P hilipp J acob S peners/ D. T heologische B edencken Und andere B rieffliche A ntworten auff geistliche/ sonderlich zur erbauung gerichtete materien zu unterschiedenen zeiten auffgesetzt/ und auff langwihriges anhalten Christlicher freunde in einige ordnung gebracht und heraußgegeben. D ritter T heil/ W orinnen sonderlich vieles dessen/ was in den nechsten 30. jahren in der kirchen vorgegangen ist/ und zum theil des autoris person und amt betroffen hat/ vorkommt. Mit Koͤnigl. Polnischer und Preuß. auch Churfl. Saͤchs. und Brandenb. Freyheit. HALLE/ in verlegung des Waͤysen-Hauses / 1702. Dem Christlichen leser/ Wuͤnsche von dem Allerhoͤchsten das liecht/ seinen willen in allem zuerkennen/ alles zu pruͤffen und das beste zu behalten. W As von dem II. theil in der vorrede gemeldet/ daß damal alles noch in densel- bigen zu bringen und das werck zu schliessen gedacht/ aber zu einem III. theil mich entschliessen muͤssen/ habe dißmahl auch zuwie- derholen/ daß nemlich die hoffnung wiederum ge- habt/ mit bevorstehender jetziger meß den rest des wercks in den 2. uͤbrigen capiteln herauß zubringen: und zwahr habe ich/ als viel die amts-geschaͤfften und zustand meines alters zugegeben/ nicht unterlassen/ die arbeit zubefordern; es haben sich aber so wol immer der papier mehrere gefunden/ und die revision mehr zeit erfordert/ daß in dem Julio und Augusto erst das meiste nach Halle senden koͤnnen; da nicht wol muͤglich war/ auff a 2 die die meß mit dem druck fertig zu werden. Daher mir den vor- sch ag nicht mißlieben lassen/ lieber aus den beiden noch resti- ren den capiteln zwey theil zu machen/ als die meß zuversaͤu- men. Daher in GOTTES nahmen diesesmal den III. theil außgeben allein aus c. VI. bestehende. Es fasset aber dassel- bige in sich/ nicht allein was meine eigne sachen/ beruffungen/ collegium, pia desideria und dergleichen angehet/ sondern auch unterschiedliche nachrichten von vielen dingen/ welche in- ner 30. jahren in unserer kirchen vorgegangen/ worinnen entweder selbs etlichermassen mit eingeflochten worden/ oder sie/ theils mit freuden/ theils betruͤbnuͤß/ angesehen habe. Jch habe aber das capitel abgetheilet in 3. articulos nach den dreyen orten/ an denen GOTT in offentlichem amt gedienet/ Franckfurt am Mayn/ Dreßden und alhier: Dann was den ersten ort anlangt/ Straßburg/ da auch vierdthalb jahr im predigtamt gestanden/ habe so wol wenig wichtige brieffe damal annoch geschrieben/ als auch wo dergleichen geschehen/ keine copien darvon behalten: welches auch die ursache zimlicher massen ist/ warum von den ersten jahren des Franckfurti- schen dienstes wenige erscheinen. Articulus I. die Franckfur- tische zeit angehende wird in 4. distinctiones getheilet/ nach der folge der jahre. I. von 1666. biß 1676. II. 1677. 8. 9. III. 1680. 1681. IV. 1682. biß 1685. Die ander beyde articuli, mein ver- bleiben in Dreßden und alhier in sich fassende/ haben keine an- dre distiuctiones, als jeder seine sectiones. Es sind aber alle ant- worten nach der zeit und datis gesetzt/ so in den andern capi- teln anders gehalten worden/ in diesem aber sich nicht fuͤg- lich anders schicken wollen. Es ist aber daher geschehen/ daß da einige copien das jahr oder auch tag nicht angezeichnet ge- habt/ ich allein nach vermuthung gehen muͤssen: so dann wird fast einerley in mehrern brieffen/ zu weilen wiederholet/ welches einigen lesern verdruß erwecken mag/ die ich aber um gedult bitte/ dabey doch hoffende/ daß sich einige nicht eben daruͤber beschwehren werden. Jm Jm uͤbrigen versehe mich/ was meine dinge betrifft/ werde der geneigte leser leicht finden. 1. Daß ich mich an allen 3. orten (wie zwar auch an den ersten zu Straßburg) eines unzweiffenlich goͤttlichen beruffs habe getroͤsten/ da- her worzu mich GOTT in denselben gelegenheit des guten gezeiget/ in demselben vertrauen getrost alles angreiffen/ und mich dabey des segens und schutzes von oben unzweif- fenlich versichern koͤnnen: welches ich nicht vermocht/ wo mir nur ein einiger scrupul bey einigem beruff uͤbrig geblie- ben/ und ich active darinnen concurriret haͤtte. 2. Daß mir vor allen angelegen gewesen/ nechst dem grund der rechtfertigung den fleiß der heiligung/ und also den lebendigen thaͤtigen glauben (der allein solches nahmens wuͤrdig ist) zu treiben: sonderlich hats durch GOTTES gnade die erste starcke bewegung gegeben anno 1669. auff den 6. Sonntag nach Trinit. als ich die falsche und ungnug- same gerechtigkeit der Phariseer bestraffte/ und wie sich der- gleichen noch viele bey uns befinde darstellete. Von solcher predigt/ die auch darnach gedruckt worden/ mag ich des HERREN krafft ruͤhmen/ die sich darbey erzeiget/ daß sie insgemein fast allen durchs hertz gegangen/ ob wol mit doppelten und widrigen außgang (wie Apost. Gesch. 2/37. und 7/54.) in dem einige solcher anklopffenden wahrheit sich also widersetzten/ daß sie sich nimmer in meine predigten (weil sie nemlich in ihrer sicherheit sich sehr gestoͤhrt fuͤhleten) zu kommen/ verlauten liessen; andre hingegen in einen hei- ligen schrecken gesetzt und ihres unerkanten heuchelwe- sens uͤberzeugt zu ernstlicher buß auffgewecket wurden/ auch darauff nach dem rechtschtschaffenen wesen in Christo JEsu zu trachten sich beflissen. 3. Von solcher zeit fuhr immer fort/ neben der reinen lehr von der gnaͤdigen rechtfertigung/ wie sie ohne alle ab- sicht auff einige werck allein aus den glauben geschehe/ vor- nehmlich das falsche vertrauen auff einen todten und mund- a 3 glaͤu- glauben (dardurch so viele tausend verlohren gehen) am kraͤfftigsten anzugreiffen/ und die so nothwendig-als muͤg- lichkeit des thaͤtigen Christenthums (unter welchem titul auch 1677. einen sonderbaren jahrgang gehalten) folglich die ernstliche innere heiligung und gottseligkeit zu treiben. 4. Hiezu kam/ daß 1670. dem verlangen einiger Christ- licher freunde ein gnuͤge zuthun/ meine gewisse hauß-uͤbung oder so genantes collegium pietatis anstellete/ von dessen ab- sicht und art in meinem schreiben an einen außlandischen Theologum ausfuͤhrlich gehandelt/ und in diesen brieffen mehrere nachricht darvon zu finden/ daher etwas ferner darvon hier zu melden nicht noͤthig ist. 5. Da nun die krafft goͤttlichen worts in den predigten/ darinnen auch meine treue Collegæ ihres orts meine gute ab- sicht secundirten / auch catecheti schen examinibus, in vielen hertzen viel gewuͤrcket/ auch die gelegenheit des collegii zu einiger begiessung des gepflantzten/ sonderlich aber zu stiff- tung genauerer freundschafft unter ihre erbauung suchen- den seelen/ gedienet/ wuchs das werck des HERREN in Franckfurt durch dessen segen erfreulich/ und zeigte sich eine zimliche zahl von leuten beiderley geschlechts/ die sich ihr Chri- stenthum ernstlicher als sonsten liessen angelegen seyen/ die welt und sich selbs zu verleugnen mit vielem eyffer trachte- ten/ und andern mit dem exempel vorleuchteten. 6. Da konte es nicht anders geschehen/ als daß der Teuͤf- fel/ der seines reiches abbruch und schaden sahe/ aber noch mehrern forchte/ alle seine krafft anwendete/ den guten an- fang zu stoͤhren/ daher er seine gewoͤhnliche kuͤnste brauchte mit luͤgen und laͤsterung; dann da wurden wahre und von der gantzen Evangelischen kirchen erkante lehren verdrehet und mit verdacht beleget/ falsche dinge/ daran auch nicht ein schein des wahren gewesen/ von unschuldigen leuten ausge- sprengt/ andere dinge die geschehen und nicht unrecht waren/ schendlich verkehret/ einiger guter aber unverstaͤndiger leu- te fehler auff das aͤusserste auffgemutzt/ und alles dahin ge- rich- richtet/ daß ja der gute anfang in Franckfurt jederman ver- daͤchtig und verhast gemacht werden moͤchte. Als 7. ich 1675. meine vorrede uͤber Arndii Postill erst- lich vor dem Buch stehend/ nachmal allein unter dem nah- men piorum desideriorum, heraus gegeben/ entstunde eine fast grosse bewegung. Sehr viele vornehme so Theologi als Politici, denen ich das wercklein geschickt/ bezeugten ihre bey- pflichtung/ offt mit solchem lob/ dessen mich noch nicht anneh- men kan/ zum theil trugen auch das ihrige bey/ oder versuch- ten/ was sich ihres orts practiciren liesse/ und wiese sich fast insgemein bey allen/ die es mit dem werck GOttes treulich meinten/ eine ungemeine auffweckung. Hingegen liesse sich bey andern/ die etwa zum theil meinten/ die gefuͤhrte kla- gen traͤffen sie mit/ oder beschaͤmten sie/ unwillen spuͤhren/ und ob wol keiner das hertz nahm/ offentlich etwas dagegen zu thun/ so murreten sie doch daruͤber/ und weil sie sorgten/ was in Franckfurt angefangen/ werde sich auch anderwerts/ das ihnen nicht lieb waͤre/ ausbreiten/ trachteten sie unter der hand sich nach muͤglichkeit zuwidersetzen. Jndessen je mehr die gemuͤther in dem eyffer des guten/ andere in dessen haß/ zunahmen/ und was vorhin inner den mauren zu Fꝛanckfurt odeꝛ doch nachbarschafft geblieben/ sich weiteꝛ aus- breitete/ so viel mehrten sich auch die vorige laͤsterungen/ und breiteten sich ebenfals immer weiter aus/ daß 1677. in meinem sendschreiben an einem auswertigen Theologum solche abzulehnen veranlasset wurde: welches schreiben so- wol als die pia desideria nicht ohne segen geblieben sind. 8. Als aber der S. Herr Cammer-Rath Kriegsmañ seine Symphonesin Christianam 1678. edirt, erweckte so bald nicht allein ein benachtbarter Theologus dasigen hoff dage- gen/ und veranlaste vieles das gute zu hindern/ sondern es fing nun an von der materie der eintzeln zusammen kuͤnfften der Christen in offentlichen mehr disputiret zu werden: da vorhin mein gehaltenes collegium zwar immer scheel von manchen angesehen wurde/ aber sich keiner unterstanden/ das selbige offentlich anzugreiffen. 9. Der 9. Der erste/ der an mir mit offentlicher schrifft zum Ritter zu werden getrachtet/ war Georg Conrad Dilfeld Diac. zu Nordhausen/ der seine Theosophiam Horbio Spe- nerianam zu ende 1679. heraus liesse/ ich aber gleich die nech- ste meß mit meiner allgemeinen GOttes gelehrtheit also ant- wortete/ daß der gute mann/ ob er wol etwas sich weiter un- terstehen wollen/ doch nicht auffzukommen vermocht. 10. Damit fingen die laͤsterungen zimlich an sich zu legen/ weil was nur ein wenig unpartheyische leute waꝛen/ je mehr und mehr den ungrund der beschuldigung oder ver- dachts falscher lehr erkanten/ auch andere ausgesprengte un- wahrheiten sich algemach selbs widerlegten: indessen gescha- he/ daß aus GOttes verhaͤngnuͤß eine andere gefahrlichere hindernuͤß sich hervor that/ wann einige der besten seelen/ die andern bißdahin nicht wenig fuͤrgeleuchtet/ sich den eyffer uͤber das gemeine verderben/ das vor augen lige/ so weit ein- nehmen liessen/ daß sie mit der offentlichen gemeinde/ weil so viele/ die sie vor gewiß unwuͤrdig glaͤubten/ zu communi- ciren, auß forcht/ dadurch in ihre gemeinschafft zu kommen/ sich ein gewissen machten/ daher dem gebrauch des heiligen abendmals/ ja auch zum theil zimlicher massen der offentli- chen versamlungen sich entzogen: woraus noch mehrere un- oꝛdnungen entstanden. Dieses ungluͤck/ dem mich zwaꝛ mit of- fentlichen schrifften und predigten/ auch besondern hertzlichen zuspruͤchen/ nach vermoͤgẽ widersetzt habe/ war das jenige/ das den schoͤnen wachsthum des guten in Franckfurt/ den der Sa- tan durch offenbahre feinde/ laͤsterung und allerhand zuge- fuͤgtes leiden nicht hintertreiben hatte koͤnnen/ gleichsam auff einmal also niderschlug/ daß die gantze zeit meines noch daseyens es wieder in vorigen gesegneten zustand zu bringen nicht vermocht habe. Dieses ist der kurtzeste begriff dessen/ was in Franckfurt mich angehend vorgangen/ daß theils ein liecht vielen schreiben/ die art. 1. vorkommen/ geben/ theils daraus empfangen wird: Darauß ich hoffe/ jedem Christ- lichen und der wahrheit begierigen leser werde offenbahr wer- werden: daß 1. ich niemal in einem puͤnctlein von unsrer kir- chen glaubens-lehr/ wedeꝛ in oͤffentlichen schrifften noch brief- fen abgewichen. 2. Daß auff die nach der rechtfertigung gewiß folgende heiligung/ und wie kein anderer als der le- bendige thaͤtige der wahre glaube seye/ das meiste getrieben habe/ und auch von andern offentlichen und absonderlich kaum etwas mehr gehandelt worden: daher aller lermen uͤber diese unzweifflich goͤttliche wahrheit entstanden ist. Darzu 3. gekommen/ die nicht weniger goͤttliche wahrheit/ daß wie zu dem Studio Theologico und demnach einem rechtschaffenen Theologo, also auch einem wahren Christen/ und der seligmachenden erkaͤntnuͤß/ nicht gnug seye ein buchstaͤbliches wissen/ sondern die erleuchtung des heiligen Geistes nothwendig erfordert werde. 4. Daß ich mich auch den entstandenen unordnungen nach vermoͤgen/ und wie ich fand thunlich zu seyen (weil sie sonsten durch gewalt und hefftigkeit vielmehr vermehret als abgethan werden) widersetzt/ also nicht theil daran genommen. 5. Daß zwar von vielen/ die unsre kirche selbs hefftiger angreiffen wol- ten/ und auch an dero lehr sich machten/ solicitiret worden/ meinen eyffer auch dahin zuwenden/ nur alles nieder zu- reissen/ aber ihnen nie gewichen seye/ sondern muͤndlich und schꝛifftlich widerstanden/ daher auch bey solchem theil/ weil die mittelstraße beliebte/ keinen danck verdienet. Wei- len aber 6. nach allen diesem/ damein nahme bereits in gantz Teutschland durch boͤse geruͤchte und gute geruͤchte bekant war worden/ das Hochpreißliche Ober Consistori- um in Dreßden mich S. Churf. Durchl. zu Sachsen zu dero wichtigen Ober-Hoffprediger stelle angelegenlich vor- geschlagen/ und da dessen gemuͤth ohne das nicht von mir entfremdet gewesen/ die erfolgte vocation veranlasset/ so folget/ daß dasselbe alles vor passirte gnugsam untersucht/ und meine unschuld in lehr/ consiliis und leben erkant/ auch b die die uͤbrige Churfuͤrstliche Theologi, die nichts gegen mich eingewandt/ sondern mit bezeugung der freude und gratula- tion mich auffgenommen/ mich vor richtig befunden haben muͤsten. Welches mir noch vor jetzige zeit ein kraͤfftiges zeugnuͤß geben kan/ da meine lehr/ consilia und leben sich nicht geaͤndert/ sondern noch finden wie sie in Franckfurt ge- wesen und doch die probe unter so vielen widerspruͤchen aus- gehalten haben. Daruͤber ich des HERREN guͤte prei- se. Von Artic. II. und III. finde nicht noͤthig etwas hiezu erinnern/ als insgemein/ daß daraus erhellen werde/ wie immerfort den zustand unserer zeiten insgemein/ und wo ab- sonderliche stuͤcke vorgekommen/ angesehen/ beseuffzet/ und meine gedancken vorgestellet habe; sonderlich weil so viel aus den jenigen/ was 1689. zu Leipzig angefangen/ entstanden ist/ daraus die feinde der gottseligkeit eine sonderbare secte des Pietismi gemacht/ und damit unwiederbringlichere aͤrger- nuͤß gestifftet haben/ koͤnnen vor allen andern art. II. sect. 31. 32. die beyde auff gnaͤdigsten befehl aus den gesamten actis unterthaͤnigst abgefaste relationen und gutachten darzu die- nen/ um zu sehen/ wie so gantz ungegruͤndet die erste beschul- digungen gewesen/ und daraus zuschliessen/ was auch von andern vorgeben zu glauben; insgesamt ists eine anzei- gung einer guten sache/ und die von GOTT herkomme/ wann sich der Satan dagegen hefftig setzet/ dieser aber ver- raͤth sich an seinen wercken und eigenen waffen (dero sich der heilige Geist nimmer brauchet) nemlich neid/ hadder/ laͤ- sterung/ boͤser argwohn/ schulgezaͤnck. 1. Tim. 6/ 4. 5. Wo sich also diese hervorthun/ schliesset man leicht/ wer da- hinter stecken muͤsse/ und hat mans bißdaher gnug erfah- ren. Es seye aber darmit gnug. Nun habe noch einiges zu bemercken/ daß viele dar vor- vorhalten werden/ ein guter theil der bedencken/ weil sie von gewissen materien/ die in den vorigen capiteln vorgekom- men handeln/ haͤtten mit mehrerem recht in dieselbe mit ge- bracht/ oder in die paralipomena c. VII. rerspahret/ hier a- ber nur gleichsam/ was zur historie gehoͤret/ gelesen wer- den sollen. Jch will auch von vielen nicht in abrede seyen/ daß sie sich an andern stellen nicht uͤbel geschickt: es sind mir aber viele erst in die haͤnde gefallen/ da jene bereits verfertigt gewesen/ so habe in diesen antworten/ die ohne das nicht an einander haͤngen/ an einer genauen ordnung vieles gelegen zu seyen/ eben nicht davoꝛ gehalten/ sonderlich weil an dero stelle ein register/ so angehenget werden solle/ dem besser zu statten kommen und jenen mangel ersetzen kan: so schicken sich auch viele materien/ ob sie wol auch anderswo ihre beson- dere stellen haben koͤnten/ in dieses capitel in die ordnung der zeit/ zu sehen/ was jedesmal vorgegangen. Es solle sich auch keiner daran stossen/ wie ich in diesem von dem in den uͤbrigen capiteln behaltenen vorsatz/ die nah- men der freunde/ an die sie geschrieben/ außzulassen/ abge- wichen bin/ und etliche mal dieselbige außgedruckt habe: in dem solches nie anders geschehen/ als wo solche aus druckung noͤthig gehalten/ und zwar insgemein allein bey bereits verstorbenen/ denen dahero kein verdruß oder nachtheil ent- stehen kan/ da sonst die liebe verletzet wuͤrde. Hiemit hat also der Christliche leser/ was etwa noch zum vorbericht dienlich geglaubet/ das letzte capitel oder IV. theil aber in kurtzen samt dem register zu erwar- ten. Der himmlische Vater lasse auch diese arbeit nicht ver- gebens seyen/ und da sie meistens betruͤbte materien begreifft/ und einen elenden zustand unsrer kirchen vorstellet/ ruͤhre er dadurch die hertzen zu inniglichen erbarmen uͤber dieselbe/ und zum verlangen nach ihrer besserung/ auch daran/ auffs we- wenigste mit unablaͤßigem gebet/ zu arbeiten/ sonderlich aber die etwa an andern gezeigte steine des anstosses Christ-kluͤg- lich zu vermeiden: Er trete aber selbs bald in das mittel/ und was menschen zurecht zu bringen nicht vermoͤgen/ ja offt wann sie es bessern wollen/ nur mehr verderben/ richte Er aus/ und wehre nach seiner krafft und weißheit dem auffs hoͤchste gestiegenen verderben durch endliche erfuͤllung seiner so herrlichen verheissungen um seines liebsten Sohnes un- sers Heylands JEsu willen Amen. Berlin den 19. Sept. 1701. Das VI. Capitel. Von dingen die meine Person und verrichtungen angehen/ auch allerhand bege- benheiten und zustand unserer kirchen zu meiner zeit. ARTIC . I. Was in die zeit meines in Franckfurth am Mayn getragenen amts einlauffet. DISTINCT. I. Von Anno 1666 biß 1676. SECTIO 1. A Ntwort-schreiben an Herrn Philipp Schultzen Ictum, als mir wegen der statt Franckfurt das Seniorat des Ministerii aufgetragen. 2. Die andere antwort an eben denselbigen. 3. An den Magistrat zu Straßburg/ als von der statt Franckfurth meinetwe- gen an solchen geschrieben/ und darauff von mir meine erklaͤhrung verlanget worden. 4. An die Herren Scholarchen zu Franckfurth wegen annehmung der vocation. 5. Antwort an die statt Franckfurth am Mayn auff die vocation. 6. Antwort-schreiben des Ministerii zu Franckfurth am Mayn an den rath zu Er- furt wegen Johann Melchior Stengers schrifften. 7. Des gedachten Ministerii censur uͤber gedachte 2. Stengerische schrifften. 8. Von einem vorschlag einer heiligen liebes-gesellschafft. 9. Einige schreiben an einer adelichen jungfrau. A (1. Uber Das sechste Capitel. (1. Uber verlangen nach christlichen freunden in der abwesenheit. Wor- an es nirgend mangele. Wunsch und gebeth vor einander. 10. (2. Schwesternahme. Neujahrs wunsch. Mangel nicht an der lehr sondern leben. Vortheil wo man noch die wahre religion uͤbrig hat. Was zuthun/ wo man meistens boͤse exempel um sich hat. Ob Ap. Gesch. 19/ 5. eine wie- dertauff gelehret werde. 11. (3. Vater- und schwester-nahm. Titul/ worinnen gemeinem gebrauch zuwei- chen. Gemeines verderben. Falsche regeln der welt. Streit uͤber sonn- tags feyer. Wann brod und wein im heiligen abendmahl der leib und blut Christi seyen. Auffmunterung einer Prinzeßin. Absterben eines toͤchter- leins. 12. (4. Einer Princeßin bestaͤndigkeit im guten. Meine arbeit im genealogi- schen studiis. Verlangen und nutzen der einsamkeit. Anfechtung eigener ehre. Solche suͤnde stirbt zuletzt. 13. (5. Von niessung der unwuͤrdigen im heiligen abendmahl. Einer Princeßin bestaͤndigkeit. Trost uͤber den todt eines toͤchterleins. Geburth eines soͤhn- leins. Gefahr unsrer zeiten. Gehaltene bußtage. Wegen der heuchel- busse. 14. (6. Gegenwaͤrtiger zeit jammer. Franckfurtischer bußtag. Zustand einer Princeßin. Abschied einer schwehr angesochtenen. Neujahrs-wunsch. 15. (7. Bußpredigten. Viel heuchel-bußtage. Unerkaͤntnuͤß unsrer gefahr. Ob fasten Papistisch. Noͤtige gedult mit der bruͤder schwachheit. Gelassen- heit laͤnger zu leben oder zusterben. Der Princeßin bestaͤndigkeit. Ob bes- ser in oder ausser gefahr zu leben. 16. (8. Als dieselbige einen prediger heurathen solte. Uberlegung des gantzen ge- schaͤffts. Ob der ehe oder ledige stand vorzuziehen? Ubergebung der zweif- felhafften sachen in freunde ausschlag. Mein verfahren in der vocation von Straßburg nach Franckfurth. 17. (9. Als der vorgeweßte heurath zuruͤckgienge. GOttes wunderbare fuͤhrung der seinigen/ ihren glauben und gedult zuuͤben. Das exempel von mir in dem beruff nach und von Straßburg. 18. (10. Gelassenheit in goͤttlichen willen. Buͤchlein D. Kortholts von den ver- folgten ersten Christen. Goͤttliche krafft zu solcher zeit. Gefahr der un- sern. Roͤmisches und staͤtes Evangelisches jubel jahr. Neujahrs wunsch. Kuͤnfftige hoffnung nahen fruͤhlings Maria Juliana Baurin von Eise- neck 19. Die goͤttliche gerichte der kriege. 20. Crameri Ehren-stand der kinder GOttes. Vorzug des Evangelii/ auch des- ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO I. dessen mißbrauch. Franckfurtischer zustand. Mein hauß- collegium. Kin- derlehr und catechismus examen. 21. Von den besondern versamlungen. 22. Von der in Schweinfurth angefangenen Christlichen uͤbung und zusammen- kunfft. Auch von art der Franckfurtischen collegiorum. 23. Von der praxi piorum desideriorum. Nicht erst auff allgemeine anstal- ten zuwarten/ sondern in jeglichen gemeinden anzuheben. Was von einem general synodo aller religionen zuhalten. 24. Von unterschiedlichen materien. Vom Catechismo. Selbs-liebe. Ob Christus eine fehlbitte gethan? Klagen uͤber unser zeiten. Academi sche studia machen nicht alles aus. Arnd. 25. Als ein guter freund in Franckfurt etwas ausgeben wolte/ das verdacht irriger lehre erwecken koͤnte. Von der dolmetschung Lutheri. Verheissung der alten im Alten Testament rechtfertigung. Treue warnung/ nicht durch fal- sche lehre oder dero schein dem wercke des HErren anstoß zu setzen. Der daraus entstehende schade. 26. Wie GOTT der seinigen mund und feder regiere. Von meinem zustand in Franckfurt am Mayn. Ob Christus eine fehlbitte gethan? Sonn- taͤgliche Evangelia. 27. Pia Desideria und dero praxis. Betkii schrifften. 28. Wegen der piorum desideriorum und was vor succeß zu hoffen. 29. Von piis desideriis und vielem beyfall. Kleine Antichristen ohne dem Papst. Christi gab und exempel nicht zu trennen. Oeffentliche refor- mation itzt nicht zu hoffen. Ecclesiolas in ecclesiis zupflantzen/ der beste modus und anfang zu mehrerem. 30. Von der lehre des Evangelii. Von der berits geschenckten seligkeit. Wie ne- ben der lehre von dem gerechtmachenden glauben auff dessen fruͤchten und kennzeichen zu treiben. Ob die wiedergebohrne taͤglich todtsuͤnde begehen. Von frucht der piorum desideriorum. 31. Pia desideria und dero praxis. Catecheti sche examina gehen vor. Gothi- sches exempel. Nach solchem nuͤtzlich anstellende christliche gespraͤ- che. A 2 DI- Das sechste Capitel. DISTINCT. I. Von anno 1666. biß 1676. SECTIO I. A ntwort-schreiben an H err P hilipp S chultzen ICTUM der 10. Elsaͤßischen Vereinstaͤtte Rath und abge- sannte nach Regenspurg [nachmal Keys. Reichs-Hoff- rath] als er mir wegen der sttat Franckfurt das Seniorat des ministerii auffgetragen. W As aus Franckfurt de dato 13. hujus demselben beliebet an mich ab- zugeben/ habe ich zurecht erhalten/ und den innhalt ablesend zur gnuͤge veꝛ- standen. Jch gestehe gern/ daß sol- cher vortrag/ so vielmehr derselbe ohne meine vermuthung kom̃en/ so vielmehꝛ mich afficir et/ und nicht wenig die ru- he des gemuͤths/ mit welcher sonst/ [dem Allerhoͤchsten sey danck vor solche gabe!] ich nach einigem hohen nicht trachtende/ dem meinigen nach ver- moͤgen abzuwarten bißhero gepfleget/ turbir et/ daß ich das werck angesehen/ als welches nicht alsobalden a primo limine zu hintertreiben/ sondern vielmehr/ ob vor eine goͤttliche versuchung/ wie ich einiges uͤber mein vermoͤgen gehendes be- gierig annehmen/ oder meiner wenigkeit mich gebuͤhrlich errinnern wuͤrde/ es zu- halten/ oder eine vorbereitung zu von seiner goͤttlichen providenz destini render vocation daraus abzunehmen/ ich schuldig seye/ billich in reiffe betrachtung zuzie- hen; Darzu aber andaͤchtigen gebets/ damit GOtt die hertzen alleine zu seinen eh- ren zu cooperi ren lencken/ und guten ausschlag in zweiffelhafftiger sache geben wolle/ benebens gottsfuͤrchtiger wolmeinender leute raths vonnoͤthen haben werde. Einigen voͤlligen entschluß anitzo zugeben/ hoffe ich nicht/ das auch nur mir fast koͤnne angesonnen werden/ in einer so hochwichtigen und das gewissen so vielfaͤltig betreffenden sache. Damit aber gleichwol auf gethanes großguͤnstiges begeh- ren/ allein ich s o viel eroͤffnung als in diesen der gedancke ersten conflictu geschehen mag/ thue/ habe an meinem großguͤnst. hochgeehrten Herrn allein antwortlich vor ARTIC. I. DISTINC. I. SECTIO I. vor dißmahl diese zeilen abgeben wollen. Wie ich nun zu erst gegen demselben/ wegen der nicht nur nomine publico uͤbernommener muͤhewaltung/ sondern ohne zweiffel/ durch welche diese gute gedancken von mir bey den jenigen/ denen ich unbekant/ moͤgen erreget seyn worden/ darzu gethane recommendation auffs hoͤchste zu bedancken/ und dergleichen wie schon in mehreren auch dessen ge- gen mich erfahrne gewogenheit zuerkennen; nicht weniger dannenhero nach moͤg- ligkeit mit respect und ander schuldigkeit zu demerir en/ ich mich befleissen wer- de. Also habe ich zuvorderst solche hochloͤblicher statt Franckfurt [deren Proce- ribus ich gleichwol durch einige merita anders nicht als vieleicht gute freunde und goͤnner von mir fassende miltere judicia bekant worden seyn kan] auff mich werffende inclination, mit schuldiger demuth/ observanz und zu dem allgnaͤ- digen GOtt vor dero wolfarth und segnung derer zu gemeinen geist- und weltli- chem besten richtender consiliorum, thuenden gebet zu venerir en. Was nun dero propositum an sich betrifft/ einen fremden Doctorem Theologiæ selb- sten zuberuffen/ ist wiederum dieses nicht/ daß ich mir darinnen/ ob solches rath- sam und thulich/ die erkaͤntnuͤß nehme. Vielmehr bleibet solches derselben ohne zweiffel reiffer gethaner deliberation heimgewiesen/ die in was rechten dieselbe stehen/ und wie dero kirchen bestes am bequemsten zubefoͤrdern/ am satsamsten verstehen/ und sichs angelegen seyn lassen. Daß aber meine wenige person da- bey in consideration gekommen/ und dannenhero bey mir/ was vor erklaͤrung von mir zuerwarten zu forschen begehret worden/ ists das einige dem ich piè und circumspectè nachzudencken habe. Gegen meinen großg. hochg. Herrn nehme ich mir/ aus dem zu ihm habenden vertrauen/ eine mehrere freyheit/ aperter heraus zugehen/ weil ich mich versehe/ solches mir nicht verarget werde werden. So finde ich auch/ daß meinen scrupulis derselbige aus so wol meines zustandes als dieser stelle requisitorum habender wissenschafft stattlich wird begegnen und zu einigen entschluß gelegenheit geben koͤnnen. Demnach bin ich nicht in ab- rede/ daß ich die gantze intention hochloͤblicher statt nicht allerdings noch also fasse/ oder der stand der kirchen mir also bekant/ wie es scheinet vonnoͤthen zuseyn. Jch rede hier nicht von besoldung oder zeitlichen emolumentis, derer ansehen ich gerne auffs letzte verspahre/ und nicht damit zu marchandir en mir jemahl vor- genommen: Auch endlich auf das hoͤchste uͤber die beziehung eines fremden mir noch unbekanten orts/ nicht sonderlich scrupul machte. Sondern wo nach mich zu wissen verlangt/ waͤre/ in was verrichtungen eigentlich dieses amt bestuͤnde? Was nicht alleine die arbeit der predigten an sich selbst [da ich mich auch schweh- rer arbeit nicht leicht entziehe/ so lange GOtt die gaben und kraͤffte dazu geben mag] sondern auch ob einige particular cura animarum dabey/ auch wieweit dieselbe sich erstrecke/ so wol wegen der gemeinden als auch in was weise man mit seinen Herren collegis stehen moͤge? und was dergleichen zu der A 3 sache Das sechste Capitel. sache selbsten/ die ich mir billich schwehr einbilde/ gehoͤren mag. Von meinen wesen ist meinen großguͤnstigen hochgeehrten Herrn am besten be- kant/ in me quid solidum crepet, aut mendoso tinniat ære. Kan also solcher aus betrachtung des majoris / welcher die erwegung des dienstes geben mag/ und aus eigener wissenschafft machenden minori leicht vorsehen/ was vor conclusion sich vermuthen lassen. Meine studia sind bißhero allein auff die theorie gegan- gen/ ja numehro fast eine zeithero/ aus erforderung der collegi en auff die historie und politische materi en. So hat auch das officium eines frey-predigers/ wel- ches ich so hoch liebe/ wegen der dabey von GOTT goͤnnenden tranquilli taͤt/ keine absonderliche seelsorge anhaͤngend. Stehet also zu erwegen/ ob hochloͤbliche statt bey betrachtung solcher umstaͤnde dergleichen wichtige stelle einer person/ die sich in diesen stuͤcken/ da proben erfordert werden/ keiner erfahrung austhun kan/ und sich dannenhero uͤber die deswegen auff adende verantwortung nicht wenig entsetzet/ auffzutragen gedencken/ damit nicht etwa in fassender hoffnung man sich endlich betrogen faͤnde. Jst derjenige punct/ uͤber welchen ich meines großguͤnstigen hoch geehrten Herrn eigene meinung zu wissen wuͤnschete/ als welcher davon treff- lich zu judici ren vermag. Solte nun etwa zwischen uns das werck der unmuͤg- lichkeit halber/ daran das meiste liget/ beygeleget werden koͤnnen/ [so lange ich denn auch allerdings hievon hiesigen orts nichts melde/ auch versicherung hiemit thue/ daß ohne Herrn Stollium / an den ich selbs gewiesen bin/ und also davon et- was part geben solle/ ich nicht mehr als mit einem einigen vornehmen mann/ dessen gutachten ich hieruͤber vertraulich vernehmen wollen/ hieraus geredet/ oder vor em- pfange der antwort reden werde] so waͤre alsdann zeit/ allererst zu der handlung selbs naͤher zu gehen. Wiewohl ich nachmaln/ als der ich in officio publico stehe/ und von hiesiger hochloͤblichen republic ordentliche vocation habe/ demnach hin- derrucks derselben und ohne gepflogene communication in verbuͤndliche tracta- ten/ gewissens halber/ und daß ich von selbsten vielmahl keine andere dienste zu su- chen mich erklaͤret/ mich nicht voͤllig einlassen/ vielweniger endliche resolution ge- ben duͤrffte/ dieselbe von solchen meinen gnaͤdigen Herrn und Oberen alsdann zu su- chen waͤre. Auch moͤchte die dimission so viel leichter erfolgen/ weil meine weni- ge stelle als die fꝛey- prædicatur zu eꝛsetzen an subjectis sondeꝛlich kein mangel etwa nicht erscheinen wird. Gleichwohl ist von allem dem nicht zu reden/ so lange nicht das erste vorhin expedi ret und von meinem großguͤnstigen hochgeehrten Herrn in solchem mir das werck mit dessen vernuͤnfftigem judicio / bericht und rath etwas erlaͤutert und erleichtert wird/ alsdann in Gottes nahmen solchen nach zugedencken. Er der grund guͤtige Gott regiere alle consilia dahin daß menschliche absichten bey- seit gesetzet/ zu seiner ehre alles ausschlage. Jn dessen getreuen und maͤchtigen gnaden-schutz dieselbe eyffrigst empfehlende/ und mich nechst antwort/ deren ich/ aus ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO II. aus dem statu ambiguo zu kom̃en begierig bin/ beharrlicher dero gunsten zuver- sichtlich getroͤstende ich allezeit seyn werde etc. 19. Febr. 1666. SECTIO II. D ie antwort an eben denselbigen. M Eins großg. hochg. Herrn abermahl beliebiges zur antwort auff mein vo- riges habe ich voꝛ 8. tagen von der post zuꝛecht empfangen. Wiewohl weil in solcher stunde gleich dieselbe wieder abgehet/ nicht alsobald antworten koͤnnen/ sondern es biß auff jetzo verschieben muͤssen. Bedancke mich zu foͤrdrist/ gegen meinen großguͤnstigen hochgeehrten Herrn/ daß solcher mit so vielem auff mein begehren die beschaffenheit der condition mir zu erlaͤutern/ und damit die in- tention hochloͤblicher statt recht zu verstehen zugeben großguͤnstig beliebet. Und bleibe denselben/ wie der getreue GOTT es auch noch ferner fuͤgen wird/ allzeit deßwegen zu geflissener danckbahrkeit hoͤchstens verbunden. Das werck selbsten belangend/ so finde ich unterschiedliches bey beschreibenden amt/ welches ich mir bey solchen fast nicht vermuthet/ und dannenhero der empfangene bericht mir so viel noͤ- tiger gewesen/ indeme daß alle partes der absonderlichen sellensorge beysammen ste- hen/ und noch der direction der geistlichen zusammenkuͤnfften/ welcherley bey sol- cher statt gebraͤuchlich zu seyn/ ich gar nicht wuste/ dazu gesetzet wird. So ma- chet dieses das werck/ so in ansehung der verrichtungen selbs/ als daß nechst er- wehnter massen ich in gegenwaͤrdiger stelle ausser der predigten zu keinen weitern kirchengeschaͤfften gehalten/ oder dessen bißher gewohnt gewesen/ so viel schwehrer/ als die wichtigkeit des dienstes groͤsser: daß dannenher nechst angezogene ursachen/ wo ich mich mit mir selbs berathen wolte/ alle in so viel mehrerer krafft stehen blei- ben/ und mir einen entschluß zufassen/ so lange ich auff mich selbs sehe/ fast schwehr zulassen. Wann aber ich mich auch wohl besinne/ wie daß eines theils zwar das urtheil uͤber sich nicht blosser dings einem jeglichen selbsten/ da aus bald diesem bald jenem affect es sich verstossen mag/ ohne anderer beyziehung zu uͤberlassen/ andern theils aber/ wie mein großguͤnstiger hochgeehrter Herr gleicher massen in den sei- nigen erinnert/ der schickende mit noͤthigen gaben auch geschickt zu machen so kraͤff- tig vermag/ als ohn zweiffenlich verspreche; Habe endlichen ich bey mir selbs in den nahmen des Hoͤchsten/ mit deme und in dem gebet zu ihm ich gantzes dieses werck fast bißher noch alleine zu belegen gehabt/ diesen schluß gefasset/ einen er- kaͤntlich-goͤttlichen beruff/ wie ohne das dieses die gewissens pflicht mit sich bringet/ nicht aus handen zu gehen/ sondern auch ohn angesehen alles anderen der stimme dessen zu folgen/ der wie er mich anfangs hier auff die cantzel durch ordentl. beruff gesetzet/ also seine ungebundene hand uͤber seinen knecht sich vorbehalten/ auch an- ders wohin nach seinem willen ihn zuschicken. Auff das aber ob gegenwaͤrtiges an- brin- Das sechste Capitel. bringen/ davon bißher die gedancken und zwischen uns communication gepflo- gen worden/ aus solchem des allguͤtigen GOttes gnaͤdigen rath/ der meine wenige dienste einer andern als hiesiger kirchen mir bißher unbekant nach seiner freyheit be- stimmet/ herfliessen/ und ich solchen characterem daran zu veneri ren von mir ge- wiß erkannt moͤge werden/ ja aber ich in solchem mich nicht vergreiffe/ habe ich mich in allem passive zuhalten/ und seiner nicht weniger maͤchtigen als weisen pro- videnz / und beyderseyts hoher interessir ter Obrigkeit ohnbedingt und ohn vorgrif- fen die sache heimzu weisen. So dann hiemit von mir beschihet/ und mich dahin er- klaͤhre/ daß weiln ich nicht mein eigen/ sondern aus goͤttlichen beruff hiesiger auch hochloͤblicher statt mit pflichten verwandt [so nechst angeregter massen mir nicht zulaͤsst/ ohne communication mit solchen meinen Obern einige verbuͤndliche deter- minir te resolution zu geben] ich uͤber mich disponi ren lassen/ und was hochloͤb- liche statt Franckfurt/ da dieselbe in gefasster meinung beharret/ mit meinen gnaͤdi- gen Herrn allhier/ nach ohne das zwischen denselben unterhaltenden freundlichen vertrauen/ wegen meiner zu tracti ren belieben wird/ und etwa alsdenn hochernenn- ten solchen meinen gnaͤdigẽ Obern nach befindung ihres orts/ als denẽ ich auch nicht maß zusetzen/ mir ihren Obrigkeitl. willen andeuten werden/ allerdings genehm hal- ten/ und nichts an allem hindern wolle. Jch hoffe an meinem ort/ daß uͤber diese re- solution nicht mehr von mir erfordert werden/ oder ich mit gutem gewissen weiter heraus zugehen vermoͤge/ als auff diese weise das werck schlechter dings aus han- den zu geben. Der allguͤtige GOTT und HERR seiner kirchen/ regiere aller- seits alle hertzen/ rathschlaͤge und handlungen nach seinem weisen rath/ wie er uns wissend oder unwissend/ solches zu seinen ehren und seiner gemeinde besten noͤthig und dienlich zu seyn erkennet. Jn dessen maͤchtigen schutz ich meinen großguͤnsti- gen hochgeehrten Herrn nechst freundlicher bitte/ auff selbs bestermassen wissende weise gegenwaͤrtige resolution gehoͤriger orten zu hinderbringen/ mit bißheriger grosser affection gegen mich zu continui ren/ und wo ichs zu muthen darff/ ohn- beschw ehrt etwa mit einigen zeilen fernerer gedancken eroͤffnung zu thun/ mit eiff- rigen wunsch und gebet schliesslichen empfehle etc. 19. Mart. 1666. SECTIO III. A n den Magistrat zu S traßburg/ als von der Statt Franckfurt meinetwegen an solchen geschrieben/ und darauff von mir mei- ne erklaͤhrung verlanget wor- den. Daß ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO III. D Aß Eure Gnaden das an dieselbe von der hochloͤblichen statt Franckfurt mei- ner person wegen abgegangenes schreiben mir zustellen/ und was in solchen werck meine wenige gedancken waͤren/ oder wie ich solches selbs ansehe zu be- fragen gnaͤdig geruhet/ solches habe ich an meinen ort vor eine hohe gnade zuhalten/ und mich dero wie anderer biß daher empfangener gnaden unterthaͤnig zubedan- cken; Wo aberzu Ew. Gnaden gnaͤdigen begehrens gehorsamer erfuͤllung/ ich wie vorhin seiter dem [gleichwohl aller dings unverfaͤnglich] præliminariter durch eine andere mittel person/ wegen anmuhtender vocation mit mir gehandelt wor- den/ also auff geschehen diese communication in der furcht GOttes/ ich dem gantzen wercke/ so viel ich davon fassen und verstehen moͤgen/ nachgedacht/ finde ich auff beyde seiten/ so viel wichtige ursachen/ deren einige zu dergleichen aͤnderung/ auff vorgehenden Ew. Gnaden consens / kraͤfftiglich anzutreiben scheinen/ andere hingegen mit nicht wenigern nachtruck davon abhalten wollen; daß also ich schwer bey mir selbst urtheilen kan/ ob aus allen umstaͤnden ich diese anmuthung anzusehen als eine aus goͤttlichen weisen rath fliessende ernstliche vocation / deren ohne ver- letzung des gewissens/ ich mich nicht zu entziehen haͤtte/ oder etwa vor einen goͤttli- chen versuch/ der durch menschliche Consilia / wie ich mich selbs pruͤffen/ oder aus zeitlichen absichten etwa bewegen lassen wuͤrde mich auff die probe setze/ und ich dem- nach solches vielmehr abzuschlagen haben wuͤrde. Jch gestehe gerne/ daß solche anmuhtung als eine goͤttliche schickung anzusehen nicht weniges angezogen werden mag. Wenn ich betrachte/ daß ohne die wenigste vermuhtung/ will nicht sagen gesuch oder gebung einiger gelegenheit/ [massen ich des orts selbs allerdings keine kundschafft habe/] dergleichen auffgetragen/ und gegen eine person/ von deren sie einige proben der tuͤchtigkeit zu vorschlagenden amte/ auch nur anderwertlich her nicht gehoͤret haben koͤnnen/ weniger gesehen haͤtten/ eine sonderbahre zuneigung der hohen obrigkeit/ und neben derselben in dero raht repræsenti renden gemeinde be- zeiget/ gleichfalls eines venerandi Ministerii daselbst angenehmer consens mit bedeutet worden. Welche ohne unser zuthun conspiri rende vota einem hoͤhern antrieb fast nothwendig beygeleget werden muͤssen. So ist auch dieselbe an sich selbs [nicht zusagen von zeitlichen genuß und reichlichen auskommen/] also bewant/ daß bey einer so vornehmen gemeinde/ die der gesamten Evangelischen kirchen ein vornehmes glied ist/ durch eine person/ die mit darzugehoͤrigen gaben gnugsam aus- geruͤstet/ und in dem werck des HERRN an ihren eyffer und fleiß nichts erman- geln lassen will/ herrlicher nutze durch GOttes seegen geschaffet werden koͤnte: hingegen zu der dabey aufflegenden arbeit bey ordentlichen beruff man auch die bey sich noch nicht befindliche kraͤffte in glaubigen vertrauen zu erwarten; kaͤme auch noch darzu/ daß irgend an meinem ort ich noch von dem alter/ gleichfalls die haus- haltung noch in solcher enge/ daß eine mutation zu dieser zeit weniger als etwa bey andern beschwehrde schaffen wuͤrde. So denn endlich die ansehung jetziges zu- B standes/ Das sechste Capitel. standes/ die also bewandt/ daß wie Ew. Gnaden deren gnade [indem alles bey mei- ner person ich als ausser ordentliche gaben von denselben bißher anzusehen gehabt] an mir sonst gerne mit unterthaͤnigen danck erkenne/ selbsten wohl ermessen/ in der- gleichen und auff diese weise einige zeit laͤnger zu verharren/ wie gerne ich auch wol- te/ mir fast unmuͤglich fallen wuͤrde/ oder ich auff eine oder andre seite den ruin der haushaltung/ mich in schulden zustecken/ oder wo mit solcher strengen anhal- tung/ wie bißher geschehen muͤssen/ durch die Collegia die sustentation mei- stens zu suchen/ der gesundheit vor augen sehen/ und also/ womit ich etwa nach GOttes willen laͤnger arbeiten sollen in weniger frist die kraͤffte consumi ren muͤ- ste. Welche saͤmtliche momenta von der wichtigkeit sind/ daß vielleicht einige ohn angesehen der gegengewichte/ wol also bald sie sich auff solche seite lencken las- sen solten. Jch habe aber dabey billig auch auff der andern seiten nicht nur zu er- kennen/ die grosse schwehre dieses dienstes/ in welchem wie grosser nutzen zuschaffen/ also durch eine darzu nehmende nicht allerdings tuͤchtige person/ eben so viel schaden auch gethan werden koͤnte/ da ich hingegen auff meiner seiten/ wo ich mit mir selbs zu rathe gehe/ und nicht alleine nach vorhin ausgemachter frage/ ob GOttes be- fehl mich jetzo dahin schicke/ von seiner gnade die gaben/ die ich noch nicht finde/ ob- gedachter massen erwarten will/ freylich diese tuͤchtigkeit nicht selbs an mir erken- ne; indem nicht allein die leibes kraͤfften nicht am staͤrcksten/ sondern ich bißher al- lein in theoria Theologica und eine zeither aus erforderung der in diesem stand ietzo noͤthiger collegi en/ historisch und politischen studiis / mich auffgehalten/ ja aber ohn die predigten/ die noch nicht das werck allerdings ausmachen/ zu andern pfarr-verrichtungen und absonderlichen seelen sorge nicht gebraucht worden oder dero gewohnt gewesen; sondern ich bedencke auch billig/ wie ich so wohl vor 3. jahren/ als Eure Gnaden nach des allguͤtigen weisen GOttes willen mich zu jetzo tragender frey prædicatur gnaͤdig beruffen/ mit freudigem gemuͤth denselben be- ruff angenommen/ und dem hoͤchsten GOTT gedancket/ der nicht nur mich bey solcher hochloͤblichen start/ da bey meine beyderseits Voreltern verbuͤrgert und theils in wuͤrden und diensten gewesen/ darzu auch zu dergleichen dienst/ bey dem ohne die arbeit selbs keine sorgen nicht waͤren/ und also die von mir so hochliebende tranquilli taͤt ich erhalten moͤchte/ nach seinen rath befordern wollen; also auch bißher die feste resolution gefasset gehabt/ auch dero mich unterschiedlich verlau- ten lassen mein leben in solchen amt und hiesigen orts [wo ich so von andern als nem- lich gnaͤdigen Obrigkeit und dero personen samt und sonders mich dero gnade und vieler gutthaten bißher ruͤhmen auch ins kuͤnfftige versichern koͤnte] nach des hoͤch- sten willen zu zubringen und zu schliessen. Welche gegen- momenta denn wiede- rum nicht gering zu schaͤtzen/ sondern endlich mich dahin bewegen/ daß in solchen werck ich vor mich keinen schluß selbs zu finden vermag. Jst also allein das uͤbrig/ nach ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO IV. nach dem Ew. Gnaden als meine ordentliche Obrigkeit/ von mir/ meinem vermoͤ- gen/ und ob bey derselben kirchen und nach dero willen kuͤnfftig etwa universi taͤt dieselbe meine dienste ferner nuͤtzlicher zugebrauchen wuͤsten/ oder aber bey auch hochloͤblicher statt Franckfurt/ da sie dieselbe darzu tuͤchtig erachteten/ lieber angewendet sehen/ zu judici ren vermoͤgen/ daß ich eure gnaden den entscheid/ weil ohne das vocations -wercke/ die das gewissen so vielfaͤltig beruͤhren/ versicherter durch andere als die vocandos selbsten/ die sich passivè zuhalten/ ausgeꝛichtet wer- den/ in unterthaͤniger gelassenheit uͤbergebe/ und meinen willen in den goͤttlichen/ [dessen entscheid ich aus derselbe nun erwarte] resigni re; dabey das schuldige unter- thaͤnige vertrauen habe/ wie dieselbe ohne das auff diejenige zwecke/ so hieher gehoͤ- ren/ und die in ein und anderem stuͤck beobachtende muͤglichkeit/ nach dero hohen verstand und prudenz / auch bißher gegen mir bezeugte Obrigkeitlichen gnade/ gnugsam sehen/ und auch solchen dero gnaͤdigen entschluß mir wieder andeuten werden. Jch ruffe den getreuen GOTT und HERRN seiner kirchen inbruͤn- stig an/ daß derselbe wie er aus pruͤffung des hertzens und ansehung kuͤnfftiger be- gebenheit allein wohl verstehet/ wen er zu jeglichen geschickt gemacht/ das werck al- so in regierung der hertzen/ entweder hindern oder fordern wolle/ wie seine ehre da- durch befordert/ und sein wille mir dadurch eroͤffnet mag werden. Dessen allge- waltige u. allguͤtige rechte halte Eure Gnaden zu samt gantzer hiesiger hochloͤbl. statt und kirchen noch ferner u. allezeit in guten schutz/ frieden/ wohlstand/ segen und ver- gnuͤglichkeit/ nechst welchen wunsch und unterthaͤniger zuversicht daß Eure Gnaden diese erklaͤhrung in gnaden auffnehmen werden verbleibe‒ ‒ ‒ Apr. 1666. SECTIO IV. A n die H erren Scholarchen in F ranckfurt am Mayn wegen annehmung der vocation. J Ch zweiffle nicht/ daß uͤber so langen verzug und auffschub der endlichen antwort Ew. Gestrengen und herrlichkeiten sich nicht wenig befremdet haben werden/ kan auch nicht in abrede seyn/ daß jeglicher/ weme nicht bekant/ wie gewoͤhnlich alle geschaͤffte hiesigen orts/ die von einiger importanz zu seyn scheinen/ etwas langsam expedi ret werden/ daruͤber andere gedancken zu fassen/ moͤchten wohl ursach finden. Jedoch zweiffle ich hinwieder nicht/ daß so wohl meine O- bern allhier ihres solchen verzugs/ [weil nach hiesiger manier dergleichen geschaͤffte bey unterschiedlichen collegiis nacheinander vorgetragen und in bedacht gezogen werden muͤssen/ ehe ein endlicher entscheid erfolge] gegen hochloͤbliche statt Franck- furt die ursach darthun/ als auch auffs wenigste mir an meinem orte einige schuld dessen nicht beygemessen werde werden. Das geschaͤffte selbs betreffend/ habe ich diese zeit uͤber in GOttes nahmen erwartet/ was dessen gnaͤdigster wille seye/ und B 2 sich Das sechste Capitel. sich declari ren werde/ gleichwohl einige mahl gehoͤriger orten um beschleunigung angehalten. Auff welches dann/ nachdem meine erklaͤhrung begehret/ und dahin von mir eingerichtet worden/ daß ich mich passivè haltende die momenta des wercks zu betrachten/ und von meiner person zu judici ren/ meinen gnaͤdigen O- bern uͤberliesse/ von loͤblichem hiesigen Magistrat [vor der auch die Herren Theo- log en dabey ersuchet/ und demnach nichts so zu versicherung der gewissen gehoͤret unterlassen] der entschluß vorgestern dahin gemachet worden/ daß mir hiermit er- forderter consens die anmuthende vocation in dem nahmen GOttes anzuneh- men/ ertheilet wuͤrde. Jch habe solches nicht nur als ein Obrigkeitlich erlaubnuͤß mit gehoͤrigem respect / sondern als ein wort des HERRN/ so durch meine vor- gesetzte vom himmel herab mir zugeruffen waͤre/ mit tieffster demuth angenommen/ seinem uͤber mich zu diesem wercke nunmehr disponi renden willen zu gehorsamen. Wie nun hoͤchstgedachte hochloͤbliche statt an ihrem ort solche dero antwort selb- sten an auch hochloͤbliche statt Franckfurt ohne zweiffel heut schrifftlich dieses in- hal t s ergehen lassen wird/ also habe es hier mit auch meines orts ich Eurer Gestreng. und herrlichkeit mit schuldiger observantz zu berichten noͤhtig befunden/ als der auff erhaltenen meiner Obern willen/ hiermit mich hochloͤblicher statt Franckfurt be- liebenden vertroͤsteter vocation mit allem gehorsam bequemen u. deꝛo befehls folg- lich erwarten werde. Wann aber ich der verrichtungen/ so mir zustehen sollen/ noch nicht so voͤllig wissenschafft habe/ als dem der zustand der kirchen nicht gnug- sam bekant/ stuͤnde auch an Eure Gestrengen/ und herrligk. mein gehorsames bitten/ solche geruhten nebens folgender vocation großguͤnstigen mir um etwas mehrers derselben erlaͤuterung zu thun. Was diejenige von Herrn Philipp Schultzen JCto mir in eigenem brieff und communicir ten extract benennete verrichtungen anlanget/ verstehe ich mich zu solchen/ dieselbe vermittelst goͤttlicher gnade zu uͤber- nehmen. Solten aber uͤber dieselbigen ferner in particulari cura animarum einige andere seyn/ bitte ich nochmahln observanter sie zu communici ren/ um in der furcht GOttes bey mir zuerwegen/ was ich in kraͤfften finden solte/ des zuver- sichtlichen vertrauens/ da in einigen aber sonderlichen neben umstaͤnden sich ein weniges bedencken faͤnde/ eine hochloͤbliche statt/ die ihre gnade bereit so weit gegen einen unbekanten herrlich bezeuget/ selbs auch in dergleichẽ stuͤck guͤtig geruhen wer- de/ dasjenige so zu faciliti rung der hauptverrichtung dienen moͤchte/ da gleichwohl nichts wider geziemende ordnung gesuchet wird/ gern zu bewilligen. Alles solches aber beyseits gesetzet/ bleibet das principal werck auff meiner seiten in seiner rich- tigkeit/ da hochloͤbliche statt noch ihre vorige guͤtige gedancken auff mich behaͤlt. Jch ruffe wiederum den getreuen und allguͤtigen GOTT von grund der seelen an/ daß seine weise regierung/ so bißher wider in dieser statt vieler menschen gedancken das werck kraͤfftig gefuͤhret/ es also hinaus fuͤhre/ wie dero ehren beforderung es erfordert. Solcher grosse GOtt segne alle hochloͤbliche statt und in derselben auch zu ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO V. zu dero besten E. Gestr. und Herligkeit handlungen und ratschlaͤge mit statlichem fortgang und gluͤcklicher erfuͤllung. Welches wie es mein taͤgliches gebeth nun seyn soll/ also auch vor dißmahl von mir abgeleget wird/ der ich schließlich ꝛc. 14. Maj. 1666. SECTIO V. A ntwort an die statt Franckfurt am Mayn auff dero vocation. W As Ew. Wohl Edl. Gestreng und Herrligkeit in dem bißher durch vor- nemlich die aus dero mittel verordnete hochansehnliche Herren Scholar- chen vocations geschaͤfft præliminariter mit meiner wenigkeit zu com- municir en/ meine dimission von gegenwertig meiner gnaͤdigen Obrigkeit zu- begehren/ so dann itzo nach erfolgeter selbiger durch eignes geneigtes schreiben alles obige zu confirmir en/ und mir das hochwichtige bey dero Evangelischen gemein- de durch den todt des nu von unterschiedlichen monaten her in GOtt ruhenden/ vorhin aber geweßnen treufleißigen Pfarherrn und Senioris des Ehrw. und hochgel. Herrn Christiani Gerlachii vaciren des pfarr-amt und Seniorat auff- zutragen und anzubefehlen beliebet: Habe ich billich gantze solche zeit uͤber in den nahmen des Hoͤchsten und seiner furcht bey mir zuerwegen und auff seine leitung achtung zu geben gehabt/ auch darinnen augenscheinlich warnehmen muͤssen/ wie der allweise regierer solches alles jemehr und mehr zu erwuͤnschenden zweck gefuͤh- ret/ und nun in solchem werck/ darinn ich um versicherung des gewissens willen mich allerdings passive gehalten/ und hoͤher direction uͤbergelassen/ seinen goͤtt- lichen willen und befehl dadurch offenbahren/ biß endlich dessen gewißheit mir nun- mehro durch beyderseits hohe obrigkeitliche so dimission - als vocations - werck gleichsam aus seinem munde angefuͤget und damit aller scrupel benommen worden. Wie ich nun goͤttlicher providenz / weise und unerforschliche regierung in de- muͤthigen gehorsam zu venerir en/ und deroselben mit tieffster demuth danckzusa- gen/ die da ihren knecht/ welcher bißher vor der gleichen vornehmen diensten aus ansehung seiner schwachheit sich mehr entsetzet/ als dieselbe wuͤnschen moͤgen/ gleich- wol durch ihre gnade zu einen solchen in gesamter Evangelischen kirchen vorneh- men gemeinde gnaͤdigst beruffen wollen/ auch mit glaͤubigen vertrauen mich zuver- sichern/ daß der maͤchtigste geber und fuͤger alles guten auch durch schwache werck- zeuge sein werck und ehre zu befordern/ weißlich verstehe und kraͤfftig vermoͤge; als habe ich nechst solchen Ew. Wohl Edl. Gestr. und Herrligk. guͤtige auff mich unbekandten geworffne affection, die da vor allen etwa tuͤchtigern personen/ die zu dergleichen importiren der stelle anderweitlich her leicht zu holen/ haͤtten moͤgen seyn/ meine wenigkeit erwehlet/ gleichfals gehorsamen danck zu sagen/ vornemlich B 3 aber Das sechste Capitel. aber in dem nahmen des Hoͤchsten vor deroselben mich hiermit zuerklaͤhren daß ich das aufftragendes pfarr-amt und seniorat mit allen gehorsam auffnehme/ auch mich kraͤfftig dahin obligire, nach allem dem vermoͤgen/ so der grundguͤtige GOtt/ den ich darum taͤglich anzuflehen habe/ verleihen wird/ zu forderst mich allen o- brigkeitlichem befehl in schuldigen respect zu unterwerffen/ hiernechst anbefohlen- dem amt und dessen anhaͤngenden verrichtungen getreulichst abzuwarten/ goͤttliches wort in reiner lehr und nach der form/ der darinnen klahrst gegruͤndeter Augsp. Confession und uͤbriger Symboli schen buͤcher mit fleiß und eyffer zuverkuͤndigen/ die heiligen Sacrament en nach des HErren einsetzung behutsam zu administri- ren/ und die anvertrauende gemeinde an meinem ort zuerbauen; wie ich nicht allein vor denselben denen die oberhut krafft obrigkeitlichen amts rechtmaͤßig gebuͤhret/ deßwegen in verantwortung stehe/ sondern vor meinen Erloͤser dermaleinst rechen- schafft zugeben bedencken muß. Er der grosse GOtt/ von dessen segen gleich- wol alles alleine zuerwarten/ wolle solches heilige werck selbsten foͤrdern/ und wie es nicht menschen sondern seine ehre vornehmlich betrifft/ geist/ muth/ verstand und eyffer nach seiner reichlichen gnade verleihen/ daß seines knechts lehr und leben von ihm kraͤfftig regieret/ bey seiner lieben kirchen den nutzen/ der gehoffet wird/ schaffe/ ja aber durch seine schwachheit und fehler/ dero auffhelffen und er sie verhuͤten und vergeben wolle/ nichts verabsaͤumet noch gefaßte hoffnung frustrir et werde. Sei- ne unendliche guͤte walte auch in uͤbrigen allen uͤber Ew. Wohl Edle Gestr. und Herrligkeit/ und gesamte loͤbliche statt/ regiere dieselbe mit seinem Geist und wei- sen rath/ beschuͤtze sie unter den fluͤgeln seiner macht/ und erfuͤlle sie mit frieden/ se- gen und aller hohen vergnuͤglichen wolfarth. SECTIO VI . Antwort-schreiben des Ministerii zu F ranckfurt am Mayn an den Rath zu Erffurt wegen Johann Melchior Stengers schriff- ten. Wohl-Edele/ ꝛc. W Je wir nicht zweiflen wollen/ daß unser neuliches von dem 6. hujus werde zu rechter zeit wohl uͤberkommen/ und die entschuldigung des laͤn- gern verzugs/ von Ew. Wohl Edel. Gestr. auch E. E. F. und Weißh. so wohl erkant/ als Großg. aufgenommen worden seyn/ als haben wir endlich un- ser von uns erfordertes neulich vertroͤstetes/ und nunmehr durch goͤttlichen bey- stand verfertigtes/ Theologi sches bedencken und judicium uͤber derselben kir- chen Diaconi Herr Johann Melchior Stengers zwey communicirte schrifften/ wie fern wir die darinnen befindliche lehren und redensarten goͤttlichem wort/ un- ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . VI. VII. unsern Symboli schen buͤchern/ und ausgehendigten reversal en gemaͤß oder un- gemaͤß achten zu seyn/ denenselben hiemit zufertigen sollen: Der troͤstlichen hoff- nung gelebende/ daß Ew. Wohl Edel. Gestr. und E. E. F. und Weißh. wie ins- gesamt/ auch sonsten derer kirchen anliegen ihnen eyfrig in obacht zunehmen ange- legen seyn lassen/ also absonderlich dieser unserer arbeit dazu bedienen werden/ daß Herr Johann Melchior Stenger zum foͤrdersten durch solche und etwa/ wo andersher dergleichen eingelauffen/ ferner bruͤderliche erinnerungen/ die wir ihme communiciret zuwerden hoffen und bitten/ gewonnen/ und entweder durch theils erlaͤuterung der zweifelhafften reden/ theils der uͤbrigen verbesserung/ oder auff andere weise/ wie dero kirchen es am vortraͤglichsten seyn mag/ alle gelegenheit wei- teren aͤrgernuͤsses aus dem weg geraͤumet/ hingegen zu ungehinderter aufferbau- ung so viel kraͤfftiger alles in guten stand gesetzet werde. Zu allem solchen und also auch darinnen befoͤrderung seiner ehre/ wolle der dreyeinige GOTT/ dessen sach es ist/ dieselbe mit seinem Geist der weißheit/ verstandes/ raths/ staͤrcke/ er- kaͤntnuͤß und furcht des HErrn ausruͤsten/ die beste mittel zu erwehlen/ und nach- mals solche segnen/ zu seiner kirchen auffnehmen. Jn dessen gnade wir schließ- lich auch insgesamt zu gluͤcklicher und gesegneter regierung und allem wohlstand eyfrigst empfehlen. Franckfurt am Mayn/ den 20. Jul. 1670. Ew. Wohl-Edel. Gestr. auch E. E. F. und G. Zu gebeth und diensten bereitwilligste Senior und gesamte Prediger det Evangelischen gemeinde in Franckfurth am Mayn. SECTIO VII. D es gedachten Ministerii censur, uͤber gedachte 2. Stengerischen schrifften. IN NOMINE JESU . E S ist nicht das geringste/ welches wir aus goͤttlichem befehl unserm nech- sten schuldig sind/ daß wir nicht nur in andern stuͤcken allezeit desselben ehre und unschuld zu retten suchen/ sondern auch wie eyfferig uns dieselbe ange- legen sey/ damit zu verstehen geben/ daß wir/ wo wir etwas von demselben hoͤren/ und sehen/ allezeit so lange solches noch zum besten gedeutet werden mag/ es lieber dahin annehmen und ansehen/ als einen uͤblern verstand/ der etwa darunter ge- sucht werden moͤchte/ ohne gnugsame ursach vermuthen. Wie nun solches ins- ge- Das sechste Capitel. gesamt in dem gemeinen leben geschehen soll/ also auch wo man von eines lehrers und scriben ten lehr und schrifften zu urtheilen hat/ solle billich diese regel allemal zu foͤrderst vor augen stehen/ daß gleich wie auff einer seiten nicht wieder die christ- liche warheit/ also anderseits nicht wider die christliche liebe gesuͤndiget werde. Ja es ist unmuͤglich daß nicht auch wider die warheit gefehlet werde/ wo nicht die christliche liebe der jenigen gemuͤther regieret welche urtheilen sollen/ und wegen mangel derselben/ aus ungnugsamen ursachen undvermuthungen einen uͤblern ver- stand in eines mannes worten wuͤrden vermeinen gefunden zuhaben; Aber eben damit des wahren und von ihme intendir ten verstandes verfehleten. Wann denn uns uͤber Herr Johann Melchior Stengern Diaconi zu Erf- furt zwey scripta, nemlich das buch der Bußpredigten/ und Einschaͤrffung zweyer puncten, unsere meynung zugeben von den jenigen so solches zu begehren fug ha- ben/ zugemuthet worden/ wir auch aus allgemeiner pflicht der kirchen bestes aller orten nach vermoͤgen zubefoͤrdern/ sothanen christlichen begehren statt zu geben uns verbunden achten/ so setzen wir uns billig in wahrer furcht GOttes zum aller fordersten die angedeutete regul vor augen/ auff daß wir (wie es sich sonst ohne das in allem/ ohne menschliche und privat affect en/ in dergleichen heiligen und der kir- chen ruh mercklich betreffenden werck zuverfahren geziemet) so wohl insgesamt ge- wissenhafft und bedaͤchtlich/ als die dem jenigen/ dessen sache es selbs und er der hertzenskuͤndiger ist/ deßwegen rechenschafft geben muͤssen/ das vorgelegte erwegen/ und dannenher sonderlich niemanden/ wider christliche liebe eini- ges auffbuͤrden moͤgten/ so desselben meinung nicht waͤre/ und wir nach reiffer erwegung/ aus gnugsamen umstaͤnden/ daß ein besserer verstand in einigen worten zu suchen sey/ uns uͤberzeugt befinden: Hingegen auch ohngescheut was wir irrig erkennen andeuten/ und gegen der regul der gesunden glaubens lehre halten. Dazu wir uns bey christlichem diesem vorsatz/ des goͤttlichen beystandes/ den wir demuͤthig darum ersucht/ mit glaubigen vertrauen gewiß versehen/ und nochmals ersuchen. Wir finden aber zum allerfoͤrdersten/ ehe noch zur sache selbst geschritten werde/ diese observation, und anmerckung hoͤchstnothwendig: Daß gemeinig- lich die betrachtung des jenigen der eine sache redet oder schreibet/ zu dem ver- stand desselben viel thue/ und dahero ein grosser unterscheid sey/ nachdem jemand etwas geredet oder geschrieben. Nicht ob koͤnten sonsten rechtglaͤubige nicht zuweilen sich auch mit irrthum verstossen/ und hingegen/ welche sich zu falscher religion bekennen/ zuweilen etwas wahres lehren und schreiben; Oder aber muͤsten als dann allezeit jene irrthume des wegen gebilliget/ und aus ansehen der person vor warheiten angenommen; Dieser zu weilen nicht falsche saͤtze aber um ihrent willen verworffen werden. Sondern dar- zu dienet solche anmerckung/ daß wo etwa die worte und redensarten eines lehrers etwas ARTIC . I. DIST. I. SECT . VII. etwas zweiffelhafftig sind/ und man dieselbe in besserem oder auch boͤserm verstand annehmen koͤnte/ die betrachtung des jenigen/ welcher solche gefuͤhret/ beygesetzt/ daß ohne das angeregter massen die christliche liebe allezeit auff das gelimpflichste sich neiget/ so bald das gewicht auff die seite giebt/ daß der beste verstand auch vor den wahresten gehalten werde. Jn dem die gegenhaltung der glaubens bekaͤnt- nuͤß zu welcher die person sich sonst gehalten/ und weil daß sie in andern stuͤcken der- selben wird haben widersprechen wollen/ ohne wichtige ursach oder den klaren au- genschein/ nicht anders als unbillich vermuthet wuͤrde/ bereits ein liecht giebt/ aus dem die dunckelere reden muͤssen erhellet werden. Also wenn unser theure mann GOttes Lutherus in dem buch de servo arbitrio, oder daß der freye wille nichts sey/ unterschiedliche worte und arthen zureden gebraucht/ welche sonsten bey uns nicht/ hingegen von Calvino und den seinigen gefuͤhret werden/ gestehen wir drum diesen nicht/ das sie mit recht des beyfals solches unsern werthen Vaters sich zu ruͤhmen haben. Sondern haben bißher christliche und gelehrte Theologi viel- mehr sich bemuͤhet zu zeigen/ daß aus so wol betrachtung der gantzen schrifft/ des zwecks derselben und des unterschiedlich mahl vorkommenden gebrauchs der ar- ten zu reden/ die zweiffelhafft scheinen/ als auch erwegung solches seligen mannes von den streitigen punct en gefuͤhrter und anders her bekanter eigener lehre gnug- sam erhelle/ daß ein grosser unterscheid sey/ wo der seiner lehre halben uns billich gantz unverdaͤchtige Lutherus, und hingegen ein anderer seiner falschen meinung nach aus der oͤffentlichen bekaͤntnuͤß seiner kirchen bekanter irrglaͤubiger einerley worte fuͤhren. Nicht ob wuͤrde das einmahl falsch gewesene wort in des andern mund erst zur warheit/ sondern weil es nicht mehr ein wort ist/ dessen anderer verstand aus des jenigen bekaͤntnuͤß erlernet wird/ der es gefuͤhret. Also wenn der wohlver- diente und geistreiche Arndt/ und irrgeist Weigel einerley worte zufuͤhren schei- nen: Jsts abermal eigentlich nicht einerley/ sondern ist dasselbe aus jenes munde gantz anders/ nemlich aus jenes/ des lehrers oͤffenlicher bekaͤntnuͤß/ und erleute- rung seine gesamten buͤcher/ bey diesem aber aus der gantzen analogi seiner ir- rigen lehre anzunehmen und zuverstehen. Wie es gleichermassen taͤglich ge- schicht/ daß wir die von unterschiedlichen widersachern zu weilen anfuͤhrende stel- len der alten kirchen-vaͤter/ welche etwa scheinen diesen irrigen meinungen ge- gen uns beyfall zugeben/ nicht nur durch genaue untersuchung der worte selbst/ und also fleißige auslegung derselben/ sondern auch auff diese weise zu retten pfle- gen/ daß wir derselben eigentliche meinung von den etwa streitigen articuln aus anderen der stellen oder wol dero allgemeinen bekaͤntnuͤß der kirchen solcher zeit/ wie dieselbe aus andern schrifften erweißlich/ erweisen/ und alsdann solche zur richt- schnur/ wie die dunckel und zweiffelhafft scheinende worte zu erklaͤren seyen/ setzen: Vorausgesetzt dieses/ haben wir in gegenwaͤrtiger hypothesi an Herr Joh Mel- C chior Das sechste Capitel. chior Stengern/ als Autore der schrifften/ daruͤber Wir befraget werden/ ei- nen solchen mann/ auff den wir anders her einiger falschen religion argwohn mit recht nicht werffen koͤnnen/ als der von seinen ausser allen zweiffel allezeit vor or- thodox erkandten/ und um die kirche wohlverdienten Herrn vater/ so dann al- ler orthen/ so viel uns wissend/ von lauter reinen lehrern und Præceptoribus in der Theologi unterrichtet worden/ ausdruͤcklich [als Einschaͤrf. p. 44. 46. und an- derswo] sich auff von uns vor rechtglaͤubig erkandte Academi en berufft/ und oͤffentlich zu unsern Symboli schen buͤchern sich bekennet: Hingegen selbst in diesen schrifften mit nahmentlicher verwerffung der irrglaͤuben der Calvinist en oder Reformir ten [ p. 78. 106. 107. Einschaͤrff p. 32. ] Papisten. [ p. 349. Einschaͤrff. p. 16. ] Photinianer [ p. 233. ] und Wiedertaͤuffer [ p. 349. ] sich von deroselben ge- meinden und lehrern absondert; Da wir gantz ohnlaͤugbare argumenta haben muͤssen; wo wir wider seine bekaͤntnuͤß eine gemeinschafft mit jener lehr bey ihm vermuthen solten: Ja es richtet diese bemerckung so viel aus/ daß auch diejenigen irrthum wo er sich verstossen und von der richtigen glaubens- und redens regel/ ab- gewichen zuseyn befunden werden mag/ nicht vor boßhafftige irrthum/ damit er sich solcher falschglaͤubigen kirchen theilhafftig gemacht/ hingegen von uns abgetreten were; sondern vor menschliche fehler/ da er aus uͤbersehen und uͤbereilung unwis- send in seiner kirchen lehr angestossen habe/ zu achten sind. Nach dem haben wir auch aus ablesung der schrifft insgesamt nicht anders spuͤhren und abnehmen koͤn- nen/ als einen hertzlichen eyfer vor GOttes ehre und der gemeinde erbauung. Es ist ja freylich leider dahin kommen/ da der teuffel gesehen/ daß er mit einfuͤhrung falscher lehr/ an vielen orthen nicht durchdringen kan/ sondern die wahrheit der lehr bißher zur gnuͤge uñ also behauptet ist worden/ daß sie gegen ihre feinde siegreich tri- umphir et/ und wir nicht sorgen doͤrffen/ daß jemand wer nur will das geschriebe- ne lesen/ aus mangel unterrichts/ und wegen noch einiger nicht gnugsam beantwor- teter zweiffel zu falscher religion abzutreten werde ursache finden: Hat ers auff an- dere weise anzugreiffen/ nach seiner list nothwendig erachtet/ wie nemlich er den je- nigen/ die eigenlich keinen glaubens irrthum nicht haben/ sondern bey der kirchen leben und derselben beypflichten/ deren lehre gegen alle anderwertige gnugsam be- stetiget ist; (ob wol deren viel von solcher ihrer kirchen lehr leider sehr wenig wis- sen) ein solches Christenthum wider ihre eigene bekaͤntnuͤß beybraͤchte/ welches nur in ruhm des wort glaubens eusserlichen heulerischen GOttesdienst und etlicher massen erbahren leben bestehe: Da gleichwol in Christo JEsu/ ein rechtschaffenes wesen seyn solle. Eph. 4. und solche leute weder von glauben noch dessen wahren fruͤchten mehr/ als den nahmen und eitelen ruhm haben. Denn da weiß der tau- sendkuͤnstler/ daß er wo er solches erhaͤlt/ eben so viel als er durch falsche lehr zur ver- damnuͤß bringen moͤge. Es ist auch nicht zu laͤugnen/ daß der arge feind nicht we- nig damit zur hellen gerissen: Hingegen aber viel eiferige und GOttes gelehrte maͤnner ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECT IO VII. maͤnner solchen greuel der verwuͤstung/ sich durch goͤttliche gnade ernstlich wider- setzet/ und dem uͤbel gesteuret haben. Wie nun derselben arbeit in dem HErrn nicht vergebens gewesen ist/ als haben noch jetzo alle treue lehrer und prediger/ wol- len sie den nahmen der treue behalten/ und der kirchen noth ihnen lassen zu hertzen gehen/ in deroselben fußstapffen zu treten/ und mit eyfer sich dem von jenem seligen Theologo Paulo Tarnovio also genanten und beklagten neuen Evangelio, bey einem lauten in der that aber allein heuchel-maul- und wahn-Christenthum selig zu werden/ zu widersetzen. Diese Intention erkennen wir auch bey Herrn Stengern zu seyn/ und haben also seine/ so predigten als schrifften/ als auff diesen zweck zielend/ und demnach aus begierde seinen GOTT nach seinem vermoͤgen zu dienen herkommend/ an zusehen. Wie ferne aber die sache selbst solches seiner in- tention correspondire oder nicht/ wird in den folgenden zusehen seyn. Es ist a- ber auch darbey in acht zunehmen/ daß dieses vorhaben/ den teuffel an diesen orth/ da ihm am wehesten thut/ anzugreiffen/ also bewandt sey/ daß kein vernuͤnfftiger/ wo ers gleich am gottseligsten und vorsichtigsten thut/ ihm darbey menschen tage suchen oder versprechen/ und also durch absicht auff zeitliche gunst/ ehre/ reichthum und anderes dergleichen/ wodurch zu weilen die menschen sich von der rechten bahn abfuͤhren lassen/ darzu bewogen werden koͤnne. Daraus wiederum abzunehmen/ daß es bloß ein an sich loͤblicher (wolte GOTT/ auch vorsichtiger!) eyfer gewe- sen/ dadurch der mann zu diesen schrifften getrieben ist worden. Welches aber- mahl eine gute præsumption vor ihn giebt/ theils seine reden in bessern verstand anzunehmen/ theils seine fehler nicht mit hoͤchster schaͤrffe zubeurtheilen. Daher wir auch das jenige wo er von sich selbst redet/ und sich zum exempel anzeucht/ lie- ber aus guten gemuͤth als ruhmsucht geschehen zuseyn/ nach christlicher liebe regul urtheilen wollen. Dem allen auch noch schließlichen beyzufuͤgen ist/ daß er selbst (in Præfat. p. 27.) bittet/ wo etwan/ nach jemands beduncken noch moͤgte ein feh- ler vorgegangen seyn/ dessen privatim erinnert zu werden/ um dadurch daß er seine erklaͤrung thun koͤnte/ gelegenheit zu haben: Welches auch wiederum uns so viel bessere gedancken von ihm zuschoͤpffen anlaß giebt. Wann wir aber nun- mehr/ vorausgesetzt der dinge/ die bereits erinnert/ daß sie bey des Autoris per- son in acht zunehmen/ zur sache selbst zu schreiten/ und also unser Theologisch ur- thel geben sollen/ uͤber die in beyden buͤchern enthaltene lehren/ in deme keine gewis- se allein benambset/ und wir deßwegen alle die jenige/ welche einigen zweiffel erre- gen moͤgten (ohne allein was die anfuͤhrende exempel aus der schrifft anlangt/ von welchen wir aus guten ursachen unser urtel zugeben dißmahl in bedencken ziehen) anzufuͤhren eine nothwendigkeit erachten: So koͤnnen wir die puncten/ so wir anzufuͤhren gesonnen sind/ am fuͤglichsten abtheilen in zweyerley: 1. daß wir besehen/ unterschiedliche lehren und redens-arten/ welche einen schein haben moͤgten/ daß sie unrecht weren/ von der allgemeinen bekaͤntnuͤß abtreten/ und irri- C 2 gen Das sechste Capitel. gen lehrern gemein seyen: Da gleichwol nach reifflicher erwegung bey theils der- selben/ so wohl die arten zu reden/ als lehren selbst richtig und gut sich befinden. Jn theils aber die meynung selbst des Autoris und seine lehre/ wo sie unter bessern Terminis gegeben wuͤrde/ nicht zutadeln ist/ aber die redens-arten billich zu corrigir en sind. 2. Sollen einige lehren angezeiget werden/ wo wir we- der mit der meynung noch redens- Formuln zu frieden seyn koͤnnen. Die erste Classis. W As dann die redens-arthen und lehren anlanget/ welche etwa uͤbeln verstand bey einigen haben/ deßwegen als irrig und unserer Evangelischen warheit nachtheilig moͤgen angesehen werden/ in der that aber und in ih- rem rechten verstand nicht zuverwerffen sind/ oder doch die meynung derselben nicht boͤse ist. So hetten wir insgemein wuͤnschen moͤgen/ daß Herr Stenger zu weilen lieber mit der kirchen als mit einigen formulen und arthen/ zu reden sich beflissen haͤtte: Er nimt zwar zur entschuldigung Einschaͤrff. p. 50. daß man nicht mordicus muͤste allerdings an den alten formuln halten: und præfat. p. 16. su- chet er auff gethanen vorwurff der novi taͤt seiner redens-arten zu antworten. Nun mag alles/ was daselbst gesagt wird/ in seiner masse wol stehen/ daß nem- lich wir in der erkaͤntnuͤß wachsen/ keiner sein pfund vergraben und mit der schrifft und dero worten zu reden auch mehrere aufferbauung zu suchen jeglichen erlaubet seyn solle. Es erscheinet aber die krafft des vorwurffs/ so ihm mag geschehen seyn/ noch nicht mit den angefuͤhrten entschuldigungen/ genug widerleget: Denn zum gebrauch einer vorhin gantz ungewohnten/ und zu ungleichem verstand anlaß ge- bender formul, ist noch nicht gnug/ ob schon solche nicht in den Symboli schen buͤ- chern deutlich verworffen/ sie auch etwa mit einigen spruch der schrifft/ die zuwei- len etwas dunckler und von unterschiedlichen auff unterschiedliche weise pflegen verstanden zu werden/ uͤbereinkommen scheinen/ auch mehrer nutzen dadurch ge- suchet wird/ in dem/ daß etwa im gegentheil entstehende aͤrgernuͤß der schwachen und andere absicht/ auff die ruhe der kirchen/ welche damit turbi ret werden mag/ billich den jenigen/ dem das heyl derselben angelegen ist/ anweisen soll/ da er einerley lehre mit seinen vorfahren fuͤhret/ auch einerley formulen zu behalten/ und mit denselben das jenige eben so nachdrucklich und ernstlich zu treiben/ was man mit neuen formulen thun moͤgte/ deren neuligkeit/ der lehr vielmehr einigen nachtheil zuzeucht/ als mehrern nachdruck giebt. Wie wir denn nicht sehen/ daß einiges von ihm Herr Stengern/ getrieben worden/ das nicht eben so kraͤfftig mit den gewoͤhnlichen redens-arten haͤtte geschehen koͤnnen. Daß daher die absicht auff mehrern nutzen der kirchen/ welcher nicht erscheinet/ die sache nicht bloß aus- gemacht; Also seind wir zwar darinnen wol mit ihm einer meinung/ daß man nicht ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. nicht mordicus muͤsse allerdings an den alten formulen halten/ wie ja jetzo auch einige formulen alt sind/ welche eine zeit neue/ und doch deßwegen nicht verwerf- lich gewesen; Aber das gehoͤrt darzu/ daß gleichwol so lange bey den alten for- mulen zu bleiben ist/ als uns nicht die noth davon/ und zu einfuͤhrung neuer for- mulen treibet/ wo nemlich mit den alten nicht mehr eben das jenige kan ausge- richtet werden/ was mit diesen gesuchet wird. Und dieses halten wir die meynung dieses vorwurffs zu seyn/ welcher zimlich wichtig/ und Herr Stenger billig zu- weilen haͤtte etwas inne halten sollen. Vorausgesetzet dieses/ kommen uns nach- folgende formul en vor. (1) Finden sich unterschiedliche orthe/ welche bey ei- nigen vielleicht einen argwohn eines Weigelianischen oder Quackerischen schwarms machen moͤgten. Als wenn p. 17. Von den glaͤubigen gesagt wird; Sie hoͤren am sabbath dem heiligen Geiste/ dem innerlichen lehrer zu/ der in ihrer seele wohnet. p. 312. Solches innerliche einsprechen des heili- gen Geistes ist ein sehr herrlich uͤber natuͤrlich zengnuͤß/ daß der fromme hat/ uͤber seiner kindschafft bey GOTT. p. 315. GOTTES vaͤterliche liebes-zeichen habe ich bißher gnug gespuͤret/ auch in meiner seelen taͤglich mit GOTT geredet/ und da seine troͤstliche antwort gehoͤret in seinem hei- ligthum. p. 381. Der innwendige lehrer der heilige Geist/ der in ihnen woh- net. p. 382. Es muß endlich ein jeder Christ fuͤr sich in seinem hertzen und gewissen durch einspruch deß inwohnenden heiligen Geistes versichert wer- den der kindschafft GOTTES. Einschaͤrf. p. 20. daß der inwendige himmlische lehrer der heilige Geist ihre hertzen bereite und zurichte/ und p. 55. Wo der wahre glaube/ der heilige Geist/ die liebe Christi in eines menschen hertz ist/ die wird ihm schon Christi willen und befehl anzeigen. Wer diese worte ansihet moͤgte leicht auff den argwohn kommen/ ob halte es der Autor mit den Quackern und andern dergleichen Enthusiasten/ welche solcher redens-arthen sich auch gebrauchen. Zum exempel: Das Hamburgische Mi- nisterium citirt aus den Qvackern folgende reden: Jhr habt keine lehre noͤ- thig/ wofern ihr die gnade annehmet/ wann ihr darinnen wartet/ so wird es euch zu GOTT fuͤhren/ allda ist euer lehrer. So werden sich auch bey Schwenck- felden und Weigeln/ so denn derselben nachfolgern/ ein und andere dergleichen reden finden. Ob nun schon es solte scheinen/ einerley reden zuseyn/ die Herr Stenger fuͤhret mit solchen von uns billig verworffenen/ sind es doch in der that nicht einerley reden: indem Herr Stenger von den unmittelbar/ und nicht durch das wort/ desselben anhoͤrung und betrachtung/ so denn die heilige Sacramenten/ geschehenden offenbahrungen und wuͤrckungen durchaus nicht redet; sondern von den wuͤrckungen/ welche GOTT durch die mittel bey den menschen wuͤrcket: Weil ja freylich die aͤusserliche mittel nicht aͤusserlich bleiben/ sondern in das hertz d ringen/ und in demselben durch sie der heilige Geist kraͤfftig seyn solle (wie oben C 3 an- Das sechste Capitel. angezogenes Rever. Minister. Hamb. in Quacker greuel C. 4. pag. 146. auch nicht alle innerliche wuͤrckungen des heiligen geistes in den hertzen der menschen auffge- hoben haben will) Daher pag. 312. gleich nach angezogenen worten erklaͤhrungs weise folget: Wenn denn nun der heilige Geist bey der predigt des Evange- lii einen Christen iu seinem hertzen so lieblich troͤstet; Also wann er saget pag. 197. Was ein erwachsener mensch ist/ der muß das Evangelium von JE- su CHristo gehoͤret haben/ es muß ihm seyn gesagt/ geprediget/ bekant ge- macht worden. p. 207. GOTT hat sich einmahl mit seiner krafft verbunden an das wort/ daß nimmermehr ein wort GOttes zu uns geredt wird/ das unkraͤfftig were. Welche materie er p. 226. mit mehrern ausfuͤhret/ und sich darmit gnugsam von den irrgeistern/ welche bey ihren vorgebenden unmittelbahren offenbahrungen und einsprechungen dergleichen nichts sagen koͤnnen/ sondern die krafft des gepredigten goͤttlichen worts so viel an ihnen ist vernichten/ absondert; Weßwegen/ wo wir die sache recht betrachten/ sagt Herr Stenger nicht mehr als der heilige geist durch seine heilige maͤnner vorgesprochen hat Rom. 8/ 14. und folgenden: Welche der Geist GOttes treibet/ die sind GOttes kinder. Denn ihr habet nicht einen knechtischen geist empfangen/ daß ihr euch a- bermahl fuͤrchten muͤsset; sondern ihr habet einen kindlichen geist empfan- gen/ durch welchen wir ruffen Abba / lieber vater; derstlbe geist giebt zeug- nuͤß unserm geist/ daß wir GOttes kinder sind. 1. Joh. 2. 27. Die salbung/ die ihr von ihm empfangen habet/ bleibet bey euch/ und doͤrffet nicht/ daß euch jemaud lehre/ sondern wie euch die salbung allerhand lehret/ so ists wahr/ und ist keine luͤgen/ und wie sie euch gelehret hat/ so bleibet bey dem- selbigen (daruͤber man des theuren Herrn Lutheri wort sehen mag Tom. II. Eis- leb. pag. 373. Daß mirs der heilige Geist eben so im hertzensagt/ wie ichs mit den ohren hier im glauben hoͤre; Und wiederum: Wie der heilige Geist ihm in seinem hertzen predigt/ und auch deß alten Augustini wort denckwuͤrdig sind: Sonus Verborum nostrorum aures percutit, Magister intus est. Ma- gisteria forinsecus adjutoria quædam sunt \& admonitiones: Cathedram in Cœlo habet qui corda docet ) und 5. 6. der geist ists/ der da zeuget/ daß geist warheit ist. Anderer mehr orthe der Schrifft jetzo zu geschweigen. (2. Mag auch einigen es als eine harte rede vorkommen/ wann pag. 127. gesagt wird: GOTT erbarmet sich nicht aller menschen/ sondern nur etlicher/ die sich auch recht in seine vorgeschriebene ordnung schicken. Und pag. 154. Er will nicht allen und jeden suͤndern gnaͤdig seyn. Es solte das ansehen haben daß diese worte mit Bezæ und der uͤbrigen Calvini sten lehr uͤberein kommen/ wann jene sich deutlich herausgelassen/ daß keine zeit gewesen sey/ noch kommen werde/ da GOTT sich aller und jeder zu erbarmen gewolt habe/ wolle/ oder noch wollen werde. Resp. ad act. Coll. Montisp. p. 2. p. 194. Es mag aber auch solcher arg- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. argwohn Herrn Stengern mit recht nicht gravi ren; Als welcher sich gantz hell und deutlich der grausamen Calvinischen lehr von dem blossen rathschluß/ darzu solcher satz gehoͤret/ entgegen gesetzt. Nicht nur da er p. 319. austruͤcklich setzt/ daß wenig Christen selig werden/ koͤmt nicht daher/ als ob sie GOTT nicht alle wolle seelig haben: sondern auch da er pag. 314. die jenige verkehrte lehrer schilt/ die da wehnen/ GOttes wort sey nur bey etlichen/ und nur zu weilen kraͤfftig. Welches er pag. 206. 207. mit ernst treibet/ und solchen einwurff/ da man zu erhaltung des glaubens ohne die predigt des Evangelii meine/ daß es liege an einer sonderbahren heimlichen gnade GOttes/ eine gottlose rede und meinung nennet. Daraus gnugsam erhellet/ daß er nicht rede von dem vorge- henden willen GOttes/ mit welchem freylich er aller menschen heil will/ sondern von dem nachfolgenden/ nach welchem er aus gerechtem gericht allein sich der jeni- gen erbarmet/ und zur seeligkeit wuͤrcklich bringet/ welche solche seine barmhertzig- keit nicht von sich stossen/ oder sich derselben unfaͤhig machen. Daher auch an beyden orthen der mittel oder ordnung gedacht wird/ nach welcher solche erbar- mung sich richte. 3. Solte es gleichfalls eine harte und irrige lehre scheinen/ wann pag. 107. gesagt wird: Kein mensch werde verdamt um der sunde willen. Jn dem ja GOttes zorn wider die suͤnde entbrennet/ und wir allezeit gestehen muͤssen/ daß wir mit der suͤnde zeitliche und ewige straffe wohl verschulden. Psa. 90/ 8. 9. Das macht dein zorn/ daß wir so vergehen/ und dein grimm/ daß wir so ploͤtz- lich dahin muͤssen. Denn unsere missethat stellestu fuͤr dich: Unsere uner- kante suͤnde ins liecht vor deinem angesicht. So ist der todt (und also alles/ was die Schrift unter dem namen des todes zu verstehen pflegt/ darunter der andere oder verdamnuͤß tod freylich auch begriffen/ ja wegen des gegensatzes des ewigen lebens vornemlich hie mit zu fassen ist) der suͤnden sold. Rom. 6/ 23. Wo aber die sache und auch art zureden recht angesehen wird/ werden wir finden/ daß dieselbe nicht wider die Schrifft/ oder unsere uͤbrige rechtglaubige lehre streiten. Marc. 16. wird nicht gesagt; Wer da einige andere suͤnde/ so groß sie sey und wolle/ gethan hat/ sondern wer nicht glaubet/ der wird verdamt. Joh. 16/ 8. 9. Wird deßwe- gen von Christo allein der unglaube/ daß die welt nicht an ihn glaube/ die suͤnde ge- nennet. Sonderlich schoͤn aber wirds gezeuget Johan. 3/ 36. Wer dem Sohn nicht glaͤubet/ der wird das leben nicht sehen/ sondern der zorn GOttes bleibet uͤber ihm. Hie wird geredet von dem zorn GOttes/ wel ch er alle zeitliche und ewige straffe nach sich zeucht/ und von allen suͤnden verdienet wird/ ja deßwe- gen uͤber allen menschen ist/ aber er bleibet nicht uͤber allen/ und bringet also nicht wuͤrcklich das gericht uͤber alle/ sondern er bleibet alleine uͤber denen die nicht glau- ben: Denn von den jenigen/ welche glauben/ weichet er um ihres glaubens wil- len: Also daß die jenige ursache/ warum der zorn GOttes endlich den menschen wuͤrck- Das sechste Capitel. wuͤrcklich mit verdamnuͤß bestraffe/ nicht so wohl in der suͤnde selbs/ dardurch er erreget worden/ sondern in dem unglauben zu suchen ist/ welcher das mittel/ wor- durch jenes haͤtte abgelehnet werden koͤnnen/ wegstosset. Daher wir auff solche schrifftmaͤßige weise finden werden/ daß auch andere Christliche lehrer auff gleichen schlag gelehret/ daß der einige unglaube verdamme/ die uͤbrige suͤnden aber ver- dammen zwar nach dero verdienst/ sie sind der verdamnuͤß wohl wuͤrdig/ nicht aber thaͤtlich oder wuͤrcklich/ es kaͤme denn der unglaube darzu. Apistia sola damnat actu propriè \& immediatè, alias omne peccatum demeritorie damnat. D. Dannhauer Hodosoph. Phæn. 11. pag. 1412. und Catechism. Milch p. 6. Pred. 56. p. 684. Gleich wie allein der biß ans ende beharrliche glaube seelig ma- chet: Also im gegentheil verdammet der allein biß ans ende beharrliche unglaube. Und solches ist eben Herr Stengers meinung pag. 243. Es moͤgen auch deine suͤnde noch so groß seyn/ so wissen wir wohl/ daß Gott nicht verdamt um der suͤnde willen/ sondern um der unbußfertigkeit willen/ und so ein mensch ge- fallen traͤgt an der suͤnde. Sihe auch pag. 108. deutlicher aber pag. 157. Es ist nicht mehr als ein zwiefacher weg zum verdamnuͤß/ der eine heist der mangel der wahren reue/ der ander heist der mangel des Evangelii. Die- ses sind so zu reden 2. wege/ die anfangs etwas unterschieden sind/ endlich a- ber lauffen sie beyde in einander/ und wird daraus der einige weg des un- glaubens. Wie die sache daselbst noch weiter erklaͤhret wird/ daß man daran keinen tadel haben mag. Er giebt aber seine meinung auch noch mehr zu verstehen Einschaͤrff. p. 10. wo er gar saget: Daß auch die menschen nicht um des blossen unglaubens willen verdamt werden (weil wir alle von natur unglauben an uns haben) sondern der muthwillige unglaube sey es/ der die verdamnuͤß bringet. Daher was hier Herr Stenger lehret/ hat gleichfalls der theure Lutherus gelehret/ Tom. 2. Jen. p. 144. Wie der glaube allein alle gerechtigkeit ist und thut/ also ist und thut allein der unglaube alle suͤnde. Daher zeucht Christus keine suͤnde an Joh. 16. denn den unglauben: Da er spricht das ist die suͤnde/ daß sie nicht glauben an mich. Und eben uͤber solche wort 7. Jen. p. 185. Der unglaube wider CHristum/ der wird die suͤnde gar mit einander/ so den menschen ins verdamnuͤß fuͤhret/ daß ihm nicht zuhelffen ist. Und bald. Allhier wird nicht allein der unglau- be/ so von Adam in die menschliche natur gepflantzet ist/ angezogen (ist Herr Stengers distinction zwischen dem blossen unglauben und muthwilligen unglauben) sondern deutlich solcher unglaube/ daß man nicht glaubet an Christum/ nehmlich so das Evangelium von Christo geprediget wird/ daß wir unsere suͤnde erkennen/ und durch CHristum gnad suchen ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT. VII. suchen/ underlangen sollen. Denn nach dem Christus kommen ist/ hat er die suͤnde Adams und des gantzen menschlichen geschlechts (nehmlich den vorigen unglauben und ungehorsam) fuͤr GOTT auffgehaben durch sein leiden und sterben/ und einen himmel gebauet der gnaden und vergebung. Daß solche von Adam uns angebohr- ne suͤnde hin fort nicht soll unter GOttes zorn und verdamnuͤß behal- ten/ so wir an diesen Heyland glauben. Und soll hinfort heissen/ wer da verdamt wird/ der darff uͤber Adam und seine angebohrne suͤnde nicht klagen/ sondern muß uͤber seinen eigenen halß schreyen/ daß er diesen Christum den Teuffels-Kopff-tretter und suͤnden-wuͤr- ger nicht hat angenommen/ noch an ihn geglaͤubet. 4. Wie es nun das ansehen haͤtte haben moͤgen/ daß durch vorigen punct en das gesetz unkraͤfftig gemacht wuͤrde/ weilen wegen desselben uͤbertretung niemand verdamt werde (da wir bereits gesehen/ daß solcher verdacht vergebens) als solte auch noch dieses eine vermuhtung machen/ ob favorisir te der Autor den Anti- nomis und gesetzstuͤrmern/ welche in den vergangenen Seculo schon zu den zeiten des Herrn Lutheri seel. der wider solche geschrieben Tom. VII. Jen. die kirche ver- unruhiget/ und hingegen von den wahren lehrern bestaͤndig verworffen sind wor- den. Denen moͤgte das wort geredet scheinen. p. 3. Was gehet mich Moses an? was breitet er sich mit seinen gesetz taffeln? Einschaͤrff p. 9. Man pre- diget itzt nicht das gesetz Mosis sondern Christi gesetz. Nun wird sich zwar drunten mit mehrem finden/ daß diese machende distinction zwischen CHristi und Mosis gesetze/ und solche arten zu reden/ die davon kommen/ billich geaͤndert wer- den sollen. Aber gleichwohl hat der argwohn Antinomiæ keinen platz: Und wo die formul : Mosis gesetz und Christi gesetz nicht an sich incommoda waͤre/ moͤchte man wohl sagen/ man predige nicht jenes sondern dieses/ das ist/ ob man wohl je- nes prediget/ werde doch durch die lehre von der gnade GOttes/ wie dieselbe den kindern GOttes/ um des glaubens willen auch ihre schwachheit fehler zu gut halte/ und nicht zurechne/ die strenge etwas gemildert. Die erste angezogene formul / wird austruͤcklich einem wahren und in goͤttlicher gnade stehenden Christen zuge- schrieben/ wie er sich gegen das trohen des gesetzes verwahre/ und seine gerechtig- keit nicht darinnen suche/ hingegen wegen derselben sich auch von dem gesetz nicht schrecken lasse. Da ist nun nicht ungleich geredet/ und werden sich dergleichen formuln selbs in den Schrifften des seeligen Herrn Lutheri finden lassen. Was aber Herr Stengers meinung von der sache selbs anlanget/ gestehet er so wohl den usum Didacticum als Pædagogicum des gesetzes/ Einschaͤrff. p. 9. Er erkennet/ daß selbs der fromme und gerechte/ wo er mercke/ daß sich der alte Adam wolle wider den geist gewaltig aufflehnen/ ihn mit dem Mosaischen gesetze und dessen tro- D hungen Das sechste Capitel. hungen zuͤchtige und zaͤhme. Einschaͤrff. p. 13. So gestehet er auch in angezoge- nem orth/ pag. 2. v. 3. Daß auch bey frommen Christen/ der alte Adam/ der eusserliche mensch billig mit dem gesetz gezuͤchtiget/ und geschrecket wer- de. Also daß man wohl mit ihm zufrieden seyn kan. 5. Wie hoch uns an dem Articul der rechtfertigung aus der gnade GOttes und deme dieselbe ergreiffenden einigen glauben gelegen seye/ ist bekand. Es hat aber wiederum das ansehen/ ob gienge auch in denselben Herr Stenger wieder un- sere lehre. Wenn er pag. 402. die rede/ nichts desto weniger (nehmlich ob wir schon nicht recht Christlich leben) werden wir seelig durch den glauben an Chri- stum/ nennet das rechte teuffels netze/ da er mit heut zu tage die meiste Chri- sten fahet und bestricket. Damit uͤberein kommet Einschaͤrff. p. 21. daß er die rede verwirfft: Ob einer gleich an seinem ende kein ander zeugnuͤß hab/ als daß er haͤtte gelebet wie ein teuffels kind/ wo er doch aber glaubt/ so wird er seelig/ und præf. p. 8 . diese einbildung: der glaube mache so alleine seelig/ daß nun nichts dran lige/ ob man Christi gebot hal- te oder nicht. Dahin gehoͤret p. 258. Lebst du fromm/ so wirstu seelig/ lebstu nicht fromm/ so wirstu verdammt/ da wird nichts anders aus. So p. 275. wiederholet wird. p. 274. Christus will keinen seelig machen/ er fuͤhre denn auch in dieser welt einen wandel/ der ihm dem HERRN CHRJSTO wohlgefaͤllt. Also p. 325. erfordert er zwey stuͤck/ wo wir wollen der verdamnuͤß e nt gehen. 1. Glaube bestaͤndig an JEsum Chri- stum. 2. Halte auch deines HERRN und Meisters CHristi gebot. Und pag. 395. Christus habe bezeuget/ daß die nicht in guten wercken sich geuͤbet/ in dieser welt/ deren keiner werde das reich GOttes er- erben. Aber wie wir seine lehre von der rechtfertigung gantz rein und ohne ma- ckel lesen. p. 165. von der verwechselung der personen vor GOttes gericht: Und auch 237. da er saget/ daß dieses gehoͤre zu der rechten glaubens kunst/ daß ein Christ muß koͤnnen sich aller seiner eigen heiligkeit und verdiensts er- wegen/ und bloß ledig allein hangen an der gnade CHRJSTJ: Wo vor und nachgehends gleichfalls seine Orthodoxiam in diesem Articul gnug- sam bezeuget. Also bringen auch die angezogene worte nichts anders oder wiedri- ges mit sich. Dann es ist der vorwand des glaubens (denn daß er nicht von dem wahren glauben rede/ zeigt dieses/ weil es ein solcher glaube ist/ dabey man nicht recht Christlich/ sondern als ein teuffels kind lebet) freylich solches gefaͤhrliche teu- fels netze: So werden auch von dem/ der der verdamnuͤß entgehen solle/ billig beyde stuͤcke erfordert/ der glaube und die haltung der gebot/ das ist Christlicher wandel/ aber auff unterschiedliche weise/ davon er sich anderwaͤrtlich erklaͤhret/ je- ner ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. ner als die einige Instrumental- ursach/ diese als theils das zeugnuͤß/ theils die ohn- außbleibliche frucht der einigen angezogenen ursach (man sehe hievon p. 32. ) werden also zwar beyde von den menschen erfordert/ aber nicht beyde als zur seeligkeit/ son- dern als demzenigen/ der seelig werden will/ nothwendig. Womit auch die letz- te art zu reden gleichfals erklaͤhret ist/ daß verstand und wort schrifftmaͤßig seyn/ und damit der ehre des allein seeligmachenden/ und also ohne die werck seligmachenden/ aber nicht ohne die werck befindlichen/ glaubens nicht geschmaͤhlert werde. Auch erklaͤhret sich der Autor p. 258. daß er dem allein seeligmachenden glau- ben nichts benimmt: Der glaube macht allein seelig: die guten wercke verdienen den himmel nicht. Ja freylich: Aber Christi spruch bleibt auch wahr: Keiner wird in himmel kommen; der sich nicht auch hat fleißig geuͤbt in guten wercken. Denn wo kein heiliges le- ben ist/ keine wahre froͤmmigkeit/ da ist auch der rechte glaube nicht. Da wir sehen daß er die wercke erfordere/ nicht als ein nebens mittel der rechtferti- gung/ sondern als eine frucht und zeugnuͤß des rechtfertigenden glaubens/ und als eine eigenschafft/ die sich bey dem gerechtfertigten finden muͤsse/ nicht aber als eine bedingung der rechtfertigung/ viel weniger als eine ursache der seligkeit. 6. Eben so wenig stossen die wahre lehre um folgende redens-arthen. Der keiner wird erhalten werden/ der in diesem leben beharrlich nur eine eintzige muthwillige suͤnde getrieben. p. 89. Jch muß aller muth- willigen suͤnde entsagen. p. 132. Wer da nur eine einige muthwilli- ge suͤnde forttreibet/ und sie nicht ernstlich und ewig verschweret/ der darff sich keine hoffnung machen zu diesem erbe. p. 103. Wer nicht fuͤhret einen recht gottseligen wandel/ ohne alle muthwillige suͤnden/ der wird nicht selig. p. 171 Wer nur noch einmahl muthwillig zu suͤndigen gedencket/ der wird nicht selig. p. 381. Es weiß ein Christ in seinem hertzen wohl/ daß er nicht lebet in muthwilligen suͤnden. p. 381. Keinen muthwilligen suͤnder macht das Evangelium selig. Gedenckestu nun noch auch nur eine eintzige muthwillige suͤnde dein lebenlang zu begehen/ so hastu dich des Evangelii nicht zugetroͤsten/ p. 403. Wenns gleich nur eine einige suͤnde waͤre/ die du muthwillig woltest begehen so bistu um der willen verdamt/ darwider wird we- der glaube noch Evangelium helffen. p. 129. Wer in einer eintzigen muthwilligen suͤnde lebet/ der hat kein theil am reich CHristi/ er gehoͤret nicht zu seinem schaffstall/ er ist kein Evangelischer Luthe- rischer Christ. p. 62. Einschaͤrff. p. 7. Die muthwilligen suͤnder/ die nicht nur suͤnde haben/ sondern sie auch thun/ deren erbarmet sich D 2 GOtt Das sechste Capitel. GOTT nicht. p. 12. Wer nicht rein wird von muthwilligen suͤn- den/ alsdenn auch der boͤse vorsatz selbst auff gewisse masse eine muth- willige suͤnde heisset/ wer nun den boͤsen vorsatz behaͤlt sein lebenlang/ ein solcher verdirbt auch gar in seiner gottlosigkeit. Und wiederum: das kan nicht beysammen stehen: Ein wahrer Christ seyn/ und in muthwilligen suͤnden leben. Man sehe auch in dem buch p. 148. 247. 364. 377 wo gleich lautendes angetroffen wird werden. Dahin gehoͤren auch die wort pag. 320. Gott hatt nur die besten Chꝛisten außeꝛwehlt/ die will er se- lig machen. Alle solche arten zureden und propositiones moͤgten nun leicht in solchen verstand gefasset werden/ welcher gantz falsch und ketzerisch waͤre/ nehm- lich ob waͤre GOTT keinen gnaͤdig/ der einmahl eine todsuͤnde begangen/ oder eine zeitlang darinnen beharret haͤtte/ wie wir sehen/ daß einige sich bey gehaltenen pre- digten solches eingebildet. Aber p. 384. und Einschaͤrff. p. 10. begegnet er densel- ben also gnugsam/ und zeiget in dem gantzen buch/ daß seine meynung nicht seye/ den jenigen/ welche muthwillig gesuͤndiget/ die buß und goͤttliche gnade abzusprechen/ sondern/ allein zuzeigen/ daß vor ablegung solcher muthwilligen suͤnde kei- ner zu gnaden kommen/ oder vor einen bußfertigen erkandt werden koͤnne. Da- her/ wo man die worte nicht obenhin/ sondern genau betrachtet/ ist so wohl an den- selben/ als an der sache selbst kein fehler. Aber das muß dabey gemercket werden daß solche Propositiones zuverstehen seyen in sensu composito / wie man in schu- len redet. Wer in einer eintzigen muthwilligen suͤnden lebt/ (nehmlich so fern und so lang er darinnen lebt) hat keinen theil am reich Christi u. s. f. Daher in etli- chen gar wohl darzu gesetzt wird/ beharrlich/ item forttreibet. Daß also von denen geredet werde/ welche in solcher ihrer boßheit verharren/ und darinnen hin- sterben. Gleichwohl gehets andere auch an/ als lang und viel sie muthwillig in solcher boßheit verharren/ ob wohl diesen noch die gnadenthuͤr offenstehet/ aber wo sie ihre boßheit verlassen: So lang sie aber in solcher verbleiben/ so gilt es ih- nen gleichfalls (wie also auch allein in solchem sensu composito zunehmen sind/ die wort Præf. p. 4. Gleich als ob ein solcher/ der so gelebet/ gleichwohl ordent- licher weise seligkeit hoffenkoͤnte. Und/ als ob solche koͤnten auch hoffnung haben zur seligkeit/ die die s uͤ nde immer wieder in sich herrschen lassen. Jn dem buch pag. 9. Welcher mensch nicht so viel als er kan in dieser schwachheit sich befleißiget in geistlichem erkaͤntnuͤß zu wachsen/ der darff keine seligkeit hoffen. Und welche wort weiterer erlaͤuterung bedoͤrffen. Præf. p. 26. 27. Wer nicht auch in diesem leben gelangt zu der ihm gleichwohl geziemenden Christlichen vollkommenheit/ auch in erkaͤntnuͤß/ der wird auch die himm- lische vollkommenheit gar nicht erlangen ) Diese lehre ins gesamt/ daß bey ei- ner herrschenden und muthwilligen suͤnde keine seeligkeit zuhoffen seye/ ist unter an- dern ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . VII. dern von unsern gesamten kirchen oͤffentlich bekant in den so genanten Schmal- kaldischen articuln in dem 3. theil art. 3. der heilige Geist laͤst die suͤnde nicht wal- ten und uͤberhand gewinnen/ daß sie vollnbracht werde/ sondern steuret und weh- ret/ daß sie nicht muß thun/ was sie will. Thut sie aber was sie will/ so ist der hei- lige Geist und glaube nicht darbey (ohne diese aber ist kein augenblick die seligkeit) dann es heist/ wie S. Johannes sagt/ I. 3. 9. Wer aus GOt gebohren ist/ der suͤndiget nicht/ und kan nicht suͤndigen. So sagt der christliche Theologus D. Ægidius Hunnius ad 1. Johannis 3. 6. Renascentiam \& peccandi pro- positum sic esse opposita, ut se mutuo ex necessitate tollant, ac consistere in eodem homine simul eodemque tempore minime queant. Jtem noch neuli- cher Herr D. Huͤllsemann/ in Calixtini schen gewissens W. C. 4. pag. 380. Weil der seeligmachende glaub/ und also auch die gnade GOttes/ durch welche er suͤnde vergibt/ nicht kommet in ein hertz mit boͤsem vorsatz beladen/ oder in eine boß- hafftige seele/ die nach boßheit strebet und trachtet: Weißh. 1/ 4. So muß der wuͤrckliche boͤse vorsatz in der ordnung zuvor im hertzen des suͤnders nachlassen und pausi ren/ ehe der glaube hinein kommet. Die letzte Formul / von nur den besten Christen die selig werden/ hat zwar auch an angezognen ort ihre gnugsame erlaͤu- terung/ daß bey solcher erklaͤrung nichts mehr dran zustraffen. Aber solchen ver- stand wird nicht einer bald vor sich selbst aus den worten fassen/ sondern vielmehr darvor halten/ es seyen dieses allein die beste Christen/ welche es in ihrem Chri- stenthum am weitesten bringen/ und niemahl von GOTT abgewichen waͤren/ al- so/ daß der einmahl von GOtt abgetreten/ gantz ausgeschlossen waͤre. Wie nun in solchem verstand/ die proposition gantz falsch waͤre/ und wider goͤttliche barm- hertzigkeit streitete/ also ist sie wegen solches leicht daraus fassenden unrechten ver- standes gefaͤhrlich und nicht wohl zugebrauchen. Wie auch die Schrifft also nicht zureden pfleget. Hieher gehoͤret auch der orth Einschaͤrff. p. 7. da dem an- sehen nach es scheinen solte/ ob wuͤrde dem jenigen/ welcher mit auffgereckter hand GOtt beleidiget/ allerdings alle gnade abgesprochen/ weil solche seele schlecht aus- gerottet werden solle; Aber er erlaͤutert sich gleich selbst/ daß er rede von der zeitli- chen straff/ hingegen solte ein solcher freveler suͤnder deß ewigen todes nicht ster- ben/ wenn er hertzliche busse thaͤt. Daher wenn bald wiederum darauff folget: Wo eine seele aus frevel suͤndiget/ die muthwillige suͤnde kan Gott nicht leiden/ verstehe mit der angezeigten condition/ wo keine busse folgen wuͤrde. 7. Hierauff solgen billich die jenige/ welche scheinen mit sich zu bringen/ gleich ob koͤnte ein mensch hier in dieser welt bereits zu der vollkommenheit und erfuͤllung goͤttlichen gesetzes gelangen. Einschaͤrff. p. 14. Rechtschaffene Christen und kinder GOttes fuͤhren ihren wandel so in dieser welt/ daß sie D 3 Chri- Das sechste Capitel. Christi geboth halten/ und das koͤnnen sie von sich bekennen. Und diß ist der ordentliche lauff der außerwehlten/ daß sie bey ihren leb- zeiten wandeln in gehorsam der gebot Christi/ und an ihrem lebens ende koͤnnen sie mit wahrheit von sich sagen/ daß sie haben gewan- delt in der liebe Christi/ und in gehorsam seiner gebot p. 296. Wañ ich von jemand werde gefragt/ ob ich die gebote meines Heylandes halte/ und ich bejahe es denn/ und sage freylich ja/ wehe mir/ so ich nicht meines HErrn Christi gebothe halte. Einschaͤrff. p. 13. Wo ein Christ sich nur zur rechten busse kehrt/ wird rechtglaͤu- big und wiedergebohren/ darnach fleust aus der wiedergeburt und aus dem glauben schon heraus ein williger freudiger gehorsam/ daß man dem allen nachkoͤmt/ was Christus in seinen geboten erfor- dert/ und thut solches ohn knechtische forcht/ mit lauter hertzens lust. Dergleichen orth finden sich noch mehr/ und werden auch exempel angefuͤhrt/ der- jenigen/ die im Alten und Neuen Testament die gebot Christi gehalten haben. Solte aber dieses nicht/ zu geschweigen der alten Pelagianer auff Paͤpstisch und Photinianisch gelehret seyn? Denn also heissets bey den Tridenti schen Patribus Sess. 5. de Justific. c. 11. GOtt befiehlet nichts unmuͤgliches/ sondern mit den be- fehlen erinnert er/ man solle thun was man koͤnne/ und fordern was man nicht koͤn- ne/ und hilfft/ daß mans koͤnne. Seine gebote sind nicht schwer. Sein Joch ist sanfft/ und seine last ist leicht. Denn welche GOttes kinder sind/ die lieben Christum/ welche ihn aber lieben/ wie er selbst zeuget/ halten seine wort/ welches sie freylich mit goͤttlicher huͤlffe leisten koͤnnen. Daher die rede verflucht wird. Can. 18. DEI præcepta homini justifi- cato ad observandum impossibilia, goͤttliche gebote seyen einem gerechtfertig- ten zuhalten unmuͤglich. So behaupten auch die Socinianer die muͤglichkeit der haltung des goͤttlichen gesetzes. Auch wird in der Form. Concord. c. 12. dieser Schwenckfeldische irrthum verworffen: Daß ein Christ/ der warhaff- tig wiedergebohren/ das gesetz GOttes in diesem leben vollkommen erfuͤllen koͤn- ne. Nun ist an deme/ daß hie wiederum die unbequeme rede von den gesetz Christi/ welches von dem gesetz Mosis unterschieden ist; davon nachmahln wird zuhandeln seyn/ vorkompt. Ausser demselben aber ist die meynung des Auto- ris nicht unrecht. Wie er dieselbe ausdruckt Einschaͤrff. pag. 16. Was anlan- get die gaͤntzliche vermeydung muthwilliger s uͤ nden/ da muͤssen auch wir bey unsern lebzeiten gewiß seyn/ daß wir koͤnnen sagen: Wir lieben Chri- stum/ und halten seine gebot. Verstehet also Herr Stenger durch die hal- tung des gebots Christi nichts anders als die vermeydung muthwilliger suͤnden/ wel- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. welche frommen Christen durch goͤttliche gnade muͤglich ist. Daher p. 297. macht er gar deutlich den unterscheid/ unter der erbsuͤnde/ menschlichen fehlern und muthwilligen suͤnden/ da er alleine in ansehung dieser letzten saget/ daß die bes- serung gantz vollkommen sey schon in diesem leben pag. 297. Aber wie sich die besserung wegen der andern zwey arthen der suͤnden halte/ erklaͤret er sich da- selbst gnug. Daher treibt er auch auff die taͤgliche busse/ und dero nothwendigkeit p. 307. Da heists: Ach wie ferne bin ich noch dem exempel meines HErrn JEsu Christi? Wiederum: Der gute Geist der in mir wohnet/ wuͤrcket in mir eine stetige rene/ uͤber die erbsuͤnde und menschlichen fehler und ge- brechen. Wiederum redet er von dem exempel Christi und der heiligen also/ p. 363. JEsum last uns ansehen/ wenn wir wollen einen rechten tugend-spie- gel haben. Die andern menschen sind doch allzumahl gar kuͤmmerliche elende/ mangelhaffte heiligen; Welches deutlich uns zuverstehen gibt/ daß er den glaͤubigen hier in diesem leben noch nicht die vollkommenheit/ wohl aber das ernstliche streben nach derselben zuschreibet: wie auch der Rostockische Theolo- gus D. Eilh. Lubinus vor dem/ uͤber 1, Johann. 5. 3. commenti ret hat: Man- data Dei servare dicuntur, non qui illa perfecte servant, quod solus Chri- stus potuit, sed qui serio studio illa observare satagunt. Daher in der sa- chen selbst des Autoris meynung just ist: So ist sie auch gnugsam unterschieden von der Papisten und Socinianer Jrrthum. Jn dem jener meynung ist/ daß eini- ge suͤnden/ so sie die laͤßige/ venialia, nennen/ an sich selbst so gering seyen/ daß deßwegen um derselben willen/ ein mensch nicht auffhoͤre gerecht zu seyn/ und al- so ohn angesehen derselben/ das gesetz zu erfuͤllen. Weilen zwar alle suͤnde wi- der das gesetz/ aber nicht alle wider den zweck desselben/ das ist/ die liebe/ streiten. Wie des Jesuiten Becani in Manuali lib. 1. c. 14. p. 256. vergebliche außflucht ist. Solches aber ist Herrn Stengers meynung nicht/ als der erkent/ daß frey- lich nach dem gesetz auch die menschlichen fehler des todes wuͤrdig sind/ daß sie aber gleichwol den wiedergebohrnen nicht aus goͤttlicher gnade setzen/ schreibt er goͤttlicher gnade und dem glauben zu/ um deß willen sie uns nicht zugerechnet wer- den. Wie Becanus an angezogenem orth auch unsere Lutherische meynung an- zeucht/ aber zuwiderlegen vermeynet. Damit ist er von den Paͤpstischen unter- schieden; So vielmehr aber von den Socinianern/ welche nicht nur die von uns lehrende zurechnung der gerechtigkeit Christi (davon auch Schwenckfeld wenig wissen will) sondern alle dessen verdienstliche gnugthuunge leugnen. Was aber endlich die art zu reden selbst anlanget/ GOTTES gesetz halten/ oder daß die glaͤubige solche gebot halten/ halten wir sie vor eine solche rede/ wel- che/ weil sie leicht wegen der jenigen/ die in dem articul von der Erfuͤllung des gesetzes/ unrecht lehren/ uͤbel verstanden werden mag/ nicht anders als mit guter behutsamkeit zubrauchen/ an sich selbst aber recht und warhafftig seye; Sie ist ge- gruͤn- Das sechste Capitel. gruͤndet in den worten Johannis 1. 5. 2. 3. Daran erkennen wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und seine gebot halten/ dann das ist die liebe zu GOtt/ daß wir seine gebot halten; und seine Gebot sind nicht schwer. Ja in den worten Christi selbst Joh. 14. 21. Wer meine gebot hat/ und haͤlt sie/ der ists der mich liebet. Welchen wir in dem verstand wie sie geredet/ wol nachsprechen moͤgen. Aus jenen worten Joh. 1. 5. 3. schliesset der sel. Ægid. Hunn. also Iis qui Deum diligunt \& communionem cum eo gestiunt, necessariam esse observationem præceptorum illius. Es finden sich auch etliche harte formuln, betreffende die spate reue. Ein- schaͤrff. pag. 52. GOTT wolle zwar allen bußfertigen die suͤnde ver- geben/ aber denen die so offt abfallen/ des lieben GOTTes so offt verspotten/ denen werde es darnach so gut nicht/ daß sie kamen zur erkaͤntnuͤs. P. 12. daß er erst in der stunde des todes solte zur bus- se gelangen/ das verbleibet darnach wohl/ und in dem buch p. 279. Woher soll ihm aber der glaube als denn erst kommen? Gewiß ist/ daß unter solchen heuchlern und boͤsen Christen kaum einer unter 100000. zuletzt glaͤubig werde. Christi worte vermoͤgens fast/ daß nicht einer von solchen/ die ihr tag kein gutes gethan/ erst am ende rechte busse thue. p. 401. Man saget von den spat reuenden/ daß sie auch noch zu gnaden kommen/ aber das ist ein ausser ordentli- ches/ in die gemeine regul nicht zuziehen; und nach deme die heu- tige welt beschaffen/ wolt ich sagen/ unter hundert tausenden spat reuenden kaum einer recht busse wuͤrcket. Wir gestehen daß die re- den hart sind; aber gleichwohl (ohne das die angezogene worte aus pag. 279. daß fast nicht einer gar zu weit gehen/ aber auch mit den uͤbrigen nicht uͤbereinkommen/ und also billich aus diesen zu verbessern sind/ so dann daß die bestimmung der einigen zahl/ unter so viel tausenden nicht sicher ist/ sondern man lieber goͤttlicher barmhertzigkeit uͤberlaͤsset/ wie vielen oder wenigen sie diese sonderbahre gnade thun wolle ) bleibt die lehre an sich selbst von solchen muthwilligen spoͤttern goͤttlicher gnade/ die dieselbe offt von sich gestossen haben/ allerdingswar: Sie ist gegruͤndet Proverb. 1. 24. v. f. u. an andern orten der Schrifft: daß GOtt endlichen den menschen in das gericht der verstockung fallen lasse/ von welchem gericht der Autor nichtuͤbel pag. 222. redet. Nicht aber er allein sondern der gemeine/ und durch gemeinen gebrauch gebil- ligte/ kirchen-gesang mit den worten: Jch foͤrchte fuͤhrwar die goͤttliche gnad/ die er allezeit verspottet hat/ wird schwerlich auff ihm schwe- ben ARTIC. I. DISTINC. 1. SECTIO VII. ben. weiset auch/ was bey andern unsern lehrern allemahl geglaubet worden. Herr D. Dannhauer S. G. schreibet in Catechismus Milch. p. 6. p. 293. aus 2. theurer Theologorum mund: Gedencke an die worte Lutheri ad Gen. 50. Quanquam Deus promisit veniam, tamen non promisit, quod cer- to sis rediturus. Saul \& Judas non redierunt: Pharisæus non debet sal- vus fieri præsumendo, nec latro perire desperando. Ob zwar GOTT vergebung der suͤnden versprochen hat/ so hat er dir nicht ohnfehlbahr zugesagt/ daß du wirst wieder kommen mit wahrer busse. Saul und Judas sind nicht wiederkommen/ der werckheilige Phariseer soll nicht selig werden/ durch selbst ertichte einbildung/ und der Schaͤcher auch nicht verderben durch verzweiffelung. Und wie D. Gerhardus (Medit.) saget: Promisit Deus veniam pœnitenti, sed voluntatem pœnitendi non promisit delinquenti. GOtt hat zwar er- lassung verheissen/ den bußfertigen suͤndern/ aber die busse nicht einen jeglichen verheissen/ so offt er suͤndiget/ daher eben jetzt angezogener sel. Herr Gerh. Harm. Evang. cap. 201. pag. 1999. Das exempel des Schaͤchers nennet Singulare exem- plum divinæ benignitatis ac misericordiæ : Ein sonderlich (und also nicht al- len gemeines) exempel goͤttlicher guͤtigkeit und barmhertzigkeit. Vergleicht auch nachmahl die suͤnde/ so das leben durch begangen wird/ mit einer vergifften speise davon 1000. gestorben weren/ und etwan einer wunderthaͤtiger weise (miraculo- se) erhalten worden; Am allernachtruͤcklichsten aber/ redet hievon der gelehrte und accurate Theologus D. Huͤllsemann: brev. Theol. extens. cap. 14. num. 7. \& 8. (mit dem Herrn D. Dannhauer Hodos. Ph. 9. pag. 640. einstimmet und diese worte zum theil wiederholet) causa decreti de Electis ad tempus ab unione cum Deo \& influxu ejus gratioso prolapsis infallibiliter redu- cendis non tam nititur prævisa non rejectione gratiæ divinæ ad resipi- scentiam eos revocantis, quam proposito Dei seu voluntate reducendi hunc non illum. Quod in Apostatis valet: non æque in nondum illu- minatis. Omnibus enim nondum illuminatis promisit Deus oblatio- nem luminis; Non omnibus autem apostatis promisit reiterationem luminis petulanter extincti (aus den spruͤchen Rom. 11. 18. 23. Hebr. 3. 7. 4. 1. 3/ 6/ 6/ 4/ 5/ 10/ 26. Joh. 12/ 35/ Matth. 25/ 9. 10. Jerem. 3/ 1. 2. Petr. 2/ 20/) un- de consequitur: non esse eundem respectum Dei ad hominem, quo con- tinuatur gratiosus influxus, \& repudiatus redintegratur, quia est diversi- tas in subjectis. Daraus erhellet/ daß ein solcher freveler veraͤchter goͤttlicher gnade/ der auf vermeinte buß des letzten stuͤndleins sicher dahin suͤndiget/ ihm solche nicht ohnfehlbar versprechen koͤnne. Also koͤnnen wir keinen darauf vor- her vertroͤsten/ daß es ihm auch inskuͤnfftige so gut werde werden/ ob wohl da es bey seinem letzten gleichwohl geschicht/ wir vor solche gnade mit ihm der unergruͤnd- lichen barmhertzigkeit Gottes zu dancken haben. Und das ist/ was Hr. Stenger sagt. E p. 14. Das sechste Capitel. P. 14. So gut wird nicht eben einem jeden/ und muß man da GOttes weißheit und unerforschliche gerechtigkeit walten lassen. p. 396. Ob darnach unter etlich tausenden moͤchten ein paar gefun- den werden/ die GOtt aus geheimen unbegreifflichen rath noch erst am ende mit rechter busse und glauben beschenckte/ daß benimt drum der ordentlichen allgemeinen regul gantz nichts. Man kan auch die leuthe nicht darauf weisen/ und sie solcher gnade GOTTes ver- sichern. Und Einschaͤrff. p. 28. je laͤnger man GOTT verachtet/ desto mehr vortheil waͤchset dem Satan zu/ aus dessen Stricken hernach zuentkommen/ bedarff einer sonderbahren gnade GOttes/ uͤber die allgemeine/ da nun aber nicht verheisung vorhanden. Welches alles zwar nicht dahin zuverstehen ist/ ob waͤre es eine andere gnade an sich selbs/ durch welche solche leuthe selig wuͤrden gegen andern. Denn es ist eine gnade/ dadurch alle selig werden muͤssen/ welche sich gruͤndet auff die allge- meine barmhertzigkeit des Vaters/ Christi allgemein verdienst/ des heiligen Geistes allgemeine beruffung/ und der goͤttlichen mittel krafft. Aber die wiederholung o- der offtere anerbietung der vorhin verstossenen gnade ist etwas sonderliches/ in dem es nicht allen wieder faͤhret; Deßwegen kan ich einen boßhafftigen suͤnder aus ansehung der allgemeinen verheissungen dessen nicht versichern/ daß er am letzten ende werde busse thun. Da hab ich keine verheissung/ welche ich ihm zeigen kan. Aber da er am letzten ende goͤttlicher gnade begierig ist/ darff ich ihn auf keine son- derbahre und ungewisse gnade/ sondern die allgemeine verheissungen/ darunter er auch begriffen ist/ weisen: Aber eben solche begierde/ und daß er noch nicht versto- cket/ keine gnade nicht sucht/ das ist bereits eine sonderbahre gnade/ weil sie nicht allen/ ja vielmehr wenigen/ wiederfaͤhret. Zu dieser materi e aber gehoͤret auch die jenige formul, præf. p. 8. welche wir/ wie sie vor augen ligt/ zu hart und ei- ner aͤnderung noͤthig zu haben achten: Wo es solte zuverstehen seyn von dem ungehorsam gegen die gebot Christi/ da kan sich der sterbende ordentlicher weise nicht so beruffen auf Christi verdienst. Denn obs wol nicht ordentli- cher weise und gewoͤhnlich geschicht/ daß solche leute zur busse erleuchtet werden (daher er ordentlicher weise bey verharrenden seinen suͤnden/ daß er gleichwol der- maleins werde des verdiensts Christi theilhafftig werdẽ/ ihm nicht versprechen kan) So kan doch der jenige/ der nunmehr um solche zeit sich auff Christi verdienst be- ruffet/ ordentlicher weise sich dessen getroͤsten/ daß es an ihm so wol als eini- gen andern kraͤfftig seyn werde/ vorausgesetzt/ daß sein hertz/ wie bey allen/ die da glaͤuben sollen/ erfordert wird/ in wahrer busse stehe. So bedoͤrffen auch die folgende wort: Dann Christus hat uns zwar mit seinem verdienst erloͤset von ARTIC . I. DISTINCT. I. SECTIO VII. von dem unertraͤglichen joche Mosis/ aber nicht von dem sanfften joche seiner geboten/ einer guten erklaͤrung/ daß sie nicht auff unrechten verstand gezo- gen werden. 9. Eine genaue gemeinschafft mit dem jetzt angefuͤhrten hat auch diese art zu reden/ wo Herr Stenger unterschiedlichmal pfleget zu sagen/ dieser wird ordentlicher; jener ausser ordentlicher weise selig. Als p. 239. Ordent- licher weise wird keiner selig/ er habe denn auch from gelebet/ aber mit froͤmmigkeit wird drumb das ewige heyl nicht verdienet. Diß folget wohl daraus/ daß die spath-reuende/ nicht auff ordentliche art und weise selig werden. Denn sonst ist das die gewoͤhnliche/ ordentliche arth und weise die sich findet bey rechtschaffenen Chri- sten/ daß sie nemlich fein bey zeiten abstehen vom boͤsen. Bald dar- auff. Wenn denn ein und der andere aller erst am letzten ende von GOTT bekehrt wird/ so heisse ich das ein ausserordentlich ungewoͤhnliches exempel. p. 395. Solches ist ein ausserordentliches/ es ist ein ungewoͤhnlicher casus. Jtem/ es ist gantz nicht gew oͤhn- lich noch gebraͤuchlich. Jtem/ so ists fuͤr ein ungewoͤhnlichen aus- serordentlichen wunder casum zuhalten. Also auch p. 401. und an- derswo. Also klaget er præf. p. 5. daß von etlichen der ausserordentliche spa- te buß weg zum ordentlichen lebensweg gemacht werde. Hier- aus moͤchte vielleicht jemand in die gedancken kommen/ ob waͤre Herr Stenger der meinung/ es wuͤrden die spath-reuende auff andere weise/ durch andere mit- tel von GOttes und ihrer eigenen seiten selig/ als andere/ da doch einerley gnade/ Christi verdienst/ Wort/ Gesetz/ Evangelium/ Sacramenten/ und also alle mit- tel sind/ daraus alle menschen insgesamt zur busse und solcher guͤter genuß muͤs- sen gebraucht werden: Wie hingegen auch von ihrer seiten bey allen der einige glaube ist/ der solche annimt. Jn solchem verstand ists eine ordnung vor alle/ und wird keiner ausser ordenlicher weise selig: Wir moͤgen denn solches sagen von den kindern/ welche vor der Tauff sterben/ da die ordentliche mittel des worts und Sacraments der Tauff nicht platz haben/ ob wohl es auch eine gnade/ gerech- tigkeit Christi und glaube ist/ wie bey andern/ krafft deren sie selig werden. Es ist aber solches durchaus Herr Stengers meinung nicht/ wie solches die vierze- hende predigt zur gnuͤge ausweiset; Sondern er erklaͤret sich selbst/ wie er diese worte verstehe/ Einschaͤrff. p. 22. daß er ordentlich nennet/ solenne, consvetum \& ordinarium, was ordentlicher weise und gemeiniglich geschicht/ das andere nennet er ausserordentlich/ extraordinarium. Was dann die sache selbst anlanget/ so ists aus vorigen bekant/ daß in sol- chem verstand freylich die spath-reuende nicht ordentlich/ sondern ausser ordentlich E 2 selig Das sechst Capitel. selig werden/ es ist nichts gemeines/ gewoͤhnliches/ sondern ungemeines. Was aber das wort selbs/ ob dergleichen solle ordentlich und ausserordentlich genennet werden/ anlangt/ bezeugt Herr Stenger selbs/ daß er nicht so sehr auff das wort selbs dringen/ sondern es nicht wehren wolle/ wo es einer mit einem bessern termi- no geben koͤnne. Jn dessen bezeucht er sich auff der kirchen-lehrer art zureden. Nun ists an dem/ daß was die arth und weise anlangt/ wie die mittel des heyls diesem und jenem zukommen/ daß nicht ungewoͤhnlich/ daß der Terminus aus- serordentlich gebraucht werde. Herr D. Dannhauer Hodos. p. 614. sagt: ali- às extra ordinem quis neget, Paulum, Zachæum, Latronem valentiori gra- tia ad resipiscentiam fuisse excitatos, quam plerosque alios. So sagt er von Pauli bekehrung Hodom. Calvin. Phant. φαντασμ. p. 470. De qui- busdam enim extra ordinem hoc fieri, ex. gr. Paulo irresistibili quadam ratione pervicto in via Damascena, nolumus negare. Und p. 429. Dum con- trà ordinariè fidei χάρισμα non detur contumaciter repugnanti. Werden sich auch hin u. wieder mehr dergleichen orth finden. So ist auch der Terminus an sich so bewand/ daß ob schon die derivation desselben scheinet mehrdarauff zugehẽ/ daß auff die oꝛdnung der mittel zu sehen waͤre/ welcher veꝛstand aber der hieꝛgemein- te nicht ist/ gleichwol der gemeine gebrauch in dem gemeinen leben dieser ist/ daß man/ wie Herr Stenger thut/ ordentlich das jenige nennet/ was gemeiniglich ge- schicht/ ausserordentlich was ungewoͤhnlich. Hat aber jemand bedencken/ oder solte von mehrern der Terminus, der gar in der Schrifft nicht befindlich/ in unglei- chen verstand gefast werden/ so moͤchte wohl um solches mißbrauchs willen/ solches wort/ so an sich nicht verwerflich/ außgelassen/ und etwa das wort/ Sonderbahr/ singularis, oder was man vor ein bequemes finden koͤnte gebraucht werden. 10. Haben wir auch wahr genommen als einen solchen satz/ der vielleicht auch einigen zweifel machen koͤnte/ wenn gelesen wird præf. p. 11. Wenn GOTT einer vorkomt zurichten/ so ist die frage: Wie dieser mensch allen boͤsen vorsatz abgeleget/ und darneben ein verlangen getragen nach der gnade JEsu Christi? Wo dieses bey einem menschen richtig/ so spricht ihn GOtt auch gerecht/ und macht ihn selig/ es moͤge sich gleich der mensch in seinen eigenen concepten noch so gewiß vor ver- dammt gehalten haben. Jn dem Buch p. 212. Wo GOTT einen menschen sihet/ in dessen hertz kein boͤser vorsatz/ und auch ein ver- langen zur gnade JEsu Christi/ den spricht GOTT gerecht/ und verdammt ihn nicht/ ob gleich der einfaͤltige mensch sich selbst will vor verdammt halten. p. 229. Also mag sich einer lang verdammt hal- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. halten/ so thut doch GOtt was er wil/ er verdammt keinen men- schen/ es mangele ihm dann an der reue oder am Evangelio. Alles solches solte das ansehen gewinnen/ ob wuͤrde gelehrt/ daß der mensch moͤchte selig werden/ der doch mit verzweiffelung/ und ohne in dem hertzen gehabten trost der seligkeit/ gestorben seye. Welches der lehr von dem allein seligmachenden glauben stracks zu wider seyn wuͤrde. Wir koͤnnen auch nicht in abred seyn/ daß wir diese arthen zu reden wuͤnschen geaͤndert zu haben/ damit sie nicht in einen un- rechten verstand/ so zwar des Autoris selbs nicht seyn wird/ gezogen werden moͤch- ten. Gleichwol wo die meynung des Autoris genauer angesehen wird/ laͤsset sich diese entschuldigung sehen/ daß er rede von dem stand der in der hoͤchsten geist- lichen anfechtung liegenden Christen/ welche den bey ihnen wohnenden glauben nicht fuͤhlen/ sondern zwar mit der verzweiflung ringen/ aber sich nicht uͤberwin- den lassen: ob dann schon ein solcher mensch eine zeitlang des zeugnuͤß des heiligen Geistes und seines glaubens in der seelen nicht fuͤhlet/ und hingegen die so gifftige als feurige pfeile des Satans/ der ihn wegen mangel fuͤhlenden glaubens zur ver- zweiffelung treibet/ in seiner seelen leiden muß/ daß er meinet/ er sey schon gleich- sam mitten in der hoͤlle/ so ist alsdann der glaube ihm gantz ohnbekaͤntlich in dessen hertzens-grund verborgen/ und wird auff unaussprechliche weise durch den hei- ligen Geist erhalten/ ob wohl der arme mensch selbs und andere neben ihm solches glaubens kein ander zeugnuͤß haben/ als sein noch habendes sehnliches verlangen nach der gnade: Deßwegen wie der in ohnmacht ligende mensch/ kein leben fuͤh- let/ daß er doch hat/ so hat auch der angefochtene mensch das geistliche leben des glaubens/ daß er nicht spuͤret: Stehet also vor GOtt in seligem stande/ da er sich selbst verdammt. Und auf solche weise sind Herr Stengers wort gantz recht/ und geschicht solches bey angefochtenen personen gantz offt. Ob aber/ wie der er- ste angezogene ort auf solchen fall gehet/ es geschehen solte/ oder je geschehen sey/ daß GOtt der gleichen menschen in waͤhrender solcher anfechtung/ ohne zu letzt noch wiederkommenden trost/ des empfindlichen glaubens von der welt weg neh- me oder weggenommen haͤtte/ zweifeln wir fast/ haltens viel lieber mit unserm seligen Herrn Luthero 8. Wittenb. pag. 58. da er sagt: Daß GOTT keine anfechtung ewig waͤhren laͤst/ sondern eben wie sich das wetter ver- aͤndert/ daß allwege nach einem truͤben ein heller tag kommet/ und nach der arbeit eine erquickung: Also erfahren wir auch/ daß un- sere hertzen wiederum durch einen geistlichen trost auffgerichtet wer- den/ ob sie gleich eine zeitlang mit gedancken der verzweiffelung des unglaubens und ungedult fuͤr GOTT und der welt/ einen/ zween/ drey tage oder laͤnger sind geplagt worden. Wie auch so viel exempel der angefochtenen bekant sind/ in denen sich solche goͤttliche guͤte/ die E 3 sie Das sechste Capitel. sie noch vorhin/ ehe sie abgeschieden/ mit trost erquicket/ gezeiget hat. Damit wir gleichwohl goͤttlicher wunderbahren und ihre heilige wunderlich fuͤhrende weißheit keine maß vorschreiben wollen. Jn dessen haben wir gern gelesen/ was er p. 384. setzet/ und damit verhuͤtet/ daß ausdergleichen manglendem fuͤhlen des glaubens nicht uͤbel geurtheilet werde: Wann GOTT einen menschen in der todes stunde wolte lassen in anfechtung veꝛderben/ so muͤste er kein getreuer GOTT seyn. Aber er ist treu und fromm/ und will das angefangene gute werck vollfuͤhren. Daß wenn nun ein Christe le- bet gottselig/ so darff er ihm nicht lassen leid seyn fuͤr den letzten kampff. Dann da will GOTT selbs mit dabey seyn/ und um solche seele/ die ihm in dieser welt treulich angehangen/ eyfferen/ sie durchaus nicht lassen in des Satans klauen gerahten. 11. Jst noch uͤbrig die art zu reden/ da er p. 200. zu dem glauben 5. stuͤck erfordert. 1. Daß erkaͤntnuͤß/ 2. den beyfall/ 3. diezuversicht/ 4. daß verlan- gen. 5. die ruhe der seelen/ welches nichts anders seye/ als eine getroste freu- dige zuversicht der seelen. Nun pflegen wir ins gemein nicht mehr als 3. stuͤck zu dem glauben zuerfordern/ welcke hie die 3. erste sind. Wann wir aber gleich- wohl die sache an sich selbst betrachten/ wird hier nichts anders/ sondern das jenige/ was sonst auch gelehrt wird/ etwas unterschiedener vorgelegt; Jn dem was wir sonst zuversicht nennen/ die drey letzte zumahl in sich schleust. So gestehet Herr Stenger an angezogenem ort selbst/ daß unter den jenigen/ die er zehlet/ das dritte und fuͤnffte/ beydes actus seyen von der zuversicht/ jener noch auff die begehrende dieser in der bereits empfangenen gnade: oder wie ers austruckt/ daß in dem dritten puncten er verstehe/ die zuversicht/ so vor der rechtfertigung hergehe/ in dem fuͤnfften die zuversicht nach erlangter vergebung der s uͤ nden. (Da- rin aber soll auch mit verstanden werden/ in der erlangunge solcher vergebung/ welche wir davor halten/ von dem Autore mit der andern eingeschlossen zu wer- den) Nun pflegen wir insgemein beyde solche actus / ob zwar auff unterschiedliche weise/ unter der zuversicht zuverstehen. Was das verlangen betrifft/ so Herr Stenger beyfuͤget/ ist er nicht der erste sondern der theure und hochverdiente Chem- nitius exam. concil. Trid. p. 1. de fide justific. p. 163. machet auch hieraus den dritten grad des glaubens/ welcher vor der zuversicht hergehe: Tertio ex illa notitia \& assensione cor seu voluntas per operationem Sp. S. concipit desi- derium, ut quia seriò sentit, se oneratum peccatis \& ira Dei, expetat, velit, quærat, petat sibi donari \& communicari beneficium justificationis, quod in promissione Evangelii proponitur, \& illud fide apprehendit, u t ad se reci- piat. Wie wir nun aber nicht vonnoͤhten achten/ daß solches verlangen austruͤcklich gemeldet werde/ sondern mag unter dem vertrauen mit verstanden werden; daher wir ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. wir bey der sonst gewoͤhnlichen abtheilung in die drey stuͤck gerne bleiben; Also finden wir doch nicht gnugsam ursach in angezogenem verstande/ wo einer das eine stuͤck noch weiter abtheilen will/ solche theilung zuverwerffen; Aber dieses moͤchten wir wuͤnschen/ daß der Autor / wo er die zwey zur seligkeit noͤthige stuͤcke/ wie p. 56. 288. und offter ers geschicht/ anzeiget/ und zuerst die reue damit austruckt/ allen vorsatz muthwilliger s uͤ nde abgeleget zu haben/ das andere aber den glauben also beschrei- bet/ ein sehnlich verlangen nach der gnade JESU CHRJSTJ haben/ daß er an statt dieses verlangens vielmehr der zuversicht oder vertrauens ge- dacht haͤtte. Dann ob zwar es um der ursach willen wird geschehen seyn/ denjenigen damit den trost zulassen/ welche in anfechtung und bey ihren schwachen glauben denselben nicht bey sich fuͤhlen/ und nur alleine an dem verlangen gleichsam hangen muͤssen bleiben/ daß er nur des verlangens gedencket. So waͤre gleichwohl erstlich um derselben/ und zwar nur einiger zeit willen/ da sie in ihrer schwachheit ihren glauben nicht recht spuͤhren/ weil solches das ungewohnlichere/ der glaube davon nicht zu benennen gewesen/ sondern von seinem edelsten actu dem vertrauen. Son- derlich weil auchzum andern selbst bey dergleichen schwachglaͤubigen und angefoch- tenen eben so wohl das vertrauen auff nicht nur hoffende sondern annehmende gna- de sich befindet/ ob sie schon dasselbe nicht fuͤhlen oder gewahr werden. Weil ja das fuͤhlen auch den uͤbrigen stuͤcken des glaubens nicht schlechter dinge zum glauben nothwendig ist; Wie wir an dem exempel junger kinder und auch anderer glau- bigen/ da sie zum exempel in dem schlaff nichts actu reflexo gedencken/ und gleich- wohl auch zu solcher zeit den glauben thaͤtlich haben/ erkennen moͤgen. Auch kans nicht anders seyn; dann das verlangen selbst erlangt goͤttliche gnade nicht/ als welches durch eine ergreiffung und zueignung geschehen muß: Darzu gehoͤrt das vertrauen/ welches sich deswegen von dem glauben nicht scheiden; hingegen auch mit dem fuͤhlen desselben/ und der empfindlichen ruhe der seelen/ die darauff folget/ nicht confundi ren laͤsset. Welche stuͤcke dann von dem Autore an gedachtem orth/ ob er wohl exprofesso davon handelt/ doch nicht deutlich gnug erklaͤhret sind; daß aber zuweilen wir den angefochtenen alleine auff sein verlangen weisen/ geschiehet nicht darum/ gleich ob waͤre solches schon gnug zum glauben/ sondern dieweil bey ermanglender fuͤhlung der uͤbrigen dieses so sie fuͤhlen gleichwohl ein zeugnuͤß der goͤttlichen wuͤrckung bey ihnen ist/ welche auch das vertrauen in ihren hertzen gewuͤrcket hat/ ob sie schon solches nicht spuͤren. 12. Jst dieses eine arth zu reden/ welche wir vor andern bedencklich achten zuseyn/ daß so offt in diesen schrifften Mosis und Christi gesetz/ einander entgegen gesetzt/ und von einander unterschieden werden. Wir wissen und findens wohl/ daß Herrn Stengers meinung nichtboͤse/ sondern allein diese sey/ daß das gesetz/ welches er Mosis gesetz nennet/ einen vollkommenen gehorsam von uns erfordere/ und sich mit demjenigen/ was wir hie in der schwachheit zu thun vermoͤgen/ nicht abspei- Das sechste Capitel. abspeisen lasse; Hingegen seyen wir durch die gnade Christi/ da wir derselben durch den glauben theilhafftig werden/ von dem joch des gesetzes befreyet/ uns sey die gerechtigkeit Christi/ und also in derselben die erfuͤllung des gesetzes geschencket: Welche machen/ daß nach dem wir numehr bey GOTT in gnaden stehen/ dersel- be den gehorsam/ welchen wir in unserer schwachheit leisten/ ob er wohl unvollkom- men ist/ ihme gefallen laͤsset/ hingegen alle uͤbrige erb- und schwachheit-suͤnde nicht zurechnen will/ daß daher alleine die schwehre boßhafftige/ und muthwillige boß- heit-suͤnden die jenigen seind/ welche kinder GOttes aus solcher ihrer kindschafft und goͤttlicher gnaden genuͤß herauswerffen koͤnten. Daher eines solchen Chri- sten zustand freylich unvergleichlich seelig ist: Dann ob er wohl eben das gesetz Mosis auch vor sich ligen hat/ und darzu verbunden ist/ als auch der unwiederge- bohrne/ so wird doch er nicht gestrafft/ und komt nicht um seine kindschafft wegen der menschlichen fehler/ aber dieser ladet ihm mit allen auch den geringst-scheinen- den suͤnden goͤttlichen fluch und zorn auff sich. Daß ist ja freylich ein grosser vor- zug vor andern. Wie nun dieses alles wahr ist/ und mit mehrern erwiesen wer- den koͤnte/ wo es die noth erforderte/ also ist auch dasselbe eben des Herrn Sten- gers meinung/ so viel wir aus allem andern schliessen koͤnnen; aber er gibts mit andern woͤrtern/ daß er saget/ wir seyen nicht mehr unter Mosis gesetz/ sondern unter Christi gesetz: Als Einschaͤrff. p. 9. Man predigt itzt nicht das ge- setz Mosis sondern CHRJSTJ gesetz: daß heist/ suͤndige nicht muthwillig/ die muthwillige suͤnde wird verbothen/ p. 18. Man kan einen frommen menschen an seinem ende auff zweyerley weise be- trachten. Erstlich in ansehung der gelinden gebot Christi/ und in gegenhaltung gegen die losen heuchler/ gegen die schnoͤde gottlose welt; Zum andern in ansehung des scharffen/ gestrengen gerichts GOttes/ nehmlich nach dem scharffen gesetz Mosis/ und p. 55. Jns gemein ist die summa und der inhalt der gebote Christi in Mosis gesetz mit ent- halten/ und sind so ferne Christi und Mosis gebot nicht allerdings unterschieden. Aber doch findet sich auch ein unterscheid/ und zwar ein dreyfacher/ dann 1. Moses verbeut im gesetz alle suͤnden/ auch die erbsuͤnden/ und menschliche fehler. Christus in seinem gesetz verbeut nur die muthwillige suͤnden. 2. Mosis gesetz gehet an die unwiederge- bohrnen. Christi gesetz aber an die wiedergebohrnen. 3. Wer Mosis gesetz uͤbertritt/ wird darum nicht eben verdammt. Sintemahl wo ist ein mensch/ der nicht Mosis gesetz uͤbertrette. Aber wer Christi ge- setz nicht haͤlt/ der wird verdammt. Also sind ja unterschieden Christi und Mosis gebote/ Mosis gebot ist ein unertraͤglich Joch/ Act. 15. Chri- ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO VII. Christi gesetz aber ist ein sanfftes Joch/ eine leichte last. Seine gebo- te sind nicht schwehr; Gelehrte wissen/ daß im zehenden gebot deß Decalogi wird verbothen die angebohrne sich noch nicht regende erb- lust. Da moͤchte man wohl sagen/ daß das zehende gebot nicht mit zu Ch risti gebot gehoͤret. Denn den wie der gebohrnen ist nicht gesagt/ sie solten gar ohne erbsuͤnde seyn/ sondeꝛn nur sie nicht lassen heꝛꝛschen. Nun ists an deme/ daß andere widrige religions-verwandten pflegen diese arthen zu reden zugebrauchen: Bey den Papisten heists in Concilio Trident. Sess. 6. Can. 21. Si quis dixerit, Christum Iesum à Deo hominibus datum fuisse, ut redemtorem cui fidant, non etiam ut legislatorem, cui obediant: ana- thema sit. Solches fuͤhret mit mehrern aus der Iesuit Becanus Tom. 3. de le- gib. c. 5. g. 1. Christus instituit novam legem ad Christianos pertinentem, ac proinde non tantum redemtor, sed etiam legislator dicendus est (dazu zeucht er die spruͤche Esa. 33. Ioh. 14. und 15. Matth. 28, 1. Cor. 7. und 9. Hebr. 2. ubi confert inter se Christum \& Moysen tanquam duos legislatores, alte- rum V. alterum N. Testamenti. Wiederum: Lex Moysis, quia tantum præcipiebat \& non juvabat, retinuit nomen legis, lex vero Christi, quia pauca præcipit \& plurimum gratiæ confert, obtinet nomen gratiæ ab effe- ctu magis principali. Daher nennet er auch das Caput de lege nova, seu Ev- angelica. Bey den Photinia nern oder Socinia nern/ ist auch dieses einer ihrer irrthume. Osterrod. Unterricht von den fuͤrnehmsten Hauptst. c. 22. Gleichwie uns GOTT durch JEsum CHristum die wahrhaffte und vollkommene seligkeit verheissen: Also hat er uns auch durch denselben solche gebot geben/ welche alle da- hin gerichtet/ daß sie eine wahrhaffte und vollkommene gerechtigkeit/ in uns wuͤr- cken und zu wege bringen sollen. Wiederum/ es sind die præcepta moralia (das sind die gebot von der froͤmmigkeit und gerechtigkeit) durch Christum viel vollkom- mener gemacht/ darum auch der HERR selbs gesagt/ Matth. 5/ 17. daß er nicht kommen das gesetz oder die propheten auffzuloͤsen/ sondern zuerfuͤllen/ welches er- fuͤllen dann anders nichts ist/ dann vollkommen machen/ oder hinzu thun/ was da mangelt. Abermahl/ das Christus die gebot des gesetzes Mosis sollt vollkommen gemacht haben/ concedi ret zwar der grosse hauffe der vermeinten Christen nicht; Sondern haͤlt es gaͤntzlich dafuͤr/ daß uns Christus/ was die sitten betrifft/ nichts neues gebothen habe: Welche meynung so irrig ist/ daß sich einer hoͤchlich verwun- dern muß/ wie verstaͤndige leute derselben koͤnnen beyfall geben. Mit diesem hal- tens/ wie in vielen andern stuͤcken/ auch die Arminia ner Apolog. p. 143. Quid est, quod clarius dissertiusque in Evangelio traditur, quam Christum le- gislatorem nostrum esse? An non ipse passim dicit, hoc est mandatum meum, \& c. Solte man aber deswegen sagen/ daß Herr Stenger hierinnen F Paͤp- Das sechste Capitel. Paͤpstisch/ Socinianisch oder Arminianisch lehre? Das koͤnnen wir nicht sagen. Dann ob schon diese irrig lehren/ daß Christi gesetz und Mosis gesetz unterschieden/ und also von jenem auch ein gesetz gegeben sey/ und Herr Stenger eben dergleichen lehret/ ists doch im verstand nicht einerley. Jener meynung ist/ es sey das alte ge- setz Mosis nicht vollkommen genug gewesen/ also habe Christus solches muͤssen voll- kommener machen/ und einen genauern gehorsam von uns fordern/ als Moses ge- fordert. Aber nach Herrn Stengers meynung ist vielmehr die strenge des gese- tzes Mosis durch CHristum gemildert worden. Welches so grossen unterscheidt zwischen beyderley meynung machet/ daß sie einander vielmehr grade entgegen ste- hen: So gar kommen sie nicht uͤberein. Daß wir deswegen den Autorem eini- ges Consensus nicht verdaͤchtig halten. Wofern aber von der arth zureden selbs gefragt wird/ ob man nehmlich die gnade des Evangelii/ nach welcher GOTT der HErr um CHristi willen unsern unvollkommenen gehorsam will in gnaden an- nehmen und damit zufrieden seyn/ das gesetz Christi nennen solle/ halten wir solches nicht schrifftmaͤßig zu seyn. Wir gestehen gern/ daß Christus freylich ein gesetz ge- ber seye/ in deme der GOTT/ welcher das gesetz gegeben/ ist der Dreyeinige Gott: Aber sein gesetz ist eben das gesetz seines dieners Mosis; Hingegen/ daß der Herr in den tagen seines fleisches/ und bey angetretenem seinem Mitler-Amt einiges ge- setz/ es seye nun solches strenger oder gelinder als das Mosaische gewesen/ gegeben habe/ finden wir nirgend. Dann wo der HERR seiner gebote meldung thut/ sinds lauter gebote/ die eben seine gebote durch Mosen gegeben sind/ von Christo a- ber der nicht nur das Evangelium/ sondern auch vieles/ das des gesetzes war/ pre- digen muste/ wiederholet und erklaͤhret worden. Also daß wir nirgend etwas lesen/ da im vorgebenden verstand CHristi und Mosis gesetz einander entgegen gesetzet wuͤrden. Wann also Herr Stenger sagt: Daß CHristus die muthwillige suͤn- den nur verbothen habe/ so fraget sichs/ ob er solches gethan habe/ durch ein neu ge- setz oder durch das Evangelium? Durch dieses kans nicht geschehen seyn/ denn dasselbe ist keine lehre von geboten oder wercken/ sondern von dem glauben und gnadenreicher vergebung der suͤnden/ wie in unsern Symboli schen buͤchern gnug ausgefuͤhret ist: Durch ein neu gesetz kans wiederum nicht geschehen seyn/ dann weil das gesetz der unwandelbahre wille GOttes ist/ aͤndert sich solcher nicht/ und kan nicht recht oder gut werden/ was einmahl in goͤttlichem gesetz unrecht und suͤnde gewesen. Daher waͤre diese exclusiva nur die muthmillige suͤnde also zuver- stehen/ entweder/ daß Christi gesetz die menschliche fehler erlaube/ oder/ daß es sie nicht erlaube/ oder mit andern worten zugeben/ daß Christi gesetz das Mosaische gesetz in absicht des verbots solcher menschlichen fehler anffhebe oder kraͤfftig lasse bleiben. Wird dieses letzte ergriffen/ so ist die krafft der exclusivæ geschwaͤcht: Jn dem also die schwacheit suͤnden gleich so wohl als die muthwillige verboten blei- ben. Wehlet man aber das erste/ streitets gedachter massen wider goͤttliche ge- rech ARTIC . I. DIST. I. SECT. VII. rechtigkeit/ welche dasjenige jetzo nach dem gesetz Christi erlaubte/ das doch an sich selbs und aus dem ewigen unwandelbahren gesetz GOttes suͤnde ist. Da wuͤrden dann damit solche menschliche fehler und schwachheit suͤnden nicht nur nicht mehr verdamlich nach Pauli aussag Rom. 8/ 1. sondern auch nichtmehr suͤnde seyn. Was doͤrffte es dann der sehnlichen und beweglichen klage Pauli/ die er um solcher seiner menschlichen schwach heit willen fuͤhret: Rom. 7. Ach ich elender mensch/ wer erloͤst mich von dem leibe dieses todes? Ja/ auff diese weise/ haͤtten die wahre kinder GOttes gar keine suͤnde an sich; Dann muthwillige begehen sie nicht: Die schwachheit fehler waͤren keine suͤnde mehr: dann sie waͤren den kindern GOttes nicht mehr verboten: Nicht durch das gesetz Mosis/ welches sie nicht mehr an- gienge/ noch ihnen geprediget wuͤrde; nicht durch das gesetz Christi/ nach gegebe- ner hypothesi: Was haͤtten sie dann vor suͤnde an sich? Woraus erhellet/ wie mißlich es seye/ wo man die gnade Christi/ welche in dem Evangelio die glaͤubige versichert/ daß ihnen keine suͤnde/ so lang sie glaͤubig bleiben/ sollen zugerechnet wer- den/ in ein gesetz verwandlet/ in welchen Christus nur die muthwillige suͤnden ver- boten habe. Wie den unterschiedliche folgereyen daraus gemacht werden koͤnten/ welche ein und andern glaubens articul kraͤncken moͤgten: So wir aber Herr Stengern nicht zumessen wollen. So viel weniger/ weil er gleichwohl ein und andere um unsere kirch wohl verdiente und unverdaͤchtige Theologos vor sich hat/ die gleicher redens arth/ weil davon zu andern mahlen nicht disputirt worden/ da man allezeit weniger bedencken bey einer solchen formul hat/ sich gebraucht haben. Herr D. Ægidii Hunnii worte hat Herr Stenger Einschaͤrff. pag. 59. angefuͤh- ret: Der auch der gleichen anderwertlich uͤber den spruch Gal. 5/ 14. schreibet. Dahin auch moͤgten zuziehen seyn/ die wort. D. Henr. Eckardi Disp. in Ep. Jo- hann. 11. p. 31. p. 264. Facilia sunt præcepta legis non in sese, \& ut sunt mandata Mosis, qui obedientiam omnibus numeris atque modis consum- matam requirit, \& in omnes, quorum obedientia imperfectione aliqua la- borat, fulmen maledictionis torquet: sed in Christo, qui est perfectio legis omnibus credentibus; Et ut sunt mandata Christi, qui non exigit à fidelibus suis Charitatem in summo illo perfectionis gradu quo Moses, sed inchoatam etiam obedientiam clementer acceptat, \& quod sordium atque imperfectionum illi adhæret, sua perfectione tegit. So scheinen D. Gerhardi Harm. Evang. c. 174. p. 1197. Wort fast auch dahin zugehen: Mo- ses \& Christus idem dilectionis mandatum proponunt, sed non eodem modo. Moses rigidissime perfectam \& om nibus numeris absolutam cha- ritatem requirit, quæ exactissime cum norma legis divinæ congruat, per- inde etiam accusat \& damnat omnes, quotquot non præstant perfectissi- mam illam obedientiam. Christus verò per ἐπιεικίαν Evangelicam rigo- rem illum mitigat, incoatam \& imperfectam credentium charitatem, mo- F 2 do Das sechste Capitel. do sit seria \& ἀνυπόκριτος, paternè acceptat, adhærentem imperfectionem \& immunditiem merito suo tegit. Welche worte Gerhardi bey weitem so hart nicht lauten/ als wo man deutlich saget/ wie Herr Stenger thut/ und selbs daraus folgert. pag. 104. Es wird nicht gefordert/ daß ihr sollet gar keine sunde begehen. pag. 298. Christus hats nicht geboten/ daß alle menschliche fehler und schwachheiten sollen gantz von uns weg seyn. pag. 299. mir henget doch viel boͤses in meinem leben an/ welches zwar Christus nicht eben will abgethan wissen. Welche wort nicht nur in sich fassen/ daß GOTT wolle ge- dult mit unser schwachheit tragen/ sondern auch daß wir zum gegentheil nicht schul- dig seyen. Dann ists nicht geboten/ wirds nicht gefordert/ so sind wirs ja nicht schuldig? Da wir doch wohl wissen/ daß wir GOTT viel schuldig bleiben/ was uns zu leisten unmuͤglich ist. Weßwegen wir von dieser arth zu reden achten/ daß sie billig unterlassen/ und auff andere weise/ wie man wohl kan/ die sache/ mit ei- genlichen und nicht dergleichen incommoda consequentìa nach sich ziehenden Phrasibus ausgedruckt werden solle. Dieses sind die vornemste redens arthen/ welche wir angetroffen haben/ darinn man einigen anstoß finden moͤgte/ die wir aber zum theil gantz gut und recht gebraucht achten/ theils aber unterlassen worden zu seyn/ oder kuͤnfftig unterlassen zu werden wuͤnschen. Denen moͤgten vielleicht einige beygefuͤgt werden/ die auch (ob schon kein zweiffel daß in gutem verstand sie gebraucht werden) etwas frembd und fast widersinnisch/ auffs wenigst paradox lauten: Als wo er Einschaͤrff. p. 14. unter frommen suͤndern und gottlosen suͤndern distingui ret/ da vielleicht bes- ser vor srom̃e das wort bußfertige suͤnder gebraucht wuͤrde. Jn dem buch p. 357. u. f. es unter die arten der trunckenheit zehlet/ wo man zur froͤligkeit etwas mehr trincket uͤber das ordentliche maaß/ gleichwohl nicht uͤber das ziel der maͤs- sigkeit. Davon es heist p. 356. Daß GOTT es wohl erlaubet/ und sichts nicht ungern/ daß ein Christ sich zuweilen truncken trincket. Da man ja lie- ber solchem trunck den nahmen der trunckenheit/ welcher primo conceptu in un- serer sprach pflegt von dem laster verstanden zu werden/ nicht geben/ sondern ein ander wort brauchen solte: Auffs wenigst gibts spoͤttern anlaß zuspotten. Also auch bedarff die proposition vieler erklaͤhrung pag. 249. Von manchem men- schen mag wohlgesagt werden/ wo er nicht ein und andere fasten anstellet/ kan er nicht in das reich GOttes kommen; Einschaͤrff. pag. 7. Jsts versetzt mala facere \& male, die weil fromme boͤses begehen nominaliter nicht adverbi- aliter. Also auch daß zu weilen einige ort fast scheinen einander zu widersprechen. Als da Einschaͤrff. p. 6. stehet Es weiß doch ein jeder fuͤr sich gar wohl/ oder kans doch wissen/ ob seine s uͤ nden aus muthwill oder aus schwachheit ge- schehen. Und buch pag. 17. Es kan ja ein mensch noch wohl wissen/ ob er suͤndiget aus schwachheit oder aus boßheit. pag. 52. aber von den ungeuͤbten/ daß ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. daß du nicht so klar weissest/ ob du begehest muthwillige suͤnden oder menschliche fehler. Sodann nebens dem/ da er von der suͤnde in den heili- gen Geist. p. 15. zu dunckel und ungnugsam redet/ daß er sich nicht allezeit gnugsam erklaͤhret/ was er fuͤr muthwillige suͤnder und suͤnden halte: Muthwil- lige suͤnden nimmt er hin und wieder p. 26. promiscue vor todt-suͤnden. Gleich- wohl p. 14. heissets/ aus einer muthwilligen suͤnde/ wo sie nicht bald abge- than/ wird eine todt-suͤnde. Da aber Einschaͤrff. p. 3. die jenige sunde/ die so bald bereuet und abgethan wird/ nicht unter die muthwillige suͤnden/ sondern menschliche fehler gesetzt wird. So ist auch eigentlich muthwillige und todtsun- de nicht eines. Aller unwiedergebohrnen suͤnde sind lauter todt-suͤnde: Unter- dessen koͤnnen wir/ wie p. 1. geschiehet/ nicht wohl sagen/ daß sie alle muthwillig/ proæretica sind/ welches wort in sich dieses faßt/ daß sie mit bedachtem rath und willen geschehen muͤsten/ welches aber nicht ist. P. 16. beschreibet er einen muthwil- ligen suͤnder/ ein recht sicheres weltkind/ ein verstockten losen spoͤtter; da gleich- wohl auch muthwillige suͤnder sind nach seinen eigenen hypothesibus, von denen er in dem buch offt redet/ welchen solche harte Prædicata nicht zukommen. Ja es wuͤrde vielen mit angeholffen/ und sie mit seiner lehr wohl zu frieden seyn/ wo er unter dem nahmen der muthwilligen suͤnder keine andere/ als solche verruchte welt- kinder und spoͤtter verstuͤnde. So aber seine eigene meynung nicht seyn wird. Also hingegen wirds schwerlich mit seinen eigenen hypothesibus bestehen/ daß so einer ist gewarnet und von so groben suͤnden (welche alle die jenigen seyn sol- len/ deren er siehet sich andere wenig außerwehlte Christen zuenthalten) abge- mahnet worden/ und er sie hernach wieder treibet/ daß solches (ohne weiter betrachtung der umbstaͤnde) lauter trotzige frevelthaten seyn solten. Wir halten uns aber bey solchen nicht laͤnger auf/ sondern gehen zu der andern classe. Die andere Classis. H Je haben wir nach zu sehen/ ob aber in der sache selbst sich einige LEHREN finden/ welche irrig und mit goͤttlicher warheit nicht uͤber einkommen. Nun moͤchten wir wuͤnschen/ daß dergleichen sich in diesen schrifften nicht finden moͤchten. Aber wir koͤnnen nicht in abrede seyn/ daß solche saͤtze da stehen/ welche wir es werde dann von Herrn Stengern oder andern darinnen uns gar ein ander verstand und meynung gezeigt/ als wir dar- aus abnehmen moͤgen/ so wenig was die worte als die sache anlangt/ billigen koͤñen. Da stehet billig voran die zweyte Thesis: Einschaͤrff. p. 1. Die grosse busse wird von wahren kindern GOttes so offt nicht wiederhohlet/ als manche sich einbilden; sondern entweder bedoͤrffen die wahren F 3 zum Das sechste Capitel. zum ewigen leben verordneten kinder GOttes derselben grossen busse nie/ oder doch ja nicht zum andernmahl/ geschweige zum dritten/ oder zum zehenden/ hunderten mahl. Also auch p. 33. p. 11. Daß die nicht in dieseꝛ welt auch ein heilig und von muthwil- ligen suͤnden bestandig reines leben fuͤhren/ daß solche nicht gehoͤ- ren unter die außerwehlten schafe Christi/ so sage ich denn/ der zum drittenmahl in muthwillige suͤnden ruͤckfallige mensch wird wol zur rechten busse nicht erneuert werden. Geschehe es ja/ und man merckte es klaͤrlich an dem gantz anderen neuen heiligen wan- del/ der nunmehr an dem bußfertigen herfuͤrleuchtet/ so muste das ein gar minus consvetum, was ausserordentliches heissen. Sonsten aber ist viel vermuthlicher/ daß eines so offt unserm an- sehen nach ruͤckfaͤlligen menschen vorige busse nicht recht eingerich- tet gewesen. p. 43. der zum andernmahl von GOtt auffgerichtete mensch faͤllet hernach nicht wieder von GOtt abe. Und der zum drittenmal ruͤckfaͤllige mensch wird nicht wieder zur busse erneu- ert und auffgerichtet/ von dem was gewoͤhnlich ist zu reden. Jn dem Buch p. 400. Wenn man die wahren kinder GOTTes ins- mein beschreiben wil/ so bringen sie ihr leben gemeiniglich zu ohne alle todt- und aus goͤttlicher gnade aussetzende suͤnde. Die sache nun gruͤndlich in der furcht GOttes zubetrachten. Jst 1. die frage nicht: Ob die kinder GOttes solches thun sollen? Denn das ist ausgemacht/ daß sie GOtt den zugesagten gehorsam leisten sollen. Und so fern ists der ordentliche gewoͤhn- liche weg der außerwehlten kinder GOttes/ daß sie nicht wieder muthwillig suͤn- digen. Dieses erkennen alle. 2. Jst auch die frage nicht: Ob kinder GOttes gar nicht mehr abfallen koͤnten/ nach dem sie einmahl zu solcher wuͤrde durch die wiedergeburt gelanget sind? Welchem irrthum der Reformirten Herr Sten- ger nahmentlich widerspricht p. 32. Daher die rede p. 137. \& 138. Wer den boͤsen vorsatz hat abgelegt/ der weiß dann/ daß er nicht nur bey sei- ner busse GOttes gnade erlanget/ daß sie fuͤr dißmal und in dieser stunde uͤber ihn walte/ sondern er ist auch gewiß/ daß er in solcher gnade werde bestehen ewiglich/ und die gnade GOttes werde be- halten biß an sein ende. Einschaͤrff. p. 15. Jn welchen kindern GOttes ist das reich GOttes/ das lasse die fremmen nicht fallen in muthwillige suͤnden/ sondern sie uͤberwinden. Ob sie schon bloß dahin die absolutam impossibilitatem deficiendi mit sich bringen scheinen sol- ten ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECT IO VII. ten/ sind aus seiner eigenen meynung zu explici ren/ in sensu composito, vel de certitudine conditionata. 3. Jst auch nicht die frage: Ob ein unterscheid zwischen der grossen und kleinen buß lapsorum vel stantium, seye? welches freylich gewiß/ und nicht zuloben ist/ daß offt solcher nicht mit gnugsamen fleiß vor- getragen wird. 4. Jst auch die frage nicht: Ob diese grosse busse so offt wiederholet werde/ als manche sich einbilden: Daß man so zureden taͤglich und woͤchentlich wie- derum muthwillig suͤndigen und immer wiederum die grosse busse thun moͤchte? Denn da gelten die worte p. 20. sonst immer muthwillig fort suͤndigen/ es mit unter bereuen/ und doch nie nicht muthwilliger suͤnden gar muͤßig gehen/ da wirds endlich die ewige hoͤllische reue. Und p. 33. Manche lassen sich beduͤncken/ daß ein Christ immer moͤge wohl 100. ja 1000. mal die grosse busse wuͤrcken. Und p. 43. daß die ge- woͤhnliche art des rechten Christenthums sey/ daß die wiederge- bohrnen wohl 100. oder 1000. mal abwechslung weise fallen und aufstehen von todt-suͤnden/ das ist eine gotteslaͤsterliche und der gantzen Harmoni des wahren Christenthums zuwider lauf- fende meynung. 5. Die frage ist auch nicht: Ob nach einmahl oder auch etlichmahl wiederholter buße/ wo gleichwol der ruͤckfaͤllige wiederum busse thete/ solcher auch wiederum von GOtt angenommen werde? Denn dieses gestehet Herr Stenger auch/ sondern so viel wir aus obigen orthen schliessen/ ist dieses die frage: Ob das Christenthum hier in dem reich der gnaden zu solcher vollkom̃enheit gebracht werde/ dz die allermeiste/ nach dẽ sie einmahl wiederbekehret worden nicht mehr abfallẽ/ sondernihr lebe tage be- staͤndig an GOTT bleiben/ wo sie aber abfallen/ selten einiger von denselben wiederum zur wahren busse gelange/ und also die goͤtt- liche barmhertzigkeit in ansehung der suͤnder ordentlicher weise sich nicht uͤber 2. mahl erstrecke/ oder obs nicht vielmehr geschehe/ daß die kinder GOttes etlichemahl durch die grosse busse wieder von GOTT zu gnaden angenommen werden? Damit diese zwo fragen auch einfliessen. 1. Ob gnugsam ursach zuzweiffeln seye/ daß die vorige busse sey heucheley gewesen/ nach welcher/ nach dem er eine weile gottselig gelebet/ endlich der mensch wieder gefallen? oder ob nicht die busse des jenigen/ der nachmahl goͤtt- liche gnade wiederum verschertzet/ eben so wol eine wahre busse sey gewesen/ als dessen der immer bestaͤndig bleibt? Und 2. Ob man nicht billich den jenigen vor- satz vor keinen gnugsam ernstlichen vorsatz zu halten habe/ wider welchen nach eini- ger zeit der mensch wiederum thut? Oder: Ob er moͤge vor ernstlich erkant wer- den/ obschon die bestaͤndigkeit nicht erfolgt. Jn diesen fragen finden wir/ so viel wir Das sechste Capitel. wir Herr Stengern fassen koͤnnen/ daß er allemahl den ersten theil der disjun- ctivæ erwehlet/ den andern aber verneinet. Mit solcher meynung aber koͤnnen wir durchaus nicht zu frieden seyn. Als welche streitet 1. mit der in der Schrifft so deutlich beschriebener verderbnuͤß der menschlichen natur/ uͤber welche Paulus klaget Rom. 7. daß nicht nur nichts gutes in ihme wohne/ sondern auch daß er gar ein ander gesetz in seinen gliedern sehe/ das da widerstrebe dem gesetz in seinem ge- muͤthe/ und nehme ihn gefangen in der suͤnden gesetz/ welches da sey in seinen glie- dern. Von welchem streit und geluͤste des fleisches wider den geist/ er auch Gal. 5. handelt. So heissets/ daß wir alle mannichfaltig fehlen. Jac. 3/2. und daß kein mensch sey/ der nicht suͤndige 1. Reg. 8/ 46. Dann ob zwar scheinen solte/ daß die an- gezogene ort redeten von den menschlichen fehlern/ so ist doch bekant/ daß die krafft derselben so weit gehe/ daß dann die renovation und erneuerung dieses lebens niemal vollkommen sey/ und deßwegen daß bey uns noch wohnende uͤbel nicht nur in uns bleibe/ sondern sich immer also rege/ daß es die herrschafft affectire/ und dar- nach strebe. Daher ists ja leicht/ daß der mensch in schwachheit suͤnden falle/ aus denselben aber endlich boßhafftige suͤnden werden. Wie dann die allermeiste boßheit oder muthwillige suͤnden von sch wachheit suͤnden angefangen haben (nemo repente fit pessimus) als David in seinen schweren fall gerathen/ ist kein zwei- fel/ daß zu erst die unzuͤchtige begierden/ die auffgestiegen/ vielmehr aus schwach- heit als boßheit hergekommen/ als er aber solchem boͤsen/ welches bey ihm erst die herrschafft suchte/ nicht mit gehoͤrigem ernst sich widersetzte/ da erstarckte solches je mehr und mehr/ biß es zu dergleichem grad einer ausgemachten boßheit gelanget ist/ den wir an solchem vorhin heiligen mann finden. Was nun bey David sich zeiget/ und wie leicht es gewesen/ daß solcher hocherleuchteter mann aus schwach- heit endlich in bosheit gerathen koͤnte/ eben solches findet sich bey andern wiederge- bohrnen auch. Die natur ist bey keinem besser/ die wieder geburth bey keinem an sich selbst staͤrcker: So haben wir keinen grund der Schrifft bey andern einer mehrern gnade uns zu vermuthen/ die sie ohneracht ihrer schwachheit von allem fall und dessen muͤgligkeit ohnfehlbahrlich erhalte. Daher diese in der Schrifft zu mehren mahlen beschreibende verderbnuͤß dieser assertion schnurstracks entgegen stehet/ gleich ob waͤre es ein selten geschehendes/ daß ein glaͤubig kind GOttes abfiele. Sonderlich aber/ wo wir dieses in acht nehmen/ daß Herr Stenger gern gestehet/ daß der jenigen/ welche in der Tauffe einmal wiederge- bohren worden/ sehr viele/ wenn sie erwachsen/ wiederum abfallen: Da er dem- nach erkennet/ daß die ihnen angebohrne verderbnuͤß so groß seye/ daß es nicht nur muͤglich sey/ daß sie abfallen koͤnten/ sondern auch daß deßwegen es offt thaͤtlich ge- schehe/ daß ihrer viel abfallen. Wir halten auch nicht darvor/ daß Herr Sten- ger sagen wird/ daß dieses die ordentliche weise der Christen sey/ daß solches nach ihrer wiedergeburt in der kindheit/ nicht abfallen/ das gegentheil aber vor außeror- dent- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT. VII. dentlich zuachten waͤre. Nun ist denn die verderbnuͤß der menschlichen natur noch so groß/ nachdem sie gleichwol schon in der wiedergeburth in der kindheit geschwaͤcht worden/ so haben wir keine ursach/ zuvermuthen/ daß sie geringer worden sey/ nach dem der mensch das zweyte mahl wiedergebohren worden: Es waͤre denn sach/ daß wir die erste wiedergeburth nicht kraͤfftig gnug achten wolten/ welches wider die gantze analogi des glaubens streitet/ und nicht zuachten ist/ daß das reich GOt- tes/ welches der heilige Geist in dem hertzen eines zarten kindes/ welches ihm durch- aus in seiner handlung nicht widerstrebet/ sondern ohne einige reniten tz gantz pas- sivè sich haͤlt/ nicht solte eben so starck und kraͤfftig gegruͤndet seyn worden/ als bey einem erwachsenen geschiehet/ wo es ohne widersetzung nicht leicht jemahl ab- gehet. Weiln denn die erste wiedergeburth eben so kraͤfftig/ welche in der kind- heit wiederfaͤhret/ als die nachfolgende/ so stehet denn der mensch nach dieser an- dern in keinem vollkommenern stande/ als nach der ersten/ und hat die verderbnuͤß vorhin viele zum abfall gebracht/ so ist von der folgenden zeit nichts anders zuver- muthen. Weiln ja keine ursach ist/ warum es dorten wol/ hier aber gar nicht geschehen koͤnte/ da beyderseits einerley ursache/ die es so wol hindern oder foͤr- dern moͤchten/ sich finden. Auffs wenigste zeiget uns die gantze Schrifft die- sen unterscheid nirgend/ sondern wenn sie von der unvollkommenheit dieses lebens redet/ bleibet es allezeit in den general Terminis, daß sie von allem alter/ und der mensch sey bereits ein oder mehrmahl bekehret worden/ auff einerley weise redet. Es suchet zwar Herr Stenger Einschaͤrff. p. 36. v. f. spruͤche anzuziehen/ seine mey- nung zubehaupten/ die aber nicht das jenige schliessen was er zu erweisen hat. (1) wird angezogen aus deß heiligen Johannis erster Epistel 5. 4. Was von GOtt gebohren wird/ uͤber windet die welt: welches freylich wahr ist/ und also/ so lange die wiedergeburt waͤret/ wird der wiedergebohrne die welt und alles was derselben anhaͤngig ist/ uͤberwinden. Aber daß stehet nicht da/ daß der wiederge- bohrne seine wiedergeburth nicht verlieren koͤnne/ so ist ja auch der getauffte in der kindheit aus GOtt gebohren/ daß aber derselben viel abfallen/ und also die welt nicht mehr uͤberwinden/ ist Herr Stenger nicht in abrede: Wie nun derselbe/ wo ihm solcher spruch solte gegen die wiedergeburt der kinder-tauffe vorgeworffen werden/ antworten wuͤrde/ daß sie solche wiedergeburth verlieren/ da sie nunmehr sich von der welt uͤberwinden lassen: So schliesset ja der spruch nicht mehr vor die das zweytemahl wiedergeborne. Also auch 3. 9. Wer aus GOTT gebohren ist/ der thut nicht suͤnde. Jst auch ein spruch/ der alle aus GOTT gebohrne angehet/ sie seyen das erste oder auch das andermahl wieder geboren worden. Nun ist wiederum die bekaͤntnuͤß von der ersten/ daß sehr viel noch wiederum sunde thun/ aber eben die wiedergeburth darmit verschertzen: Also haͤlt sichs denn auch mit der zweyten: und sonderlich ist zumercken/ wie dabey stehet/ dann sein saame blei- bet bey ihm/ und kan nicht suͤndigen/ denn er ist von GOtt gebohren. Hier muͤs- G sen Das sechste Capitel. sen wir entweder den Calvinisten gestehen/ daß die einmahl wiedergeborne bloß dahin aus ihrem gnaden stand nicht wieder fallen koͤnnen/ welches Herr Stenger ihnen nicht einraͤumen wird/ oder wir muͤssen erkennen/ es werde in sensu com- posito geredet/ die aus GOtt gebohren sind/ so fern sie aus ihm gebohren/ und so fern und so lang sein same bey ihnen bleibet/ thun nicht suͤnde: welches D. Ægid. Hunnius bey solchem spruch gar fein erklaͤhret/ wenn er die meynung des heiligen Apostels also fasset: Qui est manetque in Christo, tanquam Pal- mes in Vite, is certe non producit tribulos \& spinas peccatorum regnan- tium, neque regnare sinit peccatum in mortali suo corpore, quam diu ni- mirum est \& manet in Christo: und: Proinde qui ex Deo natus est, quatenus is est renatus, \& quamdiu renatus permanet, peccatum certè non commit- tit: Peccatum sc. contra conscientiam \& ex deliberato animi proposito consilioque profectum. Imo non potest peccare modo jam explicato, ut sc. simul peccet ac nihil ominus renatus maneat. Quin potius quã primum ex proposito sciens volensque peccat, confestim renatus esse desinit. Hieraus folget aber gar nicht/ daß deswegen der das zweytemal wiedergebohren (weil der heilige Geist kein unterscheid machet) niemal wieder in tod-suͤnde fallen solte koͤnnen. Damit auch zugleich beantwortet ist der spruch 1. Joh. 5/ 18. Wir wissen/ daß wer von GOtt gebohren ist/ der s uͤ ndiget nicht/ son- dern wer von GOtt gebohren ist/ der bewahret sich/ und der arge wird ihn nicht antasten. Und was der Apostel 1. 5. 2. 3. sagt: Daran erkennen wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und seine ge- both halten. Denn das ist die liebe zu GOTT/ daß wir seine gebot halten. Es wird da beschrieben/ was der frommen kinder GOTTES nicht nur schuldigkeit sey/ sondern/ wessen sie sich auch befleissen/ nemlich/ goͤttli- ches wort zu halten/ damit bringen sie ihr leben zu/ als lang sie GOttes kinder seynd. Aber das stehet nicht darbey/ daß es so selten geschehe/ daß eines von den- selben von solchem weg der geboten GOttes sich abfuͤhren lasse. 2. Was den spruch anlanget Spruͤchw. 4/ 18. Der gerechten pfad glaͤntzet wie ein liecht/ das da fortgehet/ und leuchtet biß auffden vollen tag. So ists freylich wahr daß der gerechte immer waͤchset in der tugend/ und suchet voͤlliger zu werden/ so lang er auff seinem pfad gehet/ aber daß er niemahl von seinem pfad abtrette/ daß stehet nichtda. Der eigentlichste verstand ist der/ welchen der wohlverdiente Chur Saͤchs. Theologus D. Geyer p. 201. heraus zeucht: Piis s emper Lux suppetit, ad scandala ruinasque devitandas; ubi contra im- pii non possunt non in tenebris impingere, æternumque interire. Wie nun aber nicht folget/ daß deßwegen die gottlosen nicht koͤnnen auf den liechten weg der gerechten kommen? Also ists nichts frembdes/ daß der gerechte von seinem liechten weg/ sich auff die finstern und krummen wege der gottlo- sen verfuͤhren lasse. (3.) Beruffet er sich/ daß die exempel in der Schrifft nicht befind- ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . VII. befindlich seyn/ von solchen die zum andern und dritten mahl abgefallen seyn; Es hat aber Herr Stenger wohl in acht zunehmen/ daß in der Schrifft der perso- nen nicht so viel befindlich sind/ deren gantzes leben darinn stunde; und folget al- so nicht: von dieser person lesen wir nicht/ daß sie jemahl/ oder von einer andern allein einmahl/ daß sie von GOtt abgewichen seyn/ deßwegen ists auch sonst nie geschehen: (Weswegen es gar gefaͤhrlich ist/ mit ihm zu sagen von gewissen per- sonen/ von denen in der Schrifft keine schwere suͤnde auffgezeichnet seind/ daß sol- che niemahl keine begangen) Solche autoritas negata machet die sache nicht aus. Und wenn denn auch keine exempel gezeiget werden moͤgten/ ist damit zum gegentheil noch nichts gewonnen. So sind die jenige/ deren leben außfuhrlicher in der Schrifft beschrieben wird/ gemeiniglich exempel sonderbahrer hocherleuch- ter leute/ da es wohl seyn mag/ daß ein- und andere derselben etwa nicht mehr als einmahl von ihrem GOtt abgetreten. Aber darauß folget nicht/ daß derwegen der jenigen mehr seyen/ von denen solches auch moͤgte gesagt werden: Wo es a- ber anders geschehe/ sey es ein gantz ausserodentliches. Gesetzt also: (weil wir in solcher frage/ unser urthel vor dißmahl nicht interponiren wollen) David seye nicht mehr/ als in dem handel Uriæ von GOtt abgefallen/ folget noch nicht/ daß dieses das gemeine aller kinder GOttes seye. Wir wollen aber Herr Stengern vor dißmahl alleine vorhalten das exempel der Galater; Die waren von Paulo durch das Evangelium aus dem Heidenthum (seynd einige unter denselben auch Juͤden gewesen/ wie fast erscheinet/ und solche nachmahl sich wiederum der in der beschneidung beschehenen wiedergeburt verlustig gemacht/ wie Nicodemus Joh. 3. daß dahero die bekehrung Pauli die zweyte wiedergeburt gewesen/ so gehet von seiten derselben das exempel/ so viel staͤrcker gegen Herr Stengers meynung) bekehret worden/ und solches also/ daß Paulus vieles von ihnen ruͤhmet/ daß sie den heiligen Geist empfangen 3/ 3. vieles schon deßwegen gelitten. vers. 4. GOtt habe ihnen den Geist gereicht/ und unter ihnen thaten gethan/ v. 5. Sie seyn da- mahls seelig gewesen. 4. 15. Jst also nicht zuzweifelen/ daß damahls die rechte erleuchtete busse in ihrer bekehrung geschehen seye: Gleichwol war nicht nur einer oder ander von ihnen/ sondern die meisten wo nicht alle/ wiederum von der war- heit abgetreten/ und hatten sich verfuͤhren lassen: Daß Paulus sagen darff; Sie seyen bezaubert (Christus seye unter ihnen gecreutziget/ sie haben Christum ver- lassen/ sie seyen von der gnade abgefallen. Sind lauter anzeigungen/ daß nun- mehr sie im verdamlichen stand gestanden/ und also todtsuͤnden begangen. Gleich- wohl gebiehret sie Paulus wiederum mit schme r tzen. c. 4. v. 19. und glaubt/ daß Christus wiederum eine gestalt in ihnen gewinnen werde: und solches haͤlt er vor nichts ausserordentliches/ weil ers an der gantzen oder vielmehr vielen gemeinen versucht/ und darzu hoffnung hat. Aber es bedarff nicht/ daß wir in den exem- peln uns lange auffhalten. 4. Wird angezogen der spruch/ Hiob. 33. 29. Siehe das G 2 alles Das sechste Capitel. alles thut GOTT/ zwey oder dreymal mit einem jeglichen. Hierbey zie- het Herr Stenger/ Dr. Dannhaueri Regulam an: Gratia revocans offertur nonnullis hominibus semel atque iterum, aliquando semel tantum. Das ist/ die wiederruffende und von schweren todt-suͤnden auffrichtende gnade/ wie- derfaͤhret manchen menschen zwey dreymal/ etlichen aber nur einmahl. Wir mer- cken hier 1. Daß die teutsche Dolmetschung nicht uͤbereinkomme/ dann semel at- que iterum ist zweymal/ nicht dreymal. 2. Wo er gestehet/ daß die von schweren todt-suͤnden auffrichtende gnade GOttes manchen wiederfahre zwey drey- mal/ so s t oͤsset er hiermit seine Thesin selbst uͤm/ nach welcher es zu der grossen busse (das ist die jenige/ dadurch der mensch von schweren suͤnden auffgerichtet wird) zum andernmahl nicht koͤmmt/ geschweige zum dritten: Hie gestehet er zwey/ dreymal: Und zwar kan er solches nicht vor ein ausserordentliches halten/ dann es wiederfaͤhret manchem/ ist also nichts seltsames. Vielmehr sind in dem gegen- satz deren wenig/ denen es nur einmahl geschiehet, 3. Woher Herr Stenger die regul Dannhaueri genommen/ wissen wir nicht. Solte es aus der Hodoso- phia seyn/ da p. 640. der selige mann bey citir ung dieses spruchs sagt: Deo lex non est posita, gratiam aliquando offert bis, terve, hoc est, pluries, aliquando semel tantum. So wuͤnschen wir/ daß die worte ungeaͤndert waͤren gesetzt worden. Wollen gleichwol ihn hieraus keines falsi allegati beschuldigen/ weil vielleicht an andern stellen/ Dr. Dannhauer auch die formul, die an sich nichts uͤbels in sich hat/ moͤgte anders gefuͤhret haben. Weil wir sehen/ daß er auch in seiner Catechismus Milch P. 6. p. 293. aus diesem spruch Jobi also redet: zwey oder dreymal sihet GOtt etwa zu/ daß er eine seele herum hohle aus dem verderben. 4. Was Herr Dr. Dannhauers meynung gewesen seye/ gibt er klar zuverstehen/ daß er bis tervè erklaͤret/ mit pluries oͤffter. Wie auch des sel. Lutheri Rand-Gloͤßlein lauten/ zwey oder dreymal/ das ist offtmahls/ hat also Herr Dr. Dannhauer nicht so præcise die zahl determini ret. Den spruch selbst be- treffend/ ist gleichwol nicht erwiesen/ daß Elihu meynung seye/ in demselben zu zei- gen/ wie offt GOtt einem boͤsen menschen zur busse kommen lasse; Sondern wie der wohlverdiente Straßburgische Theologus, D. Sebastian Schmidt noch neu- lichst in seinem Commentario gezeiget/ ist die meynung allein/ daß sich GOtt des creutzes/ welches auch eine art ist/ damit GOtt zur besserung berufft/ offt bey einer person zu unterschiedlichen mahlen gebraucht/ so wohl boͤse leute zur busse zuziehen/ als auch gottselige von suͤnden abzuhalten. Er erklaͤret aber auch das duabus vel tribus vicibus, daß es sey numerus certus \& finitus pro incerto \& infinito, vor aliquoties, sæpius. 6. Aus allen erhellet/ daß gantz nichts aus diesem spruch zu behauptung der Theseos mag gezogen werden: Ja wo er auch in Herr Stengers verstand angenommen wuͤrde/ daß nemlich da ste- he/ ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. he/ wie offt GOtt den gefallenen suͤnder zur busse annehme/ stiesse er sie vielmehr uͤm: Denn da wuͤrde die andere und dritte grosse busse bekraͤfftiget. 5. Wird angezogen aus der epistel Judaͤ v. 5. Zum andernmahl brachte er um/ die da nicht glaͤubten. Wie aus diesen worten mit einigem schein/ eine folge koͤn- ne gezogen werden/ sehen wir nicht. Der zweck des heiligen Apostels ist/ wie D. Lubinus gar wohl bemercket: Quo quis Deum magis cognovit \& majora a Deo beneficia accepit, hoc horribilius punietur, cum Deum rursus abnegat, \& DEO ejusque verbo relicto latissimam mundi viam cum filiis hujus seculi grassatur. Neque vero satis est, quenquam semel veritatem Dei agnovisse à peccatis liberatum, \& in libertatem Christi ad- missum esse, si in illa non perpetuo perseveret, \& vitam Christiani verbis pariter \& factis exprimat. Mehr wird sich aus diesem orth nicht schliessen lassen. Es stehet hier nicht daß allen/ denen er einmal die suͤnde vergeben gehabt/ das zwey- temal keine gnade mehr erwiesen worden; weil er in den ersten worten keiner geist- lichen/ sondern der leiblichen gutthat der ausfuͤhrung aus Egypten gedacht. So zeiget ja die histori der Schrifft klar/ daß GOTT dem volck nicht nur einmal/ son- dern offt ihre grobe suͤnde/ so sie mit murren und ungehorsam wider ihn begangen/ verziehen habe/ ehe er sie nach einander sterben liesse. Denckwuͤrdig ist wie GOTT 4. Mos. 14/ 22. das urtheil faͤllet: Alle maͤnner die meine herrlig- keit/ und meine zeichen gesehen haben/ die ich gethan habe in Egypten und in der Wuͤsten/ und mich zehenmal versucht/ und meiner stimme nicht ge- horchet haben/ der soll keiner das land sehen/ der mich verlaͤstert hat. Hier sinds einerley maͤnner/ welche dem HERRN so offt/ zehenmal/ ver- sucht hatten: meistens mit gantz boßhafftigen versuchungen/ daß sie wider GOtt gemurret/ seine wunder in den wind geschlagen/ und seinem befehl ungehorsam wa- ren worden/ welches auffs wenigste bey dem groͤsten theil derselben schwere todt- suͤnde gewesen. Nun wird hingegen auch hin und wieder meldung gethan/ wie sich das volck bekehret/ und bußfertig mit GOTT versoͤhnet habe/ wo wir ja nicht zweiffeln wollen/ daß auffs wenigste jedesmahl bey einer ziemlichen anzahl derselben solche busse werde ernstlich gewesen seyn. 2. Mosis 19. v. 20. ist ja nicht glaublich/ als GOTT durch Mosen dem volck von der promulgation des gese- tzes ansagen/ und die vorbereitung anbefehlen ließ/ so denn mit solcher majestaͤt/ donner und blitzen die Gebot gab/ daß nicht solten viele von grund der seelen zur busse bewegt/ und denselben die worte von hertzen gangen seyn: Daß sie gerne gehorchen wolten/ wo GOTT durch Mosen ihnen wuͤrde etwas befehlen lassen. Es waͤhrete aber nicht lange/ so fielen sie durch abgoͤtterey mit dem guͤldenen kal- be von GOTT boshafftig ab/ daß GOTT das gantze volck vertilgen wolte. A- ber c. 33. 4. (conf. Ps. 106. 23. und vorhin v. 12.) lassen sie ihnen solches leid seyn. Wo wir je nicht von allen vermuthen doͤrfften/ daß es eine nur eusserliche Achabs G 3 busse Das sechste Capitel. busse solte gewesen seyn. Nach diesem 4. Mos. 11. versuͤndiget sich das volck wie- derum etlichmahl boßhafftig/ und zog schwere straffe auff sich/ daß viel daruͤber umkommen sind. Solten aber auch nicht aus ansehung der straffen immer un- terschiedliche sich haben thaͤtlich bekehret? Asaph saget Psalm. 78/ 36. 37. Wenn er sie erwuͤrget/ suchten sie ihn/ und bekehrten sich fruͤhe zu GOTT/ und ge- dachten/ daß GOTT ihr Hort ist/ und GOTT der hoͤchste ihr Erloͤser ist. Es folget zwar darauff: Und heuchleten ihm mit ihrem munde/ und logen ihm mit ihren zungen/ aber ihr hertz war nicht fest an ihm/ und hielten nicht treulich an seinem bunde. Wir haben aber solche worte (wie von dem wohlver- dienten Theologo D. Hoͤpfnern mit mehreren gezeiget worden) vielmehr anzuse- hen/ daß damit angedeutet werde/ wie ihre busse nicht sey bestaͤndig gewesen/ als daß sie gar vor keine wahre busse erkant wuͤrde/ und ob waͤre es ihnen nicht ernst ge- wesen/ da gleichwohl es eine solche busse gewesen/ darauff folgen koͤnte: Er aber war barmhertzig/ und vergab die missethat. Welches ja einer heuchel busse nicht mag zugeschrieben werden: Jn dessen heisset es doch/ daß sie mit dem mun- de geheuchelt/ und mit der zungen gelogen haben/ alldieweil sie ihren verspruch/ ob wohl solcher erstlich von hertzen gegangen/ nachmahl bestaͤndig ins werck zuse- tzen ihnen nicht haben lassen angelegen seyn/ u. also ihr heꝛtz nicht fest an Gott geblie- ben ist. Daraus wir sehen/ daß GOTT die kinder Jfrael nicht gleich das an- dere mahl/ als sie ihn boßhafftig erzuͤrnet/ zur straffe hingerissen/ sondern zum oͤff- tern mahl ihnen vergebung habe wiederfahren lassen. Ja wir moͤgen eben hierinnen wiederum exempel sehen solcheꝛ leute/ die nichtnur einmahl die grosse busse wiedeꝛho- let haben/ heist daher τὸ δέμτερον bey dem Apostel Juda/ nicht eigentlich zum andern- mahl/ in dem gegensatz/ daß das erste mahl der HERR seinem volck verziehen/ das anderemahl aber seinen zorn gehen lassen/ sondern wie die Phiologi bemercken/ ist so viel als deinde, rursus, wie auch die lateinische dolmetschung Erasmi, Bezæ, Ca- stalionis hierbey bleiben abermahl oder nach mahl. Daß also die meynung diese sey: Der HERR habe die kinder Jsrael aus Egypten gefuͤhret/ und in sol- chem ausgang viel so leiblich als geistliche wohlthaten ihnen erwiesen/ (unter wel- che billich zu zehlen die oͤfftere vergebung ihrer suͤnden) aber darnach/ wie nehmlich sie so offt seine guͤte misbrauchet/ brachte er um die nicht glaubten. Wir gehen a- ber weiter. 6. Werden angezogen die worte Christi Luc. 11. Wenn der vom boͤ- sen geist erloͤsete mensch denselben wieder einlasse/ so werde es da wohl sieben mahl aͤrger denn zuvor. Aber wir sehen nicht/ wie nur mit einem schein sich etwas schliessen lasse/ was Herr Stenger will: Daß es immer gefaͤhrlicher mit einem men- schen werde/ je mehrmahl er von seinen Gott ab getretten/ und seine guͤtigkeit ver- achtet hat/ folget wohl daraus/ aber davon ist die frage nicht: Hingegen sehen wir hie/ daß es nicht so unmuͤglich sey/ daß der teuffel/ wo er schon einmahl gewal- tig ausgetrieben/ wiederum einnisten koͤnne. Christus saget nicht darbey/ daß es gar ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. gar ein ausser ordentlich und seltener fall sey/ sondern redet vielmehr davon/ als einer sache/ die nicht seltsam sey. So sagt er auch nicht darbey/ daß ein solcher mit 7. aͤrgeren begleiteter teuffel nicht wiederum ausgetrieben werde/ sondern nur allein/ daß es mit den menschen aͤrger sey/ als zu erst/ welches aber den statum controversiæ nicht beruͤhret. 7. Werden auch angezogen die spruͤche/ darinnen die glaubigen vermahnet werden/ bestaͤndig zubleiben/ zu wachsen/ und immer voͤl- liger zu werden/ und daß die glaubigen solchem befehl nachkommen. Welches wir gerne gestehen/ was derselben conatum und fleiß anlanget/ sie bemuͤhen sich bestaͤndig zu bleiben und zuwachsen. Wie sie aber noch das fleisch an sich haben/ das stets allerhand menschliche fehler verursachet/ also ist auch muͤglich/ daß aus menschlichen fehlern endlich boßhaffte suͤnden werden/ wie droben gezeiget. Wann dann solches geschiehet/ so hoͤren sie auff um solche zeit glaubig zu seyn/ und haben die wieder geburt verlohren. Wie Herr Stenger selbsten gestehet/ ob er schon meint daß solches gar selten und außerordentlich geschehe. Welches aber die krafft der spruͤche/ so allein die schuldigkeit und fleiß der glaͤubigen/ so lange sie solche sind vor- stellen/ nicht mit sich bringet. Die vergleichung zwischen Christo und den glau- bigen Rom. 6. geben wir gerne zu/ daß wir sollen in einem neuen leben wandeln/ wie CHRJSTUS auch nach seiner aufferstehung ein neues und ewiges leben angetreten: Also wie CHRJSTUS nicht wiederum gestorben/ erfordert/ daß auch wir nichtwiederum in suͤnden sterben sollen: Also welche wiederum in suͤnden gestorben/ haben darwider gethan/ worzu sie verbun- den gewesen/ das ist unlaugbar. Unterdessen kans doch geschehen/ wel- ches auch Herr Stenger nicht leugnen darff: und wie es geschehen kan/ so geschie- het es leider nur gar zu offt: dessen gegentheil aus Paulo hie nicht erweißlich. Daß Luc. 15. der verlohrne sohn nicht wiederum von dem vater gelauffen/ erwei- set nichts/ in dem der zweck der parabel allein ist zu zeigen/ daß doch GOTT die busse annehme/ wie schwer das verbrechen sey: ausser diesem und was dahin ab- zwecket/ laͤst sich nichts erweisen. Daß der HERR zu dem gesund gewordenen Joh. 5. saget: Siehe zu/ suͤndige fort nicht mehr/ auff daß dir nicht et- was aͤrgers widerfahre. Zeiget abermahl mehr nicht/ als daß freylich der Re- cidivat allezeit schwehrer sey/ in dem er den menschen mit mehrern suͤnden beladet/ und die undanckbarkeit allezeit so viel groͤsser/ dahero auch goͤttlicher zorn gemeh- ret worden. Damit ist aber die sache an sich nicht erwiesen/ daß solches nicht offt geschehe. Gleiche bewandnuͤß hat es auch mit dem spruch Hohenlied 5/3. und der angezogenen gleichnuͤß/ der zu der andern erbauung des tempels mehr erforderten zeit/ als zu der ersten. Wir gehen aber nicht jegliches absonderlich durch/ wie wir auch nicht noth achten/ auff die von der oͤffentlichen kirchenbusse handlen- de orte der vaͤter zu antworten. Einige gruͤnde stehen noch folgendes pag. 40. die einen schein haben/ und also noch zu examiniren sind. Wo wir zum foͤrdersten noch- Das sechste Capitel. nochmals wiederholen/ daß wir freylich dergleichen Christenthum nicht vor just hal- ten/ wie oben bereits erinnert/ wo so offt nach einander wiederholende faͤlle und im- mer folgende buß alterni ren. Denn da ist unmuͤglich/ daß es dem kan ernst mit der busse gewesen seyn/ der kaum von derselben komt/ und also balden wieder muth- willig suͤndiget/ gleich wieder buß zu thun sich stellet/ und solches immerfort conti- nui ret: Die betrachtung der hertzlichen reu und deß inbruͤnstigen vorsatzes/ so bey wahren buͤssenden sich findet/ laͤsset nicht zu dergleichen zugedencken: Aber da- mit ist Herr Stengers meinung noch nicht gebilliget: Es wiederholet sich die gros- se busse nicht so offt und gleichsam woͤchentlich. E. nur einmahl. Dahero was itzo die Argumenta selbst anlanget/ so folget es nicht: Die Christen koͤnten sonst nicht sagen mit David: Jch wehre meinem fusse alle boͤse wege/ daß ich dein wort halte. Jch will dein gesetz halten alle wege/ immer und ewiglich Psalm. 119. Dann wir fragen: Ob David solches habe sagen koͤnnen/ oder nicht? Dieses letztere wird Herr Stenger nicht erwehlen; Weil ja solches die ge- meine arth aller wahren kinder GOttes ist und seyn muß/ daß sie solchen eyfrigen vorsatz haben/ und demselben nachsetzen. Hat ers aber sagen koͤnnen/ so siehet man ja/ daß dann die jenige auch nachsprechen moͤgen/ welche sich vor allem muth- willigen fall zuhuͤten eyfrig entschlossen/ ob es schon geschehen mag/ daß sie wiederum von dem teuffel verfuͤhret werden/ wie es David ergangen. Da aber der schluß gemacht wird (So doͤrfften auch die bußfertigen bey ihrer busse nicht angelo- ben/ daß sie wolten CHRJSTJ gebot hinfuͤro bestaͤndig halten/ und nie- mals muthwillig suͤndigen. Dann so doch die Christen hernach solch ihr geluͤbde niemals redlich bezahlen/ so moͤgten sie lieber des angelobens sich gar enthalten.) Jst wiederum keine guͤltige folge. Herr Stenger gestehet/ daß eben solches geluͤbde in der tauffe auch geschiehet/ ob schon durch den mund der tauff- pathen/ aber gleichwohl von dem kinde/ und der heilige Geist/ der den wahren glau- ben bey solchem kinde in der tauffe wuͤrcket/ wuͤrcket auch solchen vorsatz/ und also geluͤbde bey derselben. Er gestehet weiter/ daß solcher getaufften sehr viele wieder abtreten/ und auffs neue muͤssen bekehret werden: So siehet er ja selbsten/ daß aus dem geluͤbde bey der busse sich das jenige eben so wohl nicht schließen lasse. 3. Nicht besser schliesset das jenige argument / daß er haben will: daß mit der gegenlehr auffgehaben werde die gewißheit eines wiedergebohrnen/ und die gewisse hoffnung der bestaͤndigkeit/ ja die hoffnung des ewigen lebens. Jst das argument / dessen sich auch die Reformirte gegen uns bedienen/ um die blosse unmuͤgligkeit des abfalls der rechtglaͤubigen zu erweisen/ darinnen Herr Stenger ihme selbst widerspricht. Auch wuͤrde es der Reformirten als Herrn Stengers meinung mehr bekraͤfftigen/ wo es buͤndig waͤre. Dann macht die muͤglichkeit des wiederabfalls die gewißheit der seligkeit zu nicht/ wie dieses argument wil/ so muß eins unter beyden seyn: Entweder wir muͤssen der gewißheit unserer seligkeit uns gar nicht ruͤhmen koͤnnen/ und ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. und darinnen den Papisten gewonnen geben/ oder es muß blos unmuͤglich seyn/ daß warhafftig glaubige abfallen/ damit die Reformirte gewonnen haben. Da wird Herr Stenger mit seinem tertio nichts ausrichten/ daß es zwar nicht gantz unmuͤg- lich sey/ aber doch gewoͤhnlich nicht geschehe: dann damit faͤllt doch die gewißheit hin/ welche sein schluß urgi ret. Wir aber koͤnnen den Reformirten gruͤndlich ant- worten/ daß wir unserer seligkeit gewiß seyn/ nicht certitudine absoluta, mit ei- ner unbedingten gewißheit/ wie der Reformirten irrthum ist/ sondern condi- tionata mit einer bedingten/ und in eine gewisse ordnung eingeschlossenen gewiß- heit/ nach der recht glaͤubigen lehrer einmuͤthigen satz. Wir muͤssen freylich un- serer ends beharrligkeit gewiß seyn/ aber doch darbey mit furcht und zittern schaf- fen/ daß wir selig werden. Phil. 2. Ja daß kein andere/ als solche conditionata certitudo sey/ gibt uns Herr Stenger selbst zu/ pag. 306. GOtt wende seine gnade nicht ehe von einem wiedergebohrnen/ er lasse dann fahren seinen gu- ten vorsatz/ und fasse einen boͤsen vorsatz. Wie nun dieser dritte schluß itzt be- schehener massen/ unbuͤndig: also 4. ists eben so uͤbel gefolgert/ daß so fern boͤse und fromme Christen so gut waͤren/ einer als der andere. Es bleibet noch grosser unterscheid. Was boͤse Christen thun/ die nicht in GOttes gnade stehen/ sind lauter tod-suͤnden/ wie Herr Stenger selbst gestehet. Jst dann nicht grosser un- terscheid zwischen dem/ der augenblicklich nichts anders als lauter tod-suͤnden thut/ und dem jenigen/ der etwa noch einige mahl von dem teuffel verleitet wird? Ob schon er eben damit auch seinen gnadenstand verleuret/ und in solchem stand/ ehe er zur busse komt/ kein frommer Christ mehr ist. Alles bisher angefuͤhrte zeiget/ daß demnach die vollkommenheit/ welche Herr Stenger den wahren Christen zuschrei- bet/ daß nicht leicht einer von GOTT abweichen koͤnne/ aus der Schrifft nicht er- weißlich seye; vielmehr aber streite mit der in der Schrifft nachdruͤcklich beschriebe- nen unvollkommenheit und verderbnuͤß der menschlichen natur/ auch noch bey wie- dergebohrnen Christen uͤbrigen fleisches. 2. Streitet auch solche meynung wider die in der Schrifft billich aller orten hochgepriesene unendliche barmhertzigkeit Got- tes. Wo es heisset/ der zum drittenmahl in muthwillige suͤnden ruͤckfaͤllige mensch wird wohl zur rechten busse nicht erneuert werden/ geschehe es ja/ so muͤste es was ausser ordentliches heissen. Und/ der zum drittemnahl ruͤck- faͤllige mensch wird gewoͤhnlich nicht wieder zur busse erneuret und auffge- richtet. Wir sagen hier nicht/ daß man einen so vielmahl ruͤckfaͤlligen menschen/ da er in solcher seiner boßheit stehet/ versichern koͤnne/ daß er auch wieder werde zur busse bekehret werden. Dann vielleicht kan ihn in solchem augenblick GOtt weg- reissen/ und also in seinen suͤnden sterben lassen/ oder aber das gericht der versto- ckung uͤber ihn verhaͤngen. Vielweniger moͤgen wir einen darauff weisen/ er solte nur immerhin frevel suͤndigen/ GOTT muͤste ihn doch wohl wiederum bekehren. solcher trost wuͤrde allzu vermessen seyn; Aber hingegen ist eben so vermessen/ goͤtt- H licher Das sechste Capitel. licher barmhertzigkeit ziel und maß zu setzen/ wie offt sie ordentlicher weise einen muthwilligen s uͤ nder annehme/ nemlich nur einmahl/ uͤber solches seye es ein ausser- ordentliches und also selten geschehendes. Ja spricht einer/ es werde hiemit goͤtt- liche barmhertzigkeit nicht eingespannet/ denn mann gestehe gerne/ daß so offt der suͤnder busse thue/ GOTT solches s uͤ nders sich erbarme; Aber es koͤnne ein solcher suͤnder nicht busse thun. Antwort. Das ists eben/ was wir sagen/ das goͤttliche barmhertzigkeit eingespannet werde. Dann goͤttliche barmhertzigkeit gehoͤret zu/ nicht nur unsere busse anzunehmen; sondern weil wirs nicht koͤnnen/ dieselbe bey uns zuwuͤrcken. Daher wann ein solcher das drittemahl ruͤckfaͤllige mensch nicht mehr zur busse erfordert wird/ waͤre die ursach nicht bloß seine suͤnde selbs/ dann da gestehet Herr Stenger/ daß keine suͤnde seye/ welche goͤttliche barmhertzig- keit nicht vergeben koͤnne/ und wolte/ wann solches auffs erstemahl geschie- het/ es ist auch nicht/ weil GOTT ihn nicht wieder bekehren koͤnte/ auch nicht daß er vor sich zur busse gantz untuͤchtig worden (dann daß es ausserordentlich geschehen koͤnte/ wird bekant) sondern muͤste diese ursach seyn: Daß GOTT beschlossen habe/ ordentlich allein einmahl sich des ruͤckfaͤlligen zu erbarmen/ und also eine barmhertzigkeit auff einmahl einzuspannen: Daher sie einen solchen menschen die mittel der busse nicht mehr wiederfahren lasse/ oder doch darinnen nicht kraͤfftig zu seyn begehre. Nun diese einspannung goͤttlicher barmhertzigkeit ist goͤttlicher Schrifft gantz unbekant. Es heisset ins gemein/ daß GOtt nicht wolle den todt des suͤnders Ezech. 18/23. daß er wolle/ daß niemand verlohren werde; sondern sich jedermann zur busse bekehre. 2. Petr. 3. welches auch gehet/ so gar auff die jenige/ von welchen er cap. 2. gesagt/ daß nach dem sie wiederum in die suͤnde ein- gepflochten/ das letzte mit ihnen aͤrger worden seye/ dann das erste. GOtt ruffet der verstockten Juda wieder/ ob sie wohl mit vielen buhlern gehuret/ und sich von ihm geschieden hatte. Jerem. 3/ 1. ohne außnahm/ wie offt sie es schon mißbraucht haben moͤgte. Und von solchem spruch gestehet Herr Stenger pag. 164. Daß er rede von den suͤndern/ die schon einmahl wieder zu gnadeu angenommen/ a- ber es hernach wieder verderbet/ abermahls den HErrn verlassen/ und wi- der ihn ges uͤ ndiget. Wiederum: die abtruͤnnige seele/ die GOTT so viel- mahl verlassen/ soll doch wieder erlaubnuͤß haben wieder zukommen. Welches aber seine eigene Thesin umstoͤsset. Dann es ist ein exempel zweymahl ruͤckfaͤlliger/ wird auch nicht von einer person/ sondern dem gantzen Juda und also vielen gebraucht/ und kan derowegen vor nichts ausserordentliches geach- tet werden. Luc. 6/ 36. 37. befiehlet Christus: Wir sollen barmhertzig seyn/ wie un- ser Vater barmhertzig ist/ und solches auch in dem vergeben. Nun sind wir schul- dig/ dem nechsten zu vergeben/ so offt er uns beleidiget. Matth. 18/ 22. So ists GOTT zwar nicht schuldig/ aber doch dieses die art seiner barmhertzigkeit/ daß er sich ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. sich erbarmet mit vergebung der suͤneen/ auch der jenigen/ die sich seiner guͤte schon offt mißbraucht. Dieses ist das ordentliche: daß aber zuweilen er dergleichen boßhafftige ver- aͤchter in das gericht der verstockung fallen laͤsset/ daß sie nicht mehr busse thun/ und also gnade erlangen/ ist die exceptio und das ausserordentliche. Da haben wir dann von diesem nicht zu urtheilen/ sondern GOttes rath zu uͤberlassen/ nicht wie offt er allen/ dann wir haben kein fundament / das vor alle eine gewisse zahl bestim̃t seye; sondern wie offt er jeglichen/ diesem oder jenem/ die gnade der buß/ wann sie vorhin veꝛschlagen woꝛden/ wiedeꝛ gebẽ wolle: Wohin wiꝛ in gutem veꝛstand es neh- men. wollen. p. 240. Die gnade GOttes/ da er den suͤndern noch raum/ zeit und mittel zur busse giebet/ ist uns nirgend verheissen/ daß sie eben solte ewig uͤ- ber uns schweben/ wann wir immer mit suͤnden anhalten: und p. 322. Gott will seyn sehr gnaͤdig/ barmhertzig/ will alles vergeben/ es seye die suͤnde auch noch so groß; doch nicht daß dem menschen frey stehe/ diese gnade zusu- chen/ wann er wolte. Hingegen bleiben wir billig bey der regel/ daß GOTT jeglichem s uͤ nder seine gnade anbiete (u. das sagt Herr Stenger sonst auch p. 242. So lange es noch heute heisset/ stehet die gnaden-thuͤr offen/ es heist abe: noch immer heute/ als lange noch ein lebendiger athem in uns ist ) bestimme ich aber eine gewisse zahl/ die mir gleichwohl von Gott nicht geoffenbahret/ so kans nicht anders als eine vermessenheit geachtet werden. 3. Steckt auch dieser irrthum darinnen/ daß der jenige vorsatz/ nicht muͤsse der rechte wahre vorsatz/ oder die jenige busse die wahre busse gewesen seyn/ da wider jenen wiederum gesuͤndiget/ und dieser fruͤchte nicht stetig gewuͤrcket werden. Zwar wo es nur so fern will/ das man aus nicht erfolgter erfuͤllung oder dero bestaͤndigkeit zu nachdencken ursach bekommt: Ob nicht vielleicht der vorsatz und vorige busse moͤgten allein heuchlerisch gewesen seyn/ und der mensch andere und sich damit betrogen haben/ ists nicht unrecht; weil freylich vielfaͤltig geschiehet/ daß der mensch sich nicht rechtschaffen pruͤffet/ jegliche fliegende andacht gleich vor rechten bußfertigen vorsatz achtet/ und damit ihm selbs thoͤrlich einen blauen dunst vor die augen macht. Daß deßwegen so wohl jeder/ welcher findet/ wie die fruͤchte seiner buß nicht nach gebuͤhr folgen/ ursach hat in sich zugehen/ und nach zudencken/ mit was ernst er seine busse angestellt. So haben auch prediger und andere/ die auff ihres neben menschen Christenthum acht zu ge- ben haben/ aus eben solcher ursach der nicht thaͤtlich folgender besserung solche leute zur probe ihres gewissens zuweisen. Und auff die weise/ ist die sache nicht unrecht; Es kan aber Herr Stenger selbs sich daruͤber erklaͤhren/ ob solches allein seine mey- nung seye. Solte es aber dahin gemeint seyn/ wie schier die uͤbrige hypotheses mit sich zu bringen scheinen/ daß keine andere wahre busse seye/ als von welcher kein abfall mehr folget/ auch kein anderer vorsatz rechtschaffen und hertzlich/ es folge denn auch die that bestaͤndig: So waͤre es irrig/ und wuͤrde billig mit den gruͤnden H 2 wider- Das sechste Capitel. widerleget/ welcher wir uns gebrauchen gegen die Reformirten/ welche denjenigen glauben nicht wollen vor den wahren glauben gehalten haben/ welcher wieder ver- lohren worden. Wie dann diese meynung mit solchem irrthum (der auch in den Schmalkaldischen Articuln pag. 3. art. 3. verworffen wird:) gar nahe uͤber ein kaͤme. Alle die buß aber ist wahrhafftig/ in welcher der mensch seine suͤnde mit hertzlicher goͤttlicher reue erkennt/ und mit wahren lebendigem glauben seines Er- loͤsers verdienst ergreiffet. Bey solchem ist zwar freylich allezeit hertzlicher vorsatz und trieb/ solchen vorsatz auch ins werck zusetzen/ der den menschen nicht muͤßig seyn laͤsst. Weil aber gleichwohl es muͤglich ist/ daß nachmahls der mensch wieder ab- faͤllt; so ist die beharrlichkeit ein solches consequens, welches da von separi rt blei- ben/ und also auch ohne diese dennoch die buß warhafftig gewesen seyn kan. 4. Er- hellet auch aus dieser materi / daß Herr Stenger (auffs wenigste/ wie an vielen orten aus seinen worten/ nicht anders geschlossen werden mag) nicht gebuͤhrlich unterscheide/ die staͤrcke und schwachheit des glaubens; Daher er aller orten von den fruͤchten des glaubens redet/ wie dieselbe sich bey dem glauben in seiner staͤrcke befinden/ da es zu weilen gar ein andere bewandnuͤß mit hat/ wo der glaube schwach und also auch der trieb desselben nicht so starck ist. Nun wie wir den schwachen glauben vor einen wahren glauben achten und GOTT ihn auch davor erkennet/ also sind auch desselben fruͤchte/ ob wohl freylich viel mangels sich daran befindet/ gleich wohl wahre fruͤchte/ weil und wann sie auffrichtig sind. Dieses ist also das jenige/ so wir in durchlesung der vor die hand gegebenen zwey schrifften Herrn Stengers observi ret/ und zu observi ren noͤthig erachtet haben; Daraus dann leichtlich unsere endliche meynung erhellet/ daß nehmlich wir zwar viele der redens-arten/ an welchen vielleicht einige/ die solche gehoͤret oder gelesen/ moͤgen an- gestossen haben/ aus betrachtung so wohl der sache als anderer umstaͤnde/ sonderlich seines eiffers/ vor gut und unstraͤfflich achten; hingegen in unterschiedlichen/ ob wohl seine meynung recht/ desideri ren/ daß er mit der kirche haͤtte reden sollen/ und mit unbequemen/ zweiffelhafftigen und dunckeln reden/ welche der gemeine zu- hoͤrer nicht leicht fasset/ nicht einen verdacht auff sich ziehen. So dann das die letzte benamste lehr/ so wiederum in etliche puncten sich theilet/ wofern er sie/ wie wir sie aus seinen worten gefast/ vor die seinige erkent/ und nicht besser declari ret/ von uns nicht anders als irrig angesehen werden koͤnne. Es sind einige ort der Schrifft bereits angezogen worden mit welchem solche meynung streitet; So seind auch die wort unserer Augspurgischen Confession art. 12. da es heist: Daß die jenige so nach der tauff gesuͤndiget haben/ zu allerzeit/ so sie bekehret wer- den/ vergebung der suͤnden erlangen moͤgen: Sonderlich aber wie sie wieder- hohlet werden in der Apologi: Zu was zeit und wie offt sie sich bekehren/ also bewand/ daß sie nicht mit Herr Stengers meynung bestehen. Dann ob er wohl sagen moͤgte: er glaube mit der Augspurgischen Confession schlecht dahin/ daß die ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. die jenigen die nach der Tauff suͤndigen/ vergebung der suͤnden er langen moͤgen/ zu allerzeit/ so sie bekehret werden; Es seye aber solches nicht ausgedruckt wie offt sol- che bekehrung geschehe. So mag solches noch nicht gnug seyn; Jn dem in der A- pologi deutlich das quotiescunque in sich fasst/ daß solches offters geschehen moͤge/ und zugeschehen pflege/ nicht aber nur ein oder auffs hoͤchste zweymal. So sind auch solche unsere Symbolische buͤcher/ wie in andern allen/ also auch in die- sem stuͤck/ zufassen in dem verstand unserer kirchen/ wie derselbe bey unsern uͤbrigen lehrern sich auch befindet: Da wir aber einigen bißher nicht befinden werden/ wel- cher nicht davor gehalten/ daß solche buß/ deren daselbs vergebung versprochen wird/ mehr als einmahl wiederholet werden moͤge. Ob dann nun schon wir ihn des irr- thums Novatianorum, so in solchem articul namentlich verworffen werden/ nicht beschuldigen wollen/ gehet gleichwohl sein satz/ wie wir ihn aus seinen schrifften zu- fassen vermoͤgen/ dem satz der bekaͤntnuͤß auf andere weiß entgegen. Mit den No- vatiane rn koͤnnen wir seine meynung nicht confundi ren/ als deren ketzerey von unsern confessoribus also gegeben wird/ welche die absolution denen/ so nach der Tauff gesuͤndiget hatten/ wegerten/ oder wo wirs außfuͤhrlich haben wollen/ mit den worten der erst vor 2. jahren gehaltenen Inaugural. Disputation Herrn Dr. Jo. Ulrich Meyern/ de Novatianismo: Lapsi, in primis Apostatæ, etiam verè pœnitentes, amplius veniam delictorum mortalium impetrare non possunt, non quidem à Deo immediatè sed ab Ecclesia mediatè, quæ illos in gratiam \& communionem non amplius suscipere deberet: Von wel- chem irrthum Herr Stenger frey ist/ welcher sreylich nach der Tauff den gefalle- nen aber buͤssenden/ so wohl von GOtt/ als der kirchen/ vergebung verspricht/ ja wo sie warhafftig busse thun/ wanns auch schon mehrmahl geschehe/ an der ver- gebung nicht zweiflen laͤst Einschaͤrff. p. 35. Unterdessen gehet doch seine lehr auf angezeigte weise solchem unsern glaubens-bekaͤntnuͤß entgegen. Wie aber in jeglichem irrthum wohl acht zugeben ist/ ob der mensch aus uͤ- bereilen und unwissend oder hartnaͤckig und wissendlich wider ein glaubens- bekaͤntnuͤß irre/ so halten wir Herr Stengers fehler der ersten art seyn/ daß er nemlich nicht gefunden/ daß solche seine bißher gefuͤhrte lehre in angezogenen pun- cten solte wider die lehr und bekaͤntnuͤß unserer kirchen/ zu dero er sich bestaͤndig er- kennt/ streiten. Daher wir auch der guten zuversicht geleben/ daß er auf diese unsere/ und wofern anderwertlich her mehr dergleichen Sententiæ Collegiorum Theologicorum solten eingehohlet werden/ Christliche und bruͤderliche Remon- stration, die wir ihme communici rt zuwerden hoffen/ sich erinnern lassen/ und seinen fehler inskuͤnfftige verbessern werde. Woraus auch erhellet/ daß so ferne einige solche puncten/ so der Schrifft und unsern Symbolischen buͤchern entgegen sind/ behauptet/ und denn weil er gleichwol solche curiose, unnoͤthige und unfrucht- bahre fragen/ wie offt etwa ein wiedergeborner von GOTT abfallen moͤ- H 3 ge Das sechste Capitel. ge/ und wie offt er noch wieder zu gnaden kommen koͤnne/ welche mit meh- rer erbauung haͤtten unterlassen/ und mit gleichem eyffer/ aber weniger hinderung/ daher besserm succeß, das jenige hauptwerck/ um welches es ihme zu thun ist/ nem- lich die auffrichtung eines wahren thaͤtigen- und so entdeckung als verwerffung des falschen heuchel-Christenthums/ getrieben werden koͤnnen und sollen/ auf die cantzel gebracht/ nicht geleugnet werden mag/ daß er hierinnen der zusage seiner Reversali en nicht eine gnuͤge gethan: Daß wir aber so viel wir finden moͤgen/ und von der sache wissen/ gleich wie das vorige nicht so wohl vor eine vorsetzliche als un- wissende ubertretung solches verspruchs halten/ und also auch hierinnen hoffen/ es werden bruͤderliche erinnerungen so viel fruchten/ daß er kuͤnfftig solchen verspruch so viel vorsichtiger und bedachtsamer nachkommen moͤge. Wie wir nun in diesem allen unsere christliche Theologi sche meynung mit anruffung goͤttlichen beystandes ohne passion und entweder liebe oder haß der per- son/ sondern wie wir solches in unsern gewissen befinden/ und der ruhe der kirchen vortraͤglich zuseyn achten/ auff begehren E. E. E. und Hochw. Raths zu Erffurth entdecket haben/ und entdecken wollen/ also ruffen wir schließlichen den himmli- schen Vater und seinen sohn JEsum Christum/ unsern einigen HErrn/ demuͤthig an/ er wolle auch diese unsere in seiner furcht gethane arbeit nicht lassen vergebens seyn/ sondern segen darzu geben/ damit einige gute frucht zum besten der kirchen daraus erfolgen moͤge. Er wolle durch seinen heiligen Geist in aller der jenigen/ so hierbey zuthun haben/ hertzen kraͤfftig seyn/ das jenige zu erkennen/ so zu seines geistlichen leibes besten nuͤtzlich seyn mag/ alle gemuͤther mit liecht/ warheit/ lie- be und sanfftmuth erfuͤllen/ die etwa entstandene aͤrgernuͤsse daͤmpffen/ hingegen alle weitere verhuͤten/ und endlich verleyhen/ daß so wohl anderswo/ als auch in dieser Evangelischen Erffurthischen kirchen/ noch fuͤhrohin von allen lehrern die wahrheit des glaubens/ ohnvermischt einigen irrthums rein gelehret/ und die fruͤch- te desselben mit eyffer getrieben/ so denn von der gantzen gemeinde jene fest ge- halten/ diese reichlich gebracht werden zum preiß seines heiligen nahmens/ A- men. ꝛc. Franckfurt am Mayn/ 10. Julii Anno 1670. Saͤmtliche Prediger der Evangelischen Kirchen allhier Quorum nomine subscr. (L. S.) Philipp Jacob Spaͤner/ Dr. Prediger/ und Minist. Senior. mppria. SECT. ARTIC. I. DISTINC. I. SECTIO VIII. SECTIO VIII. Von einem vorschlag einer heiligen liebes- gesellschafft. W Je mich billich nichts mehr erfreuet/ als wo ich ein und andere perso- nen antreffe/ oder von denselbigen hoͤre/ welche goͤttliche gnade bey sich haben kraͤfftig seyn lassen/ und also an denselben solcher himmlischen wuͤrckung zeugnuͤssen sich in ein und anderen hervor thun/ also ist mir auch meines hochgeehrten Herrn freundlich an mich gethanes abzulesen so viel angenehmer ge- wesen/ weil derselbe darinnen die ihme wieder fahrne gnade unsers allerliebsten GOTT es danckbahrlich preiset/ und ich ihm des wegen nicht anders als vor einen solchen/ obschon sonsten dessen kundschafft anderwertlich her nicht gehabt/ zuhalten und zuerkennen/ mich schuldig erachte. Jch wuͤrde auch so bald geziemlich zuant- worten nicht ermanglet haben/ wo nicht die erste woche zwar noͤthige ampts-ge- schaͤfften/ die verschiene aber einige getragene leibs beschwerde/ mich davon abge- halten/ und die antwort zu verschieben genoͤtiget haͤtten. Wann nun aber meins hochgeehrten Herrn schreiben schließlichen dahin gehet/ damit in die gemeinschafft meiner liebe und freundschafft einzutreten/ so ist dieses dasjenige/ darinnen dersel- be so viel gewisser seinen zweck erlangt zu haben sich versichern kan/ weil auch ohne dergleichen freundliches ansuchen/ welches mich doch so vielmehr verbindet/ von selbsten selches aus treuen hertzen wuͤrde anerboten haben. Wir Christen/ die dem exempel unsers himmlischen Vaters nach zufolgen schuldig sind/ sollen freylich/ weil unser GOtt die liebe selbs ist/ unser leben nichts anders seyn lassen/ als eine im- merwaͤhrende uͤbung der liebe zum vordristen zwar gegen GOTT/ folglich aber auch allem dem/ was von GOTT herkomt/ und in demselben/ nach dem der HErr alle seine wercke liebet/ die fuß-spur der goͤttlichen liebe sich antreffen laͤsset: Deß- wegen auch mit solchem unterscheid/ daß wir an allem nichts anders/ als was Gott selbsten liebet/ zu lieben suchen/ auch des wegen die maß der liebe darnach richten/ nach dem wir mehr desselben in jeglichem geschoͤpffe antreffen. Wann dann der liebreiche menschen-freund vor allen andern ereaturen uns arme menschen dazu er- wehlet/ daß er die groͤsse seiner liebe am allerscheinbarsten und nachtruͤcklichsten an unserm geschlecht erwiesse/ also gehet freylich das meiste unserer liebe billich gegen die jenige/ die nicht nur der natur nach unsere bruͤder/ sondern das jenige ziel sind/ auff welches wir die vornemste strahlen der goͤttlichen liebe schiessen sehen. Wann aber unter denen menschen zwar nicht einer ist/ welchem nicht so wohl als anderen aller genuß der goͤttlichen liebe von seinem schoͤpffer bestimmt waͤre/ auch zum an- fang gleich viele fruchten derselben bereits anvertrauet und geschencket sind [wes- wegen wir ohn außgeschlossen eines einigen alle zu lieben uns verbunden erkennen] aber Das sechste Capitel. aber gleichwol ihrer viele sich befinden/ welche/ in dem sie die ihnen auch bestimm- te liebes-thaten des andern und dritten articuls nicht angenommen haben/ sondern dero genuß mit boßheit von sich stossen/ und deswegen von goͤttlichen guͤtern keine andere/ als die des ersten articuls sind/ wircklich besitzen/ andere hingegen ihres Vaters guͤte bey sich haben lassen kraͤfftig seyn/ und also immer mehrere liebes-tha- ten von ihm empfangen/ sonderlich aber in dem werck der Heiligung nicht nur zu der wahren erkaͤntnuͤß der unendlichen liebe (so viel dieselbe noch hier erkant wer- den mag) gebracht/ sondern zugleich zu gemeinschafft aller der himmlischen liebes- schaͤtze/ die der liebreiche Vater allein seinen vertrauten/ welche die erste gnade sei- ner liebe nicht von sich gestossen haben/ zu besitzen und zu schmecken giebet/ wirck- lich gelanget/ und daher recht voller GOttes sind; so entstehet aus solchem unter- scheid auch ein nicht geringer unterscheid der liebe selbs. Jn dem ob zwar dieselbe insgemein angeregter massen gegen alle menschen gehet/ deroselben gnade gleichwol so viel hoͤher sind/ als mehr sie ihres/ allein um sein selbs willen geliebten/ GOttes bey jeden antrifft/ dann denselben liebet sie vielmehr in allem/ als das jenige selbs/ worauff sie erstlich gehet/ aber darauff nicht beruhet. Dahin freylich jemehr goͤttli- ches/ jemehr himmlischen liechtes/ gnade/ und uͤbriger guͤter/ u. also jemehr aͤhnlichkeit mit dem urmuster aller liebe/ GOtt selbsten/ sich bey einem menschen findet/ so viel- mehrer liebe ist er werth/ und so viel inbruͤnstiger wird auch/ eine mit gleicher art liebe entzuͤndete/ und mit gleicher art guͤter beseligte/ seele denselbigen umfassen: Ja es ist unmuͤglich/ daß eine solche sich gegen das jenige/ darinnen sie so viel obje- cta ihrer liebe antrifft/ der hertzlichsten liebe enthalten solte koͤnnen/ so bald sie diese erkennet und antrifft. Daher kommt/ daß die eines glaubens (ich verstehe aber hiemit nicht bloß die erkaͤntnuͤß/ und also gemeinschafft einer eusserlichen gemeinde/ sondern das himmlische gut/ so uns unsers Heylandes gerechtigkeit und die seligkeit giebet/ und so bald die hertzen mit liebe erfuͤllet) sind/ und also an einander so vieles/ welches/ sie in ihrem GOtt mit einander gemein haben/ erkennen/ ohne vieles ge- such und noͤtigung/ auffs inbruͤnstigste und auff viel hoͤhere weise als andere/ sich un- ter einander lieben. Wann dann nun mein hochgeehrter Herr mich aus den we- nigen predigten/ so ich in den druck gegeben/ solcher goͤttlichen gnade und liebe (da- vor ich unwuͤrdigster dem liebreichsten Vater und seiner grundlosen barmhertzig- keit/ dero allein ich alles auch heimzuschreiben/ demuͤtigen danck in einfalt meines hertzens taͤglich zusagen habe) theilhafftig zu seyn erkennet/ und ich hingegen aus seiner bekaͤntnuͤß mich von ihme gleichermassen dessen versichert halten solle/ als hin- dert freylich nichts/ daß ich denselben nicht nur auff allgemeine art liebe/ sondern so viel hertzlicher gegen ihn gesinnet seye/ als mehr ich dessen an ihm warnehme/ und ferner warnehmen werde/ was von selbsten solche zuneigung so bald wircket. Wann aber solche hertzliche freundschafft jetzo mit keinen andern thaͤtlichen fruͤchten erwei- sen kan/ solle es doch durch hertzliches gebet/ welches ich auch gegen mir von al- len ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO VIII. len christlichen freunden vor die vornehmste liebesthat achte/ geschehen/ wie ich dann dem allergnaͤdigsten GOtt und treuen unsern Vater inbruͤnstig anruffe/ und ferner anruffen werde/ daß derselbe bey ihm/ wie auch allen andern seinen kindern/ die an- gefangene gnade stets zunehmen/ das entzuͤndete liecht immer weiter entbren- nen/ den geschmack der himmlischen suͤßigkeit vergnuͤglicher werden/ die fruͤchten solcher guͤter jemehr und mehr hervor wachsen lassen/ in summa ihn noch ferner vollbereiten/ staͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden/ und das gute so weit bereits gebrachte werck vollfuͤhren wolle/ auff den tag JEsu Christi. Nebens solchem hertzlichem wunsch-gebete sehe ich zwar noch wenig gelegenheit/ worinnen ich hoffen koͤnte/ mei- ne willige liebe meinen hochgeehrten Herrn thaͤtlich bezeugen zu koͤnnnen/ ver- sichere aber denselbigen gleichwohl dieses/ daß ich auch in allem andern/ wo mit rath/ hilff und auff einige thaͤtliche weise an die hand zu gehen vermag/ mich nicht entziehen oder saͤumig erzeigen/ sondern nach vermoͤgen dasselbige/ wovor mit dem mund mich außgebe/ zu erweisen trachten wolle. Wuͤnschete zwar/ daß wir eine weil eines orts/ und also meines hochgeehrten Herrn seiner gelegenheit nach hier sich auffhalten koͤnte/ in deme vieles in dergleichen sachen ist/ welches fast noth- wendig die gegenwart erfordert/ und zu weilen mit kurtzem gespraͤch besser außge- macht werden kan/ als nicht mit vielem und weitlaͤufftigem zu schreiben geschehen wuͤrde. Wie auch meine amts beschaffenheit zu weitlaͤufftigen brieffen nicht al- lemahl die zeit laͤsset. Jn dem uͤbrigen/ weil mein hochgeehrter Herr gefallen hat/ den wolmeinenden auffsatz vorschlagender heiliger liebes-gesellschafft mir zu lesen mit zutheilen/ und also daruͤber meine einfaͤltige gedancken zuvernehmen/ so sende zum fordristen denselben/ mit freundlichen danck solcher vertraulicher communication, wiederum zuruͤck/ und bezeuge/ solchen mit guten vergnuͤgen gelesen zu haben; Dann daß ein und andere formuln darinnen sich befinden/ die bequemere auslegung bedoͤrffen/ zweiffle ich nicht/ daß mein hochgeehrter Herr solche alle in gesundem verstand selbs werde gemeint haben/ deß wegen solche auch nicht auffgezeichnet. Was aber die hauptabsicht selber anlanget/ einer sonder- bahren gesellschafft der liebenden/ sehe ich gern meines hochgeehr ten Herrn wolmei- nende intention also an/ daß an dero ich nichts straffe/ sondern daß der jenige zweck/ welchen derselbe vor sich hat/ auff einigerley Christliche art und weise moͤchte er- langet werden/ von grund der seelen wuͤnschete. Weil aber/ dem gegen mich bezeugenden freundlichen vertrauen gemaͤß/ ich hin wieder von meiner seiten schul- dig bin/ offenhertzig und freymuͤthig meine gedancken zu entdecken/ so kan ich nicht bergen/ daß ich dergleichen unter besonderem nahmen anstellende liebes-gesell- schafft nicht vor ein bequemes mittel achte/ damit dem Christlichen wesen geholffen werden moͤchte. Wir sind bereits alle in dieser heiligen liebes-gesellschafft/ so viel unser in den bund der tauff getreten sind/ und uns also in derselben der liebreiche GOtt durch seinen Geist der liebe mit liebreichem glauben begabet hat. Nun ists J zwar Das sechste Capitel. zwar freylich wahr/ daß leider die allermeiste von denselbigen/ so gar nicht nach sol- chem bund einher gehen/ daß sie vielmehr nicht nur wissen/ oder wissen wollen/ was ihr verspruch und geluͤbde mit sich bringet/ darhero billig darauff zugedencken/ wie ihnen theils zwar solche ihre schuldigkeit kantlich vor augen gestellt/ theils sie dazu angefrischet/ vornemlich aber denen/ welche einmahl den entschluß gefasset/ ihrem GOtt in liebe eyffrig zu dienen/ mehr mittel und gelegenheiten an die hand gegeben wuͤrden/ einander zu erbauen/ und in dieser uͤbung an einander zuzunehmen. A- ber wie solches auff andere wege kraͤfftig erhalten werden kan/ also muß ich billig sorgen/ daß das vorschlagende mittel leichter moͤchte hindernuͤß als forderung der sache geben. Dann ob wol die meinung er nicht ist/ eine trennung in der kirche da- mit zumachen/ so gibet doch einer besondern gesellschafft nahmen/ nicht nur allein de- nen jenigen/ welche mit fleiß allem guten sich zuwidersetzen/ den verdacht einer su- chenden spaltung/ und damit gelegenheit zu gefaͤhrlichen laͤsterung/ sondern man- che mit ernst gottliebende hertzen werden uͤber eine solche gesellschafft/ die die allge- meine pflicht und nahmen ihro allein zu zueignen das ansehen gewinnen moͤchte/ vie- les bedencken haben/ und davon mehrern anstoß leiden als erbauung finden. Es wuͤrde an solchen verfolgungen/ die ohne noth sind/ und da unterschiedliche gute gemuͤther (welchen solche neuigkeit/ und allerhand daraus schoͤpfender verdacht/ das werck anders/ als die intention ist/ vorstellent/ und sie also dagegen einnehmen moͤchte/ mit dareingeflochten werden/ und sich also den vorhaben widersetzen doͤrf- ten/ nicht ermanglen/ die das jenige/ was zu einem band mehrer liebe und einigkeit gemeinet gewesen/ zu einem stein des anstossens/ und gelegenheit mehrers hasses und uneinigkeit machen wuͤrde. An dessen statt aber waͤre mein einfaͤltiger rath/ dadurch ich eben den vorgesetzten zweck zuerreichen auch vermeine/ aber weniger widerspruch davon besorge/ daß nemlich jeglichen orts ohne einige besondere gesell- schafft noch nahmen (welcher einiger trennung ansehen machte) die jenige/ welche ihnen ihr Christenthum lassen angelegen seyn/ sich so viel fleißiger und mehr zusam- men halten/ und mit einander umgehen/ um stetig so wol selbs unter sich sich zuer- bauen/ als auch in der liebe zu uͤben/ sonderlich aber immer darauff bedacht zu seyn/ wie sie staͤtig noch mehrere zugleichen uͤbungen bewegen moͤgen/ dazu dann die freundliche correspondentz unter ihnen staͤtig gelegenheit geben wird/ daß/ was etwa nicht durch einen/ doch durch den andern/ ausgerichtet/ und erbauet wuͤrde. Wo man an orten ist/ da prediger selbs einen hertzlichen eyffer haben zu befoͤrderung alles dessen/ worinnen das Christenthum ihrer zuhoͤrer mag auffer- bauet werden/ so ists so viel leichter/ das mit ihnen und unter sich selbs fromme her- tzen zu liebreichen uͤbungen eine heilige freundschafft pflegen. Trifft man aber solche prediger an/ deren leider auch nur allzuviele sind/ welche die rechte art des Christenthums nicht verstehen/ vielweniger zu befoͤrderung desselbigen hertzliche be- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VIII. begierde tragen/ so wirds zwar frommen seelen so viel schwehrer/ unter sich solche liebes freundschafft zu unterhalten/ in derselben immerdar anderer erbauung mit zu suchen/ und also ihres geistlichen priesterthums in allen stuͤcken sich zugebrauchen/ aber doch ists auch alsdañ durch goͤttliche gnade muͤglich/ wo mann in wahrer surcht GOttes das werck angreifft/ und mag doch/ wie es auch soll seyn/ ohn eintzigen dem ordentlichen predigamt thuenden eingriff/ zuwerck gerichtet werden. Das gleich- wie nun jedes orts fromme seelen unter sich/ ohne daß sie jemand daraus nur mit einem schein einer trennung oder absonderung von der uͤbrigen gemeinde beschul- digen koͤnten/ dergleichen freundschafft unterhalten moͤgen/ also moͤgen sie auch ohn jemands hindernuͤß auff ziemliche art und weise mit anderen/ die anderwertlich le- ben/ und ihnen bekant worden/ eben gleiche freundschafft/ welche zu beforderung des gemein habenden zwecks der liebe angesehen ist/ pflegen und uͤben. Zu welchem allen kein sonderbahrer und so bald allerhand uͤble vermuthungen nach sich ziehen- der nahme einiger gesellschafft vonnoͤthen/ sondern der hertzliche vorsatz die regeln der allgemeinen von GOtt eingesetzter gesellschafft ernstlicher/ als leider von dem grossen hauffen geschiehet/ zur uͤbung zubringen/ allerdings gnug ist. Sind mei- ne einfaͤltige gedancken/ so ich zu meines hochgeehrten Herrn belieben setze/ ob der- selbe dabey auch beruhen/ oder das vorige vor rathsamer achten/ und deswegen weiter daraus mit mir die sach uͤber legen wolte. Sehe hie nebens in dem guten vertrauen/ derselbe werde sich meine offenhertzige freyheit nicht uͤbelgefallen lassen/ und auch daraus schliessen/ daß ich gern auffrichtig handele. Jn dem uͤbrigen er- kenne ich mit meinen hochgeehrten Herrn wol/ daß der personen/ welche mit dem wahren glauben/ und also auch dessen frucht der wahren liebe/ begabet/ daher zu dergleichen liebes-gesellschafft oder in den uͤbungen der wahren Christlichen freund- schafft tuͤchtig sind/ weniger als gut ist/ angetroffen werden; gleichwol hat GOTT noch aller orten/ wo sonderlich sein wort noch lauter und rein gepredigt wird/ un- ter dem vielen nicht nur unkraut sondern auch tauben und untuͤchtigem korn/ das ist/ unter den offentlichen weltkindern und auch den schein-Christen/ seinen guten wei- tzen und wahre kinder/ die zuweilen etwa so verborgen sind/ daß sie ein Elias kaum erkennet/ wo nicht GOtt selbs nahmhafft machte: Wo aber einige fromme her- tzen anfangen unter einander heilige liebe zupflegen/ und dero exempel anfanget nur etwas vor zuleuchten/ so thun sich immer noch weiter ein und andere hervor/ von de- nen mans nicht vermuthet haͤtte: daß man also die gnaden-gaben/ mit so viel hertz- licher vergnuͤgung bey mehreren anfangt zuerkennen/ als man/ wo man den grossen hauffen und dessen in die augenfallende gottlosigkeit angesehen/ ihm eingebildet o- der gehoffet hatte. 1672. J 2 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO IX. Einige schreiben an eine adeliche jungfrau. 1.) Uber verlangen nach Christlichen freunden in dero ab- wesenheit. Woran es nirgend mangle. Wunsch und gebeth vor einander. S O vergnuͤglich mir gewesen ist die wenige mahl als ich mit derselben unter- redung zu pflegen die gelegenheit gehabt/ an deroselben die ihro von dem ge- treuen Vater in dem himmel mildigst ertheilte geistliche gaben zuerkennen/ also hertzlich hat michs auch erfreuet/ daß ich aus denen/ so hier hinterlassenen/ als jetzt nachgeschickten schreiben verstanden habe/ die Christliche wolgewogenheit/ so dieselbe gegen meiner wenigen person annoch bezeuget. Jch finde zwar an mir alles das jenige nicht/ so dieselbe von mir mit geneigtesten urtheil ruͤhmet/ wie ich a- ber/ wo der getreue GOtt jemahlen einiges ihm gefaͤlliges und fruchtbahrliches durch mich/ als ein von selbsten untuͤchtiges werckzeug/ und das mir befohlene amt/ außrichtet/ ihm davor demuͤthigsten danck zu sagen/ und ihm alle ehre deswe- gen hinzuweisen/ jedoch die mir nach dem ihm beliebigen maß ertheilte goͤttliche gnade um seinet willen/ in dem sie seine gabe ist/ nicht zuverleugnen habe/ also be- finde je mehr und mehr/ daß alle seelen/ welche aus rechtem grunde ihrem GOTT glaͤubig zu lieben und ihm zu dienen durch seine gnade ihnen vorgesetzet haben/ wo sie andere fast nur erblicken/ in welchen ihr GOtt dergleichen seligen vorfatz auch gewircket/ so bald mit geistlicher zuneigung gegen einander erfuͤllet werden/ und nicht anders koͤnnen/ als diejenige hochhalten/ in denen sie ihres allerliebsten GOt- tes gnade/ in welcher maß dieselbige auch sein moͤgte/ erfreulich antreffen/ und sich mit solchem bande der ihnen gemeinen himmlischen guͤter einander naͤher verbunden erkennen/ als einige weltliche freundschafft andere mit einander verbindet. Da- hin ziehe ich auch derselben gegen mich sonst unverdiente hertzliche tragende zunei- gung. Ob es nun zwar solchen christlichen gemuͤthern erfreulich und vergnuͤglich ist beysammen zu leben/ oder oͤffters zusammen zukommen/ umb einander zuerbau- en/ so ersetzet doch auch die gedaͤchtnuͤß vieles des jenigen/ so man sonsten von taͤgli- cher conversation wuͤnschen moͤgte. Also hat dieselbe meine abwesenheit so viel weniger zu betrauren/ in dem dieselbe an allem dem/ was sie bey mir suchen moͤgte/ nirgend mangel hat/ sonderlich sol- ches daselbs wo sie jetzt leben/ zur gnuͤge antreffen wird. GOtt hat sie an einen sol- chen orth gefuͤhret/ wo ich nicht zweiffele/ daß auch darinnen sein goͤttlich wort reichlich wohne/ daß es lauter und rein gelehret werde/ und sie also auch auß dem gehoͤr desselben in der erkaͤntnuͤß und liebe GOttes zu zunehmen gelegenheit hat. So ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO IX. So hat sie viele liebe und gottselige buͤcher/ zuforderst aber die heilige Schrifft selb- sten/ welche sie ihr ruͤhmlich bekant gemacht hat/ und aber noch immer in solcher un- erschoͤpff li chen fund-grube/ alles so zu ihrer erbauung noͤtig ist/ zum reichlichsten an- trifft: Jch will auch hoffen/ sie werde unterschiedlich fromme seelen (ob schon die- selbe nirgend in gar grosser anzahl sind) um sich haben/ mit denen sie zu gleich GOttes guͤte und wolthaten erfreulich unter sich zubetrachten/ zuruͤhmen und da- von gottselige gespreche zu halten/ unterweilen die gelegenheit findet. So hat sie den vornehmsten freund ihrer seelen immer um sich und in dem hertzen durch den glauben wohnend/ welcher mit seinem Geist sie aus seinem wort/ in dessen gebrauch und betrachtung/ auffs kraͤfftigste lehret/ erleuchtet/ troͤstet/ und auff unendlich bessere weise das jenige ersetzet/ was sie von menschlichen freunden/ mit wem sie umgehen moͤgte/ ihr selbes wuͤnschen wolte/ und weil sie aber nicht alle dieselbe um sich hat/ einigen abgang daher ihr einbildet. Solte es zwar mir noch zur freude geschehẽ/ einmahl dieselbe naͤher um uns zu haben und mehrmal mit derselben um- zugehen/ wuͤrde auch dieses etwas zu meiner vergnuͤgung thun. Jn entstehung a- ber dessen/ so versichere dieselbe/ daß ich aus treuem und christlichen hertzen/ gleich wie die in ihr von GOTT gewirckte gnaden-gaben hochschaͤtze/ also den unend- lich guten GOtt/ stets inbruͤnstig anruffe/ wie allezeit jede seine wolthat den glaͤu- bigen als ein neues pfand noch mehrere erfolgender angesehen werden solle/ daß er dieselbe noch ferner in ihr immer fort wolle wachsen und zunehmen lassen/ daß sich das liecht in ihrer seelen immer verklaͤhre von einer klarheit zu der andern/ daß die liebe zu der hoͤchsten einigen liebe von dero eigenem feuer immer mehr und mehr in ihr entbrenne/ daß sie in ihrem hertzen oͤffters schmecke und sehe die uns menschen von uns selbs unbeg re ifflich suͤß- und freundlichkeit des HErren/ daß solches gute ih- rer seelen sich reichlich in ihr gantzes leben ergiesse/ und in tausend edlen fruͤchten er- kennen lasse/ daß sie als eine geistliche priesterin so wol taͤglichen ihrem GOTT heilige opffer bringe/ als andere neben sich liebreich erbaue/ und in solchem heiligen schmuck ihrem GOtt und andern glaͤubigen (was gehen uns andere an) gefalle/ daß sie von der welt und dero ansteckender eitelkeit durch die maͤchtige hand GOt- tes verwahret/ in der welt ihren theuren empfangenẽ schatz erhalte/ daß endlich nach allem siegreichen kampff die erwartende krone dorten ihr haupt beziere/ und also al- le ihre und anderer vor sie thuende wuͤnsche voͤlligst ewig erfuͤllet werden. Dieses ist mein einfaͤltiges gebeth/ mit welchem allein in entstehung anderer gelegenheit gegen dieselbe und andere ihres gleichen fromme seelen in abwesenheit meine hertzli- che gegen-liebe bezeugen kan. Doch weiß ich daß auch solche schwache seuffzer dem guͤtigen Vater in gnaden angenehm/ und auch von christlichen hertzen nicht verachtet werden: Hingegen das vor mich auch thuende andaͤchtige gebeth/ des- sen sie mich ihrer seits versichert/ vor die groͤsseste gutthat achte/ die mir in meinen schweren amt und der vielen gefahr/ welcher solches allezeit unterworffen ist/ von J 3 je- Das sechste Capitel. jemand wiederfahren kan. Nun GOTT wird das jenige erfuͤllen was wir aller- seits in kindlichem vertrauen wuͤnschen/ in dem wir nichts anders/ als was selbsten seines willens ist/ damit bitten und wuͤnschen/ so ihm nicht mißfaͤllig seyn mag. 1672. SECTIO X. (2. S chwester nahme. N eujahrs wunsch. M an- gel nicht an der lehr sondern leben. Vortheil wo man noch die wahre lehr uͤbrig hat. Was zu thun/ wo man meistens boͤse exempel um sich hat. Ob Ap. Gesch. 19/ 5. eine wiedertauff gelehret werde. Hochgeehrte Jungfr au und in CHristo JEsu hertzlich geliebte Schwester. D Jesen nahmen hoffe ich werde dieselbe ins kuͤnfftige von mir anzunehmen/ ihr nicht mißfallen lassen/ weil den nahmen der tochter zu geben mir nicht gezie- men will/ der ich in CHRJSTO sie nicht gezeuget/ oder einige vaͤterliche wohlthat ihr zuerweisen je vermocht habe: Sondern allein an ihr erkenne/ die auch ihr von meinen himmlischen Vater mit andern unsern mit-bruͤdern und schwe- stern/ erwiesene gnade und gemeinschafft an unserm so bereits besitzenden als zum theil noch erwartenden erbe. Ob dann schon/ dafern dieselbe nicht mich von selbs unwuͤrdigen/ sondern mein von GOTT tragendes amt/ mit vaters nahmen kuͤnff- tig zu ehren gedencket/ ich mich nicht zuwiedersetzen habe/ so weiß ich doch meiner seits keinen andern nahmen zu gebrauchen/ als weil je deroselben gefaͤllig ist bey seit gesetzt der bloßweltlich unter uns befindlicher respect en der nahmen uns zuge- brauchen/ die uns unser Christenthum selbs an hand giebet/ den jenigen welchen be- reits vorangeschrieben: Und denen die betrachtung des einigen in den himmel ha- benden vaters/ so dann erstgebohrnen gemeinen bruders JESU/ erfordert. Da- bey ich die versicherung thue/ daß gleich wie aus solchem bruͤderlichen gemuͤth taͤglich zu meinen GOTT auch vor sie zuseufftzen habe/ also auch sonsten worinnen solche schuldige liebe zu befoͤrderung ihres innern menschen/ darnach wir bꝛuͤder und schwestern sind/ erweisen kan/ ich es an mir nicht ermanglen lassen werde. Vor den mir in den zweyten schreiben zugeschriebenen hertzlichen neujahr wunsch/ bedancke mich geziemlich: Es wolle der guͤtige Vater in dem himmel/ dessen jah- re nicht hinfliessen/ wie die unsrige/ sondern die bleibende ewigkeit sind/ das ange- wuͤnschte/ nicht allein an mir und den lieben meinigen in den stuͤcken die er zu seinen ehren und unserm heil uns noͤthig befindet/ erfuͤllen/ sondern zum aller fordersten auch ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO X. auch uͤber sie/ vielgeliebte schwester/ dasjenige zu diesem und allen folgenden jahren mildigst ausgiessen was wir deroselben aus einfaͤltigen hertzen anwuͤnschen/ zum al- lerfordersten/ daß die liebe GOttes/ gleich wie sie in erneurung zeitlicher dinge sich hervor thut/ also auch mit taͤglicher erneurung des goͤttlichen ebenbildes in ihrer und unser aller seelen/ als ein liechtlein der ewigkeit gewiedmet/ je laͤnger je kraͤffti- ger sich erzeigen/ und uns tuͤchtig machen wolle/ daß wir an dem grossen tag der all- gemeinen erneurung gleichfalls zu der neuen welt und statt unseres GOttes/ zu der seligen ewigkeit/ moͤgen erneuret werden. Amen. Die fuͤhrende klage/ wie es an dem leben mehr als an lehrern bey unsere kirchen mangle/ und viele nicht verstehen/ daß das reich GOttes nicht in worten sondern der krafft bestehe/ ist billig/ wichtig und eben diejenige/ welche alle fuͤhren/ denen das heuchel wesen jetziger zeit und die in demselben steckende entheiligung goͤttlichen nahmens schmertzlich zu hertzen gehet: Also daß auch unser/ der prediger/ meiste sorge anjetzo billig diese seyn muß/ unsern zuhoͤrern recht wohl einzubilden/ daß sie verstehen/ was die krafft des seligmachen- den glaubens seye/ und wie derselbe nicht in einem menschlichen gedancken/ den wir aus unserer vernunfft fassen koͤnten/ sondern in goͤttlicher erleuchtung bestehe/ wel- che wie den verstand mit lebendiger erkaͤntnuͤß erfuͤllet/ also den willen und gantzen menschen zu einem andern machet: Daß dannenhero alle die jenige mitten in der den rechten glauben bekennenden kirchen befindliche und den aͤusserlichen gottes- dienst mit verrichtende menschen/ welche aber nicht durch solchen wahren und uͤber aller menschen vermoͤgen gehenden glauben wahrhafftig wiedergebohren sind/ und in solcher neuen geburth einher gehen/ in der that unglaͤubig seynd/ und vor GOtt in viel schwehrer verdamnuͤß ligen als die jenige/ die auch dem buchstaben des glau- bens nie erkant haben; damit doch den leuten der so tieff steckende wahn/ als ob die aͤusserliche bekantnuͤß des glaubens/ und so aͤusserlicher gebrauch der goͤttlichen gnaden-mittel (ob man schon deroselben krafft widerstrebet) als weltlich erbarer wandel dem Christenthum gnugthaͤten/ und uns selig macheten/ benommen/ und der schlaff der sicherheit aus den augen gewischet wuͤrde. Wovon ich einmahl in 2. predigten gehandelt/ und da ich wissen solte/ daß dieselbe solche wenige blaͤtlein/ die folgends getruckt worden/ zu lesen beliebten/ zu diesen zweck communici ren wuͤrde/ zuzeigen/ wie ich hierinnen mit deroselben aus goͤttlichem worte einerley gedancken fuͤhre. Jn dessen aber mag anderer schein-Christenthum/ die die krafft der wahren goͤttseligkeit leugnen/ anderer hertzliche begierde ihrem GOTT recht zugefallen und ohne falsch ihm zu dienen/ nicht hindern/ sondern mitten unter an- dern unschlachtigen und verkehrten geschlecht erhaͤlt sie ihr vater als seine kinder un- straͤff ich/ und laͤsst sie als ein liecht vor andern leuchten/ daß durch sie andere auch zum erkaͤntnuͤß gebracht/ oder ja durch dero exempel unentschuldbar gemacht wer- den. So haben auch die ort/ wo goͤttliches wort gleichwohl lauter und rein ge- predigt ob schon dessen erbauung durch boͤses exempel vieler zuhoͤrer/ auch etwan der predi- Das sechste Capitel. prediger selbs geschlagen wird/ diesen vortheil/ fromme hertzen das jenige stets anhoͤ- ren/ daraus sie in ihren GOTT sich erbauen koͤnnen/ als die auff solches ihres Va- ters wort/ nicht aber anderer boͤß exempel sehen. Diese sind auch befreyt der hin- derung/ welche an denen orten/ wo das wort mit irrthum vermenget wird/ gegeben wird/ in dem die beymischende falsche lehren auch bey denen/ die allein ihren GOtt suchen/ ob schon ihr heil nicht allerdings umstossen moͤgen (denn der hoͤchste lehrer in ihren hertzen bewahret sie vor dem/ was ihres glaubens grund umreissen koͤnte) gleichwohl die erbauung maͤchtig hindeꝛn/ und schwaͤchen; Ja wo wir auch an solchen orten leben muͤsten/ wo man prediger haͤtte/ die allerdings nicht aus GOTT ge- lehret waͤren/ sondern sich bey ihnen allein eine fleischliche wissenschafft des buchsta- bens befindet/ so ists zwar wiederum eine betruͤbte sache ihr aͤrgernuͤß vor sich zu ha- ben/ gleichwohl wo sie noch das wort GOttes/ dessen buchstaben sie gefasst/ vor- tragen/ so verstehet aus ihren predigten eine fromme seele das jenige/ was derselbe selbs/ der die worte fuͤhret/ in seinen reden nicht verstehet/ und weil sie durch die krafft des heiligen Geistes/ die bey dem worte selbs ist/ ob sie wohl der prediger in sich nicht zuforderst wuͤrcken laͤsset/ heilsamlich geruͤhret/ und was vor segen in sol- chem fall der prediger selbs zu seinem amt nicht erbittet/ noch erbitten kan/ als der selbs ohne geist und zu dem gebet untuͤchtig ist/ das erbitten die glaubige hertzen/ die zu anhoͤrung des goͤttlichen wortszusammen kommen sind/ und ohne eigene schuld ihres predigers je nicht entgelten sollen. Unterdessen so treibts gottseligen hertzen manchen seufftzer aus/ die solches und andere aͤrgernuͤssen vor augen sehen/ und wie gern sie wolten/ doch nicht zuhelffen vermoͤgen/ troͤsten sich aber dabey/ GOTT kenne nicht nur (welches das siegel GOttes ist) die seinige/ (und solte ein einiges unter dem hauffen etlicher tausend heuchel-Christen/ als ein Loth in Sodoma/ sein leben zubringen muͤssen) sondern er stehe ihnen auch so viel kraͤfftiger bey/ als gefaͤhr- lichere aͤrgernuͤssen/ sie um sich haben und leiden muͤssen. Und da ists dann das schwerste/ wo man der jenigen wenig um sich hat/ an deren exempel man sich spie- geln und erbauen kan/ man sehe so viel fleißiger in den spiegel goͤttlichen worts/ und der darinnen uns unterrichtender herrlichen exempel/ und troͤste sich/ man lebe gleichwohl in der gemeinschafft eben solcher ob schon bereits in jener welt versetz- ter und des wegen ihrer person nach mehr uns vor augenschwebender heiligen: als die mit uns unter einem haupte JESU eines einigen geistlichen leibes glieder sind/ und deren jetzige herrlichkeit uns ein pfand ist/ daß wir auch zu seiner zeit zu ih- nen kommen/ und auff einem weg zu gleichen ziele von GOTT gefuͤhret werden sollen. Jn dessen stehen uns nechst dem hoͤchsten und seligsten muster JESU un- sers Heylandes/ nach welchem sie sich in ihrem leben gerichtet/ auch ihre tugendli- che exempel des glaubens und heiligen wandels vor augen/ uns stets anzutreiben/ daß wir in die fußstapffen derer jenigen tretten/ deren bruͤder und schwestern zu seyn wir uns ruͤhmen/ und mit welchen wir/ ob schon etwan in ungleicher m a aß einen geist empfangen haben. P. S. ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT XI. P. S. Von NN. vernehme/ daß dieselbe einigen serupel finde/ in der A p. Gesch. 19/ 5. wegen vermuthlicher wiedertauffe derjenigen welche von Johanne getaufft waͤ- ren worden. Jch lasse uͤber solchen spruch einem jeglichen die jenige gedancken/ die er uͤbrigem goͤttlichen wort am gemaͤssesten erkennet zu seyn: die einfaͤltigste erklaͤh- rung scheinet mir diese zu seyn: Daß die worte des 5. verses worte seyn nicht des Evangelisten/ welcher erzehle/ was diese leute gethan/ sondern Pauli; Jn die- sem verstand: Paulus aber sprach/ Johannes hat getaufft mit der tauffe der busse und saget dem volck/ daß sie solten glauben an den/ der nach ihm kommen solte/ daß ist an JESUM/ daß er der Christ sey. Da sie das hoͤreten (daß ist/ wann die je- nige welche er Johannes zu dem glauben JESU in der predigt unterrichtet hatte/ nunmehr aus seiner predigt glaubten) liessen sie sich von ihm Johanne tauffen auff den nahmen JESU: daß also Paulus sagen wolte/ es seye die tauffe Johannis e- ben die tauffe JESU und also billigte hiemit Paulus solche tauffe/ die von Johan- ne geschehen waͤre/ deßwegen weil sie von Johanne nicht auff seinen sondern den nahmen JESU waͤren getauffet worden. Zu bekraͤfftigung aber legte er ihnen folgends die hand auff/ die ausser ordentliche gabe des heiligen Geistes ihnen mit- zutheilen. Also daß nicht von einer neuen tauffe hie geredet; sondern wie es mit der tauff Johannis bewandt gewesen/ erzehlet werde. Welche außlegung in dem Griechischen text so vielklaͤhrer erhellet. 1673. SECTIO XI. (3. V ater- und schwester-nahmen. T itul. Worin- nen gemeinem gebrauch zu weichen. Gemeines verderben. Falsche regeln der welt. Streit uͤber Sonntags- feyer. Wann brod und wein im heiligen abendmahl der leib und blut CHristi seyen. Auffmunterung einer Prin- zeßin. Absterben eines toͤchter- leins. D en Vaters-nahmen werde von ihr hertzlich geliebte schwester/ anzunehmen mich nicht wegern/ weil sie in meinem amt das jenige ehret/ durch welches sie auch wiedergebohren ist/ ob wohl dem himmlischen Vater/ zu solchen an ihr nicht meine person hat gebrauchen wollen/ ob er sich wohl bey andern meines ar- men dienstes/ und freylich von selbsten untuͤchtigsten person/ aus gnaden kraͤfftig gebrauchet/ und wo es sein heiliger wille ist/ mich laͤnger also zu lassen/ gebrauchen K wolte. Das sechste Capitel. wolte. Jndessen wuͤrde ich mich schaͤmen/ als offt ich sie tochter nennen wuͤrde/ weil ich deroselben vaters treue zu erweisen nicht vermoͤge noch je vermocht habe (worin ich mich beruffe auff Pauli wort 1. Cor. 4/ 15. ) sondern wird sie den auch liebreichen schwester-nahmen/ als den jenigen/ welcher der eigentlichste ist/ der ihr von mir gebuͤhret/ ihr wohlgefallen lassen. Jch setze auch nichts bey von andern noch etwa weltlichen titeln/ die ich zwar nicht bloß dahin verwerffe/ aber eine solche vertraulichkeit unter uns Christen wuͤnschete/ daß wir von jenen nicht grossen stat machten/ sondern auch damit bezeugten/ daß wir das geistliche vor das hoͤchste gut/ und dieselbe ehr vor die hoͤchste ehre/ halten/ wo wir uns uͤber die jenige nahmen vor- nehmlich freuten/ und dero gern gebrauchten/ die aus solchen geistlichen respe- ct en unter uns entstehen/ und von aller weltlichen eitelkeit entfernet sind. Jch muß zwar auch ins gemein andere titul annehmen und geben/ daß beydes offt nicht ohne betruͤbnuͤß geschiehet/ weil die jenige betruͤbte zeit es nicht anders mit sich bringet/ und eine sonderlichkeit wider den allgemeinen gebrauch darinnen zu weisen/ andern ungleichen verdacht leider bey vielen auch eben nicht boͤsen gemuͤthern na c h sich ziehen/ und besorglich nur mehr uͤbels verursachen wuͤrde. Daher wir ob zwar sonsten in sachen/ die allerdings goͤttlichem gebot entgegen sind/ der welt uns nicht gleichfoͤrmig stellen/ dennoch in etlichen eusserlichen/ und an sich selbs nicht suͤndlichen dingen dem gemeinen gebrauch weichen duͤrffen und muͤssen/ und also nicht allezeit thun/ was an sich selbs ohne betrachtung der zeiten das beste waͤre/ son- dern was gegenwaͤrtige zeit ertragen mag. Aber ach wie erfreulich solte mirs seyn/ wo wir auch hierinnen weniger gebunden waͤren. Auffs wenigste ist mir dieses vergnuͤglich/ gegen die jenige/ welche dergleichen von mir willig annehmen/ in der freyheit einherzugehen/ wie ich bey allen zu seyn wuͤnschete. Jhre fuͤhrende kla- ge uͤber das jenige/ was sie taͤglich vor augen sehen muß/ ist auch meiner und ande- rer guter gemuͤther taͤgliche betruͤbnuͤß: Wo wir gedencken/ wie es so gar schwehr werde unter so grossem hauffen deren/ die sich alle von CHrisio ruͤhmen/ etwa ein und andern anzutreffen/ der auch darinnen sich einen Christen zu seyn thaͤtlich bezeigte/ daß er sein einiges anligen seyn liesse/ allein nach den willen und exempel seines Hei- landes zu leben: ja daß diese noch leicht in andern boͤsen verdacht eben daruͤber kommen/ weil sie nicht in den gemeinen hauffen der heuchler mit hinlauffen. Daß um der aͤltesten auffsetze willen GOttes gebot auffgehoben werde/ ist so gar nichts neues/ daß wenig stuͤcke sind in der uͤbung unsers Christenthums/ darinnen solches nicht gefunden wird/ ja wie offt werden auch in glaubens-sachen menschen-mei- nungen und au sle gungen goͤttlichem wort vorgezogen/ und wird dieses kaum an- ders als so fern es mit jenen uͤbereinkom̃t angenommen. Am betruͤbtsten ists/ daß ich der sache in sgemein keine huͤlffe nicht sehe/ sondern der gebrauch das jenige/ was die regel seyn solte erst nach andern zu reguliren/ so eingerissen ist/ daß wo nicht Gott solche mittelze iget/ die jetzo noch nicht vorgesehen werden koͤnnen/ der schade der kir- chen ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT XI. chen fast unheilsam scheinet. Jsts nicht so/ daß alte gewohnheit/ das exempel der vorigen/ die gemeine maximen der welt/ die authori taͤt der jenigen so etwas be- haupten oder widersprechen/ bey unsern leuten die vornehmste reglen sind/ nach denen alles gerichtet wird. Widerspricht die Schrifft/ so muß ihr ja durch so viel herum ziehens endlich nein werden/ ehe unsere reglen verlassen werden solten. Aber ach vielgeliebte schwester/ wo wir die welt nicht aͤndern koͤnnen/ so lasset doch uns selbs von dero befleckung rein behalten/ um solches GOTT taͤglich anruffen/ und wo einigen noch gutes beygebracht werden kan/ solches nach vermoͤgen thun. Tie Sontags feyer belangend/ sorge ich sehr von solcher heiligen und unserer er- bauung so noͤthigen materi, es duͤrffte daruͤber bald ein schwehrer streit in unserer kirchen oͤffentlich ausbrechen/ der die schwache nicht wenig aͤrgern/ und fleischlich ge- sinneten sich einiger sreyheit zu mißbrauchen anlaß geben wird. Gott wolle solches in gnaden verhuͤten/ wo es sein heiliger wille ist/ oder doch geben/ daß endlich dar- aus gutes kommen muͤsse. Was die vorgelegte frage anlanget/ davon sie meine wenige gedancken zu wissen verlanget/ sind diese eben die jenige/ welche sie/ vielgelieb- te schwester/ auch dabey gehabt hat/ nehmlich daß uns nicht gezieme/ von der ge- genwart CHristi fuͤrwitzig zu urtheilen/ oder uͤber das geoffenbahrte zu gruͤbeln. Daß ist gewiß/ daß ausser dem gantzen gebrauch des heiligen abendmahls brod und wein kein Sacrament nicht sind/ sondern daß alle Sacramenten in handlungen be- stehen. Deßwegen denn von brod und wein/ ehe sie zu dieser heiligen handlung ge- bracht werden/ und ehe dieselbe anfaͤngt/ so dann was von solchen elementen nach dem gebrauch noch uͤbrig ist/ nicht anders gehalten werden mag/ als daß sie ge- mein brod und wein sind/ hingegen ist anderer seits aus CHristi worten gewiß/ daß sein leib und blut/ krafft seiner wort und einsetzung mit solchen irdischen elemen- ten in dem gebrauch vereiniget sind/ zu gleich mit gegeben und mit genossen werden. Die zeit und das moment aber/ in welchen der leib und blut des HERREN an- fange mit brod und wein vereinigt zu werden/ und wenn solche vereinigung auff- hoͤre (in dem endlich brod und wein das jenige in dem leib begegnet/ was anderer na- tuͤrlicher speiß und tranck zu begegnen pfleget/ da ja Cbristi leib und blut nicht mehr mit vereinigt seyn kan/ ob wohl den augenblick wenn solches geschehe nicht determi- ni ret wird) zu forschen/ wuͤrde ein unziemlicher fuͤrwiß und der Christl. einfalt nicht gemaͤß seyn. Jst eben das urtheil was mein seliger præceptor Herr D. Dann- hauer und vor ihm der beruͤhmte Herr D. Gerhard auch gegeben: Wie denn jener hieher zu ziehen pflegte/ daß es auch hie heissen moͤgte: Es zieme sich uns nicht zuwissen zeit und augenblick/ welche der Vater seiner macht vorbehal- ten habe. Diese Christliche bescheidenheit/ wo sie in allen denen fragen/ welche in GOttes wort nicht klahr ausgemachet sind/ beobachtet wuͤrde/ waͤre das mittel damit sehr viele unnuͤtze und aͤrgerlicher streite unterblieben. Wo es gelegenheit giebt/ bitte ich meine geliebte schwester wolle die Fuͤrstliche Prinzeßin/ meines un- K 2 terthaͤ- Das sechste Capitel. terthaͤnigen gehorsams und hertzlichen gebets versichern. Der grundguͤtige Gott bewahre ihr hertz und sinne in CHristo JEsu/ der wende ihre augen ab/ daß sie nicht sehen nach der welt eitelkeit/ sondern staͤrcke sie vielmehr/ daß sie/ da sie in der welt leben muß/ sich derselben doch nicht gleich stelie/ sondern in allen pruͤffe/ was da sey der gute/ der wohlgefaͤllige und vollkommene GOttes wille/ daß sie ja nicht ge- dencke/ sie muͤsse um des in der welt hohen standes und desselben respect s willen etwas thun/ was ihrem noch hoͤhern ja hoͤhesten Christenstand unanstaͤndig waͤre und womit sie die in diesem habende ehre schmaͤhlern oder gar verliehren moͤgte. Es fordert GOTT jetzo so vielmehr von ihr/ als mehr er ihr gegeben/ und sie aus sei- nen heiligen Geistes gnade tieffer/ als sonsten viele ihres gleichen in die goͤttlichen gnaden guͤter u. hinwieder ihrer pflicht hat einsehen lassen: Nun er lasse auch durch seine kraͤfftige wuͤrckung solche fruͤchte an ihr selbs/ so dann auch ihr gut exempel an andern noch etwa weltgesinnten so viel reicher folgen und dero wachsthum von der welt nicht unterbrochen werden. Hiebey wuͤrde ich schliessen/ wo nicht/ weil mei- ne geliebte schwester auch die liebe meinige mit ihren hertzlichen gruß gewuͤrdiget/ ich hinwieder auch von meiner lieben haußfrau ihren treumeinenden wunsch hie mit beyzusetzen/ so dann dabey zu berichten haͤtte/ daß der getreue himmlische Vater un- ser zweytes toͤchterlein/ so fast wenig gesunde zeit die 5. jahr und 10. monat die es er- reichet erlebet/ an einer lang auszehrende schwachheit/ daran es bereits zum oͤfftern gelegen/ zu sich erfordert. Wir haben ihn solches auch als demjenigen/ der der einige eigenthums HERR uͤber uns und die unsrige ist/ willig zu uͤberlassen gehabt/ und den natuͤrlichen schmertz/ welcher bey solcher begebnuͤß in Vater- und Muͤtterlichen hertzen auch wieder willen gefuͤhlet wird/ durch seine gnade uͤberwunden/ daß wir ihn je mehr und mehr lernen dancken/ und ihn loben/ er gebe oder nehme. Jndem er allezeit der lobwuͤrdige GOTT ist und bleibet. 1673. SECTIO XII. 4.) Einer V rinceßin bestaͤndigkeit im guten. Meine arbeit in genealogi schen studiis. Verlangen und nutzen der einsamkeit. Anfechtung eigner ehr; sol- che suͤnde stirbt zuletzt. G Leich wie ich nicht zweiffele/ daß mittlerfrist mein neuliches von dem 15. Maj. werde wol uͤberkommen seyn/ also berichte hingegen/ daß auch dero beyde nacheinander samt in dem ersten des einschlusses von der Princeßin mir erfreulich zuhanden gelieffert worden. Wie nun die sorge/ welche meine vielgeliebte schwester vor die Princeßin/ daß sie nicht etwa von der welt aͤrgernuͤß moͤgte anstoß gelitten haben/ in vorigen brieffe bezeugte/ mich auch mit gleicher sorg- ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XII. sorgfalt erfuͤllet/ weil ich vermuthete/ daß sie vielleicht gar einige anzeigung solches besorgenden bereits gehabt haben moͤchte/ also hat mich das folgende wiederum so viel inniglicher erfreuet/ da sie wiederum wissend macht/ wie sie vielmehr das gu- te in ihr vermehret als vermindert befunden; Dem grundguͤtigen GOtt sey ewig danck gesaget/ welcher sie also besestiget/ daß das aͤrgernuͤß der welt nichts an ihr vermocht/ noch dadurch seine gnaden-wirckung in ihr gehindert worden. Der- selbe setze ferner seine gnade in ihr und uns allen kraͤfftig fort/ biß wir ihm allerdings gefaͤllig werden/ und ewig bleiben moͤgen: Jm uͤbrigen habe ich vieles von vielen jahren mit der materie der Fuͤrstlichen und Graͤfflichen geschlecht-register um zu- gehen gehabt/ auch manche zeit/ die ich wuͤnschte auff mir noͤtigers angewendet seyn worden/ dahin verwenden muͤssen. Doch habe allemahl einige anzeigung dabey gehabt/ daß es GOttes leitung nicht entgegen sey/ mit solchen dingen umzu- gehen/ darzu mir derselbe nicht nur selbs gelegenheit geschickt/ sondern solche offt also geschickt/ daß ich mich ihr nicht wol entbrechen konte/ und da ich ein und andere studirende in den historischen studien den menschlichen leben noͤthig (dazu auch sol- che geschlecht-register gehoͤren) unterrichten muste/ zwar nicht wider willen/ doch auch nicht bloß aus eigener wahl und willen darein gefuͤhret wurde. Schiene auch eine zeitlang ob waͤre GOttes rath uͤber mich gar/ daß ich bey solchen studiis und anderer anweisung zu denselben mein leben zu bringen solte/ welches andere ne- ben mir und ich selbs eine weil geglaubt. Nach dem aber goͤttliche schickung es anders gefuͤget/ und mir gewiesen/ daß er mich zu anderer arbeit in seiner kirchen be- stimmet/ so suche ich die vorige/ so viel muͤglich ist/ aus den haͤnden zu legen/ und diesen zu meinen eigentlichen beruff so viel freyer zu machen. Jch kan aber sie noch nicht also ablegen/ daß nicht nach einiger guter freunde verlangen/ damit das von einigen jahren gesamlete nicht bey mir allein verlige/ sondern andern derosel- ben liebhabern dienlich werden moͤchte/ mir immer einige muͤhe noch gemacht wird/ das etwa angefangene vollends in ordnung und zu ende zu bringen/ und damit sol- chen vorhin (daß ich die wahrheit bekenne) alzuviel geliebten studiis zuletzt gute nacht gebe. Zu solchem ende habe ich noch bißher offt mit wapen-sachen und ge- schlecht register zuthun gehabt/ moͤchte auch noch etwas zeit darauff gehen/ biß ich zu dem ende dessen/ was darinnen noch vor mich zuthun uͤbrig ist/ kommen moͤge. Und alsdenn mit andern geschlecht-registern nichts mehr zu thun habe/ als dem jenigen worinnen wir ohne eitelkeit/ die sonst von jenen sich nicht wol trennen laͤsset/ unsere geistliche ankunfft auff unsern himmlischen stamm Vater JEsum Christum/ den andern Adam/ in den wir aus dem des ersten Adams unartigen stamm-baum/ durch goͤttliche gnade versetzet sind worden/ ziehen und erweisen koͤnnen/ und dar- innen vor unsere ahnen die viele alte Vaͤter und uͤbrige unserer vorgaͤnger in dem glauben anrechnen und vorzeigen: Dero wir uns alsdenn zuruͤhmen haben/ wo sie K 3 sich Das sechste Capitel. sich unser nicht mehr schaͤmen doͤrffen/ sondern uns der Geist Christi allgemach den- selben aͤhnlicher gemacht. Was die einsamkeit anlanget/ in welcher sie/ vielge- liebte schwester/ einige zeit zubringen zu koͤnnen sich freuet/ ists freylich also/ daß weil ja die gesellschafften der ihren GOtt recht gruͤndlich meinenden so gar seltsam ist/ und also in diesem leben die meiste conversation, wo nicht mit offenbahrlichen gottlosen/ doch solchen leuten/ bey denen man wenig antrifft/ woraus man sie etwa noch gar schwache mit-bruͤder und schwestern erkennen kan/ gepflogen werden muß/ eine fromme seele/ wo es in ihrer freyen wahl stuͤnde/ meistens wuͤnschen wuͤrde/ ihr leben eher gantz einsam zuzubringen/ als viel unter leuten zu leben. Wenn man betrachtet/ daß man von den meisten noch geaͤrgert zu werden sorgen muß/ selten aber von einigen dieselben bessern zu koͤnnen hoffen mag. Ach wie wuͤnsche ich so offt/ wo es meines liebsten GOttes wille waͤre/ auffs wenigste nur zuweilen einige zeit zu haben/ das ich etliche wochen mich von anderer gesellschafft absondern und dem allein abwarten koͤnte/ was nicht wol anders oder ja nicht so bequem als in einsamkeit sich ausrichten laͤsset. Aber mein GOtt hat bißher mir anders zu leben aufferlegt: So ich zwar/ weils ihm gefaͤllig/ gern tragen/ und mein be- lieben seinem rath mit demuth unterwerffen will. Vielleicht moͤchte es einmahl sein wille seyn/ daß ich/ wo er nach seinen wolgefallen mir solte leibes schwach heit und schmertzen zuschicken/ eine weil der einsamkeit in dem bett geniessen solte/ wel- ch e ich ausser denen faͤllen fast nicht muͤglich sehe. Jndessen bin ich versichert/ mei- ne liebste schwester/ daß sie niemahl weniger allein als in ihrer einsamkeit seye: Da sie in ihrem lesen der Schrifften und betrachtungen neben ihrem geliebten Heyland seine treue diener und GOttes-maͤnner bey sich hat/ und jene mit ihr/ sie mit ihnen/ das vergnuͤglichste gespraͤch halten kan. Jm uͤbrigen wo sie daruͤber erschricket/ daß sie in ihrer fleißigen pruͤffung das gesuch eigener ehre so offt noch an- trifft/ thut sie recht/ und wuͤrcket solches in ihr der Geist/ der uns alleine von eigner ehre abzuziehen und uns dero unbilligkeit zu zeigen vermag. Sie gedencke aber nicht/ daß sie allein solche schwachheit an sich finde/ sondern glaube gewiß/ daß al- le andere/ die ihnen nicht selbs schmeicheln/ solchen mangel auch an sich beklagen und dawieder am allereiffrigsten streiten muͤssen/ ja eben darinnen die vornehmste ur- sach und antrieb zu der demuth finden/ weil sie mit solchen heimlichesten und von kei- nen andern/ als die GOtt ziemlich erleuchtet/ erkaͤntlichen gifft ihr meistes gutes beflecket sehen/ und auch daher sich alles guten auff dasselbe vor GOTT sich nicht zuverlassen/ verzeihen muͤssen. Gleich wie die eigene ehre das erste gewesen/ so uns von GOtt abgerissen/ also ist sie wol auch das letzte/ so in unserer natur abstir- bet/ daher mit demselben als dem/ so zu reden/ geistlichsten laster die jenige die an- dern luͤsten ziemlicher massen abgestorben sind/ noch meistens zukaͤmpffen haben. Der uns aber hilfft andere feinde uͤberwinden/ wird auch nicht weniger krafft zu- uͤber- ARTIC. I. DISTINC. I. SECTIO XIII. uͤberwindung solches in gewisser maaß letzten feindes geben/ wo wir uns ihm uͤber- lassen/ und auch dieses mit gedult tragen/ daß er uns von demselben und seinen an- griffen nicht eher/ wie wir etwa sehnlich verlangten/ befreyet. Nun seine gnade beharre sest in ihr/ hertzliebe schwester/ kraͤfftig zu seyn/ und lasse uns immer einen feind nach dem andern uͤberwinden/ biß wir zu seinen ehren die krohnen der ehren alle empfangen/ und solche einer auff des andern haupt zu sehen in volkommster liebe erfreuen werden. Das seye ihr gebet vor mich und die meinige/ wie es auch unser gebet vor sie ist und bleiben solle. 1673. SECTIO XIII. 5.) V on niessung der unwuͤrdigen im heiligen abendmahl. Einer Princeßin bestaͤndigkeit. Trost uͤber den todt eines toͤchterleins. Geburth eines soͤhnleins. Gefahr unserer zeiten. Gehaltene bußtage. Sorge der heuchelbuß. J N der frage von niessung der unwuͤrdigen/ ists recht angefuͤhret/ daß/ weil dieselbe ihnen selbs das gerichte essen und trincken/ etwas mehrers von ih- nen empfangen muͤste werden/ als brodt und wein/ so dann daß die wort der einsetzung/ so unserem glauben maaß geben/ Judaͤ und seines gleichen nichts anders/ was das wesen des Sacraments anlangt/ als andern versprechen. Wer also in dem Sacrament isset und trincket/ der isset und trincket/ was von dem Sa- crament diese wort bezeugen. Wollen wir aber sagen/ daß solches Christo zu un- chren gereiche/ so haͤtte ichs zwar zu erst auff Christum selbs zuweisen/ daß es ihme also beliebet/ und wir ja was seiner ehre gemaͤß sey oder nicht/ durchaus nicht aus unsern einbildungen sondern seinen willen und wort zuschliessen haben. Aber fer- ner ist wol erinnert/ daß auch goͤttliche gegenwart/ die bey den gottlosen und bey den verdammten ist/ goͤttliche ehre darum nicht schmaͤhlere. Welches so viel bes- ser zu fassen und kraͤfftiger zutreiben/ wir dabey setzen moͤchten/ daß ja auch das w ort GOttes den gottlosesten gepredigt werde/ und zwar so gepredigt/ daß der hei- lige Geist auffs wenigste anfaͤngt in ihren hertzen zuwircken (siehe Ap. Gesch. 24. 21. ) so wird er dennoch den gottlosen auff solche weise mit den wort gegeben/ in dem der heilige Geist sich von seinen wirckungen nicht trennen laͤsset. Jsts dann des heiligen Geistes ehre nicht entgegen/ denen gottlosen taͤglich also in dem wort gege- ben zuwerden/ d a ß er seine gegenwart/ durch die wuͤrckung kund thut: Warum solt es denn der ehre Christi entgegen seyn/ den leib so er vor alle/ auch gottlose/ ge- geben/ auch wiederum denjenigen/ die unwuͤrdig zu seinen heiligen mahl gehen/ auffs Das sechste Capitel. auffs neue sacramentlich zugeben/ ob schon zu schwerem gericht. Was aber fer- ner anlangt die kurtze fragstuͤcke/ so habe ich in dem durchlesen etliches bemercket/ so nach unserer kirchen aus goͤttlichem wort geflossener bekaͤntnuͤß einiger aͤnderung und erleuterung bedarff/ welches ich auff einen besonderen bogen hiemit schicke: mit der versicherung/ daß sie meine vielgeliebte schwester solches freundlich und gern an- nehmen werde/ wie sie von selbsten solches gesuchet. Der HErr erfuͤlle uns alle- zeit mehr und mehr mit seiner gnade/ auch in seiner erkaͤntnuͤß zuzunehmen. Jn dem uͤbrigen daß meine einfaͤltige uͤber schickte predigten deroselben und einigen an- dern guten seelen gefallen haben/ und verhoffentlich nicht ohne erbauung bleiben moͤgten/ freuet mich hertzlich/ daß der HErr sein werck/ wovor ichs allein erken- ne/ und mir nichts dessen zuzumessen habe/ als etwa was noch an der art des vor- trags mangelhafft ist/ und verbessert werden solte/ segne und kraͤfftig seyn lasse/ da- zu/ wozu ers gegeben. Jhme allein seye und bleibe ewiger danck vor seine uns al- len und durch uns erweisende gnade. Der bericht von der Princeßin/ wie solche bereits so vieles zugenommen habe/ daß sie auch gegen die anstoͤsse durch goͤttliche gnade mehr und mehr befestigt worden/ und eine verachtung um ihres GOTT es und dessen diensts willen uͤber sich ergehen zulassen gelernet/ hat mich inniglich er- goͤtzet. GOtt moͤchte sie zwar besorglich noch in viele versuchung fuͤhren/ aber ihr kraͤfftig bey stehen/ daß sie uͤberwinde: nur daß sie taͤglich nicht ablasse/ mit erneu- erung hertzlichen vorsatzes und glaͤubigen gebet sich gegen alle fernere anstoͤsse zu- waffnen: Darzu wir auch alle unser andaͤchtiges gebet/ und seufftzen mit bey zuse- tzen/ und sie mit uns vor einander zukaͤmpffen haben. Er aber der HERR wird sein werck vollfuͤhren/ und herrlich kroͤhnen zu seinen heiligen ehren. Vor den trost und zuspruch uͤber unser seliges kind/ sage ich und meine hauß-frau schuldigen danck. Der grundguͤtige GOTT lehre uns/ daß was er von uns fordert wir solches ihm allezeit mit willigem gehorsam uͤberlassen/ und als ein schuldiges opffer darbringen: Denn ja freylich ihm kein opffer gefallen mag/ das ihm nicht mit froͤlichen und wil- ligen geist dargebracht wird. Wir haben ihn vor seine gnade demuͤthigst zudan- cken/ die er so wol unserm kind in versetzung in die sichere huͤtten/ wo es unser er- wartet/ als auch uns in kraͤfftigem beystand seines heiligen Geistes bey solchem fall erwiesen hat. Gleich wie ich aber neulich berichtet solchen abschied eines meines toͤchterleins/ also habe hingegen wiederum mit freuden und hertzlichem danck gegen dem HErrn uͤber todt und leben hiemit zuberichten/ daß dessen Vaͤterliche gnade solche stelle uns wiederum mit einen lieben soͤhnlein ersetzet/ und meine liebe hauß- frau/ ihrer getragenen beschwerlicher buͤrde gluͤcklich entbunden habe. Er wolle in gnaden ferner uͤber solches walten/ und allein geben/ daß es moͤge hier ein tuͤchti- ger werckzeug und gefaͤß seiner gnaden/ dorten aber seiner ewigen guͤter gewisser er- be seyn und bleiben. Jn dem uͤbrigen wie er der allweise und guͤtige GOTT es mit ihm in dem leiblichen machen/ und wie viel von jahren/ und was sonsten in der welt- ARTIC . I. DIST. I. SECT . XIII. welt von zeitlichen gewuͤnschet wird/ ihm zu theilen wolle/ bleibe es allerdings seinen heiligsten wohlgefallen heimgestellet. Sehe man auff die gegenwaͤrtige betruͤbte und gefaͤhrliche zeiten/ so solten fast eltern uͤber den schenckenden segen mehr erschre- cken als sich freuen. Aber wir haben vielmehr zu sehen auff den/ in welches hand solche zeiten stehen/ und dessen gnade nicht weniger uͤber uns in den selben als in bes- sern zeiten waltet/ und die seinige/ sie seyen jung oder alt/ die eltern leben oder wer- den von ihnen abgefordert/ zuerhalten vermag. Jn welcher zuversicht wir ihm alsdenn vor den schenckenden segen billich hertzlich dancken/ und dessen weitere ver- sorgung ihm glaͤubig heimgestellet verbleiben lassen. Jedoch soll uns auch billich die vor augen schwebende allgemeine noth so viel mehr zu hertzen gehen/ weil wir sehen/ daß es die kirche selbs und die darinnen bißher von GOTT bescherete theu- re guͤter seines worts betreffen will/ und wo menschliche anschlaͤge von statten gehen solten/ man vieler orten derselben verlust leiden moͤgte. Weil kein zweiffel ist/ daß jeder denen obzwar aus andern ursachen und weltlichen absichten von hohen po- tentaten fuͤhrenden kriegen der Roͤmische Antichrist sein wesen zugleich mit suchet zu befordern und das haͤufflein CHristi zuverringern. Es soll aber solche betrach- tung uns nicht so wol darzu bringen/ daß wir sorgen wolten/ die feinde wuͤrden ent- lich den HErrn zu maͤchtig werden/ und seine kirche gantz außrotten/ welches sie wol bleiben muͤssen lassen/ sondern daß wir theils uns so viel besser auff alle faͤlle ruͤ- sten und gefaßt machen/ wie wir/ was GOTT belieben moͤchte uͤber uns zuverhaͤn- gen/ uns in seinen willen geben wollen/ andern theils ihm bußfertig begegnen/ so wol jeglicher seines orts sich in den stand zu setzen/ darinnen er seines GOttes gna- de sich so viel versicherter getroͤsten moͤge/ als auch mit andern mit buß andacht und gebet vor den riß zu treten/ und zuversuchen/ ob goͤttliches gericht noch abgewendet/ und auch den uͤbrigen laͤngere frist zur busse erlanget werden moͤgte. Zu solchem ende haben wir neulich bey hiesiger kirche den 11. Jul. 8. und 29. Aug. drey oͤffent- liche buß-fast- und bettage gehalten: Moͤgen vielleicht derselben noch mehr folgen. Die erklaͤrte text auff jeglichen drey/ sind gewesen Offenbahr. 3/ 14. 15. 16. 17. 18. Jerem. 18/ 11. 12. 13. 14. 15. Eph. 5/ 3. 4. 5. 6. 2. Cor. 7/ 9. 10. 11. Jerem. 5/ 1. 2, 3. Ps. 55/ 6. 7. Amos. 7/ 4. 5. 6. Ose. 11/ 8. 9. Luc. 3/ 7. 8. 9. Aus denen leicht abzuse- hen/ was vor materien etwa oͤffentlich tractiret worden. Wolte GOTT es waͤren bey unsern aͤusserlichen uͤbungen auch lauter rechtschaffene bußfertige her- tzen gewesen/ ohne welche jene GOtt nicht gefallen koͤnnen/ sondern zum greuel werden. Aber ob wir wol uns versichern/ daß auch einige fromme seelen zu ihrer andacht uͤbung so viel ihre beforderung bey solcher gelegenheit gefunden/ deren opf- fer GOtt nicht verschmaͤhen wird/ so muͤssen wir doch hingegen leider auch beken- nen/ daß wir auch hier dieses orts bey dem grossen hauffen so gar die wahre fruͤchten der busse nicht sehen/ daß wir etwas deroselben in solchen hertzen gewesen zu seyn/ in grossem zweiffel stehen/ und wir also uͤber unsere beyso vielen nur heuchlerische buß/ L erst Das sechste Capitel. erst wieder buße zu thun haben. Der HErr rechne solches nicht allen zu/ sondern wie er an seinem siegel die seinige erkennet/ also schone er entweder um ihrentwil- len auch der uͤbrigen mit laͤngeren auff schub der verdienten straffe/ oder lasse doch diese nach seiner verheissung ihre seelen zur außbeute davon bringen. Jerem. 45. um seines nahmens ehre willen/ amen. Nun meine vielgeliebte schwester sie se- tze auch ihr hertzliches gebet mit hinzu vor die allgemeine noth. Er aber der HErr mache uns mehr und mehr tuͤchtig/ daß unsere opffer ihn auch gefallen koͤnnen. 1673. SECTIO XIV. (6. G egenwaͤrtiger zeiten jammer. Franckfur- tischer bußtag. Zustand einer Princeßin. Abschied ei- ner schwehr angefochtenen. Neujahrs- wunsch. J Hre gedancken von den ursachen gegenwaͤrtiger jammer zeit/ und wie man sich darein zuschicken habe/ sind gantz recht und goͤttlichem wort gemaͤß. Der HErr lehre uns alle/ jenen so viel deutlicher erkennen/ und in diesem unse- rer pflicht war nehmen/ daß so wol selbs jeglicher seine seele rette/ als auch andern neben sich zu hilff komme/ um sammtlich vor den riß zutreten. Allhier ist decre- tirt worden/ auff unsere bitte/ zu allen vierthel jahren abermahl einen solenn en buß-fast- und bettag zuhalten. Davon der erste neulich gehalten worden 28. Nov. mit zu den predigten erwehlten texten Jerem. 28/ 4. 5. 6. 7. Mich. 7/ 9. Rom. 2/ 4. 5. Welche zu guten betrachtungen herrliche gelegenheit gegeben. Der Hoͤchste wolle nach seinem verspruch sein außstreuendes wort nicht lassen ver- gebens seyn/ sondern die erwuͤnschte und zu seinen ehren/ auch vieler heyl ersprieß- liche frucht tragen. Und ob wir wol etwan so gluͤcklich nicht seyn sollen dieselbe bald vor augen mit freuden zusehen/ daß wir doch hoffen duͤrffen/ es seye gleichwol auffgegangen/ was eben sich noch nicht mit vollen aͤhren weiset. Sonderlich a- ber daß wir/ denen GOtt bereits die gnade gethan/ daß wir zimlich wissen was sein will an uns seye/ ihm zu erst danckbar und ihm je laͤnger je gefaͤlliger werden zu sei- nem preiß und anderer erbauung. Der werthesten Princeßin wegen freuet mich hertzlich dero bestaͤndigkeit im guten vorsatz/ und ob zwar von dero schwachheit ge- meldet wird/ so muß so viel ernstlicher mit gebet angehalten werden um den bey- stand dessen/ der in der schwachheit maͤchtig zu seyn zugesaget. Nur daß man nicht gar still stehe oder zuruͤck gehe in den wegen des HErren. Derselbe wird nach seiner guͤte nach dem maaß der schweren versuchungen wo dieselbe folgen werden/ auch seine gnade richten. Mit welcher versicherung sie/ wo sie sich ihrer schwach- heit bewust/ den muth etwas sincken wolte lassen/ auffzurichten seyn wuͤrde. Der GOtt ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XIV. GOTT aller gnaden bekraͤfftige sie/ und bewahre sie in Christo Jesu vor allem argen zu samt ihrer geliebten jungfer/ deren ich gleiches aus treuen hertzen anwuͤn- sche. Jhr frau baaß die gute frau NN. ist/ wie sie schon vorhin wissen werden/ neulich von GOTT eher aus dieser zeitlichkeit abgefordert worden/ als sie nach ihrem so sehnlichen wunsche auch eine froͤliche kinds-mutter worden ware. Je- tzo wird sie der HErr mit voͤlligen stroͤmen des trosts uͤberschuͤtten/ nach dessen troͤpf- lein und vorgeschmack sie hier so schmertzlich verlanget/ und getrauret hat/ dasjeni- ge bey sich nicht zu fuͤhlen/ was sie zuweilen von andern frommen seelen aus derer erfahrung ruͤhmen. Es hatte ihr ehemann eben vor einigen monaten noch an mich geschrieben/ und berichtet/ wie sie noch manche stunde in solcher ihrer betruͤb- nuͤß und anfechtung kuͤmmerlich zu bringen muͤßen. Nun der HERR der end- lich ihre traurigkeit auff selige weise geendet/ helffe uns auch allen hindurch zur zeit wanns ihn beliebig. Franckfurth den 20ten Dec. 1673. Auff dessen schluß ich ein solches neuesjahr aus goͤttlicher gnade wuͤnsche in dem dieselbe taͤglich uͤber uns neu auffgehe/ daß wir in Christo JEsu (in dem nichts als eine neue creatur gilt/ und ich davon durch Got- tes gnade vor meiner gemeinde die erste predigt zu thun gesonnen bin) immer fest erneuret werden/ nach dem bilde dessen/ darzu wir geschaffen sind/ und der sein bild in der tauff bey uns wieder angefangen/ auch zu fortsetzung seines wercks den lieben JEsum uns zur nachfolge vorstellet: Daß das alte wesen mehr und mehr bey uns abgeschaffet und wir mit neuer himmlischer krafft ausgeruͤstet werden/ biß endlich alles auff einmahl neu und wir dahin versetzet werden/ wo nichts altes mehr ist/ noch veraltet. Solches mit freuden und aller andern wolfarth wuͤnsche ich ihr/ in dem HErrn hertzgeliebte schwester/ und allen unsern schwestern und bruͤ- dern/ so dann die noch in der zahl derselben kommen sollen/ von dem GOtt nicht nur der zeit sondern der unveraͤnderlichen ewigkeit. SECTIO XV. (7. Bußpredigten. V iele heuchel bußtage. U n- erkaͤntnuͤß unserer gefahr. Ob fasten Papistisch. Noͤthi- ge gedult mit der bruͤder schwachheit. Gelassenheit laͤn- ger zu leben oder zu sterben. Der Princeßin bestaͤndig- keit. Ob besser in oder ausser gefahr zu leben. U Nserer gehaltenen bußpredigten ist keine gedruckt worden/ noch derglei- chen inskuͤnfftige in dem vorschlag. Nicht nur weil wir in solcher materie L 2 nicht Das sechste Capitel. nicht wohl mehr viel andern unterricht beduͤrffen/ in der menge der lieben gottse- ligen hievon handlenden buͤcher/ also daß nur vonnoͤthen ist/ daß wir wolten mit mehr eyffer und ernst/ was wir wissen/ GOTTES willen an uns zu seyn/ zu werck zurichten/ und uns untereinander daruͤber zu ermahnen/ als vieles hievon zu schreiben. Sondern auch weil was zum exempel meine predigten anlanget/ dieselbe nicht gantz an einander hangen/ sondern in gewisser maaß mit meiner Herren Collegarum predigten verknuͤpffet sind/ auch die texte also dazu erwehlet worden/ daß die materien der folgenden und nachmittags-predigten an den ersten und fruͤh-predigten hangen. Es war seiter neulich den 6ten Martii wiederum ein bußtag gehalten/ worinnen die texte gewesen 1. Petr. 4/ 1. 2. 3. Luc. 1/ 71. 72. 73. 74. 75. Rom. 6/ 6. Weil es zugleich die vorbereitung zu der passion gabe; Der nechste moͤchte wol auff den freytag vor Pfingsten fallen. Wolte GOTT aber es ginge nicht auch bey uns also her/ wie meine liebwehrte schwester klaget/ bey ih- nen gemerckt zu haben/ daß bey mehrern es vielmehr heuchel-als bußtage seyn. So wir aus den aus bleibenden fruͤchten leider mehr als zu besorglich abnehmen koͤn- nen. Und haben allein den trost/ daß gleichwol etliche wenige hertzen seyn/ an de- nen die arbeit nicht gantz verlohren/ in ansehung welcher der heilige und wahrhafftige GOTT unsere ob wol von meisten haͤnden unrein auffschickende opffer nicht allerdings verschmaͤhen wird. Es nimmet zwar auch deroselben haͤuff- lein ab/ wie seiter 4. wochen der Allerhoͤchste unterschiedliche rechtschaffene Chri- sten von hier aus unserm mittel weggenommen hat: Dero abschied mich hertzlich betruͤbet/ und mir billich sorge macht/ GOTT werde allgemach schwehre gerich- te ausbrechen lassen uͤber unsern unbußfertigen hauffen/ und raͤume also einige der seinigen vorhin weg/ deren er damit schohnen will. Nun er ist der HErr/ er mache es wie es ihm wohlgefaͤllt/ er wird doch auch seiner guͤte und heiligen nahmens nicht vergessen. Daß einige die jetzige leibliche und weltliche gefahr nicht vor au- gen sehen/ wundere mich sehr/ ohne daß sie eben nicht allen noch gleich nahe ist. Man bedencke aber/ was es iñer 2. jahren vor aͤnderungen gegeben/ so wird niemand sagen moͤgen/ daß es nicht ein gantz leichtes seye/ daß ein noch weit scheinendes feuer geschwind uͤm sich fresse. Und scheinet noch etwas verborgen zuligen/ welches gar we- nig hervor blickt/ und auchbey nach GOttes willen gedaͤmpffter fremder gewalt in dem reich selbsten betruͤblichen jammer erregen mag. Gesetzt aber/ wir haͤtten von leiblicher gefahr nichts zu sorgen/ sondern lauter gute friedliche zeiten zu er- warten/ so haben wir ja ursach gnug leid und bußtage zuhalten uͤber den elenden zustand unserer kirchen in dem geistlichen/ welche ohne die besorgliche versolgung auch sonsten also betruͤbt ist/ daß wir uns wenig anders als der reinen lehr zu ruͤh- men haben. Sonsten stehet es erbaͤrmlich gnug. Nun der HERR wird seine ehre zu erhalten wissen. Daß das fasten von einigen der unsrigen vor Paͤpstisch gehalten wird/ zeiget/ daß solche leute in die Schrifft niemahl hinein gesehen haben muͤs- ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECT IO XV. muͤssen. Ach wolte GOTT das fasten und einige dergleichen loͤbliche uͤbungen wuͤrden fleißiger practici ret/ so wuͤrden wir offt zu den innerlichen uͤbungen tuͤchti- ge r werden. So verstehen die jenige nicht/ was wir an dem Paͤpstischen straffen/ welche meinen daß es um das fasten selbs zu thun seye/ da wir doch allein das ein- bildende verdienst desselben/ so dann den unterscheid der speisen bestreiten/ als welchen wir vor kein fasten erkennen koͤnnen. Was meine liebste schwester ge- dencket wegen der gedult/ so mit denen noch schwachen zutragen/ ist ein gantz noͤthi- ger punct unsers Christenthums/ der deßhalben von Paulo so offt getrieben wird. Es ist solches die frucht des glaubens/ der erkennt/ mit was gedult der barmhertzige Vater in dem himmel seine schwachheit trage/ und ein zeugnuͤß der demuth und liebe/ ohne welche kein glaube seyn kan. Denn wer seinen bruder oder schwester/ welche schwach sind/ daruͤber urtheilet oder verachtet/ der muß nicht erkennen daß er auch dergleichen von andern beduͤrffe/ sondern in hochmuth sich selbs vor vollkom- men achten/ und also gefallen an ihm selbs tragen/ ja das jenige das an ihm ist/ nicht als ein pur lauter gnaden geschenck/ sondern eigen werck achten/ welches dem glauben schnur stracks entgegegen ist. So lehret uns die liebe/ mit denjenigen/ welche an dem leib schwaͤchlich sind/ mitleiden haben/ und uns vielmehr ihrer an zu- nehmen/ ihnen zu rathen und zu helffen als sie zuverspotten oder eckel an ihnen zu ha- ben. Wie viel mehr erfordert dann die liebe eben dergleichen gegen die jenige/ die an der seele schwach sind? Daß man nehmlich nicht nur vor sie inbruͤnstig bete/ sondern auch am freundlichsten mit ihnen umgehe/ ihrer schohne/ sie zu bessern suche/ und solches mit der behutsamkeit und sanfftmuth/ daß man sie nicht mit erstmahli- ger vorstellung alles dessen/ so man von ihnen erfordert/ in dem anfang erschrecke/ oder ihnen ihre noch habende fehler scharff vorhalte/ sondern sie allgemach weiter fuͤhre/ und in vielen stuͤcken sie mehr dazu leite/ worinnen sie ihre eigene unvoll- kommenheit an sich erkennen moͤchten/ als daß es schiene/ wir haͤtten ihnen solches gezeiget. Solches ist die rechte art der liebe/ die wir ihnen um des HErrn willen schuldig sind/ ja auch um des nutzens willen/ den wir selbs an ihrer schwachheit ha- ben/ daran die unsrige in solchem spiegel so viel besser erkennen koͤnnen. Daß mei- ne liebe schwester sich erklaͤhret/ zwar ein hertzliches verlangen nach der endlichen versetzung in die vollkommene freyheit der kinder GOttes zu haben/ aber doch mit williger gelassenheit sich auch ein laͤnger es verbleiben in den beschwehrlichen huͤtten Kedar nicht laͤsst zu wieder seyn/ vielmehr um des lieben creutzes willen in dem fleisch laͤnger zu leben beliebet/ hat mich und einige fromme seelen/ deren ich solches ver- langen vorgezeiget/ hertzlich erfreuet/ und erkenne ich daran das jenige/ darnach wir uns alle zubestreben haben/ aber schwaͤchlich oder gar spat darzu kommen. Und gehoͤret zu einer solchen resolution / daß man in dem sie uͤber das fleisch weit ge- kommen seye/ wo wir nunmehr die vortrefflichkeit und den adel des lieben creutzes also in das hertz getruckt/ daß wir es gar nicht mehr nach dem urtheil der vernunfft L 3 (nach Das sechste Capitel. (nach welchem es allezeit noch heisset nach Hebr. 12/ 11. Die zuͤchtigung/ wenn sie da ist/ duͤncket sie uns nicht freude seyn/ sondern traurigkeit ) ansehen/ viel- mehr bloß dahin mit den augen des glaubens/ dahero uns seiner nicht nur nicht be- schwehren/ sondern GOTT anfangen davor zu dancken/ und seine wohlthat dar- in erkennen. GOTT erhalte sie allezeit in solcher freudigkeit/ und lasse uns alle auff solchen wege unsern alten vorgaͤngern nachfolgen/ die in grosser krafft des gei- stes/ sonderlich in den verfolgungen/ uns ein exempel gelassen haben. Daß ihr Durchl. die Pꝛinceßin sich nicht wieder nach bewusten hoff wende/ ist mir zu verneh- men recht lieb. Nicht daß ich davor hielte daß sie goͤttliche guͤte nicht solte auch sol- ches orts kraͤfftig in ihren guten stand erhalten/ und mitten unter der welt eitelkeit ihre augen abwenden/ daß sie nicht darnach sehen/ und sie sich darein verliebe. Wie wir zu weilen sehen werden/ daß man in den groͤssesten gefahren/ nicht nur weil man seiner so viel sorgfaͤltiger wahrnimmet/ sondern auch weil die krafft GOttes nach dem maaß als wir derselben beduͤrffen sich als dann so viel staͤrcker erreget/ so viel kraͤfftiger sich findet/ als ausser denselben/ zum preiß goͤttlicher darinnen herr- lich vorleuchtender macht. Sondern daß ich mich freue/ daß GOTT ihrer schoh- ne/ wie denn das leben unter taͤglichen aͤrgernuͤssen nicht ohne taͤgliche betruͤbnuͤß ei- ner gottseligen seele gefuͤhret werden kan/ und wie es zwar eine staͤrckung ist an dem inwendigen menschen durch die staͤttige uͤbung der gedult/ daher auch welche GOTT dazu beruffen sich nicht daruͤber zu beschwehren/ sondern goͤttliche guͤte zu erkennen haben/ also unterbrichts nicht wenig die vergnuͤgliche gemuͤths ruhe/ son- derlich wo man siehet/ daß man mit seinem exempel nicht so wohl etwas andere zu gewinnen außrichten kan/ als in sorgen stehet/ von ihnen einiges boͤse unver- merckt sich an zu gewehnen. Daher wie dorten Paulus seinen Corinthern rathet wegen gegenwaͤrtiger noth/ wer die gabe dazu habe unverheurathet zu bleiben/ da doch beyder ehe nach seiner bekantnuͤß so vielmehr truͤbsal und also uͤbung der gedult seye/ und die ursach bey setzet/ daß er nehmlich ihrer gern verschohnen wolte. Also halte ich es auch vor ein guͤtiges verschohnen/ wo uns GOTT mehr ausser dem kampff mit staͤttig voꝛ augen schwebenden aͤrgeꝛnuͤssen in ruhe eꝛhaͤlt/ also wo er uns in jenen fuͤhret/ ob wol mit seiner krafft zu staͤrcken. Jedoch weiß unser allweiser Vater am besten/ wen und wann er jeglichen zu dieser oder jener lebens art beruf- fen soll/ und haben wir billich die jenige art/ es seye jetzo in der stille GOtt zu dienen/ oder aber in solchem welt-geraͤusch/ vor die ihm von uns angenehmste zu achten/ dazu er jedesmahl uns selbs beruffen hat. Wem GOtt jene goͤnnet/ der dancke ihm davor/ daß er seiner schohne/ weil er vermuthlich ihn etwa zu schwach erkannt: Wen er denn in dieses fuͤhret/ dancke ihm wieder vor solche gelegenheit seine ge- dult zu uͤben/ und von ihm seinen kraͤfftigen beystand zu erwarten. 