Anmerkungen uͤbers Theater nebst angehaͤngten uͤbersetzten Stuͤck Shakespears . Leipzig , in der Weygandschen Buchhandlung . 1774 . Diese Schrift ward zwey Jahre vor Er- scheinung der deutschen Art und Kunst und des Goͤtz von Berlichingen in einer Gesellschaft gu- ter Freunde vorgelesen. Da noch manches fuͤr die heutige Bellitteratur drinn seyn moͤchte, das jene beyden Schriften nicht ganz uͤberfluͤssig gemacht, so theilen wir sie — wenn nicht an- ders als das erste ungehemmte Raͤsonnement eines unpartheyschen Dilettanten — unsern Le- sern Rhapsodienweis mit. M. H. Nec minimum meruere decus, vestigia greca Ausi deserere — Horat. D er Vorwurf einiger Anmerkungen, die ich fuͤr Sie auf dem Herzen habe, soll das Theater seyn. Der Werth des Schauspiels ist in unsern Zeiten zu entschieden, als daß ich noͤthig haͤtte, wegen dieser Wahl captationem benevolentiae vorauszuschicken, wegen der Art meines Vortrags aber muß ich Sie freylich komplimentiren, da meine gegen- waͤrtige Verfassung und andere zufaͤllige Ur- sa- sachen mir nicht erlauben, so weit mich uͤber meinen Gegenstand auszubreiten, so tief hineinzudringen, als ich gern wollte. Jch zimmere in meiner Einbildung ein ungeheu- res Theater, auf dem die beruͤhmtesten Schauspieler alter und neuer Zeiten nun vor unserm Auge vorbeyziehen sollen. Da wer- den Sie also sehen die grossen Meisterstuͤcke Griechenlands von eben so grossen Meistern in der Aktion vorgestellt, wenn wir dem Aulus Gellius glauben wollen und andern. Sie werden, wenn Sie belieben, im zwey- ten Departement gewahr werden die Trau- erspiele des Ovids und Seneka, die Lust- spiele des Plautus und Terenz und den grossen Komoͤdianten Roscius, dessen der be- ruͤhmte Herr Cicero selbst mit vieler Achtung erwaͤhnt. Werden sehen die drey Schau- spieler, die sich in eine Rolle theilen, die Larven, die uns Herr du Bos so ausfuͤhr- lich beschreibt, den ganzen furchtbaren Ap- paratus, und dennoch den alten Roͤmern muͤssen Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß die wesentliche Einrichtung ihrer Buͤhne und ihr Parterre, das wills Gott aus nichts weniger als der Nation bestand, diese schein- baren Ausschweifungen von der Natur noth- wendig machten. Daß aber die Alten ihre Stuͤcke mehr abgesungen als recitirt, scheint mir aus dem du Bos sehr wahrscheinlich, A 3 da da es sich so ganz natuͤrlich aus dem Ursprung des Schauspiels erklaͤren laͤßt, als welches anfangs nichts mehr gewesen zu seyn scheint, als ein Lobgesang auf den Vater Bachus von verschiedenen Personen zumal gesungen. Auch wuͤrden eines so ungeheuren Parterre unru- hige Zuhoͤrer wenig Erbauung gefunden ha- ben, wenn die Akteurs ihren Prinzessinnen zaͤrtliche Sachen vorgelispelt und vorge- schluchst, die sie unter den Masken selbst kaum gehoͤrt, wiewohl auch heutiges Tags sich zuzutragen pflegt, geschweige. Doch lassen wir das lateinische Departement, Sie werden im Jtalienischen, Helden ohne Mannheit und dergleichen, da aber Orpheus den dreykoͤpfigten Cerberus selbst durch den Klang seiner Leyer dahin gebracht, daß er nicht hat muksen duͤrfen, sollte ein Saͤnger oder Saͤngerin nicht den grimmigsten Kunst- richter? Jch oͤfne also das vierte Departe- ment, und da erscheint — ach schoͤne Spiele- werk! da erscheinen die fuͤrchterlichsten Hel- den des Alterthums, der rasende Oedip, in jeder Hand ein Auge und ein grosses Ge- folge griechischer Jmperatoren, Roͤmischer Buͤrgermeister, Koͤnige und Kayser, sauber fri- sirt in Haarbeutel und seidenen Struͤmpfen, unterhalten ihre Madonnen, deren Reifroͤcke und weisse Schnupftuͤcher jedem Christen- menschen das Herz brechen muͤssen, in den ga- lan- lantesten Ausdruͤcken von der Heftigkeit ihrer Flammen, daß sie sterben, ganz gewiß und unausbleiblich den Geist aufgeben, sich genoͤthigt sehen, falls diese nicht. Jch darf mich hier nicht lange erst besinnen, was fuͤr Meister fuͤr diese Buͤhne gearbeitet, grosse Akteurs auf derselben erschienen, es wuͤrde mir beschwerlicher werden, Jhnen die Liste von beyden vorzulegen, als es dem guten Vater Homer mag geworden seyn, die griechischen und trojanischen Of- ficiere herzubethen. Man darf nur die vielen Journaͤle, Merkure, Aesthetiken mit Proͤbchen gespickt — und was die Schau- spieler betrift, so ist der feine Geschmack ihnen uͤberall schon zur andern Natur ge- worden, uͤber und unter der sie wie in ei- nem andern Clima wuͤrden ersticken muͤssen. Jn diesem Departement ist Amor Selbst- herrscher, alles athmet, seufzt, weint, blu- tet, ihn und den Lichtputzer ausgenommen ist noch kein Akteur jemals hinter die Cou- lisse getreten, ohne sich auf dem Theater verliebt zu haben. Laßt uns nun noch die fuͤnfte Kammer besehen, die von dieser die umgekehrte Seite war, obschon es den er- leuchteten Zeiten gelungen, auch bis dahin durchzudringen und der hoͤllischen Barba- rey zu steuren, die die Dichter vor und un- ter der Koͤnigin Elisabeth daselbst ausge- A 4 brei- breitet. Diese Herren hatten sich nicht ent- bloͤdet, die Natur mutterfadennackt auszu- ziehen und dem keusch- und zuͤchtigen Pub- likum darzustellen wie sie Gott erschaffen hat. Auch der haͤßliche Gaͤrrick hoͤrt all- maͤhlich auf, mit seinem Goͤtzen Shakespear Wohlstand, Geschmack und Moralitaͤt, den drey Grazien des gesellschaftlichen Le- bens, den Krieg anzukuͤndigen. Nun und gleich bey luͤpfe ich den Vorhang und zeige Jhnen — ja was? ein wunderbares Ge- menge alles dessen, was wir bisher gese- hen und erwogen haben, und das zu einem Punkt der Vollkommenheit getrieben, den kein unbewafnetes Auge mehr entdecken kann. Deutsche Sophokles, deutsche Plau- tus, deutsche Shakespears, deutsche Fran- zosen, deutsche Metastasio, kurz alles was Sie wollen, durch kritische Augenglaͤser an- gesehen und oft in einer Person vereinigt? Was wollen wir mehr. Wie das alles so durcheinander geht, Cluvers orbis antiquus mit der neueren Heraldik, und der Thon im Ganzen so wenig deutsch, so kritisch bebend, gerathen schoͤn — wer Ohren hat zu hoͤren, der klatsche, das Volk ist verflucht. Nachdem ich also fertig bin und Jhnen, so gut ich konnte, die Buͤhne aller Zeiten und Voͤlker in aller Geschwindigkeit zusam- men- mengenagelt, so erlauben Sie mir, m. H. Sie beym Arm zu zupfen und mittlerweile das uͤbrige Parterre mit ofnem Mund und glaͤsernen Augen als Katzen nach dem Tau- benschlage zu den Logen hinaufglurt, Jhnen eine muͤßige Stunde mit Anmerkungen uͤber Theater, uͤber Schauspieler und Schauspiel anzufuͤllen. Sie werden mir als einem Frem- den nicht uͤbel nehmen, daß ich mit einer gewissen Freiheit von den Dingen rede und meine Worte — Mit Jhrer Erlaubnis werde ich also ein wenig weit ausholen, weil ich solches zu mei- nem Entzweck — meinem Entzweck? Was meynen Sie aber wohl, das der sey? Es giebt Personen, die eben so geneigt sind was Neues zu sagen und das einmal gesagte mit allen Kraͤften Leibes und der Seele zu ver- theidigen, als der groͤbere Theil des Publi- kums, der dazu geschaffen ist, ewig Auditori- um zu seyn, geneigt ist, was Neues zu hoͤren. Da ich hier aber kein solches Publikum — so untersteh ich mich nicht, Jhnen den letzten Entzweck dieser Anmerkungen, das Ziel meiner Partheygaͤnger anzuzeigen. Vielleicht wer- den Sie, wenn Sie mit mir fortgeritten sind, von selbst drauf stossen und alsdenn — Wir alle sind Freunde der Dichtkunst, und das menschliche Geschlecht scheint auf allen A 5 be- bewohnten Flecken dieses Planeten einen ge- wissen angebohrnen Sinn fuͤr diese Sprache der Goͤtter zu haben. Was sie nun so rei- zend mache, daß zu allen Zeiten — scheint meinem Beduͤnken nach nichts anders als die Nachahmung der Natur, das heißt al- ler der Dinge, die wir um uns herum sehen, hoͤren etcetera, die durch die fuͤnf Thore un- srer Seele in dieselbe hineindringen, und nach Maßgabe des Raums staͤrkere oder schwaͤchere Besatzung von Begriffen hinein- legen, die denn anfangen in dieser Stadt zu leben und zu weben, sich zu einander gesellen, unter gewisse Hauptbegriffe stellen, oder auch Zeitlebens ohne Anfuͤhrer, Com- mando und Ordnung herumschwaͤrmen, wie solches Bunian in seinem heiligen Kriege gar schoͤn beschrieben hat. Wie besoffene Soldaten oft auf ihrem Posten einschlafen, zu unrechter Zeit wieder aufwachen etcetera, wie man denn Beyspiele davon in allen vier Welttheilen antrift. Doch bald geb ich selbst ein solches ab — ich finde mich wieder zu- recht, ich machte die Anmerkung, das We- sen der Poesie sey Nachahmung und was dies fuͤr Reiz fuͤr uns habe — Wir sind, m. H. oder wollen wenigstens seyn, die erste Sprosse auf der Leiter der freyhandelnden selbststaͤndigen Geschoͤpfe, und da wir eine Welt hie da um uns sehen, die der Be- weiß weiß eines unendlich freyhandelnden We- sens ist, so ist der erste Trieb, den wir in unserer Seele fuͤhlen, die Begierde ’s ihm nachzuthun; da aber die Welt keine Bruͤcken hat, und wir uns schon mit den Dingen, die da sind, begnuͤgen muͤssen, fuͤhlen wir wenig- stens Zuwachs unsrer Existenz, Gluͤckselig- keit, ihm nachzuaͤffen, seine Schoͤpfung ins Kleine zu schaffen. Obschon ich nun wegen dieses Grundtriebes nicht noͤthig haͤtte mich auf eine Authoritaͤt zu berufen, so will ich doch nach der einmal eingefuͤhrten Weise mich auf die Worte eines grossen Kunstrich- ters mit einem Bart lehnen, eines Kunst- richters, der in meinen Anmerkungen noch manchmal ins Gewehr treten wird. Aristote- les im vierten Buch seiner Poetik: „Es scheint, daß uͤberhaupt zwey natuͤrliche Ursachen zur Poesie Gelegenheit gegeben. Denn es ist dem Menschen von Kindesbeinen an eigen, nachzuahmen. Und in diesem Stuͤck liegt sein Unterscheidungszeichen von den Thieren. Der Mensch ist ein Thier, das vorzuͤglich ge- schickt ist, nachzuahmen. Ein Gluͤck, daß er vorzuͤglich sagt, denn was wuͤrde sonst aus den Affen werden? Jch habe eine grosse Hochachtung fuͤr den Aristoteles, obwohl nicht fuͤr seinen Bart, den ich allenfalls mit Peter Ramus, dem jedoch der der M u thwill uͤbel bekommen ist — Aber da er hier von zwo Quellen redet, aus denen die landuͤberschwemmende Poesie ihren Ur- sprung genommen und gleichwohl nur auf die eine mit seinem kleinen krummen Finger deutet, die andere aber unterm Bart behaͤlt (obwohl ich Jhnen auch nicht dafuͤr stehe, da ich aufrichtig zu reden, ihn noch nicht ganz durchgelesen) so ist mir ein Gedanke entstan- den, der um Erlaubniß bittet, ans Tages- licht zu kommen, denn einen Gedanken bey sich zu behalten und eine gluͤhende Kohle in der Hand — E rst aber noch eine Authoritaͤt. Der be- ruͤhmte weltberuͤhmte Herr Sterne, der sich wohl nichts weniger als Nachahmer vermu- thet, und weil er das in seine siebente Bitte zu setzen vergessen, deswegen vom Himmel damit scheint vorzuͤglich gestraft worden zu seyn, in seinem Leben und Meynungen sagt im vierzigsten Kapitel. „Die Gabe zu vernuͤnfteln und Syllogismen zu machen, im Menschen — denn die hoͤhern Klassen der Wesen, als die Engel und Geister, wie man mir gesagt hat, thun das durch Anschauen.‟ Es ist nur der Unterschied, daß diese zwey- te Authoritaͤt dem, was ich sagen will, voran- geht, und also nach schuldiger Dankbarkeit an den Pfauenschwanz, dem ich diese Feder entwandt, fang und hebe ich also an. Un- Unsere Seele ist ein Ding, dessen Wirkun- gen wie die des Koͤrpers successiv sind, eine nach der andern. Woher das komme, das ist — so viel ist gewiß, daß unsere Seele von ganzem Herzen wuͤnscht, weder successiv zu erkennen, noch zu wollen. Wir moͤchten mit einem Blick durch die innerste Natur aller Wesen dringen, mit einer Empfindung alle Wonne, die in der Natur ist, aufnehmen und mit uns vereinigen. Fragen Sie sich, m. H. wenn Sie mir nicht glauben wollen. Wo- her die Unruhe, wenn Sie hie und da eine Seite der Erkenntniß beklaspt haben, das zitternde Verlangen, das Ganze mit Jhrem Verstande zu umfassen, die laͤhmende Furcht, wenn Sie zur andern Seite uͤbergehn, werden Sie die erste wieder aus dem Gedaͤchtniß verlieren. Eben so bey jedem Genuß, wo- her dieser Sturm, das All zu erfassen, der Ueberdruß, wenn Jhrer keichenden Sehnsucht kein neuer Gegenstand uͤbrig zu bleiben scheint — die Welt wird fuͤr Sie arm und Sie schwaͤrmen nach Bruͤcken. Den zitter- lichtesten Strahl moͤcht Jhr Heißhunger bis in die Milchstrasse verfolgen, und blendete das erzuͤrnte Schicksal Sie, wie Milton wuͤrden Sie sich in Chaos und Nacht Welten waͤh- nen, deren Zugang im Reich der Wirklich- keiten Jhnen versperrt ist. Schlies- Schliessen Sie die Brust zu, wo mehr als eine Adamsribbe rebellisch wird und kommen wieder hinuͤber mit mir in die lichten Regi- onen des Verstandes. Wir suchen alle gern unsere zusammengesetzte Begriffe in einfache zu reduciren und warum das? weil er sie dann schneller — und mehr zugleich umfas- sen kann. Aber trostlos waͤren wir, wenn wir daruͤber das Anschauen und die Gegen- wart dieser Erkaͤnntnisse verlieren sollten, und das immerwaͤhrende Bestreben, all unsere ge- sammleten Begriffe wieder auseinander zu wickeln und durchzuschauen, sie anschaulich und gegenwaͤrtig zu machen, nehm’ ich als die zweyte Quelle der Poesie an. Der Schoͤpfer hat unserer Seele einen Bleyklumpen angehaͤngt, der wie die Pen- duln an der Uhr sie durch seine niederziehen- de Kraft in bestaͤndiger Bewegung erhaͤlt. Anstatt also mit den Hypochondristen auf diesen sichern Freund zu schimpfen ( amicus certus in re incerta, denn was fuͤr ein Wetterhahn ist unsere Seele?) ist er, hoff’ ich, ein Kunststuͤck des Schoͤpfers, all unsere Er- kenntniß festzuhalten, bis sie anschaulich ge- worden ist. Die Sinne, ja die Sinne — es kommt freilich auf die specifische Schleifung der Glaͤser und die specifische Groͤsse der Pro- jekti- jektionstafel an, aber mit alledem, wenn die Camera obscura Ritzen hat — So weit sind wir nun. Aber eine Erkennt- niß kann vollkommen gegenwaͤrtig und an- schaulich seyn — und ist deswegen doch noch nicht poetisch. Doch dies ist nicht der rechte Zipfel, an dem ich anfassen muß, um — Wir nennen die Koͤpfe Genies, die alles, was ihnen vorkommt, gleich so durchdrin- gen, durch und durch sehen, daß ihre Er- kenntniß denselben Werth, Umfang, Klarheit hat, als ob sie durch Anschaun oder alle sie- ben Sinne zusammen waͤre erworben wor- den. Legt einem solchen eine Sprache, mathematische Demonstration, verdrehten Karakter, was ihr wollt, eh ihr ausgeredt habt, sitzt das Bild in seiner Seele, mit al- len seinen Verhaͤltnissen, Licht, Schatten, Kolorit dazu. Diese Koͤpfe werden nun zwar vortrefli- che Weltweise was weiß ich, Zergliederer, Kritiker — alle ers — auch vortrefliche Le- ser von Gedichten abgeben, allein es muß noch was dazukommen, eh sie selbst welche machen, versteh mich wohl, nicht nachma- chen. Die Folie, Christlicher Leser! die Folie, was Horatz vivida vis ingenii, und wir Begeisterung, Schoͤpfungskraft, Dichtungs- vermoͤgen, oder lieber gar nicht nennen. Den Ge- Gegenstand zuruͤckzuspiegeln, das ist der Kno - ten, die nota diacritica des poetischen Genies, deren es nun freilich seit Anfang der Welt mehr als sechs tausend soll ge- geben haben, die aber auf Belsazers Waa- ge vielleicht bis auf sechs, oder wie Sie wollen — Denn — und auf dieses Denn sind Sie vielleicht schon ungeduldig, das Vermoͤgen nachzuahmen, ist nicht das, was bey allen Thieren schon im Ansatz — nicht Mechanik — nicht Echo — nicht was es, um Othem zu sparen, bey unsern Poeten. Der wahre Dichter verbindet nicht in seiner Einbildungs- kraft, wie es ihm gefaͤllt, was die Herren die schoͤne Natur zu nennen belieben, was aber mit ihrer Erlaubniß nichts als die verfehlte Natur ist. Er nimmt Standpunkt — und dann muß er so verbinden. Man koͤnnte sein Gemaͤhlde mit der Sache ver- wechseln und der Schoͤpfer sieht auf ihn hinab, wie auf die kleinen Goͤtter, die mit seinem Funken in der Brust auf den Thro- nen der Erde sitzen und seinem Beyspiel ge- maͤß eine kleine Welt erhalten. Wollte sa- gen — was wollt ich doch sagen? — Hier lassen Sie uns eine kleine Pause bis zur naͤchsten Stunde machen, wo ich mit Columbus Schifferjungen auf den Mast klet- klettern, und sehen will, wo es hinausgeht. Noch weiß ichs selber nicht, aber Land wittere ich schon, bewohnt und unbewohnt, ist gleichguͤltig. Der Parnas hat noch viel unentdeckte Laͤnder, und willkommen sey mir, Schiffer! der du auch uͤberm Suchen stuͤrbest. Opfer fuͤr der Menschen Seligkeit! Maͤrtyrer! Heiliger! J ch habe in dem ersten Abschnitt meines Versuchs Jhnen, m. H. meine unmas- gebliche Meynung — — mir eine fertige Zunge geben, meine Gedanken geschwind und dennoch mit gehoͤriger Praͤcision — Denn ich fuͤrchte sehr, das Jugendfeuer werde die wenige Portion Geduld auflecken, die ich in meinem Temperament finde, und die doch einem Prosaisten, und besonders einem kritischen — Jn der That, da die Kritik mehr eine Beschaͤftigung des Ver- standes als der Einbildungskraft bleibet, so yerlangt sie ein grosses Maaß Phlegma — Jch habe also bey phlegmatischem Nach- denken uͤber diese zwey Quellen gefunden, daß die letztere die Nachahmung allen schoͤ- nen Kuͤnsten gemein, wie es denn auch Batt — Die erste aber, das Anschauen al- Anmerk. uͤb. Theat. B len len Wissenschaften, ohne Unterschied, in ge- wissem Grade gemein seyn sollte. Die Poe- sie scheint sich dadurch von allen Kuͤnsten und Wissenschaften zu unterscheiden, daß sie diese beyden Quellen vereinigt, alles scharf durchdacht, durchforscht, durchschaut — und dann in getreuer Nachahmung zum andernmal wieder hervorgebracht. Dieses giebt die Poesie der Sachen, jene des Styls. Oder umgekehrt, wie ihr wollt. Der schoͤne Geist kann das Ding ganz ken- nen, aber er kann es nicht wieder so ge- treu von sich geben, alle Striche seines Witzes koͤnnens nicht. Darum bleibt er immer nur schoͤner Geist, und in den Mar- morhaͤnden Longin, Home (wer will, schrei- be seinen Namen hin) wird seine Schaale nie zum Dichter hinunter sinken. Doch dies sind so Gedanken neben dem Todten- kopf auf der Toilette des Denkers — laßt uns zu unserm Theater umkehren! Und die Natur des Schauspiels zu ent- wickeln suchen, aus dieser Untersuchung ei- nige Corollarien ableiten, mit guten Gruͤn- den verschanzen, und im dritten Abschnitt wider die Angriffe unsrer Gegner, das heißt, des ganzen feinern Publikums vertheidigen, ob wir sie vielleicht dahin vermoͤchten, die Belagerung in eine Bloquade zu verwan- deln, weil alsdenn — Daß Daß das Schauspiel eine Nachahmung und folglich einen Dichter fodere, wird mir doch wohl nicht bestritten werden. Schon im gemeinen Leben (fragen wir den Poͤbel, dessen Witz noch nicht so boßhaft ist, Worte umzumuͤnzen,) heißt ein geschickter Nachahmer, ein guter Komoͤdiant, und waͤre das Schauspiel was anders als Nach- ahmung, es wuͤrde seine Schauer bald ver- lieren. Jch getraue mich, zu behaupten, daß thierische Befriedigungen ausgenom- men, es fuͤr die menschliche Natur kein ein- zig Vergnuͤgen giebt, wo nicht Nachah- mung mit zum Grunde laͤge — die Nach- ahmung der Gottheit mit eingerechnet u. s. w. Herr Aristoteles selber sagt — — Es kommt itzt darauf an, was beym Schauspiel eigentlich der Hauptgegenstand der Nachahmung: der Mensch? oder das Schicksal des Menschen? Hier liegt der Knoten, aus dem zwey so verschiedene Ge- webe ihren Ursprung genommen, als die Schauspiele der Franzosen (sollen wir der Griechen sagen?) und der aͤltern Englaͤnder, oder vielmehr uͤberhaupt aller aͤltern nordi- schen Nationen sind, die nicht griechisch ge- sattelt waren. Hoͤren Sie also die Definition des Ari- stoteles von der Tragoͤdie, lassen Sie uns B 2 her- hernach die Dreistigkeit haben, unsere zu geben. Ein grosses Unternehmen, aber wer kann uns zwingen, Brillen zu brauchen, die nicht nach unserm Auge geschliffen sind. Er sagt im sechsten Kapitel seiner poeti- schen Reitkunst: „Es ist also das Trauer- spiel die Nachahmung einer Handlung, einer guten, vollkommenen und grossen Hand- lung, in einer angenehmen Unterredung, nach der besondern Beschaffenheit der han- delnden Personen abgeaͤndert, nicht aber in einer Erzehlung.‟ Er breitet sich weiter uͤber diese Defini- tion aus. „Und weil das Trauerspiel die Nachahmung einer Handlung ist, die von bestimmten Personen geschiehet, welche noth- wendig von verschiedener Beschaffenheit seyn muͤssen, sowohl in Ansehung ihrer Sitten, als Gesinnungen, so auch ihre Handlungen von verschiedener Beschaffenheit sind, so ist es natuͤrlich, daß es zwey Ursachen der Hand- lungen gebe, die Gesinnungen und die Sit- ten, und nach Maßgabe dieser muͤssen die Personen alle entweder gluͤcklich oder un- gluͤcklich werden.‟ Er erklaͤrt sich hernach uͤber diese Ausdruͤcke, damit er allem Miß- verstande vorbeuge. Sitten sind, die Art, mit der jemand handelt. Gesinnungen sind seine Gemuͤthsart und der Ausdruck dersel- ben ben im Sprechen.