Die Jaͤger . Ein laͤndliches Sittengemaͤlde in fuͤnf Aufzuͤgen von Wilhelm August Iffland . Auf dem hochfuͤrstlich Leiningischen Gesellschaftstheater zum erstenmal aufgefuͤhrt den 9. Maͤrz 1785. Berlin, 1785. bei George Jacob Decker. Dem guͤtigen vaterlaͤndischen Fuͤrsten Friedrich Karl zu Leiningen A 2 Im Gefuͤhl der waͤrmsten Hochachtung Dankbarkeit und Liebe gewidmet von dem Verfasser. Vorbericht an Schauspieler und Leser. E s ist mein Vorsaz, buͤrgerliche Verhaͤltnisse dramatisch zu behandeln. Ich machte auch dieses Stuͤck in der Absicht, und erwarte nun das Urtheil des Publikums. Der Herr Hofgerichtsassessor Schuͤßler, aus Hannover, hat durch einen guͤtig mitgetheilten Auszug aͤlterer Akten, mir einen Theil der Handlung gegeben. Ich bitte jeden, der in einem oͤffentlichen Amte den eignen Gang der Bege- benheiten, ihre sonderbare Entstehung und Ent- wickelung, die Verschiedenheit, die harten Ecken der Karaktere, zu beobachten Gelegenheit hat, mich mit Auszuͤgen von solchen Gerichtsverhand- lungen, wo Leidenschaft die Triebfeder von Gluͤck oder Ungluͤck war, zu beschenken. Mich duͤnkt, die Buͤhne sei dann dem Staate von wesentlichem Nuzzen, wenn sie zeigt, wie gute Menschen, durch Schwaͤchen und Vorur - theil sich das Leben verderben. Darstellung des richtigen Ganges buͤrgerlicher Bege- benheiten, Beruͤhrung der Punkte, wo sich die besten Menschen trennen, war mein Zweck; und ich wuͤnsche, daß Leser und Zuschauer mein Stuͤck mit gutmuͤthigem Gefuͤhle, mit dem Drange, etwas Nuͤzliches zu thun, verlassen moͤgen. Nach diesem Zweck, muß ich von solchen Leuten beurtheilt werden. — Binnen Jahr und Tag hoffe ich manchen Beitrag erhalten zu haben — wenn anders meine gegenwaͤrtige Arbeit nicht mißfaͤllt. Iffland . Personen: Oberfoͤrster Warberger zu Weissenberg Oberfoͤrsterin, dessen Frau Anton, ihr Sohn, Foͤrster zu Weissenberg Friderike, Nichte u. Pflege- tochter des Oberfoͤrsters Amtmann von Zeck zu Weis- senberg Kordelchen von Zeck, dessen Tochter Pastor Seebach zu Weissen- berg Der Schulz zu Weissenberg Matthes Rudolph Jaͤger bei dem Oberfoͤrster Barth, Gerichtsschreiber zu Leuthal Die Wirthin zu Leuthal Baͤrbel, ihre Tochter Reinhard, Kappe, Romann, Bauern von Leuthal. Jaͤgerbursche. Bauern. Herr Graf Heinrich Ernst von Westerburg. Frau Kammerrath Greuͤhm. Herr Erbprinz Emich Karl. Demoisell Gerauer. Herr Iffland. Dem. Maurer. Herr Kammerrath Greuͤhm. Herr von Haiden. Hr. Kammersekret. Stroͤver. Hr. von Fraiß, der juͤngere. Herr Advokat Weißgerber. Dem. Nebenius. Dem. Strack. Hr. Kammersekret. Maurer. Herr Sandherr. Herr Regierungssekretaͤr Lohbauer. Erster Aufzug . Erster Auftritt . Rudolph. Matthes. ( Rudolph , die Jagdtasche um, stellt sein Gewehr an die Seite, und geht in ein Seitenzimmer linker Hand. Darauf Matthes – gekleidet, frisirt, aber eine weisse Nachtmuͤze auf.) (traͤge, mit langsamen Gang, die Haͤnde in den Taschen.) R udolph — Rudolph! der Kerl ist taub. He Ru- dolph! — (inwendig.) Was giebts? Ich will Dir was sagen. (im Gewehrpuzen herauskommend.) Ich habe keine Zeit — der Alte ist graͤmlich, daß wir noch nicht fort sind. — Da — halt einmal, ich will — Eure Gewehre? Ich bin ein schlechter Kerl, wenn ich eins anruͤhre! Hoho! das wird Dir der Alte schon weisen. Mit dem Weisen hat es sich wohl. Meine Zeit ist um. — Heute Mittag trag ich die Amtslivree. A 4 Du? — Ziehst zum Amtmann? Ja. Hast Du doch nicht eher geruht, bis Du den ehrlichen alten Friz dort weggelogen hast? Was will der Alte nun anfangen? der muß betteln mit Weib und Kindern! Hm — Ist mir der junge Herr vom Amte doch recht nachgelaufen. Zum Amtmann? — zu dem? — — — Pfui! das sieht Dir aͤhnlich. Haͤngt das Maul, so tief Ihr wollt — Hier kann ich es nicht aushalten. Weil es hier arbeitsam, ehrlich und still zugeht? Sapperment! — mein Vater war hier Oberfoͤrster; in den Stuben hier bin ich groß gezogen — nun soll ich gemeiner Jaͤger bei Euch sein! Meint ihr — Haͤttest Du was gelernt — wer weiß — so wohntest Du wohl jezt hier. Nun, nun — es ist nicht aller Tage Abend — Ich kann noch — wer weiß? Was sein soll, schickt sich wohl. Aber was ich sagen wollte — — — Ich hoͤre ja, die Jungfer Base vom jungen Herrn Foͤrster, Mamsell Friederikchen, koͤmmt heute aus der Stadt wieder. Nun und wenn? Da wird es ein Aufhebens geben, wenn der Tugendspiegel wieder da ist. Sie ist zwar die Herz- allerliebste vom Herrn Foͤrster — aber — Ei laß mich ungeschoren. Schickst Dich brav zum Amtslakaien; kannst spioniren, laͤstern, saufen und Dir Geld in die Hand druͤcken lassen — Mir ists recht, daß es mit der Kammeradschaft ein Ende hat. — Ich habe zu thun — leb' Er wohl. — Hoͤr' Er — das muß ich Ihm noch sagen — nehm Er's krumm oder grade — ich halte nichts auf den Kerl, dem der schlichte gruͤne Rock, in Ehren, nicht lieber ist, als der beblechte Rock vom Amte, in Unehren. (ab in das Seitenzimmer.) (in die Thuͤr ihm nachrufend.) Empfehle mich, Herr Geheimerath! (im Umdrehen.) Dir brech ich auch noch einmal den Hals, Kanaille! Zweiter Auftritt . Matthes. Anton. (kurz.) Wo ist Rudolph? Da drinn. (Anton will hinein.) Mich lassen sie wieder zu Hause? Was soll man mit Euch? Man kann Euch ja zu nichts brauchen; Ihr versteht keine Faͤhrt. A 5 Schon Recht. — Herr Foͤrster! Was giebts? Heute zieh ich ab. Mir recht. Glaubs wohl! Ich ziehe aufs Amt. Hm — meintwegen. Empfehle mich zu geneigtem Andenken. (geht.) (ins Seitenzimmer abgehend.) Schon gut. Wart, gestrenger Herr Foͤrster — und Ober- foͤrster Adjunctus in Gedanken — ich will es Dir noch besser muͤnzen. (sieht in das Zimmer, indem er die Muͤze ab- nimmt.) — Herr Foͤrster — (mit einer Verbeugung, freundlich.) — Herr Foͤrster, noch auf ein Wort. Schleicht der Kerl den Leuten immer nach, wie ein Zollvisitator! Was soll werden? Koͤmmt denn das Wunderthier heute noch an? Was fuͤr ein Wunderthier? Die Stadtmamsell. Wen meint Ihr? Je nun — Ihre Jungfer Friedrike. (gibt ihm eine Ohrfeige.) Bursche, spreche er den Namen mit Respekt aus! (ohne die Manier geaͤndert zu haben.) Nun nun, nur sachte! Wuͤßten Sie, was ich weiß! — Sie haͤtten mir die Ohrfeige nicht gegeben. (Will fort.) (reißt ihn zuruͤck.) Was wißt Ihr? Von wem? was? Ich habe Ihre Ohrfeige — aber auch meine Nachricht, (geschwind.) und damit gehn Sie Ihrer Wege, ich meiner. Kerl, ich pruͤgle Euch, daß Ihr liegen bleibt, wenn Ihr nicht sprecht! Wenn ich nicht sprechen will, so thu ich es nicht, und wenn ich todt geschlagen wuͤrde. (kalt.) Und nun bleibe ich da und spreche nicht. Das will ich sehen. (sucht nach einem Stock, findet das Gewehr und reißt den Ladestock heraus.) Und wenn das ganze Haus wach wuͤrde — was wißt Ihr? — — Ich habe das Maͤdchen lieb; es ist meine Base; ich will sie heiraten. Was wißt Ihr? (packt ihn an der Brust.) Lahm pruͤgle ich Euch — was wißt ihr? (ohne von der Stelle geruͤckt zu seyn, haͤlt mit einer Hand die Hand des Foͤrsters, mit der andern den aufge- hobnen Ladestock.) Hoͤren Sie mich doch! Nichts, kein Wort — was wißt Ihr? Pruͤglen Sie mich hernach; aber hoͤren Sie mich erst! (laͤßt den Stock sinken.) Hurtig. Sie wollen mich pruͤglen — aber ich leide es nicht, ich sezze mich zur Wehre. — Sie pruͤglen mich — ich schlage Ihnen ins Gesicht — Sie treten mich mit Fuͤßen, ich jage Ihnen den Hirschfaͤnger durch den Leib. Dabei kommt nichts heraus. Ich brauchte Ihnen nichts zu sagen; weil Sie aber das Maͤdchen heiraten wollen, mag es drum sein! — Hier — sind zwei Stuͤck Papier. (darnach fassend.) Was sollen die? Geduld. Die fand ich auf dem Amte, vor der Stube des jungen Herrn, im Kehricht. Gebt her. Geduld — Das hier — ist ein Konzept — verstehen Sie mich — der rechte Brief an Jungfer Friedriken naͤmlich ist fortgeschickt. — Da. (liest; er zeigt Unruhe.) Hat Friedrike geant- wortet? (lacht.) Nun — sie ist ein Maͤdchen — Hat sie geantwortet? Nicht geantwortet, also eingewilligt und koͤmmt — Matthes — Er ist ihr in dem neuen Wagen mit den Fuͤchsen entgegen gefahren — Wenn sie geantwortet hat — Er ist so recht darnach angezogen. Den seegruͤnen Frack — offnes Haar — Matthes — ich weiß, Ihr koͤnnt mich nicht ausstehen, Ihr luͤgt oft — aber ich will es Euch vergeben, wenn Ihrs gesteht. Ihr habt meine Englischen Sporn gern haben wollen: Ihr sollt sie haben — gleich haben — wenn Ihr es mir sagt. (auf seine Schnallen sehend.) Hm — ich habe Schnallen. Da ist Geld. „Der Bube kann nichts verschenken,“ sagt der Herr Oberfoͤrster. (den Brief ansehend.) Schurke! — es ist Alles erlogen. Er reist ihr oben entgegen. Kerl! Nein! sie hat nicht eingewilligt! Sie sind aͤrgerlich. Ja, wer laͤßt sich auch gern betriegen! In Heirathssachen ist das so, so — Aber hohls dieser und iener! Sie muͤssen ihr auch was zu Gute halten — es ist ein junges, einfaͤltiges Ding. Kerl, Du bist ein Schurke und sie hat nicht eingewilligt. Sie hat. — Mit dem Schurken waͤhrt es uͤbrigens nur noch 3 Stunden — Schlag 9 Uhr kann ich darauf dienen. (ab.) Dritter Auftritt . Anton. Hernach Rudolph. Es ist nicht moͤglich — nein, warlich nicht. Matthes war immer ein schlechter Kerl — Die Hand? die Hand ist es freilich — daß er ihr immer nachschlich, ist auch wahr. Dazu bin ich schlichtweg — habe wenig. — Sie war in der Stadt, hat seitdem das praͤchtige Leben kennen gelernt — Der Kerl ist reich und — Maͤdchen, Maͤdchen! wenn Du mich betruͤgst — (mit Antons Gewehr.) Da. Der Garten ist nicht offen, wir muͤssen durchs Dorf gehen. — Pul- ver haben Sie, glaube ich, noch. (im Auf- und Niedergehen.) Genug. Aber keine Kugeln? — Da, hier sind welche. Her damit! Gut so. — Zwar — — — nein. Nimm die Kugeln wieder. — Hier. Gieb mir Schroot. Nr. 1? Nr. 3. Nr. 3? Und groß Wildpret? (reißt es ihm aus der Hand und ladet.) Her! Komm mir in den Weg, Spizbube! Komm mir in den Weg! — ich will Dir Antwort bringen, daß Dir Hoͤren und Sehen vergehen soll. Es liegt Ihnen was im Kopfe — mein' ich. (ladet fort.) Halts Maul. Leicht gerathen und bald gethan. Vorwiz plagt mich nicht — aber ich habe Ihrentwegen manches Ungewitter von dem alten Herrn auf mich genommen, werde es wohl auch ferner noch; darum denke ich — Rudolph — der Schuß hier — der ist fuͤr den Amtmannsbuben. Aber — Geh, wohin Du willst — schieß, was Du willst — ich geh auf die Straße nach Waldau. Komm! Nicht von der Stelle, bis ich weiß, was Sie gegen den Kerl haben. Der Junge, der Bube ! hat wieder an Friedriken geschrieben — einen Liebesbrief, eine Schandbestellung! „Liebes Friedrikchen! Sie werden nun dem Vor- „schlage meiner Eltern nachgedacht und fuͤr mich „entschieden haben. Meine Person duͤrfte leicht so „viel Intresse einfloͤßen, wie der abgeschmackte „Jaͤgersbursche, der bei allen Dirnen zu finden ist. „Koͤmmt hierauf keine Antwort: so sehe ich mei- „nen alten Vorschlag als von Ihnen eingewilligt „an, und reise Ihnen morgen fruͤh nach Wal- „dau heimlich entgegen. In jedem Fall wird die- „ses Rendezvous eine gluͤckliche Stunde gewaͤhren „Ihrem ewig treuen — Peter von Zeck.“ Und sie hat nicht geantwortet, und er reiset ihr jezt ent- gegen — und — und — — Lahm schieße ich den Hund, wo ich ihn finde! Wer gab Ihnen denn das? Matthes. Matthes? Nun ja, — O, sieh, es ist die Hand. Der Kerl ist ein Schurke. Aber der Bube reist ihr jezt entgegen, und die Hand ist es doch beim Teufel! Kann Alles sein. — Wissen Sie doch, wie Sie mit Friedriken stehen. Ei, was! Die Maͤdchen sind eitel und falsch. Sie schwoͤren und liebaͤugeln und winseln und puzzen sich, Jedem zu gefallen. Mag ein ehrlicher Kerl drauf gehen oder nicht, was kuͤmmert sie das? Pfui! Friedrike ist — Rudolph — Eine betruͤgt weniger; aber sie betruͤgen alle. Geh hin — schieß ihrem Liebhaber vor den Kopf — sie wird schmaͤlen. Aber, wirf ihr den Spiegel herunter, verbrenn ihren Puz; sie wird sich die Haare ausraufen. (haͤngt die Jagdtasche um.) Ich habe sie so lieb — Ach Rudolph, ich habe sie so lieb! Und werden sie brav finden. Wenn sie es nicht ist — sieh, des Lebens hier bin ich satt. Mein Vater behandelt mich wie einen Jungen — ich habe ausgehalten ihr zu Liebe. — Be- triegt sie mich — so gehe ich fort, werde Soldat — und giebts keinen Krieg, so mache ich einen dummen Streich. Dann jagen sie mir eine Kugel durch den Kopf, und es ist aus. Komm! — (will ab.) Vierter Auftritt . Vorige. Die Oberfoͤrsterinn, (mit einer Lampe.) J , schoͤnen guten Morgen, Anton — schoͤnen guten Morgen. Danke, liebe Mutter, danke. Ausgeschlafen, Anton? Ausgeschlafen? — Ihr geht heute wieder fruͤh aus. Das ist ein Leben! — Keine Ruh und keine Rast. B Je nun, was will das sagen? Adieu. Warte doch noch — warte. (Er geht nach der Thuͤr.) Ei, ich wills haben , Du sollst warten. (Anton kommt.) Ist das nicht ein Wetter! I, Du mein lieber Himmel! Wird schon hell werden. Adieu, Mutter! Es wird wahrhaftig zu spaͤt. Nur einen Augenblick. „Hell werden?“ — Rudolph, treibe, daß der Kaffee koͤmmt — (Rud. ab.) „Hell werden“ sagst Du? der Mond hatte gestern Abend einen Hof, Anton. Er war nicht so viel hell, als ein Speziesthaler groß ist; dann wird es all' mein Tage den andern Tag kein helles Wetter. Hier bringe ich den Kaffee schon, Madam. Gut, gut. Nun Anton — (schenkt ein.) Geschwind trink ein Schaͤlchen, Anton. Ich kann nicht. Ach Gott, es ist mir ohne- hin heiß genug. Was heiß? Es ist rauhes Wetter. Der Kaffee waͤrmt den ganzen Menschen — trink nur! (sie zwingt ihm eine Schale auf.) Hast Du auch die Brust gut verwahrt, Anton? (sie knoͤpft ihm, indeß er trinkt, die Weste bis an den Hals zu, die Flinte liegt ihm im Arme, er hat den Hut auf.) Ei, so laß doch die Knoͤpfe zu, Anton! Was das fuͤr eine alberne Mode ist! Da wird der Magen verkaͤltet, die Gesundheit nicht konservirt, und das junge Volk stirbt hin. Die Brust verwahrt, die Brust verwahrt! das war eine goldne Regel bei uns Alten! — nun trinkst Du noch eine. (mit dringender Eil.) Mutter, ich muß wahr- haftig fort. Nun so geh. Hoͤre — wenn Riekchen nur ein Paar Tage da ist; so soll sie Dir ein Leibchen naͤhen. Da, nimm das Tuch, halt den Hals huͤbsch warm — hoͤrst Du? Fuͤnfter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrster. Hernach Matthes. Noch hier? — Plagt Dich denn — Eben wollte ich — (will gehen.) Bleib! — Matthes! (kommt.) Seine Nachtmuͤze. (Matthes ab.) Wieder ins Bette. Ich will fort. Ich war schon auf dem Wege, aber die Mut- ter — Ich — — hatte ihm was zu sagen. Ich habe es ihm befohlen, er sollte dableiben. B 2 Das ist ein ander Ding. (zu Anton.) So mustest Du dableiben. (zu Matthes.) Geht Eurer Wege! (zur Oberfstn.) Faß Dich ein andermal kuͤrzer. Adieu, Vater. Aufgepaßt — nicht eingekehrt — Fix! um zehn Uhr wieder hier. Allons, marsch! (Ant. u. Rud. ab.) Ruf ihm doch nach, sag ihm, daß er von der Sau wegbleibt. Christian ist erst gestern geschlagen, und — Wenn Du sie anlaufen lassen willst: so kann er zu Hause bleiben. (mit gutmuͤthigem Auffahren.) Ei was! ich muß Dir meine Meinung einmal kurz weg sagen. Hahaha! das kannst Du nicht. Was? Was kann ich nicht? Kurz weg sprechen. Nun, so will ich gar kein Wort sprechen. (geht an den Kaffeetisch, schenkt ein und murmelt dazu.) Man moͤchte ersticken! Wenn Du beim Nachtwaͤchter anfaͤngst; so hoͤrst Du beim tuͤrkischen Kaiser auf. Aus dem ewigen Bellen und Laͤrmen koͤmmt nichts heraus. Der Junge ist so uͤbel nicht. Richtig. Darum soll er noch besser werden. Hm — ein Mensch ist kein Engel, und Anton — Nun — hat auch noch zu laufen bis dahin. Das verwuͤnschte Auffahren — das! Bilde Dir nicht ein, daß Du ihn lieber haͤt- test, als ich. Der Junge ist wild, wie der Teufel. Wenn ich gut waͤre, wie eine Schlafmuͤze; ich glaube, er steckte uns das Haus uͤber dem Kopf an. — He — — Matthes! Herr Oberfoͤrster? Mein Morgenbrod! (Matthes ab.) Hoͤre einmal — wie steht es denn mit Mam- sell Kordelchen vom Amte? Ist sie krank? Frag den Doktor. Nicht doch. Ich meine — hm — wunder- lich — ich meine — Was? Wenn mein Anton Mamsell Kordelchen heiratete. (Matthes bringt ein Glas Wasser und Brod, nebst einem Messer.) (mit bedeutend verdrießlichem Blick.) Darauf weiß ich Dir nicht zu antworten. — Matthes — ist dem Schulzen sein Bauholz angewiesen? Ja. B 3 Um welche Zeit? Gestern Abend um vier Uhr. Es ist gut. Ihr habt mich zeither oft be- logen; wenn dies wieder nicht wahr ist, so schicke ich Euch fort. Eure Zeit ist ohnedieß heute ganz um. Herr Oberfoͤrster — ich nehme es an und ziehe gleich ab. So? — Nun — — wenn Ihr wollt, ich kann schon wollen. — Da ist Euer Geld. Empfehle mich. (ab.) Gute Besserung. Ich bin froh, daß ich den Menschen los bin — es ist ein boͤser Bube. (die, als Matthes kam, wieder an ihren Kaffee- tisch gegangen war.) Gift und Galle muß man trinken! Was? Ich sage kein Wort, — kein Sterbenswort. Aber — aber — es druͤckt mir das Herz ab, wenn ich so sehen muß, daß — Es ist kein Auskommen mit der Frau. — Nun — ich will es einmal aushalten. Sprich — sag Alles, was Du weißt; aber Alles ! denn so bald kriegst Du mich nicht wieder. Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer muß ich Unrecht haben. Dieß haͤtte ich so machen koͤn- nen, das wieder anders. Hier habe ich gesuͤndigt; dort habe ich einen Bock geschossen. Bald haͤtte ich reden, bald schweigen sollen. Wenn ich den Mund aufthue, habe ich Unrecht . Was ich rede, ist einfaͤltig. Ei, wozu hat man den Mund, als zum Reden! Nun, mein Kind — hahaha — dazu brauchst Du ihn auch. Ich? Wer — ich ? Wenn laͤßt Du mich denn wol zum Worte kommen? Wo darf ich meine Meinung sagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß ich zuerst von der Heirath gesprochen habe — da ging das Ungluͤck los. Nun — ich habe geschwiegen — geschwie- gen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amt- mann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber, so wie ich nur den Mund aufthat — ward ich ja angelassen! Jezt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder angefangen: „Mamsell Kordelchen haͤtte meinen An- „ton gar zu gern.“ Nun — denke ich, Ehen werden im Himmel geschlossen — und wenn es Gottes Wille ist, daß mein Anton Mamsell Kordelchen heiraten soll; so werden wir nichts dazu und nichts davon thun koͤn- nen. Ich habe es gesagt. — Du bist Vater, wie ich Mutter. — Thu nun, was Du willst — ich sage kein Wort mehr! B 4 Bist Du fertig? Ja. Nun sprich nicht eher wieder, bis ich Dich frage. O ich will nichts — gar kein Wort will ich sagen. Noch besser. Das Amt hat Dir also die Heirath recht nahe gelegt? Ja. Nahe — ganz nahe. Nun, eben darum liegt mir die Sache weit, weit — ganz weit. Nun da haben wirs! Warum denn? Sag, warum? Sieh, mein Kind, was man so unter dem Preise weggiebt, pflegt kein gangbarer Artikel mehr zu sein. Was? — Mamsell Kordelchen — Kurz, ist ein alter Ladenhuͤter. Wollte nicht der — hm — der — was war er — unter den Kuͤraßierern — — und hernach der Ober- bereiter von — von Dings da! Wollten die sie nicht alle beide heiraten? Sie haben es gewollt, als sie auf dem Amt- hof logirten. Du lieber Himmel! was wollen solche Herren nicht, wenn sie freie Tafel spuͤren! Hernach sind sie weggeritten und haben es vergessen. Kurz — es geht ihr mit ihren Liebhabern, wie uns mit unserm Roͤhrwasser — sie bleiben aus. Zum Nothbedarf ist mein Sohn uͤberall zu gut. Zum Nothbedarf fuͤr eine Gaunersfamilie nun vollends. Gott bewahre! was das fuͤr Reden sind! Verplaudre ich da wieder meinen Mor- gen mit Dir. — Es ist uͤberhaupt noch zu fruͤh fuͤr ihn — der Junge soll gar noch nicht heiraten. Punctum. Und die schoͤne Doppelmariage, die das gege- ben haͤtte, wenn Mons. Zeck Riekchen geheiratet haͤtte! Ist das nicht ein Kreuz mit den Weibern! Sind sie iung — so lassen sie sich freien; und ist die Rechnung geschlossen, so haben sie die Wuth, andre zu verfreien. Nun nun — nur nicht boͤse! Du bist sonst ein kreuzbraves Weib, fromm — redlich — — wie ich sage, kreuzbrav — bis auf den alten Weiberverstand und die Liebe zu den harten Thalern — kreuzbrav! Die harten Thaler? Ja wenn ich nicht ge- wesen waͤre! Bei Dir wuͤrde es ja heissen: „Alles verzehrt vor seinem End, „Macht ein — — „Macht ein richtiges Testament. B 5 Aber zum guten Gluͤck habe ich meine Paar tausend — Thaler zusammengespart. — Ich bitte Dich, schweig von dem Geldkapittel, sonst — Ich sollte nur nicht so Acht — Hoͤre ich will — Wenn Du nur gekonnt haͤttest, wie Du — So hoͤre doch! Was? Wie viel willst Du haben? Ich kaufe Dir das ab, was Du noch hast sprechen wollen! Ja? Sechzehnter Auftritt . Vorige. Der Schulz. Guten Morgen, Herr Oberfoͤrster, guten Morgen Frau — Je — guten Morgen. Guten Morgen, guten Morgen Herr Schulz! Ei, Er ist ia gar zu rar geworden. Ich glaube, in vier- zehn Tagen ist Er nicht hier gewesen. Das ist nicht huͤbsch, weiß Er das wohl? Nicht nachbarlich. Man muß seine alten Freunde nicht vergessen, man muß — Seine alten Freunde zum Worte kommen lassen. Geh in Deine Kuͤche! Wir werden zu sprechen haben — nicht wahr? (bejahet es nachdenklich.) Gut, gut. Ich gehe. (geht ein Paar Schritt, kommt aber gleich wieder und nimmt den Schulzen bei Seite.) Ehe Er weggeht, koͤmmt Er doch einen Au- genblick zu mir herein. Nicht wahr? Ich will Ihm er- zaͤlen, wie — Tausend Sapperment! Nun nun — Herr Isegrimm, ich gehe ja schon. (ab.) Siebenter Auftritt . Vorige. Ohne Oberfoͤrsterin. Nun! Was Neues, Herr Schulz? Hm! Neues genug; aber — leider Gottes nichts Gutes! Wie so? Was ist — Was wirds sein? die alte Leier. — Unser Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut uͤber die Ohren. Was solls geben? Nun — „die Gemeinde haͤtte so starke „Ausgaben — es ginge dies Jahr so viel auf“ — Das muß nun freilich der Herr Amtmann am besten wissen, denn er hat die Kasse „Damit er nun „dem allen vorstehen koͤnnte: so sollte aus dem „Gemeindewald fuͤr tausend Thaler Holz gehauen „werden.