1674. SECT. ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO XVI. SECTIO XVI. (8. A ls dieselbige einen prediger heurathen solte. Uberlegung des gantzen geschaͤffts. Ob der ehe- oder ledige stand vorzuziehen? Ubergebung der zweiffelhafften sachen in freunde ausschlag. Mein verfahren in der vocation von Straßburg nach Franck- furth. M O ich das werck ins gesamt ansehende und in der furcht des HERRN er- wegende/ aus hertzen grund meiner vielgeliebten schwester/ mit der freyheit wie es seyn solle/ zu entdecken habe/ weiß ich fast nicht/ was ich zusagen ha- be. Kan auch noch weder das/ noch anders gewiß schliessen/ ob ichs einen goͤttli- chen beruff oder versuchung zu zuschreiben habe: Sondern halte davor/ daß ich noch etwas weiteres/ darinn sich goͤttlicher finger deutlicher zeige/ abwarten muͤsse. Auff meiner seiten halte ich Herrn NN. intention gantz rein und Christlich/ und se- he keine einige fleischliche absicht bey ihm/ vielmehr die hertzliche begierde/ eine per- son von dem lieben GOTT zur gehuͤlffin zu haben/ neben der er seinem GOTT so viel hertzlicher dienen/ und von ihr weiter erbauet werden moͤchte. Wie nun solches sein vorwand ist/ also habe ich nicht nur aus gemeiner Christlicher liebe kei- ne falschheit darinnen bey ihm zu vermuthen/ sondern auch solche ursachen/ die mich seiner auffrichtigkeit in der sache gantz ausser zweiffel setzen. Jch sehe ferner/ daß er nachdem er eine dergleichen person zu suchen sich entschlossen/ in der wahl nicht gefehlet/ sondern wo ihm der getreue Vater im himmel/ sie meine liebe schwester ihm bescheret/ daß er seinen zweck erhalten. Welches ob sie vielleicht aus demuth an sich nicht zu finden vermeint/ sie mir doch nicht wehren kan/ daß ichs davor erken- ne/ aber bey ihr jetzo davon nicht viel worte machen will. Diese seine gute inten- tion und wohl bedachte wahl giebet bereits ein starckes fundament / darauff zu bauen/ daß das werck gantz aus GOTT seyn moͤchte. Doch lehret mich das ex- empel Davids 1. Chron. 18/ 1. 2/ 3. 4. Daß solches fundament gleichwohl nicht gantz unbeweglich seye: in dem da selbst eine gantz wohlgemeinte und an ihr selbst GOTT gefaͤllige intention ihren effect nach GOttes willen nicht haben solte/ und also nicht der wille Davids/ sondern gleichwohl die erfuͤllung desselben/ GOttes rath/ zu wider war. Jch sehe ferner/ daß NN. ein sehnliches verlangen traͤget/ daß seine intention moͤchte erreichet werden/ und bin versichert/ daß/ wo der allguͤ- tige GOT die sache zum fortgang bringet/ ihm sein amt wird mercklich erleichtet/ zu mehr erbauung seiner gemeinde gelegenheit gegeben/ auch an ihm weitere srucht durch goͤttlichen segen werde geschaffet werden. Wie ich denn von denen/ so ihn genauer Das sechste Capitel. genauer kennen/ vernehme daß die Gottseligkeit seiner vorigen numehr seligen lieb- sten/ ihm nicht wenig bereits genutzet habe/ daher kein zweiffel/ daß eine Christli- che person/ so ein weiters pfund empfangen/ solches auch da nicht ohne weiteren nu- tzen anwenden werde. Wie ich nun ihn bruͤderlich liebe/ also wuͤnsche von grund des hertzens/ daß wo goͤttlicher rath nicht dawider ist/ er so gluͤckselig werden moͤ- ge. Denn von seiner seiten halte ich ihn auff solche weise/ in dem fall es fortgehen solte/ so wohl versorgt/ als er versorgt werden moͤchte. Und waͤre mir so klar/ daß auff meiner vielgeliebtesten schwester seiten/ sie gleichfalls eben so wohl versorgt waͤ- re/ so wuͤrde der entschluß etwa bald zu fassen seyn; Aber da ist die sache noch so aus- gemacht nicht. Zwar wo die resolution erstlich genommen/ einige dergleichen heurath zu belieben/ so finde ich an Herrn N. N. person allerdings nicht mangel; es bedarff aber auch solches bey derselben nicht erinnert zu werden/ als die ihn/ und was GOTT in ihm geleget/ noch tieffer kennen hat lernen/ als ich solches vermocht. Jch sehe ihn aber selber an/ als einen mann/ von dem dieselbe in ihrer Gottseligen uͤbung nicht wuͤrde hindernuͤß/ sondern beyhuͤlffe und foͤrdernuͤß empfangen; daß je eines von dem anderen nicht nur leibliche huͤlffe sondern auch geistliche erbauung haben und geniessen wuͤrde. Zu dem daß sie gelegenheit erlangte/ nachdem er in dem kir- chendienst stehet/ mit so viel besserem nachdruck/ so viel sie zu ihres neben-menschen besserung vermag/ an solchen ort anzubringen/ und auch auff solche art dem Herrn den wucher der empfangenen gaben reichlicher zu bringen. Die groͤsseste schwie- rigkeit aber stehet vielmehr selbsten in der resolution / den ledigen und bißher hertz- lich geliebten stand zu aͤndern. Wo ich deroselben nicht bergen kan; daß auch bey denjenigen eheleuten/ die nicht eben einander fleischlicher weise zu gefallen/ grosse sorge tragen/ gleichwohl die haußhaltungen/ sonderlich wenn GOTT etwa die- selbe mit lieben kindern zuverstaͤrcken anfangt/ dieselbe ruhe nicht lassen/ seinen Gott- seligen uͤbungen ohnverhindert abzuwarten/ wie der ledige stand noch dieselbe ver- goͤnnet. Wie ich nun ihre seele inniglich liebe/ so ist mir solches das einige/ das mir schwehr wird/ von einiger hindernuͤß zu wissen/ dadurch sie von ihren so vergnuͤgli- chen betrachtungen und uͤbungen/ folglich der daraus spuͤrenden lieblichkeit abgezo- gen wuͤrde. So stehet mir allezeit das wort Pauli 1. Cor. 7/ 38. vor augen/ der nicht heurathe/ der thue besser. Welchem spruch ich bloß dahin nicht wider- sprechen mag. So kommt auch nicht weniger bey mir in bedacht/ daß bißher die- selbe zu heurathen keine anmuth gehabt/ und etwa dessen noch ferner mir unbewuß- te ursachen haben moͤchte. Jndessen aber halte ich auch wiederum dieses angezo- gene noch nicht so gnugsam/ daß daraus gewiß zu schliessen haͤtte/ daß deswegen das heurathen derselben bloß zu mißrathen waͤre. Und setze zum foͤrdersten dieses als eine gewisse sache aus/ daß auch derjenige/ so die gabe jungfraͤulicher keuschheit em- pfangen/ macht habe sich derselben zugebrauchen oder nicht zugebrauchen/ je nach- dem er findet/ daß der gebrauch oder unterlassung zu mehrern ehren GOttes und besserer ARTIC . I. DISTINCT. I. SECTIO XVI. besserer verrichtung des jenigen/ worzu er sonst von GOTT beruffen/ dienlich seye. Wie aus dem gantzen 7. cap. der 1. an Corinth. erhellet: Daß Paulus kei- nem einen strick des gewissens anwerffen wolle. Nechst dem gleich wie ins gemein wahr bleibet/ was daselbst v. 32. seq. gesagt wird/ daß in dem ehelichen man nicht so unverhindert bleibe als in dem ledigen stande: So ists doch auch wahr/ daß zu weilen der eheliche stand manche gelegenheit gebe zu anderen uͤbungen der Gottse- ligkeit/ zu erkaͤntnuͤß goͤttlicher guͤte und dero betrachtung/ so bey den ledigen sich nicht so findet: Und daß der dienst GOttes nicht allemahl daraus zu schliessen/ daß er GOTT am angenehmsten seye/ daß man eben mehr zeit dazu und wenigere ab- haltungen davon hat/ und das gemuͤth auch natuͤrlicher weise eine mehrere ruhe habe: Sondern unter der last vieler sorgen/ die da Christlich sind/ und der beruffs geschaͤssten laͤsset sich etwa in einem vierthelstuͤndlein so man darzu frey machen kan so viel vergnuͤgung finden/ als in mehrer freyheit bey laͤnger zeit; da indessen auch unter denen geschaͤfften/ wenn das gemuͤth an seinen GOtt haͤnget/ und was es thut aus gehorsam zu seinen beruff verrichtet. Anders muͤssten wir sagen/ daß alle die predigt- oder regierungs-staͤnde stehen/ bey denen die amts-geschaͤfften mehr sind/ als sonsten insgemein bey den ehestand/ koͤnten wegen solcher staͤten anlaͤuffe Gott niemahl nicht ruhig dienen: Nun ists zwar an dem/ daß solchen leuten frey- lich manchmahl betruͤblich ist/ so selig nicht zu seyn als andere sind/ daß sie/ so viel sie verlangten/ zu eigener seelen erbauung und vergnuͤgung anzuwenden vermoͤchten: Aber es ersetzet theils solchen ihꝛen darinn habenden nachstand der nutzen so der nech- ste davon hat/ theils segnet Gott etwa die wenige vierthel-stuͤndlein/ die sie vor sich gewinnen/ so viel kraͤfftiger. Und bin ich also versichert/ daß ein David und Pau- lus/ die mit sorgen vor ihre unterthanen und viele gemeinden also beladen/ daß man wundern solte/ ob ihnen auch ein augenblick vor sich selbs anzuwenden bliebe/ nicht zuklagen haben/ daß sie ihres GOttes guͤte nicht anderen gleich/ sondern in viel hoͤ- hern maaß/ geschencket haͤtten. Sonsten wuͤrde man auch noch vielmehr solche staͤn- de zu fliehen haben. So verhaͤlt sichs dann auch mit dem ehestand. Sonderlich bey denen jenigen/ die bereits in der uͤbung des Christenthums wohl geuͤbet sind/ da- her so viel eher ihre seelen in denen gewoͤhnlichen uͤbungen zu Gott erschwingen moͤ- gen: Hingegen von denen zustossenden hinderungen nicht so bald abgewendet wer- den; Wie die jenige/ die noch erst in dem anfang stehen/ und deswegen mehrerer und freyer ruhe/ ja zu weilen auch gar eine absonderung von anderen beduͤrffen. Jch weiß aber/ daß meine vielgeliebte schwester unter nicht dieser sondern jener zahl ste- het. Also finde ich auch unter denen ursachen/ die Paulus fuͤhret/ daß er gern sei- ner Corinther schohnen wolte/ diese/ weil bey dem ehelichen stande mehr truͤbsal seye/ vornehmlich wie die damahlige zeiten waren v. 28. Daraus ich wiederum schlies- se/ daß des heiligen Pauli rath und ausspruch vornehmlich sehe auff die noch schwaͤ- chere/ welche er vor anderen zuschohnen ursach hatte/ und von dero schwachheit zu M sorgen Das sechste Capitel. sorgen waͤre/ daß sie die truͤbsalen schwehrlich ohne anstoß auszustehen wuͤrden ver- moͤgen/ deßwegen er sie lieber ausser der gefahr zu seyn verlangte. Wo denn ei- ne Christliche person ist/ welche GOttes krafft so weit gebracht/ daß sie die truͤbsal nicht mehr fuͤrchtet/ sondern sich derselben ruͤhmet/ und so vielmehr freuen will/ so viel mehr GOTT ihren glauben auffdiese art zu uͤben belieben wuͤrde; derselben wuͤrde auch Paulus das jenige nicht mehr also mißrathen: sondern gern zu geben wo eine solche person aus anderen anzeigungen den finger GOttes zum ehestand se- he/ solchen zu folgen; nicht zwar eben mit fleiß sich denen truͤbsalen darzu stellen/ so einige vermessenheit in sich haͤtte/ sondern aus ansehung deroselben sich im wenig- sten nicht abhalten zu lassen. Daß ist gewiß/ daß in dem ehestand eine mehrere schule der gedult ist/ als jemand ausser derselben vermuthen moͤchte. Alle diese be- trachtungen/ deren theils das werck zurathen theils zu mißrathen scheinen/ machen mich auch so zweiffelhafft/ daß ich fast nicht weiß/ auff eine oder andere seite mich zu lencken: Wenn ich nun nicht unwissend bin/ in was aͤngsten ein mensch stehet/ welcher bereit ist GOttes willen zu folgen/ aber in einer so wichtigen und den zustand des gantzen lebens betreffenden fache denselben nicht gantz gewiß siehet/ oder unter- scheiden kan/ und nichts mehr wuͤnschet/ als denselben zu erkennen: So zweif- fele ich nicht/ meine vielgeliebte schwester werde auch nicht wenig kampff in ihrer se- len daruͤber empfinden. Und erinnere mich dabey des zustandes meines hertzens/ wie der himmlische guͤtige Vater mich auch eine weile dergleichen sorge und angst habe fuͤhlen lassen/ als ich vor 8. jahren hieher ziehen solte: Und bey mir keinen rath nicht fand/ ob ich das werck vor eine goͤttliche versuchung ansehen muͤsste: Jndem mich des beruffs versichern wolte/ weil ich die sache niemahl gesucht/ oder nur davon mir traͤumen koͤnnen/ so dann andere ziemlich scheinbahre anzeigungen goͤttlicher re- gierung zu bemercken vermeinte; Hingegen aber wieder die sorge truge/ es moͤch- te allein eine goͤttliche versuchung seyn/ in dem ich meine untuͤchtigkeit zu so schweh- ren amt/ die furcht meines hertzens vor der verantwortung vor anderer seelen/ so dann meinen damahliger in Straßburg bey der frey- prædicatur geruhigeren und vergnuͤglicheren wohlstande/ in dem ich ohne sorgen-last arbeiten moͤchte/ be- trachtete/ und kaum begreiffen konte/ daß mich mein GOTT zu einem solchen ge- schaͤffte/ daran ich ohne zittern nicht gedencken durffte/ bestimmet haben; sondern vielmehr hoffte/ er wuͤrde meine schwachheit schohnen. So viel ich nun hievon selbs gefuͤhlet/ kan ich auch gedencken/ wie es ihr zu muthen seye/ daß sie ja goͤttlichen rath uͤber sich erkennen moͤchte. Bin aber dessen in gewisser zuversicht/ daß der grund guͤtige Vater sie nicht in solchem zweiffel stecken/ weniger gar fehlen lassen/ sondern gantz gewiß also mit seinen geist erleuchten werde/ das zu treffen/ was er zu segnen beschlossen habe. Rath zugeben finde ich in meiner moͤgligkeit nicht weiter/ als demjenigen die sache in gebet und gelassenheit zu empfehlen/ der allein in das kuͤnfftige siehet/ u. also wo von uns wohl oder uͤbel seyn koͤnte/ ohne sehler (denen wir menschẽ aus man- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT. XVI. mangel derselben vorsehung auch anderer unserer schwachheit/ unterworffen sind) erkennt/ auch es gewiß wohl machet mit denen/ die ihm ihre wege befehlen und auff ihn hoffen. Hat er ihr seinen willen noch nicht gezeiget/ so halte sie ferner an/ wie ich auch meines orts will mit meinen seufftzen mit helffen/ nach schuldiger bruͤderli- cher pflicht. Jedoch ist noch ein vorschlag/ den ich hiebey zu thun habe/ und mit N. N. davon geredet/ welchen ich so viel freyer thue/ weil er derjenige ist/ dem ich selbs in obiger gelegenheit nachgegangen. Denn weil in solchem zweiffel/ ich mei- nem urtheil nicht trauete/ massen ich in eigenen sachen mir niemahlen trauen mag/ guter freunde rath aber der fleischlichen absichten/ aus so vieler erfahrung/ verdaͤch- tig hielte/ (daher auch denen jenigen/ die mir sonst an eltern statt gewesen/ von der sache eroͤffnung zu thun bedenckens hatte.) So sahe ich endlich kein ander mittel zu meines gewissens beruhigung/ als die sache aus haͤnden zugeben/ und weil die O- brigkeit zu Straßburg mir vorgesetzet war/ es darauff zusetzen/ was mir GOTT durch ihren mund wuͤrde anzeigen lassen/ um solches als seinen ohnzweifflichen wil- len zuerkennen und anzunehmen: Daher es auch darauff ankommen zulassen/ was die beyden staͤdte Straßburg und Franckfurt meinetwegen ausmachen wuͤr- den/ daß wolte ich genehm halten/ und weder auff eine noch andere seite etwas helf- fen oder hindern. Darauff endlich mein GOTT durch den entschluß deren von Straßburg/ daß sie goͤttlichem finger sich nicht zuwiedersetzen wuͤsten/ seinen willen geoffenbahret/ und mir damit/ so mich selbs zu resolvi ren unmuͤglich gedaucht/ das angetragene anzunehmen leichter gemacht. Dem auch noch allezeit vor solche sei- ne weise leitung und daher noch oͤffters habenden trost/ demuͤthig danck gesagt seye. Solte sie nun geliebte schwester auff dergleichen gedancken auch kommen/ so waͤre die sache auff ihren Herrn Vater zu weisen: Und also von dem jenigen/ der allein ihr von GOTT vor itzo in diesen dingen vorgesetzet/ goͤttlicher wille zuerwarten. Solte er auff den ihn davon thuenden vortrag/ und die nicht von ihr selbs (in dem sie sich bloß in sein belieben stellet) sondern anderen guten freunden zeigende motiven / was von beyden seiten zu betrachten waͤre/ seinen willen gegen dieses werck bezeu- gen: so ist ohne das nach allen goͤttlichen rechten eine fromme tochter schuldig/ den vaͤterlichen willen zu respecti ren: und ob wohl auch mittel da sind/ da ein Vater genoͤthiget werden moͤchte/ seines abschlages guͤltige ursachen zu geben/ so sind nicht nur dieselbe sehr weitlaͤufftig und mißlich/ sondern sorgte ich nachmahl gar sehr daß wir goͤttlichen rath nicht gefolget haͤtten: und wuͤrde deswegen nimmermehr dazu rathen/ sehe auch nicht/ wie es ohne schwehres aͤrgernuͤß/ und also verletzung des gewissens/ hergienge. Wuͤrde aber sein wort auffs ja hinausfallen/ so erken- te ich solches vor die goͤttliche decision und andeutung seines heiligen willens/ der sein hertz darzu regieret: Und wuͤrde als denn kein bedencken tragen/ mit freuden das joch auffzunehmen/ welches ich also sehe von GOTT mir gezeiget zu werden/ ohne fernere berathschlagung wie schwehr michs duͤncken moͤchte. Jch versichere M 2 mich Das sechste Capitel. mich auch/ daß das gewissen allezeit ruhe in erinnerung dessen finden wuͤrde. Die- ses sind meine einfaͤltige gedancken von diesem werck. Sie meine vielgeliebte schwester/ wird ohnzweiffel alles dieses schon vorher bedacht haben/ aber ihr es nicht zu wider seyn lassen/ dergleichen auch von mir zuvernehmen. Jst sie darin- nen eines sinnes/ so dienets zur bekraͤfftigung: Hat ihr aber GOtt andere wege ge- zeiget/ seinen willen zu lernen/ so weiche ich willig/ und will auch GOTT dar- innen preisen. Er wolle nach seiner weißheit sie in allem und auch in diesem regie- ren/ wie er weiß/ daß seine ehre an ihr und NN. so ich beyde bruͤderlich liebe/ am besten gepriesen werden moͤge. 1674. SECTIO XVII. 9.) A ls der vorgeweßte heurath zuruͤck gienge. GOTTes wunderbahre fuͤhrung der seinigen ihren glau- ben und gedult zu uͤben. Das exempel an mir in dem beruff nach und von Straß- burg. N Ach empfang derselben beyder geliebten schreiben habe ich. zu antworten mit fleiß verschieben wollen/ biß der allweise GOTT in vorgeweißten ge- schaͤffte wuͤrde endlich zeigen/ wo sein wille hingehe. Denn aus solchen schreiben hatte ich zur genuͤge ersehen/ wie ihr hertz in solcher sache also stehe und mit der jenigen gelassenheit die offenbahrung goͤttlichen willens erwartte/ daß ich mich hertzlich daruͤber vergnuͤget/ und nichts sahe/ was ich zu ferner deroselben be- ruhigung thun konte/ und also mir so bald vorgenommen/ allein in meinen gebeth mit deroselben in diesem geschaͤfft anzuhalten/ in dem uͤbrigen aber achtzugeben wo- hin goͤttliche leitung endlich ausschlagen werde/ als gantz versichert/ nach dem das werck mit GOTT und in seiner furcht gefuͤhret/ daß der ausgang/ wie er auch seyn werde/ nicht anders als von demselben zukommen erkant werden moͤge. Nach dem nun vor einigen wochen durch Herrn N. verstaͤndiget worden/ wie daß der- selben geliebter Vater endlich seine resolution mit einen runden nein/ dessen man bereits eine weile ziemliche vermuthungen hatte/ ausgetruckt/ so habe nun mehr nicht weiter stillschweigen sollen/ sondern was auch hierinnen meine einfaͤltige ge- dancken waͤren/ mit meiner vielgeliebtesten schwester getreulich communici ren wollen. So erachte nun zum allerfoͤrdersten/ das geschaͤfft gantz geendiget/ denn ob wol vernommen/ daß von NN. solches in zweiffel gezogen werden wolte/ weil demselben/ die macht des consensus uͤbertragen worden/ er zudenselben inclini- ret/ deßwegen solche einmahl gegebene gewalt nicht zuruͤck gezogen werden moͤchte: so bekenne doch gern/ daß ich solches nicht vor genugsam achte/ in dem nicht nur allein ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XVII. allein das vaͤterliche schreiben an NN. so ich zwar nicht gesehen/ mit einigen con- ditionen solle clausuli rt gewesen seyn/ sondern ich in den antwort-schreiben selbst erkennet/ daß darinnen der consensus nicht schlechter dings ausgetrucket/ sondern gleichsam dem vater wiederum heimgegeben worden/ wo es austruͤcklich heisset/ wo des vaters und der tochter wille hierinnen wuͤrde conform seyn: Daher ich ge- stehe/ daß ich nicht finde/ wie einige verbuͤndligkeit damit gemachet/ sondern daß meine vielgeliebte schwester frey geblieben/ wie auch ihrem geliebten vater/ die ge- walt bey behalten geblieben seye/ selbs darinnen zu disponiren. Gleich wie nun Herr N. viel vergnuͤgter und ruhiger auff solche antwort sich gewiesen/ als wie vorhin gedencken moͤgen: Also bin auch versichert/ das GOTT mit seiner kraͤff- tigen hand deroselben gemuͤther mehr beruhigen werde/ als es etwa noch bißher in erwartung des ausganges gewesen. Daß einige bedencklichste in der sache/ ob der endliche erfolg wahrhafftig vor GOTTes willen zuerkennen/ moͤchte wol die- ses seyn/ weil die ursachen der vaͤterlichen abschlagung wol nicht so bewandt/ daß sie allein vor sich angesehen das gewissen befridigten/ als darin nicht auff das jenige ge- sehen wird/ worauff wir billich sehen solten/ denen goͤttliche ehr/ des nechsten wol- fahrt und eigenen heyls beobachtung die einige zwecke aller unser rathschlaͤge seyn solten/ sondern auff bloß fleischliche gruͤnde/ eine eingebildete beschimpffung des ge- schlechts und der gleichen. Aber ohneracht dessen/ so sehe ich gleichwol die vaͤterli- che resolution vor die erklaͤrung des goͤttlichen willens an. Wie GOTT zum oͤfftern seinen willen uns anzeiget/ durch solche/ welche in dem stuͤck auff ihrer seiten sich versuͤndigen/ und nicht thun/ was sie thun solten. Goͤttlicher wille war/ das Jerobeam das koͤnigreich haben solte: ob wol welche ihn darzu auffgeworffen/ und er selbst/ sich darinnen versuͤndigeten. Goͤttlicher wille war Josephs hinabsen- dung in Egypten/ die seine neidische bruͤder mit suͤnden befoͤrderten. Und also in vielen anderen exempeln. Daher so sehe ich in vaͤterlicher antwort (es waͤre denn sache/ das solche mich zu etwas verbinden wolte/ so wieder den Vater in dem him- mel streitet) nicht so wol an/ wie wol oder uͤbel sie gegruͤndet/ worauff ich bey an- derer guten freund rath zu sehen/ sondern wie solche person mir an GOttes stelle vorstehe/ und GOtt in ihm wolle geehret seyn. Jst in jenem von ihm gefehlet/ so steht die verantwortung bey ihm/ wie bedaͤchtlich er sich seiner gewalt gebraucht/ nicht bey den jenigen/ welche ihr schon dieses zum gehorsam genug seyn lassen/ daß es des Vaters wille seye/ Ja ich halte davor/ daß eben darinnen die goͤttliche weißheit so viel herrlicher sich hervor thue/ daß sie ihren heiligsten willen durch fleischliche anderer menschen absichten zuweilen sehen laͤsset/ wo alle diese nicht hin- dern muͤssen/ daß nicht jene durch dringe/ und endlich allein stehen bleibe. Wel- ches wie es in regierung der gantzen kirchen oͤffters so viel scheinbahrer erhellet/ also auch von gottseligen seelen in dem gemeinen leben eben so wol erkant und beobach- tet wird. Daher weil ich vernehme/ daß NN. nicht wol zu frieden seye/ verhof- M 3 fe Das sechste Capitel. fe und wuͤnsche/ daß durch meiner vielgeliebtsten schwester vernuͤnfftige und liebrei- che intercession dieselbe beguͤtiget/ und die ungnade von dem geliebtesten vater hierinnen abgewendet werde/ welches wol am fuͤglichsten geschehen mag/ wo je- ner der formali en seiner antwort erinnert/ und also wie darinnen ihm noch frey sey gegeben worden/ erwiesen wuͤrde. Jn dem uͤbrigen sehe ich dieses gantze biß- her gefuͤhrte werck als eine sonderbahre probe an/ damit die vaͤterliche guͤte GOt- tes die gelassenheit erkaͤntlich pruͤffen/ ihre gedult auch andern vor augen stellen/ und sie also in der schulen/ worinnen sie schon so offt mit mehrern geuͤbet worden/ fer- ner uͤben wollen. Daß es der guͤtige GOtt ihr erstlich so schwehr werden lassen/ von dem gefaßten vorsatz des ledigen standes nur etlicher massen abzuweichen/ und ihr also darinnen die ehre zu geben/ sie verstehe nicht so wol/ was zu ihrem besten al- lezeit gehoͤre/ daß sie nicht zu ehren goͤttlicher weißheit/ wo dieselbe sie anders wo- hin weise/ bereit seye/ auch alle gedancken fahren zu lassen/ da r innen sie sich sonsten am gegruͤndetsten geachtet. Nach dem dieser kampff uͤberwunden/ so lehret sie GOtt den jenigen lieben/ von dessen liebe und gesellschafft sie in der welt mehr ver- druß und beschwehrde als zeitliche anmuth erwarten koͤnte/ allein um deßwillen weil sie es davor achtete/ daß ihres Gottes willen an sie waͤre/ und diesen ihr dazu bestim- met zuseyn/ seine gehuͤlffin zu werden. GOTT hat sie wiederum auch in der liebe des creutzes geuͤbet/ daß sie um desselben willen den ehelichen stand nicht nur nicht fliehen wollen/ sondern es eine von den bewegenden ursachen seyn lassen/ sich dessen zu freuen/ worinnen sie mehrere gelegenheit zu uͤbung der gedult finden wuͤr- de. Nachdem dieses alles uͤberstanden/ und Abraham bereit ist seinen sohn Jsaac dem HErrn zu opffern/ das ist/ da sie nun ihre sonsten so angenehme freyheit des ledi- gen standes und dessen viele sußigkeit dem HErren zu gehorsamen willig hingeben will/ so kehrets GOtt uͤm/ und laͤst wiederum ihr zu ruffen/ er sey mit solchen wil- len vergnuͤgt/ und nehme solches opffer als empfangen an. Sie moͤge aber noch so lang des hertzlich und bedaͤchtlichen geliebten gutes geniessen/ biß er auff andere- mahl seinen willen wiederum anders zeigen wolle. Sihet sie also/ meine hertzlich geliebte schwester/ wie ihr liebster himmlischer Vater so freundlich mit ihr spielet/ und sie so viel offter auff unterschiedliche weise uͤbet/ gegen andere unerfahrnere/ so vielmehr gnade und gaben er ihr verliehen hat. Jetzo fodert er von ihr/ daß sie mit gleicher gelassenheit/ dazu sie sich in ihren schreiben selbst frey resolvir et/ diese seine letztere erklaͤrung seines willens mit gleichen gehor sam umbarme/ und auch den je- nigen kleinen schimpff/ den man wegen bey ihnen ausgebrochener sache daher sor- get/ mit kindlicher demuth annehme. Wiewol es bey verstaͤndigen nicht schimpff sondern ehre ist/ zeigen/ daß man alle stunde und augenblick bereit seye/ nichts an- ders zuwollen/ als was der HERR dißmahl von uns erfordert. Jch erinnere mich dabey meiner begenheit/ da GOtt mich vor 12. jahren in anderen dingen auff fast ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO XVII. fast gleiche art hat uͤben wollen. Als ich eine grosse furcht hatte vor der seelen sor- ge/ und mein hertzliches verlangen war/ daß GOTT meiner damit schohnen und mir eine solche art in geistlichem stande zu leben zeigen moͤchte/ worinnen ich zwar arbeit/ aber dergleichen sorge und verantwortung nicht/ haͤtte; So begab sichs/ daß aus Straßburg durch einige gute goͤnner mir/ der damal zu Tuͤbingen war/ zu geschrieben und eine vocation zu einer gewissen stelle in der Statt angetragen wurde/ wo solche seelen-sorge nicht nur mit anhinge sondern auch derselben beschwer- den vor anderen groß waren. Da gab es einen harten kampff. Auff einer sei- te stunde die liebe der freyheit und furcht vor solcher verbindung. Auff der ande- ren seiten/ weil alles ohn mein gesuch geschehen/ auch andere ursachen/ wolten mich glauben machen/ das werck sey von dem HErrn/ und je groͤsseren widerstand ich in dem gemuͤth dagegen empfand/ so viel mehr fuͤrchtete ich/ fleisch und blut wol- le GOtt ungehorsam seyn/ in dem es sie sauer ankaͤme. Jch sandte endlich einen expressen boten an jemand der meinigen/ dessen urtheil und rath ich vor andern trauete/ und suchte mir aus der angst zuhelffen. Dieses gutachten/ fiel auch da- hinaus/ GOttes finger habe sich gezeiget/ ich solte dem nicht entweichen. GOtt gab gnade/ daß ich die natur uͤberwand/ und zu folgen mich resolvir te: auch wuͤrck- lich nach Straßburg mich begab. Als ich da war/ so funden sich einige conditi- ones bey angetragene stelle/ welche meiner leibes constitution halben mir un- muglich zu seyn/ so wol der præses des kirchen convents erkante/ als auch folg- lich die jenige selbst/ so das werck vorhin getrieben/ auff dieselbe remonstration sich zu ruhe begaben. Daß also die sache zuruͤcke ging: Und zwar da auch schon et- was unter die leute gekommen war/ so wol bey meinem abschied aus Tuͤbingen/ als in der statt/ deswegen auch einiger schimpff zu sorgen war. Jch habe es aber als eine versuchung angesehen/ da mein GOtt mich uͤben wollen/ ob mir sein wille so lieb seyn wuͤrde/ um desselben willen meinen sinn zu aͤndern: nachmahlen aber mich wiederum frey zu lassen. Er hat zwar dennoch ferner mit mir gespielet/ daß er mich erstlich zu einen solchen dienst/ wie ich haͤtte wuͤnschen moͤgen nemlich der frey prædicatur beruffen lassen/ und mich/ der ich mich in dessen suͤsse ruhe/ weil kei- ne besondere selen-sorge dabey war/ verliebet/ nichts desto weniger mich nach mahlen gegenwaͤrtige sorgen-volle stelle gesetzt. Seiner heiligsten u. allweisesten guͤte sey vor alle solche dero fuͤhrung demuͤthigst danck gesagt/ nicht nur die an mir erwiesene/ sondern die ich in diesem werck an meiner vielgeliebtesten schwester auch erwiesen zu seyn erkenne. Laßet uns untereinander ihn allezeit ehren/ der uns fuͤhret wie die jugend. Er fuͤhre sie ferner wunderlich/ aber seliglich. 1674. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XVIII. (10. G elassenheit in goͤttlichen willen. Buͤch- lein D. Kortholts von den verfolgten Christen der ersten kirchen. Goͤttliche krafft zu solcher zeit. Gefahr der un- sern. Roͤmisches und staͤtes Evangelisches jubeljahr. Neujahrs wunsch. Kuͤnfftige hoffnung nahen fruͤhlings. Maria Juliana Baurin von Eise- neck. J Ch habe zum foͤrdersten zu bezeugen/ mit was inniglicher vergnuͤgung gele- sen/ wie gelassen dieselbe sich in die regierung ihres GOttes gegeben/ und nichts anders ihren zweck oder richt-schnur seyn lassen/ als dem gebenedey- testen willen des himmlischen Vaters sich ohne außnahm auffzuopffern/ und deß- wegen willig auch ihre eigene bereits gefaßte gedancken wiederum fahren zu las- sen/ ja auch anderer nach-reden nicht zu achten. Also hat unser grundguͤtige GOTT auch vor dißmahl in ihr seinen zweck erreichet/ durch die gnade/ die er in ihr gewuͤrcket: So wird sie zweiffels frey sich in ihrem inwendigen herrlich ge- staͤrcket finden/ aus jetziger probe auch auff das kuͤnfftige in allen kampff geruͤste- ter zugehen. Es wird auch der jenige maͤchtige GOtt/ so bereits die neue besorg- te ungelegenheit/ wegen fuͤrchtender ungnade der herrschafft gegen ihren geliebten Herren vater/ kraͤfftig in anderwertiger leitung der gemuͤther abgewendet hat/ mittel und wege wissen/ woferne sonsten noch in dem aͤusserlichen etwas daraus zu sorgen waͤre/ dasselbige abzuwenden/ oder auch zu ihrem nutzen außschlagen zulas- sen. Wie denn der welt hertzen ungleiche urtheil nicht nur mit freudigen gewissen verachtet werden moͤgen/ sondern auch schickets GOtt also/ daß der von diesen ent- stehenden schimpff seinen kindern eine rechte ehren-krohn vor ihn/ ja auch vor ande- ren frommen hertzen werden muß. So geschiehet durch seine weise regierung oͤf- ters/ daß jene selbst endlich ihre unbilligkeit erkennen/ und sich deren schaͤmen muͤs- sen. Jhm aber/ der sie bißher so kraͤfftig gestaͤrcket hat/ und deme einig und allein preiß gebuͤhret/ sey vor solche ihro auch dißmahl erwiesene himmlische gnade und goͤttliche krafft inniglich danck und lob gesaget in zeit und ewigkeit. Der staͤrcke uns noch alle ferner/ und lasse uns in seiner gnade wachsen zur maß des vollkomme- nen alters Christi/ biß wir uns allerdings in uns selbst verliehren/ und nur in ihme noch finden. Hierbey sende nebst 2. leich-predigten das laͤngst versprochene Tractæt lein von den lieben verfolgten Christen der ersten kirchen/ so vor weniger zeit fertig geworden: versichert/ es moͤge derselben nicht unangenehm seyn/ ein und ander- mahl ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO XVIII. mahl darinnen anzusehen das bild unserer lieben vorgaͤnger und der theuren strei- ter und streiterinnen unseres obristen der heiligen Heerscharen/ welche er zu noch schwereren kampff als er uns insgemein beruffet/ gefuͤhret/ aber ihnen alfo kraͤfftig bey gestanden hat/ daß sie die siegs palmen und krohnen davon getragen/ auch wol mitten in der marter den GOtt ihrer staͤrcke/ gegen die die feinde nichts vermoch- ten/ gepriesen haben. Nun der Geist der in demselben solches gewircket/ ist eben der jenige/ so auch uns von dem Vater geschencket ist. Und wo wir das vertrau- en auff uns selbst und die liebe der welt gaͤntzlich ablegen/ so moͤgen wir gewiß seyn/ er werde auch nicht mangelen/ mit seiner krafft dermassen uns aus zuruͤsten/ daß uns nichts zu schwer werden solle/ sondern/ daß wir in allen/ es seye verfolgung/ angst/ truͤbsal/ hunger/ faͤhrligkeit/ bloͤsse/ schwerdt/ endlich weit uͤberwinden um- deßwillen/ der uns geliebet hat. Hierzu lasset uns unsere seele schicken: Vielleicht moͤchte es seyn/ daß GOtt uns zu schwehreren proben fuͤhrete/ als wir jetzo vorsehen; wie denn gegenwaͤrtige zeit wenig leibliche ruhe oder wohlstand verspricht; Son- dern das ansehen ist/ goͤttliche gerichte wollen aller orten einbrechen/ zur straff der ungehorsamen welt/ und auch die seinen mit gewalt aus der gemeinschafft der allge- meinen aͤrgernuͤß zu ziehen/ wo es zu weilen nicht mit leisen griffen hergehet/ den Loth aus Sodom zu bringen. Der hoͤchst verlangende friede stehet in sehr weitem feld: Und solte er auch ersolgen/ so wissen wir nicht/ ob GOtt sich nicht eben solches mittles zu schwehrer u. auff andere weise gefaͤhrlicher heimsuchung sich gebrauchen moͤchte. Nun er ist der HERR! Er mache es wie es ihm gefaͤllt: So ist er auch Vater/ und wirds also wol machen: Er gebe nur/ daß wir allzeit seinen willen er- kennen. Zu Rom ists nun andem/ daß sie ihr so genantes jubel-jahr anfangen/ als ein gnaͤdiges und erlaß jahr. Wir wollen menschen ihre menschen-fuͤnde las- sen/ und nichts anders davon versichern/ als vielleicht neue raͤncke und anschlaͤge ge- gen die bekenner der wahrheit. Dem Hoͤchsten aber seye danck gesaget/ der uns hat erkennen lassen/ daß so wirs nur annehmen wollen/ wir anitzo in dem Neuen Testament in einem staͤten jubel- und erlaß-jahr leben/ darinnen unser wehrte- ster Heyland uns taͤglich predigen laͤsset/ den gefangenen eine erledigung/ den gebundenen eine oͤffnung/ und die zubrochenen hertzen zu verbinden. Jesa. 61/ 1. u. f. Er lasse uns auch dieses vorstehende jahr ein solches zu seyn spuͤhren. Wie ich denn hiemit meiner allerliebsten schwester/ und allen denen/ die samt ihr den HErrn lieben und fuͤrchten/ nichts besseres zur neu-jahrs gabe von dem Vater alleꝛ guten und vollkommenen gaben zu wuͤnschen weiß/ hiemit aber imbruͤnstig anwuͤn- sche/ alß das auch instehendes jahr deroselben seye ein gnaͤdiges jahr des HERRN/ in empfindung der reichen gnade unsers Heylandes JESU/ in verbindung aller wunden des hertzens/ durch den suͤssesten heiligsten trost des heiligen Geistes/ in taͤglichem zunehmen der freyheit/ darinnen uns unser liebster bruder gefuͤhrt und gesetzt/ durch stets wachsende erkaͤntnuͤß seiner theuren guͤter/ und maͤchtiger zer- N reis- Das sechste Capitel. reissung aller noch uͤbriger so suͤnden-als welt-bande/ die an uns noch hier den voll- kommenen genuß jener freyheit hindern/ in steter freude uͤber die herrliche gnaden- zeit und inniglichen jubel-gesang zur danckbahrkeit vor die uͤberschwengliche guͤte/ die uns uͤberschuͤttet: So denn endlich in besitzung des jenigen/ was von leiblichen segen der GOtt/ so der seelen und des leibes GOtt zugleich ist/ noͤtig erachtet: ja daß dieses gnaͤdige jahr sich nicht in der enge einiger 12. monat einschliesse/ son- der waͤhre unauffhoͤrlich/ biß der ausgang der zeit den eingang der ewigkeit zum unendlichen jubiliren oͤffenen. Er halten wir dieses von GOtt/ wie er der glaͤubigen gebet die gewisse erhoͤrung zugesaget/ so werden wir taͤglich danck zusagen ursachen genug finden: Und moͤgen dem Papst sein guͤldenes jahr und von armer leute thor- heit samlende schaͤtze/ so denn solchen ihre freude der vermeintlich empfangenden ablaß/ gegen unseren guͤtern nicht mißgoͤnnen: sondern vielmehr sehen wir dieses mit betruͤbnuͤß und hertzlichem mitleiden/ auch gebet/ daß GOTT der blinden au- gen oͤffnen wolle/ also an/ daß wir unserer wahren guͤter uns so viel hoͤher freuen. Solte aber GOtt der gesamten kirche eine sonderbahre freude geben wollen/ haͤt- ten wir nichts bessers zuwuͤnschen/ als ob seine weißheit allgemach die zeit kommen wolte lassen der erfuͤllung der jenigen dinge/ die er noch zu trost seiner glaͤubigen hat verheissen und auffzeichnen lassen. Ach solte dieses das jahr seyn/ da GOtt wolte lassen anfangen die jenigen fruͤhlings tage anbrechen/ welche wir noch vor den letzten truͤbsalen und darauff folgenden neuen sommer warten! Wir sehen gleich wol so zu reden die baͤume/ boͤse und gute/ auch wieder ausschlagen: daß etwa die hoffnung nicht vergebens ist/ es seye solche liebe zeit nicht mehr so weit. Aber HERR dein wille geschehe auch hierinnen zu der zeit und stunde/ nicht wenn es uns sondern dir gefaͤllt! P. S. Jhr Hochfuͤrstl. Durchl. und gantz Hochfuͤrstlichem hauß sage ich unterthaͤnigst danck des gnaͤdigsten andenckens: Der grosse GOTT erfuͤlle auch dieselbige mit nicht nur weltlichen hohen wohlergehen/ sondern vornehmlich seiner himmli- schen gnaden erfreulichsten genuß; in dem allein auch ewig hoch und groß werden/ die da sie auff der welt von GOtt uͤber andern erhaben sind/ deñoch in jenen guͤtern aller erst die bestaͤndigste hoheit finden und geniessen. Wo die Hochfuͤrstliche Princeßin seye/ entsinne mich nicht mehr recht. GOtt sey allezeit und aller orten wo sie ist/ umb sie/ uͤber ihr/ und mit seiner gnaden wohnung in ihr. 2. P. S. Als ich im schreiben dessen war/ so kam zu mir frau Maria Juliana Bau- rin von Eiseneck/ eine gottselige witbe/ wegen einiger christlichen angelegenheit mit mir zu reden/ also fuͤgte sich/ daß zu so vielmehr befriedigung ihrer seelen einiges aus ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . XIX. aus meiner vielgeliebtesten schwester schreiben fuͤr laß/ so sie hertzlich vergnuͤget/ und verlanget/ mit gleicher gelassenheit sich ihrem GOtt auff zuopffern: Jch rich- tete also auch bey ihr den allgemeinen gruß aus/ damit sie etliche mahl alle die den HERRN JESUM hertzlich liebten/ zu gruͤssen auffgetragen. Ob sie nun wol aus demuth meinte/ allein unter der zahl der jenigen zu seyn/ die erst in solcher ihren mangel zuerkennen anfangen/ als solche liebe in erforderten grad haͤtten/ so begehrte sie daß hinwiederum ihren hertzlichen wunsch und gebet bezeugen solte. Jch wuͤnschte ihr meiner allerliebsten schwester naͤhere kundschafft/ so ihr zu gros- sen trost gereichte. Wie ich ihr gemuͤth zu seyn befinde/ habe in einer dedication an sie/ so vor denen predigten von den versuchungen stehet/ oͤffentlich bezeuget: GOTT gebe ihr einen freudigen Geist/ die ihr erwiesene himmlische gnade ver- gnuͤglich zuerkennen/ und wie sie mit furcht und zittern in vielen kampff ihm dienet/ auch mehrmahlen seine suͤsse zu empfinden. Amen. M. Dec. 1674. SECTIO XIX. Die goͤttliche gerichte der kriege. W Je es mir und andern guten hertzen/ nach dem man sich gern befleissen wolte/ das jenige wuͤrcklich zuthun/ was wir lehren/ und gelehret werden/ wird bey gelegte epistel zeugen. Jch erwarte des allgemach sich samlen- den und dermaleins ausbrechenden wetters in christlicher gelassenheit. Der HERR gebe gnade seinen willen allezeit zuerkennen/ und folglich ihn mit thun und leyden hertzlich zupreisen. Ach wie selig/ dem HERRN in dessen todt wir in der tauff eingepflantzet worden/ in seinem sterben aͤhnlich zu werden/ daß wir auch moͤgen theil haben an seiner aufferstehung und leben/ ja an seiner herrligkeit/ zu dero gemeinschafft er uns beruffen/ aber dieselbe uns nicht anders/ als wie er auch darein eingegangen/ beschieden hat. Das elend des kriegs/ uͤber welches Ewre Wol Ehrwuͤrde klagt/ dz es auch ihre liebe gegend so hart trucket/ ist nicht nur gantz Teutschland allgemein/ sondern scheinet anderer orten/ wo man endlich noch seine huͤttlein behaͤlt/ ertraͤglich zu seyn gegen dem jammer deren dem Rhein benachbar- tem lande/ wo uͤber andere verhoͤrung auch die flammen alles verzehren/ nicht an- derst/ ob wolte GOtt die einwohner allerdings mit stumpff und stiel außrotten: und mit solchem feuer uns gleichsam ein vorspiel weisen/ der schrecklichen letzten feuer-gerichten. Nun er ist der HERR/ er thue/ was ihm wolgefaͤllt: Wir haben mehr als dieses verdienet/ er lasse uns aber auch alles aus seiner hand mit de- muth und gehorsam annehmen/ und zu solchem ende seinen guͤtigen heiligen rath in allem dem/ was so erschrecklich scheinet/ erkennen/ und uns demselben unter- werffen: So werden wir gewiß finden/ was auch in dem stuͤck dem aͤusserlichen N 2 men- Das sechste Capitel. menschen abgehe/ werde an dem wachsthum des innerlichen von tag zu tag ersetzet werden. O wie vielen nimmt GOtt den allzugrossen last und buͤndel/ mit wel- chem sie sich durch die enge pforte nicht durch dringen koͤnten/ ab/ und macht sie da- mit fertiger daselbsten einzugehen/ wo sie mehr finden/ als thnen feuer und schwerd allhier haͤtte nehmen koͤnnen; Jst also gewiß dieses ihrer vielen/ ja allen/ welche solchen rath GOttes bey sich kraͤfftig seyn lassen/ eine grosse gutthat/ woruͤber doch fleisch und blut so sehr sich entsetzet: Er aber auch als ein weiser GOtt und guͤtiger Vater unsere schwachheit ansehen/ die versuchung nicht zuschwehr werden lassen/ sondern so wol mit seiner gnade uns desto mehr staͤrcken/ als sie auch dermassen mil- dern und lindern wird/ daß wir unter und zwischen dem zorn wolcken seine gnaden- blicke erkennen/ ja er wolle nach seinem heiligen willen entweder uns bald wieder- um mit dem verlangten frieden erfreuen/ und geben/ daß wir ihn wieder mit froͤ- lichem hertzen und ruhigem gemuͤth dancken moͤgen/ oder wo dieses solten die anfan- gende wehe der letzten angedroheten gerichte seyn/ so gebe er allen die ihn lieben/ die darzu noͤthige krafft/ und fuͤhre den Loth in sein Zoar/ seine liebe freunde in ihr Pellam; Jn summa er schaffe seinen willen/ welcher niemalen anderst als gut/ hei- lig und nutzlich ist. Und o wie wol/ wo wir uns resolvir en/ denselben in allen din- gen zu lieben und zu loben! SECTIO XX. A. Crameri ehrenstand der kinder BOTT es. Vorzug des Evangelii/ auch dessen mißbrauch. Franck- furtische zustand. Mein hauß- collegium. Kinder- lehr und catechismus examina. J Ch kan nicht gnug mit wenig worten austrucken die hertzliche vergnuͤgung lehrbahr ich aus Ew. Wol Ehrw. freundlich an mich gethanen geschoͤpffet habe. Wie ich denn billich den liebreichsten Vater alles guten demuͤtig danck sage/ daß er seines treuen dieners (Andreæ Crameri) den er laͤngst zu seiner freu- de eingefuͤhret/ vor der welt augen so ringfuͤgig scheinende arbeit auch dieses mal wiederum kraͤfftigst gesegnet/ auch mir die freude wiederfahren hat lassen/ zu sehen daß die wenige sorge/ so zu der wieder aufflage allhier vor etlichen jahren angewen- det/ nicht vergebens gewesen seye. Und zwar hat mich solches so viel hertzlicher vergnuͤget/ weil von solcher zeit an/ des hiesigen trucks/ ohne daß in Wirtenberg sich einige from̃e gute hertzen gefunden/ so ein belieben daran zu haben bezeuget/ sonsten fast wenig gehoͤret/ das ander orten viele solcher heiligen einfalt den rechten ge- schmack abgewonnen; Daß ich mich offts mahls wunderte/ wie es komme/ das die ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECT IO XX. die rechte krafft des Evangelii nicht in der wuͤrde bey uns Evangelischen gehalten werde/ wie es billich waͤre. Jedoch moͤgen auch andere gute gemuͤther/ denen Crameri werther nahme eben unbekant/ aus der Schrifft selbsten/ und darinnen vornehmlich den theuren Paulo und Johanne/ so dañ unsern vortreffuchen Luthe- ro und Arndio, oder auch dem lieben Statio, welcher aus Steph. Prætorio mit mit gutem bedacht das beste/ abgesondert einiger in jenes schrifften be- findlichen schlacken/ zu sammen gesammlet/ eben das jenige gefaßt/ und ins hertz ge- trucket haben/ was dieser treuer lehrer so eyffrig und auff eine solche deutliche art/ uns vorlegt/ es bleibet freylich an dem; Das Evangelium muß es seyn/ wel- ches Christo kinder zeuget: Dieses wort der gnaden ist die selige morgenroͤthe/ schwanger von vortrefflichen thau. Und mag dem gesetz solche krafft nicht zuge- schrieben werden/ als welches nicht lebendig machet Gal. 3. sondern toͤdtet: Da- her Ew. Wol Ehrw. Christlich und wol thun/ daß sie nach dem methodo solcher goͤttlichen und Evangelischen lehr ihr amt und predigten einrichten/ wo zu GOtt auch von oben herab sein kraͤfftiges gedeyen zu vieler frucht geben/ ihr aber die freu- de goͤnnen wolle/ solche anzusehen/ uñ ihme darvor hertzlich zu dancken. Er lasse auch mehrere an allen orten erkennen des HERRN klarheit mit auffgedecktem angesicht/ um verklaͤhret zu werden in dasselbe bilde von einer klarheit zu der andern/ als von dem Geist des HErrn 2. Cor. 3. Damit alle welt sei- ner himmlischen erkaͤntnuͤß voll werde. Jch zweiffele auch nicht/ Ew. Wol Ehr. werden selbs ihres orts nach der empfangenen gnade GOttes in ihrem amt dahin getrachtet haben/ daß gleich wie den leuten die unaußsprechliche himmlische schaͤ- tze des Evangelii und der geschenckten seligkeit gewiesen/ und vorgelegt/ also nach- mal auch die wahre art des lebendigen glaubens/ der sie allein fassen kan/ der heili- gen Schrifft gemaͤß/ nachtruͤcklich vor augen gestellet werde/ damit nicht die an sich selos so edle und theure lehr von solcher seligkeit von verkehrten gemuͤthern zur sicherheit schaͤndlich mißbraucht/ oder dero boßheit kraͤfftig zu begegnen unter lassen werde. Wie wir sehen/ wie fleißig der hocherleuchtete Apostel Paulus sich be- muͤhet/ sich zuverwahren/ das seine heylsame lehre von der gnade von sichern her- tzen nicht auff muthwillen gezogen werde. Als sonderlich Rom. 6. zusehen ist: und werde ich dieser beyden fehler hin und wieder gewahr; auff der einen seite/ daß die gross e vortrefflichkeit der gnaden schaͤtze von CHRJSTO erworben und in wo r t und Sacramenten angetragen/ bereits auch wircklich in dem Sacrament der heiligen tauff geschencket/ von so wenigen erkant/ auch wo wirs recht bekennen sollen/ nicht aller orten gnugsam den leuten erklaͤhret werden; auff der andern sei- ten/ daß wo nicht ihren falschen einbildungen behutsam begegnet wird/ solche theure gnaden lehr von sichern gemuͤthen dahin gezogen wird/ daß sie meinen/ ihre einbil- dung/ die doch nichts von dem wahren glauben hat/ bringe ihnen solche theure guͤ- ter/ und mache sie ihnen zu eigen. Aus dem ersten mangel entstehet/ daß die leute N 3 kei- Das sechste Capitel. keinen rechtschaffenen antrieb haben zu ihrem Christenthum/ dessen guͤter sie nie wahrhafftig eingesehen/ weswegen sie auch dardurch nicht bewogen/ noch die her- tzen von der liebe der welt abgezogen werden. Jndem unmuͤglich ist/ daß das hertz eines menschen moͤge also stehen/ daß es nicht auff etwas beruhete: wird ihm also nichts vortrefflichers oder wuͤrdigers gezeiget/ so ruhet es auff den irdischen guͤtern/ oder suchet vielmehr in denselben seine ruhe/ ob wohl veꝛgebens und mit staͤter unꝛu- he. Wo ihm aber die rechte wahre guͤter/ die keine andere sind als jene ewige und himmlische gnaden-schaͤtze/ also recht vor augen gelegt werden/ daß es die vortreff- lichkeit deroselben recht verstehen lernet: So laͤsst sichs nachmahl mit leichter muͤhe auff deroselben beliebung und hingegen verlassung der andern/ welche gegen die- ses nichts zu seyn erhellen/ leiten: Sonderlich wo ihm dabey sein ungluͤckseliger stand/ in welchen es leer solcher guͤter ist/ nachtruͤcklich gewiesen wird. Aus dem andern fehler/ wo wir nicht trachten/ mit grosser sorgfalt den leuten zu zeigen/ woran sie ih- ren glauben kennen moͤgen/ und denselben von der so vielen sicherheit recht unter- scheiden/ so faͤllet der grosse hauff dahin/ wie Lutherus redet in der vorrede uͤber die epistel an die Roͤmer/ wenn sie das Evangelium hoͤren/ machen ihnen aus eigen kraͤfften ein gedancken im hertzen/ der spricht ich glaube/ das halten sie denn fuͤr einen rechten glauben. Aber wie es ein menschlich gedicht und gedancken ist/ den des hertzengrund nimmer erfaͤhret/ also thuo er auch nichts und folget keine besserung hernach. Man wird dergleichen offt mit betruͤbnuͤß in der erfahrung sehen/ wie ich selbs offt wahrgenommen habe/ wie solche spinnen aus den alleredlesten blumen das schaͤdlichste gifft saugen. Daher ich mir ernstlich lasse angelegen seyn/ vermittels goͤttlicher gnade nebens den herrli- chen gnaden schaͤtzen des Evangelii/ und was wir in Christo haben/ (welche seligkeit den zuhoͤrern des mißbrauchs wegen nicht verborgen werden muß) auch so bald da- bey anzuzeigen/ wie solche allein mit der glaubens hand moͤgen gefasset werden/ und wie ohne diese nicht muͤglich seye/ zu jenern wuͤrcklichen genuß zugelangen; so dann wie solcher glaube das hertz einnehme/ erneure und aͤndere/ damit ein gantz anders leben daraus entstehe: Wie nicht muͤglich seye/ daß in einem solchen hertzen der glaube wohnen koͤnte/ welches sich in die luͤste dieser welt und dero guͤter also verlie- be/ daß es um derselben willen seines Heylandes reglen zu wider lebte: Wie nicht muͤglich seye/ daß der jenige das unschuldige leben und leiden seines JEsu mit wah- rem glauben gefasset habe/ der nicht auch auff dem wege/ den er ihm vorgegangen/ ihm nach zu folgen trachte: Wie nicht muͤglich seye/ daß derjenige von grund der seelen glaube/ daß er von den suͤnden und der welt dienst erloͤset seye/ welcher densel- ben so angelegenlich annoch dienet: und also insgesamt/ wie in CHristo JEsu ein neue creatur und ein rechtschaffen wesen seye. Daher treibe ich gern den hertz- lichen eiffer der wahren Gottseligkeit/ nicht eigenlich mit den blossen geboten oder trohen/ sondern erweißthum/ wie solche aus dem seligmachenden glauben fliessen muͤsse. ARTIC . I. DIST. I. SECT . XX. muͤsse. Hingegen eiffere ich gegen das gottlose leben vornehmlich aus dem grunde/ weil solches klahr zu erkennen gebe/ daß kein glaube bey solchen leuten seye/ und also die liebe schaͤtze des Evangelii wiederum von ihn entfernet seyen; auch sie sich/ wo sie in solchem unglauben bleiben/ ihrer nicht zu getroͤsten/ sondern wegen deroselben vor- trefflichkeit nur ein so viel schrecklichers gericht zu erwarten haben. Also zeige ich gern den zuhoͤrern/ den schoͤnen garten GOttes/ und die treffliche fruͤchten dariñen/ zeige aber daß nur eine thuͤr in denselbigen seye/ und verzaͤune auff der andern seiten denselben/ daß nicht die schweine ungehindert hinnein lauffen/ und denselben um- wuͤhlen moͤgen. Und so mag alsdann solche lehr des Evangelii recht ihren nutzen haben/ dazu sie geordnet ist/ und hoͤren die veraͤchter goͤttlicher gnade allemahl/ daß sie dieselbe nicht eher angehe/ biß sie mit wahrem glauben zu dem besitz und genuͤß ihrer guͤter wiederum gelangen: damit sie nach solchem auch eiffrig trachten moͤch- ten. Dieses ist durch GOttes gnade die jenige lehr art/ dero ich mich befleisse/ und von oben herab/ was vor frucht darauff folgen moͤge/ zu erwarten habe. Dann was Euer Wohl-Ehrw. klaget/ mag ich auch wohl klagen/ daß der frucht so viel noch nicht finde/ als ich wuͤnschen moͤchte. Doch ist das werck des HErrn auch nicht gantz vergebens. Es scheinet aber/ Eure Wohl-Ehrw. moͤgen einen bessern concept von dem wuͤrcklichen zustand unserer Franckfurtischen kirchen gefasset ha- ben/ als er sich in der that befindet. Jndem ob wohl durch den kraͤfftigen segen des Allerhoͤchsten ein guter anfang gemacht ist/ doch die saat allererst in einiger bluͤt ste- het/ zur hoffnung einer ernde/ die noch etwas ferner scheinet. Was die besondere versamlung allhier anlangt/ hat es diese bewandnuͤß/ daß zweymahl in der wochen/ in meinem hauß einige deren zuhoͤrer/ die sich mehr und mehr zu erbauen befliessen sind/ zusammen kommen; da wir nebens wiederhohlung meiner Sontags pre- digt/ in der ordnung des neuen Testaments nacheinander fortlesen/ bey jedem ver- sicul / wo etwas zur erbauung dienliches/ dergleichen bemercken; wie denn jeden zu- hoͤrer erlaubt ist/ was seine gedancken davon seyn moͤchten/ vorzutragen/ bericht zu begehren/ oder wie er es zur erbauung nuͤtzlich achtete/ einfaͤltig zu erinnern. Von hohen sachen wird nichts tracti ret/ sondern wir bleiben bey der einfalt/ weil auch die zuhoͤrer selbs der subtili taͤten nicht faͤhig geschweige daß ich immer sorge/ das creutz Christi werde zu nicht/ und unser glaube bestehe auff menschen weißheit/ und nicht auff GOttes krafft/ wo wir uns der vernuͤnfftigen reden menschlicher weißheit befleissen. Der profectus in solcher uͤbung mag etwa so groß noch nicht seyn/ je- doch lebe der guten zuversicht/ GOtt werde es nicht gar ungesegnet lassen; weil wir in allen solchen ihn allein suchen/ und trachten/ daß sein wort moͤge reichlich un- ter uns wohnen in aller (nicht menschlicher/ sondern goͤttlicher) weißheit. Jch trachte auch mehr u. mehr/ das wir nun die heilige Bibel mehr unter die leute brin- gen moͤgen/ welche allen menschlichen buͤchern so weit vorgehet als der himmel uͤber der erde ist. Wir haben vor einiger zeit einen anfang gemacht/ die etwas erwach- sende Das sechste Capitel. sende jugend in der kinderlehr dahin zugewehnen/ daß sie ihre Bibeln mit sich brin- gen/ um was sie aus dem Catechismo gelernet/ in der goͤttlichen Schrifft gegruͤn- det zu sehen/ und damit zu so viel fleißiger nachlesung ihnen den weg zu bahnen. Jch habe auch mit dem angegangenen kirchenjahr angehoben/ meine Bibel vor mich auff der cantzel zulegen/ und je zu weilen einen denckwuͤrdigen ort/ den ich anziehe/ vor der gemeinde daraus zulesen/ (so zwar etwa wider die regulas oratorias / und zierlichkeit/ ich hoffe aber nicht wieder die erbauung/ ist) ob ich moͤchte den zuhoͤrern eine anmuth machen/ daß sie auch in die predigt ihre Bibeln mit braͤchten (wie in Engelland uͤblich gewest) und zu so viel mehrer auffmercksamkeit darinnen nachse- hen/ auch das gezeigte zu hauß wieder vornehmen. Dabey bleibets/ werden wir das pur lauter wort GOttes den leuten bekanter machen/ so ist der vortrefflichste grund geleget. Jn uͤbrigen dergleichen uͤbungen der lesung der Schrifft und ver- sam̃lung Gottseliger gemuͤther und der direction eines predigers zu Gottseliger unterredung/ ist nicht nur hie/ sondern bereits in einigen andern staͤdten nicht ohne nutzen angefangen/ und mag von jeglichem treuen hirten seines orts etwa mit we- niger schwehrigkeit angefangen werden/ als sich vor dem versuchen ansehen liesse; Wo nehmlich ein prediger unter seiner gemeinde die jenige/ welche er ohne das sie- het/ bereits mit mehrer begierde ihrem GOTT zu dienen/ und weiterer erbauung begehrig zu seyn/ ihme bekanter gemacht/ offters als mit andern mit ihnen umge- het/ und endlich sich dazu bewegen lasset/ eine solche uͤbung mit ihnen und unter sei- ner direction an zugehen. Ob auch anfangs die zahl gantz klein ist/ so ists so viel besser/ ist aber kein zweiffel/ daß solche wenige in nicht gar langer zeit durch goͤttli- chen segen also zunehmen werden/ daß sie in ihrem Christenthum so viel erbauet werden/ damit sie folglich andern vorleuchten/ und sie zur nachfolge reitzen/ daher die versammlung allgemach staͤrcker werden werden. Jn dem uͤbrigen gleich wie Eure Wohl-Ehrw. vor den hertzlichen mir und meinen amt gethanen wunsch ge- fliessesten danck sage/ und ihn vor eine theure wohlthat achte/ also bitte bruͤderlich noch ferner mit solcher vorbitte fortzufahren/ und verspreche von meiner seiten glei- ches/ auff daß wir also/ die wir alle das werck des HErrn zu treiben gesetzet sind/ einander helffen kaͤmpffen/ mit bitten und flehen in dem geist/ und wachen mit allem anhalten und flehen/ vor uns untereinander/ und fuͤr alle heilige/ auff daß uns die- nern gegeben werde das wort mit freudigen auffthun unseres munds/ daß wir moͤ- gen kund machen das geheimnuͤß des Evangelii/ auff daß wir dariñen freudig han- deln moͤgen und reden wie sichs gebuͤhret. Es ist je dieses der vornehmste dienst den wir uns untereinander leisten/ und damit die liebe untereinander/ so denn weil alles solches zu der ehre GOttes und der kirchen auffnahm gemeinet ist/ selbs gegen Gott und die gesamte kirche uͤben moͤgen. Jm uͤbrigen schaͤtze mich gluͤcklich/ bey solcher gelegenheit auch in Eure Wohl-Ehrw. einen treuen freund erlangt zuhaben/ der mit mir einerley gesinnet seye/ und mit dem etwa zu weilen einige angelegenheit auch ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXI. auch bruͤderlich zu uͤberlegen/ das vertrauen nehmen darff: wie ich hingegen erbie- te in allem deme auch zu thun/ wo zu Euer Wohl-Ehrw. mich zu ihrem verlangen tuͤchtig befinden wird. Unsere catechismus examina belangend/ so haben wir zwar einige fragen/ die vor etwa 8. jahren getruckt worden/ wie sie aber mich nicht contenti ren/ so halte vielweniger darvor/ daß Euer Wohl-Ehrw. einige vergnuͤ- gung daran wird schoͤpffen koͤnnen. Vielleicht giebt GOTT gnade/ daß in nicht langer zeit einige bessere moͤgen an hand gebracht werden. Jndessen so halten wir die examina auff diese weise/ daß ohne den eigen cathechismum Lutheri die ju- gend das wenigste nicht auswenig zulernen angewiesen werde/ sondern die etwas erwachsene allen die fragen (auch wohl anderer catechismus erklaͤhrungen) zu hau- se lesen/ und als denn werden sie allein von dem verstand der sachen/ so gehandelt werden/ examiniret/ daß sie gemeiniglich mehr mit eignen worten ihre meynung er- klaͤhren/ als concepta formalia her reciti ren; indem uns um den verstand/ nicht die worte/ zu thun ist; Daher die fragen pro re nata geaͤndert/ und bald so bald so eingerichtet werden/ damit aber jene schon vorher moͤgen wissen/ was etwa in der kinderlehr vorkommen solle/ so pflege ich von unterschiedlich jahren her/ alle Sontag das exordium meiner predigt davon zunehmen/ was nachmittag in dem examine vorkommen soll/ und tracti re es also/ wie es nachmahl soll examini ret werden: finde auch das es durch GOttes gnade nicht ohne nutzen abgehet. Je- doch wuͤnschete ich in vielen freyere haͤnde/ nachdem es zur erbauung dienlich er- achtete/ alles anzuordnen/ daran aber vieles noch manglet/ und GOTT befohlen werden muß/ ob er zu einem und anderen/ so jetzo noch nicht zu erlangen/ kuͤnfftig hin besser gelegenheit zeigen wolte. Welches er auch aller orten gnaͤdiglichst thue/ und seinen nahmen immer weiter verherrlichet werden lasse. SECTIO XXI. V on den besondern versammlungen. J Ch bedancke mich zum allerfoͤrdersten dienstlich/ wegen der genommenen muͤ- he und bruͤderlichen vertrauens/ aus deme nach meiner bitte dieselbe ihr wohl meinendes bedencken mir haben communici ren wollen. Jch habe nun- mehr etlich und 20 Christlicher und der kirche nuͤtzlich dienender maͤnner bruͤderli- che und treue bedencken uͤber meine præfation empfangen: unter welchen mich auch das von Eure Wohl-Ehrw. hertzlich erfreuet/ und bekraͤfftiget. Wolte GOtt/ wir sehen auch diese freude/ daß was von vielen Christlichen hertzen gebillichet/ und nuͤtzlich erkant wird/ auch an ein und ander orten in das werck gerichtet/ und also ei- niger nutz geschaffet wuͤrde/ in deme sonsten alle anstellende consultationes verge- bens sind. Was Euer Wohl-Ehrw. bedencklich achten/ wegen der versamlun- gen/ da die zuhoͤrer ihre dubia proponi ren moͤchten/ bin nicht in abrede/ daß auch O noch Das sechste Capitel. noch zwey Theologi / deren der eine Professor in einer benachbarten Universi taͤt denselben vorschlag/ in bedacht gezogen/ und gesorget haben/ es moͤchte der kir- che einige unordnung daraus entstehen/ gleichwohl setzte der eine dabey/ daß wo dergleichen eingefuͤhret waͤre/ und von einem guten mann in seinen gewissen schraͤncken dirigirt wuͤrde/ wolte ers so gar nicht unbillichen/ daß ers auch lobete/ a- ber je g lichen orts finde er nicht/ daß es an zustellen waͤre. So bringen auch die von Euer Wohl-Ehrw. angefuͤhrte ursachen so viel zu wegen/ daß freylich mit sol- cher sache behutsam und bedaͤchtlich zu verfahren/ wo man den verlangten nutzen dardurch erhalten soll. Jedoch halte ich davor/ daß alle dergleichen sorgende un- ordnungen oder beschimpffung der predigern wohl verhuͤtet werden koͤnne/ wo die sache also angestellet wuͤrde: daß wer dergleichen in gedancken hat/ nicht so bald mit vielen die sache anfange/ sondern wo er erstlich eine zeitlang etliche gute gemuͤ- ther/ die sich das wort Gottes vor andern lassen angelegen seyn/ kennen lernen/ und sie zu fleißiger lesung der Schrifft angefrischet/ sie aber wie gewiß geschehen wird/ finden werden/ daß sie nicht aller orten fortkommen koͤnnen/ mag sich alsdann dazu anerbieten/ daß er ihnen hierinnen willig an hand gehen wolte/ und sie deswegen zu gewissen zeiten zu sich kommen lassen/ un dergleichen uͤbung unter gantz wenigen gu- ten gemuͤthern anfangen. Wo gleich unter ihnen dieses ausgemacht werden muͤ- ste/ daß sie gantz nichts hohes/ subtil es/ fuͤrwuͤtziges suchen wolten/ sondern blosser ding bey der einfalt/ und denen dingen/ die sie in nothwendiger staͤrckung des glau- bens bekraͤfftigen und zur uͤbung der wahren Gottseligkeit antreiben moͤchten/ blei- ben. Was wegen dann alle fragen/ die nicht dazu nuͤtzlich waͤren/ so bald abge- schnitten werden solten. Wann solches einmahl lex congressuum ist/ so berufft man sich darauff nachmahl allezeit. Jst auch von den ersten/ welche von guter Christlicher intention zu seyn præsupponi ret werden/ dergleichen nicht zuvermu- then/ daß sie nicht entweder sich dergleichen unnuͤtzlicher frag von selbs enthalten/ oder so bald mit geschehener abweisung solten zu frieden seyn. Jch wolte auch die- ses rathen; Wo zu erst eine solche frag von jemand kaͤme/ da man erkennete/ daß es aus guter meinung geschehe/ entweder solche auch abzuleinen/ und so bald zu weisen/ wie uns nichts zu erbauung aus deroselben beantwortung zuhoffen/ oder das erste- mahl drauff zu antworten/ mit dem vorbehalt/ kuͤnfftig dergleichen nicht weiter zu- thun: Saͤhe man aber/ daß es von einem suͤrwitzigen ingenio kaͤme/ gar zur antwort sich nicht zuverstehen/ sondern wie unnuͤtz es waͤre/ so bald zu weisen. Auff keine dieser weisen/ wann mit freundlichkeit den leuten begegnet wird/ ist einige ver- achtung zubesorgen; sonderlich weil die andere/ so dabey sind/ wann je ein fuͤrwi- tziger etwas dergleichen movi ret haͤtte/ und nicht abgewiesen zu werden gemeinet/ leicht auff die vorstellung beyfall geben/ und zufrieden seyn werden. Wann also erstlich der grund unter etlichen besten gemuͤther aus einer gemeinde geleget/ und die sache in ordnung gebracht/ so moͤchten allgemach mehr und mehr andere/ so auch ver- ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO XXII. verlangen darnach haͤtten mit zu gezogen werden/ die aber gleich sich nach den ersten zurichten verbunden waͤren. Jedoch hat jeder seines orts zu sehen/ was nach denen jeder orten varii ꝛenden umstaͤnden bey ihm das vortraͤglichste und erbaulichste seyn mag. Der vorschlag/ die Bibel in die jugend in den schulen zu bringen/ ist auch vortrefflich/ und billich von jeglichen so etwas darzu zu thun vermoͤgen/ zu practi- ci ren: Dann dabey bleibts/ je reichlicher das wort GOttes/ je mehrere und ge- wissere fruͤchten desselben sind zu hoffen. 1675. SECTIO XXII. W egen der in Schweinfurth angefangenen Christlichen uͤbung und zusammenkunfft. Auch von art des Franckfurtischen Collegii. E Uer Wohl-Ehrw. angenehmes schreiben ist mir zu einer solchen bequemen zeit eingehaͤndiget worden/ daß gleich wie es mich an und vor sich selbs zu aller zeit wuͤrde erfreuet haben/ es aus sonderlicher schickung GOttes die stunde angetroffen/ daß der grundguͤtige GOTT mich durch desselben einhaͤndigung in meiner damahligen sorge und bekuͤmmernuͤß hat auffrichten und troͤsten wollen/ welches auch dardurch nicht wenig geschehen/ da ich seiner goͤttlichen guͤte davor demuͤtigsten danck sage/ auch Euer Wohl-Ehrw. durch die solches geschehn gleich- falls zu fleißigem danck/ mich verbunden erkenne. Jch habe aber die allweise guͤ- te unsers getreuen GOttes in tieffster demuth mit imbruͤnstigen danck zu preisen/ daß solche unsere allhier von einigen jahren aus antrieb Gottseliger gemuͤther/ (wie ich dann vor mich selbs solches nicht/ sondern auff ersuchung angefangen) gepfloge- ne uͤbung in Goͤttlicher erkaͤntnuͤß und dero fruͤchten auch ausser den gewoͤhn- lichen ordenlichen kirchen versammlungen mit privat und bruͤderlicher unterre- dung sich zu bekraͤfftigen dermassen gnaͤdigst gesegnet/ daß neben dem/ wie ich hoffe/ es aus seiner gnade auch hie bey denjenigen/ die zusammen kommen/ nicht gantz oh- ne frucht wird abgegangen seyn/ auch solches exempel in deroselben Christlichen ge- meinde einige GOttselige hertzen zur nachfolge gereitzet/ daß durch Eure Wohl- Ehrw. treuen dienst denselben zu einer gleichen erbaulichen uͤbung bißher gelegen- heit gemachet/ auch dieselbe bereits in das dritte jahr fruchtbahrlich fortgesetzet ist worden. So hertzlich wir uns/ ja uͤber nichts hoͤher/ zuerfreuen haben/ wo wir sehen/ daß der eiffer zu goͤttlichen wort und dessen betrachtung waͤchset/ weil solcher niemahlen ungesegnet bleibet/ sondern allezeit reiche fruͤchten zu heiligung goͤttlichen nahmens/ seines reichs befoͤrderung/ und vollbringung seines heiligen willens ohn- fehlbarlich nach sich ziehet/ so hertzlich hat so wohl mich als andere den wachsthum des reichs Christi liebende freunde diese angenehme post erfreuet/ daß da wir bißher O 2 von Das sechste Capitel. von niemand anderwertlich gewust/ der dergleichen privat- uͤbung ins werck gese- tzet/ wir nunmehr vernehtuen/ daß schon vor geraumer zeit in desselben geliebten statt eine solche vor die hand genommen/ und bißher nicht ohne verspuͤrte frucht sortgesetzet worden: mit der Christlichen hoffnung und bitte zu dem Allerhoͤchsten/ daß er ihr heiliges vorhaben ferner gnaͤdiglich befoͤrdern und segnen/ auch reichere fruͤchte daraus entspringen lassen wolle/ als wir noch hie erlangt zu haben bey uns finden/ ob wohl wir taͤglich nach ferneren in goͤttlicher furcht uns zubestreben/ nicht nachlassen werden. Daß aber deroselben Gottseliges vorhaben und uͤbung biß- her nicht ohne laͤsterung und ungleiche urtheil geblieben/ haben sie sich je nicht zu verwundern/ sondern/ wuͤrde eher zu verwundern/ ja daraus ob waͤre die fache nicht hertzlich zu GOttes ehre gemeint/ zu sorgen gewesen seyn/ wo sie unterblieben waͤ- ren. Christus muste/ da er in dem fleisch herum gieng/ sich selbs/ sein amt und ver- richtung/ auffs gifftigste laͤstern lassen/ warum solte es dañ seinen gliedeꝛn und geist- lichen leib in den jenigen stuͤcken/ wo sie mit hertzlichem eiffer allein seine ehre zu su- chen zeigen/ anders gehen/ oder von ihnen anders erwartet werden? Wir wissen wie listig der teuffel/ dabey aber allem wordurch GOttes ehre befoͤrdert wird/ spinnen feind ist/ daher gleich wie er bey jeglichem werck gar leicht erkeñet/ ob sein reich dar- durch einigen abbruch leiden moͤchte/ also widersetzt er sich so bald allem demjenigen vorhaben/ welches er zu deme ihm so widrigen zweck angesehen und ersprießlich zu seyn nach seiner scharffsinnigkeit erkennet. Und ist sonderlich zu bejammern daß er alsdann eine solche sache verdaͤchtig und verhasst zu machen/ sich nicht nur seiner gewoͤhnlichen werckzeuge/ Gottloser und bekantlich nach der weltgesinter leute ge- gebraucht/ sondern auch solchen leuten/ die sonsten guter intention sind/ ihrem GOtt zu dienen/ nachstellet/ und ihnen eine ungleiche meinung davon bey zubrin- gen trachtet. Damit also wo jene/ die sich gantz von ihme regieren lassen/ offen- bahrlich das gute laͤstern/ und boͤses davon reden/ diese entweder aus leichtglau- bigkeit/ von jener boͤsen urtheil sich zu viel einnehmen lassen/ oder aus andern fleischlichen considerationen, ungnugsamen verdachte/ eingebil- deter neuerung/ forcht anderer gefaͤhrlichen consequenz en/ und was dergleichen passio nen mehr seyn moͤgen/ von guten dingen/ die sie niemahl recht gruͤndlich untersucht und erkant/ uͤbel urtheilen/ und offters weil sie sonsten in guter existima- tion sind/ mit solchem ungleichen judici ren, mehrschaden thun/ als jene gottlose/ dero urtheil bey niemanden/ so nun etwas seinen GOTT liebet/ viel geachtet wird. Und ist kein zweiffel/ daß der teuffel sonderliche freude daran hat/ wo also er auch zu seiner absicht etwas gutes in verdacht zu bringen/ die jenige ihnen un- wissend bewogen/ welche sonsten mit willen von ihme sich nicht wuͤrden gern wollen mißbrauchen lassen. Jn dessen wo wir in einer sache versichert sind/ daß sie an sich selbst christlich und loͤblich/ so dann die absicht auch lauterlich zu GOttes ehren ge- richtet/ muß uns nachmal kein solch widriges urtheil schrecken/ vielmehr den eyffer zu ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XXII. zu dem guten staͤrcken/ weil uns dieses eine ehre ist/ um das gute verlaͤstert zu werden/ und darinnen ein stuͤck der schmach Christi zu tragen. Dabey wir vor die jenige hertz- lich beten wollen/ die/ es seye nun aus boßheit oder unwissenheit/ uns zuwider seind/ das ihnen GOTT die suͤnde vergeben/ des wegen zu der erkaͤntnuͤß zum forder- sten bringen wolte: So dann so viel vorsichtiger daß werck fuͤhren/ daß der teuffel in an sich guter sache nichts finde/ so er mit einigen fug oder ziemlichen schein ferner schelten/ und laͤstern koͤnte. Wohin auch goͤttlicher rath/ daß er dem teuffel und der welt dergleichen zu laͤsset/ ohn zweiffentlich gehet/ nemlich der seinigen hertzen mit so vielmehr eyffer anzuflammen/ und zu verhindern/ daß sie nicht/ wo sie ohne allen widerspruch waͤren/ sicher wuͤrden/ und leicht in unvorsichtigkeit ob wol in gutem vorhaben fehlen wuͤrden. Hie hat es auch an dergleichen ungleichen urtheilen nicht ermanglet/ ja auff die stunde sind sie nicht gestillet/ und haben noch vor wenig wochen einige ihr verlangen und hoffnung bezeuget/ daß mir solche uͤbung moͤchte inhibiret werden. Jch habe mich aber/ weil ich sie auch leicht vorgesehen/ und al- so die resolution in antecessum fassen muͤssen/ wenig dran gekehret/ aber die- sen nutzen davon gehabt/ daß ich mit andern meinen GOTT so viel hertzlicher an- ruffe/ und auff mich acht gebe. Was meine Herrn Collegas anlangt/ so sind zu anfang selbs etliche zuweilen mit dazu gekommen/ und damit ihren consensum gezeiget/ so zwar bißher/ wegen so viel habender laborum, von ziemlicher zeit fast unter blieben/ ohne daß zu zeiten einer sich annoch einfindet. Es hat aber mit ge- nehmhaltung meiner præfation (davon nachmahls) das gantze Collegium sich zu billichung eines solchen instituti verstanden. Von den personen des hochloͤb- lichen Magistratus, weiß ich/ das unterschiedliche gantz ehrlich darvon halten/ auch den ihrigen gestatten/ sich dabey einzufinden. Es war auch ein gottseliges mit- glied derselben/ so aber nun mehr selig verstorben/ der selbs zu mehrmahlen dieselbe congressus besuchet: Doch leugne nicht/ daß auch unter denen/ welche ad cla- vum reipublicæ sitzen/ etliche sind/ welche der sache nicht guͤnstig/ und wo es bey ihnen stuͤnde/ sie gern hinderten. Was die Ew. Wol Ehrw. und dero privat-ver- sammlung vorgeruͤckte beschuldigungen anlangt/ sind solche so gar unerheblich/ daß sie auch bey den jenigen/ welche etwas von GOttes furcht haben/ nicht nur einigen schein finden werden. Dann was die aufflage der winckel-predigten betrifft/ so wuͤrde solche beschuldigung Christum auch betroffen haben/ welcher nicht nur in dem tempel und den schulen/ sondern in haͤussern/ und wo es die gelegenheit gegeben hat/ zum oͤfftern geprediget/ und ist ja GOttes wort nicht an zeit oder staͤt- te gebunden/ sondern wo es reichlich unter uns wohnen soll/ so muͤssen damit nicht nur die kirchen/ sondern auch unsere privat-haͤuser davon erfuͤllet werden. Ja wie moͤgen wir der pflicht unsers allgemeinen priesterthums/ krafft dessen wir alle verkuͤndigen sollen/ die tugend des der uns beruffen hat von der finster- O 3 nuͤß Das sechste Capitel. nuͤß zu seinem wunderbahren liecht 1. Petr. 2/9. gnug thun/ wann alle hand- lung goͤttlichen worts auff das jenige allein gezogen werden soll/ was der Pfarr- herr auff oͤffentlicher cantzel vortraͤget? Ach wie viel anders hat hievon die erste kirche gehalten/ und wo Christen zusammen gekommen/ zeiget/ daß das einig- nothwendige auch ihre einige staͤte sorge/ freude und vergnuͤgen seye. Was die verwerffende Juͤdische Sabbaterey anlanget/ hat auch solche nicht nur einen schein/ dann wo dieses keine Juͤdische Sabbatherey ist/ wo ein frommer Christ ausser dem offentlichen GOttes-dienst/ die uͤbrigen stunden seines lieben Sonntags zu gottseligen betrachtung/ lesung/ gebet/ gesang/ anwendet/ sondern auch die jenige/ welche die ernstliche feyer des Sabbaths nicht eben vor geboten achten/ auffs wenigste dergleichen allen rathen/ wie solle denn dieses etwas Judisches an sich ha- ben/ wo es in einer versamlung von mehrern frommen Christen geschiehet? Es bedarff aber nicht viel antwort weil die vorwuͤrffe von keiner wichtigkeit. Jn dem uͤbrigen die sache selbs betreffend/ daß dergleichen christliche zusammen kuͤnfften moͤchten angestellet werden/ in denen auch andere gottselige hertzen bey tractirung goͤttlichen worts moͤchten ihre gedancken und d ubia proponiren, so in den pre- digten nicht geschehen mag/ habe ich neulich in einer præfation oͤffentlich vorge- schlagen/ und der der kirchen bestens verstaͤndigen Theologis zuweiterem nach- dencken vorgelegt. Davon bereits auch unterschiedliche ihre bey pflichtung mich erfreulich haben wissen lassen. Jch habe auch solche præfation, bevor sie gedruckt worden/ meine in gantzem collegio pastorali vorgelegt/ welche sie gantz in unseren wochentlichen conventu verlesen gehoͤret. Und ihren bruͤderlichen consensum bezeuget. Von solcher præfation sende ich mit erster gelegenheit/ weil es durch die post nicht geschehen kan/ ein exemplar, und werde auch Ew. Wol Ehrw uͤber allerhand darinnen wichtige doch einfaͤltige vorschlaͤge bruͤderliche und wolmei- nende gedancken und erinnerungen/ darum ich freundlich bitte/ erwarten. Wei- len auch E. Wohl Ehrw. uͤber die art/ wie dieselbe bißher ihr exercitium ange- stellet/ meine wenige gedancken verlangen/ so habe auch in diesem schuldiger mas- sen folge leisten sollen/ nicht der meinung/ deroselben oder ihren geliebten freunden in dem jenigen/ was sie bißher nutzlich befunden/ etwas vor zu schreiben/ sondern meine einfaͤltig gutachten auß auffrichtigen hertzen zu communiciren, und mit der jenigen freyheit/ als sie selbs finden werden/ das jenige draus zu belieben/ so sie nuͤtzlich erachten moͤchten/ hingegen in andern dingen sich nach dem jenigen zu rich- ten/ wie sie etwa selbs bißher die sache anders ihnen dienlicher und nutzlicher befun- den haben; zu forderst habe ich gern verstanden/ daß sie die heilige Schrifft selbs als den brunnen/ aus welchem/ was gutes in andern buͤchern ist/ hat herfliessen muͤs- sen/ vor die hand genommen haben. Jch habe mich laͤnger auffgehalten in an- dern buͤchern/ die ob wol erbaulich/ dennoch der heiligen Schrifft nicht gleich zu achten seind. Daher es noch kein jahr/ das wir angefangen/ die Bibel mit ein- an- ARTIC . I. DISTINCT. I. SECTIO XXII. ander zu lesen. Wuͤnschte aber so bald anfangs solches gethan zu haben. Hin- gegen bin ich nicht in abrede/ daß ich vor rathsam geachtet haͤtte/ daß nicht das Alte Testament zuerst wuͤrde tractir et/ sondern weil das Neue das jenige liecht ist/ aus welchem die dunckelheit des Alten erleuchtet werden muß/ auch unsere Chri- sten pflicht unvergleich heller u. nachtruͤcklicher in dem Neuen als Alten uns vor au- gen geleget wird/ so achte vor rathsam/ daß die lection des Neuen Testaments vorginge/ nach dero folgendes das Alte so viel nutzlicher vor die hand wird genom- men werden koͤnnen welches ich nicht verachte/ aber dem Neuen solchem weit nachsetze. So stuͤnde auch dahin/ ob fast nicht rathsammer waͤre/ wo das Neue Testament beliebig seyn solte daß es bloß/ ohne beygesetzte erklaͤrung gelesen wuͤrde/ Wir pflegen es ietzt also zu halten: Nach dem ich erstlich eine gantze pe- ricopen eines capitels gelesen/ um insgemein den verstand und cohærenz einer historie/ oder sonsten eines gantzen passes/ zu haben/ so lese ich wiederum den er- sten versicul, und sage entweder alsobalden meine einfaͤltige gedancken daruͤber/ so viel zu dem buchstaͤblichen verstand gehoͤret/ oder frage ob jemand etwas bey dem- selben zuerinnern. Da dann die geuͤbtere unter den gegenwaͤrtigen ihre meinung/ wo ihnen etwas beyfaͤlt/ vorbringen/ was sie von dem verstand solches verses deuchte oder wozu sie solchen zur lehre oder erbauung des lebens nutzlich erachte- ten/ alles in groͤssester einfalt. Wie dann so bald jemand curiose und subtile, zu erbauung undienliche fragen vorbringen wolte/ so werden solche so bald gleich abgeschnitten/ und gezeigt/ wie wir davon nichts gebessert waͤren/ von solcher ma- teri zureden. Wo nun andere ihre erinnerung gethan/ oder so auch niemand nichts vorgebracht/ so setze entweder selbs etwas von dem gebrauch des verses dazu/ oder bekraͤfftige das jenige/ was vorgebracht worden. Alles ohne weiter gesuch und wie sichs selbs giebet. Es geschehen etwa auch einige paræneses dazwischen/ wo die pflichten unsers Christenthums gehandelt werden/ nach zu sehen/ wie weit wir noch davon seyen/ oder ob wir an solcher uͤbung den anfang gemachthaͤtten: Wie hoch uns hieran gelegen: Wie wenig etwa dran gedacht werde. Sorgfaͤltig aber wird verhuͤtet/ das man in unserm congressu niemand anders urtheile/ und etwa was in der statt von andern geschiehet/ unter die censur nehme/ welches das gefaͤhrlichste seyn wuͤrde/ so das gantze gute vorhaben verstoͤrete: sondern/ wir ha- bens in solcher uͤbung allein mit uns selbs zuthun/ ohne das insgemein gezeigt wird/ wie jeglicher seine Christliche liebe in sanfftmuͤtiger zurechtbringung seines irrge- henden bruders moͤchte und muͤste erweisen. Damit auch getrachtet wird/ son- derlich unter den jenigen/ welche gewoͤhnlich zusammen kommen/ eine so viel genau- ere christliche freundschafft zu stifften/ daß je einer aus hertzlicher liebe auch auff sei- nen mit-bruder acht gebe/ und wo er ihn in gefahr oder irrweg siehet/ ihn freund- lich erinneren/ und der andere solches aus liebreichen vertrauen herkommende auch bruͤderlich auffnehmen solle Welches auch in Ew. Wol Ehrw. exercitio zu- Das sechste Capitel. zugeschehen und getrieben zu werden nicht zweiffle/ sondern die meldende christli- che unterredungen dahin gemeinet zu seyn erachte. Wie es denn freylich an de- ne/ das alles unser suchen und forschen in der Schrifft nichts seyn wuͤrde/ wo wir nur wolten das jenige suchen/ daß wir die wahrheit wuͤsten/ ohne begierde auch in derselben zu wandeln/ und also unser gantzes leben nach dem exempel dessen/ der der weg/ die wahrheit/ und das leben selbst ist/ anzustellen. Haben wir aber sol- ches hertzliche vornehmen/ und pflantzen in betrachtung und handlung der wahren lehre/ so hievon in dem Neuen Testament enthalten ist/ diesen guten samen in un- ser und anderer hertzen/ so sind alsdañ die bruͤderliche erinnerungen/ da jeglicher aus liebe neben sich auch auff den andern acht gibt/ und ihn zugleich zubesseren sucht das nutzlichste begiessen. Auff welches auch der segen von oben herab nicht wird aussen bleiben. Jch bin aber der gaͤntzlichen zuversicht/ daß alles dieses ohne mich bereits gnug von E. Wol Ehrw. und dero freunden getrieben werde/ und auff solchen zweck ihre gantze uͤbung gerichtet seye; Doch habe nicht unterlassen wol- len/ auff freundliches ansinnen solche meine wenige gedancken mit zu uͤbersenden/ und auffs wenigste zuzeigen/ das auff gleiches absehen auch zwecke/ ob sie auch dar- durch so vielmehr gestaͤrcket werden koͤnten. Wie ich von mir bekenne/ daß ich al- lezeit auffs neue mich bekraͤfftigter fuͤhle/ so offt von andern christlichen bruͤdern de- roselben consensum vernehme/ in dingen worinnen ich einige erbauung gesuchet moͤchte haben. Wo mit dann schliesse und nochmahln den Vater alles guten von hertzen und inbruͤnstig anruffe/ daß er aller orten/ und sonderlich auch bey ihnen/ in ihrer gottseligen uͤbung seinen nahmen ferner geheiliget/ sein reich erweitert und fester gegruͤndet/ und seinen wuͤrdigsten willen kraͤfftig vollbracht wolle lassen werden. Er gebe euch (Eph. 3.) krafft nach dem reichthum seiner herrligkeit/ starck zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen menschen/ und Christum zu wohnen durch den glauben in euren hertzen/ und durch die liebe eingewurtzelt und gegruͤndet wer- den/ auff daß ihr begreiffen moͤget mit allen heiligen/ welches da seye die breite/ und die laͤnge/ und die tieffe/ und die hoͤhe/ auch erkennen/ daß Christum liebhaben viel besser ist als alles wissen/ auff daß ihr erfuͤllet werdet mit allerley GOttes fuͤlle. Dem aber/ der uͤber schwenglich thun kan uͤber alles/ das wir bitten oder verstehen/ nach der krafft/ die da in uns wircket/ dem seye ehr in der gemei- ne/ die in Christo Jesu ist/ zu aller zeit/ von ewigkeit zu ewigkeit. A- men. 10. Aug. 1675. SECT. ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO XXIII. SECTIO XXIII. V on praxi der piorum desideriorum. N icht erst auff allgemeine anstalten zu warten/ sondern in jegli- chen gemeinden anzuheben. Was von einem ge- neral-synodo aller Religionen zu- halten. D Aß Ew. Wohl Ehrenv. meine einfaͤltige/ aber treu gemeinte/ gedancken in der gemachten vorrede ihro belieben lassen/ erfreuet und bekraͤfftiget mich so vielmehr. Es wird ietzo diese vorrede besonders in kleinem format getruckt/ zusamt eines christlichen Theologi sehr stattlich gemachten additio- nen und animadversionen. Soll geliebtes GOtt in die messe heraus kom- men. GOTT lasse nur auch einige frucht zur verlangter erbauung und besse- rung folgen. Dann wo nichts werckstellig gemachet wird/ so sind alle consul- tationes endlichen vergebens. Jedoch hoffe/ es werden einige gottselige Theo- logi seyn/ die ihres orts nicht ermangeln werden/ etwas davon in uͤbung zubrin- gen. Wie dann es auch lauter solche vorschlaͤge sind/ die fast von jeden The- ologo und prediger/ auffs wenigste gantzem ministerio, seines orts etlicher massen werckstellig gemacht werden moͤgen/ und nicht noͤthig haben/ daß erst an- derwertliche hilffe dazu erwartet werde. Jn dem ich sehe/ daß wo man auff sol- che warten will/ so versaͤumet man endlich alles/ weil das jenige/ worauff man wartet/ doch nicht geschicht. Daher fuͤr dißmahl fast nichts mit unter mischet ha- be/ worinnen man des weltlichen und obrigkeitlichen stands und seines arms son- derlich benoͤtiget waͤre: sondern lauter solche dinge/ da es allein bedarff/ daß ein treuer diener GOttes sein amt fleißig thue/ und anfangs etliche/ allgemach aber andere mehrere/ in seiner gemeinde gewinne. Und komme ich mehr und mehr auff die gedancken: Nach dem wir insgemein die Consilia von dem mitteln/ die zwar die kraͤfftigste waͤren/ daß nemlich alle drey ordines, sonderlich aber die zwey obere/ mit gesamter hand zusammen setzten/ und dem werck auß dem grund zu helf- fen suchten/ auch die widersetzliche damit in etwas zu zaͤhmen vermoͤchten/ gantz fruchtloß abgehen sehen/ weil solche zusammen setzung weder bißher erhalten wor- den/ noch jetzo mehrere apparenz ist/ daß sie zu nechst folgen werde: Daß dann fast am dienlichsten seyn wolle/ wir unterlassen zwar auch jene consilia nicht/ son- dern treiben nach vermoͤgen/ ob eine allgemeine oder doch eine merckliche zusam- mensetzung der ordinum erhalten werden koͤnte/ aber setzen gleichwol nicht alles biß dahinauß/ sondern/ greiffen jeglicher seines orts die sach auff die art an/ wie wir bereits jetzt vermoͤgen. Das geschiehet dann/ wo jeglicher prediger bey seiner P ge- Das sechste Capitel. gemeine sich das werck des HErren mit ernst laͤsset angelegen seyn: und zwar also/ (als wo hin alle meine vorschlaͤge mit abzwecken) daß er die allermeiste muͤhe nehme an denen jenigen gliedern seiner gemeinde zu arbeiten/ die er erkennet/ daß sie ohne das schon von GOtt den meisten trieb und gute intention haben/ ihrem Christenthum/ als dem einignothwendigen vor allem abzu warten/ die vor an- dern/ die ἔυϑετοι sind zu dem reich GOttes Luc. 9/62. Mit denen gehe denn der prediger viel und offters um/ suche sie zu der Schrifft/ und in derselben immer tieffer hinein zu tringen/ so wol in fleißigem privat-lesen/ als wo sichs thun laͤßt/ derglei- chen conferenzen, davon ein vorschlag gethan; er gebe so fleißig acht auff sie/ gleich ob waͤren sie ihm allein anbefohlen/ bemercke ob und wie sie zu nehmen/ son- derlich ob und wie ihr leben die f r uͤchten der erkaͤntnuͤß weise oder nicht: Er stiffte unter solchen leuten selbs eine heilige und vor andern genauere freundschafft/ daß sie acht ieglicher auff sich selbs und seine bruͤder haben/ und unter sich ihr priester- liches amt eyffrig zutreiben/ eine weil sich gewoͤhnen/ da bin ich versichert/ daß durch GOttes segen/ es nicht so lange anstehen solle/ daß nicht in einer gemeinde ein gesegnete außwahl bald sich zeigen solte/ von solchen/ die rechte kern-Christen sey- en/ und mit welcher hilff nachmal der prediger vieles/ so sonsten ihm allein nicht muͤglich waͤre/ außrichten moͤge. Jhr gut exempel/ die unter sich uͤbende bruͤder- liche liebe/ und bezeugungen aller christlichen pflichten gegen jederman/ wird bald andere bewegen/ sich auch dazu zuschicken/ und hingegen die gantze ruchlose/ wo nicht bessern/ doch gantz schamroth machen. Und zu solchen allen beduͤrffen wir weder zwang noch viele weitlaͤufftige anstalten/ sondern kan mit anruffung GOttes der- gleichen von jeglichen predigern geschehen; Dabey aber die gewisse hoffnung ge- macht werden; Wo in unterschiedlichen gemeinden dergleichen anzahl von wah- ren Christen werden gesamlet werden/ so moͤge solches ein anfang seyn zu viel kraͤff- tiger reformation, dazu man jetzo noch nicht kommen kan. Jetzo manglets ge- meiniglich daran/ daß weil der jenigen/ die einem prediger anvertrauet sind/ alzu- viel sind/ mans bey dem allgemeinen bleiben laͤsset. Da haben alsdenn die gute ge- muͤther keine gelegenheit zu zunehmen/ ihr eyffer wird nicht excitirt, oder densel- ben mit zulaͤnglichem beystand geholffen/ daher er auch erkaltet/ und gehet damit jeder wiederum den gewohnlichen weg/ und gedencket nicht taͤglich zu zunehmen; es kennen christliche gemuͤther sich nicht selbs untereinander/ und weißt also nie- mand fast/ von wem er erbauet werden/ oder wo er erbauen koͤnte. Damit blei- bet alles stecken/ und haben die auch ruchlose keine rechtschaffene exempel vor sich/ die ihnen in die augen leuchteten. Deme allem ziemlich gerathen waͤre/ wo sich ein prediger auff diese weise zu der sach anschickte/ nachmal erwartende anderer kraͤff- tiger mittel/ damit folgens weiter durch getrungen/ und die in dem weg gelegene hindernuͤssen der widersetzlichen uͤberwunden werden moͤgten. Woran es GOtt/ wo wir jetzo bereits seiner gnade uns so gebrauchen als uns gegeben ist/ nicht wird er- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT. XXIII. ermanglen lassen. So sollen wir dennoch mit hertzlichem anruffen GOttes einen muth fassen/ und dem fuͤrsten dieser welt mit einem strategemate eines abgewin- nen/ daß da er meinet/ sein reich sicher gnug zu behalten/ in dem er an hohen orten durch seine hoff- und regiments teuffel die allgemeine versassungen und consilia hindert/ und sich vor dem uͤbrigen wenig befahrt/ er endlich sehe/ daß man auff an- dere weise ihm nachtruͤcklich eingebrochen/ und ein loch in seine sestung gemacht. E. Wol Chrnv. hertzlichen eyffer lobe und liebe ich hertzlich: wuͤnsche auch von dem aller Hoͤchsten nachtruͤcklichen succeß. Kan auch nicht unbillichen/ wo E. Wol- Chrnv. auff den Creiß- oder Reichs-tag deswegen etwas ansuchung thun wolte. Jch bekenne aber dabey offenhertzig/ daß ich noch wenig hoffnung sehe einer guten folgenden frucht: Auch mich entsinne/ daß grossen theils/ wo GOtt seiner kirchen hat helffen lassen/ solches nicht geschehen seye durch vor der welt ansehnliche mittel/ und mit-wuͤrckung der grossen in der welt: Sondern gemeiniglich geschahe es durch geringe anfaͤnge/ da man dergleichen viele gute fruͤchte nicht hoffen koͤnte/ biß endlich GOtt die hand derer mit dazu kommen hat lassen/ die er zu seines reichs amtleuten gemacht. Jedoch sind die wege des HErrn wunderbahr/ und uns un- erforschlich/ und jetzt braucht er diese/ ein andermahl ein ander art. Daher man allerley versuchungen/ und endlich dem HErren die sache befehlen mag/ welchen weg er zu seinen ehren segnen wolle. Was einen General-synodum von allen 3. Religionen anlangt/ sorge ich/ daß bey dem werck unuͤberwindliche difficulteten seyen. Dann 1. von Paͤpstischer seite nimmermehr darin mag gehellet werden/ weil ohne des Papsts consens etwas dergleichen nur in die gedancken zufassen/ bey ihnen das groͤste crimen læsæ majestatis pontificiæ waͤre. Von dem Papst aber ist eine solche permission nicht nur zu hoffen/ man gebe ihm dann/ daß er das præsidium und directorium ea autoritate fuͤhre/ welches er in allen nur etlicher massen auff das geistliche reflectiren den sachen prætendiret. 2. So ist ein grosses stuͤck der vor augen schwebenden greuel eine sache/ so noch zu dem fermento pontificio gehoͤret/ und haben die meiste mißbraͤuche aus dem Papstum den ursprung genommen: Daß viele darunter seind/ so ein Papist be- haupten/ uns zu trutz verfechten/ oder doch entschuldigen wird. 3. So gibt es auch die ratio status Pontificii nicht zu/ daß sie helffe die aͤrgernuͤß unter den Ke- tzern abzuschaffen/ und nur das wenigste darzu zu helffen: Dann je uͤbler es in unsern kirchen hergehe/ so viel mehreren vorwurff haben sie wider uns/ und wol- len also nicht gern/ daß ihnen etwas ihres obwol eitlen und falsch angemaßten ruhms/ daß sie allein seyen/ bey denen die gottseligkeit gefoͤrdert/ und auff die heilig- keit getrieben werde/ entgehe. Ziemlicher aber waͤre es mit einen synodo or- thodoxorum, dadurch vielleicht viel gutes moͤchte gestifftet werden. Utinam vel hanc sperare his temporibus liceret! Nun GOTT wird helffen auff P 2 art Das sechste Capitel. art und weise/ wie ers zu seinen ehren dienlich befindet. Dessen heiliger hut und segen reicher gnade empfehlende verbleibe u.s.w. 1675. SECTIO XXIV. Von unterschiedlichen materi en: V on C atechis- mo. Ob Christus eine fehl-bitte gethan. Klagen uͤber unere zeiten. Academische studia machen nicht alles aus. Arnd. G Leich wie aus dem ersten dessen schreiben mit sonderlicher hertzens vergnuͤ- gung die gnade GOttes in Ew. Wol Ehrw. geleget und die frucht dersel- ben/ einen hertzlichen eyffer zu dero genuß und erkaͤntnuͤß auch alle andere zu bringen/ erkant habe/ und mich eines solchen neuen freundes erfreuet: also bin viel- mehr aus diesem jetzigen in voriger freud gestaͤrcket worden/ und habe ferner er- kant/ wie E. Wohl Ehrw. mit gottseligem fleiß ihro lasse angelegen seyn/ die gruͤn- de unsers catechismi tieffer als insgemein von vielen geschiehet zu untersuchen/ wie auch aus deroselben bruͤderlichen vorschlagen unterschiedliche anweisung gefasset; dero mich nuͤtzlich gebrauchen werde. Meine wenige arbeit uͤber den catechi- smum belangende/ habe vor deme niemahlen daran gedacht dergleichen zu publici- ren/ ob wol bereits von unterschiedlichen jahren alle sontags loco exordii das jeni- ge aus dem catechismo tractire/ was nachmittag in der kinder-lehr vorkom- men solle: Es haben aber andere gute freunde bißher getrieben/ daß ich mit Gott den entschluß gefasset/ deroselben gut achten platz zu geben. Verhoffe auch/ wo GOtt leben und gesundheit giebet/ auff kuͤnfftige herbst-meß solches in dem truck fertig zu haben. Von der liebe unser selbs/ habe bißher allezeit in meinen catechismus-exordiis nach meinem vermoͤgen zu handlen gepfleget/ so wol von der unordentlichen selbs-liebe/ bey dem ersten gebot/ (als das ich solche vor die vor- nemste abgoͤtterey und der meisten suͤnden hauptquelle achte/ dero die verleugnung sein selbs entgegen stehet/ und den menschen zur uͤbung des ersten gebotes wiederum tuͤchtig machet) als von der rechten ordentlichen und GOtt gefaͤlligen selbs-liebe/ auff welche alle verheissungen und troͤstungen ihre reflexion haben/ bey der all- gemeinen tractirung der zweyten taffel des gesetzes/ nicht weniger bey dem 5ten ge- bot/ aus gelegenheit des selbs-mords. Daher auch an solchen stellen in diesen fragen die materi vorkommen solle/ und durch GOttes gnade trachten werde/ daß die sache nachtruͤcklich und einfaͤltig vorgetragen werde. Also was die er- innerung wegen der glaubens-articul/ daß in denselben allezeit das fundament des trostes und nutzens aus jedem stuͤck/ so dann die daraus folgende glaubens- frucht ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XXIV. frucht erwehnet werde/ ist solche sehr wohl gethan/ wird auch von mir mit verlei- hung goͤttlicher gnade beobachtet werden/ wie zwar bißher schon gepfleget/ bey handlung der articul in den exordiis dergleichen meinen zuhoͤrern vorzulegen. Was aber die zehen gebot anlanget/ und die benennung in jeglichen geboten der goͤttlichen eigenschafften/ aus denen dieselbe fliessen/ bekenne ich gern/ das damit nichti getraue zu recht zukommen. Jn dem ersten gebot liget die sache vor au- gen/ und weil wir es darinnen unmittelbar mit GOTT zuthun haben/ so sind freylich solche goͤttliche eigenschafften das fundament unserer seligkeit. Jn den uͤbrigen geboten/ halte ich es mit unsrem S. Luthero/ der allen folgenden geboten ins gemein ein einiges fundament giebt/ die furcht und liebe GOTTes/ und also durch dieselbe die gesamte goͤttliche eigenschafften auff welche alle die furcht und lie- be GOTTes siehet. Also daß die bewegende ursachen des gehorsams in allen geboten seye/ weil ich den heiligsten/ hoͤchsten/ allmaͤchtigsten/ gerechten/ allwis- senden/ allgegenwaͤrtigen GOTT und HERREN fuͤrehte/ und ihn auch als das beste/ liebreichste/ gnaͤdigste/ und wuͤrdigste gut liebe/ dahero mich verbunden erkenne/ auch gantz willich bin/ seinen weisesten und heiligsten willen/ in allem dem/ worinnen er gehorsam von mir erfordert/ gantz und gar nach zugeleben/ und also bereits um seines willens wegen vor das beste zuhalten/ was er mir vorgeschrieben. Nechst diesem allgemeinen fundament, so in allen geboten gleich ist/ so siehe zwar/ das einige gebote etwas mehrere reflexion auff gewisse eigenschafften haben/ ich kan aber solches nicht von allen sagen/ und deuchtet mich fast/ daß die weißheit/ ge- rechtigkeit und guͤtigkeit GOTTes der sonderbare grund sind/ auff deme alle ge- bot der zweyten taffel beruhen; alle drey/ so fern insgemein denselben das jenige/ was in solchen geboten befohlen wird/ gemaͤß ist/ die zwey letzten aber auch/ abson- derlich so fern wir in jeglichem solchen gebot der gerechtigkeit und guͤtigkeit aͤhnlich werden muͤssen/ in gerechtigkeit und guͤtigkeit gegen den menschen. Weiter ver- mag ich in solcher sache nicht zu kommen/ ob wol einer besseren und tieffer fuͤhren- den anleitung meiner seits gern folgen/ und solche annehmen wolte. So ist mir auch allerdings nichts von Schrifften bekant/ wo ich entweder solche antreffen oder guten freunden deswegen eroͤffnung thun koͤnte. Was die vorgelegte frag an- langet/ ob Christus eine fehlbitto gethan: bin ich gantz Ewer Wohl Ehrw. meinung/ hoffe auch was die sache betrifft/ daß nach fleißiger erwegung die jenige lehrer/ so das gegentheil zu behaupten scheinen/ mit uns gern eines sinnes seyn wer- den/ wie ich aber anderer leuthe rede so lang es muͤglich ist/ gern auff das beste aus- lege/ also/ meinte ich/ liessen sich solcher Christlichen lehrer worte/ Christus habe eine fehlbitte gethan/ auff diese gute art erklaͤren und verstehen/ wie in der Schrifft offt einige dinge ausgesprochen werden/ nach dem es bey den leuthen ein ansehen und schein hat/ und von diesem davor gehalten werden moͤchte. Wie hin und wie- der von Philologis bemercket wird/ als Glass. Phil. sacr. 3. 3. can. 18. Also P 3 moͤch- Das sechste Capitel. moͤchte es heissen/ Christus habe eine fehlbitte gethan/ das ist es seye ihm von GOtt seinen himmlischen Vater also begegnet worden/ daß es nicht anders das ansehen gehabt/ als waͤre es eine fehlbitte gewesen. Wie wir auch etwa sagen/ wo jemand in goͤttlicher ordnung/ und also mit ausnahm goͤttlichen willens/ in zeitlichen etwas gebeten/ solches aber weil es GOTT ihm nicht nuͤtzlich zu seyn erkant haͤtte/ nicht erfolget ist/ er habe eine fehlbitte gethan/ weil es vor andern augen das ansehen einer fehlbitte hat/ ob es wohl an und vor sich selbs keine eigentliche fehlbitt ist/ als welcher die sach nicht anders als so und wie fern es goͤttlichem willen gemaͤß waͤre/ verlan- get hat/ und deswegen/ da diese bedingung weggehet/ selbs nicht weiter mehr auff seiner bitte wuͤrde beharret haben. Auff diese art und mit sol- cher erklaͤhrung mag die gebrauchte rede wohl verstanden werden; Da- her auch solchen verstand bey angezogenen Theologis gewesen zu seyn das ver- trauen habe. Jedoch wolte der formul ohne gnugsamen erklaͤhrung/ da- mit sich andere nicht daran stiessen/ nicht gern gebrauchen. Wie ich aber alle- zeit der meinung bin/ wo sich bruͤder an eine art zu reden stossen/ und gleichwohl solches auff andere art ohne anstoß ausgesprochen werden kan/ daß man sich/ wo nicht eine andere wichtige ursach im weg stehet/ derselben so bald lieber enthalten und andere gleich nachtruͤckliche und unanstoͤßige gebrauchen solle. Jn dem uͤbri- gen die meisten klagen/ welche Euer Wohl-Ehrw. fuͤhren/ moͤgen dieselbe versichert seyn/ daß sieauch allen uͤbrigen treuen dienern GOttes gemein sind. Die Cæsa- ropapia trucket uns aller orten gewaltig/ und wie wir zwar GOttes heiligen rath hierinnen auch ehren/ daß er bey gegenwaͤrtigen bewandnuͤß unseres geistlichen standes mit (da wir meistens der kirchen gewalt vielmehr zu unserem eignen gefal- len/ u. nach unseren affect en/ und dahero miß-als zu Gottes ehren und recht gebrau- chen moͤchten) solche gewalt uns nicht frey gelassen/ die sonsten zu dem amt gehoͤren solte; so fuͤhlen doch treue diener des Herren von solchem mangel viel schwehre hindernuͤß/ und muͤssen in vielen zuruͤck stehen/ wo sie durch zutringen wuͤnschten. Dahero nicht leugne/ daß ich an meisten orten den zustand der kirchen/ wo dieselbe unter anderer religion Obrigkeit/ diese aber nicht gar tyrannisch ist/ vor gluͤcklicher achte/ als der jenigen/ die ihres glaubens Obrigkeit haben/ so aber der gemeinen art nach mit dem abusu Juris Episcopalis mehr ihre hoheit befestiget/ als der kir- chen bestens befoͤrdert. Woher es kommt/ daß ich davor achte/ unsere meiste arbeit in der kiꝛchen bestehe jetzt fast allein in deme/ wie wir mit den willigen umzugehen/ und denen die sich gern wollen erbauen lassen/ gelegenheit dazu zugeben haben: bey den halßstarrigen aber/ wo eine gewalt und nachtruck erfordert wird/ vermoͤgen wir wenig auszurichten: so sind auch die geheimere verfolgungen/ daß wir auch von denen/ die doch unsere schafe zu seyn den nahmen und ansehen haben wollen/ muͤs- sen verachtung heimlich oder offentlichen haß/ laͤsterung und dergleichen ausstehen/ aller ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO XXIV. aller orten so gemein/ daß ich es vor eine boͤse zeitung halte/ wo sich einer davon frey zu seyn ruͤhmen wolte: indem ich sorgen muͤsste/ die welt muͤsste an ihme das ihrige zimlich erkennen/ weil sie ihn liebte. Also ist auch nicht Eure Wohl-Ehrw. allein/ welche uͤber den mangel guter und in dem zweck des HErrn vertrauter freun- de klagen. Hat der grundguͤtige GOTT etwa einigem ein oder anderen treuen bruder naͤher zugefuͤget/ so ist es eine seltenere gluͤckseligkeit und sonderbahre gna- de. Auch halte davor/ daß einer der noͤthigste stuͤcke seye/ wohin in meinen piis desi- deriis auch N. N. in seinen bedencken ziehlet/ daß wir uns erstlich erkundigen wo hier und dar andere gute und in dem HERREN gleich gesinnete gemuͤther seyen/ uns untereinander kennen zu lernen/ um so viel genauer und bruͤderlichere freund- schafft unter uns zu stifften/ u. wie mit gebet also mit rath und that einer dem andern behuͤlfflich zu seyn/ und kaͤmpffen zu helffen. Wie mich denn von grund meiner see- len freuet/ wo ich hin und wieder bald dieses bald jenes treuen dieners CHristi kundschafft erlange/ und allemahl dem grossen GOTT vor seine gnade dancksage: allen solchen aber mich sonderbarst verbunden zu seyn erachte. Dieses einige bit- te/ daß Euer Wohl-Ehrw. nicht unter die jenige dinge setzen wolle/ so sie zu beklagen haͤtten daß dieselbe vermeinen/ in ihren besten jahren versaͤumet worden zu seyn/ o- der die bey hoff in information- diensten so lange zu bringen muͤssen/ und also den academicis studiis nicht so lange abzuwarten vermocht. Jn dem ich darvor hal- te/ wo dieselbe auch solche leitung ihres Gottes gnauer untersuchen werden/ sie an- treffen moͤge/ daß eine heilige weißheit und liebe solches himmlischen Vaters dar- innen gestecket. Wir bedoͤrffen der Academien, und haben GOTT hertzlich zu dancken/ daß er dieselbe uns zu erhaltung dir orthodoxiæ, und daß allezeit leute/ die kriege des HErren wider die eusserlichen feinde zufuͤhren in denselben erzogen und ausgeruͤstet werden/ schuͤtzen/ und nicht zufallen lassen wolle. Bekenne auch gern/ was in unterschiedlichen stuͤcken in den 12. jahren und druͤber/ so ich in Acade- mien zubracht/ durch GOttes gnade erlernet. Aber weiß auch dieses wohl/ daß in Academien auffs wenigste was darinnen aus information der præ- ceptorum (dann was die privat-meditationes anlanget/ haben dieselbe eben so wohl platz ausser den Academien ) erlernet wird/ nicht alles seye/ noch allezeit das nothwendigste/ was wir bedoͤrffen. Und daß hingegen offt viele zeit verbracht werde in dergleichẽ dingen/ welche uns zu dem hauptzweck nicht so wohl geschickt als wegen anhaͤngenden mißbraͤuchen nur ungeschickter machen/ daß ein mit dergleichen con- ceptibus, die der simplicitati piscatoriæ der GOttes maͤnner nicht gemaͤß sind/ angefuͤllter verstand/ sich nachmahl in jene einfalt nicht so wohl finden kan. Unser selige Arnd ist so gar lange zeit nicht auff universi taͤten gewesen/ (so ihm zwar auch von einigen uͤbel genommen/ und als eine ursach seiner irrthuͤme angezogen worden) ich halte ihn aber nichts desto weniger vor einen der theursten lehrer/ und meine/ er habe mehr gutes gethan als der andern eine ziemliche zahl zusammen. GOtt fuͤhret Das sechste Capitel. fuͤhret alle die seinige wunderlich und weißlich/ das wolle Euer Wohl-Ehrw. er- kennen/ in allem auch an sich geschehen zu seyn/ und GOttes heiligste leitung allezeit danckbarlich preisen. 5. Maj. 1676. SECTIO XXV. A ls ein guter freund in F ranckfurth etwas aus- geben wolte/ das verdacht irriger lehre erwecken koͤnte. Von der dolmetschung Lutheri. Verhe issungen der alten im Alten Testament. Rechtfertigung. Treue warnung/ nicht durch falsche lehre oder dero schein dem werck des HErren anstoß zu setzen. Der daraus entstehende schade. M Je hertzlich ich diejenige von dem geber alles guten in denselben gelegte theure gaben/ erkantnuͤß und eiffer æstimi re und liebe/ auch nichts mehr verlangen trage/ als daß dieselbe reichen nutzen zu GOttes preiß und vieler menschen aufferbauung bringen moͤgen/ hoffe ich/ werde es nicht vieles bezeugens bedoͤrffen/ noch noth seyn/ hier gegen denselben selbs viele wort darvon zu machen. So vielmehr aber liget mir ob/ gleich wie/ wo ich gelegenheit zu fruchtbarer anwen- dung solcheꝛ goͤttlichen gaben zu finden sehe/ dieselbe willig zu befoͤrdeꝛn/ also hingegẽ/ wo besorgen muß/ daß etwas an kraͤfftiger fruchtbringung derselben schaͤdlich oder hinderlich seyn moͤchte/ davor mit helffen sorge zu tragen/ und deßwegen aus schul- diger liebe freundliche erinnerung zu thun. Hiezu giebet mir gelegenheit/ die auff meine bitte neulich gethane freundliche communication zweyer capitel des lieben von der aus der Schrifft gezogenen schuldigkeit des Christen lebens. Jn wel- chem mit hertzlichen vergnuͤgen vieles gelesen/ so mich nicht wenig vergnuͤget und erfreut/ aber auch etliches angetroffen habe/ von deme sorgen muß/ daß dessen pu- blication an statt verhofften nutzens vielleicht ohne schaden und hinderung der/ selbs zum zweck sich vorgesetzten/ erbauung des Christenthums nach sich ziehen moͤchte; welchem denn so wohl selbs diese zeit uͤber in der furcht des Herren und mit dessen an- ruffung nachgedacht habe/ als bitte gleichfalsferner solcher sache reifflich nachzu sin- nen. Jch finde zum aller foͤrdersten ein und andere expressiones in der uͤberse- tzung etlicher spruͤche aus dem grund text/ wo von Lutheri gewoͤhnlicher dolmet- schung etwa auch ohne noth oder nutzen abgewichen worden. Da ists zwar an dem/ daß ich weder mich selbs/ noch andere an Lutheri uͤbersetzung/ ob sie wohl vor eine herrliche gabe GOttes erkenne/ dermassen knechtisch binde/ daß nicht von der- selben so bald als etwas nachtruͤcklichers aus dem grundtext gewiesen werden kan/ abzu- ARTIC . I. DIST. I. SECT . XXV. abzuweichen/ und das jenige zu ergreiffen waͤre/ woraus des heiligen Geistes sinn und meinung deutlicher und verstaͤndlicher gefasset werden moͤchte: massen ich mir ja selbs solche freyheit in meinen oͤffentlichen predigten nehme/ und niemand eine sol- che frey heit verwehren wollte. Wo aber seine dolmetschung nichts ungeschicktes in sich hat/ auch eine andere dolmetschung nicht eben sonderbahren nachtruck/ o- der weiters liecht dem text giebet als jene gewoͤhnliche/ hoffe ich/ sollen die meiste/ so der sache vernuͤnfftig nachdencken/ mir beyfall geben/ daß in solchem fall viel rahtsa- mer seye/ bey der bekanten dolmetschung zu verbleiben/ die gleich wie sie bey uns/ und den Reformirten communi consensu angenommen/ also auch den Papisten in den meisten stellen nicht so gar zu wider ist/ daß sie nicht in ihren eigenen editio- nen/ wo sie auch solcher ehre Luthero nicht gestaͤndig seyn wollen/ sich doch mei- stens nach derselben gerichtet haben. Jn dem gleichwie der autori taͤt solcher dolmet- schung/ der mehrere nachtruck und deutlichere verstand des texts/ wo derselbe ge- funden werden kan/ billich vorgezogen wird/ also wird hingegen die gewohnheit/ da die worte dieser version den leuthen in der gedaͤchtnuͤß hafften/ um sie nicht in al- lem irre zu machen/ wohl so viel wehrt seyn/ daß um derselben willen bey jener versi- on geblieben werde/ wo man nicht sonderbahren nutzen oder nothwen- digkeitzu dem abweichen findet/ und also dazu getrieben wird. Wie nun dieses einiges bedencken machen kan/ also sind gleichwohl noch zwey andere wichtige punct en/ die mir mehr angelegen sind. 1. Daß nicht ausgetrucket/ ob deñ die lieben Vaͤter des A. T. keine verheissungen einiger geistl. und ewiger guͤter gehabt/ oder ob ihnen dergleichen auch gegeben: sondern aus aller solcher tractation solten die meiste schliessen/ es werde die negativa solcher frage behauptet. 2. Daß die dolmetschung des wortes δικαιοσύνη, δίκαιος, δικαιου῀ν, die durch rechtschaf- fenheit/ rechtschaffen/ rechtschaffen machen gegeben werden/ ein grosses in re- cessu, und viele gefahr nach sich habe/ als welches das ansehen gewinnet/ ob wolte dadurch der haupt articul von der rechtfertigung aus der gerechtigkeit CHristi/ der in alle wege als das hertz des Christenthums unverletzt bleiben solle/ allgemach in zweiffel gezogen werden. Gleich wie ich nun in beyden stuͤcken das jenige was sol- che meinungen in sich haͤtte/ der heiligen Schrifft durchaus nicht gemaͤß erkenne/ also wuͤßte ich nicht/ was gefaͤhrlicher in oͤffentlichen truck auff die bahn gebracht werden moͤchte. Es ist an deme/ daß zwar freylich die guͤter und verheissungen/ welche wir in dem Neuen Testament von CHRJSTD haben/ unvergleichlich groͤsser sind/ als die jenige/ welcher die liebe alte genossen haben/ also daß in ver- gleichung derer es wohl heissen mag/ daß wir die guͤter selbs/ sie aber nur den schat- ten/ wir das liecht und tag/ sie gegen uns lauter finsternuͤß/ gehabt haben. Jndes- sen/ so sinds einmahl keine blosse leibliche oder zeitliche verheissungen gewesst/ und hat GOTT auch seinen lieben außerwehlten solcher zeit nicht/ gleich den weltkin- dern/ nur den bauch mit seinem leiblichen schatz gefuͤllet/ sondern ihnen um des wil- Q len/ Das sechste Capitel. len/ auff den sie in den opfern gewiesen wurden/ auch nach der maaß/ als es der œco- nomiæ solcher zeit gemaͤß war/ geistliche und ewige guͤter so geschenckt als zugesagt/ daß auch aus ansehung der kuͤnfftigen aufferstehung sich so viele um des Juͤdischen glaubens willen/ wie in der Maccabeer buͤchern zu sehen/ willig lassen hinrichten/ und nach diesem leben ein anders/ und seligers erwartet. Also daß auch unser lie- be Heyland die Sadduceer nicht nur einer unwissenheit der krafft GOttes/ sondern auch der Schrifft/ beschuldiget/ daß sie aus der benennung/ daß er seye der GOtt Abrahams/ Jsaacs und Jacobs/ die aufferstehung nicht erkanten/ sondern alle goͤtt- liche verheissungen allein auff die gluͤckseligkeit dessen gegenwaͤrtigen lebens zogen. Wie nun die Sadduceer einmuͤthig von den Juden ihꝛer zeit verworffen wurden de- ren meinung gleichwohl recht gewesen waͤre/ wo die alte allein leibliche verheissung gehabt haͤtten; also haben wir ja heut zu tag nach so viel hellerem liecht viel andere gedancken von der guͤtigen liebe GOttes gegen seine außerwehlte kinder des Alten Testaments zu fassen: Wohin uns sonderlich Paulus Hebr. 11/ 9. 10. 13. 14. 15. 16. weiset/ und gleichsam den schluͤssel gibet/ wie wir den bund/ den GOTT mit den alten gemacht/ anzusehen haben. Was das andere anlanget/ gleich wie ich den daraus fliessenden irrthum meinen Hochgeehrten Herrn nicht zu messen will/ so scheinet gleichwohl solche dolmetschung allgemach unwissend zu demselben den weg zu bahnen: So bald aber dieses mit sich zu bringen/ daß die rechtfertigung bestehe/ nicht in der gnaͤdigen vergebung der suͤnden/ und also loßzehlung vor goͤttlichem ge- richt/ wo einige significatio q. forensis platz hat/ sondern in einer gleichsam physica infusione habitualis justitiæ: welche habitual- gerechtigkeit freylich als eine folge der gnaͤdigen vergebung der suͤnden ihres orts bleiben/ und ernstlich ge- trieben werden muß; aber hingegen so soll auch billig der unterscheid unter der ju- stification und renovation, den die Schrifft selbs andeutet/ bleiben. So wird meines ermessens/ es moͤchte denn der einige ort seyn. Apoc. XXII, 11. (wo zwar nicht nur uͤber denselbigen sich noch vieles sagen laͤsset/ sondern gar andre exemplaria ha- ben δικαιοσύνην ποιησάτω) nicht eine einige stelle in der gantzen Schrifft sich finden/ wo bekantlich das wort δικαιου῀ν heissen solte/ einen rechtschaffen machen/ habituali aliqua inhærente justitia, sondern allezeit ists von einer solchen rechtfertigung ge- braucht/ daß der mensch von dem richter oder andern leuten gerecht gefprochen/ loß- gezehlet oder davor gepriesen wird. Daher auch Jeremias Felbinger in seiner uͤbersetzung solches wort/ wanns von GOTT gegen den suͤnder gebraucht/ nicht anders als wir auch dasselbige verteutschet/ rechtfertigen/ der doch/ daß er seine hypotheses behauptete/ wo es muͤglich gewesen/ gerne wuͤrde eine andere uͤberse- tzung beliebet haben. Daher ich nicht sehe/ wie solche dolmetschung wider die gantze φράσιν der Schrifft stehen koͤnne; zu geschweigen daß das wort rechtschaf- fen/ oder rechtschaffenheit eben so wenig verstaͤndlich ist/ und soll es anders recht nach der wahren meinung gefasset werden/ so viel erklaͤhrung bedarff/ als das wort gerecht ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECT IO XXV. gerecht oder rechtfertigen. Daher ich so viel an mir ist/ angelegenlichst zu bit- ten habe/ auff solche art diesen auffsatz weder allhier/ noch mit beygesetztem nahmen/ oder doch daß jemand wissend werden moͤchte/ daß solches von meinem Hochgeehr- ten Herrn herkaͤme/ trucken zu lassen: angesehen auch noch so vieler ursachen/ de- ren wichtigkeit ich nicht zweifle/ mein Hochgeehrter Herr aus GOttsfuͤrch- tiger fernere uͤberlegung der sachen finden werde. Es siehet derselbige selbs/ daß nicht nur hier durch GOttes gnade einige gute gemuͤther sich finden/ welche GOtt hertzlich suchen/ auch andere mehrere allgemach einen trieb dazu anfangen zu be- kommen/ sondern daß auch GOTT anderwertlich unterschiedliche fromme hertzen erwecket/ die den schaden Josephs so wohl bedauren/ also auch was an ihnen ist/ an- gefangen drauff zu gedencken/ wie welche besserung in dem leben zu erlangen waͤre; wo ich nicht zweiffle/ daß GOTT auch seine hand dabey habe/ und seyn werck nicht ungesegnet seyn lasse. So wuͤßte ich aber nichts allem solchen guten vorhaben ge- faͤhrlichers/ und welches/ nicht anders als eine pfanne mit kaltem wasser in einen zu sieden anfangenden kessel geschuͤttet/ den gantzen sud ploͤtzlich zu nichte machet/ al- so in dieser sache allen guten anfang und vorhaben auff einmahl verderben wuͤrde/ als eben die publication dergleichen dinge/ welche entweder wuͤrcklich etwas in der lehre angreiffen/ oder nur dessen scheinbare vermuthung geben wuͤrden. Es kan meinen Hochg. Herrn nicht unwissend seyn/ wie nun mehr vieler dem gantzen werck der besserung widrig gesinnter augen sehr scharff auff uns allhier in Franckfurth/ und vielleicht schaͤrffer als auff einigen andern ort/ gerichtet seyen/ da nichts von je- mand unter uns heraus kommen wird/ so nicht in reiffe deliberation von den jeni- gen/ welche uns ohne dem schon in unverschuldeten argwohn haben/ gezogen solte werden. Wie nun um der ursach willen das werck des HERRN/ in dem was noͤthig ist nicht unterlassen werden muß/ also will gleichwohl erfordert werden/ daß wir nicht muthwillig/ oder doch wissentlich ohne noth/ das schwerd den feinden wi- der uns in die hand geben. Nun ist kein zweiffel/ so bald solches nicht nur hier/ son- dern auch anderwertlich/ aber daß man auff das natale solum der Schrifft kom- men wuͤrde/ getruckt wird/ so werden wir offentliche antagonistas bekommen. Und damit 1. wird den jenigen freude gemacht werden/ welche bis daher in hiesiger statt und anderwertlich/ was gutes moͤchte geschehen oder introducir et worden seyn/ mit scheelen augen angesehen/ und eine scheinbahre ursach zu laͤstern noch nicht haben finden koͤnnen. Wo aber es nunmehr dahin komt/ daß man vermeint ver - daͤchtiger lehr uns zu uͤberfuͤhren/ da wuͤrden alle loßbrechen: Das seyen die fruͤch- te des Collegii pietatis, der absonderlichen zusammenkuͤnfften/ der kinder lehren/ der ihnen ungewohnt vorgekommenen predigten/ von denen man sich lang besorgt/ es werde einmahl das verborgene loßbrechen/ man habe es aber ihnen nicht glauben wollen/ itzo komme der glaube allen in die haͤnde/ was mit allem diesem ausgebruͤtet worden. Denn 2. werden wir/ wie entfernt wir auch davon sind/ Socinismi oͤf- Q 2 fentlich Das sechste Capitel. fentlich beschuldigt/ und solcher nachmahl auch in anderen articuln, deren etwa nicht gedacht/ gleichsam ob muͤßten alle an einander hangen/ der massen beschrieben werden/ daß auch diejenige/ welche nicht boͤses gemuͤths und noch zugewinnen sind/ damit eingenommen werden werden. 3. Was mich anlanget/ weden der mit mei- nen Hochgeehrten Herrn habender Christlicher freundschafft/ ob wohl solcher mei- nung gantz entgegen bin/ und das gegentheil offentlich lehre/ wird doch daraus ge- schehen/ daß ich dessen verdachts mich nicht gnug entschuͤtten/ und weder bey mei- ner gemeinde mehr etwas fruchten koͤnnen/ vielweniger anderwertlich das gering- ste zu einigem guten cooperi ren duͤrffen werde: ja damit faͤllet nicht nur allein auff mich/ welches wenig achte/ alle boͤse nachrede/ daß dergleichen wissend oder unwis- send verursachet haͤtte/ sondern ich werde damit gantz untuͤchtig bey allen gemacht werden/ etwas ferner zu der ehre GOttes zu thun. Wie nun solches endlich mir etwa ein in der welt ruhigersleben/ gegen dem als sonsten zu erwarten/ machen/ und mich von unterschiedlichen befereyet maͤchte/ so mich jetzo trucket/ so waͤre der schaden an meiner person etwa noch geringer/ aber der jenige viel groͤsser/ daß 4. da mit auch anderswo rechtschaffene Gottselige gemuͤther/ die in dem nahmen des HERRN sich vor genommen haben/ nach dem vermoͤgen/ das GOT darreichen werde/ seine ehre zu befoͤrdern/ und ihres orts gutes zustlfften/ sich in solchem ihrem vorhaben werdenmercklich gehindert sehen/ theils zwar weil sie sich auch mit gleichẽ verdacht dessen/ was hier ausgebrochen seye/ beladen zu seyn/ erkennen werden/ theils weil ihnen damit der muth benommen wiꝛd werden/ daß sie sich nichts fast ungewoͤhnliches mehr werden zu unternehmen das hertz fassen 5. Hier werden viel fromme hertzen dadurch betruͤbt werden/ und die einfaͤltige/ bey denen gleichwohl etwa guter trieb gewesen/ nicht geringes aͤrgernuͤß fassen/ wo sie hoͤren solten/ daß einige von denjenigen/ von denen sie gute unterweisung zur Gottseligkeit gehoffet/ in verdacht irriger u. anderer lehr/ (daß man sich auch dessen nicht wohlentbrechẽ koͤn- te/ sie aber davon zuurtheilen nicht vermoͤchten/) gezogen wuͤrden. Solche gute leute wuͤrdenfolgends fast nicht mehr wissen/ was sie glauben/ thun oder lassen sollten. Auf welcherley aͤrgeꝛnuͤß manchmal sehr boͤse consequentien gefolget/ u. solche sonst gu- te leute endlich fast in einen voͤlligen Atheismum gerathen/ welcher auch nicht ohne ursach dieses orts zu besorgen/ damit aber viel guter same/ so mit der zeit ei- nige erndte bringen moͤchte/ in der erde oder graß erstuͤcket wuͤrde. So viel- mehr weil solches aͤrgernuͤß (das bey den einfaͤltigen/ durch die jenige/ so ohne das auch das gute an ihnen ungern befordert gesehen/ kraͤfftig wuͤrde exaggeriret werden) nicht hie in der statt bleiben/ sondern auch noch an- derswo viel frommen seelen schwere und gefaͤhrliche gedancken machen wuͤrde: Auch so offt kuͤnfftig solte von jemand mit ernst die uͤbung der wahren GOtt- seligkeit getrieben/ und dazu das wenigste sonsten nicht gewoͤhnliche vor die handge- nommen werden/ wuͤrde alles solches durch das præjudiz, wohin endlich derglei- chen ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . XXV. chen hier ausgelauffen seye/ gravirt, den widrig gesinnten sich zu widersetzen stattlich anlaß gegeben/ andre schwache aber von der folge wegen solcher gefahr/ sie moͤchten auch endlich in falsche lehr unwissend eingefuͤhret werden/ ab- geschrecket/ und damit ein starcker rigel aller besserung vorgeschoben werden. 6. Das fleißige lesen und forschen in der Bibel/ absonderliche zusammen kunfften/ und uͤbungen/ und erforderung eines rechtschaffenen Christenthums/ werden eine lange zeit mit solchem verdacht beleget werden/ daß niemand wird das hertz nehmen/ dergleichen mehr anzustellen: Sondern werden alle mit seuffzen uͤ- ber uns klagen/ die wir uͤber solche an sich gute dinge unvorsichtig der gleichen ver- dacht gezogen/ und damit auch anderen die sache verderbet haͤtten. Jetzo 7. nicht zugedencken/ was gefahr gleichwol auch in dem weltlichen Regiment zu besorgen/ dafern mit zimlichem schein gezeigt werden koͤnte/ daß einige von uns dergleichen meinungen behaupteten/ denen keine der jenigen religionen beypflichtete/ welche lege publica und in dem religions- und Oßnabruͤggischen frieden zu gelassen sind. Was stattliche gelegenheit waͤre solches den nach gelegenheit sich offt sehnenden Pa- pisten/ entweder solches der gantzen religion bey zumessen/ oder sonsten spaltun- gen unter uns/ und damit eine verfolgung/ zu veranlassen? Jch uͤberlasse aber meinen hochgeehrten Herrn selbs ein mehrers in der furcht GOTTes nach zu sin- nen/ und die gefaͤhrliche sequelas zuerkennen/ welche folgen wuͤrden/ wofern durch denselbigen wir allhier mit einem solchen verdacht falscher lehre graviret, und der- gleichen bey andern religions-verwandten kund werden solte. Welches durch edi- rung dergleichen schrifften/ so viel menschen vorsehen koͤnnen/ unvermeidlich folgen wuͤrde. So versichere ich mich aber zu seinem liebreichen gemuͤth vieleinanders/ als daß durch behauptung eigner meinung derselbe zu hindernuͤß so vieles guten/ und hingegen gefahr/ anlaß mit willen wuͤrde geben/ und damit die liebe und heilsame milch/ so von demselben offt durch GOttes gnade geflossen/ unbrauchbar zu ma- chen/ umstossen wollen. Mir stehet immer vor augen/ des sehr begabten D. Ca- lixti exempel/ der ein grosses der erbauung/ so von ihm herkommen moͤgen/ nicht nur auf dergleichen weise/ durch particular opinionen, gehindert/ sondern noch viel aͤrgernuͤß veranlasset/ nachmahl aber die sache zu aͤndern nicht mehr vermocht hat. So wird auch dieses mit meines hochgeehrten Herrn eigenen principiis uͤber- einkommen/ daß/ wo auch schon einige warheit in sachen/ die noch ohne verlust der seligkeit moͤgen nicht gewußt werden/ solte zu erweisen seyn/ dennoch davon nicht der anfang gemacht/ sondern die leute zur ernstlichen GOttes-furcht und nach- folge Christi eyfrig angewiesen/ und damit geschickt gemacht werden solten/ daß sie auch goͤttliche dinge recht verstehen moͤchten/ so bey fleischlichem sinn und leben nicht geschehen koͤnte: Wo sie aber zu jenen recht geleitet worden waͤren/ wuͤrde GOtt ihren gottseligen fleiß also segnen/ daß sie in fleißiger forschung der Schrifft die warheit mehr und mehr aus goͤttlicher erleuchtung erkennen lerneten. Deme Q 3 wuͤr- Das sechste Capitel. wuͤrde aber nicht gemaͤß seyn/ wo wir die jenige schwehre/ und unter den gelehrten so hart disputirte punct en wolten auf die bahn bringen/ damit gefaͤhrliche di- sputationen und andere oberzehlte consequentias verursachen/ und was in pflantzung eines gottseligen lebens sonsten geschehen moͤchte und solte/ damit nicht nur nicht befoͤrdern/ sondern vielmehr hindern und umstossen. Dahero dann so wol fraterne und wolmeined bitte/ als der zuversichtlichen hoffnung gelebe/ mein hoch- geehrter Herr werde aus Christlicher behertzigung des angefuͤhrten/ entweder solche materien außlassen/ oder aber welches mit gantz geringer aͤnderung gesche- hen zu koͤnnen zeigen moͤchte/ also aͤndern und einrichten/ daß sie ohne schein einer neurung in der religion selbsten von allen gelesen werden moͤchten: Jndessen aber sich durch nichts abhalten lassen/ die uͤbrige materien, so eigentlich zur erbauung dienlich/ auff das soͤrderlichste auszuarbeiten/ und alhier trucken zulassen/ als die der andern nicht entgelten/ oder deßwegen unterbleiben/ oder uns nachmal hier nicht so gemein zu werden/ anderswo zum truck gegeben werden solten: So ge- buͤhret billich dem ort die ehre/ wo die arbeit außgefuͤhret/ auch solche ans liecht zu bringen. Jch ruffe nochmahl dabey den grundguͤtigen GOtt/ dessen ehre wiꝛ allein vor augen haben sollen/ demuͤtig an/ er erleuchte unser aller augen dahin zu- sehen was zu solchem heiligen zweck dienlich ist/ und mit so eyffer als vorsichtigkeit solches zu treiben/ und durch seinen segen endlich die arbeit nicht vergebens gewe- sen zu seyn/ erfreulich zu sehen. Derselbe wolle auch absonderlich meinen hochge- ehrten Herrn mit seines geistes liecht und gnade ferner erfuͤllen/ noch reicher zu werden in allerley erkaͤntnuͤß und erfahrung/ zu pruͤfen/ was das beste sey/ zu seyn lauter und unanstoͤßig auf den tag JEsu Christi/ erfuͤllet mit fruͤchten der gerech- tigkeit/ die durch JEsum CHristum geschehen in ihm zur ehre und lobe GOttes. 1676. P. S. Etliche ursachen moͤchten auch erfordern behutsam zu gehen/ wo mit Studio- sis Theologiæ geredet wird. SECTIO XXVI. Wie GOTT der seinigen mund und feder re- giere. Von meinem zustand in Franckfurt am Mayn. Ob Christus eine fehlbitte gethan? Sonn- taͤgliche Evangelia. E S hat mich hertzlich erfreuet aus desselben neulichem verstaͤndigt zu wer- den/ wie daß mein letztes zu bequemer und solcher zeit uͤberlieffert worden/ da es zu einiger staͤrckung und auffrichtung in damaliger wi- der- ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO XXVI. derwertigkeit gedienet/ und dancke auch davor hertzlich/ das der GOtt alles tro- stes meine feder auch damahl also regieren/ und mir unwissend dahin richten wol- len/ wie es Ew. Wohl Ehr. zu einigen trost gereichet. Es ist mir mit einigen gu- ten freunden zu unterschiedlichen mahlen dergleichen begegnet/ daß mich dero brieffe in solchem zustand angetroffen/ da sie mir wol zustatten kommen/ und mich dieses erfreuet hat/ daß der Vater im himmel christlicher mit-bruͤder worte (ob ihnen wol offtmals auch unwissend in was zustand ich auch damahl waͤre) dazu gebrau- chen und segnen wollen. Wir erkennen billich allemahl aus solchen exempeln GOttes heilige und wunderbare regierung/ und daß sein Geist in uns zu unserm und anderer besten mehr wuͤrcke/ als wir offt wissen und verstehen/ und dahero das werck allein sein zu seyn erkant werden muß. Jch habe dergleichen bey mir und andern beobachtet/ daß zu weilen in predigten einige dinge aus gelegenheit des texts geandet und also davon geredet worden/ gleich ob haͤtte man ausfuͤhrlichen bericht von gewissen particularien, die vor gegangen waren/ gehabt/ also daß auch den leuten die gewissen recht geruͤhret worden/ ob wol ich und solche prediger damahl von der gleichen dingen nicht gewust/ sondern in unsrer einfalt insgemein von einer sach zu reden gedacht. Jm uͤbrigen so bleibts einmal dabey/ wir predi- ger sind noch vor allen andern Christen/ dem fast insgemein auch solche fata pro- pheceyet sind/ dazu beruffen/ daß wir ein stein des anstossens/ und ein zeichen/ dem widersprochen wird/ nach dem exempel unsers Heylandes werden muͤ- sten: wir muͤssen seyn ein spot der leute/ verachtung des volcks/ und ein rech- tes fegopffer. Solle mein armes exempel Ewr. Wol Ehrw. zu trost dienen/ so moͤgen sie wissen/ daß mein GOtt mich von widerwertigkeiten auch nicht ein we- niges hat bißher erfahren lassen. Es ist nicht zu erzehlen/ was vor calumni- en/ verlaͤsterungen uͤber mich hier in der statt von meinen eignen leuten ausgegos- sen werden. Jch weiß/ daß ich bey malzeiten/ und zwar dabey nicht geringe leu- te waren/ auch wol einige stunden lang das spott-liedlein gewesen. Mein privat exercitium, wodurch/ dem Hoͤchsten seye danck/ unterschiedlichen guten gemuͤthern zu ihrer erbauung vieles geholffen worden/ ist in den augen ihrer vielen der groͤs- ste anstoß: Also daß nicht nur ich selber/ sondern auch viele der jenigen/ die es auch besuchen/ daruͤber leiden muͤssen: Und bald da bald dorten trohe-wort gehoͤret werden/ man muͤste mir die sache niederlegen; ob wol nichts darinne zugeschehen gezeigt werden kan/ wozu nicht Christen allezeit verbunden waͤren. Es werden dergleichen dinge von mir in der statt spargiret, daß ich mich wundere/ wie der luͤgen-geist so unverschaͤmet seye/ daß er solche sachen vorgiebet/ dazu auch nicht der geringste schein gegeben wird/ und wer nur etwas sich erkundigen will/ so bald die ungegruͤndete falschheit erkennen kan: daß mich nicht verwundern darff/ daß wo solche calumnien an andere fernere ort ausgebreitet werden/ ich bald vor einen Socinianer, bald vor einen Weigelianer, bald vor einen Labadist en ausgeschri- en Das sechste Capitel. en/ und mit allerhand unerfindlichen argwohn beladen werde. Welches mir so offt zu ohren kommt/ daß ich fast daruͤber hart werde/ und ohne das mir leid ist/ wo andere sich an mir versundigen/ fast wenig mehr darnach frage. Jedoch sehe ich daß solches wol ein anfang einer weiteren verfolgung werden kan/ zu dero mich ge- fast zu machen habe/ und GOtt demuͤtig bitte/ er wolle mich also regieren/ daß ich in allen stuͤcken mich also verhalten/ daß sein nahme von mir armen in thun und ley- den moͤge verherrlichet werden/ bitte auch dergleichen mir mit bruͤderlicher vorbitte von dem Vater der barmhertzigkeit zu erlangen. Wie auch ich vor dieselbige zu thun/ nicht unterlassen werde/ damit wir uns vor eine gutthat achten/ wann uns gegeben ist/ um Christi willen zu thun/ daß wir nicht allein an ihn glauben/ sondern auch um seinet willen leyden/ nur daß des HErrn will geschehe in allem. Wegen der frage uͤber die vermeinte fehl-bitte Christi wuͤste nicht/ wo ich et- was anleitung geben koͤnte/ da von anderen solche materie gruͤndlich ausgefuͤh- ret waͤre: acht auch nicht rathsam daß deswegen in einigen streit sich einzulassen seye. Sonderlich weil zwar die sache nicht bloß in wort-streit bestehet/ doch nach- dem vielleicht der gegentheil sich expliciret, nachmahl wol auff einen wortstreit hinnaus lauffen wird: Welcherley disputat ich sonderlich zu meiden pflege. We- gen des vorhabens einer erklaͤrung uͤber die Evangelia oder einer Postill/ so ge- het auffs wenigste noch ein jahr darauff/ ehe ich nur ein hand anlegen kan: doch werde mit Gott das werck alsdenn angreiffen/ er gebe gnad und Geist daß es nicht vergebens seye. Wie hertzlich wuͤnschete ich aber/ dz wir in unsren kirchen niemahlen den gebrauch der pericoparum Evangelicarum angenom̃en haͤtten/ sondern ent- weder eine freye wahl gelassen/ oder aber die epistolas vor die Evangelien zu den haupt texten genommen haͤtten. Jn dem einmahl nicht zu leugnen stehet/ wo man die haupt sachen/ so wir in den Christenthum zu treiben haben/ vortragen will/ so geben uns die Evangelische text sehr wenig anlaß/ sondern muß fast alles nur bey gele- genheit eingeschoben/ ja offt mit dem haaren bey gezogen werden/ welches bey den e- pistolen nicht also waͤre. Weil es aber also eingefuͤhret/ so muͤssen wir thun nicht wie wir wolten/ sondern wie wir koͤnnen/ und fuchen die hindernuͤßen abzuwenden/ oder mit andern zuersetzen/ wie es sich thun laͤsset. 23. Sept. 1676. SECTIO XXVII. Pia desideria und dero praxis. Betkii Schrifften. D Aß denselben meine einfaͤltige Pia desideria gefalle/ ist mir ein zeugnuͤß/ dz deꝛ- selbe die bewandnuͤß des jetzigẽ uͤblen zustandes der kirchen auch tieffer einsehe/ als etwa insgemein von den allermeisten zu geschehen pfleget/ welche darvor hal- ARTIC . I. DISTINCT. I. SECTIO XXVIII. halten/ die sachen stehen alle gantz wol/ wo man nur in der aͤusserlichen bekaͤntnuͤß die warheit von anderer secten irrthumen unverfaͤlschet behalte. Da doch zwar solches billig mit fleiß gesuchet/ aber dabey nicht still gestanden werden solle; als da wir schuldig sind/ dem HERRN auch die fruͤchten der warheit zu bringen/ soll uns anders deroselben bekaͤntnuͤß nicht so viel schwehrere verantwortung auff den hals laden. Ja es ist alsdenn auch nicht mehr die wahre erkaͤntnuͤß/ als welche allein von dem heiligen Geist durch das wort in den hertzen der jenigen gewuͤrcket wird/ die da den willen des himmlischen Vaters welchen sie hoͤren/ auch in seiner krafft zu vollbringen gewillet sind Joh. 7/ 17. Es haben uͤber solche pia desi- deria viele vornehme Theologen und das reich GOttes suchende politici glei- cher massen ihren consensum mir bezeuget/ und mich damit so viel mehr bekraͤf- tiget. Wolte GOTT/ es faͤnden sich auch viel der jenigen/ welche mit fleiß an das werck haͤnde anzulegen/ und ein und ander gutes wuͤrcklich einzufuͤhren/ sich befleissen wolten. Jndem ohne solche bewerckstelligung alle berathschlagung ver- gebens ist/ und nur zum zeugnuͤß uͤber uns dienet. Von Herr Betkii Scri- ptis habe ich unterschiedliche/ und wie ich vermuthe allesamt/ ohne den Christia- nismum ethnicum / da ich einmahl darnach gefragt zuhaben mich entsinne/ und verlangen darnach gehat/ weil in andern des lieben mannes scriptis unter- schiedlich viel gutes gelesen/ ob wol nicht berge/ daß auch zu weilen ein und an- deres darinnen anders zu seyn gewuͤnschet haͤtte. Jedoch meine ich/ seyen wir Christen allezeit die jenige liebe denen/ die etwas schreiben/ schuldig/ daß wir das gute in dero Schrifften mit danck annehmen/ und in seinem billigen werth halten/ ob wir wol anders auch darinnen finden/ damit wir uns nicht eben conformir en koͤnnen. 1676. 25. Sept. SECTIO XXVIII. Wegen der piorum desideriorum, und was vor succeß zu hoffen. W As meine und anderer gottseliger Theologorum pia desideria betrifft/ habe auch seiter nichts sonderliches dagegen gehoͤret/ ohne das man hin und wieder da gegen mehr in den finstern murret/ als oͤffentlich wider- spricht. Was aber die schwehrigkeit oder unmuͤglichkeit/ die meistens vorgeschuͤ- tzet/ und der wichtigste vorwurff geachtet wird/ anlanget/ so bekenne ich gern/ das was durch publicam autoritatem mit zusammensetzender huͤlffe der Obrigkeit und gantzer Ministeriorum, geschehen solle/ von mir nicht gehoffet werde/ aber deßwegen auch auff dergleichen nicht zu warten ist: oder wir werden uns zu todt druͤber warten. Dann der jenigen/ die des HErrn werck mit treuen meinen/ und R auch Das sechste Capitel. auch was darzu gehoͤret/ verstehen/ sind annoch zu wenig/ und erhalten noch der- gleichen dinge nicht/ welche die Obrigkeiten zu nachtruͤcklicher befoͤrderung beweg- ten/ vielmehr scheinen die obstacula dermassen groß/ daß sie sie vor unuͤberwind- lich achten/ und daher um nicht selbs in schimpff zu gerathen/ wo das werck stecken bleibet/ die sache nicht mit gnugsamen eyffer angreiffen werden. GOtt will auch vielleicht nicht haben/ das iemand von menschen solches lob habe: sondern doͤrff- te wol das werck so unvermerckt fuͤhren/ daß man niemand die ehre beymessen moͤ- ge/ sondern wo man endlich erkennet/ was aus geringen und verachteten principiis hergekommen/ und doch allgemach gewachsen ist/ daß es GOttes werck allein ge- weßt/ ihm dann auch die ehr allein zu geschrieben werde; Daher ich auff mensch- lichen arm wenig hoffe/ sondern mein vertrauen drauff setze/ daß hin und wieder gottselige prediger und politici, dahin sich bearbeiten werden/ das jeder seines orths allgemach eine Ecclesiolam in Ecclesia / jedoch ohne einige trennung/ sam- le/ und dieselbe in den stand bringe/ daß man rechte kern Christen an ihnen habe: da nicht fehlen wird/ daß nicht solche nachmahl mit ihrem exempel ein treffliches fermentum seyn werden/ den uͤbrigen teig auch in einen jast zubringen. Fallor, aut hæc sola ratio est, qua ecclesiæ consuletur. Lasset uns also alle das unse- rige thun/ indessen eyffrigst beten/ daß GOtt sein werck kraͤfftig und endlich herr- lich hinaus fuͤhren wolle/ Amen. SECTIO XXIX. Von piis desideriis und vielem beyfall. K leine Antichristen ohne dem Papst. Christi gab und exempel nicht zu trennen. Offentliche reformation itzt nicht zu hoffen. Ecclesiolas in Ecclesiis zu pflantzen/ der beste modus und anfang zu mehrerem. E S hat mich dessen liebe brief in ablesung und unterschiedlicher wiederhoh- lung hertzlich erfreuet/ und mir/ dessen mich ohne das versichert gehalten ha- be/ neues zeugnuͤß gegeben/ daß wir in einem Geist den gegenwaͤrtigen zu- stand ansehen/ und unser amt zu fuͤhren trachten. Wie ich auch seiter deme von mehren christlichen confratribus und Theologis, auch verschieden. GOtt lie- benden politicis, welche auff meine præfation ihr christlich bedencken mir zuge- schicket/ bekraͤfftiget worden bin/ daß meine klagen nicht vergebens seyen/ auch die einfaͤltige gethane vorschlaͤge der gemeinde GOttes nicht schaͤdlich seyn wuͤrden. So mir nicht nur zum sonderbahren trost dienet/ in solchem scripto, worinn eini- ge mich einer vermessenheit beschuldigen moͤchten/ das mich dergleichen heraus zu geben nicht entbloͤdet haͤtte/ mich nicht an unserer kirchen oder dero besten vergriffen zu ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXIX. zu haben/ sondern auch ferner auffmuntert/ so wol selbs meines orts zu versuchen/ was zu der ehre GOttes dienlich/ als auch andere der Herren fratrum, bey denen ich einen eyffer zu goͤttlicher ehre zu seyn weiß/ mit mir zu animiren, welcher auch jeder seines orts all sein vermoͤgen daran zu strecken sich entschliessen moͤchten/ wie auch durch goͤttlichen segen unterschiedlicher orten etwas ein anfang gemacht zu seyn/ mit freuden von zeit zu zeit versichert werde. Es ist freylich an deme wie E. Wol Ehrw. recht bemercken/ daß auch bey den jenigen/ so Evangelisch seyn wol- len/ zimlichen theils nicht ein Christ-sondern Anti-Christenthum ist. Und doͤrffen wir/ nach dem wir den Paͤpstlichen stuhl zu Rom des grossen Antichrists sitz zu seyn durch GOttes gnade erkant/ nicht sicher zu hause seyn/ und meinen/ wir haͤtten nichts von keinen kleinen Antichristen unter und um uns: die leider mehr als zu viel schaden thun. Und sehe ich wie niemand dessen in abrede seyn moͤge/ er wol- le denn Christum/ wie er uns nicht nur zur gabe sondern auch zum exempel gegeben ist/ und seine lehr von glauben und leben/ gefaͤhrlicher weise von einander trennen: welches je nicht Christen sondern wider-Christen zu kommt. Jn dem jenen alles an ihrem Heyland lieb und angenehm ist/ diese verlangen nichts von ihm als was ihrem fleisch noch anmuthig scheint/ und erlangen damit auch das jenige nicht/ was sie hoffen/ in dem sich Christi wohlthaten nicht trennen lassen/ und wer ihn nicht so wohl in der erneuerung haben will/ der soll auch seiner zugerechneten gerechtigkeit nicht theilhafftig werden. Wie die Schrifft aller orten treibet/ und aus derosel- ben der theure reformator unser kirchen Lutherus (so in wol angezogen ort/ als fast unzehlich viel andern stellen) dermassen hertzlich ausgefuͤhret/ daß die jenige so wenig sich Lutherisch als Christlich zu seyn ruͤhmen moͤgen/ welche entweder sothaner lehr gram sind/ und sie vor eine wiedererweckung des Papstums ausschreyen wol- len/ oder nachdero selben ihr leben anzurichten sich nicht angelegen seyn lassen. Was aber die mittel anlanget/ wie dann dem verderbeten wesen zu steuren seye/ so habe gern vernommen/ das E. Wol Ehrw. die einfaͤltig von mir vorgeschlagene ih- ro nicht mißfallen lassen/ und was zu der selbigen werckstelligung vonjeglichem stan- de erfordert werde/ so wol vernuͤnfftig außfuͤhren/ als goͤttlichen segen/ ohn welchen der pflantzende und begiessende nichts auszurichten vermag/ anwuͤnschen. Jndes- sen zweiffle/ daß zu jetziger zeit annoch zuerwarten seye/ daß publica autoritate das werck kraͤfftig gefuͤhret/ oder eine reformation auff dergleichen art nuͤtzlich angestellet we r de werden/ sondern GOtt hat gemeiniglich durch verachteten an- fang und unscheinbare mittel sein werck gethan. Jch werde mich aber erfreuen/ und eines mehrern successes hoffnung schoͤpffen/ wo wir/ die wir mit ernst es mit der kirchen besten meinen/ nur erstlich unter einander uns recht bruͤderlich ermun- tern/ und jeglicher sich dieses allein vornehmen/ an seinem ort nach vermoͤgen zu- thun/ so denn wo er vermag/ auch andere freunde/ neben sich eine lust und eyffer dazu zu machen. Auch in unserm eigenen amt kom̃e ich mehr und mehr auff die ge- R 2 dan- Das sechste Capitel. dancken/ daß das meiste erstlich von uns gethan muͤsse werden/ an den jenigen/ bey denen wir bereits einen guten antrieb/ ihre eigene erbauung ihnen angelegen zu seyn lassen/ antreffen: Was die uͤbrige anlangt/ muͤssen wir noch mit seufftzen fort- fahren insgemein sie in den predigten von goͤttlichen willen zu unterrichten/ ihre un- gehorsam zu straffen/ und so viel wir moͤgen privatim sie erinnern/ aber ob wir auch an ihnen nichts auszurichten sehen/ doch nicht muͤde werden/ oder die sache verloh- ren geben. Was aber die jenige/ so ohne das dociles und die zum reich GOttes geschickt sind/ betrifft/ da wird sich etwa ein mehrers thun lassen/ daß ein prediger ihm so bald dieselbe unter seiner gemeinde auswehle/ oͤffters und familiarer mit ih- nen umzugehen/ ihn anleitungẽ zu lesung der Schrifft und anderer Gottseliger buͤcheꝛ zu geben/ mit ihnen wie er es dienlich seyn findet/ einige uͤbungen und christliche er- bauliche conversation anzustellen/ und sich dermassen/ als viel ihm die zeit ge- goͤnnet wird/ gegen sie zu verhalten/ ob waͤren sie ihm allein aus seiner gemeinde anbefohlen. Geschiehet solches eine zeitlang/ und samlet er also ohne einige ge- faͤhrliche trennung gleichsam eine Ecclesiolam in Ecclesia oder dero ungeordne- ten hauffen/ und offtmahls aus so vielen boͤsen zugleich bestehenden aͤusserlichen kir- chen/ so wird er finden/ wie nicht nur solche personen bald werden zu rechten wah- ren kern-Christen werden/ die folgendes als ein sauerteig sind/ so mit Gottseli- gen leben/ exempel und nach gelegenheit bruͤderlichen vermahnungen andere moͤ- gen neben sich erbauen/ und dermassen dem prediger selbs ohn eingriff in sein amt/ sein werck leichter machen. Es werden allgemach andere immer dardurch ange- reitzet werden/ welche nicht von eusserlicher boßheit sind/ daß sie anfangen eine lie- be zur wahren GOttseligkeit gewinnen/ dero liecht sie erkennen/ an andern so ruͤhm- lich leuchten: sonderlich wo solche/ bey den ein guter anfang ist/ unter sich liebrei- che freundschafft halten/ das man sie recht in einem Geist untereinander verbunden zu seyn erkennet/ und daher folglich ihr exempel so viel kraͤfftiger durch dringet. Ge- wißlich ist etwas/ das sehr die resolution bey vielen schlaͤget/ anders als insgemein der grosse hauff pfleget zu leben/ so ists/ daß es an exempeln mangelt/ darnach sich andere etwas regulirter oder dardurch gereitzet wuͤrden/ auffs wenigst sinds et- wa nur exempel an bloß einzeln personen/ die wo nicht etliche sind/ so da sich mit ein- ander erbauen/ bey weitem so viel nicht ausrichten moͤgen. Daher stehe in dem hertzlichen vertrauen zu dem lieben GOtt/ wo wir anfangen werden/ jeglicher sei- nes orts auff dieses mittel bedacht seyn/ daß wir in unserer kirchen etwas von besse- rung zuwegen bringen/ und vermittels goͤttlichen segens einen geringen anfang bald wachsen sehen werden. Wo nun auch dergleichen particular- besserung hin und wieder entstanden/ so ist solches die rechte vorbereitung/ daß uns GOTT nachmahl mehrere gnade und voͤllige verbesserungen der gesamten kirchen erfolgen lassen wird/ die wir jetzo noch nicht hoffen doͤrfften. Lasset uns nun nicht die haͤnde nie- ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO XXX. niedersincken lassen/ so wird der Herr mit dem guten seyn; lasset uns aber auch zuvordersten mit unauffhoͤrlichem gebet und seufftzen GOTT seine eigene sache/ nahmens heiligung/ reichs erweiterung u. willens vollbringung demuͤthig empfeh- len: So wird er zeigen/ er werde seine ehre nicht allerdings stecken lassen. 1676. SECTIO XXX. V on der lehre des Evangelii. V on der bereits geschenckten seligkeit. Wie neben der lehre von dem gerecht- machenden glauben auff dessen fruͤchten und kennzeichen zu treiben. Ob die wieder gebohrne taͤglich todt suͤnden be- gehen. Von frucht der piorum desi- deriorum. J Ch habe das an mich gethane angenehme samt beygeschlossenen tractaͤtlein zurecht und wohl erhalten: Wie ich aber meiner zeit nicht maͤchtig bin/ noch daruͤber nach belieben disponi ren kan/ als habe die antwort einige tage auff- schieben muͤssen. Das buͤchlein habe vorhin niemahl gesehen/ wohl aber das erste/ aus welchen dieses/ so viel mich erinnere/ als eine repetition ist mit einiger aͤnde- rung. Daß nun meine wenige gedancken in bruͤderlichen vertrauen/ wie solches von mir begehret worden/ frey und offenhertzig entdecke/ bestehen dieselbe in folgen- den stuͤcken. Erstlich des Autoris intention halte vor gantz gut und loͤblich; wie dann jeglicher/ was er zur erbauung des neben menschen zu contribui ren vermag/ nicht nur macht hat vorzutragen/ sondern in gewisser maß darzu verbunden ist. So kenne auch den Autorem also/ daß ich mich versichert halte eines solchen ge- muͤths/ welcher so wohl seinem GOTT selbs hertzlich begehrt zu dienen/ als der- gleichen bey andern zu befoͤrdern. Daher auch in solchem freundlichen vertrauen/ etwa noch selbs die gelegenheit suchen werde/ mit ihme aus dieser materie etwas zu conferi ren. So halte ich auch in specie die intention, die krafft des Evangelii zu inculci ren/ und zu zeigen/ wie aus denselben/ und nicht primario aus dem ge- setz alle besserung des lebens folgen muͤsse/ eben so wohl loͤblich und nuͤtzlich/ wie ich gleiches in der vorrede des hie mitgehenden tract aͤtleins ( Andreæ Crameri eh- renstand der kinder GOttes ) gelehret/ und also ausgefuͤhret zu haben hoffe/ daß ein frommer Christ/ so mit erleuchteten augen die sache ansihet/ mir etwa leicht beysall geben wird. Jch erkenne ferner/ daß eben diese hypotheses, welche in diesem tractatu getrieben werden/ hin und wieder in unsrem theuꝛen man- ne GOttes Luthero zu sehen/ aus welchem sie mit sonderbahren fleiß ein Gottse- liger lehrer Stephanus Prætorius vor etwa 80. jahren zusammen gesucht/ und in vielen tract aͤtlein/ die folgendes mit des seligen Arndii commendation heraus gegangen/ inculci ret/ wie wohl der liebe mann aus mangel gnugsamer erkaͤnt- R 3 nuͤß Das sechste Capitel. nuͤß in ein und andern stuͤcken fast angestossen/ also daß er hin und wieder von eini- gen leyden muͤssen. Es hat aber folgends ein anderer frommer prediger Mart. Statius aus solchen scriptis Prætorianis diese materi en sehr fein unter dem nah- men geistliche schatzkam̃er der glaͤubigen extrahi ret/ u. in einen annehmlichen erbaulichen methodum gebracht/ auch mit ziemlicher sorgfalt die vornehmste loca worinnen der gute Prætorius etwa zu weit gegangen/ ausgelassen/ und also eine vor fromme seelen erbauliche troͤstliche arbeit verrichtet; Daher ich auch sothanes opusculũ Statii den jenigen welche ich darzu tuͤchtig finde/ zu ihrer erbauung off- ters recommendi re/ und ziemlichen nutzen daraus zu haben nicht in abrede bin. Auß solchem wercklein Statii scheinet fast dieses gantze opusculum extrahi ret seyn. So handlet auch der fromme Cramerus in diesen scriptis eben dieselbe materi en/ aber mit nochmehr behutsamkeit als Prætorius oder Statius. Aus welcher ur- sach ich auch selbige arbeit habe durch wieder aufflag/ guten leuten wollen mehr be- kant machen. Daß also aus diesem erhellet/ daß ich auch in dieser absonderlichen absicht daß den leuten vornehmlich nicht durch das gesetz sondern das Evangelium geholffen werden muͤsse/ mit ihme einstimme. Also was die absonderliche grund- lehren anlanget/ so darinnen getrieben werden/ pflichte ich solche allen von hertzen bey. Als 1. daß uns die seligkeit hier bereits in dem reich der gnaden thaͤtlich ge- schencket werde/ und wir also hier in diesem leben selig seyn koͤnnen und sollen/ ehe noch in jenen leben die seligkeit geoffenbahret werde in der herrlichkeit. 2. Daß wir unsere seligk. einig u. allein aus dem glauben haben/ so wohl was das erste em- pfangen deroselbẽ anlangt/ als das behalten. 3. Daß hingegen die wercke als fruͤch- ten des glaubens allerdings nicht mit dem glauben zuvermischen seyen/ noch densel- ben einigerley massen etwas unserer seligkeit zu geschrieben werden moͤge. 4. Daß wir solche seligkeit empfangen in unserer tauff/ wie Pauli wort uns so deutlich davon Tit. 3. berichten. 5. Daß die tauffe nicht allein sehe auff die vorige und vergange- ne sondern auch kuͤnfftige suͤnden/ und also auff das gantze leben: also daß die suͤnde/ so ich heut begangen/ bereits in der tauff ver geben/ das ist/ der grund gelegt worden/ auff welche solche vergebung beruhet. 6. Daß auch die busse nichts anders seye/ als eine wiederkehr zu der ersten tauff gnade/ das jenige wiederum in glauben an- zunehmen/ was uns so bald erstlich in der tauff war geschencket und uͤberreichet/ von uns aber etwa durch unglauben und boßheit wiederum verlohren worden. 7. Daß der unglaube das haupt- und einige laster sey/ aus welchem alle andere laster ent- stehen. Wie unser selige Lutherus so offt gezeiget/ daß eigentlich von dem letz- ten zu reden/ der unglaube allein wuͤrcklich verdamme/ in deme alle andere laster nicht wuͤrden verdammen/ wo der mensch davon durch glauben sich bekehret haͤtte. 8. Daß die reue der suͤnden dasjenige nicht seye/ so uns die vergebung der suͤnden zu wege bringe/ sondern daß solche ehre allein dem glauben gebuͤhre/ so viel mehr/ daß aus der groͤsse der reue unsre seligkeit allerdings nicht komme. Wiewohl sie das ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECT. XXX. das hertz wohl vorbereitet/ zu dem glauben tuͤchtig zu seyn/ und nachmahl die wah- re fruͤchte zubringen. 9. Daß das Gottselige leben die fruͤchte allein des glaubens/ und vielmehr ein stuͤck der durch den glauben erlangten seligkeit als deroselben ur- sach seyen/ und was etwa vor weitere grundlehren in diesem tractatu sind/ welche ich alle als wahrhafftig und Evangelisch erkenne/ und keine einige ausgenom- men/ zum oͤfftern in den predigten bißher werde getrieben haben und noch treibe. Hiebey neben aber kan gleich wohl nicht bergen/ daß neben ein und andern unbeque- men worten/ so aber doch guten verstand leiden/ und deswegen nicht bemercke/ et- liches observi ret/ so ich anders gewuͤnschet/ oder doch wuͤnsche/ daß diejenige/ so solches buͤchlein lesen/ zu ihrer mehrern aufferbauung solches beobachten moͤgen. 1. Nimmt der Autor die wort/ selig und gerecht werden/ als gantz einerley an. Nun bekenne gern/ daß sie von niemand unzertrennlich sind/ und welcher gerecht auch selig/ wer aber selig auch gerecht ist. Jn dessen bemercke gleichwohl einen zimlichen unterscheid unter beyden. Jndem gerechtigkeit allein ein gut der selig- keit ist/ welche alle guͤter der gnaden und herrlichkeit zugleich zusammen fasset. 2. Vornehmlich ist mein allermeistes bedencken/ daß ich wuͤnschte/ daß der glaube und seine eigenschafften deutlicher und kantlicher vorgestellet waͤren. Es stehet zwar pag. 83. einiges sehr denckwuͤrdiges/ so gnugsam zeiget daß der Autor eine rechte meinung hat: aber an andern orten ist zu weilen so davon geredet/ daß sichere her- tzen in den gedancken stehen bleiben moͤgen/ als waͤre der glaube nichts anders als eine blosse einbildung und persuasion von der gerechtigkeit. Und also wo der mensch buß thun solle/ bestehe es in nichts anders/ als allein in den wiederum ge- fassten gedancken/ daß er wiederum in Christo selig seye. Jch sage gar nicht/ daß dieses die meinung des Autoris seye. Jch stehe aber in billiger sorge/ daß sichere gemuͤther es nicht allein so auffnehmen und zu ihrem verderben verdraͤhen koͤnnen/ sondern wo sie solches gemuͤths sind/ davor halten werden/ sie haben gnugsam ursach es also zu verstehen. Jch bekenne gern/ daß in dem glauben freylich die zueignung und applici rung der goͤttlichen gnade das hauptwerck und recht die seele des glau- bens/ daher wahrhafftig das einige seye/ worinnen der glaube/ uns selig machet. Weil aber alle beede/ eines theils ein sicherer mensch/ deren ich exempel gnug weiß/ bey allen seinen fortsetzenden boßhafftigen und verdamlichen suͤnden/ die er nicht zu lassen begehret/ so dann andern theils ein wahrer glaubiger/ sich die gnade und die gerechtigkeit applici ret; dieser wahrhafftig und mit grund/ jener mit unrecht/ und als eine sach/ die ihm gleichwohl in der that nicht gebuͤhret/ dieser aus der erleuch- tung und versiglung des heiligen Geistes in seine hertzen/ jener aus einer fleischli- chen sicherheit; dieser gemaͤß dem goͤttlichen willen/ jener aber schnur stracks dem- selben etgegen/ als welcher ja nicht will daß stinckende boͤcke sich einbilden sollen/ sie seyen wahre schafe. Weil sage ich dergleichen gedancken beyderley ihnen machen koͤnnen/ und in der that ihnen machen/ so achte ich hochnoͤtig seyn/ daß wir/ so offt wir Das sechste Capitel. wir von dem glauben und dessen seligmachender krafft reden/ also balden darzu se- tzen/ dergleichen dinge/ welche ihn also von der fleischlichen sicherheit absondern/ daß kein muthwilliger boßhafftiger mensch sich von seiner sichern einbildung moͤge die gedancken machen koͤnnen/ gleich ob waͤre solche der wahre seligmachende glaube/ sondern klahr sehen muͤsse/ es seye nichts weniger/ als der glaube: Wo wir aber sol- chen unterscheid den leuten nicht wollen vor augen stellen/ so doͤrffen wir nicht bloß bey dem vertrauen und special application stehen bleiben: Wir koͤnnen auch à priori die kennzeichen nicht geben: dann ob wohl der rechtglaͤubige/ ausser des standes der anfechtung/ selbs aus derinnern versiglung des heiligen geistes die un- fehlbahre versicherung seines glaubens hat/ daß er an dessen wahrheit nicht zweiff- len mag/ so wenig als der jenige/ welcher mit offne augen die sonne siehet/ zweiffelt/ ob es ein rechtes sehen oder nur traumen seye/ so ist doch nicht nur allein solches fuͤhlen nicht allezeit bey dem wahren glauben/ vielmehr komt es offters auch bey den recht- glaͤubigen in dem stande der anfechtung dahin/ daß dieses liecht scheint eine eclipsin zu leiden/ u. wo der mensch auff das fuͤhlen gehen wolte/ er sich vielmehr vor unglaͤu- big als glaͤubig achten muͤsste/ sondern wir werden nicht gnugsam wehren koͤnnen/ daß nicht sichere leute ihnen von ihren einbildungen eben solche conceptus machen/ und der fuͤrst des unglaubens ihnen ein falsch gespenst vorstelle/ daß sie sich uͤberre- den/ ihr vertrauen seye das rechte wahre von dem heiligen Geist gewuͤrckte ver- trauen/ welches sie bey sich fuͤhlen/ und damit des standes ihrer seligkeit vergewis- sert waͤren. Daher muͤssen wir nothwendig auch auff die fruͤchte sehen/ und also die notas à posteriori nehmen/ ob nehmlich das hertz von suͤnden gereiniget werde/ anfange GOTT imbruͤnstig und uͤber alles zu lieben/ seinen willen nun und nim- mermehr mit vorsatz entgegen zu handlen/ den oͤffentlichen vorsatz habe/ und die welt uͤberwinde. Damit also der mensch/ wo er sich in goͤttlicher gnade zustehen veꝛsichern will/ zuvor wohl acht bey sich gebe/ ob auch das machende vertrauen ein goͤttlicher glaube oder ein betrug des teuffels seye. Daher vermahnet Paulus so fleißig 2. Cor. 13. Versuchet euch selbs/ ob ihr in dem glauben seyd/ pruͤffet euch selbs. Und ist ja in dem so wichtigsten u. auff sich habenden werck wohl werth/ nicht ohne pruͤf- fung blind hinein glauben/ sondern sich wohl vorsehen wie und auff was grund ich glaube. Also wo der mensch nach der tauff in schwehre suͤnde gefallen ist/ und damit seiner seits die tauff-gnade verlohren hat/ so bleibet zwar freylich dieses gewiß/ und muß ers ohne zweiffel glauben/ daß von GOttes seiten der bund fest stehe/ dann da ist nichts/ das ihn hindere. Wo aber die frage ist/ ob er auch von seiner seite wie- derum in den bund getreten und stehe/ und also sothaner gnade wuͤrcklich theilhaff- tig seye/ wolte ich ihn nimmermehr blos dahin weisen/ er solte nur glauben/ daß ihm alle seine suͤnden in der tauff vergeben und krafft derselben auch jetzt vergeben wor- den seyen/ ohne fernere untersuchung seines hertzens/ als der ich weiß/ wie sich die leute so gefaͤhrlich dessen mißbrauchẽ/ und wo unser Heyland hat befohlen zu predi- ge- ARTIC . I. DISTINCTIO I. SECTIO XXX. gen buß und vergebung der sunden Luc. 24/ 47. daß also die busse sich von der vergebung nicht trennen laͤsst/ noch sich dieser getroͤsten kan/ welcher jene nicht geliebet. Es ist aber die buß eine μετάνοια, und gantze aͤnderung des sinnes/ daß dannenhero die sunden muͤssen wahrhafftig gehasset und mit ernsten vorsatz abge- leget werden/ sollen wir anders den menschen der vergebung versichern koͤnnen. Und gleichwohl wird hiemit dem glauben nichts entzogen/ oder das wenigste solcher erneurung zugeschrieben/ daß sie dasjenige waͤre/ welches uns goͤttliche gna- de braͤchte/ sondern es bleibts der glaube allein; der glaube aber/ soll er wahrhafftig seyn/ muß sich auff goͤttliches wort gruͤnden/ und also ihm nichts zueignen ausser der goͤtlichen ordnung/ wie es ihm versprochen ist. Daher welcher ihm die gedancken macht/ er seye krafft seiner tauffe heilig/ gerecht und selig/ in dem stande/ da er noch wohlgefallen an seinen suͤnden hat/ od’ denenselben nichtalleꝛdings und eiffrig absteꝛ- ben will/ sondern begehret in sunden fort zufahren/ solcher misset ihm das jenige zu/ was GOTT ihm nicht versprochen hat/ und also was ihm nicht gehoͤret/ also ists je kein glaube von dem heiligen Geist gewuͤrcket/ als welcher die wahrheit zum grunde hat/ sondern ein gefaͤhrlicher betrug des teuffels. So nothwendig nun diese ma- terie an sich selbs/ der betrug aber des sichern fleisches dabey so groß und gefaͤhrlich ist/ so nothwendig ists dann auch/ so offt von dem glauben ex professo gehandelt wird/ dieses nicht zu vergessen/ sondern so ausfuͤhrlich bey zu setzen/ damit ja kein unglaͤubiger ohne widerfpruch seines eignen gewissens sich die einbildung vom glau- ben mache. Daher gleich wie ernstlich getrieben werden muß/ wie der glaube das einige/ (unicè solum) instrument ist der seligkeit/ so muß nicht geringerer ernst ge- braucht werden/ zu zeigen/ in was ordnung GOtt seine guͤter zugesagt habe/ u. wie sie von dem glauben angenom̃en werden sollen/ damit der glaube sich auff den rech- ten grund goͤttlichen wortes und verheissung gruͤnde. Daher bin ich nicht in abrede/ daß ich den Evangelischen trost offtmahls sehr restringi re/ und nicht unbilliche/ wo es andere thun: nicht etwas dem trost selbs zunehmen/ welchen ich hoffe/ der mas- sen vorzutragen/ wie das heilige wort GOttes mir darinnen vorgehet/ sondern die ordnung zuzeigen/ in welcher allein man desselbigen habschafft werden moͤge. Wo- mit denn einem wahren glaubigen nichtes abgehet/ sondern er solchen trost in seiner voͤlligen krafft geniesset/ aber den andern/ die sich in Christi ordnung nicht schicken/ die gnade auff muthwillen ziehen/ und sich selbs mit ihrem eingebildeten glauben be- triegen wollen/ wird damit der weg verlegt/ daß sie nicht aus unsrer schuld ihnen selbs schmeicheln und vergebliche gedancken machen moͤgen. Eben also treibe ich auch bey der pruͤffung zu dem heiligen abendmahl/ zwar freylich auch auff den glauben als das hauptstuͤck/ aber also/ daß sehr nachtruͤcklich gezeigt werde/ woran man die auffrichtigkeit solches glaubens erkennen moͤge/ wie nehmlich der mensch sich genau zu pruͤffen verbunden seye/ ob er nunmehr gewillet GOTT dem HErrn von gantzen hertzen allein zu dienen/ und aller muthwilligen suͤnden muͤßig zugehen/ S oder Das sechste Capitel. oder nicht: ist jenes/ so gehe er in GOttes nahmen getrost hinzu/ und versichere sich/ daß sein vertrauen/ der rechte wahre goͤttliche glaube und wuͤrckung des heiligen Geistes seye; ist das andere so ermahne ich ihn/ lieber von dem heiligen abendmahl zu bleiben/ ob er auch noch so sehr bezeugre/ daß er gewißlich die vergebung der suͤn- den und gerechtigkeit in dem heiligen abendmahl zufinden glaubte: aber er ist bey aller solcher meinung unglaubig/ wie gewiß er zuglauben gedencket/ und daher ist er zu dem heiligen abendmahl unwuͤrdig/ eben aus mangel des glaubens. Wann ich nun also auff die kennzeichen des wahren glaubens treibe/ und immer wo des ver- trauens und zueignung meldung thue/ auch dabey gedencke/ worinnen man die goͤtt- liche wuͤrckung von der fleischlichen sicherheit unterscheiden solle/ so folge ich darin- nen dem exempel unsers seligen Lutheri/ welcher auch nicht nur die rechtfertigung aus dem glauben emsig getrieben/ sondern dabenebenst mit sehr nachtruͤcklichen worten gezeiget/ wie der glaube durchaus nicht etwa ein menschlicher wahn und traum seye/ den etliche vor den glauben hielten/ sondern wie es ein solch goͤttliches werck seye/ welches den gantzen menschen aͤndere und neugebaͤre/ wie in der offt belobten vorrede uͤber die epistel an die Roͤmer/ als auch kirchen-post. Som- mer-fest f. 65. a. und an unzaͤhlichen andern orten zu sehen: daß also gewiß folget/ wo der glaube nicht solche eigenschafften in redlicher auffrichtigkeit bey sich hat/ daß er der wahre glaube nicht seye/ und der mensch treulich vor gefahr zu warnen stehe: Auch haben wir zu unsrer zeit so vielmehr auff diese materie zutꝛeiben/ so viel groͤsser die sicherheit der menschen ist/ und der jenigen unvergleichlich mehrere sind/ welche verlohren gehen aus derjenigen art des unglaubens/ das ist falschen glaubens/ daß sie bey aller fortsetzender boßheit doch selig seyen/ und bleiben/ als aus derjenigen art/ daß es ihnen an zueignung der gnade/ in dem stande/ woriñen sie derselben faͤhig gewesen waͤren/ manglete. Hat man nun so gar in der vortragung der lehr dar- auff zusehen/ was zu jeder zeit mag das erbaulichste seyn/ und den damahligen irr- thumen entgegen stehen/ daß auch da Paulus die rechtfertigung aus dem glauben allein zu derzeit/ da die salsche apostel das vertrauen der wercke starck trieben/ mit solchen eiffer gelehret/ folglich Jacobus/ weil zu seiner zeit andere der lehr der gnaden sich mißbrauchten/ sich nicht entbloͤdet/ zu sagen (ob wohl in andern verstand und also ohn widerspruch gegen Paulo) der mensch werde nicht gerecht durch den glauben allein: wie viel mehr ist dann darauff zu sehen/ weil wirs mit einer sichern welt zu thun haben/ daß wir die heilsame gnaden- und glaubens-lehre also vortra- gen/ daß zwar dero krafft das wenigste nicht entzogen/ aber auch den wilden schwei- nen/ den garten des HErrn zuverwuͤhlen/ und die guͤter so nicht ihr sind/ zu geniessen nicht zulassen/ sondern sie gleichsam mit einen zaun davon abhalten wuͤrden. Nechst deme finden sich einige ort/ welche der krafft des glaubens/ vielleicht nicht so wohl aus meinung des Autoris / als wie die wort lauten/ scheinen ziemlich zu nahe zu ge- hen. Als wenn stehet pag. 43. daß die feindselige anschlaͤge/ uns auff un- glauben- ARTIC . I. DISTINCT. I. SECT . XXX. glauben und gottlosigkeit zu fuͤhren/ den feinden gar offt und fast stuͤndlich gelingen. pag. 44. durch solchen unglauben und gottlosen wandel wird die hohegnade und seligkeit Gottes von uns allen wieder gar offt veracht und verworffen. Wir springen aus dem gnaden schiff der heiligen tauff/ fallen in mancherley schwehre fehler/ auch offt- mahls in grobe todt suͤnden/ verliehren dadurch den heiligen Geist/ lassen uns den leidigen teuffel regieren/ treten den seligen tauffbund mit fuͤssen. \&c. p. 96. Erwegt darneben wie undanckbahr er immer- fort seye/ und wie unwuͤrdiglich und dem Evangelio und creutz Chri- sti wandle/ beyde durch unglauben und boͤse wercke. Welchen worten ich fast nicht weiß/ wie ich helffen solle/ daß sie mit der in der schrifft geoffenbahrten lehr der Gottseligkeit uͤbereinkommen? Es ist zwar freylich also/ daß der mensch in dem gnadenstand wiederum aus demselben fallen/ und durch todtsuͤnden der gnade verlustiget werden koͤnne. Es werden sich der exempel gnug finden/ bey welchen solches wuͤrcklich geschehen/ deren theils in solchen ihren suͤnden verlohren gegangen/ andere aber durch die wieder zuruͤckruffende gnade aus dem verderben auffs neue errettet worden sind. 2. So bekenne ich auch/ das in dem der mensch in dem gnaden- stand stehet/ er noch seine suͤnde an sich habe/ und mit schwachheit fehlern uͤbereilet werde/ so wir gnugsam in uns fuͤhlen/ aber dabey versichert sind/ daß solche bey be- haltenden glauben und heiligen Geist uns nicht verdamlich seyen. 3. Jch will auch nicht leugnen/ daß welcher zu mehrmahlen aus goͤttlicher gnade wiederum zuruͤck- gefallen/ wiederum zu derselben solle angenommen werden koͤnnen/ wo er nicht in goͤttlichem geꝛicht hingerissen/ sondern ihm frist und gnade zur buß mitgetheilet wiꝛd. Aber dieses wird zuviel geredet seyn/ daß alle fromme Christen offters die gnade (nicht nur nicht hoch gnug preisen sondern gar) verachten und verwerffen/ aus dem gnaden schiff springen/ in allerhand schwehre fehler/ auch offtmahls in grobe todtsuͤnden fallen/ und sich von dem teuffel regie- ren lassen/ immerfort undanckbahr seyn/ und unwuͤrdiglich dem Ev- angelio wandlen. Dann solches der krafft des glaubens viel zu nahe gehen wuͤrde. Der glaube laͤsset sich nicht so leicht uͤberwuͤnden/ sondern er ist der sieg der die welt uͤberwindet 1. Joh. 5/ 4. So beschreibet S. Paulus seine Chri- sten nicht nur/ wie sie seyn sollen/ sondern wie sie auch in der that seyen/ sie seyen knecht der suͤnden gewesen/ aber nun gehorsam worden von heꝛtzen dẽ fuͤrbilde der lehre/ welcher sie ergeben sind/ sie seyen frey worden von der suͤnde/ u. knechte worden der gerechtigkeit Rom. 6/ 17. 18. ja gar wo sie fleischlich seyen/ moͤgen sie GOtt nicht gefallen. Sie seye nicht fleischlich/ sondern geistlich/ so anders Gottes Geist in ihnen wohne: Wer aber S 2 Christi Das sechste Capitel. Christi geist nicht habe/ der seye nicht sein/ Rom. 8/ 8. 9. Ja der liebe Johannis saget deutlich in Joh. 3/ 6. 9. Wer in ihm bleibet/ der suͤndi- get nicht. Wer da suͤndiget/ der hat ihn nicht gesehen noch erkant. Wer aus GOTT gebohren ist/ der thut nicht suͤnde/ denn sein same bleibet bey ihm/ und kan nicht suͤndigen/ denn er ist von GOTT ge- bohren. Daran wirds offenbahr/ welche die kinder GOttes/ und die kinder des teuffels sind. Daß wir also nach der Schrifft niemahl nicht sagen koͤnnen/ daß die wahre Christen immerfort der suͤnden dienen/ und taͤglich mit muthwilligen suͤnden sich beflecken; sondern sie creutzigen ihr fleisch samt den luͤsten und begierden Gal. 5/ 24. sie haben wohl fleisch/ aber sie wandlen nicht nach dem fleisch/ sondern nach dem Geist/ Rom. 8/ 1. 4. sie wandlen wuͤrdiglich dem Evangelio CHRJSTJ/ und dem be- ruff/ dazu sie beruffen sind. Alles nicht aus eigner krafft/ sondern aus der gnade GOttes des heiligen Geistes/ welche ihnen geschencket ist/ und in krafft dessen/ welcher sie unanstoͤßig behalt/ erfuͤllet mit fruͤchten der gerechtigkeit: So gar/ daß wer nicht ein solcher ist/ und seines Heilandes gebot zu halten sich befleisset/ in solchem stande kein kind GOttes nicht ist. Nun ists zwar wahr/ daß der jenige/ welcher ein kind GOttes hat auffhoͤren zu seyn/ ein solcher wiederum werden kan/ in dem die wiedergeburt wiederhohlet wird: aber wer da erweget/ was das vor eine aͤnderung seye/ aus einem kinde des satans ein kind GOttes zu werden/ und wie solche geburt mit nicht geringen geburts schmertzen abgehe; Wiederum wie kraͤff- tig der saame GOttes seye/ aus dem wir wiedergebohren werden/ der kan nim- mermehr gedencken/ daß solche abwechselung offtmahls geschehe/ und einer in ei- nem tage oder etliche tage/ als ein kind GOttes/ bald wiederum ein kind des teuf- fels/ da abermahl GOttes/ und nachmahl wieder des teuffels seye und werde: wel- ches bey taͤglichen und offtmahls begehenden todtsuͤnden gleichwohl also seyn muͤßte; aber einmahl der krafft des glaubens und wiedergeburth zu nahe gehet. Also daß ich glaube/ wer von hertzen von begangenen fall sich bekehret/ und die gnade der wie- dergeburt wiederum erlanget hat/ der hat sich so viel ernstlicher gegen die suͤnde/ von welcher vorhin sich uͤberwinden lassen/ und dero schwehre/ auch gefahr er er- kant/ gewapnet/ daß er vielweniger in dieselbe wiederum auffs neue willige wird/ als vorhin ehe er sich mit deroselben einmahl beslecket/ und gehet deswegen nicht so leicht wiederum auff die vorige irrwege/ sonderlich wo er etwa schon etliche mahl bey sich die gefahr erkant/ wie leicht er ruͤckfaͤllig werde. Wer aber immer wieder auffs neue/ wo er so zu reden einmahl aus der schwemme herausgekommen/ sich stracks in den vorigen koth leget/ bey deme habe ich sehr sorge/ daß es ihm mit seiner reinigung gar nicht ein ernst gewesen. Geschichts aber mit solchen relapsibus zu offt/ so traue ich gantz gewiß/ es seye nur heucheley und keine wahre bekehrung gewesst. Jst eine ARTIC . I. DISTINCT . I. SECTIO XXX. eine materie / welche so viel fleißiger zu treiben ist/ weil eines von den vornembsten polsterkuͤssen/ darauff sichere leute ruhen/ und ihr heyl verschlaffen/ dieses genen- net werden mag/ daß sie/ was von unvermoͤgligkeit menschlicher kraͤfften gelehret wird/ und gelehret werden solle/ auch auf die wiedergebohrne ziehen/ und die krafft der wiedergeburt zu nicht geringer verkleine- rung goͤttlicher ehren vernichten. Dann ists so/ daß auch noch die wie- dergebohrne klagen muͤssen/ daß sie die gnade GOTTES verachten und verwerffen/ offtmals in todt-suͤnden fallen/ und nicht anders thun koͤnnen: so moͤgen wir ihre boßheit nicht beschuldigen/ sondern bleibet eine allen menschen ge- meine schwachheit/ ob sie dann schon immer in solcher ihrer boßheit/ die nunmehr solchen nahmen verleuret/ fortfahren/ moͤgen wir ihnen die seligkeit nicht abspre- chen: sie aber werden selbs auch nicht nur einverlangen tragen/ anders zu leben/ als welches unmuͤglich seye/ und von GOtt bey verlust der seligkeit nicht erfordert werde; Da uns doch GOtt die art der jenigen/ die aus GOtt gebohren und in dem stande der seligkeit sind/ gar viel anders vorschreibet uñ vormahlen laͤsset/ auch wie er die krafft des Geistes gegeben hat/ nicht zwar ein von allen/ aber gleichwol von allen herrschenden/ suͤnden befreytes leben zu fuͤhren/ nothwendig erfordert/ sich sol- cher gnade zu bedienen: also daß keiner in wahren glauben stehet/ welcher nicht anfangt/ dem Evangelio wuͤrdiglich zu wandeln/ Phil. 1. 27. und mit eyffri- gem vorsatz nunmehr davon abzutreten/ solchen wandel angegangen hat. Wel- ches alles nicht geschiehet/ den menschlichen kraͤfften/ die nichts sind/ etwas bey zu- messen/ weniger einigen geistlichen hochmuth bey den leuthen zuerwecken/ dann die krafft bleibet allein GOttes/ und haben wir ihm mehr danck zu sagen/ daß er uns wuͤrdiget/ gutes durch uns zu wuͤrcken/ als er uns schuldig waͤre/ daß wir ihn ha- ben in uns wuͤrcken lassen/ sondern die krafft goͤttlicher gnade zu preisen/ und der si- cherheit/ auch traͤgheit der menschen zu steuren. Letzlich habe auch wahr genom- men das p. 100. seq. gehandelt wird von verleugnung sein selbs; Nun ist alles was daselbs stehet war; aber ich achte/ es gehoͤrte noch ein mehrere ausfuͤhrung dazu/ und ists eine solche materie die die erste ist unter allen lebens-regeln des Christenthums/ und also wol werth/ daß sie fleißig und ausfuͤhrlich vor augenge- legt/ und gezeugt werde/ daß wir nicht nur alles/ das unsrige hinden ansetzen muͤs- sen/ wo es offenbarlich dem goͤttlichen entgegen stehet/ sondern wie wir schuldig sey- en/ uns und das unsrige/ unsern nutz/ ehre/ lust/ willen/ in nichts auff andere wei- se zu suchen/ als daß wir es auch auff den weitern zweck GOtt darinnen zu suchen/ richten. Dieses sind nun meine wenige/ einfaͤltige und mit anruffung GOTTes abgefaßte gedancken uͤber dieses tractaͤtlein/ so verlangter massen in vertrauen ha- be bruͤderlich communicir en wollen. Haͤtte gewuͤnschet/ das von dem autore etwa beym truck solches buͤchleins dergleichen waͤre beobachtet/ und die lesung dessel- ben so viel fruchtbarer gemacht werden. Wann aber solches nicht geschehen ist/ S 3 so Das sechste Capitel. so achte darum nicht/ daß deswegen solches scriptum aus guter leute haͤnden ge- rissen/ oder gantz supprimiret werden/ mußte/ als der ich selbs verlange/ das solche gute arbeit moͤge einigen nutzen schaffen. Es mag aber der sache also geholffen werden/ wo entweder das lesen desselben denen jenigen allein recommendiret wuͤrde/ so in der lehr der gottseligkeit und wie nothwendig dieselbe seye/ wol unterrichtet und gegruͤndet sind/ auch in solchen leben stehen/ daraus man abnehmen kan/ daß sie die lehr der gnaden nicht auff muthwillen/ wieder die intention ziehen werden: Wie ich dann Statii schatz-kammer allezeit allein den jenigen recommendiret, welche einen hertzlichen eyffer hatten/ GOtt ernstlich zu dienen/ und sich vor allen suͤnden zu huͤten/ aber aus ansehung derselben um ihrer unvollkommenheit angsthafft waren/ und also dieses trostes be- dorfften: Wie denn kein zweiffel ist/ daß in dem geistlichen nicht weniger als in dem leiblichen genau zu unterscheiden seye/ welcherley artzeney einem jeden ersprießlich seye: Oder aber wo ins gemein einigẽ solches tractaͤtlein gegeben wuͤrde/ moͤchte es etwa mit der vorerinnerung geschehen/ wo sie sich vorzusehen/ und nicht wider des Autoris meinung die sache weiter aus zudeuten/ oder sich derselben zu mißbrau- chen haͤtte. Damit sie also von dem lesen nutzen haben/ und doch auch der schade verhuͤtet werden moͤge. Wie ich aber gebetener maßen dieses in bruͤderlichen ver- trauen communicire, also geschiehet es auch mit der condition und in dem ver- trauen/ es vor sich zu behalten/ und nicht weiter zu communiciren, es seye mir dann vorher solches wissend gemacht: Wo alsdenn etwa zu sehen habe/ wie auch mit dem Autore selbs davon handlete. Jm uͤbrigen was meine einfaͤltige pia desideria anlangt/ so ists freylich so/ neben dem daß einige in dem finstern da ge- gen murren/ [dann keiner hat sich noch oͤffentlich dagegen außgelassen] so bleibets bey den meisten/ die noch gut seyn wollen/ bey dem approbir en: aber an dem hand anlegen mangelts fast aller orten. Doch hat der HErr auch hin und wider die seinigen/ die nicht gar die haͤnde in den schooß legen/ sondern trachten/ auch in eini- gen dingen/ wie sie moͤgen/ hand anzulegen. Daher die hoffnung zu goͤttlicher guͤ- te habe/ es werde das werck nicht gantz stecken bleiben. Nur das wir mit gedult harren/ und wo noch das graß herfuͤrbricht/ die stengel/ aͤhren und volle frucht in denselben zu seiner zeit erwarten: Marc. 4/ 28. Jndeß fortfahren zu arbeiten und zu beten. Sonderlich meine ich/ wir leben zu einer solchen zeit/ da unser amt fast allerdings allein darinnen bestehet; wie wir umbzugehen haben mit den jenigen/ die sich noch gern erbauen lassen wollen/ oder doch nicht halßstarrig widersetzen. Dann was boͤse bleiben will/ mit denselben moͤgen wir leider nichts außrichten/ als- denen es auch an den hilffs mitteln mangelt/ dero wir/ dieselbe mit gewalt aus dem verderben zureissen/ bedoͤrfften. Wie wir dann leider an allen orten also stehen/ daß ich offt nicht sehe/ wie wir unser gewissen retten koͤnnen/ und lieber das amt/ so ich nicht nach der vorschrifft GOttes fuͤhren darff/ quittiven wolte/ als darinnen die angst ARTIC . I. DIST. I. SECT . XXXI. angst haben/ so wir leiden/ wo ich nicht saͤhe/ daß damit der kirchen nicht geholffen/ sondern neben denen in das verderben lauffenden boͤsen auch die frommen vollends verlassen/ und in gefahr gesetzt werden wuͤrden. Von demselben sehe/ das mein vielgeliebter bruder eben diese principia fuͤhren muß/ da er schreibet/ daß er so wol mit erwachsenen knaben einige privata exercitia tractir et/ als vornehmlichen noch eine auswahl unter alten und jungen zumachen gesonnen/ ist der jenige/ bey de- nen mehr auszurichten. Hierauff muͤssen wir gewißlich alle gedancken zu erst schlagen/ daß wir bey jeder gemeinde anfangs die jenige/ bey welchen sich bereits goͤttlichen fingers krafft kaͤntlicher zeigt/ in dem stand durch die himmlische gna- de bringen/ da sie als wahre Christen andern zum vorbilde leuchten/ und ein heil- samer saurteig werden moͤgen/ neben dem wort und amt des predigers/ die uͤbrige mit zu erbauen: vel hoc modo vel nullo ecclesiæ consuletur. Der HERR regiere uns alle/ und sonderlich meinen vielgeliebten bruder/ mit seinem heiligen Geist/ daß wir weißlich verstehen/ was zu seinen ehren und aufferbauung der ge- meinde dienlich/ solches eyffrig in das werck setzen/ und gluͤcklich zu ende bringen moͤgen. 15. Decemb. 1676. SECTIO XXXI. Pia desideria und dero praxis. Catecheti sche e- xamina gehen vor. Gothisches exempel. Nach solchem nuͤtzlich anstellende Christliche ge- spraͤche. D As meine einfaͤltige pia desideria an mehrern orten/ als ich von der glei- chen geringfuͤgiger arbeit haͤtte vermuthen moͤgen/ in considerarion gezo- gen werden/ habe dem guͤtigsten geber alles guten/ demuͤtigẽ danck zu sagen. Sind damit die gemuͤther allein rege gemacht worden/ so habe schon ein grosses/ und das meiste dessen erhalten/ was ich habe prætendiren koͤnnen/ dann so werden unter solchen die jenige/ welche mit mehr licht und gaben/ auch erfahrung von Gott begnadet/ sich angelegen seyn lassen/ die sache so viel reifflicher zu uͤberlegen/ und wo es an neuer arbeit mangelt/ mit verstaͤndigern rath und anschlag der kirche zu helffen/ ihnen/ nach jedes zu dem gemeinen nutzen tragenden verbindlichkeit/ an- gelegen seyn lassen. Welches ich so hertzlich/ als daß die jenige dinge/ die in meinen desideriis begriffen/ und insgemein approbiret werden/ auch werckstellig ge- macht wuͤrden/ verlanget habe/ auch noch verlange; Wie dann alle consulta- tiones vergebens/ und nur zum zeugnuͤß uͤber uns dermaleins diensam seyn wer- den/ wo nicht auff die werckstelligung so bald gedacht wird. Die in dem hochloͤblichen Gothischen Fuͤrstenthum durch den unvergleichen eyffer des seligst verstorb enen Her- Das sechste Capitel. Hertzog Ernsten wol eingefuͤhrte und treibende Catechismus-uͤbung ist aller or- ten beruͤhmet/ und freylich von unvergleichlichen nutzẽ/ daß deswegen/ wo etwas der- gleichen ist/ billich mit ernst fortgesetzet/ und wo es noch mangelt/ die einfuͤhrung versucht werden solle. Daher auch hier/ ehe zu einigen privat-conferentz en geschritten/ solche catechetica examina vorhin/ so viel in dergleichen statt sich an- noch hat wollen thun lassen/ gleichsam zum grunde geleget worden/ und sie auch als viel GOtt gnade dazu verleyhet/ mit fleiß continuiret werden. Nechst de- nen aber so mag nachmahls sicher mitden jenigen/ welche sich weiter zuerbauen be- gierde tragen/ fortgefahren/ und einiges buch des Neuen Testaments vorgenom- men werden/ so auch bey den einfaͤltigen nicht ohne nutzen abgehen wird/ wo man in solchem lesen und abhandlen zu erst auff gar nichts anders/ als die einfaͤltige uͤ- bung des glaubens in den articulen/ die deutlich und gleichsam mit so viel worten in der Schrifft gezeigt werden koͤnnen/ sonderlich aber die erbauung des lebens/ intendiret, und dem auditoribus fleißigst inculiret wird. Wie ich dann ach- te/ wir haben ihnen allen so wol in den predigten als andern exercitiis allemahl treulich zusagen/ daß wir auch aus der Schrifft aus unsrem menschlichen fleiß u. ei- genen vernunfft nicht vermoͤgen die goͤttliche warheit zuverstehen/ sondern es ge- hoͤre eine erleuchtung des heiligen Geistesdazu/ damit wir sein wort moͤgen heil- samlich verstehen. Soll aber der heilige Geist bey uns wircken/ der gleichwol nicht in eine boßhafftige seele kommet/ noch von der welt empfangen werden kan/ so ists noth/ daß die jenige/ die Christi lehr recht zu fassen begehren/ sich gleich re- solviren, ihr leben nach seinen willen und regeln anzustellen/ und dasselbe auch so bald antreten. Jn solchem stande sind sie faͤhig/ weiter und weiter auch in der er- kaͤntnuͤß der goͤttlichen geheimnuͤssen zu zunehmen. Daher zu erst/ nechst den all- gemeinesten glaubens lehren/ welche nicht in grosser zahl sind/ fast allein auff die lebens regeln zu reflectiren waͤre. Und wo dann in den piis exercitiis aus den vorhabenden texten davon conferi ret wird/ so moͤgen so wol die colloquentes als auditores / ob sie wol einfaͤltig aber GOTT von hertzen gelassen sind/ nicht geringen nutzen schoͤpffen/ vornemlich wañ dardurch auch eine gottselige bruͤderliche freundschafft bey solcher gelegenheit gestifftet wird/ einander zu ermahnen/ und wo noch fehler wargenommen werden/ bruͤderlich zu erinnern. 15. Dec. 1676. DISTIN- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECT IO I. DISTINCT. II. Von den jahren 1677. 1678. 1679. SECTIO 1. A N einen Rectorem, der darnach ein vornehmer Theologus worden. Ti- tul und bruder nahme. Absicht und frucht der piorum desideriorum. Noͤthige besserung der schulen. Hoffnung des kuͤnfftigen. 2. Auffmunterung an eine christliche weibs-person/ der ihr voriges in eitelkeit gefuͤhrtes leben angelen. Laͤsterung des guten in Franckfurth. 3. An einen vornehmen Theologum. Erklaͤhrung uͤber einige beschuldigungen wegen meiner lehr/ collegii und uͤbung des geistlichen pristerthums/ auch von solchem tractat. 4. Von den piis desideriis und dero praxi, wie sie anzustellen/ und was zu hof- fen. Mystici. Holland. 5. Ableinung falschen gerichts/ ob haͤtte zum Papstum eine zuneigung. 6. Nutzen der brieffe. Auffmunterung. Zustand in Franckfurt. 7. An einen vornehmen Theologum, samt uͤbersendung meines send-schreibens. Von meinem hauß- collegio. Ungrund der laͤstrungen. 8. Bau einer kirchen. Ungarische verfolgung. Goͤttlicher rath in dero verhaͤng- nuͤß. 9. Auffmunterung die gnade recht zu brauchen. Alles aus GOttes wort zu pruͤ- fen. Erfoderter ernst in dem Christenthum. Dessen seligkeit. 10. An einen vornehmen standes. Die erste und schwaͤchre regungen der gnade nicht auszuschlagen. Jungf. Schurmannin. Hoffnung angehender besserung. Viele laͤsterungen. Edir tes send-schreiben. 11. Uber einige bedencken/ betreffend die pia desideria und erklaͤhrung uͤber un- terschiedliches. Ob die reformation Lutheri vollkommen gewesen? Ob in unsern kirchen auch an der lehre mangel seye? Von unserer kirchen rei- nigkeit. Ob andere mit zur reformation zu ziehen. Von unmittelbahren offenbahrungen. Ob man eigentliche sitten sachen treibe/ oder vielmehr die wiedergeburth. Babel. Antichristen. Ob auff titul sehe. Warum verdaͤch- tige nicht anfuͤhre. Jacob Boͤhme. 12. Uber Wilh. Christ. Kriegsmanns symphonesin. 13. Klagen uͤber verleumdungen. Tractat vom Geistlichen Priesterthum. Angst- haffte fuͤhrung und gefahr des amts. 14. Meine catechismus erklaͤrung. Weit ausgebrochene calumnien und dero schaden. Frucht-bringende JEsus gesell schafft. Allgemeine bewegung der gemuͤther. Hoffnung daraus. Daruͤber willig zuleiden. T 15. Als Das sechste Capitel. 15. Als ein anverwandter Theologus seine scrupel die ihm meinetwegen zuge- bracht/ an mich geschrieben. Verantwortung und klage. 16. Antwort auf freundliche erinnerung. Wolgemeintes kan uͤbelausschlagen. Ob uns alle religionen gleich. Daß nicht alle ausser der Lutherischen verdam- met werden. Lesung der Offenbahrung Johannis. Nicht jegliches unglei- ches wort uͤbel zunehmen. 17. An einen christlichen prediger mit uͤbersendung des send-schreibens zur auff- munterung. 18. Von der buͤrde des prediger-standes. Baron von Weltz. Allgemeine regung der gemuͤther. Daher schoͤpffende hoffnung. 19. Anfuͤhrung der leute zur pruͤfung ihrer selbs. Gemeiner betrug deren die sich Christen zu seyn einbilden. Grosser nutzen des exempels rechtschaffener Christen. 20. An einen beruͤhmten Doct. Theologiæ, wegen der Symphonese ω s Kriegs- mannianæ. 21. Von damaligen gemeinen und Franckfurtischen zustand. Meine absicht in allen. 22. Uber das Fuͤrstliche Hessen-Darmstattische ausschreiben. Christliche zusam- menkunfften. 23. Ob von hohen orten die besserung der kirchen zusuchen und zuerwarten seye. 24. Streitigkeit unter Theologis. 25. Gegen mich ausgesprengte laͤsterungen und unwarheiten. Tractat vom Geist- lichen Priesterthum. 26. An einen alten vornehmen prediger/ der noch in hohen alter das werck des HErrn ernstlich treiben wolte. 27. Mein collegium pietatis. Kriegsmannes symphonesis. Darmstattisches ausschreiben. Starcke bewegung in den hertzen zu dieser zeit. Schlesische kirche. 28. Fortsetzung der materien in Sect. II. Offenhertzige freyheit zu handeln. Die reformation nicht mein werck. Pia desideria. Vergleichung der alten Juͤdischen und itzigen Christlichen kirchen. Ob auch wegen der 3. Secten. Unsichtbare kirche. Wiedergeburt. Rechtfertigung. Glaube. Ob der gan- tze mensch in der wiedergeburt geaͤndert. 1. Joh. 3. v. 10. Jac. 2/ 24. Unmit- telbar erleuchtete. Jacob Boͤhme. Christian Hohburg. 29. Heßisches ausschreiben. Umstossung einiger principiorum. 30. Grosse bewegung der hertzen im verlangen nach der besserung. Hoffnung daraus wenigeꝛ anfang/ der bereits gemacht. Geistliche priesterthum. Ver- trauen zu den Wirtenbergischen Theologis. 31. We- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO I. 31. Wegen D. Strauchs in Dantzig. 32. Als meine erklaͤrung gewisser Thesium einem guten freunde uͤbersandte. Balth. Rebhan. 33. An D. Geiern wegen erlangten Churfuͤrstlichen privilegii uͤber das Geistli- che priesterthum. Unbilligkeit der mißdeutung guter dinge. Bewahrung vor mißbrauch. Ungrund der laͤsterungen. 34. Daß das Roͤmische Babel noch grosse gewalt ausuͤben werde. Erklaͤhrung meiner und Horbii lehr. 35. Was 1678. vorgegangen. Trost uͤber eines guten freunden vaters todt. Jo- ach. Stollii abschied und elogium. Was wegen Geistlichen priesterthums vorgegangen D. Hannekenii dedication. Gefaͤhrlicher anschlag gegen mich/ von GOtt abgewendet. Balth. Rebhan. Etwas ohne meinen willen getruckt. Horbii begegnuͤßen. Truck meiner Postill. Studium apoca- lypticum. Commentaria von mir in Tabellen verfasset. Coccejus. Crel- lotii geschrieben werck. 36. An einen vornehmen Theologum. Einige begebenheiten in Franckfurt. Einige anstoß von leibs schwachheit. Rebhan. Dilfeld D. Pomarius, D. Hannekenius. Ob andere religions verwandten auch in mein collegium kommen. Regiersucht der academien. Lateinische edition der piorum desideriorum. 37. Mißtrauen in Elsaß gegen mir. 38. Als einige meine Schrifft (siehe Sect. 32. ) ohne mein wissen publiciret / aber wieder etwas gebessert worden. Meine wichtige ursachen/ mich in streit- schrifften nicht einzulassen/ auch daß von niemand verlange/ sich meiner in schrifften anzunehmen. 39. An Georg Conrad. Dilfeld Diac. zu Nordhausen/ als er in absicht mich offent- lich anzugreiffen/ an mich erstlich geschrieben/ und einige erklaͤhrung haben wollen: Wovor meine Schrifften gehalten haben wolle. Mittel der bes- serung. Fleißigere uͤbung goͤttlichen worts: Catechesation. Privat- zusam- menkunfften. Geistliche priesterthum. Arnds Buch. Autoritas der ausspruͤche der collegiorum. Christan Hohburg. Steph. Prætorius, Statius. Theosophia und Theologia. Auff den innern menschen treiben. Ob ich Osiandri meinung? Vereinigung Christi mit seinen gliedern. Ap- probation der piorum desideriorum. D. Menzer. Das Evangelium muͤste das meiste thun. Wie auff gute wercke zu treiben. Von der noth- wendigkeit der guten wercke zur seligkeit. Schrifften ohne nahmen/ ob al- le verwerfflich? Reformation der kirchen. Darmstattisches ausschrei- ben. B. Rebhan. Erklaͤhrung der 3. puncten. Geringachtung weltlicher ehr. Horbii sache. Kriegsmannes Symphonesis. Erinnerung und wunsch. T 2 40. Ver- Das sechste Capitel. 40. Verlangen nach der besserung fast allgemein in den seelen erwecket. Zusam- men setzung Mosis und Aaronis. Wie darnach zutrachten. Was da- von zu hoffen. 41. Von nutzen der vereinigung und vertrauchlicher correspondenz christlicher Theologorum an Scriverium. 42. Segen den GOtt den piis desideriis gegeben. Zustand der Franckfurti- schen kirchen. Von den lebendigen glauben zuschreiben. 43. An einen prediger in Hamburg. Mein collegium privatum und andere exempla. Labadie. Lehre von der rechtfertigung. 44. Auffmunterung an eine Graͤffliche person. Vereinigung gut gesinneter Theologorum. Zustand der Franckfurthischen kirchen. 45. Von Franckfurthischen sachen. Brudernahm der Christen. Sorge der trennung. 46. Nochmal an Georg Conrad Dilfelden (siehe Sect. 39. ) formul, ich bin Christus. Vereinigung der glaͤubigen mit Christo. Arnds buch. Chri- stus pro \& in nobis Steph. Prætorius. Statii Schatzkammer. Ursachen der auslassung der nahmen. Horbius autor des ersten bedenckens an die pia desideria. 47. Wie beduͤrfftig ich der vorbitte. Ausgestreute laͤsterungen. Dero nutzen. Frucht der goͤttlichen zuͤchtigungen. 48. Gebeth vor mich in meiner kranckheit. Joachim Stollius. Horbius. D. Pomarius. Meine Postill. Apocalyptica. Crellotius. Coccejus. Sab- bath. MS. anonymi. 49. Der meinigen u. meine schwehre kranckheit/ auch empfangene goͤttliche gnade. Wuͤrde u. nutzen ď demuth. Vortheil der besondern zusam̃enkunfften. Kindli- ches vertrauen/ daß GOtt den redlichen willen sich in gnaden gefallen lasse. 50. An einen vornehmen Herrn des regiments in Nuͤrnberg. Elende zustand un- serer kirchen. Einiger politicorum vaͤterliche eyffer. Autoritet der Doctorũ in unserer kirchen. Principia aus dem Papstum entlehnet. Hoffnung von der statt Nuͤrnberg. 51. An einen Doctorem Theologiæ. Wegen meines collegii, und was aus sol- cher gelegenheit entstanden/ auch wegen Kriegsmanns Symphonesis. 52. An Scriverium von unterschiedlichen materien. Ubermaͤßig mir beygelegtes lob. Von commentariis. Seelen-Schatz. Vorhaben eines Amphitheatri. divinæ providentiæ. Dilfelds Theosophia Horbio Speneriana. 53. Als M. Joh. Pikerus Prorector zu Koͤnigsberg sein epitomen Ethicæ Chri- stianæ die 1687. unter den Titul Aretologia Christiana heraus kommen/ uͤbersand hatte/ uͤber dieselbe observationes. SECT. ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO I. SECTIO I. A n einen Rectorem/ der darnach ein vorneh- mer Theologus worden. Titul und brudernahme. Absicht und frucht der piorum desideriorum. Noͤthige besserung der schulen. Hoffnung des kuͤnffti- gen. Hochgeehrter und in dem HErrn hertzlich geliebter bruder. D As sonderbahre vertrauen/ so gegen desselben werthe person/ aus dem so liebreichen an mich gethanen schreiben gefasset/ will mir fast nicht zu lassen/ auf sonst in jetziger zeit gebraͤuchliche weise an denselben zu schreiben/ sondern vielmehr die unsern ersten vorgaͤngern in den glauben gewoͤnliche und beliebte art zugebrauchen. Nicht ob hielte ich davor/ daß die nunmehr durch die gewohnheit eingefuͤhrte und gewissen staͤnden oder aͤmtern gewidmete titul an und vor sich selbs unrecht waͤren/ oder nicht gebrauchet werden moͤchten/ als der ich kein bedencken habe/ sie zu geben/ und an zunehmen/ u. die ich lasse seyn ein stuͤck der politischen ord- nung/ welche unser Evangelium nicht eben auffhebet/ sondern zu rechtem gebrauch so viel geschehen kan/ einschrencket. Sondern dz unter den jenigen gemuͤthern/ die was in jeglichen dingen warheit oder schein seye/ gruͤndlicher eingesehen/ geziemlicher achte/ zu der ersten und Apostolischen einfalt/ so viel ohne anderer/ die die sache nicht fassen/ anstoß geschehen mag/ auch in diesem stuͤck wieder zuruͤck zukehren/ und al- so auch was in solchen gebrauch sich von eitelkeit mit angehaͤnget zu vermei- den. Hoffe demnach mein werthester bruder/ so sich ohne das erklaͤret in die zahl der bruͤder auffgenommen zu werden/ werde sich auch solchen anspruch lassen an- genehm seyn/ und hindangesetzet ebenfals anderer titul sich gegen mir gleiches ge- brauchen. Jn dem uͤbrigen dancke ich meinen GOtt hertzlich/ der mich an dem- selben wiederum eine seele finden lassen/ von dero erkenne/ daß er sie mit seinem licht herrlich erleuchtet und zuverstehen gegeben/ wo es mangle/ und was das einige nothwendige seye. Welches wie es gleichwol bey so reicher erkaͤntnuͤß des buch- stabens des Evangelii gantz gemein seyn solte/ dennoch leider auch unter denen die von goͤttlichen dingen profession machen/ so rar u. seltzam ist/ daß man sich inniglich zuerfreuen/ wo man ein und andere also gesinnete/ und die rechte absicht unsers Christenthums erkennende gemuͤther antrifft. Jedoch hat GOTT hin und wieder (und wer weißt/ wie viele) die seinige ve r borgen/ welche mit seufftzen die vor augen ligende greuel beklagen/ und nach besserung sich sehnen. Wie mich derselbe auch inner fast nunmehr von 2. jahren aus gelegenheit meiner piorum desideriorum ein und andere hat kennen gelehret/ von denen vorhin nicht gewust/ auch immer T 3 von Das sechste Capitel. von mehrern kundschafft zu erlangen/ so verlange als zu seiner goͤttlichen guͤte hoffe. So waͤre vielleicht ein nicht geringes durch seine gnade erlangt/ wo erstlich solche/ die mit ernst das himmlische allein zu suchen begierig sind/ einander bekanter und mit so viel engerem bande durch correspondenz unter einander verknuͤpffet wuͤr- den/ daß sie mit gebeth/ rath und huͤlffe einander so viel fleißiger bey stuͤnden/ und das werck des HErrn trieben. Jch bekenne/ daß dieses nicht die geringste ursach sonderlich der besondern edition der piorum desideriorum bey mir gewesen/ daß da solche materien, daran allen so hoch gelegen/ ob wol nicht außgefuͤhret/ gleich- wol/ so zu reden/ auf das teppich geleget wurden/ daß theils andere erleuchtetere nach der von GOtt reichlicher empfangenen gnade zu der gemeinen wolfarth huͤlf- fen beyrathen/ theils vieler hertzen gedancken/ die dem heiligen vorhaben entgegen oder gewogen sind/ ferner geoffenbaret wuͤrden/ daraus eine gelegenheit der naͤ- hern freundschafft der jenigen gemacht wuͤrde/ die den schaden Josephs hertzlich zu gemuͤth zoͤgen. Auch hat Gott den segen/ welchen ich in solcher maß von einen klei- nen und ohne apparat einiger erudition ausgefertigtem scripto nicht vorher hof- fen duͤrffen/ dazu gegeben/ das solche blaͤttlein weiter in Teutschland/ auch ausser demselben herum geflogen/ und mir noch nechstens ein Superintendens in Tuͤrin- gen geschrieben/ der meisten Theologorum gemuͤther erweckt und rege gemacht: daß auffs wenigste einige gedancken auff die sache geschlagen werden. Und habe ich aus denen in solcher zeit an mich angekom̃enen vielen schreiben wargenom̃en/ daß auch einige ob wol wenigere/ den hertzlichen entschluß gefaßt nach vermoͤgen an dem guten wercke hand mit anzulegen/ wo sie etwas zu erbauen muͤglichkeit se- hen wuͤrden; andere billichen die sachen/ aber halten theils das meiste vor un- muͤglich/ theils wollen sehen/ wie es ablauffe/ und ob andere es angreiffen/ vieleicht sich darnach zu richten; einige scheinen das werck mit schaͤlen augen an- zusehen/ und ob wol noch niemand sich erkuͤhnet hat/ offentlich sich zu widersetzen/ hoͤret man doch das murren hin und wieder/ und bedoͤrffte nur/ daß einer sich hervor thaͤte zu oͤffentlichen widerspruch/ so moͤchten wohl sich viele mehrer hervor thun. Jch/ wie ichs in einfalt meines hertzens und ohne einige ge- such geschrieben habe/ bin ohne sorge deswegen/ und befehle die sache dem/ des sie alleine ist/ als der ich weiß/ daß ich nichts zuzwingen vermag/ wie auch solches die art nicht ist in dem reich CHRJSTJ/ als worinnen alles allein mit willen gesche- hen muß. Kan ich ferner etwas gutes beytragẽ so wohl an der mir sonderbahr mit an dern collegis anvertrautẽ kirchẽ in mehrer erbauung derselben/ als auch auff art u. weise/ welche seine himmlische weißheit mir zeigen moͤchte/ bey andern und durch andere/ so will mich auch nicht entziehen/ noch arbeit oder verdruß scheuen/ aber auch mich nirgend mit gewalt eintꝛingen/ als meineꝛ schwachheit und dessen wohl be- wust/ daß ich derjenige nicht seye/ durch welchen GOTT grosses auszurichten be- schlossen habe. Der enjenigen hoffnung sorge ich vergebens zu seyn/ die darauff war- ten ARTIC. I. DISTINCTIO II . SECT. I. ten wollen/ das grosse Herren und Obrigkeiten communiautoritate sich des we- sens anneh men/ und etwas gutes verordnen/ und also mit weltlichem arm das werck des HErrn befoͤrdern wuͤrden; Jch finde auch wenig/ daß dergleichen in dem reich Christi geschehen seye. Worinnen vielmehr der HErr sich gemeiniglich geringer u. unansichtbarer mittel zugebrauchen pfleget. Wuͤrde also das warten auff diesel- be vergebens seyn. Sondern ich achte/ es habe ein jeglicher in seinem amt mit an- ruffung GOttes zusehen/ was er selbs auszurichten vermoͤge/ und unter collegis auch andern guten freunden/ allemahl die jenige so viel muͤglich/ mit zugebrauchen/ bey denen man findet/ das GOTT auch ihre hertzen geruͤhret habe. So mag endlich durch goͤttlichen segen ein geringer anfang sich viel weiter erstꝛecken/ als man anfangs haͤtte gedencken koͤnnen. Was die schulen betrifft/ so ists freylich an de- me/ daß bey den schulen eines der aller vornehmsten huͤlffs mitteln zu suchen waͤre/ und wuͤrden solche pflantz-gaͤrten der kirchen getreulicher angeordnet und gebauet/ so wuͤrde es in allen staͤnden besser stehen. Es gehoͤren aber leute dazu/ welche GOTT auch mit den zu solchen werck gehoͤrigen gaben ausgeruͤstet/ sonderlich zur erfahrung hat kommen lassen. Jch bekenne meine schwachheit/ daß ich davon wenig verstehe/ als der auß mangel der gelegenheit in meinen patria allein durch privat præceptores muͤssen erzogen werden/ und also in keine schul niemahl ge- kommen bin. Jch erfreu mich aber/ und dancke GOTT so vielmehr/ daß da ich noch mit keinem/ welcher hiezu gaben und willen haͤtte/ bißher bekant gewesen/ ohne Herr N. N. mir nun GOTT an ihm/ vielgeliebtester bruder/ einen treuen freund gewiesen/ welcher die sache verstehet/ und mit solchem guten eiffer zu dieser wich- tigen sache von GOTT ausgeruͤstet ist. Daher nicht zweiffle/ er werde hiezu sein von von dem Herrn habendes pfund anwenden/ nicht nur allein in der absonderli- chen anvertrauten loͤblichen schul/ mehr und mehr gutes zuschaffen/ sondern auch seine gute vorschlaͤge/ wie der sache gantz zu rathen/ auffzusetzen. Jch werde hertz- lich darum dancken/ da mir solche zu communici ren beliebig seyn wird/ auch auff erlaubnuͤß mit andern der gemeinen erbauung begierigen gemuͤthern/ so mir hin und wieder bekant sind/ dieselbe gemein zumachen; ob auch derselben jeder nach der gnade so er von GOTT empfangen/ wolte mit beytragen/ was zu solchen wichtigen sachen dienlich seyn mag. Es ist ja freylich so/ wie derselbe klaget/ daß aus den meisten schulen die jugend mehr heidnisches als Christliches heraus bringet/ und die sorge des weitsehenden Erasmi nur zuviel erfuͤllet worden/ da derselbe ir- gend bezeuget/ daß seine freude uͤber die damahl sich weiter hervorthuende studia etwas verringert werde/ weil er sorge/ das allgemach viel heidenthum mit in die ge- muͤhter einschleichen moͤge. Wann ich an nichts gedencke als an unsre Aristote- lische Ethic, so erschrecke ich/ und stehe in verwunderung/ daß wir uns so lange mit denen einmahl nicht reinen pfuͤtzen vergnuͤget/ da wir die lautere bruͤnnlein Jsraelis offen haben/ und viel herrlicheres daraus lernen koͤnten/ damit auch gleich die ju- gend Das sechste Capitel. gend gewehnet wuͤrde aus der gesunden vernunfft zuerkennen/ wie die seligkeit des menschen in der veꝛeinigung mit dem hoͤchsten unerschaffenen gut bestehe/ und zwar folglich die lehrsaͤtze sind/ so aus solchen gesetztem principio von selbsten folgen wuͤrden. Der HErr erwecke helden/ die muth und krafft haben/ auch in solchen din- gen durchzudringen. Wie ich zwar hoffe/ daß wir etwas naͤher zu solcher zeit kom- men/ wo die erde mit erkaͤntnuͤß des HErrn erfuͤllet werden solle/ wie mit wasser des meeres bedecket. Vielleicht mag einiges hierzu dienliches in den alten Juͤdischen schrifften gefunden werden/ wo fleißige leute sie anfangen emsiger zu unter suchen/ so mich hertzlich erfreuet/ daß so wohl hin und wieder anderwertlich als von ihm sol- ches mit fleiß geschiehet. Der HErr lasse mehr und mehr seinen heiligen nahmen groß werden/ und befoͤrdere was hierzu dienlich ist. Wie dann gewiß ist/ daß er nach seiner treue/ wo wir mit ernst suchen werden/ das einige nothwendige allein vorzuziehen/ das werck nicht stecken lassen wird. Lasset uns nur einander helffen kaͤmpffen mit beten/ und nicht muͤde werden/ uͤber die a beit und verdrießlichkeit/ welche dabey auszustehen ist. Dann die sache ists wohl weh r t. Womit dißmahl be- schliesse/ nur daß noch schließlichen bey diesem jahꝛwechsel wuͤnsche/ daß die liebe Got- tes/ gleich wie sie in erneuung zeitlicher dinge sich heꝛvorthut/ also auch mit taͤglicher erneurung des goͤttlichen ebenbildes in seiner und unser aller seelen als einen liecht- lein der ewigkeit gewidmet/ je laͤnger je kraͤfftiger sich erzeigen/ und uns tuͤch- tig machen wolle/ daß wir an dem grossen tag der allgemeinen erneurung gleich- falls zu der neuen welt und statt unsers GOttes zu der seligen ewigkeit moͤgen er- neuret werden. Amen. 8. Jan. 1677. SECTIO II. A uffmunterung an eine C hristliche weibs per- son/ dero ihr voriges in eitelkeit gefuͤhrtes leben ange- legen. Laͤsterung des guten in Franckfurt. E S freut mich hertzlich/ daß dieselbe bezeuget/ wie noch immer goͤttliches wort deroselbigen einige freude seye. Der HERR erhalte sie bey solchem eini- gen/ und lasse sie mehr und mehr schmecken die sußigkeit desselbigen/ so dann die gewuͤnschte fruͤchten/ die es in den folgsamen seelen wuͤrcken will/ bey deroselben daraus erwachsen/ zu ihres GOttes preiß/ und eigener seelen beruhigung. Wir haben den guͤtigen Vater/ welcher alles vorigen/ auch in eitelkeit der welt zuge- brachten/ lebens nicht gedencken will/ wo wir in Christo JEsu durch den glauben sind/ und nunmehr von der welt gemeinschafft abgesondert/ mit ernst allein trach- ten unserem heiligen Heyland nachzufolgen/ und nach seinen lieben reguln das le- ben anzustellen. Auff welchem weg/ da wir also trachten unsere erwehlung und be- ARTIC . I. DISTINCTIO II . SECTIO II . beruff vest zumachen/ wir die allerhertzlichste vergnuͤgung finden/ auch die mitwir- ckende gnade spuͤren/ welche uns dasjenige muͤglich machet und verrichten hilfft/ was wir vorhin/ so lang wir allein auff uns selbs sehen/ und ehe wir das werck in solchen hertzlichen vertrauen eiffrig angreiffen/ vor unmuͤglich gehalten haben. A- ber der ist treu/ der uns ruffet/ der wils und wirds auch thun/ wie er uns dann staͤrcket und bewahret fuͤr dem argen/ daß dieser uns nicht uͤberwinde noch auffhalte in dem weg der Gottseligkeit/ den wir zu lauffen an- gehoben. Und da bedarffs nicht mehr die vorige suͤnden stets zu beklagen/ als wel- che/ weil wir gemeinschafft mit GOTT haben/ durch das blut JESU CHRJ- STJ getilget sind/ und vor goͤttlichen gericht uns nicht mehr sollen zugerechnet werden; Sondern wir erinnern uns allein derselben zum preiß unsers lieben Va- ters/ der uns so grosses erwisen/ und die suͤnde vergeben habe/ zur erweckung einer so viel inbruͤnstigern liebe/ als mehr uns ist erlassen worden/ und zur vorsichtigkeit in das kuͤnfftige/ daß wir aus dem vorigen lernende/ worin die welt und der satan uns leicht angreiffen koͤnnen/ auff solche feinde sorgfaͤltig acht geben/ und behutsamlich wandlen; Daraus entstehet eine froͤliche ruhe der seelen/ die nunmehr ihres vori- gen lebens/ unter der erlangten vergebung der darin begangenen suͤnden/ ohn zweif- fentlich versichert/ daruͤber allein sorgfaͤltig ist/ wie sie moͤge das gegenwaͤrtige und zuͤkuͤnfftige zu ihres GOttes preiß anwenden/ und vorsichtiglich wandlen in dieser gefaͤhrlichen zeit und welt. Wozu nachmahl anderer gottseligen hertzen vielfaͤlti- ge conversation nicht weniges thun kan; die so wohl sich in dem geist mit einan- der ermuntern/ und also die freude des geistes erwecken/ als auch mit treuem rath einer den andern an die hand gehen kan/ wie er serner in der reinigung fortfahren/ und immer mehr seinem GOTT gefaͤllig seyn moͤge. Ach waͤre diese liebe und ver- traulichkeit unter uns Christen ins gesamt/ wie sie bey unsern ersten vorgaͤngern ge- wesen/ wie solte in kurtzen so reiche frucht davon entstehen? Es wird aber alsdann der teuffel nicht feyꝛen/ dergleichen gutes/ welches er ihm so kꝛaͤfftig entgegen zu ste- hen siehet/ nach vermoͤgen zu hindern/ und der welt haß zu erregen. Es erfahren solches allhie bey uns etliche Gottsellge gemuͤther/ welche sich eiffrig lassen angele- gen seyn/ ihren GOTT rechtschaffen zudienen/ und in dem guten zu wachsen/ und deswegen/ so offt einige einander besuchen von solchen dingen die ihr wachsthum angehen/ lieber sprache/ als mit unnuͤtzen gespraͤchen die edle zeit verderben/ auch je zu weilen ihr neues Testament auffschlagen: Daß dannenhero von ihnen die ungereimtesten und luͤgenhafftigste dinge ausgesprenget werden/ daß ich mich uͤber des teuffels boßheit und unverschaͤmte luͤgen nicht gnugsam verwundern kan: Da wird vorgegeben/ daß die weiber predigten/ die maͤgde hielten unter sich ihre predigten/ es seyen neue quackereyen/ und was des absurd en wesens mehr ist. Und zwar sind von solchen dingen nicht nur die statt selbs/ sondern auch benachbar- te also eingenommen/ daß die meisten solches behaupten/ auch wohl die vornehmsten darauff stehen/ daß dergleichen dinge wahr seyen/ wo ich doch versichert bin/ daß U das Das sechste Capitel. das gerichte falsch/ u. ein heimlicher tuͤck des satans darunter verborgen ist/ welcher trachtet dem guten mit aussprengung solcher falschen dinge (die ich selbs/ wo sie also geschehen/ wie ausgegeben wird/ nicht billigte) einen boͤsen nahmen und boͤsen ver- dacht zu machen. Wolte aber die obrigkeit/ so wir auch darum ersuchet/ und die zu inquiri ren angefangen/ als sie aber bald anfangs nichts gruͤndliches finden kun- te/ gleich wieder nachgelassen hat/ die sache fleißig untersuchen/ so wuͤrde allen gar bald gerathen seyn/ und Gottseliger leute unschuld bald gerettet werden. Es will aber GOTT auch dero bestaͤndigkeit pruͤffen/ ob sie ihm nehmlich in dem guten auch durch boͤse und gute geruͤchte/ gehorsam bleiben wollen. Ach wie weit sind wir zu unserer zeit verfallen/ daß da die laster ungescheut die nahmen der tugenden tragen/ hingegen die wahre Gottseligkeit unter den veꝛhasstesten nahmen muß duꝛch- gezogen oder wohl verfolget werden. Nun lasset uns die sache dem HErrn befehlen/ dessen sie ist/ und nicht muͤde werden gutes zu thun/ daß wir auch zu seiner zeit ernd- ten moͤgen ohn auffhoͤren. 8. Jan. 1677. SECTIO III. A n einen vornehmen Theologum. E rklaͤh- rung uͤber einige beschuldigungen wegen meiner lehr/ col- legii und uͤbung des geistlichen priesterthums/ auch von solchem tractat. W Eil ich theils benachrichtiget worden/ daß vieles ungleiches von meiner person und handlungen Euer Hochw. zu ohren gekommen/ theils leicht ver- muthen mag/ daß dergleichen noch mehr geschehen moͤchte: Auff daß dann so wohl Eure Hochw. selbs einen gruͤndlichen bericht meiner intention haben/ als auch mir die wohlthat thun moͤchte/ wo derselbe nach von GOTT empfangener gnade und mit vieler erfahrung bekraͤfftigster prudenz mich in einigen dingen zu erinnern finden solte/ dergleichen erinnerung und bey gefuͤgten Christlichen raths mich zu wuͤrdigen/ so habe mein hertz bey derselben hierdurch ausschuͤtten sollen. Jch weiß sehr wohl/ und hoͤre es offt/ daß so hier in dieser statt mancherley reden und urtheile gehen/ als auch anderwertlich hin ausbrechen uͤber ein und andere dinge/ welche entweder von mir in meinem amt geschehen/ oder theils daß ich solche fovir te/ mir beygemessen wird. Es bestehet aber vornehmlich solches in 3. stuͤcken. 1. Was meine lehr betrifft/ daß in deroselben ernstlich auff die lebendige uͤbung des Christen- thums treibe/ und weise/ wie kein anderer glaube ein wahrer und seligmachender glaube sey/ als der nach Lutheri worten einen gantzen anderen menschen machet/ und das leben allerdings nach goͤttlichen willen zu fuͤhren antreibet. 2. Das an- dere gehet an diejenige habende hauß-uͤbung/ oder so nennendes Collegium, wor- innen ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO III. innen von unterschiedlichen jahren die schrifft lese/ einfaͤltig erklaͤhre u. andern srey lasse/ ihre einfaͤltige meinung/ was etwa zu der erbauung dienlich/ unter meiner obsicht/ und wo es noth ist verbesserung/ mit bey zutragen. 3. Daß von einiger zeit her etliche gute gemuͤther/ wo sie zu weilen bey gelegenheit zusammen gekom- men/ sich unter einander erinnert/ die Schrifft mit einander gelesen/ und sich davon Christlich unterredet/ um alles auch in die praxin zu bringen/ und es also nicht/ wie sonsten leider so offt geschiehet/ allein bey dem unfruchtbahren wissen bleiben zu laßen. Nun stehe ich in der guten zuversicht/ daß wo jemand die rechte beschaffenheit nicht aus gemeinem gerichte/ u. von feindseligen gemuͤtheꝛn eꝛdichteten erzehlungẽ/ sondern wie sich alles in der that verhalte/ erfahren/ so dann meiner intention gnug- sam erkaͤntnuͤß haben/ oder auch mein gemuͤth selbs tieffer einsehen wird/ daß von allen solchen dingen viel einander urtheil fallen wird/ als wie in ermangelung obiger conditionen, auch etwan von guten gemuͤthern/ so nur etwas obenhin davon ge- hoͤret/ vielleicht geschoͤpffet werden moͤchte. Zum foͤrdersten bezeuge mit gutem gewissen/ hoffe auch daß die jenige/ so mit mir vertraulichen umgehen/ und also in steter beobachtung den grund des hertzens tieffer zu forschen vermoͤgen/ mir dessen zeugnuͤß unschwehr geben werden koͤnnen/ daß in alle diesen dingen u. fuͤhrung mei- nes amts ich ja nichts von meiner eigenen ehre/ reichthum/ bequemlichkeit dieses lebens oder dergleichen hauptsaͤchlich suche/ oder darnach trachte: ja auch thoͤricht wuͤrde seyn/ wo ich durch solche mittel/ welche jenem zweck gantz entgegen stehen/ dergleichen menschliches suchen wolte. Es sind in der gleichen dinge keine mittel/ da- mit ehre zu erlangen/ sondern verachtung der welt/ boͤse urtheil von vielen leuten/ und verleumdungen/ sind das gewisse/ was derjenige vor sich sehen kan/ welcher auff dergleichen wege tritt. Und suchte ich einige ehre in der welt/ so wuͤrde es etwa auff andere wege geschehen muͤssen und koͤnnen: vor welchem gesuch aber mein Gott mich gnaͤdig behuͤten/ und mir die gnade geben wolle/ wo noch etwas von ge- such eigener ehre bey mir sich findet/ auch solches thaͤtlich abzulegen. Eben so we- nig wuͤrden dieses die mittel seyn/ zu guͤtern in der welt zu gelangen/ wo durch man sich mehr haß als gunst der menschen zu wegen bringet. So gibets auch keine muͤßige tage oder bequemeres leben. Sondern meine einige absicht ist nechst goͤtt- licher ehr/ daß ich der mir anvertrauten/ und meine arme seele rette. Jch fuͤhre mein amt mit furcht und zittern/ und erschrecke vor dem gericht/ welches uns allen/ die wir den seelen vorgesetzt sind/ so viel schrecklicher bevorstehet/ als mehr uns an- vertrauet wird. Wo ich dann nun gedencke/ daß ich nicht weiß/ wie nahe ich sol- chem gericht seye/ und vielleicht naͤher als ich oder andere von mir gedencken moͤgen: so sehe ich ja wohl/ daß ich nicht ursach habe/ sicher zu seyn/ sondern von allen sei- ten zu sehen/ ob ich nichts versaͤume/ was ich wiederum zuersetzen vielleicht keine frist mehr haben moͤchte. Jch leugne nicht/ daß ich offt nicht weiß/ mein gewissen zustille/ sonderlich wo ich etwa mir selbs nicht gnug rathen kan/ und gleichwohl beyderseits U 2 seelen Das sechste Capitel. seelen-gefahr vor augen habe. Daher ich so offt die jenige gluͤcklich und selig prei- se/ welche in fast allen andern staͤndten ihr heyl leichter wircken/ und weniger see- len-angst und gefahr auszustehen haben/ und wo in unserer freyen willkuͤhr stuͤn- de in oder ausser amts zu leben/ wuͤrde solche sorge offters mich bewogen haben/ lie- ber mit Jona auff das meer zufliehen/ als dieses gefaͤhrliche amt zutragen. Jst demnach allein der goͤttliche beruff/ und also gehorsam unter goͤttlichen willen/ das jenige/ welches mich haͤlt/ und manchmahl auffrichtet. Jn dessen solte in einigem von mir auch zu viel geschehen/ darinnnen gern von vaͤtern und bruͤdern dero gruͤndlichen unterricht und uͤberzeugung annehme/ so ists aus keiner andern absicht/ als das jenige zu thun/ was nach der erkaͤntnuͤß so mir GOtt gegeben/ noͤthig erkenne/ meine seele zu retten. Was nun die 1. aufflage anlangt/ wenn ich hie von vielen beschuldiget werde/ ich machte die sache zu scharff/ und erforderte zu viel bey dem Christenthum. So bin ich dessen in mei- ner seelen versichert/ daß einmahl die lehr/ die ich in solchen und andern stuͤcken of- fentlich in meinem amt treibe/ goͤttlichem wort und den Symbolischen buͤchern/ ohne einige außnahm/ gantz gemaͤß. Jch schreibe dem allerheiligsten leben/ welches ge- fuͤhret werden koͤnte/ das aller geringste verdienst nicht zu: Jch erkenne unser ei- gene unvermoͤglichkeit zu allem gute/ welche hindert/ dz wir nicht zu der wahren voll- kommenheit zugelangen vermoͤgen/ daß wir allerdings ohne sunde waͤren. Hin- gegen bekenne gern/ das ich ernstlich treibe/ nicht nur auf die fruͤchte des glaubens selbst/ sondern auch so fern sie gantz noͤthign kennzeichen des glaubens seyen/ ohne welche keiner wahrhafftig glaͤubig erkant werden moͤge. Jch ruͤhme danckbar- lich die theure krafft unsers liebsten Erloͤsers und seines verdiensts/ aus dero wir nicht nur allein die vergebung der suͤnden und gerechtigkeit/ sondern auch die heili- gung und die kraͤfften haben/ ein wahrhafftig Gott wohlgefaͤlliges/ von herrschenden suͤnden freyes/ unstraͤffliches/ und ob wohl nicht von alleꝛ suͤndlichen befleckung annoch gantz reines/ dannoch nach dem exempel unsers Heylandes in dem gantzen wandel thaͤtlich eingerichtetes/ leben zufuͤhren: also gar/ daß wer auch diese gnade seines Erloͤsers nicht will bey sich kraͤfftig seyn lassen/ ein solcher auch in dem uͤbrigem sich der gnade der rechtfertigung und seligkeit nicht getroͤsten moͤge. Jn dem der HErr seine beyde wohlthaten so genau an einander verknuͤpffet/ daß wer die eine von sich stoͤsset/ die andere auch nicht behalten mag. Solches alles zweiffele ich nicht/ daß es eben die lehr seye/ welche Ew. Hochw. nicht weniger in ihrem amt treiben wer- den; wie auch alle andere/ so mit ernst das werck des HErrn ihnen lassen angele- gen seyn. Und gleichwohl wird es mit allhier von vielen so uͤbel auffgenom̃en/ weil ich dieselbe fast immer fort repetire, als die ich vor das hauptwerck halte/ wor- auff ich zu treiben habe/ und den schlaffenden hund etwa durch so offt wiederholtes ruffen erwecke/ weñ er durch ein und ander zuschreyen noch nicht rege werden will. Es werden aber eben meine mit zugleich schickende Catechismus fragen auch hier- innen ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO III. innen mir ein zeugnuͤß seyn/ daß ich in treibung des lebendigen thaͤtlich en Christen- thums von der reinen wahrheit nicht abweiche. Was das andere nemlich meine zu hauß gewoͤhnlich anstellende uͤbung anlangt/ so ist wiederum bey solcher arbeit/ die mir doch des jahrs viele stunden/ (worinne sonsten etwas sparsamer zu seyn pflege) wegnimmet/ keine absicht auff etwas meines eigenen sondern lauter allein/ weil als erstlich von gottseligen gemuͤthern darum angesprochen werden/ und deroselben habenden zweck goͤttlicher ehre und ihrer erbauung erkant/ ihnen mit gutem gewis- sen aushanden gehen zukoͤñen nicht gesehen/ nochsolche aber offters wahrgenom̃en/ dz auch der zweck der gesuchten aufferbauung aus goͤttlicher gnade u. segen bey unter schiedlichen erfolget/ hingegen nicht allerdings erhebliches dargegen biß dahero ge- bracht/ sondern auch von vortrefflichen Theologis entweder insgesamt solche exercitia bekraͤfftiget/ oder doch/ welche nicht gern sehen/ daß es promiscue von andern imitirt wuͤrde/ das meinige gleichwol gebilliget/ und ich zur continu- i rung angefrischet/ von keinem aber/ daß solches abzustellen haͤtte/ erinnert wor- den/ so ich mich gleichwol versichere/ in solchen fall wuͤrde geschehen seyn/ und haben geschehen sollen. So ists auch erstlich mit rath und gut befinden unterschiedlicher unsers Collegii, welche auch als lange ihre geschaͤffte solches ihnen vergoͤnnet/ sich mit dabey eingefunden/ angefangen worden. Wie nicht weniger die damahlige Scholarchæ, als unsere vorgesetzte in rebus ecclesiasticis, solches gewußt/ auch absonderlich mit einigen davon damahl geredet/ von ihnen gebillichet/ und solches mit zulassung/ daß die ihrige selbst es besuchten/ bezeuget worden. Hingegen ist nicht ein einigesmahl weder von gesamten Herrn/ oder einem einigen gegen mich selbst/ einiges mißfallen contestiret oder angedeutet worden. So wird auch solches also angestellet/ daß jeglichen erlaubt dazu zukommen/ daß also da nichts heimliches tractiret, oder vorgenommen wird/ da nicht so viele zeugen dabey waͤ- ren/ welche was vorgegangen oder vorgehe wissen/ und hoͤren wuͤrden: Die mir noch darzu meistens bekant sind/ wie wohl wo die erlaubnuͤß haͤtte/ ich solches exerci- tium noch viel lieber selbst in der kirche/ da mehr bequemlichkeit waͤre/ zuhalten verlangte. Das 3. stuͤck betreffend/ so bekenne gern/ das etwa von 4. monaten/ nachdem mit neu angefangenem methodo bey dem neuen kirchen-jahr/ wo ich vorschlag gethan zu lesung der Schrifft/ die zu hoͤrer besser anzufrischen und anzu- fuͤhren/ solche treulich erinnert und vermahnet mit rechtschaffenem ernst ihnen ihr Christenthum und das wachsthum desselben angelegen seyn zu lassen/ unterschied- liche gute gemuͤther/ so vielmehr eyffer gefasset/ daß sie theils jeglicher vor sich selbst das goͤttliche wort fleißiger untersuchte/ theils einige hauß-vaͤter und hauß-muͤttern mit den ihrigen solches zu thun/ oder mit zuziehung eines erforderten Studiosi, thun zu lassen/ sich resolvireten, theils bey besuchungen und der gleichen zusam- men kuͤnfften/ da sie zu einem gespraͤch eine gelegenheit haͤtten/ sich derselbigen ge- U 3 brauch- Das sechste Capitel. brauchten/ zu erbaulichen gespraͤchen/ wiederhohlung der in der predigt vorge- kommene texte oder anderer biblischen spruͤche/ und aus solchen fliessenden ver- mahnungen untereinander: ohne das jemahl gesucht worden/ etwas hohes/ und was uͤber den captum der einfaͤltigen waͤre/ vorzunehmen/ oder damit sich auff- zuhalten. Es ist aber bald ein solches/ zweiffel frey anfangs von den jenigen/ wel- che den guten entgegen sind/ auff das uͤbelste auffgenommen/ und so viel fabeln von weiber- und maͤgde-predigten/ quackereyen und gantz albern dingen ausge- sprengt worden/ da wo ich oder einige andere/ so den grund recht wissen wolten/ mit fleiß erforschung gethan/ sich endlich im̃er gefunden daß gar nichts daran/ oder das best-gethane auffs allerschaͤndlichste mißdeutet worden. Es wurden aber solche falsche spargiment en mit solchem schein/ auch mit solchem fleiß etlicher/ die wohl gefallen daran hatten/ ausgebreitet/ daß auch wohl gute gemuͤther/ welche der- gleichen so vieles hoͤreten/ nicht wohl anderst gedachten/ als es koͤnte nicht anders seyn/ als sie hoͤreten/ und wo es wahr waͤre/ nicht anders als zu mißbillichen ursach haͤtten. Wir haben auch in unsern Collegio von der sachen gehandelt/ was da- von gehoͤret worden/ und geschlossen/ daß wir die bruͤderliche erbauung unterein- ander nicht verwerffen koͤnten/ noch das gute zuhaͤm̃en ursach haͤtten/ gleich wohl sorgfaͤltig acht geben wuͤrden/ wo jemand uͤber die schrancken schreiten wolte/ deme dann in sanfftmuth und liebe solches zu remonstriren waͤre. Damit auch so wol solche gute gemuͤther wissen moͤchten/ wie sie sich inner ihren schrancken zuhalten/ als andere lernen solten/ wie sie dergleichen anzusehen/ so habe einige hierbey mit gehende fragen von dem geistlichen priesterthum auffgesetzt/ collegialiter verlesen/ und meiner Herrn collegarum censensum daruͤber samptlich erhalten/ auch darauff publiciret : Damit also jeglicher wuͤste/ wie weit er hierinnen zu- gehen/ oder nicht zu gehen haͤtte. So viel wurde bey uns gethan/ als nemlich wir zu thun vermochten/ erwartende/ ob unsere Herrn und Obern ihres orts etwas auch mit unsern Collegio aus dersache handlen/ oder conferiren wolten/ so zwar noch bißhero nicht geschehen ist. Weder ich noch meine geliebte mit-bruͤder verlangen gar nicht einige confusion, und werden nicht zugeben/ daß jemand unberuffenes unsere Cantzel/ oder etwas des offentlichen predig-amts/ einnehme/ oder sich dessen anmasse. Dahero wo sich der gleichen befinden solte/ wir darinnen zu remedi- ren beflissen seyn wuͤrden. Es hat sich aber noch biß dahin in dem untersuchen nichts so der andung werth gewesen/ gefunden. Wie aber auch in das kuͤnfftige nichts an wachsamer sorgfalt unterlassen werden solle. Wie ich hingegen hoffe/ daß in- ner den schrancken/ die also gesetzet sind/ christliche Theologi der mutuæ ædifi- cationi sich nicht widersetzen/ oder solche unbilligen werden. Wie dann sonder- lich der guten zuversicht gelebe/ wofern E. Hochw. seiter andern und zwar den ins- gemein ausgesprengten/ auch vonso vielen vornehmen allhier geglaubten/ bericht ein- ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . IV. eingenommen/ und wie es nicht anders muͤglich waͤre/ daraus ungleiche gedancken gefaßt haben solte/ daß hingegen dieser in gruͤndlicher warheit gethane bericht/ de- roselbigen voͤllige satisfaction geben werde. Dahero auch meiner schuldigkeit er- achtet/ solchen bey Ew. Hochw. als dem uns allhier nechsten vornehmen Theologo, deme daran gelegen/ unserer sache gute und gruͤndliche kundschafft zu haben/ abzustatten/ und dadurch gelegenheit zu geben/ wo hievon geredet wuͤr- de/ das jenige darzu zureden/ was nachgefasster solcher sache beschaffenheit/ die warheit und Christliche liebe selbst erfordern/ als wozu sie ohne das willig und ge- neigt seyn werden. Solten aber dieselbige in diesem oder vorigen stuͤcken/ nach der von GOtt verliehenen gnade und erfahrung/ anders zeigen koͤnnen/ daß der suchende zweck der gottseligen erbauuug auff andere weise nachtruͤcklicher erhal- ten/ und zu wegen gebracht moͤchte werden/ so quitire ich gern meine vorschlaͤge/ wo sie mit andern besser und nuͤtzlicher koͤnnen ersetzt werden: als deme es ja nur nicht an mir selbs/ sondern wie das/ was mein GOtt von mir erfordert/ und der- mal eins dorten darvon rechenschafft begehren wird/ moͤge am kraͤfftigsten werck- stellig gemacht werden/ gelegen ist. Dieses ist das jenige/ so ich in hertzlichen ver- trauen und gleichsam mein gantzes hertz/ bey E. Hochw. habe ausschuͤtten/ und demnach mir ein solches muͤndlich zuthun/ die gelegenheit nie fuͤgen wollen/ schrift- lich es thun wollen. Der guten zuversicht gelebende/ daß Ew. Hochw. diese mei- ne offenhertzige communication freundl. auffnehmen/ und wo dieselben erken- nen/ wie ich mein amt mit mehrer frucht zu der ehre unsers grossen GOttes fuͤhren moͤge/ als wo nach meine meiste begierde stehet/ mir ein solches aus vaͤter- und bruͤ- derlichen gemuͤthe mittheilen/ und also an mir und meiner gemeinde ein gutes werck zuthun sich nicht schwehr lassen werde. Warum ich gehorsamlich bitte/ und von den Geber alles guten/ alles was zu menschlichen/ Christlichen und Theologi schen wohlwesen gehoͤret/ eyfferig und mit einfaͤltigem hertzen anwuͤnsche. 7. April. 1677. SECTIO IV . Von den piis desideriis und deren praxi; wie sie anzustellen/ und was zu hoffen. Mystici. Holland. D Aß demselben meine pia desideria gefallen/ habe mich zu erfreuen/ und GOtt davor hertzlich gedancket. Jch bin in meiner seelen versichert/ daß ichs hertzlich meine/ und wie gern wolte ich/ daß so viel zu effectui rung des wercks zuthun als vorschlaͤge zu zeigen vermoͤchte. Da weisen s i ch aber der difficulteten so viele/ daß wo das werck nicht des HErrn waͤre/ man billich alle hoff- Das sechste Capitel. hoffnung/ stang und stab fallen lassen solte. Aber weil es des grossen GOttes sache ist/ so bin versichert/ er werde endlich dieselbe nicht stecken lassen. Nur ha- ben wir ihn inbruͤnstig anzuruffen/ daß er uns mit seines heiligen Geistes gnade da- zu erleuchten wolle; daß wir in allem seinen heiligen willen rechtschaffen erkennen/ und nachmahl ihn getrost auch werckstellig machen koͤnnen: Wozu so wenig menschliche weißheit als krafft genugsam ist/ sondern beyde von oben her kommen muͤssen. Jch habe durch meines GOttes gnade den vorsatz gefaßt/ menschen- gunst vor mich nicht zu suchen/ ob ich wol in vielen stuͤcken dieselbe gar nicht mit fuͤs- sen trete/ noch von mir stosse/ wo ich deroselben gebrauch zu dem werck des HEr- ren einigerley massen nuͤtzlich meine zuerkennen: als der ich mich nicht wenig fuͤrch- te/ daß/ in dem wir der kirchen helffen wollen/ die mittel/ so sie nicht kluͤglich ange- wendet werden/ gefaͤhrlicher als das uͤbel selbs seyn oder werden moͤchten: Dahe- ro in gegenwaͤrtiger zeit die regul guͤltig seyn lasse Luc. 9/ 50. Wer nicht wi- der uns/ der ist fuͤr uns. Wes wegen noch nicht alle diener der kirchen oder gelehrte dahin noͤtige/ daß sie sich wuͤrcklich heraus lassen/ oder einen theil des has- ses und darauff folgender beschwehrde so bald auff sich laden solten/ sondern bin auch mit den jenigen wohl zu frieden/ und suche dero freundschafft auff alle er- laubte weise zu unterhalten/ die sich der befoͤrderung der gottseligkeit nur nicht wi- der setzen: und achte deswegen/ daß wir allein die jenige offenbahr anzugreiffen ha- ben/ welche die so scheinbarlich vor augen leuchtende greuel und mißbraͤuche offen- bahr vertheidigen/ billichen und verfechten: Wiewol auch gegen dieselbe etwa nicht gern weiter gehe/ als die nothwendigkeit erfordert. Und glaube/ wir werden viel- leicht mehr auch bey denselben ausrichten/ wo wir in allen eyffer gegen dieselbe/ (welcher freylich gebraucht werden muß) auch so viel geschehen kan/ eine grosse sanfftmuth und gedult gegen die offenbahre feinde der gottseligkeit uͤben. Wie wir sehen/ wie die erste Christen gegen die Heyden zuthun pflegten. Ferner so habe offt bey mir selber erwogen/ wie die sache anzugreiffen/ endlich aber bin auff die gedancken gefallen/ in diesem jetzigen so verderbten zustand der kirchen/ wo wir kaum der ordnung nachzugehen vermoͤge/ koͤnne von uns nicht so wol derselben ge- rathen werden/ in denen pflichten/ welche wir gegen die boßhafftige verrichten/ die- selbe zu bekehren/ als vielmehr in den jenigen/ mit welchen wir die guͤte bey denen so bereits aus GOttes gnade einen trieb dazu haben/ nach allen vermoͤgen suchen zu befoͤrdern/ und also nach dem wir das aͤusserliche so verderbte corpus nicht aͤn- dern koͤnnen/ sondern muͤssen es lassen und die sache GOtt befehlen/ in demselben und aus demselben allgemach einige gute seelen zu sammlen/ die zu einer Ecclesi- ola in Ecclesia personen geben moͤgen: Auff daß nachdem dieselbe in den gu- ten besteiffet/ und weit gebracht/ ihr exempel samt unsrer lehr zur besserung der an- dern/ die sich noch bessern wollen lassen/ uns helffen moͤgen. Daher gehet mein und anderer einiger meiner treuen mit-arbeiter allhier/ scopus vornehmlich da- hin/ ARTIC . I. DIST. II. SECT . IV. hin/ das wir zwar nicht unterlassen/ offentlich in den predigten/ auch den boͤsen ernstlich zuzusprechen/ und deroselben vermeinte effugia, damit sie sich zu helffen meinen/ nach muͤglichkeit zu benehmen/ und ihnen nachtruͤcklich genug zu weisen/ daß sie bey herrschenden suͤnden keinen theil an Christo haben. Wir unterlassen auch nicht bey erheischender gelegenheit in particulari den jenigen/ welche sich nicht bessern wollen/ beweglich zu zusprechen/ und wie ihnen alle absolution und communion, wo sie uns dieselbe abtringen oder abbetriegen/ nichts nutzen son- dern mehr schaͤdlich seye/ vor augen zu legen: Ob wir wol nachmahl die saͤue nicht gnug abhalten koͤnten/ daß sie nicht ihnen das jenige zu eignen/ was ihnen nicht gebuͤhret. Aber solches halte ich das wenigste in meinem amt/ in dem ich leider nicht viel sehe daß damit außrichte: das meiste setze also darein/ daß/ nach dem GOttt unterschiedliche gute seelen gezeigt/ welche mit hertzlichem eyffer ihn zu die- nen trachten/ solchen lieben leuthen alle gelegenheit und vorschub gegeben werde/ sich immer mehr mit uns und unter sich zu erbauen: Dabey wir auch durch GOt- tes gnade sehen/ daß es nicht ohne frucht abgehe/ und so wohl sie selber wachsen als immer andere mehrere durch ihr exempel sich dazu gewoͤhnen: Dero zahl vermit- tels goͤttlichen segens immer vermehret zu werden hoffe. Damit nun solche liebe leute des dienstes treuer seel-sorger nicht moͤchten allzu fruͤhe beraubet/ oder an- dern/ die noch dazu moͤgen gewonnen werden/ solche gelegenheit entzogen werden/ so haben wir/ was sonsten unser recht und macht gegen die halßstarrige erfordert/ nicht mit dem ernst bißher fortgesetzet/ und drauff getrungen/ als vielleicht viele von uns haͤtten verlangen moͤgen/ worauff aber ohne zweiffel die remotion erfolget waͤre/ oder erfolgte/ die wir unsers ortes/ und nach dem jenigen/ was zu unsrer ei- genen beruhigung gehoͤrte/ als eine wolthat ansehen wuͤrden/ aber der kirchen und den jenigen seelen/ die noch also erhalten werden koͤnnen/ nicht nuͤtzlich finden/ und deswegen/ wo wirs endlich wagten/ nach dem wir den schaden sehen wuͤrden/ ein schwehrer gewissen sorgen muͤßten/ alß uns jetzo offters gemacht wird/ wo wir man- ches unterlassen muͤssen/ was in anderm stand der kirchen goͤttliche ordnung von uns erforderte. Der HErr regiere uns alle mit seinem Geist/ und gebe uns zuerken- nen/ was in jeglichem sein wolgefaͤlliger wille seye. Was der Herr gedencket von den guten seelen/ mit denen er umbgehe/ und von GOTT in der wuͤste mit vieler schwachheit und finsternuͤß gefuͤhret und geuͤbet werde/ lasse ich seines orts beruhen/ und habe nicht vermessentlich zu urtheilen/ was mir nicht zur gnuͤge bekant. So habe auch von den mysticis autoribus wenig gelesen; ohne den Taulerum, fer- ner Hugonem de Palma, so dann von denen etwas neuern/ Matth. Weyer/ (so fern derselbe auch hieher zu ziehen) Joh. Evangelistam und Chr. Hobur- gen. Jn unterschiedlichen habe viele vergnuͤgung gefunden/ in andern ange- standen. Das meiste aber/ so mich offt stutzen gemacht/ auch noch jetzo irret/ ist dieses/ daß in der lieben Schrifft fast wenig anleitung finde zu der art und methodo, so von denen selben sonst wolmeinenden leuthen in unterschiedlichen stuͤcken/ (dann X mit Das sechste Capitel. mit den gemeinen hat es seine richtigkeit/) vorgeschlagen wird. Und scheinet jene mit vielmehr einfalt den rechten weg uns zuzeigen/ da hingegen in dergleichen me- thodis, wie einfaͤltig sie das ansehen haben/ etwa mehr kunst und bemuͤhung des gemuͤthes ist/ als auff dem in der Schrifft deutlich gewiesenen weg des liebreichen glaubens und glaͤubiger liebe/ so dañ nach derenselben anstellenden wircklichen nach- folge JEsu. Jedoch wie jeglichen der HErr seine gabe gegeben hat/ dieselbe wende er an/ zu des gebers heiligen ehren und des neben-menschen erbauung. Jm uͤbrigen sehe ich taͤglich mit betruͤbten augen an/ die hereinbrechende schroͤckliche ge- richte GOttes/ dero anfang wir bereits fuͤhlen/ und hingegen den außgang nicht uͤbersehen koͤnnen. Vor unser Evangelische kirche kan ich wenig gutes hoffen/ son- dern daß sie ihrem GOtt eine schwehre heimsuchung schuldig seye/ und wie sie mit den suͤnden Babels viele gemeinschafft gehabt/ also auch deroselben straffe theil- hafftig werden solle/ ja das gericht von dem hause des HErrn anfangen muͤße. A- ber ach daß es nur eine verfolgung um des HErrn und seines nahmens willen/ nicht aber eine gerechte außgiessung des zorns uͤber das greuel-wesen/ waͤre. Von Holland habe bißher die hoffnung mehr als von einigen ort gehabt/ daß der HErr daselbs nicht nur viele guter seelen werde behalten/ sondern auch durch neuliche zuͤchtigung viel gutes bey vielen gewuͤrcket haben/ ja daß es das ort moͤchte seyn/ wo etwa GOtt vielen den seinigen/ so anderwertlich weichen muͤßten/ ihre herberge und zuflucht bestim̃et haben moͤchte. Daher mich hertzlich betruͤbet und erschrecket/ was mein Herr davon schreibet und sorget. Wie wuͤnschte ich meines orts/ daß un- sre hiesige statt oder gegend auch ein solcher platz seyn moͤchte/ aber die unsere hiesi- ge beschaffenheit wissen/ werden demselben mit mehrerem erzehlen koͤnnen/ was vor wetter uͤber unseren haupten schweben/ ja fast anfangen auszubrechen/ daß die uͤbung der gottseligkeit dermassen verhasset/ daß der teuffel erstlich mit seinen luͤ- gen und falschheit durch die schaͤndlichste calumnias und laͤsterungen/ so weit und breit vor wahrheit erschollen/ sie zu unterdrucken gesucht/ auch so bald einige nicht boͤse gemuͤther von fortsetzung eines guten anfangs abgeschrecket/ nach dem aber solches noch nicht gelungen/ andere gewaltsame mittel vornehmen doͤrffte; daß wir vielmehr anderswo unsere zuflucht absehen muͤssen/ als jemand bey uns die we- nigste sicherheit versprechen moͤchten. Die boßheit ist fast aller orten auff das hoͤch- ste gestiegen/ aber eben deßwegen muß es brechen. GOTT weiset hingegen auch fast aller orten eine vorhin ungewohnte und ungemeine bewegung in vielen gemuͤthern unter gelehrten und ungelehrten (doch diesen fast mehr) die schreckli- che verderbnuͤß alles eusserlichen religion-wesens innerlich zuerkennen/ und nach besserung zu seufftzen. Welcher kleine anfang nach GOttes willen bald zuneh- men mag/ mir aber vorkommt/ als die erste augen der ausschlagenden baͤume/ daraus wir die naͤhe des vor dem ewigen sommer vorgehenden lieben fruͤhlings abneh- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO V. abnehmen sollen. Nun der HErr thue/ was ihm wolgefaͤllet/ und erfuͤlle sei- nen rath/ uns aber gebe er/ daß wir auch denselben erkennen/ und ihm gemaͤß uns anschicken. 15. Maj. 1677. SECTIO V. A bleinung falschen gerichts/ ob haͤtte zu dem Papstum eine zuneigung. D Aß ich mit gegenwertigen denselben zu behelligen mich erkuͤhne/ verursacht mich/ daß ich in erfahrung kommen/ das mein hochgeehrter Herr Pfarr- her in Maͤyntz/ auch nachmahl von andern unserer religion zugethanen da- selbst herkommenden/ personen benachrichtiget worden/ wie daß die Jesuiten in solchen Maͤyntz sonderlich zuneigung zu mir tragen/ und offentlich ruͤhmen/ daß ich/ bald allerdings zu ihnen uͤbertreten wuͤrde. Wie ich nun allerhand laͤsterun- gen/ die von mir hin und wieder ohnverschuldet ausgesprenget worden/ laͤngsten gewohnt gewesen/ und solches mir keine fremde sache mehr ist also ist mir zwar lieb/ daß dergleichen hoͤre/ was solche leuthe/ deren ich niemand kenne/ wie ich dann keinen Jesuiten daselbst mit namen/ weniger weiter und absonderlicher kenne/ von mir außreden/ mich darnach habende zu richten/ also wuͤrde ich solches gerich- te/ wie andere mehrere/ die von mir außgehen/ gantz verachtet/ und ohnbeantwor- tet haben hingehen lassen/ als dessen falschheit und eitelkeit sich doch endlich selbst zeigen muß: Wo nicht dabey verstanden haͤtte/ daß einige gute gemuͤther von den unsrigen sich daran geaͤrgert/ und wo ich abfallen wuͤrde/ zu gleichen gedancken ge- neigt seyn moͤchten. Weilen dann solchen guten leuthen etwa durch niemand an- ders so wol als E. Wohl-Ehrw. geholffen und solcher scrupel genommen werden kan/ als habe die freyheit nehmen wollen/ deroselben dieses wenige zuzuschreiben und zu bitten/ sich desselben nach befinden an orten und bey personen/ da solches noͤthig und zu abwendung aͤrgernuͤß dienlichen erachtet/ sich zugebrauchen. Jm uͤbrigen die sache selbst anlangende/ kan ich nicht begreiffen/ woher nur solche ver- muthung kommen muß. Jn dem ich nicht nur allein bey gelegenheit der materien die Roͤmisch-Paͤpstische offentlich in den predigten refuti re/ auch in meinen weni- gen Schrifften/ die vor dem tage ligen/ ihrer nicht schohne/ ja außtruͤcklich be- zeuge/ daß das Roͤmische Papstum das jenige Babel seye/ uͤber welches GOtt noch sein schroͤckliches gericht außgiessen werde/ welches ja keine anzeigungen seind eines menschen/ der die geringste inclination zu ihnen hat. So stehe ich auch in keiner nur indifferenten, geschweige geistlichen briefflichen correspondenz mit einigen Roͤmischen Paͤpstlichen geistlichen/ habe auch sonsten keine kundschafft mit einen einigen/ weder zu Maͤyntz noch sonsten/ darauß jemand die geneigste schein- bare vermuthung oder argwohn zu schoͤpffen anlaß haͤtte. Das ist zwar war/ X 2 daß Das sechste Capitel. daß ich erkenne/ daß auch leider unsere Evangelische kirche/ ob uns wol durch goͤttliche gnade die reine bekaͤntnuͤß der lehre uͤbrig geblieben/ sehr grosse maͤngel und fehler in dero uͤbrigen verfassung habe/ daß wir uns nicht groß ruͤhmen koͤn- nen einer reinen kirchen/ sondern einer starcken reformation noͤthig haben. A- ber fast alles/ was bey uns straͤfflich/ seind lauter reliquiæ, die aus dem Papstum herkommen/ und gehet uns wie den Jsraeliten/ die die in Babel angenommene sitten zimlich lang/ als sie schon in das Juͤdische land wieder gekommen waren/ nicht ablegen kunten. Dahero ich mehr verlange/ daß wir noch von solchem ankle- benden Babelischen sauerteig moͤchten vollends gereiniget werden/ als daß ich sol- cher unter allen/ die den nahmen Christi tragen/ allerverderbtesten kirchen naͤher zu treten verlangte: in dem das gantze Papstum als Papstum schon/ wo es kei- ne andere irrthum haͤtte/ darinnen am uͤbelsten vor anderen gemeinden beschaffen ist/ daß es der kirchen autorit aͤt/ und also menschen ansehen/ zum principio fidei machet/ da noch alle andere auffs wenigste der bekaͤntnuͤß nach/ das einige GOttes wort/ wie dasselbe aus ihme selbst durch des heiligen Geistes erleuchtung erkandt wird/ zum grunde des glaubens legen. Weswegen wo man Paͤpstischer seiten schon frey gebe/ allen ihren irrthumen/ von der anruffung der heiligen/ fegfeuer/ meß/ und anderen/ dergleichen/ nicht bey zupflichten/ ich vor allen solchen irrthu- men keinen solchen abscheu habe und haͤtte/ wie sehr sie mir auch ein greuel sind/ als vor den jenigen haupt-articul/ in welchen sie bey keinen menschen dispensiren, nem- lich die Roͤmische kirche/ dero autori taͤt und gewalt in glaubens-sachen/ zu erken- nen; so mir der greuel aller greuel ist/ auff einigen menschen oder menschliche ver- samlung meinen glauben zu gruͤnden. Daher aus solchem/ ob ich auch wol die anderen secten/ welche ausser unserer Evangelischen kirchen stehen/ auch nicht billi- ge/ gleichwol am allerweitesten in solchen puncten von der Roͤmischen kirchen abge- he. Sonst bin ich auch nicht in abrede/ daß ich in solcher kirchen ein und andere feine anstalten lobe/ und offt wuͤnschete/ dergleichen bey uns zu haben/ sind aber lauter solche sachen/ welche vor denen in diesen stand gerathenen Papstum auff- gekommen/ und von der aͤltern kirchen her entsprungen seind/ wozu die Roͤmische nichts anders gethan/ als die erstlich gute instituta verderbet. Daher bey der reformation unterschiedliches gar abgeschaffet worden/ dessen mißbrauch so groß gewesen/ daß er kaum mehr von dem wahren gebrauch hat unterschieden werden koͤnnen. Alß ob ich wol ein und anders in dem Papstum an sich selbst vor gut und nutzlich achte/ so verwerffe ichs gleichwol auff die art und weise/ wie es in dem Pap- stum ist/ dermassen/ daß ich lieber wuͤnsche/ solche dinge in unserer kirche nicht zu ha- ben/ als auff diese art/ wie sie bey den Roͤmischen in dem schwange sind. So ber- ge ich auch nicht/ daß ich glaube/ GOtt habe auf diese stunde in der aͤusserlichen ge- meinschafft der Roͤmischen kirchen viel guten samen/ und gleichsam knie/ die sich nicht gebeuget haben vor den Baal/ die in ihrer einfalt des glaubens an Christum und ARTIC . I. DISTINCT. II. SECTIO V. und gottseligem leben einhergehen/ sich der greuel ihrer kirchen nicht theilhafftig machen/ und weil sie keine bessere kirche wissen oder verstehen/ mit seufftzen ihrem GOTT dienen/ nicht anders als unsere liebe vorfahren in den zeiten vor dem se- ligen Luthero. Jch kan mich auch offters nicht genugsam verwundern uͤber die wunderbare regierung GOttes/ welcher zu weilen selbst einige unter den gelehrten Papisten zu weiterer erkaͤntnuͤß der wahrheit in den jenigen articuln/ worinnen ih- re kirche sonsten von denselben abgehet/ gelangen/ und anfangen ihrem GOTT in ihren hertzen gar anders zu dienen: Die aber von GOtt auf eine mi r unbegreif- liche art gehalten werden/ daß sie dannoch die wahrheit unserer kirchen nicht erken- nen/ noch absehen koͤnnen/ wie sich dazu zu verfuͤgen vermoͤgten: Da ich selbst nicht fassen kan/ wie sie bey solcher erkaͤntnuͤß annoch in der gemeinschafft ihrer kirchen bleiben koͤnnen/ ohne/ daß ich achte/ daß sie GOTT etwa durch enthaltung wei- teren liechts zuruͤck halte/ damit annoch durch sie ein und andere einfaͤltige seele in e- ben solcher ihrer kirchen erhalten werden/ gleich als waͤren sie einiges noch uͤbriges saltz/ damit solches orts nicht alles in der faͤule verderbe. Ob ich also wol noch ei- nigen goͤttli c hen samen in dem Papstum uͤbrig erkenne/ so ists doch fern/ daß ich ei- nigerley massen das Papstum billigte/ daß ich noch vielmehr gute seelen bejamme- re/ die noch in solcher finsternuͤß stecken/ und sich nicht davon loßzumachen vermoͤ- gen/ auch vor ihre fernere erleuchtung GOTT inbruͤnstig anflehe. Aus solchen siehet mein hochgeehrter Herr Pfarrer meine gedancken von dem Papstum/ und wie so weit/ wo es scheinen moͤgte/ daß ich etwas von dem Papstum billigte/ davon seye/ daß ich das Papstum selbst einigerley massen gut heissen/ noch jemand versi- chern wolte/ daß er ohne gewisse gefahr seiner seligkeit sich zu demselben verfuͤgen koͤnte/ von dero billig alles/ wem sein heyl lieb ist/ außzugehen ursach hat. Da- her ich nochmahlen wiederhole/ daß ich nicht sehe/ was nur einige gelegenheit zu sol- chem ruff gegeben haben moͤgte. Es seye dann sache/ daß die unwissende leuthe/ weil ich in meinen predigten und Schrifften starck auff ein gottseliges leben trei- be/ und so offt bezeuge/ daß ich keinen wahren glauben erkenne/ der nicht in der lie- be thaͤtig ist/ und sich mit eyferigsten gehorsam gegen GOTTES geboten/ und also durch die wercke/ hervor thue/ darauß schliessen/ ich lehrete auff gut Papi- stisch/ von den guten wercken. Da mich aber solcher leuthe unmissenheit billig dauret/ als die nicht wissen/ das unsere Evangelische religion viel eifriger auff die gute wercke/ und zwar auff die rechte gute wercke und fleiß innerlicher hertzens heiligkeit treibe/ wenn sie uns zeigt/ daß wir nicht ohne die heiligung GOtt sehen koͤnnen/ als nimmermehr das Papstum mit seinen vermeinten dienstlichen wercken zu thun sich einbildet. Ja ich stehe vest darauff/ daß aus der absicht ei- nes verdiensts/ wie bey ihnen gemein/ nicht ein einig warhafftig gutes werck gesche- hen kan/ als welches nicht gut zu seyn oder genennet zu werden wuͤrdig ist/ es ge- X 3 sche- Das sechste Capitel. schehe dann aus glauben und der ersten frucht desselben/ einer freywilligen auffrich- tigen liebe/ welche fern von allem gesuch des verdienstes ist. Jndessen weiche ich nicht einen finger breit von unserer heiligen aus GOttes wort geschoͤpfften leh- re/ daß wir durch aus nicht durch einiges werck/ wie es nahmen haben mag/ sondern allein durch den glauben selig werden. Welcher aber/ wie er in goͤttlichem gericht ohne einiges zuthun der werck allein dasjenige ist/ so uns gerecht macht/ oder die gerechtigkeit von GOTT empfangt/ also ist er nimmer- mehr der wahre lebendige glaube/ wo er nicht voller guter wercke ist. Wie der be- kante loc. Luth. in der vorrede uͤberdie Epistel an die Roͤmer davon handelt. Finden sie also auch hierinnen in meiner lehr keinen gꝛund ihrer veꝛmuthung oder boͤßlichen aussprengung; wol aber eine uͤberzeugung/ dz uns faͤlschlich võ ihnen auffgebuͤrdet/ und damit unsere lehr den guten seelen unter ihnen verdaͤchtig gemacht werde/ ob waͤre dieselbe/ den guten wercken gantz entgegen. Nach dem nun dieses sich der massen verhaͤlt/ so stehet meine freundliche bitte an Eure Wohl-Ehrw. sie geruhe- ten denjenigen frommen gemuͤthern unserer religion so sich daruͤber haben aͤrgeren wollen/ mit vorweisung dieses den scrupel zubenehmen/ zugleich aber sie zu erinnern daß sie gleichwohl ihren glauben auff keines menschen/ weder mein oder einiges andern autori taͤt oder bestaͤndigkeit gruͤnden solten/ sondern sich fer- ner erbauen auff ihren allerheiligsten glauben/ dabey bestaͤndig bleiben/ und mit ihrem gantzen leben durch heiligen und wuͤrdigen wandel den Evangelischen beruff und ihrer religion zieren: als ohne welches ihnen ohne das die Evangelische bekantnuͤß schlechten nutzen/ sondern schwehrer ge- richt bringen wuͤrde. Wo auch dieselbe anderwertlich ferner hoͤren solte/ bitte ich gleichfalls der wahrheit zu steur und rettung meiner unschuld die Christliche liebe zu erweisen: welches nicht um mein selbs willen/ sondern allein wegen abwendung des aͤrgernuͤsses bitte/ dabey GOTT hertzlich anruffe/ welcher solchen leuten/ die diese laͤsteruug anfangs erdacht/ oder nachmahl mit willen ausgebreitet/ ihr unrecht zu erkennen geben und folglich gnaͤdigst verzeihen wolle. SECTIO VI . N utzen der brieffe. A uffmunterung. Zustand in Franckfurt. S O angenehm mir desselben liebe gegenwart und damahl gepflogene Christli- che conversation gewesen/ so angenehm war mir auch sein juͤngsthin zuge- kommenes gesegnetes schreiben; Und ob wohl eine in Gott gemachte freund- schafft nicht bedarff mit ceremoni en und complement -brieffen unterhalten zu werden/ als die in dem geist gegruͤndet ist/ so wird doch lieb seyn/ mehrmahlen von dessel- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO VI . desselben wehrter hand dergleichen schreiben (so viel ohne dessen ungelegenheit und versaͤumung noͤthiger geschaͤfften geschehen mag) zu sehen/ und werde jedesmahl/ so viel mir GOTT dazu weil goͤnnen wird/ wiederum antworten/ als versichert/ daß der meistens darzwischen kommende verzug (wie ich auch gleich die erste ant- wort spaͤter als sich geziemet einsende) von einen so liebreichen gemuͤth nicht uͤbel wird genommen werden; wie denn solches die condition bey allen denen ist/ mit denen ich correspondi re. Jch hoffe auch/ daß dergleichen corresponden tzen nicht gar ohne nutzen seyn solle: als der ich bekenne/ an mir zu empfinden/ wie ich durch brieff derjenigen/ die GOTT von grund der seelen zu dienen anfangen/ und ein und anders ihres guten vorsatzes oder was GOTT durch sie gethan/ mich be- richten/ so wohl goͤttlicher guͤte inbruͤnstig danck zu sagen/ als in gleichen eyffer ih- nen zu folgen/ kraͤfftig entzuͤndet werde/ und deswegen solchen lieben leuten nicht wenig mich verbunden erkenne. Wir sollen zwar ohne absehen auff menschen un- sern GOTT in reiner liebe dienen/ und willig seyn solches zu thun/ ob wir auch in der welt alleine waͤren; Es ist aber unsere schwachheit/ welche mehrmahl von noͤ- then hat/ durch andere exempel und die wercke der gnade GOttes an ihnen erwie- sen/ offters angefrischet und ermuntert zu werden. Und wie dann ein Gottseliges gespraͤch offtmahl nicht ohne erbauung beyderseits abgehet/ ja gewoͤhnlich von Gott dazu gesegnet wird; also sind auch die brieffe gleicher art nicht ohnfruchtbar. Wir wollen aber dieses das gesetz (wo es mein Hochgeehrten Herrn/ wie ich nicht zweiffle/ also beliebet) seyn lassen/ daß unsere correspondenz nichts in sich fasse/ als uns un- tereinander zu dem werck des HErrn und dazu gehoͤrigen fleiß zu vermahnen/ und zu reitzen zur liebe und guten wercken/ so dann einander mit zutheilen/ wo GOTT dem Herrn belieben wird unsere arbeit ein oder anderen theils zu segnen/ daß die zahl derer die den HErrn auffrichtig suchen groß werde/ oder was wir von anderen orten hoͤren/ wie seine goͤttliche guͤte auch andere erwecke zum eiffer vor die himmli- sche wahrheit und das rechtschaffene wesen/ daß allein in CHRJSTO ist. Auff daß so offt wir/ von dem segen/ den der HErr uͤber die seinige verstreute ausschuͤttet/ von einander vernehmen/ wir allerseits bewogen werden/ mit freuden unsere danck- opffer davor zu bringen/ und ihn ferner seine sache zu befehlen. So wollen wir un- ser Te DEum laudamus singen/ nicht uͤber victo rien/ die mit vergiessung des so theur erkaufften und so schnoͤd dahin liefferenden und vergiessenden Christenbluts von menschen/ sondern wider den fuͤrsten der finsternuͤß durch schwaͤchung seines reichs und erleuchtung derere seelen/ die in seiner gewalt gestecket/ in goͤttlicher krafft erhalten werden: als deren eine hoͤher zu schaͤtzen ist/ als viel tausend von jenen/ die mit noch so grossen freuden-bezeugungen in der welt gefeyret werden/ aber etwa Gottseligen hertzen mehr seufftzen austrucken als freude machen. Was mein hochgeehrter Herr gedencket/ ihnen vor einen jahr begegnet zu seyn/ daß ohne ihre schuld durch einiger knaben gutmeinende aber ohnbesonnene resolution ihre sache vor Das sechste Capitel. vor allen menschen verboͤsert worden/ haben wir freylich auch taͤglich zu erwarten/ und zeiget sich fast ein und anders. Der HERR regiere uns nur also/ daß wir in seiner sache nach seinem willen verfahren/ und demnach auch diesen allezeit recht erkennen moͤgen/ damit wo wir etwas zu leiden haben/ es um seiner ehre willen lauterlich/ nicht aber um unserer unvorsichtigkeit wegen geschehe. Wil er aber uͤber uns auch verhengen/ daß wir in menschlicher schwachheit in dergleichen wich- tigen werck/ darinnen wir ohne ihn nichts vermoͤgen/ also anstossen/ daß man wahrhafftig unsere fehler uns nachmahl zeigen koͤnne/ um uns in so viel niedriger demuth zuhalten/ so wollen wir auch unsere schan- de willig tragen/ und nur bitten/ daß seine ehre nicht geschmaͤhlert werde/ als die al- lein unser einiger zweck seyn muß; aber ein solcher zweck ist/ von welchem wir in goͤttlicher gewißheit versichert seynd/ daß er endlich erhalten werden und die obhand behalten muß. Die in dem neulichen communicir ten scripto wiederlegte laͤste- rungen/ von uns breiten sich in unserer gantzen kirchen je laͤnger je mehr aus/ daß ich nicht sehe/ wie ich wehren kan. Jch verlangte auch nicht zu wehren/ sondern wol- te willig die schande meines Heylandes tragen/ wo nicht die aͤrgernuͤssen/ so daraus entstehen/ und die hindernuͤssen/ so vielen guten leuten in ihren loͤblichen vorhaben anderswo dadurch gemacht werden/ vor augen sehe/ welche mich verlangen ma- chen/ ja dahin verbinden/ so viel ich vermoͤchte/ den ungrund derselben aller orten be- kant zu machen. Jch werde auch in der furcht des HERRN versuchen/ was sich wird thun lassen: Zeigt mir GOTT einen weg/ so will ich denselben gehen/ und mich der mittel gebrauchen/ die unschuld also an tag zu legen/ daß welche sie erken- nen wollen/ (dann bey andern ist ohne das alles vergebens) solches zu thun vermoͤ- gen. Wird er mir dergleichen nicht zeigen/ oder was deshalben versucht wird/ solchen zweck nicht er reichen lassen/ wil ich in gedult und stille warten/ was er ferner uͤber mich beschlossen hat. Jn dem mirs eines seyn solle/ ob er durch thun oder durch leiden an mir gepꝛiesen werden wolle. Sein heiliger wille geschehe also alle- zeit an mir und von mir/ so habe ich genug/ und will nichts weiter verlangen; wie auch mein Hochgeehrter Herr nichts bessers zu wuͤnschen weiß/ als solchen goͤttli- chen willen uͤber sich in aller dieser sach stets zu erkennen/ und demselben getrost zu folgen: auff welches die himmlische gnade auch in andern dingen/ daran man jetzo nicht gedencket/ mehr liecht und erkantnuͤß folgen wird; Nun er gebe euch krafft nach dem reichthum seiner herrlichkeit starck zu werden duꝛch seinen geist an dem in- wendigen menschen. 28. Jul. 1677. SECT. ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECT IO VII. SECTIO VII. A n einen vornehmen Theologum, samt uͤber- sendung meines send-schreibens. Von meinem hauß- collegio. Ungrund der laͤstrun- gen. J Ch habe zwar Eure Hoch-Ehrw. geliebtes bereits vor zimlicher zeit erhal- ten/ und mit guten vergnuͤgen uͤberlesen/ wuͤrde auch/ wie etliche mahl mir vorgenommen hatte/ eher beantwortet haben/ wenn ich nicht immer die hoff- nung gehabt/ einmahl gewahr zu werden/ wenn Eure Hoch-Ehrw. ohne dem all- hier durch passir ten/ als dann die gelegenheit muͤndlichen anspruchs zu suchen und zu finden/ als worinnen fast/ weder mit schreiben/ leichter ist/ sich zu expedi ren; weil aber solche gelegenheit bißher mir gemangelt/ so habe doch endlich die antwort nicht laͤnger verschieben sollen/ um so vielmehr weil mir die uͤbersendung des gegen- wertigen sendschreibens einen anlaß darzu an die hand gabe/ welches ich deswegen publici ret/ weil die hin und wieder auch so gar biß ausser Teutschlandes erschollene unrichtige bericht und laͤsterungen auff guter freunde rathen zu erfordern schienen/ daß einiger oͤffentlicher bericht geschehe von den dingen die allhier passir eten oder nur faͤlschlich von hieraus durch uͤbelgesiñten anderwertlich hin ausgespꝛenget wor- den. Welche denn auch Eure Hoch-Ehrw in so freundlichen vertrauen/ zu senden u. communici ren sollen/ damit dieselbige auch hieraus sehen muͤssen daß weilen in den beyden ersten punct en davon an Eure Hoch-Ehrw. geschrieben/ dieselbe freund- lich mit mir einstimmeten/ ohne allein daß sie verlanget/ daß meine haußuͤbung in der kirchen und mit zuziehung anderer des collegii / so dann mit obligi rung der ge- sammten glieder der gemeinde gehalten werden moͤchte: in dem dritten aber die privat-collegia, wie sie allhier gehalten zu werden fast der allgemeine ruff gewe- sen/ nicht billichen koͤnte/ Eure Hoch-Ehrw. (sage ich) auch hieraus ersehen daß meine haußuͤbung belangende/ ich selbs verlangen getragen/ und noch trage/ daß dieselbe in oͤffentlicher kirchen gehalten werden doͤrffte/ so mir um vieler ursachen willen laͤngst lieb gewesen waͤre/ also gar daß von etlichen jahren bereits von einer hochloͤblichen Theologi schen Facul taͤt zu Kiel neben der approbation solches un- sers hauß exercitii diese quæstion angehenget/ ob nicht ein Christlicher Magi- strat wohlthaͤte/ da eine solche haußuͤbung eine zeitlang mit guten nutzen waͤre pri- vatim fortgesetzet worden/ endlich zu vergoͤnnen/ das sie publice geschehe/ wie auch solche Facul taͤt mit ja geantwortet; welches gantze responsum Herr. D. Fritsch seinem tractat von aufferbauung des nechsten durch Gottselige gespraͤch/ Y nach- Das sechste Capitel. nachdem ich es ihm communici ret/ inseri ret hat. Daß aber es allhie noch nicht in die kirche ist transferi ret worden/ ist alleine die ursach/ weil solches zu erlangen nicht hoffnung añoch sehe/ aus denjenigen was etwa discurs weise bey einigen fon- di ret worden. Also waͤre mir auch die mitwuͤrckung meiner geliebten Herrn col- leg en so gar nicht entgegen/ daß wo dieselbe die muͤhe zu gleich nehmen wolten/ und theils koͤnten/ mir solches eine hertzliche freude waͤre. Nur kan nicht in abꝛede seyn/ daß die verbindung einiges menschen darzu/ oder daß jemand/ der nicht aus freyen willen und eigenem trieb sich zu erbauen dabey sich einfuͤnde/ nicht angenehm waͤre/ als der ich bey allen denjenigen dingen so lege geboten werden/ und nicht aus frey willigem hertzen herkommen/ nicht grosse erbauung oder geistlichen nutzen anzutref- fen sorge. Also koͤnnen Eure Hoch-Ehrw. ferner hieraus sehen/ daß dergleichen zusammenkunfften/ bey welchem dieselben bedencken tragen/ und auch andere Theologi nicht billigen wuͤrden/ daß nehmlich sich gewisse collegia zusammen thaͤ- ten/ und also mehr macht als sich ziemete ihnen zumaͤssen/ hier niemahl gehalten wor- den; sondern was davon allhie vor ein gericht entstanden (wie es dann von hieraus anderen weitlich hin erschollen) theils aus boßhafftiger laͤsterung/ theils aus unge- gruͤndeten vermuthungen von unstraͤfflichen dingen ihren ursprung genommen: indem was geschehen/ in nichts anders bestehet/ als daß wo Christliche personen sich einander besuchen/ von goͤttlichen als zeitlichen und weltlichen dingen mehr geredet wird/ welches Eure Hoch-Ehrw. selbs loben und billigen. Wie ich nun versichert bin/ daß das gegentheil mir hiervon niemand mit grund der wahrheit/ auff die ich so viel mir muͤglich ist/ genau geforschet/ vorgeleget wird werden koͤnnen/ als wel- ches auch biß daher nicht wuͤrde unterblieben seyn wo fern es haͤtte geschehen koͤñen. Daher ich hoffe/ daß sondeꝛlich bey allen guten gemuͤthern/ andeꝛweꝛtlich hiemit wer- de dieses ausgerichtet werden/ daß sie diesen bericht (wo ich auffs wenigste nicht so unverschaͤmt werde von jemand angesehen werden/ daß ich dasjenige allhier oͤffent- lich publicir te dessen gegentheils allhie uͤberzeuget werden koͤnte) andern ein geris- senen rumoribus vorgezogen/ und also unsere liebe statt aus dem verdacht/ in wel- chen sie vieler orten gekommen/ lassen werden; das uͤbrige alles GOttes heiliger di- rection zu dero ehren/ uͤberlassende/ als da ich nichts anders oder eigenes sondern deroselben beforderung lauter lich alleine suche/ und daruͤber jederman meines theils willig rechenschafft gebe: mich auch gerne erbiete/ da Eure Hoch-Ehrw. fern er etwas hoͤren solten/ so an mir zubesseren/ und mich deroselben freundlichen Theo- logi schen erinnerung wuͤrdigen werden/ dasselbe als eine wohlthat an zu nehmen/ und entweder meine erlaͤuterung zu vergnuͤgen zu thun/ oder wo ich einen fehler fin- den werde/ hertzlich zu folgen. 17. Sept. 1677. SECT ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO VIII. SECTIO VIII. B au einer kirchen. U ngarische verfolgung. G oͤtt- licher rath in dero verhaͤngnuͤß. W Jr ruffen hierbey den grossen GOTT demuͤthiglich an/ daß dessen himm- lische guͤte nicht nur ihr bau-vorhaben gluͤcklich von statten gehen/ und sol- ches hauß eine solche heilige staͤte wolle werden lassen/ an welcher seine ehre wohne/ sein wort treulich und mit grossen nutzen gepredigt/ die heilige Sacramenta fruchtbarlich ausgespendet/ und also viele seelen zu dem reich GOttes bequem ge- macht und dahin gefuͤhret werden/ sondern er wolle ins gesamt mit gnaͤdigen augen seine betrangte Ungarische kirche ansehen/ der verfolgung ein ende machen/ aus den verfolgenden Saͤulen vor seine ehre eyfferende Paulos machen/ oder aber die hertzen der Kaͤys. Majaͤst. und deroselben hohen Minist ren dahin lencken/ daß sie aus erkaͤntnuͤß wie schwehr es werde werden wieder den stachel zu lecken/ der cleri- sey nicht immerdar moͤgen zusehen/ nach lassen/ daß sie dero wuͤrdigster nahm und gewalt sich zu ihrem willen und unterdruckung des Evangelii mißbrauchen/ sondern dem Ehren-koͤnig JESU CHRJSTO und seiner wahrheit in ihren reichen und landen platz lassen; Er staͤrcke in dessen die betraͤngte/ daß sie bestaͤndig bleiben/ und sich solche verfolgungen u. harte procedur en darzu dienen lassen so vielmehr das einige nothwendige ihnen lassen angelegen zu seyn/ und unter sich auff art und weiß/ als es in gegenwaͤꝛtiger noth geschehen kan/ ihr allgemein pꝛiesteꝛliches amt vor Gott und gegen einander so viel embsiger zu treiben als sie zu huͤlffe des ordenlichen pre- digamts/ noch muͤssen beraubet bleiben/ bis der HERR ihnen vom himmel huͤlffe senden wird. Es sind einmahl die gerichte des HErrn unerforschlich/ aber alle billig/ guͤtig und gerecht/ und suchet er in allen denselben unser bestes. Ob wir dann wohl nicht fassen koͤnnen/ wie die entziehung der oͤffentlichen uͤbung und die scheinen- de unterdruckung der wahrheit moͤge etwas gutes wircken koͤnnen/ so habe ich doch dieses hertzliche vertrauen zu goͤttlicher weißheit und guͤtigkeit/ daß sie auch aus sol- chem gifft eine artzeney zu machen vermoͤge. Ach wie offt mißbrauchen wir uns des oͤffentlichen GOttesdiensts allein zur heucheley/ und staͤrckung unseres de opere operato uͤbel gefassten irrthums/ kleben aber also gern an denselben/ daß wir mei- nen/ daran lige unsere seligkeit/ und lassen uns die besuchung desselben unser eini- ge sorge seyn/ darbey vorgebende/ wie wir GOTT den tempel unserer hertzen hei- ligen/ und ihm auch in denselben im Geist und in der wahrheit dienen sollen? Wie offt staͤrcken wir mit der oͤffentlichen anhoͤrung goͤttlichen worts unsere faulheit/ selbs dasselbe zu lesen/ und unter uns privatim zu betrachten/ dadurch doch die frucht von jenem hoͤren bey uns solte befoͤrdert werden. So entzeicht uns GOtt dasjenige/ so wir wider ihn mißbraucht/ und bringet etwa durch den mangel des- selbigen/ zu wegen/ daß wir uns des noch uͤbrigen so viel sorgfaͤltiger gebrauchen/ Y 2 und Das sechste Capitel. und ihme in unsern haͤusern und kaͤmmerlein u. hertzen so viel eiffriger zu dienen uns befleissen/ weil wir den oͤffentlichen dienst zu leisten verhindert werden. Gewiß ists bey denen/ welche vorhin einen rechtschaffenen grund des glaubens gelegt/ und den innerlichen lehrer aus der Schrifft erkant haben/ ob sie wohl des eusserlichen lehreꝛs u. seines dienstes hertzliches verlangen tragen/ erfahren gleichwohl in ermanglung dessen in der that/ daß bey ihrem lesen und betrachten GOtt selbsten sie lehre und in alle wahrheit leite/ auch krafft verleyhe/ aller verfuͤhrung zu entfliehen. Vor die jenige aber ists eine schwehre straff/ so vorhin sich mit dem eusserlichen begnuͤgen lassen/ und keinen rechtschaffenen schatz in ihrer seelen gefasset/ daher wann es ih- nen an jenem manglet/ nichts haben/ wo mit sie ihren mangel ersetzen/ es seye dann etwa ein und ander koͤrnlein in den hertzen uͤbrig/ welches so lange ohne krafft in den duͤrren acker gelegen/ biß der regen der anfechtung diesen befeuchtet/ und jenen zu keymen ursach gibet. Nun der HERR lasse sich seine sache befohlen seyn/ und gebe daß sein nahme von uns und bey uns auff alle weise/ in lehren/ lernen/ glauben/ le- ben und leyden herrlich moͤge gepriesen/ und endlich der satan/ (welcher ei- ner seits mit unterdruckung der bekantnuͤß der wahrheit/ anderseits mit mißbrauch derselben zur sicherheit/ dem reich CHristi so grossen schaden thut) in kurtzem unter unsere fuͤsse zutretten werden. 8. Octob. 1677. SECTIO IX. A uffmunterung die gnade recht zu brauchen. Al- les aus GOttes wort zu pruͤfen. Erforderter ernst in dem Christenthum. Dessen seligkeit. N Ach dem vor 8 tagen auff das an mich gethane freundliche nicht so bald sol- chen tag zu antworten vermocht/ habe doch die antwort auch nicht laͤnger auffschieben wollen. Da dann zum allerfoͤrdersten dem geber alles guten hertzlich und demuͤthigen danck sage/ der ein ernstliche begierde/ wie solches schreiben bezeuget/ in dessen gemuͤth er wecket/ mit eiffer das Christenthum zu treiben und des- sen uͤbung ihn angelegen seyn zu lassen. Welcher nun das wollen gewircket hat/ derselbe wircke auch bey ihm das vollbringen nach seinen gnaͤdigen wohlgefallen: Wie ich mich auch versichere/ daß seine goͤttliche guͤte nirgend eine gute bewegung eines heiligen vorsatzes erreget/ daß sie nicht in solchem augenblick so bald so viel gna- de und krafft verleihet/ einen anfang an der vollstreckung zu machen: Werden wir als dañ dem HErrn in solchem ersten pfund treu/ so wird er folgends im̃er mehꝛes ge- ben. Neben dem bedancke mich freundlich des gegen mich bezeugtẽ gutẽ vertrauens/ erkenne zwar gern meine wenigkeit/ als der keine andere antwort oder rath zu gebẽ vermag/ als derselbe selbs in N. von Herr NN. ja jeglichem treuen diener GOttes wuͤ ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . IX. wuͤrde eben so leicht haben erlangenkoͤnnen: Weil aber demselben belieben wol- len/ meine einfaͤltige gedancken daruͤber zu hoͤren/ so habe dieselbe hierbey folgend nach dem maß der gnade die mir gegeben ist/ einfaͤltig abfassen und uͤbersenden sol- len. Jch hoffe mein hochgeehrter Herr werde in gottseliger uͤberlesung und be- trachtung solches aufsetzen/ nichts anders finden/ als was das wahre wort GOt- tes mit sich bringet/ und unser eigen gewissen wo wir solches aus dem wort unter- richten lassen/ selbs mit bezeugen wird: Wobey ich denselben in freundlicher zu- versicht/ dz er das einige nothwendige auch seine angelegenlichste sorge wahrhafftig werde seyn lassen/ hertzlichen bitte/ die wichtigkeit dieser materien wol zu erwegen/ meinen auffsatz selbs mit eyffrigen gebeth zu GOTT gegen dessen geoffenbahrtes wort in der Schrifft zu halten/ ihn darnach zu pruͤffen/ nichts zu glauben/ was der- selbige nicht also auß solchem wort bekraͤfftiget erkennet/ daß das gewissen darauf beruhe/ und vor jenem richterstul sich dermaleins darauff beruffen moͤge/ und hin- gegen/ was er dermassen befindet/ ohne ansehen einiges menschen oder dessen au- tori taͤt anzunehmen/ und darnach das leben zu richten. Es ist einmahl das goͤtt- liche geoffenbahrte wort das jenige/ nach welchem wir dermaleins muͤssen gerich- tet werden/ nicht aber nach einiges menschen urtheil oder meynung/ welche etwas von dem goͤttlichen wort zu dispensiren sich die macht genommen haͤtte. Er ver- sehe sich aber dabey/ wo er mit gottseligen eyffer auf den schmalen weg sich begeben wird/ oder auch demselben fortwandelt/ daß solches gewißlich mehr von uns erfor- dere/ als wir insgemein zu gedencken gewohnet sind. Wie wir dann an der rech- ten verlaͤugnung unser selbs/ so die rechte lection unseres Heylandes/ eine ziemliche zeit zu lernen/ und daß deßwegen in dem gemeinen leben sehr viel was die jenige/ welche von dem wort Gottes abzugehen kein bedenckens tragen/ annoch vor erlaubt und zulaͤßig achten/ abgeschafft werden muͤsse/ zu erkennen haben. Lasset uns aber rechtschaffen sein in unsern vorsatz/ und glauben/ daß in CHristo JEsu nicht ein zwischen GOtt und der welt getheilter dienst/ sondern ein rechtschaffen wesen seye: Dabey auch nicht achten/ ob fleisch und blut sich dargegen wehret/ weil es sie- het und fuͤhlet/ daß mit toͤdtung des alten Adams ihm wehe geschehe/ und solches creutzigen nicht mit lachen hergehet/ dann so muß es seyn/ und hingegen ist eine ge- wisse anzeigung/ daß der rechte weg der seeligkeit nicht seyn muͤsse/ wo unser alte A- dam mit aller gemuͤglichkeit fort kommen kan/ und sich nicht toͤdten lassen muß; dann ein solcher weg streitet schnur strack wieder Christi lehr und exempel: lasset uns aber auch nicht dabey muͤde werden/ ob die welt und alle/ die noch die warheit nicht erkennen/ als welche zu der welt gehoͤren/ solch unser gutes vornehmen laͤste- ren will/ oder uns gar zu verfolgen anfangen solte. Der HErr hat es uns laͤng- sten vorgesaget/ und ist dieses ein vortrefflich zeugnuͤß/ daß GOtt gefallen muͤsse/ wo etwas der welt hefftig mißfaͤllet. So ist auch die sache wol so viel werth/ und die versprochene herrligkeit so wichtig/ daß wir uns darum nicht abhalten lassen sol- Y 3 len/ Das sechste Capitel. len/ mit gedult in guten wercken zu trachten nach dem ewigen leben/ ob wir dar- um arbeiten und leiden muͤssen. So ist er getreu/ der uns beruffet/ der wirds auch thun/ und wo wir ihn mit redlichem hertzen suchen/ wird er unsere arbeit nicht vergebens seyn/ noch uns unter der last unterdruckt werden lassen. So bleibets dabey/ die gerechten werdens gut haben/ hie in bezeugung ihres gewissens und der wahren seelen ruh/ davon allein wissen/ die deroselben geniessen/ sie aber mit kei- ner der welt herrligkeit oder freude zu verwechseln gebracht werden koͤnten/ dorten aber so vielmehr in der offenbahrung des versprochenen erbtheils und goͤtt- licher glory. Nun der HErr/ der uͤberschwenglich thun kan/ uͤber alles/ was wir bitten und verstehen/ gebe uns allen erleuchtete augen des verstaͤndnuͤß/ zu erkennen die hoffnung unsers beruffs/ und die uͤberschwengliche groͤsse seiner krafft an uns/ er mache uns auch fertig in allem gutem werck/ zu thun seinen willen/ und schaffe in uns/ was fuͤr ihn gefaͤllig ist/ durch JEsum Christum/ welchem sey ehr von ewig- keit zu ewigkeit/ Amen. den 26. Octobr. 1677. SECTIO X. A n einen vornehmen standes. Die erste auch schwaͤchre regungen der gnade nicht auszuschlagen. Jungf. Schurmannin. Hoffnung anscheinender besserung. Viele laͤsterungen. Edir tes send- schreiben. D As an mich hochguͤnstige abgegebene ist mir zwar zurecht/ aber spaͤter als das datum mit sich gebracht/ eingelieffert worden/ deswegen auch meine ant- wort nicht zu verlangter zeit ein geschickt werden koͤnnen. Bedancke mich foͤrderlichst des hochgeneigten angedenckens/ wie mir hinwieder dero wuͤrdigste per- son und mehrmahliges bezeugtes verlangen GOtt rechtschaffen zu dienen/ in an- genehmer gedaͤchtnuͤß auch bleiben wird und soll/ dabey allezeit den geber aller gu- ten gaben mit demuͤthigstem seufftzen anruffende/ solches verlangen zu einem voͤlli- gen ernstlichen wollen gelangen zulassen/ so dann zu solches vollbringung die goͤtt- liche gnade zu geben. Wie wol wir dessen versichert seind/ daß der guͤtigste Vat- ter in dem himmel es niemahlen an seiner gnade ermangelen lasse/ sondern uns was dazu gehoͤret/ ihm voͤllig zu gefallen zu seyn/ mit seiner genugsamen krafft zu erthei- len/ gantz willig seye/ ja uns allezeit darinnen zuvor komme; Gleichwol in der jeni- gen ordnung die seiner weißheit und heiligkeit gemaͤß ist: Nach welcher er uns zwar die gnade nicht eben in dem ersten augenblick in solcher krafft gibet/ daß wir so bald in die jenige/ die wir zu werden verlangen/ transformiret werden/ noch auch ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO X. auch alle hindernuͤssen aus dem wege gleich raͤumen laͤsset: sondern vielmehr dar- an die auffrichtigkeit unserer intention pruͤffet/ ob wir auch wol die vortrefflich- keit des heiligen und seligen ruffs/ dazu er uns beruffet/ nach dem wir gleichsam den- selben allein von weiten ersehen/ und doch bereits so vieles davon erkennen/ das uns eine begierde darnach solle machen/ so hoch achten/ um deroselben willen auch ei- nige dem fleisch und blut auff eine seite zu raͤumen schwehr fallende hindernuͤssen zu uͤberwinden/ und die daraus entstehende beschwehrlichkeiten zu uͤbernehmen: Aber hingegen uns jemahl eine gute bewegung in das hertz gibt/ dieses und jenes gute zu thun/ oder in diesem und jenem der welt uns zu entschlagen. Welcherley bewe- gungen allezeit die gnade bey sich haben/ daß wir denselben zu folgen/ und was sie von uns haben wollen/ ins werck zurichten/ vermoͤgen. So bald wir also in eini- gem dem HErren treu worden sind/ nach dem damaligen maaß der empfange- nen gnade/ so koͤnnen wir versichert seyn/ es werde solche gnade immer staͤrcker wer- den/ und uns auch die schwehre hindernuͤßen beyseit zu raͤumen allgemach muͤglich machen. Da hingegen/ wo wir dem HErrn uns auffzuopfferen also lang ver- schieben wollen/ biß die hindernuͤssen vorher auf eine seit geraͤumet/ und wir ei- nen solchen kraͤfftigen zug empfinden/ welcher uns gleichsam ohne muͤhe loßreisse/ so werden wir vergebens warten/ als welcherley gnade uns nicht eben zugesaget ist. Die correspondenz mit Jungf. Schurmannes zweiffele ich nicht/ werde von guter erbauung sein. Jch ehre ihren nahmen/ haͤtte aber nicht gedencken sollen/ daß sie des meinigen sonderlich wissenschafft haͤtte/ es sey dann sache/ daß ihr bru- der/ so mich in Straßburg vor dene gesprochen/ und damals bereits eine hertzliche liebe gegen mich bezeuget/ ihro von mir mag kundschafft gemacht haben. Jch freue mich nichts mehrers/ als das ich hoͤre und sehe/ daß GOtt hin und wieder bey allerhand personen anfanget mehr und mehr begierde zuerwecken/ ihm ernstlicher zu dienen/ und nicht so sicher immerdar bey dem gemeinen weg des operis opera- ti, welches fast bey allen parteyen die leuthe verblendet/ und mehr in die hoͤlle stuͤr- tzet/ als man etwa gedencken moͤgte/ zu verbleiben. Jch traue auch seiner goͤttli- chen guͤte/ er wird endlich mit seiner gnade durchbrechen/ und das rechtschaffene wesen/ das in Christo JEsu ist/ mehr und mehr offenbahrer werden lassen/ auf das allgemach die verheissungen seiner goͤttlichen wahrheit zu der bestimmten zeit in die erfuͤllung gehen. Es wird zwar nicht ohne anfechtung/ vielleicht auch gar verfol- gung abgehen/ wo man den gemeinen mißbrauch getrost sich widersetzet/ und alles auff die alte Apostolische und Christliche reguln bringen will: aber die sache ists auch werth/ etwas deswegen zu leyden/ und den HErren auch/ wie ers fordert/ mit gedult zu preisen: Wir koͤnnens an uns hier genugsam abnehmen/ da wir bloß dahin erst ein wenig einen anfang gemacht haben von den Christenthum allein zu- reden/ und die erste elementa desselben in einige uͤbung zu bringen/ wie der teuf- fel bereits wuͤtet/ und da er noch keine weitere verhaͤngnuͤß hat/ auffs wenigste mit den Das sechste Capitel. den grausamsten laͤsterungen uns suchet muͤde zu machen/ hingegen nach dem er mit denselben gantz Teutschland erfuͤllet/ andere gute leuthe von uns und aller ge- meinschafft mit uns abwendig zu machen. Deren letzteres er vielleicht bey eini- gen mag endlich außgerichtet haben. Gleichwohl dem zu begegnen habe auff gu- ter freund einrathen ein send-schreiben trucken lassen/ darinnen rechenschafft gebe/ des jenigen/ was allhier geschiehet in dem so genantem Collegio pietatis / und hin- gegen was faͤlschlich von uns spargiret wird/ modeste ablehne. Zweiffele nicht/ es wird auch solches nach Nimwegen/ und Amsterdam gekommen seyn. Jch be- fehle die sache alle GOtt dem HErren/ dessen sie auch alleine ist. Er mache es mit mir und allen nach seinen heiligsten wolgefallen. 