‟ Sie sehen aus dieser Erklaͤrung, daß wir nach unserer modernen dramaturgischen Sprache diese beyde Worte in eins zusammenfassen, uͤbersetzen koͤnnen. Charakter, der kenntliche Umriß eines Men- schen auf der Buͤhne. Er fodert also, daß wir die Fabel des Stuͤcks nach den Charakteren der handelnden Personen ein- richten, wie er im neunten Kap. noch deut- licher sich erklaͤrt: „der Dichter solle Bege- benheiten nicht vorstellen, wie sie gesche- hen sind, sondern geschehen sollten.‟ Nachdem er nun selbst zugestanden, daß der Charakter der handelnden Personen den Grund ihrer Handlungen, und also auch der Fabel des Stuͤcks enthalte: sollt’ es uns fast wundern, daß er in eben diesem Kapitel fort- faͤhrt: „Das Wichtigste unter allen ist die Zusammensetzung der Begebenheiten. Denn das Trauerspiel ist nicht eine Nachahmung des Menschen, sondern der Handlungen, des Lebens, des Gluͤcks oder Ungluͤcks, denn die Gluͤckseligkeit ist in den Handlungen gegruͤn- det, und der Entzweck des Trauerspiels ist eine Handlung, nicht eine Beschaffenheit.‟ Als ob die Beschaffenheit eines Menschen uͤberhaupt vorgestellt werden koͤnne, ohne ihn in Handlung zu setzen. Er ist dies und das, woran weiß ich es, lieber Freund, woran B 3 weißt weißt du es, hast du ihn handeln sehen? Sey es also, daß Drama nothwendig die Hand- lung mit einschließt, um mir die Beschaffen- heit anschaulich zu machen: ist darum Hand- lung der letzte Entzweck, das Princi- pium? Er faͤhrt fort: „Sie (die handeln- den Personen) sind nach ihren Sitten von einer gewissen Beschaffenheit, nach ihren Handlungen aber gluͤcklich oder ungluͤcklich. Sie sollen also nicht handeln, um ihre Sit- ten darzustellen, sondern die Sitten wer- den um der Handlungen willen mit ein- gefuͤhrt‟ (Aristoteles konnte nichts anders lehren, nach den Mustern, die er vor sich hatte, und deren Entstehungsart ich unten aus den Religionsmeynungen klar machen will. Eben hier ist die unsichtbare Spitze, auf der alle herrliche Gebaͤude des griechischen Theaters ruhen: auf der wir aber unmoͤglich fortbauen koͤnnen) „Die Begebenheiten, die Fabel ist also der Entzweck der Tragoͤdie, denn ohne Handlungen wuͤrde es keine Tragoͤdie bleiben, wohl aber ohne Sitten.‟ (Ohn- moͤglich koͤnnen wir ihm hierinn Recht ge- ben, so sehr er zu seiner Zeit recht gehabt ha- ben mag. Die Erfahrung ist die ewige At- mossphaͤre des strengen Philosophen, sein Raͤsonnement kann und darf sich keinen Na- gelbreit druͤber erheben, so wenig als eine Bombe ausser ihrem berechneten Kreise flie- gen gen kann. Da ein eisernes Schicksal die Handlungen der Alten bestimmte und regierte, so konnten sie als solche interessiren, ohne davon den Grund in der menschlichen Seele aufzusuchen und sichtbar zu machen. Wir aber haffen solche Handlungen, von denen wir die Ursache nicht einsehen, und nehmen keinen Theil dran. Daher sehen sich die heu- tigen Aristoteliker, die bloß Leidenschaften oh- ne Charakteren mahlen, (und die ich uͤbri- gens in ihrem anderweitigen Werth lassen will) genoͤthigt, eine gewisse Psychologie fuͤr alle ihre handelnde Personen anzunehmen, aus der sie darnach alle Phaͤnomen ihrer Hand- lungen so geschickt und ungezwungen ablei- ten koͤnnen und die im Grunde mit Erlaub- niß dieser Herren nichts als ihre eigene Psychologie ist. Wo bleibt aber da der Dich- ter, Christlicher Leser! wo bleibt die Folie? Grosse Philosophen moͤgen diese Herren im- mer seyn, grosse allgemeine Menschenkennt- niß, Gesetze der menschlichen Seele Kennt- niß, aber wo bleibt die individuelle? Wo die uneckle, immer gleich glaͤnzende, ruͤck- spiegelnde, sie mag im Todtengraͤberbusen forschen oder unterm Reifrock der Koͤnigin? Was ist Grandison, der abstrahirte getraͤnm- te , gegen einen Rebhuhn, der da steht? Fuͤr den mittelmaͤßigen Theil des Publikums wird Rousseau (der goͤttliche Rousseau selbst —) B 4 un- unendlichen Reiz mehr haben, wenn er die feinsten Adern der Leidenschaften seines Bu- sens entbloͤßt und seine Leser mit Sachen an- schaulich vertraut macht, die sie alle vorhin schon dunkel fuͤhlten, ohne Rechenschaft da- von geben zu koͤnnen, aber das Genie wird ihn da schaͤtzen, wo er aus den Schlingen und Graziengewebe der feinern Welt Cha- raktere zu retten weiß, die nun freilich doch oft wie Simson ihre Staͤrke in dem Schooß der Dame lassen. Wir wollen unsern Aristo- teles weiter hoͤren: „Die Trauerspiele der meisten Neuern sind ohne Sitten, es bleiben darum ihre Verfasser immer Dichter‟ (in un- sern Zeiten durchaus nicht mehr, Handlun- gen und Schicksale sind erschoͤpft, die kon- ventionellen Charaktere, die konventionellen Psychologien, da stehen wir und muͤssen im- mer Kohl waͤrmen, ich danke fuͤr die Dich- ter) . Er fuͤhrt das Beyspiel zweyer Mahler, des Zeuxes und Polyglotus. Jch will diese Stelle uͤbergehen und meine Paradoxe nicht auf alle schoͤne Kuͤnste — doch einen Sei- tenblick — nach meiner Empfindung schaͤtz ich den Charakteristischen, selbst den Carri- katurmahler zehnmal hoͤher als den Jdeali- schen, hyperbolisch gesprochen, denn es ge- hoͤrt zehnmal mehr dazu, eine Figur mit eben der Genauigkeit und Wahrheit darzu- stellen, mit der das Genie sie erkennt, als zehn zehn Jahre an einem Jdeal der Schoͤnheit zu zirkeln, daß endlich doch nur in dem Hirn des Kuͤnstlers, der es hervorgebracht, ein solches ist. Jn der Morgenzeit der Welt wars was anders, Zeuxes arbeitete, um uns Kritiker und Geschmack zu bilden, Apelles Kohle, von einem goͤttlichen Feuer geleitet, schuf wie Gott um ihr selbst willen. Die Jdee der Schoͤnheit muß bey unsern Dichtern ihr ganzes Wesen durchdrungen haben — denn fort mit dem rohen Nachahmer, der nie an diesem Strahl sich gewaͤrmet hat, auf Thespis Karre — aber sie muß nie ihre Hand fuͤhren oder zuruͤckhalten, oder der Dichter wird — was er will, Witzling, Pil- lenversilberer, Bettwaͤrmer, Brustzuckerbe- cker, nur nicht Darsteller, Dichter, Schoͤpfer — Aristoteles: „Ein Zeichen fuͤr die Wahr- heit des Satzes, daß die Fabel, die Ver- und Entwickelung der Begebenheiten in der Tragoͤdie am meisten gefalle, ist, weil die, so sich an die Poesie wagen, weit eher in An- sehung der Diktion und Charaktere fuͤrtref- lich sind, als in der Zusammensetzung der Be- gebenheiten, wie fast an all unsern ersten Dichtern zu sehen‟ dies will nichts sagen. Dictione et moribus soll gar in einer Klasse nicht stehen. Es ist hier nicht die Rede von B 5 hin- hingekleckten Charakteren, von denen all un- sere baͤrtige und unbaͤrtige Schuluͤbungen so voll; wo bey einer schwimmenden un- gefaͤhren Aehnlichkeit des Zuschauers Fanta- sey das Beste thun muß — selbst nicht von dem famam sequere sibi convenientia finge des Horatz, noch von seinem servetur ad imum, was das Journal Encyclopedique sou- tenir les Characteres nennt — es ist die Rede von Charakteren, die sich ihre Begebenhei- ten erschaffen, die selbststaͤndig und unveraͤn- derlich die ganze grosse Maschine selbst dre- hen, ohne die Gottheiten in den Wolken an- ders noͤthig zu haben, als wenn sie wollen zu Zuschauern, nicht von Bildern, von Ma- rionettenpuppen — von Menschen. Ha aber freilich dazu gehoͤrt Gesichtspunkt, Blick der Gottheit in die Welt, den die Alten nicht ha- ben konnten, und wir zu unserer Schande nicht haben wollen. Er faͤhrt fort, wie er denn nicht anders konnte: „Die Fabel also ist der Grund, (Principium) und gleichsam die Seele der Tragoͤdie, das zweyte aber sind die Sitten. Es ist wie in der Mahlerey, wenn einer mit den schoͤnsten Farben das Papier beschmierte, wuͤrde er lange so nicht ergetzen, als einer, der ein Bild drauf hinzeichnet (Er vergleicht also die Fabel mit der Zeich- nung, die Charaktere mit dem Kolorit??) Es ist aber das Trauerspiel die Nachahmung einer einer Handlung, und durch diese Handlung auch der handelnden Personen‟ Umge- kehrt wird — Was er von den Sentiments der Diktion der Melopoͤie der Dekoration — koͤnnen wir hier unmoͤglich aufnehmen, wenn wir uns nicht zu einem Traktat ausdehnen wollen. Wir haben es eigentlich mit seinem drama- tischen Principium, mit der Basis seines kunstrichterlichen Gebaͤudes unternommen, weil wir doch die Ursache anzeigen muͤssen, warum wir so halsstarrig sind, auf demselben nicht fortzubauen. Gehen uͤber zum Funda- ment des Shakespearischen unsers Lands- manns, wollen sehen, ob die Wunder, so er auf jeden gesunden Kopf und unverderb- tes Herz thut, wirklich einem je ne sais quoi der erleuchtetsten Kunstrichter, einem Ohngefaͤhr, vielleicht einem Planeten, viel- leicht gar einem Kometen zuzuschreiben sind, weil er nichts vom Aristoteles gewußt zu ha- ben — Und zum Henker hat denn die Natur den Aristoteles um Rath gefragt, wenn sie ein Genie? Auf eins seiner Fundamentalgesetze muß ich noch zuruͤckschiessen, das so viel Laͤrm ge- macht, bloß weil es so klein ist, und das ist die so erschroͤckliche jaͤmmerlichberuͤhmte Bulle von den drey Einheiten. Und was heis- heissen denn nun drey Einheiten, meine Lie- ben? Jst es nicht die eine, die wir bey allen Gegenstaͤnden der Erkenntniß suchen, die eine, die uns den Gesichtspunkt giebt, aus dem wir das Ganze umfangen und uͤberschauen koͤnnen? Was wollen wir mehr, oder was wollen wir weniger? Jst es den Herren be- liebig, sich in dem Verhaͤltniß eines Hauses und eines Tages einzuschraͤnken, in Got- tes Namen, behalten Sie Jhre Fami- lien stuͤcke, Miniaturgemaͤhlde, und lassen uns unsere Welt. Kommt es Jhnen so sehr auf den Ort an, von dem Sie sich nicht be- wegen moͤchten, um dem Dichter zu folgen: wie denn, daß Sie sich nicht den Ruhepunkt Archimeds waͤhlen: de mihi figere pedem et terram movebo? Welch ein groͤsser und goͤtt- licher Vergnuͤgen, die Bewegung einer Welt, als eines Hauses? und welche Wohlthat des Genies, Sie auf die Hoͤhe zu fuͤhren, wo Sie einer Schlacht mit all ihrem Getuͤmmel, Jammern und Grauen zusehen koͤnnen, ohne Jhr eigen Leben, Gemuͤthsruhe, und Behagen hineinzuflechten, ohne auf dieser grausamen Scene Akteur zu seyn. Liebe Herren! was sollen wir mehr thun, daß ihr selig werdet? wie kann mans euch bequemer machen? Nur zuschauen, ruhen und zuschauen, mehr fo- dern wir nicht, warum wollt ihr denn nicht auf diesem Stern stehen bleiben, und in die Welt Welt ’nabgucken, aus kindischer Furcht den Hals zu brechen? Was heissen die drey Einheiten? hundert Einheiten will ich euch angeben, die alle im- mer doch die eine bleiben. Einheit der Nation, Einheit der Sprache, Einheit der Religion, Einheit der Sitten — ja was wirds denn nun? Jmmer dasselbe, immer und ewig dasselbe. Der Dichter und das Publikum muͤssen die eine Einheit fuͤhlen aber nicht klassifiziren. Gott ist nur Eins in allen seinen Werken, und der Dichter muß es auch seyn, wie groß oder klein sein Wirkungskreiß auch immer seyn mag. Aber fort mit dem Schulmeister, der mit seinem Staͤbchen einem Gott auf die Finger schlaͤgt. Aristoteles. Die Einheit der Handlung. Fabula autem est una, non ut aliqui putant, si circa unum sit. Er sondert immer die Hand- lung von der handelnden Hauptperson ab, die bongré malgré in die gegebene Fa- bel hineinpassen muß, wie ein Schiffsthau in ein Nadeloͤhr. Unten mehr davon, bey den alten Griechen wars die Handlung, die sich das Volk zu sehen versammlete. Bey uns ists die Reihe von Handlungen, die wie Donnerschlaͤge auf einander folgen, eine die andere stuͤtzen und heben, in ein gros- ses Ganze zusammenfliessen muͤssen, das her- hernach nichts mehr und nichts minder aus- macht, als die Hauptperson, wie sie in der ganzen Gruppe ihrer Mithaͤndler hervor- sticht. Bey uns also fabula est una si circa unum sit. Was koͤnnen wir dafuͤr, daß wir an abgerissenen Handlungen kein Ver- gnuͤgen mehr finden, sondern alt genug wor- den sind, ein Ganzes zu wuͤnschen? daß wir den Menschen sehen wollen, wo jene nur das unwandelbare Schicksal und seine ge- heimen Einfluͤsse sahen. Oder scheuen Sie sich, meine Herren! einen Menschen zu sehen? Einheit des Orts — oder moͤchten lieber sagen, Einheit des Chors, denn was war es anders? Kommen doch auf dem Griechi- schen Theater die Leute wie gerufen und ge- beten herbey, und kein Mensch stoͤßt sich daran. Weil wir uns freuen, daß Sie nur da sind — weil das Chor dafuͤr da steht, daß sie kommen sollen, und sich das im Kopf eines Freundes geschwind zusammenreimt, was wohl die causa prima und remotior der Ankunft seines Freundes seyn moͤchte, wenn er ihn eben in seinen Armen druͤckt. Einheit der Zeit, worin Aristoteles gar den wesentlichen Unterscheid des Trauerspiels von der Epopee setzt. Am Ende des 5ten Kapitels: „Die Epopee ist also bis auf den Punkt Punkt mit der Tragoͤdie eins, daß jede eine Nachahmung edler Handlungen mittelst einer Rede ist. Darinn aber unterschieden, daß jene ein einfaches Metrum und als eine Er- zaͤhlung lang fortgeht, diese aber, wenn es moͤglich, nur den Umlauf einer Sonne in sich schließt, da die Epopee von unbestimmter Zeit ist.‟ Sind denn aber zehn Jahr, die der Trojanische Krieg waͤhrte, nicht eben so gut bestimmte Zeit als unus solis ambitus? Wo hinaus, lieber Kunstrichter, mit dieser differen- tia specifica? Es springt ja in die Augen, daß in der Epopee der Dichter selbst auftritt, im Schauspiele aber seine Helden. Warum sondern wir denn das Wort vorstellen, das einzige Praͤdikat zu diesem Subjekt, von der Tragoͤdie ab, die Tragoͤdie stellt vor, das Heldengedicht erzehlt: aber freylich in un- sern heutigen Tragoͤdien wird nicht mehr vor- gestellt. Wenn wir das Schicksal des Genies be- trachten (ich rede von Schriststellern) so ist es unter aller Erdensoͤhne ihrem das baͤng- ste, das traurigste. Jch rede ehrlich, von den groͤssesten Produkten alter und neuer Zeiten. Wer liest sie? wer genießt sie? — Wer verdaut sie? Fuͤhlt das, was sie fuͤhlte? Folgt der unsichtbaren Kette, die ihre ganze große Maschine in eins schlingt, ohne sie einmal einmal fahren zu lassen? Welches Genie liest das andere so? — Mitten im hellesten Anschaun der Zaubermaͤchte des andern und ihren Wirkungen und Stoͤssen auf sein Herz, dringen Millionen unberufene Gedanken — dein Blatt Kritik — dein unvollendeter Roman — dein Brief — oft bis auf die Waͤsche hinunter — weg sind die suͤssen Jl- lusionen, da zappelt er wieder auf dem San- de, der vor einem Augenblicke im Meere von Wollust dahin schwamm. Und wenn das Genie so liest ω πωποι wie liest der Philister denn? Wo ist da lebendige Vorstellung der tausend großen Einzelheiten, ihrer Verbin- dungen, ihres goͤttlichen ganzen Eindrucks? Was kann der Epopeendichter thun, unsere Aufmerksamkeit fest zu halten, an seine Ga- leere anzuschmieden und dann mit ihr ’von zu fahren? Einen Vorrath von Witz ver- schuͤtten, der sich tausendmal erschoͤpft (siehe Fielding und andere) oder wie Homer, blind das Publikum verachten und fuͤr sich selber singen? Der Schauspieldichter hats besser, wenn das Schicksal seine Wuͤnsche erhoͤren wollte. Schlimmer, wenn es sie nur halb erhoͤrt. Werd ich gelesen und der Kopf ist so krank oder so klein, daß alle meine Pin- selzuͤge unwahrgenommen vorbey schwim- men, geschweige in ein Gemaͤhlde zusammen- fliessen — Trost! ich wollte nicht gelesen wer- werden. Angeschaut. Werd ich aber vor- gestellt und verfehlt — so moͤcht ich Palet und Farben ins Feuer schmeissen, weit inni- ger betroffen, als wenn eine Bethschwester- gesellschaft mich zum Boͤsewicht affterredet. Bin ich denn ein Boͤsewicht? Und bin ich denn — und schlag in die Haͤnde — was ihr aus mir machen wollt? Aber wie gewinnen koͤnnte ich (sagt der Kuͤnstler) o welch ein herrlicherer Dank? welch eine seligere Belohnung aller Muͤhe, Furcht und Leiden, wie gar nichts Ehren- saͤulen und Pensionen dagegen, zu denen der Kuͤnstler nie den Weg hat wissen wollen — als meine Jdeen lebendig gemacht, realisirt zu sehen. Zu sehen das Ganze und seine Wirkung wie ich es dachte — o ihr Befoͤr- derer der Kuͤnste! ihr Maͤcenen! ihr Augu- ste! non saginandi — nur Platz, unser Schau- spiel aufzufuͤhren und ihr sollt Zuschauer seyn. Euer ganzes Volk. Da ihr im Angesichte eures ganzen Volks auf dem Theater der Welt eure Rollen spielen muͤßt und sich der Nachruhm nicht bestechen laͤßt — wo wollt ihr euch verewigen als hier? Horatz schlug das carmen lyricum vor, aber siehe, ich sage euch, euer Ruhm stirbt mit seinem Schall, bleibt selber nur Schall, nie in Anschauen, nie in Bewegungen des Herzens verwan- Anm. uͤb. Theat. C delt. delt. Caͤsar ist in Rom so nie bedauert worden, als unter den Haͤnden Shakespears. Wir sehen also, was der dramatische Dichter vor dem epischen gewinnt, wie kuͤr- zern Weg zum Ziel, sein grosses Bild le- bendig zu machen, wenn er nur sichere Hand hat, in der Puls der Natur schlaͤgt, vom goͤttlichen Genius gefuͤhrt. Richter der Lebendigen und der Todten. — Er braucht die Sinne nicht mit Witz und Flit- tern zu fesseln, das thut der Dekorationen- mahler fuͤr ihn, aller Kunstgriffe uͤberhoben, schon eingeschattet von dem magischen Licht, auf das jener so viel Kosten verschwendet, fuͤhrt er uns dahin, wo er wollte, ohne andern Aufwand zu machen, als was er so gern aufwendet, sein Genie. Hundert Sa- chen setzt er zum voraus, die ich hier nicht nennen mag — und wie hoͤher muß er flie- gen! Ach mir, daß ich die Geheimnisse unserer Kunst verrathen muß, den Flor weg- ziehen, der ihren Reitz so schoͤn und scham- haft in seine Falten zuruͤckbarg und doch viel- leicht noch zu wenig verrathen habe. Heut zu Tage, da man geniessen will, ohne das Maul aufzuthun, muß Venus Urania selbst zur Kokette werden — fort! Rache! Da wir am Fundament des Aristoteli- schen Schauspiels ein wenig gebrochen und mit mit Recht befuͤrchten muͤssen — so wollen wirs am andern Ende versuchen, auf das Dach des franzoͤsischen Gebaͤudes klettern und unsere gesunde Vernunft und Empfin- dung fragen. Was haben uns die Primaner aus den Jesuiterkollegien geliefert? Meister? Wir wollen doch sehen. Die Jtaliener hatten ei- nen Dante, die Engellaͤnder Shakespearn, die Deutschen Klopstock, welche das Thea- ter schon aus ihrem eigenen Gesichtspunkt ansahen, nicht durch Aristoteles Prisma. Kein Naseruͤmpfen, daß Dantens Epopee hier vorkommt, ich sehe uͤberall Theater drin, bewegliches, Himmel und Hoͤlle, den Moͤnchs- zeitenanalog. Da keine Einschraͤnkungen von Ort und Zeit, und freylich, wenn man uns auf der Erde keinen Platz vergoͤnnen will, muͤssen wir wohl in der Hoͤlle spielen. Was Shakespear und Klopstock in seinem Bardiet gethan, wissen wir alle, die Fran- zosen aber erschrecken vor allem solchen Un- sinn, wie Voltaire wider den la Motte, der im halben Rausch was herlallt, von dem er selbst nicht Rechenschaft zu geben weiß: Le Francois sont les premiers qui ont fait revivre ces sages regles de Theatre, les autres peu- ples — Mais comme ce joug etoit juste et que la raison triomphe enfin de tout — C 2 Man Man braucht nicht lange zu beweisen, daß die franzoͤsischen Schauspiele den Re- geln des Aristoteles entsprechen, sie haben sie bis zu einem Punkt hinausgetrieben, der jedem Mann von gesunder Empfindung Her- zensangst verursacht. Es giebt nirgend in der Welt so gruͤbelnde Beobachter der drey Einheiten: der willkuͤhrliche Knoten der Handlung ist von den franzoͤsischen Garn- webern zu einer solchen Vollkommenheit be- arbeitet worden, daß man ihren Witz in der That bewundern muß, als welcher die simpelsten und natuͤrlichsten Begebenheiten auf so seltsame Arten zu verwirren weiß, daß noch nie eine gute Komoͤdie ausser Lan- des ist geschrieben worden, die nicht von funfzigen ihrer besten Koͤpfe immer wieder in veraͤnderter Gestalt waͤre vorgezeigt wor- den. Sie setzen, wie Aristoteles, den gan- zen Unterscheid des Schauspiels darinn, daß es vier und zwanzig Stunden waͤhrt und suavi sermone, siehe seine Definition. Das Erzaͤhlen im Trauerspiel und in der Epopee ist ihnen gleichguͤltig und sie machen mit dem Aristoteles die Charaktere nicht nur zur Nebensache, sondern wollen sie auch, wie Madame Dacier gar schoͤn auseinanderge- setzt hat, gar nicht einmal im Trauerspiele leiden. Ein Ungluͤck, daß die gute Frau bey bey Charakteren sich immer Masken und Fratzen dachte, aber wer kann davor? Wenn also die franzoͤsischen Schauspiele groͤstentheils nach den Regeln des Aristote- les — und seiner Ausleger zugeschnitten sind — wenn wir vorhin bey der Theorie zu murren fanden, und bey der Ausuͤbung hier gar — — was bleibt uns uͤbrig? Was, als die Natur Baumeisterin seyn zu lassen, wie Virgil die Dido beschreibt. Talis Dido erat, talem se laeta ferebat Per medios, instans operi regnisque futuris. Tum foribus divae media testudine templi Septa armis, solioque alte subnixa resedit Iura dabat, legesque viris, operumque la- borem Partibus aequabat iustis — Jsts nicht andem, daß Sie in allen fran- zoͤsischen Schauspielen (wie