“ Es ist nicht moͤglich! Was ich Ihnen sage. Fuͤr tausend Thaler? Je nun — es giebt einen lackirten Wagen. Je, da soll ja den Amtmann das — — — Nun, nun — ich muß doch auch mit dabei sein, muß doch so ein kleines Woͤrtchen mit dazu sprechen. Sie sind brav. Gott vergelt's Ihnen, was Sie schon an uns gethan haben! Aber hierin koͤnnen Sie uns nicht helfen. Es geschieht gewiß, was der Amtmann will. Nichts. Ich mache meine Vorstellung da- gegen. Der ganze Wald wuͤrde ja verdorben! — Es ist nicht moͤglich! Weiß Er was? — Ich gehe selbst in die Stadt — ich uͤbergebe die Vorstellung den Herren selbst. In die Stadt? Herr Oberfoͤrster — Nein! Warum nicht? Sehen Sie, wenn wir in der Stadt kla- gen, so meint der Herr dies, der andre das. Endlich wird einer ausgesucht, der soll nun daruͤber sprechen. Der Eine ? — Gott bewahre uns in Gnaden! der rei- set das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. — Nun kriegt auch wohl wieder ein anderer daruͤber zu sprechen. Wir gehen hin, und wieder her, suchen, betteln, es kostet uns schweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. — — Ehe wir es uns versehen, koͤmmt ein Bescheid: „Wegen Widerspenstigkeit hiermit ab und zur „Ruhe verwiesen.“ Der Amtmann laͤßt ihn publiciren — haut uns den Wald vor der Nase weg — faͤhrt mit Frau und Kindern ins Bad — und am Ende kostet es zwei tausend Thaler. Er thut dem Dinge zu viel. Es giebt red- liche Maͤnner in der Stadt, und ich will ihnen Alles so unter die Augen legen, daß sie sich der Sache wohl sol- len annehmen muͤssen. Hoho — habe all mein Leben gehoͤrt — „Keine Kraͤhe hackt der andern die Augen aus. Die Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt so gleichsam zum Heiratsgut mitgebracht: der giebt nun am rechten Orte Steuern und Gaben — drum fraͤgt ihn kein Mensch, wie er es mit uns treibt. — Warum wollten Sie Sich Feinde machen? Lassen Sie es gehen, wies geht! Ehrlich und grade durch; damit halte ich es. Ganz gut — aber — Ueberhaupt suche und fordre ich von den Leu- ten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts wegen mein ist. Wollen sie mir das nicht geben; steh- len sie mir mein Verdienst aus der Tasche: Nun — sie moͤgen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem Wege. Es hat mir denn doch auch schon wohlgethan, mich — schlecht und recht, vor so einem Kerl hinzustel- len und ihn scharf ins Auge zu fassen. — Mit dem Rothwerden hatte es sich nun wohl! Aber, was ihnen auch das Gewissen sagte; sie machten so wunderliche Geberden, und sahen so albern dabei aus — daß ich all ihre Schaͤze fuͤr solche Augenblicke nicht haben moͤgte. Ja — da denk' ich eben an etwas. Neu- lich — es moͤgen ein acht Tage sein — begegnete ich dem Amtmann, wie er — es war in aller Fruͤhe — von einer Leiche kam. Da sah er nun ganz unscheinbar und graͤm- lich aus. Hm! — dachte ich so bei mir selbst — es ist doch was gar Bedenkliches um das lezte Ende! Man sei gewesen, wer man wolle — da faͤllt einem alles haarklein bei. — Hm — dachte ich dann so weiter — wenn dem Amtmann einmal so alles beifaͤllt! — Herr Oberfoͤrster — ich moͤgte dann nicht um und neben ihm sein — ich denke, es muͤste nicht gut mit ihm stehen — Herr Schulz — ich hoffe zu Gott, um die Stunde solls mir uns beiden einmal ganz still abgehen. Ich hoffs auch. Adieu! (schuͤttelt ihm die Hand.) Es bleibt beim Alten. (ab.) (ihm nach:) Es bleibt beim Alten! Nun will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen. (sezt sich und will schreiben.) Achter Auftritt . Riekchen, von der Oberfoͤrsterin gefuͤhrt, und der Oberfoͤrster. Da — da bring' ich Dir Dein Riekchen, mein Goldmaͤdchen. (sie umarmen sich.) Maͤdchen! Lieber alter Vater! Maͤdchen, wo koͤmmst Du so fruͤh her? Ach — bin ich nun wirklich wieder da? Gewachsen, einen ganzen Kopf gewachsen. Komm her, Maͤdchen, hier an der Thuͤr. (sie geht dahin.) Hier ist noch das Zeichen, wie groß Du warst, als Du fortgingst. Komm! Hast Du denn Deinen Alten wohl nicht vergessen? O Gott! Koͤnnen Sie mich das fragen? Nun Riekchen, komm! Hier an der Thuͤr steht es. Bleib mit Deinem dummen Zeuge weg. Ich bin also merklich gewachsen? Ja, komm doch nur hier an die Thuͤr — Sapperment, ich wollte, Du waͤrest hinter der Thuͤr. Denk nur — einen Kopf — einen ganzen Kopf, in vier Jahren! Sag mir nur, Maͤdchen, wie es zugeht, daß Du so fruͤh koͤmmst? Wir haben Dich alle erst um Mittag erwartet. Ich bin nicht uͤber Waldau gereist, und die Nacht durch gefahren. Die Nacht — Die Nacht? Ei Du armes Maͤdchen, Du armes Maͤdchen! — Willst Du Kaffee? Wein? Suppe? Was willst Du haben? Ich will gleich alles bestellen — Warte — — hm — — wo werde ich nun den Schluͤssel haben? (sie sucht in den Taschen.) Warte nur — — — O ich verbitte — Ja warum nicht gar — verbitten? Bewahre! Wenn ich nur den Schluͤssel — — alles krah- men sie mir weg! (geht ungeduldig herum.) Es ist wirklich unnoͤthig. Da ist der Schluͤssel. „Unnoͤthig?“ das weiß ich besser. Wenn man so faͤhrt — und in der Nacht gar — die Nacht ist Niemands Freund — man aͤngstigt sich — und dann die kalte Luft und nichts Warmes. — Nein, das geht nicht — Gleich sollst Du haben, gleich. (ab.) Neunter Auftritt . Oberfoͤrster und Friedrike. (halb vor sich, und aͤrgerlich, indem sie geht.) Daß Dich das — — In vier langen Jahren habe ich Sie nicht gesehen und finde Sie Gottlob frisch und gesund. Meine liebe alte Mutter, die — — (herausplazend.) Die spricht noch immer — die — — (ihn besaͤnftigen wollend) Haben Sie mich noch so lieb, wie sonst? Hm! Wie? Das war eine rechte — — Stadtfrage — die! Sie sind boͤse und — Riekchen, frag doch nicht so albern — (gemaͤßigt.) so wunderlich. Aber — Wenn ich boͤse bin, so mag ich anders aus- sehen, wie jezt. Wenn ich boͤse waͤre, so koͤnnte ich Dich nicht leiden — und ich habe mich auf Dich ge- freuet — daß Du es nur weißt. Haben Sie? Das hoͤrst Du ja. (heftig.) Aber wie kann ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das Weib anfaͤngt zu sprechen — dann ist alles aus — dann — Rechnen Sie ihr das nicht an — sie liebt mich — ich kam so ploͤzlich — es ist nun einmal ihre Art so. — Wetter noch einmal! — das aͤrgert mich eben — das —! — Wie lange bist Du gefahren? Funfzehn Stunden. Mit Madam Schmidt? Ja. — Was macht Vetter Anton? Alles Gutes. Er ist auf der Jagd? Ja. Wohl schon seit gestern? Hast Du Schulden gemacht in der Stadt? Schulden? — Lieber Vater — — ein Maͤdchen — ich? Nun, nun — wer weiß? das Wesen an Euch kostet Viel — und — und — Ich habe mich immer nach meiner Lage gerichtet, und nie vergessen, daß ich ohne Ihre Vater- guͤte nicht leben koͤnnte — — Wie viel hat Dir die Alte monatlich ge- schickt? O lieber Vater, nie kann ich ihr verdan- ken, was sie mehr als Mutter an mir gethan hat. (schon vorher, um die Art — Wie? — verlegen.) Da — nimm das. Wie? ich — Nun so nimms ins Kuckuks Nahmen! In dem Augenblick — Kaum so viel Gutes emfangen — und nun schon — — — Ich gebe von Herzen, oder ich laß es blei- ben. — Nun zierst Du Dich doch, als — O wenn Sie das glaͤuben? So — — C 2 Nein — nun nicht. Es ist wenig — es ist, was ich bei mir habe und entbehren kann. Ich dachte Dir Freude zu machen — — — Bester Vater! Nun aber waͤre es grade so, als wenn ich einen Konto abfertigte, und Dein Knix sagte: Zu Danke bezahlt. — Ein andermal — ein andermal. Eine Freude, die ich mir ausgedacht hatte, ist mir auch verdorben, weil der Postknecht von der lezten Station so langsam fuhr. Ich wollte recht fruͤh kommen — ich wollte vor Ihrer Thuͤr warten und wenn Sie „Matthes!“ gerufen haͤtten — so waͤre ich gekommen und haͤtte Ihnen das Fruͤhstuͤck gebracht. Hast Du das gewollt? — Laß Dich kuͤssen, Maͤdchen. — Der dumme Postillon! Ja das war huͤbsch ausgedacht. Ich mag so was wohl leiden. So was ist Dir immer recht gut gerathen. — Esel von einem Fuhrmann — der! — Hm! Du hast es doch immer recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch auf Dich gefreuet, wie auf meine wirkliche Tochter. — Sieh, ich fange an stumpf zu werden — der Junge ist toll und wild, und macht mich manchmal recht graͤm- lich — meine Alte, die kann auch nicht mehr so fort, wiewohl ehedem — — und dann — — Nun — Gott sei Dank, daß Du wieder da bist! Nun kannst Du mir wieder was vorlesen, oder wir gehen spazieren — Du erzaͤlst mir was aus der Stadt, singst mir was vor — so geht allgemach die Zeit gut hin — bis es einmal bricht. (ihm um den Hals fallend.) O das ich es nie erlebte! Nie, nie, niemals — Haha! bist nicht klug, Maͤdchen. — Einmal muͤssen wir alle dran. Zehnter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrsterin. (mit Kaffee, einem porzellaͤnenen Suppennapf und einer zizzenen kleinen Jacke unter dem Arm.) Hier ist Suppe und Kaffee, was Du nun willst — was Du willst. Und da — da habe ich ein Jaͤckchen, das Du vor vier Jahren trugst — daran sieht man es ganz deutlich, daß Du gewachsen bist. O ich habe so eine Freude, daß Du gewachsen bist! Ich wollte — ja ich wollte — — Daß Dir das Maul zuwuͤchse! (ab.) (ihm nach.) Ja, damit waͤre Dir uͤbel ge- rathen. (zu Friedriken.) Mein liebes Kind, wenn — C 3 Eilfter Auftritt . Oberfoͤrsterinn. Friedrike. Wir wollen ihm nachgehen. Was mei- nen Sie? nicht wahr? Nicht doch, Kind! Dableiben. Nicht nach- gehen. Ich moͤgte gern jeden Augenblick unter Ihnen Beiden theilen — — Das wollen wir hernach. Jezt laß ihn — Aber — Ei was. Wer sich um jedes Gesicht be- kuͤmmern wollte, das einem die Maͤnner machen — und vollends Der ! Der ist noch eben so, wie er sonst war. Ja, was habe ich mir nicht fuͤr Muͤhe gegeben, den Mann zur Raison zu bringen — aber da ist Hopfen und Malz verlohren. Ja was Haͤnschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Gelaͤrmt gebrummt, geschimpft, geflucht, turbirt, von fruͤh — bis in die sinkende Nacht. Da ist kein Ende und kein Anfang. — Nun — trink ein Taͤßchen, schenk Dir ein. Sorgen Sie nicht — ich werde mich nicht vergessen. Oder nimm Suppe — was Du willst — wie Du willst. (als ob ihr auf einmal etwas einfiele, mit alt- muͤtterlicher Art.) Ich will denn doch lieber zusehen, wo er geblieben ist, daß er mir nicht etwa gar ausgeht. (ab.) Zwoͤlfter Auftritt . Friedrike allein. Anton — Anton! Du willst mich lieben, und gehst fort, da ich komme? Er muß boͤse auf mich sein; — gewiß, gewiß! — sonst waͤre er hier. Indeß, auf gleich- guͤltige Dinge zuͤrnt man ia nicht — also liebt er mich doch! Anton! lieber viel Zorn, als Kaͤlte. Dreizehnter Auftritt . Friedrike. Oberfoͤrsterin. Wo mag er doch sein? Gewiß trabt er draus- sen im Garten herum und brummt. — Noch nicht ge- trunken? Ja, heutiges Tages hungern sich die Maͤdchen die Schwindsucht an den Hals, um nur die Taille nicht zu verderben. (Friedrike trinkt.) Nun Kind, wie stehts? Hat der Abschied von der Stadt Dir viele Thraͤnen gekostet? O nein! mit freudigem Herzen eilte ich hieher. Kind, Kind verstelle Dich nicht. Die vie- len huͤbschen iungen Herren — Vier Jahr in der Stadt C 4 — ein huͤbsches Maͤdchen — mach mir nicht weiß, daß Du keinen Liebhaber gehabt haͤttest, ich bitte Dich; mach mir das nicht weiß. Nun — wenn auch einige mir versichert haͤtten, daß — daß — liebe Mutter, ich lasse keinen Liebhaber zuruͤck. Dein Herz ist also noch frei? Ich sage Ihnen, daß ich die Stadt gern verlassen habe. Brav, brav. Du sollst hier ein Partiechen thun — Nun seht doch? Feuerroth uͤber und uͤber. Der iunge Musie Zeck — was sagst Du dazu? Und Anton — heirathet Mamsell Kordelchen — da ist Vie- ren geholfen. Gelt? Ja, mein liebes Kind, das habe ich auf dem Amte so gut, als richtig gemacht. (erschrocken.) So? Und meinen Alten? Sorge nicht, den bringe ich auch noch herum. (vergnuͤgt.) Will der nicht? (schnell.) Durchaus nicht. Man muß ihm wohl seinen Willen las- sen — das Widersprechen macht ihn boͤse. Das will ich auch nicht. Du sollst ihn darauf bringen. Wie? ich? Sollst mir ihn bereden helfen. Das wird sich wohl nicht schicken — Und, liebes Kind — wenn Du heirathest — nur gleich auf die Autoritaͤt gehalten! Auf die Auto- ritaͤt gehalten! sonst geht Dir es so, wie mir. Gott machte mich recht gluͤcklich, wenn ich einst in so einer Ehe lebte, wie Sie — Hm — mein liebes Kind! Ehestand ist Wehestand — (sich was zu gute thuend.) — indeß — (mit Waͤrme.) Sie sind sehr gluͤcklich. In der Stadt habe ich so wenig gute Ehen gesehen, daß ich nur vor dem Wort „Heirath“ zittre. Der gute Vater! Er liebt Sie so herzlich. Ja ia, das ist wahr. Das muß man sagen. Alles was Recht ist — das thut er. Er wuͤrde ohne Sie nicht leben koͤnnen. I nun — ich — wenn ich — es aͤrgert mich nur, daß er so ein Brummbaͤr ist — aber ich halte doch große Stuͤcke auf ihn. (sie bei der Hand fassend.) Ja wohl, das weiß ich. Wenn er mannichmal Abends von der Jagd koͤmmt, und seinen Husten kriegt, so wird es mir recht C 5 aͤngstlich. Er war neulich einmal ein bischen krank — nun, so meinte ich doch nicht anders, als das ganze Dorf waͤre mir zu enge! — Wenn er nur ein Paar Tage uͤber Feld muß — und Mittags ist sein Plaz leer — oder ich seh ihn Abends unter der Linde sein Pfeifchen nicht rauchen: so ist mir ganz wunderlich zu Muthe. Ich gehe im Dorfe zu diesem und ienem — die Leute sind auch alle recht nachbarlich und gut. — Da ist auch wohl der Schulz gekommen. Nun, lieber Gott — es ist ein guter Mann, der Schulz, ein braver Mann! Aber es ist doch mein Alter nicht — nein, es ist mein Alter nicht. — Der Herr schickt mich aus dem Garten — ich sollte die Frau fragen, ob sie nun nach der Thuͤr gesehen haͤtte? sollte ich sagen. Ja, ia — ich haͤtte darnach gesehen. (Bursche ab.) Nun aber doch zur Kuriositaͤt, komm einmal her an die Thuͤr. (sie gehen beide hin und Fried. wird an der Thuͤr gemessen.) Richtig, einen Kopf bist Du gewachsen — einen ganzen Kopf. Aber uͤber den Anton wirst Du Dich wundern — der ist lang — maͤchtig in die Hoͤhe geschossen! Es soll ein schoͤner Mann geworden sein. Kind, sag das nicht, daß es sein Vater hoͤrt; denn wenn ich sage: „Es ist ein Mann, er „muß heirathen!“ so sagt er: „Es ist ein Bube, „er solls bleiben lassen.“ So — darum — Nun sieh, mein Goldmaͤdchen, das ist es ja eben, was ich sage. Darum ist ja alle Tage der ewige Zank. Ich sage ihm auf die beste Art von der Welt, daß er Unrecht hat; aber was hilfts? Er glaubt es nicht. Er wird freilich einwenden — Wunderliches Zeug: „das Maͤdchen waͤre ungluͤcklich, die den Jungen jezt kriegte; er muͤste erst ausbrausen; das hieße ein armes Weib betruͤgen und was es mehr ist. Ei — mit meinem Anton denke ich keine zu betruͤgen. Es verkauft sich gewiß keine an ihm. Manche Jungfer aus der Stadt wuͤrde zufrieden mit ihm sein. Vierzehnter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrster. Hast Du nichts in der Kuͤche zu thun? Ei — Der Bratenwender geht ohne mich. Aber Deine Toͤpfe, Frau — Deine Toͤpfe? Haben alle Feuer. Nun — Du magst dableiben. Auf Treue und Glauben, daß Du still sein willst. Riekchen! — ich habe mir vorgenommen, diesen Mittag eine kleine froͤhliche Tischgesellschaft zu bitten. Du sollst sie aus- suchen. — Im Hause sind — Du — hier die Stumme, ich und Anton. Wen willst Du noch haben? Da ich waͤhlen darf — Erstlich, Ihr lie- ber Pfarrer — Gut — brav! der sizt bei mir. Oder — ja, so solls sein. Du in der Mitte, wir beide an Deiner Seite. (schnell.) Ei, wo denkst Du hin? — das geht ja nun und nimmermehr an. Pst — Oder — — Weiter! Zwar ja. Der Amtmann kann bei mir sizzen — und die Amtmannin — — Was giebts? Nun? Was giebts mit dem Amtmann? Was soll der hier? — Nun — ich will doch hoffen, daß Du den mit herbitten laͤßt! Donner und Wetter! — (geht umher.) O lieber Vater, sein Sie nicht boͤse! Kind, den mußt Du wahrhaftig bitten! Ich mag nicht. Aber Kind, bedenk doch — Ich will nicht. Warum denn nicht? Das Essen schmeckt mir nicht — der Wein widersteht mir — ich kann nicht froh sein, wo das Volk ist! Ach Du mein Himmel! das giebt einen schrecklichen Lerm. (der Oberfoͤrster geht die Laͤnge des Zimmers durch.) Das ganze Dorf weiß, daß wir uns auf den Tag gefreuet haben, — daß wir Gaͤste bitten woll- ten. Bitten wir die nicht: so ist ja die pure klare Feind- schaft angekuͤndigt — hm — — Riekchen! hm! Ich bitte niemand zum Essen, um ungesund nach Hause zu gehen; noch weniger glaube ich, jemand damit eine Ehre zu erzeigen. Es sind gute Freunde, denen ich Gelegenheit geben will, mit mir froh zu sein. Ich bin kein Freund vom Amtmann. Das kann ich ihm nicht bergen, und mag es ihm nicht bergen. Sind wir an einem Tisch, und ein Glas Wein hat mich froh ge- macht, so spreche ich, was ich denke — was ich denke. Und der Mann, der nach einem Glase Wein noch ver- stecken kann, was er denkt — ist mein Mann nicht. Ei man muß mit jedermann in Frie- den leben. Thun Sie es doch nur diesmal. Das wird ein Aufsehen geben! Und am Ende kaͤme es gar auf das arme Maͤdchen. Dann sieht es aus, als wenn die Schuld an dem Hader waͤre. — Nun thu es doch — einmal ist ja nicht immer. Entschließen Sie Sich; einmal ist ja nicht immer. (denkt nach.) Hm — ja. Ich wills thun. Aber, wenn sie mir grade gegenuͤber, oder dicht an der Seite zu sizzen kommen: so gehe ich davon, und esse im Hirsch. Also sollen sie gebeten werden? Ja. Aber hahaha! Du wirst sehen, es waͤre besser, ich haͤtte es bleiben lassen. — Ich bitte mir nun auch noch einen guten Freund dazu. Wen denn? Den Schulzen. Ei bewahre! das ist ja gegen den Respekt. Entweder der Amtmann und der Schulz, oder keiner von beiden. Nun — meinetwegen. Das waͤre also richtig. Jezt tummle Dich. Und Du, Riekchen — da sind die Schluͤssel — geh heute zum erstenmale wieder in den Keller und hole uns einen Trunk. (mit einiger Freude.) Ach, das sind die Schluͤssel, die — ach — Maͤdchen, bist Du naͤrrisch? Ich glaube gar, Du weinst? Wie ich die Schluͤssel wieder sehe, faͤllt mir so manches dabei ein. — Sie gaben sie mir alle Mittage selbst; der Wein, sagten Sie, schmeckte Ihnen nicht, wenn ich ihn nicht geholt haͤtte. Nur wenn Sie boͤse waren, bekam ich sie nicht. Lieber Vater, bester Vater, ich verspreche Ihnen, Sie werden sie mir alle Mittage geben. (ab.) Funfzehnter Auftritt . Oberfoͤrster. Oberfoͤrsterin. Auf die schwoͤre ich, die Stadt hat sie mir nicht verdorben. Gewiß nicht. Meinen Hut. (sie buͤrstet ihn bedaͤchtig ab. Er sucht Papiere zusammen, und spricht dabei fort.) Laß or- dentlich auftragen. Adieu! ich muß ausreiten, Holz anweisen. — Schlag zehn Uhr bin ich wieder da. Sie soll nur einerlei Wein hergeben — vom besten! Hoͤrst Du? nur einerlei! (er geht.) Adieu! Alter? Was ist? Bist Du noch graͤmlich? Ja? Ich weiß nicht. (geht.) Du sollst nicht fort, bis Du gut bist. Man muß nicht in Groll scheiden. Es ist gar bald um einen Menschen gethan. Mit Deinem einfaͤltigen Groll! Auf den Amtmann habe ich Groll. Adieu. (er schuͤttelt ihr die Hand.) Plaudertasche. (geht.) Gehab Dich wohl, Alter. (im Nachgehn.) Vergiß nicht zehn Uhr — Schlag zehn Uhr. Ende des ersten Aufzugs. Zwei- Zweiter Aufzug . Erster Auftritt . (Ein Jaͤger wischt die Tische ab. Dazu kommt die Oberfoͤrste - rin . Sie hat eine große Serviette vorgesteckt) Euer Abkehren mag Euch wenig werth sein, mein guter Freund! da sieht es noch bunt aus. Geht geschwind in die große Stube, heizt dort; man friert sonst, daß es nicht auszuhalten ist. (der Bur- sche geht.) Hoͤrt — nun so lauft doch nicht immer fort — wartet, bis man ausgeredet hat. Die Stuͤhle wohl abgekehrt — die Fenster auch — daß kein Staͤubchen wo zu finden ist! ich verlasse mich darauf. (der Bursche geht. Sie sezt sich.) Liegt doch auch Alles auf mir! — Das ist eine Last! Ich bin recht froh, daß das Maͤdchen endlich einmal wiedergekommen ist. Zweiter Auftritt . Oberfoͤrsterin. Kordelchen von Zeck. (die mit einer Jaͤchernilanze und einem fami- liaͤren Kopfnicken gruͤßt.) Guten Morgen, Frau Ober- foͤrsterin. D (mit einer altmodisch ehrerbietigen Verbeugung.) Meine wehrteste Mademoisell — — ich — ich schaͤme mich wahrhaftig, daß ich noch nicht recht angezogen bin. Lassen Sie's gut sein. Sie wissen, ich bin nicht von Cerimonien und selbst noch nicht ange- kleidet. — Wo ist denn Monsieur Anton? Den hat mir der Alte wieder fortgeschickt. Apropos — — Ich muß Ihnen doch sagen, wenn die Mariage zu Stande koͤmmt, so will mein Vater, durch eine sichre Konnexion in der Stadt, Ihrem Anton einen der ersten Dienste im Jagddeparte- ment verschaffen. Meinem Anton? Was Sie sagen! Nur muß Ihr Mann meinen Vater in seinem Geschaͤfte machen lassen und ihm nicht immer widersprechen. Sorgen Sie huͤbsch dafuͤr, Mama — hoͤren Sie? Ja liebes Mamsellchen, dabei kann ich nichts thun. Mein Kommando geht nicht weiter, als von der Kuͤche in den Krautgarten. Wenn ich mannichmal so in andre Sachen rede — so sieht er sich nur um! dann weiß ich gleich, was die Glocke geschlagen hat. Ei, glauben Sie denn, daß ich nur fuͤr meine Kuͤche Wildpret haben koͤnnte, wenn ich wollte? Nichts — es thaͤte oft Noth, ich kaufte welches. Der Mann thut sich mit seinem rau- hen Wesen vielen Schaden — großen Schaden! (besorgt.) Ich weiß wohl, aber — — Kind! ich darf nur nicht sprechen. Mein Alter ist gar zu wun- derlich. Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht — Warlich — es koͤnnte ihm einmal uͤbel bekommen. Das sollte ich denn doch nicht meinen. Alle Welt hat ihn lieb. In allen rechten Dingen ist er Niemanden hinderlich, laͤßt sichs auch sauer werden bei seiner Arbeit; das werden der Herr Amtmann wohl selbst wissen. Mannichmal aber — Nun — man muß Geduld haben. Zeit und Stunde ist bei dem Menschen nicht gleich; wir wollen ja alle auch alt werden! Wenn Sie so was sehen, Kind, so reden Sie doch zum Besten. Ich thue das auch, so viel ich kann — schuͤtte Wasser ins Feuer, wo ich es sehe. Es ist besser, denke ich, er brummt sich bei mir aus, als bei andern — Ach — wenn ich ihn nur noch lange brummen hoͤre! D 2 Diesen Abend ist Ball bei uns — ich freue mich recht darauf. Ich habe Lust zu tanzen. Ich bin heute recht dazu aufgelegt. — Daß Herr Anton uns nur nicht wieder so fruͤh wegschleicht. Was giebt es denn sonst Neues? Neues? Apropos — meine Nichte ist heute aus der Stadt zuruͤckgekommen — Heute? Ist denn heute der sechste? Freilich. Heute hat sie ja kommen sollen. Sie ist Gottlob! frisch und gesund. Das freuet mich — ich bin ihr recht gut. (sie geht ans Fenster.) Es ist recht schlechtes Wetter. Der Herr Foͤrster werden schlechte Jagd haben. Es ist so neblicht, daß man kaum die Hand vor den Augen sieht. Das sagte ich auch; aber wie der Alte nun ist — Anton mußte mit Tagesanbruch fort. Ist sie huͤbsch? Friedrikchen? Ja. Huͤbsch? Ja, huͤbsch will gar viel sagen — aber sie ist ein artiges Maͤdchen. Es ist mir sehr lieb, daß sie wieder hier ist. — Sie hat in der Stadt singen gelernt? Das weiß ich wirklich nicht. Sie singt, ich weiß es gewiß, ganz ge- wiß. Fraͤulein von Rechennauer hat mir davon ge- schrieben. So muß sie es fuͤr sich gelernt haben; wir haben nichts dafuͤr bezahlt. Aber ihr Klavierspielen soll besser, viel besser sein, als ihr Gesang. Noch besser? Was Sie sagen! O erzaͤlen Sie mir doch noch mehr — ich hoͤre gar zu gern Gutes von dem Maͤdchen. Was ist denn aus ihrer Figur gewor- den? Sie war ein kleines Ding, als sie nach der Stadt geschickt wurde. Ist sie gewachsen? Denken Sie nur — einen ganzen Kopf beinahe. Nun nun — warum nicht — Sie werden sehen. O ich glaube es gern. Was ich sagen wollte — — — sie kann ja diesen Abend auf unsern Ball geschickt werden; denn vermutlich wird sie auch wohl tanzen? (freudig.) O ja — scharmant tanzt sie — Madam Schmidt hat es gesagt — scharmant! D 3 Fuͤr ein Maͤdchen von solchem Stande ist sie doch fast zu vornehm erzogen. Sie verlohr ihre armen Eltern fruͤh. Ich bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war sie ge- lehrig und brav; mein Mann hatte denn so seine Freude an ihr — darum haben wir gethan, was wir konnten, ohne uns weh zu thun. Sie ist uͤbrigens bescheiden und gut — und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus. (gleichsam zutraulich.) Das ist auch das Allerbeste. Daher riethe ich auch — doch ohne Ihnen vorzugreifen — sie ließe die Stadtkuͤnste hier weg. Solche Dinge gehoͤren in keine Landhaushaltung. Tan- zen? — Je nun — Sonntags wohl, aber sonst wahr- haftig nicht. Das Singen sollten Sie ihr als unan- staͤndig verbieten — Ei, das Haus ist groß — die Kehle ist ihr. Wird es mir zu viel — so ziehe ich die Stubenthuͤr zu. Meine Buchfinken schreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht hoͤre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir muͤssen Menschen und Vieh lustig sein; sonst sind sie krank, oder haben ein boͤses Gewissen. Nur alles mit Maaß. Ja, das versteht sich. Solche Maͤdchen werden oft in der Stadt verdorben, und machen nachher sich und ihre Maͤnner auf immer ungluͤcklich! Man hat der Exempel, o ja. — Wenn unter uns alles richtig ist — ich glaube, mein Vater schaffte dem Matthes einen guten Dienst — das waͤre keine unebne Parthie fuͤr Friedriken. Ei, wo denken Sie hin? Nein. Behuͤte uns in Gnaden! Matthes war sein Lebelang ein schlechter Kerl. Bedenken Sie, was Sie sagen! Er traͤgt jezt unsre Livree! Kind — Huͤbsch kann einen ein Rock wohl machen; aber ehrlich nicht. Dritter Auftritt . Vorige. Friedrike. (mit einem tiefen Knix.) Mademoisell — Sie sind mir zuvorgekommen; ich wuͤrde noch heute die Ehre gehabt haben, Ihnen aufzuwarten. (kurz.) Jungfer Friedrike — es ist mir lieb, Sie wohl zu sehen. D 4 Ich will doch derweile einmal nach meiner Kuͤche sehen. (ab.) Sie hat uns wohl viele neue Moden mitgebracht? Wenig oder gar nichts. Sie hat doch das Haubenstecken in der Stadt gelernt? Ja. Nicht wahr? Sie hat bei der la Breuze gelernt? Ja. Ich will Ihr einige alte Hauben zum Waschen schicken, wenn Sie die mit Gout wieder arran- girt; so soll Sie Flor bekommen und Desseins von mei- ner Erfindung, die la Breuze selbst approbiren wird. Ich zweifle nicht. Ich will Sie honett bezahlen; ich fordre nichts umsonst. Wie ist denn der Schnitt vom Kleide bei der lezten Puppe aus Lion? Ich habe keine gesehen. Nicht einmal eine Puppe von Lion? Ich habe keine gesehen. Nicht einmal eine Puppe von Lion? Ei bei der Frau von Karsthausen kommen sie ja jaͤrlich zu Duzzenden an; dort haͤtte Sie — — — zwar — — dorthin ist Sie wohl niemals gekommen. Niemals. Ei Kind — Sie ist ja so verlegen — so wortkarg, so genirt — wie unsres Kirchvorstehers Tochter. (kommt wieder.) Ein Gluͤck, daß ich in die Kuͤche kam. Die haͤtte mir alles Essen verbrannt. Ich sage eben zu Jungfer Friedriken: man muß Leuten von Distinktion mit Ehrfurcht begeg- nen — aber ohne sich wegzuwerfen. — Man muß mit- reden. Man schweigt auch mannichmal aus Ueberdruß und Langeweile. (es verheissend.) Langeweile? Frau Oberfoͤrsterin! davon lassen Sie uns sprechen. Hm! bei mir giebt es denn immer etwas zu thun. Ist es nicht dieß, so ist es das. Da geht denn die Zeit gar bald hin. So in den langen Winteraben- den wohl. Da liest der Alte die Zeitung, und schlaͤft richtig allemal dabei ein. Nun mag ich ihn denn doch nicht wecken — da sizze ich nun freilich in meinem Sorgestuhl, und kucke Stunden lang den Goliath auf D 5 unserm großen Ofen an — sonst aber wuͤßte ich eben nichts davon zu sagen. Vierter Auftritt . Vorige. Anton. Riekchen! Ach Riekchen, mein Riekchen! bist Du da? Gott sei Dank! Anton, lieber Anton! (Beide umarmen sich.) (geht umher und rauscht so heftig mit dem Faͤcher, daß er davon zerreißt.) Anton! — i Anton! Was ist das fuͤr Lebensart? (ohne darauf zu hoͤren.) Ach Riekchen — Maͤdchen — ich bin so erschrocken — ich kann — ich kann nicht sprechen. Ich glaubte diesen Mittag — aber Du bist die Nacht gefahren und das freuet mich so — so! Junge bist Du naͤrrisch? Komm doch zu Dir! — Anton, hast Du denn einen Trunk uͤber den Durst gethan? Siehst Du nicht hier, Mamsell Kor- delchen? (sieht sich um.) Gehorsamer Diener. (sezt sich wieder in Fassung, wozu Friedrike ihm schon vorher leise ein Zeichen gab.) Ergebne Dienerin! Dein Vater hat doch wahrhaftig Recht; je aͤlter Du wirst, desto laͤppischer wirst Du auch. Nimms nur nicht uͤbel, Riekchen! O gar nicht. Das glaube ich. (halb laut.) Du unmannierlicher Gast, mach Deine Grobheit wieder gut. Gleich geh hin und sprich ordentlich mit ihr. — Die Kinderzeit ist vorbei. Sie hat Lebensart in der Stadt gelernt. Sei huͤbsch hoͤflich — daß unser einer nicht mit Schanden besteht. Jungfer Muhme, wie befinden Sie Sich? Recht wohl, Herr Vetter. Ich habe entsezliche Kopfschmerzen, Mama. — Gute Jagd gemacht, Herr Foͤrster? (Pause.) (sieht auf Friedriken und hoͤrt nicht.) (zu Kordelchen.) Der Junge hoͤrt und sieht nicht. Er muß zu jaͤh aus der Kaͤlte in die Hizze ge- kommen sein. Anton! Was ist, liebe Mutter? Mamsell haben Dich gefragt, was Du ge- schossen hast? (sich schnell zu ihr wendend.) Eine wilde Kaze. In der That — ich befinde mich gar nicht zum besten! Es wird hier zu heiß sein; das Volk legt immer einen Wald in den Ofen. Ich will die Thuͤr aufmachen. (sie reißt die Fluͤgel auf.) Gott! Nun zieht es ja, daß man kontrakt werden koͤnnte. Es wird mir immer schlim- mer. Herr Foͤrster, geben Sie mir Ihren Arm — ich will versuchen, nach Hause zu kommen. Das ist zum Gehen zu weit — viel zu weit. I, das arme Kind! Ich schicke hin, und lasse Ihre Kutsche be- stellen. Rudolph! — he! Rudolph! — (verdrießlich.) Lassen Sie nur — Nein, der Weg ist wahrhaftig zu weit. (geht nach der Thuͤr.) Wenn ich doch nur helfen koͤnnte! Rudolph, Rudolph! (Rudolph koͤmmt.) Rudolph, lauf — lauf wie ein Bliz aufs Amt. Die Mamsell waͤre noch nicht fort — wollte fort! (stampft mit dem Fuße.) Es ist nicht noͤthig, sage ich Ihnen. Sie waͤre krank, die Kutsche sollte kommen. Ganz wohl. Gleich kommen; gleich den Augenblick kommen. (im Abgehen, schon halb draussen, laut.) Will schon treiben. (fast wuͤthend.) Mein Gott, Sie wer- den das ganze Amt in Aufruhr bringen! Aber auch so eine ploͤzliche Krankheit! (halbheulend.) Ich bin nicht krank! Wer sagt denn, daß ich krank bin? Ich war nur un- paß. In die frische Luft wollte ich; die frische Luft haͤtte mir am besten gethan. Ich kenne mich. Liebe Mutter, Sie sollten doch der Mam- sell von Ihrem Melissengeist geben. Mein Gott, den kann ich nicht riechen. Melissengeist? Ja, so wahr ich lebe, Anton, das ist ein kluger Einfall, ein scharmanter Einfall. Kommen Sie — erst nehmen Sie von dem Melissen- geist, und dann fuͤhre ich Sie in unser Gaͤrtchen an die frische Luft. Ums Himmels willen! — ich kann die starken Sachen nicht vertragen. Ja mein gutes Kind! stark oder schwach, danach wird bei der Medizin nicht gefragt. O mit dem Melissengeist habe ich viele Leute kurirt. Unsre Magd, Kathrine — Ich ersticke vor Wuth! Sie werden wieder schwach? Kommen Sie heraus — Kommen Sie. (indem sie mit hoͤflicher Gewalt sie fortschleppt) Kathrine — Kathrine — he! Melis- sengeist, geschwind Melissengeist! — Wie gehts, Kind, wie gehts? (ab mit Kordelchen.) Fuͤnfter Auftritt . Friedrike. Anton. Gott Lob, daß sie fort ist! Du bist etwas rauh mit ihr gewesen. Ich haͤtte es keine Minute laͤnger mit ihr ausgehalten. Sie hat mir viel Sorgen um Dich gemacht Riekchen! (bedeutend.) und mir ihr Bru- der um Dich. Er hat Dir wieder geschrieben? Woher weißt Du das? Durch Matthes, der seit heute dort dient. Dient er dort? Nun ist mir es begreif- lich, warum mich der Mensch immer mit Briefen und Geschenken von dort her aͤngstete. Ich nahm keines — aber den lezten Brief hielt er mir offen vors Gesicht Dich wollte ich schonen — ich kenne Deinen Argwohn — also gab ich gar keine Antwort, und reiste die Nacht durch, um ihm nicht zu begegnen. Das dachte ich gleich, wie ich Dich so fruͤh fand. Habe Dank. — Also Herr Matthes hat Dir die Briefe gebracht? Der Mensch hat mir manche boͤse Stunde gemacht mit Nachrichten von Dir. Gott vergebe es ihm! Was hat er Dir denn von mir gesagt? Hm! — Es kann nicht wahr sein. Du liebst mich — alles ist vorbei, und ich bin herzlich zu- frieden, da ich wieder bei Dir bin. Wenn ich den Kerl treffe, so ist er un- gluͤcklich! Nicht doch. Laß ihn laufen. Ach ich bin ohnehin so unruhig — er hat uͤberall in der Stadt schreckliche Drohungen gegen Dich ausgestoßen! Geh ihm aus dem Wege — geh nicht allein — ich bitte Dich. Was koͤnnte es denn geben? Ich bin so angst — ich weiß, der Kerl ist zu jedem Bubenstuͤck faͤhig. Der alte Friz, den er vom Amte weggelogen hat, war vorhin bei mir und winselte schrecklich. — Ich gab ihm ein Allmosen — Er sagte, ich sollte Dich ja vor dem boͤsen Matthes warnen. Nun — laß Matthes, Matthes sein, und laß uns von unsrer Liebe sprechen. Nein, Anton — nicht eher, als bis Du mir versprichst, daß Du keine Haͤndel mit ihm anfan- gen willst. Versprichst Du mirs? Nun ja. Nicht so. — Fest, gewiß — ernstlich und — Auf mein Wort! — Ich will ruhig sein. Ei Maͤdchen, mein Leben ist mir zwanzig mahl lieber, als sonst, da Du es so lieb hast. Wirst Du mich immer lieben? Warhaftig! Ich weiß nicht, wie es zugeht, sonst war mir leichter zu Muthe; aber jezt bin ich mannichmal so traurig, daß ichs nicht genug sagen kann — Dann fal- len mir Dinge ein! Dinge! O es waͤre hart, wenn etwas davon wahr werden sollte. Was ist es? — sag es mir. — Wenn Du mir gut bist: so sagst Du es. Es ist Nichts, wirst Du sagen; aber mich quaͤlt es gewaltig. Ich habe Dich nun so herzlich lieb — ich denke auf Nichts, als wie ich Dich so gluͤcklich machen soll, als ich armes Maͤdchen kann. Ich habe deswegen manches in der Stadt gelernt, um Dir nicht langweilig zu sein — — Ich weiß — das ist es nicht, was ich sagen sollte — aber es gehoͤrt doch dazu — und dann — Anton. Du weinst? — ist es denn so traurig, was noch nachkoͤmmt? Weine nicht. Wenn Du weinest, so thut mir es in der Seele weh! Nun sprich — — Anton — Deine Eltern sind dreißig Jahre verheirathet und leben heute noch so gluͤcklich, als am ersten Tage ihrer Heirath. So oft ich sie ansehe, denke ich, ob wir wohl auch so gluͤcklich — und so lange gluͤcklich sein werden? Anton — mein ganzes Leben ist in Dir. Waͤre es moͤglich, daß Du einmal mich weni- ger liebtest, als heute? — Wenn ich Eltern haͤtte, sie wuͤrden Dich an meiner Stelle fragen. Nun bin ich eine Waise, und mein Leben ist in Deiner Hand. Waͤre es moͤglich — so laß uns gleich abbrechen. Es wird mir das Leben kosten, das weiß ich; aber ich sterbe doch sanfter, als wenn — — — (sie bedeckt sich das Gesicht. Anton umfaßt sie mit einem Arm.) Ach Anton! Riekchen — Riekchen, sieh mich an! (sie sieht ihn innig an, er legt ihre Hand auf sein Herz.) Gott weiß, es ist kein Falsch in mir. Hast Du Dich gepruͤft , ob es wirklich Liebe ist, was — — — Ich habe mich nicht gepruͤft. Das ist nicht noͤthig. Als Du nicht hier warst, da war mir Nichts lieb, immer war ich verdrießlich. Nun Du wieder hier E bist, gefaͤllt mir wieder Alles, ist mirs uͤberall wohl. Das macht, weil ich Dich liebe. Warum sollte sich das aber aͤndern? Sieh — ich koͤnnte Dir ja theure Eide schwoͤren, aber ich glaube, Dir waͤre dabei nicht besser. Einem ehrlichen Mann ist sein Wort heilig. Ein Mann, der einem Weibe sein Wort bricht, ist doppelt schaͤndlich! Anton! — So — so hoͤre ich Dich gern. Dazu sind wir auf dem Lande, und koͤnnen eine gottlose Ehe nicht mit der Mode verbergen. Nein — ich habe wenig, vornehm bin ich nicht, es kann auch sein, daß ich das Pulver wohl nicht erfaͤnde — aber so viel gesunden Sinn, als man fuͤrs Haus braucht, traue ich mir zu — und das hier — (auf das Herz zeigend.) da gebe ich keinem Menschen auf der Welt etwas nach! — So stehts. Nun frage ich Dich ordentlich — Riekchen, willst Du mich heirathen? Deine Eltern — — Die wollen wir heute noch fragen. — Nun und Du? (Mit zaͤrtlichem Blick auf ihn und mit dem Erroͤthen eines guten unfaconnirten Maͤdchens:) Frag Deine Eltern! Dank — Riekchen. Mein kuͤnftiges gutes Weib, der ich treu bin bis in den Tod! Dank, tausend Dank! Aber lieber Anton, Du must nun auch gut werden. Du bist so wild — — — Ich wild? — bewahre Gott! Da haben sie Dir was weiß gemacht. Wenn ich nur an Deine Briefe denke! stand doch fast in iedem: — wenn das nicht geschieht, so gehe ich fort und werde Soldat. Wenn Du mir das nach zwei Jahren einmal sagtest! O ia — so bald Du mir untreu wirst. Und dann must Du auch nicht so auf- fahren. Man lebt dabei in tausend Aengsten. Die Jaͤger sind ohnehin ein wildes ungestuͤmes Volk. Riekchen, halt die Jaͤger in Ehren, sonst koͤmmst Du nicht gut weg. Es ist wahr, es kann kein gutes Haar an Euch sein. Alle Tage quaͤlt und mordet Ihr das arme Vieh. Gelt, das hat Dir ein Stadtpatron gesagt. So ein Kerl, der den ganzen Tag hinter dem Ofen hockt, mit haut gouts und Liqueurs das Blut verbrennt und aus verschrumpftem Herzen mit dem Gaͤnsekiel die Menschen quaͤlt? — Nein. Kein ehrlicher Kerl quaͤlt das Vieh. Alle Tage gehen wir hinaus, leben in fri- scher Luft. Das giebt frisches Blut und ein gesundes E 2 Herz! Wenn ich dann so Abends nach Hause komme, froͤlich und guter Dinge, und bringe Dir einen Braten in Deine Kuͤche, und fordre einen Kuß — wirst Du mir ihn verweigern? Ich kuͤsse keinen Moͤrder. Sechster Auftritt . Vorige. Pastor Seebach. Guten Morgen, Kinder. (laͤuft ihm entgegen und kuͤßt ihm die Hand.) Guten Morgen, lieber Herr Pastor. Herzlich wieder willkommen bei uns, liebe Tochter! Wie Sie in Ihren Jahren doch noch so wohl aussehen! Ja? meinen Sie? So recht heiter. Je nun — Gott Lob! Sorgen habe ich nicht — uͤberdem bin ich gern an dem Orte — Jedermann liebt Sie, wie einen Vater — Nun so muß ich ia wohl froh und gesund sein. Der Herr Oberfoͤrster — — Er ist ausgeritten, Holz anzuweisen. Mein Besuch gilt ihm nicht. Ich bin eigentlich gekommen, Friedrikchen zu sehen. Liebe Tochter, wir haben die guten Nachrichten von Ihnen allemal zusammen gelesen, und es freuet mich recht, daß Sie so gut geworden sind. Wuͤrdiger Mann — Sie nehmen noch so vielen Antheil an mir, ungeachtet — Ungeachtet? Kind — errathe ich, was Sie sagen wollten — so haben Sie mich betruͤbt. Wie so? Ungeachtet wir verschiedner Religion sind; — nicht wahr, das wollten Sie sagen? Dann muͤste ich Sie nicht kennen, wenn ich es auch nur gedacht haͤtte. Ungeachtet meiner