1677. m. oct. SECTIO XI. U ber einige bedencken betreffend die pia desideria, und erklaͤhrung uͤber unterschiedliches. Ob die reforma- tio Lutheri vollkommen gewesen? Ob in unserer kirchen auch an der lehre mangel seye? Von unserer kirchen reinigkeit. Ob an- dere mit zur reformation zu ziehen. Von unmittelbahren offen- bahrungen. Ob man eußerliche sitten sachen treibe/ oder viel- mehr die wieder geburth. Babel. Antichristen. Ob auf titul se- he. Warum verdachtige nicht anfuͤhre. Jacob Boͤhme. M Jch haben inniglich erfreuet seine beyde geliebte an meinen auch liebsten freund N N. geschriebene/ von ihm aber mir freundlich communici rte briefe. Dem einigen und allein guten GOtt seye demuͤthiger danck ge- saget/ auch vor diese freude. Wie mir dann nechst der jenigen/ wo GOTT zu weilen ein und andere seele unserer gemeinde kraͤfftig zu einem eyffer des Chri- stenthums zubewegen weiset/ keine groͤssere leicht wiederfahren kan/ als zuver- nehmen/ wo GOtt noch hin und wieder in der sonsten so grossen und fast uͤberhand genommenen verderbnuͤß einige uͤbrig behalten/ welche mit ernst das gute wollen/ und solches zu befoͤrdern in der krafft des HErrn geneigt sind. Deren gewiß noch mehr sich da und dort verstreuet befinden/ als ein auch sich selbs sehender Elias in seiner anfechtung gedencken und meinen moͤchte. Wie ich dann seiter 2. Jahren unterschiedliche von dem jenigen guten eyffer hab kennen lernen/ den der himmli- sche Vater in ihnen gewircket: Daß so viel weniger zweifle/ die zeit seye naͤher/ da da der HErr sich seiner armen kirchen erbarmen/ und ihr ein neues heyl werde wie- derfahren lassen/ nach dem er solches laͤngsten verheissen hat. Weilen dann zu der sache des HErren/ und dieselbe mit fleiß zutreiben/ auch dieses ein gutes hilffs-mit- tel ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. tel sein mag/ daß solche/ die da einen zweck haben/ sich untereinander besser bekant machen/ und nachmal so wol mit beten vor einander kaͤmpffen/ als einer den an- dern mit rath/ trost/ und zuspruch an die hand gehe/ so ist mirs so viel lieber/ der treu- en zeuͤgen Gottes mehrere keñen zu lernen/ und mit denselbigen in heiliger freund- schafft bunde zu stehen. Das communicir te bedencken eines ungenanten freun- des uͤber meine pia desideria, wie auch von der suͤnde in den heiligen Geist/ hat mich hertzlich vergnuͤget: und sage vor solche uns geschehene communication, freundlichen danck/ so wol ihn/ geliebter bruder/ als durch ihn solchen lieben manne/ von dem es hergekommen. Wider die erklaͤhrung der suͤnde in dem heiligen Geist/ finde nicht wol etwas zu sagen. Was die censuram meines scripti an- langt/ wollen dieselbe beyde nicht gedencken/ daß ich solche anders als mit liebe und danck aufnehme: Der ich williglich von jeglichen der geringsten unter meiner ge- meinde alle erinnerung anzunehmen bereit bin/ auch meine zuhoͤrer offt von solcher ihrer pflicht unterrichte/ daß sie doͤrfften und solten ihre prediger so wol erinnern/ als sie von denselben ihre erinnerung anzunehmen haben. Warum solte dann mit an- dern gemuͤth daß jenige ansehen/ was von andern treuen dienern GOttes zu mei- ner aufferbauung mir hinterbracht wird? Der HErr vergelte allen solchen/ das jenige in gnaden/ was sie an meiner seelen thun/ oder zu thun sich unterstehen. Wie dann auch/ wo einiger an mir irren/ und andere gedancken von mir als etwa an mir waͤre/ haben solte/ ich deß wegen mich nicht zu beschwehren/ sondern ihme be- reits vor seinen guten willen zu dancken/ und hin wieder mich in liebe/ was er anders angenommen haͤtte/ zu erklaͤhren haͤtte. Wie ich dann nicht zweiffle/ mein wer- ther freund werde so wol selbs/ als auch sein vertrauter bruder/ mit gleicher liebe aufnehmen/ was jetzo zu meiner erklaͤhrung hiermit freundlich anfuͤge/ auch hoffe/ daß damit ein so viel mehrers vertrauen gegen mich moͤge gestifftet und befestigt werden. So ists nun an dem/ daß zwar in solche pia desideria oder vorred uͤber Arnden Postill nach der gnade GOttes die mir damahl gegeben gewesen/ einen ziemlichen theil der jenigen gedancken gefasset/ so ich uͤber die allgemeine verbesse- rung der kirchen in offtmahligen nachdencken bey mir befunden: Gleich wie ich aber nimmermehr habe gedencken koͤnnen/ daß ein so geringes und kleines scri- ptum, sonderlich von einem weniger bekanten mann/ und der so vielen anderen an wurde der person und amts nicht gleich ist/ so viele apprehension an so viel orten erwecken solte; in dem viele gute hin und wieder sich befindende gemuͤther dadurch weiter ermuntertzu seyn bekant haben/ andere auch hie und da damit rege gemacht worden sind/ der sache tieffer nachzusinnen/ welches ich sonderlich gesucht/ der je- nigen zugeschweigen/ welche mit schaͤlen augen solche blaͤttlein biß dahero angesehen/ ob zwar annoch offentlich unangefochten gelassen/ und also solches scriptum durch unsere gantze Evangelische kirche allerorten hin durch gedrungen (weswegen dem grundguͤtigen GOTT vor seine unverhoffte gnade und segen nicht genugsam in de- Z muth Das sechste Capitel. muth meines hertzens dancken kan) also bekenne gern/ daß es nicht mit der so ge- nauen und sorgfaͤltigen uͤberlegung aufgesetzt worden/ als sonsten die wichtigkeit der materien erfordert haͤtte/ wo die intention gewesen waͤre/ etwas hauptsaͤch- lichers vorzunehmen. Wie dann selbsten sehe/ daß manches auf eine viel andere art wuͤrde auszufuͤhren gewesen seyn/ in solcher absicht/ als damahl geschehen ist/ da ich in der enge einiger wochen/ als der truck der Postill bey annahender meß zu ende gehen wolte/ daß jenige zu papier gebracht/ was mir biß dahin angelegen ge- wesen/ und nachgeschehener communication mit meinen geliebten Herrn Col- legis so bald dem truck muste uͤberlassen werden/ als der ich zu dem zweck den ich vor augen hatte/ auch ein weniger außgearbeitetes wercklein/ genugsam achtete/ nemlich so wol offentlich zu bezeugen/ daß ich auch einer aus dem jenigen seye/ welche uͤber die gegenwaͤrtige greuel keinen gefallen haben/ sondern von grund der seelen seufftzen/ als auch andere mit vorlegung gewisser puncten zur deliberation, so vielmehr aufzumunteren/ der sache in der furcht des HErrn reifflicher nachzuden- cken. Will man also das gute/ so darinnen ist/ einen edelstein vergleichen/ so las- se ich es gern geschehen/ daß derselbe als noch zimlich rau angesehen werde/ und vieles poli rens bedoͤrffe. Wie mir denn aller der jenigen arbeit/ die deßwegen sich daran versuchen wollen/ eine liebes-that geachtet wird werden. Der vor- schlag der uͤbung des geistlichen priesterthums/ und dann einiger zusammen kuͤnfften nach der art 1. Cor. 14. ist nach meiner eigenen absicht wol der vornemste/ oder doch von nicht weniger wichtigkeit/ als einer unter allen. Und bin ich laͤngst in de- nen gedancken gestanden/ daß auf diese art vornehmlich der kirchen geholffen wer- den woͤchte. Daher als ungefehr Herr Vielitzen predigten von derselben materie zur hand bekommen/ nicht geruhet/ biß solche hier nachtrucken konte lassen. So habe selbs einen wenigen anfang bereits von 7. jahren allhier in meinen hauß ge- macht. Von welchem exercitio in neulichen meinen send-schreiben/ welches in nechster meß heraus gekommen/ mit mehrern meldung gethan. Jch uͤber- sendte gern ein exemplar/ wird aber auf der post zu groß/ und haͤtte zu bitten ein exemplar von Tuͤbingen bringen zu lassen/ will gern das pretium wieder erstatten. Es ist zwar solche privat- uͤbung oder zusammen kunfft noch bey weiten nicht in dem stand/ wie sie seyn solte/ und daß davon ein sonderbahrer nutzen zu hoffen stuͤnde. Jn dem es nur an der autori taͤt manglet/ die nothwendige anstalten dabey zu ma- chen/ das deswegen muß gehen lassen/ wie sichs selber gibt/ u. doch noch dabey in ge- fahr stehen/ daß mir das jenige was ich habe/ wieder entzoge werde. Jndessen hoffe ich gleichwol/ mag auch dieser schatten des jenigen/ was man gern wuͤnschte/ bereits andere zur nachfolge reitzen/ massen wircklich einiger orten deraleichen nachgeah- met/ und versuchet worden. Und mag leicht geschlossen werden/ da der barmhertzige Gott unseren so geringen und wenigen anfang in der unordnung darinnen es an- noch bestehet/ nicht gantz ungesegnet gelassen (davo r ihm ewiger danck gebuͤhret) daß unterschiedliche personen durch solche uͤbung sich nicht wenig bewogen und kraͤff- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. kraͤfftiglich erbauet zu seyn bekennen/ was denn zu hoffen waͤre/ wo die sache in den stand gebracht werden koͤnte/ wie ich verlange: Aber leyder/ woher wir huͤlf- fe haben solten/ stehet man gemeiniglich dem guten meistens entgegen. Es hat auch der liebe und um das reich GOttes hertzlich eyferende jurist D. Fritsch ein fein tract aͤtlein geschrieben von erbauung des nechsten durch gottseelige ge- spraͤch/ darinnen (in absicht auf mich und hiesiges institutum ) dergleichen congressus gebillicht werde/ mit anfuͤhrung eines responsi einer Theol. Facul- taͤt so mir zum besten gegeben worden. So wird dieser tagen auch auß der presse ausgehen eines anderen gottsfuͤrchtigen juristen Herr Kriegsmanns kurtzes scriptum, darinnen er zeigen will/ das Matth. 18. nechst den allgemeinen kirchli- chen auch andere besondere zusammenkunfften eingesetzet seyen. Welcherley scri- pta und so vielmehr die sache selbs gern omnibus modis befoͤrdere/ wohin ich auch mit meinen vor dreyviertel jahren ausgegebenen Geistlichen Priesterthum gezieh- let habe. Jch hoffe auch/ GOtt werde gnade geben/ daß hin und wieder einiger anfang von guten gemuͤthern werde gemacht werden/ und das werck des HErrn allgemach wachsen. Es ist zwar an deme/ daß der vorschlag der piorum desi- deriorum von der gleichen zusammen kuͤnfften nach dem exempel der Apostolischen kirchẽ der einige gewesen/ der ob wol noch nicht offentlich contradiction es erwecket jedoch ein und andere privatim ihr miß-liben oder bedencken daruͤber bezeuget. Aber die ursache ist leicht zu finden. Was nun die jenige gebrechen anlanget/ so der unbenante freund mir zu schreibet/ theils die ich mit andern meiner confession gemein haͤtte/ theils die mir eigen waͤren/ will ich candidè mein gemuͤth declari- ren/ und frey lassen zu judiciren, ob und wie fern ein und anders sich also bey mir verhalte oder nicht: Als der ich so wol bereit bin/ von jeglichen willig zu lernen/ als auch nicht verlange/ daß jemand anders oder mehr von mir halten solte/ als an mir ist. Das erste anlanget/ so bin ich niemahl in der meynung gewesen/ auch noch nicht/ ob waͤre die reformation Lutheri zu ihrer vollstaͤndigkeit/ wie zu wuͤnschen/ gebracht worden. Sondern wie die Boͤhmen unterschiedlich mahl mit Luthero gehandelt/ deßwegen zu ihn gesandt/ und an der reformation das jenige gestrafft/ daß es schiene/ es seye allein um die lehr/ mit hindansetzung des lebens/ zu thun/ un- ser liebe Lutherus auch verlangt/ daß ers dahin bringen moͤchte/ wie die disci- plin bey ihnen waͤre/ aber uͤber die hindernuͤssen/ die er nicht uͤberwinden koͤnte/ geklagt (davon bedencklich/ was Comenius de Bon. Un. \& ord. p. 29. u. f. er- zehlet/ und den guten Lutherum zu seiner zeit entschuldiget) also erkenne gern/ daß das werck zu zeitlich stecken geblieben. Jch dancke zwar freylich dem gros- sen GOtt vor auch solche unaussprechliche wohlthat/ die in sothaner reformati- on der kirchen erwiesen worden/ in dem auch das jenige schon ein grosses ist/ pro- dire tenus, sinon datur ultrà; halte deßwegen die Ruͤstzeuge GOttes/ die er in solcher sache gebraucht/ und mit so vieler gnade außgeruͤstet/ als zu dem jenigen Z 2 werck Das sechste Capitel. werck noͤthig war/ das er zu solcher zeit durch sie außrichten wolte/ sie auch wuͤrck- lich dahin getrieben/ in schuldigen ehren/ und halte ihnen das jenige zu gut/ was sie nicht haben außrichten koͤnnen/ ohne sie deswegen freventlich zu richten/ als der ich nicht so genau weiß/ woran es in dem stuͤck gemanglet/ und was den lieben leu- then uͤber das jenige/ so wir auch anjetzo sehen/ mag in den weg gestanden seyn; ve- nerire die goͤttliche heilige providenz, so ihr werck auf unterschiedliche art treibet/ und einer zeit diese/ einer andern eine andere und mehrere/ gnade bestimmet hat: aber glaube freylich/ daß mit der reformation noch bey weiten nicht alles geschehen/ was hat geschehen sollen/ und an dessen verfolge die nachkoͤmmlinge zu arbeiten bil- lig verbunden gewesen und noch sind. Und was ists anders/ wo ich in den piis de- sideriis klage/ daß der außgang aus Babel zwar geschehen/ aber der tempel und statt noch nicht gebauet gewesen/ und aus Babel viel boͤses mit gebracht/ davon sie durch Esram/ Nehemiam/ und die von GOTT erweckte Propheten annoch gereiniget zu werden bedoͤrfft/ als daß ich damit gestehe/ es seye auch mit unserer re- formation so weit nicht gekommen/ wie es haͤtte seyn sollen/ sondern man ist ste- hen blieben mit dem bau/ als nur/ so zu reden/ der grund war geleget worden. Da- her ich freylich verlange/ daß nicht nur die sache wiederum in den stand moͤge ge- bracht werden/ wiesie bey Lutheri zeiten gestanden/ sondern daß auch das jenige/ was damal zuruͤck geblieben/ ersetzet wuͤrde. Wie wol ich nicht leugnen will/ daß zu solcher zeit die erkaͤntnuͤß der grossen wolthat/ die GOtt in der außfuͤhrung aus der so dicken finsternuͤß des Papstums den lieben leuthen erzeiget hat/ wie sie in fri- scher gedaͤchtnuͤß war/ einen mehreren ernst zu einem rechtschaffenen wesen in Christo JEsu bey allen den jenigen erwecket/ welche eine aufrichtige begierde GOtt zu dienen hatten/ also daß derselben vielmehrere/ als jetzo eine weil her/ wo wir wenig mehr an solche wohlthaten gedencken/ zu dem rechtschaffenen leben/ das aus GOtt ist/ gelanget sind: Wie ich auch/ wo ich der Theologorum, so damahl gelebet/ Schrifften lese/ und sie gegen den meisten hauffen vergleiche/ finde daß ein mehrer und kraͤfftiger Geist bey denselben gewesen/ so mich nicht wol laͤßt zweifflen/ daß die frommes leuthe durch goͤttlichen segen ein vielmehrers außgerichtet; son- derlich da es noch mit verfolgung hergienge/ und diese die gemuͤther so vielmehr von der welt/ als der groͤssesten hindernuͤß des geistlichen abzogen. Was das zweyte anbelanget so bekenne gern/ daß ich keinen goͤttlichen glaubens-articul/ so zu der seligkeit nothwendig ist/ wisse/ welchen wir nicht in unserer bekaͤntnuͤß rein haͤtten/ als viel mir GOtt noch biß dahero zuerkennen die gnade gegeben hat. Ein anders ists/ ob alle absonderliche determinationes, die ins gemein von uns moͤch- ten behauptet/ und solche aus ein und andern orten erwiesen werde/ so gantz un- fehlbahr seyen/ daß wir nicht nur selbs dabey beharren/ sondern auch alle andere dazu obligir en koͤnten/ nothwendig dieselbige anzunehmen/ und mit uns zube- halten. Sonderlich nach dem von einigen zeiten her einige lehrer sich die macht ge- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. genommen haben/ wo nur in der kirchen einige controvers entstanden/ dieselbe nicht nur so bald zu determini ren/ sondern der massen zu determini ren/ daß wer es nicht mit solcher definition haͤlt/ so bald unter die zahl der rein Evangelischen u. or- thodoxorum nicht mehr gerechnet werden doͤrffte. Wie die traurige collisiones gantzer universit aͤten gegen einander fast von anfang dieses seculi bißhieher gewie- sen haben: Daher nicht wohl fehlen kan/ wo man alles solches zu sammen nim- met/ daß keine seit seyn mag/ die nicht auff das theure fundament neben dem gold/ silber/ edelgesteinen auch holtz/ heu und stoppeln/ gebauet haͤtte/ und also wo von solcher durchgehenden reinigkeit geredet wird/ derselben titul ihr disputi ret werden mag. Daher wo wir von der lehr reden wollen/ wird etwa eine reformation fuͤglich statt haben/ nicht so wohl neue glaubens articul zusetzen/ als derjenigen/ welche sich zu viel macht genommen/ glaubens articul zu machen/ ob wohl die ge- samte kirche niemahl eingewilliget/ vermessenheit zu coẽrcir en. Und daher/ wo das argument aus Jerem. 23/ 22. gefuͤhret wird/ so bringts gleichwohl dieses nicht zu wege/ das die glaubens bekaͤntnuͤß solcher gemeinde muͤste nicht rein seyn/ wo die fruͤchte nicht folgen/ indem wir von den Jsraeliten solcher zeit nicht finden/ daß sie in denselben solten gefehlet haben/ sondern ihre sehler stunden vielmehr darinnen/ daß sie sich in den ungehorsam gegen goͤttliches gesetz mit dem eusserlichen GOttes- dienst und opere operato nur staͤrckten/ und also den an sich selbs guten dienst wie- der goͤttliche intention mißbrauchten: So dann ihre priester/ welche den prophe- ten widersprochen/ hatten auch nicht so wohl falsche lehr gefuͤhret/ als daß sie die lehre falsch an ihnen applicir ten/ und was GOTT wahrhafftig/ aber mit gewis- sen conditio nen/ versprochen hatte/ auff sie zogen/ und damit sie wider der pro- pheten trohen troͤsteten/ in der that aber betrogen/ daher so war das von ihnen uͤbel applicir te wort/ wie es aus ihrem munde kam/ nicht mehr GOttes wort/ sondern ihr eigen wort: Also wo von der lehr ferner geredet wird/ wie dieselbe in unserer kirchen/ vieler oder freylich meister orten/ getrieben wird/ will ich nicht in abrede seyn/ daß ob schon in der lehr/ das ist/ der bekaͤntnuͤß unserer kirchen/ kein fehler o- der irrthum ist/ gleichwohl so wohl in der artdes vortrags als der application gemeiniglich sehr viel gefehlet werde. Zum exempel in dem grund articul der recht- fertigung erkenne ich vor GOTT/ und dancke demselben davon/ daß die lehr un- serer Evangelischen kirchen an sich selbs gantz just und goͤttliche seye: wie wir nehm- lich aus pur lauter gnaden vor GOTT gerecht werden durch die barmhertzigkeit GOttes/ der uns unsere suͤnde vergibet/ und also das verdienst CHRJSTJ schencket/ aber solcher gnaden werden wir allein theilhafftig durch den glauben/ der da nicht nur eine menschliche einbildung/ sondern eine solche goͤttliche wuͤrckung ist/ welche/ wie unser seliger Lutherus sagt/ uns wandelt und uns gebiehret aus GOtt/ daß wir aus erkaͤntnuͤß der grossen liebe und wohlthaten GOttes gegen uns/ auch der unaussprechlichen guͤter/ welche uns von unsern Vater geschencket und ver- Z 3 spro- Das sechste Capitel. sprochen wurden/ nunmehr also in denselben alle unsere seligkeit suchen/ das uns nichts mehr angelegen ist/ als dieselbe allein/ und wir also nicht anders koͤnnen als hinwiederum inbruͤnstig den theuren liebhaber lieben/ und uns ihm zu eigen mit allem was wir haben geben. Wo aber gefragt wird/ ob diese lehr/ so der rechte kern unserer glaubens lehr ist/ auch auff allen cantzeln dermassen getrieben/ ja von allen predigern also verstanden werde? so wird sichs viel anders finden. Jch bin gewiß/ daß derjenigen prediger nicht wenige sind/ dieselbs gantz andeꝛs von dem selig- machenden glauben halten/ und keinen andern glauben wissen/ als der nach Lutheri abermahligen worten ein menschlich gedicht und gedancken ist/ welchen des hertzens grund nimmer erfaͤhret/ der also auch nichts thut/ und aus seiner krafft keine besserung daraus folgen kan; Daher sie auch allein solchen glauben predigen/ und doch denselben mit verkehrung der spruͤche/ welche von dem glauben handlen/ die seligmachende krafft zuschreiben/ damit die leute auff die gottlose und sichere ge- dancken gerathen/ eine solche menschliche einbildung von CHristo mache sie selig: Welche meinung ich wohl vor eine so grausame ketzerey halte/ als einige jemahl ge- wesen ist. Dieselbe aber entstehe nicht aus schuld der lehr unserer kirchen selbs/ wie sie in unserer Confession stehet/ sondern aus dem unverstand der lehrer/ oder auch dero unachtsamkeit. Und mag man also wohl sagen/ daß derselben viele das wort GOttes nicht predigen/ als die theils in ihren meisten predigten von solchen controvers- puncten handlen/ worinnen wenig goͤttliche wahrheit sich findet/ son- dern meistens menschliche gedancken und erfindungen/ oder doch was von wahrheit darinnen seyn moͤchte/ so mit diesem uͤberhauffet ist/ daß es alle krafft verliehret: o- der sie handlen von morali en nicht anders/ als die heyden auch gethan/ ohne daß der grund recht geleget worden; oder da sie den grund von dem verdienst CHRJ- STJ und der gerechtigkeit des glaubens legen sollen/ thun sie dasselbe superfici- aliter, daß die zuhoͤrer/ weil das fleisch ohne das nur gern dasjenige/ was ihm ge- maͤchlich kompt/ annimmet/ die sache nicht anders faffen/ als ihre sicherheit zu staͤrcken/ und kommen also nimmermehr zu dem rechten glauben: Freylich auch aus schuld der lehr/ aber nicht ihrer kirchen/ sondern ihrer particular lehrer. Wie man hingegen erfahren wird/ wo etwa an einigen orten einige treue lehrer von Gott geruͤhret werden/ daß sie solche grundlehr von dem lebendigen glauben/ wie er uns in den todt und in das leben CHristi und dero gemeinschafft bringt/ wie auch Arnd so vortrefflich gethan/ mit gnugsamer treue ihrer gemeinde vortragen/ ob sie wohl nicht einen fingers breit von unserer allgemeinen kirchen Confession abgehen/ wie alsobald eine grosse bewegung in den gemeinden zu entstehen pflege/ da sich die folg- same/ wo ihnen ferner mit huͤlffe an die hand gegangen wird/ wahrhafftig zu Gott bekehren/ die uͤbrige meiste aber mit ihren klagen bezeugen/ daß sie die krafft des worts wahrhafftig empfunden haben/ ob sie ihr wohl widerstreben. Jn dessen zeiget doch dieses/ daß wo unsere lehr recht nach unserer bekantnuͤß gefuͤhret werde/ so ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XI. so sey sie das rechte kraͤfftige wort Gottes. Koͤnten wir es auch allgemach dahin brin- gen/ daß in der absonderlichen application bey der Absolution nicht so offt dasje- nige in der hypothesi widersprochen wuͤrde/ was in thesi auff der cantzel geleh- ret worden/ so wuͤrde bald die sache ein ander ansehen gewinnen. Was die ande- re gemeinden betrifft/ so erkenne gern/ daß in derselben GOtt auch seinen samen erhalte/ welche aber gewißlich in dem grund des glaubens mit uns einstimmen/ was die uͤbrige articul aber anlangt/ entweder unsere wahrheit auch erkennen/ ohne daß sie deswegen sich zu uns zu verfuͤgen sich in ihrem gewissen verbunden achten/ noch die resolution darzu fassen koͤnnen/ weil sie sonsten so viel boͤses bey uns sehen/ wel- ches ihnen so starcken zweiffel macht/ ob wir die wahre gemeinde GOttes seyn koͤn- ten/ oder sie erkennen solche nicht/ vielleicht auch aus dieser heiligen vorsehung Got- tes/ welcher sie bey ihren gemeinden behalten will/ damit durch das bey ihnen noch besindliche gute die jenige/ die sich erhalten wollen lassen/ und ohne dergleichen zu hause habende/ etwas sehende/ leiter erligen wuͤrden/ behalten werden moͤgen/ daher er jene noch so viele nicht sehen laͤsset/ woꝛaus sie zu einem ausgang aus ihꝛen gemein- den wuͤrden bewogen werden. Jndessen weist/ wie er verhuͤten kan/ daß solche un- wissenheit ihnen endlich nicht schaͤdlich seyn kan. So folget auch aus obigem/ daß freylich wie die lehr ins gemein gefuͤhret wird/ nicht lauter stimme CHristi bey uns auch schallet/ sondern manches mit menschen stimmen zimlich vermischet wird. Was das dritte betrifft/ so ist die frage entweder davon/ ob unsere kirche also rein seye/ wie sichs geziemete vor diejenige welche die braut CHristi ist/ wo ich sreylich erkenne/ es mangle ihr vieles an dem jenigen/ was zu ihrer geziemlichen zierde ge- hoͤret: oder es ist die frage/ welche unter alle sichtbahren gemeinden und versam- lungen der Christen diejenige seye/ dero bekaͤntnuͤß rein/ und also ihre lehr vor der uͤbrigen gemeinden lehr goͤttlichem wort gemaͤß erkant werden woͤge; da wir dann GOTT diesen danck schuldig sind/ zu bekennen/ daß in vergleichung der schwehrer irrthum und abgoͤttischen diensts in dem Papstum/ so dann des irrthums bey den Reformirten von der blossen verwerffung/ jetzo anderer gemeinden zu geschweigen/ die unserige so viel reiner/ und so viel wir jetzo auff erden eine sichtbare kirche haben/ dieselbe bey der unsrigen zu erkennen seye. Jndessen ist nimmermehr meine mey- nung/ daß alle in allen andern gemeinden davon ausgeschlossen seyen/ und nicht sehr viele unter denselbigen gefunden moͤgen werden/ welche wahrhafftige und nicht weniger glieder der unsichtbaren oder allgemeinen kirchen seyen als wir. Wie zum exempel zu zeiten der altvaͤter/ ob wohl in ihren haͤusern und fami lien die sicht- bahre kirche GOttes gewesen/ nichts desto weniger unter andern voͤlckern sich auch gefunden haben leute/ die GOTT angenehm gewesen/ und zu seinem volck gehoͤret haben. Weswegen die intendi rende Reformation freylich nicht solle verlangt werden inner unsrer ringmauer allein zu bleiben/ sondern das reich Got- tes aller orten aus zubreiten. Nur ist die frage/ wie solche sache am kluͤglichsten und GOttgefaͤlligsten angegriffen werde/ sonderlich in betrachtung gegenwaͤrti- gen Das sechste Capitel. gen zustandes. Wo ich einmahl nicht finde nuͤtzlich/ sondern besorgte vielmehr hochschaͤdlich zu seyn/ eine solche Reformation zu tenti ren/ daß man von allen par- teyen voran gleich eine zusammen setzung erforderte und vorschluͤge: die nicht nur bey gegenwaͤrtiger beschaffenheit der gemuͤther und derjenigen/ welche bey allen das meiste zusagen haben/ nicht erlangt/ sondern mit deroselben vorschlag auch sehr gu- te und der besserung sonst geneigte gemuͤther wuͤrden zu ruͤck getrieben/ ja sich dem werck zu widersetzen veranlasset werden/ sondern wie die passionir te gemuͤther je- tzo sind/ wuͤrde dieses eben die gelegenheit seyn/ vollends um das jenige kleinodt/ wel- ches wir durch GOttes gnade annoch haben/ gantz zukommen/ und an statt des ver- hofften guten auch gar das/ was wir haben in der reinigkeit der lehr zu verliehren. Jndessen moͤgte wohl daß rathsamste seyn/ daß wie wir auffs wenigste der jenigen kirche/ zu dero absonderlichen gliedern uns GOtt gemacht hat/ vor andern verbun- den sind/ wir erstlich trachten/ wie deroselben moͤge geholffen/ und bey ihr das recht- schaffene Christenthum in lebendigen glauben und liebe auffgerichtet werden/ um alsdann/ wo wir erstlich in dem stande stuͤnden/ wie wir solten/ auch den uͤbrigen zu ihrer besserung behuͤlfflich zu seyn. Wie wohl doch dabey auch nicht davor halte/ daß wir in dessen der uͤbrigen gantz zu vergessen haben/ sondern wie wir mit hertzli- chem gebet dero selben bestes von dem himmlischen vater zu erbitten/ so dann mit lie- be/ und also mit guten exempel/ sie zu erbauen haben/ also haͤtten wir sie/ und ihre lehrer dahin ernstlich zu vermahnen/ daß wo sie dasjenige/ so wir von wahrheit wei- ter als sie noch nicht haben/ jetzo nicht begreiffen koͤnnen/ sie auffs wenigste in dem jenigen pfund/ so viel sie erkant haben/ ihrem GOtt wollen treu werden/ und also darinnen ein solches fundament legen/ auff welches sie durch goͤttlichen beystand folglich ein mehres bauen/ und mehrere erleuchtung hoffen koͤnten. Und ist disees schon bereits einigerley massen eine zusammensetzung der arbeit/ wo jeglicher theil unter sich nach der gnade GOttes/ so viel er dero empfangen hat/ wircket und die besserung zu befoͤrdern suchet. So zweiffle ich auch nicht/ wo wir mit auffrichti- gem hertzen dergleichen eine kleine zeit continui ren werden/ GOTT werde segen geben/ daß auch die irrende zu derjenigen erkaͤntnuͤß in einigen noͤthigsten streitigen articulen kommen werden/ daß es nicht mehr noͤthig seye/ sich von einander getreñet zu halten. Weilen ja die kraͤfftige irrthume ein goͤttliches gericht sind uͤber dieje- nige/ welche vorhin die liebe zur wahrheit/ nehmlich mit rechtschaffenen gehorsam/ nicht haben annehmen wollen 2. Thess. 2. Also wird jenen nicht eher nachtruͤck- lich geholffen/ als wo wir anfangen/ uns zu dem rechtschaffenen wesen/ so in Chri- sto ist/ zu verfuͤgen/ und der wahrheit nach der maß als wir sie erkennen gehorsam werden. Was nun das vierte anlangt/ wegen der unmittelbahren offenbah- rung/ gestehe ich/ daß mir solcher der schwehrste punctist/ als bey dem die allermei- ste gefahr sich findet/ wo wir in demselbigen anstossen. Daß nicht muͤglich solte seyn/ daß GOTT noch heut zu tage seinen willen jemand moͤchte offenbahren/ will ARTIC . I. DIST. II. SECT . XI. will ich nicht leugnen/ oder goͤttlicher macht einige schrancken setzen: Daß auch schlechter dings Gott solches nicht wolle/ habe ich keine versicherung aus gnugsam klahren orten der Schrifft/ als der ich bekenne/ daß die etwa deswegen fuͤhrende lo- ca mir kein voͤllig genuͤge geben. Wo sich also jemand solte hervorthun/ welcher sich einer solchen unmittelbahren erleuchtung beruͤhmte/ wolte ich nicht ex hoc prin- cipio so bald widersprechen/ daß allerdings alle unmittelbahre erleuchtung auff- gehoͤret/ aber ich bin nicht in abrede/ daß mir allezeit die sache mehr suspect als glaubwuͤrdig vorkaͤme/ alldieweil ich in der Schrifft nicht sehe dahin gewiesen zu werden; Daher achte ich/ daß einem solchen hoͤchstens oblige/ solchen seinen goͤttli- chen beruff auff die art darzu thun/ daß eine GOttfuͤrchtende seele/ welche bereit ist alle goͤttliche wahrheit an zunehmen/ von dero sie gnugsam versicherung hat/ den- selben erkennen und in ihrem gewissen sich der sache uͤberzeuget finden koͤnne. Wie dann der guͤtigste Vater mit uns also handlet/ daß eine auff ihn lauterlich sehende seele seinen willen gnugsam erkennen kan. Sonderlich wuͤrde von einem solchem erfordert/ und er darnach gepruͤffet muͤssen werden/ ob er einiges wider das ohn- fehlbahre geschriebene goͤttliche wort lehrete/ oder auch ausser demselben derglei- chen vorgebe/ was darinnen nicht gegruͤndet waͤre. Jndem auch der unmittel- bahre erleuchtete Paulus/ bey seinem so unfehlbahren beruff dannoch nicht nur den Berrhoensern gestattet/ seine predigten aus der Schrifft zu pruͤffen/ sondern sich mit grosser freudigkeit darauff beruffet/ daß er nichts gelehret ausser dem/ was Mo- ses und die Propheten gesagt haben. Apost. Gesch. 26. Wo also einer kaͤme/ wel- cher in seiner lehr schlechter dings mit der heiligen Schrifft uͤbereinkaͤme/ und nur aus der Schrifft zeigte einige erfuͤllung derjenigen dinge/ so von unserer zeit moͤch- ten geweissaget seyn worden/ zeigte sie auch also/ daß man der wahrheit derselben erfuͤllung so versichert seyn koͤnte/ als Paulus diejenige erwiese/ so wuͤste ich einen solchen nicht zu widersprechen/ sondern wuͤrde mit demuth auch das goͤttliche wort aus seinem munde annehmen. Ohne dergleichen gewisse und unbetruͤgliche zeug- nuͤßen einer unmittelbahren sendung aber wuͤrde ich mich nicht unternehmen/ einem/ der sich deroselben anmassen wolte/ beyfall zu geben. Und zwar solches alles ge- schiehet nicht darum/ welches mir mein gewissen zeugnuͤß vor GOTT gibet/ ob suchte ich die autori taͤt der ordenlichen beruffenen diener und Theologorum, und darinnen meine eigene/ fest zusetzen/ vor dieselbe zu sorgen/ und uns das mono- polium in der kirchen zu zuschreiben/ welches siñes nicht zu seyn ich mich hißher ver- hoffentlich in unterschiedlichem gezeiget habe: Daher ich auch nicht mich der wahr- heit entziehen wuͤrde/ wo ein anderer weltlichen standes (wie man aus mißbrauch zu reden pfleget) und solte es von profession ein bauer seyn/ ohne sich eines unmittel- bahren beruffs oder offenbahrung ruͤhmende/ aus der heiligen Schrifft deutlich und zu vergnuͤglicher uͤberzeugung der gewissen darthun wuͤrde/ wo wir Theologi biß- her alle geirret haͤtten: als der ich durch GOttes gnade gelernet habe zu gedencken/ A a non Das sechste Capitel. non quis, sed quid. Sondern ich sehe die grosse gefahr vor augen/ daß ohne der- gleichen allerschaͤrffeste probe/ wo wir den jenigen/ die sich unmittelbahrer offen- bahrung ruͤhmeten/ gehoͤr geben wolten/ dem teuffel recht thuͤr und thor geoͤffnet werden solte/ sich in einen engel des liechts zuverstellen/ und mit solchen griff dasjeni- ge/ so er durch andere seine kuͤnste noch nicht vermocht/ durch zu treiben/ ja die fast aller Gottseligste so viel gefaͤhrlicher zu beruͤcken. So ist mir auch niemand be- kant/ welcher von zeiten der Apostel eine Reformation unter dem vorwand derglei- chen unmittelbahrer sendung und erleuchtung angefangen haͤtte: Noch weiß auch jetzo unter denjenigen/ welche etwas heilsames zu der verbesserung der kirchen in vorschlag gebracht/ der sich hierauff bezogen haͤtte. Also soll es freylich nicht nach eigenen duͤncken der Theologorum gefuͤhret/ aber auch die sache nicht in der gefahr unvermeidlichen betrugs gesetzet werden. Dahero ich nicht leugne/ daß die fol- gende vorgeschlagene art der Reformation mir gefaͤhrlich vorkomme. Nachdem ich hiermit mich verhoffentlich gnugsam auff die jenige maͤngel/ so den gesamten unsern Theologis zugemessen werden/ erklaͤhret/ will ich mit wenigen noch hinzu thun/ was meine person selbs antrifft/ das gute vertrauen/ so unter denen/ die den HErrn suchen/ seyn solle/ desto besser zustifften und zu erhalten. Zu erst ist durch aus meine meinung nicht/ daß es nur eusserliche sitten sachen feyen/ sondern weiß daß der mangel viel tieffer stecke: Wir haben nicht zu arbeiten/ daß wir gute fruͤchte von einem wilden baum erzwingen moͤgten/ als welche arbeit ver gebens seyn wird/ sondern unsere sorge muß freylich seyn/ daß wir erstlich einen guten baum setzen/ der nachmahl die fruͤchte bringen koͤnne/ und also setze ich staͤtig zum grunde alles gu- ten die wiedergeburt aus dem glauben: wie ich auch in Luthero solche sache so vor- trefflich getrieben finde/ daß wir nicht nur andersthun/ sondern andere leute wer- den muͤssen. Und dieses ist eben die ursach/ warum ich in unserer gemeinde allhier/ sonderlich des lieben Arnden schrifften/ vornehmlich sein wahres Christenthum/ zimlich bekant zu machen mich befliessen/ in der predigt zu mehrmahlen angezogen/ und vermittels goͤttlicher gnade dahin gebracht habe/ daß sehr viele der zuhoͤrer sol- ches buch nicht nur in haͤnden haben/ sondern fleißig lesen; habe auch in der vor eini- gen jahrẽ hie herausgegebenen edition einige notulas eines seines liebhabers/ auch excerpta aus Varenii Rettung mit inseri ret/ damit diejenige/ welche noch an sol- chem theuren buch einen eckel haben/ oder doch anstehen/ seine unschuld und reinig- keit so viel klaͤhrer erkennen moͤchten. Jndem dieser vortrefflicher lehrer den grund der wiedergeburt/ mit allen dahin gehoͤrenden lehren von dem goͤttlichen Eben- bild/ dessen verlust und wieder erlangung/ so einfaͤltig als kraͤfftig treibet. So su- che ich auch der gemeinde offter dieses einzufchaͤrffen/ daß es nicht an dem eusserli- chen/ sondern innerlichen/ an dem hertzen/ allein und alles gelegen seye/ welches wie es die brunnquell ist alles boͤsen/ also auch die werckstaͤtte seyn muß/ in dero der hei- lige Geist alles gute wiederum wircke: Hierauff treibe ich in der materi von der buß ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XI. buß/ und wo ich gelegenheit finde. Weilen dann durch den glauben solche wie- dergebeburt geschiehet/ so trachte nach der gnade/ die mir GOTT giebet/ die lehre alle dahin einzurichten/ damit ein rechter lebendiger glaube durch das wort des le- bens/ recht vorgetragen/ gewuͤrcket werde/ als wo mit der gantze mensch wird zu einen andern menschen werden/ und wo er rechtschaffen erkant/ die unaussprech- liche liebe seines GOttes gegen sich/ die theure guͤter/ die er empfangen und noch zu erwarten habe/ die vortrefflichkeit und suͤßigkeit des rechtschaffenen wesens in CHRJSTO/ kans nicht wohl fehlen/ daß die liebe der welt und anders/ so den uͤbrigen goͤttlichen wuͤrckungen gemeiniglich in dem weg zu stehen pfleget/ muß ab- sterben. Und damit ist ein rechter grund tieff geleget zu einen rechtschaffenen Christenthum/ daß alsdann alles leben eusserlich aus der innern goͤttlichen glaubens krafft gehe: Jn dem der mensch nicht mehr wircket aus zwang und noth/ sondern aus liebe zu seinem GOTT und Heyland/ so sein gantzes hertz geaͤndert hat. Was das zweyte anlangt wegen Babel/ so werden wir vielleicht nicht so weit von einan- der seyn/ wo wir einander recht verstehen; Wo ich sage/ daß wir und unsere kir- che nicht mit zu Babel gehoͤre/ so rede ich davon/ wie in der Offenbahrung Johan- nis das wort gebraucht wird/ wo ich nicht sehe/ wie wir einige gemeinde unter sol- chen nahmen ziehen moͤgen/ welche dem ohne zweiffel daselbsten verstandenen Rom entgegen und in offentlicher feindschafft dawider ist. Will man aber das wort Babel beylegen allem dem/ was nicht in rechter ordnung sondern in einiger verwir- rung nach der deutung des nahmens ist/ so doͤrfften wir wohl etwas von solchem nahmen mit bekommen/ in dem ich nicht leugnen kan/ daß auch nicht wenig verwir- rung sich bey uns befinde. Es stehet aber dahin/ und gebe ich es Gottseligen her- tzen zu fernerem bedencken/ ob wir wohl thun/ wo wir wollen ausser der Schrifft und des heiligen Geistes sprach dergleichen wort nach eigenen gutduͤncken extendi ren. Was den nahmen Antichrist anlanget/ hat es damit eine andre bewandnuͤß/ dañ ob wir wohl denselben mit sonderbahren vorzug auch pflegen den Papst zu geben/ so stehet doch 1. Joh. 2. austruͤcklich/ daß der Antichristen viel seyen/ und habe ich also die freyheit/ das wort in der weitlaͤufftigkeit zu brauchen/ wie der heilige Geist selbs thut. Weswegen ich wohl gelten lasse/ daß in solchem verstand wir auch in unserer kirchen Antichristen antreffen werden/ als welche sich der ehre und werck CHristi entgegen setzen. Daher sich auch ziemlich offenbahr hervor thun/ daß man sehen koͤnne/ wer sie seyen. Jch lasse auch wohl gelten/ daß nicht nur der grosse Antichrist zu Rom/ sondern viele andere kleine Antichristen aus GOttes ver- haͤngnuͤß gegen die heilige biß zu seiner zeit viel macht haben und uͤben werdẽ: Dar- auff man sich zu schicken hat. Jch gehe zu dem tritten und letzten/ wo der unge- nandte freund davor haͤlt/ ich sehe mit dem grossen hauffen mehr auff die titul / als auff die krafft des geistes CHRJSTJ. Hoffe aber/ wo mich der liebe mann besser kennen wird/ wird etwas von dieser meinung bey ihm fallen. Dann ich ha- A a 2 be Das sechste Capitel. be meinen GOTT demuͤthig danck zusagen/ der mich von dieser thorheit frey las- sen werden. Daß ich nicht alle lobe/ die vor mir und mit mir solche Reformation getrieben haben/ hat seine gantz andere ursuch. Jch habe oben bekant/ daß meine erste sorge seye/ ob durch goͤttliche gnade darzu helffen moͤchte/ daß unsere so genan- te Lutherische kirche erstlich mehr gereiniget/ und also die jenige/ welche in derselben sind/ darzu hand anzulegen bewogen wuͤrden. Wie nun solches ohne zweiffel ein so schwehres werck ist/ auch so viele hindernuͤssen in dem weg ligen/ als man sich im- mer einbilden mag/ also hat man ja auff alle weise zu sehen/ derer hindernuͤssen nicht mit fleiß noch mehrere zu machen/ welches aber wuͤrde geschehen seyn/ wo ich in sol- chem scripto einige sonderlich gelobet und angefuͤhret haͤtte/ welche den meisten un- serigen nicht nur verdaͤchtig sondern von ihnen gantz verworffen waͤren. Dann nach dem wir ohne zweiffel selbs unter der zahl der jenigen die Theologi heissen sol- len/ leute haben moͤgen/ die einer rechtschaffenen besserung der kirchen sich von her- tzen widersetzen wollen/ als die ihrem interesse nicht gemaͤß ist/ daher auch alle der- gleichen scripta und Autores, wie sie nur verwoͤgen/ werden suchen zu unterdruͤ- cken/ so thun wir ja nicht kluͤglich/ wo wir denselben mit fleiß neue schwerter in die haͤnde geben/ wo mit sie uns angreiffen koͤnnen. Wie dann solches dergleichen leuten etwa eine erwuͤnschte gelegenheit wuͤrde seyn/ wo sie dadurch zu laͤstern ei- ne scheinbahre anlaß bekommen wuͤrden: Man suchte die religion zu vermischen/ und also die unsrige wahrheit in die gefahr solche zu verlieren zubringen: man col- ludi re mit offenbahren feinden unserer kirchen/ oder solchen leuten/ auff die man einen rechtmaͤßigen verdacht haͤtte. Dann ob wohl es nicht an antwort manglen wuͤrde/ so ists doch besser/ keine gelegenheit dazu mit willen zu geben/ was eine sol- che antworterforderte. Neben denselben aber sind viel andere liebe leute/ welche nach dem maß der gnaden/ so sie jetzo haben/ nicht nur eine Reformation belieben sondern willig die hand mit anlegen werden/ wo man ihnen nicht vor der zeit scrupu los macht: die aber noch zu schwach sind/ als daß sie tragen koͤnten/ wo es nur den schein einer solchen collusion bekaͤme/ wie ihnen die andere/ wo sie dergleichen anlaß bekaͤmen/ vor die augen zumahlen nicht saͤumig seyn wuͤrden. Weil also daß der anfuͤhrung solcher Autorum / deren nahmen/ dem werck ein weiteren ver- dacht geben moͤchten/ so viel nutzen nicht zu der sach selbs zu hoffen/ als schaden zu besorgen: Warum solte ich mit fleiß um die zeit/ da es heissen mag/ wer nicht wie- der mich ist/ der ist vor mich/ der feinde zahl vermehren/ und denen sonst willigen einige steine des anstosses setzen? So bin ich versichert/ daß liebe leut/ deren inten- tion vor GOttes ehre redlich ist/ wo sie wissen/ daß mit austruckung ihres nah- mens die gute sache (solte es auch nur bey wenigen schwachen geschehen) einige hindernuͤß bekommen/ nicht verlanget wuͤrden/ genennet zu werden/ als daß sie sich dessen/ daß es nicht geschehe/ solten beschwehren. Wie ich hertzlich gern/ wo auch mein armer nahme jemanden verdaͤchtig machen und ihn an etwas gutes hindern moͤchte ARTIC . I. DISTINCT. II. SECTIO XI. moͤchte/ denselben immer verschwiegen gehalten zu werden lieber wuͤnsche/ als da- von hindernuͤß zu entstehen sehen wuͤrde. Und dieses ist die ursache/ warum ich sonderlich Betkii, Hohburgii, Brecklingii, welche ich sonsten hertzlich liebe/ und zwar nicht alles/ aber doch das meiste ihrer Schrifften in werth achte/ nicht habe offentlich gedencken wollen: mich versichrende/ daß dergleichen liebe leuthe in solcher absicht es auch nicht verlangt haben wuͤrden. Von Jacob Boͤhmen kan nicht eben dergleichen sagen; als den ich zwar nicht verwerffe oder verdamme/ aber auch nicht verstehe/ jedoch wegen seiner von der dem heil. Geist in der Schrift gewoͤhnlichen schreib-art abgehender manier zu schreiben nicht ausser verdacht se- tzen kan: Dahero seine verantwartung ihm uͤberlasse/ ohne mich seiner in dem we- nigsten theilhafftig zu machen. Was einige andere anlanget/ so ausser unserer kir- chen geschrieben sind mir etliche wenige auch bekandt/ aber ist gleiche ursach/ wa- rum deroselben nahmen zu allegi ren nicht nuͤtzlich/ noch zu dem zweck diensam erachtet. Lasset also alle unsere nahmen in die vergessenheit kommen/ daß nur der nahme GOTTES endlich verherrlichet werde. Was beyde Theologos, so ich sonderlich gelobet/ betrifft; traue ich gaͤntzlich/ wo der gute freund sie ken- nen solte/ er sie etwa solches oder auch mehreres lobes wuͤrde werth achten. Der letstere ist derjenige/ durch den GOtt die erste igniculos einer hertzlichen gott- seligkeit bey mir hat entzuͤndet werden lassen/ und dem alle/ die ihn familiar ken- nen/ ein auffrichtiges zeugnuͤß eines vortrefflichen eyffers vor goͤttliche ehre geben werden: Der auch mit verachtung ansehnlicher/ reichrer und genuͤglicher function en nun in die 30. jahr an einer kirchen beharret. Wo er in verglei- chung der so grossen arbeit weder an zeitlicher dignitæt, noch einkuͤnfften das jenige hat/ was die suchen/ so nicht ihnen selbs abgestorben sind. So ist der ander auch ein mann/ den unser gute freund selbs zeugnuͤß geben wird/ eines recht inbruͤnsti- gen eyfferers vor die sache GOttes und der wahrheit/ und der andem ist/ daß ihn GOtt bald einer zimlichen verfolgung um seines nahmens willen wuͤrdigen moͤgte. Dieses sind also die jenige dinge/ welche meine person uñ absicht betreffend in freund- lichen vertrauen meinem werthen bruder habe uͤberschreiben und communicir en wollen/ der guten zu versicht/ daß solche liebreiche erklaͤhrung eines gegen dem an- dern eine nuͤtzliche vereinigung der gemuͤther und festeres vertrauen setzen moͤge. Bitte auch nach befinden/ dem guten freund die davon noͤthig achtende apertur zu thun/ so ich von ihm auch in hertzlicher liebe aufgenommen zu werden verhoffe. Von mir kan ich nichts mehr sagen/ als daß der grundguͤtige GOtt mir den hertz- lichen willen gegeben/ das pfuͤndlein/ so er mir anvertrauet/ zu seinen ehren nach vermoͤgen anzuwenden/ kan aber von demselbem wenig versprechen: Und wo der HErr einig wichtiges werck in seiner kirchen vornehmen solte/ weiß ich mich meiner wenigkeit wol zu besinnen/ daß ich unter den geringsten werckzeugen zu bleiben mir genug seyn lassen soll/ aber mich nicht zu entziehen begehre/ was zu thun/ die gnade A a 3 em- Das sechste Capitel. empfangen habe/ und was druͤber zu leiden noͤthig seyn wuͤrde. Den HErren ruffe ich jetzt und taͤglich demuͤthig an: Er lasse die zeit bald da seyn/ daß er auff seye/ weil die armen verstoͤret sind/ und ihr seufftzen zu ihm dringet/ daß er sich mit nachtruck seiner kirchen erbarme: Er zeige uns in allen solchen dingen die seine eh- re und der kirchen bestes betreffen/ was sein heiliger wille seye/ und lasse uns als- dann denselben getrost zu werck richten. Er lasse auch unter uns niemand auf ei- ne thorheit oder gefaͤhrliche Consilia gerathen/ sondern bey der einfaͤltigen wahr- heit der Schrifft in kindlicher einfalt verbleiben/ und in deroselben gehorsam be- staͤndig verharren/ auch nichts/ wie einen vortrefflichen schein und vorwand es haben solte. davon uns abziehen lassen. Damit ja in allem sein nahme geheili- get/ sein reich erweitert/ und sein heiligster wille vollbracht werde. Amen. 1677. m. Decembr. SECTIO XII. U ber Wilh. Christpoh Kriegsmanns symphonesin. J Ch ruffe dabey den heiligen grossen GOtt an/ dessen ehre auch in diesem tractaͤtlein gesuchet worden/ er wolle dasselbe von oben herab mildigst seg- nen/ und ein korn seyn lassen/ welches in vielen hertzen tausend fruͤchte der ewigkeit bringe: Er lasse es ein liecht seyn/ vieler blinden augen zu oͤffnen/ daß sie hin kuͤnfftig selbs das jenige moͤgen befoͤrdern/ was sie vorhin gehindert oder gelaͤ- stert: er lasse es einen kraͤfftigen antrieb seyn/ die noch in dem wercke des HErrn fruchtsam sind/ getroster und freudiger zumachen. Er staͤrcke auch unsern wehr- testen freund und bruder/ welcher mit diesem scripto gezeigt/ daß ihn GOTT kraͤfftig dahin bewegt/ sich vor dem haß der welt und weltgesinnten nicht zufoͤrchten/ sondern seine wahrheit auch mit gefahr zubekennen/ daß er in solcher freundligkeit fortfahre/ die ehre unsers grossen Koͤnigs und seligmachers JEsu in behauptung sei- ner gebote und ordnung zubekennen/ und mache ihn zu einer ehren maur/ an wel- cher die seinige/ so sie bestreiten wollen/ sich selbs verletzen und beschaͤdigen/ und wo er auch nach solchem heiligen rath GOttes darum etwas leiden solle/ so ruhe auch uͤber ihm der Geist/ der ein Geist der herrligkeit uñ Gottes ist kraͤfftiglich/ gebe ihm zuverstehen/ wie ein grosses und welche wuͤrdigkeit es seye/ um des nahmens Christi willen schmach zuleyden/ so dañ zeige er in der that daß endlich der feinde Christi thorheit muß offenbahr werden/ als die es in harre nicht treiben sollen/ hingegen die wahrheit/ so in der welt unden ligen muß/ vor GOTT und in den glaubens augen die obhand behalte. Also lasse GOtt allen den danck/ den gute seelen uͤber diese blaͤttlein zu ihm auffschicken werden vor die gnade welche er dazu ver- ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XIII. verliehen hat/ zu lauter segen werden/ der uͤber seinem haupt/ um dessen willen der nahme GOttes gepriesen worden/ mit allem heyl sich eichlich und mildiglich ergies- sen. Der HErr erfuͤlle es/ wie wir wuͤnschen. Amen/ 18. Dec. 1677. SECTIO XIII. K lag uͤber verlaͤumdungen. Tractat vom B eist- lichen Priesterthum. Angsthaffte fuͤhrung und gefahr des amts. J Ch bin von zimlicher zeit fast gewohnet/ daß allerhand verlaͤumdungen uͤber mich gehen/ und ich nichts thun kan/ daß nicht so bald dergleichen leyden muß. Wie denn/ weil durch GOTTes gnade ein und andere gottselige gemuͤther/ das jenige/ was sie viel jahre von mir und andern haben predigen gehoͤret/ in das werck zu richten/ und ein solch leben/ daß den reglen Christi gemaͤß waͤre/ zufuͤh- ren angefangen haben/ und sich mehr und mehr zuerbauen befliessen/ dergleichen calumnien von neuen quackereyen/ verbotenen conventiculis, maͤgd-predigten und der gleichen in der stadt und anderwertlich erschollen/ daß man sich uͤber des teuffels unverschaͤmte luͤgen/ wie er was gantz wol und Christlich geschiehet/ so schrecklich zu verkehren sich unternim̃t/ billig verwundern muß: Aber gemeinig- lich leute/ so eben der Gottseeligkeit nicht hold/ deren amt sonst waͤre/ die sache ge- dau und vernuͤnfftig nach habender gewalt zu untersuchen/ und zu inquiriren, nergleichen fabeln lieber glauben/ und damit sie bekraͤfftigen/ als der wahrheit zu steuer auf den grund recht zukommen sich befleißigen. Daher ich vor einigen ta- gen ein tractaͤtlein von dem Geistlichen Priesterthum aufgesetzet und cum suf- fragio meiner gesamten Herrn Collegen ediret habe/ welches ich auch mit sen- de/ woraus/ was ich eigentlich vor recht halte/ zu ersehen ist. Jch werde sehen ob GOtt zu solchem wercklein verlangten segen geben werde/ und damit auch die ungleiche urtheil gestillet werde werden lassen. Jch fuͤhre vor GOttes angesicht mein amt gewißlich mit furcht und zittern/ meine und anderer seligkeit nach der em- pfangenen gnade GOttes zuschaffen; und wird/ wer mein thun ansihet/ leicht mer- cken/ daß ich menschen tage nicht suche/ und weder um reichthum/ noch ehre/ noch gunst der menschen/ willen/ oder auß andern fleischlichen absichten/ etwas deßwegen thue/ was andere offt eckelt/ sondern/ daß mich mein gewissen treibet/ nichts zu ver- saͤumen an dem nothwendigen werck des HErrn. Jch weiß nicht/ wie bald mich mein GOTT fuͤr seinen richter-stul fodern und stellen wird/ aber ich dencke daran mit billigem schrecken/ und suche deswegen mein amt recht außzurichten/ daß allein meine seele zur außbeute davon bringe: Denn wir prediger gewißlich in nicht ge- rin- Das sechste Capitel. ringer seelen-gefahr stehen/ als immer ein soldat in leiblicher leibes-gefahr stuͤndlich stehet. Deßwegen wo ich offt sehe/ so viel mir mein GOtt gnade ge- geben hat/ dieses und jenes zu seiner ehr und einiger seelen heyl nuͤtzlich und noͤthig zu seyn/ so greiffe ich das werck im nahmen des HErrn an/ ob ich wol allerley unfall und gefahr/ so auf mich daher stuͤndlich fallen moͤchte/ vor mir sehe/ nur daß einige seelen gelocket werden/ die wir ja/ wo es muͤglich/ auch mit unserem blut zu erkauf- fen schuldig waͤꝛen. Warum denn nicht um derselben willen allerhand ungelegen- heit und uͤbel urtheil zu er tragen? Wie denn alles dem HErrn befehle/ und nur bitte/ er wolle es den jenigen/ welche zum offtern mich beleydigen/ und auch son- sten das best gemeinte boßhafftig verdraͤhen/ solches zu erkennen geben/ und ver- zeihen/ hergegen verleihen/ daß aller orten von allen und bey allen auff alle moͤgliche weise sein nahme verherrliget werde/ daß wir nicht zu schanden sondern bewaͤhrt erfunden werden/ in denen etwa bald außbrechenden goͤttlichen gerichten. Jch weiß daß mein hochgeehrter Herr so vielmehr verstehen werde/ was vor eine angst sich offt bey mir befinde/ und deßwegen so viel liebreicher da von urtheilen koͤnnen/ als der selbs in der gleichen amt und wichtigster stelle stehet/ wo er nicht weniger last auff sich fuͤhlen muß: Ohne daß den jenigen/ welche mit mehr weißheit von Gott begabet sind/ auch durch taͤgliche erfahrung geuͤbte sinne haben/ etliches anfangt leichter zu werden/ als anderen/ die wir kaum bey einigen jahren/ an die sache recht angefangen hinein zu sehen/ und wol erkennen/ daß es mit dem gemeinen trab nicht genug/ noch schwehrlich aber uns helffen koͤnnen/ wie die sache zu verbessern. Der HErr aber wird endlich alles zu seinen heiligen ehren/ auf uns unbekante weise/ außzuschlagen richten. 1677. m. Apr. SECTIO XIV. M eine C atechismus erklaͤrung. Weit ausgebro- chene calumnien und dero vieler schaden. Frucht-bringende JEsus gesellschafft. Allgemeine bewegung der gemuͤ- ther. Hoffnung daraus. Daruͤber willig zu leiden. M Jch hat so vielmehr erfreuet/ das mein hochgeehrter Herr so eine gute mey- nung uͤber meine neulich uͤbersandte Catechismus erklaͤhrung bezeu- gen/ und zu dero verlangten frucht und erbauung goͤttlichen segen wuͤn- schen wollen. Da hingegen biß auf diese stunde von denen man es eher zu vermu- then gehabt/ nicht mit einer zeile zur antwort gewuͤrdiget bin. So mich sehr schmertzen wuͤrde/ wo mir GOTT nicht allgemach mehr gnade gaͤbe/ mein hertz ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XIV. hertz von aller menschlichen autori taͤt und vertrauen abzu ziehen. Jch muß fast gedencken/ daß der ungegruͤndete verdacht und ungleiche zu gekommene bericht die alte affection vermindert/ und mehr gelten wollen/ als worinnen sie sich mei- ner lehre und auffrichtigkeit aus gewissen grunde versichern koͤnten. Jedoch will ich erwarten/ was endlich vor eine antwort folgen wird; ich befehle es GOtt in al- lem/ und wil mir dessen willen lassen gefaͤllig seyn/ solten auch die jenige aus seiner verhaͤngnuͤß sich von mir abwenden/ welche als bruͤder und vaͤter geehret und gelie- bet hatte/ auch nicht aufhoͤren werde/ also gegen sie gesinnet zu seyn/ wie vorige empfangene wohlthaten und ihr amt es erfodern. Die hiesige calumnien / ob sie wol so weit erschollen/ daß sie ein grosses stuͤck von Teutschland erfuͤllet/ fechten mich nicht so wol uͤm meinent willen an/ der ich miꝛ laͤngst das prognosticon machen koͤn- nen/ διὰ δυσ ημίας καὶ ἐυ φημίας, als wegen anderer schwachen/ so da von aͤrgernuͤß nehmen/ und weilen anderer gotseliger leuthe gutes vorhaben dadurch geschlagen wird. Denn weil das falsche gemuͤthe von einer solchen unordnung/ welche hier eingerissen seye/ sich so weit außgebreitet/ daß man anderer orten nicht wol anders glauben kan/ als es seye wahr/ was man von hier aus gehoͤret habe/ solches aber alles mir/ und meinen neuerungen/ wie ich beschuldiget werde/ beyge- messen wird/ so muͤssen nicht nur christliche lehrer/ allein daß sie meine freunde seyen/ deßwegen leyden (wie der from̃e Herr Spizelius in Augspurg schon deßwegen ein pasquill leyden muͤssen/ daß er mit mir in genauer freundschafft stehet/ und mich neulich besuchet hat/) sondern wo ein prediger etwas zur ehre GOTTes auszurichten gedencket/ wird ihme das hiesige exempel entgegen gehalten/ wie aus dergleichen so boͤses allhier entstanden seye/ und widersetzet sich daher alles solchen leuten so viel muthiger/ als da sie meinen/ dessen gute fug zu haben. Und solches ist die ursach/ warum ich verlanget/ daß autoritate superiorum die gantze sache untersuchet/ und der grund der verlaͤumdung entdecket/ so denn oͤffentlich gemacht worden waͤre: als ohne welches mir kein ander mittel bekant/ wie die unschuld ge- schuͤtzet werden moͤchte. Denn wo die calumnien allein etwa von einigen we- nigen kaͤmen/ oder eine anklage gegen mich oder andere geschehen waͤre/ so fiele die beschuldigung vor sich selbst/ da der andere theil nicht wahr machen kan/ was er ausgegeben. Numehr aber bestehet es in einem geruͤchte/ so keinen gewissen au- torem hat/ aber das groͤsseste theil der stadt eingenommen/ daß viele es warhaff- tig glauben/ andere sich dessen freuen/ daß ob sie wol eines andern in der seelen ver- sichert seyn/ sie gleichwol etwas haben moͤgen/ wor mit sie in ferner sortpflantzung solcher reden mir und andern wehe zu thun vermoͤchten. Jedoch uͤberlasse ich auch dieses dem heiligen willen GOttes/ und mag auch gar wol leyden/ wo ers verhen gen will; Daß unter andern auch mein nahme als eines lasterhafftigen verworf- fen werde/ vermittels fortsetzung solcher calumnien. Also daß ich versichert bin/ der HErr habe dessen heilige/ ob wol etwa mir nicht zuerforschen muͤgliche/ ursa- B b chen: Das sechste Capitel. chen: Es wird doch ein tag kommen/ welcher alles verborgene/ und der hertzen rath offenbahren/ und an das liecht bringen wird. Dahin will ich mit getrosten gemuͤth vieles versparet seyn lassen. Gleich wie hievon gegen demselben mich offent- lich heraus lasse/ aus dem grossen vertrauen/ so zu desselben hoher gunst billig tra- ge/ also bedancke ich mich dienstlich/ das von demselben mir vertrauliche commu- nication geschehen/ wegen der neuen aufflage/ aus dero grund etwa auch der uͤ- brigen nichtigkeit so viel eher zu erkennen ist. Es hat der ehrliche und wie uͤm die stud i a wol verdiente also auch die ehre GOttes hertzlich meinende und suchende Jurist Herr D. A.F. ohngefehr zu ende des vergangenen jahres mit etlichen guten freunden/ eine solche societatem unter dem nahmen der fruchtbringenden Je- sus gesellschafft angefangen unter gewissen legibus, dero absicht auf nichts an- ders gehet/ als was ohne das unser aller algemeine pflicht ist/ sich sonderlich neben sich seinen neben-Christen zu erbauen zu befleißigen/ und darzu allerhand gute ge- legenheit zu suchen/ deßwegen sich einander mehrmahl/ wo einige an einen ort bey sammen/ mit gottseligen gespraͤch aufzumuntern/ einander in acht zu nehmen/ wo einer an dem anderen etwas besserungs-bedoͤrfftig sehen wuͤrde; sich der verlasse- nen armen kindern nach vermoͤgen anzunehmen/ und sie zur schul und GOttes- furcht aufzuziehen/ selbs sich eines unstraͤfflichen wandels zu befleißigen/ und was dergleichen leges mehr sind/ die ich mich nicht erinnere/ daß einige singularitet darinnen/ ohne das jeglicher/ (weil leicht nach art der Teutsch-frucht bringen- den gesellschafft ) weñ er in die societet sich begebe/ einen nahmen und symbo- lum mit einem hieroglyphico einer blum/ gewaͤchs/ ꝛc. nimmet/ und damit in ein buch sich einschreiben lasset. Daß aber mir solche sache imputiret wird/ ist die einige ursache/ daß mit dem christlichen autore in correspondenz stehe: da doch von dieser sache der liebe mann mit mir nichts vorher communiciret, als der ich ihm solches wuͤrde mißrathen haben. Wie dann nach dem er mir/ als es schon ge- schehen/ die leges communiciret, im schreiben contestiret habe/ daß ich lieber gewuͤnscht/ daß es nicht geschehen waͤre/ und ob mir wol seine redliche intention wol bekant/ ich doch sorgte/ daß so wol allerhand difficulteten denen nicht allemahl so leicht begegnet werden kan/ in den weg kommen; alß starcke oppositiones sich angeben wuͤrden/ daß etwa der schade daraus als der nutze groͤsser seyn moͤchte/ wie ihm nachmahl auch einiger guter redlicher freunden bedencken/ so fast auf glei- chen schlage lauteten/ zugeschickt habe/ er auch alle solche erinnerungen gantz freund- lich aufgenommen; hingegen bezeuget mit communication anderer schreiben/ daß auch von christlichen und rechtschaffenen Theologis das institutum gebil- liget worden: aber noch naͤchst contestiret, er moͤchte wol leyden/ daß auch die societet gar unterginge/ wo nur der habende zweck an vielen orten und bey vielen versonen erhalten wuͤrde/ als der hierinne nicht das seinige suche. Wo ich in der sache ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XIV. sache/ ehe es geschehen/ zu rahten gehabt haͤtte/ so wuͤrde es auff solche art nicht/ wol aber also/ gerathen haben/ daß ohne einen invidiosen nahmen eine solche genaue freundschafft/ wie sonsten in societeten zu seyn pfleget/ und also alles angeordnet worden waͤre/ daß es nur keinen grossen éclat von sich gegeben haͤtte. Nicht daß ich davor hielte daß unter einem solchen nahmen eine fraternitet anzustellen bloß unrecht (denn hat das Collegium curiosorum in Teutschland/ anders wo ande- re academien und congregationes Doctorum dergleichen recht/ waruͤm solten die officia des Christenthums allein so verdaͤchtig seyn/ daß zu denselben sich niemand uͤber die allgemeine obligation mit neuem band verbinden doͤrffte?) sondern daß ich/ wo eine sache sine majori motu \& quasi aliud agendo kan wol so kraͤfftig gefuͤhret werden/ solches lieber rathe/ als auf die art/ wo man so bald aller augen auff sich ziehet/ welches gleich geschihet/ bey einer so gestalten societet. Jch bin auch selbst nicht darinnen/ vornehmlich damit nicht auch mein armer nah- me ihnen/ noch mehr invidiam zu zihe; weiß auch nicht eine einige person gewiß/ die nechst dem Herrn autore darinnen ist/ ohne daß ein oder mehr professores zu N. moͤgen sich darzu profitiret haben/ und der Herr H. A. darinnen recipi- ret worden/ welches zwar die societet sehr gravir en mag/ alldieweil denen meisten Doctoribus Academicis schwehrlich einer verhaßter ist/ als solcher mann: Also daß auch deßwegen ich keine kundschafft bißherzu ihm/ wie ich gekont/ gesucht ha- be. Aus solchen sihet mein großguͤnstiger Herr/ wie unguͤtlich mir auch darinnen geschehe/ daß ich pro autore gehalten werde einer sache/ darzu ich nicht gerathen/ wo ich waͤre gefraget worden/ sie wider rathen haͤtte mich derselben nicht theilhaf- tig mache (ob ich wol gerne bekenne/ daß ich nichts da wider reden oder thun wer- de/ sondern wie Autoris christliche intention lobe/ also die anstalt selbst ihm uͤber- lasse/ welcher seine ursachen werde/ wo es noth seye/ zu geben wissen) und also nichts damit zuschaffen habe/ als daß ich den autorem als einen treuen liebhaber der ehren GOttes lobe und ehre? jedoch will aus liebe zu dem christlichen mann auch mit ihme die schuld gerne tragen/ bey denen jenigen/ die sich keines andern be- richten lassen wollen. Jch sahe mit freuden (und ist fast das einige so ich unter so vielen betruͤblichen dingen erfreulich wahrnehme) daß GOtt hin und wieder (und wer weiß/ wie viel noch folgen werden?) anfaͤngt zimlich die gemuͤther rege zu ma- chen/ daß sie einen eyffer vor die wahre gottseligkeit fassen und zeigen/ und zwar fast mehr unter weltlichen standes personen/ als unter geistlichen. Ob wolte uns GOtt zum eyffer hinwiederum durch dieselbige reitzen. Ja es fangen an nicht nuꝛ alleine unter uns/ sondern auch unter den Reformirten/ ja so gar unter den Papi- sten/ sich algemach leute hervor zu thun/ welche sehen/ daß die jenige art/ wie sich fast jeder einbildet/ durch die blosse bekaͤntnuͤß zu der wahr erkanten religion und durch aͤusserlich ex opere operato leistenden GOttes dienst selig zu werden/ gantz falsch B b 2 seye/ Das sechste Capitel. seye/ und warhafftig ein lebendiger/ durch die liebe im gehorsam gegen GOTTes gebothen thaͤtiger glaube nothwendig/ daher der weg zu dem leben viel schmaͤler und die pforte enger seye/ als daß man mit aller gemaͤchligkeit des alten Adams da- hin durch tringen solte koͤnnen/ wie der grosse hauffe sich einbildet/ und daher sehn- lich verlangen/ daß die leute von der gefaͤhrlichen schlaff-sucht aufgewecket/ und an stat der so vielen unnuͤtzen streit fragen/ aller seits das einige nothwendige ge- trieben/ damit aber die gemuͤther die wahrheit GOttes auch in hoͤhern sachen zuer- kennen faͤhig gemacht/ und also etwa zu einer einigkeit vorbereitet wuͤrden. Man suchet an vielen orten diese motus cordium zu untertrucken/ aber es wird nicht muͤglich seyn/ sondern wie die consensio der unterschiedlichen gemuͤther in eun- dem scopum, ob sie wol sonsten nicht einen weg gehen/ von einen hoͤhern princi- pio, GOtt dem HErrn/ muß gewircket seyn worden/ dessen man auch noch viele proben haben kan/ wo die sache in der furcht des HErrn mit erleuchteten augen an- gesehen wird/ also wird der HErr sein werck nicht stecken lassen/ sondern endlich da- mit herdurch brechen. Wenn aber? ist uns nicht bekant. Jndessen werden wir/ so viel unser eines und andern ortes unter den ersten seyn/ die sich offenbahrer heraus lassen/ und sagen was andere eine zeitlang gedacht/ vor der welt unterligen und fallen/ aber durch unser leyden/ wie weit auch GOtt dasselbe uns mag bestim- met haben/ werden andere nur angefrischet werden/ und wenn wir werden dahin seyn/ durch goͤttliche gnade diese den zweck erreichen/ daß das werck des HErrn durch sie seinen fortgang habe. Jndessen wird alles/ was uns betrifft auch wol angewandt seyn/ in dem andere der fruͤchte nach uns geniessen werden. Wie ich denn nicht zweiffele; Der HErr hat noch schwehre gerichte vor/ die aber zum preiß seines heiligen nahmens und letzten außbreitung seines reichs einen herrlichen aus- gang haben werden. So werden endlich zu schanden werden/ die sich dem guten nicht nur widersetzet/ sondern eine lange zeit in solchem das ansehen behalten ha- ben/ ob waͤren sie die jenige/ welche vor den HERRN eyfferten. Der HErr gebe uns nur verstandt seinen willen allezeit zuerkennen und muth denselben ge- trost auszurichten/ welches mein angelegentlichstes gebet ist. Aber wo komme ich hin? mein hochgeehrter Herr wird mir dieses nicht uͤbel nehmen/ daß fast meiner vergessen/ und vielleicht mehr zu schreiben mich erkuͤhnet habe/ als sich geziemet: Wie woll das sonderbahre vertrauen mich so kuͤhn gemacht hat. Intelli- genti loquor, \& ob hoc confidentius. 1677. SECT. ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XV . SECTIO XV. A ls ein anverwandter Theologus seine scrupel/ die ihm meinetwegen bey gebracht/ an mich geschrie- ben. Verantwortung und klage. J Ch sage freundlichen danck meinem großguͤnstigen hochgeehrten Herrn Vet- tern vor die meinethalben tragende und bezeugte liebreiche sorgfalt/ so auß den gantzen schreiben erhellet/ und mich in meiner allezeit gehabten confi- denz mehr bekraͤfftiget. Wie ich aber hoffe/ daß seiter deme mein zugesandtes gedrucktes send-schreiben gleich wie anderen vornehmen patro nen und freun- den/ also auch meinem großg. Herrn Vettern/ werde in dem meisten allen satisfa- ction gegeben haben/ so bedarff es nicht/ daß ich mit weitlaͤufftigen schreiben dieß- mahl verdrießlich falle. Es wird sich in solchem send-schreiben gezeuget haben/ daß die so weit außgesprengte/ und erstlich hie von feindseligen gemuͤthern erdich- tete (welches gedicht von leichtglaͤubigen angenommen und denn weiter sort gesetzt worden) collegia privata sich hie nicht finden. Sondern ohne meine hauß-zusammenkunfft/ dero niemahlen von dem Magistratu widersprochen/ von allen welche mit mir davon geredet/ gelobet/ und da sie die ihrige selbs dazu schicken ihre billichung bekraͤfftiget wird/ ich auch einer-hochwuͤrdigen Academi- schen Theolog. Facul taͤt voͤllige approbation daruͤber bereits vor etlichen jah- ren habe/ sind nie einige privata collegia oder conventicula gehalten worden. Man wolle dann alles collegia und conventicula nennen/ wo einige gute freun- de einander besuchen/ und es seye/ wovon es wolle/ und wie es die gelegenheit gi- bet/ sich mit einander besprechen. Welche verlaubnuß jeden Christen/ als Christen so wenig mag versagt werden/ als in dem buͤrgerlichen stande ehrliche leu- the ihrer an gelegenheit/ nutzes oder freude willen/ zusammen kommen moͤgen. Was zwar meine hauß-uͤbung anlanget/ sehe ich selbs lieber/ daß ich solche in der kirche und also an oͤffentlichen ort halten duͤrffte/ dazu ich viele ursachen haͤtte: Aber es stehet solches nicht in meiner macht/ und moͤgen die obere selbs dabey auch einig bedencken haben. Wie aufrichtig hierinnen meine intention seye/ mag ich mich vor GOtt in meinen gewissen beruffen/ daß ich nemlich nichts des meinigen dar- innen suche/ also weder ehr noch reichtum oder etwas dergleichen davon hoffe/ son- dern vielmehr ungunst/ vielerley leuthe haß/ verachtung/ schande vnd dergleichen vor augen sehe: welche tentation zu uͤberwinden gewißlich schwer wuͤrde seyn/ ei- nem gemuͤthe das nicht versichert waͤre/ vor was und wen es so vieles aussetze. Es B b 3 wer- Das sechste Capitel. werden auch verhoffentlich die jenige alle/ so um mich sind/ in ihrem gewissen beken- nen muͤssen/ daß ich mich selbs in allem deme/ so von andern ungleich auffgenom- men wird/ nicht suche. Daß das Evangelische wesen auff das eusserste verderbt seye/ weiß ich nicht ob wir zweiffeln koͤnnen. Daher bedarffs einmahl/ daß zu ra- the und zu greiffe/ wer nur ein pfuͤndlein empfangen hat/ will er nicht andeꝛs schweh- re rechnung auff sich laden. Jn dem vertrauen und redlichen absicht habe meine pia desideria in GOttes nahmen auff das tapet gebracht/ andere zu ermuntern/ die mehr als ich empfangen haben sich des gemeinen wercks mit treuen eiffer an- zunehmen. Jch bin allezeit bereit gewesen/ und noch bereit/ meine eigene vor- schlaͤge selbs zu quittiren/ im fall nehmlich bessere moͤgen und werden vorgebracht werden. So ich aber noch nicht geschehen zu seyn sehe. Hingegen alles in den jenigen trab zu lassen/ darauff wir immerfort gegangen seyn/ und endlich in sol- ches elend verfallen zu seyn selbsten sehen/ sehe ich wiederum nicht in meiner seelen verantwortlich. Und ach wie viel fromme hertzen von predigern und andre fan- gen an allen orten alle tag an/ tieffer die sache ein zu sehen; es wissen viel prediger nicht mehr/ wie sie ihre seelen in gegenwaͤrtigen stande recht retten moͤgen. Da ich aber versichert bin/ solches aͤngstliche seufftzen und flehen der armen und ge- aͤngsteten seelen wird in den himmel tringen und der kirche hilffe verschaffen/ daß sich der HERR seiner trostlosen erbarme/ und zeige/ daß seines wortes krafft/ wo es mit gebuͤhrenden eiffer/ treu/ und unablaͤßiger emsigkeit getrieben/ und die be- gierde sich in seinem Christenthum zu erbauen (darinnen die wissenschafft das we- nigste/ die wuͤrckliche ausuͤbung aber und aͤnderung des hertzens das allermeiste ist) unter die gemeinde gebracht wird/ noch nicht verloschen seye/ sondern sich immer hertzlicher hervorthun werde. Die predigten/ catechetica examina und kran- cken besuchungen sind herrliche fruchtbahre mittel/ und muß freylich mit ernst fort- gefahren werden: aber es lehret uns der ausgang und augenschein selbs/ ob wir alles damit also heben koͤnnen/ daß wir versichert waͤren/ wo wir in denselben das unsrige gethan/ daß GOTT mit uns zu frieden seye/ ob wir etwas damit ausrich- ten oder nicht. Hingegen zeigt GOTT bald/ wie es nicht ungesegnet bleibe/ wo man anfaͤngt das jenige in den schwang zu bringen/ was die erste CHristen so weit gebracht hat mit auffmuntern ihrer selbs untereinander mit reitzen zur liebe uñ gu- ten wercken. Jch zweiffle zwar freylich nicht/ sondern weiß es woh!/ daß der sa- tan nicht feyren werde/ nicht allein mit allerhand calumni en/ so er bißher/ seinem handwerck nach/ meisterlich gethan/ alles gute hie und anderswo zuhindern/ son- dern auch gelegenheit zu suchen/ wie er die sache in mißbrauch bringe. Gleich- wie aber hergegen nach der gnade so GOtt geben wird/ billich zu wachen ist/ also mag ein besorglicher mißbrauch den noͤthigen gebrauch heilsamer und noͤthiger din- ge nicht auffheben. Waͤre ich einen tag bey meinen Hochgeehrten Herrn Vettern/ versichere ich mich/ daß alle scrupuli vielleicht moͤgten entnommen werden/ welche aus ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECT IO XVI. aus anderer relation gemacht/ und ich bedencken habe/ davon zuschreiben. Wie denn nicht wenige prediger und andre personen von einiger zeit hiehergekommen/ die sache selbsten zusehen/ und zu untersuchen/ von denen ich niemanden weiß/ welcher nicht/ nach dem er alles genau examini ret und gepruͤffet/ sein vergnuͤgen bezeuget haͤtte. Jedoch hoffe ich erstmahls erwehnter massen/ meinen Hochgeehrten Herrn Vettern werde bereits mit dem sendschreiben seine sorge meistens entnommen worden seyn. SECTIO XVI. A ntwort auff freundliche erinnerung. W ohl- gemeintes kan uͤbel ausschlagen. Ob uns alle religionen gleich. Daß nicht alle ausser der Lutherischen kirche ver- dammet werden. Lesung der Offenbahrung Johannis. Nicht jegliches ungleiches wort uͤbel zu nehmen. J Ch bedancke mich hertzlich der bruͤderlichen congratulation und vertrauli- chen erinnerung/ die mir von allen orten/ wo mir dergleichen herkommen moͤchte eine sonderbahre wohlthat ist. Plus vident oculi quam oculus. So hat GOTT die glieder eines leibes also mit einander vereiniget/ daß je ein glied auch an dem andern mit erinnern/ auffmuntern und andern dergleichen Chꝛist- lichen pflichten/ billig arbeiten und an sich arbeiten solle lassen. Daher ich mit der- gleichen noch ferner fort zufahren bruͤderlich und hertzlich bitte. Jn ein er heiligen und GOttes ehre angehenden sache ist freylich an dem/ daß wir so viel zu conde- scendir en haben/ als das gewissen zu laͤsset. Daher ich auch in dem gantzen werck GOTT um nichts eiffriger anruffe/ und treue freunde bitte/ dergleichen vor mich zu thun/ als daß ich in allen dingen moͤge den willen des himmlischen Vaters ohne fehl erkennen/ um als dann denselben getrost in das werck zu setzen/ daß ich verstehe/ was seine ehre erfordere/ bald nach zugeben/ bald nicht zu weichen/ und wie etwa in jeglichem sein rath uns in die zeit zu schicken/ und dieselbe zu unterscheiden/ von uns erfordern moͤchte. Ob allemahl das gut gemeinte den jenigen succeß haben wer- de/ welchen wir in einfalt des hertzens vorgesetzet und verlangen/ davon haben wir keine gewißheit vorher/ sondern habens der weisesten und offt unerforschlichen re- gierung GOTTes zu uͤberlassen. Der liebe Paulus/ so gleich wohl von dem hei- ligen Geist regieret wurde/ liesse sich von denen bruͤdern zu Jerusalem guter mey- nung bereden/ daß er eine geluͤbd auff sich nahm/ und sich in dem tempel reinigen liesse; Hiedurch gedachten die liebe leut einige gefahr abzuwenden/ aber GOTT fuͤge- Das sechste Capitel. fuͤgete es also/ daß es erst die anlaß seyn muste/ daß der liebe Apostel in die bande und todesgefahr kam/ da man auff menschen allein sehende haͤtte dencken sollen/ daß sich der Apostel solches gethan zu haben/ reuen zu lassen ursach gehabt haͤtte/ in dem son- sten/ da er dasselbe nicht gethan/ keine solche gefahr ihn betroffen haben moͤchte. A- ber weil er in solcher sache in der furcht des HERRN und einfalt seines hertzens/ gethan/ was geschehen/ so war er mit goͤttlicher schickung hertzlich wohl zu frieden. Es mag zuweilen geschehen/ daß aus einem Christlichen und gantz guten vorhaben und anstalt ein widriges folge/ wo weder jenes gute/ davon zu diesem anlaß genom- men worden/ deswegen zu beschuldigen ist/ noch auch deswegen zu unterlassen ge- wesen waͤre. Also ob nicht der teuffel anlaß nehmen werde/ der guten sachen einen boͤsen nahmen zu machen/ zweiffele ich nicht/ ja wir sehens alle tag/ daß solches zu- geschehen angefangen hat/ und sind freylich unterschiedliche gute gemuͤther durch unter chiedliche calumni en mehrmahl stutzend gemacht worden. Stehet also in keines menschen hand/ das gute mit solcher vorsichtigkeit zufuͤhren/ daß der teuffel seine boßheit nicht uͤben und boͤsen verdacht hin und wieder ausstreuen moͤchte/ dazu ihm jegliche gelegenheit schon genug ist. Aber da vor haben wir uns wohl zu huͤ- ten/ und werde ich mich nach aller moͤglichkeit/ nach dem maß der gnade/ so mir der himmlische Vater ertheilet hat/ und noch ertheilen wird/ vorsehen/ daß mit einigen bestaͤndigen grund der sache nicht ein boͤser nahmen gemacht werden koͤnte: als ge- wiß versichert/ daß die uͤbrige allerhand suspiciones und laͤsterungen allgemach und mit der zeit von selbsten fallen/ und zu schanden werden muͤssen: Wie wir so viel liebe exempel schon in dieser eigenen sache erfahren haben. So kan sich also mein wehrtester bruder gewiß dessen versehen/ daß ich vor solchem allem/ wo man mir einiges mit bestand entgegen halten moͤchte/ mich sorgfaͤltig huͤten werde. Hie- mit will allein in einem und andern mein hertz vertraulich ausschuͤtten. Es geden- cket derselbe/ daß einige sich in ihren discoursen so heraus lassen/ als achten sie nicht groß auff den unterscheid der religionen/ ruͤhmen/ wo sie nur einigen guten eiffer zu Christlichem leben finden/ und halten gnatte correspondenz mit deꝛoselben anhaͤn- gern u. vorstehern/ da doch ohne den wahren glauben auch kein wahrhafftige Gott- seligkeit seyn koͤnne/ als dero grund jener seyn muß. Nun kan ich von solchen dis- coursen nicht præcise reden/ als die ich nicht selbs gehoͤret/ da doch gleichwohl an einem und andern wort manchmahl gar ein grosses gelegen ist/ so dieselbe recht oder unrecht machen kan. Wo man den unterscheid der religionen dermassen nicht achtet/ daß man die gnade GOttes/ welche er unserer kirchen erwiesen/ nicht ehret/ sondern sich gleich seyn laͤsset/ ob man bey unserer kirchen/ in dero GOTT noch die reinigkeit der lehr an sich selbst erhalten/ liebe/ oder ob man bey irrglaubenden ge- meinden waͤre/ wuͤrde kein bedencken tragen/ zu anderer religion sich zu verfuͤgen/ oder an denjenigen/ die es thun/ solches billichen; wuͤrde enigen deren irrthum bil- lichen/ welche jene haben/ und also etwas dessen thun/ was wider den vorzug un- serer ARTIC . I. DISTINCTIO II . SECTIO XVI. serer kirchen/ und der gnade/ so der himmlische Vater uns gethan/ streiten moͤch- te: so wuͤrde ich nimmermehr darein willigen/ noch mit meinem willen von je- mand solches behaupten lassen. Wo es aber auff die frage komt/ ob wir unsere religion dermassen vor die allein seligmachende religion halten/ daß deswegen ausser der eusserlichen gemeinschafft mit unserer Lutherischen kirchen niemand selig werden koͤnne/ und daher alle diejenige/ so bey andern kirchen und religionen leben/ vor verdam̃te leut zu achten/ und sich ihrer zu entschlagen seye/ so gestehe ich gern/ daß ich weder also reden/ noch der gleichen von andern fordern kan. Jch halte die gros- se wohlthat/ die GOTT unserer kirchen erzeigt/ in hohen werth/ und dancke ihm demuͤthiglich/ daß er mich und andere bey derselben geboren lassen werden/ da wir die lehre ohne vermischung irriger articul rein und so bewandt haben/ daß wir vor GOTT freudig damit bestehen moͤgen/ konte also ohne verdamliche undanckbar- keit von solcher erkanten wahrheit nicht abtretten/ oder jemand der dieselbe wahr- hafftig erkant/ freyheit geben/ von derselben ab zu weichen/ und sich doch der selig- keit zu troͤsten. Hingegen betaure ich das elend anderer kirchen hertzlich/ bey wel- chen solche lehren in schwang gehen/ die den grund des glaubens umzustossen tuͤch- tig sind/ und wohl bey ihrer vielen/ ja etwa meisten/ denselben wuͤrcklich umstossen/ daß ich deswegen vor solche arme leut hertzlich bitte/ daß ihnen GOTT liecht und gnade verleyhen wolle/ solche ihre gefahr recht ein zusehen/ und deroselben zu entge- hen. Wo ich auch solches zu thun vermoͤchte/ daß einige daheraus gezogen wuͤr- den/ so erkenne meine schuldigkeit/ dahin willig zu arbeiten. Wie ich aber nicht die reinigkeit unserer lehr an und vor sich selbs vor das jenige eigendlich halte/ da- von im mediate unser heyl herkommt/ noch auch den irrthum in der lehre dasjenige erkenne/ welches an sich selbs den menschen verdammt/ sondern jenes ist der glau- be/ dieses der unglaube: also sehe ich auff diesen am meisten. Zwar ists freylich so/ daß der glaube nicht seyn koͤnne/ ohne einige reinigkeit der lehr/ auffs wenigste in denjenigen puncten/ die selbst in das werck der seligmachung einlauffen/ und auff welchen der glaube schlechterdings beruhen muß/ (dann wie kann bey denjenigen der seligmachende glaube stehen/ der sein sunden elend/ goͤttliche gnade/ CHRJ- STJ verdienst und erworbene wohlthaten nicht weiß/ oder die goͤttliche wahrheit von allem solchen erkant hat?) und hingegen daß die irrthuͤme/ da sie solche haupt- gruͤnde umstossen/ den glauben auffheben/ ja offt geringscheinende irrthuͤme ursach seyn koͤnnen/ daß der seligmachende glaube umgestossen werde. Also daß viele ge- fahr bey den irrthumen seyn kan und ist. Aber damit koͤnte ich nicht einstimmen/ wo man keinen seligmachenden glauben gestehen wolte/ als bey welchen eine voͤllige erkaͤntnuͤß aller reinen lehr in allen articuln sich findẽ solte/ oder wo man meinte/ daß bey allen iꝛꝛenden kein seligmachender glaube seyn moͤchte. Es hat der glaube ein an- deres ansehen in seiner gantzen latitudine / da wirs mit aller goͤttlichen offenbah- rung in der Schrifft zu thun haben/ und solches zu seinem objecto gehoͤret/ eine an- C c dere Das sechste Capitel. dere bewandnuͤß aber auch in negotio justificationis, und wie er das heyl in CHRJSTO ergreifft/ wo zu nicht so viel articul gehoͤren/ daß die gantze kette der lehr muͤste mit eingeschlossen werden: Daher wo bey einem menschen der wahre glaube/ das ist/ die goͤttliche wuͤrckung des hertzlichen vertrauens auff GOTTes gnade in CHRJSTJ verdienst/ damit der seiner suͤnde wegen betruͤbte suͤnder sich lauterlich und allein GOttes barmhertzigkeit uͤberlaͤsset/ und die gnaden verheis- sung in unserm Heyland annimt/ sich findet/ da ist die seligkeit/ ob wohl in andern articulen irrthuͤme seyn moͤgen/ entweder die an sich gering sind/ und das werck der seligkeit nichts beruͤhren/ oder ob sie per consequentiam den glauben umstossen moͤchten/ das hertz gleichwohl durch goͤttliche gnade verwahret wird/ daß bey ihnen durch solches der glaube nicht wuͤrcklich umgestossen wird: Wie die pest an sich selbst ein toͤdlich gifft ist/ aber bey einigen/ durch die gute natur oder gebrauchte artzney oder sonsten/ das hertz so verwahret wird/ daß ihnen solches gifft nicht toͤdt- lich seyn muß. Damit mache ich die irrthuͤme und dero gefahr nicht gering/ ich preise aber die goͤttliche gnade welche ihrer viele in solcher gefahr noch erhaͤlt. Wor aber auff solches sich verlassende muthwillig irren/ oder doch sich vor den irrthuͤmen/ bey besser habender gelegenheit die wahrheit zu eꝛkeñen/ nicht mit fleiß vorsehen wol- te/ ein solcher wuͤrde die straff seiner suͤnde tragen/ und zeigte eben damit/ daß auch sein glaube nicht rechtschaffen gewesen/ der die goͤttliche guͤter so gering schaͤtzet/ daß er sie sorgfaͤltiger untersuchung der wahrheit nicht wuͤrdig achtet. Wie dann nun bey unserer Lutherischen kirchen/ und dero reiner lehr/ auch derjenigen viele wahr- hafftig verdamt werden/ die alle solche articul ohne untermischten irrthum gehalten und behauptet haben/ weil es ihnen an dem glauben gemangelt hat/ als zu dem sol- che lehr nicht genug ist/ also kan es seyn und geschiehet bey irrglaubigen (wie wir sie von der lehr nennen) offters/ daß einfaͤltige hertzen/ die die wahrheit der schlechter dings zur seligkeit noͤthigsten articul/ mit dem der seligmachende glaube unmittel- bahr zuthun hat/ und dieselbe ergreiffet/ in goͤttlicher gnade erkennen/ und von der gnade ihres GOttes ihr anerbottenes heil annehmen in einem heiligen und goͤttli- chen vertrauen/ wahrhafftig gerecht und selig sind: und ihnen GOTT die gnade thut/ daß sie entweder vor den haupt irrthumen ihrer religion (wie absonderlich bey den Reformirten mit dem absoluto decreto geschehen kan) gar verwahret wer- den/ und davon weder wissen noch glauben. Daher ob ich schon mit solchen men- schen keine kir ch liche gemeinschafft/ in communion, oͤffentlichem GOttes dienst und dergleichen halte (dann wie ich in diesem und jenem subjecto mich des glau- bens versehen/ bey einigen gar versichern kan/ so kan ich doch ihre gemeinde durch aus nicht billichen/ oder in voͤlliger gemeinschafft deroselben stehen) ob ich auch wohl einem solchen menschen eine weitere und reinere erkaͤntnuͤß wuͤnsche/ und wo ich ihn dazu bringen kan/ mich dahin bemuͤhe/ so kan ich doch sein gutes an ihm ruͤhmen/ lieben und in eine genauere freundschafft mit ihm tretten/ als ich ins gemein mit jeg- ARTIC. I. DISTINCTIO II . SECT. XVI . jeglichem sonst zuthun pflege. Wo nun die angezogene dißmahl solche meinung gehabt haͤtten/ so finde nichts darin zu straffen/ auch will ich hoffen/ daß dieses der sinn derselbigen seye/ ob sich wohl nicht jeglicher so eigentlich erklaͤhren kan Al- so bleibet dieses himmel-fest/ wo keine wahre erkaͤntnuͤß GOttes ist/ da ist kein wahrer glaube/ und also auch kein wahre Gottseligkeit/ und doch wo wir solche pro- position mißbrauchen wolten/ wuͤrde sie falsch werden/ nehmlich wo wir die wahre erkaͤntnuͤß GOttes verstehen wolten/ die in allen articuln/ welche unserem glauben vorgetragen werden moͤchte/ ohne irrthum seyn muͤste. Jn dem eine rechte/ wahre erkaͤntnuͤß auch in goͤttlichem liecht gefasst werden kan/ daß der glaube darinnen be- stehet/ und doch mag viel unwissenheit und irrthum noch in andern stuͤcken uͤbrig seyn: Also laͤßt sich der glaube freylich nicht von der erkaͤntnuͤß trennen/ ja so wenig als das leben von dem glauben/ und ists blosser dings unmoͤglich (nicht ohne eine gantze catenam der rechten lehr nach allen puncten/ sondern) ohne glauben GOtt gefallen. Weswegen auch nicht leugne/ daß es ein boͤses principium / bloß da- hin also genommen/ seye/ daß man in allen religionen selig werden koͤnne/ jedoch ists eben nicht athei stisch/ als welcherley principia die seligkeit auffheben/ nicht aber vielen gemein machen. Aber gar anders lautet dieses principium / daß man nicht nur in der Evangelischen Lutherischen/ sondern auch andern Christlichen gemein- den/ wo noch der haupt-grund von goͤttlicher gnade und CHRJSTJ verdienst/ ausser dem wir kein heyl wissen/ uͤbrig bleibet/ leute finden koͤnne/ die GOtt mit sei- ner gnade und seligmachenden glauben begnadet habe. Welches auch unsern Symbolicis libris allerdings gemaͤß/ und doch weit davon ist/ daß man alle religio- nen gleichhalten wolte/ wie droben bereits von der gefahr der irrigen lehr geredet habe. Solten aber discourse anders gelautet haben/ so haͤtte billig deroselben naͤ- here entdeckung zu bitten. Was die nævos der alten Vaͤter und meinungen der alten Rabbinen anlanget/ kan davon nicht so eigentlich sagen/ als der nicht gewiß weiß/ was damit gemeint werde. Die Offenb. Johannis aber hoffe werde al- len Christlichen hertzen/ die eine zimliche erkantnuͤß der noͤthigsten puncten erstlich haben/ also erlaubt seyn/ daß ihnen auch mit fleiß daruͤber zu sitzen nicht verdacht werden mag. Die wort c. 1/ 3. sind sehr bedencklich/ und gehen uns so viel mehr an/ als naͤher wir dem ende sind. Gewißlich gegen das Papstum sich also zu ver- wahren daß wir davon kein aͤrgernuͤß mehr nehmen/ und uns auff das zu kuͤnfftige rechtschaffen/ schicken/ ist kaum etwas dienlicher als die liebe Offenbahrung Johan- nis. Jn dero ob ich wohl aller orten anstosse/ und nicht nach wunsch fortkommen kan/ jedennoch durch GOttes gnade so viel finde/ und daß auch von einfaͤltigen ge- funden werden koͤnne/ versichert bin/ als mir vor gegenwertige zustande noͤthig ist. Wo es nun in diesen schrancken bleibet/ hoffe ich nicht/ daß sich jemand zu aͤrgern vernuͤnfftige ursachen finden wurden: Ja daß auch von den jenigen/ welche in einer hertzlichen u. auffrichtigen begierde Gott zu dienen stehen/ solte einiger mißtritt u. ei- C c 2 niges Das sechste Capitel. niges ungleiches wort (wo man die wenigste zeit und sorge angewendet an formu- las loquendi, und meinet jederman werde es wohl verstehen/ was man wohl mei- net) wahrgenommen worden/ solches mit Christlicher und liebreicher sanfftmuth und gedult auffgenommen/ und bestens ausgeleget zu werden billich seye/ wie ich auch nicht zweiffeln will mein wehrtester bruder/ aus diesem/ was in freundlichem vertrauen aus meinem hertzen gegen ihn ausgeschuͤttet/ ein und anders auff andere art an sehen werde/ als es ihme oder andern/ moͤchte vorhin vorgekom̃en seyn/ da es etwa auff eine weitere meynung gezogen worden waͤre. Jm uͤbrigen wie mich vor die bruͤderliche erinnerung hertzlich bedancke/ so bin ich versichert/ daß hin wiederum meine erlaͤuterung mit vertraulicher liebe auffgenommen werden/ und derselbe/ worinn er noch ferner uns zu erinnern noͤthig finden solte/ in uͤbung solcher liebe nicht muͤde werden werde. Dabey bleibts freylich/ wie er sehr Gottselig erinnert/ weme es ein ernst ist/ CHRJSTJ reich zu befoͤrdern/ der wird seiner eigen ehr und erfindungen gern absterben: und auch daß wir nichts mehr von eigener ehr und erfindungen wissen moͤgen/ welches so viel gewisser geschehen wird/ als fleißi- ger wir uns an die einige Schrifft halten werden. Jm uͤbrigen/ was anlangt eini- ge kleine tractaͤtlein von unsern Theologis gemacht zu dem scopo pietatis, so weiß deꝛselbe ein und andere/ die aber vielleicht selbst auch bekant seyn werden/ als da sind Gerhardi meditationes ( Schola Pietatatis ist ein groß werck) Arndii kleine tractatus, Lutkemanni Vorgeschmack goͤttlicher guͤte/ Casmanni einige tra- ctatus, Theophili sinceri (ist D. Korthold ) vorschlag/ ejusdem Vorbereitung zur ewigkeit/ Reisers gravamina non injusta P. Egardi viele tractatus. Hie- her referire auch billig D. Frit schen JCti mehrer tractatus : Sonderlich aber/ unter groͤssern wercken/ wird schwehrlich eins jetzo viel uͤbertreffen Scriverii See- len-Schatz. m. f. w. 167... SECTIO XVII. A n einen christlichen prediger mit uͤbersendung des send-schreibens/ zur auffmunte- rung. D As gute gemuͤth und hertzliche intention zu befoͤrderung der wahren gott- seligkeit/ so ich von demselben habe ruͤhmen hoͤren/ verursachet mich und gibt mir dieses hertz/ daß mich erkuͤhne als ein unbekanter an denselben zu schrei- ben/ und gegenwaͤrtiges gedrucktes send-schreiben mit diesen zeilen zu begleiten. Aus denselben wird Ew. Wol Ehrw. meines hertzens grund und absicht in dem gantzen werck/ so bißher getrieben ersehen/ und erkennen/ auch entweder den grossen GOtt eyfferig mit uns bitten/ daß er dasselbe gnaͤdiglich zu seiner heiligen ehre fuͤh- ren ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XVII. ren/ segnen und außfuͤhren wolle/ oder da er finden solte/ das einiges menschliches/ so nicht goͤttlicher regul und ehre gemaͤß waͤre/ sich in solcher sachen befinde/ mich freund-bruͤderlich erinnern/ wie ich mich denn von jeglichen bruder erinnern las- sen und annehmen will/ was der himmlische Vater andern neben mir vor gaben und liecht gegeben hat. Es ist ja das werck nicht unser/ so haben wir auch nichts eigenes darin zu suchen/ noch nach eigenem willen zuverfahren/ sondern alles also einzurichten/ als wir am besten verstehen zu goͤttlichen nahmens ehre und der kir- chen erbauung dienlich zu seyn. Lasset uns zu solchem zweck alle jeglicher sein pfund beytragen/ mit einrathen/ beten/ erinnern/ vermahnen/ warnen/ sonderlich aber mit wuͤrcklicher hand anlegung jeder unsers orts das jenige werckstellig machen/ was wir finden/ das zu solchem zweck dienlich und unser amt von uns erfordre. Wo wir werden jeder in dem jenigen/ so viel ihm GOtt so wol zu reinigung unserer ei- genen seele als zu erbauung unser gemeinde gelegenheit und gnade giebet/ treu wer- den/ so wird nach goͤttlicher verheissung/ dem der da hat/ und das so er hat treulich anwendet/ immer mehr gegeben/ und also so wol staͤts neue gnade in der heiligung selbs weiter zu zunehmen verliehen/ als auch eine thuͤr nach der andern zu meh- rerer erbauung geoͤffnet werden/ welche wir vorhin noch nicht haben sehen koͤnnen. Einmahl der HErr ist treu/ der uns beruffen hat/ der wirds auch thun/ und in uns wircken/ was er von uns fordert/ und hingegen auch versprochen hat. Also be- darff es nur/ das wir mit freudiger zuversicht auf ihn uns verlassend das werck an- greiffen/ und selbs trachten in der gnade des HErrn zu wachsen/ folglich auch un- sere gemeinde mit fleiß und treu anzufuͤhren. Der HErr kans nicht ungesegnet lassen/ wo wir an ihm mit festem glauben halten. Zwar was wir von der welt vor danck zu gewarten haben/ macht sich die rechnung leicht aus deme/ was unser Hey- land seinen dienern und nachfolgern geweissagt/ und aus betrachtung das der Teuf- fel/ den wir in unserm amt angreiffen/ u. der sich sein reich nicht gern woll lassen neh- men/ sondern sich nach moͤglichkeit dargegen streubet/ annoch jetzo der grosse Fuͤrst dieser welt ist/ der seine macht und reich in den kindern des unglaubens hat/ da- her wie listig er ist/ daß er wol abmercket/ was sein reich schwaͤchen kan/ also auch nicht unter laͤsset grosse und kleine/ die sich von ihm beherrschen lassen/ dahin zu reitzen und zu treiben/ daß sie sich dem guten wiedersetzen/ und bringet solches auch wieder zu weg/ nicht nur bey den jenigen/ die offen- bahrlich seines theils sind/ und ihme ungescheut dienen/ sondern auch bey denen/ die sonst nicht boͤses gemuͤthes sind/ er aber ihnen das gute unter solcher verstellter ge- stalt/ von neuerung/ falscher lehr/ gefaͤhrlicher anschlaͤge und dergleichen/ vortraͤ- get/ daß sie meynen einen gantzen gerechten eyffer da gegen zu haben/ und GOtt zu dienen/ wo sie das jenige/ welches in der that GOttes werck ist/ aber von ihnen gantz anderst angesehen wird/ hindern und verstoͤren. Wie wir etwa dergleichen auch zu unsern zeiten wahrnehmen/ wo wir acht drauf geben/ und uns aber nicht C c 3 be- Das sechste Capitel. befremden lassen sollen/ daß erfuͤllet werde/ das unser Heyland vorgesagt/ und uns unter den feinden seines reichs auch kluge und weise dieser welt/ ja solche gezeigt/ die sich eines sonderbahren eyffers vor eine ehre ruͤhmen. Es muß aber endlich recht doch recht bleiben/ und dem werden alle fromme hertzen zu fallen. Der HERR wird seine warheit nicht lassen unterdrucket werden/ sondern entweder auch der wi- drig gesinnten gemuͤther zu seiner erkaͤntnuͤß erleuchten/ oder endlich der hartnecki- gen thorheit zu ihrer schande offenbahren. Lasset uns nur der huͤlffe GOttes war- ten/ und nicht weich werden uͤber dem jenigen/ was uns zu leyden vorstehen mag. Wir sind ja nahe dabey/ daß es heissen solle: Darum spricht GOtt; ich muß auff seyn/ die armen sind verstoͤret/ ihr seuftzen dringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret m. f. w. Und wie wol wird alle arbeit und alles leyden/ wel- ches wir daruͤber aus stehen/ angeleget seyn/ wo wir sehen werden/ daß durch un- ser armes werckzeug die ehre des so grossen GOttes und eigener seelen heyl befoͤrdert worden sey/ und daß wir theilhafftig worden seyen/ der theuren verheissungen/ die der mund der wahrheit denen zu gesagt hat/ welche ihme treulich dienen werden. Ach geliebter bruder! wo wir hieran gedencken/ wird es uns gewißlich einen muth und neue krafft geben/ in den wegen des HErrn getrost fort zuwandeln. Er verge- be mir diese meine freyheit/ mein hertz hat sich gegen ihn aufgethan in der hertzli- chen zuversicht zu seiner mir geruͤhmten aufrichtigkeit. Der HErr staͤrcke ihn/ und alle die ihn von grund der seelen meynen/ daß ihrer arbeit frucht und segen viel seye in zeit und ewigkeit. Jn dessen heilige hut und treue obsicht samt anwuͤnschung alles amt- und hauß-segens empfehlende/ und hinwieder auch die gemeinschafft dessen andaͤchtigen gebets bittende verbleibe m. f. w. 1677. SECTIO XV III. V erderben des prediger-standes. B aron von Weltz. Allgemeine regung der gemuͤther. Daher schoͤpffende hoffnung. W As derselbe klaget/ das leider in unserem/ der prediger/ stande so viele sey- en/ mit denen fast nicht umzugehen/ oder etwas gutes zu der befoͤrderung der ehre GOttes/ ja auch daß sie solche nur an andern leiden koͤnten/ zu hof- fen waͤre: ist freylich wahr/ und das jenige/ was ich offt hertzlich beseufftze/ jedoch hat GOTT auch noch die seinige/ die mit furcht und zittern ihr amt fuͤhren/ und da sie noch nicht vermoͤgen/ wie sie gern wolten/ aufs wenigste es anders verlan- gen/ und wo ihnen jemand einige besserung weiset/ solche leiden moͤgen/ ja gerne an- nehmen. Ach daß doch die zahl derselben/ wie mich durch goͤttliche gnad zu gesche- hen deucht/ immer zu nehme/ und ihnen GOtt allgemach mehrere thuͤren oͤffnete/ mit dem guten durch zu tringen. Von des gottseligen Baron Weltzen vorneh- men und begebnuͤßen habe keinen gnugsamen bericht/ nemlich nicht mehr/ als was in eini- ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XVIII. einigen seinen kleinentractaͤtlein gesehẽ. Solte ich einen weitern bericht davon erlan- gen koͤnnen/ ohne viele sonderbahre bemuͤhung eines guten freundes/ wuͤrde mir solches angenehm seyn. Vornehmlich auch wie es dem lieben Herrn endlich er- gangen seye. Davon allein gehoͤret habe/ ob waͤre er von den wilden thieren zer- rissen worden. Die wege/ in welchen ihn/ geliebtester/ der wunderbahre und wei- se GOTT gefuͤhret hat/ sind die jenige/ darauff er noch alle die seinige fuͤhret/ ob zwar mit ungleichen schritten/ daher es offtmahls unterschiedliche wege schei- nen/ die aber alle durch leiden zu der herrlichkeit/ ja durch vielfaͤltige abnehmung des aͤusserlichen zu dem wachsthum und erneuerung des inwendigen menschen/ gehen/ und jemehr der liebste und weiseste Heyland unsere seelen reinigen/ oder auch uns zu anderer auferbauung tuͤchtig machen will/ so viel mehr fuͤhret er uns auf solchem weg durch die ungebahnteste pfaͤde/ darauf dem fleisch am wehesten geschiehet. Wol aber und uͤber wol dem/ welcher so weit gekommen/ daß er/ wie er die gnade GOttes ihm kraͤfftig erwiesen ruͤhmet/ sagen kan/ daß er nunmehr bitter und suͤß auf eine weise und ohne unterscheid von dem liebsten GOtt annimmet/ der beyde/ da er einer bleibet/ uns etwa nach einander zu kosten gibet. Das ist eine friedsame frucht der gerechtigkeit der jenigen/ die geuͤbet sind/ durch die zuͤchtigungen/ welche anfangs nicht freude sondern traurigkeit zu seyn geduͤncket haben/ Ach eine selige uͤbung! Jm uͤbrigen habe ich hertzlichen danck zu sagen/ vor die an unserm lieben N. erwiesene liebe/ welchen ich vernehme vornemlich von Gott durch seinen dienst von den eiteln wesen dieser welt u. der jugend zu einem rechtschaffenen Christlichen vorsatz u. anfang gebracht zu seyn. Daruͤber ich mich/ solches aus seinem eigenen an mich gethanẽ brieff zuvernehmen/ iñiglich erfreuet habe/ u. mich einem solchem liebẽ freunde hoͤchst verbundẽ achte/ durch dessen treue einer der jenigen gewoñen/ welche hinkuͤnfftig allhier wiederum andere der ihrigen gewinnen moͤgen. Wie ich der hertz- lichen zuversicht bin/ das der guͤtigste GOtt/ so solch es gute werck in ihne angefan- gen/ und in wenigerzeit stattlich bekraͤfftiget hat/ es auch endlich herrlich vollfuͤh- ren werde/ so ihne zu vieler andern gewinn fruchtbar werden lassen/ warum auch seine goͤttliche guͤte inbruͤnstig anflehe. Ach daß wir doch jemehr und mehr dieses unsere einige freude seyn lassen/ worinnen wir finden/ an uns oder andern den nah- men unsers glorwuͤrdigsten Heylandes verherrlichet zu werden: Welches ja viel herrlicher ist/ als alles das/ worinnen sonsten uns etwas begegnet oder ander waͤrt- lich her bekant wird/ wie in zeitlichen dingen dis oder jenes gluͤck jemand auf stosset/ ob wir auch etwa selbs theil dran haben moͤchten. Und gelobet seye der nahme des grossen GOttes/ der uns allgemach mehr und mehr ursach zu freude/ und ihm fer- ner danck zu sagen gibet/ wo er uns hin und wieder sehen laͤsset/ ob wolten die baͤu- me anfangen außzuschlagen/ und des erwartenden fruͤblings hoffnung zu geben Dann ob wol dornen/ ja auch die gifftigste baͤume/ je mehr und mehr nicht nur kno- ten Das sechste Capitel. ten zeigen/ sondern in voller bluͤht stehen/ ja die boͤseste fruͤchte der boßheit bringen/ so zeigt sich doch ein mehrer safft auch in den feigen und andern fruchtbaren baͤu- men/ der bald ein mehreres zu versprechen und nach sich zu ziehen scheinet. Es reget sich aller orten ein ungemeiner trieb bey vielen/ theils so an der kirche die- nen/ und die sache gantz auf andere weise/ als vor dem ansehen/ theils die sonsten dem zug des Vaters gehorsamlich folgen/ und in das rechtschaffene wesen/ so in Christo JEsu ist/ ein zugehen ihnen lassen angelegen seyn. Wie nun solches aus keiner andern ursach als der himmlischen wuͤrckung kommen kan/ also haben wir auch billich diese hoffnung/ der HERR HERR werde sein werck nicht stecken lassen. Er regiere uns nur alle mit seinen Geist/ daß wir so wol erkennen/ was sein wille zu solcher zeit an uns in allen stuͤcken seye/ alß nachmal demselben uns ge- maͤß bezeugen/ und uns den jenigen nicht entziehen/ worinnen/ er uns etwa werck- zeugen gebrauchen will/ dessen was er in seinen heiligen rath zu thun beschlossen hat. Dahin lasset uns alle sehen/ einander dazu ermuntern/ den willen des HERRen zu thun/ mit einander und voreinander auch das anligen aller heiligen/ unaufhoͤr- lich mit bitten und flehen ringen/ erkaͤmpffen helffen. Damit die seuffzen und thraͤ- nen des armen verstoͤrten Zions/ dem sein hertz kraͤfftig ruͤhren/ der sie inniglich liebet/ und zu seiner zeit sich zur hilffe aufmachen aber darum mit anhalten gebeten werden will. Es muß ja heissen: Darum spricht GOtt/ ich muß auf seyn/ die armen sind verstoͤhret/ ihr seuffzen dringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret. Mein heylsam wort soll auf dem plan/ getrost und frisch sie greiffen an/ und seyn das heyl der armen. Amen. ꝛc. 12. Jan. 1678. SECTIO XIX. A nfuͤhrung der leute zu pruͤfung ihrer selbs. Gemeiner betrug deren/ die sich Christen zu seyn einbil- den. Grosser nutzen des exempels rechtschaffe- ner Christen. D Aß Ewr. Hoch Ehrw. hoffen sonderlich durch die informationem cate- cheticam und schulordnung gutes auszurichten/ erfreuet mich hertzlich. Der HErr von deme wollen und vollbringen kommet/ erfuͤlle solches kraͤf- tiglich. Es sind dieses die beyde mittel/ dardurch alte und junge zu der erkaͤntnuͤß ihres Christenthums gebracht werden/ auch wo es recht angegriffen wird/ eine gute zubereitung geschiehet/ es in die uͤbung nachmahl zu bringen. Die art der information und predigt/ davon Ew. Hoch Ehrwuͤrden melden/ daß man un- ter den leuthen das examen selbst recommendiret, damit jeglicher in sich gehe/ ist die erbaulichste arth/ ohne welche sonst alles gleichsam als todt und unfruchtbar blei- ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XIX. bleibet. Aber wo sie in ihre gewissen gefuͤhret werdẽ/ so geschiehet darin die jenigeuͤbeꝛ- zeugung/ welche dẽ wachsthũ des guten befoͤrdert. Ach wie viel haͤtten wir ausgerich- tet wo wir den zuhoͤrern erstlich insgemein glaubten/ das Christe gar andere leuthe seyen/ als man sich insgemein einbildet/ darnach dieses beybringen koͤnte/ daß sie (die meiste) wahrhafftig keine Christen anders als dem nahmen nach/ in dem jeni- gen stande seyen/ worinnen sie stehen: Quam multi pervenissent, nisi se jam pervenisse putassent. Wo sie dessen in ihrer seele uͤberzeuget wuͤrden/ sie seyen noch nicht Christen/ als die schlechter dings ausser dem bund geschritten/ darinnen sie Christen worden waren/ so wuͤrden sie damit sehen/ daß sie keine hoffnung des heyls/ keinen trost von Christo und seinem verdienst/ keinen wahren glauben haͤtten/ und also das lauter betrug seye/ damit sie sich biß dahin aus eigener schuld faͤlschlich getroͤstet haͤtten/ waͤre alsdenn noch einige liebe seines eigenen heyls/ so wuͤrde man anfangen zu ruffen mit jenen zu hoͤrern Petri Act. 2. Jhr maͤnner lieben bruͤder was sollen wir thun? aber auch die antwort hoͤren; thut busse/ und tretet in solcher wieder ein in den bund eurer empfangenen tauffe zur vergebung der suͤn- den; Man wuͤrde auch mit nachtruck hoͤren/ wie solche buß nicht ein blosses aͤusser- liches ceremonien werck/ in gewissen geberden/ worten/ oder einbildungen be- stehend/ seye/ sondern eine μετάνοια, eine gantze aͤnderung des gantzen sinnes und uͤbergang in eine gantze andere arth/ als wir vorher gewesen. Woraus folglich ein gar nicht mehr weltlich/ sondern geistliches leben folgte. Wo ein Prediger al- so seine leute ad desperationem de se ipsis ex pristina vita gebracht/ da ist der acker wohl bereit zu fruchtbahrer besaͤhung. Und wo noch dieses darzu komt/ daß wir in der gemeinde etliche personen/ und soltens nur 1. 2. 3. seyn/ durch GOt- tes segen dahin gebracht haben/ daß sie nicht nur à la mode, sondern rechtschaffe- ne hertzens Christen sind/ und nun ihr gantzes leben in einer wahren verleugnung ihrer selbst und dienst ihres GOttes fuͤhren: nicht daß sie muͤssen die weltliche ge- schaͤffte bey seite setzen/ sondern/ alles solches in einer wahren und kantbahrer einrich- tung zu goͤttlicher ehr zu thun sich befleißigen/ daß man sehen kan/ es seye ihnen nun in ihrem leben nicht mehr um sich selbst/ sondern um GOtt und den nechsten allein zu thun. So ist damit gewonnen/ und wird derselben exempel folgends so viel an- dere anreitzen/ daß sie erst ohne dero exempel werden lernen verstehen/ was sie aus der predigt noch nicht verstanden. Wobey ich mich erinnere/ was mir etwa vor einem halben jahr begegnet/ da ich bey einem krancken/ den ich besuchte/ eine christ- liche person/ die ihn auch besuchte/ antraff/ mit dero ich/ als der sie sonst nicht ge- kant/ nach vollbrachtem zu spruch des krancken/ mich in ein gespraͤch ein ließ. Sol- che bekante/ daß sie 10. 12. oder mehr jahr mit fleiß GOttes wort gehoͤret und ge- lesen/ auch viel lieber und erbaulicher buͤcher gelesen/ und in ihrem Christenthum/ weit gekommen zu seyn gedacht habe/ weil sie vieles gewust/ und euserlich erbar gelebt. Sie sehe aber nunmehr/ daß sie nimmermehr wuͤrde weiter gewachsen D d seyn/ Das sechste Capitel. seyn/ wo ihr endlich nicht GOtt die gnade gethan/ in kundschafft etlicher recht- schaffenen Christen/ so nunmehr warhafftig ein nach Christi regeln und exempel in dieser schwachheit richtendes leben gefuͤhret; Hiedurch seye gleichsam alles bey ihr lebendig und ihr erst zu nutz worden/ was sie jemahl gehoͤret und gelesen/ und bey ihr fast erstorben waͤre/ weil sie alles/ was sie in der Schrifft und buͤchern gele- sen oder gehoͤret/ von der Christen pflichten auff die art verstanden/ wie man es insgemein unter den Christen an zu treffen pfleget/ und ob sie wol gesehen/ daß die Schrifft mehr erfordere/ doch immer davor gehalten/ es muͤsse nicht eben vonnoͤthen oder nicht muͤglich seyn/ in dem sonst niemand selig wuͤrde/ weil sie nemlich noch nie- mand gekant/ der anders lebte/ sondern auch bey dem jenigen/ die man insgemein/ vor exempel guter Christen geachtet/ nichts gesehen/ das mit jenem/ wie es uns vorgeschrieben/ uͤber eingekommen. Weswegen sie gedacht/ die wort muͤsten nicht eben in solchem rigor genommen werden: Und also waͤre sie immer stehen geblie- ben ohne rechtschaffenen wachsthum/ oder gedancken/ daß es nothwendig seye. Seye also die schuld nicht goͤttlichen worts gewesen/ so ihr das Christenthum viel anders beschrieben/ sondern ihrer einbildung/ daß sie die wort des HERRN gern auff ei- ne solche art verstehen wollen/ daß fleisch und blut damit noch etlicher massen moͤg- te zu frieden seyn koͤnnen. Diese einbildung aber ist gekommen aus mangel des- sen/ daß sie dergleichen lebendige exempel nicht gehabt/ biß ihr endlich GOTT der- gleichen gezeiget/ damit ihr die vorige hinternuͤssen der vermeinten unmoͤglichkeit/ und unnothwendigkeit/ so sie gehindert/ den willen des HERRN/ wie er lautet zu verstehen/ weg genommen/ und sie tuͤchtig gemacht worden/ denselben ihre krafft ferner an sich zu lassen/ worauff durch GOttes gnade in weniger zeit weiter ge- fuͤhret worden/ als vorhin ihr lebenlang. Ach GOtt gebe ieglichem treuen pre- digern eine dergleichen huͤlffe eines guten exempels an etlichen/ so wird ihm und der gemeinde stattlich geholffen. Ohne solches aber gehets schwer her. Wir ha- ben aber auch der ursach halben dieses unsre erste sorge seyn zu lassen/ daß wir in der gemeinde mit so viel mehrern fleiß dahin bringen/ weil es sich nicht mit allen gleich außrichten laͤsset. Von Herr NN. hat Ew. Hochwol Ehrw. sich versichert zu halten/ daß/ so viel ich ihn kenne/ ich hoffe/ den sie einen treuen parastatam in befoͤrderung des guten an ihn haben werden. Wol dem/ den der weltliche arm nicht hindert: so viel besser/ wo er gar einige befoͤrderung des guthen thut. Sed rara hæc est felicitas. GOTT geb es endlich aller orten. 13. Apr. 78. SECT. ARTIC . I. DIST. II. SECT . XX. SECTIO XX. A n einen beruͤhmten Doctorem Theologiæ, wegen der symphoneseos Kriegsmannianæ. W As E. Hoch Ehrw. vergangenen Sambstag an mich zu senden beliebet/ ist mir zwar wol/ aber aller erst da ich nach 11. uhren von der beicht nach hause kam/ behaͤndiget worden/ daher weil die zeit der post nahe/ außfuͤhr- lich und nach nothdurfft zu antworten/ so viel mehr wegen der Sontags meditati- onen, nicht wohl muͤglich gewesen. Bedancke mich zum fordersten des hertzlichen neujahrs-wunsches/ den GOtt der zeiten und ewigkeit demuͤtig anruffend/ daß er nicht nur an mir das angewuͤnschte auf art und weise/ wie es seine weiseste guͤ- tigkeit noͤthig erkennet/ erfuͤllen/ sondern auch auff E. Hoch Ehrw. alles in gnaden zu ruͤcke fliessen lassen wolle/ derselben ein solches jahr verleihende/ da kein tag ver- gehe/ daß sich nicht neue gnade von dem Vater des liechts/ von dem alle gute und vollkommene gaben herkommen/ uͤber dieselbe mildiglich ergiesse/ mit liecht und er- kaͤntnuͤß in dero hochwichtigẽ amte/ was zu des reichs Christi beforderung das dien- samste seye/ gewiß zu erkennen/ so dann muth und krafft dasselbige in goͤttlichem bey- stand auszurichten/ auch freude uͤber gluͤcklichen success dessen/ was dieselbe in dem werck des HERREN zu seinen ehren vornehmen werden/ samt zu allem solchen noͤthigen gemuͤths und leibes kraͤfften/ und uͤbrigem menschlicher wolfahrt segen. Was Herr Kriegsmanns tract aͤtlein anlangt/ so verhaͤlts sichs/ wie er ausgesagt hat/ und in weitern umstaͤnden darinnen bestehet/ daß ich zwar vor verfertigung des tractats von solchem vorhaben nicht gewußt/ als er aber geschrie- ben gewesen/ hat er der autor, aus zu mir tragendem freundlichem vertrauen/ der von meinem hauß- excercitio vieles ungleiches gehoͤret/ endlich aber die wahre be- schaffenheit/ nach eingenommenen augen-schein/ gruͤndlicher gefaßt zu haben bezeu- get/ mir solches in MS. zu geschickt/ und meine gedancken daruͤber zu wissen ver- langt: Jch als ich solches durchsehen/ fand ein gutes vergnuͤgen daruͤber/ und war erfreuet in unterschiedlichem/ so meine gedancken gewesen/ auch durch dieses guten freundes suffragium bekraͤfftiget zu werden: Weil ich nun vor rathsam geach- tet/ daß diese materie von unterschiedlichen excoliret, und immer mehrere ange- frischet wurden/ ihre von GOTT hieruͤberhabende gnade andern mit zutheilen/ auch so gar wo jemand etwas dagegen haͤtte/ dergleichen oͤffentlich an den tag und zu anderer beurtheilung vor zubringen/ von welchem allen die kirche ihre nutzen ha- ben kan/ also war mir so viel lieber/ daß dergleichen von einem Politico geschehen/ den der blosse einfaͤltige buchstaben der Schrifft so bald zu solcher meinung ge- bracht/ riethe deß wegen und erinnerte ihn/ daß ers moͤchte zu truck geben/ mich in solchem fall dazu erbietende/ daß einen verleger verschaffen wolte/ und D d 2 hat Das sechste Capitel. hat die dedication an Herr D. Fritzschen beygefuͤgt. So war auch Herr Zun- ner/ so meine sachen ordinarie zu verlegen pflegt/ so bald als solches ihm anerbo- the/ willig es zuverlegen/ und liesse es nicht zwar hier/ weil er ohne das in unterschied- lichen truckereyen viel arbeit hat/ sondern an einem benachtbarten ort trucken. Die- ses ist die wahr hafftige beschaffenheit der sache. Daß aber Jhr Hoch Fuͤrstl. Durchl. einig miß belieben daran tragen/ daß solche in die sache mit eingeflochten wuͤrden/ solte mir nicht in die gedancken gekommen seyn; als der noch jetzo nicht se- he/ das Jhr Hoch Fuͤrstl. Durchlauchtigkeit in einiges hiedurch implici ret wer- de/ was dero Hoch Fuͤrstlichem respect oder regierung nachtheilig seyn moͤchte. Vielmehr solte billich dieses gute vertrauen tragen/ gleichwie es eine erbauli- che materie ist/ und Jhr Hoch Fuͤrstl. Durchl. so denn Herrn Kriegsmanns vor- hin geweßte gnaͤdige Herrschafft/ niemahl biß daher einige ungnade verspuͤren las- sen/ wenn derselbe nach dem von GOtt ihm mildigst ertheiltem talente in geist- und christlichen materien etwas heraus gegeben hat: es wuͤrde auch dieses tra- ct aͤtlein gleichen rechts geniessen. Wie ich auch hoffe/ wo die sache nur weiter un- tersucht/ und durch goͤttliche gnade mit zu ziehung mehrerer christlicher und allein die ehre ihres GOttes vor augen habenden gemuͤther was bißher davon proponi- r et/ durch gegangen/ und was weiter zu errinnern in der furcht des Herren uͤberle- get werden solte/ das unter denen die GOtt von hertzen meinen/ auch die jenige/ welche biß daher/ wegen scheinender neurigkeit dergleichen zusammenkunfften nicht haben belieben wollen/ dieselbe gantz anders ansehen/ und selbsten befordern werden. Jch bekenne gern/ wie fleißig und offte der sa- che mit anruffung GOTTES nachgesonnen/ oder mit andern davon beredet/ daß ich nichts dagegen weder außder Schrifft noch sonsten von der allergeringsten erheblichkeit sinden oder hoͤren habe koͤnnen/ als die vorwendende gefahr. Nun kan auch keine gefahr vor geschuͤtzet werden/ die nicht eben so wohl un- serm lieben sel. Luthero und uns allen noch heut zu tage von den Paͤpstischen ent- gegen gehalten wird/ wegen der freyheit die Bibel zu lesen/ so sie promiscue allen Christen gegeben werde. Einmahl wo diese Thesis bleibet/ die wir gleichwol noch allezeit wider den gegentheil/ die Papisten behaupten: daß jeglicher Christ/ wer der auch sey/ macht habe/ ja nach dem ers vermag verbunden sey/ die heilige Bibel zu lesen/ und daraus seinen glauben also zu gruͤnden/ daß er sich nicht auff die au- thoritatem seines predigers oder einiges menschen/ der es so und so auslege/ son- dern auff das goͤttliche wort selbs/ und die in den noͤtigen stuͤcken der erkaͤntnuͤß dazu gebende goͤttliche gnade resolvire und lasse: deßwegen auch das urtheil uͤber die lehre den zuhoͤrern zustehe/ daruͤber Lutherus so offt ge- eyffert/ so sehe ich nicht/ wie auch die Thesis der moderir ten privat- zusammen kunfften durch vorwendende gefahr mag umgestossen werden. Jn dem wir nicht leicht eine einige gefahr von unordnung/ irrthum/ despect des pre- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXI. predigamts ꝛc. moͤgen sorgen von denen zu-sammenkuͤnfften/ welche nicht eben so wol jener thesi koͤnte/ und von den Papistenauch pflegte/ entgegen gehalten zu werden. So wenig wir aber um solcher vermeinten u. sehr scheinbaren consequen- tien willen den Papisten concediren, daß den Christen das ihnen von ihrem Hey- land gegebene recht genommen werde/ sondern suchen wie die gefahr sonsten abge- leinet werde; eben so wenig finde ich verantwortlich zu seyn/ daß wie dem andern juri der Christen solche argumenta objsci ren/ die wir den Papisten in der andern sache nicht gelten lassen. Jch habe schon von zwey orten wegen des Herrn Kriegs- manns tract aͤtlein schreiben gehabt/ da mir unterschiedlicher leuthe gedancken dar- uͤber notificiret worden/ so aber alle die sache billigen/ ohne daß einer der die ho- he nutzbarkeit gestehet/ allein wegen der behauptenden absoluten nothwendigkeit anstehet. Von niemand aber/ der es verwirfft/ ist mir noch nichts vorgekommen. Vielmehr kam mir gestern ein schreiben zuhanden/ von einem in politi scher wuͤrde stehendem eyfferer vor die gemeine aufferbauung/ und mit stattlicher Erkaͤntnuͤß der Schrifft begabten mann/ so mit groͤsserem eyffer schreibet/ aus vorsehung daß solches tract aͤtlein widerspruch finden wuͤrde. Jch habe wollen den gantzen ex- tract, so viel von solcher materie in dem schreiben befindlich hierbey legen/ und Ew. Hoch Ehrw. communici ren/ um zu sehen/ was auch anderer gedancken hieruͤber sind und wie solche materie annoch von andern mit stattlichen gruͤnden auszufuͤh- ren/ wo es etwa wegen des widerspruchs nothduͤrfftig befunden wuͤrde/ vor die hand genommen werden duͤrffte. Jch ruffe den allweisen und alleguͤtigen GOtt hertz- lich an/ er wolle uns allen in allen stuͤcken/ durch seines heiligen Geistes krafft lehren erkennen/ was da seye sein guter wohlgefaͤlliger und vollkommener wille/ zur besse- rung und zu rechtbringung des armen/ und fast kaum mehr kantlichen Zions/ auff dz wir nachmahlen denselben getrost in das werck richten/ zu seines nahmens verherrli- chung/ und vieler seelen ewigem heyl/ als zu welch em zweck wir Christen alle/ son- derlich wir Theologi, gesetzet sind/ und in dessen erlangung allein unsere freude/ vergnuͤgung und gluͤckseligkeit zu suchen haben/ mit welchem treumeinendem wunsch auch an dieselbe und empfehlung in der himmlische obhut verbleibe ꝛc. 15. Jan. 1678. SECTIO XXI . V on damahligen gemeinen und F ranckfurtischen zustand. Meine absicht in allem. E S hat mich inniglich erfreuet Ew. Wohl-Ehrw. in ihren schreiben gegen mich bezeugende liebe und hertzlicher wunsch. Ach daß doch der HERR solchen an uns allen zum preiß seines nahmens erfuͤlle/ und uns eine thuͤr nach der andern oͤffne/ mit goͤttlicher krafft und einfalt zureden das geheimnuͤß des glau- D d 3 bens Das sechste Capitel. bens: Welches wahrhafftig so bekant ins gemein nicht ist/ als das wort und auch aus demselben unsre Libri Symbolici mit sich bringen. An widerwaͤrtigen fehlets freylich nicht. Und wie koͤnte derjenige/ dessen reich abbruch geschihet/ dabey still sitzen oder darzu schweigen? Er kan ja nicht anders als rumoren/ wo man ihm sei- nen pallast angreiffet/ und alle seine werckzeuge wapnen gegen solche seine feinde. Wie nun wir uns solches nicht befremden lassen doͤrffen/ als die wir wissen/ daß es nicht anders seyn koͤnne/ also ist nun diesesdas betruͤblichste/ wo wir zu weilen sehen muͤssen/ daß der teuffel so listig/ zu weilen auch einige sonst gute gemuͤther/ so gar die amts halben das gute befoͤrdern solten/ vermittels allerhand calumnien so er wissentlich auszubreiten weißt/ einnimmt/ daß sie sich unwissend und aus irrenden eiffer dem guten widersetzen/ so sie nicht thun wuͤrden/ wo sie sich gnugsam von der sachen bewandnuͤß unterrichtenliessen/ damit aber gleichwohl einige schuld vor Gott auff sich laden dergleichen wir bey dem wenigẽ guten/ welches wir in einen schwachẽ anfang allhier haben/ gnugsam erfahꝛen/ wie nicht nur die boͤse sich mit einen rechten wuͤtenden grim̃ widersetzen/ sondern auch solche leute hin u. wieder sich durch die von jenen ausgesprengten laͤsterungen einnehmen lassen/ von welchen sonsten zu hoffen waͤre/ das sie daß wahꝛhafftig erkante gute nicht boßhafftig anfeinden wuͤrden. Wie wir aber der boͤsen zorn mit gedult zu tragen haben/ also haben wir auch mit sanfft- muth anderer præoccupi ter unwillen und widrigkeit zutragen/ vor beide aber den HERRN flehentlich zu bitten/ daß derselbe seine kraͤfftige gnade ihnen zu erken- nen geben wolle/ was sie thun/ damit sie sich nicht gefaͤhrlicher als sie gedencken/ an- stossen moͤchten. Es schriebe mir juͤngsthin ein vornehmer beruͤhmter Theolog. und Gen. Superint. aus gelegenheit meines vor einem halben jahr publicir ten sendschreibens: Er habe in seinen durch GOttes guͤte nun 27. jaͤhrigen geistl. verrichtungen keine gifftigere leute angemercket/ die dem wahren Christen- thum so zu wider gewesen/ als die seines ordens gewesst. Er wuͤnschte/ daß ich meines orts nicht dergleichen erfahren muͤsste. Mein gewissen gibt mir vor GOTT zeugnuͤß/ daß ich in meinen amt nicht anders suche/ als daß das wahre Christenthum/ so unter dem gemeinen heuchelwesen und einbildung des operis o- perati fast nicht mehr zu erkennen ist/ bey meiner gemeinde und durch anderer treu- en dienst auch aller orten vermittels goͤttlichen segens auffgerichtet werde; Da- hin trachte ich durch die lehre/ in dero ich den articul der rechtfertigung allein aus dem glauben ernstlich treibe/ aber allzeit den glauben also beschreibe/ daß niemand seine fleischliche einbildung vor einen goͤttlichen glauben halten/ und sich daraus sei- ne seligkeit versprechen moͤge. Solches thut sichern hertzen sehr wehe/ wo ihnen das sansste kuͤssen/ auff dem sie ihr ewiges heil gern verschlaffen wolten/ unter dem kopff vorgezogen wird/ wie sie dann die uͤberzeugung ihrer hertzen nicht leugnen koͤnnen/ sondern dardurch unruhig werden. Wolte GOTT es wuͤrde solches wort den meisten ein geruch des lebens zun leben/ wohin es bey allen gemeinet/ und nicht bey so vielen ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXII. vielen ihrer widersetzlichkeit wegen ein geruch des todes zun tode. Aber der HErr ist heilig und gerecht/ dem wir in seinen gerichten nichts vorzuschreiben haben. Mit mir sind auch gleichgesiñet/ gleich wie meine treue Collegæ also auch diejenige gute see- len/ darvon in dem schreiben meldung gethan/ so nichts anders suchen als sich unter einander bey gelegenheit u. freundl. besuchungẽ (deñ was stata \& condicta collegia anlangt/ ist bloß eine calumnia die ausgesprengt worden) hiezu zu erinnern und auffzumuntern/ ihrem Heyland/ der so viel vor sie gethan und gelitten/ treulich nachzufolgen und zu gehorsamen/ damit sie krafft seines todes auch sterben moͤgen der suͤnde/ und in seiner aufferstehung wirckung ein neues leben fuͤhren moͤgen; das ist ihr einiger fleiß und gruͤblen sonst nicht (wie sie zwar beschuldigt werden) hohe dinge/ sondern/ lassen Ehristum ihr versuͤhnopffer und exempel in seinem todt und leben ihre milchspeise seyn/ als die sich alle noch vor kinder achtẽ u. staͤrckere speise sich nicht angewehnen. So geschihet also nichts anders unter solchen lieben leuten/ als was die austruͤckliche befehl der Apostel mit sich bringen/ und die exempel der er- sten Christen darinnen uns vorleuchten. Es scheint zwar/ der HERR wolle unsre gedult etwas uͤben und prieffen/ ich bin aber mit ihnen versichert/ seine sache/ darin- nen wir arme schwache werckzeuge sind/ werden endlich durchbrechen und uͤberwin- den/ ob auch wir daruͤber vor der welt werden unterligen muͤssen/ als wie wir uns auff nichts anders unsere rechnung machen. Wie wir nun vor alle/ die den HErrn JESUM unverꝛuckt lieben/ mit heꝛtzlichen seufftzen taͤglich bitten/ so veꝛlangen wir auch von allen gleich vor die ehre Gottes gesinneten nichts mehr/ als daß sie uns helf- fen kaͤmpffen mit beten und flehen/ sonderlich in den ersten 3. bitten unsers heiligsten gebets des HErrn. Dessen ich mich auch gegen und von Eurer Wohl-Ehrw. so viel gewisser versehe/ daher auch darum so viel angelegenlicher bitte/ als liebrei- cher dieselbe ihre intention gegen mich mit einen so bedencklichen wunsch bezeuget haben. Der HERR lasse der jenigen viele werden/ die ihn allein hertzlich suchen. 7. Mart. 1678. SECTIO XXII. U ber das F uͤrstliche H essen-Darmstaͤttische ausschreiben. Christliche zusammen- kuͤnfften. B Edancke mich dienstfreundl. der communication des bewusten ausschrei- bens/ so ich zwar einmahl zu lesen gehabt/ aber vor mich nie erlangen koͤn- nen/ bleibe deswegen sonderlich obligiret, solches auff andert art wiederum zu verschulden/ jedoch will ich nicht gedencken/ daß solches ausschreiben wider meine pia desideria gerichtet seyn solte/ als der ich nicht vermuthen solle/ das Herr D. Mentzer Das sechste Capitel. Mentzer etwas wider dieselbe sich unternehmen wuͤrde/ da er der erste unter allen Theologis gewesen/ welcher in einen freundlichẽ schreiben dieselbe voͤllig approbi- ret/ u. bezeuget/ daß dergleichen von andern Gottseligen Theologis auch ruͤhmlich vorgeschlagen worden; auch mir gewuͤnschet/ daß solche meine vorschlaͤge/ daran er nichts zu desideri ren haͤtte/ moͤchten in das werck gerichtetwerden/ wie ich solches schreiben noch bey handen habe/ u. zeigen kan. Daher aber nicht gedencken soll/ daß solcheꝛ vornehme mann dasjenige/ was er allerdings gebillichet/ hie mit wuͤrde be- streiten wollen. Wie auch verschiedene der Heꝛꝛen Gießischen Theolog en eben solche pia desideria gebillichet. Sondern es mag dieses ausschreiben vornehmlich an- gehen Herrn Kriesgmanns tractaͤtlein Symphonesis genannt/ oder von eintzeln zusammenkunfften der Christen/ so zwar ein sehr liebes und schoͤnes tractaͤtlein/ wie ich auch nicht leugne/ daß ich es selbs zum truck habe befoͤrdert. Aber es hat Herr D. Mentzer grosses mißfallen daran. Jn uͤbrigen gebe ich meines Hochge- ehrten Herrn dienstfreundlich zu erwegen/ ob nicht solches ausschreiben denjenigen/ welche den Christen dieses recht goͤnnen/ daß sie macht haben sollen zusammen zu kommen/ und sich untereinander zu erbauen/ gegen die es eigentlich gemeinet/ selbs etlicher massen zu statten kommen koͤnne: Weil sie bekennen/ wie viel nuͤtzliches er- bauliches und gottseliges damit ausgerichtet werden koͤnne: welches bekaͤntnuͤß uns gar ein grosses ist. Dann daß nachmahl allerhand gefahr vorgewendet wird/ so wissen wir ja die allgemeine regel/ Abusus non tollit usum : und ist also viel- mehr dahin zu sehen/ wie die sache also eingerichtet werde/ das aller mißbrauch ver- huͤtet/ und der rechte gebrauch erhalten/ als um des befahrenden boͤsen willen das gute unterlassen werde. Man gedencke/ wo zu unsers theuren Lutheri zeiten/ als derselbe zeigte/ daß allen auch den einfaͤltige die heilige Schrifft zu lesen erlaubt seyn solte/ ihm waͤren diese argumenta vor gehalten worden/ wie sie noch wuͤrcklich heut zu tage uns entgegen von den Papisten gehalten werden/ was vor gefahr mißver- stands/ irrthums/ ketzerey/ spaltung/ verachtung des predigamts/ aus solcher pro- miscua licentia legendi scripturam entstehen koͤnte: Meinen wir wohl/ der theure Mann solte deswegen die sache unterlassen haben? nein/ sondern er wolte den rechten gebrauch behalten/ den mißbrauch aber abgeschafft haben. Nun kan wider die ordentlich in weniger zahl anstellende gottseliger Christen versamlung nicht ein argument gebracht werden/ welches nicht mit eben derselben krafft auch gegen die erlaubnuͤß der Schrifft stritte. So wenig wir denn den Papisten solches argu- ment gelten lassen/ so wenig muß es auch gegen diese Gottselige erbauung gelten. So moͤchte auch/ weil sie nicht nur allein nichts vor solche einzele zusam̃enkunfften/ sondern auch nichts wider sie zu edi ren verbieten/ ein zeuanuͤß seyn/ man seye in seiner seele versichert/ die sache seye nicht boͤß. Dann warum haͤtte man viel bedencken ge- gen etwas zu schreiben/ was gewiß boͤse ist. Einmahl zeigt die erfahrung/ daß durch Christliche und in liebe anstellende conversationes Gottselige hertzen kraͤfftigst in ihrem ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. ihrem Christenthum gestaͤrcket werden. Ach daß wir uns beflissen/ dem HErrn an allen orten/ zu allen zeiten und bey allen gelegenheiten zu preisen und sein wort unter uns reichlich wohnen zu lassen! Wir werdens gewißlich nicht zu viel thun koͤnnen. 19. Mertz 1678. SECTIO XXIII. O b von hohen orten die besserung der kirchen zu su- chen und zuerwarten seye? D Esselbigen an mich gegebenes hertzliche und treumeinende schreiben hat mich in niglich erfreuet/ daß dem grundguͤtigen GOTT und Vater demuͤthigen danck sage/ so mich wiederum an denselben einen treuen diener JEsu Chri- sti/ welcher die gebraͤchen unserer kirchen gern gebessert sehe/ und darnach sorgfaͤl- tig seufftzet und verlangt/ hat kennen lassen. Ach der HERR HERR lasse die zahl derselbigen groß/ und sie unter sich einander mehr und mehr bekant werden/ auff daß je einer durch des andern liebes exempel auffgemuntert/ so dann durch zu sammengesetztes gebeth/ berathschlagung/ und handanlegung sein werck so viel kraͤfftiger in seiner gnade gefuͤhret werde. Es ist ja dieses das einige/ darum wir menschen in der welt sind/ daß allein des grossen GOttes nahme geheiliget und verherrlichet werde: wie sollen wir dann nicht alle ein solches auch unser hoͤchstes anligen seyn lassen/ sonderlich aber wir prediger/ welche noch mit sonderbahrer pflicht vor andern hierzu verbunden sind. Ach daß aber nicht in unserer zahl so vie- le waͤren/ welche solchen heiligsten zweck allerdings entgegen stehen/ und denselben viel lieber bey andern hindern als selbsten foͤrdern. Wie leider solches durch die betruͤbte erfahrung gezeiget wird. Jedoch hat der HErr die seinige aus unserer zahl erhalten/ die mit seufftzen ihrer ungleichen amtsbruͤder nachlaͤßigkeit oder wi- drigkeit bedauren/ vor sie beten/ sie auffmuntern oder mit gedult und sanfftmuth zu- tragen beflissen sind. Was Eure Wohl-Ehrw. Christlicher vorschlaͤge anlangt/ die sache zu allgemeiner befoͤrderung an hohe ort/ die Ertzbischoffe in Schweden und Dennemarck/ so dann an Chur-Sachsen gelangen zu lassen/ und dero huͤlffe zu suchen/ ist ein lieber vorschlag: Aber ach wolte Gott daß so viel davon zu hoffen waͤ- re wie wir wuͤnscheten! Mit dem rechtschaffenen und Christlichen Theologo Herrn D. Geyern/ habe bereits vor 2. jahren einiges aus der sache communici ret/ da ich die pia desideria ihm sandte/ aber aus des lieben mannes antwort schreiben habe gesehen/ daß wenig hoffnung zu machen. Jndem er klagt/ daß der geistliche stand also jetzund von der weltlichen gewalt eingeschrencket stehe/ daß er das wenig- ste nicht auszurichten vermoͤge/ in dem keine Fuͤrsten oder dero Ministri zu guten rathschlaͤgẽ huͤlffliche hand boͤtẽ/ so gaꝛ daß man auch diejenige/ dinge davon bereits E e ver- Das sechste Capitel. verordnung gemacht/ in die praxin zu bringen nicht vermoͤge. Woraus ich ge- nug abnehmen koͤnnen/ wie der werthe mann an solchem hofe stecken muͤsse/ und aus der erfahrung gelernet habe/ daß mit weltlicher huͤlffe wenig auszurichten. Jn Dennemarck habe keinen unter allen Theologis, mit dem ich in einiger kundschafft stuͤnde: jedoch hoͤre ich von Herrn Lassenii eiffer vieles gutes ruͤhmen. Was Schweden betrifft/ so sind einige wackere Theologi, welche sehr wohl intentio- ni ret/ und moͤchte in einigen provinzi en etwas zur ehre GOttes versucht werden. Es war auch vor einem jahr an dem daß auff einem reichstag/ der nachmahl un- vermuthet dissolvi ret worden/ unter dem clero unterschiedliche punct en davon haben sollen in berathschlagung gezogen werden. Jch halte aber auch davor/ daß ge- genwaͤrtiges kriegswesen viele wichtige offentliche anstalten schwehrlich zulasse. Aus welchem Eure Wohl-Ehrw. leicht absehen koͤnnen/ daß ob weilen wir/ da uns GOTT dem weg zeiget/ an solchen orten uns anzumelden/ gantz recht thun/ gleich- wohl kein grosser staat sich darauff machen lasse. So werden wir auch sehen/ daß CHristus sein reich etwa eher durch vor der welt verachtete werckzeuge als weitlaͤufftige anstalten/ wo grosse Herrn damit concurri ret/ befoͤrdert habe. Die welt wird sich schwehrlich dazu disponi ren lassen/ mit rechtem ernst das gute zu be- foͤrdern; Nun wie wenig ist auch an den besten hoͤfen/ daß nicht allerdings zu der welt gehoͤrete? Jst etwa ein gutes gemuͤth bey einen Herrn/ so ist er mit so vielen boͤsen raͤthen gemeiniglich als gleichsam so viel teuffeln umgeben/ daß weder derselbe selbs seine gute intention zu werck richten kan/ sondern bald davon diverti ret/ ja wohl ihme gar mit solchen boͤsen schein das gute veꝛdaͤchtig gemachet wird/ noch auch die wenige gute/ so bey ihm sind/ durchzutringen vermoͤgen. So komt auch dazu/ daß viele die nuͤtzlichste und heilsamste voꝛschlaͤge so bewandt sind/ daß sie vor unmuͤg- lich/ allzu schwehr oder gefaͤhrlich/ geachtet werden/ wo nicht vorhin dieselbe einigen orts eine zeitlang versuchet/ und also was dagegen eingewendet werden moͤchte/ durch die that selbs widerleget worden. Daher manchmahl aus solchen ursachen eine sache/ die in berathschlagung gezogen wird/ selbs von guten gemuͤthern wird mißrathen werden/ die sie selbs willig befoͤrdern wuͤrden/ wo sie die thunlichkeit/ nutzbarkeit und sicherheit in einigen exempeln vorhin haͤtten sehen koͤnnen. Dahe- ro ich bekenne/ daß ich in den gedancken bin/ wir stehen noch in einer solchen zeit/ wo von allgemeinen berathschlagungen/ und von hohen orten/ wenig oder gar keine son- derliche huͤlffe zu erwarten seye/ sondern muͤssen wir prediger/ so es treulich mit dem werck des HErrn meinen/ jeglicher seines ort und etwa mit rath und beyhuͤlff ande- rer uns bekanter gleichgesinnter gottseliger freunde/ versuchen/ was jedem GOtt vor mittel und gelegenheit zur erbauung vor die hand giebet/ ob wir in unseren kir- chen und dero grossem corpore gleichsam Ecclesiolas sammlen moͤgen/ das ist/ die jenige/ so einen wahrhafftigen eiffer ihrem GOtt einig zu dienen haben/ immer zu weiterem wachsthum bringen/ damit sie so wohl vor sich selbs rechtschaffene und des wuͤr- ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO XXIII. wuͤrdigsten nahmens wuͤrdige Christen werden/ als folglich mit ihrem gottseligen exempel und bey jeder gelegenheit/ so ihnen der HERR vor die hand kommen laͤsset/ mit bescheidenen erinnerungen und vermahnungen andere neben sich erbauen/ und uns also auff ihre art zu huͤlff kommen moͤgen/ zu der uͤbrigen gewinnung. Wo solches von vielen und an vielen orten geschiehet/ so moͤchten dadurch allgemach mehr personen bereitet werden/ tuͤchtig das werck des HErrn ferner zu treiben und solten einige gemeinden durch himmlischen segen so weit gebracht werden/ daß sie nach den meisten ihren gliedern wiederum der ersten Apostolischen kirchen an fi ngen aͤhnlich zu werden/ wuͤrden sie damit solche liechter seyn die duͤcke finsternuͤß der vie- len andern mehr zu erleuchten. Und da moͤchte alsdann ehe zu hoffen seyn/ wo die sache an mehr einzelen orten probi ret worden/ und durch GOttes gnade der segen sich selbs gezeigt/ daß einige dem reich CHristi nicht abguͤnstige grosse in der welt dergleichen bey den ihrigen ins gemein einzufuͤhren bewogen werden doͤrfften. Und solte der barmhertzige GOtt noch vorhaben einen theuren werckzeug zu senden/ wie er vor deme zu bestreitung des groben Papstums den lieben Lutherum gebraucht/ daß jetzige verderbte wesen zu bessern/ davor wir ihme demuͤthig danck zu sagen haͤt- ten/ so wuͤrde unsere arbeit/ die wir jeder seines orts in unserer einfalt gethan/ auch nicht verlohren seyn/ als welche eine vorbereitung zu dem uͤbrigen gemachet. Dar- um haben wir aber alle hertzinniglich den geber alles guten anzuflehen/ daß seine gnade zum foͤrdersten uns seinen willen in allen stuͤcken an uns zu erkennen/ und nachmahl denselben getrost in das werck zurichten/ geben moͤge. Er lasse nur sei- nen heiligsten nahmen verherrlichet und sein reich vermehret werden/ es geschehe nun dasselbige auff art und weise/ die wir selbs vor rathsam geachtet/ oder auff sol- che/ die unserer meinung entgegen/ aber von seiner himmlischen weißheit vor die be- ste erkant worden. Jn dem es uns je nicht um unsern willen/ sondern seine ehre selbsten/ zu thun ist/ und wir deroselben auch gern unsere weißheit/ willen/ absicht und was bey uns seyn moͤchte/ nachsetzen wollen und sollen. Werden wir auch den HErrn um solche gnade eifferig anruffen und einander helffen kaͤmpffen mit flehen und beten/ so wird der HErr nicht unterlassen/ das werck unserer haͤnde/ wo schon menschlicher weise kein ansehen des success es ist/ zu foͤrdern. Jn solches heiligsten Gottes treue obsicht zu allem segen hertzlich empfehlende verbleibe schließ- lichen. m. f. w. 29. Mart. 1678. E e 2 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XXIV . S treitigkeiten unter Theologis. W As der Herr M. von den Herrn Theologis in Jena vermuthet/ will ich nicht hoffen/ daß in deroselben auffrichtigkeit einiger verdacht zu setzen seye: ob ich wohl mit denselben keine particular freundschafft habe. Aber bil- lich ihre meriten an der kirchen ehre und respectire. Die neuen streitigkeiten zwischen den beyden beruͤhmten Herren Theologis zu Wittenberg sind mir zuvernehmen sehr leid. Haͤtte gehofft/ daß durch die Churfl. geschehene recon- ciliation aller zwist auffgehoben seyn. Der HERR erbarme sich seiner armen kirchen. Wenn wir Theologi uns der massen werden untereinander beissen und erzancken; auch uͤber solche dinge/ die den grund des glaubens nicht beruͤhren/ streiten/ daß einer den andern schwerer irrthume daruͤber beschuldiget/ auch ieder haben wird wollen/ daß der andere gerad muͤsse reden/ wie ihm beliebt/ so wirds nicht nur gefaͤhrliche spaltung geben/ sondern verstaͤndige und ihres heyls begierige Christen/ politici und einfaͤltige/ werden anfangen einen eckel an allen sol- chen dingen haben/ alles in verdacht zunehmen/ woruͤber also gestritten wird/ und wiederum allein zu der Schrifft sich verfuͤgen/ nichts mehr noch anders zu glauben als was und wie es in der unstreitigen Schrifft stehet und befindlich ist. Die sa- che muͤssen wir GOtt befehlen/ was wir nicht zu aͤndern vermoͤgen. 2. April. 1677. SECTIO XXV. G egen mich ausgesprengte laͤsterungen und un- warheiten. Tractat vom Geistlichen Priesterthum. W As meinen zustand anlangt/ ist mir zum vordersten leid vor liebe freun- de/ die meinetwegen ohne noth offters in betruͤbnuͤß gebracht werden/ und in sorgen stehen. So dann vor so viele/ die mit solchen schrecklichen calu- mniis sich an GOtt und dem nechsten grausam versundigen. Jch habe die tage meines lebens wol viele calumnien gehoͤret/ aber so unverschaͤmt nicht/ wie eine zeitlang der satan gegen mich und andere fromme mit mir in genauerer freundschaft stehende Christen gewuͤtet hat. Massen alle dem Herrn S. erzehlte/ und mir wiederum bedeutete dinge pur lautere unwarheiten sind; Dann unwarheit ists/ daß mir das allerwenigste in meinem hauß oder des meinigen jemahlen secretiret, oder ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXV. oder als viel ich jemahlen mercken koͤnnen/ nur davon gehandelt worden. 2. Un- warheit ists/ daß jemahlen mir etwas des meinigen oder meiner Schrifften con- fisciret worden/ oder confisciret hat werden soklen. Meine scripta so viel dersel- ben noch exemplaria vorhanden sind/ werden ohne einige scheu oder verbot allzeit offentlich verkanfft. 3. Unwarheit ists/ daß ich auch sonsten/ wie es in Straß- burgk spargiret, suspendiret ab officio, oder auch mir davon meines wissens jemahl gehandelt worden seye. 4. Unwarheit ists/ obs wohl auch hier of- fentlich geredet worden/ daß mir meine hauß-zusammenkunfft/ oder also nennen- des Collegium, zu halten verboten worden. Sondern als ich davon gehoͤret/ und selbs einen der vornehmsten Herrn/ die gewißheit zu haben/ besprochen/ bezeug- te er/ das solches weder decretiret, noch nur in die proposition gebracht worden. Jch habe aber nicht zeit alle die uͤbrige unwarheiten zu erzehlen/ die hier und anders- wo ausgesprenget/ darvon jene die importantesten sind. So viel aber ist wol wahr/ das einige unserer Herrn nicht moͤgen am besten auff mich zu sprechen seyn/ aber in der warheit um der ursach willen/ weil ich nach goͤttlichem wort die lehr von dem lebendigen glauben durch GOttes krafft/ also ernstlich treibe/ daß alle die jenige/ welche sich nicht warhafftig entschlossen/ rechtschaffen ihr Christenthum zufuͤhren/ und sich ohngeacht/ was die welt davon sagen wuͤrde/ nach des HErrn regeln zu halten/ sich in ihrem gewissen uͤberzeuget befinden/ daß sie nach solcher lehr/ die sie sehen aus der Schrifft zu fliessen/ keine hoffnung der seligkeit bey ihren fort- fuͤhrenden suͤndlichem wesen koͤnnen behalten/ das schmertzet sehr viele leuth/ groß und kleine/ da sie den stachel ihres gewissens bey sich empfinden/ und werden dar- uͤber gantz erzoͤrnet/ suchen sich also an dem jenigen zu raͤchen/ der es ihnen verursa- chet. Das ist die rechte ursach; Weil aber dieselbe so bewand ist/ daß sie solche nicht bekennen doͤrffen/ so werden nachmahl andere ursachen angezogen/ die es doch in der that nicht sind/ und da muͤssen/ weilen die warheit vor uns stehet/ luͤgen und verlaͤumdungen das beste thun; und solche/ wo sie von einigen erdacht sind/ wer- den/ von andern/ die mir oder der gottseligkeit nicht gut sind/ also balden angenom- men/ und mit belieben/ wo nicht gar vermehrung ausgebreitet. Jndessen hat noch keiner nie das hertz gehabt/ mir zu sagen/ daß oder worinn ich unrecht lehrete/ son- dern gegen mich heists allezeit/ mit mir waͤre man wohl zu frieden/ haͤtten auch kein verdacht auff mich; So sich doch in der that anders befindet. Nebens dem so ist dieses vorgangen/ daß in verwichenen februario ein decret gemacht/ daß nichts ohne die censur und erlaubnuͤß unserer Herrn/ hier getruckt/ oder von hiesigen an- derwertlichen verlegt werden solle; darauff als schon vor solchem decret mein tra- ct aͤtlein von dem Geistlichen priesterthum wiederum zu trucken ware angefan- gen worden/ wurde von Rahts wegen dem trucker inhibition gethan/ weiter dar- in fortzufahren/ und verlaubete/ die Herrn wolten solches erst zur censur auff ei- E e 3 ne Das sechste Capitel. ne Universi taͤt schicken. Weil aber/ als ich es gemacht/ und vor einem jahr tru- cken wolte lassen/ solches von frag zu frag vor meinen Herrn Collegis sonderlich verlesen/ und von ihnen ohne ausnahm approbiret, auch einiges selbst von ihnen hienein gesetzet worden/ alshaben sie sich der sachen angenommen/ und ein memo- rial bey unsern Herrn eingegeben/ ihnen repræsenti rend/ wie ein seltzames anse- hen es gewinnen wuͤrde/ wo sie auff solche weise ihr gantzes Ministerium wolten in verdacht ziehen/ uͤber dessen werck sie anderwertlich eine censur einholten. Dar- auff ist noch nicht resolviret, ja unsere Schrifft nun in 6. wochen noch nicht verle- sen worden. Jndessen hat der Trucker uͤber solches und andere meine tractaͤtlein von Chur-Sachs. ein privilegium solches trucken zu lassen erlanget/ werden wir nun sehen/ ob sie solches attendiren werden oder moͤgen ꝛc. 8. Apr. 1678. SECTIO XXVI. A n einen alten vornehmen prediger/ der noch in hohen alter das werck des HErrn ernstlich trei- ben wolte. J M uͤbrigen freuet mich von Ewr. Hoch Wol Ehrwuͤrden/ so viel hertzlicher/ daß dieselbe in ihrer lieben intention der christlichen kirchen/ vornehmlich was die catechetische information und das beichtwesen anlangt/ zu helffen noch ferner anhalten. Als seltener solches sonsten von nunmehr zu zimlichem alter/ gekommenen personen zu geschehen pfleget: Welche gemeiniglich entweder aus einer natuͤrlichen dem alter anklebenden traͤgheit/ oder aus verdruß von vielen fa- stidiren so sie die zeit ihres lebens ausgestanden/ oder aus einer furchtsamkeit wel- che die widrige exp e rimenta bey ihnen verursachet/ pflegen schlaͤfferig zu werden/ etwas gutes von sonderbahrer wichtigkeit zu treiben/ sondern lassen alles gehen wie es mag. Urtheilen etwa widerig von den jenigen juͤngern/ welche einen mehrern ernst und eyffer sehen lassen/ und schreiben es der hitz der juͤngern jahr oder mangel der erfahrung bey. Daß also bey Ew. Hochwohl Ehrw. solcher hertzliche eyffer so kraͤfftig annoch bemuͤhet/ ist/ sage ich/ mir eine so viel inniglichere freude/ und ruffe den grundguͤtigen GOTT inbruͤnstig an/ welcher nicht allein noch fernere krafft/ muth und geist verleyhen wolle/ die noch uͤbrige lebens zeit mit ernstlicher fortsetzung dieser sach und auffmunterung anderer/ so dann wuͤrcklicher werckstel- ligung/ zu zubringen/ sondern auch die freude geben/ daß sie noch in ihrem leben einige frucht/ solcher Christlicher consiliorum sehen und GOtt darvor dancken moͤgen. 12. Apr. 1678. SECT. ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVII. SECTIO XXVII. M ein collegium pietatis. K riegsmannes Sym- phonesis. Darmstatrisches ausschreiben. Starcke bewe- gung in den hertzen zu dieser zeit. Schlesische kirche. Z Um allerfoͤrdersten bedancke mich hertzlich vor den Christlichen neujahrs- wunsch. Der HErr der zeit und ewigkeit verleyhe uns allerseits seine kraͤfftige gnad/ der hinfließenden tage und jahre uns also in seiner forcht und glaubigen gehorsam zu gebrauchen/ daß die immer herzunahende ewigkeit uns oh- ne ende erfreuen moͤge; dazu lasse er mit jeglicher erneurung der zeit/ das fuͤncklein der ewigkeit/ unsere seele/ erneuert/ und mehr und mehr von aller anklebenden be- fleckung dieser zeitligkeit gereiniget werden. Meine hie haltende haußuͤbung/ oder also nennendes collegium pietatis/ so in dem bekanten send-schreiben beschrie- ben/ hat bisher noch die vorige fata, das es von einigen gottseligen geruͤhmet/ und auch anderwertlichen gewuͤnschet/ von den jenigen/ welche es besuchen mit zimlicher erbauung gebrauchet/ aber von widrig gesinneten noch staͤtig angefochten wird. Offentlich hat noch niemand darwider geschrieben/ aber die viele hin und hergehen- de erzehlungen/ verlaͤumdungen/ und daraus entstehende ungleiche judicia sind nicht hieher zu setzen. Es ist sich zuverwundern/ das der boͤse feind noch so unver- schaͤmt seyn mag/ eine solche sache dermassen zu verlaͤstern und allerhand davon aus- zusprengen/ was doch ob schon nichts in publico loco, jedoch in gegenwart aller derer/ die dabey beliebet zu seyn gehalten wird: Massen dann so wohl Graͤfliche stands-personen/ als Kaͤyserliche Koͤnigliche/ Chur- und Fuͤrstliche/ Graͤfliche Ministri und Raͤthe/ wie nicht weniger Professores, Superintendenten und an- dere fremde Prediger solches offters frequentiret, und selbst den augenschein ein- genommen haben/ dahero zeugnuͤß geben koͤnnen/ was sie gehoͤret und gesehen. Dessen wir uns allhie im geringsten nicht scheuen/ alß die wir vor ein geringes achten/ in der welt unsers thuns halben offenbahr zu werden/ die wir doch deswe- gen auch vor GOtt offenbahr werden sollen. Es ist einmahl die liebe der Christen liberal und von unserm Heyland selbst angedeutete eigenschafft/ solche er fordert ei- ne mehrere zusammenthuung/ als wir leyder insgemein unter uns sehen. Dann weil wir einander nicht mehr lieben sollen/ als menschen/ also muß unsere liebe auch nicht nur bestehen in den jenigen officiis, welche zu dieses menschlichen lebens noth- durfft gehoͤren/ sondern nach dem wir auch als Christen in einer gemeinschafft der heiligen stehen/ welche wir in dem Apostolischen glauben bekennen/ so solle unsere lie- Das sechste Capitel. liebe gegen einander sich auch heraus thun in mittheilung deꝛ geistlichẽ gnad/ die uns gegeben zur allerseitigen erbauung unser selbst untereinander/ wozu je vonnoͤthen ist/ daß gottselige hertzen auch ohne die offentliche kirchen versamlungen/ wo unsere ordnungen nicht zu geben/ daß einige mit einander handlen/ sondern alle/ allein auff ihren Prediger acht zu geben haben/ zuweilen mit vermeidung aller unordnung und boͤsen scheins/ erlaubnuͤß haben sollen/ sich untereinander auffzumuntern/ und von dem einigen nothwendigen/ dessen sie froh seyn wollen/ wo alles auffhoͤret/ da- von sonsten andere gespraͤche gefuͤhret werden/ zu besprachen/ oder auch mit einan- der zu beten. Und ist da durchaus nicht die intention, von hohen schweren glau- bens articuln zu reden/ woraus leicht irrung und gefahr entstehen koͤnten/ da wir uns alle dessen wol entscheiden/ was Jacobus sagt. c. 3/ 1. Unterwinde sich nicht jederman lehret zu seyn/ als worauff ein mehrers urtheil gesetzet ist; Son- dern gleich wie in meiner hauß-uͤbung wir bey denen zur einfaͤltigen praxi gehoͤri- gen lehren allezeit bleiben/ also auch wo gute gottselige freunde einander zu besu- chen und beysammen zu seyn gelegenheit haben/ so bestehet dero christliche conver- sation nicht so wol dariñ/ daß eigentlich einer dem andern lehre/ sondern wo sie auch etwa das Neue Testament vor die hand nehmen/ sich allein untereinander zu erin- nern/ was aus dem verlesenen ihre schuldigkeit seye/ ob sie solches bisher gethan/ was es hindere/ was jeglicher bey sich befinde/ was ihn abgehalten/ und wie deme zu be- gegnen: Daraus offtmahl eine solche gottselige bewegung der gemuͤther/ da man sich also in der liebe untereinander expectoriret, entstehet/ daß sie alle neuen eyf- fer fassen/ in den wegen des HErrn so viel unablaͤßiger einher zu gehen/ und mit einander zu wachsen/ auch auff einander in rechter christlicher liebe acht zugeben/ wo jeglicher zu des andern wachsthum etwas mit zu wuͤrcken vermoͤge; von dem nutzen/ so hieraus entstehet/ wissen die jenige genug/ so ihn selbst an sich erfahren/ und nehmen gewißlich auff solche weise/ so wol liebe/ als andere christliche tugenden mercklich zu. Es haben bereits vor deme Theologi, so die praxin geliebet/ von solcher materi ihre christliche gedancken publiciret / und ist sonderlich merckwuͤr- dig/ was der beruͤhmte Voetius unter den Reformirten vor deme in seinen Disp. selectis von der materi gehandelt/ welcher paß von den einzelen zusammenkunff- ten der Christen zu ihrer erbauung in das teutsche versetzt zu Hanau neulich ge- truck worden/ und darin zu sehen ist/ wie leicht und kraͤfftig auff alle daruͤber ma- chende einwuͤrffe zu antworten seye. So hat auch Herr Wilhelm Christoph Kriegsmann Hessen-Darmstaͤttischer Cammer-Rath/ ein rechtschaffener christlicher mann/ neulich ein klein tractaͤtlein von etzlichen bogen zum truck befoͤr- dern lassen/ unter dem titul Symphonesis Christiana, oder von den eintzeln und privat zusammenkuͤnfften aus Matth. 18. Worinnen vor ein so klein ractaͤtlein viel liebes und erbauliches zu finden ist. Es hat aber sein Fuͤrst/ der Land- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XXVII. Landgraff zu Darmstatt/ aus einiges vornehmen Theologi beybringen/ die sa- che fast nicht wohl empfunden/ und eine starcke anzahl der gedruckten exemplari- en selbst auffgekaufft/ damit es etlicher massen moͤgte supprimiret werden/ so doch nicht moͤglich war/ nach deme so viel 100. anderwertlich hin bereits versendet ge- wesen. Auff dieses haben die beyde Consistoria zu Giessen und Darmstatt ein ausschreiben an ihre Prediger trucken lassen/ darinnen sie allein generaliter be- zeugen/ daß sie dergleichen tractaͤtlein nicht approbiren koͤnten/ und verbiethen im nahmen des Fuͤrsten/ daß niemand von dessen unterthanen von dieser materie we- der davor noch darwider schreiben solte. Weilen sie aber selbst in dem ausschrei- ben gedencken/ daß dergleichen gottselige zusammen kunfften eine solche sache seyen/ dabey viel nuͤtzliche/ sehr herrliche/ recht christliche und erbauliche dinge erinnert und eingefuͤhret/ auch bey einen und andern dardurch grosser nutze geschaffet wer- den moͤgen/ nehme ich solche bekantnuͤß zu danck an/ und wann hingegen demselben nichts entgegen gesetzet wird/ als daß dergleichen von Christo nicht eingesetzet noch jemahlen nach der Apostel zeit in uͤbung gewesen/ so dann daraus schaden und un- heil entstehen moͤgte/ und etwa entstanden seye. So bewegen mich die angefuͤhr- te momenta nichts/ in dem das erste nicht gestanden/ sondern leicht werden wird/ zu zeigen/ daß die erbauung unter einander GOttes befehl/ und in der ersten kir- chen staͤtig uͤblich gewesen; was die besorgende gefahren anlanget/ koͤnnen keine mehrere gezeiget werden/ als uns die Papisten pflegen entgegen zu halten/ wo wir allen leuthen die lesung der Bibel wollen gemein haben/ um welcher einwuͤrffe wil- len aber wir gleichwol biß daher nichts in unser lehr geaͤndert haben. Jch haͤtte nicht ungern gesehen/ wo auch von dieser materie publice dargegen gehandlet worden waͤre/ damit aus gegenhaltung beyderseits argumenten die warheit so viel klaͤhrer hervor leuchtete. Es ist einmahl dieses ein nicht geringes mittel/ daß das wahre Christenthum rechtschaffen unter die leuthe und in die hertzen gebracht wuͤrde. Nun haben wir ja auff alle/ GOttes wort gemaͤsse/ mittel zusinnen/ und sie zu suchen/ damit wir solchen wichtigen zweck erlangen moͤgen. Es bedarfs je unsere kirche wol/ will sie nicht anderst noch erschrecklichere gerichte/ als jetzo sich zeigen/ erwarten/ und nicht erfahren/ daß GOtt seine wohnung zu Silo verlassen/ und sie anderwertlich auffschlagen moͤchte. Man spuͤret zwar eine kraͤfftige erre- gung der gemuͤther an sehr vielen orten/ theils selbst unter Theologis, theils Poli- ticis, ja gantz gemeinen und geringen leuthen/ daß man anfaͤngt zu erkennen/ auff die art/ wie sich der grosse hauffe eingebildet habe/ lasse sich die seligkeit nicht erlangen/ sondern wir muͤssen gantz anders zu der sache thun. Dahero bey vielen eine hertzliche resolution entstehet/ rechtschaffen zu werden/ und hindangesetzt alles weltlichen respects nach dem willen unsers Heylands sich anzuschicken. Dar- uͤber zwar auch andere/ sonderlich die den nahmen der geistlichen tragen/ darzu er- F f re- Das sechste Capitel. reget werden/ daß sie das werck des HERRN zu daͤmpffen verlangen. Wel- ches am betruͤblichsten ist von solchem leuthen zu hoͤren. Aber die klage istnicht nur mein/ sondern es schriebe mir letztmahls ein alter Theologus Doctor und General Superintendens: Jn seinen 27. jaͤhrigen geistlichen verrichtungen habe er keine gifftigere leuthe angemercket/ die dem wahren Christen- thum so zu wider/ als die seines ordens gewesen. Es wird aber end- lich auch solcher leuthe thorheit und boßheit offenbahr und zuschanden werden. Solte GOtt gnade geben/ das einige groͤssere Herrn mit ernst sich der nothdurfft unserer kirchen/ welche vielmehr in deren innerlichen zurechtbringung als euserli- cher verwahrung bestehet/ annehmen wolten/ und dem schaden tieffer einsehen (wie vor andern der zwar Reformirte Fuͤrst Hertzog Johan Christian von der Lignitz gethan/ uñ seine so wichtige als nothwendige erinerung an die Priesterschafft gerichtet/ so unter dem nahmen Christfuͤrstlichen Ausschreibens von dem from- men Herrn Abraham von Franckenberg publiciret worden) so wuͤrde man durch GOTTES gnade in weniger zeit sehen/ wie starck das gute wachsen/ und ihrer viele/ so sich noch aus forcht zuruͤcke halten/ hervorbrechen wuͤrden. Einige gottselige Edelleuth an etlichen orten/ so dann auch wol Graͤffliche personen/ fan- gen an zu solchem guten gedancken aus goͤttlicher gnade zukommen/ und der ehre ih- res GOttes sich allein zu widmen; Es will aber noch etwas schwach seyn. Viel- leicht aber ist auch solches der rath GOTTES/ daß er mehr durch verachtete mittel das meinste gute ausrichten will. Jch verwundere mich so vielmehr daruͤber/ daß nicht nur in unserer Evangelischen kirchen/ sondern auch bey den Reformirten/ ja auch/ so sich noch mehr zuverwundern/ selbs bey denen Papisten dergleichen erre- gung sich finden/ und das ansehen gewinnet/ ob wolten auff einmahl an allen or- ten so viele stimmen außbrechen/ denen vor augen ligenden schandflecken des heuchlerischen Christenthums abzuhelffen. Gewißlich so offtich hier an gedencke/ erkenne ich zwar/ daß mir der rath unsers GOTTES zu hoch ist/ und ich noch nicht penetriren kan/ wie weit derselbe uns dießmahl heyl wolle wiederfahren lassen; Aber ich sehe es gleichwol also an/ daß sichs allgemach schicken moͤchte zu der vorbereitung der dinge/ die der HERR seiner kirchen annoch versprochen hat. Welches wo es ist/ wird uns die wir mit ernst das werck des HERREN zu treiben suchen/ mancher harter kampff vor stehen/ und wir nicht anders uͤber- winden/ als daß wir in der welt unten ligen muͤssen: Haben uns auch keine ande- re rechnung zumachen. Aber der HERR wird doch das seufftzen der elenden betrangten/ ja der uͤber die vor augen schwebende greuel beaͤngsteten/ zu sich tringen lassen/ und ihr gebeth erhoͤren/ daß er ins mittel trete/ und seine ehre auf goͤttliche weise rette. Uns geziemet tag und nacht zu ihm zu ruffen/ uns mehr und mehr zu reinigen und zuruͤsten/ daß wir wuͤrdig moͤgen werden/ zu entfliehen allem dem/ das ge- ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XXVIII. geschehen soll/ und zu stehen vor des menschen Sohn. Vermoͤgen wir nichts/ so ist GOTT getreu/ der uns beruffen hat/ welcher wirds auch thun! Eben dieser trost kan auch die in gefahr stehende Schlesische kirche fassen; daß der HERR/ des- sen sache es ist/ vor sie sorge. Allen Predigern wuͤnsche ich fleißige erwegung des so wol in obgedachtem Fuͤrstlichen ausschreiben an sie gelangten/ als der treu- hertzigen erinnerung des tapffern wolseligen Herrn David von Schweinitz: Daß sie trachten/ so wol selbst wuͤrdige diener des Evangelii zu seyn/ als ihre zuhoͤ- rer dahin zubringen/ das sie ihre froͤmmigkeit nicht allein suchen in der bestaͤndigen bekaͤntnuͤß der Evangelischen lehre/ sondern in dem rechten lebendigen/ und solchem thaͤtigen glauben/ der die widersacher selbst beschaͤme/ die unsern guten nahmen und die unschuld des Evangelii zu verlaͤstern pflegen. Geschiehet das/ und sind wir rechte GOtt gefaͤllige Christen/ so wird er entweder der feinde anschlaͤge wider die kirche gantz zu nichte machen/ oder wo er zur probe jenes goldes ihnen mehr ge- walt geben will/ so wird auch dieselbe wider der feinde willen zur befoͤrderung goͤttlicher ehre gereichen muͤssen/ und der maͤchtige GOtt die seinigen ohne mensch- lichen arm wissen zu erhalten. Da hingegen/ wo wir die liebe zur warheit (wel- che nicht nur in einer reinen lehr und bekantnuͤß/ sondern in dem rechtschaffenen we- sen in Christo Ephes. 4/ 21. bestehet) nicht wollen annehmen/ und allein mit dem nahmen der Evangelischen vergnuͤgt/ nicht wuͤrdiglich dem Evangelio wandlen/ das goͤttliche gericht laͤngsten verkuͤndiget ist/ 2. Thess. 2/ 10. 11. Das der gerech- te GOTT solchen schicke kraͤfftige irrthum/ das sie glauben der luͤgen/ und in der verfolgung nicht zubestehen vermoͤgen. Nun der HErr richte alles zu sei- nen ehren! 12. Apr. 1678. SECTIO XXVIII. F ortsetzung der materien in Sect. 11. O ffen- hertzige freyheit zu handeln. Die reformation nicht mein werck. Pia desideria. Vergleichung der alten Juͤdischen und jetzige Christlicher kirchen. Ob auch wegen der 3. Secten. Unsichtbare kirche. Wiedergeburt. Rechtfer- tigung. Glaube. Ob der gantze mensch in der wiederge- burt geaͤndert? 1. Joh. 3/ 9. 10. Jac. 2/ 24. Unmit- telbar erleuchtete. Jacob Boͤhme. Christian Hohburg. Babel. F f 2 Zum Das sechste Capitel. Z Um foͤrdersten bezeuge hertzlich/ daß mich so wohl dessen eigenes/ als unsers geliebten freundes/ beygelegtes schreiben nicht wenig erfreuet/ in ansehung der auffrichtigen intention zu goͤttlichen reichs befoͤrderung/ welche ich auch in den jenigen liebe/ so in den vorschlaͤgen nicht mit mir/ noch ich mit ihnen/ ei- nig bin: So denn wegen der offenhertzigen freyheit mit mir zu handlen/ die mir wol gefaͤllet/ und wo ich sie wahrnehme/ eine so viel mehrere liebe bey mir erwe- cket. Und was ist uns Christen anstaͤndiger/ als das wir uns/ sonderlich/ die wir zu dem dienst der kirchen sonderbar beruffen sind/ untereinander treulich auff- muntern/ und jeglicher an seinem bruder mit der gabe zu arbeiten trachte/ die ihm gegeben ist? Wozu denn gehoͤret/ uͤber die dinge/ da wir nicht einerley gedancken haben/ freundlich und bruͤderlich zu conferiren, aus welcher correspondenz al- lemahl einiger nutzen zu hoffen/ im fall solche in seiner furcht/ und hertzlicher liebe angestellt werden/ ohne einiges gesuch und fleischliche absichten/ von denen wir uns einmal reinigen muͤssen/ wollen wir in der sache GOttes etwas nutzliches ausrich- ten: hingegen vergebens reden und handlen wuͤrden/ wo fern wir auff einer oder an- dern seiten nur allein recht zu behalten uns steiffen/ und einiger wahrheit/ dero das gewissen uns uͤberzeuget/ freventlich widersprechen wolten. Wie ich mich denn/ nach ohne das obligender schuldigkeit dahin verbinde/ von jedem bruder das jenige willig anzunehmen/ was von ihme also vorgetragen wird/ daß ich dessen uͤberzeu- gung in meiner seelen finde. Und wozu diente das widersprechen wider das ge- wissen/ daruͤber wir nach so kurtzer zeit vor jenem gericht offentlich wuͤrden zu schan- den werden? Daher mein vielgeliebter bruder sich versichere/ daß was jetzo schrei- be/ das nicht in allem mit demselben und seinem geliebten freund annoch einzustim- men vermag/ geschehe nicht aus einiger begierde nicht uͤber einigen zu erheben/ mei- ner meinung hartnaͤckig anzuhaͤngen/ oder mir das reformations werck zu zumes- sen. Als der ich wol weiß/ nicht nur/ daß das reformations werck nicht eines mannes arbeit seye/ sondern daß an den jenigen/ was der HERR an seiner kirchen vorhaben mag/ ich weder der vornehmste/ noch einer von den vornehmsten seyn solle/ als worzu mir die gaben nicht gegeben. Mir ists schon mehr ehr/ als ich ver- diene/ das mein GOTT meine pia desideria so weit gesegnet/ daß sie als eine ziemlich ausschallende stimme unterschiedliche erwecket und auffgemuntert haben/ nicht etwa von mir zu lernen/ sondern der sachen weiter nachzudencken/ nach den gaben/ die sie von GOtt haben/ und er ihnen/ wo sie anfangen ihm treu zu seyn/ fer- ner geben wird. Uber diese auffmunterung sehe ich nicht/ das GOTT mehr durch mich zuthun vorhaben solte/ ohne daß ich an meiner particular gemeinde nach vermoͤgen zu arbeiten/ und was so wol mit schreiben zwischen guten freunden zu allerseits erbauung ausgerichtet werden mag/ als etwa an ein und andern einfaͤlti- gen von mir geschehen zu koͤnnen/ er die gelegenheit geben wird/ mich deroselben zu ge- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. gebrauchen haben mag. Nicht das ich mich einem mehrern entziehe/ sondern daß ich erkenne das geringere maaß meines pfundes/ mich nicht uͤber dasselbe etwas zu- vermessen. Vorausgesetzt dessen/ so will erstlich dessen liebes schreiben durch gehen/ und darinnen/ wo ich anstehe bemercken. Was nun erstlich die analogiam zwischen der alten Juͤdischen/ und heutigen Christlichen kirchen angehet/ gestehe gern/ daß dieselbe in vielen stuͤcken mit warheit kan angestellet werden/ auch zu vie- len feinen betrachtungen anlaß geben/ wie auch die gerichte/ durch welche GOtt das verderbte Juͤdenthum gestuͤrtzet hat/ ein rechtes vorspiel gewesen sind/ dersel- ben/ die dem abtrinnigen Christenthum vorstehen und uns zimlich nahe seyn moͤ- gen. Ja auch schon in der alten Juͤdischen kirchen zu den zeiten Jeremiaͤ finden wir eine auff uns schickende gleichfoͤrmigkeit/ und hat mich des lieben Hohburgs vor deme getrucktes Teutsch Ewangelisches Juͤdenthum/ so fast aus Jeremia genommen/ sehr beweget. Was aber die vergleichung wegen der Secten in dem Christenthum mit den 3. Secten der Juden anlanget/ gestehe ich/ daß ich solcher nicht beypflichten kan. 1. Bey den Juͤden waren solche secten nicht eigentlich des gantzen volcks/ sondern meistentheils der lehrer/ oder wie wirs jetzo zu nennen pfle- gen der geistlichen/ fast auff eine art/ wie unter den Papisten die orden seynd/ in- dessen blieb das uͤbrige volck zwar etwa mit affection dieser diesem/ der andere ei- nem andern theil/ mehr zu gethan/ wie auff diese stunde in dem Papstthum mit den orden geschiehet. Sie hatten aber ihren allgemeinen gottesdienst/ zu deme so wohl das volck/ als auch die eigentliche sectatores sich ohne unterschied einsun- den und bekenneten; also das in einem synedrio Pharisaͤer und Sadduceer wa- ren. Hingegen unter den Christen ist die trennung zu gantz sonderbahren partey- en ausgeschlagen/ die keinen gemeinen gottes dienst unter sich haben noch erkennen. 2. Laͤsset sich die Christliche kirche nicht in die 3. theil allein austheilen/ aus dero nicht nur in orient so viele abtheilung sind/ solcher leuthe/ die einander nicht erkennen/ sondern auch in occident, ob wohlen/ was die ausbreitung anlangt/ die 3. Religi- onen die meiste anzahl machen; sind gleich wol der andern von Socinianern/ Ar- minianern/ Widertaͤuffern/ Quackern und dergleichen eine sehr considerable maͤnge. 3. Wuͤrde sich auch in der application mit grossem recht vieles deside- riren lassen/ sonderlich sehe ich nicht/ wie wir ohne hoͤchste undanckbarkeit gegen GOTT/ und seine uns durch das reformation werck erzeigte gnade/ unser reli- gion den Sadduceern vergleichen wolten. Sehen wir die lehre an/ so haben wir keine ja die geringste analogi mit der lehre der Sadduceer/ dann was den miß- brauch der lehr von dem verdienst Christi anlangt/ so gehet derselbe die lehr nicht selber an/ und wird die Reformirten so wol treffen als uns/ die wir in der lehr von dem allein seligmachenden glauben uͤbereinkommen/ und sie nicht weniger bey den ihrigen uͤber den mißbrauch solcher lehr zu klagen haben/ und klagen als wir. Sie- F f 3 het Das sechste Capitel. het man dann das leben an/ so billiche ich nicht/ die schreckliche dissolution unter den unsrigen/ und besorge daher annoch grausame gerichte/ aber ich sehe bey den Papisten und Reformirten so viel epicurer dem leben nach/ als immer unter uns seyn moͤgen/ und zwar was das Papstum anlangt/ bringen deroselben eigene prin- cipia mit/ daß sie nicht anders koͤnnen/ als die leuthe/ sonderlich die es zu zahlen haben/ sicher machen. Welches man gleichwol von uns nicht sagen kan. Dahero auch unter den Papisten unvergleichlich mehr Atheisten seyn/ als unter uns/ wie groß sich auch deroselben anzahl bey uns belauffen mag. Wer Jtalien/ Franckreich/ Spanien durch reiset hat/ oder mit solchen leuthen familiar oder bekant worden/ der weiß hiervon zu urtheilen. So vielmehr/ weil die principia papæa gar leicht selbst zu dem Atheismo fuͤhren/ wo sie von scharffsinnigen lenthen genau erwogen werden/ welches wie es von vielen jahren allezeit meine gedancken gewesen (also daß ich GOtt so vielmehr zu dancken gehabt/ daß er mich in der Evangelischen kir- chen hat lassen erzogen werden/ in dem ich nicht sehe/ wie ich ohne goͤttliches wun- der in der Papistischen kirchen mich des atheismi haͤtte entbrechen koͤnnen) so hat michs so vielmehr gefreuet/ als Christianus Alethophilus eben solches publice dargethan. Also wuͤste ich die Eßeer mit den Reformirten nicht zuvergleichen/ sondern eher mit den Mennoniten oder Wiedertaͤuffern. 4. Will ich nicht wider- sprechen/ daß bey allen parteyen die fuͤhrer meiste schuld des verderbens und goͤtt- licher gerichte seyen/ davon ich auch unsere Evangelische kirche nicht ausnehme/ noch die jenige/ die unsers ordinis sind/ frey zusprechen getraue/ wie ich auch mei- ne klage offentlich daruͤber gefuͤhret. 5. Bekenne ich gern/ daß keine einige secte ist unter den Christen/ die nicht etwas in doctrinalibus und moralibus gutes be- halten/ welches folglich zum grund geleget werden muß des uͤbrigen guten/ so man bey ihnen noch zu wegen zu bringen hat. Ja auch wir haben in vielen moralibus und was die kirchen ceremonien anlangt von den andern unterschiedliches zu ler- nen. Von doctrinalibus sehe ich noch nichts: Es waͤre dann sache/ daß man dahin ziehen wolte/ daß einige andere parteyen gewisse dogmata haben/ wel- che sie mit mehrern fleiß excoliret, und trieben/ die aber von unserer lehr nicht sremd/ sondern von uns eben so wol erkant werden/ aus unsern principiis nothwen- dig fliessen/ und allein mit solchem fleiß und ernst als sichs geziemet/ untersucht und getrieben worden sind. Solte man mir aber in articulis fidei selbst irrige lehren weisen/ das ist/ solche die dem heiligen wort GOttes entgegen waͤren/ wolte alsdañ dieselbe selbst erkennen/ und gern quittiren: ich habe aber solche in bißherigen ge- fuͤhrten controversiis noch nicht angetroffen/ was die lehre selbst anlangt/ daher in denselben auch noch nicht sehe/ was wir von andern zu lernen haͤtten. 6. Daß die wahre Catholische kirch nicht in einer partey allein stehe/ sondern alle glaͤu- bigen der gantzen welt begreiffe/ ist bey mir eine und isputi rliche sache. Es ist a- ber ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XXVIII. ber solche kirche ein unsichtbahre kirche. Was aber die sichtbahre anlangt/ die in einem auch eusserlichen kaͤntlichen hauffen bestehet/ so wuͤrde davon mit mehrern zu dencken seyn/ ob und wie man die gesamte Christenheit vor die sichtbare kirche er- kennen und nennen solte. Jn dem einige dessen fundamenta seyn moͤgen/ hinge- gen doͤrfften viel andere consequentiæ seyn/ welche solche redens art moͤgten ge- faͤhrlich machen; waͤre also gar reifflich zu erwegen. Die Hæreticos haben wir bisdaher nicht intra, sondern extra ecclesiam gesetzet/ verstehe die sichtbahre kirche/ als die mit derselben in keiner geistlichen communione stehen/ und allzeit von anfang noch zu der Apostel zeiten von derselben ausgeschlossen worden. Je- doch will daruͤber nicht vieles streiten/ wo es um wort allein zu thun seyn solte/ die dieser so/ der andere anders/ verstehen moͤchte. 7. Was dann dieses anlangt/ daß Christus nicht eine secte unter den Juͤden zu der andern/ sondern alle zu seiner lehr gewiesen/ laͤst sich solches hierher nicht appliciren; Jndeme Christi lehr bey kei- ner secte war/ sondern er eine ihnen allen damahlen nicht erkante lehr uñ neuen bund vortrug. So erforderte er auch von jeglichen/ daß sie ihre irrthum fallen muͤsten lassen/ die sie alle auch in der lehr selbst hatten. Jetzo aber haben wir keine andere lehr Christi/ als welche wir in unserer kirchen/ nach dem zeugnuͤß meines gewissens/ rein/ in andern aber mehr oder weniger vermischet haben. Daher erstlich erfordert wird daß jeglicher theil in demjenigen/ was alle ohne das schon wahr seyn erkennen/ sich weiter begruͤnde/ und das in die praxin bringe/ was er wahr zu seyn gewiß ver- sichert ist. Wuͤrde das erstlich geschehen/ und jeglicher seinem GOTT treu werden in denjenigen gaben und wahrheiten/ die er erstlich empfangen/ so wuͤrde mehrers liecht solgen/ und jegliche irrende auch zur erkaͤntnuͤß ihrer irrthume gelan- gen. Jndessen wird nicht nur erlaubt/ sondern ihrer vielen gantz nothwendig seyn/ die gemeinden/ in denen sie solche irrthum/ dero gesahr sie haben erkennen gelernet/ finden/ und sich zu solchen genoͤthiget zu werden sehen/ zu verlassen/ sich dahin zu ver- fuͤgen wo sie die lehre CHRJSTJ reiner sinden. Nicht sage ich/ daß allen sol- ches schlecht nothwendig seye/ sondern GOTT hat auch seine heilige ursachen/ warum er unter den unreinen gemeinden viele noch haͤlt/ daß durch sie noch andere auch erhalten werden. Jst also ein grosser unter scheid/ da einer von den Saddu- ceern zu den Pharisaͤern umtrat/ und also von einem irrthume zu dem andern gegan- gen/ und deme/ so einer von den abgoͤttischen Papstum zu unserer Evangelischen kirchen tritt/ bey welcher er auffs wenigste seinem GOTT mit wenigern anstoß seines gewissen zu dienen vermag. Also bleiben wir alle vor die gantze Christenheit/ ja vor alle menschen zu sorgen schuldig/ aber wir haben dabey weder zu verachten/ noch hindan zusetzen die gnade/ so GOtt unser gemeinde gegeben/ noch dieses vor ei- ne parteyligkeit zu achten/ wann wir unserm GOtt davor dancken/ und aus sol- chem vorzug unsere sorge auff diese vor allen wenden/ als auff diejenige/ die etwa vor an- Das sechste Capitel. andern am leichsten zur rechten gleichfoͤrmigkeit mit Christi ordnung zu bringen/ zu dero sich die uͤbrige so viel eher alsdann begeben koͤnten; damit so wohl wir wachsen in dem/ was uns noch mangelt/ als auch die uͤbrige nicht so wol zu uns zu ziehen/ als dahin zu bringen/ wohin wir auch noch wachsen muͤsten. Hieꝛmit gehe auf die zweyte observation, darinnen ich mir gar wohlgefallen lasse/ daß wir unter einander die unter schiedliche von dem HErrn empfangene gaben in Christlicher demuth vorle- gen/ und sie untereinander probi ren lassen/ welche sache in der forcht GOttes ge- than nicht unfruchtbar seyn kan. Lasset uns dessen und eiffrigen gebeths vor die sa- che des HErrn/ an allen orthen befleissen und damit treulich anhalten. Was in denjenigen beschreibungen der wiedergeburt/ justification und glaubens/ so ich se- tze desideri ret werde/ will ich gerne vernehmen/ und wo nachtruͤcklichers mir aus der Schrifft gezeiget wird/ annehmen. Jch bekenne gern daß ich nicht assequire, was dieses gemeinet seye/ es seye mehr deroselben effectus als essentia beschrie- ben. Jn dem ich sonsten/ diese beyde gern solicite unterscheide: Aber wohl weiß/ daß die definitiones rerum sehr schwehr/ und wie man schon in logicis lernet/ die meiste formæ nicht wohl ausgetruͤcket/ sondern durch vicarias differentias â pro- prietatibus, effectis und dergleichen muͤssen angedeutet werden: erwarte also hieruͤber nach freundlichen belieben weitere erleuterung; Solte es auch seyn/ daß bey solcher meiner beschreibung ich von keinen grund-gelehrten Lutheraner wider- spruch und verfolgung zu erwarten/ so haben wir ja auch diese nicht zu suchen (ob wohl auch nicht mit verlust der wahrheit zu fliehen) sondern/ vielmehr GOTT zudancken/ daß er seine wahrheit-krafft in mehr hertzen/ als wir etwa vorhin ge- dencken moͤgen/ versiegelt habe. Jndessen wirds nicht manglen/ daß die praxis die feindschafft der welt und derjenigen/ die die theori nicht verwerffen koͤnnen/ un- ter anderm gesuchten schein genugsam erfahren und nach sich ziehen wird. Und sihe ich nicht/ wie man sich vonder fleischlichen ausleger theil recht abzusondern/ einen an- dern tieffern grund bedoͤrffe/ als eben denjenigen/ der von rechtschaffenen Evange- lischen predigern biß daher aus Gottes wort ist gelegt worden. Dann was wol- ten wir mehr verlangen/ als daß alle auch in der praxi das jenige thaͤten/ worauff wir treiben? Jndem wir ja in unserer Evangelischen lehr dasjenige treiben/ was die Schrifft/ und also daß unstreitige goͤttliche wort/ treibet. Uber dieses sehe ich nicht/ daß wir gehen sollen oder doͤrffen. Daß der glaube den gantzen menschen wandle und wieder gebaͤhre/ welches Lutheri wort auch sind/ ist gantz wahr/ weil nichts an dem menschen ist/ darin nicht die krafft der wiedergeburt gespuͤhret werde/ nehmlich seel und leib/ verstand/ willen/ affecten und dergleichen. Damit wird der mensch ein gantz anderer mensch/ nicht das etwa nichts mehr von dem alten menschen an ihm uͤbrig/ sondern daß solche aͤnderung numehr in allen kraͤfften bey ihm die oberhand habe/ und nicht nur dieses oder jenes geaͤndert/ daß in dessen in an- dern ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. dern kraͤfften die herschafft der alten verderbnuͤß noch bliebe/ sondern die aͤnderung durch alles gegangen zu seyn gespuͤhret werde. So ist der jenige ein gantz anderer menschbey deme nichts gantz ohne zimliche aͤnderung geblieben. Uñ wird also dz fleisch nicht zum geist/ aber der vorhin gantz fleischliche mensch wird gantz geaͤndert/ daß er wahrhafftig geistlich ist/ ob er wohl das fleisch noch eine zeitlang an sich leiden muß; Also finde ich/ wo wir die einfalt der Schrifft belieben/ daß die vorgeschlagene orth sich wol lassen conciliiren, und dazu keine weitgesuchte glossen noͤthig sind/ son- dern eine fleißige beobachtung des texts selbst. Ein guter baum kan nicht arge fruͤchte bringcn/ noch eine gote quellboͤses wasser quellen. Aber wo Pau- lus Rom. 7. zeigt/ daß noch 2. propria in ihm sind/ die inwohnende suͤnde/ und der an dem gesetz GOttes seine lust habende inwendige mensch. So sind dieses fruͤchte allezeit ihrem baum gemaͤß/ und in sich gut: Jene aber arthen nach der arth des wilden baums/ darans sie gekommen. Wie etwa das gleich- nuͤß eines wilden und saure fruͤchten tragenden baums zeigen moͤchte/ da desselben aͤste abgeworffen/ und gute reißer auffgeproffet werden/ aber wiederum hier und dar/ wie es mehr mahlen zu geschehen pfleget/ neue außstoͤsse aus dem wilden stam- me außbrechen/ welche so wohl ihrer arth fruͤchte zutragen treiben/ auch wo sie nicht in zeiten wiederum abgebrochen/ wuͤrcklich tragen/ als die eingeproffte guͤthe reisser. Und also traͤgt an solchem einem baum jegliches das jenige so seiner arth ist: Eines aber prædominiret/ und entziehet endlich dem andern allen safft. Wird auch nachmahl das gantze billich nach dem staͤrckesten/ und die oberhand habenden theil genennet; Also sind wir fleischlich oder geistlich/ nach dem fleisch oder geist die oberhand hat. Der orth. 1. Joh. 3/ 9. 10. wird auch so schwehr nicht seyn/ wo wir aus gegenhaltung 1. Joh. 1. 8. verstehen lernen/ was der liebste Apostel suͤn- de haben/ und suͤnde thun heisse. Gehets mit vergleichung der orth Rom. 3/ 28. Jacobus 2/ 24. schwerer her/ so last uns gedencken/ daß es den worten nach zwischen Jacobo und Paulo oder Mose eine gantz eigentliche contradiction seye/ daher nothwendig in einigem wort von der gantzen emphasi desselben abgewi- chen/ das ist/ es nicht so starck getrieben werden muß. Und wird alsdann so un- gereimt nicht seyn/ daß wir bey Jacobo das rechtfertigen vor das zeugnuͤß der gerechtigkeit/ oder rechtfertigen vor menschen verstehen. Wie der gantze context uns klar genug dahin weiset. Was nun die immediatas prophetas betrifft/ so bekenne erstlich/ daß ich unsers geliebten freundes meinung noch nicht voͤllig asse- quire. Jn dem einen schreiben schien die meinung diese zu seyn/ daß aus derselben/ so viel man finden koͤnte/ welche zeit des Neuen Testaments darvor erkant werden moͤgten/ Schrifften zu sammen zuziehen waͤre/ worinnen sie die kirche gestraffet/ und die besserungs mittel vorgeschlagen: in den andern brieffen scheinets fast/ daß einige der gleichen immediate illuminati prophetæ zuerwarten oder zu suchen/ und nach- G g mahl Das sechste Capitel. mahl ihren rath schlechter dings zu folgen seye. Waͤre die erste absicht/ so beken- ne ich gern/ daß mirs eine freude seyn wuͤrde der gleichen arbeit zu sehen/ wo ein verstaͤndiger Christlicher mann sie uͤbernehmen und absolvi ren wuͤrde/ aus aller der jenigen/ welche er vor unmittelbahr erleuchtete achtet/ oder nur einiger vorgeben und vermuthen daran waͤre/ Schrifften/ so viel man hat/ alles das jenige aus zu- ziehen/ was hierher gehoͤrte. Zweiffle auch nicht/ es wuͤrde solche arbeit nicht oh- ne nutzen seyn koͤnnen; Daß aber ein solch grosses davon zu hoffen/ und dieses das zulaͤnglichste mittel solte seyn der allgemeinen besserung/ kan ich noch zu der zeit nicht erkennen. Denn 1. wird der groͤste streit seyn/ welche man vor solche leuthe erken- nen solte; Es werden die Papisten nimmermehr einigen darvor erkennen/ welcher ausser ihrer kirchen gelebet. Den andern wirds auch nicht gefallen/ alle die jenige darzu anzunehmen/ welche jene darvor achten moͤgẽ. So wird man Paͤpstischer seitẽ auch selbst derjenigẽ/ welche sie canonisiret haben scripta nicht anders annehmen/ als cum submissione sub judicium Ecclesiæ. Nun wo dieses bleibet/ u. also die ge- genwaͤrtige Roͤmische kirch die macht behaͤlt/ nach beliebẽ davon zu entscheidẽ ist leicht zu ermessen/ was außzurichten. Jch sehe auch nicht/ aus was vor canonici renden gruͤnden wir heut zu tag uns versichern koͤnnen/ von den jenigen/ die vor uns gele- bet/ daß sie unmittelbahr erleuchtet gewesen. Die historien sind betruͤglich/ die sa- che allzuwichtig. 2. Wo wir auch von einigen personen gewiß waͤren/ daß sie zu einigen mahlen prophetische inspirationes gehabt/ und dergleichen geredet oder geschrieben/ wo einige characteres του῀ Θέιου sich darinnen finden/ wuͤrde damit noch nicht ausgemacht seyn/ daß alle der Schrifften Θεοπνέυστα zu halten/ hingegen un- ter den vielen scriptis die jenige ohnfehlbar auszuwehlen/ die sie aus goͤttlichen Geist geschrieben/ oder wo nur allein der mensch gewircket/ so wird schwer werdẽ/ das man es vielmehr vor unmuͤglich zu halten haͤtte. Zu geschweigen anderer mehr difficult aͤten die sich bey solchen vorschlag/ wo er practiciret/ und ein solches werck der gesamten Christenheit vorgeschlagen werden solte/ ereignen wuͤr den. Jndes- sen verlangte ich selbst dergleichen zu sehen/ und moͤchte etwa/ wo es unter anderer absicht oder vorwand heraus kaͤhme/ daß es nicht schiene proimperio und necessi- tate der Christenheit obtrudiret zu werden/ einen stattlichen effect auffs wenig- ste bey ihrer vielen haben/ wo sie solche dinge mit den geschriebenen goͤttlichen wort conferi rende eine schoͤne harmonie antreffen moͤchten; waͤre aber sache/ daß das andere gemeint wuͤrde/ nemlich einige lebendige ohnmittelbahr erleuchtete anzuneh- men/ oder zu erwarten/ so wuͤrde allein daruͤber der streit seyn/ woran/ oder wie wir solche leuthe ohne gefahr des betrugs erkennen koͤnten. Wie dann einmahl in solcher so wichtigsten und die gantze kirche betreffenden sachen/ es nicht bey einem proba blen argument bleiben/ sondern man solche gruͤnde haben muͤste/ daß ein mensch/ deme es an seiner seligkeit gelegen/ und also willig ist/ was GOTTes wille seye/ ARTIC . I. DIST. II. SECT . XXVIII. seye/ zu erkennen/ hingegen auch vorsichtig sich huͤten wil/ daß er nicht betrogen werde/ in seinem gewissen zu acquiesciren vermoͤge: Wo es wahrhafftig staͤrcke- re erweißthum seyn muͤssen/ als sich etwa jemand von denen prætendi rten ohn- mittelbahr-erleuchteten legitimiren wuͤrde koͤnnen. Die frage selbst belangend von der unmittelbahren erleuchtung und dem dono prophetico, achte ich/ seye noch ein zimlicher unterschied zu machen von dem: Ob noch heut zu tag und insgesamt/ nach der Apostel zeiten einige personen gewesen seyen/ und noch seyn moͤchten/ so zu weilen einige stricturas luminis prophetici gehabt/ wel- chen GOtt auff unterschiedliche arth dieses oder jeues ohne nuttel moͤgte offenb ahret haben; und unter einer andern/ ob nach der Apostel zeiten/ wir einige lehrer zu erwarten haben/ welche solche Θεοπνέυστοι gewesen/ daß al- le ihre reden und schrifften als aus goͤttlichem munde antzunehmen gewesen/ gleich wie bey den Aposteln geschehen. Daß man versichert seyn koͤnte/ was solcher mann rede/ seye das gewisse wort des HERRN/ so er durch ihn rede? Was die erste frage anlangt/ hoffe ich/ werden mit mir alle modera- ti Theologi einstimmen/ daß wir nicht laͤugnen duͤrffen/ das nicht nur GOTT muͤglich seye/ der gleichen annoch zu thun/ als dessen macht allzeit gleich/ sondern daß es auch von zeit zu zeiten allemahl solche leuthe gegeben/ in denen prophetische gaben erkant worden. Und erinnere ich mich gern/ was Micrælius syntag. Hist. Eccles. (so ich in meiner jugend gelesen) bey allen periodis Ecclesiæ erzehlet biß auff Lutherum, was in solchen vor leuthe gewesen/ qui claruerint prophetico, lumine. als L. 2. s. 1. q. 33. s. 2. q. 32. L. 3. s. 1. n. 23. So werden auch von un- serm lieben Luthero einige prophetica angemercket/ daß hieruͤber vielleicht nicht so grosser streit seyn doͤrffte. Aber was die andere frag anlangt/ wuͤrde ich solche nicht bejahen koͤnnen/ als der ich von zeiten der Apostel mich keines wahren lehrers zu erinnern wuͤste/ welcher sich auch nur davor ausgegeben haͤtte/ daß er ein solcher ohnmittelbahrer erleuchteter waͤre/ deme vi suæ missionis in allen dingen beyfall gegeben/ und sein wort sicherlich angenommen werden muͤste: Sondern alle ha- ben sich entweder auff die Schrifft/ oder auff die kirch beruffen. Dann was die heutige Antoniam Bourignon anlangt/ so darvor will angesehen seyn/ ob ich sie wol nicht richten will/ macht sie sich gleichwol mit dieser assertion allzuverdaͤchtig; Was die einwuͤrffe und antwort auff dieselbe antrifft/ laß ich sie suoloco beru- hen. Und wuͤrde ich solche einwuͤrffe nicht gebrauchen/ als deren etliche schlech- ter dings auff falschen hypothesibus bestehen/ und ich/ wo sonsten die sache ge- wiß/ nicht getrauete/ gegen etwas/ was auch nur goͤttlich scheinet/ die autoritaͤt der kirchen/ oder vorigen lehrer zu gebrauchen/ es muͤste nemlich verworffen werden/ was diese nicht erkant haͤtten. Dann niemahl die lehre nicht von der kirchen/ son- dern diese von der lehre/ die lehre aber allein aus GOttes wort ihre autorit eaͤt und G g 2 zeug- Das sechste Capitel. zeugnuͤß haben muß. Aber ich halte gleichwol/ daß die in den antworten fuͤhren- de fundamenta, nicht mehr als was ich in bejahung der ersten frag zu gebe/ nicht aber auch die andere frag ausmachen. Womit auff das dritte stuͤck gehe/ betref- fend Jac. Boͤhmen sachen/ da die angefuͤhrte ursachen/ warũ der mann moͤge eine von andern nicht gebrauchte schreib-arth ihm gefallen haben lassen/ conjecturæ sind/ welche weder auff ein noch anderer seite die sache ausmachen/ sondern in ihrer ungewißheit stehen bleiben/ auffs wenigste die jenige nicht convinci re/ welche ihn nicht bloß dahin/ verwerffen/ aber mit ihrem urtheil anstehen/ und also selbst ungewiß sind. Dieses sind die jenige dinge/ so auff die in seinem brieff an mich ent- haltenen puncten zu antworten noͤthig gefunden/ und mit gleicher liebreicher wohl- meinenheit auffgenommen zu werden hoffe/ wie es von mir in solcher einfalt mei- nes hertzens geschrieben wird. Jch verlange je in allen nichts als die wahrheit mehr und mehr zu erkennen/ und wo mein GOtt mich solte erkennen lassen/ mit deroselben mitheilung auch meinen bruͤdern zu dienen. Mit welchem hertzen ich auch unsers geliebten freundes an ihn gethanes schreiben durchgehen will. So ge- stehe nun gern das einer wahrheit nicht mit grund entgegen gesetzt werden koͤnne/ daß sie nicht zu allen zeiten erkannt/ und bin bereit/ wo mir eine solche aus der Schrifft dermassen dargethan werden kan/ daß ich in meiner seelen derselben ver- sichert bin/ dieselbe also bald willig anzunehmen/ ob sie auch schon von vielen secu- lis niemand erkant haͤtte. Denn es ist eine grosse goͤttliche weißheit auch in deme/ das GOTT nach nothdurfft jeglicher zeit auch das maaß der gnade/ liechtes/ und Geistes giebet/ und eben damit zeiget/ sein wort seye eine unerschoͤpffte qvelle/ aus dero noch immer mehr quellen kan/ was allzeit darinnen gewesen/ aber nicht aus- gebrochen. Daniels Schrifften sind versiegelt/ es ist aber eine zeit/ da viele druͤ- ber kommen und grossen verstand suchen und finden werden/ den andere nicht er- kant/ noch vor der zeit zu erkennen vermocht haben. Was also die vergleichung der Schrifften der jenigen anlangt/ so mit Luthero gelebt/ und der heutigen: So gestehe ich gern/ daß nicht alle heutige den alten nach zusetzen; aber wo man die heu- tigen Schrifften der meisten ansiehet/ wirds wahr bleiben/ daß sie an dem Geist un- terschiedlich der alten nicht gleichen. Sondern eine durchtringerende krafft bey jener einfalt geweßen/ als bey der unsrigen verkuͤnstelten krausen schreibarth. Jn- dessen lasse ich gelten/ daß wir zu unserer zeit durch GOttes gnade leuthe gehabt/ dero Schrifften in des Geistes krafft durchtringend sind/ zum exempel Arnd/ Luͤt- kemann/ Muͤller ꝛc. von dem Articul der rechtfertigung wuͤste ich gewißlich nicht/ wie demuͤthiger davon geredet werden koͤnne/ sondern verlangte selbsten zusehen/ wo jemand sich dessen unternehmen wolte/ wie doch solches geschehen moͤgte. Daß der glaub nur à posteriori beschrieben werde/ sehe auch nicht/ wie mit bestand gesagt werden koͤnne/ sondern es werden ja eben so wol die ursachen des glaubens/ und des- sen ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO XXVIII. sen wesen als wuͤrckung von unsern lehrern deutlich beschrieben: Oder verstehe ich nicht/ was solches â priori seyn solle. Jch kan ferner nicht erkennen/ woran es mangeln solte/ daß man nicht der ketzerey der jenigen/ welche die lehr von der recht- fertigung mißbrauchen/ mit genug amen grund widerstehen koͤnne: Jn dem ja dieses genug ist/ wo augenscheinlich dargethan wird/ daß aller glaube/ der nicht die rechte innerliche heiligkeit wircket/ ein todter glaube/ und also nicht seligmachen- der/ sondern der hoͤchste schimpff Gott/ Christo/ seinem verdienst/ und unser lehr ange- than/ heißewo man einen solchẽ blossen menschlichẽ wahn vor den glauben gehalten ha ben will. Jch sehe nicht/ wie einige ohnerroͤthet solchen satz widersprechen koͤnnen/ dessen er wie aus der Schrifft versichert/ also auch aus unsern Libris Symbolicis, dazu verbunden ist. Sagt man/ ja es sey aber gleichwol nach dem zeugnuͤß der er- fahrung noch nicht damit ausgerichtet worden/ daß nicht das gottlose leben noch im- merfort continuiret worden. So antworte/ das gnugsam seye/ daß die lehre gleichwol solche frevele uͤbelthaͤter in ihrem gewissen uͤber zeuge/ und sie unentschuld- bahr mache. Mehr hat unser liebe Heyland und so viel seiner Apostel bey vielen auch nicht ausgerichtet/ als das wort/ so vor sich ein wort des lebens zum leben ist/ einigen ein wort des todes zum todt worden. So werden wir also keine goͤttliche wahrheit finden/ welche alle boͤse gewiß bekehrte/ und solten wir etwa andere lehr- arth auffbringen/ welche auffs wenigste in der redens-arth von der unsrigen/ ab- wiche/ solte dadurch so gar nicht mehr als durch die itzige ausgerichtet werden/ daß vielmehr welche ungern an die praxin wollen/ wuͤrden darvor halten/ daß sie ei- ne rechtmaͤßige ursach haͤtten derselben zu widersprechen/ wo sie auch an der lehr selbst mangel zu finden meinten/ zu einer so viel scheinbahrern entschuldigung ihrer boß- heit. Die hauptsache wegen der ohn mittelb ahren erleuchtung betreffend/ ha- be oben meine gedancken angedeutet/ und bringen die angefuͤgrte rationes nicht mehr/ als das einige dona prophetica bey der kirchen bleiben/ versichern uns aber nicht solcher leuthe/ denen wir folglich in allem zu glauben schuldig waͤren. Das groͤssere gefahr bey den ordinariis als extraordinariis, begreiffe ich nicht/ wol aber das jene gefahr gemeiner/ weilen der jenigen/ die sich solcher erleuchtung geruͤhmet/ weniger gewesen sind. Meinen satz meine ich damit genugsam kund zu thun/ weil die ordinarii entweder die leuth auff sich/ und eigene authorit aͤt/ oder auff die Schrifft/ weisen: Thun sie jenes/ so machen sie sich zu offenbahren Anti- Christen/ und sind nicht darinnen zuhoͤren. Thun sie dieses/ so mag einen gottse- ligen/ und vorsichtigen Christen nichts hindern/ ob auch in einigen dingen sein leh- rer unrecht lehrete/ als der sich gewehnet hat/ nichts anders und weiters seinem Prediger zu glauben/ als was ihm derselbe so deutlich aus GOttes wort erwiessen/ dz er in seiner seelen dessen uͤberzeugt seye/ daß es in der Schrifft u. alse Gottes willen und wort seye? Daher wie boͤß der lehrer ist/ so ist doch bey denjenigen/ welche sich G g 3 vor- Das sechste Capitel. vorsehen wollen/ die genugsame verwahrung/ daß sie sich schlechterdings an die Schrifft halten; laͤsset sich uͤber dieses einer verfuͤhren/ so ists blosser dings seine ei- gene schuld. Hingegen wo ein extraordinarius einmahl einschleichet/ daß der teuffel sich in ihm in einen engel des liechts verstellet hat/ so ist bey allen den jenigen welche ihn darvor erkennen/ alles mittel benommen/ sich der verfuͤhrung zuerweh- ren. Dann krafft dessen/ wovor sie ihn erkennen/ muͤssen sie alles glauben/ was er ihnen in GOttes nahmen vortraͤgt. Man gedencke/ was in vergangenem se- culo bey dem anfang der reformation in der Muͤntzerischen sache und mit den Wiedertaͤuffern/ noch vielmehr aber/ was biß dahero und annoch bey den Qua- ckern/ vorgegangen/ und noch vorgehet/ so wird man ursach genug finden/ zu er- kennen/ wie gefaͤhrlich es seye/ einem glauben zu zu stellen/ der sich vor einen ohn- mittelbahrem gesandten außgiebt. Auffs wenigste muͤssen seine proben und chara- cteres sonnen klar seyn/ und waͤre doch noch behutsam zugehen. So bleibe auch noch dabey/ daß mir solche immediate submissi gar nicht bekant: Werde ich a- ber auff Hohburgs Schrifften gewießen/ so weiß ich nicht/ wie ichs verstehen sol- le/ ob die meynung seye/ daß derselbe fromme lehrer selbs als ein solcher erkant/ oder an seinen Schrifften andere bemercket werden muͤsten/ welche solche gewest. Waͤ- re das erste/ so waͤre mir nimmer in die gedancken kommen/ ihn also einen solchen anzusehen. Jch liebe seine sachen hertzlich/ und dancke ihm nicht wenige auffmun- terung/ so ich aus ihme geschoͤpffet; Aber als einen ohnmittelbahren erleuchteten liesse ich ihn mir so wenig aufftringen/ als wenig ich mich von andern noͤthigen lies- se/ ihn zuverdammen. Er gibt sich selbst meines wissens da r vor auch nicht aus: Da doch sonsten insgemein solche leuthe/ wie auch billig ist/ sich darauff/ was sie seyen/ beruffen haben. So habe keine sonderbahre characteres eines solchen Θεωπνέυσεως bey ihme gefunden: Ja halte darvor/ daß ich ihm nicht unrecht thu/ woich bekenne/ daß an mehrern orthen sich einiges menschliches/ wo man ihn nicht eben loben kan/ mit untergelauffen. So zwar nicht macht/ daß ich deßwegen al- les das seinige vor vergifftet achten soll/ aber doch ists genug/ zu zeigen/ daß er kein solcher Prophet gewesen/ der alles aus eingeben des heiligen Geistes gelehret haͤtte. Solte aber das andere gemeint seyn/ weiß ich mich nicht zu erinnern/ ob er anderer Propheten gedencket/ ohne das er meines behalts Cotterii Poniatoviæ und Dra- bicii gedencken mag/ aber eben dieses letztere/ so in seinem Regenspurgischen Herold geschehen seyn wird/ macht mir die sach noch schwehrer/ in dem er da- mit billichte die propheceyung eines manns/ von dem ich berichtet/ daß er vor sei- nem supplicio selbst den betrug bekant habe/ und ohne das dieselbe also bewant/ daß weil sie austruͤcklich zur rebellion antrieben/ auch durch den event widerle- get und falsch gemacht worden seynd/ von Christi Geist nicht haben kommen koͤn- nen. Daß also worinnen/ der sonst liebe Hohburg aus andern einen Propheten haͤt- ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. haͤtte abgeben wollen/ solches nicht zum besten abgegangen waͤre. Daher bezeu- ge noch mahl/ daß ich von keinem solchen auff die stunde weiß. Antoinette Bouri- gnon habe oben bereits gedacht. Was die wiedergeburt anlangt/ ob jemand den grund der wiedergeburth gewaltiger erklaͤret/ als der selige Arndt verstanden/ ist mir nicht nur nicht wissend/ sondern wird mir etwas schwer zu begreiffen/ in dem ich solchen theuren mann vor ein solches werckzeug GOttes gehalten/ welcher die noth wendige stuͤck goͤttlichen raths von unserer seligkeit/ dahin die wiedergeburth auch gehoͤret/ zur gnuͤge und also verstanden/ daß er auch andere davon unterrich- ten koͤnnen: Es werde dann geredet von etwa einigem klahrern liecht in gewissen umstaͤnnen/ so nicht eben zu der sache selbst gehoͤrig. Wo aber gleich wol fleißig zu untersuchen waͤre/ ob das jenige klaͤhrere/ so vor gegeben wuͤrde/ auch warhafftig mit dem ohnsehlbahren wort GOttes uͤbereinkomme/ und also wahres liecht sey/ o- der uns von demselben allein abfuͤhren wolte. Er kommet nachmahl auff Babel: Aber bekenne/ daß mir durchaus kein satisfaction geschiehet; Dann die frage ist nicht/ ob auff einigerley weise das wort Babel auff unsere kirche moͤgte appli- ciret werden/ sondern ob es die Babel seye/ welche in der Schrifft von dem heili- gen Geist unter solchem nahmen genennet wird. Dann ich sehe/ wo erstlich der nahme Babel unserer kirche gegeben wird/ so entstehen nachmahl die weitere fol- gen/ daß aus solchem Babel auszugehen/ und was dergleichen mehr ist. Daher laͤst sichs in einer solchen dergleichen grosses nach sich zihenden materie nicht mit einem argument ausmachen/ so aus der blossen etymologia genommen/ als wel- che auch sonsten vor gar schwach gehalten werden/ und zuhalten sind. Jerusalem war zu den zeiten Jeremiaͤ in gar verwirreten stande/ und die kirche so schlim̃/ als sie jetzo seyn mag/ es wird auch derselben ihr schwehres gericht angetrohet. Aber sie heisset darum nicht Babel. Also nach dem der heilige Geist Apoc. 17. mit so austruͤcklichen determinationen das Babel bezeichnet/ so sehe ich nicht/ wie wir erlaubnuͤß haben/ solches weiter zu extendi ren/ zu den jenigen/ welche offentlich der jenige regierung entgegen stehen/ die der heilige Geist mit selbigem nahmen be- zeichnet. Jst auch eine sache/ daran etwa mehr gelegen/ als man meinen solte/ und wuͤrde ich dem jenigen hertzlich dancken/ der mir hierinnen satisfaction aus der heiligen Schrifft/ und nicht andern menschlichen vermuthungen/ thaͤte. Wie ich hingegen sorge trage/ daß dieselbe consusion / wo wir/ was die Schrifft von einander distingviret / unter einander mengen/ viele ungleiche dinge und folgen nach sich ziehen kan/ dero wir uns schuldig machen/ wo wir unbedachtsam uͤber das jenige schreiten/ worinne der heilige Geist uns schrancken gesetzet hat. Es hat das volck GOttes nicht nur Babel zu feinden gehabt/ sondern noch andere meh- rere/ die Syrer/ Assyrer/ Philister und dergleichen. Es haben aber nicht alle den nahmen Babel gehabt. Also daß auch die feinde der kirchen/ die ausser derselben sind/ Das sechste Capitel. sind/ nicht eben Babel heissen muͤssen/ so vielweniger die jenige/ die nicht ausser der- selben eusserlichen gemeinschafft/ sondern inner derselben. Das letzte betrifft wiederum Jacob Boͤhmen Schrifften/ woich nicht nur gewissens halben bey meiner vorigen ἐποχῇ bleiben muß/ sondern auch nicht sehe/ wie mir ein mehrers zugemuthet werden moͤge; Jch habe neulich solches in einer antwoꝛt an einen gu- ten freund auff etzliche fragen aus demselben mit mehrerem/ und also verhoffent- li c h außgefuͤhret/ daß er damit zu frieden seyn werde. Die ursach daß ich ihn nicht verstehe/ ist keine gesuchte außflucht/ sondern die warheit aus hertzens grund. Jch habe vordem ein zimlich theil seines buͤchleins de 3. principiis gelesen/ so dann auch von wahrer buß/ ich habe aber/ so ich mit wahrheit zeugen kan/ nach dem ichs ge- lesen hatte/ nicht recht gewust/ was ich gelesen habe; Jch fande nicht eigentlich/ ob er mit der jenigen wahrheit uͤber einkaͤhme/ die ich sonsten aus der Schrifft gefasset/ oder ob er derselben widerspreche. Jn etlichen kam mirs vor/ das er davon abgin- ge/ jedoch sahe ich nicht recht/ ob ich den sinn des mannes gantz assequiret / oder nicht? Deswegen ich auch solches buͤchlein aus der hand geleget/ und nicht absolviret / noch weiter in andern seinen Schrifften zu lesen mich bemuͤhet habe; ohne allein daß auch in dem mysterio magno einmahl eingesehen/ aber so balden solche diffi- cultet auch gefunden. Was will mich dann obligiren uͤber eines mannes Schriff- ten zu sitzen/ worin ich so kuͤmmerlich nur etwas verstehe/ und doch weil ich nicht weiß/ ob ich den gebrauch seiner terminorum recht fasse/ nach langer arbeit unge- wiß waͤre/ ob ich ihn auch recht gefast? Da ich die liebe Schrifft und so viel liebe andere buͤcher habe/ worinnen ich ohne solches kopffbrechens den sinn derselben so deutlich vor augen habe. Um so vielmehr/ nachdem aus unterschiedlichen ursachen er mir auffs wenigste etwas verdaͤchtig/ daß ich also nicht weiß/ ob mir mein ange- wendete muͤhe endlich mit einer erbauung werde ersetzt werden. Da doch/ wo ich auch viel gutes darinnen zu seyn wuͤste/ ich doch auch andere ohnverdaͤchtige buͤcher/ die ihre sachen etwas schwer vortragen/ bey seit lege/ als lang ich die verlangte er- bauung in den leichtern haben kan. Jch erkenne die Schrifft freylich vor eine voll- kommene normam veri et falsi. Hoffte auch/ wo es eine nothwendigkeit waͤre/ die muͤhe anzuwenden/ auch in dieses mañes Schrifften vieles zu erkeñen/ obs wahr oder falsch/ wo es nur erstlich in solche propositiones resolviret waͤre/ die ich ohn- zweiffelig verstuͤnde. Wie ich aber/ was mir in einer fremden sprach vorgelegt wird/ nicht pruͤffen kan/ weil ich es nicht verstehe/ also ists nicht viel anders/ wo et- was zwar in einer bekanten sprach/ aber mit solchen terminis und stylo, abgefasset ist/ daß ich des verstandes nicht sicher bin: Wie mirs in dem tractat de trib is principiis begegnet ist. So kans auch wol seyn/ ob schon die Schrifft die perse- cta norma aller warheit ist/ daß ich vieles auch in deroselben/ so uͤber das maß der gaben so mir gegeben gehet/ nicht genugsam verstehe/ welches von mir zu bekennen/ ich ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. ich mir nicht eine schande seyn achte/ und dahero eines mannes scripta in haltung gegen solche stellen/ nicht dermassen unterscheiden kan/ daß ich mich nicht auff einer oder andern seite eines vermessenen urtheils besorgen muͤste. Also mag solcher Boͤhme auch nach der Schrifft/ und muß nach derselben untersucht und gepruͤfft werden/ aber von denen welche ihn verstchen/ und sonderlich/ welche in natuͤrlichen dingen eine mehrere erkaͤntnuͤß haben/ die so wol in der Schrifft enthalten/ als aus der erfahrung erlernet werden/ als ich bey mir finde. Denn so viel habe ich wol abgemerckt/ daß solche wissenschafft in zimlichem grad erfordert werde/ ihn zuver- stehen und zu beurtheilen. Hieraus hoffe ich gleichwohl nicht/ daß nnverletzt der liebe sich folgern lasse: Daß ein solcher mensch nicht muͤsse Christisinn/ Geist/ sal- bung haben/ seine stimme nicht kennen/ weil er sie von fremden zu unterscheiden nicht vermoͤge/ daher zweiffelhafftig seye/ ob er Christum angehoͤre; Warum wol- te ich so hart urtheilen von einem/ der sich seines Heylands stimme/ wie sie in der Schrifft lautet/ daß ihm gleich aller ander thon/ der demselben nicht gantz gleich lautet/ sorglich ist/ daß er ihn zwar nicht gaͤntzlich verwerffen will/ aber nicht trauet/ sie vor die stimme seines Hirten anzunehmen? Ja gesetzt/ es waͤre auch solches Christi stimme/ hielte ich darvor so wenig die juͤnger darin straͤfflich waren/ daß sie den HERREN nicht erkanten/ als er ihnen in fremder gestalt erschiene/ noch insgemein aus demselben beschuldiget werden konten/ daß sie ihren HERRN nicht kenneten/ so wenig koͤnte auch Christ oder lehrer hart angesehen werden/ wo er ei- nen gantz ungewoͤhnlichen thon nicht erkennete vor die stimme seines hirten. Jch dancke meinem Heylande daß er mich durch seinem Geist die gnade/ und in denen stuͤcken/ so zu meiner und meiner anvertrauten zuhoͤrer seligkeit nothwendig seynd/ zu erkennen gegeben hat seine stimme/ daß ich sie zu unterscheiden vermag von der stimme der verfuͤhrer/ ob ich wohl von einigen stimmen/ die ich nicht kenne/ zu ur- theilen nicht vermag: Auch niemanden meiner zuhoͤrer weiß/ welcher auff die- selbe acht gebe/ und wo ich es wissen solte/ mich in meinem gewissen sicher achtete/ wo ichsie erinnerte/ sie moͤchten bey dem jenigen wort bleiben/ was unstrittig ihres Hey- landes seye/ und anderes der verantwortung andern uͤberlassen. Also bleibe ich in meiner einfalt/ und meide hohe speculationes so viel ich kan/ suche hingegen in wahren glauben meinen Heyland/ erkaͤntnuͤß seiner in der Schrifft uns vor g eleg- ter theuren wolthaten/ und gehorsam seiner geboth/ in reinigung meiner selbst und taͤglicher erneuerung nach der gnade die mir gegeben/ fortzufahren/ und meinen zu- hoͤrern vornemlich nichts anders/ als JESUM den gecreutzigten und aufferstan- denen/ durch dessen todt sie der suͤnden absterben/ und aus krafft seiner aufferstehung ein neues leben fuͤhren muͤßten/ predige. Von diesen weg weiß ich/ daß die war- heit selbst mir ihn zeiget/ und auff dem/ wo wir acht auff uns selbst geben/ nicht ge- irret werden kan. So ists auch der weg/ auff dem der HErr/ wie er versprochen H h hat/ Das sechste Capitel. hat/ denen die seine gebot haben und halten/ zu uns kommen/ und sich uns ferner so viel offenbahren wird/ als unser heyl erfordert; Dabey weiß ich/ bin ich auff kei- nen menschen gewiesen: Finde ich einige buͤcher/ die mit solcher warheit meines Heylandes/ als viel ich verstehe/ uͤbereinkommen/ so gebrauche ich mich derselben so gut ich kan. An keine andere/ ja insgesamt an keine andere menschen-buͤcher/ sie heissen wie sie wollen/ bin ich gewiesen. Will deswegen zwar nichts verwerffen/ wovon noch zweiffel seyn kan/ weil ich mich damit leicht verstossen koͤnte/ aber/ ohne einige sorge damit unrecht zu thun/ mich lieber aller menschlichen Schrifften enthal- ten/ als billich und vor goͤttlich erkennen/ dessen keine genugsame kennzeichen habe. Nun der HERR heilige uns in seiner wahrheit. ꝛc. 1678. m. Maj. SECTIO XXIX. H eßisches ausschreiben. U mstossung ei- gner principiorum. W As das Heßen Darmstaͤttische ausschreiben anlanget/ haben sich auch mehrere gute leuthe daruͤber verwundert; Sie ruͤhmen gleich- wohl/ daß viel nutzliches erbauliches und Christliches in solchen absonder- lichen versamlungen moͤge angerichtet/ und ausgerichtet werden/ trauen auch nicht schlechter dings zu verbiethen/ daß niemand darvor etwas schreiben/ sondern lassen es dabey bewenden/ das niemand darvor oder dargegen etwas schreibe: da doch dieses nicht verbothen werden solte/ wo die sach von solcher gefahr waͤre. Wei- len sie aber nichts als eine eingebildete gefahr der sach entgegen zuhalten vermoͤgen (denn was die frage betrifft/ ob solche uͤbung der einsetzung und ordnung Christi gemaͤß/ so denn auch außer der zeiten der verfolgung/ und nach dem Apostolischen seculo, in uͤbung gewesen/ so sie nicht zu stehen wollen/ wird auff den bedoͤrfftigen fall gar einanders dargethan werden moͤgen) so bewegt mich solches argument gar nicht; Denn es kein anders als welches allezeit und noch die Papisten der pro- miscuæ lectioni der heiligen Schrifft/ so sie allen Christen freygelassen wird/ entgegen zu halten gepfleget und pflegen. So wenig wir nun solches argument, den widersachern gelten lassen gegen einer dem goͤttlichen willen gemaͤssen/ nuͤtzli- chen und noͤthiaen sache/ sondern lehren/ man solte der besorgenden gefahr mit an- derer vorsichtigkeit begegnen/ so wenig wird es auch gegen diese sache außrichten. Wir wollen dann bey einem recht seyn lassen/ was wir in gleichen terminis an- dern nicht gestatten. Wie ich mich offt verwundert/ daß bey einer zeithero etzliche unserer Theologorum geschienen in meiner sache beynahen von den unsern weiß ins gemein beliebten principiis, von der auch den einfaͤltigsten verstaͤndlichen klar- heit ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXX. heit der Schrifft/ von autori taͤt der menschen in auslegung der Schrifft/ von guͤl- tigkeit und nothwendigkeit der glossen, und dergleichen abzugehen: Welches unsern widersachern/ wo es kund wuͤrde/ nicht nur eine sreude machen/ sondern neu- es schwerd gegen uns hinwiederum zu gebrauchen in die hand geben doͤrffte. Wo wir beysammen waͤren/ wuͤrde eines und anders vertraulicher davon melden koͤn- nen. Was in uͤbrigen die ursach solches ausschreibens anlangt/ ist das tract aͤt- lein des Christlichen juristen Herrn Kriegsmanns/ und das ein vornehmer The- ologus, so in dem Fuͤrstenthum das meinste vermag/ in demselben einige passus als gerade gegen sich gerichtet empfunden/ und darauff dieses ausschreiben zuwe- gen gebracht hat; Der HERR HERR reinige unser aller hertzen jemehr und mehr/ daß wir in allem/ sonderlich aber in seiner sach/ alle eigene privat - und fleischliche absichten bey seits legen/ und allezeit nur darauff sehen moͤgen/ wie sein nahme in allem gepriesen/ und seiner kirchen bestes am kraͤfftigsten befoͤrdert werde. Werden wir solch gemuͤther haben/ so wirds alles wol stehen. den 6. Maji. 1678. SECTIO XXX. G rosse bewegung der hertzen im verlangen nach der besserung. Hoffnung daraus. Weniger anfang/ der bereits gemacht. Geistliche Priesterthum. Vertrau- en zu den Wirtenbergischen Theologis. D Je freude/ welche derselbe in seinem freundlich an mich abgegebenen uͤber mein Geistlich Priesterthum und sendschreiben bezeuget/ ist nicht gerin- ger bey mir entstanden aus lesung seines geliebten brieffes. Gelobet sey der grosse GOtt/ der immer mehr und mehrere erwecket/ welche den schaden Jo- sephs bejammern/ die fehler der kirchen erkennen/ derselben besserung verlangen/ GOTT darum mit angelegenlichem flehen anruffen/ und der versprochenen huͤlffe erwarten: auch gnade giebt/ daß solche allgemach mehr und mehr unterein- ander bekant worden/ auff daß sie sich unter einander moͤgen hertzlich freuen/ und sich in liebe so viel genauer mit einander vereinigen/ zur gemeinschafft des gebeths/ und damit ja einer den andern mit seiner gabe ferner erbaue und ermuntre. Jch schliesse auch nicht vergebens/ weil dergleichen von etzlichem jahren mehr und mehr geschiehet/ und unter geist- und weltlichen/ vornehmen/ und in der welt geringen/ gleichsam von tag zu tag aller orten ihrer mehreren sich theils offentlich theils in H h 2 ab- Das sechste Capitel. absonderlichen brieffen hervor thun/ und untereinander bekant machen. Es muͤs- se der himmlische Vater aufs neue Vaͤterliche gedancken uͤber seine kirchehaben/ und allgemach neue vorbereitungen machen wollen zur erfuͤllung seiner theuren verheissungen/ daß noch sein nahme herrlicher gepriesen/ und seine kirche in einen vortrefflichern/ heiligern und seligern stand gesetzet werden solle/ darinnen man sich nicht nur deꝛ wahren lehre ruͤhmen koͤnne/ sondern die herrliche krafft des Gei- stes in der Heiligung sich an ihr vor aller welt hervor thue. Ach der HERR las- se die zeit nahe seyn/ und erhoͤre die seufftzen so vieler tausendẽ/ die auff die erfuͤllung der vortrefflichen verheissungen mit sehnen warten; auch versichert sind/ ihre thraͤ- nen werden den jenigen bewegen/ der selbs sein Zion hertzlich liebet/ und sie noch herrlich machen wird. Dahin gehen alle meine desideria, alle meine einfaͤltige vorschlaͤge/ und so oͤffentliche als absonderlich thuende erinnerungen. Uber der- gleichen auffmunterungen sehe ich noch nicht/ daß sich das mir von GOTT anver- trauete pfund erstrecke: Denn was wuͤrcklich allhier durch GOttes gnade ange- fangen/ mit gottseliger gespraͤche anstalten in meiner haußuͤbung/ davon in den sendschreiben meldung gethan und andern dergleichen dingen/ ists ja noch ein ge- ringes/ gleichwol dancke ich auch dem geber alles guten vor dasselbe/ was er bißhe- ro gethan und mich unwuͤrdigen gewuͤrdiget eines seegens in solchen geringen co- natibus. Er fuͤhre aber seine sache selbs/ und zeige uns armen und unvermoͤgli- chen seinen werckzeugen in jeglichen/ was sein heiliger will an uns ist/ gebe uns als- dann krafft und muth/ dasselbige/ so er uns zeiget/ getrost zu wercke zu richten. So gehen wir in kindlicher einfalt/ da wir jedes tages das jenige thun/ was uns GOtt weiset/ dißmal unser amt zuseyn/ wartende was morgen und kuͤnfftig er uns weiter zeigen werde. An widerwertigkeiten mangelts nicht/ sondern laͤst uns GOTT auch diese probe des guten wiederfahren/ daß es von mehrern anstoß leiden muß. Die in dem send-schreiben beklagten calumnien waͤhren noch/ und hauffen sich fast/ ob wolte der teuffel die unschuld mit solchem anhalten muͤde machen oder unterdru- cken. Wegen meiner haußuͤbung hats neulich fast verlauten wollen/ daß sie moͤch- te inhibiret werden: Sehe ich aber annoch in besserer hoffnung. Des geistl. Pr. wieder-aufflag ist neulich auff eine zeitlang verbothen worden/ meine gleichwol daß nach von dem verleger erlangten Churfuͤrstl. Saͤchs. privilegio der truck die- ser tagen wieder fortgehen solle. Ach lasset uns hertzlich bitten vor die befoͤrderung alles dessen/ was zur ehre GOttes hin und wieder von treuen hertzen vorgenom- men wird/ ob der GOtt des friedens den satan unter unsere fuͤsse zertreten wolle in kurtzen. Den discurs von der kirchen gewalt und gerichte zu lesen/ wo es ohne beschwehrden geschehen kan/ zuschicken/ wird mir sehr lieb seyn ob aus demselben ferner gestaͤrcket und erbauet werden moͤchte. Zu den Herrn Theol. ihres Fuͤr- stenthums trage ein gutes vertrauen/ sie werden das gute befoͤrdern. So ist auch ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECT. XXXI. auch Herr D. N. so Director Consistorii ein bekantlich gottfeliger Jurist. Der HERR lasse ihr land/ wie es sonsten in dem leiblichen vor andern so reichlich ge- segnet ist/ auch mehr und mehr ersuͤllet werden mit geistlichen seegen/ daß ihr liecht auch andern hinkuͤnfftig leuchte. 21. Maj. 1678. SECTIO XXXI. W egen D. S trauchens in Dantzig. D En bericht der gantzen sache sonderlich aber was nach Herrn D. Strauchen und sonderlich in des Koͤnigs præsenten vorgegangen/ ist mir zu erfahren viel lieber gewesen/ als hertzlich offt verlangt habe/ einen gewissen grund der sachen zu haben. Jndem ich nichts als was die oͤffentliche zeitungen in genera- libus und offtmahls ohne grund mitbrachten/ davon erfuhr. Nun aber habe den rechten grund/ aber also erfahren/ daß ich den zustand der lieben statt nur allzuer- baͤrmlich erkenne/ den jeglicher gottseliger billich zu bejammern hat. Jch habe al- lezeit einen sehr traurigen ausgang der sachen in consideration aller umstaͤn de/ und der gemuͤther besorget/ aber solche extremi taͤten fast nicht wohl eingebildet/ daß es dahin kommen wuͤrde/ daß der gantze Magistrat in so grosse gefahr und fast verlust aller seiner authori taͤt gerathen muͤste. Jedoch ist die allgemeine versiche- rung der gefaͤhrlichen folgen die ursach gewesen/ die uns zu der gleichen consilio vor deme bewogen/ daß lieber vorher etwas von der sonsten den obern ordinibus gehoͤriger authori taͤt nachgelassen zu werden gesehen/ daß also mit willen gewichen werde/ eher man in gefahr kommen/ folglich mit so viel mehr schmaͤhlerung oder gaͤntzlicher auffhebung der authori taͤt alles nach anderer willen geschehen zu lassen. Der HErr wende alles besorgende ungluͤck durch seine kraͤfftige gnade ab/ und zei- ge/ daß er alsdann nicht nur helffen koͤnne/ wo es am despera testen scheinet/ son- dern daß er offt seine huͤlffe dahin versparet/ auff daß sie alsdann auch ihm allein mit gehoͤrigem danck und preiß zu geeignet werde. Ob die nun mehrige loßmachung Herrn D. Strauchen und also wiederkunfft nach Dantzig etwas zu sopi rung der unruh contribui ren/ oder die sache gefaͤhrlicher machen werde/ bin ich nicht klug gnug zu ersinnen. Wie ich aber jenes hertzlich wuͤndsche/ also will ichs auch am liebsten hoffen: um so vielmehr/ weil etwa durch diese langwierige gefaͤngnuͤß Herr D. Strauch moͤgte zu so viel mehr einkehr in sich selbst/ und also der selbst erkaͤntnuͤß gekommen/ hingegen die allzugrosse fiducia seiner selbst mercklich gebro- chen seyn worden. Jn welchem fall die uͤbrige unverneinliche in ihn gelegte gute goͤttliche gaben hinkuͤnfftig so viel nuͤtzlicher zu GOttes ehren moͤgen angewendet werden/ nachdem sie von jenem affectu, da man sich in sich selbst etwa zu viel ver- liebet/ verunreiniget gemacht/ und ihre nutzbarbarkeit sehr gemindert woeden. Ach wie ist goͤttliche providenz so weise in allem/ welche durch harte und schwere truͤb- Hh 3 salen Das sechste Capitel. salen offters dasjenige an uns ausrichtet/ was sonsten auff keine weise bey uns zu wegen gebracht werden konte/ auff daß das mit schlacken uͤberzogene gold gereiniget werde. Jch habe offt in betrachtung des langwierigen gefaͤngnuͤß dieses mannes hieran gedacht/ ob nicht etwa dieses die guͤtige absicht goͤttlichen raths seyn moͤgte. Wie solte michs erfreuen/ wo solche auch wuͤrcklich platz gefunden/ und seine gaben dardurch so geheiliget und gereiniget worden waͤren/ daß er hinkuͤnfftig/ da die statt seinet wegen so lang in solcher unruhe gestanden/ wiederum vermittelst seiner beru- higet wuͤrde? Was ich darein zu thun nicht vermag/ ruffe ich den lieben GOtt so viel hertzlicher an/ sein und aller derer/ die in der sach zu thun haben werden/ hertze hierzu zulencken/ womit beyseit gesetzet aller menschlichen affect en/ dasjenige so ge- sucht/ als erhalten werde/ was die ehre des grossen GOttes befoͤrdern werde/ auff daß auch mit andern solcher zweck vor augen habenden Eure Hoch Wohl-Ehrw. sich dessen zu erfreuen haben/ und ihre gemeinde wieder in frieden sehen moͤge. Der HERR der alles allein vermag/ erfuͤlle es in gnaden. 18. Julii 1678. SECTIO XXXII. A ls eine erklaͤhrung gewisser Thesium einen gu- ten freund uͤbersandte. Balth. Rebhan. D Je zwiste/ welche sich in ihrer statt nahe vor einigen jahren erreget/ habe so wohl aus einigen offentlichen scriptis ersehen/ als dero seriem so viel eigent- lichẽ aus dessen juͤngsthin mir zugeschriebenem verstanden. Dem HErrn seye es geklagt/ daß sich aller orthen hervorthun leute/ die der lehr der gottseligkeit zu wi- der sind/ ihr widersprechen/ und mit allem fleiß unter allerhand vorwand dieselbe laͤstern. Ach daß N. N. sich dessen entbrechen koͤnte/ nicht unter die zahl derselben zu kommen/ jedoch will ich noch allzeit lieber hoffen/ man irre aus unwissenheit. Der HERR gebe es aber ihm und andern zu erkennen/ daß sie sich nicht etwa auch ohn ihr gedancken/ dem satan zu werckzeugen geben/ das gute thaͤtlich zu hindern/ so ei- ne schwehre verantwortung nach sich ziehen wuͤrde. Jch habe die angedeutete theses bereits das vergangene jahr gesehen und gemercket daß es mich treffe. Weil ich aber nicht genennet/ und darvor gehalten hatte/ meine predigt eye so deutlich abgefasst/ daß jeglicher ohnparteyischer leser ohne fernere erklaͤhrung die wahrheit solcher lehr erkennen wuͤrde/ so habe gegen jemand mich zu verantworten nicht noͤ- thig erachtet/ als der ohne das den streit und das gezaͤnck nicht liebe/ noch der kirchen nuͤtzlich befinde/ deswegen zu einiger apologia nicht anderst/ als da es die hoͤchste noth erfordert/ schreiten mag. Wann aber mein Hochgeehrter Herr we- gen einiger erklaͤhrung der benanten thesium auch mich freundlich angelanget/ ha- be nicht wollen aus handen gehen/ und sende also dieselbe/ wie sie nach GOttes gnad zwischen ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXXII. zwischen so vielen andern occupationibus abgefasset habe/ und solte mir hertzlich lieb seyn/ wo demselben und seinem verlangen damit einig vergnuͤgen geschehen waͤ- re. Wegen der ersten materie wuͤndschte nicht/ daß viel disputat ferner entstuͤn- de/ als welches endlich ein eitles wort-gezaͤnck geben moͤchte. Haben wir die sa- che/ so bemuͤhe man sich nicht viel um die sormuln: Gnug ists daß wir zeigen/ daß in der formul/ wie wir sie gebraucht/ kein irrthum stecke/ und das Lutherum betref- fen wuͤrde/ was gegen unsgeschehe. Wem aber die formul nicht beliebet/ dem tringe ich sie auch nicht auff. Was aber die andere lehr/ wie ein wiedergebohrner die suͤnde nicht thue/ anlangt/ so haben wir uͤber solcher tanquam pro aris \& focis zu fechten. Tenn jener formul kan die kirche ohne schaden entbehren/ da die sache mit andern worten behalten wird/ aber dieser lehr kan die kirche nicht entbehren oh- ne eusserstes verderben der gantzen lehr von der gottseligkeit und fruchtbahren glau- ben/ dahero folglich ohne verlust der seligkeit. Da gilts nicht mehr wort sondern die krafft GOttes/ um die ists zu thun. Also lasset uns freudig seyn vor solche lehr alles zu thun in dem nahmen des HErrn/ ja auch willig uͤber dieselbe zu leiden. Es wird zwar der teuffel sich solcher lehr hefftig wiedersetzen/ denn nachdem er gesehen/ daß auff einer seite mit eingebildetem verdienst nichts mehr ausrichten kan/ als ge- gen welches unsere lehr in die hertzen fest genug ingetrucket ist/ so versuchet ers auff eine andere art durch die einbildung eines falschen fruchtlosen glaubens/ dessen vor- nehmste stuͤtze ist die eingebildete ohnmoͤglichkeit/ von der suͤnde herrschafft und thaͤt- licher begehung nicht frey werden zu koͤnnen. Gewinnet der teuffel hie/ so hat er so viel 1000. seelen in seinen klauen/ und mag wohl. leiden/ daß wir vieles von aller- hand grossen geheimnuͤssen den leuten vorsprechen/ und allerhand irrthum wider- legen/ in dem er doch die seelen an jenem strick in das verderben zeucht. Der HErr aber trette ihn unter unsere fuͤsse in kurtzem. Was den genanten Balthaser Rebhanen anlangt/ verlange zu erfahren/ ob gleichwohl einer solches nahmens in der nachbarschafft/ oder auch wo solcher ort davon er sich Pfarrherr nennet/ gelegen seye. Daß er mich angreifft/ kan ich wohl leiden/ als deme nicht viel daran gelegen ist/ wo vor mich andere halten. Hingegen auch nicht sorge/ daß rechtschaffene leute bey denen ein Christlich gemuͤth ist/ sich dergleichen werden bewegen lassen/ einen in verdacht einiger irrthum zu ziehen/ wo man auch nicht nur einen articul nennen kon/ worinnen ich nicht rein nach GOttes wort und unserer kirchen lehr lehrte. Dann wo es nur sagen gelten solle/ ists leicht jeglichen Christlichen leh- rer in verdacht zu ziehen. Der HERR vergebe es diesen guten mann und allen andern/ so sich an mir versuͤndigen moͤgen/ und gebe ihnen zu erkennen/ weme man mit calumni en und luͤgen diene. Welche suͤnde ich wohl hertzlich wuͤndsche von allen denjenigen ferne zu seyn/ die da diener der wahrheit ihrem amt nach heis- sen/ und also gleich/ wie nach der liebe/ also auch nach der wahrheit/ in allem hand- len/ Das sechste Capitel. len/ reden/ schreiben und urtheilen sollen. Jndessen muͤssen wirs gewohnen/ mit Paulo zu gehen διὰ δύφημίας καὶ ἐυφημίας, und auch unserm Heyland in solcher art leidens aͤhnlich zu werden. Lasset uns also getrost seyn in allem/ und seine schmach tragen/ in dessen mit aller sanfftmuth begegnen denen/ die uns laͤstern/ so werden wir/ wo nicht vor der welt/ jedoch vor GOTT/ siegen/ und etwa mit lie- be und sanfftmuth und uͤbrigem gottseligem wandel auffs wenigste einige der fein- de durch goͤttliche gnade gewinnen. Ach der HErr erbarme sich derselben/ und auch unser/ gebe uns auch in allem gnade/ seinen willen ohne fehl zu erkennen/ und folglich denselben getrost zuthun/ auff daß wir in jener erkaͤntnuͤß vorsichtiglich wandlen/ nicht nach der listigkeit der welt/ sondern nach der klugheit des geistes/ dero wir hochbeduͤrfftig sind/ auff daß wir nicht selbst die sach des HErrn mit un- ser unvorsichtigkeit verderben/ und dessen schuld auff uns laden; hingegen nachmahl in freudigkeit das werck GOttes treiben/ und alles daruͤber ohngescheut aus zu ste- hen willig seyn. 1678. 7. Aug. SECTIO XXXIII. A n D. G eiern wegenerlangten C hurfuͤrstlichen privilegii uͤber das Geistliche Priesterthum. Unbillichkeit der mißdeutung guter dinge. Bewahrung vor mißbrauch. Ungrund der laͤste- rungen. J Ch hette zwar bereits auff daß vorige freund vaͤtterliche billich eher zu ant- woꝛten gehabt/ deꝛ ich aber an meinem wenigẽ ort erfahre/ wie es bey aͤmpteꝛn und vielen geschaͤfften hergehe/ habe Eure Hoch-Wohl-Ehrw. mit vielem unnoͤthigen zuschreiben lieber schonen/ als die ohne das allzu viele geschaͤffte ver- mehren wollen. Jch bleibe nochmahlen zu schuldigem danck hoͤchst verbunden/ wegen des Churfuͤrstlichen privilegii, dardurch effectui ret worden/ daß das geist- liche Priesterthum/ uͤber welches die frage gewesen/ wiederum getrucket/ und damit eine collision zwischen dem Ministerio und unserm Magistratu verhuͤtet worden. Jn dem jenes mit vielen rationibus den Obern gewiesen/ nach dem der tractat schon einmahl getruckt/ und die approbation des gesamten collegii davor in der præfation kund worden/ so koͤnne solches scriptum auffs neue nicht zu frembder censur gegeben werden/ daß sie nicht damit ihr gesamtes Ministeri- um und dessen orthodoxiam in zweiffel zoͤgen/ und einige diffidenz gegen sie be- zeugten/ welches so ihnen als uns præjudicir lich seyn moͤgte. Jch zweiffle auch nicht/ ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XXXIII. nicht/ daß den meinsten ex magistratu / (in dem allein einige wenige gewesen/ welche die sache durchgetrieben) selbst lieb gewesen/ und mit guten ehren durch die- ses interveniens daraus zu kommen. Jn dem uͤbrigen ists freylich an dem/ wie Eure Hoch-Wohl-Ehrw. schreiben/ daß auch bey der besten intention ungleiche deutung und mißbraͤuche vorgehen koͤnnen. Daher nichts ist/ woruͤber ich GOtt hertzlicher und instaͤndiger anruffe/ als mir in allem was ich bedarff/ die erkaͤnt- nuͤß zu geben/ wie ich mein amt recht zu seinen ehren und ohne anstoß/ hingegen zur besserung der gemeinde/ fuͤhren koͤnne: und als dann/ was ich erkant/ auch in seiner krafft getrost und ohne furcht ins werck zurichten. Ungleiche deutung wuͤrden sich nicht leicht in der Christlichen kirchen finden/ wo die wahre liebe herr- schete/ und also jeglicher/ so sich ohn seinem bruder/ dessen consiliis und actioni- bus stiesse/ oder sich nicht darein richten koͤnte/ in bruͤderlichem vertrauen densel- ben zu rede setzte/ seinen scrupel ihm vortruͤge/ um entweder denselben nach bes- serer erklaͤhrung fallen zu lassen/ oder wo er von der wichtigkeit waͤre/ den andern zur aͤnderung braͤchte. Damit wuͤrde den meinsten mißverstaͤnden geholffen. Daß es aber nicht geschiehet/ oder auff solche weise gefuͤhret wird/ ist eine anzeigung/ daß wenig rechtschaffener liebe/ auch selbs unter uns ist/ die wir andern mit gutem ex- empeln vorgehen sollen. So verlange ich nichts mehr als daß dergleichen gegen mich geschehen moͤchte/ der ich allezeit bereit bin/ einem jeden rechenschafft zu geben alles dessen/ was ich vorhabe und thue. Und warum solte ich hierinnen bedenckens haben/ der ich ja alles solches wegen/ und wer weiß wie bald/ dem grossen GOtt rechenschafft geben solle? Was mißbraͤuche anlanget/ ists freylich auch also/ daß wo der teuffel das gute nicht selbs hindern kan/ er trachtet durch einigen mißbrauch dasselbe/ zu verderben. Und ist bißher mein und anderer treuen Herrn Collegen sorge und fleiß vornehmlich dahingegangen/ nach allem vermoͤgen welches GOTT giebet/ zuverhuͤten/ daß aus dem/ was wir hier gutes vorhaben/ nicht einiger miß- brauch entstehen moͤgte. Und ob wohl aller orthen von dergleichen sehr viel/ ja fast unzehliches ausgesprengt wird geschehen zu seyn/ verhaͤlt sichs gleichwohl in der that nicht also. Wie dann unsere Herrn und Obere/ welche doch selbst hoͤchstes mißfallen haben an der statt uͤbelem ruff/ nicht nur allein als sie vor einem jahr et- was angefangen zu inquiri ren/ was vorzugehen das geruͤcht war/ so bald nachge- lassen/ als sie lauter ungrund antroffen/ sondern ob sie wohl von uns schrifft und muͤndlich ersucht wurden/ fernere inquisition anzustellen/ nicht werth geachtet haben. So haben wir prediger dieses jahr in mehrern conventibus austruͤck- lich alle solche spargimen ten untersucht/ und was jeglichen vorgekommen ist/ nicht nur zu sammen getragen/ sondern wuͤrcklich examini ret/ was davon wahr oder nicht wahr waͤre. Da sich endlich nach allem nichts das sonderbahrer andung o- der dergleichen geschreyes werth gewesen waͤre/ gefunden hat. Wolte GOTT J i es Das sechste Capitel. es waͤre damit aber auch dem luͤgen teuffel das maul gestopffet/ und den leichtglaͤu- bigen/ so sich davon/ was sie einmahl gehoͤret/ nicht abwenden lassen wollen/ der glaube der wahrheit hinwiederum beygebracht worden. Aber es hat der ertzlaͤ- sterer seine sonderbahre kuͤnste hiebey/ und suchet auch bey denjenigen/ die gleich- wohl profession wegen mehr Christlicher liebe haben solten/ die einmahlig gefaste meinung staͤts zu erhalten/ hat auch seine instrument en/ so er darzu gebraucht/ selbst in unserer statt/ sonderlich ist ein studiosus, welcher durch anderer untertruͤ- ckung sein fortun zu suchen scheinet. Der HErr gebe es allen denen zu erkennen/ so sich an mir und andern in dergleichen dingen versuͤndigen/ und verzeihe es ihnen in gnaden. Von Eure Hoch-Wohl-Ehrw. grosser affection und Christ- Theo- logi scher so prudenz als auffrichtigkeit/ bin ich gantz versichert/ daß solche gleich wie bißher also auch kuͤnfftig ihro nichts widriges gegen mich/ ohngehoͤrt meiner/ wie ich dann uͤber alles rechenschafft zu geben mich getrost erbiete/ bey bringen lassen werden. 9. Augisti 1678. SECTIO XXXIV. Daß das R oͤmische B abel noch grosse gewalt aus uͤben werde. Erklaͤhrung meiner und Horbii lehre. D En zwar in particulari nicht bekanten/ mir aber von dem Herrn confra- tre mit etlichen worten angedeuteten betruͤbten und gefaͤhrlichen zustand be- jammere hertzlich. Der Vater der barmhertzigkeit seye auch ihm ein GOTT des kraͤfftigen trostes und ihre huͤlffe in der noth. Es ist nicht nur muͤg- lich sondern eher vermuthlich/ daß GOTT dem Roͤmischen Babel vor seinem letzten bevorstehenden untergang gegen das suͤndliche Jerusalem eine grosse gewalt und succeß geben werde/ damit dessen seine uͤbermachte suͤnden gestrafft/ und hin- gegen durch die grausamkeit an den wahrhafftig heiligen/ so in jenem noch verbor- gen gewesen/ veruͤbet/ jenes Babels gerichts endlich ihm selbst nach erfuͤlltem maß der suͤnden uͤber den halß gezogen werde. Der HERR wird aber vor die seine sor- gen. Jm uͤbrigen zweiffle nicht/ mein Hochgeehrter Herr Pfarrer werde seit- her auch vieles ungleiches von mir/ so dann meinen geliebten Schwager Herrn Horbio, gehoͤret haben/ wie sonderlich ihre gegend von dergleichen fast erfuͤllet ist. Hier ist aber weder zeit noch platz einen gnugsamen bericht zu ertheilen: Nur ste- het meine hertzliche bitte/ er wolle sich nicht mit ungleichem urtheil/ wie so viel ande- re gethan/ an Christlicher liebe versuͤndigen/ auch andere davon abwarnen/ daß sie ob wohl von niemand gefordert wird/ daß sie etwas billichen/ so sie nicht aus dem grund ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO XXXIV. grund erkant/ gleichwohl auch nichts laͤstern noch verdammen/ davon sie auch kei- nen gnugsamen bericht haben. Mit etlichen worten mich zu erklaͤhren/ stehe ich durch GOttes gnade fest in der einmahl erkanten Evangelischen wahrheit des hei- ligen vorsatzes/ auch mein lebtag dabey zu beharren. Jch bin von niemard noch eini- ges irrthums in der religion nahmentlich beschuldiget worden/ ob wohl viel geschrey hin und wieder gewesen/ daß man an meiner orthodoxia zweiffle/ niemand aber ei- nigen articul anzuzeigen annoch das hertz gehabt/ vielweniger daß ich etwas uͤber- zeugt worden waͤꝛe. So ligt meine catechismus erklaͤhrung an dem tag/ woꝛinnen uͤber alle articul solche meine erklaͤhrung gethan/ daß von keinem einiger zweiffel uͤbrig seyn mag; Dem freyen willen eigne ich so gar keine kraͤffte zu/ daß ich beken- ne/ daß der mensch zu seiner bekehrung aus eigener krafft nicht mehr zu thun ver- moͤge/ als ein todter zu seiner aufferweckung. Dem heiligsten verdienst Christi entziehe so gar nichts/ daß ich es hoͤher erhebe/ als vielleicht einiger meiner heimlichen widersacher thun mag/ in dem ich demselben zuschreibe/ nicht nur allein/ daß wir bloß durch dasselbe vermittelst des dasselbe añehmenden glaubens allein vor GOtt gerecht und selig werden ohne mitwuͤrckung eines einigen unsers wercks/ son- dern daß auch solche gerechtfertigte aus krafft solches verdiensts nachmahl vermoͤ- gen ein rechtschaffenes wesen in CHRJSTO JESU zu fuͤhren/ in dem sein todt unser suͤnde toͤdtet/ daß sie ins kuͤnfftige eben nicht mehr bey uns herrschen muͤs- se/ und seine aufferstehung uns eine neue eines heiligen gottseligen lebens krafft mittheile; also entziehe ich der krafft des glaubens nichts/ sondern erkenne/ daß wir allein daraus selig werden/ aber ich kan nicht zugeben/ daß etwas vor den wahren glauben gehalten werde/ was nur eine fleischliche sichere einbildung ist/ und dem menschen in seinem alten stande laͤsst/ sondern ich erkenne allein das jenige vertrauen vor den wahren glauben/ welches goͤttlich ist/ und also den menschen so bald zu einem andern menschen zu machen anfaͤngt/ und fortfaͤhret. Ohne solchen glauben mag uns tauff/ absolution/ abendmahl nichts helffen; welches kraͤfftige mittel sind von feiten GOttes seine gnade anzubieten/ wo aber wir den glauben nicht haben/ so werden wir ihrer nicht theilhafftig. Dieses ist meine erklaͤhrung uͤber einige puncten/ dero ich mich in ihrer nachbarschafft verdaͤchtig gehalten zu seyn berichtet worden. Was meinen geliebten schwager Herrn Horbium anlangt/ so seye er gewiß/ daß auch solcher nicht anders als ich lehre/ und treibe. Ob er nun wohlen von seiten Pfaltz seiner inspection erlassen worden/ so troͤstet er sich des guten gewissens/ bereit vor allen unpartheyischen zu stehen und seiner sache grund/ da es noͤthig/ zu geben. Der HERR erbarme sich seiner kirchen/ und sehe derosel- ben von innen und außen gefaͤhrlichen zustand in gnaden an. Hoffe mein Hochge- ehrter Herr werde diese meine bitt u. erklaͤhrung nicht in uͤblen auffnehmen/ als der ich veꝛlangt habe eine gelegenheit zu finden an einen der Hochgeehꝛten Heꝛꝛn Pasto- J i 2 rum Das sechste Capitel. rum ihrer gegend zuschreiben/ aber biß daher niemanden gewust/ an dem mich zu addressi ren gewust haͤtte. Es ligt mir endlich an menschlichem urtheil nicht viel/ der ich allein auff den HErrn gewiesen bin zu trachten/ daß ich ihm ge- fallen moͤge/ in dessen tringt mich auch die liebe/ wo ich sorgen muß daß einige sich un- wissend an mir und andern versuͤndigen moͤchten/ denselbigen mit noͤthigen bericht an hand zu gehen. etc. 14. Sept. 1678. SECTIO XXXV. Was 1678. vorgegangen. T rost uͤber eines guten freundes vatern todt. Joachim Stollii abschied und elogium. Was wegen geistlichen Priesterthums vor- gegangen. D. Hannekenii dedication. Gefaͤhrlicher anschlag gegen mich von GOTT abgewendet. Balthaser Rebhan. Etwas ohne meinen willen getruckt. Horbii begegnuͤß. Truck meiner Postill. Studium Apocalypticum. Com- mentarii von mir in tabellen gefaßt. Coc- cejus. Grotii geschrieben werck. E S solte mich zwar die persoͤnliche gegenwart und muͤndliche unteꝛꝛedung mir einen solchen werthen freund inniglich ergoͤtzet haben/ weil aber auch dem liebsten Vater in dem himmel es anders gefallen/ unsere gegenwaͤrtige be- gehung annoch nicht zuschicken/ lasse ich es auch billich in seinen heiligsten willen ge- stellet seyn/ und achte seine fuͤgung seye besser und heiliger/ als auch unser beschei- nendes verlangen. Vielleicht erfuͤllet der guͤtigste Vater das kuͤnfftige jahr/ was uns noch in diesen versagt gewesen/ und verleihet gnade/ daß wir etwa mit mehrer frucht als dann beysammen seyen als noch dießmahl nicht geschehen waͤre/ u. ers e- ben also auch darum weißlich verschoben hat. Wegen intimir ten todes falls seines liebsten leiblichen Vaters/ wuͤnsche ich von dem rechten Vater uͤber alles/ was da kinder heist im himmel und auff erden/ nicht nur aus seines geistes krafft eine hertz- liche ruh in seinem willen/ und troͤstliche erwartung der kuͤnfftigen erfreulichen wie- derzusammenkunfft/ sondern auch daß seine himmlische treue meinen liebsten bru- der an ihm selbst unmittelbahr/ alles das jenige ersetzen wolle/ was an einem irrdi- schen Vater/ desselben treue vorsorg und gebeth zu erwarten gewesen waͤre. Er ist uns einmahl/ wo wirs erkennen wollen/ alles/ u. wir erkeñen es alsdann am deut- lichsten/ wo er viele deꝛjenigen wegnim̃et/ in welche er uns etwas gewesen waꝛ. Deꝛ- selbige ARTIC . I. DISTINCTIO. II. SECTIO XXXV. selbige guͤtige Gott stehe auch sonsten in allẽ cꝛeutz bey/ helffe dz veꝛgãgene verschmer- tzen/ ersetze mit segen allen verlust/ und lege nicht mehr auff/ als so viel er zur ver- heissung seines nahmens und eigener pruͤffung und uͤbung noͤthig erkennet. Dañ was solcherley arth leiden ist/ haben wir uns laͤngst darzu verstanden/ solche willig aus der hand des HErrn auffzunehmen. Jch habe auch den 21. Apr. einen treu- en sreund und gleichsam vater verlohren Herr Joachim Stollium/ 31. jaͤhrigen Hoffprediger in meinem patria zu Rappolsweyler. War in allen studiis ungemein und gruͤndlich gelahrt/ der seiner gemeinde mit grosser treu und fleiß/ auch aus lie- be derselben mit hindansetzung ansehnlicher anderwaͤrtlicher vocationen / und da- her eigenen vortheils/ vorgestanden; Deme ich auch unter menschen die erste igni- culos eines wahren Christenthums/ und meine studia zu dem rechten zweck zurich- ten/ den antrieb und theils man uduction / auch was mein GOTT in den pre- digen gegeben hat/ bey dem text presse zu bleiben/ und die lehren daher aus zu zie- hen/ zu dancken habe. Welche treue er mir bereits erwiesen ehe noch einige ab- sonderliche verbuͤndnuͤß gewesen/ oder man an dieselbe gedencken koͤnnen. Ob wol nachmahl geschehen/ da er bereits 13. jahr seinem amt in cœlibatu vorgestanden/ daß er aus liebe zu mir und zu trost meiner verwittibten lieben mutter/ sich an mei- ne liebe aͤlteste schwester verheurathet/ und mit derselben die zeit uͤber gelebt. Da- her von solcher zeit so viel mehr die vorige freundschafft durch solches bande verdop- pelt worden. Er ist auch derjenige/ dessen die secunda epicrisis zu meinen piis desideriis ist. Diesen hat auch der HERR uͤber todt und leben in dem 63. jahr seines alters nach zimlich lang auß gestandener schwachheit in sein reich auffgenom- men. Und habe ich nur zu bitten/ er wolle ihm auch vor die mir und den meinigen zeit seines lebẽs erwiesener treu eine crone an jenem tage auffsetzẽ. Also gehẽ wir alle nach einander hin/ den weg alles fleisches/ ob wir uns wohl befleissen/ nicht nach dem fleisch sondern nach dem Geist zu wandlẽ/ u. wissen/ das wir am abschied nichts als eine uns beschwerliche last ablegen. Lasset uns aber bey jeglicher solcher unser vorgaͤnger zeit- lichen ableiben allemahl ihr ende ansehen/ uñ ihrem glauben folgen/ biß die reyhe uns auch treffe/ und die stunde der erloͤsung komme. Was meinen zustand anlangt/ wird zuweilen Herr N. unser bruder und treuer freunde einigen bericht gegeben haben. Jch dancke meinem GOtt/ welcher mir kraͤfftig beygestanden/ das jenige unterschiedliche so mich bißher betroffen in seiner gnade mit gedult zu uͤberwinden/ und aus jeglicher begegnuͤssen etwas mehr vorsichtigkeit zu lernen. Ach wie guͤtig ist in allen solchen stuͤcken der rath unsers GOttes! Welcher offter mahls auch un- sere bestgemeinte intention / wie wir das gute zu befoͤrdern gedachten/ etlicher massen unterbricht/ da er uns eine besser arth an die hand gegeben/ oder aus aller- hand gelegenheit uns zu einer mehreren klugheit der gerechten bereiten will. Jn dem Februario wurde die wiederaufflag des Geistlichen Priesterthums/ so zu J i 3 trucken Das sechste Capitel. trucken bereits angefangen inhibiret / also daß es auff einer Universi taͤt zuvor muͤsse censi ret werden. Unser gantzes Ministerium nahm sich der sachen an/ als welches gantz dasselbe vor einen jahr approbiret hatte/ dahero ohne seine beschim- pfungen nicht anderer neuer censur submitti ren moͤchte. Wir wurden aber nicht gehoͤret/ und ist auff diese stunde die an den rath eingegebene Schrifft noch nicht verlesen werden. Der verlaͤger erlangte von Chursachsen ein privilegium auff dieses und andere meine Schrifften. Dieses und einige andere incidentia haben durch GOttes schickung gefuͤgt/ daß es wieder in dieser meß zu samt den la- teinischen piis desideriis herausgekommen. Damit also nicht nur den jenigen/ so darnach verlangen tragen/ geholffen/ sondern auch das schwere præjudiz von mir genommen wuͤrde/ daß selbsten alhier meine sachen nicht doͤrfften getruckt werden. Es verlautete nach solchem/ man wuͤrde mir meine hausuͤbung oder Collegium verbiethen/ war aber nichts/ wie dann noch nicht ein einiger der Herrn gegen mir in gegenwart nur einiges mißfallen dargegen bezeugt. Doch verlautet es/ daß die consilia obhanden/ daß es in die kirch transferiret werden solte/ welches mir der groͤste gefallen und wohlthat seyn wuͤrde. Jn dessen haben die calumniæ aller orthen mehr und mehr gewaͤhret/ die mir schrifftlich und muͤndlich vorgekom- men. Jch aber troͤste mich meiner unschuld/ bete und verlange daß die jenige so sich an mir versuͤndigen/ keine andere straffe haben moͤgen/ als daß sie ihr unrecht erkennen/ sich vor sich selbst und vor GOTT schaͤmen/ und hinkuͤnfftig das jenige selbst zu befoͤrdern/ was sie vorhin gehindert und gelaͤstert haben/ die gnade empfan- gen moͤgen. Jetzo fangt es an/ nun etwas weniges stiller zu werden. Doch wird der teuffel seine tuͤcke nicht lassen. Herrn D. Hannekenii dedication / habe ich ziemlich spaͤth zusehen bekommen/ und darauff einige theses und ἐκϑέσεις nach Giessen geschicket/ so ich nicht zweiffle von unserm geliebten Herrn N. communi- ciret seyn werden/ auff die ich versichert bin/ das weder der zornigste adversarius noch andere so leicht antworten sollen. Es hat sich aber jener auff befragen allein so viel heraus gelassen/ er habe mich nicht gemeint: Nun waͤre einem unschwer zu zeigen/ daß er mich gemeinet ex alleg: duorum locorum Chrysost. welche noch von niemand als mir eo modo allegiret / aber ich lasse es gern gehen/ und begehre keinen feind/ der es selbs zu seyn nicht verlangt/ als der ich den frieden/ wie wir schuldig sind/ liebe. So verhoffe auch/ es werde der liebe D. Hannekenius selbst dermahleins sich besser in die sache finden/ wo andere flabella nicht mehr werden vorhanden seyn. Jch stelle alles in den willen GOttes uñ seine heilige providenz. Vor etwa 2. monaten waren gefaͤhrliche consilia gegen mich geschmiedet/ und hat- ten an dem sollen ausbrechen: Aber GOtt lebte noch/ der dorten den David er- errettete. 1. Sam. 23/ 26. 27. 28. Es scheinet/ jetzo einem/ welcher seine autoritaͤt vornehmlich gegen mich mißbrauchen moͤgen/ eine starcke hinderung von GOTT vorgeschoben seyn; Der HERR gebe/ das es zu seiner aͤnderung gereiche/ dar- an ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXV. an er selbst und andere nutzen haben moͤgen. Quam mirabilis es Domine in viis tuis! Jedoch wirds an adversariis darum nicht manglen/ mit so viel mehr tren und fleiß ich inskuͤnfftige durch goͤttliche gnad das werck des HErrn treiben werde. Denn der teuffel laͤst seine arth nicht/ und GOttes heilige weißheit findts noch nicht gut/ ihm die haͤnde allerdings zu binden. Rebhans seriptum hat mich wenig af- ficiret / in dem kein cordatus etwas darauff achten wird. Es ist eine allgemeine beschuldigung/ die sich eben damit verrathet/ daß kein grund da seye/ weil er nicht das hertz hat zu sagen/ worinnen er meine lehr unrein achte. Sonst weiß ich wol/ daß ich derer einer bin/ an denen GOtt noch taͤglich zu reinigen hat: Daher ich meine unreinigkeit selbst weder leugne noch gefallen daran habe. Es halten einige den nahmen pro ficto / und solle NN. arbeit seyn; doch bin ichs nicht versichert der HERR lasse den autorem zu seines unrechts erkaͤntnuͤß kommen. Es hat sonsten NN. bereits vor einem jahr/ einige theses edi rt/ darinnen er ob wohl suppresso nomine meine predigt uͤber die phra- sin Lutheri: daß ein Christ sagen moͤge/ er seye CHRJSTUS/ starck ange- fochten/ und die lehr in gefaͤhrlichen verdacht gezogen/ ich habe aber nicht werth ge- achtet/ deswegen mich zu vertheidigen. Jst aber mir leid/ daß ohne mein schuld fast an ihn gerathe/ in dem vor einigen monaten ein prediger/ den ich aus allem vor einen frommen Christlichen man halte/ an mich geschrieben/ und aber solche und an- dere theses zu seinen unterricht meine erklaͤhrung und antwort verlangt/ damit ich ihm willfahrt/ es hat aber der liebe mann zu viel gefallen daran gehabt/ und wie er schreibt/ es vor suͤnde geachtet/ selbiges vor sich zu behalten/ sondern hat es ohne mein wissen trucken lassen. Dabey mir solches das beschwerlichste/ daß N. N. nahmen mit auff dem titul stehet/ wider den es geschrieben seye/ da ich doch mit kei- nem mich in dergleichẽ streit Schꝛifftẽ einzulassen gedencke/ er auch meines nahmens geschonet: so dann meine præfation bey getruckt/ die ob wohl meistens aus meinem schreiben genommen/ gleichwohl nicht gantz von mir erkant wird. Jch habe so bald dahin geschrieben u. mich beschwehret/ auch dabey gesordert/ man moͤgte die. ersten bogen biß auff meine eigne arbeit weg thun/ und andere so ich darzu geschickt/ an die statt trucken. Jst mir leid dz ich aus unbedachtsamkeit eines unbekanten sreundes/ so an mich geschrieben hatte/ in die gesahr eines fedeꝛkꝛieges solle gesetzt weꝛden. Jedoch der HErr wird alles richten u. wohlsuͤgen. Was meinẽ geliebten Schwager Herrn Horbium anlangt/ so wird anderwertlich her vielleicht bereits bekant sern/ was endlich der ausgang seiner sachen gewesen/ nehmlich daß er von Pfaͤltzischer seite ab officio wie anfangs suspendi ret/ also nachmahls vor 2. monaten removi ret wor- den. Das haus Baden aber widersetzt sich/ und will weder den Pfaͤltzi- schen solche macht gestehen/ noch zu geben/ daß sie es so unbillich gebrauchen. Jn- dessen ist er durch GOttes gnade gantz getrost aus dem zeugnuͤß seine s gewis- sens/ und weiß eine gerechte sach zu haben/ demuͤthiget sich aber unter die gewaltige und Das sechste Capitel. und heilige hand seines GOttes/ wartende/ was deren befehl u. fuͤgung inskuͤnfftig uͤber ihn seyn/ u. was er ihm vor einen platz/ da er ihm diene/ assigniren wolle. Er ist jetzt einige wochen bey mir hier/ und segnet GOtt seine anwesenheit zu staͤrckung un- ter einander. War mir also viel lieber/ das meines geliebten bruders Vetter Herr N. nechst hierher gekommen/ eben als er auch schon da ware/ da wir an ihm und seinen gespraͤch hertzlich vergnuͤgen gehabt/ hingegen ich auch nicht zweiffle/ daß er an Horben sehr vergnuͤgt wird worden seyn/ war mir nur leid/ daß die zeit allzu eng gespannet gewesen/ in dem er so bald solgenden tags/ da wir abends nur einige stund mit einander reden konten/ verreisen solte. Hoffe aber die angefangene freundschafft solle auch in abwesen continuiret werden. Jch habe in ihm ein recht- schaffen fundament einer wahren Theologiæ angetroffen und erkant/ daher auch mich versichert halte/ er seye also durch goͤttliche gnade gegruͤndet/ daß etwa die sonsten leider auff Universit aͤten schwebende aͤrgernuͤsse/ deren viele nicht aͤrger- nuͤsse scheinen zu seyn/ sondern gelobet werden/ von der rechten bahn ihn nicht wer- den abwenden/ noch der arge ihn uͤberwinden. Der HERR seye mit seinem hei- ligen guten Geist sein lehrer/ fuͤhrer und treiber. Daß die außfuͤhrung der frag von den fundamentalibus wol beliebet/ ist mir auch hertzlich lieb/ so dann auch daß solche mit solcher vorsichtigkeit tractiret werde/ nicht jederman zuweisen. Wie ich mir nicht lasse zu wider seyn/ daß sie vertrauten gottseligen gemuͤthern/ nach dem mans entzlich findt/ gewiesen werde. Derselben gutachten davon zu wissen/ doch lieber ohne als mit meinem nahmen. Die sache hoffe ich seye/ wie bey mir gewiß/ also andern und rechtschaffenen gemuͤthern leicht beygebracht/ welche nicht mit præconceptis sich einehmen lassen. Doch moͤchte eine zeit auch kom- men/ da noch mehrere vorbereitung dergleichen warheiten freyer doͤrfften bekandt werden. Was sonsten meine arbeit anlangt/ so ist unter der presse eine Postill von dem vorigen 1677. jahr-gang/ da der eingang allemahl ein capitel oder theil der- selben aus den epist. Pauli an die Roͤmer und Corinther genom̃en ist. Darin erst- lich die explicatio literalis und was zur glaubens-lehr dienlich/ nachmahls die nothwendigkeit und muͤglichkeit des thaͤtlichen Christenthums/ letzlich die noͤthigste lebens-reguln gesetzet werden/ nach dem das capitel zu allem solchem gelegenheit gegeben: auff dieses wird aus dem Evangelio ein oder zwey vers wie mir dieselbe in solchem jahr in der ordnung vorgekommen/ erklaͤhret/ und letzlich eine wichtige hauptlehr daraus gezogen/ und so bald ein spruch Neues Testaments in dem diesel- be enthalten/ nicht nur angefuͤhret/ sondern/ als viel geschehen kan/ mit erklaͤhret. Wie solches dessen jahrs methodus gewesen/ und durch goͤttliche gnade nicht we- nig erbauliche materien vorgekommen sind. Damit aber denjenigen auch an die hand gegangen werde/ welche des gantzen Evangelii erklaͤhrung kuͤrtzlich ver- langen/ so wird allemahl noch beygefuͤget/ eine solche sondere erklaͤhrung von vers zu ARTIC . I. DIST. II. SECT . XXXV. zu vers. Es kostet noch zimliche arbeit/ jedoch hoffe ich/ wo GOtt gnade und ge- sundheit gibt/ daß das werck auff Ostern solle fertig seyn. Der HERR stehe mit seiner gnade mir bey/ das einige frucht bey einigen dadurch moͤge geschafft werden: wie ich hoffe/ einigerley massen dardurch zu zeigen/ wie man/ nach dem man eben so gar an die Sontags Evangelia gebunden/ moͤge doch bey derselben abhandlung auch andere nuͤtzliche orth mit einziehen. Betet in dessen auch vor mich den HErrn/ der nichts wolle lassen mit einfliessen/ das nicht seiner wahrheit gemaͤß/ und zur erbauung dienlich seye. Die vertroͤstete arbeit des unbekanten freundes wird mir zu sehen sehr lieb seyn. GOTT erfuͤlle ihn in ausfertigung derselben mit dem Geist der warheit/ klugheit und krafft. Ach daß doch ihrer mehrere solches noͤthig- ste werck mit eyffer angreiffen/ und es auch allgemach von dem rath/ schreiben und reden zur wuͤrcklichen handanlegung komme. Nun der HERR wird uns immer weiter fortfuͤhren/ wo wir uns bey der hand leiten lassen. Die sache kan gantz wol geheim bleiben/ so ist auch/ wo das werck zu publiciren, die beysetzung des nah- mens nicht eben nothwendig. Was zu der edition von mir geschehen kan/ werde willig sorge zu thun. Aber jetzo gehets bey mir schwerer her/ guter freunde werck zu befoͤrdern/ nachdem nichts allhier sine censura academica solle getruckt wer- den. Doch wollen wir sehen/ was GOtt vor gelegenheit zeigen wird. Was das studium Apocalypticum anlangt/ leugne ich nicht/ daß ich sonderlich vor deme nicht wenig zeit darauff geleget; auch noch wo ich kan gern an das liebe buch gedencke/ worinnen der HErr die fata seiner kirchen offenbahren lassen. Jch ha- be/ als ich zu Strasburg uͤber meine Disp. inaugural: de Angelis Euphratæis oder Tuba sexta Apoc. 9. arbeitete/ uͤber 50. oder 60. autores uͤber solches buch durch gelesen/ massen man in desselben buchs erklaͤrung von keines mannes ar- beit uͤber ein capitul mit grund urtheilen kan/ man habe dann seine gantze cohærenz uͤber das gantze buch erkant/ und also alles gelesen. Daher ich noch bey handen habe die extracta wol auff 40. autorum, auch jeglichem meinstens in voͤlligen tabellen, was deroselbẽ erklaͤhrung uͤber die gantze apocalypsin seye von anfang zu ende/ jeg- lichen zu 1. 2. 3. bogen/ daß allemahl sothaner autorum gantze erklaͤrung gleich vor augen haben/ und einen mit dem andern conferiren kan. Aber ich muß da- bey bekennen/ daß jemehr man fast uͤber solches buch lieset/ so viel perplexer wird man in den meinsten materien. Und gehoͤret gewißlich so wol hertzliches gebeth als gottseliges nachsinnen darzu/ in solchem buch das jenige zu finden/ so uns zur er- bauung dienen mag. Jch erkenne meine schwachheit/ und wie ein schwaches licht ich noch darinnen habe. Die projectirte theses sind bey mir ausser allen zweiffel/ achte auch nicht/ daß man sonderliche gefahr habe/ sie alle offentlich zu bekennen/ als welche gegen die analogiam nostræ confessionis im wenigsten stꝛeiten. Jch ha- be die beyde de Judæorum conversione uñ lapsu Romæ papalis mit suffragiis autorum, weil es ja leider dahin gekommen/ daß man nichts mehr kuͤhnlich bloß sa- K k gen Das sechste Capitel. gen darff/ man zeige dann auch/ daß andere menschen solcher warheit beygepflichtet. Tanquam Sp. S. humana egeret confirmatione ) genugsam bekraͤfftiget. Sonderlich was die eine de Judæorum conversione anlangt/ daß sie nicht viel weniger als catholica sententia allezeit gewesen/ und nun von einiger zeit her an- gefangen in abgang zu kommen. Stehen nun solche beyde hypotheses, so wird noch viel folgen/ das vielleicht viele der jenigen noch nicht vorgesehen/ welche son- sten vor dieselbe gestanden. Coccejum bekenne ich noch nicht gelesen zu haben: ob ihn wol auff die bibliothec geschafft/ will aber sehen/ daß ich darzu die zeit finde/ dañ ich æstimire den man in andern seinen scriptis hoch. Was aber anlangt die 7. brieffe voran in der offenbahrung/ weiß ich davon fast weniger als von einem stuͤck des gantzen buchs zu sagen. Jch verwerffe die application derselben auff die periodos der kirchen nicht/ aber ich habe doch dessen keine rechte versicherung. So fasse ich meines liebsten bruders meinung nicht/ was er meine/ da die 7. perio- di auch in den 7. siegeln und 7. posaunen vorgestellet werden: Ob nemlich dersel- be alle solche septenarios vor synchronos halte. Wo ich bekennen muß/ daß ich solches nicht darvor halten koͤnte/ sondern nichts anders achte/ als daß die posaunen auff das sibende siegel gehoͤren. Wie hingegen auch die 7. schaglen in die sechste posaun meiner meinung nach fallen. Jst ihnen Peganii tractaͤtlein in apoca- lypsin bekant/ welches zimlichen theils aus Josepho Medo genom̃en/ aber sehr viel solides in sich fasset: Hier ist auch ein MS. commentarius eines neulich verstor- benen autoris Grellotii gewesenen Reformirten Predigers so zimlich groß/ und al- so sich noch kein verleger darzu finden wollen. Es ist grosse erudition darinnen/ und erklaͤhrt er die figuras apocalypticas mit einer sonderbahren dexteritæt selbst aus den Juͤdischen schrifften. Und zeigt/ wie fast alles auch in dem Talmud und den Juͤdischen buͤchern dergleichen zufinden/ daß diese arme leuthe wol viele warhei- ten in ihren buͤchern haben/ aber gantz unrecht applicirt und verkehrt/ Stante sen- tentia de regno Christi in his terris glorioso, welches so viele Engellaͤnder und andere Reformirten vor sich hat/ so gehet gedachter commentarius sehr kraͤf- tig/ daß daraus den Juͤden gewiesen werden moͤchte/ sie erwarteten nicht vergebens des Meßiaͤ/ aber eben dessen/ welches erste zukunfft sie vorhin verachtet ha- ben. Will im uͤbrigen bey gebender gelegenheit von dieser materie gern con- feriren / als viel mir GOtt gnade geben/ und mich freuen von allen bruͤdern/ auch darin zu lernen. 12. Oct. 1678. SECT. ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XXXVI. SECTIO XXXVI. A n einen vornehmen Theologum. Einige be- gebẽheiten in Franckfurt. Einiger anstoß von leibes schwach- heit. Rebhan. Dilfeld. D. Pomarius. D. Hannekenius. Ob anderer Religions verwandte in mein Collegium kom- men. Regiersucht der academien. Lateini- sche edition der piorum desideriorum. S O ists freylich/ wie er schreibet/ daß wo wir den Satan sein reich angreif- fen/ so wuͤtet er/ und solches so viel schrecklicher/ als mehr er schaden anfangt zu fuͤhlen. Welches mir ein nicht geringes zeichen ist/ daß unsere arbeit all- hier in dem HErrn nicht muͤsse vergebens seyn/ alldieweil er sich so hefftig widerse- tzet/ und nicht nur einerley art seiner waffen gegen uns gebrauchet hat/ und noch brauchet. Aber dem HErrn sey ewiger danck/ welcher uns noch immer einen sieg nach dem andern erhalten laͤsset daß bald die unwarheit der laͤsterungen an des ta- ges liecht kommet/ bald einige widrig-gesinnete gemuͤther entweder gewonnen/ o- der durch andere hindernuͤssen abgewendet werden/ nicht mehr sich feindselig zu be- zeigen/ bald sonsten einige boͤse anschlaͤge zu nichte werden. Einiges von solchen dingen/ was bißher/ hier und hierum passiret wird etwa Herr N. communici- ren. Was aber das jenige/ darauff mein liebster bruder ziehlet/ anlangt/ ists in dem Februario geschehen/ daß einer Adelichen jungfrauen/ von GOTT mit vor- trefflicher erkaͤntnuͤß begabet/ die mit ihrem gottseligen wandel und ungemeiner gabe/ bey andern guten hertzen/ welche sie befucht/ und mit dem sie umgangen/ vie- les erbauet hat/ u. an deren auch die welt nichts anders zu straffen finden wuͤrde/ als was vor GOTT zum lobe dienet/ und sie sie daher nicht leiden kan/ von rahts we- gen ist angedeutet worden/ sie moͤchte ihren stab weiter setzen. Es war ein zimli- ches versehen/ einer person/ die niemal beklagt/ weniger zu einiger verantwor- tung gelassen worden/ dergleichen an zuzeigen/ und wo sie ihrer Adelichen rechten sich gebrauchen wollen/ solte es etwa einige weiterung haben geben koͤnnen. Aber sie war entschlossen/ so bald zu weichen/ wo nicht ich und andere gute freunde ihr re- monstriret, daß solches nicht zu thun seye (siehe Art. 1. 6. 37.) daher sie solgenden tages ein memorial bey rath uͤbergeben/ ihre unschuld bezeuget/ und sich uͤber sol- ches an sinnen beschweret; worauff es wieder stille worden/ und seithero nichts mehr gegen sie vorgegangen. Jm gleichen geschahe auch einem Christlichen studioso, der aber auff gleiche weise begegnete. Seiter dem hat man ingehalten. Und K k 2 weil Das sechste Capitel. weil vermuthe/ daß ein blaßbalg in der nachbarschafft moͤchte etwas stiller werden/ so doͤrfften wir wol eine weile stille bleiben/ biß der HErr wo wir etwa mehr erstar- cket/ uns zu wichtigern proben der gedult fuͤhren moͤchte. Dem alles befohlen seyn solle. Gleich wie auch/ mein werther bruder schreibet/ mit einiger unpaͤßlichkeit heimgesuchet worden sey (da aber vor die restitution dem Hoͤchsten danck seye/ der auch die gestaͤrckte kraͤffte wiederum zu seinen ehren anwenden lassen wolle) Also habe auch ich dieses jahrs nach des himmlischen Vaters willen nicht nur in dem fruͤhling/ sondern auch in dem sommer zu unterschiedlichen mahlen einige zwar schwaͤchere und kuͤrtzere doch unterschiedlichmahl wiederhohlte angriffe gehabt/ mehr als diese 12. jahr/ die ich hie bin. Jedoch dem HErrn seye danck/ der mit gna- den mich meiner schwachheit erinnert. Mit meinen Sontags predigten des vergan- genen jahrs hoffe ich aus der preß auff Ostern fertig zu werden/ gibt GOtt gnade und leben. Den methodum habe Hr. N. uͤberschrieben. Jsts daß nur zu weilen ein und andere seelen durch dergleichen arbeit moͤgen erbauet und auffgemuntert wer- den/ so ist meine muͤhe schon wol angeleget/ und bleibe der danck meinem GOTT. Rebhans scriptum habe gesehen/ und wurde mir von einem geschicket nahmens Dilfeld von Northausen/ so mir einen spitzigen brieff dabey schriebe/ und gleich- sam damit insultirte. Jch dancke meinem GOTT/ daß er mich allgemach mehr lehret/ vor ein geringes zu achten/ daß ich von einem menschlichen tage gerichtet wer- de. Er gebe nur den jenigen gnade/ die mich mit unrecht beschuldigen/ daß sie sol- ches erkennen/ und also der ihnen wuͤnschenden vergebung faͤhig werden: mir aber/ daß ich aus allen auch unrechten beschuldigungen mich erkenne/ und was freunde und ich selbst nicht an mir sehen/ aus jener feindseligen veranlassung bey mir wahrnehme und erkenne. Daß Herr D. Pomarius sich freundlich gegen mich be- zeuget/ ist mir hertzlich lieb: Der HErr segne auch alle seine arbeit/ und richte sie allemahl dahin/ wo sie am meisten fruchten kan. Herr D. Hannekenii tractat, davor die dedication stehet/ habe noch selbs vor mich nicht bekommen koͤnnen/ son- dern nur gelehnt gehabt/ und die dedication abschreiben lassen. Er wurde be- fragt uͤber dieselbe/ wolte aber nicht gestehen/ daß er mich darinnen gemeinet/ wel- ches er auch so bald gegen einen Professorem, als es heraus gegeben wurde/ gemel- det. Jch koͤnte ihn eines andern aus vielen uͤberzeugen/ wo mir mit widersachern gedienet waͤre/ aber ich wuͤnsche lieber mit jederman in friede zu leben. Was die andere religions verwante anlangt/ sehe ich nicht/ wie wir sie allerdings aus denen privat erbauungen oder conferen tzen ausschliessen koͤnnen: Wir wolten ihnen deñ alle muͤgliche mittel zu ihrer besserung (die wir mit fleiß vielmehr zu suchen haben) abspannen/ und zeigen/ wir goͤnneten ihnen das gute nicht. Ein anders waͤre es/ wo sie etwa vieles zu reden und also einigerley massen zu lehren gelassen wuͤrden. Was mein also verschreytes Collegium anlangt/ so halte ich nicht/ daß von Pa- pi- ARTIC . I. DISTINCTIO II . SECT. XXXVI. pisten anders als etwa einige mahl einiger explorandi gratia dabey gewesen waͤ- re. Wie mir deñ nicht ein einiger mit nahmen bekant ist/ ohne das einmahl von ei- nem Canonico von Mayntz gesagt wurde/ der darinnen gewesen waͤre: Moͤchte wol dessen von den Churfuͤrsten um berichts willen befehl gehabt haben. Was die Reformirte anlangt/ moͤchten wol unterschiedliche seyn/ welche oͤffters zu ihrer erbauung sich eingesunden/ und noch einfinden. Sind mir gleichwol auch dieselbe nicht bekant. Wo aber auch deroselben mehrere waͤren/ truͤge ich dessen kein be- dencken/ sondern gleich wie ich mich vor ihnen meiner lehr nicht schaͤmte/ so wuͤrde ihnen auch nicht mißgoͤnnen/ wo sie etwas zu ihrer erbauung dienliches da hoͤren moͤchten. Von anderer religion haben wir/ GOTT seye danck/ niemand hier/ ohne die Juden. Also doͤrffen wir von niemand nicht gedencken/ und laͤst sich leicht schliessen/ was wir sonderlich von den jenigen halten koͤnnen oder muͤssen/ welche den verdienst Christi sich widersetzen/ auff dem unser glaube beruhet/ und wir alle ver- gebung der suͤnden/ und krafft der suͤnden abzusterben/ nicht aber allein einen antrieb von dem exempel/ von dem todt und leiden Christi her nehmen. Die klage meines geliebtesten bruders uͤber die regiersucht der jenigen Academicorum, qui nisi quod ipsi faciunt, nihil rectum putant, ist gantz gerecht/ und wird gewiß ein- mahl mit mehrer macht von viel hundert ausbrechen/ und etzlicher ehrsuͤchtigen thorheit zu schanden machen. Jedoch hat der HERR auch die seine/ und wird verhoffentlich derselben immer noch mehrere erwecken/ dann wir hoffen billich/ daß er sich uͤber sein Zion erbarmen/ und ihm helssen werde. So viel getroster wollen wir das werck treiben/ und nicht auff unsere/ sondern seine krafft allein sehen. Wie dann auch geliebter bruder die augen nicht auff sich sondern auff den HErren aller staͤrcke wenden wolle/ er wird gewißlich mit dem guten seyn. Seine ehre ist so viel groͤsser/ da er auch durch schwache werckzeuge grosses thut. So hat er auch ihme mehrere gaben gegeben/ als er an sich selbst erkennet/ darvor ich seiner goͤttlichen guͤte demuͤthigen danck sage/ und hingegen auch meine schwachheit billich erkenne. Lasset uns in dessen fortfahren/ hertzlich vor einander zu beten/ und den jenigen an- ruffen/ der uns wollen und vollbringen geben kan/ der die matte haͤnde staͤrcken und die strauchlende knie befestigen will. Der uns seinen rath zu erkennen gibt/ und es alsdann an succeß, als viel sein heiliger nahme durch uns verherrlichet werden solle/ nicht maglen lassen wird. Jhme sey ehre in/ an und von uns in ewigkeit a- men. Herr Lic. N. sage ich hertzlichen danck vor die sreundliche gewogenheit und gruß. Der HERR lasse allen segen tausendfaͤltig auff ihn zu ruͤcke fliessen/ und brauche sich noch ferner lange seines dienstes/ ihn machende zu einen auserwehlten ruͤstzeug seiner gnade/ der das reich seines Sohns mit eyffer krafft und succeß be- foͤrdere und vielen sieg erhalte. Kan ich demselben hier etwas bedient seyn/ so soll es willig von mir geschehen. Von Herrn N. wird mein vielgeliebter bruder ein exem- K k 3 plar Das sechste Capitel. plar empfangen der jtzo ins lateinisch edirt en piorum desideriorum. Habe zu ende die suffragia der autorum de conversione Judæorum \& lapsu Romæ Papalis angehaͤngt/ damit die schuld der imputirten novitatis abgewendet wer- de. Jch halte es vor 2. hypotheses, welche wie sie in GOttes wort gegruͤndet/ also zum grund stehen vieler anderer wichtiger dinge. Und wundere mich offt/ war- um unter uns Evangelischen so viele von solchen wollen anfangen abzuspringen. Es wird aber GOttes verheissung wahr werden/ wir glaubens oder glaubens nicht. Rom. 3/ 3. Unser unglaube hebet GOTTES glauben nicht auff. 12. Octob. 1678. SECTIO XXXVII. M ißtrauen in E lsaß gegen mir. J Ch habe mich hertzlich erf r euet/ und bedancke mich freundlich vor den liebrei- chen wunsch/ mit dem derselbe mir und meinem amt/ und was in dem nah- men des HErren gutes anzurichten/ allhier getrachtet wird/ goͤttliche gnade und succeß wuͤnschet: Welches mir eine so viel groͤssere freude ist/ als mich son- sten bißdaher betruͤbet/ daß in dem lieben Elsaß von mir durch ungleiche berichte so viele vorhin geweßte gute goͤnner und freunde dermassen entfremdet/ daß sie mich und alle meine einfaͤltige vorschlaͤge und verrichtungen nicht anders als voller der groͤssesten gefahr angesehen/ und fast also von mir reden wollen. Jch wuͤnsche nicht mehr/ als das solche liebe leuthe mein hertz selbs einsehen/ so denn das jenige was wir hier vorhaben und thun/ genau und nicht aus so untreuen berichten erkennen moͤchten: als versichert/ daß alsdann das urtheil gar anders fallen solte/ und durch Gottes gnade wie ich nicht daran zweiffle/ wo diese zeit meiner pruͤffung voruͤber/ uñ sie die sache mit andern augen ansehen werden/ gewiß anders fellen wird. Der HErr vereinige unser aller hertzen in ihm und in heiliger liebe. Der erhalte auch in E. Wohl Ehr. hertzen solches gute vertrauen gegen uns allhier/ wie ers darin gelegt hat. 19. Nov. 1678. SECTIO XXXV III. A ls einige meine S chrifft ohne mein vorwissen publiciret (sehe Sect. 31. ) aber wieder etwas gebessert wor- den. Meine wichtige ursachen in streit-schrifften mich nicht einzulassen: auch das von niemand verlange/ sich meiner in Schrifften anzu- nehmen. Jch ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXVIII. J Ch bin wegen publicir ung des gesandten berichts/ nachdem derselbe auff die vorgeschriebene art wiederum eingerichtet worden/ gantz zu srieden. Jch habe niemaln an meines hochge. Herrn fratris hertzlicher intention gezweif- felt/ daß ers so wol mit goͤttlicher ehre treulich gemeinet/ als mit willen mir einige gefahr zu zuziehen nicht getrachtet habe: Als dessen Christliches gemuͤth aus den beyden schreiben und dem verlangen meines berichts vergnuͤglich erkant haͤtte. Aber ich desiderirte alleine die vorsichtigkeit in meiner sache/ die mir moͤchte so sehr schaͤdlich seyn. So hoffe ich auch/ derselbe werde gleich wie ich die uͤbereilung in sothaner publicir ung ihm/ also mir meine vorige gemuͤths bewegung und ernstli- ches fordern deꝛ aͤnderung/ bruͤderlich zu gute halten/ und dadurch nicht bewogen werden/ zu glauben/ das hinkuͤnfftig nicht willig seyn werde/ nach dem vermoͤgen/ das GOtt giebet/ an die hand zugehen/ oder daraus zu schliessen/ ob wolte ich nicht mit redlichem ernste und eyffer das werck des HErrn treiben. Jch beruffe mich auff das zeugnuͤß meines gewissens/ daß ich mit reinem hertzen trachte GOTTes ehre auff alle weise nach dem anvertrauten pfuͤndlein zu befordern/ so wol bey der ei- genen mir absonderlich auff meine seele anvertraueten gemeinde/ also auch wo ich bey andern durch die feder mit rath oder aussmunterung etwas zuthun die gelegen- heit sehe. Weiter verlange ich in der welt nichts/ wie ich auch davon eher verlust und schimpff als nutzen und ehre vermuthen kan/ ja solches vor augen sehe. Jedoch hoffe ich/ mein GOtt werde mir die gnade geben/ das ich nicht muͤde werde. Jn- dessen richte ich meine sache billich dahin/ wie sie solchem zwecke gemaͤß seyn moͤchte. Da also eines unter meinen ersten principiis prudentiæ ist/ als lang es muͤglich ist/ mich in keinem feder-krieg einzulassen/ als welche nicht nur viel edle zeit weg rauben sondern oͤffters auch in vertheidigung der warheit eher schaden als nutzen bringen. Weswegen ich alle gelegenheit darzu mit aller sorgfalt vermeide/ so viel weniger denn jemahl jemanden/ sonderlich von unserer kirchen/ nahmentlich an- greiffen werde: ja auch wo ich getrungen und von andern also angegrissen wuͤrde/ daß ich ohne nachtheil der warheit nicht moͤchte gar schweigen koͤnnen/ so waͤre mein sinn/ vielmehr alleine mit blosser und deutlicher erklaͤhrung der warheit als formal refutation meines adversarii meine sache zu fuͤhren/ nimmermehr aber mich eini- ger hefftigkeit zugebrauch en/ als der ich erfahren/ was vor eine krafft eine mit lau- ter sanfftmuth vertheidigte warheit nicht nur bey guten gemuͤthern sich ereignet/ son- dern auch offt die boͤsen beschaͤmet oder wol gar uͤberzeuget/ wie hingegen wol eine gute sache mit bitterkeit behauptet auch guten hertzen anstoß giebet. Diesen mei- nem ersten principio stunde die mit vorgesetzten: Herrn N. nahmen geschehene e- dition meiner erklaͤhrung schnur stracks entgegen/ und schien mich aus der jeni- gen disposition setzen zu wollen/ in welcher ich versichert bin/ daß ich auch mit mei- nen wenigem talent GOTT am besten dienen moͤge/ und griff mich also haͤrter oder Das sechste Capitel. oder empfindlicher an/ als ich fast einigerley weise haͤtte moͤgen angegriffen werden; weil mir an dieser freyheit von polemicis scriptis mehr als sonsten an meiner exi- stimation oder privato commodo gelegen ist. Gleichermassen nachdem mir GOtt die gnade noch bißher gelassen/ daß ob wol der academiarum ein und ande- re gegen mich schaͤl sehen moͤgen/ dennoch derselben viele und etwa meiste sind/ dero gewogenheit mir Gott bißher erhalten/ so gestehe ich gern/ daß ich mich sorgfaͤltig huͤ- te/ aus meiner unvorsichtigkeit keinen einigen zu offendiren / sondern an allen/ die sich nicht etwa publicè allen guten/ wo man nicht schweigen koͤnte/ widersetzen/ auch dasjenige mit sanfftmuth zu tragen/ was ich gerne geaͤndert sehe/ und etwa allgemach solches auch zuhoffen ist/ auffswenigste so viel zu wege zu bringen/ daß welche eben zu der aͤusserlichen treibung des wahren innerlichen Christenthums elbs nicht viel mit wuͤrcken werden/ gleichwol auch nichts dargegen thun. Daher wo streit ist uͤber dieses oď jenes buch/ uͤber diesen oďjenen mañ/ so finde ich nicht rathsam/ mich in einigen streit mit einzuflechten. Habe ich aus einẽ buch einigen nutzengehabt/ so goͤñe geꝛn daß andeꝛe gute freunde auch desselben theilhafftig weꝛden moͤgẽ/ werde auch in privatrecomendation dessen gerne gedencken. Wo es aber dahin kom̃en solle/ daß uͤm ein und andern an sich guten buchs willen in der kirche ein oͤffentlicher streit entstehen solte/ und sorge ist/ daß wegen veꝛtheidigung dessen einige der uͤbrigen besserung der kirchen so vielmehr abguͤnstig werden moͤchten/ so werde ich mich zwar nimmer dahin bringen lassen/ ein buch zu verwerffen/ worinnen ich viel gu- tes gelernet/ aber kan auch wohl friedens halber mich desselben begeben/ die weil kein buch ohne die Schrifft uns so absolute noͤthig ist/ so denn auch keines leicht hervor kommen kan/ das einige contradiction lidte/ dessen noͤthige contenta nicht schon auch in andern zur gnuͤge enthalten/ die von den gantzen oder groͤsten theil der kirchen insgemein nunmehr gebilliget sind. Also werde ich mich auch nim̃er mifchen in streite/ welche Theologi unter sich aus privat- ursachen ihrer schrifften oder handlungen wegen haben. Wie ich auch nicht verlange/ daß wo ich mit je- mand wider willen in einen streit gezogen wuͤrde/ andere sich meiner sache anneh- men solten/ es waͤre dann sache zu einiger composition oder beylegung. Massen ich auch wegen meines hiesigen privat exercitii / davon in meinem sendschreiben bericht ertheilet/ nicht begehre/ wo etwa jemand solte/ so zwar bißher noch nie ge- schehen/ dasselbe publice angreiffen/ daß sich die kirche daruͤber spalten/ oder alle diejenige/ so sonsten mit mir einer guten intention sind/ sich nothwendig meiner an- nehmen solten/ ja ich verlange dergleichen von keinem/ der nicht aus besondern ur- sachen ihm oder der kirchen solches nuͤtzlich erachten solte. Denn warum solte um der ursache willen/ ob ich in diesem oder jenem recht oder unrecht/ was ich oder ein an- der unvorsichtig handle oder gehandelt haͤtte/ nothwendig auch jeglicher die feder ergreiffen muͤssen. Daher mache ich einen unterscheid unter den blosser dings noth- ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XXXVIII. nothwendigen und nebens sachen. Was das blosse nothweudige anlanget von dem lebendigen und fruchtbahren seligmachenden glauben/ von der gnade Christi/ die er seinen glaͤubigen ertheilet/ von den schaͤtzen/ die wir in ihm besitzen und also von den hauptsachen/ so zu der rechtfertigung und erneurung gehoͤren/ da haben wir nicht nur nichts zu vergeben/ sondern sehe nicht/ wie da jemand in einem solchen entstehenden streite neutral seyn/ oder einen bruder stecken lassen koͤnne. Was aber darnach entweder nebens fragen anlangt/ oder streit uͤber diese und jene for- mul (wo sonsten die hauptsache annoch beyderseits erhalten wird) uͤber dieses oder jenes buch oder autorem / uͤber gewisse anstalten/ uͤber mittel und vorschlaͤge der besserung/ uͤber actiones gewisser fratrum / ob sie darinnen recht oder unrecht gethan haben/ waͤre zwar von den meisten besser/ daß gar nie dergleichen fragen movi ret/ und streit erhoben wuͤrde/ jedoch wo es mit liebe und beschei- denheit geschiehet/ willich nicht eben verwerffen/ was etwa auch deswegen publi- c e conferi ret wuͤrde/ aber da halte am rathsamsten/ es sey denn zur freundlichen beylegung/ daß sich andere nicht darein legen/ sondern dasjenige unter denen aus- gemachet werden lassen die es angehoben/ und in dessen mit beyderseits das band des friedens unzerbrochen erhalten werde. Wie ich gern mit jeden friede halten will/ ober mir schon das meinige nicht billiget/ hingegen auch gedult mit ihm trage/ wo er etwasthue und schreibe/ daran ich ziemliches bedencken haͤtte. Gewißlich wer- den wir GOTT mit solcher sanfftmuͤthigen art/ die keines menschen gewissen et- was aufftringt/ alle unsere dinge fuͤhren/ und auch unsren streit ausmachen/ so wird der kirchen in kurtzen besser gerahten seyn/ als wo auch die jenige/ die die besserung suchen/ mit hefftigkeit und opiniatri taͤt die sache verderben/ und da duͤrffen wir doch nicht sorgen/ daß wir werden ohne der welt haß u. verfolgung bleiben/ sondern nach unsers Heylandes aussage wirds wohl dabey bleiben/ daß die welt die seinige hassen wird. Denn es wird der teuffel endlich durch seine diener unverschaͤmt werden/ daß er das werck selbsten u. die rechte grundseulen der gottseligkeit angreif- fen wird/ wo wir uns muͤssen mit hertzlichem und oͤffentlichem eiffer alle widerse- tzen und daruͤber alles schwehrste willig leiden. Welches leiden als dann vor GOTT so viel ehrlicher und dem gewissen troͤstlicher seyn wird/ da wir lauterlich und allein um die unzweiffliche sache GOttes leiden muͤssen/ als dasjenige/ wo noch entweder wahrhafftig etwas unsers eigenen mit darunter stecket/ oder aber doch die sachen nicht so noͤthig gewesen/ daß der nutzen davon dem dahero entstandenen scha- den des streits voꝛgezogen werden koͤnne: u. wie allemahl auch sonsten gute u. gottse- lige gemuͤther mit eingeflochten weꝛden/ daß sie aus unveꝛstand dem guten so sie nicht erkant/ sich entgegen setzen. Wo es aber zu diesem streit kommen wird/ so wird sich bald offenbahrlich/ was GOTT anhange oder nicht/ an den tag geben muͤssen. Dieses ist mit wenigem die regel nach dero mich bißhero gehalten/ und als viel mir GOTT gnade zuerkennen gegeben hat/ davor achte/ daß dieses die L l beste Das sechste Capitel. beste weise seye/ wie ich doch nicht so wohl mich/ als dasjenige/ so zu GOttes ehren zu verrichten habe/ und vorhabe/ durch seinen seegen conservi ren moͤge/ als lange biß die stunde GOttes da seyn wird/ mich etwa mit in einen streit zufuͤhren/ den ich nicht entfliehen koͤnte/ und alsdann auch nicht wegern werde. Wie nun Eure Hoch-Ehrw. und andere gute freunde hieraus unschwehr abnehmen koͤnnen/ aus was ursachen etwa auch sonsten von mir bißher ein und anders geschehen oder unter- lassen worden/ da andere ein anders vermeinet/ also hoffe ich werden sie auch er- kennen/ wie hoch mir daran gelegen gewesen/ daß ich nicht durch diese edition aus dem stand gesetzet wuͤrde/ worinnen ich jetzo am besten GOTT dienen moͤge/ und also worinnen mit solchem ernst/ da ich die distribution auff die Leipziger messe be- forgte/ auff die aͤnderung gedrungen habe/ und wird also diese geringe unter uns ge- habte zwiste damit auffgehoben/ und an der sonsten unter amts bruͤdern gehoͤrigen liebe nichts hinderlich seyn; darum ich so wohl bitte/ als meiner seiten dergleichen verspreche. 