in den Roma- nen) eine gewisse Aehnlichkeit der Fabel ge- wahr werden, welche, wenn man viel gele- sen oder gesehn hat, unbeschreiblich eckelhaft wird. Ein offenbarer Beweis des Hand- werks. Denn die Natur ist in allen ihren Wirkungen mannigfaltig, das Handwerk aber einfach, und Athem der Natur und Funke des Genies ists, das noch unterwei- len zu unserm Trost uns durch eine kleine Abwechselung entschaͤdigt. Fuͤrchte nicht, C 3 liebes liebes Publikum, wenn du die Daͤmme so hoch aufziehst, die Grenzen so weit steckst, von Dichterlingen uͤberschwemmt zu werden. Sie lieben das freye Feld nicht, sie befin- den sich besser hinter den Aussenwerken des Handwerks. Es ist keine Kleinigkeit, Schlin- gen fuͤr die Herzen auszuwerfen, alle die tau- send Koͤpfe wegzuzaubern und willig zu ma- chen uns zu folgen. Die franzoͤsischen Jn- triguen, deren sie ganze Kramlaͤden voll ha- ben, die sie veraͤndern, bereichern, zusam- menflicken wie die Moden, werden sie nicht von Tage zu Tage uninteressanter, abge- schmackter? Es geht ihren Schauspieldich- tern wie den lustigen Raͤthen in Gesellschaf- ten, die in der ersten halben Stunde ertraͤg- lich, in der zweyten sich selbst wiederholen, in der dritten von niemand mehr gehoͤrt wer- den als von sich selbst. Hab ich doch letzt eine lange Komoͤdie gesehen, die nur auf einem Wortspiel drehte. Ja wenn solche trifles light as air von einem Shakespear be- handelt werden, aber wenn die Jntrigue das Wesen des Stuͤcks ausmacht, und die Ver- wirrung besteht in einem Wort, so ist das ganze Stuͤck so viel werth — als ein Wort- spiel. Woher aber diese schimmernde Ar- muth? Der Witz eines Shakespears er- schoͤpft sich nie und haͤtt’ er noch so viel Schau- spiele geschrieben. Sie kommt — erlauben Sie Sie mirs zu sagen ihr Herren Aristoteliker! — sie kommt aus der Aehnlichkeit der handeln- den Personen, partium agentium, die Man- nigfaltigkeit der Charaktere und Psychologien ist die Fundgrube der Natur, hier allein schlaͤgt die Wuͤnschelruthe des Genies an. Und sie allein bestimmt die unendliche Man- nigfaltigkeit der Handlungen und Begeben- heiten in der Welt. Nur ein Alexander und nach ihm keiner mehr, und alle Wuth der Parallelkoͤpfe und Parallelbiographen wird es dahin nicht bringen, eine vollkommen getreue Kopie von ihm aufzuweisen. Selbst die Parallelensucht verraͤth die Leute und macht einen besondern Bestimmungsgrund ihrer Jndividualitaͤt. Es ist keine Kalumnie (ob in den Gesell- schaften laß ich unentschieden) daß die Fran- zosen auf der Scene keine Charaktere haben. Jhre Helden, Heldinnen, Buͤrger, Buͤrge- rinnen, alle ein Gesicht, eine Art zu denken, also auch eine grosse Einfoͤrmigkeit in den Handlungen. Geeinzelte Karrikaturzuͤge in den Lustspielen geben noch keine Umrisse von Charaktern, personificirte Gemeinplaͤtze uͤber den Geitz noch keine Personen, ein kuͤtzlich- tes Maͤdchen und ein Knabe, die allenfalls ihre Rollen umwechsein koͤnnten, noch keine Liebhaber. Jch suchte Trost in den sogenann- ten Charakterstuͤcken, allein ich fand so viel C 4 Aehn- Aehnlichkeit mit der Natur (und noch weni- ger) als bey den Charaktermasken auf ei- nem Ball. Jhr ganzer Vorzug bliebe also der Bau der Fabel, die willkuͤhrliche Zusammensetzung der Begebenheiten, zu welcher Schilderey der Dichter seine eigene Gemuͤthsverfassung als den Grund unterlegt. Sein ganzes Schauspiel (ich rede hier von Meisterstuͤcken) wird also nicht ein Gemaͤhlde der Natur, sondern seiner eigenen Seele. Und da haben wir oft nicht die beste Aussicht zu hoffen. Jst etwas Saft in ihm, so finden wir doch bey jeder Marionettenpuppe, die er her- huͤpfen und mit dem Kopf nicken laͤßt, sei- nen Witz, seine Anspielungen, seine Leiden- schaften und seinen Blick. Nur in einen willkuͤhrlichen Tanz komponirt, den sie alle eins nach dem andern abtanzen und hernach sich gehorsamst empfehlen. Welcher Tanz wie die Contretaͤnze so oft wieder von neuem verwirrt, verschlungen, verzettelt wird, daß zuletzt Taͤnzer und Zuschauer die Geduld ver- lieren. Oder ist der Kopf des Dichters schon ausgetrocknet, so stoppelt er Schulbrocken aus dem Lukan und Seneka zusammen, oder leiht vom Euripides und Plautus, die we- nigstens gelehrtes Verdienst haben, und bringt das in schoͤne fliessende Verse, suavi sermone. Oder fehlt es ihm an allem, so nimmt nimmt er seine Zuflucht zu dem — franzoͤ- sischen Charakter, welcher nur einer — und eigentlich das summum oder maximum aller menschlichen Charaktere ist. Macht seinen Helden aͤußerst verliebt, aͤußerst großmuͤthig, aͤußerst zornig, alles zusammen und alles auf einmal, diesen Charakter studiren alle ihre Dichter und Schauspieler unablaͤßig und strei- chen ihn wie das Rouge auf alle Gesichter ohne Ansehen der Person. Jch sage, der Dichter mahlt das ganze Stuͤck auf seinem eigenen Charakter (denn der eben angefuͤhrte Fall ereignet sich eigent- lich nur bey denen, die selbst gar keinen Fond, keinen Charakter haben). So sind Voltai- rens Helden fast lauter tolerante Freygeister, Corneillens lauter Senekas. Die ganze Welt nimmt den Thon ihrer Wuͤnsche an, selbst Rousseau in seiner Heloise, das beste Buch, das jemals mit franzoͤsischen Lettern ist abgedruckt worden, ist davon nicht aus- genommen. So sehr er abaͤndert, so geschickt er sich hinter die Personen zu verstecken weiß, die er auftreten laͤßt, so guckt doch immer, ich kann es nicht laͤugnen, etwas von seiner Peruͤcke hervor, und das wuͤnscht’ ich weg, um mich ganz in seine Welt hinein zu taͤu- schen, in dem Pallast der Armide Nektar zu schluͤrfen. Doch das im Vorbeygehen, zum Theater zuruͤck. Voltaire selbst hat eingese- C 5 hen, hen, daß einer willkuͤhrlich zusammengesetz- ten Fabel, die nur in den Wuͤnschen des Dichters (oft in seiner Gebaͤhrerinangst und Autorsucht) nicht in den Charakteren den Grund hat, das Reizende und Anziehende fehle, das uns auch nach befriedigter Neu- gierde beym zweyten Anblick unterhalten und naͤhren kann, er sucht also dieses wie eine geschickte Kokette durch aͤussern Putz zu erhalten. Die Diktion, die Symmetrie und Harmonie des Verses, der Reim selbst, fuͤr den er fast zum Maͤrtyrer wird. Pradon und Racine hatten eine Phaͤdra geschrieben. La conduite de ces deux ouvrages, sagt er, est a peu près la même. Il y - a plus. Les personnages des deux pieces se trouvant dans les mêmes situations, disent presque les mê- mes choses; mais c’est là qu’on distingue le grand homme et le mauvais poëte, c’est lors- que Racine et Pradon pensent de même, qu’ils sont les plus differens. Merken Sie wohl, Racine et Pradon. Hier steht also nur Racine auf der Buͤhne und dort nur Pradon. Aber haben wir denn die beyden Herren hervor- gerufen? Sie haͤtten immer warten koͤnnen, bis das Stuͤck zu Ende war. Zugegeben, daß bey einer maͤßigen Por- tion allgemeiner Kenntniß des menschlichen Herzens diese Zunft auch Leidenschaften, et- was mehr als Neugier zu erregen wuͤste, da doch doch gemeinhin die warme Einbildungskraft des Zuschauers bey den schoͤn aufgeputzten Worten wie beym Putz einer Hure das beste dazu thun muß — untersuchen Sie sich, meine Herren! wenn Sie aus dem Schau- spielhause fortgehen, was ist das Residuum davon in Jhrer Brust? Dampf, der ver- raucht, sobald er an die Luft kommt. Sie merkten dem Dichter das Kunststuͤck ab, Sie sahen ihm auf die Finger, es ist doch nur eine Komoͤdie, sagen Sie und wer war die in der zweyten Loge? Was gilts, Sie grei- fen sich gar an Kopf, wenn Sie aufmerksam zugesehen haben, und ich sage Jhnen im Vertrauen, daß ein solches Stuͤck in vollem Ernst den Kopf des Zuschauers mehr an- greift als den Kopf des Komoͤdianten und Poeten zusammengenommen. Denn er muß das hinzudenken, was — Ja wenn noch hinter jedem Stuͤck der Autor in selbst eigener Person auftraͤte, ein examen anstellte, remarques machte, die Wahr- scheinlichkeit seiner Erfindungen und Traͤume plaidirte und Sie so per syllogismum dahin braͤchte, zu bekennen, sein Stuͤck sey schoͤn. So aber bleibt man noch immer im Zweifel und das ist das aͤrgste, was man aus einem Stuͤck nach Hause tragen kann. Daß ich dieses trockene Stuͤck Raͤsonne- ment mit einem Naͤgelchen spicke, will ich — Vol- Voltaire und Shakespear wetteiferten einst um den Tod des Caͤsars. Die ganze Stadt weiß davon. Jch moͤchte sagen, ein kleiner Vogel verbarg sich einst unter die Fluͤgel ei- nes Adlers, darnach satzt’ er ihm auf den Ruͤcken und dann: Quo me Bache rapis tui plenum? Hernach, die Historie ist lustig, klatscht’ ein beruͤhmter Kunstrichter in die Haͤnde: il nostro poeta ha fatto quel uso di Shakespeare che Virgilio faceva di Ennio. Nur moͤchte man beherzigen, mit wie vieler Vor- sicht — und daß er blos den Ernst der En- gellaͤnder auf die vaterlaͤndische Buͤhne ge- bracht, nicht aber ihre Wildheit. Dawider haͤtt’ ich nun nichts einzuwenden, wenn man mir erlaubt, die Vorsicht, durch Ohnmacht zu uͤbersetzen, den harten Ausdruck ferocitá, durch Genie, und die Moral drunter schrei- be: Wenn der Fuchs die Trauben nicht lan- gen kann — Jn eine ausfuͤhrliche Parallele des Ju- lius Caͤsar und des la mort de Caesar mag sich ein anderer einlassen — nicht den bey- derseitigen Bau der Fabel, Gruppirung der Charaktere, Vorbereitung und Schwingung der Situationen — nichts von der Portia sagen, die V. nicht wuͤrdig fand — nichts von der nahen Blutsfreundschaft zwischen Caͤsar und Brutus, die er wie einen blauen Lappen aufs gruͤne Kleid — bloß beyde Dich- ter ter an den Stellen zusammenhalten, wo sie eine und dieselbe Person in einer und dersel- ben Situation sprechen lassen, um zu zeigen, lorsque Racine et Pradon pensent de même qu’ils sont les plus differens. Es sey der Monologe des Brutus als die grosse That noch ein Embryo in seinem Ge- hirn lag, durchs Schicksal gereift ward, dann durch alle Hindernisse brach und wie Miner- va in voͤlliger Ruͤstung geboren ward. Die- sen Gang eines grossen Entschlusses in der Seele hat V. — vielleicht nicht gesehen. Erst zum Shakespear, meine Herren! Sein Brutus spaziert in einer Nacht, wo Him- mel und Erde im Sturm untergehen wol- len, gelassen in seinem Garten. Raͤth aus dem Lauf der Sterne, wie nah der Tag ist. Kann ihn nicht erwarten, befiehlt seinem Buben, ein Licht anzuzuͤnden. „Es muß durch seinen Tod geschehen: dafuͤr hab ich fuͤr mein Theil nicht die geringste Ursache, aber um des Ganzen willen‟ — Philosophirt noch, berathschlagt noch ruhig und kalt, der- weile die ganze Natur der bevorstehenden Symfonie seiner Gemuͤthsbewegungen praͤ- ambulirt. Lucius bringt ihm Zettel, die er auf seinem Fenster gefunden. Er dechiffrirt sie beym Schein der Blitze. „Rede — schla- ge — verbeßre — du schlaͤfst‟ — ha er reift, er reift der fuͤrchterliche Entschluß „Rom! „Rom! ich versprech’ es dir.‟ Lucius sagt ihm, morgen sey der 15te Merz, der Kroͤ- nungstag Caͤsars. Brutus schickt ihn her- aus. Jetzt das Wehgeschrey der Gebaͤhre- rin, wie in kurzen, entsetzlichen Worten: „Zwischen der Ausfuͤhrung einer furchtbaren That und ihrer Empfaͤngniß ist die ganze Zwischenzeit wie ein schreckenvoller Traum: der Genius und die sterblichen Werkzeuge sind alsdann in Berathschlagung und die in- nere Verfassung des Menschen gleicht einem Koͤnigreich, das von allgemeiner Empoͤrung gaͤhrt (Wiel. Uebers.) Lucius meld’t die Zu- sammenverschwornen — nun ists da — die ganze Art — sie sollen kommen — der Em- pfang ist kurz, Helden anstaͤndig, die auf gleichen Thon gestimmt, sich auf einen Wink verstehen. Cassius will, sie sollen schwoͤren (die schwindlichte Cholera) Brutus‟ Keinen Eid! Wenn Schicksal des menschlichen Ge- schlechts, tiefes Gefuͤhl der sterbenden Frey- heit zu schwache Bewegungsgruͤnde sind, so gehe jeder wieder in sein Bette — was soll ich hier abschreiben, Sie moͤgens selber le- sen, das laͤßt sich nicht zerstuͤcken. „Junge! Lucius! schlaͤfst du so feste?‟ Wer da nicht Addisons Seraph auf Fluͤgeln des Sturm- winds Goͤtterbefehle ausrichtend gewahr wird — wem die Wuͤrde menschlicher Natur nicht dabey im Busen aufschwellt und ihm den den ganzen Umfang des Worts: Mensch — fuͤhlen laͤßt — Laßt uns den franzoͤsischen Brutus besu- chen! Schon im ersten Akt hat er Caͤsarn sei- ne ganze Herzensmeynung entdeckt, sagt ihm ins Gesicht, er sey ein groͤsserer Feind der Roͤmer, als die Parther, er verabscheue sei- ne Zaͤrtlichkeit, im zweyten Akt faͤngt er gleich an auf Antonius zu schimpfen, der weiter nichts von ihm verlangte als eine Unterre- dung mit Caͤsarn und Antonius, oder viel- mehr — schimpft wieder auf die Roͤmische Tugend: Tu veux être un heros, mais tu n’est qu’un barbare, geht drauf ganz boshaft fort und nun — merken Sie auf, wie die Cham- pagnerbouteille aufbraust, nachdem der Zap- fen heraus ist: Quelle bassesse (Brutus) o ciel! et quelle ignominie, Voila donc tes sou- tiens (bis auf den letzten Tropfen) Voila vos successeurs Horace, Decius (kurz er ruft alle Hel- den des alten Roms in Chronologischer Ord- nung um Beystand an und Pompejus er- hoͤrt ihn in loco. ) Que vois je grand Pom- pée — Tu dors Brutus — Rome mes yeux sur toi seront toujours ouverts (ein Wortspiel) Mais quel autre billet (ey ey alle auf einmal und auf einem Flecken. Wir kamen alle auf den Einfall, Pompejens Statue damit zu behaͤngen — und wahrsagten, daß er sie da fin- finden wuͤrde. So muß man die Geschichte verschoͤnern. Das Fenster — wie gemein! aber Pompejus Statue — warum sie ihm nicht lieber in Mund gesteckt, wie die alten Mahler ihre Zettel? Nun kommen die Zusammenverschwor- nen zu ihm. Cimber setzt die Epische Trom- pete an den Mund, wer Lust hat, mag sei- ne Deklamation mit der Erzehlung des Cas- ca im S. vergleichen. Nun was thut Cas- sius drauf? er predigt, und Brutus macht eine feine kritischphilosophische Glosse zum Lebenslauf des alten Cato aus Utika. Sa mort fut inutile — est c’est la seule faute ou tomba ce grand homme. Nun geht das pre- digen auf zwey Seiten fort, jeder sagt mit andern Worten, was der andere vor ihm ge- sagt, auf einmal ereifert sich Brutus jaͤh- ling, weil der Akt bald zu Ende geht: Ju- rez donc, sagt er, avec moi, jurez, sagt er, sur cette epée, par le saug de Caton (obschon er einen Bock damals gemacht) par celui de Pompée, und Cassius schwoͤrt mit ihm und Brutus tritt zur Statue des Pompejus und schwoͤrt wieder und — haben Sie genug, meine Herren? — allons preparons nous, c’est trop nous arreter. — Was kann ich davor? — — Soll ich Jhnen noch die Leichenreden gegeneinander halten? — Jch denke, ich habe schon zu viel viel gesagt, und, wenn mir diese chymische Metapher erlaubt ist, man darf nur von je- dem einige Tropfen in die Solution thun, um zu sehen, welches Acidum das staͤrkere ist und das andere zum Recipienten heraus- jagt. Doch da es Geschoͤpfe und Leser von allen Arten giebt, so muͤssen auch Schrift- steller — aber Signor Conte, daß Sie als ein so aufgeklaͤrter Kunstrichter: il nostro Poeta ha fatto quel uso di Shakespeare che Vir- gilio faceva di Ennio — quo nunc se proripit ille? Virg. N och ein Paar Worte uͤbern Aristoteles. Daß er grade im Trauerspiele, wo auf die handelnden Personen alles ankommt, das die Epopee dramatisirt, heißen koͤnnte, den Charakteren so wenig giebt, wundert mich, koͤnnt’ ich nicht reimen, wenn ich nicht den Grund davon tiefer faͤnde, in nichts weni- ger als dem ἢϑος der Schauspiele. Die Schauspiele der Alten waren alle sehr religioͤs, und war dies wohl ein Wunder, da ihr Ursprung Gottesdienst war. Da nun fatum bey ihnen alles war, so glaub- ten sie eine Ruchlosigkeit zu begehen, wenn sie Begebenheiten aus den Charakteren be- Anm. uͤb. Theat. D rech- rechneten, sie bebten vor dem Gedanken zu- ruͤck. Es war Gottesdienst, die furchtbare Gewalt des Schicksals anzuerkennen, vor seinem blinden Despotismus hinzuzittern. Daher war Oedip ein sehr schickliches Sujet fuͤrs Theater, einen Diomed fuͤhrte man nicht gern auf. Die Hauptempfindung, wel- che erregt werden sollte, war nicht Hochach- tung fuͤr den Helden, sondern blinde und knechtische Furcht vor den Goͤttern. Wie konnte Aristoteles also anders: secundum au- tem sunt mores. Jch sage, blinde und knech- tische Furcht, wenn ich als Theologe spreche. Als Aesthetiker, war diese Furcht das ein- zige, was dem Trauerspiele der Alten den haut gout, den Bitterreiz gab, der ihre Lei- denschaften allein in Bewegung zu setzen wuste. Von jeher und zu allen Zeiten sind die Empfindungen, Gemuͤthsbewegungen und Leidenschaften der Menschen auf ihre Religionsbegriffe gepfropfet, ein Mensch oh- ne alle Religion hat gar keine Empfindung (weh ihm!) ein Mensch mit schiefer Reli- gion schiefe Empfindungen und ein Dichter, der die Religion seines Volks nicht gegruͤn- det hat, ist weniger als ein Meßmusikant. Was wird nun aus dem Oedip des Herrn Voltaire, aus seinem impitoyables dieux, mes crimes sont les votres. Gott verzeihe mir, so oft ich das gehoͤrt, hab ich meinen Hut an- daͤchtig zwischen beyde Haͤnde genommen, und und die Gnade des Himmels fuͤr den armen Schauspieler angefleht, der Gotteslaͤsterun- gen sagen mußte, weil er sie gelernt hatte. Und was beym Griechen mein ganzes Mit- leiden aus der Brust herausgeschluchst ha- ben wuͤrde, macht beym Franzosen mein Herz fuͤr Abscheu zum Stein. Wer? was? Oedip? ist das geschehen? Wenn es gesche- hen ist, warum bringt ihrs auf die Buͤhne wie es geschah, nicht vielmehr, wie Aristo- teles selber verlangt, wie es geschehen soll- te. Bey dem Griechen sollte Oedip ein Monstrum von Ungluͤck werden, weil Joka- sta durch ihren Fuͤrwitz Apolln geaͤrgert, die Ehrfurcht vor ihm aus den Augen gesetzt. Aber bey dem Franzosen haͤtt’ er sein Un- gluͤck verdienen sollen, oder fort von der Buͤhne. Wenigstens mußt du mir ein Brett zuwerfen, Dichter, woran ich halten kann, wenn du mich auf diese Hoͤhe fuͤhrst. Jch fordre Rechenschaft von dir. Du sollst mir keinen Menschen auf die Folter bringen, oh- ne zu sagen warum. Damit wir nun, unsern Religionsbegriffen und ganzen Art zu denken und zu handeln ana- log, die Graͤnzen unsers Trauerspiels richtiger abstecken, als bisher geschehen, so muͤssen wir von einem andern Punkt ausgehen, als Ari- stoteles, wir muͤssen, um den unsrigen zu neh- men, den Volksgeschmack der Vorzeit und un- sers Vaterlandes zu Rathe ziehen, der noch D 2 heut heut zu Tage Volksgeschmack bleibt und bleiben wird. Und da find ich, daß er beym Trauer- spiele oder Staatsaktion, ist gleich viel, immer drauf losstuͤrmt (die Aesthetiker moͤgens hoͤren wollen oder nicht) das ist ein Kerl! das sind Kerls! bey der Komoͤdie aber ists ein anders. Bey der geringfuͤgigsten drollichten, possirli- chen unerwarteten Begebenheit im gemeinen Leben rufen die Blaffer mit seitwaͤrts verkehr- tem Kopf: Komoͤdie! Das ist eine Komoͤdie! aͤchzen die alten Frauen. Die Hauptempfin- dung in der Komoͤdie ist immer die Begeben- heit, die Hauptempfindung in der Tragoͤdie ist die Person, die Schoͤpfer ihrer Begebenheiten. Also ganz und gar wider Madame Dacier in ihrer Vorrede zum Terenz, der ich bey dieser Gelegenheit hoͤflichst die Haͤnde kuͤsse. Das Trauerspiel bey uns war also nie wie bey den Griechen das Mittel, merkwuͤrdige Begebenheiten auf die Nachwelt zu bringen, sondern merkwuͤrdige Personen. Zu jenem hatten wir Chroniken, Romanzen, Feste, zu diesem Vorstellung, Drama. Die Person mit all ihren Nebenpersonen, Jnteresse, Leiden- schaften, Handlungen. Und war sie todt, so schloß das Stuͤck, es muͤßte denn noch ihr Tod Wuͤrkungen veranlaßt haben, die auf die Per- son ein noch helleres Licht zuruͤckwuͤrfen. Daher fuͤhren uns unsere aͤltesten Schauspieldichter oft in einem Akt ohne Anstoß durch verschiede- ne Jahre fort, sie wollen uns die ganze Person in in allen ihren Verhaͤltnissen zeigen, ja Hanns Sachse findt so wenig Bedenklichkeiten drin, seine geduldige Griselda in einem Auftritte freyen, heyrathen, schwanger werden und ge- baͤhren zu lassen, daß er vielmehr im Prolog seine Zuschauer fuͤr der allzustarken Jllusion warnet und ihnen auf sein Ehrenwort versi- chert, daß alle Sachen so eingericht, daß kei- nem Menschen ein Schaden geschicht. Woher das Zutrauen zu der Einbildungskraft seines Publikums? Weil er sicher war, daß sie sich aus der nehmlichen Absicht dort versammlet hatten, aus der er aufgetreten war, ihnen ei- nen Menschen zu zeigen, nicht eine Viertel- stunde. So ists mit den historischen Stuͤcken Sha- kespears: hier moͤchte ich Charakter stuͤcke sagen, wenn das Wort nicht so gemisbraucht waͤre. Die Mumie des alten Helden, die der Biograph einsalbt und spezereyt, in die der Poet seinen Geist haucht. Da steht er wieder auf, der edle Todte, in verklaͤrter Schoͤne geht er aus den Geschichtbuͤchern hervor und lebt mit uns zum andernmahle. O wo finde ich Worte, diese herzliche Empfindung fuͤr die auf- erstandenen