langen Entfernung, wollte ich sagen. Ich halte mich fuͤr den besondern Freund eines jeden aus diesem Orte; der Kummer und die Freude eines jeden gehen mich nahe mit an. Was thut Entfernung zur Sache? Wo mein Rath, meine Huͤlfe nicht hinreichen, hoͤren doch meine guten Wuͤnsche nicht auf. Das ist gewiß, das weiß ich. Aber den Dank, den Sie dafuͤr verdienen — — E 3 Wollte ich meine Pflicht bloß auf die Zeit meines unmittelbaren Unterrichts, meine Liebe allein auf meine Gemeinde einschraͤnken — O Kind — so waͤre ich ein armer Mann — mit einem engen, engen Herzen. Ja, Sie nehmen Antheil an uns — wir erkennen es. Es ist Niemand unter uns, dessen Herz Ihnen nicht offen stuͤnde, der Sie nicht wie einen Vater liebte! Ach, ich bin nicht der Lezte unter diesen, Sie wissen es. Ja, mein Sohn. Ich hatte ein Geheimniß vor Ihnen — aber jezt will ich mich Ihnen anvertrauen. Es ist die wich- tigste Angelegenheit meines Lebens — Sie werden mir helfen. Ich liebe Friedriken — sie liebt mich. Meine Eltern sind gut; aber sie koͤnnten dagegen sein, andre Absichten haben — und ich kann, ich kann keine an- dere lieben; und Riekchen niemanden, als mich — sie hat es gesagt. Wir waͤren Beide ungluͤcklich! Sprechen Sie fuͤr uns — sagen Sie ihnen das, und machen Sie ein gluͤckliches Paar! Ihr liebt Euch? Ja. Und Sie, liebes Kind? Ich vereinige meine Bitten mit den sei- nigen. Sollte aber das Zutrauen des Sohnes nicht zuerst den Eltern gebuͤhren? Nun, ich habe ja dieses Zutrauen auch. Ist das gut, wenn der Vater in dem wich- tigsten Vorfall des Lebens die Wuͤnsche und den Gehor- sam des Sohnes durch einen Fremden erfaͤhrt? (mit Waͤrme.) Ist es denn ein Fremder, den ich darum bitte? (Man hoͤrt Geraͤusch.) Nun ich will davon sprechen — so bald ich Ihren Vater sehe — heute noch. Das ist mein Vater — ich kenne ihn am Gange. Reden Sie jezt mit ihm. Ob Du dableibst? — Nein — geh mit — Komm! Oder — doch ja, geh mit. (geht ein Paar Schritte.) Nun, vergessen Sie es nicht — ich kann nicht leben ohne das Maͤdchen. Sehen Sie, die Thraͤnen kommen mir aus den Augen — es ist wahrhaftig wahr. Komm, Riekchen. (ab mit Friedriken.) Guter, ehrlicher Anton! E 4 Siebenter Auftritt . Pastor. Oberfoͤrster. (von aussen.) Nur gleich besorgt! — (im Kommen.) Ich will denn schon weiter sorgen, wie — — Ei, sieh da! Willkommen Herr Pastor! Sie haben gewiß das Maͤdchen besucht? Ja. Freude, innige Freude habe ich an Ihrer guten Bildung. Nicht wahr? Ja das Maͤdchen ist brav! (er packt seine Pfeife, Tobacksbeutel und Papiere aus.) Nun meine Frau wird Ihnen ja wohl gesagt haben — — Sie sind unser Gast diesen Mittag. Noch hat sie mich nicht gesehen. Ich danke indeß fuͤr die Einladung. Also Sie kommen? Ja. Brav, brav so! Wir wollen recht vergnuͤgt sein, denke ich. Es ist mir lieb, Sie bei so guter Laune zu finden. Ich habe denn wieder so dieses und jenes Anliegen an Sie. An mich? Wie — warum — wie? — Sie sollten es doch schon gewohnt sein, daß ich immer fuͤr jemanden bettle, wenn ich komme — Nun was ist es? — Was ich helfen kann — Der alte Friz, der schon bei dem vorigen Amtmann — — — der schon dreißig Jahre auf dem Amte ist, hat gestern seinen Abschied bekommen. Das ist schlecht vom Amtmann. Einen Hund schaffe ich nicht ab, wenn er auch noch so alt ist, wenn er auch kein Glied mehr ruͤhren kann; und der Amt- mann — Pfui! Was mir leid thut: man ist von allem Ihrem Gesinde des Guten so gewohnt, und Ihr Mat- thes hat durch boshafte, tuͤckische Streiche den Mann vom Amte weggebracht. Nun, der Matthes entlaͤuft seinem Galgen nicht. Da hat es — Der arme alte Mann hat die kranke Frau — die vielen Kinder! Es ist denn doch ein schreckliches Schicksal — In seiner Jugend — Husar, fast zum Kruͤppel gehauen und keine Pension — auf seine alten Tage auch aus dem Dienste noch verabschiedet! Er soll wie verzweifelnd im Orte herumgehen. Armer, armer Teufel! Wenn man ihn nur erst den Winter durch- braͤchte. — Ich habe darum eine kleine Kollekte ver- anstaltet — — E 5 Das lohne Ihnen Gott! Ich will denn das Meinige auch dazu geben. — Hm — Wer bald giebt, giebt doppelt. Das hier — habe ich Riekchen geben wollen, dort waͤre es auch gut gewesen; aber hier thut es Noth! Da — (ohne es einzustecken.) Das ist viel. Der Winter ist hart. Es ist wirklich viel. Lieber weniger Geld und etwas Holz. Das Holz gehoͤrt dem Fuͤrsten; das Geld ist mein. — Nun — was giebt es denn sonst Neues? Neues? Je nun — noch eine Bittschrift an Sie. Bittschrift? Muͤndliche Vorstellung durch mich. Von wem? Von Ihrem Sohn. Was will er? — Heirathen. — Hoho! Ein Maͤdchen, das er herzlich liebt, und die ihn wieder liebt. Herr Pfarrer — wen er will — wer es sei — nur Mamsell Kordel vom Amte nicht. Wenn es die ist — so — Nein — es ist Riekchen. Ja? warhaftig? Es ist nicht moͤglich! Hat der Junge das Maͤdchen lieb? Und sie — Sie ihn nicht minder. Topp! die soll er haben — nur versteht sich — noch nicht. Aber die soll er haben. Ei — wenn hat er Ihnen denn das gesagt? Vor wenig Minuten. Da wollen wir ihn gleich rufen. (thut ein Paar Schritt.) Zwar nein, — das geht nicht so. — Hol- laho! da haͤtte ich was Schoͤnes angestellt! Wie so? Ei — hahaha, ich muß doch meine Haus- ehre mit in den Rath ziehen. Jawohl, iawohl. Heda — Rudolph! — he! Herr Oberfoͤrster! Meine Frau soll kommen. (Rudolph ab.) Ja wenn wir das vergessen haͤtten, Herr Pfarrer — der offenbare Krieg waͤre angegangen. Und beim Licht bese- hen — gilt ia ihr Wort dabei so viel, als meines. Richtig. Ueber den Blizjungen! Nun das ist noch der gescheuteste Streich, den er in seinem Leben gemacht hat. — Dafuͤr hat er Kredit bei mir. Anton ist gut. Aber wild — wild wie der Teufel. Zwei runde Jahre muß es mit der Heirath doch noch anste- hen, wenn es gut gehen soll. Dazu rathe ich nicht, denn — — — Achter Auftritt. Vorige. Oberfoͤrsterin. Was giebts? doch kein Schaden, kein Ungluͤck? Dienerinn von Ihnen — Eben habe ich hingeschickt, habe mir die Ehre ausbitten lassen, auf dies — — — Bestellt und angenommen. Danke vielmals. Nun was soll ich — warum bin ich gerufen? Du kannst Dir was zu Gute thun: Du bist gerufen, um Rath zu geben — das ist Dir denn doch lange nicht begegnet. (schlaͤgt die Haͤnde faltend zusammen.) Nun warlich, dann muß guter Rath theuer sein! Richtig. Darum suchen wir ihn wohl- feiler. Nur geschwind, denn ich muß in meine Kuͤche — was solls geben? Sieh, Du bist eine kluge Frau, aber mit Antonen — hast Du Dich gewaltig verrechnet. Verrechnet? — Mit Antonen? Wie so? worinn? Wenn ich mich in dem irre: so sind alle Menschen falsch. Der Irrthum entsteht oft durch unser Ver- schulden. Nein — fuͤr meinen Anton stehe ich; der denkt nichts, was ich nicht wuͤßte. Fuͤr den stehe ich. Man kann fuͤr Niemand stehen und — (er laͤchelt.) in gewissen Faͤllen gar nicht. Lassen Sie mich. Ich habe es so in der Art, ihr Fragartikel aufzusezzen. Die beantwortet sie schar- mant. Am Ende sind wir immer Beide einig. — „Nicht „wahr — wenn Anton ein Maͤdchen liebte; so muͤßtest „Du es gemerkt haben? Richtig. Das behaupte ich. Nun — das behaupte ich auch. „Wenn er „heirathen wollte: so muͤste er es Dir am ersten sagen — Dabei bleibe ich noch. Gut. „Er wird Dir es auch am „ersten sagen? O das — das behaupte ich. Das behaupte ich nicht ! Der Junge soll heirathen; das will er auch. So weit ist die Sache richtig. Er soll Mamsell Kordelchen heirathen? die will er nicht — er will eine andre heirathen. Sieh, da hast Du Dich verrechnet, darum zerreiß Dein Exempel — es ist falsch. Hahaha! — Was? — Ja, ja. Anton heirathen! Nun warhaftig das muß er klug gemacht haben — Weil Du es nicht gemerkt hast? Ja, der Kluͤgste kann sich irren. Nun nun — erlebt man nicht Dinge! Je — wen denn? Ihre Friedrike. Was? (ernst.) Nein! (mit einem Ueber gange.) Aber nun geht mir erst ein Licht auf! Vorhin wie — und da —! Aber wo habe ich denn die Augen gehabt? Nein, das ist zu toll! So was ist mir all mein Tage nicht begegnet! Was denn? Denken Sie nur — — — nein, es ist wirklich zu arg. Was war es denn? Es ist noch nicht lange her — Mamsell Kor- delchen war da — Koͤmmt der Junge von der Jagd — — da stand ich; hier wo Du stehst, Mamsell Kor- delchen; und dort, wo der Herr Pastor steht, stand Riekchen. Und — wo standest Du? Hier — — Nun nur weiter. Koͤmmt er von der Jagd — rennt auf das Maͤdchen zu, grade zu, grade zu. Ich alterire mich, daß der Junge so grob ist, sage, er soll doch huͤbsch sein Kom- pliment machen und manierlich sein — nun, so steht er doch leibhaftig da, wie ein Stock! Ja — nun, auf die Art — — Bist Du also nun dahinter gekommen? Nun sag uns Deine Meinung von der Sache. (bedenklich.) Meine Meinung? (mit leich- tem Achselzucken.) Ja, — — Riekchen ist ein gutes Kind, ein braves Maͤdchen, das ich wie meine Tochter liebe, die uns keine Schande machen wuͤrde, die — „Aber“ — Spann den Hahn nicht so lange, schieß ab! Aber sie hat denn doch auch gar nichts. — — Erstlich : Man muß bedenken — Weib! Zaͤhle doch die Gluͤckseligkeit nicht immer nach harten Thalern. Aber ohne Geld lebt es sich doch einmal nicht. Tausend Sapperment! (er geht umher.) Liebe Frau, in Heirathssachen ist schwer zu rathen. Ich vermeide es so gar, darum befragt zu wer- den. Aber wenn der Fall so klar ist, wie hier — kann man es ohne Anstand. Wenn Sie daher sonst kein Hinderniß wissen — — Als wir uns heiratheten, waren wir arm — nun, wir sind noch nicht reich — aber wenn uns nun jemand, der harten Thaler wegen haͤtte von einander jagen wollen? he? Das mag alles gut sein. Aber — ich muß mich uͤber Dich wundern, daß Du an Nichts denkst. — Verstehst Du mich? Nein. Wir koͤnnen diese Heirath vor unserm Gewissen nicht verantworten. Ober. Weswegen nicht? Da Riekchen andrer Religion ist, als An- ton; so duͤrfen die Beiden nimmermehr — O Weib, Du — das haͤtte ich — Weib! — Herr — jezt ist die Reihe an Ihnen. (ab.) Neunter Auftritt . Pastor. Oberfoͤrsterin. Nein, das geht nicht. Alles Liebes und Gu- tes; aber das — Nun und nimmer nicht! Haben Sie keine Einwendung gegen diese Heirath, als daß Riekchen nicht unserer Religion ist? Nein. Sonst keine. Auch keinen Widerwillen, keine Abneigung irgend einer Art? Nein. So sind Sie verbunden, diese Heirath zu- zugeben. Was? Das sagen Sie mir? Ich. Es ist Ihre Pflicht. Sie sind unser Herr Pastor, und sollten sich dawider sezzen; Ihre Pflicht fordert — Meine Pflicht ist, Gluͤkseligkeit befoͤrdern, Duldung verbreiten — nicht verfolgen. F Verfolgen? Ei behuͤte Gott, das sage ich nicht, das denke ich nicht einmal. Machen Sie mich doch nicht zu so einem gottlosen Weibe! Ich wuͤnsche aller Welt Gutes — ich verfolge sie ja nicht. Menschengluͤck hindern — ist das nicht verfolgen? Ach, Herr Pastor — ich waͤre ja recht gluͤcklich, wenn ich es zugeben koͤnnte. Aber mein Ge- wissen — mein Gewissen darf ich doch auch nicht verlezzen. Sie glauben, diese andre Religion wuͤrde Ihren Kindern ein ungluͤckliches Leben machen? Ja, das glaube ich. Das glaube ich und dabei bleibe ich. Hat Friedrike Sie geehrt, geliebt wie eine Mutter? Ja, das muß ich bezeugen. — Sie ist ein dankbares Kind. Ist sie sanft, gut — wohlthaͤtig? O ja. Ja, das ist sie. Ist sie aufrichtig — fromm — sittsam? Das ist sie warhaftig. Aber — — Nun, dann beruhigen Sie Ihr Gewissen. Eine Religion, die diese Tugenden lehrt, macht auch das Leben nicht ungluͤcklich — Geben Sie die Heirath zu. Wenn ich auch wollte — nein, ich kann es wahrhaftig nicht zugeben — ich kann nicht. Gute Frau — veraltetes Vorurtheil ist nicht Gewissen. Wer Eigensinn Religion nennt, ver- suͤndigt sich. Versuͤndigen — Auf Alles, was Elternliebe thun kann, haben Sie ihr einmal Anspruch gegeben. Sie koͤnnen sie jezt ganz gluͤcklich machen — und wollen es nicht. Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirath — so muß Friedrike aus dem Hause. (geruͤhrt.) Wenn es dahin kommen sollte — so soll es ihr doch an nichts fehlen. An nichts fehlen? — O wir sind arme Menschen, wenn man uns das Beduͤrfnis unsres Her- zens nimmt! Ihr Sohn? — der junge Mensch ist hef - tig , — Sie entreissen ihm ein tugendhaftes Maͤdchen, das er innig liebt. Sie sind eine gute Mutter. Woll- ten Sie alles das auf Ihr Gewissen nehmen, wozu hef- tiger Schmerz den Juͤngling verleiten koͤnnte? (die Haͤnde ringend.) Ach Gott, wie quaͤlen Sie mich! F 2 Nun, muthig im Guten — Ihr Herz be- halte die Oberhand, da die Vernunft ihm sagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menschengluͤck vernichtet. Es thut mir leid — es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angst. Aber man muß seine Schul- digkeit thun, ohne Menschenfurcht, Herr Pastor — ohne Menschenfurcht. Sie aber haͤtte ich fuͤr viel zu brav ge- halten, als daß Sie sich von dem neumodischen Leicht- sin haͤtten hinreissen lassen. Neumodisch? — Menschenliebe ist so alt, als die Religion. — Nun meine lezte Vorstellung. Sie sind alt — Ihr Sohn kann diese Heirath verschie- ben — wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an sein Gluͤck zu rechnen? Will er so gottlos sein — Gott mag es ihm vergeben! — ich kann nicht anders. (mit edlem Eifer.) O Vorurtheil! staͤrker als Mutterliebe fuͤr den einzigen Sohn — bist du so Herr uͤber die besseren Menschen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie lassen mich bekuͤmmert von hier gehen. — Nur das sage ich Ihnen noch — ehren Sie diese verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na- men: Religionseifer. Jener ist erhaben und mild; was Sie aͤußern, ist Groll gegen Menschen, die — — nicht glauben, wie wir glauben. Meiner Vernunft und meinem Herzen bleibt hier nichts uͤbrig, als der Wunsch — Besserung. (im Gehen begegnet ihm der Oberfoͤrster.) Zehnter Auftritt . Oberfoͤrster. Vorige. (gutmuͤthig.) Ist sie zur Vernunft ge- kommen? Sie wird sich besinnen — ich hoffe es. Ich will keine Friedensstoͤrerin sein — in Gottes Namen — thue was Du willst; aber laß mich bei meiner Meinung. Nein. Du sollst was bessers meinen. Das ist unchristlich, gottlos — heidnisch ! Gelassen, lieber Mann, gelassen! Nein — dabei bin ich nicht gelassen. Waͤre ich es, so sollten Sie keinen Schuß Pulver auf mich geben! Ihr weiches Herz wird die Oberhand be- halten. Ihre gesunde Vernunft soll die Oberhand behalten. Duldung ist Religion; die bitte ich nicht von ihr, die fordre ich. Die mehrsten Weiber, die in F 3 den Kirchen viel heulen, sind boshaft ausser der Kirche. Treibst Du mich so weit, daß ich Dich dafuͤr halte: — sieh — so lange wir auch zusammen gelebt haben — ich — — — scheiden laß ich mich! Jezt geh hinaus und besinne Dich eines beßeren! Gott weiß — ich bin nicht boshaft! Ich wuͤnsche aller Welt Gutes; aber ich kann mich nicht uͤberzeugen, daß das sein darf. Warum werde ich nun daruͤber so gequaͤlt? Ach wer mir das vor einer Stunde gesagt haͤtte — Jezt geh — laͤnger taugen wir nichts zu- sammen. Geh fort. Ach ich ungluͤckliches Weib. (ab.) Eilfter Auftritt . Pastor. Oberfoͤrster. Nun — was sagen Sie? Wie gefaͤllt Ihnen das? Ich gebe noch nichts auf — und wenn sie erst die Kinder selbst spricht — Sie soll sie nicht sehen — sie soll nicht aus Mitleiden gut sein; gut, weil es gut ist: oder ich habe keinen Respekt vor ihr. Solchen boshaften Un- verstand leide ich nicht! — Wenn ich nur die beiden jungen Leute aus dem Hause haͤtte! Ich schaͤme mich, wenn sie es merken: denn — — Zwoͤlfter Auftritt . Vorige. Anton. (freudig) Nun, Vater? Wer hat Dich gerufen? O sagen Sie mir nur mit einem Worte. Geh an Deine Arbeit, es ist hier nichts fuͤr Dich zu thun. Nichts zu thun? — Vater: Um Gottes willen. Geh Deiner Wege. Die Mutter weint und antwortet nicht. — Nichts zu thun? — O Herr Pastor, Sie — — Nur ruhig — es kann vielleicht noch werden. Ich ungluͤcklicher Mensch! — O Du armes Maͤdchen! Geh hin auf das Amt und bitte den Amt- mann, die Amtmannin, die Tochter und den Sohn zum Mittagsessen. Dann geh und — — Vater, das kann ich nicht. Warum nicht? F 4 Vater, ich kanns wahrhaftig nicht! Du gehst gleich hin. Alles in der Welt, nur nicht aufs Amt, nur jezt nicht aufs Amt. Schicken Sie Rudolfen hin. Er soll hin. Mit rothen Augen? Dem Jungen zum Spott? Nein — und sollte ich niemals wieder ins Haus kommen und sollte es mein groͤßtes Ungluͤck wer- den, und sollte mein Leben darauf stehen! Aufs Amt kann ich nicht gehen und Riekchen lasse ich nicht — Vater! Ich lasse sie wahrhaftig nicht. Junge, laß Dich nicht wieder vor mir sehen. Gut, ich wills. Es soll geschehen. Sie machen mich ungluͤcklich, Riekchen dazu, verstoßen uns — gut ich gehe — Adieu Vater — ich gehe. (ab.) Dreizehnter Auftritt . Pastor. Oberfoͤrster. Beßter Mann! Sie waren zu hart. Ich weiß nicht, was ich thue; solcher Dinge bin ich nicht gewohnt. Uebrigens mag er aufs Amt gehen — er mag es bleiben lassen; nur fort soll er. Ich kann es nicht leiden, wenn Kinder die Fehler ihrer Eltern sehen — und vollends solche Fehler. — Vierzehnter Auftritt . Vorige. Friedrike. O lieber Vater, was ist das? Was? Anton kam heraus, kuͤßte mich dreimal, die Thraͤnen stuͤrzten ihm aus den Augen, er riß den Hut von der Wand, und stuͤrzte zum Hause hinaus. Teufelskind! — Riekchen geh oben hinauf, bis ich Dich rufe, und sei ganz ruhig. — Hoͤrst Du? — ganz ruhig. Aber — Ganz ruhig. Es wird schon werden. (Friedrike ab.) Funfzehnter Auftritt . Pastor. Oberfoͤrster. Mir ist wunderlich zu Sinne! Freund! Ich will mit Eifer arbeiten. Bringen Sie alles wieder ins Gleise. Aber bald — Mir ist bange ums Herz. Das ertrage ich nicht lange — Ich greife durch — da geht mirs denn F 5 mannichmal zu geschwinde von der Hand. Ich haͤtte es denn gern so mit Ehre und Frieden — Nun — Sie thun nichts halb. — Sie werden es schon machen mit dem Weibe — Ich gehe aus dem Hause. Laß uns den Irrenden sanft zurecht weisen. Adieu. Gott befohlen. (Auf verschiednen Seiten ab.) Ende des zweiten Aufzugs. Dritter Aufzug . (Eine Bauer-Wirths-Stube, im Hintergrunde ein Tisch mit einem Schwenkkessel, Bouteillen, Glaͤsern etc. An der Seite links ein Kamin auf baͤurische Art, uͤber dem Feuer ein Kessel, worin die Bauern Kaffee kochen.) Erster Auftritt. Die Wirthin und Baͤrbel, ihre Tochter. Baͤrbel, Baͤrbel! (von außen.) Ja, Mutter, gleich. Tummle Dich, sage ich. Da bin ich — was wollt Ihr? Schwenk die Glaͤser; sie kommen bald. — Ruͤhr Dich! Nun — wer wird denn kommen, als der alte lahme Gerichtsschreiber? Nein, die Bauern kommen auch. Zweiter Auftritt . Vorige. Gerichtsschreiber. Guten Tag, Frau Wirthin! (kurz.) Guten Tag, Herr Gerichts- schreiber. Es ist moͤrderlich kalt. Einen Trunk, Jungfer Baͤrbel. Was giebts denn heute? He? Ich will in Sachen des Kappe contra Romann erkennen. (Baͤrbel bringt ein Glas Wein. Er trinkt.) Recht lieblich — in der schweren Kaͤlte recht ersprießlich. (Reibt die Haͤnde.) In der Kam- pagne von Anno 45 am Rheine, wo ich bei Dettingen so schwer am Fuß blessirt ward — — Hahaha. Was lacht Sie? Der alte Quartiermeister von Remrein, war neulich hier bei uns, und — hahaha. Lebt er noch, der ehrliche Schlag? Kenne ihn genau, ist mein alter Special, habe neben ihm manche Kugel sausen hoͤren — ich! Nun ja — Da kamen wir auf Ihn zu sprechen. „Ist der Kerl bei Euch Gerichtsschreiber“? sagte er — „Nun, sagte er — aber lieber Herr Ge- richtsschreiber, Er muß nicht boͤse werden, denn ich sage es in allen Ehren — ja, sagte er, — „das war ein durchtriebner Spizbube“. Wie — da? hm brr — hm. Ein durchtriebner Spizbube. Da wollte ich Ihn verdefendiren und auf Seine Kampagne kom- men — so sagte er — „Er waͤre allemal zuerst ausge rissen“. Wie ich nun von der Blessur sprach, wovon Er uns alle Abend erzaͤhlt; sagte der Quartiermeister — „Er haͤtte den Bauern Huͤhner stehlen wollen, und „waͤre erwischt. Auf der Flucht waͤre Er in eine Sense „gefallen, davon kaͤme das kurze Bein.