22. Nov. 1678. SECTIO XXXIX. A n G eorg C onrad Dilfelden Diac. zu N ord- hausen/ als er in absicht mich offentlich anzugreiffen/ an mich erstlich geschrieben/ und einige erklaͤhrung haben wollen: Wo vor meine Schrifften gehalten haben wolle. Mittel der bes- serung. Fleißigere uͤbung goͤttlichen worts. Catechisation. Privat- zusam̃enkunfften. Geistliches Priesterthum. Ammersbach Autori taͤt der ausspruͤche der collegiorum. Christian Hohburg. Stephan. Prætorius. Mart. Statius. Theosophia und Theologia. Auff den innern menschen treiben. Ob ich Osiandri meinung? Vereinigung CHRJSTJ mit seinen gliedern. Approbation der piorum desideriorum. D. Menzer. Das Evangelium muß das meiste thun. Wie auff gute wercke zu treiben? Von der noth- wendigkeit der wercke zur seligkeit. Schrifften ohne nahmen/ ob alle verwerfflich? Reformation der kirchen. Darmstaͤtti- sches ausschreiben. Balthaser Rebhan. Erklaͤhrung der 3. puncten. Geringachtung weltlicher ehr. Horbii sache. Kriegsmannes Symphonesis. Erin- nerung und wunsch. Ob ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXIX. O B ich wohl dessen weitlaͤufftiges bereits vor etlichen wochen empfangen/ so ist doch bey mir nichts neues/ daß auch die von vornehmesten/ so gar hohen standespersonen/ kommende brieffe nicht anders/ als nach ziemlichen langen verzug beantwortet werden koͤnnen: Jn dem meine uͤbrige obgele- genheiten mir wenige zeit zu den brieffen uͤberlassen/ und noch dazu dieselbige unter so viele getheilet werden muß/ daß/ biß ich herum komme/ es sehr langsam hergehet. So haͤtte auch nach verlesung dessen schreibens in zweiffel ste- hen moͤgen/ ob ich zu antworten haͤtte/ als der ich meine zeit zu nuͤtzlichern/ GOtt dem HErrn gefaͤlligern und dem naͤchsten vortraͤglichern arbeiten anwenden moͤch- te/ als dergleichen/ wo es allein endlich auff einig unfruchtbahres wortgezaͤnck hinaus lauffen koͤnte/ dazu ich allerdings kein belieben habe. Jch habe mich aber bald resolvi ret/ in dem nahmen des HErrn noch dießmahl/ so bald als ich die zeit gewinnen moͤchte/ zu antworten/ aber mit diesen austruͤcklichen vorbehalt/ daß dieses mahl das letzte seye/ daß ich auff dergleichen art schreiben antworte/ und also entweder mein Hochgeehrter Herr meiner mit fernern/ auffs wenigste mit sol- chen sinn thuenden zuschreiben verschonen/ oder sich doch keiner antwort von mir versehen werde. Jch bekenne gern/ daß ich aus dessen schreiben keinen nutzen noch er- bauung geschoͤpffet/ so sehe auch nicht/ daß derselbe aus den meinigen dergleichen genommen habe. Wo zu soll es aber/ daß wir ohne unseren oder anderer nutzen die zeit unnuͤtzlich zu bringen/ da ich meines orts deꝛ geschaͤfften ohne das genug/ auch der lieben leute viele habe/ aus derer zuschreiben ich erbauet werde/ und sie etwa von mir auch zu weilen eine auffmunterung zu nehmen zeugen? Mit welcherley brieffswechselung die zeit verantwortlicher zugebracht werden mag. Jndessen habe doch gedachter massen noch diesmahl die zeit dranwagen wollen/ meine decla- ration uͤber gewisse dinge zu thun/ und als dann meines Hochgeehrten Herrn ge- wissen die sache ferner zu uͤberlassen. Jch will aber der ordnung des schreibens nach- gehen. Meine schrifften ins gesamt gebe ich freylich nicht anders aus/ als vor menschliche schrifften/ und bin mir meiner schwachheit so wohl bewußt/ daß ich ohne anderer antrieb selten wuͤrde etwas in den truck gegeben haben: bin deswegen auch wohl zu frieden/ wann ich in liebe einiges errinnert werde/ wo ich moͤchte anstossen: aber allmahl mit der condition / daß mich niemand auff menschen autori taͤt weise/ sondern auff Gottes wort. Also uͤberlasse ich meine schrifften jegliches pruͤffung un- terworffen seyn/ u. tringe keinen einigen menschen ein blat oder zeile auff/ daß er mir zu gefallen etwas glauben solle/ er finde sich dann dessen in seinem gewissen uͤberzeu- get/ daß uͤbrige lasse er an seinen ort u. dahin gestellet seyn/ was etwa andere darin- nen finden moͤchten. Daß aber mit jeglichen uͤber meine sachen schrifftlich oder muͤndlich weitlaͤufftig conferi ren solte/ solches leidet meine zeit nicht/ achte es auch nicht nothwendig/ und so wenig ich jemand etwas des meinigen aufftringe/ so we- nig wuͤrde ich mich auch der freyheit begeben/ das jenige zu halten/ was GOTT L l 2 mir Das sechste Capitel. mir zu erkennen gegeben hat. Was dann nun die von meinen Hochgeehrten Herrn angestelte examination meiner in den piis desideriis vorgeschlagene mit- tel anlangt/ so ist das erste die fleißigere uͤbnng goͤttliches worts. Ach wie wuͤntschte ich/ daß wir da von unsern Evangelischen kirchen ruͤhmen koͤnten/ daß GOttes wort so reichlich in denselben wohnete/ daß nicht ein mehrers zu verlangen waͤre. Fragt man von den predigten/ so wird wohl/ wie mein Hochgeehrten Herrn bekant/ an denselben nicht eben grosser mangel seyn/ daß ihrer nicht genug an den meisten orten gehalten wuͤrden: stimme auch gern deme bey/ was er sagt/ daß etwa einige predigten nuͤtzlicher in betstunden/ ich setze dazu rechtschaffene cate- chisationes verwandelt wuͤrden/ sonderlich da in den betstunden die buͤcher der Schrifft fein ohne fernern zusatz/ der gemeinde fleißig vorgelesen wuͤrden. Jch hoffte aber/ es werde mir niemand in abred seyn/ daß gleichwohl die predigten/ ob sie wohl von GOttes wort handelen/ dennoch von menschen und also abgefasset sind/ daß sie von den zuhoͤrern nach den geschriebenen wort GOttes muͤssen exami- ni ret werden: wie wollen aber die zuhoͤrer solches zur gnuͤge thun/ wo sie so gar selten die Schrifft selbst/ wie sie von dem heiligen geist abgefaßt ist/ lesen oder hoͤren lesen/ sondern kaum jemahl etwas anders davon hoͤren/ als die wenige Evange- lische oder andere texte/ so vorgelesen werden/ so dann die etwa hin und wieder vorkommende spruͤche? Und wie gehets etwa an denen orten/ wo es prediger giebt/ deren predigten etwa sehr weniges gruͤndliches aus GOttes wort in sich fassen/ wie essorglich bey den nachforschen sich hin und wieder finden moͤchte? Jst da nicht drauff zu gedencken/ wie die Schrifft selbs fleißiger unter die leute komme? Was privat zusammenkuͤnfften anlangt/ halte ich/ wer derselben nothwendigkeit insgemein leugnen wolte/ der muͤßte zu gleich alle haußkirchen/ die unterweisung der haußgenossen/ besuchung der krancken/ privat- besprechung und bestraffung sei- nes nechsten und dergleichen vor unnoͤthig achten/ welches ich von Christlichen leh- rern nicht hoffe: Wo aber die frage ist/ von dieser oder jener art einer privat- zusam- menkunfft/ so wird keine gewisse insgemein als noͤthig/ auffgetrungen/ sondern wuͤrde da zu sehen seyn/ was jeglicher zeit/ ort/ person/ und anderer umstaͤnde be- schaffenheit mit sich bringet/ und wo von mehr erbauung zu hoffen seye/ mit beyse- tzung dessen/ daß jeglicher sey verbunden auffbeste art/ als er vermag/ und ihm Gott gelegenheit giebt/ die erbauung seiner gemeinde willig zu befoͤrdern und befoͤrdern zu helffen/ welches nicht eben allemahl mit dem publico also geschiehet/ daß man nicht uͤber dasselbe noch weitere erbauung auch in privat-congressibus, wo sie nach den goͤttlichen regeln und ohne confusion in GOttesfurcht angestellet werden/ an- treffen und zu wege bringen koͤnne. Und werden sich etwa exempel zeigen/ wie fromme hertzen aus einigen solchen exercitiis nicht geringen geistlichen wachsthum geschoͤpffet. Da moͤchte einem suͤnde werden/ wer da wuͤßte guts zuthun/ und war daßes nicht auff andere weise mit gleichen succeß geschehen koͤnt:/ und thaͤte es ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO XXXIX. es nicht. Ob wohl was einer seines orts thun mag/ oder nach gestalt der sachen moͤchten zuthun verbunden seyn/ nicht eben alle verbinde. 2. Das Geistliche Prtesterthum hoffe ich nicht/ daß ich in den wenigsten zu weit extendire / ich habe niemahl privat -Christen gestattet/ Sacramenta zu administriren / ohne was von dem nothfall der heiligen Tauff unsere lehrer einmuͤ- thig behaupten. Was die administration des heiligen Abendmahls anlangt/ achte ich in demselben sacrament keinen nothfall/ daß es einem privato erlaubt mach- te/ ohne vielleicht in casu tentati / der sich nicht mit der spirituali manducatione vergnuͤgen koͤnte an gantz fremden orten/ wo kein Ministerium ist/ so aber vielleicht difficulter dabilis ist; ich auch daruͤber mit einigen menschen nicht streiten wuͤrde/ und bey weiten nicht so weit darinnen gehe/ als unterschiedliche nicht geringe unsere Theologi. So gestatte ich auch keinem privato das predigen/ noch die ordinari erklaͤhrung goͤttlichen worts. Jch wuͤrde zwar/ wo es noͤthig waͤre/ die jenige un- serer kirchen lehrer anziehen koͤnnen/ die auch die interpretationem scripturæ den privatis / ja weibern/ zu lassen; Jch vergnuͤge mich aber darin/ das gottselige Chri- sten/ wo sie in freundlicher gesellschafft bey sammen find/ an stat der sonsten unnuͤ- tzen und offters schaͤdlichen gespraͤchen die erlaubnuͤß haben moͤgen/ die heilige Bi- bel/ sonderlich das Neue Testament vor sich zunehmen/ sich aus derselben in ihrer einfalt also zu besprechen/ nicht so wol wie sie etwa einige schwere ort/ die eine aus- legung bedoͤrffen/ verstehen lernen moͤchten/ sondern vielmehr wie sie die aller deut- lichste ort/ die sie lesen/ zu ihrer erbauung anwenden moͤchten/ daß die vortragen- de goͤttliche wohlthaten ihnen zu ihres glaubens staͤrckung u. e r weckung einer gegen- liebe gegen Gott/ die betrachtende gebote Gottes einen antrieb nach denselbẽ einher- zugehen/ erwecken moͤge: Und unter guten freunden sehr erbaulich ist/ wo sie sich bey solcher gelegenheit untereinander besprachen/ wie sie dergleichen bißdaher gethan oď nicht gethan haͤtten/ u. mit einen heiligen vorsatz sich auff das kuͤnfftige verbinden. Alles solches geschie het ohne einige confusion, sondern wird das publicum Mini- sterium und dessen verrichtung vortrefflich durch dieses Priesterthum befoͤrdert. Ob einigen menschen jemahl in den sinn gekommen seye/ die leuthe allein durch die ein- fuͤhrung des Geistlichen Priesterthums und genaue vereinigung mit Christo zu der praxi zu fuͤhren/ habe ich nie gehoͤret/ und weiß nicht/ wer damit beschuldigt wer- den moͤge/ denn mir ist niemand der gleichen in Schrifften oder reden vergekom- men. Jndessen bleibt das Geistliche Priesterthum ein statliches huͤlffs-mittel und antrieb; ist auch auff solche art von den Apostein getrieben worden. Die genaue vereinigung mit Christo/ ist eine wahre lehr/ die nicht geleugnet werden kan/ man stosse denn die gantze Christliche und Apostolische Theologiam um/ und wer dann auff dem glauben treibet/ der treibet auch auff solche vereinigung; denn der glaube bringt uns zu Christo/ und er wohnet durch denselben bey uns: so ist (ohne das Christus in uns wuͤrcke) nicht muͤglich gutes zu thun; und also hat solches geheim- L l 3 nuͤß Das sechste Capitel. nuͤß mit der praxi auff unterschiedliche arten seine verwandschafft. Wil man a- ber solche lehr insgesamt/ wie sie bisher von unsern geistlichen Evangelischen lehrern getrieben worden/ von den ich nichts abweiche/ Weigelianisch nennen/ so doͤrffte es Weigelio eine zu grosse ehr/ hingegen den lieben Aposteln viel zu nahe geredt seyn. Was Herr Ammersbachen anlangt/ bleibe ich bey meinen vorigen/ und sihe nicht/ wer mich dazu obligiren wolle/ daß ich solches mannes Schrifften/ oder was wider ihn geschrieben/ lese/ daruͤber urtheile/ und ihn verdammen muͤste. Jch bezeuge nochmals/ daß ich allererst das zweyte schreiben von ihm neulich gesehen/ als er mir die rettung einer gebrauchten proposition dedicirte, und ob ich zwar we- gen seines guten willens zu dancken schuldig bin/ so haͤtte doch lieber gewuͤntschet/ daß niemand mein patrocinium in offentlichẽ Schriffte uͤbernehme; wie er dañ von seinẽ vorhaben vor dem truck mit mir nicht ein wort communiciret, oder mir es nur kund gethan hat. Also stehe ich weder in einer familiaren correspondenz mit ihm/ noch bin verbunden/ vor etwas/ was seine consilia und Schrifften/ die mir ja allermeist unbekant/ anbetrifft/ rechenschafft zugeben; wie ich auch darvor hal- te/ daß er es selbst nicht von mir fordern werde. Wo ich aber mit ihm jemahl in freundschafft gestanden waͤre/ oder noch stuͤnde/ wolte ich mich dessen nicht schaͤmen noch fuͤrchten; Dann gleich wie ich mich seiner sachen/ die mir unbekant sind/ nicht an zunehmen habe/ also kan mich niemand obligiren / einen mann und lehrer un- ser kirchen zu verdammen. Was einige Collegia mit ihm moͤgen vorgehabt ha- ben/ oder noch haben/ das uͤberlasse ich beyden parteyen/ und flechte mich nicht ein in fremde geschaͤffte die mich nicht angehen. Jch habe in den vornehmen Mini- steriis der 3. staͤdte meine liebe und geehrte freunde/ von denen ich mich versichere/ daß sie meine auffeichtigkeit in der sache GOttes erkennen/ und werden nicht in den sinn fassen/ mir etwas auffzutringen/ wozu ich nicht gesetzt bin/ so wuͤrde ich mir hinwieder von Herr Ammerbachen/ wo ich mit ihm im gantz genauer kundschafft stuͤnde/ nimmermehr dieses verbieten lassen/ mit den jenigen nicht freundschafft zu- halten/ die ihm etwa moͤchten entgegen seyn. So will ich auch allen Facul taͤten und Ministeriis diese billigkeit zu trauen/ daß sie ihre responsa und judicia nicht also heraus geben werden/ daß sie damit die gantze kirche und rechte lehrer oder glie- der derselben obligiren / und solche decisiones machen wolten/ dabey so bald jeder- man acquiesci ren muͤßte/ sondern wie unsere Symbolici Libri so gar von den Symbolis Catholicis reden/ das sie zeugnuͤß davon geben/ was sie von jeglicher sache/ articul oder scripto halten; aber was von solchen particular-Collegiis komt/ kan noch nicht so viel die andere obligiren, als noch jene so von der kirchen ein mal recipirt; so ex alio fundamento uns nachmal verbunden/ ob sie wol son- sten an sich auch nichts anders als testimonia, nicht aber judices, normæ oder regulæ sind. Ja ich halte davor/ der jenige vergreiffe sich schwerlich an solchen Fa- cult aͤten und Collegiis, der ihnen dieses zumessen wolte/ daß sie sich eine solche di- cto- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXIX. ctoriam potestatem nehmen wolten/ womit sie/ wo sie es thaͤten/ gewißlich als ein neues Papstum einfuͤhreten. Wir wissen je/ was unser liebe Lutherus so gar von den Conciliis selbst judicirt hat/ und ist gewiß/ daß wir es gegen die Pa- pisten verlohren haben/ so bald wir einen solchen gewalt einigen Doctoribus oder Collegiis geben/ unsern gewissen vorzuschreiben/ oder sie zu obligiren. Dann muß ich diesem oder jenem Collegio glauben/ wo sie etwas decidiren, daß muͤste GOttes wort seyn/ deswegen/ weil sie es also sagen/ oder muß diesen und jenen ver- dammen/ weil sie ihn verwerffen/ daß daher ihre autorit aͤt mir zum fundament liget/ so stehet ein solch principium, da ich unverholensage/ daß alsdann die Pa- pisten recht haben. Dann gilt es menschen autori taͤt/ so ist ihr hauff der groͤssest und ansehnlichste/ und hat in vielen stuͤcken den vorzug vor uns/ und warum solten alsdann bey mir die mehrere anzahl so viel in dem aͤusserlichen/ vortrefflicher leuthe/ die in einer statlichen verfassung und ordnung ihrer kirchen stehen/ auch bekanntlich auffs wenigste unterschiedliche secula vor sich haben/ darunter viel einer successi- on auff die Apostel mit einigen schein sich anmassen/ und was noch sonsten ihr anse- hen groͤsser machen kan/ nicht mehr ausrichten/ als ein kleiner hauffe solcher leuthe/ die jenen nicht in solchen aͤusserlichen gleichen/ und unter einander nicht eines sind/ noch ein solches band haben/ wie die Paͤpstische/ welches sie zusammen hielte. Wie dann bey uns nicht nur geschehen kan/ sondern etwa wuͤrcklich geschiehet/ das gan- tze Collegia und Facul taͤten einander contrari sprechen/ welches bey jenen nicht geschiehet/ oder so bald durch die obere autori taͤt des Papsts ziemlich zurecht ge- bracht werden kan. So wuͤrde wahrhafftig noch rathsamer seyn/ ein Papstthum zu agnosciren, davon alles dependire, als denselben so viele/ als viele Collegia sich einer solchen macht annehmen wolten. Aber danck sey GOtt in ewigkeit/ der uns hat in der wahrheit erkennen lassen/ daß wir nicht bestehen doͤrffen auff einiges oder vieler menschen autori taͤt/ sondern allein auff unserm Heyland JEsu Chri- sto der die warheit selbsten ist/ und sich in seinem wort und durch dasselbige in den hertzen der seinigen/ die ihn suchen/ offenbahret/ daß sie in nichts ihr gewissen andern menschen unterwerffen/ sondern schlechterdings auff den unbetrieglichen grunde be- ruhen/ und also in ihrer freyheit bestehen/ dazu sie der Sohn frey gemachet hat. Der behuͤte auch alle Christliche Theologos/ daß sich keiner nie diese macht nehme oder einbilde/ anderer gewissen etwas auffzubuͤrden/ oder zu zu geben/ daß mit sei- nen willen andere sich seiner autori taͤt hiezu mißbrauchen/ und wir also wider un- ser haupt principium unserer gantzen religion eine gefaͤhrliche gewalt einfuͤhren wolten/ der die gantze kirche endlich uͤber einen hauffen wuͤrde werffen/ sondern Christliche Theologi und gantze Collegia werden allezeit bey der bescheidenheit bleiben/ wo sie amts halben/ oder ersuchet/ ihre gedancken uͤber etwas geben sollen/ daß sie ihre meinung sagen/ und dieselbe mit solchen gruͤnden bestaͤtigen/ daß ohne ab- sicht auff ihre autori taͤt/ der leser moͤge convinciret werden/ koͤnnen sie aber sol- ches Das sechste Capitel. ches nicht dermassen thun/ so muß anderer ihr gewissen frey bleiben/ welches mit nichts uͤberzeuget ist. Daher folgt je nicht/ wo gantze Facult aͤten einen gewissen mann solten verwerffen/ daß deswegen alle der gantzen kirchen glieder gehalten waͤren/ ihn so bald auch zu verdammen/ und sich von ihm abzusondern/ dann das waͤre der geradeste weg/ zu unendlichen und der kirchen verderblichen schismati- bus. Sondern finden sie einen mann/ seine lehr gefaͤhrlich oder verdaͤchtig/ so weꝛ- den sie ihn erinnern/ oder auch der jenige/ die die auffsicht auff ihn haben/ die jeni- gen bedencken/ die sie haͤtten/ berichten/ oder wo sie es noͤthig achten/ die kirche war- nen: aber alsdann wie andere die sache ihres ortes befinden werden/ eben so wol ih- ren gewissen heim gegeben/ und keinen solchen spruch von sich geben/ der die gantze kir- che verbinde/ und sie sich beschweren wolten/ wo nicht/ alle derselben sich confor- mirten; so thun sie ihren gewissen genug und massen sich doch keine ungebuͤhrliche gewalt an; es wird auch keine trennung alsdenn leicht geben/ sondern manche irrung in liebe moͤgen bey gelegt werden; da hingegen nichts als trennung und unheil zu- erwarten stehet/ wo solche responsa, decisiones obligatoriæ seyn sollen. Es ist noch in frischen gedaͤchtnuͤß/ was vor harter streit zwischen den Helmstaͤtischen/ und so Wittenberg-als Leipzigischen und andern Theologis entstanden/ so auch noch nicht erloschen/ und wissen wir/ wie von Herr D. Calixto geurtheilet/ und wo vor er von nicht nur einem Theologo puplicis scriptis declarirt worden: auch die seinige etwa noch jetzo moͤgen gehalten werden. Wer wolte eben mich und jeglichen andern/ so sich in solchen streit nicht mischen will/ dahin obligiren/ daß wir entweder mit Wittenberg brechen/ wo wir Calixtum nicht verwerffen/ oder die- se auch verdammen/ wo wir nicht jener freundschafft bloß dahin auffgeben wolten. Wuͤrde nicht dieses die aller offenbahrste und unvermeidliche gelegenheit uñ ursach seyn/ daß die gantze kirche sich vollends trennete; davor uns GOtt/ und also auch vor solchen principiis, in gnaden behuͤte! Wer mir Christum das fundament meines glaubens nimmet/ mit deme breche ich billich alle geistliche freundschafft ab; Wer mir aber noch solchen laͤsset/ ob er auch vielleicht in ein und andern stuͤcken moͤchte fehlen/ so ich entweder kla r sehe/ oder zu urtheilen bedenckens habe/ mit dem trage ich die liebe/ daß ich jenen allgemeinen wahren seligmachenden glauben an Christum mehr bey mir gelten lasse/ als seine irrmeinungen; werde deswegen auch nicht auffhoͤren/ wo ich sonsten es zu thun gepflegt/ mit ihm die freundschafft fort zu setzen/ wo ich etwas an ihm bessern kan/ dasselbe gern zu thun/ indessen gedult mit einander zu haben. Nimmermehr aber werde ich in offenbahre feindschafft mich legen gegen einigen/ welchen die kirche noch in ihrem schoß leidet. Also nehme ich mir freylich keine macht uͤber einen fremden knecht. Sage aber nicht/ daß es nicht ursachen geben koͤnne/ wo ich uͤber einige in GOttes nahmen richten muͤste: Der- gleichen ich gegen Herrn Ammerbachen nicht habe/ den jenigen aber/ welche mit ihm in streit stohen/ uͤber lasse/ wie sie dazu gekommen seyn; Denn auch ihre actio- nes ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXIX. nes stehen mir nicht zu zu beurtheilen. Jch habe von meinem GOtt so viel zuthun bekommen/ daß ich mich fremder sachen wol enthalten kan; und lasse also freylich einen jeglichen mit-knecht nach der gabe/ die er hat/ arbeiten/ auff seine verantwor- tung/ die er unserm allgemeinen HErrn und richter geben wird: Es waͤre denn sach/ daß ich eine solche gefahr selbs saͤhe/ die mich zu einer andern resolution noͤ- thigte. Also was Hohburgium anlangt/ weiche ich abermal von meinem vori- gen nicht. Jch rede aber von seiner person/ noch unter Eliæ Prætorii nahmen e- dirten schrifften nicht/ darinnen ich kaum einige blaͤtter gelesen/ sondern von seinen einigen andern Schrifften die seinen nahmen vorstehen haben; Wie wol doch auch deroselben etwa groͤsseste theil von mir auff die stunde noch nicht gelesen sind. Aber welche ich gelesen/ aus denen haben guts gelernet/ nicht zwar in einigen glau- bens articuln/ die ich weder bey ihm noch andern suche/ oder davon viel zu lernen verlange/ als der ich an den jenigen genug habe/ was ich von jugend auff aus der heiligen Schrifft gelernet/ sondern in einer rechtschaffenen und beweglichen auff- munterung und vorstellung der verderbnuͤß bey unsern euserlichen wesen/ und bey dem leidigen opere operato, ausgeschlossen der dazu gehoͤrigen innerlichen krafft/ die groͤsten theils gehindert wird. So ist ohne das nunmehr mein meistes suchen in buͤchern nicht so wol ein mehrer unterricht des verstandes/ als besserung des willens. So leugne auch nicht/ daß in denselben Schrifften/ die ich von ihm ge- lesen/ ich selbst ein und ander dinge angetroffen/ denen ich nicht subscribiren wol- te/ aber mit anderer menschlicher schwachheit gedult trage/ der ich auch dergleichen von andern gegen mich verlange. Also lasse ich andern ihr urtheil uͤber diesen leh- rer/ und finde nicht noͤthig/ weder alles in ihm zuverwerffen/ noch ihn simpliciter bey zupflichten. Von Stephano Prætorio und Statio kan ich besser reden/ als welche ich cum cura gelesen/ und zwar mit gantz præoccupirten gemuͤthe. Denn ich einen Christlichen studiosum, da ihn andere dinge wegen zu zusprechen gehabt/ auch weil gehoͤrt hette/ daß er in solchem Statio fleißig lese/ gewarnet/ ich haͤtte zwar den autorem nie gesehen/ hoͤrte aber von einem andern guten freund/ daß er nicht e- ben rein waͤre. Worauff er/ als er hoͤrte/ daß ich ihn nie gelesen/ mich bat/ so viel ich mich besinne/ mit darreichung seines eignen exemplaris, ob ich es doch gelesen/ und wo vor er sich zu huͤten haͤtte/ ihm darinnen zeigen moͤchte. Als ich es nun an- fieng zu lesen/ mit dem gemuͤth/ daß ich die errores darinnen notiren wolte/ wur- de ich durch die darinnen enthaltene goͤttliche lehr dermassen bewogen/ daß ich selbst viel anders davon hielte/ als vorhin aus eines andern freundes urtheil davon zu ur- theilen mich bewegen lassen/ und daher ob wohl einige stellen darin angetroffen/ die ich anders verlangt/ mich schuldig geachtet/ wegen der vortrefflichkeit der vornehm- sten darinnen enthaltenen lehr/ die etwa mit unter gelauffene schwachheiten ihm zu gut zu halten/ und auch was an sich ungleich lauten moͤchte/ mit guͤtiger auslegung zu mildern. Als aber nachmal Prætorium selbs laß/ so leugne nicht/ das mehrers M m darin Das sechste Capitel. darin gefunden/ als in Statii extract, so mir mißfallen/ aber mich weder damahl dahin gebracht hat/ noch bꝛingen wird/ daß ich deswegen auch in demselbigen nuͤtz- liche ein und andern gottseligen hertzen mit willen aus den haͤnden reissen wolte las- sen. Wie ohne das in Statii gantzer Schatz-kammer nicht ein einiger ort ist/ wel- chen nicht ein gottseliger Christ/ wo er ihn in seiner einfalt lieset/ in gantzen guten verstand annehmen koͤnte: sonderlich von solchen leuthen/ die taͤglich aus GOttes wort von der cantzel von der reinen lehr also unterrichtet werden/ daß sie dieselbe fas- sen/ und nach solcher analogia alles/ was sie lesen/ obs etwa auch von dem autore anders moͤchte gemeinet gewesen seyn/ zu verstehen pflegen. Daher ich andern ih- re meinung lasse/ und tringe das buch niemand auff/ als der ich weiß/ daß kein buch bloß nothwendig ohne die Schrifft/ aber lasse hingegen auch mich/ so dann die jeni- ge/ welche solche auffmunterung aus diesem buch geschoͤpffet/ und noch oͤffters schoͤpffen/ auch nicht noͤthigen/ wider meine eigene erfahrung anders zu glauben/ oder diese arbeit zu verwerffen: So vielmehr nach dem so offt der streit ist/ nicht so wol de veritate sententiæ, als ob dies und jenes Statii, Prætorii (auch etwa Hohburgii ) meinung gewesen seye; wo auch die Papisten selbst ihren Papst nicht gern die jenige infallibilitatem gestatten/ daß er in hac quæstione facti, ob die- se oder jene proposition eines autoris von ihm in solchem verstand gemeinet gewe- sen/ nicht solte irren koͤnnen. Wie die controversia janseniana noch erst neulich ge- wiesen. Wie wollen wir dañ eine mehrere autori taͤt einigen particular oď mehrern Theologis geben/ daß wo dieselben einigen autorem um gewisser reden oder leh- ren willen (davon noch streit ist/ ob er sie in dem verstand gehabt) verwerffen/ sol- ches als res judicata von allen angenommen werden muͤste. Es wird ein jegli- cher vor sich selbst GOtt rechenschafft geben. Was wegen der Theosophiæ und Theologiæ gesagt wird/ sehe ich nicht/ wohin es ziehlet. Entweder ists die mei- nung/ daß wir jetzo durch eine solche immediatam inspirationem, wie die ϑεό- πνευστοι, nicht erleuchtet werden/ sondern unser habitus ein mediate acquisitus seye. So ist hieruͤber kein streit nicht/ denn weder ich noch meine freunde hieran nicht gedacht. Oder es ist die frage/ ob die Theologia ein habitus merè indu- stria humana sine Sp. S. divino lumine (gleich wie andere menschliche wissen- schafften erlangt werden) acquisitus seye? So bekenne ich gern/ das ich mir eine solche Theologiam oder solche Theologos nicht wuͤntsche: auch aus 2. Cor. 2. von Paulo lerne/ daß der natuͤrliche mensch ( Luth. glossir ets/ wie er ausser der gnade ist/ mit aller vernunfft/ kunst/ sinnen und vermoͤgen/ auch auffs beste geschickt ) nicht verstehe/ was des geistes GOttes sey/ noch geistliche dinge beurtheilen koͤnne; Wie will also ein solcher/ und also ohne die erleuchtung des heiligen Geistes (welche gewißlich keinen welt-hertzen/ krafft der wort Christi/ w iederfahren kan) ein rechtschaffener Theologus seyn/ und solte er alles wissen/ was ARTI C. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXIX. was menschlichen fleiß erlernen kan. Also hat mich mein seliger Præceptor D. Dannhauer, informiret, wie er denn die Hodosophiam oder Theologiam nostratem also definirt: est lumen, constans, cœleste, efficax, in oculo spirituali, puro, illuminabili, quod hominem cœlo exulem ad patriæ cœ- lestis beatitudinem ductu suavi reducit. Und nachsolgends beschreibt er das subjectum, in oculo mentis spirituali ac remoto, puro à nequitia pio- que, illuminabili s. docili, devoto \&c. diesem folge ich gern/ und achte den habitum der jenigen nicht wuͤrdig den lieben nahmen der Theologiæ zu tragen/ welcher nichts goͤttliches von dem heiligen Geist hat/ sondern sich bey einen welt- hertzen und gottlosen menschen finden kan. Jch hoffe aber auch nicht/ daß mir eini- ger cordat er Theologus wird hierinnen widersprechen wollen/ und solches ist meine und meiner freunde meinung/ gantz gemaͤß der analogiæ fidei, wolte Gott aber auch der erfahrung. Was den innern menschen anlangt/ weiß ich nicht wie mein hochgeehrter Herr auff die rede komt/ daß ich dadurch verstehe die sonder- bare genaue vereinigung eines Christen mit Christo. Welches mir gantz unge- raͤumt geredet zu seyn deuchtet. Der innere mensch ist der Geist aus Geist ge- bohren/ welcher dem fleisch aus fleisch gebohren entgegen gesetzt wird/ und begreifft also den menschen/ wie er nun in krafft des glaubens in der wiedergeburth zu einen andern menschen worden ist/ in erleuchteten verstand/ himmlisch gesinneten willen/ und dergleichen/ oder wie unser lieber Lutherus in der vorred uͤber die Ep. an die Roͤmer sagt: daß der glaube ein goͤttlich werck in uns seye/ daß uns wan- delt und neu gebieret aus GOtt/ und toͤdtet den alten Adam/ machet uns gantz andere menschen von hertzen/ muth/ sinn und allen kraͤff- ten/ und bringt den heiligen Geist mit sich. Wo also bey demsel- ben die wercke nicht nur allein die aͤusserlich dem gesetz gemaͤß geschehen/ wie etwa bey vielen unwiedergebohrnen offters auch zu geschehen pflegt/ sondern daß das hertz also gesinnt ist/ wie es aͤusserlich wuͤrcket. Heisset also auff den innern menschen alles richten/ dieses/ daß man nicht nur eine moral Theologiam aus dem gesetz vor- trage/ von aͤusserlichen wercken; sondern trachte die leuthe durch die erkaͤntnuͤß der wohlthaten Christi zu dem wahren glauben zu bringen/ welcher in des heiligen Gei- stes krafft die hertzen der menschen aͤndern/ und sie anders gesinnet machen wird/ damit der grund alles guten in dem hertzen geleget werde: Und nachmal was ge- schiehet/ nicht geschehe aus einer heucheley/ mit absicht auff sich selbs/ oder mit zwang/ sondern von grund der seelen und aus innerlichen trieb des hertzens. Wo- von der liebe Lutherus so herꝛlich offters redet. Das heisset auff den innern men- schen alles richten; Daher wirds kommen/ daß man die leuthe immer mehr und mehr gewehne/ auff sich selbs und ihr hertz achtung zu geben/ so wol auff die suͤnd- liche bewegungen des fleisches/ die uns/ wo wir sie nicht genau warnehmen/ gar M m 2 bald Das sechste Capitel. bald uͤberwinden koͤnten/ und als noͤthig ist/ staͤts gegen solchen innern feind auff der hut zu seyn/ als auch acht zu geben/ auff die wuͤrckung GOttes in unsern seelen/ wo derselbe bey lesung/ hoͤrung/ betrachtung seins worts seine krafft uns in den her- tzen fuͤhlen laͤsset/ und daselbs bey uns anklopffet/ solche gnade nicht vorbey streichen zu lassen/ sondern sie anzunehmen/ auff und in der selben zu wuͤrcken. Daher auch immer sich nicht nur nach dem aͤusserlichen thun/ sondern zufoͤrderst nach der innerlichen beschaffenheit des hertzens zu pruͤffen und darinn auff unsern wachs- thum acht zu geben. Da ist nun wohl die vereinigung der glaͤubigen mit Christo ein theures gut/ solches innern menschen/ nicht aber der innere mensch. Was in dem uͤbrigen anlangt meine meinung/ ob ich nach Osiandri meinung die justifica- tionem statuire te/ so bitte ich/ mein hochgeehrter Herr pruͤffe seyn hertz vor GOtt/ ob ich ihm mit einigem wort hierzu nur einige vernuͤnfftige ursach gegeben/ und nicht aus dieser probe/ wie zwar auch sonsten vielen hoͤnischen und spitzigen reden (welche der Vater der barmhertzigkeit ihm nicht zu rechnẽ wolle) ein solches gemuͤth gegen mich heraus leuchten lasse/ daß ohne liebe allein suche/ ob man etwas auff- bringen moͤchte/ da man mit einem schein mir zu contradiciren vermoͤchte. Er gedencke aber dabey/ das GOtt unser hertzen ansihet/ und wir davor rechenschafft geben muͤssen. Wo habe ich mein lebtag an diesen propositionen mangel gehabt? Sola fide justificamur, sola fides Christi meritum apprehendit, justifica- tio proprie solummodo fit per imputationem meriti Christi \& non im- putationem peccatorum? Jndessen sage ich noch hundert mahl/ Christen muͤs- sen nicht nur Christi verdienst mit dem glauben ergreiffen; dann ob wol dieses das jenige ist/ worinn allein die rechtfertigung bestehet/ so sind doch noch mehr officia, die einen Christen obligiren: noch mehrere beneficia, deren er geniessen soll. So bleibts auch wahr/ es muͤssen die Christen nicht nur glauben/ durch Christi verdienst selig zu werden (welches die rechtfertigung ist) sondern es muß auch Christus in ih- nen wohnen/ welches ein theures ἀξίωμα der glaͤubigen ist/ wo vor sie nicht aller welt gut nehmen wuͤrden/ und das jenige mittel/ wodurch die liebe Heyland durch seinen Geist an ihrer fernern heiligung wuͤrcket. Wie kan man dann mit wahr- heit sagen/ daß meine wort auff schrauben gestellet seyen? oder muͤssen wir im̃er fort und fort der terminorum scholasticorum und artis uns also gebrauchen/ das oh- ne dieselbe/ und wo wir etwan einmal mit einfaͤltigen worten der Schrifft reden/ alles muß verdaͤchtig seyn? Jst dieses nicht eine sache/ die billig zu bejammern? Was die lehr von der vereinigung Christi mit seinen glaͤubigen anlangt/ so habe ich auch nicht ursach einen finger abzuweichen von der lehr der meisten unserer Theologerum, und bin versichert daß es der Schrifft gemaͤß seye/ daß ich glau- be/ nicht nur Christi Geist/ gnade/ wuͤrckung/ wohne in uns/ sondern er CHristus elbs wohne in uns. Und er selbs/ nicht nur seine gnade und wuͤrckung/ vereini- ge ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XXXIX. ge sich mit uns. Beziehe mich damit auff die jenige/ welche de unione my- stica hin und wieder geschrieben. D. Brochm. Syst. Th. T. 2. c. 4. s. 1. \& seq. pag. 304. seq. so da selbst expresse wider die Weigelianer disputiret, D. Dannhau- er Hodos. Ph. 8. pag. 864. D. Hülseman. Brev. ext. c. 14. Wer die wahrheit verlangt/ wird in diesen gnug finden/ wem aber derselben arbeit nicht genug ist/ wird nicht noͤthig seyn/ daß ich an ihm viel muͤhe deswegen anwende. Jndessen kan mir kein Weigelianismus imputirt werden/ es treffe denn solche wohlver- diente leute mit mir. Ja ich habe vor mich unsere Formulam Conc. Loc. 3. da in antithesi verworffen wird: quod non DEUS ipse, sed dona Dei duntaxat in credentibus habitent. Der aber in uns wohnet/ vereiniget sich mit uns. So viel betrifft die von mir vorgeschlagene media in den Piis desideriis, welche mein Hochgeehrter Herr hat examini ren wollen/ hoffe aber wo er seyn hertz auff- richtig pruͤffen werde/ daß er vor GOTT erkennen werde/ daß er nichts dagegen auffgebracht habe/ das einigerley massen ein wichtiges dubium verursachen koͤn- te. Weil aber sehe/ daß mein Hochgeehrter Herr so sehr auff die suffragia der menschen siehet/ so kan denselben versicheren/ daß ohngemeldt viel rechtschaffener politicorum und solcher leute in den weltlichen stande/ die das reich GOttes mit grossen eiffer suchen/ ich wo es noͤthig eine starcke anzahl der schreiben von vortreff- lichen Professoribus, General und Special Superintendentibus, Consistori- alibus, stadt- und andern predigern vorzeigen kan/ welche solche pia desideria mit hoͤchsten freuden auffgenommen/ und ohne einige ausnahm approbirt haben. Die zahl ist groͤsser/ als mein Hochgeehrter Herr etwa dencken solte. Jch will aber hier allein senden von 8. unser Universi taͤten die suffragia vornehmer Theo- logorum/ deren einige die primarii ihrer facul taͤten sind. Jch setze die nahmen der lieben leute und den ort mit fleiß nicht darbey/ weil nicht noͤthig/ dieselbe aliorum odiis \& in vidiæ annoch zu exponi ren. Aber mein Hochgeehrter Herr sey ver- sichert die originalia sind alle vorhanden. Denselben habe allein ferner zugefuͤgt des Heßischen beruͤhmten Theologi Herrn D. Mentzers suffragium, welcher un- ter den ersten gewesen/ so den piis desideriis gratulirt/ und seine wort nicht retra- cti ren wird. Jch zwar meines ortes weiß gar wohl/ daß ob schon dergleichen suf- fragia einen so viel mehr bekraͤfftigen koͤnnen/ sich desto weniger zu scheuen bey einer wahrheit/ welche von andern auch erkant wird/ dannoch beruhe auff denselben die sache nicht/ weil aber mein Hochgeehrter Herr scheinet auff dieses argument à judicio humano so viel zu achten/ wirds nicht eben undienlich seyn/ demselben zu zei- gen/ daß vornehme liechter unserer kirchen das jenige ohne ausnahm gebilliget/ ja gelobet/ worinn er so viel holtz/ heu und stoppeln zu erkennen meinet. Jedoch will ich darum solche/ ob wohl mit so vielen autoritatibus bekraͤfftigte/ pia desideria niemand obtrudi ren. Sind sie jemand zu seiner auffmunterung und erbauung dienlich (wie ich dem Allerhoͤchsten demuͤtigen danck sage/ der sie bey nicht wenigen M m 3 hat Das sechste Capitel. hat lassen etwas fruchten) den goͤnne ich gern den nutzen meiner einfaͤltigen aber treugemeinten Schrifftẽ: Wer sie nicht beliebt/ mag auch dieselben wohl entrathen/ wo er nur dabey bleibt/ was ihn Gottes wort selbst deutlich zeigt. Wie ich auch als nicht geschrieben haben will/ wo etwas des meinigen mit solchem wort nicht ein- stimmen solte. Meines Hochgeehrten Herrn vorgeschlagene 6. mittel laß ich an ih- ren ort beruhen. Das 1. 2. 5. 6. sind ohne zweiffel noͤthig/ aber doͤrfften doch das werck noch nicht heben. Jn dem 3. so sind gesetz-predigten gantz noͤthig/ vermei- neich/ daß ich ipsa praxi mea in meinem amt zeige/ daß ich kein antinomus/ son- dern derer vielleicht mehr seyn werden/ welche klagen/ daß ich zu viel gesetz pre- digte/ als zu wenig. Aber dabey bleib ich doch/ daß das gesetz weder das einige noch vornehmste ist/ so die leute fromm machet/ sondern das muß das Evangelium thun. Habt ihr den Geist empfangen durch des gesetzes werck/ oder durch die predigt vom glaubẽ Gal. 3. Also hat das gesetz nimmermehr einen einigen men- schen from̃ gemacht/ sondern es muß das Evangelium den glauben wircken in denen durchs gesetz erschreckten hertzen/ derselbe macht die leute fromm/ da er sie gerecht macht/ und die heiligung ferner wuͤrcket. Und ach wie kraͤfftig ist offtmahls auch bey sehr rohen hertzen die liebreiche reitzung durch vorstellung goͤttlicher gnade und wohlthaten? dadurch ich bey vielen weiß mehr ausgerichtet worden zu seyn/ als mit trohen/ donnern und plitzen. Was das 4te mittel anlangt/ so lasse ich es also passi ren/ treibung zu guten wercken oder heiligen leben/ als eine frucht des seligmachenden glaubens/ ohne welchen der glaube niemahlen sey/ und also von dem mangel derselben billig auff den mangel des glaubens und der seligkeit zu schliessen seye. Wie aber mein Hochgeehrter Herr mich oder jemand anders zu der des Herrn D. Horneji sentenz (welche ich doch meine/ von Herrn D. Calixto selbs seinem collegæ uͤberlassen/ und nicht weiter verfochten worden zu seyn) de bonis operibus qua conditione ad salutem ne- cessaria, koͤnne obligi ren/ sehe ich nicht. Jch ehre des gelehrten und frommen mannes gedaͤchtnuͤß/ und glaube auch/ daß wie er die proposition gebraucht/ er es nicht in der meinung werde genommen haben/ wie die wort in rigore mit sich bringen. Und lasse ich gern gelten/ daß sie seyen conditio salvando necessaria, ob ich wohl die proposition, quod sint ad salutem necessaria, nicht billige: nicht ob koͤnte dieselbe nicht auch in einem verstand explici ret werden/ der stehen moͤch- te/ sondern weil gleichwohl die wort denjenigen verstand nach dem rigore mit sich bringen/ daß sie mit einiger influenz oder doch respectu ad salutem noͤthig waͤ- ren/ wo ich fuͤrchte/ daß wir der doctrinæ de justificatione merè gratuita per solam fidem zu nahe treten/ und also nicht ursach haben von den jenigen unsern lie- ben lehrern abzugehen/ die dieselbe verworffen. Jedoch daß des wegen Horne- jum nicht verdamme/ oder die jenige die mit ihm solche formul in dem verstand ge- brauchten/ welcher die justificationem ex sola fide in ihrer krafft laͤsset: um wel- ches ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXXIX. ches es allein zu thun ist. Der ort Hebr. 12/ 14. hat die proposition nicht in sich/ denn ohne die heiligung wird niemand GOTT sehen/ nicht daß die heiligung eine conditio seye ad salutem ob wohl salvando. Und seye mein Hochgeehrter Herr versichert daß das treiben der gottseligkeit als einer frucht und kennzeichen des allein seligmachenden glaubens nicht weniger die nothwendigkeit derselben treibe/ als wo sie als etwas zu der seligkeit noͤthiges angegeben wird. Es solten wohl ei- nige meiner auditorum sich eher beklagen/ daß ich die nothwendigkeit der guten werck zu groß mache/ als daß ich darinnen remissior waͤre/ ob wohl jene proposi- tion verwerffe. O wie vielmahl hoͤren sie/ daß allen denen/ welche nicht so und so in Christliche ordnung und zu dessen nachfolge sich schickten abgesprochen werde/ daß sie so lang keine Christen/ keine glaͤubige und also der seligkeit faͤhige leute seyen. Neben dem so halte ohne das diese art/ auff die wercke aus deroselben nothwen- digkeit zu treiben/ nicht vor die vornehmste/ denn da mit gehen sie noch nicht aus ei- ner solchen hertzlichen liebe/ wie sie sollen: Nicht daß ich nicht erkennete/ daß auch die fureht der srraffe und ansehen der gnaden belohnung ein antriebseyn moͤgen/ son- dern daß sie weder der einige noch vornehmste sind. So wird aus wohl betrachte- ter meiner und aller uͤbrigen Christlicher lehrer/ die die obgedachte proposition nicht annehmen/ erklaͤhrung erhellen/ daß uns unrecht geschehe/ wo es heissen wol- te/ daß wir mit der andern hand nehmen/ was wir in der vorigen gegeben haͤtten. Daß ich jemahl von der vereinigung mit CHRJSTO/ daß der mensch davon nicht abfallen koͤnte/ solte gelehret haben/ ist so gar nichts/ daß ich offt das gegentheil geschrieben und treibe. So bleibe ich auch wiederum bey meiner ersten thesi, daß unser glaube an keinen menschen gebunden seye. Symbolis und libris symboli- cis lasse ich die wuͤrde/ die sie ihn selbst attribui ren/ nehmlich ut sint (non judex, norma regula, sed) hujus tantum dignitatis, quod duntaxat pro religione nostra testimonium dicant \&c. Wie die wort in F. C. lauten. Es muß ein- mahl veritas divina seyn/ auff welche der glaube beruhet/ alles andere ist zu we- nig und zu schwach. Meine lehr art mag an gewisse conditiones gebunden seyn/ jedoch so/ daß ich mich nicht auff einige schrifften verbinden lasse/ welche ich nicht nach GOttes wort gepruͤffet/ und demselben gemaͤß befunden/ aber der glaube selbs siehet blosser dings auff nichts menschliches. Und da ich an dem Papstum ei- nen hertzlichen eckel habe/ bekenne ich doch gern/ daß desselben grund- principium welches die autori taͤt der kirchen und also menschen ist/ mir am allermeisten ent- gegen seye/ dazu sich auch schwehrlich jemand mehr wird resolvi ren koͤnnen/ wel- cher einmahl geleꝛnet hat/ was es vor ein vergnuͤgung und versicherung des hertzens seye/ nichts in dem geringsten um einiges menschen willen/ wer der auch seye/ zu glauben/ sondern allein das jenige dessen wir offenbahres zeugnuͤß der Schrifft ha- ben/ und also auch aus derselben unser gewissen uns versicherung giebt. Ach HERR/ heilige du uns in deiner wahrheit/ dein wort ist die wahrheit ! Daß unter- Das sechste Capitel. unterschiedliche gottselige leute/ die jetzo und etwa auch zu andernmahln einiges gu- tes zur besserung der kirche vorgehat oder edirt/ ihre nahmen nicht genennet/ son- dern entweder gar nichts oder verdeckte nahmen beygesetzet/ hoffe ich bey cordatis und prudentibus so gar nicht gestrafft zu werden/ daß ich wuͤntschte/ es geschehe mehr. Es hat ein vornehmer Professor Theologiæ sich nicht gescheuet/ sein Christliches bedencken sub nomine Theophili Sinceri heraus zu geben/ ob er wohl jetzo seinen nahmen nicht ferner verschweigt; so hat auch/ ob wohl in materia polemica, ein eyffriger und vortrefflicher Theologus wider den Christianum Conscientiosum seine refutation unter den nahmen Christiani Aletophili durch mich edi ren lassen: und weiß ich daß verstaͤndige leute sehr wohl davon geurthei- let. Bey dem consensu Dannhaueriano war je nicht noͤthig/ daß der nahme stuͤnde/ da ja nichts als ein labor congerendi ex scriptis Dannhauerianis war/ und stehet doch der nahme mit den literis initialibus ausgetruckt. Wie aber Herr Kriegsmann seinen nahmen haͤtte deutlicher setzen sollen/ sehe ich nicht. So vielmehr nach dem sein nahme von 20. jahren/ durch mehrere edirte scripta und in den catalogis bekant worden ist. Wo ich aber zu rathen haͤtte/ so wuͤrde noch mehrere dahin suchen zu vermoͤgen/ daß sie ohn genennet ihre unvorgreiffliche ge- dancken publicir ten. Denn wir leben in einem seculo / da man leider nicht so wohl quid, sed quis dicat, acht gibt/ und muß so offt eine gewisse wahrheit dessen entgelden/ welcher sie vortraͤgt/ entweder seinet wegen verachtet oder gehasset zu werden. Da ich hingegen verlangte/ daß man auffrichtig und als vor GOTT jegliche sache/ rath und schrifft ansehe und urtheile/ wie sie an sich selbs ist/ ohne reflexion auff den authorem. Solche schrifften die eines andern ehrlichen nahmen angreiffen/ oder sonsten ihn lædi ren/ ziemen sich nicht/ sonderlich ohne ausgetruckten nahmen zu verfertigen/ und ist solches durch die gesetze heilsamlich versehen: Wo es aber allein die lautere wahr heit und GOttes ehre betrifft/ wie derselben an der per- son des vortragenden nicht gelegen ist/ so bedarffs auch des vorgesetzten nahmens nicht. Jn dessen sey mein Hochgeehꝛt. Herr versichert/ Gott hat solche kraͤfftige gnade einigen guten seelen/ die das heil der kirchen verlangen/ und darnach seufftzen/ ver- liehen/ in welcher sie willig und freudig seyn wuͤrden/ alles da vor auffzusetzen/ wo da durch der guten sache geholffen werden mag: daß man also mit den nahmen nicht so wohl eben der ursach wegen zu ruͤck halte/ das man daß leiden fliehet/ als daß mans jetzo der kirchen nicht eben nuͤtzlich achtet. Jm uͤbrigen weiß ich von Re- formatoribus unserer kirchen nicht/ wohl aber von rechtschaffenen hertzen/ die ei- ne besserung verlangen/ und willig sind/ ihres oꝛts so viel zu thun/ als ihnen GOTT gnade giebt/ biß GOtt zu mehrer nothdurfft seiner kirchen die jenige dermahleins gebe und ausruͤste/ durch die er sein verstoͤrtes Zion etlicher massen in stand bringen will. Was das Consistorial- ausschreiben von Darmstatt und Giessen (von deme gleichwohl einige membra bezeuget/ daß sie nichts gewußt/ oder nichts mit zu- ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XXXIX. zu schaffen gehabt zu haben) betrifft: lasse ich solches zur verantwortung derjeni- gen/ die dessen autores sind/ weiß aber wohl/ was andere auch rechtschaffene so Po- litici als Theologi davon geurtheilet. Obs ihnen mag lieb gewesen seyn/ daß es anderwertlich nachgetruckt/ habe ich auch nicht zu beurtheilen. Daß Herr D. Fritschen pie taͤt und vor andern habendes l ob-zeugnuͤß/ einigen in den augen wehe zu thun scheinet/ hoffe ich/ werde der liebe mann sich nicht befremden lassen/ sondern sich dessen laͤngst versehen haben. Wolte GOTT/ es waͤre bey vielen un- sers ordens ein solch hertzlicher reiner eiffer vor GOttes ehre/ wie bey diesem recht- schaffenen Politico ist/ und andern ein gottseliger antrieb zu einem heiligen nach- eyffernseyn solte. Jch erinnere mich aber dabey/ was ein vornehmer und alter Doctor Theologiæ und General Superintendens annoch dieses jahr an mich geschrieben/ Er habe in seinen so langen geistlichen verrichtungen keine so gifftige leute angetroffen/ die den wahren Christenthum so zu wider seyen/ als die seines ordens gewesen seyn. Und der aͤlteste unter allen unsern Theologis Academicis troͤstete mich nechst hin/ solte alles mir begegnende gering achten/ und mich auch mit seinem exempel auffrichten/ als der von falsis fratribus vielmehr sein lebenlang leiden muͤssen/ als von offenbahren widersachern/ also daß Reformirte und Papisten noch hoͤfflicher mit ihm umgegangen. Nun die welt wird/ besorg ich/ auch in denen/ die von der welt am meisten solten ausgegan- gen seyn/ ihre art behalten/ die sie allezeit gehabt/ biß der HERR selbst drein sehe/ und daß seufftzen der armen bey ihm eintringen wird. Meine apologia oder send- schreiben nicht wider/ sondern an/ einen auslaͤndischen Theologum, ist so abge- gangen/ daß nicht ein einig exemplar communici ren kan/ noch es vor der meß wird zu haben seyn. Des entweder also heissenden oder sich also neñenden Rebhans anklage beweget mich wenig/ also daß mich der gute man dauret/ welcher sich an sei- nen GOTT und nechsten versundiget/ und bey rechtschaffenen leuten eben damit seinen credit verliehret/ daß er ohne nicht nur uͤberzeugung/ sondern nur benen- nung einiges irrthums einen ehrlichen lehrer oͤffentlich beschuldigen darff. Dann was solte nicht jeglicher/ wo es also gilt/ wider jeden schreiben koͤnnen? Der HERR gebe es ihm hertzlich zu erkennen/ und verzeihe es ihm in gnaden! Jch wende mich nun zu den andern brieffen. Was nun Herrn Ammersbachen an- langt/ habe oben bereits meine meinung geschrieben/ daß ich weder mit ihm in ge- nauer correspondenz stehe/ noch diese vindicias verlangt/ oder ehe sie mir zu ge- sandt worden/ etwas davon gewußt habe/ so dann in explication der streitigen proposition bey meinem auffsatz bleibe/ und an die rettung nicht bloß gehalten seyn will. Wie ich dann insgesamt/ als lange mir GOTT leben und kraͤfften giebt/ nicht wuͤntsche/ daß andere sich publicis scriptis meiner particular- sache anneh- men/ in dem jeglicher allezeit besser selbs seine meinung erklaͤhren/ als ein ander sie verthaͤdigen kan: Es seye dann/ was die allgemeine sache GOttes anlangt/ da alle N n mit Das sechste Capitel. mit und voreinander solche treiben sollen: Hingegen daß wo ich aus andern ursa- chen seine correspondenz mir noͤthig befinde/ solches mit recht mir nicht gewehret oder verdacht werden koͤnte: deme ja frey stuͤnde/ mit gantz anderer religion leh- rern zu correspondi ren/ wo ich mir solches nuͤtzlich achtete. Wenn Herr Am- mersbach in den vorgeruͤckten loco aus seinen Mosis stuhl (so ich niemahl gelesen/ auch so viel mich jetzt entsinnen koͤnte/ nicht gesehen habe) meyne/ daß ihrer kaum ze- hen seyen/ uͤberlasse ich seiner erklaͤhrung/ als der ich nicht weiß/ wem er meyne. Jst aber die frage von denjenigen/ die mit rechtschaffenen eiffer eine besserung verlan- gen/ und nach vermoͤgen jeglicher seines ortes dahin labori ren/ so seye dem HErrn ewiger danck gesagt daß mir allein derselben jetzo nicht nur zehen bekant sind/ sondeꝛn die zahl durch GOttes gnade etwa noch staͤrcker ist/ und immer staͤrcker werden mag. Was meine explication der 3. puncten betrifft/ so ist mir lieb/ daß gele- genheit habe/ davon part zu geben/ daß solche ohne mein wissen und willen getruckt/ und mir zugesendet worden/ welches ich gegen den jenigen/ so solches auff begehren an ihn geschriebene publici ret/ geandet/ aber weil es sich nicht aͤndern lassen/ meine bewilligung dazu gegeben habe/ mit der condition / daß die 2. erste boͤgen/ die gar nicht mein/ abgethan/ und die nachgeschickte præfation dazu gesetzet wuͤrde/ so auch geschehen/ und also N. N. nahm und theses weg gethan worden/ dann weil dieser mich zwar erst angegriffen/ aber den nahmen nicht ausgetruckt hatte/ so habe auch mich gegen ihn nicht eintringen wollen/ der ich ohne das dazu mich nicht resolvi ret/ wo es nicht zu eigen unterricht von einigem prediger von mir were begehret wor- den. Warum es zu Merseburg getruckt worden/ ist mir im wenigsten nicht wis- send/ wohl aber eben auch dieses nicht lieb geweßt/ daß es anderwertlich herausge- kommen/ da es den schein gewinnen moͤchte ob doͤrffte ich das meinige nicht allhier trucken lassen. Daß Herr Ammersbachs freundschafft meine famam ziemlich denigri ret haben solle/ lasse ich an seinen ort gestellet seyn/ ob rechtschaffene leute aus dem/ was oben bezeuget/ gegen mich/ daraus nur ein argwohn/ geschweige ei- ne staͤrckere præsumtion fassen koͤnnen. Jm uͤbrigen habe ich durch GOttes gna- de gelernet διὰ δυςφημίας καὶ ἐυφημίας: durch boͤse geruͤchte n. gute geruͤchte/ zu gehen. Und da ich nichts straͤffliches gethan/ wie ich mich hierin sicher weiß/ tra- ge ich mit freuden alles/ was mir unbillig zu gefuͤgt wird/ und dancke meinen Gott/ wo er mir etwas gegeben hat/ daß ich um seines nahmens und meiner unschuld wil- len verliehren kan und soll. D wie wohl/ da uns unser hertz nicht verdammt/ und wie leicht wirds als denn/ von einen menschlichen tage uns richten zu lassen/ und mit freuden des tages zu erwarten/ an welchem GOTT allen veꝛborgenen rath der menschlichen hertzen offenbahren wird? Sonderlich wo wir erstlich gelernet ha- ben (ohne welche lection wir auch unsers Christenthums uns nicht ruͤhmen koͤnnen) daß dasjenige/ was die menschen in der welt ehre nennen/ nichts seye/ daher uns nicht ARTIC . I. DIST. II. SECT . XXXIX. nicht dran gelegen seyn solle/ was menschen von uns halten/ sondern wie wir vor denjenigen stehen/ der uns verdammen und loßsprechen kan/ dem wir deswegen allein zu gefallen trachten/ bey menschen aber nichts anders zu suchen haben/ als ih- nen liebe zu erzeigen/ und sie nicht zu aͤrgern/ aber von ihnen alles willig auffzuneh- men. Wo aber noch der grosse goͤtze/ die eigene ehre/ und begierde etwas in der welt zu seyn/ einen grossen nahmen zu haben/ und angebetet zu werden/ in dem her- tzen auff seinem thron sitzet/ so solte es nicht nur schwehr sondern unmuͤglich werden/ mit freudiger gedult verachtung zu uͤbernehmen. Ach der HERR reinige uns alle/ wo noch etwas von solchen subti len gifft bey uns verborgen stecket! Was mein geliebten Schwager Herrn Horbium betrifft/ so ists wahr/ daß er von Pfaltz/ dem einen des landes Herrn/ so das jus Episcopale hat/ suspendir t/ und letz- lich removi ret ist. So ist auch wahr/ daß die Hochgeehrte Herrn Theologi zu Straßburg seine declarationes oder apologias examini ret. Aber hingegen dienet meinen Hochgeehrten Herrn zu fernern bericht/ daß er 1. beschuldiget worden wegen der redens arten/ gelassen heit/ verlaͤugnung sein selbst/ ertoͤdtung/ wel- ches solche phrases / die unsere theureste Theologi allezeit gebraucht/ und noch brauchen. 2. Daß in einigen lehr-puncten er seine declaration von sich zu geben gehalten worden: da auff die erste declaration die Theologi alles noch in zweif- fel gezogen/ auff die zveite noch einige dinge excipi ret/ daß er sich noch nicht deutlich genug explici ret/ auff die dritte nichts mehr zu excipi ren gehabt. 3. Jst also nicht einer einigen irrung uͤberfuͤhret worden/ auch nicht einem/ eines einigen arti- culi eintzigen puncten. 4. Hoffe ich nicht/ daß die Hochgeehrten Herrn Theo- logi zu Straßburg von sich werden gesagt haben wollen/ daß auff ihr urtheil er re- movi ret worden seye/ sondern wie ich berichtet worden/ solle es nachmahl allein von den politi schen Fuͤrstl. Raͤthen welche mit dem Consistorio zu Trarbach/ dessen membrum mein Schwager war/ nicht zu frieden/ gefuͤhret sey worden. Wie dann mein Schwager beschuldiget worden neuerungen in kirchen und schulen eingefuͤhret zu haben/ da er doch das wenigste nicht eingefuͤhret ohne des gantzen Consistorii (darinnen er der letzte assessor, die andere raͤthe aber ihn mit den stim- men uͤberlegen/ daß er vor sich nichts durchtreiben koͤnnen) decret: Er aber solle als denn der æmulation der Oberlaͤndischen Raͤthe an statt des gantzen Consistorii entgelten. 5. Die hauptsache war/ daß er in seinem vorigen jahres methodo in allem predigten dieses thema getrieben/ daß alle die in den fleisches wercken/ die Gal. 5. und 1. Cor. 6. benennet sind/ fortleben/ nicht selig werden koͤnnen/ und sie weder Christi verdienst/ noch tauffe/ noch abendmahl/ noch absolution, noch mundglaube/ bey solcher unbußfertigkeit nicht selig machen koͤnte. Hinc ille ani- morum motus. Da machte der Diaconus / so nun mehr diesen dritten inspe- ctorem uͤber sich hatte/ unter denen der zweyte auch aus dessen fastidiis ander- Nn 2 wertliche Das sechste Capitel. wertliche vocation zu belieben bewogen worden/ ihn solche gelegenheit zu nutz/ die jenige in der gemeinde an sich zu haͤngen/ welche dergleichen ernstliche predigten has- seten/ u. ihnen der in die gewissen geworffene scrupel wehe that. 6. Also schaͤmet we- der er sich dessen/ noch ich u. andere seine freunde/ sonďn sind versichert/ wo wir die ge- samte acta trucke woltenlassen/ (so wir noch bedenckens haben/ um aus unterthaͤni- gen respect des Fuͤrsten zuschonen) daß wir vor der gesamten kirchen der sache mehr ehr als schimpff haben werden. 7. Jst er wuͤrcklich wieder zu einer ansehnlichen Reichsstadt Superintenden ten beruffen/ da er nur stuͤndlich die gebetene dimissi- on von den Condomino dem Marggraffen von Baden/ mit schmertzen erwartet/ das amt wuͤrcklich anzutreten. Was Herr Kriegsmann betrifft/ ists war/ daß er seiner dienste erlassen worden/ aber man wird Fuͤrstlich Heßischen theils sich nicht nachreden lassen/ daß er um der symphoneseos willen removiret, 1. ob wol der alte Landgraff aus anderer antrieb anfangs die ohne sein voꝛwissen geschehene edition solches tract aͤtleins resentiret, 800 exemplar allhier auffkauffen lassen/ daß sie nicht so weit divulgiret wuͤrden/ und ihn druͤber hoͤren lassen: So hat er doch 2. nach dem er seine verantwortung auffrichtig gethan/ ihn zu unterschiedlichen mah- len seiner Fuͤrstl. gnade sonderlich versichern lassen: Zum 3. eben solchen monat ihn zu einer ansehnlichen gesandschafft abgeschickt. Zum 4. kurtz vor seinem ende ihn zu ei- ner abermahligen sehr wichtigen gesandschafft/ seiner Frau schwester der Hertzogin zu Wuͤrtenberg in angelegenen sachen zu assistiren bestimmet/ wie denn instruction und alle bereitschafft fertig waren/ und er die woche abreisen solle/ als der selige Fuͤrst verstarb/ welcher also biß in seinem todt mit hoͤchsten gnaden ihm zugethan verblieben. 5. Nach des Fuͤrsten todt als der junge Herr zur regierung kam/ gieng eine solche reformation vor/ daß unter den Obersten und Cancelley Raͤthen/ edel und unedel/ die meiste selbst resignir- ten oder cassiret wurden. Worauff es an die Rentkammer gekommen/ und da ihr nicht mehr als 2. waren/ unter dem vorwand alles einzuziehen/ ihm sein abschied gegeben worden. 6. Jst er wuͤrcklich jetzo bey Chur-Pfaltz Cammer-Rath/ und verhoffe/ durch ihn unserer Evangelischen kirchen in den Churfuͤrstenthum viele be- foͤrderung. Da seine symphonesis wird angegriffen werden/ wird er der jenige seyn/ der durch GOTTES gnad zu antworten vermoͤgen wird. Hiemit hof- fe in meines hochgeehrten Herrn weitlaͤufftigen brieffen nichts mehr uͤbergelassen zu haben/ das nicht beantwortet waͤre: Und wie ich ihn versichere/ daß ich dieses vor meinem GOTT schreibe/ und mit ihm gehandelt habe/ als der ich weiß/ daß wir alle vor seinen thron unsers redens/ und schreibens rechen schafft geben sollen: Also erinnere ich ihn aus bruͤderlichen hertzen vor GOTTes/ der unter uns zeuge ist/ angesicht/ er uͤberlege alles in seiner furcht/ mit einen solchen hertzen/ welches nichts anders als die lautere ehre GOttes und des nechsten bestes vor augen ha- be. ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XL. be. Er pruͤffe sich; ob er in den schreiben an mich/ so wol was die absicht/ als auch schreibart/ anlangt/ in warhafftiger liebe vor GOTT gestanden und noch stehe/ und ob einiges eigenes darinnen mit stecke: Daraus abzunehmen/ wie er alles sol- ches daran vor GOTT anzusehen habe. Mir wirds nicht muͤglich noch thun- lich seyn/ ferner auff dergleichen zu antworten: als der ich meines hertzens grund hier ausgeschuͤttet/ und solchen meinen hochgeehrten HErrn zur genuͤge/ wo er will/ hieraus und aus meinen Schrifften bekant seyn kan; wo ein solches geschehen/ so uͤberlasse ichs alsdann eines jeglichen gewissen/ und habe die art nicht mit jemand zu streiten/ oder zuzancken/ sondern wuͤnsche/ meinem GOtt besser dienen zu koͤn- nen. Den himmlischen Vater und geber aller guten gaben ruffe ich demuͤtig an um JEsu CHristi willen/ er gebe uns allen seinen willen rechtschaffen zuerkennen: er lehre uns in liebe und friede seine warheit und das rechtschaffene wesen/ das in ihm ist/ suchen/ und darin einherzugehen: Er gebe uns zu verstehen/ von weme aller boͤse argwohn/ neid/ hadder/ laͤsterung/ schulgezaͤnck/ herkomme/ und weme damit gedienet/ wie viel aber auch damit geschadet werde/ daß wir uns davor so viel sorgfaͤltiger huͤten/ und nicht goͤttliche gerichte auff uns laden: Er wircke in uns sanfftmuth/ mit denen schwachen gedult zu tragen/ u. wo wir geistlich seyn wol- len/ solches auch darin zu zeigen/ daß wir auch den fehlenden mit sanfftmuͤthigem geist zurecht he lffen/ so viel mehr mit andern im friede und liebe leben; Er ziehe un- sere hertzen mehr und mehr ab von allen ansehen der menschen/ und gebe uns war- hafftig zu verstehen/ wie er uns seinen Sohn allein befohlen habe/ den sollen wir hoͤ- ren: Er segne unsere arbeiten alle/ die wir in einfalt unsers hertzens nach seiner regel zu seinen ehren vornehmen/ daß wir diesen zweck erreichen/ und dabey getrost allen des teuffels haß und der welt schmach leiden. 5. Dec. 1678 SECTIO XL. V erlangen nach der besserung fast allgemein in den seelen erwecket. Zusammensetzung Mosis und Aharonis Wie darnach zutrachten. Was darvon zuhoffen. W As E. Hoch Ehrw. gedencket/ daß sie hertzlich wuͤnsche/ daß was pie de- siderirt wird/ auch vollfuͤhret werden moͤchte/ ist ein wunsch und verlan- gen/ so billig allen Theologis ja allen Christen entstehet: Dann wer wolte nicht wuͤnschen und verlangen/ daß in der Christlichen/ sonderlich Evange- lischen kirchen/ alles echt und nach der regel GOTTES hergehe? Wer kan aber leugnen/ er wolte dann entweder die augen selbst muthwillig schliessen/ oder a- N n 3 ber Das sechste Capitel. ber wider sein gewissen/ das jenige verneinen/ was vor augen aller liget/ daß unse- re kirch eine starcke reformation beduͤrffe/ solle sie anders dem schweren goͤttlichen gericht entrinnen? Stehet nun dieses/ so haben wir ja freylich nach einer solchen re- formation zu seuffzen/ und taͤglich GOTT darum anzuruffen. Es scheinet zwar/ es seyen die jenige von GOTT noch nicht erwecket/ und mit dazu noͤthigen gaben ausgeruͤstet/ durch die er will die mauren Zions wieder erbauen; jedoch haben wir alle/ die wir in dem weinberg des HErren arbeiten/ und den schaden Josephs bejammern/ billig jeglicher seines orts zu der allgemeinen sache zu thun/ was wir vermoͤgen/ und also zu versuchen/ ob gute vorbereitung moͤchte gemacht werden/ damit zu seiner zeit das werck des HERRN als dann viel trefflicher von statten ge- he. So wird auch der HERR HERR bey keinem deren die es auffrichtig su- chen/ sein werck ungesegnet lassen/ ob wir wol annoch bey weitem nicht ausrichten werden/ was wir verlangen/ und noͤthig ist/ sondern zu der zeit damit zu frieden seyn muͤssen/ wo nur etwas geschiehet und auf unsere saat erstlich ein gruͤnes graß- feld hervor wachse/ biß zu seiner zeit dasselbe in den aͤhren und voͤllige zeiti- ge erndte aufschiesse. Da bey ich auch meines wenigen orts davor halte/ das es nicht vergebens seye/ daß GOTT das verlangen nach der besserung fast gantz all- gemein bey allen guten gemuͤtheren zeigt/ die schier mehr als zu anderen zeiten er- kennen und oͤffentlich bekennen/ es muͤsse anders zu der sach gethan werden/ sollen wir nicht der seligkeit fehl gehen. Welche so weit aus brechende bewegung aller gemuͤther zu einem verlangen der besserung/ wie sie gewiß von GOTT ist/ also macht sie uns hoffnung/ daß vielleicht GOTT eher als wir gedencken moͤchten/ sich seines Zions erbarmen und helffen werde. Die zusammen setzung Mosiund Aha- rons ist ein herrliches und nuͤtzliches mittel/ daher billig darnach zu trachten/ wie es moͤchte zu wegen gebracht werden/ ja wir haben GOTT innbruͤnstig anzuruf- fen/ welcher die hertzen darzu lencken wolte. Aber wie ich wenig hoffnung habe/ daß solches zu wegen gebracht werde werden/ wegen der so vielen Stats- hindernuͤs- sen/ also haben wir es doch nicht vor das einige zu achten/ noch in dessen/ biß es zu wegen gebracht wuͤrde/ alles uͤblige gute auff zu schieben. Vielleicht sind Predi- ger/ und die meiste unserer gemeinde noch nicht solche leuthe/ da uns nuͤtzlich waͤre/ die hilffe der weltlichen gewalt nach unserem verlangen auff der seite zu haben/ de- ro wir uns etwa mehrmahlen nach fleischlichen absichten mißbrauchen moͤchten: so dann doͤrffte in unseren gemeinden/ der weltliche mehrere zwanck bey noch so gar zu dem innern gehorsam Christi nicht gebrachten gemuͤthern auch nicht viel gutes aus- richten. Lasset uns also/ als lang es uns noch mangelt an solcher beyhuͤlffe/ Mo- sis/ allen fleiß dahin anwenden/ daß aufs foͤrderste wir selbst rechtschaffen werden in dem HERREN/ daß unsere obern und gantze gemeinden warhafftig an uns sol- che ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XL. che leuthe erkennen/ welche der welt aller dings abgestorben seyen/ und nunmehro in nichts mehr ihre eigene ehre/ ansehen/ nutz/ lust und bequemlichkeit suchen/ son- dern lauterlich GOTTes ehre und des nechsten erbauung mit gaͤntzlicher verleug- nung unserer selbst verlangen/ und darnach trachten: Wo alsdann der weltliche stand sich von uns keines Paͤpstischen jochs zu befahren hat/ die er sihet/ nicht irrdisch gesinnet zu seyn/ und folglich so viel eher seine autori taͤt da zu geben wird: So dañ/ daß wir bey unserer gemeind anfangen erst nach dem vermoͤgen so wir jetzo annoch durch GOTTES gnade haben/ so viel zu erbauen/ daß in jeglicher gemeinde ein zimlicher theil derselben durch so wohl unsern offentlichen dienst als absonderli- chen zuspruch und erbauung Act. 20/ 31. Dahin gebracht werde/ daß wir doch ei- nige rechtschaffene und solches nahmens wuͤrdige Christen haben moͤgen. Auf welchen fall nachmahlen GOTT gnade geben/ und die hertzen der Obern regie- ren moͤchte dergleichen als dann auch mit ihrer autori taͤt zu befoͤrdern/ was viel- leicht bey dem sonst noch rohen hauffen/ doch nicht viel ausrichtete. Jn dessen ha- ben wir dabey freylich alle Christliche oberigkeitliche personen treulich zu erinneren/ daß sie sich in ihrer regierung also anschicken/ daß sie gedencken/ sie tragen ihre kron/ scepter und gewalt von dem grossen Koͤnig Christo JEsu/ daher sie auch seyn reich zu befordern schuldig sind/ oder an ihm treuloß werden. Auff daß sie glauben ler- nen/ es gehoͤre auch ihnen zu/ so wol vor ihre person Christen und zwar solche Chri- sten zu seyn/ die nach der regel Christi ein hergehen/ als von welchem sie ihr hoher stand nicht befreyet/ sondern haben will/ daß sie so wol als andere der welt gecreu- tziget und die welt ihnen gecreutziget seye/ als auch solches rechtschaffene Christen thun/ daß sie auch nach vermoͤgen bey allen/ sonderlich aber ihren unterthanen/ das gute befoͤrdern. Erlangen wir solches von den Grossen in der welt/ so wirds ein anzeige seyn/ wie GOtt maͤchtiger seye als wir gedencken moͤgen/ wo wir erwegen/ wie schwer es solchen leuthen werde/ die so vielmehr gelegenheit der weltlichen ei- telkeit haben/ und dannenhero sich mit mehrerer muͤhe davon loßreissen muͤssen/ und dannoch die krafft GOTTES auch an ihnen sehen. Wie mich dann hertzlich er- freuet/ was E. Hoch Ehrw. von dero gnaͤdigsten Fuͤrstlichen Durchl. ruͤhmen/ wie ernstlich sie sich um den schaden Josephs bekuͤmmern. Der HERR aller Herrn/ so solches wollen gegeben/ schaffe auch das vollbringen kraͤfftiglich/ und lasse solchen von hohen stamm hersprossenden Fuͤrsten aus dero noch hoͤhern geburth von oben her staͤts mit neuer krafft und eyffer vor des Hoͤchsten ehre ausgeruͤstet werden zu vieler frucht und verherrlichung des goͤttlichen nahmens. Vor die gegen mich durch entbietung eines grusses bezeugte hohe gnad bedancke mich unterthaͤnigst/ verlange aber nichts anders hingegen als mein armes gebeth zuversichern. Jhro Hoch Fuͤrstl. Durchl. andaͤchtige gedancken sind mir auch nicht bekant und ver- muthlich hie gar nicht zu finden/ solte mir sonst eine freude seyn/ mich zu ergoͤtzen an den Das sechste Capitel. den gaben des Geistes/ die GOtt auch in die jenige gel e get/ welche er in der welt uͤber andere erhoben hat. Er erwecke nach seinem heiligen willen ihrer viele unter den- selben/ daß sie mit geistlichen dingen umzugehen ihnen nicht eine schande halten/ son- dern so viel naͤher sie GOTT sind/ dessen bilde und characterem sie in ihrer obrig- keitlichen gewalt tragen/ auch in denselben guͤtern ihm als dem hoͤchsten gut so viel mehr vereiniget zu werden trachten. Dessen himmlische guͤte ergiesse sich auch uͤ- beꝛ E. Hoch Ehrw. reichlich in allen so amt-als uͤbrigen seel- und leibes segen. ꝛc 9. Decemb. 1678. SECTIO XLI. V on nutzen der vereinigung und vertraulicher correspondenz Christlicher Theologorum: an Herr Scriverium. G Leich wie ich samt allen treuen dienern Christi/ die jenige vor anderen hoch zu lieben und zu ehren habe/ von welchen wir sehen/ daß sie nicht nur allein von GOTT mit vortrefflichen gaben seiner kirche zu dienen außgeruͤstet sind/ sondern dabey auch die hertzliche begierde haben/ dieselbe empfangene gaben alle treulich zu dem dienst ihres GOttes und des neben-menschen besten anzuwen- den also habe von zimlicher zeit billich mir sonderbare liebe gegen Ew. Hoch Ehrw. gefasset/ von dero so aus anderen gewissen zeugnuͤß/ als dero eigenen Schrifften/ den hertzlichen eyffer erkant habe/ mit deme sie auch brennet/ zur befoͤrderung goͤtt- licher ehre/ und des waren lebendigen Christenthums; Wo zu noch gekommen/ daß so wol von Herrn N. dem rechtschaffenen und Christlichen Juristen/ als Herr M. N. aus Giessen/ dero gegen mich absonderlich tragender bruͤderlicher liebe erfreu- lich versichert/ auch durch communication dessen/ was sie meinetwegen zu ver- schiedenen mahlen an jenen geschrieben/ offters aufgemuntert und bekraͤfftiget wor- den bin; Daher schon von einiger zeit mir vorgenommen/ dessen liebe und erbauli- che correspondenz zu suchen/ und eine genauere freund schafft in dem HERRN zu stifften: Welches auch die ursach dieses gegenwertigen schreibensist. Dann ob wohl keine genauere gemeinschafft gefunden werden kan/ als schon von selbsten ist zwischen allen lebendigen gliedern Cheisti/ und also allen wahren glaͤubigen (dann wie kan etwas genauer aneinander hangen/ als die gliedeꝛ an einem lebendigen leib) so dann als auch amtswegen seyn soll zwischen allen/ die an dem weinberg des HErrn in unterschiedlichen dessen theilen arbeiten; so ist doch ausser zweiffel/ daß solche lie- be/ so zwischen allen seyn solle/ vortrefflich befoͤrdert werde/ wo etzliche sich unter- einander/ es seye nun durch persoͤnlichen umgang und gespraͤch/ oder aber in ent- ste- ARTIC. I. DISTINCTIO II . SECT. XLI . stehung dessen unter abwesenden vermittels schrifftlicheꝛ unterredung/ recht ge- nau kennen lernen/ daß je einer des andern gemuͤth und absichten/ welches in solchen communicationen geschiehet/ ein sihet/ und also die hertzen immer enger sich mit einander verbinden/ oder aber vielmehr solches band/ welches zwischen allen seyn soll/ gluͤcklicher und leichter bey den selben fest gemacht wird. Daher ich wuͤnschete/ nach dem es unserer kirchen zustand nicht zu geben will/ daß ich und andere zuweilen eine reise an fremde ort anstelleten/ viele kirchen besuchten/ und mit andern mit-ar- beitern in gegenwart freundschafft machten/ ja auch dergleichen unter den jenigen stiffteten/ die sie hie und dort angetroffen haͤtten (welcherley reisen sonsten zu vielen gutem/ vereinigung der gemuͤther/ zusammen tragung heilsamer vorschlaͤge und anderen dergleichen sehr dienlich seyn wuͤrden) daß aufs wenigste jeder diener des HERREN/ da ers nicht mit allen kan/ aufs wenigste mit einigen oder vielen (je nach dem ihm GOTT selbs die anlaß gibt) durch schrifftliche correspondenz ei- ne geheiligte und dahin allein ziehlende kundschafft machte/ sich untereinander zu er- muntern/ und im glauben und liebe mit einander gestaͤrcket zu werden. Als wo- durch geschiehet/ daß je einer an deß andern exempel bekraͤfftiget und weiter erwe- cket/ oder durch dessen rath unter richtet/ und also die gemeinschafft der heiligen auch in diesem stuͤck sehr nuͤtzlich geuͤbet wird. Und was wollen wir sagen von dem gebet/ welches so viel bruͤnstiger vor einander geschiehet/ als hertzlicher die gemuͤther durch wahre liebe sich unter einander verbunden/ und einer des anderen treuer in- tention vor GOttes ehre und empfangener gnade versichert ist? Nun aber in sol- chem gebet stecket gewiß ein mehrers alß wir insgemein gedencken. Mich haben hertzlich bewegt die wort eines gottseligen Theologi, der neulich an mich schriebe: O si Christiani frequentius robur nostrum, quod in Christo uniti habe- mus, pensitaremus, eoque uteremur in fide, essemus sane invicti. No- vit hoc Satanas, hinc vel à precibus nos avertit, vel Spiritus unionem va- riis suggestionibus \& suspicionibus divellit, ut singulos \& sibi fidentes facilius evertat. Sapiamus itaque \& utamur remediis, quæ Amicvs no- ster ex sinu Patris veniens, ceu arcana nobis suggessit Luc. XI. \& XIIX. utamur, inquam, iis in fide, eventum patienter expectemus, \& omnia salva sunt. Ipse profecto Deus est, Ipse pro se contendet: συνϑρύψει τὸν Σατανᾶν ὑπὸ του`ς πόδας ἡμῶν ἐν τάχει. Und so ists gewiß/ daß wir mit solchem gebet von dem HErrn alles erhalten; und gleich wie zwey oder drey dem leibe nach versamlet mit vereinigtem gebet nach der verheissung des HErren alles erlangen/ so ist die krafft des gebets nicht geringer bey den jenigen/ welche ob sie von einander entfernet/ dem Geist nach aber mit einander vereinigt sind/ in solcher Geistes einig- keit vor einander beten und seuffzen. Welches einige die arbeit genug ersetzet/ wel- che etwa zu unterhaltung solcher kundt- und freundschafft erfordert wird. Daher O o ich Das sechste Capitel. ich auch nicht zweiffele/ das Ew. Hoch Ehrw. meine hertzliche und Christliche in- tention in dero genauere freundschafft auffgenommen zu werden/ und also dieses dahin gemeinte schreiben mit liebe und freundlich aufnehmen/ auch mich meiner bit- te gewaͤhren werden/ welche allein darin stehet/ an deroselben einen solchen freund zu haben/ bey dem ich auch mein hertz vertraulich außschuͤtten doͤrffe/ von denselben durch goͤttliche erinnerungen je weilen aufgemuntert/ und da solcher an mir und meinen actionibus einiges wahrnehmen moͤchte/ so nicht nach der regel ist (wie ich mir meiner schwachheit wol bewust bin) freundlich und bruͤderlich eriñert wer- de/ und seiner hertzlichen vorbitte geniessen moͤge. Jch vermag zwar von mir we- niges zu versprechen/ jedoch solle es nicht daran mangeln/ daß nicht gefliessen seyn werde/ wie bißher zu thun eine zeitlang gepfleget/ auch denselben mit meinem armen gebet mit helffen zukaͤmffen/ und alle muͤgliche liebes dienste/ zu denen der HErr ge- legenheit gegeben wird/ zu erweisen. 167... SECTIO XLII. S egen/ den G Ott den piis desideriis gegeben. Zustand der Franckfurtischen kirchen. Von dem lebendigen glauben zu schrei- ben. Goͤttliche gnade/ heyl und friede in Christo JEsu unserm liebsten HErrn und Heylande! G Elobet sey der getreue himmlische Vater/ welcher in dem reich seines lie- ben Sohns auch bey uns in unserem Teutschland unter der so grossen ver- derbnuͤß nicht nur allein viele treue diener erhaltẽ hat/ die an ihrem ort willig sin dnach vermoͤgen zu thun/ was goͤttliche ehre beforderen mag/ dabey sich uͤber den schaden Josephs bekuͤmmeren/ und es gerne saͤhen/ daß aller orten recht und nach goͤttlicher ordnung hergehen moͤchte/ sondern auch gnade giebet/ daß dieselbe allge- mach unter einander sich bekandt werden/ da gemeiniglich jeglicher mit Elia lang gedacht/ er seye fast der einige uͤber gebliebene. Dieses aber/ daß sie sich unter einander kennen lernẽ/ wird verhoffentlich ein nicht geringes mittel seyn/ daß band der liebe so viel sester unter ihnen zu machen/ auf daß sie nachmal mit desto eyfriger zusammen gesetztem gebet/ rath und huͤlffe suchen/ das reich des HErrn in seiner krafft zu befoͤrdern. Jch sage auch dem hoͤchsten geber aller guten gaben demuͤ- thigst ARTIC. I. DISTINCT. II. SECTIO XLII. thigsten danck/ der meine einfaͤltige pia desideria, in denen ja nichts von hoher menschlicher weißheit/ so hofnung machen moͤgen/ daß sie von vielen wuͤrden zu le- sen gewuͤrdiget werden/ enthalten ist/ uͤber alles mein erwarten/ so kraͤfftig geseg- net hat/ daß sie zu einer stimme worden/ welche ein und andere schlaffende erwecket/ einige die in der stille geseuffzet/ und aus sorge/ daß sie allein und daher zu schwach waͤren/ zuruͤck geblieben/ ermuntert/ wir aber gelegenheit gegeben hat/ viele der- jenigen kennen zu lernen/ die es mit der sache GOTTES treulich meinen/ und daher seiter mit mir freundschafft gemacht/ daß wir vor einander und mit einander so viel ernstlicher mit beten kaͤmpffeten/ und je einer an des andern eyffer/ und den von GOTT verleihenden segen/ einen muth schoͤpffeten. So sind auch nicht nur mit mir sondern unter sich selbst viele solcheꝛ lieben leuthe bekant worden/ und haben in GOTT freundschafft mit einander gemacht. Wie dann versicheren kan/ daß in ober-u. nieder Teutschland/ auch den Nordischen provinzien / der jenigen mehꝛ sind/ und sich allgemach bekant machen/ die die besserung der kirchen belieben/ auch jeder seines orts/ nach dem ihm GOTT gaben und gelegenheit gibet/ daran ar- beiten/ als man immer haͤtte gedencken oder hoffen koͤnnen: Massen die gemuͤther unter gelehrten und ungelehrten fast aller orten rege worden/ daß die boͤse zwar so viel boßhafftiger worden/ und der Satan in ihnen hefftig wuͤtet/ die gute gemuͤ- ther aber/ weil sie sehen/ daß es mit diesem eusserlichen greuelwesen nicht bestehen mag/ verlangen und seufftzen/ daß der HErr drein sehen/ sich ausmachen und eine hilffe schaffen wolle/ daß man getrost lehren moͤge/ und daß es nach der verheissung an dem abend liecht werde. Daher es mir wol eine hertzliche freude ist/ wo mich GOtt immer laͤsset mehrere dergleichen erfahren/ als wo von ich auch staͤts einen neuen trieb erlange. Deßgleichen ist mirs gleichfals eine hertzliche freude gewe- sen/ da vor 3. tagen auf meinem bette/ so ich nun uͤber die 8. wochen huͤten muͤssen/ als der mit einer gefaͤhrlichen kranckheit/ da man sich meines lebens erwegen/ nach dem guͤtigen willen des himmlischen Vaters (deme vor die gnade seiner zuͤchtigung/ und darinnen so vielfaͤltiger erwiesener wohlthaten/ demuͤthig dancksage/ und nur wuͤnsche/ das sein rath/ der in solchem allem unsere heiligung bey uns suchet/ bey mir auch platz finden moͤge) befallen worden/ jedoch nun so fern mich erhohle/ daß taͤglich die meiste zeit wieder auf seyn kan/ meines vielgeliebten und zwar dem fleisch nach unbekandten/ aber aus solchem schreiben dem geist nach bekant gewordenen bruders schreiben gelieffert worden/ und ich auß demselben abermahl die zahl sol- cher freunde/ die das gute auch bey andern lieben/ und sich dessen erfreuen/ vermehret gesehen/ daher der guͤtigkeit unsers GOttes demuͤtig gedancket habe. Es ist freylich an dem/ daß der zu verdorren geschienene baum in goͤttlicher krafft wieder außschlagen/ gruͤnen und fruchtbringen/ das ist/ die goͤttliche verheissungen/ so seiner kirchen gegeben/ noch erfuͤllet werden sollen; ach daß/ dieses was wir hin O o 2 und Das sechste Capitel. und wieder sehen/ die knoten seyen/ die uns den bald annahenden fruͤling andeute- ten! Ach lasset uns dann fleißig seyn/ das unsrige in unserer schwachheit/ aber goͤttlicher krafft/ mit eyffer zu thun/ was jetziger zeit beschaffenheit erfordert und zu laͤsset! dazu uns der HERR auch den Geist der weißheit geben wolle/ zu un- terscheiden und zu erkennen/ was dießmal der wille des HErrn an uns seye. Un- sere hiesige gemeinde belangend/ haben wir dem allerhoͤchsten hertzlich zu dancken/ daß er in derselben das wort so fruchtbar seyn lassen/ daß einige der jenigen sich fin- den/ welche von grunde der seelen aus lebendigem glauben in ungefaͤrbter liebe der nachfolge ihres JESU sich befleissigen/ und die hindernuͤssen der welt sich davon nicht abziehen lassen; so schencket GOtt derselben auch je zu weilen diese und jene seele/ die durch lehr und gut exempel zu bruͤderlicher folge durch GOttes seegen sich bewegen lassen. Aber es ist leider unser zustand allhier bey weiten noch nicht also/ wie anderst wo gute gemuͤther sich denselben einbilden/ und deßwegen zu uns ver- langen. Jn deme nicht nur die zahl solcher lieben leute sehr gering gegen die uͤbri- ge zu rechnen ist/ sondeꝛn wir sind noch alle sehr schwach/ und wer mit uns ist/ sihet so bald an uns mehrere dinge/ da er mitleiden mit unserer schwachheit haben muß/ als deren er sich erfreuen kan. Wir sind noch kinder/ und gehet unser wachsthum sehr langsam daher. Zwar sind derselben ferner auch nicht wenige/ bey denen Gott eine ziemliche begierde des guten auch erwecket hat/ aber die hindernuͤssen der welt und die viele laͤsterungen halten manches gemuͤth zu ruͤcke. Hingegen findet sich leider in unserer kirchen gewiß so vieles unkraut/ als im̃ermehr auf einigem acker/ so wol von offenbarlich aͤrgerlichen personen/ als auch solchen die sich auf ihr opus o- peratum des aͤusserlichen GOttes dienstes verlassen/ und was da wider geredet/ oder mehr erfordert wird/ vor verdaͤchtig und wol gar secti risch halten; Daher auch die viele laͤsterung entstanden/ die nicht nur hier in der statt selbs das gute starck gehemmet/ (aber doch durch GOttes gnade uns dieses gute gethan haben/ daß wir haben lernen vorsichtiger zu wandeln) sondern durch gantz Teutschland uns also geschwaͤrtzet/ ob waͤren wir Quacker und in unserem Franckfurt eine neue ketzerey entstanden/ mit den greulichsten/ theils aber laͤcherlichsten erzehlungen/ deꝛ dinge/ die wir thaͤten: so aber alle entweder pur lauter calumnien, so auch den wenigsten schein (wo man die sach unter suchte) nicht hatten/ oder boßhafftige ver- kehrungen gantz guter dinge waren/ die in ihrer wahren beschaffenheit kein schel- ten sondern lob verdienet haͤtten. Solche laͤsterungen haben uns genug zu erken- nen gegeben/ was wir auch vor leute in unserer gemeinde und statt/ in dero sie gleichwol meistens alle außgebruͤtet sind worden/ haben muͤssen. Solten wir klagen/ so wuͤrden wir auch klage fuͤhren koͤnnen/ daß uns nicht nur allein an hilffe mangle/ sondern viele der jenigen/ von denen wir sie hoffen und haben solten/ eher hindernuͤß einwerffen/ als das gute befoͤrderen. Aber wir be- feh- ARTIC. I. DISTINCTIO II . SECTIO XLII. fehlens dem HERREN/ und dancken ihm vor die gnade/ die wir empfangen/ als die wir dero nicht wehrt sind/ oder ihm noch biß daher davor recht danckbar worden/ daher uns nicht zubeschwehren haben/ daß er uns nicht mehrere gebe: Wollen aber mit seiner hilffe trachten/ ihm in dem bereits geschenckten treu zu wer- den/ und alsdann erwarten/ was uns der HERR mehrers zu theilen wolle. Helf- fet uns hertzlich darum zu GOTT bitten/ daß wir die jenige in der that werden moͤgen/ davor uns andere liebe freunde in der fremde halten/ und alsdann unser ex- empel in der warheit so viel mehrere entzuͤnde/ da es ietzt durch guͤtige großmachung dessen/ was bey uns ist/ einige andere ermuntert haben mag. Was die vorge- schlagene materie von dem lebendigen glauben/ woran die jenige von der art der wahren rechtfertigung haͤnget/ anlanget/ ist solche nicht nur allein wichtig/ wuͤrdig und noͤthig/ sondern bekenne gern/ daß bereits von einem jahr her und laͤn- ger mir vorgenommen hatte/ auch durch gute freunde erinnert worden bin/ etwas mehreres davon aufzusetzen; wie mich aber die erkaͤntnuͤß meiner schwachheit billig zu allen dergleichen langsam machet/ also hat mich sonderlich ferner davon ab- gehalten/ weil dißmahl nicht de tempore zu seyn achte/ daß in dem die calumnia am aller staͤrcksten wuͤtete/ und mein nahme als eines boßhafftigen verfuͤhrers an vielen orten gelaͤstert wurde/ also daß auch viele gute gemuͤther moͤgen angefan- gen haben uͤber mir zustutzen) ich mit solcher materie heraus zu brechen mich erkuͤ- nete/ welche wie sie nicht anders kan/ als die gewissen kraͤfftig zu ruͤhren/ also die seinde so vielmehr wider mich anreitzen und gifftig machen wuͤrde: sondern vielmehr einige zeit zu warten/ biß solcher sturm der calumnien einigerley massen voruͤber waͤre/ und der teuffel mit seinen luͤgen durch die endlich sich selbst zeigende warheit zu schanden/ guten und schwachen gemuͤtern aber die von uns gefaste scru- pel damit benommen wuͤrden: So ist eben jetzo auch meine Postill unterhanden/ de- ren uͤbrige außfertigung mir neben meinen amts-geschaͤfften so viel zeit benimmet daß an wenig anders gedencken kan. Laͤsset aber GOTT leben und gesundheit/ und beten gute freunde fleißig vor mich um goͤttliches gnaden liecht/ so werde mich nach einiger weniger zeit an solche materie machen/ und versuchen/ was GOTT vor segen dazu geben moͤchte. Jn dessen habe mich von der art des glaubens zim- licher massen in den Catechismus fragen/ in den predigten uͤber Joh. 3. 16. (so ge- nant werden von dem ewigen leben ) sonderlich in der dritten predigt/ so dann in den buß-predigten herauß gelassen/ daß welche etwa nur anmuth zu meinen we- nigen Schrifften tragen/ daselbst meine gedancken leicht abnehmen koͤnnen. Jch muß aber schliessen/ und wie ich bitte/ daß auch er den himmlischen Vater anruffen wolle/ daß mir und anderen seinen treuen zeugen jemehr und mehr thuͤꝛen zur erbau- ung geoͤffnet werden/ mit freudigen aufthun des mundes und goͤttltchen segen das wort des lebens zu verkuͤndigen/ also empfehle denselben dem gnaͤdigsten GOTT O o 3 und Das sechste Capitel. und den theuren wort seiner gnade/ der da maͤchtig ist euch und durch euch viele an- dere zu erbauen/ und zu geben/ das erbe unter allen die geheiliget werden. Er er- fuͤlle ihn mehr und mehr mit seines geistes gaben/ und segne die arbeit/ die in seinen nahmen geschiehet/ also und der massen/ daß wie er sich jetzo hat erfreuet uͤber das gute/ so er von andern gehoͤret/ er sich nicht weniger uͤber das gute erfreuen moͤge/ welches GOTT durch seinen treuen dienst/ an denen ihm anvertrauten gewuͤrcket habe und ferner wuͤrcke/ und eine so viel herrlichere crone dermahleins von dem HErrn dem gerechten richter zu erwarten habe. 18. Febr. 1679. SECTIO XLIII. A n einen prediger in H amburg. M ein collegium privatum und andere exempla. Labadie. Lehre von der rechtfertigung. E S hat mich hertzlich erfreuet meines Hochgeehrten Herrn Fratris beliebte einstimmung mit mir wegen meines collegii privati, welches sonst ihrer vielen/ und auch Theologis, ein dorn in den augen eine zeitlang gewesen/ ob wohl hin und wieder derselbigen nicht wenige und geringe gewest/ so es appro- birt und gut sprechen. Das exempel Herrn Fischern S. in Amsterdam ist mir ausfuͤhrlicher zu wissen sehr lieb gewest: ich wuste wohl/ daß ein prediger in Am- sterdam etwas dergleichen gehalten/ aber nahmen und umstaͤnde waren mir unbe- kant. So hat mit mir einer in Straßburg studi ret/ so auch Fischer geheissen und von Amsterdam gewesen/ auch ohne zweiffel bekant seyn wird/ ich aber offt ver- langet habe zu wissen/ wo er jetzt stehe und wie es ihm gehe/ von dem gehoͤret/ daß da er vorhin ein goldschlaͤger gewesen/ er durch solches collegium und privat infor- mation eines predigers/ so eben dieser Fischer seyn muß/ erst zu einer liebe der He- braͤischen sprach gebracht worden/ folgends aber das studium Theologicum mit quittirung seines hand wercks angetretten. Ein mahl wo die sache ohne vorge- faßte urtheil und haß gegen alles das jenige was einen schein der novi taͤt hat/ be- trachtet wird/ kan man es nicht anders als nuͤtzlich und erbaulich achten. Jedoch auch so/ daß es mit guter ordnung geschehe/ und nicht/ wo von dingen die den ein- faͤltigen und so nicht studi ret haben/ in den hohen streit sachen zu schwehr sind ge- handlet/ und die leute davon gern zu disputi ren gewehnet werden/ solches/ weil sie der sachen nicht gewachsen/ nicht nur eine zancksucht bey ihnen gebaͤhren/ sondern viel ander boͤses/ so gar in dem politi schen wesen/ nach sich ziehe/ da von nichts zu esorgen/ da man bloß bey der allein noͤthigen er bauung bleibet/ und sich so sehr den willen ARTIC . I. DISTINCT. II . SECTIO XLIII. willen zur gottseligkeit mit kraͤfftiger vorstellung und beweglichen erinnerungen zu bewegen/ als den verstand mit wissenschafften zu erfuͤllen/ befleißiget. Solte Eu- re Wohl-Ehrw. sich endlich resolvi ren/ einige zeit andern geschaͤfften ab zu brechen/ und da zu auch ihres orts an zuwenden/ wuͤrden sie gewiß sich die frucht derselben bemuͤhung nicht dauren lassen/ sondern finden/ daß wohl anch einige sonsten noͤ- thig geachtete amts geschaͤffte diesen wohl nachgesetzt werden doͤrfften/ wo wir nehmlich unser verrichtungen wehrt nachdeme æstimi ren/ wie viel dieselbe zu GOt- tes ehre und des nechsten erbauung ausrichten. Es hat auch Herr Spizelius einige dergleichen uͤbung in Augspurg; so ist auch dergleichen in Schweinfurth von un- terschiedlichen jahren/ so dann einigen andern orten und zwar jeglichen orts anders nach dem es dessen gelegenheit zu gegeben angestellet worden. Von Labadie und Bourignon absicht ist dieses so weit unterschieden/ daß es fast nicht auff einige weiß mit recht mit jenem vergleichen werden kan. Von Bourignon weiß ich zwar gar nicht/ ob sie einige exercitia mit den ihrigen halte/ und sie muͤndlich lehre/ oder zu gebe/ daß andere auch ihre gaben mit anwendeten/ als die scheinet allein das ora- culum seyn zu wollen. So gehet/ so viel ich weiß/ Labadie absicht formlich auff ein schisma und voͤllige trennung von der uͤbrigen Christlichen gemeinschafft/ wie es die that weiset/ hinaus. Massen auch Bourignon alle eusserliche verfassung will niedergerissen haben. Diese meine uͤbung aber suchet/ daß die leute so viel tuͤchti- ger werden/ was sie in oͤffentlichen kirchen versamlungen hoͤren/ recht zu fassen/ und so wohl zu deroselben andaͤchtiger betrachtung/ als uͤbrige leben/ immer besser vor- bereitet werden. Daß also damit nicht einiger mensch von dem uͤbrigen corpore der kirchen abgezogen/ noch andere/ welche dergleichen nicht frequenti ren/ zu ver- achten gewehnet wird. Vor der trennung bekenne ich gern/ habe einen hertzlichen horrorem / und halte besser in einer auch sehr verderbten kirche zu seyn/ als in kei- ner. Daß ich aber dem Labadie sein geziehmendes lob gegeben in stuͤcken/ daers wuͤrdig war/ hoffe nicht daß mir jemand verargen werde. Jch koͤnte auff diese stund nicht anders von ihm reden/ als das jenige/ was ich von ihm gewiß weiß. A- ber wie Eure Hoch-Ehrw. wohl geantwortet/ ich habe Labadie allein in Genff ge- kant/ und fast seine schrifften allein gelesen/ die er in Franckreich geschrieben/ die einmahl sehr aufferbaulich und herrlich: Von denen in Holland edir ten/ ist mir we- niges zu gesicht gekommen/ weniger habe gelesen: ohne allein seine Declarationem fidei, in dero oben hin geschehenen uͤberlesung ich keine andere irrthume gemercket/ die nicht allen oder vielen Reformirten gemein waͤren/ ohne von der kirchen und de- ro reinigkeit/ darauff sich sein schisma gruͤndet. Sed virtus \& in hoste laudan- da. Wie wir die Juden/ Tuͤrcken und Heyden in gewissen stuͤcken loben/ aber allemahl das jenige zu attendi ren ist/ worinnen man jeglichen lobet. So hat mich nicht weniger erfreuet deroselben in demschreiben bezeugter und auch in der bu ß -pꝛe- digt Das sechste Capitel. digt in der that gewiesener consens wegen dessen/ was in dem sendschreiben de ar- ticulo justificationis stehet. Die verderbnuͤß ist nicht aus zu sprechen/ welche aus unrechtem verstand solches articuli herkommet/ und koͤnnen wir uns vor GOTT nicht entbrechen/ daß nicht aus vieler unserer ungenugsamen und undeut- licher vortragung solcher wichtigen materie von der rechtfertigung und lebendigen glauben der irrthum in den grossen hauffen gekommen. Denselben nun den leu- ten wieder aus den hertzen zu reissen/ und sie also aus den schlaff der sicherheit wieder zu erwecken/ ach da lasset uns alle gele genheit ergreiffen/ und alle von GOTT verliehene kraͤfften dahin anwenden/ dann gewißlich keine materie ist wichtiger sie staͤtig zu treiben/ und ja wohl zu inculci ren/ als diese: Sonsten was hilffets/ wo unsere zuhoͤrer von allen Paͤpstischen/ Reformirten/ Sociniani schen ꝛc. irrthumen frey sind/ und doch dabey einen todten glauben haben/ darin sie viel schwehrer ver- dammt werden/ als alle auch schwehr irrende bey besserem leben? Aber zu erbar- men ist/ daß auch uͤber diese materie einige Theologi anstehen. Wie ich nicht bergen kan/ daß einige die lehr in dem sendschreiben nicht just zu seyn erkennen haben wollen/ die doch/ wie mit der heiligen Schrifft/ also auch unseren Symboli schen buͤchern/ voͤllig uͤbereinstimmet. Der HERR erbarme sich seiner kirchen und oͤffne der blinden augen. 19. Febr. 1679. SECTIO XLIV. A uffmunterung an eine G raͤfliche person. V er- einigung gut gesinneter Theologorum. Zu- stand der Franckfurtischen kir- chen. E Rfreulich war mir sonderlich aus solchem zu erfahren/ daß Ew. Hoch- Graͤfflliche Gnaden durch Gottes guͤtigste vorsorge mit einem tꝛeuen und er- b aulichen hoffprediger versehen worden/ welches je nicht eine geringe wohl- that/ sondern so viel hoͤher ist/ als der nutzen/ der davon zu erwarten/ vortreflicher ist/ auch die zahl solcher leute etwa geringer/ als gut ist/ sich befindet. Der HErr HErr gebe seinem wort durch seinen mund geredt durchtꝛingende krafft zu Ew. Hoch-Graͤflicher Gnaden taͤglichen weitern wachsthum/ und auch noch vieler an- dern in der weltliebe steckender leute bekehrung. Erfreulich war mir auch/ daß an demselben einen/ ob wohl der person noch unbekanten/ freunde erlanget habe/ dessen liebe mich Ew. Hoch-Graͤflicher Gnaden schreiben versichert. Gott verbinde je mehr und ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XLIV. und mehr die hertzen derjenigẽ/ welche es mit seinem reich u. dessen befoͤꝛderung treu- lich meinen unter einander duꝛch hertzliche liebe/ damit je einer von den andere seiner redlicher intention versichert werde. Woraus wo es immer weiter geschiehet/ durch GOttes gnade folgen mag/ daß sie nicht nur einander mit Christlichem rath auch in abwesenheit in vorfallenden faͤllen beystehen koͤnnen/ sondern auch daß jeg- licher durch des andern gutes exempel zu neuem eiffer auffgemuntert werde: da hingegen nicht weniges zu der nachlaͤßigkeit thut/ wo jeglicher sorget/ es seye fast niemand der das werck/ wie sichs geziehme/ angreiffe und treibe/ was er allein sich plagen wolte/ etwas aus zurichten: sonderlich aber ist woh d er groͤste nutz/ den sol- che liebes verbindung nach sich zeucht/ daß sie als dann einander so viel ernstlicher helffen kaͤmpffen mit beten und flehen zu GOTT dem HErrn: Welches ob wol in unterschiedlichen orten von denen die dem leibe nach von einander entfernet/ aber in dem gemuͤth und geist genau verbunden sind/ nicht kan lehr abgehen/ sondern muß nothwendig/ weil GOttes verheissung nicht liegen wird/ grosse krafft haben/ von dem HERREN alles was uns und der kirche noth ist/ ohnfehlbahrlich zu er- langen. Wie dann eben auch dieses das meiste ist/ so wir einander in der fremde zu leisten vermoͤgen. Und gewißlich der Satan hat nicht wenig damit gewonnen/ da er biß her auff vielerley weise/ durch furcht/ allerhand calumni en/ und dardurch erwachsenes mißtrauen/ und sonsten/ zu wege gebracht/ daß wir sonsten leider ins gesamt die bruͤderliche gemeinschafft der heiligen/ welche wir doch als einen articul des glaubens erkennen/ fast unbekant worden/ und jeglicher Christ fast allein vor sich ohne hilff der andern sein Christenthum fuͤhren muͤssen/ also auch unter den pre- digern wenig weitere kundschafft und geistliche gemeinschafft gepflantzet ist woꝛden/ als etwa bey denen/ die eines orts beysammen gewohnet/ oder aus andern weltli- chen ursachen und veranlassung mit einander in kundschafft gerathen: Daher so vieles versaͤumet worden/ was durch bruͤderliche und ernstliche zu sammensetzung sonsten haͤtte moͤgen und sollen in goͤttlicher krafft erbauet werden. Weswegen ich meinen GOtt inniglich preise und dancke vor den segen/ den er so fern zu meinen piis desideriis und andern einfaͤltigen schrifften gegeben/ daß auffs wenigste sich derjenigen/ von dero nahmen und gemuͤth ich nichts gewust/ viele aus anlaß dersel- ben sich mit mir in genauerer liebe des geistes verbunden haben/ daß wir einander kennen gelernet/ und so viel fleißiger vor einander beten; Ach daß auch bey vie- len/ ja allen andern/ dergleichen geschaͤhe/ und endlich die jenige/ so CHRJSTO treulich dienen wollen/ alle/ so viel es moͤglich ist/ sich einander zu solcher gemein- schafft des geistes in CHRJSTO kennen lerneten; mit desto mehrer krafft das reich des satans zu bestreiten/ und vermoͤge des siegs ihres haupts ihn endlich uͤ- berwinden. Ferner ist mir auch erfreulich gewesen/ des Ungerischen Superin- P p ten- Das sechste Capitel. tendenten (deme wir darzu hie nicht also zu begegnen vermocht/ wie ers meritirt und gehoffet hatte) liebreiche relation von unsern Franckfurt. Aber neben der freude hat michs gleichwohl auch beschaͤmet/ in betrachtung/ daß es bey weitem noch nicht also bey unsstehe/ wie aus einiger tage eusserlichen ansehen/ der liebe mann gut muͤthig geurtheilet hat. Zwar haben wir den gnaͤdigen guͤrigen GOTT hertzlich zu dancken/ der uns gantz unverdiente gnade allhier erwiesen/ und sein wort so fern allhier gesegnet hat/ daß derjenige seelen unterschiedliche sind/ welche mit hertzlichem eiffer ihrem GOTT zu dienen angefangen/ und ihr Christenthum das hauptwerck ihres lebens seyn lassen/ auch von ihrem GOTT mehr und mehr dar- in gestaͤrckt werden/ also auch daß noch mehr liebe gemuͤther sind/ die ob sie wohl noch mit solchem ernst die sache nicht angreiffen/ wie es seyn solte/ vielmehr sich durch furcht und der welt aͤrgernuͤß noch zu ruͤck halten lassen/ gleich wohl das gute belieben/ es zu thun anfangen/ und also ohne zweiffel von GOTT werden allge- mach weiter annoch gefuͤhret werden: So ist auch die so oͤffendliche kinderlehre als einiger prediger mannier/ absonderlich die jugend/ so zu dem tisch des HErrn sich schicken wollen/ zu unterrichten/ in dem stand/ daß wir etwa uns vor vielen an- dern orten einiger goͤttlicher genade zu ruͤhmen haben: nebs dem/ daß wir mit andern orten gemein haben; aber auch eine unschaͤtzbahre wohlthat von GOtt ist/ daß sein wort in oͤffentlicher versamlung rein und lauter/ und nach dem maß der gnaden/ die jeglichem mitgetheilet ist/ geprediget wird. Alles solches sind freylich wohlthaten/ davor wir nicht gnug unserem GOtt dancken koͤnnen; und ach daß wir ihn vor solche recht danckbar wuͤrden! Aber ausser dem/ ach wie ein be- truͤbt ansehen hats gleichwohl auch noch/ wo man mit geistlichen augen das werck ansiehet/ mit unserer armen Franckfurtischen kirchen? Wie viel mangelts an den oͤffentlichen verfassungen/ da durch aber die erbauung gehindert wird/ daß sie nicht so viel solgen kan/ als sie solte? Wie viel oͤffentliche aͤrgernuͤssen sehen wir/ und koͤnnen nicht nachtruͤcklich wehren? Wie viel stuͤcke sind/ da wir unser amt nicht vermoͤgen also zu fuͤhren wie wir wuͤnscheten/ und es im andern stande die regel er- forderte? Wie schlaͤffrich und unordentlich gehet es noch in unseren oͤffentlichen versamlungen und verrichtungen des Gottesdiensts zu? Wie viel haben wir selbs in unserer gemeinde der laͤstere r und feinde/ die die uͤbung und Gottseligkeit mit fleiß hindern wollen? Wie die ausgesprengte und meistens allhier ausgeheckte calumnien bey einigen jahren gewiesen. Und sonderlich wie gemach gehets auch noch bey dem guten her? da wir je laͤnger wir uns uͤben/ immer mehr gewahr wer- den/ was uns noch mangele/ und daß dasjenige/ so andern lauter gold scheinet/ noch so viel an sich habe/ wo von wir uns reinigen muͤssen. Daher sehen wir bil- lig solche gute zeugnuͤssen/ die uns von lieben hertzen gegeben werden/ viel mehr an/ als ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIV. als antrieb dergleichen zu werden und es in den stand zu bringen/ worinnen es zu seyn geruͤhmet wird: als daß wir erkennen koͤnten/ schon dahin gekommen zu seyn. Der HERR staͤrcke nicht nur alles gute/ sondern lasse es auch aller orten mehr und mehr sich ausbreiten. Sonderlich ist mir auch erfreulich gewesen/ wiederum aus diesem schreiben Ew. Hoch-Graͤfliche Gnaden bestaͤndigkeit in fortsetzung des einmahligen und bißher zu werck gestelten vortsatzes zu vernehmen: als daran sie so hertzlich bezeuget/ das irrdische nicht zu achten/ sondern in GOtt das hertz zu er- freuen/ ob andere gleich viel wein und korn haben/ und die irrdische egoͤtzlichkeit besitzen. Ein solches hertz von GOtt empfangen zu haben/ ist ja uͤber alle welt schaͤtze und die allerseligste gabe. Nun der HErr erhalte sie auch bey Ew. Hoch-Graͤf- lichen Gnaden/ und lasse sie mehr und mehr solcher ihrer seeligkeit werth erkennen/ aus solcher erkaͤntnuͤß so viel leichter alle in dem lauff des Christenthums vorfallen- de hindernuͤssen zu uͤberwinden/ und mit ihrem mitgetheilten liecht in heilige exem- pel andere zum preiß des himmlischen Vaters auch zu erleuchten. Jsts sein hei- liger wille/ so soll es mir eine innigliche freude seyn/ Eure Hoch-Graͤffliche Gnaden vertroͤsteter massen in person zu sehen/ und mich an denen ihro verliehenen goͤttli- chen gnaden gaben in gegenwarth zu ergoͤtzen. Jndessen ermangle nicht/ derosel- ben und gesamten ihrem Hoch-Graͤflichen hauß von dem grundguͤtigen GOTT allen segen zu wuͤnschen: wie auch jetzo solche in die himmlische hut treulichst em- pfehle/ und dießmahl nicht weniger von dem Vater der barmhertzigkeit und Gott alles trostes die versieglung seines trosts uͤber juͤngstmahligen zu gesandten trauer- fall von innigstem grund der seelen anwuͤnsche. 27. Febr. 1679. Pp 2 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XLV. V on F ranckfurtischen sachen. Bruder nahme der Christen. Sorge der trennung. D Aß unser benachbarte Theologus noch nicht auffhoͤren solle/ die unsrigen hier in verdacht zu haben/ und auch diejenige so bald drein zu ziehen/ wo nur unsere geliebte Jungfer N.N. hinkomt/ ist mir leid: der HERR lasse ihn er- kennen was er hierinnen thut/ und mit was unrecht er diejenige beschwehret/ an denen man vielmehr die gnade GOttes lieben und erkennen solte. So habe ge- dacht/ es haͤtte GOtt dem mann von einiger zeit die augen geoͤffnet/ daß er sich sei- ner autori taͤt nicht ferner mißbrauchte/ welches noch einmahl zu geschehen in hertz- licher liebe hoffen/ auch von solcher statt selbst mich versehen will/ daß daselbst noch das jenige solle gelobet und geuͤbet werden/ was man vorhin daselbst gelaͤstert und angefeindet. Es hat ja der HERR HERR alle hertzen in seiner hand/ und zei- get vornehmlich bey deng ossen in regierung derselben ein vortreffliches stuͤck seiner Allmacht und Majestaͤt/ und so wir Theologi, so es aus doppelter pflicht zu thun verbundeu waͤren/ zu thun saͤumig sind/ erwecket er offters Christliche Politicos, vor dero hertzlichen eiffer/ den GOTT auch offters hertzlich segnet/ wir uns nachmahl schaͤmen mussen; da sie das werck des HERREN vortrefflich befoͤrderen. Ein- mahl gibt mir mein gewissen zeugnuͤß/ weiset auch das werck selbst/ daß ich und an- dere freunde hier nichts anders suchen/ als daß die lehre der Gottseligkeit treulich getrieben/ und also in die hertzen eingetrucket werde/ daß auch daß gantze leben nach derselben regel eingerichtet werde/ und also das leben des glaubens sich in der that zeiget: Daß wir alle moͤgen die theure guͤter unsers GOttes also hertzlich lernen erkennen/ damit durch deroselben liebe/ die uns allen angebohrne und fest ankleben- de liebe der welt moͤge getilget und ausgereutet werden/ und also die Christen in der welt also wandelen/ als derer burgerrecht droben in dem himmel ist. Hiezu ist alles gemeinet/ und wird man uns nicht zeigen/ daß einige unsere vorschlaͤge oder verrichtungen und uͤbungen entweder anders wo hin zwecken/ oder aber so beschaf- fen sind/ daß sie dergleichen fremde absicht nach sich zoͤgen. Was sonderbahre meinungen sind/ werde ich mir nicht lassen zu wider seyn/ wo ich weiß/ daß jemand dergleichen hegte/ und ich solche goͤttlichem wort zu wider zu seyn erkennete/ mit den- selben daraus zu reden/ und solche nach vermoͤgen zu benehmen. Es ist aber je laͤnger je weniger dergleichen zu befahren/ nach dem wir mehr und mehr erkennen/ wir seyen noch nicht diejenige/ welche hohe geheimnuͤssen und etwas anderes fassen koͤnten ARTIC . I. DISTINCTIO II. SECTIO XLV. koͤnten/ und also uns noch darum zu bemuͤhen haͤtten/ als was die aller gemeinste und bey allen ungezweiffelte glaubens puncten sind/ unsere vertrauen in denselben rechtschaffen zu gruͤnden/ daß aus solchen samen die edlen fruͤchten/ wie sichs gezie- met/ folgen und wachsen moͤgen: Und werden wir damit lang zu thun haben/ was in der schrifft gerade dem buchstaben nach stehet/ und also un disputir lich war und noͤthig ist/ in das hertz zu bringen/ daß es recht lebendig darinnen seye/ biß wir nachmalen auch zu den uͤbrigen hoͤheren geheimnuͤssen/ und dero weiterem verstand als abermahl insgemein dasuͤr gehalten wird/ tuͤchtig werden. Solte aber je- mand in etwas seine privat-meinung haben/ und dieselbe in der stille bey sich behal- ten/ wo sie den grund des glaubens nicht verletzet/ so ist ja biß daher mit solchem alle- zeit gedult getragen worden/ daß wenig auch der vornehmsten Theologen sind/ die nicht etwa in einigem stuͤck ihre haußgedancken uͤber etwas gehabt/ darinnen sie nicht eben mit anderen eingestimmet/ und zu weilen wol gar solche gar dunckel in schrifften haben mercken lassen: ohne daß man deß wegen sie uͤbel angesehen. Was die bruͤderschafft anlanget/ so kan ich mit warheit vor GOtt bezeugen/ daß ich von keiner andern als der allgemeinen bruͤderschasst/ welche allen rechtschaffenen glaͤubi- gen kindern GOTTES in CHRJSTO gemein ist/ weiß/ oder jemand ei- nige sonderbare socie taͤt suche und stiffte. Was des lieben und Christlichen Ju- risten NN. gute intention gewesen/ wegen einer absonderlichen JEsus-ge- sellschafft/ mag etwa mit ein und anderen gruͤnden und exemplen defendirt wer- den/ wie ich auch weiß/ daß dieselbe von unterschiedlichen rechtschaffenen Theo- logis gebilliget worden. Was aber mich anlanget/ so habe die liebe absicht und welmeinenden zweck wol erkant und geliebet/ aber nicht davor gehalten/ daß sol- che sache dißmal zur erbauung des Christenthums vieles thun/ leicht aber ehr zu schaden außschlagen moͤchte/ dahero ich dieselbe mehr mißrathen/ auch nicht eine einige person allein allhier weiß/ die in solche gesellschafft eingetreten waͤre: Wie viel weniger begehren wir dann/ selbst etwas sonderbares zustifften/ die wir eben die jenige gefahr vo r uns sehen/ die uns bey anderen vor augen stehet? Daß aber viel liebe und hertzliche freunde unter sich den nahmen bruder oder schwester aus dem allgemeinen recht des Christenthums gebraucht/ leugne ich nicht: Jch zwar vor meine person habe mich dessen gegen niemand alß amts genossen gebrau- chet/ weil wir/ wo wir die sache und bruͤderliche liebe behalten/ an den nahmen selbst so hart nicht verbunden sind/ daß nach dem derselbe eine zeit- lang in abgang gekommen/ wir ihn bey verlust der sachen muͤsten wieder einfuͤhren. Aber ich habe auch nicht gesehen/ wie Christ- lichen hertzen die macht habe nehmen koͤnnen/ sich unter einander mit dem- selben nahmen zu nennen/ davon sie nicht nur der ersten kirchen exempel/ sondern P p 3 auch Das sechste Capitel. auch die bestaͤndige red art der Schrifft vor augen haben: und weil sie sich unter- einander bruͤder und schwestern offters nanten/ so gar alle andere/ die eben nicht mit ihnen bekant worden/ von solchem titul und recht nicht außschlossen/ daß sie viel mehr alle/ die in wahren glauben und in der kindschafft GOTTes stuͤnden/ hertz- lich davor erkanten/ und sich offters hertzlich freueten/ wo sie gedachten/ daß sehr vie- le solche bruͤder und schwesteren ihnen nach dem fleisch unbekant/ und ihnen gleich- wol nach solcher sippschafft des geistes so nahe verwandt waͤren/ als immer- mehr die jenige/ mit welchen sie taͤglich umgiengen: auch deßwegen sich nicht wuͤr- den bedacht haben/ jeglichen/ so bald sie seines rechtschaffenen glaubens zeugnuͤß gesehen/ mit solchem nahmen/ wo ers leyden moͤchte/ zubenennen. Wie wol auch diese liebe freunde/ nach dem sie gesehen/ daß auch solcher nahme von einigen/ wie an- deres gutes/ mißdeutet werden wollen/ aus Christlichen condescendez sich eine zeitlang in dem gespraͤch desselben mehr enthalten. Jch kan aber nicht sehen/ wie man sich schlechter dings noͤtigen/ oder da solche compellatio in den brieffen mehr gebrauchet wird/ auf solches einen verdacht mit einigem redlichem schein setzen moͤchte. Dann warum solle Christen verboten seyn/ daß uͤber die weltliche und haͤußliche respect und relationes, darinn sie gegen einander stehen/ sie auch als Christen sich untereinander nach solcher geistlichen relation nennen doͤrfften? Da haben wir aber keinen andern nahmen/ als vater/ kind/ bruder schwester. Und wie wollen wir Theologi mit unseren bruder-nahmen/ den wir uns untereinan- der geben/ bestehen/ wo die jenige/ denen mir den allgemeinen brudernahmen unter sich zu gebrauchen disputiren wollen/ dessen rechenschafft von uns forderten? die wir vor denselben aus der Schrifft kein ander fundament anziehen koͤnnen/ als wo der unter allen Christen gemeinen bruderschafft meldung geschiehet/ und daher bil- lig sie nicht außschliessen doͤrffen. Es ist einmahl wahr/ was jener Theologus sagt: mit dem abgang des bruͤderlichen nahmens/ haben wir in der Christenheit fast auch zu gleich die sach mit verlohren. Wollen wir aber den ursprung suchen/ wo her es gekommen daß der allgemeine bruder-nahmen erloschen und nur von so ge- nannten geistlichen behalten worden/ doͤrffen wir gewißlich denselben nirgend an- ders suchen/ als in dem Papstum/ damit anderen rechten der gesamten Christli- chen gemeine auch dieser liebe und freundliche nahme denselben entzogen/ und auf ei- ne gewisse ordnung und stand eingezogen worden ist. Jndessen weichen sie aus liebe in dem gebrauch ihrer Christlichen freyheit so fern/ daß ihnen damit nicht das recht zugleich entzogen/ und des jenigen/ so ihnen der HERR selber gegoͤnnet/ als offt sie es zu ihrer aufmunterung/ erbauung und trost dienlich achten werden/ zu brauchen die macht abgesprochen wiꝛd. Zu einer trennung ist so gar die be- gierde nicht/ daß wir vielmehr alles zu der einigkeit in Christo gefuͤhret wuͤnscheten/ und ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLVI. und als viel an uns ist/ darnach trachten. Daher es keiner absonderlichen bruͤ- derschafft bedarff/ sondern wir an der allgemeinen bruͤderschafft genug haben/ als die ohne das ein genauer band des geistes hat/ als wir sonsten moͤchten einiges erst selbst knuͤpffen. Aus diesem wird Ew. Wohl Ehrw. nicht nur zur gnuͤge selbst er- kennen/ was es vor eine bewandnuͤß mit dieser sach habe/ sondern so viel gruͤndli- cher den jenigen begegnen koͤnnen/ die entweder aus unwissenheit andere gedan- cken davon gefast/ oder aus boßheit/ dieses wie sonsten mehrere ding verdraͤhen und verlaͤsteren/ wo sie finden solte/ daß etwa die warheit zu retten/ ein wort zu reden noͤthig waͤre. Ach der HErr gebe uns doch gnade/ daß wir wohlwahr nehmen/ was wir thun/ und in was unser eyffer bestehe/ oder wo hin er zwecke: Daß ja nie- mand einiges gutes/ so den Christen von ihrem Heyland befohlen/ oder er dessen recht gegeben/ zu hemmen suche/ und wo er davor haͤlt/ die sache seye nicht verwerf- lich/ aber der modus nicht beliebig/ lieber einen bessern modum zeige/ als die sach aufhebe/ oder so lang den jenigen modum lasse/ der nutzen bringt/ biß er einen bes- sern subministrire. Ew. Wohl Ehrw. verstehet wol/ was dieses gesagt seye/ auch wo diese wort pflegen gebraucht zu werden/ und wie ich dero aufrichtige in- tention GOtt vor sich und in dero amt treulich zu dienen kenne/ auch dero gegen mich tragender redlicher affection versichert bin/ als ist mir das hertz auch dieß- mal freyer aufgegangen und sich vor deroselben außgeschuͤttet. Lasset uns treu- lich fortfahren in dem werck des HErren/ die erbauung unserer so theuer und ernstlich anbefohlener gemeinden auf alle weise und wege/ wie der HERR zeigt/ zu befoͤrderen/ und daruͤber von der welt ihren/ aber auch von GOTT seinen in gnaden versprochenen/ lohn erwarten. Es muß auch jener/ den die welt in un- danck und haß giebet/ durch uͤbung unserer gedult uns nuͤtzlich und eine goͤttliche wohlthat werden. Der HErr wird gewiß seine ehre retten/ und seiner gemeinde nach dem verlangen so vieler elenden helffen/ ob wirs wohl noch nicht verstehen. 1679. m. Mertz. SECTIO XLVI. N ochmal an G eorg C onrad Dielfelden. (siehe Sect. 39.) formul, ich bin Christus. Vereinigung der glaͤubigen mit Christo. Ammersbach. Christus pro \& in nobis. Steph. Prætorius. Statii Schatz-cammer. Ursachen der auslassung der nahmen. Horbius autor des ersten bedenckens an die Pia desi - deria. Goͤtt- Das sechste Capitel. Goͤttliche gnade/ friede und sogen in CHRJSTO JESU! Wohl Ehrwuͤrdiger/ Großachtbarer/ Hochgelehrter Herr/ Jnsonders Hochgeehrter Amts-Bruder. D Esselben an mich abgegebenes habe gestern empfangen/ weil aber erst von meiner unpaͤßlichkeit aufstehe/ auch noch nicht außgehen oder meiner ge- schaͤfften voͤllig abwarten kan/ so dann die fuhren morgen wieder abgehen/ so kan nicht anders/ als kuͤrtzlich allein antworten. Die mittel welche in den piis desideriis zu der besserung der Evangelischen kirchen vorgeschlagen/ ligen an dem tag/ die fleißigere uͤbung des goͤttlichen worts/ einfuͤhrung des Geistlichen Priester- thums/ treibung auf die praxin, Christliche begegnuͤß gegen die irreglaubige/ sorg- faͤltige erziehung der kirchen nuͤtzlicher Studiosorum, und fleißige einrichtung der predigten auf den innern menschen. Daß solche nicht weiter hie zu erzehlen. Jch weiß aber nicht/ wie eben die predigt Joh. 1/ 20. in solche materie gemischet wer- de/ als welche/ da sie von einem paradoxo Christiano vornemlich zu diesem zweck handelt/ unsers lieben vaters Lutheri so hart lautende rede zu erklaͤhren/ wie sie Christlich und troͤstlich verstanden werden moͤge/ also zum zweck nicht gehabt/ sie unter die mittel der besserung der kirchen insgemein vorzulegen. So wird man auch sonsten von mir weder hoͤren noch le s en/ daß solche proposition, ich bin Christus/ jemahl gebrauchte/ als der ich wol weiß/ daß dieselbe/ wo sie nicht ex professo u. weitlaͤufftig tracti ret wird/ daß man allen ungleichen verstand remo- vi ret/ und den rechten ausfuͤhret/ gar in unziemlichen verstand von den auditoribus wuͤrde gefast werden. Also habe ich gezeigt/ nicht welcher formul wir uns or- dentlich zu gebrauchen haben/ sondern wie solche formul einen guten und goͤttlichem wort gemaͤssen verstand haben moͤge. Was aber die materie selbst von der genau- en vereinigung mit Christo anlangt/ bekenne g ern/ daß sie unter die jenige gehoͤre/ die in dem sechsten mittel gemeint/ wie die predigten auf den iñeren und neuen men- schen zurichten seyen. So hoffe ich auch/ daß sie/ wo sie recht erkant wird/ weder von meinen hochgeehꝛten Herrn noch einigem rechtschaffenen Theologo moͤge ge- leugnet werden. Mein hochgeehrter Herr gestehet mir/ daß Christus in den glaͤu- bigen wohne und wuͤrcke: Was ists anders/ daß ich auch sage? dañ ich hoffe nicht daß derselbe es werde vor eine solche wohnung halten/ wie sonsten einer in einem hauß wohnet/ sondern es muß eine wohnung seyn/ mit dero der einwohnende ver- einiget ist/ wie so viele ort der Schrifft nach genuͤge weisen/ also daß die wohnung von ihm leben und krafft hat/ und was der mensch thut/ nicht mehr bloß sein eigen/ sou- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLVI. sondern auch Christi werck in und durch ihn ist: Und bin ich versichert wo erstlich die modi, die ich selbst removire, werden weggethan seyn/ so werde ich keine ge- nauere vereinigung setzen als rechtschaffene Theologi bißher alle gestanden ha- ben. Dann dabey bleibets einmahl: Nicht nur Christi krafft und Geist/ son- dern er Christus selbs vereiniget sich warhafftig mit seinen glaͤubigen/ daß sie sei- ne glieder so wahrhafftig sind/ als er ihr haupt ist/ ob sie wol nicht eine person/ jedoch ein geistlicher leib zusammen werden. So bleibet zwischen GOtt und creatur o- der den glaͤubigen menschen unendlicher unterscheid/ das beyder wesen nicht ein wesen sind/ und sind doch aufs aller genaueste miteinander vereinigt. Die gleich- nuͤssen von dem heiligen Abendmahl/ von der taube und heiligen Geist wird jeg- licher leicht sehen/ daß sie allein dahin angefuͤhret werden/ zu weisen/ daß es nicht ungewoͤhnlich/ daß etwas von dem andern prædicirt werde/ was mit ihm verei- nigt ist/ nicht aber die art der vereinigung auß zu trucken/ wie deutlich stehet/ auf andere weise/ daß also die art der vereinigung Christi und unsrer nicht damit ver- gleiche/ sondern dieselbe in den folgenden also außtrucke/ daß ich hoffe/ niemand/ dem nicht mit vertrehung der wort wol seye/ werde darinnen etwas zu straffen fin- den. Sonst gestehe ich willig/ daß ich sehr noͤthig achte/ die Christen davon zu unterrichten/ daß sie nicht nur muͤssen Christi verdienst mit glauben ergreiffen/ aus dessen zurechnung sie selig werden/ sondern daß eben solcher glaube muͤsse also bewand seyn/ daß Christus dadurch in ihren hertzen zu wohnen komme/ und sich mit ihnen vereinige/ alles gute in ihnen zu wuͤrcken. Dann wie wollen wir die leuthe/ so sich mit ihrer unvermoͤgligkeit entschuldigen/ antreiben/ daß sie sich ihr Christenthum eyfferig lassen angelegen seyn/ als wo wir ihnen zeigen/ Christus/ wolle durch den glauben in ihnen wohnen/ und in ihnen kraͤfftig das jeni- ge wuͤrcken/ was sie sonsten nicht vermoͤchten: Jch vermag alles indem/ der mich maͤchtig macht/ Christo/ nicht der ferne von mir sondern durch den glau- ben gantz genaue vereiniget ist. Jch meine aber nicht/ daß hievon viel wort zu- machen noͤthig seye in einer gantz klaren sache. Was sub nomine Eliæ Præto- rii außgegangen habe nicht gelesen/ sondern nur hin und wieder eingesehen/ die hefftigkeit mir nicht gefallen lassen/ aber ob und was von dieser materie darinnen/ weiß ich nicht. Jn andern schrifften Christian Hohburgs/ habe viel liebes und gutes gelesen/ daß ich nicht leugne; aber solchen mann/ wie andere menschliche schrifften auch gelesen zu werden verlange/ nemlich/ pruͤffet alles/ das gute be- haltet. Wie mich also nicht viel vor denselben bemuͤhen werde/ als der unsern glauben an keinen menschen gebunden zu seyn weiß; also wuͤrde mich gleichwol auch nicht noͤthigen lassen/ ihn zu condemniren. Was Herr Ammersbach vor mit- tel der besserung der kirchen vorschlage/ kan mit wahrheits grund sagen/ daß ich Q q auf Das sechste Capitel. auf die stunde nicht weiß/ als der ich von solchem mann nichts als seinen teutschen vielfraß/ seine antwort auf die censuram contra Hohburg, und ein kleines tra- ct aͤtlein/ wo mir recht ist/ uͤber das symbolum eines Fuͤrsten/ und ein einiges schrei- ben gelesen: Deßwegen auch weder weiß/ noch mich darumb bekuͤmmere zu wis- sen/ was an ihm desiderirt werde. Jch urtheile keinen fremden knecht/ sondern lasse jeglichen nach der gabe/ die er hat/ sein amt verrichten/ wie ich auch solche frey- heit mir begehre: Jedoch wol leiden kan/ so jemand mich richtet/ als welches kei- ner schaͤrfferer thun kan/ als ich gegen mir selbsten thue/ wissende/ wir haben noch ein schaͤrffer gericht vor uns/ wo wir uns wol vorzusehen haben/ daß unser werck moͤge bestehen/ und nicht verbrennen. Solte aber in Herr Ammersbach schriff- ten gestrafft werden/ daß er begehre/ man solte Christum in nobis predigen (ob ich wol/ als der ich seine sachen nicht gelesen/ nicht weiß/ wie er solches treibet) so koͤnte mich nicht entschuͤtten/ daß ich eben so wol glaube/ wir seyen freylich schuldig/ nicht nur Christum pro nobis, sondern auch in nobis zu predigen/ und treibe es offt (sehe 2. Cor. 13/ 3. 4. 5.) daß wir nicht nur muͤssen glauben/ durch Christi ver- dienst selig zu werden/ sondern er muͤsse auch in uns wohnen/ daß in unserem leben aus seiner krafft das bild seines lebens auch hervor leuchte/ und kaͤntlich seye. Die krafft seines todes muß in uns den alten Adam toͤdten/ und die krafft seiner auffer- stehung das neue leben wuͤrcken/ so alles nicht ausser sondern in uns geschiehet. Ste- phanum Prætorium halte ich vor einen treuen diener GOttes/ so viel gutes ge- than/ ob es wol ihm mag an einigen studiis gemanglet haben/ daher der liebe mañ in ein und andern stuͤcken angestossen/ aber billich ist/ wir lassen ihn des rechts ge- niessen/ so wir den vaͤtern geben/ in denen allen/ ja auch unserm theuren Luthero selbs/ wir einiges notiren / so nicht angenommen wird. Statii mit guten bedacht und auslassung vieles in den wercke Prætorii undienliches aus gezogener Schatz- kammer bekenne ich/ daß ich hertzlich liebe/ und aus eigener/ so dann vieler gottse- liger seelen/ erfahrung habe/ wie trefflich sie daraus erbauet worden/ die solchem buch noch an jenem tag zeugnuͤß geben werden. Alle wort darinnen befindlich bil- liche ich eben nicht/ in dem zuweilen anders geredet haͤtte werden moͤgen/ aber an ei- nem schoͤnen bild irrt mich einiger kunstfehler nicht/ daß ich nicht das uͤbrige liebe und lobe. So vielmehr da unterschiedliches/ was schwere irrthum in sich zu fassen scheint/ wo es mit andern orten conferi rt uñ benigne außgelegt wird/ gantz anders her aus kompt/ als einem erstlich duͤncken moͤgen. Jnsgesamt lasse ich allein dem heiligen Geist/ so in der Schrifft redet/ diese ehre/ daß wir ohne weitere pruͤffung sein wort anzunehmen haben. Menschen schrifften sind der pruͤffung unterworf- fen/ und vielleicht sehr wenige/ darinne nicht bey gold und edelgesteine etwas holtz und stroh mag untermischt seyn. Solches principium bilde ich auch allen mei- nen ARTIC . I. DIST. II. SECT . XLVI. nen zuhoͤrern ein/ und wissen sie/ daß sie keines menschen werck weiter anzunehmen als sie sich davon aus GOttes klahren wort/ und aus demselben in ihren gewissen der wahrheit uͤberzeugt finden. Was meines hochgeehrten Herrn mit Herr Am̃ers- bachen uͤber solchem tractat habende streitigkeit seye/ ist mir nicht weiter wissend/ als die titul zeigen. Bekenne aber gern/ daß ich weder liebe noch viel zeit finde/ der- gleichen streit-schrifften zu lesen. Daß der beyden Theologorum nahmen nicht ausgetruckt/ die ihre additiones zu den piis desideriis gethan/ habe meine ursa- chen gehabt/ daß ich gern ihrer schonte/ weil wir zu einer solchen zeit leben/ da die jenige/ so rechtschaffener intention sind/ so bald hefftige widersacher gegen sich er- sahren muͤssen/ auch wol unter den geistlichen. Wie mir noch neulich ein beruͤhm- ter Theolog. Doctor und Superint. diese formalia schriebe: Jn meinem durch GOttes guͤte 27. jaͤhrigen geistlichen verrichtungen habe ich keine giffti- gere leuthe angemercket/ die dem wahren Christenthum so zu wider/ als die meines ordens gewesen sind. Daher solcher guten freunde schonen wollen/ daß sie nicht so bald auch den haß der welt ohne noth erfahren muͤssen. Weil aber mein hochgeehrter Herr ein verdacht hat auf Herr D. Hartmann/ so bezeuge/ daß solcher es nicht ist/ sondern Herr Horbius. Das aber Herr D. Hannekenii la- teinisch kurtzes schreiben nicht mit angetruckt/ hatte nicht mehr ursach/ als so viel andere/ auch durch und durch favorabli sche briefe anzutrucken. Als der ich die beyde epicrises daraus publicirt, weil sie noch mehrere anmerckungen gethan/ da- von der leser nutzen haben moͤchte/ und was an meinem aufsatzen manglete/ ersetzten. Welches als viel jetziger mein zustand und zeit zu gegeben/ in freundlicher wieder- antwortung habe wissen sollen lassen/ verhoffende/ daß es mit gutem gemuͤth wer- de aufgenommen werden. Der HERR HERR erbarme sich seines kleinen haͤuff- leins/ und heile dessen wunden. Er ruͤste darzu aus durch seinen Geist leuthe/ welche es mit seiner ehre treulich meinen/ in seinem licht was zu der kirchen besten noͤthig ohne fehl ersehen/ und in seiner krafft und segen solches ausrichten. Hinge- gen trete er als der GOTT des friedens den satan unter unsere fuͤsse in kurtzem. m. Mart. 1679. SECTIO XLVII. W ie beduͤrfftig ich der vorbitte. A usgestreute laͤsterungen. Dero nutzen. Frucht der goͤttlichen zuͤchtigungen. Q q 2 Jhr Das sechste Capitel. J Hr schreiben war mir damahl in den obligenden haus sorgen und betruͤbten zustand der meinigen die die meiste/ ehe die reye an mich kam/ auff den todt kranck gelegen/ eine vergnuͤgliche ergoͤtzung und aufmunterung. Der HERR HERR vergelte ihr an ihrer seel die liebe/ welche sie darinnen gegen mich erzeiget/ und so eyfferig fuͤr mich zu dem HErrn betet. Und ach wie bedarff ich so sehr/ daß mein armes und schwaches gebet von anderen gottseligen bruͤdern und schwestern mit hertzlicher vorbitte fuͤr mich gestercket/ und GOtt so viel ange- nehmer gemacht werde/ dz derer viele seyen/ die da mit bitten u. flehen in dem Geist fuͤr mich beten/ auf das mir gegeben werde/ das wort mit freudigen auffthun mei- nes mundes/ daß ich moͤge kund machen das geheimnuͤß des Evangelii/ auf daß ich darinnen freudig handlen moͤge/ und reden wie sichs gebuͤhret. Es ist ja unser amt ein solches amt/ darinnen wir unsere pflicht ohne die sonderbahrste unsers GOttes gnade und beystand nicht erfuͤllen moͤgen/ als an dem nicht nur unsere sondern so viel anderer seelen ewiges heyl haͤnget. So ist auch absonderlich mein zustand allhier so viel gefaͤhrlicher/ als mehrerer leute augen durch gute und boͤse geruͤchte/ (so fast durch unsere gantze Evangelische kirch von unserm armen Franckfurth er- schollen) auf mich und unsere hiesige gemeinde gerichtet seynd/ so wohl die uͤbel wol- lenden und durch die viele laͤsterungen eingenommenen/ welche nachmahlen alles auf das ungleichste aufnehmen und auslegen/ als guther und rechtschaffenen see- len/ welche eine freude ausdem jenigen/ was sie aus einiger guther hertzen liebrei- chem urtheil von uns gutes gehoͤret hatten/ geschoͤpffet haben/ und sich also ge- ziemen will/ daß mit ungleichem ersolg demselben nicht ein anstoß gesetzet werde. Jn solchen dingen aber sich auf allen seiten weißlich zuhuͤten/ ist gewiß kein sache von menschlichen kraͤften/ noch finde ich solche klugheit der gerechten in dem maß bey mir/ als immer noͤthig wuͤrde seyn/ und habe deswegen fuͤr die groͤsseste wohlthat von lieben seelen zu achten welche fuͤr mich ihr seufftzen mit den meinigen vereinbah- ren und mir die zu meinem amt noͤthige gnade erbitten helffen. Es haben zwar di- jenige calumnien, so nun etzlich jahr gewehret/ sich nun etwas geleget/ und hat der laͤster-teuffel/ da die nichtigkeit seiner ausstreuung an das licht mehr und mehr gekommen/ etwas stiller und behutsammer werden muͤssen/ daß er nicht mehr so gar unverschaͤmt auff unschuldige leute laͤstern darff/ aber doch laͤßt er seine tuͤcken nicht/ und ist bey viele kleben geblieben/ wes/ ob wohl faͤlschlich ausgegeben/ dennoch ohne weiteres untersuchen/ willig von denjenigen auffgenommen ist worden/ welche gern von den guten boͤses zuhoͤren verlangt haben. Jndessen erkeñen wir billich auch in diesem stuͤck eine goͤttli- che wohlthat/ da uns Gott durch solche feindselige laͤsterung/ in allem unserm thun/ so viel vorsichtiger und behutsamer gemacht hat/ auff wort und wercke so viel genauer acht ARTIC . I. DISTINCT . II. SECTIO XLVII. acht zu geben/ und sich in nichts zu uͤbereilen/ auff daß wir auch GOtt zu dancken ursach finden vordieses/ daß er auch das widrige hat lassen zum besten dienen. Daß eben solcher guͤtigste und weiseste Vater auch sie/ wertheste goͤnnerin/ in seiner zuchtschule noch staͤtig haͤlt/ und nicht auffhoͤret/ an pruͤffung ihres glaubens und gedult/ dardurch aber mehrer reinigung und staͤrckung des innern menschen/ zu arbeiten/ wird sie auch eine theure wohlthat erkennen/ und als eine dardurch geuͤb- te/ die daher erwachsende friedsame frucht der gerechtigkeit mehꝛ und mehr bey sich empfinden. Es ist ja unser eusserlicher mensch und was an leibes und gemuͤths kraͤfften noch zu demselben gehoͤret/ laͤngst darzu bestimmt/ und hat sein urtheil/ daß er verderben und verwesen muß/ wie nuͤtzlich dann ists/ daß solche verwesung in williger unterwerffung unter den guͤtigsten willen des liebsten Vaters eine so vor- treffliche erneuerung des inneꝛn wircket/ und damit der andere abgang ersetzet wiꝛd. Ach daß wir auff solches herr liche guth/ und die noch ferner bevorstehende ewige guͤter allemahl die augen schlagen/ wie werden wir als dann so hertzlich vor das je- nige dem HErrn dancken/ da wir sonsten uns allein zu beschwehren ursach zu haben meinen/ der HErr gebe uns erleuchtete augen unsers verstandnuͤsses/ daß wir erken- nen moͤgen/ welches da sey die hoffnung unsers beruffs/ und welcher seye der reich- thum seines herlichen erbes an seinen heiligen/ und welche da sey die unuͤberschweng- liche groͤsse seiner krafft an uns die wir glauben nach der wirckung seiner maͤchti- gen staͤrcke/ und aus derselben alles widrige tapffer und freudig zu uͤberstehen ver- moͤgen. Jn welche maͤchtige krafft und gnaͤdige bewahrung dieselbe inniglich em- pfehlende. m. f. w. 24. Apr. 79. SECTIO XLVIII. G ebeth vor mich in meiner kranckheit. J oach. Stollius. Horbius. H. A. D. Pomarius. Meine Postilla. Apocalyptica. Crellotius. Cocceius. Sabbath. M St. anonymi. G Leich wie mir meines werthesten bruders liebe zuschrifft zu rechter zeit ge- kommen/ also war sie mir eine rechte ergoͤtzung und erleichterung meiner schmertzen und schwachheit. Wie ich billich GOtt danck zu sagen hatte/ daß er so durch solche als etliche anderer guter freunde schreiben mich damah l en so viel kraͤfftiger aufrichtete. Jch bedancke mich auch fuͤr solche hertzliche liebe und aus glaubigem hertzen geflossenen/ daher gewißlich erhoͤrten/ wunsch/ mit noch fernerer bitte solcher gesegneten gebets gemeinschafft. Ach der HERR lasse uns allen im- mer ein jahr nach dem andern/ als viele er uns in dieser verfliessenden zeit best im- Q q 3 met Das sechste Capitel. met hat/ also durch hingebracht werden/ daß wir immer zu der sich naͤherenden e- wigkeit/ oder anderen u. kuͤnfftigen æone moͤgen geschickter gemacht werden. Mein geliebten und nun seligen Schwager Joach. Stollium belangende/ war er ein von GOtt vortrefflicher begabter mann/ von herrlichen studiis, tieffer erkantnuͤß der schrifft/ benebens exemplarischen wandel und treue bey seiner gemeinde/ wie er denn bey deroselben/ wo er vor sich und die seinige weniges in den zeitlichen sammlen moͤgen/ verharret/ und andere ansehnliche anmuthungen abgewiesen/ weilen sich nicht leicht ein anderer/ so der gemeinde so anstaͤndig waͤre/ an so in der welt gering geachtete stelle wuͤrde gebrauchen lassen. Was aber seine edirte predigten an- langt/ darvon allein hierbey seine zwey letzte dießmahl communici ren kan/ wird sich zwar darin ein reicher schatz tieffer gedancken/ uͤber die fuͤrgenommene texte fin- den/ und nach solchen exempeln anderen orten der Schrifft auff eine solche art nach zu sinnen anlaß gegeben werden/ aber ich haͤtte wuͤnschen moͤgen/ daß er seinen stylũ auf eine veꝛstaͤndlicher art haͤtte zu temperi ren gewust/ damit nicht nur gelehrte son- dern auch andere dieselbe besser verstehen moͤchten. Neben diesen werden meines behalts noch 4. andere getruckt seyn/ davon aber/ wie auch uͤber dieses sendende ex- emplar/ ich keine weitere mehr habe/ als welche zu eigenẽ meinẽ gebrauch habe/ wie wohl mirdoch von den 4. die eine manglen wird. Meines andern Schwagern Horbii acta zweiffle nicht/ werden nunmehr von Luͤneburg uͤbergekommen seyn/ und selbige zum zeugnuͤß dienen/ wie nichts erhebliches gegen ihn auffgebracht wor- den. Welches alles so viel klaͤhrer heraus berichten wuͤrde/ wo noch zeit und gele- genheit waͤre ein und andere puncta deutlicher zu erklaͤhren/ welches hierbey nicht geschehen/ in dem allein die acta publica ohne eigen zusatz beysam̃en zu lassen rath- samer geachtet worden. Nun dieses wetter ist vorbey/ und von dem lieben mañ mit gedult und vielem wachsthum an seinem innerlichen uͤbeꝛstanden; er danck- et GOtt/ der ihn dabey vieles/ sonderlich eine mehrere vorsichtigkeit hat lernen las- sen/ und dienet jetzo in der neue Superintendenz zu Windsheim seinem GOTT getrost/ und mit herrlichem segen/ darfuͤr der geber alles guten hoͤchlich gepriesen seye. Was H. A. anlangt/ habe mein hertz gegen unsern vertrauten Herrn N. N. mit mehrerm ausgeschuͤttet/ so derselbe euch wieder etwa communici ren. Jch approbi re ja an keinem menschen/ und so es mein leiblicher bruder waͤre/ keine heff- tigkeit und bitterkeit. So wird auch mein erstes schreiben an den mann/ da ich ihm auf das seinige antwortete/ dergleichen in sich gefasset haben/ daß ich an sol- chen affect en meine displicenz bezeugte. Den bogen vor Guthmanns buch habe nie glesen/ aber uͤber den angezogenen/ darinnen Herr D. Pomarius so grimmig angegriffen worden/ mich auffs hoͤchste entsetzet. Jndem ich auch einen bekantlich boͤsen menschen nicht mit solchen cumulatis convitiis zu beladen rechtspꝛechẽ koͤnte/ und ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLVIII. und entschuldiget das jenige bey mir nicht/ wo er sich darauff beruffen wolte/ daß er vorhin hart tracti ret worden/ dann bey Christen das widerschelten nicht weni- ger als das erste schelten verboten zu achten ist. Zu Herr D. Pomario habe schon fuͤrhero ein Christliches vertrauen getragen/ aber ist mir jetzo desto lieber/ noch mehrers gutes/ davon mir nicht so viel wissend war/ aus meines wehrtesten bru- ders zeugnuͤß zu vernehmen/ sonderlich wegen seines gebets/ da ich weiß/ wo der geist des gebets ist in krafft/ so ist auch noch viel andere himmlische gnade zu gegen. Der HERR erfuͤlle ihn ferner mit seinem guͤtern/ regiere ihn mit seinem geist zum auffnehmen ihrer lieben kirchen/ u. da ja einiges fleischliches noch zu weilen ankleben moͤchte/ so ich nicht weiß/ aber an mir selbst erfahre/ wie wir mit solchem feinde so unablaͤßig zu kaͤmpffen haben/ reinige er ihn immer mehr und mehr/ worzu auch dergleichen uͤbungen/ da man von widersachern gifftig angegriffen wird/ nicht we- niges thun kan/ so wohl sich selbst zu pruͤffen/ wie uns in solcher sache zu muth gewe- sen/ da wir dergleichen hoͤren muͤssen/ ob wir mit der gedult CHRJSTJ und mit gehoͤriger sanfftmuth ein solches auffgenommen/ als auch sich zu gewehnen/ das boͤ- se mit gutem zu vergelten. Solte Herr A. nochmahlen an mich schreiben/ so ich nicht weiß ob es geschehen wird/ werde nicht ermangeln/ auch Christliche errin- nerung zu thun. Wie wohl bey etzlichen dergleichen leuten/ so aus dem geist des eiffers zuschreiben prætendir ten/ selbst erfahren habe/ daß wenig bey ihnen auszu- richten/ welches mir offtmahls einen nicht geringen anstoß gemacht. Die Postill anlangend/ ist solche durch meine kranckheit sehr zu ruͤcke gesetzt/ und noch nicht die helffte fertig/ doch hoffe mit GOttes gnade auff den herbst sie heraus zu bringen. Ob ich nun wohl billich sorge daß sie guter freunde hoffnung nicht voͤl- lig vergnuͤgen wird koͤnnen/ da das meiste in grosser hast geschrieben/ so will doch das kindliche vertrauen zu dem himmlischen Vater tragen/ und daruͤm bitten/ daß doch auch solche einfaͤltige arbeit nicht moͤge gantzvergebens seyn. Von meiner disp. inaugural. schicke hier bey nach begehren/ das (ohne das einige gebrauchte) letzte in meinen haͤnden habende exemplar. Jst eine Synopsis meiner voͤlligen vorge- habten ausfuͤhrung/ an die ich aber/ je mehr in Apocalypticis gelesen/ so viel weni- ger mich zu machen getraue. Jndem ich immermehr erfahre/ wie schwach ich seye und so in den Apocalypticis als Propheticis fast nichts anders/ als durch ein sehr dunckeln nebel sehe: ohne was die aller klaͤhreste dinge anlangt. Von Crellotii werck weiß ich nicht/ was ich fuͤr hoffnung machen moͤge/ daß es herauskommen werde. Weil der Buchfuͤhrer keiner das operæ pretium welches endlich so hoch nicht gesetzet wird/ geben will. Die so verhaste hypotheses de regno Chrsti glori- oso in his terris, wo sie von denen aus mißverstand zu gesetzten circumstantiis und determinationibus gar einigt/ und allein von derselben die einfalt der Schrifft ange- Das sechste Capitel. angehoͤret wird/ ist eine vielleicht gewissere wahrheit als viele gedencken/ und in die harre sich wird zuruͤck halten lassen. Ach daß der HErr uns mehr und mehr heilige in der wahrheit/ sein wort ist ja die wahrheit/ daß wir nichts aus denselben aus- mustern/ welches durch menschliche autori taͤt etwa lang verdaͤchtig ist gemacht worden/ noch auch unsere eigene einbildung in dasselbige mischen. Neulich ist in einer disputat. inaugural. zu Giessen de Chiliasmo fast alle hoffnung der kuͤnffti- gen besseren zeit dem verworffenen Chiliasmo zugesellet worden. Von Coc- cejo werden alle unpartheyische bekennen muͤssen/ daß er eine ungemeine gabe ge- habt habe/ in vielen stuͤcken die Schrifft zu erklaͤhren; ist mir auch so viel liebes von dem mann erzehlet worden: sonderlich mit was bewegung seiner und der audito- rum er bey aller gelegenheit diese zu der uͤbung des allein nothwendigen zu vermeh- ren gepflegt/ und nicht nur doctos sondern pios studiosos haben wollen. De Sabbatho gehet mirs wie mein liebster bruder von sich zeugt/ daß ich nach lesung unterschiedlicher autorum fast mehr irre geworden/ wolte auch lieber in muͤndlicher bespꝛaͤchung/ welche etwa Gott noch dermahleins fuͤgen wolle/ von demselben leꝛnen/ als auchviel zu lehrẽ ausgebẽ. Jch sende ein Manuscriptũ eines anonymi, so ich die- sem versprochen einigen eruditis zu comunici ren/ ob jemand die gabe und zeit haͤt- te/ auff einige der hauptgruͤnde zu antworten/ daß des guten manns gewissen gera- then wuͤrde/ welcher bezeugt/ daß er ihm gern wolte helffen lassen/ wo er in einem irr- thum solte stecken/ ja daß solches geschehen moͤchte/ verlangt/ als der bißhero viele ge- wissens-angst ausgestanden/ und alle von GOtt ihm verhaͤngte ungluͤcke/ als eine straff der vermeinten und seiner einbildung noch in ungerechtigkeit auffgehaltenen wahrheit/ angesehen. Er traut aber damit nicht aus zu brechen/ als der sich seines officii, so er an einer schule traͤgt/ besorget. Konte es jemanden/ der in diesen stu- diis versirt waͤre/ communici ret und fuͤr den mann huͤlffe gefunden werden/ wird mirs lieb seyn/ ich aber mein exemplar kuͤnfftig etwa wiederum einmahl erwarten. Zur nachricht melde nur/ daß Herr D. Kortholtz zu Kiel es schon gehabt. Ob in ihrem Gymnasio die erledigte stelle durch Herrn N. N. oder durch einen andern GOTT hertzlich suchenden seye ersetzet worden/ wird mir lieb zu vernehmen seye. Ach daß der HERR in seine ernde/ welche in schul und kirche groß ist/ und sich bey vielen alten und jungen eine mehrere begierde nach dem rechtschaffenen wesen fin- det/ recht treue arbeiter sende. Lasset uns nicht auffhoͤren darum zu beten/ biß der liebste Vater darein sehe/ und sich der kirchen und darinnen seufftzenden erbarme. 24. Apr. 1679. SECT . ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX. SECTIO XLIX . Der unvermoͤgen und meine schwehre kranckheit/ auch empfangene goͤttliche gnade. Wuͤrde und nutze der de- muth. Vortheil der besondern zusammenkuͤnfften. Kindliches vertrauen/ daß GOtt den endlichen willen sich in gnaden gefallen lasse. W O ich es mit jemand anders zu thun haͤtte/ und nicht wuͤste/ daß sie mit liebreichen gemuͤth mein bißheriges stillschweigen angesehen/ und aus sol- chem nichts ungleiches noch eine verringerung der gegen sie tragenden und schuldigen liebe werde angenommen haben/ so haͤtte wohl ursach daß selbige/ nach deme es nun bereits ein gantzes jahr gedauret/ mit mehrerem zu entschuldigen. Gleichwie aber der vorige Sommer in allerhand und staͤts wehrenden geschaͤfften zugebracht worden/ so mich an vieler angenehmer corresponden z gehindert: So hat mir der guͤtigste Vater in dem himmel in der erfolgten herbst und winter zeit selbs eine solche heimsuchung gesandt/ welche bey guten gemuͤthern an statt einer genugsamen entschuldigung dienen mag: Jn dem seiner vaͤterlichen liebe gefaͤllig gewesen/ erstlich zwar die meinige/ unter welchen er nach absterben meines hauß- præceptoris, meine liebe Haußfrau und aͤltesten knaben uͤber alles menschliche verhoffen mit maͤchtiger hand aus des todes rachen gerissen/ nachmahl mich selb- sten mit gefaͤhrlicher kranckheit befallen werden lassen. Wie er aber damit gesuchet/ uns etwa von vielen/ so ihm noch an uns mißfaͤllig kraͤfftig zu reinigen/ auf daß wir auch durch diese zuͤchtigung seine heiligung erlangen/ darumb wir ihn auch demuͤ- thig anzuruffen haben/ daß er solchen seinen rath an uns allen wolle erfuͤllet werden lassen/ also hat er auch mitten in solcher gefahr unser gnaͤdig geschonet/ und endlich ein zeichen seiner allmacht und guͤte an uns erwiesen/ da er auch mir/ als es mensch- lichem ansehen nach/ und auch zuletzt nach eigenem meinem gefuͤhl/ zum ende zu ge- hen schiene/ aufs neue einige frist in diesem leibe zu bleiben gegeben/ und damit ge- zeiget hat/ daß das mir von ihm bestimmte maß der arbeit und leydens noch nicht muͤsse erfuͤllet/ sondern einiges weiter uͤbrig/ und in seinem weisesten rath mir zu- gemessen seyn. Wobey ich billig erkenne/ daß der liebste Vater sonderlich vieler frommen hertzen instaͤndige seuffzer vor mich angesehen/ und solche zu dem thron seiner gnaden habe tringen lassen. Nun ihm seye ewiger danck vor die vaͤterli- che zuͤchtigung/ vor die viele in deroselben mir erzeigte unvergleichliche grosse wohl- thaten/ und endlich wiederaufrichtung/ auß dero in dem juͤngst abgelegten Mer- tzen mein amt wieder anzutreten vermocht habe. Denen lieben Seelen aber/ und unter solchen auch ihr/ außerwehlte Frau/ seye gleichfals hertzlicher danck ge- sagt/ vor ihre hertzliche vorbitte die sie theils staͤtig insgemein vor meine angelegen- R r heit Das sechste Capitel. heit zuthun pflegen/ theils auch damahls meiner absonderlichen noth wissend mit so viel mehr inbruͤnstigkeit zu dem Vater der gnaden abgeschicket/ und mir damit bißhero so viele andere/ als auch ietzo diese/ gnade erlanget haben. Ach daß auch dieses an mir erfuͤllet werde/ wie sie mich dazu erbeten haben/ damit ich ein tuͤchti- ger werckzeug goͤttlicher ehre seyn moͤge/ daß ich dann mit neuer krafft angethan werden moͤge/ nach hertzlichem meinem geluͤbde/ hinfort das neugeschenckte leben auch aufs neue allein zu Gottes ehren und des nechsten geist- und leiblichen nutzen/ nach ieweilig von dem HErrn mir anweisenden gelegenheiten/ treulich anzuwen- den/ und nicht mir sondern ihm allein warhafftig zu leben. Nun diese bißherige einiger massen von GOtt selbsten verursachte hinderung/ der sonsten eherschuldi- gen antwort/ neben ihrer gegen mich als einen bruder tragenden ungefaͤrbten liebe/ ist mir eine gewisse versicherung/ daß der aufschub solcher antwort/ auch nicht an- ders als freundlich aufgenommen worden seye. Jm uͤbrigen seye sie sonsten ver- sichert/ daß solche ihre liebe schrifft/ wie sie von den meinigen bezeuget ihr ange- nehm gewesen zu seyn/ nicht weniger mir hertzerfreulich gewesen/ daß dem geber alles guten auch davor demuͤthig danck zu sagen/ ursach gefunden habe. Jch liebe darinnen hertzlich ihre demuth/ welche tugend gleich wie bey den uͤbrigen tu- genden ein tiefer fundament giebet/ also deroselben bewahrerin ist/ daß sie nicht mit eigener liebe und stoltz verderbet werden. So verliehren wir auch das gute/ welches andere liebe freunde an uns erkennen/ da durch nicht/ daß wir uns des ruhms desselben unwuͤrdig achten; wohl aber ists Gottes heilsamer rath/ der uns selbst an uns verbirget/ was das zu eigener liebe von Natur gesinnte fleisch so leicht mißbrauchen moͤchte/ und welches an uns wahrzunehmen/ uns nicht eben mehrern nutzen bringen wuͤrde; daß er aber hinwider andern an uns zu erkennen giebet/ daß sie ihm vor solche uns erzeigte gnade hertzlich preisen/ und durch das gute Exempel kraͤfftig erbauet werden. Fahret also fort/ Meine Geliebte/ zwar vor die von dem HErren empfangene gnade hertzlich ihm danck zu sagen/ aber kei- nen ruhm zu suchen/ sondern denselben allein demjenigen heim zuweisen/ welcher auch in deme/ was er uns gegeben hat/ des preises allein wuͤrdig ist. Jndessen bleibet uns doch noch freude genug/ daß GOtt an uns/ und deme was er uns ge- than hat/ gepriesen/ und wir also eine gelegenheit eines mehrern ruhms Gottes werden: welches gewiß eine groͤssere freude/ als einige uͤber eigene Ehre geschoͤpffet werden koͤnte. Jch habe mich auch hertzlich in ihren schreiben erfreuet/ uͤber ihre ab- sonderliche freundliche zusammenkunfft/ und die einfaͤltige gottselige absicht/ welche sie darinnen zu haben bezeuget. Jch zweiffele auch nicht/ ob es wohl dem HErren gefallen hat/ ihren treuen leiter und anfuͤhrer N. von ihnen wegzunehmen/ und anderwertlich hinzusenden (wie dann der HErr solche macht uͤber seine diener sich selbst vorbehaͤlt/ und wir damit auch zufrieden seyn/ auch eben dardurch bezeugen sollen/ daß wir nicht an menschen hengen/ noch weniges oder mehrers unsers glaubens auf dieselbe gruͤnden) daß sie nichts desto weniger werden in solcher an- gefan- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XLIX. gefangenen nuͤtzlichen uͤbung fortgefahren seyn/ und deroselben viele frucht biß daher an sich selbst gespuͤret und erfahren haben. Ob der liebe Vater ihnen an jenes stelle wiederumb einen gleich-gesinnten hirten/ und liebhaber dergleichen be- sonderer erbauung geschencket habe oder nicht/ ist mir nicht wissend. Jsts ge- schehen/ so habe mit ihnen seiner barmhertzigkeit demuͤthigen danck zu sagen/ und zweiffele nicht/ sie werden unter einer solchen handleitung so viel fertiger in dem weg des HErren fortfahren: Solte es aber seyn/ daß sie in solcher uͤbung von dem Successore eben keine sonderbahre befoͤrderung haͤtten/ ists genug daß sie denje- nigen zum regierer und moderatore ihrer einzelen versammlung haben/ in dessen nahmen und zu dessen ehren sie zusammen treten/ und sich seines segens nach sei- ner verheissung gewißlich getroͤsten moͤgen. Es kan je nicht ohne erbauung ab- gehen/ wo einige den HErren warhafftig suchende seelen zusammen kommen/ und je ein feuer das andere neben sich weiter entzuͤndet/ so laͤst es der HErr auch nicht an seiner gnade mangeln/ die er zugesagt hat. Nur daß sie niemahl von dem gottseligen zweck und der einfaͤltigen regel nicht abgehen/ und auf einigen fuͤr- witz/ oder etwas anders als die bloß nothwendige erbauung zu suchen/ verfallen/ womit sonsten der nutze einer solchen an sich heilsamen uͤbung sehr geschlagen/ und widersachern derselben anlaß und scheinbare ursach gegeben wird sie zu laͤstern oder zu hindern. Es hat Herr M. Winckler vormahliger Hessen-Darmstaͤdti- scher Hofprediger/ ietzo Wertheimischer Superintendent, vor wenig wochen ein kleines aber wohl gegruͤndetes tractaͤtlein ausgegeben von der privat erbauung/ welches ich hoffe vielen guten hertzen nicht wenige aufmunterung zu geben. Mich hat auch in ihren geliebten nicht wenig ergoͤtzet ihr hertzliches und kindliches ver- trauen zu dem lieben himmlischen Vater/ wie derselbe mit seinen ihn aufrichtig liebenden und suchenden kindern gedult trage/ und ihren willen vielfaͤltig vor die that annehme/ wie auch der wille vor ihm bereits eine that ist/ als der nicht so wohl auf das eusserliche/ was der leib und dessen glieder wuͤrcken/ oder die sinne fassen/ sihet/ als auf den innerlichen grund des hertzens/ dessen erste wuͤrckung der wille ist/ von dessen guͤtigkeit nachmahln alle uͤbrige eusserliche that ihre guͤte allein em- pfaͤhet. Jch liebe aber solche Christliche zuversicht so viel mehr/ als offters ich an einigen gutmeinenden erfahren/ was vor eine hindernuͤß und niederschlagen des hertzens entstanden/ wo sie die uns vorgeschriebene vollkommenheit nicht nur ih- nen vorgestellet als den zweck/ nach welchem sie sich aufs eyfrigste und unaufhoͤr- lich bestreben solten/ ohne welche ernstliche bestrebung auch der wille nicht recht- schaffen noch warhafftig ist/ sondern sie angesehen haben/ als diejenige/ vor dero wuͤrcklicher und endlicher erhaltung/ sie weder GOtt gefallen/ noch sich seiner gnade getroͤsten/ oder mit einer freudigkeit ihr angesicht zu ihm aufheben koͤnten. Welches wie es ein vortreffliches stuͤck der goͤttlichen gnade/ nemlich seine sanfft- muth aufhebet/ gleichsam ob wuͤste GOtt mit seiner lieben kinder schwachheit nicht gedult zu haben/ also schlaͤget es trefflich die Gemuͤther zu boden/ und wie es R r 2 sie Das sechste Capitel. sie in eine knechtische furcht/ so der glaubens freudigkeit schnur stracks entgegen ste- het/ treibet/ also hindert sie den wahren wachsthum/ und fuͤhret gar die leute von dem wahren verstand unserer gerechtigkeit durch den glauben und die einige gna- de Gottes ab auf eine zweiffelhafftige werckheiligkeit/ in dero sie eben deßwegen keine ruh finden/ weil ihr gewissen warhafftig an allem/ was sie an sich haben/ und wie viel sie sich bearbeiten/ vielen mangel erkennet. Hingegen preisen diejenige liebe seelen ihres Gottes und leibreisten Vaters gnade auf das herrlichste/ welche gelernet und erkennet haben/ daß es allein desselben gnade seye/ die sie mit kindli- chem vertrauen ergreiffen/ darauf sie vor GOtt bestehen/ und daß deßwegen also- bald sie durch solchen wahren glauben in den stand getreten/ daß sie warhafftig in Christo JEsu seyn/ dessen zeugnuͤß sie daraus haben/ weil sie nicht nach dem fleisch/ sondern nach dem Geist wandeln/ nun nichts verdammliches mehr in ih- nen seye/ noch ihre uͤbrige schwachheiten/ mit denen sie taͤglich kaͤmpffen/ und sie an sich zu uͤberwinden bemuͤhet sind/ ihnen von GOtt mehr zugerechnet werden/ als welche nicht mehr unter dem gesetz/ sondern unter der gnade sind. Dieses machet eine rechtschaffene freudigkeit gegen den lieben Vater/ daß wir allezeit/ so offt wir daran gedencken/ aufgemuntert werden/ demselben vor solchen theuren gnaden bund in Christo hertzlich zu dancken/ und ihn davor wiederum so viel in- bruͤnstiger lieben/ daher beflissen zu seyn zum zeugnuͤß solcher liebe uns immer wei- ter und weiter von aller befleckung des fleisches und des geistes zu reinigen/ und fortzufahren in der heiligung samt der zucht/ deßwegen nicht zu sorgen ist/ daß so- thane zuversicht auf die goͤttliche gnaden-gedult uns traͤge machen/ und verursa- chen werde/ weil GOtt mit einem angefangenen guten und hertzlichem willen be- reits zufrieden seye/ daß wir dann zu wachsen/ und den willen in das werck zu setzen saͤumig werden moͤchten; in dem vielmehr das gegentheil bey denjenigen/ welche nicht in einer unfruchtbaren einbildung/ sondern wahrem glauben solche liebreiche gnade erkant/ und einmahl einen rechten willen aus goͤttlicher wuͤrckung gefasset haben/ geschehen wird/ nemlich daß sie sich so viel mehr aus liebe bestreben werden ihrem liebsten Vater noch immer gefaͤlliger zu werden/ und dahin zu arbeiten/ weil sie wissen/ daß nicht nur der euserste grad/ nach deme sie sich bemuͤhen/ sondern bereits ihr bestreben und dahin anwendende arbeit vor dem HErren koͤstlich und in gnaden angenehm seye. Daher thun sie alles was sie thun mit kindlichem hertzen und mit wahrhafftigem glauben/ ohne zweiffel und knechtische furcht; welches macht daß es dann/ wie geringes ansehen sie haben moͤchten/ gleichwohl in der that gute und goͤttliche wercke sind/ als die aus dem glauben gehn; Da hin- gegen die andere/ welche solche gnade nicht erkennen/ ob sie sich noch so viel an- greiffen/ daß sie dermahleins moͤchten GOtt gefaͤllig werden/ bey ihrem aͤngstli- chem leben/ wegen staͤten zweiffels/ dahin nicht gelangen koͤnnen/ sondern wie sie staͤtig an der gegenwaͤrtigen ihrer beschaffenheit mangel finden/ also niemahl aus einer glaubens freudigkeit wuͤrcken/ deßwegen auch weder warhafftige gute werck thun/ ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO L. thun/ noch in der heiligung zunehmen/ als die eine frucht des glaubens ist. Also lasset uns dann so viel fester an dieser gnade halten/ welche mit ihren kindern ge- dult traͤgt/ und den redlichen willen als genehm haͤlt/ daß sie ihn immer mehr staͤr- cket und fruchtbarer machet/ weil sie uns lehret unser thun in dem HErren sey ihm gefaͤllig. Nun in solche gnade und dero lebendige empfindliche erkaͤntnuͤß dieselbe mit ihrem gantzem hauß und allen mit welchen sie in sonderbarer Christlicher freundschafft stehet/ sie hertzlich empfehlende und daß solche sie nicht unfruchtbar seyn lasse/ sondern mit vielen fruͤchten der gerechtigkeit/ die durch JEsum Chri- stum in ihnen zu ehre und lobe Gottes geschehen/ aus bruͤderlichem hertzen/ auch in dero nahmen gleich wie meiner lieben Haußfrau also auch anderer Christlicher freunde/ anwuͤnschende ꝛc. 8. Maj. 1679. SECTIO L. An einen vornehmen Herrn des regiments in Nuͤrnberg. Elender zustand unserer Kirchen. Einiger Po- liticorum ruͤhmlicher eiffer. Autorit aͤt der doctorum in unserer Kirchen. Principia aus dem Papstthum entlehnet. Hoffnung von der Stadt Nuͤrnberg. A N Materie kann mirs nicht mangeln alß der ich zum aller foͤrdersten schuldigen danck zu sagen habe vor die meiner seits unverdienste grosse affection, welche E. Hoch Ad. Gestr. gegen mich biß daher auf unter- schiedliche weise bezeuget/ die ich so viel hoͤher zuschaͤtzen/ eines theils weil sie von einer solchen person herkommet/ welche von leuten zu judiciren verstehet/ und al- so dero geneigtes urtheil alß eine sonderbahre ehre zuachten ist; Anderen theils weil ich von etlichen jahren her von nicht wenigen orten habe vernehmen muͤssen/ und noch offt vernehmen muß/ wie so ungleich und fast unbillig von meiner person/ action en und vorhaben geurtheilet wird/ weßwegen ich die geneigte urtheile der- jenigen/ welche sich durch jene nicht bewegen lassen/ sondern eine sache selbst zu- untersuchen sich gewehnen/ so viel mehrerer freude anzusehen habe. Jch erken- ne darinnen meines heiligsten GOttes gerechte und weise regierung/ welcher durch dergleichen auch etwa unziemliche judicia nicht nur meine gedult uͤben/ und meinen glauben pruͤfen will/ ob allerhand ungunst zuvermeiden und ruhige tage zusuchen mich von redlicher und eifriger fortsetzung deß guten/ wo zu er ei- nige gelegenheit gesandt und gezeiget/ abhalten/ oder wo ich seinen nahmen dardurch verherrlichet zu werden erkenne/ dieses wohl so werth achten wolte/ daß ich deßwegen etwas zu leiden kein bedenckens haͤtte/ sondern auch mich so viel vorsichtiger machet/ in allen dingen/ predigen/ schreiben/ reden/ thun und lassen/ R r 3 alles Das sechste Capitel. alles aufs fleissigste zu erwegen/ was noͤtig und erbaulich seye: Deßwegen auch genau acht auf mich zugeben habe/ daß solcher Goͤttlicher Rath bey mir platz finde. Es betruͤbt mich aber offt dieses/ daß dabey sehe/ wie gleichwohl ihrer so viele unwissend einige etwa auch wieder besseres gewissen/ sich mit solchen ungegruͤn- deten argwohnen/ wohl gar offenbahre verleumdungen und laͤsterungen/ wieder die liebe und also der Christen haupt gebote/ versuͤndigen/ auch offters noch an- dere gute hertzen/ so sich bald einnehmen lassen mit zu gleicher suͤnde verleiten und reitzen. Daher ich den guͤthigsten Vater in dem himmel hertzlich vor sie zubeten habe/ und ihnen erkaͤnntnuͤß ihres unrechts und dessen gnaͤdige verge- bung zuerbitten suche. GOTT goͤnnet und gibt mir aber hinwider nach sei- nem guͤtigsten willen offters auch diese freude/ daß ich bald da bald dorther von hohen und niedrigen stands personen vernehme/ die das gute belieben/ und waß andere nicht genug zulaͤsteren wissen/ damit sie es aber recht laͤstern moͤchten/ vorhin mit schaͤndlichen vertrahungen in eine andere gestalt bringen/ erstlich recht gruͤndlich untersuchen/ und was sie goͤttlichem willen gemaͤß erkennen/ zubilligen kein bedenckens tragen. Wodurch mich GOTT offters nicht wenig bekraͤff- tigt/ v. durch jeglichen solchen einen neuen muth giebet/ diejenige warheit/ wel- che ihrer schaͤrpffe wegen ihrer vielen so gar unertraͤglich ist/ nichts desto weniger ohngescheuet zubekennen; Und auch unsere eigene kirchen: Ob sie wohl/ was dero- selben gesamte lehr und glaubens bekaͤntnuͤß betrifft/ durch GOttes gnade rein ist/ fehler getrost anzugreiffen/ auf daß ihrer mehrere auf gemuntert werden koͤn- ten/ die sache in dem nahmen deß HERRN zu uͤberlegen/ und wo sie die fehler selbst befinden/ auf mittel und wege der besserung mit ernst zugedencken. Jn solchem werck zweiffele ich nicht/ daß auch in unserem stand GOTT derje- nigen nicht wenige habe/ welche hindangesetzt menschlicher furcht vor den Herrn eiffern/ und je mehr und mehr dem so gar verdorbenen wesen in unser evangeli- scher kirchen rathzuschaffen sich bemuͤhen werden. Jch hoffe aber nicht weni- ger/ daß der Gott/ der sich und seine gaben an keinen stand gebunden hat/ werde mehrere christliche politicos erwecken/ die der theologorum schlaͤfrigkeit nicht nur beschaͤmen/ sondern wo sie sich ihrer gewalt etwa mehr wider alß vor die warheit gebrauchen wolten/ nach von GOtt dem HErrn empfangener autori- taͤt solche coerci ren/ und also zu wiederauffrichtung deß zerfallenen christen- thumbs ein nicht geringes contribuir en werden. Sonderlich bethaure ich von hertzen/ daß es fast scheinet/ alß ob wir Theologi zu weilen einiges von den paͤp- stischen principiis, die wir sonsten in den controversen mit der roͤmischen kirchen bestreiten/ selbsten annehmen/ und gegen andere/ wohl gar unsere bruͤder/ gebrau- chen wolten. Es wird jetzo offtmahls gegen solche dinge die man nicht leugnen kann/ daß sie an sich gut nuͤtzlich und aufferbaulich seyn/ hefftig gestritten/ auß diesem einigen argument / daß einige unordnung daraus entstehen koͤnte. Ob nun wohl auch von solcher sache selbst mehr eingewendet/ und wie das befahren- de ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO L. de nicht folgen muͤste/ gezeiget werden koͤnnte/ so ist mir doch dieses am leidesten/ daßjenige argument unter uns zuhoͤren/ daß von den papisten gegen unseren lieben Lutherum / alß derselbige dem gemeinen mann die bibel wiederum nach GOttes ordnung in der hand gab/ getrieben worden/ und noch heut zu tag wieder die le- sung der schrifft von solchen wiedersachern gebraucht zu werden pfleget. Von uns aber/ wo wir gleiches argument gebrauchen/ sehr bestaͤrcket wird. So viel betruͤbter ists/ daß es einiger orten dahin kommen will/ daß wo ein mensch/ krafft unserer eigenen lehr/ die schrifft fleißig lieset/ v. auß deroselben in einfalt seinen glauben also zu erbauen und zu gruͤnden suchet/ daß er den verstand derselben nicht so wohl aus menschen außlegungen/ alß wie sich die schrifft und in de- roselben der H. Geist selbst erklaͤret/ schoͤpffen will/ solches gleich einen verdach- tenes Qvackers/ Weigelianers/ Sonderlings und dergleichen geben soll. Wie es scheinet/ daß man zuweilen die autori taͤt dieses oder jenes Doctoris, Profes- soris oder einer facul taͤt hoͤher heut zu tag treiben will/ alß bey den Papisten selbst die autorit aͤt deß Papsts und seiner Cardinaͤle geachtet wird/ daß in jener macht so bald stehen solle/ wer nicht nach ihnen methodo lehret/ mit ihren wor- ten redet/ und alle conseqventias / damit sie die libros symbolicos / welche in ihrer billigen wuͤrde zuhalten/ aber nicht weiter zu extendir en sind/ alß die verfaßer damahl gedacht haben/ so bald unter schreibet/ gleich zum ketzer zu de- clari ren/ und mit diesen und jenen nahmen zubelegen. Welches eine so viel ge- faͤhrlichere sache ist/ weilen so bald ein ehrlicher mann durch eines und andern in autori taͤt stehenden Theologi / wo zu etwa zu weilen privat-affect en und æ- mulatione n anlaß geben/ urtheil/ und dazu gemeiniglich nicht oͤffentlich/ sondern durch heimliches gemurmel und hin und her in vertrauen schickende briefe/ in verdacht einer irrigen lehr oder gefaͤhrlicher machination en gezogen worden/ alß dann fast kein rath mehr uͤbrig ist; Solches geschrey gehet heimlich und of- fendlich weiter/ man redet von Babadisten/ Weigelianern/ Enthusiasten/ Qva- ckern/ irrgeistern und will sich niemand finden/ welcher deutlich zeige/ worinnen und in waß puncten der irrthum stehen solle (wie mir von einem vermummten Balthasar Rebhan geschehen/ welcher in publico scripto mich einen nicht so reinen Theologum / ohne benennung worinnen meine lehr nicht rein seye/ ange- geben) vielweniger einen gruͤndlichen erweiß deßwegen vorlegte; Gerade ob haͤtten wirs noch mit der Paͤpstischen inqvisition zu thun/ die sich gegen diejenige/ welche sie vor ketzer angibt und wohl gar zur straffe uͤberlieffert/ zu keinem er- weiß oder uͤberweisung gehalten zu sein erachtet. Dergleichen Paͤpstische prin- cipia, wo ihnen nicht zeitlich durch getrosten wiederspruch cordater Theolog en/ und Gottsfuͤrchtiger redlicher Politicorum gerechtes einsehen gewehret wird/ sol- ten endlich mit der zeit unsere arme ohne das in elenden stand befindliche kirche in grosse gefahr stuͤrtzen. Und waß waͤre gerechter/ alß wo GOtt dem Papstum eine neue gewalt (nachdem es auch fast dergleichen das ansehen gewinnen will) uͤber Das sechste Capitel. uͤber dieselbe verhaͤngte/ weil uns dessen maximen so wohl haben angefangen zugefallen. E. Hoch Ad. Gestr. werden mir groß guͤnstig zu gut halten/ daß auß grossem vertrauen gegen deroselben auffrichtige intention in geist- und weltli- chem alles in gutem stand zusehen/ so bald bey dem ersten anspruch so frey mein hertz vor deroselben und in ihren schooß außschuͤtte/ alß wo zu mich auch veran- lasset/ weil mich E. Hoch Ad. Gestr. vor dero gegen mich tragende gewogenheit so viel hertzlicher zubedancken habe/ alß etwa dergleichen nicht so gar bey allen ge- mein ist gegen diejenige/ deren nahmen durch feindselige verleumbdungen hin und wider in verdacht gezogen zu werden angefangen hat. Ja es freuet mich solche hohe gunst auch so viel mehr/ nach dem in der wehrtesten Stadt Nuͤrnberg biß daher mit dero Herrn Theologis (ohne die Hhr. Professores zu Altorff die ich alß meine sonderbahre Goͤnner erkenne) und Predigern zu einiger kundschafft keine gelegenheit habe gefunden/ außgenommen daß einige mahl nach deß S. H. Dillherrn/ so sich sehr freundlich gegen mich bezeuget/ ableiben/ mit Hn. Leib- nitzen einige correspondenz gepflogen/ daß denn unter den Hochloͤblichen Regen- ten der vornehmsten dero seule mich versichern kann/ daß solche mir mit sonderbah- rer gewogenheit zugethan/ zu dero das grosse vertrauen schoͤpffen moͤge/ daß dafern auch/ wie es etwa verlauten wollen/ so vielerley widrige geruͤchte gegen mich in dero geliebtesten Stadt sich einschleichen moͤchten/ E. Hoch Ad. Gestr. mit dero hochvermoͤgenden auctorit aͤt nicht zugeben wuͤrden/ daß meine unschuld ohne rettung bleibe. Jch suche zwar in allen des meinigen nichts/ und ligt mir so fern nichts daran/ ob mich mein GOtt durch boͤse oder gute geruͤchte fuͤhren will/ auch wo er durch dergleichen feindselige machinationes meine operam ins kuͤnff- tige der kirchen gantz unbrauchbar gemacht zu werden zulassen wolte/ wo nur im- mer mehr und mehr durch andere/ die mit mehrer vorsichtigkeit/ dexterit aͤt und reinigkeit begabet und ausgeruͤstet seyn/ sein glorwuͤrdigster nahme in pflantzung des rechtschaffenen wesens/ das in Christo JEsu ist/ und einer recht innerlichen und in dem grund des geaͤnderten hertzens gegruͤndeten gottseligkeit/ hingegen be- schaͤmung und austilgung des so gemeinen fruchtlosen und in einer betruͤglichen einbildung bestehenden Mundglaubens/ welcher so viele tausend in das ewige ver- derben stuͤrtzet/ verherrlichet und der kirchen rath geschaffet werde. Jn welchem werck ja niemand sein eigenes suchen/ sondern durch wen es geschehe GOtt dem HErrn gleichen danck sagen solte/ damit nur das Evangelium aller orten reiche fruͤchte bringe. Welches wir von ihrer wertesten Stadt so viel mehr zu hoffen und zu wuͤnschen haben/ weil dieselbige unter allen Reichsstaͤdten die ehre hat/ die erste zu so gefaͤhrlichen zeiten der Augspurgischen Confession unterschrieben zu haben; Bey dero bekaͤntnuͤß und fruchtbarer bewahrung sie auch der guͤtigste Vater in dem Himmel unter so vielerley bißherigen gefahren vermittelst ihrer so treuen Re- genten als rechtschaffener lehrer kraͤfftiglich erhalten hat. Er lasse sie noch fer- ner eine herrliche zierde unsers Reichs/ und ihre liebe Kirche einen helleuchtenden stern ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO LI. stern an dem geistlichen himmel seyn/ und zu solchem ende wolle seine heiligste guͤ- te E. Hoch Ad. Herrligk. als einen theuern werckzeug seiner ehrn von deme in geist und weltlichem so viel gutes noch zu erwarten/ deroselben lang erhalten/ sie immer mehr und mehr mit dem licht seines H. Geistes und tapfferem muth alles vor die ehre des grossen Gottes zu thun/ außruͤsten/ deroselben mit-regenten her- tzen allezeit zu gleichen zweck mit deroselben treulich verbinden/ solche rathschlaͤge in das hertz geben/ und dieselbe mit gluͤcklichem succeß beseligen/ dadurch sein heiligster nahme herrlich bey ihm gepriesen/ die reinigkeit der Evangelischen lehr erhalten/ die rechtschaffene gottseligkeit in den gang gebracht/ da durch die ihnen zur oberaufsicht anvertraute gemeinden zur seligen ewigkeit kraͤfftig befoͤrdert/ an- dere ort zu ruͤhmlicher nachfolge angefrischet/ und also auf sie selbst/ die dem HErrn so getreulich gedienet/ hier und dorten/ segen und ewiger genadenlohn reichlich gezogen werde/ welches gebet und wunsch/ gleich wie vor alle theuere und gesegnete werckzeuge goͤttlicher ehren in geistlichem und weltl. stande/ also auch vor E. Hoch Ad. Herrligk. unter denselben von vielen die ehre Gottes treulich meynenden frommen seelen offters zugeschehen dieselbe sich gewiß versichern/ und desto getroster in verrichtung dero hohen amts fortfahren moͤgen. 23. Sept. 1679. SECTIO LI . An einen Doctorem Theologiæ. Wegen meines collegii, und was aus solcher gelegenheit entstanden/ auch wegen Kriegsmanns Symphonesi. W As meine colloqvia pia, so wochentlich zweymahl in meinem hauß hal- te/ anlanget/ continui re solche noch immerfort nach der genade als Gott iedes mahl giebet darinnen an der erbauung zu arbeiten. So hoffe auch daß der HErr die arbeit eben nicht gar ungesegnet abgehen lasse/ sondern je weilen einige seelen dadurch kraͤfftig geruͤhret/ und zu dem guten auffgemuntert werden. Jedoch ist kein so grosse frucht davon zu hoffen/ weil rechte foͤrmliche anstalten dabey zu machen sich nicht thun laͤsset/ nach dem es ein solches exerci- tium domesticum ist/ welches ich gleichsam precario halte. Solte aber GOtt gnade dermahleins geben/ daß autoritate publica unserer Christlichen obrigkeit dasselbe in oͤffentlicher kirche anstellen koͤnte/ so zweiffelte nicht an einer reichern frucht: Um so viel mehr weil auch alsdann nicht nur mehrere meiner Herrn Col- legen, sondern auch von andern leuten hie in der stadt/ sich einfinden wuͤrden/ die so viel tuͤchtiger waͤren/ erbauliche symbolas beyzutragen: Dahingegen bey ie- tziger bewandnuͤs/ ob wohl die zahl der zuhoͤrer gemeiniglich so groß als sie der darzu bestimmte platz in dem hauß leiden kan/ dennoch ihrer viele sich einzufinden/ S s oder Das sechste Capitel. oder etwas zu reden/ bedenckens tragen/ weil so viel ungleiche reden und urtheil von solchem in einem privat-hauß haltenden exercitio gehoͤret werden/ da im- mer bey einigen die vergebene sorge ist/ daß sie sich dadurch einer verantwortung mit theilhafftig machten/ oder doch von andern spoͤttern deßwegen etwas leiden muͤsten. Vor die so treuliche vertheidigung einer Christlichen sache bedancke mich hertzlichen. Der HErr HErr seye der vergelter. Jch suche je nichts eigenes darinnen/ sondern daß ich keine gelegenheit versaͤumen moͤchte/ die mir GOTT zeigt/ die erbauung zu befoͤrdern. Daß N. N. von etlichen Jahren sich so sehr einnehmen lassen/ daß folglich die sache und ich/ so dann andere gute freunde/ sehr gravir et worden sind (ob wohl mein exercitium selbst von ihm in einigen schrei- ben an mich gebilliget/ und nur gewuͤnschet worden/ welches selbst mein wunsch laͤngst gewesen ist/ daß es in der oͤffentlichen kirchen geschehe) ist mir allzeit sehr leid gewesen/ so viel mehr weil er unter den ersten gewesen war/ welcher die pia desideria, darin dergleichen vorschlag stehet/ mit allzu grossem und unver- dientem lob schrifftlich/ (wie ichs von seiner hand aufweisen kan) gebilliget/ und sich sonsten freundlich bezeuget/ biß etwa diese letzte 2. jahr her anderer calumnien den mann die ohren voll gefuͤllet/ daß davor die gerechte entschuldigungen kein platz mehr finden wollen. Das meiste aber/ so ihn zu einer solchen widerwertig- keit brachte/ war Herr Kriegsmanns symphonesis, die er samt andern also aufnahm/ ob wuͤrde damit nicht nur in genere, das neben dem oͤffentlichen auch ein privat gottesdienst geboten und nothwendig seye/ gelehret ( welches von dem genere der privat versammlungen/ als wiederum die exercitia pietatis zwischen eltern und kindern oder gesinde/ iede andere aus allerhand gelegenhei- ten veranlaste sonderbare beredungen/ besuchungen der krancken/ errinnerung der fehlenden u. s. f. mit begriffen sind/ verhoffentlich kein einiger Theologus leugnen/ oder behaupten wird/ daß niemahl unter wenigen ausser den oͤffentli- chen versammlungen etwas geistliches nothwendig muͤste gehandelt werden) sondern dergleichen exercitia, wie ich zu halten pflegte/ oder doch einige expresse condicto tempore \& loco angestellete congressus, als schlechter dings befoh- len und nothwendig angegeben: so doch weder Herr Kriegsmanns noch anderer meinung ist: sondern da das genus als nothwendig erwiesen/ nachmahlen iegli- chen zu erwegen gelassen wird/ wann ietzt diese/ ietzt eine andere art/ bey deme so/ bey deme anders/ etwas dergleichen aus noth des nechsten oder anderer ver- anlassung erfordert werde. Jndessen muste die Symphonesis in solchem spe- cial verstand aufgenommen werden/ und setzte man sich so starck dagegen/ daß man keine erklaͤrung wol gelten liesse. Es hat zwar vor einem halben jahr Herr M. Winckler/ jetzmahliger Superintendens der Stadt und Graffschafft Wertheim/ ein gottseliger gelehrter und eiffriger diener Gottes/ ein bedencken uͤber Symphonesin trucken lassen/ da ich gedachte es wuͤrde iederman satisfa- ction geschehen. Aber immer fande sich aufs neue offendir et/ und gab deß- wegen ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO LI. wegen ein scriptum bey der Fuͤrstl. regentin ein/ gleich ob waͤre ihr hochseliger Herr und das außschreiben darin zur ungebuͤhr angestochen/ (so aber Herr Winckler bestaͤndig bezeuget/ nicht auf dasselbige sondern andere discoursen und machinationes reflectir et zu haben) wuͤrde auch gern gesehen haben/ daß der HHr. Theolog en zu Giessen etwas dagegen zu schreiben aufgetragen wor- den waͤre/ welches aber die Fuͤrstin nicht beliebte. Es ist aber endlich GOttes wille gewesen ihn vergangenem Julio von dieser welt abzufordern. Der HErr lasse ihn barmhertzigkeit finden an jenem tage/ und rechne ihm nicht zu/ was er aus præoccupirt em gemuͤth vor seuffzen einiger unschuldigen von einer zeit her ausgetrieben. Er war sonsten noch von ziemlichen kraͤfften bey diesem seinem al- ter/ aber bey einem jahr her/ nach dem er unter den letzten jungen Fuͤrsten fast al- lein alles regieret/ und mit einer in das gantze reich bey nahe erschollenen refor- mation des hofs durch abschaffung oder aͤnderung der vornehmsten raͤthe und bedienten grossen haß auf sich geladen/ und aber GOtt solchen Fuͤrsten so bald in etlichen monaten wegnahm/ scheinet seiner kraͤfften ein ziemlicher anstoß ge- kommen seyn/ daß er bey der gefolgten regierung sich nicht mehr in der vorigen au- torit aͤt/ sondern von der cantzeley und weltlichen geschaͤfften die hand abzuziehen/ hingegen bey seinen amts-geschaͤfften zu bleiben/ gemuͤßiget sahe/ daß die fuͤrstliche commission zu einiger reformation der Gießischen universitaͤt wuͤrcklichen ih- ren fortgang erreichte/ zeitwaͤhrender dero lauff er gestorben/ und noch auf dem todbett daruͤber geklagt haben solle/ weil es schiene damit seine vorhin gebrauch- te autorit aͤt vollends hinzufallen. Es ist aber solche commission noch nicht in allen stuͤcken zu ende/ sondern allein zur restabilir ung der disciplin 8. Studiosi so viele unruhe angefangen und insolenz getrieben haben sollen/ cum infamia re- legir et worden. Es sollen aber die Commissarii nechsten wiederum sich hinverfuͤgen/ und die etwa noch uͤbrige unordnungen/ so den irrungen unter den HHr. Professoribus suchen zurecht zu bringen. Da zu GOtt seinen segen und gnade verleihen wolle/ daß diese und alle universitaͤten warhafftig werden moͤ- gen/ was sie seyn sollen/ nemlich officinæ Spiritus S. und rechte pflantzgaͤrten der tugenden zu nutz kirchen und policey. Er gebe auch sonderlich/ daß die ge- meldete dero eigen universitaͤt visitation moͤge den erwuͤnschten effect erlangen. Ach wie gut waͤre es/ wo die auch hoffende beylegung der streitigkeiten zwischen den HHr. Theologis koͤnte zu werck gerichtet werden: Aber wie mein wehrter herr sorge traͤget/ so habe selbst auch wenig hofnung. Jch sehe fast die bißhe- rige so viele außbrechende streit und geistliche kriege an/ als eine goͤttliche straff und gericht uͤber unsere kirche/ weil wir an so vielen orten so weit von der einfalt angefangen haben abzugehen/ und die Theologiam durch vermischung der vernunfft-lehr in allzuspitzigen subtilit aͤten zu verwuͤckeln. Wo es sich nicht fehlen kan/ daß nicht vielerley streit entstehen solte. Vielleicht wirds einigen ein anlaß seyn/ sich allgemach mehr und mehr von solchen dingen abzuziehen/ und S s 2 so Das sechste Capitel. so viel angelegenlicher sich an die einige schrifft zu halten/ da in weniger zeit wir etwa eine so viel reinere und unstreitigere lehr-art erlangen moͤgten; geschiehet dieses nicht/ so sage ich nach Pauli throhung/ wo wir uns unter einander beissen und fressen/ moͤgen wir wohl unter einander verzehret werden. Der HErr er- barme sich unser in gnaden/ und oͤfne uns die augen/ den so gar betruͤbten zu- stand unserer kirchen anders einzusehen/ als man ihn fast insgemein ansiehet. Es scheinet doch/ daß es mit menschen huͤlff allerdings aus/ und die huͤlffe von ihm allein zu erwarten seye. Jch zweiffele aber nicht/ er wird sich endlich auf- machen und uͤber zion erbarmen. Jch hoͤre daß in ihrer nachbarschafft Herr Dilfeld zu Nordhausen wider mich und meinen schwager Herr Horben Super- intendent en zu Windsheim in schrifften etwas heraus geben/ und also einen streit anheben wolte. Habe ihm darzu keine anlaß gegeben/ aber ich muß es dem HErrn befehlen/ und erwarten/ was er bringe. Es soll in Helmstatt gedruckt werden. Jst mir zwar leyd daß meinetwegen einiger streit entstehe: ich habe a- ber anderer federn nicht in meiner hand. 15. Sept. 1679. SECTIO LII. An Scriverium: Von unterschiedlichen materien Ubermaͤßig mir beygelegtes lob. Von commentariis. See- len-Schatz. Vorhaben eines amphitheatri divinæ pro- videntiæ. Dilfelds theosophia Horbio- Speneriana. J Ch habe zu bezeugen/ wie eine innigliche freude der liebe brieff mir er- wecket/ und mich das mir und uns allen anbefohlne werck deß Herrn mit so viel mehr freudigkeit und getrostem muth zu treiben hertzlich aufgemuntert habe/ weil ich mich aufs neue einer nachdruͤcklichen und sonderbaren vorbitte ei- nes rechtschaffenen Gottesfreundes/ dessen gebet nicht unfruchtbar abgehen kan/ sondern mir auch hinkuͤnfftig manche noͤtige gnade erlangen wird daraus ge- troͤsten kan: Dero verspruch mich auch von mehrern Gottseligen freunden hertz- lich staͤrcket und aufrichtet/ daß damit/ was meine schwachheit nicht erhalten koͤnte/ werde ersetzet werden/ und ich es daher vor eine der groͤssesten wohlthaten meines Gottes danckbarlich erkenne/ welcher so viele hertzen/ denen er ein reiche- res maß deß geistes gegeben/ mit liebe gegen mich erfuͤllet/ daß sie ihm auch vor mich armen und meine verrichtungen die jenige opffer bringen/ die ihm ange- nehm sind. Ach daß mein armes gebet auch vor meine liebe mitbruͤder moͤch- te auß gleicher brunst des geistes gehen! Jedoch wird der HERR auch dessen schwach- ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO LII. schwachheit und einfalt nicht verschmaͤhen/ und ich nicht vergessen die gnade/ so ich empfangen habe/ dahin anzuwenden. Dieses einige hat mich in dem so lie- ben schreiben betruͤbet/ daß mir weit zu viel zugeleget wird/ alß nicht in mir ist. Jch bin zwar versichert deß liebreichen und unheuchlerischen hertzens/ aus dem solches alles herkommet/ ich achte es aber nicht nur vor eine sonderliche versu- chung/ daß der treue GOtt zulasset/ daß viele liebe freunde das wenige in mich von seineꝛ guͤte gelegte/ und doch noch nicht mit genugsameꝛ treue und fleiß anwen- dende/ gemeiniglich durch ein vergroͤsserendes glaß der liebe alß viel groͤsser an- sehen/ ob ich auß solchem liebes urtheil mich auch bewegen lassen wolle/ mehr von mir selbst zuhalten/ alß sichs geziehmet/ und uͤber mein maß zuschreiten: Sondern ich sorge offters eine verantwortung deßwegen von meinem GOtt ob ich vielleicht selbst auf einigerley weise solches verursache/ oder doch veranlasse: Habe auch billig ursach/ mich daruͤber zubetruͤben/ das ich das jenige nicht bey mir finde/ was andere zuerkennen meinen/ und mir vielleicht damit von GOtt gezeigt wird/ daß er mirs gegeben haben wolte/ wann ich das vorige fleißiger angewandt haͤtte. Ach er verleyhe mir hie zu die genade/ und reinige mein hertz von allem dem waß mich noch bißher daran gehindert hat! Wornach auch mich so viel emsiger zu bestreben habe/ alß weniger ich weiß/ wie lang mich der Herr noch in dieser sterbligkeit lassen will/ nach dem bey etlichen jahren einen starcken abgang der vorigen kraͤfften gespuͤret habe. Solte mich der liebe GOTT so gluͤcklich machen/ daß ich einen solchen außerwehlten freund/ bey dem ich in der warheit ein viel reichlicher maß der gnaden weiß/ dermahl eins hier sehen/ und mich muͤndlich mit ihm ergoͤtzen koͤnte/ wuͤrde es gewiß eine sonderbahre gnade seyn/ davor ich dem HErrn zu dancken haͤtte. Jch will auch die Hofnung da- von nicht fallen lassen/ Sonderlich weil vernehme/ das deß sauerbronnens eur einiges mahl nicht uͤbel ausgeschlagen. Nun weiß ich zwar die beschaffenheit der natur und temperaments nicht/ vernehme aber von allen/ daß der schwalba- chische Sauerbronnen/ dessen ich mich diesen Sommer durch GOttes gnade nicht unnuͤtzlich gebraucht/ dem Pirmontischen an kraͤfften weit vorgehe/ und daher/ dafern die natur sonsten eines staͤrckeren wassers krafft ertragen kan/ vor demselben/ wo wiederum eine cur einmahl resolvir et werden solte/ zu erwehlen moͤchte seyn. So sind auch die unkosten nicht so sonderbar groß/ oder solte sich wohl auch in solcher sache einiger rath finden lassen. Waß wegen der com- mentariorum, die vielen/ andern weniger nuͤtzlichern buͤchern vorzuziehen waͤren/ bemercket wird/ wo sie nemlich mit rechter genauer beobachtung der cohærenz / umstaͤnde/ zwecks/ abgefasset werden/ daß man dem H. Geist nicht vorlaufft/ sondern fleißig nachtrifft/ ists freylich also bewandt; wir doͤrffen aber unter den so vielen commentariis wenige dergleichen finden. Hr. D. Geyers und Hr. D. Schmidens gabe ist hierinnen recht sonderbar. Jch habe durch schreiben vor 2. jahren von diesem erhalten/ daß nun sein comment. in Epist. ad Hebr. unter S s 3 der Das sechste Capitel. der preß ist/ und geliebtes GOtt kuͤrtzlich herauß kommen wird. Jch wuͤnschte/ der liebe Mann gebe mehr von seiner arbeit heraus. Weil er aber sich an an- dere nicht bindet/ und deßwegen nicht anders kan/ alß mehrmahl von der gemei- nen meinung in vielen orten abzugehen/ so scheuet er sich vor einigem wieder- spruch; Weil wir leider in einer solchen zeit leben/ da die auch offenbahreste war- heit kaum mehr will angenommen werden/ wo sie nicht durch die autorit aͤt vieler vorgegangener lehrer bekraͤfftiget wird. Jn welcher praxi ich nicht sehe/ wie wir uns entschuͤtten koͤnnen/ daß nicht etwas vom paͤpstischen principio, dadurch der verstand der schrifft nicht auß dero worten selbst/ sondern der auto- rit aͤt und erklaͤrung der kirchen und dero Vaͤter herzunehmen ist/ bey uns uͤbrig geblieben seye. Jm uͤbrigen aͤstimire ich auch billich Hr. Sandhagens zu Luͤneburg ungemeine gabe in dieser sach/ die ich nur auß etzlichen bogen erkant/ aber deßwegen verlangen habe/ daß der liebe Mann zeit finden und die resoluti- on fassen moͤchte/ in dergleichen der kirchen zu dienen. Die liebe intention den Seelenschatz mit 2. theilen zuvermehren erfreuet mich hertzlich/ und kan ich mit warheits grund sagen/ daß weder ich selbst wargenommen/ noch von an- dern gehoͤret habe/ daß einiges darinnen einiger besserung oder aͤnderung noͤtig haͤtte. Der vater deß lichts von dem alle gute und alle vollkommene gaben her- kommen/ verleyhe auch zu diesem Gottseligen vorhaben/ nicht nur die natuͤr- liche noͤthige gemuͤths- und leibes kraͤfften/ sondern vornehmlich seines H. Gei- stes himmlisches licht/ in demselben dasjenige warhafftig zu erkennen/ waß in solchen wichtigen materien dem neben Christen zu wissen noͤthig ist/ er gebe alß dann auch mund und weißheit/ die art und wort zufinden/ wie sie am auffer- baulichsten und deutlichsten moͤgen vorgetragen werden; So dann lege er die krafft darein/ die in den hertzen der lesenden dermahleins also wuͤrcke/ daß die verlangte frucht/ der Goͤttlichen ehre und vieler menschen heyls darauf erfolge/ auch er selbst an jenem tag sich der jenigen vor Gottes thron zufreuen habe/ welche ihm der HErr durch seine arbeit geschencket hat. Jch werde auch nicht unterlassen solche arbeit vor dem HErrn in meiner bitte zugedencken. Waß auch das projectir ende amphitheatrum divinæ providentiæ, darinnen lauter exempel sonderbahrer Goͤttlicher versehung/ schutzes und versorgung vorgelegt werden sollen/ anlanget/ halte ichs vor eine recht erwuͤnschte materie/ dadurch so wohl einige mit dem Atheismo ringende (davon den boßhafftigen und ver- haͤrteten habe ich auß eigener erfahrung wenig hoffnung) genommen/ fromme hertzen aber gestaͤrcket/ zum preiß ihres GOttes immer angefrischet und an ih- nen und anderen dergleichen mehr zubeobachten geleitet werden. Der HErr verleyhe auch dazu die noͤtige gnade. Jch wolte hertzlich gerne nach meiner schul- digkeit und eigenem verlangen meine symbolam mit bey tragen/ ich muß aber meine suͤnde bekennen/ daß da ich so eine grosse zeit auf das studium histori- cum, zu dessen profession ich in Straßburg destini ret zu sein/ das ansehen hat- te/ ARTIC. I. DISTINCTIO II . SECTIO LII. te/ gewendet/ ich gleichwohl nicht den geziehmenden fleiß damahl angewendet habe/ dergleichen dinge zubeobachten/ sondern ob ich schon in lesung dergleichen vielfaͤltig vorgekommener exempel/ waß ich daraus zu erlernen haͤtte/ erkant/ so bin ich doch saͤumig gewesen/ wie in andern dingen auch/ das gelesene auf zu no- tir en/ alß der in vielen der gedaͤchtnuͤs zu viel trauete/ die jetzo aber je laͤnger je weniger mir das jenige hervorgiebt/ was ihr in grosser qvantit aͤt anvertrauet wor- den. Jndessen werde mich entsinnen waß ich kan/ habe auch meine HHn. Colle- gas darum ersuchet/ und werde andere gute freunde ersuchen/ tanqvam in cau- sa communi, daß sie das jenige zusammen tragen/ was ihnen im lesen oder ei- niger erfahrung ist vorgekommen/ um solches alßdann zu uͤberschicken. Jch hof- fe aber/ es habe solches noch einige frist. Es ist freylich dieses eine von den vor- nehmsten pflichten unsers Christenthums/ ja daß jenige warum der mensch in die welt gesetzet worden/ das er in allem achtung gebe auf GOttes H. regie- rung/ dadurch zu seiner uͤbrigen schuldigkeit desto kraͤfftiger aufgemuntert zu werden. Jm uͤbrigen zweiffle nicht/ daß ihres orts Hr. Dilfelds in ihrer nachbarschafft zu Nordhausen aus gefertigte Theosophia Horbio-Speneriana werde bekant worden sein. Mir ist leyd/ daß mein armer nahme solle eine ma- terie deß streits in der kirchen werden/ dero ruh und friede in allen andern guͤ- tern so weit vorziehe. Jch habe auch gehofft/ alß ich dem mann auf sein etlich- mahliges zuschreiben zu zwey mahlen außfuͤhrlich geantwortet/ er wuͤrde nun nicht mehr weiter ursach finden/ sich zu mir zu noͤtigen. Weil aber es dem H. GOtt also gefallen wollen/ mir einen wiedersacher oͤffentlich auftreten zulassen/ so habe mich auch hierinnen unter seine gewaltige hand zudemuͤthigen/ ihm hin- gegen auch hertzlich zu dancken/ daß er es von einem solchen geschehen lassen/ des- sen schrifft gegen mich der guten sache vielmehr foͤrder-alß hinderlich bey recht- schaffenen gemuͤthern seyn wird. Jch schaͤme mich nicht/ sondern wo ich einiger ehr mich anmassen solte/ so wuͤrde es diese sein/ oͤffentlich uͤber diese frag ange- griffen zu werden/ weil ich zu dem studio Theologico ohne die natuͤrliche kraͤff- te die gnade des H. Geistes/ nothwendig zu seyn achte. Ob schon in dem gegen mich geschriebenen nicht wenige verkehrungen meiner meynung/ falsche auflagen und folgen sich befinden/ aber von verstaͤndigen christen von selbsten werden erkãt werden; Also gar daß ich fast bedencken haͤtte haben sollen/ auf das tractaͤtlein zu antworten/ wo ich nicht vor Gottes und der kirchen augen daruͤber angesprochen und obtesti ret worden waͤre/ und dafern ich iemand anders antworten liesse/ bey einigen das ansehen gewiñen moͤchte/ ich waͤre mir in dieser materie nicht zum besten bewust/ dahero ich das hertz nicht haͤtte/ oͤffendlich auf solches begehren vor den tag zulegen. Weswegen ich dann/ wo GOtt leben und gesundheit gie- bet/ einige tage dran wenden/ aber dahin trachten werde/ daß ich ihm nicht nur allein mit Christlicher sanfftmuth aber gruͤndlichen nachtruck/ antworten/ son- dern wie so gar die natuͤrliche wissenschafft der Theologi schen materien die wah- re er- Das sechste Capitel. re erkaͤntnuͤß GOttes und der kirchen so noͤtige rechtschaffene Theologia nicht seye/ sondern zu deroselben das licht von oben nach der schrifft und unsern sym- boli schen buͤchern noͤtig seye/ gruͤndlich darthun moͤge. Wie ich nun auch hier- innen meiner schwachheit mir wol bewust bin/ alß ersuche auch hiemit samt andern treuen freunden E. Hoch Ehrw. bruͤderlich/ daß sie auch ihre seuffzen zu dem himlischen Vater vor mich aufschicken wollen/ der mein hertz mit licht und liebe/ so hiezu noͤthig/ erfuͤllen/ so dann diese sache/ da der Satan streit in unserer armen/ ohne das mit allzuvielen mißverstaͤnden verunruhigter/ kirchen zuerregen suchet/ zu einer neuen anlaß werden lassen wolle/ daß sein nahme verherrlichet/ seine goͤttliche warheit mehr bekant und vor den tag gelegt/ diejenige aber so unnoͤ- tigen zanck anfangen/ zu ihrem besten beschaͤmet und zur heilsamen erkaͤntnuͤß gebracht werden. Ach der HErr rechne es diesem meinem wiedersacher nicht zu/ was er hierinn vor aͤrgernuͤß anrichtet/ sondern heilige sein pfund auch also/ daß es hinkuͤnfftig nicht nach fleischlichen affecten, sondern zu seines H. Nah- mens preiß und der kirchen nutzen besser angewendet werde. 2. Dec. 1679. SECTIO LIII. Als M. Joh. Pikerus Prorector zu Koͤnigsberg seinen Epitomen Ethicæ Christianæ, die 1681. unter dem Titul Aretologia Christiana heraus gekommen/ uͤbersandt hat/ uͤber dieselbe observationes. E S hat mich desselben bereits in den nechsten sommer wohl eingeliefertes von hertzen erfreuet/ und ich dancke billig GOtt/ daß er mich daraus erken- nen lassen/ gleich wie er unter denjenigen/ die an der kirchen dienst arbeiten so wohl in/ vor der welt ansehnlichen als auch geringern stellen/ sehr viele erhal- ten hat/ welche sich das allgemeine verderben der christlichen kirchen/ sonderlich a- ber unsers stands/ von deme die erbauung und besserung außgehen solte/ aber leider fast die meiste ursach des verderbens herkommet/ lassen zu hertzen gehen/ und wie sie es mit erleuchteten augen ansehen/ also auch seufzen/ verlangen und nach vermoͤ- gen trachten/ wie demselben moͤchte gesteuret/ und die kirche wieder in den stand vermittels goͤttlichen segens gebracht werden/ wie sichs geziehmet der außer- wehlten braut des hochgelobtesten Sohns Gottes/ daß er also auch unter der zahl der jenigen/ die er an der lieben jugend zu arbeiten beruffen hat/ nicht weniger sei- nen heiligen samen uͤbrig behalten habe/ durch die an der hofnung der lieben po- sterit aͤt moͤge fruchtbarlich gearbeitet werden. Dieses freuete mich/ und freuet mich noch so viel hertzlicher/ als mehr an solcher sachen gelegen ist/ daß die liebe ju- gend recht zeitlich und bald zu der wahren erkaͤntnuͤß des wahren Christenthums gefuͤh- ARTIC. I. DISTINCTIO. II. SECTIO. LIII. gefuͤhret/ was an den verstockten und verharteten alten nicht mehr ausgerichtet werden kan/ bey den zarten gemuͤthern in Gottes segen zu wegen gebracht/ und also ein grund zu einer besseren kirchen auf die folgende zeit geleget werde/ an welche sorge doch diejenige/ so vor alles sorgen solten/ meistens so gar nicht mit gehoͤrigen fleiß gedencken/ damit aber verursachen/ das waß aus solcher ver- saͤumnis in den jungen jahren meistens verdorben wird/ sich folglich fast nicht an- ders bessern laͤßt/ und daher die boßheit der leut mit der zeit immer mehr zunim- met: Ja meine freude wurde auch dadurch so viel mehr vermehret/ weil wir son- sten/ da mir Gott bißher/ wo vor ihm ewig danck gesagt sey/ die freude gegoͤn- net/ von sehr vielen lieben leuten in dem predig-stand zu erfahren/ und mit den- selben in genauer kundschafft zugerathen/ welche in und ausser Teutschland hin und wieder sich die sache des HErrn mit aufrichtigkeit und hertzlichen eiffer las- sen angelegen sein/ hingegen aus dem stand derjenigen/ so an der jugend treulich arbeiten/ sehr wenige bekant gewesen sind/ weßwegen ich die jenigen/ davon ich kundschafft erlange so viel werther zuachten/ und GOtt davor viel hertzlicher zu- dancken habe: Weil auch die hoffnung dadurch waͤchset/ der HErr werde sich seines zions gnaͤdiglich erbarmen wollen/ weil er auch in solchem stande leute auß- ruͤstet und erreget/ die an der hoffnung der nachwelt arbeiten. Jch habe aber desselben liebe intention und verlangen GOtt treulich nach dem empfangenem psund zu dienen/ nicht nur aus dem liebreichen briefe/ und darinnen gethanen bezeugungen verstanden/ sondern vornehmlich aus dem mitgeschickten sehr wer- then buͤchlein/ welches ich/ alß ich auf rath deß medici zu bekraͤfftigung meiner gesundheit des Sauerbronnens mich zu Schwalbach bedienen muste/ mit mir dahin genommen/ und es meine ergoͤtzung daselbst sein lassen. Jch haͤtte auch eher geantwortet/ alß ich aber wiederum zuruͤck gekommen uͤberfiel mich die ar- beit meiner herausgebenden Postill/ so gleichwohl erst bey dem ende der meß fer- tig worden/ dermassen/ das alle correspondenz / die nicht von unvermeidlicher eil war/ so lange verschieben muste. Jch habe aber solches liebe buͤchlein nicht nur gelesen/ sondern weil freundlich von mir verlanget worden/ meine gedan- cken/ wo ich etwas zuaͤndern rathsam finden solte/ dabey zu entdecken/ so habe ich/ wo angestossen und einigen scrup el gehabt/ solches auf notir et/ und sende hiemit in freundlichen vertrauen/ sothane meine einfaͤltige/ aber treugemeinte/ observationes / mit bitte sie in der furcht des HErrn reiflich zuerwegen/ und wo er dieselbe der wichtichkeit zu sein finden wuͤrde/ daß wercklein darnach al- ler dings also ein zurichten/ wie es folglich ohne fernere aͤnderung gedruckt wer- den moͤchte/ dann ich mir die erlaubnuͤs nicht nehmen will/ ohn eigenen consens zuaͤndern oder beyzusetzen. Wie hingegen die an Hr. NN. von dem auch dieß- mahl einen freundlichen gruß zuuͤberschreiben habe/ uͤbersandte additiones und correctiones, bey dem druck fleißig sollen in acht genommen werden. Jch ha- be gewißlich niemahl billigen koͤnnen/ daß wir biß daher in hohen und niedern T t schu- Das sechste Capitel. schulen in materia morum so gar schlechter dings bey den Heyden stehn geblieben sind/ und so wenig erwogen haben/ das wir zu Schuͤlern nicht Heyden sondern Christen und solche leute haben/ die uͤber die moral erbarkeit zu weitern tu- genden und hoͤhern guͤtern auf einem viel andern weg/ als die Heyden denselben haben zeigen koͤnnen/ gefuͤhret werden muͤssen: Ja daß auch aus dem licht der vernunfft die ethica Aristotelica viele supplementa und correctiones bedoͤrf- te/ wie aus gegenhaltung anderer heydnischen Philosophorum augenscheinlich gezeiget werden kan. Daher ichs vor ein sonderbar straffgericht GOttes ach- te/ daß wegen unserer undanckbarkeit gegen seine warheit und so theures wort/ hingegen allzugrosser liebe zu der vernunfft-lehr/ derselbe zugelassen habe/ daß man (ob schon der theure Lutherus so maͤchtig darwieder zu seiner zeit geredet und geschrieben) auch in unsern schulen den Heyden Aristotelem fast pro norma veritatis gemacht/ und gleichwie in den theoreti schen disciplinen die rechtschaffene erkaͤntnis der warheit sehr dadurch gehindert/ also aus seiner e- thic einige principia den jungen leuten bald erstl. beygebracht/ welche ihnen in ihrem gantzem leben an der rechtschaffenen Gottseligkeit ein anstoß gewesen seind/ ja die Heydnische ethic etwa nicht wenig darzu geholffen hat/ daß man so viel heydnische Christen bekommen. Jch hoffe aber der HErr werde auch solchem verderben steuren/ und sich der armen jugend erbarmen/ ihnen treue- re handleiter/ als bey den Heyden nicht gefunden werden/ zugeben. Wo zu dann solche Ethica Christiana ein stattliches in seinem segen thun koͤnnen/ und ich die Goͤttliche guͤte auch von grund der seelen anruffe/ daß sie diese arbeit da- hin gnaͤdiglichst segnen wolle. Daß auch die lehr de fide salvifica aus dem lie- ben Luthero sonderlich mit fleiß ausgefuͤhret worden/ ist sehr wohl gethan; ich hoffe aber/ es werden meine monita dabey nach reifflicher erwegung nicht aus der acht gelassen werden. Wir haben in einer solchen sehr wichtigen sache uns sehr zu- befleissen/ daß wir nicht nur allein von der warheit in nichts abweichen/ sondern auch dieselbe so deutlich/ voͤllig und mit solchen worten und redensarten/ alß viel es muͤglich ist allezeit vorzutragen suchen/ damit allezeit boͤser argwohn ver- huͤtet/ und keinem laͤsterer anlaß gegeben werde/ mit zimlichem schein die von unß vorstellende warheit zuwiedersprechen und zu cavilliren. Wir werden doch mit allem fleiß und vorsichtigkeit nicht alles genug verhuͤten koͤnnen/ aber desto mehr gleichwohl zuverhuͤten trachten/ was vorsichtig verhuͤtet werden mag. Jch hof- fe mein vielgeliebter HErr werde sich meine freymuͤtigkeit nicht lassen entgegen sein/ sondern eben daraus mein aufrichtiges hertz gegen sich erkennen/ wie ich dann auch dieser ursach wegen etliche dinge in meine observationes ge- bracht/ die eben so grosser wichtigkeit nicht sind/ zu zeigen daß ich es fleißig und mit bedacht zulesen nicht ermangelt habe. Wo nach solcher einrichtung deß wercks nichts ferner anstoͤßlich sich darinnen finde/ eine wenige von mir dazu- thuende vorrede nuͤtzlich erachetet werden moͤchte/ so will ich mich auch sol- cher ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO LIII. cher arbeit nicht entziehen. Schließlichen denselben in des grundguͤtigen Got- tes treue obhut und genaden regierung empfehlende und wuͤnschende/ daß seine himmlische guͤte sich seiner noch ferner kraͤfftiglich als eines gesegneten werck- zeugs seiner gnade gebrauchen wolle/ verbleibe. ꝛc. 1679. Considerationes super Epitomen Ethicæ Christianæ. I N genere cogitari posset, an titulus tractationi respondeat, qvando non universa Ethica, sed pars ejus, quæ de virtutibus agit, sola hic tractatur? An præstet mutare inscriptionem, \& Aretologiæ vel qvodvis aliud nomen substituere, an qvod deest supplere præstet, liqvida monstratione, qvod verum Christianæ Ethicæ summum bonum sit, \& qvæ de affectibus aut in universum potentiis animæ rationalis, qvæ de principiis humanarum actio- num, \& similibus argumentis scire Ethicum convenit. c. 1. q. 7. Clarius explicari optarim, qvomodo ut Christianorum virtutes a gratia producantur, natura \& vires animæ naturales necessario cessare seu qviescere debeant: ne ex homine truncum faciamus, \& non excludamus ea, in qvibus gratia naturalibus facultatibus utitur ad operationes suas, sed ut illæ potius objectum operationis sint divinæ, qvam ejus causa efficiens. In ipsa fide intelligit homo \& vult, \& intelligendo \& volendo utitur natura- libus suis facultatibus, hæ tamen non ex suis viribus agunt, nec hoc ex se intelligunt vel volunt, sed ex operatione, qvæ desuper est. Declaratio a- liqva facile lectori scrupulum potest eximere. Recurrit idem in qvæst. de fide salvifica. n. 8. Homini vere credenti datus. Atqvi fides ipsa inter Christianas virtu- tes numeratur, qvæ non datur homini jam credenti, sed is credens per eam fit. c. 2. q. 2. In definitione fidei multa egregia \& observatu dignissima, sed ipsam formam fidei clarius exprimi necesse est, qvod consistat in fiducia, utpote qvod illud est, qvo nos fides justificat, atqve salvos facit. Ita veris- simum est, fidem nos Christo unire \& fide Christum ipsum, non solum a- liqvam ejus cognitionem, in nobis habitare, imo ipsum non modo ejus dona nobis divinitus concedi: Sed unio illa \& habitatio potius pars est sa- lutis, in qva salute jam fruimur, qvam ut sit causa instrumentalis. Fiducia igitur, qvæ nititur sola verbi tanta bona offerentis gratia, atqve ita sibi be- nefieri a Deo simpliciter patitur, est ea fides, qvæ nos salvos reddit, \& Christum nobis unit. Vellem etiam diserte imputationis gratiosæ fieri mentionem, qvi enim stultam \& impiam vulgi de imputatione nuda, qvæ absqve sanctificatione sit imaginationem, ex animo detestor, \& præterea scio, præter imputationem coram judicio divino, accedere veram sancti- T t 2 tatem Das sechste Capitel. tatem habitualem, \& qvod dixi Christum ipsum in piis habitare cum suis bonis omnibus, imputationem tamen gratiosam tam non omitti posse exi- stimo, ut ea omnium reliqvorum bonorum sit fundamentum, \& justificatio- nis formale, unde ob abusum voce illa neutiqvam abstinendum, sed verus sensus potius dilucide explicandus, qva in parte nobis præit B. Paulus Rom. 4. Hæc ita cum se habeant, citra vitium in definitione fidei non ea sola locari possunt, qvæ fidei sunt effectus, \& qvidem sanctifici, sed neces- sarium fuerit illius exprimere qvi animam \& primam vitalem actionem. Qværi etiam posset, utrum magna cordis tristitia \& conscientiæ gravissimi angores in ipsa definitione exprimi debeant, cum pateat non una via Deum suos ducere? Dubitari etiam posset, utrum vetus Adamus \& homo externus \& na- turalis, ac semen serpentis sint plane ἰσοδυναμου῀ντα? cum videatur discrimen inter eos terminos, qvorum alii alios includunt, alii excedunt, luculentum assignari posse. Id vero nimis durum \& καταχρηστ ικὸν, Christum esse no- vum hominem; cum tamen novus homo sit illud, qvod Christus in nobis ex verbo ut semine suo generavit. Optarim in hisce nos proprietati ser- monis studere, ne non tantum cavillis sed gravibus altercationibus non necessariam præbeamus occasionem. Ipse φράσιν eam explicui peculiari \& concione \& scripto, qvomodo fidelis dicere possit, Ego sum Christus, qva ράσει Lutherus usus est. Sed fateor, propriam \& ex Logicarum usitata- rum censu eam non esse, neqve unqvam ea utor, nisi occasio sit fuse sensum ejus explicandi, qvia qvem ea primore aspectu intellectui offert, sensus sa- ne falsus est. De hoc qvoqve merito dubitatur, an Deus paratissimus sit, fidem salvi- ficam omnibus in summo gradu largiri? Certum est, omnibus velle largiri mensuram saluti sufficientem: certum etiam, plerosqve intra gradum illum subsistere, qvem debita adhibita industria potuissent attingere: Sed qvi per Apostolos suos testatur de diversitate mensuræ gratiæ, qvæ sane non parum ad illustrationem divinæ sapientiæ \& bonitatis facit, vix dici potest, omnibus summum gradum atqve ita æqvalem mensuram dare voluisse. Amat ipse Deus diversitatem in creaturis suis. Per inhabitationem \& unionem fieri fideles Christi fratres, non dixerim, sed per nativitatem, qvæ fit ἄνωϑεν ex semine divino: qvalia aliqvoties adhuc in ead. qvæstione occurrunt, cum unioni \& inhabitationi adscribitur, qvod gratiosæ imputationis vel etiam regenerationis est. In omnibus autem illis divina beneficia nec confundere nec divellere convenit, sed distingvere, \& cuiqve suum tribuere. Cum hypocritica \& fictitia fides describitur, vellem, disertius expri- mi, non tantum qvod homo non modo imaginarie \& ανταστ ικῶς meriti Christi \&c. fiat particeps, sed etiam qvod imputatio, qvam scriptura docet, \& ex ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO LIII. ex ea nostræ Confessiones urgent, non sit ejus modi ανταστικόν τι, sed sicu- ti non qvidem actus physicus, ast moralis verissimus, tam verus qvam im- putatio solutionis a fidejussore factæ, qva debitor suo debito liberatur: ne cum Adversariis, qvod etlam in sana illa doctrina, etiamsi sæpius pluribus ab- usibus obnoxia, sanum est, ipsa omissione vel reticentia argui possit reje- ctum esse. q. 6. Nescio an dici possit, à vero Christiano timorem servilem plane exulare. Certum est, eum nec solum nec præcipuum apud Christianos ve- ros esse, \& qvantum crescit filialis, tantum decedere servili: ast eam scia- mus, in vetustate carnis plurima adhuc superesse, qvæ optimæ voluntati re- genitæ renituntur, timoris servilis nonnullus superest usus: \& cur commi- nationibus adhuc utitur Deus, qvando etiam cum filiis suis agit, si omnis timor servilis plane jam abolitus est? Ea potius divina bonitas est, qvando hac imperfecta virtute nostro bono utitur, ut ea ceu gradu ad perfectio- rem ascendamus. Sic etiam qvæst. 7. nescio, an dici possit, imperfectum illum amandi modum vel prorsus non in veris Christianis vel certe tantum in incipientibus reperiri; nam non solum Deus tolerat etiam in proficien- tibus aliqva hujusmodi, verum etiam qvi ipsum Deum primario diligit, non prohibetur cum simul propter beneficia sua diligat, ut simul etiam gratia ejus atqve beneficentia fruatur, \& ita duo illi modi conjungantur, qvorum alteri tamen sua est ἐξοχὴ. q. 8. Interna perceptio bonit. div. qvæ fiat cum inenarrabili gaudio ad ce- lebrationem nominis divini reqviritur; \& qvidem utiqve qvæ hoc cordis habitu fit tanto ardentior, \& homini ipsi jucundior est. Verum celebrare nomen divinum etiam tenemur, eo tempore qvo sensu illo interno care- mus, imo aliqvando celebratio, illius sensus est excitatio. q. 9. Gratiarum actio per ipsam vocem gratias agit definitur; an commo- dius vocula reperiretur? q. 11. Rectissime distingvuntur afflictiones, qvas homo sibi ipse suo vitio attulit, \& qvæ divinitus immittuntur: nollem tamen patientiæ virtutem illi negare, qvi qvod malum sibi accersivit, postea pœnitens tolerat, \& se illi etiam divinæ voluntati subjicit humillime. Imo est ubi pœnitens agnoscit, ipsa sua peccata \& qvæ per hæc sibi attraxit, sancto divino \& benefico con- silio permissa, qvibus a gravioribus peccatis \& periculis retraheretur, ut adeo salutarem sibi divinam voluntatem agnoscat, non in iis solum, qvæ divinitus immissa, sed etiam permissa sunt. q. 12. Qvod ex Gerhardo notatur de distinctione fiduciæ, egregie illu- strat, qvod supra de fide salvifica diximus. c. 3. q. 5. Dubium esse potest, an verbum divinum nos doceat, ut proxi- mos majori qvam nos ipsos amore complectamur. Nam amorem nostrum T t 3 men- Das sechste Capitel. mensuram amoris proximi illud constituit. Fieri potest, ut aliqvando proximum nobis ipsis anteponamus, non qvod proximum magis qvam nos ipsos diligamus, sed qvia divinum honorem aliqvando in proximo, no- stris commodis \& bono præferimus. q. 6. Nolim in me banc thesin suscipere, ut non misereamur proximi, qvi se in egestatem ipse conjecerit, nisi serio resipiscere illum videamus. Nam hominis miseremur etiam mali, spe futuræ aliqvando pœnitentiæ. Ita tamen ut malitiam non foveamus, sed extremæ necessitati subvenia- mus. q. 15. Annon utile, paulo expressius otiosos sermones improbare? \& qvi- dem in illo censu non solæ nugæ habendæ sunt, sed multa, qvæ seria vi- dentur, verum nec spirituali nec corporali nostro bono vel audientium serviunt. c. 4. q. 2. Sæpe cogitavi, an locus Matth. 7, 6. ad sacramenta applicari possit? q. 7. Non impetrata illorum ope. Forte legendum est: non implor ata. c. 5. q. 2. Disputationem illam de novo homine, substantia an accidens sit, mallem omissam, imo maximopere rogo, ne unius illius disputationis causa libellus Tuus plurium obtrectationibus exponatur, ejusqve usus multorum excutiatur manibus, atqve ita fructus, qviinde expectari po- terat, plurimum minuatur. Ingenue fateor, nullam me novam substan- tiam, prout Philosophia voce ea utitur (scio alio sensu qvod dici possit) cre- dere in novo homine, sed substantiam ex primæva creatione superstitem alia indole \& natura indutam: unde non generatur simpliciter accidens sed substantia jam pridem existens generatur ad novam naturam \& qvasi formam. Et sicuti Diabolus suo semine in nobis non generavit novam sub- stantiam, sed corrupit qvæ prius erat, ita cum Deus nos regenerat, non alio opus est, qvam ut restituat qvod hostis ille corruperat. Forte si nos intelligamus, uterqve non aliud sentiemus, sed loqvendi modi diversi sunt. Optarim autem ut illis utamur, qvi ad lites \& contentiones non præ- beant occasiones, cum nobis qvovis studio vitandæ sint omnes λογομαχίαι. Imprimis in hisce rebus caveamus terminos philosophicis litibus jam obno- xios, \& in qvibus qvi rixosi sunt, ex usu disputationum suarum facilius in- veniunt, de qvo altercentur. Utamur vero terminis Scripturæ, qvos non æqve facile nobis vel eripere vel detorqvere possunt. Sane ex tota illa di- sputatione verbis his philosophicis concepta non video, qvod anima suæ salutis studiosa incrementi spiritualis capere possit, forte autem scrupulos concipiet minus utiles, vel etiam ædificationi noxior. Qvæ tamen ex Arn- dio allegantur, ascribi non veto, plena succi, \& non æqve sophismatibus a- liorum obnoxia. DISTIN- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO I. DISTINCT. III. Von den jahren 1680. \& 1681. SECTIO . 1. W Je ich zu Stephano Prætorio, Statio, Andr. Cramero gekommenen lehre de exhibita salute. Dilfelds vornehmen gegen mich. Unterscheid aus was principio die Gottseligkeit getrieben werde. Mein me- thodus aus dem Evangelio und glauben. 2. Beantwortung allerhand bis 1680. geschehenen vorwuͤrffe insgemein/ und absonderlich. Wegen der formul / ich bin Christus/ Englischer buͤcher/ commentariorum, ob man die Christen von aussen kenne/ Weigelianischer phrasium, aus dem collegio entstehenden sonderlinge und andere neue- rungen/ meine vorgegebene nachfolge/ Wincklers Tractat, Horbii, eini- ger reisen in Holland. Rettung des sendbrieffs und erlaͤuterung deren aus demselben angegriffenen stellen: Sonderlich betreffend meine lehre wegen des articuls von der rechtfertigung. 3. Gebet voreinander ein stuͤck der gemeinschafft der heiligen: dessen nutzen. Jch bedarff dessen vor andern/ sonderlich um erkaͤntnuͤß Goͤttlichen willens. 4. Die unsere kirchen obschwebende gefahr und gericht. 5. Churfuͤrsten von sachsen mißfallen an streitigkeiten/ wie auch ich keine lust dar- zu habe/ und sie gerne vermeide. 6. An M. Holtzhausen. Von dem gezaͤncke der falsch beruͤhmten kunst. Miß- brauch der Philosophie. Hochmuth einiger academicorum. Collegii in Franckfurt zustand. Stengers sache. Nichts trucken ohne nahmen. B. Rebhan. Dilfeld. Edirte allgemeine Gottesgelehrheit. 7. Wegen meiner Postill oder Evangelischen erklaͤhrung. Einiger wolgefallen daran. Nicht allen gefaͤllet einerley wol. Dessen ursach D. Pomarius. Dil- feld beantwortet. 8. Meine unerfahrenheit in schulsachen. Gute schulleute/ Hinckelman/ Gra- bovius, Pikerus. Einige regeln so zu der schul dienlich. Bedencken we- gen abschaffung exorcismi und Elenchi nominalis. 9. An einen vornehmen Politicum. Verderben in unsere kirchen. Jch und Horbius treiben nicht bloß auf ein moral- leben/ sondern dabey eine her- tzens aͤnderung aus dem glauben sich findet. Ob in modo gefehlet werde. Von den wiedrigen aufgebrachten nahmen der neuen Christen/ Pietisten: geschiehet ohne unsere schuld. Hochachtung Lutheri/ dem viele nicht nach- folgen. 10. An Das sechste Capitel. 10. An einen Edelman. Goͤttliche verheissungen muͤßen alle herrlich erfuͤllet werden. Welches uns aufmuntert. Das gericht uͤber Babel nahe: Durch welches aber GOTT vorher sein gericht an unß anheben wird. M St. uͤber die offenbahrung. Nicht allen ist die gabe gegeben/ sich wol zuerklaͤhren. Die sind zum schreiben nicht beruffen. Was vor andere geistliche uͤbungen vorzunehmen zu Gottesdienst/ eigener erbauung/ und des nechsten liebe. Zustand in Franckfurt. Methodus die glaubenslehr zu- tractiren. Dilfeld. Horbius. Winchler. 11. Meine antwort gegen Dilfelden. Der enthusiasmus zur ungebuͤhr aufgebuͤr- det: Boͤses zeichen/ daß Goͤttliche wirckungen unbekant. 12. An einen Juristen. Die Christliche freundschafft die vornehmste unter allen. Gemeinschafft der heiligen/ wie unter abwesenden auszuuͤben. 13. Alß weiter angegriffen zu werden benachrichtiget wurde. 14. Von einigen vorschlaͤgen der besserung/ sonderlich in erziehung der kinder. Catechismus examina. Confirmation. Ob gnug an die jugend zuarbei- ten. Ob die reformation ohne die obrigkeit anzustellen. Gefahr von dem Papstumb. 15. Uber eines guten freundes Tractaͤtlein/ in dem unterschiedliches anstoͤßig ge- funden. 16. An S. Scriverium, alß er ein halb jahr vorher mich sampt andern 2. Theo- logis wegen der vocation zu der Koͤniglichen Erbprinzeßin aus Denne- marck/ die alß Koͤnigliche Swedische Braut ihn zum Hoffprediger mit in Schweden nehmen wolte/ consuliret, ich ihm die folge gerahten/ die andern beyde aber ihm bey seiner gemeinde zubleiben die freyheit gegeben/ und er die- sem gefolget hatte: Wie wir mit deme wie es Gott fuͤget zufrieden sein sollen. 17. Nutzen den ich gehabt/ von Dilfeld angegriffen zu seyn. Approbation mei- ner antwort/ wichtigkeit der materien. 18. An einen vornehmen Theologum wegen Dilfelds schrifft gegen mich. 19. Wie wir uns der verfolgung zuversehen haben. 20. An einen vornehmen Fuͤrstl. Rath/ der von des regierstandes fehlern zu- schreiben vorhatte. Von den piis desideriis. Von der Cæsaropapia. 21. Freude uͤber anderer vorbitte. Zustand in Franckfurt noch nicht so gut/ als er anderswo geruͤhmet wird. Haltung Goͤttlicher Geboth. Ob Gottes wort von einen todten prediger ohne wirckung seye. Von mir nichts son- derlichs zuerwarten. Uns bevorstehende schwere gerichte. Nutzs der ge- behte voreinander. 22. Meine predigten uͤber Joh. 3. Crameri kinder GOttes ehrenstand und pflicht. Wie man sich zuverwahren um nicht in irthum verfuͤhret zuwer- den. Gefahr und noth unserer zeiten. 23. Vor- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO I. 23. Vorschlag einiger reisen der Theologorum, einander zubesuchen. Lehr des geschenckten heils. Steph. Prætorius. Zur ungebuͤhr von einem beruͤhmten Theologo angegriffen. Statius. D. Danhaueri beypflichtung. D. Brodt- becks seeliges und bedenckliches ende. Neodorpii schrifften. Egardi. Fromme Buchbinder. Academi sches greuelwesen. Andr. Cramerus. D. Haveman. Kriegsmans Theopraxia. Joh. Sam. Kriegsman/ Dilfeld. D. Museus. D. Beyer. Grosse bewegung in den hertzen. Hoffnung daraus. 24. Allgemeine Bewegung in den hertzen. Hoffnung daraus. Jn Franckfurt etwas stiller. 25. Viele Theologi keine wahre Theologi. Gedenckbuͤchlein. Dilfeld. An- dere ungewohnte phrases. Vermeinte errores Speneriani aus der Po- still. Falsche imputationes Horbio geschehen: und andere materien sol- cher zeit. Nahmen der Pietisten. 26. Langsame antwort aus noth. Dilfelds vergebener angrieff. Klage des verderbnuͤß in allen staͤnden. Dero schuld. Zum weltlichen stand. Zum lehrstand. Der artickul der rechtfertigung wird nicht allezeit gnug getrieben. Kuͤrtzere abfassung der Catecheti schen lehre. Sorge vor der Juden be- kehrung. Mangel des vertrauens auff GOtt im zeitlichen. Mißbraͤuche der handwercker. Bettler. Lange haar. Frucht des amts mit gedult zu erwarten. Allmaͤhlige goͤttliche offenbahrung der geheimnuͤssen. All- zugrosses ansehen der Theologorum in der lehre. Arcana medicorum. Α῎ρτος ἐπιου´σιος. Buchhandlung. Sabbathsfeyer. Aberglauben. Christ- kindlein. Grosse verderbnuͤß der menschen. Kein natuͤrliches liecht zum geist- lichen in ihm. Lehr von der Evangelischen seligkeit insgemein: Wird nicht gnug getrieben. Angefochtene. Beschreibung der laster. Schuldigkeit steter Arbeit. 27. An M. Holtzhausen/ da er zu Hildesheim ausgestossen worden. Seelen-ge- fahr bey geistlichen aͤmtern. 28. Gefahr unserer kirchen von irrglaͤubigen. Von gefahr des Atheismi. 29. Wunsch die Theolog ie in ihrer ersten einfalt zu sehen. Catecheti sche exa- mina. Dero nothwendigkeit. Dergleichen hin und wieder eingefuͤhret. 30. Daß falsch auffgedichteter verdacht endlich nutzen koͤnne. Catecheti sche unterrichtung. Pauli Episteln. Von einem mir begegneten außgestreue- ten fabel. Gottes rath in dergleichen. 31. An einen Fuͤrstl. Theologum zu suchung dessen freundschafft. Waruͤmb einige in dergleichen schohne. Bitte meiner auff der Kantzel nicht zuge- dencken. Herr von Seckendorff. 32. Auffmunterung. 33. An einen Fuͤrstl. Theologum, der mir den Vater titul beygeleget/ ich ihn a- U u ber Das sechste Capitel. ber hinwieder bruder nennete. Unbilligkeit des nahmens Spenerianer. Jch suche keine Secte. Nochmahlige bitte meines nahmens nicht auff der Kantzel zugedencken. 34. Von der besserung der kirchen. Nichts zu uͤbereylen. Kein eigennutz zu suchen. Wie der Doctorum academicorum freundschafft zu erhalten. Ob ein Synodus practicab el und nuͤtzlich. Was von consistoriis zu er- warten. Kirchenbuß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine conformi- taͤt in ceremonialibus einzufuͤhren. Ob und wie die Qvaͤcker zu entschul- digen. Ob der teuffel per enthusiasmos ein liecht anzuͤnde. Ob und wie auff die predigten zu studiren. 35. Jn verwahrung vor abfall ist das buchstaͤbliche wissen nicht gnug. Wegen adjunctur eines predigers. 36. Freude uͤber vermehrung der frommen/ sonderlich treuer diener GOttes. Schmertz in der buß nuͤtzlich/ und nicht gleich nach trost zu eylen. 37. Als ein christlicher prediger remov irt worden. Vorhaben eine Apologia zu schreiben. Auff was art das nimium studium philosophiæ zu bestrei- ten. Christliche gelassenheit zu einem beruff. 38. Die hertzlichste freude aus der geistl. freundschafft wahrer Christen. Dero- selben nutzen. Auffmunterung darzu. 39. Frucht des predigtamts bleibt nicht aus. Ob sie auch in geringer maß/ nicht zu verachten Marc. 4. Verdacht irriger lehr aus der lehr der heiligung und lebendigem glauben/ die doch allerdings lutherisch. Viele boͤse im predig- amt aus goͤttlichem gericht. 40. Wie wenig von reformation des geistl. standes zu hoffen. Besorgte goͤttl. reformation. Censur des Gedenckbuͤchleins. Dilfelds vorhaben. Ob man die worte erneuerung und heiligung auslassen soll. Wie Paͤpstische hypotheses in die kirche einreissen wollen. Daphnæi Arcuarii tractat. 41. Als die Stadt Straßburg in Frantzoͤsische gewalt gerathen: wie solches ge- richt Christlich anzusehen und wie sich alle dabey zu verhalten haben. 42. Wie das mittel von einem prediger zu treffen/ weder sein gewissen den men- schen zu unterwerffen/ noch auch in eigensinn und hartnaͤckigkeit zu verfal- len. 43. Goͤttlicher guͤtiger rath/ der mich durch Dilfelden angegriffen werden lassen/ und die antwort gesegnet. Rettung meiner lehr vom verdacht. Verlan- gen in der that Gottesgelehrte zu haben/ da keine andere in der versolgung bestehen werden. Erinnerung/ da man Jacob Boͤhmens schrifften wieder trucken lassen wollen. 44. An einen guten freunde/ der mich vieler dinge erinnert. Willigkeit erinne- rung anzunehmen. Verleugnung des academischen hochmuths und stu- dien. ARTIC. I. DISTINCTIO. III. SECTIO. I. dien. Dieser nutzes. Geistlicher hochmuth. Academische grade. All- gemeine klage der Propheten/ ob zu wiederhohlen. Ob einige auszunehmen. Anderer Theologorum freundschafft. Worzu sie nuͤtze. Ubergang zu den creutztraͤgern. Lutherus. Arend. Babel allein. Rom mit dessen an- hang. Meine studia Heraldica. I. Botkius. Herm. Jungius. Gifft- heil. Trappe. Kuhlman. Jac. Boͤhme. Verlangen der Gewißheit uͤber ihn. M. Holtzhausen. Ob man aus Luthero einen abgott mache. Meine gedancken uͤber unseren ietzigen zustand. Welcherley mittel muͤssen vorge- schlagen werden. Was noch auszurichten. Ob etwas vergeblich zu ver- suchen. Annehmung der noth der armen. Jsrael in der wuͤsten. Ob die Ungern und Reformirten in Franckreich verlassen werden. 45. Uber den S. todt Hertzog Moritzen zu Sachsen Zeitz. 46. Nothwendigkeit der einigkeit der Christen/ sonderlich Theologorum. 47. Als in Straßburg an statt des abgenommenen Muͤnsters die prediger kirche zum Evangelischen Gottesdienst beqvem gemacht worden. 48. Von meiner unschuld. SECTIO I. Wie ich zu Steph. Prætorio, Statio, Andr. Cra- mero gekommen. Lehr de exhibita salute. Dilfelds vor- nehmen gegen mich. Unterscheid/ aus was principio die gottseligkeit getrieben werde. Mein methodus aus dem Evangelio und Glauben. D Jeses erfreuet mich noch so viel heꝛtzlicher daß es eine so liebe und heilige lehꝛ/ de salute in Christo exhibita, gewesen/ wodurch bey meinem liebsten Bruder die erste liebe gegen mich/ durch denselben aber in dem Christ- fuͤrstlichen gemuͤth/ eine solche zuneigung erwecket seye worden. Hierbey hof- fe ich/ es werde nicht entgegen seyn von mir mit mehrerem zuvernehmen/ wie mirs wegen Prætorii oder Statii Buch gegangen. Jch hatte durch GOttes gnad die lehr selbst/ wie uns die seligkeit in Christo geschencket sey/ dem grund nach gefasset/ wie der sel. Hr. D. Dannhauer, als mein Præceptor, solche getrieben/ wie er sonderlich in seiner Hodosoph. p. 1404. davon handelt/ und sagt daß die seeligkeit in diesem leben/ und wie sie dort seyn werde/ nicht specie differir en sondern gradu, apparitione: daraus er auch ein kraͤfftig argument wieder die merita operum ziehet. Jedoch gestehe ich gern/ daß ich damahlen/ als dem U u 2 Luthe- Das sechste Capitel. Lutheri schrifften auch noch frembd waren/ so viel absonderliche erkaͤntniß da- von nicht gehabt. Es begab sich aber daß in dem Conventu alhier/ da ich mein ampt angetreten/ mir aufgetragen wurde/ nebens noch 2 Collegis, einem stu- dioso zuzusprechen/ wegen meine predigt/ welche er gehalten/ und man einige bedencken daruͤber gehabt/ daher seine erklaͤrung uͤber einige dinge noͤtig erachtet. Es kam aber incidenter auch vor/ daß jemand aus den Collegis meldete/ er ginge auch mit einigen buͤchern umb/ die nicht richtig sondern verdaͤchtig waͤ- ren/ und wurde also des Statii schatzkammer gedacht. Als ich nun nach haben- der meiner commission mit ihm geredet/ so fuͤgte auch dieses letztere bey/ daß ich von dergleichen gehoͤret; zwar weder Authorem noch buch kennete/ daher auch davon nicht selbst urtheilen koͤnte/ als daß davon von den Hhr. Collegis ge- hoͤret/ daß einiger verdacht darein gesetzt wuͤrde/ jedoch ohne benennung/ worin ein solches bestuͤnde. Er entschuldigte sich/ haͤtte nichts anders als goͤttlichem wort und der orthodoxiæ gemaͤß darinnen angetroffen/ bote mir das buͤch- lein zulesen selbst an/ wo ihn einiges ungleiches gezeigt wuͤrde/ wolte er sich gern vorsehen. Jch hatte aber damahl die zeit nicht es zulesen. Nach sol- chen brachte mir einer meiner Hhr. Collegarum dasselbige und zeigte mir an/ daß er in einigen etwas anstoß finde. Daruͤber ich solche loca laß/ aber alsobalden des authoris christliche meinung erkante/ und damit gelegenheit und trieb bekam/ das gantze Tractaͤtlein mit fleiß zu lesen so auch mit grossem ver- gnuͤgen von mir geschehen ist. Also daß ich nicht leugne/ solche heilige und treff- liche lehre/ dero grund ohne das durch goͤttliche gnad gehabt/ daraus so viel klaͤrer eingesehen zu haben so mich niemahl reuen wird; Jch bin auch damit in Lutheri schrifften weiter eingewiesen worden/ die ich mir folgendes so viel emsi- ger zu lesen habe angelegen seyn lassen. Jch fande doch/ wie ich solches nicht leugne/ einige ort/ welche ich einiger guͤtiger erklaͤrung noͤtig zu haben erkante/ sonderlich einen/ der es vor andern bedurffte. Habe auch nicht bedenckens ge- habt (noch habe es jetzo.) das buͤchlein einigen frommen seelen/ die aufgemun- dert und aus der schwermuth zu einer glaubens freudigkeit aufgerichtet zu wer- den bedoͤrffen/ zu recommendir en. Jch hatte aber verlangen/ Steph. Prætorii eigene buͤcher/ aus dem ich Statii arbeit extrahir et zu sein sahe/ selbst zu lesen/ die ich endlich auch bekommen/ damit ich de sensu Statii aus dem brunnen selbst/ so viel besser urtheilen koͤnte. Als ich solche schrifften erlangt/ habe so viel muͤhe angewandt/ weil die edition anders war/ als des Statii allegir te/ daß alle ort in dem Prætorio / nachgesucht/ und dero anfang und ende in meinem exem- plar gezeichnet/ damit ich sehen moͤchte/ was Statius irgent ausgelassen. Diese Collation hat mir gewiesen wie einmahl der liebe Statius mit grosser fuͤrsichtig- keit seine excerpta gemacht/ und einige dinge/ die anstoͤßig sein/ weg gelassen/ hingegen dasjenige gesetzt/ daran ein Christlicher leser nicht ursach hat sich zu- stos- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO I. stossen. Welches ich sonderlich an einem ort deutlich wargenommen/ da der liebe Prætorius sich unleugbar verstossen hatte; Aber Statius ließ solches harte aus/ und setzte dasjenige/ welches/ wo es nach der intention Prætorii genommen wuͤrde/ freylich noch nicht paßiret werden koͤnte/ aber wo es allein stehet/ und mit einiger billigkeit verstanden wird/ wol mag aufgenommen werden. Je- doch leugne nicht/ daß Prætorius aus lesung seiner eigenen werck etwas derje- nigen hochachtung bey mir verlohren/ die ich vorhin von ihm aus Statii ruhm haͤtte geschoͤpfft. Jedoch fand ich ihn/ ein solcher man zuseyn/ der von hertzen Gottselig gewesen/ den grund des Borels herrlich erkant habe: Weil es ihm a- ber an studiis mag gemangelt haben hat er einige weitere folgen aus wah- ren thesibus gemacht/ so gleichwohl darnach irrig gewesen: So dann daß er sich in einigen dingen zu leicht aus guter meinung einnehmen lassen. Nichts de- stoweniger achtete ich ihn vor einen redlichen und solchen lehrer unserer kirchen/ dessen wir uns nicht zuschaͤmen haben/ wie ich ihn noch also halte/ und nicht weiß warumb wir nicht mit gleicher liebe einige fehler unser kirchen zu gut halten sol- ten/ als wir den alten Vaͤtern zu gut zuhalten pflegen. Es vergnuͤgte mich auch so viel mehr/ daß mir von einem guten freund seine revocation uͤber etli- che puncten communicir et wurde/ daraus ich gesehen daß er auch willig gewe- sen sey/ der warheit zuweichen/ wo er dero uͤberfuͤhret worden. Es begab sich nach solchen/ daß mir in die haͤnde kommen Hr. Andreæ Crameri gewesenen Superintendenten zu Muͤlhausen unterschiedliche Tractatus / tauffstandt/ gnadenordnung/ anfuͤhrung zu der Catechismus lehr und dergleichen. Worin ich die von Prætorio und Statio so hertzlich getriebene lehr mit allen de- ro umbstaͤnden ausgefuͤhret angetroffen/ aber also/ daß sie mit mehrer behut- samkeit und in einem compendio kurtzer gefast ist. Es hat mich aber die le- sung solch buͤchlein dermassen afficir et/ daß/ weil man keine exemplaria ha- ben koͤnte/ ich 5. deroselben zusammen unter dem titul der Kinder Gottes Eh- renstand und pflicht auffs neue zweymahl hier habe trucken lassen/ damit auch andere ihre erbauung daraus haͤtten/ was mir so nuͤtzlich gewesen war. Jch habe auch von solcher materia und wie alle wahre froͤmmigkeit aus dem Evan- gelio herkommen muͤste/ ein vorrede davor gemacht/ und meine meynung dar- innen deutlich ausgetruckt. Jch weiß aber nicht/ ob meinem vielgelieb- ten Bruder solche scripta bekant sind/ bin sonsten bereit/ dieselbige mit gelegenheit zu communicir en. Nach diesem habe mit einem gottseligen mann/ Doctore und Professore Medicinæ zu Thuͤbingen ( Hr. D. Georg Conrad Brodbeck/ kundschafft bekommen/ der/ wie wir ohne das mit einander befreundet/ offters in brieffen von solcher materie sich mit mir ergoͤtzet; er hat auch selbst ein herrliche schoͤne taffel vor sein haus und seine freunde trucken lassen/ da auf anderthalb bogen die gantze lehr unsers Heils per compendium sehr schoͤn U u 3 bey- Das sechste Capitel. bey sammen stehet; der liebe mann achtete auch einmahl nuͤtzlich/ daß sich ein Theologus zur publica defensione des guten Prætorii wider seine gehaͤs- sige hervor thaͤte/ ich bekenne aber/ daß ich solches nicht vor nuͤtzlich geachtet/ in dem dardurch solche liebe schrifften eher den leuten aus als in die haͤnde gebracht werden wuͤrden. Er ist nach solchen vor etlichen jahren von GOtt selig abgefo- dert worden/ und hat gleich wie sein leben in einer staͤten danckbahren gedaͤcht- nis und preiß der Goͤttlichen empfangenen heils-wolthaten zugebracht/ alß noch seinen sterbenden mund mit solchem lob beschlossen. Dieses ist dasjenige/ wie ich zu Statio gekommen bin/ und was darbey vorgegangen. Nach solchen ha- be auch solches Statii Lutherum Rediv. / so auch wohl ein herrliches Buch/ be- kommen/ und mit grossen vergnuͤgen gebraucht. Ach der HErr lasse solche warheit des geschenckten heils allen je mehr und mehr bekant werden als wel- che warhafftig die seligmachende krafft des Evangelii ist. Nur wuͤnschte ich/ daß in deslieben Staii Buch/ solche materie von den seligmachenden glauben selbst/ und wie solcher von dem aus eigener vernunfft machenden oder vielmehr erdichteten glauben und fleischlicher einbildung zu unterscheiden seye/ noch mit mehrerem aus gefuͤhret wuͤrde/ damit der sicherheit und allem mißbrauch sol- cher heil. lehr am allerkraͤfftigsten moͤchte gewehret und vorgebeuget werden und zwar ohne einigen abgang der evangelischen lehr selbst/ sondern zu derosel- ben vorsichtiger erleuterung. Jm uͤbrigen hat mir Hr. Dilfeld vor etwa an- derthalb Jahr einiges der sachen/ die er in dieser materie trucken lassen/ ge- schickt/ wie ich ihn aber bald aus wenigen zeilen habe kennen lernen/ habe ich solche dinge bißhero zulesen nicht wollen die muͤhe nehmen/ nach dem mir aber je- tzo durch mein vielgeliebten Bruder die historia erklaͤret worden/ so will ich doch zusehen/ daß ichs naͤchst lese und warnehme/ was dann gegen diese lehr aufgebracht werde; Er hat auch in dem schreiben an mich Prætorii gedacht/ ich habe ihm a- ber nicht weiter geantwortet/ als gantz noͤtig war: dann ich merckte bald an- fangs/ es moͤchte alles sein schreiben wol nichts anders als ein auslocken seyn/ und auf ein offentlichen angrieff hinaus lauffen. Jm uͤbrigen ist mir die nach- richt von solchem meinem wiedersacher sehr lieb gewesen/ als welche mir in ein und andern ferner kuͤnfftig dienen mag. Es wolle aber mein werthester Bru- der sich versichern/ daß es demselben ohne einigen schaden der communicati- on bleiben solle/ als der ich guther freunde treue nicht uͤbel belohnen will. Jch erwarte nun/ wessen er sich/ da er meine antwort gelesen haben wird/ besinnen mag. Ehe er wuͤste/ ob ich gewiß antworten wuͤrde/ schriebe er nach Worms/ daß er/ ich antworte/ oder nicht/ noch einst publice an mich setzen muͤste. Jetzo stehet dahin/ ob er anders sinnes durch GOttes gnade moͤchte sein worden/ so ich von hertzen umb seiner selbst/ und der kirchen willen/ wuͤnschte. Jch hoffe/ die materia seye so einfaͤltig und gruͤndlich/ wie es der HErr gegeben ausge- fuͤh- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO I. fuͤhret worden/ daß er genug haben/ und sich zur ruhe begeben solte: wo ich nichts weiter mit ihm zu thun haben werde. Solte er mich aber noch einmahl an- greiffen/ so stehet sehr dahin/ obs auch von solcher wichtigkeit sein werde/ daß ich ihm zu antworten die muͤhe nehmen muͤste. Jm uͤbrigen ists freylich so/ wie mein vielgeliebter Bruder mercket/ daß ein grosser unterscheid seye unter de- nen/ die auff das Gottselige leben treiben/ und ist nicht aller methodus solches zuthun der lehre Christi gemaͤß. Jch sehe gern/ daß man bey der regel des Herrn bleibe/ setzet einen guthen baum/ so wird die frucht guht. Solches setzen mus nun durch den glauben geschehen/ diesen aber bringen nicht des gesetzes werck/ sondern die predigt vom glauben/ die ist das Evangelium/ so den Heil. Geist mit sich bringt. Jst dieser da/ so folgen die wercke selbst/ und werden rech- te guthe wercke sein/ ohne zwang/ ohne verdienstsucht/ ohne eigene ehr und ruhm/ aus kindlicher einfalt und danckbarkeit. Das ist alsdann der rechte character derjenigen wercke/ welche/ wie schlecht sie von aussen auzusehen/ nicht anders als GOtt gefaͤllig seyn koͤnnen/ als rechte fruͤchte des kindlichen Geistes und also seine eigene wercke. Dieses Methodi befleißige ich mich auch nach dem vermoͤgen das GOtt gibt/ daß ich den leuten ihr Heil in Christo vortrage/ und groß genug mache/ damit GOttes Geist den glauben dardurch wuͤrcke: Nebens dem auf die buße und reinigung von suͤnden treibe/ die unser liebe erloͤser allemahl vor den glauben gesetzt hat: thut buß und glaͤubet dem Evangelio: da zeige ich denleuten/ woher es komme/ daß der glauben in ihren Seelen nicht schaf- fen wolle und sie zu der lebendigen erkaͤntnis der theurer guͤther nicht kommen koͤnnen/ wie ihnen ihr eigen hertz so offt zeugnis giebet; nemlich weil sie dassel- be durch hertzliche buß nicht wollen von der welt abziehen/ und einigerley massen reinigen lassen. Da einmahl solches himmlische licht/ nicht in eine Seel gegossen werden soll/ die mit weltlicher lust und muthwilligen suͤnden angefuͤllet ist. Dann der Geist wird von der welt nicht gefasset/ ohne welchen aber kein glau- ben sein kan. Diejenige/ so ihre heilsguͤther ergrieffen haben/ muntere ich vor- nehmlich damit auf/ daß ihr Heyl und die groͤsse desselben sie nicht ruhen oder traͤge werden lassen solle noch koͤnne; daß sie sich doch fuͤr die unausprechliche liebe ihres Heylandes recht danckbar erweisen/ und weil ihnen ja an der versi- cherung des wahren glaubens so grosses gelegen/ sich desselben durch seine fruͤch- ten und eigenschafft gewis machen/ oder wie der Apostel redet ihren beruff und erwehlung fest machen sollen. Dieses zweiffele ich nicht/ ist der rechte Apostolische/ Evangelische methodus, bey dem ich gerne zeit lebens durch ver- leihung Goͤttlicher gnade zuverbleiben gedencke/ auch an dessen nachtruck nicht zweiffele. Da bedarffs keiner neuen lehr/ von der nothwendigkeit der guten werck zu der seligkeit/ die doch dem glauben allein geschencket ist/ und wird doch aller sicherheit derweg verlegt/ da wir die fleischliche einbildung und den wah- ren Das sechste Capitel. ren glauben gruͤndlich von einander scheiden. Auch wird damit den kraͤfften des menschen nichts zugeleget/ sondern allein die krafft Christi/ der in den seinigen kraͤf- tig wuͤrcket/ gepriesen/ und der glaube zur wurtzel alles Gottseligen lebens dar- gestellet/ hingegen gezeigt/ daß der unglaube aller suͤnden ursprung seye/ und in allen stuͤcke/ wo mans auch schon nicht meinet oder gedencket. Dann was macht uns die welt/ dero ehr/ reichthum/ wollust/ so angenehm und verursachet also geitz/ ehrgeitz und andere suͤnden/ als daß wir noch das Heyl nicht erkennen/ welches mehr ist als uns alle welt mit ihren reitzungen vorstellen kan? Da hin- gegen der mensch nicht eher das geringere zuverlassen bewogen werden mag/ als wo man ihm so viel vortrefflichers anerbeut/ und wuͤrcklich schencket/ oder ge- schencket zu sein zeiget. Jch muß aber allgemach zum ende eilen/ und bezeuge wie mir dessen erste brieffliche anspruch von hertzen lieb gewesen/ also werde mich auch dergleichen continuation ins kuͤnfftig erfreuen/ weil ich doch mich versichert hal- te/ daß derselbe mit solcher guͤtigkeit gegen mich gesinnet sein werde/ mir nicht uͤ- bel zunehmen/ da ich etwa einige mahl mit der antwort etwas langsam fol- gen wuͤrde. Schluͤßlich versehe mich desselbigen bruͤderlichen vorbitte/ wel- ches ich eine groͤssere wolthat achte zu seyn als mir sonst eine wiederfahren mag/ dergleichen von meiner seiten hinwieder hertzlich versicherende. 1680. SECTIO II. Beantwortung allerhand biß 1680. geschehener vorwuͤrffe/ insgemein/ und absonderlich/ wegen der formul/ ich bin Christus/ Englischer buͤcher/ Commentariorum, ob man die Christen von aussen kenne/ Weigelianischer phrasium, aus dem collegio entstehender sonderlinge/ und andere unord- nungen/ meine vorgegebene nachfolger/ Hr. Wincklers tra- ctat, Hr. Horbii, einiger reisen in Holland. Rettung des sendschreibens/ und erlaͤuterung der in demselben angegriffe- ne stellen: sonderlich betreffend meine lehrart wegen des articuls der rechtfertigung und heiligung. J Ch wuͤnsche zum allerfordersten von dem geber aller guten gaben/ dem HErrn der zeit und ewigkeit/ daß derselbe zujuͤngsthin aus seiner guͤte an- getretenem neuen jahr auch seine neue gnade dermassen verleihe/ daß sich selbe ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. selbe taͤglich/ ja stuͤndlich/ auch uͤber Mhgl. Hr. kraͤfftig erneuern wolle/ so wohl in mehrerem liecht und krafft des H. G. zu wachsthum des innern menschen/ daran uns gleich wohl alles gelegen ist/ als folglich auch in denjenigen stuͤcken/ welche der himmlische Vater uns seinen armen kindern zu dieses lebens auffenthalt noͤthig erkennet. Ach der HErr HErr lasse keinen tag vergehen/ der uns nicht zu der se- ligen ewigkeit geschickter und bereiteter mache/ und sehe insgesamt mit vaͤterli- cher erbarmung sein armes verstoͤhrtes Zion an/ seine luͤcken wieder zu bauen/ und uns in der that zu zeigen/ daß er der seinigen noch nicht vergessen habe. Wie er auch gewißlich thun/ und seine verheissungen nicht auf die erden fallen lassen wird. Es ist freylich an dem/ wie Mhgl. Herr meldet/ daß sich hin und wieder liebe hertzen finden/ welche in allen staͤnden um den schaden Josephs bekuͤmmert sind/ und so wohl verlangen/ als darauf bedacht seyn/ wie doch ein und anderem uͤbel moͤge geholffen werden. Und seye derselbe versichert/ es sind solcher gu- ten hertzen mehr/ als man haͤtte gedencken moͤgen. GOtt hat mir die gnade gethan/ (welches auch fast meine hoͤchste freude ist) daß in etlichen jahren mit so vielen lieben leuten/ die hin und wieder/ der in diesem/ der ander in jenem unansicht- barn/ ort stehet und steckt/ bekant worden bin/ so sich ziemlichen theils aus einem guten vertrauen an mich diese zeit uͤber adressir et/ da ich etwa ihren nahmen vor- her nicht gewußt/ die aber durch brieffe ihren consensum unser desideriorum, auch ihre fernere vorschlaͤge und gedancken/ communicir et/ oder von mir eini- gen trost und rath verlanget haben. Und wie viel sind derjenigen noch uͤber die- se/ die andern noch gantz unbekant sind/ und sich damit vergnuͤgen/ daß sie in der stille zu GOtt seuffzen/ und seine huͤlffe erwarten? welcherley fast allgemeine bewegung der besten gemuͤther und verlangen nach einem bessern und der goͤtt- lichen regel gemaͤssern zustand/ gewißlich nicht von menschen herkommen kan/ sondern ich solche als eine goͤttliche wuͤrckung ansehe/ daraus aber/ daß die huͤlf- fe des HErrn so weit nicht weg seyn muͤsse/ sondern ob zwar etwa mit noch vorhergehenden schweren truͤbsalen und gerichten/ damit der HErr seine kirche reinigen moͤchte/ ehender einbrechen werde. Also sind gewißlich der seuffzen- den eine starcke anzahl/ dero ihre thraͤnen und gebet nicht unerhoͤret bleiben/ son- dern vor den gnaden thron eintringen/ und von dem Vater der barmhertzigkeit/ was sie sehnlich nach seinem willen verlangen/ ohne zweiffel erhalten werden. Es ist aber ferner freylich an dem/ daß es auch nicht mangelt an einer grossen zahl derjenigen in allen staͤnden/ welche von der besserung nichts hoͤren wollen/ sondern alle gedancken so dahin gerichtet/ als eine neue sectirische lehr in verdacht ziehen. Die mittel/ deren sich die feinde solcher sache gebrauchen/ sind offen- barlich boͤß/ ungegruͤndete argwohn/ dero redliche und vernuͤnfftigen guͤltige ur- sachen man nicht zeigen kan/ offenbare calumnien, wider die liebe geschehende verdrehungen der wort/ verurtheilung unschuldiger leute/ die man nicht gehoͤret X x hat Das sechste Capitel. hat und dergleichen. Jn allen solchen zeigt sich einmahl derjenige Geist/ welcher dem Geist Christi/ als einem Geist der warheit/ der liebe/ der aufrichtigkeit/ gerade entgegen stehet: und kan einmahl solcher auf dergleichen gruͤnden beru- hender wiederspruch/ so viel mehr/ weil solcher zu desto mehrerem schaden heimlich schleichet/ die gemuͤther hin und wieder einzunehmen/ daß diejenige/ welche angegriffen worden/ nicht wissen gegen wem oder auf was sie sich verant- worten muͤssen/ nicht von GOtt und goͤttlichem trieb herkommen. Hingegen ist so viel gewisser/ daß dann das werck aus dem HErrn seye/ dem man sich mit solchen mitteln/ die von GOtt nicht sind/ entgegen setzet. Es muß gewißlich der teuffel und fuͤrst der welt einen mehrern schaden/ der seinem reich der gottlo- sigkeit geschehen moͤge/ vor sich sehen/ als wir etwa glauben koͤnnen/ daß er seine waffen so maͤchtig dagegen brauchet. Jch bedaure aber vornemlich dieses/ daß nicht nur solche leut/ derer leben offenbar boͤse ist/ und also auch klar vor au- gen ligt/ wie ihr eigen interesse erfordere/ zu hindern/ daß das falsche Chri- stenthum und mund-glaube nicht an das licht gestellet/ und des teuffels betrug damit mehr geoffenbaret werde/ sich der sachen entgegen setzen/ sondern hin und wieder auch einige sich einflechten lassen/ die sonsten gute intention haben/ a- ber durch der andern vorgeben und mit fleiß hegende spargemen ten eingenom- men/ sich wider die liebe/ so den nechsten erstlich druͤber hoͤren und nicht so bald verdammen solte/ schwerlich versuͤndigen/ ja in einen blinden eiffer wider un- schuldige leute und eine gute sache gebracht/ sich demjenigen widersetzen/ was sie sonsten/ wo sie nach Christi regeln die gedult gehabt/ die sache mit vorsichtig- keit und liebe recht zu pruͤfen/ selbst wuͤrden gebilliget haben/ und ob wohl sol- cher leute suͤnde so schwehr nicht ist/ als anderer boßhafftigen Feinde/ so ist gleich- wohl die sache vor GOtt damit nicht entschuldiget/ und ligt der schade/ den sie damit in hinderung des guten thun/ vor Gottes gericht auf ihrer verantwor- tung. Sonderlich betruͤbt mich/ daß in der zahl solcher leute sich auch per- sonen unsers ordens und standes betreffen lassen/ denen gleichwohl als Christen und als Theologis, daher aus doppelter pflicht/ die befoͤrderung alles guten oblieget. Jch erinnere mich aber dabey dessen/ was vor 3. jahren ein beruͤhm- ter Doctor Theologiæ und General Superintendens an mich geschrieben/ daß er in seinem 27. jaͤhrigen geistlichen amt keine gifftigere feinde der gottseligkeit angetroffen/ die sich allem guten dermassen widersetzet haͤtten/ als diejenige die sei- nes ordens gewesen waͤren. Jst warhafftig ein schweres gericht Gottes uͤber unsere kirche/ aber solche leut stehen vor GOtt auch in einem sehr gefaͤhrlichen stande/ daß wohl billig eifferig vor sie zu beten ist. Was anlanget den nah- men Spenerianismi, ist mir hertzlich leid/ daß mein armer nahme hiezu miß- brauchet werden solle/ der ich niemahl weder einiges schisma intendi ret ha- be noch in einem einigen puncten von der bey der gantzen Evangelischen kirchen auf- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. aufgenommenen warheit abgewichen bin. Jst ja betruͤbt/ da man allen de- nen/ welche man als autores einer neuen Sect anziehen wollen/ gleichwohl et- was gewisses benennen hat koͤnnen/ worinnen sie irreten/ und von der warheit abtreten/ daß mir dergleichen begegnen soll/ da man ja noch nicht einigen arti- cul nahmhafft gemacht/ worinn mein Jrrthum stecken solle/ weniger die the- ses selbst gewiesen/ am allerwenigsten aber mich derselben uͤberwiesen. Was die jenige vorwuͤrffe anlangt/ die Mhhl. Hr. mir freundlich communic irt/ und ichs vor eine grosse wohlthat achte/ ja von allen dergleichen zugeschehen wuͤn- schete/ als versichert/ daß dieses der rechte eigendliche weg waͤre/ womit ich mich retten koͤnte/ so dienet darauf folgendes 1. wegen der phraseos, Jch bin Christus/ erkenne ich sie gern/ daß sie hart und ohne weitlaͤufftige explication niemahln zubrauchen seye/ als die nicht anders/ als ein paradoxon mag ge- achtet werden/ und das recht haben solle/ wie andere paradoxa, qvæ aliud in recessu habent, qvam qvod prima fronte promittunt. Jch habe sie auch niemahl gebraucht als in allegirt er predigt/ wo ich sie ja so explicir et/ daß ich nicht hoffe/ daß einiger Cordatus Theologus an der sache selbst wird mangel finden. Daß ich aber solche auf die art gehandelt/ geschahe wegen unsers lie- ben Lutheri, dem von den Papisten solche rede/ als eine gotteslaͤsterung/ zu- geschrieben wird/ und eben damahl ein schaͤndliches buͤchelein von einem Pa- pisten ausgestreuet war worden/ worinnen in der præfation diese rede zu des theuren Mannes grausamer beschimpffung und der schwachen irmachung durch- gezogen worden; daher ich es nothwendig erachtet/ solche phrasin nach des lieben Mannes sinn oͤffentlich zu erklaͤren/ und zu zeigen/ wie es in einem gesunden und heiligen verstande also heissen moͤge: Nimmermehr aber daß ich diese formul als eine consvetam und ordentlichen lehrsatz getrieben/ oder daß sie insgemein eingefuͤhret wuͤrde/ begehrt haͤtte. Als der sie ja selbst nicht zu brauchen pflege. Jch habe mich auch bereits vor anderthalb jahren genugsam erklaͤret/ so zwar ohn mein wissen getruckt worden/ und ich so bald nur gelegen- heit etwas zu schicken seyn wird/ solche blaͤttlein schicken werde. 2. Engellaͤn- dische Buͤcher anlangend/ werde ich nie einige andere recommend irt haben als folgende: praxin pietatis, und Sonthoms guͤlden Kleinod/ die so offt an Lutherischen orten getruckt/ und von so viel herrlichen Theologis beliebt wor- den: Baxters Selbst-verleugnung/ welche ein vornehmer General Superin- tendens unserer kirchen vert iret und trucken lassen; So dann Dyke Selbst- betrug/ mit austruͤcklichem vorbehalt unterschiedlicher Reformirter irthuͤme/ die darinnen seyn. Ohne diese hab ich selbst mein lebtag meines entsinnens nicht ein einiges Englisches Theologi teutschuͤbersetztes buͤchlein gantz gele- sen/ noch deßwegen andern recommendir en koͤnnen/ ob mir wohl unterschiedli- che dem nahmen nach bekant sind/ und etwa davon geredet worden. Joseph X x 2 Hallen Das sechste Capitel. Hallen Henochismum, wolte ich selbst verti ren/ wo man mir nicht zu Roten- burg vorgekommen. Was Christian Hoburgen anlanget/ habe ich keines unter seinen schrifften weniger recommendir et als seine Postill/ in dem ich/ ob ich sie wohl selbst mein lebtag niemahl gantz durchlesen habe/ (welches ja nicht unterlassen haben solte/ wo ich an den mann dermassen gebunden waͤre) in keinem seiner scriptorum, die ich gelesen/ mehr angetroffen/ darinn ich vieles zu desiderir en habe/ und anstosse/ als eben in dersel- ben. Mein urtheil aber insgesamt von seinen sachen war allemahl die- ses/ es seye vieles gutes/ so ich so wohl zum unterricht und erlernung etwas/ das man nicht vorhin wisse/ und verstehe/ alß vielmehr zur aufmunterung und bewegung des gemuͤths dienlich ist/ in solchem autore; da zu habe ich vieles in ihm gelesen/ weiß auch daß andere (und dazu Christliche) Theologi sich dessen nuͤtzlich gebraucht. Nimmermehr aber wuͤrde ich alles in ihm ge- billicht haben/ als der ich in so vielem mit ihm nicht eins bin. Ob aber Hoh- burg alles dessen schuldig seye/ was er in puncto Weigelianismi beschuldigt wird/ lasse ich lieber andere ausmachen/ alß der ich mich in den streit nicht le- gen mag. Bin aber versichert/ daß auch fromme seelen einige seine schriff- ten mit vielen nutzen gelesen/ die allen denjenigen meynungen/ die er haben sol- le/ von hertzen feind sind/ und was sie in ihm gelesen/ in solchen verstand nie- mahl angesehen oder angenommen haben sondern in dem verstand/ wie jegli- ches dergleichen in lehr und redarten in der schrifft/ Luthero und Arndio be- findlich ist/ und sie deßwegen keinen andern auch in jenem vermuthet/ noch sich beybringen lassen; und lehren wir ja alle einmuͤthig/ daß wir alles zu pruͤffen macht haben/ aber das gute behalten sollen. Jch werde aber nimmermehr einem einigen menschen etwas von solchen schrifften auf getrungen oder per- svadi ret/ ja kaum etzlicher dieselbe anders als wo davon gefragt worden bin/ auf diese weise recommendir et haben/ daß sie mit bedacht/ u. in dem verstand un- serer offendlichen lehr/ angenommen und gelesen werden moͤchten/ da mans nicht ohne nutzen lesen werde. Jch mag aber gar wohl leiden/ daß man solche buͤcher gar aus den haͤnden lege/ wo nur die schrifft in fleißigem gebrauch blei- bet. 3. Was die Commentarios uͤber die bibel anlangt/ wundert mich/ wo- her solche Calumnia entstanden/ da mir dasjenige niemahl zusinne gekommen/ was mir gesagt wird. Zwar gestehe ich gern/ daß ich den H. Geist vor den ei- nigen solchen interpretem der schrifft halte/ der nicht irren koͤnne/ hingegen kei- nen einigen alten oder neuen Autorem mir noch andern auftringen wuͤrde lassen/ daß man demselben muͤste auf seine explication und commendation glauben. Aber ich halte sie vor ein sehr dienliches hilffsmittel/ daß ich dieselben lesen/ und pruͤffen moͤge/ wie die erklaͤhrung dem wort und sinn der schrifft beykommen/ entweder wo ich in meinem hertzen dadurch convincir et werde/ und sehe/ daß alles ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. alles mit dem text uͤberein komme/ und daraus fliesse/ demselbigen beyfall zu- geben/ nicht deßwegen/ weil es eben dieser oder jener Commentator also sage/ sondern weil ich selbst in meinem hertzen alß durch solche erklaͤrung uͤberzeugt befinde/ daß dieses die meynung seye: oder wo ich solches nicht finden kan/ daß ich alßdann auch nicht dran gebunden seyn muͤste. Es ist freylich der H. Geist derjenige/ auß dessen erleuchtung wir alles noͤtige verstehen muͤssen lernen/ und denselben habe ich hertzlich anzuruffen daß er mir den verstand und hertz zur er- kaͤntnis seines worts und warheit oͤffnen wolle/ aber derselbe hat auch in vielen lieben leuten/ die Comentarios geschrieben/ ein herrliches licht gegeben/ daß mir ihre erklaͤrung durch seine gnade ein und anders in der schrifft zu weilen zeigen kan/ welches ich ohne sie vor mich allein nicht wuͤrde gefunden haben. Aber ich muß ihre explicationes nicht vor authenticas halten/ sondern daß ich sie annehme u. sahren lasse/ je nach dem ich sie selbst in meinem hertzen finde. Dieses ist meine lehr allezeit davon gewesen; die ich ja hoffe/ daß sie von keinem widersprochen werden moͤge/ der unsere Evangelische confession recht gefasset hat. Jch lese selbst die wenige Commentarios, die ich habe/ wo ich einen text tractire/ und ligt mir Flacii glossa allezeit zur seiten/ so werde ich auch stets Harmoniam Chemni- tio-Gerhardianam gebrauchen. Daß ich aber etwa ein und andermahl auch moͤchte uͤber die Commentarios geklagt haben/ daß man offt wenig hilff da- von habe/ sondern wo einige schwere ort zu tractiren sind/ nach vielen aufschlagen eben so ungewiß seye alß vorhin/ wolte ich nicht in abrede seyn; wie es auch die offenbahre warheit ist. Studiosos Theologiæ / welche etwa predigen wollen/ errin- nere ich gemeiniglich dahin/ daß sie nicht zu erst Commentarios uͤber ihre text lesen/ sondern erstlich denselben selbst mit den antecedentibus und conseqventibus fleißig erwegen/ und aus demjenigen/ was sie durch GOttes gnade finden/ eine disposition ihnen machen/ und also dabey die eigne gedancken auf zeichnen sol- len. Nachmahlen moͤchten sie Commentarios lesen/ und sehen/ was dieselbe druͤber haben/ kommen sie mit ihnen uͤberein/ so freuet sie so vielmehr/ daß sie dadurch bekraͤfftiget werden/ was sie selbst gefunden haben/ gehen sie ab von ihnen/ so erwegen sie die sach besser/ ob sie vielleicht in ihren eigenen gedancken moͤchten gefehlet haben: finden sie weiter unterricht/ setzen sie es bey/ und machen alßdann in GOttes nahmen ihre predigt/ damit gewehnen sie sich/ daß sie das judicium schaͤrffen/ und nicht mehr begehren zu predigen/ was dieser und je- ner sage/ daß es Gottes wort seye/ sondern sie selbst warhafftig erkennen/ daß es mit der warheit Gottes uͤberein komme; dahingegen die jenige/ welche nur uͤber den Commentariis ligen/ und derer einige arbeit ist/ aus denselben aus zuschreiben/ entlich nur knechte anderer menschen und gantz faul werden/ etwas selbst zu untersuchen/ welches doch des gewissens gewißheit haben will. So rathe ich den gebrauch der Commentariorum alß nicht blosser dinge noͤthig; X x 3 (dann Das sechste Capitel. (dann wer wolte den einfaͤltigen und armen sonsten helffen?) aber wo sie ver- nuͤnfftig gebrauchet werden offtmahl sehr nuͤtzlich. Und wie kan ich die Com- mentarios bloß dahin verwerffen: der ich so viel jahr habe helffen mit arbeiten an einem Commentario aus Lutheri schrifften/ allein mit seinen eigenen wor- ten gezogen uͤber die gantze bibel/ welcher daß er noch nicht getruckt/ durch an- dere umstaͤnde verhindert worden. Also auch/ der ich hoffe nicht die geringste ursach und antrib zu sein/ daß Hr. D. Schmid jetzo seinen Commentarium in Epist. ad Heb. edir et/ warum ich nebenst andern instaͤndig gebeten/ und von ihm den verspruch vor etlichen jahren erhalten habe/ auch noch mehr von sol- chem mann verlangte heraus zukommen/ wo er sich nur uͤberreden liesse. Auß welchem allen klar ist/ wie ungluͤcklich mir mit solcher auflage geschehe. Jch hoffe aber es seye etwa auch in einer vor einen jahr getruckten vorrede diesem ein- wurff etwas begegnet worden/ der ich mich mit ehester gelegenheit zuschicken nicht ermangele. Was das 4. anlanget/ daß man den leuten von aussen moͤge ansehen die Christi Geist empfangen haben/ oder dessen faͤhig sind/ ist ja eine solche laͤsterung/ daß ich fast nicht weiß/ ob ich uͤber den urhe- ber derselben/ so mir solches vorgeben beygemessen haben mag/ beschwehren oder druͤber lachen soll. Man wolle dann etwa dieses sagen/ daß Gottseli- ge hertzen/ die ihrem GOtt fleißig zu dienen und ihr Christenthum zu beobach- ten ernstlich resolvir et haben/ sich bestreben/ daß sie in allem eusserlichen/ in kleidern/ geberden/ worten und gantzem leben nicht zwar etwas sonderliches af- fectir en/ welches von der wahren Gottseligkeit fern ist/ aber sich gleich wohl al- so bescheiden/ eingezogen und demuͤtig anschicken/ daß man auch eusserlich an ihnen sehen koͤnne/ daß sie sich nicht dieser welt gleich stellen: ob sie wohl dieses und einigen schein deßwegen damit nicht suchen/ sondeꝛn weil es natuͤꝛlich ist/ daß das je- nige/ was in dem hertzen ist/ sich auch ungezwungen in dem eusserlichen zeige. Aber ob man wohl eine eusserliche modestiam und demuth bey einem menschen sihet/ halte ich doch solches weit nicht vor ein gewisses zeichen/ daß ein sol- cher mensch den Geist GOttes habe; dann es mag ein heuchler solches leicht/ sonderlich eine zeitlang/ nachohmen: Jedoch mags eine gute vermutung geben/ wo das uͤbrige leben mit solchen geberden einstimmig ist. Aber das bekenne ich gern/ daß ich a contrario wohl mit recht schliessen kan/ wo ich hin- gegen hoffaͤrtige kleider/ geberden/ leichtfertige hoͤnische minen und derglei- chen sehe/ daß solches die art rechter Christen nicht seye: und so fern moͤch- te man sagen/ daß mans einem eusserlich ansehen moͤchte/ was er seye. Jst aber eine sache/ die ich nicht allein sagen werde/ sondern alle verstaͤndige zu beystimmern hoffe: Als welches eben dasjenige ist/ was Sirach lehret 19/ 26. 27. Was 5. anlangt/ daß ich inconsvetas und Weigelianismum sapientes phrases gebrauche/ kan ich nicht antworten/ ich wisse dann dieselbe/ welche davor ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. davor angegeben worden. Jch bin mir keiner etwas wichtiges in sich fassen- den phraseos bewußt/ die nicht vor mir unser l. Lutherus und Arndius ge- braucht. Das Collegium pietatis 6. muß vergebens angegriffen werden. Wuͤrden einige sonderlinge/ so wuͤrden sie es gewiß nicht aus demselbigen/ und moͤchte so wohl die schuld demselbigen/ als den oͤffentlichen predigten/ darein sie auch gehen/ zugeschrieben werden; dann je keine propria darein gelegt werden zu etwas anders/ als in den predigten auch getrieben wird. Jedoch dem HErrn sey danck/ daß ich noch nicht einen einigen weiß/ der aus oder ohne schuld des Collegii ein sonderling worden waͤre: Man wolte dann dieses sonderlinge heissen/ die sich ein gewissen machten/ ohne noth in solcher gesellschafft/ wo sie wissen daß es eben nicht ohne viele uͤppigkeit zu zugehen pflegt/ sich einzufinden; oder wo sie in solcher sind sich mit fressen und sauffen/ unnuͤtzen geschwaͤtz und dergleichen froͤligkeiten/ die die welt vor nicht unrecht achtet/ aber ein Christ/ welcher weiß/ daß er GOtt vor alle stunden seines lebens und gebrauchung sei- ner glieder rechenschafft geben muß/ ihm nicht erlaubt befindet/ ohngescheuet mit zumachen: Dere sich vielleicht moͤchten durch Gottes gnade einige antref- fen lassen/ die sich von der welt unbefleckt zu halten trachten. Jch weiß aber niemand/ der nicht/ wo er unvermeidliche ursachen und particular-obligatic- nen gehabt/ daß seine gegenwart vor noͤthig geachtet worden/ auch so gar bey solchen zusammenkuͤnfften sich eingefunden haͤtte wo er gewußt/ daß es ohne uͤ- bermaß nicht hergehen wuͤrde/ aber alsdann so viel sorgfaͤltiger seiner selbst wahrzunehmen noͤthig ist. Es ist aber nichts neues/ daß was nicht mit der welt mitmachet/ sonderlinge heissen sollen/ und wuͤrde mir hertzlich lieb und eine grosse gnade Gottes seyn/ wofern ich dergleichen sonderlinge viel machen koͤnte. Es ist dieses die alte klage Weißh. 2/ 12. 15. dero man sich nicht zu ver- wundern. Daß einige sich ordentlichen aͤmtern entziehen/ ist dieß das erste wort so ich hoͤre/ wie ich dann noch kein exempel eines einigen geist- oder welt- lichen weiß/ der sich entzogen und resignir et haͤtte. Wo es aber einer thaͤte/ wuͤrde ich ihn etwa noch nicht alsobald condemnir en/ wann ich der gegenwaͤr- tigen zeit und aͤmter beschaffenheit betrachte/ welche aͤngstlichen gewissen wohl solte zuweilen die welt eng genug machen. So weiß ich auch kein exempel/ daß einiger seinen special- beruff deßwegen verlassen haͤtte. Ein einiger Jurist ist mir bekant/ welcher weil er mit rechts- processen allzusehr uͤberhaͤufft/ und mit sorgen derselben so eingenommen worden/ daß er klagte/ daß er fast nicht mehr recht an GOtt und seine seel davor habe dancken koͤnnen/ hat so wohl deßwe- gen als wegen ietzigen zustandes/ der sich fast aller orten bey dem justiz-wesen befindet/ da sich Advocati so schwerlich der gemeinschafft der suͤnden enthal- ten koͤnnen/ solche processe auffgegeben/ dienet aber nichts destoweniger GOtt Das sechste Capitel. GOtt und dem nechsten/ und zwar in seiner jurisprudenz, mit rathen/ ja auch offt mit schrifft machen und dergleichen proceß- sachen/ wo er sein gewissen nicht zu verletzen siehet. Wer will hier in etwas straffen? So weiß ich auch niemand/ der den oͤffentlichen gottesdienst hindansetzte/ als wo zu unser mini- sterium nicht schweigen wuͤrde. Was von dem verstehen der schrifft/ und dero dunckeln ort/ auch daher fangender grillen vorgeworffen wird/ mag mein Collegium nicht betreffen/ sondern waͤre ein mißbrauch der promiscuæ lectionis scripturæ, welche gleichwohl bißher unsere kirche ohn bedencken allezeit gegen die Papisten/ welche dergleichen einwuͤrffe machen/ behauptet hat. Vielmehr wuͤrde mein Collegium dazu dienlich seyn/ daß jemand/ der eini- gen scrupel in privata lectione gefasset/ daselbst unterricht einhohlen koͤnte. So ermahne ich ja alle meine Auditores publicè und privatim, daß sie die schrifft zwar fleißig lesen/ aber sich ja nicht an die obscuros locos machen sol- ten. Wir haͤtten alle noch eine ziemliche zeit zu thun/ daß wir daßjenige/ was wir aus den deutlichen orten der schrifft gelernet/ practicirt en/ biß wir hoͤhere dinge zu fassen tuͤchtig werden moͤchten. Goͤttliche ordnung seye diese/ daß GOTT demjenigen/ der da hat/ und solches recht anwendet/ mehr geben wolle. Ja es haben sich andere in dem gegentheil daran stossen wollen/ daß ich rathe/ man solte zu erst die schrifft also lesen/ daß man sich bey keinen eini- gen ort lang auf halte/ der nicht alsobald klar und deutlich seye/ und aber so bald emsig seyn/ solche erkaͤntnuͤs zu GOttes ehre danckbarlich an zuwenden: so wuͤrde man alß dann finden/ daß in der andern/ dritten u. s. f. durchlesung/ sich manches/ nach dem man geuͤbte sinne bekommen/ von selbsten ergeben wer- de/ was sonsten obscur gewesen/ und man mit aller bemuͤhung anfangs nicht haͤtte fassen koͤnnen. Jn summa alles dieses betraͤffe wie gemeldet nicht das Collegium privatum, sondern die freyheit/ daß jederman die schrifft zulesen befugt seye; Verbleibet also nichts uͤbrig/ daß aus meiner sache einiger weder Fanatismus noch Pharisaismus folge. Und wolte ich nur wuͤnschen/ daß solche liebe leute in eine seele sehen moͤchten/ die sich ihren GOtt rechtschaffen aufzuopffern resolvir et hat/ und in solche ordnung und uͤbung getretten ist/ ob sie nicht mehr demuth in dero grunde sehen wuͤrden/ alß bey so vielen derjenigen/ welche dieselbe eines geistlichen hochmuts beschuldigen. Dann je mehr sie sich an- greiffen/ je mehr werden sie deß bey sich befindenden greuels und verderbnuͤs gewahr/ und zeigt ihnen die reichere gnade hinwider ihre untuͤchtigkeit so viel nachtruͤcklicher/ alß sie den unterscheid und Goͤttlichen wuͤrckungen und ihres fleisches bewegungen haben lernen erkennen. Was 7. meine nachfolger anlangt/ so wuͤnsche ich nur/ daß man Hr. Wincklers tractaͤtlein von den einzelen zusammenkuͤnfften uͤber Hr. Kriegmanns Symphonesin lesen moͤge/ ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. moͤge/ ob nur das geringste darin zu finden/ das nicht von allen rechtschaffenen Theologis muͤste zugestanden werden/ so gar daß Hr. D. Menzer / welcher uͤ- ber Hr. Kriegsmanns Symph. so hefftig geeiffert/ wieder dieses Scriptum, da- rinnen Hr. Kriegsmanns meynung deutlicher erklaͤret/ und dem unrechten ver- stand oder meynung begegnet worden/ nichts zu excipi ren gefunden ohne daß er sich gegen seine Fuͤrstin uͤber die præfation, darinnen er angezaͤpfft waͤre/ und also uͤber personalia / beschwehret. Daß einige privat -zusammenkuͤnffte von Goͤttlichen dingen nach Christi befehl noͤtig seyen/ hoffe ich/ werde abermahl nach reiffer erwegung kein Theologus zubestreiten vermoͤgen/ er wolle dann alle hauß- vermahnungen/ alles gebet das man in haͤusern mit einander thut/ alle privat- bestraffungen alles besuchen der krancken da von Goͤttlichen dingen gehandelt wird/ vor unnoͤthig achten. Also bleibet freylich das Genus der privat -zu- sammenkuͤnfften geboten/ aber daraus laͤsset sichs nicht schliessen/ diese und je- ne species, wohl aber ein und andere ist noͤtig. Wer aber wolte schliessen/ daß schlechter dings nothwendig und Matth. 18. gegruͤndet seye/ daß Christen zu ge- wissen zeiten/ an gewissen orten/ destinata opera, muͤsten zusammen kommen/ und wie mans nennet Collegia halten/ der gienge freylich zuweit/ und wird weder ich noch Hr. Winckler jemahls dieses sagen. Sondern das genus hal- ten wir geboten/ von jeder specie zeigen nochmahl die umstaͤnde/ wo diese o- der jene art noͤtig und nuͤtzlich/ oder wohl auch zu weilen nicht nuͤtzlich waͤre. Hr. Horb. mag wohl leiden/ daß von weltlichen dingen geredet werde/ aber wo es solche sachen seyn/ die nuͤtzlich und noͤtig sind/ und also ob nicht zum geistlichen doch weltlichen besten etwas dienen moͤgen Welche regel aber/ die einmahl Christlich und Apostolisch/ den groͤsten theil der gemeinen discursen beschaͤ- men wird/ die wo sie recht erwogen werden/ nichts als eine zeit-vertreib gewesen/ und wo etwa auch einige heydnische Philosophi solten die zeit nuͤtzli- cher angewendet zu werden verlangen tragen: wie vielmehr wir Christen/ die wir von der rechnung wissen/ welche wir uͤber die unnuͤtze wort geben sollen. Ob er allemahl zeit und gelegenheit so kluͤglich unterschieden habe/ wo er mit jemanden geredet/ und zu dem guten vermahnet/ kan ich so præcise nicht ant- worten/ der ich nicht dabey bin. Wo aber exempel angefuͤhret wuͤrden/ bey was gelegenheit und personen ein solches geschehen waͤre/ so doͤrffte vielleicht/ wo man ihn daruͤber hoͤrete/ sich dieses geben/ daß er wohl nicht nach den re- geln der weltlichen hoͤfligkeit und wie sie das πρέπον in acht genommen haben will/ gehandlet/ solte aber wohl in dem 2. Tim. 4/ 2. ἐυκαίρως, ἀκαίρως des Apostels mit begriffen sein. So dann dahin gehoͤren wie der Apostel sagt. 2. Cor. 5/ 13. thun wir zu viel so thun wirs GOtt. Es laͤsset sich aber hie- von nicht wohl reden/ wo man nicht die facta und discursus selbst vor augen Y y hat. Das sechste Capitel. hat. Was Hr. NN. anlanget/ weiß ich von seinen Straßburgischen actio- nen nichts/ das sich nicht etwa mit andern exempeln von solchen leuten/ die in tieffer melancholia gesteckt/ belegen ließ/ und etwa beruͤhmten Theologis eini- ge dergleichen zustaͤnde zuweilen zugestossen sind. So hat er/ alß er von Straßb. hieher kam/ ehrliches zeugnis gehabt in schreiben/ da zwar seines zu- standes meldung geschehen/ aber liebes zeugnis seiner piet aͤt ihm gegeben wor- den. Und wie solten ihn die Argentoratenses eine predigt haben offerirt, alß ein mittel/ wodurch das von ihm etwa erschollene geschrey moͤchte koͤnnen ge- daͤmpffet werden/ wo sie ihn pro fanatico gehalten/ ob wohl sein damahliger zustand und angsthafftigkeit ihm solche zu halten nicht zugelassen hat? Und wie dem allem/ so ist alle freundschafft zwischen ihm und mir erst nach seiner Straßburgschen zuruͤckkunfft gemacht worden/ vorher aber er weder in kund- schafft mit mir gestanden/ wie er mir auch nie vorhin wird zugeschrieben ha- ben/ noch jemahl in mein Collegium gekommen. Waͤre also etwas ver- daͤchtiges an ihm gewesen/ so waͤre ich nicht dessen ursach und moͤchte mir nichts desselben imputir et werden. 