Todten anzudeuten — und soll- ten wir ihnen nicht mit Freuden nach Alexan- drien, nach Rom, in alle Vorfallenheiten ih- res Lebens folgen und das: seelig sind die Au- gen, die dich gesehen haben, nun fuͤr uns be- halten? Habt ihr nicht Lust ihnen zuzusehen, D 3 mei- meine Herren? Jn jeder ihrer kleinsten Hand- lungen, Schicksalswechsel und Lebensstoͤssen? Jn ihrer immer regen Gegenwuͤrkung und Gei- stesgroͤsse? Weilt ihr lieber an der Moorla- che, als an der gruͤnen See in unausloͤschli- cher Bewegung und dem hellen Felsen mitten inn? Ja, meine Herren! wenn Sie den Hel- den nicht der Muͤhe werth achten, nach seinen Schicksalen zu fragen, so wird Jhnen sein Schicksal nicht der Muͤhe werth duͤnken, sich nach dem Helden umzusehen. Denn der Held allein ist der Schluͤssel zu seinen Schicksalen. Ganz anders ists mit der Komoͤdie. Mei- ner Meynung nach waͤre immer der Hauptge- danke einer Komoͤdie eine Sache, einer Tragoͤdie eine Person . Eine Misheurath, ein Fuͤndling, irgend eine Grille eines seltsa- men Kopfs (die Person darf uns weiter nicht bekannt seyn, als in so fern ihr Charakter die- se Grille, diese Meynung, selbst dieses System veranlaßt haben kann: wir verlangen hier nicht die ganze Person zu kennen.) Sehen Sie, meine Herren, das waͤre so meine Meynung uͤber Shakespears Komoͤdien — und alle Ko- moͤdien, die geschrieben sind und geschrieben werden koͤnnen. Die Personen sind fuͤr die Handlungen da — fuͤr die artigen Erfolge, Wirkungen, Gegenwirkungen, ein Kreiß her- umgezogen, der sich um eine Hauptidee dreht — und es ist eine Komoͤdie. Ja warlich, denn was soll sonst Komoͤdie in der Welt seyn? Fra- gen gen Sie sich und andere! Jm Trauerspiele aber sind die Handlungen um der Person wil- len da — sie stehen also nicht in meiner Ge- walt, ich mag nun Pradon oder Racine heissen, sondern sie stehen bey der Person, die ich dar- stelle. Jn der Komoͤdie aber gehe ich von den Handlungen aus, und lasse Personen Theil dran nehmen welche ich will. Eine Komoͤdie ohne Personen intereßirt nicht, eine Tragoͤdie ohne Personen ist ein Widerspruch. Ein Un- ding, eine oratorische Figur, eine Schaumbla- se uͤber dem Maul Voltairens oder Corneillens ohne Daseyn und Realitaͤt — ein Wink macht sie platzen. — — Das waͤrs nun, meine Herren! ich bin muͤde, Jhnen mehr zu sagen. Aber weil doch jeder Rauch machen muß, der sich unter- stehen will, ein Feuer anzuzuͤnden. Jch bin gewiß, daß es noch lange nicht genug war, Auf- merksamkeit rege zu machen — nichts desto weniger straft mich mein Gewissen doch, daß ich schon zu viel gesagt. Denn es ist so eine ver- druͤßliche Sache, von Dingen zu schwaͤtzen, die sich nur sehen und fuͤhlen lassen, uͤber die nichts gesagt seyn will — qui hedera non egent. Haͤtt ich nur mit diesen Anmerkungen das ausgerich- tet, was Petronius in seinem Gastmahl des Trimalchion von — daß die Roͤmer zwischen den ungeheuren Mahlzeiten der Saturnalien sich eines Brechmittels, auch wohl schnellwir- kenden Purganz bedient, um sich neuen Appetit zu schaffen. D 4 Wer Wer noch Magen hat und ich kann ihm mit einem bisher unuͤbersetzten — Volksstuͤck — Komoͤdie von Shakespearn aufwarten. — — Seine Sprache ist die Sprache des kuͤhnsten Genius, der Erd und Himmel aufwuͤhlt, Aus- druck zu den ihm zustroͤmenden Gedanken zu finden. Mensch, in jedem Verhaͤltniß gleich bewandert, gleich stark, schlug er ein Theater fuͤrs ganze menschliche Geschlecht auf, wo jeder stehn, staunen, sich freuen, sich wiederfinden konnte, vom obersten bis zum untersten. Sei- ne Koͤnige und Koͤniginnen schaͤmen sich so we- nig als der niedrigste Poͤbel, warmes Blut im schlagenden Herzen zu fuͤhlen, oder kuͤtzelnder Galle in schalkhaftem Scherzen Luft zu machen, denn sie sind Menschen, auch unterm Reifrock, kennen keine Vapeurs, sterben nicht vor un- sern Augen in muͤßiggehenden Formularen da- hin, kennen den toͤdtenden Wohlstand nicht. Sie werden also hier nicht ein Stuͤck sehen, daß den und den, der durch Augenglaͤser bald so, bald so, verschoben drauf loßguckt, allein in- tereßirt, sondern wer Lust und Belieben traͤgt, jedermann, bringt er nur Augen mit und ei- nen gesunden Magen, der ein gutes spasmati- sches Gelaͤchter — — doch ich vergesse hier, daß ich nicht das Original, sondern — eheu discrimina rerum — meine Uebersetzung an- kuͤndige — mag er immerhin auftreten, mein Herkules, waͤr’s auch im Hemd der Dejani- ra — — AMOR AMOR VINCIT OMNIA. Jm Original: Loves Labour’s lost. Ein Stuͤck von Shakespearn . Erster Akt . Erste Scene . Koͤnig. Biron. Longaville. Duͤmain. D er Ruhm, dem so viel ihr Leben wey- hen, soll unser Grab uͤberleben, laßt uns zum Trotz des grossen fraͤßigen Raben Zeit, uns um diesen Ruhm bewerben, welcher des- sen scharfen Raubschnabel stumpf und uns zu Erben einer ganzen Ewigkeit machen kann. Daher, brave Ritter! Krieg sey angekuͤn- digt den Affekten und dem furchtbaren Heer der Vergnuͤgungen, Navarra das Wunder der Welt, unser Hof eine kleine Akademie, der Betrachtung und den Kuͤnsten geheiligt. Biron, Duͤmain, Longaville, meine Schul- kameraden, ihr habt einen Eid gethan, die- se drey Jahre mit mir die Statuten heilig zu beobachten, die auf diesem Zettel stehen: wohlan, seyd ihr jetzo so bearmt, als ihr vorhin bemault wart, so unterschreibt nun eure Namen, damit der, welcher auch nur den kleinsten drin enthaltenen Punkt uͤber- schreitet, sich hiemit zum voraus gleichsam unehrlich mache und selber den Stab breche. Lon- Jch bin entschlossen. Es ist nur ein dreyjaͤhriges Festin, das wir un- serm Geiste geben, derweile das Fleisch lei- det. Fette Waͤnnste haben magere Koͤpfe, und Leckerbissen bereichern die Ribben, aber machen den Verstand bankerut. Theurester Souverain! Duͤ- main ist den Vergnuͤgungen der Welt laͤngst abgestorben, Liebe, Pracht, Ueberfluß sind mir leere Woͤrter, nur beym Namen der Weltweisheit leb ich auf. Das ist viel gesagt. Jch habe geschworen, mein Fuͤrst, hier zu bleiben, drey Jahr zu studiren. Aber was die andern stren- gen Regeln betrift, in der ganzen Zeit kein Weibsbild anzusehen, ich hoffe doch, daß das nicht auf dem Zettel stehen wird, und denn, einen Tag in der Woche zu fasten, und jeden Tag nur eine Mahlzeit zu thun, ich hoffe doch, das seltsame Zeug wird nicht schwarz auf weiß da stehn und drey Stunden die Nacht nur zu schlafen, da ich doch gewohnt bin, mei- ne liebe lange Nacht an nichts arges zu den- ken und oft den halben Tag mit dazu zu neh- men. Jch hoffe doch, all das naͤrrische Zeug wird nicht mit auf dem Zettel stehn. Das waͤre ja Festungsarbeit, der Henker hielte das aus, nicht zu essen, nicht zu schlafen, kein Maͤdchen zu sehn. Jhr habt geschworen. Biron . Verzeiht mir, theurester Sou- verain! ich schwur bloß, mit Eurer Maje- staͤt zu studiren und drey Jahre an Eurem Hofe zuzubringen. Jhr schwurt das, Biron! und das uͤbrige auch. Der Henker, so schwur ichs im Scherz. Halt — wenn ihr denn so scharf seyd, was ist der Entzweck des Studirens, sagt mir einmal? Das zu wissen, was wir noch nicht wissen. Das heißt, alles, was dem gewoͤhnlichen Menschenverstande untersagt ist, nicht so? Freilich! das ist der Vorzug des Fleisses. So kommt denn, ich will schwoͤ- ren. Jch will zum Exempel studiren, wie das Essen schmeckt, an dem Tage, da es euch untersagt seyn wird zu essen, wie ein huͤb- sches Maͤdchen aussehe, oder wie ein gar zu harter Eyd zu brechen sey. Alsdenn weiß ich mehr als itzt, nicht wahr? und so ist der Entzweck meines Studirens erreicht. Alle diese Dinge waren nur Hindernisse, die unsern Trieb in seinem aͤch- ten Lauf aufhielten und ihn in die Kanaͤle eit- ler Ergoͤtzungen leiteten. Biron . Alle Ergoͤtzungen sind eitel, es ist wahr, aber die gelehrten am meisten. Da uͤber einem Buch schweben und das Licht der Wahrheit suchen, das uns doch nur die Augen thraͤnen macht. Licht mit einem Licht suchen, betruͤgt uns oft um das Licht, das wir haben. Studirt lieber, wie ihr dem Auge Vergnuͤgen schaffen wollt, wenn ihrs auf ein ander schoͤnes Auge heftet, wird es da gleich geblendet, so wird sich das andere Auge seiner freundlich annehmen und es wieder mit dem Lichte versorgen, das es ihm entzog. Die Wissenschaften gleichen der strahlenden Sonne des Himmels, die nicht mit zu verwegenen Blicken zu lange will angesehen werden. Wenig genug haben die kontinuirlichen Gucker bis dato gewonnen, hoͤchstens das, was andere vor ihnen gesagt haben. Diese irrdischen Gevattern des Him- mels, diese Astronomen, die jedem Stern gleich einen Namen an den Hals werfen, haben nicht groͤssern Gewinn von den schoͤ- nen Naͤchten als der ehrliche Bauer, der drunter umherspaziert und viel weiß, was sie bedeuten. Nein nein, zu viel wissen, heißt nichts wissen — als hoͤchstens sich einen Namen zu machen, weil man andern Dingen Namen geben kann. Wie gelehrt wider die Gelehr- samkeit! Duͤmain . Wie verschlagen gegen die Beschlagenheit! Er will einen Acker besaͤen und doch laͤßt er das Unkraut wachsen. Die Gesselchen haben keine Fe- dern, doch muͤssen sie schon gacksen. Wie paßt das hieher? Jch sehe keinen Sinn drin. So hoͤr ich einen Reim drin. Biron ist wie ein neidi- scher, beissender Frost, der die neuaufgekeim- ten Kinder des Fruͤhlings toͤdtet. Warum prahlt ihr dann mit Bluͤthen, eh noch die Voͤgel angefangen zu singen? Soll ich eurer Fehlgeburten scho- nen? Jch verlange so wenig um Weihnach- ten eine Rose aufbluͤhen zu sehen als in May- blumen schneyen. Jedes Ding fuͤr seine Jahrs- zeit, so ihr, jetzt ists fuͤr euch zu spaͤt, das heißt uͤbers Haus steigen um ein Fenster aufzumachen. Gut, so bleibt draussen. Geht heim Biron! Adieu. Nein, mein Fuͤrst! ich habe ge- schworen. Obschon ich fuͤr die Barbarey ge- sprochen, so will ich doch halten was ich schwur. Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch- gehen und dann meinen Namen unterschrei- ben. Koͤnig . Du erspahrst dir einen großen Schimpf. ( liest ) „Daß eine ganze Meile im Umkreise keine Weibsperson meinem Hofe nahen soll — — ist das proklamiret wor- den? Seit vier Tagen schon. Und bei Strafe? — „ihre Zunge zu verlieren? Wer gab die Strafe an. Jch. Warum? Weil es die aͤrgste ist, die man ihnen drohen kann. ( weiterlesend ) „Wenn eine Manns- person innerhalb dieser drey Jahre mit ei- nem Weibe spricht, soll er eine so strenge oͤffentliche Beschimpfung, als der Hof ohne Stoͤhrung der allgemeinen Ruhe —‟ Diesen Punkt, mein Fuͤrst! seyd ihr selbst gezwungen zu brechen, denn ihr wißt, daß die Prinzessin des Koͤnigs von Frankreich unterwegens ist, mit euch wegen der Ue- bergabe von Aquitanien an ihren alten Vater zu akkordiren. Dieser Punkt waͤre also null und nichtig, oder die ganze Reise und der Auftrag der schoͤnsten aller Prin- zessinnen — — Was sagt ihr dazu, Ritter? Wahrhaftig, ich hatte es ganz und gar vergessen? Biron . Das sind die edlen Fruͤchte des Studirens, derweil ihr zu wissen stre- bet was ihr wollt, vergeßt ihr druͤber was ihr sollt. Hier zwingt uns die Noth, ei- ne Ausnahme zu machen. So wird uns die Noth alle zwingen, dreytausend Ausnahmen in drey Jahren zu machen. Jeder Mensch wird mit seinen Trieben geboren, die durch nichts an- ders als die Gnade bemeistert werden koͤn- nen. Werd ich also meineidig, so hoff ich, dies Wort Ew. Majestaͤt wird mir zu Gut kommen, ich habs aus Noth gethan. So will ich denn auch meinen Namen unter- schreiben, aber im weitlaͤuftigern Sinn, die andern Herren thatens im engern. Doch hoff ich, ich werde der letzte seyn, der sei- nen Eid zu befingern anfangen wird, um ihn nach und nach gar zu brechen. Aber haben wir denn nicht die mindesten Erho- lungen bey unserer Kopffrohn? Jhr wisset, an unserm Hofe haͤlt sich der scharfsinnige reisende Spanier auf, ein Mann, der mit den Sitten der ganzen Welt gestempelt ist und ein ganzes Muͤnzkabinet von neuen Worten in seinem Hirnkasten traͤgt. Dessen Zunge von lauter Harmonien erthoͤnt, ein Mann von oben herab, immer entscheidend, den Recht und Anm. uͤb. Theat. E Un- Unrecht zum Schiedsrichter aller ihrer Katz- balgereyen scheinen ausersehen zu haben. Dieser Sohn der Fantasey, der hohe Ar- mado, soll zur Ausfuͤllung unserer Neben- stunden uns Rittergeschichte erzehlen, wie er euch gefallen wird, weiß ich nicht, ge- nug ich habe meine Freude daran, ihn luͤ- gen zu hoͤren. O Armado ist ein Mann von Wichtigkeit. Wenn Costard, der Narr, dazu kommt, so werden uns die drey Jahr nur gar zu geschwinde vergehen. Zweyte Scene . Costard. Dull zu den vorigen. Wo ist des Herzogs eigene Per- son? Hier, Bursche! was verlangst du? Jch praͤsentire selber des Herzogs Person, denn ich bin Sr. Herrlichkeit Con- stabel, aber ich wollte des Herzogs Person in Fleisch und Blut sehen. Hier bin ich. Herr Arme schickt mich: es steht nicht recht draussen. Dieser Brief wird euch mehr sagen. Co- Von mir ist die Rede. Ein Brief vom hohen Armando. Der Jnhalt wird niedrig genug seyn. Von mir ist die Rede, von mir und Jakobinen. Die Art, wie ich mit ihr ergriffen bin — — Auf was fuͤr Art? Auf folgende Art und Weise, Herr! alles dreyes zusammen. Vors erste die Art, daß er mich gesehn hat mit ihr in des Meyers Hause sitzen, auf diese Weise und zum dritten das folgende, daß er mich gese- hen hat, wie ich ihr in den Garten folgte. Nun was die Art anbelangt, Herr, so ist es die Art von einem Kerl, daß er mit seinem Maidel spricht. Aber die Folgen, guter Costard. Ja ja, das folgende, he he he, Gott mag dem Recht beystehen. Wollt ihr den Brief hoͤren? Wie ein Orakel. O ihr einfaͤltige Leut! ( liest ) Grosser Abgeordneter! Vicekoͤnig des Himmels, einziger Herrscher in Navarra, meiner Seele Erdgott und mei- nes Koͤrpers pflegender Patron! Sagt er nichts von Costard noch? ( liest ) „So ist es — E 2 Co- Das glaub ich wohl, daß dem so ist, weil ers sagt, muß es wohl — ( boͤse ) Fried! — Sey mit allen, die nicht fech- ten koͤnnen. Kein Wort. Jch ersuch euch, lest meine Heimlichkeiten nicht laut. ( liest ) „So ist es. Belagert von der mistfarbenen Melankoley uͤber gab ich diesen schwarzdruͤckenden Humor der heilsa- men Natur, und da ich ein Edelmann bin, begab ich mich auf den Spaziergang. Die Zeit wenn? um die fuͤnfte Stunde, wenn das Vieh am emsigsten graset, die Voͤgel picken und der Mensch sich niedersetzet zu der Nah- rung, die da genannt ist Abendbrod. So viel fuͤr die Zeit. Nun fuͤr den Grund, war- um? Der Grund, auf dem ich spazierte, heißt der Park. Nun fuͤr den Ort, wo? Wo ich antraf die obscoͤne und sehr verkehr- te Scene, welche von meiner schneeweißen Feder die ebenfaͤrbige Tinte herabzieht, die du hier anschauest, in Augenschein nimmst, betrachtest oder siehst. Aber was den Ort anbetrift, wo, so liegt er nordostwaͤrts, an dem ostostlichen Winkel deines kurieusen Jrr- gartens, da sah ich und siehe, der niedrig- denkende Narr, der elende Guͤnstling deiner Laune ( Costard . Jch?) die ungelehrige See- Seele ( Cost . Jch?) der seichte Sklave ( Cost . Jmmer ich?) der, wie ich mich erinnere, sich Costard ( Cost . Aha ich, ich —) zuge- sellt, deiner proklamirten hohen Verordnung schnurstracks entgegen, zu — ich leide zu viel, wenn ich sage zu wem — Zu meinem Mensch. ( fortlesend ) Zu einem Kinde un- serer Großmutter Eva, oder um mich deut- licher auszudruͤcken, zu einem Frauensbild. Diesen habe, der bewaͤhrten Pflicht meiner Schuldigkeit gemaͤß, zu dir gesandt, den Lohn seiner Strafe zu empfahen durch deiner Herr- lichkeit Beamten Anton Dull, einem Mann von gutem Ruf, Fuͤhrung, Auffuͤhrung und Betragen. O zu viel Ehre, ich heiß Anton Dull und kein Wort weiter. Was Jakobinen, so heißt das schwaͤchere Gefaͤß, anbetrift, so habe sie als ein Gefaͤß der Strenge der Gesetze angehal- ten und sie soll auf den kleinsten Wink dei- nes Willens hieher zum Verhoͤr gebracht wer- den. Dein in aller Ehrfurcht der devotesten Hitze der Ergebenheit Don Adriano von Ar- mado. Nicht vollkommen so gut als ich erwartete, aber doch besser als alles, was ich von der Art hoͤrte. E 3 Koͤ- Was sagst du dazu, Costard? Gnaͤdiger Herr, ich bekenn’ auf mein Mensch. Hast du meine Verordnung ge- hoͤrt? Es war ein Jahr Gefaͤngnis darauf gesetzt, mit einem Mensch angetroffen zu wer- den. Gnaͤdiger Herr, ’s war kein Mensch, ’s war eine Mamsell. Gut, mit einer Mamsell. Es war eine Jungfer Jhro Gnaden. Das Gesetz gilt von den Jung- fern auch. So laͤugne ich ihre Jungfer- schaft, es war ein Maͤdel. Das Maͤdel wird dir zu nichts helfen, Narr. Du sollst eine Woche fasten bey Wasser und Brod. Jch haͤtte lieber ein Jahr ge- bethet bey Schaffleisch und Reiß. Don Armado soll dein Kerker- meister seyn. Biron! daß er ihm uͤbergeben wird. Und wir wollen an unsere Arbeit ge- hen. ( ab ) Jch wollte meinen Kopf verwet- ten, diese Verordnungen machen uns am En- de noch alle zu Narren. (zu Costard) Komm. Jch leide fuͤr die Wahrheit, Herr, denn wahr ists, daß ich mit Jakobi- nen nen bin gegriffen worden und Jakobine ist wahr und wahrhaftig ein Maͤdel, also denn willkommen du bitterer Trank der Freude, und das Ungluͤck wird mich auch schon wie- der einmal anlachen, und dann so lebet wohl ihr meine Sorgen und so ferner. ( ab ) Dritte Scene . Armado Hauß. Armado. Mot, sein Page. Junge, was bedeutets, wenn ein Mann von grossem Geist melankolisch wird? Es bedeutet ihm nichts guts, Herr, es bedeutet, daß er sauersieht. Zartes Reiß! das ist dasselbe. Nein, Herr. Wie kannst du sauersehen und melankolisch seyn von einander unterscheiden, zarter Junge? Ja ich unterscheide sie, zaͤher Herr. Warum nennst du mich zaͤher Herr? Warum nennen Sie mich zart? Das ist ein schickliches Epi- theton, den jungen Tagen beyzulegen. Wir nennen das ein zartes Alter. E 4 Mot . Und ich nenne das ein zaͤhes. Wohl und schicklich. Wer, Herr? ich oder meine Reden? Du bist wohl, obschon klein. Also ein klein wenig wohl. Behender Junge. Soll das ein Lob seyn? Freilich! Jch will einen Aal so loben. Wie das? Er ist behend. Jch sage, du bist behend im Antworten, du machst mich ungeduldig. Jch bin keine Antwort. Jch mag nicht widersprochen seyn. So hoͤrt auf zu reden, denn ihr wi- dersprecht euch selber immer. Jch habe dem Herzog verspro- chen, mit ihm drey Jahr zu studiren. Das koͤnnt ihr in einer Stunde thun. Unmoͤglich! Wieviel ist eins dreymahl genom- men. Jch kann nicht rechnen, das ist eine Wissenschaft fuͤr schlechte Leute. Jhr seyd ein Spieler. Freilich, das geht zu meinem Stan- de. Mot . So werdet ihr doch gewiß wissen, wieviel’s macht, wenn ich zu einem Zweyer ei- ne As thue. Es macht zwey mehr als eines. Und das nennt der Poͤbel drey. Es kann seyn. Also, Herr! ist denn dazu Kopf- brechens vonnoͤthen? Jhr habt nun die drey studirt, ist auf der Welt Gottes nichts leich- ter, setzt nun das Wort Jahr zu dem Wort drey und studirt die zwey Worte, das muͤste ja ein Tanzbaͤr koͤnnen, warum ihr nicht? Eine schoͤne Figur! Jch wills euch mit Zahlen aufschrei- ben. Hoͤr, ich will dirs nur gestehn, ich bin verliebt, und weil es niedrig fuͤr einen Hel- den ist verliebt zu seyn, so bin ich in ein nie- driges Mensch verliebt. Wenn ich mich von diesen verworfenen Gedanken frey machen koͤnnte, ich wollte mein Schwerdt ziehn, sie sogleich zu Gefangenen machen und gegen fran- zoͤsische Galanterie austauschen. Jch schaͤme mich zu seufzen, ich moͤchte den Kupido gern beschwoͤren. Troͤste mich, Junge! was fuͤr grosse Leute sind verliebt gewesen? Herkules, Herr. O der allerliebste Herkules. Mehr Autoritaͤten, Junge! nenne mir mehr Namen, E 5 ich ich bitte dich, und, mein liebes Kind! daß es nur ja Leute von guter Reputation seyn. Simson, Herr! und das war ein Mann von gar guter Auffuͤhrung, denn er fuͤhrte die Stadtthore auf seinem Ruͤcken weg. O wohl qualificirter Simson! ich bin beruͤhmt im Rappier, wie du im Thor- tragen. Wer war Simsons Liebste, mein theu- rer Mot? Es war ein Weibsbild. Von welcher Complexion? Von allen vieren. Von welcher? Von der meergruͤnen. Jn der That, gruͤn ist die Farbe der Liebe: aber eine Liebste von der Farbe ist nicht angenehm. Vielleicht liebt’ er sie wegen ihres Witzes. So war es: sie hatt’ einen gruͤnen Witz. Meine Liebste ist ohne Flecken, weiß und roth. Unter den Farben sind oft die be- flecktesten Gedanken verborgen. Wie das, mein Sohn! wie das? Meines Vaters Verstand und mei- ner Mutter Zunge steht mir bey. Schoͤne Anrufung eines Kindes! Sehr pathetisch und sehr aͤsthetisch. Mot . Wenn sie ist weiß und roth zugleich, Jhr Fehl blekbt unbekannt. Denn das Gewissen machet bleich, Und Schaam die Wang entbrannt. Jetzt ob sie noch so sehr sich schaͤmt, Es kommt nicht an das Licht, Bey jeglichem Gewissen stroͤmt Das Blut ihr zu Gesicht. Das ist ein Lied uͤber weiß und roth, Herr. Weissest du keine Ballade von einem Koͤnig und einer Bettlerin? mich duͤnkt, ich habe so etwas von dir gehoͤrt. Wenn eine so da ist, so dient sie weder