“ Hoͤre man doch ums Himmels willen die Schwaͤnke an! Das will Sie gehoͤrt haben? Ja, ja. Der Quartiermeister ist — — Apro- pos! Ist er noch hier? Nein, er ist fort. Der ist recht schlecht. Das sage ich. Die Blessur habe ich bekommen in der Bataille bei Dettingen. Wie der Feind auf uns anruͤckte; so — — — Stand Er auf der Batterie mit funf- zig andern. Da kam der Herzog von Kumberland auf dem Schimmel geritten. Ihr Kinder, schrie der Her- zog, deckt die Bataille! da liefen ihrer neun und vier- zig fort, aber Er blieb stehen, und so kam eine Kugel und streifte Ihn; aber Er blieb nun noch acht Tage liegen — Alles richtig. Nun man wirds denn am Ende doch wissen; Er erzaͤlts ja alle Abend. Nun — also bin ich nicht in die Sense gefallen. Und also hat Er keine Huͤhner gestohlen. Eine Lehre kann ich Ihr doch bei der Gelegenheit geben — Bei Leib und Leben erzaͤhle Sie so was Ehrenruͤhriges nicht, wenn einer Wein trinkt. Ich bin sonst ein moderater Mann, aber hieruͤber habe ich mich gealterirt — und wenn der Quartiermeister hier waͤre — so koͤnnte ich ihn in der Hizze und durch das Weintrinken — ich koͤnnte ihn zu Granatbißchen hauen. (trinkt.) Kommen heute spaͤt, die Bauern. Was sollen sie denn auch hier thun? Hm br hm! Haus und Hof kaufen. Und in drei Wochen wieder verkaufen, so faͤllt es in Euren Beutel. Noch eine Bouteille! Steht schon zu viel angeschrieben. Laßt es stehn. Die Gemeinde muß zalen. Das ist nicht fein — das werde ich melden. Frau Wirthin! Ei was, es ist wahr — was zu arg ist, ist zu arg. Man muß leben und leben lassen. Er will die geordinirte Obrigkeit sein — — Nun ja. So sollte Er es auch huͤbsch darnach machen. Aber erst beschwazt und berauscht Er die armen Leute, daß Sie ins Tages Licht hinein kaufen. Vier Wochen danach sizt Er ihnen auf dem Halse. Nun heißt es: Geld her! Da wird wieder gerequirirt, ver- kauft und genommen, bis sie fort von Haus und Hof einer nach dem andern in die neue Welt ziehen. Laß sie ziehen — so giebt es Plaz. Wenn sie alle nach der neuen Welt gezo- gen sind, dann kann ich mein weisses Roß zusperren — gelt? Nein — bleib Er mir zu Liebe weg. Der Ge- winn ist Suͤndengeld, ich mag ihn nicht. Wer weiß, wer weiß, warum mir mein Sohn so ploͤzlich gestorben und mein Vieh so gefallen ist. Hat Euch denn der Tischler bezahlt? He? Der Herr Amtmann, sollte ein Einse- hens haben — — aber der — — Sagt doch, hat Euch der Tischler bezahlt? Nein. Woher auch nehmen? Es giebt keine Arbeit. Ihr sollt Euer Geld bald kriegen. Wovon denn? Es ist doch jezt eine ungesunde Zeit — nicht wahr? Nun ja. Es sterben viele Menschen? Ja. Aber — — — Nun seht, wie ich das ausgestudirt habe. Da fallen wir dem Tischler in die Flanque — und legen Arrest auf die Saͤrge, oder Todtenladen. Was? Nun und ich weiß ihrer ... drei, die alle bei ihm arbeiten lassen, fuͤr die wird schon in den Kirchen gebetet. Wenn die dran glauben muͤssen: so seid Ihr auch bezahlt. Er will gar gescheut sein, aber sein aus- gestudirtes Wesen koͤmmt manchmal recht albern her- aus. Fuͤr unser Dorf waͤre es recht gut, wenn Er mit dem andern Beine auch nicht gehen koͤnnte. Wenn Ihm etwa einmal nach meinen Huͤhnern geluͤstet, ich will Ihm die Sense zurecht legen. Und nun, Herr Gerichtsschreiber, wenn Er noch ein bischen gescheid ist: so so koͤmmt Er hier nicht wieder her, oder ich packe Ihn auf, und seze Ihn vor die Thuͤre. (ab.) Frau Wirthin! — Nun ich will dies- mal nichts daraus machen, weil — — wenn aber meine Herren Kollegen hier waͤren; so so — — Dritter Auftritt. Voriger. Kappe. Romann. Ein alter Bauer und noch einige andre Bauern. Guten Tag, Herr Gerichtsschreiber! Guten Tag, Herr Gerichtsschreiber! Guten Tag, Herr Gerichtsschreiber. (Sie kommen einer nach dem andern herein, außer die lezten, welche zugleich hereintreten.) (sezt sich.) Willkommen, Ihr Herren! Er solls nun einmal ausmachen mit dem Handel. Es kostet einem jeden schon acht Thaler. Wir wollen nun nicht mehr kommen. (schlaͤgt mit dem Staͤbchen auf den Tisch.) Silentium! Ihr seid der Peter Kappe? Ja. Und Ihr? Hans Romann. G Nachdem sich neulich unter Euch, dem mehrbemeldeten Peter Kappe, und Euch — wie heißt Ihr? Hans Romann. Mein Vater ist der Kaspar Romann an der stumpfen Ecke. „Und Euch Hans Romann, ein Ha- der hat ergeben wollen — Nein — er hat sich nicht drein ergeben wollen, darum habe ich ihn geklopft. (zum Gerichtsschr.) Nun hoͤrt Ers doch, daß ich Recht habe? (zu Kappe.) Ihr habt nicht Recht, denn — Herr Gerichtsschreiber! Mit der geballten Faust hat er mich hier auf die Nase geschlagen — Ihr wollt Euch verdeffendiren, aber — Ihr luͤgt einmal aͤrger, als das andre. Kappe hat Recht. Nein, er hat nicht Recht. (steht auf.) Halt! — Silentium! Ich laß mich nicht betoͤlpeln — — Ich will Euch weisen — — Halt — Im Namen des hochloͤblichen Amts. (die Bauern treten zuruͤck.) Oder ich lege Euch das Handwerk. Million Bomben Sapperment! — ich weiß, was Rechtens ist! (er schreit um so staͤrker, je mehr die Bauern weichen.) Ich bin dabei gewesen, war vier Jahre lang Feldwebel, habe schwere Campagnen ge- macht, habe mir lassen Wind um die Nase wehen — daß Ihrs wißt! he! Nun ja. Ich glaubs. (im naͤmlichen Raptus.) Was? (lachend.) Nun, Er ist Feldwebel gewesen. (halb hinter dem Hute lachend.) Ja der Wind hat ihm an die Nase geweht, lieber Herr Ge- richtsschreiber! Als ich Anno 54 die große Glocke konvoirt habe, so habe ich 9 Mann gekommandirt und will Euch schon zur Raison bringen. (im Niedersezzen.) „Und es hat verlauten wollen, als ob mehr gedach- „ter Romann dem Peter Kappe die Nase im Ge- „sicht habe verlaͤdiren wollen — Kucke Er hier — Ich habe ihn nicht geschlagen. Ich fiel, und wollte mich halten, damit kriegte ich seine Nase zu packen. „Und nunmehr nach genugsamer Un- „tersuchung — — Vierter Auftritt . Vorige. Matthes, in der Amtslivree. Sein Diener, Herr Gerichtsschreiber. Ei — Sein Diener. Nun — auch bei dem hochloͤblichen Amt in Diensten? Nun — gute Freundschaft! Topp — gute Freundschaft! Ein Glaͤschen darauf? Je nun — Ihm zu Liebe. Geht in Gottes Namen nach Hause, Ihr Leute. Aber mein Prozeß? Vergleicht Euch. Wir koͤnnen uns nicht vergleichen, darum klagen wir ja. Ihr sollt Euch vergleichen. Ich habe in vier Verhoͤren fuͤr einen Tha- ler Wein getrunken. Trinkt Sonntags keinen. In dem lezten Verhoͤr hat er allein fuͤr einen halben Thaler auf meine Rechnung gesoffen. Da ist der Bescheid. Ich will keinen. Wenn wir uns vergleichen wollen: so thun wirs ohne seinen Bescheid, damit kriegt Er keinen Heller. Vergleicht Euch, oder laßt es bleiben — nehmt den Bescheid oder laßt ihn liegen; nur zahlt die Unkosten — 4 Reichsthaler. Ei Gott! Das ist zu toll. Darnach werden wir uns weiter umsehen. Das hochloͤbliche Amt hat es befohlen. Wer nun noch ein Wort sagt, koͤmmt in den Thurm! (die Bauern gehen unter bedrohenden Pantomimen in den Hintergrund, und sezen dort leise ihr Gespraͤch fort.) (er faßt den Gerichtsschreiber bei der Brust.) Spizbube, Du machst unser Dorf ungluͤcklich. Nun, nun — Herr — — Spizbube noch einmal! Wenn Du was dagegen hast — ich bin auch Soldat gewesen, und so alt ich bin, so — (bietet die Hand.) Ei, lieber Herr Reinhard. (schlaͤgt sie weg.) Das nehme ich nur von einem ehrlichen Kerl an. (geht zu den Uebrigen.) Leidet Er das? G 3 Und wohl noch mehr. Denn ich muß ein Beispiel geben. Hintennach weiß ich sie doch schon wieder zu — — Nun so laß ichs gelten. An allem dem Unheil, ist der Herr Pfarrer aus Eurem Ort schuld. Der macht die Leute so uͤberverstaͤndig. Der Herr Oberfoͤrster, macht es denn auch nicht besser — Nun mit dem kann es sich legen. Wenn der junge Foͤrster Mamsell Kordel nicht nimmt: so kann es ihm noch wunderlich gehen. Der Amtmann hat einen langen Arm in der Stadt, und der hats ihm ge- schworen. Brichts da — so hat Er auch einen freien Ruͤcken. Der Herr Amtmann — — die Kerls hoͤren uns doch nicht — Bewahre, die sind in ihrem Prozeß — — Der Herr Amtmann lassen mich nicht im Stich, da hats gute Wege! Nun — Sie wissen auch schon, warum . — Jezt bin ich ihm darin sehr noͤthig. Warum? O jezt bluͤhet mein Weizen. Der Herr Amtmann verhaͤngt denn so ein Schuldenwesen nach dem andern — Versteht Er? So was wird gar klug gemacht. Das Eselsvolk zieht in die neue Welt, und — — Er versteht schon —? Nun — es leben die Landdienste! Wo gehts denn mit Ihm hin? Meine erste Arbeit. Geld in die Stadt bringen. Fuͤnfter Auftritt . Vorige. Wirthin. Ach du lieber Gott! (durch einander.) Was ist — was giebts, Frau Wirthin? (trocknet sich die Augen, erzaͤhlt und macht Pantomime auf Matthes.) Die sprechen von uns — sie werden doch nichts gehoͤrt haben. Sollt's nicht meinen. Nun, Frau Wirthin, was Neues? Armer Teufel! Ja wohl. (sie kommen herunter und sezzen sich um den Kamin.) Herr Matthes — Sein Dienst mag recht gut sein, ich will auch glauben, daß Er ihn in allen Ehren gekriegt hat; aber es ist doch hart! G 4 Was? Ich verstehe Euch nicht. Der alte Friz vom Amte war da. Du lieber Himmel, wie sieht der Mann aus! Herr Mat- thes — nehme Ers uͤbel oder nicht — ich koͤnnte nicht in dem Rock stecken, den ich einem mit Gewalt vom Leibe gerissen haͤtte. Haltet das Maul, alte — Nun, lieber Gott! Ich werd's nicht aͤndern. Aber man hat denn doch ein Herz. Es ist Winterszeit — der Mann sah ganz verkehrt aus — Er trank ein Glaͤschen, und suchte in den Taschen. Ja, daß ich was von ihm genommen haͤtte! behuͤte! — ich schaͤmte mich der Suͤnde! Sechster Auftritt . Anton. Vorige. (er hat einen Hirschfaͤnger um.) Guten Tag. (er geht grade auf den Kamin zu, zwischen Matthes und den Gerichtsschreiber, welche sich um- sehen, aber nicht ruͤcken. Der Gerichtsschreiber gruͤßt kaum, Matthes gar nicht.) Nun, Plaz da! Ei warum? Ich sizze gut. Plaz! daß ich auch zum Feuer kann. Wer zuerst koͤmmt, mahlt zuerst. Wißt Ihr, wen Ihr vor Euch habt? Was dem Einen recht ist; ist dem An- dern billig. ( NB. immer ohne sich umzusehen.) Schurke, nun ist es genug. (zieht.) (faͤllt ihm in den Arm.) Herr Foͤrster! (greift nach seinem Knotenstock.) Was er denn wohl will, ins Kuckuks Namen! Kerl, geh aus der Stube, oder Du bist des Todes. Ah — (sezt sich.) Noch ein Glas, Herr Gerichtsschreiber! Ich wills holen. (ab.) Laßt mich los. Um Gottes willen, haltet ihn ab! Laßt mich los ins Teufels Namen! Ich haue ihn zusammen, den Hund — Gemach — Herr Foͤrster, beden- ken Sie, Ihr alter Vater! Und Riekchen — und mein Versprechen. Alter, ich will ruhig sein. Aber schafft den Kerl fort. Wein, Frau Wirthin! (die Bauern bereden Matthes, fortzugehen.) Lieber Herr! Sie sind feuerroth — so schnell in die Hizze — G 5 Wein, sage ich —! Aber, lieber Herr Foͤrster — (ergreift eine Bouteille, und stuͤrzt ein Paar Glaͤser hinunter.) Macht nicht so viel Wesens. Nun, auf Ihre Gefahr! Und iezt, Herr Matthes — zieh Er die Pfeife ein, und geh Er. So bald mirs beliebt. (aͤngstlich zwischen beiden Partheien.) Ach Gott, Ihr Leute! Elender Spizbube. (klopft die Pfeife aus.) Jezt ist mirs gele- gen. Nun waͤrme Er sich, Monsieur. (im Gehen.) Schurke! Ich habe Dirs lange gedacht. Aber wart, ich treffe Dich schon noch. (hebt den Stock und will umkehren. Aber die Bauern nehmen ihn unter Pantomimen der guͤtlichen Zuredung, doch ohne laͤcherliches Getuͤmmel, mit sich fort.) Siebenter Auftritt . Anton. Wirthin. (ihm nach.) Schlechter Kerl! — Noch ein Glas! Lieber Herr Foͤrster, in der Hizze, auf den Aerger — es geht ia warhaftig nicht. Gebt es doch! Wer weiß. Ihr gebt mir wohl so bald keines wieder — Was sind das fuͤr Reden? Nun gebt her. (die Wirthin giebt ihm.) (nachdem er hastig hinein getrunken.) Fuͤr wen tragt Ihr Schwarz? Fuͤr meinen Anton. Vorige Woche ist er gestorben. Du lieber Gott! Ich habe nur den einzigen Sohn gehabt, und er hat fort gemußt — Der Junge fehlt mir in allen Winkeln. Was hilfts? — man weint ihm nach — aber — Hin ist hin. (mit gesenktem Blick und tiefem Athen.) Hin ist hin! (abwaͤrts.) Ob sie mir auch wohl eine Thraͤne nachweint — Was meinen Sie? Hin ist hin! — Gebt mir Papier und Feder. Hier, da ist — — (sezt sich zum Schreiben, denkt, schreibt ein Wort, streicht es aus und springt auf.) Mutter — ich wollte, ich laͤge so tief, wie Euer Anton. Gott soll Sie bewahren! — So ein lieber junger Herr — haben so liebe Eltern; warum wollten Sie sterben? Nun, was giebts denn Neues bei Euch? — Die Werber sind ja von Euch gezogen — wohin denn? Eine kleine halbe Stunde von hier nach Graurode. Nun, in Gottes Namen! — Noch ein Glas. Nichts — und wenn Sie es mit Golde bezahlen wollten. Nun, so lebt wohl. Adieu, Alte — Gott troͤste Euch! — Noch eins — schickt doch in meinen Ort nach Weißenbach — da ist die Fridrike wieder in unserm Hause. Ich weiß, das liebe Maͤdchen ist diesen Morgen hier durchgekommen — es ist ein herzlich Ding. (mit Feuer) Nicht wahr? Nicht wahr, Riekchen ist gut? Nicht wahr, ihrer giebts wenige? (mit unterdruͤckten Thraͤnen.) So ehrlich — so huͤbsch — so brav — Das ist gewiß. (gefaßter.) Nun, so thut mir den Gefallen geht hin — ich muß uͤber Feld — und das Schreiben will mir nicht von der Hand — ich — ich kanns Euch sagen, ich habe das Maͤdchen gern. Sagt ihr, ich wollte ihr bald schreiben — bald! — Ich — (er wirft sich mit Ausbruch von Thraͤnen auf den Stuhl.) Ach, lieber Gott! Herr Foͤrster, wie wird Ihnen? (reißt Halsbinde und Hemdkragen auf.) Es ist mir so heiß — so aͤngstlich, so bange. Ich haͤtte doch den Wein nicht trinken sollen. Liebes Kind! Sie sind doch da nicht auf uͤblem Wege? Ich wollte bald schreiben — und ich wollte sie in alle Ewigkeit nicht vergessen — Sie moͤgte nur nicht meinen, es gienge mir gut, recht gut. Aber Sie kommen ja bald wieder; warum soll ich — Nicht so bald — damit sie ruhig ist — thut mir die Liebe! denkt, es waͤre Euer Anton, der Euch so baͤte — — Ja lieber Gott, dann wollte ich — Ja ich will es bestellen! Und an Ihre Eltern? (mit heftiger Bewegung.) Einen Gruß — ich waͤre hier durchgereist — ich ließe ihnen noch einmal Adieu sagen. Hoͤrt Ihr? — Adieu an Vater und Mutter! Mein Gott! Was ist Ihnen? — Sie blu- ten ja aus der Nase, Herr Foͤrster! (sie ergreift seine Hand.) (wendet sich etwas ab und haͤlt das Tuch vor.) Sie sollten Riekchen gut halten — ich wollt es ihnen ewig — ewig danken — und ich wollte mich gut halten und brav werden — (fast mit Schluchzen.) und wenn ich zu sterben kaͤme — so sollten sie Riekchen zur Erbin einsezzen, und — Mutter, Gott troͤst Euch! (reißt sich gewaltsam los und fort.) Achter Auftritt . Wirthin. Hernach Baͤrbel . Je, wie ist denn das? Gelaufen — gluͤht wie ein Ofen — den Wein hineingestuͤrzt — nach den Werbern gefragt — ich soll den Eltern Adieu sagen — und so fort! der Teufel wird ihn doch nicht geblendet haben, daß er unter die Reuter gehen will — was? He, Baͤrbel — Baͤrbel! — Zwar, das geht nicht; er ist ja Foͤrster! — Indeß es ist ein junges Blut, und wenn denen die Ratte durch den Kopf laͤuft — Freilich duͤrfen sie ihn auch nicht annehmen — aber sei Du Herr Foͤr- ster, oder nicht; was das Volk einmal in den Klauen hat, giebt es nicht wieder heraus. Baͤrbel, he! (traͤge.) Nun, was ist? Geschwind, geschwind! Ich muß nach Weissenberg. Stell den Regenschirm parat — bring mir meine schwarze Sammtkappe, meinen Sontagsmantel und die Klapphandschuh. Ruͤhre Dich. (Baͤrbel ab.) Das arme Weib! (sie raͤumt Sachen vorn von der Buͤhne in den Hintergrund.) und der gute Alte, sie graͤmten sich zu Tode. Gleich will ich hin — alles zugeschlos- sen — bei dem Wetter wird so niemand sonderlich kommen. Das Maͤdchen mag einmal haushalten. (bringt die Sachen.) Nun Du! Mach Deine Sachen gescheut, hoͤrst Du? Jedermann richtig Maaß — Niemand auf- gehalten! (sezt die Kappe auf.) Es ist uͤber eine Stunde Weges, es ist Winterszeit — schlechtes Wetter, Ihr solltet doch da- bleiben. — Was Winterszeit, was schlechtes Wetter! die Leute haben nur den einzigen Sohn. Ach, koͤnnt ich meinen Anton wieder holen, ans Ende der Welt wollte ich laufen. Es hat ja Zeit bis morgen. Wie Du es verstehst! Man soll nicht war- ten bis morgen, wenn man einem Menschen eine gute Stunde machen kann. Aber was geht es denn Sie an? Hoͤre, ich habe Dirs lange angemerkt, wenn Du nur einem Menschen ein Stuͤck Brod abschnei- den sollst, so laͤst Du das Maul haͤngen; keinem Men- schen goͤnnst Du was Gutes: aber den heimlichen Neid- hart sollst Du abschaffen, oder ich will nicht gesund von der Stelle gehen! daß Du's weißt! (ab.) Neunter Auftritt . Baͤrbel (raͤumt alles weg. Indem koͤmmt, der Seite gegen uͤber, wo die Wirthin abgieng.) der Gerichtsschreiber. Sind sie fort? Ja. Er kann gehen. Hats denn nichts gegeben? Was? So — von Stulbeinen — und blu- tigen Koͤpfen! Bewahre uns Gott! Nicht einmal? — O so habe ich die liebe Zeit davon. Wo ist mein Glas? — ich hatte noch nicht ausgetrunken, als der Rumor angieng. Da stehts. Ge (im Trinken.) Das ist ein Kreuz! Nichts wird Inquisitionsmaͤßig, und wenn die Karten noch so gut fallen. Da haͤtte ich das Leben verwettet, es wuͤrde wenigstens ein halber Schaͤdel in Untersuchung kommen — Nichts! Seit neun Jahren keinen erheblichen galgenmaͤßigen Malefikanten und seit achtzehn Jahren keine Tortur — es ist zum Gotterbarmen! das — (ab.) Zehnter Auftritt . (In des Oberfoͤrsters Hause.) Oberfoͤrster. Rudolph. Rudolph — seid Ihr auf dem Amte gewesen — ich weiß nicht, essen wir allein, oder — — Ja. Sie kommen, nur die Frau Amt- maͤnnin nicht. Auch gut. Sie sagte, unsere Hunde machten zu viel Laͤrm, sie kriegte Kopfweh davon. Der Herr Pastor, wird wohl noch da sein? Nein. Vor einer halben Stunde ist er weggegangen. So? War der junge Herr Foͤrster nicht bei Ihnen? H Nein. — Ist er auch in der Zeit noch nicht nach Hause gekommen? Ich habe ihn mit keinem Auge gesehen. Schickt einmal nach der fahlen Eiche. Vielleicht ist er da. Er soll hereinkommen. Ganz wohl. (ab.) Wundern soll mich's doch, woran ich mit der Frau sein werde? Ob — — Eilfter Auftritt . Oberfoͤrster. Oberfoͤrsterin. (sezt sich oft in Positur, etwas zu sagen, ist ver- legen um den Anfang, nimmt Toback und geht herum.) (sieht sie nicht an und geht auf der andern Seite herum.) Nun? (kurz.) Was giebts? Ei fahr mich nur nicht so an! Sprich vernuͤnftig, oder schweig. Meinetwegen — ich schweige. (sie geht ein Paar Schritte, er auch wieder.) Alter — Hm? Wenn soll denn die Hochzeit sein? Welche Hochzeit? Mit Anton und Friedriken — (nach kurzer Pause mit Ruͤhrung.) Bist doch ein gutes Weib! habe Dank. Nun nun — mach nur nicht so viel Aufhe- bens davon! — Ich denke, in der andern Woche wuͤrde sichs am besten schicken — Ich habe es zwar noch verschieben wollen — aber wenn es Dir Freude macht: lieber in dieser Woche, als in der kuͤnftigen. — Sei nun auch wieder freundlich. (mit allem Gardinenpredigtpathos.) Eile mit Weile! So einen Morgen habe ich lange nicht gehabt, und solche Sachen hast Du mir in Deinem Leben noch nicht gesagt. Aber herzensgutes Weib, so aͤrgerlich hast Du auch in Deinem Leben noch nicht gesprochen. Ich heulte in der Kirche, und waͤre bos- haft zu Hause! Nun, nun — was ist denn — (mit Gefuͤhl von wahrer Kraͤnkung.) Nein, nein — aus allem Auffahren mache ich mir Nichts; aber so was? — dann laͤuft es uͤber. Wir leben dreis- sig Jahre zusammen. Habe ich Dich in der Zeit boshaft be- truͤbt? Man muß seine Worte huͤbsch bedenken. H 2 Es thut mir leid — Und dann — von Scheidung? So gottlos hast Du noch nie gesprochen. Unter christlichen Ehe- leuten ist so was nicht erhoͤrt. Ich wollte, es waͤre nicht geschehen; aber uͤber das Kapittel — — — ich sehe denn schon, wie ich es bei Gelegenheit wieder gut mache. Nun — ist denn nun wieder Friede? Hm! Deine Hand! (giebt sie, aber sieht ihn nur halb an.) Du mußt mich auch dazu ansehen. So — und einen Kuß — denk, ich waͤre noch Dein Braͤuti- gam. (sie umarmen sich.) Es hat Dich denn doch nicht gereuet, daß Du es mit mir gewagt hast? Nun — Jezt wollen wir darauf denken, den Leuten eine kleine stille Hochzeit zu geben. (mit aller ihrer lebhaften Geschwaͤzzigkeit.) Was? Kleine stille Hochzeit? Ich denke, es ist Dir so am liebsten. Daß ich fuͤr einen Geizteufel ausgeschrien wuͤrde! daß es hiesse: meine Kinder waͤren mir nicht einmal so viel werth! Nun, wie Du willst. Nein. So einen Tag erlebt man nur ein- mal, und den muß man in Ehren und Freuden zu- bringen. Alles soll dazu gebeten werden. Das habe ich mir so ausgedacht: — — Laß hoͤren. Hier oben sollen des Morgens die Gaͤste zu- sammen kommen. Mittags ist die Trauung, auf die Stunde, wie unsre. Nachher essen wir hier. Den Jaͤ- gern geben wir ein Faͤßchen Wein, Du weißt, von dem rechter Hand im Keller. Er ist vier Jahre alt, und es ist ein guter Wein — damit sollen sie unten sein. Abends wird hier oben getanzt — und dazu sollst Du die besten Musikanten aus der Stadt kommen lassen, die besten! das sage ich Dir. Das will ich. Unten kann sich das Volk lustig machen. Singen, tanzen, essen, was sie wollen, wie sie wollen. Um zehn Uhr geht Alles hinunter — bunt durch einan- der. Riekchen darf keinem den Ehrentanz abschlagen — Keinem Bauer, keinem. Wenn ich tanze; so gebe ich — (laͤchelt.) Das geht ja, wie am Schnuͤrchen! Ja. So soll Alles gehalten werden. H 3 Ich glaube, Du giebst die Heirath zu, damit Du nur Hochzeitsanstalten machen darfst? Wenn ich bei so was nicht waͤre — Du ver- gißt Alles. Du denkst an Nichts. Und die Kuchen, die sollen hier im Hause gebacken werden, nicht etwa — (sie hoͤrt die Thuͤre oͤffnen.) Ach jemine! Unser Herr Amtmann und Mamsell Kordelchen. Zwoͤlfter Auftritt . Amtmann. Kordelchen. Vorige. Es ward mir wahrlich sehr sauer, mich loszureissen — aber auf Ihr Begehren habe ich denn doch nicht ermangeln wollen — Ja meine Frau, die — — meine Frau hat (zu ihr.) — „Sehr sauer?