8. Daß an dem tag sein solle/ daß viele von mei- nen nachfolgern/ sich in Holland solten verfuͤgt haben/ ist eine so klare und offenbare unwarheit/ daß ich mich der kuͤhnheit deß jenigen wundere/ wer sie mag erdacht haben. Jch weiß unter allen meinen bekanten/ die nur einigerley massen meine nachfolger (von denen ich gleichwohl auch nicht weiß/ alß der ich keine secte mache) scheinen moͤchten/ nicht mehr alß zwey/ deren der eine ein Kauffman/ seiter er hie wohnet einmahl in Holland seines weinhandels wegen gereiset/ wie er vorhin mehrmahl von Trarbach aus gethan/ der ander aber ein Studiosus Theologiæ, der nach seinen studiis Academicis lust hatte in die frembte zu reifen/ und in Holland von dar in Engelland und Franckreich gereiset ist/ und auf 2. jahr zu seiner reise angewendet hat/ jetzo aber in Teutschland noch reiset. Von diesem wurde/ weil er aus Darmstatt/ und Hr. D. Men- zer nicht wohl auff ihn zusprechen gewesen/ spargir et/ daß er in Holland ge- reiset/ ein Qvacker zuwerden/ wie mir selbst ein Professor von Giessen derglei- chen geschrieben hatte. Jch habe ihm aber nicht allein aus seinen brieffen an mich damahl gar ein anders weisen koͤnnen/ sondern alß er wiederum herge- kommen/ hie/ in Darmstatt und in Giessen sich eine gute zeit aufgehalten/ ist offenbarlich an den tag gekommen/ wie falsch alles geruͤchte/ und wie boß- hafftig der verdacht gewesen. Wie ich ja noch niemahl gehoͤret/ daß Studiosis Theologiæ an solche frembde ort zureisen solte verboten sein. Warum dann eben denjenigen allein/ die mit mir bekant worden sind? Aus diesem allem sie- het Mhgl. Hr. den ungrund deß jenigen/ was mir entgegen gehalten wird/ und ob ers wohl vor sich nicht bedarff/ alß von dem vieles andern gemuͤths un- zweif- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. zweiffentlich versichert bin/ mags doch etwa dienlich sein/ so viel gruͤndlicher den jenigen begegnen zu koͤnnen/ wo in discurs dergleichen vorkommen solte/ und es diensam erachtet wuͤrde/ etwas zu antworten. Jch wende mich nun zu dem Sendschreiben. Anfangs bekenne gern daß ich noch nicht begreiffe/ waß p. 26. nur moͤge ein schein deß boͤsen haben: Sinds die wort/ welchen die gnade Gottes weit in der heiligung gefuͤhret; so finde ich nichts/ da- ran ich nur anstehe. Es ist ja die gnade GOttes/ von dero alle heiligung herkommet; so hat die heiligung ihre gradus / und muß man immer darin- nen weiter zunehmen. Und was ists anders/ was der Apostel sagt 1. Thes. 4/ 1. Daß wir immer sollen voͤlliger werden: und zwar solches v. 3. in der Heiligung. So ists ja moͤglich/ in der heyligkeit weit gefuͤhret zu werden/ ob wir wohl nicht zu dem hoͤchsten grad der vollkommenheit annoch gelangen moͤ- gen; jedoch zu einiger vollkommenheit/ die denn anfaͤnglingen Hebr. 5. entgegen gesetzet wird. Daß solche leute immer demuͤthiger werden/ hoffe ich auch nicht/ daß es moͤge geleugnet werden/ wir wolten dann glauben/ die demuth seye keine tugend/ daran wir mit grossen fleisse lernen muͤsten. Jch bleibe ferner darbey/ daß p. 29. die objectiones kurtz und kraͤfftig abgelehnet seyn 1. Ob ich den glauben die krafft seelig zumachen entzihe? So ist mir das geringste des- sen von einigen menschen nie gewiesen worden/ da ich doch so gar die alleinigkeit deß glaubens in der rechtfertigung glaube und behaupte/ daß ich keine formul, die dieselbe deutlich genug vorstellete/ und mir vorgeschrieben werden moͤchte/ auß schlagen wuͤrde. Daß ich p. 29. dem glauben zwo Haͤnde gebe/ gestehe ich; will je- mand sich an der art zu reden stossen/ mag ich sie wohl außlassen; ich hoffe aber nicht/ daß jemand dessen ursach habe. Jederman siehet/ daß es eine figurliche gleich- nuͤsrede seye/ und heisset die hand so viel/ alß eine krafft/ oder amt/ und ver- richtung des glaubens. Nun wer will zweiffeln daß nicht der glaube zweyerley aͤmter und kraͤften habe (man nenne sie jetzt haͤnde/ oder wie man will) daß nemlich derselbe uns selig machet und also Christi verdienst ergreifft/ darnach daß er zur danckbarkeit sich Gott wiederum gantz zum gehorsam gibet. Wie auch D. Dannh. Hodos. Phœn. XI. p. 1259. in der definit. deß glaubens diese wort nach einander setzet salutaris viva ac fructuum fæcunda, sola justifica \& salvifica, da stehet die eine deß glaubens krafft in den worten salutaris sola justifica \& salvifica: die andere in den andern/ viva ac fructuum fæcunda. Wie ich auch nicht weiß ob jemahl einiger Theologus dieses doppelte amt oder krafft deß glaubens werde in zweiffel gezogen haben. Da gilts aber nicht sagen/ qvod opera, oblationis sc. suimet, læva salutis constitui ret werde/ und also damit fidei nimir. salvificæ daßjenige entgehe/ was jener attribuir et werde. Dann wo sage ich/ daß die opera seyn læva salutis: sondern ich sage/ læva manus fidei: Y y 2 Wel- Das sechste Capitel. Welcher glaube allein selig mache/ wie meine wort daselbst klar stehen/ aber ohne dieselbige seligmachende krafft auch eine gutes wuͤrckende krafft in sich habe/ und solche durch die wercke sich hervor thue. Daß ich nicht wuͤste/ wie ich die beyde verrichtungen/ die undisputirlich sich bey dem glauben finden/ deutlicher haͤtte underscheiden koͤnnen: daß ich die wercke so gar nicht alß eine mitursach der seligkeit angebe/ daß ich sie vielmehr alß eine wuͤrckung des glaubens ruͤhme/ welcher schon mit der rechten hand (ohne dieser zuthun) das heil ergriffen und erlanget hat; also gar daß die wercke vielmehr ein stuͤck und theil unserer seligkeit sind/ alß auf einigerley weise deroselben gantze oder mit- ursach. Jch komme 2. auf die andere objection, daß ich selbst bekenne/ daß ich das studium sanctimoniæ weit eifriger treibe/ alß den glauben/ und also den fruͤchten mehr als dem glauben zulegte. Jch weiß aber nicht/ wo ich jemahl solches bekant haben solle/ auf dergleichen vorbringende art und absolute. Aber so mag ich wohl sagen/ daß bey unsern leuten/ die ohne das in dieser thesi, daß der glaub allein selig mache/ also gegruͤndet/ daß dieselbe bey ihnen weiter befestiget zu werden/ nicht bedoͤrffen/ nicht eben noͤtiger seye von dem studio sanctimoniæ mehr zuhandlen alß von dem glauben/ sondern daß es bey ih- non weit noͤtiger seye/ zu zeigen/ welches dann der rechte wahre seligmachende glaube seye/ damit sie nicht ein hirngespenst vor den glauben halten/ der doch allein eine wuͤrckung des H. Geistes in den bußfertigen ist/ alß ihnen nur von der seligmachenden krafft des glaubens zu predigen/ welche lehr sie/ alß lang sie nicht wissen und verstehen/ was der glaube seye/ nicht anders koͤnnen alß unrecht und zu ihrem schaden verstehen. Haͤtte ich solche leute vor mir/ wel- che den wercken das wenigste zu schreiben/ und etwas dem allein seligma- chenden glauben entziehen wolten/ so wuͤste ich auch auf dasjenige abermahl am ernstlichsten zu treiben. Jch beruffe mich in dem uͤbrigen auf den au- genschein selbst/ waß mein methodus zu predigen seye/ ob ich darin mehr von wercken oder glauben predige: Ja ob nicht alles mein predigen haupt- saͤchlich allein auf den glauben gehe/ und allemahl auf einer seiten ihme seine theuere guͤter der seeligkeit/ die er ergreiffen solle/ vorstelle/ auf der andern sei- ten aber ihme auch gleich den spiegel vorhalte/ woran er erkennen koͤnne/ ob er seye/ was er zu sein den nahmen haben will/ oder ob er sich selbst be- triege. Jch habe ja deutlich p. so aus getruckt/ was mein gantzes hauptwerck seye/ was ich unaufhoͤrlich vortrage: Nemlich nicht die wercke/ sondern Chri- sti tod und aufferstehung/ und solches auf zweyerley art/ wie sie uns 1. verge- bung der suͤnden und das Heil gebracht haben; dieses ist also der glaub/ wie er selig machet: aber solches nicht nur allein/ sondern 2. wie wir in die gemein- schafft derselben kommen/ und also mit Christo der suͤnden absterben hingegen war- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. warhafftig in das leben der gerechtigkeit eintreten muͤssen. Da sage ich drauf/ daß ich an solchem articul (nemlich wie uns der tod und aufferstehung Christi die seligkeit seye/ und uns auch heilige) am meisten arbeite. Das heisset aber nicht nur vornemlich an dem studio sanctimoniæ treiben/ son- dern glauben und dessen fruͤchten/ wie es nach Goͤttlicher ordnung sein sol- le/ mit einander treiben/ und sie nicht lassen von einander getrennet werden/ unterdessen einem jeglichen seine stelle und ordnung geben. Jch lasse auch die conseqvenz nicht gelten/ wer mehr wort machte von dem Gottseligen leben alß von dem glauben/ der legte den wercken mehr zu/ alß dem glauben; in dem wir damit nicht nur Jacobum hart beschuldigen wuͤrden/ welcher in seiner Epistel/ da ers mit leuten zuthun hatte/ bey denen der grund des glau- bens gelegt war/ und sie davon genugsam unterricht hatten/ aber sich solcher lehr anfingen zu mißbrauchen/ das meiste mit treibung auf die fruͤchte zu- bringt/ sondern eben so wohl Johannem/ den dem HErren so liebsten Juͤn- ger: Da gleichwohl/ wo wir seine guͤldene Epistel lesen/ derjenigen wort/ dar- mit er auf die heiligung treibet/ oder dero kennzeichen lehret/ auch derselben nutzen anzeiget/ viel mehr sind/ als womit er die seligmachende krafft des verdienstes Christi und des glaubens preiset. Wer wolte darum sagen/ daß dieser theuere Apostel den wercken mehr als dem glauben beygeleget haͤtte? Ja man rechne die reden Christi/ die er in seinen predigten an das volck ge- than/ wovon der HErr mehr wort gemacht habe/ von dem glauben an ihn und der darauß erlangenden seligkeit/ oder von dem leben? und doch hat er darum den wercken nichts von der seligkeit zugeschrieben. So kan mir ja nicht beygemessen werden/ daß ich in salutis acqvirendæ negotio den wer- cken mehr als dem glauben zuschreibe/ weil ich ja von unserer seiten den glau- ben/ und zwar wie er den wercken allen/ sie seyn innerlich oder eusserlich/ ent- gegen gesetzet wird/ vor das einige mittel der seligkeit zuerlangen erkenne und lehre/ und den wercken in der erlangung der seligkeit nicht nur nicht mehr sondern gar nichts zuschreibe. Was die dritte beschwerde anlanget/ daß die phrasis in der krafft bey uns zu sein/ ambigua waͤre: cum aliud sit, apprehensive meritum Christi animis inculcare, aliud imitative ut Chri- stum in vita repræsentent. Jch sehe aber nicht/ wie mir solches entgegen stehe: Jch sage/ daß Christi verdienst nicht nur muͤste in blossen gedancken/ son- dern in der krafft bey uns sein. Soll diese phrasis falsch sein/ so ist die con- tradictoria war: das verdienst Christi mag in blossen gedancken/ und bedarff nicht in der krafft bey uns zu sein. Ob sich nun jemand zu solchem satz be- kennen wuͤrde/ zweiffele ich sehr. So ist dann jene propositio wahr. Waß ich von den blossen gedancken sage/ habe ich aus Luthero in der mehrmahl an- Y y 3 ge- Das sechste Capitel. angezogenen vorred uͤber die Epistel an die Roͤmer: Wann sie das Evan- gelium hoͤren so fallen sie daher/ und machen ihnen auß eigenen kraͤfften einen gedancken im hertzen/ der spricht/ ich glaube/ das hal- ten sie dann vor einen rechten glauben. Aber wie es ein menschliches gedicht und gedancken ist/ den deß hertzens grund nimmer erfaͤhret/ also thut er auch nichts/ und folget keine besserung hernach. Bey solchen leuten ist das verdienst Christi nur in ihren blossen gedancken/ und nicht in der krafft; daher es weder mit glauben ergriffen wird zur seligkeit/ dann solche leut haben den glauben nicht/ der von GOtt gewuͤrcket ist/ noch anderes gutes in ihnen wuͤrcket. Also aber ist das verdienst Christi nicht nur in blossen gedancken/ sondern in der krafft/ wann es mit wahrem/ und also Goͤttlichem lebendigem glauben (der in kein unbußfertiges hertz kommen kan) ergriffen/ und also in Goͤttlichem gericht wahrhafftig dem menschen zu- gerechnet wird/ und nachmahl auch seine krafft ferner in toͤdtung unsers alten menschen bey uns erweiset. Dieses ist die doppelte krafft des verdienstes Christi; wie es uns eines theils die seligkeit schencket/ andern theils die suͤnde wuͤrcklich in uns dempffet/ und die heiligung befoͤrdert. Also kan ich wohl sagen/ ich nehme den leuten das verdienst Christi nicht aus den hertzen/ son- dern ich will/ daß es nicht in blossen eiteln gedancken/ sondern warhafftig in dem hertzen seye/ so wohl in warhafftiger zurechnung/ die dem glauben ge- schiehet/ und nicht der menschlichen einbildung/ alß auch folglichen kraͤf- tiger wuͤrckung vieler fruͤchten daher diese beyde stuͤck einander nicht entgegen zusetzen/ sondern zu subordini ren seynd/ daß Christi leben/ leiden und ver- dienst uns beydes donum und exemplum seye: welche beyde nutzen des ver- diensts Christi nicht ohne die groͤste gefahr getrennet werden koͤnnen. Was das 4. anlanget/ daß ich consecutive alle schwache verdamme/ ist war- hafftig eine unerfindliche auflage/ oder unziehmlicher gebrauch des worts schwachheit. Jch habe in dem Sendschreiben austruͤcklich gemeldet/ daß uns unsere schwachheit nicht von der seligkeit ausschliesse. Aber darin ligt eben der grausame betrug des teuffels/ daß man insgemein alles unter dem nahmen der schwachheit will durchstreichen lassen/ was vor Gottes au- gen fein gute starcke boßheit ist. Schwache Christen muͤssen doch Christen und Christi Juͤnger seyn/ daher einen solchen glauben haben/ der lebendig seye/ daß man nun und nimmermehr mit willen GOtt beleidigen/ sondern viel- mehr nach allen stuͤcken in seinen geboten wandeln wollen: wo solcher nicht/ sondern noch der vorsatz ist/ GOtt und dem fleisch zugleich zu dienen/ da ist nicht etwa ein schwacher/ sondern ein todter und also nicht wahrer glaube: Der mensch mag auch in seinem kopff vor gedancken haben/ was er immer will. Also ARTIC. I. DISTINCTIO. III. SECTIO. II. Also bestehet der unterscheid der schwachen und starcken Christen nicht darinn/ daß jene an Christum glaͤubten/ aber dabey sich noch nicht resolvir en koͤnten/ sich selbst zu verleugnen/ der welt abzusterben und GOtt in allen stuͤcken eifrig zu dienen/ sondern fuͤhren noch in ihrem suͤnden dienst fort/ diese aber (die staͤr- ckere) dienten GOtt allein mit rechtschaffenem hertzen. Dann jene vermein- te schwache sind noch in der that keine wahre Christen/ als denen es an der buß und sonderlich in derselben an dem glauben gantz manglet/ als welcher mit der herrschafft der suͤnden nicht stehen kan. Sondern darinn stehet der rechte unterscheid/ daß die schwache sind etwa an der erkaͤntnuͤß/ und in dem vertrauen schwach/ und ob wohl dasselbe warhafftig ist/ so gehets doch mit schwehrem kampff her/ daß sie offters nicht meinen/ daß sie glauben: so ge- hets auch mit der heiligung schwaͤchlicher her/ in dem sie nicht nur von der ein- wohnenden suͤnde hart angegriffen/ sondern etwa unterschiedlich mahl/ wider ihren guten und ernstlichen vorsatz uͤberworffen werden/ sie koͤnnen das gute/ so sie wolten/ nicht mit solcher freudigkeit thun/ daß nicht vieles eigenen zwangs dabey noͤthig waͤre u. s. f. Da hingegen bey den staͤrckern/ welche die schrifft auch vollkommene nennet/ erkaͤntnuͤß/ vertrauen/ heiligung/ freudigkeit des guten/ alles in mehrerem grad sich findet. Nun gebe ich allen rechtschaf- fenen Christen zu erkennen/ ob ich die schwache verdamme/ vor welche ich hin und wieder etwa in meinen wenigen schrifften so herrlichen trost habe auf- gezeichnet/ damit sie sich aufrichten moͤgen. Aber was die falsch-genannte schwache/ das ist diejenige/ anlangt/ die gerne wolten aus dem glauben selig werden/ und doch dabey die freyheit behalten/ nach dem fleisch zu leben/ und Christi regeln nicht unterworffen zu seyn/ so bekenne ich gern/ daß ich in sol- chem stand vor ihre schwachheit keinen trost weiß: GOttes wort wird ihnen aber auch keinen geben. Vielmehr muß ich solchen zeigen/ daß das gericht Gottes auf solcherley leuten lige/ aus denen sie nicht ohne hertzliche buß/ und also daß sie keine solche schwache mehr bleiben wollen/ entgehen koͤnnen. Das 5. betreffend/ daß die angefochtene aus meiner lehr keinen trost haben koͤnten/ weil ihnen immer ihr voriges leben vor augen schwebe/ und sie also schliessen/ daß sie den glauben nicht haben: Bedarffs gewißlich die- ser sorge gar nicht. Es sind aber der angefochtenen nicht einerley art/ ich will dießmahl allein diese beyde machen/ daß einige wegen ihrer Suͤnde angefoch- ten sind/ andere daß es ihnen an fuͤhlung deß trosts und glaubens mangelt/ deren stand wohl der betruͤbtste ist. Was die erste betrifft/ so ist die frage entweder von einem solchen/ dem sein gewissen wegen vorigen lebens aufge- wachet ist/ und ihnen GOttes gericht vor augen stellet/ er aber begehret sich darum nicht zu bessern/ sondern da ihn sein gewissen in diesem und jenem der suͤn- Das sechste Capitel. suͤnde uͤberzeugt/ will er sie doch nicht lassen/ noch die hertzliche resolution fassen/ ein vor allemahl die suͤnde abzuschaffen/ und sich in goͤttlichen gehor- sam zu begeben: Oder es ist die rede von einem solchen/ der in dergleichen angst des gewissens stecket/ aber an seinen suͤnden einen solchen eckel nun- mehr selbst hat/ daß er sie verflucht/ und nun und nimmermehr zu begehen be- gehret. Was die erste anlangt/ sind sie bloß unbußfertige/ und gehoͤret ih- nen nichts von trost/ sondern es ist die anfechtung und anklage der suͤnden bey ihnen warhafftig eine stimme GOttes in ihren gewissen/ die sie zur busse treiben will/ welcher stimm wir nicht zu wehren/ sondern ihr vielmehr nach- zusetzen haben/ daß der mensch dadurch zur busse komme/ und nachmahl der gnade faͤhig werde. Was aber die andere anlangt/ sind solche bußfertige/ und haben aus meiner lehr den allerkraͤfftigsten trost/ daß ihr hertzliches ver- trauen auf Christi verdienst sie einig und allein selig mache/ und daß der himmlische Vater an ihnen nicht daßjenige/ was sie an sich selbsten sind und haben/ sondern ihres Heylandes gnade/ die sie durch den glauben empfan- gen/ ansehen wolle: Dagegen verschwinden alle suͤnde wie der nebel vor der sonnen und derselben krafft. Ja moͤchte einer sagen/ es wird ihnen ihr glaub in zweiffel gezogen/ aus ansehung ihres vorigen lebens. Antwort/ freylich sehen sie aus ihrem vorigen leben/ daß sie damahl ohne glauben ge- wesen seyn/ und demuͤthigen sich auch wegen solches ihres unglaubens. Weil aber nicht ihr voriger/ sondern ihr ietziger/ glaube in dem gegenwaͤrti- gen stande vor GOtt angesehen wird/ so haben sie an demselben trosts uͤber- fluͤßig. Nun an dessen warheit koͤnnen sie nicht zweiffeln aus seiner frucht/ da sie derselbe zu einen so hertzlichen haß gegen die suͤnde und eiffer gegen GOtt/ die uͤbrige zeit ihm zu ehren an zu wenden/ gebracht hat. Wo wir aber von der andern art der angefochtenen/ mit denen wohl am schwersten umzu- gehen ist/ reden/ wo liebe leut/ dero leben Christlich und wohl gefuͤhret wor- den/ von GOtt in ihren seelen angegriffen werden/ das ihnen aller trost ent- gehet/ keinen glauben nicht fuͤhlen koͤnnen/ sondern sich gantz von GOttes gnade ausgeschlossen und verstossen zu sein achten/ ist denselben meine lehr- art/ so gar nicht hinderlich/ daß ich nicht sehe wie auf einige weise sonsten ihrer angst geholffen werde. Troͤstet man sie bloß mit Christi verdienst/ so zwar freylich der einige grund alles trosts ist/ so ist die exception gleich vorhanden/ es gehe allein die glaͤubige an/ sie aber haͤtten keinen glauben/ und das waͤre eben ihre marter. Man fange alßdann mit ihnen an/ was man will/ so richtet man wenig aus/ biß man sie ihres glaubens uͤberzeugt/ welches abermahl nicht anders geschehen kan/ alß daß man ihnen die fruͤchte desselben weisen kan/ woraus sie/ sie fuͤhlens/ oder fuͤhlens nicht/ nothwendig schlies- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. schliessen muͤsse/ der glaube und H. Geist muͤsse/ obwohl verborgen/ vorhan- den sein/ der sich in so herrlicher wuͤrckung zeige. Da muß das hertzliche ver- langen nach Goͤttlicher gnade/ die hertzliche verachtung alles weltlichen trosts/ die sehnliche begierde GOtt wohlgefaͤllig zu werden/ die sorgfaͤltige verwah- rung vor suͤnden/ und greuel uͤber alle vorige suͤnde/ die man in sich gehabt (die sich bey solchen angefochtenen/ wo sie gute Christen sind/ allezeit finden werden) diejenige kennzeichen sein/ daraus sie erkennen koͤnnen/ daß der glau- be/ das himmlische feuer/ in ihm seye/ dessen krafft und waͤrme sich dermassen hervor thue/ und das so tief verborgene gute offenbahre: welches zuhaben/ wo sie versichert sind/ sie darnach nicht mehr weiter an der heilwertigen gemeinschafft deß verdiensts Christi zweiffeln moͤgen. Jch rede hie nicht auß muͤssigen spe- culation en, sondern nicht nur einmahliger erfahrung/ wie es mit solchen leuten in diesem kampff hergehe/ und was den stich halte/ oder nicht: auch was die meynung deß Apostels seye. 1. Joh. 3/ 18. 19. 20. Jch gehe nun zu der 6. beschuldigung; die zwar Tarnovium betrifft. Jch habe desselben oration de novo Evangelio angezogen zum zeugniß daß meine lehr nicht neu seye. Will aber jemand den treuen und in unserer kirchen werth gehaltenen Theologum beschuldigen/ daß er die alte und unsern Symboli schen buͤchern gemaͤsse leh- re alß ein neues Evangelium traducirt habe/ moͤchte ers mit der gantzen U- niversit aͤt zu Rostock aus machen/ auf dero in solenni panegyri solche oration offendlich gehalten/ von keinem Theologo wiedersprochen/ und durch den truck ad memoriam posteritatis erhalten worden. Es gedencke aber derje- nige/ der solche von Tarnovio verworffene lehr und neues Evangelium wol- te unserer kirchen und Symboli schen Buͤchern zuschreiben/ was vor schimpff er denselbigen unverschuldeter weise anthue: die eine vielheiligere lehr suͤhren/ und der liebe Theologus samt andern seinen nachfolgern nichts mehr treiben/ alß daß wir sie erhalten/ und nicht in einem falschen Gottlosen verstand ver- traͤhen wollen lassen. Auf das 7. daß ich das studium sanctimoniæ mehr treibe alß den glauben/ ist oben bereits geantwortet/ und ists ja ei- ne seltzame sache/ daß ichs mit den Papisten halten solle/ denen ich in diesem articul vor andern am eyfrigsten wiederspreche/ und da ich viele grobe irrthuͤ- me solcher kirchen erkenne/ diesen von der rechtfertigung vor das hertz aller irrthuͤme halte. Und wie kan ich die fruͤchten erfodern ante arboris existen- tiam? Da ich erkenne/ daß nicht ein einig werck kan gut sein/ es fliesse dann aus dem glauben: und meinen zuhoͤrern so emsig zeige/ wie der glaube an Jesum Christum und sein verdienst nicht nur das einige mittel ihrer seligkeit seye/ sondern aus demselben alles Gottgefaͤllige leben herkommen muͤste/ so gar daß welche wercke/ aus einbildung einigen verdiensts/ oder was sonsten die Z z moti- Das sechste Capitel. motiva sein moͤchte/ geschehen/ nicht aber bloß allein aus dem vertrauen auff Christum/ und begierde diesem theuer verdienten Heyland widerum danckbar zu werden/ solche seyen vor GOtt keine gute werck. Und habe ich durch Got- tes gnade nechst der schrifft aus den theuern Luthero gelernet/ was da sey die werck aus dem gesetz treiben/ oder den glauben in das hertz zu einer wurtzel des gu- ten zusetzen/ deren jene nichts anders als erzwungen/ diese aber recht gute werck seyn. So hoffe ich/ daß meine fleißige zuhoͤrer/ und die mit bedacht meine schrifften lesen/ klar finden werden/ daß dieser letzte methodus von mir vornehmlich gebraucht werde; daß die glaubens-lehren alle unnuͤtzlich waͤren/ wo nicht zu vor die lebens-lehr in Christo getrieben werde/ ist eine unziehmli- che vertraͤhung meiner p. 30. 31. gebrauchten wort/ dero verstand doch so deut- lich vor augen liget/ und in dem folgenden erklaͤret wird/ ich sage nicht/ alle glaubens-lehr seye unnuͤtzlich vor der lebens-lehr: sondern ich zeige die rechte grundlehr seye das verdienst CHristi/ wie es uns die vergebung der suͤnden und das heil gebe/ und dann uns zur absterbung der suͤnden bringe. Gehet dann damit nicht der articul von der gnade GOttes von der rechtfertigung/ und was an solchen articulen nothwendig haͤnget voran/ und folget darauf die krafft desselben von der heiligung? Heisset dann dieses die glaubens- lehr nachsetzen? Ehe aber diese articul recht gefasset werden/ und wo der mensch denselbigen nicht bey sich platz gibt/ mit glaͤubiger ergreiffung der an- erbotenen guͤter/ und annehmung derselben kraͤfftiger fernerer wuͤrckung/ so moͤgen die uͤbrige glaubenslehren/ ob ich dieses oder jenes von jeden articul glaube/ oder nicht glaube/ mich noch bey weitem nicht selig machen. So se- tze ich glauben und leben in rechter ordnung beysammen/ und unterscheide sie doch auch geziehmlich. Endlich den Johann von Labadie betreffend/ kan ich nicht anders von ihn urtheilen/ alß nach meinem gewissen/ daß ich eines theils einiges gutes auch an meinem feind lobe/ wie wir ja andern Papisten/ auch Reformir ten und dergleichen dasjenige nicht nehmen/ was wir gutes an ihnen se- hen/ ob wir wohl mit ihnen in der religion nichts zuschaffen haben: andern theils von dingen/ dero voͤllige beschaffenheit mir nicht bekant ist/ ohne dazu- habenden beruff/ nicht urtheile/ sondern Gott und denjenigen/ die mehrern und gruͤndlichern bericht von allem haben/ dasjenige uͤberlasse/ was mich nicht angehet. Labadie ist nie unserer kirchen glied gewesen/ so meine auch nicht/ das er deroselben einigen schaden zugefuͤgt. Was uͤber ihn zu klagen ist/ moͤgten sonderlich die Reformir te thun/ dero kirche von ihm nicht wenig un- gelegenheit gehabt/ darvon ich aber allezeit darvor gehalten/ daß dasselbe uns etwa eher vortheil alß nachtheil bringen moͤchte. Dieses ists also/ was mei- nem Grgstl. Hochgl. Hr. auf sein freundliches verlangen von punct zu punct antwor- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO II. antworten/ und damit den puncten/ welche meinet wegen demselben/ alß mei- nen Goͤnner und sondern freunde/ objicir et worden sind/ genug gethan zu haben nicht zweiffele. Wie ich nun zwar wohl weiß/ daß wegen dessen eige- ner werther person es nicht noͤtig gewesen/ als der die warheit gruͤndlicher ein- gesehen hat/ alß daß er sich durch dergleichen ungeschickte vertraͤhungen irr machen lassen/ ohn allein was etwa einige historica seind/ da mein bericht gantz noͤtig ist/ so hoffe ich doch diese antwort solle dienlich sein/ wo es die noth- wendigkeit zu erfordern schiene (so ich zwar ohne Mgrgl. Hochgl. Hr. eigene ungelegenheit zugeschehen wuͤnsche/ und ja nicht verlange/ meinet wegen eini- ge difficult aͤten sich zuverursachen) vor mich etwas einmahl zureden/ das sol- ches alßdann mit so vielmehr grund und versicherung geschehen koͤnte. Da- her mirs allemahl eine sonderbare liebe ist/ wer mich von dergleichen/ was wider mich gesprochen wird/ berichtet/ damit ich gelegenheit finde/ meine noͤ- tige vertheidigung zu thun. Jch befehle alles demjenigen grossen GOtt/ des- sen sache es ist/ und ich gewißlich in meiner schwachheit/ gleichwohl mit auf- richtigen hertzen/ allein seine ehre suche/ und ja nichts von weltlichem interesse dabey habe/ alß dem vielmehr diese meine conduite fast schnurstracks ent- gegen stehet: Jch weiß/ derselbe wird selbst vor alles ohne mich sorgen/ und ob ich auch daruͤber mehr/ alß jetzo das ansehen sein mag/ zu leiden haben solte/ ja in der welt succumbir en muͤste/ so wird er doch seine ehre retten/ und jener tag die warheit offenbahren/ die hie mit laͤsterungen kan untertruckt werden. Er gebe es denjenigen zuerkennen/ welche sich damit in boßheit oder auch leicht glaͤubigkeit/ und darauf folgender wiedersetzlichkeit gegen das gute/ ver- suͤndigen/ daß ich armer nicht der stein des anstossens seye/ daruͤber/ ob wohl aus ihrer eigenen schuld/ andere fallen/ und Goͤttliches gericht auf sich ziehen/ welches mir manchmahl eine betruͤbniß giebet. Aber wer bin ich/ daß ich Goͤttlicher heiliger regierung vorschreiben oder derselben ordnung geben wolte/ was sie jedem zulassen und verhaͤngen solle? Deß HERRN will sey unß in allem heilig und hoch gepriesen! Daß unser Jungfl. N. N. conversation angenehm gewesen/ ist mir hertzlich lieb. Mag auch eben dieses ein zeug- nuͤs der falschen spargiment von den hiesigen dingen sein/ wo man erwe- get/ was von dieser Jungfl. die so schlimste alß abentheuerlichste sachen sind erzehlet worden/ und nachmahl selbst gelegenheit hat sie zu beleben/ da man gar eine andere person antrifft/ alß man aus jenem geruͤchte haͤtte gedencken sollen. Es gibt ihr GOtt viel gnade/ daß sie nicht nur/ wo sie geistliche her- tzen antrifft/ so bald bey denselben liebe findet/ sondern auch manchmahl/ wo sie mit widerwertigen zu einigen umgang gekommen ist/ dieselbe bald/ wenig- stens so weit/ gewonnen hat/ daß sie zulaͤstern aufgehoͤret haben. Es ist aber end- lich zeit diesen langen brieff zuschliessen; Bevor ich noch mahl von dem aller- Z z 2 hoͤch- Das sechste Capitel. hoͤchsten allen seinen milden segen/ und alles dasjenige/ was unser liebste Hey- land uns mit seinem tod verdienet und in seiner aufferstehung aufs neue ge- bracht hat/ von grund der seelen anwuͤnsche. 1680. 13. Apr. SECTIO III. Gebet vor einander ein stuͤck der gemeinschafft der heiligen: Dessen nutze. Jch bedarff dessen vor andern/ sonderlich um erkaͤntnuͤß Goͤttlichen willens. E S hat mich hertzlich erfreuet dessen gegen mich tragende und von mir unverdiente sonderbare gewogenheit zu erkennen/ sonderlichst aber des- sen und anderer frommen seelen vor mich thuendes gebets troͤstlich versi- chert zu werden: als welches ich vor die groͤste wohlthat ansehe/ die mir je er- wiesen werden kan. Auch habe bißher offters davor gehalten/ daß ich ein und anderes des goͤttlichen segens/ den der HErr zu etlichen geringen arbei- ten/ uͤber mein und anderer verhoffen/ gegeben hat/ solcher treuen vorbitte vieler theils mir bekanter theils auch unbekanter/ und hin und wieder stecken- der/ mitbruͤder/ zuzuschreiben habe: indem sie mir vieles von GOtt moͤgen erlangt haben/ dessen ich armer sonsten nicht wuͤrdig gewesen. Und ach daß wir doch alle uns dessen stets befleissen moͤchten/ vor ein ander mit eiffer und anhalten zu beten/ so wuͤrde gewißlich dieses das gesegneste mittel seyn/ da- durch wir von unserem himmlischen Vater manches erlangen wuͤrden/ so et- wa ietzo zuruͤck bleibet. Es ist je dieses ein vornehmes stuͤck der gemein- schafft der heiligen/ und uͤbung der liebe unter denselben/ auch so gar de- nenjenigen/ die sonsten wegen entlegenen orts in andern stuͤcken einander lie- be zu erzeigen keine gelegenheit nicht haben/ aber in diesem ein ander vieles nuͤtzen koͤnnen. Also lasset uns emsig seyn in diesem mittel/ so viel mehr/ als fast andere mittel/ welche biß daher zur allgemeinen besserung vor die hand genommen worden/ zimlich fruchtloß abgegangen sind/ oder doch nicht so viel ausgerichtet haben/ als wir davon haͤtten wuͤnschen moͤgen/ der gewissen ver- sicherung/ daß endlich dieses mittel das meiste ausrichten werde/ und nicht umsonst oder vergebens seyn koͤnne. Da mich die liebe wort unsers liebsten Erloͤsers sonderlichst auffrichten: Luc. 18. Solte GOtt nicht auch retten seine außerwehlten/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und solte ge- dult daruͤber haben. Jch sage euch/ er wird sie retten in kurtzen. Dieses sind die beste waffen/ mit welchen wir des grossen fuͤrsten dieser welt anschlaͤ- ARTIC. I. DISTINCTIO III . SECTIO III. anschlaͤge und gewalt zu schanden machen/ und ihn abtreiben koͤnnen. Ach daß wir nur solches allezeit im glauben und hertzlicher andacht zuthun uns ernstlich lassen angelegen seyn. Jch vor meine wenige person bedarff aber vor andern solcher bruͤderlichen vorbitt/ um so viel mehr/ weil mich GOtt nicht nur zu einer sehr volckreichen gemeinde an einem solchen ort/ da in Teutsch- land so vieler augen auf denselben gerichtet sind/ gesetzet/ sondern ohne mei- ne gedancken und hoffen dahin die sache hat ausschlagen lassen/ daß hin und wieder derjenigen zimlich viele sind/ die wie sie aus liebe ein mehrers von mir halten und hoffen/ als an mir ist/ also mehr auff mich sehen/ als ich selbst wuͤnsche/ daher wo ich anstosse und fehle/ von mir mehr schaden nehmen moͤchten/ damit mich der HErr mit seinem Geist also regieren und leiten wolle/ daß ich in allen mir und meinem Amt noͤthigen stuͤcken seinen willen ohne fehl erkenne/ nachmahl aber denselben auch getrost ins werck zurich- ten mich befleisse/ ja aber in nichts etwas thue/ davon einige aus meiner schuld anstoß und aͤrgerniß nehmen moͤchten; welches in meiner mir bekan- ten schwachheit taͤglich geschehen wuͤrde/ wo der HErr es nicht in gnaden verhuͤtete. Also stehe ich freylich vor so vielen andern in grosser gefahr/ und habe glaͤubiger mitbruͤder gebet noͤthig/ daher mich auch deroselben ver- spruch und versicherung ihres gebets trefflich troͤstet und auffmuntert/ daß ich so viel freudiger nach dem pfuͤndlein/ welches mir der HErr anvertrauet/ sein werck treibe/ und nachmahl getrost alles erwarte/ was zu leiden dabey vor- stehen moͤchte; welches mich nicht so viel anfechten oder aͤngsten wuͤrde/ wo ich nur in allen stuͤcken/ was zu thun vorkommet/ goͤttlichen willen/ was in ieglichem derselbe erfordere/ mit einer solchen versicherung meines hertzens erkennen koͤnte/ daß alle mahl allem zweiffel darin abgeholffen waͤre. Jn dem aber ich oͤffters anstehe/ und mir nicht genug zu rathen/ oder den rath des HErren/ was iedes mahl mir zu thun oblige/ zu erkennen vermag/ so ist mir dieses fast unter allen/ was mir begegnet/ das schwehreste. Deß- wegen die Erkaͤntnuͤß goͤttlichen willens das vornehmste achte/ darum ich so wohl selbst zu bitten/ als in guter freunde vorbitte einzuschliessen habe. Nun vor dasjenige was bißher auch von meinem vielgeliebten bruder in solchem treuen liebes werck zu meinem besten mag geschehen seyn/ so bedancke ich mich hertzlich/ und bitte mit dergleichen noch ferner zu continuir en/ hinwiederum auch mein armes gebet aus bruͤderlichem gemuͤth und treuem hertzen zusagen- de: als welches auch das einige ist/ welches ich vor solchen liebes dienst hin- wider versprechen kan. ꝛc. 1680. 11. Maj. Z z 3 SECT. IV. Das sechste Capitel. SECTIO IV . Die unserer kirchen obschwebende gefahr und gerichte. V On denen vielen in ihrem land befindlichen guten freunden/ die zu mir und meiner wenigen arbeit eine hertzliche liebe tragen/ werde hin und her versichert/ und habe mich dessen hertzlich zu erfreuen/ weil ich mich versichere/ an denselben solche leut auch zu haben/ die so viel angelegenlicher auch vor mich zu GOtt seuffzen/ und mir helffen/ die mir und meinem amt noͤthige gnade zuerlangen/ welcher bruͤderlicher vorbitt ich so viel mehr benoͤ- thiget bin/ als gefaͤhrlicher meine stelle ist/ und hin und wieder der feinde sich so viele hervor thun. Jch sehe es vor eine so viel guͤtigere Goͤttliche schickung an/ der mir solche freude erwecket/ und darzu in meine arme sonsten so einfaͤltige schrifften die krafft geleget hat/ derselben hertz mir zuzuwenden/ die sonsten davon nicht zu hoffen waͤre; als wodurch er mich nicht wenig offt auffrich- tet/ da mich etwa sonsten das ansehen an derer umstaͤnde mehr mahl tref- lich niederschlagen solte. Nebenst dem zweiffele ich nicht/ daß anderer al- ten bekanten und freunde gutes zeugnuͤß von mir bey ihrer mehrern zu sol- cher liebe gelegenheit gebe/ daher auch solchen zu hertzlichem danck mich ver- pflichtet erkenne. Wie ich vor die mir zuwegen gebrachte freundschafft dero geliebten und mir angeruͤhmten Schweidnitzischen Primarii Herr Benjamin Gerlachs auch hiemit schuldigen danck zusagen. GOtt erhalte auch nach seinem H. willen diesen deroselben kirchen dermassen noͤthigen und nuͤtzlichen mann/ und er zeige an dessen so voͤlliger auffhelffung als staͤrckung ein zeug- nuͤß seiner allmacht und guͤte. Jch versehe mich von denselben einen treuen mitstreiter in dem gebet und liebe/ woran es auch meiner seits nicht mangeln solle. Der hoͤchste staͤrcke auch ihre uͤbrige treue lehrer/ und weise in der that/ daß er sich seiner in der welt vor verlassen geachteten Evangelischen kirchen gleich wie anderwertlich/ also auch in ihrem lande kraͤfftig und nachtruͤcklich annehme/ und darzu entweder mittel/ die wir vorher nicht vorsehen koͤnnen/ verschaffe/ oder auch selbst ausrichte/ was denselben noͤthig ist. Ach daß er von seinem hohen thron herab sehe/ und ihn das elend seines armen fast durch aus verstoͤrten Zions zu hertzen gehen lasse/ eine kraͤfftige huͤlffe zu schaffen/ und der feinde der warheit anschlaͤge zu schanden zu machen. Kluge leute/ so in die consilia der grossen zimlich tieff einsehen/ besorgen ein gefaͤhrliches und verderbliches wetter uͤber unsere kirche: und wo wir den zustand der kir- chen ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IV. chen in ihr selbst erwegen/ so dann goͤttliches wort zu rathe ziehen/ koͤnnen wir nicht anderst/ als denselben beyzupflichten. Wie ich sehr sorge/ es seye die zeit sehr nahe/ wo nicht gar vorhanden/ daß GOTT sein gericht von seinem hausse anfange/ und Babel seinen letzten zorn zu erfuͤllung seines suͤn- den masses und maturir ung seines letzten untergangs uͤber das so verdorbene Jerusalem außzugiessen zulasse. Jene Politici mercken/ daß an den beyden hoͤchsten hoͤffen/ Gestreich und Franckreich/ die allgemeine intention gantz eine sey/ gegen den protestantismum, und sofern die freyheit der staͤnde des reichs bey uns/ welche eine starcke seule von den andern seye/ und davor er- kant werde. Ob nun wohl der beyden haͤuser privat-interesse annoch ein- ander entgegen stehet/ daß jegliches dasjenige/ was es selbst gern zu werck richtete/ nicht wohl will durch das andere thun lassen/ so werden doch be- sorglich die Jesuiten/ welche nicht nur bey dem hause Oesterreich allezeit maͤchtig gewesen/ sondern auch bey Franckreich nunmehr in solchen credit sind/ daß der koͤnig nicht nur seine consecrenz ihnen vertrauet/ sondern auch nicht haben will/ daß iemand von dem koͤniglichen gebluͤt einen andern beicht- vater nehme/ mittel und wege zufinden suchen/ daß die consilia so concerti- ret wuͤrden/ die so lang gehabte boͤse intention zu werckstelligen. Die ietzi- ge kuͤrtzlich vorstehende versammlung der geistlichen in Franckreich/ duͤrffte wohl einen wichtigern zweck haben/ als man gedencket/ und die ietzige be- reits vor einigen jahren hervor blickende manier zu handlen mit den Refor- mirten in solchem reich/ auch was in den uͤberrheinischen orten/ dero sich Franckreich anmasset/ vorgehet/ moͤgen schon etlicher massen zeigen/ was man verlanget/ und etwa von den mitteln noch zu rathschlagen hat/ wie alles am fuͤglichsten ausgerichtet werden moͤchte. Also hats freylich ein seltzames ansehen/ nicht nur allein vor die policey/ und weltliche beschaffenheit unsers Teutschlandes/ sondern noch mehr vor unsere kirche. Und wie moͤgen wir fast anderst vor dieselbe hoffen/ wo wir eines theils GOttes grosse wohltha- ten deroselben erwiesen benebens seiner gerechten gewohnheit den undanck an den seinigen allemahl am haͤrtesten zustraffen/ andern theils die euserste und undanckbarkeit der unsern gegen solche theuere wohlthat ansehen? Da wir ausgenommen die warheit der bekennenden lehr sonsten in dem uͤbrigen kaum etwas gesundes an dem gantzen leib finden/ sondern alles nicht weni- ger verderbt ist/ alß wir bey den secten antreffen/ die wir selbst wegen irri- ger lehr verwerffen/ ia mitten in dem Papstum. Wir wissen ja kaum mehr/ was die praxin anlanget/ was Christenthum oder glaube sey/ dero sich jeder- man ruͤhmet/ und aber die vor augen liegende greuel/ wie die that so fern seye/ alle diejenige uͤberzeugen/ welche noch etwas lichts uͤbrig haben. So wird Das sechste Capitel. wird gewißlich der HErr seine ehre retten/ von denjenigen/ die ihm am nech- sten sind/ die sich des Evangelii ruͤhmen/ ja die dasselbige auch verkuͤndigen (wie ich nicht leugne/ in unseren stand das meiste verdorben zu seyn/ und ge- meiniglich da selbsten anzufangen) nicht fort und fort geschaͤndet/ und um derselben willen von den widersachern gelaͤstert lassen werden: sondern wie es dorten heisset bey dem Propheten/ wird sein gericht seyn/ wie das feuer ei- nes goldschmides und die seyffe der waͤscher: sitzen und schmeltzen und das silber reinigen/ die kinder Levi reinigen/ und laͤutern/ wie das gold und silber. Und gegen diese besorgliche verderbliche heimsuchung un- serer kirchen/ darinne etwa nicht vieles von unserem eusserlichen moͤchte uͤbrig bleiben/ koͤnnen wir uns der verheissung unsers Erloͤsers/ daß er seine kirch und reiche schuͤtzen und erhalten wolle/ nicht also getroͤsten/ daß wir hieraus versichert seyn koͤnten/ daß jene nicht kommen wuͤrde. Dann seine verheis- sung wird freylich so wahr bleiben/ daß sie auch von der hoͤllen-pforten nicht moͤgen uͤberwaͤltiget werden. Aber sein reich und kirche haͤnget nicht an un- serer eusserlichen verfassung/ sondern bleibet ohne diese noch fest stehen/ ja es mag dieses das obwohl betruͤbte/ doch gesegneteste mittel seyn/ die schlacken zu verbrennen/ daß das pure gold so viel herrlicher werde/ und die so sehr mißbrauchte h. mittel der gnaden von dem mißbrauch gerettet/ wo es geschie- nen/ daß auch der gebrauch derselben gar aufgehaben werden/ erst recht auf eine weise/ die wir noch nicht genug vorsehen moͤgen/ von GOtt in einem recht heiligen und reinen gebrauch ersetzet werden. Wie dann Gottes wege alle gerecht und heilig/ aber dabey weise/ und uns unausforschlich sind. Wel- che betrachtung/ so viel mehr etwa der wuͤrckliche erfolg dergleichen dinge/ uns mehr und mehr von allem vertrauen auff dasjenige/ was noch der unbe- staͤndigkeit der zeit unterworffen ist/ abziehen/ und uns in der that glauben machen wird/ wir haben nichts versichertes mehr in der welt/ sondern daß seye allein unser/ was wir in unserer seelen gefasset haben/ das uns keine ge- walt nicht mehr nehmen kan/ sondern krafft dessen wir auch in den betruͤbte- sten und gefaͤhrlichsten zeiten/ die uns etwa auch alle eusserliche trosts-mittel entziehen mochten/ bestehen moͤgen/ dafern nemlich solches nicht nur in die gedaͤchtnuͤß/ sondern warhafftig in die seelen und hertzen gebracht ist/ als welche Goͤttliche krafft und liecht allein in der probe bestehet/ da sonsten manches auch da- vor angesehene liecht alsdann erloͤschen moͤchte. Wachen/ das ist/ genau auf den zustand unserer seelen und was GOtt in derselben wuͤrcken will/ da- mit wir dasselbe nicht verstoͤren/ so dann wie weit wir gekommen seyn/ und woran es uns noch fehle/ wie starck wir oder schwach seyen/ acht geben/ und beten/ sind die vornehmste unsere waffen/ mit denen wir uns auf den vor- stehen- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO V. stehenden kampff bereiten moͤgen/ die zwar auch GOtt nicht wird bey allen de- nen ungesegnet seyn lassen/ welche gern ihre seelen retten wollen. Dann er ist und bleibt getreu. 1680. 17. Maj. SECTIO V. Churfuͤrsts von Sachsen mißfallen an streitigkei- ten. Wie auch ich keine lust darzu habe/ und sie gerne vermeide. N Ach dem dieses bereits geschrieben/ so habe die ehr einer visiten von Hr. Reichshoffrath von Buͤnefeld/ welcher mir aus einen schreiben des Hr. Hoffmarschalls von Wolfframsdorff communicir et/ wie Jhr. Chur- fuͤrstl. Durchl. von Sachsen sonderlich mißfallen an diesem neuen streit haͤtten/ auch Jhochw. es vor nuͤtzlich achteten/ daß durch zeitliche interposition das aͤrgernuͤß abgewendet wuͤrde. Jch vor meine person habe einen grossen eckel/ an dergleichen innerlichen streit/ suche ihn niemahl von andern ohne seuffzen/ werde also nimmermehr wider einigen unser kirchen mitbruͤder erst die feder ansetzen/ ja bin auch an diese antwort aus keiner andern als droben angedeutete ursach/ welche ich bey cordat en Theologis vor wichtig gnug erkant zu wer- den gekommen. Wo also mein zugenoͤthigter widersacher beruhet/ und durch leute/ derer autorit aͤt er zu scheuen hat/ dahin angehalten wird/ so ist meiner seits aller friede/ und von mir wider ihn noch gegen einigen andern das ge- ringste zu sorgen: als der ich auch nicht einmahl gegen die oͤffentliche feinde unserer kirchen in streit mich einlassen mag/ viel weniger mit einem mitbruder anzubinden lust habe: auch ohne ruhm zu melden/ in bißherigen meinen we- nigen schrifften/ wie ich auch justo dolore uͤber viele aͤrgernuͤssen und miß- braͤuche geklaget/ mich also vorzusehen beschlossen habe/ daß ich nicht allein directè keinen menschen angreiffe/ sondern auch nicht indirecte auff gewisse individua ziehlte/ oder also redete/ daß nach meiner intention diese oder je- ne person gemeinet zuseyn gesagt werden moͤchte. Jch uͤberlasse alles des Herren h. regierung und deroselben schrifftlichen uͤberlegung/ die er zu seulen seiner kirchen und auff dero wohlstand zusehen vor andern gesetzt hat. 1680. 31. Maj. A a a SECT. Das sechste Capitel. SECTIO VI . An M . Holtzhausen. Von dem gezaͤncke der falsch beruͤhmten kunst. Mißbrauch der Philosoph ie. Hochmuth einiger academicorum. Collegii in Franckfurt zustand. Sten- gers sache. Nichts trucken ohne censur. B. Rebhan. Dilfeld. Edirte allgemeine Gottes- gelehrtheit. W O derselbe sich besorget/ daß er nach der welt eine unhoͤfflichkeit be- gehe/ in dem er seiner meinung nach unbekant an mich geschrieben/ da gleich wohl dessen werther nahm/ von GOtt in ihn gelegte theue- re gaben und hertzliche intention dieselbe auch zu des gebers ehren anzuwen- den/ mir von andern freunden vor guter zeit geruͤhmet worden/ und er also mir nicht frembd gewesen/ so muß ich nicht nur sorgen/ sondern selbst gestehn/ daß ich die regeln der pflicht/ welche unter denen beobachtet werden sollen/ die sich unter einander vor bruͤder erkennen/ mit dem allzulangen stillschweigen uͤ- berschritten habe. Jedoch hoffe ich von seiner guͤte auch dieses fehlers verge- bung unschwer/ wann ich mich nicht nur auf meine so wohl durch andere ur- sachen als den toͤdlichen abgang zweyer Colleg en von 3. monat her uͤber die ge- wohnheit gehaͤuffte geschaͤffte beziehe/ welche gleichwohl einen so freundlichen anspruch nicht eher geziehmend begegnet zu seyn nicht genugsam entschuldigen koͤnten/ sondern vornemlich dieses bezeugen kan/ daß in solchen unsers Colle- gii zustand nicht wohl zu antworten vermocht/ in dem aus desselben so oder so geschehender ersetzung die hofnung in dem verlangten an hand zugehn mehr o- der geringer werden sollen: auf welche ersetzung wir aber biß daher warten/ und noch die gewißheit nicht vorsehn koͤnnen. Ob zwar nun dieselbige gleich- sam von tag zu tag hoffen/ so habe gleichwohl die antwort auch nicht laͤnger verschieben/ sondern lieber auffs wenigste so viel aus bruͤderlichen wohlmei- nen antworten sollen/ als ich ietzo zuthun vermag. Was nun anlanget den ort 1. Tim. 6/20. von dem gezaͤnck der falschberuͤhmten kunst/ kan ich zwar determinate von E. Wohl Eh. erklaͤrung nicht urtheilen/ als dem nicht bekant ist/ mit was vor worten sie vorgebracht. Jnsgemein aber/ wo es in nichts anders bestehet/ als daß die objectiones aus der Philosophia gegen die Evangelische lehr gemeint seyen/ sehe ich nicht/ wie solcher anwendung etwas mit grund oder ziemlichem schein moͤchte entgegen gehalten werden. Es ist un- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VI. unleugbar/ daß aus der/ nicht zwar warhafftigen aber mißbrauchten/ Philo- soph ie vielfaͤltige objectiones gegen die Evangelische lehr vor alten zeiten ge- macht worden sind/ und noch offt gemacht werden. Womit haben die ke- tzer in der alten kirchen die wahre lehr gemeiniglich mehr angefochten/ als mit den waffen der falschen philosoph ie/ daß es auch geheissen: Philosophi sunt hæreticorum Patriarchæ? Und was hat in dem Papsthum das so gefaͤhrli- che/ und unserem theuern Luthero verhaßte/ monstrum, der Scholasti schen Theologiæ ausgebruͤtet/ als die vermischung der Philosoph ie mit der Theo- logie? Ja erfahren wir nicht noch allezeit an den Socinianern/ daß dersel- ben widerspruch gegen unsere wahrheit auf Philosophi schen gruͤnden bestehet/ die zwar entweder falsch/ oder durch eine μετά ασιν εἰς ἄλλο γένος unrecht angewendet sind. So ist die sache richtig/ auch der Ort Pauli so bewandt/ daß solche application sich damit sehr wohl reimet. Weßwegen ich/ wo nicht etwa sonderbare wort und applicationes dabey stehen/ welche einiges bedencken machen koͤnten/ fast nicht sehe/ wie auch nur mit einen zimlichen schein/ die erklaͤrung widersprochen/ oder besorgt werden moͤchte/ wo die sa- che anderwertlich hin verschickt werden solte/ daß ein ungleich urtheil erfolgen koͤnte. Es waͤre dann/ daß es vor solche leut kaͤme/ dergleichen einige auff der Catheder zustehen zu weilen das ansehn gewinnen will/ die eine æmula- tion gegen andere/ die in dem predigamt leben/ bey sich haͤtten/ welche gern alle gelegenheiten ergreiffen/ wo sie einem prediger/ welcher sich etwas zu- schreiben unternimmet/ mit dem wenigsten schein ankommen koͤnnen: um NB. selbs in solcher autorit aͤt zustehen/ daß wer etwas schreiben will/ nicht unge- fragt ihrer censur solches zu thun sich unterstehen doͤrffte/ oder sich so bald ihrer censur befuͤrchten muͤste. Dann wo solches gemuͤth ist/ so kan keiner so behut- sam schreiben/ daß nicht ein und ander wort entfalle/ mit deren/ leider mehr- mahl gebraͤuchlichen aber warhafftig gar unloͤblichen/ deutungen und verkeh- rungen derselbe solte zu diesem und jenem gemachet werden. Solte es nun dergleichen einen mann antreffen/ der so gesinnet waͤre/ so wolte ich E. Wohl E. nicht versichern/ daß nicht etwa die obige bekaͤntliche warheit eine mißliebige censur davon tragen moͤchte/ sonderlich wo die mir communici rte præjudi- cia darzu kaͤmen/ welche wie sie Christliche und ihres Herren ehr einig lie- bende Theologos nicht offendi ren werden/ als die sich die herrschafft uͤber keines menschen gewissen (die auch uͤber die Apostolische gewalt ge- het) annehmen/ denenjenigen aber/ die auf obangedeutete art gesinnet seyn moͤchten/ sehr verdrießlich fallen und verursachen werden/ daß sie nach ver- moͤgen einem solchen zu schaden kein bedenckens haben moͤchten/ welcher ihrer autorit aͤt zunahe zu treten scheinet. Was in dem uͤbrigen die sache eines A a a 2 re- Das sechste Capitel. responsi von unserem ministerio anlanget/ so hab ich weder damahl gewußt/ was schreiben solte/ noch sehe es ietzo in gegenwaͤrtigem stande. Jn der meß waͤre absolute nichts zuthun gewesen/ nicht nur wegen meiner damahligen aus ursach der truckerey uͤberhaͤufften geschaͤfften/ sondern auch weilen inner derselben keine conventus ministerii von alters her gehalten werden. So warteten wir von woche zu woche (ja von tag zu tag) wie annoch/ die erse- tzung der nicht nur 2. durch den tod/ sondern noch 3. andere durch baufaͤllig- keit und hohes alter/ voͤllig oder so viel als erledigten stellen in dem ministe- rio: aus dero ersetzung (weil sonderlich einige suchen uns einen sehr widrigen Collegam nach ihrem vermoͤgen aufzutringen) das meiste dependir et/ was ich in solcher sache von unserem Collegio vor E. Wohl E. hoffen darff oder nicht Welches auch wie oben gemeldet meines laͤngern stillschweigens ur- sach ist. Von mir kan ich alles zusagen/ was in einer solchen gerechten sache zu eines mitbruders bestem zu thun in meinen kraͤfften finden werde. Bißhero habe auch bey meinen HHl. Collegis den geziehmenden eiffer gefunden zu gleichem zweck; Wie ich hoffe Hr. Stenger werde sich uͤber unsers Collegii treue nicht zubeschweren/ sondern mit seiner erhaltung oder doch gewisser re- stitution wuͤrcklich dessen genossen haben/ wo er in einigen stuͤcken unserer bruͤderlichen erinnerung haͤtte wollen statt geben. Was aber in das kuͤnff- tige zuhoffen/ stehet an denen ein grosses/ was vor leute der hoͤchste mir wi- derum zuordnen/ und in zorn oder gnaden mit-arbeiter verleihen werde; in dem es ietzo eine solche zahl ist/ die ein starckes in unserem Collegio importi- ret. Beliebet aber E. Wohl E. uns die sache/ samt einem schreiben an uns/ zu uͤbersenden/ so werde versuchen/ was sich thun lassen wird. Was die truckerey anlanget/ so hats damit diese bewandnuͤß/ daß das ministerium die censur derselben nicht hat/ sondern solche stehet bey dem rath/ und hat eine zeitlang solches wollen dahin gebracht werden/ daß sie in Theologicis nichts als nach erlangter einer Theologi schen Facult aͤt censur allhier wolten getruckt werden lassen. Wie ich dann in vertrauen melde/ daß als einige meiner eigenen und bereits einmahl getruckten sachen/ solten iterata vice auf- gelegt werden/ man solches ohne vorhergehende censur einer academiæ zuzu- lassen difficult irt/ ob wohl unser gantzes Collegium durchgelesen/ davon und dazu mit mir gethan/ und es also so viel als zu seiner eigenen sach gemacht: biß endlich da wir ein Chursaͤchsisches privilegium bekommen/ der truck nicht moͤchte mit fug hintertrieben werden. Woraus E. Wohl E. einigerley massen meinen zustand und wie viel hilffe anderwertige mitbruͤder von mir hoffen und nicht hoffen moͤgen/ erkennen kan: Solte aber je etwas zutrucken noͤtig sein/ und anderwertlich nicht untergebracht werden koͤnnen/ so wuͤrde zusuchen haben/ ob ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VII. ob ich vermittels guter freunde in der nachbarschafft etwas befoͤrdern koͤnte. Wie ichs aufs wenigste an meinem fleiß nicht ermangeln lassen werde/ doch auch in einer sache/ da andere mit concurrir en muͤssen/ nichts versichertes zusagen kan. Den HErren ruffe ich taͤglich an/ daß er sich seiner armen und in der zerstoͤrung in grossem elendstehender kirchen gnaͤdiglichst erbar- men und dem verderben in allen staͤnden steuren/ meinen geliebten mitbru- der aber und unß alle samtlich/ die wir eine reine intention haben/ das unsere mit treue zuthun/ mit seinen H. Geist also regieren wolle/ daß wir in allen seinen rath erkennen/ denselben uns beqvemen/ und mit entweder wuͤrckli- cher zu werckrichtung alles verlangten guten/ oder mit gedultiger alles da- ruͤber zustehenden leydens ausstehung uͤberwinden/ und seinen nahmen ver- herrlichen moͤgen. Amen! Mein zustand wie es dem himmlischen Vater ge- fallen habe/ von unterschiedlicher zeit meine gedult/ demut und glauben durch vielerley art uͤben zulassen/ zweiffele ich nicht/ werde E. Wohl E. ander- wertlich her bekant sein: So wird vielleicht auch zugesicht sein gekommen/ wie ein faͤlschlich also genanter Balt. Rebhan oͤffendlich/ ob zwar ohn be- nennung des articuls/ mir das zeugnis eines reinen Theologi in zweiffel ge- zogen: nechst solchem aber der Diaconus zu Nordhausen G. C. Dilfeld (wo er nicht selbst eben jener Rebhan ist) auch publice mich und meinen Schwa- ger Enthusiasmi beschuldiget habe. Zwar habe der guͤte des HErrn da- vor danck zusagen/ die mich darinnen einigs der mahlzeichen CHristi und seiner Juͤnger zutragen gewuͤrdiget/ auch dardurch eine materie zu elabori- r en an die hand gegeben hat/ die etwa vielen Christlichen studiosis ein nach- dencken verursachen/ mich aber aus vielem verdacht ziehen mag: indem ich juͤngsthin unter dem nahmen der allgemeinen Gottsgelaͤhrtheit aller rechtschaffenen Christen und Theologorum meine verantwortung in der meß heraus gegeben/ die ich nicht weiß/ ob sie werde bißher zuhanden ge- kommen sein. Jch uͤbrigen bitte meiner in dem gebeth vor dem HErren auch treulich zugedencken/ ich werde gleiches zuthun auch nicht ermangeln/ 2. Jun. 1680. A a a 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO VII . Wegen meiner Postill oder Evangelischen er- klaͤhrung. Einiger wolgefallen daran. Nicht allen gefaͤl- let einerley wol. Dessen ursach D. Pomarius. Dilfeld beantwortet. E S hat mich aus dessen geliebten brieff hertzlich erfreuet/ daß GOtt meine einfaͤltige arbeit in meiner Evangelischen erklaͤhrung so gesegnet/ daß einige fromme seelen sich daruͤber vergnuͤgt befinden/ und dar- durch aufgemuntert so dann zum lobe GOttes uͤber der mir erwiesenen gna- de bewogen worden; und was soll uns mehr freuen/ alß wo uns der HErr wuͤrdiget/ daß nicht nur von uns/ sondern um unsert willen sein nahme mit danck gepriesen werde? Jch werde auch aus diesem Exempel nochmahl be- kraͤfftiget/ daß die krafft nicht stecke in der erudition, davon meine predigten nichts in sich haben/ oder doch mit willen etwas vor solcher darinnen sehn zulassen/ niemahls einige intention ist/ sondern in der groͤsten einfalt: Deß- wegen mich so viel lieber noch immer weiter deroselbigen befleißigen/ und Gott darum bitten will/ mir die gnade zugeben/ daß ich niemahl mit vernuͤnfftigen reden menschlicher weißheit in Goͤttlicher sache mich versuͤndigen/ sondern das Evangelium in beweisung deß Geistes und in krafft predigen/ und so treu er- funden werden/ alß einige fruͤchten an den seelen/ der menschen/ um ihn da- vor so viel hertzlicher zudancken/ warnehmen moͤge. Ob auch einige von so vornehmen Theologis alß auch andern guten Christen meine arbeit nicht ge- fallen moͤchte/ habe weder ich noch andere/ die sie lieben/ daruͤber uns zube- schwehren/ nicht nur allein dieweil mir selbst meine schwachheit bekant ist/ darnach auch das werck schmaͤcken mag/ sondern weil es auch in diesem stuͤck bewandt ist/ wie in dem leiblichen/ daß/ wie nur von dem geschmack zu re- den/ einer an dieser/ oder auf diese weise zu bereiteten/ ein ander an einer an- dern speise sein vergnuͤgungen meistens findet/ und damit keiner deß andern geschmack verwirfft/ also auch die art das geistliche vorzutragen/ welche alle- zeit etwas von uns an sich hat (wie so gar der H. Geist denen von ihm un- mittelbar erleuchteten maͤnnern dennoch jedem seinen eigenen stylum gelassen) kan einem so/ dem andern anders/ gefallen/ und das gemuͤth durch eines eher alß durch des andern bewogen werden/ ie nachdem es meiner eigenen art und offt nicht genugsam bekanter disposition meines gemuͤhts gemaͤßer ist: Da hingegen eine andere art/ ob sie wohl eben solche warheit auch vortraͤgt/ mich ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VII. mich nicht so vergnuͤgen wuͤrde/ die aber einen andern mehr affcir et/ den die von mir beliebte nicht also vergnuͤget haͤtte. Also wo jemand sein belie- ben in demjenigen bezeugt/ was mir etwa GOtt bescheret/ so dancke ich des- sen guͤte darvor: legets ein anderer weg/ so halte ich darvor/ daß es entweder an mir mangle/ oder doch meine art seiner disposition so nicht gemaͤß seye/ alß es zu seiner vergnuͤgung noͤtig gewesen. Findet jemand einiges mensch- liches in meinen sachen/ wie ich mich einen menschen zusein erkenne/ so werde/ da mir solches gezeigt wird/ mich nicht nur nicht daruͤber beschwehren/ sondern wo ich solches selbst alß dann erkenne/ mich ihm davor zu dancken verbun- den finden. Allein uͤber die jenige haͤtte ich mich zubeschweren/ so jemand der Goͤttlichen warheit in den stuͤcken/ die ich von deroselben bezeugt haͤtte/ wiedersprechen und sie laͤstern wolte. Davon noch was die Postill anlangt nichts gewahr worden bin. Von Hr. D. Pomario versehe ich mich dieses/ weil ich von lieben freunden seinen eyffer zur Gottseligkeit und anderes gutes ruͤhmen hoͤre/ das ob es schon sein solte/ das ihm etwa eines und anderes in meinen sachen nicht allemahl gefallen solte/ wir doch in Christlicher freund- schafft und einigkeit des geistes werden ungetrennet beharren; wie dann eben dieses auch ein uns Christen sehr nothwendiges stuͤck ist/ mit sansstmuth ge- gen alle zu verfahren/ und alles zutragen. Was meinen wiedersacher an- langt/ welcher die nothwendigkeit der Goͤttlichen erleuchtung zu der Theolo- gia geleugnet/ hoffe ich demselben durch GOttes gnade also begegnet zu ha- ben/ daß er der warheit meiner lehr selbst uͤberzeugt werden solle/ und sich doch uͤber keine hefftigkeit werde beschwehren koͤnnen. Wo einige ihres orts bißher geschienen haben/ solcher warheit auch zu widersprechen/ hoffe ich wer- de es in weiterem untersuchen gefunden werden/ daß bey solchen etwa allein wegen des worts einiger streit moͤchte sein. Jch hoffe GOtt werde auch da- rin sein licht uns immer lassen klaͤrer werden. Ach daß wir ihm nur immer fuͤr das erste danckbar wuͤrden/ so wirds nicht ermangeln/ daß er uns nicht immer mehrers gebe. 8. Jun. 1680. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO VIII . Meine unerfahrenheit in schulsachen. Gute schul- leute/ Hinckelman/ Grabovius, Pikerus. Einige regeln so zu der schul dienlich. Bedencken wegen abschaffung exor- cismi und Elenchi nominalis. J Ch wuͤnschte hertzlich/ das Mhhl. gethanen ansinnen/ wegen eines methodi die piet aͤt in den schulen zutreiben/ ein vergnuͤgen zu thun vermoͤchte. Aber ich erkenne darinnen meine schwachheit/ und wie ich die art mit der schul-jugend umzugehen gar nicht verstehe. Jch bin mein lebtag in keiner oͤffentlichen schul gewesen/ alß der ich unter privat-Præcepto- ribus in meiner lieben Eltern hauß erzogen worden/ also habe von andern niemahl gesehen/ wie mit der jugend in der schul gehandelt werden muͤsse/ so gar daß ich auch bey den meinigen selbst es anderer Christlichen prudenz uͤ- berlassen muß/ wie darinnen zuverfahren. Daher ich mit vorschlaͤgen keinen andern zu hand gehen kan. Wolte deßwegen meinen vielgeliebten freund vielmehr an andere dieser sache verstaͤndigere gewiesen haben/ sonderlich an 3. Christliche Gottselige maͤnner/ die mir biß daher durch schreiben bekand wor- den/ und ich ihr von GOtt empfangene gnade erkand zu haben meine. Wel- che sind Hr. M. Abraham Hinckelman Rector zu Luͤbeck/ Hr. Georgius Grabov Con-Rector zu Coͤln an der Spree und Hr. Johannes Piker Pro- Rector zu Koͤnigsberg: wolte sich der selbe an jemanden von diesen dreyen a- dressir en/ und von ihnen fernern bericht suchen/ so hoffe ich/ er werde hertzli- ches vergnuͤgen von ihrem rath finden. Jch mag auch wohl leiden/ wann ihm beliebig/ daß er sich auf mich/ ihn an sie gewiesen zuhaben/ beruffe. Gleich- wohl damit ich mich nicht gar entbreche/ so wolte allein diese wenige errin- nerungen thun/ die mich noͤtig deuchten 1. Daß vor allen dingen getrachtet werde/ daß die H. schrifft selbsten/ sonderlich N. T. der jugend recht fami- liar gemacht/ und bekanter werde/ alß alles uͤbrige/ was in Theologicis do- cir et wird/ und deßwegen daß alle theses, die man in den compendiis oder catechesi (was jegliches orts in den legibus scholasticis vorgeschrieben ist) lehret und lernet/ in der schrifft gezeigt/ und die dicta so wohl der gedaͤcht- nuͤs eingetrucket/ alß dero krafft ihnen zuverstehen gegeben werde. Damit die jugend fruͤhe sich anfahe zugewehnen/ in den dictis acht zugeben/ wie die erweiß daraus gefuͤhret werden/ und also einige analysin derselben/ wie sie ihrem ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VIII. ihrem alter und profectibus gemaͤß ist/ anzustellen. Solches gibt ihnen ei- ne herrliche gewißheit damit also aller ihr glaube nicht auf menschen autori- t aͤt/ sondern auf GOttes wort also beruhe/ daß sie gleich aus ihrer eigenen uͤberzeugung aus den spruͤchen versichert werden/ daß ihre confession / darin- nen sie unterrichtet worden/ in Goͤttlicher warheit grund habe. Nechst dem das bey dem unterricht es niemahl bleibe/ daß allein die theses der glau- bens articul ihnen vorgelegt werden/ sondern das bey allen und jeden/ wie es geschehen kan/ alle mahl gezeigt werde/ was sothaner glaube in der praxi erfordere/ und woran sie/ solche ding warhafftig zu glauben/ bey sich eine versicherung finden koͤnten. Auf das die liebe jugend so bald von der eitelen fleischlichen einbildung des glaubens oder falschen concept davon/ welcher des grossen hauffen hertzen erfuͤllet hat/ abgewendet/ und sich und ihren glau- ben zu pruͤffen und zu untersuchen gewehnet werden. Davon ich gewissen nutzen hoffe. Wird auch sehr stattlich hierzu sein/ daß unter dem docir en im- mer einige bewegliche paræneses mit unter gemischt werden/ daß sie lernen verstehen/ wie ihnen ohn die praxin aller fleiß nichts nuͤtze/ und sie zeitlich ei- nige liebe und forcht vor GOtt fassen. Auch achtete es sehr nuͤtzlich/ daß bey den jenigen/ welche ihres muthwillens oder andere fehler willen zu eini- ger straf oder disciplin gezogen/ vorher aufs beweglichste mit remonstra- tion ihrer Suͤnde uͤberzeugt werden/ damit sie nicht nur die straff alßdann so viel geduldiger ertragen/ sondern dieselbe alßdann auch bey ihnen eine rechte frucht schaffen kan/ da sie sehen/ wie es nicht ein zorn oder morosit aͤt der Præceptorum seye/ sondern wie sie es verschuldet zu haben selbst bekennen muͤsten/ und wahrhafftig befinden/ daß es ihnen nuͤtzlich seye. Dieses waͤ- ren also die jenige erinnerungen/ die mir in solcher mater ie vorkommen/ und sie zu MHhl. gottseliger fernerer uͤberlegung heimgebe: Jn dem uͤbrigen ihn an obgedachte liebe freunde verwiesen haben will. Was die andere Anfrage betrifft/ wegen der unterlassung des exorcismi und elenchi nominalis, ist mir nicht alles so genugsam/ was bißher in solcher sach in ihrem lande und kir- chen vorgeganen/ bekant/ wie es noͤthig waͤre/ wo man hie von gruͤndlich urtheilen solte. Jch haͤtte auch billig bedencken/ in solcher sache meine meinung zu sagen/ aus betrachtung meines zustandes/ da so vieler augen auf mich ge- richtet/ und begierig sind etwas von mir zufinden/ oder aufzufangen/ mich ir- riger lehr oder collusion mit derselben zu beschuldigen; daher ich publice mich heraus zulassen mich nicht resolvir en wuͤrde/ ohne austruͤcklich dazu haben- den beruff/ mir nicht mehrere gefahr uͤber den hals zuziehen. Weil es aber mit ihm als einem solchem freunde zuthun habe/ welcher alles mit liebe auff- zunehmen/ und solches nicht vor andere/ weniger zu publicir en/ suchet/ als will mich gegen denselbigen bruͤderlich expectorir en. Was dann erstlich B b b den Das sechste Capitel. den exorcismum betrifft/ erkenne ich solchen nicht allein vor ein adiaphorum, ohne welchen die kirch wohl seyn kan/ sondern dancke GOtt/ daß wir ihn we- der in der hiesigen noch Straßburgischen kirchen/ da ich vorher gestanden/ ha- ben: daher ich mein tag denselben nie gehoͤret habe. Jch erkenne ferner/ daß die formulæ sehr hart lauten/ und also einer guten explication wohl beduͤrf- tig sind: Jndessen weil sie gleich wohl solche erklaͤrung leiden/ und es ein alter ritus in der kirche gewesen/ verwersse ich ihn nicht/ und wuͤrde deßwegen in der kirchen solchen nicht selbst abschaffen/ wo er lang gewoͤhnlich gewesen: Hingegen auch/ da ich eine kirche erstlich anzuordnen haͤtte/ ihn nicht gern einfuͤhren. Weßwegen nun auf die hypothesin selbs zu kommen/ wo die o- brigkeit solches adiaphoron will gantz abgeschafft haben/ sehe ich nicht/ wie man/ wo nicht andere umstaͤnde solches erfordern/ deroselben beharrlich wi- dersetzen koͤnne; in dem ohne das derselbe als Episcopi gewalt in solchen ex- ternis von der kirchen erkant wird. Jedoch beklage ich austruͤcklich/ daß ich solche unterlassung auf eine solche art zu geschehen verlangte/ welche der war- heit des Evangelii in der lehr nicht præjudicir lich/ und der kirche nicht aͤrger- lich seye. Koͤnte eine solche sache also geschehn/ daß die kirchen eines landes selbst zusammen treten/ und aus freyem willen eine solche ceremonie, wel- che sie weder noͤthig noch groß erbaulich finden/ und aus derselben einige aͤr- gernuͤß/ so wohl der schwachen als wiederwertigen sehen/ abschaffen/ so waͤ- re es so viel besser/ und einige difficult aͤten/ die sich sonsten in der sache fin- den/ gehaben. Denn die kirche hat macht die ceremoni en entweder einzu- fuͤhren oder abzuschaffen/ je wie sie erkennet die erbauung mit sich zu bringen. Weil es aber/ wo von der obrigkeit anderer religion solcher verboten wird/ uns vornemlich darum zu thun ist/ daß nicht durch weichung/ von solchem zwang die lehr selbst oder doch dem ansehen nach einige noth leiden/ und also die warheit den widersachern verrathen/ so dann die schwachen geaͤrgert wuͤr- den. So erkenne ich gern/ dafern die sache nicht anders nemlich bey be- haltung der warheit/ geschehen koͤnte/ so muͤste lieber alles gelitten werden/ als daß wir Christum oder etwas seine ehr angehendes/ auch nur in einem stuͤck vor den menschen verleugnen wolten: Jch meine aber/ es lassen sich mit- tel finden/ daß solches vermieden werde. Wo erstlich einer gemeinde deutlich und klar vor augen gelegt wuͤrde/ was es vor eine bewandtnuͤß mit der cere- monie habe/ was deroselben nutzen oder incommodum seye/ welches die ur- sachen waͤren dieselbe zu behalten oder auch abzuschaffen: wofern die warheit der lehr etwas mit solchen adiaphoris zuthun habe oder nicht/ und was der- gleichen dinge seyen. Auf daß also die gantze gemeinde voͤlligen bericht da- von habe. Als zum exempel wie wir aus goͤttlicher warheit glauben/ daß die kinder warhafftig aus ihrer suͤndlichen verderbnuͤß unter GOttes zorn und in der ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VIII. der gewalt des Satans ligen/ dadurch sie krafft der erloͤsung Christi/ die ih- nen in der tauff geschencket wird/ befreyet werden: wie auch um solcher ur- sach willen die alte kirche den exorcismum eingefuͤhret/ so thane gewalt des boͤsen feindes anzudeuten: wie die wort hart lauten/ aber solche lehr wohl mit andern nachtruͤcklichern und weniger anstoͤßigen worten koͤnne angedeutet wer- den: wie zwar sorge seye/ daß die Reformirten moͤchten damit auf die derje- nigen ihrer lehrer lehre sehen/ welche eine sonderbare natuͤrliche heiligkeit der kinder lehrten/ und die gewalt des Satans uͤber die suͤndige verderbnuͤß nicht erkenneten: wie aber auch/ ohne die reformirte/ viel andere gottselige hertzen/ die in der lehre rein und pur waͤren/ einigen eckel und anstoß an dieser cere- monie haͤtten/ wie man sich auch bey unterlassung der ceremonie wegen der reinigkeit der lehr wohl verwahren koͤnte/ und was dergleichen mehr waͤre. 2. Solte nun die gemeinde damit also convinci rt werden/ daß sie erkennete/ es gehe ihrer religion und warheit nichts ab/ sondern werde von ihnen das- jenige gefordert/ was sie aus eigenem willen wohl ohne das haͤtte thun moͤ- gen/ und worinnen sie andern Evangelischen kirchen auch gleich seyn wuͤrden/ so sehe ich nicht/ daß man weiter bedencken machen moͤchte; Dann damit fiehle alles aͤrgernuͤß der schwachen einer seits/ und auch derjenigen/ welche auf der andern seiten sich selbst an der ceremonie gestossen/ so wohl von den unsrigen als den reformirten/ und zwar unter diesen/ nicht nur bey denen/ welche die lehr selbst so damit gemeint ist/ nicht belieben moͤchten/ sondern auch denjenigen/ die samt vielen der unsrigen/ die harte redens art/ die ja be- kantlich einer linderenden erklaͤrung noͤthig hat/ mit eckel anhoͤren/ ja viele von diesen dazu gantz ungleiche gedancken von unserer religion schoͤpffen/ ob glaubten wir die kinder besessen zu seyn/ und haͤtten mit den Papisten hierin- nen zu viele gemeinschafft/ koͤnnen sich auch in die erklaͤrung so wohl nicht schicken/ daß mans dem nicht lieber mit andern worten gebe/ und wuͤrden von unserer religion so vielmehr abgehalten. Waͤre also nicht nur damit dem besorgenden aͤrgernuͤß vorgekommen/ sondern anderes mehres aͤrgernuͤß ab- gewendet. Und moͤchte dann bey der widrigen religions obrigkeit auch diese oͤffentlich protestation geschehen/ wie man ihrem gebot sich submitti re/ nicht daß man den exorcismum schlechter dings verwuͤrffe/ sondern sich damit nicht trenne von der kirchen/ die denselben haben/ vielmehr ihnen ihren gebrauch willig lasse/ wo sie ihn vor sich gut befinden: Man bedinge auch austruͤck- lich/ daß man diejenige lehr von der gewalt des Satans uͤber die verderbte menschen die er aus der suͤnde hat/ erkenne und zu bekennen nicht unterlassen werde/ daher durchaus nichts darvon nachlasse/ was sonsten andere kirchen damit andeuten wollen: sondern man thue solches/ mit eben solcher ablegung B b b 2 zube- Das sechste Capitel. zu bezeugen/ daß wir nicht/ wie wir von dem gegentheil offt beschuldigt wor- den/ solche ceremonie vor nothwendig achteten/ sondern daß wir sie ein adia- phorum seyn liessen: so dann weil man keine solche erbauung daraus sehe/ die wuͤrdig waͤre/ der gemeinde andere ungelegenheit daruͤber zugezogen wer- den zulassen/ viel mehr dieß mahl sie derselben nicht mehr nuͤtzlich oder erbau- lich achtete. Damit hielte ich allein vorgekommen zu seyn/ was sonsten zu besorgen gewesen waͤre. 3. Solte aber die gemeinde nicht willigen/ und das aͤrgernuͤß nicht uͤberwinden koͤnnen/ sondern bezeugte/ daß sie sich daruͤber aͤrgerte/ gestehe ich selbst/ daß alsdann der prediger die sach nicht unterlassen doͤrffte. So habe ich auch ferner zu bedencken/ daß auch in conside- ration zu ziehen/ daß mit andern kirchen/ denen eben solche anmuthung geschiehet/ bruͤderlich conferir et/ und sonsten alle spaltung verhuͤtet werde. Wie dann eben deßwegen aus unwissenheit/ wessen sich bißher ein und andere ihrer Maͤrckischen kirchen erklaͤret/ und was dergleichen mehrere umstaͤnde sind/ nicht anders als in solchen generalibus antworten kan. Des Elenchi nominalis wegen aber erklaͤre ich mich also/ daß wo Ecclesia libera ist/ sol- cher ja nicht solle unterlassen werden/ wegen des vielen nutzens den er hat/ wie wohl er gleichwohl auch als dann mit gebuͤhrender modestia billig zu fuͤh- ren ist. Was aber eine solche Ecclesiam pressam anlangt/ da derselbe verboten/ oder sonsten die kirche solcher ihrer diener mit dero abschaffung beraubet wird/ hielte ich davor/ daß derselbe wohl moͤchte unterlassen wer- den. 1. Kan die lehr desto gruͤndlicher den leuten in thesi gezeigt werden/ daß sie/ wo sie darinnen gegruͤndet/ von der verfuͤhrung nicht so grosse gefahr haben. 2. Kan auch die antithesis solide tracti ret werden/ ob man wohl die leute nicht nennen darff/ daß die zuhoͤrer eben so wohl wissen/ was sie ver- werffen/ alß was sie glauben sollen. 3. Was man nicht oͤffendlich sagen darff/ zu nennen/ wer diejenige seyen/ die so und so lehren/ mag in der privat-infor- mation der catechumenorum, die zu dem H. Abendmahl confirmirt wer- den sollen/ so dann in privat-conversation mit seinen zuhoͤrern also ersetzet werden/ daß sie genugsam gegen alle verfuͤhrung verwahret/ und nachmahl wo sie suppresso nomine einige irrthum widerlegen hoͤren/ wissen wer sol- ches lehre. Zu geschweigen daß sie entweder von den reformirt en dergleichen irrige lehren hoͤren oder nicht; geschiehet dieses nicht/ so ist auch keine sorge der verfuͤhrung; geschiehets aber/ so werden sie dagegen bereits genug ver- wahret/ wann sie den satz und gegensatz genug gefasst. 4. Wo treue lehrer sich lieber um solches verbots willen wolten removir en lassen/ wuͤrde damit der kirchen nicht nur kein nutzen/ sondern viel mehr dieser schade zugefuͤgt/ daß sie der treuen hirten/ welche sie noch auf andere weise haͤtten verwahren koͤn- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX . koͤnnen/ daß ihnen der mangel des elenchi nominalis nichts geschadet haͤtte/ beraubet/ und nachmahl ihnen solche vorgesetzet wuͤrden/ die nicht nur willig solchen unterliessen/ sondern wohl gar endlich heimliche verraͤther unserer warheit wuͤrden/ zu dem eusersten verderben der kirchen. Daß also/ wo wir/ wie wir sollen/ auf das thaͤtige beste der kirchen sehen/ dieselbe zwar von der omissione elenchi schaden haben/ aber noch groͤssern schaden gewiß haben wuͤrde von der wiedersetzung/ wo aber allezeit unter zweyerley gefahren die geringste zu erwehlen. Dem nicht entgegen stehen mag/ daß man nicht boͤses thun solle/ daß gutes daraus ersolge. Dann solche regel gestehe ich gern/ a- ber glaube hingegen/ daß wohl zu weilen etwas gutes moͤge unterlassen wer- den/ daß nicht ein mehreres gute verhindert oder boͤses verursachet werde. Wie ohne das die gewoͤhnliche regel ist: Præcepta negativa obligant ad semper: non item affirmativa. Dieses ist meine einfaͤltige meinung/ die ich in dem freundlichen vertrauen/ so derselbe mir gemacht/ habe uͤberschrei- ben wollen/ der zuversicht/ daß derselbe die sache in der furcht des HErrn erwegen/ und dieses schreiben alß vor sich behalten werde/ daß es mir ohne anstoß sey. 16. Jun. 1680. SECTIO IX . An einen vornehmen Politicum . Verderben in unserer kirchen. Jch und Horbius treiben nicht bloß auf ein moral- leben/ sondern dabey eine hertzens aͤnderung aus dem glauben sich findet. Ob in modo gefehlet werde. Von den wiedrigen aufgebrachten nahmen der neuen Christen/ Pietisten: geschiehet ohne unsere schuld. Hochachtung Lu- theri/ dem viele nicht nachfolgen. B Edancke mich zum foͤrdersten der grossen gewogenheit gegen mich und meinen geliebten Schwager Hr. Horbium, vornemlich aber und mei- stens gegen die gute sache GOttes/ die wir zutreiben nach allem ver- moͤgen gern wollen beflissen sein. Es ist freylich an dem/ wie E. Excell. vernuͤnfftig bezeugen/ daß wir prediger meiste mehr suchen/ uns selbst groß und reich/ weder andere fromm/ zu machen. Daher entstehen alle aͤrgernis und uͤbriges uͤbel unserer kirchen/ uͤber welches wir zu klagen haben/ und er- breitet sich die kranckheit aus dem haupt und hertzen in die uͤbrige glieder. B b b 3 Deß- Das sechste Capitel. Deßwegen billich/ wann an verbesserung zu dencken ist/ wir solcher in unse- rem stand zu geschehen und angefangen zu werden uns nicht beschwehren doͤrffen. So ists auch freylich so/ wie sie abermahl selbst anmercken/ daß Hr. Horb. sein werck dieses vornemlich laͤsset eifrig seyn/ das verdorbene le- ben bey den Christen zuverbesseren/ aber also/ daß es nicht nur zu einem Heidnischen erbahren Moral- leben komme/ so nur in eusserlichen verrichtun- gen und wercken bestehet/ sonderen das zum grund in den hertzen der wahre glaube an Christum/ die erkaͤntnuͤs und ergreiffen der theuren heyls-guͤter in ihm geleget werde/ wo sichs darnach nicht fehlen kan/ daß nicht auch aus dem menschen ein gantz anderer und neuer/ andersgesinnter/ mensch wer- de/ der nicht nur eusserlich anders thue und lebe/ als sonsten ein fleischlicher mensch zu thun und zu leben pfleget/ sonderen wahrhafftig in seiner seele an- ders geartet seye/ der nemlich aus der lebendigen erkaͤntnuͤs der himmlischen guͤter die welt mit ihrer herrligkeit gering achte und schaͤtze/ und derselben lie- be und vertrauen wahrhafftig verleugne/ und also in allen stuͤcken/ in seinem so gemeinen als absonderlichen beruff sein gantzes thun/ dermassen einrichte/ daß er in allem nichts seines eigenen vor sich suche/ sonderen in allem nur auff die befoͤrderung seines GOttes ehre/ des nechsten liebe/ wie sie sich in geist-und weltlichen gutthaten hervor thut/ und seiner eigenen seelen heil ab- zwecke/ daher alle seine dinge dermassen einrichte/ wie der selbige zweck am fuͤglichsten und nachtruͤcklichsten bey ihm moͤge erhalten werden/ demnach der welt sich gebrauche aber nicht mißbrauche und sich selbs in allen stuͤcken das exempel seines heilandes seine rechte regel und muster der nachfolge sein lasse. Eine solche besserung der Morum, die selbst in dem grund des hertzens ge- schiehet/ und nachmahl das gantze leben regieret/ deswegen erstlich auf dem Goͤttlichen glauben beruhet/ ist der zweck/ gleichwie herren Horbii/ also auch der meinige/ weßwegen wir allemahl die lehr des Evangelii zu grund legen/ damit nachmahl/ was von dem leben gelehret wird/ auff solchem grund be- stehe. Was aber den modum anlanget/ weiß ich nicht was E. Excell. ge- dancken davon seyn/ wo darin gefehlet werde/ alß der ich/ was Hr. Horben anlangt/ in Windsheim nicht zu gegen bin/ und also/ weilen mir von ihrem modo nichts wiederliches vorgebracht worden/ nichts urtheilen kan/ ob da- rin etwas desiderir et werden moͤge: Wie es freylich wohl eine muͤgliche sa- che seyn kan/ daß in einem gantz guten werck der modus / da in demselben unrecht verfahren wird/ solches verderben moͤgte. Solte aber E. Excell. ent- weder versichert wissend/ oder von anderen vorgebracht worden seyn/ da der modus unzimlich waͤre; wuͤrde ich gehorsamlich um grgstl. communication zu bitten/ und solche alßdann vor eine grosse wohlthat zu achten haben. Jn- dem ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO IX. dem es mir so wohl zu meinem eigenen verhalten/ als dazu dienlich seyn wird/ mit meinem geliebten Schwager daraus zu handeln/ der sich in allem willig weisen lassen/ und sich den jenigen/ die es ihm anzeigen verbunden erkennen wuͤrde. Jndem hiedurch entweder durch gute nachricht die scrupulos zu benehmen/ oder wo etwas angetroffen wird/ solches angelegenlich zu besseren gelegenheit gege- ben wuͤrde. Welches beydes eine sache ist/ dero man sich hertzlich zuerfreu- en hat; hingegen mir offtmahls dieses eine grosse hinderung gewesen ist/ daß ich nicht so vertraulichen bericht von allem bekommen habe/ was etwa ein und andere hie oder dort an mir oder meinen verrichtungen desiderirt en. Was zwar die nahmen der neuen Christen/ pietisten und dergleichen anlangt/ dero E. Excell. meldung thun/ hoffe ich nicht/ daß jemand von uns oder un- seren bekanten freunden solchen jemahl von sich selbst werde gebraucht haben/ und daher uns dessen schuld einigerley massen moͤgte zu gemessen werden koͤn- nen/ sondern solche nahmen sind von den wiederich-gesinneten und uͤbel-wollen- den uns zum schimpff auffgebracht worden/ damit uns solche leute wehe zu thun gedencken und unser damit spotten. Da wir zwar ihnen solches nicht verwehren koͤnnen/ sondern es leyden muͤssen/ gleichwie wo wir sonsten ge- laͤstert werden/ aber wir machen uns derselben selbst nicht theilhafftig. Wir wissen auch von keinem neuen sonderen dem alten Christenthum/ so von Christo und den alten Apostelen gelehret worden/ und zwar in einer steten erneuerung seiner selbst bestehet/ aber in allen dingen nicht auff einige neugi- rigkeit sondern vielmehr darauf bedacht sind nach den alten regelen des Her- ren sich an zuschicken. Sonsten wuͤrde freylich den wiedersacheren unserer kirchen ursach und anlaß zur laͤsterung gegeben/ wo wir uns mit gewissen nahmen oder sonsten auf andere weise von anderen trenneten/ die wir ja in der einigkeit des geistes mit den bande des friedens allen verbunden wandelen sol- len. Das aber einige des guten gehaͤßige selbst mit solchen erdichten nah- men dasselbe wollen verdaͤchtig machen/ und damit so wohl unsere kirche aͤr- geren/ als die feinde laͤsteren machen/ haben sie ihr gericht deßwegen zu tra- gen/ und wird d ie schuld sehr schwehr auff ihnen liegen. Lutherum achte ich als einen theuren GOttes mann so viel hoͤher/ als mir GOtt die gelegen- heit gemacht/ seine schrifften mit fleiß durch zulesen/ und also den in ihn so reichlich gelegten geist zu erkennen/ so wuͤnschet auch nichts mehr/ als daß in den allermeisten stuͤcken alles vornemlich nach seinen vorschlaͤgen gehen moͤch- te. Massen alle die dinge/ so etwa bißher an meinen sachen von mißguͤn- stigen getadelt worden/ solchen lieben und vortreflichen lehrer zum zeugen ha- ben/ aus dem ich auch das meiste genommen habe. Und was ists/ wo ich von der lebendigen glaubens krafft/ und wie der glaube so gar etwas anders als die Das sechste Capitel. die fleischliche menschliche einbildung von CHristo seye/ bey aller gelegen- heit treibe/ als daß ich damit diesem meinem werthesten vorgaͤnger fol- ge/ und vielmahl die wort selbst von ihm entlehne: Sonsten aber sor- gen muß/ wann derselbe heut zu tag solte auffstehen/ wuͤrde er von seinen nachfolgeren gar manche nicht vor seine juͤnger und discipulos erken- nen/ als die offt einige principia, die er so hefftig gegen die Papisten be- stritten/ mit fleiß wieder unvermerckt in die kirche einzufuͤhren trachten. Nun wir haben/ ohngeacht der welt urtheil/ alle zeit getrost zu thun/ was der HErr von uns fordert: und versehe ich mich von E. Excell. hertzlichen eif- fer vor der kirchen bestes und goͤttliche ehr noch ferner treuen beystandes/ vor alle diejenige/ welche auch nichts anders suchen als solche zwecke zu erreichen/ wie sie mehrerwehnten meines geliebten Schwagers sich biß dahin grgl. an- zunehmen nicht ermanglet haben: da vor hertzlich dancke und nechst treuer empfehlung in die gnade/ segen und regierung des himmlischen Vaters/ wel- cher dero hohes alter noch ferner mit neuen kraͤfften staͤrcken und mit taͤglichem segen bekroͤhnen wolle; verbleibe ꝛc. 18. Jun. 1680. SECTIO X. An einen Edelmann. Goͤttliche verheissungen muͤssen alle herrlich erfuͤllet werden. Welches uns aufmun- tert. Das gericht uͤber Babel nahe: Durch welches aber GOtt vorher sein gericht an uns anheben wird. MS. über die offenbahrung. Nicht allen ist die gabe gegeben/ sich wohl zu erklaͤren. Die sind zum schreiben nicht beruffen. Was vor andere geistliche uͤbungen vorzunehmen zu Gottes dienst/ eigener erbauung/ und des nechsten liebe. Zustand in Franck- furt. Methodus die glaubens-lehr zu tractir en. Dilfeld. Horbius. Winckler. S Eine liebe und vertrauliche brieffe betreffend/ haben mich dieselben in diesem stuͤck erfreuet/ daß ich daraus ersehen/ wie die goͤttliche gnade kraͤfftig uͤber ihn zu walten und ihr werck fortzusetzen fortfahre. Jn- dem er nicht nur der schwehren leibs- und gemuͤths-schwachheit/ damit GOtt seinen glauben und seine gedult geuͤbet/ aber solche wiederum weggenommen/ und ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X. und ihm mehrere kraͤfften aufs neue verliehen habe/ gedencket/ sondern auch die gantze brieffe selbst lebendige zeugnuͤssen sind seines lebendigen und unge- faͤrbten glaubens/ auch freudiger hofnung auf die erfuͤllung der theuern ver- heissungen unsers warhafftigen GOttes uͤber und von seinen glaͤubigen ge- schehen; welche freylich alle biß auf das letzte puͤnctlein nothwendig muͤssen erfuͤllet werden/ und nicht ein woͤrtlein von allen denselben wird auf die erde niederfallen/ oder außbleiben. Ja wir koͤnnen versichert seyn/ wie herrlich wir uns die erfuͤllung derselben verheissungen auß dem buchstaben vorbilden/ so fassen wir doch die vortrefflichkeit derselben nicht dermassen/ daß nicht die erfuͤllung selbst unermaͤßlich herrlicher seyn werde. Dann es ist alle krafft der wort zu geringe/ unser verstand zu schwach und zu kindisch/ ja das maß unsers Glaubens annoch viel zu gering/ als daß jene solten die hochheit der herrlichkeit/ die der HErr bereitet hat/ austrucken/ diese aber dieselbe recht voll- kommen und nach ihrer wuͤrde fassen und begreiffen koͤnnen; daher wir uns billig taͤglich/ ja stuͤndlich/ mit erinnerungen sothaner grossen herrlichkeit/ die an uns solle offenbart werden/ wo uns der HErr in sein versprochenes ewiges reich wird einsetzen/ und also er unser leben wird selbst offenbaret werden/ er- muntern sollen. Jn dem kein fast kraͤfftiger antrieb zur verachtung dieser welt und aller ihrer betruͤglichen herrlichkeit und reitzungen/ hingegen getroster/ freudiger und gedultiger nachfolgung Christi/ gefunden werden kan/ als wo wir ohn unterlaß aufsehen gleich wie auf den anfaͤnger und vollender unsers heils/ also auch auf die theure versprochene guͤter der kuͤnfftigen herrlichkeit/ dadurch nicht nur unser traͤges fleisch auffgemuntert und angefrischet/ sondern der glaube/ so die qvelle alles uͤbrigen gutes ist/ vortreflich gestaͤrcket und vermeh- ret wird. Darum auch der hocherleuchte Apostel Paulus vor seine Epheser cap. 1. nichts noͤthigers und nuͤtzlichers zu beten gewust hat/ als daß der GOtt unsers HErrn JESU CHristi der Vater der herrlichkeit/ ihnen ge- be den Geist der Weißheit und der offenbarung zu sein selbst erkaͤnt- niß/ und erleuchtete augen ihres verstaͤndnisses/ daß sie erkennen moͤchten/ welche da sey die hoffnung ihres beruffs/ und welcher sey der reichthum seines herrlichen erbes an seinen heiligen/ und welche da sey die uͤberschwengliche groͤsse seiner Krafft an uns/ die wir glauben nach der wuͤrckung seiner maͤchtigen staͤrcke. Also lasset uns denn allezeit behar- ren in solcher hoffnung/ und dieselbe durch unablaͤßliche betrachtung der theu- ren verheissung staͤrcken. Diese Hoffnung wird unsere staͤrcke sein in allen truͤbsaal/ und unser kraͤfftigster aufenthalt/ so uns nicht matt oder muͤde wird lassen werden/ zu lauffen in den wegen des HErrn nach dem kleinod welchs uns vorhaͤlt seine himmlische beruffung. Nechst dem hat mich auch nicht we- C c c nig Das sechste Capitel. nig erfreuet/ aus uͤbersannten zu erkennen/ daß mein geliebtester freund den zustand unserer itzigen zeit mit andern augen/ als die meiste pflegen/ einsihet/ und erkennet/ daß die gerichte des HErrn vor der thuͤr/ oder in dem wuͤrcklichen anbruch sind/ und wir in erfuͤllung so wohl deß 16. Cap. als anderer weissag- ung der theuren offenbarung Johannis stehen. Zwar getraue ich mir nicht praecise jahr/ personen und weise zubestimmen/ wie iegliches dessen/ so noch uͤbrig ist/ erfuͤllet zu werden/ hergehen und vollendet werden muͤsse/ als wozu eben der Geist der weissagung und propheceyung gehoͤrte/ da ich aber mich mei- ner wenigkeit erinnere/ und zwar dem himmlischen Vater um das maaß der gnaden/ welches er mir zu einfaͤltiger erkaͤntniß deß heils gegeben/ und dessen ich selbst nicht wuͤrdig gewesen waͤre/ in demuth dancke/ aber mich nichts weiters ausgeben oder unternehmen darff/ als was mir gegeben ist; da aber solche gabe der weissagung uͤber solches mir zugemessenes maaß sich erstrecket. Jedoch zweiffele ich nicht/ daß ich mit einer goͤttlichen gewißheit sagen moͤge/ daß nicht nur das gericht uͤber Babel/ uͤber das weib/ welches ist die grosse Stadt/ die das reich hat uͤber die Koͤnige auf erden/ und also uͤber alles das- jenige/ was in dero geistlichem gehorsam stehet/ und mit deroselben greueln und hurerey gemeinschafft hat/ ergehen werde/ sondern daß die zeit uns gantz nahe sey/ da der HErr sein ausgesprochenes urtheil/ vollstrecken wird. Je- doch haben wir/ die wir so fern von sothanem Babel ausgegangen sind/ daß wir dero abgoͤtterey und falsche lehr abgelegt/ folglich uns von ihrer geistli- chen botmaͤßigkeit abgerissen haben/ nicht zu gedencken/ daß wir von den gerich- ten werden frey ausgehen/ weil wir uns durch Gottes gnade der wahren und reinen lehr/ ruͤhmen koͤnnen. Vielmehr sorge ich/ ja bin versichert/ es seye keine eitle und ungegruͤndete furcht/ daß wir ein grosses stuͤck solcher Gerichte mit tragen muͤssen/ indem wir ja von dem alten Babel so viel boͤses und GOTT mißfaͤlliges gesogen haben/ welches so wohl unter uns als mitten unter Babel herrschet/ daß gewißlich in vielen stuͤcken unsere suͤnde vor GOt- tes gerechten thron werden schwerer und straffbarer erfunden werden/ wegen deß mehreren empfangenen genaden-maasses und lichts/ als bey vielen die in der dicken finsterniß von Babel ihre greuel in einer unwissenheit begehen. Wie solten dann wir vor uns eine freyheit von den gerichten hoffen/ oder uns ver- sprechen koͤnnen. Vielmehr doͤrffte es an dem nunmehr seyn/ daß GOTT der gerechte richter dem Roͤmischen Babel zugebe/ daß es seinen letzten zorn aus- giesse/ und das zwar in der eusserlichen gemeinschafft des bundes mit GOtt stehende/ aber in der that in die aͤusserste boßheit/ heucheley und gottlosigkeit verfallene/ Jerusalem/ nach dem es nichts besser/ was die meiste seine einwoh- ner anlangt/ als Babel selbsten ist/ zustoͤre und also das an seinem hauß an- fangen- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X. fangende Gerichte Gottes unwissend in das werck setze. Mit solchem feuer der truͤbsal moͤgen die schlacken bey uns ausgebrandt/ was aber gutes gold ist herrlich geleutert/ das ist die maulchristen hingerissen/ oder durch den ab- fall aus unsere gemeinschafft ausgewiesen/ die wenige uͤbrige rechtschaffene aber so viel herrlicher gestaͤrckt/ und das gute des HErrn nachmahl zusehen erhalten werden. Dann ob ein Koͤnig von Babel das Jerusalem einnimt/ so bleibet doch noch ein Jeremias/ Varuch/ Ebedmelech und andere dem HErrn bekante glaͤubige uͤbrig/ die nach ihrem eusserlichen Menschen an dem eusserlichen truͤbsaal theil haben/ aber vielmehr nutzen als schaden davon erlan- gen/ und damit mag Babel vollends das maaß seiner suͤnden erfuͤllen/ daß der Tag des zorns dasselbige ploͤtzlich uͤberfalle/ mitten in dem so scheinenden gluͤcklichsten lauff seiner siege wider das volck GOttes/ dessen uͤbrige die ge- rechtigkeit ihres Gottes und seine guͤte preisen werden. Diese dinge/ wo wir etwas genauer alle umstaͤnde unserer zeit erwegen/ sind also bewandt/ daß wir auch so gar fast mit menschlichen augen ansehen/ wie sich alles zu solcher vollstreckung deß raths Gottes schicke/ und in kirchen und policey wesen gleich- sam die vorbereitung dazu geschehen/ da auch vernuͤnfftige vieles dessen was geschehen mag bereits erkennen moͤgen. So vielmehr die jenige welche mit glaͤubigen augen in die Goͤttliche gerechtigkeit und guͤtigkeit einen blick thun. Jn einer solchen zeit stehen wir/ welches ins gemein damit uͤber einkomt/ was ich sehe/ das derselbe auch erkennet/ und ich wuͤnschte/ daß wirs alle also glaubten und erkaͤnnten/ damit wir nachmahl so viel sorgfaͤltiger waͤren/ in solche zeit uns zuschicken/ zu wachen und zu beten/ daß wir wuͤr- dig werden moͤgen zu entfliehen diesen allen/ was geschehen solle/ und zustehen vor des menschen sohne. Wie dann sich gewiß keine solche fleischliche sicher- heit ins gemein finden wuͤrde/ wo wir solche beschaffenheit unserer zeit recht erkenneten. Was aber die uͤbersandte geschriebene gedancken uͤber solche offenbahrung Johannis anlangt/ so ich auch Hr. NN. gezeigt/ er aber nicht viel zeit gefunden/ dieselbe zu durchlesen/ haben wir fast nicht wohl rathsam gefunden/ dieselbe durch den truck oder sonsten vielen zu communicir en/ so wohl aus andern ursachen/ als weil etwa an ein und andern particular an- wendungen nicht unbillicher zweiffel seyn/ und ein von auch gut gesinnten lesern daher gefaster scrupel alle dergleichen auch gewisseste dinge in mehrern zweif- fel setzen moͤchte: So dann auch/ welches ich nicht sorgen will/ von meinem geliebten freunde uͤbel aufgenommen zu werden/ daß ich solches freundlich er- innere/ weil es scheinet/ daß demselben nicht die gabe gegeben seye seine ge- muͤths gedancken deutlich und verstaͤndlich/ auch vorsichtig genug/ wie es in solcher art schrifften/ die zu vieler leute aufferbauung solten publicir et werden/ C c c 2 gleich- Das sechste Capitel. gleichwohl noͤtig ist/ mit worten vor zutragen und zu papier zubringen. Wie dann eine andere gabe ist die gabe der erkaͤntnuͤs/ eine andere aber zu reden von der erkaͤntnuͤs nach dem Geist: an welcher es oͤffters denjenigen man- geln kan/ die sonsten vor sich selbs ein gnugsames maß der erkaͤntnuͤs empsan- gen haben. Aber eben aus diesem/ das sie es nicht also vor zulegen das vermoͤ- gen finden/ nicht unbillig schliessen/ daß sie der HErr nicht so wohl ihren ne- ben menschen mit schrifften zuerbauen/ alß ihm in der stille zu dienen/ ihrer seelen heiligung so viel fleißiger war zunehemen/ und des nechsten geistliches be- stes vielmehr mit Gottseligem exempel/ und wo es geschehen kan liebreichen vermahnungen oder aufmunterungen zubefoͤrdern/ beruffen/ das uͤbrige aber andern befohlen/ und sie mit denen darzu noͤtigen gaben ausgeruͤstet haben werde. Wie ich dann/ wann ich nach bruͤderlicher schuldigkeit aus treuem hertzen rathen solle/ nicht wohl rathen wolte/ ins kuͤnfftige/ mit vielem schrei- ben/ ohn allein was die brieffe an gute freunde anlangt/ welche zu eigener und deroselben aufmunterung dienlich sind/ sich zubemuͤhen/ damit die gesundheit zu- schwaͤchen/ wie dann dessen mir von ihm selbst angedeuteter zustand derglei- chen nach sinnen und schreiben nicht wohl zulaͤsset/ und anders vortraͤglichers daruͤber zuversaͤumen/ dabey noch die gefahr zuerziehen/ daß wo dergleichen geschriebene ding in anderer leut haͤnde kommen/ alß welche alles in liebe auf zunehmen und auszulegen gewohnt sind/ dieselbe uͤber iedes wort/ welches in einfalt gesetzt/ und aber ausdruͤcklicher und behutsamer haͤtte sollen gesetzet wer- den/ lernen anfangen/ falsche lehren aus solchen schmiden und uns dergleichen unruh machen moͤchten/ dero wir nicht noͤtig gehabt hatten. Waͤre also mein einfaͤltiger und wohlgemeinter rath/ mein werthester freund/ liesse vor dieses mahl seine meiste sorge sein/ gleich wie in der schrifft und solchen buͤ- chern/ die von bekaͤntlich Gottseligen und rechten lehrern geschrieben sind (un- ter denen des lieben Arnden wares Christenthum/ wohl vor andern den preiß behalten mag; in andern buͤchern aber/ dero lehr wir nicht allemahl gantz bil- ligen koͤnnen/ sich auch gutes findet/ so zur erbauung dienen mag/ aber nicht jedem die gabe alles zupruͤffen/ und das gute zubehalten gegeben ist/ daher es auch nicht allen rathe) fleißig zulesen/ also dasselbe lesen auf diese weise an- zustellen/ eines theils das nicht eben vieles nacheinander zu schwaͤchung des haupts gelesen/ sondern so bald nur etwas weniges gelesen worden/ dasselbe gleich wie es in die uͤbung gebracht werden moͤchte in der furcht des HErrn erwogen werde: Andern theils daß wir in der schrifft/ uns nicht an dunckele schwere ort meistens machen/ sondern die wir uns noch alle vor kinder/ de- nen mehr milch als harte speise noͤtig und dienlich/ am allermeisten auf zwey- erley achtung geben/ nemlich wie wir aus den hellen und allerklaͤrsten orten der ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO X. der schrifft/ die theils von den bereits geschenckten guͤtern des heyls und schaͤtzen des reichs der gnaden/ theils von den verheissungen der kuͤnfftigen herrligkeit handeln/ unser vertrauen zu GOtt/ glauben und hoffnung rechtschaffen gruͤn- den/ und wiederum aus den regeln unsers lebens/ die wir auch deutlich auf- gezeichnet finden/ mit bey gesetzten Exempel unsers lieben heylands/ der sol- che regeln an sich selbst gewiesen hat/ uns unsere pflicht taͤglich vor augen zu- stellen/ daß wir dererselben immer gedencken und immer neuen antrieb darzu bey uns selbst fassen moͤchten. Diese uͤbung bringet uns in eine Christliche einfalt/ daß wir nichts wissen/ alß Christum den gekreutzigten/ und densel- ben so wohl alß den jenigen grund unsers glaubens mit seinem verdienst alß unsern vorgaͤnger mit seinem H. Exempel. Da sind wir verwahret vor al- lem vorwitz dinge zuforschen/ die uns zu hoch sind/ und damit uns selbst in versuchung zustuͤrtzen/ so dann vor allen unfruchtbaren wissen/ das nur auf- blaͤhet/ weil wir alle unsere wissenschafft auf glaube/ liebe und hofnung rich- ten/ und in demuth wandeln. Neben diesen heiligen uͤbungen des lesens und betrachtens auch hoͤrens (so viel man nemlich dasselbe haben kan) des Goͤtt- lichen worts/ welches krafft man alß dann recht in das hertze fasset/ so bringen wir billig unsere uͤbrige zeit zu mit verrichtung derjenigen geschaͤfften und arbeit/ dazu uns der HERR gesetzet hat/ dieselbe in meinem h. gehorsam um des Herrn willen/ so uns dazu verordnet/ und in liebe des nechsten zuverrichten. Wie ich dann nicht zweiffele/ daß demselben auch an solchem nicht man- glen wuͤrde in regierung und verwaltung der haußhaltung/ und der geliebten Fr. Mutter in solcher sorge leistenden soͤhnliche beystand. Solche arbeit in einfalt deß hertzens um des HErrn und seiner ordnung willen/ mit hertzli- chem innerlichen gebet und offtern seuffzen in sanfftmuth/ liebe/ gedult/ demuth/ freudigkeit verrichtet/ nach den kraͤfften die der HErr uns giebet/ ist der vor- treflichste GOttes dienst/ und in denen sonsten scheinenden weltlichen wercken gleichwohl ein rechtes heiliges opffer/ und wo also unsere meiste sorge ist/ nicht viel verborgene und kuͤnfftige dinge (ohne so fern zu unserer verhaltung um uns in die zeit zuschicken noͤtig ist/ dessen wir uns billig zubefleißigen haben) zuwissen und zulernen/ sondern immer mehr und mehr aus der zuͤchtigenden gnade Gottes/ die uns und allen menschen erschienen ist/ uns zu befleissen/ zu verleugnen das ungoͤttliche wesen und die weltliche luͤsten/ und zuͤchtig gerecht und gottse- lig zuleben in der welt/ so warten wir recht auf die selige hoffnung und er- scheinung der herrligkeit des grossen GOttes und unsers heylandes JESU CHRJSTJ und werden in dem stande guter werck erfunden werden. Wie ich nun in guten vertrauen stehe/ daß derselbe sich eben solches bißher werde haben sein vornemste angelegenheit sein lassen/ also wolle er auf solchem we- C c c 3 ge Das sechste Capitel. ge der einfalt in Christo einherzugehen nicht muͤde werden/ und also fleiß desto mehr anthun seinen beruff und erwehlung fest zumachen/ so wird er nicht strau- cheln/ und ihm reichlich dargereichet werden der eingang zu dem ewigen reich unsers HErrn und Heylandes JEsu Christi. Am allermeisten lasset uns fleißig sein in stetem gebet/ daß wir mit solchem unaufhoͤrlich vor dem gnaden thron liegen/ und um unsers liebsten Seligmachers und seines verdienstes wil- len alles was uns noͤtig ist gewißlich erlangen: Jch werde auch nicht erman- geln desselben vor dem HErrn zugedencken/ mich hinwiederum seiner treuen und bruͤderlichen vorbitte versehende. Was er sonsten vor gelegenheit habe mit conversation andere zuerbauen/ sonderlich was vor huͤlffe er etwa an seinem prediger habe/ ist noch aus bißherigen brieffen nicht zuersehen gewesen: Jch wuͤnsche aber das es alles nach verlangen und zum wachsthum seines in- nern menschen moͤge geschickt sein. Weil auch weiß/ daß er von unserem hie- sigem zustande wissenschafft zu haben/ verlangen traͤgt/ so berichte/ das wir noch ob wohl in grosser schwachheit/ trachten dem HErrn zu dienen/ hoffe auch sein werck bey uns solle nicht gar stecken bleiben und ohne frucht sein. Es gehet zwar alles langsam her/ aber doch mangelts nicht/ daß GOtt hie und da ein und andern in dem gutem gestaͤrckt werden laͤsst/ oder einige seele aufs neue mit einem hertzlichen vorsatz in warer und ernstlicher Gottseligkeit dem HErren zu dienen ruͤhret/ also daß ob ich wohl noch nicht von einer reichen zeitigen Ernde vieles sagen kan/ so stehe ich doch in dieser ungezweiffelten hof- nung/ es seye eine lebendige und gruͤne saat vorhanden/ die noch/ und wer weiß wie bald/ in volle aͤhren ausschiessen werde. Ach daß uns der HERR die au- gen oͤffne/ zu erkennen/ woran es mangelt/ daß es noch nicht bißher mit allem verlangtem succes hergegangen/ solche hindernissen als dann weg zuraͤumen. Jch habe dieses jahr in den predigten vor/ alle die glaubens puncten gruͤndlich und einfaͤltig der gemeinde nach verleihung Goͤttlicher gnade vorzutragen/ da- mit die uͤbung der Gottseligkeit auf dem rechten grunde der erkanten warheit bestehe. So bin ich neulich von einem Capellan von Nordhausen so in ihrer nachbarschafft ist/ angegriffen und in einer offentlichen schrifft deß Enthusiasmi beschuldiget worden/ ich habe aber wiederum geantwortet/ und verhoffentlich also durch goͤttliche gnade/ daß die unschuld der von mir treibenden lehr christ- lichen Hertzen/ wie ich hoffe/ so viel heller einleuchten solle. An allerhand dingen mangelt es nicht/ dadurch der HErr meine gedult uͤben will; Seiner goͤttlichen weißheit und guͤte seye davor danck gesagt/ welche noch allezeit kraͤfften zutragen/ und seine liebe daraus zu erkennen gegeben hat. Die wirds noch ferner alles wohl machen: Ach daß ich nur immer solchen heilsamen rath erkennen und je laͤnger je treuer erfunden werde. Mein G. schwager Hor- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XI. Horbius hat in seiner neuen Superintendenz zu Windsheim auch schon vie- lerley auszustehen und widerspruch/ auch hinderniß an dem guten von denjeni- nigen gehabt/ die es billig befordern solten. So faͤngt er auch an leibes kraͤfften sehr an abzunehmen; Jst aber willig/ sich dem HErren zum opffer darzugeben/ wie es ihm gefaͤllig sein wird. Er entbietet durch mich ein christli- chen gruß. Was Herrn M. Wincklern anlangt/ hat ihm GOtt grosse gna- de gethan/ daß er in seinen itzigen Superintendenz- amt zu Wertheim sehr vergnuͤgt lebt/ und nachdem er das hertz seiner gnaͤdigen herrschafft und der gemeinde zu ihn gewendet hat/ mit so viel mehr nachtruck sein amt verrich- ten kan. Wie dann GOtt nicht wenig segen zu seiner arbeit giebet/ und er auch in seinem hauß eine absonderliche zusammenkunfft zuhalten die erlaubniß hat/ dero er sich nuͤtzlich gebraucht. Er hat auch treue Collegen, welches eine grosse wohlthat und foͤrderniß ist. Er gruͤsset euch hertzlich/ da er die nechste woche hie war. Zu welchen allen noch schließlichen mein wunsch hin- zu setze/ so ich lieber mit den worten deß Apostel thun will: GOtt des frie- dens der von den todten aus gefuͤhret hat den grossen hirten der schaf durch das Blut des ewigen Testaments unsern HErrn JEsum/ der mache euch fertig in allem guten werck zu thun seinen willen/ und schaffe in euch/ was fuͤr ihm gefaͤllig ist durch JEsum CHrist/ welchem sey ehre von ewigkeit zu ewigkeit. Amen. 23. Jun. 1680. SECTIO XI. Meine antwort gegen Dilfelden. Der Enthu- siasmus zur ungebuͤhr aufgebuͤrdet. Boͤses Zeichen/ daß Goͤttliche wirckungen so unbekant. J Ch hoffe durch GOttes gnade die antwort also in einfalt aber gruͤnd- lich abgefasset zu haben/ daß wer nicht boßhafftig und muthwillig sich will der warheit widersetzen/ bekennen muͤsse/ es seye nichts weniger als ein enthusiasmus, welchen ich lehre/ oder die schrifft/ die liebe altvaͤter/ unsre eigene Symbolische buͤcher und wehrteste lehrer unsrer kirchen lehren selbst einen Enthusiasmum: Derer wort so nachdruͤcklich von den wirckungen des Heil. Geistes in der seelen/ wo sie die krafft des mit den ohren gehoͤrten oder mit au- gen gelesen worts haben lassen in die hertzen/ wohin es gehoͤret/ tringen/ zu- weilen lauten/ daß ich nicht allemahl/ um den laͤsterern nicht in die zaͤhne zu- fallen/ also zu reden getraute. Wie nun solche lehr dermassen gegruͤndet ist/ daß Das sechste Capitel. daß wir ohne anstossen vieler unserer glaubens- punct en sie nicht verleugnen oder verlassen koͤnnen/ so ist mir dieses ein betruͤbtes zeichen des verfals in un- serer Evangelischen kirchen/ daß in deroselben einige getrauen mir solchen of- fenbahren und gleichsam mit der Sonnenstrahlen geschriebenen warheit offent- lich zu widersprechen und sie mit verdacht zubelegen. Denn unfehlbar ists/ sol- che leute/ welche die Goͤttliche wuͤrckung in erleuchtung des verstandes Goͤttliche dinge auch auff Goͤttliche weise zuerkennen und in wuͤrckung des willens/ daß der Mensch nicht nur eusserlich anders lebe/ sondern auch innerlich anders ge- sinnet seye/ wiedersprechen und sie verachten muͤssen von solcher Goͤttlichen wuͤrckung nichts geschmeckt und erkant haben/ daher es ihnen so fremde sa- chen sind; also mag freylich wol ihre Theolo gie nichts anders als eine bloß menschliche erudition und wissenschafft seyn ohne einig gnaden licht von oben. Aber sie haͤtten nicht draus zu schliessen/ daß denn bey andern nichts mehrers sey/ als sie bey sich erfahren/ wie es ja in der Welt nicht folget/ was ich nicht habe/ daß es deswegen niemand anders habe/ oder haben koͤnne. Ob der mann wie er sich zwar/ ehe er meine antwort erfahren/ verlauten hatte las- sen/ noch einmal mich angreiffen oder nun zur ruhe begeben werde/ weiß ich nicht/ muß es aber alles GOtt befehlen; dem ich davor hertzlich dancke/ daß er mich bey seine warheit unberuͤckt bißher und also erhalten hat/ daß ich ge- trost all rechenschafft vor GOtt und der kirchen geben und nicht einiges ir- thums in der lehre uͤberfuͤhret zu werden sorgen/ deswegen weder bißherige noch etwa kraͤfftige angriffe fuͤrchten darff. 1680. 23. Jun. SECTIO XII. An einen Juristen. Die Christliche freund- schafft die vornehmste unter allen. Gemeinschafft der hei- ligen. Wie unter abwesenden auszuuͤben. S Eine hertzlich gegen mich bezeigte liebe ist mir so viel angenehmer und wehrter/ daß dieselbe auf keinen andern/ oder einen fleischlichen grunde beruhet/ sondern auf der einigkeit des Geistes/ darin wir beyde durch des HErrn gnade stehen/ und uns in solcher obsicht unter einander mit so viel reinerer liebe umfangen. Und dieses ist die recht einig bestaͤndige und unzer- stoͤrliche freundschafft. Dann die andere/ die auff den nutzen bestehet/ oder auff der aneinander habenden lust/ wie sie auff gantz liederlichen sand gebauet ist/ hat nichts festes/ sondern aͤndert sich von tag zu tage/ ie nach deren jener grund ARTIC. I. DISTINCTIO III . SECTIO XII. grund da oder dorthin weichet/ die auff eine moral honestet und tugend ge- gruͤndete freundschafft hat etwas mehr wuͤrdigkeit und festigkeit/ aber doch auch mehr in dem schein als in der that/ dann auch solches unserer vernunfft gut gehet/ so tieff nicht als es solle. Jst also allein die freundschafft/ welche sich auff goͤttliche gnade und des geistes einigkeit gruͤndet/ die rechte wahre und einige/ dahero dieses nahmens vornehmlich wuͤrdige freundschafft/ so auch alhier von dem HErrn und seinem geist gewuͤrcket werden muß/ sich aber allezeit bey dero von eben solchen Geist gewuͤrckten Goͤttlichen liebe findet. Dann wer da liebet GOtt/ den der ihn gebohren hat/ der liebet auch den/ der von ihn gebohren ist 1. Joh. 5. 1. Es ist aber solche liebe und aus derselben zwischen denen/ die absonderlich einander kennen zulernen/ von Gott die gelegenheit bekommen haben/ entstehende freundschafft ein stuͤck der in den Apostolischen glauben bekeñenden gemeinschafft der heiligen. Welcher Articul viel wichtiger ist/ und einen theurern schatz in sich fasset/ als er insgemein davor angesehen/ und fast nur vor eine muͤßige wie- derholung des vorigen geachtet wird. Jndem in denselben uns so wohl gezei- get wird/ wie wir glaͤubigen alle in gemeine besitzung aller himmlischen guͤter/ die der liebste Vater seinen Kindern bestimmt hat/ stehen/ als beruffen zu ei- nerley hoffnung unsers beruffs; daher in gewisser maß alles das gute/ und alle die gaben/ welche GOtt einigen unserer mitglieder verliehen haben mag/ als unser eigen gut ansehen moͤgen/ deren wir uns so wohl als an den natuͤrlichen leib jedes glied der zierde/ die an dem andern glied erkaͤntlich ist/ anzunehmen ha- ben/ auch daher ein und andern nutzen erwarten doͤrffen: als auch wir hin- wiederum unsere pslicht in liebe und gebet solche unsere gemeinschafft zuuͤben/ und deroselben zugeniessen/ und solches als die frucht nutzen und den gebrauch sothaner gemeinschafft anzusehen haben. Zur uͤbung aber solcher gemein- schafft ists zwar an dem/ daß die leibliche gegenwart viele gelegenheit giebet/ die sich in deren abwesen nicht gleicher massen finden laͤsset: jedoch mangelts auch denen nicht/ die GOtt an unterschiedliche ort gesetzt/ das nicht auch sie solten gnugsame gelegenheit haben/ ihre gemeinschafft zuuͤben. Jndem nicht nur allein die liebe durch entlegene des orts weder aufgehoben noch schwerer gemacht wird/ sondern auch aus derselben eben so wohl unter denen/ die dem ort nach von einander getrennet sind/ eine hertzliche freude entstehet/ wie sie an einander gedencken/ wo sie von der gnade GOttes/ die derselbe einen und andern unter ihnen ertheilet/ und sie darinnen wachsen laͤsset/ erfreulich verneh- men/ und dadurch weil sie solches/ was den Bruͤdern geschiehet/ als ihnen selbs geschehen zu seyn erkennen/ zu einigem hertzlichen lob ihres GOttes auffge- muntert werden: ferner entstehet daraus ein hertzlicher eyfer/ das ie ein schwacher dem andern das maaß/ das jenem gegeben ist/ darinnen er ihn uͤber- trifft/ nicht mißgoͤnnet/ aber nach dem vermoͤgen/ welches GOTT giebet/ D d d trach- Das sechste Capitel. trachtet zu gleicher gnade zu wachsen/ und des andern christlichen und loͤbli- chen exempel nachzufolgen: Nun wie man durch jenes aufgemuntert worden/ durch seine nachfolge hinwiederum den andern freude zu machen: So dann in so viel ernstlicher und bruͤnstiger gebet vor solche mit-glieder/ als ungern man sich mit denselben verbunden weist. Und diese dinge sinds auch/ gelieb- tester freund/ worinn wir die gemeinschafft und freundschafft auch unter uns in der furcht des HErrn zuuͤben haben/ und uns dessen befleissen wollen. Daß wir in der liebe gegen einander immer bruͤnstiger werden/ uns erfreuen/ was ie einer von dem andern vernehmen wird/ das GOtt seiner Seelen fortfahre gutes zuthun/ oder zu seiner arbeit seegen gebe; ists/ wo einer dem andern zu seinem geistlichen wachsthum etwas beytragen mag mit rath/ auffmunte- rung/ exempel und dergleichen/ das selben willig thue/ und unser anliegen stets mit gebet vor einander dem himmlischen Vater vortragen/ nicht weniger mit dancksagung vor einander vor desselben Angesicht zuerscheinen. Darinne stehet unsere gemeinschafft und freundschafft/ und so vermoͤgen wir/ ob schon dem leibe nach getrennet/ in dem geistlichen der vereinigung zugeniessen. Wie ich mich nun dessen zu seiner liebe versehe/ so will ichs auch nicht an meinen ort ermanglen lassen/ auff das wir also rechtschaffen seyn in der liebe/ und wach- sam in allen stuͤcken an dem/ der das haupt ist/ CHristus/ aus welchem der gantze leib ꝛc. Ephes. 4. 1680. 1. Jul. SECTIO XIII. Als weiter angegriffen zu werden/ benach- richtigt wurde. J Ch empfehle es GOtt/ dessen sache es ist/ und der mein hertz kennet/ das ich mit niemand streit suche/ sondern gerne in friede meines amts warte/ aber unruhiger leute hertzen in meinen haͤnden nicht habe/ sie abzuhalten. Solte im uͤbrigen Mhhl. mir einigen vertraulichen bericht ge- ben koͤnnen/ woher oder uͤber was materie anderwertlich ich nicht unange- fochten bleiben moͤchte/ solte mir solches eine sonderbahre freundschafft seyn/ und mir darzu dienen/ daß etwa dergleichen vorher abgewendet wuͤrde/ ehe ich durch oͤffentlichen angriff zu einer gleichen verantwortung genoͤtigt wuͤrde. Jm uͤbrigen so wenig lust ich an streithaͤndeln von natur habe/ so veneri re ich doch in allem solchen/ und uͤbrigen/ was des HErrn weißheit uͤber mich bißher verhaͤnget hat/ und widrig scheinen mag/ solcher weißheit guͤtigste re- gierung/ die allemahl aus dem boͤsen hat gutes erfolgen und mir neue gelegen- heit an die hand gegeben werden lassen/ etwas zu seinen ehren vorzunehmen/ und die gute sache/ die der Satan verdaͤchtig zu machen gesucht/ zu befoͤr- dern. ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XIII. dern. Deroselben uͤberlasse es noch ferner getrost/ als versichert/ daß weil ich nichts des meinigen dabey suche noch prætendi re/ in der welt etwas zu seyn oder zu haben/ mirs auch nicht fehlen koͤnne/ und solte ich alles dabey auffsetzen und verliehren muͤssen/ welches ich vor keinen verlust achten werde. Der HErre gebe mir nur in allen seinen willen zuerkennen/ und ohne anse- hung dessen/ was ich dorten zu hoffen oder zu foͤrchten habe/ denselben getrost zu thun. 10. Jul. 1680. SECTIO XIV . Von einigen vorschlaͤgen der besserung/ sonder- lich in erziehung der kinder. Catechismus examina. Con- firmation. Ob gnug/ an der jugend zuarbeiten? Ob die reformation ohne die obrigkeit anzustellen. Gefahr von dem Pabstthumb. E S hat mich sein schreiben von hertzen erfreuet/ so wohl daß aus dem- selben die hertzliche intention, GOtt treulich zu dienen und an der kir- chen besserung zu arbeiten/ verstanden habe/ als auch durch das bey gelegte MSC. worin die sache weiter ausgefuͤhret/ mehr bekraͤfftiget worden bin/ so dann wiederum an demselbigen einen treuen zuverlaͤßigen freunde zu gewinnen/ welche mir so viel angenehmer billig seyn sollen/ als mehrere gemuͤ- ther durch allerhand calumni en und laͤsterungen von mir von einigen zeiten abgewendet und eingenommen worden sind. Jch erkenne auch mit demsel- ben/ daß freylich an dem mangel der jugend und dero erziehung/ ob zwar nicht bloß dahin alles/ dannoch ein so grosses/ gelegen seye/ daß wo solchem uͤbel nachdruͤcklich geholffen werden moͤchte/ dardurch die gantze kirche herr- lichen nutzen und besserung haben wuͤrde. Also mit wenigem meine einfaͤlti- ge gedancken nach begehren auf solche pia cogitata zu eroͤffnen/ so finde die klagen gerecht und hertzlich/ die vorstellung/ wo von das uͤbel herkomme/ ver- nuͤnfftig und deutlich/ die besserungs-mittel gut und heilsam/ also daß ich nicht von jeglichen wider zuhandlen/ und meinen consensum in ieden absonderlich zubezeugen/ noͤthig achte. Sonderlich erkenne ich gern/ was die verbesse- rung der schulen anlangt/ daß ich davon weniger verstehe/ als daß ich gruͤndlich von solcher materi e zuurtheilen vermoͤchte. Vielleicht aber mag Herr Grabovii arbeit in seinen parænesibus, so vor einem jahr ausgegangen/ und mich wohl inniglich vergnuͤgt haben/ etwas nuͤtzliches hiezu bey getragen D d d 2 haben Das sechste Capitel. haben/ aufs wenigste habe ich sein talentum daraus dermassen zu seyn er- kant/ daß er auf veranlassung vor vielen andern hievon etwas gruͤndliches sol- te vorschreiben oder vorschlagen koͤnnen. Jch zweiffele nicht/ daß an ein und andern orten gleichfals liebe und so wohlvon GOtt begabte als seine ehr treu- lich meinende leute bey schulen werden gefunden werden/ deren rath hierinnen vortreflich seyn solte. Jch vor meine person/ der ich mein tag nie in keiner schul erzogen worden bin/ sondern von kindes beinen an der privat præcepto- rum mich habe gebrauchen muͤssen/ hinwider auch mit information der kinder nie umgangen/ daher ausser aller erfahrung bin/ vermag hierinnen nichts an- zugeben/ ohne was die Catecheti sche information anlangt/ da ich von ziem- lichen Jahren selbst mit umgegangen bin/ und hand anlege/ auch hoffe/ wir haben dieselbe durch GOttes gnade allhier in einem solchen stande/ daß ob wohl noch vieles auch daran zu desiderir en/ und ichs noch erbaulicher ver- langte/ dannoch etwa vor einigen andern orten der unsrige einigen vorzug ha- ben moͤchte/ wie aufs wenigste fremde hier ankommende/ die solches sehen oder anhoͤren/ davor halten/ es seye ein nuͤtzliche uͤbung/ sind auch etzliche an an- dern orten dadurch zu einiger nachfolge angefrischet und auffgemuntert wor- den. Wiewohl mir noch dieses immerdar in dem sinn liegt/ und ich so wohl mir als andern darinne gern geholffen sehen moͤchte/ nach dem wir die jugend in solchen uͤbungen durch Goͤttliche gnade zu einer ziemlichen wissenschafft und in einen fleiß an die schrifft bringen/ weil aber solches noch allein so zu- reden in den kopff/ das ist in verstand und gedaͤchtniß/ gehet/ wie wir weiter den kopff in das hertz bringen/ das ist/ was sie nun wissen/ auch in dero- selben hertz zu lebendigem glauben und vertrauen eintrucken und also in Goͤttlicher krafft zu wegen bringen moͤchten/ daß sie warhafftig also gesinnet seyn/ wie sie von Goͤttlichem willen wissen und davon muͤndlich ihre bekaͤntniß thun. Jndem ich der exempel leider nicht wenige habe/ derer die eine nicht gemeine wissenschafft gehabt/ und von allen glaubens- punct en stattliche ant- wort haben geben koͤnnen/ da aber nichts destoweniger das hertz in aller liebe der welt und dero eitelkeit ersoffen/ und folglich ohne den wahren lebendigen glauben und liebe zu GOtt geblieben. Welches mir offters eine nicht geringe betruͤbniß machet. Jndessen trage ich doch das gute vertrauen/ Gott werde auch das in solchen uͤbungen der catechisation so wohl als in den predigten ausstreuende Wort nicht unfruchtbar sein/ sondern aufs wenigste in ein und andern hertzen den wahren glauben lassen gewuͤrcket werden/ so wir auchselbst erfahren. Was die confirmation anlangt/ haben wir dieselbe auf die ver- langte weise/ in denen zu hiesiger stadt gehoͤrigen wenigen landkirchen/ nicht aber in der stadt selbst. Jedoch brauchen wir sie privatim, daß die ienige/ welche zu dem tisch des HErrn das erstemahl gehen wollen/ nach empfange- nen ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XIII. nen unterricht und vor den eltern und andern freunden aus ihrem glauben ge- thane bekaͤndtniß/ ernstlich ihrer pflicht und gethanen tauffgeliebtes/ dessen sie/ ob sie was ihre tauffpaten vor sie zugesagt/ auch nach reiffer uͤberlegung da- bey bleiben/ und sich dazu verstehen wollen/ treulich und beweglich erinnert/ und mit neuen verspruch/ ihr lebenlang bey der erkandten und bekanten warheit/ als bey unserer wahren Evangelischen kirchen/ zu bleiben/ hingegen sich nichts davon abwendig machen zulassen/ bey nebens die kirche mit guten exempel und gottseligem leben allezeit zu zieren/ beleget werden: Auff solches wird mithand- auflegen uͤber sie gebetet/ und der segen gegeben. Welches ob es wohl pri- vatim geschicht/ doch bey den meisten nicht ohne hertzliche bewegung abge- het. Wo ich aber meine gedancken frey und offenhertzig ferner eroͤffnen solle/ so sind vornehmlich zwey stuͤck/ die ich noch in reiflichere consideration zuzie- hen noͤthig achte/ und deßwegen gern davon ferners communicir en moͤchte. Das eine ist/ ob die besserung in der erziehung der jugend/ wie davon mit mehrerem heilsame vorschlaͤg gemacht worden/ und freylich dieselbe eines der vortreflichsten mittel ist/ gleichwohl so bewandt seye/ daß wir mit deroselbert den zweck erlangen moͤchten/ ohne bey-gebrauchung anderer/ die fast mehr noch vorhergehen muͤssen/ solle man jene/ und durch dieselbe vieles guts/ ins werck richten. Es muß die erziehung der jugend von den bereits alten und erwachsenen so zu hauß als in den schulen geschehen/ daher wir uns zum for- dersten auch darum bekuͤmmern muͤssen/ dergleichen schulmeister und Præce- ptores zuhaben/ ja auch die eltern dahin zubringen/ die und daß sie moͤgen tuͤchtig seyn/ die jugend zu der wahren gottseligkeit rechtschaffen zu erziehen: Wie dann die boßheit und nachlaͤßigkeit der eltern solcher uͤbeln zucht ursach ist/ daher dieser ohne jene nicht mit genugsamen nachtruck mag gewehret wer- den. Wie ich also erkenne/ daß an der jugend mit grossem ernst gearbeitet wer- den muͤsse/ so muß mit nicht wenigeren ernst darnach getrachtet werden/ wie wir auch an den alten etwas und zwar so vieles ausrichten moͤgen/ daß sie tuͤchtig und geschickt werden/ durch gute zucht und vermahnung zu dem HErrn/ unser intention bey den ihrigen werckstellig zumachen; Sonsten werden auch alle consilia von besserung der education keinen oder doch sehr schwachen effect erlangen. Das andere ist dieses/ daß ich selbst erkenne/ wie es nicht nur so noͤthig als billig seye/ daß eine reformation mit zuziehung oder vielmehr durch die autorit aͤt der obrigkeit geschehen solle/ ja nicht wohl zuhoffen ist/ daß ohne dieselbe etwas grosses ausgerichtet werden moge/ wo wir nehmlich von einer voͤlligen und solennen reformation reden. Aber es entstehet dabey diese frage/ ob wir wohl nach betrachtung gegenwertiger un- serer zeit/ und aller umstaͤnde/ hoffen moͤgen/ daß dergleichen erhalten/ und die in dem wegstehende obstacula kraͤfftig weggeraͤumet werden moͤgen: Da D d d 3 ich Das sechste Capitel. ich nicht leugne/ daß ich noch weniges sehe/ darauff ich eine sonderbare hoff- nung gruͤnden koͤnte. Folglich kommet billig in consideration, ob hingegen/ da wir eine solche vollstaͤndige und solenne reformation nicht wohl hoffen moͤgen/ alles andere unterlassen/ und darauff vergebens gewartet werden muͤ- ste: Oder ob nicht unseren amt und gewissen gemaͤßer seye/ daß wir zwar mit bitten/ mit rathen und ansuchen bey der Obrigkeit/ uns bemuͤhen/ dero hilffe zuerlagen/ und sie dahin zu persvadir en/ daß sie dem HErren/ von deme sie sie empfangen haben/ zu ehren ihre gewalt nachtruͤcklich anwenden/ und sich ihrer pflicht erinnern wolten; wo wir aber solches nicht erlangen/ gleichwohl wir prediger zwar ihnen keinen eingriff in ihre jura thun/ so nicht wuͤrde ver- antwortlich und gesegnet seyn/ aber doch versuchen die verrichtungen unsers amts auf eine solche art zuthun/ daß vermittels goͤttlichens segens ein mehre- res als leider insgemein geschiehet/ ausgerichtet werden moͤchte: Mit so emsiger treibung goͤttlichen worts in der offentlichen predigt und catechismus- versammlung/ als gewissenhafften zuspruͤchen bey den einzelen personen/ nach Pauli exempel Apost. Gesch. 20/31. Jch weiß/ das wir damit bey dem groͤ- sten und rohen hauffen wenig ausrichten werden/ der nicht anders als durch zwang nur zu einigen anfang deß guten gebracht werden mag/ und gegen welchen wir meistens deß obrigkeitlichen amts/ bedoͤrfftig sind. Aber damit haͤtten wir noch nicht stang und stab fallen zulassen/ sondern auf eine andere art zusuchen/ dem teuffel schaden zu thun/ daß wir uns erstlich am meisten der- jentgen annehmen/ bey welchen wir bereits aus Gottes wirckung gute gemuͤ- ther und eine christliche intention erkennen/ mit denselben am fleißigsten um- zugehen/ daß wir ihren geistlichen wachsthum befoͤrdern/ und bey solchen leu- ten es dahin bringen/ damit sie selbst und ihre haußhaltungen recht moͤgen leichter werden/ die andern ihren nachbaren und freunden scheinen; Wo es nicht fehlet/ daß nicht solte durch solcherley gute exempel/ und dergleichen christ- licher leute umgang/ immer noch ein und anderer gewonnen/ und das amt deß Predigers durch jene hilffe leichter und fruchtbarer gemacht werden. Giebt dann GOtt gnade/ daß bereits eine starcke zahl sich in einer gemeine findet/ so nun rechtschaffene Christen sind/ so mag als dann nicht nur ein obrigkeit so viel leichter bewogen werden/ die uͤbrige hartnaͤckige durch ihren arm zu gehor- sam zubringen/ sondern es mag auch ein prediger in seinem amt selbst ernstlicher gegen diese veꝛfahren/ da er das groͤste theil der gemeinde hat/ als er noch nicht kluͤg- lich thun moͤgen/ wo ers noch erst fast allein mit einer gemeinde zuthun gehabt/ bey dero ohne den nahmen und das opus operatum deß eusserlichen Gottesdiensts fast nichts christliches sich gefunden hat. Aufs wenigste wuͤrde damit eine statt- liche vorbereitung gemacht/ wo Gott dermahleins einiger der grossen hertzen wol- te zu einer mehreren reformation bewegen/ daß solche als dann so viel gluͤcklicher von ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XIV. von statten gienge. Wiewohl ich sorge/ GOtt werde nebens dieser vielleicht eine gantz andere und unbeliebige vorbereitung brauchen/ und seiner kirchen eine re- formation gedeyen lassen/ nicht durch die hand der gewoͤhnlichen pfleger u. Obrig- keiten/ sondern durch die feinde/ daß er ein gebaͤu/ welches sich schier kaum mehr fli- cken laͤsset/ uͤber einen hauffen werffen/ und von neuen wieder aufbauen. Wie ich dann die itzigen conjuncturen und der Paͤbstischen consilia nicht wohl anders ansehe/ als daß sie den gesamten ruin unserer kirchen vorhaben: so wolte ich auch keinem darvor gut seyn/ ob nicht GOtt dem hochmuͤthigen und maͤchtigen Babel zulassen werde/ sein verderbtes Jerusalem gar zu zustoͤren/ und aufs neue das aͤus- serliche desselben grossen theils unter sich zubringen/ damit es das maaß seiner suͤn- den erfuͤlle/ und also sein angetrohetes gericht ihm selbst voͤllig uͤber den hals zie- he/ hingegen damit wiederum aufs neue aufgerichtet werde/ was kaum auf eine gelindere art hat moͤgen zurecht gebracht werden. Nun gerecht/ weiß/ guͤtig und heilig ist der HErr/ der alle seine trohungen und verheissungen erfuͤllen wird/ auf eine art und weise/ die wir etwa nicht genugsam vorher sehen moͤgen/ aber end- lich erkennen werden/ daß es nicht weißlicher und herrlicher haͤtte hinaus gefuͤhret werden koͤnnen. Jndessen lasset uns arbeiten/ was wir aus seiner gnade vermoͤ- gen/ gewiß daß wir entweder aus Gottes gnade und segen manches ausrichten werden/ nach treuem anhalten/ was wir ietzo nicht moͤglich halten/ und darauf se- hende die haͤnde sincken lassen moͤchten: oder wo wir ja nicht bey andern ausrich- ten/ was wir verlangen/ so werden doch die treugemeinte consilia, conatus und fleiß bey GOtt so angenehm seyn/ als Davids einfaͤltige intention, dem HErrn ein hauß zubauen/ gewesen ist/ ob wohl der HERR den effect nicht folgen lassen wolte/ als der ihn nicht darzu bestimmet hatte. Wird also keine arbeit in dem HErren vergebens seyn/ so uns schon muthig und freudig machen kan. Dieses sind die wenige gedancken/ so mir bey den pie cogitatis beygefallen/ und ich mich habe erkuͤhnen wollen/ dieselbe nach begehren freundlich und in bruͤderlichem ver- trauen zu communici ren: Jm uͤbrigen weiß ich nicht/ weil nichts dabey gemeldet worden/ ob die intention seye/ daß solches wercklein durch oͤffentlichen truck auch andern gemein gemachet werden solte. Wuͤrde sonsten auf dessen erhaltenden bericht versuchen/ was sich damit thun und ausrichten liesse. Der HErr HErr nehme sich selbst seiner kirche und gemeinde an/ wie er verheissen hat/ erwecke solche leute/ welche geist/ weißheit/ muth und krafft haben/ alles dasjenige auszurichten/ wie viel er noch derselben gutes zuthun bestimmet hat: Er erhalte auch die bereits gegebene werckzeuge seiner gnaden/ und unter denselben meinen wehrtesten bruder/ zu desselben consiliis, vorhaben und arbeit verlangten und reichen segen mit- diglich zugeben/ ja die freude zuverleyhen/ daß er selbst noch sehen moͤge die fruͤchte und erndte seiner saat hier in dieser zeit/ uͤber welche freude ein treuer diener Got- tes in dieser welt schwerlich eine groͤssere haben oder erlangen kan. 1680. 14. Jul. SECTIO Das sechste Capitel. SECTIO XV. Uber eines guten freundes Tractaͤtlein/ in dem unterschiedliches anstoͤßig gefunden. J Ch habe vor acht tagen das an mich gethane/ gestern aber auch das uͤber- sante buͤchlein/ wohl empfangen. Bedancke mich zum fordersten/ so wohl der freundlichen uͤberschickung als nochmahls bezeugenden guten vertrau- ens/ so mir angenehm ist. Wie wuͤnschte ich das gleiches vergnuͤgen uͤber das tractaͤtlein bezeugen konte! Jch habe dasselbe aus einem communicir ten exem- plar vergangenen freytag zwar gantz/ aber nicht anders als cursorie / und wie es mir in gegenwertigen meß distraction muͤglich ist/ durchgegangen/ daher zu mehr und gruͤndlicherem Judicio eine abermahlige und bedaͤchtlichere durchle- sung noͤtig ist. Derselbe wird mir aber nicht in uͤbelem vermercken/ daß/ nach dem wirs untereinander schuldig sind/ ich ihme offenhertzich meine gedancken da- von entdecke. Jch habe darinnen v i ele wichtige warheiten angetroffen/ welche fleißig zu treiben sehr noͤtig ist/ und ich selbst wunsche/ das immer fort neue gele- genheit moͤge gesucht und gefunden werden/ dieselbe ernstlich zu inculcir en. A- ber ich wuͤnschte von hertzen/ daß solche warheiten auch auf diese art vorgetragen wuͤrden/ daß sie ihren nutzen und zweck erhalten/ und nicht dem guten vielmehr/ ob wohl ohne des Autoris intention und meynung/ je dennoch aus verursachung und schuld deß vortrags selbst/ besorglich ein ziemlicher anstoß aufs neue gemacht werden moͤchte/ welches mit einigen geringen aͤnderungen/ welche auf guter freunde erinnerungen haͤtten geschehen koͤnnen/ verhuͤtet werden moͤgen. Als ich meine neuliche apologiam gegen Dilfelden heraus geben wolte/ achtete ich in einer wichtigen sach mich verbunden/ daß ich an 3. unterschiedliche ort meinen aufsatz Christlichen freunden communici rte/ deroselben erinnerung daruͤber ein zuholen; wie gut waͤre es/ da es hier dergleichen geschehen waͤre. Da ohne das derselbige vor deme von treumeinenden freunden einige mahl verstaͤndiget worden/ das sei- ne art zu proponi ren/ nicht alle mahl diejenige deutlichkeit habe/ welche von dem zuhoͤrer verlanget wuͤrde. Jch sehe also auch in diesen scripto / das zum offtern dergleichen warheiten/ welche mit andern und fast den ins gemein gebraͤuchlichen worten/ nicht nur mit eben dem nachtruck/ sondern offters viel deutlicher konten vorgetragen werden/ also hie beschrieben sind/ daß man sie schwerlich fasset/ oder doch vieles nachsinnen bedarff/ biß man nur die eigendliche meynung begreifft/ da- heꝛ den leuten ohne noth die sachen schwereꝛ gemacht weꝛden. Es sind einige redens- arten/ in welchen mir scheinen gewisse lehr puncten/ welche von unserer allgemeinen lehr art (an dero ich doch aus Gottes wort annoch nie keinen mangel gruͤndlich ge- zèigt gesehen habe) abgehen/ enthalten zu sein; Jedoch weil ich deroselben nicht ge- wiß/ und in denẽ ungewoͤhnlichen reden ein anderer und besserer verstand sein kan/ als ich ihn vielleicht fasse/ so lasse ich solche biß zu weiterer untersuchung so lange billich ausgesetzt. Jch haͤtte aber vor allen dingen wuͤnschen moͤgen/ und verlangen sollen/ ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XV. sollen/ daß die hauptstuͤcke deutlicher/ ordentlicher und mit geziehmender un- tersch eidung waren vorgestellet worden. Wir wissen/ wie ein grosses daran gelegen/ daß die articul von der rechtfertigung und von der heiligung in ih- rer guten ordnung und unterscheid gehandelt/ und nicht unter einander moͤ- gen vermischet werden. Nun zweiffele ich aus demjenigen/ wie mir sonsten dessen sinn und glaube bekand ist/ nicht daran/ daß er die sach richtig fasse/ und in seiner seelen erkenne; Jch versichere aber denselben/ es wird schwer- lich einer aus diesem mercklein diese materie nach genuͤgen lernen/ oder wo er sie verstehet/ sie in demselben nach nothdurfft befinden: so wird meines be- haltens der zurechnung nirgend gedacht/ da er doch solche lehre/ weil sie in verkehrten verstand gezogen wird/ darum nicht auszulassen/ sondern recht zu erklaͤhren ist. Weil auch die seele des glaubens nicht so wohl die begierde der goͤttlichen gnade/ darvon unterschiedliche mahl gedacht zu werden mich erin- nere/ als die annehmung derselbigen und feste zuversicht auf das versuͤhn- opffer unsers Heylandes Jesu Christi ist: So gestehe ich gern/ daß davon nicht so nachdruͤcklich gehandelt wird/ wie es dieser haupt-punct an sich selbst erforderte. Jch haͤtte auch billich zu verlangen/ daß deutlicher gehan- delt wuͤrde/ ob und was der mensch vorhin/ ehe er das wort anhoͤret/ in sich habe: und also ob das licht/ welches sich bey den glaͤubigen findet/ ein licht seye/ welches schon vor dem wort vorher bey ihnen gewesen seye/ indem diese ma- teri e sehr confus und dunckel hin und her nur beruͤhret wird. So wirds auch einem nicht wenigen anstoß geben/ was pag. 72. 82. und etwa anderwertlich von der substantz und wesen gemeldet wird. Vielleicht sind wir in der sache einig/ daß so wohl das gute als das boͤse in der seelen nicht nur der einbildung nach/ sondern warhafftig und so fern wesendlich sich finde/ daß es ein wahres wesen/ ein essentia, seye: wie ja ausser dem prædicamento substantiæ, alle uͤbri- ge/ also alle habitus, potentiæ u. s. f. rechte wesen und essentiæ sind. Wozu bedarffs aber einen dergleichen terminum, der aus der schul genommen ist/ sub- stantz? da doch warhafftig derselbe nachmahl in solcher materi e die bedeutung nicht kan haben/ welche er sonsten hat/ indessen aber viel wesens verursachen wird bey denen/ welche auf die wort fleißiger sehen/ und solches zu thun niemahl besser recht haben/ als wo man ihnen einen eingriff in ihre terminos thut/ welche sie sich gleichsam appropri iret haben; welche gefahr nicht ist/ wo man bey den worten der schrifft und der kirchen bleibet. Es hat die seele ihre substantz aus der schoͤpffung/ da sie nun entweder aus GOtt wieder gebohren wird/ oder aber in der bosheit immer weiter verhartet: ist jenes freylich etwas reals, eine gantz neue art/ natur/ und also einiges wesen/ das aber mehr in einer aͤnderung der substantz zu einer andern art bestehet/ als daß solches eine neue substantz warhafftig machte. Dergleichen dinge moͤchten sich nach fleißiger erwegung etwa mehr finden/ wo sichs geben wird/ daß ohne einigen abbruch der warheit/ und dero kraͤfftigsten vortrags/ zu erkaͤntnuͤß der wahren und heuchel-buß/ die noͤthige E e e Dinge Das sechste Capitel. Dinge haͤtten auf eine solche weise gesetzt und eingerichtet werden koͤnnen/ daß keiner als ein boshafftiger censor etwas dagegen haͤtte finden koͤnnen. Dahinge- gen ietzo nicht nur allein diejenige/ welchen die materi en selbst/ daß ihrem gewis- sen die falsche ruh und sicherheit benommen wird/ zuwider ist/ diese tractation anzugreiffen ursach haben/ sondern es werden unterschiedliche gottselige einfaͤl- tige hertzen sich stossen an den ihnen gantz unbekannten redens-arten/ da sie sich sonsten an den stylum der schrifft gewehnet: auch Christliche lehrer/ welche vor die reinigkeit der lehr sorgfaͤltig sind/ und sonsten das gute mit aller treue zu be- foͤrdern suchen wuͤrden/ doͤrfften nicht nur stutzen/ wo ihnen durch dergleichen un- gewoͤhnliche und fremde redens-arten/ ein starcker verdacht gemacht wird/ son- dern zu einem fernern eyffer dagegen bewogen werden. Wo es auch solte be- kannt werden/ daß von demselben diese arbeit herkomme/ so wird abermahl Franckfurth/ da derselbe ausgangen/ ein neuer anstoß den leuten werden/ und die schuld tragen muͤssen/ zu nichtweniger hinderung anders mehreren guten. Jch bitte hertzlich/ mein geliebter freund erwege diese sache in der furcht des HErrn reyfflich/ obs nicht so viel besser gewesen waͤre/ die vorgehabte warheiten auff eine unanstoͤßigere art vorzutragen: ob sich etwa noch eine weise finden moͤchte/ daß etwa mit noch anhengenden etlichen bogen oder blaͤttern der sach nachdruͤck- lich geholffen/ und die steine des anstosses aus dem wege geraͤumet wuͤrden? Wie ich dann von grund meiner seelen verlange/ daß diese arbeit/ so in liebe aus- gefertiget/ den vor augen habenden zweck recht erlangen/ so aber ohne weitere erklaͤhrung oder aͤnderung besorglich schwerlich geschehen wird. GOtt oͤffne uns allen hierinnen recht die augen/ zu erkennen/ was seine ehre am besten befordern kan. Den 14. Sept. 1680. SECTIO XVI. An S. Scriverium, als er ein halb jahr vorher mich samt 2. andern Theologis, wegen der vocation zu der Koͤn. Erbprinzeßin aus Dennemarck/ die/ als Koͤnigl. Schwedische Braut ihn zum Hoffprediger mit in Schweden nehmen wolte/ consul iret/ ich ihm die folge gerathen/ die ander beyde aber ihm bey seiner gemeinde zu bleiben/ die freyheit gegeben/ und er diesem gefolget hatte: Wie wir mit dem/ wie es Gott fuͤget/ zufrieden seyn sollen. NB. Mein responsum, da ich die folge gerathen/ kan bißher unter meinen Papiren nicht finden. D Em Geber alles guten/ welcher die hertzen in seinen haͤnden hat/ und re- gieret/ wie die wasser-baͤche/ sage ich demuͤthigen danck/ der das vor einem halben jahr vorgeweste werck nach seinem willen hat lassen ende ge- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XVI. gehen. Dann obs wohl nicht nach meinen damahligen Gedancken/ und was ich vor das nuͤtzlichste erkannt/ ausgeschlagen/ so erkenne ich gleichwohl/ daß ich nicht nur meinen willen allezeit dem Goͤttlichen/ da sich derselbe/ wie hier durch den event geschehen ist/ nunmehr offenbahret/ willich unterwerffen/ und ihn vor heilig und gut preisen solle/ sondern daß der allerweiseste Gott allezeit viel besser verstehe/ was zu seinen ehren und der kirchen besten ersprießlich seye/ als ich ar- mer mensch/ ja auch die kluͤgste/ welche seyn moͤchten/ solches verstehen und wissen koͤnten: daher was er bey seinen kindern geschehen laͤsset/ die ihn um seine regie- rung angeruffen/ und sich seiner leitung gehorsamlich dargestellet haben/ kan nicht anders/ als weislich/ gut und heilsam seyn/ welches ich auch davor erkenne/ ob wohl es einige mahl geschehen moͤchte/ daß ich dergleichen ursachen sehe/ die mir noch immerfort das gegentheil wuͤrden glaublicher machen: wo ich nicht gelernet haͤtte/ meine vernunfft und dero gefuͤhl gefangen zu nehmen unter den gehorsam des glaubens/ der mich lehret/ daß der HErr die seinen gnaͤdiglich und liebreich fuͤhre. Welches mir alsdenn schon genug ist/ was auch vor media und motiva endlich gewesen seyn/ durch die der HErr bey denen seinigen die resolution befoͤrdert/ und damit seinen rath zu werck gerichtet hat: die ich mir zu beurtheilen nicht nehmen solle/ weil auch zum oͤfftern Gott erst nach ziem- licher zeit seine vornehmste ursachen laͤsset offenbahr werden. Sonsten aus- ser dem haͤtte ich so viel mehr ursach gehabt/ die sache anders zu wuͤntschen/ weil nechsthin berichtet worden/ daß ein gottseliger mann/ so bey dem Koͤnig viel gutes in dem werck des HErrn befoͤrdert/ ihm abgegangen seye/ als der zu dem Bistum von Gotland gelanget. Gott zeige anderwertlich dem Christ- lich-gesinneten Koͤnig und Koͤnigin diejenige personen/ durch welche er sie zu erbauen/ und das gute werck in ihnen zu staͤrcken und zu vollfuͤhren be- stimmet hat. Weil es ie seine eigene sache ist/ und er wenn er will/ darzu ausruͤsten kan. Er wolle auch meinen liebwerthesten Bruder so wohl mit ferneren leibes-kraͤfften staͤrcken/ als auch das theure geschenckte maaß der Gnaden in ihm taͤglich erhalten und vermehren/ gleich wie der Gemeinde/ welcher er ihn gleichsam nun zum dritten mahl gegeben/ und also ihn/ ja das durch ihn gepredigte wort/ mit so viel mehr gehorsam/ und danckbarkeit an- zunehmen haben/ mit aller treue noch langwierig zu dienen/ und es dahin bringen/ daß er eine schoͤne ernde der bißherigen fleißigen saat und angewen- deter arbeit bereits alihier sehe/ und seinem himmlischen vater davor so viel inbruͤnstiger dancke/ und auch daher in seiner seele allemaht eine neue versiche- rung/ wie gut es Gott gemeynet/ ihn dieses orts zu lassen/ empfinde/ also auch den lieblichen und heilsamen geruch seiner gaben mit geist-reichen schrifften den uͤbrigen unserer kirche zum besten zu vieler darnach begieriger hertzen ermunterung und geistlicher staͤrckung in seiner krafft zu vorbereiten. E e e 2 Er Das sechste Capitel. Er wolle auch in zugesandtem trauer-fall/ da seine hand schwerlich ver- wundet hat/ mit so viel kraͤfftigerm trost als ein vater der barmhertzigkeit und Gott alles trostes beystehen/ und ihn diejenige krafft bey sich empfinden lassen/ die aus seinem troͤstenden munde etwa mehrmahl andere in derglei- chem fall zu ihrer beruhigung gefuͤhlet haben: so dann dasjenige/ welches er seinem abgaͤngigen alter an pflege und huͤlffe hat pflegen durch seine treue ehegattin zu seyn und zu leisten/ nachdem er dieselbige (als eine larve/ hinter dero er gestanden/ und alles solches gutes gleichwohl selbst erwiesen hat) zu sich selig genommen/ nunmehr unmittelbahr durch sich selbst und seine goͤtt- liche gnade/ oder durch diejenige treue freunde/ dero hertz er darzu mit sol- chem maaß der liebe erfuͤllen wolle/ werden/ seyn und leisten: zum zeugniß/ da er uns iemand noͤthiges wegnimmet/ daß er dadurch weder unvermoͤgli- cher noch ungeneigter zu unserer huͤlffe werde. 30. Sept. 1680. SECTIO XVII. Nutzen/ den ich gehabt/ von Dilfelden angegrif- fen worden zu seyn. Approbation mei- ner antwort. Wichtigkeit der materi e. M Einen Nordhausischen wiedersacher belangende/ bin ich alsobald/ da ich seine blaͤtter gelesen/ in meinem hertzen versichert gewesen/ daß rechtschaffene Theologi nicht anders werden koͤnnen/ als ein mißfal- len an einer solchen thesi haben/ welche die meiste wuͤrde ihres studii uͤber einen hauffen werffen will/ ja wird unser allgemeine glaubens-bekaͤnntnuͤß das liecht des Heiligen Geistes von der lehre des heyls und dem ammt des Geistes vermessentlich absondert. Daher ich auch eine sonderbahre schi- ckung goͤttlicher guͤtigkeit daraus erkannt/ daß ich auf eine solche unbeson- nene art angegriffen muste werden/ welches bey allen verstaͤndigen und GOtt-liebenden gemuͤthern/ die die sache mit bedacht erwegen/ so viel mehr favor meiner sache macht/ als schaͤndlicher sich mein wiedersacher selbsten prostitu iret hatte. Sonderlich/ weil mir dadurch eine recht er- wuͤntschte gelegenheit gegeben worden/ diese materiam, welche ich sine invidia ohne dergleichen ausforderung nicht haͤtte moͤgen publice vorneh- men ART IC. I. DISTINCT. III. SECT. XVII. men und tract iren/ also zu behandlen/ daß ich die von mir unverschul- deter weise aus gelegenheit vielerley calumni en und spargimenten hin und wieder gefaste/ und fast tieff eingesessene verdachte/ augenscheinlich wiederlegte/ und alle solche leute meiner durch Gottes gnade unverruckt behaltender orthodoxiæ versicherte. Also laͤsset der HErr boͤses zu/ da er gutes daraus hervor bringen will/ und ehre ich die goͤttliche weisheit und guͤte mit schuldiger demuth. Jch bin auch biß daher von so vielen lieben und tapffern leuten ihrer beypflichtung uͤber dieser gegen meinen wiedersacher behauptenden wahrheit durch manche schreiben also versichert worden/ daß es mir eine so viel mehrere auffmunterung seyn muß/ mich von dero bekaͤnntnuͤß und practic irung alles dessen/ welches auff sothanen zweck gehet/ durch keine wiedrigkeit anderer entweder unwissender und blinder eyfferer/ oder boshafftiger feinde des guten/ abwendig machen zu lassen/ sondern dabey feste zu stehen/ und immer mehr und mehr bey al- ler gelegenheit zu treiben/ daß wir ohne den Geist Gottes zu unserm ambt nicht alle die tuͤchtigkeit haben koͤnnen/ welche zu dessen vollkommener er- baulicher verrichtung noͤthig ist. Und ach daß solche in allen/ niederen und hohen schulen der stud ierenden jugend so bald als eine der ersten wahr- heiten fleißig eingedruckt wuͤrde/ so solten sich etwa manche noch bey zeiten eines andern besinnen/ und unser stand nicht in der verderbnuͤß immer fort stecken bleiben/ darinnen wir ihn leider und von ihm das uͤbel in die uͤbrige staͤnde sich ausbreiten sehen. Wie der liebe H. Grabovius zu Ber- lin zweiffels srey dasjenige selbst muͤndlich treibet/ was er so vortrefflich in seinen parænesibus scriptis gethan hat/ und ich gleichen fleiß unter dem mir bekannten von Herr Winckelmann Rectore zu Luͤbeck/ so dann Herr P. Kero conrectore zu Koͤnigsberg (welcher neulich eine feine Christliche Aretologiam drucken lassen) weiß/ also zweiffele ich auch nicht/ mein hochwerther herr unterlasse auch nicht bey der ihm so stattlich von GOtt gegebenen Gelegenheit an der ihm anvertrauten jugend an solchem haupt- fundament vornehmlich zu arbeiten/ worauff man folglich recht nutzbahr bauen kan. 25. oct. 1680. Eee 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XVIII. An einen vornehmen Theologum, wegen Dilfelds schrifft gegen mich. J Ch habe die gunst rechtschaffener Theologorum zu dieser zeit so viel hoͤher zu schaͤtzen/ und mit mehrerm danck zu erkennen/ nach dem von einigen jahren her aus des leidigen Teuffels (deme billich alle laͤ- sterungen und luͤgen als ihrem vater heimzuweisen sind) anregung durch einiger boshafftiger leute neid und feindseligkeit von meiner wenigen per- son/ vornehmen und rathschlaͤgen viele boͤse dinge in Deutschland ausge- sprenget worden sind; welche ob sie wohl ohne grund gewesen/ und ich mich deswegen auf meine unschuld verlassende solche nicht sonders zu foͤrch- ten gehabt/ sondern wissen konte/ daß sie von selbs zergehen muͤsten/ doch nach dem alten sprichwort: Calumniare audacter, semper aliqvid hæ - ret, dieses nach sich gezogen/ daß weil jene so bestaͤndig fort waͤhreten/ und etwa manchmahl scheinbahr vorgebracht wurden/ mehrere Theologi, so mich nicht gekannt/ oder sonsten ein gutes vertrauen gegen diejenige/ welche dergleichen von mir aussprengten/ trugen/ entweder sich gantz ge- gen mich einnehmen lassen/ oder doch angefangen haben/ ziemlichen ver- dacht in mich zu setzen/ ja offtmahls auch andere zu dergleichen zu ver- moͤgen. Daher mich also denenjenigen so viel hoͤher verbunden erachte/ welche sothanen boͤsen verdacht nicht so viel haben bey sich gelten lassen/ noch mich damit beschwehrt. Unter welchen E. Hochwuͤrden Nahme mir von guter zeit bekannt/ und auch solches dero ruhm-wuͤrdigen theo- log ischen so pruden tz als billichkeit stattliches zeugniß gewesen ist: als zu welchen beyden tugenden dieses nothwendig gehoͤret/ nicht ohne gnug- samen grund einen bruder in verdacht zu ziehen/ oder solches geschehen zu lassen. Jm uͤbrigen gleich wie meines wiedersachers des Nord- hausischen Capelans schrifft/ uͤber dero ungeschicklichkeit und unbillichkeit E. Hochwuͤrden ihren sondern wiederwillen bezeuget/ mich sonderlich hart angegriffen/ und derselbe zweiffelsfrey dadurch gehoffet/ mich allerdings aus allem Credit zu setzen/ so habe gleichwohl der weisen regie- rung des grossen GOttes/ so ihm solches verhenget/ davor demuͤthig danck zu sagen/ in dem mir kaum eine vortrefflichere gelegenheit gege- ben/ oder von mir ausgesuchet haͤtte werden moͤgen/ meine unschuld der- massen ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XVIII. massen darzuthun/ daß auch allein von einigen etwa auffs wenigste un- bedachtsamer weise geschoͤpfften und angenommenen verdacht kraͤfftig be- gegnet/ und ein vor alle mahl auch auff das kuͤnfftige alle gelegenheit mich in dieser sache anzugreiffen abgeschnitten wuͤrde. Wie ich dann derglei- chen geschehen/ und mich unterschiedlichen gelehrten/ so sich vorhin mit ungleichen gedancken hatten einnehmen lassen/ ihre scrup el voͤllig benom- men worden zu seyn/ von etlichen freunden mit freuden berichtet worden bin. Jch war mir zwar durch Gottes gnade allezeit bestens bewust/ daß ich versichert war/ es wuͤrde wieder meine orthodoxiam und vornehmen mit bestand der wahrheit nichts aufgebracht werden koͤnnen/ sondern die laͤsterungen und verleumdungen wuͤrden endlich von selbsten so wohl mit der zeit verschwinden muͤssen/ als etwa ein nebel mit auffsteigender Son- ne zerst r euet und verzehret wird/ weswegen ich nicht vieler angst/ son- dern gedult noͤthig hatte; Es thate mir aber wehe/ daß ich der stein des anstossens werden solte/ an welchen sich ihrer so viele mit dergleichen un- recht versuͤndigten: ja daß mein nahme in einigen streit-schrifften stehen solte/ da ich in unserer kirchen nicht nur den srieden helffen zu erhalten/ eine der wuͤrdigsten sorgen achte/ sondern eine meiner lebens-regeln mir laͤngsten diese gewehlet/ mich ausser allem streit zu halten/ und in dem srieden dem HErrn zu dienen. Gleichwohl muste ichs dem HErrn be- fehlen/ und erkennen/ daß uns nicht frey stehen muͤste/ wozu er uns brau- chen/ und was vor gelegenheit er uns geben wolte/ seine wahrheit zu bekennen und zu vertheidigen. So ist auch die wahrheit/ welche ich in meiner verantwortung behauptet/ von nothwendigkeit des goͤttlichen Gei- stes und liechtes/ zu recht fruchtbahrer verrichtung des amts des Geistes/ an sich selbs der wuͤrde und nothwendigkeit/ daß man gerne davon reden und handeln solle: dann wie hoch daran liegt/ daß man geistliche pfarr- herren / wie jener in E. Hochwuͤrden brieff angezogene in seiner einfalt/ als dorten Caiphas weissagte/ haben moͤge/ in dem ein grosses stuͤck des vesderbens der Christenheit von den fleischlichen predigern herkommt/ denen offt ihre erudition, wohlredenheit und uͤbrige natuͤrliche gaben al- lein ein werckzeug ihrer affect en/ hochmuths/ geitzes/ eigensinnigkeit/ und dergleichen seyn muͤssen/ wo man leicht erachten kan/ wo diese zum zweck darstehen/ wie alsdann alles gebraucht oder vielmehr mißbraucht werde/ daß in dem amt so wohl treue als die goͤttliche klugheit mangelt; also kan die thesis selbs/ daß dergleichen noͤthig seye/ und alle zu solchem heiligen amt beftimmte fein zeitlich dazu sollen angefuͤhret werden/ daß sie nicht nur allein menschen-sondern auch gottes-gelehrte werden/ nicht fleißig genug tract iret werden/ noch einige arbeit/ so dahin gerichtet ist/ zu Das sechste Capitel. zu viel seyn. Ach daß es nur nicht dabey bleibe/ daß man die nothwen- digkeit mit worten bekennen/ (so zwar eine gute vorbereitung zu mehre- rem guten ist/) sondern daß es auch durch Gottes gnade und treue mit- wuͤrckung derjenigen/ so von ihm darzu gesetzet sind/ endlich dahin kom- me/ daß man dieselbe in der praxi zeigen koͤnte. Wohin wohl ein gros- ses stuͤck unserer sorgen/ rathschlaͤge und gebeth gerichtet werden muß/ wo wir anders GOtt und sein reich lieb haben. 23. oct. 1680. SECTIO XIX. Wie wir uns der verfolgungen zu ver- sehen haben. E S hat mich die neue betraͤngnuͤß deroselben ohne das betraͤngtesten kirchen wohl hertzlich affici ret/ und treibet mich billig/ mein taͤgti- ches gebeth vor sie so viel eyffriger zu thun. Sehen wir die sache mit bloß menschlichen augen an/ so solte es uns gar schwer fallen/ zu be- greiffen/ wie Gott dem schein nach so gar vergesse derjenigen/ welche wir meynen/ daß sie vor allen andern ihm solten stets vor augen stehen/ welche um seiner wahrheit willen so vieles bißher auszustehen sich nicht gewe- gert/ unterdessen aber auf erleichterung ihrer last mit seuffzen gewartet haben/ die nun doch an statt der erleichterung immer schwerer zu werden das ansehen gewinnet: gleich ob liesse sich der HErr die bißherige bestaͤn- digkeit nicht gefallen/ sondern zeigte sein mißlieben in der that dagegen. Dergleichen viele difficult aͤten moͤchten sich leicht finden/ wo wir die sache ausser dem heiligthum GOttes/ und nach der meynung und gedan- cken fleisches und bluts/ uͤberlegten. Aber der HErr sey gelobet/ der uns von seinem willen und gerichten in und aus seinem wort auch gegen die vernunfft zu urtheilen gelehret hat/ daß wir wissen/ seine zuͤchtigungen und heimsuchungen seyn keine zorn-sondern gnaden-zeichen/ und muͤsse von ihm gegeben seyn/ um Christi willen zu thun/ die nicht al- lein an ihn glaͤuben/ sondern auch um seinet willen leyden sollen/ Phil. 1. v. 29. Welches eine ehre ist/ deren er nicht alle wuͤr- diget. So sind auch in der ersten kirchen die verfolgungen nicht nur al- lein ein starckes huͤlffs-mittel derjenigen heilichkeit und vornehmsten in- nerlichen zierde gewesen/ darinnen dieselbe allen folgenden zeiten vorge- leuchtet/ ARTIC. I DISTINCT. III. SECT. XIX. leuchtet/ und diese weit uͤbertroffen hat/ sondern haben offters nach lan- gem leyden etwa mehr zu-als abgenommen. Dabey wir auch dieses uns ohne einigen zweiffel versichern koͤnnen/ daß der HErr gleichwohl die versuchungen niemahl werde schwehrer werden lassen/ als seiner gnaden maaß zu dero ertragung uns mitgetheilet worden ist/ oder mitgetheilet werden solle. Wo ich aber die der gegenwaͤrtigen zeit beschaffenheit recht ansehe/ achte ich nicht zu irren/ wenn ich sorge/ daß wir uͤber unsere ge- sammte Evangelische kirche schwere gerichte schwebend haben/ ja dieselbe in dem nechsten seynd/ und duͤrfften wir vielleicht in kurtzem eben dasje- nige oder noch schwehrers zu erfahren haben/ was nun andere kirchen in Ungarn/ also auch die ihrige kirche/ wuͤrcklich erfahren hat; und solches sorge ich/ nicht nur allein von den kirchen/ welche in den landen sind/ wel- che der maͤchtige Koͤnig unter seine botmaͤßigkeit zeucht/ der in befoͤrde- rung der Catholischen religion moͤchte eine ehr suchen/ oder auch darin- nen eine Staats- ration finden: sondern ich achte eine solche gefahr uns uͤbrigen nicht weniger nahe zu seyn. Auf einer seiten fangen an die consilia der Roͤmisch-Paͤpstischen mehr und mehr sich hervor zu thun/ al- so daß sie auch mit worten heraus zu brechen nicht groß bedenckens mehr haben/ wie die ausrottung der von ihnen also vermeynten ketzerey (so zwar laͤngst decret iret/ aber wegen politischer ration en zu werck zu richten/ weil die stunde des HErrn noch nicht da war/ unmoͤglich gewesen) nun wuͤrcklich versucht werden moͤchte: wo zu menschlicher weise ein grosses contribu iren mag/ nachdem diejenige Societ aͤt/ welche allezeit dahin am eyfrigsten abgezwecket/ und sich an das haus gehenget/ dessen macht mehr und mehr herab kommt/ nun durch verhaͤngnuͤß Gottes sich auch in dem jenigen Reich in den vornehmsten credit gesetzet/ so man seine anschlaͤge/ und diejenige/ wozu es verleitet wird/ ins werck zu richten die meiste kraͤffte hat. Also stehet wille und menschliches vermoͤgen klar vor augen. Sehen wir auff der andern seiten unsern zustand an/ so ist nicht nur kei- ne menschliche macht vorhanden/ die jener gewalt wiederstehen moͤchte/ wie ich ohne das davor halte/ daß es auch nicht recht seye/ die wahrheit und religion an sich selbst mit gewalt und schwerd zu schuͤtzen/ sondern ich finde unsere kirchen in sich selbst nach elender/ als in dem aͤusserlichen/ in der vergleichung gegen der feinde macht. Jch sehe einmahl alles ver- dorben/ und daß wir uns nichts mehr/ als allein noch der bekanntnuͤß der wahren und reinen lehr/ die wir auf GOttes gnade behalten/ ruͤhmen moͤgen. Daher weil wir den glauben der da glaͤubet und dessen fruͤchten meisten theils verlohren haben/ so doͤrffte uns der HErr vollends auch den glauben den man glaubet/ oder die bekaͤnntnuͤß der reinen lehr/ entziehen/ F f f als Das sechste Capitel. als welche wir so schaͤndlich mißbrauchen. Dann in solchem stand kan man sich zu goͤttlicher gerechtigkeit nichts anders versehen/ und gedencke ich im- mer an die wort Achiors/ Judith. 5. v. 22. Sehe ich endlich in die schrifft/ so achte ich/ weise uns dieselbige/ daß wir der zeit nahe seyen/ da das laͤngst getrohete gericht uͤber Babel ausbrechen solte/ bevor dann die- ses vorhin das maaß seiner suͤnden und verfolgung erfuͤllen muß/ und ihm also wohl mag von Gott die letzte erlaubniß gegeben werden/ das so sehr verdorbene Jerusalem vorhin zu straffen/ aber wo das volck des HErren gezuͤchtiget/ und die uͤbrige nun recht gelaͤutert sind/ damit in sein eigen ver- derb en zu lauffen. Ach der HErr lehre uns recht die zeichen unserer zeit und seinen rath eigentlich zu erkennen/ uns seinem willen gehorsamlich un- terwerffen/ und in allem in denselben zu schicken. Er lasse aber auch seine gerichte mit grosser barmhertzigkeit gemildet/ und den weg werden zur erfuͤl- lung seiner uͤbrigen herrlichen verheissungen. Derselbe gebe auch meinem wer- thesten bruder und seiner lieben gemeinde trost und freudigkeit in ihren truͤb- salen/ daß durch ihr exempel auch wir uͤbrige/ denen noch das unsere vor- stehet/ aufgemuntert und gestaͤrcket werden. Er verhaͤnge auch nichts mehrers uͤber sie/ als er zur verherrlichung seines nahmens und ihrer see- ligkeit an ihnen noͤthig erachtet/ lasse sie auch seinen schutz und endlicher huͤlffe zu rechter zeit gewahr werden. 2. dec. 1680. SECTIO XX. An einen Fuͤrstlichen vornehmen Rath/ der von des regier-standes fehlern zu schreiben vorhatte. Von den piis desideriis. Von der Cæsaropapia. E S war mir sehr lieb zu vernehmen/ daß mein grgstl. hochg. Herr sein vergnuͤgen und consensum zu meinen piis desideriis, so bißher dasjenige gewesen/ daruͤber von mehrern jahren pro \& contra so vieles geredet worden/ bezeuget. Jch leugne nicht/ daß weder gehofft noch hoffen koͤnnen/ daß eine solche geringe arbeit/ so eine starcke bewegung in den gemuͤthern an allen orten koͤnnte verursachen/ so wohl derjenigen/ die sich dadurch aufgemuntert zu seyn bekannt haben/ als anderer/ denen es noch ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XX. noch auf diese stunde in dem hertzen wehe thut/ dergleichen zu lesen. Jch dancke aber dem HErrn/ der mich mit seiner gnade/ wie in andern/ also auch in diesem stuͤck/ unverdient regieret hat/ daß solches einfaͤltige scri- ptum guter meynung ed iret habe/ dessen nachdruck mir gnugsam zeugnuͤß ist/ daß der HERR damit gewesen seye/ und lasse mich auch nicht dahin bringen/ mich dessen reuen zu lassen/ ob mir wohl viele verdruͤßlichkeiten dadurch entstanden sind/ und ich mit allerhand ungegruͤndeten verdachten daher beladen worden bin. Auch bin so viel mehr versichert/ daß nichts dar- innen der goͤttlichen ehre oder der kirchen wohlenfarth præjudic irliches muß enthalten seyn/ nachdem solches einfaͤltige scriptum zwar so vielen bißher ein dorn in den augen gewesen/ aber noch nicht ein einiger sich publice un- terstanden hat/ etwas dagegen heraus zu geben: welches wo es mit einigem schein geschehen koͤnte/ gewißlich bey solcher feindseligkeit einiger gemuͤther nicht wuͤrde unterblieben seyn. Dann was den Rordhaufischen Caplan Herr Dilfelden anlanget/ hoffe ich nicht/ daß sein unbesonnener angriff meine sache boͤs/ sondern vielmehr gut gemacht habe. Jm uͤbrigen kan ich nicht anders/ als meines grgstl. hochg. Herrn gute intention loben/ welcher den regier-stand anzuschreyen sich vorgenommen: Wuͤnsche auch hertzlich/ dessen arbeit ansichtig zu werden/ so viel mehr aber/ daß es auch an des tages licht komme/ damit die erwuͤnschte frucht moͤchte draus erfol- gen. Es stehet zwar nicht zu leugnen/ daß bey unserm ordine ein grosses stuͤck des verderbens liege/ und also/ da eine reformation vorgehen solte/ dieselbe von uns den anfang nehmen muͤste: aber nicht weniger schuld liegt an der obrigkeit/ und dero amts entweder mißbrauch/ oder nachlaͤßigkeit. Gewiß ists/ daß GOtt der obrigkeit eben so wohl die handhabung der er- sten als andern tafel/ und also die befoͤrderung seiner ehre/ anbefohlen habe. Gleichwohl siehet man gar wenige/ die sich der sache nur etwas annehmen/ ohne allein daß sie ihr jus episcopale als ein regale behaupten/ vielmehr/ damit ihrer herrlichkeit nichts abgehe/ als daß es ihnen um den zweck goͤtt- licher ehre zu thun waͤre/ ja damit sie etwa davon einigen nutzen ziehen/ und wohl gar der kirchen wehe thun moͤgen/ wie gewißlich solcher mißbrauch gemeiner als gut ist. Da muß solches jus episcopale, so als ein beneficium der kirchen zum besten solte seyn/ dasjenige instrument werden/ damit alles gute gehindert wird/ ja die kirche oͤffters mit solchen leuten versehen werde/ nicht so wohl/ wie es derselben vortraͤglich/ als wie es den maͤchtigen an hoͤfen wohlgefaͤllig ist: es muß die hindernuͤß alles guten werden/ denn wo der weltliche arm dieses nicht will/ diejenige/ welche noch in dem geistlichen und haus-stand gern etwas gutes thun moͤchten/ solches nicht thun doͤrffen. Daß ich offters einige kirchen/ welche unter anderer religion herrschafft F f f 2 sind/ Das sechste Capitel. sind/ und was das aͤusserliche anlanget etwa ziemlich hart tract iret werden/ viel gluͤcklicher gepriesen/ als diejenige/ welche die obrigkeit von ihrer seiten gehabt. Jndem jene gemeinden/ da die bestellung ihres predig-amts/ discip lin und kirchen-verfassung/ bloß bey ihnen stehet/ und mit seiner be- scheidenheit und eyfer durch die prediger/ eltisten und der gemeinde verord- nete geuͤbet wird/ wie es die erbauung mit sich bringet/ ohne eintrag der obrigkeit vieles weiter bringen/ als diese/ die ohne die obrigkeit nichts thun doͤrffen/ und doch offt solche obrigkeit haben/ welche dem guten entgegen ist. Daher achte ich solche Cæsaropapiam und weltliches antechristen- thum recht vor diejenige best/ die nach dem aͤusserlichen unserer kirchen den garaus machen mag. Auch sehe ich nicht/ wir moͤgen es bemaͤnteln wie wir wollen/ auf was weise wirs verantworten koͤnnen/ daß wir den dritten stand von allen denjenigen officiis und pflichten/ so ihnen nach goͤtt- licher ordnung und exempel der ersten kirchen gehoͤren/ ausgeschlossen ha- ben: daraus mehr ungemach entstehet/ als mit wenigem sich ausfuͤhren laͤsset/ von dergleichen dingen ist nun sehr nothwendig/ daß sie denen/ so in Gottes nahmen ihre gewalt tragen/ beweglich von andern repræsent iret/ und sie erinnert werden/ wohl zu bedencken/ was und wozu sie es empfan- gen haben/ damit nicht Gott hinwieder bewogen werde/ um solches miß- brauchs oder weiter greiffens willen ihnen endlich auch dasjenige entzogen werden zu lassen/ in seinem gericht/ was ihnen sonst gebuͤhret. Wie ich dann sehr sorge/ wo nicht bey zeiten geholffen wird/ daß diese dinge wohl endlich den gerechten Gott zu demjenigen zorn reitzen moͤchten/ daß er dem Pabst- thum wieder mehrere macht einraͤumte/ und die obrigkeiten/ so dem Evan- gelio die erkaͤnntnuͤß ihrer wuͤrde zu dancken haben/ ihm aber so undanckbar worden sind/ und der knechtschafft der Clerisey wieder werden bereuen muͤssen/ was sie vorhin gehabt und verschertzet. Jch halte auch/ diese er- innerungen/ da sie von leuten/ die nicht unsers ordinis seynd/ (dann da scheinets/ wir suchten unser eigen und privas-interesse, ) sondern politicis viris, so in ansehnlichen aͤmtern stehen/ geschehen solten/ moͤchten etwa ehe durchdringen. Wuͤrde also mein grgstr. hochg. Herr sich sehr wohl um die ehre Gottes verdienen/ da er auch hierinnen sein pfund anlegen/ und ohn- erachtet des daher sorgenden undancks eine solche wichtige materi e seinem vornehmen nach ausfuͤhren wolte. 28. dec. 1680. SECT. XXI. ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXI. SECTIO XXI. Freude uͤber anderer vorbitte. Zustand in Franck- furt noch nicht so gut/ als er anderwo geruͤhmet wird. Haltung Goͤttlicher Geboth. Ob Got- tes wort von einem todten prediger ohne wuͤr- ckung seye. Von mir nichts sonderliches zu er- warten. Uns bevorstehende schwere ge- richte. Nutzs der gebethe vor einander. J Ch dancke billich dem vater der barmhertzigkeit vor seine gnade/ daß er in der zwar fast allgemeinen verderbnuͤß annoch in allen staͤnden liebe seelen erhaͤlt/ welche die zeit mit andern/ als insgemein geschichet/ augen ansehen/ und sich nicht lassen von solchem verderben/ als einem strohm/ mit hingerissen werden: auch/ daß er mir zu meiner hertzlichen freude/ aufmunterung und staͤrckung mehrere hin und wieder bekannt wer- den laͤsset/ an denen ich solche gnade und daraus ferner dieses erkenne/ daß der HErr seines armen Zions noch nicht vergessen habe/ sondern seinen saamen zu erhalten wisse/ und daher auch ohne allen zweiffel zu rechter zeit seine uͤbrige verheissungen annoch erfuͤllen werde/ dero hoffnung uns die ge- genwaͤrtige truͤbsalen uͤberwinden hilffet. Mich erfreuet auch solches so viel mehr/ so offt ich einiges schreiben wiederum von einem neuen freunde em- pfange/ als mehr ich weiß/ daß das gebeth der glaͤubigen und gottseligen/ wo es ernstlich geschiehet/ viel vor dem thron der gnaden ausrichtet/ und ich also/ als groͤsser solche zahl zu seyn mit vielen exempeln uͤberzeuget werde/ desto mehr hoffnung habe/ der HErr werde/ da seine aus e rwehlte tag und nacht zu ihm ruffen/ sie erretten in einer kuͤrtze: ja daß ich daraus eine zu- versicht gewinne/ daß auch mir armen durch so vieler bruͤder vorbitte vieles von dem HErrn werde annoch erlangt werden/ welches ich sonsten schwer- lich zu hossen haͤtte/ und ie vor mich selbst dessen nicht wuͤrdig bin. Wie dann auch das meiste des segens/ so der HErr bißher zu etlichen meinen an sich selbst ja geringen schrifften verliehen hat/ dieser treuen vorbitte mancher in dem F f f 3 ver- Das sechste Capitel. verborgenen vor mich seuffzenden seelen billich zuschreibe/ deren eyffrige und feurige seuffzen der laulichkeit der meinigen/ daruͤber ich meistens zu klagen habe/ kraͤfftig zu statten kommen: deswegen ich dann mich auch solchen lie- ben seelen desto mehr verbunden achte/ als die mir die groͤsseste wohlthat erzeigen/ welche von menschen herkommen kan. Jm uͤbrigen leugne ich nicht/ daß michs beschaͤhmet/ und in gewisser maaß betruͤbet/ wo ich hoͤre/ wie auch aus dessen geliebten ersehen habe/ was anderwaͤrtlich andere gute hertzen ihnen vor gute gedancken von dem allhie befindlichen guten/ sonder- lich aber von unserer privat -zusammenkunfft/ machen/ und das werck an sich selbst ansehen/ wie es gleichwohl so gar denjenigen grad nicht erreichet/ welcher von uns geglaubet wird. Es ist zwar eine hertzliche gute inten- tion, die uns zu solcher uͤbung treibet/ auch wolten wir die gnade Gottes nicht verleugnen/ daß er sein wort doch nicht gar ungesegnet laͤsset/ sondern etwa mehrmahlen einige seelen eine auffmunterung und erbauung daraus spuͤren/ ich zweiffele auch nicht/ daß der liebste Vater bereit waͤre/ durch solche gelegenheit uns mehreren segen und nutzen zu geben/ wo wir uns recht dazu schickten/ nachdem ich aber die annoch erscheinende wenige frucht an- sehe/ und versichert bin/ daß der mangel an uns seyn muß/ weiß ich offt nicht/ was ich dencken solle/ und wo es eigendlich fehle/ daruͤber auch zu weilen mit Christlichen freunden rede/ ob wir mittel und wege finden moͤchten/ wie uns eine reichere gnade zu erlangung des vorhabenden zwecks in solcher uͤbung wiederfahren moͤchte. Jndessen brauchen wir des gegen- waͤrtigen/ und warten/ biß der HErr zu mehrerer tuͤchtigkeit uns reinige. Was derselbige uͤber das allgemeine verderben in der Christenheit klaget/ ist so wahr/ daß es fast mit haͤnden gegriffen werden kan. So ist ohn- zweiffendlich eine ziemliche ursach bey uns Evangelischen sothanes verder- bens/ die eingebildete unmoͤglichkeit der haltung der gebothen des HErrn/ und also die muthwillige vertraͤhung einer an sich selbsten gantz heiligen Goͤttlichen warheit. Jch erkenne freylich/ und lehre auch mit unserer ge- sammten Evangelischen kirchen/ daß die geboth des HErren und dessen heiligstes Gesetz/ wie sie nicht nur allein gute wercke sondern eine gantz gu- te/ heilige und in ihrer erst erschaffenen reinigkeit bestehenden natur von uns erfordern koͤnnen und fordern/ und also nach welchem nicht nur nach dem fleisch wandeln/ sondern auch dasselbige an sich haben/ verdammlich ist/ in dieser sterblichkeit und so lang wir in den verderbten huͤtten wohnen/ vollkommen zu halten/ unmoͤglich seye/ und wer sich solches vor moͤglich achtete/ wuͤrde sich allzu viel schmeucheln: aber hingegen preise ich die guͤte und barmhertzigkeit des himmlischen Vaters/ daß derselbe sich unserer in Christo erbarmet/ und uns nicht nur die vergebung wiederum anerboten/ sondern ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXI. sondern denjenigen bund mit uns gemacht hat/ daß wir nicht mehr aus dem Gesetz/ sondern seiner gnade/ die seligkeit haben sollen/ daher er nun so guͤ- tig ist/ daß er/ ob wohl seiner gerechtigkeit und ewigem willen/ als der un- veraͤnderlich bleibet/ nichts abgehet/ noch recht werden kan was unrecht ist/ iedoch nicht nur seinen heiligen Geist seinen glaͤubigen kindern giebet/ in dessen krafft sie vieles desjenigen vermoͤgen/ was uͤber alle menschliche kraͤffien ist/ in dem gebothe des HErrn zu leisten/ sondern nunmehr unsern ob wohl unvollkommenen gehorsam mit solcher vaͤterlicher huld und gedult aufnimmt/ daß es nunmehr ein halten seiner Gebothe heissen solle/ welches solchen nahmen nach der strenge nicht merit irte/ und gegen die vollkommen- heit des Gesetzes gehalten/ allzu wenig und gering ist. Daher nunmehr in solchem gnaden-bund Christi nichts verdammliches/ oder wie es eigend- lich lauten moͤchte/ Roͤm. 8. v. 1. keine verdammung mehr an denenje- nigen ist/ die in Christo JEsu/ und also ihm in dem glauben verei- niget sind/ die nun zwar das fleisch noch an sich haben/ und also sich mit dessen luͤsten schleppen/ auch vielen kampff daruͤber fuͤhlen muͤssen/ welches ausser Christo schon verdammlich waͤre/ aber die nicht nach solchem fleisch sondern nach dem Geist und dessen heiligen bewegungen wandeln. Damit bleibet GOtt seine ehre/ daß unser heyl aus pur lauter gnade herkomme/ und keine frucht oder verdienst der wercke/ welche ausser der gnade wohl ein schlechtes ansehen und vielen mangel an sich haben/ seye/ und wir ha- ben doch keine ursach in unserer sicherheit zu bleiben/ aus der eiteln einbil- dung der unmoͤglichkeit. Jch erkenne gern/ daß nicht eben allemahl von dieser materie also/ wie es gehoͤrt/ von denjenigen mag geredet und gelehret werden/ die den gantzen rath GOttes von unserm heyl vortragen solten. Daher ich nach der wenigen gnade GOttes/ so mir ertheilet ist/ in allen mei- nen schrifften sehr sorgfaͤltig die beyden puncte der nothwendigkeit und moͤg- lichkeit des thaͤtigen Christenthums zu treiben pflege; Ach daß solche wahr- heit in allen hertzen mit dem finger des Geistes geschrieben wuͤrde! So ists auch freylich an dem/ woruͤber mein vielgeliebter Herr gleichfals klaget/ daß viele aus unserer zahl/ die wir an der staͤte GOttes stehen/ und sein wort der gemeinde vortragen sollen/ das ambt nicht fuͤhren/ wie wir sol- ten/ und es die wohlfarth der gemeinde erfordert/ ja viele nicht darzu tuͤch- tig sind/ in dem stande worinne sie stehen. Wie ich nicht leugne/ daß an dieser sache ein groͤsseres gelegen ist/ als man sich insgemein einbildet/ und daß eine der vornehmsten ursachen des allgemeinen verderben auch hierinne bestehe. Zwar wil ich dem Goͤttlichen wort diejenige krafft/ die es in sich selbst hat/ nicht nehmen/ oder leugnen/ es werde auch gefuͤhret von wem es wolle/ und will also des HErrn worte/ daß GOttes wort von einem todten Das sechste Capitel. todten gehandelt ohne wuͤrckung seye/ in gesundem verstande also aufnehmen/ daß das meiste/ zuweilen gar alles/ von desselben wuͤrckung bey den zuhoͤrern gehindert werde. Also daß zwar muͤglich ist/ daß bey eines unwiedergebohrnen und in suͤnden todten predigers amts moͤge aus gnade Gottes bey den zuhoͤrern/ so das wort annehmen/ vermittelst dessen krafft einiger nutzen erfolgen: aber weder bey allen (indem die meiste sich entweder stossen an dem boͤsen exempel/ und auf solches mehr als auf das wort selbs sehen/ so dann viele neben dem allgemeinen vortrag des worts einige handleitung und anweisung ihres lehrers bedoͤrffen/ dazu aber ein solcher gantz untuͤchtig ist) noch also wie es solte seyn/ dann es mangelt einem solchen umviedergebohrnen an der goͤttlichen weisheit und klugheit/ das wort der wahrheit recht zu theilen/ und es auf einem ieglichen/ wie es dienlich waͤre/ anzuwenden/ ja es mangelt ihm an dem himmlischen liecht/ daher er vieles nicht recht verstehet/ und es daher/ weil er nicht al- lezeit bloß die wort der schrifft brauchet/ sondern eben so wohl seiner eige- nen sich bedienet/ nicht fehlen kan/ daß er offt die wahren lehren/ die er in der wahrheit und aus dem grunde nicht verstehet/ nicht also vortraͤgt/ wie sie seyn solten und am kraͤfftigsten seyn wuͤrden/ sondern sie mit sei- nen eigenen gedancken vermischet/ daß es mit solchen zusaͤtzen auf hoͤret das reine wort GOttes zu seyn: Ja es mangelt ihm auch an dem eyffer und treue/ alles zur erbauung zu thun/ so dann an dem vermoͤgen zu be- ten/ da wir doch durch das gebeth so vielmehr segen und krafft zu unserm amt von dem HERRN erlangen muͤssen. Jst also freylich der zustand derjenigen gemeinden/ da solche leute sind/ ja der gantzen Christlichen kir- chen/ die mit einer so grossen zahl derselben an meisten orten angefuͤllet ist/ elend und betruͤbt/ und ein ziemlich stuͤck des auf ihr liegenden goͤttlichen gerichts. Jch habe solche materi e durch GOttes gnade gegen meinen wiedersacher in meiner antwort oder tract aͤtlein von der allgemeinen Got- tesgelehrtheit verhoffendlich zur genuͤge ausgefuͤhret: Solte mir auch lieb seyn/ da derselbe es seiter gelesen haben moͤchte/ ob er gleiches sinnes mit mir ist/ zu vernehmen. Jm uͤbrigem nehme ich mit hoͤchlichem danck an die aufmunterung/ damit beliebig gewesen/ mich zu staͤrcken/ und gegen die laͤsterungen zu troͤsten. Jch habe mir zwar nichts zuzumessen/ noch zu glauben/ daß GOtt mich zu einigem mehrern oder weitern als andere/ die mit mir in dem amt stehen/ gesetzet/ noch ausgeruͤstet/ ob wohl zu weilen einige gute freunde ein mehreres bey mir hoffen/ weil sie nicht so tieff in mich hinein sehen/ und/ wie ich selbst in mir befinde/ erkennen koͤnnen/ wie das maaß des Geistes so mir gegeben/ viel geringer seye/ a ls sie die hoffnung geschoͤpffet/ und zu einigen mehr als gemeinen verrichtungen erfordert ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXI. erfordert wuͤrde. Daher ich mit andern vielmehr bitte/ er wolle dermahleins diejenigen werckzeuge ausruͤsten/ erwecken und hervor treten lassen/ die mit krafft durchdringen/ und das werck des HErrn durch ihre hand fortgehen solle/ wie ich auch nicht zweiffele/ daß er nach seiner guͤte (und ach daß wirs noch sehen moͤch- ten) dergleichen thun werde. Jndessen weil sich der Satan mit laͤsterungen und seinen gewoͤhnlichen waffen mir fast mehr wiedersetzet/ als wohl bey ziem- lichen jahren einigen andern mag begegnet seyn/ so giebt mir solches durch die gnade GOttes offt einen getrosten muth/ es muͤsse gleichwohl dasjenige/ was der HERR durch mich armen thut/ nicht gar unfruchtbar seyn/ sondern dem Satan und seinem reich damit weher geschehen/ als ich von dergleichen meiner schwachheit haͤtte gedencken doͤrffen. Befremdet mich also nicht sehr/ daß es der laͤsterer hin und wieder ziemlich viel bißher gegeben/ auch etwa noch ferner geben wird. Nur ruffe ich den HErrn an/ daß er also mit seinem Heiligen Geist regiere/ mich und alle meine freunde/ in demjenigen/ was wir thun/ daß es in der wahren klugheit der gerechten geschehe/ und wir nicht selbst/ in einer an sich guten sache dem laͤsterer aufs wenigste durch unvorsichtigkeit gelegenheit ge- ben/ welches etwa einige mahl geschehen seyn mag. Sonsten wo uns unser gewissen dessen uͤberzeuget/ daß wir gleichwohl in allen stuͤcken unschuldig sind/ und es also recht ein leiden des HErrn ist/ so ists ie nicht nur wohl zu tragen/ son- dern wuͤrcket vielmehr eine hertzliche freude/ daß der HErr uns wuͤrdiget/ mit ei- nigem leyden seinen nahmen zu preisen. Welches eine mehrere gnade ist/ als man dencken moͤchte/ und also ja nicht werth ist/ daß wir uns daruͤber beschwe- ren/ vielmehr aber dem HErrn vor dieselbe dancken. Nun dasjenige/ was etwa eine zeit her einige diener GOttes betroffen/ und meistens in ohnmaͤchtigen und an sich selbst ohnschaͤdlichen laͤsterungen bestanden/ ist noch etwa ein geringes/ was die nun vor der thuͤr zum einbruch bereit stehende letzte truͤbsalen mit sich bringen moͤchten: wann der HErr/ ehe er seinen verderblichen zorn uͤber seine feinde ausgiessen/ vorhin an seinem eigenen hause seine gerichte anheben/ und also dasselbe rechtschaffen/ aber auf eine dem aͤusserl. menschen schmertzl. weise laͤutern/ zu solchem ende aber dem Roͤmischen Babel/ um das maaß seiner suͤnden damit zu erfuͤllen/ und damit sein letztes urtheil vollends ihm selbs uͤber den hals zu zie- hen/ eine mehrere macht mit den heiligen zu streiten/ und sie dem aͤusserlichen an- sehen nach zu uͤberwinden/ geben wird. Aber der HErr wird auch seinen zeugen nach dem maaß des ihnen bestimmten leidens das maaß des trostes und des Gei- stes geben/ daß sie verhoffendl. solche schwerere leyden aus demselben freudiger zu uͤberstehen werden vermoͤgen/ als ihnen etwa ihr voriges geringeres leyden nicht zu leicht worden ist. Lasset uns nur im glauben warten/ was der HErr uͤber uns will kommen lassen/ gewiß er thue alles in einer vaͤterlichen liebe und weisheit/ und ihn um seine gnade und beystand/ als unsers eignen unvermoͤgens erkaͤntlich/ ohn unterlaß anruffen/ so wohl ieglicher vor sich selbst/ als auch in bruͤderlicher G g g gemein- Das sechste Capitel. gemeinschafft vor einander. Dieses gebeth wird so viel versicherter und kraͤfftiger zu dem thron der gnaden eindringen/ als mit festerem glauben und aus liebe zu- sammen gesetzter andacht es in die hoͤhe wird gesand werden. Denn der HErr/ dessen wort und verheissung wir vor uns haben/ kan sich selbs nicht leugnen/ noch die seinige vergebens ruffen lassen. Und was ist wohl wuͤrdiger/ daß wir darnach ohnaufhoͤrlich seuffzen und schreyen/ als die zukunfft seines reichs/ daß es endlich mit gewalt ein und durchbreche/ worinnen ja die vornehmste und theureste ver- herrlichung seines nahmens bestehet/ die der liebste HErr und Heyland uns in seinem kunstgebeth vornen an die spitze gesetzet hat? Sie ihres orts/ so viel ihrer nach der erloͤsung des volcks Gottes verlangen/ so mir sonsten unbekannt/ fahren auch fort/ wie sie bißher gethan zu haben liebreich bezeugen/ vor mich ferner zu seuffzen mit bitten und flehen/ auf daß mir gegeben werde das wort mit freudi- gem aufthun meines mundes/ daß ich moͤge kund machen das geheimnuͤß des Evangelii/ auf daß ich darinnen freudig handlen moͤge/ und reden wie sichs ge- buͤhret. Warum ich hertzlich bitte/ und hingegen zusage/ auch meiner seits ihrer in meinem gebeth nicht zu vergessen/ sondern sie stets mit andern/ von welchen der HErr mich hat gutes hoͤren lassen/ seiner gnade hertzlich zu empfehlen. 1681. 7. jan. SECTIO XXII. M eine predigten uͤber J oh. 3. Crameri kinder Gottes ehrenstand und pflicht. Wie man sich zu verwah- ren/ um nicht in irrthum verfuͤhret zu werden. Gefahr und noth unserer zeiten. J Ch dancke meinem Gott billich mit tieffster demuth/ der zu so mancher an- dern seiner gnade auch diese hinzu thut/ daß da er meine gedult auf eine und andere art offters uͤbet und pruͤfet/ er mich hingegen durch viele und zwar mehrmahls dem nahmen und art nach unbekannte freunde/ indem von hier und dar immer dergleichen schreiben einlauffen/ laͤsset aufgemuntert und gestaͤr- cket werden: Damit ich nicht in die sorge gerathe/ da es so viele wiedersprecher hin und wieder giebet/ ich moͤchte mich selbst etwa betruͤgen/ und die sache so gut nicht seyn/ wo ich nicht iemahlen bekraͤfftiget wuͤrde/ da er liebe leute erwecket/ die mich so ihres beyfalls als ernstlicher vorbitte versichern/ und wohl gar eyfrig erin- nern/ mich durch nichts muͤd oder weich machen zu lassen. Dann ob wohl das vor vor augen klar ligende wort uns die einige regel der wahrheit und falschheit ist/ so dann nicht anderer beyfall/ sondern unsers eigenen gewissens versiglung das beste und allein genugsame zeugnuͤß ist/ so kom̃ts doch unserer schwachheit und schuͤch- terem gemuͤth trefflich zu statten/ wo wir sehen/ daß Gott auch in andern hertzen eben derjenigen wahrheit/ die wir auch bekennen/ zeugnuͤß giebet. Also weist der weiseste ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXII. weiseste Vater unter seinen kindern die sache also weislich einzurichten/ daß nicht nur unter gegenwaͤrtigen ie ein glied dem andern/ auch da es daran nicht geden- cket/ sondern sonsten seine liebe und danckbarkeit gegen GOtt bezeugen will/ zur staͤrckung dienen muß: auf daß sie alle bekennen/ daß sie alle ie eins des andern/ der staͤrckere dem schwaͤchern/ und dieser des andern/ bedoͤrfftig seyen: welches so vielmehr die zusammenfuͤgung und haltung der glieder befoͤrdert/ diese aber ein herrliches mittel ist/ daß in dieselbe der von ihrem allgemeinen hochgelobten Haupt ihnen mittheilende Geist und dessen krafft gleichsam so viel ungehinderter durchtringe/ und in alle sich desto voͤlliger ergiesse. Jm uͤbrigen daß der treue Vater so andere meine geringe arbeit als die predigten Joh. 3. so kraͤfftiglich ge- segnet hat/ daß ihn suchende hertzen eine gute bewegung daraus empfunden/ schreibe ich auch seiner unermeßlichen guͤte billich zu/ welche mich und andere leh- ren will/ wie dero krafft nicht an gelehrte schrifften gebunden/ sondern in demjeni- gen am unverhindertsten sich erzeige/ wo man sich der groͤssesten einfalt gebrau- chet und eher mit fleiß/ was nach der sonst an sich selbs an ihrem ort nicht verwerff- lichen erudition schmecket/ auslaͤsset/ als dieselbe mit einzumischen sich befleißi- get/ auf daß der alte rath Gottes noch bestehe/ der uns geoffenbahret ist Matth. 11. v. 25. 26. 1. Cor. 1. v. 17. u. f. 2. v. 13. So seye sein nahme und weisheit in allem gepriesen/ wo diese auch nicht mit unsern gedancken/ wie wirs am besten achteten/ uͤberein kommt. Daß die liebe Gottes das kraͤfftigste/ ja einzige mittel seye/ die hertzen von der liebe der welt abzuziehen/ ist freylich eine unwiedersprechliche wahrheit. Es kan in unser hertz sich von nichts/ dazu es einige inclination hat/ abziehen oder abziehen lassen/ es werde ihm dann etwas anders und wichtigers gewiesen/ dadurch jenes muß ersetzet werden. Also ob schon ein hertz selbs die wichtigkeit derjenigen dinge wahrhafftig erkennet/ an welchen es mit liebe klebet/ wie auch die Heyden solche eitelkeit offt nachdruͤcklich erkannt/ und wohl gar an- dein vorgestellet haben/ so ist ihnen doch so wenig muͤglich/ sich deswegen davon abzutrennen/ es habe dann an die stelle etwas bessers/ als wenig einer in denen wasserwellen des meers das kleine stuͤcklein bret/ daran er sich haͤlt/ und doch nicht endlich wird erhalten koͤnnen/ fahren laͤsset/ man werffe ihm dann etwas staͤrcke- res dar/ daran er sich fester halten kan. Wo also einen menschen die Goͤttliche liebe in Christo/ als der grund aller seeligkeit/ und also diese in demselbigen/ recht also vorgestellet wird/ daß seine seele der recht uͤberzeuget/ und von ihrer seeligkeit geruͤhret ist/ so verliehret alles irrdische/ als welches mit jenem in keine verglei- chung kommen kan/ seinen werth bey einer solchen seelen. So ist auch bey unserer kirchen unwiedersprechlich/ daß alle tugenden/ so viel derer sind/ lauter fruͤchte des glaubens seyen: der glaube aber ist das jenige/ so aus erkaͤnntnuͤß der Goͤttl. liebe und dero fruͤchten herkommet/ folglich auch die wurtzel des uͤbrigen guten. Daher ob wohl das Evangelium eigendlich keine lehre der wercke ist/ als welches dem Gesetz zukommet/ so ist doch dem Gesetz nicht muͤglich/ ein einig gutes werck G g g 2 bey Das sechste Capitel. bey uns zuwegen zu bringen/ sondern zu dero wuͤrckung gehoͤret/ daß aus dem Evangelio durch den glauben die seele habe angefangen die liebe ihres Gottes zu erkennen und schmecken/ da alsdann die wercke nicht anders als folgen koͤnnen/ wo eine solche trefliche wurtzel gepflantzet ist/ welche materie ich vor deme in ei- ner præfation uͤber des S. Andreæ Crameri herrliche schrifften/ so unter dem nahmen der glaͤubigen kinder GOttes ehrenstand und pflicht hier ge- druckt worden/ mit etwas mehrerem ausgefuͤhrt habe. Ferner ist auch dieses vor denen augen/ die etwas tieffer sehen/ unleugbar/ daß ie hefftiger das Goͤttliche wort getrieben und lauter der Welt vor augen geleget wird/ der Satan so viel erschrecklicher rase/ und immer als lang ihm solches wird verhenget werden/ rasen wird: und dasselbe nicht nur mit oͤffentlichem wiederfechten und laͤstern/ sondern welches in dem werthen schreiben bemercket worden/ auch auf eine andere art/ daß er suchen wird unter dem schein der gottseligkeit sein gifft zu verbergen. Es kennet der tausendkunstler die unterschiedlichen arten der gemuͤther allzu wohl/ als daß er alle auf einerley weise angreiffen solte/ als womit er bey vielen wuͤrde vergebens seyn; weil er also weiß/ daß einige sind/ die sich/ wo er etwas seiner schwaͤrtze sehen laͤsset/ vor ihm so bald entsetzen/ und verwahren wuͤrden/ so thut er bey solchen einen leicht-mantel um und betreugt sie so viel leichter. Daher die geister ja fleißig zu pruͤfen sind/ ob sie aus Gott seyn oder nicht. Weil aber solche pruͤfung eine nicht so gar leichte sache ist/ und man sich beyderseits mit vermesse- nem urtheil und verdammung der dinge/ die nicht recht verstanden werden/ und rechte Goͤttliche wahrheiten in dem wahren verstande in sich gefaßt/ oder ander- seits in annehmung einiger irrthuͤme/ gefaͤhrlich versuͤndigen mag/ so achte ich/ daß sehr behutsam zu verfahren seye. Nechst hertzl. gebeth zu Gott/ daß er uns ja verwahre/ daß uns der arge nicht antaste/ habe ich bißher vor mich und andere diesen den sichersten weg befunden; daß wir uns an keinem menschen/ wie er auch nahmen haben moͤchte/ binden/ sondern glauben/ das wort Gottes seye allein die wahrheit/ und muͤssen wir auf dasselbe uns pur-lauter allein verlassen/ so gar/ daß wir weder unsern eigenen liebsten predigern/ noch andern etwas deswegen glauben/ weil sie es vorgeben/ sondern allein dabey bleiben/ was uns Gottes wort so deutlich vor augen stellet/ daß unser gewissen dessen uͤberzeuget ist. Kommen wir nun uͤber einige schrifften/ oder hoͤren einige personen/ so etwas Goͤttliches vorgeben/ so sehe ich nur zum foͤrdersten darauf/ ob der grund des glaubens/ wel- ches ist die herziehung der Seeligkeit aus der alleinigen gnade des himmlischen Vaters in Christo JEsu/ fest stehe/ und ob dieser uns darinn recht vorgestellet werde/ wie er so wohl mit seinem verdienst unser versoͤhner seye/ aus welchem wir durch den glauben die vergebung der suͤnden und also die seligmachende gerech- tigkeit haben/ als auch mit seinem heiligen exempel zu einer nothwendigen nach- folge sich vorgestellet/ zu deroselben aber seinen H. Geist und himmlische krafft zu schencken zugesagt habe/ daß wir daraus wahrhafftig gantz andere menschen zu werden ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXII. werden vermoͤgen/ als wir von natur sind. Finde ich diefen grund unverruckt/ und daß sich alles hierauf bauet/ so erkenne ich solche Goͤttl. wahrheit mit danck und gehorsam; solte ich aber einen andern grund antreffen/ so verwerffe ichs mit allem recht/ und ob ich schon sonsten einige scheinbare und unverwerffliche wahr- heiten darinnen sehe/ so sihe ich mich doch dabey vor/ daß nicht unter denselben mir einige andere gefaͤhrlich vorgebracht moͤgen werden. Was nach mahl andere lehren anlanget/ finde ich abermahl dieses die beste art/ die ich auch andern am liebsten vorschlagen wolte. Wo ich nemlich eine lehre hoͤre und lese/ untersuche ich/ ob solche gantz deutlich aus Gottes wort erwiesen werde/ also daß ich selbst in meinem gewissen uͤberzeugt bin/ daß dieses entweder dem buchstaben nach/ oder durch eine mir selbst einleuchtende gewisse consequen tz damit uͤberein komme; so mag ichs auch mit getrostem hertzen annehmen/ es weꝛde miꝛ auch voꝛgetragen von wem es wolle. Sihe ich aber/ daß es offenbarlich mit solcher Goͤttlichen uns in der schrifft dargelegten wahrheit streitet/ so verwerffe ichs billich. Wo es aber so bewandt ist/ daß ich mich zu schwach finde davon zu urtheilen/ wie es offt ge- schehen kan/ daß ich weder die einstim̃ung mit der schrifft noch dero wider spruch/ also erkenne/ daß ich in meiner seelen deroselben uͤberzeugt bin/ so lasse ich solche sache beruhen/ urtheile weder dieses noch jenes/ um mich nicht auf eine oder an- dere art zu vergreiffen/ ruffe aber Gott hertzlich an/ wo mirs noͤtig/ auch in solcher sache eine gewißheit zu geben. Wo wir diese art zu handlen in acht nehmen/ wird uns keiner mit schrifften oder reden verfuͤhren/ wie grossen schein der gottse- ligkeit er vorgebe (wie es etwa auch zu unsern zeiten dergleichen irr-geister mag gegeben haben/ oder noch geben) und uns damit zu bestricken sich unterstuͤnde. Dann meine grund-lehr bleibet mir fest/ und darinn habe ich mich durch Goͤtt- liche gnade also befestiget/ daß mich darinn keiner eines andern bereden mag: in den uͤbrigen lehren/ da die gottseligkeit zum vorwand gebraucht wird/ nehme ich nicht mehr noch weniger an/ als was die schrift mir klar bezeugt/ u. uͤberlasse alles uͤbrige seinen autoribus. Hingegen verwahre ich mich auf solche art auch auf der andern seiten/ daß ich nichts als teuffelich verdamme/ was vielleicht mir zwar zu hoch/ aber von einem Goͤttlichen principio herkommen moͤchte. Worinn oͤffters von uns auch aus blindem eyffer gefehlet zu werden/ und solche fehler viel gefaͤhr- licher achte/ als es ins gemein geschaͤtzet wird: weswegen nicht leugne/ daß ich in solcher sach gern langsam und sehr behutsam gehe. Zwischen allen solchen ge- fahren und verfuͤhrungen bleibets aber auch freylich dabey/ daß die kirche Gottes nicht mag von den pforten der hoͤllen uͤberwaͤltiget werden: nur daß wir dieselbe nicht bloß in einer aͤusserlichen sichtbarlichen gemeinde (dann solche der kirchen facies kan wohl eine zeitlang verschwinden/ und wer weiß/ wie nahe wir dabey sind/ daß der HERR jenem Babel moͤchte so viel gewalt geben/ daß man kaum einigen sichtbaren hauffen/ ich will nicht sagen der recht-glaͤubigen/ sondern nur recht-lehrenden/ eine weile mehr zu sehen haben doͤrffte?) suche/ sondern G g g 3 er- Das sechste Capitel. erkenne/ dieselbe bestehe in der dem HErrn selbst allein bekannten zahl seiner an- noch fast gantz in der zerstreuung stehenden glaͤubigen und verborgenen. Die wird wohl der Teuffel muͤssen unangetastet und unuͤberwaͤltiget lassen/ da er alle hauf- fen der schein-glaͤubigen nach einander zertrennet/ und dem ansehen nach den sieg erhalten haͤtte. Jene aber wird der HErr verbergen heimlich bey sich suͤr i eder- manns trotz in seinem gezelt/ und erhoͤhen auf einen felsen: biß die zeit der truͤbsa- len und der gerichte vorbey seye/ und auch die uͤbrige verheissungen in ihre erfuͤllung gehen. Jndessen ists freylich beiruͤbt/ wo man die beschaffenheit der gegenwaͤr- tigen zeit ansiehet/ und sonderlich die gefahr der lieben noch unerzogenen ju- gend. Last uns aber dabey gedencken/ der HErr sey vielmehr ihr vater/ als uns selbst solcher nah me zukommt/ gehet also unsern seelen ihre gefahr zuhertzen/ wie viel hertzlicher wird dann der HErr vor sie sorgen/ und/ wir seyen da oder nicht/ sie zu verwahren wissen/ daß sie der arge nicht antaste/ so viel nemlich derselbigen sich sei- ne gnaden-hand wollen regieren lassen; dann die solches nicht thun oder lassen wollen/ moͤgen zu keiner zeit ihr heil davon bringen. Unser allervornehmste lehre wird ie laͤnger ie mehr seyn/ uns in die zeit lernen schicken/ weil es boͤse zeit ist/ deroselben zeichen lernen erkennen/ auf uns selbst und was um uns ist genau acht geben/ keinem einigen menschen odeꝛ menschlicher autorit aͤt uns zu kn e chten geben/ sondern unser gewissen und glanben dem HErrn allein unterwerffen/ und unauf- hoͤrlich bethen. Das sind die waffen/ damit wir in der krafft Gottes bestehen/ und ob wohl nicht alles was wir wuͤnschen (nachdem etwa das urtheil gesprochen Jer. 45. v. 4. 5.) ausrichten/ iedoch unser seele zur ausbeut davon bringen moͤgen. SECTIO XXIII. Vorschlag einiger reisen der Theologorum, ein- ander zu besuchen. Lehre des geschenckten Heils. Steph. Prætorius. Zur ungebuͤhr von einem beruͤhmten Theologo ange- griffen. Statius. D. Danhauers beypflichtung. D. Brodtbecks seliges und bedenckliches ende. Neodorpii schrifften. Egardi from- mer buchbinder. Academisches greuelwesen. Andr. Cramerus. D. Havermanns Theopraxia. Joh. Sam. Kriegsmann. Dilfeld. D. Musæus. D. Beyer. Grosse bewegung in den hertzen. Hoffnung daraus. D Aß Christliche gespraͤche wie unter andern/ also auch unter denen die Gott hin und wieder seinen gemeinden vorgestellet hat/ viel nuͤtzen moͤgen/ ist oh- ne allen zweiffel/ uñ hielte ichs vor eine sehr nuͤtzliche sache/ wo es also moͤch- te angestellet werden/ daß iezuweilen einige Theologi eine weile hin und her reise- ten/ andere ihrer bruͤder zu besuchen/ und mit denselben vertraulich zu commu- nic iren; ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXII. nic iren; wo eines einigen verstaͤndigen mannes reise nicht nur viele gemuͤther mit ihnen/ sondern auch deroselben mehrere unter einander verbinden/ das band der einigkeit des Geistes und des friedes mehr befestigen/ und vieles dessen ausrichten koͤnte/ was sich sonsten schwerlich ausrichten laͤsset. Es moͤchte ein solch er einiger mann gleichsam auch die mittel-person seyn/ dadurch/ was von gutem rath und vorschlaͤgen hin und wieder bey einigen sich findet/ mehrern gemein gemacht wer- den moͤchte/ das sonsten nicht anders alß oͤffentlich mit schrifften (wo zu auch nicht eben ieglicher sich gern resolvir et.) ja auch nicht allezeit so wohl durch solches mit- tel/ geschehe. Ja es solte ein theil dessen/ waß man sonsten durch synodos und concilia, so wir schwerlich zuhoffen haben/ gesucht wird/ durch solche weise erhal- ten werden. So ein nuͤtzliches werck ich aber solches achte/ so viel difficult aͤt sehe auch wiederum dabey/ und doͤrffte es nicht an seltzamen verdachten und hinter- nissen mangeln/ wo iemand solches versuchen wolte. Mit meinem geliebten bru- der einmahl gegenwaͤrtig um zugehen/ solte mir eben so wohl eine hertzliche freude seyn/ und ob ich wohl annoch keine gelegenheit dazu sehe/ wolte ich doch nicht alle hoffnung dessen gantz unmoͤglich halten: weil es ja endlich so gar schwehr nicht ist/ daß 2. personen durch allerhand gelegenheit von Gott moͤgen zusammen gefuͤhret/ und ihnen zu einer unterredung anlaß gegeben werden. So ich auch/ so es zu deß Herren ehren meiner hoffnung nach solte dienlich sein/ von seiner goͤttlichen guͤte gefuͤgt zu werden wuͤnschte: und zwar so vielmehr/ weil auch auß diesem schrei- ben mit großem vergnuͤgen erkant habe das reiche in seiner se e l gelegte maaß der gnaden in der erkaͤntnuͤs des grund- articuls von unserem heil/ das auch von ihm in demselben weiter gestaͤrckt zu werden verlange/ wie ich sehe/ daß ihm in solcher materie viel lieber leute schrifften bekant sind/ von denẽ ich allerdings nichts weiß/ oder annoch gehoͤret habe: Ob wohl die lehre selbst deß geschenckten heyls durch gottes gnade/ dero demuͤthig dancksage/ etwas fruͤhe eingesehen. Was also unsern lieben Prætorium anlangt/ bleibe nochmahl dabey/ daß ich ihn vor ei- nen werthen man/ durch den Gott viel gutes gewuͤrckt/ und gegen demselben die an einem schoͤnen leib befindliche wartzen oder flecken so viel nicht achte/ daß um ihrent willen ihn verwerffen/ oder seine arbeit den leuten aus den haͤnden reissen lassen wolte. Daß das dogma selbst de exhibita in Christo salute noch nie- mahl eigentlich wiedersprochen worden/ laße ich auch ein stuͤck der goͤttlichen pro- videnz und zeugnuͤs seyn der klarheit solcher lehr/ die wir nicht ohne umstossung unserer gantzen analogia fidei, wo die sach recht erwogen wird/ verlassen koͤnnen. Jedoch habe ich einem beruͤhmten/ und mir sonsten werthen Theologo mit be- truͤbnuͤs diese thesin gelesen. Qui baptizantur, remissionem quidem peccato- rum actu, vitam æternam quoad spem \& jus ad eandem conseqvuntur per baptismum. Cont. Steph. Prætorium, per baptismum nos ita salvari, ut hic in statu salutis \& vitæ æternæ constituti simus, asserentem. Gleich wie aber solches autoris eigene thesis, solle sie nicht der schrifft und andern unsern gottseli- gen Das sechste Capitel. gen Theologis wiedersprechen/ einer Christl. erklaͤhrung bedarff: so sihe ich hin- gegen nicht/ wie Prætorius in der sache anders als orthodoxe gelehret: dann ob wohl etzliche oͤrter sich in ihm finden/ wo er freyer reden moͤchte/ als vielleicht nicht allen gefaͤllet/ so erklaͤret er sich doch an andern so deutlich/ daß auch der moroseste censor keine gelegenheit darinn finden wird/ ihn dessen zu beschuldigen. Was die hin und wiedeꝛ angegriffne phrases anlangt/ leugne ich zwar nicht/ daß ich sie offt anders wuͤnschte/ damit sie kein stein des anstossens waͤren/ aber ich lasse drum nichts desto weniger des autoris liebe arbeit in ihrem werth/ ja erkenne goͤttliche providen tz darinne/ nicht nur daß wir den unterschied unter goͤttl. und menschl. schrifften/ deren jene allein nicht zuverbessern sind/ so viel deutlicher erkennen/ son- dern daß auch denjenigen/ anstoß muͤssen gesetzet seyn/ die ihr groͤßtes dariñ setzen/ uͤber woͤrter zu scrupul iren/ daß sie um derselben willen die andern lehren aus den haͤnden legen muͤssen/ welche sie gruͤndlicher zu erkennen etwa nicht werth sind. GOtt ist ie gerecht und weise in allen seinen gerichten und wegen. Ach daß der HErr die alte liebe wieder unter uns gepflantzet werden liesse/ daß wir nicht an- ders als mit derselben/ treuer lehrer arbeiten ansehen/ und zwar der warheit nichts begeben/ (welches ich selbst nicht suche/) aber allen reden Christl. leute so gut helf- fen/ als ihnen geholffen werden kan/ wo sonderlich des autoris eigendl. meynung anders her zur gnuͤge bekannt ist. Und wo wollen wir mit den lieben vaͤtern hin/ wo wir nicht diese regel in acht nehmen? Ja was vor judicia wird der theure Lutherus uͤber sich ergehen muͤssen lassen/ wo wir ieglichen seine worte zu boltzen traͤhen oder traͤhen lassen wollen? oder was wollen wir den widersachern/ welche dieselbe genug durch die hechel zu ziehen wissen/ entgegen halten/ wo wir auf glei- che art mit andern unsern leuten umgehen? Die historie des S. Statii ist mir nicht bekannt/ was seinet wegen zu Dantzig vorgegangen seye. Daß der S. D. Dannh. mit ihnen bekannt gewesen/ habe sonsten nicht gewust. Aber die doctri- nam de exhibita salute, hat er so herrlich als einer haben mag/ daß er sagt de sorte regenitorum filiorum Dei, quod à sorte cœlesti differat, non specie sed gradu, apparitione, gloria, lumine Hodosoph. (edit. poster.) Phœn. 11. p. 1404 (dergleichen ich auch bey dem theuren Luthero gelesen T. 3. Lat. Jen. f. 453. b. Re- gnum fidei \& futura vita differunt non ad rem, sed ad rei modum ) Was die zu Wittenberg anlangt/ habe gleichwohl gesehen/ daß daselbst seine Postilla Pa- trum 1661. gedruckt/ und von D. Mich. Wendelero zu seinem bildnuͤß ein feines l ob- carmen gesetzt worden. Wie die uͤbrige aber gegen ihn gesinnet gewesen/ ist mir nicht sonders bekannt. Von seiner cynosura fidei Apostolica habe nie nichts gesehen: unsere buch fuͤhrer wissen auch nichts davon: muß also in der meß nach- frage halten. Wie dann unsere Statt zwar den nahmen einer sondern Buͤcher- Statt traͤgt/ aber in der that findet sichs nicht; wie dann was ein wenig rare buͤcher sind/ hier fast vergebens gesucht werden. Was den aufsatz pro Statio an- langt waͤre gleichwol daran zu gedencken/ ob er sich public iren liesse/ und auf was weise ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXII. weise es ohne des autoris gefahr geschehen koͤnte. Solte ich ihn sehen koͤñen/ wolte etwa bald sagen/ was sich damit thun liesse oder nicht. Dann wo es dermassen eingerichtet werden mag/ daß vielmehr in der kirchen die mißverstaͤnde uͤber die- sen lieben autorem aufgehaben als vermehret werden/ so wil gern solche publica- tion befoͤrdern/ und moͤchte auch ie/ nachdem es rathsam gefunden wuͤrde/ des autoris nahmen verschwiegen werden. Jm uͤbrigen weil bey solcher gelegenheit wiederum des from̃en Doctoris Medicinæ zu Tuͤbingen/ so Johann Conrad Brodtbeck geheissen/ und mir verschwaͤgert gewesen/ meldung geschehen/ kan ich nicht umgehen zumelden daß wie derselbe sein leben in einem glaͤubigen lob seines Gottes gefuͤhret/ und daher so Statii als andere die Goͤttl. liebe und wohlthaten preisende schrifften so hertzlich beliebet/ also seye auch sein abschied gleicher massen bewandt gewesen/ daß seine seele in dem lob Gottes ihren coͤrper verlassen. Er waꝛ 1677. den 21. Febr. des tags uͤber frisch und gesund gewesen/ und seinen academ is. geschaͤfften obgelegen/ abends abeꝛ in den keller/ hausgeschaͤfften wegen/ zu denen/ die darinn arbeiteten/ gegangen: da hoͤrte man ihn ruffen: Herr gehet herauf (es hat sich aber nachmahl in dem nachfragen kein mensch finden wollen/ der ihn geruffen haͤtte) daruͤber er so bald hinauf gehet/ aber noch auf der stiege von einem schlag-fluß befallen worden/ daß man ihn vollends in die stube und bette tragen muͤssen. Als er daselbst anfieng die letzte noth zu spuͤren/ so waren noch dieses seine wort: Jch hab in meinem GOtt gemig: Mir ist in meiner seelen leicht. Lobe den HErrn meine seele/ und was in mir ist seinen heil. namen. Vater in deine haͤnde befehl ich dir meinen geist. Als er dieses geredet/ giengen alle sinne und reden hin/ und verschied er in 2. stunden an solchem schlag-fluß/ mit hinterlassung seines gedaͤchtnuͤsses in dem segen. Seine tabell werde ich mir verschaffen/ noch ein exemplar oder auch etliche von Tuͤbingen zu bekommen/ daß aufs wenigste etwa in der meß schicken moͤge. Nach Neodorpii schrifften will zu meinem eignen behuff nachsehen/ daß dero habhafft werden moͤ- ge. Was im uͤbrigen des frommen Egardi buͤcher anlangt/ soll geliebts Gott diese messe abermahl ein tomus derselben heraus kommen. Wir bedancken uns auch wegen des communic irten catalogi, verlangen aber sehr zu wissen/ ob alle solche buͤcher gedruckt und zu haben/ oder ob etliche nur in msto seyen. Wir haben sie hier bey weitem noch nicht alle. Bitte daher auf foͤrderlichste antwort/ noch/ wo es seyn mag/ vor der meß/ so dann dafern sie sonsten nicht zuhaben waͤren/ ob ihres orts sie zu erlangen. Da der verlaͤger willig alle kosten schiessen wird. Dann solche moͤgen leicht noch einen dritten tomum geben. Der bericht von dem gottseligen buchbinder hat mich wol inniglich ergoͤtzt/ und rede ich offters bey guten freunden von ihm. Jst ja wuͤrdig/ daß sein gedaͤchtniß auch in dem segen bey uns bleibe. Kan mir mehr von ihm bekannt werden/ soll mir alles angenehm seyn. Hie mags w o hl heissen/ wir gelehrte gehen grossen theils bey dem Himmelreich vorbey/ und H h h hin- Das sechste Capitel. hingegen die ungelehrte nehmens uns vor der nasen weg. Nun der HErr seye auch hoch gelobet/ wann er noch heut zu tage nach seinem alten rath Matth. 11. Der unmuͤndigen und einfaͤltigen offenbahret/ was den klugen und weisen dieser welt verborgen bleibet. Es ist ja all sein wohlgefallen heilig und gut. Er giesse noch weiter seinen Geist ohn ansehen der person aus uͤber alles fleisch/ und mache durch sein wort die albere weise: ach er gebe aber/ daß auch diejenige/ die den studiis gewidmet seynd/ nicht weniger aus ihm als menschen gelehrt zu werden sich befleißigen. Es ist ja gewiß/ wie mein geliebter bruder urtheilet/ daß das unverantwortliche academ ische greuel-wesen/ und auch uͤbri- ges der welt laster leben/ uhrspruͤnglich aus dem mangel des glaubens herkomme/ dessen fruͤchte ja seyn muͤssen alle fruͤchte des Geistes/ daher ohn ihnen sich nicht fin- den lassen. Wird nun der hauptgrund des heylß den lernenden nicht von ihren leh- rern gezeigt/ so ists gewiß dieser leute schuld/ daß so viele nachmahl ohne innerl. trieb zu dem guten bleiben/ und hingegen den luͤsten des fleisches und versuchungen der welt oder des Satans nicht zu widerstehen vermoͤgen. Es muß freylich zu erst der baum gepflantzt/ und nachmahl erst die frucht von ihm erwartet werden. Meinem S. Præceptori D. Dannh. kan ich zu schuldigem ruhm dieses zeugnuͤß geben/ daß er uns diese, wie andere nicht weniger von unberichteten vor enthusia- st isch aus grober unwissenheit achtende lehren/ vorgetragen hat. Wie ich oben seinen ort aus der Hodosophia angezogen habe. Was des gottseligen Andr. Crameri schrifften anlanget/ so ist eben das angezogene tract aͤtlein von dem tauff-stand dasjenige/ so ich hie samt einer præfation wieder auflegen lassen/ aber noch etliche andere von seinen schrifften von Gottes gnaden-ordnung/ anleitung zur Catechismus-lehr/ dero kurtzen auszug und zehen kern-spruͤche solchem tauff-stand angehenget habe/ weil sie alle von solchen materien handlen. Jch werde auch/ geliebts GOtt/ auf die meß ein exemplar dessen schicken. D. Havemanni (von dem sonst unterschiedliches habe) angezo- genes buͤchlein haben wir auch nicht. Jch mißrathe die uͤbersetzung ins Teutsche nicht/ und will solche gern wie ich koͤnnen werde mit helffen befoͤrdern. Und liesse sich nicht etwa thun/ daß man die apologi e und erklaͤhrung des Prætorii solchem scripto nachmahl anhienge? Unsers seligen freundes Kriegsmans Theo- praxiam habe auch gelesen/ aber leugne nicht/ daß in etlichen stuͤcken/ sie etwas geaͤndert verlangt habe/ wie ich einmahl deswegen ein bedencken habe aufsetzen muͤssen. Der haupt-zweck und die haupt-sache aber ist herrlich und von goͤtt- licher wahrheit. D. Volusii widriges scriptum und dessen beantwortung ist mir gar nicht kund worden. Jm uͤbrigen so ist er eben derjenige/ so durch druckfehler Wilhelm Christian vor Christoph ist genennet worden in dem tractatu posthumo von der Athanasia so ich hier zum druck befordert habe. Hingegen der autor des buͤchleins: halt was du hast/ ist sein leiblicher bruder gewesen. Ein ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXII. Ein sehr Christlicher gottseliger mann/ so aber vor ihm todes verblichen/ und sich einige recht singularia bey seinem tode zugetragen haben sollen. Dieser Johann Samuel Kriegsmann hat einen sohn und eine tochter/ der Cam- merrath aber kein kind hinterlassen: Dieses witwe hat die tochter und sohn des schwagers bey sich/ beklagt sich aber/ daß es ihr zu schwer fallen wolle/ und ver- langte/ ob sich iemand des knabens annehmen moͤchte. Jch haͤtte selbst mich verstanden/ denselben zu mir zu nehmen/ und ihn samt meinen kindern aufzuzie- hen/ wo ich nicht schon bereits ein solches armes kind zu solchem zweck bey mir haͤtte. Daher wuͤnschte ich von hertzen/ iemand zu finden/ der sich dieses from- men mannes kindes nachdruͤcklich annehmen moͤchte. Solte nicht vielleicht Jh. Hochfuͤrstl. Durchl in dero lande einiges orts/ wo junge knaben erzogen wuͤrden/ eine barmhertzigkeit GOttes an solchem kinde (dessen vatern und vettern schriff- ten sie in einiger gnaͤdiger recommendation haben) zu erweisen gelegenheit fin- den? Was meinen widersacher zu Nordhausen Herr Dilfelden anlanget/ will ich hoffen/ er werde allgemach in sich gehen/ und wo nicht dem Heiligen Geist/ der ihn zum erkaͤnntnuͤß der wahrheit gern leiten wolte/ wahrhafftig platz geben/ so ich ihm hertzlich wuͤnsche/ aufs wenigste erkennen/ daß er keine ehre in solcher sache erjagen werde. Herr D. Museus, an den er solte einigen aufsatz einer ant- wort gesandt haben/ hat ihm/ wie ich berichtet worden/ weitlaͤufftig geantwortet/ und ihn seines irrthums uͤberfuͤhret. Jedoch befehl ichs GOtt/ wo er ihn noch weiter zu laͤstern/ und die offenbahre wahrheit zu widerfechten verhengen moͤchte: ob mir wohl leid ist/ da ich der stein des anstosses seyn soll/ daran sich einiger zu seinem schaden stoͤsset. Jm uͤbrigen weiß ich/ daß die sache/ welche ich verthei- dige/ wahrhafftig eine Goͤttliche wahrheit ist/ und dero erkaͤnntnuͤß dem reich des Satans einen empfindlichen schaden thun mag/ als man von einer solchen dem ansehen nach in die theori e allein lauffende materi e erwarten solte. Daher nicht muͤgl ist/ daß der Teufel darinn ruhen koͤnte/ sondern muß sich auf ein oder andere art derselben widersetzen/ odeꝛ doch dero frucht nach veꝛmoͤgen abzuwenden suchen. Jm uͤbrigen wird durch GOttes gnade kuͤrtzlich auch die antwort gegen unsern widersacher vor den S. Cammerrath Kriegsmann/ so ein lieber Christlicher freund ihm zu ehren ausgefertiget in den druck kom̃en/ und sein gedaͤchtniß retten. Der HErr gebe/ daß auch solches nicht ohne vielen nutzen geschehe Daß mir Gott nach seiner guͤte in Jena unter den Herren Professor en so sonderliche freunde er- wecket/ dancke ich ihm demuͤthig/ so viel mehr/ weil fast weniger corresponden tz an solchen orten bißher gehabt/ als auf andern universitaͤten. Vor wenig tagen versicherte mich auch ein anderer hier durchreisender Professor, daß Herr Doctor Beyer mir auch sehr gewogen seye. Jch erkenne solches billich als eine sonder- bahre gnade des grossen GOttes/ der die hertzen in seinen haͤnden hat; und durch ansehung dieser seiner leitung mich auch so viel mehr staͤrcket und aufmuntert/ weil er ja unsere schwachheit kennet/ und weiß/ wie das ansehen einiger zustimmender H h h 2 men- Das sechste Capitel. menschen/ obs wohl nicht der grund unsers glaubens ist/ dennoch so vieles zu un- serer bekraͤfftigung thue/ der mangel aber dessen uns gemeiniglich so sehr nieder- schlage. Also ist er ja ein guͤtiger vater/ der sich nach unserer seiner kinder schwach- heit richtet. Was in dem uͤbrigen der unbekannte freund geschrieben/ daß Gott unter unsern Theologis eine veraͤnderung vorhaben moͤchte/ will ich nicht aller- dings widersprechen/ Sondern wie ich die gerichte GOttes vor augen sehe/ die sich besorglich uͤber unsere gesamte kirche ergiessen moͤgen/ da unsers ordens auch nicht geschonet wird/ also sehe hingegen mit freuden/ daß GOtt mehr und mehr hin und wieder die gemuͤther vieler so prediger/ als an hohen und untern schulen arbeitender maͤnner erreget/ welche erkennen/ daß es nicht hergehe/ wie es solle/ der besserung begierig sind/ und verhoffendlich ie laͤnger ie mehr in Goͤttlicher krafft die sache angreiffen werden/ wo es auch nicht fehlen kan/ daß nicht der HErr aufs wenigste einige frucht zu etlicher besserung folgen lasse/ biß die zeit vorhan- den seye/ daß es durch erfuͤllung seiner uͤbrigen aller verheissungen am abend mehr licht werde. Gewiß ists/ daß die so fast allgemeine aufweckung der gemuͤther in allen staͤnden/ welche sich von unterschiedlichen jahren/ und solches ie laͤnger ie mehr/ hervor thut/ und nach einer besserung ruffet/ kann nicht anders als von GOtt kommen/ und ist mir eine uͤberzeugung/ daß GOtt was grosses vorhabe. Ach daß ers bald ins werck richte/ und seine auserwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruffen in einer kuͤrtze errette! Amen. 21. jan. 1681. SECTIO XXIV. Allgemeine bewegung in den hertzen. Hoffnung daraus. Jn Franckfurt etwas stiller. J Ch freue mich ie mehr und mehr/ daß ich sehe/ wie unter der sonsten so all- gemeinen verderbnuͤß der himmlische Vater gleichwohl nicht auff hoͤre/ die gnade seines Geistes uͤber mehrere nach und nach in nicht geringer maaß auszugiessen/ und so wohl unter unsern stand derjenigen/ welche an seiner kirche arbeiten mehrere mit H. eyffer auszuruͤsten/ das werck des HErrn mit treuem eyffer zu treiben/ als auch andere in andern staͤnden mit seinen gnaden- gaben also zu erfuͤllen/ daß wir gleichwohl sehen/ wie er der seinigen noch nicht ver- gessen habe. Es ist/ wie gemeldet/ dieses eine von meinen vornehmsten aufmun- terungen zur freude und lobe GOttes/ dergleichen ie laͤnger ie mehr von allen orten gewahr zu werden und zu erfahren/ daß ich auch nicht zweiffele/ der HErr zeige damit/ daß er bald sich auffmachen/ seines armen Zions sich erbarmen/ und seinen tempel ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXIV. tempel alsdann aufs n eu e bauen wolle/ an dessen lebendigen steinen er scheinbarlich arbeitet/ und ein und andere bereits hin und wieder sehen laͤsset. Dann wie dieselbe fast allgemeine aufweckung/ so sich an guten seelen hin und wieder hervor thut/ nicht anders als von einer allgemeinen ursach/ und also der himmlischen wuͤrckung des einigen allerheiligsten Geistes/ kommen kan/ so kan auch diese von dem weisen GOtt nicht vergebens letzo geschickt werden/ sondern schliesse ich billich/ daß der- selbe etwas grosses zu seinen ehren vorhabe. Ach daß er lasse dermahleins alle welt seiner erkaͤnntnuͤß und herrlichkeit voll/ und seine theure verheissungen an dem abend dieser zeit nach dem verlangen seiner glaubigen aufs herrlichste erfuͤllet wer- den! Hier unsers orts leben wir etwas stiller und ruhiger/ nachdem der HErr so vieler falscher aussprengungen ungrund hat lassen kund werden. Er gebe aber/ daß wir darum nicht traͤge werden in dem werck des HErrn/ sondern uns auch solcher ruhe-zeit da zu gebrauchen/ so viel fester zu wurtzeln/ daß wir wo nun/ welches etwa schierst geschehen solle/ seine schreckliche gerichte/ mit macht ein- brechen und sein eigen haus zu erst reinigen werden/ bestehen/ und alles tapf- fer in seiner krafft uͤberwinden moͤgen/ worzu gewißlich mehr als menschliche kraͤfften noͤthig seyn werden. 1. febr. 1681. SECTIO XXV. Viele Theologi keine wahre Theologi. Ge- denckbuͤchlein. Dilfeld. Andere ungewohnte phra- ses. Vermeynte errores Speneriani aus der Postill. Fal- sche imputationes Hr. Horbio geschehen: und an- dere materi en solcher zeit. Nahmen der Pietisten. Z Um ersten bin selbs in der meynung/ daß freylich viele fleischliche Theo- logastri an allem demjenigen verderben schuld und ursach sind/ welches in dem ersten brieff nachdruͤcklich ist vorgestellet worden. Daher ich noch immer bey meinem satz/ welchen von mehrern jahren behauptet habe/ bleibe/ daß eine rechte gruͤndl. reformation nicht anders als von unserm ordine angefangen werden muͤsse/ und die uͤbrigen staͤnde nimmermehr so verdorben bleiben/ oder noch mehr verderben koͤnten/ wo die schuld nicht von den unsern hafftete. Daher auch viele wiedersetzlichkeit derjenigen/ welche in dem weltl. stande dem guten nicht gewo- H h h 3 gen Das sechste Capitel. gen seynd/ von denjenigen in dem unserigen herkommen/ welche da sie es nicht verstehen/ oder sonsten das gute hassen/ eben dergleichen eckel und widerwil- len dagegen/ ihren herrn und denjenigen/ deren gewalt sie sich nachmahl miß- brauchen koͤnnen/ suchen beyzubringen. Sie auch offtmahl wuͤrcklich dazu be- wegen. Diese werden auch denjenigen/ so ein gantz ander leben/ sonderlich bey den geistlichen/ erfordern/ eben deswegen so viel feinder/ weilen sie zu ei- nem solchen sich nicht resolv iren/ und doch dabey den nahmen der rechtschaffenen geistlichen nicht fahren lassen wollen. Jch erinnere mich dabey/ was mir neu- lich ein vornehmer Professor Theologiæ schriebe/ daß meine antwort gegen meinen widersacher/ und was ich von einem Theologo erforderte/ eben des- wegen vielen sehr unleidentlich scheinen wuͤrde/ weil sie dabey den nahmen der Theologorum schwerlich behaupten koͤnten: dabey er sich erinnerte in denen relationibus Boccalini ex Parnasso gelesen zu haben/ daß die Fuͤrsten dieser zeit sich einmahl bey dem Apolline beklagt uͤber des Aristotelis definitionem tyranni, quia stante illa omnes tyranni futuri essent. Jch bin aber ge- wiß/ der HERR wirds nicht allezeit so bleiben lassen/ sondern die zeit solle kommen/ da der HErr wird sitzen und schmeltzen/ und das silber reinigen/ und die kinder Levi reinigen und laͤutern wie gold und silber/ als dorten der Pro- phet Malach. 3. sagt/ dann werden wir ihm speis-opffer bringen in gerech- tigkeit. Das Gedenckbuͤchlein ist wohl aufs hoͤchste zur ungebuͤhr angeg ri f- fen worden/ und hat sich der censor sehr bloß gegeben/ daß er die sache schlecht verstehe. Jch zweiffele nicht/ es werde hinwieder von Wertheim aus com- munic irt worden seyn/ was ein guter freund zu rettung desselben aufgesetzt. Es hats gleichwohl ein rechtschaffener Doctor und Professor in Abo in die Schwedische Sprache uͤbersetzet/ und selbst drucken lassen/ ohne daß es auch zu Jena in gegenwart der theolog ischen Facult aͤt (allein mit etzlicher weni- gen/ und hie nicht angezapffter worte aͤnderung) Franzoͤsisch gedruckt wor- den: und hat sich niemand an solchen unschuldigen buͤchlein gestossen/ wie diese delicat e leute. Meinen Dilfelden anlangend/ habe gehofft/ er solte ursach haben zu schweigen/ und der wahrheit zu weichen: Jch werde aber berichtet/ daß er diese meß wieder eine antwort heraus geben werde/ dero ich erwarten muß. Er hat sich an Herr D. Musæum zu Jena zu adressi ren gemeynet/ und wie ich hoͤre/ ihm seine antwort zugefertiget/ solcher solle sie ihm aber wieder mit bezeugung des mißfalls und weitlaͤufftiger ableinung zuruͤck gesandt haben. Jch bin versichert vor die wahrheit zu stehen/ welche aufs wenigste zu letzt uͤber- winden muß. Doch ist mirs leid/ daß ich der stein des anstossens seyn solle/ daran sich unterschiedliche stossen. Was die mir imputi rte neue und ungewoͤhn- liche phrases anlanget/ so bin ich ie allerdings unschuldig. Die vornehmste/ ich bin Christus/ ist ja nicht mein/ sondern Lutheri, und von mir hauptsaͤchl. allein ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XXIV. allein zu rettung unsers theuren GOttes-Mannes wider die laͤsterung der Papisten/ welche dieselbe in einen gantz gottlosen verstand verkehret hat- ten/ angesehen gewesen; zu zeigen/ was vor ein heiliger und so lehr-als trost-reicher verstand in denselben erkannt werden koͤnte. Jch meyne aber/ es seye uͤber dieselbe von mir satisfaction genug geschehen. Das wort gelassenheit ist von so vielen rechtschaffensten und auch accurat esten Theologis gebraucht worden/ ehe wir alle gebohren sind/ daß ich mich wundere/ mit was stirn iemand etwas mehr dagegen vorbringen koͤnne. Wo mir aber auch die wort der erneuerung und heiligung vor unge- gewoͤhnlich wollen halten (dann neu koͤnnen sie nicht seyn/ die ævo aposto. lico nach dem zeugnuͤß der schrifft im schwang gewesen) so halte ich solches vor eine der groͤsten beschimpffung unser kirchen/ deren schande wir viel- mehr zuzudecken haͤtten. Ach freylich ist es so/ aber es seye auch solches GOtt geklagt/ daß solche worte der erneuerung und heiligung einigen leh- rern des volcks ungewoͤhnlich sind/ die sie vor sich selbst nicht verstehen/ oder von solchen dingen vor der gemeinde zu reden scheu tragen/ welche sie/ weil sie nichts davon an sich haben/ vor derselben nur zu schanden machen wuͤrden: aber daher kommts/ daß etwa wenig erneuerung oder heiligung bey den zuhoͤrern sich findet (da doch niemand ohne heiligung GOtt sehen wird) weil ihnen nicht einmahl die worte bekannt/ oder wohl gar ver- daͤchtig sind: geschweige daß die sache selbs mit gnugsamen ernst ihnen ein- getrieben und vorgestellt wuͤrde. Woruͤber wir uns gewiß vor GOTT und Christlichen Augen zu schaͤmen ursach finden solten/ wenn wir recht erkenneten/ was das wahre Christenthum waͤre/ wie dessen haupt- und ende-zweck/ was diese zeit anlangt/ in der erneuerung und heiligung be- stehet/ daher sache und worte in mund und that sich allezeit finden solten/ wo es recht hergienge. Was die errores Spenerianos aus meiner Postill anlangt/ so verlange diejenige dermahleinsten zu sehen/ welche ein solcher censor daraus klauben wird. Kommt aber nichts wichtigers/ als was er meinem Großgst. Hochgeehrten Herrn zum ersten specimine ge- wiesen/ vor dessen communication schuldigen danck sage/ so moͤchte er wohl seine stunden zu etwas nuͤtzlichers als einer solchen vergebenen muͤhe angewendet haben. Wie viel reichere aufferbauung in den Sonntaͤgli- chen Episteln als Evangelien zu finden waͤre/ meyne ich ja/ es seye eine solche wahrheit/ die man mit haͤnden greiffen koͤnne/ wo man sie nicht mit augen will. Jn dem/ wir reden vom Glauben oder Glaubens-fruͤchten/ dieselbe unwiedersprechlich deutlicher in jenen als diesen anzutreffen sind/ da wir offters/ wo wir alles zur seligkeit noͤthige aus diesen wollen vortra- gen/ bedoͤrffen die Evangelia fast dahin zu beugen/ wohin sie von selbst incli- Das sechste Capitel. inclin iren. Wie ichs erfahren/ als in dem vorigen jahr alle Glaubens- Articul mir vorgenommen/ der gemeinde zu erklaͤhren/ und also damit zu frieden habe seyn muͤssen/ wo ich zu weilen nur eine wenige anlaß habe finden koͤnnen. Jch erfahre es auch dieses jahr/ da ich nun die tugend daraus zu tract iren vorgenommen. Daß das herkommen der Juden und der Adel ihres geschlechts der hoͤchste seye/ als die aus denen vor-eltern entsprossen/ die GOtt nach seinem urtheil allen andern voͤlckern in der Welt vorgezogen hat/ 5. Mos. 7. v. 26. ist offenbar. Ein anders ist/ wo wir von ihrem gegenwaͤrtigen zustand reden/ da sie freylich aus dem goͤttlichen gerichte vor ietzo die geringste und verachteste sind. 5. Mos. 28. v. 37. 44. aber von der edlesten extraction und geschlecht. Was uͤber Roͤm. 12. v. 8. scrupul irt wird/ ist ie eine nichtige sache. Der text zeigt selber/ was ich sage. So bemercket Paulus 1. Tim. 5. v. 17. daß nicht alle aͤltesten haben am wort und in der lehre gearbeitet/ welches eben diejenige sind/ die die aufsicht auf die gemeinde/ und sie nach gelegenheit zu erinnern gehabt: davon wir ja noch heut zu tage an einigen orten die kirchen- censores haben. Die beschuldigung Herrn Horbii wuͤnschte zwar lieber von ihm selbs beantwortet zu werden/ und daß diejenige/ welche ihn beschuldigen/ sich an ihn adressi rten. Daß aber auffs wenigste mein Grgst. Hochg. Herr einige erlaͤuterung gebe/ so ist zwar 1. dieses gantz gewiß/ daß leute/ welche sich nicht resolv iren wolln/ ihꝛ Christenthum ihre vornehmste und einige sorge seyn zu lassen/ nicht viel trost aus seinen predig- ten und zuspruch fassen/ sondern die anklage ihres gewissens fuͤhlen werden. Daher muß solches wort ihnen entweder ein geruch des lebens zum leben/ wo sie sich dadurch bekehren lassen/ oder des todes zum tode werden/ daß sie theils verstockter und ruchloser/ theils wo sie das gewissen nicht uͤbertaͤuben koͤnnen/ und sich doch zur busse nicht schicken wollen/ schwermuͤthig werden moͤgen. Welches dann die ordinair e wirckung des Goͤttlichen worts ist/ wo es mit ernst getrieben/ und ihm also seine krafft gelassen wird. Hingegen bin ich ver- sichert/ daß seine lehre denjenigen/ welche sich in gehorsam GOttes dargeben/ und also des trostes faͤhig sind/ so viel trost in seiner lehr finden werden/ daß sie sich auch staͤtig daruͤber zu freuen krafft finden. 2. Daß er in oͤffendlichen zu- sam̃enkuͤnfften keine andere als geistl. discours leiden wolle/ geschiehet ihm ge- wiß unguͤtlich; er billichet so wohl/ wo von geist-als weltl. nuͤtzlichen dingen geredet wird. Aber er wil alle die unnuͤtze geschwaͤtz/ richten des nebenmenschen/ grosser oder kleiner/ reden die nur zur zeitvertreib angesehen/ und sonsten weder zu diesem noch jenem leben nichts dienen/ viel mehr uͤppige schertze/ abgestellet haben. Da leugne ich nun nicht/ wo diese ausgemustert werden/ die das meiste bey den zusammenkuͤnfften insgemein machen/ so werden vie- le fast stumm da sitzen muͤssen/ die ihr leben lang nichts anders gewohnt gewesen sind. Er fordert hierinn aber nichts mehr/ als was Christus und ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXV. und seine Apostel selbst erfordern. 3. Daß er der schul sich treulich annehme/ kan ich ihm/ ob schon abwesend/ dieses zeugnuͤß geben/ daß er in brieffen offt uͤber die uͤ- bele bestellung der schul geklagt/ daß er deßwegen nichts außrichten koͤnne/ und nach dem er bey dem Consistorio die verordnung erhalten/ daß dem fehler moͤge reme- diret werden/ selbst an mich geschrieben/ daß von fremden ort ein rechtschaffener mann moͤchte zu wege gebracht werden/ der die schul wieder aufrichte/ wie wir schon einen tapffern man gehabt haͤtten/ so in der Marck Rector ist/ aber es welte dar- nach zu Windsheim mit der resolution nicht fort: jetzo aber haben sie gleich wohl einen solchen mann der dem wesen verhoffendlich gewachsen ist. 4. Wegen deß unvermutheten singens/ weiß ich nicht eigenlich zu antworten/ wie es aber hier in vielen Christlichen haͤusern der gebrauch ist/ das man mit einem lied/ ehe man vom tisch aufstehet/ GOtt dancket/ so weiß ich/ daß er solche gewohnheit hat: Obs nun geschehen moͤchte seyn/ daß einige so eyfrig in ihrem gespraͤch gewesen/ nicht wahr zunehmen/ was andere vorhatten/ daß ihm der anfang solches gesangs unvermu- thet gekommen/ oder wol etwa gewisse discourse mit fruͤheren aufbruch und also vorgangenem gesang/ mit fleiß unterbrochen sein worden/ stelle ich dahin. Also weiß auch 5. darvon nichts zu sagen/ wie ers bey dem ersten anspruch einer bußpre- digt gehalten: in dem dabey mehrere umstaͤnde muͤsten bekant seyn. Was den Herrn NN. anlangt/ so zu Windsheim gewest/ habe ich auch die hoffnung/ er werde daselbst dergleichen sattsamen bericht erlangt haben/ daß er viele sorge und bedencken moͤchte abgelegt haben. Es ist lieben leuten fast nicht zu verdencken ge- wesen/ wo sie sich haben einnehmen lassen/ da des gespraͤchs und auflagen so unzehl- bar waren/ welche einige boͤßlich-gesinnete erstlich auf die bahn gebracht und fo- mentiret haben/ damit andere gute hertzen eingenommen worden sind/ daß sie gantz guter meynung/ aber warhafftig mit unverstand/ geeiffert haben. Deꝛ HErr nehme nur noch jetzt aus allen hertzen solche boͤse argwohn und scrupul/ damit sie sich versuͤndigen/ und dero suͤnden immer so viel schwerer werden wuͤrde/ als mehr sie bißher gelegenheit bekommen/ ihr muͤßverstaͤnde abzulegen. Er vereinige aber die gemuͤther aller deren/ in die er eine redliche intention geleget/ daß sie mit zusam- men gesetzten eyffer in der wahren einigkeit des Geistes sein werck treiben/ und auf- hoͤren einander unnoͤthiger weise in solchem guten vorhaben zu turbiren, dessen fort- setzung sonsten nicht anders koͤnte als endlich ein schweres gericht nach sich zie- hen. Herr NN. (welchen von person nicht/ sondern nur von renomee in Straß- burg gekant) apostasiam habe vorher nicht gewust. Der HERR erbarme sich einer solchen selbs in ihr verderben blindlings einlauffenden seele/ und begna- de sie wieder mit neuem liecht/ dazu aber auch in den anderen leben gar eine ande- re bereitung erfordert wuͤrde. Es hat sich gegentheil aufs wenigste nicht viel zu- ruͤhmen/ wo sie aus dergleichen ursachen leute/ wie hoch von stande sie seyen/ zu sich bekommen/ doch sind die unterthanen allezeit mehr zu beklagen/ wegen der ihnen zu J i i zieh- Das sechste Capitel. ziehenden gefahr. Die materie von der ehscheidung ist excoli ret zu werden so viel wuͤrdiger/ weil noch erst vor anderthalb jahren der vermummte Daphneus Arcuarius dergleichen dinge wiederum auf das tapet gebracht/ welche die warheit zu verdunckeln trachten/ dem in etwas/ was seiner Theologi schen gedancken ret- tung anlanget L. Slutor nechsthin geantwortet oder antworten hat lassen. Mich deucht/ der teuffel fange in diesem unseren halben seculo fast mehr als vormahls diesem articul des ehstands und dessen heilige einsetzungen an anzugreiffen/ damit er alles in eine ungezaͤhmte licenz bringen und die goͤttliche bande zerreissen moͤge. Der HERR trete ihn unter unsere fuͤsse in kurtzen. Jch komme nun auf den dritten und letzten brieff. Die Chursaͤchsische hoff- prædicatur belangend/ ist mir solche niemahl angetragen worden/ obs wol nicht ohne ist/ daß neben 3. Saͤchsischen Theologis / als D. Lucio, D. Pfeiffero und D. Carpzovio, Herr Scriverius und ich im vorschlag sollen gebracht worden seyn: Es bliebe aber so bald/ wie mans billich dencken moͤgen/ bey dem ersten/ als der ohne das des selig verstorbenen D. Geyers in Consistorio Collega gewesen/ und also die groͤsseste erfahrung hatte. GOTT erfuͤlle ihn mit zweyfachern Geistes maaß und mit hundertfaͤltigen segen. Solte von mir mit ernst gehandelt worden seyn/ leugne ich nicht/ daß die betrach- tung oder anscheinungen der hofnung von vielem guten haͤtte moͤgen einen starcken kampff verursachen/ aber die erkaͤntnuͤß der eigenen schwachheit die keiner an mir so erkennen kan/ als ich sie selbstfuͤhle und erfahre/ haͤtte mich nothwendig muͤssen zuruͤck treiben/ und mich dessen erinneren was dorten bey Jeremia stehet XII. 5. Nun auf das communicirte MS. zu kommen/ so habe dasselbe mit guten vergnuͤ- gen gelesen und andern etzlichen wenigen guten freunden in geheim communici- ret/ liebe des autoris hertzliches wohlmeinen und Christlichen so fleiß und eyf- fer/ was aber die publication anlangt/ so stehe fast an/ ob es rathsam seye; Die vornehmste rationes setze ich hier bey nicht propriis sondern alienis verbis, wie ein guter und verstaͤndiger freund/ so ein grosses theil Teutschlandes bey etzlichen jahren durchreiset hat/ deßwegen die beschaffenheit der gemuͤther hin und wieder wol kennet/ folglich von solchen sachen gruͤndlich zu urtheilen vermag/ sein judi- cium uber dasselbe mir zugesand hat. Da zu ich noch ferner setze/ weil dem guten freund/ daß er nicht verrathen werde/ gleichsam seine zeitliche fortun darauf stehet daß weil der nahme der Pietisten fast nirgend in Teutschland als bey ihnen droben in solcher revier gebraͤuchlich/ der verďacht erstlich den ort/ nachmahl leicht den au- torem selbst treffen und finden wuͤrde. Welcher ursach wegen ich annoch mit publication des werckleins zuruͤck gehalten/ und ferner zu erfahen verlangt/ was etwa auf diese momenta ihre jetzige gedancken seyn moͤchten; Solte also auch ihnen belieben/ daß es nicht an das offentliche tages liecht komme/ so wolte es doch noch weiter hin und wieder guten freunden herum schicken/ daß es unter denselben bekant wuͤrde. Die sache selbst belangend/ habe nichts darinnen zu desideriren, ohne ARTIC. I. DISTINCT. III. SECTIO XXVI. ohne das etzlicher autorum angefuͤhrte loca, die andern mehr scrupel machen/ als die sach befoͤrdern wuͤrden/ lieber an einigen orten außgelassen sehen wolte. 1681. 7. Mart. SECTIO XXVI. L angsame antwort aus noth. D ilfelds verge- bener angriff. Klagen der verderbnuͤß in allen staͤnden. Dero schuld. Jm weltlichen stand. Jm lehrstand. Der ar- ticul der rechtfertigung wird nicht allezeit genug getrieben. Kuͤr- tzere abfassung der Catechetischen lehr. Sorge vor der Juden bekehrung. Mangel des vertrauens auff GOTT in zeitlichen. Mißbraͤuch der handwercker. Bettler. Lange haar. Frucht des amts mit gedult zuͤerwarten. Allmaͤhlige goͤttliche offenbah- rung der geheimnuͤssen. Allzugrosses ansehen der Theologorum in der lehr. Arcana medicorum. Αρτος ἐπιου´σιος. Buchhand- lung. Sabbats feyr. Aberglauben. Christkindlein. Gros- se verderbnuͤß des menschen. Kein natuͤrliches liecht zum geistli- chen in ihm. Lehr von der Evangelischen seligkeit insgemein wird nicht genug getrieben. Angefochtene. Beschreibung der laster. Schuldigkeit staͤter arbeit. J Ch antworte langsam/ aber bin durch die viele geschaͤffte und von etlich jahren her auffgeschwollene brieffe nun von ziemlicher zeit genoͤthigt worden/ daß ich ohne die materien, die keinen verzug lidten/ selten auf die angekom- mene schreiben eher/ als nach etlicher monaten verfluß/ zu antworten vermoͤgt ha- be. Wie ich dann weisen kan/ daß auch Fuͤrst- und Graͤffliche brieffe uͤber ein vier- tel jahr haben ligen muͤssen bleiben/ ich wolte dann die viel aͤltere schreiben/ die offt von drittehalb oder anderthalb jahr bey mir warten/ gar aus der acht lassen. Jch habe zwar von der vorigen Ostermeß/ und also ein gantzes jahr/ dahin destinirt und angewendet/ daß ich nechst meinen amts geschaͤfften/ so mir eben nicht vieles uͤ- brig lassen/ allerdings nichts vorgenommen/ noch gearbeitet/ sondern allein die sich zusammen gehaͤuffte brieffe zu expediren mich unterstanden hatte/ aber ich bin noch bey weiten nicht durchgekommen. Und geschihet also/ in dem ich an den al- ten/ sie abzufertigen beschaͤfftigt bin/ daß die neue auch alt werden. So leugne auch nicht/ daß mich die groͤsse seines briefs (so mir sonsten sehr angenehm gewesen/ als der ich gerne lange schreiben lese) so fern erschreckt/ weil ich sahe/ daß es auch ei- J i i 2 ner Das sechste Capitel. ner langen antwort noͤthig waͤre: Darzu ich biß daher einige freyere zeit/ die mir doch nicht so gut werden wollen/ erwarthen muͤssen. Deßwegen hoffe/ daß mir der verzug nicht uͤbel genommen/ noch zu verachtung ausgedeutet werden werde. Jetzo will versuchen/ ob mir GOTT einige muͤßige stunden zu der beantwortung/ aufs wenigste eines theils des schreibens bescheren wollte. Will also nach der ord- nung den innhalt von punct zu puncten vornehmen. Erstlich bedancke mich freund- lich der bezeugenden hertzlichen liebe gegen mich/ und der andaͤchtigen vorbitte. Jch achte es vor eine sonderliche goͤttliche wolthat/ wo ich hin und wieder bald von diesem bald jenem einer Christlichen bruͤderlichen liebe versichert werde/ nach dem mich der HERR nach seinem heiligen rath auch laͤsset gedemuͤthigt werden/ durch auf sehen vieler auch in ansehen stehender mir widrigen leuthe/ wodurch dann der glaube und gedult bey mir solle geuͤbt und gepruͤfet werden; so ich auch nicht ohne einige frucht abzugehen danckbarlich erkenne/ aber dabey bekenne/ es wurde mir solchen kampf zu uͤberstehen etwa allzuschwer werden/ wo ich nicht auch gewar wuͤrde/ daß ande- re Christliche hertzen etwa ein anders von mir und meiner wenigen arbeit halten/ und also mich ihrer liebe vergewissern: sonderlich achte ich deroselben Christliche vorbitte in billichem wehrt/ und schaͤtze dieses vor eine der groͤssesten wolthaten/ wel- che mir wiederfahren kan; damit also durch anderer imbruͤnstigere seuffzen mein schwaches gebet kraͤfftiger gemacht/ und mir die mir in meinem so gefaͤhrlichen amt noͤthige gnade durch gottseliger bruͤder mit-bitte gewisser erlangt werde: vor wel- che hingegen auch ich meines orhts gleichfalls zu bitten nicht vergessen werde. Mei- nes zu genoͤthigten widersachers (Dilfeldii) scriptum, weiches er mich in miscre- dit zu bringen ediret, finde ich mehr und mehr/ daß es mir nicht so viel geschadet/ als vielmehr guthe und christliche hertzen zu freunden gemacht/ welche so wol durch die unbillichkeit der beschuldigung bewogen worden/ meine unschuld fleißig zu untersu- chen/ als nachdem ich geantwortet dieselbe sonnen klar erkannt/ und die auch sonsten von mir gefaste widrige verdaͤchte abgelegt haben/ wie ich von unterschiedlichen or- ten her berichtet worden bin. Daß auch deswegen dem himmlischen Vater zu de- muͤthigem danck verbunden bin/ der selbs durch meine feinde mir guthes erzeigt/ und dero boͤse intention einen gantz ihnen widrigen effect gewinnen laͤsset. Er erfuͤlle auch hinwieder mein hertz mit einer so viel hertzlichern liebe gegen dieselbe/ die er/ ob wohl wider ihren willen/ zu werckzeugen einiger mir erzeigender gnade ge- brauchet/ und erhoͤre auch mein vor sie thuende gebeth/ sie zu hertzlicher buß zu be- kehren/ und sie folgends zu mehrer seiner gnaden tuͤchtig zu machen/ welches ich von grund meiner seele allezeit gleich wie vor diesem Dilfelden/ also auch andere meine etwa offentliche oder heimliche feinde/ bitte. Ach daß ichs allezeit erhielte/ und sie an sich selbs dergleichen nicht oͤffters hinderten. Wie ich dann hoͤre/ daß obgedach- ter mein wiedersacher noch nicht ruhe/ oder sich auf meine verantwortung friedlich halten/ sondern eine antwort heraus geben wolle/ welche etwan diese meß moͤch- te ARTIC . I. DISTINCT. III. SECTIO XXVI. te heraus kommen; Der HERR oͤffne ihm die augen/ das er gedencke/ wie ers nicht mit mir armen menschen/ sondern mit der goͤttlichen warheit zuthun habe/ welche ich allein in gantzer solcher sache verthaͤydige/ die aber endlich sieghafft blei- ben muß. Jch bedancke mich auch absonderlich/ vor die in solcher sache vor mich gethane vorbitte/ welche ich samt den jenigen gebeten/ die auch anderwert Christli- che bruͤder vor mich zu dem Vater aller guten und vollkommenen gaben/ um seine mir noͤthige gnade/ damahls gethan haben/ als das jenige mittel ansehe/ daduꝛch mir das zu solcher antwort noͤthige maß des Geistes erlangt worden/ und (davor sei- ner himmlischen guͤthe ewig danck gesagt seye) mehr als gemeiner segen darauff er- folget ist. Welches ich in einer so wichtigen/ und doch delicaten sache vor eine sonderbare gnad erkenne/ auch nicht wenig zu fernerm viel hertzlicherm vertrauen auff goͤttliche huͤlffe gestaͤrcket worden bin. Was die klagen uͤber das allgemeine verderben in allen staͤnden an- langt/ so ists freylich die gruͤndliche wahrheit/ und kan nicht so vieles geklagt wer- den/ der greuel ist noch groͤsser; Jedoch habe ich zu meiner und anderer pruͤfung wargenommen/ damit wir uns nicht auch in solchen wolgemeinten klagen/ wie es gleichwol leicht geschehen koͤnte/ versuͤndigen/ wie wir in aller solcher klage zwar freylich uͤber das allgemeine verderben uns hertzlich zu betruͤben/ aber dabey auch an die gerechte gericht GOTT es zu gedencken haben/ welcher alles endlich in diesen aͤrgsten verfall zu gerathen nicht ohne gerechte ursach verhenget hat/ es ist freylich an dem/ die groͤste schuld/ wie wir sie jetzo ansehen/ stehet bey dem Predigern und Obrigkeiten; solten wir aber nicht billich dabey gedencken/ daß GOtt deroselben viele warhafftig in seinem zorn/ und solche/ wie die welt jetzo ihrer wehrt ist/ gege- ben habe. Sind also viele miedlinge/ und untreue hirten? Den schaaffen ha- ben lang nach denselben die ohren gejucket/ und weil sie etwa oͤffters die treue der rechtschaffenen nicht mit gehorsam erkant/ so laßt ihnen GOTT solche hin und wieder vor gesetzt werden/ mit denen sie ungehindert in das meer als wol verdiente lauffen. Also da wir das fuͤsse joch Christi nicht tragen/ und etwa das unsrige zu den ehren GOTT es/ und zum besten seiner glieder nicht so treulich anwenden wol- len/ so laͤsset der HERR uns oͤffters fuͤhlen/ wie es thue/ wo man das joch der men- schen leyden muß. Diese betrachtung achte ich allezeit gar noͤthig zu seyn/ daß wir nicht/ wie es sonsten gar leichtlich geschehen kan/ uns an GOtt versuͤndigen/ und uns unvermerckt uͤber seine regierung beschwehren/ der es alles dahin habe gelangen lassen. So folget auch dieses daraus/ daß wir alsdann weil wir erkennen/ wie die gerichte GOttes uͤber uns gerecht sind. 2. Sam. 16/ 11. und wie der HErr das je- nige geheissen habe/ welches wir beklagen/ damit uns zu frieden stellen/ unter GOttes gewaltige hand uns demuͤthigen/ auch uͤber die werckzeug der gerichte uns nicht erzuͤrnen/ sondern in erbarmender liebe fuͤr sie bitten/ daß ihnen GOTT J i i 3 sol- Das sechste Capitel. solches vergeben/ und in uns die jenige besserung wuͤrcken wolle/ die uns widerum in seiner gnaden ordnung besserer Obern wuͤrdig mache. Auff diese weise lernen wir recht/ nicht wider die straffe der suͤnden/ sondern wider unsre eigne suͤnde/ zu murren/ und finden an uns so viel/ daß wir da vor der andern suͤnde/ sie etwa fre- vel/ und mit ungedult zu beurtheilen/ vergessen/ und uns selbst auch jener suͤnden zu bußfertiger demuͤthigung schuldig geben/ als da wir goͤttliche gerechtigkeit zu jener verhaͤngnuͤß selbsten gereitzet haben. Nechst dem so achte ich davor/ daß wir in der absonderlichen beurtheilung ein und anderer Excesse der Obrigkeiten/ sonder- lich in sachen die aufflagen betreffende/ wohl acht auff uns zu geben/ daß wir nicht vermessen richten/ und etwa uns die jenige macht nehmen/ die uns nicht zukom- met. Jns gemein weiß ich/ daß die kosten so zu erhaltung eines gemeinen wesens in gegenwertigen zeiten erfordert werden/ groͤsser seynd als wir/ die wir nicht bey den geschaͤfften sitzen/ uns einbilden koͤnnen. Nechst de- me/ so halte ich zwar diejenige aufflagen am billichsten/ welche die arme und gerin- gere am wenigsten betreffen/ aber am aller ɯ eisten die reiche/ und solche leut/ so ohne das an uͤberfluͤßige dinge vieles zu wenden pflegen/ beschwehren. Jndessen weiß ich auch/ wie manchmahl in gewissen umstaͤnden der ort und zeiten nicht alles moͤg- lich/ und rathsam ist/ was insgemein fuͤr das beste haͤtte sollen gehalten werden/ son- dern achte/ es seye solche sach der Christlichen klugheit der Regenten heim zustellen: und weiß daß ich einige mahl verordnungen vor unbillich geachtet/ da ich/ als ich die geheime/ und nicht allen zu offenbahren rathsame/ ursachen eingenommen/ nach- mahl habe bekennen muͤssen/ daß solches recht gethan gewesen/ und nicht anders ha- be seyn koͤnnen. Jch laͤugne nicht/ daß freylich hierinnen Regenten offt sich versuͤn- digen koͤnnen/ und wuͤrcklich sich vers uͤ ndigen/ aber sie haben dessen rechenschafft al- lein GOTT zu geben; Wir aber muͤssen uns/ weil uns die ursach ihres thuns zu erforschen nicht allemahl moͤglich/ das urtheil uͤber ihre actiones in dergleichen dingen/ wo es moͤglich/ daß eine uns unbekante ursach darunter stecke/ nicht an- massen/ dann in solchen ist nichts leichters als daß man sich versuͤndige/ davor wir uns nicht zu fuͤrchten haben/ wo wir ihre dinge ihnen uͤberlassen/ ohne allein/ was die allgemeine erinnerung anlanget/ da sie nachmahl in ihrem gewissen selbst die ap- plication zu machen haben. Ein ander bewandtnuͤß hat es mit einer gantz oͤffent- lichen ungerechtigkeit/ deren ich eben das wort nicht reden will. Die folgende klag uͤber den Lehrstand ist so wichtig und wahrhafftig/ als einige seyn mag/ und hat mein geliebter bruder recht einige der allerwichtigsten feh- ler/ die die hauptquelle sind vieles uͤblen verderbens/ wohl eingesehen/ und vernuͤnff- tig erinnert. Nehmlich der mangel der GOttesgelehrten/ und Christ klugen prediger/ und die unvollkommene vortragung der goͤttlichen wahrheiten/ dardurch werden wir drum nicht Donati sten/ noch hencken die krafft des worts an die per- son des predigers/ wie ich etwa in meiner allgemeinen GOttes gelehrheit mit be- stand ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. stand der wahrheit gezeigt zu haben hoffe. So hat mich auch dessen angefuͤhrtes gleichnuͤß von einen ungeschickten Medico recht vergnuͤget/ an dem ersten fehler haͤnget gemeiniglich der andere: Weil so viel solcher leute wahrhafftig nicht selbs in goͤttlichem liecht die noͤthige heils-lehr verstehen/ ob sie wohl die wort und buch- staben da von wissen/ denen es hernach nicht moͤglich ist/ mit solcher Christlichen weißheit/ von der sache zu reden/ viel weniger die generalia principia auff jegliches individuum geschicklich zu applicirn / und einen jeden daß seine zu zutheilen. Jch wolte wohl gern verstaͤndige leut fragen/ ob sie offt in manchen kirchen von einigen in gantzen jahren jemahl den Articul der rechtfertigung voͤllig nur in noͤthiger ein- falt zu einem rechten unterricht eines heil-begihrigen menschen ausgefuͤhrt gehoͤret haͤtten? nehmlich also daß so wohl auff einer seit mit genugsamen grund aller ein- bildung einiger verdienste/ und vertrauens auff die werck gewehret/ als auff der andern seiten der nicht weniger hoͤchst schaͤdlichen und vielweniger erbaulichen ein- bildung des glaubens/ (der doch ein hirn gespenst eines sichern menschen ist) kraͤfftig begegnet/ und hingegen die wahre art des seligmachenden glaubens auff solche art gezeigt worden waͤre/ daß die hertzen sich der goͤttlichen wahrheit uͤberzeugt befun- den. Jch bin versichert/ es werden bekantnuͤssen folgen/ welche bezeugen werden/ daß unsere Evangelische lehr/ wie sie in den Symboli schen buͤchern und rechtschaffe- ner reiner lehrer schrifften befindlich ist/ zwar die wahre lehre seye/ aber daß sie nicht genug an allen orten in allen stuͤcken von den canzeln mit gnugsamer ausfuͤh- rung schalle/ und daß nicht alle sich mit wahrheit ruͤhmen koͤnnen/ daß sie allen rath GOttes offenbahrt haben. Es haben Controversi en auch ihren nutzen/ und be- darff die gemeinde (an einen ort mehr als an dem andern) gegen die irrthume ver- wahret zu werden/ aber daß wir die jenige wahrheiten/ worinn oͤffters auch andere irrglaͤubige mit uns einstimmen/ so nachlaͤßig/ und schlaͤfferig zu weilen tracti ren/ weil man sie bekant genug achtet/ und deswegen eine fleißige einschaͤrffung nicht noͤ- thig zu seyn sich einbildet/ daß wir bey falschglaͤubigen mit mehrern ernst und fleiß ausgeuͤbet finden/ ist nicht verantwortlich/ und schaͤme ich mich offt unser selbs ge- gen die widersacher. Ja ich halte darvor/ wo wir die jenige wahrheiten/ welche unter unterschiedlichen der Christlichen religion annoch bey behalten werden/ treu- licher und fleißiger trieben/ und trachteten deroselben lebendige erkaͤntnuͤß in die hertzen der zuhoͤrer zu pflantzen/ und nur gantz sparsam das streitige und der wider- sacher widerlegung beruͤhrten/ man wurde durch solches mittel die unsrige gegen allen abfall besser befestigen/ als ohne bepflantzung eines rechten wahren thaͤtigen glaubens/ und einer der welt verschmaͤhenden goͤttlichen liebe/ mit aller subtile sten und gruͤndlichsten vortragung der streitsachen. Wie ich weiß/ daß einige Papi- sten nur durch die lesung des nichts austruͤcklich von Controversi en handlenden wahren Christenthums des lieben Arndii zu unserer wahrheit seynd bekehret wor- den. Was Das sechste Capitel. Was das verlangen anlangt einer anderwertigen vocation / so erbiethe mich hertzlich gern/ wo mir GOTT eine gelegen heit zeigen solte/ seiner hierinn zu gedencken; Jch verlange aber eine deutliche beschreibung seines bißherigen zu- standts/ und was seiner person wegen mir zu wissen noͤthig ist/ in dem mein gelieb- ter bruder leicht ermessen kan/ wo man bey begebender gelegenheit jemand vor- schlagen oder recommendi ren solle/ daß man von einem alle umstaͤnde wissen will/ und wo man auff befragen nicht von allem eigentlich antwort geben kan/ so wird die recommendation nicht beobachtet/ und gehet fruchtloß ab. Sonderlich ist zu wissen noͤthig/ das vaterland/ alter/ ort der gefuͤhrten studien / und dann wo/ und wie lang man etwan da und dorten in diensten gestanden. Daher ich bitte mir von allem solchen die jenige nachricht zugeben/ welche mir noͤthig seyn wird/ meine liebe auff verlangte art bezeugen zu koͤnnen. Es kommet zwar etwas seltener an mich/ einen guten freund auff solche weis an die hand zu gehen/ jedoch geschichts et- wa zu weilen. Die kuͤrtzere verfassung der Catechetischen lehr traue ich nicht zu præsti ren/ daß nicht die sache weder halb noch gantz waͤre; Jch erkenne gern/ daß mir die gabe nicht gegeben/ wichtige dinge mit wenig worten/ die doch die sache gnugsam erlaͤuterten/ aus zu drucken. Die erklaͤhrung der 10. gebott oder aus- fuͤhrung der tugenden und laster allein sollen schwehrlich auff ein par bogen gebracht werden/ und doch in einer solchen kuͤrtze den einfaͤltigen leser fast unverstaͤndlich fallen. Wie ich denn nicht nur einmahl gesehen/ daß die wercke/ welche man kurtz zu fassen gedacht/ nachmahl kaum andern/ als denen gelehrten und scharffsinnigen/ die aus wenig worten mehrers selbst abnehmen/ brauchbar gewesen seynd/ da gleichwohl diese ohne das dergleichen compendiorum nicht bedoͤrffen. Jn den spruͤchen der Schrifft/ aus denselben etwas zu erweisen/ pflege sonsten nicht gar uͤ- berfluͤßig zu seyn/ und wird in meinen Catechetischen fragen selten zu einer Θέσει mehr als 2. oder 3. angezogen seyn: Denn daß bey einer frage mehr stehen/ ma- chet/ daß offt eine antwort viel unterschiedliche puncten in sich fasset/ welche alle und jede ihres erweisens wuͤrdig gewesen: So habe auch die ort Alten Testaments nicht ausgelassen/ ob wohl nicht leugne/ daß darinn sparsamer bin/ weil ich nicht so viel in denselben finde/ daß sich jedesmahl so eigentlich zu den sachen schicket. So meinte auch nicht/ daß dergleichen vor unsern gebrauch ausfertigende schrifften zu bekehrung der Juden viel dienen solten/ sondern darzu moͤchten gantz absonderliche schrifften dienlicher seyn/ wie hingegen daß vor diese noͤthigste andern Christen nicht so noͤthig/ und also in einige kurtze verfassung/ da sie ihr vornehmstes bey sam- men finden solten/ einzurucken nicht wuͤrdig seyn doͤrffte. Sonst leugne ich nicht/ daß freylich wir die bekehrung der Juden/ die gleichwohl nach dem gewissesten goͤttlichen verheißungen annoch kommen solle/ so eiffrig und treulich uns nicht lassen angelegen seyn/ wie die Christliche liebe es mit sich braͤchte. Und auch daß wir mit so aͤrgerlichem leben/ als andern stuͤcken/ wie man mit den leuten umgehet/ nicht selbsten ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. selbsten offt mehr riegel ihrer bekehrung vorschiebten/ als wir leider thun? Jch weiß mir offt selbst nicht zu rathen/ wie wir/ hiesige prediger/ die wir so viel Juden um uns haben/ solches verantworten koͤnnen/ uns ihres elends nicht mehr anzu- nehmen/ und sie zu CHRJSTO zu fuͤhren/ da wir hingegen auff der andern sei- ten keine gelegenheit haben/ noch uns dieselbe gemacht wird/ daß man mit den armen leuten handlen koͤnte/ dazu sie sich ohne weltlichen zwang schwerlich jemahl beque- men werden. Jch sehe offt mit betruͤbnuͤß auch in diesem stuͤcke die schwehre deß annoch uͤber sie schwebenden goͤttlichen gerichts an/ daß denen elenden leuten annoch gleichsam alle thuͤrn muͤssen versperret bleiben zu einer nachtruͤcklichen be- kehrung/ ja daß/ wo sich gern jemand derselben annehmen wolte/ es das ansehen gewinnet ob liesse GOTT selbst alle hindernuͤssen in den weg werffen; daß etwan die zeiten seines gerichts noch nicht geendigt seyn/ nach welchen er sich erst auff art und weiß/ die wir vielleicht nicht vorher sehen koͤnnen/ seines vormahligen volcks widerum erbarmen wird. Dieses schreibe ich nicht/ ob wolte damit unsere nach- laͤßigkeit entschuldigen/ sondern daß wir endlich/ wo wir nach vermoͤgen alles unse- rige gethan haͤtten/ und doch nichts auszurichten sehen/ deswegen nicht wider Gott murren/ oder uns aͤrgern/ desto hertzlicher aber vor die arme verstockte beten. Daß sich so ein schlechtes vertrauen auff GOTT in den zeitlichen finde/ hingegen aus dem gegentheiligen mißtrauen so viele andere suͤnden und ungerech- tigkeit entspringen/ ligt freylich an dem tag/ ist aber auch ein gewisses kennzeichen des ermanglenden seligmachenden glaubens. Wie kan der jenige ein wahres le- bendiges vertrauen auff goͤttliche gnade haben/ und die so unaussprechliche hohe guͤter des heils in CHRJSTO empfangen zu haben wahrhafftig glauben/ wel- cher GOTT nicht ein so geringes/ als die zeitliche erhaltung gegen jene vortreffli- chern guͤter zu halten ist/ zu trauen will. Daher mich solche sache allezeit so viel mehr betruͤbet und aͤngstet/ wann ich aus der boͤsen frucht die sich eusserlich zeigt/ die innerlich verborgene gifftige unglaubens wurtzel ansehe/ ja ich halte darvor/ es seye uns unmoͤglich/ ein recht festes und unbewegliches vertrauen in den leiblichen auff GOTT zu setzen/ es seye denn ein rechter glaube auch in dem geistlichen auff GOTT verhanden/ denn wir muͤssen GOtt als einen Vater in CHRJSTO erkennen/ wo wir alle Vaters treue von ihm erwarten wollen. Alles andere ver- trauen mag gar leicht uͤber hauffen gestossen werden/ wo es anfangt hart wider zu gehen; Wo hergegen der wahre lebendige glaube in den geistlichen guͤtern sich findet/ und wir demselben unsern Vater erkennen lernen/ wie er gegen uns gesin- net ist/ so folget jenes vertrauen von selbsten. Bey den handwerckern erkenne ich auch gern vielerley mißbrauch. Nicht ohn ists/ daß unterschiedlicher meiste arbeit zu suͤnden muͤßbraucht wird/ und dero- selben menge die gelegenheit zu suͤndigen mehret. Es ist aber leichter in vielen sa- chen den fehler zu sehen/ als die mittel der huͤlffe zu erkennen. So seynd so viele K k k andere Das sechste Capitel. andere ordnungen bey den handwerckern/ welche ich keines wegs mit der Christ- lichen liebe vergleichen kan/ davon ich zwar vernehme/ daß ein zimlicher theil der- selben auff den jetzigen reichstag vorgenommen/ und deroselben abstellung decre- ti rt sey/ GOTT gebe das es wohl exequi rt werde. Es moͤgen aber gleichwohl auch einige ordnungen seyn/ die mir und andern solten vieleicht unbillig vorkom̃en/ welche gleichwohl in sich keine unbillichkeit haben/ die nicht durch mehr andere bil- lichkeit/ und also des einen vermeinter nachtheil durch einen allgemeinen und meh- reꝛn noͤthigẽ nutzen eꝛsetzt wiꝛd: wie abeꝛmahl dieses die unzweiffenlichste u. gewißeste billichkeit ist/ daß in allen stuͤcken der nutzen der mehrern/ dem jenigen/ was wenigern moͤchte vortheilhafftig seyn/ vorgezogen werde/ und einige etwas mit gedult entra- then/ da von sonst ihrer mehrere wuͤrden hindernuͤß haben; Welches alles die jeglichen orts Obrigkeiten fleißig zu untersuchen haben/ was das diensamste seye. Also moͤchte vielleicht meinem urtheil nach der Christlichen liebe am gemaͤssesten seyn/ wo man jedem so vielerley arbeit und handwerck zu liesse/ als er verstehet/ und lernen muͤgen/ ite m daß die jungen zu laͤngern lehrjahren nicht angestrengt wuͤrden/ als bloß noͤthig waͤre/ es moͤchte auch vielleicht jenes an gewissen orten nach derosel- ben verfassung auch in dem weltlichen vortraͤglicher seyn/ ich getraue mir aber des- wegen nicht zu sagen: daß solches noͤthig/ oder auch aller orten das nuͤtzlichste waͤre/ sondern es moͤgen mir vielleicht (wie ich dann etwas deßen selbs zu sehen meine) solche ursachen angezeigt werden/ welche erweisen/ daß eine mehrere einstrengung angewissen orten der gemeinen wohlfahrt gantz noͤthig/ die angesonnene freyheit hingegen sehr vielen schaͤdlich/ und also deren verstattung/ so da scheinen moͤgen der Christlichen liebe allerdings gemaͤß zu seyn/ derselben am wuͤrdigsten waͤre. Da- rum lasse ich solche sachen billich unbeurtheilet/ und treibe auff die liebe daß sie allein zur regul vorgestellet werde/ aber daß/ wie sie an jeglichem ort in diesem und jenem am bequemsten zu uͤben seye/ aus dessen orts verfassung gelernet werde/ jedoch daß jeder in dem zweiffel/ ob dieses oder jenes recht? auff die von CHRJSTO uns in unsern hertzen Matth. 7/ 12. gezeigte regel sehe/ und sich ehe in etwas seines vor- theils begebe/ als in gefahr stehe/ den naͤchsten zu betriegen. So mag auch die die laͤngere lehr der lehrjungen ihre gute und vernuͤnfftige ursach haben/ wo es nicht um ein blosses lernen zu thun ist/ sondern auch um das/ uͤben/ ja dahin stehet/ ob nicht der eine/ weil waͤhrende (jedoch in Christlicher liebe gemaͤßigte) zwang der lehrjungen zu hindertreibung ihrer jugend luͤste/ und vieler bereitung des uͤ- brigen lebens mehr nuͤtzlich als zu beklagen seye. Die betler belangend/ ists freylich dem Christenthum unverantwortlich/ und eine suͤnde/ wo man solche lebens-art gestattet/ und sie nicht auff eine der liebe gemessere/ und ihrer/ auch anderer seelen nuͤtzlichere/ art versorget. Wie nun durch GOttes gnad von anderthalb jahren her hie zuthun angefangen worden/ so ich auch andern orten zu heilsamer nachfolge dienlich zu seyn erachte. Also/ was die ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. die lange har betrifft/ wie auch ins gesamt dergleichen eusserliche dinge/ achte ich allezeit/ daß wir genau achtung geben sollen/ weder auff eine noch andere seite zu weit zugehen. Jch erkenne allen pracht der haar so wohl als der kleider vor GOTT einen suͤndlichen greuel/ er geschehe von maͤnnern oder weibern. Daß ich aber alle lange haar bloß dahin solte aus 1. Corinth. 11/ 14. verbothen achten/ bekenne ich gern/ daß mir des Apostels wort nicht beybringen/ sondern die betrach- tung der umstaͤnd zeit und orts/ und was damahl bey den Corinthern gebraͤuchlich gewesen/ daher von dem Apostel gestraffet worden/ die erlaͤuterung geben/ was das wort φύσις heissen muͤsse. Wie dann kein zweiffel/ was die eigenlich/ und sonst genante natur/ oder natuͤrliche recht anlangt/ daß dieselbe bey allen menschen einerley und also auch noch eben dieses in unser hertz geschrieben seyn muͤßte. Es laͤsset sich aber hie nicht mit mehrern solches ausfuͤhren. Die bemerckung das Christliche lehrer nicht alles auff einmahl/ sondern eins nach dem andern ausrichten/ und da es nicht gleich alles folgen will/ daher nicht muͤde werden sollen/ ist eine sache/ welche so noͤthig/ als immermehr etwas seyn moͤchte/ wie ich hingegen weiß/ daß offt sehr gute gemuͤther so eine herrliche inten- tion gehabt/ sich an diesem stein gestossen/ und muͤde worden seynd. Weil sie den verlangten succeß nicht gesehen/ daher wann es nicht gleich alles ausgerichtet worden/ fast zugleich alle hoffnung haben fallen lassen. Jch leugne nicht/ daß ich selbs mehrmahlen an dieser kranckheit kranck gewesen/ bis mich der HERR hat erkennen lassen/ daß wir seine zeit erwarten/ und auch mit dem wenigen/ wo wir nur etwas frucht sehen zu friden seyn sollen/ biß ein mehrers folget/ ja wo er aus heiligen ursachen uns gar alles verbergen solte/ daß wir die wenigste frucht nicht meinten zu sehen/ wo wir gleich wohl uns bewußt seynd/ daß wir sein werck mit moͤg- licher treue treiben/ haben wir auch da die hoffnung nicht sincken zu lassen/ sondern zu glauben es werde der HERR in seinem wort kraͤfftig seyn nach seiner verheis- sung/ ob ers wohl uns verdecke zu pruͤfung und uͤbung unserer gedult/ glaubens und bestaͤndigkeit/ daß wir auch darinn lernen mehr auff seine verheissung trauen/ als auff den augenschein sehen. So ists auch freylich wahr/ daß wir nicht alles auff einmahl lernen/ sondern GOttes erleuchtung hat ihre ordnung und fortgang. Der heilige Geist solle uns in alle wahrheit leiten/ und also von schritt zu schritt aus der einen in die andere/ nicht aber mit einem wurff mitten in dieselbe hinein werf- fen. Wer da hat/ dem wird gegeben/ Matth. 25. also wer einige wahrhei- ten/ die ihn GOTT erkennen lassen/ zu seinen heiligen ehren treulich anwendet/ dem wird er immer einige weitern zu verstehen geben/ und gleichsam eine thuͤr nach der andern oͤffnen/ dazu aber neben solchem danckbahren gebrauch/ des bereits vorhin empfangenen/ ein eiffriges gebet/ fleißiges forschen der Schrifft/ und sorg- faͤltige wahrnehmung unsers hertzens oder bewegung des heiligen Geists in dem- selben noͤthig ist/ daß wir dessen wuͤrckung nicht versaͤumen/ noch derselben wider- K k k 2 stre- Das sechste Capitel. streben. Jch erinnere mich dabey/ daß mein seliger præceptor D. Dannhauer mehrmahlen bemerckt/ daß GOTT hierinn so gar eine weisliche ordnung habe/ daß nicht nur bey jedem menschen das licht allgemach zunehmen solle/ sondern daß auch der gesamten kirchen je eine wahrheit nach der andern deutlicher offenbahret werde/ und es also geschehen koͤnne/ ja ein sonderbahres stuͤck goͤttlicher guͤte seye/ daß es wircklich geschehe/ daß nehmlich immermehr/ und zu einer gewissen zeit einiger Articul viel heller an das tages licht gebracht/ und die erkant- nuͤß desselben klahrer werde/ als sie vorhin niemahlen gewesen. Welches gantz mit der in allen stuͤcken weissesten œconomia divina uͤbereinkommet. Jch erkenne auch dieses gantz wahr/ sehe deswegen auch gar gern/ daß es von allen er- kant werde/ daß wir keiner meinung deswegen sicher trauen sollen/ weil sie von vie- len andern/ oder auch den meisten/ also behauptet werde/ sondern/ daß freylich vor GOTT falsch seyn kan/ was von beruͤhmten leuten vor wahr geachtet wird. Jch beseufftze aber dabey dieses manchmahl/ ob schon dieser satz allerdings unserer allge- meinen lehr gemaͤß ist/ die wir die einige heilige Schrifft/ nicht aber einige lehrer/ oder dero Consensum, vor die richtschnur unsers glaubens und der wahrheit beken- nen/ und gegen die Papisten behaͤupten/ daß nichts desto weniger so sehr in der praxi fast insgemein dagegen gefehlt/ und gesuͤndigt werde/ in dem wir derjenigen so viele sehen/ welche sich nur darum bekuͤmmern/ zu wissen/ was die Sententia Theolo- gorum seye/ ohne fleißiges untersuchen ob/ und wie fern solches in der Schrifft ge- gruͤndet/ also daß ihr gewissen mit einer versicherung/ auff solche/ als eine von Gott geoffenbahrte wahrheit beruhen koͤnte. Ja wo etwa eine sache in streit kommet/ ist nicht so bald die erste frage/ ob sie goͤrtlichem wort gemaͤß/ oder denselben entge- gen seye/ als vielmehr/ was die vornehme Theologi da vor hielten/ und will man deswegen/ wo etwas aus der Schrifft dargethan wird/ die Authoritatem Do- ctorum also bald dagegen halten; schnur stracks wider unsere eigene bekantnuͤß/ aber wahrhafftig mit einem grossen nachtheil der erbauung/ auffs wenigste zu schwehrer hindernuͤß des sonsten moͤglichen/ und uns noͤthigen wachsthums in der erkantnuͤß der goͤttlichen Schrifft. Jch entsinne mich/ daß Scaligero es allezeit verdaͤchtig vorkommen/ wo er gehoͤrt/ diß und jenes seye sententia communis, wo er immer gesagt/ ob sie moͤchte ohne fleißige untersuchung/ allein daß einer dem andern gefolgt/ und sich auff seine Authori taͤt verlassen/ in den credit gekommen seye. Jch will dieses urtheil eben nicht in die Theologiam ziehen/ jedoch meine ich es solle so fern guͤltig seyn/ daß wir auffs wenigste uns eben auff die vulgatas sententias nicht deswegen verlassen/ weil sie die communiores seyen/ sondern alles selbs untersuchen/ daß unser wissen den grund des glaubens habe. Der Medicorum arcana, welche etwa einige vor sich behalten/ wolte ich nicht eben gantz verdammen. Dieses ist jeder schuldig/ mit seiner gabe den nech- sten zu dienen/ und also wer auch etwas weißt zu der gesundheit/ es auffs wenigste dahin ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. dahin zurichten/ daß jeglicher der desselben beduͤrfftig ist/ sein habhafft werden moͤ- ge/ ob ihm wol die wissenschafft nicht mitgetheilet wird/ jedoch auch also/ daß der besitzer solcher kunst sie nicht mit sich ersterben lasse/ sondern die medicamenta also schaͤtze/ daß die dessen benoͤthigte wider Christliche lieb nicht beschwehret werden: daß er aber blosser dings in publico seine kunst offenbahren muͤsse/ und keine ergoͤtz- lichkeit in der welt vor das jenige nehmen doͤrffe/ was ihm GOtt gegeben/ sehe ich noch keine buͤndige ursach; Wol aber daß er seine gabe in hertzlicher liebe anwen- de. Uber das wort ἐπιου´σιος bekenne daß ich nicht einerley meinung seyn kan; wo es von ἐπὶ und ου᾽σία kaͤme/ muͤste es nicht ἐπιου´σιος sonder ἐπου´σιος heissen/ gleich wie ἐπουράνιος von ἐπὶ und ου᾽ρανὸς allso heissets ἐπουσιώδης ad substanti- am accedens. ἔπειμι, nicht ἐπιουσιώδης, ἐπίειμι. ꝛc. verbleibe also lieber dabey/ daß es seye ὁ ἄρτος τής ἐπιου´σης diei insequentis. So kan nicht wol sehen/ daß wir hierinn die nahrung der seelen und das geistliche begehren/ dann solche stecket sch o n voͤllig in der zweyten bitte/ daß es einer wiederholung nicht noͤthig ist; jedoch lasse einem jeglichen hierinn auch seine guthe gedancken/ nur daß die bitte um das leibliche nicht ausgeschlossen werde; Dann ob wol dieses das geringste unter denen dingen ist/ die wir von GOtt zu bitten beduͤrffen/ so ists gleichwol auch eine sache/ die wir taͤglich von GOTT empfangen/ und also wuͤrdig/ daß er darum ge- beten werde. Die klage uͤber die Buchhaͤndler ist auch gantz gerecht/ aber vielleicht auch eben derselben/ und Buchtrucker/ unrecht/ da sie solche kunst und die daraus getru- ckte buͤcher nicht vornemlich zu dem hauptzweck nemlich goͤttlicher ehre und des nechsten nutzen anwenden/ eine ursach/ das fast unter allen handlungen dieselbe am meisten in das stecken gerathen anfaͤngt. Die Sabbathsfeyer anlangend/ bleibet freylich dabey/ daß wir noch das geboth derselben in dem Neuen Testament uͤbrig haben/ aber auf eine/ diesem/ uñ seiner allgemeinen beschaffenheit gemaͤsse art/ davon ich in meinen Catech. fragen qv. 161. meine gedancken kurtz erklaͤhret habe. Wo wir auch das gebot nicht auß- trucklich haͤtten/ wuͤrde uns doch die nothwendigkeit der sache selbst und des zwecks dahin verbinden/ wir haben je nichts guthes von natur an uns/ seynd ohne goͤttliche erkaͤntnuͤß und krafft/ soll also etwas gutes in uns gewircket werden/ so muß es GOtt thun/ der will solches durch das wort und Sacramenta wuͤrcken/ aber nicht in einem augenblick ein-fuͤr allemahl/ sondern es muͤssen solche fleißig gebraucht und und erwogen werden; wann aber zu dero wuͤrckung noͤthig ist/ daß der mensch muß seyn gemuͤth frey halten/ und um solche zeit nicht mit andern sorgen und geschaͤfften verwickelt seyn/ so bedurffen wir je einer zeit/ darinn wir frey seyn/ und uns allein goͤttlicher wuͤrckung uͤberlassen/ in dem wir seine gnaden-mittel behandlen/ wel- ches gewißlich nicht mit der verlangten krafft um die zeit geschehen kan/ da wir von K k k 3 allen Das sechste Capitel. allen seiten mit weltlichen verrichtungen umgeben seind/ und verstehet warhafftig der jenige die wichtigkeit dessen nicht/ was wir beduͤrffen bey uns gewuͤrcket zu wer- den/ der es vor eine arbeit ein- und anderer viertel stunde haͤlt. Mit den aberglauben ists auch freylich eine sach/ die betruͤblich ist/ ich sehe sie an als reliquias theils des Heyden-meistens aber des Papstums/ und haben gewißlich einige davon eine heimliche zauberey in sich/ daher billich dagegen zu eyf- fern. Jch wolte nicht ungern sehen/ daß einige den gantzen Catalogum von sol- chen aberglauben zusammen braͤchten/ damit den leuthen solche vorgestellet/ die ei- telkeit/ ja darinn steckender greuel/ nachtruͤcklich gewiesen/ und sie davon abgeschroͤ- cket wuͤrden/ es waͤre aber nicht eines mannes arbeit/ dañ in einem land und orth die- se in andern andere in schwang gehen/ sondern es muͤsten etliche aus der sache mit einander communiciren. Was wegen des so genanten Christkindleins und der dabey vorgehenden abgoͤtterey und aberglauben erinnert werden/ ist das jenige/ so ich auch samt andern meiner treuen mit- Collegen lang treibe/ da auch das un- wesen etlicher massen allhie gemindert/ nicht aber gantz aufgehoben ist. Die mir uͤberschriebne Thesis von der verderbnuͤß des menschen ist gantz orthodox und so wol unserer gantzen Evangelischen kirchen gemein/ als auch meine lehr. Wir haben einmal nichts von einem geistlichen liecht in uns nach dem fall uͤbrig/ so we- nig als eine krafft etwas wahrhafftiges gutes zuthun/ sondern beyderley muß erst von GOtt in uns gewircket werden/ die scintillulas cognitionis naturalis er- kenne ich/ und laͤugne sie nicht/ wie sie sich denn in dem gewissen offenbahren/ aber alle solche erkaͤntnuͤß ist noch nicht die wahre erkaͤntnuͤß GOTTes: Sie ergreifft wol einige wahre propositiones von GOTT/ und vermehrt sich durch anschauen der creaturen/ aber sie siehet sie nicht in dem rechten liecht/ daher von sie nicht nur leicht in denselben νοήμαι, anstossen/ ja wird sie nie so rein haben/ daß nicht noth- wendig mehrere ir r thume mit untermischet waͤren/ sondern/ was sie auch wahres erkennet/ ist noch nicht so erkant/ wie es erkant werden solle. Daher ein grosser un- terschied bleibet unter der au h geringsten von dem heiligen Geist und seiner offen- bahrung gewuͤrckten erkaͤntnuͤß/ und unter der auch hoͤchsten natuͤrlichen wissen- schafft. Diß principium, daß allezeit 2. liechter das innerliche und aͤusserliche zu dem sehen noͤthig seynd/ soll es wahr seyn/ muß sehr cautè und vorsichtig applicirt werden/ und gehet also wol an/ wie es mein wehrter bruder erklaͤret. Jedoch daß wir nicht davor halten/ daß der heilige Geist nicht auch selbs in solchen so genan- ten aͤusserlichen liecht der Schrifft seye. Dann wie sie sein wort ist/ so ist er allezeit mit und in derselben/ so zu reden ihr leben. Jndessen ist er freylich auch der jenige/ welcher in unsern seelen auß solchem liecht der Schrifft ausser uns das wah- re liecht erst anstecket. Also muß wol acht gegeben werden/ das wirs nicht etwa auf diese weise annehmen wollten/ ob muͤste schon ohne das in uns ein liecht seyn/ wel- ches ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. ches das aͤusserliche liecht der Schrifft annehme/ und nicht aus demselben her ent- stehe/ wie wir in der natur in unsern augen ein natuͤrliches liecht zu sehen bey uns haben/ daß nicht von dem liecht der sonnen her entstehet/ sondern in eigner krafft die- selbe siehet/ bey uns aber ist kein solches natuͤrliches in uns selbs befindliches liecht/ welches nur so zu reden erwecket werden doͤrffte/ daß es alsdenn/ so bald das obje- ctum da waͤre/ dasselbe ergreiffen koͤnte/ sondern wir seind/ was die rechte geistli- che erkaͤntnuͤß anlangt/ eigenlich finsternuͤß/ und ist nichts bey unß/ als die passiva capacitas, das ist/ das GOttes liecht in uns etwas wircken koͤnne. Wider diese wahrheit/ seihe ich nicht/ wie etwas mit grund und bestand auffgebracht werden moͤchte. Das die wahre Evangelische lehre von dem theuresten verdienst und denen wolthaten unsers liebsten Erloͤsers nicht so bekant seyen wie sie sollten/ ist freylich wahr/ aber mit thraͤnen nicht genug zu beklagen/ es ist je das Evangelium die eini- ge seligmachende lehre/ da das gesetz nichts anders als die vorbereitung des hertzens ist/ und mit aller seiner krafft nicht das wenigste gute annoch in dem menschen zu wegen bringen kan/ sondern solche ehr dem Evangelio und lehre der gnaden uͤber- lassen muß. Jedoch hoffe ich/ ob wol diese lehre nicht an allen orthen und von al- len mit genugsamen fleiß und voͤllig getrieben werde/ wie sichs geziehmet/ daher auch eine grosse unwissenheit des heyls bey dem grossen hauffen sich befindet/ mangle es doch an lieben buͤchern nicht/ welche nechst der Schrifft/ was hievon zu unserer er- bauung nuͤtzlich/ reichlich uns an die hand geben koͤnnen. Bekant ist was vor ein herrlich maß der gnaden in diesem stuͤcke sonderlich unserm theuren Luthero von GOtt ertheilet worden/ daß villeicht von der Apostel zeiten an wenig ihm in dieser materi moͤgen gleich gekommen seyn. Dieser theure mann hat die schaͤtze des heyls vortrefflich vor augen gelegt/ und ist dero extract in dem Christenthum Lu- theri, oder redivivo Luthero von den frommen Statio zu sammen getragen. E- ben von diesem ist auch die Schatz-kammer der glaͤubigen aus Stephani Præ- torii Schrifften also eingerichtet/ daß/ wer sich deroselben in der furcht des HErrn und mit hertzlichem gebet gebrauchen will/ nicht aber in nebens sachen unnoͤthig zu scrupulir en begehret/ eine vortreffliche staͤrckung seines glaubens antreffen wird. Eben hiezu seynd auch dienlich/ und so viel vorsichtiger abgefasset die Schrifften des lieben M. Andr. Crameri, deren einige ich aus der liebe darzu hier habe widerum nachtrucken lassen/ und wo darnach verlangen seyn sollte/ gern ein exemplar s chick en will. Unser theure Arndius schleust uns auch vieles von solchen schaͤtzen auff. So hoffe ich auch daß ihres heyls beguͤhrige in des gottsel. M. Scriverii schrifften sich trefflich erbauen moͤgen/ jetzo anderer mehr nicht zu gedencken. Aber wolte GOTT/ daß alle predigten und alle schrifften mit solchen einig-nothwendigen reichlicher gezieret waͤren; Dann dieses ist der rechte saamen/ aus dem der glaube waͤchset; vieles anderes hingegen/ was wir in dem amt zu thun haben/ gehoͤret nur zum Das sechste Capitel. zum umackern/ oder zum begiessen. Wie wol auch diebegiessens-krafft meistens in solcher gnaden-lehre bestehet. Also ist auch bey dem heiligen Sacramenten/ uñ was wir davon zu wissen noͤthig haben das meiste an der glaͤubigen erkaͤntnuͤß dero- selben nutz und frucht gelegen/ wie wir in denselben der gantzen krafft des theuͤren verdienstes unsers liebsten Erloͤsers theilhafftig werden/ als die da um solcher ursach willen darein geleget ist. So pflege ich auch von nichts in solcher materi ausdruͤck- licher und ausfuͤhrlicher als von derselben/ so wol wo es die gelegenheit gibt in pre- digten als Catechesi, zu handlen. Daß bey vielen tentatis die ursach ihrer fort- fahrenden schwermuth und hertzens unruhe seye ihr boßhafftiges verharren in ge- wissen suͤnden/ und insgesamt ihre unbußfertigkeit/ ist gantz gewiß. Jedoch hoffe ich nicht/ daß solche fuͤr die einige ursach gehalten/ und allen angefochtenen werde werden/ da mir fast mehrere angefochtene bekant worden seynd/ bey welchen die hertzlichste buß/ daß aller demuͤthigste erkaͤntnuͤß des vorigen boͤsen lebens (wie ihrer viel auch ihren vor der welt unstrefflich gefuͤhrten wandel verdammen) die hertzlichste begierde sich GOtt dem HERRN zu einem rechtgefaͤlligen opffer geben zu koͤnnen/ und die sorgfaͤltigste ve r wahrung vor allen wissentlichen suͤnden sich befindet/ aber es bleibet immer fort die unempfindlichkeit des glaubens/ und in deroselben recht die graumsamste hoͤllen angst. Wo ich hin- gegen sie ihres glaubens aus den unzweiffentlichen fruͤchten desselben/ welche theils erzehlet/ und dazu auch noch das sehnliche verlangen nach goͤttlicher gnade komt/ zu uͤberzeugen suche/ und sie von dem gefuͤhl ihres hertzens auf das wort und die verheissung GOttes abfuͤhre dabey sie versichere/ daß der HERR seine streiter nicht verlassen/ sondern in ihnen uͤberwinden werde/ ich halte auch solche angefoch- tene/ die sich fast vor die verdammteste halten vor die seligste und GOtt gefaͤlligste/ dero triumph auch dorten so viel herrlicher seyn wird/ als der kampf saur worden ist. Was endlich das an mich gethane begehren anlangt/ die laster kuͤrtzlich und nervose zu beschreiben/ so lasse mir solches nicht entgegen seyn/ wo mir GOTT leben und gesundheit fristet. Jch muß aber noch etwas damit verziehen/ weil ich dieses jahrs methodum so eingerichtet/ daß bey jeglichem Evangelio eine Christli- che tugend tractire, dabey also nothwendig auch die laster mit beruͤhret werden muͤssen/ welche ausfuͤhrlichere meditation mir zu solchem compendio es zu verfer- tigen eine guthe anlaß geben moͤchte. Wie es aber auf etliche wenige bogen an- kommen koͤnte/ sehe ich noch nicht/ doch muß es sich selbst weisen/ wann man die hand wuͤrcklich anleget/ vor deme man nicht wol etwas gewisses sagen kan. Der arbeit will ich mich niemahl entziehen/ der ich weiß/ daß wir von GOTT dazu in die welt gesetzt worden seynd/ keine zeit/ als viel es die schwachheit des leibes zu gibt ohne arbeit und gute verrichtung vorbey gehen zu lassen/ ja auch alles das jenige was uns GOTT gegeben/ nicht vor uns/ sondern zu GOTT es ehre/ und besten der jenigen/ denen damit gedient werden mag/ anzuwenden. Ob wol solche ar- beit ARTIC . I. DISTINCT. II. SECT . XXIIX. beith nochmal also eingetheilt werden muß/ daß bald diesem bald jenem an die hand gegangen/ und was nicht an allen auf einmal/ successive an den singulis, gelei- stet werde. Wie ich mir dann auch in meinem leben keine muͤßige stunde/ als was etwa die noͤthige ruhe des leibs erfordert/ verlange oder wuͤnsche. Die uͤbersan- t e andachten habe auch durchlesen/ und gefallen sie mir insgemein wol/ jedoch sehe nicht wol/ wie sichs schickte/ sie an das von mir verlangte compendiolum anzu- hengen/ da es nicht nur von anderer materie, sondern der appendix viel groͤsser (massen denn das geschickte zimliche bogen machen wird) als das scriptum ma- chen wuͤrde. Jch gebe aber den vorschlag/ daß es moͤchte absonderlich getruckt werden/ da ich eine vorrede davor machen koͤnte/ es stehet aber dahin ob etwa die austruckung des nahmens moͤchte noͤthig seyn/ davon noch zu gedencken waͤre. Aufs ʍ enigste wuͤrde zubedencken seyn/ was etwa vor ein titul davor gesetzt wuͤrde/ der sich aber leicht finden wird. Wo auch einige zu gleichem zweck dienliche materien unteꝛ haͤnden waͤren/ moͤchten sie mit darein inseri ret werden. Das gebet nach der absolution deucht mich wird sich nicht so gar wol schicken/ in dem wir etwa um sol- che zeit sonderlich uns nicht so wol um pruͤfung anderer/ als unser selbst zu bekuͤm- mern haben/ mit dem andern aber uns etwa mehr verunruhigen wuͤrden. Jedoch koͤnte es auff eine andere arth in der form eines seelen-gespraͤchs eingerichtet/ und zu dem gebet gesetzt werden/ da die gemeine noth auch mit eingeruckt ist. Jch werde aber etwa ehe es getruckt wird auch noch von einen und andern mit meinem vielgeliebten bruder zu conferiren haben/ ob vielleicht etliches auszulassen oder zu aͤndern rathsamen waͤre. Erwarte also zu vor/ was von diesem anschlag deucht/ und hoffe auf solchen fall einen verleger zu finden. 