zum drucken noch in Musik zu setzen. Jch moͤchte sie gern geschrieben ha- ben. Jung, ich bin in das Bauermaͤdchen verliebt, das ich neulich mit dem vernuͤnfti- gen Hunde Costard scherzen sah, und sie ver- diente wohl — Ausgepeitscht zu werden. Sing, Junge, mein Geist wird schwermuͤthig fuͤr Liebe. Das wundert mich, da ihr ein so leichtsinniges Mensch liebt. Sing. Bis die Compagnie voruͤber ist. Vier- Vierte Scene . Costard. Dull. Jakobine. Ein Maͤd- chen (treten herein) Herr, des Herzogs Befehl ist, Co- stard in gefaͤngliche Haft zu nehmen, er soll weder Lust noch Unlust leiden, das heißt, drey Tage in der Woche fasten. Und die Jungfer thut in den Park mit diesem Maͤdchen. Lebt wohl. ( ab ) Meine Roͤthe wird mich ver- rathen — Maͤdchen. Kerl! Jch will dich im Thiergarten besu- chen. Mir nicht zuwider! Jch will dir Wunder erzehlen. Ey was ihr sagt? Jch lieb dich. Und ich euch nicht. So fahr wohl. Gluͤckliche Reise. Komm! (geht ab mit ihrer Gespielin) Du Elender sollt fasten, bis dirs vergeben wird. Jch hoff es, Herr. Kann ich nicht mit vollem Magen fasten? Jhr sollt schwer bestraft werden. Co- Doch moͤcht ich nicht mit euch studiren, denn ihr seyd leicht belohnt. Fuͤhrt ihn fort, geschlossen. Fort, du verbrecherischer Sklave. Herr, ich bitte euch, ich bin fest genug, wenn ich loß bin. Loß und fest zugleich? Jns Ge- faͤngniß. Nun denn, wenn ich euch je- mals wieder erblicke, ihr froͤlichen Tage der Verzweiflung, so soll mancher gewahr wer- den — Was? Nichts, Herr — was er sieht. Gefangene sind nicht verbunden, in ihren Re- den ein Stillschweigen zu beobachten, dero- wegen will ich nichts reden. Jch danke Gott, ich habe meine Galle wie andere Leute auch, ich verliere endlich die Geduld und deswegen so will ich geruhig seyn. (Mot fuͤhrt ihn ab) ( auf und ab spatzierend ) Jch fuͤh- le etwas, eine hinreissende Sympathie — — zu dem Fußboden — (das ist niedrig) wo ihre Schuh — (das ist noch niedriger) von ihrem zarten Fuß bewegt (das ist das allerniedrig- ste) getreten haben. Jch thue einen Meineyd, ich bin falsch — nun wie kann eine Liebe wahr seyn, wenn sie falsch ist? Liebe ist ein guter Geist, Liebe ist der boͤse Feind, es giebt keinen boͤsern Geist als die Liebe, und doch doch ward Simson verliebt und hatte eine so grosse Staͤrke, und Salomo ward verfuͤhrt und hatte doch einen guten Verstand. Ku- pidos Pfeile sind staͤrker als Herkules Keule, geschickter als mein Rappier, er achtet das Passado nicht und das Duello respektirt er nicht, schade daß er ein Kind ist und doch Maͤnner bezwingt. Lebe wohl Tapferkeit! roste Rappier! halts Maul Trummel! euer Meister ist verliebt, ja er ist verliebt, steh mir bey irgend ein Versgott, sonst werd ich noch zum Sonnet. Auf Witz fouraschire, schreib Feder, jetzt bin ich ein Buch in Folio. ( ab ) Zweyter Akt . Erste Scene . Die Prinzeßin von Frankreich. Rosaline. Marie. Catharine. Bojet. Herren und Gefolge. J tzt, Prinzeßin, ruft eure schoͤnsten Le- bensgeister zusammen . Bedenkt, wen der Koͤ- nig nig euer Vater sandte, zu wem er euch schick- te, und was der grosse Zweck eurer Gesand- schaft ist. Jhr, die Bewunderung der ganzen Welt, sollt mit dem einzigen Erben aller maͤnnlichen Vorzuͤge, dem unvergleichlichen Navarra sprechen, und der Handel betrift nichts geringers als Aquitanien, die Mitga- be einer Koͤnigin. Seyd nun so verschwen- derisch mit all euren Annehmlichkeiten, als die Natur war, da sie euch schuf, als sie die ganze sichtbare Welt davon zu entbloͤssen schien, um euch auszuschmuͤcken. Guter Lord Bojet, so ge- ring meine Schoͤnheit ist, so braucht sie die Schnoͤrkel eures Lobes nicht, Schoͤnheit wird gekauft nach dem Urtheil des Auges, nicht nach dem marktschreyerischen Ausruf der Kaufleute. Jch bin sicher weniger stolz, wenn ihr meine Schoͤnheit erhebt, auf meine Schoͤnheit, als ihr auf den Witz, den ihr bey der Gelegenheit koͤnnt sehen lassen. Zur Sa- che, Bojet, der allverbreitende Ruf trug uns entgegen, Navarra hab ein Geluͤbd gethan, bevor drey Jahr unter muͤhsamen Studiren verstrichen, soll kein Weibsbild sich seinem stillen Hofe naͤhern, also eh wir diese ver- bothenen Thore betreten, sondern wir euch aus, in Ruͤcksicht auf eure vorzuͤgliche Ta- lente, seine Meinung hieruͤber einzuziehen, und fuͤr uns um Audienz anzuhalten. Sagt ihm, ihm, die Tochter des Koͤnigs von Frankreich verlange in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit eine muͤndliche Unterredung mit Seiner Majestaͤt. Eilt und bringt uns demuͤthigen Fremdlingen seinen koͤniglichen Willen. Jch eile, stolz auf meine Com- mission. (ab) Wer sind die Mitgeschwor- nen des gelehrten Herzogs? Ein Lord Longaville ist einer. Kennt ihr den Mann? Jch lernt’ ihn auf der Hochzeit Lord Perigords und der schoͤnen Tochter Faul- conbridgs kennen: in der Normandie sah ich diesen Longaville, er soll grosse Talente ha- ben, wohlbewandert in Kuͤnsten, in den Waf- fen, nichts mißlingt ihm, was er unter- nimmt. Der einzige Flecken seiner glaͤnzen- den Eigenschaften war ein scharfer Witz mit einem stumpfen Herzen vermaͤhlt, der alles bis auf den Mark durchdringt, was ihm ent- gegen kommt. Ein Momus also, der uͤber- all zu lachen findet. So sagt man. Der schnellschießende Witz verwelkt, so wie er waͤchst. Wer sind die andern? Ca- Der junge Dumain, ein vollkommener Juͤngling, von allen die Tu- gend lieben geliebt, viel Gewalt viel Scha- den anzurichten, aber kein Herz dazu. Witz die haͤßlichste Gestalt gelten zu machen, und eine Gestalt, auch allen Mangel an Witz zu ersetzen. Jch sah ihn beym Herzoge Alfonso und er uͤbertrift meine Beschreibung weit. Wenn man mir die Wahr- heit gesagt hat, so war damals noch einer von den vornehmen Studenten mit ihm. Sie nennen ihn Biron, aber einen lustigern Mann, doch mit Anstand, hab ich noch nie gesehen. Jch lernt’ ihn in einer Stunde kennen. Sein Auge ist der Gelegenheitmacher seines Wi- tzes, alles was jenem nur auffaͤllt, weiß die- ser in Scherz zu kehren, und hat einen so netten Dollmetscher an seiner Zunge, daß Greisenohren begierig an seinem Munde haͤngen bleiben. Gnade Gott Laͤdies! seyd ihr denn alle verliebt. Jhr uͤberschuͤttet ja die Leute mit einem Berg von Lobeserhe- bungen. (Boyet kommt. ) Nun was fuͤr einen Be- scheid, Boyet. Navarra hatte schon Nachricht von Eurer schoͤnen Anherokunft, er und seine Anm. uͤb. Theat. F Mit- Mitgenossen waren fertig euch entgegen zu gehen, als ich kam. Aber was hab ich er- fahren muͤssen? er ist so gewissenhaft, euch lieber auf dem freyen Felde zu beherbergen, gleich als ob ihr gekommen waͤrt seinen tod- ten Hof zu belagern, als eine Dispensation fuͤr seinen Eid zu suchen. Hier ist er. Koͤnig. Longaville. Dumain. Biron. Gefolge. Schoͤne Prinzeßin, willkommen an dem Hofe zu Navarra. Das schoͤne geb ich euch zuruͤck und das Willkommen hab ich noch nicht von euch empfangen. Das Dach eures Hofes ist zu hoch um euer zu seyn und die- ses Feld zu weit, um es mir zuzueignen. Jhr seyd an meinem Hofe will- kommen. Jch nehm’ es an, fuͤhrt mich hinein. Hoͤrt mir zu, theure Laͤdy, ich hab einen Eid geschworen. Helfen euch unsre lieben Frauen, so ist es ein Meineid gewesen. Um eine Welt nicht, schoͤnste Prinzeßin, mit meinem Willen nicht. Euer zweyter Willen wird den ersten wollen lehren. Koͤnig . Eure Herrlichkeit weiß nicht was es ist. Oft ist das Nichtwissen weise und das Zuvielwissen Unwissenheit. Jch hoͤr, Eure Herrlichkeit hat verschworen eine Haus- haltung zu fuͤhren: es ist in der That so viel Suͤnde einen solchen Eid zu halten als ihn zu brechen. Aber verzeiht mir, daß ich so dreist bin einem Gelehrten zu predigen, ge- ruhet lieber die Absicht meiner Anherokunft zu lesen und mich aufs geschwindeste abzu- fertigen. So geschwind als es mir moͤg- lich seyn wird. Jhr wuͤnschet mich wohl schon fort, ich mach euch mit jedem Augenblicke meineidiger. Hab ich nicht in Braband mit euch getanzt? Hab ich nicht in Brabant mit euch getanzt? Jch erinnere michs recht gut. Also war es uͤberfluͤßig, daß ihr frugt? Jhr seyd zu schnell im Ant- worten. Jhr spornt mich mit euren Fra- gen. Euer Witz nimmt Reißaus, er wird muͤde werden. F 2 Ros . Nicht eher als bis sein Reuter im Kothe liegt. Wenn soll das geschehen? Wenn mich ein Thor fragen wird. Laßt ihr die Maske fallen. Jst mein Gesicht so schoͤn als sie? Es wird euch viel Anbeter herbey ziehn. Wenn ihr nur nicht drunter seyd. So muß ich wohl gehn. Madame! Euer Vater erwaͤhnt hier der Zuruͤckzahlung hunderttausend Cro- nen, der Haͤlfte der Summe die mein Vater ihm zum letzten Kriege vorgeschossen, ich muß euch sagen, weder er noch ich haben je dies Geld gesehen, und auch in dem Fall wuͤrden immer noch hunderttausend zu be- zahlen uͤbrig seyn, zur Entschaͤdigung ma- chen wir auf einen Theil von Aquitanien Anspruch, obgleich es unter dem Werthe unserer Schuldforderung ist. Versteht sich also der Koͤnig Euer Vater, mir diese ge- wiß noch unbezahlte Haͤlfte wieder zu er- statten, so wollen wir unser Recht auf Aqui- tanien fahren lassen. Allein wie es scheint, ist ers nicht willens, er will meinem Va- ter hunderttausend Cronen bezahlt haben, und denkt mit keinem Worte an die Bezah- lung der andern Haͤlfte. Also schoͤnste Prinzeßin! waͤren seine Foderungen nicht so so hoch gespannt, so entfernt von allem vernuͤnftigen Nachgeben, so wuͤrde Euer schoͤnes Selbst schon laͤngst das ganze Ge- fuͤhl meines Rechts zum Nachgeben ge- zwungen haben und ihr wuͤrdet vollkommen befriedigt nach Frankreich zuruͤckkehren. Jhr thut dem Koͤnige meinem Vater ein zu schmerzhaftes Unrecht und dem Ruhme Eures koͤniglichen Namens nicht weniger, wenn Jhr so beharrlich drauf besteht, das Geld nicht empfangen zu ha- ben, das euch doch treulich ist ausgezahlt worden. Jch betheure euch nie etwas davon gehoͤrt zu haben: koͤnnt Jhr mirs beweisen, so will ichs euch zuruͤck bezahlen, oder mein Recht zu Aquitanien aufgeben. Wir halten euch bey Eurem Worte. Boyet, du kannst Quittungen vor- zeigen. Verzeihe Euer Herrlichkeit, das Paket worinn diese und andere wichtige Papiere befindlich soll morgen erst ankom- men. Es soll mir genug seyn sie ge- sehn zu haben, so will ich nachgeben, — so viel ich kann. Mittlerweile empfangt von mir den Willkomm den euch meine unver- letzte Ehre geben kann, ich darf euch die Thore nicht oͤfnen, theure Prinzeßin, aber F 4 ihr ihr sollt hier dennoch so gut seyn, daß ihr glauben sollt, ich hab euch fuͤr die versagte Herberge in meinem Hause eine in mei- nem Herzen gegeben: eure schoͤne Seele mag mich entschuldigen, und so lebt wohl. Morgen darf ich euch wieder besuchen. Der Himmel erhalte euch froͤlich. Euren Wunsch zuruͤck, gnaͤdige Frau! ( ab. ) Laͤdy, ihr seyd meinem Her- zen anbefohlen. Thut was ich euch befehle, es wird mir viel Vergnuͤgen machen. Jch wuͤnscht’ ihr koͤnntet es seufzen hoͤren. ( ab ) Mein Herr! ein Wort — wie heißt jene Dame. Rosaline, Tochter des Al- fonso. Sehr liebenswuͤrdig. Lebt wohl. ( ab. ) Auf ein Wort, mein Herr! wer ist die im weißen? Tochter des Faulconbridge. Eine sehr angenehme Dame. ( ab. ) Wenn meine Beobachtungen, die mir sehr selten fehlen, wenn ich die Rhetorik der Herzen in den Augen studire, mich mich diesmal nicht betruͤgen, so ist Navarra angebrannt. Du bist in Liebeshaͤndeln alt geworden. Er ist Cupidos Großvater und geht noch immer bey ihm in den Klassen. So muß Venus ihrer Mut- ter aͤhnlich sehen, denn sonst wuͤrde sie garstige Zuͤge haben. Jhr koͤnnt doch hoͤren, Naͤrr- chen! Nein. So koͤnnt ihr doch sehn. Habt ihr ihn nicht angesehn, als er vor ihr stand? Nein, wir sehen nur immer vor uns. Ja so ist mit euch auch nicht zu sprechen. Dritter Akt . Erste Scene . Der Park. Armado und Mot. Mot singt. Z witschere Kind! mach den Sinn mei- nes Ohrs empfindlich. F 4 Mot . (singt.) Gut Lied! geh zartes Alter! nimm diese Schluͤssel! schenk dem Schaͤfer die Frey- heit, bring ihn ungesaͤumt zu mir, ich muß ihn mit einem Briefe an meine Liebste schicken. Herr, wollt ihr eure Liebste auf franzoͤsisch gewinnen? Wie das, lieber Junge? Ein Liedchen mit dem End’ eurer Zunge tanzen, mit euren Fuͤssen dazu singen, und das alles durch Auf- und Abziehen eu- rer Augbraunen beleben, eine Note seufzen, die andere singen, und wenn ihr im Singen zuviel Liebe heruntergeschluckt, sie durch die Nase wieder von euch geben, euren Hut wie eine Regenrinne tief uͤber den Kramladen eurer Augen vorgeschoben, die Arme kreuz- weis uͤber euren Brustlatz gelegt wie ein Ka- ninchen am Bratspieße, oder eure Haͤnde in den Rocktaschen wie ein Mann in einem uralten Gemaͤhlde — nur muͤßt ihr nie zu lang in einer Melodie fortfahren, das sind die Manieren, das sind die Launen, denen die feinsten Koketten nicht halten koͤnnen, wo- durch ihr euch unsterblich macht wie Ero- berer. Wo hast du alle die Erfah- rungen her? Von mir selber. Aber o! aber o! Mot . Bald haͤttet ihr eure Liebste uͤber meine Erfahrungen vergessen. Fuͤhr mir den Schaͤfer her, er soll ihr den Brief bestellen. Schoͤne Gesandschaft! ein Pferd nach einem Esel. Was sagst du? Jhr koͤnntet doch lieber das Pferd zu eurer Bothschaft brauchen, als es erst nach dem Esel gehen lassen. Es ist nicht weit, geh geschwind. Wie Bley. Was denn, seltsamer Witz! ist Bley nicht ein schweres traͤges Metall? Minime. Jch sage, Bley ist langsam. Und ihr schnell im Verlaͤumden. Jst das Bley langsam das aus dem Laufe einer Flinte kommt? Angenehmer Rauch der Wohlre- denheit! Er vergleicht mich der Kanone und er ist die Kugel. Geh denn, ich schieße dich zum Schaͤfer. Bautz! — ( ab. ) Ein sehr scharfsinniger Kna- be! voller gelenksamen freyen Annehmlichkei- ten. Mit deiner Erlaubniß, angenehmes Firmament! ich muß dir ins Gesicht seuf- zen. Strenge Melancholey! du hast meine F 5 Staͤrke Staͤrke uͤbermannet. Aber da kommt mein Herold. Zweyte Scene . Mot. Costard zum Vorigen. Du bist frey, Hirte — und ich lege dir fuͤr diese Entlassung keine an- dere Bedingung auf, als diesen Brief zur Nymphe Jakobina zu tragen, da ist ein Rekompens dafuͤr, denn der beste Lohn wird denen die mir gehorchen. Mot, du folgst mir. Wie eine Conclusion den Praͤmis- sen. Adjeu Laye. ( ab mit Armado. ) Adjeu, eine Unze Mannsfleisch! du mein Caninchen — Rekupens das ist wohl das lateinische Wort von einem Zwoͤlfpfenningsstuͤcke. Jch moͤchte wissen, wie viel Ellen Band ich fuͤr einen Rekupens zu kauf bekaͤme, weil die Leute das Latein nicht verstehn. Biron kommt. O mein guter lieber Costard! vortreflich, daß du mir hier in den Wurf kommst. Cost . Sagt mir doch, Herr! wieviel El- len feuerfarben Band kriegt man fuͤr einen Rekupens? Was ist das? Wißt ihr das nicht? So viel als zwoͤlf Pfenninge. So kriegstu fuͤr zwoͤlf Pfenninge Band dafuͤr. Jch dank Eurer Herrlichkeit! Gott erhalt Eure Herrlichkeit dafuͤr. Wart Bursch! ich muß dich aus- schicken. Willst du meine Gunst haben, so thu was ich verlange. Wenn wollt ihrs gethan haben? Diesen Nachmittag. Gut! so will ichs thun. Lebt wohl. (haͤlt ihn zuruͤck.) Du weißt ja noch nicht was es ist. Sagt mirs, wenn ichs werde ge- than haben. Wart doch Schurke! du must ja erst wissen was. Jch will morgen fruͤh zu euch kommen. Du hoͤrst ja, es soll den Nachmit- tag seyn. Hoͤre mir zu, Kohlkopf! Die Prinzeßin kommt in den Thiergarten zu jagen, in ih- rem Gefolge ist eine so schoͤne Dame, daß man ein Conzert macht, wenn man ihren Namen Namen nur ausspricht, Rosaline heißt sie, frag nach ihr, uͤbergieb ihrer schoͤnen Hand dies versiegelte Briefchen. Da hastu ein Trankgeld. Trankgeld! o schoͤnes Trankgeld! besser als Rekupens, zwoͤlf Pfenning bes- ser, allerliebstes Trankgeld. Jch will thun, was ihr verlangt, Herr! o Trankgeld, Trankgeld. ( ab. ) O und ich! in Liebe versunken! sonst die Geissel der Verliebten, der Buͤttel jedes zaͤrtlichen Seufzers, Richter — nicht — Nachtwaͤchter, Constabel, keifender Schul- meister der jugendlichen Regungen, o kein Sterblicher so stolz und vermessen als ich. Dieser wimmernde, gellende, stockblinde, unnuͤtze Junge Cupido, der Koͤnig schnar- render Sonnette, Herr zusammengeschlage- ner Arme, Fuͤrst der Seufzer und o! Lehns- herr aller Faullenzer und Tagdiebe, Selbst- herrscher der Unterroͤcke, Heerfuͤhrer der Pflastertreter — (herunter mein Herz!) und ich der Corporal unter seinem Leibschwadron! Jch der Reifen, durch den dieser Seiltaͤnzer sei- ne Spruͤnge macht. Jch liebe, ich verfol- ge, ich hetze ein Weib! — ein Weib! — das wie eine Uhr aus Deutschland alle Au- genblick muß reparirt werden und doch nim- mer richtig geht — und werde meineidig daruͤber — und was das schlimmste ist, liebe liebe von allen dreyen grade die haͤßlichste. Ein blasser Wildfang mit schwarz sammetnen Augbraunen und die Pechkugeln in ihrem Kopfe statt Augen. Und eine, beym Himmel! die euch ihre Sachen machen wuͤrde, und wenn Argus selber ihr Verschnittener waͤre. Und ich bey ihr flehen — ich sie bewachen. Geh doch! es ist eine Pestbeule, mit der Cu- pido mich im Schlafe inficirte, dafuͤr daß ich seine allmaͤchtige schroͤckliche kleine Macht verspottete. Gut, ich will lieben, schreiben, seufzen, weinen, bitten, verfolgen, schmach- ten, zum Narren werden, weil er es so haben will, und es einmal nicht mehr zu aͤndern ist. ( ab. ) Vierter Akt . Erste Scene . Ein Seitengebaͤude im Park, nah am Pallaste. Prinzeßin. Rosaline. Maria. Catharina. Lords. Gefolge. Ein Foͤrster. W ars der Koͤnig, der sein Pferd den Fuß- steg bergan spornte? Boyet . Jch glaub nicht, daß er es war Wer es auch war — er zeigt’ einen emporstrebenden Geist. Mei- ne guten Lords, macht euch fertig, wir sollen heute Bescheid erhalten und Samstag geht es nach Frankreich (zum Foͤrster) weist uns den Dickigt an, wo wir die Moͤrder spielen sollen. An der Ecke jener Baumschu- le bleibt stehen, da werdt ihr gewißlich nicht fehlschiessen. Costard kommt. Hier kommt ein Mitglied des gemeinen Wesens. Jch hab einen Brief vom Herrn Biron an die Dame Rosaline. O her damit, her damit, er ist mein guter Freund — Entfernt euch, Bote! Brich auf, Boyet! Der Brief ist unrecht. Die Adresse ist an Miß Jakobinen. Es schadet nichts, wir muͤssen ihn einmal hoͤren, brich dem Siegel nur den Hals. ( liest ) Beym Himmel! daß du schoͤn bist, ist untruͤglich, wahr ists, daß du huͤbsch aussiehst und daß du ein feines Ge- sicht hast, die lautere Wahrheit. Schoͤner als schoͤn, huͤbscher als huͤbsch, wahrer als die Wahrheit selbst, hab Erbarmen mit dei- nem nem heroischen Sklaven. Der großmuͤthige und beruͤhmteste Koͤnig Cophetua warf ein Auge auf die gefaͤhrliche und unbezweifelte Bettlerin Zenelophon, er wars der mit Recht sagen konnte: veni, vidi, vici, das heißt, in die gemeine Sprache aufgeloͤst ( o hoͤchst niedrige und gemeine Sprache ) er kam, sahe und uͤber- wand, er kam, eins, sah, zwey, uͤberwand, drey. Wer kam, der Koͤnig, warum kam er, zu sehen, warum sah er, zu uͤberwin- den, zu wem kam er, zur Bettlerin, was sah er, die Bettlerin, wen uͤberwand er, die Bettlerin. Die Conclusion ist Sieg, auf wessen Seite, auf der Bettlerin, die Sklaverey ist begluͤckt, auf wessen Seite, auf des Koͤnigs, die Catastrophe ist eine Hochzeit, auf wessen Seite, auf der Bett- lerin, nein! auf beyden Seiten zugleich. Jch bin der Koͤnig ( so verlangt er das Gleichniß ) du bist die Bettlerin, ( so verlangt es deine Lie- benswuͤrdigkeit. ) Soll ich deiner Zaͤrtlichkeit befehlen. Fast moͤchte ich. Soll ich sie zwingen? ich koͤnnte es. Soll ich sie zu er- werben suchen? ich will. Was wirst du fuͤr deine Lumpen eintauschen? Kleider, fuͤr dei- nen Namen? Titel, fuͤr dich selbst? mich. Also — also in Erwartung deiner Antwort profanire ich meine Lippen an deinen Fuͤssen, meine Augen an deinem holdseligen Gesichte und mein Herz an alle deinen Gliedmassen. Dein Dein in theurester Ergebenheit Don Adriana von Armado. So moͤchte man glauben einen Nemei- schen Loͤwen zu hoͤren, der ein Lamm, das als seine Beute vor ihm zittert, zum Spiel- zeuge macht. Was fuͤr ein Federbusch, was fuͤr eine Kirchenfahne, was fuͤr ein Wetter- hahn hat den Brief geschrieben? Hab ich in meinem Leben so etwas gehoͤrt. Jch bin selbst irre geworden — aber nun erkenn’ ich ihn am Styl. Euer Gedaͤchtniß muͤßte rasend schwach seyn, wenn es einen solchen Styl nicht wieder erkennte. Dieser Armado ist ein Spanier, der sich zu Navarra aufhaͤlt, ein Phantast den Koͤnig und seine Buͤchermaden lachen zu machen, mit einem Worte, ein gelehrter Hofnarr. Du Bursche, von wem hast du den Brief? Jch habs euch ja gesagt, von meinem Herrn an seine Lady. Du hast unrecht bestellt — Kommt, ihr Herren, paßt auf, daß wir nicht fehlen. ( alle ab ) Zweyte Zweyte Scene . Ein Schuß im Walde. Dull (Constabel) Holofernes (Schulhalter) Nathanael (Caplan) treten auf. Ein ehrenwerther Zeit- vertreib, wahrlich, unter dem Zeugnisse ei- nes guten Gewissens. Das arme