“ Sapperment! Kommen Sie, Mama! wir gehen vor- her noch auf Ihr Zimmer. Wie Mamsell befehlen. (Obfstn. und Kordelchen ab.) Dreizehnter Auftritt . Oberfoͤrster. Amtmann. Ich muß wegen der Graͤnzstreitigkeiten mit Oberhausen noch arbeiten, ehe ich dort hingehe — die Prozeßsachen hier im Ort wollen denn doch auch gefoͤrdert sein — wie gesagt — ich muste mich mit Muͤhe losreissen. Prozeßsachen? O Herr Amtmann, kehren Sie zuruͤck, achten Sie nicht auf die Einladung — in unserm Ort sind viel Bettelleute durch langsame Justiz. Wollten Sie ihnen heute helfen ? O, so wahr Gott ist! dann thun Sie was Bessers, als Braten essen und Wein trinken — kehren Sie zuruͤck! Nicht doch — es kann Anstand haben. Es hat damit nicht so viel Eile. Nicht Eile? — Mordtausend Sapperment! Was ist Ihnen? Herr! dem Ludwig Grothal kostet der Pro- zeß — der Bettel, uͤber den er herkoͤmmt, ist 5 Tha- ler werth — kostet ihm hundert. Das Haus ist fuͤr die Gerichtskosten verkauft — das Vieh wurde heraus- getrieben, indeß er auf dem Felde war. — Es war nur Vieh, aber wie ich es so in der Irre bruͤllen hoͤrte, schnitt mirs durchs Herz. Die Kinder sind von der Gemeinde barmherzig aufgenommen. Er ist nach Ame- rika. Um Papiere, um elende Rechtsverdrehungen ist ein fleißiger Hausvater aus dem Vaterlande gejagt worden! Herr — wenn zu Ihren Treffen da — auch H 4 nur etliche Groschen von jenem Vermoͤgen verwandt sind: so druͤcken sie schwer. Lieber, heftiger Mann — was kann ich dabei thun? Der Schlendrian ist alt — ich kann ihn nicht heben — man muß Geduld haben! Wie zum Teufel! soll es ein ehrlicher Mann mit seinem Gewissen machen? Warheit ist nicht War- heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf brennt uͤber einen Schurkenstreich, ist ein Tollkopf. Drinn hauen, soll man nicht. Was denn ? Schwei- gen, luͤgen, unbarmherzig, feig sein — oder mit stehlen und rauben, druͤber und drunter. Mein guter Mann — das war der Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei- ben bis ans Ende. — Herr — ich glaube, Sie haben Recht. O gewiß! Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu wichtigerer Ursach auf der Welt bin, als mich zu plagen und zu verwesen; daß einmal an einem andern Orte gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt — wenn ich das nicht mit froͤhlichem Muthe glaubte: so koͤnnte ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein sein, ohne ihm eine Kugel durchs Herz zu brennen. — Wie befinden sich der Herr Sohn und die Frau Gemahlin? Gott sei Dank! Recht wohl. — Wen treffe ich denn bei Ihnen diesen Mittag — Vermuth- lich unsern Herrn Pastor — Ja. Ein grundbraver Mann — er predigt die lautere Moral. Und was er uns predigt, thut er. Wenn er nur nicht die Grille haͤtte, sich um das Hauswesen der Leute im Ort zu bekuͤmmern. Warum nicht? Der Pastor hat seit zwanzig Jahren mehr fuͤr uns gethan, als das Amt in dreißig. Wie so? Bei dem hochloͤblichen Amte muß man kla- gen, wenn man Huͤlfe haben will, und es hilft nicht: der gute Pastor hilft, ehe man klagt. Das ist viel gesagt. Gar nicht. Es kostet ihm sein Vermoͤgen. Und muß es denn immer Geld sein, was hilft? Ich habe es all mein Tage gesehn, mit Geld ist oft den Leuten am wenigsten gedient. Das Herz auf dem rech- ten Fleck, Vertrauen — Zusprache, Geduld — ein H 5 freundliches Gesicht — Herr! Damit kann man viel Elend geringer machen. Ich habe wirklich in der Stadt um Zulage fuͤr den guten Pfarrer gebeten. Das ist brav! Er braucht sie. Sagen Sie ihm das bei Tische, es wird ihm einen guten Tag machen. Nun will ich gehen, und Ihnen mein Riek- chen vorstellen. (ab.) Der Kerl ist mir so uͤberlaͤstig an dem Orte — reif waͤre er zum Fallen, wenn nur erst — — Vierzehnter Auftritt . Amtmann. Pastor. Herr Amtmann — (aͤußerst zuvorkommend.) Ah — bon jour, mein lieber Pastor — Weil ich Sie doch grade allein finde — Was waͤre — Ich habe Ihnen etwas zu sagen, womit ich zwar bis nach Tische warten wollte — aber wer weiß — faͤnde der Augenblick sich so — und dann mag ich auch ungern etwas, das mich druͤckt, lange gegen jemand auf dem Herzen behalten. Ich bin ganz Ohr, mein lieber — Eben erhalte ich aus dem Konsistorium den Befehl, mich zu vertheidigen — uͤber zehn Punkte zu vertheidigen, deren Sie mich angeklagt und deshalb auf meine Entfernung gedrungen haben. Wie? — das ist ein Irrthum! Das ist Ihre Unterschrift. Lieber Pastor — ich — es ist — (sanft.) Habe ich Sie jemals beleidigt? Nein — o nein — ich — die Sorge fuͤr — ich dachte — Ich kann mich vertheidigen, und werde Ihnen meine Antwort zuschicken. Um mich ganz wehr- loß gegen Sie zu machen — da ist ein Billet an mich von Ihrer Gemalin, worin sie mir 100 Rthlr. anbietet, wenn ich, im Namen der Religion, die Heirath des jungen Foͤrsters mit Friedriken hindern wollte. — Geben Sie es ihr zuruͤck. Die gute Frau — Mißdeuten Sie das nicht — es ist Bigotterie — Was es sei — es ist wieder in Ihren Haͤnden. Sein sie versichert, ich schaͤzze Sie — und wenn — Das Gespraͤch kann Ihnen nicht angenehm sein — Lassen Sie uns abbrechen. Nur — Sie sagen, ich handle offen und ehrlich; vergelten Sie mir das nicht mit Boͤsem! Ich bin ein armer Mann, mit nothduͤrftigem Auskommen, gehe jedem gerne aus dem Wege und trachte nach nichts als Ruhe. Lassen Sie mich in Friede leben — sonst versuͤndigen Sie sich. Funfzehnter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrsterin. Oberfoͤrster und Friedrike. Wenn es nun gefaͤllig waͤre — an- gerichtet ist schon. Sogleich. Herr Amtmann, das ist unsere Nichte Friedrike. Ein recht artiges Kind. Kommen Sie — am Tisch finden Sie noch unsern Schulz. — Es kann Ihnen nicht unangenehm sein, mit dem ehrlichen Mann ein Stuͤndchen zuzu- bringen. Ein recht braver Mann, der Schulz! Ei, Sie haben es wohl darauf angelegt, uns ein Festin zu geben. Guten Willen — froͤliche Gesichter — be- zahlte Gerichte, und im ganzen Hause nichts, das irgend einem Menschen Thraͤnen gekostet haͤtte. (der Amtmann fuͤhrt die Oberfoͤrsterin, der Pastor Friedriken, der Oberfoͤrster geht hinten nach.) Ende des dritten Aufzugs. Vierter Aufzug . (Ein andres Zimmer bei dem Oberfoͤrster. Die Gesellschaft ist noch am Tisch, der Bursche traͤgt die lezten Teller vom Desert auf. Oben an der Ecke des Tisches sizt der Amtmann, neben ihm der Pastor, dann Friedrike, Oberfoͤrster, Kordelchen, Schulz und Oberfoͤrsterin, unten an der Ecke, dem Amtmann gegen uͤber, ein Kouvert fuͤr Anton. Erster Auftritt . Nun — uns wohl! Niemand uͤbel! (zum Burschen, der eben einen Teller mit Aepfeln etwas zu hoch an ihrem Kopfe vorbei auftraͤgt.) Ge- mach, guter Freund — gemach! Wie oft soll man Euch das noch sagen? Nun, gafft mich nicht an! Weiter — wie ich gesagt habe — ihr wißt schon. Was ist das? — Warum bringt Ihr denn die Aepfel schon? Die sollten ja hernach erst kommen und dort hingestellt werden. (im Hinausgehen.) Das ist ein Kreuz und ein Elend mit den Leuten! (ab.) Wir verursachen der Frau Oberfoͤrsterin gar zu viel Muͤhe — Gewiß nicht. Sie hat ihre Freude daran, puͤnktlich und fuͤr ihre Gaͤste besorgt zu sein. (laͤchelnd.) Wenn nur nicht etwa eine Birn anders liegt, als sie sie gelegt hat; denn sonst kriegen wir sie, mit samt den Birnen, vor einer Stunde nicht wieder zu sehen. Ein herrliches schoͤnes Obst hat es gegeben vorigen Herbst! Auf dem Amthofe haben sie auch viel Obst gehabt — nicht wahr, Mamsell? (ohne ihn zu bemerken.) Papa, schicken Sie mir ihre Dose, ich habe meine vergessen. (er nimmt sie dem Amtmann ab, und uͤbergiebt sie K.) (mit den Birnen.) Dummes, einfaͤltiges Zeug! Ja wenn man nicht die Augen uͤberall selbst hat, so — — Nun was giebts? (ihm halblaut ins Ohr.) Da komme ich her- unter, so hat der große Kerl die schoͤne Torte in den Sand geworfen — Sonst nichts? Nun, ich denke doch — So sez Dich und laß es gut sein. Der Herr Amtmann und Mamsell werden doch ja nicht ungehalten — Auf den leeren Plaz hier — hat meine Torte kommen sollen — aber — aber — Die Torte ist verungluͤckt. Verungluͤckt? (empfindlich.) Aber, liebes Kind! durch mich nicht; denn fertig war sie. Aber — (zur Gesellschaft.) Der Kerl hat sie die Treppe herunter fallen lassen. So — nun ist Dein Gewissen befreiet. Sie koͤnnten etwa denken, daß — — Du nicht die beste Koͤchin im Lande waͤ- rest — Ja, das waͤre freilich ein Ungluͤck! Der Herr Amtmann essen auch gar nicht — O ich habe mit großem Appetit gegessen. Es ist alles recht delizieux. Scharmant, wahrhaftig. Frau Oberfoͤrsterin haben sehr guten Geschmack, eine Tafel zu arrangiren. Ich bitte — So ein herrlicher Tisch und die ange- nehme Gesellschaft — Mein werther Herr Amtmann — essen Sie doch noch etwas Kuchen — ich bitte! Bin nicht im Stande. Ei, nur Etwas noch — ich bitte recht sehr. Ganz unmoͤglich, liebe Frau — Obfstn. (steht auf und hebt den Teller nach ihm hin.) Nur die Haͤlfte — ich bitte. Alle dergleichen ist mir zu schwer. Zu schwer? Erlauben Sie mir, hochgeehr- tester Herr Amtmann, der Kuchen ist sehr gut aufge- gangen — dafuͤr stehe ich. — Ohne mich zu ruͤhmen, aber gut ist er, besonders gut — und leicht: Sehen Sie, man koͤnnte ihn wegblasen — er schmilzt auf der Zunge. Nun ich bitte — Ei, so noͤthige Du und — Nun, ich sage kein Wort mehr. (sezt sich.) Essen Sie Sich doch Ihrer Kochkunst zu Ehren ein Fieber. Hahaha. Hahaha. Gutes weisses Mehl haben die Frau Ober- foͤrstern, das muß wahr sein! (sieht uͤber die Tafel hin.) Befehlen der Herr Amtmann — — (etwas nieder, die Hand uͤber die Augen.) Ist das Glace, was — Glas? — Glaßscherben? Glas im Essen? Ei um Gottes willen! Einen andern Teller. (langsam.) Nicht doch! J Peter! He, Peter! einen andern Teller. (Peter koͤmmt.) Einen andern Teller fuͤr den Herrn Amtmann. (Peter giebt ihn.) (lacht.) Sie mißver — — Tausend Element! da ist nichts zu lachen! Von Glasscherben kann man des Todes sein auf der Stelle. Nein, ich frage: ob das dort vor dem Schulzen Glace ist? (haͤlt das Glas gegen das Licht und klopft mit dem Messer daran.) Meines ist ganz. Ob das Gefrornes ist, was dort vor Ihm steht? Zu dienen unterthaͤnig, das ist Kaͤse. So — Kaͤse — Ist gefaͤllig? (steht auf und will praͤsentiren.) Nein. Stell Er nur wieder hin. Sezze Er Sich, Schulz, Kaͤse esse ich nicht. Ich kann ihn gar nicht leiden, ich bitte, schicken Sie ihn fort. Peter, nehmt weg. Nun, munter Riekchen! munter! Du bist ja ganz stumm — Nicht doch, lieber Vater — ich bin recht munter. Nun ja, das sieht man. Er wird schon wiederkommen. Wo er nur sein mag! Wer? — Anton? Ja. Apropos — darauf waͤre ich denn doch auch neugierig. Hm — wo wird er sein — Sie wissen es also? Ich weiß es nicht, aber das laͤßt sich rathen. Nun? Vormittags ist ihm etwas im Kopfe herum- gegangen, daruͤber lief er fort — und nun — wird er seinen Zorn an einem Stuͤck Wildpret auslassen. Ja ja. Mag austoben. Ich will ihn schon wieder zurecht bringen, wenn er nach Hause koͤmmt. — Nun, Riekchen — ohne Sorgen. Es war so boͤse nicht gemeint. Wunderliches Ding! Ich bringe Dir es zu auf seine Gesundheit. Ja, das trinke ich mit. Er soll leben und so brav und so alt werden, wie sein guter Vater! Das soll er! Dieses Prognosticon stelle ich ihm gleichfalls. J 2 Das gebe Gott: so erleben wir Freude! (steht rasch auf und geht hinaus.) Was fehlt der Jungfer? Hm — lassen Sie sie nur — sie ist ein braves Maͤdchen, aber gewaltig weich. (haͤmisch.) Gewaltig! Ja so scheint es. Gleich kommen ihr die Thraͤnen in die Au- gen, wenn — Sie mag wohl auch eben keinen Haß auf ihn haben, auf Mr. Anton — — (Pause. Alle bezeichnen ihre Verlegenheit, jeder nach sei- nem Interesse.) — Ich denke, die beiden sehen sich recht gern. Wenns gefaͤllig waͤre — — (steht auf. Nach ihr alle andern.) Zweiter Auftritt . Vorige. Rudolph. (eilfertig.) Herr Oberfoͤrster — Mit Erlaubniß — — (er geht in den Hin- tergrund, spricht dort leise mit R. Der Amtmann desgleichen, aber vorn, mit dem Pastor.) Ich werde nun auch wohl bald nach Hause muͤssen. Meine Mutter ist doch nicht ganz wohl — Bedaure von Herzen, daß wir von der Ehre — Nun, Mama! — Ich glaubte, Sie wuͤr- den mir Antwort sagen. Wie ist es denn? Gleich werden wir zum Kaffee gehen, dann — (wieder vorkommend, halb laut, mit einiger Bedenkl.) Hm — Er wird schon kommen! Herr Oberfoͤrster, mir ist nicht gut dabei. Ihr seid nicht klug. So viel ist sicher, wenn es wahr ist, daß er nach Graurode zu ist — so traue ich nicht. Was ist von Anton? Wo ist er? (unterdeß spricht Kordel heftig mit dem Amtmann, Pastor gesellt sich zu Obfstr, Rudolph, Schulz und Obfstn.) Ich habe Rudolphen nach der fahlen Eiche ge- schickt; ich dachte Anton waͤre da — er ist es aber nicht. Nun — das hat ja nichts auf sich. Der Junge wird doch nicht etwa ins Un- gluͤck — Ist das nicht ein Geschwaͤz! Der Schaͤfer von Leuthal meinte, er haͤtte ihn hastig nach Graurode zu gehen sehen. Nun richtig. Er wird sich verspaͤtet, und dort zu Mittage gegessen haben. — Und jezt eßt Ihr J 3 — es ist schon drei Uhr — ich kann die Unordnung nicht leiden. (im Gehen.) Ich traue nicht, und traue nicht. (ab.) Dritter Auftritt . Vorige. Ohne Rudolph. Es ist ja eine Schande, einem drei und zwan- zigjaͤhrigen Kerl so nachzulaufen. — Besorge den Kaffee. Ach Gott! Ich bin wahrhaftig recht aͤngstlich. Nun ja — wie gewoͤhnlich. Jezt Lied am Ende! Mach Kaffee. (mit einem Seufzer oder bekuͤmmertem Ton.) Trinkst Du auch? (schuͤttelt den Kopf.) Wir trinken hernach noch ein Glas Wein — wie ists, Herr Schulz? Je nun — gut ist er und er schmeckt mir heute. (das Gespraͤch des Amtmann mit Kordel. unter- brechend, mit tiefem Knix.) Ein Schaͤlchen Kaffee gefaͤl- lig, Herr Amtmann und Mamsell? Ich bitte darum. Ich auch — ich trinke ihn stark. Sie befehlen — Herr Pastor? (bejahet es.) Befehlen Sie, oben oder unten zu trinken? Wir kommen herunter, laß nur die Zeremo- nien weg. (mit tiefer Verbeugung.) Wenns der Herr Amtmann nicht unguͤtig nehmen, so will ich jezt — Hinausgehen. (mitten im Knix auffahrend.) So wollt' ich doch auch, daß — (ab.) Herr Pastor begleiten Sie mich. Wenn Sie befehlen — Er wird sich nun wohl nach Hause machen, Schulz? Also Adieu. (ab mit dem Pastor.) Er wird so gut sein, unten zu warten, Herr Schulz; wir sprechen hernach einander noch. Ganz wohl, ganz wohl. (ab.) Vierter Auftritt . Amtmann. Oberfoͤrster. Nun, Herr Amtmann, jezt sind wir allein. Sie wollten mir ja nach Tisch etwas anver- trauen — J 4 Das wollte ich. Allein dem Anschein nach ist meine gute Meinung uͤberfluͤßig. — — Die Frau Oberfoͤrsterin hat eine gewisse Idee gehabt, und nach Zuredung von meiner Seite hat meine Frau es sich gefallen lassen wollen, daß Ihr Anton meine Tochter heirathet. Wenn Ihnen das Zureden sauer geworden ist; so thut mir es leid, denn aus der Heirath kann nichts werden, weil mein Sohn Friedriken zur Frau nehmen wird. So? Also hat meine Tochter recht ge- sehen? Die Frau Oberfoͤrsterin dachte vermuthlich — — Links und ihr Sohn rechts. Hm! Was so ein junger Mensch will oder nicht, darauf koͤmmt es nicht allemal an. Aber hierbei denn doch warlich! Wenn er heirathen soll, so muß er beim Bliz, doch dabei sein! Wenn die Vaͤter uͤber die Zahl einig sind, welche den drei Nullen vorgesezt werden soll: so giebt sich das Uebrige von selbst. Ich haͤtte ihm gewiß in Ansehung seines Dienstes ansehnliche Verbesserung verschafft, und — Wenn Sie meinen Sohn gluͤcklich machen koͤnnen, so werden Sie es, auch wenn er Ihre Tochter nicht heirathet. Ja, o ja. — Nur — Dem Geschickten steht der Ungeschicktere nach. Das versteht sich. Zu leben hat mein Sohn. Um Reichthum habe ich Gott noch nie gebeten. — Indeß — (er nimmt ein Glas.) Gutes Wohlsein! (trinkt.) (kalt.) Hoͤflichen Dank. Apropos — Bei den Diaͤten haben sie mir 50 Thaler zu viel geschickt. Ihr Schreiber hat sie zuruͤck bekommen. (mit viel Aufhebens.) Das muß ein Irr- thum von dem Menschen gewesen sein, denn ich — — Freilich ein Irrthum. Das sagte ich gleich — Daß sie nicht denken, als — Ich schickte es fort, ehe ich daruͤber dachte. Die Gedanken sind oft mancherlei — man laͤstert mich immer — Sie koͤnnten glauben — als ob Sie Sie — als ob ich den Weg der Erkaufung — Bewahre! Etwas kaufen zu wollen, das kei- nen Preis hat, dazu sind Sie zu vernuͤnftig, und zu sparsam, um 50 Thaler wegzuwerfen. O ich habe so viele Feinde, nicht einen Freund, der es redlich mit mir meinte — J 5 Das ist Ihre eigne Schuld. Das macht — — Nun ein Glas! Es ist ein reiner Wein, ein guter Wein, macht froͤlich und oͤffnet das Herz. Mir ist so zu Sinne. — Ist Ihnen auch so — so sprechen wir jezt wohl ein Wort mehr, als sonst! Ja — wie so? Sehen Sie — was wir einer von dem an- dern halten, wissen wir. Aber wes das Herz voll ist — Sie kennen das Sprichwort — nun und ein Glas Wein loͤset die Zunge. Allein sind wir jezt — sagen Sie, was Sie gegen mich auf dem Herzen haben; ich wills auch so machen. Wer weiß? Kommen wir nicht naͤher zu- sammen! Die Geschaͤfte gehen denn doch besser, wenn wir einig sind, und das sind wir dem Fuͤrsten und den Unterthanen schuldig. Lieber Mann! Einigkeit ist ja mein taͤg- licher Wunsch. Ich biete hiermit die erste Hand zur Freundschaft. Wollen Sie, wie ich will? — Hand in Hand! — alte deutsche Treue! (schlaͤgt ein.) Und reciprokes Verstaͤnd- niß, amicable Behandlung. Ich hoffe ja, wir werden uns noch mit ein- ander verstehen! Es ist Ihnen also Ernst darum? So denke ich. Nun gut. Wenn Sie denn nur einiger- maßen von Ihren Grillen abgehen, so sollen Sie einen dankbaren Mann an mir finden. Ich kann mich Ihnen also ohne Ruͤckhalt anvertrauen? Voͤllig! Mein guter Freund! Luxus — Beduͤrf- nisse aller Art sind gestiegen. Verdienst allein wird nachgrade eine magre Empfehlung zu einer Stelle. Leider! — Bis man zu einem eintraͤglichen Posten gelangt, kostet es Aufwand von aller Art. Will man fest im Sattel bleiben, so kostet es noch mehr. Das muß wieder herausgebracht werden. Mit den Herren in der Stadt ist das eine eigne Sache; wer nicht helfen kann, kann schaden. Die Helfer kosten weniger, sie krie- gen von allen Ecken; daher fordern sie weniger. Aber, die schaden koͤnnen, die Muͤßiggaͤnger, arme Teufel aus der Antichambre, die, so zu sagen, vom Schadenthun leben, die kosten mir schrecklich viel. So? Schrecklich viel . Denn wenn Seine Durchlaucht in langweiligen Stunden sich nach Neuig- keiten erkundigen, so kann mir ein einziges bedeutendes Laͤcheln von so einem Menschen viel schaden. Darum muß den Herren alles zu Gebote