21. Mart. 1681. SECTIO XXVII. A n M . H oltzhausen/ daß er zu H ildeßheim außgestossen worden. Seelen gefahr bey geistli- chen aͤmtern. O B wohl die sachen in Hildesheim endlich nicht nach unserem menschlichen willen u. verhoffen abgelauffen/ so wirds uns genug seyn/ dz der HErrseinen heiligsten willen vollbracht/ der allezeit ob wohl uns nicht allezeit genugsam bekante/ dennoch wichtige und gerechte/ auch gnaͤdige ursachen hat/ wo er etwas wiedriges geschehen/ und unsern feinden gewalt uͤber uns laͤsset/ Wir werden al- lezeit auch in einer gantz gerechten sache einiges finden/ worinnen wir uns vor dem HErren zu demuͤthigen ursach haben/ und wissen/ daß auch unser glaube und ge- dult einer uͤbung und pruͤffung noͤthig hat. So lasset der HERR zu weilen eini- ge außgestossen werden/ welche er anderwerts hin bestimmet hat/ wo sie zu seiner ehr mehreres thun sollen und koͤnnen/ ja er sendet zu weilen einen Joseph in ein E- L l l gypten Das sechste Capitel. gypten/ zu kuͤnfftiger anderer bruͤder versorgung. Wie ich dann den HERRen HERRen demuͤthig dancksage vor seine heilige fuͤhrung/ da er nun denselben zu ei- ner solchen wichtigen stelle mit seinem finger scheinet zu leiten: Wie ich fast nicht zweiffeln will/ daß die sache ihren fortgang gewinnen solle. ‒ ‒ Jch werde auch nicht unterlassen/ gebetener und ohne das schuldiger massen/ dem HERREN die sache (samt andern guten freunden) zu befehlen/ daß ers nicht anders/ als es zu sei- nen ehren dienlich/ schicken wolle. Wo wir nun werckzeuge seiner ehren sind/ so kan er uns nicht lassen/ daß wir nicht auch unser heyl dabey erhalten solten. Da- her ich meinen geliebten bruder hertzlich bitte/ in diesem beruff genau auf goͤttlichen finger acht zu geben/ und den gehorsam auf dessen winck allen uͤbrigen bedencken der eigenen damit vermehrenden seelen gefahr vorzu ziehen. Wir sind je unserm GOtt und deß nechsten seele alles schuldig/ auch unsere seelen daruͤber in gefahr zu- geben/ daß diesen geholffen werde/ wo hingegen der HERR auch so treu seyn wird/ daß er uns die unsrige dabey zue r halten unter aller gefahr genugsame gnade verley- hen/ nicht aber unsre liebe uns ewig schaͤdlich zu werden zu lassen wird. Dieses ist mein trost/ der mich offt aufrichtet. Jch zweiffle nicht/ es trucke meinen geliebten bruder das gewissen an dem ort/ wo es mich und andere bruͤder biß daher offt ge- truͤckt/ in ansehung des verwirrten zustands der armen kirchen/ und der unvermeid- lichen communion der vielen unwuͤrdigen. Wie ich aber hertzlich wuͤnsche/ daß der HERR insgesamt sich endlich seiner armen kirchen erbarmen/ und alles in bes- sere ordnung richten wolle/ so ruffe ich auch seine guͤte flehentlich an/ daß sie uns in dessen die in dem gegenwaͤrtigen stand noͤthige klugheit der gerechten geben/ und was in solcher sachen seyn rath und willen an uns seye mit einer gewißheit aus seinem wort zu verstehen geben wolle/ damit wir nicht anstossen/ und auf ein und andere art unser gewissen gefaͤhrlich verletzen moͤgen. Jch dancke GOtt vor den trost/ den er mir hierinnen zugeben anfaͤngt/ und auch die sache anders ansehen lehret/ und wuͤnsche andern bruͤdern gleiches in einem mehrern liecht. ꝛc. 20. Mart. 1681. SECTIO XXIIX. G efahr unsrer kirchen vor irrglaͤubigen. Von gefahr des atheismi. E S ist mir leyd zuvernehmen gewesen/ daß bey erfolgter aͤnderung der regie- rung ihre liebe kirche bereits anfechtung außstehen muͤssen. Der HERR erbarme sich seiner gemeinde/ dero er seine reine warheit anvertrauet/ erhal- te sie bey deroselben und lencke zu solchem zweck die hertzen der grossen/ welche ja in seinen haͤnden sind/ daß sie vielmehr ihre gewalt zu beforderung der warheit treulich anwenden/ als in einigen stuͤcken sie unwissend gegen dieselbe/ mißbrauchen moͤch- ten ARTIC . I. DIST. III. SECT . XXIIX. ten. Wie wohl wo der HERR ein und ander orten zu laͤsset/ daß von widrigen religions verwandten uns unser exercitium zimlich beschnitten/ oder die freyheit desselben in die enge gespannet wird/ wie wir dergleichen hin und wieder sehen/ und besorglich in weniger zeit mehr exempel als uns lieb seyn mag/ sehen doͤrfften/ erinne- re ich mich allezeit der gerechtigkeit solches goͤttlichen gerichts/ welches/ die wir manchmahl eine lange zeit die profession der wahren religion und orthodoxie vor das eintzige nothwendige gehalten/ (nicht anders als ob die kirche gantz wol stuͤnde/ und nichts weiters erfordert werden moͤchte/ wo nur solches kleinod uͤbrig bliebe) den dabey vorgehenden undanck gegen solche goͤttliche warheit/ dero fruͤchten man in lebendigen glauben und heiligen wandel zubringen nicht getrachtet/ eben damit straffet/ daß er auch die profession und eusserlichen ruhin der warheit entzogen/ oder doch sehr eingespannet werden laͤsset/ dero krafft man vorhin verlaͤugnet haͤtte. Worinnen wir uns gewißlich uͤber seine goͤttliche gerechtigkeit nicht beschweren doͤrffen/ sondern uns selbs schuldigen/ und mit so viel sorgfaͤltigerer und danckbarer behandlung der noch uͤbrigen warheit seine gnade wieder suchen muͤssen. Mir komt gewißlich dieses also vor/ daß es bald unsere vornehmste lection seyn werde/ da wir werden zu lernen und uns dazu zuschicken haben. Sonderlich wann ich deꝛ Roͤmischen parthey feindselige gemuͤther/ listige anschlaͤge/ grosse macht und die be- schaffenheit unserer kirchen ansehe/ welche nach goͤttlicher verordnung wohl noch ein starckes von dem letzten grimm Babels aus zustehen haben moͤchte. Was auch mein werthester bruder wegen der Atheisten gedenckt/ wie nothwendig es waͤre/ das mit gesamter hand und mit mehrerem ernst viel begabte Theologi sich solcher einreissenden pest wiedersetzten/ ist laͤngstens meine meynung und gedancken gewe- sen/ so vielmehr als mir von zimlicher zeit solcher greuel aus dem umgang mit der gleichen leuthen bekandter worden ist: Daß auch meiner commilitonum einige sich ereinnern muͤgen/ von mir als wir noch studirten gehoͤret zu haben/ daß ich sorgte; Wie in nicht langer zeit einem Studioso Theologiæ moͤchte nicht mehr so noͤthig werden/ sich mit gleichem fleiß in den controversiis mit den Papisten/ Re- formirt ẽ / und andern dergleichen zu uͤben/ als vielmehr sich auf den kampff gefaßt zu machen/ welchen man mit den Atheisten zu thun haben werden/ als welches das jenige teuffels gifft zu seyn achte/ welches vollends zu letzt dem faß den boden auß- stossen muß. So ists auch mit solchen leuthen so leicht nicht umzugehen/ als man sich bey einer so guten und gewissen sache/ wie wir wider sie haben/ einbilden solte. Welches ich in mehrmahligen beliebung uñ conferenz mit einem sehr scharffsinni- gen atheo dermassen erfahren/ daß ich nichts bey ihm außgerichtet/ sondern viel- mehr GOtt dem HErren davor danck zu sagen gehabt habe/ daß derselbe mich durch seines heiligen Geistes gnade kraͤfftiglich vor solcher gefaͤhrlicher verfuͤhrung bewahret und erhalten hat. Massen die gefahr nicht gering ist/ und ich jedem lie- L l l 2 ber Das sechste Capitel. ber rathen wolte/ sich vor solcher zu huͤtẽ/ als mit willen aus vertrauen auf sich selbst/ darein zugehen. Es ist kaum zu glauben/ wie scheinbar die leute auß der verderb- ten vernunfft/ alles was aus der Philosophie und vernunfft-lehr ihnen entge- gen gehalten zu werden pfleget/ ab zu lehnen wissen/ daß mir alle tela und argu- menta gegen sie in dem ernstlichen kampff fast unbrauchbar worden sind: Da- hero ich sorge/ ob andere auch hierinnen fertiger waͤren es gleich wohl ihnen sehr schwer werde werden/ mit solcher art waffen etwas gegen sie außzurichten. Ob wol wenn es einige vermoͤgen/ daruͤber mich sehr freuen solte/ dergleichen zu sehen und zu wissen: so viel mehr weil wenig mittel sonsten verhanden sind/ den armen leu- then zu helffen/ nach dem sie das goͤttliche wort/ als sonsten daß einige kraͤfftige mit- tel der goͤttlichen warheit/ verwerffen und verachten. Dieser atheismus theore- ticus ist endlich die betruͤbte frucht des practici, und eines der letzten gerichte des erzuͤrnten GOttes. Der HERR erbarme sich solcher armen blinden leuthe/ und ruͤste einige tapffere Davides auß/ so diesen ungeheuren Goliath/ der dem zeug Jsrael und dessen GOTT selbsten hohn spricht/ siegreich bestreiten moͤgen. Von scriptis gegen sie ist sehr weniges zu finden. Der sel. D. Wagener zu Tuͤbingen hat eine weitlaͤufftige Disp. geschrieben de atheismo, unser geliebte Spizelius hat bekanter massen de atheismo, ejus radice und eradicatione viel gutes geschrie- ben/ da zu der tapffere L. Reiser etwas angehaͤnget. Huetii in Franckreich aus- gegebene demonstrationes Evangelicæ werden von einigen sehr geruͤhmet. So gehoͤren auch dahin die uͤbrige scriptores de veritate religionis Christianæ, Spanheimius hat auch in Holland etwas Frantzoͤsisches davon drucken lassen ꝛc. Der HERR erhalte die seinigen auch in solcher schweren versuchung/ uͤber welche er etwa dieselbe auch verhengen wolte. 1681. 7. Ap. SECTIO XXIX. W unsch die Theologie in ihrer ersten einfalt zu sehen. Catechetische examina: dero nothwendigkeit/ dergleichen hin und wieder einge- fuͤhret. W As E. Hoch Wohl Ehrw. melden/ das in N. schrifft neoterica, und fast bedencklich/ da vor 50. jahren vix vestigium zu finden/ mag etwa auch wol von andern bemercket aber beseufftzet sein worden. Wie waͤre vielmehr zu wuͤnschen/ unsere Theologiam naͤher der alten simplicitæt, ja der lehr art des lieben Lutheri zu bringen/ als zu neuen controversien sonderlich un- ter uns selbst gelegenheit zu geben? Wie ich dann an solche sache nicht ohne betruͤb- nuͤß ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXIX. nuͤß gedencken kan/ und weiß wie die widersacher uͤber die uneinigkeit unserer uni- versi taͤten sehr glorii ren. Nun der HERR sehe mit gnaden drein/ und gebe allen unsern lehrern zu erkennen/ wo mit sonderlich der Christlichen kirchen gruͤnd- lich moͤge geholffen/ und nicht unter der intention ihre wunden zu heilen/ sie etwa gefaͤhrlicher moͤchten auffgerissen werden/ damit nicht der mahleins ein schwehrer gericht uͤber uns ausbrechen muͤsse. Was das catecheti sche werck anlangt/ hat mich Eure Hoch-Ehrw. letzteres so wohl erfreuet als betruͤbet. Jenes zwar/ daß ein hochloͤblicher Magistratus recht Christliche und ihrem amt gemaͤsse resolution gefasset/ der gemeinde noht und verlangen hertzlich anzusehen/ und denselben den anfang einer satisfaction durch neue publication des lehrbuͤchleins zu machen/ auch das werck dermassen Christkluͤglich an zugreiffen/ daß die besorgte difficul- taͤten præcavi ret worden. Dieses aber/ daß zu geringer ehr unsers ordinis nicht nur allein unsere nachlaͤßigkeit/ als denen sonsten billich angestandẽ haͤtte/ die erste zu seyn/ die solches gute voꝛschlaͤger u. mit fꝛeuden an hand geben/ durch den der land- gemeinden mehrer eiffer hat muͤssen beschaͤmet werden/ sondern auch nach solchen die widrigkeit der gemuͤther sich zu zeigen nicht unterlassen hat. Ach daß der HERR uns doch zu erkennen geben wolte/ daß wir ja nicht um unser selbst/ unserer gemaͤch- lichkeit und faulen tage willen/ sondern von wegen der auffbauung der gemeinden in unsern diensten stehen/ auff daß wir uns doch keiner auch stets neu aufflegender arbeit/ (wo sie nur zu ertragen seynd) beschwehren/ so fern diese ein mehreres zu der erbauung zu thun vermag. Wir sollen ja je hirten und nicht miedlinge seyn/ da- her bey den schaaffen auch das leben willig auffsetzen/ waꝛum daũ nicht unsere arbeit und kraͤfften daranstrecken. Er lehre uns aber auch recht erkennen/ was der kir- chen nothdurfft in allen stuͤcken erfordere. Dann ich wohl glaube/ daß derer nicht wenige sind/ die vornehmlich darinnen fehlen/ daß sie ein und anderes nicht eben noͤ- thig zu seyn achten/ in dem sie sonsten so boͤse nicht seyn wuͤrden/ sich dem guten fre- veler weise entgegen zu setzen. Denen oͤffne der HERR ihre augen/ daß sie die noth und beschaffenheit der kirchen anders als leider ins gemein geschiehet ansehen/ und doch den so schaͤdlichen irrthum (so das hertz des Papstums ist/ und leider nur zu viel platz auch bey uns sindet) des blossen operis operati also erkennen/ wie er vor GOTT der grausamste schandflecken und ein greuel seye/ um welches willen der HErr der mahleins unsere gantze kirche moͤchte uͤbern hauffen werffen/ wo man immer fort sich auff die beybehaltung der orthodoxie und offendlicher predigten dermassen verlaͤsset/ wie es insgemein geschiehet/ daß man sich nicht viel darum be- kuͤmmeꝛt/ ob der wahre lebendige glaube zu einen gꝛund aller uͤbrigen fruͤchten in das hertz gebracht werde: Wo zu einmahl die blosse predigten nicht gnug thun moͤgen/ und wo wir auff solcher meinung obstinat verharren wolten/ die klaͤgliche erfah- rung uns den gegentheil uͤberzeugen mag. Dem HErren seye aber danck/ der wie er Eure Hoch-Ehrw. hierinnen einigen sieg (dessen weitere ausfuͤhrung und frucht L l l 3 ich Das sechste Capitel. ich noch ferner von hertzen anwuͤnsche) verliehen hat/ also auch anderwertlich mehr und mehr zu dergleichen fleiß erwecket. Daß eine ort/ welches dieselbe in meinem schreiben nicht lesen koͤnnen/ ist Windsheim/ wo GOTT auch meinen andern Schwager Herrn Horbio Superintendenti daselbst die gnade gegeben/ daß er auch zu einer erbaulichen kinderlehr gebracht. So hat auch zu end des vergangenen jahrs ein Archidiaconus zu Schmalkalden nach vie- ler resistenz durchgedrungen/ daß etwas dergleichen angefangen wor- den/ da zu GOTT so bald fast ungemeinen succeß und segen gegeben. Es ist aber solcher gute mann so bald drauff nach Erffurt beruffen worden/ GOtt lasse es aber deswegen nicht stecken bleiben. Es ist auch vor wenig monaten ein Studiosus / so sich hie auffgehalten/ in das Erpachische gekommen/ und in einem grossen Dorff das catecheti sche examen schon also mit lauter liebe angefangen/ daß die gantze gemeinde freude daran hat/ und sich hoffentlich andere nachfolger fin- den werden. So ist nun auch in dem gantzen Fuͤrstenthum Wirtenberg solche uͤbung durch goͤttlichen segen eingefuͤhret/ und wie ich vernehme/ eine predigt des- wegen abgeschafft worden. Da ich also auch an dem succeß nicht zweiffele. Ach der HERR oͤffne noch immer eine thuͤr nach der andern/ daß sein wort mit vieler krafft aller orten durchdringe/ und es am abend liecht werde. Er gebe auch allen niedrig gesinneten ihre suͤnde zu erkennen/ daß sie lieber der wahrheit weichen als fortfahren wider den stachel zu lecken: wie wir dann deswegen vor sie hertzlich zu bitten haben. 16. Apr. 1681. SECTIO XXX. D as falsch auffgedichteter verdacht endlich nuͤtzen koͤnne. Catechetische unterrichtungen. Pauli Episteln. Vor einer mir begegneten ausgestreuten fabel. GOttes rath in derglei- chen. E S war mir erstlich leid/ als ich laß/ daß durch des antecessoris ungleiche recommendation derselbe/ ehe er noch die stelle selbs angetreten/ mit ver- dacht beladen werden muͤssen/ so wohl um des manns willen selbs/ der sich mit solcher s uͤ nde beflecket/ die gewißlich so viel schwehrer ist/ als geringer sie geach- tet wird/ einen schein eines eiffers vor die reinigkeit der lehr hat/ und dannoch so vielen schaden thut/ als auch meines wehrtesten bruders willen/ theils weil derselbe eben meiner freundschafft wegen solches leiden/ und meiner entgelten muͤsste/ theils weil die erstmahls den leuten eingesteckte verdaͤchte nicht so leicht gantz benommen wer- ARTIC . I. DISTINCT . III. SECTIO XXX. werden. Wie mirs nun leid ist wegen solches autoris / so dazu meine favor durch eine hohe person und sich bey mir/ ob ich ihm hie zu einer stelle/ recommendi- ren moͤchte/ neulich zu insinui ren gesucht/ worinnen aber wie bekant einen guten freunde behuͤlfflich zu seyn in meinem vermoͤgen nicht waͤre; auch GOtt hertzlich anruffe/ daß er ihm solche seine suͤnde zu erkennen geben und gnaͤdiglich verzeihen/ hingegen ihn selbs zu einen geheiligten gefaͤß u. werckzeug das jenige gute/ so er vor- hin in verdacht zu ziehen sich bemuͤhet/ zu befoͤrderen/ durch seines geistes krafft ma- chen wolle. Also habe in weiterem nachdencken befunden/ daß uns die fache nicht solle zu wider seyn/ sondern wir auch goͤttliche weise regierung darinnen erkennen/ wo er dasjenige thut/ was wir nach unseren gedancken/ wohl solten uns hoͤchst hin- derlich zu seyn achten/ dann seine heilige ursachen sind allezeit weiß/ ob wir sie wohl nicht zur gnuͤge erkennen vermoͤgen. Jn dieser sache sehe ich diesen moͤglichen nu- tzen (vielleicht aber hat der HERR in seinem rath noch mehrere seine heilige absicht.) Weꝛ vorhin in verdacht gezogen aber dessen nichtigkeit und eines mannes unschuld/ zur gnuͤge darnach dargethan worden/ hat alsdann bey den gemuͤtheren/ die nur etwas die wahrheit lieben/ so viel mehr credit, und wo er ins kuͤnfftige von jemand auffs neue will angezaͤpffet werden/ richtet ein solcher weniger aus. Wiederum wo wir wissen/ daß uns einmahl dergleichen verdacht auffgeleget worden/ machet uns dasselbe so viel vorsichtiger und behutsamer. Dann da ein treuer lehrer alle zeit bedaͤchtlich reden solte/ weil wir wissen/ daß wir niemahl in unserem sondern alle zeit in GOTT es nahmen reden/ so erfahren wir doch/ wie man ausser der bedeu- teten sorge nicht eben immer jegliches woͤrtlein so genau auff die goldwage leget/ da wir davor halten/ oder glauben/ daß man unseres verstandes versichert seye/ und also etwas sicherer wird. Wie es auch vor deme geheissen/ daß die liebe altvaͤtter/ ehe eine und andere controversien entstanden/ und eine mehrere behutsamkeit er- fordert haben/ sicherer geredet und geschrieben haben. Hingegen wo wir eine sol- che sonderbahre treibende ursach haben/ so vermeh r et es die bedachtsamkeit. Daß es also auch hierinnen heisset/ daß denen die GOTT lieben/ und in allen stuͤcken auf dessen rath achtung geben/ alles durch und durch zum besten dienen muͤsse. Nechst deme aber habe mich auch hertzlich eꝛfreuet wegen des beꝛeits veꝛspuͤhꝛten goͤttlichen segens/ so in kinderlehr als betstunde: dadurch so viel als immer durch die uͤbrige predigten erbauet zu werden nicht zweiffeln will. Dann wir taͤglich erfahren/ wie so wenig die leute/ so in den ersten propriis ihres glaubens/ in den Catechismo nicht unterrichtet sind/ aus denen deutlichsten predigten fassen/ auffs wenigste wie sauer es ihnen damit werde. So dann weil durch die betstunden die Epistolæ Paulinæ den leuten bekant werden/ so kans nicht ohne grossen nutzen abgehen: Dann in denselben wohl der kern des gantzen Christenthums also vorgetragen wird/ daß es nicht vieles erklaͤhrens in manchen texten oder auch weiter herhohlens bedarff/ son- dern die wort selbst die vortrefflichsten lehren und vermahnungen in sich fassen/ die nicht Das sechste Capitel. nicht ohne krafft von den zuhoͤre r n angehoͤrt werden/ da hingegen/ wo man offters bey den Evangelien eine sache so weit herziehen muß/ nicht ein wenig der krafft sol- ches vortragenden entgehet. Der HErr lasse noch ferner seine arbeit gesegnet seyn/ und gebe zu den pflantzen und begiessen sein kraͤfftiges gedeyen. Er lasse auch bey den fremden/ der gesuntheit wegen dahin sich verfuͤgenden/ durch meines werthesten bruders dienst/ predigten und zuspruch vieles gutes geschafft/ und einige gute sam- koͤ r nlein in die hertzen gestreuet werden/ welche bey dero heimkunfft so viele geistli- che fruͤchte bringen moͤgen/ als zu der leiblichen gesundheit durch das bad nutzen ge- schafft wird. Wie ich ins gefamt dessen befoͤrderung an einen solchem oꝛt nicht oh- ne goͤttlichen rath geschehen zu seyn auch darinnen achte/ weil was an denselben gu- tes geschiehet/ so viel leichter mit nachtruͤcklichem exempel andere anreitzen/ und der guten sache an andern orten einen sehr guten nahmen machen mag/ als aus mehꝛern landen und staͤtten sich leute daselbs beysammen finden. Jch werde auch nicht un- terlassen/ den HERREN HERREN treulich vor seine fernere gnade und re- gierung seines heiligen Geistes an zuruffen/ damit unsere geschoͤpffte hoffnung von ihm als einem werthen werckzeuge desselben reichl erfuͤllet werde. Jm uͤbrigen habe auch gehoͤret/ das die fast in gantz teutschland erschollene fabel von mir auch nach N. N. gekommen seye/ daher sich auch vermuthlich bis an ihren ort mag erstrecket ha- ben. Wie ich nehmlich unter dem schein zu einem krancken beruffen zu werden/ von einigen vermummeten boͤßwichten uͤbel tracti ret und zu einem jurament nicht mehr wider den pracht der weibsleut zu predigen mit angedroheter todes gefahr ge- noͤthiget worden waͤre/ und was dergleichen theils laͤcherliche/ theils ungereimte umstaͤnde dabey erzehlet worden. Haͤtte also zu bitten/ wo dergleichen in dem confluxu so vieler fremder leute auch einigmahl vorkommen/ und von einigen noch behauptet werden daß derselbe mit gelegenheit solches widersprechen/ und jede/ die davon reden moͤchten/ versichern wolle das nicht das allergeringste von al- lem wahr seye. Wo mir um des HERREN und treue in seinem dinst willen jemahl einige schmach widerfahren waͤre/ oder noch widerfahren moͤchte/ wuͤrde ich mich deroselben nicht mehr schaͤmen/ als ein Soldat der wunden/ die er aus ei- ner schlacht davon traͤgt/ ja mirs vor die groͤste ehre achten/ aber der HERR hat mich derselben noch nicht wuͤrdig geachtet. Jch muß mich verwunder uͤber der famæ unverschaͤmten muthwillen/ dergleichen in meiner gegenwart und leben aus- zustreuen/ wo doch nicht nur ein schein alles dessen vorgegangen: noch viel mehr daß solche so viel glauben gefunden/ daß ich selbst in hiesiger statt vielen leuten es nicht ausreden kan/ daß gleichwohl etwas daran seyn muͤste. Jch weiß auch nicht/ was GOTT damit suchen und meinen wolle/ dergleichen zu verhaͤngen/ als daß vielleicht mit diesem exempel nnserer hießigen leute fabel-sucht offenbahr/ und damit einigerley massen deutlicher gezeigt werde/ was auch von denen vor etlichen jahren so vielen von mir und andern Christlichen freunden ausgepflogenen spargiment zu ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXXI. zu halten. Da nicht wenige verstaͤndige leute aus deme/ weil das geschrey in der stadt entstanden/ und so starck uͤberhand genommen/ unfehlbahrlich schliessen wollen/ es muͤste auffs wenigste an jeglichem ob wohl nicht alles/ doch etwas/ wahr seyn. Aber hierhaben wiꝛ ein exempel/ wo nicht das alleꝛ geꝛingste woͤꝛtlein von allem wahr ist; und dennoch kaum den reden gesteuret werden kan. Jch sehe offtmahls die sache mit verwunderung an/ wie es kommen muͤste/ daß mich GOtt eine zimliche lange zeit fast stets die fabulam vulgi seyn lasse/ da mir bald mehr gutes/ als ich je gethan/ zuleget/ bald allerhand boͤses/ wo ich auch unschuldig/ auffgebuͤrdet/ bald al- lerhand andere unerfindliche begebenheiten von mir erzehlet werden. Auffs we- nigste ist mirs eine uͤbung eine und andere gemuͤths bewegung durch gewohnheit in ihre rechte GOTT gefaͤllige ordnung zu bringen/ dazu mir der HENR selbst die gnade auff daß sein rath auch darinen an mir erfuͤllet werde/ verleihen wolle. 5. Mai. 1681. SECTIO XXXI. A n einen Fuͤrstlichen Theologum zu suchung dessen freundschafft: Warum einiger in dergleichen schone. Bitte meiner auff der cantzel nicht zu gedencken. Herrn von Seckendorff. O B wohl dieses das erste mahl ist/ daß an denselben zu schreiben mich unter- nehme/ und die feder ansetze/ so bedarff es doch nicht vieler entschuldigung/ in dem durch die brieffliche unterredung nicht erst noͤthig ist/ einige bruͤderliche lieb unter uns gestifftet zu werden/ als welche der HERR in beyderseits hertzen be- reits entzuͤndet hat. Wie ich dann von der zeit/ als von meines Hochgelibten Herrn und werthen bruders redlicher intention seinem GOTT mit aller treu zu dienen/ und den theuren in ihn gelegten gaben erstlich/ nachmahl aber und biß da- her von dem jenigen ruͤhmlichen fleiß/ welcher bereits bey dem so durchlauchtigsten als sonsten hochan sehnlihem auditorio zeit bißheriger bedienung mit reichem se- gen GOttes angewendet worden/ durch hohe und andere Christliche zeugen so viel gutes gehoͤret/ nicht anders gekont/ als ein solches werthes werckzeuge Goͤttlicher ehre inniglich zu lieben. Wie wir dann/ wo wir recht erwegen/ wo zu wir von dem HERREN HERREN in die welt gesandt/ und was das vornehmste un- ter allen ist/ erkennen werden/ daß uns die jenige naͤher angehoͤren/ mit melchem wir in einem geist stehen/ der uns regieret/ und in dem wir leben/ als einige die nechste des fleisches vorwandschafft ein enges band machen kan; so gehoͤret sich auch eine so viel inniglichere liebe gegen dieselbe zu tragen/ an welchen der Goͤttlichen ehre das meiste gelegen ist/ und die also zu dem hauptzweck/ warum alles ist/ und worzu alles M m m gerich- Das sechste Capitel. gerichtet werden solle/ das meiste mit beytragen und arbeiten. Dahero ich mich immerdar zwar allen menschen mit der gemeinen/ aber mit bruͤderlicher/ liebe den jenigen verbunden achte/ welche von oben her gebohren in einer kind- und gemein- schafft des erbs stehen/ und solches durch die hervor leuchtende zeugnuͤssen zu erken- nen geben/ widerum ein so viel mehrers maß den jenigen schuldig/ welche der himm- lische Vater mit mir in einerley heiliges amt gesetzet/ am aller sonderbahrsten aber bin ich widerum unter solchen den jenigen (ach daß ich da von einer grossen zahl ruͤhmen moͤchte) von welcher treue und hertzlichen eiffer er mich beglaubte zeug- nuͤssen hoͤren oder sehen laͤsset. Diese sollen mir billich lieber seyn/ als alle dem fleisch nach nechst angehoͤrige/ und leugne nicht/ daß mirs die hertzlichste freude ist/ bald da bald dort her von mehrern solcher art bericht zu erlangen; Wie ich dann dieses/ eine der nicht geringsten mir erzeigten gnade GOttes achte/ daß dessen guͤtigste weißheit zu meiner schwachheit auffmunterung von unterschiedlichen jahren her durch viele zuschreiben vorhin mir unbekant gewesener gottseliger leute mich zum oͤfftern erfreuet/ und damit versichert hat/ daß unter dem sonsten so of- fenbahr in die augen leuchtenden verderben/ er dennoch mehr heiligen saamen ihm erhalten habe/ als man sonsten ohne die erfahrung haͤtte gedencken moͤgen. Ge- gen solche nun tragen wir billich alle/ so einerley gesinnet seynd/ die aller zarteste lie- be/ und achten sie vor diejenige/ denen wir vor anderen alles schuldig seyen. N n unter solchen habe auch meines theuren bruders nahmen und gedaͤchtnuͤß von der zeit an/ als solche mir bekant worden/ schuldiger massen geliebet/ ob ich wohl derglei- chen zu bezeugen wenig gelegenheit gehabt/ jedennoch nicht vergessen habe/ seine werthe person und amt unserem liebsten himmlischen Vater in kindlicher einfalt mit vorzutragen/ als offt vor desselben heiligsten angesicht meiner treuen mitbruͤder absonderlichen gedencke/ wie ich nun also meiner gegen denselben tragenden unge- faͤrbten liebe mir solches zur gnuͤge bewust bin/ so bin ich auch biß daher hinwiderum dessen bruͤderlichen gegen mich gefaster gegenliebe aus versicherten zeugnuͤßen so hoher als anderer Christlicher personen versichert worden/ habe auch nicht weniger solches aus eingesehener prob- und antrits predigten selbst ersehen. Vor solche neigung unserer seelen gegen einander zu einer geheiligter freundschafft sage ich auch dem grundguͤtigen GOTT/ der alles guts und ihm gefaͤllige in uns wuͤrcken muß/ demuͤthigen danck/ und ruffe ihn an/ daß er solche vereinigung zu einiger guter frucht und unser beyderseits auffmunterung (dero ich mich sonderlich meines orts sehr bedoͤrfftig erkenne) segnen wolle. Jch haͤtte auch dieser meiner liebe zeugnuͤß in einigen zuschreiben laͤngst selbst ablegen sollen/ wie aber etwa auch andere mehre- re hinderungen meine meiste vorhaben offt zimlich lang verschieben/ so habe ich bil- lich dieses nicht ausser consideration zu lassen gehabt/ des aus GOTTes ver- haͤngnuͤß/ der nach seinen heiligen und mir in vielen stuͤcken nicht voͤllig erforschlichen rath/ wiedrig gesinneten gemuͤthern von etzlichen jahren her ein zimliches verhaͤnget hat/ ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXI. hat/ ich bey ihrer vielen in zwar unverschuldeten aber dennoch sehr schwehren ver- dacht gerathen bin/ auch meine verantwortungen annoch nicht mit genugsamen nachdruck haben durchtringen wollen; so gar daß deswegen bey denen so eine mehrere boßheit in sich haben/ auch den jenigen einige mackel hat wollen zugezogen werden/ welche mit mir in briefflicher correspondenz stunden. Nun erkenne ich billich die heiligste regierung Gottes/ so nicht ohne die wichtigste und mir selbst heilsame ursachen dergleichen zu laͤsset/ auffs wenigste mich so vielmehr in die de- muth fuͤhret/ und mich zur vorsichtigkeit anweiset; habe mich deswegen nicht dar- uͤber zu beschwehren/ in dessen meiner unschuld zu getroͤsten: Jedoch halte mich bey neben zu der liebe verbunden/ daß ich mit willen niemand ein theil meiner last aufflege. Dahero ich bis daher nicht leicht an jemand zu erst geschrieben/ sondern mich vergnuͤgen lassen/ den lieben leuten so an mich schreiben/ zu antworten/ der uͤ- brigen aber zuschohnen/ daß sie nicht um meinet willen von jemand leiden muͤßten: biß der HERR etwa nach seiner gnade meine unschuld mehr an das licht bringe. Wann aber juͤngsthin die Adeliche Jungfrau von N. dero Chrihlicher umgang mir sehr angenehm gewesen/ mich versichert/ daß mein Hochgeehrter Herr sich dessen nicht scheuen/ noch etwas daher zu sorgen haben wuͤrde/ als habe so bald mir vorge- nommen/ diese zeilen abgehen zu lassen/ die ich mit liebe und gleichem hertzen/ als sie bey mir hergeflossen/ auffgenommen zu werden mich vergewissert weiß. Wo bey so bald die auffrichtigkeit meiner freundschafft darinnen zeigen will/ daß gleich in dem ersten eine bitte mit beyfuͤge. Weil ich so wohl aus der gedruckten prob- predigt ersehen/ als weiter gehoͤret/ daß mein armer nahme einige mahl auff der cantzel angefuͤhret worden/ welches mich zu sehen beschaͤmet hat/ so habe so bald bey diesem ersten anspruch freundlich und angelegenlich zu bitten/ daß doch kuͤnfftig meiner moͤge damit geschonet werden. Jch bin dessen gantz gewiß/ daß es aus bruͤderlicher liebe geschehen/ aber wie ich nicht leugne/ daß ich insgesamt auff der cantzel einige allegationes menschlicher schrifften und lehrer nicht gern hoͤre/ oder doch allein die von GOTT sonderbarst seiner kirchen gegebene heldenmaͤßige maͤn- ner/ die schon in die ruhe eingegangen seynd/ dessen versichert/ daß diese ehre mei- nem nahmen durch aus nicht zu komme und ich deswegen solches auff alle weise zu declini ren/ suche/ auch solcher meiner ersten bitte gewehret zu werden nicht zweiffeln will. Jm uͤbrigem preise ich mit demselben die guͤtigkeit des Allerhoͤchsten/ der meinen vielgeliebten bruder zu einer solchen gemeinde gefuͤhret/ wo ich nicht zweiffele/ daß dessen treuer fleiß und arbeit einen herrlichen segen erlangen werde; Dann weil mir von beyder Durch- leuchtigsten personen/ Hertzog und Hertzogin/ bekant/ daß dieselbe ihren GOtt hertzlich lieben/ und deßwegen dessen ehre allem gern vorgezogen wissen wol- len/ so bin ich versichert/ daß es auch an der that nicht manglen werde; Wie viel aber daran gelegen seye/ etwas nachtruͤckliches in dem amt außzurichten/ daß die jenige/ M m m 2 welchen Das sechste Capitel. welchen GOtt die hoͤchste gewalt jedes orts anvertrauet/ sich dessen/ von dem sie ihre seepter und regierung tragen treulich erinnern/ und also auch vor die befoͤrde- rung seiner ehre sorgen/ daher dem prediger stand die huͤlffliche hand bieten/ erfah- ren die jenige sonderlich/ die etwa uͤber solchen mangel klagen und dieser ursach we- gen ein grosses ihres amts unfruchtbar abzugehen mit betruͤbnuͤß sehen muͤssen. So weiß ich auch/ daß einige mehrere des hoffs personen/ beyderley geschlechts/ sich das wahre Christenthum lassen angelegen seyn/ und deßwegen alles was zur erbauung dienlich/ mit dancksagung annehmen werden. Sonderlich aber gratulire dem- selben billich wegen der gewogenheit ihres vortrefflichen Cantzlers des Herrn von Seckendorff. Jch habe allezeit fast von meinen ersten studir- jahren her des mannes vortreffliche gaben und erfahrenheit in den sachen/ die regierung dieser welt betreffend hochgeachtet/ und ihn als ein theures werckzeug vieler gnaden/ welche GOtt dem loͤblichem hauß Sachsen zu dero lande zeitlicher wohlfahrt wiederfah- ren lasse/ angesehen. Nachdem ich aber nachmahls durch Herr N. brieffe und re- lation noch mit mehreren verstanden/ wie tieff der kluge Herr/ und gar mit andern als sonsten die politici pflegen augen/ der verderbnuͤß auch unsers kirchen-stats einsehe/ und von dessen verbesserung so loͤbliche gedancken habe/ als habe mich wohl inniglich daruͤber erfreuet dem HErren davor gedancket/ und bißher nicht unter- lassen/ dessen segen noch ferner zu erbitten. Es war mir aber bißher desto mehr leid/ daß als zwar vor 3. jahren derselbe hieraus gekommen/ und von mir/ wie ich zimlich weiß/ in Darmstat seltzame dinge vernommen/ ich auch gelegenheit gesuchet/ dem- selben einmahl solcher angelegenheit halber auff zu warten/ auch da einsten die ehre hatte mit bey der taffel alhier zu seyn/ zu einer solchen gelegenheit die vertroͤstung bekommen/ ich so gluͤcklich nicht werden koͤnnen. Massen ich sonsten damahl/ ob wol von seiner inclination in diesem sachen noch nichts wußte/ mich doch des- sen wegen seines beruͤhmten verstandes und zu getrauter auffrichtigkeit gewiß ver- sichert hatte/ wo ich zu einer anhoͤrung gekommen waͤre/ nicht nur das beygebrach- te durch die vor augen legende wahrheit leicht wieder zu benehmen/ sondern zu wege zubringen/ daß durch eines so theuren mannes patrocinium in Sachsen/ die da- mahl von meinem wiedrigen gesuchte außbreitung der allerhand verdachte maͤchtig- lich moͤchte hintertrieben werden. Da es aber nicht seyn sollen/ habe auch solche goͤttliche direction mit demuth anzusehen gehabt. Freue mich in dessen/ daß auf andere weise bey demselben etwa das meiste/ so vor deme beygebracht worden/ durch andere sreunde wieder benommen seyn mag. Und wuͤnsche nur/ daß die in solchem HErrn von oben herab gelegte unvergleichliche gaben und autori taͤt in goͤttlichem segen zu meines werthen amts-bruders besten und befoͤrderung deroselben arbeit und gottseliger intention gluͤcklich und vieles wuͤrcken und außrichten/ auch zu sol- chem ende lange erhalten werden moͤgen. 1681. 6. Jun. SECT. ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXII. SECTIO XXXII. A uffmunterung. E S ist freylich also; der ist staͤrcker und groͤsser/ der in als der wieder uns i st/ u. koͤnnen wir uns/ ja sollen uns mit grosser freudigkeit darauff verlassen. Der HEꝛr bekraͤfftige aber nicht nur allein solchen glauben/ und lehre uns in allen solchen nicht so wohl auff die ohnmaͤchtige menschen als auff seine eigne krafft u. bey- stand/ daher den gewiß in haͤnden habenden sieg/ sehen: sondern er ruͤste uns auch al- lezeit in allen unsern verrichtungen und vornehmen mit der jenigen weißheit auß/ das wir sein werck kluͤglich und also treiben/ daß wir nicht aus eigner schuld durch unvorsichtigkeit und in einer an sich guten sache durch derselben ungleiche fuͤhrung uns einig leiden und widerwaͤrtigkeit zuziehen/ wo man alsdenn keinen solchen trost dabey hat/ sondern daß uns unser gewissen allezeit vor GOtt moͤge zeugnuͤß geben/ daß wir allein vor seine ehre in der wahrheit geeyffert/ und in demselben eyffer uns weißlich verhalten haͤtten. Dann wo uns denn unser hertz in nichts verdammt/ so ist eine grosse freudigkeit verhanden; hingegen faͤlt der muth sehr/ wo man sorgen muͤßte/ durch unvorsichtigkeit sich etwas zugezogen zuhaben; wie wol auch alsdenn und in solchem fall der himmlische Vater seiner kinder auffrichti- gen einfalt/ ob sie es in einigen versehen haͤtten/ etwas zu gut haͤlt. 17. Maj. 1681. SECTIO XXXIII. A n einen F uͤrstlichen Theolgum / der mir den vaters titul beygeleget/ ich ihn aber hinwieder bruder nannte. Unbillichkeit des nahmens Spenianer. Jch suche keine secte. Nochmahlige bitte/ meines nah- mens nicht auff der cantzel zugedencken (sihe Sect. 31. ) D Jeses ist der jenige nahme/ welchen ich auch von seiner liebe inskuͤnfftige ver- lange/ in deme der mir zulegende vaters-nahme weder meinen alter/ noch amt/ noch der wahrheit zu komt/ als der denselben in dem HERREN ge- zeuget/ oder nur etwas an ihm gearbeitet zu haben/ nicht sagen kan/ ihn aber als ei- nen treuen bruder in unserm allgemeinen und erstgebohrnen bruder JEsu Christo erkenne/ dahero mich solches nahmens/ damit wir unsere gemeinschafft in denen zu gleich allen zukommenden guͤtern bezeugen/ sonderbahr zu erfreuen pflege. Jm M m m 3 uͤbri- Das sechste Capitel. uͤbrigen habe auch hiebey zu bezeugen die hertzliche freude/ die uͤber meines wehrte- sten bruders liebreiches schreiben geschoͤpffet/ und also meinen anspruch gluͤcklich und wohl angelegt erachtet/ der einen so angenehmen gegen-hall und echo verursa- chet. Dem HERREN HERREN sey demuͤthiger danck/ der unser beyder- seits gemuͤther bereits von einiger zeit hero kraͤfftig zusammen geneiget/ und nun so viel fester unter einander verbindet. Er gebe nur daß wir immer mehr und mehr und enger untereinander verknuͤpffet werden in der einigkeit des Geistes mit dem bande des friedens; ja daß wir an einander uns so viel mehr auffmuntern/ und also auch unsere brieffliche unterredung/ nach dem der Herr einige muͤndliche bespraͤchung nicht verfuͤget/ zu beyderseits staͤr- ckung gesegnet werde. Wie ich dann dieses mittel von nicht geringen wehrt zu kraͤfftiger außrichtung vieles guten achten/ daß einerley gesinnte/ und auf die ehre ihres GOttes abzweckende Theologi, da sie nicht beysammen leben/ dennoch in schreiben mit einander mehrmahl umgehen/ wo es nicht nur gelegenheit giebet/ da sie ihre anligen/ einer in deß andern schooß außschuͤtten/ etwa mit rath und trost ein- ander zu statten zu kommen/ sondern es wird durch solche errinnerung die andacht des gebets/ so sie vor einander thun/ trefflich vermehret/ und ist das so bald eine auf- munterung/ wo jeglicher an dem andern etwas von goͤttlicher gnade erkennet. Da- hero etwa der satan/ wohlwissend/ was hiedurch zu seines reichs nachtheil gutes moͤ- ge außgerichtet werden/ auff allerley art solche vereinigung der gemuͤther schwehr zu machen/ oder wol gar zu hindern trachtet/ mit einstreuung allerhand verdachte/ mißverstaͤndnuͤß und anderer solcher dinge/ welche die innigliche zusammensetzung der gemuͤther gewaltig hinderen. Dem wir desto fleißiger auch in diesem stuͤcke sei- ne tuͤcke ablernen/ und ihm zu trotz so viel sorgfaͤltiger zu sammen setzen sollen. Daß im uͤbrigen auch der nahmen eines Spenerianers derselben orts gehoͤret worden/ und mein geliebter bruder damit beleget werden wollen/ ist mir hertzlich leid. Jch habe ja nie etwas sonders gesucht/ viel weniger nach einer Secte getrachtet/ wie gleichwol von allen wird gezeuget werden koͤnnen/ von dero nahmen andere ent- weder haben wollen benennet werden/ oder wuͤrcklich benennet worden sind. So ist es ja wahrhafftig eine betruͤbte sache/ daß der nahmen einer neuen Secte solte auffkommen und zwar von mir entlehnet werden/ da man nicht sagen kan/ worin- nen die jenige/ die deroselben solten zugerechnet werden/ oder ich selbs/ nur in einem wenigsten puͤnctlein/ von der gesamten Evangelischen kirchen abgiengen/ oder was wir besonders oder eine absonderung von anderen prætendirten. Jst dann nichts von allem solchem bey uns anzutreffen/ wozu dann noth eines eigenen und verdrieß- lichen nahmens? Was mich anlangt/ so habe solche schmach/ wie anders/ so der HERR uͤber mich verhaͤngen moͤchte/ und verhaͤnget hat/ mit demuth und gedult auffzunehmen/ ja mich unwuͤrdig zu schaͤtzen/ daß um deß geringen anfangs willen/ welcher schier nicht wol weiter gehet/ alß in einem hertzlichen willen bestehet/ mir der glei- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXIII. gleichen begegne. Doch ist mir leid/ uͤber dem jenigen/ welche sich damit versuͤndi- gen/ wegen des aͤrgernuͤsses der schwachen/ so dann wegen der lieben freunde/ die von meinem unwuͤrdigen nahmen schande leiden muͤssen. Jch achte aber davor/ daß eben diese ursach meinen wehrtesten freund/ so auch damit beschimpffet wer- den sollen/ bewegen solle/ meiner neulich gethanen freundlicher hitte (es war die- se gewesen/ meiner auf der cantzel nicht zu gedencken) desto eher stat zu geben. Dann wo es gleichwol geschiehet/ daß meines armen nahmens von auch treumei- nenden freunden/ an der staͤtte deß HERREN vor dessen volck einige meldung ge- schiehet/ und derselbe auff einigerley weise angefuͤhret wird/ so mag die vermuthung auffswenigste bey denen die nach solcher gelegenheit trachten/ einen schein einer ver- muthung geben/ ob waͤre ich bey solchen lieben leuthen in mehreren credit/ als es seyn solte/ oder doch als solche abguͤnstige leuthe wol vertragen moͤgen/ und werden al- so diese desto mehr gereitzet zu laͤsteren/ und die sache weiter aus zudehnen als ge- meinet ist. Da hingegen die unterlassung keinem menschen schadet/ vielmehr ei- ne ungelegenheit verhuͤtet/ welche obwol zufaͤlliger weise daher erfolgen moͤgen. Und ob zwar die folge nicht guͤltig ist/ da jemand meines nahmens auff der cantzel geden- cket/ daß er deßwegen mir als dem fuͤrgaͤnger einer secte zugethan waͤre/ in dem solches auß andern Christlichen ursachen und zeugnuͤß der liebe geschehen mag/ so ist hingegen die jenige folge etwas staͤrcker/ es muͤsse der jenige kein Spenianer seyn/ der meines nahmens gern geschweiget. Nicht fordere ich zwar solches/ daß mein geliebter bruder/ seine liebe ablassen oder ringeren wolle/ die ich vielmehr hochach- te/ davor dancke und dero fortsetzung bitte/ auch nicht/ wo derselbe je etwas in mei- ner einfaͤltigen arbeit zu andereꝛ auffmunteꝛung und eꝛbauung dienliches finden solte/ daß derselben nicht gegen freunde bey gelegenheit privatim dessen gedencken moͤchte; in dem was zu ihrer vielen gebrauch heraus gegeben ist/ dazu zugelangen/ und solches auff ziehmliche weise befoͤrdert zu werden/ wohl leiden mag: aber eini- ge offentliche anfuͤhrung des nahmens eines nochlebenden geringen mit-bruders wird nicht nur ohne nutzen seyn/ sondern mag auch leicht einen anstoß setzen/ daher sie um nicht gegen die Christliche klugheit zufehlen/ sonderlich von einem solchen freunde/ der ohne das meinet wegen wollen in verdacht gezogen werden/ billig zu unterlassen ist. Lasset uns also treue freunde in dem HERRN bleiben/ ja solches band immer fester machen/ auch nach vermoͤgen die liebe gegeneinander erzeigen/ aber alles verhuͤten/ was einigen andern anstoͤßig seyn moͤchte. Jch weiß/ es wird mir solche nochmahlige und durch die antwort veranlaßte bitte nicht anders als auch mit dergleichen liebe/ woraus sie geschiehet/ auffgenommen werden. 1681. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XXXIV. V on besserung der kirchen. N ichts zuuͤbereylen. Keine eigne ehr zu suchen. Wie der Doctorum Academico- rum freundschafft zu erhalten. Ob ein synodus practicabel oder nutzlich? Was von Consistoriis zuerwarten? Kirchen buß. Fleiß die jugend zu erhalten. Ob eine conformitet in ceremonialibus einzufuͤhren? Ob und wie die Qua- cker zu entschuldigen? Ob der teuffel per enthusiasmos ein liecht anzuͤnde? Ob und wie auff die predigten zu studi ren. O B ich wohl sonsten selten ein ankommendes schreiben so bald zu beantwor- ten vermag/ hat mich doch alles/ was ich sonsten haͤtte moͤgen zuthun haben/ nichts aufhalten sollen/ daß nicht also bald die sonderbarste aus verlesung des neulichen geschoͤpffte freude bezeugte. Jch dancke meinem GOTT hertzlich/ der mich daraus sonderlich dieses mit inniglichem vergnuͤgen erkennen lassen/ daß wir in den meisten und vornehmsten stuͤcken gleich gesinnet seyen. Wir erkennen bey- derseits/ daß sich schwehre fehler finden; wir sind auch darinnen wohl einig/ daß man der sache muͤsse nach vermoͤgen suchen zu helffen/ und nicht aus verzweiffelung der besserung alles gehen lassen/ wie es gehe: non reliquendum esse ægrotum prognosticis solis. Jn diesen beyden stuͤcken zweiffele ich nicht/ das Ew. Hoch Ehrw. selbs werden bißher gesehen haben/ daß wir beyde einstimmig seyen/ jetzo ha- be noch weiter zu bezeugen/ daß ich nicht weniger auch in den andern bedeuteten puncten gleiche gedancken fuͤhre. 1. Jn der besserung muͤsse einmahl behutsam verfahren werden. Lang- sam ist besser als uͤbereilet. Und laͤßt sich was durch allzutraͤge langsamkeit ver- saͤumet/ noch besser einbringen/ als das jenige/ so mit uͤbereilen verdorben/ wiede- rum verbesseren. Minimo motu maxima quæque peragenda, war lange mein principium. Man kan doch nicht genug huͤten/ wo eine sache ein wenig an- gefangen ist/ daß es nicht anfange auch wider unseren willen strenger fortzugehen/ wo man daß uͤbereilen kaum genug verhuͤten oder hindern kan: Und finden sich gleich/ ob man auf das allerbehutsamste gehet/ solche leuthe/ die allem gutem aus des satans trieb gruͤndlich zu wider sind/ die so bald unruhig werden/ und also durch ihren gegenstand gleich verursachen/ daß es nicht mehr so langsam fortgehen kan/ sondern von jenen getrieben wird. Als ich mein armes scriptum / die pia de- ARTIC . I. DISTINCT. III. SECTIO XXXIV. desideria erstmahls herauß gab/ so wuste nicht/ wie ich haͤtte stiller und mit weni- gern apparatu handlen koͤnnen/ wie es ja nichts anders als ein freundlicher zuruff und unmaßgeblicher vorschlag war; aber in weniger zeit/ da ich vollends still saß/ geschahe bald dieses bald jenes/ so mich nicht in ruhe liesse/ sondern andere ein groͤsser geschrey davon machten/ daß ich allgemach mehr eingeflochten wurde/ aber hoffe/ vor mich selbst mich nicht leicht uͤbereilt zu haben/ wie ich dann zu weilen einiger Christlichen freunden geschiehnen habe/ allzulangsam/ traͤge und furchtsam alles zu thun/ da ich hingegen das festina lente lieber erwehlet/ und anderen auch re- commendiret / weiß aber nicht ob allemahl genugsam persuadiret habe. 2. Bin auch gantz der meinung/ daß wir in dem geringsten keine eigne ehr zu suchen/ sondern solche so gar zu fliehen haben/ daß wir declinandæ invidiæ cau- sa so viel moͤglich waͤre/ lieber machen solten/ wo wir auch in GOttes gnade etwas fruchtbarlich moͤchten außgerichtet haben/ oder noch außrichten/ daß dessen ehre so viel geschehen kan andern als uns beygemessen werde. Ja so lang wir nicht dieser redlichen meynung sind/ vielmehr wo es noth ist unsere eigne ehr dabey zu verlieh- ren/ als einige selbst zu suchen/ und mit andern darum zu zancken/ so sind wir noch selbst im geringsten die jenige nicht/ derer thun von GOtt gesegnet zu werden eine versicherte hoffnung seyn mag. Nicht uns HERR/ nicht uns/ sondern dei- nen nahmen gib die ehre. Also haben wir freylich/ keinen vorschlag auszuschla- gen/ worinnen wir uns einiger ehre/ die uns auch gebuͤhrte/ zu begeben erinnert wuͤrden/ geschweige daß wir einige uns nehmen solten/ welche uns ohne das nicht zukommet. 3. So erkenne geꝛn/ wie Ew. Hoch Ehrw. schreibt/ daß die Theologi Aca- demici / da sie widrig gesinnet sind/ mit ihrer widersctzlichkeit allem menschlichen ansehen nach mehr hindern und zuruͤck halten koͤnnen/ als menschlicher weise zu re- den wir uͤbrige insgesamt mit allem fleiß außzurichten und zu befordern vermoͤchten. Wie etwa schon zimlich die erfahrung zeuget. Deßwegen nechst dem/ daß wir ohne das solchen lieben leuthen die ehre/ welche ihnen GOtt goͤnnet/ und sie auf die vornehmste leuchter unserer kirchen gestellet hat/ gern lassen/ und sie in deroselben mit gebuͤhrenden respect veneriren sollen/ deme ich mich niemahls entzogen/ auch bereits diese ursach/ weil sie alles kraͤfftiglich hindern koͤnnen/ eine nothwendigkeit machet/ nach vermoͤgen nach ihrer freundschafft zu trachten. Wie dann dieses allezeit mein principium gewesen/ dieselbe nicht mit willen zu offendiren, sondern so viel alß geschehen koͤnnen/ vielmehr ihre gunst zu erhalten. Wie ich auch nicht hof- fe/ daß ein einiger seyn werde/ der sich daruͤber beschwehren koͤnte/ daß ich ihn mit willen offendiret, vielmehr habe gesucht/ etliche/ von denen einige widrige affe- cten gegen mich vermuthete zu mercken/ nach vermoͤgen mit ehren bezeugungen mir zu conciliiren. Daß also nicht wuͤste/ worinnen solte einiges an dem schul- N n n digen Das sechste Capitel. digen respect haben manglen lassen: sie wolten dann denselben darinnen suchen daß ein anderer der kirchen diener nichts thun/ vornehmen und schreiben doͤrffte/ daß er nicht in antecessum ihnen uͤbergeben/ und es nach ihrem eignen wohlgefal- len eingerichtet haͤtte. Dann solche dienstbarkeit/ leugne ich nicht/ wuͤrde mir et- was schwehr geschiehnen haben/ ja gefaͤhrlich: Dann der ursachen wegen/ weil sie nicht alle etwas billichten/ das jenige unterlassen wollen/ was man sonsten zu GOttes ehren und der gemeinden aufferbauung dienlich seyn erkennet/ weiß ich nicht obs verantwortlich/ hingegen ists noch weniger rathsam/ ihnen voran etwas zu unterwerffen/ da man sorgen muß/ sie moͤchten es so hoch nicht billichen/ und also gewiß weißt/ die offension werde so viel groͤsser/ wann man ihnen eine sache erst uͤbergeben/ und thaͤts doch nachmahl wieder ihren willen/ als wo man mit fleiß sie erstlich daraus gelassen; wie wol ich auch nichts in dergleichen dingen gethan/ daß nicht aufs wenigste mit einigen vertrautern aus ihrer zahl uͤberleget/ und dero ap- probation gehabt haͤtte; kan nun ein mittel erfunden werden/ wie solche vorneh- me lehrer der kirchen das gute auf alle muͤgliche weise zu befordern sich bewegen lies- sen/ so hielte ich solches vor das theuerste und herꝛligste werck/ daß man ausrichten koͤnte/ und waͤre keine ehre/ die sonsten wider goͤttliche ordnung und der kirchen be- stes nicht lauffet/ zu groß/ die wir nicht zu erhaltung jenes guten ihnen anzuthun willig solten und wolten seyn. Und wo E. Hoch Erw. die gnade von GOTT haben solches auszurichten/ so erkenne sie vor das gesegneteste werckzeuge goͤttlicher ehre/ welches zu unsern zeiten von GOTT zu etwas grosses ausgeruͤstet und ver- sehen gewesen seye: Auch haben wir alle gern davor zu bitten/ und wo es moͤglich und erfordert wuͤrde/ daß unsere willig dazu zu contribuiren. Nur moͤchte wuͤnschen/ daß so viel hoffnung zu der sache waͤre/ als hertzlich ich sie verlange. Jch zweiffele aber nicht/ E. Hoch Ehrw. werden selbst starcke obstacula sehen/ wo sie erwegen/ die von ihnen selbst beklagte bey einem grossen theil solcher vornehmen leh- rer befindliche ehrsucht: Dabey aber auch/ wie eine schaͤdliche wurtzel diese seye/ und sehr hindere/ daß aus solchen hertzen/ wo diese tieff ein gewurtzelt/ nicht viel kraͤfftiges gutes kommen koͤnne; zu geschweigen daß auch wenig goͤttlicher segen zu den verrichtungen/ die aus solchen principio herkommen/ gehofft werden mag. Je- doch ist GOtt muͤglich/ alles zu thun und uͤber unser hoffen und verstehen das jenige zu effectuir en/ was vor aller welt augen nach aller umstaͤnde uͤberlegung unmuͤg- lich oder nicht zu erwarten geschienen/ damit aber den preiß seiner allmacht und weißheit so viel mehr zu erhoͤhen. Jn dessen wird Ew. Hoch Ew. in allem solchem werck aus vorsehender dessen schwehrigkeit desto behutsamer die sache angreiffen/ und dem HErrn um seine gnade/ Geist und weißheit anruffen. 4. Stimme auch damit bey/ dz ein synodus weder practicabel noch in gegen wertigen zustand vortraͤglich waͤre. Jenes ist nicht so wohl wegen der unkosten/ die zwar ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXIV. zwar etwas bedencken machen moͤchten/ ich aber gleichwol hoffe/ das Christliche Theologi auch wol gar propriis sumptibus solches werck uͤbernehmen/ und von andern gottseligen hertzen huͤlffe darzu finden wuͤrden/ wo man etwas sonderbares zur ehre Gottes hoffen koͤnte. Dieses ist aber bey mir eine außgemachte sache/ daß nicht auß bewandnuß der sache selbs sondern nach der jetzigen beschaffenheit der ge- muͤther/ eher schaden als nutzen davon vor die kirche zu sorgen waͤre. Welche hin- dernuͤß etwa noch manchen andern allgemeinen vorschlaͤgen/ welche geschehen sind und noch geschehen moͤchten/ kraͤfftig im weg stehen. 5. Jch bin auch in deme gantz einstimmig/ daß die Consistoria wohl muͤssen in obacht genommen werden/ als welche noch einigerley massen ein retinaculum einiger disciplin sind/ ob schon bey weiten noch nicht das zulaͤngliche (sonderlich wiederum wegen der personen) iedoch einiges nuͤtzliches außrichten. Aber dieses ligt mir in dem sinn/ daß eins theils solche consistoria nicht aller orten sind/ massen wia hie keines haben/ auch in Straßburg und in vielen Reichsstaͤtten sich derglei- chen nicht findet: andern theils wo sie seynd/ in der politicorum macht nicht nur das groͤssesie darinnen stehet/ so zwar/ wo sie alle mit fleiß den HERREN und sei- ne ehre suchten/ nichts hinderte/ sondern die consistorial-decreta nicht weiter gelten/ als/ weil es collegia aliunde depententia sind/ und keine andere als potestatem delegatam oder gleichsam nur precariam haben/ so weit die jenige wollen/ welche dieselbe widergesetzet/ wo offt durch retracti rung der geschlossenen dinge nachmal nur mehr aͤrgernuͤß verursacht wird. 6. Daß auch wegen der communionis indignorum wir leicht einstim- mig seyn werden/ hoffe ich/ werde mein von solcher materie gemachter auffsatz weisen/ den Herrn Horb. wird communicirt haben oder noch communici ren/ uͤber welche ich Christlicher und gottseliger freunde vertrauliche censur oder con- firmation hertzlich verlange/ und darum auch Ew. Hoch Erw. dienstlich hiemit ersuchet haben will. Jch verlange von hertzen in solcher materie, welche viele ge- wissen sehr aͤngstet/ eine genugsame versicherung bey mir zu haben/ und da ich ge- staͤrcket werde/ andern bruͤdern auch rathen zu koͤnnen. Also auch 7. sehe gern/ daß die kirchen-buß/ wo sie ist/ ernstlich fort gesetzet/ ja auch wo sie nicht ist und es geschehen koͤnte/ eingefuͤhret wuͤrde. Jedoch berge ich auch nicht/ daß ich von dem effect so gar grosse hoffnung nicht habe: nicht nur weil es fast ordentlich nur ein einig delicti genus, nemlich wider das 6. gebot betrifft/ sondern weil sie fast ordinarie ab invitis und meistens mit groͤster ihrer die sie thun muͤssen/ suͤnde geschiehet/ die lieber weiß nicht was anders davor thaͤten/ und es nicht viel anders als eine andere weltliche straffe scheuen: So vielmehr/ weil auch auß derselben weltliche nachtheil auf die personen/ da sie warhafftig buß- fertig sind/ und auf ihre nach koͤmlinge/ gezogen werden. Sonderlich achte ich 8. daß gantz wohl geurtheilet seye/ daß von der jugend N n n 2 son- Das sechste Capitel. sonderlich der anfang gemacht werden muͤsse. Wie mich erinnere/ offt von Herrn D. Dannhauern sel. gehoͤret zu haben/ wo wir nur die jugend zu retten ver- moͤchten/ muͤßten wir endlich die alten fahren lassen/ alldieweil sothane alte baͤume sich nicht mehr biegen liessen. Nur dieses ist nochmahl ein werck von mehr impor- tanz und deliberation, wie der jugend zu goͤttlicher erziehung am besten zu helf- fen. Auß bißherigem wird E. Hoch Ehrw. sehen/ daß in dero vorgetragenen pun- cten fast durch und durch einstimmig seye/ und also dero werckstelligung so viel sehn- licher verlange/ und wo ich dergleichen zuthun vermoͤchte/ gern alles mit arbeiten wolte. Nur in dem einigen hoffe/ werde es nicht uͤbelgenommen werden/ daß meinen dissensum freundlich bezeuge: Wann E. Hoch Ehrw. verlangten eine durchgehende conformi taͤt in externis \& ceremonialibus da ich dieselbe nicht nur in betrachtung der verfassung unserer gesamten kirchen vor blosser dings un- moͤglich achte/ sonderen wo ichs in haͤnden haͤtte/ mit einem wort solche zu wege zu- bringen/ eher da gegen als davor seyn wuͤrde. Jn dem die varie taͤt der ceremo- ni en/ wo sie recht erwogen wird/ eher eine zierde als einen mißstand der kirchen ach- te/ hingegen den Papisten ihre ruͤhmende conformi taͤt/ welche gleichwol auch so durchgehend nicht ist/ wie sie dieselbe ruͤhmen/ vor einen schlechten ruhm halte. Jch wolte zwar nicht gern so weit gehen/ als ich einen Christlichen Theologum einmahl hoͤrte/ der meinte/ wo er in einer kirchen-pflantzung begriffen waͤre/ und in einer statt 7. gemeinden anordnen solte/ so solten jede andere ceremoni en haben: damit die leuthe aus der ersahrung selbs allgemach erkennen lernten/ was zu dem wesen der religion und cultus oder nur den aͤusserlichen umstaͤnden gehoͤrte/ und wuͤrden dahin gewiesen/ was sie aller ort gleich soͤrmig finden/ waͤre der ersten art/ alles uͤ- brige aber der andern. Doch finde ich gewiß dieses/ daß die conformi taͤt der ce- remonien bey den einfaͤltigen fast so bald einen aberglauben/ als die difformi taͤt einigen anstoß machet: Und faͤllet man endlich insgesamt oder meistens auff jene aͤusserliche dinge/ so wird auch der unterscheid unter dem was Goͤttlich/ und nur von menschlicher einsetzung ist/ sehr den leuthen aus den augen gesetzt/ und wird end- lich alles vor einerley wuͤrde zu seyn geachtet. Sonderlich aber sind die arten der gemuͤther und anderer umstaͤnde so bewandt/ daß bey diesen diese/ bey andern an- dere/ ja zu unterschiedlichen zeiten unterschiedliche ceremonien, am erbaulichsten sind/ und wuͤrde eine allgemeine verordnung viel gutes hindern/ und nachmahl in weg jeglicher kirche stehen/ das jenige/ was sie sich das erbaulichste erkennete/ an- zu ordnen. Da her ich in allem vor das beste achte/ eine stete freyheit in allen denen dingen zu behalten/ die nicht von GOtt selbst verordnet sind/ und lobe ich allezeit unsere Evangelische kirche vor andern darinnen und so fern/ daß sie in allem pur lauter allein bey GOTTes wort ohne aufftringung einiges weiteren bleibe: Da- her ich mich keinen sonderlichen freund profitire aller der kirchen satzungen/ woduꝛch einiges also angeordnet wird/ daß nun fortan nothwendig so bleiben solle/ und nicht nach ARTIC . I. DIST. III. SECT . XXXIV. nach aͤnderung zeit und umstaͤnde wider eben so wohl ab zustellen waͤre. Es wird aber wohl auff den punct nicht kommen/ weil ohne das die unmoͤglichkeit in dem wege stehet. Jch komme nun auff das letzte wegen meines geliebten freundes N. N. und ist mir hertzlich lieb/ daß er die gelegenheit und freude gehabt/ mit Ew. Hoch-Ehrw. muͤndlich zu sprechen/ daruͤber er auch gegen mich eine grosse satis- faction in schreiben bezeuget hat. Was die jenige dinge anlangt welche Eure Hoch-Ehrw. einigs nachsinnen gemacht/ und da sie von mir nachricht verlangen bekenne ich/ daß ich/ weil ich die seriem sermonum und gelegenheiten/ wie jegliches geredet/ daraus doch ein zimliches licht zum verstand jeder worte kommet/ nicht so ei- gentlich weiß/ nicht wohl voͤllige satisfaction zu geben getraue/ daher mit ihm dar- aus freundlich conferi ren und seine eigene erklaͤhrung daruͤber hoͤren will. Jch will aber so bald in antecessum meine wenige gedancken davon mittheilen/ wie mir dieselbe reden vorkommen/ und nachmahl sehen/ ob er und ich darinnen uͤbereinkom- men werden oder nicht. 1. Die Entschuldigung der Quacker anlangt/ will ich ja nicht hoffen/ daß dieselbe so weit gehe/ sie von dem irrthum frey zu sprechen: Jn dem ich ihme/ als ich gegen meinen widersacher von der allgemeinen GOTTes gelehrtheit schriebe/ solch M Stum, sonderlich aber wo ich unsere lehr von den Weigelianern / Quackern und dergleichen absondere/ uͤberschickt habe/ daß ers vorher lese/ damit ich aus be- zeugten seinen consensu mit gutem gewissen von uns beyden in plurali reden moͤch- te/ wir glauben/ lehren und bekennen ꝛc. Da er solches dann voͤllig mit beken- net und approbi ret. Daher ich nicht anders gedencken kan/ wie die meinung sol- cher entschuldigung muͤste gewesen seyn/ als wie man etwa einige irrgalubige vor andern sonderlich aus dem entschuldigen mag/ nach dem mehr oder weniger boßheit bey ihnen sich findet. So leugne ich nicht/ daß ich selbst offtmahl mehr mitleyden mit den Quackern gehabt/ als mit vielen andern faschglaͤubigen/ sonderlich weil einmahl die arme leute von uns/ oder vielmehr von den Reformirten/ unter denen sie entstanden seynd/ aber denen wirs in solchen stuͤcken nicht viel vorthun/ geaͤrgert und durch den mißbrauch der heiligen ordnungen GOttes in seinem wort/ tauff/ abendmahl/ dahin gebracht worden sind/ daß sie nun den gebrauch selbst auffhe- ben. Damit sie freylich ihnen die mittel der seligkeit abschneiden/ aber doch mehr zu entschuldigen sind/ da sie solches in irrthum/ dazu sie der andern mißbrauch und eiteles vertrauen des operis oparati gebracht/ thun/ gegen den unserigen/ welche wider besser wissen und gewissen/ solche heiligste mittel mißbrauchen/ und muthwil- lig entheiligen. Jch habe mein leben lang keinen Quacker gesehen/ als vor etwa 4. oder 5. monat/ da einer hie seiner zeitlichen geschaͤfften halben durchreisete/ so sonsten ein verstaͤndiger mann/ und unserer religion/ seiner Profession aber ein me- dicus und bey grossen Herrn beliebter mann gewesen. Dieser sprach bey mir/ und auch einem andern Collega, ein/ und redete sehr bescheidentlich. Jch beken- ne auch/ daß er mir eine meynung von ihnen benommen/ die ich ihnen gleichwohl N n n 3 aus Das sechste Capitel. aus anderer relation in oben gedachter meiner apologia imputi ret/ daß sie alle ausser ihrer gemeinde verwerffen und verdammten/ da er mir bezeuget/ daß solches ihre lehr nicht waͤre/ sondern sie glaubten/ daß Gott unter allen hauffen der secten annoch seinen heiligen samen uͤbrig habe. Jch wuͤnschte/ welches er selbst auch zu ver- langen damahl bezeugte/ daß ein Christlicher Theologus sich an des Barclaii werck oder apologiam machte/ und dieselbe gruͤndlich und ausfuͤrhlich widerlegte. Jch bekenne aber dabey/ daß es ein mann seyn muͤste/ der nicht nur solide studi ret/ son- dern selbst in der praxi des lebendigen Christenthums wohl geuͤbet waͤre. Dann den armen leuten wird in der materi ihrer prætendi renden bewegungen und ra- ptuum des geistes niemand satisfaction thun der nicht in eigener erfahrung selbs die wahre aus und durch GOttes wort von dem heiligen Geist in unserem hertzen verrichtende wuͤrckunge erkennte/ und ihnen also das jenige nicht leugnete/ was an sich wahr ist/ sondern nur nachmahl zeigte/ wie die jenige dinge/ damit sie sich be- troͤgen/ solche goͤttliche wuͤrckungen nicht seyn/ sondern wie weit dieser selbstbetrug von der wahren GOttes krafft unterschleden bleibe. So moͤchten einigen davon die augen durch goͤtlliche gnade auffgethan werden. So muͤste es auch mit Christ- licher bescheidenheit abgefaßet werden/ ohne bitterkeit/ schelten/ falsche aufflagen/ daß sie selbst sehen koͤnten/ man trage gegen sie eine erbarmende liebe und begierde zu ihrem heil. Da hingegen harte scheltwort/ schimpffliche spottreden/ und unge- gruͤndete beschuldigungen sie nur aͤrgerten/ und da sie solche wercke des fleisches an ihren bestreittern zu erkennen vermeinten/ solche sie in gegentheil in ihrem irrwahn besteiffen wuͤrden. Ach daß der HERR jemand erweckete/ und mit seines geistes genugsamer gabe und licht ausruͤstete/ diesen armen und mehr aus irrthum und betrug als boßheit (in dem sie alles zeitliche wenig achten/ und aus dessen absicht nichts thun) fehlenden zu helffen/ und sie zu recht zu bringen! Welches aber ge- wiß eine vielmehr als menschliche krafft und weißheit seyn muß. Wie ich dann alle andere disputationes / die wir zum exempel mit Papisten und Reformirten haben/ nichts achte gegen denjenigen/ wo mans (jetzt nicht zu sagen non den Athei- sten / sondern unter denen die wahrhafftig die schrifft erkennen) mit Socinianern und Quackern zu thun hat. Dann ob wohl diese beyde in ihrem principio schnur stracks einander entgegen sind/ so wird man finden/ daß mit beyderley gewißlich ein schwehrer kampff als mit andern seye. 2. Was die frage anlangt/ ob der teuffel per varios enthusiasmos in seinem werckzeugen ein liecht anzuͤnde/ so bekenne ich/ daß mir dieselbe/ was eigendlich darinnen gemeinet seye/ etwas dunckel vorkomt. So viel ich aber die intention fasse/ erklaͤr mich dahin/ daß der teuffel freylich in den kindern des unglaubens wuͤr- cke einige einbildungen und concepten von glaubens sachen/ unter denen/ (um den uͤbrigen eine glaubwuͤrdigkeit zu machen) auch rechte wahrheiten seyn moͤgen/ er kan ihnen als ein kluger arglistiger geist/ welcher alle commentarios so je ge- schrie- ARTIC . I. DISTINCT . III. SECTIO XXXIV. schrieben wohl wissen kan/ und die sprachen verstehet/ von diesen und jenem spruch ungemeine wissenschafft bey bringen: und wo wir nun solche buchstaͤbliche wis- senschafft und die der innerlichen des heiligen Geists bey den glaubigen sich befin- denden/ und die wahrheit aus GOttes wort in ihnen versiglenden erleuchtung nacheiffernde starcke impressiones und einbildunden ein licht nennen wollen/ so zuͤndet er freylich ein licht an. Jch moͤchte aber solche conceptus und einbildun- gen nicht gern ein licht nennen/ sondern liesse solche ehr lieber allein den goͤttlichen wercken/ da GOTT ein licht und Vater der lichter heisset/ hingegen ist der teuffel fuͤnsternuͤß/ und ein fuͤrst der finsternuͤß/ der mehr verblendet als erleuchtet. Es sind ignes fatui und vielwehr schein-glaß als wahre lichter. Dieses wolte vermuthen/ wuͤrde N. N. meinung gewesen seyn. Doch kan davon nicht gruͤnd- lich antworten. Sonst ists freylich an dem/ daß die geister zu pruͤffen sind/ und zwar sonderlich solches daruͤber/ ob ihre erkaͤntnuͤß und lehre liecht oder fuͤnsternuͤß seye. 3. Das drttte betreffend/ wegen der ermahnung auff die predigt nicht mehr viel zu studi ren/ so will ich ja nicht hoffen/ ja bin gewiß/ daß es nicht so seye/ daß er solte die meditationes uͤber die predigten nicht billichen/ sondern verlangen/ daß man unbereitet auff die cantzel gienge. Als davon wir unterschiedliche mahl mit einander geredet/ und ich auch weiß/ daß er selbst seine predigten/ auffs wenigste die meisten/ concipi ret/ wie er mir dann zu weilen einige concept en nachmahl geschickt. Daher muß vermuthen/ es werde auff das jenige studi ren gemeint seyn/ wie ich weiß/ daß offters liebe leut meinen/ sie thaͤten ihren amt nicht genug/ wo sie einen text elabori ren sollen/ sie haͤtten dann prolixè alle commentarios und leute/ die daruͤber geschrieben/ durchgelesen/ mit langen nachsinnen eine kuͤnstliche und et- wa gantz verborgene/ dispositionem gefunden/ und dieselbe nachmahl mit aller- hand floribus, allegatis autorum Ecclesiasticorum und profanorum und der- gleichen vielen dingen/ die nicht zur erbaunng sondern eloquenz und erweiß der e- rudition gehoͤren/ aus geziehret. Wie ich von einem vor diesem gehoͤret zu haben mich entsinne/ der gesagt haben solle/ es solte ihm leid seyn/ daß er auff die cantzel stie- ge/ wann nicht alle tropi und figuræ in seiner predigt waͤren. Komts nicht so weit daß dieses fast die einige cura ist/ so gewehnet man sich doch offt dieses an/ daß man gleichwohl eine zimliche zeit auff solche unnoͤthige culturam anwendet: an die ich nicht leicht gedencke/ daß mir nicht leicht die wort Pauli 1. Cor. 1/ 17. 2/ 1. 4. 5. vor den ohren schallen. Dahin solte ich meinen/ das N. N. sehen moͤchte/ da er Eure Hoch-Ehrw. ermahnet/ nicht viel auff die predigten zu studi ren/ dem jenigen/ das man ins gemein fast das vornehmste studi ren achtet/ abzubrechen/ und die zeit an nuͤtzlichers an zu wenden. Aber fleißig auff dasjenige metidi ren/ und nach der sachen schwerigkeit und bewandnuͤß etwas von anderer gottseliger leute gedancken druͤber consuli ren/ was man der gemeinde Gottes als aus GOttes munde vortra- gen Das sechste Capitel. gen solle/ und also darauff bcdacht seyn/ wie man dasselbe nicht kuͤnstlich und mit dem befliessenen ruhm der zierde/ sondern auffs einfaͤltigste und nachtruͤcklichste/ vortragen woͤge/ ist so billich und nothwendig/ als wichtiger das werck selbst ist. A- ber solches studi ren und metidi ren wird darnach gemeiniglich nicht allzu viele zeit weg nehmen/ in dem es den menschen nicht in varia, davon der meiste zeit verlust kommet/ distrahi ret/ sondern die meditatio laͤsset sich bald in die sache selbs hinein/ und vertieffet sich gleichsam darein/ nebens hertzlichem gebet und untersuchung (nach dem es gewisse materi en sind) seiner eigenen in solcher sache erfahrung. Und da wirds gemeiniglich (wo wir sonderlich von leuten reden/ die durch GOttes gna- de ihre solida fundamenta und die analogiam fidei ohne mangel inhaben und verstehen/ und also gleichsam in allen stuͤcken nur conclusiones ex præmissis oder applicationes der principiorum zu machen haben/ nicht aber von denen/ die erst selbst muͤhesam lernen muͤssen/ was sie glauben sollen) nicht so gar lange zeit er- fordern/ sondern die copia rerum so beyfliessen/ daß man fast mehr zu thun hat/ das beste zu wehlen/ als vieles zu suchen. So studi ret man fleißig und machet sich doch die arbeit nicht zu schwehr: Welche absicht ich von N. N. in solcher freundli- chen erinnernug vermuthe. Aber wie erstmahls gemeldet/ kan ich nicht so voͤllige nachricht von allen ertheilen/ biß ich dieselbe von ihm selbs habe. So waͤre mir letzlich leid/ wo er sich mit gewissen sonderlichn phrasibus verdaͤchtig machte/ und den schwachen allzustarcke speiß vorstellete/ welches ja nicht wohl gethan waͤre/ gleich wie ich aber die phrases nicht weiß/ und die predigten nicht selbs hoͤre/ so kan ich widerum davon nicht urtheilen. Dieses bezeuge aber/ daß er mich allhier in gegenwart und offters in schreiben versichert/ daß er die hoͤchste einfaltbrauche/ und seinen zuhoͤrern die er wohl wisse/ daß sie schwach seyen/ niemahl nichts anders pre- dige/ als den gecreutzigten JESUM mit seinen wohlthat/ den glauben an ihn/ und dessen fruͤchte. Aber allemahl so/ daß er die leute gleich auff sich selbs und auff die pruͤffung fuͤhre/ zu untersuchen/ ob sie in sich dasjenige haͤtten/ daß sie sagten und be- kenneten: also wo er von dem gehoͤr goͤttlichen worts/ tauff/ abendmahl/ als den gnaden-mitteln handle/ daß er allezeit die leut dahin weise/ nicht nur bey den eusser- lichen wercke stehen zu bleiben/ und zu gedencken/ daß es damit ausgerichtet seye/ wo sie solche eusserliche mittel gebraucht haͤtten/ sondern daß sie in gebrauch dersel- ben mittel GOttes werck seinen platz bey sich liessen/ daß es ihnen kraͤfftig seye/ und also das innerliche/ so eben so wohl nach Goͤttlicher intention zu dem werck gehoͤ- ret nicht davon trenneten/ ja an diesem/ ob sie recht nach GOttes willen die mittel gebrauchet/ forscheten. Da dann/ wo es auff diese weise geschehe/ ich davor hiel- te/ das waͤre eine rechte milch speise und das zu treiben noͤthigste. Doch werde ich mich gern weisen lassen/ trage auch solches vertrauen zu N. N. daß er jeglichen erinnerungen/ wie er am fruchtbahrlichsten sein amt fuͤhren moͤge/ platz geben werde. Halte es auch vor eine hertzliche liebe/ und erkenne mich davor sonder- lich ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXV. lich zu danck verbunden/ wo mir von mir und meinen freunden/ was auch nur vor dubia von uns bey jemand sich finden/ vertraulich communici rt wird: als welches eine vonden vornehmsten fruͤchten der freundschafft ist. Jch habe aber um vergebung zu bitten/ das mit so langen brieff etwa hinderlich gefallen. 1681. 1. Aug. SECTIO XXXV. Z ur verwahrung vor abfall ist das buchstaͤbliche wissen nicht genug. Wegen adiunctur eines Predigers. E S hat mich dessen brieff von hertzen erfreuet/ und ist mir ein werthes zeug- nuͤß/ das mein hochgeehrter Herr so wol einen gottseligen eyffer vor die wah- re religion und erhaltung der dieselbe bekennenden/ sonsten betraͤngten/ ge- meinde trage/ als auch gruͤndlich verstehe/ worinnen das ware ungefaͤrbte Chri- stenthum bestehe/ ja was zu erhaltung der reinigkeit der lehr noͤthig seye. Dann wie derselbe wohl bemercket/ so ist gar leicht/ dem menschen von der wahrheit/ son- derlich mit vorstellung der herꝛlichkeit der welt/ abzubringen/ wo er in der erkaͤnt- nuͤß der wahrheit nicht wohl gegruͤndet ist. Solches gruͤnden bestehet nicht al- lein in einer buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß der articul unsers glaubens/ ob sie sich schon so weit erstreckte/ daß man mit den wider sachern zu disputi ren wuͤßte/ und dero- selben argumenta zu solvi ren verstuͤnde/ sondern es muß einmahl ein solcher glau- be vorhanden seyn/ daß der mensch in den liecht des heiligen Geistes die goͤttliche wahrheit erkenne/ und derselben auß dem goͤttlichen wort durch dessen wirckung in seiner seelen uͤberzeuget seye. Dieser glaube allein kan uns verwahren vor dem ab- fall/ da wir die guͤter selbs in unserer seelen erkant/ nicht nur aber blosse wort davon in die gedaͤchtnuͤß und in die gedancken gefasset haben/ welcher glaube alsdann wie er in dem grunde des hertzens wahrhafftig ist/ also reiniget er nochmahlen jemehr und mehr/ und machet einen menschen gantz anders gesinnet/ als wir sonsten von natur sind/ und darauß erfolgen alle uͤbrige lebensfruͤchte. Wo diese nicht vor- handen sind/ so ists ein gewisses zeugnuͤß/ der glaube seye nicht da. Was wun- ders ists dann/ daß ein solcher mensch leicht sich verfuͤhren laͤsset/ wo er die herꝛligkeit dieser welt sihet/ und bey anderer religion mehr hoffnung in den zeitlichen findet/ oder aber die scheinbare worte der verfuͤhrer anhoͤret? Welche angriffe viel zu starck sind/ als daß er sie durch die blosse buchstaͤbliche wissenschafft uͤberwinden/ und sich da gegen erwehren koͤnte. Daher der theure Arnd in seinem wahren Christenthum L. I. c. 37. 38. 39. schoͤn erweiset/ wie derjenige der Christo nicht im glauben/ leben und buß nachfolge/ in dem finsternuͤß bleibe/ solte er auch noch so ge- lehrt und geschickt seyn/ und daß folglich die lauterkeit der lehr nicht mit dem blossen O o o dis- Das sechste Capitel. disputir en erhalten werden koͤnne. Weswegen es ja das groͤste und theuerste kleinod einer kirchen ist/ da ihr GOtt die gnade thut/ sie mit solchen lehrern zu ver- sorgen/ denen er selbs die wahre lebendige erkaͤntnuͤß/ und solche den zu hoͤreren deut- lich und kraͤfftig bey zu bringen die gaben/ gegeben hat: daß sie ihnen zeigen/ es ma- che es weder die aͤusserliche bekaͤntnuͤß der wahren religion/ noch der aͤusserliche GOttes dienst/ im kirchen gehen/ beichten und abendmahl gebrauchen aus/ sondern die wahrheit muͤsse in unserem hertzen seyn/ die unser mund bekennet; wir muͤssen dem wort GOttes seine krafft lassen/ und an dem inwendigen menschen durch die heilige Sacramenten gestaͤrcket werden. Wozu wir also nothwendig die glau- bens punctem von dem goͤttlichen bilde/ von den verderben des menschen/ von der goͤttlichen gnade in Christo/ von dessen theurem verdienst/ von der wiedergeburth und erneuerung/ von dem alten und neuen menschen/ deren bewandnuͤß und streit/ von deren wahren GOttes dienst in geist und in der wahrheit/ und dergleichen ver- stehen/ daher auch davon unterrichtet werden muͤssen. Wissen wir davon nichts/ und verstehen es nicht nachmahl in der erfahrung/ so moͤchte uns die wissenschafft der sonsten insgemein im schwang gehenden religions-controversien nicht so gewiß verwahren/ als jene gruͤndliche erkaͤntnuͤß der heilsamen lehre. Weil denn nun mein hochgeehrter Herr samt uͤbrigen seinen Christlichen mit-gliedern davor halten/ daß ihr gegenwaͤrtiger prediger von alter und sonsten/ bey der gemeinde nach allen stuͤcken und mit allem vergnuͤgen/ sonderlich aber in vergleichung der bey den widerwertigen befindlicher eusserlicher gaben/ alles solches zu præstiren zu- schwach seyn moͤchte/ so ist nicht unrecht/ sondern der Christlichen sorgfalt gemaͤß/ daß etwa durch die adjunctur einer andern tuͤchtigen person des lieben mannes schwachheit unter die arm gegriffen werde/ und was moͤchte ermanglet haben bey jungen und alten so viel nachtruͤcklicher ersetzet werde. So erkenne ich mich ver- bunden/ da eine Christliche gemeinde meines raths sich hierinnen zu bedienen be- liebt/ mit recommendation und auff alle andere muͤglige art nachvermoͤgen an die hand zugehen/ bin dazu so willig als schuldig. Es wird aber noch einanders vorher zu wissen fast noͤthig seyn. 1. Ob die gesamte Christliche gemeinde solches siñes und sie also alle damit zu frieden? 2. ob der gegenwaͤrtige Herꝛ Pfarherr/ wie ich hoffe daß er sich nichts/ was er zu seiner gemeinde mehrerer aufferbauung dienlich/ solle lassen zu wieder seyn/ davon wisse/ und darein gehelle? Jn deme wider willen ihm jemand zu obtrudiren nicht thunlich/ sondern da er von sich selbst dazu nicht lust haben solte/ mit freundlicher remonstration dazu erstlich disponiret und be- wogen werden muͤßte/ ehe etwas außgemachet wuͤrde. 3. Worinnen eigendlich die functiones und verichtungen eines solchen adjuncti bestehen solten? Wo nun hierauff erstlich vergnuͤglicher bericht erstattet seyn wird/ so will ich nach allen mei- nen vermoͤgen dahin trachten/ ob ich eine person finden moͤchte/ welche der gemein- de intention gemaͤß waͤre. Es ist zwar nicht so leicht/ einen solchen menschen zu fin- ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVI. finden/ bey dem die rechte wahre lebendige erkaͤntnuͤß der goͤttlichen wahrheit und geschicklichkeit dieselbe verstaͤndiglich vorzutragen/ sich antreffen laͤsset/ wie ich aus der erfahrung so manchmahl bey denen/ die erst von den Universit aͤten kommen/ leider finde/ und wuͤrde man leichter unter denen die bereits in andern diensten ste- hen/ solche leuthe erlangen (welches aber ihnen nicht anstaͤndig/ alß die einen un- verheuratheten haben muͤssen) jedoch wollen wir hoffnung zu GOtt fassen/ daß derselbe uns jemand ersehen/ und/ da wir fleißig ihn anruffen/ so dann auf seinen finger acht geben werden/ denselben zeigen und schencken werde. Wie ich dann bereits auff einen feinen menschen einige gedancken habe/ weiß aber nicht ob man ihn wol bekommen moͤge. ꝛc. 26. Aug. 1681. SECTIO XXXVI. F reude uͤber vermehrung der srommen/ sonder- lich treuer diener GOttes. Schmertzen in der buß nuͤtzlich/ und nicht gleich nach trost zu eylen. E S ist freylich also/ daß wir ursach haben/ uns uͤber nichts mehr zu erfreu- en/ alß wo wir die gnade GOttes sich kraͤfftig hie und dar aus breiten/ sehen und hoͤren: und so vielmehr/ als wir in einer solchen zeit leben/ da derselben außschuß fast sparsamer scheinet zu gehen/ und daß allgemeine verderben bey nahen das wenige gute hin und wieder unterdruckt/ oder ja so bedecket/ daß es fast un- scheinbar wird. Wo wir dann noch gleichwol wahrnehmen/ daß nicht nur die je- nige/ welche uns vorhin bekant gewesen/ in dem guten bestaͤndig fortfahren/ und zunehmen/ sondern uns GOTT auch die freude giebet/ anderer orten her noch anderer gewahr zu werden/ bey denen wir gleich kraͤfftige gnade/ oder wohl gar derselben noch reichlichers maß/ antreffen; so ists je wehrt/ dem HErren davor demuͤthig danck zu sagen/ weil wir wissen/ daß wir mit allen solchen den HERRen liebenden und von ihm geliebten seelen in einer genausten vereinigung und die jenige gemeinschafft/ die wir in dem glauben bekennen (ob wohl viele weder von solches worts verstand/ noch der sache selbsten vieles wissen) und also in einem besitz aller geistlichen guͤter stehen/ sie seyen uns dem fleisch nach bekant oder unbekant; Dann so viel wir goͤttliches gutes an ihnen erkennen so viel dancks und freude verursachet uns solches billich/ wann wir bedencken/ alles solches gehoͤre uns so wol an/ und seye unser/ als es solcher lieben seelen ist/ die der HERR so genau mit uns vereiniget hat/ daß wir unter ihm dem hochgelobten haupt zu sammen glieder sind. Wie ich dann nicht leugne/ daß unter meinen unterschiedlichen verdrießlichkeiten/ welche ne- O o o 2 ben Das sechste Capitel. ben der arbeit offters mir obligen/ dieses mir eine der vornehmsten ergoͤtzlichkeiten ist/ daß durch eine sich weit erbreitende correspondenz fast wochentlich und mo- natlich noch einige moͤgen an fremden orten kunt werden/ von welchen ich entwe- der durch ihr eigen zuschreiben oder durch anderer zeugnuͤß erfahre/ was GOTT gutes in sie geleget habe/ sonderlich aber was die jenige anlangt/ so meines amts sind/ daß dergleichen mehrere kennen lerne/ die sich treue diener JEsu CHristi dar- zu stellen beflissen sind: woraus ich abnehme/ daß der HERR noch nicht sein an- gesicht von uns gewendet habe/ sondern durch seine treue werckzeuge noch einiges heyl seiner kirchen wiederfahren zu lassen mag bestimmet haben: von dero treuen rath und mit hand-anlegung als nicht weniger auch andaͤchtigem gebet/ ich auch hoffen kan/ daß noch mehr gutes zugewarten seye; welches ja die einige hoffnung und vergnuͤgung unseres lebens seyn mag/ ausser dero sonsten daß uͤbrige ansehen deß in dem gegentheil hinwiederum an allen orten uͤberhandnehmenden verderbens meine seele fast gar niderschlagen solte. Also freue ich mich daruͤber hertzlich/ daß auch in diesen stuͤcken mein außerwehlte freundin mit mir eines siñes ist/ und uͤber die kundschafft mit Heꝛr N. N. uñ seiner liebsten/ wegen der an ihnen verspuͤreten goͤttli- chen gnade/ ihre hertzliche vergnuͤgung bezeuget. Wie dann dieses rechte materi- en sind/ der freude wuͤrdig/ alß die biß in die ewigkeit sich erstrecken/ da hingegen die uͤbrige meiste dinge/ die sonsten den menschen freude machen/ mit der zeit verge- hen/ und also die freude davon nicht durchdringender seyn kan. GOtt lasse auch die theure Fuͤrstin in seiner himmlischen huld und hut allezeit bleiben/ und erfreue sie an allen dem/ was ihr hertz verlangen kan/ sonderlich an voͤlliger erfuͤllung des so viele jahr schmertzlich gebet denen/ welche sich nun anfaͤngt zu zeigen. Daß im uͤbrigen es hart und nicht ohne schmertzen abgehe/ laßt uns nicht wundern. Die selige geburt hat ihre wehen/ und so lang sie gleichsam verschoben worden/ so viel empfindlicher sind diese. So ist der trost nicht allemahl der jenige/ daß uns zu je- derzeit nutz ist/ sondern zu weilen wircket die bange trostloßigkeit mehrers und be- staͤndigeres gutes. Ja es ist so zuweilen nicht nutzlich/ vor der zeit entweder den trost allzubegierig zu verlangen/ noch sich zu viel darnach zu bestreben/ wie man ihn ins hertz bringe: sondern es muͤssen zuweilen die hertzen erst durch eine lang anhal- tende angst zu den wahren trost recht geschickt gemacht werden/ bey denen der trost vor der zeit etwa mehr hinderlich waͤre. Jch werde nicht vergessen/ auch dieses geist- liche anligen der goͤttlichen weißheit und guͤtigkeit in meiner einfalt vorzutragen: welche nach den finstern werck das gnaden liecht wieder blicken und offenbahr scheinen lasse. So der HERR gewißlich wird geschehen lassen/ wo nur seine gna- de lauterlich gesuchet/ und die liebe der welt nicht auffs neue erwehlet wird. 30. Aug. 1681. SECT. ARTIC . I. DISTINCT. III. SECT . XXXVII. SECTIO XXXVII. A ls ein Christlicher prediger remouirt worden. Vorhaben eine apologie zu schreiben. Auff was art das nimium Studium Philosophiæ zu bestreiten. Christ- liche gelassenheit zu einem be- ruff. A Us dem uͤberschriebenen ist mir von der historia so viel bekand/ als noͤthig gewesen und ich verlangt. Der HERR wolle allen solchen/ die hierinnen moͤgen wieder die liebe und warheit gesuͤndiget haben/ solches zuerkennen ge- ben zu guͤtiger vergebung. Mein liebster bruder wird selbs seines orts sich fleißig untersuchen/ ob er etwas an sich finde/ daß in dieser gantzen sache der heilige eyf- fer vor GOttes ehre mit einigem fremden feuer vermischt gewesen/ (welches in un- sere schwachheit so gar leicht geschehen kan) oder einige unvorsichtigkeit der wiedri- gen haß befordert/ oder ihnen daß schwerdt in der hand gegeben. Welches wir alsdann auch so viel hertzlicher zuerkennen/ als offenbahrer etwa in andern dingen die unbilligkeit sein moͤchte/ die wir erlitten haͤtten. Sonderlich aber wuͤnsche ich denen/ welche solche tragrediam etwa aus fleischlichen affecten moͤgen angefan- gen/ und nachmal andere an sich gehaͤngt/ so dann die academien mit darein ge- zogen haben/ daß sie der HERR zu dessen wahrer erkaͤntnuͤß bringe/ auff daß es ihnen verziehen werde. Jch kenne niemand von allen/ und weiß keine weitere par- ticularia, als von demselben selbs habe. Ob die acta herauszugeben solt rath- sam seyn/ weis ich nicht/ kan auch solches nicht beurtheilen/ weil ich keine voͤllige wissenschafft davon habe. Jedoch bitte ich freundlich die sache in deꝛ furcht und an- ruffung GOttes fleißig und reifflich/ etwa auch mit einigen Christlichen freunden/ zu uͤberlegen/ und nichts zu uͤbereylen/ wie denn in dieser sache weniger mit schwei- gen als mit schreiben gefehlet werden kan. Sonderlich wolte ich ja nicht rathen/ ehe und bevor GOtt eine stelle wiederum angewiesen hat/ eine solche apologiam zu publiciren / welche beforglich nachmal einer beforderung mehr als das vorige ungluͤck entgegen stehen moͤchte. Wo aber GOtt gnade giebet/ und wiederum meinen werthesten bruder an seinen dienst setzet/ so wolte nicht entgegen seyn/ daß derselbe durch ein oͤffentliches scriptum nicht so wol unter den nahmen einer de- fension als declara t ion seine sache der Evangelischen kirche vortrage/ jedoch wel- ches zwar ohne das mich zu ihm versehe/ ohne bitterkeit oder hefftigkeit/ welche art zuschreiben uns Christen so wol anstaͤndiget ist/ als hingegen den widrigen schweh- rer faͤllet/ weil der leser/ wo er auf einer seiten offenbahre fleischliche hefftigkeit/ auff O o o 3 der Das sechste Capitel. der andern aber eine bestaͤndige Christliche sanfftmuth wahrnimmet/ so viel leichter sich zur erkaͤutnuͤß der wahrheit zu lencken pfleget. Jm uͤbrigen das Cacoethes des nimii studii philosophici belangend/ ists freylich an deme daß solches wohl meriti ret/ starck angegriffen zu werden/ denn es uns taͤglich schaden thut: und was ist die Theologia scholastica / dagegen Lutherus und nach ihm so viel andere mit recht geiffert/ anders/ als ein fœtus des intempestivi und ausser seineꝛ limitum gezogenen studii philosophici? Jch stelle es aber seinem Christlichen und verruͤnfftigen nachsinnen anheim/ wo er dasselbe nach habenden gaben und trieb zu seiner zeit anzugreiffen gesonnen ist/ ob er rathsamer thun wuͤr- de/ solches durch die bis daher vorgenommene und von andern unsern Theologis mißbillichte principia und phrases zu thun/ oder vielmehr alle solche/ die ihme contradici ret werden moͤgen/ bey seite zu setzen/ und die jenige principia zu behal- ten/ die ihm von keinem academico koͤnnen bestritten werden/ sondern sie dieselbe muͤssen passi ren lassen/ (wo nehmlich der philosophiæ ihre ehre bleibet/ sie aber in ihren schrancken verwiesen/ ja gar gezeiget wird/ daß wir in diesem statu corru- pto fast keine wahre philosophiaam finden/ die nicht etwas liecht aus der Theo- logia entlehnet/ und sich von deroselben hat einreden und reformi ren lassen) hin- gegen bey solchen præsuppositis und concessis oder facile concedendis in con- vincendis nachmahl alle diejenige conclusiones zu treiben/ welche eben so kraͤfftig ja kraͤfftiger den vor augen schwebenden mißbrauch werden angreiffen/ dessen greuel vor augen legen/ und die leute davon abschrecken. Dann weil ich weiß/ daß es ihme lauterlich um die ehre GOttes und das heil der kirchen und studi ren- den jugend zu thun seyn wird/ so deucht mich/ wir haben solchen zweck zu erhalten lie- ber die jenige propria und wege zu erwehlen/ welche bey den meisten angenommen und nicht widersprochen worden/ aber eben des wegen nachmahl wider die folge nichts erhebliches vorbringen koͤnnen/ sondern sich der wahrheit gefangen geben muͤssen/ da hingegen denjenigen/ so nicht gern an eine conclusion wollen gehen/ an- genehm ist/ wo sie aus principiis gezogen wird/ / gegen welche sie rechtmaͤßige ur- sachen zu excipi ren zu haben meinen/ ja manchmahl insgesamt die jenige damit gravi ren/ daß man sie auff dergleichen etwas verwerffliches habe gruͤnden wollen/ daß wo man sie darnach aus gewissen gruͤnden auch dar thut/ sie es noch entgelten muͤssen. Der HERR gebe hierinnen auch geist/ weißheit und gnade seine wahr- heit auff dergleichen art zu vertheidigen/ daß der verhoffte zweck moͤge erhalten werden/ und erbarme sich ins gesamt uͤber das aller orten fast durch und durch uͤber- hand genommene verderben/ daß wir nicht gnug uͤbersehen koͤnnen/ weniger nach- druͤcklich zu helffen wissen. Die andere sache belangend hat mich hertzlich erfreuet/ daß mit GOTT die resolution gefasset worden/ wo der goͤttliche finger durch wuͤrckliche vocation dahin zeigen wuͤrde/ willig zu folgen. Nachdem nun mein geliebter bruder sich dem ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVIII. dem willen seines allerliebsten vaters in gehorsam uͤberlassen und solchen entschluß dem eingeben fleisches und blutes vorgezogen hat; So verfuͤge derselbe itzo nach seinem heiligen und weisen rath/ was er daß heilsamste erkennet. Hingegen kan er versichert seyn/ solcher treueste Vater wird ihn zu nichts setzen/ darzu er nicht die kraͤffte geben wird/ in dem ja leben und gesundheit in seine hand stehet/ und er auff gleiche weise an allen orten uns erhalten kan. Geschiehet es nun/ so achte ich/ der HERR hat ein grosses durch ihm vor/ so lasse er sich auch demselben als ein werck- zeug in desjenigen hand/ die ihn selbs fuͤhret/ und alles durch ihn thut/ so wird der Goͤttliche rath durch ihn bey einer solchen volckreichen gemeinde herrlich von statten gehen/ und wir offtmahlige ursach noch finden/ seine himmlische guͤte zu preisen. Jsts dann daß der HERR unsere gedancken nicht von statten gehen lassen wird/ sondern die vocation ausbleibet/ so bin verfichert/ es wird ihm der allerliebste Va- ter nicht nur gefallen lassen den demuͤthigsten willen/ damit sich derselbe in den sei- nigen gantz hingeben wollen/ sondern auch einen andern platz ersehen haben. 7. Sept. 1681. SECTIO XXXVIII. D ie hertzlichste freude aus der geistlichen freund- schafft wahrer Christen: derselben nutzen. Auffmunterung darzu. S Ein liebreiches hat mich neulich inniglich eꝛfreuet/ weil aus solchem widerum eine liebe seele erkant/ die mit uns alle in wahrer gemeinschafft der seligen guͤ- ter stehet. Wie nun diese allein die guͤter sind/ die bleiben werden/ wann al- les vergehen soll/ und die welt mit ihren lockschaͤtzen die jenige verlassen wird/ wel- che mit ihr gehuret haben/ also ist auch allein die jenige gemeinschafft bestaͤndig/ welche auff diesen bestaͤndigsten beruhet/ und in dero gemeinen besitz bestehet. Da- her dann immer derselben mehrere kennen zu lernen/ ist einen hertzen/ welches an- fangt zu erkennen/ woran ihm allein alles gelegen/ eine viel groͤssere freude/ als in der welt eine freude seyn kan/ guter freunde in mehrer zahl gewahr zu werden/ so gleichwohl ins gemein eines der vornehmsten stuͤck der gluͤckseligkeiten dieses lebens pfleget geschaͤtzet zu werden. Dann nachdem billich in allen stuͤcken unsere erstes und letztes seyn solle die ehre unseres GOttes/ daß derowegen unser weiseste Hey- land sein kunst-gebet des Vater unsers mit solcher bitte anfaͤngt/ und den ange- hengten lobspruch damit schliesset/ so mag uns nichts mehr freuen/ als wo wir solche ehre am me i sten befoͤrdert/ daß ist seinen heiligsten nahmen geheiliget werden sehen/ welches aber in nichts vortrefflicher geschiehet als in und an den glaͤubigen. Dann ob wohl alles was in der welt ist und geschiehet/ nothwendig zu letzt diesen ausgang haben muß/ mit oder wider willen daß endlich des HERRN ehr durchdringe und so Das sechste Capitel. so gar selbst durch das boͤse in dessen straffe oder verbesserung sich herrlich darstelle: so ist doch diese art der Goͤttlichen guͤtigkeit und liebe am gemaͤssesten/ wo er seine ehre in mittheilung seiner gnade an seinen creaturen erzeigen kan/ die unter ande- ren allen (dann abermahl keine creatur ist/ welche von aller goͤttlichen gnade laͤhr ausginge) an den glaͤubigen am vollkommensten geschiehet/ als denen GOtt nicht nur einige ausflluͤsse seiner wuͤrckungen sondern sich selbst mittheilet/ und in sei- ne eigene gemeinschafft auffnimmet. Daher dieses unzwtiffendlich bleibet/ daß dieses die groͤsseste verherrlichung GOttes seye/ da immer der jenigen mehrer wer- den/ die sich von GOTT in seiner ordnung bereiten lassen/ daß sie dessen und alles reichthums seiner herrlichkeit theilhafft werden moͤgen. Wie uns nun also aus der liebe zu der ehre unseres glorwuͤrdigsten GOttes dieses die angenehmste freude ist/ viel solcher bruͤder und miterben der gnade des lebens/ und folglich der ehre des HERREN zu wissen und kennen zu lernen/ so vermehret sich solche freude so vielmehr/ wo wir dabey betrachten/ was vor herrlichen vortheil wir davon haben/ indem wir deroselben liebe in dem geistlichen viel nachdruͤcklicher zu geniessen haben/ als in den dingen dieser welt unter freunden einer von des andern besten nutzen hat. Die sich in solcher wahren gemeinschafft in CHRJSTO erkennen/ wissen sich verbunden/ jeglicher das jenige maß der gnaden/ so gering oder reichlicher empfan- gen hat/ zu des andern besten treulich an zu wenden/ und also mit seiner gabe zu die- nen/ und wie solches mit wahrer treu geschiehet/ so hats so vielmehr krafft und nu- tzen. Da ermunteren sie einander mit erinnerung und trost/ und entzuͤnden im- mer des eines seuers funcken des andern flamme so vielmehr. Sonderlich aber ist die bruͤderliche vorbit das allertheuerste/ und von den vornehmsten fruͤchten der ge- meinschafft der heiligen. Nun ists zwar an den/ daß solche vorbitt auch allge- mein gehet von jeglichem Christen vor alle seine mitbruͤder/ sie seyen ihm dem fleisch oder auch nahmen nach bekant/ wie ja die gemeinschafft in die enge schrancken der eusserlichen bekantschafft sich nicht einziehen laͤsset: jedoch ist kein zweiffel/ daß das auch befonders vor die uns aus Goͤttlicher gnade auff einigerley weise nach dem guten das in ihnen ist bekand gewordene thuende gebet so viel mehr in sich habe/ als die in denselben erkante Goͤttliche gnade die gegen sie tragende liebe inbruͤnstiger ge- machet hat/ aus welcher solches gebet heraus fliesset. Aus diesen ursachen ists freylich so/ daß es Christlichen hertzen eine innigliche freude zu wegen bringt/ als woraus sie immer neue ursachen finden/ den himmlischen Vater zu preisen/ und wissen daß sie an jenen eine gute befoͤrderung ihres geistlichen guten haben. Eben diese ursach hat mir auch sein werthes schreiben so viel angenehmer gemacht/ weil ich aus demselben/ da noch unseres Heylands ausspruch der mund aus den uͤberfluß des hertzens redet/ die in ihm gelegte Goͤttliche gnade und gegen mich bezeugende hertzliche liebe samt versicherung Christlicher vorbitte und verlangen nach der mei- nigen erkant habe. Welches lauter ursachen sind inniglicher freude. Nun der HErr ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXXVIII. HERR verbinde unser hertzen immer mehr und mehr in solcher hertzlichem bruͤ- derlichen liebe unter einander/ lasse auch die jenige/ welche gleich gesinnet sind in CHRJSTO JESU/ von allen orten je mehr und mehr einander offenbahr und bekant werden/ welches ein vortreffliches mittel seyn wird solcher gnauen ver- knuͤpffung: So lasse er uns rechtschaffen seyn und werden in der liebe dadurch so viel mehrere moͤgen befoͤrdert werden/ zu wachsen in allen stuͤcken an dem/ der das haupt ist/ CHRJSTUS. Wir haben so vielmehr ursach zu solcher verbin- dung/ als mehr wir sehen/ daß in der welt/ die dero liebe und eitelkeit ergeben sind sich alles fleisses mit losen stricken unrecht zu thun und mit wagenseilen zu suͤndigen zu sammen koppelen/ damit sie so viel staͤrcker werden/ das boͤse auszufuͤhren/ oder auch die Gottselige zu unterdrucken. Warum solten wir dann nicht uns eben so wohl mit fleiß zusammenthun/ die wir ohne das zur liebe beruffen sind/ und unsere verbindung in nichts verdaͤchtigs noch unrechts bestehet/ oder zu leiblicher gewalt angesehen ist/ sondern bestehet allein in geistlicher vereinignug der hertzen gegen ein ander/ in erkantnuͤß deß guten/ welches der HErr in jeglichen geleget hat/ in gemein- schafftlichen gebet und danck vor die guͤter in dero gemeinen besitz wir neben einander stehen und in auffmunterung unter einander unserm treusten Hey- land treu zu bleiben/ um dermahleins in der offenbahrung unserer herrlichkeit sol- ches reich und erbe mit einander voͤllig anzutretten. Welches lauter dergleichen dinge sind/ da wider nichts sagen kan wer nur den nahmen eines Christen traͤget/ daraus auch weder trennung noch absonderung oder einige sonderlichkeit folget/ da vor wir uns sonsten zu huͤten haben. Nun der HErr der GOTT unsers HEr- ren JESU CHRJSTJ/ der Vater der herrlichkeit gebe uns zu erhaltung sol- ches zwecks den Geist weißheit u. der offenbahrung zu seiner selbst erkaͤntnuͤß und er- leuchtete augen unseres verstaͤndnuͤß daß wir erkennen moͤgen welche da seye die hoffnung unsers beruffs/ und welcher da seye der reichthum seines heiligen erbes an seinen heiligen/ und welche da seye die uͤberschwengliche groͤsse seiner krafft an uns/ die wir glauben nach der wuͤrckung seiner maͤchtigen staͤrcke. Erhalten wir dieses/ wie wirs mit andaͤchtigen gebet gewiß erhalten werden (dann wir beten ja darinnen nach seinen willen) so haben wir alles/ so wird damit der glaube/ als eine wurtzel alles guten bey uns gestaͤrcket (dann derselbe hat nichts anders vor sich/ und ergreif- fet nichts anders/ als die in CHRJSTO uns geschenckte gnade/ ja bereits wuͤrcklich ertheilte seligkeit/ welche wir in der tauff empfangen haben/ ihrer nach den maß des zustandes zu geniessen/ und noch auff die voͤllige offenbahrung dero- selben warten) die liebe wird gegen die mitgenossen solches herrlichen erbes immer bruͤnstiger/ und die danckbahre begierde dem allerliebsten Vater hin wider auch zu ehren und gefallen zu leben wird auch staͤts eiffriger. Wie hingegen aller mangel in dem geistlichen daher kommet/ daß es sehr fehlet an der rechten lebendigen er- kaͤntnuͤß der so trefflicher himmlischer schaͤtze: als dabey es gemeiniglich bey einer P p p buch- Das sechste Capitel. buchstaͤblichen wissenschafft der wort/ so wir davon gehoͤret haben/ bleibet/ und nichts in das hertz kommet/ daher auch so gar schlechte fruͤchten folgen. 9. Sept. 1681. SECTIO XXXIX. F rucht des predigamts bleibet nicht aus. O b sie auch in geringer maß/ nicht zu verachten: Marc. 4. ver- dacht irriger lehr aus der lehr von der heiligung und le- b e ndigen glauben: die doch allerdings Lutherisch. Viele boͤse in predigamt aus Goͤttlichen gericht. D Er freundliche bericht von dem segen/ welchen GOTT zu dem anfang des anbefohlenen amts gegeben/ hat mich von hertzen erfreuet. Es bleibet einmahl dabey/ daß so wenig frucht aus den predigten meistens folget/ ist ein zimlich stuͤck der ursach bey uns selbs/ daß wir offt das wort des HERRN nicht mit solcher treu vortragen/ wie es geschehen solte. Wo wirs aber in seiner lauterkeit vorlegen/ und allemahl das jenige vornehmlich und meistens treiben/ was eben damahls und solchen leuten das allernothwendigste und dienlichste ist/ so wird gewiß die verheissung des HERREN erfuͤllet werden/ daß es eben so wenig solle leer und ohne frucht widerum/ nach dem es aus seinem munde gegangen ist/ zu ruͤck kommen/ als wenig der regen und schnee ohne fruchtbahrt machende krafft zu bleiben pflegen/ sondern die erde befeuchten/ und die fruͤchten befoͤrdern. So zeiget sich auch die sache noch heut zu tag in der erfahrung/ daß nicht leicht irgend ein prediger auffstehen wird/ der mit sonderlichem eiffer das werck des HER- REN zu treiben anfaͤngt/ und nicht in der fast allgemeinen schlaͤffrigkeit liegen bleibet/ daß nicht also balden die gemeinde wird rege werden. Woraus zu sehen/ daß weder die krafft dem Goͤttlichem wort benommen/ noch welche hertzen so gar verstocket seyn/ daß nichts mehr da hinein gienge/ oder sie nichts mehr fuͤhlen/ son- dern es mangle an den jenigen/ so mit dem wort allzu nachlaͤßig und kaltsinnig um- gehen. Es wird aber gemeiniglich die doppelte wuͤrckung haben/ wie es auch vor diesen geheissen hat. Es seye ein geruch des lebens zum leben/ denen die da glauben/ und ein geruch des todes den halßstarrigen. Wie mein werther bruder selbs er- faͤhret/ daß so wohl einige durch die von ihm treibende wahrheit in goͤttlichem segen sich zu bessern anfangen/ als andere daruͤber ihre unzufriedenheit bezeugen/ und sich einige laͤsterungen zu regen anheben. Jenes ist eine sache an sich selbs/ davor dem himmlichen Vater hertzlich dauck zu sagen/ dann was ist koͤstlicher und mehrer freude ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XXXIX. freude wuͤrdig/ als wo man die ehre des HERREN und der selen heil befoͤrdert sihet? Dieses ob wohl betruͤblich/ ists doch beyneben eine gute anzeige/ daß das wort treulich getrieben werde/ und der teuffel es fuͤhlen muß/ daß es ihm weh thue/ weil er sich anfaͤngt in seinen werckzeugen zu regen. Das erste betreffend/ da sich etzliche gute fruͤchte zeigen/ haben wir nicht allein davor den HERREN / so das gedeyen zu dem pflantzen und begiessen gegeben/ demuͤthig zu dancken/ sondern auch eines theils desto getroster fortzufahren/ da solcher segen uns weiset/ unser werck und arbeit gefalle GOTT wohl andern theils doch auch mit gedult des wachs- thums zu erwarten. Jch weiß wie es hierinnen zu weilen lieben hertzen gehet/ daß ich deswegen solches gern melde: Daß nehmlich offters Christliche lehrer/ ob sie wohl ein und anders gutes bey ihren gemeinden anfangen zu sehen/ daß das boͤse etwas abnimmt/ und hingegen ein anfang des guten sich weiset/ weil sie aber fin- den/ das solcher anfang noch gar schwach/ und des boͤsen so viel noch vorhanden ist/ sich nicht so wohl uͤber jene goͤttliche gnade erfreuen/ und sich damit auffmuntern lassen/ als nur staͤts nidergeschlagen bleiben/ weil sie noch nicht so vieles ausrichten koͤnnen/ als sie verlangt/ und freylich zuwuͤnschen waͤre; Damit sie aber so wohl zu dem danck gegen GOTT vor daß gewuͤrckte/ als auch zu freudiger fortsetzung der arbeit/ so als dann so viel besser von statten gehen wuͤrde/ fast traͤge/ oder ihnen doch ihre verrichtungen deswegen so viel schwehrer gemacht werden/ zu geschweigen daß auch der muth einer gemeinde/ auch den besten aus ihnen/ sehr faͤl- let/ wo sie meinen/ man achte des jenigen guten an ihnen gar nicht/ was gleich wol bereits angefangen ist; Wie wir hingegen sehen/ daß zu weilen die Apostel auch solchen gemeinden/ daran sie gleichwohl noch vileles zu straffen gehabt/ in den brief- fen an sie einiges lob haben widerfahren lassen/ sie damit in dem guten anfang desto eiffriger fortfahren zu machen. Wir wissen wohl aus der natur/ und werden von unserem liebsten Erloͤser selbs darauff gewiesen Marc. 4. daß der same/ ob er auch ein gut land antrifft/ nicht stracks die zeitige frucht bringe/ sondern es gibet erstlich eine gruͤne saat/ die schier von einer wiese wenig unterscheid hat/ nachmahl fangen erst die halmen an auffzuschiessen und gibts aͤhren/ bis auch die- selbe durch die zeit reiff werden. Daher wo wir nur erstlich einige ob wohl schwa- che anfaͤnge einer aͤnderung gewahr werden/ soll uns solches schon einen muth ma- chen zu glauben/ es werden auch allgemach die aͤhren und in demselben die koͤrner folgen. Wo mit ich zwar nicht sagen will/ daß man da wo ein anfang sich zeiget/ solle nachlaͤßig werden/ und davor halten/ es seye nun gnug/ wo mans nur dabey erhal- te/ sondern wir muͤssen immer drauff sehen/ und den anfang bey uns und andern eine auffmunterung zu mehrern fleiß werden lassen. Was die laͤsterung belangt/ daß es fchon heissen will/ er seye nicht gut Lutherisch/ lasse sich geliebter bruder die sache auch nicht fremd vorkommen/ als der so viel liebe exempel anderer bruͤder hat/ denen es allezeit auch so gegangen. Jedoch wird von noͤthen seyn/ solcher laͤste- P p p 2 rung Das sechste Capitel. rung auff Christliche und sanfftmuͤtige art zu begegen/ nehmlich daß man solchen lohn/ die der welt so hart vorkommen/ und sie dieselbe in verdacht ziehen will/ ja des- wegen nicht anfange zu verlassen/ oder das wenigste davon abzuweichen/ wie wir denn nichts von der Goͤttlichen wahrheit verlassen doͤrffen/ und eben mit solchen zu- ruͤck halten als dann den verdacht staͤrckten/ man habe zu vor unrecht gelehret/ sondern daß man sie vielmehr desto oͤffter vortrage/ und erstlich mit den klaͤhresten und austruͤcklichsten spruͤchen der Schrifft der massen bewaͤhre/ daß die gewissen wahrhafftig davon uͤberzeuget werden/ darnach aber ist nuͤtzlich/ auch aus unse- ren LL. Symbolicis und Luthero offters den consensum anzufuͤhren/ damit also unsern leuten augenscheinlich gezeiget werde/ daß wir nichts anders vortragen/ als was allezeit unsre kirche erkant/ und oͤffentlich bekennet hat: ja daß wir muͤssen auffhoͤren Lutherisch zu seyn/ wo wir solche lehr verlassen. Da hat mich nun al- lezeit so sehr vergnuͤgt in den art. Smalc. 3. pag. 118. Spiritus Sanctus non sinit. \&c. Am allerkraͤfftigsten aber habe ich befunden den guͤldenen ort Luth. in der in die Bibel einigeruͤckten vorrede uͤber die Epistel an die Roͤmer/ wo der glau- be/ was er und seine krafft seye/ mit solchen worten beschrieben wird/ daß wir ent- weder sagen muͤssen Lutherus seye nicht richtig in dieser lehr gewesen/ oder es seye kein lebendiger seligmachender glaube ohn ein heiligen und mit guten wercken fruchbahrs leben. Damit aber niemand gedencke/ es waͤre eben einmahl unbe- dachtsamer weise dergleichen von unseren theuren lehrer geschrieben worden/ so sind seine schrifften dieser sachen gantz voll/ sonderlich in seinen liebsten buch der kir- chenpostill braucht er fast gerad dieselbe wort/ und sind sie auch von unsren verfas- sern der F. C. wuͤrdig geachtet worden/ daß sie derselbe weitlaͤufftig in den articu- lum de B. O. einge uͤcket/ und sie also vor andern merckwuͤrdig muͤssen geachtet haben. Ja es ist auch nicht aus der acht zu lassen/ das gleich nach citi rung der sel- bigen wort dabey stehet: Quia vero de hac re inter nostros non est contro- versia. Daß also unsre theure alte lehrer/ so diese Conf. auffgesetzet/ die in solchen worten enthaltene lehr/ daß der glaube nicht seye eine muͤßige oder unfruchtbahre einbildung von CHRJSTO/ sondern eine lebendige und vieles wuͤrckende Goͤtt- liche krafft/ vor mir solche wahrheit erkant/ daß gar kein streit in der Evangeli- schen kirchen von deroselben seye. Wo dieses den leuten offt gezeigt/ sonderlich bey gelegenheit etlichen derjenigen/ so etwa selbs solche laͤsterung gehoͤret/ dargethan werden koͤnte/ so moͤchte derselben stattlich begegnet/ auffs wenigste dieses ausge- richtet werden/ daß damit nicht so kuͤhn fortgefahren werden doͤrffte. Jedoch weiß ich wohl/ daß wie mit nichts dem teuffel seine boßheit so hindertreiben werden/ daß sie sich nicht bald in diesem bald in jenem annoch heraus lasse. Ja uns nur damit genuͤgen solte/ wo wir uns befleissen/ so viel zu rettung der wahrheit zu thun als daß er uns mittel und gelegenheit gezeigt hat/ nachmahl vollends mit gedult die malzeichen des HErren zu uͤbernehmen. Daß auch ihres orts unter den so genan- ten ARTIC . I. DISTINCT. III. SECTIO XL. ten geistlichen der gottlosen gar viele seyen/ ist zwar betruͤblich/ aber nicht hoch zu verwundern/ in dem es fast eine allgemeine klage. Ach daß der HERR darein sehe/ und da es die jenige/ welchen er unter menschen hiezu die macht und gewalt gegeben hat/ krafft tragenden ihren amts fast nirgent thun wollen/ so befreye er doch auff ihm bekante weise endlich seine arme kirche solcher schaͤdlichen und untreu- er arbeiter: Jch achte es auch/ der HERR wirds alsdenn gewiß thun/ wo von der gemeinde mehrere sich die furcht ihres GOttes/ und liebe zur wahrheit treulich- cher werden lassen angelegen seyn. Dann ich achte dieses als ein stuͤck deß durch so grobe suͤnden und halstarrigkeit der leuthe verursachten gerichts/ daß er insge- mein an den meisten orten der gleichen hirten auff stehen laͤsset/ wie die jenige wehrt seind/ zu den sie kommen/ und also manche in zorn gegeben worden sind. 9. Sept. 1681. SECTIO XL. W ie wenig von reformation des geistlichen stan- des zu hoffen. Besorgte goͤttliche reformation. Censur des gedenckbuͤchleins. Dilfelds vorhaben. Ob man die wort erneuerung und heiligung auslassen solle. Wie Paͤpstische hypotheses in die kirche einreissen wollen. Daphnæi Arcuarii tractat. D Aß es schwer hergehen werde mit der reformation des so genanten geistli- chen standes/ ist freylich wahr; ja ich sehe fast keine hoffnung dazu/ weil die- se sich nicht werden reformiren lassen/ noch auch viele obrigkeiten sind/ die dazu verstand und eyffer haben: Vielmehr werden die meiste lieber solche leuthe ha- ben/ welche mit ihrem uͤblen verhalten ihr amt selbst veraͤchtlich machen/ als solche personen darinnen wissen/ welche/ da es ihnen pur allein um GOtt zu thun ist/ und ihr gewissen in allem in acht nehmen/ besorglich den Regenten selbst darnach nicht in allem/ worinnen nehmlich sie ihr reich wider reich Christi befestigen wolten/ fuͤ- gen oder zu allen dermassen schweigen moͤchten/ wie die jenige thun muͤssen/ denen das eigene boͤse gewissen selbst den mund schliesset. Daher wirds wohl langsam her gehen/ wo von der Obrigkeit/ wie es ordentlicher weise her gehen solte/ solche reformation angestellet werden solte. Es moͤchte aber vielleicht GOtt auff eine andere art die sache angreiffen/ und unsere kirche/ was das aͤusserliche derselben und die gegenwaͤrtige verfassung anlangt/ samt dem Ministerio auff einmahl uͤberhauffen werffen lassen/ wo er nun den verfolgern eine freyere hand als bißda- her oͤffnen wird. P p p 3 Da Das sechste Capitel. Da duͤrffte alsdenn wo das wetter der verfolgung ausgewittert/ der HErr die reliquias der seinigen in besse ordnung samlen. Wie es etwa zu weilen ge- schehen kan/ daß ein gulden oder silbern gefaͤß nicht mehr durchaus gesaubert und zurecht werden mag/ als das mans gar in schmeltz offen werffe. Wir sehen die gefahr/ die ich sorge/ fast vor augen/ und sinds also keine ænigmata mehr/ wo wir von den goͤttlichen gerichten drohen. Der HErr lasse sie mit grosser schonender barmhertzigkeit gemildert werden/ uns aber gebe er dabey gnade/ seinen rath und willen zu erkennen und uns unter seine gewaltige hand zu demuͤthigen/ ja in allen auch dieselbige/ da sie fleisch und blut so wehe thut/ nichts desto weniger zu preis- sen. Was den autorem der censur uͤber das gedenck-buͤchlein anlanget/ kan ich von ihm nicht judiciren, als der ich dem nahmen meines entsinnens nicht gewiß weiß/ vielweniger mir die beschaffenheit seines gemuͤths und wie viel unwissenheit oder boßheit bey ihm seyn muͤchte/ bekant ist. Deꝛ HErr gebe allen/ welche mit ge- schlossenen augen bißher sehen wollen/ gnade/ dieselbe auff zu thun: sonderlich aber reinige er die jenige von ihrer boßheit/ welche biß daher solten wissendlich sich der er- kanten wahrheit widersetzet haben/ dero condition wahrhafftig vor GOtt gefaͤhrlicher ist/ als man wol gedencken moͤchte/ indem sie gemeiniglich einem gericht der verstockung ziemlich nahe sind. Was die paradoxa aus meiner Postill an- langt/ habe solche noch nicht gesehen/ auch Herꝛ N. mir davon noch keine eroͤffnung gethan/ der dazu neulich bey mir gewesen. Jch wil ihn aber annoch darum ersu- chen. Herr Dilfeld ist aber mahl aussen geblieben/ ich weiß aber noch nicht/ ob ich daraus schliessen doͤrffte/ ob er schweigen wolte/ oder vielmehr die zeit erwarte/ den streich mit mehr nachtruck anzubringen/ dann aus Nieder-Sachsen bericht ha- be/ er haͤtte den meisten Theologis eine schrifft zugesand/ vermuthlich etwa dero consensum zu suchen/ wie wol es einige mit widerwillen angesehen haͤtten. Jch bin der warheit meiner theseos versichert/ welche er mir wol wird muͤssen stehen lassen. Doch wuͤnschte ich zu seinen besten/ daß er sich nicht selbst dagegen streubte/ und dadurch schwerlicher versuͤndigte. Die wort der erneuerung und heiligung anlangende/ leugne ich nicht/ daß ich mich auffs hoͤchste verwundere/ daß ein The- logus auch von der unterlassung derselben etwas auff die bahn zu bringen sich er- kuͤhnet. So unverschaͤmt solte ja kaum der teuffel seyn: Aber er wird eben da- mit sich desto mehr verrathen/ wo ers gar grob machet. Warum schaffen wir nicht fein die gantze schrifft ab/ weil kein buch in der welt ist/ aus welchem die spin- nen so viel giffts gesogen haben/ obschon dasselbe nicht darinnen gewesen/ sonderen von ihrer gifftigen natur gewuͤrcket worden ist? so kaͤmen wir auff einmahl des un- gluͤcklichen streits ab/ welcher uͤber dieses buch entstanden ist/ und dessen worte von allen secten so unterschiedlich verkehret und verdrehet worden. Aber so wolte es der teuffel gern haben/ damit er uns per compendium vollends die versicherung der ARTIC . I. DIST. III. SECT . XL. der wah r heit entreissen koͤnte. Trauen wir aber die schrifft nicht hinzu werffen und abzuschaffen/ weil sie die grundfeste der warheit und von dem heiligen Geist ist/ wer gibet uns dann einige macht/ uͤber diese oder jene derselben redens-arten/ son- derlich die jenigen/ welche von ihr zu oͤfftern wiederholet werden? derer jegliche gleichwol eben von dem jenigen geist herkommet/ welche die gantze schrifft eingege- ben hat/ u. wir daher so wenig gewalt uͤber einiges deroselben woͤrtlein haben/ als we- nig die gantze schrifft (welche so zu reden ein totum homogeneum u. jegliche dero- selben particula ejusdem naturæ cum toto ist) in unser macht stehet. Wir straffen an den Papisten/ das sie der schrifft autori taͤt suspendiren ab autorita- te Ecclesiæ, und wollen sie auch nicht anders erklaͤhret wissen/ als wie diese befieh- let/ daher sie literam scripturæ nicht weiter passiren lassen/ als wie er mit der recepta sententia Ecclesiæ uͤbereinkommet/ was sich nicht gerade hierauff rei- met/ muß sich nach derselben beugen und dehnen lassen/ wie es mag. Der HErr bewahre uns gnaͤdiglich vor dꝛm schrecklichen abfall/ nach dem fast einige luͤsteren sind/ ja in der that dergleichen bey nahen/ bezeuͤgen/ daß wir auch von unseren prin- cipio der heiligen Schrifft abweichen/ und es dahin kommen lassen wolten/ nichts auß derselben gelten zu lassen/ als was gerade iisdem verbis in unserm symbo- licis libris (welcher autori taͤt und nutzen in denen von ihnen selbsten gesetzten schrancken danckbahr erkenne) oder gemeiner lehr befindlich ist/ ja nicht diese aus der schrifft/ sondern die schrifft aus denselben/ und nach ihrer norm zu erklaͤhren; so nunmehr das rechte Papstum mitten in unserer kirchen seyn wuͤrde/ und ich nicht sehe was wir gegen das andere Papstum uns zu beschwehren haͤtten: sondern glaube/ daß solche hypothesis am aller ersten auch die verstaͤndigste zu der Roͤmi- schen parthey bringen wuͤrde. Wird eine praxis der schrifft/ fonderlich in einer wichtigen sache/ gebraucht/ so haben wir sie zwar/ wo sie von einigen unrecht ver- standen und mißbraucht wird/ recht zu verstehen und zu erklaͤhren/ aber derselbi- gen uns nicht zu begeben noch sie auß zulassen/ vielmehr alles darauff zusetzen/ daß wir sie eꝛhalten/ und nicht ein jota von dem theuren schatz verliehren/ der nicht un- ser sondern unsers GOttes und der gantzen kirchen ist. Jch sorge sehr/ es seye die- ses eine der haupt-ursachen/ daß GOtt nun/ wie es fast vor augen ist/ dem Roͤ- mischen Babel eine neue gewalt uͤber uns gebe/ ja ihnen vermuthlich die gewalt verhaͤngen wird/ sein undanckbahres und auff so viele warnungen doch nicht gebes- sertes Jerusalem zu verstoͤhren/ da mit aber gleichwol auch sein eigen gericht durch erfuͤllung des masses seiner suͤnde ihm selbst uͤber den halß zu ziehen: weil wir anfan- gen in so vielen stuͤcken unserer praxeos communis einige Roͤmische principia, die wir sonsten in der theorie widerlegen/ zu belieben/ an zu nehmen/ und uns nach derselbigen zu richten. Nun der guͤtigste Vater sehe mit barmhertzigen augen sei- ne arme und leider so sehr mit aͤrgernuͤssen und mißbraͤuchen verstellte gemeinde an/ und Das sechste Capitel. und wo seine gerichte an ihr anheben sollen/ wolle er sie mit grosser barmhertzigkeit lassen gemildert werden. Daß eine person/ so sich wider goͤttliche ehe-ordnung mißbrauchen laͤsset/ nachmahl auch die bekaͤntnuͤß ihrer religion verlasse/ ist mir gantz kein wunder nicht. Fide quæ credit amissa (solche aber stehet nicht mit sol- chen herschenden suͤnden) quid facilius quam fidem quæ creditur pariter perdi? Der HERRbringe zur buß und seiner gnade/ welche sich noch retten wol- len lassen. Daphnæi Arcuarii buch ist meines wissens nirgend zu kauffen zu ha- ben. Vielleicht aber moͤchte Heꝛr Resident/ dazu behuͤlfflich seyn koͤnnen. Jch hoͤre/ es habe ein grosser Heꝛr aus lesung desselben schon schaden genommen/ und moͤchte daß daher befahrende aͤrgernuͤß bald schwehrer außbrechen. So muß ja nichts bey uns unangetastet bleiben/ damit ja das feuer goͤttlichen zorns strohes und anderer materie genug finde. ꝛc. 1681. SECTIO XLI. A ls die statt S trasburg in Frantzoͤische gewalt gerathen. Wie solches gericht Christlich anzusehen/ und wie sich alle dabey zu schicken haben. J Ch zweiffle nicht/ daß so wohl derselbige als uͤbrige hochgeehꝛt. Heꝛr schwaͤ- gere sich wundern werden/ daß in diesen etlichen wochen nicht geschrieben ha- be/ als zu einer solchen zeit/ wo ich etwa so viel ungesaͤumter zu solcher gebuͤhr haͤtte seyn sollen; nun will ich mich mit der meß arbeit nicht entschuldigen/ sondern be- kenne/ daß ich fast nicht gewust/ noch jetzt recht weiß/ was ich schreiben solle; zu dem ich auch nicht weiß/ ob die brieffe in den ersten tagen einer solchen haupt-aͤnderung gantz sicher seyen oder nicht. Jch habe es aber doch auch nicht laͤnger auffschieben sollen. Wie mir nach dem fleisch uͤber die beyde nacheinander gekommene zeitun- gen der occupir ung von keyl/ und nach ferner uͤbergab der statt zu muth gewesen/ bedarff nicht hie ausgetruckt zu werden sondern ist leicht zuermessen/ was in einer solchen begebenheit die liebe der seinigen/ mitleiden mit deroselben leiden/ sorge mehrer und kraͤfftiger gefahr und dergleichen andere affecten, bey einem gemuͤth vor unruhe erwecken. Sie werden aber selbs an sich dergleichen gefuͤhlet haben/ und daher auch unsere bewandtnuͤß sich einbilden koͤnnen. Hingegen wie ich in nichts anders eine ruhe der seelen und eine zufriedenheit finde/ als in dem willen des HERREN/ so zweiffele ich auch nicht/ sie werden in demselbigen nicht wenigeꝛ beruhen. Der wille des HERREN ist geschehen. Andere ursachen und be- trachtungen haben auch ihrem nutzen zu einer besaͤnfftigung des gemuͤths/ aber nicht ARTIC. I. DISTINCT. III. SECTIO XLI. nicht ohne diesen grund/ und nicht mit gleicheren nachdruck. Andere haben ihre vie- lerley urtheil uͤber diese uͤbergab/ laͤsteren wohl hefftig/ und beschuldigen diese und jene/ nach dem ihre affecten und schmertzen/ auch furcht wegen der verm e h r ung ihrer eigenen gefahr/ ihnen solches dictiren, so ich aber nicht billichen/ noch ohne widersprechen dulden und vertragen kan/ vielmehr auch aus politi schen und fast mithaͤnden greifflichen ursachen und gruͤnden/ wo davon geredet wird/ darthue/ daß die liebe statt/ deroselben Regenten und buͤrger/ in gegenwaͤrtigem zustand und conjuncturen nicht anders haben thun/ oder sich vernuͤnfftig einer solchen gewalt deꝛo sie zu schwach mit nachtꝛuck zu begegnen/ mit veꝛgeblicher opiniatri taͤt/ hingegen mehrere reitzung der jenigen/ in dero gewalt sie kommen solten/ widerse- tzen koͤnnen und sollen; nach dem vorher alles geschehen und gesuchet worden/ was ein in gefahr stehender/ und dergleichen vor sich sehender/ stand in einem solchen fall suchen und sich anmelden kan/ aber ohne wuͤrcklichen trost und zuverlaͤßige huͤlf- fe gelassen wiꝛd. Jch sehe aber lieber allein auff die hand/ die alles regieret/ und ohne dero verhaͤngnuͤß oder verordnung nichts geringes/ geschweige solches wichti- ges und so viel tausend menschen betreffendes werck hat vorgehen moͤgen; und wel- che so wol die gedancken der jenigen/ welche ihre graͤntzen erweitern wollen/ abwen- den oder anders hinlencken/ als auff der andern seiten mittel und gelegenheit des widerstandes geben koͤnnen/ daß dergleichen aͤnderung nicht folgen muͤssen/ wo er dieselbe nicht also zu verfuͤgen in seinem heiligen rath beschlossen haͤtte. Was al- so ohne suͤnden von allen seiten in diesem werck geschehen/ sehe ich an/ als welches der HERR selbs gewuͤrcket habe; worinnen aber von einiger seiten suͤndliches mit untergelauffen/ daß er gleich wol durch seine providenz dasselbige verhaͤngen und dadurch seinen rath hat zu viel nuͤtzlichem und uns etwa grossen theil noch unbekantem guten zu werck richten wollen. Da sehe ich also die hand an/ die nichts boͤses thun kan/ und die/ ob sie empfindlich u. schmertzlich zu schmeissen solte/ dannoch eines kindlichen und ehrerbietigen kusses werth ist/ und heisset endlich: Heilig und gerecht bistu grosser GOTT/ und alle deine gerichte sind auch heilig und gerechs/ dabey aber auch barmhertzig. Nebens dem aber sehe ich eben das jenige/ welches ihnen dermassen begegnet/ in fremde botmaͤßigkeit zu gerathen/ als einen spiegel/ welches noch vielen/ die wir uns etwa fern von boͤsen tagen achten/ annoch (und wer weiß wie bald) vorstehen woͤchte/ welches ich meiner gemeinde von zimlicher zeit vorgepredigt/ und ihnen in gegenwaͤrtiger zeit nichts als die schwe- re gerichte des HERREN/ so sich an seinem hause anheben sollen/ aber etwa sel- tzam sich hin und her wenden/ vorzuhalten/ so dann sie zu deroselben gehorsamer uͤ- bernehmung mit vermahnung/ warnung/ lehr und trost zu bereiten und auffzu- muntern habe. Leugne auch nicht/ daß ich auß gewissen und etwa nicht gar un- vernuͤnfftigen vermuthungen vor her uns die gefahr naͤher als dem lieben Straß- burg erachtet haͤtte. Jn dessen ist durch hinwegnehmung einer so zu reden vor- Q q q wand Das sechste Capitel. wand unsere gefahr nicht geringer sondern noch schwerer worden. Wir koͤnnen uns auch uͤber die gerichte ob wol uns harte und schwere/ als man noch fuͤhlet/ fort- hin druckende/ gerichte nicht beschweren/ noch sagen/ daß wir nicht zu denselben den gerechten GOtt lange gereitzet haben. Jch rede nicht von ihrem lieben Straß- burg allein/ als der ich mich entsinne/ was unser Heyland sagt Luc. 13/ 1‒‒5. auch dabey weiß/ daß der HERR oͤffters seinen anfang der haͤrtsten heimsuchungen an den jenigen mache welche auff sich/ gegen andere zu achten/ weniger schuld liegen ha- ben; sondern wie ihre statt als ein glied unsers Reichs und Evangelischer kirchen von GOTT heimgesuchet worden/ achte ich/ werden wir alle unsers zustands er- innert. Wo wir nun vor GOtt stehen/ koͤnnen wir nicht leugnen/ daß sich alle die jenige dinge bey uns finden/ welche die aͤnderungen der regimenter und schwehre verfolgung nach sich zu ziehen pflegen. Jn dem weltlichen sehen wir durch und durch die jenige ungerechtigkeit und uͤbrige laster/ daß ob der HERR auch keinen aͤusserlichen feind uns zuschickte/ es doch fast auch menschlicher weise bey uns in die harre nicht bestehen koͤnte. So ist die freyheit/ die der HERR uns so lange ge- goͤnnet/ samt uͤbrigen aͤusserlichen ruhe- und wohlstand von uns nicht danckbarlich zu der ehre des HErren angewendet/ sondern auf so mancherley art an meisten unsern orten freventlich zu boßheit und lastern mißbrauchet worden. Jn dem geist- lichen haben wir deß lichts des Evangelii fast durch und durch nur zur haͤgung der sicherheit mißbrauchet/ da wir GOTT mit verdraͤhung seiner wahren lehr des E- vangelii mit einem eingebildeten glauben (ferne von dem wahren lebendigen goͤtt- lichen glauben) so dann dem opere operato des aͤusserlichen GOttes diensts und bekaͤntnuͤß der warheit/ hingegen widerspruch der falschen lehr/ abspeisen wollen; gerade als muͤste GOtt wol mit uns zu frieden seyn/ ob wol des rechtschaffenen we- sens in Christo sich leider wenig bey uns befunden hat. Wie der augen schein gantz deutlich an allen orten zeiget. Da ists also kein wunder wo uns der HERR/ als der sich in die harꝛe nicht spoten laͤsset/ endlich alles solches/ unsere politi sche freyheit und ruhe-stand/ so dann die religions freyheit und dero umeingeschrenckten ge- brauch wegnehme/ oder doch dermassen beschneide und einschrencke/ daß wir sagen muͤssen/ der HERR hat nicht vergessen/ was wir gegen ihn gesuͤndiget/ sondern unsere missethaten in das liecht vor seinem angesicht gestellet. Wo er solches noch nicht angefangen hat/ wird man darum nicht leer außgehen/ sondern hat nur die- sen vortheil in verlaͤngerter frist zur buß/ sich so viel besser zu der sache zu bereiten/ und dabey zugedencken/ daß wir solcher frist uns desto fleißiger zugebrauchen ha- ben. Wie ich dann uns allen keinen bessern rath weiß/ als wir stehen noch in un- serer freyheit/ oder haben solche zum theil verlohren/ daß wir uns des jenigen/ was wir noch uͤbrig haben desto fleißiger gebrauchen/ und es danckbarlich zu des jeni- gen ehren anwenden/ der uns dasselbe gegeben oder gelassen hat. Dabey neben uns ARTIC . I. DISTINCT . III. SECTIO XLI. uns immer mehr gefaßt zu machen auf die besorglich noch schwehrere vorstehende zeiten und gerichte/ die nicht aussenbleiben werden/ vielmehr die jetzige nicht anders zuachten seind/ als die vorbereitungen zu jenen schwehren. Solches aber kan nicht besser geschehen/ als wo wir unsern GOttes dienst/ so viel und so lang uns der HErꝛ noch von denselben oͤffentlich uͤbrig laͤsset/ mit ernst und eyffer aber auch rechtschaf- fenem geh o rsam/ verꝛichten und in diesen zeiten der truͤbsal oder gefahr nunmehr die jenige koͤrner des goͤttlichen worts/ welche in uns vor deme gestreuet worden/ und noch ohne frucht bey uns liegen geblieben sind/ recht auffgehen/ und selbige/ von dem HERREN verlangte/ fruͤchte bringen lassen: Wie ich nicht zweiffie der HERR werde an unser aller hertzen durch die krafft seines worts auch innerlich anklopffen/ uns dieses erinnern/ und wo wir ihm platz geben/ eben dasselbe bey uns wuͤrcken. So ist alsdann solche truͤbsal oder gefahr der gesegnete regen/ welcher jene trucken gelegne koͤrner anfeuchtet/ und zur fruchtbarkeit bereitet. Wir ha- ben nun so lang unsnoch GOtt gleichsam einen som̃er laͤsset/ wo wir bey dem oͤffent- lichen exercitio etwas einsammlen koͤnnen/ solcher zeit uns zu gebrauchen/ damit wir einen vorrath haben moͤgen/ auf die zeit/ wo es geschehen moͤchte/ daß wir mit einer blossen hauß-kirche zu frieden seyn muͤsten/ und auch noch dabey in gefahr ste- hen doͤrfften. Wie ich dann niemand versichern kan/ wie viel wir oͤffentliches in einer kurtzen zeit von unserer religion uͤbrig behalten werden/ wann allem vermu- then nach der HErꝛ dem gesamtem Babel macht geben wird/ seinen letzten grimm auszugiessen und um zu erfuͤllen das maas seiner suͤnden auch herbey ziehung seines eigenen gerichts/ das verdorbene Jerusalem zu zerstoͤhren/ daß nichts uͤberbleibe/ als zerstreute steine/ die zu einen neuen gebaͤude wieder gebrauchet werden. Wo wir hieran gedencken/ und uns auff solche zeit gefaßt machen/ nicht anders ob haͤt- ten wir morgen uns alles dessen zuversehen/ so ists eine selige frucht unserer heim- suchung/ und wird uns ewig nicht gereuen: ja wir werden das gegenwaͤrtige aus der hand des himmlischen Vaters so viel gehorsamer und gedultiger auffnehmen/ weil wir seine guͤte darinnen erkennen/ daß er nicht ploͤtzlich das allerschwerste uͤber uns fallen/ sondern allgemach durch eines und anderes auff den haͤrtesten kampff uns bereiten laͤst/ der versicherung/ die zeiten moͤgen in geistlichem und weltlichem so schlim werden als sie immer wollen/ so seye seine guͤte unendlich/ und nach seiner treue lasse er keine versuchung/ welche allzuschwehr waͤre/ uͤber uns kommen/ son- dern das maaß seines trosts und gnade werde hinwieder so viel reichlicher ertheilet als wir desselben beduͤrfftig seyn werden/ da wir nur in glauben und vertrauen an die gnade GOttes fest beharꝛen. Es wird uns GOTT auch lehren/ mehrund mehr alle liebe und alles vertrauen oder freude an und auff dieses irrdische zuver- leugnen und abzulegen/ ja zu glauben/ daß nichts von allem/ es seye stand guͤte o- der was sich sonsten in dieser zeit findet/ vor eigen anzusehen/ sondern zuglauben haben/ das jenige seye allein unser/ was wir in unserer sele haben und besitzen/ weil Q q q 2 wir Das sechste Capitel. wir die ungewißheit des besitzes alles des uͤbrigen so augenscheinlich sehen/ und durch erfahrnng dessen uͤberzeuget werden. Damit werden wir zu solchen geistlichen und ewigen guͤteren allezeit so viel geschickter und tuͤchtiger gemachet werden/ als mehr das hertz von ienen irrdischen gereiniget wird. Und so wird die zeit kommen daß wir erkennen werden/ wie alle solche goͤttliche gerichte viele barmhertzigkeit in sich gefasset haben und damit temperiret gewesen sind. Und auch daß wir jetzt schon lernen alle solche gerichte/ ob sie uns wol nach dem fleisch wehe thun/ zu preisen und das lob des lob-wuͤrdigsten GOTTes unter allen denselben zu verkuͤndigen . Sonderlich aber solten wir ja niemand von menschen deßwegen beschuldigen/ noch der ursach dessen/ was wir leiden muͤssen/ auff andere werffen/ womit wir uns leicht versuͤndigten/ aber sicher thun/ da wir uns allein vor dem HErren demuͤthi- gen/ seine gnade allein zu suchen. So kompt unser gemuͤth in eine ruhe/ und wer- den wir immer mehr und mehr der goͤttlichen gnade versichert. Welches ich ih- nen und uns allen/ denn etwa solcherley noch mag vorstehen/ hertzlich wuͤnsche. Jn- dessen bleibet ihnen und denen jenigen/ die der HERR nach seinen willen in frem- de botmaͤßigkeit gerathen lassen/ diese regel/ die dorten Jeremias den Juͤ- den gegeben/ welche von den Babyloniern gefangen gefuͤhret worden/ daß sie nun den jenigen unterthan seyen/ in dero haͤnde sie der HErr gegeben hat/ daß sie nun soscher gewalt gutes wuͤnschen/ ihr bestes suchen/ und auch die jenige wohl- thaten/ welche der HERR etwa durch dieselbe in regierung der hertzen widerfah- ren laffen wolte/ von ihr mit danckbahrkeit gegen GOTT annehmen. Dann auch dieses ein stuͤck unserer gedult ist/ daß man sich gegen die jenige nicht streube/ welchen der HERR gewalt uͤber uns gegeben hat/ und sich auch hierinnen ihm in denen jenigen unterwerffe/ die wir uns zwar nicht zu HERREN gewaͤhlet haͤt- ten/ aber er sie nach seinen unwiderstreblichen willen gegeben/ und eben damit sei- nen willen an uns eroͤffnet hat. Dieses sind/ mein gelibter Herr Schwager meine gedancken uͤber diese bege nuͤß/ so ich denselben und uͤbrigen Herrn Schwaͤ- gern/ weil mir an jede zu schreiben die zeit nicht wohl zugiebet/ in meiner einfalt und vertrauen communici ren wollen/ hoffende wie sie mit den ihrigen ohne zweiffel al- lerdings uͤber einkommen werden/ also werden sie ihnen nicht mißfallen lassen/ hier- aus zu verstehen/ wie wir einerley gesinnet seyen. Den HERNEN ruffe ich dabey an/ er gebe auch ihnen seines heiligen Geistes licht in der maß/ daß sie auch in diesem werck seinen willen recht erkennen/ und also in allen sich darnach richten: Erzeige aber in der that/ daß er der seinigen nicht vergesse sondern mitten in allen leiden ihrer Vaͤterlich gedencke/ und alle seine wercke/ wie ein seltzames ansehen sie erstlich haben/ endlich herrlich hinausfuͤhre zu seiner ehr und der seinigen heil. Den 3. Oct. 1681. SECT. ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLII. SECTIO XLII. W ie das mittel von einem prediger zu tressen/ we- der sein gewissen den menschen zu unterwerffen/ noch auch in eigensinn und hartnaͤckigkeit zu verfallen. E S verlangt mich sehr wie es seye mit Herrn N. N. abgegangen/ und ob er zu der restitution gelanget oder nicht. Kan mein Hochgeehrter He r r et- was bey ihm ausrichten/ so bitte hertzlich/ ihm zu remonstri ren/ 1. Daß er doch nicht sich selbs alleine trauen/ sondern etwa seine schwachheit erkennen moͤge. Jch obligire keinen zu eine sclave rey und menschen-dienst in gewissens sachen/ ich kan aber auch derjenigen vermessenheit nicht billigen/ wel- che alle menschliche manuduction nicht annehmen/ auff ihrem vermeinten geist alleine beruhen und nicht glauben wollen/ daß die geister der Propheten den Pro- pheten unterthan seyen. Gewißlich aus solcher eigensinnigkeit entstehet so viel un- gluͤcks/ als aus anderer dienstbarkeit. 2. Daß er/ wo er meinet in einigen dingen recht zu haben/ mit eine modestie und reve rentz seinen superioribus / welche vor Phariseer zu declari ren eine allzu hochmuͤthige und einem diener CHRJSTJ unanstaͤndige verwessenheit und richt-sucht waͤre/ begegne/ und zeige/ daß er eben so wenig hartnaͤckig seye/ sich deroselben autori taͤt zu widersetzen und sie schimpfflich zu tracti ꝛen/ als ich ihm nicht heissen will/ wieder sein gewissen/ welches aber gleichwohl auch bruͤderlichen unter- richt nicht verwerffen muß/ einiges zu thun und zu glauben. Ungestuͤmigkeit/ stachlichte gegenfragen und verweigerung richtiger antwort/ macht keine sache gut sondern verderbet sie. Jch sage nicht/ daß niemahln gegenfragen erlaubet seyen/ aber die frage wird dahin gehen/ ob/ wie/ und von wem/ (da auch wisse mit recht- schaffener klugheit sie anzubringen) dieselbe geschehen moͤge. So thuts auch ein gantzer hauffe spruͤche und zusam̃engefetzter wort der Schrifft nicht/ sondern es muß gesehen werden/ wie jegliche deroselben gemeinet sind/ und wen sie treffen/ daher die- felbe sparsamer/ aber mit Christlichen bedacht gebraucht/ achte ich der reve rentz/ welche wir der Schrifft schuldig sind/ vielmehr gemaͤß zu seyn. 3. Daß ein grosser unterscheid seye unter den hauptsachen des GOttes- diensts selbs/ so in lehre als verrichtungen/ und unter deroselben in eine freyheit ge- stelten umstaͤnden. Zu jenen bleibt sreylich GOttes wort unsere einige norm, und wehe dem der eine andere erwehlen will/ denn da haben wir/ was von dem HErren geredet/ nicht zu aͤndern. Zu der andern art gehoͤren die liturgiæ, formu- læ, ceremoniæ und anders dergleichen. Von dero norm ist zwar freylich GOt Q q q 3 te Das sechste Capitel. tes wort auch nicht ausgeschlossen/ so fern daß nichts in demselben duͤrffte guͤltig seyn/ was wider dieses streiten wuͤrde/ aber der HErr hat der kirchen auch hierin- nen eine freye hand gelassen/ etwas zu disponi ren wie sie/ ihre allgemeine regel vor augen habende/ in solchen eusserlichen dingen/ die sache am besten findet/ da ist als dann solche sache nicht eines jeglichen urtheil unteꝛworffen/ sondern nemo pacificus contra Ecclesiam. Deucht uns/ wir koͤnnen die sache erbaulicher anstellen auff ei- ne andere art/ so haben wirs entweder bey der kirchen an zu bringen/ nicht aber ihr etwas des unsrigen eigenmaͤchtig auffzudringen/ oder gelegenheit zu suchen/ wie wir dergleichen thun moͤchten/ in solchen occasionen, wo von uns die kirche eben keine sonderbahre ordnung vorgeschrieben. 4. Daß er sich vor nichts mehr huͤte/ als sich uͤber das maaß/ das ihm gege- ben seyn mag/ zu erheben. Sich eines eigenlichen so genanten Prophetischen geistes auszugeben ist viel; ich mag es goͤnnen/ wem es GOTT giebet/ und sol- te mich freuen/ wo uns GOTT solche leute gebe; ich achte aber nothwendig/ jeg- lichen treulich zu warnen/ sich selbs wohl zu pruͤffen/ was von GOTT und eigener einbildung herkommt. Jn allen diesem nehme mir nicht vor den guten mann zu urtheilen/ oder obige dinge zu beschuldigen/ wie ihm etwa das meiste davon mag schuld gegeben werden/ aber ich setze hie die gemeine saͤtze/ was ich von derglei- chen dingen halte/ nach denen er sich zu pruͤffen haben moͤchte/ ob er sich in einigen sol- chen stuͤcken solte vergangen haben/ um als dann darinnen zu ruͤcke zu kehren/ wor- innen er sich verstossen. Wie denn sein unrecht demuͤthig zu erkennen eben so wol ein stuͤck Christlicher schuldigkeit ist. Jch thue solches aber desto lieber/ weil ich mich vor sein bestes zu seyn/ auch daher verbunden achte/ nachdem er gegen mich einiges vertrauen bezeuget; so dann durch dergleichen einen lieben freund es zu thun/ von dem ich hoffen mag/ daß ers etwa liebreicher auffnehmen moͤchte als von andern. Jch gestehe gern/ daß michs offt betruͤbet/ wo ich sehen muß/ wann sich ein guter eiffer und intention bey einem mann zeiget/ daß er nachmahln offt in denselben auff eigenen sinn verfaͤllt/ und also etwa dergleichen dinge vorgehen/ daß andere freunde sich solcher leut/ mit denen sie zwar ein liebreiches mitleiden tragen/ nicht mehr wohl annehmen doͤrffen/ wo sie es gar verdorben haben. Worinnen ich offt einiges gericht des HErrn mit betruͤbnuͤß/ jedoch demuͤthigen preiß seiner ge- rechtigkeit/ ansehe. Der HERR regiere den mann auch mit seiner gnade/ mit dem geist der demuth des gehorsams und der bescheidenheit/ daß er ihm ferneꝛ zu dienen moͤge erhalten werden. 18. Oct. 1681. SECT. ARTI C. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIII. SECTIO XLIII. G oͤttlicher guͤtiger rath/ der mich durch D ilfel- den angegriffen werden lassen/ und die antwort gesegnet. Rettung meiner lehr von ver dacht. Verlangen/ in der that GOttesgelehrte zu haben: Da keine andere in den verfol- gungen bestehen werden. Erinnerung da man Ja- cob Boͤhmens buͤcher wider trucken lassen wollen. S Eine liebe wird mir nicht in uͤblen auffnehmen/ daß nun unterschiedliche jah- re geschwiegen/ ob wohl derselbe mir aus meiner gedaͤchtnuͤß nicht/ gekom̃en noch ich auffgehret habe mehrmahls den HErrn anzuflehen/ der ihn fuͤhre auff richtiger bahn durch seinen heiligen Geist. Es hat aber gleichwohl endlich der liebe nothdurfft geschienen zu erfordern/ daß einmahl wieder die feder ansetzte/ und sonderlich vor diejenige freundliche auffmunterung danckte/ da derselbe sein Cchristlich vergnuͤgen uͤber meine gegen Dilfelden heraus gegebene vertheidigung bezeuget hat. Dem HErrn seye danck/ der solches arme/ jedoch in seiner furcht/ ausgefertigte Scriptum der massen gesegnet/ daß der widersacher bißher ob wohl sich nicht gegeben/ noch der wahrheit gewichen/ gleichwohl mit oͤffentlicher antwort geschwiegen undsich damit befriediget hat/ daß er/ wie ich hoͤre/ etwas geschriebe- nes/ so gleichwohl noch niemahls erlangen koͤnnen zu seiner verantwortung unter- schiedlichen Theologis zu gesendet hat/ deren aber mehrere ihr mißfallen sollen daruͤber bezeuget haben/ daher die publication wohl unterbleiben doͤrffte; so ich in die hand des HErrn empfehle/ damit auch zu thun oder zu verhaͤngen nach sei- nem wohlgefallen und heiligen rath; jedoch hertzlich seine guͤte anflehe/ dem wider- sprecher selbst die augen zu oͤffnen/ daß er sich nicht weiter versuͤndige/ vielmehr vor ihm demuͤthige/ und hinkuͤnfftig ein so viel tuͤchtigers werckzeug Goͤttlicher gna- den werde/ als er die wahrheit vorhin widerfochten. Jch erkenne auch samt an- dern mit demuͤthigsten danck die guͤte GOttes/ der diesen angriff/ welcher dahin an- gesehen war/ mich hinkuͤnfftig zu allem werck des HErrn untuͤchtig zu machen/ zu gegeben/ aber gantz weißlich dahin also gefuͤget hat/ daß es nicht nur eine gelegen- heit seyn muste/ mich vor der gantzen Evangelischen kirchen zu purgi ren/ und damit meine lehr von denen schon laͤngsten durch andere bey ihr vielen verursachten und eingedruckten verdachten und seltzamen conc e p ten zu liberi ren/ wie ich die zeug- nuͤssen derjenigen in zimlicher zahl in haͤnden habe/ wie viele Theologi gantz anders von mir als vorhero/ nach dieser schrifft geurtheilet/ sondern auch/ welches von mehrer Das sechste Capitel. mehrer wichtigkeit ist/ dardurch verursachet worden/ daß unter schiedliche studiosi und Prediger diese ihnen erstlich fast fremde geschiehnene materie nicht ohne ihren sonderbahren nutzen einzusehen angefangen. Was nun jenes erste anlan- gtt/ ist mirs billich eine hertzliche freude/ davor GOTT zu dancken habe. Dann ob wir wohl auff das jenige nicht vornehmlich zu sehen haben/ was men- schen von uns urtheilen/ weil es allein daran liget/ ob der HERR uns lobe/ so dann ausgemachet ist/ daß/ wo man die sache des HERREN mit ernst treibet/ unmoͤglich falle/ daß man alle laͤsterungen und widerspruͤche fleischlicher leute ver- meiden moͤge/ dann es muß gleichwohl staͤts heissen/ διὰδυ, φημίας καὶ ἐυφημίας: so thuts doch nicht nur wehe/ wo man siehet/ daß man der stein des ansrosses seyn muͤ- ste/ daran sich andere versuͤndigen/ hingegen ists sehr angenehm/ wo solcher suͤnde gewehret wird; sondern es wird durch solche verdaͤchte und widerspruͤche manches desjenigen sehr gehindert/ was man vor die ehre GOttes vorgenommen/ folglich ist abermahl eine danckens wuͤrdige wohlthat/ wann der HERR die gemuͤther dahin lenckt/ daß sie nachmahln das gute mit helffen befoͤrdern/ oder doch auff- hoͤren sich daꝛwider zusetzen. Das andere aber ist noch ein viel wichtigers/ wo GOtt eine thuͤr oͤffnet/ daß die lehren so fast ins gesamt eine zeitlang wollen verdaͤchtig ge- achtet werden/ von solchen verdacht gerettet/ und die gemuͤther bereitet werden/ das jenige mit bedacht ferner zu erwegen/ so nachmahl ohne frucht nicht abgehen kan/ wo von sie vorher abhorri ret/ weil sie seltzame impressiones sich von der sache gemacht hatten. Aber ach daß der HERR nicht so wohl zu dieser meiner einfaͤl- tigen arbeit/ mit dero bißheriger frucht ich billich solle zu frieden seyn/ und derosel- ben nicht wuͤrdig gewesen bin/ als vielmehr zu seinem eigenen heiligen woꝛt noch fer- ner den segen geben wolte/ daß abermahl das jenige/ was man in dem buchstaben wahr zu seyen anfaͤngt mehr und mehr zu bekennen/ auch in die hertzen komme/ und wir ins kuͤnfftige viele lehrer bekommen moͤgen/ welche gleich wie mit dem munde/ daß wir von GOTT gelehrt sollen seyen/ bekennen/ also es auch in der that seyen/ und dieser wahrheit nicht nur anderer zeugnuͤssen wegen beypflichten/ sondern sie lebendig in ihren hertzen empfinden: als wohin alles andere allein gerichtet ist. Wir bedoͤrffen je dieser GOttes-gelehr- heit so vielmehr/ weiln es an dem ist/ daß nun die Goͤttlichen so lang angedrohete gerichte ausbrechen/ und wir das wetter der verfolgung bereits uͤber unsern haupte schwebend sehen; Nun in solchen feuer wird sichs bald eussern und offenbahren/ was wahr oder falsches gold gewesen. Daher es schwehr werden wird/ bey leh- rern und zuhoͤrern/ alles um des nahmens des HERRN willen zu verlassen/ wo unser glaube nichts als eine nicht gegruͤndete meinung und aus den jenigen/ was wir von menschen gehoͤret haben/ und weil wir ein guts vertrauen zu ihnen tragen/ hergenom̃ene erkaͤntnuͤß ist/ ohne das liecht und versieglung des heiligen Geistes: ja wo es nicht damit hoͤher kommt/ so wird gantz leicht durch menschliche kunst und So- phi- ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIII. phiste rey das jenige umgestossen/ was man nicht anderst als auch aus meuschli- cher kunst gelernet hat/ oder auffs wenigste ist durch die liebe dieser welt bald das jenige unkraͤfftig gemacht/ was nicht Goͤttlich ist. Daher wir ja wohl ursach ha- ben/ das jenige liecht in uns wahrhafftig zu haben/ was uns allein allen betrug des irrthums offenbahret/ und unsere seelen fest machet; daß sie nachmahln das dro- hen und locken der welt nicht hoch achten/ oder doch sich nicht dardurch stuͤrtzen las- sen. Wiewohl ich sorge/ es werde bey vielen fast zu spaͤt seyen/ und seyen ihre her- tzen so verstockt/ daß sie jenes wahren liechts weder verlangen/ noch habhafft wer- den werden/ sondern in den gericht untergehen muͤssen: Um welcher elenden leute willen die gerichte des HERRN vielmehr betruͤblich zu achten sind/ als/ wegen des leides/ so die wahre Christen darbey betreffen/ und ihr heil nur so vielmehr befe- ftigen/ ja ihre herrlichkeit groͤsser machen wird. Jch sehe also nicht mehr andere mittel uͤbrig/ als flehen und seufftzen zu dem HERRN/ so dann mit bittẽn und er- mahnen anzuhalten bey den jenigen/ die mir absonderlich anbefohlen sind/ und zu welchen mir der HERR gelegenheit giebet/ daß ich doch auch damit meine arme seele rette. Jm uͤbrigen habe in freundlichen vertrauen nicht zu verhalten/ daß durch gute freunde so daselbst durchgereiset/ berichtet worden/ das Jacob Boͤh- mens werck auffs neue bey ihnen gedruckt worden/ und mein geliebter freund son- derlich in solcher sache sehr beschaͤfftiget seye. Daher ich meiner liebe gemaͤß zu seyen erachtet/ demselben freundlich zu erinnern/ die sache reifflich und mit hertz- licher anruffung GOttes vor seinem angesicht zu uͤberlegen/ was darinen zu GOt- tes ehren und der kirchen nutzen das beste seye. Jch bekenne gern/ daß ich die schrifften nicht gantz gelesen/ und solches aus der ursach/ weiln/ als etwas davon zu lesen mir gegeben worden/ solches nicht verstehen konte/ und also die zeit unnuͤtzlich zu zubringen billich bedencken hatte. Dahero ich deroselben und seine lehre weder einerseits verwerffen noch einer seits annehmen kan/ sondern bey den ἐΠέχειν stille stehen muß. Wann mir aber aus lesung des wenigen/ so ich davon durchgangen solche sorge gleichwohl gemachet worden/ daß ich meine/ es seye billicher verdacht auff sothauen schrifften/ so dann solcher durch einige gute leute vermehret worden/ welche meinten/ in Boͤhmen dergleichen was sich nicht mit Goͤttlicher wahrheit reimte/ in den Boͤhmisten aber so viel sie gekant/ wenig Christliches gefunden zu haben/ so achte mich auffs wenigste verbunden diejenige/ zu welchen mir der HErr den weg machet/ und von denen ich hoͤre/ daß sie sich hinter solche buͤcher lassen Christlich zu erinnern/ entweder wo sie nicht den geist der pruͤffung in zimlicher maß haben/ solche lesung zu unterlassen/ und sich an den unzweiffenlichen wahren Goͤttlichen wort und andern unverdaͤchtigen buͤchern zu vergnuͤgen/ auch deswegen weil wir insgemein noch etwa zu den hohen geheimnuͤssen nicht tuͤchtig sind/ die in Boͤhmens sachen seyen sollen/ und daher an uns in den stuͤcken meistens zu arbeiten haben/ darzu wir etwa bekandlich jener nicht benoͤthiget sind/ oder wo sie ja R r r gnade Das sechste Capitel. gnade und ursach dieselbe zu lesen zu haben meinen/ solches mit grosser behutsamkeit zu thun/ daß sie nicht an statt der wahrheit faschheit in sich fassen moͤchten. Waͤ- re es von GOTT zu erbitten/ so wuͤnschte hertzlich daß derselbe einen mit gnugsa- men geistes gaben ausgeruͤsteten mann erweckte/ welcher solche schrifften recht ge- nau untersuchte/ und ohne verletzung der wahrheit und der liebe sein urtheil aus- fuͤhrlich dermassen uͤber ihn abfasste/ daß jederman/ deme sein heil angelegen/ zur uͤberzeugung des gewissen daraus erkennen koͤnte/ was von jenen schrifften zu hal- ten. Damit nicht entweder/ wo in solchen buͤchern ein solches herrliches liecht der wahrheit zu befinden ist/ wie ich abermahl nicht leugne von einigen gehoͤrt zu haben/ die ihn ein dergleichen zeugnuͤß gaben/ und betheurten/ daß alle seine lehre mit unserer Evangelischen wahrheit uͤber einkaͤme/ der schein solches liechts nicht laͤnger hinterhalten wuͤrde/ sondern die gewißheit allen in ihre hertzen einleuch- tete/ wo ich als dann von grund der selen selbs befoͤrdern wolte/ was ich Goͤttlicher wahrheit gemaͤß erkennte/ und ja nicht wieder GOTT streitende erfunden zu wer- den begehre oder anderseits/ da gleichwohl die daruͤber geschoͤpffte verdachte wohl gegruͤndet/ und er ein irr-geist gewesen zu seyen erfunden wuͤrde/ damit nicht Christlichen hertzen dadurch von ihrer einfalt in CHRJSTO abgeleitet und an der selen verletzt wuͤrden. Jch stehe auch in den guten vertrauen/ der HErr wer- de solches verlangen entweder bald erfuͤllen/ worzu nicht undienlich seyen mag/ wann erstlich einige scripta pro \& contra herauskommen/ und zu einen solchen deutlichen ausschlag den weg bahnen werden/ dazu es sich fast scheinet auzuschicken. Biß aber solches geschehe/ und so lang die lesung so thaner buͤcher wohl vor gefaͤhr- lich geachtet werden mag/ stelle ich meinen vielgeliebten Herrn zu gottseligen nach- sinnn vor/ ob es rathsam seye/ mit neuen editionen unnd aufflag dieselbe unter die leute mehr zu bringen oder vielmehr damit einzuhalten. Jndem vor die jenige/ welche davon zu urtheilen vermoͤgen/ der exemplarien ohne das genug werden vor- handen seyen/ vor andere sind auch die vorige all zu viel. So sehe hingegen daß einerseits/ da einiger mangel an exemplarien waͤre/ der kirchen aufferbauung kein schaden daher zu sorgen/ ob er auch in der probe einmahl just solte befunden werden. Dañ auffs wenigste muͤssen wir eꝛkennen/ er sey uns nicht schlechterding noͤthig/ son- dern es behaͤlt die heilige schrifft ihr zeugnuͤß noch so wohl als zu Pauli zeiten/ daß sie gnugsam sey uns zu unterweisen zur seligkeit/ durch den glauben an CHristum/ daß ein mensch GOttes sey vollkommen zu allen guten wercken geschickt. So mag man also auffs wenigste so lang/ biß er gepruͤffet/ und der HErr die warheit offenbahrer werden lassen/ seiner entrathen. Anderseits aber/ wo dessen liebhaber bißher solten geirret haben/ und er kein lehrer/ von GOTT erleuchtet gewesen/ sondern irrthum lehrte/ wird jegliches gottseliges hertz erkennen/ wie schwehr der jenigen verantwortung seyen werde/ welche obs auch unvorsichtig geschehen waͤre/ solche schrifften befoͤrdert und damit sich des schadens/ so dardurch geschehe/ theil- haff- ARTIC . I. DIST. III. SECT . XLIV. hafftig gemacht haͤtten. Nun in allen solchen sachen ists das beste und dem gewis- sen gemaͤsseste/ den theil zuerwehlen/ welcher der sicherste und die wenigste gefahr der suͤnden sich findet. Der HErr lasse also nicht zu/ daß mein geliebter freund o- der andere/ die ihn von hertzen suchen/ sich hierinnen versuͤndige/ sondern gebe ihnen gnade/ liecht und finsternuͤß zu unterscheiden/ und daß zu eꝛwehlen/ womit sie we- der sich noch andere verletzen. Wie er allein der jenige ist/ der die hertzen vest machenkan. Jndessen gnade und huld zur erkaͤntnuͤß und vollbringung seines wil- lens denselben treulich empfele. den 15. Decembr. 1687. SECTIO XLIV. A n meinen guten freund/ der mich vieler dinge erinnert. Willigkeit erinnerung anzunehmen. Ver- laͤugnung des Academi schen hochmuths und studi en: Dieser nutzen. Geistlicher hochmuth. Academi sche grade. Allge- meine klagen der Propheten ob zu widerhohlen? Ob einige aus- zunehmen? Andrer Theologorum freundschafft. Worzu sie nutze. Ubergang zu den creutztraͤgern. Lutherus. Arndius. Babel allein Rom mit dessen anhang. Meine studia heraldica J. Betkius. Herman. Jungius. Gifftheil. Trappe. Kuhlmann. Jacob Boͤhme. Verlangen der gewißheit uͤber ihn. M. Holtz- hausen. Ob wir aus Luthero einen abgott machen. Meine gedancken uͤber unsren jetzigen zustand. Welcherley mittel muͤs- sen vorgeschlagen werden. Was noch auszurichten? Ob et- was vergeblich zu versuchen. Annehmung der noth der armen. Jsrael in der wuͤsten. Ob die Ungarn und Refor- mirte in Franckreich verlassen wer- den? J Ch habe in jahres frist unterschiedliche brieffe von demselben erhalten/ und daraus seine liebe und sorge vor mich verstanden/ davor auch billichen und schuldigen danck sage/ leugne aber nicht/ daß nicht nur die eigene viele ge- schaͤffte u. noͤthlge antwort-schreiben an die jenige/ die die jenige mir ertheilte gaben zu ihrem unterricht ihnen nuͤtzlich oder noͤthig achten/ denen also billich in hertzlicher liebe zu dienen vor andern mich befleißigen solle/ mich von der antwort abgehalten/ sondern auch dieses eine ursach solches unterlassens gewesen/ daß ich offt nach ver- lesen einiger schreiben kaum absehen koͤnnen/ was die endliche meinung an mich R r r 2 seye Das sechste Capitel. seye/ und folglich was ich zu antworten habe: da ich sonsten gewohnt bin/ an gu- ten freunden/ und solches auch liebe/ daß man seines hertzens sinn deutlich und vor- nehmlich darstelle/ daß der andere ohne vieles nachsinnen u. errathen die gantze in- tention recht einsehen und erkennen koͤnne. Wie ich hoffe/ meine brieffe werden in solcher einfalt geschrieben seyn. Jch habe in den vorigen bereits etwas hieruͤber geklagt/ muß aber fast solches wiederhohlen: und weiß nicht/ ob der mangel an miꝛ seye; daß das deutliche nicht nach genuͤgen verstehe/ oder ob die schuld bey den brieffen seye; welches also dahin gestellet seyn lasse; jedoch nicht leugne/ daß michs zum antworten traͤge oder langsam macht. Jedoch will nunmehr in dem nahmen des HErren versuchen/ auf die brieffe zu antworten/ ob zwar ohne ordnung/ wie mir dieselbe die sachen selbst an die hand geben werden. Was denn nun den ersten und weitlaͤufftigsten brieff anlangt/ so irret der Herr nicht/ da er ein auffrichtiges gemuͤth von mir hoffet/ und getraue ich dieses genugsam in der that zu zeigen/ ob mirs in vielen stuͤcken/ wie ich nicht leugne/ viel fehlet/ so fehle es aufs wenigste nicht daran/ daß mirs von hertzen ein ernst seye/ und ich endlich in der sache des HERREN/ zu verfahren trachte. So wuͤnschte ich/ daß wir einander rechtgruͤndlich verstuͤnden/ und uns so expectoriren koͤnten/ daß wir einander durch aus bekant waͤren. Jch gedachte/ bißher von meiner seiten solches gethan zu haben/ daß der HERR mich ja nicht anders/ mehr oder weniger/ als an mir waͤre/ ansehen moͤchte/ ob ers aber also zu thun vermocht habe/ daß er mich also ken- ne/ weis ich noch nicht: kan aber dieses wol sagen/ daß aus seinen offtmahligen brief- fen in vielen hauptstuͤcken seine meynung noch nicht penetriren kan. Daß wir freylich nichts wissen und verstehen/ ohne was uns der HErr zuverstehen giebet/ ist eine unwidersprechliche grundwahrheit/ und ruffe ich GOtt an/ er wolle nicht nur allein gegen dieselbe das wenigste mir niemal in meine seele kommen lassen/ sondern mir dieselbe also staͤts vor augen stellen/ daß ich mich in allem derselben eriñere/ und damit alle reitzungen zu eigener ehr/ weißheit/ oder vertrauen kraͤfftig außtilge. Hingegen daß ich auch allemahl recht ohne fehl erkenne/ was seyn werck und seine wahrheit ist/ auf daß ich nicht unter den gedancken die eigene weißheit zu verwerf- fen seine wuͤrckung zu nicht mache/ und mich nicht weniger auf solche art versuͤndi- ge. So ist auch billich und noͤthig/ daß wir hertzlich vor einander beten/ und ein- ander nach dem vermoͤgen daß GOtt gibet/ treulich erinnern. Jch meiner seits/ wie ich mir selbst nicht traue/ sondern wol weiß/ wie mein eigen hertz betruͤglich seye/ und mich verfuͤhren moͤchte/ lasse mir gern von andern sagen/ und werde von dem allergeringsten die erinnerung mit sanfftmuth und liebe aufzunehmen mich befleißi- gen. Aber dabey leugne auch nicht/ also gesinnet zu seyn/ daß von keinem einigen menschen mein gewissen beherꝛschen lassen/ sondern wo ich einigen erinnerungen sol- gen solle/ muß mir die sache aus GOttes wort der massen erwiesen seyn/ daß ich nicht nur einige wort/ die etwas dergleichen sagen/ anhoͤre/ sondern in der furcht des Herren ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV. HErren klar zu uͤberzeugung der seelen gezeigt werde/ das solches der sinnund mei- nung des heiligen Geistes/ und also GOttes wille an mich seye: und kan mich da- rinnen so wenig resolviren, einigen menschen deßwegen zu glauben/ weil er mirs sagt/ und mich erinnert als ich mir selbs auch nicht ohne erkaͤntnuͤß goͤttlichen worts glaube und traue. Daß ein selbs-gelehrter Academi scher Docto r sich selbs ver- nichtigen/ wie ein kind erniedrigen/ seine eigene gerechtigkeit weißheit und wissen- schafft verachten und sich biß in den gehorsam des todes ans creutz mit Christo unter geben solle/ ist in diesen terminis und thesi abermahl eine ausgemachte wahrheit. Aber was solches gesagt seye/ und wie es practiciret werden muͤsse/ ist nicht weni- ger wol zu unterscheiden und zu erkennen/ damit wir nicht boͤses und gutes uͤber ei- nen hauffen werffen. Hat ein mensch seine studia academica in der furcht des HErren und sei- ner anruffung Christlich gefuͤhret/ und ist dadurch zu einer feinen erudition gekom- men/ so hat er je dieselbe gnade GOttes nicht zu verleugnen/ daß er alles solches mit fleiß in goͤttlichen segen erlernete wolte verachten lassen/ vergessen und nicht gebrau- chen/ welches ich vor die groͤsseste undanckbarkeit und verderbung der goͤttlichen gnaden gaben achtete/ sondern er hat sich derselbigen zu seines GOttes ehr und des nechsten erbauung/ als viel ihm der HErr dazu gelegenheit gibet treulich zu brau- chen und anzuwenden. Ja wo er recht ein schwuͤlstiger und hochmuͤthiger mann gewesen waͤre/ und in seinen studiis nichts als eigene ehre gesuchet/ und sich samt sei- ner erudition ihm sejbs zum Goͤtzen gemacht haͤtte/ daß deßwegen seine erudi- tion nichts als ein menschlicher habitus gewesen/ wo er gleichwol dar- nach von GOtt zu einer erkaͤntnuͤß seiner selbs und der wahren buß gebracht/ damit aber er mit goͤttlichen liecht erleuchtet/ folglich seine buchstaͤbliche todte erkaͤntnuͤß in GOTT lebendig gemacht wird/ so haͤtte auch solcher seine erudition und wissen- schafft nicht weg zuwerffen/ sondern nachdem dieselbige nunmehr geheiliget ist/ sich ihrer in hertzlicher demuth und danckbarkeit vor GOtt zu gebrauchen. Wie wir auch von dem lieben Paulo sehen/ daß er seine in dem Phariseismo gefaßte wissen- schafft nuͤtzlich gebꝛauchet hat. Aber dieses achte ich vor die wahre schuldigkeit/ daß wir Doctores alle/ ja alle gelehrte/ sie tragen titul oder nicht/ als an dem nichts gelegen ist/ uns u. unsere weißheit vernichtigen/ erkeñen/ daß was wir wissen und verstehen seye nicht unser werck/ sondern wir haben davor Gott zu dancken/ der ver- stand und ingenium, die gelegenheit des studir ens/ treue der præceptorum und alles uͤbrige/ dadurch wir zu einer erudition gekommen waͤren/ seyen lauter gaben GOttes/ dero wir nicht werth gewesen/ deßwegen wir auch an der erlangten eru- dition, so viel an solcher gut ist/ uns nichts zueignen/ sondern alle dieselbe in soli- dum dem jenigen zu messen und zuruͤck geben muͤssen/ von dem alles gute herkom- met/ uns nichts davon anmassende/ als was daran mangelhafft/ befleckt und miß- braucht worden waͤre/ daß wir also wegen aller solcher dinge nicht groß in unsern augen seyen/ sondern gedencken/ GOtt haͤtte solches alles eben so leicht einem andern R r r 3 geben Das sechste Capitel. geben moͤgen/ welcher ihm davor danckbahrer worden waͤre/ item wir haben vor uns keinen voꝛtheil davon/ sondern nur eine so viel schwerere verantwortung/ wo wir mit solchem fremden gut nicht treulich umgehen; daraus wird folgen/ das wir nicht nur allein andere/ welchen GOTT etwa dergleichen nicht gegeben/ nicht ver- achten werden/ sondern wir werden auch alle mahl genau untersuchen/ so wol ob wir in unserer wissenschafft der von GOTT gewuͤrckten wahrheit andere unserer ver- nunfft falsche einbildungen unter gemischet haͤtten oder der vernunfft verstatteten sich in goͤttlichen geheimnuͤssen ausser dem gehorsam Christi zu vertieffen/ als auch ob jedesmahl der gebrauch unserer gaben und erudition zu eigener ehr oder war- hafftig zu der ehre des HErren und des nechsten nutzen angesehen seye/ damit wir uns von unseren betruͤglichen fleisch nicht uͤberschnellen lassen. Einen solchen mann achte ich GOTT so gefaͤllig als den einfaͤltigen/ der nichts jemahl studiret haͤtte/ und bedarff nicht/ daß er alsdann den gebrauch sei- ner studien ablegte/ die nun gereiniget sind/ und er noch immer weiter an sol ch er reinigung arbeitet. Jch erklaͤhre mich deßwegen so viel deutlicher/ weil so offt von verleugnung des Academi schen wesens geredet wird/ wie ich beypflichten moͤ- ge oder nicht/ nemlich was dessen anklebende unordnung und mißbrauch anlangt/ nicht aber das gute an sich selbst. Wie dann nicht eine einige wahre wissenschafft/ so aus der schrifft als natuͤrlichen liecht genommen/ gefunden wird/ die nicht wie- derum ihren nutzen in rechtem gebrauch zu der ehre des HErꝛen haben koͤnte. Was die widerwertigkeit u. leiden anlangt/ ists freylich wahr/ und fuͤhlen wirs alle in eige- ner erfahrung/ wie viel dasselbige thue zu unsers fleisches creutzigung und eigenen willens daͤmpffung. So leugne auch nicht/ daß mir offtermahl ein einfaͤltiger und so genanter Laicus mit einiger erinnerung oder gutem exempel vieles genutzet habe/ und ich deßwegen GOtt nicht vorschreibe/ was er vor werckzeug zu meiner besse- rung gebrauchen solle/ sondern ihm dancke/ durch wen ers auch thue/ vor seine gna- de/ wo ich das werck von ihm zu seyn erkennen kan. So weiß ich auch wohl/ daß weder mir noch andern eine meisterschafft uͤber andere gebuͤhre/ sondern ich lasse bil- lich dem HErren sein recht uͤber seine eigene knechte. Wiewol damit nicht auff- gehoben wird/ wo ich an einigen unrechtes und boͤses erkenne/ aus liebe gegen sie und andere/ sie dessen zuerinneren/ solches boͤse zu straffen oder andere davor zu warnen/ solches aber nicht nach eigener meynung/ sonderen nach goͤttlichem uͤberzeugenden wort. Das von denen schein-frommen/ weisesten und gelehrtesten offt das groͤs- seste uͤbel herkomme/ ist auch wahr/ geschiehet aber alles nicht aus schuld der ge- lehrtheit an sich selbst/ sondern dero mißbrauch. So ist die geistliche hoffart frey- lich ein der gefaͤhrlichsten suͤnden/ und weil sie gemeiniglich alsdann ansetzet/ wo wir nunmehr meinen der uͤbrigen suͤnden meiste gewalt bey uns gebrochen zu seyn/ so haben wir viel genauer auf deroselben regungen acht zu geben. Wo wir unsern Do- ARTIC . I. DISTINCT. III. SECT . XLIV. Doctorat, titul, stellen oder dergleichen also fuͤhren und gebrauchen/ daß wir uns darinnen wohlgefallen/ und damit von andern wollen angebetet seyn/ so ist GOtt den goͤtzen und goͤtzen-diener feind. Wo wir aber auch diese aͤusserliche dinge und stuͤcke der aͤusserlichen ordnung dem HERREN zu seinen ehren/ dero werckzeuge zu seyn/ und alles das/ was davon auf uns kommt/ auf ihn allein zu ruͤcke gehen zu lassen/ auffopffern/ so ist den reinen alles rein/ undnicht alles bey allen welt/ was in der welt ist/ und von andern auch darinnen schaͤndlich mißbrauchet wird Laß ich mich meinen doctorat zu einer unterdruͤckung und meisterschafft uͤber andere verfuͤhren/ so ist die schuld mein/ und nicht solches armen gradus, so wenig als des geldes/ daß der geitzige anbetet. Daß zwahr solcher mißbrauch so gemein/ daß er wol fast gewoͤhnlicher als der wahre gebrauch/ leugne ich nicht/ und wuͤnsche wol besseres. Daß die klagen der alten Propheten Esaiaͤ/ Jeremiaͤ/ Ezechiels u. s. f. uͤber damahlige Priester und Propheten noch heut zu tage unseren so genannten geistlichen stand mit betrof- fen/ oder vielmehr die sache selbs sich also weißt/ daß jene auf uns appliciret wer- den koͤnnen/ finde ich auch. Daß aber niemand ausgenommen werden doͤrffe/ sondern weil jene Propheten zu ihren zeiten unterschiedlich mahl universales cate- gorias ergehen lassen/ ohne ausnahm eines einigen/ wir eben dermassen sagen sol- ten/ es seyen keine einige mehr auf Academien und bey den kirchen/ die der HErr treu erfunden/ sehe ich nicht/ wie solches durch die wort derer Pꝛopheten erwiesen werden koͤnne/ und hielte es vor ein solches urtheil/ welches verantwortung ich vor dem gericht GOttes nicht zu uͤbernehmen getrauete/ sondern sorgte/ mich darmit schwerlich gegen die warheit und liebe zuversuͤndigen. So ist mirs darinnen nicht um mich zu thun/ denn wie ich mich selbs richte/ und in mir so offt vieles zu- verdammen finde/ so mag ich wol auch von anderen dergleichen annehmen. Ja wo es mich allein betroͤffe/ wuͤrde mich nichts daruͤber beschwehren/ dann ob mir auch zu viel geschaͤhe/ wuͤrde mir doch solches urtheil nicht schaden thun/ sondern e- her nuͤtzlich seyn zur fleißigen pruͤffung. Weil aber solche sine exceptione uni- versales unsere gantze kirche und so viel personen betreffen/ so hat man je der war- heit und liebe wegen zu untersuchen/ mit was grund solche gebraucht werden/ nicht daß man etwas von menschen ehr und weisheit gegen GOTT bestraffen wolte/ welches ferne sey/ sondern vielmehr billich alles menschliche GOTT zu fuͤssen ge- worffen werden muß/ sondern weil es um die gnade GOttes seiner kirchen und de- ro dienern zu thun ist/ daß wir damit nicht etwa menschen/ wie wir gedencken/ son- dern GOttes ehre verleugneten und verwuͤrffen. GOtt hat mir die gnade gethan einige zu kennen/ bey denen ich die gnade des HERREN finde/ aus dero sie in de- muth und einfalt ihres hertzens wandlen/ und in ihrem amt nach der maß der goͤtt- lichen gnade sich aller treue befleißigen/ und ob ich nicht einen einigen kennete/ wuͤr- de Das sechste Capitel. de ich doch bedencken tragen ohne ausnahm dermassen zu urtheilen/ befoͤrchtende/ ich moͤchte den jenigen unrecht thun/ die der HErr vor mir verborgen hat/ wie dor- ten Elias/ als er allein zu seyn sich beklagte von 7000 verborgenen bericht empfing und also des ungrundes seiner klage uͤberzeuget wurde. Daher ich dieses vor das noͤthigste achte/ daß wo von menschen selbst als menschen im gegensatz gegen GOtt und goͤttliches geredet/ alles freylich zu boden geschlagen werde: Wo wir aber reden von menschen mit der gnaden GOttes betrachtet/ das ist/ ob in der Christli- chen kirchen noch leute/ und absonderlich lehrer/ seyen/ die sich nicht bloß von ihren fleisch sondern des heiligen Geistes leitung/ regieren lassen/ daß wir alsdann beken- nen/ es seye das allermeiste verdorben/ und sehen wir wenig gutes/ wenig treue mehr uͤbrig/ aber uns doch enthalten/ nicht alle zu verurtheilen/ weil der HERR die seine kennet/ und etwa andere auch solche noch kennen moͤgen. Und da sehe ich nicht/ wie solches noch heissen moͤge/ an sehen der menschen/ menschen-gunst oder forcht/ wo man sich nicht breden lassen will/ zu sagen/ was man der warheit und liebe entgegen zu seyn glaubet/ noch den jenigen beyfallen kan/ welche dergleichen thun/ und von uns eben ein solches erforderen: so vielmehr/ da sie sehen/ daß solches alles nicht zur erbauung dienlich/ sondern den zustand der ohne das bedrengten und elenden kirchen noch elender machen wuͤrde. Mit welcher ver- antwortung ich mich nicht gern beladen lassen wolte. Was die an mich gethane erinnerung wegen der freundschafft der Theolo- gorum betrifft/ nehme ich sie an/ als guter meinung gethan/ aber sehe nicht die al- lerwenigste uͤberzeugung oder erweiß/ daß ich dieselbe angeben/ und mir die jenige/ so mir der HErr zu ehren verordnet hat/ muthwillig verletzen und zu feinden machen solle. Wuͤrden sie mir etwas zu muthen/ so wider mein gewissen waͤre/ seye der- selbe versichert/ daß ihre autori taͤt mich zu solcher dienstbarkeit nicht bringen solte. So lange sie aber solches nicht thun/ warum solle ich ihre liebe verfetzlich angeben? Weil ich an vielen grossen mangel gesehen/ so habe meine klagen insgemein offent- lich ausgeschuͤttet/ und die erinnerungen gethan/ so viel dem maß/ so mir gegeben gewesen/ hat moͤgen gemaͤß seyn/ wo mit ich zwar wenig danck verdienet/ in dessen dergleichen zu wiederholen/ und also fortzufahren nicht unterlasse. Daß ich aber in particulari diesen und jenenfremden knecht/ der mir von GOtt nicht unterwor- fen/ verurtheilen solte/ an dem etwa mehr gutes sein moͤchte/ als ich habe sehen koͤn- nen/ oder daß ich die klagen gar universal machen/ und niemand einige außnahm davon gestatten solte/ hab ich keinen befehl noch goͤttliche gewißheit. Daß ich die Theologos in meine castra und netze zuziehen trachte/ weiß ich nicht/ mit was grund gesagt werde. Jch suche je weder secte noch anhang/ sondern neben dem absondeꝛlichen amt/ so mir der HERR an seiner gemeinde zu verwalten gege- ben hat/ gehet mich das allgemeine wesen nicht anders an/ als daß aus lieb gegen den nechsten und eyffer vor GOttes ehre/ das wenige pfuͤndlein/ durch erinnerun- gen ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECT. XLIV. gen/ klagen/ vorschlaͤge/ nach vermoͤgen anwende/ ob damit einige aufgeweckt/ und das werck des HErꝛen mit treuen jeglicher seines orts zu thun angereitzet werden moͤchten. Jch suche auch sonderlich dieses zurathen/ daß unter mehrern treuͤgesinneten lehrern nicht zwar einige socie taͤt/ fraterni taͤt oder verbuͤndnuͤß oder etwas singu- lares, sondern allein eine genauere Christliche freundschafft und correspondenz gestifftet werden moͤchte/ alsdann die allerseits empfangene gaben mit zusammen gesetzter huͤlffe so viel fruchtbarer anzuwenden. Ob der HErr etwas dessen erfol- gen werde lassen/ oder der zu hart gereitzte zorn allen guten vorschlaͤgen/ nach dem wir zu den gericht reiff worden sind/ entgegen stehe/ muß ich dem HErren befehlen. Dancke ihm gleichwol davor/ daß durch mein weniges zu ruffen und schrifften etli- che gute seelen aufgemuntert worden zu seyn bekennen. Jm uͤbrigen sehe ich/ was ich ohne fortsetzung des bißherigen und hertzlichen gebet zu GOTT weiters thun koͤnte/ nichts vor mir. Vor einen Reformatorem der kirchen mich anzugeben/ lasse ich mir die thorheit nicht aufsteigen/ sondern weiß mich meiner schwachheit zu entsinnen/ daß dazu weder weißheit noch krafft empfangen habe. Lasse mir also ge- nuͤgen/ daß ich mit unter die stimmen gehoͤren moͤge/ welche die jenige zu der refor- mation helffen auffmuntern/ die der HErr dazu außgeruͤstet haben mag. Jn solcher sache also bedarff ich keines anhangs/ oder andere an mich zu ziehen. Es noͤthiget mich aber auch nichts/ daß ich mit den jenigen Theologis, von denen ich entweder selbs gute gedancken und hofnung hab/ oder die sich doch dem guten aufs wenigste nicht oͤffentlich widersetzen/ brechen muͤste. Vielmehr trachte ich sie bey gutem willen/ auf art und weise/ so dem gewissen nicht entgegen ist/ zu erhalten/ ob entweder ihre miteinstimmung mir mein werck besser von statten gehen machte/ o- der daß sie dadurch zu ihres eigenen amts fleißiger verrichtung auffgemuntert wuͤr- den/ oder daß sie sich anderer Christlicher vorhaben nicht frevel. entgegen zu setzen sich verleiten lassen. Welche zweck alle der goͤttlichen ehr gemaͤß sind. Hinge- gen sehe ichs nicht verantworlich an/ wo ich muthwillig solche leuthe in harnisch ja- gen solte. Daß der haß gegen den schlangen saamen/ bey mir in genugsamen grad noch nicht seye/ leugne ich nicht/ suche aber auch in denselben durch die goͤttliche liebe mehr gestaͤrckt zu werden. Jch verlange aber solchen haß gegen keinen men- schen/ sondern gegen den rechten schlangen-samen und wercke des teuffels in den menschen/ dabey eine erbarmende liebe auch gegen die jenige bleibet/ an welcher sol- cher schlangen-samen sehr starck ist. Daß ich in die castra dolorum \& crucigerorum agni uͤbertreten solle/ hoͤre ich wohl die vermahnung. Wo soll ich aber solche anderwerts suchen/ als in der ob zwar verderbten gemeinde des HErren/ darinnen er ja noch seinen heiligen saamen erhalten hat? So sehe auch nicht/ daß dazu entweder ein leiblicher auß- gang aus der gemeinde/ noch eine absagung der freundschafft der jenigen/ welche de ꝛ S s s HErr Das sechste Capitel. HErr mit mir durch das band der Ecclesiasticæ communionis verbunden/ ge- hoͤre. So trittet der jenige wahrhafftig in die ereutz gemeinschafft des Lammes/ der neben dem/ daß er sein leben von der befleckung der welt suchet zu reinigen/ sein amt an seinem ort treulich verrichtet/ und seine klagen offentlich bezeuget/ und in allem solchen den haß des satans und der welt nicht achtet. Jch habe mich nichts als meiner schwachheit zu ruͤhmen/ abeꝛ erfahre doch/ wie meine arme bißherige conatus, von dem HErrn also gewuͤrdiget worden sind/ daß der satan sich daruͤbeꝛ zorns angenom̃en/ und ich nicht nur hie meine feinde weiß/ sondern von unterschied- lichen jahren das jenige ziel gewesen bin/ auf welches eine unzehlige zahl laͤsterun- gen und verlaͤumdungen gerichtet worden sind. Dem HErren seye danck/ der mir muth gegeben/ daruͤber nicht weich zu weꝛ- den/ sondern auch solches mit willigen gehorsam von ihm auffzunehmen. Wo a- ber solches uͤbertreten in die castra cruciferorum heissen solle/ mich auch in dem aͤus- serlichen in die gesellschafft der jenigen zubegeben/ uñ ihrer dinge mich theilhafftig zu- machen/ welche gut und boͤse moͤchten auf einerley weise angegriffen/ und sich damit selbst manches auf den halß geladen haben/ so sehe nicht/ was mich dazu solte/ ich will nicht sagen noͤthigen/ sondern nur persvadiren. Dann da solcher leuthe hef- tigkeit mir/ wo ich urtheilen solte/ so vorkommet/ daß sie es viel zu viel gemacht ha- ben/ so wird genug seyn/ das ich mich solches urtheiles enthalte/ weil etwa GOtt etwas so ich nicht verstuͤnde/ mit ihnen vorgehabt haben moͤchte; aber daß ich ihre sache billichen und in ihrer vornehmen gemeinschafft mich begeben solte/ finde ich nicht/ wie mir mit einigen schein moͤchte angemuthet werden/ weil es wider mein gewissen gehet: Da ich doch auch mit zweiffelendem gewissen nichts thun solle. Al- so weil der HERR GOTT ist/ bleibets freylich dabey/ daß wir allein auf ihm/ auf sein wort und willen und regierung/ ohne zuruͤcksehen auf menschen/ sehen muͤs- sen und wollen. Aber das heist noch nicht/ die freundschafft und liebe der jenigen hindansetzen/ die mit der goͤttlichen nicht streitet/ sondern ein werckzeug sein mag/ das jenige nach- druͤcklicher zu thun/ wo zu uns die goͤttliche liebe verbindet. Daher muͤssen wir freylich nicht zwischen beyden hangen/ zwischen Christo und Belial/ sondern jener ist allein unsers dienstes wuͤrdig. Jst also durch seine gnade diese resolution von guter zeit bey mir gefaßt/ dabey ich auch mich versichere/ daß der treue Vateꝛ zu dem wollen die krafft und vermoͤgen zum vollbringen verleyhen werde/ dem HEr- ren getreulich anzuhangen/ und also weder die nun nechst instehende verfolgung des Roͤmischen Babels zur verlassung der warheit und dero bekaͤntnuͤß/ noch auch anderer und der welt freundschafft/ mich von dem wege des guten oder vollbrin- gung goͤttlichen willens abbringen zu lassen. Aber auch dabey mich fleißig zu huͤ- ten/ daß nichts vermessen unternehme/ was mir der HERR nicht gegeben/ noch dazu außgeruͤstet und beruffen hat. Jch sehe auch/ wie GOTT bey andern sei- nen ARTIC . I. DISTINCT. III. SECTIO XLIV. nen dienern unterschiedliche gaben ausgetheilet hat. Unsern Lutherum ruͤstete er aus mit heldenmuth und solchen eyffer/ der nach niemand fragte/ und offt schei- nen solte/ auch der jenigen freundschafft aus den augen gesetzet zu haben/ die er er- halten moͤgen/ weil er ihn nemlich zu niederreissung Babels/ und aufrichtung ei- nes neuen wercks bestimmet hatte. Jn Arndio aber leuchtet nichts hervor als ei- ne liebreiche sanfftmuth/ als er auch zur hoͤchsten ungebuͤhr angegriffen/ und die goͤttliche warheit in ihm gelaͤstert wurde/ er verantwortete sich aber ohne hefftigkeit/ und suchte auch der jenigen freundschafft zuerhalten/ die ihm doch zuwieder waren. Jst nun bey einigen ein solcher geist Lutheri, und dienen sie GOTT zur peitsche den tempel zureinigen/ so ich ihrer verantwoꝛtung uͤberlasse/ ob und was in ihrem eyffer warhafftig goͤttliches gewesen oder nicht/ so werden sie doch nicht verwerffen koͤnnen/ wo GOtt andere anders regieret. Das schwehre gerichte uͤber Teutsch- land in dem weltlichem und uͤber unsere gantze Evangelische kiꝛche obhanden sind/ zweiffele ich so gar nicht/ daß ichs meiner gemeinde ad nauseam usque vorsage/ und kan der HErr nicht wol haͤrteres denselben vorzustehen in seinen schrifften ge- trieben haben/ als ich selbs glaube und bekenne/ auch den anfang vor augen sehe. Ob von unserem Evangelischen Zion/ was dessen aͤusserlich anlangt/ mehr uͤber- bleiben werde/ als einige steine/ die der HErr zu einer neuen aufrichtung gebrau- che/ will ich keinem versprechen/ sondern mache mich auf alles solches gefaßt. War- te auch nichts anders zu nechst/ als das Babel die macht gegeben werde/ das ver- derbte Jerusalem zu verstoͤhren. Wie ich dann nicht leugne/ mir keine satisfa- ction gethan zu seyn wegen Babel und Jerusalems. Jn dem ich aus der schꝛifft die gruͤnde verlange/ das Babel so weit nemlich ausser dem Papstum sich ausdaͤh- nen lasse. Es hat das volck GOttes in dem Alten Testament mehr als einen feind/ Ba- bel/ gehabt/ sondern eben so wol und vorher von Philistern/ Syrern/ Assyrern/ ley- den muͤssen/ die heissen deßwegen nicht alle Babel/ sondern solches ist allein ein haupt feind/ und zwar der jenige/ der das verderbte Jerusalem am hefftigsten angefoch- ten und zerstoͤret hat. Weil nun der heilige Geist un disputir lich Babel von Rom erklaͤhret/ so kan mich niemand verdencken/ daß ich nichts unter sol- chem nahmen verstehe/ was nicht unter der botmaͤßigkeit Roms/ sondern in offener feindschafft gegen dasselbe stehet. Wird mir auch aus der schrifft (nicht aber aͤndern analogiis und convenientiis, da man leicht quidvis ex quo- vis machen kan) nicht einanders gezeiget/ wie es dann noch bißher von keinem ge- schehen/ so kommet mir billich solcher nahme/ da er unsere kirche mit begreiffen sol- le/ sehr verdaͤchtig vor/ und sorge sehr/ wir versuͤndigen uns gegen die gnade Got- tes die uns wiederfahren ist/ mit gefaͤhrlichem undanck. Daß ich in Heraldicis etwas zuthun nachlassen muͤsse/ ist mir noch mit keiner buͤndlichen ursache gezeigt; S s s 2 blosses Das sechste Capitel. blosses sagen aber hat nicht platz bey mir. Jedoch habe solches aus mangel der zeit/ deren ich jelaͤnger jeweniger von dem nothwendigsten uͤbrig behalten kan (so die einige ursach ist/ welche dieses studium und andere dergleichen unziehmlich ma- chen kan/ nemlich der zeit verlust) stracks nach publici rung des vorigen wercks/ so viel jetzo vorsehen und resolvir en mag/ beschlossen/ ohne den partem generalem und lib. IV. partis specialis, so damahl publice versprochen worden/ und jener laͤngsten/ ohne wenige supplementa, die noch hin und wieder mangelen/ in MSC. fertig gewesen/ dieses aber aus dem dingen bestehen muß/ so mir nachgeschickt wor- den und werden/ nichts weiteres mehr in illo oder affinibus studiis zu publici- ren/ ob wol unterschiedliche wercke so viel als fertig sind/ daß sie nur getruckt werden dorfften/ aber sie lieber will liegen lassen/ als viel zeit damit verspielen/ da ich nicht weiß/ wie lange mich der HERR noch hie lassen will. Jn dessen kan versichern/ daß zu diesem studio historico (dann die heraldica sind mit ein stuͤck der histo- riæ, und tractire ich in den wapen/ der grossen Herrn familien, landschafften und jura ) zwar naturali inclinatione erstlich gefuͤhret/ aber von GOTT nach- mal durch viele nicht nur gelegenheit sondern befehl der jenigen/ so mir zu befehlen hatten/ selbst weiter darinnen geleitet worden/ daß nicht ohne dessen willen alles sol- ches vorgehabt zu haben getraue. Wie dann/ ob wol diese ding zu dem einigen nothwendigen nicht gehoͤren/ sie gleich wol sachen sind/ damit der policey und de- nen so zu dero gebraucht werden sollen/ gedienet werden mag. So lang also der HErr diese erhalten haben will/ so ist nichts vergebens/ was auch in diesem stuͤcken ohne sonderliche verhindernuͤß des nothwendigsten geschiehet/ und mag ich etwa nicht zu verdencken seyen/ nach dem mich GOtt zu der zeit/ da er mich selbs zu diesem studiis beruffen/ uñ es das ansehen haͤtte/ ich wuͤrde mein lebtag damit zu zubringen haben/ vieles zu solcher materie gehoͤriges samlen lassen/ daß ich es zu andereꝛ/ so dessen bedoͤrffen/ gebrauch publicire. Jch gestehe zwar/ daß ich mir je laͤnger je- mehr ein gewissen mache/ viele zeit darauff mehr zu wenden/ weil es nun nicht wol mehr ohne versaͤmnis anders nothwendigen geschehen kan. Jndessen bindet mich auch mein verspꝛuch. Wird aber etwa also zu helffen seyn/ daß das restiren- de so viel kuͤrtzer fasse/ und weniger elaborire, als sonsten geschehen sollen. Jch kan wol sagen/ das seiter der ostermeß 1680. da das werck außgieng/ nicht so viel daran mehr gethan/ als in acht tagen thun konte/ und wuͤnsche doch bald vollends die haͤnde davon frey zumachen/ so ohne die außfertigung nicht geschehen kan. Jn- dessen so wird mir die arbeit/ so vor diesem eine lust gewefen/ mehr und mehr eine last und verdruß. Doch hoffe/ GOtt werde mich auch davon vollends befreyen. Was ferner die jenige punct en anlangt/ darinnen ich vor einem jahr bedeutet/ wor- innen ich des Herrn person und verrichtungen wegen anstehe/ so sehe zwar auf die selbe einige antwort/ weil ich aber diese nicht begreiffe/ noch sehen kan/ wie solche scru- ARTIC . I. DISTINCT . III. SECTIO XLIV. scrupuli benommen/ so lasse ich die sache dahin gestellet/ auf desselben eigene ver- antwortung/ weil ich nichts weiters dabey zu thun weiß. Joachimi Betkii gedaͤchtnuͤß habe ich von der zeit geehret/ als ich seine pensionem Christianismi und mysterium crucis gelesen. Mit Herm. Jun- gio, von dem mir so viel liebe freunde gutes geruͤhmet/ habe selbst durch schreiben freundschafft gemacht/ und haͤtte deroselben laͤnger zu geniessen gewuͤnschet. Es ist aber gleichwol derselbige biß in seinen todt in dem Ministerio geblieben. Von Gifftheilen kan nicht urtheilen/ aber habe aus seinem mir vor dem geschickten einigen gedruckten bogen nicht das wenigste sehen koͤnnen/ daß ein son- derbahres goͤttliches liecht bey ihm gewesen/ doch leugne nicht/ daß wol etwas seyn koͤnnen/ daß ich nicht erkenne. Eben gleiches muß auch sagen von Bartel Trap- pen. Doch enthalte mich in zweiffelhafftigen dingen des rechtens gern/ wie auch schuldig bin/ damit mich nicht gefaͤhrlich in unwissenheit verstosse. Deßwegen Q. Kuhlmanns meine entschuldigung wohl aufgenommen/ ist mir lieb gewesen- Und wuͤnsche ich hertzlich/ daß der HErr dem mann moͤge bißher mehr gnade gege- ben/ und er sie treulich angenommen habe/ aus dem nebens weg auf die richtige strasse zu kommen/ und ein gesegneter werckzeug des HErren zu werden. Wegen Jacob Boͤhmen bleibe ich im̃er in meinem vorigen/ daß ich ihn we- der annehmen noch verwerffen kan/ und habe schon offtmahls von hertzen gewuͤn- schet/ daß GOtt einem recht-gruͤndlich und in seiner gnade gelehrlen/ auch seines Geistes regierung gelassenen mann erwecken wolte/ der dieselbe schrifften also pruͤf- fete und erkennete/ daß er der Christlichen kirchen auf eine solche weise vor augen le- gen koͤnte/ ob warheit oder falschheit in seiner lehr seye/ daß jeder frommer Christ/ dem solches zuverstehen angelegen waͤre/ mit versicherung und uͤberzeugung sei- nes hertzens wuͤste/ was er davon zuhalten haͤtte. Wie ich selbs auch vor mich ein solches verlangte. Denn was ich bißher gegen ihn gesehen/ ist mir allemahl noch zu schwach vorgekommen/ ihn zu verdammen/ und hat mich in einen und andern stuͤcken gedeucht/ er moͤchte nicht recht ge- fasst worden seyn. Was mir aber bißher auch vorgebracht worden von denen/ die ihn lieben/ war mir noch vielweniger genug zu des gewissens beruhigung/ ihn als einen lehrer aus GOTT anzunehmen. Daher ich es dabey bleiben lasse/ daß ich warte/ was GOTT noch thun/ und durch einen theuren ruͤstzeug offenbahren wird/ aus welchem geist jener geschrieben/ in dessen rathe ich allen/ die meines raths sich. brauchen wollen/ mit solchen schrifften noch unverworren zu seyn/ weil sie auffs wenigste an der heiligen und unzweiffenlichen schrifften der Propheten und Apostel genug haben/ und versichert seyn koͤnnen/ sie bedoͤrffen entweder jener schrifften nicht/ oder der HERR werde sie selbst dazu fuͤhren/ wo sie ihm erstlich treu und danckbahr vor die in jenen erzeigte gnade werden worden seyn. Jch hoͤ- S s s 3 re Das sechste Capitel. re aber fast mit verwunderung/ wie an so vielen orten sich leute offenbahren/ wel- che in solchen autorem verliebet sind/ und in ihm was grosses gefunden zu haben meinen. Daher ich das vertrauen habe/ der HERR werde seinen willen in sol- cher sache noch nicht zum vergnuͤgen der dessen begierigen kund werden las- sen: weil es scheinet/ um dieser ursach willen/ weil seine buͤcher immer in mehrer haͤnde kommen/ nunmehr ein solches anfangen noͤthiger zu werden/ als ich vor die- sem geachtet haͤtte. So mag vielleicht dazu eine vorbereitung geben/ wann in- dessen einige publice vor oder gegen ihn schreiben/ durch welche gelegenheit allge- mach der weg zu einer gruͤndlichen beurtheilung gebahnet wuͤrde. Jch empfehle es endlich dem HERREN/ derselbe wolle und wird auch hierinnen thun/ was sei- ne ehre erfordert: Jsts nicht auff die weise/ wie wir gedacht/ und uns eingebildet haben/ so solls gewiß auff eine so vielnachdruͤcklichere und heiligere art geschehen/ wie es seiner weißheit geziehmet. Jn dem 2. brieff vom 1. April. welchen mir der D. Medicinæ gebracht/ und auff der ruͤckreise wider mir zu zusprechen versprochen hatte/ aber abgehalten muß worden seyn/ wurde vornehmlich M. Holtzhausens und Lutheri gedacht. Von jenem habe nun von guter zeit nichts gehoͤret/ aber durch einige freunde ihn irgend recommendi ren lassen. Muß nun erwarten/ biß GOTT zeiget/ welchem ort er seine vortreffliche gaben und dabey geziemliche treue bestimmet habe. Wuͤrde mich aber so viel hertzlicher freuen/ so ich ein werckzeug zu beforderung seiner gaben werden solte. Waͤre er nach Amsterdam gekommen/ so haͤtte geschlossen/ daß GOTT bey solcher unser lieben gemeinde etwas ungemeines vor haͤtte. Aber seine gedancken sind nicht unsere gedancken. Daß wir uns Lutheri zu hoch ruͤhm- ten und fast einen abgott aus ihn macheten/ bekenne ich/ daß ich nicht begreiffe/ son- dern vielmehr das andere/ welches aber mit diesem kaum stehen kan/ glaube/ nehm- lich daß es ein nicht geringer fehler/ daß er so wenig von unseren leuten gelesen wird. Jch weiß wenig auff universi taͤten/ daß studiosi zu solches theuren lehrers schrif- ten angewiesen werden/ ohne daß mein seliger Præceptor D. Dannhauer seiner mehrmahl gedacht/ auch selbs bedaurte/ etwas spaͤter erst zu solcher lection ge- kommen zu seyn/ wie dann seine letztere scripta alle sehr vieles aus des mañes schrif- ten anfuͤhren. Mich aber hat GOTT durch diese gelegenheit dazu gebracht/ als auff einer gewissen person veranlassung samt andern mitarbeitern einen Commen- tarium uͤber die gantze schrifft/ aus solchen trefflichen lehrers schrifften und worten zusammen tragen halff/ welcher auch etliche jahre fertig ist/ aber an verlegern und einiger andern ursach gemangelt/ daß er noch nicht gedruckt/ so ich sonsten nicht un- nuͤtzlich erachtet/ weil in solchen werck aller kern seiner sachen beysammen stehet. Durch diese gelegenheit musste ich nun alle seine tomos fleißig durchgehen/ daß da- her ob solch werck noch heraus kommen moͤchte oder nicht/ auffs wenigste mir selbs diese arbeit sehr nuͤtzlich gewesen ist/ und ich mich sie nicht reuen zulassen habe. Es ist ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV. ist freylich wahr/ daß CHRJSTUS und Paulus in Luthero aller orten heraus leuchtet und der articul vom glauben und dessen fruͤchten vielleicht nach den zei- ten der Apostel schwehrlich von jemand so nachdruͤcklich wird tracti ret worden seyn/ daher auch wo solche schrifften fleißiger gelesen wuͤrden/ nicht zweiffelte/ es solten viel auff Acedemi en einen bessern grund legen/ als sie jetzt davon in die dienste brin- gen. Jndessen verlange so wenig als der liebe mann selbs verlangt hat/ daß man seine schrifften apotheosi re/ sondern wie ich eine theure geistes krafft in ihm antref- fe/ so finde ich doch auch den menschen darinnen/ sonderlich wo er uͤber die Prophe- ten schreibet/ daß er vielleicht die meinung des heiligen Geistes nicht allemahl mag erreichet haben. Auff daß ja ein unterscheid bleibe unter dem blossen GOttes und menschen wort/ auch von denjenigen geredet/ die in einem grossen liecht des geistes gestanden sind. Jch habe eben auch dieses mit verwunderung/ was der HERR bemercket/ wahrgenommen/ daß der liebe mann von den letzten zeiten dasjenige nicht erkant/ was sonsten nicht eben so dunckel in der schrifft stehet. Ob ich wohl in der zu seiner zeit/ gedruckten kirchenpostill/ einen schoͤnen ort/ (so nach seinen tod geaͤndert worden) angetroffen habe/ von bekehrung der Juden. Aber wir haben unserem GOtt seine freyheit nicht zu disputi ren/ nach dero er macht hat/ un- ter seinen dienern seine gaben nach seinem wohlgefallen auszutheilen und koͤnnen alles zugeben/ ja wohl gar zu weilen einigen hocherleuchteten andere dinge zuverber- gen/ welche von andern in einem viel schwaͤchern liecht erkant worden sind. Jm uͤbrigem wo ich einigen Lutheri schrifften recommendi ren kan/ so thue ich es gern. Jch komme nun auff den 3ten brieff von 8. Sept. Da ich sehe daß der HErr aus liebreichem vertrauen gegen mich/ mir die von GOTT ihm gegebene gaben mit- zutheilen verlangt/ in der absicht/ daß durch mich solche an andere weiter fort son- derlich in oberteutschland gebracht/ und ihrer mehrern damit genutzet werde. Vor solche freundliche liebe bedancke mich schuldiger massen/ leugne auch nicht/ daß mirs durch GOttes gnade an druckern und verlegern nicht mangelt/ das jenige/ so ich zu der Christlichen kirchen erbauung dienlich zu seyn erachte/ zu publici ren/ und unter die leut zu bringen: ich bin auch bereit/ wo mir GOTT selbs etwas weite- res als bißdaher zuerkennen geben jolte/ oder wann durch den Herren oder andere gute freunde/ wie ich mich nicht zu gut duͤncke/ von jedem zu lernen/ etwas empfan- ge/ so ich der Evangelischen Christlichen kirchen diensam und den willen des HErrn gemaͤß verstehe/ ein solches ungesaͤumt/ nach dem mir GOtt gelegenheit zeiget/ an- dern gemein zu machen: und solte ich GOtt hertzlich dancken/ wo er mir die gnade gebe/ in dingen/ die selbst vor mich zu finden zu schwach gewesen waͤre/ das werck- zeuge zu seyn/ anderer bessere partus an das liecht helffen zu bringen. Jch sinde aber aus mehrmahliger uͤbe r lesung des brieffs doch nichts/ was mir dann darinnen zu erkennen gegeben werde/ und zu anderer heil grosses contribui ren solte. Wie dieses meine so offtere klage ist/ daß man nicht gantz deutlich sage/ was man wolle und Das sechste Capitel. und darinnen nicht in den indefinitis generalibus bleibe/ wo man doch endlich nach allem nachsinnen kaum weisst/ was gemeinet seye/ sondeꝛn ad specialiora offen- hertzig gehe/ sonderlich aber nicht bey den klagen stehen bleibe/ sondern die besse- rungs mittel vorschlage. Jch will mich nochmahl vor den augen GOttes offenher- tzig bey ihm expectori ren/ und bitte er gehe in der antwort widerum presse nach meinen worten/ und sage was er billiche oder verwerffe. 1. Was den gegenwertigen zustand anlangt/ glaube ich/ lehre ich/ predige und schreibe/ das schreckliche gerichte GOttes obhanden seyen/ daß besorglich unser Teutsches reich etwas mag zu eꝛwaꝛten haben/ daß es sich nimmermehr eingebildet/ daß diese Rhein kante und unser Franckfurt/. vor andern grosse gefahr habe/ daß alle unsere congressus/ conferen tzen/ tracta ten/ allian tzen/ und wie sie nah- men haben moͤgen/ nichts ausrichten oder u u s schuͤtzen koͤnnen/ wir suchen dann erstlich mit hertzlicher buß den zorn GOttes/ davon alles solches herkommet/ ab zu lehnen; Wie wohl ich keine versicherung thun kan/ wann auch solches einigerley massen geschehe/ ob das besorglich bereits ausgesprochene urtheil werde retracti- ret werden: wiewohl kein zweiffel ist/ daß solchen busfertigen nachmahl alles zum besten dienen mus. Diese wahrheit ist so offenbahr/ daß sie auch grossen staats- leuten in die augen leuchtet/ dero brieffe ich etwa in haͤnden habe/ voller klagen/ daß sie fast nicht sehen/ wo rath und huͤlffe seye. Morgen und abend trohen uns nicht vergebens. Jch habe noch neulich in der predigt auff unsern buß- und bettag aus Offenbahr. Johan. 3/ 1-6. offenhertzig von der sache geredet und bekant/ daß alle der kluͤgsten/ erfahrensten und treusten leute oder gesandten fleiß und treue nichts moͤge ausrichten/ wo wir nicht erstlich den HERREN versoͤhnen/ ausser dem hin- dern wir und machen/ daß solcher rechtschaffener maͤnner/ so sonsten instrumenta publicæ salutis werden solten/ arbeit vergebens werde. 2. Was das geistliche anlangt/ so sehe ich die sache also an/ daß unsere gantze Evangelische kirche oder doch das meiste davon/ in der gefahr stehet/ uͤberhauffen geworffen zu werden/ und daß der HERR dem Roͤmischen Babel und Clerisey die macht lassen werde/ ihren grimm uͤber uns mit nachdruck auszuschuͤtten/ wo ich nicht weiß/ ob wir vor den Reformirten in Franckreich grossen vortheil haben wer- den. Es hat ja der HERR macht/ ein gebaͤu/ so sich nicht will flicken lassen nie- der zureissen/ und aus den ausserwehlten steinen/ ein neues auffzurichten. Und solches alles haben wir Evangelische so wohl verdienet als einige andere; Ja so vielmehꝛ vor andern/ vor denen wir eine mehrere gnade in der reinen lehr empfan- gen haben/ was vorordnung der HERR in solcher heimsuchung brauchen/ wie viel und was er stehen lassen/ so dann wie lang es waͤhren solle/ weiß ich nicht/ und messe mir keinen Prophetischen geist zu. Doch weiß ich/ der HERR wird sich seinen samen erhalten/ und alles herrlich hinausfuͤhren. 3. Sol- ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLIV. 3. Solcher laͤuterung bedorffen wir wohl/ dann es freylich in allen staͤnden e- lend stehet. Jn dem geistlichen so genandten oder lehr-stand sind nicht bloß alle/ aber doch die allermeiste/ schlechter dings verdorben: und was nicht verdorben ist/ kan sich doch vor den augen des HERREN nicht rein sprechen/ sondern muͤssen al- le klagen/ daß das verderben dieser zeit allen einiges wissend oder unwissend ange- klebet habe/ daruͤber der HERR mit uns allen rechten kan/ und werden wir uns vor seinen gericht schuldigen muͤssen/ hingegen allein in seine barmhertzigkeit zu- flucht finden. Der regierstand ist zu mahlen in grund verdorben/ und haͤtte man von einem grossen theil derselben/ die darinnen sitzen/ nur zu wuͤnschen/ daß sie den rechtschaffenen zeiten in solchem ihrem amt gleichkaͤmen/ so weit sind sie von dem rechtschaffenen Christlichen wesen. Was auch noch unter denselben gute seelen sind/ sind dermassen umgeben mit andern hinderungen/ aͤrgernuͤssen/ unchristlichen bedienten/ daß nichts gutes durchdringen kan/ sondern sie fast selbs nicht wissen/ wie ihnen die haͤnde gebunden seyen. Daher leicht zu erachten ist/ wie es mit den dritten stand stehen muͤsse. 4. Die arme ins gesamt fromme und boͤse/ sind in der eussersten verlassung und unterdꝛuckung/ daß es auch in die harre auff politi sche weise nicht bestehen kan/ geschweige was Goͤttliche gerechtigkeit darzu saget/ und werden also freylich dero- selben staͤte feufftzen besorglich manchen regenten-stuhl umstuͤrtzen/ und diesen huͤlf- fe widerfahren/ auff art und weise/ die ich nicht voꝛsagen kan/ aber wohl dieses weiß/ daß Goͤttliche gerechtigkeit und guͤtigkeit nicht fehlen koͤnne. 5. Jch erkenne auch gern/ daß alles/ was nicht von dem himmlischen Vater gepflantzt/ sondern menschen werck ist/ als viel es solches ist/ wird und muß zunicht werden/ ja wir auch an uns zu nicht machen muͤßen/ was wir aus uns selbs ange- klebet haben/ daß das Goͤttliche allein bleibe. 6. Da wir solche Goͤttliche gerichte also vor augen sehen/ da ist nun die vornehmste frage/ was uns dann zu thun seye/ ob wirs dann alles blosser dings so gehen und stehen lassen sollen/ weil keine hoffnung mehr uͤbrig. Nun haben die Medici die regel/ ægrotum prognosticis non esse relinquendum, und muͤsse man als lang athem vorhanden ist/ alle muͤgliche mittel brauchen. Dieser mei- nung bin ich auch in dieser sach/ daß wir doch ja nicht alles allein bey den klagen uͤber das verderben und der blossen ergebung in GOttes willen (so freylich das erste und letzte/ oder das vornehmste ist) lassen/ sondern auch alles das jenige annoch versu- chen sollen/ was Goͤttliches wort uns zu thun zeiget. Dann ob man wohl sagen moͤchte/ es seye umsonst/ und koͤnne niemand bauen/ oder erhalten wo der HERR niederzureissen beschlossen hat/ so ist doch nicht nur allein annoch ungewiß/ wie viel oder wenige frist der HERR annoch gebe/ da auch/ soltens allein ein und andere jahr seyn/ die erhaltung des jenigen/ was der HERR annoch so lang stehen zu las- sen beschlossen hat/ die anwendende muͤhe verlohnet/ sondern es ist uns nicht eben T t t offen- Das sechste Capitel. offenbahret/ ob nicht ein oder ander ecklein von diesem gebaͤue/ welches sonsten/ ob wohl zu seinen besten fallen soll/ stehen zu bleiben verordnet sey/ um gleich ein weni- ger anfang als dann dessen widerum zu seyn/ was der HERR aufrichten will/ und ob wir so zu reden nichts stehen zu bleiben erhalten koͤnten/ ist auch dieses nicht zu verachten/ da unser anwendender fleiß in Gottes segen ein und andere seelen bes- ser bereitete auff die bevorstehende gerichte/ und zu deroselben erhaltung etwas contribui rte/ ja so wir auch endlich unter allen diesen stuͤcken keines erhielten/ welches nicht gedencke/ ist doch nicht vergebens/ was in Goͤttlicher ordnung in ab- sicht auff seine ehr geschiehet/ sondern der ausgang folge wie er will/ hat dasselbe be- ꝛeits seine belohnung in sich. Wo dañ nun dieses fest stehet/ wie ichs fest zustehen nicht zweiffle/ und ja nicht gedencke/ daß wir der Anthoinette Bourignon, die ohne das ihren glauben auch bey den uͤbrigen verlohren haben mag/ beypflichten sollen/ man muͤsse sich nicht mehr bemuͤhen etwas zu erhalten/ sondern nur seine seele zu retten/ so ist ferner zu untersuchen/ was dann diejenige mittel seyen/ die zu ergreif- fen/ und in welchem wir in unseren amt unsere seelen retten moͤgen. Dieses ist die ei- nige materie / die ich die wuͤrdigste achte/ davon gehandelt zu werden/ unter denen welche GOTT suchen. Und darinnen wuͤnschte ich/ daß der HERR seine gute gedancken mittheilte/ aber nicht in seine vielerley vorige scripta zu weisen/ sonderen in kurtzem und deutlich solche anzuzeigen. Es wird aber auch/ was solche mittel anlangt zweyerley zu bemercken seyn. Eines theils daß es mittel seyen/ die pra- cticabel sind/ und nicht erwa solche da man stracks siehet/ sie seyen allein vota / und setzen zum grunde eine anmuthige ideam Platonicæ Reipublicæ, da wo wir uns uͤber solche ideam ergoͤtzet/ kein weiterer nutzen uͤbrig bleibet. Und halte ich ei- nen medicum nicht vor klug und treue/ welcher bey einen patienten viel discurri- ret/ von solchen medicamentis und curen / dazu zugelangen/ bekantlich kein mittel und weg ist/ sondern es scheinet/ ein solcher wolle mehr seine geschicklichkeit weisen/ als daß er sich des krancken heil lasse angelegen seyn: viel besser aber verdienet sich der jenige medicus an ihm der mit aller sorgfalt/ sich der medicamen ten gebꝛaucht die er haben kan/ ob sie wohl jenen zu erlangen unmuͤglich an guͤte nicht gleich sind/ ja auch die kranckheit nicht aus dem grund heilen sondern doch dem patienten ei- nige linderung geben/ oder wohl so lang das leben fristen/ biß man etwa jener statt- licher mittel moͤge habhafft werden. Also sehe ich gewiß nicht/ wie der gemeinde CHRJSTJ gerathen werde mit vorschlag der jenigen mittel/ da wir stracks se- hen/ daß nichts davon zu wegen zu bringen ist/ sondern das auffhalten in deroselben betrachtung uns nur hindert an den andern mittelen/ die sonsten practicabel sind. Andern theils achte ich noͤthig/ daß es mittel seyen/ die nicht nur bloß universal, o- der so bewandt seyen/ daß der gantzen kirchen damit stracks geholffen werde/ mit verwerffung der jenigen/ welche ein und anderen theil deroselben etlicher massen zu retten tuͤchtig sind. Dann wo die sache recht erwogen wird/ so werden jene in die ARTIC. I. DISTINCT. III. SECTIO XLIV. die vorige classem derjenigen kommen/ die noch impracticabel werden erfunden werden/ und also der vorschlag doch endlich vergebens ist. Sondern ich achte die jenige mittel uns die vortraͤglichste/ welche ob sie zwar virtute universalia sind/ das ist/ so bewand/ daß sie an allen orten in der kirchen moͤgen angewendet u. versucht werden/ aber dero versuch gleich wohl nicht dahin zu schrieben/ biß man sich aller orten insgemein eines propositi vergleiche/ u. nicht eher anfangen wolte/ man sehe dann/ daß die frucht in der gantzen kirchen folgen werde. Viel besser ists/ es seyen solche/ welcher jeglicher bey seiner gemeinde/ in seinen Dorff/ in seiner Statt/ in sei- ner diæces / nach bewandtnuͤß der umstaͤnden/ versuchen moͤge/ und damit zu frie- den seye/ ob wohl der nutzen nicht weiter als uͤber dieselbe sich erstreckte/ ob er wohl wuͤnschte/ daß durch das gute exempel derselbe auch weiter fortgesetzet wuͤrde. Ja daß er auch nicht laß seye/ ob er schon sehen solte/ daß er nicht bey seiner gantzen ge- meinde/ sondern allein einen theil derselben/ ja nur etlichen der folgsamsten/ etwas ausrichtete/ in dem allezeit eine einige seele aller arbeit werth ist. Koͤnnen wir also die gꝛosse und voꝛnehmste in beyden oberen staͤnden nicht gewinnen/ so haben wir zwar nicht gar nachzulassen an ihnen zu arbeiten/ und ihnen das wort des HER- REN also/ daß es zur uͤberzeugung des gewissens genug seye/ vorzutragen/ aber deswegen nicht zu unterlassen/ daß wir andere der geringeren gewinnen/ und er- halten: will sich nichts mehr herbeyfuͤhren und bekehren lassen/ was gantz boͤse ist/ so wollen wir doch diejenige nicht versaͤumen/ in denen etwa noch ein guter funcken uͤbrig geblieben. Ja ich zweiffele nicht dran/ da wirs mit den groͤssesten in beyder- ley obern staͤnden zu thun haben/ daß wir ob wohl die noͤthige Goͤttliche wahrheit ihnen nicht verhehlen sollen/ daraus sie sich pruͤffen koͤnnen/ doch nicht schuldig noch rathsam seye/ sie vergebens/ und ohne hoffnung etwas bey ihnen auszurichten/ also anzugreiffen/ daß wir damit die mittel und gelegenheit verliehren/ an den armen und geringeren etwas auszurichten/ die unser noch beduͤrfftig sind. Daher meine ins gesamt/ die mittel sollen also bewandt seyn/ daß das remedium nicht pijus mor- bo seye/ welcherley manchmahlsehr speciosa aber nicht eben vortraͤglich sind/ nun stehet alles lob eines mittels darinen/ daß damit etwas gutes ausgerichtet werde. Vorausgesetzt nun dieser requisitorum / so wuͤnschte wohl von grund meiner se- len/ daß alle/ welchen der HERR etwas gegeben hat/ in diese zeiten tieffer einzu- sehen/ ihre vorschlaͤge zeigten/ und sie der Christlichen kirchen vorlegten/ wie ich dieses vor einen nutzen meiner piorum desideriorum abgesehen/ daß dadurch/ weil ich nach meiner armuth mein schaͤrfflein beygetragen/ andere bewogen wur- den/ ihre reichere schaͤtze auffzuthun und zu communici ren. Wie ich als dann nicht nur selbst bereit seyn werde/ sondern versichern kan/ daß der lieben hertzen auch in unserem stande viele hin und wieder/ ja theils mir bekandt sind/ die davor GOtt dem HErren dancken und willig folgen werden. Hat ihm nun in solcher sache GOTT einig liecht gegeben/ oder findet sich in den schrifften der jenigen/ welche er T t t 2 bey Das sechste Capitel. bey sich zu haben ruͤhmet/ etwas hiezu tuͤchtiges/ sonderlich aber nicht so wohl zu un- terdruckung der boßheit/ dann dazu wird des HErren gericht bald macht genug weisen/ als zu erhaltung des guten angesehens/ so wolle ers mittheilen/ und bin ich als dann bereit dasselbige bald aller orten bekant zu machen/ daß ihm die frucht vie- les guten vor dem HErren dermahleins zugerechnet werden solle. Andere dinge insgesamt sehe ich von geringen nutzen an/ und weiß nicht/ warum ich arbeit an- wenden solte/ solche dinge/ davon nichts zuhoffen/ zu publici ren. Dann ich æsti- mire alles aus dem/ was es vor nutzen zu befoͤrderung des guten bringen kan. Weil er aber in den meisten schrifften/ vornehmlich den letzten auch auff ein gewisses mit- tel kommet/ nehmlich sich der armen anzunehmen/ so geistlich als leiblich/ so erken- ne gern/ dasselbe nuͤtzlich und bereits Luc. 16/ 9. von unserem liebsten Heyland ca- nonisi ret zu seyn. Jch stelle aber dabey dieses zu betrachten vor. 1. Ob und wo etwa einige dergleichen bekantlich arme und glieder CHristi sind? 2. Wie ihnen am besten geholffen werden moͤge? Dann wie bereits in meinem vorigen gemeldet/ kan ich keine vor arme Christi erkennen/ die etwa aus eigener wahl und obwahl manchmahl scheinbahren/ wo die sache aber vor GOtt untersuchet wird/ die probe nicht haltenden/ ursachen in die armuth sich gesetzet/ oder darinnen gern bleiben/ und da sie vermoͤchten nach ihren gemuͤths und leibes kraͤff- ten/ das jenige zu erwerben/ davon sie ihr leben fuͤhren solten/ solches lieber von an- derer handreichung erwarten wollen. Wo ich sehr anstehe/ was bey solchen leu- ten zuthun? Was unseren hiesigen ort anlangt versichere demselben/ daß nicht nur allen armen nothwendige pflegung geschiehet/ nach dem GOTT vor etlichen jahren segen gegeben/ daß eine lang vergebens tentirte anstalt zu werck gerichtet worden: Sondern wo einige recht Gottselige arme andern Christlichen hertzen allhier bekant werden/ so werden sie uͤber verlassung nicht zu klagen finden. Wie auch die bekandte N. N. allhie biß in ihren tod die jenige liebe von guten freunden genossen/ welche ein Gottseliges hertz ihm wuͤnschen moͤchte. So ist mehrmahl wo einige Gottseliger prediger auff den land etlicher orten gestanden/ dero so hertzli- che eiffer als mangel/ da sie ihren gemeinden nicht schwehr weꝛden wolten/ u. doch die lebens nothdurfft ohne verlassung deꝛselben nicht haben koͤnten deꝛgleichen huͤlffe ge- schen/ die solche gute hertzen/ so aus liebe es gethan nicht ruͤhmen wollen/ mir aber dessen zu gedencken nicht vor uͤbel mag gehalten werden/ weil es noͤthig scheinet/ zu- zeigen/ wir glauben solches mittel nuͤtzlich zu seyn/ und wollen uns nicht entziehen/ wo uns einige solche bekant werden/ so wir vor warhafftige armen Christi erkennen moͤgen/ und also in welchen der HErr zu uns kommt/ und unsere liebe pruͤffet. Ach wie hertzlich wuͤnschte/ daß in so vielen andern stuͤcken/ da es noch manglet/ gleiches zeugnuͤß noch einigen guten hertzen hie geben koͤnte/ wie sie etwa in dieser sache die aufrichtigkeit ihrer liebe zu erkennen gegeben! Was in der letzten einlag von den ar- men ARTIC . I. DIST. III. SECT . XLIV. men elenden und verachtetem volck und Jsrael in der wuͤsten geredet wird/ beken- ne ich abermahl/ daß ich nicht wisse/ was darmit gemeinet werden solle. Jch weiß/ der HERR hat seine wahre Jsraeliten hin und wieder/ und ist dero wal- len in der wuͤsten; Zu solchen gehoͤren alle die jenige/ welche in lebendigen glau- ben stehen/ und also Abrahams saamen nach dem geist und verheissung sind. So bekenne auch/ das von solchen ein zimliche zahl ausser der aͤusserlichen gemein- schafft der sichtbaren Evangelischen kiꝛchen lebet/ die der HErr. nach seinem weisen rath/ dessen etliche und zwar weise ursachen wir etwa selbs sehen koͤnnen/ aber ver- sichert sind/ daß deroselben noch mehr und wichtigere sind/ unter den gemeinden/ die auch die buchstaͤbliche warheit nicht einmahl haben/ erhalt und behalt/ das saltz zu seyn die voͤllige faͤule in denselben zu verwehren. Jndessen dancke billich dem him̃- lischen Vater/ daß er unter dem verderben des grossen hauffens bey unseꝛen gemein- den/ denen er die warheit vor anderen anvertrauet hat/ auch seine zimliche zahl er- halten/ die was sie in dem nahmen heissen/ auch in der that zu seyn sich befleissen/ und dem Evangelio wuͤꝛdiglich wandelen. Solche verdammen freylich an sich und anderen alles/ was nicht aus GOTT ist/ sie erinneren sich aber im richten der worte ihres Heylands/ und mit was behutsamkeit solches geschehen muͤsse/ und sondern sich nicht ab von denen/ welche gleiche warheit mit ihnen empfangen haben/ noch verwerffen um anderer mißbrauchs willen/ was an sich gut und ob von men- schen aus goͤttlicher providenz gestellet/ gleichwol goͤttlich wort gemaͤß ist. Son- dern halten uͤber jenem fest/ damit sie nicht vor die ihnen anvertrauete gnade der warheit undanckbar werden/ mit trennung aͤrgernuͤß stifften/ den feinden zu laͤ- stern ursach und materie geben/ in dessen eyffern sie wider diesen/ und suchen so mit sanfftmuth und gedult (die wo sie lang anhaͤlt/ offt mehr außrichtet als ungestuͤm- migkeit) als mit eyffer daran zu bessern/ nechst deme in demuth und gehorsam er- wartende/ daß der HErr selbst komme/ und reinige was ihnen nicht muͤglich gewe- sen auszurichten. Von diesem volck weiß ich/ und trachte mit mir selbst jedermann dahin anzu weisen/ dessen glieder zu werden und zu seyn. Jst einander volck/ so muß ich naͤhere kundschafft davon haben/ ehe in einige gemeinschafft mit denselben zu treten vermag. Zuletzt habe dieses auch zuerinnern/ daß ich nicht verstehe/ wo hin die beschul- digung gehe/ das die Ungern und Reformirten in Franckreich von uns/ in ihrem elend verlassen werden. Ach wolte GOtt/ ich wuͤßte und sehe/ wie den lieben leu- then huͤlffe und liebe nach GOttlicher ordnung erwiesen werden koͤnte/ nechst dem eyffrigen gebeth/ an welchen es vor dieselbige bey vielen Gottseligen hertzen nicht mangelen wird. Ausser dem sehe noch nicht/ was wir weiter zu thun vermoͤgen. Die leibliche waffen vor sie zu ergreiffen/ ob wir auch die macht haͤtten/ ist der juͤnger Christi weise nicht/ denn wir wissen welches Geistes kinder wir sind. An leiblichen unterhalts mitteln meine ich habe es bißher den jenigen/ so solcher orten sind/ noch T t t 3 nicht Das sechste Capitel. nicht ermangelet. Welche anderwertlich hinkommen/ und in ihrer flucht ihr auf- enthalt suchen/ erkenne gern/ daß wir ihnen zu allem vorschub verbunden seyen/ und hoffe/ daß man sich auch darinnen nicht saͤumig finden werde lassen. Sonsten kan ich nichts weiter erdencken. Dann zum exempel mit offentlichen schrifften/ die grosse/ welche solche ar- me drucken und verfolgen/ und die Roͤmische clerisey, so sie dazu anstifftet/ hefftig und nach dem verdienst dero grausamkeit angreiffen/ wird solchem elenden so gar nichts nutzen/ daß es vielmehr jene desto mehr erbittern/ und dieser leiden so viel schwehrer machen wird. Das ihnen also damit eine schlechte oder vielmehr keine liebe eꝛzeiget wuͤrde. Hiemit siehet er/ mein geliebter Herr und freund/ daß wie er seine liebe und aufrichtigkeit gegen mich bezeuget/ ich auch meines orts vor dem HErren HErren nicht anders verlange erfunden zu werden/ als der es mit ihm redlich meine. Jsts/ daß ihm GOtt einige gaben gegeben hat/ dadurch mir und andern geholffen werden mag/ so nehme ich solche nicht nur willig an/ so fern ich sol- ches als goͤttlich in meinem gewissen erkennen mag/ sondern bete viel mehr darum. Er richte es aber dahin/ daß es nicht blosse oder unbegreiffliche wort seyen/ da man nach allem uͤberlesen nichts richtiges davon weist/ sondern gebe seinem rath deutlich und vornehmlich/ wo er siehet daß zur besserung etwas geschehen kan. Dann wie diese mein einiger zweck ist/ und ich nichts anders goͤttlichem willen gemaͤß erkennen kan/ also mag auch von nichts anders wissen oder hoͤren/ als daß gelegenheit gutes zu thun und den willen des HErren zu vollbringen gegeben werde. Findet er aber auch aus diesem einfaͤltigem einigs/ so ihm zum nachdencken/ auff was wege er stehe/ dienlich seyn mag/ so gebe er auch solcher warheit platz. Ach der HErr reinige unser aller hertzen von eigenem willen/ meistens wo der- selbe einen goͤttlichen schein abzeucht/ und er gebe folgsame gemuͤther/ verbinde auch/ mit hinwegraͤumung aller hindernuͤssen dieselbe in wahrer einigkeit des geistes mit dem bande des friedens. 1681. SECTIO XLV. U ber den seligen todt H ertzog Moritz zu S achsen Zeitz. E S war mir des seligsten Fuͤrsten unverhofftes ableiben wenige stunden vor- her/ als durch Herr Primen aus deroselben ordre mir notificiret worden/ von Herrn Reichs Hoffrath von Hiuͤnefeld wissend worden; welches mich auch so viel mehr perplex gemacht/ als weniger an dergleichen gedacht/ und noch einmal gehoffet haͤtte/ die gnade und ehr zu haben/ etwada sichs zu einer be- quemen zeit gefuͤget haͤtte/ in dem Hennebergischen uns naͤheren landen/ den wer- thesten ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLV. thesten Fuͤrsten/ dessen gnaͤdigster zuneigung so offt von der Frau gemahlin Hoch- Fuͤrstl. Durchl. versichert war worden/ einige stunden oder tage unterthaͤnig auf zu warten: So fiele mir auch so bald der frommen Fuͤrftin zu stand ein/ und wie schwer es ihr fallen wuͤrde/ wo sie ihren Herrn so bald verliehren sollen. Nun der HErr/ der ein GOtt der geister alles fleisches ist/ hat macht uͤber unser leben/ und stehet uns nicht zu/ seiner heiligen weißheit ordnung zu geben/ wann und zu welcher zeit/ er das jenige was seyn ist/ wieder zu sich abfordern solle. Sein nahme seye und bleibe hoch gepriesen/ er gebe oder nehme/ denn er ist und bleibet allezeit einer! die gedaͤchtnuͤß des theuren Fuͤrsten soll auch bey mir im segen/ als lang ich lebe/ blei- ben. Mir ist sehr angenehm gewesen (weswegen auch schuldigen danck erstatte) ausfuͤhrlicheren bericht von des Herren abschied und letzter zeiten zustand einzuneh- men; weiß mich zu erinneren/ daß in meiner kleinsten jugend von ihm/ und ihn allen seinem hochgeehrten Herrn bruͤdern vorzuziehen/ gehoͤret/ daher ehe noch geden- cken koͤnnen/ das mein weniger nahme ihm ja bekant werden solte/ ihn geehret ha- be. So wiꝛd mir auch etwa nach GOttes willen gelegenheit einmahl kommen/ sei- nes ruhms in etwas meldung zuthun. Daß die wertheste Fuͤrstin/ dero so bald die erste post/ als ich es zu thun vermochte geschrieben/ gleichwol zu vergnuͤglichen auskommen wohl bedacht worden/ freue mich von hertzen/ und versichere mich/ sie wird vermittels goͤttlichen beystands in ihren Fuͤrstlichen witwenstand so viel exem- plarischer leben/ als sie biß daher gleiches verlangen getragen/ aber manche hinder- nuͤssen noch nicht genug aus dem weg zu raͤummen gewust. GOTT wolle auch die gesamte Printzen/ sonderlich aber den jetzo auf der reiß begriffenen/ und succediren- den Herrn mit seiner gnade erfuͤllen/ und ihn zu einen heilsamen werckzeug seiner gnade/ zur zierde seines hauses und trost der unterthanen machen 1681. 30. Dec. SECTIO XLVI. N othwendigkeit der einigkeit der Christen/ sonder- lich Theologorum. A Ch der HErr verbinde noch mehr unser und aller deren/ die ihn treulich su- chen/ hertzen in der einigkeit des Geistes mit dem bande des friedens/ und lasse/ so viel mehr sonsten leider in dem aͤusserlichen alles gleichsam von ein- ander zu zerfallen scheinet/ der seinigen seelen/ so wol das enge band/ damit sie ein- ander und untereinander verknuͤffet sind als glieder eines leibes/ und unter einem hochgelobten haupt/ hertzlich erkennen/ als dasselbe immer gleichsam naͤher zusam- men ziehen und befaͤstigen/ zu ihrem eigenem wachsthum/ dazu die liebe vieles thut/ so dann mit desto mehrerern krafft das werck des HErrn mit nachdruck zu treiben. Jch habe hingegen offt bedauret/ nicht nur allein so offt ich die offenbare/ und gar vor Das sechste Capitel. vor jeder manns augen ausbrechende mißhelligkeiten mehrer unserer Theologo- rum, oder doch die heimliche (und ach daß sie gantz heimlich blieben/ und nicht in so vielen stuͤcken heraus blickten!) simultates derselben gesehen/ sondern auch war genommen habe/ daß auch unter den jenigen/ zwischen welchen keine widrigkeit ist/ dennoch auch keine mehrere genaue freundschafft als unter bruͤdern seyn solte/ ge- machet wird. Damit also jeglicher wuͤste/ was des andern arbeit/ vornehmen o- der auch afflictiones waͤren/ um einander nach der pflicht der liebe/ mit raht/ trost/ gebet/ und auf jegliche muͤgliche weise an hand zu gehen. Vielleicht wuͤrden viele zusammensetzende und in der furcht des HErrn vereinigte haͤnde manchen stein in seiner krafft heben und wegweltzen/ manchen feind uͤberwinden koͤnnen/ was jetzt unmuͤglich faͤllet/ da fast jeglicher so arbeiten muß/ ob waͤre er gar allein ohne an- derer mitt- und bey-huͤlffe/ ja offt GOtt noch davor hoͤchlichst danck zu sagen hat/ wann er nur allein zu arbeiten gelassen/ und nicht darinnen von andern mißgoͤnsti- gen an statt der befoͤrderung gehindert wird. Welches wohl der groͤßte jammer und verderben ist. Damit unterbleibet nicht nur viel gutes/ oder wird doch un- kraͤfftig aus der schwachheit der jenigen/ die es unternehmen/ oder aus anderer wie- derstand/ sondern manches gutes wird etwa aus mangel des beystands und beytre- tens der uͤbrigen erfahrner auff eine solche weise von gut meinenden angefangen/ daß doch weniges ausgerichtet/ und einiges von ihnen selbs dabey gefehlet wird/ so nicht geschehen wuͤrde seyn/ wo sie sich anderer treuer bruͤder raht und huͤlffe haͤtten getroͤ- sten und gebrauchen duͤrffen. So stehets aller orten/ damit ja das gute nicht mit rechtem nachdruck zu werck gerichtet werde/ worinnen ich zwar ein heilig gericht GOttes erkenne/ aber uns doch nicht ohne schuld achte/ da wir auch diesem uͤbel nicht suchen nachdruͤcklich/ als viel an uns waͤre/ zubegegnen. Es waͤre zwar ein stat- liches mittel der vereinigung/ wo jeweilige Synodi gehalten wuͤrden/ aber solche er- warten wir vergeblich/ daher wuͤßte ich fast kein anders zu dieser unserer zeit practi- cabel, als die schrifftliche correspondenz, damit die jenige/ so einander in dem HErrn genaue haben kennen lernen/ eine genauere bruͤderliche freundschafft (so sonsten rechts wegen unter allen seyn solte) aufs wenigste unter sich stifften moͤgen/ die sich aber allgemach außbreiten kan/ wo die jenige/ so andere freunde wiederum heben/ sie zugleich mit dem uͤbrigen bekant machen. Ach der HErr zeige uns noch ferner/ wie wir am besten/ den uns von ihm so ernstlich befohlnen zweck der einmuͤ- tigen und liebreichen zusammen setzung erhalten moͤgen. Und so wirs ja nicht un- ter viele bringen koͤnnen/ so lasset uns auffswenigste unter wenigen dasselbige thun/ was wir von allen verlangten. Wir habens je so vielmehr ursach/ als schwehrere gerichte es seyn moͤgen/ die uns uͤber haupten schweben/ und uns antreiben sollen/ keine zeit mit willen zu versaͤumen/ wo mir etwas zur besserung zu thun sehen. 1681. SECT ARTIC . I. DISTINCTIO III. SECT . XLVII. XLIIX. SECTIO XLVII. A ls in S traßburg an statt des abgenommenen Muͤnsters die Prediger kirche zum Evangelischen GOttesdienst bequem gemacht worden. J M uͤbrigen hoffe ich/ nunmehr werde in der Predigeꝛ kirche der gottesdienst angehoben seyn. Der HErr gebe lehrern und zuhoͤꝛern eine neue Geistes krafft in solchem seinem hauß/ dahin sie seine heimsuchung getrieben/ ihm so viel demuͤthiger/ andaͤchtiger und gehorsamer zu dienen/ und in krafft seines leben- digen worts/ welches er reichlich darinnen wolle schallen lassen/ in dem glauben und heiligung gestaͤrcket zu werden. Ach daß alle in der neuen kirchen moͤgen neue men- schen werden/ den alten menschen taͤglich auszuziehen/ und den neuen anzuziehen lernen/ ja jemehr und mehr bereitet werden/ zu dem neuen Jerusalem dem neuen himmel und der neuen erden/ die uns verheissen sind/ und wir vermuthlich vorher/ ehe wir jener werden wuͤrdig gemacht werden/ manches auf der alten erden so zu reden/ annoch werden verlieren muͤssen/ in jene gleichsam gantz bloß und desto reiner einzugehen. Gibt GOtt solchen segen zu ihrer neuen kirchen/ wie er freylich sol- chen zu geben gantz willich seyn wird/ so moͤgen sie leicht ihres Muͤnsters vergessen/ und solches aͤusserlich praͤchtige gebaͤu ohne murren gegen die goͤttliche gerechte dis- position, ja mit dancksagung gegen den alles gutmachenden Vater/ den jenigen uͤberlassen/ deren aller GOttes dienst mehr auf aͤusserliche gepraͤnge gehet; und also auch solcherley kunst-gebaͤu demselben gemaͤsser sind/ da wir durch die gnade des HErren gelernet haben/ ihn in dem Geist und in der wahrheit anzurufen/ und zu solchen nichts aͤusserliches/ sondern wo wir auch alle beysammen sind/ allemahl nur solche plaͤtze beduͤrffen/ die zu der versamlung und heiliger verrichtungen bequem gemacht sind. Ja wo es dem HErrn also gefallen solte/ uns nicht vor unselig schaͤ- tzen solten/ ob wir wiederum die alte lection der erstẽ kirchen repetiren muͤsten/ de- nen in ermanglung solcher offentlichen versamlungsplaͤtze jegliches privat- hauß ei- ne scheur/ eine hoͤle ein wald und anderes dergleichen zu ihrem GOttesdeinst genug- sam vorkam. 1681. SECTIO XLIIX. V on meiner unschuld. D Aß die leuthe in den Nordischen revieren goͤttliches wort mehr uñ mit hertz- licherm gehorsam lieben/ freuet mich von grund der seelen. Ach daß wir gleiches von allen orten ruͤhmen koͤnten! Jndessen lasset uns GOTT davor dancken/ wo er auffs wenigste an ein und andern orten zeiget/ daß sein wort noch U u u platz Das sechste Capitel. platz finde. Daß vieler orthen in Dennemarck und daherum seltsame dinge von mir gesprochen und vorgegeben worden/ weiß ich wohl/ und weiß auch eine gewis- se person/ die sehr vielesaus gegen mich verbitterten gemuͤth dazu gethan hat/ als sie auf eine reise dahin begriffen war. Aber ich troͤste mich meines guten gewissen vor GOtt und der gantzen kirche. Meine lehr ligt offentlich durch GOttes gna- de in meinen schrifften an dem tag/ daß kein articul ist/ daruͤber ich nicht meine be- kautnuͤß hin und wieder gethan habe/ wie dann niemand als der neuliche Nord- haͤuser mich uͤber einen puncten (und zwar wie elend und falfch/ ist offenbahr wor- den) auch nur zu beschuldigen sich hat unternehmen doͤrffen/ so nicht ausblieben waͤ- re/ in dem ich nicht heimlich sondern offentlich allezeit vor so viel 100. personen frem- den und einheimischen meine predigten halte. Wo es gewiß nicht mangelt an leu- then die gern etwas anfffingen/ wo sie nur koͤnten. Aber dem HErren sey danck daß sie noch dergleichen nirgends vermocht haben. So ist mein leben auch hier so unbekant nicht/ als der ich nicht im winckel stecke. Jch habe mich nicht zu ruͤhmen/ doch hoffe ich getrost aufftreten zu koͤnnen/ ob hier in dieser stadt mir einer auch nur mit einen schein das jenige insgesicht vorhalten doͤrffte/ woruͤber ich erroͤthen muͤste. Daher auch unter so vielen calumnien, die ausgegangen/ gleichwohl keine gewe- sen/ worinnen ich noch jemahl des lebens wegen waͤre angegriffen worden/ sondern solches haben sie mir allezeit unangetastet muͤssen bleiben lassen. Auch was uͤbrige abentheurliche spargimen ten anlanget/ hats allezeit nicht mehr bedorfft/ als daß die leuthe/ so davon gehoͤret hatten/ hieher gekommen/ und alles in augenschein ge- nommen/ da sie den ungrund solcher fabeln mit verwunderen gehoͤret/ und alle die mir bekant woꝛden sind/ oder mit mir geredet haben/ vergnuͤgt wieder weg gezogen sind. Dem HErrn sey danck vor diese seine regierung/ da er dergleichen uͤber mich verhaͤngen wollen/ mich immer desto vorsichtiger zu machen/ und meine ge- dult zu uͤben und zu pꝛuͤfen/ und seine guͤte noch dazu in allen kuͤnfftig spuͤꝛen zu lassen. Der gebe mir ferner seinen Geist/ seinen willen in allen dingen zu erkennen/ und ge- trost zu thun. Wo GOtt/ so ich wuͤnsche einige bestaͤndige auffenthalt in Den- nemarck zeigen wird/ hoffe ich/ werde derselbe sich auch dermassen dabey compor- tiren/ daß er nicht unwehrt/ und die anfaͤngliche gute goͤnner nicht muͤde oder verdrossen werden. ꝛc. 1681. DISTIN- ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECT . I. DISTINCT. IV. Von 1682. 3. 4. 5. 6. SECTIO 1. A Usfuͤhrliche anmerckung/ wie es mit denen gegen das gute/ sonderlich gegen mich und meine freunde/ ausgesprengten calumnien hergegangen. Was der satan damit vorgehabt/ u. wie es ihm Gott mißlingen lassen/ und die unschuld gerettet. Was nun unsere schuldigkeit seye. 2. Betrachtung der schweren obschwebenden strafft-gerichte. 3. Als J. Pater Spaͤth wieder zu dem Papstum zukehren in cliniret/ aber vor- her einige in Holland zu rath ziehen wolte/ nachricht an einem/ der ihn von seinem vorhaben abziehen helffen wolte. 4. Cognitio vera vel salutaris wegen der controvers mit Dilfelden. Das Taulerum recommandire. 5. Als einer wegen i r rth uͤ me removiret worden. Daß mich seiner darin nicht annehme. Schaden vom eyffer/ wo eigensinn dabey ist. 6. Nutzen Christlicher freundschafft. Meine schrifften. Allgemeine GOttes- gelahrheit. Gebet vor mich. Ruͤhrung vieler hertzen zu unserer zeit. 7. Wegen des zu E ss en in Westphalen angestelleten collegii pietatis. 8. Von einigen dingen/ so in Franckfurt vorgenommen/ und vor andern mißdeu- tet worden. Auch sachen die zum amt gehoͤrig. Großgebauers waͤchter- stimme. 9. An G. Conrad. Dielfelden, der wider mich geschrieben/ und ich ihm in der allgemeinen GOttes gelertheit geantwortet hatte: als die pest nach Nord- hausen gekommen war. Erinnerung an ihn zu bußfertige erkaͤntnuͤß seines unrechts und aͤrgernuͤsses/ und anerbietung der vergebung. 10. Was bey dem allgemeinem verderben/ zur besserung zuthun. Daß nicht bloß auff den stand der Obrigkeit zu warten. Die klage komt sonderlich auch auf die schuld der Prediger. 11. Bedencken uͤber einen Commentarium apocalypticum. 12. Ein Superintendens mit mir nicht zufrieden. Gefahr deren/ die das gemeine verderben erkennen/ nicht auf andere irrwege zu gerathen. Armuth Chri- sti. 13. An G. Conrad Dilfelden letzte antwort und erinnerung. Fast allgemeine approbation der Gottesgelehrtheit. 14. Erinnerung an einen wegen editer Satyri scher schrifft. U u u 2 15. Als Das sechste Capitel. 15. Als die streitigkeiten zwischen Wittenberg und Helmstaͤdt wieder schienen auf- zuwachen. Trennung in unserer kirchen zuverhuͤten. Vom Bischoff ver Thina. Gefahr der Roͤmischen offerten zur vereinigung. Tractat, mittel die ketzer zu bekehren. Ander scriptum wieder das Papstum. Meine ar- beit wider D. Breving immer unterbrochen. 16. Als sich in Franckfurt einige von der gemeine und communion absondern wolten. Gefahr und schade des regiments. Bitte an einen Christlichen Pre- diger die leute mit helffen zurecht zubringen. 17. An einen Prediger/ der sich eine weile zu verdacht einnehmen lassen. Gott laͤst falsche spargimenten endlich zergehen. Des Satans boͤse absicht dabey. 18. Erklaͤhrung gegen einen freund nach dem maß meiner gabe in dem bauen am Hause des HErrn fortzufahren. 19. An einen Christlichen Edelmann wegen getroffener ehe. Meine gedancken von gegenwertiger und nechst kuͤnfftiger zeit. 20. An eine Christliche weibs-person wie fern man in goͤttlichen dingen auf das fuͤhlen zusehen. Mein verhalten gegen die/ so sich absondern. 21. An einen freund eine beantwortung an meinem verhalten gefaster vielerscru- pel. Von anblickung goͤttlichen liechtscheins. Putrefaction vor der wie- dergeburth. Daß es GOtt nicht mit allen auf eine weise halte. Ob meine kraͤffte in dem dienste des spiritus mundi verzehre. Ob mir juͤngeꝛ mache. Unordnung unserer kirchen verfassung. Ob wir Babel. Secten streit. Vorsatz meines gantzen lebens. 22. Verboth irriger buͤcher. Wie mit gutmeynenden aber allzuhefftigen eyffe- rern zu verfahren. Daß uͤber Jacob Boͤhmen nicht urtheilen koͤnne. Von unrichtiger beruffung auff meinen consensum. Ob m ich mein Collegium gereuet. 23. Als ein Prediger in gefahr sein amt zuverlieren gekommen/ und man mich mit einflechten wolte. 24. Als aus einem Fuͤrstlichen Consistorio mir ein collecte zu bestellen zu gesand worden. Gefahr der gegenwertigen zeiten und goͤttlicher gerichte. 25. Antwort an einem außlaͤndischen freund/ der bezeuget hatte/ durch meine schriff- ten erbauet zu seyn. Stifftung einer freundschafft/ bitte um noͤthige vor- bitte. 26. Als Horbius etlicher dinge wegen bey einem Theologo uͤbel angegossen wor- den. 27. Falsches geruͤcht von einem Franckfurter schwarm. Auffmunterung an ei- nen Prediger in seinem amte. 28. Was ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO I. 28. Was bey dem aͤusserst verderbten zeiten unsre pflicht und hoffnung seye. 29. Von der art des wahren glaubens/ und dessen unteꝛscheid von den dem wahn- glauben. 30. Unsere zeiten der gerichte. Was prediger zuthun/ wo die Papisten die oberhand haben. Elenchus. Die beste verwahrung von dem abfall die ins hertz ge- druck te liebe GOttes. 31. Von meiner kranckheit (die 3. Adv. 1684. angefangen und so lange gewaͤhret daß erst dem 3. p. Trinit. 1685. Die cantzel wieder betreten) Jn derselben zwey traͤume. Kirchen disciplin. Schwehrigkeit in solcher materie. 32/ An einen Edelmann von dem einbrechenden gerichtẽ. Das feuer der verfolgung reinigt die kirche von heuchlern. GOttes tꝛeue in denselben an den rechtschaf- fenen. Gewißheit des endlichen sieges. Vorschlaͤge der vereinigung mit dem Roͤm. Babel gefaͤhrlich und schaͤdlich. 33. Was in dem allgemeinen verderben der kirchen zuthun. Sich derselben dienst nicht zuentziehen. Menschen satzungen. Verketzern. Arndius. Warum bey dem loͤß- als bindschluͤssel mehr freyheit. 34. Daß die von andern mißbrauchte redens-arten deswegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri schrifften. Gemeinschafft Christi und seiner glaͤubigen. 35. Klagen uͤber Cæsaropapiam. 36. Gefahr deren die nach hohen dingen und geheimnuͤssen sehen. Jacob Boͤh- mens schꝛifften. Anhang etlicher Schreiben/ Theils derer jahre ich nicht weiß/ theils die zuspaͤt gefunden. 1. S Chwehrigkeit goͤttlichen willen zuerkennen. Darum vornemlich zubeten. Gefahr des geistlichen standes. Vortheil des weltlichen. 2. Wegen einiger Boͤmisten messen urtheils/ sich dadurch nicht schre- cken zulassen. 3. Gefahr und elend unsrer zeiten in geist- und leiblichen. Trost hingegen/ und rath wie sich zu verhalten. 4. Allerley materien. Wichtigkeit der arbeit in der jugend. Recht der Christen sich unter einander zu erbauen. Kriegsmanns Symphonesis. Hoffnung U u u 3 von Das sechste Capitel. von einiger wiedersprecher bekehrung. Von der innern versieglung des Geistes zu schreiben. Loburgs schrifften. Scriver. 5. An einem ort/ da die pest regierte: von goͤttlicher absicht in derselbigen. Mit unrecht in verdacht gezogene phrases / gelassenheit/ verklaͤhren/ verherrlichen innerliche erleuchtung: auch einigen andern. 6. Mißfallen an einiger eyfferer/ die alles niedrreissen wollen/ hefftigkeit. 7. Von einigen durch einen guten freund geschehenen besserungs vorschlaͤgen/ sonderlich betreffend den beichtstul/ bestellung der Eltesten/ austheilung des heiligen Abendmahls. Wie Prediger ihre gewissen zu retten/ verfall un- srer zeiten und kirche. 8. Die regeln so mir in meinem amte gemacht habe. SECTIO I. A usfuͤhrliche anmerckung/ wie es mit denen ge- gen des gute/ sonderlich gegen mich und meine freunde/ ausgesprengten calumnien hergegangen. Was der satan damit vorgehabt/ und wie es ihm GOTT mißlingen lassen/ und die unschuld gerettet. Was nun unsere schuldigkeit seye. J Ch kan wohl sagen/ daß mir in geraumer zeit kein schreiben zugekommen/ so mir eine so hertzliche freude erwecket/ wie dessen werthes gethan. Dann ich erkante daraus eine sonderbahre Goͤttliche wohlthat/ da vor ich des himmli- schen Vaters guͤte froͤlichen danckzusagen habe. Es bestehet aber dieselbe darinnen/ daß ich mehr und mehr sehe/ wie von einiger zeit her dessen Vaͤterliche providenz wider anfaͤnget vieler bruͤder heꝛtzen zu mir und andeꝛn meinen freunden zuwenden/ vermittels offenbahrung der vor deme ausgestreuten calumnien und hingegen der damit bey vielen auch sonst Christlichen hertzen in verdacht gezogener unschuld. Jch weis und glaube/ daß nichts ungefehr geschiehet/ sondern die hand GOttes in allem mit darunter ist/ welches ich auch/ in deme/ was unterschiedliche jahr nach einander mich und etliche in freundschafft mit mir gestandene leute betroffen hat/ in demuth meines hertzens eꝛkenne. Wir wurden durch gantz Ober- und nieder-Teutsch- land also aus geschrien/ ob waͤren wir die gefaͤhrlichste irrgeister/ davon der gesam- ten Evangelischen kirchen eine schwehre gefahr vorstuͤnde/ und deswegen alles her- bey und zusammen lauffen muͤsste/ das auffgehende feuer zu loͤschen/ ehe es alles er- greiffe. Die lehr hiesse fast nicht mehr verdaͤchtig/ sondern gewiß irrig/ ob wohl wor- ARTIC . I. DISTINCTIO IV. SECTIO I. worinnen der irrthum bestehen muͤsste/ sich niemand hervorthun wolte/ welcher solches zeigte/ biß das elende scriptum der sonderbahren GOttes gelehrheit Horbii und Speneri durch heilige schickung GOTTes und zu unserer unschuld rettung heraus kam. Es wurden solche seltzame fabelen von unserer lebens art/ thun und vornehmen/ spargirt auch mit solcher fertigkeit angenommen/ daß man sich sonderlich uͤber dieses/ weilen es manchmahlen relationen waren/ deren un- grund sich in der erzehlung selbs offenbahrte/ verwundern musste. Jch und die jenige wenige meine freunde so mit mir in solchen leyden stacken/ waren unserer sa- che in unseren seelen versichert/ daß wir offentlich und absonderlich/ muͤndlich und schrifftlich/ nichts anders lehreten/ als was die unfehlbahre Goͤttliche wahrheit waͤre/ so gar daß wir auch nicht in dem allergeringsten glaubens-puncten von der gemeinen und in den Symboli schen buͤchern enthaltenen unserer Evangelischen kir- chen lehre abwichen/ auch was wir sonsten thaͤten/ nicht nur blosser dings und lau- ter zu GOttes ehren gemeinet/ sondern an sich gleichfals seinen wort gemaͤß und er- baulich waͤre/ ob wir wohl uns unserer menschlichen schwachheit dabeneben wohl bewusst wahren/ daß wir leicht mit unvorsichtigkeit fehlen moͤchten; welches aber kein solche feindliche widersetzung erforderte/ sondern eine bruͤderliche zu rechthelf- fung eher meriti ret haͤtte. Daher nebens deme/ daß wir/ wo gelegenheit von GOTT selbs gezeiget wuͤrde/ unsere unschuld muͤndlich und schrifftlich darzuthun/ solche nicht versaͤumen wolten/ fanden wir das rathsamste/ uns durch alles solches widersetzen von treibung des guten/ als viel uns der HERR gnade verleihen wol- te/ nicht abhalten zulassen/ auff unsere hut desto vorsichtiger zu stehen/ dem HEr- ren seine sache mit hertzlichen gebet zu empfehlen/ und dabey zu warten/ was seine heilige providenz ferner verfuͤgen oder verhengen wolte/ und in aller dero ord- nung ihre wunderbahre weißheit zu erkennen und zu verehren. Da konten wir vieles sehen und wahrnehmen/ was der Satan vor haͤtte/ wie die menschen sich zu seinen werckzeugen gebrauchen liessen/ und wie hingegen GOTT sein werck dabey haͤtte. Daß der Satan mit im spiel waͤre/ und solchen lermen anbliesse/ war be reits dieses ein unzweiffliches kennzeichen/ weil das meiste durch luͤgen und calumnien / die seine wercke sind/ geschahe: so offenbahrte sich auch dessen intention / weil sie zu unterdruckung des guten gerichtet war/ und ge- sucht wurde/ daß die aufferbauung des nechsten nicht mit ernst und fleiß geschehe/ wie es noͤthig waͤre/ sondern alles in seiner schlaͤffrigkeit u. sicherheit gelassen werden moͤchte. Dessen ich desto mehr uͤberzeuget wurde/ als ich Goͤttlichen segen erkan- te/ den der HERR zu ein und andern dingen/ wider welche der Satan dermassen tobte/ gegeben hatte daß unter schiedliche gute seelen bezeugẽ muͤssten/ daß das werck des HERREN bey ihnen frucht gebracht haͤtte; Solche frucht aber zu hindern/ konte ich einmahl nicht finden/ daß es von jemand anders urspruͤnglich als von dem Fuͤrsten der finsternuͤß herkommen koͤnte/ und wurde durch dessen widersetzung so viel- Das sechste Capitel. vielmehr bekraͤfftiget/ daß die sache an sich von dem HERREN seye/ und dessen feind merckte/ daß er angegriffen wuͤrde/ und wo er sich nicht bey zeiten widersetzte/ ihm mehr schaden zu gefuͤgt werden moͤchte/ daher er sich dagegen nach allen ver- moͤgen streuͤbte. Jch merckte dabey seine listige tuͤcke/ wie er nach GOTTes ver- haͤngnuͤß die sache angriffe/ daß man seine klauen ja nicht alsobald merckete/ und er sein spiel selbst verderbte. Es zeigten sich einige/ so theils den meisten lermen erst- lich anfingen/ und sich eiffrig dagegen bezeugten/ von denen offenbahr war/ daß es leute seyen/ welche allem guten innerlich feind waͤren/ und denen bereits die Goͤtt- liche lehr/ da sie mit gebuͤhrenden eiffer und dermassen/ daß dem alten Adam seine ruhe gestoͤhret werde/ getrieben wird/ in der seelen wehe gethan hatte/ daß sie schon laͤngst hie und da sich mercken lassen/ nicht zu frieden zu seyn/ weil nehmlich solche lehr mit ihrer sicherheit nicht uͤbereinstimmen wolte/ und sie sorgten/ wo die- selbe ins gemein erkant wuͤrde/ so wuͤrden sie vor allen zu schanden werden; Diese machten nun recht profession davon/ allerhand zu erdencken/ und das gute zu miß- deuten/ damit ja die jenige moͤchten aus allem credit gesetzt werden/ deren eiffer ihnen untraͤglich waͤre. Nechst denen fanden sich einige andere personen/ welche aus andern privat- ursachen/ diesen leuten feind waren/ und ihnen mißgoͤnneten/ daß sie bey etlichen einen guten nahmeu haͤtten/ da sie solchen zu ihrer verkleinerung ausdeuteten/ oder solche davon besorgetẽ (wie dañ die æmulatio einer der hefftigsten affecten ist) oder auch da sie davorhielten/ es moͤchten dieselbe ihnen/ als denen sie etwa bekant/ an befoͤrderung hinderlich seyn/ oder sonsten im weg stehen/ ihre fleisch- liche absichten zu erreichen. Beyderley arten solcher leute fanden sich auch unter denen/ die sonsten der Theologiæ gewidmet waren und in geistlichen aͤmtern stun- den/ dero widersetzlichkeit nachmahl von so vielmehr nachdruck seyn konte. Jch hatte bey manchen nostri ordinis mit den piis desideriis schlechte ehr eingelegt/ da sie die klagen lasen uͤber die verderbnuͤß unsers standes/ wie es in dem predigamt und bey den Professionen hergehe/ auch etwa in ihrem hertzen uͤberzeuget waren/ daß es sie mit betreffe/ sich aber nicht resolvi ren moͤchten/ nach den regelen sich zu bequemen/ wir ihnen da gezeit wurde/ was unser amt erforderte/ und wie wir zu ei- nem von der welt abgezogenen/ unstraͤfflichen und Goͤttlichen leben/ auch unver- drossenem fleiß/ alle unsere kraͤfften willig in unsern aͤmtern auff zu opffern/ und das unsrige nicht zu suchen/ verbunden waͤren; Da sie abermahl sorgeten/ wo da nicht gesteuret werde/ und diese schuldigkeit ihres amts/ (darinnen ihnen zwar nichts neues als das jenige/ dazu uns der HERR laͤngsten verpflichtet/ auffgebuͤrdet wurde/ solches aber gleichsam per desuetudinem und communem praxin contrariam abgeschafft und alt worden war/ anfing aller orten ernstlicher getrie- ben) auch dergleichen den zuhoͤrern/ (daß sie ein solches von ihren lehrern fordern koͤnten) mehr und mehr bekant wuͤrde werden/ sie wuͤrden entweder eine gantz ande- re lebens-art anfangen muͤssen/ so ihnen nicht gelegen war/ oder wuͤrden je laͤnger je ARTIC . I. DISTINCT. IV . SECTIO I. je mehr zuschanden werden/ und ein grosses ihrer autori taͤt verliehren: Daher noͤthig schiehne/ die jenige an zugreiffen/ welche sie davor hielten/ daß sie zu frey von solchen dingen sprechen/ und solches trieben. Nun liesse sichs nicht thun/ diese rechte ursach oͤffentlich zu bekennen/ dann damit machten sie sich selbs zu schanden; daher war noth/ mich und andere mit andern verdachten und aufflagen zu decre- diti ren/ damit wuͤrde alles/ was wir trieben/ ohne frucht seyn/ als von solchen leu- ten herkommende/ so nicht richtig waͤren. Daher einige dieser leute/ theils selbst moͤgen etliches der jenigen calumnien erdacht haben/ theils aber sonderlich haben sie vieles an sich gantz gutes non optimo animo in verdacht gezogen/ unschuldige und gantz nach der glaubens regel gefuͤhrte reden anders gedeutet/ wie dieser oder jener heimlicher irriger verstand (deme doch die bekantnuͤß ander werts gantz klahr entgegen stunde) drunter verborgen stecken/ und einige folgen daraus gezogen wer- den koͤnten. Solches geschahe nun erstlich heimlich/ und suchten diese leute der- gleichen verdacht andern gutmuͤthigen personen in die ohren zustecken/ aber daß sie alles in geheim behalten/ und nur mit fleiß acht darauff geben solten/ was noch vor ungluͤck einmahl ausbrechen wuͤrde. Damit hatte ich und andere keine gelegen- heit zur verantwortung/ wusten theils nichts davon/ und lebten in unserer einfalt/ theils merckten wir vieles/ aber hatten niemand/ daran man sich als autorem hal- ten konte. Jndessen wurden solche suspiciones manchen auch vorhin freundlich gesinnet gewesenen gemuͤtheren eingestecket/ und schliche solches durch gantz Teutschland unvermerckt herum. Damit wurde/ was ich schriebe/ nun von vie- len nicht mehr mit vorigen oder unpartheyischen augen angesehen/ noch nach den worten und wie sie warhafftig gemeinet waren/ verstanden/ sondern machte sich dieser diese/ ein anderer andere grillen uͤber gantz unschuldige wort/ die auch bey so vielen andern Theologis ohne scrupel gelesen werden: Daß machte/ der ver- stand solte sich nun reguli ren nach den eingeblasenen seltzamen concepten / und nicht nach der wort einfalt. Entstunden dann einige geschrey von allerhand aben- theurlichen sachen/ die ich oder andere angestellet haͤtten/ die ohne solche vorhin ein- gewurtzeltẽ verdacht von niemand verstaͤndigem waͤren geglaubet worden/ so fan- den sie stracks allen glauben/ weil wir ohne das gravi ret waren: Und weil niemand sich solchen rumoribus / die allhier selbst entstunden/ und ihre flabella hatten/ so aus haß gegen mich dieselbe auffbliesen/ andere sie doch mit belieben annahmen/ und mit begierde fortsetzten/ widersetzte/ so nahmen sie so uͤberhand/ daß auch gantz Christliche gemuͤther/ die die gelegenheit nicht hatten/ sich der wahrheit der sache gruͤndlich zu erkundigen/ vornehmlich wo der ursprung aus hiesiger statt selbs kam/ und wo es etwa ein Theologus bekraͤfftiget und uͤberschrieben hatte/ damit einge- nommen worden/ und sich nicht erwehren konten/ einen hertzlichen eiffer zu fassen gegen solche leute/ welche die reinigkeit der lehr anfechten/ und neues ungluͤck auff die arme ohne das bedrengte kirche fuͤhren wuͤrden. Wo als dann immer auffs X x x neue Das sechste Capitel. neue eines solchen mannes/ dessen Christliches gemuͤth sonsten bekant/ er aber also eingenommen war/ exempel andern ein neuer antrieb wurde/ ebenfalls uͤber solche leute zu eifferen/ die solches boͤsen ursach waͤren. Jch gedachte waͤhrender solcher zeit offtmahls/ wie es gewißlich dem boͤsen feind nicht wenig gefallen muͤsste/ da der selbe gesehen/ das es ihm angegangen/ einiges gute zu hindern/ und seine laͤsterun- gen durch zutreiben/ und daß ihm dazu nicht nur solche/ welche mit boßheit sich zu sei- nen werckzeugen machten/ helffen muͤssten/ sondern auch andere gute/ aber durch anderer einblasen eingenommene/ gemuͤther aus vermeinten eiffer vor die ortho- doxiam unwissend etwas dazu mit beytruͤgen. Wie wir nun in solchen stuͤcken acht gaben/ was des Satans intention waͤre/ das gute zu hinderen und unseren armen dienst der kirchen GOttes gantz unbrauchhar zu machen/ so erken- neten wir auch mit hertzlicher demuth GOttes hand in solcher sache/ wie er derglei- chen aus gantz nuͤtzlichen ursachen verhengete: Jch will nicht davon sagen/ daß es eine freuͤde und ehre vor dem HERREN ist/ um der wahrheit willen etwas zu leiden/ welcher ehre mich unwuͤrdig schaͤtze/ sondern nur dessen gedencken/ daß ich den nutzen dabey wahrgenommen/ daß der HERR mich und andere dadurch in so viel tiefferer demuth behalten/ und in vielen stuͤcken vorsichtiger gemacht hat. Wir wissen/ wie es uns menschen gehet/ wo wir einen hertzlichen und redlichen entschluß gefasset/ das gute allein und mit eiffer zu thun/ auch dazu gelegenheit vor augen sehen/ daß man etwa in solcher guten intention gleichwohl unvorsichtig wird/ und nicht eben in allen sachen alle umstaͤnde/ was jedes mahl das beste/ so sorgfaͤltig erweget/ wie es unserer zeiten zustand erfordert/ sondern meinet/ weil die sache gut ist/ so moͤge man darinnen nicht anstossen/ welches aber als dann gantz leicht geschiehet/ und damit dem guten mag schaden thun. Wo ich nicht leugne/ daß ein und andere gute seelen moͤgen an solchen stein gestossen/ und das gute zu wei- len also gethan haben/ daß es mit mehrer bedachtsamkeit und klugheit geschehen haͤtte moͤgen: So lehrte uns aber der HERR durch dergleichen widerstand/ so viel genauer auff alles acht zu geben/ und uns bey dem guten was so sehꝛ zu foͤrchten/ das ist/ dasselbe mit grosser sorge zu thun/ als kaum die boͤse das boͤse zu verrichten sorge tragen moͤgen. So wissen wir auch/ daß der gluͤckliche und ungehinderte succeß dessen/ was man vorhat/ unsern alten Adam sehr wohl thut/ und gar geschwind unvermerckter weise einen hochmuth erwecket; Daher ich wohl ge- dencken mag/ der HErr habe auch an mir und andern solche verderbnuͤß gesehen/ wie wir unsers guten als dann uns mißbrauchen und es selbs verderben moͤchten/ so war dieses von seiner guͤtigsten weißheit die heilsamste artzney/ einen solchen engel des Satans gewalt zugeben/ der uns mit faͤusten ins angesicht schluͤge/ daß wir uns so viel fleißiger pruͤffeten unsere schwachheit und gebrechen selbs aus der feinde an- zeige desto besser einsehen lehrnten/ und in der wahren nieder traͤchtigkeit blieben. Dieser erkante heilsame rath unsers GOttes troͤstete uns hertzlich/ und sind wir solche ARTIC . I. DISTINCT . IV. SECTIO I. solcher Vaͤterlicher guͤte demuͤthigen danck des wegen schuldig. Jndessen warte- ten wir mit gebet/ in still seyn und hoffen/ daß der HErr unser recht wider an den tag braͤchte/ so wir gewiß zu geschehen versichert waren/ und der teuffel selbst dazu helffen muͤste: Er fing an mit calumnien so grob zu kommen/ daß nicht nur ver- staͤndige solchen keinen glauben beyfuͤgen mochten/ sondern auch feindselige/ die da von hoͤrten/ ein mißfallen daruͤber bezeugen mussten: Damit geschahe/ daß man anfienge zu glauben/ es seye nicht eben alles unzweiffenlich wahr/ was ein gemein geruͤcht gegeben. Jch suchte durch daß herausgegebene sendschreiben an einen ex- ternum Theologum meine verantwortung zu thun; Die zwahr unterschiedli- che nur mehr irritir te/ und dero boßheit hefftiger machte/ aber doch von GOTT also bey andern gesegnet wurde/ daß sie anfingen zu stutzen/ und entweder ihr judi- cium zu suspendi ꝛen/ oder die waꝛhheit der sache fleißiger zu unteꝛsuchen. Es kamen einige/ so andere leute als prediger von fremden orten hieher/ u. nahmen den augen- schein ein/ besuchten mein collegium / redeten mit mir und anderen in verdacht ge- zogenen personen: Wie ich aber von allen verstanden/ zogen sie allemahl mit guter satisfaction von hieꝛ/ und hatten andere conceptus gefasst als sie mit gebracht/ daher jeglicher derselben hinwider bey andern gutes zeugnuͤß geben konte. Weilen anch die calumnien in der statt selbst nicht allzulang dauren konten/ sondern dero ungrund endlich sich offenbahren musste/ so wurden immer bey mehrern die ver- dachte gemindert/ und allgemach weg genommen/ daß auch von hier folglich nicht mehr so viel an andere ort ausgestreuet werden konte/ und deswegen anderwertlich ebenfalls die geruͤchte auch abnahmen/ wie die baͤche verseigen u. schwaͤcher werden/ da die quelle anhebet nachzulassen. So geschahe auch/ daß GOTT eine in autori- taͤt stehende person wegnahm/ dero ansehen viele in den gegen mich gefassten widri- gen gedancken erhalten hatte. Letzlich wolte der Satan mir in solcher sache den hertzstoß geben/ da der gute Herr Dilfeld mit seinem scripto ausbrach/ aber durch heilige schickung Gottes zu meinem besten: Dann er nicht allein so elendes zeug machte/ daß sich auch die jenige/ welche sonsten mir entgegen waren/ desselben schaͤ- meten/ und ungewillig wurden/ daß er den angriff so verdorben haͤtte/ hingegen an- dere mir uͤber denselben/ als uͤber eine eigene victorie gratuli ret/ sondern damit wurde mir gelegenheit gegeben/ daß ich mich in dieser materie der GOttes ge- lehrheit/ von dero ohne solche verlassung nicht haͤtte ohne grosse in vidiam schreiben koͤnnen/ expectorirte, und so in solchem als andern articulis meine orthodoxiam deutlich vor augen legte. Welches dann der HErr nach seiner barmhertzigkeit also gesegnet hat/ daß seithero immer mehr und mehr solche verdachte abge- nommen/ und der jenigen mehrere/ welche vorhin uͤber mich angestanden hatten/ zu andern gedancken gebracht sind worden; Welches auch noch von dem uͤbrigen zugeschehen in gutem vertrauen stehe: Davor aber der guͤ- te des HERREN demuͤthigen dancksage/ der nicht nur solche pruͤffung uͤber X x x 2 mich Das sechste Capitel. uͤber mich verhenget/ sondern auch endlichen diesen sieg gegeben hat/ da mich offt dieses vorhin meistens betruͤbte/ nicht so wohl was ich dabey zu leyden haͤtte/ weil in solchen bestand/ wie nuͤtzlich mirs gewesen/ als das ich der stein des anstossens waͤre/ daran sich ihrer viele versuͤndigten. Habe nur jetzo/ samt andern meinen mit mir in gleichen verdacht gezogenen freunden/ den HErren darum anzuruffen/ daß er uns die gnade gebe/ der wieder einigerley massen gegoͤnneten ruhe uns recht und also zugebrauchen/ daß wir nicht etwa traͤge werden/ das gute zu treiben/ und also von dem eyffer/ der uns schaͤdlich gewesen waͤre/ nachzulassen/ sondern fortzufahren/ nach allen kraͤfften das pfund/ so uns der HErr vertrauet auf alle muͤgliche weise zu desselben ehren und des nechsten besten und erbauung anzuwenden/ ohne furcht vor des satans zorn/ oder der menschen undanck; alles solches aber in hertzlicher de- muth und vorsichtigkeit zu thun. Jch habe auch diese freude dabey/ daß dem sa- tan sein stuͤck nicht angegangen/ welcher nicht nur gesucht/ das arme und wenige gute/ so hier oder von uns geschehen mag/ zu unterdrucken/ welches endlich keine so grosse sache waͤre/ sondern damit auszuꝛichten/ wo er durch die calumnien den sieg erhalten/ und es dabey haͤtte bleiben muͤssen/ unsere sache und vornehmen waͤre ir- rig und schaͤdlich gewesen/ daher unterdruckt worden/ daß wo irgend auch anders- wo ein Christlicher lehrer eine redliche intention haͤtte/ das gute mit eyffer zu- thun/ und den greuelen sich mit macht zu widersetzen/ derselbe sich durch unser exem- pel intimidiren und furchtsam machen liesse/ die warheit bey sich aus solcher sorge in ungerechtigkeit auf zu halten/ oder ein solcher stracks desto staͤrckern widerspruch und obstacula befaͤnde/ weil dergleichen an unseren præ judicio bereits durch die erfahrung schaͤdlich und unterdrucks wuͤꝛdig erkant worden waͤre. Welche list oh- ne GOttes kraͤfftige steurung ihm sonsten zu grossen schaden des guten angehen und gelingen haͤtte werden moͤgẽ/ aber dem HErren sey lob zu nicht worden ist. Jch hoffe/ mein werther bruder/ werde sich nicht zu wieder seyn lassen/ daß ich mit mehreren die gantze sache/ wie es hergegangen/ und wie ichs angesehen/ vor augen gestellet habe/ weil derselbe mir gelegenheit dazu gegeben und bezeuget/ daß er auch selbs viel seltzames dings von Herrn N. mir und andern gehoͤret/ und ihm einige scrupu- li gemacht worden/ daruͤber wir uns aber so gar nicht zu beschweren noch zu verwun- dern haben/ weilen es nicht wol muͤglich war/ da die gerichte so starck giengen/ sich derselben zu entbrechen/ wo GOTT fast nicht sonderbare gelegenheiten dazu ge- zeiget. Wie nun derselbe selbs sich freuet/ von Herrn N. in der that einanders erfahren zu haben/ und so bald selbst mit ein zeuge und vertheidiger dieser unschuld zu worden sich freundlich anerboten/ also dancke ich auch billich dem HERRen aller HERRen vor einen solchen werthen freund/ zu dem auch kuͤnfftig so vielmehr gu- tes mich versehen/ da der selbe mich selbs zu einer Christbruͤderlichen freundschaffts correspondenz in vitirt, und den anfang gemacht/ mich hin wiederum zu aller hertzlichen liebe und worinnen mir der HErr einiges angenehmes erzeigen zu koͤn- nen ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. II. nen die gnade und gelegenheit zeigen solte/ allen Christlichen bruͤderlichen diensten so dann gebets gemeinschafft/ dero mich hinwieder versehe/ und darum gefliessen bitte. Es wolle der HERR auch solche unter uns machende freundschafft dahin lassen gesegnet seyn/ daß wir uns untereinander erbauen/ und mit beyderseits em- pfangenen gaben treulich dienen: wie auch insgesamt solche zusam̃ensetzung Christ- licher Prediger jelaͤnger jemehr so viel noͤtiger erscheinen will/ als gefaͤhrlicher un- sere zeiten werden/ und unserer kirchen schwere gerichte/ so unserm orden selbs vor andern hart betreffen moͤgen/ bevorstehen und drohen. 1682. 10. Jan. SECTIO II. B etrachtung der schweren obschwebenden straff- gerichte. E S ist freylich so/ daß wir/ wie von morgen die pest erfahren/ zwar schlei- chende/ doch immer weiter/ fortzugehen/ also von abend (wie wol auch von aufgang nicht alle furcht solcher straffe weg ist) ein noch schwerer gericht vor augen haben/ und eine uͤberaus grosse revolution aller dinge in der Christenheit dieser abendlaͤnder in der geburt stehen mag/ dero schmertzen und gefahr genug wird gefuͤhlet werden. Wir sehen nicht nur allein eine solche macht gegen uns/ die uns menschlicher weise/ sonderlich in fleißiger gegenhaltung unserer schlechten ver- fassung und fast anscheinender unmuͤglichkeit bey so vielen koͤpffen zu einer recht daurhafften und gluͤcklichen anstalt zu gelangen/ alle hoffnung benehmen kan/ son- deren wo wir die ursachen aller zorn-gerichte in der furcht des HErren erwegen/ ha- ben wir keine ursach zu erwarten/ daß der HErr uns zuerhalten werde wunder thun/ sondern vielmehr sorgen/ alle diese grosse macht/ welche als eine fluth alles uͤber- schwemmet/ seye ein werckzeuge goͤttlicher rachgerechtigkeit/ damit er die allgemei- ne in dem reich uͤberhand genommene ungerechtigkeit/ sonderlich der groͤsseren/ so dann den allgemeinen unseren undanck gegen die Evangelische warheit/ welche uns der HErr gewißlich nicht dazu gegeben hat/ sie zur sicherheit und fleischlichen leben zu mißbrauchen/ besorglich mit umstuͤrtzung alles unseres aͤusserlichen in geistlich und weltlichen straffen wolle. Wo wir aber allezeit finden werden/ daß in solchem stand keine gegenwehr niemahl wieder die hand des HErren/ wo derselbe sein ge- richt exequir en wollen/ etwas vermocht habe/ sonderen ein Nebucadnezar alle ihre entgegen stehende gewalt zu brechen/ und ihm auch in seinen ungerechtesten kriegen/ weil er auch unwissend dannoch der goͤttlichen gerechtigkeit vollstreckeꝛ ist/ nichts mit succeß widerstehen muß. Jn diesen zeiten sehe ich an/ daß wir stehen/ und wird nichts uͤbrig seyn/ als daß das Roͤmische Babel eben damit seyn in der schrist angedrohetes gericht des untergangs/ sich uͤber den halß ziehe/ da es seinen letzten grimm/ uͤber das verdorbene Jerusalem/ dasselbe nach empfangener gewalt zu zer- stoͤh- Das sechste Capitel. oͤhren/ außgiessen/ und also durch seine grausamkeit das maaß seiner suͤnden er- stuͤllen wird. Jn dessen wird freylich das heiligthum des HErren erhalten wer- den/ und unmuͤglich seyn/ seine kirche von dem erdboden zu vertilgen; es bestehet aber dieselbe in einem unsichtbaren und meistens hin und her zerstreueten haͤufflein der vor der welt zimlich verborgenen wahren Christen; welches bleiben muß/ ob zwar der HErr nach seiner gerechtigkeit alle unsere aͤusserliche verfassung unserer gemeinden uͤber einen hauffen gehen liesse/ an die er sich nicht gebunden hat: So dann auch wo die bestimmte zeit seiner gerichte vor bey/ und seine gemeinde duꝛch das feuer wol gelaͤutert ist/ schon wissen wird sie wieder zusammlen/ und auch gleich- sam das aͤusserliche gebaͤu derselben wieder aufzurichten: Davon etwa die schrifft nicht wenige liebe veꝛheissungen in sich fasset/ wo mit man sich in den zeiten der truͤb- salen auffmunteren und erhalten mag. Dessen versehe ich mich gantz gewiß/ daß solche bevorstehende trangsalen zur zurechtbringung des jenigen/ was das vor- nehmste bey der kirchen ist/ ein grosses thun/ und sie von dem aͤrgernuͤssen und bißhe- ꝛigen mißbraͤuchen reinigen wird/ daß also in allen solchen zorn- gerichten eine un- aussprechliche gnade zugleich mit stecket: sie werden uns aber immer mehr und mehr lehren unsere hertzen von den vergaͤnglichen guͤteꝛen dieseꝛ welt/ deꝛo eitelkeit sich in solchen zeiten vornemlich offenbaret/ abzuwenden/ und zuglauben/ es seye nichts wuͤrdig von uns geliebet und hochgehalten zu werden/ als was noch um solche zeit be- stehet/ und uns troͤsten kan. Wol uns wo wir solche lection recht in das hertz bringen! als die wolgefast eine stattliche ersetzung alles sonst leidenden verlusts ist. 24. Jan. 82. SECTIO III. A ls J ohann Peter S paͤth wieder zu dem Pap- stum zukehren starck inclinirte / aber vorher in Holland ei- nige zurath ziehen wolte/ nachricht an einem/ der ihm von seinem vorhaben abziehen helffen wolte. B Ringer dieses ist ein Augspurger/ so Paͤpstisch gebohren/ abeꝛ nachmahl zu unserer Confession aus uͤberzeugung der wahrheit getreten/ dabey des gott seligen Herrrn Spizelii huͤlffe ihm viel zustatten gekommen. Er hat sich auch eine zeitlang hie auff gehalten/ und mit information der jugend sein brodt verdienet/ wie er denn die information und methodum wol zuverstehen das zeug- nuͤß hat. Es ist ihm aber vor unterschiedlichen jahren/ so wol durch die bey uns angetroffene aͤrgernuͤssen als auch seiner meynung nach in unsres theuren Luthe- ri ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO III. ri reformation beobachtete fehler nicht geringer scrupel gemacht worden/ denn er starck angestanden/ ob er recht dran seye/ und die Paͤpstische kirche/ ob er wol dero viele itrthuͤme wahrhafftig erkennet/ habe verlassen sollen. Daher mehrmahl mit ihm zuhandeln noͤthig gewesen: Daß er also bißher von der ruͤckkehr in das Pap- stum/ an dem ihm selbs doch auch dermassen eckelt/ noch abgehalten worden. Jch habe aber allezeit an ihm eine seele gefunden/ die es hertzlich meinet/ und ihr ein ernst ist/ GOtt zu dienen. Weil er nun verreisen und durch Holland gehen wollen/ hat er verlangen getragen/ den HEꝛrn/ dessen schrifften er theils gelesen/ auch zuspre- chen/ und mit ihm aus denselben und daher gefasten scrupuln zu conferiren. Der hiermit gebende vorbericht mag dienlich seyn/ vernuͤnfftig und nach dem ers fassen kan/ mit ihm zuhandeln. HErr lehre ihn thun nach deinem wolgefallen/ denn du bist sein GOTT/ dein guter Geist fuͤhre ihn auff ebener bahn! Wir sind indes- sen schuldig uns seiner/ wie wir vermoͤgen/ anzunehmen. 4. Febr. 1682. NB. Des guten freundes zuspruch/ darum hierinnen gebeten/ hat so wenig als unsere vorher gegangene vermocht/ Spaͤthen von Papstum abzuhalten/ wie er dann bald nach seiner ruͤk- kehr in Franckfurth den andern morgen bey den Carmeli- tern sich zu denselben wieder bekant. SECTIO IV. Cognitio vera et salutaris. W egen der contro- vers mit Dilfelden. Daß Taulerum re- commandire. W As die distinction anlangt inter cognitionem veram \& salutarem, macht sie die sache nicht gantz aus. Wir nehmen das wort verum ent- weder sensu logico das ist de veritate logica, oder metaphysico de veritate metaphysica. Cognitio vera priori sensu ist die jenige/ wo der conceptus cum re uͤbereinkomt/ posteriori sensu ists die jenige/ wo alles das jenige da bey ist/ was zu einer cognitione divina gehoͤret/ damit nicht so wohl auff die congruentiam objecti cum intellectu concipiente, als die formã cogniti- onis ipsius, ob sie humana oder divina lux seye/ gesehen wird. Priori sensu habe nie geleugnet/ das cognitio Theologi carnalis vera seye/ dañ wahr ists/ was er gefast und gelehrt/ aber sensu posteriori leugne ichs/ daß solche cognitio nicht die ware cognitio seye/ in dem eꝛ solche material- wahrheiten/ nicht in einer goͤttlichen sondern natuͤꝛlichen liecht begreifft. Nun nimt die schrifft das wort cognitio ve- ra nicht in priori sondern posteriori significatu, wie zusehen 1. Joh. 2/ 3. 4. Mit dero Das sechste Capitel. dero haben wir zu reden. So ist die causa Dielfeldiana nicht bloß in dieser fra- ge bestanden/ sondern die haupt sache ist/ ob ich einem subtilen Enthusiasmum docire oder nicht: Jn dieser sache ist nachmahl jene controvers mit eingeflochten worden: Daher ob schon aliquo sensu jene cognitio mag auch vera genennt werden/ so ists genug/ daß auch ein verstand ist/ nach welchem solche nicht vera ist/ und zwar der jenige verstand/ der mit der phrasi des heiligen Geistes uͤbereinkomt. Damit felt Dilfelds beschuldigung/ und bleibet er als ein laͤsterer in der schuld. Deꝛ HErr lasse ihn solches erkennen/ und mache ihm zu einem tuͤchtigen gefaͤß seiner gnaden. Was die Prediger zu hause anlangt/ wundere ich mich gar nicht/ daß sie allerhand seltzame conceptus von mir gefast/ dann es konte ja nicht anders seyn/ bey denen so vielerley spargimenten. Weß wegen liebe leute als lang nicht verden- cke/ als sie keine gelegenheit gehabt/ sich der sache anders zu erkundigen. Hoffe nun sie werden nach besseren eingenommenen bericht auch allgemach anders sinnes werden. Daß ich Taulerum mit einer præfation recommandiret, reuet mich noch nicht/ als der ich dariñen Luthero und Arndio gefolgt: so habe ja deutlich die Paͤpstische irrthuͤme excipiret in der vorrede: auch stehen in der Franckfurtischen alten edition, die hier gantz mit allem nach gedruckt/ an allen o r ten/ wo was Paͤp- stisches stecket/ eine erinnerung an den leser/ damit ja niemand unwissend etwas schaͤdliches in sich saugen moͤchten. Auch hat sich Herr D. Olearius nicht gescheu- etz vor etzlichen jahren Th. a Kempis, ob zwar freylich auch mit der verwahrung/ auffs neue auffzulegen. Die viele scripta unserer kirchen/ welche in den materi- en/ die Thaulerus treibt/ ihm sollen gleich kommen/ sind mir noch nicht bekant worden/ daß man deßwegen des guten mannes sachen so gar aus den haͤnden zule- gen ursach haͤtte. Doch stehet jeglichen frey/ nachmahl das jenige liegen zu lassen/ was nicht nach seinem geschmack ist. ꝛc. 1682. m. Febr. SECTIO V. A ls einer wegen irrthuͤmer removiret worden. Daß mich seiner darinn nicht annehme. Schaden von eyffer/ wo eigensinnn dabey ist. J Ch bin von N. berichtet worden/ wann er nicht nur allein in einigen irr- thum verfallen (da ich auch fast nicht zweiffle/ dessen proben in seinen eigenen papiren gesehen zu haben) sondern sich auch gantz hartnaͤckig darinnen be- zeuget/ demnach zu seiner remotion ursach genug gegeben habe. Dahero ich be- dencken getragen/ an ihm selbs zuantworten/ damit ich nicht bey dem Ministerio zu ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO V. zu N. auch in verdacht setzte/ ob billichte ich der gleichen eines mannes obstination die gleichwol nicht loͤblich ist. Weswegen ich auch ihn nimmermehr mehr/ ob ei- nige stellen ledig waͤren/ dero ich zwar jetzt keine vor ihm wuͤste/ recommandiren koͤnte; wofern er nicht dem Ministerio voͤllig reconciliirt zu seyn/ und also sich der imputirt en irrthuͤmer entschuͤttet/ oder die erkante abgelegt zu haben mich versichern kan. Als lang er sich auch dessen nicht auff das aͤusserste bestrebet/ so leidet er nicht um Christi willen/ sondern um seines eigenen willens und obstinati- on willen/ in welchen zustand wir gleichwol niemand staͤrcken sollen ‒ ‒ doch ver- sichere/ daß wegen einmahl mir communicirten er keine gefahꝛ haben solle. Jch ruffe GOTT offters hertzlich vor ihn an/ der ihn mit seinem heiligen Geist erleuch- ten/ und das aͤrgernuͤß zuerkennen geben wolle/ welches auch von ihm entstanden: Sonderlich ihn reinigen von allen eigensinn/ hochmuth/ eingebildeter erleuchtung/ und dergleichen/ welche wol die gefaͤhrlichste tentationes sind/ und wo der teuffel einen in denselben gefangen nimmt/ es nicht weniger schadet/ als mit andern sei- nen stricken gehalten zu werden. Ach wie nuͤtzlich ists/ in demuth zuwandeln/ sich zwar nicht seinem gewissen zu meinem menschen knecht machen zulassen/ aber doch auch die handleitung von andeꝛn bruͤdern/ die von GOTT gaben empfangen haben/ nicht zuverachten/ noch allein weise seyn zu wollen/ und daher willig zu wei- chen/ wo nicht GOttes ehre offenbahrlich entgegen stehet. Dergleichen sinn wuͤn- sche ich Herr NN. von hertzen/ u. meine/ ich wuͤnsche ihm damit das allervertrau- lichste/ darvon ihm zeitlich und ewig wol seyn moͤchte. Mich betruͤbt wol hertzlich/ wo einige leute/ welche sonsten einen guten eyffer vor die befoͤrderung des guten be- zeugen oder haben/ wie ich Herrn N. gern zu traue/ sich dermassen præcipitiren daß sie die sache gantz verderben/ und nicht nur allein also ihren dienst der kirche un- brauchbar/ sondern auch anderen/ die mit Christlichen verstand vor die ehre GOt- tes eyffern/ viele vorwuͤrffe und verhindernuͤssen verursachen/ daß auch alles dersel- ben vernehmen so vielmehr in verdacht gezogen/ und ihnen das werck saur gemacht/ ja vieles von der frucht/ welche sie sonsten erhalten koͤnten/ thaͤtlich geschlagen wird. Welches alles als ein schwehres aͤrgernuͤß gleichwol auff der jenigen verantwor- tung ankommt/ die durch ihren eigen sinn solches geben/ und damit machen/ daß sich andere ihrer nicht annehmen duͤrffen/ um sich nicht noch mehr der sachen theil- hafftig zumachen. Wie ich dann dieses als eine sonderbare list des teuffels/ und goͤttliches gericht/ so es demselben zulaͤsset/ ansehe/ daß wie er auff einer seiten durch die offenbahr boͤse das gute hindert/ er auff der andern seiten offtmahl nicht weniger schaden thut durch unverstaͤndigen eyffer und eigensinn. Der HErr erbarme sich seiner armen kirche/ und steuͤre allen boͤsen/ fuͤhre auch sonderlich die nicht aus boßheit irrende auff richtigen weg. 4. Apr. 1682. Y y y SECT. Das sechste Capitel. SECTIO VI. N utzẽn Christlicher freundschafft. M eine schrif- ten. Allgemeine GOttes gelehrtheit. Gebet vor mich. Ruͤhrung vieler hertzen zu unserer zeit. D Esselben angenehmes neulich an mich auff der Post gesandtes/ hat mich aus vielen uꝛsachen inniglich erfreuet/ und dem himmlischen Vater uͤber seine guͤtigkeit und weise regierung/ wormit eꝛ die hertzen der seinigen zusammen lencket/ danck zu sagen verursachet. Der jenige N. N. hat des Herrn auch gegen mich sehr ruͤhmlichen gedacht/ als eines mannes/ deme es ein ernst waͤre/ GOTT auffrichtig zu dienen/ und der die greuel unsereꝛ zeiten tieff einsehe/ wie ich hingegen sehe/ daß er auch meiner gegen denselben meldung gethan/ und also GOtt ihm zum werckzeuge gebrauchet/ unsere hertzen mit liebe untereinander zu verbinden/ ehe ich noch an einige naͤhere kundschafft/ dazu der HErr anlaß geben moͤchte/ gedencken doͤrffte. Jndessen kan denselben versichern/ daß sein nahme mir nicht aus dem ge- daͤchtnuͤß gekommen/ so offt aber derselbe mir vorgestanden/ allezeit von der guͤte des HERRen die erhaltung und vermehrung deß in ihm gelegten guten gewuͤn- schet/ auch einigemahl/ womit Hamburgern zu reden die bequemlichkeit hatte/ nach denselben gefraget habe. Desto erfreulicher ist mir also dieses gewesen/ da die naͤ- here kundschafft mit mir von dem jenigen gesuchet worden/ welchen ich ohne das in meinem hertzen werth zu halten von guter zeit angefangen hatte. Nechst deme ha- be mich auch daruͤber hertzlich erfreuet/ das GOtt seyn hertz auch absonderlich mit liebe gegen mich erfuͤllet. Dann wie die freunde wohl dieses menschlichen lebens beste versuͤssung seind/ dahero solche/ da es nemlich treue freunde sind/ zu haben/ auch in dem leiblichen eine der vornehmsten wolthaten des HErren ist/ also achte ich auch die freund schafft Christlicher hertzen billich hoch. Dann so viel mir der Herr solcher lieber freunde beschehret/ so viel seelen weiß ich/ die auch desto innigli- cher vor mich seufftzen/ und mit ihrem anhaltenden gebet bißhero ohne zweiffel offt die jenige gnade und fortgang meiner arbeit zu weg gebracht haben/ dessen mein ar- mes und laueres gebet nicht wuͤrdig gewesen waͤre. So dienen sie mir auch zu staͤ- ter auffmunternng in dem guten/ und darff ich ferner von ihnen hoffen/ daß sie/ was sie an mir zu besseren sehen/ in hertzlicher liebe zu erinneren nicht saͤumig seyen werden. Nicht weniger habe den HErren auch darum demuͤthigen danck zu sa- gen/ welcher mich auffs neue an seinem lieben exempel versichert hat/ daß meine ein- aͤltige arbeit und in seinem nahmen ausgegebene schrifften/ in denen die jenige/ so nach ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VI. nach der erudition sehen (darauff fast unserer zeit alle augen gerichtet seyn) we- nig vergnuͤgen finden moͤgen/ von ihm kraͤfftig gesegnet werden/ daß rechtschaf- fene und seine einfalt liebende seelen sich darinnen ergoͤtzet/ und in denselben etwas dessen/ wornach sie verlanget haben/ zu finden bezeugen. Welches/ wie die sache selb- sten und was vor kraͤfftige wahrheit in solchen buͤchlein enthalen ist/ billich nicht mir sondern seiner gnaden guͤte zu schreibe/ als dessen versicherung zu haben mich treff- lich auffrichtet und staͤrcket/ auff daß ich nicht aus ansehen der jenigen/ welche sich offenbahrlich oder mit heimlichen und gefaͤhrlichern machinationen mir und mei- ner arbeit widersetzen/ so doch auch diener der warheit seyn wollen/ entweder in zweif fel an mir selbs/ ob ich mich selbs betriegen moͤchte/ gefuͤhret/ oder allzusehr nieder- geschlagen/ vielleicht auch muͤde gemacht wuͤrde/ alles stehen zu lassen/ wovon ich keinen succeß oder goͤttlichen segen sehe. Wie wir dann/ wie sehr wir uns etwa allein auff GOtt zu sehen bestreben/ auch etwa einigemahl davor halten/ daß wir zimlich starck seyen/ dannoch nach fleißiger pruͤffung unser selbs leicht unserer schwachheit gewar werden/ wie es nicht an solchen des fleisches einwuͤrffen man- gelt. Nun ist es freylich an dem daß was wir recht oder nicht recht thun/ nicht an anderer urtheil haͤnget/ noch wir auff dieselbe sondern allein auff unsern HERRen und dessen warheit zu sehen haben. Jedoch ists auffs wenigst eine nicht geringe auffmunterung und staͤrckung/ wo wir finden/ daß der HERR segen zu der ar- beit verleyhet/ und andere Christliche hertzen der von uns behauptenden warheit Christliches zeugnuͤß geben. Welches ich als eine sonderbahre gutthat des himm- lischen Vaters zu achten habe/ so mich von guter zeit offters auff diese art hat staͤr- cken lassen/ wann von vielen sonst unbekanten freunden mir dergleichen auffmun- terungs brieffe gekommen sind/ dadurch der HERR meiner ihm best bekannten schwachheit auffhelffen will. Sonderlich hat mich ergoͤtzet/ daß das letzte buͤchlein von der allgemeinen Gottesgelehrtheit meinen geliebten freund so sehr vergnuͤ- get hat/ dann ob ich wol erkenne/ daß ich vor eine goͤttliche warheit darinnen streite/ und alle deroselben liebhabere in der sach selbs auff meiner seiten haben muß/ so weiß ich mich doch auch wol meiner schwachheit zu bescheiden/ und daß es mir noch an un- terschiedlich vielen graden der erfahrung dieser materie, wovon ich schreibe/ man- glet/ daher einanderer hieriñen tieffeꝛ erfahrner wol waͤre noͤthig gewesen/ alles nach wuͤrden auszufuͤhren/ wo ich nicht Gottes heilige regierung dariñen angesehen/ daß er mich ohne meinen willen durch einen widersacher in diesen kampff hat fuͤhren las- sen/ wo es nicht mehr frey stund/ ob ich mich der sache annehmen wolte/ sondern die- se gethane ausfoderung als einem von dem HErrn mir zugesanten beruff habe ansehen muͤssen. Woraus mich aber auch eines so viel kraͤfftigern bey- standes des heiligen Geistes versehen/ und denselben verspuͤhret/ dahero seiner himmlischen leitung demuͤthigen danck zu sagen habe. Jch weiß auch/ daß als ich Y y y 2 in Das sechste Capitel. in dieser sache arbeitete/ unterschiedliche Christliche freunde/ so ich darum ersuchet/ vor mich mit sonderbahren eyffer um die gnade und licht seines Geistes gebeten ha- ben/ die also wol etwa mehr als ich bey der sache gethan. Was ich bey meinen widersacher selbs aus gerichtet/ muß ich noch erwarten. Es hat bey einem halben jahr her immer verlautet/ er wuͤrde wieder antworten/ ist aber ausgeblieben. Der HErr gebe ihm zuerkennen/ daß ers gewißlich nicht mit mir einem armen schwachẽ menschen/ sondern mit ihm als den HErren der warheit/ zu thun habe/ wo er dero- selben nicht weichen/ sondern wider ihꝛen stachel lecken will. Jch wuͤnsche daß er vielmehr seine gaben/ die er mag empfangen haben/ nuͤtz- licher zu des nechsten besten anwenden wolte. Sonsten verlautet/ daß er in den Niedersaͤchsischen quartier zimlich viel goͤnner habe/ so mich gleich sehr verwundert/ da meines erachtens die warheit dieser lehr so sonnen klahr ist/ daß wir die schrifft und unsere eigene Symboli sche buͤcher verwerffen/ oder dieselbe stehen lassen muͤs- sen. Der HERR HERR/ als das einige wahre liecht/ oͤffne uns allen/ die wir der blinden leiter seyn sollen/ unsere augen/ selbs das jenige recht einzusehen/ was wir andern zu zeigen gedencken/ und amts halben verbunden seind. Solte es den HERRN also gefaͤllig gewesen seyen oder werden/ daß wir uns hier in der wel t einmahl einander besprechen solten/ wuͤrde mir auch dasselbige eine rechte vergnuͤ- gung seyn/ uns in ihm mit einander zu ergoͤtzen/ auffzumuntern/ ihn an zuruffen und vor seine guͤte zudancken. Jn ermanglung dessen so lasset uns damit zu frie- den seyen/ in einer gemeinschafft der heiligen zu stehen/ die unter denen/ welche an dem einigen hochgelobten haupt Christo JEsu wahre lebendige glieder sind/ viel genauer ist/ als alle leibliche bande seyn moͤgen. Es wird aber solche gemeinschafft so viel besser geuͤbet/ in fortsetzung der von GOtt gewuͤrckten Christlichen liebe/ und eyfferigen gebet. Wie ich nun meiner seits desselben vor dem HERREN offters zugedencken nicht ermangeln werde: Also bitte und versehe mich gleicher liebes bezeugung. Massen mir von niemand eine groͤssere wolthat erwiesen wer- den kan/ als wer auch vor mich wachet mit allen anhalten und flehen/ daß mir ge- geben werde das wort mit freudigen auffthun meines mundes/ daß ich kund machen moͤge das geheimnuͤß des Evangelii/ welches bote ich auch bin/ auff daß ich darin- nen freudig handeln moͤge und reden/ wie sichs gebuͤhret. Dann gleich wie unser der Prediger stand wohl der allergefaͤhrlichste un- ter allen in der gantzen welt ist/ daher alle andere Christen mit so vielmehr erbar- mender liebe vor uns zu GOtt beten solten/ so halte doch daß ich vor so vielen andern noch gefaͤhrlicher in meiner stelle stehe/ so wol aus andern mir bekanten umstaͤnden und eigenen meiner seelen zustandes/ als weilen so vieler so boͤser als frommer au- gen auff mich gerichtet sind/ und ich also nichts thue/ das nicht von feinden auffs ge- naueste belaustert wird/ u. leicht zum aͤrgernuͤß auffgenommen werden mag. Wel- ches ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECT . VI. ches zu verhuͤten gewißlich eine mehr als menschliche klugheit noͤthig ist/ an dero a- ber gern bey mir grossen mangel erkenne/ und dahero vor nichts angelegenlicher be- te/ und von andern vor mich gebeten zu werden verlange/ als vor solches mir zu meinem amt so noͤtigste gut. Jm uͤbrigen sehe ich aus den uͤberschriebenen/ wie es meinen geliebten freund/ gleich wie so vielen andern treumeinenden/ ergangen seye/ mich dabey meiner eigenen offtmahligen anfechtung erinnerende. Nehmlich daß das vor augen liegende verderben unserer kirche und dero aller staͤnde uns offters also einnehme/ daß wir vor demselben fast das uͤbrige/ durch seine guͤte erhaltene gute nicht sehen oder wahrnehmen/ dahero es offt fast klagen gibt wie jenes alten E- liaͤ: Jch bin allein uͤberblieben. Worinnen wir aber gewißlich/ da wirs am hertzlichsten meinen/ um die ehre des HERREN eiffern und betruͤbt sind/ gleich- wohl irren/ und uns der HERR noch allmahl zuruffen laͤst/ er habe ihm noch seine 7000. uͤberbleiben lassen/ welche/ ob sie nicht eben uns/ gleichwohl ihn/ sattsam und zur gnuͤge bekant sind. Es sind offt unter den jenigen/ die wir um uns haben/ eini- ge bessere seelen/ als wir ihnen zu trauen/ weil sie sich nicht also herauslassen/ noch die gelegenheit haben/ oder wir nicht so tieff in ihre kundschafft kom̃en. So sind etwa an- derwertlich noch mehrere/ die der HErr erhalten hat/ daß sie sich nicht mit den all- gemeinen strom der aͤrgernuͤße mit hinreissen lassen/ sondern nach ihrer maaß das werck des HERREN treiben. Wie sich auch gewißlich zu dieser zeit der HErr in unserer Evangelischen kirchen nicht gantz unbezeuget laͤsset/ sondern in allen staͤn- den viele/ etwan mehr als wir glauben moͤchten/ ihm vorbehalten hat/ die rechtschaf- fen vor ihm seyen/ und entweder bereits jeglicher nach seinen stand oder habender gelegenheit treulich arbeitet oder nur anlaß erwartet/ die ihm der HERR geben wolte/ seine treue thaͤtlich zu erweisen. Dann auch in diesen stuͤck hat die weißheit GOttes ihre weise dispositiones einige etwa biß zu ihrer zeit durch gewisse ursa- chen zuruͤck zu halten. Jch meines orts bekenne gern/ daß mir dieses eine von den groͤssesten freuden ist/ daß der HERR mich von unterschiedlichen jahren vieler sol- cher leute/ die hin und wider stehen und stecken/ hat lassen gewahr werden. Wann so wohl aus anderer profession leuten als aus Predigern/ offteres von orten da ich nie angedacht/ sich ihrer viele mir mit schreiben bekant gemacht/ und da sie etwa ihr wohlgefallen an meiner wenigen arbeit/ also auch ihre begierde/ alles gerne gut zu sehen/ und dazu das ihrige zu thun/ bezeuget. Daruͤber ich mich offt hertzlich troͤste nicht nur allein/ wie oben gemeldet/ daß ich so vieler treuer mitbruͤder gebets/ mich hieraus versichern kan/ sondern/ weil hieraus schliesse/ weil fast eine allge- meine bewegung bey guten hertzen sich aller orten findet/ welche nach einer besse- rung verlangen/ der HErr als von dem solche wirckung kommen muß/ muͤsse ge- dancken der gnaden uͤber uns haben/ und sich wiederum seiner armen kirch erbar- men wollen. Da es zwar etwa nicht ohne sehr harte truͤbsalen/ die vorhero gehen sol- len/ abgehen moͤchte/ aber genug ists/ daß den verderben gesteuert/ und eben durch Y y y 3 die Das sechste Capitel. die truͤbsalen das gute gelaͤutert werden wird. Wie ja ohne das die in den eusser- lichen betruͤbteste zeiten der Christlichen kirche in den jenigen daran ihr am aller- meisten gelegen/ auch am meisten genutzet haben. Nun lasset uns zu dem HEr- ren unauffhoͤrlich ruffen/ daß er sich selbs seiner elenden schaffe annehme/ ja daß er sein Zion wider baue/ der getrosten zuversicht der HERR wird uns nicht vergeb- lich ruffen lassen/ sondern gewiß sein ohr zu uns neigen/ und weisen/ daß er der ausserwehlten braut seines einigen Sohns nicht vergessen habe. Was derselbe auch zuletzt bemercket/ daß wir den HERREN zu bitten/ daß er uns vor schein- heiligen bewahren wolle/ ist eine ja wohl noͤtige sache: Dann freylich wo der teuf- fel auff der lincken seiten nichts auszurichten hoffet/ wendet er sich auff die rechte/ und mag daselbs eben so viel schaden. Also wolle er uns so wohl selbs den Geist der pruͤ- fung geben/ in uns was falscher schein von dem fleisch oder Goͤttlicher tugend seye/ genau zu unterscheiden/ daß wir uns nicht betruͤgen; als auch die augen oͤffnen/ am andern mit denen wirs zu thun haben/ gleicher massen alles ohne betrug zu un- terscheiden/ und darinnen jeglichen zubegegnen/ wie es noͤthig und nuͤtzlich ist. 1682. 