Sauerstoff zu entziehen; die Ei- senoxydverbindungen geben Sauerstoff unter anderen Bedin- gungen mit der allergrößten Leichtigkeit wieder ab. Eisenoxydhydrat in Berührung mit schwefelfreien organi- schen Materien verwandelt sich in kohlensaures Eisenoxydul. Kohlensaures Eisenoxydul in Berührung mit Wasser und Sauerstoff wird zersetzt, alle Kohlensäure, die es enthält, entweicht; durch Aufnahme von Sauerstoff verwandelt es sich in Eisenoxydhydrat, was durch reducirende Materien wieder zurückführbar ist in eine Eisenoxydulverbindung. Aber nicht bloß die Sauerstoffverbindungen des Eisens, sondern auch die Cyanverbindungen zeigen ein ähnliches Ver- 18* Die Bewegungserscheinungen halten. In dem Berlinerblau haben wir Eisen in Verbin- dung mit allen organischen Bestandtheilen des Thierkörpers: Wasserstoff und Sauerstoff (Wasser), Kohlenstoff und Stick- stoff (Cyan). Dem Lichte ausgesetzt, entweicht Cyan, es wird weiß, im Dunkeln zieht es Sauerstoff an und wird wieder blau. Alle diese Beobachtungen zusammengenommen führen zu der Meinung, daß die Blutkörperchen des arteriellen Blutes eine mit Sauerstoff gesättigte Eisenverbindung enthalten, welche im lebendigen Blute beim Durchgang durch die Ca- pillargefäße ihren Sauerstoff verliert; dasselbe geschieht, wenn das Blut vom Körper genommen sich zu zersetzen anfängt (zu faulen beginnt); die an Sauerstoff reiche Verbindung geht also durch Sauerstoffabgabe (Reduction) in eine sauer- stoffarme Verbindung über. Eins der Oxydationsproducte, welches hierbei gebildet wird, ist Kohlensäure. Die Eisenver- bindung des venösen Bluts besitzt die Fähigkeit, sich mit Kohlen- säure zu verbinden; es ist klar, daß die Blutkörperchen des arteriellen Blutes, wenn sie nach Abgabe von einem Theile ihres Sauerstoffs Kohlensäure vorfinden, sich mit dieser Kohlensäure verbinden werden. In der Lunge angelangt werden sie den verlornen Sauer- stoff wieder aufnehmen, für jedes Volumen Sauerstoff wird eine entsprechende Menge Kohlensäure wieder austreten, sie werden in ihren ursprünglichen Zustand wieder zurückkehren, d. h. das Vermögen wieder erhalten, Sauerstoff abzugeben. Für jedes Volum Sauerstoff, was die Blutkörperchen im Thierorganismus . abzugeben vermögen, wird (da die Kohlensäure ihr gleiches Volum Sauerstoff ohne Condensation enthält) nicht mehr und nicht weniger als ein Volumen kohlensaures Gas ge- bildet werden können; für jedes Volumen Sauerstoff, was sie aufzunehmen fähig sind, kann nicht mehr Kohlensäure abgeschieden werden, als überhaupt aus diesem Volum Sauer- stoff erzeugbar ist. Wenn ein kohlensaures Eisenoxydul durch Aufnahme von Sauerstoff in Eisenoxyd übergeht, so werden für jedes Volum Sauerstoff, was zum Uebergang in Eisenoxyd gehört, vier Volumina Kohlensäure abgeschieden. Für ein Volumen Sauerstoff kann sich aber nur ein Vo- lumen Kohlensäure bilden, es kann also auch nicht mehr ab- geschieden werden; die ihres Sauerstoffs beraubte Verbin- dung muß aber die Fähigkeit haben, noch Kohlensäure auf- zunehmen, und wir sehen in der That, daß das Blut in kei- nem Zustande des Lebens mit Kohlensäure gesättigt ist, daß es zu der Kohlensäure, die es schon enthält, noch eine Menge Kohlensäure aufzunehmen vermag, ohne daß damit die Fun- ction der Blutkörperchen gestört erscheint. (Nach dem Trin- ken von moussirenden Weinen, Bier, Mineralwasser muß nothwendig mehr Kohlensäure ausgeathmet werden.) In allen Fällen, wo der Sauerstoff der Blutkörperchen nicht zur Bildung von Kohlensäure gedient hat, wird stets nur eine der erzeugten Kohlensäure entsprechende Menge ausgeathmet werden können; bei Genuß von Fett und Wein jedenfalls weniger, wie nach dem Genuß von Champagner. Die Bewegungserscheinungen Nach der so eben entwickelten Vorstellung geben die Blutkörperchen des arteriellen Blutes, bei ihrem Durchgang durch die Capillargefäße, Sauerstoff an gewisse Bestand- theile des Thierkörpers ab. Ein kleiner Theil dieses Sauer- stoffs dient zur Hervorbringung des Stoffwechsels und be- dingt das Austreten belebter Körpertheile, so wie die Bil- dung und Erzeugung der Secrete, der größte Theil dieses Sauerstoffs wird zur Verwandlung der, den belebten Kör- pertheilen nicht mehr angehörenden Substanzen, in Sauer- stoffverbindungen verwendet. Auf ihrem Wege nach dem Herzen hin, verbinden sich die Blutkörperchen, welche ihren Sauerstoff abgegeben haben, mit Kohlensäuregas zu venösen Blut, in der Lunge ange- langt, findet ein Austausch statt. Die organische Eisenverbindung des venösen Blutes nimmt in der Lunge und der Luft den verlornen Sauerstoff wieder auf, und in Folge dieser Sauerstoffaufnahme scheidet sich alle damit verbundene Kohlensäure wieder ab. Alle in dem venösen Blute vorhandenen Materien, welche Verwandtschaft zum Sauerstoff besitzen, verwandeln sich in der Lunge, ähnlich wie die Blutkörperchen, in höhere Sauer- stoffverbindungen, es entsteht eine gewisse Quantität Kohlen- säure, von der stets ein Theil in der Blutflüssigkeit gelös’t bleibt. Die Quantität der gelös’ten (oder der an Natron ge- bundenen) Kohlensäure muß in beiden Blutarten, da sie ei- nerlei Temperatur besitzen, gleich sein, allein das arterielle im Thierorganismus . Blut muß, sich selbst überlassen, nach kurzer Zeit eine grö- ßere Menge Kohlensäure enthalten, wie das venöse, weil der aufgenommene Sauerstoff zur Bildung von Kohlensäure verwendet wird. In dem Organismus des Thieres finden mithin zwei Oxydationsprocesse statt, der eine in der Lunge, der andere in den Capillargefäßen. Durch den erstern wird, trotz der starken Abkühlung und gesteigerten Verdunstung, die con- stante Temperatur der Lunge, durch den andern die constante Temperatur in den übrigen Körpertheilen hervorgebracht. Ein Mensch, welcher täglich 27,8 Loth Kohlenstoff in der Form von Kohlensäure ausathmet, verzehrt in 24 Stun- den 74 Loth Sauerstoff (64 Loth = 1 Kilogramm), welche den Raum von 807 Litres = 51648 hessische Kubikzoll (64 = 1 Litre) einnehmen. Rechnet man auf die Minute 18 Athemzüge, so haben wir in 24 Stunden 25920 Athemzüge und bei jedem Athem- zug werden demnach Kubikzoll Sauerstoff in das Blut aufgenommen. In einer Minute treten 18 × 1,99 = 35,8 Kubikzoll Sauerstoff zu den Bestandtheilen des Blutes, welche bei gewöhnlicher Temperatur etwas weniger wie 12 Gran (802,8 Milligramm) wiegen. Nehmen wir nun an, daß in einer Minute 10 Pfund Blut (5 Kilogramm) (Müller, Physiologie Bd I. S. 345) durch die Lunge gehen und diese den Raum von 320 Ku- Die Bewegungserscheinungen bikzoll einnehmen, so verbindet sich 1 Kubikzoll Sauerstoff sehr nahe mit 9 Kubikzoll Blut. Nach den Untersuchungen von Denis, Richardson, Nasse (Handwörterbuch der Physiologie Bd. I. S. 138) enthalten 10000 Blut 8 Theile Eisenoxyd. 