stehen. Spielparthie — Schlittenfarth, Ball — Logis auf ganze Monathe fuͤr Herrn, Bediente, Jaͤger, Postzug und Hunde. Woher nehmen? Da langt die Besoldung warlich nicht zu. Das ist begreiflich. Die Ordnung der Natur hat den Bauer zum Lasttragen ausersehen. Rechte er daruͤber mit ihr. Genuß der Welt ist nur fuͤr die feinern Geschoͤpfe. — Ob eine Kreatur, die nichts bedarf, als Essen und Schlaf, etwas mehr oder weniger traͤgt, ist gleichguͤltig, wenn nur dadurch denen geholfen wird, die Mangel oder Ge- nuß fuͤhlen. Mit Unrecht versagen Sie also ihrer Fa- milie Gluͤcksguͤter, welche Sie ihr erwerben koͤnnten. Sein Sie in Zukunft weniger scrupuloͤs, so soll von jedem Gewinn, wo das Forstwesen und das Amt zu- sammen treffen, die Haͤlfte Ihre sein. Das ist hiemit so gut, wie akkordirt. Dagegen bekomme ich, erforder- lichen Falls, Ihr Zeugniß, wie ich es jedesmal vor- schreibe. Daß Dich alle Wetter! Den Teufel auf Ihren Kopf sollen Sie bekommen! Was unterstehen Sie Sich? Mir das zu sagen — in meinem Hause? Mir? Nun, Herr Oberfoͤrster! Tausend Sapperment! In Ihrer Amtsstu- be, wo die heilige Gerechtigkeit blinde Kuh spielt, moͤ- gen Sie Ihren Bauern so Rechts, Links machen: aber wenn Sie einen alten treuen Diener des Fuͤrsten zum Schurken machen wollen; so soll Ihnen — Herr! Wenn Gastrecht nicht waͤre: so laͤgen Sie jezt Hals uͤber Kopf auf der Treppe. Ich habe gesagt, was ich wolle; so wa- ren wir ohne Zeugen, und solche Grobheit kann ich vergelten. Herr, ich halte mich nicht an Seine Papiere, sondern an Seine Person, habe noch feste Knochen, be- kuͤmmre mich nicht um das bedeutende Laͤcheln bei Sei- ner Durchlaucht, sondern gehe grade zum Fuͤrsten, und sage: Ich habe Ihre Durchlaucht schlechten Amtmann gepruͤgelt, weil er es verdiente. Rudolph! — he Ru- dolph! Herr Oberfoͤrster! Der Schulz soll herauf kommen. Mir so zu begegnen! Aber — (will gehen.) Halt! — Wir haben von Dienstsachen zu reden. Sie wollen fuͤr tausend Thaler Holz aus dem Gemeindewald hauen lassen? Ja. Das kann nicht sein, und soll nicht sein. Die Gemeinde hat Schulden, es muß sein. Fuͤnfter Auftritt . Vorige. Schulz. Schulden? Ja. Und ansehnliche Schulden! Wie sind die Schulden gemacht? Wer hat sie gemacht? Das ist ein Artikel, wobei uns die Haare zu Berge stehen. Herr! Wem soll das gelten? Den es trift! Ich werde mich beschweren — und man wird Ihr unnuͤzzes Geschrei verbieten. Wer mir verbietet, die Wahrheit zu sagen, hat Theil am Raube! Sie sprechen von dem Holz? Nehmen mir der Herr Amtmann nicht zur Ungnade — es geht war- haftig nicht an. Wird Er gefragt? Leider Gottes! Nein. Aber es geht gegen mein Gewissen, und diesmal, Herr Amtmann, schweige ich nicht, und wenn der Kopf drauf staͤnde! Schulden bezahlen: Verantworte es vor Gott, wer sie gemacht hat! Aber, daß wir die naͤmliche Schuld zum zweiten male bezahlen sollen, das ist denn doch wahrhaftig zu toll! Und kurz und gut, ich leide es nicht. Der Wald ist ja so ausgehauen, daß es eine Schande ist. Die nach uns kommen, brauchen auch Holz. Wenn der Herr Oberfoͤrster nicht die schoͤne Baumpflanzung gemacht haͤtte; unsre Kindeskinder muͤß- ten uns ja verfluchen! Hahaha! Mit den sechs Baͤumen — mit der miserablen Baumpflanzung! Sechs Baͤume? Miserable Baumpflanzung? das aͤrgert mich nicht, daruͤber lache ich. Sie sind nun zwanzig Jahre hier Amtmann, eben so lange bin ich Oberfoͤrster — Sie sagen: ich habe nichts gethan, als Zweige in die Erde gesteckt — hingegen haben Sie viel Prozesse und große maͤchtige Dinge vorgenommen — Sie haben ganze Berge geschrieben und schreiben lassen. Indeß sind meine Zweige Staͤmme geworden. Nun sehn Sie — wenn Sie auch gleich Ihre ganze Amts- registratur an den Ort fahren lassen, wo mein Wald steht; so liefre ich Ihnen — darauf haben Sie mein Wort — fuͤr jede Rechtsverdrehung, fuͤr jedes umge- stoßne Testament, jede gepluͤnderte Stiftung, oder fuͤr jedes bezahlte Urtheil, — liefre ich Ihnen zehn gute, grade, gesunde Staͤmme. Nun wissen Sie wohl selbst, daß ich dazu vielmal zehn Staͤmme brauchte: also ist es keine miserable Baumpflanzung!! Ich sehe wohl, es scheint eine abgeredete Karte, mich hierher zu bitten, um mir die schaͤndlich- sten Grobheiten zu sagen. Schlechte Zumuthung verdient Wahrheit ohne Mantel. Ganz gut. Aber den Tag werd ich Ihm gedenken. (ab.) Nur wie bisher. Sechster Auftritt . Vorige ohne Amtmann. Ei, lieber Herr Oberfoͤrster, denken Sie an Ihr Alter und Ihre Gesundheit! Sie haben Sich da ereifert — Anfangs wohl — Zulezt habe ich ihm die Wahrheit gesagt, und darauf ist es mir recht wohl. Aber wenn ich daran denke — mein Anton die Hexe heira- theu — ? then —? Wo das Weib nur den Kopf gehabt haben mag! Aber mit dem Gemeindewald soll es ihm nicht durchgehen, und bezahlte er die Leute so blind, daß sie den Wald nicht saͤhen. Heute Abend noch mache ich meinen Bericht, und wenn er mir den ad Acta legt — sieht Er, Schulz, so wahr ich Gottfried War- bergen heiße: so sollen seine Knochen auch ad Acta gelegt werden! Siebenter Auftritt . Vorige. Pastor. Nun? Wer hatte denn Recht? Sagte ich es nicht meiner Frau gleich, es thaͤte nicht gut mit dem Amtmann und mir. Sie haben also wohl auch eine unange- nehme Unterredung mit ihm gehabt? Je nun — angenehm mag sie ihm nicht ge- wesen sein — Wenn ich still bin, wie der dumme Juͤr- ge, so nennt er mich cher ami; sage ich Wahrheit, so bin ich ein Jagdbauer. Daß er mich jezt zu Hause so nennt, dafuͤr stehe ich. — Was hat denn unten meine Alte mit dem Erbfraͤulein angefangen? Mamsell Zeck mogte laͤngst das Verstaͤnd- niß der jungen Leute bemerkt haben, ohne deswegen K auf eine Heirath zu fallen. Die Nachricht davon wirkte uͤbel auf sie. Die gute Frau Oberfoͤrsterin, die nun Niemanden etwas Unangenehmes sagen kann, war da- bei sehr in Verlegenheit, und wollte immer uͤberall gut machen. Hm, als wenn ich sie saͤhe. — Und Friedrike? — Ist auf ihrem Zimmer. Den Amtmann habe ich zwar nicht gesprochen, er ließ seine Tochter unten abrufen; aber aus der Art, wie er sie uͤber den Hof mit sich fortriß, vermuthete ich, was hier vor- gegangen ist. — Nehmen Sie mir es nicht fuͤr ungut — ich meine, nun muͤßte es doch wegen des Herrn Amtmanns mit uns bald ein andres Ansehn gewinnen. Wie so? Ei — es muͤßte besser mit uns werden. Die Herren in der Stadt — sagt mein Sohn — der Gestudierte! — schreiben frisch darauf los fuͤr die Landwirtschaft. Neue, gute Grundsaͤzze gewinnen nicht so schnell die Oberhand. Das Vorurtheil druͤckt den Keim des Guten wieder unter den Boden. Indeß hat er selbst mir gesagt, das Gutachten dieser Herren habe seine Aecker um die Haͤlfte verbessert. Ja, das ist wahr. Wahr! — Gott segne unsern guten Fuͤrsten! — wahr. Aber Herr Pastor — so ein Thier mit lan- gen Klauen, wie den Amtmann, sollte man einsperren. Der Fuͤrst und wir waͤren wirklich um ein Großes ge- bessert! Und — die Summe zu gewinnen — bedarf es keiner Preisfrage —! Ein zerrissenes Patent und eine feste Thuͤr. Die Wache geben die Unterthanen gratis. Achter Auftritt . Oberfoͤrsterin. Vorige. Nun — so wollte ich auch, daß die Hoch- zeit schon vorbei waͤre! Unten — habe ich meine liebe Noth mit Mamsel Kordeln gehabt. Kaum ist das vorbei, so komme ich oben hinauf zu Riekchen — die steht am Fenster, und hat sich ein Paar Augen geweint, feuerroth! Warum? „Ich weiß nicht.“ Fehlt Dir was, hat Dir jemand etwas zu Leide gethan? — „Nein, aber ich weiß mich nicht zu lassen vor Angst. — Und nun wird in der andern Woche die Hochzeit sein, darauf muß ich noch dieß besorgen und das besor- gen — ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, ich bin ganz consternirt. K 2 Laß gut sein. Wenn Deine Hochzeits- kuchen gelobt werden, so hast Du alles Leid vergessen. Jezt geh und hole Friedriken. Ja ja. (ab.) Neunter Auftritt . Vorige, ohne Obfstn. Nun ist mir erst wohl, da wir so unter uns sind. Nun wollen wir bei dem Rest da noch ein halbes Stuͤndchen verplaudern. Wenn die Zeit — (sieht nach der Uhr.) Lieber Pastor — lassen Sie mir meinen Willen! Freude laͤßt sich nicht rufen. Wenn sie da ist — wer wird sie fortschicken! Zehnter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrster. Friedrike. Komm her — bleib bei uns. Du faͤngst gar nicht gut an in meinem Hause — und doch sollst Du laͤnger drinn bleiben, als heute. Sie haben Recht, ich schaͤme mich mei- nes Betragens. Eine druͤckende Angst quaͤlt mich. Ich haͤtte sie verbergen moͤgen — aber das waͤre Ih- nen vielleicht noch auffallender gewesen. Ist denn was vorgefallen —? Ich weiß von Nichts. Aber meine Angst war un- beschreiblich — In meinem Leben habe ich so was nicht gefuͤhlt. Jezt bin ich ruhiger. Das freuet mich; denn ich moͤgte von Din- gen mit Dir sprechen, die mir angenehm sind. Nun sag mir — hast Du was dagegen, wenn Du in der andern Woche Frau Foͤrstern heissest? (schnell.) Mein Vater, liebe Mutter — ich — die Worte — ich kann nicht danken, aber hier, hier — (sie zeigt auf das Herz.) Gott lasse Sie alt werden und seegne Sie und gebe Ihnen Freude an Ih- ren Kindern! (sie umarmt erst den Obfstr. dann die Obfstn.) Ja es ist wahr — das ist das beste Weib fuͤr meinen Anton! — Gott erhalte sie! — das beste Weib. Das ist sie. Ja, warhaftig! Kind — sehen Sie in diesen lieben alten Leuten die Belohnung der Tugend. Gute Kinder und ein froͤhliches Alter. — Leute — Herr Pastor — Alte — lieber Schulz; ich bin so froh, so dankbar gegen Gott — so — ach wenn doch jezt recht vielen Leuten so zu Muthe K 3 waͤre, wie mir! Wenn er doch nun hier waͤre, der Junge! ich moͤchte ihm um den Hals fallen und mich bedanken, daß er das Weib will. Sie haben Recht. Ja es ist mir oft heiß vor der Stirn ge- worden, wenn ich an die Zeit dachte, wo der Junge heirathen wuͤrde. Widersprochen haͤtte ich keiner Hei- rath, um die es ihm Ernst gewesen waͤre. Wenn er mir nun aber so eine Schwiegertochter gegeben haͤtte, die sich um nichts bekuͤmmert, auf unsern lezten Athem gelauert haͤtte — aus dem Hause waͤre ich gezogen auf meine alten Tage. Ja wohl. Ach Gott, das waͤre schrecklich gewesen! Dazu — das Alter hat Schwachheiten, man wird vergeßlich, eigensinnig, graͤmlich und — wie es denn zu gehen pflegt, wenn nach sechzig Jahren un- sre Huͤtte verwittert ist. — So was muß mit Liebe ge- tragen werden. Erkaufen laͤßt sich die Pflege nicht, auch nicht vergelten; wem sie aber Gott giebt, den macht er jung im hohen Alter. Das wirst Du uns sein, Toch- ter! dafuͤr hast Du unsere Liebe, unsern Segen, und ein kleines Vermoͤgen, worauf kein Fluch und keine Thraͤne ruht. — Leute! das machte mir immer ein gu- t es Bette, ich mogte schlafen, wo ich wollte — Die Braut soll leben! Soll leben! Ach Gott — wie gluͤcklich machst Du mich! Und der Braͤutigam — er ist brav. Soll auch leben! Noch Eins — weil wir denn doch einmal darauf zu sprechen gekommen sind: Anton ist ein wilder Bursche. Ihr Weiber seid denn auch obenhinaus und fluͤchtig; so geschiehts nun gar leicht, daß Eheleute durch Ungeduld einander uͤberdruͤßig werden. Tochter — ich bitte Dich — trag geduldig! Du kaufst Dir gute Tage damit. Sieh — als ich mein Weib nahm — war ich auch ein toller Kerl; aber das muß ich der Alten nach- sagen, sie hat viel Geduld gehabt — doch ich habe es erkannt. (bedeckt mit dem Tuch die Augen und reicht ihm so die Hand.) Gott hat uns mit mancher frohen Stunde gesegnet; wir rechneten das Uebel gegen das Gute auf, waren arbeitsam, theilten mit, waren zufrieden, nicht begehrlich, lebten still und gut in unsrer Huͤtte fort: so kam denn ein Jahr nach dem andern herbei. Nun sind wir schon dreißig Jahre zusammen gegangen; aber K 4 wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh- men wollte; so traͤfe es mich so hart, als wenn er sie mir am Brauttage genommen haͤtte. (laut weinend.) Nun nun — laß doch — sprich doch nicht von so was. So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch staͤnde! Wenn wir Alten denn einmal fort sollen — so will ich meine Augen so ruhig schliessen, als heute, wenn ich schlafen gehe. Nun — davon sind wir, wills Gott! noch weit! So denke ich auch. Aber warum deswegen nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt haben, und es muß eine edle Freude sein, die der Ge- danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben nicht minder Werth? Gewiß nicht! Es verdrießt mich allemal in der Seele, wenn man sich so viel Muͤhe giebt, das Leben und die Welt so hart und schwarz zu malen. Das ist unwahr und schaͤdlich zugleich. Ja wohl. Das Leben des Menschen enthaͤlt viel Gluͤckseeligkeit. Man sollte uns nur fruͤh lehren, sie nicht glaͤnzend, auch nicht ununterbrochen zu denken. Im Zirkel einer guten Haushaltung ist tausendfache Freude, und gut getragne Widerwaͤrtigkeit ist auch Gluͤck. Hausvaterwuͤrde ist die erste und edelste, die ich kenne. Ein Menschenfreund, ein guter Buͤrger, ein liebevoller Gatte und Vater, in der Mitte seiner Hausgenossen — wie alle auf ihn sehen — wie alle von ihm empfangen, und er, im Gedeien des Guten, wieder von allen empfaͤngt — O das ist ein Bild, welches ich mit frommer Ruͤrung, mit Entzuͤcken ehre! Und in einer Landhaushaltung, meine ich, koͤnnte das am besten so sein. Eine Landhaushaltung, hat besonders viel froͤhliche Tage! Aussaat, Erndtefest, Weinlese. — — Wenn man so ein Glas selbst gezog- nen Wein an einem froͤlichen Tage trinkt — o, das geht uͤber Alles! Nun, Herr Oberfoͤrster, zwanzig Jahr wie heute! Zwanzig Jahr, wie heute! Danke — danke. Nun, Maͤdchen, nun sing mir einmal das Weinlied, das Du mir neulich schicktest. — Wie hieß es doch — —? Hm hm — Am Rhein — — hm! Am Rhein, am Rhein da wachsen unsre Reben. K 5 Hoͤre — sing uns einen Vers vor — wir singen ihn nach, und so — — — wenn Sie es naͤm- lich erlauben, Herr Pastor? (gutmuͤthig.) Ei ei — seit wann duͤrfen die Menschen in meiner Gegenwart nicht froh sein? Weil mein Amt mich oft zum Zeugen der ernsten, betruͤbten Begebenheiten meiner Freunde macht, muß ich deswe- gen von ihren muntern froͤhlichen Stunden ausge- schlossen sein? Verbietet mir auch die Sitte, an ihrer Freude laut Theil zu nehmen: so lehrt mich doch mein Gefuͤhl, ihre Freude still zu ehren. Nun — also — fang an. Und Du, Alte! Du mußt mit singen. Wer? Ich? Ei ich schreie ja wie ein Rabe! Du sollst mitsingen, er auch, Herr Schulz. Nun — still! — Fang an. Es ist doch wohl nicht zu schwer? Eine simple Melodie. Nun so fang an? (singt.) Am Rhein, am Rhein da wachsen unsre Reben, Gesegnet sei der Rhein! Am Rhein, am Rhein da wachsen unsre Reben. Gesegnet sei der Rhein! (allein.) Da wachsen sie am Ufer hin, und geben Uns diesen Labewein! (wiederholen.) (allein.) So trinkt, so trinkt! Und laßt uns allewege Uns freun und froͤlich sein! (wiederholen.) Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge — Wir gaͤben ihm den Wein! (tritt hastig ein, redet leise mit dem Obfstr.) (doch sehen Schulz und Friedr. bedenklich auf den Oberfoͤrster, der erschrocken dasizt.) Und wuͤßten wir — ( Oberfoͤrster geht hinaus.) Wo jemand traurig laͤge — Was ist das? Was giebts? Was soll das? (stehen alle auf.) Eilfter Auftritt . Vorige. Die Wirthin. (der sie fuͤhrt.) Nur zu Athem, Frau! Ach — Ihr Anton! Gott — Was ist mit Anton? War bei uns — ich wollte — Ach Gott! Eben bringen sie ihn auf einen Wagen — geschlossen — voll Blut — er hat den Mathes erstochen — (faͤllt sinnlos dem Schulzen in die Arme.) Anton — ach großer Gott! — meine Angst — ach Anton! — Das einzige Kind — Gott! erbarme dich unser! (ab.) Mann, Mann! Um Gottes willen, wie ist Ihnen? Ich will aufs Amt. Ich will hin. Bleiben Sie — Sie sind außer sich. — Schulz gebe er auf ihn Achtung. Gehn Sie nur. Ich bleibe bei der Frau. Ich kann nicht fort — meine Beine — gehn Sie erst — bringen Sie bald Antwort. ( Friedrike faͤngt an sich zu erholen.) Gott sei Ihr Trost! — ich komme gleich wieder. (ab.) Anton! — ach Anton! — — Großer Gott! Das halte ich nicht aus. O mein Kind, mein Kind, mein einzi- ges Kind! (Wirft sich mit bedecktem Gesicht auf den Tisch.) Ende des vierten Aufzugs. Fuͤnfter Aufzug . (Zimmer aus dem vorigen Akt — Alles steht und liegt darinn wie zuvor. Der Oberfoͤrster ist allein, er geht herum, nimmt einen Stuhl, sezt ihn von einem Orte weg, gleich darauf wie- der hin. — Alles bezeichnet stumme Verzweiflung, in der er nicht weiß, was er thut. Hierauf kommt der Schulz .) Erster Auftritt . Herr Oberfoͤrster — (geht herum und bemerkt ihn nicht.) Lieber Mann — bei der alten Freundschaft! Gleich — so bald er koͤmmt — Suchen Sie Sich zu fassen. Ist der Pastor wieder da? Wir warten auf ihn. — Man muß nicht an aller Huͤlfe verzweifeln. Nein — o nein! Was macht meine Frau? Lieber Gott! — tragen Sie, was Sie koͤnnen. Wenn Sie alles verloren geben, was soll erst die Frau anfangen und das arme Maͤdchen? Es ist wahr. Zweiter Auftritt . Vorige. Pastor. (bleibt oben am Eingange traurig stehen.) Da ist er! Ach Gott — Nun? Sie kom- men von Anton? Ja. Haben Sie ihn gesehen? Gesprochen. Gesprochen? Nun, was geben Sie mir fuͤr Hoffnung? (mit unterdruͤckten Thraͤnen, indem er ihn umarmt.) Auf die Gnade Gottes! O mein Sohn, mein Anton! — Anton! Anton! Anton, mein einziger Sohn! (er wirft sich auf den Stuhl am Tisch.) (fuͤhrt den Pastor an die Seite, mit Thraͤnen.) Ist denn gar keine Hoffnung? Gar keine? Alle Beweise sind gegen ihn. Großer Gott — Mir hat das ploͤzliche schreckliche Ungluͤck so zugesezt, daß ich wenig Trost zu geben weiß, ausser den, er wird ihn nicht lange uͤberleben. Also Du must fort, Anton — (steht auf.) Waͤre Huͤlfe mir gut — mir wuͤrde geholfen! Solls nicht sein? nun, Gott will Dich! — Geh voraus. Ich rechte nicht, ich murre nicht, ich frage auch nicht — aber die Thraͤne, die ich um Dich weine, wird Gott nicht verwerfen. Weine, ungluͤcklicher Vater! Wir weinen mit Dir. Ja — die Zeit geht hin. Sagen Sie mir, was ich nun noch fuͤr ihn thun kann. Wie ist es zuge- gangen, daß — — — Erzaͤlen Sie mir alles. Sollte Ihnen das nicht zu hart fallen, wenn Sie es hoͤren? Ich hoffe, ich werde es ertragen. Anton und Matthes trafen zu Leuthal im Gasthofe zusammen. Sie geriethen heftig an einander. Anton zog; allein die Anwesenden trennten sie gluͤck- lich. Matthes ging fort. „Kerl! ich treffe Dich wohl „anders wo!“ rief Anton in voller Hizze, und verließ bald darauf das Haus. Kurz hierauf findet man Matthes, auf dem Wege nach Graurode, blutend — ohne Zeichen des Lebens. Anton koͤmmt dazu, erhizzt, verstoͤrt — seine Haͤnde und Kleider voll Blut — „Der ist der Moͤrder“ schrieen alle Bauern, „der ists!“ Matthes, mit dem Tode ringend, hebt sein brechendes Auge auf Anton und seufzt — „Ja der ists!“ — „Ich „habe „habe mich mit ihm gestritten, aber ich bin unschuldig“, — sagt Anton — „Du bist der Moͤrder, ja Du bists“ — schrieen alle. Nun fuͤhren sie ihn mit sich hieher, und den halbtodten Matthes langsam ihm nach. O Gott! Gott! Alle, die im Felde und in der Schenke zuge- gen gewesen sind, zeugen einstimmig gegen ihn. Nichts spricht fuͤr seine Unschuld, als das Gewissen des Ange- klagten, das aber der Richter auf Erden nicht hoͤrt. Dritter Auftritt . Vorige. Rudolph. Herr Schulz — Er soll den Augenblick aufs Amt kommen. Gleich. (Rudolph ab.) Herr Pastor, ver- lassen Sie die Leute nicht. Ach Gott! Ich weiß vor Angst und Wehmuth nicht, was ich thue. (ab.) Was sagt mein Sohn? Er betheuert laut seine Unschuld — allein Ich auch — ich auch. Mein Sohn ist kein Boͤsewicht, kein Moͤrder. Ja er ist unschuldig. Seine Heftigkeit — Ist nicht so arg, wie sein Herz gut ist. Ich sterbe darauf, mein Sohn ist unschuldig. L Sein Haß gegen Matthes — alle Umstaͤnde — ich fuͤrchte, er ist schuldig. Er erkennt indeß die Gefahr, in die ihn sein Verhaͤngniß gestuͤrzt hat, und wuͤnscht, Sie zu sprechen. Ich will hin. Ja. Ich will gleich hin. Einen Augenblick nur — Er verlangt nach mir, wie kann ich noch dastehen — Wird er nicht auch seine Mutter und die un- gluͤckliche Friedrike sehen wollen? Wollen Sie Sich und diese in den fuͤrchterlichen Aufenthalt bringen? Die blutigen Kleider, der Zulauf von Menschen — Sie wuͤrden das nicht aushalten, und jene Ungluͤcklichen noch weniger. Ich sollte ihn also gar nicht — Sie muͤssen ihn sprechen. Ich will bei dem Amtmann alles versuchen, daß er hieher gebracht wer- den darf. Der Amtmann — ach daran denke ich jezt erst. Armer Anton, Du wirst es buͤßen muͤssen, daß Dein Vater Wahrheit sagte. Ungluͤck macht mild, soͤhnt unsre bittersten Feinde mit uns aus. Ich denke, es soll gehen. Er kann oben herum durch den Garten kommen. Es faͤngt an dunkel zu werden — man sieht ihn nicht, ich will bitten, daß man ihn ohne Ketten — Ketten? Mein Gott! — in Ketten — (ihn sanft ergreifend.) Wie sagten Sie vor- hin? „Gott will ihn!