26. Apr. SECTIO VII . W egen des zu E ßen in W estphalen angestelten Collegii pietatis. M Jt was vor freuden ich dessen gesegnetes empfangen habe/ kan ich nicht wohl mit worten dieses orts ausdrucken/ und bleibe deswegen zum hoͤch- sten dessen gegen mich tragender liebe verbunden. Vornehmlich aber sa- ge danck dem Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trosts/ der unter zimlicher last und verdrißlichkeit meines amts mir diese gnade mehrmahl erzeiget/ mit guten bottschafften hin und her erfreuet und auffgemuntert zu werden/ welcherley ich vor eine sonderbahre wohlthat erkenne/ und eben diese duꝛch das geliebte schreiben gege- bene nachricht/ als mir solche rechne/ davor ich seine Goͤttliche guͤte zu preisen habe. Wie dann/ wo uns die ehre GOttes vornehmlich und vor allem/ wie es seyn solle/ angelegen ist/ uns nichts mehrers zu erfreuen vermag/ als wo wir dasjenige aller orten zugeschehen sehen oder hoͤren/ was dieselbe zu befoͤrdern diensam ist. Wie ich nun die absonderliche zusammenkunfften/ und zwar da dieselbe sich auff eine zahl er- strecken/ unter der auffsicht des ministerii, vor ein sehr nuͤtzliches mittel der erbau- ung/ und also besserung der kirchen/ achte/ auch deswegen von zimlichen jahren deꝛ- gleichen gehalten/ und durch den segen des HERREN einigen nutzen davon ver- spuͤret habe/ so muß mich billich ergoͤtzen/ da ich hoͤre/ daß an mehrern orten einige dergleichen gelegenheiten des guten gemacht werden: nicht zwar als uͤber eine sache ARTIC . I. DIST. IV SECT . VII. sache/ die von mir herkaͤme/ oder auffgebracht worden/ welche eitelkeit der HErr so die hertzen forschet/ noch immer ferne von mir seyn lassen wolle/ wie ich dann auch der erste nicht seyn kan/ einer sache/ so von anfang der Christlichen kirchen/ und so lange darnach/ als dieselbe noch in gutem stande geblieben/ in schwang gewesen/ so dann nach der reformation von unserem lieben Luthero vorgeschlagen und recom- mendi ret/ und hin und wieder/ ob schon auff unterschiedliche/ aber doch zu einerley zweck zielende arten/ von ein und andern Christlichen lehrern publici ret worden: sondern als uͤber eine sache/ davon ich der ehre GOttes vieles hoffe/ sonderlich daß weil ich an diesem unseren ort noch nicht alle die frucht/ welche ich verlangte/ und et- wa folgen solte/ spuͤren kan/ aber den mangel meiner anstalt billich zu messe/ ich in dem guten vertrauen stehe/ der HERR werde gnade geben/ daß andere/ welche solches nachahmen/ mit mehrer klugheit/ fleiß und frucht die sache anstellen/ und al- so alles solches ersetzen moͤchten. So ich von seiner guͤte inniglich bitte/ auch mich verbunden achte/ eben so hertzlichen danck der himmlischen gnade davor abzustat- ten/ da dergleichen von andern geschiehet/ als wo dieselbe mich selbsten zu dessen in- strument gewuͤrdiget haͤtte. Es hat aber meine freude auch dieses vermehret/ daß mir dergleichen post so unverhofft und von einem solchen ort gekommen/ wo ich dem fleisch nach niemand bekant habe/ daß also solches nuͤtzliche institutum, ohne mit mir etwa vor angestelte communication / angehoben/ und in den stand gebracht worden ist/ daß ich zu gleich von dessen anfang und gesegneten sortgang hoͤ- ren kan; auch dieses ein zeugnuͤß der guten sach selbs geben wird/ daß solche uͤbung von solchen personen angestellet/ welche nichts auff mich/ als den sie nichts gekeñet/ darinnen werden gesehen haben/ sondern von der guͤte und nutzbarkeit des wercks selbs muͤssen uͤberzeuget und bewogen worden seyn. So seyen also sie saͤmtlich von dem HERREN gesegnet/ daß sie ohnerachtet der beschwerden/ welche sie ohn zweiffel werden dabey haben ausstehen muͤssen/ und noch mehrere zu sorgen gehabt sich resolvi ret/ dergleichen erbauung anzustellen/ und sich durch jene/ sonderlich a - ber die sorge anderwertlicherer ungleichen auslegung/ nicht abschrecken zulassen/ und daß sie auch meine freude durch solche freundliche notification zu vermehren geruhet/ so mir eine nicht geringe auffmunteruug gegeben. Jch versichere dabey/ daß ich nicht unterlassen werde/ vor dero ihre Christliche zusammenkunfft hertzlich zu dem HERREN zu beten/ daß er die krafft seines Geistes mildiglich und reichlich uͤber sie ausgiessen/ und sie vermittels solcher uͤbung taͤglich in dem geistlichen kraͤff- ten gestaͤrcket/ so dann ihr Christliches exempel zu einer gesegneten anreitzung ande- rer nachfolge werden lassen wolle/ auff daß dermassen ihr liecht vor vielen scheine/ daß diese ihr gutes sehen/ und mit worten und heiligen nacheiffern den himmlischen Vater preisen. Was in dem uͤbrigen die schrifft anlangt an Herrn Georg Conrad Dilfel- den (nicht pastorem sondern) predigern an der primat kirchen zu Northausen uͤ- ber Das sechste Capitel. ber diese materie / habe solche mit gutem vermoͤgen durchgelesen/ und finde nichts darinnen/ was nicht wohlstehen/ und andern zur auffmunterung dienlich seyn koͤn- ke; so ist sie/ wie es billich seyn solte/ sehr modest und ohne bitterkeit/ welcherley schrifften allezeit den besten effect zu haben pflegen/ und von GOTT desto mehr gesegnet worden/ ferner auch deutlich und verstaͤndlich; daher nicht nur den ge- lehrten/ sondern auch andern Christlichen personen dienlich: welches sich aber- mahl zu dieser materie am besten schicket/ damit vielmehr eine anmuth zu einfaͤlti- ger erbauung gemacht/ als den gelehrten in ihrer wissenschafft zu zunehmen anlaß zu geben gesucht wird. Daher ich es in ihrer gegend und nachbarschafft (danm hie wird es sich nicht wohl schicken/ damit es nicht ein/ wider die darinnen enthaltene protestation / von mir angestelter handel von dem meisten angesehen werden moͤchte) gedruckt zu werden sehr nuͤtzlich achtete. Und finde die angefuͤhrte ra- tiones dubitandi nicht der erheblichkeit/ ein solches in zweiffel zu ziehen. Dann erstlich habe ich zwar/ biß mir mein adversarius auff meine apo- logiam in der mich eigendlich angehenden materia wegen der Gottes gelehrheit atworten wuͤrde/ so noch nicht geschehen ist/ auff das eigendlich gegen Herrn Kriegsmann gerichtete tractaͤtlein/ zu antworten die muͤhe nicht nehmen wollen/ weil Herr Winckler solches uͤbernahm/ und nach genuͤge gethan hat. Wie mein Hochgeehrter Herr aber errinnert/ ist solches Herr Wincklers tractaͤtlein nicht e- ben aller ortenhingekommen/ und dienet ihr scriptum auff andeꝛe weise zur auff- munterung/ durch vorstellung ihres exempels/ als welches eine thaͤtliche refuta- tion ist einiger sorge/ darauff sich gegentheil so starck besteiffet. 2. Ob wohlen ihr collegium noch nicht viele jahr gedauret/ so habe doch verstanden/ daß es bereits anderthalb jahr seye/ da sich schon offenbahret ha- ben wuͤrde/ wo einiges inconveniens daraus entstehen wolte: Vielmehr hof- fe/ sie werden in dem progressu die sache bißher leichter befunden/ als es anfangs moͤchte geschiehnen haben. 3. Die betrachtung des zustandes ihrer kirchen/ weil sie einiger pressur un- terworffen/ deuchtet mich diesem werck keine neue schwehrigkeit zu machen/ in dem es nichts ist/ was die jenige/ von denen sie weiter gedruckt zu werden sorgen moͤch- ten/ wider den kopff stiesse: Da ich sonsten freylich gern gestehe/ daß man in Ecclesia pressa sehr genau auff sich acht geben muͤsse/ daß man nicht durch unzeitigen ge- brauch seiner freyheit/ und an sich selbs gute/ aber nicht eben nothwendige dinge/ die widersacher gegen sich reitze/ und der kirchen eine verfolgung unvorsichtig her- bey ziehe/ welches sonderlich durch scripta polemica / vornehmlich wo sie gegen die herrschende partey geschrieben/ und mit einiger hefftigkeit abgefasset sind/ geschehen wuͤrde/ auch mehrmahl geschehen ist/ daher allen denjenigen/ die an solchen orten wohnen/ allezeit rathe/ daß sie sich solches schreibens enthalten und dasselbe andern leuten uͤberlassen solten. Was aber solche scripta anlangt/ darinnen der religions con- ARTIC . I. DISTINCTIO IV. SECT . VII. controversien nicht gedacht/ sondern die praxis des Christenthums getrieben wird/ habe bißher gesehen/ daß dieselbe die widersacher unserer religion so gar nicht offendi ret haben/ daß von diesen vielmehr offt ein favor daduꝛch ist erlangt woꝛden. Waͤren aber einige mir nicht bekante considerationes / woraus zu sorgen waͤre/ daß ihrer kirchen einiger weiterer druck daher erfolgen moͤchte/ und solche wuͤrden wohl gegruͤndet befunden/ so bekenne gern/ daß als dann ich selbs die sache mißra- then/ und die ruhe ihrer kirchen allen uͤbrigen nutzbarkeiten/ so ich von der publica- tion hoffte/ vorziehen wolte. Gestehe aber auch dabey/ daß ich dergleichen zu se- hen nicht vermag/ sondern davor gehalten wo die praxis einer sache von den widri- gen wol geduldet wird/ daß solche auch die vertheidigung derselben wol leiden moͤgen. 4. Es moͤchte auch die vorgeschuͤtzte obscuritas loci nicht mit nachdruck ent- gegen gehalten werden. Jn dem nicht nur allein ihre statt so unbekant nicht/ son- dern auch solches exempel eines orts/ welches nicht so volckreich/ noch das ministe- rium so starck eine real antwort ist auff einen vielen offt gebraͤuchlichen einwurff; es liesse sich dergleichen exercitium noch endlich wohl etzlicher massen in einer sehr populo sen statt/ da man unter der menge auch eine zimliche zahl tuͤchtiger perso- nen finde/ practici ren/ aber an anderen orten wuͤrde es nicht moͤglich seyn. 5. Sehe ich auch nicht/ das eben zu sorgen/ daß sie in einem sonderlichen disputat hiedurch wuͤrden eingepflochten werden/ wie fast zu vermuthen/ daß Herr Dilfeld/ so nun uͤber ein jahr auff Herr Wincklers antwort geschwiegen/ schwehr- lich etwas ferner finden wird/ was er replicire. Am allerwenigsten aber moͤchte 6. den wercklein schaden/ daß es nicht von ei- nem Theologo sondern JCto gemacht seye. Dann es heisset/ nicht quis, sed quid; und haben wir uns vielmehr zu erfreuen und es zu loben/ wo auch andere als Theologi in dergleichen materi en die feder ansetzen. Also meine ich/ moͤgen die gesamte rationes dubitandi nicht von der wichtigkeit erkant werden/ die pu- blication zu mißrathen. Hingegen sind die andere pro afflrmativa angezogene momenta kraͤfftig genug/ solche zu persvadi ren. So weiß ich auch sonderlich nichts weiter bey dem tractaͤtlein selbs zu erinnern; Wie wohl sich auch nicht zieh- men wolte/ daruͤber unter uns vorher zu conferi ren/ weilen sich darauff be- zogen wird/ daß sie mit mir in einiger correspondenz nicht stehen. Weswegen auch vor noͤthig achte/ daß ein gewisses datum zu ende gesetzet werde/ wann sol- ches scriptum verfasset/ da es also der wahrheit nach aͤlter seyn muß/ als unsere nun erst anhebende kundschafft. Solte ich aber je etwas erinneren: So wuͤnsche/ was die stelle anlangt/ da die nothwendigkeit dergleichen privat- zusammenkunff- ten gelehret wird/ daß diese etwas deutlicher ausgedruckt wuͤrde/ daß man nicht e- ben von einer necessitate absoluta sondern expedientiæ rede. Zwar was das genus anlangt/ daß einige privati congressus sollen gehalten werden/ wird wohl Z z z blosser Das sechste Capitel. blosser dings nothwendig seyn/ wie dann unterschiedliche pflichten uns GOTTes wegen obligen/ die nicht anders als privatim etwa unter zweyen ver ichtet wer- den koͤnnen/ deswegen dann solche zusammen trettungen schlechter dings noͤthig sind: Wo wir aber absonderlich handlen von der jenigen art der privatorum congressuum da ihrer mehrere unter der inspection eines Predigers zu einem Gottseligen gespraͤch zusammen kommen/ so wolte ich nicht eben schlechter dings die nothwendigkeit behaupten/ sondern ihre nutzbarkeit/ ruͤhmen/ welche sie so fern nothwendig machet/ wo man nehmlich/ wie billich ist/ alles das jenige thun soll und will/ was die erbauung befordert/ so mag auch dieses nicht mit fug ausgelassen wer- den. Ferner wird an einem ort zum argument angefuͤhrt der spruch Matth. 13/ 15. wo der HERR seine juͤnger fragt/ ob sie alles verstanden haͤtten. Vielleicht aber moͤchte zu solchem scopo aus solchem capitel der v. 10. sonderlich aber Marc. 4/ 10. dienlicher seyn/ wo die Juͤnger selbs den HERRN privatim gefragt/ und so zu reden in collegio privato die sache weiter untersucht/ was in offentlicher pre- digt gehandelt worden. So hielte auch/ daß mit fleiß vermeidet werde/ worin- nen Herr Dilfeld seine meiste subtili taͤt suchet/ obs privati oder publici congres- sus zu nennen seyen: nehmlich daß man bezeuge/ es liege an solchem nahmen das geringste/ und gelte gleich ob die versammlungen publicæ oder privatæ nach ge- wissen respecten genennet wuͤrden. Ja es mache auch keinen gewissen unter- scheid/ ob sie in loco publico oder privato geschehen: da ich auch nicht leugne/ daß ich/ wo es eine ziemlich numerose anzahl von leuten ist/ die sich zu einer solchen er- bauung einfinden/ lieber sehe/ daß als dann die selbe/ dafern man dessen erlaubnuͤß von Christlicher Obrigkeit hat in einem loco publico angestellet werde/ wo zu auch bessre bequemlichkeit sich allemahl finden wird/ massen ich es auch vor eine sonder- bahre Goͤttliche wohlthat halte/ daß ich neulich von unserer Christlichen Obrigkeit die erlaubnuͤß erlangt/ daß meinige collegium / so in das 12. jahr in dem hauß gehal- ten worden/ aber der platz den leuten zu enge wurde/ in der oͤffentlichen kirchen zu halten. Die gantze macht aber der frage komme dahin/ ob es in der kirchen 1. noͤthig seye/ daß ohne die oͤffentliche und solenne congressus einige recht eigendlich pri- vati congressus angestellet werden/ welches absolute zu bejahen; in dem aller privat -zuspruch/ alle privat -erinnerung/ da Prediger oder andere ihren nechsten erinnern/ straffen/ warnen/ troͤsten/ alle hauß-uͤbung und hauß-kirchen-dienst/ un- ter solchem genere stehet/ an dero notwendigkeit niemand zweiffelen mag. 2. Ob es nicht dabey auch nuͤtzlich und an den orten/ wo man solches haben kan/ nun alles das jenige wo zu uns der HERR gelegenheit zeiget/ zu thun (sihe Jaeob. 4/ 17. ) in solcherer maß noͤthig seye/ daß ohne die jenige oͤffentliche ver sam- lungen/ darinnen allein einer lehret/ die andere aber allein zu hoͤren/ wie unsere pre- digt-versamlungen sind/ auch andere versamlungen (es geschehe nun abermahl in loco ARTIC . I. DISTINCT . IV. SECTIO VII . loco publico oder privato / so zur sache selbs nicht thut/ und aber welches jeder zeit und orts das fuͤglichste seye/ aus andern umstaͤnden zu beurtheilen ist) gehal- ten werden/ darinnen nicht nur einer allein redet/ sondern auch audere entweder bloß zu fragen oder zu antworten (wie sonderlich die catechismus examina und kinderlehren zu seyn pflegen) oder auch ihre erinnerungen und meinung modeste mit bey zu fuͤgen erlaubnuͤß haben. Von dieser letzten art wird nun meistentheils die frage angestellet/ und ligt als dann wenig dran/ ob solche den nahmen der publicorum oder privatorum haͤt- ten. Wo hierauff wohl acht gegeben wird/ doͤrffte sich manches desto leichter ge- ben/ und dem widersacher in worten zu cavilliren die gelegenheit benommen wer- den. Sonsten finde nichts/ was sonderlich diensamer zu dem auffsatz waͤre. Wie auch die geschehene erinnerungen nicht von solcherer wichtigkeit sind/ daß sie eben nothwendig muͤssten attendi rt werden. Jm uͤbrigen schicke hiebey eines anderen Christlichen Superintendenten meinung/ dem ich in freundlichen vertrauen das MS. comuniciret / und er mir also geantwortet/ daß es zu dero auffmunterung dienlich und also zu uͤber- schreiben wuͤrdig geachtet habe. Dabey ich gleichwohl bedeute/ daß ich die von solchem guten freunde geschehene erinnerungen nicht eben alle noth- wendig achte: sonderlich aber vielmehr wohl gethan glaube/ als es geaͤn- dert verlangte daß sie sich in Herrn Dilfelds und meine uͤbrige controvers, so ih- nen nicht noͤthig/ nicht einmischen wollen. Die uͤbrige uberlasse deroselben eigenen erwegung und beurtheilung. Endlich habe zu dero fernerer anfrischung auch an- zuzeigen/ daß ohne mein collegium noch andere mehr anderwerts gehalten wer- den: Jn Schweinfurt hat ein Prediger Herr M. Berger dergleichen auch schon viel jahr: zu Augspurg ist von Herrn Spizelio ebenfals mehrere jahr eines gehal- ten/ ob zwar wie ich vernehme widerum nachgelassen worden: Herr Superinten- dent Winckler hat es in Wertheim auch auff die 3. jahr: und vor dem weis ich/ daß ein Christlicher Prediger in Amsterdam auch ein solches gehalten/ aus dessen verlassung ein gewesster goldschlaͤger lust zu dem studiis bekommen/ seine hand- thierung quittiret und sich auff die Theologiam gelegt/ mit dem ich noch in Straß- burg studi ret habe. Nun der HERR lehre uns in allen stuͤcken seinen willen/ und wie seine ehre an und von uns am kraͤfftigsten moͤge befordeꝛt werden/ erkennen: er gebe auch weißheit und die wahre klugheit der gerechten/ in dero wir moͤgen der uns bescheh- renden gelegenheiten recht gebrauchen/ und nichts mit unvorsichtigkeit selbs ver- derben/ so dann einen heiligen eiffer/ keine muͤhe arbeit und anderer weltleute ver- achtung zu scheuen/ wo es um unser und unsers nechsten erbauung zu thun ist. Er gebe uns aber die gnade/ daß wir auch alle solche so offentliche als besondere ver- samlungen also anstellen/ daß wir nicht nur in der wissen s chafft verlangen zu zuneh- Z z z 2 men Das sechste Capitel. men/ sondern uns bestreben/ dero fruͤchten in heiligen wandel zu bringen/ damit das wort GOttes reichlich nicht nur in unserem munde und verstande sondern her- tzen und leben webe: Ja daß wir uus der absonderlichen uͤbung also gebrauchen/ daß wir dadurch stets geschickter werden/ auch die algemeine mit so viel mehr er- bauung zu begehen/ undfrucht dieses ihrer so viel verhassten instituti in der that an uns zu jener uͤberzeugung zu weisen. Jndessen gnade denselben und saͤmtli- che mitglieder ihres Christlichen collegii, vor dero gebets gemeinschafft mich bruͤ- derlich bedancke/ dero continuation bitte/ und hingegen von meiner seiten derglei- chen zu sage/ hertzlich hiemit erlassende. u. s. w. 1682. 3. Jun. SECTIO VIII. V on einigen dingen so in F ranckfurt vorgenom- men/ und von andern mißdeutet worden. Auch sachen die zum amt gehoͤrig. Großgebauers waͤchterstimme. J Ch dancke dem grundguͤtigen GOTT/ daß derselbe das meinige neuliche (siehe Sect. I. ) also gesegnet/ daß so wohl mein wehrtester bruder in der aus Herrn N. N. bericht bereits gefassten guten hoffnung von meiner und anderer freunde und der guten sache unschuld bekraͤfftiget/ als duch andern gleiches bey ge- bracht worden. Dann ob mir zwar nicht hoch angelegen seyn solle/ ob es GOtt gefalle διὰ δυσ ημίας oder ἐυ ημίας mich zu fuͤhren/ noch mich sehr bekuͤm̃ere/ ob ich von menschen oder einem menschlichen tage gerichtet werde/ so habe doch freude daraus zu schoͤpffen/ und GOTT zu dancken/ wo er die jenige nebel/ welche durch vorgegangene calumnien viele verdacht gemacht/ und damit einiges gute verdeckt worden/ durch die sonne der wahrheit vertrieben werden laͤsset; in dem liebe leut sich durch die beharrung in dergleichen argwohn sonsten endlich schwehrlich versuͤn- digen wuͤrden/ mir aber billich leid seyn muß/ daß ich armer ein stein des anstossens zu anderer suͤnde werden muͤsste: so dann weil die bruͤderliche meinung meh- rer Christlicher und die ehre ihres GOTTes treulich suchender hertzen nach Gottes willen etwa kuͤnfftig einige mehrere frucht zu beforderung der gemeinen er- bauung bringen moͤchte; daran sonsten hinde r lich ist/ wo die gemuͤther mit verdacht gegen einander eingenommen sind/ und also aufs wenigste bedenckens tragen/ ge- samter hand an dem bau des HERRen zu arbeiten/ und nicht ohne furcht und scheu zusammen setzen. Welches ich auch vor die absicht deß feindes halte/ die er in der außstreuung der calumnien vornemlich vor augen gehabt. Aber nach dem et- wa die zeit/ die GOtt zu uͤbung einiger gedult verhaͤnget hat/ vor bey ist oder seyn wird ARTI C. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VIII. wird/ ihm solches seyn stuͤck nicht angehen solle. Wie mich aber nun meines hoch- geliebten freundes voͤllige bezeugte befriedigung uͤbeꝛ meine declaration vergnuͤ- get/ so setze doch noch ferner bey/ das hertzlichen bitte/ wo demselbẽ selbs durch jemand einiges annoch vorgebracht worden waͤre/ an welchen/ derselbe meiner person/ lehꝛ u. wercke wegen einẽ scrupel fassen moͤchte/ nur alles solches obs auch schon nicht solte von grosser wichtigkeit scheinen/ freundlich communiciren, als der ich bereit bin/ jederman in liebe und sanfftmuth rechenschafft zugeben/ alles dessen was ich lehre und vorhabe/ auch weiß daß dem richter der lebendigen und todten dermahleins re- chenschafft darvor geben muß. So kan solche communication und conferenz niemahlen ohne nutzen abgehen: Dann es sind entweder solche dinge/ woruͤber ich meine unschuld zur genuͤge darthun kan/ damit andern gerathen wird/ oder es moͤch ten sachen seyn/ woraus ich selbs einen eigenen verstoß sehen wuͤrde/ wie ich ja als ein mensch gern erkenne/ daß ich fehlen kan/ und auch einer bruͤderlichen anzeige des- sen/ mich zu danck verbunden zu seyn glaube. Mein collegium anlangende/ welches vernehme/ daß der hoch selige HErr Graff vornehmlich geeckelt/ ists ja ein solches unschaͤdliches/ hingegen ohne ruhm zumelden bey ihrer viel fꝛuchtbar befundenes/ institutum, daß ich nicht leugne/ es reue mich dessen noch nicht. Jch habe einer gantzen Theologi schen Facul taͤt (nem- lich von Kiel) responsum daruͤber/ die auf bericht von dessen ort dasselbe gebilli- chet/ welches Herr D. Fritsch auff mein veranlassung in eines seiner tractaͤtlein mit einverleibet. So haben so viel Christliche andere Theologi theils insge- mein mit voͤlliger und ohne außnahm gethanene approbation der piorum desi- deriorum, wo solcher vorschlag stehet/ theils absonderlich dasselbe gebillichet/ daß es auch an autoritaͤt nicht mangelt. So hat Herr D. Menzer selbs nicht nur al- lein mit gleicher unbedingter gutheissung der piorum desideriorum / dero vor- schlaͤge er mit nachdruͤcklichen terminis lobte/ dasselbe gebillichet/ sondern auch nochmahl auf absonderlich mein zuschreiben bezeuget/ das solche collegia so wenig als die collegia privata der Professorum auf Universit aͤten/ so in ihrem amt mit begriffen waͤꝛen/ an sich selbs moͤchten verworffen werden/ nur wegen mehrerer behutsamkeit einige conditiones da zu gesetzt/ als das die uͤbrige collegæ Mini- sterii mit darzu kaͤmen/ daß die gesamte gemeinde etwa in gewisse theil abgesondert denselben beywohnten und dergleichen/ die theils jeder sehen wird/ daß sie nicht noͤ- tig (dann wozu darff man leuth zu etwas noͤthigen/ die nicht selbs verlangen dar- nach tragen/ da man sie kaum in die kirchen bringen kan) theils erfuͤllet sind/ oder bey mir sie zuerfuͤllen nicht gestanden hat; wie dann immer zu einigen zeiten einige Collegæ sich mit eingefunden/ so dann ich die andere so gar nicht davon ausgeschlos- sen/ daß sie/ wo es ihre gelegenheit und geschaͤffte zu geben wollen/ vielmehrdazu gewuͤnscht haͤtte. Daher der gute mann nicht ursach gehabt nach der zeit ander- wertlich wie ich geschehen zu seyn weiß/ die sache invidiose an zugeben. Der Z z z 3 HERR Das sechste Capitel. HERR rechne es ihm nicht zu. Jetzo hat von einiger zeit GOtt miꝛ nach seiner gnade eine sonderbare freude gemacht/ in dem/ welches ich lang/ wo es bey mir ge- standen/ verlangt haͤtte/ unser hochgeliebte Obrigkeit auf veranlassung der anwe- senden Evangelischen gesandten mir vor etlichen monaten die erlaubnuͤß gegeben: daß solches in oͤffentlicher kirchen versamlung halten darff/ so ich nun seit der zeit thue und desto mehr erbauung darvon hoffe: Aber verlange/ daß Christliche mit-bruͤ- der den HERRN mit vor mich helffen anruffen/ mir die dazu noͤtige klugheit zu- geben/ daß mich solcher stattlichen gelegenheit der erbauung nachtruͤcklich und fruchtbarlich gebrauche/ und alles ungleiche/ so jemand dabey besorgen moͤchte/ in seiner gnade vermeide. Was meine discipulos betrifft/ so weiß ich von keinen/ die sich je vor meine sonderbare discipulos bekant haͤtten/ wuͤste auch einem solchen we- nig danck davor/ als der ich den secten feind bin/ und also je keine eigene zumachen verlange. Auch moͤgen keine meine discipuli seyn/ welche anders lehren wuͤrden als ich: und wo es ja je geschehe/ daß jemand derer/ welche mich gehoͤret haͤtten/ folgends in einige irrige meinung verfallen solten/ so wuͤrde ich eben das jenige ant- worten/ was der selige D. Dañhauer mein Præceptor einem seiner widersacher ant- wortete/ als dieser ihm eines gewissen mañes/ der damahl nicht just gehalten wurde nahmen vorwarff/ der zu Straßburg studir et/ und sein auditor gewesen waͤre: nemlich/ sey er nicht richtig in der lehr/ so habe ers von ihm nicht gelernet. Daß es zwar geschehen koͤnne/ wo man mit rechtem ernst auf etwas treibet/ daß andere aus unverstand oder auch boßheit sich solcher gelegenheit mißbrauchen/ und auf an- dere dinge hinaus fallen/ leugne ich nicht/ weil es der goͤttlichen weißheit deß Sa- tans list und der eꝛfahrung gemaͤß ist. Das erste/ in dem dero verhaͤngnuͤß eines auch boͤsen neben einem guten die bestaͤndigkeit in dem guten pruͤffet/ und denen/ die es laͤstern wollen/ einen scheinba- ren vorwuꝛff da zu geben muß/ sich daran zu ihrem verderben zustossen; Das andere/ in dem der Satan/ da er sonsten das gute nicht wol hindern kan/ solches durch diesen weg versuchet/ wo er demselben gedencket ein klecke anzu- schmitzen/ und durch eine beygebaute nebens-capell dem eyff r igen bau des hauses GOttes den credit zunehmen: Das letzte/ weil freylich zu allen zeiten dergleichen geschehen/ daß die auch heiligste lehren/ wo sie am eyffrigsten getrieben worden/ neben ihrem nuͤtzlichen und von GOtt und denen so sie gefuͤhret intendirt en gebrauch/ nicht ve r ursacht/ aber doch veranlasset/ haben/ daß andere weiter gegangen/ und untergleichen schein doch etwas anderes getrieben haben. Die lehre von dem glauben an JEsum Christum/ der uns allein selig mache/ und von der freyheit/ von dem joch und fluch des gesetzes/ war nicht so bald in die welt von den Aposteln ausgebreitet/ so fand sich stracks solcher mißbrauch uñ ab- ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VIII. abweichung von der richti g keit derselben/ daß schon die Herrn Scribenten selbst in ihrem von GOTT eingegebenen schrifften daruͤber eyffe r n musten/ daß bereits Paulus den muth willigen laͤst erern der gnade/ so entweder mit fleiß sich derselben mißbrauchten/ oder mit solchem vorwand der lehre etwas schaͤdliches anzuhaͤngen trachteten/ den mund stopffen muste; Jacobus aber solche reden fuͤh r ete/ welche scheinen daß gegentheil in sich zu fassen: Ob wohl der heilige Geist sich nie wieder- spricht. Was hat der liebe Lutherus ernstlicher getꝛieben/ als daß wir uns allein an die schrifft halten/ keines menschen autori taͤt unsern glauben unterwerffen/ und alle leuthe dieselbe lesen solten? was ist aber aus solchem principio und dessen ernstlicher einschaͤrffung erfolgt? gewißlich wo mans ad inviduam Lutheri zie- hen wolte/ solte man sagen/ das es die ursach gewesen so vieler secten/ irrungen und unruhen/ so erfolget: Ja man kans nicht leugnen/ daß wahrhafftig vieles davon unterblieben wuͤ r de seyn/ wo man in der alten dienstbarkeit der autori taͤt der kirchen geblieben waͤre/ und die goͤttliche wahrheit unter derselben ferner forschung unter- druckt gelassen haͤtte. Ja was vor ein staͤrckere veranlassung hat die so schreckli- che ruchlosigkeit/ uͤber die wir noch jetzo nicht starck genug schreyen/ oder sie aus der menschen hertzen bringen koͤnnen/ als die von dem Luthero und seinen gehuͤlf- fen ernstlich getriebene und aus der finsternuͤß der trostlosen weꝛck-lehr deß Pap- stums an das liecht wiederum gebrachte lehr deß allein seligmachenden glau- bens/ nicht in ihrem heiligen verstand/ sondern ungeschickter oder boßhafftiger ver- kehrung? Daß wir also sreylich sehen/ daß in allen diesen begebenheiten der kirchen und bey den jenigen grossen wercken/ die unzweiffelich von GOTT gekommen (wie wir an unsers theuren Lutheri reformation nicht zu zweiffelen haben) dannoch/ ich will nicht sagen die klugheit solcher herrlicher ruͤstzeuge des HERRen/ sondern das ihnen von demselben in herr lichen maß verliehene maß des Geistes der weißheit nicht hat verwehren koͤnnen/ daß nicht mißbraͤuche daher/ oder vielmehr dabey (denn niemahl war die lehr selbs ursach/ sondern nur eine anlaß des teuffels der sonsten ruhiger/ als dann am meisten anfaͤngt zu wuͤten/ und auf alle weise sich zu widersetzen/ wann er kraͤfftig angegriffen wird) entstanden waͤren/ welche dazu grossen schaden gebracht haben. Was ist sich dann zu verwundern/ daß wo heut zu tag von Christlichen lehrern hin und wider die lehr von dem lebendigen glauben/ (die zweyerley in sich fast/ einmahl daß der glauben nicht in einer menschlichen wissen- schafft oder einbildung unsers verstands/ die wir uns wie in andern scientiis selbs machen und eindrucken koͤnten/ sondern in einem aus der krafft des heiligen Geistes gewuͤrcktem goͤttlichem liecht und erkaͤntnuͤß bestehe/ andern theils/ das solches liecht nicht ohne waͤrme/ und eine solche furcht seyn koͤnne/ die den gantzen menschen nicht nur aͤusserlich zu einem andern moral- leben bringe/ sondern von innen aͤnde- re/ und gantz anders/ nemlich nach dem himmlischen gesinnet/ mache/ deßwegen mit Das sechste Capitel. mit dem weltfoͤrmigem leben nicht stehen moͤge/ sondern wo dieses sich annoch nicht nur iu aͤusserlichen groben schand und lastern/ sondern in der welt liebe/ so mit flei- sches lust/ augen lust und hoffaͤrtigem leben herrscht/ daher ein ob wohl vor der welt ehrliches/ jedoch nach jenem zweck und der eigenem liebe gerichtetes/ leben folget/ bey den leuten findet/ daß solches ein zeugnuͤß des unglaubens seye) mit eyffer von jedem nach der gabe/ die ihm gegeben ist/ getrieben und geschaͤrffet wird/ (welches nichts so neues ist/ daß von noͤthen gewesen waͤre/ daß GOTT solche sonderbare und mit ungemeinen gaben des Geistes außgeruͤstete leute haͤtte muͤssen erwecken) daß eben so wohl bey solchen treiben mißbraͤuche entstehen koͤnnen/ und einige un- verstaͤndige die sach uͤbel fassen/ der teuffel aber auch daraus einen vortheil zugewin- nen sich bemuͤhen moͤchte: Welches alles/ wo mit mehrerem ernst und nachdruck angegriffen wuͤrde/ gewißlich eben so wol auch noch staͤrcker geschehen wuͤrde und muͤste. Gleich wie abeꝛ wir wedeꝛ um solcheꝛ ursach willen unsers lieben Lutheri re- formation straffen/ noch verlangen sollen/ daß dann die von so vielen mißbrauchte schrifft den leuten nicht ohne unterscheid in die haͤnde gegeben/ oder nunmehr wie- der aus denselben gerissen wuͤrde/ sondern wir erkennen die wolthaten GOTTes/ wir halten die warheit der lehr in ehren/ und unterscheiden dieselbe sorgfaͤltig von dem aus anderer menschen schuld entstehenden mißbrauch/ straffen diesen und su- chen ihm zu begegnen/ so gut wir koͤnnen. Also meine ich/ daß wir noch heut zu ta- ge die h. lehr solches muͤßbrauchs wegen/ oder wo sich unter solchen schein und deck- mantel nachmal falsche bruͤder wolten hervorthun/ nicht zu verwerffen oder zu meiden/ sondern vielmehr mit fleiß zu zeigen haben/ daß sich die jenige derselben zur ungebuͤhr behelffen/ und darauff beruffen/ welche nicht mit redlichen hertzen der- selben anhangen/ ob sie auch schon solten in einigen stuͤcken gleiche reden fuͤhren/ sich damit zu verbergen: Wie unser liebe Lutherus die von ihm so genannte himm- lische Propheten/ ob sie wol sich bey seiner lehre hervor gethan/ u. in vielen stuͤcken fast gleiche worte mit ihm gebraucht/ und die Antinomer, von denen gleiches zu- sagen/ ja die sich fast allein auf seine worte beruffen konten/ vor die seinige nicht er- kant/ noch dero schuld aufbuͤrden lassen/ sondern mit ihnen nichts zuschaffen haben wollen/ aber doch seine lehren/ darauff sich jene berufften/ von der innern erleuch- tung/ freyheit der kinder GOttes/ von des gesetzes fluch und joch/ und dergleichen/ den andern zugefallen oder sich weiter von jenen zu sonderen/ nichts geaͤndert/ wol aber sich so viel deutlicher erklaͤret; damit ihnen von redlichen leuten mit fug nicht moͤchte schuld gegeben werden; ob er wol von andern nicht wenig daruͤber laͤsterung leiden mußte/ die abeꝛ keine laͤsterung sondern goͤttlicher eyffer oder vorsichtigkeit uͤ- ber die gefahr der kirchen haͤtten heissen sollen/ wann die jenige propria solten guͤl- tig seyn/ aus welchen manches gutes bißher hat bestritten werden/ und alles solches grosse klugheit seyn sollen. Aber der HERR bewahre uns vor solcher klugheit wo wir wolten aus un- serer ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. IIX. serer vernunfft follgereyen machen/ damit aber dem werck des HERRen/ welches fort und fort getrieben/ und doch allezeit der weisen welt ein aͤrgernuͤß und stein des anstossens seyn muß/ hindernuͤß setzen. Der gottseligste rath waͤre wohl gewesen/ den mein werther Herr und bruder andeutet/ das alle die jenige so den nahmen Christlicher Theologorum haben wollen/ und einige scrupul uͤbeꝛ etwas gefas- set/ in bescheidenlicher liebe erinnerung gethan/ und die sache untersuchet/ nach dem schoͤnen exempel/ welches wir Josuaͤ XXII. 11. 13. 30. 31. in einigem wichtigstem werck/ da der gantzen Jsraelitischen kirchen ein grosses schiene angelegen seyn/ pra- cticiret worden zu seyn lesen. Nun den HErren sey danck/ welcher selbst rath schaffet/ und alles weißlich regieret zu unserem besten/ ob zwar durch fast unbekante und uns mißlich scheinen- de wege. Der angedeutete jahr- methodus, wie man JEsum fest behalten und nicht lassen solle/ ist mir sehr angenehm. Der HErr lasse ihm kraͤfftig und reichlich gesegnet werden. Und so muß es freylich seyn/ wir sollen nichts wissen als JEsum/ denselben unsern zuhoͤrern zu predigen/ damit er durch glauben mit seinen schaͤtzen erstlich in die hertzen komme/ und nachmal aus solcher quelle das gute her- aus fliesse. Geschiehets nicht auf die weise/ so moͤgen die moralia nicht zum him- mel bringen/ ja nicht einmahl ein wahres Christliches/ sondern nur morales leben verursachen/ in dem was nicht aus dem glauben gehet/ GOtt nicht gefallen mag. Ach daß der HErr uns hierinnen vornemlich das licht seines heiligen Geistes gebe/ zu erkennen/ wie wir den wahren lebendigen glauben den leuten in das hertz bringen moͤgen/ dann ist solcher da/ so ist die wurtzel da/ welche alle fruͤchte von selbs tra- gen wird/ und nur des ferneren begiessens bedaꝛff. Jch tractire auch dieses jahr die schaͤtze unserer seligkeit/ welche wir in Christo haben/ und lasse sie den grund seyn aller unserer lebens-pflichten; muß nun warten/ ob und was vor segen der HErr darzu verleyhen wolle den darum hertzlich anruffe/ und vor mich angeruffen zu werden verlange. Die kinderlehr anlangend so ist E. Hoch Ehrw. Christlicher fleiß/ auch den alten die gruͤnde des Christenthums besser bey zu bringen/ loͤblich und freylich noͤtig/ in dem ja die erkaͤntnuͤß des glaubens erstesstuͤck ist. Es ist a- ber war/ daß die sache in uͤbung zu bringen nichts so leichtes seye/ weil man der hin- dernuͤssen so viel gegen sich hat. Jn dessen lasset uns thun/ was wir koͤnnen/ retten was sich will retten lassen/ wir vermoͤgen doch niemand mit gewalt bey den haaꝛenin den himmel zu ziehen/ son- dern muͤssen endlich fahren lassen/ was sich muthwillig verderben will; wie ich mich erinnere/ daß der seel. D. Dannh. pflegte zu sagen/ die alte sind meistentheils verhaͤrtet/ und moͤgen wenig gewonnen werden/ wo wir das unsrige versucht/ so lasset uns zufrieden seyn/ daß wir die jugend erhalten. Das decret der Obrig- keit/ so die erwachsene auch zur kinderlehr obligiret, ist sehr gut/ jedoch wolte ichs nicht so wol anfangs brauchen zur execution voͤlligen/ die alten zu examiniren, A a a a als Das sechste Capitel. als zur betrohung/ wo sie sich nicht bey dem zuhoͤren fleißig einstellen/ und also damit den bey ihnen findenden mangel ersetzen wuͤrden/ so muͤste solches decret endlich mit zwang exequiret werden. Das vornehmste mittel aber halte ich/ daß die kinderlehr mit der jugend/ sonderlich denen die schon etwas unter ihnen erwachsen sind/ also gehalten/ der gleichen dinge tractiret, und mit solcher deutlichkeit und fleiß vorgetragen werden/ daß die jenige/ so es anhoͤren/ selbs durch den nutzen/ den sie da o on sehen/ der g leichen uͤbung zu belieben/ und gern zu frequentir en/ moͤgen be- wogen werden: Wie durch GOttes gnade hier unseꝛs orts/ da wir gar keinem O- brigkeitlichen befehl und zwangs mittel haben/ die einige art gewest/ die leute her bey zu bringen/ da sie sehen/ daß sie solcher uͤbung wohl mit groͤsserem nutzen als den predigten bey wohnen wuͤrden. Auffs wenigste ist das gewiß/ das die jenige sich werden dadurch herbey ziehen lassen/ die noch einige sorge ihres heils haben: bey den uͤbrigen ist ohne das wenig aus zurichten/ noch mag sie die buchstaͤbliche wissen- schafft vieles nutzen. Wie ich insgemein schon lang in den gedancken gestanden bin/ daß wiꝛ zwar unser amt allemahl an der gantzen jedem anvertraueten gemein- de zu verrichten uns befleissen solten/ und daher auch so viel als geschehen kan/ den jenigen in gewisser maß auftringen muͤssen/ die solches auch nicht verlangen/ aber daß doch das vornehmste und kraͤfftigste seye/ daß wir uns mit den jenigen meistens behelffen/ und an denselben den groͤsten fleiß thun/ welche willig sind/ und nach der gnade GOttes in verlangen tragen: bey jenem ist alles meistens allein uns ein ge- ruch des todes zum tode/ wie wol wir uns doch auch solchen amt nicht entziehen doͤrffen/ sondern es mit trau r igkeit verrichten muͤssen; bey diesen aber ist es fast allein ein geruch des lebens zum leben/ und koͤnnen wir uns noch einigerley massen be- friedigen und ver nuͤgen/ wo wir nur an denselben noch zimliche frucht schaffen koͤnnen. Diese betrachtung hat mich offt in vielen amtsachen zimlich aufgerichtet/ wo ich sonsten nieder geschlagen war/ daß bey dem meisten groͤssesten hauffen/ so gar nichts sonderlicherliches zu hoffen sahe. Was des Christlichen Großgebauers Waͤchterstimm anlangt/ so hat mir dieselbe/ als ich sie vor 20. jahren lase/ hertzlich gefallen/ und mich sehr geruͤhret/ daß ich des wegen dem seligen mann vieles schuldig bin. Die vorschlaͤge sind alle sehr wol gemeint/ und meiste auch in der that sehꝛ nuͤtzlich/ wo sie practiciret wuͤrden: Jedoch bekenne/ daß an einigen orten/ sonderlich in dem anhang von der wieder- geburth/ sich einige hypotheses Calvinianæ befinden/ als sonderlich daß die tauf nicht eben das kraͤffrige mittel der widergeburt seye/ noch alle in der Tauff wieder- geboren wuͤrden/ und dergleichen. Jch achte aber/ daß der liebe mann/ welcher wie man sihet viele Reformirte und Englische buͤcher gelesen/ daß donum discre- tionis nicht gehabt/ und da es ihm vielleicht an den solidioribus studiis etwas ge- mangelt/ dergleichen unwissend gefast/ und also nachmal auch in seine schrifft mit ein- ARTIC . I. DIST. IV. SECT . IX. eingeruckt. Sonderlich scheinet ihm dieses in dem weg gestanden zu seyn/ weil er warhafftig einen grossen theil der vor weilen getaufften in dem gegenwaͤ r tigen un- wiedergeboren seyn fand uñ erkante/ nicht aber verstunde/ daß die wiedergeburt wie- der verlohren werden koͤnte/ und etwa wiederhohlet weꝛden muͤste/ das er in zweif- fel gezogen/ daß dann alle getauffte wiedergeboren worden/ und daher die Tauff solcher theuren wohlthat mittel seye: welches mir auch anlaß gegeben hat/ daß ich zu meinem lectionibus cursoriis autoritate Facult. Theol. zu Straßburg diese materiam de iterata regeneratione aus Gal. 4/ 19. erwehlet. Wir koͤnnen aber einige solche unwissenheit und irthum in Christlicheꝛ liebe den jenigen wol zu gut halten/ bey denen wir sonsten den glauben und hertzliche intention vor GOttes ehre sehen. 3. Jul. 1682. SECTIO IX . A n G eorg C onrad D ilfelden/ der wider mich geschrieben/ und ich ihm in der allgemeinen GOttes ge- lehrtheit geantwortet hatte/ als die pest nach Nordhau- sen gekommen war. Erinnerung an ihn zu bußfertiger erkaͤntnuͤß seines unrechts und aͤrgernuͤßes/ und aner- bietung der vergebung. Goͤttliche gnade/ friede/ trost/ und wuͤrckung des heiligen Geistes in Christo JEsu! Wohl Ehrwuͤrdig Großachtbar und Wohlgelahrter/ Jn- sonders Hochgeehrter und in dem HERRN vielgeliebter Herr O Bich weiter jemahlen an denselben schreibẽ sollen/ nachdeme meine vormalige brieffe nicht nur ohne frucht verblieben/ sondern vielmehr eine gelegenheit demselben wordẽ sind/ sich mehr an mir zuversuͤndigen/ habe ich bißdahin ge- zweiffelt/ und deswegen alles solches unterlassen/ umb weder selbst meine zeit zuver- derben/ noch denjenigen/ welcher sich ohne ursach mir zum widersacher entgegen gesetzet/ anlaß zugeben/ sich desselben zu anderern zweck/ als ich die brieffe schriebe/ zu mißbrauchen. Nachdem aber nicht nur allein durch die oͤffentliche zeitungen/ son- dern auch andere particular- berichte mir der betruͤbete jammer stand ihrer guten statt nachdem dieselbe nach GOttes heiligen willen mit deꝛ contagion heimge- A a a a 2 sucht Das sechste Capitel. sucht/ wissend worden/ und ich mich dabey billich der gefahr/ darinnen derselbe samt anderen mit-bruͤdern stehet/ mitleidig erinnert/ so habe mich nicht entbre- chen koͤnnen/ mein hertz nochmahlen durch dieses schreiben gegen denselben auszu- schuͤtten/ und das jenige zu thun/ was hierinnen mein gewissen von mir zu erfordern eꝛachte. Wie wir nur auch in oͤffentlicher gemeine taͤglich der anderwertlich unter dieser schwehrern goͤttlichen ruthe der seuche seufftzender mit-bruͤder gegen und vor GOtt gedencken/ ich auch mit dem meinigem in meinem hauß nach meiner Christ- lichen schuldigkeit solches zu thun nicht unterlasse; so versichere daß unter andern ingleichen stande dismahl stehenden nur besonders ihre liebe statt mit vor augen ste- he/ nicht aber leicht daran gedencke/ daß nicht auch seine person mir mit zu gemuͤth steiget/ und einige seufftzer vor dessen wolfahrt zu GOTT austreibet. Jch ha- be dessen so vielmehr ursach/ weilen mir nicht allein dessen mit andern in dem leib- lichen obschwebende gefahr bekant/ sondern auch sorgen muß/ daß ich armer ob wol ohne meine schuld/ ihm ein stein des anstosses habe seyn sollen/ daran er sich versuͤndi- get/ hingegen dabey nicht weiß/ wie seine seele solcher sache wegen vor GOtt dismahl stehe. Mein geliebter Bruder (wiewol ich fast nicht weiß/ ob ich solchen nahmen brauchen doͤrffe/ oder von ihm davor erkant werde) erinnert sich bil- lig/ mit was aͤrgernuͤß so vieler tausenden menschen unserer kirchen und anderer irrglaͤubiger gemeinden/ so sich damit gekuͤtzelt haben/ er vor 3. jahren mich und meinen geliebten Schwager Herrn Horbium unverschuldeter weise an- gegriffen/ und die h. lehre/ die wir aus GOttes wort und unser Evangelischen kir- chen gemaͤß gefuͤhꝛet/ hart gelaͤstert/ und vor Enthusiasterei beschuldiget hat. Nun ist mir hieduꝛch in der that der wenigste schade/ ja wo ich es recht erwege/ grosser vor- theil geschehen; Dann da ich ohne diese veranlassung nicht so wohl diese statliche lehre võ der GOttesgelehrheit dermassen auszufuͤhren mich wuͤrde unterstanden haben/ so ist gleichwohl/ nachdem ich solches gethan/ dasselbige durch GOTT der- massen gesegnet worden/ daß von vielen orten brieffe empfangen/ daß auch ande- ren/ welche aus denen vielen spargimen ten võ mir ungleiche verdachte geschoͤffpet/ und nicht wusten/ wie sie es mit mir halten/ dadurch voͤllig alle scrupuli gegen mich benom̃en/ u. sie zu eine genauen freundschafft-liebe bewogen worden/ daß deñ unter- schiedliche deswegen an mich selbst geschrieben/ ihre vorige suspiciones bekant/ und Gott vor deroselbẽ benehmung gedancket. Weswegẽ ich auch solchen seinen angriff/ oď vielmehr dessen verhaͤngnuͤß/ vor eine sonderbahre grosse wolthat der wunderbarẽ goͤttlichen weißheit bißher erkant/ u. dieselbe nicht nur einmahl daruͤber võ hertzẽ ge- priesen habe/ die durch das verwunden so guͤtig geheilet hat (Conf. Genes. 50/20.) Aber neben dem/ daß ich mehr nutzen als schaden davon gehabt/ hat mich doch biß da ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IX. daher/ als offt daran gedachte/ billig betruͤbet/ daß er dennoch so schwehrlich in sol- cher sache sich versundiget habe: Welches einmahl/ wer seine seele auffrichtig liebet/ nicht anders als mit betruͤbnuͤß ansehen mag. Jch habe gesucht mit dem letsten anspruch zu ende meiner antwort sein gewissen zu ruͤhren/ und ihn zu einiger bußfertigen erkaͤntnuͤß des unrechtes zu b r ingen: Dabey nochmahl versichere daß solcher anspruch aus einer redlichen liebe und ungefaͤrbten eiffer vor das heil seiner seele/ wie mir dessen mein gewissen vor GOTT zeugnuͤß giebet/ und nicht oh- ne hertzliches gebet/ geschehen ist. Jch habe auch hoffnung gehabt/ der HERR werde solche vor ihm thuende und nachmahl so offt widerhohlte seufftzer nicht uner- fuͤllet lassen/ dessen ich noch in einiger zuversicht stehe. Jedoch leugne nicht/ daß mir bis dahin die freude noch nicht widerfahren/ deꝛ voͤlligen erhoͤrung sothanes ge- bets versichert zu werden/ sondern habe vielmehr unterschiedliche mahl dergleichen dinge hoͤren muͤssen/ die mir sorge machten/ daß er der wahrheit zu weichen sich nicht resolvi ren wolle. Jn dem mir nicht nur allein/ daß er wider zu antworten vorhabe/ von ihrem ort her einige andeutung zu gekommen/ sondern es ist mir auch des seligen Herrn D. Musæi schreiben communici ret worden; woraus ersehe/ daß er solchen gelehrten mann durch seiner wort wiedersinnige draͤhung von mir ab zuziehen sich unterstanden/ derselbe aber cordate dagegen geantwortet hat: So habe auch sonsten bericht/ daß er nicht unterlassen/ einige schrifft (die mir zwaꝛ von guten freunden nicht wollen gezeiget werden) nach solcher zeit einigen Christlichen Theologis zu zusenden/ die aber nicht eben solchen platz gefunden/ wie er verhofft. Daher ich nicht unbillig in den sorgen stehe/ daß er noch sich die wahrheit nicht also habe uͤberwinden lassen/ wie ich gewuͤnschet und gehoffet/ sondern wieder derselben stachel lieber gelecket haͤtte/ wo nur das vermoͤgen/ mit einigen schein wieder her- aus zu brechen/ nicht ermangelt haͤtte. Da ich aber so viel hertzlicher gewuͤnschet/ daß sein gemuͤth selbs solcher so deutlich vorgetragenen Goͤttlichen wahrheit platz und dero bekaͤntnuͤß die ehre gegeben hatte. Welches gleichwohl noͤthig/ wo wir in den stand kommen sollen/ darinnen wir uns der Goͤttlichen gnade und vergebung versichern moͤgen. Ach mein geliebter/ wie hertzlich wuͤnsche ich/ daß auffs wenigste dieses- mahl gegenwaͤrtige zeilen ihn in einer solchen bewandnuͤß finden moͤchten/ oder dazu geseanet wuͤrden/ etwas desselben bey ihm zu wuͤrcken. Wir stehen alle aller or- ten in stuͤndlicher lebensgefahr/ aber sie ih r es ortes sehen etwa dieselbe so viel augen- scheinlicher vor sich/ und weiß er also nicht/ wann GOTT nach seinen heiligen rath moͤchte ihn auch mit andern mit dahin raffen (welches gleichwohl ihm und seinen geliebten mit Collegis nicht zu geschen/ sondern daß der HERR zum zeignuͤß seiner macht und guͤte eine feurige mauer um sie her seyen und alles ungluͤck von ihren huͤt- kraͤfftiglich abwenden wolle/ wuͤnsche.) So ist es ja noͤthig/ desto sorgfaͤltiger sei- ne seele in denjenigen stand suchen zu setzen/ daß sie getrost vor ihrem GOTT und A a a a 3 rich- Das sechste Capitel. richter erscheinen koͤnne. Nun wissen wir/ daß hiezu sonderlich gehoͤre eine buß- fertige erkaͤntnuͤß unserer suͤnden und versoͤhnung mit seinem beleidigten nechsten. Ach lasset uns dann da gedencken/ wo wir nicht unbedacht unsere gabe auff den al- tar des HERREN vorbringen duͤrffen/ ohne solche versoͤhnung/ wie viel weniger koͤnnen wir ihm dann unsere seelen auff seine erforderung zu einem angenehmen opffer darstellen/ wir seyen dann auch darinnen der regel unsers Heylandes nach- gekommen? Nun weiß er wohl/ daß seine bruͤder etwas wieder ihn haben/ so wohl die gantze kirche/ als wir beyde/ welche er zur ungebuͤhr angetastet hat: Hie gehe er mit hertzlicher anruffung GOttes in sein gewissen/ und suche fleißig/ was die ordnung seines Heylandes von ihm fordere. Uns belangend/ sey er vor GOTT versichert/ daß wir beyde (wie ich dann vor meinen Schwager wohl auch reden kan) ihm die gruͤndliche vergebung der uns zu gefuͤgten beleidigung entgegen tragen/ ja laͤngst in unserer seelen dieselbe also bereit behalten haben/ daß wir hertzlich zu dem HERREN gebeten/ daß er moͤge der krafft derselben faͤhig werden. Er lasse a- ber um GOttes willen/ was wir hierinnen thun/ und vor ihn beten/ an sich nicht umsonst seyn. Wie mag aber/ daß wir ihn willig verzeihen/ und GOTT vor ihn anruffen/ in der that ihm guͤltig und kraͤfftig seyn/ er erkenne es denn vor GOtt worinnen er gesuͤndiget hat/ und stelle sich in wahrer buße/ darinnen allein die goͤtt- liche vergebung platz hat/ vor dieser aber die unsrige her haben muß/ daß sie seiner seele nutze. Wolte er auch die freude goͤnnen/ daß wir aus seiner bekaͤntnuͤß erkennen moͤchten/ daß uns der HERR auch in diesem einen bruder wider geschencket habe/ so seye er versichert/ daß desto mehr danck auch seinet wegen vor GOTT auffstei- gen solle. Sonderlich aber trachte er darnach/ wie doch bey andern die durch sol- che schrifft betruͤbet/ und eine weile die Goͤttliche warheit ihnen verdaͤchtig gema- chet worden/ woͤchte solches aͤrgernuͤs gleicher massen auffgehoben/ und seine seele von denen seufftzen/ die wider ihn ergangen/ moͤge befreyet werden. Was ich hierinnen thue und schreibe/ sey mein geliebter versichert/ daß ichs nicht vornehmlich meinet wegen thue/ weil ich oben bekant/ daß durch GOttes guͤtige regierung sol- ches angriffs mehr nutzen als schaden gehabt/ und noch habe/ sondern ich liebe seine seele/ und achte mich vor dieselbe so viel angelegenlicher zu sorgen schuldig/ als GOTT sein/ ob wol uͤbel gegen mich gemeintes zu meinen besten gewendet/ in- dessen gleichwohl sich seiner etzlicher massen als eines werckzeuges gebrauchet hat/ hingegen nicht anders annoch davor halten kan/ als daß eine schwehre schuld annoch auff ihm in dieser sache gelegen seye. Solte wider mein ve r schulden und verhof- fen auch diese treugemeinte erinnerung/ uͤbel und anders als mit liebe/ darin sie ge- schrieben/ auffgenommen werden/ oder doch nichts ausrichten/ so waͤre mirs leyd/ muͤsste aber die sache dem HErren befehlen/ der allein die hertzen in seinen haͤnden hat/ wie ich dennoch fuͤr ihm zu beten nicht unterlassen werde. Segnet der HErr aber ARTIC . I. DISTINCT. IV . SECTIO X. aber diese meine ernte/ so will ihm so viel freudiger fuͤr diese seine gnade preisen. Der HERR HEGR als dessen alle seelen sind/ erfuͤlle ihn mit der gnade seines Gei- stes/ daß er in seinem liechte erkenne/ was zu seinem frieden dienet/ und seinem rath platz gebe. Er wende nach seinen heiligen willen bald die plage wieder von ihren graͤntzen weg/ lasse sie aber vorher seine heilige absicht bey ihnen allen erreichen/ (weil ja diese immer auff die befoͤrderung seiner ehre und der seelen heil gehet) er er- freue sie wider mit aller art segens: steure auch dem Wuͤrgengel daß er nicht im- mer weiter und weiter um sich greiffe/ oder wo ja sein unhintertreiblicher rath ein- anders beschlossen hat/ nehmlich daß er auch biß an uns und noch weitergelangen sol- te/ so gebe er bußfertig seinen willen zu erkennen/ und denselben zu gehorsamen. Sonderlich erhalte er meinen geliebten samt den seinen maͤchtiglich/ auch eben da- zu/ damit er hinkuͤnfftig seine wahrheit desto kraͤfftiger selbsten bekennen/ ausbrei- ten und verkuͤndigen/ damit aber in seiner gnade die gegebene aͤrgernuͤß auffheben und ersetzen/ also sothaner frist zu solchen guten zweck sich nuͤtzlich gebrauchen moͤch- te. Solte er aber allerdings beschlossen haben/ (wie wir dann voran in seinen rath nicht einsehen koͤnnen) ihn von hier abzufordern/ so bereite er also sei- ne seele in wahrer buß/ und reinige sie mit dem blute des unbefleckten lammes in le- bendigen glauben/ daß sie in jene herrlichkeit eingehe/ und wir (als der ich auch nicht weis/ wie lang oder kurtz der HERR mich hie lassen will) einander vor den stuhl des Allerhoͤchsten mit freuden antreffen/ und der jenigen freude geniessen/ da wir nicht anders als in seinem liecht und von ihm selbst durch seinem geist aus dem ʍ ort gelehret erkennen moͤgen. Hiemit der guͤtigen Vatershand in dem himmel empfehlende bezeuge nochmahl zu seyn u. s. f. den 7. Sept. 1682. P. S. Jst auch biß daher gedacht worden an das aͤrgernuͤß in dem streit mit dem Herrn Rectore Hildebrand? Welchen ich zwar nicht kenne noch in correspon- denz stehe/ aber weiß daß sich Christliche hertzen sehr an solchen handel ge- stossen haben. Der HERR ruͤhre unsere gewissen in Goͤttlicher reue. SECTIO X. W as bey den allgemeinen verderben zur besserung zuthun. Daß nicht bloß auff den stand der Obrig- keit zu warten. Die klage komt sonderlich auch auff die schuld der Pre- diger. Jch Das sechste Capitel. J Ch habe das neuliche wohl erhalten/ und mich von hertzen zu erfreuen auffs neue eines solchen mannes liebe und freundschafft versichert zu werden/ des- sen redliche intention und einstimmiges verlangen nach besserung der kir- chen aus demselben mir starck einleuchtet: Wo ich darinnen gesehen die sehnliche klage uͤber die uͤberhand genommene verderbnuͤß/ und bemerckung der ursachen/ welche dieselbe noch immer befoͤrdern: solche aber recht in dem liecht des Geistes einzusehen/ und um die besserung bekuͤmmert zu seyn/ ist fast das jenige/ daran wir dieselbige am besten erkennen moͤgen/ welchen es um das werck des HERRN ein ernst ist. Es bemercket mein werther bruder gar wol eine starcke hindernuͤß/ wo nem- lich Moses den Araron nicht unter die arme greifft/ sondern wol gar denselben mit fleiß hindert. Jch bekenne es auch/ und beklage es von hertzen/ sehe auch die sa- che an/ als eine hindernuß/ daß nicht leicht jemal/ oder doch sehr langsam/ eine solche reformation zu erwarten seye/ die solenniter und mit grossen apparat geschehe/ als worinnen Moses mit seiner von GOTT habender macht wohl das allermeiste thun muͤsste/ weil vieles in eusserlichen oͤffendlichen anstalten bestehen solte/ welche ohne obrigkeit liche macht nicht angeordnet werden koͤnnen. Deßwegen vielmehr davor gehalten habe/ daß wir auff eine andere art der reformation anfangs zu reflecti ren haͤtten/ worinnen wir keiner eusserlichen gewalt oder Obrigkeitlicher autori taͤt bedoͤrffen/ sondern allein trachten moͤchten/ durch sorgfaͤltigen fleiß un- sers amts und allein vermittels des Goͤttlichen worts an den jenige/ welche ohne das zu dem guten willig sind/ und keines zwangs noͤthig haben/ dahin zu arbeiten/ daß wir rechtschaffene Christen/ und solten es nur ein und andere in jeglicher gemeinde seyn/ machen und zu wegen bringen koͤnten/ durch dero exempel und vorgang ande- re allgemach auch be wogen/ und unser amt an solchen desto fruchtbarer gemachet werden moͤchte: wuͤrden derselben abgemach an jedem ort eine zimliche anzahl/ so wuͤrde sich von selbsten manches nachmahl ergeben/ was sich jetzo nicht ausrichten laͤsset/ und dann moͤchte die Obrigkeit/ ihrer autori taͤt zu coerci rung und auch allmaͤchlicher herbey bꝛingung dereꝛ sonsten hartnaͤckigkeit anzuwenden leichter veꝛ- moͤgend/ oder wo sie nichts thun will/ solche boͤse/ an denen wir nichts mehr auszuꝛich- ten vermoͤgen/ weil unser amt an sich selbs keine gewalt hat/ ihrer boßheit uͤberlas- werden: Nicht zwar sie nicht weiter mehr zu erinnern dann dieses muß bleiben/ sondern daß wir endlich muͤssen das jenige weitere/ so wir sonst hoffen moͤchten/ nachtruͤcklich geschehn zu koͤnnen/ zu ruͤcklassen/ was nicht in unseren haͤnden stehet/ zu verantwortung der jenigen/ die nicht so wohl dem predigamt als gantzer kirchen das jenige vorenthalten/ was derselben gebuͤhret. Jch hoffte aber/ wo wir erst- lich/ sonderlich jedes orts alle die in solchem heiligen amt stehen mit zusammen ge- setzter hand/ eiffer und fleiß/ das unsrige in oben angezeigtem thun wuͤrden/ so wuͤr- de vielleicht die Obrigkeit auch sich geben/ oder GOTT vielmehr derselben hertzen an- ARTIC. I. DISTINCTIO IV . SECTIO X. anders lencken. Wie ich dann/ wo ich an der Obrigkeit meister orten nachlaͤßig- keit in dem guten/ oder gar widersetzlichkeit/ gedencke/ davor halte/ ursach zu haben/ nicht so wohl gegen dieselbe mich zu ereiffern als mitleyden mit ihnen zuhaben/ und zu glauben/ der HERR gebe uns grossentheils solche Obrigkeiten/ wie wir dersel- ben werth sind: Daher wo die uͤbrigen beyde staͤnde sich also anschickten/ wie sichs gebuͤhret/ so wuͤrden sie auch Obrigkeiten nach dem hertzen GOTTes er- halten/ die sie jetzt offt in dem zorn GOTTES bekommen. Daher ich davor achte/ daß wir zwar auch nicht unterlassen muͤssen/ vor die Obrig- keit eiffrig zu beten (wie sie es desto mehr bedarff/ als eben so wohl ihr stand ver- dorben ist) so dann mit vermahnungen und bestraffungen an ihnen nach dem ge- wissen zu aꝛbeiten/ auff daß wirs auch in diesem stuͤck nicht an uns ermangelen lassen: aber wir haben auff dieselben nicht zu waꝛten/ sondern in dessen desto soꝛgfaͤltiger an den andern das jenige zu thun/ was wir noch thun koͤnnen/ und mit mehrer muͤhe zu arbeiten zu dem zweck/ welcher mit befoͤrderung der Obrigkeit leichter und mit we- niger arbeit zu erhalten waͤre; Dieses erfordert die klugheit unserer zeiten/ und wird sonsten die entschuldigung der ermanglenden huͤlffe der Obrigkeit uns nicht ge- nugsam vor GOttes gericht schuͤtzen/ wo wir nicht dabeneben das unsrige nach sol- cheꝛ zeiten bewandnuͤß zu thun nus befleißigen. Neben solchem bemercktem man- gel von seiten der Obrigkeit/ bemercke ich billich dabey den anderen nicht weniger gefaͤhrlichen mangel von seiten unser selbs: massen wiederum das verderbnuͤß bey uns selbs wohl so groß als in andern staͤnden ist. Dahero es geschiehet/ wo wir mit rechtem ernst die sache GOttes angreiffen wollen/ daß wir gemeiniglich eben so viel hindernuͤß von denen/ die unsers ordens sind/ erfahren werden/ als wir fast von der Obrigkeit leiden. Einige die in unserem stande sind/ sind faul und gehen gerne muͤßig/ die lassen sich nicht leicht zu anderer arbeit anstrengen/ als was so zu reden ausdruͤcklich in dem bestallungs brieff stehet/ damit man seine besoldung verdienen muͤsse/ daher entziehen sie sich/ oder aus sorge/ daß ihr unfleiß durch andere beschaͤmet muͤsse wer- den/ hindern sie wohl das jenige/ was andere gern thaͤten/ suchen es verdaͤchtig zu machen/ zu laͤstern oder sonst allerhand in wege zu werffen. Viele verstehen selbst den weg des HERRN nicht gruͤndlich/ andere stecken sonsten in der welt biß uͤber die ohren/ in geitz/ ehrgeitz/ fressen und sauffen/ wolluͤstigkeit und dergleichen/ wel- cherley leute allemahl nicht nur vor ihre personen zu dem wercke des HERREN etwas rechtschaffenes auszurichten untuͤchtig sind/ sondern daß gantze ministe- rium beschimpffen/ und der uͤbrigen arbeit und frucht sehr bey der gemeinde schla- gen: Gemeiniglich aber nicht anders koͤnnen/ als andere besser und eyffrig gesin- nete/ weil natuͤrlicher weise nichts anders als gleiches sich unter einander liebet/ of- fentlich oder heimlich zu hassen/ sich entweder/ wo sie die gewalt wissen/ offentlich widersetzen/ oder mit allerhand practicen jene aus dem credit bringen/ und sich also dem teuffel zu werckzeugen in stoͤrung des guten dargeben. An welches al- B b b b les Das sechste Capitel. les/ als dessen exempel mir genug bekant/ auch mein werther bruder ohn zweiffel selbs dergleichen mehrmahl wird gesehen haben/ ich nicht ohne hertzliche wehmuth gedencken kan: Sondern offters sorgen muß/ wir liegen unter schwehrerem Goͤttlichem gericht als wir glauben; in dem so zu reden allem gutem die thuͤr muß versperret werden/ damit vollends das suͤnden maß erfuͤllet/ und dem uͤbrigem ge- richt das thor voͤllig geoͤffnet werde. Jndessen muͤssen wir die haͤnde nicht sincken lassen/ sondern desto eiffriger zu dem HERRN tag und nacht seufftzen/ desto fester alle/ die es redlich meinen uns in einer einigkeit des Geistes zu gemeinem treiben des guten verbinden/ und in dem glauben auff des HERRN wort fort zu fahren/ thun/ was unsere hand findet/ ihn endlich den letzten ausgang empfehlende/ der gewissen versicherung/ auch unser hertzlicher wille und conatus werde mit Davids wohl in- tendir tem/ aber von dem HERRN selbst abgeleinten/ tempel-bau/ GOTT angenehm/ und zu seiner zeit nicht ohne frucht seyen. Ach der HERR staͤrcke uns in solchem glauben/ und gebe zu pflantzen und begiessen so viel gedeyen/ als seinem gnaͤdigen rath gemaͤß! Jch versichere mich es werde auch diese meine wehmuͤthige klage nicht uͤbel genommen werden/ als wo zu mich das liebe schreiben veranlasset/ und gleichsam freundlich ausgelocket hat/ in dem aus demselben auch seine Christliche erkantnuͤß des zustandes unserer zeit und hertzlichem vergnuͤgen eingesehen zu haben nicht zweiffle/ und desto getroster zu reden kein bedenckens gefunden habe. 11. Oct. 1682. SECTIO XI . B edencken uͤber einen Commentarium apoca- Iypticum. M Eil mein weniges judicium daruͤber verlangt worden/ so gebe dasselbe gantz offenhertzig und mit derjenigen freyheit/ so mir dero bißheriges gegen mich bezeugtes vertrauen gemacht hat. Jch finde in dem gantzen werck eine statliche erudition / daß unter anderen commentatoribus es nicht eben viele diesem mann werden vorthun: so ist nicht weniger ein scharffes judicium bey dem autore / und neben der Philologia und illustration der locorum aus der anti- qui taͤt eine sehr ingeniosa application der propheceyungen auff seinen jedesmahl vorgesetzten scopum : daß er mich meistens an den unvergleichlichen Grotium dessen er sich auch offtmahls und vielleicht allzu offt gebraucht hat/ gemahnet. Wie ich aber an solchem werck ein exempel habe/ wie eine mit dem text doch in den grund nicht uͤbereinkommende meinung durch einen scharffsinnigen und gelehrten mann so speciose dannoch behauptet werden koͤnne/ also leugne nicht/ daß ich mit der gan- tzen explication fast kaum in einigem einig seyn kan/ sonder davor halte/ ob sie wohl von dem autore pro vera, oder doch veræ proxima, ausgegeben wird/ seyen doch ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XI. doch wenige interpretationes, auffs wenigste der unserigen/ und der Reformir- ten/ ja auch unterschiedliche der Paͤpstischen/ die was die wahrheit der explication selbs anlangt/ dieser nicht solten vorzuziehen seyn. Es ziehet dieser commentarius die gantze apocalypsin biß in das 20. capitel fast allein in die vierthalb erste secula : Warum solte aber der heilige Geist in solcher zeit die viel geringere eventus, wie die explication der siegel posaunen und schaalen lautet/ so fleißig auff noti ret/ und die viel notabler in der policey und reich der folgenden zeit biß auff uns gar nicht oder fast nicht beruͤhret haben? Da doch dieß buch die seriem aller kuͤnfftigen dinge biß auff die zukunfft des HERRen uns vorstellen sollen/ wie unterschiedliches solches zeigen mag. Sonderlich aber hielte ich gar nicht rathsam/ daß das werck/ vornehmlich zu jetziger zeit durch den truck zu publici ren waͤre/ vielmehr glaubte/ daß es unserer kirchen nicht wenig schaden thun solte. Es ist bekant/ wie viele loca wir aus der Offenbahrung bißher gegen das Roͤmische Papstum angefuͤhret haben/ die mich selbs in meinen gewissen so starck als einige andere haben bewegt und noch bewe- gen. Solte nun dieses buch herausgehen/ so uns fast auff gleiche art (nicht ratio- ne der particular anwendungen/ sondern gleichsam des hauptwercks als Alcazar, der auch allein mit den zeiten Constantini das meiste geendet/ und auff solche fe- lici taͤt der kirchen/ zwar bey ihm mit zusatz der hoheit der Roͤmischen kirchen) gesche- hen zu seyn davor gehalten/ unser gantze sach/ die wir daraus hernehmen/ uͤber- hauffen werffen will (wie sie dannn ligt/ wo jene explication richtig ist) so wuͤrden die widersacher stattlich glorii ren/ nicht nur da sie uns so viel waffen gegen sich ent- rissen sehen/ sondern gelegenheit haͤtten/ uns trefflich damit anzugreiffen/ daß wir aus diesem buch sie unschuldig gelaͤstert haͤtten: Da wir doch ihnen nichts anders bißher vorgehalten/ als was der heilige Geist von ihrem regiment laͤngst vorge- sagt hat: Hingegen wuͤrden manche schwache der unsrigen sehr irre gemacht werden/ zu gedencken/ wie man mit uͤbelem verstand der Apocalypseos bißher dem papstum unrecht gethan/ so dieser autor / den man wohl siehet/ daß er von den unsrigen seyn muß/ durch seine gelehrte interpretation zeige/ so moͤge es nichts gewissers seyn mit allem anderem/ worinnen man den Papst angreifft. Daß ich also davor halte/ es solte da dergleichen der autor, nimmer intendi ret/ dannoch aus solchem buch ein und ander zu einem abfall zimlich vorbereitet oder doch mit star- cken scrupulen eingenommen werden. Daß also unserer kirchen auffs wenigste ein starckes præjudiz gemacht wuͤrde/ so ihr sonderlich in gegenwaͤrtigen conjun- ctu ren und zu unserer zeit desto gefaͤhrlicher waͤre. Hielte also besser zu seyn/ daß es als ein ingenioses scriptum / wie dann auch in einer irrigen meinung viel kunst und ingenium gezeiget werden kan/ in bibliotheca privata auffgehalten/ oder in eine illustrem deponi ret/ aber nicht publici ret wuͤrde: sonderlich weil dem werck nicht etwa mit einiger aͤnderung geholffen werden kan/ sondern die gantze B b b b 2 aus- Das sechste Capitel. austheilung der weissagungen in ihre zeiten ist das jenige/ was unserer sach gegen die Papisten schnur stracks entgegen stehet: Da man sonsten/ wo es nur einige particulares applicationes dieser visionum (wo auch die unsrige selbs sehr dif- ferent sind/ die doch in den hauptwerck einstimmen) angienge/ solche entmeder to- leri ren oder aͤndern koͤnte. Aber hie muß entweder alles stehen (und damit den Roͤmischen ein sieg gegoͤnnet werden) oder es faͤllet auch alles mit einander um. Jch hoffe Ew. Excell. werden mir dieses mein bedencken/ so sie von mir erfordert/ uñ mir also dasselbe mit einet parrhesia zu thun selbs anleitung gegeben haben/ nicht in uͤblen auffnehmen/ sondern meinem candori und sorge vor das beste unserer kirchen hochvernuͤnfftig und guͤtig zuschreiben: Ja versichere mich dessen so viel gewisser/ weil ich dero eigenem eiffer vor unsere wahrheit kenne/ daß sie auch un- wissend einiges unserer kirchen hinderliches nicht wuͤrden befoͤrdern wollen. 18. Oct. 1682. SECTIO XII . E in Superintendens mit mir nicht zufrieden. Gefahr deren/ die das gemeine verderben erkennen/ nicht auff andere irrwege zu gerathen. Ar- muth Christi. D Aß der bedeutete Superintendens nicht gar wohl mit mir zu frieden seye/ habe auch anderwertlich her gehoͤret. Der HERR erfuͤlle und regiere ihn nur also mit seinem Geist/ daß/ er mag nun gegen mich gesinnet seyn wie er will/ dannoch die Christliche kirche und das anbefohlene amt vielen nutzen von ihm habe/ so ists schon gut. Es moͤgen leute die scharff sehen/ vieles an mir wahrnehmen/ was sie eckelen kan/ wie ich manchmahl selbs unterschiedliches an mir gewahr werde/ so kan ich dennoch es niemand vor uͤbel halten/ der nicht das beste von mir urtheilet: Nur wuͤnsche ich/ daß alle die wahrheit/ die ich treibe (ob sie es wohl von mir nicht glau- ben) in ihren ehren behalten/ und mit noch mehrerem eiffer treiben: so will gern allen weichen/ die der HERR mehr begabet und hoͤher gesetzet hat/ und sie ihm auffrichtiger dienen. Daß immer ihrer mehr gefunden werden/ denen das Chri- steuthum des gemeinen hauffens verdaͤchtig vorkomme/ ist mir sehr lieb. Der HERR erleuchte mehrere augen/ die es noch nicht sehen/ sondern in der finster- nuͤß gehen/ damit sie nachmahl nach dem wahren wesen trachten/ wann sie finden/ daß sie so vieles dessen falsch und unnuͤtz gewesen/ darauff sie sich einig verlassen ha- ben: GOTT wolle aber solche liebe leute/ die den ungrund des gemeinerem maul Christenthums einzusehen anfangen/ auch genaͤdiglich bewahren/ daß sie in ihren schran- ARTIC. I. DISTINCTIO IV . SECTIO XII. schrancken bleiben/ und von dem heiligen Geist auff richtigem weg sich fuͤhren las- sen. Wie es dann in solchem stand noch grosse gefahr giebet/ daß man nicht von etwas schlimmes in irrthum auff etwas noch schlimmeres verfalle/ wie so viel trau- rige exempel derjenigen zeigen/ welche von dem vorigen irrweg und von dem rechten weg zugleich abgegangen/ und denen es deswegen besser gewesen waͤre/ in der ersten sinsternuͤß geblieben zu seyn. Es gehoͤret gewißlich eine Goͤttliche weißheit und liecht des geistes dazu/ das mittel recht zutreffen/ unter der fleischlichen sicherheit der jenigen/ so sich auff einen mund-glauben verlassen/ und derer einbildun/ die auff die weꝛckheiligkeit verfallen/ daß man die Evangelische glaubens gerechtigkeit wahrhafftig erkenne und erlange/ also auch unter dem todten buchstaben werck/ derer die von dem Geist nichts wissen wollen/ und der eingebildeten erleuchtung verfuͤhrter leute die ausser GOttes wort ihnen von lauter geist traͤumen lassen/ damit man an dem wort fest halte/ aber des heiligen Geistes krafft in demselben suche und finde. Wie viele hingegen fehlen dieses mittels/ und fallen von einer seite auff die andere zu ihrem und anderer seelen schaden? Jch sehe solche exempel/ die ich selbs erfahren/ mit betruͤbnuͤß an/ erkenne daraus die gefaͤhrlichkeit unserer zeiten/ und list des sich auff unterschiedliche art verstellenden teuffels/ und seufftze stets: Heilige uns in deiner wahrheit/ dein wort ist die wahrheit. Jn uͤbrigen weil ich weiß/ daß mein geliebter freund von lange mit N.N. be- kant gewesen/ und ihn etwa genauer erkant haben mag als ich/ so bitte/ mir in ver- trauen etwa part zu geben/ sonderlich was es mit der vorhabenden armuth CHri- sti bey ihm vor eine bewandnuͤß habe. Armen CHRJSTJ liebe zu erzei- gen sind wir alle verbunden/ da wir einige wissen/ ja wir haben sie billich zu suchen: ob aber alles die ar ɯ ɯuth CHRJSTJ zu achten seye/ da einige bloß und mit unterlassung muͤglicher arbeit von anderer gutthaͤtigkeit leben/ und dasselbe/ vor das leben CHRJSTJ halten wolten/ stehe ich sehr an/ ja kan es nicht begreiffen. Jch urtheile nicht gern/ doch wolte ich auch nicht gern thaͤtlich ei- nige solche mißbraͤuche staͤrcken und billichen. 20. Jan. 1683. B b b b 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XIII. A n G eorg C onrad D ilfelden letzte antwort und erinnerung. Fast allgemeine approbation der GOTTEGgelehrt- heit. M Jch hat hertzlich erfreuet/ daß mein hochgeehrter Herr bekennet/ er ha- be in dieser zeit und noth ( NB. Es war damal die Pest in Nordhau- sen/ und grassirte daselbs ) mehr Theologiæ practicæ gelernet/ als vormahl auff hohen schulen und sonsten aus hochgelahrten Schrifften/ auch da- vor GOTT danck saget. Ach der HErr gebe uns immer mehr und mehr die- se warheit gruͤndlich in unsern hertzen zu erkeñen/ daß also ohne die buchstaͤbliche er- kaͤntnuͤß/ die freylich der andern grund/ und ihꝛ nicht bloß entgegen zu setzen ist/ und um welcher willen so Universitæ ten als gute buͤcher billich in wehrt zu halten sind/ noch etwas mehr erfordert werde/ ein rechtschaffener Theologus zu werden/ der seine Theologiam nicht nur in dem hirn und gedancken sondern in dem hertzen habe. Wohin freylich neben gebet und meditation auch die tentatio und al- lerhand aͤusserlich und innerliche leiden und anfechtung ein vortreffliches/ und von GOTT sonderlich gesegnetes mittel sind. Hingegen hat mich auch in dem brieff dieses betruͤbet/ daß ich fast sorgen muß/ mit meinem vorigen den gehabten zweck/ welcher gewesen/ sein hertz zur er- kaͤntnuͤß des gethanen unrechts zubewegen/ nicht erlangt zu haben. Weil es aus diesem scheinet/ man erkenne es noch wenig und suche nur beschoͤnungen/ welches aber vor GOTT wenig gnade bringet. Aus was gemuͤth der oͤffentliche an- griff geschehen/ habe ich nicht das urtheil zu sprechen/ als der in die hertzen nicht se- hen kan; wo man aber so viel/ als menschen aus den umstaͤnden und fruͤchten sehen moͤgen/ erweget/ wird sich gewißlich kein reiner eyffer vor die reine Evangelische warheit zeigen/ sondern vielmehr dergleichen/ was nach fleischlichen affecten rie- chet. Daß in der sache selbs mir und meinem geliebten schwager in solcher offent- lichen anklage vor der gantzen kirchen zu viel und unrecht geschehen/ halte mich ver- sichert/ daß es vor augen liege/ und ich nun wol einen cousensum universalem vor mich haben mag: Als der ich auffs wenigste noch nicht einigen gehoͤret/ der nicht mit meinem scripto zu frieden gewesen/ viele aber weiß/ die daraus alle vor ARTI C. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XIII. vorhin von mir aus allerhand calumnien gefaste verdaͤchte haben fallen lassen/ uñ meine freundschafft darnach gesucht. Daß aber auch widrige affecten und begierde mir und meinem schwager zu schaden in dem hertzen gewesen/ sorge ich/ seyen nur allzuklare zeugnuͤssen. Es beweisen es die hin und wieder in dem scripto selbs befindliche stachelreden/ und anzihungen solcher dinge/ die zu der sache nichts dieneten/ sondern nur der person schaden moͤchten. So weiß ich/ und habe communication davon/ daß derselbe an einem benachbarten ort sich erkundiget/ und zuwissen begehrt/ ob meine Herrn Collegen mit mir eins/ oder welche es nicht mit mir hielten/ um alsdann mit den- selben sich in correspondenz einzulassen/ und also mir in der statt selbs suchen bey zukommen. Welches gewiß eine sache ist/ so einen starcken widerwillen u. begierde zu schaden zeiget: Zu geschweigen anderes/ was sonsten hin und wieder geschrieben worden/ und ich part davon bekommen; Jndem es GOtt so gnaͤdiglich gefuͤget/ daß mir nicht viel verborgen geblieben; Wie ich auch des seligen Herrn D. Musæi an densel- ben gethanes antwott schreiben habe/ darin er sich nicht von der von mir behaupte- ten Thesi abziehen laͤsset. Welches alles nicht dazu anziehe/ daß solches nicht von hertzen vergebe/ sondern/ daß wohl sehnlich verlangte/ daß es eben so wol hertz- lich erkant wuͤrde; damit ihm meine vergebung auch vor GOTT zu statten kom- men moͤchte. Weil abeꝛ alles nur entschuldiget/ oder gar justificiret werden will/ so betruͤbt es mich hertzlich/ um sein selbs willen/ um den miꝛs bloß nunmehr zu ist/ nachdem meine unschuld offentlich genug gerettet. Das aͤrgernuͤß wo ein lehrer in der kirchen einen andern lehrer aus nichtigem verdacht/ so vielmehr wo gar aus fleischlichen absichten/ offentlich angegriffen/ und irriger lehre beschuldigt/ ist nicht per accidens, sondern per se ein aͤrgernuͤß. So redet Christus Matth. X. 34. nicht von streit/ welche die seinige anfan- gen/ sondern von andern erleiden werden muͤssen. Durch schreiben unter uns uͤ- ber solche streit sachen zu conferir en/ ist mir nicht thunlich. Jch bedarff meine zeit zu andern nuͤtzlichern dingen/ und habe aus dem erfolg auf die ersten meine briefe gesehen/ wie mißlich es seye/ zu correspondir en/ wo man auff anderes hin- ziehlet/ wie sich damal der ausgang gezeiget/ und mich darinnen kluͤger gemacht. Jch habe meine sache coram facie Ecclesiæ in meiner offentlichen antwort aus gemacht/ und allen denen satisfaction gethan/ welchen es um die warheit auf- richtig zuthun ist. Jch habe hingegen auf die 70. brieffe/ die von tapfern gelehr- ten und gottseligen maͤnnern theils an mich/ einige aber an andere (so mir folglich communication davon gethan) geschrieben/ welche meine antwort mit ihrem calculo, auch zu weilen allzugrossen elogiis, bekraͤfftigen/ dero abnoͤtigende pu- Das sechste Capitel. publication aber meinem hochgeehrten Herrn wenig ehre und freude geben wuͤrde. Ach der HErr erfuͤlle sein hertz auch hierinnen mit seiner gnade/ daß er sich nicht schaͤme/ das unrecht zu erkennen/ so er damahl (ob wohl nicht ohne anderer mitanstifftung/ von denen mir auch einiges wissend worden/ einige auch bereits von GOTT abgefordert sind) gegen mir und meine lehr gethan/ und ja mit be- harrung darauff nicht fortgesetzet werden solte. Dessen guͤte erfuͤlle ihn auch son- sten mit allen noͤthigen der heiligung und amts-gaben und lasse auch das ange t re- tene jahr seine gnade uͤber ihn und seine gemeinde neu auffgehen. 1683. 27. Jan. SECTIO XIV. E rinnerung an einen wegen edirten S aty- rischen schrifften. J Ch habe dessen beliebtes zurechter zeit wohl erhalten/ und mit freuden daraus ersehen/ daß mein voriges nicht unangenehm gewesen. Jn dessen kan ich nicht leugnen/ und hoffe auch derselbe werde es nicht verlangen/ daß etwas verhaͤhle/ daß mir die mitgesandte gedruckte unterredung und uͤbrige sa- chen betruͤbnuͤß gemacht. Jch weiß auf diese stunde von allen particulari taͤten/ wohin gesehen werde/ und was vorgegangen seye/ dadurch die anlaß gemachet o- der gegeben worden nichtes aber die gedruckte sachen selbst/ weil ich sie vor desselben arbeit achte/ nachdem sie mir gesand/ kommen mir so vor/ daß ich daruͤber seufftze. Unser Heyiand hat uns andeuten lassen/ daß wir von jeglichen unnuͤtzen wort sollen rechenschafft geben/ da doch solches etwa aus unbedacht oder uͤbereylung gesche- hen mag. Wie viel schwehrere rechnung muß es dann seyn/ der gleichen Satyrische und niemand nichts nutzende dinge mit bedacht drucken zulassen/ und damit ihm selbs in dem aufsatz als anderen vielen/ die der gleichen lesen/ die edle zeit veꝛder- ben? So weiß ich auch nicht/ ob ich dergleichen schreib-art anders ansehen moͤ- ge/ als daß sie mit durch das verbot Eph. 5/ 4. der narren theidung und unziem- liche schertze/ den Christen verboten seynd. Uns die wir von GOTT zu wichti- gen dingen gesetzet sind/ und also nichts reden noch schreiben sollen/ als was im geistlichen oder leiblichen noth/ nuͤtzlich und erbaulich ist/ will einmahl nicht ge- ziehmen/ dergleichen dinge zu reden oder zu schreiben/ welche etwa ein und andere Heyden ihrer gravi taͤt entgegen zu seyen geachtet haͤtten. Also auch wofern/ wie fast ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECT. XIV. fast scheinen will/ meine hochgeehrte herren von jemand beleidiget oder be- schimpffet zu dergleichen sich bewegen lassen/ so kan zwar von unbekandter sache nichts eigendliches urtheilen/ wohl aber insgemein sagen/ das einzugefuͤgtes unrecht entweder von der wichtigkeit nicht ist (wo es nemlich uns nichts merckliches schadet/ oder an demjenigen dazu wir von Gott gesetzet sind/ hindert) daß man sich daruͤber rege/ oder aber es lieget uns ein grosses daran. Waͤre jenes/ so ist so Christi als der vernuͤnfftigen klugheit regeln gemaͤß/ dergleichen dinge zu verachten/ und uns zu gut zuduͤncken/ als daß wir uns die sache starck annehmen/ gleich ob erkenneten wir uns beleidiget: Waͤre aber das andere so hielte davor/ das andere so nachdruͤcklichere als weniger anstoͤßige mittel zu ergreiffen waͤren/ sich gegen zufuͤgendes unrecht zu schuͤtzen. Diese art moͤchte wol sonsten auch gut meinende mehr stutzig machen/ und ihnen ungleiche gedancken bey bringen/ als denjenigen/ wider welchen sie ge- meinet waͤren/ sonderlich wehe thun. Und begegnete uns nachmal aus veranlas- sung dergleichen dinge etwa widriges/ wuͤste ich wenig trost in einem solchen leyden/ und achtete daß wir uns selbs solches damit gemachet haͤtten. Da hingegen die fleißige uͤbung der von Christo uns so hertzlich anbefohlenen sanfftmuth/ gedult und demuth uns so wol in dem gemuͤth/ eine wahre und mit vielen schaͤtzen nicht vertau- schet zu werden wuͤrdige ruhe/ als auch in dem gemeinen leben dieses schaffet/ daß wir entweder weniger anstoͤsse von andern leyden doͤrffen/ oder doch davon keinen schaden nehmen/ und in bloß unschuldigen leyden einen stattlichen trost haben: Da- her solche reglen als ein der hoͤchsten goͤttlichen weißheit zu achten sind. Wo also MHHn. beklagte verfolgungen uñ widerwaͤrtigkeiten aus veranlassung dergleichen dinge entstanden solten seyen/ (davon mir alles nichts wissend/ sondern nur eine sorge ist/ die ich leicht fallen lasse) wuͤrde es mir so viel leider seyen: in dem die sonsten in andern stuͤcken behaltene unschuld/ dennoch mit der gleichen beginnen sehr geschwaͤ- chet wuͤrde. Jch hoffe diese meine geistliche und gewiß aus liebe herkommende erinnerung werde mit gleicher liebe angesehen und auffgenommen/ ja auch damit entschuldiget werden/ da derselbe zu anfang seines geliebten schreibens meldet/ daß er schmeicheleyen feind seye/ daß mir dadurch die freyheit genommen/ gleiche art mei- nes gemuͤths in der that zu zeigen/ wozu ohne das das gewissen verbindet. Wozu noch kommet/ daß ein anders seye an einen guten freund/ ein anders von demselben schreiben: da in diesem allemal liebreiche entschuldigungen noͤthig/ in jenem besser ist/ sein hertz auffrichtig auszuschuͤtten/ und wo man etwas in demselben/ das ihm selbs hinderlich seyeu moͤchte/ warnimmet/ treulich erinnerung zuthun. Jch lasse es vor dieses mal darbey bleiben/ ohn daß den himmlischen vater hertzlich anruffe/ denselben mit seinen H. Geist in allen stuͤcken zur erkantnuͤß seines willens zu regie- ren/ und mit aller art ersprießlichen seegens in gnaden zu erfuͤllen. 20. April 1683. C c c c SECTIO Das sechste Capitel. SECTIO XV . Als die Streitigkeiten zwischen Wittenberg und Helmstaͤtt wider schienen auffzuwachen. Trennung in unser kirchen zu verhuͤ- ten. Von Bischoff von Thina. Gefahr der Roͤmischen offerten zur ver- einigung. Tractat, mittel die ketzer zu bekehren. Ander scriptum wieder das Papsthum. Meine arbeit wider D. Breving immer unterbrochen. W O nach gemachter hoffnung die streitigkeiten zwischen den benachbaꝛten Uni- versitaͤten durch beyderseits hohe obrigkeitliche inhibition sopi rt werde blei- ben/ halte ichs vor ein grosses gluͤck unser kirchen/ und ist man so wol solcher ho- her haͤupter als dero vornehmer ministror um so dazu behuͤlfflich/ treuer vorsorge uñ Christlicher klugheit hertzl. und hohen danck schuldig. Mich hat aber fast erschrecket/ daß neulich aus eines vornehmen manes brieffe die sorge bekam/ ob wuͤrde daß allhieꝛ sup p rimirte buch anderwerthlich und gar unter unsern widersachern (vielleicht uns eben damit desto weher zuthun/ und das pomum Eridos rechtschaffen auszu- werffen) wieder gedruckt: so ein grosses elend seyn wuͤrde/ und ich an die traurige fol- gen nicht ohne wehmuth gedencken kan. Das ist gewiß/ daß der autor noch gantz kuͤrtzlich selbs kein exemplar gehabt/ sondern von einem/ bey dem er solches zu seyn wußte dessen communication oder doch es nur durch einen stu di osum abschreiben zu lassen/ gebeten/ so aber bescheiden abgelehnet worden. Der HErr sehe mit gnaden unsere arme kirche an/ und gebe uns den H. Geist der liebe und des friedens/ ausser welchen auch die habende wahrheit der lehr keine fruͤchte bringen wuͤrde. Wir sind ohn das ein sehr kleiner hauffe/ machen wir unter uns eine trennung/ so sind wir bald vollends dahin: q ui a semper gravior in pau c itare jactura est, wie jener sagt. Dieses ist dasjenige gewesen/ welches mich von der zeit an/ als ich nur etwas diese dinge und den zustand unserer kirchen einzusehen angefangen/ am meisten betruͤbt/ daß viel auch deren die es redlich gemeinet/ consilia, auff solche dinge aus etwa uͤber- eilten eiffer gegangen/ die eine solche trennung nothwendig nach sich zie- hen muͤßten: Da doch solches uͤbel eines der gefaͤhrlichsten ist/ welche der kirchen be- gegnen koͤnnen/ und ich auch die trennung in der Reformation nicht gnugsamen zu rechtfertigen wuͤßte/ wo es nicht um so viele grundwahrheiten zuthun gewesen/ und diese von Rom aus verdam̃t/ hingegen den unsrigen die gewissens-freyheit darinnen abgeschlagen worden. Wegen des Bischoffs von Thina geschaͤfft habe verlangt et- was sicheres zu wissen/ aber noch nichts vergnuͤglichers bekommen. Einige nennten mir ihn/ daß er ein Spinola und nuncius Aposto l icus waͤre/ von andern hoͤre/ daß er ein Croat/ oder ein Jllyrier seye: Ein Paͤbstischer grosser Herr r ede t e mit mir nechst- mahl ARTIC. I. DISTINCT. SECT. XV. mahl auch darvon/ aber wuste doch auch den voͤlligen grund nicht: meldete nur dieses daß er seinen characterem nicht kundlich machte/ biß er hoͤrte/ ob die vorschlaͤge nicht gar abgeschlagen wuͤrden/ sondern zu einer conferenz gedeyen moͤchte/ als dañ er seine macht genugsam vor zu zeigen haben solte/ die er sonsten ohne seiner Principa- len beschimpffung nicht auff ein ungewisses hazardi r en doͤrffte. Aus Dreßden bekam einige zeilen/ aber wurde bedeutet/ daß es ein mann waͤre/ dem es an noͤtigen qualitaͤ- ten zu solchem werck al zu sehr mangele. Jch leugne nicht/ daß ich diese c onatus von Roͤmischer seiten/ wo man mine macht zu einer freundlichen vergleichung/ vor ge- faͤhrlicher halte/ als alle deroselben offenbahre gewalt: Wie wir dann dadurch niemahls nichts bestaͤndiges erhalten koͤnnen/ aber allezeit verliehren muͤßen. Was wir eingehen/ wird uns voͤllig verbinden/ und allezeit gegentheil eine neue gewalt geben: sie aber/ so lang sie die oberste autori t aͤt der kirchen/ sonderlich aber/ dar- ein es sich bey den meisten resolvirt, des Roͤmischen stuhls behaupten/ er- halten in solchem per indirectum alles wiederum/ was sie uns zugegeben zu haben scheineten/ nicht nur/ da sie allemahl nach gut befinden/ wiederum dasjenige zu revo- ciren macht behalten/ was sie sagen moͤgen/ daß sie eine zeitlang um unserer her- tzen haͤrtigkeit willen/ nachgeben haͤtten muͤssen; sondern auch weil dieser articul in- dispensabel bleibet/ daß die kirche in einem concilio œcumenìco, (wie sie das Trientische in glaubens sachens davor erkennen) nicht irren moͤgen: Daher was vor milderungen gesucht wuͤrden/ muß ich gleich wohl alle jenes decreta wahr zu seyn erkennen/ und bleiben sie die regel/ nach dero auch solche vergleiche interpretirt werden muͤßten. Solte auch etwa/ sonderlich das nachgeben der communion unter beyden gestalten/ unter lassung der anruffung der Heiligen/ und dergleichen an- erboten werden/ so haben wir abermahl wenig gewonnen/ in dem diese condition daran haͤnget/ daß gleichwol die andere praxis Ecclesiæ recht und heilig seye; wel- ches wo wir erkennen und bekennen muͤssen/ so beschuldigen wir uns eben damit selbs einer starcken halßstarrigkeit/ daß wir uns solcher dinge entziehen/ die an sich gut und nuͤtzlich sind/ und daß wir mit aͤrgernuͤß anderer etwas besonders haben wolten. Jndessen wo von Roͤmischer seiten sie nur einige dergleichen offerten thun/ gewinnen sie alle zeit so viel/ daß wir mit schwehrerer invidia beladen werden/ als denen alle billigmaͤßige conditiones offerirt, aber niemahls angenommen worden waͤren. Sonsten weiß ich nicht/ ob E. Excellenz zu handen kommen ein ge- wisses aus dem Franzoͤsischen zu Nuͤrnberg ver irtes s c riptum unter dem namen: sichere und redliche mittel zu bekehrung aller ketzer/ und heilsamer rath und anschlaͤge zu Reformation der kirchen. Auffs wenigste hoffe ich/ E. Excell. werde sich die muͤhe nicht reuen lassen/ solches zu lesen. Es ist der autor entweder der so genanten Catholischen religion (kein Papist will er mit gewalt seyen/ als der den Papst und Papstum alles ungluͤcks anfang und fortsetzung haͤlt/) oder wo es ein Reformirter ist/ hat er seine person artig agirt/ er straffet zwar C c e c 2 an Das sechste Capitel. an uns/ daß wir nicht nur von dem Papsthum/ sondern auch der Catholischen kirchen selbst/ abgewichen seyen/ er thut uns aber mit allem/ was gegen uns darinnen ist/ wenig schaden; hingegen animir e t er die Potentaten/ sonderlich seinen koͤnig/ als zu ei- nem gantz glo ri osen wercken den Past und Papsthum (dahin auch die Cardinaͤle gehoͤren) abzuschaffen/ oder doch in ihr Rom zu verweisen/ und diejenige macht die GOTT ihnen zum besten sener kirche gegeben/ treulich zugebrauchen/ durch die Bischoͤffe das geistliche verwalten zu lassen/ und sich und ihre lande von der er- schrecklichen tyranney des Papst zu befreyen. Jch habe nicht so bald so hart von dem Pabst sprechen hoͤren/ als dieser mann thut/ daß er auch dahin kommt/ zu behaupten/ wo der Papst (wie von den itzigen gesagt wuͤrde) gutes thue/ das thue er nicht als Papst/ sondern als ein mensch/ in dem er nicht eben/ alle menschliche na- tur verliehre/ aber als Papst koͤnne er in dergleichen einer angemasten/ in goͤtt- lichem wort und der alten kirchen nicht gegruͤndeten/ der kirchen und Policey hoͤchst schaͤdlichen gewalt-gebrauch nicht anders als boͤses thun. Jn summa/ es ist ein scriptum so Rom ziemlich wehe thun mag/ und wo es einigen klugen und nicht all zu pfaͤffischen herren solte zu gesicht kommen/ auch dieselbe die zeit goͤnneten/ es zu le- sen/ hoffte ich/ es moͤchte ihnen ziemlich viel da von einleuchten/ und die augen in ge- wissen dingen/ oͤffnen/ daran man sich biß daher gefoͤrchtet zu gedencken. Der Com- mentuͤr zu Nuͤrnberg forderte derowegen von der statt die confiscation des s cripti, es wurde aber solches begehren decli nirt. Jm uͤbrigen ist in hiesiger gegend ein an- der scriptum so hiebey mit folget/ gedruckt worden/ so sonderlich ad cap t um auch den einfaͤltigen die Paͤpstische irthum ziemlich gruͤndlich vorgestellt: sonderlich aber ex Ep. ad T it . die materien von der Roͤmischen kirchen/ und dem Anti Christ al- so tr a ct i ret / daß etwa so kurtz es/ nicht viel besser gefast werden moͤchte: Herr D. Breving hat es also angesehen/ ob haͤtte ichs gemacht/ da doch wer meines sty li kuͤn- dig/ erkennen wird/ daß nicht ein blat mein ist: hat sich gleich verlauten lassen/ daß er doch solches an den Keyserlichen hoff gelangen lassen und geklagt/ als uͤber ein ihrer religion injurio s es scriptum. Jn meiner arbeit gegen ihn sind nun 5. wochen vergangen/ daß nicht eine feder anzusetzen vermocht/ sondern erst vorgestern wieder angefangen habe: stehe in dem vierten capitel/ wo ich trachte mit mehreren fleiß und gruͤndlicher untersuchung alles dessen/ was dahin gehoͤret/ die materi aus zu fuͤhren/ wie die goͤttliche gebot zu halten moͤglich oder unmoͤglich seyen/ damit so dan der wie- dersacher pralen/ da sie unsere Thesin von der unmoͤglichkeit ohne aussuͤhrung bloß dahin gesetzet/ stattlich zu ihrem vortheil und unserer beschwerung zu mißbrauchen pflegen/ gewehret/ und doch die wahrheit solcher unserer recht verstandener lehre ge- gen sie dargethan werde. Weswegen ich in solchen capitel mich mehr bemuͤhe/ und auch die an ti quit aͤt und dero zeugnissen an zu fuͤhren nicht vergesse. Jch solte eine hertzliche freude haben/ wo ich uͤber einer solchen materie zu weilen nur einige woche oder etzliche tage unaussetzlich bleiben koͤnnte/ da man so viel besser arbeiten kan/ wo man ART IC. I. DISTINCT. IV. SECT. XVI. man in einerley gedancken bleibet: aber ich bin meiner zeit nie maͤchtig/ und kan nicht nach belieben nur uͤber etliche stunden disponiren, sondern muß mich mit den in- terruptis studiis vergnuͤgen. 1683. SECTIO XVI . Als sich in Franckfurt einige von der gemeinde und com- munion absondern wolten. Gefahr und schaden des beginnens. Bitte an einem Christlichen prediger/ die leute mit helffen zurechte zubringen. W Aß die uͤbrige materie des brieffs betrifft/ wie sie von betruͤbten dingen mei- stens handlet/ so hat sie nicht anders als meine betruͤbnis mehr unterhalten als lindern koͤnnen. Jch bin nicht in abrede/ daß das hie entstandene aͤrger- nuͤß eine frucht seye/ der nicht recht eingerichteten kirchen verfassung. Aber mein werther bruder/ so hertzlich eine bessere verlangte/ und wo sich eine hoffnung dazu erreignete/ gern nach allen kraͤfften dahin mit arbeiten wolle/ ja mich gluͤcklich schaͤ- tzen wuͤrde/ in einer solchen versammlung zustehen (wie dann der HErr mein hertz kennet/ daß ich an dem eingebildeten und selbst-genom̃enen mehrere gewalt des pre- digamts kein gefallen habe/ noch mich dessen/ daß ich in solches gesetzet/ bey mir uͤber- hebe) so wenig kan ich hin und wieder ohn eussersten kummer ansehen/ daß der dritte stand/ unerwartet der goͤttlichen huͤlffe ihm selbs helffen wolle/ und damit nur eine aͤr- gere und noch viel boͤse consequen t ien nach sich ziehende zerruͤttungen anrichtet. Wo gleichwol unter beyden uͤbelen es endlich leydenlicher waͤre/ da zwey ordines nur etzlicher massen eine sonsten an sich selbs goͤttliche ordnung in dem stande erhal- ten/ daß noch die gemeinde beysam̃en bleibet/ als wo der dritte endlich eine vollkom̃e- ne confusio n anstellet. Es waren in der ersten kirchen nur die 2. ord i nes, in dem sie keine Obrigkeit ihrer seits hatten/ und doch war die kirch wohl regieret/ nun be- kenne ich zwar/ daß jene art besser ist/ als die ietzige/ da dorten die gemeinde mit dem einen stand allein concurri r te/ gegen den/ da jetzo die andere zwey/ ob zwar schwaͤch- lich genug/ zusammen halten mit der andern außschliessung. Jndessen wird doch dieses drauß folgen/ daß die 3. ordines nicht so absolu t e beysammen seyen muͤssen/ daß nicht zeiten und noͤthen sich begeben koͤnnen/ wo das werck doch bestehen mag/ da schon nicht alle 3. ordines in ihrer harmonia, wie sonsten zu wuͤnschen/ stehen. Mein werther bruder wird gestehen/ und noch der meinung seyn/ wie mit mir geredet/ daß das fundament solcher vorhabenden trennung irrig seye/ als welches auff die mey- nung beruhet/ es koͤnne keiner mit guten gewissen mit einigen andern communici- ren/ welche er seiner meynung nach vor unwuͤrdig achtete. Wie ich kein ander fundament sehe/ welches waͤre bißdaher angezogen worden. So dann mag die- ses dazu kommen/ daß besorglich diese meynung bey einigen stecken doͤrffte/ es seye C c c c 3 das Das sechste Capitel das H. Abendmal nicht eine wahrhaffte mittheilung des leibs und bluts Christi an alle communi nican t en/ sondern das haupt-werck in demselbigen seye das zeugnuͤß der vereinigung der glaubigen/ wie sie von einem brod essen/ so seyen sie mit einem Geist in dem geistlichen leibe Christi unter einander vereiniget. Wann nun aber diese meinungen nicht richtig/ sondern was dieses letztere anlangt/ einmal die ge- meinschafft/ die jeglicher in Christo hat/ und darin in dem H. Abendmal gestaͤrcket wird/ das hauptwerck des H. Abendmahl ist/ die bezeugung aber der einigkeit mit den andern communicanten eine nebens sache ist/ und nicht nothwendig da seyn muß; wie sie dann in einer privat communion einer person ermanglet: so mag die sich auff dieselbige gruͤndende trennung so vielweniger zu entschuldigen seyen/ als da etwas boͤses auff einen nicht besseren grund gebauet wird: Woraus nachmal auch nichts anders als selbs in den gemeinen leben und republica unordnung und ungluͤck entstehen moͤgen/ daß nachmal wo die obrigkeit/ welche uͤber die eusserliche ordnungen zu halten den befehl hat/ ihre hand darein sch l aͤget/ und nach ihren gese- tzen der sache hilffet/ diejenige/ welche daruͤber leiden muͤssen/ solch ihr leyden mit kei- nen guten gewissen tragen/ sondern nicht der wahrheit Christi/ wol aber ihres eige- nen sinnes und wahl/ maͤrtyrer worden/ auch die verantwortung alles daher entste- henden aͤrgernuͤßes und uͤbels/ welches gemeiniglich darnach weiter ausbricht (wie ein feuer daß man angezuͤndet/ nicht nur gerade so weit brennet/ als der es ange- zuͤndet/ ihm die grentze gestecket hat/ sondern immerfort frisset) solchen leuten auff ih- rn rechnung vor GOtt kommet. Daher ich denselben um des HErrn willen/ dessen ehre gewißlich hierinnen sehꝛ intere ssir et ist/ als deꝛ seinem leib alle trennungen hoͤchst schaͤdlich erkennet/ und daher durch seinen Apostel dieselbe uns als wercke des flei- sches vorstellen lassen/ hertzlich bete/ nachdem er bey einigen solcher lieben freunde/ die die gnade GOttes in ihm erkant/ ein gutes vertrauen vor sich hat/ und hoffent- lich nicht ohne frucht seine vermahnungen abzugehen sorgen darff/ er geruhte nach der gabe die ihm gegeben ist/ an dieselbe beweglich zuschreiben/ und ihnen die gefahr/ worin sie sich setzen (in dem es ja eine grosse gefahr ist/ ich will nicht sagen ihnen selbs ohne noth in dem leiblichen allerhand leyden zu ziehen/ sondern vornemlich die ver- antwortung so vieler aͤrgernuͤß auff sich laden/ ja damit erst recht fremder suͤnden sich theilhafftig machen/ und GOttes gericht auff sich ziehen) so dann den ungrund der beyden oben bedeuteten fundamenten vorzustellen/ und damit die einigkeit un- serer hiesigen lieben kirchen/ als viel an ihm ist befordern zu helffen. Gibt GOTT seegen hiezu/ darum ihn auch demuͤthig anzuruffen nicht unterlassen werde/ so wird er selbs der H. Guͤte danckzusagen ursach haben/ der einigen dienst an einer son- sten demselben nicht absonderlich anbefohlenen gemeinde nicht unfruchtbar habe werden lassen/ und sich etwa darinnen die ursach der weisen goͤttlichen regierung zei- gen/ der ihn nicht vergebens hie habe lassen bekand werden/ sondern ihm damit eine gelegenheit von langen hergemacht/ etwas nuͤtzliches zu schaffen. Jch kan mich hertz- lich ART IC. I. DISTINCT. IV. SECT. XVII. lich erfreuen/ was christliche freunde/ von denen ich rede/ wo sie dergleichen singu- la ri taͤten ablegten/ und sonsten ihr pfund treulich und kluͤglich anwenden wolten (sonderlich aber des richtens anderer enthalten) durch seinen seegen annoch hier bey andern ausrichten koͤnten/ und ja nicht gedrungen wuͤrden/ gegen ihr gewissen das geringste zuthun. Hingegen aber betruͤbet michs auch billich von hertzen/ wo ich sehen muß/ daß nicht nur solche hoffnung zu wasser und in ihnen noch uͤbrige gute bey andern frucht zuschaffen untuͤchtig werden solte/ sondern das aͤrgernuͤß/ so von dergleichen sonderung entstehet/ hie und anderswo sehr viel gutes auch kuͤnfftig schla- gen werde: Woraus nichts anders/ als ein schweres gericht uͤber diejenige selbs ge- fuͤhret werden mag/ so ich ja inniglich wuͤnsche von ihnen abgewendet zu werden. Solte aus wie fast sorge/ mit der einen haupt-person nichts ausgerichtet werden koͤnnen/ ach daß doch die uͤbrige in die christliche einfalt und ordnung widerum ge- bracht werden moͤchten! Der HErr verleyhe hiezu geist/ weißheit und gnade/ lasse auch sein wort nicht ohne k rafft und nachdruck bleiben. 15. Octobr. 1683. SECTIO XVII . An einen prediger/ der sich eine weil zu verdacht einnehmen lassen. Gott laͤßt solche spargimenter endlich zergehen. Des Satans boͤse absicht dabey. D As schreiben ist mir sonderlich deßwegen angenehm gewesen/ daß aus er- neuernder alten freundschafft geschlossen/ daß die/ wie vor einigen jahren eini- gen bericht gehabt/ von mir gefaßte su spiciones nunmehr abgeleget seyn wor- den: Wie ich ohne das das gewisse vertrauen zu Gott getragen/ daß dessen guͤte alle ungleiche von mir spargirte meinung mit der zeit/ so der wahrheit zeuge offters am gewissesten ist/ als ein nebel von selbsten zergehen/ und meine unschuld offenbahr werde werden lassen. Welches meister orten bereits geschehen zu seyn/ ich seiner g oͤ ttlichen guͤte billich demuͤthigen danck zu sagen habe/ welche nicht zugiebet/ daß der Satan/ welcher boͤses imer in sinn hat/ allezeit oder lange seinen werck erreichen moͤ- ge/ der da ist/ durch die zerruͤttung der gemuͤther unter bruͤdern die soviel genauere zusammensetzung in gebet und uͤbrigen werck des HErrn/ vor welcher einigkeit er sich sehr fuͤrchtet/ zuhindern. Aber maͤchtig ist der HErr der wahrheit/ welcher durch dero offenbahrung wieder ergaͤntzet/ was sonsten geschiehnen unter sich zu zerfallen: er erhalte uns noch ferner in der einigkeit des Geistes/ und verbinde unsere hertzen mit dem bande des friedens/ gesamter hand zuthun/ was die noth des reichs Christi erfordert. 2. Novembr. 1683. SE - Das sechste Capitel SECTIO XVIII . Erklährung gegen einen freund/ nach dem maß meiner gabe in dem bauen am hauß des HErrn fortzufahren. J Ch habe dieses/ und das vergangene jahr unterschiedliche brieffe von demfel- ben empfangen/ aber zu beantworten nicht eben diensam erachtet: Jndeme wir einander scheinen nicht zu verstehen: Sondern wie derselbe seines orts mich in denselben verrichtungen zu lassen hat/ dazu mich der HErr gesetzet/ so uͤber- lasse ich ihn hinwieder in seinem vorhaben dem jenigen/ auff den er sich beruffet und zu seiner rechenschafft stehen will. Darinnen kommen wir uͤberein/ daß die zeiten schwerer gerichte obhanden/ und daß innere verderben groß/ auch jener ursache seye/ so dann uns allen obliege zutrachten/ wie wirin der gnade Gottes stehen/ solche gerich- te entfliehen oder uͤberwinden moͤgen. Jn den mittelen foͤrchte ich/ wir seyen ziemlich different, Jch halte mich aber blosser dings an das wort Gottes/ und erkenne kei- nen einigen menschen in der welt/ von dem ich schuldig seye das goͤttliche wort/ das er redet/ weil ers redet/ als aus Gottes munde anzunehmen. Dahero wo mir die Schrifft angezogen wird/ muß mir klar gezeiget werden/ so wol dero verstand als dero application. Da ich eben biß dahin in uͤbersandten brieffen und schrifften in den jenigen sachen/ darinnen wir etwa different seyn moͤgen/ keine uͤberzeugung aus der Schrifft finde. Jch werde meinen GOtt in einfalt meines hertzens fortfahre n zu dienen/ nach dem maß der gnaden/ welches er mir gegeben/ und seiner anweisung/ was sich bey gegenwaͤrtigen zustand thun lasset/ und ihm die sache ferner be f ehlen. Jch erkenne/ daß ich weder etwas bin noch vermag/ ich verleugne aber nicht die gna- de/ die er gibt/ wie gering sie ist/ und mich dero nicht/ weniger noch einer mehreren/ wuͤrdig achte. Jch weiß/ ich bin zum bauen gesetzet/ dabey ich dem HErren nicht zu wehren habe/ da er nach seinem rath niederreissen will/ wie ein Medi cus den pati- enten artzney brauchet/ ob auch Gottes wille/ denselben zu toͤdten seyn moͤchte. Und ob die meiste arbeit in dem bauen vergebens ist/ traue ich doch Goͤttlicher verheisung/ daß sie nicht alle umsonst ist/ und preiße Gott welcher mich auffs wenigste zuweilen einige frucht sehen laͤsset/ und damit uͤberzeuget das seine seegens-krafft noch nicht gewichen seye/ darvor ich auch demuͤtig dancke. Jn solcher ordnung/ vertrauen und arbeit will ich mit goͤttlicher huͤlffe/ die etwan noch wenige uͤbrige tage gern zu- bringen/ mit hertzlichem gebet zu dem HErren/ der sich unser erbarmen/ sein Zion mit gnaͤdigen augen ansehen/ und uns sonderlich die zu dieser zeit zu erkaͤntnuͤß seines willens an uns noͤtige weißheit verleihen wolle/ so dañ imbruͤnstigem verlangen nach der endlichen huͤlffe/ die nicht immer verziehen wird/ Hab. 2/ 3. 6. Maj. 1684. SE- ART . I. DIST . IV. SECT. XIX. SECTIO XIX . An einem Christlichen Edelmann wegen getroffener ehe. Meine gedancken von gegenwaͤrtiger und nechst kuͤnfftiger zeit. J Ch habe desselben letztestes vom Dec. des vergangenen jahrs wol/ aber doch etwas spaͤter erhalten/ um eine solche zeit/ da ich in verfertigung eines wercks so in der meß an das liecht kommen sollte/ begriffen war/ und daher um genug- sam zeit zu gewinnen fast alle nicht euserst noͤthige brieffe bey seit setzen muͤßen. Daß nun auch mit seinem geliebten solches geschehen/ hoffe ich/ werde mir nicht uͤbel gedeutet werden/ im uͤbrigen ob ich wol dessen meinung nicht in allen stuͤcken voll- kommen verstehen kan (wie etwa mehr mal erinnert habe/ daß eine deutlichere aus- truckung seiner gemuͤths-meynung zu wuͤnschen waͤre) so will allein dermassen ant- worten/ wie und so fern ich dessen meinung eingesehen. So sehe nun zum vordersten/ daß derselbige sich in den H. ehestand begeben/ und seine vorige gedancken des ledi- gen standes durch GOttes leitung geaͤndert habe. Welches mir zu vernehmen nicht unangenehm gewesen: dann ob ich wol die gabe der ledigen keuschheit mit Paulo 1. Cor. 7. auch nicht gering achte/ und auffs wenigste zu allen zeiten tausend mal besser ist/ ohne eine ehliche gehuͤlffin sein leben zu zu bringen/ als etwa eine solche an die seite zu bekommen/ die an redlicher fortsetzung unsers Christenthums uns moͤchte hinderlich seyn/ welcher ehegatten es leider nur allzu viel giebet: so halte den ehestand mit solchem H. Paulo eben so wol hoch/ und wo er in der furcht des HEr- ren gefuͤhret wird/ erkenne ich/ daß es ein keuscher und in GOTTES augen nicht weniger reiner stand ist/ als der jungfrauliche: So koͤnnen die ursachen/ welche uns zu erwehlung desselben treiben/ nicht nur seyen unsere natuͤrliche schwachheit/ wo wie uns zu der ledigen keuschheit nicht tuͤchtig befinden/ und also gegen alle unreinigkeit uns der von dem HErren verordneten artzney des ehebetts zugebrauchen haben/ son- dern eben so wol die uͤbrige nothwendigkeit dieses menschlichen lebens oder beruffs/ dazu uns der HErr gesetzet hat/ wo wir nemlich sehen/ daß wir in solchem stande den obliegenden sorgen und geschaͤfften allein nicht genugsam sind/ und also einiger gehuͤlffin noͤthig haben/ mit dero wir solche last theilen moͤgen/ um als dann beyder- seits ungehinderter dem HErren dienen zu koͤnnen. Dieses daucht mich auch aus dem schreiben zu erkennen/ daß desselben ursach gewesen seye/ da gegen ich nichtes zu sagen habe/ sondern es wol gethan achte: sonderlich wo es (wie ich nicht zweif- felen will) mit dero geliebten frau mutter belieben/ als wozu alle kinder/ sonderlich aber die wir Christen seyen sollen/ allerdings gehalten seynd/ geschehen ist. Wie ich auch sonsten hertzlich verlange/ daß derselbe in allen stuͤcken gedachter frau mut- ter seinem gehorsam und ehrerbiethigkeit erzeige/ und also das bild Gottes in derselbi- gen ehre. Waͤre mir deswegen sehr leyd/ wo wegen der administration der guͤter D d d d einige Das sechste Capitel. einige mißheligkeit sollten entstanden seyn/ wie das schreiben fast lauten wollen/ so ich aber nicht hoffen will. Dann da solche pflicht eines hertzlichen gehorsams be- reits aus der verbindung der natur kommet/ so haben diejenige/ welche von gantzem hertzen sich Christen bezeugen wollen/ desto weniger einiges an sich sehen zu lassen/ welches nur scheinen moͤchte/ sothaner ehrerbietung entgegen seyen/ aus aus genommen des einigen falls/ wo uns die eltern wider das gewissen etwas zu- mutheten/ da dann der himmlische Vater den vorzug behaͤlt. Jn uͤbrigen wie ich hoffe/ daß eben dessen vaͤterliche guͤte denselben mit einer solchen ehegattin begabt werde haben/ welche wie in der haußhaltung also auch in der uͤbung des Christen- thums eine gehuͤlffin seye: also ruffe auch solchen geber einer solchen theuern gabe hertzlich an/ daß er sie nicht nur in diesen leiblichen leben lange bey guter gesundheit bey sammen lassen/ sondern vornehmlich den jenigen segen zu ihrer ehe verleihen wol- le/ daß sie diese vor seinem angesicht gottseelig und Christlich fuͤhren/ daß ihnen die- selbe eine taͤgliche gelegenheit sich an und mit einander zu erbauen/ eine auffmunte- rung zur andacht und eine vorbildung der geistlichen vermaͤhlung Christi mit de n seelen werde. Er erfuͤlle sie mit weißheit und seines H. Geistes gaben/ daß sie mit einander eine feine haußkirche anstellen/ ihr haußgesinde goͤttlig regiren/ und da sie der HErr mit leibesfrucht segenen wird/ solche ihm/ mit aufferziehung nicht nach eigenern noch der welt wohlgefallen/ sondern nach seiner regek/ auffopffern moͤgen; er lasse ihre hertzliche liebe unter einander ihnen seyn eine staͤtig e erneuerung der goͤtt- lichen liebe/ eine ursach stuͤndlichen dancks/ eine versuͤssung der uͤbrigen dieses lebens verdrießlichkeiten/ ein gesegnetes tugend-exempel anderer und an die ihrige selbst/ eine erleichterung der sonsten einem allein all zu schwer fallender last. Er segne auch ihre in seiner forcht fuͤhrende haußhaltung in dem leiblichen also/ daß sie von seinem segen leben/ und allezeit uͤberiges haben/ daß sie zu seinen ehren und liebes wercken anwenden. Er erleichtere ihnen alles creutz/ welches sie in solchem ihren stand be- treffen mag/ mit seinen trost/ kraͤfftig in ihnen: biß er sie seines segens in diesem le- ben satt zu der hochzeit des lams beruffe/ und in die seelige ewigkeit versetze. Der HErr Herr erfuͤlle diesen in seinen namen thuenden wunsch von seinem hohen himmels thron: wie ich auch noch ferner nicht unterlassen werde/ vor sie zu ihme hertzlich zu seuffzen: Was die vorgehabte reise hieher belanget/ wollen wir des himmlischen Vaters willen gerne erkennen/ welcher dieselbige selbst gehindert hat. Es wuͤrde mein herr etwa weniges hie zu seiner erbauung angetroffen haben/ wel- ches er nicht eben so wohl an ihrem ort und sonderlich in fleißiger behandelung der H. Schrifft ohne solche kosten haben kan: Der HERR ist aller orten nahe de- nen jenigen/ welche ihn suchen/ und ist sein wort nirgend ohne krafft/ wo wir ihm nur platz bey uns lassen. Meine gedancken von dem gegenwaͤrtigen zustand unserer zeit/ und was etwa nechstens uns vorstehen moͤchte/ belangend: so kan ich nicht an- ders/ als daß euserste verderben unserer Evangelischen kirchen bejammern/ in dero inwen- ART . I. DIST. IV. SECT. XIX. inwendig alle staͤnde auff daß erbaͤrmlichste verdorben sind/ daß kaum eine besserung irgens wo anschlagen will/ und wir ohne die reinigkeit der lehr vor andern kaum et- was mehr vorzug haben/ auswendig aber sehen wir die macht und den grimm des Roͤmischen Babels gegen uns taͤglich wachsen; Dahero nicht anders gedencken kan/ als daß die zeit uns am nechsten seye/ daß die goͤttliche gerichte zu vordersten an seinem hause anfangen/ und Babel macht bekomme/ daß jenige hauß an dem ver- gebens geflicket worden/ mit gewalt meistens nieder zu reissen/ aus dessen herum zerstreueten steinen der HErr nachmahls solches wieder vortrefflicher auffbauen wird. Aber mit eben solcher grausamkeit wird sich jenes Babel euserst verschul- den/ daß maß seiner suͤnden damit erfuͤllen/ und also sein angedrohtes schreckliches gericht sich vollends uͤber den halß ziehen. Worauff nicht fehlen kan/ daß die durch solches Babel vornehmlich verdorbene kirche nach dessen gericht einige ruhe zeit er- lange/ und goͤttlicher verheissungen erfuͤllung sich erfreue. So viel sehe ich einfaͤl- tig aus betrachtung goͤttlichen Worts und gegenhaltung des jenigen/ das ich taͤg- lich vor augen sehe. Ein hoͤhers liecht aber habe ich mir nicht zu zu messen/ und ist mir nicht gegeben. Daher ich selbs in demuth/ gelassenheit/ und glauben erwarte/ was der HERR uͤber uns alle verhaͤngen will/ nur dahin trachtende/ daß ich moͤge gestaͤrcket werden/ mir in allem den goͤttlichen willen gefallen zu lassen/ und ihm nach vermoͤgen zu thun/ ihm aber alles in gebet und gedult zu uͤber lassen/ welches ich auch andern freunden rathe/ und vor das sicherste halte/ wie man sich in die verderbte zeiten zu schicken habe. Jch habe auch nechst in dieser absicht zu der glaubens bruͤder staͤrckung ein Tractaͤtlein geschrieben/ genant Christliche auffinunterung zur bestaͤndigkeit in der reinen lehr des Evangelii und den mittelen dazu/ welches sich auff der post nicht wohl schicken laͤßt. Doch meine/ es wird in Leipzig zu bekommen seyen. Mein name steht gewisser ursach wil- len nicht dabey/ sondern die buchstaben S. M. E. F. Nun der HErr oͤffene uns die augen/ die zeichen unserer zeit einfaͤltig doch Christkluͤglich zu erkennen/ vornemlich aber in demselben unsere pflicht in acht zu nehmen/ und in allem zu preisen/ womit denselben und dessen adeliche ehliebste und hauß in dessen allgewaltigen Gottes obhut und genaden regirung treulich erlassende/ verbleibe u. s. w. 21. Maj. 1684. SECTIO XX . An eine Christliche weibsperson: Wiefern man in goͤttlichen dingen auff das fuͤhlen zu sehen. Mein verhalten gegen die/ so sich absondern. D Erselbigen neuliches/ obwohl aus betruͤbter gelegenheit und uͤber eine mir offt betruͤbliche materie geschriebenes/ war mir hertzlich angenehm und erfreulich/ als ein zeugnuͤß der wahrheit ausso lieben hertzen. Es ist freylich so/ Dd d d 2 nicht Das sechste Capitel. nicht unser gefuͤhl ist die regel der wahrheit/ sondern die goͤttliche wahrheit ist die regel unsers gefuͤhls/ ob es goͤttlich/ oder eine einbildung unsers fleisches seye/ worinnen man sich sonsten offt leicht verstossen kan/ weil einmahl un ser hertz an sich selbs und ausser Gottes wuͤrckung die jenige unart an sich hat/ da es insgemein von uns heisset/ alle menschen sind luͤgner/ Psal. 116. und kan sich sehr bald (wie die betruͤbte exempel zeigen) der fuͤrst der finsternuͤß in einen engel des liechts verstellen/ da er uns dergleichen dinge eintruckt/ die einen schein der goͤttlichen wahrheit ha- ben: da hingegen die goͤttliche barmhertzigkeit hertzlich zu preisen ist/ welche uns eine regel der wahrheit in goͤttlichem wort ausser uns gegeben hat/ nach welcher wir/ was wir fuͤhlen/ genau zu pruͤffen haben: Noch gefaͤhrlicher aber ist es/ deßwegen eine goͤttliche wahrheit/ die in der Schrifft also gegruͤndet/ daß man nichts erhebliches da- gegen aufzubringen weist/ nicht annehmen wollen/ weil man dieselbe nicht auch in sich bezeuget fuͤhle. Aber dieses hiesse/ die Gewißheit GOttes/ welche auf seiner wahr- heit und in dem wort gethaner offenbahrung beruhet/ an unser armes gefuͤhl haͤn- gen/ daß auff so viel weise wie betruͤglich ist/ also gehindert werden kan. Und so haͤtte solche himmlische weißheit nicht ihrer eigenen goͤttlichen gewißheit/ sondern uns zu dancken daß sie von uns angenommen wuͤrde/ als die/ wo wir sie nicht fuͤhleten/ ohne verletzung des gewissens koͤnte verworffen oder doch stehen gelassen werden. Wo dieses guͤlte/ was wolten wir sagen von allen denjenigen/ welche jemahl das ih- nen von den H. Propheten und Aposteln gepredigte wort verworffen haben/ derer unglauen gleichwohl in der Schrifft so hoch gestrafft/ und ihnen daher das gericht an- gedrohet wird? Sie haben ja aller solcher wahrheit gefuͤhl nicht in sich gehabt/ son- dern das gegentheil vielmehr gemeiniglich zu fuͤhlen gemeinet/ daher sie in einen sol- chen eyffer dagegen offt entbrannt sind/ daß sie die wahrheit zu verfolgen kein be- denckens gehabt haben. Jst nun keiner schuldig etwas zu glauben/ als davon er das innere gefuͤhl in seinem hertzen hat/ so sind all solche Leute unschuldig/ und ihr un- glaube wird ungerecht gestrafft. Jch halte mich hingegen versichert/ was in Gottes wort klar bezeuget/ und aus dessen buchstaben uns dermassen vor augen geleget wird/ daß wir nichts dagegen gruͤndliches aus eben solchen wort Gottes auffzubringen ver- moͤgen/ seye dasjenige/ welches wir zu glauben schuldig sind/ ob wir auch davon kein gefuͤhl haben solten: welchen mangel wir nicht der sache selbs/ ob waͤre sie keine goͤttli- che wahrheit/ sondern unsers hertzens natuͤrlicher unart und haͤrtigkeit zuzumessen/ Gott hingegen um die uͤberzeugung seines H. Geistes dabey stets anzuflehen haben so mache ich auch billich einen unterscheid unterdem glaubens sachen/ deren theils von solchen dingen handlen/ welche ausser uns sind und geschehen/ theils welche in uns sind und geschehen. Was jene erste sind/ zum exempel was in Gott selbs geschehen und ist/ was mit Christi person und mit seinem amt vorgegangen/ was seine verordnungen sind und dergleichen/ da bedarff es nicht eben eine sonderbare fuͤhlung/ sondern eine versicherung unseres gewissens/ daß dieses und jenes in H. Schrifft gegruͤndet seye/ von ARTIC. I. DIST. IV. SECT. XX. von dero goͤttlichen wahrheit und krafft wir hingegen freylich eine empfindlichkeit haben. Was aber die dinger anderer art sind/ die GOTT in uns wuͤrcket/ oder wie er in uns wohnet/ als dahin die rechtfertigung/ heiligung/ wiedergeburth/ erneue- rung/ krafft der Sacramenten und dergleichen gehoͤren/ bekenne gern/ daß davon eine empfindung hey uns seyen koͤnne und solle/ auch bey den glaubigen ausser dem stande der anfechtung sich dermassen finden werde: wie sich nemlich GOTT nicht unbe- zeugt lasse denjenigen/ welche ihn lieben. Ja ob bey den angefochtenen/ es an der empfindlichkeit des glaubens fehlet/ so sind sie dennoch nicht ohne gefuͤhl derjenigen fruͤchten/ aus welchen man ihnen die wahrheit ihres glaubens also zeigen kan/ daß es auch zu dessen empfindlichkeit kommen muͤste/ wo nicht GOTT aus ihm bekan- ten H. ursachen/ solche annoch eine zeitlang zuruͤck hielte. Also trennen wir das ge- fuͤhl nicht von dem glauben und unserem Christenthum/ wir setzens aber in seine rechte ordnung: Damit wird so wohl beschaͤmet derjenigen falsche einbildung/ welche alles goͤttliche allein ausser sich haben/ und von einiger krafft in uns nichts wissen wollen/ vielmehr dieselbe allerdings verlaͤsteren. Hingegen wird zu keinen irrun- gen ursach gegeben/ noch die goͤttliche wahrheit auff einen unrechten grund gesetzet. Ach daß solches von allen recht erkandt wuͤrde! wie wuͤrde es so viel besser stehen/ und nicht ein aͤrgernuͤß nach den andern erweckt werden. Was mich anlangt/ keñet meine werthe Schwester mein hertz/ wie ich zu einigen gewaltsamen mittlen mein lebenlang nicht geneigt bin/ sondern von gern mit und in liebe alles bessere. So habe ich mich nicht gesondert/ sondern weist sie selbs/ daß es andere seyen/ die sich selbs abgesondert haben/ von dem/ was ich ob wol vieler unordnung dabey gestaͤndig/ an sich selbs gleichwohl goͤttlich erkenne/ als was aus goͤttlicher einsetzung herkommet. Sie sind auch mehrmahl bey unterschiedlichen gelegenheiten selbs ihres fehlers erinnert/ und zur wiederkehr gesuchet worden: so gar was auch offentlich von solcher materie zur vrwahrung anderer gewissen und abwendung des aͤrgernuͤsses gehandlet werden muͤssen/ ist aus liebe und einer so liebreichen art geschehen/ daß unpartheyi- sche erkennen muͤßen/ man suche in einem mitleyden der sich sonderenden besserung. Hingegen leugne nicht/ daß nach dem solches geschehen/ nicht anders kan/ als uͤbri- gen vertraulichern conversation mich zu entschlagen/ davon abermahl andere meh- rere einen starcken anstoß fassen wuͤrden/ auff dero liebe ich so wol als auff jene zu sehen habe. Ach der HErr beschehre auch hierinnen die noͤthige Weißheit/ und und gebe uus seinen willen wahrhafftig zu erkennen/ so denn denselben getreulich zu thun. 1684. D d d d 3 SECTIO Das sechste Capitel SECTIO XXI . An einen freund eine beantwortung an meinem verhalten. gefaster vieler scrupul. Von anblickung des goͤttlichen liecht scheins. Von putrefaction. Von der wiedergeburt. Daß es GOtt nicht mit allen auff eine weise halte. Ob meine kraͤffte in dem dienst des Spiri- tus mundi verzehre. Ob neue juͤnger mache. Unordnung unser kirchen verfassung. Ob wir Babel. Secten streit. Vorsatz meines gantzen lebens. J Ch habe desselbigen an mich abgebenes vor mehreren monaten empfangen/ die beantwortung aber deswegen laͤnger verschoben/ weil ich den winter zu einer einigen arbeit/ nemlich ein theil des durch HErren D. Brevings an- griff veranlasseten wercks durch goͤttliche gnade heraus zu geben und also zu verfer- tigen bestimmet hatte. Wie ich dann solche arbeit/ zu dero ich mich nicht einge- drungen/ sondern der HErr selbst mit zimlich kantlicher seines willens bezeugung (daher auch ob wol in einer von zimlicher zeit her ungewohneter arbeit daß gemuͤth dennoch in einer steten freudigkeit durch seine gnaͤdigen wuͤrckung geblieben) beruffen hatte/ so viel werth geachtet/ daß ich des wegen alle brieffe aussetzte/ welche einiges mehreres nachsinnen erfoderten/ und ohne verlust dessen/ an den sie zu schreiben wa- ren/ und also ohn verletzung der liebe koͤnten auffgeschoben werden. Nach dem a- ber die neuliche meß mit verleihung goͤttlicher gnade den ersten theil an das licht ge- geben/ so habe nun einige monate zu den unter den ruͤckstaͤndigen annoch noͤthigen briffen bestim̃et/ und also auch den seinigen vor die hand nehmen wollen. Wie nun derselbige sein hertz gegen mich ausgeschuͤttet/ und sich versichern kan/ daß alles wol auffgenommen; Wie dann ob andere auch an mir irreten und mir unrecht thaͤten/ dannoch ihr treumeinen mir gefaͤllig ist/ und mir auch in jenen gelegenheit zu ei- ner nuͤtzlichen selbst pruͤffung gegeben wird/ welche niemahl ohne frucht bleibet. Hin wieder trage das vertrauen zu ihm/ er werde auch nicht anders als in der liebe auffnehmen sollen/ daß ebener massen freymuͤthig meine gedancken demselben vor- stelle; und vor GOtt mit ihm handele/ welchen ich auch um seine gnade und geist in dieser sache angeruffen und anruffe. Es war nun das erste/ wegen eines extracts eines brieffes/ welchen ich geschrieben/ und darinnen seiner als von ihm mich lædirt befindende gedacht haͤtte. Nun entsinne mich nicht an wem ich eigentlich solches geschrieben/ habe auch nicht wol die zeit/ meine concepten durch zugehen/ ob ich eine abschrifft davon haben moͤge; aber es mag wol seyn/ und erinnere mich auch/ daß dergleichen und vielleicht nicht nur an einen ort/ sondern wo mir von mehrern gelegenheit gegeben worden/ an mehrere geschrieben haben werde. Es ist aber sol- ches ARTIC . I. DIST . IV. SECT . XXI . ches durch aus nicht geschehen/ das mich lædirt befunden/ oder wo auch von an- dern verachtet wuͤrde/ eine offension daraus schoͤpffte; Dann dem Herren dancke ich hertzlich/ der mir hierinnen einige gnade giebet: sondern die ursach ist diese/ mich von allen demjenigen zu entladen/ daß ich keinen theil habe an demjenigen/ worinnen er etwa vorher ausser der ordnung geschritten/ oder noch ins kuͤnfftige sich nach Got- tes verhaͤngnuͤß vergehen moͤchte. Es weist derselbe von selbsten/ wie vielerley in den vergangenen jahren in Teutschland hin und wieder habe leiden muͤssen/ von aller- hand calumnien, feindschafft und hindernuͤßen an gutem vorhaben. Nun was in solchen leiden daher gekommen/ das in der krafft des HErrn unterschiedliche goͤtt- liche wahrheiten/ von der nothwendigkeit des lebendigen glaubens/ von der eitelkeit des so uͤberhand genom̃enen operis operati, von dem verderben in unsern eignen kir- chen in allerhand staͤnden/ sonderlich auch in dem unserigen/ so dañ dabey schulen und universit aͤten/ von der hoffnung der erfuͤllung der noch/ nach vollstreckung der ge- richte/ uͤbrigen herrlichen goͤttlichen verheissung und dergleichen (davon ich in meinen schrifften zeugnuͤß gegeben/ und auch hoffe/ der HErr habe mich armen und unwuͤr- digen in unterschiedlichen stuͤcken zu einer stim̃e gebraucht/ etliche auff zu wecken und auff zu muntern) mit ernst getrieben habe/ nicht nur solches habe mit gedult ertra- gen/ sondern ursach gefunden/ den HErren danckbarlich zu preisen/ daß er mich ge- wuͤrdiget habe/ um seines nahmens und der Wahrheit willen auffs wenigste (weil er mich etwa zu einigen wichtigen leiden noch nicht starck genug befunden) eini- ge schmach und verachtung zu leiden. Jst mir also weder leid/ mit behauptung solcher dinge dergleichen leiden veranlasset zu haben/ noch begehre in dem kuͤnfftigen einige derselben zu verschweigen/ oder nachlaͤßiger zu handlen damit ich meiner scho- nete: will mich also darinnen weder des Evangelii noch der etwa daran hangender leiden (ob sie der HErr auch schwerer wollte ankommen lassen) nicht schaͤmen/ son- dern sie vor meine groͤsseste ehre achten. Es sind aber darneben andere leiden oder ein theil der vorigen gewesen/ da vielerley verdachte auff mich gezogen worden von unrichtiger lehre oder verursachung einiger trennung und unordnungen. Wo zu aber nicht ich selbst gelegenheit gegeben/ sondern unterschiedliche der jenigen/ welche mit mir freundlich umgegangen/ auch von mir wegen solcher uns gemeinen wahr- heiten vertraulich geliebet worden/ eine ursach derselben worden sind. Dann wo diese einige von unserer kirchen genugsam gegruͤndete lehr/ davon ich/ wie ihme selbst wissend/ nie einem Fuß breit abgewichen/ abgehende meinungen ergriffen/ davon ich offt nicht ein wort biß lange hernach gewust/ oder da ich etwas wargenommen/ mit einer gedult und in hoffnung/ wo wir iñ dem HErren werden rechtschaffen treu werden/ daß er auch in demselben seine wahrheit denen/ die sie noch nicht begreiffen koͤnnten/ klaͤrer zu erkennen geben wuͤrde/ dieselbe getragen/ oder da sie in einigen stuͤcken aus unverstaͤndigen eiffer unordentlich gewandlet/ wurde mir solches alles zu gerechnet/ in dem man solche alle als meine discipulos ansahe/ aus denen man/ was hinter Das sechste Capitel hinter mir seyn muͤste/ wohl urtheilen doͤrffte. Jch habe zwar dargegen mehrmah- len protestirt, daß mir damit unrecht geschehe/ auch unbillich seye/ von mir/ waß in meinem hertzen waͤre/ vielmehr aus andern als meinem worten und thaten zu urtheilen. Welches auch durch Gottes gnad seiter bey den meisten durchgedrun- gen/ und dem laͤster teuffel algemach der mund von selbsten zugegangen ist. Jch habe aber aus solcher erfahrung selbs gesehen/ wie noͤthig es einem etwa ohn sein verdienst weiter bekant gewordenen lehrer seye/ sich sorgfaͤltig vor zu sehen/ damit nicht die von andern/ ihm zu gezogene suspiciones etwas derjenigen frucht hin- dern/ welche er sonstern in der krafft GOTTES bringen koͤnte. Nun bekenne gern/ daß in allen stuͤcken es mir an der prudenz mangele/ (obwohl/ wo ich noch immer das vorige uͤberdencke/ noch nicht finden kan/ wie ich es wohl anders mit unterschiedlichen freunden haͤtte halten koͤnnen/ vielmehr offt zu glauben be- wogen werde/ daß der weise Vater in dem himmel mich einfaͤltiges kind in aller solcher sache/ da ich offt selbs nicht wuste/ was ich thun solte/ nach seiner weiß- heit also gefuͤhret habe/ daß wo ich mich anders bezeuget haͤtte/ schwehrere aͤr- gernuͤssen erfolgen waͤren:) aber es hat mich doch dieses gelehret/ daß ie laͤnger ie mehr und fleißiger diese stein des anstosses zu vermeiden befliessen seye/ und wo es noͤthig ist/ darlege/ daß ich nicht an allem schuldig/ was von denen geschiehet/ welche andere/ als von mir depeudirend, mehrmal angesehen. Wie nun mein geliebter freund weißt/ das gleichwohl der selbige auch einer der jenigen gewesen/ von dessen nicht genugsam bedachten einigen actionen mir verdacht zu gewachsen/ nachmahl mit dem tractat (ob ich wohl nicht leugne/ daß ich viele wahrheiten darinen hertzlich annehme Ap. Gesch. 35/ 15.) mir weiter sorge gemacht worden/ man weiche allgemach von der Evangelischen gemeinen lehr/ ferner die andere haͤndel/ so daroben vorgegangen/ und letzlich die entziehung von mir/ und außschla- gung des vorschlags/ da denselben gern in N. N. recommendiren wollen/ mir billiche sorge gemacht/ man werde mehr und mehr aus den schrancken schreiten/ so hoffe ich/ derselbe werde selbs in Christlichem nachsinnen bey sich befinden/ daß es nicht unbillich seye/ meine unschuld an allem solchen nach vermoͤgen dar zu thun/ und also der verantwortung des jenigen/ daran ich die wenigste schuld nicht habe/ so wohl was das vorige als kuͤnfftige angehe/ nach vermoͤgen ab zu lehnen. Hierzu aber ist kein ander mittel/ als zu zeigen/ daß der Herr weder von mir ie etwas zu lernen begehret/ noch daßelbige vertrauen zu mir getragen habe/ so mir von seinem vorhaben part zu geben/ da sonsten vermuthet werden moͤgen/ ob haͤtte ich da auch einigen theil an dem jenigen/ was etwa derselbige noch fer- ner vornehmen moͤgte. Diese bezeugung achte mir gantz noͤthig/ damit ich nicht so wohl meine ehre und existimation, als vielmehr einen theil des daran hafften- den nuͤtzlichen und ungehinderten gebrauchs des von GOTT vertrauten pfuͤnd- leins rettete: Jn dem wo man an meiner orthodoxia bey dero mich der HERR gnaͤ- ART . I. DIST . IV. SECT . XXI. gnaͤdig bewahret hat/ zu zweiffelen mehr ursach finden solte/ durch solchen ver- dacht ich so viehveniger tuͤchtig seyen wuͤrde/ etwas auszurichten. Womit ich mich aber gegen die jenige/ so mir dazu anlaß moͤgen gegeben haben/ entschuldiget/ sind solche dinge/ wie er sie selbsten anfuͤhret/ die an sich aus der wahrheit geschrieben gewesen. Also habe ich mich daruͤber nicht zu beschwehren/ daß mich derselbige in meinem hauße nicht gesprochen/ aber daß kan ich daraus zeigen: Daß das ver- trauen gegen mich nicht der massen gewesen/ daß mit einigen schein/ was biß daher passirt waͤre/ mir ferner moͤchte zu gerechnet werden. Von der beklagten hoͤllischen anfechtungen und kampff/ versichere/ daß ich nicht gewußt/ und wo ich davon mehr und eigentlicher bericht gehabt haͤtte/ meiner liebe pflicht auch darin- nen nicht wuͤrde unterlassen haben; Wiewol auch in solchem fall dahin stehet ob mein hauß/ oder dessen eigen losament zu der handelung von solchem sachen be- q vemer gewesen. Zwar hat derselbe/ als viel mich entsinne/ bereits ehe er in die statt gekommen/ in einen schreiben etwas dergleichen gegen mich gemeldet; aber ich lengne nicht/ daß ich es damahl angesehen/ als eine wuͤrckung/ theils der erkant- nuͤß der suͤnden/ dero fuͤhlung ich allzu fruͤhe zu unterbrechen nicht eben nuͤtzlich ach- te/ theils deß zugezognen schimpffs/ und also meistens als eine traurigkeit der welt/ und fernere erregung eines melancholischen affects/ in welchem fall/ nicht aber gegen die hoͤllische versuchungen selbs/ die distraction des gemuͤths und applici rung deßelben auf stete arbeit ein nuͤtzliches mittel seyen mag. So hat mir/ wie ich nicht leugne/ stets geeckelet/ daß mich gedeucht/ die schuld und das unrecht werde nicht so hertzlich erkant/ sondern mehr auff andere geschoben/ in welchem zu- stand biß zur voͤlligen erkentnuͤß einige weitere demuͤthigung nicht unnuͤtzlich ist. Sonsten/ hoffe/ wird derselbe mir selbs in seinem gewissen zeugnuͤß geben/ daß ich nach vermoͤgen es nicht eben gar an meiner liebe ermangeln lasse: nicht nur allein was wegen anderer promotion, nachdem seiner reinen orihodoxie wieder durch N. N. versichert worden war (und zwar wie dem herrn bekant ist/ aus keiner inten- tion ihn von einigen guten abzuziehen/ sondern in dem wahren gutten unsers Evan- gelii fester zu verbinden/ und gleichsam das biß dahin fluctuir ende gemuͤth in je- nem zu figiren / und ihn nachmahl demselben gemaͤßte occupationes zu geben) ehe der fall ausgebrochen ist/ vorgehabt habe/ sondern da er auch hiegewesen/ und ich ja wo ad restitutionem famæ einige menschliche mittel haͤtten moͤgen gefunden werden/ dazu gern rath und that gegeben haͤtte/ auch denselben durch seinem herrn Hospitem bitten lassen/ daß er auffs wenigste/ wo er sich bey tag unter die leute zu gehen scheuete/ abends zu mir kommen moͤchte/ wo meine liebe gegen denselben mit allen guten vorschlaͤgen und huͤlffe bezeugen wolle. So ich aber von dem Herren selbs aus heiligen ursachen gehindert worden zu seyn achte: indessen hoffe/ er werde aus diesem selbs abnehmen/ daß ich an der von mir beklagten verlassung nicht eben schuldig seye. Was das ander anlangt/ daß derselbe von mir nie be- E e e e gehren/ Das sechste Capitel. gehren zu lernen/ meine seye auch offenbahr. Jch schreibe es aber auch durch aus nicht/ daß mich solches verdroͤsse/ dann ich mir meiner schwachheit hertzlich be- wußt bin/ und sie vielleicht inniglicher ansehe/ als sie mir viele andere vorstellen moͤgen; sondern daß ich mich selbes purgirte/ keine schuld an vorigen und kuͤnff- tigen bey ihnen zu haben/ als der niemahl mein discipul zu seyn mich wuͤrdig geach- tet haben: so ja wahr/ mir aber allerdings gut ist. So hoffe auch von meiner gantzen gemeinde das zeugnuͤß zu haben/ daß ich niemand auff mich weiße/ son- dern so offt selbs vor ihnen bezeuge/ daß mir niemand um meines sagens willen glauben wolte/ sondern allein das jenige annehmen/ was sie aus meinen worten durch des Heiligen Geistes wirckuug in ihrer seelen bekraͤfftiget finden wuͤrden. So eiffere ich auch mit niemand/ wer etwa hier in meine predigten nicht gehen/ son- dern andere lieber hoͤren wolte: vielmehr wuͤrde ieglichen/ der sich durch eines an- dern predigt mehr als durch die meinigen erbauet zu werden bezeugte/ selbs dahin weisen/ daß erfolgen/ wo ihn goͤttlicher finger hin wincke: also gar begehre ich mich niemand zu einem lehrer auff zu dringen/ oder zuͤrne daruͤber. Daß im uͤbrigen derselbe an sich selbs und an seinem eignen zimlich/ ja fast einig gefallen zu tragen ge- pfleget/ daher insgemein andere in seinen augen gering gehalten/ habe gemeinet/ selbs an ihm mehrmahls wargenommen zu haben: so war es auch andern guten freun- den/ ja auch derjenigen/ welche ihn am innersten gekant/ urtheil/ die auch deßwegen die verhaͤngnuͤß Gortes zu damahligen fall solcher ursach zu geschrieben/ daß ihn der heilige und guͤtige Gott in eine hertzliche und heilsame demuth bringen wollen. Nechst deme was derselbe schreibet/ daß/ wie ihn Gott in die wahrheit gefuͤhret/ der Sathan ihn auff allerley weise nachgestellet/ und Gott endlich errettet habe/ lasse ich billich seiner eignen pruͤffung heimgestellet/ als deme solches von mir selbs nicht genug be- kant: Doch habe billich zu bitten/ sich wohl zu pruͤffen/ ob alles was er vor g oͤ ttli- che leitung und liecht haͤlt/ dergleichen wahrhafftig seye/ und sich nicht etwa einiges falsches liecht mit eingemischet/ so dann ob alles von dem Salan gewesen/ welches er davor haͤlt/ und leuten zimlich unrecht damit thun moͤchte/ die er vor dessen werck- zeuge gegen sich ansiehet. Der effect wirds endlich weisen/ in dem nichts von Gott seyn kan/ was von einiger dessen wahrheit und ordnung abzeucht. Ach der HErr fuͤhre ihn ja nach seinem rath/ und lasse ihn durch keine falsche liechter zu seinem ewigen schaden bethoͤret werden/ sondern bewahre seine liebe seele. Jch komme nun auff daß Urtheil von mir/ und versichere ihn/ daß solches mit gedult und sanfftmuth zu trageu von dem HErren gelernet habe/ auch etwa mehrmahl Gott zu dancken ur- sach finde/ wo er mich auch durch unbilliche urtheil zu meiner pruͤffung weißet. Was eine anblickung eines goͤttlichen liecht-scheins zu vernuͤnfftigen erkaͤntnuͤß seye/ be- kenne ich ihm/ daß ich so wenig verstehe/ als andere in dem schreiben enthaltene mir unbekandte terminos. Ach wie wohl thaͤten wir/ wo wir von den wercken des Gei- stes Gottes reden/ daß wir auch seine sprache brauchten/ da andere gute hertzen uns recht ART IC. I. DIST. IV. SECT. XXI. recht verstuͤnden/ sonderlich: wo es sie selbs treffen solte. Jch bleibe nach meiner einfalt bey Gottes Wort/ das zeiget mir die zwey principia, geist und fleisch in uns/ und ausser unserm wesen/ die aber damit handeln/ den Heil. Geist Gottes und den boͤsen geist. Jn welchem nun der Geist die obhand hat/ und nicht nur wider das fleisch streitet/ sondern dasselbe gewoͤhnlich besieget/ welche auch nach aller krafft sich nach dem Geist zu wandelen bestreben uñ auf dessen antrieb acht geben/ hingegen vor dem Satan und dessen wuͤrckung einen hertzlichen eckel haben/ und ihm mit willen nicht dienen/ (dafern solches alles nicht nur gehet auf die eußerliche moral- und der vernunfft selbs bekandte tugenden/ sondern das hertz tieffer angreiffet/ und de n grund der verderbnuͤß die eigen liebe zu reinigen trachtet/ so dann da solches aus ei- nem vertrauen der gnade Gottes in Christo Jesu herkommet) so achte ich solche leu- te vor wahrhafftig wiedergebohrne/ und ihre erkaͤntnuͤß vor keine buchstaͤbliche son- dern lebendige erkaͤntnuͤß/ weil sie sich in ihren fruͤchten offenbahret. Dieses lehret mich der Heil. Geist aus dem Wort Gottes/ und begehre ich mein lebenlang dabey zu bleiben. Er gedencke aber selbs/ obs der goͤttlichen wahrheit und der liebe gemaͤß seye/ einem menschen die goͤttliche erkaͤntnuͤß abzusprechen/ welcher sie nicht allein blosser dings aus Gottes Wort herhat/ und alles nicht menschen zu gefallen/ sondern dem zeugnuͤß des HErren in der Schrifft/ dero goͤttlichen krafft er bey sich empfindt/ glaubet/ aus derselben erkaͤntnuͤß der gnade Gottes in Christo/ und derer in diesem habender heils schaͤtze/ sich also getroͤstet/ daß er darin seine einige freude/ ruhe und seeligkeit suchet/ mit gering achtung alles irdischen/ obs auch die groͤsseste gluͤck- seligkeit waͤre/ kriegt auch krafft aus solcher erkaͤntnuͤß sein fleisch und blut zu creu- tzigen/ und seinen luͤsten auch in den stuͤcken/ wo es kein mensch gewahr werden kan/ sondern er allein auff GOttes gegenwart siehet/ abzubrechen/ und darinn seine freude zusuchen/ worinn die natur sonsten ihren todt und mißfallen hat/ nicht we- niger sich also zu demuͤthigen/ daß er gantz gruͤndlich sein nichts in sich selbs erken- net/ so dann GOTT also hertzlich zu lieben/ daß er mit wahrheit/ was er thut/ in der absonderlichen oder allgemeinen absicht demselben es zu liebe zu thun/ sich bestrebet/ mit einer willigen resolution, allezeit sein leben vor denselben auff zu opffern/ auch den nechsten so zu lieben/ daß es keine heuchlerische/ sondern eine gruͤnd- liche und von innen herausqvellende liebe seye/ sonderlichst aber die kinder Gottes so zu lieben/ daß er sobald er einige derselben gewahr wird/ sobald in sich eine so zu reden natuͤrliche (die aber uͤbernatuͤrlich ist/) zuneigung gegen sie bey sich fuͤhlet/ hie sage ich noch einmahl: Ob es GOttes Wort gemaͤß seye/ einen solchen men- schen vor einen bloß natuͤrlichen menschen zu achten/ kan ich nicht begreiffen/ viel- mehr halte mich versichert/ solche stuͤcke/ die also neben einander stehen/ seyen viel zu viel/ als daß eine gute complexion und vernunfftliecht ex spiritu astrali solche zu wuͤrcken vermoͤchte. Dabey dancke ich GOTT/ daß obwol meiner schwach- heit mir hertzlich bewußt/ in der pruͤffung mich seiner gnade nicht gantz lehr befinde. E e e e 2 Was Das sechste Capitel. Was von der putrefaction, die vor der widergeburth hergehen muͤsse/ (wo sie et- was anders ist/ als die wahre buß)/ auffschliessung des contri der seelen/ und der- gleichen geme det wird/ verstehe ich solche wort nicht/ und bleibe bey meiner einfaͤlti- gen Bieb el / die ist mir geheimnuͤß genug; so vergnuͤge mich auch an ihren redens- arten/ und besorge daß aus der καινο ωνία leicht eine κενο νία werden moͤchte. Daß ein ieglicher zu seiner widergeburt durch eine solche verwesung gehen muͤste/ daß die seele eine weil eben so wenig labsal von innen und aussen empfinden/ als Christus an dem creutz/ saget mir die Schrifft nirgends: ob ich wol nicht laͤugne/ daß der HErr freylich auch manche/ und etwa die jenige/ welche er zu seinen wichtigsten geschaͤfften bereiten und kraͤfftigere werckzeuge aus ihnen machen will/ in eine dergleichen hoͤlle fuͤhre/ geineiniglich aber nicht so wol in ihrer bekehrung und widergeburt/ als da sie schon in der gnade eine gute weil gestanden/ und dergleichen einer probe faͤhig wor- den sind: Wodurch gewiß ist/ daß viel stattliches und himmlisches in ihnen dadurch gewuͤrcket werde. Daß aber alle widergeburt und bekehrung auff solche weise geschehen muͤste/ wird weder GOttes Wort noch die erfahrung lehren. Seine wege sind heilig/ unbegreifflich und obwol auff einem zweck gerichtet/ den- noch nicht ohne grossen unterscheid: Er ziehet einige seelen mehr mit sanfften und an- muthigen liebes-seilen/ und laͤsset die selige geburt auch bey ihnen mit geringern oder kuͤrtzern schmertzen hergehen/ bey andern haben seine schrecken mehr platz/ und gehet saurer her: Jedes und bey ieden nicht von ungefehr/ sondern nach dem rath seiner H. Weißheit/ dero wir nicht mit Petro/ Joh. 21/ 21. einzureden/ oder ihn wegen des unterschieds/ welchen er in seinen wegen haͤlt/ zu rechenschafft zu fordern/ haben/ wollen wir nicht auch hoͤren/ so ich will daß dieser bleibe biß daß ich komme/ daß er auff leichtere und anmuthigere art durch weniger binden gefuͤhret werde/ was gehet es dich an/ folge du mir nach/ und seye zu frieden mit der disposi- tion meiner weißheit uͤber dich. Einen Paulum schlaͤgt der HErr so zu reden als mit einem blitz zur erden/ und muß er drey tage in blindheit/ und fasten aushalten/ wo es etwa ohn die empfindligsten schmertzen nicht her gegangen seyen mag/ ehe ein solchs edles kind gebohren wurde: bey andern. Ap. Gesch. 2. war es aus einer predigt eine einige ernstliche buß betruͤbnuͤß/ so das hertz durchdringet/ und gelangen solche leute sobald solchen tage noch zu der gnade und Sacrament der widerge- burt: mit dem Caͤmmrer und Kerckermeister Apost. Geschicht 8. und 16. ginge es etwa noch geschwinder daher/ und wurden gleichwol alle so bald in den stand gesetzt/ darinnen sie seelig werden koͤnten/ welches ie nicht ohne wahren goͤttlichen glauben und also eindringung des himmlischen liechts und krafft in die seelen selbs/ folglich die wahre wiedergeburt/ kan geschehen seyen: und gleichwohl fuͤhlen eben nicht alle sel- bige das jenige/ wo durch der HErr andere seine auserwehlten aus ihme beliebten rath gefuͤhret hat: wie er auch in andern stuͤcken seines umgehens mit den seinen in euserlich und innerlichem zimlichen unterschied haͤlt/ daß also auch dieser art un- ter- ART . I. DIST. IV. SECT. XXI. terscheid uns nicht so fremde vorkommen/ noch was wir an einigen warnehmen/ ja wo wirs an uns selbs erfahren haͤtten/ so bald als die allgemeine regel/ die alle ange- het/ von uns angesehen/ oder davor ausgegeben werden solle. Dieses bleibet allein wahr und ausgemacht/ daß in Christo und in dem Christenthum seye ἀλήθεια, eine wahrheit und also nicht eine aus der vernunfft gefaßte einbildung/ sondern etwas wuͤrckliches von GOtt gewuͤrcket/ eine θεία φύσις, wie Petrus redet 2. 1/ 4. eine him̃- lische und goͤttliche art/ welche sich in die gantze seele ergießet/ und deroselben kraͤff- ten/ verstand/ willen und affecten, erfuͤllet: Daher der mensch wahrhafftig sich an- ders als er vorhin gewesen/ und die unwidergebohrne sind/ gesinnet befindet/ daraus er erkennet/ es seye etwas in ihm (in gesunden verstand/ wie nicht nur die substantiæ sondern auch eigenschafften ihr wesen haben) wesentlich/ so nun daß innere princi- pium in ihm ist/ aus dem das gute bey ihn so eigentlich herkommet/ als sonsten aus der inwohnenden suͤnde er die reitzungen bey sich fuͤhlet. Also erkenne ich gern/ daß unter dem buchstaben und krafft ein maͤchtiger unterschied seye/ in dessen ist doch der buchstaben das gesegnete mittel/ wodurch in den hertzen der jenigen/ welche dem Heil. Geist platz geben/ die krafft sich offenbahret und wuͤrcket. Da- her o der jenigen/ welche aus dem buchstaben/ aber in der mitwuͤrckung des Heiligen Geistes/ gelehret sind/ wandel ist nicht eben ein scheinwandel/ sondern ihre seelen sind wahrhafftig voll glaubens/ nicht irrdisch sondern himmlisch gesinnet/ und wuͤr- cken/ was sie thun/ in einer nicht heuchlerischen/ sondern wahren liebe Gottes und des nechsten. Bey wem aber mehr urtheilen/ richten und verdammen seye/ bey den jenigen/ die sich von dem buchstaben als dem werckzeug der goͤttlichen krafft nicht abziehen/ noch etwas anders als/ was sie aus demselben von Gottes gnaden uͤberzeugt worden/ wissen wollen/ oder bey den ienigen/ welche andre als buchstaͤbler verachten/ und von lauter geist und offenbahrungen sich ruͤhmen/ wird der tag des HERRN offenbahren: Doch offenbahrets sichs mannichmahls bereits in der welt genugsam/ wie bald liebe/ sa fftmuth/ und gedult/ der jenigen aus seye/ welche doch das ansehen haben wollen/ als waͤre ihre eigene uͤbung durch das Creutz Christi sich selbst zu brechen zu lassen. Welches wir aber dem HERRN und unser aller Richter zu uͤberlassen/ hingegen uns allerseits genau zu pruͤffen/ und in auffrichtiger liebe unter einander zu warnen haben. Daß ich meiner seelen kraͤfften in dem dienst des spiritus mundi verzehren muͤsse/ bin ich nicht uͤberzeuget/ der ich vielmehr nach dem vermoͤgen/ daß der HErr darreichet/ ob es wohl geringe ist/ trachte dem Geist des HErrn zu dienen/ und ihn um seine gnade flehentlich anruffe/ daß er meinem verstand/ willen/ zunge und feder regiren/ und mich nicht von mir selbs gefuͤhret werden lassen wolle. Dieses bete ich in kindlicher einfalt/ und weiß daß ich darinnen bete nach des HErrn willn/ als der solches will. Jch gebrauche mich darneben der ordrntlichen mittel/ und E e ee 3 begeh- Das sechste Capitel begehre meinen zuhoͤrern nicht meine eigene einfaͤlle vorzutragen/ sondern predige ihnen das Wort des HErrn/ so in der Propheten und Apostel schrifften zu diesen ende uns hinterlassen/ von mir und andern vor der gemeinde ausgesproch n werden muß. Weil ich mich auch selbs durch Gottes gnade kenne/ und weiß/ daß ich das fleisch an mir trage/ so dem Geist widerstreitet/ und aus demselben auch offt ein falsches liecht sich bey dem goͤttlichen unvermerckt einmischen kan/ habe ich meine zuhoͤrer so offt vor mir selbst und allen menschen gewarnet/ daß sie weder mir noch einigen men- schen um unser person und amts willen/ sondern/ allein dem jenigen so wir ihnen aus Gottes Wort also vorstellen/ daß ihre gewissen durch die krafft und liecht desselben uͤberzeuget werden/ glauben sollen. Also begehre ich mir nicht/ sondern allein Chri- sto/ juͤnger zu machen: sage auch dem HErrn ewigpreiß/ der seines unwuͤrdigen knechts stimme nicht allezeit hat lassen in dem wind gehen/ sondern sich etwa seelen sinden werden/ welche bezeugen koͤnnen/ was vor ruͤhrung sie davon empfunden/ ei- nige eines geruchs des lebens zum leben/ andere leider eines geruchs des todes zum tode/ so wider ihren willen die durchdringende und uͤberzeugende krafft haben fuͤhlen muͤssen. So formire ich nichts nach eignen willen/ sondern wolte gerne in goͤttlicher ordnung ein werckzeug seyen/ daß Christus in vielen hertzen moͤgte formiret werden. Ob mirs um das zeitliche und gemaͤchliche leben und der gleichen auctoramenta sæculi zu thun seye/ will mich eben nicht nur auff mein gewissen/ sondern auff den augenschein selbs beruffen: ob nicht manche seyen werden/ welche mit meiner lebens art ihr auch muͤhsamen stand nicht wuͤrden verwechslen wollen: ob nicht etwa in al- len dem/ was das fleisch verlanget/ sich zimlich offenbahr zeigen liesse/ daß ich mehr haben/ und geniessen/ und es weiter bringen koͤnte: und vielleicht moͤchte ausser sol- chem dienst/ den ich verwalte/ eine lebens art finden/ darinnen mehr von demjenigen genoͤsse/ was etwa viele vermuthen/ meine treibende ursach/ oder abhaltung von ei- ner aͤnderung zuseyen. Die unordnung unserer kirchen-verfassungen/ woraus vie- ler mißbrauch der goͤttlichen guͤter entstehet/ bejammere mit andern Christlichen freunden hertzlich: ich sehe aber mich und alle andere zu schmach/ den stein zu heben/ sondern aus allen deßwegen vermessenlich vornehmenden conaminibus nur meh- rere zerruͤttungen und remedium malo deterius. Jn dem der hauptfehler nicht an solchem effectu zu suchen/ sondern er stecket in cau s a, welcher ziemlicher massen diese ist/ daß dem dritten stand in der kirchen ihre rechte uͤber ihre glieder und dero gemeinschafft zu ertheilen von den beyden obern staͤnden laͤngsten entzogen. Daß aber jener wieder restituiret werde/ sind solche hindernuͤßen/ die nicht anders als durch goͤttliche allmacht uͤberwunden werden moͤgen. Jndessen thaͤten wir predi- ger mehr unrecht/ als recht/ wo wir eigenmaͤchtig des jenigen rechts/ so der gantzen kircken gebuͤhret/ uns annehmen/ und es uͤben wolten. Es waͤre dann sach/ daß Gott selbs iemand mit ausser ordentlichen Heroischen Geist und trieb ausruͤstete/ das was niemand uͤben will/ oder ordentlich in solches eintringen darf/ weiß die jenige/ denen es gebuͤhret ARTIC. I. DIST. IV . SECT. XXI. gebuͤhret/ von ihren recht vertrungen worden/ in solcher krafft angriffe/ und ausfuͤh- ret. So zwar zu geschehen schwerlich hoffe/ vielmehr andere aͤnderung durch schwe- re gerichte sorge. Jndessen da ich hierinnen verfahren muß/ nicht wie ich wolte/ sondern wie ich kan/ und die jenige nicht abhalten darff/ die sich versuͤndigen wollen/ stelle ich doch den leuten die sache also vor/ daß sie/ wo sie verlohren gehen/ nicht aus unwissenheit verderben/ sondern ihnen genugsam vorgeleget ist/ wo sie dieversiche- rung der guͤltigkeit ihrer absolution, und nutzen der communion zu suchen haben. Wird es ihnen damit ein geruch des todes zum tode/ so ists ihre schuld. Daß un- sern gesamten kirmen-wesen eine schwehre heimsuchung/ welche andere nach dem eus- serlichen vor eine voͤllige verstoͤhrung achten moͤchten/ vorstehe/ glaube und lehre ich selbs. Daß es aber Babel seye/ hat mir noch nie keiner/ wie hertzlich ich gebeten/ aus goͤttlichen Wort zeigen koͤnnen; Dann die blosse derivatio des worts machets in einer solchen wichtigen sachen nicht aus/ sondern mir haben aus dem typo des al- ten Testaments und des Heil. Geists anweisung in apocalypsi zu lernen/ was es seye. Jch kehre und wende die sache aber/ wie ich wolle/ so kommets nie anders heraus/ als daß einmahl ein unterschied unter einem verdorbenen Jerusalem und dem Babel seyen/ auch dieses in der verstoͤhrung des andern sein maß der suͤnden erfuͤllen/ und sein gericht herbey ziehen muͤße. Zeiget mir ein anderer etwas bessers/ aber also/ daß ich dessen aus dem Wort des HErrn uͤberzeuget/ nicht aber auff menschen gutduͤncken gewiesen werde/ so bin ich bereit/ iede wahrheit mit demuth an zu nehmen. Daß ich neue meinungen schnitzen wolle/ hoffe nicht/ daß ich iemand nur anlaß gegeben habe/ dergleichen von mir zu gedencken: daß aber alles secten streit seyn solle/ was uͤber glaubens-lehren gehandlet wird/ ist zu viel geredet. Zwar ists freylich allemahl auff seiten der jenigen/ welche die falsche lehre (da immer unter zweyen contradictoriis die eine falsch seyn muß/) vertheidigen/ ein streit einer secte/ die sich von der wahrheit getreñet hat: was aber vor die wahrheit gegen jener irthum in der furcht des HErrn geredet und geschrieben wird/ bleibet ein werck aus GOtt und in demselben gethan. Welches so lang fortgetrieben werden muß/ als die wahrheit widerfochten wird/ biß der HErr selbs auff andere art die widersprecher zu schanden mache. Wo ich also endlich kurtz meinen gantzen sinn und intention fassen solle/ so stehet er dahin/ daß ich mein gantzes leben/ (dessen etwa weniges mehr uͤbrig seyen mag) verlange zu zu brin- gen in einfaͤltiger vortragung goͤttlichen Worts und Evangelii bey alten und jungen/ offentlich und absonderlich/ nach aller gelegenheit und vermoͤgen/ daß der HErr geben wird/ damit ich mein armes pfund nach schuldiger treu anwende/ und so viel damit wuchere/ als der HErr segen geben will/ ich werde mich befleißigen den suͤndern Got- tes zorn vorzustellen/ sonderlich die larve des falschen mund glaubens und vertrauens auff das opus operatum mehr und mehr den leuten abzuziehen/ und die gefahr/ so ihrer seelen/ als unserer zeiten/ auffs deutlichste vor zumahlen: hin wieder allen menschen die gnade Gottes in Christo Jesu verkuͤndigen/ sie dazu einladen/ den weg zeigen/ Das sechste Capitel. zeigen/ und denen die sich gerne eriñern lassen/ mehr und mehr die schaͤtze ihrer seeligkeit weisen: ich wuͤrde trachten/ keine zeit zu versaͤumen/ sondern in arbeit zum gehorsam Gottes und liebe des nechsten alle stunden zuzubringen/ was nicht die nothdurfft des leibes vor sich erfodert: ich werde den HErren anruffen/ daß er sich mein und sei- nes gantzen hauffens erbarmen/ mir dasjenige/ was mir vor mich und andere/ vor- nemlich um dieser willen/ da ichs vor mich nicht wuͤrdig bin/ noͤthig seyn mag/ aus genaden verleihen/ und mich zu seinen werckzeug machen nimmermehr aber mich von mir selbst regieret werden lassen wolle. Dieses ist mein stetes und in das hertz tieff ein- getrucktes verlangen auch in der zeit/ da ich eben nicht bete/ soll aber imerfort in seuff- tzen ausbrechen/ und gewißlich nach Goͤttlicher verheissung erhoͤret werden: ich werde mit jammernden augen und seufftzen ansehen/ was ich nicht aͤndern kan/ sondern der HErr die aͤnderung und besserung seiner macht vorbehalten hat/ dero es auch befeh- le/ indessen trachten mich von der welt unbefleckt zu behalten: ich werde der zeit er- warten/ da der HErr etwa bald Babel uͤber uns macht geben wird/ und wo er auch mich um seines nahmens willen etwas will leiden lassen/ ihn bitten/ daß er mich sol- ches mit freuden und dancksagung vor solche wuͤrdigkeit wolle uͤberwinden lassen/ als der mich der malzeichen des HErrn JEsu/ wo ich versichert bin/ daß es solche/ und leiden vor die wahrheit/ seyen/ nicht schaͤmen will. So stehet mein hertz und vorsatz vor ihm auffgedeckt/ und muß ich geschehen lassen/ was er davon urtheilen will. Jch bitte schließlich den himlischen Vater/ daß er auch das in ihm gelegte gu- te mehr und mehr reinigen/ von aller eigenheit/ die in dem subtilsten am aller gesaͤhr- lichsten ist/ bewahren/ alle irrwege/ wo er in einige gerathen waͤre/ oder denselben na- he stuͤnde/ mit seinen liecht zeigen/ und ihn davon abwenden/ hingegen die verliehene gaben zu einem nuͤtzlichen gebrauch heiligen und wiedmen wolle/ an jenem grossen tage davon rechenschafft geben zu koͤnnen. Dieses ist der inniglichste wunsch meiner seelen aus wahrer liebe: Jn deme der HErr mich auch diejenigen zu lieben gelehret/ an denen die verlangte freude nicht finde/ aber demselben sein regiment uͤber die seelen/ welche sein sind/ laßen solle. Ach daß keine von allen verlohren gienge/ oder ie so wenige/ als Goͤttliche gerechtigkeit zu giebt/ unter die wir auch unsere wuͤnsche und begierden zu demuͤthigen haben. Jn des Vaters der barmhertzigkeit und unsers treu- sten Heylandes liebreiche obhut und gnadenregierung hertzlich erlaßende verbleibe schließlich u. s. w. den 6. Jun. 1684. SECTIO XXII . Als ein prediger in gefahr sein amt zu verliehren gekom- men/ und man mich mit einflechten wolte. J Ch kan aus dem schreiben von dem gegenwaͤrt i gen zustande des herrn bru- ders nichts voͤllig gewisses absehen; ob die dimission wuͤrcklich erfolget/ oder nicht; hier aber erschalte das geruͤcht/ daß es bereits geschehen seye/ und er naͤchster ART IC. I. DIST. IV. SECT. XXII. naͤchster tags hier seyen wuͤrde; Dahero noch die voͤllige gewißheit nicht habe/ und desto lieber/ wo er ohne das hier zu erwarten/ mein schreiben verschieben wollen. Es ist mir die gantze sache nicht wenig leid/ und wuͤnsche ich/ daß in derselben anders gegangen waͤre. So werde ich auch selbs fast darinn eingeflochten/ da ich mich doch allerdings daraus zu halten verlange/ und in einem mir so zweiffelhafften wer- cke nicht anders ursach habe. Jch werde aus N. schon errinnert/ daß ich daselbs in grossem verdacht stehe/ ob hielte ich die partes des herrn N. N. und anderer mit denen das consistorium in zwist stehet/ mit der anmuthung eines guten sreundes/ daß ich doch publico seripto mich dessen entschuͤtten moͤchte: So ich zwar ntcht resolviren wuͤrde. Hingegen werde von gedachtem herrn bruͤder angesehen/ ob entzoͤge mich zu viel/ und wolte auff beyden seiten hincken/ der sich auch druͤber be- schwehret/ daß ihm vorgehalten worden/ daß ich nicht mit ihme zu frieden/ dadurch er in seiner sache graviret werde. Nun lasse ich einen jeden unpartheyisch/ und Mghn. selbs Christlich urtheilen/ ob ich nicht ursach habe/ mich nach allem vermoͤgen aus dem werck zu halten. Es trifft dasselbige nicht eine solche algemeine sache oder lehrpuncten an/ uͤber dem jeglicher unserer kirchen lehrer nicht nur halten sondern sol- chen auch mit hindansetzung aller respecte behaupten muß/ sondern einen absonder- licher streit/ welchen das Consistorium mit gewissen personen hat/ da aber ich uͤber dieses mich des gerichts nicht anzumassen/ noch einen ἀλλοτριο πίσκοπον abzugeben/ zu deme auch nicht beyde partheyen daruͤber gehoͤret habe. Was meine lehre in thesi in solchen materien/ daraus der streit entstanden/ betrifft/ habe ich dieselbe publicis scriptis voꝛ augen geleget/ uñ nun daruͤbeꝛ weiteꝛ nichts zuthun/ solle auch billig damit nicht eingeflochten werden. Was den werthen herrn bruder anlangt/ hoffe Mhghr. werde sich versicheren/ daß ich denselben liebe/ und von grund der seelen verlange/ daß seine gaben moͤchten viele frucht bringen. Jch æstimire an ihm eine hertzliche begierde/ GOtt treulich zu dienen/ daran und an der auffrichtigen intentio n in allen seinen sachen keinen zweiffel trage: daher erkenne mich schuldig/ ihn vor andern hertz- lich zu lieben/ und das gute an ihm nach vermoͤgen zu befoͤrderen. Wie dann auch vor dem HErren bezeugen kan/ daß mein hertz also gegen ihn wahrhafftig gesinnet ist: Hingegen auch neben dem wird Mhghr. sich wohl erinnern/ daß wir nicht eben ei- nerley meinung in allen stuͤcken seyen/ sonderlich wie weit sich eines predigers pflicht erstrecket/ wie denn nun derselbe davor haltet/ er sey seiner meinung gewiß/ und da- her verbunden/ alles daruͤber zu leiden: so glaube auch meiner seiten/ guten grund zu haben/ dessen/ was ich davor halte? Wen nun der geliebte herr bruder wegẽ der behaꝛ- rung auf dem seinigen/ wozu er sich von seinem gewissen getrieben achtet/ leidet und in ungelegenheit kom̃et/ so ist ja nicht moͤglich/ daß ich mich seiner so fern annehmen kan/ die sache und meinung selbst zu billichen und was gegen ihn geschiehet/ oder die sich gegen ihn setzen/ zu verurtheilen. Denn ob ich mich wohl versichere/ daß er nach sei- nem gewissen thu so wissen wir doch daß eine conscientia auch erronea oder scru- F f f f pulosa Das sechste Capitel. pulosa seyen koͤnne. Jst also gung/ daß ich mich davon abziehe/ und auff keine seite mein urtheil faͤlle/ ob ich wohl nicht leugnen kan noch darff/ daß in quæstione selbst/ was zu unserer zeit einem diener Christi obliege/ ich mit ihme nicht aller dings mit einstimme/ in dessen mit Christlichen mitleiden das was ihme begegnet/ an- sehe/ und wo ich anderwerts/ da man etwa ihme eher in demjenigen/ was sein gewis- sen aͤngstiget/ an die hand gehen doͤrffte/ befoͤrderlich seyen kan/ mich dazu willig verstehe. Aber seine gegen parthey anzugreiffen/ oder mich gegen sie zu declarirer, hingegen sein leiden als ein martyrium zu loben/ ist mir nicht zu zumuthen; in dem ich in solchen wieder meinen eigenen sinn staruiren, mein gewissen verletzen/ und auf nicht nur einerley art unrecht thun wuͤrde. Jn dessen kan nicht billigen/ wo man mit falsis narra t is in ihn setzet/ wie er klaget/ ihm vorgehalten worden zu seyen/ ich haͤtte nach N. N. in einem brieff contes t irt, ich haͤtte schon mit so viel 1000. bitteren zaͤh- ren berenet/ daß ich mein collegi u m angefangen/ da ich doch noch niemahl einen thraͤnen daruͤber vergossen/ noch ursache gehabt habe/ mich solches reuen zulassen/ vielweniger dergleichen geschrieben habe. Welcherley zu thun und auff eine person zu erdichten/ nicht recht gethan ist. Jch verlange aber aufs eheste den endlichen außgang der sachen zu erfahren/ und ruffe den HErren Herren demuͤthig an/ welcher alles zum besten wenden/ und sonderlich den geliebte herrn bruder mit dem Geist der weiß- heit und wahrheit also regieren wolle/ daß in patria oder wo er ihn anderwertlich hinsenden wolte/ seine gaben und gute intention viel nutzen schaffen moͤchte. Wo- zu dann was mit guten gewissen beyzutragen vermag/ willig thue/ und es so viel kraͤfftiger zu thun vermoͤge/ werde wann man mich jetzo daraus laͤsset/ und sich in nichts auff mich berufft. den 18. Jul. 1685. SECTIO XXIII . Verbot irriger buͤcher. Wie mit gutmeinenden aber allzu- hefftigen eifferern zu verfahren. Daß uͤber Jacob Boͤhmen nicht ur- theilen koͤnne. Von unrichtiger beruffung auff meinen consensum. Ob mich mein collegium gereuet. W Egen herr N. N. war mir sehr lieb/ einigen bericht zu haben/ und zwar daß er die ordination endlich angenommen: hingegen war mirleid/ daß nachmahl die sache wieder verdorben/ und das vorige revocirt worden. Gleichwol wundere ich mich auch der zugemutheten durchgehung der bibliotheck. Wir schel- ten an den Papisten/ daß dieselbe unsere buͤcher/ die sie vor ketzerisch halten/ ihren leu- ten zu haben und zu lesen verbieten/ und achten solches vor eine boͤse anzeige zu seyen einer boͤsen sache/ und wider das jenige zu streiten/ daß wir 1. Thess. 5/ 21. alles pruͤf- fen moͤgen/ aber das gute behalten sollen. Wie ich nicht leugne/ daß mir selbs der Papisten lehr wegen solches verbots so viel verdaͤchriger allezeit gewesen ist. Sol- te ARTI C. I. DIST . IV. SECT. XXIII. te aber solches in praxi nicht allgemach da hinaus lauffen/ was wir in Theoria verwerffen/ wo/ ich will nicht sageu/ einem andern Christen/ sondern gar eiuem pre- diger/ verboten seyen solte/ irrlehrige buͤcher zu haben und zu lesen. Jch sorge zwahr haͤfftig wir prostituiren uns damit selbs/ und aͤrgeren die widersacher/ da es ihnen kund wuͤrde; Daß sie sagen/ was wir pro forma und nach unserem interesse an ihnen strafften/ thaͤten wir selbs und zeigten/ daß so wenig unsere lehr die gemuͤ- ther fest machen/ und gegen die irrthuͤmer verwahren muͤßte/ als wir der ihrigen schuld geben/ daß wir sie auch mit einer solchen gewaltsamen abhaltung fremder lehr erst muͤßten in sicherheit setzen. Sonsten die sache herr N. N. anlangende/ wiederhohle/ wie allemahl/ daß ich davon nicht urtheilen koͤnne/ als der ich nicht alles von beyden theilen weiß/ und mirs auch nicht zukommt/ mich in fremde haͤndel zu mischen: ei- nes redlichen hertzens und treue nach seinem gewissen versichere ich mich von ihm gewiß/ habe auch an der orthodoxia keinen mangel gehoͤret; wie weit sich abec sei- n e prudenz erstrecke/ weiß ich nicht. Jndessen glaube/ daß allemahl solche leute/ dero redliches hertz gegen GOtt sich zeiget/ ob sie in dem eiffer zu weilen excediren, und sich/ nicht in einerley schrancken mit anderen einschrencken lassen koͤnnen/ mit mehrer sanfftmuth als sonst jemand zu tractiren und in ordnung zu bringen seyen/ damit das gute in ihnen nicht nieder geschlagen/ ihren aͤngsten des gewissens gera- then/ und sie nicht geaͤrgert werden. Geschiehet aber solches nicht/ und man brauchet einige hefftigkeit/ daß man mehr mit autorit aͤ t und befehl als kraͤfftiger uͤberzeugung des gewissens in sie setzt/ so ist nicht zu sagen/ was vor aͤrgernuͤß in dem guten leuten entstehet/ daß sie auch in den scrupulen und irthum ihres gewissens nur desto mehr gestaͤrcket werden/ recht zu haben/ weil die procedur gegen sie mit Christi manier/ uach ihrer meinung nicht uͤber einkommet/ ja es kan endlich gar weiter kommen/ daß ihnen unser kirchen-wesen/ und lehr endlich selbs verdaͤchtig wird/ biß sie gar in irrige meinungen verfallen/ und ihnen schwer mehr zu helffen ist/ da sie sonst auf ande- re liebreiche arten noch moͤchten erhalten werden/ wann man ihn zeiget/ wie man das gute in ihnen liebe/ und gerne befoͤrderen wolle. Ob nun auff diese weiß biß- her mit ihm verfahren worden/ weiß ich nicht/ will es aber lieber hoffen/ als das ge- gentheil beschuldigen. Mit einem publico scripto mich von den Boͤhmisten oder absonderlich von diesem (wiewvl von herr N. N. nicht weiß/ daß er an Boͤhmen hangen solte)/ zu separiren, kan ich den vorschlag nicht annehmen. Was ich von einigen scrupulis halte/ die separation und zustand unserer kirchen/ auch pflicht des predigtampts anlangend/ habe ich meine meinung deutlich in dem tractat von dem gebrauch und mißbrauch der klagen erklaͤhret/und damit gezeiget/ wie ich mit unterschiedlichen solchen leuten nicht einerley halte: Deßwegen auch solche mit mir nicht werden zu frieden seyen/ jedoch weil sie in liebe geschrieben zu seyen schon hoffe etnige damit zu gewinnen. Boͤhmen besonders betreffend/weiß mein werther bruder meine sorge und daß ich ihn weder gelesen noch zu lesen/ und folglich auch F f f f 2 nicht Das sechste Capitel nicht zuurtheilen traue; Dahero keinem theil mich zu geselle/ weil der dem die ihnvor ei- nen von Gott hoͤchsterleuchteten mann achten/ nachdem ich dessen noch keine genug- same uͤberzeugende grunde sehe/ noch denen/ die ihn vor einen gefaͤhrlichen irrgeist halten/ und verdammen/ als deren keiner mir noch genug gethan/ oder ich nur in den- selben sehen koͤnnen/ daß sie des mannes meinung in allem eigentlich begriffen ha- ben; Daher allem wuͤnsche/ daß die sachen in der kirchen mehr untersuchet wuͤr- de/ und der HERR solche leute erweckte/ welche mit genugsamer krafft des Gei- stes das werck angreiffen/ und der kirchen deutlich vor augen legen/ was man an dem mann habe/ ob man ihm folgen oder ihn verwerffen muͤße. Biß dieses geschie- het/ stehe ich stille/ mißrathe wo mich jemand fragt/ die lesung des Boͤhmen schriff- ten/ weil sie auffs wenigste dunckel sind/ und wir an den schrifften genug haben/ aber verbiete sie nicht/ als wozu ich gegen die freyheit der Christen keine macht habe/ und halte den jenigen noch vor orthodox welcher sich zu unserer orthodoxia und glau- bens lehr unserer kirchen bekennet/ ob er wol von Boͤhmen hoch haͤlt/ deren ich ei- nige kenne. Der ursach wegen kan ich mit guten gewissen Boͤhmens in keinem publico s c rip t o auff einige weise gedencken/ weniger mich gegen ihn declariren : Was den consensum anlangt/ weiß ich nicht/ worinn etwa dergleichen leute sich auff mich beruffen/ als daß ich den zustand unserer kirchen in allen staͤnden/ sonder- lich aber in dem so genanten geistlichen stand/ sehr elend und verdorben zu seyen er- kenne und beseuffze; so dann nach den goͤttlichen zorn gerichten die erfuͤllung der noch weitern verheissung von bessern zustand gewiß erwarte. Jn gegenwaͤrtiger zeit aber stets bey aller gelegenheit lehre/ daß es mit der orthodoxia und dem opere operato, des eusserlichen Gottesdienst nicht ausgemacht/ sondern der wahre und leider bey wenigen befindliche glaube noͤthig/ also in Christo ἀλήϑεια, ein recht- schaffenes wesen seye. Dieses ist auch/ was ich in allen meinen oͤffentlichen schrif- ten treibe/ und meine bekaͤntnuͤuͤs ohne jemands wiederspruch vor der kirchen gethan habe. Berufft sich jemand auf weiteren consensum von dem muß gefodert wer- den/ daß ers darthue. So leuge ich nicht/ daß ich die jenige vor keine rechtschaffene Theologo s halten koͤnte/ welche/ da sie meine orthodoxiam aus meinen fchrifften zwar sehen/ wo sich auch ein irrglaͤubiger auff mich beruffte/ mich daruͤber nicht bruͤderlich befragen/ sondern allein hinterrucks mich mit verdacht beleiden wolten/ wider die regul Sirach c. 19/ 14. seqq. Welcher wider solche regel mich dennoch in verdacht ziehen wolte/ wuͤßte ich schier nicht/ ob ich um dessen freundschafft mich bewerben/ oder mich viel bekuͤmmern solte/ in was credit ich bey ihm stehe. So gestehe auch/ daß mirs nicht wohl gefallen/ daß gehoͤret habe/ es sey in N. N. vor ge- geben worden/ wie ich selbs dahin geschrieben/ ich haͤtte mit viel tausend traͤhnen be- reuet/ daß mein collegium angefangen habe/ da ich noch nicht eine deßwegen ver- gossen/ noch michs reuen zu lassen/ ursach habe. So solle man gleichwol nicht wi- der wahrheit reden. Jch uͤberlasse aber alles/ was mich betrifft/ der goͤttlichen provi- ART. I. DIST. IV. SECT. XXIV. providenz und lasse meine regel seyen 2. Corinth 6. διὰ δυσ ημίας και ἐυ η- μὶα . durch boͤse geruͤchte and gute geruͤchte: habe mich nun eine weil ver- wundert/ und vor mich fast vor kein gut zeichen gehalten/ daß alles uͤble nachreden von einiger zeit unterblieben. Der HERR regiere uns alle mit seinem Gnaden- Geist/ zu erkennen und zu thun seinen willen/ und nicht auff menschen sondern auff ihn zu sehen. Meinen vielgeliebten Bruder dancke vor seine treumeinen und meine verthaͤdigung/ bitte also zu continuiren, sonderlich aber alle die an mir zweifflen/ an mich selbst zu weisen. 1685. 24. Jul. SECTIO XXIV, Als aus einem Fuͤrstlichen Consistorio eine Collecte zu bestellen zu gesand worden. Gefahr der gegenwaͤrtigen zeit en der goͤttlichen gerichte. D Er HErr wolle diesen seegen/ so aus dero Hochloͤbl. Fuͤrstenthum zum besten der guten stadt und kirchen N. N. zugefertiget wird/ ihm lassen in gnaden wol- gefallen/ und hinwieder mit vielen so geist-als leiblichen seegen mildiglich er- setzen: wie ich auch nach goͤttlicher verheissung daran nicht zweiffele/ und glaube/ in dem zeiten des gerichts/ welche uns uͤber den haupten/ etwa gefaͤhrlicher als wir mei- stens davor halten/ schweben/ moͤchte uns bald von unsern mittlen nicht mehr uͤbrig bleiben/ als was wir zu der ehre des HErrn und zu liebes diensten vorher angewen- det/ und gleichsam Gott auff renten gelehnet haben. Das ansehen solcher betruͤb- ten zeiten/ bekenne ich gern/ stehet mit stets dermassen vor augen/ daß ich mich bey je- der gelegenheit dessen erinnern muß; in neulicher meiner schwachheit aber (wie ich dann erst den 3. p. Trin. das erste mahl noch 30. wochen durch GOttes gnade wie- der geprediget habe) davor gehalten/ daß solches ein sonderliches schonen von dem himmlischen vater seye/ der mich vor dem tagen der gefaͤhrlichsten versuchung zu sich und zur ruhe ruffen wolte. Jetzo wo es lange mit mir bestand haben solte/ so ich gleich- wohl nicht weiß/ mus mit allen uͤbrigen erwarten/ womit der HErr unsern glauben und gedult zu uͤben bestimmen wird. Aber die grossen exempel des grossen gewalts von Babel/ so fast taͤglich waͤchset/ und immer mehr freyheit bekomt/ die jenige zu unterdrucken die es nicht mit ihm halten/ wie wir in Franckreich gegen die reformir- te/ (und zwar meistens um der articul willen/ welche sie mit uns gegen das Papst- thum gemein haben) und uͤber Rhein gegen uns zu geschehen den anfang wahrneh- men/ weisen uns fast in einem spiegel/ was vor pruͤffungen uns auch vorstehen moͤ- gen/ und wir uns darauff gefast zu halten haben. So gedencke ich offt an ihr liebes fuͤrstenthum/ welches von einer seiten/ und sambt Darmstadt die hiesige stadt auff der andern seiten/ dem feuer am nechsten sind/ wie kurtze frist wir etwa noch vor uns F f f f 3 ha- Das sechste Capitel haben moͤgen; weiß aber nichts anders/ als zu dem HErren dabey zu seufftzen/ wel- cher seine gerichte mit vieler barmhertzigkeit mildern/ uns aber/ sonderlich denen in den beyden oberstaͤnden begriffenen/ rechtschaffen zu erkennen geben wolle/ was noch in den zeiten der goͤttlichen langmuth zu unserem frieden dienet/ alles das jenige uns angelegen seyen zu lassen/ und bey andern zu befordern/ womit wir dem ausbrechen- den Zorn am kraͤfftigsten begegnen moͤge. Sehe ich zwar den zustand bey uns hie- herum an/ so muß erschrecken/ da ich nichts sehe/ was sich den einreissenden strohm der straffen entgegen setzte: wuͤnsche aber/ daß es in ihrer landschaff und kirche besser ste- hen/ uñ also mehr hoffnung uͤbrig seyn moͤge/ welches alsden sonderlich geschehen kan/ da die obrigkeitliche und so genante geistliche staͤnd treulich zusam̃en halten/ allen un- ordnungen/ argernuͤssen und was zu dem goͤttlichen zorns feuer strohe zu traͤget/ kraͤff- tig zu steuren/ hingegen durch alle zu laͤngliche mittel die wahrheit in die hertzen der menschen in goͤttlichen segen ein zudrucken/ daß was wir mit dem munde aus den E- vangelio bekennen/ auch in lebendiger ereaͤntnuͤß in den seelen sich finde: als welches allein der mahleins in den proben bestehen mag. Hierzu segne der HErr Herr nicht nur E. Hochwohl Ehrw. wehrte person und arbeit/ sondern das gesamte Hochloͤbl. consistorium, in allen angelegenheiten/ was der kirchen und dazu abzie- lender gemeiner wohlfarth das ersprießlichste staͤts zu erkennen/ und in seiner krafft mit gluͤcklichen succeß zubewerckstelligen. 1685. SECTIO XXV. Antwort an einen auslaͤndischen freund/ der bezeuget hatte/ durch meine schrifften er bauet zu seyen: Stifftung einer freundfchafft; bitte um nur noͤthige vorbitten. J Ch erkenne dieses vor eine sonderbahre gnad von GOtt dem himmlischen Vater da derselbe unter der ziemlichen zahl der jenigen/ die mir als hasser der von mir bekennenden wahrheit bekand werden/ und von denen nach h. wil- len GOttes offters einige verdrießlichkeiten und laͤsterungen einnehmen muͤssen/ hin- gegen auch wieder hier und dort gottseelige seelen bekand werden laͤsset/ welche er mit liebe zu mir lencket/ und mir also an statt der feinde auch freunde erwecket; so dann da er neben dem/ wie er mich insgemein dadurch demuͤthiget/ daß dieses orts so wenige frucht meiner arbeit sehe/ daß ich offt sorgen muß/ ob haͤtte der HErr seine gnade von meinem amt abgezogen/ daß so gar kein seegen folgen will/ hinwie- der anderseits mich zu weilen dadurch wieder aufgemuntert/ wo von andern orten her zeugnuͤß vernehme/ daß meine arme arbeit gleichwol einigen seelen aufferbau- ung geben solle. Dann ob es zwar an dem ist/ daß uns an freunden und freunden nicht hoch gelegen seyen solle/ die wir billich allein nach Gottes freundschafft zu ART. I. DIST. IV. SECT. XXV. zu streben/ und vor seiner feindschafft uns zu huͤten haben/ so dann daß wir auch da- mit uns vergnuͤgen sollen wo wir das unsrige gethan zu haben das zeugnuͤß unsers gewissens fuͤhlen/ es moͤge nachmahl die frucht erfolget oder ausgeblieben seyen/ so wird es doch nicht nur unseren fleisch schwer/ alle absicht auff liebe oder haß abzule- gen/ sondern ist auch dem HErrn selbs nicht entgegen/ daß wir uns uͤber die jenige wohlthat erfreuen/ da er anderer hertzen zur liebe gegen uns lencket; so dann ist eben dieses der gewissens scrupul, wo man von seiner arbeit so gar wenig oder keine recht- schaffene fruͤchten siehet/ ob man auch das seinige gethan/ und nicht vielmehr solche ausbleibung der frucht unserm unfleiß/ unvorsichtigkeit oder unwuͤrdigkeit/ weil wir verschuldet/ daß der HErr nicht mehr mit uns wuͤrcken wolle/ zu zu schreiben seye/ davon wir aber zimlich befreyet worden/ da er uns anderwerts her noch einige fruͤchte mit freuden sehen laͤsset. Dieses ist die doppelte freude gewesen/ damit mein himm- lischer Vater auff meinen neulich kranckenbett durch meines wehrtesten Herrn und freundes liebesbriefflein mich erqvicket hat. Jch habe aus demselben wiederum er- sehen/ daß an ihn seine goͤttliche guͤte unverdienter weise mir abermal eine seele gezei- get/ dero liebe ich mich versichern kan/ und zwar einer solchen liebe/ welche die liebe GOttes und seines worts zum grunde hat/ die dann bestaͤndig bleibet/ und ge- wiß/ sonderlich in hertzlicher vorbitte/ daran uns ein grosses gelegen/ thaͤtig ist. So habe auch aus solchem angenehmen schreiben ferner verstanden/ daß derselbe glau- bet in meinen wenigen schrifften erbauung vor seine seele gefunden zu haben/ und noch zu finden/ und also daß auch an fast entfernten orten meine einfaͤltige arbeit ihn frucht bringe. Vor beyde wohlthaten sage ich der himmlischen liebe demuͤtigsten danck/ daß sie mich also staͤrcket/ und verlange nicht mehr/ als von deroselben noch weiter die gnad zu haben/ daß solchen lieben freunden mit einer rechtthaͤtigen liebe hinwieder begegnen koͤnne/ und in solchen vermehrten vertrauen desto getroster hin kuͤnfftig ar- beite/ und ich sehe ferner frucht von der arbeit oder nicht/ ihm allein dieselbe empfehle/ daher zu frieden seye/ ob er mich hinkuͤnfftig/ um mich in steter furcht und eintraͤchtig- keit zu erhalten/ weiter nichts mehr dergleichen sehen lassen wolte. Seiner freundli- chen liebe aber sage auch hertzlichen danck/ welche mir solche doppelte freude verursa- chen wollen. Versichere mich auch/ der HErr habe unter uns eine solche freund- schafft nunmehr gestifftet/ welche biß in die ewigkeit waͤhren solle/ und mache daß ob wir der leiblichen gegenwart nach zu rechnen fern gnug von einander sind/ wir dannoch als glieder eines leibes unter einem Hochgelobten Haupt Jesu Christo von einem Geist erfuͤllet und regieret wahrhafftig einander in dem Geist nahe und mit vielen banden enge verknuͤpsset sind; wie denn solches die art der von uns be- kommenden gemeinschafft der heiligen ist/ so sonsten weder von allen lehrern fleißig tractiret/ noch von allen Christen so recht erkant wird/ indessen denjenigen/ welche sie einsehen/ und davon erfahrung haben/ eine treffliche auffmunterung und freude Das sechste Capitel. freude gibet. Jch kan zwar meiner seits nicht mehr von mir in dieser freund- und gemeinschafft versprechen/ aber zweiffle auch nicht/ derselbe werde damit zu frieden seyen/ daß ich seiner und seines heils vor dem thron des HErrn/ da ich mich vor die mir bekandte bruͤder/ in denen ich das gute des HErrn erkandt/ vor demselben dar- stelle/ in einfalt meines hertzens gedencke/ und vor seine wolfarth bitte. Ob auch wol insgesambt die laulichkeit meines gebets/ und daß ich das verlangte feuer nicht der massen als ich wuͤnsche bey mir fuͤhle/ meine hertzliche klage und anliegen ist/ da- her gedencken solte/ daß niemand das jenige versprechen doͤrffte/ von dem zu sorgen haͤtte/ ob es auch in solcher bewandnuͤß dem HErrn gefaͤllig seyen koͤnte/ so troͤste mich dennoch auch dessen/ daß der HErr das verlangen des hertzens/ obs auch die brunst des gebets nicht zu wegen bringen kan/ da jenes dennoch in einfalt wahrhafftig ist/ gleichwol in gnaden ansehe/ und habe also kein bedencken/ dessen zusage lieben freun- den zu thun. Hingegen versichere denselben in wahrheit/ daß mich die hertzliche versprechung von ihn einer gottseeligen vorbitte vor mich inniglich troͤste/ und noch offtmahl troͤsten werde: Wie dann solches liebes dienstes von Christlichen mitbruͤ- dern so vielmehr benoͤthiget bin/ als gefaͤhrlicher so insgesambt alles predigtamt un- serer zeit/ als absonderlich die stelle darinnen ich stehe/ ist/ wo also ja noͤthig ist/ daß mir auch andere erbitten helffen/ wozu mein schwaches gebet zu wenig seyen moͤchte. Wo ich aber auch absonderlich vorschreiben darff/ warum sonderlich vor mich ge- beten zu werden wuͤnsche/ so bestehet es darinnen/ daß mir doch der HErr Herr den Geist der weißheit und der furcht des HErrn geben wolle/ damit ich in folchen ge- faͤhrlichem amt/ so durch die verwirrte zeiten noch so gefaͤhrlicher worden ist/ in allen stuͤcken/ was sein will an mich seye/ was zuthun und zu lassen habe mit versicherung des gewissens erkenne/ so dann nachmal solchen erkandten willen ohne fernere mensch- liche absicht freudig verrichte: da ich leider nicht leugnen kan/ daß sehr manchmal mir nicht zu rathen/ noch zu erkennen weiß/ was ietzt in diesem und jenem thun sollte: welch aͤngsten auch so gar an dem leben schaden sollte/ und machen/ daß alsdañ man- ches nicht mit gehoͤrigen fleiß noch freudigkeit thue/ wegen der stets noch ankleben- den sorge/ was sonsten noch so fruchtbarlich geschehen koͤnte. Nachdem ich nun nicht vor mich wuͤrdig seyen muß/ selbs in allen zu pruͤffen welche da seye der gute/ der wol- gefaͤllige der vollkommene Gottes wille/ so habe noch das vertrauen/ das Christl. freunde mir noch das jenige erbitten werden/ daran so wol wir zu meiner beruhigung/ als/ auff welche GOtt so viel mehr sehen wolte/ den jenigen an denen ich arbeiten sollte/ zu ihren besten und mehrer frucht der arbeit vieles gelegen ist. Ach daß ich so seelig werden moͤge/ auch vor diese theure wohlthat und gewissen Geist den HErrn zu dancken! 11. Aug. 1685. SECT. ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECT . XXVI. SECTIO XXVI. A ls Horbius etlicher dinge wegen bey einem Theologo uͤbel angegossen worden. D Jeses mahl veranlasset mich zu diesem brieff eine ursache/ daran Euer Hoch-Ehrw. (als die nicht leicht in einem ungleichen concept von einem Christlichen bruder mit willen wird zu beharren begehren) so wohl als mir und einem anderen gelegen ist/ daher auch mich versichere/ daß dieselbe meine of- fenhertzige eroͤffnung der sache nicht anders als mit liebe auffnehmen wird. Es ist meinem lieben Schwager Herrn Horbio jetzmahligen pastori zu sanct. Nicolai in Hamburg von jemand gegenwaͤrtiger extractus eines schrei- bens von Euer Hoch-Ehrw. geschrieben communicirt / und ferner an mich gesandt worden/ so ich mit genehmhaltung gedachten meines Schwagers um allem widri- gen vernehmen dadurch zu begegnen wuͤrdig geachtet/ selbst mit etlichen beygefuͤgten zeilen zu uͤbersenden. Dabey ich Ew. Hoch-Ehrw. versichern kan/ daß was der- selben wegen erwehnten Herrn Horbii geschrieben worden/ die pur lautere unwar- heit seye/ daruͤber sie sich also billig gegen den jenigen/ der ihro dasselbe beygebracht/ zu beschwehren habẽ. Es ist der wahrheit nicht gemaͤß/ daß er solle gesagt haben/ daß er zu der Superint. bey s. Nicolai in Hamburg in vorschlag seye. Wie dañ in Ham- burg ingesamt kein Superint. ist/ weniger bey einer particular kirchen gedacht wer- den kan/ welches mein Schwager wohl wusste: ob wohl zu gleicher zeit andeꝛweꝛtlich zu einer Superintendenz im vorschlag war. Wahr aber ist/ daß er damahlen mit drey vornehmen und wohlverdienten maͤnneren zu dem pastorat denominirt ge- wesen/ und in dem Decembri dazu unaninibus suffragiis erwehlet worden. Da- von er in antecessum seiner gemeinde um ihr gebet zu erlangen/ daß der HERR die sache/ wie es zu seinen heiligen ehren und der kirchen besten am vertraͤglichsten/ dirigi ren wolle/ part gegeben. Solte aber solches dahin interpretirt werden/ daß er eine additionem salarii gesuchet/ so geschehe ihm vielfaͤltig unrecht. Jch kenne sein gemuͤth von langem/ und weiß/ das es ihm um dergleichen irrdisches nicht zu thun ist/ hoff auch daß er sich in Windsheim also verhalten/ daß er auch nicht einen schein des geitzes von sich gegeben/ oder ihn seine gehaͤßige solches orts des- sen zu beschuldigen das hertz gehabt. So hatte er auch bereits sein wort von sich gegeben/ wo er ordentlicher weise wuͤrde erwehlet werden/ die folge nicht zu diffi- culti ren (massen die Hamburger um nicht mit beschwehrde und verdruß der ge- meinde vergebliche wahlen zu thun/ wie unterschiedliche geschehen/ gemeiniglich in antecessum von dem jenigen/ auff welchen sie unter den canditatis die meiste re- flexion haben zu sordi ren und sich zu versicheren pflegen/ ob er auff dem fall de r wahl deferiren wuͤrde) daß daher an die besoldung nicht gedacht worden. G g g g Nicht Das sechste Capitel. Nicht ohn ists daß als der Magistratus von solchem consilio der aͤnderung hoͤrte/ er eine ansehnliche deputation an ihn gesant/ und so wohl die ursach der intendirten mutation verlanget/ als ihn zu bleiben gebeten/ er hat sich aber nicht uͤber die bestallung sondern daruͤber beklagt/ daß seinem amt und dessen nuͤtzlicher fuͤhꝛung so viele hindeꝛnuͤssen gemacht/ hingegen noͤthige huͤlffe nicht geleistet woꝛden/ daruͤber ihm zwar eine neue ordnung seines amts/ wie er in kuͤnfftig gehalten und seine amts verrichtung mit nachdruck befordert werden sollen/ offeriret worden/ er hat aber solcherley nicht annehmen wollen (wie ich ihn auch/ da er andere mahl gefaͤhret worden/ darauff sich zu verlassen/ und eine vortrefflichere von GOTT ohne das ringste sein suchen angewiesene gelegenheit mit seinem pfund in dem geist- lichen mehr zu wuchern/ deswegen fahren zu lassen/ nicht rathen koͤnnen) sondern bleibe feste dabey/ dem willen des HERREN durch den ausgang der wahl ab zu warten/ und demselben zu folgen. Jch zweiffle auch nicht/ daß er darinnen recht gethan/ wie auch biß daher der HERR seinen noch kurtz fuͤhrenden dienst dermas- sen und mit solcher krafft bey der gemeinde/ die nicht genug liebe gegen ihn und das wort so er prediget bezeugen kan/ gesegnet/ daß wir auch daraus seines heiligen wil- lens desto versicherter seyn koͤnnen. Was aber daß andere anlanget/ daß er sich allen suͤndlichen empfindlichkei- ten abgestorben zu seyn solle geruͤhmet haben/ verwundere ich mich hoͤchstens/ wie nur jemand das hertz genommen/ eine solche ungereimte calumnie an Ew. Hoch- Ehrw. zu berichten. Jch weis nicht nur hierinnen vor mich selbst den grund seiner seelen/ wie er sein anligen und anfechtungen manchmahl vertraulich in meinen schoß ausgeschuͤttet/ wo ich befunden/ daß er gewißlich sich selbs eher weniger als mehr zu getrauet und gemeiniglich mehr bedoͤrffte auffgerichtet/ als zu erkaͤntnuͤß seiner schwachheit gebracht zu werden/ sondern es liegen seine oͤffentliche schrifften vor den tag/ da er seine lehr/ wie weit er glaube die erneurung in diesem leben/ sich zu er- strecken oder nicht/ deutlich vor augen leget/ da solche person/ welche dergleichen an Ew. Hoch-Ehrw. geschrieben/ wohl alle scheu abgelegt haben muß; ich auch das vertrauen trage daß dieselbe auffs wenigste dieser delation nicht werden glauben zu gestellet haben. Jch bitte aber dabey freundlich/ da deroselben vor anderem eingenomme- nen bericht/ das andere wahr zu sein geschiehnen/ sie wolten/ wie zwar auch die lie- be erforderen will/ solche meinung fahren lassen/ hingegen diesem meinem bericht glauben zu stellen/ und das jenige concept wiederum bey sich von Herrn Horbio fassen/ daß er ein mann seye/ gleich wie unserer Evangelischen wahrheit von hertzen zu gethan/ also auch von einem redlichen eiffer/ in seinem gantzen leben nichts anders als die ehre seines GOttes treulich zu suchen. Dahero billig rechtschaffene Theo- logi keine ungleiche gedancken von ihm zu hegen ursach haben/ wie auch dieses zeu- gen kan/ daß unterschiedliche Gottselige maͤnner/ welchen er aus erstmahl gehaͤßi- ge ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. XXVII. ger und darnach von diesen eingenommener leicht-glaͤubiger leute angeben gantz verdaͤchtig gewesen/ nach dem sie ihm selbst lernen kennen/ gantz andere und bessere meinung gefasset/ auch wohl gar seine genauere freundschafft gesuchet haben. Wie ich mich nun hierinnen versehe an Ew. Hoch-Ehrw. nichts anders zu gesin- nen/ als was die billichkeit selbst erforderte/ und sie nach anderem bericht ohn ge- beten gewaͤhren werden/ so hoffe ich sie werden auch so guͤtig seyn/ zu rettung des leumuths eines bruderen der jenigen person/ dadurch solche unziemliche berichte an sie gelanget/ ihren unfug nachdruͤcklich zu remonstri ren/ damit dieselbe ihre suͤnde bußfertig erkenne/ und dero vergebung von GOTT erlange/ in dem mir und meinem geliebten Schwager dieses vor allem betruͤblich ist/ ein stein zu werden/ daran sich andere stossende versuͤndigen/ und ihre seele verletzen moͤgen. Womit nechst erbietung solche uns beyden erweisende liebe mit aller muͤglichen dienst erwei- sung zu erwiedern. ꝛc. 25. Aug. 1685. SECTIO XXVII. F alsches geruͤcht von einem Franckfurter- schwarm. Auffmunterung an einen Pre- diger in seinemamte. A Uff das schreiben selbs zu kommen/ hat mich unterschiedliches darinnen erzehl- tes erfreuet/ nicht zwar dessen widerwertigkeit und leiden zu vernehmen/ sondern vielmehr wie ihm der HERR darinnen kraͤfftig beygestanden/ und es zu seinen geistlichen besten habe lassen ausschlagen: dardurch ich hoffe/ daß mein werther bruder werde dermassen nun in seinen glauben durch diese erfahrung gestaͤrcket seyn worden/ daß er auch aller uͤbrigen leiden/ die ihn noch in seinem am t und dessen treue fuͤhrung begegnen moͤgen/ und von denen er sich jemahl gantz be- freyet zu werden/ nicht gedencken mag/ so viel getroster erwarten/ so dann dieselbe in der krafft seines GOttes uͤberwinden werde. Nur ist mir leid/ daß eben ich und unser gutes Franckfurt der stein des anstosses seyen sollen. Jch bin in meinem gewissen versichert/ daß wir die reine Evangelische lehr hie treiben/ wie bißher meine schrifften solches jederman haben bezeugen koͤnnen/ und noch keiner sich gefunden hat/ der mich eines articuls wegen haͤtte eines irthums uͤ- berweisen moͤgen. Nun was ich schrifftlich von mir gebe/ eben dasselbe lehre ich auch muͤndlich/ und mit mir alle meine Collegæ. Daß aber viele calumnien allhier von boßhafftigen gemuͤthern ersonnen/ und anderwertlich von unwissenden und leicht-glaͤubigen angenommen und auffgefangen worden/ davor kan ich nichts/ sondern dancke meinem GOTT/ daß er mich einiges der mahlzeichen CHRJ - STJ darinnen hat lassen erfahren/ und moͤchte wohl jenes Paulinische zum Sym- G g g g 2 bolo Das sechste Capitel. bolo brauchen 2. Cor. 6/ 8. διὰ δυσ ημίας καὶ ἐυ ημίας durch boͤse geruͤchte/ und gute geruͤchte. Nur ist mir leid/ daß sich andere an mir versuͤndigen/ die der HERR zur er- kaͤntnuͤß fuͤhren/ ihnen alles solches in gnaden vergeben/ und sie hingegen dahin brin- gen wolle/ selbs das jenige zu befoͤrdern/ wassie etwa noch unwissend laͤstern. Jch hab mich auch offt gewundert/ wie plump der teuffel sich darinnen ge- wiesen/ da er von einen Franckfurter schwarm weit u. breit ein geschrey gemacht/ a- ber da man von allen andern secten sagen kan/ worinnen dann ihr irrthum bestehe/ hat man diesem vorgegebenen schwarm noch niemahl beylegen koͤnnen/ was dann eigentlich darinnen irriges seyn solle/ damit sich die laͤsterung genug verraͤth. Ach der HERR gebe/ daß wir alle/ die wir auff catheder oder Cantzel das werck des HErren zu treiben gesetz sind/ immer vielmehr trachten/ die uns anvertraute mit treuer und reiner lehr/ auch heiligen leben/ zu erbauen/ als andere unsere mitbruͤ- der zu richten/ und ihnen unrechtes anzudichten. Mein werther bruder aber dancke seinen GOTT demuͤthiglig der ihn nicht nur siege gegeben/ sondern/ wie er schreibet durch diese uͤbung so vielmehr in die nachfolge CHRESTJ/ verleugnung sein selbs und der welt/ auch andacht des gebets/ ihn getrieben/ welcher nutzen groß und einiges leidens darum wohl wuͤrdig ist. Er fahre fort in der refolution seinen GOTT treulich zu dienen/ und auff der menschen danck oder undanck/ auff nutzen oder schaden/ ehr oder verachtung nicht zu sehen; vielmehr sein amt in heiliger furcht vor den allezeit gegenwaͤrtigen GOTT und in angelegenlicher sorge vor die seligkeit der menschen zu fuͤhren/ dar- uͤber keine arbeit und muͤhe zu scheuen/ sonderlich aber der lieben jugend und einfalt durch den Catechismum die milch der reinen lehre mit fleiß einzufloͤssen damit sie zu einer gruͤndlichen erkaͤntnuͤß ihres heils kommen/ und darnach wo solcher grund ge- leget/ ihr gantzes lebenlang die predigten verstehen/ und mit nutzen hoͤren moͤgen. Er befleisse sich auch seine gemeinde mit unstraͤffllichen wandel und erweisung ei- nes solchen gemuͤths/ dem es nicht um zeitliches zu thun seye/ zu erbauen/ wo durch die frucht des worts in den hertzen stattlich befordert wird. Vor allem aber hoͤre er nicht auff/ den HErrn tag und nacht anzuflehen/ welcher ihn mit seinen helligen Geist erfuͤllen/ seinen willen in allen stuͤcken zu erkennen geben/ solchen zu vollbrin- gen muth und eiffer wuͤrcken/ und seine arbeit dermassen segnen wolle/ daß er moͤge sich und die ihn hoͤren selig machen. Dieses gebet wird so viel thun/ als alle seine arbeit und studi ren/ so wird er den HErrn auch zu seinen rathgeber erlangen da er raths und trost bedarff/ ob er auch keinen menschen zur seiten haͤtte. Was buͤcher anlangt/ wolte ich nicht rathen/ sich in allzuviele zu verstecken/ sondern seine meiste zeit mit der lieben Bibel zu zubringen/ und solche sonderlich darinn das Neue Testament/ gleichsam in sein hertz durch andaͤchtiges lesen und betrachten (vornehmlich mit einsehung des grundtextes) einzutrucken/ welches ge- schiehet/ ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXVIII. schiehet/ wo man mit eyffriger anruffung GOttes einen versicul nach den andern vornimmet/ und in aller einfalt nachsinnet/ was der einfaͤltigste und klare wort verstand seye/ ferner was vor lehren oder lebens regeln aus jeglichen zu ziehen seyen/ so dann wie wirs in unserer seelen finden/ was wir darinnen lesen/ wann wir uns darnach pruͤffen. Wer auff diese weise in der schrifft maͤchtig wird/ ist tuͤchtigeꝛ zu dem werck des HErrn/ als wer viel andeꝛe buͤcher gelesen haͤtte: Die ich gleich- wol anch sonsten nicht verachte/ sondern in unterschiedlichen stuͤcken derselben nu- tzen erkenne. Vor andern wolte sonderlich rathen unsers lieben Lutheri guͤldene kirchen Postill/ so dann was von seinen Tomis, die vor etlichen jahꝛen um ein we- nigs geld zu bekommen gewest/ an hand zu bringen ist. Luͤtkemans und Scriveri wie auch D. Muͤllers schrifften moͤgen auch zu vielen nutzen gebraucht werden: der theoreticorum und exegeticorum dißmal eben nicht zu gedencken. 1685. SECTIO XXVIII. W as bey den aͤusserst verderbten zeiten unsere pflicht und hoffnung seye. D Je in dem ersten brieffe enthaltene wehmuͤtige klagen sind wichtig und ge- recht. Wie dann freylich der allgemeine verfall groͤsser/ als daß wir leicht in dessen beklagung zu viel thun koͤnten. Lasset uns aber dahin trachten/ daß das ansehen solches verderbens uns nicht so wol traͤge mache/ und wir aus der sorge/ daß sich dennoch nichts ausrichten lasse/ stang und stab hinwerffen/ welches offt den besten gemuͤthern begegnet/ aber eine heimliche versuchung ist/ und aus einen un- glauben entstehet/ als vielmehr/ daß wir uns dadurch bewegen lassen/ desto ange- legenlicher zu den HErrn um huͤlff zu seuffzen/ und daß unsrige desto fleißiger und vorsichtiger zu thun. Es wird je der HErr noch in gnaden drein sehen/ und auffs wenigste/ nach den seine gerichte werden vorbey seyn/ eine solche huͤlffe schaffen/ wel- che wir vorher nicht eben sehen koͤnnen/ um derselben willen aber ihn demuͤtig zu preisen/ und seine wunder danckbar zu ruͤhmen ursach haben werden. Hiezu thun frommer Christen unablaͤßige seuffzen und gebete derer/ die weil sie daß verlangte gehoͤr in der welt nicht finden/ zu dem jenigen/ der gewiß hoͤret/ sich desto ernstlicher wenden/ daß allermeiste/ und eꝛlangen nicht nur ihnen sondern auch andern viele gnade. Ach daß wir uns solches mittels eyffriger gebrauchten/ und mit zujam- men gesetzter gewalt bey demselben eindruͤngen/ der solche gewalt so hertzlich liebet/ u. aus uns nutzlichẽ ursachen dazu will von uns genoͤthiget werden/ was er zwahr ohne das viel williger ist uns zugeben/ als wir es zusuchen. Gleichwol wollen wir auch/ ob schon unsers unvermoͤgens und der elenden zeiten bewußt/ nicht muͤde werden in unsern amt mit ernst anzuhalten: richten wir nichts aus/ damit vergnuͤgt/ daß wir G g g g 3 gleich- Das sechste Capitel. gleichwol daß unsrige gethan/ u. damit die ehre goͤttlicher gerechtigkeit/ wann dieselbe folgends zu den straffen ausbricht/ gerettet haben: Oder vielmehr auch wo wir die frucht noch nicht sehe/ dieselbe zu ferner bequemer zeit nach des HErren seinen rath erwartende/ der manchmal nach guter zeit/ wo menschliche hoffnung ausgewesen/ den von uns ausgestreuten saamen/ durch einen gesegneten regen erweichen/ erwe- cken und zur frucht aufgehen lasset: sonderlich aber/ wo wir nicht ausrichten/ was wir billich solten/ und uns darnach bestreben/ daß wir auffs wemgste so viel aus- richten/ was diese betruͤbte zeiten annoch zugeben/ und uns versichern/ der HERR als vor dem unser hertz und auch unsere hindernissen genugsam bekant/ lasse sich jenes gefallen/ und messe uns nicht zu/ da uns diese zu maͤchtig in wege gestanden. Wie wir ohne daß in diesen zeiten des gerichts uns die rechnung nicht zu machen haben/ daß wir wol gantze und grosse gemeinden voͤllig zurecht bꝛingen werden/ son- dern alles mag wol dabey bleiben/ daß wir doch unsere seelen erretten/ und neben uns immer eine und andere annoch erhalten/ die uns der HErr zum trost schencket. Mehrere frucht unserer arbeit muͤssen wir erst in dem kuͤnfftigen warten/ wie wohl vieleicht/ da der HErr den verfolgern mehr macht bald verhaͤngen moͤchte/ (dar- an nicht zweiffle) um solche zeit bereits sich auch bey einigen etwas mehr gutes her- vor thun doͤrffte; als wir vorhin gehofft haͤtten. Die rechte eigentliche allgemei- ne besserung aber der kirchen bleibet wol so lang ausgesetzt/ biß Babel gefallen/ und die nechste schwehre gerichte geendet werdẽ seyn. Jn dessen mag uns doch solche hoff- nung bereits jetzo in unsern betruͤbten zeiten einigerley massen aufrichten/ die wir/ wo jene besserung nicht eben erleben moͤchten/ doch der jenigen bruͤder und mit ihnen in einen Geist vereiniget seynd/ welche der HErr dessen wuͤrdigen wird. Er ge- be uns nur jetzo die weißheit/ welche uns zu diesen unsern zeiten noͤthig/ dz wir in den- selben seinen willen recht erkennen/ und getrost vollbringen moͤgen/ so genuͤget uns billich/ und werden wir uns auch nicht uͤber unsere ungluͤckseligkeit zu beklagen son- dern zu erkennen haben/ daß der HErr zu allen zeiten das maaß seiner gnade gebe/ welches denen gnug ist/ die ihn von gantzen hertzen suchen. 14. Sept. 1685. SECTIO XXIX. V on der art des wahren glaubens/ auch dessen unterscheid von den wahnglauben. J Ch komme auff das hauptwerck des schreibens da mich hertzlich erfreuet/ daß mein hochwerther Herr der sachen nothwendigkeit erkennende/ so ernstlich darauf treibet/ die art und beschaffenheit des wahren glaubens den leuthen/ sonderlich aber der jugend/ vornehmlich bey zubringē. Dann wo dieses præstiret wird/ so ist der sicherheit/ sonderlich in unserer Evange- lischen kirche/ da wir nach goͤttlicher warheit dem glauben allein die seligkeit zu schrei- ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO XXIX. schreiben/ die vornemste quelle verstopffet. Daher ich in allen gelegen heiten. Die sache am eyfferigsten treibe/ und zu der pruͤffung des glaubens die zuhoͤrer anweise. Nechst deme stimme ich auch darin ein/ daß unter dem historischen und lebendigen glauben der unterscheid nicht nur in dem dritten stuͤck sondern in allen dreyen zu su- chen seye. Es ist dieser eine goͤttliche erleuchtung und mehr der sachen selbs/ jener aus menschlichem fleiß und der worte: jener ein beyfall ohne nachdencken und aus unbedachsamkeit oder fleischlichen motiven, dieser aus goͤttlicher versiglung: je- ner ein vertrauen des fleisches bey allem fleischlichen wesen/ dieser eine zuversicht aus wuͤrckung des heiligen Geistes in den hertzen der wahrhafftig wiedeꝛgebornen/ und nun nicht mehr nach den fleisch zu leben entschlossenen. Die definition, oder vielmehr deutliche beschreibung des glaubens/ an- langend/ achtete dieses einige noch sehr dienlich mit inseriret zu werden/ welches den wahnalauben von dem wahren unterscheidet/ daß der wahre glaube die goͤttli- che gnade und geistliche guͤter nicht nur in Christo suchet/ und ergreiffet/ sonderen sie einig vor seine seligkeit und wahres gut in gegensatz alles irrdischen/ aller ehre/ nutzens/ lust und dergleichen erkennet/ glaubet und hoch achtet: Daraus an sich selbsten folget/ daß er alle uͤbrige gegen diese gering und sie deswegen nicht mehr vor wuͤrdig achtet/ sie zu lieben und ihnen nach zu streben. Wo nun diese erkaͤntnuͤß/ welches unsere wahre guͤter/ und werth æstimiret zu werden seye/ sich lebendig von dem Geist GOttes in die seele eingeschrieben findet/ da ists unmoͤglich in sol- cher dero bewandnuͤß und da sie auff sich acht giebet/ daß sie solle der suͤnden die herr- schafft bey sich lassen/ weil die suͤnden ordentlicher weise aus der hochachtung und daraus herkommender liebe der irrdischen guͤter herkommen/ dero aber jene leben- dige erkaͤntnuͤß der allein wahrer und hochgeachtet zu werden wuͤrdiger guͤter steu- ret. Daher hauptsaͤchlich aus diesen herzukommen erachte/ daß die herrschafft der suͤnden sich bey dem wahren glauben nicht finden koͤnne/ weil durch derselben/ nicht nur durch welche mittel der mensch zu seiner seligkeit komme/ sondern auch worinnen dieselbe bestehe/ und also worinnen ihm eigentlich wohl seye/ der seele eingedruckt wird/ daher gewißlich bey den jenigen solcher glaube nicht seyn kan/ welcher ehr/ nutzen/ lust (die 3. principia fast aller unserer suͤnden) so wuͤrdig achtet/ um ih- rent willen etwas zu thun ja gar GOtt zu beleidigen. Es leidet aber dißmahl die enge der zeit nicht/ die sache weiter aus zufuͤhren/ meine aber dennoch/ dieses wenige/ solle genug zeigen/ wie ichs meine. Ach der HErr wolle durch den Geist des glaubens dieses himmlischen liechtes art selbs zuer- kennen geben/ so haben wir die wahre weißheit. 26. Sept. 85. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XXX. U nsere zeiten der gerichte. W as prediger zu thun/ wo die Papisten die oberhaud haben. Elenchus. Die beste verwahrung vor dem abfall. Die ins hertz gedruckte liebe GOttes. D Er zustand ihrer gegend liget mir w o l von grund der seelen an/ ich sehe aber keine menschliche huͤlff/ darauff man nur die geringste gedancken sich zu ma- chen haͤtte/ sondern von den HErrn muß sie allein folgen. Wo wir aber recht die art unserer zeiten ansehen/ sorge ich sie bestehe darinnen/ daß die goͤttliche gerichte in voͤlligen ausbruch sind/ da er sein verdoꝛben Jerusalem in die haͤnde Ba- bels uͤbergebe/ damit dieses sein suͤnden maaß erfuͤlle/ und damit sein gericht uͤber den halß ziehe/ welches gewiß geschehen und hoffentlich die zeit unserer trangsal nicht auf lange bestimmet seyn wird/ doch moͤchte das wetter so viel schwerer seyn/ als ihn kuͤrtzere frist gesetzet ist. Wie aber sich zu verhalten/ bekenne/ daß ich mir in vielen selbs nicht genug thue/ was ich vorschlagen solle/ und also getreue bruͤder fast mehr allein dahin weisen muß/ daß sie den HERRN um seines Geistes weißheit und rath/ dessen sie beduͤrfftig/ ohne unterlaß anruffen/ und alsdann ge- trost das jenige thun/ was er ihnen vorkommen laͤsset/ als daß mich erklaͤhren solte/ ihnen in solcher sache maaß vorzuschreiben. Jnsgemein bleibet wol die regel/ daß man weder einer seits der warheit etwas begeben oder das blosser dings nothwendi- ge unterlassen darff/ noch anderwerts nicht so wol ihn selbs als seiner kirchen keine gefahr/ dero man noch entuͤbriget seyn koͤnnen/ zu ziehen solle. Den Elenchum belangende/ kan das jenige/ was damit in bekraͤfftigung der unsrigen gesucht wird (dann der wiedrigen bekehrung ist ohne das in gegenwaͤr- tigen zustand uns nicht muͤglich) damit ersetzet werden/ da man die thesin so viel solider und deutlicher der gemeinde vortraͤget/ und was sonsten zur refutation der antitheseos gehoͤret/ in jene confirmation einmischet. Hat man die gele- genheit zur kinder lehr/ daß man mit der jugend handlet/ so dann wo man in privat conversation mit den zu hoͤrern umgehet (die man zu der zeit jetzo mehr als zu an- deꝛn mahlen suchen muß) solte wol mehr freyheit gebrauchet werden doͤrffen/ als in den offentlichen und von den Papisten besuchten predigten. Sonderlich aber/ was der prediger nicht sagen darff/ mag durch buͤcher ersetzet werden/ die man unter die gemeine bringet/ daß sie ie einer den andern recommandi- ret und zubringt/ dero man dann nicht wenige findet/ welche hiezu bequem sind. Nach dem aber der meiste abbruch uusrer kiꝛche nicht so wol durch eigentliche ver- fuͤh- ARTIC . I. DIST. IV. SECT . XXX. fuͤhrung der leuthe in uͤberredung in den glaubens streitigkeiten geschiehet/ als durch verheissungen und drohungen/ so sehe ich nicht/ wie die tractirung der con- troversen das meiste thun koͤnte/ ob man sie schon auch zimlich frey haͤtte/ sondern das kraͤfftigste ist/ daß den leuten die liebe der welt aus den hertzen/ hingegen die wahre liebe zu GOTT und die hochachtung seiner warheit/ in dasselbe gepredi- get werde/ daß sie was Math. 16/ 25. 26. stehet anfangen recht zu glauben. Wo dieser grund erstlich fest geleget und der mensch nur einiger hauptwarheiten/ die wiꝛ gegen das Papstum durch GOttes gnade behaupten/ in seiner seele uͤberzeuget ist/ da ist derselbe besser gegen allen abfall verwahret/ als wo er auch die controversen gruͤndlich verstuͤnde/ aber an der welt mit seiner liebe haͤnget. Jenes gibt freu- dige maͤrtyrer auch unter einfaͤltigen/ die den widrigen auf ihre sophismata zu ant- worten nicht verstehen/ aber alle wahrheit GOTT es alles ihres verlusts und des lebens selbsten wuͤrdig achten: diese werden lieber zu heuchlern/ wo man nicht mit ihnen disputiret / sondern mit anderer gewal t in sie dringet. Daher gewißlich die ernstliche liebe zu GOtt und eine gruͤndliche piet aͤt in die hertzen gepflantzet/ samt einer warhafftigen verschmaͤhung der dinge/ damit die welt locket und schreibet/ sind die sicherste verwahrung gegen jetztmalige arten der bekehrungen/ wie dieser liebe nahm so schaͤndlich jetzt verkehret wird. Das meiste aber wird wol seyen das un- ablaͤßige gebet/ so nicht nur allein võ uns Predigern/ vor unsre gemeinden geschehen muß/ sondern auch allen andern vor sich und die gantze kirche recommandiret weꝛden solle. Diese ist die kraͤfftigste wehre der kiꝛchen vor den gewesen/ wir werden auch damit da es in glauben/ liebe und heiligen eyffer geschiehet/ noch wunder thun/ und immer mit den unsrigen noch andere seelen zu retten vermoͤgen. Darum last uns fleiß erzeigen/ und nicht muͤde werden/ der gewissen zuversicht aus Luc. 18. wo die außerwehlte tag und nacht zu ihren HErrn ruffen/ so werden sie gnade finden/ und der HErr wird sie erretten in einer kuͤrtze. 14. Dec. 85. SECT . XXXI. V on meiner kranckheit/ die 3. A dv. 1684. an- gefangen und so lange gewaͤhret daß erst dem 3ten p. Tri- nit. 1685. die cantzel wieder betreten. Jn derselben zwey traͤume. Kirchen disciplin. Schwehrigkeit in solcher materie. G Elobet seye die guͤtigkeit des himmlischen Vaters/ welche mich ihrer und meiner mit neulich ausgestandener leibs schwachheit erinnert/ in der- selbigen mit einer staͤten ruhe des gemuͤthes beseliget/ viel andere woltha- H h h h ten Das sechste Capitel. ten durch gnaͤdiges schonen mir erwiesen/ die liebe in den hertzen so vieler bruͤder und schwestern hin und wieder erwecket/ und aus derselben viel tausend glaͤubige seufftzer vor mich gewuͤrcket/ auch solche vor seinen gnaden thron angenommen/ und darauff mir wiederum so viele krafft verliehen: ach daß sie aber sonsten auch mir so viel moͤchten erlanget haben/ was zu heiligung meiner seelen und uͤbrigen lebens mir noͤthig ist/ massen ohne dieses/ und also neue auffopfferung aller meiner kraͤff- ten zu seinen preiß und des nechsten dienst/ mir was ich empfangen habe mehr zu schwehrer verantwortung dienen moͤchte. Ach helffet mir also insgesamt noch ferner erbitten/ was miꝛ noͤthig ist/ den willen meines GOttes an mich zu erkennen/ und denselben mit getrostem hertzen zu voll- bringen. Jch leugne nicht/ daß meines wehrten bruder liebes schreiben in dieser materie, ob wol wegen seiner liebreichen zuneigung und wunsches in den uͤbrigen erfreuet/ dennoch sonderlich in zweyen stuͤcken mich durch vorstellung meines ge- brechens betruͤbet hat. Er gratuli ret mir/ und stehet in der hoffnung/ daß ich waͤhrender meiner kranckheit einen blick in die ruhe der heiligen gethan haben wer- de. Aber ach wehrter brudeꝛ diese gnade ist mir nicht wiederfahren/ sondern al- les/ wovor ich gleichwol dem himmlischen Vater demuͤthig zu dancken habe/ und auch dessen nicht werth gewesen bin/ ist darinnen bestanden/ daß mir derselbe die gantze kranckheit ein zu fꝛiedenes hertz gegeben/ daß ich aus versicherung seineꝛ Va- ters liebe und meines Heylandes verheissenen heyls mich vor den todt nicht entse- tzet/ sondern wo der HErꝛ mich dazu beruffen/ wuͤrde solches/ sonderlich um jetziger zeit willen/ vor ein gnaͤdiges schonen geachtet/ daher ob ich mirs schon etwa vorneh- men wolte/ um meine gesundheit mit sonderlicher angelegenheit zu beten nicht ver- mocht/ hingegen wo er mich laͤnger in der welt lassen wolte/ mich auch der arbeit und anhaͤngender verdꝛießlichkeit nicht zu beschweren resolviret habe: in solcher gemuͤths disposition (da ohne das wegen schwachheit des kopffs und vieler schlaͤff- rigkeit ich zu tiefferen nachsinnen oder betrachtungen nicht tuͤchtig gewesen waͤre) habe die gantze zeit zugebracht/ ohne sondere empfindlichkeit einer mehrern innerli- chen krafft oder liechts/ so ich haͤtte hoffen moͤgen/ und auch mein wehꝛter bruder sich dergleichen von miꝛ versehen. Nur dieses einige ist mir in meiner kranckheit/ so mir was ungewoͤhnliches (als der mein lebtag keinen traum gehabt habe/ darin- nen das geringste gewesen waͤre/ so etwas sonderliches bedeuten moͤgen) begegnet/ daß in dem maꝛtio/ da eben so zu redẽ die natur die kranckheit zu uͤberwinden anfieng ich in einer nacht zwey bedenckliche traͤume/ stracks auf einander bekommen. Erstlich traumete mir/ ob gienge ich aus der meinigen in eine nebens- kammer mein damal kranckes kind zu besuchen/ wurde aber gewahr/ daß in der wand eine thuͤr und stiege hinauff/ oben aber viel treffliche schoͤne losamenter und weiter hinaus ein klahres liecht waͤre: Da nun mit verwunderung stund/ daß so lang ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXI. lang in dem hauß wohnende diese thuͤr und gemach nie beobachtet haͤtte/ deswegen die stiege hinauff gehen wolte/ wurde mir zu geruffen/ ich solte darunten bleiben/ doͤrffte noch nicht hinauff kommen/ darauff ich zu antworten meinte/ ich moͤchte nur das schoͤne liecht recht sehen/ aber es schoß mir nur ein glantz davon in die augen/ daß ich daruͤber erwachte/ und nicht wuste/ wie ich mich in den traum schicken solte. Jch entschlieff aber sehr bald wieder/ und dauchte mich ich lege in meinen bett gantz allein auff einen sehr hohen berge/ dessen gaͤhe ich hinab und unten das gantze be- wohnte und bebauete land/ feld/ wiesen/ wohnungen und anders schauen konte. Damit sprach ich bey mir selbs/ wie komme ich doch zu den leuten/ daß ich nicht so gantz allein bleiben muͤße? darauff hoͤrte zu mir sagen: Es solle ein sanffter wind kommen/ der dich hinab trage: mir fiel in dem schlaff der spruch ein/ Er machet seine Engel zu winden/ und fuͤhlte so bald/ daß sich mein bett aufhub/ und schwe- bende in der lufft allgemach hinab senckte/ als nun nahe bey den leutenzu seyn mein- te/ sahe uͤber mich/ wo ich gelegen haͤtte/ sahe aber/ daß es eine hohe spitze des bergs/ und uͤber demselben dicke dunckele wolcken/ uͤber solchen aber wiederum ein helles liecht gewesen/ dessen glantz mich auch so bald wieder erweckte. Diese beyde traͤume/ so miꝛ so bald nach einander vorgekommen/ bekenne/ daß als eine goͤttliche versicherung angesehen/ daß mich der HERR noch eine weile in der welt haben wolte. Aber ach/ wie meiner phantasie in den traum ein solcher glantz des liechts sich præsentiret / daß auch tieffer in die seele hinein ein lebendiger strahl des ewigen liechts und jener herrlichkeit eingedrungen haͤtte! doch was ver- lange ich das jenige/ dessen ich wol weiß/ nicht wuͤrdig zu seyn. Ferneꝛ hoffet mein geliebter freund/ daß ich wie andern Christlichen Theologis begegnet/ eine ver- mehrung meiner gaben in solcher kranckheit erlanget/ und bey mir spuͤren wuͤrde/ a- ber ich kan eben so wenig dessen mich ruͤhmen/ muß also an mir gemanglet/ daß GOTT solches an mir vollbracht/ und ich demnach in etwas seinen rath an mir gehindert haben: in dem ich/ so viel ich an mir gewar werden kan/ mich in keinen andern als vorigen stand noch befinde. Ob auch wol freylich erkenne/ und beken- ne/ daß in meinem vorigen leben manches versaͤumet/ und nicht mit genugsamer treue das werck des HErrn getrieben habe/ so bleibets doch allein bey den wunsch und verlangen/ das gern wolte/ die neue lebens frist seinen willen so viel hertzlicher widmen/ und die voꝛige versaumnuͤß ersetzen: wo ich aber nachdencke und untersu- che/ worinnen ich dann ein mehrers und anderes thun koͤnte/ so sinde nichts/ der ich doch versichert bin/ daß mehr geschehen solte. Es bleiben mir aber die augen noch gehalten/ daß ichs nicht sehen kan. Be- trachte ich meine predigten/ se he ich wol/ daß sie auch besser und nachtruͤcklicher ab- gelegt werden solten/ weil sie jetzt die frucht nicht bringen/ wie sie solten: Will ichs aber/ wie ich dann gern wolte/ anders und besser machen/ so weis ich nicht/ wie es zu thun/ und ob ich wol gern alleꝛ erudition, dieselbe mit einzumischen/ mich zu H h h h 2 ent- Das sechste Capitel. entschlagen verlange/ auch deswegen mit willen damit nicht zu peangen begehre/ kan ichs doch nie so einfaͤltig machen/ wie ich wolte. Und so gehet mirs auch in den particular handlungen mit den leuten/ daß mir niemalen selbs gnug thue/ son- dern sehe/ daß anders und mehr seyn solte/ weiß es aber nicht anzugreiffen. Daß ich ja wol angelegenlich den HErrn um dieses/ ja mehr als um das meiste andere/ anzuruffen habe/ (deswegen auch bitte/ daß andere vor mich dergleichen thun) damit mir doch derselbe seinen willen recht eigenlich/ was er in jeglichen und wie ers gethan haben wolte/ zuerkennen gebe/ der ich hoffe/ es solte darnach nicht so sehr an den willen dasselbige zu thun manglen/ wo ich die art recht erkennnete. Was ich auch ferner zu der allgemeinen besserung der kirchen thun koͤnne (da das bißheri- ge nicht wol in anderen bestanden/ als daß der HErr meine stim̃e gebraucht damit er ein und andere hin und wieder aufgewecket/ und an die dinge fleißiger zu geden- cken) sehe kaum etwas: mit bißherigen ist wenig ausgerichtet/ so sehe wenig/ davon nicht bereits so viel erinnerung gethan haͤtte/ als GOtt mir das maaß der erkaͤnt- nuͤß/ uͤber welches ich mich nicht erstrecken darff/ gegeben hat. Zwar solte mir Gott mehr zu erkennen geben/ oder gelegenheit weisen/ wie zu der gemeinen der kirchen wolfarth meine arme hand ferner anlegen koͤnte/ bin nicht nur verbunden/ sondern hoffe meinen wehrten bruder dessen versichern zu koͤnnen/ daß ichs von grund der seelen gern thun/ mit willen die gelegenheit nicht versaͤumen/ noch daher entstehen- de ungelegenheit und der welt haß hochachten wolte: Dann der HErr hat mich gelehret/ den nutzen/ wann einer in der hoffnung anscheinet/ allen meinen eigenen wohlseyen vorzuziehen. Aber ich sehe ohne die wiederholung der bereits mehrmal vorgestellter dinge vor dißmahl nichts weiter/ was mir gegeben waͤre. Die kirchen disciplin belan- gend/ finde mich solches weꝛck zu urgiren vor andern fast wenig tuͤchtig/ nach dem ich selbs mein vieles bedencken und anstand dabey finde. Jch erkenne die kirchen- zucht an sich selbs vor ein herrliches und heilsames werck/ dero rechter gebrauch un- zaͤhlichen nutzen hat/ hingegen der mangel derselben bey uns grossen schaden thut. Aber wo ich darnach unsern zustand/ wie wir stehen/ betrachte/ und bedencke/ wie sie etwa einzurichten waͤre/ so finde tausenderley hindernuͤssen/ die mir die hoffnung theils die sache in gang zu bringen/ theils der kirchen damit zurathen/ gantz nieder- schlagen. Jch bekenne/ in der meinung zu stehen/ daß die gewalt der kirchen zucht/ nicht den obern staͤnden allein gebuͤhre/ sondern der gantzen kirchen/ daß also von solches rechts uͤbung auch die gemeinde/ oder dero verordnete/ nicht außzuschliessen/ ausser dem aber/ weil es nicht in goͤttlicher ordnung hergehet/ wenig goͤttlicher sorgen bey der sache zu hoffen seye. Die gemeinde aber zu ihrem rechten/ und die obere staͤnde sonderlich den obrigkeitlichẽ zu deroselben zu lassung zu bringen/ sorge ich eine sach zu seyen ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECTIO XXXI. seyen/ die weit uͤber meine/ ja menschliche kraͤfften gehet: ja es scheinet vielen eine widertaͤuffrische confusion gesucht zu werden/ wo man hievon redet; obs wohl ei- ne in thesi von allen rechtschaffenen Theologis behauptete wahrheit ist/ daß die kirchen-rechte der gantzen kirche gehoͤren. Daher wo etwas in der welt waͤre/ darinnen ich mit freuden bey der hoffnung eines successes arbeiten wolte/ wuͤr- de es dieses seyn/ ob die gesamte kirche wiederum in allen ihren staͤnden zu der erkaͤndnuͤß und uͤbung ihrer rechten in wahl der Prediger/ beur- theilung der glieder/ auch lehr und lebens/ kirchen-zucht und dergleichen gebracht werden moͤchte: Dann ich glaube/ daß hieraus der anfang des meisten verderbens in der kirchen auch so gar das Pabstum selbs entstanden seye/ da die rechte verfassung der kirchen verlohren/ und der dritte stand von den uͤbrigen fast gantz ausgeschlossen worden/ womit auch ein grosses des Goͤttlichen segens/ der sonsten bey der kirchen haͤtte bleiben werden/ weggewichen ist. Hat mich auch des wegen so sehr erfreuet/ als nechst in des Christlichen Staat- manns Herrn von Seckendorff Christenstaat so offt von diesen rechten der kir- chen eine anregung zugeschehen wargenommen. Hingegen bekenne/ daß mir alle hoffnung entfaͤllet/ darinnen etwas auszurichten/ sondern sorge/ die sich in die pro- fession des ihnen nicht gehoͤrenden gesetzet/ werden sich das an sich gezogene nicht entreissen lassen/ biß der HERR erst alles unterst zu oberst kehret. Ferner wo auch der kirche nunmehr hier und da ihr recht eingeraͤumet wuͤrde/ ist mir auffs neue betruͤblich/ daß nicht bald eine gemeinde sehe/ welche ihr recht nach Goͤttlicher ordnung zu uͤben tuͤchtig waͤre/ sondern nach dem allezeit das mei- ste in denselben aus lauter fleischlichen leuten bestehet/ ist eine starcke sorge/ daß ihr gebrauch und urtheil so leicht wider GOttes absicht als derselben gemaͤß ausschla- gen doͤrffte. Sehe ich wiederum die meiste Prediger an/ sind sie wahrhafftig sol- che leute/ welche in der kirchen-zucht nach Goͤttlichen rath zu verfahren untuͤchtig sind/ und wuͤrden/ da sie eine mehrere gewalt haͤtten/ solche besorglich mehr zu ausuͤ- bung fleischlicher affecten gebrauchen/ oder doch mit unverstand darinnen verfah- ren/ als sie zu wahren nutzen der besserung in Goͤttlicher klugheit anwenden. Kommets auff die Obrigkeit/ wo es noch an besten hergehet/ so wird endlich die kirchen-zucht eine art einer weltlichen straffe/ welche auffs hoͤchste mit einer euser- lichen furcht etwas von lastern zuruͤck haͤlt/ aber selten einen wahrhafftig bessert/ o- der in der gantzen gemeinde denjenigen nutzen schaffet/ der in dem rechten gebrauch seyen solte und wuͤrde. Wir sehen ohne das gemeiniglich/ daß wo noch etwas von der kiꝛchen-zucht uͤbrig ist/ das alles mit zwang hergehet/ und den meisten buͤssenden die nothwendig- keit ihrer buß mehr leyd ist/ als ihre suͤnde/ und bekommet die kirche nach derselben gewoͤhnlich mehr einen geschaͤndeten als gebesserten bruder. Jch sehe etlicher H h h h 3 mas- Das sechste Capitel. mass e n/ wie der sache zu helffen waͤre/ aber nicht anders/ als daß vorher in der gan- tzen kirchen es schon anders stehen/ und wir in allen ordnungen andere leute haben muͤssten. Daher ob wir hieran einen sondern anfang machen wolten/ foͤrchte/ daß damir wenig gefruchtet wuͤrde: ohn allein/ daß wo ein Gottseliger Prediger waͤre/ so in der furcht des HErrn der gewalt sich Goͤttlich gebrauchen wuͤrde/ der- selbe seinen gewissen mehr rath schaffen moͤchte. Weil aber derselben so wenig sind/ von den meisten aber mißbrauch als rechter gebrauch zu erwarten stehet/ mag dieses auch ein stuͤck des heiligen gerichtes GOttes seyen/ daß er allen entzogen wer- den lassen/ was wenige recht brauchen koͤnten und wuͤrden. Wie schwehr es zwar den gewissen damit werde/ weiß und fuͤhle ich wohl/ aber die huͤlffe sehe noch weit entfernet/ und muß mit seufftzen tragen/ was nicht zu aͤndern. Der HERR erbarme sich endlich unsrer aller/ und schaffe/ da menschen krafft zu schwach ist/ selbsten die huͤlffe/ daß man getrost lehren und seiner ordnung aller orten recht nachkommen moͤge. Darum wir ihn dann unablaͤßig tag und nacht anzuruffen haben/ bis er sich seines Zions mit nachdruck annehme. 6. Jan. 1686. SECTIO XXXII. A n einen Edelmann von dem einbrechenden ge- richten. Das feuer der verfolgung reinigt die kirche von heuchlern. GOTTES treue in demselben an den recht- schaffenen. Gewißheit des endlichen sieges. Vor- schlaͤge der vereinigung mit dem Roͤmischen Babel gefaͤhrlich und schaͤdlich. J Ch gehe gleich zu der sacheselbs/ da ich mit denselben gantz einer meinung bin/ nehmlich es seye ein feuer angezuͤndet/ welches sich noch weit ausbreiten/ und in demselben nichts als das wahre und rechte gold bestehen wird. Es sind je nunmehr die zeiten des gerichts/ welches an den hause des HErrn anfangen muß/ dasselbige zu reinigen/ aber uͤber Babel endlich ausgehen wird. Jch sorge aber jene reinigung werde nicht nur allein unserem natuͤrlichen menschen schwer genug werden/ was er dabey auszustehen/ sondern es moͤchte ein grosser theil deren/ die sich jetzo aus der stunde der versuchung noch zu uns und der bekandnuͤß der wahrheit halten/ sich durch die verfuͤhrung und verfolgung davon ableiten oder abtreiben lassen: so zwar betruͤblich ist/ wegen verlusts der seelen/ von dero erhaltung wir so gute hoffnung gehabt hatten/ aber endlich der kirche selbs so grossen schaden nicht thun kan. Es ist an dem/ daß ein grosses stuͤck des verderbens und ARTI C. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXII. und vieles andern ursach ist/ weil in der eusserlichen kirchen gemein schafft so eine grosse anzahl (wolte GOTT/ nicht die meisten) derjenigen sich findet/ welche war- hafftig in ihren hertzen niemahl wahre Christen/ widergebohren oder glaubig gewe- sen/ sondern denen das irdische staͤts ihr hauptwerck und absicht/ die bekantnuͤß a- ber der religion/ bey de ro sie gebohren/ ihre nebenssach geblieben und bleibet. Von diesen kommet alles aͤrgernuͤß der kirchen her/ so deren nahmen offt den widersa- chern stinckend machet/ und der wahrheit/ die wir haben/ laͤsterungen zu ziehet/ ja es nimmet durch sie das heuchelwesen in der kirche dermassen uͤberhand/ daß manche so sonsten rechtschaffen gewesen/ durch das exempel solcher laulichkeit mit darin ge- pflochten werden/ und eben so wohl von ihren eiffer ablassen/ daß zu sorgen/ das uͤbel nehme immer mehr und mehr uͤberhand/ und solte als ein um sich fressender krebs leicht den gantzen leib vollends verderben. Wo dann GOTT dieses feuer der mit verfuͤhrung vermischter verfolgung laͤsset einbrechen/ verzehret es diejenige schlacken und falsches gold/ welches das wahre gold fast gantz umgeben/ und wie unscheinbahr gemachet/ davon dann das wahre gold gereiniget wird/ nicht aber thaͤtlich schaden leidet/ so vielmehr nutzen hat/ und einen desto herrlichern glantz dadurch uͤberkommet. Wolten wir ein ander gleichnuͤß brauchen/ so ist die kirche vielmahl in dem ruhestand eine zwar mit reinen leinewand gekleidete schoͤne Jungfrau/ an dero kleidung aber so viele kletten und unflat haͤnget/ daß man nichts mehr von dero weissen farbe siehet/ daher sie ihr himmlischer Vater in die wasser der truͤbsalen fuͤhret/ da die fluten al- les solches unreine abwaschen/ und das gantze kleid saͤubern. Daher haben wir nur dahin zutrachten/ daß unser gold moͤge wahrhafftig und der rechte Goͤttliche glaube in unserer seele seyen/ so doͤrffen wir jenes ferner nicht fuͤrchten/ sondern getrost erwarten/ wann und auff wie lang uns der HErr in solchen offen werffen und darinnen behalten will. Wir sind je von seiner treue versichert/ daß was an ihn treulich zu halten verlanget/ gewißlich durch seine krafft genugsam gestaͤrcket und erhalten werden solle: so wissen wir auch/ wie nunmehr das jenige in seine erfuͤllung gehet/ was von diesen unsern letzten truͤbsalen geweissa- get worden/ daß nicht weniger auch die uͤbrige verheissungen muͤssen erfuͤllet werden/ was der HERR gleichfals von dem fall Babels und wider auffrichtung seines geistlichen Jerusalems verheissen und geweissaget hat/ daß auch nicht ein wort da- von auff die erde fallen solle; Lasset uns nur den HERRN bitten/ uns dazu be- reiten/ oder vielmehr durch die gnaͤde GOttes dazu bereiten lassen/ unter solchen le- bendigen steinen als dann zu seyen/ die zu solchem bau gehoͤren/ und die vorhergehen- de truͤbsalen mit gedult und freudigen glauben auff den beystand und huͤlffe des HERRN ertragen; gewiß versichert/ wir sollen den drachen uͤberwinden mit dem blut des lammes und dem wort unseres zeugnuͤßes/ und da wir unser leben nicht de- Das sechste Capitel. lieben biß in den todt. Der sieg bleibt einmahl unsers JESU und in ihn unser in ewigkeit/ wohl werth um dessen willen wir rechtschaffen kaͤmpffen und mit gedult aushalten. Wann in den uͤbrigen derselbe gedencket/ daß der vielguͤtige Heyland uns vielleicht noch einen reichen seegen zeige/ und wir jetzo verlustigt werden/ siebenfaͤl- tig wieder ersetzen werde/ halte ich vor keine ungewisse muthmassung/ sondern bin dessen versichert/ und zwar nicht nur was einen jeglichen unter uns anlangt/ da der Herr hier oder dorten uns unsers schadens reichlich widerum ergetzen wird/ sondern auch was betrifft die gesamte kirche/ derselben wird der HErr mehr als siebenfaͤltig ersetzen/ was sie etwa ietzo verliehret/ an statt vieler heuchler/ welche von ihr ausgehen/ oder vielmehr sie von denselbigen befreyet werden wird/ unzaͤhlich viele rechtschaffene kinder GOttes/ die der HErr nach dem fall Babels zusammenfuͤh- ren/ und ihre zahl vermehren/ sonderlich aber die uͤbrige seines so lang verstossenen volcks wiederum herbey fuͤhren/ und sein reich mit ihnen ziehren wird. Ach eine selige zeit/ der solche erlebet/ und des heils des HErren hie theilhafftig werden wird. Welche aber aus uns solches hie nicht sehen solten/ haben daran genug/ daß wir das heil des HErrn schauen sollen in dem rechten land der lebendigen in ewigkeit/ und muͤssen auch uns bereits jetzt freuen/ deren bruͤder zu seyen/ welchen GOTT auch jene gluͤckseligkeit bestimmet hat. So bleibet es dann/ wir sollen und muͤssen es gut haben/ da wir an dem HErrn treu bleiben/ hie oder dort/ ja wo wirs recht ver- stehen/ wahrhafftig hie und dort. Der HErr schreibe solchen trost in unfer aller hertzen mit lebendigen buchstaben/ daß uns derselbe so vielmehr zur liebe und gehor- sam anspohre und in den anfechtungen befestige. ꝛc. Nun der HERR erbarme sich seiner kirchen/ und lasse auch solche truͤbsal wider der feinde gedancken zu ihrem besten ausschlagen/ als der diese kunst kan/ auch solche macht hat/ daß er aus boͤsen gutes mache. Die vorschlaͤge wegen der verei- nigung der religionen waͤren nichts als fallstricke den einfaͤltigen geleget/ sie zu be- stricken: und urtheilet mein wehrter freund wohl davon/ daß wo man den Vater der luͤgen nur einen kleinen einbruch gestattet/ er darnach bald vollends die uͤbrige wahrheit uns entzeucht. Einmahl wir haben einen jeglichen puncten der Evan- gelischen wahrheit so hoch zu halten/ daß wir lieber alles verliehren/ was unser ist/ als dasjenige fahren lassen/ was unsers GOttes ist. Jch sehe keine verheissung/ daß Babel sich bekehren werde/ sondern daß es in sein gericht sich selbsten stuͤrtzen solle; also muͤssen wir vielmehr davon ausgehen/ und uns davon sondern/ als in dasselbe uns wider begeben oder uns mit ihm verein- bahren/ damit wir seiner plagen/ auch muͤsten theilhafftig werden. Es hat je die gewalt solches feindseligen reichs nicht nur die laͤngste zeit gewaͤhret/ sondern ich hof- fe sein ende seye ihn so viel naͤher/ als seine gewalt auff das hoͤchste gestiegen ist: und sollen wohl diese letzte truͤbsalen ob zwar von den schwehrsten seyn/ dañoch nicht lan- ge- ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXIII. ge waͤhren/ sondern/ es bald ausgewittert haben/ und wann es scheinen wird/ daß himmel und erden von diesen schrecklichen wetter zusammen fallen solte/ wirds ge- than seyn/ und die herrliche sonne der gerechtigkeit wiederum an einen klahren him- mel sich zeigen. Der HERR mache uns wuͤrdig zu sehen sein heil/ und gebe in dessen freudigen getrosten muth/ seinen nahmen auch mit unseren leiden willig zu verherrlichen/ und zu uͤberwinden in der krafft seines sieges: Nun er kan es thun/ er will es thnn/ er wird es thun/ dann seine guͤte und wahrheit laͤssets nicht anders zu. So geschehe dann sein heiliger guter wille. Amen! 11. Jan. 1686. SECTIO XXXIII. W as in dem allgemeinen verderben der kirchen zuthun. Sich derselben dienst nicht zu entziehen. Men- schen satzungen. Verketzern. Arndius. Warum bey den loͤße-als bindschluͤssel mehr frey- heit. W As derselbe von dem betruͤbten und so verdorbenen zustand der kirchen schreibet/ ist freylich allzuwahr/ und moͤgen wir die augen hinwenden/ wo- hin wir wollen/ sehen wir das verderben nur in wenig unterschiedenen gra- den: theils sehen den schaden nicht/ theils wollen nicht helffen/ theils hindern noch die jenige/ so gern wolten/ theils vermoͤgen nichts auszurichten: und stehet unser bild natuͤrlich fast abgemahlet Jerem. 13/ 15. 16. 17. Wie vor 3. jahren solches zum bußtext tracti ret habe. Welches auch die ursach ist/ warum ich laͤngst davor ge- halten/ und noch halte/ es seye mit unserm eusserlichen kirchen gebaͤu in den stand kommen/ daß nicht mehr gnug geflickt werden kan/ sondern der HERR werde es durch die nun immer gefaͤhrlicher ausbrechende und androhende verfolgungen nie- derwerffen/ uñ es erst aus den uͤbrigen lebendigen steinen widerum nach seinen her- tzen auffbauen. Nur bitte ich dabey ihn meinen geliebten freund/ und alle welche uͤber dieses elend betruͤbt sind/ daß sie sich doch lernen in die zeit schicken/ und weder auff einer noch andern seiten aus der richtigen bahn schreiten. Dieses geschehe einstheils/ wo man dann in solchen verderben mit machen/ und ob waͤre alles durch die gewohnheit auctorisi rt/ ohne scheu der andern exem- pel nachfolgen wolte: Dann es freylich an dem/ daß Goͤttliches wort durch die verdorbene gewohnbeit unsrer zeiten nicht kan auffgehaben werden/ noch sich nach unserem willen beuget: Andern theils aber geschehe es auch/ wo wir gar entweder stang und stab fallen lassen/ oder uns von allem dem entziehen wolten/ was noch end- lich guts aus zurichten ist. Da fordert gleichwol Eott noch billich von uns/ weil wir J i i i nicht Das sechste Capitel. nicht so viel ausrichten koͤnnen/ als wir sonsten solten/ sondern uns die haͤnde in so vielen dingen mit dergleichen banden gebunden sind/ die wir nicht ohne mehrere der kirchen verwirrung und verunruhigung losreissen koͤnnen/ daß wir dennoch alle muͤhe und sorge anwenden zu den dingen/ welche noch einigerley massen in unsern haͤnden stehen/ ja uns so viel treuer in denselben erfinden lassen. Jch habe laͤngst erkant/ daß wir mit den halßstarrigen wenig ausrichten/ auffs wenigste davon abgehalten werden/ was bey dero fortsetzender boßheit zwar sie nicht so wohl bessern/ jedoch sie von einigen suͤnden abhalten/ und einiges aͤrger- nuͤß abwenden wuͤrde: nach dem aber einen Gottseligen lehrer noch endlich so viel uͤbrig bleibet/ daß er mit den jenigen oͤffentlich und auffs wenigste zimlicher massen auch besonders handlen darff/ was zu dero seligkeit noͤthig ist/ die da willig sind/ sich erbauen zu lassen/ und selbsten solches begehren/ so dann daß wir noch den boͤsen Goͤttliches gericht androhen und sie zur buß vermahnen doͤrffen/ wo je zu weilen GOTT noch an etzlichen die krafft seines wort und gewahr werden laͤsset/ so lasset uns auch diesen nutzen/ welchen noch etliche seelen von uns haben koͤnnen/ so hoch ach- ten/ daß wir deswegen uns des dienstes des HERRN/ wo er uns dazu bereits ge- setzet hat/ oder noch dazu ruffen wuͤrde/ nicht entschlagen wolten/ sondern uns auch dazu resolvi ren/ nichtnur unsre leibes kraͤfften gern zu verzehren/ son- dern auch unsre seelen in gefahr zu begeben/ um der bruͤder willen/ die wir so hertziich lieben sollen/ daß wir auch unsre seelen nicht zu sehr uͤber sie und mit ver- saͤumnuͤß der ihrigen lieben wolten. Wiewol wir doch dabey versichert seyn koͤn- nen/ da unsre liebe auch in solchem stuͤcke redlich/ daß sich der HERR unser erbar- men/ und uns unsre seelen mit zur ausbeut geben und erhalten wird. Welches mich offt troͤstet/ hingegen das exemvel des knechts Matth. 25/ 24. 25. schrecket/ welcher nicht aus haß seines Herrn/ sondern aus furcht/ daß er doch mit seinem pfund nicht so viel gewinnen wuͤrde/ als sein Herr nach seiner strenge von ihn for- derte/ das pfund liegen lassen. Jch will damit nicht sagen/ daß er eben in seinen vaterland und so bald dienst annehmen solle/ vielmehr stelle solches in dessen Gottselige uͤberlegung/ sondern/ daß er sich nur nicht (wie ich weiß/ einigen lieben gemuͤthern begegnet/ und damit eben der kirche keinen nutzen geschaffet zu seyn) allerdings durch das elende ansehen der kirchen niederschlagen lasse/ damit alle lust zu dero dienst zu verliehren: welches ich vor eine gefaͤhrliche versuchung halte. An den buchstaͤblichen doͤrffen wir je nicht allein hangen/ doch haben wir dabey das hertzliche vertrauen zu GOTT zu schoͤpffen/ wo wir in unserm amt das wort GOttes treulich treiben/ solte es auch bey den meisten nicht weiter als auff eine buchstaͤbliche erkantnuͤß gebracht werden/ daß dannoch immer noch einige (gesetzt es waͤren wenige) auch zu einer lebendigen erkandnuͤß kommen werden/ so dann auch bey jener etlichen noch kuͤnfftig eine zeit gehoffet werdẽ kan/ daß auch bey ihnen zu den buchstaben endlich das leben des gei- stes ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XXXIII. stes in ihre seele dringe/ so sie vo r hin eine weile gehindert haͤtten. Jn solcher hoffnung haben wir zu thun/ was wir koͤnnen/ und das uͤbrige den HERREN zu befehlen/ auff seine huͤlffe und besserung mit sehnen wartende. Was menschen satzungen anlangt/ wuͤnschte ich selbs derselben weniger/ o- der vielmehr keine: nachdem aber gleichwohl keine bey uns wie ich hoffe vorhan- den/ die eigentlich GOttes wort entgegen waͤren/ muͤsten wir aus liebe und um der ordnung willen auch uns denjenigen dingen unterwerffen/ daran wir sonsten ausser dem mit unsern gewissen nicht gebunden waͤren/ weil ja sich die liebe/ so ferne es oh- ne des glaubens eintrag geschiehet/ gern andern zu knechte machet. Die lust andere zu verketzern waͤhret schon lang/ und moͤgen wirs fast allge- mach gewohnen/ dergleichen zu hoͤren/ in dessen zu den HERRN seufftzen/ daß er denen die augen oͤffnen wolle die aus unzeitiger sorge der orthodoxiæ sich vor din- gen foͤrchten/ davor sie sich nicht zu fuͤrchten haben/ und die derselbe nicht entgegen sind. Daß auch der liebe Arndius noch so boͤsen nahmen bey einigen behaͤlt/ hindert seiner seligkeit nichts/ so wird auch sein gedaͤchtnuͤß nichts desto weniger in segen bleiben/ bey allen denen/ welche ihn mit verstand gelesen/ und etwas einen geschmack von geistlichen dingen haben: Vielleicht wird auch GOTT noch hie in der welt in besseren zustand der kirchen seinen nahmen lassen mehr zu ehren kommen/ und von den laͤsterungen/ die er hie hat leiden muͤssen/ gerettet werden/ da hingegen dort seine krohne so viel herrlicher werden wird. Jch schaͤme mich nicht sein discipul zu heissen/ ob wohl weiß/ daß mich auch solches bey einigen mit verdacht beschweh- ret hat. Was anlangt die frage/ warum ohne ausdruͤcklichen consens der gantzen kirchen keiner gebunden/ wohl aber geloͤset werden koͤnne/ meine ich/ seye die ur- sach des unterscheids offenbahr. 1. Weil das binden die ausschliessung aus der gemeinde mit sich bringet/ wel- che zu der gemeinde erkaͤntnuͤß gestellet werden muß/ und einmahl nicht in eines mannes hand stehen solle/ wer vor der gemeinde glied gehalten werden solle oder nicht: das loͤsen aber ist nichts anders/ als die ertheilung eines allgemeinen rechten/ daran alle theil haben/ als lange sie glieder des leibes sind. 2. Bey dem loͤsen hat es keine contradiction / sondern ist derjenige der ge- loͤset werden solle damit zu frieden/ bey den binden wird ordinarie derjenige/ den man binden will/ widersprechen/ da gehoͤret dann das judicium einen andern. Es kan aber auch faͤlle geben/ daß bey den loͤsen/ zum exempel wo einer absolvirt seyn wolte/ welchen die gemein ausgeschlossen/ derselben consens erfordert/ oder viel- mehr das urtheil von ihr gesucht werden muͤsste. So koͤnnen wir nicht eben sim- pliciter sagen/ daß der Pfarrherr die kirche repræsentire / auffs wenigste kan sol- ches in nichts anders geschehen/ als was und wie fern sie ihn solches uͤbertragen haͤt- J i i i 2 te. Das sechste Capitel. te. Ach wolte GOTT/ wir haͤtten die erste ordnung der kirchen nach der einse- tzung des HERRN/ so solten wir in der that die weißheit desselben erkennen/ daß er die staͤnde also in einander gegattet/ daß alles zu der gemeine erbauung concur riren muͤsste und solte. 25. Jan. 1686. SECTIO XXXIV. D aß die von andern mißbrauchte redens-arten des wegen nicht abzulegen. Arndius. Lutheri schrifften. Gemeinschafft CHRJSTJ und seiner glaͤubigen. O B ich wohl vor deme dessen wehrter person kundschafft noch nicht gehabt/ so hat mich dannoch desto mehr erfreuet/ aus seinen lieben schreiben nicht nur der gegen mich tragenden hertzlichen liebe/ sondern vornehmlich seines Gott- seligen gemuͤths/ und wie er den zustand unserer kirche und zeit ansehe/ versichert zu werden. Wie mirs dann eine der groͤssten vergnuͤgungen in dieser welt ist/ wo mich der HERR bald da bald dort widerum auffs neue eines bruders/ welcher es mit dem werck GOttes treulich meine/ gewahr werden laͤsset/ daraus ich mich troͤ- ste gegen die betruͤbnuͤß/ welche sonsten daher entstehet/ da man von allen seiten so viele um sich siehet/ die das ihrige/ nicht aber was des HERREN ist/ suchen/ und deswegen offt nicht allein das gute zu thun nicht fleißig sind/ sondern noch andere daruͤber hassen/ und auff allerley weise zu hindern trachten. Welches nicht das geringste verderben unserer kirchen ist/ uñ sich nicht nur in andern/ sondern auch un- serem stande/ die wir sonsten zu den dienst GOttes absonderlich gewidmet sind/ lei- der allzu viel findet. Ach wie viel sind unter zahl derer/ die alle lehrer der Gottseligkeit seyn sol- len/ die theils gar auch von oͤffentlichen aͤrgernuͤssen nicht frey gesprochen werden koͤnnen/ theils bey denen auffs wenigste mehr nicht als eine erudition / buchstaͤbli- che erkaͤntnuͤß und eine eusserliche erbarkeit/ angetroffen wird/ aber ohne einiges in- nerliches Goͤttliches liecht/ also gar daß auch was davon aus GOttes wort geredet wird/ so bald in verdacht gezogen werden muß: wie ich weiß/ daß sich einer gegen einen guten freund vernehmen lassen/ es seye gefaͤhrlich/ auch nur von dem geist zu reden. Jch habe hin und wieder in meinen schrifften daruͤber einige klagen gefuͤhret/ nach dem exempel anderer vor mir: ja mag selbs in solcher sache einiges an mir ha- ben erfahren muͤssen/ davon nicht viel sagen solle. Aber wie es ein leiden ist/ daß andere unsre bruͤder vor uns und mit uns betroffen (wie auch seine liebe person aus gethaner anzeige darunter zehlen muß) so lasset uns doch nicht daruͤber muͤde wer- den ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO XXXIV. den/ noch deswegen die jenige wahrheit/ welche den juckenden ohren der welt/ wo sie in eyffer vor die orthodoxiæ gantz fromm seyn und sich zeigen will/ unertraͤglich ist/ nicht verleugnen noch verschweigen. Wir wollen von der wiedergeburth/ von dem innern menschen/ von der salbung/ von dem liecht des heiligen Geistes so durch das wort in die seele kommet/ von dem leben des glaubens/ von den iñerlichen friedẽ/ von der ruhe u. stilligkeit der seelen/ von d’ vereinigung mit Gott u. unserem theurestẽ Heyland/ von dessen huldreicher einwohnung/ von der glaͤubigen gemeinschafft mit ihm und unter sich selbs/ und dergleichen materien zu ꝛeden und zu schreiben fort- fahren/ was uns das wort der wahrheit lehret/ und wir in eigener unsrer und an- derer erfahrung befinden: und die jenige daruͤber murren lassen/ welche die wahr- heit deswegen hassen/ weil sie sie nicht kennen. Was gehet uns an/ was Wei- gelius oder einiger/ welcher entweder eigentlich falsch von solchen materien gere- det/ oder dessen beschuldiget wird/ von jeglichen puncten und redens-art gehalten? Oder solle uns die macht und recht benommen seyen/ gute/ von dem heiligen Geist selbs vorgeschriebene/ oder sonsten von rechtglaͤubigen in unstraͤfflichen sinn ge- brauchte/ worte ferner zu brauchen/ weil sich etwa einige andere derselben in ande- ren verstand mißbrauchet haben? dahin muß es einmal nicht kommen/ noch der teuf- fel solchen vortheil gewinnen. Wie er dann/ wo man es recht erweget/ nicht wenig damit gewinnen wuͤrde/ wo es dahin kaͤme/ daß man sich der fleißigen handlung geistreicher materien und nachdruͤcklicher redens-arten so bald enthalten/ oder sonsten deswegen verdaͤchtig werden muͤsse/ so bald er jemand erwecket haͤtte/ der sich solcher wort in irriger mei- nung anmassete. Zugeschweigen wie die irrglaͤubige selbs damit geaͤrgert/ und in ihren irrthum gestaͤrcket werden/ dann wo wir aus forcht vor ihnen uns gewisser guter wort nunmehr begeben/ glauben sie nicht weniger/ daß wir auch solche wahr- heiten verlaͤugnen/ u. ihnen uͤberlassen. Viel nuͤtzlicher aber ists vor die wahrheit/ wo wir die gute redens-arten/ welche um ihrentwillẽ verdaͤchtig werdẽ wollẽ/ desto fleißi- ger/ aber auch vorsichtig/ u. mit noͤthiger erklaͤhrung des verstandes/ gebrauchen/ uñ also zeigen daß wir dero rechtmaͤßige besitzer seyen/ wir koͤñen versichert seyn daß der GOtt der wahrheit solches sich gefallen laͤsset/ und redliche hertzen/ welche etwas von dem geist haben/ unsre sprache wol verstehen werden/ wann sie schon in uͤbel ein- genommenen ohren fremde lauten moͤchte. So wird auch zu seiner zeit die wahr- heit mit herrlichen sieg mehr hervor brechen/ und sich die jenige schaͤmen/ die sie ge- laͤstert haben. Unser theure Arndius hat zwar freylich noch auf diese stunde seine hasser und verlaͤumder/ aber etwa gemeiniglich die jenige/ beywelchẽ weder etwas von dem liecht Gottes ist/ davon er so herrlich zeuget/ noch von dem jenigen leben und nachfolge Christi/ dazu er alle/ die Christen seyn wollen/ aus GOttes wort verbindet/ und die also davor halten/ daß ihnen dran gelegen seye/ daß er nicht vor einen wahren lehrer gehalten werde. Jndessen geneußt seine seele aller der herr- J i i i 3 lich- Das sechste Capitel. lichkeit vor den thron GOttes/ und kan seiner seligkeit durch die laͤsterer zungen nichts entzogen werden/ auch bleibet sein nahme und seine buͤcher in den segen/ bey allen kindern der wahrheit/ und die dieselbe mit gehoͤrigen fleiß pruͤffen. Auch lieget des rechtschaffenen Varenii rettung vor ihn so lange zeit der kirche vor augen: trotz das/ ohne was Rostius gethan/ so aber seine gnugsame abfeꝛtigung auch be- kommen/ einer seine feinde sich unterstanden haͤtte/ was vor ihn geschrieben/ zu wi- der legen. Dann daß ihn eineꝛ hie oder da anzaͤpffet/ ist nicht genug/ seine sonsten so deutlich gerettete unschuld wiederum in billichen zweiffel zu ziehen. So moͤch- te ich nach meines seligen præceptoris Herr D. Danhauers redens-art dieses cri- men stellionatus auch nennen (wie er solchen terminum von den Juristen ent- lehnt/ dazu zu gebrauchen pflegte) wo eine objection oder controvers solidere- futirt oder ausgefuͤhrt worden/ uñ man ohne gruͤndliche antwort dieselbe doch wie- derum/ als waͤre nichts dagegen noch gethan worden/ wiederhohlet und voꝛtraͤget. Gewißlich sind die jenige in solcher schuld/ die jenen rechtschaffenen lehrer fortfah- ren mit den alten beschuldigungen zu belegen/ und doch seine rettung anzugreiffen nicht getrauen. So bin versichert/ wer in unsers theuren Lutheri schrifften fleißig er- fahren ist/ wird an Arndio keinen eckel haben koͤnnen/ sondern in diesem das jenige ausgefuͤhrt finden/ was in jenen der krafft nach/ zu weilen auch mit den worten/ be- reits enthalten ist. Und wolte ich als eine sache unserer kirchen sehr nuͤtzlich achten/ wann manche Theologi in unsers lieben Lutheri buͤchern sich mehr als in andern/ sonderlich Scholasticis, uͤbeten/ sie solten hoffentlich von manchen wahrheiten bessern begriff haben. Jch komme endlich auff meines geliebten bruders program- mata, wo die in dem einen angegriffene wort ohne schuld sind/ und die in dem andern gefolgte vertheidigung solches gnugsam weiset. Zwar wo man blosser dings dahin sagen wolte/ man begrabe nochmal Christum/ oder derselbe sterbe/ so wuͤrde es in dem verstand/ welchen die blosse wort alsdenn primo conceptu mit sich bringen/ falsch seyn. Aber hie stehen sie nicht bloß/ sondern mit ausdruͤcklicher anzeige des verstandes/ und der rechten meinung/ wenn es nicht nur heisset in fidelibus suis \& vivit \& moritur, sondern auch noch weiter hinzugesetzt wird/ es seye appropri- ative, wie er mit seinen glaͤubigen alles gemein habe. Also da es heißt/ wer einen glaͤubigen in liebe begraͤbt/ begrabe Christum/ ists nichts anders/ als das Christus solche liebesthat also annehme/ wie er die jenige annimmet/ da jemand seinen glaͤu- bigen sonsten gutes thut/ mit speisen/ traͤncken/ besuchen und dergleichen; wider diesen verstand kan niemand nichts sagen/ ist auch die redens-art nicht ungereimt/ wann wir nicht vor ungereimt halten/ das Christus kranck/ gefangen/ hungrig/ dur- stig in seinen Christen seye/ und bekennet werde. Das wort/ moritur, daß er ster- be/ moͤchte das schwereste scheinen; es ist aber auch wol gezeiget/ daß Act. 9/ 4. 5. 2. Cor. 4/ 10. nicht weniger gesagt werde. Wird also Christus in seinen Christen von einem Paulo/ der sie zum tode brachte/ verfolgt/ so wird er auch in gleichem ver- ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO XXXV. verstand in ihnen getoͤdtet/ das ist/ es thut der verfolger nichts anders/ da er den glaͤubigen hinrichtet/ als ob er Christum selbs hinrichtete/ dann dieser rechnet sichs zu/ als ihn selbs geschehen/ so wird auch wahrhafftig an Christo/ wie solcher nahme auch dẽn gantzen geistlichen leibe mit seinen haupt gegeben wird/ ein glied getoͤdtet/ und also stirbt Christus in solchen glied/ ob er wol in seiner persohn nicht sterben kan. Es mag auch dieses ein zeugnuͤß des obgedachten seyen/ wie unsers Lutheri le- sung manchen nutzen solte/ wie sich denn vielleicht nicht leicht einer an dieser formul sonderlich wuͤrde gestossen haben/ deꝛ diesen fleißig gelesen. Daher mein wehrter bruder sich mit recht auff denselben beruffet/ und solten wir so vielweniger beden- cken tragen/ mit diesem lieben mann in dergleichen materien zu reden/ die wir wo wir recht acht geben/ werden bekennen muͤssen/ daß GOTT nach der Apostel zeit/ schwehrlich einigen lehrer ein vortrefflicher licht in den Evangelischen materien von der gerechtigkeit Christi/ von dem glauben und seiner krafft/ von der gemeinschafft Christi mit seinen glaͤubigen/ und insgesamt von den schaͤtzen des heils/ gegeben habe/ und wir also billich in ihm die goͤttliche theure gnade preisen/ daher uns mit ihm zu reden nicht schaͤmen muͤssen. Jch achte aber unnoͤthig zu seyn/ weitlaͤuffti- ger von dieser sache zu schreiben/ und bedarff mein wehrter bruder ohne das von mir nicht erst in dieser wahrheit gestaͤrcket zu werden/ die er selbs bezeuget: sondern mag ihn genug seyn meine mit beypflichtung aus diesen wenigen zu ersehen. 1686. 22. Apr. SECTIO XXXV. K lagen uͤber Cæsaropapiam. D Je gefuͤhrte klagen haben mich hertzlich betruͤbet/ und ist mir wenig von al- lem bekant gewesen. Ob nun wol mich zum richter nicht auffwerffen/ oder mir selbs gewalt zu nehmen habe/ so mag doch in thesi wol sagen/ Cæsaro- papia seye ein schaͤndliches monstrum als eines seyn mag/ ein schandfleck unserer kirchen und besorglich grosse ursach ihres ruins, aber ohne GOttes eigene/ wenige huͤlffe dagegen unter menschen zu finden. Wir muͤssen seufftzen/ thun was das gewissen noch dabey erfordert/ und alsdann das heyl des HErren warten/ der es in die haꝛre nicht also lassen kan. Gegen seine liebe person/ oder daß etwas gegen sie war/ habe kein wort gehoͤret/ und von dem jenigen/ da etwa die sorge auff seyen moͤchte/ in jahr und tage nichts gesehen. Die excommunicativam sententiam wieder N. (davon das uͤberschickte wieder zuruͤck sende) kan nicht subscribiren, wurde vorher selbs uͤber die sache von unserem geliebten freund Herrn N. consu- liret, meine antwort aber/ wie ich mit den brieffen der zeit nach nicht einhalten kan/ kam zu spaͤht/ sie war aber dahin/ daß ich nicht sehe wie man zu derselben schreiten koͤnte/ mit angefuͤhrten meinen rationibus. Weil ich also schon einmahl meiner Das sechste Capitel. meiner seits in hac causa geantwortet/ will sichs nicht wol schicken/ daß noch- mal ein responsum gebe: doch hoffe/ Herr N. solle nicht schweꝛ seyen/ daß an ihn abgegebene zu communiciren. Womit in den goͤttliche gnaden schutz und regie- rung seiner lieben person/ heiliges amt und gantze ihre kirche wider alles so sich auff einigerley weise dem guten wiedersetzen moͤchte/ treulich empfehlende. den 23. Apr. 1686. SECTIO XXXVI. G efahr deren die nach hohen dingen und geheim- nuͤssen stehen. Jacob Boͤhmens schriff- ten. J Ch lasse aus bedeuteten/ ob zwar dieser letzte brieff fast anders lauten will/ dannoch nicht alle hoffnung schwinden/ sondern trage gutes vertrauen/ der HErr werde seine Christliche intention, fleiß und umgang uͤber jetziges er- warten segnen/ doch wird gedult dazu gehoͤren/ und daß wir die stunde des HErrn in demuth und gedult erwartende in den guten fortfahren/ was wir eine weile an- gefangen/ und nicht so bald die frucht deꝛselben gesehen haben. Betruͤblich ist mir in dem uͤbrigen gewesen/ dieses zu vernehmen/ daß es leute giebet/ welche eine gute intention und sich sonsten der welt entschlagen haben/ aber nachmal nicht den rech- ten weg zu treffen beflissen sind/ sondern den einfaͤltigen weg des glaubens/ der liebe der gedult/ der demuth/ der hoffnung zu gering halten/ und so bald mit lauter ho- hen dingen zu thun haben wollen. Worinnen wahrhafftig ein gefaͤhrlicher be- trug des Satans und des eigenen fleisches/ dem die nachstrebung solcheꝛ hoher sa- chen etwa so wehe nicht thut/ als jene dinge/ darinnen man es staͤrcker angreiffen muß/ verborgen seyn/ und unser heyl in gefahr setzen kan. Jch leugne nicht/ daß es solche erkaͤntnuͤssen der geheimnuͤß gebe/ welche sich nicht eben bey allen Christen/ noch zu erst/ finden: ich erkenne auch/ wenn der HErr dieselbe giebet/ hat seine guͤte deswegen zu preißen/ als vor eine/ wie alle andere auch/ unverdiente gnade/ so dann sich derselben vorsichtig nicht zu eigener vergnuͤgung/ noch pracht/ sondern zu des nechsten auffmunterung zugebrauchen/ aber es sind dieselbe dinge/ nach welchen wir nicht eigenmaͤchtig gleichsam aufsolche klippen zu steigen/ sondern zu warten haben/ ob uns der HERR selbs dahin leitete. Unser weg aber heist der gecreutzigte Christus/ an dem wir mit glauben hangen/ in liebe/ gedult/ hoffnung/ sanfftmuth/ reinigkeit/ demuth und andaͤchti- ger betrachtung seines worts/ auch seiner anruffung/ ihm dienen/ seinen fußstapf- fen nachfolgen/ und der heiligung uns befleissen muͤssen/ darinnen taͤglich zuzuneh- men: fuͤhret uns nachmal der HErr weiter und auff hoͤhere dinge/ so uͤberlassen wir uns seiner weisen leitung und regierung und wissen/ was wiꝛ ihm nicht selbs ab- ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. XXXVI. abzurauben getrachtet/ sondern von ihn erwartet haben/ seye uns gesegnet/ da hin- gen wo wir ihn gleichsam in die kammer seiner hoͤhern geheimnuͤssen einzubrechen uns vermessen/ geschehen kan/ daß er uns einen blick thun lasse/ aber mehr in zorn/ wie dorten den Jsraeliten die wachteln/ so sie mit murren gleichsam abgezwungen/ nicht eben wohl bekommen. 4. Mos. 11. daher ich in allen solchen dingen rathe und eriñeꝛe/ nach dingen nicht zu trachten/ welche uͤber uns und uns zu hoch sind: ja wie in andern stuͤcken also auch hierinnen die demuth lobe/ da wir gern bey dem niedri- gen und einfaͤltigen bleiben/ und uns hoher dinge unwuͤrdig/ auch dazu ungeschickt halten. Zwar haben wir auch nach den besten gaben zustreben 1. Cor. 12/ 31. aber in der rechten ordnung/ und nicht umgekehrt/ so zeiget der liebe Apostel den koͤstlichen weg auch zu den hoͤchsten gaben/ daß derselbe die einfaͤltige/ und in man- cher hoher geister augen verachtete liebe seye 1. Cor. 14/ 1. die ist der weg/ der so zu reden allgemach um einen berg herum gehet/ auff welchen man endlich auf die hoͤch- ste spitzen kommt/ und doch solches ohne gefahr/ da hingegen welche die felsen grad- auff besteigen wollen/ meistentheils abstuͤrtzen/ oder endlich von dem steigen ablas- sen/ und jenen allmaͤhlichen weg hinauff zukommen wiederum erwehlen muͤssen. Dieses ist meine meinung/ und zweifle ich nicht/ mein wehrter freund seye auch in denselben: Daher wo er gelegenheit hat/ wohl thun wiꝛd/ da er jemand um sich ge- wahr wird/ den mehr gefaͤlt den blossen GOTT in seiner majestet (davor unser liebe Lutherus uns allezeit treulich als vor grosse gefahr gewarnet) lieber als in seinen gecreutzigten Sohn und dessen einfaͤltiger offenbahrung zu suchen und zu schauen/ mit guter bescheidenheit zu warnen/ daß der glantz die augen nicht blende/ und der angemasste weg dazu keinen sturtz nach sich ziehe. Wir haben auch vor solche liebe leute hertzlich zu beten/ daß sie der HERR selbs leite nach seinem rath/ und sie nicht ihrer eigenen leitung uͤberlasse/ davon sie sonsten schaden nehmen/ und das gute in ihnen um seine gehoͤrige frucht gebracht werden moͤchte/ so unsbillich betruͤblich geachtet werden solle. Was Joh. Boͤhmen anlangt/ weist derselbe meine meinung/ wieich ihn nicht uꝛtheilen kan noch darff/ als den ich nicht verstehe/ in dessen ursach zu haben glau- be/ seine lesung/ zwar nicht/ wider das recht der Christen alles zu pruͤffen/ zu ver- bieten/ aber doch wolmeinend zu mißrathen/ weil mir billicher verdacht annoch vor augen schwebet/ und auffs wenigste die heilige Schrifft uns noch heut zu tag so gnug zu unsrer seligkeit seyen wird/ als sie vor dieses mannes schrifften gewesen/ biß der HERR/ den wir darum zu bitten nach seiner barmhertzigkeit der kirchen deut- licher zeige/ wie sie diesen scribenten anzusehen. Wo aber jemand gleichwol ihn lieset/ finde ich nicht ursach/ ihn deswegen zu verwe r ffen als lang er noch bey der schrifft bleibet/ und in nichts von derselben abweichet/ so dann ihn nach deꝛselben geurtheilet werden laͤßt: Solte aber jemand durch jene ausgebende hoͤhere dinge K k k k da Das sechste Capitel. dahin gerathen/ daß ihm deswegen darnach die einfaͤltige schrifft eckelhafft und ver- aͤchtlich wuͤrde/ daher jener nunmehr den vorzug bekaͤme/ sorgte ich die aͤusserste gefahr/ und daß es um einen solchen menschen/ wo er nicht bey zeiten wiederum gerettet wuͤrde/ bald gethan seyn moͤchte. Mein gebet und wunsch ist immer: Hei- lige uns in deiner warheit/ dein wort ist die warheit. Der HErr erhoͤre uns darinnen/ und bewahre uns vor allen nicht nur offenbahrlich boͤsen/ sondern auch scheinbaren abwegen/ so sind wir in seiner fuͤhrung sicher. 29. Maj 1686. Anhang. SECTIO I. S chwehrigkeit goͤttlichen willen zuerkennen. Darum vornehmlich zubeten. Gefahr des geistlichen standes. Vortheil des weltli- chen. S Ein geliebtes hat mich inniglich ergoͤtzet/ getroͤstet/ und zu unterschiedlichem guten anleitung gegeben/ weßwegen sonderlich mich daruͤber verbunden er- kenne. Es ist freylich also/ daß wir mit der weltweißheit nichts zu thun/ noch wir Evangelische Prediger uns um dieselbe viel zubekuͤmmern haben/ mit wel- cher wir doch das werck des HERRN/ so gantz alterius generis ist/ nicht befoͤr- dern werden. So erkenne auch gerne/ daß wir in einfalt des hertzens/ unser amt in dem gegenwaͤrtigen zuthun haben/ und als die kinder das kuͤnfftige dem weisen Vater in dem himmel befehlen sollen. Der HErr lehre mich mehr und mehr sol- ches auch wahrhafftig zu thun/ und also seyn kind zu werden. Mein anliegen ist meisten dieses/ daß ich in meinem amt so offtmahl sehe/ wie ich dieß und das/ etwa auch guter meinung/ unterlassen/ und so und so gethan habe/ nachmahl aber aller erst gewahr worden bin/ wie dieses und jenes damit nicht recht angegriffen/ sondern dadurch einiges etwa versaͤumet/ oder auch gutes gehindert worden seye: So mich nachmal nicht nur betruͤbet sondern sorgfaͤltig machet/ so offtich wiede- rum etwas zu thun vorhabe/ ob ichs auch recht angreiffe/ und nicht abermal in meinung das gute zu foͤrdern/ etwa unwissend solches verhindere. Und das ists/ wo ich offt mich fast nichts resolviren kan/ als der ich willig waͤre/ dem willen Got- tes zu folgen/ da ich denselben erkennen koͤnte/ aber ihn nicht anders als sehr dunckel und gleichsam durch lauter finster wolcken sehe. Endlich auch kein gnugsam mittel finde/ als daß ich mit einfaͤltigen kindlichen gebet/ den Vater der gnaden auruffe/ der mich fuͤhren wolle nach seinen wohlge- fallen. So achte ich mir und vielleicht meistens allen GOtt suchenden seelen kein ge- ARTIC . I. DIST. IV. SECT . I. gebet nothwendiger/ als ihn demuͤthig anzuflehen/ daß er uns sein licht verleihen wolle/ seinen willen zu erkeñen/ und krafft/ demselben auch wircklich nachzukommen. Ach wie wohl ist uns/ wenn wir solches erlangen; wir solten ja nichts andeꝛs/ als nur dieses/ begehren. So wuͤrde wahrhafftig der glorwuͤrdigste name GOttes auch wircklich von uns/ und an uns/ gepriesen/ das theure gnaden-reich in uns fester gegruͤndet/ und der ware wille des liebsten Vaters kraͤfftig vollbracht wer- den/ an welchen allein gleichwol uns ewig gelegen ist/ und darauf das wenige/ so wir hiezu dieses leibes auffenthalt bedoͤrfftig sind/ ohne unsere sorge ohnfehlbahr- lich folgen. Jch habe nun durch GOttes gnade allhier um mich etliche seelen/ welche wie sie dieses fest allein von ihrem GOtt bitten/ auch darzu erfordert worden/ an dero gesellschafft mich hertzlich ergoͤtze/ abeꝛ der ich ihnen hierin vorgehen solte/ damit zu frieden seyn muß/ daß ich durch sie angefrischet ihnen nachfolge. Wie es dann nunmehr dahin gekommen/ daß zwar die allermeisten unter uns Predigern der rechtschaffenen lehr von der wahren Gottseligkeit wo nicht offentlich doch in dem hertzen feind sind/ wir uͤbrige aber/ welche wir einige gute intention vor GOttes ehre noch uͤbrig haben/ so schwach noch sind/ daß wir mehr lernens bedoͤrfften/ als das jenige/ was das einige nothwendige ist/ die art und ordnung/ wie wir darzuge- langen koͤnnen (davon wir von unsern præceptoribus fast wenig hoͤren) unser ge- meinden mit rechtschaffenen nachdruck lehren koͤnnen. Hingen erwecket GOtt hin und wieder in dem weltlichen stande einige und andere rechtschaffene seelen/ die mit viel lauterern hertzen denselben meinen/ und sich von der welt abziehen/ als sie von uns zugeschehen sehen. Welchen ich zwar solche ehre und vorzug vor uns/ de- nen sie es so viel in dem himmelreich vor thun/ nicht mißgoͤnne/ aber verlange ihnen rechtschaffen folgen zu koͤnnen: und ach wie wuͤnschte ich/ daß es nicht dahin gekom- men waͤre/ daß durch unsere menschliche kirchen-verfassungen und eingefuͤhrte ge- wohnheiten unser amt in den stand gerathen waͤre/ daß wir fast nicht sehen/ wie wir unser gewissen dabey retten koͤnnen! das ist das jenige/ welches unaussprechliche angst in den gewissen erwecket/ und viel gute gemuͤther offt schon zur resolution wuͤrde gebracht haben/ die dienste die ihnen bey nahen die gewisse gefahr der ver- damnuͤß uͤber den halß ziehen/ lieber zu resigniren / wo ferne sie nicht die conside- ration der kirchen/ deren damit nicht gedienet/ sondern sie vielmehr des noch wenig an ihnen uͤbrig habenden fruchtbaren dienstes wuͤrde beraubet werden/ zuruͤck zoͤge/ und ihre eigene jener gefahr nachzusetzen vermoͤchte. Obs aber in den HErrn gut thun werde/ und wird nicht endlich unsere seelen werden trachten muͤssen zuerretten/ weiß ich nicht. Und haben wir GOtt zu bitten/ daß er uns selbst mit seinem Geist regiere/ und seinen willen zeige. Jn diesen haben sich alle/ die ausser n nserem stande leben/ inniglich zu freuen/ K k k k 2 wi Das sechste Capitel. wie gluͤckselig sie seyen/ und ihr Christenthum/ wo sie nur wollen/ mit so unver- gleichlich wenigeren anstoß und hinder nuͤß seliglich fuͤhren koͤnnen. Sie beten auch vor uns so viel hertzlicher/ daß doch GOTT uns armen beystehen/ und entweder es dahin bringen wolle/ daß wir einig und allein nach seinen willen unser amt fuͤhren doͤrffen/ oder uns weisen/ wie wir in gegenwaͤrtigen uns zu verhalten haben. Ach daß doch die huͤlffe aus Zion uͤber Jsrael kaͤme/ und der HERR sein gefangen volck erloͤsete! Nun er wirds auch thun zu seiner bestimmten zeit der wir zu er- harren haben/ in dessen heilige hand und gnade zu kraͤfftigen wircken/ und daher folgenden wachsthum/ in reinigung/ erleuchtung und vereinigung mit ihm dem hoͤchsten gut ihn empfehle. 167.... SECT . II. W egen einiger B oͤhmisten vermessenen urtheils/ sich da durch nicht schrechen zulas- sen. D As mein geliebter bruder sich von der Boͤhmisten judicio’ niederschlagen solte lassen/ waͤre mir leid. Es machet mich ja eines andern urtheil vor GOTT weder besser noch schlimmer/ sondern der gerechte lebet seines glaubeus. Jch lasse mich nicht in ihre subtiliteten, sondern bleibe bey meiner einfalt der schrifft. Die weiset mich auf den glauben an Christum/ wer an den- selben glaube/ derselbe sey gerecht/ GOTTES kind/ wiedergebohren/ selig/ und habe den heiligen Geist. Daß ich mich aber in dem glauben nicht verstosse/ so bleibe ich wiederum bey den kennzeichen derselben in der schrifft. Wer 1. ein hertzliches vertrauen hat an JEsum Christum und dessen ver- soͤhn-opffer/ darinnen allein seinen trost und seligkeit mit außschliessung seiner und aller menschen verdienst suchet/ und solche seligkeit hoͤher schaͤtzet/ als alles in der gantzen welt/ und seinen GOtt davor dancket. 2. Aus solchem vertrauen GOTT hertzlich und also liebet/ daß er deß we- gen allezeit bereit ist/ seinen willen/ den er ihm vorschreibet/ und so viel er ihm noch immer wird zu erkennen geben/ mit freudigkeit zuthun/ und muthwillens ihm nicht zu beleidigen/ stellet deßwegen auch sein leben nach seinem vermoͤgen/ ob wol in schwachheit/ also an/ daß er eben um solcher liebe GOttes und von Christo empfangener wohlthaten/ und nicht bloß um des lohns willen/ sich des jenigen ent- haͤlt/ was ihm sonst von natuꝛ lieb und er dazu geneigt gewesen/ hingegen das jeni- ge thut/ was der natuꝛ nicht angenehm ist/ fuͤhlet dazu mehrmahl einen trieb/ hin- A RTIC . I. DISTINCT. IV. SECT . II. hingegen wo es versehen worden/ das starffen in seinem hertzen und so bald neue be- gierde es wider zu ersetzen: Erkennet also in seinem hertzen/ bekennet mit seinem munde/ ehret mit seinem leben/ ruffet an mit seinem gebet dem Herrn JEsum als seinen Herren; derselbe ist einmahl nach dem urtheil der schrifft/ und also GOttes/ ein kind desselben/ und hat den heiligen Geist/ ohne welchen wir CHristum keinen Herrn nennen koͤnnen. Man mag mir die natur so hoch ruͤhmen als man will/ und die guͤtigkeit derselben aus den actis deduciren / wie man kan/ so finde ich nach der schrifft nicht/ daß solcher glaube/ liebe/ hoffnung und eine solche beschaffenheit des hertzens/ das nachmahl der baum seye des gantzen lebens/ von der natur und nicht von GOTT herkomme/ und also seines geistes wuͤrckung seyn muͤsse. Ei- nes andern uͤber redet mich kein Boͤhmist. Lasset uns also/ lieber bruder/ in unse- rer veste stehen/ und uns von der einfalt der schrifft nichts abtreiben lassen. Rich- tet man uns druͤber so wollen wirs leyden/ und zu so viel fleißiger pruͤffung solches dienen lassen/ und GOTT desto ernstlicher so vor die uns noͤtige gnade als verge- bung derer gegen uns unrechten urtheile anruffen. Haͤltet man uns sonderlich da- bey vor einfaͤltig/ soll dieses ein stuͤck unseres lobes seyn. Er gedencke nur/ wie dieses urtheil bestehen koͤnne/ daß es nicht vermessen heisse. Er zeiget in seinem Ca- techismo nichts/ was solchem Goͤttlichen liecht zu wider waͤre/ oder damit nicht uͤ- bereinkomme/ und spricht ihm doch das Goͤttliche liecht ab. Wollen dann solche leute sich nicht nur derer gaben des heiligen Geistes/ die wir allen gerne goͤnnen und wuͤnschen/ sondern auch der GOTT allein zustehen- den eigenschafft/ in die hertzen zu sehen/ anmassen? daß sie nicht nur urtheilen von demjenigen/ was aus dem hertzen gekommen/ sondern von dem hertzen selbs/ ohne dessen probe aus seinen fruͤchten zu geben. Er sehe nur/ ob dieses aus dem heiligen Geist (will nicht sagen liebe) geflossen: Da er schreibt. 1. Jch seye den leuten gehaͤßig/ die nicht zum abendmahl gehen wolten. 