76800 Gran (10 Pfd.) Blut enthalten demnach 61,54 Gran Eisen oxyd im arteriellen oder 55,14 Eisen oxydul im venösen Blut. Nehmen wir nun an, das Eisen in den Blutkörperchen des venösen Blutes sei als Eisenoxydul, das im arteriellen Blut als Eisenoxyd enthalten, so nehmen 55,14 Gran Ei- senoxydul bei ihrem Durchgang durch die Lunge in einer Minute 6,40 Gran Sauerstoff auf; da nun in dieser Zeit im Ganzen von 10 Pfund Blut 12 Gran Sauerstoff auf- genommen werden, so treten von diesen 12 Gran, 5,6 Gran an die anderen Bestandtheile des Blutes. 55,14 Gran Eisenoxydul verbinden sich nun mit 34,8 Gran Kohlensäure, welche den Raum von 73 Kubikzoll ein- nehmen. Es ist deshalb klar, daß die in dem Blute vor- handene Menge Eisen, als Eisenoxydul gedacht, hinreicht, um den Träger der doppelten Menge Kohlensäure abzuge- ben, welche überhaupt auf Kosten alles in der Lunge aufge- nommenen Sauerstoffs erzeugbar ist. Die eben entwickelte Hypothese stützt sich auf die bekann- ten Beobachtungen und zwar erklärt sie den Respirations- proceß, soweit er von den Blutkörperchen abhängig ist, voll- kommen, sie schließt die Meinung nicht aus, daß auch auf anderen Wegen Kohlensäure in die Lunge gelangen, daß gewisse im Thierorganismus . andere Bestandtheile des Bluts zur Bildung von Kohlensäure in der Lunge Veranlassung geben können; allein alles dies steht in keiner Beziehung zu dem vitalen Proceß, durch wel- chen in allen Theilchen des Körpers die zu seinem Bestehen nöthige Wärme erzeugt wird. Dies allein kann aber vor- läufig nur als ein würdiger Gegenstand der Untersuchung betrachtet werden; warum dunkelrothes Blut durch Salpeter, Kochsalz ꝛc. hellroth wird, ist eine nicht uninteressante Frage, die aber mit dem Athmungsproceß in keinem Zusammenhange steht. Die furchtbare Wirkung des Schwefelwasserstoffs, der Blausäure, welche beim Einathmen in wenigen Secunden allen Bewegungserscheinungen im Thierkörper eine Grenze setzen, erklären sich aus den bekannten Veränderungen, welche alle Eisenverbindungen bei Gegenwart von Alkalien, die im Blute nicht fehlen, durch diese Stoffe erleiden, auf eine un- gezwungene Weise. Denken wir uns, daß die Blutkörperchen ihre Fä- higkeit verlieren, Sauerstoff aufzunehmen, diesen Sauer- stoff wieder abzugeben und die gebildete Kohlensäure fort- zuführen, so wird ein solcher hypothetischer Krankheits- zustand augenblicklich an der Temperatur und den Bewe- gungserscheinungen im Thierkörper erkennbar sein. Es wird nämlich kein Stoffwechsel stattfinden, ohne daß damit die Bewegungen selbst eine unmittelbare Grenze finden. Die Leiter der Kraft werden den Eingeweiden, dem Her- zen, nach wie vor, die zu ihren Functionen nöthige Kraft Die Bewegungserscheinungen im Thierorganismus . zuführen, sie werden sie von dem Muskularsystem erhalten, ohne aber daß aus diesen ein Bestandtheil austritt; Galle- und Harnsecretion können nicht stattfinden; die Temperatur des Körpers muß abnehmen. Dem Ernährungsproceß wird durch diesen Zustand eine Grenze gesetzt und in kürzerer oder längerer Zeit muß der Tod eintreten, ohne, was hier das Wichtigste ist, von Fie- bererscheinungen begleitet zu sein. Dieses Beispiel soll dazu dienen, um Veranlassung zu einer Untersuchung des Bluts in Krankheitszuständen ähn- licher Art, zu geben, denn es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Rolle, welche den Blutkörper- chen zugeschrieben worden ist, als vollkommen ausgemittelt und aufgeklärt betrachtet werden kann, wenn sich in solchen Zuständen eine Abweichung in der Form, Beschaffenheit und dem Verhalten der Blutkörperchen ergiebt, die durch geeig- nete Reagentien erkennbar sein muß. Wenn die Kraft, welche die Lebenserscheinungen bedingt, als eine Eigenschaft gewisser Materien angesehen wird, so führt diese Vorstellung von selbst auf eine neue und schär- fere Betrachtungsweise gewisser räthselhafter Erscheinungen, welche die nämlichen Substanzen in Zuständen darbieten, wo sie keine Bestandtheile belebter Organismen mehr ausmachen. Analytische Belege zu dem chemischen Proceß der Respiration und Ernährung so wie zu dem chemischen Proceß der Umsetzung der Gebilde . Die Noten correspondiren mit den in den Abschnitten im Texte aufgeführten Nummern. Alle mit * bezeichneten Zahlenresultate der Analysen sind in dem chemischen Laboratorium in Gießen ausgeführt. Anhang . Seite 1. Einleitung zu den Analysen. Erklärung der Formeln . Die frühere Darstellung der Verschiedenheit in der Zu- sammensetzung der Stoffe, die Angabe des Gehaltes in ih- ren Bestandtheilen nach Procenten, ist von den Chemikern längst verlassen, weil sie keine Einsicht in die Beziehungen gestattet, welche zwischen zwei und mehr Verbindungen statt- finden. Um hiervon einige Beispiele zu geben, soll die Zu- sammensetzung der Essigsäure und des Aldehyds, des Bitter- mandelöls und der Benzoesäure hier erwähnt werden. Aldehyd verwandelt sich nun in Essigsäure, Bitterman- delöl in Benzoesäure durch Aufnahme von Sauerstoff, ohne daß sich an ihren Elementen sonst irgend etwas ändert. In den bloßen Zahlenverhältnissen läßt sich diese Beziehung nicht erkennen, drücken wir aber die Zusammensetzung beider in einer Formel aus, so fällt der Zusammenhang zwischen die- Analytische Belege . sen Materien auch demjenigen in die Augen, welcher von der Chemie nichts weiß, als daß der Buchstabe C ein Aequiva- lent Kohlenstoff, H 1 Aeq. Wasserstoff, N 1 Aeq. Stickstoff und O 1 Aeq. Sauerstoff bedeutet. Diese Formeln sind genaue Ausdrücke der Analysen, die, man kann es sich so denken, sich auf eine unveränderliche Kohlenstoffquantität beziehen; sie zeigen, daß Essigsäure und Aldehyd, Benzoesäure und Bittermandelöl nur in dem Sauer- stoffgehalt von einander abweichen, daß sie von den übrigen Elementen einerlei Verhältnisse enthalten. Das Verständniß der folgenden Formeln ist nicht minder einfach. Die erste Formel ist eine sogenannte empirische Formel, in der man wohl das relative Verhältniß der Elemente ge- nau kennt, aber nicht die Ordnung, in welcher sie zusam- mengetreten sind. Die zweite Formel drückt aus, daß 6 At. Cyan oder 6 At. Stickstoff und 6 At. Kohlenstoff zu ei- nem zusammengesetzten Atom sich vereinigt haben, das mit 3 At. Sauerstoff und 3 At. Wasser Cyanursäurehydrat ge- bildet hat; die letzte drückt aus die Art und Weise der Ord- nung der Atome in dem Cyansäurehydrat, dreimal genom- Analytische Belege . men; dieselbe Anzahl von Elementen, wie in der Cyanur- säure ist zu 3 Atomen Cyansäurehydrat zusammengetreten. Wie man verfährt, um die procentische Zusammensetzung ei- nes Körpers in einer Formel auszudrücken, gehört nicht hier- her; es soll nur erwähnt werden, wie man verfahren muß, um aus einer jeden Formel rückwärts die procentische Zu- sammensetzung zu finden. Für diesen Zweck muß man be- achten, daß der Buchstabe C in