Wildpretlein verlohr sanguis Blut, wie ein Juwel der itzt in dem Ohre haͤngt coeli des Horizonts, des Firmaments, des Himmels, und dann wie ein kleiner wilder Holzapfel auf die Oberflaͤche herabfaͤllt terrae, des Bodens, des Landes, der Erde. Wahrlich, Herr Holofer- nes! Sie haben da gar artige praedicata an- gebracht, aber ich versichere Jhnen doch in der That, es war ein Rehe von der ersten Groͤsse. Mein Herr Caplan, haud credo. Herr, es war keine Hautkroͤdo, ’s war ein Hirschkalb. O barbarischer Ein- wurf! gleich als ob er in via auf dem Wege, auf der Bahn waͤre, mir wider mein haud credo ein argumentum von Erheblichkeit fa- Anm. uͤb. Theat. G cere cere zu machen, oder vielmehr ostentare zu scheinen, glaͤnzen, schimmern. Jch sagte, das Thier war kein haud credo, es war ein Hirschkalb. Aufgewaͤrmte Einfalt! bis coctus. O du monstrum der Unwissenheit. Herr, er hat nie die Leckerbißlein gekostet, die uns in den erbaulichsten Buͤ- chern zubereitet werden, er hat kein Pappier gessen, keine Dinte trunken, seine Seele ist ungebauet und leer, nur an den groͤbern Theilen empfindlich. Diese niedrigen und unfruchtbaren Baͤume sind uns dargestellt, daß wir sollen dankbar seyn, wir die wir nur an den feinern Theilen empfinden, die ihm gaͤnzlich verschlossen seyn. Denn so wie es uns uͤbel anstehen wuͤrde, hoͤlzern und grob zu thun, so waͤre es ein wahrer Schandfleck fuͤr die gelehrte Welt, wenn man ihn in eine Schule thaͤte. Aber omne bene sag ich, mancher kann das Wetter nicht vertragen, und segelt doch mit dem Winde. Jhr seyd doch beyde von den Stu- dirten, Herr! koͤnnt ihr mir sagen, was war einen Monath alt zu Adams Zeiten, daß noch itzunderst nicht fuͤnf Wochen alt ist. Dictinna guter Freund, Dictinna guter Freund. Was ist das dick duͤnn, was ist das? Nath . Ein Name fuͤr Phoͤbe, fuͤr Luna, fuͤr den Mond. Der Mond war einen Monat alt als Adam nicht aͤlter war, und hatte es noch nicht zu fuͤnf Wochen gebracht, da Adam schon hundert Jahre zaͤhlte. Die Allusion laͤßt sich auch noch so veraͤndern, der Mond — Das ist wahr in der That, die Col- lusion laͤßt sich veraͤndern. Gott staͤrke deinen Verstand, ich sage die Allusion laͤßt sich veraͤndern, Und ich sage, die Pollution laͤßt sich veraͤndern. Denn der Mond ist niemals nicht aͤlter als einen Monat und ich bleibe dabey, es war ein Hirschkalb das die Prinzessin schos- sen hat. Herr Nathanael, wollt ihr ein epitaphium ex tempore hoͤren auf den Tod die- ses Thiers, diesem armen Unwissenden zum Besten. Perge, werthester Herr Holofernes, perge, es wird mir viel Ver- gnuͤgen verursachen. Die Wissenschaften zu retten — hm! — Epitaphium. Die schoͤne Prinzessin schoß und traf Eines jungen Hirschlein Leben: Es fiel dahin in schwerem Schlaf G 2 Und Und wird ein Braͤtlein geben. Der Jagdhund boll. Ein L zu Hirsch So wird es dann ein Hirschel; Doch setzt ein Roͤmisch L zu Hirsch, So macht es funfzig Hirschel. Jch mache hundert Hirsche draus, Schreib Hirschell mit zwey LL en. ( schlaͤgt in die Haͤnde ) Ein rares Talent. He he he, es ist mein Pfuͤndlein, damit ich wuchere, simpel und doch ausserordentlich, voll Formen, Figuren, Ob- jekten, Jdeen, Apprehensionen, Motionen und Revolutionen. Diese erzeugen sich in der Herzkammer des Verstandes, werden in der pia mater des Gedaͤchtnisses genaͤhrt und der Gelegenheit zur Zeitigung uͤberlassen. Aber diese Gabe ist nur fuͤr wenige Koͤpfe und ich bin dankbar dafuͤr. Herr, ich preise den Him- mel fuͤr ihn und alle meine lieben Pfarrkinder gleichfalls, ihre Soͤhne sind gar gut versorgt bey euch, und ihre Toͤchter nehmen augen- scheinlich zu, ihr seyd ein gar tuͤchtiges Mit- glied des gemeinen Wesens. Me hercule wenn ihre Soͤhne ingenium haben, so ist meine Muͤhe gar geringe und wenn ihre Toͤchter faͤhig sind, gebe ich ihnen froͤlichen Unterricht. Aber vir sapit sapit qui pauca loquitur. Dort gruͤßt uns eine Weibsperson. Jakobina und Costard zun vorigen. Gott gruͤß euch, Herr Pfarr, seyd doch so gut, Herr Pfarr, wenn ihr wollt so gut seyn und mir diesen Brief lesen, er kommt vom Herrn Arme, Costard hat ihn mir geben, ich bitt euch sehr. Fauste precor gelida quando pecus omne sub umbra ruminat und so ferner. Gebt ihn daher ( liest heimlich ) Ach der gute alte Mantuaner, fast moͤchte ich von ihm sa- gen, was der Reisende von Venedig venechi venachea qui non te vide i non te piache, alter Mantuaner! alter Mantuaner! wer dich nicht versteht, dem gefaͤllst du auch nicht. Ut re mi sol la mi fa. Mit Erlaubniß, Herr, was ist der Jnhalt, oder vielmehr wie Horatius sagt, — was seh ich? Verse? Ja Herr! und sehr gelehrte. Laßt mich doch eine Strophe, Stanze, Rythmus hoͤren, lege domine! Liest. Meineidig macht die Lieb und dennoch darf sie schwoͤren, Und heilig wird der Eid den sie der Schoͤnheit schwoͤrt. Ach Schoͤnheit! Eichen kann dein Feur in Weiden kehren, G 3 So So wie es Wankelmuth in feste Treu verkehrt. All mein Studiren lenkt anjetzt auf an- dre Bahn Dein Aug ist nun mein Buch, dein Busen Sitz der Kuͤnste, Und alles ausser dir ist Wahn ist Hirn- gespinste, Und die gelehrte Sprach ist, wenn ich seufzen kann. Fort Layen in den Stall die, wenn Du da bist, sinnen Mein Ruhm mein Studium ist sinnen- los zu stehn Du raubst mich mir alsdenn, du reis- sest mich von hinnen, So bald du dich entfernst, o dann muß ich vergehn. Verzeihe, himmlische, dem schulgelehrten Schwunge Daß ich den Himmel sing mit einer ird- schen Zunge. Jhr fandet die Apostrophe nicht und darum verfehltet ihr die Caͤsur. Gebt mir her, da fehlt es im Sylbenmaaße. Das Sylbenmaaß ist ganz richtig, aber die Zierlichkeit, die goldene Cadenz der Poesie caret. Ovidius Naso, das war der Mann. Und warum hieß er Naso? warum anders, als weil er die Zierlichkeit der poeti- schen schen Bluͤmlein sowol zu riechen wuste. Die Staͤrke der Nachahmung macht es noch nicht aus, das kann der Hund und der Affe auch, aber Jungfer! war der Brief an euch gerich- tet? Herr, ich glaube, er ist von einem der fremden Lords. ( die Aufschrift lesend ) Fuͤr die schneeweiße Hand der schoͤnen Rosaline. Halt! die Unterschrift ist vom Lord Biron. Das ist einer von den Eidgenossen unsers guten Herzogs. O das ist ein Braten fuͤr mich. Der Koͤnig hat verbothen an keine Lady zu sprechen, geschweige zu schreiben, ich bin Sr. Majestaͤt Constabel, geh Jakobine, komm zum Koͤnige, gieb ihm den Brief in seine ei- gene Haͤnde, sag ihm, Dull der Constabel schickt dich, geh, sag ihm, er ist nicht an dich, Co- stard hat ihn verwechselt. Ja geht nur in der Furcht des Herrn, Kinder! das ist eine Felonie, geht nur. Weil die Verse doch so schlecht sind, werther Herr Nathanael, he he he, frey- lich, freylich. Jch speise heut zu Mittage bey dem Vater einer meiner Schuͤlerinnen, ich will nach dem privilegio, das mir mein treuer Fleiß an diesem subiecto giebt, euch hoͤflichst dort zu Gaste geladen haben und da wollen G 4 wir wir von diesen entsetzlichen Versen he he he weiterst mit einander reden. Jch danke euch freundlichst. Die Gesellschaft ist das Gluͤck des Lebens. Also lade ich euch denn, wer- ther Herr Nathanael, pauca verba. Kommt nur, die Hochadelichen jagen hier auf dem Felde, und wir wollen das Wildpret in der Schuͤssel jagen, he, he, he. ( gehen ab. ) Vierte Scene . Biron allein, ein Papier in der Hand. Der Koͤnig jagt itzt — und ich werde ge- jagt. Sie sind erpicht auf Wildpret und ich auf Pech, auf besudelndes Pech — pfuy welch ein Wort! Laßt mich zufrieden, Ge- danken — so sprechen alle Narren — so sprech ich, denn ich bin ein Narr. Beym Henker! die Liebe ist wuͤthend wie Ajax, er brachte Schafe um, sie bringt mich um, ich bin ein Schaf. Wieder ein schoͤnes: ich bin. — Jch will nicht lieben, haͤngt mich auf, wenn ichs thue — aber ihr Auge — nein! bey diesem Tageslicht — o, aber ihre Au- gen, ich will sonst nichts lieben als ihre Au- gen. Ach ich thu auf der Welt nichts als luͤgen und immer bestaͤndig aͤrger luͤgen, beym Him- Himmel! ich liebe, diese Reime sind ein Be- weis davon. Sie hat schon eines von mei- nen Sonnetten, der Schaͤfer brachts ihr, der Narr schickt’ ihr, die Spitzbuͤbin hats, guter Schaͤfer, guter Narr, allerliebste Spitz- buͤbin. Bey der ganzen Welt, ich fruͤge kein Haar nach, wenn die andern so tief drin saͤßen als ich. Hier schleicht auch einer mit einem Papiere heran, troͤste Gott, es geht ihm wie mir. ( tritt hinter eine Hecke. ) Koͤnig tritt auf. Weh mir! Geschossen beym Himmel! bravo Cupido, du hast ihn unter der linken Zitze getroffen. ( liest. ) So sanften Kuß giebt nicht der Sonnen Strahl Den Tropfen, die sie fruͤh auf Rosen findet, Als deine Blicke der verliebten Quaal Die sie auf meiner Wang entzuͤndet. Auch spielt der Mond so sanftes Sil- ber nicht Jn Amphitritens dunklen Gruͤnden Als dies dein alabasternes Gesicht Jn Thraͤnen, die sich mir vom Auge winden. O Goͤtterbild! hier triumphirest du G 5 Wie Wie aus Krystall gehaun auf Kosten meiner Ruh So sieh nur immer her, die Thraͤnen schwellen an Zu zeigen was du werth, und was ich fuͤhlen kann. Ach wenn deine Augen den Spiegel meiner Thraͤnen vermeiden, so muͤssen sie unauf- hoͤrlich fließen. Koͤnigin der Koͤniginnen! wie schoͤn bist du! kein Gedanke kann es ausdenken, kein Mund beschreiben, wie soll ich dich mit meiner Pein bekannt ma- chen? Jch will den Zettel hier fallen lassen, getreues Laub, beschirme meine Thorheit — Wer kommt da? ( verbirgt sich. ) Longaville tritt auf. Longaville! und liest — hor- chen wir! ( vor sich. ) Ein Narr macht viele. ( vor sich. ) Weh, ich bin meineidig. Und hasts aufgeschrieben, daß du’s bist. Angenehme Gesellschaft der Schande! Ein Trunkener taumelt dem andern hinterher. Muß ich denn der erste seyn der seinen Eid bricht. Biron . Jch koͤnnte dich troͤsten, du machst nur den letzten zu unserm Trium- virate. Jch fuͤrchte, diesen halsstarrigen Reimen fehlt sonst nichts als die Kraft zu ruͤhren. Angenehmste Marie! Kaiserin meiner Liebe, ich will diese Verse zerreißen und sie in Prosa schreiben. O die Reime sind die Knoͤpfe an Kupidos Pumphosen, reiße sie nicht ab. Es mag hingehn. ( liest. ) Nur die Beredsamkeit der himmel- blauen Augen Der Zauberkraͤfte nicht zu widerstehen taugen, Bewog zum Meineid mich. Entwehrt ein falscher Eid Um deinetwillen, nicht selbst die Ge- rechtigkeit? Jch schwur den Weibern ab, doch ich Verschwur nicht Goͤttinnen, verschwur nicht dich. Ach ich verschwur die Welt, doch nicht ein himmlisch Bild Das selbst des Frevlers Brust mit Fried erfuͤllt. Ja Eide sind nur Athem, Athemluft, Du schoͤne Sonne scheinst auf meine Erde, Du ziehst ihn auf, den Wasserduft, Was Was ist die Schuld, wenn ich meinei- dig werde? Und waͤr ich es, ach lieber Straf und Pein Als nicht fuͤr dich meineidig seyn. Das ist eine verhenkerte Ader, die macht Fleisch und Bein zur Gottheit, eine gruͤne Gans zur Goͤttin, nichts als Ab- goͤtterey, Gott steh uns bey, wir sind alle vom rechten Weg ab. Dumain in einiger Entfernung. Durch wen schick ichs ihr — Gesellschaft! fort! ( verbirgt sich gleichfalls. ) Wir spielen versteckens, einer nach dem andern verkriecht sich. Und ich, wie ein Halbgott, sitze hier in meinem Himmel und seh hinab in die Geheimnisse der Tho- ren. Noch einer! o Himmel! all meine Wuͤnsche sind erfuͤllt! Duͤmain auch meta- morphosirt, vier Schnepfen auf einer Platte. O goͤttliche Kaͤthe! O elender Hasenfuß! Beym Himmel, ein Wun- der der Schoͤnheit! Bey der Erde, ihr luͤgt. Jhr goldenes Haar! Ein goldgelber Rabe! Dum . Schlank wie eine Zeder Krumm, sag ich, wie ein Fiddel- bogen. O haͤtt ich meinen Wunsch! Und ich meinen. Und ich meinen. Amen und ich meinen! das war das erste gescheidte Wort, das er sprach. Jch wollte sie gern vergessen, aber sie herrscht wie ein Fieber in meinem Blute. Laß sie heraus, laß dich zur Ader. Jch will doch die Ode noch ein- mal durchgehn, die ich fuͤr sie aufgesetzt. Und ich noch einmal hoͤren, wie die Liebe den Witz verwirrt. ( liest ) Eines Tags — verhaßter Tag! Jn dem Mond, wo Zaͤrtlichkeiten Mit den Rosen sich verbreiten, Da entdeckt ich, heller als den Tag, Eine Rose voll Vollkommenheiten, Die dem Zefir offen lag. Durch die seidnen Blaͤtter macht Er sich Bahn in rothe Nacht. Wuͤnschend stand ich, sah ihm zu, Waͤr ich, ach! von Luft wie du. Duͤrfte so mit vollen Backen Jhre schoͤnen Wangen packen. Und sie kuͤssen dreist wie du. Aber Aber weh! ein Schwur haͤlt mich zu- ruͤcke, Daß ich, Goͤttin, dich aus Dornen pfluͤcke: Welch ein Schwur fuͤr heißes Blut Von der allerreinsten Glut! Nenn es, Schoͤnste! kein Verbrechen Den Tyranneneid zu brechen. Ach um deinetwillen schwuͤr Jupiter sein Weib zum Mohren, Seine Tochter ungebohren. Und sich selbst zu einem Stier. Jch muß ihr dann noch eins schicken, das minder gelehrt ist und meine Sehnsucht mit wenigerm Umschweife ausdruͤckt. Waͤre doch der Koͤnig und seine zwey Magister Zu- gaben zu meinem boͤsen Exempel, daß ich nicht allein gebrandmarkt da stuͤnde. Jm Lande der Hinkenden ist Hinken keine Suͤnde. Deine Liebe hat wenig von der Christlichen an sich. (geht hervor.) Jhr er- blaßt, Ritter! ich wuͤrde erroͤthen wenn man mich so ertappt haͤtte. ( geht hervor. ) Wohlan, so er- roͤthe dann! du hasts eben so viel Ursache ja vielmehr du bist doppelt so strafbar, da du den Schein der Gerechtigkeit vor dir traͤgst. Nein, Longaville machte kein Son- net auf Marien, er legte seine Arme nicht kreuzweis uͤber den Busen, um sein Herz hin- hinunter zu druͤcken. Jch bin hier im Busche versteckt. gelegen, hab euch beyde behorcht, bin fuͤr beyde erroͤthet. Jch hoͤrt eure ver- raͤtherischen Reime, sah euren Mund von Seufzern rauchen, weh mir, sagte der eine, Jupiter schrie der andere, deren Haare wa- ren Gold, deren Augen schoͤner als der Tag, der wollte um seiner Goͤttin willen verdammt seyn, der machte Jupitern zum Ochsen seiner Kaͤthe zu gefallen. Was wuͤrde Biron sa- gen, wenn er euch gehoͤrt haͤtte, euch strenge Gesetzgeber! ha, wie wuͤrd’ er schmaͤhen, wie den Witz die Geißel schwingen lassen! Um aller Reichthuͤmer der Welt willen wollt ich nicht uͤber einen so schaͤndlichen Einbruch von ihm uͤberfallen worden seyn. ( geht hervor. ) Verzeiht, gnaͤ- digster Souverain! verzeiht mir, daß auch ich hier bin. Gutes Herz! Was fuͤr Recht hat- tet ihr, uͤber diese arme verliebte Wuͤrmelein herzufahren? Nein, ihr bettetet eine gewisse Prinzessin nicht in euren Thraͤnen, wo ihre Schoͤnheit oͤffentlich zur Schau lag, nein ihr wart nie meineidig, ihr machtet nie Sonnette. Ha ha ha alle drey, daß einer den andern uͤberlisten wollte, der fand des- sen Splitter im Auge, der Koͤnig dessen, und ich Balken in allen dreyen. O was fuͤr einer buntschaͤckigen Farce hab ich zugese- hen, von Seufzern gereimtem Unsinne, un- sinniger sinniger Prose, Raserey und Thraͤnen. Ei- nen großen Koͤnig in eine Grille verwandelt, Herkules den Kreisel peitschen, den tiefsin- sinnigen Salomo einen Baurentanz fiddeln, Nestor mit den Gassenbuben kegeln, und Timon Gespensterhistoͤrchen erzaͤhlen. Wo thut es weh, sagt mirs, guter Duͤmain, ihr edler Longaville, wo fuͤhlt ihr die meisten Schmerzen, und ihr, theurester Souverain! — Dein Scherz wird bitter. Him- mel! so verrathen. Nicht ihr seyd verrathen, ich, ich bins, ich ein ehrlicher Schelm, der es treuherzig mit seinem Eide meynte, ich der mich zu einer Gesellschaft that, die meine Gewissenhaftigkeit nur zum Besten hielt. Still! wer kommt da so eil- fertig. ( bey Seite sich in Finger beissend ) daß dich das — mein Postillion d’Amour. Costard und Jakobine. Viel Gluͤck dem Koͤnige! Was bringt ihr? ( immer buͤckend ) Eine verraͤ- therische Verraͤtherey. Was sagt ihr? Jch bitte Ew. Majestaͤt diesen Brief zu lesen. Der Constabel schickt mich mich her, der Pfarr sagt’ es waͤr Verraͤthe- rey. Biron lies ihn durch und sag mir was es ist. ( Biron stellt sich zu lesen. ) Von wem hast du ihn. Von Costard. Und du? Vom Don Adramadio. Wie nun, warum wirst du unruhig, warum zerreissestu — Biron. Eine Kinderey, Ew. Majestaͤt — es war nichts. Aber er ward roth beym Lesen, laßt uns hoͤren was es war? ( die Stuͤcken auflesend. ) Ach es ist Birons Hand und hier ist sein Name. ( zu Costard drohend. ) Du Hu- rensohn von Dummheit — Schuldig! mein Fuͤrst! ich bekenne, ich bekenne. Was? Daß noch einer fehlte, die Zahl voll zu machen, und dieser Narr bin ich. Entlaßt diese saubere Abgesandtschaft, und ihr sollt Wunder hoͤren. So haben wir doch gerade Zahl. ( zu Costard. ) Wollen die Turtel- tauben wohl gehn. Spazier davon ehrliche Leut. ( ab mit Jakobinen. ) Anm. uͤb. Theat. H Biron . O werthe Gesellen! laßt uns einander umarmen. Wir sind so brav ge- wesen, als Fleisch und Blut es nur immer seyn kann. Die See will ebben und flu- then, der Himmel heitern und regnen, so kann auch junges Blut alten Gesetzen nicht gehorchen, so koͤnnen wir die Ursache nicht auswurzeln, durch die wir existiren, und daher war es leicht voraus zu sehn, daß wir meineidig werden mußten. Also der zerrissene Brief war ein Liebes — — Obs war? und ihr fragt noch? wer kann die himmlische Rosaline sehen und nicht wie ein Jndianer, der die Sonn’ aufgehen sieht, sein Haupt sklavisch vor- waͤrts buͤcken, und blind von Glanz mit niedriger Brust die Erde kuͤssen? Welches vermessene Adlerauge koͤnnte die Sonne un- ter ihren schwarzen Augbraunen ansehn, ohne zu weinen. Mit welcher Wuth du ihre Lobrede machst. Die Prinzeßin, meine Ge- bieterin ist ein helleuchtender Mond, sie ein Stern aus ihrem Gefolge, ein zwit- serndes Licht, das kaum gesehen wird. So sind denn meine Augen nicht Augen, und ich nicht Biron. Ha, gegen meine Liebe ist selbst der Tag Nacht, die auserlesensten Teints entschiedener Schoͤn- heiten heiten liegen wie in einer Messe auf ihrem Angesichte versammlet, fließen in eine Goͤt- terfarbe zusammen, wo der Mangel selbst keine Maͤngel entdecken kann. O alle Rednerzungen muͤsten mir ihre Zauberkuͤnste leihen, nein, pfuy mit dem gekuͤnstelten Lobe, sie bedarf dessen nicht, Troͤdelwaaren nur beduͤrfen eines Ausrufers, sie, weit uͤber alles Lob erhaben, o das Lob sinkt und loͤscht aus, ehe es sie erreicht. Ein verwelkter Einsiedler, der hundert Winter auf dem Puckel truͤge, schuͤttelt gleich funf- zig ab, so bald er ihr in die Augen sieht. Jhre Soͤnheit uͤberfirnißt das Alter, wie- dergebaͤhret es, giebt der Kruͤcke die Mun- terkeit der Wiege, ist eine Sonne, die die ganze Natur belebt. Beym Himmel! deine Liebste ist schwarz, wie Ebenholz. Jst Ebenholz ihr aͤhnlich? O schoͤnes Wort, so ist denn ein Weib von Ebenholz eine Hury. Wer kann mir einen recht schweren Eid diktiren, wo ist ein Buch, ich wills beschwoͤren, daß der Schoͤnheit selbst Schoͤnheit mangelt, wenn sie nicht aus ihren Augen sieht. Es leben die schwarzen Farben! Was sind das fuͤr Paradoxen? Schwarz ist die Farbe der Hoͤlle, der Ker- ker, der Nacht! welche Farbe kann der H 2 Schoͤn- Schoͤnheit anders stehen als die des Tages und des Himmels? Verkleidet sich nicht der Satan in einen Engel des Lichts? O das schwarze Haar, das meiner Schoͤnen Stirne ziert, es scheint zu trauren, daß helles Haar so viel blinde Anbeter mit falschem Glanze hintergeht. Jhre Wangen machen alle rothbackigte Maͤdchen zu Luͤgnerinnen, dunkel und bleich muͤssen sie sich heut zu Tage schminken, wenn sie nach ihr gefallen wollten. So werden die Caminfeger sehr gesucht werden. Es leben die Kohlen- brenner. Und die Mohren, wie werden sie sich bruͤsten? Eure Goͤttinnen muͤssen den Re- gen scheuen, er spuͤlt ihre Schoͤnheit ab. Es waͤre gut, wenn deine in Regen kaͤme, denn ich glaube in der That, sie wuͤrde ertraͤglicher seyn, wenn sie sich fleißiger wuͤsche. Jch will euch beweisen, daß sie schoͤn ist, und sollt ich bis an den juͤngsten Tag hier schwatzen. Dann wuͤrden die Teufel selbst vor ihr erschroͤcken. Nie hab ich einen Meßkraͤ- mer gehoͤrt, der Wadman so theuer ausbot. Long. Wenn du deine Liebste sehn willst, sieh ihr Gesicht an und meinen Fuß — O und wenn die Gassen mit deinen Augen gepflastert waͤren, so waͤr’ ihr Fuß noch viel zu niedlich drauf zu treten. Da wuͤrd’ ich saubere Sachen zu sehen kriegen. Still einmal — wir sind drum einer so gut wie der andere. Das heißt, meineidig. So laßt denn die Possen, und sporne deinen Witz, wenn er dich ja sticht, nach einem edlern Ziele. Beweis uns ein- mal, daß unsere Flammen rechtmaͤßig, unsere Treue nicht verletzt sey, so sollstu Dank haben. Dem Uebel schmeicheln. Jhm eine Gestalt geben. Ein Pflaͤsterchen drauf klecken. Still nur! das brauchen wir alles nicht. Es ist deine Schuld, Natur! Bedenkt, ritterliche Ritter, welchen Unsinn ihr geschworen habt. Fasten, studiren, kein Frauenzimmer sehen! platter Hochverrath wider das koͤnigliche Gluͤck der Jugend! Koͤnnt ihr fasten? Sind eure Maͤgen nicht zu feurig, und wuͤrd’ euch die Enthaltsamkeit nicht alle quinend