“ Bleiben Sie bei dem Ge- danken. Ja, ja das will ich. Aber — denken Sie — in acht Tagen sollte die Hochzeit sein; wie haben wir nicht so vergnuͤgt da gesessen! — und nun, vielleicht in vier Wochen —? Und seine Mutter — das ungluͤckliche Maͤdchen und ich! — O Anton, Anton! mein einziger Sohn! Vierter Auftritt . Rudolph. Vorige. Geht denn niemand aufs Amt? (geruͤhrt.) Er hat schon dreimal geschickt. Sehn Sie nun — Meinen Hut! Geduld! Meinen Hut! (Rudolph ab.) Fuͤnfter Auftritt. Vorige. Schulz. Herr Oberfoͤrster — Herr Pastor! Einer von Ihnen muß gleich hin aufs Amt. Ich soll einen Wagen L2 bestellen — der Amtmann hat einen Bericht gemacht, so boshaft, als er gekonnt hat — er will ihn gleich nach der Stadt schicken. Lassen Sie mich fort. Um Gottes willen nicht! Ich will den Amtmann sprechen. Ich will den Bericht lesen. Bester Mann. Ist er falsch, so schieße ich ihm eine Kugel vor den Kopf. Was liegt mir an meinem Leben! Wollen Sie das Schicksal Ihres Sohnes verschlimmern? Herr, ich bin Vater! Wie meinen Sie, daß mir ums Herz ist! Und ich soll dableiben? Ich kanns nicht, und wenn — meinen Hut! — Rudolph, meinen Hut! Ihr Schmerz macht Sie unfaͤhig, etwas zu unternehmen. Sie schaden Ihrem Sohn. Schaden? Herr Pastor, es ist die hoͤchste Zeit. Herr Schulz, der Oberfoͤrster bleibt bei ihm. Ich will aushalten. Aber bald muͤssen Sie kommen, sonst — Gleich. Besorgen Sie, daß mir fuͤr Anto- nen andre Kleider nachgeschickt werden. (ab.) Sechster Auftritt. Vorige, ohne den Pastor. Bald darauf Ober- foͤrsterin. Rudolph — he! Rudolph. Nun mein gu- ter Schulz; — er sieht ja wohl, wo das hinaus geht. — Bete Er fuͤr mich, daß sie mich bald aus dem Hause tragen. (mit langsamen Gange, bleichem Gesicht, mit einem Wesen, das gewaltsam versteckten Schmerz bezeichnet.) Nun, wo bleibst Du denn? Ich habe Dir ja schon zweimal sagen lassen, Du moͤgtest herunter kommen. — Hier steht auch noch alles — Laß stehen — Wie geht Dirs? Wie ist Dir? Gott giebt mir viel Staͤrke! Geh gleich — schicke Kleider fuͤr Antonen aufs Amt, einen Ueberrock, eine andre Weste. Warum denn? Er wird hieher kommen. Hieher kommen? (fast ohnmaͤchtig — sie haͤlt sich an einem Tisch oder Stuhl.) Ach Gott! L3 Besinne Dich nicht lange, mach fort! Kind! — das sollte nicht sein — Er sollte nicht herkommen. Um Gottes willen! Mach fort. Frau — es ist die hoͤchste Zeit. (mit inniger Ruͤhrung.) Ihr lieben Leute! Scheltet mich nicht — ich bin krank — recht krank! Es ist mein Sohn — ich habe ihn geboren — ich muß ihn ja auch vom Herzen reissen. Ich habe mich aus- geweint, daß ich nicht mehr kann — Aber nun ist mein Anton bei Gott! Habe ich ihn verloren, so will ich ihn auch nicht mehr sehen. Du kannst ohne mich nicht fort — es kennt Dich niemand so, wie ich; Dir will ich beistehen bis an mein Ende — und das ist bald! dann sehe ich ja meinen Anton wieder. Dann nimmt ihn niemand mehr von mir. — Ich will die Kleider hinschicken. (ab.) Armes Weib! — Das Herz bricht mir. Eben ist auch Matthes hereingebracht worden. Lebt er noch? Ja. Ich habe ihn gesehen. Es ist ein Bote nach dem Doktor von Hocksalden geschickt — aber — lieber Gott! Ich glaube nicht, daß er den Abend erlebt. Das war noch meine lezte Hoffnung! — Nun — es soll sein! (kommt wieder.) Wie geht Dirs? — ich wollte, Du koͤnntest eines von den niederschlagenden Pulvern einnehmen. Ja — das waͤre wohl recht gut. Nimm es, lieber Mann. (sie sanft zuruͤckweisend.) Ach — laß mich. Es that Dir doch sonst immer recht wohl. Wozu brauche ich nun noch Leben und Gesundheit auf der Welt! Fuͤr mich — so wie ich fuͤr Dich. Wir muͤssen einander tragen helfen. Siebenter Auftritt . Vorige. Pastor. Lieben Leute — unsere Zeit ist kurz, fragt mich nicht, laßt mich einen Augenblick allein in dem Zimmer. Ist er da? Anton — L 4 Nein — aber er wird kommen. Der Amt- mann, den ich unter dem Gewuͤhl von Menschen nicht recht sprechen konnte, hat mir versprochen, augenblicklich hieher zu kommen. — Wie? — Still! Ich hoͤre gehen. Herr Schulz, sehe er zu, ob es der Amtmann ist — (S. ab.) Aber allein moͤgte ich gern mit ihm sein. Nein. Ich will bleiben. Ich muß ihn fragen — Er koͤmmt schon die Treppe herauf. Also — Komm! Du taugst nicht zum Amtmann, und jezt gar nicht. (sie fuͤhrt den Obfstr. ab. Schulz geht durch die Mittelthuͤr.) Achter Auftritt . Pastor und Amtmann. (geht ihm entgegen und faßt ihn bei der Hand.) Meinen besten herzlichsten Dank dafuͤr, daß Sie kom- men und so bald kommen. Ganz wohl. Nur zur Sache. Herr Amtmann! Ich denke, Sie werden zufrieden mit sich und mir von hier weggehen. Das soll mir lieb sein. Nun? — Ich will Ihr Verstaͤndniß mit einem Freunde wieder erneuern, der seine alten, heiligen Rechte auf Sie geltend — und uns minder elend machen wird. Der waͤre? Ihr Herz — dem Sie Gehoͤr geben werden. Hm! Zur Sache und kurz. Die Um- staͤnde eilen; eilen Sie auch! Eilen? — Es gilt ein Menschenleben. Warum zogen Sie mich hieher? Wollen Sie mich dem Geheul der Leute aussezzen. Sie sollen Niemanden sehen. Das ver- sprach ich, dabei bleibts! Nun, warum bin ich also hier? Vergoͤnnen Sie mir eine Vorstellung. — Der Anblick des Volks, die Schande, die den Un- gluͤcklichen sogleich von allen Rechten der Gesellschaft ausschließt, scheinen nicht nur eben so viele Anklaͤger des Verbrechers zu sein, sondern sie werden auch fast Be- weise gegen ihn. Das ist ungemein sonderbar geschlossen. Hoͤren Sie mich. — Die ganze Menschheit steht gegen den Ungluͤcklichen auf. „Rache, Strafe!“ L 5 — ist die allgemeine Empfindung. Der Richter ist Mensch — Diese Stimmung theilt sich ihm mit, laͤßt Handlungen beschliessen, gegen welche das spaͤtere Mit- leid kraftlos ist! — In diesem Fall waren Sie, als Sie den Bericht gegen den Ungluͤcklichen machten. — Hier wo Sie stehen — an diesem Tische, wo Sie vor wenig Minuten von der liebenswuͤrdigen Familie um- geben waren — hier muͤssen gewisse Erinnerungen eine sanftere Stimmung bewirken. — — Hier — hier lesen Sie Ihren Bericht noch einmal, und sagt Ihr Herz Ihnen hier nichts —— so schicken Sie ihn fort und beten fuͤr die Ungluͤcklichen um Trost! Sie irren sich, mein Herr, Sie irren sich. Dies empfindsam ausgesonnene Stuͤckchen darf den Richter nicht beugen. Sein Sie immer rauh und hart — mich beleidiget nichts — es gilt ein Menschenleben! Habe ich nicht genug gethan, da ich verstatte, daß er hieher koͤmmt? Viel — darum erwarte ich Alles. Schreien nicht alle Beweise laut ge- gen ihn? Die Beweise sind Geschrei ; eben darum sind sie mir verdaͤchtig. Nun — Sie haben alles gehoͤrt und gelesen; was ist denn Ihre Meinung? Es ist viel, fast aller Anschein gegen den jungen Menschen; aber um so weniger Beweise. Das Zeugniß des Sterbenden — (zuckt die Achsel.) Nun? Daruͤber richte Gott! Also sind wir fertig. Und ich gehe sehr unzufrieden von Ihnen weg. In alles mischen Sie sich, und uͤberall wollen Sie die Hand im Spiel haben. Mein Herr, Ihre Art ist — — doch — weg mit dieser Aufwallung — es gilt ein Menschen- leben! (sieht nach der Uhr.) Vergoͤnnen Sie mir noch eine Frage. Nun? Sie haben Streit mit dem Vater des Un- gluͤcklichen gehabt — Sie handeln doch wohl ohne Rache? Herr — wofuͤr halten Sie mich? Fuͤr einen Menschen. Glauben Sie, daß ich Gedaͤchtniß fuͤr poͤbelhafte Beleidigungen habe? Sind Sie von den Beweisen uͤberzeugt, wonach Sie handeln? Was kann mich verbinden, solche Fra- gen zu beantworten! Getrauen Sie sich, auf den Bericht, wel- chen Sie von der Sache gemacht haben, ploͤzlich vor Gott zu erscheinen? Sie nehmen sich heraus, mir Dinge zu — Mann! Das Sterben des ungerechten Richters ist schrecklich. Nicht der Prunk frommer Stiftungen, nicht bezahlte Fuͤrbitten mildern die Angst der Seele — Zagen der Verzweiflung macht die Leiden des Koͤrpers entsezlicher. Niemand — nimmt An- theil; selbst die nicht, die er bereichert hat. Die Um- stehenden beten und zweifeln. Mit Schauer sehen sie der abgeforderten Seele in das ewige Dunkel nach — und verlassen die Huͤlle mit Grausen. Wozu soll denn der Galimathias am Ende? Weg mit dem Ausdruck; er ist unter Ih- nen, wenn ich ihn auch verzeihe. — Sie sind kraͤnklich; daß Sie mich jezt werfen, koͤnnte Ihnen einst schrecklich beifallen, zu einer Zeit, wo Sie Trost auf meinem Gesicht wollen. Da der junge Mensch so ausserordentlich hartnaͤckig auf seiner Unschuld besteht; so will ich, um allen Zweifel zu heben und auf den wahren Grund zu kommen — ich will darauf antragen, daß man ihm die Tortur giebt. Bleibt er standhaft: so ist es eine offenbare Fuͤgung des Himmels, der seine Unschuld an den Tag legt und mein Gewissen befreiet. Unmensch! Sie haͤufen auf boͤse Thaten verdammenden Spott. Ich lasse ab von Ihrem Her- zen. Gott fuͤhrt die Sache dieser Ungluͤcklichen — Er wird sie retten, oder ihnen Kraft zu tragen geben. Hat dieser Juͤngling in gereiztem Zorn gemordet — er buͤßt. — Ihm wird verziehen. Aber Ihre Gemorde- ten, Ihre langsam Gemordeten, werden einst in leben- digen Gestalten die Anklaͤger Ihrer Unthaten sein! Sie denken an den Augenblick, Sie fuͤrchten ihn — Prahlen Sie immer mit Starkgeisterei! Sie glauben Gott und Zukunft, das weiß ich. Sie glauben und zittern! — Gott vergebe Ihnen! (er will aus der Mittelthuͤr gehen.) (indem er nach der Gossenseite geht, sagt er ihm noch schnell nach:) Recht so! Mit dem Himmel ge- drohet, wenn wir auf Erden nicht weiter koͤnnen. Neunter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrsterin. Herr Amtmann — werther Herr Amtmann! (kehrt zuruͤck.) Was giebts? (der geblieben war, wie sich die Thuͤr der Ober- foͤrsterin oͤffnete.) Verschwenden Sie kein Wort an die- sen Unmenschen. — Kommen Sie. Herr Amtmann, gehen Sie nicht, ich muß Sie sprechen. Schonen Sie der leidenden Mutter, so will ich gern geduldet haben. (zur Oberfstn.) Ich bin bald wieder hier. (ab.) Zehnter Auftritt . Amtmann. Oberfoͤrsterinn. Ach Herr Amtmann — Nun, was solls werden? Lassen Sie mir nur Zeit — haben Sie nur ein wenig Geduld, Gott hat Sie ja mit uns. Zur Sache, zur Sache! Ja, ja — gern. Von Herzen gern. Wenn Sie mich — — aber — erlauben Sie, ich muß mich sezzen. Was wird das? O Herr! Ich bin alt — habe manches Kreuz auf der Welt getragen — habe viel ausgestanden — aber heute hat es mich zusammen geworfen. — Nun kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich es, so viel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz geht uͤber alles, und der Sohn sollte der Trost meiner alten Tage sein! In acht Tagen sollte er heirathen. Und haͤtte Gott meinen alten Mann zu sich genommen, so haͤtte der mich pflegen sollen; und nun — der Athem vergeht mir. — Oh — Oh! Lassen Sie mich ausweinen. (sie steht auf und geht verzweiflend umher.) Das Herz will mir zerspringen. Lieber Gott, es thut mir leid — es ist Schade um sein junges Leben. Indeß alles, was Sie mir gesagt haben, hat mir der Herr Pastor schon gesagt. (schnell.) Nein, nein, das hat er nicht. O das kann er nicht. Er ist ein gelehrter Mann, ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Anto- nen lieb — aber ich habe ihn geboren! Drei und zwan- zig Jahre lang habe ich ihn mit Angst und Freude her- anwachsen sehen — drei und zwanzig Jahre habe ich meine Hoffnung auf ihn gesezt. Was ich fuͤr ihn sagen kann, das kann kein Mensch sagen! Kein Mensch — und auch sein Vater nicht — ich habe ihn geboren! Mutterliebe geht uͤber alles. Ich weiß, wie ich gebetet habe, in der Stunde als er zur Welt kam, daß ihn Gott gut und fromm werden lassen moͤchte; und er ist brav geworden und kann kein Moͤr- der sein. Ich weiß, wie er erzogen ist, ich muß es vor Gott verantworten, und ich habe keinen boshaften Moͤrder an ihm erzogen! Sagen Sie mir nur, was Sie jezt von mir wollen? Was ich will? Herr Amtmann! Sie ha- ben ja auch zwei Kinder. Sie wissen warhaftig, was ich will. Das Geschehene kann ich nicht unge- schehen machen. Kann Geld meinem Anton helfen? Neh- men Sie unser halbes Vermoͤgen, nehmen Sie es ganz — wenn wir ihm nur das Leben retten. Wir wollen uns verschreiben, mein Mann und ich, alles was wir noch erwerben, wollen wir gern hergeben, wenn er nur das Leben behaͤlt. O ich will arbeiten Tag Tag und Nacht, ich will fuͤr Ihre Kinder arbeiten, ich will nur trocknes Brod und Wasser haben, wenn ich meinem Anton das Leben erhalte. Ich wills wuͤnschen! Aber — — Herr Amtmann, sein Sie barmherzig! Sie werden Segen an Ihren Kindern haben. Ich kann nichts bei der Sache thun. (sie kniet.) Herr Amtmann, sein Sie barm- herzig, lassen Sie mich nicht in Verzweiflung weggehen! Was der Hof beschließt. Ich uͤbergebe die Sache dem Hof. (aufstehend.) Nun, lieber Gott! So uͤber- gebe ich ihn Dir! Wenn du ihn retten willst, du kannst es. Thun Sie nach Ihrem Gewissen. Das Leben geht mir aus — beten kann ich nicht — Du hast mir ihn gegeben, du siehst meine Angst. Du wirst ihn erhalten — oder mein Leben barmherzig enden. (sie will fort.) Eilfter Auftritt . Vorige. Oberfoͤrster. Bleib! — O Herr — ich will Ihnen war- lich nicht laͤstig werden. — Ist mein Sohn ein Moͤrder: so muß er sterben. Aber, wenn er es nicht ganz ge - M wiß ist; — so ein Prozeß dauert bei uns nur vier Wochen. Auf Bericht und Art koͤmmt viel an. — Sein Sie menschlich. Ich will nur genaue , gewis - senhafte Gerechtigkeit. Wenn Sie meinem Sohn das Leben retten koͤnnen, hier ist eine Schenkung mei- nes Vermoͤgens: gebrauchen Sie es, wozu Sie wollen. (er legt das Papier auf den Tisch.) Der Bericht ist genau und gewissenhaft, das Zeugenverhoͤr liegt dabei, es koͤmmt nun auf den Hof an. — (sieht ihn stark an.) —Gedulden Sie Sich einen Augenblick. (er geht in das Kabinet.) Zwoͤlfter Auftritt . Vorige. Friedrike. (der Oberfstr. fuͤhrt sie, sie ist bleich, mit zer- streutem Haar, verschobnem Tuch, sie hat nur einen Schuh an, oͤffnet ihre Augen nicht, und wimmert nur.) Mein Vater, o mein Vater! (legt sie der Obfstn. in die Arme.) — Das ist die Mutter des Ungluͤcklichen, ich bin der Vater, das ist die Braut — sehn Sie uns an — ich frage Sie — Ist der Bericht gewissenhaft? — — Ja — — Gut. In vier Wochen wird meinem Sohn der Kopf abgeschlagen. (klammert sich an die Obfstn.) Ach Gott, erbarme dich! Hier habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen; aber vor Gottes Richterstuhl werde ich Sie wieder fra- gen: War der Bericht gewissenhaft? Nun ists gut. Schicken Sie den Bericht und das Zeugenverhoͤr fort — aber sagen Sie dabei — was Sie jezt sehen und was ich Sie gefragt habe. (man hoͤrt vor der Thuͤre eine Kette fallen.) Was ist das? Still! (man hoͤrt noch eine.) Ihr Sohn wird gebracht sein — Ach Gott, mein Anton — Mutter, Mutter! Gott steh mir bei. Friedrike! — sie ist ohne Sinne! sie wird mir unter den Haͤnden wegsterben. Dann ist ihr wohl. Ich bedaure sehr, daß ich Sie nicht un- gestoͤrt lassen kann; aber die Pflicht will, daß diese Un- terredung nicht ohne Zeugen sei. Wenn Sie es aushalten koͤnnen, wir ha- ben keine Geheimnisse. M 2 Dreizehnter Auftritt . Vorige. Anton. Vater — Mutter. (umarmt ihn.) Ach Gott! Was hast Du gethan? Friedrike! — (sie liegt sinnlos in einem Stuhl.) Friedrike, ach Gott! Nur ein Wort, nur noch einmal sprich mit mir, ehe ich sterbe. Friedrike — Friedrike! nur einen einzigen Laut! O Vater, sie ist todt, sie ist wahrhaftig todt! Mich verstossen, das Maͤdchen ge- toͤdtet! — Vater, Sie haben viel auf der Seele. Alles war einig. Deine Hochzeit sollte in acht Tagen sein, aber Du hoͤrtest nicht, liefst wie ein un- sinniger Mensch von Deinen Eltern weg. Nun stehen wir da und raufen uns die Haare aus. — Sieh Deine Mutter, Deine Braut, mich — Das ist der Lohn fuͤr Ungehorsam eines Kindes! Vergebung mein Vater! — liebe Mutter! — ach Gott! bin ich denn zum Ungluͤck geboren? O ich bin unschuldig, ich bin warhaftig unschuldig! — Es wird an den Tag kommen, wenn ich todt bin — Friedrike, Friedrike! — schlag Deine Augen nur noch einmal auf — o ruft sie doch — ruft! Man kann sie noch einmal aufschreien — Friedrike!!! Nur ein einzi- ges mal noch — sieh mich an — (sie hebt ihre Augen auf.) Sie lebt — Friedrike, kennst Du mich nicht? Kennst Du Deinen Anton nicht? Nein ich kann nicht ster- ben — ich bin wahrhaftig unschuldig. Sohn — sie ist hin! Stoͤre sie laͤnger nicht. — Ich kann nicht mehr — wir muͤssen scheiden. (streckt die Arme nach ihm.) Anton! — O Gott! — Du hast mich genannt — nun ist es gut, Du hast Abschied von mir genommen. Du stirbst, ich auch — wir sehen uns bald wieder! Vater — Mutter! — Segnet uns. (Obfstr. Obfstn. umarmen Fr. und Anton.) Vierzehnter Auftritt . Vorige. Pastor. Schulz. Rudolph. Herr Oberfoͤrster, um Gottes willen. (in hoͤchster Freude.) Matthes koͤmmt da von; der Doctor sagt es, und — Der alte Friz hat Matthes verwundet. Anton ist unschuldig. Anton? Ach mein Sohn, mein Sohn! — O Gott! (sinkt in Antons Arme. Alle stehen erstarrt.) Friedrike — Vater! Mutter — wie ist Euch? (faͤllt auf die Knie.) Gott ich danke Dir — ich danke Dir. Wir alle — Alle! Seht Ihrs nun? — ich bin unschuldig — seht Ihrs? O Junge, Junge! Wenn es nur wahr ist! Man wird Sie gleich abrufen. Wie der alte Friz hoͤrte, daß man Antonen beschuldigte, kam er nach, lieferte sich selbst ein. Matthes ist ihm unter- wegs begegnet, hat ihn gereizt; darauf hat er ihn ver- wundet. — Matthes hat sich von der starken Verblu- tung erholt, die Wunde ist nicht toͤdtlich und sein eig- nes Gestaͤndniß bestaͤtigt alles. Gott sei gelobt! O mein Sohn — Anton, Anton, Anton! Mein einziger Sohn. (Er wirft das Papier hin.) Da, Herr, ist meine Habschaft, (wirft den Beutel hin.) da nehme Er Haus und Hof, (reißt die Weste auf.) nehme Er alles, ich behalte doch mehr, als Er — ich habe mei- nen Sohn wieder. O Anton, Anton, mein einziger Sohn! Matthes lasse ich kuriren, den alten Friz ver- trete ich vor unserm Fuͤrsten selbst. O Anton, Du lebst! Er lebt und ist unschuldig und wird Dein Mann, Du wirst meine Tochter! (legt ihre Haͤnde zusammen.) Gott segne uns und Euch und alle Welt! — (rasch zum Amtmann.) Herr Amtmann! Gott beßre Sie, und segne Sie auch! So wahr Gott lebt, es koͤmmt vom Herzen. Gott! Wie ist mir zu Muthe! — ich zittre vor Freude und Mattigkeit. (Amtsbediente ruft den Amtmann ab.) Da — da ist ein Glas Wein, staͤrke Dich! — Schulz trinke Er auch! Sie auch, Herr Pastor! — Rudolph, das ganze Haus soll froh sein. — Alte, mach Deinen Keller auf! gieb alles her, was Du hast, Alles! Wie hieß es vorhin: „Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge“ — Wir sind haͤßlich gestoͤrt. — Jezt Kinder — Jezt, zwanzig Jahr wie heute! Zwanzig Jahr wie heute! Kinder — Gott mache alle Welt gluͤcklich! Uebrigens — das Leiden vergessen — mit Froͤlichkeit lobt man Gott am besten — wir wollen nicht stumm sein, wir wollen Gott laut loben, und danken mit guten (er nimmt ein Glas, giebt ein anderes der Obfstn., der Schulz bringt es Antonen und Friedriken. Der Pastor nimmt auch eins. Der Oberfoͤrster hat den Arm um seine Frau gelegt.) Hand- lungen, so lange wir auf der Welt sind. Jezt froͤhlich und guter Dinge! — Wer's gut meint, folgt mir nach. (er singt.) So trinkt, so trinkt! — (alle fallen ein) Und laßt uns allewege Uns freun und froͤlich sein! (Der Vorhang faͤllt.) Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge — Wir gaͤben ihm den Wein!