einer chemischen Formel ein Gewicht von 76,437 Kohlenstoff (nach den neuesten Bestim- mungen 75,8 oder 75, eine Abweichung, welche auf die angeführten Formeln, da sie alle nach der Zahl 76,437 be- rechnet sind, ohne den geringsten Einfluß ist) bedeutet, der Buchstabe H ein Gewicht von 6,239 Wasserstoff, der Buch- stabe N = 88,52 Stickstoff, und zuletzt der Buchstabe O , ein Gewicht von 100 Sauerstoff. Die Formel des Proteins C 48 N 12 H 72 O 14 drückt also aus: 48 mal 76,437 = 3668,88 Kohlenstoff 12 » 88,52 = 1062,24 Stickstoff 72 » 6,239 = 449,26 Wasserstoff 14 » 100,00 = 1400,00 Sauerstoff in Summa das Gewicht von 6580,38 Protein. in 100 Theilen In 6580,38 Theilen Protein sind enthalten 3668,88 Kohlenstoff 55,742 In 6580,38 » » » » 1062,24 Stickstoff 16,143 In 6580,38 » » » » 449,26 Wasserstoff 6,827 In 6580,38 » » » » 1400,00 Sauerstoff 21,288 100,000 Analytische Belege . Note 1. Seite 13. Sauerstoffverbrauch des erwachsenen Mannes . (Aus L. Gmelins Handbuch der theor. Chemie.) Note 2. Seite 14. Zusammensetzung des Bluts : (Siehe Note 29.) in 100 Theilen in 4,8 Pfd. = 36864 Gran Kohlenstoff 51,96 … 19154,5 Wasserstoff 7,25 … 2672,7 Stickstoff 15,07 … 5555,4 Sauerstoff 21,30 … 7852,0 Asche . . 4,42 … 1629,4 100,000 36864,0 Gran Gran 19154,5 Kohlenstoff bildet mit 50539,5 Sauerstoff Kohlensäure 2672,7 Wasserstoff » » 21415,8 » Wasser Summa = 71955,3 Sauerstoff Hiervon ab vorhandener Sauerstoff = 7852,0 bleiben 64103,3 Gran Sauerstoff, welche zur vollständigen Verbrennung von 4,8 Pfd. Blut erforderlich sind. Analytische Belege . In obiger Rechnung ist angenommen worden, daß 24 Pfd. Blut 4,8 Pfd. trocknen Rückstand (80 pCt. ) hinterlassen. Note 3. Seite 14. Bestimmung der Menge des ausgeathmeten Kohlenstoffs. Faeces : 2,356 trockene Faeces hinterließen 0,320 Asche (13,58 pCt. ). 0,352 Faeces gaben 0,576 Kohlensäure und 0,218 Wasser. Linsen : 0,566 bei 100° getrocknete Linsen gaben 0,910 Kohlensäure und 0,336 Wasser. Erbsen : 1,060 hinterließen 0,037 Asche 0,416 gaben 0,642 Kohlensäure und 0,241 Wasser. Kartoffeln : 0,443 trockene Kartoffeln gaben 0,704 Kohlensäure und 0,248 Wasser. Schwarzbrod : 0,302 trocknes Schwarzbrod gaben 0,496 Kohlensäure und 0,175 Wasser 0,241 » » » 0,393 » 0,142 » 19 Analytische Belege . Berechnung des von einem erwachsenen Menschen ausgeathmeten Kohlenstoffs . Fleisch . Das fettlose Muskelfleisch, zu 74 Wasser und 26 pCt. fester Substanz angenommen, enthält in 100 Thei- len 13,6 Kohlenstoff. Das gewöhnliche Fleisch enthält Mus- kelfleisch, Zellgewebe und Fett. Die beiden letzteren machen im Durchschnitt 1/7 vom Gewicht des im Fleischladen erkauf- ten Fleisches aus. Die Anzahl der verzehrten Lothe (64 Loth = 1 Kilogramm) beträgt 8896, welche bestehen aus: 7625 Loth fettloses Muskelfleisch enthalten Kohlenstoff 1037 Loth 1271 » Zellgewebe mit Fett » » 898 » in Summe Kohlenstoff 1935 Loth Analytische Belege . Mit den Knochen enthält das gekaufte Fleisch 29 pCt. feste Substanz, und 278 Pfd. Fleisch 28 Pfd. trockne Kno- chen, sie sind nicht in Rechnung genommen, obwohl sie beim Kochen 8—10 pCt. Leimsubstanz verlieren, welche mit als Nahrung genossen wird. Fett . Es sind verzehrt worden 112 Loth Fett, welche zu 80 pCt. Kohlenstoff in Summa 89,6 Loth Kohlenstoff enthalten. Kohlenstoffgehalt der verzehrten Linsen, Bohnen und Erbsen . Es sind verzehrt worden 107 Loth Linsen, 436 Loth Bohnen und 371 Loth Erbsen, im Ganzen 914 Loth; bei einem Gehalte von 37 pCt. Kohlenstoff sind verzehrt worden 338,2 Loth Kohlenstoff. Kartoffeln . 100 Theile frische Kartoffeln enthalten 12,2 Kohlenstoff; in den verzehrten 31752 Loth sind ent- halten 3873,7 Kohlenstoff. Brod . 855 Mann essen täglich 855 × 64 Loth, dazu noch 36 Pfd. Suppenbrod macht zusammen 55872 Loth. 100 Loth frisches Brod enthalten durchschnittlich 30,15 Loth Kohlenstoff, es sind mithin im Brod verzehrt worden 17543 Loth Kohlenstoff. 19* Analytische Belege . Im Ganzen sind verzehrt worden: im Fleisch . . . . . . . . 1935 Loth Kohlenstoff Fett . . . . . . . . . . 89,6 » » Bohnen, Erbsen, Linsen . . . . 338,2 » » Kartoffeln . . . . . . . . 3873,7 » » Brod . . . . . . . . . . 17543,0 » » von 855 Mann . . . . . . 23779,5 Loth Kohlenstoff von 1 Mann . . . . . . . 27,8 Loth Kohlenstoff Die Faeces eines Soldaten wiegen 11 Loth (5½ Unze); sie enthalten mit ihrem ganzen Wassergehalt 11 pCt. Koh- lenstoff; für 86 Kreuzer Gemüse, Weißkraut, Kohlrabi, Gelbe- rüben ꝛc. erhält man durchschnittlich 172 Pfd.; 25 Maas Sauerkraut wiegen 100 Pfd. Für 48½ Kreuzer Zwiebeln, Lauch, Sellerie erhält man auf dem Markte durchschnittlich 24¼ Pfd. Dem Gewicht nach haben 855 Mann Soldaten verzehrt: an grünem Gemüse . . . . 5604 Loth an Sauerkraut . . . . . 3200 » an Zwiebeln ꝛc. . . . . . 776 » 9580 Loth ein Mann täglich. … 11,2 Loth Der Kohlenstoffgehalt des verzehrten Gemüses ist gleich dem Kohlenstoffgehalt der Faeces angenommen. Wurst, Branntwein, Bier, überhaupt was im Wirthshaus verzehrt worden, nicht gerechnet. Analytische Belege . Die Zahlen, welche den vorhergehenden Berechnungen zu Grunde gelegt wurden, sind durchschnittlich dem Verbrauch von 855 Mann casernirter Soldaten entnommen, deren Spei- sen (Brod, Kartoffeln, Fleisch, Linsen, Erbsen, Bohnen ꝛc.) während eines Monats bis auf Pfeffer, Salz und Butter, mit der größten Genauigkeit gewogen und jedes einzelne der Elementaranalyse unterworfen worden war (siehe Tabelle). Eine Ausnahme hiervon machten drei Gardisten, welche außer dem vorschriftsmäßigen Brodquantum (2 Pfd. täglich) in je- der Löhnungsperiode ½ Laib = 2½ Pfd. mehr bekamen und ein Tambour, der ½ Laib übrig behielt. Nach einem an- nähernden Ueberschlage des Feldwebels verzehrt jeder Soldat täglich durchschnittlich 6 Loth Wurst, 1½ Loth Butter, ½ Schoppen (¼ Litr.) Bier und 1/10 Schoppen Branntwein, deren Kohlenstoffgehalt mehr als das Doppelte beträgt, von dem Kohlenstoffgehalt der Faeces und des Urins zusammen- genommen. Die Faeces betragen bei einem Soldaten durch- schnittlich 11 Loth, sie enthalten 75 pCt. Wasser und der trockne Rückstand 45,24 pCt. Kohlenstoff und 13,15 pCt. Asche. 100 Theile frische Faeces enthalten hiernach 11,31 Kohlenstoff, sehr nahe so viel als ein gleiches Gewicht frisches Fleisch. In obiger Rechnung ist der Kohlenstoff der Faeces und der des Urins gleichgesetzt worden dem Kohlen- stoffgehalt der frischen Gemüse und der anderen Speisen, welche im Wirthshause verzehrt wurden. Analytische Belege . Großherzogl . Uebersicht der im Monate November 1840 für die Analytische Belege . Leib-Compagnie . Menage obiger Compagnie verbrauchten Victualien . Analytische Belege . Note 4. Seite 15. Nahrungsmittel eines Pferdes , in 24 Stunden verzehrt. Producte eines Pferdes in 24 Stunden Ann. de Chim. et de phys. T. LXX. p. 136. . Analytische Belege . Nahrungsmittel einer Kuh , in 24 Stunden verzehrt. Producte einer Kuh in 24 Stunden Ann. de Chim. et de phys. T. LXX. p. 136. Analytische Belege . Note 5. Seite 20. Temperatur und Bewegung des Bluts . Die Wärme des Menschen beträgt in den inneren Thei- len, welche zunächst zugänglich sind, wie Mund, Mastdarm 29,20 — 29,60° R. = 36,50 — 37° C. Die Wärme des Blutes ( Magendie ) 30,5 — 31° R. = 38,1 — 38,7° C. Als mittlere Temperatur ist p. 20. 