dahin strecken? Und wor- inn wolltet ihr denn studiren, ihr Herren, da jeder von euch zu gleicher Zeit sein Buch H 3 ver- verschwor? Koͤnnt ihr in eins weg traͤumen, gruͤbeln, und auf einen Fleck hinstarren? Und wenn ihrs koͤnntet, wer allein kann euch den Vorzug der Wissenschaften schmackhaft machen, ohne die Beyhuͤlfe weiblicher Schoͤn- heit? Ha! nur die Augen des Frauenzim- mers, ewig werd ich dabey bleiben, sind das Buch, die Akademie, der Altar, wo das aͤchte prometheische Feuer aufbewah- ret wird. Unablaͤssiges Gruͤbeln trocknet auf, und vergiftet die behenden feinsten Le- bensgeister unseres Gehirns, wie die zu lang anhaltende Arbeit die nervigte Staͤrke des Arbeitsmannes erschoͤpft. Habt ihr den Ge- brauch eurer Augen verschworen, daß ihr keinem Frauenzimmer ins Gesicht sehen wollt. Blind werdet ihr werden, stumpf, abge- schmackt, wo ist ein Buch in der Welt, das euch die Schoͤnheit lehren kann, wie das Aug einer schoͤnen Frau! Gelehrsamkeit ist ein Zusatz zu unserm Selbst, aber die Schoͤn- heit ist ein neues Selbst, in dem wir zum zweytenmal anfangen zu leben. Ganz ge- wiß, ihr habt eure Buͤcher verschworen, als ihr die Augen des Frauenzimmers verschwurt. Wo sonst wolltet ihr mit euren bleyernen Spekulationen zu den hinreißenden Harmo- nieen auffliegen, die die Region der Schoͤn- heit einnehmen. Andere Kuͤnste nehmen blos das Hirn ein und lohnen ihre kalten Schuͤler Schuͤler fuͤr schwerfaͤllige Muͤhe mit einer Mißwachsernde. Aber Liebe, die zuerst im weiblichen Auge erlernt ward, lebt nicht blos in unsern Hirnschaalen eingemauert, sie bewegt all unsre Elemente, geht so schnell als Gedanken in jede unserer Kraͤfte uͤber, und giebt jeder eine neue doppelte Kraft, sich uͤber ihre vorige Sphaͤre zu erheben. Sie giebt dem Auge eine zehnfache Schaͤrfe, eines Liebhabers Aug koͤnnte einen Adler blind gaffen, eines Liebhabers Ohr koͤnnte den leisesten Odemzug hoͤren, selbst wenn des argwoͤhnischen Diebes Ohr ihn nicht hoͤrte. Der Liebe Gefuͤhl ist weit zaͤrter und reizba- rer als das zarte Fell einer ausgekrochenen Schnecke, der Liebe Zunge beschaͤmt Bachus im luͤsternen Geschmacke, und was die Staͤrke anbetrift, ist Liebe nicht ein Herkules, der bis an die Hesperiden vordrang. Verschla- gen ist sie wie ein Sphinx, musikalisch wie die Laute Apollo mit seinem Haar besaͤytet. Und wenn die Liebe spricht, so macht die Stimme aller Goͤtter den Himmel trunken von Harmonieen. Nie durfte ein Poet seine Feder eintunken, war seine Dinte nicht mit Liebesseufzern angemacht: o nur alsdann konnten seine Verse Ohren der Wilden hin- reißen, und in Tyrannen milde Menschlich- keit verpflanzen. Aus den Augen der Frauen- zimmer kommt alles her, sie allein funkeln H 4 vom vom aͤchten prometheischen Feuer, das die ganze Welt beseelt, die sonst in keinem Dinge sich schoͤn und vortreflich zeigen wuͤrde. Jhr wart also nicht klug, diesen Frauenzimmern abzuschwoͤren, und naͤrrisch waͤret ihr gewe- sen, einen solchen Eid zu halten. Also fuͤr die Sache der Gelehrsamkeit, ein Wort das alle Maͤnner lieben, oder fuͤr die Sache der Liebe, ein Wort das alle Maͤnner gluͤcklich macht, oder fuͤr die Sache der Maͤnner aus der die Weiber entstanden, oder fuͤr die Sache der Weiber, aus der wir alle unsern Ursprung nehmen, lassen wir unsern Eid fahren, um uns selbst zu erhalten, lieber als daß wir uns selbst fahren ließen, um unsern Eid zu halten. Es ist Religion so meineidig zu seyn. Die Liebe erfuͤllt das Gesetz, und wer kann diese Liebe von der Naͤchstenliebe absondern? Also, heiliger Cupido, und wir thun den Kreuzzug unter ihm. Auf, ihr Herren! zum Angriffe, ruͤckt vor mit euren Standarten. Scherz bey Seite, sollen wir uns entschließen, um diese Franzoͤsinnen anzuwerben. Das daͤcht ich, und sie gewin- nen dazu. Laßt uns auf eine Lustbarkeit denken, die wir ihnen in ihren Zelten geben. Biron. Erst fuͤhren wir sie aus dem Park nach Hause, jeder seine jede, nachmit- tag sinnen wir auf einen recht artigen Zeit- vertreib, so wie die Kuͤrze der Zeit es uns gestatten will, Schmaͤuse, Taͤnze, Maske- raden und Froͤlichkeiten eilen der Liebe vor, ihr den Weg mit Blumen zu bestreuen. Fort also, wir haben keine Zeit zu verlieren. Wo ist ein Feld das ohne Aussaat trug? Und jedem wird mit seinem Maaß gemessen, Meineidigen Chapeaux sind Franzoͤsin- nen gut genug Fuͤr kupfern Geld kupferne Seelen- messen. Fuͤnfter Akt. Erste Scene. Holofernes. Nathanael. Dull. S atis quod sufficit. Jch preise den Herrn, Herr! fuͤr eure Gespraͤche uͤber dem Essen, H 5 sie sie waren scharfsinnig und sententioͤs, gefaͤl- lig ohne Skurrilitaͤt, witzig ohne Affektion, kuͤhn ohne Lizenz, gelehrt ohne Vanitaͤt, ungewoͤhnlich ohne Ketzerey. Jch habe die- ser Tage quondam mit einem aus des Koͤnigs Gefolge gesprochen, der sich betitelte Don Adriana de Armado. Novi hominem tanquam te. Sein Humor ist hoch auffliegend, seine Reden ver- messen, seine Zunge verwegen, sein Auge hof- faͤrtig, sein Gang prinzlich, prinzessenmaͤßig, und sein ganzes Betragen laͤcherlich, auf- geblasen und thrasonisch. Er ist so geziert, gespitzt, seltsam und wunderlich, zu seltsam, um seltsam zu seyn. Ein sehr auserlesenes Epithe- ton, Herr! (zieht seine Schreibtafel und schreibt.) Er zieht den Faden seines Aus- drucks feiner aus, als die Wolle seiner Ge- danken es aushaͤlt. Odi \& arceo solche fana- tische Phantasten, solche Henkersknechte al- ler guten Orthographie, die zum Exempel allesamt fein aussprechen, da sie doch nach der Etymologie aussprechen sollten, allesamt umarmt, wenn sie sagen sollten, umbarmt, eure Genaden, verstuͤmmelt er in ’r gnad. Diese abominable, oder ich moͤchte lieber sagen, abhominable Art zu sprechen, scheint mir eine eine wahre Felonie me intelligis domine? eine tumme lunatische Mondsucht. Laus Deo, bene intelligo. ’RGnad, ’RGnad — hoͤren Sie nur, wie klingt das? he he he Armado. Mot. Costard treten auf. Videsne quis venit, Video et gaudeo. ( winkt ihnen ) Ts! Quare ts! warum nicht bißt! Willkommen Maͤnner des Friedens. Salve Mann des Krie- ges, he he he Sie sind an einem grossen Banket von Sprachen gesessen und haben die uͤberge- bliebenen Brocken eingesteckt. Ney, sie han aus dem All- mosenkorbe der Worte gegessen. Mich wundert, daß dich dein Herr noch nicht in Gedanken fuͤr ein Wort aufgegessen hat, denn du bist mit Haut und Haar noch nicht so lang als honorificabilitudinitatibus. Still das Glockenspiel geht wieder — Habt ihr studirt? Ja freylich, Herr, er lehrt den Buben A B C. Sagt, wie buchstabirt ihr A sch ruͤckwaͤrts mit einem Kreuze vorne. Holof. Scha, pueritia und ein Kreuz. Schaf — ihr einfaͤltiges Schaf, koͤnnt ihr euren Namen nicht aussprechen? Quis quis? du Consonante! wer ist ein Schaf? Einer von den fuͤnf Vokalen, wenn ihr sie hersagen wollt. Jst es a, ist es e, ist es i — J, i, ganz recht, da habt ihrs ja selber gestanden. Ein rechtes Mediterraneum von Salz, eine behende Lanzette von Witz, schnip schnap, hurtig und behend, er erfreut meine Jntelligenz, aͤchter Witz! rarer Witz! Seht ihr, das war Davids Schleuderstein gegen Goliath. ( verwirrt ) Wie? was war die Allusion, was war die Figur? Ein Schaf. Du disputirst wie ein Bube. Geh peitsch deinen Kreisel. Leyht mir euer Horn dazu, ich will ihn peitschen auf und ab. Und haͤtt ich doch nur einen Pfennig bey Leib und Seel, du solltest ihn haben, du Klingbeutel von Witz, du Tau- beney von Verstand. O daß der Himmel mir nur die Gnade erwiese, und mir nur so ein Hurkind gaͤbe, wie du bist, nur ein Hur- kind, was wuͤrdst du mich einen froͤlichen Va- ter ter machen. Geh Kroͤte, du hasts weg ad dunquil, bis auf die Nagelspitze, wie die Ge- lehrten sagen. Jch rieche da verfaͤlschtes Latein, dunquil fuͤr unguem. Jhr seyd also ein Studierter, Herr, und erzieht die Jugend dort oben auf dem Gipfel des Gebuͤrges. Mons vielmehr, es ist ein Huͤgel. Es ist des Koͤnigs erhabener Wille die Prinzessin in ihrem Hoflager zu komplimentiren, in den posterioribus dieses Tages, welche der rohe Haufe Nachmittag nennt. Die posteriora des Tages, ein artiger terminus, auserlesen in der That. Der Koͤnig ist ein braver Mann und mein Freund, ich versichere euch, denn was unter uns schon vorgegangen ist — weg damit! Jch ersuche dich, Armado, ruͤste deinen Verstand, ich ersuche dich, sagte er, sey so guͤtig, entlade dich aller andern im- portunen und importanten Sorgen — aber weg damit! ich will euch nur erzaͤhlen, daß es Sr. Majestaͤt bisweilen gefaͤllt und oͤffent- lich sich auf meine arme Schultern zu lehnen und mit seinen koͤniglichen Fingern also an meinen Exkrementen zu spielen ( spielt an sei- nem Stutzbarte ) aber weg damit, liebes Herz, wenn es seiner Gnad gefaͤllt. Holo- Genade wollten Sie sagen. Dem Don Armado einige Ehrenbezeigungen zu erweisen, einem Manne von Reisen, einem Soldaten — weg damit, meine Absicht war euch zu sagen — aber, lie- bes Herz, seyd verschwiegen, daß der Koͤnig mich gebeten hat, die Prinzessin zu regaliren mit irgend einer angenehmen Ostentation oder Schauspiel, wie es der Poͤbel nennt. Da ich nun weiß daß der Pfarrer und Euer wer- thes Selbst sehr tuͤchtig fuͤr solche Einfaͤlle oder Ausfaͤlle des Witzes sind, so komme ich, euch um eure Huͤlfe anzusprechen. Herr, ihr muͤßt die neun Helden auffuͤhren. Domine Nathanael, was den Zeitvertreib oder das Freudenspiel an- betrift fuͤr die posteriora dieses Tages, das durch unsere Assistenten auf des Koͤnigs Be- fehl gegeben werden soll, auf die Anweisung dieses sehr galanten und beruͤhmten Herrn, so waͤre meine unvorgreifliche Meynung, daß dazu nichts geschickter als die Vorstellung von den neun Helden. Wo wollt ihr aber Schau- spieler genug finden. Josua ihr selbst, dieser galante Herr Judas Makkabaͤus, dieser Narr wegen seiner grossen Glieder und Gelenke kann kann fuͤr Pompejus den Grossen passiren, und dieser Page Herkules. Verzeyht, Herr! Ein Jrrthum. Dieses zarte Alter hat nicht Quantitaͤt ge- nug fuͤr einen Herkules, er ist kaum so groß als das Ende seiner Keule. Wird man mich ausre- den lassen? Er soll den Herkules in seiner Minderjaͤhrigkeit vorstellen, wie er die Schlangen in der Wiege erdrosselt und allenfalls will ich fuͤr ihn eine Apologie auf- setzen. Ein guter Einfall und wenn ei- ner von den Zuschauern mich auszischt, so ruft nur immer, bravo Herkules! halt dich Herkules! so muß man eine Beleidigung verstecken. Und wer macht die uͤbrigen? Drey spiel ich selber. O dreykoͤpfigter Cerberus! Und ich will den Trommelschlaͤ- ger machen, wenn die Helden tanzen wollen. Kommt immer mit, vielleicht seyd ihr auch noch zu brauchen. Via! Zweyte Scene. Prinzeßin Laͤdies. Wir werden reich, eh wir von hier reisen. Jch bin mit einer Mauer von von Diamanten umgeben, die der Koͤnig mir geschenkt hat. Habt ihr sonst nichts bey erhalten? Ey freylich, so viel Liebe in Reimen, als jemals in einem ganzen Rieße Prosa ist ausgekramt worden, auf beyden Seiten beschrieben, Kuvert, Rand, alles, kaum noch Platz uͤbrig fuͤr das Siegel des Liebesgottes. Cupido in Siegelwachs. Wie er leichtfertig aussieht darinn! Jhr seyd ihm nicht gut, denn er bracht’ eure Schwester um. Waͤre sie leichtsinnig gewesen wie ihr, sie haͤtte koͤnnen Großmutter werden. Was ist deine finstere Meynung, du Maus! Meine Worte leuchten nicht, aber sie sind auch nicht leicht. Spielt Ball ein andermal. Aber was hast du denn, Rosaline! laß sehen. Waͤre mein Gesicht so schoͤn als eures, so wuͤrd’ auch mein Praͤsent so reich seyn. Jndessen vergleicht er mich hunderttausend beruͤhmten Schoͤnheiten, in Wahr- Wahrheit er hat mein Conterfey in dem Briefe gemacht. Wem gleichst du den? Den Buchstaben hier, nicht dem Sinn der Buchstaben. Wie viel Selbsterkenntniß! Und du Catharine, was hat Duͤmain dir geschenkt. Einen Handschuh gnaͤdige Frau. Was? nicht einmal ein Paar? Freylich doch, und viel Paar treuverliebte Reime obenein. Dieß und diese Schnur aͤchter Perlen schenkte mir Longaville, der Brief ist eine halbe Meile lang. Du wuͤnschtest die Schnur Perlen lieber so lang und den Brief desto kuͤr- zer, nicht? Wir sind doch recht undankbar, Maͤdchens! Und sie recht einfaͤltig. Wenn ich nur den Biron recht quaͤlen koͤnn- te, eh wir reisen. Jn einer Woche haͤtt ich ihn unter den Fuͤssen. Nimm dich nur selber in Acht, niemand wird leichter uͤbertoͤlpelt als der Witz, wenn er bis zu einer gewissen Hoͤhe steigt. Da gehn die Grenzen der Narrheit an. Junges Blut siedet so hoch nicht auf. Anm. uͤb. Theat. J Prin- O, die Narrheiten des Nar- ren sind beyweiten so gefaͤhrlich nicht, als die Narrheiten des Witzes, denn alle Kraͤf- te die er hat bietet er auf, seinen Rasereyen das Ansehen der Vernunft zu geben — da kommt Boyet, sehr lustig — Boyet. Jch waͤre bald gestorben fuͤr Lachen. Was bringst du? Ruͤstet euch Frauenzimmer! har- nischt euch! die Liebe droht eurer Ruhe, naͤ- hert sich euch verkleidt, bewafnet mit Kom- plimenten, denen nicht zu wiederstehen ist. Mustert euren Witz oder nehmt euren Kopf in die Hand und flieht. Heiliger Dyonis und heiliger Cupido steh uns bey. Haben sie sich die Brust mit Seufzern geladen, uns uͤbern Hauf- fen zu schiessen? rede Kundschafter. Jch lag unter jenem Maul- beerbaume, als ich mit schon halbgeschlosse- nen Augen auf einmal dem Schatten gegen- uͤber den Koͤnig und seine Eidgenossen selt- sam gekleidt erblickte. Jch schlich mich ins Gestraͤuch und horchte alles ab, was sie sich vornahmen euch zu sagen. Jhr Herold ist ein kleiner neckischer Page, der seine Ge- sandschaft nicht gar zu gut auswendig ge- lernt lernt hat. Sie lehrten ihn Aktion und Ac- cent und fuͤrchteten, eure Gegenwart werd ihn aus der Fassung setzen. Jst sie so haͤß- lich, fragt er, da fingen sie denn alle druͤ- ber an zu lachen, klopften ihn auf die Schul- ter, machten ihn bruͤstig mit Lobeserhebun- gen. Einer rieb sich die Ellenbogen und schwur, er haͤtte nie einen artigern Einfall gehoͤrt, der andre knallte mit den Fingern und schrie via wir wollen gehn, entsteh dar- aus was es wolle, der dritte drehte sich auf dem Zeh herum und fiel auf den Hintern, die andern alle fielen uͤber ihn her mit einem so eifrigen, anhaltenden, rasenden Gelaͤchter, daß es laͤcherlich waͤre wenn wir ihre Narr- heit noch ferner Leidenschaft schoͤlten. Aber wie denn? kommen sie zu uns? Ja freylich zu euch, und sind maskirt als Moskoviter, ihr Vorsatz ist euch zu intriguiren, mit euch zu kurtesiren, zu tanzen, kurz alle ihre Herzensangelegenheiten auf diese Weise in Richtigkeit zu bringen, ohne daß ihr wißt, wen ihr vor euch habt. Sie werden euch an ihren Presenten erkennen. Geschwinde wechseln wir um. Du Rosaline nimm das, und du das, sie sol- len haͤßlich ablaufen, jeder soll sein Herz in den Busen der unrechten ausschuͤtten, und nach der Maskerade, wie wollen wir lachen. J 2 Rosa- Sollen wir tanzen? so wer- den sie uns am Tanzen erkennen. Keinen Fuß bewegen wir, so bald ihr Herold ausgeredt hat, kehren wir ihnen den Ruͤcken. Geschwinde legt die Masken an — ich hoͤre ihre Trompete. ( Sie verschwinden einen Augenblik und erscheinen wieder mit Masken. ) Dritte Scene. Koͤnig. Biron. L ongaville. Duͤmain. Gefolge als Moskowiter. Mot vor- an mit Musik als Herold. Heil Gruppe! dir der allerschoͤn- sten Damen. Die jemals Sterblichen den Ruͤ- cken zugewandt. ( Die Damen kehren alle den Ruͤcken. ) Die Augen, Schurke, ihre Augen. Die Augen zugewandt. Voll — — voll — — Recht, voll hieß es, nur weiter. Voll Huld ihr Himmlischen, seht nicht zuruͤcke. Jetzt zuruͤcke, Bestie! Mit euren wonnereichen Au — — mit euren wonniglichen. Biron. Weiter!! Sie merken mich nicht einmal, das bringt mich aus dem Concept. Was wollen die Leute! Fragt sie Boyet, wenn sie anders unsere Sprache reden. Was wollt ihr von der Prin- zessin? Nichts, als Friede und gnaͤdiges Gehoͤr. Sagt ihnen, das haben sie schon, und so koͤnnen sie ihre Wege gehen. Wir haben manche Meile ge- messen, um in eure schoͤne Fußtapfen zu treten. Wie viel Zoll haͤlt eine Meile, wenn ihr sie gemessen habt? Wir haben sie mit beschwerli- chen Schritten gemessen. Wie viel beschwerliche Schritte haͤlt sie denn? Wir zehlen nichts was wir fuͤr euch aufwenden. Wuͤrdigt uns den Sonnen- schein eurer Gesichter sehen zu lassen, damit wir als Wilde ihn anbeten. Mein Gesicht ist nur ein Mond und hinter Wolken dazu. Geseegnet sey die Wolke die so gewuͤrdiget ward. Scheine herrlicher Mond auf die Thraͤnen unserer Augen. J 3 Ros. Wißt ihr um nichts bessers zu bit- ten, als daß der Mond in Pfuͤtzen scheinen soll. Wenn ich dreister reden darf, so fleh ich euch schoͤner Mond um nichts wei- ter als — nur einmal zu wechseln. Macht Musik, ich will mit euch tanzen, aufgespielt — nein, nein, ich tanze nicht. So wechselt der Mond. Wie denn? ihr wollt nicht mehr tanzen? Den Mond. — Wollt ihr immer noch Mond bleiben? Die Musik geht schon, auf, hur- tig, bewegt euch. Jhr auch. Nun weil ihr denn Fremde seyd und so weiten Wegs gekommen, so gebt mir denn eure Hand — aber ich tanze nicht. Grausame! warum nahmt ihr denn meine Hand. So wechselt der Mond — es ge- schah aus Hoͤflichkeit. Ach noch mehr Hoͤflichkeit ich beschwoͤre euch. Wir koͤnnen um den Preis nicht mehr geben. So bestimmt uns den Preis sel- ber. Womit koͤnnen wir eure Gesellschaft erkaufen? Rosal. Mit eurer Abwesenheit. Das kann nicht seyn. Und so Adieu! Zwey fuͤr euren He- rold, eins fuͤr euch. Wenn ihr nicht tanzen wollt, laßt uns wenigstens plaudern. Laͤdy mit der weissen Hand, ein suͤß Woͤrtgen mit euch. Honig, Milch, Zucker, da sind drey suͤsse Worte. Jch kann euch noch zwey Drey- er werfen Canarienseckt, Mandeln und Ma- kronen, das machen ein halb Dutzend. Und siebentens ein suͤsses Adieu. Jch mag nicht mit euch spielen, ihr kneipt die Wuͤrfel. Nur ein Wort ingeheim. Doch kein suͤsses — verscho- net mich. Jhr erhitzt mir die Galle. Galle, bitter. Also ein gut Wort, seht ihr ( reden heimlich. ) Wollt ihr geruhen ein Wort mit mir zu wechseln? Nennt es. Schoͤne Laͤdy! Schoͤner Lord! Gefaͤllt es euch heimlich mit mir zu reden? (heimlich) J 4 Cath. Wie nun? ist eure Maske ohne Zunge? Jch weiß die Ursach, warum ihr fragt. Warum? ich bitte euch. Jhr habt zwey Zungen unter eu- rer, und koͤnntet mich mit einer versorgen. Een Kalf, fragt der Niederlaͤn- der, heißt das nicht ein Kalb? Ein Kalb, schoͤne Laͤdy! Ein Lord, wenn ihr wollt. Laßt uns das Wort theilen. Nehmts ganz fuͤr euch und zieht es groß, es koͤnnte ein Ochs daraus werden. Huͤtet euch, daß euer scharfer Witz euch nicht selbst verwunde. Wollt ihr dem Kalb Hoͤrner geben, keusche Laͤdy! das werdt ihr nimmermehr thun. Bruͤllt dann leise, sonst hoͤrt euch der Metzger. Die Zunge spottender Maͤdchen ist schaͤrfer als die unsichtbare Ecke eines Scheermessers; sie haut Haare ab die das Auge selbst nicht wuͤrde entdeckt haben. Jhre Gedanken sind befluͤgelter als Pfeile, Wind und alles, was geschwind ist. Kein Wort weiter, meine Maͤd- chens, brecht ab! sie sind geschlagen. Beym Himmel, wir ziehen den kuͤrzern. Koͤnig. Lebt wohl, seltsame Schoͤnen! ihr habt einen langsamen Witz. Zwanzig lebe wohl, ihr frosti- gen Moskowiter! Lohnte das der Muͤhe, so weit herzukommen, um euren verrauchten Spiritus hier anzubringen. Blaue Flaͤmmlein, die euer Odem ausloͤschte. O wider ihren Verstand ist nichts einzuwenden, er ist groß, dick und fett. ( sie gehen ab. ) O Armuth an Witz! o duͤrf- tiges Koͤnigreich! Meynet ihr nicht, daß sie sich diese Nacht alle haͤngen muͤssen? Oder uns ihre Gesichter nie anders wieder weisen als in Larven? der nasenweise Biron! wie er die Nase haͤngen ließ. Sie waren alle in erbaͤrmlichen Zustande. Der Koͤnig haͤtte bald angefangen zu weinen. Biron schwur mir, er wisse mir nichts mehr zu antworten. Dumains Schwerdt war zu meinen Diensten, die Spitze ist abgebrochen, sagt ich, still war er. Longaville sagte, ich thaͤte sei- nem Herzen wehe. Und rathet, wie er mich nannte? Eine Uebelkeit. J 5 Rosa- Gesunderer Witz steckt oft in Narrenkappen. Der Koͤnig hat sich fast heischer geschworen. Und der lustige Biron redte von nichts als Flammen und Martern. Longaville war fuͤr meine Ketten geboren. Und Duͤmain klebt’ an mir, wie die Rinde am Baum. Hoͤrt mich Laͤdies! sie werden unverzuͤglich wieder in ihrer eigenen Ge- stalt hier erscheinen. Sagten Sie das? Bey Gott! sie zischelten sichs in die Ohren und sprangen fuͤr Freude, ob- schon sie lahm von euren Streichen sind. Darum so wechselt flugs eure Praͤsente wieder. Und gnaͤdige Frau! zehnmal aͤrgeres Spiel sollen sie haben, als vorhin unter ihren Masken. Wir wollen ihnen ganz unschuldig alles haarklein erzaͤhlen, was uns mit verkleideten Moskowitern hier begegnet waͤre. Recht so — da kommen sie — ( sie laufen in die Zelte. ) Koͤnig. Biron. Dumain. Longaville in ihren eignen Kleidern. Wo ist die Prinzeßin? Jch werde Ew. Majestaͤt