37,5° C. angenommen. Analytische Belege . Note 6. Seite 37. Die Gefangenen in dem Arresthaus in Gießen erhalten täglich 1½ Pfd. Brod (48 Loth), welche 14½ Loth Koh- lenstoff enthalten. Sie erhalten ferner 1 Pfd. Suppe und in je zwei Tagen 1 Pfd. Kartoffeln. 1½ Pfund Brod enthalten 14,5 Loth Kohlenstoff 1 » Suppe » 1,5 » » ½ » Kartoffeln » 2,00 » » 17,00 Loth Kohlenstoff Note 7. Seite 43. Zusammensetzung des Blut-Fibrins und -Albumins †). Die weiteren Analysen des Thier-Albumins und Fibrins siehe in der Note 28 S. 319, so wie auch die Analysen der Organe oder ihrer Theile. Annal. der Chemie u. Pharm. Bd. XXVIII. S. 74 u. Bd. XL. S. 33 u. 36. Analytische Belege . Note 8. Seite 49. Zusammensetzung des Pflanzen-Fibrins, -Albu- mins, -Caseins und -Leims . Pflanzenfibrin Pflanzenalbumin †) Ann. der Chem. u. Pharm. Bd. XL. S. 66. u. Bd. XXXIX. S. 291. Analytische Belege . Pflanzencasein †) Ann. der Chem. u. Pharm. Bd. XXXIX. S. 291 und Bd. XL. S. 8 u. 67. Pflanzenleim Analytische Belege . Note 9. Seite 53. Zusammensetzung des Thier-Caseins . Mulder ††) Kohlenstoff . . . . . 54,96 Wasserstoff . . . . . 7,15 Stickstoff . . . . . . 15,80 Sauerstoff . . . . . 21,73 Schwefel . . . . . . 0,36 Die Analyse des Pflanzencaseins siehe in der vorhergehenden Note. Note 10. Seite 66. Gehalt der festen Excremente an in Alkohol löslichen Bestandtheilen (Will *) . 18,3 Grm. bei 100° getrocknete Pferdexcremente verloren durch Behandlung mit Alkohol 0,995 am Gewichte, der trockne Rückstand besaß die Beschaffenheit von ausgekochten Sägespänen. 14,98 Grm. trockner Kuhexcremente verloren durch die nämliche Behandlung 0,625 Grm. Analytische Belege . Note 11. S. 72. Zusammensetzung des Amylons †). Die in den Analysen von Strecker und Ortigosa verwendete Stärke wurde in dem Laboratorium zu Gießen aus den Samen, Knol- len und Früchten dargestellt. Analytische Belege . Note 12. Seite 72. Zusammensetzung des Trauben- (Stärke-) zuckers . Note 13. Seite 73. Zusammensetzung des Milchzuckers . Note 14. Seite 74. Zusammensetzung des Gummis . Analytische Belege . Note 15. Seite 76 Analyse des Hafers nach Boussingault †). 100 Theile Hafer enthalten trockne Substanz 84,9 Wasser 17,1 100,0 100 Theile trockner Hafer = 117,7 lufttrocknem enthalten: Kohlenstoff . . . . . 50,7 Wasserstoff . . . . . 6,4 Sauerstoff . . . . . 36,7 Stickstoff . . . . . 2,2 Asche . . . . . . . 4,0 100,0 17,7 Wasser lufttrockner Hafer 117,7 in 100 Theilen 1,867 Stickstoff. Ann. de Chim. et de Phys. T. LXXI. p. 130. Analyse des Heu’s †). 100 Theile Heu enthalten lufttrocken 86 trockne Substanz 14 Wasser 100 100 Th. bei 100° getrocknetes Heu = 116,2 lufttrocknes Heu enthalten: Kohlenstoff . . . 45,8 Wasserstoff . . . 5,0 Sauerstoff . . . 38,7 Stickstoff . . . 1,5 Asche . . . . . 9,0 100,0 Hierzu . . . . 16,2 Wasser 116,2 lufttrocknes Heu. 20 Analytische Belege . 100,0 lufttrocknes Heu enthalten 1,29 Stickstoff 480 Loth Heu lufttrocken = 15 Pfund enthalten 6,19 Loth Stickstoff 144 » Hafer » = 4½ » » 2,68 » » Zusammen . . 8,87 Loth Stickstoff. Ann. de Chim. et de Phys. T. LXXI. p. 129. Note 16. Seite 78. Kohlenstoffgehalt des Fleisches und Amylons . 100 Loth Amylon enthalten 44 Loth Kohlenstoff, 128 Loth (4 Pfund) enthalten 56,32 Loth Kohlenstoff. 100 Loth frisches Fleisch enthalten 13,6 Loth Kohlenstoff (siehe Note 3) 480 » » » (15 Pfund) mithin 55,28 Loth. Note 17. Seite 85. Note 18. Seite 85. Die Zusammensetzung des Gummis und der Stärke siehe Note 14 u. 11. Analytische Belege . Note 19. Seite 86. Zusammensetzung des Cholsterins . Note 20. Seite 88. Die Entstehung des Wachses aus Zucker Aus Ferdinand Wilhelm Gundlach’s Naturgeschichte der Bienen, S. 15. ff. Cassel 1842 bei Bohne. — Wir kennen keinen schöneren und überzeugenderen Beweis der Fettbildung aus Zucker, als den folgenden, aus der Beobachtung entnommenen, Proceß der Wachs- bildung bei den Bienen. . Sobald die Bienen ihren Magen oder die sogenannte Honigblase mit Honig angefüllt haben, und diesen nicht ab- legen können, geht derselbe in Menge nach und nach in den Darmkanal, wird hier verdauet, der größte Theil davon als Excremente ausgeschieden und der andere in die Säfte der Bienen übergeführt. Durch diesen großen Zufluß von Säften bildet sich ein Fett, welches auf den vorn erwähn- ten acht Fleckchen, die sich an den untern 4 Schuppen der Bauchringel befinden, als eine flüssige Masse hervorquillt und bald als Wachsblättchen erhärtet; während, wenn die 20* Analytische Belege . Biene den Honig ablegen kann, nur so viel in den Darm- kanal übergeht, als zur Ernährung derselben nöthig ist. Die Honigblase der Bienen braucht kaum 40 Stunden mit Honig angefüllt zu sein, um auf den 8 Fleckchen, 8 Wachs- blättchen vollkommen zur Reife zu bringen, so daß diese ab- fallen. Ich machte den Versuch und gab Bienen, die ich am Ende des Monats September mit ihrer Königin in ein Käst- chen setzte, statt Honig aufgelös’ten Candiszucker. Es bilde- ten sich auch davon Wachsblättchen; aber sie wollten nicht recht abspringen, sondern die weiter ausquellende Masse blieb an den oberen Wachsblättchen bei den meisten Bienen hängen, so daß die Blättchen so dick wurden, als es sonst viere zu- sammen sind. Die Schuppen der Bienen wurden dadurch ganz in die Höhe gehoben, und die Blättchen ragten hervor. Beim Nachsehen fand ich, daß diese dicken Blättchen, welche unter der Lupe mehrere Lamellen zeigten, nach dem Kopfe der Biene hin von oben nach unten, und nach der Schwanz- spitze hin von unten nach oben eine schiefe Fläche hatten. Es war also das sich zuerst gebildete Blättchen durch das nächstfolgende, und weil da, wo die Schuppen an der Fu- genhaut festsitzen, kein Raum für 2 Blättchen vorhanden ist, etwas abgeschoben worden, und so war es denn auch mit dem dritten Blättchen gegangen, wodurch die schiefen Flä- chen an den Seiten der Blättchen nach vorn und hinten ent- standen waren. Ich habe hieraus recht deutlich ersehen, daß die Wachsblättchen durch die nächstfolgend sich bildenden Blätt- chen abgeschoben werden. Der Zuckersaft war von den Bie- Analytische Belege . nen auch in Wachs zersetzt worden; allein es scheint doch, daß die Bildung irgend eine Unvollkommenheit erlitten hatte, indem die reifen Wachsblättchen sich nicht ablös’ten, sondern an den nächstfolgenden hängen blieben. Zum Wachsaus- schwitzen bedürfen die Bienen keines Blumenstaubes, sondern nur Honig. Ich habe schon im October Bienen in ein lee- res Kästchen gebracht und ihnen Honig untergesetzt, und sie bauten bald Waben, obschon das Wetter so war, daß sie gar nicht fliegen konnten. Ich kann deßhalb gar nicht glau- ben, daß der Blumenstaub eine Nahrung für die Bienen ab- gebe, sondern ich glaube, daß sie ihn nur verschlucken, um mit Honig und Wasser vermischt, den Nahrungssaft für die Maden daraus zu bereiten. Die Bienen verhungern auch oft noch im April, wenn ihr Honigvorrath aufgezehrt ist, und sie Blumenstaub in Menge, aber keinen Honig eintra- gen können. Sie reißen in der Noth die Nymphen aus den Zellen und zernagen diese, um durch den süßen Saft, den sie in diesen finden, sich das Leben zu fristen. Werden sie aber in dieser Lage nicht gefüttert, oder tritt nicht alsbald Nahrung auf dem Felde ein, so sterben sie in wenigen Ta- gen. Wäre nun aber der Blumenstaub eine wirkliche Nah- rung für die Bienen, so müßten sie doch wohl von diesem, mit Wasser vermischt, sich ihr Leben fristen können. Die Bienen bauen nie Waben, wenn sie nicht eine Kö- nigin haben, oder nicht mit Brut versehen sind, aus wel- cher sie sich eine Königin erziehen können. Sperrt man aber Bienen ohne Königin in ein Kästchen und füttert sie mit Analytische Belege . Honig, so sieht man, daß sie nach 48 Stunden Wachsblätt- chen auf den Schuppen haben, und daß deren auch schon einige abgefallen sind. Das Wabenbauen ist also etwas Will- kürliches und an gewisse Bedingungen geknüpft; das Wachs- ausschwitzen aber etwas Unwillkürliches. Man sollte glauben, daß eine große Menge dieser Wachs- blättchen verloren gingen, da sie ja den Bienen eben so gut außer dem Stocke als in demselben abfallen könnten; allein der Schöpfer hat weise dafür gesorgt, daß solche nicht ver- loren gehen. Stellt man den Bienen, welche im Bauen be- griffen sind, Honig in einem flachen Gefäße unter und be- deckt diesen, damit die Bienen nicht in den Honig einsinken, mit einem durchlöcherten Papier, so sieht man am andern Morgen, daß der Honig aufgetragen ist, und daß auf dem Papier eine große Menge Wachsblättchen liegen. Man sollte wohl glauben, daß die Bienen, welche den Honig aufgetra- gen haben, diese Blättchen hätten fallen lassen; allein es ist nicht so. Legt man über das Honiggefäß zwei dünne Stäb- chen und auf diese ein Brett, welches das Gefäß von allen Seiten überragt, so also, daß die Bienen unter dem Brette durchkriechen und den Honig holen können, aber nichts von oben aus dem Stocke auf den Honig fallen kann, so findet man am andern Morgen den Honig aufgetragen, aber keine Wachsblättchen auf dem Papier liegen; wohl aber liegen deren auf dem das Gefäß überragenden Brettchen. Die Bie- nen, welche den Honig holen, lassen also keine Blättchen fallen, sondern es thun dieses nur die Bienen, welche oben Analytische Belege . im Stocke hängen. Wiederholte Versuche dieser Art haben mich überzeugt, daß die Bienen, sobald ihre Wachsblättchen zum Abfallen reif sind, sich in den Stock zurückziehen und der Ruhe pflegen, eben so wie die Raupen es thun, wenn sie sich häuten wollen. Bei einem Schwarme, der stark baut, sieht man Tausende von Bienen, welche ganz unthätig oben im Stocke hängen; es sind dies lauter Bienen, deren Wachs- blättchen zum Abfallen reif sind; haben sie sich abgelöset, so erwacht wieder die Thätigkeit der Biene, und ihre Stelle wird nun von einer andern zu gleichem Zwecke eingenommen. Seite 28. derselben Schrift. Um zu ermitteln, wie viel Ho- nig die Bienen zur Erzeugung des Wachses nöthig haben, und wie oft, bei einem im Bauen begriffenen Schwarme, die Wachsblättchen ihre Reife erhalten und abfallen, machte ich folgenden, wie ich glaube, nicht uninteressanten Versuch. Am 29sten August d. J., zu einer Zeit, wo hier kein Ho- nig mehr für die Bienen auf dem Felde zu finden war, trieb ich einen kleinen Bienenstock ab, that die Bienen in einen kleinen, aus Holz angefertigten, Bienenkasten, suchte aber vorher die Königin aus und sperrte diese in eine mit Draht- gitter versehene Büchse, welche ich in das Stopfenloch des Bienenkastens einfügte, damit keine Brut in die Zellen kom- men konnte, und stellte sodann, um die Bienen genau beob- achten zu können, dieses Stöckchen in ein Fenster auf mei- nen Boden. Des Nachmittags um 6 Uhr gab ich den Bie- nen 12 Loth aus zugespundeten Zellen ausgelaufenen Honig, der also ganz die Consistenz des fertigen Honigs hatte. Die- Analytische Belege . ser war am andern Morgen von den Bienen aufgeleckt. Am 30sten August des Abends gab ich den Bienen wieder 12 Loth, der am andern Morgen ebenfalls aufgeleckt war; es lagen aber auch schon einige Wachsblättchen auf dem durch- löcherten Papiere, womit ich den Honig bedeckt hatte. Am 31sten August und 1sten September erhielten die Bienen des Abends 20 Loth und am 3ten September des Abends 14 Loth; in Summa also 1 Pfund 26 Loth Honig, der aus Zellen, welche die Bienen schon zugespundet hatten, kalt aus- gelaufen war. Am 5ten September betäubte ich die Bienen, indem ich sie durch Bovist herabfallen ließ. Ich zählte solche, und fand 2765 Bienen; sie wogen 20 Loth. Nun wog ich das Kästchen, dessen darin befindliche Waben sehr mit Honig angefüllt, jedoch die Zellen noch nicht bedeckelt waren, be- merkte mir das Gewicht und ließ nun von einem starken Stocke den Honig auftragen, was in ein Paar Stunden ge- schehen war. Ich wog jetzt das Kästchen wieder und fand, daß es 24 Loth leichter geworden war; folglich hatten die Bienen 24 Loth Honig von dem ihnen gegebenen 1 Pfund 26 Loth noch im Stocke gehabt. Nun brach ich die kleinen Waben aus und fand, daß sie 1¼ Loth wogen. Ich ließ die Bienen in einem andern Kästchen erwachen, welches mit leeren Waben versehen war, und fütterte sie mit ganz ähn- lichem Honig. In den ersten paar Tagen verloren sie täg- lich über 2 Loth an Gewicht, nachher aber jeden Tag 1 Loth, was daher kam, daß der Darmkanal der Bienen in Folge der Verdauung des vielen Honigs voll von Excrementen Analytische Belege . war, denn 1170 Bienen wiegen im Herbste, wenn sie noch nicht lange eingesessen haben, 8 Loth; mithin müßten 2765 Bienen etwa 18 Loth wiegen. Sie wogen aber 20 Loth und hatten deßhalb 2 Loth Excremente bei sich, denn ihre Honigblasen waren leer. Des Nachts verminderte sich das Gewicht des Stöckchens gar nicht, weil der wenige Honig, den die Bienen im Stöckchen hatten, und weil derselbe schon die nöthige Consistenz erlangt hatte, keinen merkbaren Ver- lust des Gewichts durch das Verdunsten erlitt und die Bie- nen keine Excremente von sich geben konnten; daher geschah die Verminderung des Gewichts nur jedesmal von des Mor- gens bis zum Abend. Hatten nun die Bienen in den 7 Ta- gen 7 Loth Honig zur Ernährung ihres Körpers bedurft, so hatten sie zur Bildung von 1¼ Loth Wachs 27 Loth Ho- nig verbraucht, und mithin sind zur Bildung eines Pfundes Wachses an 20 Pfund Honig nöthig. Daher kommt es auch, daß die stärksten Schwärme bei der ergiebigsten Honigerndte, wo andere Stöcke, die nicht zu bauen brauchen, oft in einem Tage 3—4 Pfunde zunehmen, fast gar nicht schwerer wer- den, obschon ihre Thätigkeit ohne Grenzen ist; es wird al- les Gewonnene zu Wachs verwendet. Es ist dieses ein Wink für die Bienenhalter, den Wachsbau einzuschränken. Cnauf empfahl dieses schon, obgleich ihm das eigentliche Verhältniß unbekannt war. Von einem Loth Wachs können die Bienen so viel Zellen bauen, daß sie darin 1 Pfund Ho- nig aufbewahren können. 