ihr melden. Biron. Das ist ein Kerl, der pickt den Witz auf wie Tauben Erbsen, und giebt sie wieder von sich wie das Wetter darnach ist. Er ist des Witzes Troͤdler, und bringt seine Waaren in Bierschenken und Kirch- messen herrlich aus, derweile sie uns, die wir nur en gros verkaufen, im Kasten ver- derben. Er steckt die Weiber wie Steck- nadeln in seinen Ermel, Großmutter Eva waͤre vor ihm nicht sicher gewesen, er kann euch heimlich Briefe auf- und zuma- chen, eine halbe Stunde seine eigne Hand kuͤssen, indem er die Dame an der Hand haͤlt, wie eine Sonnenblume uͤberall her- um lachen, um seine Zaͤhne zu zeigen, die so weiß sind als Wallfischrippen, kurz, es ist ein scharmanter Mensch, sagen sie alle. Die Briefe auf- und zu- machen, das ist gar nicht zu verzeihen. Prinzeßin. Rosaline. Marie. Cathrine. Boyet. Gefolge. Wir kommen, Euch aufzuwar- ten, Durchlauchte Prinzeßin, und bieten Euch nun unsern Hof zur Wohnung an, wir haben Dispensation erhalten. Dieses Feld soll mich behal- ten, und ihr behaltet euren Eid unverletzt, weder Gott noch wir haben Gefallen an Meineid. Koͤnig. Die Tugend eures Auges brach meinen Schwur. Beschimpft die Tugend nicht so, sie wird nie einen Mann bewegen auch nur sein Wort zu brechen, geschweig einen Eid. Bey meiner jungfraͤulichen Ehre, die noch so lauter ist als die unbefleckte Lilie, fuͤr eine Welt von Martern wuͤrd ich mich nicht bewegen lassen, in euren Hof einzukehren, so sehr verabscheue ich, Ursache eines Eidbruchs zu werden. Jhr lebet hier zu sehr in Dunkelheit, ungesehn, unbesucht, unge- feyert, es ist meine Schande. O nein, mein Herr! ich ver- sichere euch, wir haben hier mancherley Zeitkuͤrzungen. Eben hat uns ein ganzer Zug Russen verlassen. Russen? Jn der That, rußische Stu- tzer! sehr praͤchtig gekleidet. Meine Fuͤrstin treibt die Hoͤflich- keit zu weit, es waren die plumpsten Ge- schoͤpfe, die ich auf dem Erdboden gesehen habe. Hier haben sie eine ganze Stunde gestanden, und kein einzig gescheidtes Wort hervorbringen koͤnnen. Narren moͤchte ich sie nicht nennen, denn ich habe unter der Kappe oft bessere Koͤpfe gefunden. Biron. Schoͤnes, angenehmes Fraͤu- lein, euer Witz koͤnnte Weisheit selber zur Narrheit machen. Das hellste Auge, wenn es das feurige Auge des Himmels gruͤsset, verliert sein Licht, bey eurem Reichthum scheint die Weisheit selber Thorheit, und der Reichthum Armuth. Warum nehmt ihr euch der Leute an? wollt ihr mir etwa beweisen, daß ihr weise und reich seyd? Jch bin ein Narr, und arm an Faͤhigkeit. Jhr nehmt zu schnell was euch gehoͤrt. Jch bin euer mit allem was ich besitze. Also mein Narr. Jch darf euch sonst nichts schenken. Wie sah die Maske aus, die ihr trugt? Was? wo? welche Maske? Hier denn — die das haͤßliche Gesicht verbarg. Wir sind verrathen, sie ma- chen uns zu schanden. Jch denke, wir gestehen lieber alles. Warum so erschrocken, mein Prinz? warum so still? Ros. Zu Huͤlfe! haltet ihm den Kopf, er wird ohnmaͤchtig, warum werdet ihr so bleich? Seekrank vermuthlich, es kann nicht anders seyn, da ihr von Moskau kommt. So schuͤtten die Sterne Plagen herab fuͤr unsern Meineid. O koͤnnte ein Gesicht von Erz dagegen aushalten? Hier steh ich, Laͤdy! schleudre Verachtung auf mich herab! zermalme mich mit deinem Spott! durchbohre mit deinem scharfen, all- zuscharfen Witz meine Unwissenheit, hau mich in Stuͤcken mit deinen Einfaͤllen, ver- wuͤnschen will ichs mit dir zu tanzen, ver- wuͤnschen meinen rußischen Bart, nie will ich mehr auf zugespitzte Worte mich verlas- sen, noch auf die Zunge eines Schulknaben, nie in Larven zu meinen Feinden gehen, noch in Reimen freyen wie ein blinder Harfenist. Taffetne Redensarten, seidne Worte, ich verschwoͤre euch itzt, bey diesem weißen Hand- schuh, (wie weis die Hand ist, das weiß Gott), von nun an will ich meine Sehn- sucht nicht anders ausdrucken, als durch ein ranhes Ja, durch ein ehrlich wollichtes Nein, und um den Anfang zu machen: Gott helf euch, Frauenzimmer! ich hab euch lieb. Aber antwortet mir nicht, ich kann euch nicht wieder antworten, mein Witz ist zum Ende. Koͤnig. Lehrt uns, theureste Prinzeßin! irgend eine Entschuldigung fuͤr unser grobes Vergehen. Die schoͤnste ist Gestaͤndniß. Wart ihr nicht eben hier und verkleidt? Ja Madam, ich war — Und kanntet uns vollkommen wohl? Vollkommen wohl. Was habt ihr eurer Dame zu- gefluͤstert? Daß ich sie mehr verehrte als die ganze Welt. Wenn sie euch bey eurem Wort fassen wollte, wuͤrdet ihr nicht zuruͤck ziehen? Bey allem, was heilig ist, nein. Jch bitt euch, hoͤrt auf, ich moͤcht euch nicht zum zweytenmal meineidig machen. Verachtet mich auf ewig — Stille doch — Rosaline, was fluͤsterte der Prinz dir ins Ohr. Daß er mich hoͤher schaͤtzte als die ganze Welt, und daß er mich heyrathen wollte, und wenn eine Welt zwischen uns laͤge. Gott geb euch Gluͤck mit ihr. Jch dieser Laͤdy das geschworen. Ros. Beym Himmel! ihr thatets, und zum Unterpfand gabt ihr mir dieß, wenn ihrs wieder haben wollt. Dieß, und meinen Eid gab ich der Prinzeßin, ich kannte sie an dieser juwe- lenen Brustschleife. Eben diese Brustschleife trug sie damals, und Lord Biron, dem ich sehr verbunden dafuͤr bin, ist mein Liebhaber. O gnaͤdigste Prinzeßin — ich merke alles, Lord Boyet hat uns unsern Spaß voraufgekauft, um ein Faßnachtspiel aus unserer Maskerade zu machen. Gesteht es nur, habt ihr nicht eben itzt Rosalinen auf den Fuß getreten, und in ihren Augapfel hinein gelacht, daß sie euch nicht verrathen sollte. Darauf haben sie die Praͤsente ver- wechselt — geht ihr habt unsern Pagen aus- gestochen, sterbt wenn es euch beliebt, und eine Dame sey euer Grab. Euer Witz nimmt wieder den Courier. Aber stolpert — (Costard kommt.) Willkommen Landwitz, du kommst mit mir wett zu rennen. O Lord, Herr! sie wollen nur wis- sen, ob die drey Helden herein kommen duͤrfen. Was, sind nur drey da? Nein Herr, es sind eben fuͤnfe, denn jedweder von ihnen stellt drey vor. Biron. Nu, und dreymal drey ist ja neun. Nicht so, Herr, mit eurer Er- laubniß, unser einer weiß auch was er weiß, ich hoff dreymal drey, Herr! — Jst nicht neune? Mit eurer Erlaubniß, Herr! wir wissen wie weit das traͤgt, ihr werdt uns das nicht weiß machen. Beym Jupiter, ich meynte drey- mal drey waͤre neune. O Lord Herr, es waͤr ein Elend wenn ihr euer Brod mit Rechnen verdie- nen muͤßtet. Wieviel macht es denn? Die Parten selbst, Herr! werden euch zeigen wie weit das traͤgt, fuͤr mei- nen Part ich bin, wie sie sagen, nur da vor einen Mann, einen einzigen armen Teufel, Pompius den großen, Herr! Du auch einer von den Helden? Sie sagen, daß ich Pompius der Große bin. Geh, laß sie herein kommen. Wir wollens sauber genug ma- chen, Herr! ( ab. ) Sie werden uns nur beschaͤ- men, Biron! weis’ sie ab. Wir sind schaamfrey, Ew. Ma- jestaͤt, es ist Politik wenn wir einem Spek- takel Platz machen, das ein wenig laͤcher- licher ist als unsers. Anm. uͤb. Theat. K Prin- Laßt sie kommen, mein Prinz! der Scherz gefaͤllt am sichersten, der nicht weiß, wie er dazu kommt. Wo der Witz kreißet, und doch unvermoͤgend, jemals zu befriedigen, mitten in den Geburtsschmer- zen stirbt, da macht die Beschaͤmung ihres Selbstvertrauens eine unnachahmlich drol- lichte Figur. Armado kommt. Gesalbtes Haupt, ich bitte um eine kurze Pause deines koͤniglichen Odems, fuͤr ein paar Worte die ich an- zubringen habe. Es geht alles gut, mein honigsuͤßer Monarch — ( redt heimlich mit ihm. ) Dient der Mann Gott? Warum fragt ihr? Er sieht nicht aus wie einer den Gott erschaffen hat. (Armado geht.) Das wird eine saubere Gruppe Helden geben, er macht Hektorn, der Bauer Pompejus den Großen, der Pfarr Alexandern, Armados Page Herku- les, und der Pedant Judas Makkabaͤus. Gelingen ihnen die vier, so ziehen sie an- dere Kleider an, und machen die uͤbrigen fuͤnfe. Wir wollen suchen sie irre zu machen. Costard tritt auf als Pompejus. Jch bin Pompius. Jhr luͤgt, das seyd ihr nicht. Cost. Jch, Pompius. Lieber ein Leopard. Jch Pompius, der dicke sonst gesagt. Der Große. Recht, es war groß, Herr! Der Große sonst gesagt. Der oft im Feld Mit Schwerdt und Schild Den Feind zu schwitz’n g’macht: Und reisend ist Auf dieser Kuͤst Komm hier von ungefaͤhr, Und leg mein’n Schild Zum Fuͤßen mild, Der schoͤnen Jungfer ’s Welschland daher. Wenn Jhr Gnaden Mamsell, mir itzt sa- gen will: großen Dank, Pompius! so waͤr itzt wohl mein Sach. gethan. Großen Dank, großer Pompejus. ( buͤckt sich laͤchelnd. ) Jch weiß nicht, ob mein Part so recht war, aber ich hoff doch ich macht’ es perfeckt. Einen kleinen Anstoß hab ich im Großen gemacht, aber ich hoff es hat nichts zu sagen. Nathanael kommt als Alexander. Als ich lebt’ in der Welt, be- herrschte mit einander Nord, Ost, West, Suͤd, und hab ver- breitet mein Gewalt. K 2 Mein Mein Schildlein zeiget aus, daß ich bin Alexander. Eure Nase sagt nein dazu. Eure Nase roch diesen scharfen Ritter nicht. Der Held ist erschrocken. Fahrt fort, guter Alexander. Als ich lebt in der Welt, be- herrschte mit einander — Jhr Alexander? Pompejus der große! Euer Knecht und Costard, zu euren Dienst. Husch ihn weg, den Alexan- der, schlepp ihn fort, den Eroberer. Es ist ja aber unser Herr Pfarr. Du hoͤrst, er sagt, er sey Alexander. So sollt ihr aus euren gemahl- ten Kleidern ausgekratzt werden. Ein Held und verschrocken zu sprechen? Pfuy schaͤmt euch. Er ist ein gut ehrlicher Gevatters- mann, mein Treu, ein recht braver Kegel- schieber, aber zum Alisander da schickt er sich wie Pauken zum Eseltreiben. Seht, da kommen die andern Parten, macht euch nur an die Seit, Herr Pfarr, ich versichere euch. Holofernes als Judas, Mot als Herkules. Dies zarte Reiß, den Herkles stellet dar Der Der mit der Keul erschlug den drey- gekoͤpften Canus, Und als er noch ein kleines Wuͤrmlein war Erdrosselte die Schlang in seiner klei- nen manus. Quoniam er zeiget sich noch minorena allhie, Ergo so tret ich auf mit der Apologie. Nun geh huͤbsch gerad ab, huͤbsch gerad. ( Mot ab. ) Jch Judas — Wie Judas — Nicht Jschariot, Herr — Jch Judas, hochberuͤhmter Makkabaͤer. Jch weiß von keinem andern Judas als — Ein kuͤssender Verraͤther. Jch Judas, hochberuͤhmter — Desto schlimmer, daß du dafuͤr bekannt bist. Was meynet ihr, Herr? Jch meyne, Judas muͤßte sich aufhaͤngen. I præ sequar, mein Herr. An was fuͤr einen Baum wer- det ihr euch haͤngen? Jhr werdt mich nicht aus meiner Fassung bringen. Weil ihr keine habt. K 3 Holof. Was ist denn dies? ( auf sei- Kopf zeigend. ) Der Kopf einer Zitter. Ein Stecknadelkopf. Ein Todtenkopf. Ein Kopf auf einer alten Muͤn- tze, die nicht mehr zu erkennen ist. Der Stoͤpsel eines Riechflaͤsch- gens. Sankt Georgens halbes Ge- sicht, auf einem Bratspies. Auf einem Bund Ruthen. Der Deckel einer Zahnstocher- dose — nun geh, wir haben dir die Fas- sung gegeben. Jhr habt mich aus meiner Fassung gebracht. Waͤrst du ein Loͤwe gewesen, du haͤttest mir heraus sollen. Da es aber ein Esel ist, so laßt ihn gehn. Adieu Judas, wornach stehst du? Nach der andern Haͤlfte seines Namens. Gebt sie ihm immer! fort Jschariot. Das ist nicht adelich, nicht großmuͤthig. Ein Licht dem Herrn Judas, die Treppe ist dunkel, er moͤchte den Hals brechen. Koͤnig. Es scheint, Biron thut sich heute was an Rache zu gut. Armado kommt als Hektor. Verhuͤlle dich, Achill, hier kommt Hektor in Waffen. Hektor war nur ein gemeiner Trojaner gegen ihn. Das Hektor. Jch denke, Hektor war so spuͤddig nicht. Sein Schenkel ist zu dick fuͤrn Hektor. Er hat gar zu starke Waden. Das kann unmoͤglich Hektor seyn. Wenn wirds ein Ende haben? Der Waffen starke Mars, in Lanzen der Allmaͤcht’ge Gab Hektorn ein Geschenk, Eine Haselnuß. Eine Tabatiere. Eine Melone. Der Waffen starke Mars in Lanzen der Allmaͤcht’ge Gab Hektorn ein Geschenk, dem Kron- prinz Jlions, Ein Mann so stark an Brust, daß er in dem Gefechte Oft Tag und Nacht befand sans recrea- tions Jch bin die edle Blum. K 4 Duͤm. Die Krausemuͤnze. Der Gaͤnserich. Werther Lord Longaville, hal- tet eure Zunge im Zaum. Hektor stolpert. Hektor ist ein Windspiel. Der angenehme Kriegsheld ist lang todt und verwest, o ihr meine wer- then Gewuͤrme, beißt seine Gebeine nicht. Doch ich will zur Sache, zu meiner Devise, Eure koͤniglichen Gnaden, goͤnnt mir euren Sinn des Gehoͤrs. Sprecht, guter Hektor, es macht uns viel Vergnuͤgen. Jch bethe Euer Gnaden Pantof- fel an. Der Hektor schoͤn bracht auch den Han- nibal Bracht ihn, bracht — bracht ihn zu Fall. Ja es ist wahr, Gevatter! ihr habt sie zu Fall gebracht, das Kind ist schon zwey Monath unterwegens. Was meynst du? Jch meyne, wenn ihr kein honet- ter Hektor seyd, so soll das Wetter nein schla- gen. Es ist schon zwey Monat daß sie bekennt. Willst du mich hier mitten unter den Potentaten zu schanden machen? du sollt sterben. Dann sollt ihr mein Seel den Staupbesen kriegen. Duͤm. Vortreflicher Pompejus. Ehrenvoller Pompejus. Groͤsser als groß, grosser, grosser, grosser Pompejus, Pompejus der ungeheure. Hektor zittert. Pompejus gluͤht! mehr Feuer, mehr Feuer. Hektor wird ihn herausfordern. Freylich sollt ers und wenn er nicht mehr Mannsblut in seinem ganzem Lei- be haͤtte, als eine Fliege satt damit zu machen. Beym Nordpol ich fordere dich heraus. Jch bitt euch, laßt mich meine Ruͤstung wieder anthun. Platz fuͤr die entzuͤndeten Helden. Jch will im Hemdefechten. Sehr herzhafter Pompejus. Herr ich bitt euch, laßt mich euch aufknoͤpfen, seht ihr nicht, Pompejus steht ohne Futteral da, ihr werdet eure Reputa- tion verlieren. Edle und Helden, verzeyht mir, ich werde nicht im Hemd streiten. Jhr koͤnnts nicht abschlagen, Pompejus hat die Ausfoderung gemacht. Angenehme Freunde! ich kann, will und werde. Was habt ihr fuͤr Ursachen? K 5 Armado. Die nackte Wahrheit ist, daß ich kein Hemd habe. Jch geh in Wolle zur Poͤnitenz. Letzte Scene. Makard tritt herein, einer aus der Prin- zeßin Gefolge. Willkommen Makard, scha- de daß du unser Vergnuͤgen so unterbrichst. Und die Zunge schwer von Neuigkeiten, gnaͤdige Frau. — Der Koͤnig euer Vater — ( springt auf ) Todt, so wahr ich lebe — Mein Auftrag ist verrichtet. Weg Helden! die Scene be- ginnt zu bewoͤlken. Was mich betrift, so hab ich das Licht der Ungerechtigkeit durch die Ritze der Klugheit wahrgenommen, und so will ich auf der verderbten Welt den Hektor nicht mehr prostituiren. ( die Helden ab ) Wie befindet sich Eure Hoheit. Boyet, mach Anstalten! noch diese Nacht. Nicht so, theureste Prinzeßin, wenn mein Bitten was vermag. Mach Anstalt! Jch dank euch ebelmuͤthige Herren, mit einem veraͤnderten betruͤb- betruͤbten Herzen zwar, euer geschmeidige Witz wolle unsern zu dreisten Widerstand ent- schuldigen. Haben wir uns zu kuͤhn gegen euch bezeigt, so war eure zu weitgetriebene Nachsicht schuld daran. Und so lebt wohl, theurester Prinz, ein betruͤbtes Herz verstat- tet keine weitlaͤuftige Sprache, verzeiht mir also wenn ich an Dank zu kurz komme, da ich die Ursache dazu so reichlich erhalten. Der aͤusserste Saum der Zeit lenkt oft alle Ursachen in der Geschwindigkeit zu einem Endzweck zusammen und oft ent- scheidet sie mitten in ihren schnellsten Fluge Sachen, welchen eine lange Bemuͤhung kei- nen Ausschlag geben konnte. Und ob- schon die traurende Stirn einer zaͤrtli- chen Wayse der Liebe ihre Schmeicheleyen untersagt: so wag ich es dennoch euch zu flehen, da einmal unter uns der heilige Handel der Liebe auf dem Tapet war, laßt die Wolken der Traurigkeit unser beydersei- tiges Ziel nicht ganz aus eurem Gesicht ent- ziehen. Es ist doch kein solcher Gewinn ver- lohrne Freunde zu beweinen, als sich mit neu erworbenen zu erfreuen. Jch versteh euch nicht. Jhr macht mir meinen Schmerz nur empfind- licher. Plane Worte durchdringen das Ohr des Schmerzens am behendesten. Hoͤrt mich an schoͤne Prinzeßin! Wir haben mit unsern unserm Gide gespielt, Laͤdies, eure Schoͤn- heit hat uns verunstaltet, allen unsern Vor- saͤtzen und Entschließungen eine andere Ge- stalt gegeben. Eure himmlischen Augen allein sind an unserer Verwandlung Ursach, unsere Verirrungen sind die eurigen, wenn ihr nicht mit uns helft sie zu einem guten Zweck zu leiten. Wir waren untreu gegen uns selbst, als wir meineydig wurden, um auf ewig benen treu zu bleiben, die bey- des aus uns gemacht, euch schoͤne Ladies. Und eben nur dadurch reinigt diese Falsch- heit, die sonst Suͤnde waͤre, sich selbst und wird zur Gnade. Jch gestehs wir haben eure Briefe, eure Geschenke voll Liebe empfan- gen, aber in unserm Maͤdchenkriegsrath al- les dieß fuͤr Galanterie, fuͤr Bombast und Unterfutter der Zeit und der Umstaͤnde er- klaͤrt. Unsere Briefe gnaͤdige Frau, zeigten etwas mehr als Scherz. So auch unsere Blicke. Wir haben sie so nicht verstan- den. O jetzt in der letzten Gunst der Zeit erklaͤrt euch. Eine viel zu kurze Zeit, mein Prinz! einen Handel auf die Ewigkeit zu schliessen. Ewr. Herrlichkeit ist meineydig worden, wenn Jhr aus Liebe zu mir (da ich doch doch noch zweifle ob ihr das Wort kennt) was unternehmen wollt, so sey es dieß. Keinen neuen Eid, behuͤte der Himmel, aber reiset ungesaͤumt in eine abgesonderte von allen Weltzerstreuungen nackte Einsiedeley, dort bleibt bis die zwoͤlf himmlischen Zeichen ih- ren Umlauf vollendet haben. Wenn dieß strenge geeinsamte Leben auch das Anerbie- ten das ihr mir jetzt in der Hitze eures Bluts gethan habt nicht leid macht, wenn Frost und Hunger, hartes Bett und duͤnne Kleider die buntfaͤrbige Bluͤthe eurer Liebe nicht abstreiffen, wenn sie diese Probe aus- haͤlt und noch immer Liebe bleibt, dann nach Verlauf dieses Jahres komm — und, bey dieser jungfraͤulichen Hand, die ich jetzt in die deinige schlage — dann will ich die Deinige seyn. Bis dahin soll mein weh- muͤthiges Selbst in ein Trauerhaus ver- schlossen, die Thraͤnen des Wehklagens auf das Andenken meines geliebten Vaters her- abregnen. Schlaͤgst du mir aber diese For- derung ab, so reiß deine Hand los aus mei- ner und laß unsre Herzen sich fremde werden. Wenn ich dieß und noch mehr als dieß abzuschlagen faͤhig waͤre, so sollte die schnelle Hand des Todes lieber gleich meine Augen zudruͤcken. Geh also nur fort von uns, Theure — mein Herz bleibt in dei- ner Brust. Biron. Und was fuͤr mich, meine Lie- be, was fuͤr mich? Auch ihr muͤßt durchs Feg- feuer, eure Suͤnden sind wie uͤppig Unkraut Betrug und Meineyd sind euch zu Kopf ge- wachsen, daher, wollt ihr mich verdienen, so muͤßt ihr zwoͤlf Monat im Hospital zubringen. Und was fuͤr mich. Einen Bart, eine Frau und gu- te Gesundheit. O erlaubet mir meine Danksa- gung.— Nicht so, mein Heer! zwoͤlf Mo- nath und einen Tag sollt ihr euch den Bart wachsen lassen. Kommt alsdenn mit dem Koͤnig, so will ich sehen was ich fuͤr euch thun kann. Und was sagt Maria. Zwoͤlf Monath Trauer. Ach, aber die Zeit ist so lang. Desto besser schickt sichs fuͤr euch, langer Herr. Woruͤber denkt meine Laͤdy? Seht mich an, guckt hinein zum Fenster mei- nes Herzens, mit welcher Bereitwilligkeit es eure Erklaͤrung erwartet. Mein Lord Biron! ich habe viel von euch gehoͤrt eh ich euch sah, euer Ruf gab euch fuͤr einen Mann voll sinnrei- cher Einfaͤlle und verwundender Stichelreden, die ihr auf alles ohne Unterschied abschoͤsset was was innerhalb den Grenzen eurer Faͤhigkeit laͤge. Diesen Wermuth aus eurem sonft fruchtbaren Hirn auszurotten, und zugleich um mich zu gewinnen, wenn euch das letzte angelegen seyn kann, sollt ihr zwoͤlf Mona- te Tag fuͤr Tag die sprachlosen Kranken des Hospitals besuchen, da die ganze Energie eu- res Witzes aufbieten, diese trostlosen Elende laͤcheln zn machen. Froͤliches Gelaͤchter in der Gur- gel des Todes intoniren? Es ist unmoͤglich, Laͤdy! Scherz kann keine agonisirende See- le bewegen. Desto besser, so ist dieß das sicherste Mittel einen stechenden nesselartigen Geist zu ersticken, der von der zu leichtsinni- gen Gunst erzogen ward, womit seichte Zu- hoͤrer eure Schwaͤnke aufgenommen. Das Gluͤck eines Scherzes liegt in dem Ohr das ihn hoͤrt, nicht in der Zunge so ihn ausspricht. Also wenn kranke Ohren betaͤubt, von dem klaͤglichen Schall ihrer eigenen Seufzer und ihres Geaͤchzes euch willig anhoͤren, so fahrt fort darin, und ich will euch mit samt eurem Fehler heyrathen, aber ist das nicht so fort mit dem Geist, und ich werde vergnuͤgt seyn, euch einen Pfund leichter an Witz zu bekom- men aber mit einem bessern Herzen. Zwoͤlf Monath? sey es! was thut man nicht, so viel zu gewinnen, ich will zwoͤlf Monath im Hospital scherzen. Prinzes. Und so mein Prinz! nehm’ ich meinen Abschied. Nein Madame! wir werden euch begleiten. Unsere Freyde endigt wenigstens nicht wie eine Komoͤdie, Hans heyrathet nicht Grethen — so aͤhnlich auch alles sonst einer Komoͤdie sah. Es fehlen nur noch zwoͤlf Mo- nath und ein Tag dran, so wirds eine. Das ist zu lang fuͤr ein Schau- spiel.