100 Wachsblättchen wiegen 0,024 Gramm, folglich ge- Analytische Belege . hen auf ein Kilogramm 4,166,666 Wachsblättchen, 50 Ki- logramm sind gleich 106 Pfund Cöllnisch Gewicht, 1 Pfund gleich 32 Loth. Es gehen daher auf 1¼ Loth 81,367 Wachsblättchen. Diese waren von 2765 Bienen in 6 Ta- gen ausgeschwitzt worden; es kommen daher auf jede Biene in 24 Stunden 5 Blättchen, und mithin bedarf die Biene zur Bildung ihrer 8 Blättchen etwa 38 Stunden; was auch mit meinen Beobachtungen sehr genau übereinstimmt. Die ausgeschwitzten Wachsblättchen sind vollkommen so weiß, als gut gebleichtes Wachs. Auch die Waben sind anfänglich ganz weiß, sie werden aber durch den Honig und besonders durch den Blumenstaub gelb gefärbt. Sowie es anfängt kalt zu werden, ziehen sich die Bienen in dem Stocke unter dem Honig zusammen und zehren nun von ihrem Vorrathe. S. 54. Viele glauben, die Bienen hätten einen Winterschlaf; allein dieses ist ganz falsch. Die Bienen sind den ganzen Winter über munter; es bleibt immer warm in ihrem Stocke, durch die Wärme, welche sie selbst entwickeln. Je mehr Bie- nen in einem Stocke sind, desto mehr Wärme wird entwickelt, und deßhalb können starke Stöcke der heftigsten Kälte trotzen. Ich hatte den Fall, daß ich vergessen hatte, einem Stocke, welchem ich im Juli zur Verminderung der Hitze ein durch- löchertes Blech auf das sehr weite Stopfenloch geheftet hatte, dieses im Herbste abzunehmen; und obschon der Winter un- gemein heftig war, und die Kälte mehrere Tage über — 18° betrug, kam dieser Stock doch sehr gut durch den Winter; ich hatte aber im Herbste zu diesem Stocke das Volk von Analytische Belege . 2 anderen Stöcken gethan! Wird die Kälte sehr heftig, so fan- gen die Bienen an zu brausen; dadurch wird der Respira- tionsproceß erhöht, und die Wärmeentwicklung vermehrt. Sperrt man im Sommer Bienen ohne Königin in einen Glaskasten, so werden diese unruhig und fangen an zu brau- sen; dadurch entwickelt sich eine solche Hitze, daß die Glas- scheiben ganz heiß werden. Oeffnet man in diesem Falle nicht das Flugloch, oder sucht den Bienen mehr Luft zu verschaffen, und durch Wasser die Glasscheiben abzukühlen, so ersticken die Bienen bald. Zusammensetzung des Bienenwachses . Analytische Belege . Note 21. S. 106. Zusammensetzung der Cyanursäure, des Cyamelids und des Cyansäurehydrats, nach den Analysen von Wöhler und Liebig †) * Poggend. Annal. Bd. XX. S. 375 u. s. f. Note 22. Seite 106. Zusammensetzung des Aldehyds, Metaldehyds, Elaldehyds †) . Ann. der Pharm. Bd XIV. S. 142 u. Bd. XXVII. S. 319. Note 23. Seite 107. Zusammensetzung des Proteins Analytische Belege . Note 24. Seite 109. Zusammensetzung des Albumins aus dem Dotter und Weißen des Ei’s †) . Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. XL. S. 36 u. 67. Analytische Belege . Note 25. S. 113 Zusammensetzung der Milchsäure . C 6 H 10 O 5 Kohlenstoff . . . . . 44,90 Wasserstoff . . . . . 6,11 Sauerstoff . . . . . 48,99 Note 26. Seite 117. Gas aus dem Unterleib von Kühen, nach dem Genuß von zu vielem Klee durch Punctur erhalten: Note 27. Seite 120. Magendie fand in dem Magen und den Eingeweiden Hingerichteter: bei einem Individuum a ) welches eine Stunde, b ) bei einem zweiten Indivi- duum, welches 2 Stunden und c ) bei einem dritten Individuum, welches 4 Stunden vor der Hinrichtung eine leichte Mahlzeit zu sich genommen hatte, in 100 Volum-Theilen befanden sich: Analytische Belege . Note 28. S. 127. Zusammensetzung des Thieralbumins . Analytische Belege . Zusammensetzung des Thierfibrins . Ueber die Zusammensetzung des Thier-Caseins vergl. Note 9. Analytische Belege . Zusammensetzung der leimgebenden Gewebe . Zusammensetzung der Chondrin-gebenden Gewebe . 21 Analytische Belege . Zusammensetzung der mittleren Arterienhaut . Zusammensetzung der Horngebilde . Analytische Belege . Hiermit stimmt nahe die Zusammensetzung der die innere Schale des Hühnerei’s auskleidenden Haut; Zusammensetzung der Federn . Zusammensetzung des Augenschwarzes . 21* Analytische Belege . Note 29. S. 135. Nach den Analysen von Playfair und Boeckmann* gaben 0,452 trocknes Muskelfleisch 0,836 Kohlensäure 0,407 » » 0,279 Wasser 0,242 » » 0,450 Kohlensäure u. 0,164 Wasser 0,191 » » 0,360 » 0,130 » Blut 0,305 Substanz gaben 0,575 Kohlensäure u. 0,202 Wasser 0,214 » » 0,402 » 0,138 » 1,471 Blut hinterließen 0,065 Asche. Zieht man den Aschengehalt ab, so ist die Zusammensetzung des orga- nischen Theils des Analytische Belege . Dieser Zusammensetzung entspricht die Formel: C 48 . . . . . 54,62 H 78 . . . . . 7,24 N 12 . . . . . 15,81 O 15 . . . . . 22,33 Note 30. S. 137. Zusammensetzung der Choleinsäure †) . Annal. der Pharm. Bd. XXVII. S. 284 u. 293. Note 31. S. 137. Zusammensetzung des Taurins und der Choloidinsäure . Taurin †) . Annal. der Pharm. Bd. XXVII. S. 287 u. 292. Analytische Belege . Choloidinsäure †) . Ebendas. S. 289 u. S. 293. Ich habe zu den Untersuchungen von Demar ç ay Folgen- des zu bemerken: Der Stoff, den ich als Choleinsäure bezeichnet habe, ist die Galle selbst, getrennt von den anorganischen Bestand- theilen (Salze u. s. w.), die sie enthält; durch Bleiessig, bei Gegenwart von Ammoniak, treten alle ihre organischen Be- standtheile an Bleioxyd, indem sie sich damit zu einem un- löslichen, harzartigen Niederschlage verbinden; der mit dem Bleioxyd verbundene Körper enthält allen Kohlenstoff und Stickstoff der Galle. Was ich mit Choloidinsäure bezeichnet habe, ist die Substanz, welche man erhält, wenn die durch Alkohol von den darin unlöslichen Stoffen befreite Galle mit einem Uebermaße von Salzsäure im Sieden erhalten wird. Diese Substanz enthält allen Kohlenstoff und Wasser- stoff der Galle, bis auf diejenige Mengen dieser Elemente, welche in der Form von Taurin und Ammoniak ausgetreten sind. Die Cholinsäure enthält die Bestandtheile der Galle, von denen sich die Elemente des kohlensauren Ammoniaks getrennt haben. Analytische Belege . Diese drei Stoffe enthalten also die Producte der Me- tamorphose der ganzen Galle, ihre Formeln drücken die An- zahl der Elemente ihrer Bestandtheile aus. Keiner davon ist in der Form, in der wir ihn gewinnen, fertig gebildet in der Galle enthalten; ihre Elemente sind in einer andern Weise mit einander verbunden wie in der Galle, allein die Art, wie sie geordnet sind, hat auf die Festsetzung ihres re- lativen Verhältnisses durch die Analyse nicht den geringsten Einfluß. In der Formel selbst liegt demnach keine Hypo- these, sie ist ein reiner Ausdruck der Analyse. Aus wieviel verschiedenen Substanzen die Choleinsäure, Choloidinsäure u. s. w. auch bestehen mag, die relative Anzahl ihrer Ele- mente zusammengenommen wird durch die aufgefundene For- mel ausgedrückt. Die Untersuchung der Producte, welche aus der Galle durch die Einwirkung der Luft und chemischer Agentien her- vorgebracht werden, können für pathologische Zustände von Wichtigkeit werden, allein bis auf das allgemeine Verhalten der Galle ist die Kenntniß dieser Producte dem Physiologen völlig unnütz, es ist eine Last, die ihm das Voranschreiten erschwert. Von keinem einzigen der 38 oder 40 Stoffe, in die man die Galle zerlegt hat, läßt sich mit Gewißheit be- haupten, daß er fertig gebildet darin enthalten ist, von den meisten weiß man mit Bestimmtheit, daß sie Erzeugnisse der Materien sind, die man darauf einwirken ließ. Die Galle enthält Natron, allein sie ist eine Natronver- bindung der merkwürdigsten Art; wenn wir ihre in Alkohol Analytische Belege . löslichen organischen Bestandtheile an Bleioxyd binden und das Bleioxyd wieder davon scheiden, so haben wir einen Körper (Choleinsäure), der mit Natron zusammengebracht eine der Galle dem Geschmacke nach ähnliche Verbindung wieder bil- det, allein es ist keine Galle mehr; die Galle kann mit Pflanzen- säuren, ja mit verdünnten Mineralsäuren, vermischt werden, ohne Trübung, ohne einen Niederschlag zu bilden, während die ebenerwähnte Verbindung der Choleinsäure durch die schwäch- sten Säuren zersetzt und alle Choleinsäure wieder abgeschie- den wird. Die Galle ist demnach keineswegs als cholein- saures Natron zu betrachten. In welchem Zustande, kann man weiter fragen, ist das Cholsterin, die Margarin- und Talgsäure, die man darin nachweis’t, in der Galle enthalten? Das Cholsterin ist in Wasser nicht löslich, mit Alkalien nicht verseifbar, die Verbindungen der genannten, fetten Säuren mit Alkalien, wären sie wirklich als Seifen in der Galle enthalten, sie müßten durch Säuren mit der größten Leich- tigkeit abgeschieden werden. Allein es erfolgt durch verdünnte Säuren keine Abscheidung von Margarin- oder Talgsäure. Es ist möglich, daß in neuen und wiederholten Unter- suchungen Abweichungen in der procentischen Zusammense- tzung, von der in den analytischen Entwicklungen gegebenen sich herausstellen werden, allein auf die Formel selbst kann dies nur von geringem Einfluß sein; wenn das relative Ver- hältniß des Kohlenstoffs zum Stickstoff sich nicht ändert, so werden sich diese Abweichungen auf den Sauerstoff und Was- serstoffgehalt beschränken; man wird alsdann für die Ausein- Analytische Belege . andersetzungen in Formeln annehmen müssen, daß mehr Was- ser oder mehr Sauerstoff, oder weniger Wasser und weniger Sauerstoff an der Metamorphose der Gebilde Antheil neh- men, allein die Wahrheit der Entwicklungen selbst wird hierdurch nicht gefährdet. Note 32. Seite 137. Zusammensetzung der Cholinsäure †) Ebendaselbst Bd. XXVII. S. 295. Note 33. S. 139. Zusammensetzung der Hauptbestandtheile des Harns der Menschen und Thiere . Harnsäure . Analytische Belege . Alloxan †) . Product der Oxydation der Harnsäure. Annal. der Pharm. Bd. XXVI. S. 260. Harnstoff . Krystallisirte Hippursäure . Analytische Belege . Allantoin †) Ann. der Pharm. Bd. XXVI. S. 215. Harnoxyd †) Annal. der Pharm. Bd. XXVI. S. 344. Cysticoxyd †) Annal. der Pharm. Bd. XXVII. S. 200. Das Cystic-Oxyd ist durch seinen Schwefelgehalt ganz besonders ausgezeichnet vor allen anderen in der Harnblase vorkommenden Concretionen. Es läßt sich mit Bestimmtheit Analytische Belege . darthun, daß der Schwefel in diesem Körper weder im oxy- dirten Zustande noch in der Form einer Cyanverbindung ent- halten ist, und in dieser Beziehung ist die Bemerkung viel- leicht nicht ohne Interesse, daß 4 Atome Cystic-Oxyd die Elemente von Harnsäure, Benzoesäure, Schwefelwasserstoff und Wasser enthalten, lauter Substanzen, deren Erzeugbar- keit im Thierorganismus keinem Zweifel unterliegt. 1 At. Harnsäure . . . . C 10 N 8 H 8 O 6 1 » Benzoesäure . . . . C 14 H 10 O 3 8 » Schwefelwasserstoff . . H 16 S 8 7 » Wasser . . . . . . H 14 O 7 1 At. Cysticoxyd = C 24 N 8 H 48 O 16 S 8 =4(C 6 N 2 H 12 O 4 S 2 ) Ein vortreffliches Mittel, um bei Harnsteinen die Gegen- wart des Cysticoxyds darzuthun ist folgendes: Man lös’t den fraglichen Harnstein in starker Kalilauge auf und setzt einige Tropfen essigsaures Bleioxyd hinzu, nicht mehr als Bleioxyd in Auflösung erhalten werden kann. Beim Kochen dieser Mischung entsteht ein schwarzer Nieder- schlag von Schwefelblei, der ihr das Ansehen von Dinte giebt. Es entwickelt sich hierbei eine reichliche Menge Am- moniak; die alkalische Flüssigkeit enthält unter anderen Pro- ducten Oxalsäure. Analytische Belege . Note 34. Seite 139. Zusammensetzung der Oxalsäure, Oxalursäure und der Parabansäure Oxalsäure . Oxalursäure †) . Annal. der Pharm. Bd. XXVI. S. 289. Parabansäure †) . Ebendaselbst S. 286. Analytische Belege . Note 35. S 141. Zusammensetzung des gebratenen Fleisch’s . (1) 0,307 Substanz gaben 0,584 Kohlensäure und 0,206 Wasserstoff (2) 0,255 » » 0,485 » » 0,181 » (3) 0,179 » » 0,340 » » 0,125 » Note 36. S. 144. Die Formel C 27 H 42 N 9 O 10 giebt nämlich in 100 Theilen: C 27 . . . . . 50,07 H 42 . . . . . 6,35 N 9 . . . . . 19,32 O 10 . . . . . 24,26 Die Zusammensetzung des Leims s. Note 28. Note 37. S. 158. Zusammensetzung der Lithofellinsäure †) Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. XXXIX. S. 242. Bd. XLI. S. 154. Analytische Belege . Note 38. Seite 181. Zusammensetzung des Solanins aus Kartoffel- keimen †). Blanchet * Kohlenstoff . . . . 62,11 Wasserstoff . . . . 8,92 Stickstoff . . . . 1,64 Sauerstoff . . . . 27,33 Annal. der Pharm. Bd V. S. 150. Note 39. Seite 181. Zusammensetzung des Picrotoxins †) . Francis * Kohlenstoff . . . . 60,26 Wasserstoff . . . . 5,70 Stickstoff . . . . 1,30 Sauerstoff . . . . 32,74 In einer andern Analyse erhielt Francis 0,75 pCt. Stickstoff. Das zu den Analysen verwandte Picrotoxin war theilweise aus der Fabrik des Herrn Merck in Darmstadt, theils von Herrn Francis darge- stellt; es war vollkommen weiß und schön krystallisirt. — Regnault fand bekanntlich keinen Stickstoff in dem Picrotoxin. Note 40. Seite 181. Zusammensetzung des Chinins . Analytische Belege . Note 41. Seite 182. Zusammensetzung des Morphins †) . Annal. der Pharm. Bd. XXVI. S. 23. Note 42. Seite 182 Zusammensetzung des Caffeins, Theins und Guaranins †) . Annal. d. Pharm. Bd. I. S. 17, Bd. XXV. S. 63 u. Bd. XXVI. S. 95. Note 43. Seite 182. Zusammensetzung des Theobromins †) . Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. XLI. S. 125 Analytische Belege . Zusammensetzung des Asparagins †) . Annal. der Pharm. Bd. VII. S. 146. 22 Ueber Verwandlung der Ueber Verwandlung der Benzoesäure in Hippursäure Zu den Beweisen, welche Ure für die Umwandlung der Benzoesäure in Hippursäure im menschlichen Körper angegeben hat, sind durch Herrn Keller einige ganz entscheidende gekommen, die ich ihrer physiologischen Wichtigkeit wegen diesem Buche beigebe. Die Ver- suche des Herrn Keller sind in dem Laboratorium des Herrn Prof. Wöhler in Göttingen angestellt worden; sie setzen die Thatsache außer allen Zweifel, daß ein in der Nahrung genossener stickstofffreier Körper an dem Act der Umsetzung der thierischen Gebilde und an der Bildung eines Secretes durch seine Bestandtheile Antheil neh- men kann. Diese Thatsache verbreitet auf die Wirkung der meisten Arzneimittel ein unzweideutiges Licht, und wenn sich der Einfluß des Caffeins auf die Bildung des Harnstoffs oder der Harnsäure in einer ähnlichen Weise nachweisen läßt, so ist damit der Schlüssel zu der Wirkung des Chinins und der anderen organischen Basen ge- geben. J. L. . Von Wilhelm Keller aus Grosheim. (Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie.) Schon in der früheren Ausgabe von Berzelius’ Lehr- buch der Chemie (1831 Bd. IV. S. 376) hatte Herr Pro- fessor Wöhler die Vermuthung ausgesprochen, daß die Benzoesäure bei der Verdauung wahrscheinlich in Hippur- Benzoesäure in Hippursäure . säure umgewandelt werde. Diese Vermuthung gründete sich auf einen Versuch, den derselbe über den Uebergang der Benzoesäure in den Harn angestellt hatte. Er fand in dem Harne eines Hundes, der mit dem Futter ½ Drachme Ben- zoesäure gefressen hatte, eine in nadelförmigen Prismen kry- stallisirende Säure, die im Allgemeinen die Eigenschaften der Benzoesäure hatte und die er auch für solche hielt ( Tiede- mann’s Zeitschrift für Physiologie Bd. I. S. 142). In- dessen waren diese Krystalle offenbar Hippursäure, wie aus der Angabe, daß sie wie Salpeter ausgesehen und bei der Sublimation Kohle hinterlassen hätten, deutlich hervorgeht. Allein die Hippursäure war damals noch nicht entdeckt und es ist bekannt, daß sie bis 1829, wo sie zuerst von Liebig unterschieden wurde, allgemein mit der Benzoesäure verwech- selt worden ist. Die neuerlich publicirte Angabe von Ure Pharmac. Centralblatt No. 46, aus Prov. med. and. surg. Journ. 1841. , daß er in dem Harne eines Patienten, der Benzoesäure eingenommen hatte, wirklich Hippursäure gefunden habe, brachte dieses in physiologischer Hinsicht so wichtige Verhalten wieder in Er- innerung und gab zu den folgenden Versuchen Veranlassung, die ich auf den Vorschlag des Herrn Professors Wöhler an mir selbst angestellt habe. Seine Vermuthung ist dadurch unzweideutig bestätigt worden. Ich nahm Abends vor dem Schlafengehen mit Zucker- syrup 2 Gramme (ungefähr 32 Gran) reine Benzoesäure. Ueber Verwandlung der In der Nacht gerieth ich in Schweiß, was wohl eine Wir- kung dieser Säure sein mochte, da ich sonst nur sehr schwer in stärkere Transpiration komme. Eine andere Wirkung konnte ich nicht wahrnehmen, selbst als ich auch an den fol- genden Tagen dieselbe Dosis dreimal täglich zu mir nahm, wo auch nicht einmal der Schweiß wieder eintrat. Der am Morgen gelassene Harn reagirte ungewöhnlich stark sauer und zwar selbst noch, nachdem er abgedampft worden war und 12 Stunden lang gestanden hatte. Er setzte dabei nur das gewöhnliche Sediment von Erdsalzen ab. Als er aber mit Salzsäure vermischt und stehen gelassen wurde, bildeten sich darin lange, prismatische, braungefärbte Kry- stalle in großer Menge, die schon dem Ansehen nach nicht für Benzoesäure zu halten waren. Ein anderer Theil, der durch Abdampfen bis zur Syrupsdicke concentrirt war, ver- wandelte sich beim Vermischen mit Salzsäure in ein Magma von Krystallblättchen. Diese so erhaltene krystallinische Sub- stanz wurde ausgepreßt, in siedendem Wasser gelös’t, mit Thierkohle behandelt und umkrystallisirt. Sie wurde dadurch in farblosen, zolllangen Prismen erhalten. Diese Krystalle waren reine Hippursäure . Beim Er- hitzen schmolzen sie leicht, bei etwas stärkerer Hitze verkohlte sich die Masse unter Entwicklung eines Geruchs nach Bitter- mandelöl und unter Sublimation von Benzoesäure. Um jeden Zweifel zu beseitigen, bestimmte ich ihren Kohlenstoff- gehalt, 0,3 Grm. gaben 60,4 pCt. Kohlenstoff. Nach der Formel C 18 H 16 N 2 O 5 + aq. enthält die krystallisirte Hip- Benzoesäure in Hippursäure . pursäure 60,67 pCt. Kohlenstoff, die krystallisirte Benzoe- säure dagegen enthält 69,10 pCt. Kohlenstoff. So lange ich das Einnehmen der Benzoesäure fortsetzte, konnte ich aus dem Harne mit Leichtigkeit und in Menge Hippursäure darstellen, und da die Benzoesäure so ohne al- len Nachtheil für die Gesundheit zu sein scheint, so wäre es leicht, sich auf diese Weise größere Mengen von Hippur- säure zu verschaffen. Man könnte sich dazu eine Person halten, die Wochen lang diese Fabrication fortsetzen müßte. Es war wichtig, den Harn, welcher Hippursäure enthielt, auf seine beiden normalen Hauptbestandtheile, den Harnstoff und die Harnsäure, zu untersuchen. Sie waren beide darin enthalten, und, dem Anschein nach, in keiner andern Quan- tität, als im normalen Harn. Als der durch Abdampfen concentrirte Harn, aus dem durch Salzsäure die Hippursäure geschieden war, mit Sal- petersäure vermischt wurde, setzte er eine große Menge sal- petersauren Harnstoff ab. Schon vorher hatte er ein pulveriges Sediment fallen lassen, dessen Auflösung in Sal- petersäure bei dem Abdampfen auf Porzellan die bekannte, purpurrothe Reaction der Harnsäure gab. Diese Beobach- tung widerspricht der Angabe von Ure , und es ist daher wohl etwas zu voreilig, wenn er die Benzoesäure als Mit- tel gegen die aus Harnsäure bestehenden Gicht- und Harn-Con- cretionen empfiehlt; er scheint sich vorzustellen, daß die Harn- säure zur Umwandlung der Benzoesäure in Hippursäure ver- wendet werde. Da er seine Beobachtung an dem Harn ei- Ueber Verwandlung der Benzoesäure in Hippursäure . ner Arthritischen machte, so ist anzunehmen, daß dieser Harn auch ohne den innern Gebrauch der Benzoesäure keine Harn- säure enthalten haben würde. — Uebrigens ist es klar, daß die Hippursäure, da sie sich erst nach Zusatz einer Säure abscheidet, an eine Basis gebunden, im Harne ent- halten ist. Druckfehler . Seite 61 Zeite 5 v. o. anstatt venoͤsem setze arteriellem . 〃 65 〃 12 v. o. anstatt Pferd lese man Ochse .