2. Jch wolte sie von allen republiquen ausmustern. Beydes ist nicht aus der wahrheit/ und also nicht aus dem Geist der wahrheit. Jch hasse dero leu- te keinen/ sondern der HERR sihet/ welche eine liebe in meiner seelen gegen solche leut/ da ich sonsten gutes an ihnen sehe/ trage/ die da machet/ daß als dann so viel hertzlicher mitleyden mit ihnen trage/ und nur ihren irrthum/ vielmehr aber das aͤrgernuͤß/ damit sie sich auff solche weise versuͤndigen/ in der seele weh thut/ welches weniger geschehen wuͤrde/ da ich feindselig gegen sie gesinnet waͤre. So wird er auch von mir nicht zeigen koͤnnen/ daß jemahl einen auszumustern/ der vorher eines orts saͤßhafft gewesen/ gerathen/ weniger solches gesucht habe. Ein anders ist/ er- ner Christlichen Obrigkeit von dem j enigen was ohne das stattkuͤndig worden/ dar- an ich nicht schuld habe/ noͤthige part zugeben/ daß sie eine sache/ so zu oͤffentlichem aͤrgernuͤß worden/ untersuchen solle/ mit erbieten/ wo solches geschehen/ was in un- K k k k 3 serer Das sechste Capitel. sereꝛ hand nicht stehet/ alsdann auch das unsrige ferner dabey zu thun/ was der kirchen nothdurfft/ und solcher irrenden eigen heil erfordert. Hie sehe mein werther bruder/ ob solcher leute urtheil/ die sich so offenbahrlich prostituiren / und aus einiger furchtsamer leute klagen solche argumenta machen/ dadurch ein mann/ der in officio ist/ und von dessen handlungen/ sonderlich da er in einem collegio ist/ da allezeit die majora gelten/ und man nicht weis wie viel part jeder an solchem habe (wie wol ich in der hypothesi / worauff sie deuten/ nicht leug- ne/ selbs autor zu seyn/ daß der Obrigkeit inquisition gesucht wuͤrde) und auch al- lerhand reflexiones muß zu weilen machen/ daß man nicht allezeit das jenige thue/ was wir sonsten am liebsten wolten/ sondern was sich zu wege bringen laͤsset (wo die ursachen von jeglichem andern nicht darff und mag vor die augen legen/ hingegen diese unbefugt sind ihre conjectu ren druͤber zu machen) gravi ret/ und seines has- ses und verfolgung beschuldiget wird/ vor wuͤrdig zu achten/ das was sie von unserem hertzen/ ohne vorzeigung der proben urtheilen/ mehr als das zeugnuͤß/ das nach un- serer pruͤffung uns unser eigen hertz giebet/ gelten/ oder uns irre machen solle. Dann der geist/ so in jenen so offenbahrlich geirret/ und mir wider das zeugnuͤß meines ge- wissens/ ja auch was hie an dem tage liegt/ unrecht thut/ meritiret nicht/ daß er un- fehlbahr in dem urtheil uͤber uns in anderen verborgenen dingen geachtet werde. Wo beliebig/ der person dieses/ oder was da von dienlich/ zu communici ren/ mag es wohl leiden. Der HERR mache unsere hertzen fest/ und lasse sie nicht von der pleropho- ria durch ander urtheil jemahl abgetrieben werden. Amen. SECTIO III. G efahr und elend unsrer zeiten in geist- und leib- lichen. Trost dargegen/ und rath wie sich zu verhalten. D Er genante zustand unserer so kirchen als gantzen teutschlandes/ kan nicht anders als einem jeglichen betruͤben/ der denselben ansiehet/ und zwar so viel mehr/ je tieffer etwa einer vor den andern dahinein/ und was menschlicher weise in den kuͤnfftigen zu hoffen oder sorgen stehet/ vor sich siehet. Sehen wir un- serer armen kirchen zustand an/ so finden wir ausser derselben die Papisten von aller seiten uns nicht nur auff s etzig/ sondern daß bey denselbigendie consilia bereits ge- schmiedet seyen/ dardurch sie nunmehr sich versichert halten/ daß sie in nicht vieler zeit werden die/ wie sie uns zu nennen pflegen/ ketzer vertilget oder unter den gehorsam des Roͤmischen stuhls gebracht haben. Zu diesen consiliis / zu der execution vor dem das hauß Oestereich bestimt ge- ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECTIO III. gewesen/ aber damit nicht auffkommen koͤnnen/ ist jetzo Franckreick von ihnen de- stinirt : Daher uͤber neulich gluͤckliche progressen der Frantzosen die Paͤpstische geistlichen so animos worden/ daß sie fast ungescheut von dem hause Oesterreich in vergleichung gegen Franckreich sehr veraͤchtlich geredet. Wann dann schon von dem Koͤnig in Franckreich zu gedencken waͤre/ daß er nicht aus eigenem eiffer der religion so hoch achtete/ so wuͤrde doch seine staats maxime es erfordern/ sich einen eifferer zuweisen/ um durch solches mittel die gemuͤther an sich zuhaͤngen/ die vor die- sem um dieser ursach willen dem hauß Oesterreich angehaͤnget/ sonderlich aber den Paͤpstlichen hoff ihm damit zu obligi ren/ daher er nicht allein in dem eigenen reich die Reformirten auffs euserste druckt/ wider alle reglen seiner vorfahren/ sondern auch in den conquestir ten orten mit fleiß sich dessen angenommen/ ob waͤre die vor- nehmste absicht/ die Catholische religion zu stabili ren. Sehen wir unsere kirchen von innen und deroselben zustand an/ so ist er so voller mißhelligkeit/ aͤrgernuͤß und undanck gegen Goͤttliche reiche gnade/ daß wir sorgen muͤssen/ GOTT moͤchte nach seiner alten gewohnheit widerum fortwandern/ und den seinden mehr gewalt geben/ als wir jetzo gedencken moͤgen. Eine ziemliche vorbereitung dazu scheinets zu seyn/ daß wenig Obrigkeiten mehr sind/ die sich die befoͤrderung des reichs Got- tes mit hertzlichen ernst lassen angelegen seyn/ etlichen stinckt das maul wiederum nach den fleischtoͤpffen Egypti/ und verlangen selbs nach dem Papstum (nicht ge- denckende in was sclave ꝛey sie sich damit stecken) andeꝛe suchẽ unteꝛ den nahmen des Evangelischen wesens einen blossen libertinismum und veꝛdecken damit ihꝛe athe- isti sche boßheit; daß gewißlich/ wo noch etwa die jenige fromme hertzen/ s o noch itzt mit dem gebet vor dem riß stehen/ weꝛden von der welt weggenommen seyen u. in ihrer ruhe liegen/ Goͤttliches geꝛicht von seinen hause anfangen muß/ so stehets in dem geistlichen. Jn den zeitlichen und weltlichen muß ein mensch blind seyn/ der nicht die zerruͤttung der gemuͤther in dem reich erkennete/ und daraus schlechten ausgang erwartete. Jn solcher zeit leben wir/ und in solcher lassen wir die unseren. Doch laͤsset uns GOTT ohne trost nicht/ wo wir auch auff denselben acht geben; Was ich das vorige mahl geschrieben/ ist mir eben jetzt nicht mehr in den gedaͤchtnuͤß; aber dieses bleibet allezeit meine regel und das fundament alles meines trosts/ vor mich und gute freunde: GOTT koͤnne nicht anders als alles wohl machen/ nur daß wir nicht verstehen/ was wohl gemacht heisse/ sondern in dem urtheil was gut oder boͤse/ nuͤtzlich oder schaͤdlich seye/ unser groͤste weißheit die groͤste und alberste thor- heit seye/ zu welcher erkaͤntnuͤß uns GOTT mit seiner so widersinnischen als aller weisesten regierung fuͤhret. Werde ich gefraget/ was ich davor halte/ das zu be- foͤrderung Goͤttlicher ehre am vortraͤglichsten seye; so weiß ich nicht anders zu ant- worten/ als dieses/ wo die wahre rechtglaͤubige kirche in guten flor stehet/ uͤber ihre innerliche u. eusserliche feinde staͤtig triumphirte/ von allen aͤrgernuͤßen rein bleibet/ immer Das sechste Capitel. immer zunimmet/ und in summa jederman auch eusserlich erkennen kan/ daß seye der hauffe der jenigen/ die Gott auff ihrer seiten haben/ weil er selbs sich derselben so augenscheinlich annehme; so und anders nicht muß ich u. jeder mensch urtheilen/ wo wir aus unserer vernunfft urtheilen sollen/ welches das beste und zu Goͤttlicher ehr vortraͤglichste waͤre; aber so urtheile ich davon/ wie ein kind von grossen staats geschaͤfften urtheilen wuͤrde/ dessen ein verstaͤndiger lachen muͤste; nicht anders sind vor GOTT unsere vernuͤnfftigste gedancken/ von seiner regierung/ wie ers schicken solle. Dann daß dieses so augenscheinlich beste gleichwohl nicht das wah- re und zu GOttes ehren ersprießlichste beste seye/ zeiget er selbs/ da ers gantz anders gehen laͤsset/ und aber weder zu schwach ist/ seine ehre in allem zu befoͤrdern/ noch ihm an weißheit manglet/ die art wie solches geschehen solle zu erkennen. Also muͤssen die jenige dinge/ durch die wir nicht anders sehen/ als daß GOttes nahme gelaͤstert/ seine ehre gehindert/ sein reich geschmaͤhlert/ sein wille hindertrieben werde/ gleich- wohl die jenige seyn/ die er auff uns unbegreiffliche art zu mittlen braucht seiner eh- re/ und diejenige dinge/ die gerad wider unsere seligkeit streiten/ die mittel derselben zu erhalten/ wie nun GOTT siehet hiedurch uns dahin zu bringen/ daß wir end- lich lernen glauben/ er seye allein weiß/ wir aber seyen thoren/ also ist auch nichts bequemer/ sich zu allen/ wie es auch gehe/ vor zubertiten/ als sich dieses kraͤfftig ein- zubilden/ und stetig daran zu gedencken/ so seye es allemahl das beste/ wie es GOtt fuͤget/ wo ers auch am seltzamsten anfaͤnget/ dann glauben wir einmahl dieses/ daß es allemahl das beste seye/ wie es GOTT schicket/ so werden wir uns daruͤber nicht beschwehren/ was uns je begegnet/ weil wirs nun mehr erkennen/ daß es gut/ und uns auch gut/ ja indem groͤsten schaden der groͤste gewinn seye. Das ist allein der trost/ welcher den stich haͤlt/ es gehe auch drunter und druͤber/ wie es wolle/ dann damit wird das gemuͤth und dessen ruhe auff einen unfehlbahren grund gesetzt/ da sonsten wo mit man sich troͤsten will/ offt nicht so unbeweglich stehet/ als mans etwa gemeinet hat. Aber lerne ich nichts anderes wollen/ als was GOtt will/ so muß auch mein wille allezeit geschehen/ weil der Goͤttliche allezeit geschehen muß. Dazu setze ich auch billich/ wo ich sehe/ daß es das ansehen gewinne/ die feinde der wahrheit wuͤrden die gantze kirche und das reich CHRJSTJ ausrotten/ daß ich mich aus GOttes wort versichere/ solches koͤnne der teuffel mit aller seiner list und gewalt nicht thun. CHRJSTUS muß Koͤnig bleiben/ so kan ihm sein reich nicht ge- nommen werden/ zwar dieses mag endlich geschehen/ und obs geschehen werde/ ist allein dem grossen GOTT wissend/ daß die kirche so unterdruckt werde/ daß kei- ne oͤffentliche gemeinde mehr uͤbrig seye: so zwar der elendeste stand und mit keinen/ andern leiblichen ungluͤck zu vergleichen ist. Aber indessen bleibet die kirche doch verborgen/ und herschet CHRJSTUS mitten unter seinen feinden/ wider al- len willen und danck derselbigen. Sonderlich muͤssen wir wissen/ daß das wahre reich GOttes ohne das allein in den hertzen der glaͤubigen und also verborgen seye: daß ARTIC. I. DISTINCTIO IV . SECTIO IV . das muͤssen die feinde wohl unzerstoͤrt/ und daher CHRJSTUM von seinem thron unverstossen lassen. Weswegen angesehen dieses aben/ wir nicht besser zu diesen zeiten uns anzuschicken haben/ als daß wir eines theils GOTT hertzlich an- ruffen/ er wolle alle rathschlaͤge/ wider seine ehr und seiner kirchen bestes gerichtet/ kraͤfftiglich auff ihm allein bewuste weise zu nicht machen/ hingegen jene befoͤrdern und uns um unserer suͤnde und undanckbarkeit willen nicht gar verwerffen: wo fern er auch auch schwehre truͤbsal uͤber uns verhengen wolte/ mit so viel kraͤfftigeren trost und gnade des heiligen Geistes beystehen/ daß wir und die unsrige darinnen nicht weich werden/ sondern fest an ihn bleiben/ und mit unsern leiden ihn preisen: andern theils als dann mit getrosten gemuͤth erwarten/ was kommen wird/ und uns nicht allzu viel fuͤrchten von denen die mit aller gewalt mehr nicht thun koͤnnen/ als wo wir uns recht darzu schicken/ unser eigen bestes wider ihren willen befoͤrde- ren/ vielmehr alle sorge GOtt befehlen/ der wie ers allezeit wohl gemacht hat/ also allemahl ins kuͤnfftige noch wohl machen wird. SECTIO IV. A llerley materien. W ichtigkeit der arbeit in der jugend. Recht der Christen/ sich untereinander zu er- bauen. Kriegsmanns Symphonesis. Hoffnung von ei- niger wiedersprecher bekehrung. Von der in- nern versieglung des Geistes zu schrei- ben. Hoburgs schꝛifften. Scriver. J Ch dancke den guͤtigsten Vater/ von dem alle gute gaben kommen/ von grund der seelen/ der durch seinen geist der liebe unsere hertzen immer naͤher und fester verbindet/ auch wie wir von seiner guͤtigkeit uns versichern koͤn- nen/ uns in solcher gemeinschafft des Geistes erhalten wird/ biß wir nach unsers theuresten Erloͤsers verheissung vollkommen seyn in eines in dem Vater und dem Sohne. Jn ansehung solcher hertzlichen liebe/ so aus allen zeilen der beyden neulichen zu gleich an mich abgesandten brieffe hervorleuchtet/ haben mich diesel- be so inniglich erfreuet/ als in vieler zeit mir einige ursach zur freude gegeben wor- den/ und bedarff es doch ja nicht einiger entschuldigung gegen mir. Denn wie sehr mich desselben liebe hand ergoͤtzet/ und deswegen nicht leugne/ daß ich darnach L l l l oͤffters Das sechste Capitel. oͤffters verlangen habe/ und haben werde/ so setze doch billig mein verlangen und ver- gnuͤgen/ so aus dessen schreiben schoͤpffe/ seinen geschaͤfften nach/ und wolte nim- mermehr daß um meinet willen entweder ein so lieber freund ihm selbs beschwehrde machen/ oder aber etwas der nuͤtzlichen amts verrichtungen unterlassen solte; son- dern lasset uns allezeit thun und von einander verlangen das jenige/ worinnen je- desmahl wir erkennen/ das GOTT meistens gepriesen werde werden. So erfahre ich auch meines orts taͤglich den zustand dererjenigen/ die nicht viel uͤbrige zeit haben/ woruͤber sie frey zu disponi ren macht haͤtten. GOTT a- ber sey gedancket/ der noch immer etwa zu ein und ander zeit ein virtelstuͤndlein schencket/ in dem wir uns auch mit zuschreiben einander ermuntern/ und einen des andern liebe geniessen koͤnnen. Daß meine einfaͤltige schrifften denselben und die seinige hertzlich vergnuͤget/ erkenne ich auch/ und preise die Goͤttliche gnade/ dero al- le krafft eigen ist/ mir aber davon nichts gebuͤhret/ als wo ich solche Goͤttliche krafft mit untermischten menschlichen concepten unwissend verringert und geschwaͤchet haben moͤchte; Wiewohl ich nach dem vermoͤgen welches GOTT darreicht/ su- che mehr und mehr dahin zugelangen/ daß ich doch nichts reden noch schreiben moͤch- te/ als was der HERR in mir redet und wuͤrcket. Ach wie selig ist derjenige/ der solches recht und genau/ wie es seyn solle/ zu unterscheiden vermag/ und sich dem zu folge dem HERRN allerdings uͤbergiebt und uͤberlaͤsst. Jch bin leider noch zimlich weit davon/ will aber auch in seiner krafft mich nach solchen ziel bestreben. Herrn N. N. werthe person liebe und ehre ich so hoch als jemanden von den jenigen/ welche in der kirche GOttes arbeiten/ daß ich auch vor den jenigen die in kirchen sollen das werck des HERRN treiben ihn und den rechtschaffenen D. Hartmann zu Roten- burg/ keinen andern in teutschland mit mir bekanten vorziehen oder fast gleich hal- te und schaͤtze. Der HERR lasse ihn/ wie auch alle andere/ so er jedes orts mit seiner gnade ausgeruͤstet/ kraͤfftige werckzuge derselben seyen/ und immer einen sieg nach dem andern vor seine ehre gegen die feinde derselben erhalten. Jch verlange von hertzen zu vernehmen/ wie es denn mit dem an ihm gesand- ten schreiben hergegangen. Wolte nicht gern daß es waͤre in fremde haͤnde ge- kommen/ in dem ich aus den innersten grund als gegen meinen bruder mein hertz ausgeschuͤttet. Es hat mich M.N.N. selbst gebethen/ daß ich ihm moͤchte einigs schrei- ben mitgeben. Solte er untreu hierinnen verfahren seyn/ so lasse es ihn der HErr erkennen/ und es ihm nicht zugerechnet werden. Jch bin fast in unruhe/ biß ich die rechte gewißheit haben werde. Wird mir kuͤnfftig eine warnung seyen/ auch nicht allemahl zu trauen denjenigen die sich selber anbieten. Von Hern D. N. N. habe bey einiger zeit nichts gehoͤret/ wie und ob es mit seiner versprochenen arbeit von statten gehe. Muß leyder sorgen/ es seye auch durch die vielerley relationen ein stuͤck des alten vertrauens geschlagen. Ach ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IV. Ach wie schwehr ists dem HERRN zu unsrer zeit ernstlich und nicht nach der gemeinen mode zu dienen/ und damit nicht aller orten anstossen; auch selbs bey denjenigen/ die sonsten auch in andern stuͤcken ihr pfund zu der kirchen besten an- zuwenden beflissen sind. GOtt erbarme sich unser gnaͤdiglich. Von Herrn N. N. habe seiter der zeit nichts gehoͤret/ GOtt segne anch seine studia zu seinen heili- gen ehren. Er thut nicht uͤbel/ daß er sich meiner jetzo enthaͤlt um seine studia nicht mit haß und mißgunst zu beladen/ die ihm zu ertragen noch zu schwehr seyen moͤchten. Das meiste aber so mich in des liebwehrtesten bruders schreiben efreuet/ und GOtt davor zu preisen bewogen hat/ ist die liebe frucht/ so GOtt zu seiner lieben arbeit bey der jugend giebt. Ach wie eine liebe saat/ die auff diese aͤcker geschiehet von denen die erndte der kuͤnfftigen zeit/ und also alle meiste hoffnung in der welt dependiret. GOtt lasse solche arbeit noch tausendfaͤltig gesegnet werden/ und gebe die freude einer reichsten erndte. Daß es viele nicht nur arbeit sonderen ver- druß und widersprechens gebe und geben werde/ zweiffle ich nicht: aber das werck ist dessen wohl werth/ wegen der frucht/ auch dabey zuleyden. Lasset uns gesagt seyn was dorten Jacob sagt c. 5. So seyd nun geduldig ‒ ‒ ‒ ist nahe. Ach daß der HERR auch andere mitarbeiter in diesem stuͤck noch erweckete/ damit die jugend/ welche bißdaher fast alle bluͤt ihrer jahr mit weltlichen kuͤnsten zu bringen muͤssen demjenigen anfingen zugefuͤhret zu werden/ welcher der einige zweck ihres gantzen lebens seyn solte. Herr N.N. kleines tractaͤtlein von den schulen hat einige fei- ne erinnerungen. Jch zweiffle aber nicht/ mein geliebtester bruder wird aus eige- ner erfahrung viel mehreres zeigen koͤnnen. Daß die lehr der Apostel sonderlich Ebr. 3/ 13. unter uns Christen so unbekant worden/ ist freylich nicht gnugsam zu- beklagen: und was ists/ daß der teuffel in allen dingen/ die jetzo vorgehen/ mehr bestreitet als eben dieses/ daß from̃e Christen sich selber unter einander zu erbauen macht haben sollen. Er siehet gar wohl/ daß dieses sein reich den staͤrcksten stoß gie- bet. Wie ich durch GOttes gnade hier der exempel nicht wenig habe/ von leuten die durch dergleichen gelegenheit ihrem GOtt gewonnen worden seynd/ die so lange jahr alle unsere predigten vergebens hette angehoͤꝛet: und wuͤꝛde es dahin kom̃en/ daß solches anfienge freyer zu geschehen/ so wuͤrde der teuffel nimmer so viel wehren koͤn- nen mit nachdruck/ daß ihm nicht viel seelen noch solten entrissen werden/ wie er biß daher gethan/ und dur chgedrungen. Daß ist die art gewesen/ wie die erste kirche sich erbauet hat/ und solchen rei- chen segen Goͤttlicher gnade dabey gespuͤret/ daß wir ohne scham und betruͤbnuͤß an solch liebes exempel nicht gedencken koͤnnen/ wo wir das gegenwaͤrtige vor augen ha- ben. Cs hat ein guter freund und gottseliger Politicus / welcher zu Darmstatt L l l l 2 Cam- Das sechste Capitel. Cam̃eꝛꝛath ist/ D. W. Chꝛistohp Kꝛiegsmañ vor etlichen tagen ein tractaͤtlein nur von wenig bogen drucken lassendes tituls Symphonesis (Matth. 18/ 19.) Christia- norum oder tractat von den einzeln und privat -zusammenkuͤnfften der Christen/ welche CHRJSTUS neben den gemeinen oder kirchlichen versamlungen zu hal- ten eingesetzt. Er wird damit etliche der widrigen Theologorum hefftig wider den kopff gestossen/ und sich feinde erweckt haben/ aber auch danck bekommen von eini- gen Goͤttlichen gemuͤthern/ so die erbauung lieben/ und auff alle weise/ die C Hristo reglen gemaͤß/ suchen. Ach was vor ein unfall des Christenthums/ wo man da- von fragen muß ob gutes zu thun erlaubet seye: und wie schwehr werden wir Prediger es dermahleins zu verantworten haben/ daß wir das an den Papstum so gestraffte monopolium / daß wirs allein seyn muͤssen/ die die geistliche verrichtun- gen zu eigen haͤtten/ selbs zu behaupten suchen/ weil es unser ansehen vergroͤssert/ und etwas eintraͤgt. Nun der HERR wird einmahl drein sehen/ als der in die harre so vieler unter uns thorheit nicht wird tragen koͤnnen. Mir schallt immer in den ohren die antwort: Darum spricht GOTT ich muß auff seyen/ die armen sind verstoͤret/ ihr seufftzen dringt zu mir herein/ ich hab ihr klage erhoͤret. u. s. w. Amen. Daß noch viele von den wiederspre- chern werden gewonnen werden/ trage ich auch zu Goͤttlicher guͤte das hertzliche vertrauen. Mit desto mehr gedult/ sanfftmuth/ und erbarmender liebe haben wir sie zu tragen/ vor sie zu bethen/ und ihnen zu begegnen. Der HERR wird uns gewis einige schencken/ wo wir nicht nachlassen werden/ von ihnen zuleyden/ zu bit- ten und der wahrheit mit sanfftmuth bey ihnen zeugnuͤß geben. Wir haben der exempel selbs in hiesige statt deren/ so nachmahl diejenige/ welche sie gelaͤstert/ wi- derum um vergebung gebeten haben/ und es andern nunmehr mit eiffer vorthun. Der HERR sey gelobet vor seine gnade/ und lasse dieselbe noch ferner kraͤfftiger seyn. Von unterschiedlichen aber sorge ich leider/ daß sie moͤchten gegeben seyn in verkehrten sinn/ und der so schrecklichen laͤsterung des heiligen Geistes sehr nahe kommen. Der HERR erbarme sich aller/ die seine erbarmung nicht von sich stossen wollen. Unser lieber Herr N. N. hat einen harten stand/ und wie vermuthlich der erste seyen/ welchen GOTT einer verfolgung um seines nahmens und erkaͤntnuͤß willen wird wuͤrdigen. Seine predigten haben in den hertzen trefflich durchgedrungen/ und viele seelen der wahrheit uͤberzeuget/ daß so wohl alte zu ihm gekommen/ und von ihm den weg des HERRN mit mehrern auszulegen begehret/ als eine sehr starcke anzahl kinder ihm nach hause gesandt worden/ mit welchen er die lehre der Gottseligkeit kraͤfftig getrieben. Aber sein gegner hat nicht nur in predigten sei- ner lehre widersprochen/ sondern auch was er vermocht in der gemeinde/ von der nach- ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IV. nachfolge des guten abgezogen. Da wir wol wissen/ wie viel gehoͤr solche leute vor den andern zuhaben pflegen/ hat ihn auch/ ob wol daß daselbstige Consistorium, dessen mitglied er auch ist/ seine sache billiget/ bey der entferneten Cancelley dermas- sen angebracht/ daß er in grosse gefahr stehet. Aber der HERR gibt ihm ruhe in seiner seele und freudigkeit seinen nahmen auch mit leyden zu verherrlichen. Er mache es/ wie es ihm wolgefaͤlt. Er hat jetzo deswegen so viel last/ daß ich davor achte/ daß er davor noch nicht ge- antwortet hat. Jndessen bedarff eꝛ/ daß wir alle unsern GOtt hertzlich vor ihn anruffen/ daß er ihn regieren und krafft geben wolle/ zu thun und zu leyden was seinen heiligen rath gemaͤß ist. Was anlanget meines werthen bruders bitt wegen eines aufsatzes von der innern versieglung des Geistes in den hertzen der glaͤubigen/ so wuͤrde so gern hierinnen (wie in allen andern es an meiner bereitwilligkeit nicht erman- geln solte) mich bereit und gehorsam erzeigen/ so vielmehr weil ohne eigne hertzli- che erbauung und vergnuͤgung inder materie nicht arbeiten/ und daran geden- cken wuͤrde/ wolte auch/ ob wol meine zeit nicht uͤberfließig ist/ suchen/ wie ich mir darzu weil machen moͤchte. Aber ich erkenne der sachen so wichtigkeit als hoheit/ und daß in solcher/ solle anders zu rechteꝛ erbauung etwas geschrieben werden/ mei- stens aus eigener erfahrung gehandelt werden muß. Hingegen ob ich wol mei- nen guͤtigsten Vater vor die einige troͤpfflein/ so er mir hierinnen gegeben/ dern ich auch nicht werth bin/ demuͤthigst danck zu sagen habe/ so erkenne ich doch/ wie we- nig das jenige seye welches ich hierinnen habe/ und also mache ich mir billich ein ge- wissen/ daß ich etwas solte wollen ausgeben/ was ich nicht erst von oben her em- pfangen haͤtte/ in dem ich gar leicht anstossen/ und an statt der hoffenden und su- chenden erbauung gute hertzen irre machen/ und ihnen schaden koͤnte. Aber ich wuͤnschete selbs/ daß ein ander gottseliger mann/ aus mehrerer erfahrung hiervon schreiben moͤchte. Solten wir unsern lieben Hrn. N. darzu animiren koͤñen/ so wuͤr- den unsere wuͤnsche durch GOttes gnade erfuͤllet seyen. Was die frage von der nothwendigkeit des actus reflexi anlanget/ meine ich/ daß in meinen einfaͤltigen predigten von der versuchung gottes laͤsterlicher gedancken die negativa so ge- zeiget seye/ daß ein angefochtener wol damit zufrieden seyn moͤchte. Weiter ver- mag ich nicht zugehen/ wie gern ich auch mein intent zu dem jenigen anwende/ worzu es mir gegeben. Aber uͤber dasselbe zugehen/ ist uns auch nicht erlaubt. Jch komme itzo auff den andern brieff meines geliebten bruders. So habe nur die fragen im beylage beantwortet in demjenigen vertrauen/ so zwischen uns seyen solle der gewissen zuversicht/ das mit gehoͤriger vorsichtigkeit solche meine offenher- L l l l 3 tzigkeit Das sechste Capitel. tzigkeit werde behandlet werden: und erwarte sonderlich uͤber das eꝛste desselben Christliche gedancken. Ach waͤren wir einige zeit beysammen/ solte sich vieles muͤndlich reden lassen wiewohl nunmehr eine freudige hoffnung habe/ demfelben nach gemachteꝛ vertroͤ- stung hieroben zu sehen. Der HERR erfuͤlle unsere hoffnung und ver- langen/ und lasse es euch zu seinem preiß gereichen. Jch zehle die zeit und monathe jetzo so viel fleißiger/ biß es auff den sommer gehen wird/ ob uns der liebste Vater die freude geben wird/ uns hier untereinander zu ergoͤtzen. Nun sein wille ge- schehe. Was des frommen Hoburgs schrifften anlanget/ ist mir lieb/ daß ich be- richt habe von solcher nachfrage so nun hierauff geschiehet. Jch gestehe gern/ daß ich sie hertzlich liebe/ und GOTT dancke/ der mir die lesung derselben nicht hat unfruchtbar seyn lassen. Von seiner Postill wuste ich micht zu entsinnen/ daß ich sie einem menschen recommandiret haͤtte/ zu kauffen/ wol aber wo einige gedach- ten/ daß sie ihn haͤtten/ daß ich mag geantwortet haben/ daß sie sie nuͤtzlich lesen koͤn- ten. So bin itzt nicht nur der meinung/ sondern sage oͤffentlich offt auff der Can- tzel daß man keines einigen menschen schrifften anders als mit dem beding soll le- sen/ wie sie mit der schrifft uͤber einkommen/ und also keinen einigen glauben um sein selbs willen/ massen auch nicht nur einmal in der predigt gemeldet/ ich begehrte nicht/ daß man mir in goͤttlichen dingen ein einig wort mir zugefallen/ oder in absicht auff mich/ glauben solte/ sondern nichtes anders als sie meine lehr mit GOttes wort uͤbereinstimmend finden. Also nehme ich Hoburgen aus solcher zahl nicht aus. Sonsten bekenne gern/ daß ich davor halte/ daß gelehrte in solches mannes schrifften ein und auders finden werden/ worinnen sie anstossen moͤgen/ und wo ich nicht schwehren will/ al- lemahl das jenige zu behaupten/ was der liebe mann geredet. Aber von einem einfaͤltigen Christen/ der alles in einfalt auff das billigste verstehet/ hoffte ich nicht/ daß er etwas in ihm solte antreffen/ daran er sich leicht stossen koͤnte. Jn- dessen werde gern von selbsten und auch um meines liebsten bruders erinnerung willen mich seiner schrifften nicht mit sonderlicher angelegenheit annehmen/ son- dern zu frieden seyn/ wo man nur um das liebe wort GOttes laͤsset. Wie ich noch nicht lange an einem der fuͤrnehmsten Theologorum, so im schreiben an mich etwas davon gedacht/ geantwortet/ daß ich uͤber ihn mit niemanden viel strei- ten wolte/ haͤtte viel gutes in seinen schrifften erkennet/ aber wuͤnschte sie mit der gedult gelesen zu werden/ wie wiꝛ den rationibus ihres orts ziemlich harte fehler zu gute halten. Jedoch koͤnte ich mich auch nicht darzu bringen lassen/ gegen den jenigen mich zu declariren oder ihn zuverurtheilen/ durch den GOTT meiner seelen einiges ARTI C. I. DISTINCTIO IV. SECTIO V. einiges gutes gethan hat/ so zwar mehr durch seine ursachen teutschen kriegs/ praxin Arndianam und Theologiam mysticam als Postillam geschehen ist/ als deren diese ich nicht also durchlesen als jene. Es ist ja eine betruͤbte zeit/ daß es dahin gekommen. Aber GOTT wird helffen. M.N. betruͤbt mich offt sehr; nicht um des willen/ was er mir zu wider thut/ sondern daß er seine see- le verletzet/ und zur aͤrgernuͤß gelegenheit giebt. Jch habe schwerlich jemanden/ der mir mehr entgegen. Ach betet mit mir/ daß GOTT ihm zur erkaͤntnuͤß bringen/ und nicht in sein gericht fallen lassen wolle. Nun GOTT hat seine stunden die wir nicht vorher erkennen koͤnnen. Herr Scrivers zu Magdeburg gottseligen eyffer habe ich offtmahls ruͤhmen hoͤren/ aber keine bekandschafft noch zu ihm bekommen. Der Vater aller guten gaben/ ruͤste ihn noch serner mit gnaden aus/ und mehre seine gaben. Jndessen heil. obhut ihn teurester bruder und mit ihm alle die bey ihnen den HErrn hertzlich lieben schließlich empfehle. Sein Geist seye mit ihrem geist amen. Wobey zum schluß zum nachfolgenden jahr wuͤnsche/ daß die liebe des ewi- GOttes gleichwie sie in erneuͤerung zeitlicher dinge sich hervor thut/ also auch mit taͤglicher erneuerung des goͤttlichen ebenbildes in ihrer und unser aller seelen/ als einem liechtlein der ewigkeit gewidmet/ je laͤnger je kraͤfftiger sich erzeigen und uns tuͤchtig machen wolle/ daß wir an dem grossen tage der allgemeinen erneuerung gleichfalß zu der neuen welt und statt unsers GOttes in der seligsten ewigkeit moͤ- gen erneuert werden. Amen. SECTIO V. A n einem ort/ da die pest regierte: V on goͤttlicher absicht in derselbigen. Mit unrecht in ver- dacht gezogene phrases, gelassenheit/ verklaͤhren/ ver- herrlichen/ innerliche erleuchtung: auch ei- nigen andern. J Ch habe zum aller vordersten mein hertzliches und Christliches mitleiden mit dem betruͤbten zustand ihrer lieben statt hiemit zu bezeugen/ wie michs dann von grund meiner seelen afficiret, da so von ihnen/ als dem benach- barten lieben Magdeburg gehoͤret habe/ und biß daher fast die wochendliche rela- tiones und zeitungen das ungluͤck allemahl vorgestellet. Als vor einem jahr in Meis- Das sechste Capitel. Meissen und Sachsen das uͤbel so starck einrisse/ sahe ich dasselbe stracks als ein solches gericht an/ mit welchem GOTT vermuthlich unser gantzes Teutsch- land heimsuchen wuͤrde/ die wir wol alle in gleicher schuld stuͤnden. Nachdem aber der barmhertzige Vater vermittels eines so ausserordent- lichen hefftigen winters an den hart heimgesuchten orten wiederum seine gnade er- zeiget/ daß sie der plage befreyet/ auch in dem warmen anfang dieses fruͤhjahrs in dem Aprilem nichts desto weniger ein beystand deꝛ befreyung gespuͤret wor- den/ so habe mich verwundert der goͤttlichen barmhertzigkeit/ die uns wiederum eine neue frist zur busse gegeben und das angedrohete abgewendet habe. Daher nach dem wir eine ziemliche zeit die vorbitte vor die unter solcher ꝛuthen ander- wertlich seufftzenden mit-bruͤder in offendlicher versammlungen zu thun gepfleget/ solche samt einer dancksagung auff verordnen unserer Herrn und Oberen auff Pfingsten geschlossen worden. Kaum war solches geschehen/ so kommt erstlich ein ungewiß geruͤchte/ bald aber voͤllige nachricht/ vondem auffs neue hin und wieder angehenden feuers. Da- her wir bereits von einiger zeit verlangt/ daß die oͤffentliche vorbitte wiederum ge- schehen/ aber von unseren Herren die verordnung noch nicht haben erlangen koͤn- nen/ sondern dero noch warten. Nunmehralso kan ichs nicht anders ansehen/ als wie meine erste gedancken gewesen/ der HERR HERR moͤge beschlossen ha- ben/ unser gantzes reich damit durchzugehen/ wo etwa kein unterscheid seyen wird/ als das einige fruͤher andere spaͤter an dieser reyhe kommen sollen. Da also GOTT sein gericht noch mit dieser barmhertzigkeit mildert/ in dem er den mei- sten noch so eine zimliche zeit das jenige/ was ihnen vorstehet/ vor her an andern von ferne ansehen laͤsset/ ob wir uns solches bewegen lassen wolten/ zu so viel hertzli- cher buß/ und zu rechter beobachtung seines heiligsten raths auch in diesem stuͤck. Wie wohl ich leider an unsern orten sehe/ und von andern hoͤre/ daß solches an- sehen wenig oder nichts verfange/ daher es der gerechte GOTT auch etwa nicht bey dieser plage allein bleiben lassen/ sondern noch haͤrter uͤber uns verhen- gen moͤchte. Lasset uns nur auch dießmahl unser wahrnehmen/ daß wir uns in die zeit schicken/ und so wol den rath unsers GOTTES erkennen lernen/ als uns dem- selben gehoꝛsamlich unterwerffen. Wir muͤssen einmahl lernen glauben/ daß auch in dieser aller erbaͤrmlichesten plage goͤttliche nicht nur gerechtigkeit sondern liebe und gnade sich zeige/ dann seine gerichte in dieser zeit sind alle voller barmher- tzigkeit/ was vor ein schreckliches ansehen sie auch hie vor den augen der vernunfft haben. Und wie kan etwasanders als gutes von dem so guten GOTT/ der nichts als gutes ist/ herkommen? Jch bin veꝛsichert/ es erkennet seine weißheit noch ARTIC . I. DIST. IV. SECT . V. noch viel anders als wir an dieser gantzer sache nach reifflicher erwegung finden und erkennen/ und dennoch koͤnnen wir arme menschen selbs/ wo wir dieser/ plage in der furcht des HERREN nachdencken/ unterschiedliches sehen/ wie gleich- wol die ehre des HERREN durch vieler boͤser schaͤdlicher menschen hinraffung/ hingegen anderer die wol sonsten nimmermehr waͤren bekehret worden/ kraͤfftige bekehrung und gewinnung/ einiger gottseliger aber schwaͤcherer hinraffung vor den schwereren truͤbsalen und bevorstehenden proben/ anderer fernerer laͤute- rung und geschicktmachung auf die bald einbrechende schwere gerichte/ in die- ser harten plage auf auch uns selbst begreiffliche art moͤge befordert werden/ von welcher materie ich vor einem jahr an einem lieben fꝛeund nach Leipzig einem brieff geschrieben/ den ein vornehmer Professor Theologiæ daselbst hat drucken lassen. Wo es nun an dem ist/ wie es dann ist/ daß auch in dieser so boͤse scheinen- der sache boͤses ist/ so erfordert unsere schuldigkeit/ daß wir dann auch lernen unsern guten GOTT in derselben eben so wol vor seine weißheit/ guͤte/ ehre/ danck zu- sagen/ als wir ihm sonsten danck sagen/ wo er etwas dessen verfuͤget/ was unserem eigenen fleisch angenehm ist. Also auch das wir zwar/ weil es gleichwol eine schwe- re probe ist/ und ein betruͤbtes ansehen hat/ auch gegen die meiste warhafftig ein zorn gericht ist/ um abwendung desselben demuͤthig bitten/ aber gleichwol dar- neben uns den willen eines solchen heiligen GOTTES und barmhertzigen Vaters gehorsamlich unterwerffen/ das nicht unser/ sondern seyn allerliebster wil- le allein an uns und allen creaturen geschehen moͤge. Dabenebens wird sich gebuͤhren/ weil wir ohne das zu allen zeiten uns/ als unsers lebens nicht eine stun- de gewiß/ zu der letzten reise sollen bereiten und geschickt halten/ daß wir zu einer solcher zeit/ wo uns der todt so viel offenbahrer vor augen schwebet/ solche sorge unsere vornemste seyen lassen/ daß wir unsere seele taͤglich in dem blut des Lam- mes so wohl in hertzlichen glauben der vergebung der suͤnden als staͤts fortsetzender reinigung waschen/ damit wo sie der HERR von uns fordert/ wir sie getrost in seine haͤnde uͤberlassen und versichert seyn moͤgen/ daß sie ihm ein angenehm opffer seyen. Jsts nun/ daß der HERR solches uns geschehen/ und also das ende unsers lebens/ durch solche art der seuche erfolgen laͤsset/ so ist uns dieselbige nicht unse- liger/ als da es durch eine andere art der kranckheit geschehen waͤre/ und ist unser vorbereitung nicht nur wohl angelegt/ sondern aͤusserst nothwendig gewesen. Erhaͤlt uns aber der HErr durch seine Vaͤterliche guͤte/ weil etwa das maaß unsers leidens und unsere arbeit noch nicht erfuͤllet gewesen/ so haben wir uns gleichwol auch solcher bereitung nicht reuen zu lassen/ sondern ist gewiß/ daß M m m m sol- Das sechste Capitel. solche taͤgliche betrachtung unserer sterblichkeit/ wo sie nur eine zeitlang continui - ret wird duꝛch goͤttliche krafft so viel gutes in unserer seele wuͤrcket/ als einmahl durch einige andere uͤbung geschehen kan/ daß also da wir eine zeitlang gleichsam ausser der welt bereits gelebet haben/ auch nachmahl die uͤbrige zeit unsers lebens vollends anf eine von der welt abgezogene art desto leichter gefuͤhret zu werden ver- mag. Nun ich ruffe auch uͤber sie jetzt bedraͤngte den HERRN uͤber tod und leben demuͤthig an/ daß er sein gericht auch wolle dieses mahl mit grosser barm- hertzigkeit gemildert werden/ ja zu ihrer vielen besserung und bekehrung dienlich seyn lassen/ der jenigen vornemlich/ welcher dienstes er zu seinen ehren und des nechsten besten vortraͤglich zu seyn erkennet/ vaͤterlichen zu schonen/ und nach seinem rath dem wuͤrg-Engel bald wiederum befehlen wolle/ seyn schwerd in sei- ne scheide zu stecken. Er wuͤrcke auch durch seine gnade alles das jenige gute in ihren seelen/ was eꝛ durch eine solche scharffe heimsuchung suchet/ und wende das fast vor augen schwebende ungluͤck und gefahr in dem geistlichen von unserer Lutherischen kirchen nach seinem heiligen willen ab/ der auch unseres lieben sel. Lutheri Vaterland et- wa nicht ohne sonderbare absicht uns zu einem betruͤbten spectacul in dem leib- lichen hat werden lassen. Sonderlich wolle er auch nun meinen geliebten freund eine hut und schirm ferner seyn/ daß keine plage sich zu ihnen machen/ sondern er noch deꝛmahleins mit den uͤbrigen errettet seinen heiligen nahmen preisen/ und das gefristete leben zu seinem preiß nutzlich anwenden und auffopffern moͤge. Was nun die uͤbersandte predigt anlangt/ habe ich mich so vielmehr nach deroselben verlesung verwundert/ wie einige so vermessen seyn moͤgen/ dieselbe zu- beschuldigen und in verdacht irrthums zu ziehen. Wir lehren unsere kinder als eine pflicht des achten gebots/ daß wir unseren nechsten entschuldigen/ und alles zum besten kehren sollen/ daher waͤꝛen wir schuldig/ ob schon auch einige dunckle- re woͤrter und reden vorkaͤmen/ dieselbe nach der liebe regel/ sonderlich da die per- son sich eben sonsten in keinen argwohn auff andere weise gestecket hat/ auf das beste aufzunehmen und zu erklaͤren: geschweige dann/ da ja in dieser gantzen pre- digt nicht von dergleichen reden sich findet/ so nicht bey so vielen andern unver- daͤchtigen gottseligen lehrern vorlaͤngsten angetroffen worden. Daß man die redens- aꝛt GOtt gelassene seele/ stille gelassenheit/ danck- bahre gelassenheit ꝛc. uͤbel anziehet/ ist wahrhafftig wuͤrdig sich daruͤber hoͤch- stens zu verwunderen. Sehen wir die wort an sich selbst an/ washaben sie dañ boͤsesin sich? Jst etwas das nur einigerley massen mehr dariñen gesagtist/ als daß sich eine seele GOtt darstellet/ daß er in und mit ihr thun und schaffen wolte/ alles was ihm ge- ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECTIO V. gefaͤllig seye? Daß damit so wohl die willige unterwerffung unter seinen willen/ als die nicht resistentia oder so zu reden passivitas, daß wir in geistlichen dingen nicht so wol selbs wircken als den goͤttlichen wirckungen nicht widerstreben/ sondern dieselbe bey uns kraͤfftig seyn lassen/ mit einem wort ausgedruckt wird/ und ich das- selbe so viel mehr liebe/ weil ich in keiner sprach ein gleichermassen nachtruͤckliches und emphati sches/ so alle diese dinge in sich begꝛeifft/ weiß oder mich entsinnen kan/ es sind ja eben dieses lauter solche dinge/ die wir mit keinem schein leugnen moͤgen wir wollen dann allerdings unser gantzes Christenthum und unser Evange- lische lehr verlassen: Warum wolten wir dann eckel haben an einem unschuldi- gen wort/ welches dieselbe in sich fasset? Ferner/ was sind solche wort anders/ als da sonsten die Prediger so offt die zuhoͤreꝛ pflegen an zusprechen/ GOTT er- gebenen hertzen? item da wir singen/ dir uns lassen gantz und gar? So haben unsere liebe vor-eltern keinen scheu gehabt/ das wort gelassenheit als ei- nen sonderbaren titul in das gewohnlich vor den Bibeln Lutheri befindliche re- gister der materien zu setzen/ und die dicta scripturæ dabey zu fuͤgen/ und wie viel sind von unsern theuersten Theologis nach Luthero (sihe T. 7/ 8. Altenb. f. 191. b. ) und Arndio, welche solches wort ohn einiges bedencken gebraucht/ ja recht hertzlich geliebt haben? Hat Weigelius und andere sich desselben in un- rechtem verstand gebraucht/ was kan das gute wort darfuͤr/ oder wollen wir die wort glauben/ rechtfertigung/ erwehlung und andere dergleichen auch ver- werffen/ weil sie von irrigen lehrern in falschen verstand gebraucht werden. Al- so die worte verklaͤhren und verherrlichen muͤssen paffiret werden/ oder wir muͤssen das δοξάζειν, welches dieselbe ausdrucken/ und also des heiligen Geistes wort/ mit verwerffen: so ist die innerliche erleuchtung abermahl ein articul und wort/ welches wir so wenig verlassen koͤnnen/ als einiges andere von dem heiligen Geist gebrauchte. Geben andere irr-geister unmittelbare und falsche erleuchtungen vor/ so gehet dieses uns nicht an/ die wir keine andere erkennen und begehren/ als die erleuchtung des heiligen Geistes in unserm hertzen durch das liecht des goͤttli- chen worts: wie wir singen/ mein fuͤssen ist dein heilig wort ein brennen- de lucerne ꝛc. Wo dieser morgensterns in uns auffgehet ꝛc. u. f. w. will sich einer an den andern wort stossen p. 42. Wann GOTT der heilige Geist solches in dem er verborgenen hertzens kirche wiederholet/ andaͤchtig und mit freuden anhoͤren ꝛc. So ists abermahl vergebens: Dann wiꝛ muͤs- sen entweder solches zu geben/ oder gestehen/ daß der heilige Geist durch das goͤtt- liche wort nicht laͤnger in uns wuͤrcke/ als allein so lange der schall der wor in den ohren gehoͤret wird/ welches ja ungereimt ist. M m m m 2 Dann Das sechste Capitel. Dann sagen wir das solche wiꝛckung noch fort waͤhre/ so muß es ja dann wiederum der heilige Geist seyen/ der solches in den hertzen wiederholet/ und dar- durch wircket/ das ja nicht aͤusserlich sondern in der verborgenen hertzens kirchen geschiehet. Will jemand einen Enthusiasmum daraus machen/ so gedencke er daß ja aus druͤcklich das wort hie genennet werde/ und das die predigt nicht sage/ das der heilige Geist in den hertzen einige neue offenbarung/ oder etwas anders/ sondern das gehoͤrte wort/ wiederhohle. Daß ist ja kein Enthusiasmus. Al- so da p. 65. die abgeschiedenheit von der welt genennet wird/ moͤchte zwar einer scrupuliren, ob solches wort die da selbs gemeinte sache ausdruͤcke/ im ge- ringsten aber kan auf dasselbe einiger verdacht nicht geschoͤpffet worden. Daher ich auf mein gewissen gefragt/ nicht anders antworten kan/ als daß ich nicht das we- nigste/ weder in sachen noch phrasibus in der predigt angetꝛoffen/ so der allge- meinen erkanten und bekanten orthodoxiæ der schrifft oder Libris Symbolicis entgegen/ oder mir mit einem zimlichen schein auf ein verdacht zu ziehen waͤ- re. Das einige woꝛt p. 48. in deinem thierlichen stand/ haͤtte ich gewuͤn- schet/ daß es ausgeblieb en waͤre. Jch zweiffele zwar nicht/ das mein geliebter freund darinnen nichts anders suche/ als damit zu benennen den stand der unwi- der gebornen/ wie der animalis homo dem durch den Geist wiedergeboꝛnen entgegen gesetzet wird: aber solche phrasin, animalis homo, wolte ich nicht gern vertiren thierischer mensch/ wie es einige moͤgen beliebt haben/ als wel- ches nicht von animal sondern anima herkommt ψυχικὸς ἄνϑρωπος. So meine ich auch nicht/ daß solches wort die sache recht ausdrucke: Dann unsere groͤste verderbnuͤß stecket nicht so wol in den kraͤfften der seele/ die wir mit den unver- nuͤnfftigen thieren gemein haben/ und etwa deswegen moͤchten thierisch genennet werden/ sondern vielmehr in den jenigen kraͤfften/ darinnen wir von ihnen unterschieden weꝛden. Jndessen so macht diese incommoda phrasis kei- ne heterodoxiam oder einigen deroselben verdacht. Gleichermassen von des seligen Herrn NN. bey gesetzten versen zu reden/ sehe ich nicht/ wie dieselbe be- schuldiget werden koͤnnen/ welche ja vielmehr neben dem lob der schoͤnen poesie jeden der sie mit andacht lieset zeigen werden/ daß sie aus einer mit wahrer goͤttli- cher erkaͤntnuͤß erfuͤllter seele geflossen/ und voller geistes stecken. Ein einiger vers/ Er ist ja meiner seelen quell ꝛc. moͤchte einigen widrig ge- sinneten gelegenheit zu laͤsteren geben/ und wuͤrde wo der selige Autor / so in seiner Christlichen einfalt vor fromme hertzen geschrieben/ vorsehen koͤnnen/ unter was vor richter seine andachten kommen wuͤrden/ solches haben moͤgen verhuͤtet/ und die sa- che behutsamer ausgesprochen werden: so ich selbst gewuͤnschet haͤtte. Jndessen glau- ARTIC . I. DISTINCTIO IV . SECT. V. glaube ich nicht/ daß der liebe mann unsere seele vor einen wesentlichen ausfluß des Goͤttlichen wesens gehalten/ daß wie der ewige Sohn GOttes durch die geburt/ und der heilige Geist durch die spirationem von dem Vater ausgehen/ und gleich- sam als aus einer quelle ausfliessen/ gleicher massen auch unsere seele aus GOTT ausfliesse/ daß derselbe nicht nur principium à quo sendern ex quo unserer seele waͤre. Dann also muste die seele selbst GOTT und Goͤttlich seyen/ daher so we- nig einer verderbnuͤß/ suͤnde/ elend/ unterworffen seyen koͤnnen/ als das Goͤttliche wesen selbst nicht ist. Es erkennet aber der liebste mann die schreckliche verderbnuͤß der seele; so nennet er sie auch vielmehr/ die Englisch/ edle seele/ als Goͤttlich: Er sagt zwar auch/ daß fast die Goͤttlichkeit in ihr sich wie betrohnet/ er erklaͤhret sich aber selbs/ daß es daher geschehe/ weil der werthe gast von oben sie bewohnet/ nicht daß sie aus der natur bereits Goͤttlich seye/ und aus GOTT als ein wasser aus dem bronnen/ so mit demselben gleicher natur ist/ geflossen waͤre. Die wort selbst belangend/ achte ich/ haben wir auff die weise zu erklaͤhren/ wie die poeten freyer zu reden macht haben/ und an die locutiones proprias nicht so genau gebunden sind. Wie er nun eines orts saget: Das leben fliesset aus GOTT/ und bald nach den vorigen worten/ mein lebens brunn ist liebe werth/ sehe ich dieses auch an/ als die erklaͤhrung der vorigen poeti schen reden/ seelen quell/ die fleist aus ihm ꝛc. Es werde nehmlich damit nichts anders gemeint/ als wie unsere seel gleich wie andere creaturen von GOTT erschaffen ist/ daß nun das geistliche leben/ welches unser seele aus der widergeburt hat/ aus GOTT fliesse/ das ist/ seines Geists staͤts fortse- tzende wuͤrckung seye/ und sie also nach solchen ihren Goͤttlichen und geistlichen le- ben aus GOTT fliesse. Wo der liebe autor annoch lebte/ so wuͤrde er sich etwa besser selbs erklaͤhren/ und seinen verstand ausdrucken koͤnnen/ als jetzo ich und an- dere/ es noch nicht dermassen vermoͤgen. Jndessen sind wir gleichwohl schuldig/ auffs beste alles zu deuten. Dieses ist mein einfaͤltiges urtheil uͤber die orthodoxiam des commu- nicir ten geistlichen wachsthums/ da bey ich den guͤtigsten Vater in dem him- mel anruffe/ daß er aller die Christen heissen sollen hertzen mit erkaͤmnuͤß der wahr- heit und liebe erfuͤllen wolle/ daß sie weder wieder jene irren/ noch wider diese gegen ihren nechsten in unwissenden eiffer suͤndigen. Er nehme doch hingegen diese schaͤd- liche unart dermahleins hinweg/ welche zu unserer zeit sich an so vielen orten weiset/ da man alles auff das beste verketzeren gar zu schnell ist/ und damit manche schwache schwerlich aͤrgert. Er leite auch ihn durch seines Geistes gnade in alle wahrheit/ und lasse ihn werden und seyen ein tuͤchtiges gefaͤsse seiner gnaden und werckzeug sei- ner ehre. 1681. M m m m 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO VI . M ißfallen an einiger eifferer/ die alles niederreis- sen wollen/ hefftigkeit. M As die sorge betrifft/ daß er zu gelinde gegen die hin und wieder befindliche fleischliche geistliche verfahre/ und sie gleichsam nahmentlich anzugreiffen verbunden waͤre/ bekenne ich/ daß ich weder dessen nothwendigkeit noch nu- tzen sehe. Es ist uns nicht befohlen/ fremde knechte zu richten uͤber die wir die auff- sicht nicht haben/ und in der beurtheilung uns viel eher verstossen/ als mit versiche- rung des gewissens verfahren wuͤrden: Sondern wir thun genug/ wo die kirche insgemein gewarnet wird mit vorstellung der kennzeichen/ da sich jeglicher selbs/ und die uͤber die er zu urtheilen hat/ daran kennen mag: unterlaͤsset er solches/ so liegt die schuld auff ihm. Und bleibe ich immer noch bey meinem alten principio, wir habens noch zu thun mit gewinnung derjenigen/ die sich gewinnen lassen und folgen wollen/ die uͤbꝛige muͤssen wir Goͤttlichen gericht/ so ohne das nahe genug zu seyen scheinet/ uͤberlassen. Man gedencke was Hoburg/ und andere ausgerichtet/ ob sie der sache mit groͤsser hefftigkeit nicht schlimmer gemacht/ und nun verursacht haben/ daß ihr dienst der kirchen unbrauchbar worden/ daraus erfolgt/ weil sie nicht haben alles erbauen koͤnnen/ was sie gewolt/ daß sie auch das jenige nicht mehr auszurichten sich beflissen/ was sie noch haͤtten zu thun vermocht/ und gibts eine zeit/ dero chara- cter gleichsam seyn wuͤrde/ wer nicht mit mir ist/ der ist wider mich: so mags auch wieder zu weilen eine zeit seyen/ da es heisse/ wer nicht wider mich ist/ der ist vor mich. So viel ich durch Gottes gnade erkenne/ so lasse mir dieses principium befohlen seyen/ keinen derjenigen/ welche unsre kirche annoch in ihren schoß leidet/ mit ursach anzugreiffen und zu offendi ren/ sondern als viel ohne verletzung Goͤtt- licher wahrheit geschehen kan/ alle freundschafft zu erhalten/ daß die jenige/ die das rechtschaffene gute nicht selbs thun noch befoͤrdern wollen/ auffs wenigste nicht ge- reitzet werden und scheinbahre ursach bekommen/ solches mit fleiß zu hindern. Jch trage groß bedencken ein hemmer zu seyn/ etwas einzuschlagen/ auch an dem gebaͤu das ich wohl sehe/ daß es nicht bestehen kan/ sondern suche nur an steinen zu arbeiten die der HERR brauchen moͤge/ zur auffrichtung dessen/ was er versprochen hat/ und ohne uns vermuthlich durch die hand seiner feinde das verdorbene Jerusalem (dem bessern platz zu machen) einschmeissen wird. Jch sehe vor augen/ wie das ie- nige abgehet/ wo man das schadhaffte einreissen will/ daß es nehmlich nicht gesche- hen ARTIC . I. DISTINCT. IV. SECT. VII. hen koͤnne/ daß nicht zu gleich das gute auch mit fellet/ oder doch ein grosses stuͤck deꝛ- selben in die ruinam mit gezogen wird; das ist/ wo mans mit dem corrupto statu Ecclesiastico und Academico angehen will/ so wird viel rechtschaffenes und gutes durch solche aͤrgernuͤß mit niedergeschlagen werden/ und sich auch diejenige der guten sache entschlagen/ die sonsten zum bauen mit handanlegen wuͤrden/ ge- schweige anderer der kirche drauß entstehender ungluͤcke. Treibt man aber das gute mit sanfftmuth und grosser gedult/ auch gegen die boͤse/ so wird GOtt die zahl der arbeiter lassen zunehmen/ und zu seiner zeit ihr werck besser von statten gehen lassen. Wo endlich ein auff einmahl an allen orten ausbrechendes geschrey mehr thun wird/ als das schwache geruffe eines und andern eintzelen. SECTIO VII. V on einigen durch einen guten freund geschehe- henen besserungs-vorschlaͤgen/ sonderlich betreffend den beichtstuhl/ bestellung der Eltesten/ austheilung des heili- gen Abendmahls. Wie Prediger ihre gewis- sen zu retten. Verfall unserer zeiten und kirche. E S hat mich zum ersten dieses nicht wenig afficirt / was mein werther bruder anzeiget/ wie einmahl auch dieses ein stuͤck des Goͤttlichen gerichts uͤber die welt seye/ daß offtmahls in ein und andern wichtigen stuͤcken so zu der erbau- ung gehoͤren/ wie die wenigsten mit treuen hertzen hand anlegen wollen/ also die uͤ- brige/ so es hertzlich verlangten/ so viele hindernuͤssen vor sich/ manchmahl auch we- niger gnade/ krafft und geist in sich finden/ daß immerdar noch weit zuruͤck geblie- ben wird von demjenigen/ was wir anfangs noch auszurichten gemeinet. Was auch mich selbs anlangt/ dencke offt/ woher es doch komme/ daß da ich die hohe nothwendigkeit der privat- arbeit erkenne/ und selbst drauff treibe/ dannoch wo ich auch in der praxi solche versuche/ so gar keine oder wenige tuͤchtigkeit bey mir finde/ so mir nicht wenige wehmuth erwecket. Was nun ferner den beichtstul anlanget/ hat mir meines wehrten bruders Christlicher vorschlag sehr wol gefallen/ und sehe ich denselbigen vor so bewand an/ daß Das sechste Capitel. daß damit unserem gewissen trefflich gerathen wuͤrde und ich es ja hertzlich gern auf die e art an den jenigen orten verlangte/ da nur andere wege zu einer particular pruͤffang und handlung vor handen sind. Denn was hiesige statt anlangt/ manglets eben an selbiger/ und daß weder der Prediger nach proportion der leute gnug sind/ noch dieselbe in solche ordnung sich aus getheilet finden/ daß jeder wer zu seiner absondeꝛlichen seelen-sorge gehoͤre/ wissen/ und sie also kennen ler- nen koͤnte. Daher immerdar ein grosser theil der confitenten sind/ die er nicht anders als in der beicht kennen lernet/ und erst daselbs vernehmen kan/ wer sie seyen en/ und wo sie sich aufhalten. Weßwegen da wir die privat beicht und absolu- tion haben/ aber zeit und ort derselben so beschaffen und eingeschrencket sind/ daß uns nur der mißbrauch davon uͤbrig bleibet/ wir hiesige Preder aus trieb un- sers gewissens bereits vor etlichen jahren bey unserer Christlichen Obrigkeit um huͤlffe und den unwissen zu steuren/ angehalten haben/ daruͤber wir noch/ wie dann die sache auffs neue in deliberation stehet/ eine gewihrige (die der HErr nach sei- ner hertzenlenckenden krafft befoͤrdern wolle) resolution erwarten. Sonsten wolte selbs nachgethanen vorschlag lieber die privat-absolution auff die art/ wie derselbe es projectirt / wo es ohne aͤrgernuͤß der gemeinde und also mit der u. anmu- thig belieben geschehe (in dem sonsten der schaden des aͤrgernuͤsses durch keinen ver- hofften nutzen leicht ersetzet werden koͤnte) abgestellet/ oder nur auff die dieselbige verlangende restringiret zu werden/ bitten helffen/ wo nicht diese beyde haupt ob- stacula sich sinden. 1. Daß ich nicht wohl einige andere gelegenheit nach unsers orts bewand- nuͤß sehe/ wie wir jeglicher zu der erkaͤntnuͤß seiner beichtkinder und ihrer untersu- chung kommen koͤnten/ als durch die beybehaltung der privat- beicht und absolution/ wo sie nehmlich fuͤglicher eingerichtet wuͤꝛde/ daß man mit jeglichen in geheim etwas handlen koͤnte. Zwahr ists nicht ohne/ daß ein solcher actus der auffs wenigste jeglichen nicht viele zeit geben kan/ zu der untersuchung nicht allein genug ist: aber er gebe doch anlaß bey denen/ welche uns noch unbekant/ einen wenigen versuch zu thun/ wie die leute stehen/ da sich bald sehen laͤsset/ wo etwa sonderlich mangel er- scheinet/ auff welchen fall/ nach den man die person hat kennen lernen/ sie nach hau- se bescheiden/ und mit ihnen ins kuͤnfftige absonderlich mehr zu handlen gelegenheit gemacht werden kan. Da sonsten ohne dergleichen mittel/ personen viele jahre hie seyen koͤnnen/ von dero auch nur buchstaͤbliche erkaͤntnuͤß wir die allergeringste wis- senschafft nicht erlangen koͤnnen: woran es aber etwa in kleinern und in kirchspiele ordentlich abgetheilten orten nicht so viel manglen kan. 2. Daß auch dieses die vornehmste gelegenheit noch ist/ daß wir jemand/ der unordentlich lebet/ mit weniger anderer leute auffmercken (als wo man sie zu sich fordert/ ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VII. fordert oder zu ihnen gehet/ daruͤber sich alle eher beschwehren) in das gewissen re- den/ und um eine solche zeit/ da man sich etwa einer bessern disposition des ge- muͤths versehen mag/ etwas fruchtbahrliches auszurichten vermoͤgen. Wo diese beyde pnncten nicht waͤꝛen/ so riethe selbs lieber zu der abstellung des beichtstuls od’ einrichtung nach den gethanen vorschlag; Daher auch solches mittel vor das heil- samste halte an den orten/ da jene incommoda, die ich angefuͤhret/ auff andere weise ihre abhelffliche maaß haben koͤnnen. Es ist auch eben diejenige art/ welche derselbe in Holland uͤblich zu seyen meldet/ in meinen eigenen Vaterland/ so dann in Straßbnrg und an andern orten gebraͤuchlich/ daß deswegen/ wo man sie ein- fuͤhren wuͤrde/ und denen oben bedeuteten difficul taͤten auff andere art abgeholffen werden koͤnte/ mit recht keine neuerung/ oder daß in unserer kirchen solches nirgend angenommen waͤre/ entgegen gehalten werden doͤrffe. Die angefuͤhrte ratio- nes sind auch von gꝛosser wichtigkeit: daß so wohl der gottlosen boßheit nicht durch die privat-absolution gestaͤrcket/ als der Prediger gewissen geschohnet/ viel unziehm- licher wahn von der absolution abgeleinet/ die absolution widerum auff die erste art mit ablegung dessen/ was in den Papstum angeklebet worden/ gebracht/ den un- geschickten und nicht verstandenen beichtformuln derwegen benommen/ und die glaͤubige der beschwehrlichen nothwendigkeit der beicht (daruͤber ich selbs unter- schiedliche mahl gute selen klagen hoͤren) uͤberhoben wuͤrden/ daß also sie mit meh- rern zu bekraͤfftigen nicht noͤthig habe. Weswegen mich solches hertzlich freuen solte/ da vernehmen wuͤrde/ daß die sache in die uͤbung gebracht wuͤrde/ in dem ich hoffte/ daß solchen exempel etwa bald andere folget moͤchten an den orten/ wo man der besondern beicht der singulorum nicht um der obgedachten ursachen willen noͤ- thig hat. Jedoch bekenne ich/ daß auch mit dieser anstalt nur so viel gefruchtet wuͤrde werden/ als jedes orts der Prediger treu und verstaͤndig ist. Dann bey denen/ welche selbs die sache nicht gruͤndlich verstehen/ oder denen es um die selen der zuhoͤrer nicht hertzlich zu thun ist (deren ich aller orten mehr als gut ist/ angetrof- fen zu werden sorge/ ja versichert bin) wird es doch auch bey jener anstalt nicht besser hergehen/ als es nunmehr gehet: aber bey allen dergleichen anstalten ist gnug/ wo sie nur so viel ausrichten/ daß rechtschaffene diener CHRJSTJ/ die das ihrige gern thun wollen/ solches zu thun gnugsam gelegenheit bekommen. So lang wir ader noch alles in der vorigen unordnung haben/ sehe ich nicht/ wie ich mein gewis- sen noch besser beruhigen kan/ als daß nicht nur in den predigten oͤffentlich mehr- mahl/ wo die gelegenheit ergriffen werden kan/ die gemeinde erinnere/ wie die ab- solution allezeit von uns menschen/ die in die hertzẽ nicht sehen koͤñen/ gespꝛochen den verstand nach conditionata seye/ wo die leute wie sie vorgebẽ bußfertig/ daher ihnẽ nichts mehr gebe/ als zu ergreiffen der wahre lebendige glaube bey ihnẽ seye/ worauff folge/ wo sie nicht mit auffrichtigen hertzen/ solche seyen wie ihre beicht lautet od’ lau- ten solte/ daß ist/ wo nicht reu und haß der suͤnde/ der wahre glaube/ und heilige vor- N n n n satz Das sechste Capitel. satz in der wahrheit GOTT kuͤnfftig allein zu leben/ sich finde/ so treffe sie die abso- lution nicht/ sondern gehe neben ihnen hin/ und suche so zu reden einen andern/ der so bewand seye/ und also wie sie gleichsam der beicht gesprochen wird/ habe derjeni- ge keinen nutzen davon/ dessen beicht selbsten fasch ist/ daher sie mit anmassung de- rer/ ihrer beicht/ vielmehr als ihnen gehoͤrigen/ absolution sich nicht nur betroͤgen sondern in s uͤ nden vielmehr weiter verstrickten: sondern ich widerhohle dergleichen selbs mehrmahl in den besondern anspruch und erinnerung vor der absoltion / son- derlich da ich sorge trage daß es mit ihnen nicht richtig seyn moͤchte: weswegen auch hauptsaͤchlich bequemere zeit und ort hiezu um dasselbe nachdruͤcklicher/ wo es noth thut/ vorstellen zukoͤnnen/ verlange. Damit hoffe doch auszurichten/ daß kein gottloser und heuchler/ der nur acht giebet auff das jenige/ was man mit ihm re- det/ sonderlich in seiner boßheit gestaͤrckt werden moͤge/ weil er hoͤret/ wie fern und mit condition er sich der absolution anzunehmen habe/ oder nicht. Daͤhnet er die sache weiter aus/ und nimt ihn so zu reden dasjenige selbs/ was man ihn nicht zu geben bezeuget hat/ so wird er sein gericht selbs tragen. Jch hoffe auch/ daß dieses keine solche profonatio des Goͤttlichen nahmens seyn werde/ da man den jenigen/ der seiner beicht gleichmaͤßig waͤre/ und also diesen individuo mit dieser ausdruͤck- lichen oder doch mehꝛmal bedeuten condition / wo er wahrhafftig also bußfertig seye (dazu eine hoffnung noch seyn mag/ ob etwa GOTT dießmahl sein hertz zu einer richtigern buß/ als zu andern mehrmahlen/ geruͤhret haͤtte) die absolution spricht/ in dero als denn kein falsum mehr stecket/ so wenig als in jene predigt von den unter- gang Ninivaͤ/ der doch nicht erfolgt/ aber daraus zu ersehen gewesst/ daß jene die ta- citam conditionem pœnitentiæ in sich gefasset habe. Mit diesen betrachtun- gen gebe ich noch mein hertz zufrieden: Aber ach daß wir solcher nicht bedoͤrfften/ und die verfassungen und anstalten insgesamt der absicht GOttes gemaͤsser waͤren. Jch habe offt dabey gedacht/ daß aus eben diesem exempel des beichtwesens kund werde/ wie eine mißliche sache es mit allen menschlichen anordnungen seye/ die an besten gemeint meistens an statt des gehofften nutzens/ und etwa neben denselben/ da noch einer erhalten wird/ eben so viel incommoda und beschwehrden des gewis- sens nach sich ziehen: daß es also ja wohl daß beste gewesen waͤre/ allemahl lau- terlich bey den blossen einsetzungen GOttes geblieben zu seyn. Auff daß andere/ nehmlich die bestellung der aͤltesten zu kommen/ so finden sich freylich auch die je- nige difficul taͤten/ die mein wehrter bruder bemercket. Erstlich ists gewiß/ daß mancher Prediger nicht nur allein/ die sache nicht noͤthig achten oder gern sehen/ sondern auch die frucht der anstalt hindern wuͤrde: wiewohl auch wiederum/ wo die sache erstlich in schwang waͤre/ daß man recht Christliche aͤlteste eines orts haͤtte/ dieselbe auch viele maͤngel des Pfarrherren erse- tzen/ und an ihn selbs bessern koͤnten. Es giebet aberauch nachmahl die difficul taͤt/ woher wir solche aͤltesten nehmen/ und wo wir sie jedes orts finden solten/ da in den mei- ARTIC. I. DISTINCTIO IV . SECTIO VII. meisten gemeinden alles so sehr verdorben ist. Jedoch hoffe abermahl/ wo erstlich ein rechtschaffener treuer Prediger waͤre/ und ihn die huͤlffe solcher vorsteher oder aͤltesten gegoͤnnet wuͤrde/ daß derselbe unter seiner gemeinde leicht einige Gottselige hertzen finden/ oder sie durch sein amt in kurtzen geschickt machen koͤnte/ daß sie ein sol- ches/ was ihnen anvertrauet wuͤrde/ in Christlicher einfalt und doch mit nutzen ver- richteten. Also auch was wir immer vorschlagen/ so kommet alle die macht darauff an wie derselbe wohl anmercket/ wo man solche leute finden oder hernehmen koͤnte/ da ist dann freylich guter rath theuer/ und da man bey der grossen zahl der expectan- ten nicht weißt/ wo man ihnen dienst genug verschaffen wolle/ so kommts hinwider/ wo man recht bekehrte und Gottselige Theologos suchet/ dahin/ daß wo mehrere stellen auff einmahl vacir ten/ man kaum siehet/ wohin man sich wenden solle/ sol- che anzutreffen. Untersuchet man die ursachen/ so liegen viele davon an tage: ja ist et- wa so schwehr nicht/ woran es meisten hohen und niedern schulen mangle/ zu zeigen/ ja die sache so deutlich vor augẽ zu legen/ daß mans fast mit haͤndẽ gꝛeiffen solte. Wie aber kein krancker noch darvon allein die gesundheit wider eꝛlangt/ da er seine kꝛanck- heit erkennet/ ob wohl solches ein guter anfang ist/ sondern es gehoͤren auch kraͤfftig und kluͤglich applicirte artzeney mittel dazu/ also mag die erkaͤntnuͤß der fehler in schulen und sonsten/ das uͤbel noch nicht heben/ so lang wir die mittel nicht sehen/ und sie zu werck richten koͤnnen/ welche zu der besserung noͤthig. Der Christliche politicus Herr von Seckendorff hat in seinen neulichen Chꝛi- stenstaat von dieser und anderer materie viele sehr heilsame vorschlaͤge und erinne- rung gethan/ auch aus andern widerhohlet. Aber ach wie waͤre zu wuͤnschen/ daß solche dinge nicht insgemein bey den blossen wuͤnschen und verlangen blieben. Was auch hie in dem wege stehe/ ist abermahl eher zusehen als weg zu bringen. Jn summa ich sehe die sache in dergleichen allgemeinen besserungen die man in- tendirt und auch intendi ren solte/ dermassen je laͤnger je mehr an/ daß nicht nur der Satan auch unter uns sein reich dermassen verbollwercket/ und sich auff alles/ wo man ihm abbruch thun wolte/ laͤngst vorgesehen habe/ daß keine geringere als Goͤttliche krafft da durch zudringen vermag/ sondern daß auch Goͤttliches gerichte also auff uns liege/ daß man kaum irgend etwas ausrichte/ sondern muß nach aller angewendter sorge und muͤhe damit zufrieden seyen/ daß man sein gewissen gerettet habe/ und das uͤbrige den HERRN befehlen: damit wir also/ wo wir die Da- vid seyen/ die den HERRN den tempel noch nicht bauen doͤrffen; erwarten biß der von ihm darzu von ihm erwehlte Salomon aufftrete/ deme wir in dessen doch vorspahren und vorarbeiten sollen/ so weit wir jetzt zu kommen vermoͤgen/ daß der von uns gesamlete vorrath sein werck kraͤfftig befoͤrdere: Wie ich zwar/ je schweh- rer die gerichte anfangen zu werden/ und bald noch schꝛecklicher ausbrechen doͤrfften/ so vielmehr mich versichere/ das die zeit einiger erwuͤnschten hauptbesserung uns nicht mehr fern seye/ und bißherigen gleichsam unfruchtbaren unserm seufftzenlein N n n n 2 ende Das sechste Capitel. ende machen/ hingegen das begihrige verlangen erfuͤllen werde. Jch komme end lich auch auff den letzten vorschlag/ daß man nicht eben singulis die heilige commu- nion reichen doͤꝛffte/ sondern sie selbsten an der heiligen taffel solche zu nehmen ge- lassen wuͤrden: so pflichte abermal mit meinem wunsch bey: und glaube 1. Daß es vermuthlich auch werde also bey der ersten communion hergegan- gen seyen/ daß der HErr JEsus das brod gebrochen/ nachmahl aber nicht eben jeglichẽ besonders gegeben/ vielweniger in den mund gestecket/ sondern entweder daꝛ- geleget/ daß jeglich sein stuͤck genommen/ oder dem nechsten gereichet/ der es ferner und also immer einer den andern/ dargeboten/ biß sie herum gekommen. Wie auch des kelchs wegen nicht zu zweifflen ist/ das Christus ihn allein einem gegeben/ und nachmahl solche nach einander ihn unter sich getheilet haben/ wie Luc. 22/ 17. von einem vorgehenden kelch gesagt wird. 2. Bin ich auch dergleichen meinung/ daß eben solcher gebrauch in der er- sten kirchen behalten worden/ ob ich wol bekenne/ daß mir eben die ort aus der an- tiquit aͤt nicht also in promptu sind/ daß dieselbe dazu anfuͤhren moͤchte. 3. Streitet es nichts wider unsre gemeine lehr/ dann ob wir schon lehren/ daß die reichung und segnung die handlungen des Pꝛedigers bey solchen actu seyen/ so geschiehet damit gnug/ daß der Pꝛediger denen communicant en die geheiligte Symbola darstellet und darbietet/ so eben so wol ein darreichen ist/ auch wie erweh- net/ vermuthlich also von Christo gebraucht worden. 4. Wo allezeit so viele personen als platz haͤtten an solche heilige taffel sich zu mal stelleten/ und daselbs jeder daß seinige empfingen/ und andern widerum platz machten/ haͤtte es auch eine naͤhere gleichheit mit einer tisch versamlung/ und gebe feine erinnerungen. Wie ich auch hoͤꝛe das zu Riga gewoͤhnlich/ daß allezeit so viel zugleich hinzu treten/ als der platz mit sich bringet/ jedoch nicht selbs nehmen/ sondern von dem Predigern so herungehet empfangen: Wo dann eine parthey weggegangen/ folget eine andere. Wo wir aber auf die exempel der Reformir- ten gehen wolten/ solten wir etwa naͤher dazu kommen/ was hierinnen verlanget wird. Jndessen bekenne gern/ daß nicht wol hoffe/ daß es dazu werde irgend leicht zu bringen seyen/ wie auch nicht ohn ist/ daß man mit der sache behutsam umgehen muͤste/ in dem leicht nicht geringe aͤrgernuͤß entstehen koͤnte/ wo nicht kluͤglich al- len vorgebeuget wuͤrde. Was aber die hoffnung anlangt/ daß damit unsere ge- wissen mehr tranquilliret wuͤrden/ wuͤste ich eben nicht/ ob solches mehr erleichte- rung machte/ sondern bey mir schiene es fast einerley/ eine gantze versamlung zu dem genuß invitiren und ihnen solche himmlische schaͤtze darstellen/ und einen je- den besonders dieselbe zu geben. Womit ich mich nun in absicht der unwuͤrdigen in jenen fall verwahren und troͤsten wuͤrde/ daß es bey mir nicht stehe/ sie abzuhalten/ daß bleibet in diesen eben so wol/ da ich ohne das zu keinem mehr spreche/ als daß solches ARTI C. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VII. solches der leib unsers Heylands seye/ den er vor ihn dahin gegeben/ und etwa (wo es gebraͤuchlich) die wunschwort hinzuthue. Jch erinnere mich im uͤbrigen allezeit bey dieser materie, daß nicht ohne son- derbahren bedacht ist/ daß wir nirgend ein eigentlich gebot finden/ dariñen uns Pre- digern die communion der unwuͤrdigen verboten werde. Dann der locus Matth. 7/ 6. der insgemein dahin gezogen zu werden pfleget/ deucht mich weder directè davon zu handlen (welches hoffentlich gewiß seyen wird) noch auch sich nach des HERRN absicht bequem dahin appliciren zu lassen. Sondern wo wir die gantze rede ansehen/ ist die meynung unsers Heylandes/ uns die Christliche klug- heit gegen unsern nechsten zu recommendiren, wo wir etwa denselben bruͤderlich bestraffen/ oder bessern wollen/ daß wir solches heiligthum denjenigen nicht dar- werffen sollen/ die es verachten und uns noch daꝛzu uͤbel tractiren wuͤrden. Ein mehrers laͤsset sich aus solchem ort zu uͤberzeugung des gewissens nicht erweisen. Al- so haben wir kein ausdruͤcklich verbot/ sondern die sache wird nur unrecht aus an- dern ursachen/ wegen aͤrgernuͤßes/ wegen schadens des unwuͤrdigen communi- canten und dergleichen. Was aber solche sachen sind/ die nicht ausdruͤcklich ver- boten sind/ mag manchmal unterschiedliches dazu kommen/ daß der ursach/ warum es sonsten unrecht waͤre/ gleich wichtig ist/ und also hoͤret es auf unrecht zu seyen. Dahingegen was ausdruͤckliche befehl oder verbote sind/ sich nicht so ableinen las- sen. So ist mir auch allezeit sehr bedencklich gewesen/ daß unser liebste Heyland selbs bey den ersten abendmahl wissendlich einen unwuͤrdigen dazu gelassen hat: Welches mir nicht nur eine erinnerung ist/ daß es in der Christlichen kirchen nicht leicht zu hoffen/ daß es ohne solche bleiben werde/ sondern auch klar bezeuget/ daß die zulassung an und vor sich selbs keine suͤnde seye/ sondern aus gewissen umstaͤnden erst zur suͤnde werde. Worinne ich hoffe/ daß wir nicht suͤndigen werden/ so wir einigen trost vor unser gewissen in gegenwaͤrtigen fall suchen: wo wir nur sonsten nach unseren vermoͤgen getrachtet in solcher sache zu thun/ was wir muͤglich befin- den. Aus allen aber/ wo wir untereinander handlen/ sehen wir den schrecklichen verfall unserer zeiten und kirche; Stuͤnde unsere kirche nur zimlicher massen in der ordnung/ darein CHRJSTUS sie erstlich gesetzet/ so wuͤrde es so vieler sorge und beaͤngstigung nicht bedoͤrffen: gleich wie bey andeꝛn Christlichen hertzen/ wie sie doch ihr leben recht nach den reglen ihres Heylandes und sich fuͤhren koͤnten/ welche einfaͤltig sind/ und man also an ihnen den richtigen weg findet/ hingegen aber offt aus den verwirreten zustand an- jetzo der gleichen hindernuͤssen ihn in den weg geworffen sihet/ da man nicht weißt/ wie man solchen pflichten/ ohne mehreren schaden und also uͤberschreitung anderer pflichten/ nachkommen koͤnne (woraus manche angst und seufftzen entstehen) al- so auch bey uns Predigern in unsern amts verꝛichtungen/ wie gleichfals diese an al- ler nachtruͤcklichsten zu dem wahren zweck der erbauung gerichtet werden koͤnnen. Es Das sechste Capitel. Es bekraͤfftiget mich auch solches/ so offt ich daran gedencke/ immer mehr in der sorge/ daß der HERR/ was sich nicht mehr flicken laͤsset/ umschmeissen und seinen bau besser wieder auf fuͤhren werde/ und vielleicht die schwere verfolgung en / so uns von Babel vorstehen/ bey den seinigen dazu heiligen werde. Ach so lasset uns noch zu unserer zeit thun/ so viel der HERR uns gnade giebet und die thuͤr oͤffnet/ mit willen des guten nichts zu unterlassen/ und unsere kraͤfften gern daruͤber zu verzehren: in dessen dabey unaufhoͤrlich zu dem HErrn fle- hen/ dz er seinen knechte gnaͤdig seyn/ u. von unsern haͤnden was nicht darinnen ist nicht fordern/ sich seines verstoͤrten Zions dermaleins erbarmen/ die bestim̃te gericht mit vieler barmhertzigkeit mildern/ uns in den schwereꝛn versuchungen die vorstehen mit krafft zum sieg ausruͤsten/ endlich die huͤlffe nach seiner verheissungschaffen wolle/ daß man getrost lehren/ dz man getrost und mit frucht sein amt in allem thun moͤge. Gewißlich wo wir damit anhalten werden/ so wird der HErr/ ja er muß nach sei- ner treue und warheit/ seine außerwehlte erretten/ er kan sich nicht verleugnen/ der GOTT der warheit: Jn dessen heilwaͤrtige hut regierung ihn und alles was bey ihnen den HERRN unverruckt lieb hat treulich erlassende verbleibe. m. f. w. 2. Dec. 1685. SECTIO IIX. Die regeln so mir in meinem amt gemacht habe. Gegen den Magistrat. 1. M Jch niemal in nichts ihrer weltlichen geschaͤfften einzumischen/ oder ihnen darinnen vorzuschreiben/ personen/ sonderlich die meinige zu diensten zu re- commendire / in zeitlichen dingen zu intercediren, sonderlich vor mich und meinige nichts zeitliches zubegehren/ damit ich so viel freyer in amts sachen mit ihnen handlen moͤge. 2. Jn allen dingen/ welche das gewissen nicht betreffen/ mich ihnen willig zu submittiren : Dahero auch keiner onerum mich zu beschweren/ und also des Ministerii ehre mehr in submissione als exemtione zu suchen. 3. Von ihren actionibus nicht temere zu urtheilen/ in dem mir manchmal die rationes nicht eben voͤllig bekant/ auch die leute mehrern tentationibus un- terworffen/ daher auch gedult mit ihren schwachheiten zu tragen/ gern was moͤglich ist zu entschuldigen/ nim̃ermehr ihre actiones mit verdacht zu beschweren/ so lang noch besseres davon gedacht werden kan/ und in dem hertzen das vertrauen nicht gegen sie fallen zu lassen. 4. Wo ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO VIII. 4. Wo mit den singulis umbgehe/ gern eine submission gegen sie zu weisen/ und zwar daß sie wahrhafftig sehen/ daß es mir ein ernst seye/ ihren goͤttlichen cha- racterem zu erkennen. 5. Jhre fehler und suͤnden nicht publicè zu straffen/ wo es nicht die nothwen- digkeit und vermeidung aͤrgernuͤß erfordere/ aber auch alsdenn auffs modesteste, mehr bitt- und obtestations- weise/ als mit hefftigkeit und harten worten/ daß immer auch in den bestraffungen erhelle/ wie man ihr amt darneben ehre; sonder- lich aber mit veꝛmahnung an die unterthanen/ daß sie ohneracht alles was sie veraͤchtliches an ihnen zu sehen meinen/ sie in schuldigen ehren und gehorsam zu hal- ten verbunden seyen; und ihnen die beurtheilung derselben oder boͤse nachrede nicht zu kommen wolle/ sondern sie sich damit schrecklich versuͤndigen/ als die mit gedult es tragen muͤssen. 2. Gegen meine Collegas. 1. Ob ich wol der erste unter ihnen seye/ doch in der that zu zeigen/ daß ich mich meiner prærogativ in nichts/ was meiner person und commoda anlangt/ pervaliren oder gebrauchen wolle/ daher mich so balden zu betstunden und vica- riats- predigten erbothen/ auch dieselbe zu thun/ wo es seyen koͤnnen/ mehr eine freude gemacht als mich des beschweret. 2. Jn dem votiren ihm ihre freyheit nich t zu hem̃en/ ja selbs mein votum willig zu retractiren / wo ich von einen andern b essere fundamenta hoͤrete: wo aber eine sache per majora durch gedrungen/ so i ch nicht so wol nuͤtzlich als schaͤd- lich achtete/ mich dennoch nicht eigentlich zu wid er setzen/ sondern zu tꝛachten/ wie nachmahl bey der execution es so eingerichtet w uͤrde/ daß es nachmal vorkaͤme und algemach die besorgten incommoda ohne a ußdruͤcklichen bruch des schlusses evitiret wuͤrden. 3. Nicht unwillen zu schoͤpffen/ wo mir einer von jemand in particulari auff einigerleyweise schiene vorgezogen zu werden/ oder meine beichtkinder sich zu ihnen wendeten. 4. Wegen der fraternæ correptionis haͤtte hertzlich verlangt/ wie dersel- ben fꝛeymuͤthige uͤbung ins werck zurichten gewesen waͤre/ wie auch ausdruͤcklich da- von gehandlet worden: Jch habe aber mit betruͤbnuͤß gefunden/ daß es sich illo animorum habitu nicht wollen thun lassen/ sonderen viele mehrere ungelegenhei- ten als besserung daraus zu sorgen gewesen: daher mit s euffzen manches unterlas- sen/ was gern gethan haͤtte/ jedoch nicht vergessen das nothwendigste bey gegebe- ner gelegenheit mit freundlichkeit zu erinnern. 3. Was die predigten betrifft. 1. Jn der that zu zeigen/ daß ich nichts anders in denselben als der gemeinde erbau- Das sechste Capitel. erbauung suchte/ und also mich alles zu enthalten/ was die ostendation der eru- dition schiene bey sich zu haben: wie ich ohne das gefoͤrcht/ es moͤchte das creutz Christi durch affectation kluger worte zu nichte werden. 1. Corinth. 1. 2. Mich nach aller moͤglichkeit (auch mit anruffung GOttes darum) zu be- fleissen/ alles was ich vortruͤge deutlich/ verstaͤndlich und einfaͤltig vor zu tragen/ damit dero zweck moͤchte erhalten werden/ und also weil mein natuͤrlicher stylus mit meinen mißfallen etwas schwer/ ich aber denselben leider nicht aͤndern kan/ auffs wenigste mich immer mehr nach niederer redens art als nach hoͤher zu bestreben/ deswegen niemahl auff einige elegantias in phrasi nach zu sinnen/ sondern alle- mahl zu concipiren, wie conceptus mentis es ohngesucht mir suggerirte, ob schon saͤhe/ wie es elegantius und nach den reguln Oratoriæ eingerichtet und mit dero floribus ausgezieret werden koͤnte. 3. Dem affectui animi in der predigt in sprach und gebaͤrden allemahl den zaum zu lassen/ und also zu reden/ wie mirs gerade dießmahl ums hertz war/ ohn einige affectation, daß die zuhoͤrer wahrhafftig an mir den unterscheid sehen/ wie man einmahl kaͤlter/ einandermahl erwaͤrmter/ ein mahl freudig/ ein andermahl niedergeschlagener seye/ und also immer von meiner gemuͤths bewegung/ die sich in der rede treulich außdruͤckete/ urtheilen koͤnten/ und nicht in gezwungener gleich- artigkeit erkennen muͤssen/ daß es ein bloß studir tes werck seye/ welches nachmal weniger afficirt. 4. Gern mehrmahlen auch vor der gemeinde meine schwachheit/ und wo ich in einigen spruch oder materie mir selbs nicht genug thue/ oder ihnen eine gewiß- heit zu geben getraute/ zu bekennen. 5. Sie vielmahls dessen zu erinnern/ daß ich sie an mich oder einigen men- schen nicht binden/ noch fordern wolle/ jemahls eigenlich deswegen mir etwas zu glauben/ weil ich ihr lehrer/ zu deme sie ein gutes vertrauen haͤtten/ solches gesagt haͤtte/ sondern allesmit GOTTES wort zu vergleichen/ und allein das jenige/ anzunehmen/ was sie durch mein anweisen als GOttes wort/ in ihrem gewissen uͤberzeugt worden/ daß es die wahrheit seye: damitsie sehen/ ich suchte keine herrschafft uͤber ihr gewissen. 6. Wie ich niemahl ohne mehrmahliges anruffen GOTTes vor und nach dem concipiren, so dann da zu predigen ausgehen und auffsteigen sollen/ die ar- beit antrete (daran so viel als an den meditiren gelegen achte) also sie oͤffters zu bitten und zu ermahnen/ daß sie mir und andern ihren lehrern mit ihrem gebet zu statten kommen moͤchten/ wie sie solches GOTT/ der kirchen/ uns und ihnen selb- sten schuldig seyen. 7. Die controversias sparsam/ und nicht anders als wo es text und noth eꝛforderte/ aber auch alsdann mit grund und uͤberzeugung des gewissens/ jedoch so ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. VIII. so viel moͤglich noch mit den gelindesten worten gegen die wideꝛsacher/ und daß man mehr erbarmen als haß gegen sie wahrnehme/ auch die zuhoͤrer mehr zur liebe ge- gen ihre personen als feindschafft vermahne/ zu tractiren : den meisten zweck der predigten diesen seyen zulassen damit erkantnuͤß GOttes/ der wahre lebendige glau- be/ und dessen fruͤchten durch die krafft des goͤttlichen worts in wuͤrckung des heili- gen Geistes in ihren hertzen erwecket und vermehrt werden: als welches das vor- nehmste in unserem amt ist. 8. Die gottseligkeit nicht so wohl zu treiben mere legaliter und mit blossen schelten auff die laster (ob wohl auch solches ad convictionem conscientiæ zu- thun) als zu zeigen/ wie solche einmahl eine nothwendige frucht des glaubens seyen muͤsse/ und ohne dieses der glaube nicht wahrhafftig seye/ noch zum trost dienen koͤn- ne. So dann vielmehr die hertzen durch vorstellung der liebe GOttes und theu- rer uns erzeigten wohlthaten zu erwaͤrmen/ und mit ruͤhmung der seligkeit der kin- der GOTTes auch hie in diesem leben in der heiligung anzureitzen/ daß mit jener furcht uns zu schrecken/ so zur ersten bereitung gehoͤren mag/ abeꝛ die ꝛechte bekeh- rung der hertzen nicht ausrichten kan. 9. Wo etwas tractirte darauff zu sehen/ daß alle einwuͤrffe so viel derer vorsehen koͤnte/ abgeleinet/ und also den hertzen nach moͤglichkeit alle ausflucht zu ihreꝛ uͤber- zeugung aus GOttes wort (daß sie ja sehen/ es seye nicht unser trieb/ sondern der ausdruͤckliche wille GOttes) benommen werde: daher den elenchum in wich- tigen sachen niemal mit wenigen zu treiben/ sondern ihm lieber eine weil gar auff zu- schieben/ biß man gelegenheit haͤtte/ denselben recht gruͤndlich außzufuͤhren/ es seye dann sache/ daß solches bereits zu andern mahlen und etwa kurtz vorher geschehen/ und man sich darauff beziehen koͤnnen/ da auch mit wenigen die bestraffung gesche- hen koͤnte: sonsten sorgte/ eine gantz kurtze und ohne voͤllig convicir ende gruͤnde thuende bestraffung/ sonderlich wann auch harte worte dazu gebraucht werden/ seye gleichsam/ wann man in ein feuͤer nur einwenig wasser schuͤttet oder spruͤtzet/ so es eher irritir et und staͤrcker brennen macht als außloͤschet. Also auch nach einem ernstlichen gethanenen elencho eine weil damit ein zu halten/ wo nicht sonderliche rationes die wiederhohlung erforderten/ hingegen den zuhoͤrern zeit zu goͤnnen/ sich gleichsam zu besinnen/ und erst wieder noch einer weil anzusetzen. 10. Jn allen wichtigen materien gern an der zu hoͤrer gewissen mich zu ad- dresir en/ ob sie nicht vor GOTT/ der in ihre hertzen sehe/ sich uͤberzeugt befinden/ und insgesamt sie offt zu der pruͤffung ihrer selbst vor GOttes angesicht/ und daß sie demselben auff diese frage jetzo in ihren hertzen antworten solten/ zu treiben. Wel- ches ich weiß/ offt die meiste krafft in den predigten gehabt zu haben. 11. Das Evangelium am meisten zu treiben/ und um seines mißbrauchs willen nichts von den guͤtern desselben zu verschweigen/ aber auch nur zu verwahren/ daß unglaubige sich dessen ohne widerspruch ihres eigenen gewissens nicht miß- O o o o brau- Das sechste Capitel. brauchen koͤnten; deßwegen einer seits die rechtfertigung allein aus dem glauben mit außschliessung aller wercke ernstlich und fleißig zu inculciren, aber eben so fleißig zu treiben/ wie der glaube keine menschliche persuasion seye/ so bey einem fleischlichen leben stehen koͤnte/ sondern wie er in einen solchen goͤttlichen licht und wuͤrckung bestehe/ souns warhafftig allerdings zu andern menschen machet: und wo diese frucht/ sich nicht in auffrichtigkeit des hertzens befinde/ daß alle hoffnung des glaubens nur einbildung und betrug/ diese lehre aber die lehre der schrifften Lutheri, und unserer Evangelischen kirchen seye. 12. Jn den predigten immer den zuhoͤrern anlaß zu geben/ daß sie sich gewehn- ten in der schrifft auch zu hauß fleißig zulesen/ dahero einige dazu persuadiret wor- den/ die hauptspruͤche in der Bibel so bald in der kirche auffzuschlagen/ um diesel- be zu hauß zu wiederhohlen/ so dann habe ich in jeder pꝛedigt ein capitel zuꝛ hauß- le- ction recommandiret, darinnen die verfaste materie vor andern enthalten. Auch sonsten insgesamt/ bey ihnen eine begierde zu erwecken/ daß sie gerne ihren glauben selbs in GOttes wort zu gruͤnden lerneten/ und sich nicht nur auff ihre lehre zu beruffen noͤthig haͤtten. 4. Wegen des Catechismi. 1. Zwar allezeit zu erst die worte des Catechismi von den kleinen her erzehlen zulassen/ aber das meiste auff das examen des verstandes zu wenden/ und dabey nicht zu foderen/ daß die auditores etwas weiters außwendig als die worte Lu- theri wissen muͤsten/ ohne daß/ die fertigere auch billich mehr spruͤche der schrifft sol- ten suchen in die gedaͤchtnuͤß zu fassen. 2. Jn dem examine nie ordentlich und von person zu person zu fragen/ son- dern bald da bald dort/ damit die examinandi immer munter bleiben/ und gefra- get zu werden gedencken. 3. Niemand in den examine der antwort wegen zu beschaͤmen/ sondern wo es moͤglich/ daß die antwort auff einigen nur ein wenig leidlichen verstand gezogen werden kan/ denselben zur enschuldigung zeigen/ und hingegen die eigentlichere ant- wort hin zu zuthun/ wo sich aber dieselbe gar nicht zu rechte bringen laͤsset/ beschei- dentlich die antwort selbst zu sagen: um die examinandos behertzt zu machen/ daß sie gerne kommen und ohne furcht antworten. 4. Allemahl zu letzt einige vermahnung hinzu zu thun/ wie man die materie nun trachten solle in das werck zu richten/ und zu zeigen/ was wir auch dabey von GOTT zu bitten haben. ARTIC. ARTIC . II. SECT . I. ARTIC. II. Was in die zeit meines in Dreßden gefuͤhrten amts einlauffet. SECTIO 1. A Ls wegen der Oberhoffpredigeꝛ stelle in Sachsen zum erstenmahl sondi- ret worden. 2. Als die Chursaͤchs. vocation angekommen/ erklaͤhrung an den Ma- gistrat zu Franckfurt am Mayn/ desselben entschluß alles zu uͤberlassen. 3. Als der Magistrat zu Franckfurt das decisum ob die vocation goͤttlich o- der nicht/ nicht uͤbernehmen wolte/ wurde es mit jenes approbation auff die erkaͤntnuͤß 5. Christlicher unpartheyischer Theologorum gesetzet/ und gleich lautendes schreiben ad singulos abgesand. 4. An das Chursaͤchsische Ober- Consistorium wegen auf schubs der resolution uͤber die vocation. 5. An Chursachsen antwort-schreiben zu acceptation der vocation. 6. Gleiches innhalts an das Churfuͤrstliche Saͤchsische Ober- Consistori- um. 7. Intercipirung der brieffe nicht recht. Der Boͤhmisten sinn gegen mich. Wie mit solchen leuten zuverfahren. 8. Als kurtz vorher mein amt in Dreßden angetreten/ wie den gantzen zustand angesehen. Wie noͤthig gedultiges harren. 9. An eine Christliche freundin in Franckfurt. Dancksagung wegen der vorbit- te/ was am sonderlichsten vor mich zu baͤten noͤthig. 2. Timoth. 2/ 24. 25. 26. Sanfftmuth und ernst. Zustand in Dreßden. Huͤtung fuͤr falschen freunden. Goͤttliche regierung eigenes hauses. Kuͤnfftige besserung. Freundliche erinnerung und regeln. 10. Ob ich unserer kirchen grund-irrthume oder andere irrthume beymes- se. 11. Gefahr unsrer kirchen und verlassung von menschlichen schutz. 12. Auff die klagen des mangels der noͤthigen besondern erbauung: daß man zuweilen durch angemaßte freyheit der meinungen sich darum bringe. Wor- an eine fromme seele sich alsdann zu halten habe. O o o o 2 13. Als Das sechste Capitel. 13. Als einer mich zu einer hefftigkeit im eyffern antreiben wolte. Vom Apo- stolischen charactere. Von Lutheri hefftigkeit. Von Arndio. Steph. Prætorio. Elia Prætorio. Wer die heiligung tꝛiebe. Von fleischlicher furcht. Ob man allezeit was ausrichte. Arbeiten auff hoffnung. D. Hein- rich Muͤller. 14. Wegen meiner Dreßdischen beruffung. Dabey gesuchte vorsatz. Dieser zeit bewandnuͤß. 15. Auffmunterung an eine Christliche freundin in Franckfurt zu ernstlicher fort- fahrung in den guten. 16. Sonderling. Was vom Papst zusorgen. Kaͤtzermacher begierde. 17. Was gegen irꝛige lehren/ sonderlich der Quaͤcker/ zuthun. Daß denselben irgend unrecht gethan. Daß einige solcher lehre wegen im verdacht gezoge- ne derselben unschuldig halte. Die bekehꝛung der Juͤden. Nicht alle weis- sagung noch erfuͤllet. Wichtigkeit solcher lehr. 18. Uber (Dan. Kleschii) Tractat. de bestia bicorni, die der Koͤnig in Franck- reich seyn soll. Sandhagens gabe in propheticis. Ungrische gefahr. 19. Gratulation an H. George Albrechten Graffen zu Mansseld uͤber seine be- bekehrung von der Roͤmischen zu der Evangelischen kirchen. 20. An einen Doct. Theologiæ. Was zu unsern zeiten des gerichts auszurich- ten. Einigkeit im geistlichen stande. N. Widrigkeit gegen mich. D. Hin- ckelmann bezeugung gegen das Ministerium. Mein Catechetische examen. Warum ungefragt angefangen. Allgemein einzufuͤhrende catechisa- tion. 21. Der freunde und feinde an mir fehlende nꝛtheile. Nutzen Christlichen um- gangs. Goͤttliche erweckung vieler gemuͤther/ und daraus hoffnung. 22. Falscher vorwand der orthodoxiæ zu unterdruckung treuer diener Christi. Absichtdes Satans darinne. 23. Offentliche ablesung der gantzen heiligen Schrifft. Wie nothwendig. Nu- tzende der wol eingerichteten predigten neben solcher ablesung. 24. An ein e n Christlichen Edelmann/ auffmunterung und wunsch. 25. An einen an einem orth verstossenen Prediger/ da er wieder beruffen wor- den. Ob bey uns auch an der lehr mangel. Vater wieder den sohn. Außlassung einiger gesaͤnge um der Papisten willen. Titul der rechtfer- tigung. Arbeiten im glauben/ da man keine frucht siehet. Gewisse hoff- nung der besserung. Das einige bey der communion von den wein nichts bekommen. Quaͤcker nahme. Heilig leben. Neuer mensch. Ob in Pen- sylvaniam zufliehen. 26. An eine Prediger witwe. Freude uͤber zunehmede zahl der frommen. Be- truͤb- ARTIC . II. SECT . I. truͤbnuͤß uͤber des ehegatten tod. Es kan derselben zu viel nachgehaͤnget werden. Klage uͤber die traͤgheit. Diese unterschiedlicher art. Was dabey zuthun. 27. Quakerismus. Von welchen Theologis die defoꝛderung der gottseligkeit zu erwarten. Recommendation der buͤcher/ darinnen nicht alles richtig. Collegium. Das 7. Capitel an die Roͤmer. 28. An einen Studiosum Theologiæ. Art des wahren Christenthums/ wi- der den betrug des todten glaubens. Die wahre goͤttliche Theologiæ. Dero Methodus. Auffmunterung darzu. 29. Gratulation zu einem Fuͤrstlichen Hoffprediger amt. Einige erinnerun- gen darzu. 30. Antwort auff ein empfangenes tꝛostschreiben an mich. 31. Auff gnaͤdigsten Churfuͤrstlichen befehl. Aus den acten abgefas t es beden- cken/ worinnen der so genante pietismus bestehen solle. Wie dem wercke und entstandener unordnung am besten zurathen und abzuhelffen. 32. Nochmahliges bedencken uͤber gleichen punct/ als die uͤbrige volumina a- ctori darzu gekommen. 33. Zwene greuel/ denen man sich in unserer kirchen sonderlich zuwiedersetzten dem todten glauben und herrschafft uͤber die gewissen. 34. Mein verhalten/ wann gute freunde mit andern in streit gerathen. 35. Verlangen nach beylegung der gantzen sache des so genanten Pietismi. Dero wichtigkeit. 36. Zuruͤttung der gemuͤther der Theologorum, und wie meistens von beyden seiten/ derer die studia und derer die praxin treiben/ gefehlet werde. Gros- ser schade davon. 37. Von laͤsternng des guten/ und dero gewissen folge. Wahre aͤnderung des menschen wird vor zaubeꝛwerck gehalten. 38. Klage des verderbens/ daß das Christenthum noch nicht gnugsam aufgerich- tet. Woran es mangelt. Der schade davon. Unsre Pflicht und trost. 39. An Joh. Hirschen einen blinden leinweber in Fraustatt. Freude uͤber des- sen brieff. Guͤte GOttes/ die den mangel des gesichts in geistlichen erse- tzet. Arndts Christenthum. D. H. Muͤller. Lutheri schrifften/ son- derlich kirchen Postill. Lesung der heiligen schrifft mit gebuͤdrendem be- dacht. Sontags feyer. Auch in der woche dem geistlichen abzuwarten. 1. Thim. 5/8. Von versorgung der seinigen erklaͤhret. Gebet aus Bi- blischen formuln. O o o o 3 40. Das Das sechste Capitel. 40. Das gute wird insgemein gelaͤstert. Dreßdisches Edict. Der spruch 2. Cor. 12/9. Was vor schwachheit. 1. Tim. 5/8. Quedlinburgischer ca- techismus. Besuchung der predigten an fremden ort. Vorsichtigkeit in verrichtung des guten. 41. Bewandnuͤß unserer zeiten. Starcke bewegung der gemuͤther. Der welt widrigkeit gegen das gute: sonderlich auch der Theologorum. Gewiß- heit des siegs. 42. Von der klage/ wie wenig man ausrichte. Dessen ursachen. Hoffnung kuͤnfftiger besserung. Von dero art. SECTIO I. A ls wegen der O berhoffprediger stelle in Sach- sen zum erstenmahl sondi ret wor- den. J Ch komme auff dasjenige/ was das nachdencklichste in schreiben ist/ wegen Herrn von Friesen Excell. und mit demselben Eur. Excell. guter gedan- c ken von mir. Wo ich die sache in der furcht des HERRN erwege/ so ste- het 1. Dieses gewiß/ daß einem wahrhafftig Goͤttlichen beruff so wenig ich als einiger anderer mich entziehen koͤnne/ als fern solcher in den gewissen erkant wird. Denn der HERR behaͤlt das recht uͤber uns seinen diener nicht nach unserem oder einiger menschen sondern allein nach seinem willen zu disponi ren. 2. Ob aber eben dieses oder jenes von Goͤttlichen beruff oder tentation zuhalten seye/ wird eine so viel schwehrere sache zu erkennen/ nachdem das urtheil aus so viel umstaͤnde gefasset werden muß/ welche alle richtig seyn muͤssen/ und zu weilen ein einiger die gewißheit des θείου in der gantzen sache kan schwaͤchen/ oder auffheben. So ist bey mir ohne das eine fast staͤte irresoIution in eigenen sachen/ als der mir niemahl traue/ ein ding approfondirt zu haben/ bleibet also bey einer resolution fast immer noch formido oppositi. Jch weiß wie sauer mir die sache wordẽ ist/ von Straßburg hieher zu resolviren / u. habe nicht gedacht od’ gewuͤnschet daß mich Gott jemahl wieder in gleicher sorge werde gerathen lassen. Jch wuste mir auch nicht zuhelffe/ nachdem hauff guter freunde einꝛathẽ das gewissen nicht ruhig stelle konte/ der ich aus der erfahrung weiß/ wie so gar gemein es seye daß gute freun- de auch unwissend in ihren einꝛathen auff fleischliche dinge eben so viel alsauff dasje- nige/ was allein Goͤttlich ist zu sehen pflegen. Vielweniger doͤrffte mir selbst trauen als meiner schwachheit noch mehr bewusst. Daher ich in solchẽ zweiffel keinen andeꝛn rath wuste/ als daß es denen beyden staͤdten Straßburg und Franckfurth uͤberlies- se/ ARTIC. II. SECTIO I. se/ sich uͤber mich miteinander zu vergleichen/ und also mich revera passive gehalten/ die rationes obs ein Goͤttlicher ruff seyen oder nicht seyen moͤchte also pro u. contra auffgesetzt/ dem Magistratui uͤbergeben/ und endlichauff welche seite sie Goͤttli- chen finger erkenten/ dessen endscheid erwartet habe; so mir zwar biß daher nicht ge- ringen trost gegeben hat. 3. Wo diese sache einiger ernst werden solte/ (daran noch zweiffele) siehe so so vieles Goͤttlich an (1) die intention der bey dem beruff interessirten / welche ja an meiner wenigen person nichts ansehen koͤnnen/ als daß ein gutes vertrauen ist/ GOTT werde mir das hierzu noͤthige pfund beschehret haben/ und die arbeit seg- nen: massen ich keine fleischliche absicht bey ihnen ne per conjecturam qui- dem sehen koͤnte. (2) Eine wichtige/ ja wohl fast wichtigste/ in unse- rer gantzen Evangelischen kirchen/ also eine der vortrefflichsten gelegenhei- ten/ Goͤttliche ehre zu befoͤrdern/ als jemand meiner condition in der welt finden kan. (3) Daß ich nicht nur allein dergleichen nie weder gesucht noch gedencken koͤnnen/ sondern nicht wohl zu begreiffen ist/ wie ohne Goͤttliche sonderliche regie- rung zu einer solchen stelle in ein land/ da der reichste proventus tapfferer Theo- logorum / und welches zu allen zeiten andern tapfere leute mitgetheilet hat/ ein fremder in vorschlage komme. Hingegen (4) funde derer gegen rationen nicht weniger noch von weniger gewicht/ nicht zwar (ob schon dieselbige etwa auch bey ei- nigen vernuͤnfftig in considerationem gezogen werden moͤchten) eines theils die unvermeidliche invidiam / oder wo ich diese von Christlichen gemuͤhtern nicht sor- gen will/ auffs wenigste betruͤbnuͤß der einheimischen/ welche dieses nicht wohl an- ders als in contemtum sui anziehen koͤnten/ und ihnen viele seufftzen ausdruͤcken duͤrfften/ welche hingegen wenig seegen bringen; andern theils mein alter/ der ich das 50. jahr angetreten/ und bereits von etlichen jahren eine starcke declinatio- nem naturæ von ihrem vigore bey mir fuͤhle; in welcher bewantnuͤß eine solche aͤn- derung der lufft/ lebens art/ speise und trancks (sonderlich bey einen gebohrnen Weinlaͤnder/ der sein lebtag nicht ein monat sich in bierlanden auffgehalten) fast nicht wohl ohne gefahr seye/ und die ohne das niedersinckende natur auff einmahl uͤber einen hauffen werffen moͤchte. Diese momenta / sage ich/ will ich nicht haupt- saͤchlich urgi ren/ als die etwa ihre beantwortung finden moͤchten: Sondern viel - mehr stehen mir als starcke und hohe berge vor/ uͤber die ich noch nicht hinauff sehen kan/ eines theils mein eigen unvermoͤgen/ anderntheils meine obligation an hiesi- ge Christliche gemeinde. Was das erste anlanget/ so meine ich/ ob schon wir auff unsrer tuͤchtigkeit nicht/ sondern auff GOTTES beruff/ der die tuͤchtigkeit auch geben kan/ zusehen haben/ daß gleichwohl unter denen crite- riis eines Goͤttlichen beruffs/ davon dessen wahrheit und gewißheit gehandelt wird/ die beobachtung des von GOTT habenden oder nicht habenden talenti eines von denen kraͤfftigsten argumenten seye: Denn wir der Goͤttlichen weißheit zu zu- trauen haben/ daß sie in jeglichen dasjenige werde geleget und bereits gezeiget ha- ben/ Das sechste Capitel. ben/ wozu sie sonderlich demselben verordnet hat. Nun wo ich bedencke/ daß jede function etwa ihr sonderliches habe/ daß darin gleichsam das prædominans ist/ so darinn erfordert wird/ nebens denen jenigen stuͤcken/ die sich insgemein bey allen geistlichen stellen finden muͤssen/ so wird sich das jenige am wenigsten bey mir finden/ was zu einer solchen stelle das noͤthigste. Unter allen dem/ was mir der HERR ver- liehen hat (davor ihm demuͤthig danck zusagen habe) ist das hauptwerck/ so viel ich an mir sonderlich aus anderer anzeige erkennen solle/ einige vis dicendi vor einer gemeinde/ dahingegen alle meine privat- verrichtungen ziemlich davon enfernet sind. Da habe ich nun bißher davor gehalten/ weil der gebrauch solcher gabe vornehmlich platz hat vor einer gewissen gemeinde/ daß mir auch dieses ein zeugnuͤß Goͤttlichen beruffs seye/ da er mir unwuͤrdigen das jenige in mediocri mensura gegeben/ was darinnen vornehmlsch nutzen kan. Hingegen sehe ich jene stelle an/ daß das hauptwerck in derselben stehe in prudentia und in einer hertzhafftigkeit. Wie mirs aber an vielen mangelt; so sind an diesen beiden stuͤcken meine vornehmste gebrechen/ und zwar solche/ die gleichsam nicht ohne Goͤttliches wunder bey mir ge- aͤndert werden koͤnnen: Weil sonderlich dieser letzte mangel etwas von dem natuͤr- lichen temperament ziehet. Wie schwehr solte also werden/ zu glauben/ daß des HERRN wille seye/ mich zu einer stelle zu setzen/ wo eines theils meine gabe wegen eines an der zahl schwaͤcheren Auditorii weniger angemendet wuͤrde/ andern theils das jenige erfordert werden solte/ was ich am wenigsten bey mir finde/ und dessen mangel gleichwohl grossen schaden bringen koͤnte. Wie denn die angeruͤhm- te wichtigkeit des amts/ mit betrachtet dieses gebrechens vielmehr contra als pro militiret. Da kommet mir billig zu sinne/ wie es bey Jeremie heisset. c. 12/ 5. Wenn dich die muͤde machen/ die zu fusse gehen (wo diers am hertz offt man- geln will/ so denn an klugheit der gerechten/ da du es mit noch geringern zu thun hast?) Wie will dirs gehen da dn mit den rentern lauffen soltst? (Wie wirstu einen muth fassen/ vor denenjenigen/ derer hoheit mehr schrecket/ und in die geschaͤfften dich schicken/ da eine hohe weißheit noͤhtig ist) daher mir schwehrlich einbilden kan/ daß der HERR / dem meine schwacheit bekant/ mich zu dergleichen solte bestim̃et haben/ worzu er mich nicht ausgeruͤstet. Das andeꝛe betreffend/ so bin zwar meiner gemeinde und hiesiger statt mit einigen sonderbahren vinculis nicht verbunden/ aber die allgemeine vincula des unzweifflich Goͤttlichen beruffs zu der- selben/ der liebe gegen sie/ der liebe unterschiedlichen gegen mich (ob wohl deren auch nicht wenig seyn moͤgen/ welche eines ihnen verdrießlichen mannes gern loß kommen moͤchten) die furcht sehr schwehrer seufftzen in solchen fall wider mich und dergleichen/ sind so starck/ daß ohne gantz offenbahre zeugnuͤßen des andern Goͤttli- chen beruffs/ und also uͤberzeugung des gewissens uͤber denselbigen/ die verlassung derselben nicht in gedancken gefasset werden koͤnte. Wo aber Goͤttlicher wille klaͤhrer einleuchtet/ so leugne nicht/ daß der HERR damit alle bande zerreisset. Diese ARTIC. II. SECTIO II. Diese sind diejenige gedancken/ welche ich biß daher gehabt/ und noch ferner in der furcht des HErren/ dem auch demuͤhtig daruͤber anruffe/ zu uͤberlegen habe. Habe sie aber Ew. Exc. allerdings offenhertzig vorstellen/ und gleichsam meine gantze see- le deroselben bloͤssen wollen/ deroselben ferner Christlich und vernuͤnfftiges gutach- ten daruͤber mit gelegenheit vernehmen. Von GOTT habe meistens die - ses zu beten/ daß er seinen willen zeigen/ und uns in dergleichen wichtigere sache niemahlen einen mißgriff thun lassen wolte: Es ist seine ehre und sein werck/ so wird er es auch thun! den 29. Maj 1684. NB. Es hat dieses schreiben so viel gefruchtet/ daß man in Dreß- den mehr als ein jahr meiner mit ferneren anmuthigen ver- schonet hat. Nachdem 1685 nach meiner widergenesung wurde auffs neue an mich gesetzet/ es geschahe aber die corre- spondenz in Lateini scher sprach/ daher meine antworten hie nicht platz haben. Endlich im Mart. 1686 folgte die wuͤrckli- che vocation. SECT . II. A ls die C hur- S aͤchsichsche vocation angekom- men/ erklaͤhrung an den Magistrat zu Franckfurt am Mayn/ desselben entschluß alles zu uͤberlassen. Hoch Edelgebohrne/ gestrenge/ Wohl Edel Vest/ Hoch- gelehrt/ Wohlfuͤrsichtig/ Hoch- und Wohlweise Jnsonders Großguͤnstige Hoch- geehrte Herrn. Eur. Hoch-Edl. Gestreng und Herrlichkeit seyen nechst hertzlichen gebet vor dero wohlfahrt und regierung meine gehorsame dienst zu vor. P p p p Es Das sechste Capitel. E S ist denselben unentfallen/ wie nach des heiligen GOttes weiser und guͤtiger direction / vor nunmehr fast 20. jahren ich aus meinem damahligen Straß- b urgischen kirchen-dienst ohne mein gesuch und mit gnugsamer uͤberzeugung Goͤttlichen fingers zu hiesiger gemeinde beruffen worden. Von solcher zeit habe nach dem armen vermoͤgen/ daß mir der HERR verliehen hat/ deroselben zu die- nen und an ihr zu arbeiten nicht unterlassen/ auch in der hoffnung gestanden/ bey solcher verrichtung die uͤbrige lebenszeit/ wieviel oder wenig mir der HERR noch moͤchte bestim̃met haben/ zu zubringen: Welches auch noch/ da derjenige/ wel- cher uͤber uns das regiment hat/ seinen willen nicht anders selbs zeiget/ mein eigenes verlangen waͤre. Ob denn nun wol auch in den vertrauen gestanden/ es werde zu einer aͤnderung niemahl eine solche anmuthung kommen/ welche nicht leicht mo- deste und doch ohne verletzung des gewissen declini ret werden moͤchte; so zeiget sich doch fast nunmehr etwas anders/ welches/ wie andere unerwartete dinge/ mich nicht wenig in meinem gemuͤth verunruhiget. Es ist bereits gegen zwey jahr/ daß aus dem hochloͤblichen Chursaͤchsischen Ober- Consistorio durch eine dritte vornehme hand ich sondi ret worden/ weil der damahlen noch lebendige Churfuͤrstliche Oberhoffprediger Herr D. Lucius je mehr und mehr ableibig und zu seinem amt unvermoͤgen wuͤrde/ ob ich dermahleins auff den fall der ordenlichen vocation zu solcher stelle/ daran ein grosses gelegen/ mich gehorsam verstehen wolte. Jch habe aber so wenige inclination dazu bey mir ge- funden/ daß vielmehr die vorstellung der wichtigkeit des amts eine mehrere furcht eingejaget/ als begierde erwecket; Daher auch mit wahrhafftiger einwendung meines bey mir befindlichen unvermoͤgens solche gedancken abzuwenden getrachtet. Es sind aber solche anmuthungen an mich seither eines halben jahres noch mehr- mahl/ theils aus dem mittel des hochloͤblichen Consistorii selbs/ theils abermahl durch andere personen/ widerhohlet worden. Da ich aber nicht anders gekont/ als vorige entschuldigungen zu wi- derhohlen/ und zu bezeigen/ daß ich zwar einer wahrhafftig-Goͤttlichen beruffung aller orten zu folgen schuldig waͤre/ auch die stelle dermassen zu der Evangelischen kirche nutzen wichtig erkennte/ daß ich/ wo ich dazu tuͤchtig waͤre/ billich alles andere zuverlassen haͤtte; ich sinde aber sothane tuͤchtigkeit so gar nicht/ daß ich nach erwegen allem (wie meine letzte antwort in sich hielte) nicht sehe/ wie ge- dachtes amt ohne suͤnde von mir uͤbernommen/ oder von denen/ die mich recht kenneten/ mir auffgetragen werden koͤnte. Nebens dem ich hingegen einer an- deren begabterer person an meine stelle meldung gethan/ die mit mehrerer frucht ein solches vornehmes officium vrwalten koͤnte. Hiemit haͤtte gedencken sollen/ daß die sache zu ende seyn wuͤrde. Es ist aber zu gleicher zeit/ als meine letzte/ ant- wort ARTIC. II. SECTIO II. wort unterwegen war/ und indessen bemeldter Herr D. Lucius von GOTT nach seinem heiligen rath selig abgefordert worden/ auffs neue schreiben an mich eingelauffen/ und bezeuget worden/ daß man einmahl auff meiner person bey hoch- loͤblichen Consistoriio noch verharrete/ und bald darauff/ daß neben andern ich mit sonderbahren zeugnuͤß gegen seiner Churfuͤrstliche Durchleuchtigkeit zu dessen gnaͤdigster wahl von demselben vorgeschlagen und recommendi ret worden seye. Darauff endlichen verschienen donnerstag ein pacquet angekommen/ in dem ich so bald das wuͤrckliche und solenne gnaͤdigste vocation -schreiben von den Durch- leuchtigsten Churfuͤrsten zu dero Oberhoffpredigern/ Beichtvater/ Kirchenrath und Assessore Consistorii, so dann von mehr bemeldten Ober -Consistorio zugleich dessen hochgeneigte invitation / samt Churfuͤrstlichen paß zum abzug/ auch zum fordersten das von hochgedachter Churfuͤrstlichen Durchleuchtigkeit an Euer Hoch Edl. Gestrengen/ und Herrlichkeit bey gelegte gnaͤdigste schreiben enthalten gefunden. Wie sehr mich dieses unvermuthete bestuͤrtzet/ und in meinem gemuͤth unru- hig gemachet/ weil mir Goͤttlicher wille noch so gar verborgen/ kan ich nicht zur gnuͤ- ge hie austrucken: Wie ich dann auch biß daher nach aller fernern uͤberlegung und hertzlichen gebet nichts gewisses bey mir schliessen oder zu einer ruhe geben koͤn- nen. Einer seits bleibet dieses eine ausgemachte sache/ daß der hoͤchste beruffer/ Gott uͤber alle seine diener/ welche er hier und dort in seinen weinberg sendet uñ stellet/ eine ungebundene hand behalte/ dieselbige zu allen zeiten nach seinen willen zu versehen/ und daß deswegen weder ich noch einiger anderer einen wahrhafftig erkanten Goͤtt- lichen beruff unter keinem vorwand mich entziehen/ oder von niemand davon abge- halten werden solle: sondern man wuͤrde hierinnen allerseits sich in Goͤttlichem rath schwehrlich versuͤndigen/ und die widersetzlichkeit keine gnade nach sich ziehen. Anderseits aber wird mirs sehr schwehr/ ja biß daher noch unmoͤglich/ den Goͤttli- chen rath und ob ich das werck vor einen wahrhafftigen Goͤttlichen beruff oder menschliche wohlgemeinte gedancken/ und also eine Goͤttliche tentation / achten solle/ zu erkennen und zu unterscheiden. Jn deme beyderseits die momenta und ursachen sehr wichtig sind/ und in den gewissen tieff greiffen. Auff meiner seite sind die rationen sehr nachdruͤcklich/ welche mir die sa- che dermassen vorstellen/ das GOTTes finger in derselben bißher gespuͤhret worden/ und fast nicht dermassen angesehen werden koͤnne/ das bloß menschli- che anschlaͤge darinnen seyen solten. 1. Jst alles solches bißdaher ohne mich und das geringste mein gesuch o- der veranlassung geschehen/ und ich auch ohne das der person nach allen den P p p p 2 uͤbri- Das sechste Capitel. uͤbrigen welche damit zuthun gehabt/ unbekant ohne was Seiner Churfuͤrstli- chen Durchlauchtigkeit selbs anlangt/ als welche sich vor einigen jahren in de- ro hieseyen meines geistlichen dienst zu der heiligen communion einmal gebraucht/ ich aber weder vor noch nach denselben heiligen actibus dieselbe unterthaͤnigst zuspꝛechen die gelegenheit gefunden/ jedoch (so nicht bergen kan) aus dem je- nigen/ so damal vorgegangen/ eine mehrere innerliche neigung zu dero hohen person (davon dergleichen folge nicht traͤumen koͤnnen/) in meiner seelen so bald gefuͤhlet. Mit einigen der vortrefflichen Herrn Consistorialen / deren her- tzen der HERR auch also gegen mich gelencket/ habe zwahr vor etzlichen jahren durch brieffliche correspondenz einige kundschafft verlanget; dazu aber al- lemahl der HERR auff eine solche unschuldige art mich gefuͤhret/ daß was je- tzo geschiehet/ auch nicht nur per obliquum anfangs gesucht oder dahin appli- ciret zuhaben gedacht werden kan: mich aber sonsten solcher vortrefflicher maͤnner huld/ welche mir in andern stuͤcken zu treibung des wercks des HErrn eine huͤlffe seyen koͤnte/ hertzlich gefreuet/ und daher meine gerettete glaubens- gerechtigkeit/ abermahl duꝛch eine andere Christliche veranlassung/ ihnen zu- geschrieben. Wo also aus diesem einigen/ da man etwas nicht suchet/ sondern solches von freyen auff zu tragen wird/ der goͤttliche beruff allein zu schliessen waͤ- re/ so wuͤrde hie kein zweiffel mehr uͤbrig seyn. 2. Mag solche ursach noch so viel staͤrcker werden/ wo ich gar hinzu setze/ daß ich die dazu geschehene veranmuthungen auff das glimpfflichste allezeit ab- zuleinen gesucht/ andere lieber recommandiren wollen/ und mich darinnen auff mein gewissen/ welches mich meiner aufrichtigkeit uͤberzeuge/ mit auffrich- tigen hertzen auff solche art beruffen habe: Daß wo nicht GOTTES hand dabey gewesen waͤre/ zugedencken war/ es wuͤrde so bald davon abgestanden/ und nach einem tuͤchtigern umgesehen worden seyn. 3. Jndessen geschahe solches nicht/ sondern vielmehr/ da sonsten es fast un- gewoͤhnlich/ daß von einem solchen hohen Herren ohne vorher habende gewiß- heit/ daß die person folgen wuͤrde/ eine solenne vocation wuͤrcklich abgehe/ ist auch in diesem etwas sondeꝛliches vorgegangen/ welches ich abermal fast nicht anders als der goͤttlichen regierung/ die sich in allen offenbahren wollen/ zuzuschrei- ben weiß. 4. Jch setze noch diesen umstand dabey/ daß das Hochloͤbliche Churfuͤrst- liche zu Sachsen allezeit das land gewesen/ daraus man annerwerts hin wolbe- gabte Theologos zu beruffen pfleget/ und es denselben auch dieses mal an tapf- fern leuthen nicht manglen kan: Dahero wiederum etwas sonderliches/ daß man anders orts her einen mann/ der in einer blossen pfarr- und Seniors stelle biß- ARTIC. II. SECTIO II. bißher gelebet/ da sonsten auff den Universit aͤten die talenta weiter an ande- re bekant zu werden pflegen/ zu beruffen sich resolviret. 5. Jch kan auch nicht bergen/ daß mir dieses einen starcken eindruck in das ge- muͤth giebet/ wo ich bedencke/ daß das vor etzlichen mehrern jahren von mir unver- schuldet hin und wieder außgebrochene boͤse geruͤchte und verdacht/ eben so wol da- mal biß in Sachsen erschollen/ da zwar an dem seligen und hochverhienten Herrn D. Geiero einen treuen Patronen meiner unschuld gehabt/ auch bey andern dero liebe nicht verlohren habe/ aber gleichwol versichert bin/ daß es auch nicht er- manglet an leuten/ die entweder gern von mir etwas widriges glaubeten/ o- der aus leichtsinnigkeit sich gegen mich einnehmen lassen: Daß aber zu einer sol- chen stelle jemand erfordert werde/ welchen jemal die laͤsterungen geschwaͤrtzet/ ist nicht weniger etwas sonderliches/ und achte ich eine goͤttliche direction darin- nen zu erkennen. 6. Zu dem vorigen umstaͤnden kommet auch dieses/ daß der beruff mit voͤlliger und deliberirter einstimmung geschiehet. Seine Churfuͤrstliche Durch- lauchtigkeit hat nicht nur allein auff die blosse recommendation dero Herren Consistorialium reflectiret, sondern auch auff eigene meine kantnuͤsse und gnaͤ- digstes vertrauen gegen mich sich beruffen. Das Hochloͤbliche Consistorium hat nach langer und etliche jahr gewaͤhrter consultation, da von mehrern ande- ren stattlichen leuten gehandlet worden/ staͤts von selbsten sich gegen mich genei- get/ und ihr verlangen/ zu dero Collegio bezeuget. So ist mir auch von be- ruͤhmter Universitaͤt durch einen trefflichen Theologum darunter geschrieben worden/ daß auch solches orts meine wenige person nicht unbeliebt zu seyen billich schliesse/ und solche conspirantia vota \& desideria nicht wol anders als einer oberern regierung zuschreiben muß. 7. Eines der vornehmsten haupt stuͤcke ist aber noch ferner/ daß es die jenige stelle ist/ / in dero ein mann/ welcher die gaben und segen von GOTT haben wuͤrde/ so vieles ja mehr außzurichten haͤtte/ als in einiger andern; wie ich sie dann vor die wichtigste unter alle geistlichẽ in unserer gantzen Evangeli- schen kirche/ auffs wenigste in Teutschland/ schaͤtze/ und also derselben gantzen cor- pori auffs hoͤchste daran gelegen/ daß sie wol besetzet werde; daher jegliche ge- meinde/ die nicht nur voꝛ sich/ sondern auch den gantzen leib/ daran sie ein glied ist/ mit zu sorgen hat/ den jenigen willig dazu folgen lassen solte/ wo bey und von dem so viel gutes zu hoffen waͤre/ indem an einen ort zu so vieler gemeinden be- sten etwas geschehen koͤnte. 8. Jndessen sind gleichwol die bedeutete arbeiten/ bey meinem so impor- Pp p p p 3 tan- Das sechste Capitel. tanten amt/ nicht allzu viele/ noch was das aͤusserliche anlangt uͤber die kraͤfften eines mannes/ bey dem nunmehr das alter anfaͤngt abzugehen/ und der vorige vigor in unterschiedlichem zu remittiren; auff welches man allezeit auch zuse- hen/ und zu glauben hat/ daß der HERR keinem in dem reich der gnaden zu et- was beruffen/ wozu er in dem reich der natur die noͤthige gaben nicht gegeben/ oder nunmehr zuentziehen angefangen haͤtte. Jch sehe aber dorten nicht meh- rere bemuͤhung/ als mit dero jetzt auch umgehe/ und durch GOTTES gnade ausser der zeit der schwachheit sie nicht zu schwehr empfunden. 9. Es mag auch in consideration kommen/ daß meine stelle/ die von weniger wichtigkeit gegen jene ist/ durch vermittlung goͤttlichen segens/ und wo die jenige/ die dazu zu reden haben/ mit auffrichtigem ernst und einmuͤthig zu der sache thun wollen/ auff den fall meines abgangs nicht nur durch meine bereits habende geliebte Herrn Collegas, sondern dafern man mit allerseits be- lieben lieber auff die frembde hinauß/ wie einigemal verlauten wollen/ reflecti- ren moͤchte/ nicht so schwehr zuersetzen seyn doͤrffte: und traute ich selbs alsdañ auff verlangen einen mann zeigen zu koͤnnen/ deme es an keinen der recht noͤthigen stuͤcke zu diesem amt und der kirchen erbauung manglet/ sondern ich von ihm das vertrauen schoͤpffen wolte/ daß er mit mehrer frucht an der gemeinde arbeiten koͤnte/ wo ihn der HERR hieher fuͤhren wuͤrde. Dergleichen wir etwa auch noch mehrere zu finden der goͤttlichen guͤte zu trauen wolten. Wolte aber GOTT/ ich muͤste nicht 10. auch als eine ursach/ ob GOTTES rath mich von hier weg haben wolte anziehen/ weil ich nemlich/ wie oben gemeldet/ nunmehr fast 20. jahr allhier in diensten stehe/ und nach dem wenigen pfund zu arbeiten beflissen gewesen/ aber leider bekennen muß/ daß ich nicht/ was ich verlangt/ auch hoffen moͤgen/ und GOTT fordern doͤrff- te/ außgerichtet habe: sondern es ziehet sich alle frucht meines amts auff sehr we- niges zusammen/ und stehet bey den meisten allein in einen wenigen wachsthum der buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß die zahl der seelen aber die zu dem rechtschaffenen wesen/ daß in Christo JEsu ist (dann von der zu erlangen unmuͤglichen vollkommenheit will ich ohne daß nicht reden) gekommen waͤren/ ist so schwach/ daß ich es nie an- ders als mit betruͤbnuͤß/ schrecken und furcht vor GOTTES gericht/ ansehen kan. Wie ich davor halte/ daß Ewr. Hoch Adeliche Gestrenge und Herr- lichkeiten nicht in abrede seyen werden/ daß die aͤrgernuͤß zeit meines hieseyens nlcht abgenommen/ einige aber/ daruͤber so offt geklagt wird/ in unterschiedlichen staͤnden nur vielmehr zu genommen haben. Daher ich sorgen mag/ ob hiemit der ARTIC. II. SECTIO II . der HERR den baum meines dienstes/ so in hiesigen grund zu der frucht nicht nach dessen begehren kommen koͤnnen/ anderwerts zu mehrer fruchtbarkeit ver- setzen wolte. Jch will auch letstens und 11. nicht bergen/ daß mir dieses einen star- cken eindruck in das hertz giebet/ daß ich bißdaher in von mir und meinen gelieb- ten Herrn Collegis zu mehrer erbauung gethanen petitis die sehnliche gesuchte erhoͤrung noch nicht erlanget/ noch dero versichert bin. Ew. Hoch- Adel. Gestreng und Herrlichkeit solle billich unentfallen seyen/ wie wehemuͤ- tig nicht nur zu andernmalen/ sondern vornehmlich 1681. wie unsre klagen in dero schooß geschuͤttet/ nicht nur die regiernde aͤrgernuͤssen gezeiget/ und dero muͤgliche remedi rung gebeten/ sondern auch vernehmlich unterschiedliches ge- wiesen/ was unser amt in der sonsten noͤthigen frucht maͤchtig hindert/ sonderlich in unsrem confusen beichtwesen: Es sind auch dieselbe wiederum in andern schrifften wiederhohlet worden/ und auff oͤffentlicher cantzel aus uͤberfliessenden heꝛtzen sich unsers gewissens zu erbauen aͤngstliche erinnerungen geschehen. So laͤugne auch nicht/ das vor einiger zeit her/ wegen freundliche vertroͤstung un- serer Hochge Ehrten Herrn Scholarchen/ so sich die sache angelegen seyen lassen wolten/ einige mehrere hoffnung zur huͤlffe mir gemacht habe. Wann aber der HERR der gleichwohl alle hertzen in seinen haͤnden hat/ es deꝛmassen ge- schehen lassen/ da nun uͤber vier jahr dannoch noch niemal etwas schluͤßiges aus- gerichtet/ sondern alles durch unzaͤhliche hindernuͤssen immer zuruͤck gesetzet worden: So ist solches ansehen mir unterschiedliche mal also vorgekommen/ ob wolte mir der HERR eben hiedurch zeigen/ daß mein bey mir sonst fest ge- stelltes staͤtes verbleiben allhier/ nicht eben so gewiß in seinem rath beschlossen seye. Dieses sind die jenige ursachen/ denen auch noch mehrere moͤchten beyge- fuͤget weꝛden/ welche mich zwahr noch nicht gewiß des goͤttlichen beruffs uͤberzeu- gen/ aber auch so viel in meinem gemuͤth vermoͤgen/ so ich nicht leugnen kan/ daß ich eine grosse sorge daraus schoͤpffe/ der HERR heisse mich außgehen/ wohin ich beruffen werde: Wie auch versichern kan/ daß unterschiedliche Christliche seelen/ so mich sonsten gern bey sich behalten/ aus denselben gesagt/ einen solchen willen des HERREN zusehen/ dem sie zu widerstreben nicht getrauten. So sehen auch Ew. Hoch Adel. Gestr. und Herꝛlichkeiten das ich hierinnen auff das ansehen mehrer ehr und einkuͤnfften/ vor mich/ und meinige/ sonderlich etwa der- maleins verlassende witwe/ so dann mehrere sicherheit und versetzung von einen ort/ an dem man einiger gefahr naͤher seyn moͤchte/ nicht reflectire, noch diesel- b Das sechste Capitel. be unter die moviren de rationes gesetzt haben will/ als der ich weiß/ daß diese in solcher wichtigen sache kein momentum nicht haben. Jndessen bin auch nicht in abrede/ daß auf der andern seiten eben so wol wich- tige rationes sind/ welche mir die sache zweiffelhafft machen/ und mit sich bringen wollen/ daß bey den gegenwaͤrtigen amt stehen bleiben/ und also alles als nur eine Goͤttliche versuchung/ ob ich mich mehrers/ als in mir waͤre/ vermessen wolte/ anse- hen solte. 1. Bin ich meines Goͤttlichen beruffs allhier ohne zweiffel versichert/ und muß also auff der andern seiten diesen auffzuheben der Goͤttliche wille mehr als proba- bel / und also starck seyen/ daß dessen gewißheit jenen auffhebe/ hingegen nichts mehr von wichtigen scrupuln uͤbrig lasse. Welcherley gewißheit ich aber noch nicht zu sehen oder zu erkennen vermag. 2. Habe ich dem HERRN HERRN demuͤthig danck zu sagen/ wel- cher ob wohl auch noch leute unterschiedlicher staͤnde seyn moͤgen/ die mich gern weg gehen sehen/ und sich freuen wuͤrden/ eins ihnen verdrießlichen und ihrer lebens art befchwehrlichen mannes loßzuwerden/ dannoch/ als viel ich hoffen kan/ das mei- ste meiner gemeinde in liebe mit mir also verbundẽ habe/ hinwider mein heꝛtz auchge- gen sie also gelencket/ das von ihnen gerissen zu werdẽ/ mir eine blutige wunde schnei- den/ und bey jenen eben so wohl nicht wenige schmertzen und betruͤbnuͤß erwecken doͤrffte. Welches ich billich ohne offenbahrsten andern Goͤttlichen willen verhuͤ- ten und nicht verursachen solle/ daß mir solche seufftzen und thraͤnen/ sonderlich von Gottseligen hertzen mit auff den weg gegeben wuͤrden/ die mich hart druͤcken moͤch- ten. Wie ich dann nicht ohne sondere bewegung an die sache zu gedencken ver- mag. 3. Moͤchte auch in consideration kommen/ daß/ ob endlich an mir selbs so grosses nicht gelegen waͤre/ wie ich gern bekenne/ dannoch ich der gemeinde und sie meiner dermassen gewohnet/ daß wir uns untereinander zu erbauen besser hoffen solten koͤnnen/ als ich dergleichen anderwerts zu erwarten/ wo etwa mein alter so hoch nicht anstrecken doͤrffte/ nach dem ich erst in die ungewoͤhnliche geschaͤffte kaͤ- me/ und mich darein zuschicken lernete/ noch dermahleins einiges nuͤtzliches auszu- richten. Was auch meiner stelle ersetzuug betrifft/ ob es wohl nicht an von GOtt ausgeruͤsteten lenten manglen wird/ moͤchten doch bey solcher bewerckstelligung dergleichen difficul taͤten sich finden/ dero leichten ausgang noch nicht so gewiß ver- sehe. 4. Hiezu setze billich und sonderlichst noch dieses/ daß mein talentum / so ich fast ARTIC. II. SECTIO II. fast einig in einer mittelmaͤßigen gabe der oͤffentlichen predigten und catechisi rung zu bestehen/ so viel mich erkennen kan/ achte/ mir nicht anders vorkommt/ als daß es von dem Herrn zu dieser stelle eigenlich gewidmet und darnach gerichtet seye/ in dem sol- che bey einen gantz volckreicher gemeinde ihren meissten gebrauch ha- ben: hingegen in Dreßden solte an einer function stehen/ da die gemeinde aus zwahr viel hoͤhern an stande/ aber an zahl we- nigern personen bestehet/ aber zu dem catechismo keine gelegen- heit vor mir sehe. Woraus folget/ daß die mir vornehmlich geeignete gaben daselbsten ehe weniger als mehr frucht zu schaffen gelegenheit finden duͤrfften: welches ich gleichwohl mit den wei- sen rath und providenz GOTTes/ der uns kennet/ nicht aller- dings reimen kan. 5. So vielmehr wo ich dieses hinzusetze/ welches mein schwehr- stes anliegen ist/ daß ich hingegen bey mir die jenige gaben und quali taͤten am allerwenigsten finde/ welche am allermeisten bey der aufftragenden function erfordert werden. Nach meinen begriff will dieses hohe amt einen man haben/ welcher von ungemeiner klugheit in allen amtsverrichtungen seye/ eine einem Theologo an- staͤndige gravi tät habe/ zu erlangung einer solchen autori taͤt/ die ihn zum nachtruck seines amts dienlich/ so dann mit einer getrosten hertzhafftigkeit ausgeruͤstet seye/ nicht nur eine in dem amt noͤthi- ge resolution in schwehren sachen in dem hertzen zu fassen/ sondern auch dieselbe ohne turbation des gemuͤtss/ wie es von noͤthen ist/ in das werck zu richten. Wie ich aber in den geringern dingen ge- gen jene zu rechnen so thane klugheit nicht finde/ sondern so offt- mahls auch in nach vermoͤgen uͤberlegten sachen bey dem ausgang et- was anders als verhoffet hatte erfahre/ und also daß non puta- ram sagen muß/ so der klugheit zu wider ist: also wird jeder- man/ der mich kennet/ befinden/ daß mirs auch an den manglet/ was natuͤrlicher weise zu sothanen dotibus erfordert wird. Daß also wo ich hirauff sehe/ so viel ich mich pruͤffen kan (da gleichwohl der HERR nicht fordert/ blindlings in eine gefahr hinein zu lauf- Q q q q fen) Das sechste Capitel. fen) ich einen gluͤcklichen fortgang jenes amts bey mir nicht voran hoffen koͤnte/ hingegen zu sorgen habe/ wo ich nachmahl dariñen stuͤn- de/ aber ein vorher wargenommenes unverm oͤ gen thaͤtlich erfuͤhre/ und den schaden daraus gewahr wuͤrde/ daß ich daraus fast unuͤber- windliche gewissens aͤngsten fuͤhlen doͤrffte/ oder wiederum mit be- truͤbnuͤß verlassen muͤsste/ was ich vermessen angenommen haͤt- te. 6. Daher fliesset aus vorigen/ daß ie wichtiger die stelle ist/ so vielmehr schaden auch durch einen da zu nicht geschickten mann in vie- lerley versaͤumnuͤß und andern verstoß so leicht erfolgen koͤnte/ als sonsten die hoffnung des guten/ so auszurichten/ ein tuͤchtiges subjectum dazu animiren solte. Daher es sich nicht gleichsam auff ge- rath wohl waͤgen lasset/ man werde nachmahl die tuͤchtigkeit finden/ weil die gefahr zu groß ist. Und ob wol bey gantz versicherten Goͤttli- chen beruff auff die eigene tuͤchtigkeit nicht gesehen werden darff/ son- der ein Moses und Jeremia fort muß wo der HERR ihn sendet/ und von den als dann Geist/ mund und weißheit gewiß erwarten darff/ der alles solches in seinen haͤnden hat/ und was uns noͤthig seye verstehet/ so fuͤrchte ich doch/ es heisse GOTT versucht/ wo die frage noch nicht so gewiß ist/ ob GOTT oder menschen ruffen/ sich zu etwas veꝛstehen/ woꝛinnen uns unser hertz immer widerspricht/ daß wir dazu ungeschickt seyen. 7. Jch setze nicht unbillich dazu/ daß es mit meiner hoff- predica- tur so wohl eine andere bewantnuͤß habe gegen anderen staͤttischẽ pre- digamt/ als die sonsten beyderseits lebens arten von eiander un- terschieden sind/ und ist also bey weiten der jenige noch nicht zu je- nen tuͤchtig/ der in diesen noch das seinige zimlich gethan haͤtte/ ja wie dieses gewohut/ solte fast eben dardurch zu jenen desto unbequemer worden seyen: Wir wissen auch insgemein/ daß die hoͤffe/ sie seyen wie sie wollen/ ihre sonderliche schwehrigkeiten/ fehler und kranck- heitenhaben/ zu dero nur ein vielmehrers als bey anderm geistlichen amt ARTIC . II. SECTIO II. amt noͤthig ist/ erfordert wuͤrde/ und also gewißlich auch ein meh- rers als ich an mir finde. 8. So ist gleichwohl auch nicht ausser acht zulassen/ daß ich be- reits in dem 52sten jahr meines alters stehe/ und so wol vorher/ als nach letzter unpaͤßlichkeit nach Gottes willen die kraͤfften des leibes/ wie oben erwehnet/ den vorigen jahren nicht mehr gleich fuͤhle: und etwa zusorgen stehet/ mir solche aͤnderung der lufft der natur nach ertraͤglich/ oder etwa zu fuͤrchten waͤre/ daß wo sich das gegen theil finden solte/ ich aus mangel der gesuntheit zu allem nur ungeschickt/ und dem amt mehr eine last werdendoͤrffte. Diese gesamte rationes haben abermahl ihr nicht geringes ge- wicht/ und machen mir sehrzweiffelhafft/ ob ich jenes vor einen ei- genlichen von GOTT wahrhafftig beschlossenen beruff halten solle. Nun kan jederman wol ermessen/ nachdem so viel daran gelegen ist/ daß wir Goͤttliches beruffs versichert seyen/ in dem ein grosser theil der freudigkeit/ des trostes und des segens daran liget/ daß mir in solchen zweiffelmuth einige resolution zufassen/ schwehr/ ja vor mich selbs unmoͤglich werde. Jch kenne mich darinnen selbs/ und weiß dieses mein gebrechen/ daß ich ohne das in eigenen meinen sa- chen wo sie wichtig sind/ zu einer sichern resolution kaum je mit einer festigkeit kommen kan: und also solches hierinnen so vielweniger zuthun vermag/ alldieweil ich in staͤter sorge/ dahin ich mich auch wendete/ stehen muͤsste/ ich traute mir zu viel oder wenig zu: ich wolte mit Jona fliehen/ oder haͤtte vermeßenlich wider das gefuͤhl meiner schwachheit mich aus fleischlichen absichten zu etwas grosses gebrauchen lassen. Nun solcherley gemuͤthern/ und also auch mir in diesen stande/ ist allerdins noͤthig/ daß sie den endlich in der furcht des HERRN/ da sie selbs Goͤttlichen guten/ wohlgefaͤlligen und vollkommenen willen nicht gnug pruͤffen koͤnnen (dazu ich mich auch nicht geneigt zu seyen beklage) desselben anzeige andern uͤberlassen/ und ihn also von denselbigen erwarten. Q q q q 2 Die- Das sechste Capitel. Dieses ist auch das einige mittel/ worzu ich nach Christli- chen gebet meine zuflucht nehme/ und des wegen Eure Hoch-Ade- liche Gestreng. und Herlichkeiten nach dem ohne das Seine Chur- Fuͤrstliche Durchlauchtigkeit den selben gnaͤdigst in solchen ge- schaͤfften zugeschrieben hat/ gehorsamlich und um der liebe willen/ die sie zu der ehre GOTTES und dero beforderung/ auch ge- gegen mich/ tragen/ bitte/ sie geruheten/ dieses gantze geschaͤfft nach den jenigen oben beyderseits angefuͤhrten rationibus, und wel- che sie noch selbs dazu setzen wollen/ in der forcht und anruffung des HERREN reifflich zu uͤberlegen: und nach dem ich nicht zweif- fle/ das sie diese jahr uͤber/ mich besser alß ich auch selbsten/ kennen haben lernen/ daher wol verstehen/ ob ich zu sotha- ner stelle tuͤchtig/ oder wie ich sorge ungeschickt/ wo ich/ bey ihrer lieben statt und bißherige gemeinde/ oder bey einer mir von ferne anweisenden stelle/ dem Hoͤchsten nach den verliehenen gaben besser und mit mehrer frucht hoffnung dienen koͤnte/ und also auff welche seite sie in ihren hertzen den goͤttlichen finger zu weisen/ empfinden/ daß sie mir alßdann ihre großguͤnst. mei- nung/ wornach ich hertzlich verlange/ wiederfahren lassen wol- len. Jch stehe in den gutem vertrauen/ Ewre Hoch-Adeliche Gestreng. und Herrlichkeiten werden in einer solchen wichtigen sache/ davor wir dermaleins GOTT dem HERRN noch alle rechenschafft zugeben haben werden/ nicht nur allein selbs also ver- fahren/ daß sich dero schluß auff nichts fleischliches sondern lau- terlich auff die jenige dinge/ die der HERR selbs in dergleichen werck angesehen haben will/ reflexion machen/ dahero ihrer und anderer kirchen nothdurfft wol gegen einander/ so dann meine kraͤfften und unkraͤfften/ ohne eigene passion, sondern auch mit den jenigen uͤberlegen welche sie in solchen gewissens faͤllen zurath zu- ziehen noͤthig oder nuͤtzlich achten/ oder wen sie noch ferner von der gemeinde druͤber zuhoͤren thunlich finden; auff daß ich alsdann mit so viel ruhigern gewissen das jenige/ was von deroselben hoͤren wer- ARTIC . II. SECT . II. werde/ als meines GOTTES stimme/ die mich endlich seines wil- lens versichere/ ansehen/ mich dadurch zu frieden geben und den- selben folgen moͤge. Es ist dieses auch fast die jenige art/ wie ich von Straß- burg zu denselben gekommen/ da ich mir auch in eigene uͤberlegung des goͤttlicheu willens nicht gnug that/ und daher meiner damali- gen Christlichen Obrigkeit die sache blosser dings uͤbergeben habe/ so mir auch den goͤttlichen rath in der sache zuerkennen erklaͤhrte/ und mich hiesiger gemeinde uͤberließ/ auff welchen weg einherge- gangen zu seyen mich noch niemal reuen soll/ sondern mir eine stattliche gewißheit gegeben hat: Daher da ich mich jetzo an Eure Hoch-Adeliche Gestreng. und Herrligkeiten addressire, des troͤst- lichen vertrauens gelebe/ daß sie mir solche hohe gunst und eine noͤthige antwort nicht versagen werden. Jst es nun/ daß sie das werck von dem HErrn zu seyen bey sich befinden/ und also nichts darwieder zu reden getrauen/ so werde so viel getroster auch ich mich zu dem gehorsam meines GOTTES schicken/ da ich mit dero segen dimittiret werde: und kan auch denselben solche dimission so gar niemand uͤbeldeu- ten/ als wenig man von einigen menschen fordern kan/ dem erkanten willen GOttes zu widerstreben. Werden sie aber finden/ daß mein talentum deroselben ge- meinde/ nicht aber jene stelle/ bequeme/ und daher bey ihro/ nicht aber bey jene/ mehr frucht zuschaffen/ und sie also damit einem haupt- scrupel bestaͤtigen/ so kan alßdann mit so viel weniger sor- ge damit gegen GOTT zu suͤndigen/ das jenige auch trachten ab- zubitten/ was daher gekommen/ das man von meiner wenig- keit mehr als in mir ist gehoffet hat: dabey gleichwol auch des vertrauens bin/ das sie hie wieder meinem gewissen dermassen ruhe schaffen werden/ daß ich nicht in aͤngsten und seufftzen mein amt bey ihnen weiter fort treiben muͤste. Qq qq 3 Jch Das sechste Capitel. Jch ruffe schließlichen den heiligen GOTT und HERRen der erndte/ welcher in dieselbe dienere zu senden allein die hoͤchste macht hat/ demuͤthigst an/ daß er das gantze werck nach seinen goͤttli- chen rath selbs regieren/ in ihren hertzen die jenige weißheit/ so zu er- kaͤntnuͤß dessen was das beste/ mein verbleiben oder abgehen/ seye/ gehoͤret/ geben sie von allen fleischlichen absichten/ in dieser fache reinige/ hingegen diese insgesamt auff die dinge darauff allein gese- hen werden solle/ richten/ also welches dismahl sein des HERRN wille seye/ ihnen kraͤfftig einleuchten/ mir aber zu meines gewis- sens beruhigung und uͤberzeugung von ihnen vorgestellet werden lassen/ und sonsten auch insgesamt mit allen himmlischen gnaden und segen uͤber ihre liebe kirche/ statt und wehrte personen kraͤfftig walten wolle: Mit welchen gebets wunsch und versicherung wo ich sie werde gleiches gemuͤths den HERRN HERRN in seine huld erlassende verbleibe u. s. w. m. Mart. 1686. SECT. ARTIC. II. SECTIO III. SECTIO III. A ls der Magistrat zu F ranckfurt das dccisum/ ob die vocation goͤttlich oder nicht/ nicht uͤber nehmen wolte/ wurde es auff die erkaͤntnuͤß 5. Christlicher Theologorum mit jenes approbation gesetzt/ und gleichlautendes schreiben an singulos abgesandt. Goͤttliche gnade/ liecht/ rath/ friede und heyl von unsrem gecreutzigten Heyland JESU CHRJSTO! H och E hrwuͤrdig/ G roßachtbar und H och- lahrter. Jnsonders großguͤnstiger Hochgeehrter Herr und in dem HErrn HErrn vielgelieter Bruder. E S hat der Goͤttlichen providenz gefallen/ nachdem nechsthin der Churfuͤrstliche Saͤchsische Oberhoffprediger und Consi- storii Assessor Herr D. Lucius selig abgeschieden/ das werck dahin zu dirigiren, daß auff des Ober- Consistorii vorschlaͤge von Seiner Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit meine wenige person be- liebet/ und so bald eine solenne vocation an mich gesendet worden. Jch weis mich dabey wol zu bescheiden/ daß der HERR HERR allezeit seine feeye hand behalte/ seine diener gleich wie erstmals in seinem weinberg zu senden/ also auch nach seinem eigenen belieben von einer staͤtte desselbenan eine andere sie zuversetzen/ leugne auch nicht/ daß ich so wol alß jeglicher Theologus einen warhafftig in dem gewissen erkanten goͤttlichen beruff zu folgen/ und alle mensch- liche Das sechste Capitel. liche considerationes dabey auff eine seite zusetzen/ verbunden seye/ deswegen mich auch goͤttlichem willen ohne widerstreben un- terwerffe. Wie aber nicht alles so bald ein goͤttlicher ernstlicher beruff ist/ was ein solcher erstmals scheinet/ sondern/ ob wol unter goͤttli- cher regierung zu weilen menschliche consilia mit unterlauffen koͤn- nen/ wo uns der HERR pruͤffen will/ ob wir uns einige dinge/ die uͤber unser vermoͤgen/ waͤren unternehmen wolten/ also finde ich so wol die materie (auffs wenigste in der application und praxi ) wie man goͤttlichen beruff zuerkennen habe/ sehr schwehr/ als son- derlich in diesem jetzigen fall dermassen intricat / daß mein gewissen sehr verunruhiget ist. Jch kenne meine schwachheit/ wie ich in wichtigen dingen/ welche mich selbsten angehen/ sehr schwehrlich jemal zu einer festen re- solution zugelangen vermag/ sondern in der staͤten sorge stehen blei- be/ ich traue mir zu viel oder zu wenig zu. Jch habe zwahr so bald meinen geliebten Herrn Collegis die sachevorgetragen/ in der furcht des HERRN sie zu uͤberiegen/ wie sie sie finden; ich habe a- ber von denselben allein diese antwort erhalten/ daß sie einiges gottliches in dem gantzen werck zuerkennen erachteten/ jedennoch nicht sine gravi formidine oppositi, und haͤtten sie dabey vornem- lich auff ihre gemeinde zusehen/ welche meiner bedoͤrffte. Jch habe folglich dem Hochloͤblichen Magistrat, an den von Churfuͤrstl. Durchl. auch geschrieben worden/ mit einem memori- al gleichfals das werck vorgeleget/ und die rationes pro \& con- tra dargestellet/ mit bitte/ mir goͤttlichen willen/ wie sie ihn er- kenneten/ zuerklaͤhren. Es ist mir aber auch die antwort wor- den/ daß sie de divinitate vocationis zu urtheilen nicht uͤbernehmen koͤnten/ als welches den Theologis zu komme; aber ob sie wol/ da- fern ich des goͤttlichen willens uͤberzeuget waͤre/ sich denselben zu wi- dersetzen nicht getrauten/ nach ihren verlangen mein laͤngeres ver- bleiben wuͤnscheten/ und ihre gemeinde noͤthig achteten. Wann nun also hier dieses orts die last mir auffleget/ und selbs eine resolution zu fassen zugemuthet wird/ ich abeꝛ mich noch dazu unvermoͤgend befinde/ und gleichwohl mir ARTIC. I. SECT. XXII. mir ein so grosses daran gelegen ist/ in dieser wichtigen sache den willen des HErrn zu erkennen/ indem da ich wider desselben willen bliebe oder wiche/ ich mich wenig seegens getroͤsten koͤnte/ so habe ich in Christlicher uͤberlegung kein ander mittel mehr uͤbrig befunden/ als etzlichen unpartheyischen Christlichen Theologis, daran gottselige weisheit und aufrichtige sorge vor das beste der kirchen mir bekannt/ und die mich bruͤderlich lieben/ die sache auffzutragen/ daß ieglicher derselbigen/ was er nach hertzlichem und eifrigem gebeth/ so dann reifflicher uͤberlegung der mitkommenden beyderseits rationum, in seinem hertzen/ als vor GOttes angesicht das beste zu seyn/ nemlich ob ich hie blei- ben oder weg gehen solle/ befinde/ und also/ wohin er den finger des HErrn uͤber mich zu zeigen erkenne/ mir offenhertzig und positivè antwortlich an- zeige: da ich dieses demuͤthige vertrauen zu der Goͤttlichen guͤte trage/ (auch dieselbe samt andern guten freunden diese zeit uͤber darum anzuruffen nicht ermangeln werde/) sie wird solche liebe Christliche freunde mit demjenigen liecht und weisheit begaben/ daß sie mir Goͤttlichen willen zeigen/ und ich auf dero einstimmung oder die majora unter denselben/ da ich es in der furcht des HErrn auf solches als das sicherste mittel habe ankommen lassen/ und hiesiger hochloͤblicher Magistrat dasselbe auch nicht unbilliget/ mich verlassen/ und alsdenn/ was der schluß solcher antwort seyn wird/ in dem nahmen des HErrn zu werck richten moͤge. Wann ich nun von meinem werthesten bruder gleichwie einer ungefarbten liebe gegen mich/ also auch sorge vor das beste der kirchen/ mich allerdings versichert weiß/ so habe das vertrauen auch zu demselben geschoͤpfft/ und ersuche also denselben um der liebe GOttes willen/ er wolle die sache nicht nur allein mit eiffrigem gebeth der heiligen direction GOttes treulich empfehlen/ sondern auch nach seiner gabe der weisheit dieselbe/ vornehmlich nach den rationibus, welche von beyden sei- ten abgefaßt sub lit. A. eingeschlossen sind/ uͤberlegen/ und wohin der HErr sein hertz daruͤber lencken wird/ mir aufs foͤrderlichste (indem starck darauff getrieben/ und von mir auch aus solcher aͤngstlichen ungewißheit ehest zu kommen sehnlich verlanget wird/) mit wenigem wieder antwortlich bekannt machen. Es geschiehet hiermit mir eine grosse wohlthat/ damit mir gute freunde in dem nahmen des HErrn endlich den weg zeigen/ den ich wandeln solle/ und ich warte nechst inbruͤnstigem gebeth (so ohne dem vor dieselbe bißher gethan zu haben mit wahrheit bezeugen kan) alle gelegenheit/ wo hin- wieder mit bruͤderlichen diensten solche liebe erwiedern solte koͤnnen/ mir las- sen hertzlich angenehm seyn. Jch ruffe den lieben GOtt demuͤthigst an/ der denselben auch hinwieder mit dem Geist der weisheit und der erkaͤnntnuͤß er- fuͤllen wolle/ den willen des HErrn uͤber mich zu erkennen/ und mich also dahin zu weisen/ wo/ hie oder anderwaͤrtlich/ derselbe ins kuͤnfftige meine arbeit am kraͤfftigsten segnen wolle: wie ich versichern kan/ daß mirs um solche erkaͤnntnuͤß R r r r und Das sechste Capitel. und den rechten zweck/ ohne andere fleischliche nebens-absichten/ wahrhafftig zu thun seye/ und ferner seyn solle. Solche himmlische guͤte segne auch in allen stuͤcken desselben werthe person und heiliges amt/ noch lange ein heilsa- mes gefaͤß der gnaden und werckzeug zur verherrlichung des grossen nahmens GOttes zu seyn und zu bleiben. 22. mertz. 1686. P. S. Jch kan auch einiges nicht wohl aus den gedancken schlagen/ was den nechsten tag nach empfangener vocation sich in meinem hause begeben/ daß nemlich meine aͤlteste tochter (wie meine kinder mit meiner erlaubnuͤß/ und nicht kuͤnfftige dinge dadurch zu forschen/ sondern sich zu weilen mit ein- ander aufzumuntern/ die spruͤche in acht zu nehmen/ und sich bekannt zu machen/ welche ihnen zu gefallen mehrmahl zu thun pflegen) abends allein in dem hause spruͤche aufschlug/ wie sie in dem eingreiffen oder aufthun in dem N. T. (war die kleine Luͤneburgische edition ) unter die finger fallen. Da kam vor mich auff der rechten seiten Act. 7, 3. auff der lincken v. 10. solches capitels. Welches sie mir darauff zeugte/ und mich nicht wenig bestuͤrtzet/ dann in der gantzen Bibel nichts eigendlichers mit fleiß auffgesuchet werden koͤnte/ wo mich GOtt weg haben will. Dergleichen mit fast einstimmenden spruͤchen ist etlichen meinen zuhoͤrern/ so von jenem gehoͤret/ auch seither widerfahren. NB. Etwas dergleichen ist dem S. Hr. D. Geiern/ als er auch wegen des berufs nach Dresden beaͤngstiget war/ und aufschlagung eines gebetbuchs (wie er selbs bezeuget) begegnet. Lit. A. Rationes, welche angefuͤhret werden moͤgen/ zu erwei- sen/ daß in dieser sach eine Goͤttliche vocation zu erkennen sey. 1. Jst die vocation D. Spenern zugekommen/ ohne einiges sein gesuch/ directe oder indirecte: Wie dann/ daß derselbe Sr. Churfuͤrstl. Durchl. selbs bekannt worden/ durch die einige veranlassuͤng geschehen/ daß Seine Churfuͤrstl. Durchl. in vorigen jahren/ aus gelegenheit des kriegs/ sich seines diensts zur privat-communion einmahl gebraucht/ ausser dem er dieselbe niemahl gesprochen: So ist auch die kundschafft dererjenigen und denen Herren Consistoriahbus, mit denen er zu weilen correspond irt/ allemahl aus anderer veranlassung gesucht worden; daß man hieran nicht am wenig- sten gedacht. 2. Hat er vielmehr so bald von der ersten zeit/ da etwas prælimina- riter gegen ihn gemeldet/ und seine gedancken svad iret worden/ alles auffs glimpflichste und modeste aus so erkaͤntnuͤß als vorschuͤtzung der dazu ermang- lenden ARTIC. II. SECT. III. lenden qvalit aͤten declin iret/ und auff andere begabtere gewiesen; also gar/ daß in dem letzten schreiben/ darinnen er in solcher materi e nach Dresden geantwortet/ ob er wohl erkannt/ daß er so wenig als einiger Theologus einem wahrhafftigen Goͤttl. beruff sich entziehen doͤrffte/ doch daß hier jener zu erkennen nicht befunden/ und daher mit diesen worten geschlossen: Hæc in timore Domini probe expendens, confido, qvod idem mecum sensurus sis, nimirum me sparte tam illustri imparem, adeoqve sine peccato (nisi de Θείῳ consilia aliter convincerer ) ea mihi nec demandari nec à me suscipi posse. Deus ipse, qvem suo consilio destinavit, certis characteribus designet virum \& vobis feliciter jungat. Daß es aber (gegen alles solches entschul- digen dennoch zu solchem ernst gekommen) scheinet/ Goͤttlicher regierung zu- zuschreiben zu seyn. 3. Jst auch fast ungewohnt/ daß ein grosser Herr so bald eine solenne vocation schicket/ da der verspruch der folge noch nicht geschehen/ sondern die person glimpfflich die sache zu declin iren sich beflissen. Welches sonderlich ebenfalls Goͤttlichen finger andeuten mag. 4. Wie das Churfuͤrstenthum Sachsen allezeit dasjenige land gewe- sen/ dahin man sonsten vielmehr seine zuflucht genommen/ wo man ander- waͤrts hin rechtschaffene Theologos verlanget/ es auch diesesmahl an ein- heimischen tapfferen leuten nicht mangeln kan/ so ist nachmahl etwas unge- woͤhnliches/ daß man in die fremde gehet/ und einen beruffen will/ der nichts anders als ein Pfarrherr und Senior in einer stadt ist/ da sonsten die Acade- mi en vielmehr die pflantz-garten sind/ wo dergleichen leute gesuchet werden. 5. D. Spener achtet auch dieses als ein sonderliches zeichen Goͤttlicher providen tz/ daß auff ihn die sache kommen sollen/ da vor einigen jahren gleichwohl so barte verdacht und laͤsterungen hin und wieder/ uͤber und wider ihn ergangen/ und zwar auch in Sachsen erschollen: da zwar der S. Herr D. Ge i er immer seine unschuld erkannt/ auch einige andere ihre liebe nicht sincken lassen/ andere aber sich durch solche dinge aus leichtglaubigkeit oder mit willen einnehmen lassen: Es ist aber fast etwas ungewoͤhnliches/ iemand zu so wichtigem Amt zu beruffen/ der iemahl mit dergleichen laͤsterungen ge- schwaͤrtzet worden. 6. Jndessen ist von seiten der vocation alles richtig. Jndem Churfuͤrstl. Durchl. auff den vorschlag des Ober- Consistorii auch aus eigenem belieben und gnaͤdigstem vertrauen die vocation ergehen lassen. Hochloͤbliches Ober- Consistorium aber durch dero recommendation und eigen invitation s-schrei- ben seine begierde nach mir bezeuget hat. So ist auch von einer beruͤhmten Chur-Saͤchsischen Universitaͤt durch einen trefflichen Theologum an mich geschrieben worden. Welcherley conspirantia vota und desideria man nicht wohl anders/ als Goͤttlicher regierung zu zuschreiben weiß. R r r r 2 7. Die- Das sechste Capitel. 7. Die stelle an sich ist so bewandt/ daß wo zu derselben ein mannkommen solte/ welcher die noͤthige gaben und genade hat/ er so vieles als in einiger andern stelle auszurichten vermag/ weil so wohl die Hof-Prediger-stelle des Hofs wegen sehr wichtig/ als auch an dem Ober- Consistorio, dessen solcher auch ein membrum, ein grosses hanget/ was zum besten der so Saͤchsischen als in gewis- ser maaß uͤbrigen Evangelischen kirchen/ so dann einiger Universitaͤten/ verlangt werden moͤchte. Daß daher zu glauben/ es seye schwerlich ein anderes amt der Evangelischen kirchen/ wichtiger als dieses/ und waͤre also iegliche gemeinde/ da sie einen mann haͤtte/ welchen der HErr zu solcher stelle tuͤchtig gemacht/ und schiene Goͤttlicher finger ihn dahin zu weisen/ schuldig/ ihn mit gutem willen da- hin zulassen/ wo er dem gantzen leib/ davon sie sich ein glied zu seyn erkennet/ die- nen moͤchte. 8. Es sollen auch die arbeiter/ was das leibliche anlangt/ so bewandt seyn/ daß sie nicht mehr kraͤffte erfordern/ als diejenige/ welche er ietzo auch bereits zu verrichten pfleget/ und der HErr jene noch biß daher bey ihm erhalten hat. 9. D. Spener haͤlt sich auch versichert/ daß seine ietzige stelle/ wo der Ma- gistrat und das Ministerium hertzlich und mit redlicher absicht auff Gottes ehre zusammen setzen wollen/ gantz wohl ersetzt werden koͤnne/ daß man an seinem abschied nichts verliehren wuͤrde. 10. Er sorget auch/ es seye dieses ein zeugnuͤß/ daß der HErr ihn ander- waͤrts hin versetzen moͤchte/ weil er mit seiner nunmehr zwantzig jaͤhrigen arbeit bey weitem dasjenige nicht ausgerichtet hat/ als er gehoffet/ und GOtt von uns in unserm amt fordert. Daher zu hoffen stuͤnde/ daß GOtt anderwaͤrts meh- reren segen moͤchte bestimmet haben. 11. Er kan auch dasjenige/ daß da in unterschiedlichen stuͤcken er samt dem gantzen ministerio in steurung gewisser aͤrgernuͤß und befoͤrderung der noͤthigen frucht unsers amts von dem magistratu bereits vor mehr als 4. jahren um huͤlff und gute verordnung gebeten/ auch solche bitte auf mehrere weise wiederholet/ so dann von denjenigen/ welchen es amts halben vornehmlich zukommt/ die sache vorzunehmen/ von ziemlicher zeit resolv irt worden/ dennoch alles biß daher durch unterschiedliche hindernuͤß zuruͤck gesetzet worden/ sich nicht wohl aus dem sinne schlagen/ daß nicht solche zuruͤckhaltung vor ein werck Goͤttlicher regierung zu achten: wie er dann nicht in abrede ist/ daß ihn diejenige angst des gewissens/ die aus der unfruchtbarkeit unterschiedlicher amts-verrichtungen aus ermang- lender huͤlff und besserer anordnung/ ehe an diesen beruff gedacht worden/ die ersten gedancken gemacht/ obs nicht GOttes willen seyn moͤchte/ daß e r anders wohin gehen solte/ da er sonsten viel steiffer an dieser stadt in seinem vorsatz gehangen. 12. Er leugnet auch nicht/ daß durch die sache das gemuͤth dazu gebracht/ daß es stracks auff diese seite/ es werde GOttes wille seyn/ dem beruff zu folgen/ sich ARTIC. II. SECT. III. sich neiget/ und meistens zu keiner gewißheit zu kommen/ durch die furcht von der wichtigkeit des amts und seinem unvermoͤgen so dann liebe zu seiner gemein- de/ abgehalten wird. Rationes, welche anzufuͤhren/ daß man die sache nicht vor einen wahrhafftigen Goͤttlichen rath und beruff zu achten habe. 1. D. Spener weiß gewiß/ daß er ietzt in einem Goͤttlichen beruff stehe/ der also nicht kan auffgehoben werden/ GOtt zeige dann seinen andern willen auff eine gnugsam erkaͤnntliche art/ so er gleichwol biß daher noch nicht zur uͤber- zeugung seines gewissens erkennen koͤnnen. 2. Gott hat die zeit uͤber des hiesigen diensts sein hertz mit seiner gemoinde und des fast groͤssesten theils derselben mit ihm dermassen mit liebe verbunden/ daß es beyderseits nicht ohne die empfindlichste schmertzen hergehen wuͤrde/ wo man von einander scheiden solte/ sonderlich wuͤrde es von vielen zuhoͤrern schwere seuffzen geben; da er doch ihrer billich schonen/ und nicht ohne die gewisseste ver- sicherung Goͤttlichen willens dasjenige ihnen ausdrucken solle/ was in dem an- dern fall ihn sonsten noch schwerer drucken und keinen segen bringen wuͤrde. 3. Der dienst derjenigen/ die in einem amt eine gute zeit lang gestanden/ und dero man gewohnet ist/ nutzet gemeiniglich/ auch bey wenigern gaben dan- noch mehr/ hingegen in einem amt/ das man neu antritt/ waͤhrets eine gute weil/ biß man auch dazu kommt/ daß man auch recht frucht schaffen koͤnne. Und stehet sehr dahin/ nachdem D. Spener anfaͤngt/ seines alters last zu fuͤhlen/ ob er hoffen moͤge/ vieles daselbst zu fruchten/ da sonst bald sein ende moͤchte nahe seyn/ ehe er sich noch recht in die neue geschaͤfften schicken lernen. 4. Muß er sorgen/ daß ob zwar/ in so vornehme und wichtige stelle/ dan- noch seine gaben moͤchten wenigeꝛ frucht bringen/ als in der gegenwaͤrtigen/ dann weil alles/ was ihm unverdient die Goͤttliche guͤte gegeben/ in einer mitteimaͤßigen gabe der predigten und dem cathechisi ren bestehet/ so siehet er zu dem letzten keine gelegenheit/ zu dem ersten aber ein zwar vom stande hoͤheres/ aber von deren zahl schwaͤcheres auditorium, da doch jens ihre meiste frucht in der menge der zuhoͤrer finden solle. 5. Hingegen diejenige klugheit in allerley geistlichen geschaͤfften/ die hertz- hafftigkeit/ Theolog ische gravit aͤt und andere dergleichen gaben/ welche zu die- ser stelle die wichtigsten seyn moͤchten/ findet er nicht bey sich/ hat auch wenig na- tuͤrliche hoffnung darzu zu kommen. Muß also billich foͤrchten/ wo er dazu sich verstuͤnde bey diesem seinem scrup el/ er dannoch in der erfahrung selbst solchen mangel findende/ in steten aͤngsten stehen/ und entweder wiederum qvitt iren oder immer sorgen muͤste/ daß durch ihn an dem werck des HErrn mehr versaͤu- met als nutzen geschaffet werden moͤchte. R r r r 3 6. Daher Das sechste Capitel. 6. Daher es nicht weit von einer vermessenheit zu seyn scheinet/ wo sich ei- ner/ der ihm solches mangels bewust ist/ zu einer so wichtigen function uͤberreden liesse/ an dero untuͤchtiger bestellung der kirche eben so viel schade geschehen doͤrff- te/ als man nutzen von einer wahrhafftig darzu von GOtt ausgeruͤsteten person hoffen solte: Daher will sichs nicht auff ein gerath-wohl wagen lassen. Und ob wol in dem fall/ daß man Goͤttl. beruffs bereits voͤllig versichert ist/ auf die eigene tuͤchtigkeit nicht zu sehen/ sondern von dem welcher ruffet auch was dazu noͤthig zu erwarten ist/ in dem er geist und weisheit demjenigen geben wil uñ kan/ welcher sich ihm in kindlichem gehorsam uͤberlassen. So mag dennoch in dem fall/ da noch von der gewißheit des beruffs geredet wird/ die fuͤhlung der eigenen schwachheiten starckes momentum seyn/ daß der HErr denjenigen zu einem werck nicht werde verordnet haben/ deme er dazu die noͤthige gaben nicht verliehen. 7. D. Spenern ficht auch hart an/ daß die hof- prædicatur so wol eine an- dere art von dem uͤbrigen predig-amt habe/ als das hof-leben von anderm leben unterschieden ist; weiß auch wohl daß alle hoͤfe ihre schwere maͤngel und kranckhei- ten haben/ dazu geschicktere medici gehoͤren/ als er sich davor erkennen kan. 8. Er erweget gleichfalls/ daß er nunmehr in dem 52. jahr seines alters ste- he/ und von unterschiedlichen jahren der vorige vigor der natur sehr abgenommen habe/ daher zu sorgen/ es moͤchte diese grosse aͤnderung in solchem alter derselben schwer fallen/ und so bald um die gesundheit vollends gethan seyn/ daß er dem amt nur eine last und zu den geschaͤfften untuͤchtig seyn wuͤrde. 9. Er sihet auch zwar daß seine stelle nicht so gar schwer unter gewissen con- dition en moͤchte ersetzt werden/ aber sihet auch dabey daß solche condition en sich schwer erfuͤllen lassen/ und muß in betrachtung unterschiedlicher umstaͤnde so bald zweiffeln/ ob die bestellung so nach wunsch geschehen wuͤrde. 10. Vernimmt er nicht nur ein sehnliches verlangen der meisten gemeinde nach seinem verbleiben/ sondern der Magistratus, ob er wol Goͤttlichem willen/ da er ihn erkennete/ nicht widerstreben zu wollen sich erklaͤhret/ begehret angelegenheit ihre gemeinde nicht zu verlassen/ also auch das ministerium, ob es wohl nicht in abrede ist/ daß einiges Goͤttliches in der sache erkannt werde/ bezeuget dannoch da- neben/ daß eine grosse formido oppositi dabey seye: und kan auch keine uͤberzeu- gung des gewissens Θείῳ dabey finden. Einige rationes, so noch von einem hochloͤblichen Magistratu hinzu gesetzt werden. 1. Daß sie davor halten/ es waͤre sein amt biß daher dermassen von GOtt gesegnet worden/ daß unterschiedliche aͤrgernuͤsse gesteuret/ hingegen gutes befoͤr- dert worden. 2. Sie meynen ursach zur sorge zu haben/ daß eine dißmahlige verlassung der gemeinde vieles solches gute wieder umschlagen/ und also dieselbe nicht ohne der ARTIC. II. SECT. III. der kirchen schaden geschehen moͤchte/ daruͤber aber/ da er es dermahleins erfuͤhre/ er sich billich ein schweres gewissen machen solte. 3. Sie sehen nicht so bald einige person/ so an die stelle zu setzen/ vielmehr aber unterschiedliche difficult aͤten/ welche auch ihre gute intention in solchem werck unfruchtbar machen doͤrfften. 4. Nachdem unterschiedliche gefahr der Evangelischen kirche dieser gegend sich mehr und mehr aͤussere/ und die gefahr ihnen vor vielen andern naͤherkomme/ wuͤrde ihnen der abgang eines bißher gepruͤften lehrers so viel sch w ehrer und schaͤdlicher. NB. Auff dieses schreiben haben alle 5. Theologi einmuͤthig die vocation vor Goͤttlich und mich zur folge verbunden erkannt. SECTIO IV . An das Churf. Saͤchs. Ober- Consistorium we- gen aufschubs der resolution uͤber die vocation. Goͤttliche gnade/ liecht/ friede und segen von unserm gecreutzigten Heiland JEsu Christo. Hoch-wohlgebohrner Frey-Herr. Hoch-Ehrwuͤrdige/ Wohl-Edle/ Vest und Hochgelahrte Herren/ Hochgelahrte Herren und grosse Patron en. W As E. Hochherrl. Gn. Excell. und Hochwuͤrden nebs dem gnaͤdigsten Churfuͤrstlichen schreiben an mich gelangen lassen/ habe ich wohl erhal- ten/ und daraus ob zwar mit nicht weniger bestuͤrtzung verstanden/ was Sr. Churfuͤrstl. Durchl. gnaͤdigstes absehen und wuͤrckliches begehren/ so dann E. Hochherrl. Gn. Exc. und Hochwuͤrden großguͤnstiges ansinnen an mich seye : da ich aus demjenigen/ was bißher vorbereitungsweise eines theils an mich zu sen- d irte anwuͤrffe geschehen/ andern theils ich nicht anders vermocht/ als aus erkaͤnt- nuͤß meiner schwachheit solche zu declin iren/ vermuthen sollen/ es werde zu solchem ernst nicht kom̃en. Dem HErrn ist bekañt/ in was vor unruh des gemuͤths ich diese zeit uͤber zugebracht/ um so viel mehr/ da ich derienigen ort/ wo ich etwa meine ver- sicherung gehoffet/ mein verlangen voͤllig nicht eꝛhalten koͤnnen Wie dann so bald den nechsten tag nach dem empfang einen ausserordentl. conventum meiner col- legarum convoc iret/ und von ihnen bruͤderlich begehrt mir zu oͤffnen/ wie sie solche sache ansehen. Wie aber auch dieselbe sich nicht wenig constern iret/ also bliebe es dabey/ da sie nicht laͤugnen koͤnten/ einiges Goͤttliches in dem werck anzusehen/ daß gleichwohl eine grosse formido oppositi dabey seye/ nechst dem ihnen die noth- durfft ihrer gemeinde vor andern billich zu hertzen gehe. Auff solches habe auff den Das sechste Capitel. den nechsten raths-tag bey hiesigem hochloͤbl. Magistratu, als meiner von GOtt gesetzten Obrigkeit ein memorial eingegeben/ und in der furcht des HErrn die rationes, welche mich einen wahrhafftigen Goͤttlichen beruff zu erkennen lernen wolten/ und hinwieder die andere/ welche den Goͤttlichen willen auf das hier- bleiben vielmehr zoͤgen/ vorgelegt; mit bitte/ nachdem sie mich/ was an mir waͤre oder nicht/ besser kennꝛten/ solches werck reifflich zu uͤberlegen/ und ob und wie sie Goͤttlichen finger darinn erkenneten/ zu versicherung meines gewissens/ als wel- ches allein begierig sey/ GOttes willenuͤber sich zu erfahren/ ihren ausspruch mir großguͤnstig mitzutheilen/ darauf nechsten Freytag/ da aber auf die post zu ant- worten zu sp aͤ th ware/ mir wiederum die antwort worden/ daß sie solche frage de divinitate vocationis, als die den Theologis zustuͤnde/ nicht zu ihrer entschei- dung uͤbernehmen koͤnten/ in dem uͤbrigen/ wo es muͤglich seye/ daß ich bey ihrer Christl. gemeinde bliebe/ angelegenlich verlangten/ iedoch wo ich selbs den Goͤtt- lichen willen erkennete/ demselben zu wiederstreben nicht getrauten. Hierauff bekenne/ daß das gemuͤth noch nicht in ruhe gesetzt ist. So werden auch Jhr. Hochherrl. Gn. Exc. und Hochwuͤrden mir diese meine ungewißheit und anstand nicht uͤbel nehmen/ sondern nach dero beywohnenden Christlichen weisheit er- messen/ wie wichtig das werck seye/ daß man in demselben sicher vor GOtt und in seinem gewissen gehe. Es ist unlaͤugbar/ daß an der gewißheit Goͤttlichen beruffs nicht nur aller trost und freudigkeit in dem amt/ sondern auch das meiste des segens von GOtt haͤnge/ und wird der HErr weder in dem hierbleiben mei- ne arbeit segnen/ noch wo ich dem anmuthen solge/ daselbs zu dem amt den ver- langten nachdruck geben/ wann mein verbleiben oder aͤndern wider seinen willen geschaͤhe/ und auff eine oder andere seite menschliche consilia an statt des Goͤttli- chen raths præval irten: ja es liegt auch nicht weniger an der versicherung unsers gewissens in so wichtigem werck/ und wuͤrde derselbige wenig hoffnung haben/ etwas kraͤfftiges auszurichten/ der in einem steten scrupel lebte/ ob er auch in Goͤttl. beruff stehe. Nachdem dann nun ich mich diese versicherung vor mich selbs zu erlangen/ wegen der steten fluctuation unter den beyderseits rationi- bus, zu schwach befinde/ so weiß ich mir selbs nicht zu rathen/ ob ich das gethane ansinnen/ vor wohlgemeinte aber menschliche consilia derjenigen/ die mich nicht zur gnuͤge kennen/ und aus gutem vertrauen mehr von mir hoffen/ als in mir ist/ achten solle/ oder ob ich mich darinn des eigendlichen Goͤttl. willens/ ohnerachtet des ansehens meiner schwachheit und der nothdurfft hiesiger gemeinde/ gewiß versichern doͤrffte; Jndem ja zu einem gewissen Goͤttlichen beruff von allen sei- ten vieles erfordert zu werden/ ausser zweiffel seyn wird. Jch habe auch end- lichen nechst hertzlichem gebeth meiner und Christlicher freunde kein ander expe- diens gefunden/ darinn ich getrauete mein gewissen zu tranqvilli ren/ als ob ich dieses mein hertzensanliegen etlichen unpartheyischen Christl. Theologis an un- terschiedenen orten/ denen was an mir ist oder nicht ist/ was ihre oder hiesige stelle erfordert/ ARTIC. I. SECT. IV. erfordert/ genug bekannt ist/ uͤbertrage/ denselben die beyderley rationes com- munic ire/ und von ieglichem derselben/ wohin er nach gottseliger uͤberlegung der sache den Goͤttlichen finger zu weisen/ erachte/ erwarte/ und also endlich aus dero conspirantibus oder doch pluribus votis den willen des HErrn zu dessen ge- wisser folge erlerne. Wie nun solches mittel auch meinem HErren und Obern allhier nicht mißfaͤllig/ so habe zeit zu gewinnen dasselbe also bald in dem nah- men des HErrn zu werck gerichtet/ und lasse die freundliche ersuch-schreiben in dieser materi e an solche gottselige freunde und Theologos abgehen/ dabey hof- fende/ E. Hochherrl. Gn. Excell. und Hochw. werden ihnen gleichfalls dasselbe belieben lassen/ wie nicht weniger bey Seiner Churfuͤrstl. Durchl. vermitteln helffen/ daß dasselbe nicht ungnaͤdig auffgenommen werde. Solte zwar die zeit zu lang fallen/ (wie dann von meinem ort unter 3. wochen die antwort nicht erwartet werden kan/) oder sonsten dieser modus Seiner Churfuͤrstl. Durchl. nicht gnaͤdigst belieben/ so wuͤste der sache nicht zu rathen/ und koͤnte nicht dage- gen seyn/ wo deswegen die absicht auff andere tuͤchtigere personen gerichtet wuͤr- de/ sondern muͤste eben daraus/ daß der Goͤttliche wille anders/ als er anfangs geschienen/ waͤre/ zu befriedigung meiner seelen/ abnehmen. Doch wolte hoffen/ daß mir auch sonsten einige zeit gnaͤdigst gegoͤnnet werden moͤchte/ eine cur vor- hero vorzunehmen/ als ich die reise antreten koͤnte. Es ist bekannt/ was vor eine langwiehrige und gefaͤhrlich geschienene kranckheit ich das vorige jahr nach des Hoͤchsten willen ausgestanden/ so mich 30. wochen von der cantzel abgehalten: Nun hat aber der HErr zu dero ziemlicher hinwegnehmung hauptsaͤchlich den gebrauch des warmen Emser bruͤnnleins gesegnet. Hingegen hat solche cur die art/ daß sie zu voͤlliger frist will wohl 2. jahr nach einander gebraucht seyn/ so ist auch nicht nur der eine zustand bey mir gantz gruͤndlich weggegangen/ sondern ich habe neulichen Januario, und auffs neue vor etzlichen wochen solche be- schwerde wiederum staͤrcker zu spuͤhren angefangen/ daß von den medicis in die- sem fruͤhling die cur zu wiederhohlen noͤthig erachtet wird/ um so viel mehr/ weil ich sorgen muß/ daß die bewegung bey herannahendem abschied/ wo solcher fol- gen solle/ so dann die ziemliche reise/ der ich alles reisens von guter zeit unge- wohnt/ mir naturlicher weise nicht anders/ als so zusetzen werde/ daß ich einer guten staͤrckung der kraͤfften vorher durch eine solche cur/ zu dero mir ohne das die weite des wegs und zunehmende jahre hinkuͤnfftig wenig hoffnung mehr las- sen/ bedoͤrffen mag/ und mir hoffendlich in gnaden gegoͤnnet werden wird: in- dem mit einem mann/ der so bald in dem antritt wenig kraͤffte zur arbeit haͤtte/ einem wichtigen amt schlecht gedienet seyn wird. Es kan aber solche cur wenig vor dem Majo angehoben weꝛden/ und ich also voꝛ dem Junio der wuͤꝛcklichen an- kunft unmoͤgligkeit nicht vor mir sehe: daher ich im fall der erfolgenden gewißheit des beruffs selbs doch solche erlaubnuͤß unterthaͤnigst und gehorsamlich zu bitten haben wuͤrde. Jm uͤbrigen habe ich E. Hochherrl. Gn. Excell. und Hoch- S s s s wuͤrden Das sechste Capitel. wuͤrden gehorsamen danck zu sagen/ daß dieselbe ihre biß dahin auch sonsten gegen mich bezeugte hohe affection nochmahl in diesem werck uͤberfluͤßig dezeugen ha- ben wollen: indem ich vielmehr deroselben als meiner wuͤrdigkeit dasjentge ver- trauen zuschreibe/ aus dem die an S. Churfuͤrstl. Durchl. gethane nachdruͤckliche recommendation geflossen ist/ so sie auch mit so hochgeneigt und freundlich e r invitation versieglen. Wie ich mich nun davor hoͤchst verbunden a ch te/ und daher so bald mein gewissen mehr uͤberzeuget seyn wird/ dem gethanen winck ge- horsamlich folgen werde/ also thue diesen verspruch schuldigster massen/ da mir der HErr seinen willen endlich auff verlangte weise zu meiner beruhigung zeigen/ und mich also zu ihnen fuͤhren wird/ daß ich es nach allem veꝛmoͤgen/ so mir die him̃lische guͤte verleihen wird/ niemahl an meinem fleiß und sorgfalt in den verrichtungen/ so mir auffgetragen werden sollen so dann an schuldigem respect, observan tz und collegial ischer treue gegen deroselbe hochwerthe personen ermangeln lassen, und den HErrn HErrn um das darzu noͤthige unablaͤßig anruffen/ also in allem dar- nach tꝛachten weꝛde/ daß aufs wenigste etlicheꝛ maßen/ so viel neml. meine schwach- heit zugiebet/ dero von mir geschoͤpffte hoffnung erfuͤllet werde. Solte der HErr aber seinen willen auff eine andere art durch jene Theologos mir zu verstehen ge- ben/ trage ich das grosse vertrauen/ daß gleichwie Seine Churfuͤrstliche Durchl. nicht ungnaͤdig auffnehmen werden/ daß derjenige/ welchen der HErr deroselben nicht bestimmet/ und dessen arbeit auch ihres orts nicht wuͤrde gesegnet seyn/ sei- nes unvermoͤgens auff so viele weise uͤberzeuget/ dasjenige demuͤthigst abbitte/ was uͤber seine kraͤffte gehet/ also auch E. Hochherrl. Gnaden/ Excellen tz und Hochwuͤrden nicht weniger dabey hochguͤnstig acquiesc iren werden/ worinnen sich Goͤttlicher rath deutlicher hervor gethan haͤtte/ und sich versichern/ daß es zu des wichtigen amts besserer bestellung von des Hoͤchsten weisheit muͤste bestim- met/ und dasjenige abgewartet worden seyn/ was sie dero Collegio nicht nuͤtzlich seyn zu werden erkannt haͤtte: darbey gleichwohl nicht unterlassen wuͤrde/ zeit meines lebens mit desto andaͤchtigerm gebeth vor dieselbe (der zwar auch biß daher vor dem thron der gnaden ihro hertzlich gedacht) anzuhalten und alle muͤgiiche gelegenheit meines gehorsams und observan tz gegen dieselbe willig zu ergreiffen. Womit ich der getreue obhut und segen des hoͤchsten vaters dero theure personen/ und das gantze werck in dessen heiligste regierung schließlich empfehlende m. f. w. den 23. Mart. 1686. SECT. V. ARTIC. II. SECT. V. SECTIO V. An Chur-Sachsen antwort-schreiben zu acceptation der vocation. Goͤttliche Gnade/ krafft/ fried und segen von unserm glorwuͤr- digsten Heyland JEsu Christo zu allem hohen wohlwesen und begluͤckter Landes-Regierung! D urchlauchtister C hur- F uͤrst/ G naͤdigster C hur- F uͤrst und H err/ D As von E. Churfuͤrstl. Durchl. gnaͤdigst obgelassene vocation s-schreiben habe ich den juͤngsten 11. Martii mit unterthaͤnigster reveren tz empfangen/ und aus dessen ablesung dero gnaͤdigste intention uͤber meine wenigkeit verstanden. Jch habe zum foͤrdersten mit nicht geringer bestuͤrtzung mich uͤber die wunderbahre regierung des weisesten GOttes in schuldiger demuth verwun- dern muͤssen/ daß dieselbe E. Churfuͤrstlichen Durchl. hertz dahin gelencket/ bey so ansehnlicher anzahl wohl qvalific irter personen einen an einer geringern stelle der kirch dienenden prediger zu ihro zu verlangen/ und mich von meinem platz/ der ohne das hoch genug vor mich/ zu einer hoͤhern verrichtung zu beruffen; muͤste al- also auch in solchem fall erkennen/ wie GOttes gedancken so gar anders als die unserige waͤren. Nechst dem hatte auch E. Churfuͤrstl. Durchl. daraus gegen mich unverdient vorieuchtende hohe gnade/ mit unterthaͤniger demuth zu vener i- ren/ und ob mich wohl derselben unwuͤrdig erkenne/ gehorsamsten danck daruͤber zu erstatten. Weil ich aber auch zugleich die hohe wichtigkeit der sache und gnaͤ- digst antragender stelle billich vor dem angesicht GOttes mir zu hertzen zu ziehen hatte/ und meiu bereits einige mahl/ da mein gemuͤth erforschet worden/ von her- tzen eingewandtes unvermoͤgen mir allzu starck in die augen leuchtete/ laͤugne ich nicht/ daß ich des Goͤttlichen willens voͤllige versicherung bey mir nicht so bald finden koͤnnen/ sondern gesorget/ ob der grosse und wunderbare GOtt mir solches zur versuchung geschehen liesse/ ob ich mich zu etwas/ so uͤber mein vermoͤgen/ ver- stehen/ oder meine schwachheit gebuͤhrend erkennen wuͤrde. Dieses ist auch die ursach/ warum meine unterthaͤnigste resolution und antwort spaͤter/ als sonsten geziemete/ einschicke. Jch trage aber das unterthaͤnigste vertrauen/ daß E. S s s s 2 Chur- Das sechste Capitel. Churfuͤrstl. Durchl. solchen verzug/ welcher allein aus n oͤthi gem verlangen eine gewissens-versicherung zu haben hergekommen/ nicht ungnaͤdig auffnehmen/ son- dern vielmehr selbs hoch-vernuͤnfftig ermessen werden/ wie ein grosses einem prediger/ ja auch seinem amt selbsten/ und also in dieser sach E. Churfuͤrstlichen Durchl. eigener hoher person/ und allen/ mit welchen ich in dem nahmen des HErrn hinkuͤnfftig zu handlen haben moͤchte/ daran gelegen seye/ daß man eine vollkommene versicherung des Goͤttlichen beruffs in seiner seelen habe/ und also mit glaͤubigem hertzen dasjenige verrichten koͤnne/ was wir wissen/ daß der HErr solches wahrhafftig also verordnet habe: als woran ein nicht geringes stuͤck des amt-segens haͤnget. Damit nun den Goͤttlichen willen so viel ungezweiffelter erfahren koͤnte/ als habe an etliche Christliche unpartheyische Theologos die sache gelangen lassen/ welche in der furcht des HErrn und mit seiner anruffung solche uͤberlegten/ und mir Goͤttlichen willen zu meines gewissens beruhigung anzeugeten. Wann denn nunmehr von deroselben mehrern theil bereits die antworten dahin lautende eingelauffen/ daß sie mich goͤttlichen willens versichern/ so will mir nun geziehmen/ denselben auch davor anzusehen und zu erkennen/ und ob wohl mich sonsten der hohen gnade E. Churf Durchl und so vornehmer an- getragener stelle/ nach meinem eigenen gefuͤhl urfaͤhig und unwuͤrdig achte/ allem solchen gefuͤhl und urtheil der allerhoͤchsten Goͤttlichen Majestaͤt befehl/ dessen nun in dem gewissen versichert bin/ und E. Churfuͤrstl. Durchl. beruff vorzuziehen. Dahero ich dann in dem nahmen der Heiligen Dreyeinigkeit/ dero heilige fuͤh- rung in der sache sich geoffenbahret/ die gnaͤdigst anbefohlne function en dero Ober-Hof- Prædicatur und Consistorial- Amts uͤbernehme/ und zu dero an- tretung von bißheriger meiner werthen Obrigkeit hiesigem loͤblichem Magistrat die dimission heute diesen tag erhalten habe. Gegen E. Churfuͤrstliche Durchl. erklaͤhre mich daruͤber mit unterthaͤnigstem gehorsam/ daß auch solchen anver- trauten function en und daher depend irenden verrichtungen mit aller treue/ fleiß und sorgfalt/ als der HErr HErr mir auff hertzliches gebeth gnade und krafft verleihen wird/ abzuwarten mir aͤusserst angelegen lassen seyn will und werde: dabey ich der getrosten zuversicht gegen E. Churfuͤrstliche Durchl. ge- lebe/ wie dieselbe mich unwuͤrdigen zu dero Ober-Hof-Prediger/ Beicht- Vater/ Kirchen-Rath und Assessore dero Ober- Consistorii gnaͤdigst zu verordnen geruhet/ daß sie mir auch die aus Goͤttlichem recht und ernstem befehl solchem und allen geistlichen aͤmtern anhangende freyheit das wort des HERRN getrost und nach der wahrheit in Gesetz und Evangelio/ wie das Christliche Gewissen in dessen forcht mit sich bringet/ zu treiben/ und darin- nen zum fordersten dem willen des Allerhoͤchsten ein gehorsames genuͤgen zu thun/ gnaͤdigst goͤnnen/ und gleichwie selbsten als ein Christlicher Evangeli- scher Chur-Fuͤrst dero unterthaͤnigsten dieners vor dieselbe uͤbernehmende seelen-sorge allezeit nach erkaͤnntnuͤß Goͤttlichen willens zu dero eigenem ewigen ARTIC. II. SECT. V. ewigen heil an sich fruchtbar seyn l a ssen/ als auch was deroseits zu kraͤfftiger fuͤhrung des gesammten geistlichen ambts bey andern hohen und niedern in Goͤttlicher ordnung noͤthig seyn moͤchte/ gnaͤdigst handhaben werden/ damit ich eine solche schwere last/ welche billich mein gewissen mit schwehrer forcht vor GOtt beladet/ und mir die resolution so saur gemacht hat/ mit freudig- keit und ohne aͤngstliche seuffzen tragen/ so dann durch Goͤttliche gnade und E. Churfuͤrstlichen Durchl. bey-huͤlff gesegnete fruͤchten zu meinem trost und dancksagung gegen GOtt daraus sehen moͤge. Nechst dem troge auch die unterthaͤnigste zuversicht/ daß E. Churfuͤrstliche Durchl. nach dero bekannten hochpreislichen guͤtigkeit sich auch sonsten mich und die meinige/ in meinem le- ben und nach demselben/ zu dero hohen Churfuͤrstlichen gnade gnaͤdigst vertroͤste- ter massen sich allezeit werden empfohlen seyn lassen. Schließlichen ruffe ich die himmlische guͤte flehendlichst und inbruͤnstig an/ daß dieselbe dieses ihr werck ferner kraͤfftig fuͤllren/ und diejenige noͤthige gaben/ welche ich noch nicht habe/ von oben herab mildigst mittheilen/ mein von ihm hauptsaͤchlich anvertrautes amt/ wo er mich nun nach nothwendigem gebrauch einer cur (dazu von E. Churfuͤrstlichen Durchl. ich mich einer guaͤdigsten frist/ und solchen wenigen verzug am besten auffgenommen zu werden vertroͤste) gluͤcklich hinein bringen wird/ in der krafft des Heiligen Geistes an E. Churfuͤrstliche Durchl. auch dero gesammten hohen hauses/ so dann uͤbrigen anvertrauten seelen zu dero erwuͤnschter erbauung und heiligung/ und damit keine unter allen verlohren gehen moͤchte/ stattlich segnen/ dem wort/ welches er durch seinen armen diener reden wird/ eine Goͤttliche und in die hertzen wahrhafftig zu dero Geistlichem besten tringende krafft verleihen/ und es die seelen selig zu machen in dieselbe mit sanfftmuth gepflantzt/ auch zu vielen fruͤchten der gerechtigkeit fruchtbar werden lassen/ im uͤbrigen aber auch insgesam̃t das von seiner Him̃lischen guͤte biß daher so hoch begnadete Chur-Haus Sachsen in seiner vaͤterlichen gewarsame erhalten/ und mit allem erwuͤnschlichem flor be- kroͤhnen/ E. Churfuͤrstl. Durchl. theure person/ samt dero Churfuͤrstlichen Fr. Gemahlin und werthesten Printzen/ mit aller seel- und leibes-wohlfarth ver- gnuͤglichst beseeligen/ dero so eigener lande regierung als vor das gesammte Reich und Evangelische wesen fuͤhrende consilia trefflich segnen/ und sie in allen stuͤcken zum seeligen werckzeug seiner herrlichkeit und ehren machen wolle. Mit welchem von grund der seelen zu ihm dem einigen geber aller guten und aller voll- kommenen gaben thuendem wunsch/ so auch nunmehr absonderlichst meines meines gebeths stuͤck taͤglich seyn solle/ und empfehlung in die obwaltende Goͤttliche gnadenheit verharre. u. s. f. den 15. Apr. 1686. S s s s 3 SECT. XI. Das sechste Capitel. SECTIO VI. Gleiches innhalts an das Churfuͤrstl. Saͤchsische Ober- Consistorium. Von unserm Ehren-Koͤnig und aufferstandenem Heyland JEsu Christo guade/ friede und alle seiner herrlichen aufferstehung krafft! H och- W ohl-gebohrner F rey- H err/ Gnaͤdiger Herr/ Hoch-Ehrwuͤrdige/ Wohl-Edle/ Vest und Hochgelahrte Herren/ Hoch-geehrte Herren und grosse Patron en. W Orzu die erkaͤnntnuͤß der hohen wichtigkeit des von Seiner Churfuͤrstl. Durchl. von Sachsen auffgetragenen geistlichen amts und hingegen meines bey mir fuͤhlenden unvermoͤgens mich gebracht/ haben E. Hoch- herrliche Gnaden Excellen tz und Hochwuͤrden aus meinem vorigen gehor- samen bericht-schreiben zur gnuͤgen ersehen/ auch/ wie ich dero troͤstlichen zuversicht gelebe/ sothane meine resolution, die ich damahls ergreiffen muͤs- sen/ sich nicht zuwieder seyn lassen/ nehmlich daß ich zu beruhigung meines gewissens/ daran mir und gantzem amt so grosses lieget/ die gantze frage de divinitate vocationis, und also ob ich einen Goͤttlichen beruff erkennen/ oder aber eine Goͤttliche versuchung besorgen solle/ fuͤnff Christlichen unparteyischen gottseligen Theologis an unterschiedlichen orten/ vorgeleget/ um ihre mey- nung und wie sie die sache vor GOtt ansehen gebeten/ und dero decisum vor Goͤttlichen willen ungezweiffelt annehmen wolte. Nunmehr habe E. Hochherrliche Gnaden Excellen tz und Hochwuͤrden den fernern verlauff und ausgang solches geschaͤffts hiemit gehorsam anzuzeigen/ daß es nehmlich dem heiligen weisen GOtt/ den so wohl selbsten als mit andern Christlichen hertzen deswegen offters angeruffen habe/ gefallen/ die gemuͤther solcher maͤn- ner dahin zu regieren/ daß bereits vier deroselben einmuͤthig dahin geantwor- tet/ daß ich das Werck aus GOtt zu seyn erkennen und also schuldige folge leisten muͤste: dahero weil bereits mehr als die majora vorhanden sind/ nicht laͤnger ARTIC. II. SECT. VI. laͤnger zu verzoͤgerung der gantzen sache auff den fuͤnfften warten wollen/ sondern gestern so bald unsere Herren eroͤffnung von dem ausspruch gethan/ darauff heut bey vollem Rath meine dimission erfolget ist. Jch dancke zum aller- fordersten der heiligen Goͤttlichen regierung/ welche endlich ihres willens mich versichert/ und darinnen so fern mein hertz beruhiget hat/ folglich auch kuͤnff- tigen beystandes mich vertroͤstet/ dero auch das uͤbrige ferner empfehle. Ju gegenwaͤrtigem beyschluß ferner erklaͤhre nun mich gegen Seine Churfuͤrstliche Durchlaͤuchtigkeit/ daß in dem nahmen des Allerhoͤchsten die auffgetragene function en mit unterthaͤnigstem gehorsam und demuth annehme: Welches auch hiemit gegen E. Hochherrl. Gn. Excell. und Hochwuͤrden mit gehorfa- men respect thue/ mit dieser versicherung/ daß ich/ als viel mir der HErr HErr gnade seines Geistes/ so dann kraͤffie leibes und gemuͤths/ verle i hen wird/ daß mir anbefohine mit aller treue/ fleiß und sorgfa ll t zu verrichten nicht ermangeln und den HErrn darum stets inbruͤnstig anruffen wolle/ daß er deroselben uͤber mich in diesem vocations -werck gute meynung nicht wolte fehl schlagen/ sondern vermittels seinergnade ihre hoffnung a n mir/ so viel von meiner schwachheit zu erwarten/ erfuͤllet werden lassen. Verspreche auch darbey/ wo in dero hochpreißliches collegium auffgenommen zu werden die ehr und freu- de haben werde/ daß meine staͤte sorge seyn solle/ wie sie wohl in der furcht des HErrn dasjenige/ was mir von ihnen iedesmahl committ iret werden mag/ treulich verrichten/ als in allen stuͤcken denen gesammten wuͤrdigsten so præsidi als mit beysitzern mit geziehmender ehrerbietung/ gehorsam und einmuͤthigkeit/ wie es der ruhe eines collegii und gluͤcklicher verrichtung ge- maͤß ist/ begegnen moͤge; wie ich auch hoffe/ daß meine bißherige collegæ ein fried-liebendes gemuͤth an mir verspuͤhret/ und dessen zeugnuͤß bey ieder- mann zu geben kein bedencken haben werden. Wie nun hinwieder neulich ge- thanen gehorsamen danck/ vor dero in gegenwaͤrtigen geschaͤfften gegen mich bezeugte gnade und grosse affection auch vertrauen/ hiemit nochmahlen von hertzen wiederhole/ und sie vor die gesegnete werck-zeuge ansehe/ durch welche der grosse GOtt eine groͤssere thuͤr zu mehrerem guten mir eroͤffnen wollen/ daher mich denenselben stets auffs hoͤchste verbunden erkennen will/ also versehe mich auch zu E. Hochherrl. Gnaden Excellen tz und Hochwuͤrden/ daß sie mit gleichem gemuͤth noch immer gegen mir fortfahren wollen/ und mich/ da uns die regierung GOttes zusammen bringen wird/ deroselben continu iren- der gnaͤdiger zuneigung und collegial ischer vertraulicher freundschafft wuͤrdi- gen/ auch biß mich in die noch ungewohnte geschaͤfften zu richten gelernet ha- ben moͤchte/ gedult mit mir tragen werden. Warum auch hiemit dienstlich und freundlich/ so dann auch um dieses aus grossem gegen dieselbe von mir ge- faßtem vertrauen bitte/ eines theils zwar so wohl selbs kein mißlieben zu tragen/ als auch bey Seiner Churfuͤrstlichen Durchl. dergleichen zuwegen zu bringen/ daß Das sechste Capitel. daß ich die mir sonderbahr noͤthige Emser cur vor der reise annoch vollbrin- gen moͤge/ nach dero mich nicht lange saͤumen/ sondern dieselbe bald antreten werde: andern theils auch eine großguͤnstige sorge zu tragen/ ob den lieben meinigen/ als ehe-frauen und kindern (so mit mir von dieser gegend und aller ihrer freundschafft/ davon sie sonsten menschlicher weise huͤlffe und trost hoffen moͤchten/ in die fremde durch diesem beruff gefuͤhret werden) einige Churfuͤrstliche gnade zu dero ehrlicher versorgung/ in dem fall/ da mich der HErr von ihnen nehmen wird/ erlanget werden koͤnte/ so mir und ihnen ein so viel mehrer trost und erleichterung des abschieds von sehr lieben freun- den/ dazu sie sich aller liebe und vorschubs zu versehen gehabt haͤtten/ wer- den wuͤrde/ ich aber solches insgesamt/ wie Seiner Churfuͤrstlichen Durchl. hoher gnade/ also nechst dem E. Hochherrlichen Gnaden Excellen tz und Hochwuͤrden treuem wohlmeynen zuversichtlich anheim gebe. Der ich schließ- lichen des Him̃lischen Vaters ewige guͤte demuͤthigst anruffe/ welcher uͤber ihro werthe personen alle gaben und gnade seines Geistes samt uͤbriger ersprieß- licher wohlfahrt reichlichst ausgiessen/ ihre staͤte verrichtungen und sorgfalt vor das gemeine kirchen-wesen mit gluͤcklichem succeß allemahl secund i- ren/ die in dieser beruffs-sache gebrauchte redliche intention und an mir er- wiesene liebe/ samt allem/ was sie sonsten vor die ehre des HErrn gethan/ in gnaden vergelten/ und sie und geliebte ihrige in allen stuͤcken und allezeit zum seegen setzen wolle/ mit welchem hertzlichen und taͤglichen wunsch noch- mahls in des grundguͤtigsten GOttes heiligen obhut und gnaden-regierung treulich empfehlende verbleibe m. f. w. den 15. Apr. 1686. SECTIO VII. Intercip irung der briefe nicht recht. Der Boͤh- misten sinn gegen mich. Wie mit solchen leuten zu verfahren. J Ch komme auff den mir communic irten brieff/ den gelesen zu haben unterschiedliche ursache willen mir lieb ist. Zwar bekenne ich/ daß ich solches intercip iren nicht billigen kan/ und desjenigen/ was unser Lutherus von gestohlnen briefen geschrieben/ ingedenck niemahl an der- g leichen theil haben moͤchte/ gleichwohl deren verantwortung uͤberlasse die solches thun. Mir dienet solches schreiben/ daß es in derselben haͤnde ge- rathen zum zeugnuͤß/ was die/ welche sie Boͤhmisten nennen/ von mir halten/ ARTIC. II. SECT. VII. halten/ nehmlich/ daß sie zwar so fern ein gutes vertrauen zu mir tragen/ weil sie sehen/ daß ich keines gewissen einige gewalt anthue/ und von dingen zu urtheilen nicht uͤbernehme/ die ich uͤber mein vermoͤgen zu seyn erkenne/ und also nicht be- urtheilen kan/ im uͤbrigen in einfalt bey der reinen lehre meinem GOtt zu die- nen/ und andern/ ob ich wol nicht eben allemahl ihr thun billiche/ dennoch liebe zu erzeigen/ mein einig werck seyn lasse: indessen siehet man/ daß ich an ihren eigenen dingen/ oder worinnen man ihnen schuld geben mag/ kein theil nicht habe/ und sie mich darinn unter die ihrige nicht nehmen doͤrffen. Auff das scriptum des bey nahe auffgedeckten Antichrists/ da abermahl unsere kirche zu Babel gezogen/ und daß der Antichrist auch in derselben herrsche vorge- geben wird/ habe ich durch Gottes gnade wiederum schrifftlich dermassen geant- wortet/ daß ich verhoffen solte/ wo es etwas thun koͤnte/ solte dieses den autorem zu andern gedancken/ und unsere/ ob wohl ihren maͤngeln unterworffene/ kirche mit andern augen anzusehen bewegen/ habe es aus neuliche Oster-Mess ehin- gesandt/ und will hoffen/ es werde zu recht kommen seyn; muß den erfolg GOtt befehlen. Dessen versichere ich mich/ wo denen leuten/ welche aus ansehung der verderbnuͤß in unserer kirchen auch weiter anfangen zu gehen/ und in irrthum sich vertieffen/ mit mehr sanfftmuth/ liebe und gedult begegnet wuͤrde/ als wo man hart in sie setzet/ oder pro imperio mit ihnen handelt/ oder etwas gegen sie thut/ so sie dem sanfftmuͤthigen und demuͤthigen Geist Christi zuwieder zu seyn sich uͤberzeugt halten/ solte noch manchmahl bey einigen etwas auszurichten seyn/ da sie hingegen durch haͤrtere begegnuͤß/ nur desto mehr besteiffet werden/ und ihr leiden daruͤber zur anzeige der guten sache/ ja offt andere/ die es ansehen/ eben damit irre machen. So haben mich auch allezeit die sehr bescheidene worte Hieronymi sehr vergnuͤgt: Licet hanc sententiam (millenariorum) non seqvamur, tamen damnare non possumus, qvod multi Ecclesiasticorum virorum \& martyrum eam tenuerint, \& unusqvisqve sensu suo abundet, \& Domini cuncta indicio reserventur. Jch meines orts traute nicht uͤber mein gewissen zu bringen/ einen der sonst in den haupt-puncten unserer seligkeit richtig ist/ und lehret/ um der meynung willen/ die die meiste vaͤter/ so der kirchen leich- ter noch ietzt gehalten werden/ und der grund des glaubens bey ihnen fest geblie- ben ist/ getrieben haben/ zu verwerffen oder zu verstossen. Der HErr bringe alle irrende zu recht/ erfuͤlle uns mit hochhaltung seiner wahrheit/ und zugleich mit liebe und sanfftmuth gegen diejenige/ die noch anstossen/ und reinige seine kirche von allen bißherigen aͤrgernissen. 28. Aug. 1686. NB. Die hie bemerckte antwort auff den bey nahe auffgedeckten Antichrist stehet in diesem bedencken P. I. in dem anhang c. 1. T t t t SECT. VIII. Das sechste Capitel. SECTIO VIII. Als kurtz vorhero mein amt in Dresden angetre- ten/ wie den gantzen zustand angesehen. Wie noͤthig gedultiges harren. J Ch wuͤnschte/ daß wie desselben brief mich erfreuet/ ich auch hinwieder mit dem meinigen denselben erfreuen/ und dessen verlangen/ etwas gutes von mir wegen einer gesegneten arbeit zu hoͤren/ erfuͤllen koͤnte. Es kan aber solches von mir leider noch nicht geschehen/ ja halte auch insgesamt davor/ es waͤre eine unmuͤgliche sache/ so bald nur etwas hoffnung zu machen. Wichtige dinge wollen ihre zeit haben/ und muͤssen langsam gefuͤhret werden/ sollen sie an- ders wohl von statten gehen. Ja wo ein bau am weislichsten gefuͤhret wird/ siehet man eine geraume zeit so zu reden nichts/ daß man an der arbeit zunehme/ weil sie in der erde geschiehet/ mit legung des grundes. Jch habe ietzund ziemlicher zeit noͤthig/ ein und andere gemuͤther erst lernen zu kennen/ wessen man sich von ieglichem zu einer guten mitwuͤrckung zu versehen/ ein und andere lehren/ die etwa biß daher nicht von allen so fleißig moͤchten getrie- ben seyn worden/ mit angelegenem fleiß den leuten vorzustellen und einzu- trucken/ ein vertrauen gegen mich und erweiß/ daß man von mir der reinen lehre sich versichern koͤnne/ ohne welche versicherung nichts angenommen wuͤrde werden/ zu erwecken/ wie ein und anders in Christlicher klugheit sich anheben lasse/ abzusehen/ und immer auff iede gelegenheit/ die nicht so wohl ich mir selbst suche/ als der HErr mir kommen lassen wird/ acht zu geben/ und weder etwas zu uͤbereilen/ noch auch mit willen zu versaͤumen. Dazu ich dann so wohl selbst Gott um den Geist der weisheit hertzlich anruffe/ als vor Christlichen freunden/ mir denselben erbitten zu helffen flehentlich suche/ auch darauff ein gutes vertrauen setze. Jch sehe vor mir und neben mich eine starcke macht des Satans und sein fest gesetztes reich/ auch so viele dif- ficult aͤten/ welche zu uͤberwinden uͤber alle menschliche huͤlffe und hoffnung gehet. Aber allem solchem setze ich hinwiederum nichts anders entgegen/ als die macht GOttes/ wider die nichts bestehet/ und dessen heruff/ aus dem ich hieher gekommen bin/ und derjenige/ welcher mich hieher hat gehen heissen/ nach seiner treue meine ob wohl elende/ aber in seinem gehorsam verrichtende/ arbeit nicht wird lassen gantz ohne segen oder frucht bleiben. Daran halte mich/ und hoffe/ wo nichts zu hoffen ist/ mit gedult erwarten- de/ was der HErr vor segen geben wolle. Jch sage gern mit gedult/ dann diese ARTIC. II. SECT. VIII. diese noͤthig seyn wird/ so wohl zu leiden/ was mir der HErr vor truͤbsalen mag bestimmet haben/ als auch seiner rechten zeit zu erwarten/ und nicht muͤde zu werden/ ob ich auch eine lange zeit solle ohne einige frucht merck- lich zusehen/ arbeiten muͤssen/ wodurch man sonsten nicht anders natuͤrlich als verdrossen/ und zaghafft zu werden pfleget/ aber auch dagegen gekaͤmpf- fet werden muß. Liebe freunde/ sie gewoͤhnen sich auch an solche gedult/ bitten seine huͤlffe aus der hoͤhe/ aber setzen das maaß und die zeit des sie- gens in seinen heiligen rath und wohlgefallen. Jn solcher gedult/ beharren- dem glauben und anhaltendem gebeth koͤnnen wir allein uͤberwinden; sie helffen mir auch sonderlich erbitten die gabe 2. Tim. 2. v. 24. 25. 26. da ich davor halte/ daß meine vornehmste lection stehe. Dieses kan gleichwohl zum trost versichern/ daß viele seelen hier und in dem lande sind/ die sehnlich nach besserung seuffzen/ und sich ieglicher anscheinenden hoffnung hertzlich er- freuen: ich werde auch allgemach mehrer derselben kundig werden; wie es dann nicht undienlich ist/ daß die einigkeit des geistes ohne das verbundene/ sich auch unter einander genauer kennen lernen: so zeiget sich auch/ daß das wort/ so der HErr durch mich redet/ seine krafft habe/ und haben einige auch hoͤchste bekannt/ nicht geglaubet zu haben/ daß ihnen das hertz geruͤhret werden koͤn- te: andere folgsame seelen geben auch zeugnuͤß der uͤberzeugung/ so sie davon fuͤhlen. Lasset uns nur immer fortfahren/ allerseits und aller orten mit ar- beiten/ beten und harren: der HErr kan einmahl sich und seine wahrheit nicht verleugnen. Und wird zu seiner zeit zeigen/ daß unsere arbeit in ihm nicht vergebens gewesen seye/ oder bleiben koͤnne/ als dessen ehre selbst daran gelegen ist/ die wollen wir gern preisen/ und uns ihres preises freuen in zeit und ewigkeit. 3. Sept. 1686. SECTIO IX. An eine Christliche freundin in Franckfurt. Danck- sagung wegen der vorbitte. Was am sonderlichsten vor mich zu bitten noͤthig 2. Timoth. 2. vers. 24. 25. 26. sanfftmuth und ernst. Zustand in Dresden. Huͤ- tung vor falschen freunden. Goͤttliche regierung ei- genen hauses. Kuͤnfftige besserung. Freundliche erinnerung und regierung. W ie ihre in dem HErrn geheiligte liebe gegen mich schon vor mehrern jahren sich in vielen mir nuͤtzlichen fruͤchten gewiesen hat/ also sehe T t t t 2 auch Das sechste Capitel. auch ihre letzte schrifft/ so sie an mich noch in Franckfurth gethan/ als eine herrliche frucht derselben an/ von dero ich noch mehrmahl nutzen und kraͤffti- ge erbauung hoffe. Es waͤre zwar auch einerley liebe gewesen/ da sie solche reden an mich muͤndlich gethan/ aber die krafft davon wuͤrde nicht so offt wiederum auffs neue haben geniessen koͤnnen/ daher da es ihrer seiten aus sorge geschehen ist/ bey dem abschied aus staͤrckerer bewegung es nicht aus- sprechen zu koͤnnen/ und auch bey meinem so sehr zustreutem und von weh- muth eingenommenen gemuͤth derjenige voͤllige/ und sonderlich bestaͤndige/ eintruck in einmahligem anhoͤren nicht geschehen haͤtte koͤnnen/ so sehe es als eine guͤte GOttes an/ der sie dahin regieret/ mir so wohl ein stetes und si- cheres denckmahl ihrer gottseligen liebe gegen mich zuzustellen/ als auch eine schrifft mir damit zu hinterlassen/ die mir zu mehrmahlen zur auffmunte- rung in seiner krafft dienete. Gelobet sey also die guͤtigkeit unsers Himmli- schen Vaters/ welcher von allen seiten demjenigen auch laͤsset auffmunterun- gen und erinnerungen zukommen/ welcher derselben so beduͤrfftig ist: und gesegnet seyn sie dem HErrn/ die der HErr auch dieses/ wie vorhin mehre- re/ mahl zum werckzeug seiner gnade an mir gemachet hat. Daher wie ich hiemit auffs einfaͤltigste will danck gesagt haben vor alles gutes/ was GOtt mir durch sie zu meiner erbauung und erquickung mehrmahl erzeiget hat/ also dancke sonderlich auch vor solche liebe schrifft/ damit sie unsere biß dahin in Franckfurt in dem HErrn gepflogene freundschafft und umgang gleichsam versiegelet hat: so dann das so hertzlich vor mich staͤts gethane gebeth/ dessen einiger austruck auch derjenige ist/ so mir auff solchem bogen vorgeleget ist. Ach wertheste schwester/ es ist dieses dasjenige/ dadurch mir die vornehmste wohlthat in der welt geschiehet/ wer mir von dem vater der gnaden erbittet und erlangen hilfft/ was mir zu demjenigen nothwendig ist/ an dessen treuer und weiser ver- waltung mir mehr als an allem meinem uͤbrigen in der welt gelegen/ aber auch mir die schwachheit meines gebeths/ daher wie viel ich Christlicher mit-bruͤder und schwestern darinnen noͤthig habe/ ziemlich bekannt ist. Da weiß ich nun aber/ daß sie biß daher in solchem liebes-dienst fleißig/ und vor mich zu dem HErrn inbruͤnstig zu seuffzen unvergessen gewesen/ daher mich die auffrichtigkeit ihrer liebe nicht zweiffeln laͤsset/ sie werde noch ferner/ da ich solches immer mehr bedarff/ fortfahren/ auch hierinnen zu zeigen/ daß die aus GOtt entsprungene und auff ihn gegruͤndete liebe nicht muͤde werde: darum auch gleichwohl hertzlich zu bitten mich schuldig erkenne. Der HErr lasse doch ihr und anderer gottseli- ger hertzen seuffzen vor mich niemahl vergebens seyn/ sondern mache mich tuͤch- tig in allen stuͤcken zu demjenigen/ was sein auffgetragener beruff von mir for- dert. Jch kan auch wohl sagen/ daß sie mir in demjenigen/ was sie mir in solcher schrifft wuͤnschet/ recht bedaͤchtlich alles dasselbige vorgestellet/ was ich staͤts von dem HErrn zu bitten habe; Worinn sie mich ein und anderes stuͤckes erinnert/ daran ARTIC. II. SECT. IX. daran ich/ wie ich bekenne/ nicht allezeit so austruͤcklichen gedacht habe; ob zwar wohl weiß/ daß die von mir vergessene stuͤcke deswegen auch vor dem HErrn nicht vergessen sind/ der unsere noth besser als wir selber einsiehet und verstehet; iedoch ist auch uns die erkaͤnntnuͤß unserer eignen nothduͤrfftigkeit in ieglichen besondern stuͤcken sehr dienlich/ desto hertzlicher den HErrn um dasselbe anzufle- hen/ und ihm damit die ehre zu geben/ in suchung dessen/ was wir beduͤrffen/ und er uns zu andernmalen auch ohne sonderbares gebeth gewaͤhret hat. Das gebeth vor fernern segen der an meiner lieben Franckfurtischen gemeinde vormalen ge- thaner arbeit will nicht zweiffeln erhoͤret zu werden/ und mag der HErr aus son- derbarem rath vielleicht meine wegruͤckung eben dazu bestimmet haben/ daß man sich des vorher gehoͤrten desto fleißiger erinnere/ daß man etwa noch in gegenwart mit weniger achtsamkeit angenommen haben wuͤrde. So trage ich auch das hertzliche vertraren zu Gott/ er werde mich vor solche liebe seelen mein noch fort- setzende seuffzen und bitte gnaͤdigst erhoͤren/ und auch gedeyen zu solchem meinem aus der ferne thuendem begiessen verleihen/ wie auch meine geliebte nachfolger und collegas mit doppeltem maaß des Geistes erfuͤllen: massen auch hoͤre/ daß Herrn L. Arcularii erste predigt so bald einen eintruck seiner liebe und vertrau- ens zu ihnen in die hertzen gethan. Davor sage ich der Himmlischen guͤte danck/ daß dieselbe biß daher die bey ihnen letzlich mir verliehene versicherung des Goͤtt- lichen beruffs in meiner seelen immer mehr und mehr befestiget/ daß auch hoffe/ mir nicht leicht ein zweiffel dagegen auffstossen solle: es waͤre dann sache/ daß der HErr zu einiger meiner noͤthigen leuterung auch diese ruhe einmal wolte turb iret lassen werden; darinnen ich ihm auch nicht vorschreiben solle. Jndessen machet mich solche versicherung getrost in meinem amt/ und bleibet ein stattlicher grund der hoffnung bey aller bewandnuͤß der dinge/ welche ich hier angetroffen/ und mehr und mehr einsiehe/ ob wol solche sonsten diese maͤchtig schwaͤchen moͤchten. Aber dem HErren seye preis/ vor diejenige gewißheit/ daß weil er mich heissen gehen/ ich einmahl nicht vergebens kan hieher gekom̃en seyn/ ob wol noch nicht so eigentlich austrucken kan/ worinnen es bestehen mag/ das mir der HErr bestim- met hat. Jch will es auch nicht sorgfaͤltig untersuchen/ sondern nach der mir be- kanntlich vorgeschriebenen regel arbeiten/ und warten/ wie und wann mich der HErr wolle die ursach seines raths einmahl ersehen lassen; bin damit zu frieden/ daß doch weiß/ in seinem beruff zu stehen/ ob auch die ursachen jener erkaͤntniß biß gar in die ewigkeit moͤchte versparet muͤssen werden. Das Goͤttliche liecht/ indem wir allein/ was unserer und andern seelen dienlich erkennen koͤnnen/ ist das meiste/ warum ich vor mich mit ihr zu beten habe/ sonderlich wie sie recht bemercket/ die erkaͤnntnuͤß/ wie weit zu unserer zeit sich unsere gedult und langmuth erstrecken/ und hingegen womit einer mehreren widersetzung durchgebrochen werden muͤste. Ach/ wie ich mir den spruch Pauli 2. Tim. 2. v. 24. 25. 26. vor eine meiner haupt- regeln vorgestellet/ daß ich doch recht diese beyde moͤgen zusammen gatten lernen/ T t t t 3 die Das sechste Capitel. die boͤsen zu tragen mit sanfftmuth/ und zu straffen die wider- spenstige/ daß ich weder mit unzeitiger sanftmuth seelen versaͤumen noch mit un- besonnenem oder eigensinnigem straffen das boͤse boͤser mache. Dieses bleibet mir wol eines meiner vornehmsten anliegen: nachdem ich aber ie hertzlich gern will/ so wohl meine affect en zaͤhmen/ wo die ehre des HErrn und der seelen heil einer sanfftmuth erfordert/ als auch den undanck des haͤrtern straffens eben nicht scheu- en/ wo der wille GOttes dieses haben will/ so trage ich die kindliche zuversicht/ mein Himmlischer Vater werde seinem armen kinde auch in seiner einfallt so viel weisheit geben als noͤthig ist/ doch auffs wenigste/ ob ich auch zu meiner demuͤthi- gung ein und andermal solte meiner fehler gewahr werden/ doch keinen seelen scha- den zu meiner gaͤntzlichen niederwerffung gewahr werden muͤste. Jch kan gleich- wohl bereits meinem Gott mit demuͤthigem danck preisen/ der mich auffs wenigste diese wenige wochen uͤber schon so viel erfahren lassen/ daß das wort/ so er durch mich geredet/ in den hertzen einige uͤberzeugung gewuͤrcket/ und sie rege gemacht/ daß einige sich auch bereits daruͤber beschwehret gefunden/ aber bekennen muͤssen/ daß sie nichts aus Gottes wort dargegen einzuwenden wuͤsten; iedoch meynen/ sie haͤtten solches auf diese weise noch nie so angesehen/ und gesorget/ Christi verdienst werde allzu eng eingespannet: denen aber verhoffendlich gnug auch begegnet wor- den: mir aber dieses schon lieb ist/ daß die hertzen nicht unempfindlich. Ja aus unsers lieben Churfuͤrsten mund sollen einige Cavalliers gehoͤret haben/ daß er ge- sprochen/ er haͤtte nicht gemeynt/ daß ihm einer das hertz haͤtte sollen ruͤhren koͤnnen. Nurist mir wol hertzlich leid/ daß der Herr so gar selten in Dresden/ sondern con- tinu irlich da und dorten auf dem lande ist: wie er dann in den 9. wochen/ als ich hie bin/ nicht mehr als 4. mahl/ und schwerlich uͤber ein paar tage/ hier gewesen/ gemeiniglich Samstag gekom̃en/ und Montags wieder weggereist. Daher er mich allein 3. mahl gehoͤret/ weil ich das eine mahl aus unpaͤßlichkeit die predigt bestellet hatte. Ach der HErr gebe mir sonderlich darinnen (nach seiner verheissung Apo- stelgesch. 7. v. 10.) Weisheit vor ihm/ diese theure seele voͤllig zu gewinnen/ so wuͤrde ein grosses gethan seyn. Nun wir wollen auch dieser stunde/ die er darzu bestimmet haben wird/ und die gelegenheit darzu selbst zu machen/ oder den acker/ um den seligen saamen mit nutzen fassen zu koͤnnen/ umzuackern weiß/ mit ge- dult erwarten/ indessen beten und auff hoffnung arbeiten. Wie ich vor allem sonderlich sothane gedult und ausharrende bestaͤndigkeit in der arbeit/ ob wohl der segen sich nicht offenbahret/ von dem guͤtigen Vater desto mehr hoffe/ weil er mich biß daher etlicher massen mit sothaner maasse begabet hat: daraus ich billich den trost fasse/ daß der HErr auch in diesem ort seine hand nicht von mir abwenden werde. Was vertraute freunde/ und zwar solche/ zu dero weisheit so wohl als treue mich alles versehen koͤnne/ anlangt/ wirds am schwersten mir deroselben hoffnung zu machen/ und sehe ich noch darzu wenig ansehen. Solle mir auch etwas mein- stens allhier gegen meinen Franckfurt schmertzlich und schwehr fallen/ so ists dieser mangel: ARTIC. II. SECT. IX. mangel: dañ ob ich in ihrer lieben statt auch wol solcher iñerst veꝛtrauten freunde in dem HErꝛn und in den dingen/ die denselben angehen/ wenige gehabt/ daher mein hertz ohne hinterhalt wenigen auch da ich billich anderer ursachen wegen gesollt/ ausschuͤtten doͤrffen/ so warens doch immer etliche/ und dann derjenigen noch eine feine anzahl/ mit denen aufs wenigste in den meisten dingen mit ziemlicher freyheit handeln dorffte/ in solchem grad als es etwa hier langsam darzu kommen moͤchte; an jenen hoͤchsten grad kan kaum gedencken. Ach wie sehne ich mich nach meiner lieben schwester zu weilen/ oder iemand ihres gleichen: wo ich mich auch viel nach deme sehnen darff/ was mir mein GOtt auffs wenigste noch nicht bestimmet hat/ sondern mich ziemlich in diesem stuͤcke als in einer einsamkeit lassen will/ so aber auch seinem heiligen willen in demuth heim gebe. Die weisheit mich vor der teu- scherey falscher freunde zu huͤten/ bedarff ich auch so viel als einiger anderer gabe. Sie kennet mich darinn/ ob ich eben nicht ohne einigen bedacht mein hertz bey ie- dermann gantz ausschuͤtte/ daß gleichwol/ wo mich deucht/ etwas gutes bey einem menschen zu sehen/ und sich derselbe einer angelegenheit vor das Goͤttliche annim̃t/ das hertz mir leicht zu weit auffgehe/ und aus forcht einem solchen mit einigem verdacht/ dazu ich nicht ursach haͤtte/ zu beladen/ manchmahl in dergleichen mich weiter als nutz ist heraus lasse/ was bey einem auffrichtigen kind GOttes zu sei- nem bericht oder auffmunterung nuͤtzlich wuͤrde gewesen seyn/ aber bey einem fal- schen hertzen zu eigenem schaden und auch meinem nachtheil mißbrauchet werden kan. Daher das gebeth in solcher sache auch vor mich hoͤchst noͤthig ist/ damit ich auch hierinn das GOtt gefaͤllige mittel treffe/ niemand in der Welt mich ohne einige ausnahme auf die weise darzustellen/ wie GOtt allein in mich sehen muß/ (weil solches vielleicht niemand moͤchte nuͤtzlich/ wol aber anstoͤßig seyn/ so dann dem Hoͤchsten auch in diesem stuͤck noch ein vorzug vor allen unseren bruͤdern und schwestern gebuͤhret/ daß vor ihm allein unsere seele bloß darstehe) andern gottsel. hertzen in demjenigen/ wo ich schwach und starck mich also zu offenbahren/ wie es zu eines ieglichen erbauung/ warnung/ trost/ auffmunterung oder nur von ihm ge- bessert zu werden/ dienlich/ so dann dessen eignem begriff gemaͤß ist/ weder mehr heraus zu lassen/ noch mehr zu hinterhalten/ als diese zweck mit sich bringen; vor welt-hertzen aber mich wiederum recht vorzusehen/ damit sie nichts an mir ge- wahr werden moͤchten/ woran sie sich entweder selbst/ als die die sache nicht zu fas- sen vermoͤchten/ aͤrgerten oder zur laͤsterung und werckzeug ihrer bosheit m ßbrau- chen/ oder auch andern damit scha d en koͤnten/ hingegen auch wiederum vor dem- selben nichts zu verbergen/ was zu ihrem geistlichen besten dienen moͤchte. Je mehr ich solcher sache nachdencke/ ie m e hr finde ich/ daß weder meine noch einiges menschen klugheit dazu gnug seye/ indem so vieles hierinnen gelegen an der er- kaͤnntnuͤß dessen/ was in des andern hertzen liege/ wie schwach und starck er seye/ welches allein der HErr selbs ohne fehler kennet/ und also sein liecht allein uns dar- innen regieren kan/ dessen wir dann/ und folglich des gebeths darum/ so viel be Das sechste Capitel. beduͤrfftiger sind. Jch erkenne ferner auch gantz wohl/ wie noͤthig mir die klug- heit seye/ wie mich selbst in meinem gantzen wandel unanstoͤßig zum fuͤrbilde der Herde darzustellen/ also auch die meinige goͤttlich zu regieren/ und betruͤbe mich in diesem letzten so viel mehr/ weil ich zu der particular- erbauung mich weniger ausgeruͤstet finde/ und in der kinder anweisung diejenige faͤhigkeit und weisheit nicht habe/ die ich hertzlich verlangete/ und gern auch meine treue darinnen er- zeigen wolte. Jndem ich dahin mich hertzlich zu bestreben verlangete/ damit aus meinem hause nicht nur kein aͤrgernuͤß offenbahrlich gegeben werde/ dahin es durch GOttes gnade noch zu bringen verhoffe/ sondern daß auch wahrhafftiges gutes exempel in dem geistlichen aus demselben an allen meinigen moͤchte andern allen zu deren erbauung in die augen leuchten. Jch sehe aber wohl/ daß ich hier- innen mehr hoffnung auff das anhaltende gebeth um solche gnade/ als auff mei- nen fleiß/ setzen muß. Ach der HErr erfuͤlle doch in allem diesem und was er nur nothwendig erkennet/ meine/ anderer und absonderlich ihre seuffzen vor mich/ damit meine seele zur ausbeute davon bringe/ und andere auch in seiner krafft neben mir aus dem verderben errette: ja ob ich es zu erleben nicht wuͤrdig noch verordnet bin/ die bevorstehende zeit der erquickung und besserung des zu- standes der braut Christi hier auff erden mit zu erleben/ (dero erinnerung und vorsehung in dem kuͤnfftigen mich gleichwol offtmals/ wo ich mich als einen bru- der derer/ die der HErr dessen wuͤrdigen wird/ und ein glied dessen leibes/ daran die andern auch stehen/ an denen derselbe seine sonderbahre verheissung erfuͤllen wird/ zu seyn gedencke/ kraͤfftig ermuntert) daß mich gleichwol die Goͤttliche guͤte moͤge zu einem werckzeug gebraucht haben/ einige derselben steine mit bereiten zu helffen/ aus denen er das schoͤne Zion wieder bauen wird/ biß ich auch mit allen vorgeschickten und nachgelassenen bruͤdern und schwestern des gemeinen erbes in jener Glori/ oder vielmehr dessen selbst/ der vor alles erbe allein gnug ist/ zu voͤlli- ger saͤttigung geniesse/ und der HErr also alles sein gutes werck in uns vollkom- men ewig vollfuͤhre. Nun sie habe also nochmahl danck meine geliebte schwe- ster/ vor ihr innigliches gebeth vor mich/ so sie so offt gethan/ geschrieben/ und noch ferner thut und thun will: auch die lieb-reiche vermahnung/ wie ich mich in allem meinem amt und thun zu verhalten habe/ indem solche mir noͤthige regeln in dem jenigen selbsten stecken/ was sie mir von dem HErrn in solcher schrifft ge- wuͤnschet hat. Der HErr seye auch ihr grosser lohn/ an ihr und allen ihren lie- ben angehoͤrigen/ alles solchen guten/ so sie mir zugedacht und erwiesen/ und setze ihr davor an jenem grossen tage eine so viel herrlichere krone auff. Jch weiß davor auff meiner seit wenig zu versprechen/ als daß auch nicht aufhoͤren werde/ vor sie und ihre nothdurfft insgemein/ und was mir sonders bekannt werden solte/ zu dem HErrn zu flehen. Wie wuͤnschte aber so hertzlich/ auch an ihrer see- len und dero geistlichem wachsthum etwas arbeiten zu koͤnnen/ und damit eben- falls ihrem verlangen von mir des ihr noch mangelnden erinnert zu werden eine genuͤge ARTIC. II. SECT. IX. genuͤge zu thun. Jch hoffe/ sie traue meiner liebe zu/ daß ich weder dazu einige muͤhe oder untersuchung sparen wuͤrde/ noch einige scheu vor ihr tragen/ der ich weiß/ wie lieb-reich sie es auffnehmen wuͤrde. Daß ich also nichts insonderheit zu erinnern vermag/ ist das einige/ daß mir der HErr an ihr nichts gezeiget/ worinnen ich sie erinnern koͤnte/ sondern er sie mir vielmehr in unterschiedlichen stuͤcken mehrere schritte vor mir weiset/ worinnen ich sie also nicht anzuweisen vermag/ sondern gern nachfolge. Was ich also/ damit nicht allerdings ihrem begehren hierinnen abhanden gehe/ darzu sagen kan/ bestehet allein darinnen/ sie aus bruͤderlichem recht dahin noch zu vermahnen/ daß sie fortfahre auff dem wege/ darauff sie der HErr bereits gesetzet hat; daß sie ihr pfund nicht vergrabe/ sondern willig sey mit demselben/ wie mit exempel/ also auch andern Christlichen erbauungs-pflichten/ nach der liebe und dem recht des uns gemeinen priester- thums zu wuchern/ auch darinnen sich andere natuͤrliche scheue oder forcht nicht abhalten lasse/ daher die gelegenheit darzu/ nachdem ohne das ihr ietziger stand etwa mehrere freyheit lassen mag/ lieber selbst suche/ als einige an hand gegebene mit willen versaͤume; daß sie in solchem allen so wohl Gott um die noͤthige weis- heit anruffe/ als seiner leitung wahr nehme/ in solchen nuͤtzlichen pflichten gleich- wohl sich also zu bezeugen/ daß der laͤsterer keine scheinbare und schwachen anstoͤs- sige (dann alle verhuͤten wollen ist unmuͤglich/ so lang der Teuffel bleibet/ was er ist) gelegenheit gute dinge zu mißdeuten bekomme/ daß sie sich zu den lehrern freundlich thue/ auch denjenigen/ da sie redliche intention siehet/ manche schwach- heiten zu gut halte/ und sich nicht von ihnen entferne (worinnen ihr der HErr auch weisheit geben wird/ wem und wie weit sie sich zu vertrauen habe) daß sie in bißheriger einfalt ferner einher gehe/ und das vor augen schwebende aͤrgernuͤß der gemeinen verderbnuͤß mit derjenigen Christlichen gedult und vorsichtigkeit anzusehen fortfahre/ weder damit selbst sich einflechten zu lassen/ noch sich der bes- serung zu entziehen/ noch durch die flucht vor solchen aͤrgernuͤssen selbst sich zum aͤrgernuͤß anderer zu machen/ sondern die mehrere befreyung von der vielen ver- derbnuͤß (wovon wir alle lieber heut als morgen befreyt zu werden inniglich/ wo es bloß bey uns stuͤnde/ verlangten/) lieber in demuth und gedultiger unterwerf- fung unter Goͤttlichem willen/ (der uns in dieser zeit der verwirrung aus heili- gem rath/ den wir noch nicht tieff genug eingesehen haben/ gesetzet hat/) zu der stunde/ da der HErr die seinige selbst ausfuͤhren wird/ zu erwarten/ und mit auffgerecktem haupt und hertzlicher bereitung derselben entgegen zu schauen/ als aus eigenem bewillen sich eher aller bande/ darinnen nicht alles menschlich wie es scheinet ist/ sondern Goͤttlicher rath mit darinnen stecket/ wider seinen willen da- mit loßreissen zu wollen/ (wie es den Ephraimten/ so vor der ausfuͤhrung durch Moses in Egypten in das gelobte land einfielen/ aber niederlage litten/ 1. Chron. 1. v. 21. Psalm 18. v. 10. uͤbel gelungen) daß sie auch wie mit ihren gaben staͤts andern zu dienen/ sonderlich aber in ihrem eigenen haus ie laͤnger ie fruchtbarer U u u u zu Das sechste Capitel. zu werden/ also auch an andern erbauet zu werden und selbst zu wachsen/ von ih- rem himmlischen vater/ staͤts einige auch etwa vorher nicht vermuthete gelegen- heit erlangen. Endlich wuͤnsche noch insgesamt/ daß die Sonne der ewigkeit unser heyland JEsus nicht weniger alle morgen ihre seele mit neuem licht bestrah- le und mit neuer krafft erwaͤrme/ als die natuͤrliche Sonne diesem erden-kreiß zu dessen licht und lebendig machender waͤrme taͤglich auffgehet/ damit sie ej laͤnger ie mehr wachse und zunehme in dem guten/ dieses aber nach und nach vollends was dem HErrn und ihr selbs noch mißfaͤlliges an ihr anklebet/ in Goͤttlicher krafft tilge: Nun der Gott des fridens heilige euch (und mit euch alle die eurige/ so euch auch nach dem fleisch angehoͤren) durch und durch/ und euer geist gantz samt der seele und leib muͤsse behalten werden unstraͤfflich auff die zukunfft unsers HErrn JEsu Christi. Getreu ist er/ der euch ruffet/ welcher wirds auch thun. Jhme seye preiß von uns und allen creaturen in Ewigkeit. Amen. den 8. Sept. 1686. SECTIO X. Ob ich unserer kirchen grund-irrthuͤmer oder an- dere irrthuͤmer beymesse. W Er/ was ich von unserer kirchen halte/ wissen wil/ findet solche in Catech. q. 748. 749. Tab. Catech. p. 35. klagen des Christenthum p. 44. 47. 48. sonderlich Franckfurt. Denckmahl p. 261. diese ort liegen allen vor augen und zeigen meine lehre. daß ich aber in der buß-predigt p. 17. sage daß unsere kirche gegen andere allein keine scheinbare grund-irr- thuͤmer hat/ wuͤrde Lateinisch heissen: sola reliquis collata non habet erro- res fundamentales, nicht aber habet errores solum non fundamentales. Daß ich aber der grund-irrthuͤmer gedencke/ ist diese ursache/ daß ich von keiner kirche in der welt getraue zu versichern/ daß sie ar keine irrthuͤmer habe/ als wel- ches scheinet supra conditionem humanam zu seyn. Die kirche zu Jerusalem un- erachtet der erleuchtung des Heil. Geistes hatte noch erstlich den irrthum/ daß die Heyden nicht anders/ als durch die thuͤr des Juͤdenthums/ in das reich Christi eingehen koͤnten/ biß Ap. Gesch. 10. Gott Petro ein anders wiese. Nach derselben zeit werden wir niemahl zeigen/ daß die kirche ie ohne einige irrthuͤmer gewesen/ wie wir viele dinge auch in den ersten Patribus verwerffen/ sonderlich was expli- cationem scripturæ anbelangt. Wie solten wir zu unserer zeit der kirchen die hohe vollkommenheit denn zuschreiben/ daß nun bey derselben nicht der geringste irr- thum circa explicationem scripturæ, circa vaticinia u. andere dergleichen uͤbrig seye? genug ists ad veritatem Ecclesiæ, daß in der lehr kein irrthum seye/ so einiger- ARTIC. II. SECT. X. einigerley massen die seligkeit hinderte: das heissen die grund-irrthuͤme. Daher mein præceptor D. Dannhauer sehr stattlich redet Hodos. Ps. 2. p. 121. wenn er die notam Ecclesiæ setzet: E radiis cœlestis veritatis, h. e. è funda- mentis salutis ac fundamentalium salutis articulorum adeoque totius cate- natim connexæ veritatis revelatæ ad salutem necessariæ; Mehr koͤnnen wir nicht mit versicherung unsers gewissens der sichtbaren kirche beylegen; denn ob ich und andere keine irrthuͤme darinn finden/ (wie ich auch nicht sage/ daß einige irrthuͤmer circa leviora darinn seyn/ sondern assever ire nur als mir gewiß/ daß keine grund-irrthuͤmer anzutreffen) folget nicht/ so koͤnnen nicht einige/ nemlich geringe/ und die zur seligkeit noͤthige lehr nicht verletzende irrthuͤmer darinn seyn. Jch hoffe/ alle cordati Theologi sollen darinn mit mir eins seyn/ und solche modesti en nicht improb iren. 13. Nov. 1686. SECTIO XI. Gefahr unserer kirchen und verlassung von menschlichem schutz. J Ch werde gewiß immer in derjenigen meynung bekraͤfftiget/ der HErr lasse unsere kirche an allen orten alles dessen/ worauff menschliches vertrauen noch einige reflexion machen moͤchte/ beraubet werden/ theils daß andere der mitbruͤder anliegen und noth nicht einmal zu hertzen nehmen/ noch darzu thun/ was sie noch zu thun vermoͤchten; theils daß diesen auf so viel weise selbst die haͤnde muͤssen gebunden werden/ daß sie nichts thun koͤnnen/ und ihr unvermoͤgen auff alle weise offenbahr werde. Damit wir uns lernen gewoͤhnen/ offt unsere zuversicht von allen menschen abzuziehen/ auff das leyden/ als gewiß/ uns gefaßt zu machen/ und mit hertzlichem gebeth um seine staͤrckende gnade/ dem HErrn/ wie viel er den feinden der wahrheit uͤber uns verhengen wolte/ mit kindlicher gelassenheit zu uͤber- geben. Jn welchen der hertzen zustand gewißlich derselbe sich seiner kirchen allezeit am kraͤfftigsten angenom̃en/ so lange aber offt damit zuruͤck gehalten hat/ als lange noch etwas geschienen uͤbrig zu seyn/ auff welches ein vertrauen moͤchte gesetzet werden. Welches er denn eben um der ursach willen thut/ damit nachmahlen der erfolgte schutz und huͤlffe lauterlich ihm zugeschrieben werde/ ohne daß menschen an solcher seiner ehre theil haben oder behalten. An dem Rhein gehet es auch also/ und behaͤlt Franckreich die freye macht/ nach seinem belieben zu verfahren/ wie es wil/ ohne daß man ihm wehrte/ oder sich dessen mit nachtruck annaͤhme. Also daß ich ie mehr und mehr sehe/ es komme dahin/ daß die alte arma ecclesiæ, preces, lacry- mæ, patientia \& vitæ sanctitas nicht nur auch ietzo das beste thun/ sondern als die- jenige angesehen werden muͤssen. Der HErr lasse ferner die zeiten seiner gerichte U u u u 2 bald Das sechste Capitel. bald vorbey gehen/ damit man auffs neue ihm dancke/ wo dieselbe auff Babel zu- ruͤck gefallen/ und das verstoͤhrte Zion wieder auffzubauen zeit und stunde/ auch se- gen von oben/ gegeben wird; so endlich so weit nicht mehr weg seyn kan/ und mit desto hertzlicher gedult zu erwarten seyn wird. 1687. SECTIO XII. Auff die klagen des mangels der noͤthigen besondern erbauung: daß man zuweilen durch angemaßte freyheit der meynungen sich darum bringe/ woran eine fromme seele sich alsdenn zu halten habe. D Je sehnliche neulich bey mir ausgeschuͤttete klagen sind mir tieff zu hertzen getrungen; ach wie wuͤnschte so sehnlich/ daß so leicht helffen und rath schaf- fen koͤnte/ als ich dessen schwertzen mit fuͤhle: Wie mir aber die specialia, worauf solche klagen jede s stuͤckes zielen/ nicht zur gnuͤge bekannt sind/ so weiß nicht/ was auf dieselbe antworten solte/ als insgemein nochmal die gedult/ als das edelste heil-pflaster aller sonst verzweiffeltesten schaͤden zu recommend iren: wozu noch setze eine vor Gott anstellende hertzliche untersuchung/ wormit wir insgesammt die vor deme unter mehreren geweste offenhertzige vertraulichkeit selbst gehindert/ oder auch Gott hindernuͤssen darein kommen zu lassen gereitzet haben. Wir werden ins- gesamt in aufrichtiger pruͤfung so vieles finden/ daß wir sagen muͤssen/ der HErr seye gerecht/ der uns dasjenige nicht laͤnger gelassen/ was wir entweder nicht danck- barlich zu rechtem gebrauch angewendet/ oder wohl gar mißbrauchet haben. Wie ich mich denn versichere/ als viel menschlich von der sache geurtheilet werden mag/ da wir mit einander bey der ersten absicht/ dahin einig zu trachten/ wie wir die uns bey unserer kirchen von jugend auf (und zwar als viel mich gewiß achte/ warhafftig aus dem wort des HErrn) vorgetragene uñ eingetruckte warheiten fruchtbar ma- chen/ und wohin uns dieselbe weisen allein in die uͤbung bringen moͤchten/ geblie- ben waͤren/ solte der bau in Gottes segen trefflich von statten gegangen/ und ver- gebens gewesen seyn/ womit iemand denselben zu stoͤhren gesucht solte haben. Aber ungebundene freyheit/ so einen herrlichen schein hatte/ hat das gluͤcklich vor- gehabte betruͤbter weise ins stecken gebracht/ da auch hertzlich gesinnete erstlich stutzig und forchtsam wuͤrden/ darauff wahrhafftig solche gefahr dero der verhoffte nutzen nicht gleich geachtet werden koͤnte/ wargenommen/ und sich zuruͤcke ziehen muͤssen; andere aber so etwa ohne das das gute auch nicht anders als mit schaͤlen augen angesehen/ dardurch die verlangte gelegenheit bekommen haben/ demjeni- gen sich zu widersetzen/ woran man billich mangel und bedencken nun mehr zeigen koͤnte. ARTIC. II. SECT. XII. koͤnte. Uber allem diesem aber sahe ich noch eine hoͤhere hand an/ welche alles regieret/ und entweder selbst anordnet/ oder doch weislich verhaͤnget: und un- terwerffe mich billich derselbigen/ dasjenige nunmehr vor das beste achtende/ nicht was mir dermassen vorgekommen waͤre/ sondern was der schluß des o- bern raths gewesen/ bey welchem es stehet/ ob und wie viel er zu ieder zeit zu iedem guten vorhaben fortgang geben oder nicht/ und etwa eine vor der zeit hervor gebrochene bluͤt durch einen frost wiederum nieder gedruckt werden lassen wolle. Sein nahme bleibet auch darinnen gepriesen/ worinnen wir seiner fuͤ- gung weise ursachen nicht genug erkennet/ aber solche zu seyn insgemein glauben; indessen muß es einer seele/ welche GOtt hertzlich suchet/ dennoch niemahl an ihrer notdurfft mangeln/ sondern der HErr laͤsset sich einmahl von derselben allezeit finden. Hat man die gelegenheit der privat- erbauung nicht sondern solte die- selbe/ nachdem sie von einigen durch freyheit der meynungen gefaͤhrlich oder ver- daͤchtig gemacht worden/ von denjenigen/ welche die ober-auffsicht haben/ gantz gewehret werden/ (so ich gleich wohl bey ihnen/ wo man sich nur dererjenigen ent- haͤlt/ die einen nicht ungegruͤndeten verdacht/ bey unserer lehr nicht geblieben zu seyn auff sich gezogen/ und sich damit zu solcher erbauung untuͤchtig gemacht ha- ben/ allerdings zu geschehen nicht hoffe/) so haben wir noch unsere allgemeine ver- sammlungen/ in denen und den predigten/ wo auch ieglicher seele nicht alles schmecket/ ingleichem doch/ wo sie es an dem rechten ort recht angreifft/ ihre noth- durfft mit anruffung GOttes finden kan: solte man auch damit sich nicht ver- gnuͤgen koͤnnen/ wie ich solches nicht eben in abrede seyn will/ so ist das allerhoͤchste kleinod unserer kirchen/ daß wir das heilige wort unsers GOttes in der schrifft ha- ben/ dessen lesung zu unserer erbauung uns so gar niemand wehren darff/ daß man uns vielmehr dasselbige recommend iret. Lasset uns also darinnen suchen/ was wir sonsten nicht finden. So kan uns auch ferner kein mensch nicht wehren/ in andern buͤchern/ auffs wenigste/ welche von unserer kirche zugethanen lehrern geschrieben worden/ uns zu ergoͤtzen/ und aus denselben unsere fernere nothdurfft zu suchen: und bekenne ich gern/ daß ich nicht sehe/ wie wir als nothwendig im- mer weiter prætend iren koͤnten/ daß uns auch frey stehen muͤsse/ andere vor irrig gehaltene schrifften zu lesen: indem zuweilen ursachen seyn moͤgen/ warum nach einigem mißbrauch dasjenige eine weil eingeschrencket werden mag/ dessen freyheit man sonsten insgemein behauptet. Wo ich nun alles zusammen fassen solle/ achte ich/ was meinen lieb-werthen freund anlangt/ ob wohl derselbe nicht alle diejenige mittel nunmehr haben kan/ welche er zu seiner seelen auffmunterung verlangte/ so solle es dennoch aus dem obigen/ und sonderlich aus der guͤte des himmlischen vaters selbst/ welcher diejenige/ so nach der gerechtigkeit hungert und duͤrstet/ gern saͤttiget/ ihm an demjenigen nicht mangeln/ was zu dessen mehrerem wachsthum noͤthig ist/ ja auch von andern befoͤrderung darzu geschehen/ wo nur aller schein oder sorge einiger abweichung von unserer allgemeinen lehr/ wie zwar auch billich U u u u 3 ist/ Das sechste Capitel. ist/ vermieden wird/ als davon sonsten alles/ was wir zu beklagen haben/ herkom- met. Ach der HErr HErr erbarme sich alles verderbens/ und gebe uns auch darinnen die weisheit zu erkennen/ was uns iedes mahl das nuͤtzlichste seye: so heilige er uns in der wahrheit/ die sein wort ist/ daß solches in die hertzen wahrhaff- tig durch seinen Geist gepflantzet werde. Jst es auch/ wie verlauten will/ daß derselbe sich nechst auff das land setzen werde/ so lasse der HErr auch solches ein mittel seyn/ in mehrerer einsamkeit und wenigerem umgang der menschen mit ihm so viel familiar er umzugehen: Er beschere auch auffs wenigste ein und anderer seelen/ dero gottseliger umgang zu weilen die verdrießlichkeit der einsamkeit weg- nehme. den 11. Febr. 1687. SECTIO XIII. Als einer mich zu einer hefftigkeit in eifer antreiben wolte. Vom Apostolischen charactere. Von Lutheri hefftigkeit von Arndio. Stephan Prætorio. Elia Prætorio Wie die heiligung treibe. Von fleischlicher frucht. Ob man allezeit was ausrichte. Arbeiten auf Hoff- nung. D. Heinrich Muͤller. D Amit ich ohne langen umbschweiff so bald zur sache selbst schreite/ versichere denselben/ daß er mit solchem schreiben nicht wuͤrde aller orten wohl auff- genommen seyn worden/ sondern etwa unbeliebige antwort von vielen zu erwarten gehabt haben: Bey mir aber hat er dergleichen nicht zu sorgen/ dann mich der HErr gelehrt hat/ andere neben mir nicht nur in ihrer schwachheit/ sondern auch hefftigkeit zu tragen/ und offt aus denselben etwas anders/ alß was sie eigentlich intendi ret/ zu lernen: Dahero ich/ wenn es mit wuͤnschen ausgerichtet waͤre/ wuͤnschete/ daß das so harte schreiben an H. N. vielmehr auch an mich ergangen waͤre/ da es eben keine motus gegeben haben solte. Wie ich nun von allen alles zu tragen mich schuldig achte/ und mich wohl dabey be- finde/ obs auch von widersachern aus feindlichem gemuͤth kommet/ so viel we- niger lasse ich mich zum unwillen bewegen von denen/ welche aus liebe etwas thun/ ob sie wohl etwa darinnen irren/ und mir dinge zumuthen wollen/ welche ich goͤttlichem willen nicht gemaͤß zu seyn achte. Nun urtheile ich von dem Her- ren nichts anders/ alß daß ers treulich mit GOtt meyne/ und mich liebe/ daher in seinem brieff aus seinem gewissen geschrieben habe; ob er mir wohl hinwider mit recht nicht verdencken kan/ daß so wenig ich sein gewissen schlecht dahin dem meinigen unterwerffen wolle/ eben so wenig ich mir das seinige/ so ich darinn irrend ARTIC. II. SECT. XIII. irrend zu seyn glaube/ zur regul aufftringen lasse. Daher mir meine unge- bundene und von keinem menschen an sich selbst dependi rende Freyheit blei- bet/ und ich von niemand nichts anzunehmen habe/ alß so viel er mich aus GOttes klarem wort uͤberzeugt/ daß das gewissen darauff ruhen koͤnne. Wie ich auch meine zuhoͤrer so offt erinnere/ auch mir das geringste nicht ohn uͤber- zeugung aus GOttes wort zu glauben. Daß er also mir die augen zu oͤffnen sich bemuͤhen will/ nehme ich den guten willen/ an dessen redlichkeit ich nicht zweifelen will/ zu danck an/ der ich auch stets den HErren umb mehr erleuchtete augen meines verstaͤndnuͤsses zu erkaͤntnuß sein und seines Willens anruffe/ und wohl weiß/ wie unser aller licht stets noch mit ziemlicher finsterniß umbgeben seye/ daher weiterer erleuchtung bedoͤrffe; daß aber demselben sol- ches von GOtt gegeben sey/ und er vermoͤge anderer augen auffzuthun/ habe aus bißherigen noch nicht gesehen/ sondern muß vielmehr sorgen/ man wolle mich lehren/ offne augen zuzuschliessen/ und blindlings drein zu fahren/ in sachen/ wo GOttes ehr mit ungestuͤmmigkeit mehr verletzt als besodert wuͤrde. Hie gedencke der Herr nicht/ daß ich solches rede aus ansehung seiner armseeligkeit und veraͤchtlichen zustandes/ sondern der HErr hat mich gelehret/ nicht auff eine person/ sondern die sache und dero warheit zu sehen; dahero so wenig dessen beklagter ver aͤ chtliche zustand (so er zwar scheinet vor ein Apostolischen Characterem zu halten) mich beweget/ seine wort als Apostolische wort anzunehmen/ so wenig bewegt er mich auch/ dieselbe ohngepruͤft zu verwerffe n / sondern meine regul bleibet/ Non quis sed quid; daher ihn versichere/ daß ich von etwa geringeren personen freundliche erinnerung angenommen/ und mich davon zu lernen nicht geschaͤmet habe; da mich aber auch der alle r vornehm st e und hoͤchst gelehrte derjenigen dinge wollte bereden/ welche der HErr mir vor- traͤget/ wuͤrde dessen ansehen etwa nicht viel mehr zu annehmung der sache wuͤrcken. Was unsern theuren Lutherum anlangt/ versichere denselben/ daß ich ihn nicht nur fleißig ohne ruhm zu melden gelesen habe/ sondern von grund meiner seele liebe/ und ihn hoch achte/ auch GOtt nicht gnug zu dancken weiß/ vor dasjenige/ was er mich aus einem solchen herrlichen Autore nechst seinem wort hat lernen lassen. So habe ich mit andern Collaboratoribus, bey denen ich aber die Direction gehabt/ aus Luthero einen voͤlligen Commentarium uͤber die gantze Bibel/ aus den blossen worten Lutheri, daß wir nichts anders als etwa und/ dann/ aber oder dergleichen particulas connexivas seine stellen/ da manchmahl uͤber einen spruch an 20. 30. und mehr orten etwas gelesen wird/ zusammenzuhaͤngen/ des unserigen dazu gethan haben/ zusammen getragen/ so ein werck auf 100. bogen werden wird. Welcherley arbeit ich nimmermehr uͤber- nommen/ und so manche zeit daran/ nemlich alle seine schrifften/ die zu haben sind/ zu durchlesen/ gewendet haben wuͤrde/ wo ich den mann nicht hoch æstimir te/ und deßwegen seine arbeit ohne frembde vermischung der kirchen vor augen zu legen wuͤr- Das sechste Capitel. wuͤrdig achtete. Wie ich auch deswegen/ ob ich wohl unserer Kirchen den nahmen Lutherisch nicht gegeben habe/ oder sie ihn selbst auff eine sectische art genommen hat/ mich gleichwohl/ da die Widersacher uns denselben zur unehr alß einer secte gegeben/ desselben nicht schaͤme/ sondern in dem verstand/ wie wir ihn/ nicht alß unsers glaubens meister/ sondern einen der theuresten zeugen der Evangelischen wahrheit ansehen/ mich dessen eher ruͤhme/ daher nicht davor gehalten/ daß der Herr ursach gehabt/ gegen solchen nahmen so heff- tigen eiffer zu bezeugen. Jndessen so hoch ich Lutherum halte. 1. so erkenne ich ihn doch als einen menschen/ und setze ihn/ weit weit unter die Apostel; indem in ihm eine hohe kraft des geistes war gewesen/ aber seine menschliche gebrechen dadurch nicht auffgehoben worden sind. Jch will jetzo nicht sagen von seiner auslegung der schrifft/ sonderlich in den Propheten/ wie offt es dem lieben Mann geman- gelt/ und er warhafftig den sinn des geistes vielmahl nicht getroffen/ so gar/ daß manche ort von solchen leuten/ die ihm sonsten das wasser nicht reichen moͤchten/ besser bißher ergruͤndet worden sind/ alß er sie erkant hat (davon ich nicht so viel zeugen koͤnte/ wo ich ihn nicht so fleißig durchlesen haͤtte) sondern auch in andern stuͤcken hat sich manches menschliches und natuͤrliches mit untergemischet/ damit ja ein offenbahrer unterschied bliebe zwischen den unmittelbahr erleuch te- ten/ und allen uͤbrigen Lehrern/ sie haben nahmen wie sie wollen: Daher wir auch alle andre schrifften nicht mit blindem gehorsam anzunehmen haben/ noch hingegen der gebrechen unsrer Lehrer zu spotten/ aber sie gleichwohl auch nicht vor tugenden anzunehmen/ sondern einige dinge an ihnen mit mitleyden zu tra- gen. 2. Was die hefftigkeit des Styli anlangt/ ists wahr/ daß dieselbe zwar nicht aller orten/ aber doch nach gelegenheit der materie/ sich bey ihm findet. Jch will auch nicht in abrede seyn/ daß es die goͤttliche Providenz nach ihrer weißheit vor nuͤtzlich befunden/ einen mann zu solcher seeligen reformation zu gebrauchen/ der von vielem auch natuͤrlichen feur waͤre/ dazu sie ihre ursach gehabt haben mag. Es ist aber dabey auch zu bemercken/ daß es solches Seculi art mehr mit sich gebracht/ und damal insgemein haͤrtere redensarten uͤblich/ deßwegen auch zu solcher zeit weniger anstoͤßig gewesen/ alß sie jetzund sind. Wie wir finden werden/ daß damahls auch Fuͤrsten mit solchen harten worten offentlich sich gegen einander ausgelassen/ da auch die geringste sich untereinan- der also zu schelten/ heut zu tage sich schaͤmen wuͤrden. Ferner so braucht er der gleichen harte reden meistens allein gegen die offenbahren feinde der Evangeli- schen warheit/ gegen andere fehler in dem leben faͤhret er in vergleichung gegen jene viel sanffter. Jch siehe auch nicht/ warum wir nicht bekennen solten/ daß eben auch diesem lieben Mann in solcher sache etwas menschliches angeklebet/ so wir als eine wartze an einem schoͤnen leib/ doch eben nicht hoch zu loben haben: indem vielleicht sich zeigen liesse/ daß ein und andere hefftigkeit unterschiedliche mal den lauff des Evangelii mehr gehindert alß ihn gefordert habe. Daher ich abermal die goͤtt- ARTIC. II. SECT. XIII. goͤttliche weise providenz hertzlich verehre/ die diesen mann/ Philippum an die seit gesetzet/ der nicht nur auch mit seiner erudition ihn in vielen stuͤcken nuͤtzlich zu statten gekommen/ sondern auch mehr mahl dessen hitz in einigen sachen mode- ri ret hat. Ob also Melanchthon die hohe krafft des Geists nicht gehabt alß Luthe- rus, daher auch die haupt-person in diesem grossen werck nicht hat vertretten koͤn- nen/ sondern wo es an ihn gekommen/ seiner furchtsamkeit wegen alles wuͤrde in stecken gerathen seyn/ so war doch dieses die weisheit GOttes/ welche denselben unsern grossen helden zugeordnet/ der zuweilen einige consilia temperi ren konte/ die sonsten zu hitzig mochten gefasset werden. Weswegen ob wol Philippi actio- nes nicht alle billige/ sonderlich nachdem er zu viel auff andere seiten sich zu nei- gen angefangen/ so preisen wir dennoch billich GOttes weißheit/ der diese beyde maͤnner zusammen gegattet/ und haben nicht ursach/ Philippum so gar hinzu- werffen/ und so schimpflich zu tracti ren, wie Lutherus redivivus thut/ da er sich gleichwohl besser um unsere kirche verdienet hat. 3. Jndessen hat unser liebe Lu- therus weder selbst den damahligen Churfuͤrsten also angegriffen/ noch Spalati- num in seinen vielen brieffen an ihn/ dahin genoͤthiget/ wie ich mich versichere/ daß der Herr/ da er an solcher stelle waͤre/ thun wolte: Sondern er ließ dem werck des HErrn seine zeit/ das allgemach eines nach dem andern zeitigte: Ob es wohl damahl auch bey hoff und der regierung durchaus nicht hergieng/ wie er verlang- te; wie in seinen brieffen so viel zu sehen ist/ worinnen er es aber bey dem klagen bleiben liesse/ und zu frieden war/ wo nur etzlicher massen das werck des HErrn von statten gienge/ und nicht gar gehindert wurde. 4. Jch entsinne mich viel herr- liches in Luthero gelesen zu haben/ ob wol die zeit auffzuschlagen nicht habe/ wie der theure mann selbst mißfallen gehabt an denen predigern/ die mit poltern und stuͤrmen die leute wollten seelig machen/ und durch das gesetz dasjenige ausrich- ten/ was in seinem vermoͤgen nicht stehet/ indem es nicht einmal ein guts werck heraus bringen kan/ geschweige denn/ daß es unsere bekehrung wircken koͤnte. Daher er auff das Evangelium so herrlich treibet/ daß mich eben in dem theuren lehrer nichts hertzlicher affici rt/ alß daß ihm GOtt die art des Evangelii/ die na- tur und krafft des glaubens/ die weise/ wie man zu rechtschaffener heiligkeit kom- men solle/ heller einzusehen gegeben hat/ alß wohl biß auff ihn nach den Aposteln schwerlich einem lehrer. Wo er also mit harten worten/ sonderlich gegen die fein- de des Evangelii/ ausbricht/ welches ich oben bekennet habe/ nicht ohne goͤttliche leitung geschehen zu seyn/ hat er solches gemein/ mit so viel anderen lehrern und vaͤttern/ vor ihm/ die es ihm in solcher hefftigkeit und schelten gleich/ oder wohl vorgethan haben/ aber wo er mit dem Evangelio umgehet/ da ist er erst recht der unvergleichliche Lutherus, und stehet in seiner eigenen gabe: Denn deßwegen manche in Luthero das jenige am meisten suchen und lieben moͤgen/ das eben nicht das haupt-werck in ihm ist/ und lassen daruͤber das beste und vornehmste fahren/ oder sehens doch nicht fleißig an. 5. Wenn aber der Herr unsern auch X x x x theu- Das sechste Capitel. theuren Arndium nach Luthero so gering haͤlt/ und ihn lieber in Utopiam releg irt wissen will/ auch klaget/ daß derselbe ihn bald auff die schlingel-banck und gar zum teuffel in die hoͤlle bracht haͤtte/ bekenne ich gern/ daß wo mich etwas gegen denselben zum zorn bewegen moͤgen/ ich daraus zu solchem recht zu haben ge- dacht haͤtte. Jch sehe aber/ mit was gedult und mitleiden des Herrn hefftig- keit/ so ich nicht als einen Apostolischen geist ansehen kan/ sondern vor einen effect eines durch viel widrigkeiten in eine bitterkeit/ die als habitual worden/ gerathenen gemuͤths achten/ und daher denselben/ was man andern eben nicht thaͤt/ zu gut halten solte/ auffgenommen werden muß/ ob mirs wohl um Gottes und dessen ehre willen leid thut/ daß dessen vortreffliches werck-zeug/ dadurch er der kirchen so grosses gut erzeiget hat/ so hart angelassen werden soll/ von einem/ welcher unserer kirchen diener gewesen. Der HErr vergebe ihm solche suͤnde/ und lasse ihn zu dero erk aͤ nntnuͤß kommen/ die gewißlich schwerer ist/ als er sich ietzo einbildet. Daher setze ich/ wie schon bekennet/ Lutherum billich fornen an/ und/ nachdem GOtt durch ihn ein groͤsser werck/ so mehr in die augen gefallen/ ausgerichtet hat/ als durch Arndtium, lasse ihm auch darinn seinen vorzug/ aber dieser streicht ihm nahe/ und weiß ich nicht/ ober nicht noch in seinen schrifften zu einem nicht geringern werck als Lutherus, mag von GOtt bestim- met seyn. Jch laͤugne auch nicht/ daß ich unserer lehrer nicht leicht iemahl ei- nigen/ als diese beyde/ auff der Canzel austruͤcke/ und sie zusammen setze/ welche auch alle beyde gleichsam einen præceptorem an Taulero gehabt/ aus dem warhafftig Lutherus, sonderlich in den ersten Tomis, erkannt werden kan/ gleich- sam worden zu seyn/ was er worden ist/ Arndius aber auch so viel geschoͤpffet hat. Daher so wenig mich reuet/ Lutherum gelesen zu haben/ so wenig reuet mich auch/ an Arndium zeit gewandt zu haben/ und versichere ich mich/ einen geist in beyden/ was die sache anlangt/ angetroffen zu haben/ daß ich niemahl/ von ei- nem auff den andern kommende/ mein gemuͤth aͤndern habe doͤrffen. Jch wun- dere mich auch deswegen/ da der Herr so offt auff Hoburgern sich beruffen/ und denselben geruͤhmet hat/ wie derselbe darauf kommen koͤnnen/ da gleichwohl Hoburg keinen unserer Theologorum biß in seinen todt hertzlicher geliebet hat/ als Arndtium, ja denselben Luthero sehr weit wird vorgezogen haben. Allezeit nach meinem gewissen finde ich keine arten/ wie auch zu unserer zeit der Christ- lichen kirchen kraͤfftiger zu rathen seye/ als auff die weise Arndtii; wie uns Gott auch noch kuͤnfftig zeigen wird; vielleicht aber wo er die augen recht auffthun wolte/ etwas dergleichen bereits als von weitem sehen moͤchte. 6. Weil der- selbe auch auff Prætorium kommt/ ob ich wohl nicht leugne/ daß in Stephano Præ- torio ein und andere flecken/ der ihn etwas verstellet/ so aber meistens aus man- gel der studiorum und einiger leicht-glaubigkeit herkommen/ sich finden/ so bekenne doch hinwieder gern/ daß ich ihn vor einen gottseligen frommen scri- bent en halte/ und wie seine lehre mit seinem judicio in seine schatz-kammer von Statio ARTIC. II. SECT. XIII. Statio in ordnung gebracht worden/ Christlichen hertzen zu erbauung (wo nur ein und anderer ort guͤtig erklaͤhret werden) nuͤtzlich achte/ und wo er mit Elia Prætorio verglichen wird/ gewißlich mehr wahre zeugnuͤsse des Geistes Christi in Stephano finde. 7. Das stuͤrmen eines solchen geistes/ wie sich bey dem herrn weiset/ verlange ich/ und andere/ die mit mir Arndtium, und mit ihm Lutherum, lieben/ nicht/ aber wissen auch/ daß er nicht Apostolisch ist. Der Geist kam auff die Apostel mit grossem brausen und feuer/ nicht aber mit don- ner und blitz: wie dann freylich auch die predigt des Evangelii ihre feurige krafft hat/ die hertzen durch zutringen/ ob wohl nicht zum schrecken: sondern zu ent- zuͤnden das licht des glaubens und das feuer der liebe. Welcherley das Gesetz noch nicht ausrichten kan/ sondern sich vielmehr als ein verzehrend feuer dar- stellet. Daher als die Apostel damit erfuͤllet wurden/ war die wuͤrckung allein/ daß sie die grossen thaten GOttes preiseten/ nicht aber mit schelten und fluchen anhuben. Wie auch die erste in solcher fuͤlle des Geistes gehaltene predigt des Petri, da er dazu das straff-amt fuͤhren muste/ viel gelinder gehet/ als ich etwa sorge/ das der Herr moͤchte vor noͤthig gehalten haben. Jndem ich in dem schreiben begriffen war/ wird mir von einem Christlichen freund ein ort des lie- ben Matthesii gezeiget/ wie Lutherus seine hefftigkeit selbst angesehen/ und da- mit nicht eben gepranget/ oder andere zur nachfolge gereitzet habe/ welchen ich hie anzufuͤhren wuͤrdig achte/ damit der herr ja nicht meyne/ es seye uns solche art Lutheri zu einem muster vorgestellet. Es gedencket jener wohl-verdiente mann in der 7. predigt von der historia D. Luthers/ p. 69. Grosse leute haben auch hohe gedancken und ihre sonderliche anfechtung/ darein wir einfaͤltige uns nicht allweg schicken koͤnnen. Moses zuwirfft in seinem zorn die beyde tafeln/ darauff die Zehen Geboth stunden/ Pinehas ersticht in seinem eyffer den unzuͤchtigen Jsraetiter/ Sa- muel richtet den Koͤnig hin/ den Saul unter einem grossen schein wieder GOttes wort verschonet. S. Paulus giebt den Corinthischen blut-schaͤnder dem teuffel. GOtt und seine leute haben auch ihren hitzigen und brennenden zorn: wie es zwar unserm Doctor offt- mahl auch hertzlich wehe gethan/ daß seine schrifften so rauscheten wie platz-regen/ und wuͤnschte vielmahl/ daß er so fein sanfft und lieblich koͤnte regnen/ wie Herr Philippus und herr Brentius, aber ei- nerley geist hat mancherley wirckung. Wir die wir die land-strasse oder gemeinen fuß-pfad reisen/ koͤnnen und sollen den nicht nach- setzen/ die aus der fuhr-straß und gebaͤhntem wege setzen/ und quer feld durch gemoͤß/ wasser/ waͤld/ berg und thal ihre wege nehmen. Viel minder sollen wir von grosser leute ernst/ brunst/ eiffer und hefftigkeit leichtlich urtheilen/ sie haben ihren zeiger-steller und X x x x 2 schaͤr- Das sechste Capitel. schaͤr-meister bey sich im hertzen/ der geraͤth offt uͤber sie und bringet sie auff/ treibet sie fort und fuͤhret sie offt/ dahin sie nicht gedencken/ wie denn GOtt auch zu ihren wegen gluͤck und seegen spricht/ und fuͤhret ihre reise wunderbarlich hinaus/ daß sich iedeꝛmann daruͤber zu creutzigen und zu segnen hat. Als der Doctor von der Rebecca Gen. 27. im 41. jahr lase/ die wider ihres mannes willen und befehl ihm ihren juͤngern sohn den Jacob einschleichte/ habe ich diese worte von ihm gehoͤret: Rebecca faͤhet es unordentlich an/ aber sie fuͤhrets hinaus. Also hab ich oft auch aus der fuhr-strasse gesetzet/ u. ein staꝛck Vater Unser fuͤrgelegt/ oder zur bruͤcken gebraucht/ hinaus bin ich mit GOtt kommen/ aber ich raths euer keinem/ bleibet auff dem gebahnten wege/ und handelt nach der regel/ so verzaͤunet man euch nicht. Mancher hat zu unser zeit diesem wagen und reuter Jsraelis nachfolgen wollen/ aber er ist besteckt/ darum lasset uns nach der regul handeln. m. f. w. Jch meyne/ der herr solte hieraus sehen/ ob mir und andern zu rathen seye/ daß wir GOtt versuchen/ und uns der- gleichen geist anmassen/ der uns nicht gegeben ist. Anderwaͤrts f. 35. b. vertheidiget er auch unsers theuren lehrers harte wort/ wegen der hoͤlli- schen grund-suppe des damahligen Pabstthums/ die GOtt durch seinen Mosen wolte straffen lassen. Nachmahl conc. 12. p. 138. als er von des Doctor s platz-regen und wolcken-bruͤchen geredet/ sagt er: Laufft bißweilen was mit unter/ wie alle heiligen ihre fehl und gebrechlichkeit gehabt/ und allein aus gnaden vergebung der suͤnden bekommen/ das ge- hoͤrt ins Vater Unser/ und Helias mantel. u. s. f. Diese ort von einem Christlichen freund gezeiget/ erinnerten mich auch einer præfation, die der theure mann vor Brentii explication des Amos gemacht/ so Tom. 5. Alt. fol. 275. befindlich: wo er sagt/ daß gegen Brentii und derg/ eichen arbeit die seinige ihm gantz und gar stincken: sagt ferner/ ich heuchle dir hierinnen nicht/ ich ertich t e auch nichts/ noch rede etwas schimpfliches/ so werde ich mit meinem urtheil auch nicht betrogen. Deñ ich lobe nicht den Brentium, sondern den geist/ der in ihm viel freundlicher/ lieblicher u. friedlicheꝛ ist/ denn mein geist/ mit allerley kuͤnsten der wohlredenheit gezieret/ so fleust auch daher seine rede viel reiner/ heller und deutlicher/ denn anderer leute/ darum es dem leser auch mehr geliebet und zu hertzen gehet. Aber mein geist/ uͤber das/ daß er in den freyen kuͤnsten un- erfahren u. unpolirt ist/ thut nichts/ denn daß er einen grossen wald und hauffen der worte ausspeyet. So hat er auch das gluͤck/ daß er ARTIC. II. SECT. XIII. er rumorisch und stuͤrmisch ist/ und also ein kaͤmpffer ist/ und mit unzaͤhlichen ungeheuren thieren immerdar sich schlagen muß/ und so man grosse dinge mit kleinen vergleichen moͤchte/ so habe ich von dem vierfachtigen geist Eliæ 4. Reg. 19. den wind/ sturm und feuer/ so die berge zerreißt/ und die felsen zerschmettert bekommen/ du aber und deines gleichen/ das liebliche sausen/ und wehen/ die stille sanfte lufft so kuͤhlet. Und das ist die ursach/ daß auch mir selbst/ ich ge- schweige andern/ eure buͤcher und reden desto lieber und angeneh- mer sind. Jedoch troͤste ich mich selber/ daß ichs dafuͤr halte/ ja viel mehr weiß/ daß GOtt der haus-vater im Himmel fuͤr seine grosse haus-haltung auch eines oder mehr knechte bedarff/ die da hart wi- der hart/ ernst wider ernst seyn muͤssen. Gleichwie auff einen knorr- igten ast ein harter eiserner keil gehoͤret/ und wenn Gott blitzen und wetter-leuchten laͤsset/ so muß nicht allein ein regen darauff fallen/ der es alles feucht mache/ sondern auch ein donner folgen/ der alles bewege/ auch ein blitz/ der die lufft reinige/ auff daß die erde desto besser u. mehr frucht tragẽ koͤñe. Dieses sind unsers Lutheri eigne wort/ und daraus zu sehen/ daß der theure Mann/ dem ich zwar gerne mehr zulege/ als er sich selbs beyleget/ dannoch seine hefftigkeit (in dero zwar abermahl/ wie oben gethan/ eine sonderliche Goͤttliche regierung erkenne) nicht gar hoch liebet/ viel weniger von andern/ dergleichen fordert. Wie fern nun sich der herr mit seinem exempel schuͤtzen koͤnne/ stelle ich zu weiterem ermessen/ ob er etwas mehr als ge- meines sich attribu iren solle/ auffs wenigste hat er nicht macht von andern glei- ches zu fordern. Kan sich auch nicht beschweren/ daß ich ihn auff keine andere art vor einen zeugen GOttes anhoͤren wolle/ als ich von einem ieglichen alles zeugnuͤß der warheit/ dessen valor nicht von der person depend irt/ anzunehmen verbunden bin. Daß einige einen mehrern eyffer von mir in meinen predigten erfordern/ mag gantz wohl seyn/ sonderlich welche an dem herrn und etwa an- andern einer mehr gesetzlichen art gewohnt sind/ und meine art/ von demselben straffen hoͤren/ wie ohne das unsere vernunfft/ wo sie es gut meynet/ auff das Gesetz eher faͤllet/ als die der innern krafft des Evangelii weniger kundig ist: aber solches mov iret mich nicht/ und wo ich gelegenheit habe/ mit Christl. gemuͤ- thern gruͤndlich aus der sache zu reden/ so getraue ich derselben genug satisfaction zu thun: Ja ich traue/ alle und iede/ so auf die hefftigste art/ und mit lauter don- nern und schelten das Gesetz treiben/ darinnen auszufordern/ ob einer unter allen die wahre gerechtigkeit/ die vor GOtt gilt/ in der rechtfertigung/ reiner/ und die gerechtigkeit unserer heiligung vollkommener/ treibe. Daß ich also gewißlich keine Phariseische oder aͤusserliche gerechtigkeit lehre/ sondern diejenige innerliche heiligung/ welche aus der wiedergeburth kommet/ und welche den menschen nicht Das sechste Capitel. nicht nur (auff Gesetzes art mit zwang) anders thun machet/ sondern darinnen er anders gesinnet seyn muß; diese art der heiligung treibe ich mit solchem ernst/ daß es manchen bißher ein ziemlicher stachel im gewissen gewesen/ und viele da- vor gehalten haben/ sie haͤtten kaum andermahl dergleichen gefuͤhlet. Und zwar treibe ich sothane heiligung also/ daß ich ihnen allezeit vorstelle/ ob sie wohl allein/ allein/ aus dem glauben seelig werden muͤsten/ daß dennoch auch kein andrer glaube der wahre glaube seye/ alß derienige/ welcher solche heiligung wircket/ hin- gegen ohne diese seye alles todt und heuchelwesen/ was man sich von seinem glau- ben einbilden wolte: Folglich muͤsten sie sich resolvi ren zu einem rechtschaffenen Christenthum/ oder sich der hoffnung des ewigen lebens verzeihen; seye daher lauter betrug/ was sie sich sonsten einbilden wolten. Also trage ich zwar den trost des Evangelii reichlich vor/ aber ich zeige allezeit/ wer diejenige seyen/ welche sich desselben anzunehmen/ und solches so deutlich/ daß wo man sich dabey betreugt/ gewiß nicht aus meiner schuld betrogen wird/ wie ich meine zuhoͤrer auff die pruͤ- fung ihrer selbsten unablaͤßig treibe. Seye also der Herr versichert/ ich schmeiche- le meinen zuhoͤrern so wenig/ und sage ihnen/ was sie vor GOtt zu erwarten haben so nachtruͤcklich/ alß immermehr derselbe in den groͤbsten scheltworten in der that nicht ernstlicher sagen koͤnte. So wird sich durch GOttes gnade zu seiner zeit wei- sen/ ob durch das stuͤrmen/ oder gelinder aber mit krafft reden/ mehr auszurich- ten: Wie ich denn nicht zweiffelen wolte/ wo der Herr bey seinem ambt mit mehr sanfftmuth und gedult gelehret haͤtte/ er solte mehr frucht gebracht haben/ alß auff diese weise/ da er nunmehr aller seiner gaben gebrauch nider geschlagen hat. Daß arme zu dessen predigten mit grosser begierde zugelauffen/ und solche etwa vor andern gelobet/ moͤchte vielleicht auch eine ursach mit seyn/ daß dessen straffambt gemeiniglich die reichere/ und insgemein vornehmere am meisten wird betroffen haben: Da aber wie bey den armen gemeiniglich auch diese heimliche suͤnde ist/ daß sie die reichere beneiden/ und sich ihrer armuth wegen vor seeliger achten/ sie auch mit sonderbarer vergnuͤgung anhoͤren/ wo denselben hart zuge- sprochen wird/ und solches fast vor einen trost in ihrem beschwerlichen stand ach- ten: obwol manchmal ihr hertz nichts besser alß der reichen ist. Damit ich zwar nicht die armuth verwerffe/ sondern vielmehr erkenne/ daß GOtt in demselben stand noch mehr als unter vornehmen erhalte. Wie hingegen den Herrn versiche- ren kan/ daß die aͤrmste in Franckfurth mich nicht weniger in meinem ambt/ ja wohl mehr alß viele vornehmste/ inniglich geliebt haben: Da ich mehr gelegen- heit hatte/ auch mit denselben umzugehen/ als ich ietzund in gegenwaͤrtiger stelle habe/ und also nicht eben weiß/ wie sie mit meiner lehrart zufrieden seyn. Den Tractat von den blossen bruͤsten anlangend/ habe ich selber gehoͤret/ daß mir einige ohne die geringste ursach denselben zueignen wollen. Jch hoͤre/ es seyen sol- cher Tractaten zween/ einen habe ich in Franckfurth gesehen/ und wurde mir von einem Dantziger præsen tirt/ ich hoͤre aber/ der eine sey ziemlich grob/ doch kan nicht davon ARTIC. II. SECT. XIII. davon urtheilen/ weil ich ihn nicht selbst gelesen habe. Daß in dem uͤbrigen derselbe mich in verdacht zeucht/ es seye fleischliche furcht/ daß ich das werck nicht heff- tiger in straffen angreiffe/ kan denselbẽ versicheren/ daß solche die bewegende ursach nicht seye. Gott hat mich diejenigen Jahre bereits erlebẽ lassen/ da ich aus betrach- tung meiner leibes-kraͤfften natuͤrlicher weise mir nicht mehr viele weiter einbilden kan/ noch auch zu verlangẽ/ deßwegen aber hohe ungnade/ remotio n/ und anderes dergleichen viel zu fuͤrchten nicht ursach habe. So seye er versichert/ ob ich hier ver- stossen wuͤrde/ solte mir anderwaͤrtlich villeicht durch Gottes schickung an offnen thuͤren nicht manglen/ und als neulich ein falsches geschrey in teutschland erschollẽ/ daß ich nicht eben mit guten augen bey hoff angesehen wuͤrde/ mochten schon einige gewesen seyn/ die mir so bald ansehnliche stellen anerboͤten. So habe mich samt den mein i gen also zu leben gewehnet/ daß wir nicht so grosse intrade n zu unserer unter- haltung noͤthig haben/ als ich eben aller orten sinden wuͤrde/ wo ich eine stelle be- dienen solte. Zudem so sehe den gantzen zustand unserer kirchen also an/ daß wir be- sorglich in kurtzer zeit an den meisten orten unsere glaubens-uͤbung/ und also wir Prediger unsere stellen verliehren moͤchten/ wann GOtt auff eine kurtze zeit dem Babel vollend gewalt/ seinen letzten zorn auszuuͤben seine macht geben wird: Jn welcher erwartug derselbe leicht erachten kan/ daß ich auch nicht vernuͤnfftig thaͤ- te/ mit verletzung meines gewissens eine stelle behalten zu wollen/ und daher das noͤthige zu unterlassen/ die ich doch vermuthlich noch aus noth/ da ich noch eine weile leben sollte/ werde verlassen muͤssen/ und alsdann so viel weniger freudigkeit und trost davon haben wuͤrde. Also ists gewiß die ursach nicht/ die derselbe vermu- thet/ sondern diese/ daß ich mich in meinem gewissen uͤberzeuget achte/ des HErrn willen an mich in meinem ambt seye nicht anders/ alß wie ich bißhero gethan nem- lich buß und vergebung der suͤnden zu predigen/ die suͤnde also zu straffen/ daß ich allen suͤndern zeige/ was sie von GOtt in ihrem stand zu erwarten haben/ und sie um ihrer seeligkeit willen bete/ daß sie dieselbe nicht versaͤumen sollen/ so dann daß ich ihnen die wahre gerechtigkeit und den weg dazu/ und darinnen deutlich vor au- gen lege/ und zwar also/ daß keiner/ wo er auff meine worte acht gibt/ bey seiner sicherheit einigen trost behalten kan/ und also wo er verlohren gehet/ ohne meine schuld verlohren gehet. Uber dieses und weiter zu gehen/ sonderlich mit unbeschei- denen und ungeschickten straffen und schelten mir nicht so wohl leibliche gefahr zu- zuziehen/ welche nach obigem bey mir auch so groß nicht seyn moͤchte/ als die mit- tel und gelegenheit zu verschertzen/ mit sanfftmuth/ langmuth und gedult endlich etwas noch auszurichten/ finde ich nicht thunlich/ noch in meinem gewissen ver- antwortlich. Ein auch resolvirter soldat foͤrchtet sich seines lebens zwar nicht/ er gibts aber nicht muthwillig in gefahr/ wo es nicht noth ist/ und verkaufft sein blut/ wann ers vergiessen soll/ auffs theuerste/ sich nicht wagende/ als wo es mit offen- bahrem grossen verlust des feindes geschiehet. Also will ich die gefahr nicht scheuen/ ich muß aber sehen/ daß das leiden wohl angelegt/ und der gewinn der seelen so groß Das sechste Capitel. groß alß der entstehende verlust ferner guts zu schaffen/ vor augen stehe/ oder GOtt muß mich nach seiner weißheit selbst an die gefahr fuͤhren/ daß ich alßdenn darinnen auch getrost seyn moͤge/ weil ich alßdann weiß/ ich habe mirs nicht selbst gemacht/ noch GOtt versucht/ sondern der HErr seye es/ der mich dazu beruffen habe. Hingegen darum leiden wollen/ nur daß es zum zeugnuͤß uͤber andere seye/ ohne dabey sehenden der kirchen vortheil/ finde ich bey mir goͤttlichem rath nicht gemaͤß/ alß der ich in allem/ was ich thun solle/ vorher bedencken muß/ wozu es/ nicht eben mir/ sondern auch andern nutze. Daß der effectus allezeit folgen muͤsse bey den zuhoͤrern/ und der HErr JEsus diejenige lehrer nicht kennen werde/ die nicht also generaliter und individualiter nachtruͤcken/ daß derselbe in der zuhoͤ- rer/ verstehe aller oder der meisten/ leben folge/ ist ein postulatum, so mir aus GOttes wort nicht zu erweisen/ indem auch Christi und seiner Apostel lehr nicht bey allen/ ja bey den wenigsten in vergleichung gegen die uͤbrige/ wuͤrcklich zur frucht gekommen ist. Und wie viel hat der doch eifferige Jeremias ausgerichtet oder bekehret? solte er deßwegen von Christo nicht erkandt seyn? GOtt fodert von seinen dienern den finem internum, das ist/ daß sie nach allem ihrem vermoͤ- gen und maaß der empfangenen gaben thun/ was zur bekehrung der zuhoͤrer noͤ- thig ist/ also daß es diesen an nichts dessen mangle/ wodurch sie gewonnen werden sollen (wozu jenes schelten nicht eben gehoͤrt/ oder einer mit denselben in den him- mel gejagt werden kan/ der sich nicht durch die seyle GOttes ziehen laͤsset) sind sie darinn treu/ daß sie mit willen dessen nichts versaͤumen/ so ist GOtt zu frieden/ in dessen hand allein der finis externus, und wuͤrckliche durchtringung des worts ste- het daher er solchen von ihnen nicht fodern kan: Wiewol sie dennoch auch dabey die versicherung haben koͤnnen/ daß GOtt ihre treue arbeit niemal gantz ungeseg- net lasse/ wie der Herr sich versichern kan/ daß mich GOtt noch allemal einige we- nige fruͤchte des ambts hat vernehmen lassen: Ja ob solche GOtt uns verbergen sollte/ wie denn mir auch etwa in den meisten aus H. ursachen GOttes mag gesche- hen seyn/ so haben wir goͤttliche verheissung/ daß das wort/ nemlich mit treue getrie- ben/ niemal gantz laͤhr wiederum zuruͤck kommen solle/ auff welches ich mich allezeit auch gewiß verlassen/ und gelernet habe/ hoffen/ da nichts zu hoffen waͤre/ oder wie es eigentlich lautet/ glauben uͤber hoffnung in hoffnung. So ist auch bedencklich/ was unser Heyland sagt Marc. 4/ 28. daß erstlich graß wachse/ darnach die aͤhren/ darnach der volle weitzen in den aͤhren: Haben wir also die hoffnung nicht sincken zu lassen/ obwohl eine gute weile aus unserm saͤen nichts scheinet auffzugehen/ alß eine gruͤne saat oder graß/ daran man noch nicht die zeiti- ge frucht siehet/ sondern allein eine anfangende mehrere erkaͤntnuͤß und beliebung des guten mit auch sehr schwacher wuͤrckung desselben/ dann wo wir mit gedult fortfahren/ und nicht davon lauffende/ stang und stab fallen lassen/ werden allgemach aus der krafft des worts die aͤhren anfangen sich zu zeigen/ biß der weitzen reiff werde: Das unkraut aber doͤrf- DISTINCTIO II. SECTIO XIII. doͤrffen wir noch nicht ausgaͤtten/ sondern muͤssen es noch wachsen lassen/ und nur fleiß ankehren/ wie wir dieses und jenes aus dem unkraut durch goͤttliche krafft noch moͤchten zu weitzen verwandlen/ so dann ihm nur wehren/ daß der weitze/ so da zwischen stehet/ von dem was unkraut bleibet/ nicht erstuͤcket wer- de: Das ist/ wir muͤssen die unsrigen von den aͤrgernissen also verwahren/ daß sie davon nicht mit angestecket werden. Was den proceß anlangt/ der mit dem landes fuͤrsten zu halten/ bin dessen so wenig uͤberzeuget/ daß ich von dem HErrn die Apostolische weise in solcher sache zu erwarten habe/ als von uͤbri- gen dingen: Wiewohl mir auch nicht zu kommt/ demselben oder andern wissend zu machen/ was nach meinem amt privatim geschaͤhe. Den unterscheid der eccle- siæ plantatæ und plantandæ betreffend/ darauf der HErr ein ziemliches zusetzen scheinet/ versichere demselben/ daß zwar unsere kirche/ was so das aͤusserliche we- sen und die buchstaͤbliche wahrheit oder Orthodoxie anlangt/ als plantatam ansehe/ aber in vielen stuͤcken auch als erst plantandam, wie schon vor meh- reren Jahren dieses mein principium gewesen: daß unser/ der prediger/ amt seye nunmehr hauptsaͤchlich/ Ecclesiolas in Ecclesia colligere, das ist/ weil wir den grossen hauffen/ da alles bereits ins verderben gerathen/ schwehrlich mehr retten koͤnnen/ ob wohl auch davon kein fleiß gesparet werden solle/ daß wir aufs wenigste in demselben suchen noch zu retten und naͤher zu uns zu zie- hen/ diejenige/ welche in der gemeinde der HErr ruͤhret/ und zu sich zeucht/ damit wir an denselben unser meistes thun/ und unserer arbeit meiste frucht suchen/ wann wir fahren muͤssen lassen/ was alle hilffe von sich stoͤsset. Daher bey dieser neuen pflantzung wahrhafftig grosse gedult und sanfftmuth noͤthig ist. Weil auch sehe/ daß der HErr den lieben Herrn D. Heinrich Muͤllern/ so in dem letzten Jahr sei- nes lebens durch corresponde ntz sein hertz mit mir genau verbunden hat/ vor ei- nen redlichen diener Gottes erkennet/ darvor ich ihn auch billich preise/ so bitte zu erwegen/ daß derselbe biß in seinen todt Arndium aufs hertzlichste und hoͤchste æstimiret, so dann in seinen schrifften und predigten nicht stuͤrmet/ sondern die bittere warheit/ so viel es sich noch hat thun lassen/ mit den gelindesten worten vor- traͤget/ sich aber der jenigen terminorum, die der Herr vermuthlich aus Elia Præ- torio angenommen/ mit fleiß enthaͤlt. Was die von ihm bestraffende tempel goͤtzen anlangt (denn bloß dahin zu sagen/ daß er habe unseren lutherischen gottes- dienst einen goͤtzen dienst genennet/ geschiehet ihm zu viel/ und war er so unbeson- nen nicht) bin ich mit ihm gantz einerley meinung/ und kan ich denselben versichern/ daß ich solche materi e mit gleichem eiffer und oͤffters in meinen predigten und schrifften getrieben habe/ und immer treibe/ ja ich habe gefoͤrcht/ der liebe mann habe solche wahrheit noch allzuforchtsam defendi rt/ wenn er/ daruͤber ange- fochten/ sich darauf beruffen/ er habe nicht vom predigamt/ tauff/ abendmahl und absolution geredet/ sondern von predig- und beichtstul/ tauffstein und altar/ da ich Y y y y davor Das sechste Capitel. davor gehalten/ daß wir getrost sagen moͤgen/ daß auch das predigen selbst/ die tauff/ abendmahl und absolution von denen maulchristen durch das falsche ver- trauen darauff zu goͤtzen gemacht werden/ so ich nicht nur einmahl wiederholet habe; Und also wo es der HErr mit solchem theuern lehrer voͤllig hielte/ wuͤrden wir bald eines sinnes seyn. Wie ich nun bey demselben hiemit mein hertz fuͤr GOtt ausgeschuͤttet/ hoffe ich der Herr habe nicht ursach mich zu beschuldigen/ daß ich an meinem hohen ambt/ grad und tittul/ oder schrifften/ einen narren ge- fressen/ und daß mich an meinem pfauenschwantz vergaffe/ sondern GOtt hat mir die gnade gethan/ daß ich weiß/ was ich nicht bin/ und wo mirs mangle/ daher mich uͤber niemand uͤberheben will/ sondern/ lieber unter andere demuͤthigen/ so auch so gar zu viel zugeschehen mir zuweilen von andern verdacht worden ist. Jndessen hat der HErr dieses nicht vor einen hochmuth zuhalten/ daß ich demsel- ben nicht auff sein Wort/ weil er sich vor einen zeugen der Apostolischen war- heit darstellet/ glaube/ sondern nichts weiter von ihm annehme/ als ich von einem ieglichen andern auch annehme/ so fern er mir die goͤttliche wahrheit zu uͤberzeu- gung des gewissens vorstelt. Daher die vergleichung mit Nicodemo und dem verachteten herumlauffenden JEsu von Nazareth/ von dem die grossen Docto- res lernen solten/ fast invidios ist/ nicht so wohl von der andern seite/ als dessen/ der unserm JEsu sich schier zu nahe vergleichet. Ach/ wehrter bruder/ lasset uns von beyden seiten uns nicht mehr nehmen/ als was uns der HErr selbst gegeben hat. Solte der HErr meine wort/ wie es scheinet/ also deuten wollen/ daß mich seinem bericht und unterricht/ nehmlich als eines/ an dem der Apostolische chata- cter waͤre/ unterworffen/ und dazu erklaͤret hatte/ so ist auch aus denselben zuviel geschlossen/ indem austruͤcklich in den worten stehet/ daß als dann die gantze sache sich aͤndern wuͤrde/ und wir alle demselben anders begegnen muͤsten/ wo er nem- lich seinen Apostolischen character erweisen wuͤrde/ so er nicht allein nicht gethan/ sondern auch sorglich nimmermehr zu erweisen vermag/ daher nochmahl wiederho- le/ daß so wenig von ihm als einigen anderen unterricht anders annehme/ als wir aus GOTTes wort uͤberzeuget werden/ an welches ich mich allein halte/ und so wenig an einigen menschen/ wovor sich derselbe ausgiebet/ gehalten seyn wil/ als ich auch niemand an meine autorit aͤt zu binden verlange/ sondern iedermañ in sei- ner freyheit stehen lasse: indessen stets bereit bin/ was mir vorkommt zu pruͤfen/ und dem jenigen/ von weme es auch kommen moͤchte/ folge zu leisten/ was in sol- cher pruͤfung meines gewissens bestehet. Daß er mich schließlich zu hertzlichem gebet zu meinem JEsu anfrischet/ ist das vornehmste/ so ich in dem schreiben zu danck annehme/ und versichere/ daß mein stetes gebet zu meinem Heyland gewiß- lich nicht um leben und gesundheit/ oder leibliche wolfahrt gehe/ sondern darum/ daß er mir mehr und mehr seinen willen an mich und die jenige/ dazu er mich gesandt hat/ zu erkennen und krafft denselben zu vollbringen/ geben wolle/ also auch DISTINCTIO II. SECTIO XIII. auch ins gesamt/ daß er mich mehr und mehr von mir selbst und allem eigenen aus- lehre/ um mich mit ihm zu erfuͤllen. Erlange ich dieses/ wie ich nicht daran zweiffe- len will/ weil ich ja darinnen nach seinem willen bete/ so bin zufrieden/ was er mir vor fata hie in der welt bestimmet haben mag/ der ich nicht mit worten/ sondern mit hertzen verlange/ daß nicht mein/ sondern/ sein will in/ von und an mir gesche- he. Schließlich die mitgeschickte schrifft oder vielmehr sciagraphiam des wercks von dem Ministerio gefaͤllet mir sehr wohl/ und ist die sache wohl eingetheilet/ wie sie aber ausgefuͤhret/ weiß ich nicht. Jsts auf eine gruͤndliche nachdruͤckliche und dabey modeste art tractiret/ so ists ein werck/ welches wuͤrdig/ daß ich und ande- re so es traͤulich mit Gottes reich meinen/ so viel wir koͤnnen/ die publication befoͤrdern: Solts aber auf Eliaͤ Prætoriani sche art/ und wie ich bißher des HEr- ren stylum gesehen abgefasset seyn/ so hoffe keinen nutzen darvon/ sondern sorge ehe an statt der verminderung/ vermehrung der aͤrgernisse: aufs wenigste koͤnte mich auf keine art und weise dessen theilhafftig machen/ sondern muß es GOTT befehlen. Hiemit hat der Herr die antwort/ so ich unter so viel andern verrichtun- gen/ da ich nicht zu zehlen weiß/ wie offt davon gemuͤst/ verfertiget/ zuweisen/ daß ich meines thuns rechenschafft zu geben nicht scheu trage/ wiewohl weiter und off- ter zuschreiben/ der noch so viel liebe brieffe vor augen liegen habe/ die halbe und gantze Jahr offt auf antwort warten/ nicht stets zeit finden wuͤrde. Jch unter- lasse indessen nicht den HErrn HErrn anzuflehen/ der seine gute intention von allem eigenen reinige/ und ihn nach seinem heil. rath durch seinen Heil. Geist regiere/ auch zu ehren annehme. 18. 20. 21. Jun. 1687. SECTIO XIV. Wegen meiner dretzdischen beruffung/ dabey gefatz- ter vorsatz. Dieser zeit bewandnis. D Je folge meines beruffs selbsten anlangend/ kan ich vergewissern/ daß solche zum einigen grund gehabt weil sich Goͤttlicher finger unwie- dersprechlich geoffenbahret hat/ wie vielleicht auch denselben einige spe- cialia, oder gar die gantze series, wie es mit dem geschaͤfft hergegangen/ bekant seyn werden. Nun wo die Stimme des HErrn erkand wird/ laͤst sich nicht mehr mit fleisch und blut zu rathe gehen/ sondern man muß folgen/ auf den befehl dessen der die herrschafft uͤber uns hat/ und nach seinem willen/ ie nach dem wir seinem beruff folgen oder nicht folgen/ die noͤtige ga- ben entweder geben oder wieder entziehen kan. Wo sonsten aus eigner uͤ- berlegung haͤtte einen entschluß fassen sollen/ wuͤrde es uͤber alle massen schwer Y y y y 2 her- Das sechste Capitel. hergegangen/ oder wol gar dazu zugelangen mir unmoͤglich gewesen seyn/ we- gen der so vielen auf beiden seiten erkanten scrupul. Was zwar das boͤse ge- schrey von dreßden selbst betrifft/ laͤugne nicht/ daß mir solches (wo nur sonsten meiner tuͤchtigkeit eine wahrere uͤberzeugung gehabt haͤrte) vor sich allein nicht wuͤrde die sache allzuschwer gemacht haben/ der ich weiß/ wo wir GOtt die- nen/ so dienen wir ihn in der welt die in dem argen liget/ nur daß die boßheit eines orts groͤber/ am andern subtiler sich findet. Daher ich versichert war/ daß eben derjenige boͤse Geist/ der in den kindern des unglaubens in dreßden kraͤfftig seye/ auch derselbe waͤre/ der in Franckfurt die seinige regierte/ daher ichs mit einem Geist zu thun behalte/ ob wohl unter unterschiedlichen larven. Nach dem wir dann leider insgesamt in einem solchen zustand der kirchen ste- hen/ da wir besorglich wenig gemeinden werden zeigen (wie ich denn keine noch gesehen) da das allermeiste und was auch in die augen faͤllet/ aus wahr- hafftigen Christen bestuͤnde/ sondern wir haben insgesamt einen solchen acker/ auf dem sorglich mehr unkraut als weitzen stehet/ also/ daß wir uns zufrieden geben muͤssen/ wo wir nur noch unter jenen des weitzens gewahr werden/ so ists endlich so grosser unterseheid nicht/ ob ich auf einem stuͤck des ackers mehr disteln und sich weit ausbreitende dornstraͤuche/ auff einem andern mehr un- kraut/ so eben so scheinbar nicht als jene dornen und disteln/ indessen dem weitzen eben so hinderlich ist/ auff einem andern meistens lauter taubes korn/ so sonsten dem weitzen noch am aͤhnlichsten siehet/ in dem doch alles solches eines so wenig als das andre guten weitzen/ und von einem boͤsewicht gesaͤet ist; daß ich deswegen mich wegern solte/ von einer ecke des ackers auff das andere von dem HErrn des- selben mich sencken zu lassen. Es bestehet unser amt ohne dem in nichts anders/ als in der predigt der Buß und des Evangelii/ und muͤssen wir trachten/ durch solchen guten saamen auch zwischen dem unkraut eine gute saat auffzubringen/ und zu wehren/ daß sie nicht von dem unkraut gar ersticket werde/ so dann fleiß anzukehren/ ob von den unkraut/ welches art wir es an unsrer eck finden/ durch Goͤttliche krafft des worts einiges in guten weitzen verwandelt werden moͤchte. Welches dem HErrn bey einer art unkraut so wohl als bey dem andern/ uns a- ber bey keinem vor uns selbst/ muͤglich ist. Jn dieser betrachtung gewaͤhne ich mich viel mehr allein darauff zu sehen/ wohin mich der HErr haben wolle/ als wie gut oder schlim ich die leute antreffen werde: es ist ohne das jetzt nicht so wol die muͤgligkeit/ die gantze kirchen in den ietzigen zeiten der gerichte zu recht zu brin- gen/ als vielmehr unser hauptwerck und absicht in der kirchen und grosse versam- lungen kleine kirchlein dem HErrn zu sammlen und an den wenigen haͤufflein/ so unter dem grossen noch erhalten wird uns endlich zuvergnuͤgen. Daher auch mir nichts grosses bey meiner ankunfft vorgenommen aber viele aͤngstliche uͤber- legungen gemacht/ was ich ausrichten wuͤrde oder nicht/ sondern mir dieses allein DISTINCTIO II. SECTIO XIV. allein zur regel gesetzt/ ich wolle nach allem vermoͤgen/ das der HERR geben werde/ arbeiten/ nach dem maaß des Geistes hertzlich beten/ was ihm beliebig seyn moͤchte/ uͤber mich zuverhaͤngen/ in seinem gehorsam leiden/ in gedult/ ich sehe die frucht oder sehe sie nicht/ ausharren/ und dabey die zeit und maaß sei- nes seegens in kindlicher gelassenheit erwarten. Von dieser regel werck mit wil- len nicht abweichen/ dabey mich versehe/ der HErr werde seines armen kindes arbeit nicht eben allerdings ohne seegen lassen/ so vielmehr nach dem so viel gottseeliche Bruͤder an allen orten von dem HErrn mit liebe gegen mich genei- get/ vor mich inbruͤnstig beten/ welcher gedancken mich gewiß gewaltig staͤrcket. Was ferner mein werther Bruder/ von seiner kirchen zustand schreibet/ ob es wohl weder nach seinem noch meinem wunsch annoch ist/ freuet mich gleichwohl mehr als michs betruͤbet. Denn ob das gute/ was man treibet/ nicht so von statten gehen will/ wie wir verlangten/ soll uns dennoch freuen/ wann uns nur der HErr den willen des guten eingiebet/ nach welchen wir uns auffs wenigste immer weiter zu gehen bestreben/ und ob es langsame schritte giebet/ auch man/ wie auff schluͤpffrigen weg nichts ungemeines ist/ zuweilen wieder willen fast zu- ruͤcke glizschet/ gleichwohl bald da bald dort einen tritt weiter geruͤckt wird. So ich zwar nicht deswegen sage/ uns traͤg zumachen/ ob laͤge uns nicht ob/ nach allem vermoͤgen/ das der HErr giebt/ in der arbeit ungesaͤumt fortzufahren/ sondern nur unsere schichterne gemuͤther auffzumuntern wenn dieselbe gantz durch das ansehen des elenden fortgangs niedergeschlagen werden: daß wir gedencken/ es seyen itzt die zeiten/ da fast zu dem gebaͤhren bey allen wehen sich wenig krafft finde/ und GOtt ein grosses seines Seegens wegen der gemeinen undanckbar- keit zuruͤck gezogen habe: Jn welche zeiten wir uns gleichwohl so wohl als in an- dere geduldig zuschicken/ und uns dem obersten willen mit demuth zuunterwerf- fen haben. Jndessen hat mein vielgeliebter Bruder noch vor so vielen andern diese gluͤckseligkeit/ daß es der hohen Herrschafft nicht an liebe zu dem goͤttlichen wort und eiffer in befoͤrderung des guten manglet/ als die vielmehr selbst auff alle muͤgliche weise mit hand anzulegen geneigt ist: welches derselbe vor dem HErrn billich mit demuͤtiger danckbarkeit zuerkennen/ sich dadurch auffmun- tern zulassen/ und daß es nicht ohne segen bleiben koͤnne/ gewiß zu glauben hat. Nun der HERR erfuͤlle solche unsre hoffnung/ und mache uns alle mehr und mehr bereit seinen willen zuerkennen/ und zu werck zurichten. 8. Jul. 1687. Y y y y 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XV. Auffmunterung an eine christliche freundin in Franckfurt zu ernstlicher fortfahrung in dem guten. J Ch habe gleichwohl einige zeilen an sie abgehen lassen wollen/ damit sie eine neue erinnerung habe/ der bey mir unverruckt gegen sie und uͤbrige/ welche ich in CHristo sonders habe kennen lernen/ fortwaͤhrender liebe/ und auch dadurch meiner vor GOtt desto inbruͤnstiger zugedencken (welcherley vorbitte ich von so viel mehrern noͤtig habe/ als wichtigere stelle ietzo bekleide) aufgemuntert werde. Mich solte auch hertzlich erfreuen/ und eine dancksagung gegen GOTT wircken/ wann ich durch sie selbst oder andere oͤffters deren ver- sichert werden solte/ daß sie in den wegen des HErrn unablaͤßig und unermuͤ- det fortfahre/ auch daher staͤts so wohl immermehr von dem/ was die welt angehet/ sich und die ihrige nach vermoͤgen reinige/ als hingegen an dem in- nern menschen in Goͤttlicher krafft zunehme. Welches so viel mehr mich zu ihr versehe/ weil sie einmahl erka n ndt/ hat/ woran uns allein alles gelegen/ und also was unserer wahrhafftigen sorge und angelegenheit wuͤrdig oder nicht wuͤr- dig sey: so dann/ wie hohe noht itzt sey/ daß wir in dem licht treulich wandeln/ so lange wir es noch haben/ weil die stunde der finsternis nahe seyn mag/ da- mit sie uns nicht uͤberfalle/ und alsdann zu spaͤt sey/ sich auf die bevorstehende versuchungen zuschicken/ was vorher hat geschehen sollen. Ach ja/ daß die- ses uns nimmer von unsern augen/ oder vielmehr hertzen wegkomme/ wie wir ietzt die zeit der gnaͤdigen heimsuchung haben/ die wir deswegen auch erken- nen/ und uns derselben gemaͤß mit annehmung Goͤttlicher gnade bezeugen muͤs- sen/ wollen wir nicht unsere verseumnis dermaleins alzuspaͤt bereuen: sonderlich das wir bedencken/ es gelte vor GOTT nicht ein eusserlicher Christ/ der sich der eusserlichen anhoͤrung des worts und gebrauchs der Sacramenten ruͤhme/ sondern der inwendig ein Christ sey/ und jenen goͤttlichen mitteln ihre krafft in sich gelassen hatte/ daß nicht eine menschliche unfruchtbahre einbildung den verstand nur eingenommen/ sondern das Goͤttliche licht des glaubens von oben her aus dem wort unsere hertzen erleuchtet/ und also dieser seinen JEsum mit allen sei- nen guͤtern wahrhafftig ergriffen/ aber auch damit unsere gantze art/ sinn und gemuͤth geaͤndert habe/ daß wir nicht mehr die jenige seind/ die wir von der al- ten natur gewesen/ sondern der neuen und Goͤttlichen natur in uns gewisse zeug- nissen aus ihren fruͤchten/ nach denen wir uns stets zu pruͤffen/ in uns befinden. Dann gewißlich/ wo wir in den ofen der truͤbsalen bald werden geworffen wer- DISTINCTIO II. SECTIO XV. werden muͤssen/ duͤrffte es ein solches scharffes feuer seyn/ in welchem alles bloß menschliche verrauchet/ und nur allein uͤbrig bleiben wird/ was das warhafftig Goͤttliche in uns gewesen. Hierauf lasset uns uns gefasset machen/ nicht ruhen/ biß wir dessen uͤberzeugung haben/ und uns untereinander dazu christlich auffmuntern. Meiner in dem HERRN wehrten freundin traue ich die- ses hertzlich zu/ sie werde in solcher uͤbung nicht traͤge gewefen/ vielwe- niger zuruͤcke gegangen seyn/ sondern sich angelegen seyn lassen haben/ sich von aller befleckung des fleisches und des Geistes mehr und mehr zu reinigen/ ihr hauß Goͤttlich zu regieren/ damit sie die anvertraute seelen zu dem HErrn fuͤhre/ und auch andere gute freunde neben sich so mit exem- pel/ als auf andere muͤgliche weise zum rechtschaffenen wesen/ das in Christo/ anzufrischen. Wie sie dann auch nach der liebe/ die wir unter einander in un- serm allerliebstem Heylande haben sollen/ dazu durch diese wenige zeilen hertzlich erinnert haben will. Jch ruffe den himmlischen Vater/ von dem als dem Vater des lichts alle gute und alle vollkommene gaben herkommen/ uͤber sie de- muͤthiglich an/ daß er das gute werck in ihr angefangen vollfuͤhre auf den tag JEsu Christi/ der ihre liebe iemehr und mehr reich werden lasse in allerley erkaͤntniß und ersahrung/ daß sie pruͤfen moͤge was das beste sey/ umb lauter und unanstoͤßig erfuͤllet zu werden mit fruͤchten der gerechtigkeit/ die durch ih- ren Heyland in ihr geschehen zur ehre und lobe GOTTes. Er gebe ihr die weißheit/ die von ihm ist/ mit den ihrigen und andern ausser dem hause also umzugehen/ wie es deren wahren wolfahrt noͤthig/ weder etwas furchtsam zu- versaͤumen/ noch unvorsichtig zuverderben: Er schencke ihr alle die seelen der ihrigen/ und segne ihre treu/ und christlichen umgang an denselbigen zu allem geistlichem bestem/ sich von der welt und derselben so offenbahren/ als subtile- ren stricken loß zu reissen: Er erfuͤlle sie sonderlich mit dem Geist der gnaden und des gebets/ daß sie ihr/ und der ihrigen anliegen allezeit vor seinem ange- sicht also ausschuͤtten moͤge/ daß sie gnaͤdige erhoͤrung erlange: Er ruͤste sie auch in ihrem stande mit noͤthiger sanfftmuth/ gedult und langmuht aus/ ohne welche wir das gute kraͤfftig und bestaͤndig zu vollbringen nicht vermoͤgen: in summa, er mache sieihm gefaͤllig in zeit und ewigkeit. 30. Aug. 1687. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XVI. Sonderlinge. Was vom Pabst zu sorgen. Ke- tzermacher begierde. D Aß er/ ein sonderling heist/ wundert mich nicht/ als welcher nahme von guter zeit fast der gemeine nahme der jenigen ist/ welche nicht in der ge- woͤhnlichen schlaͤffrigkeit mit den grossen hauffen fortfahren wollen: wie ich nun sonsten die absonderung einiger von dem jenigen/ was auch noch bey den gemeinden gut ist/ nicht liebe oder lobe/ so wuͤnschte ich je mehr und mehr die absonderung aller derer/ die es mit GOTT treu meinen in ihrem amt und ge- meinem Christenthum/ von demjenigen/ was in beyden von guter zeit traͤgheit und sicherheit aufgebracht/ oder vielmehr das rechtschaffne wesen verdorben hat. Solcher sonderlinge verlangte ich gern eine grosse anzahl. Das Prognosti- con, wie der Papst unter denen/ die nicht mit einander/ da sie einer kirchen glie- der seyn und heissen wollen/ sich vereinigen koͤnnen/ endlich friede machen doͤrff- te/ wird gewiß erfuͤllet werden/ und habe ichs auch offt selbs gefuͤhret: es doͤrffte aber ein solcher friede seyn/ wie man einiger orten zwey wiederwaͤrtige Eheleute in ein gefaͤngnis zusammen schleust/ daß sie endlich mit einen loͤffel essen sollen/ oder wo sonsten das gemeine elend die vorige zwisten aufheben muß/ dabey gleichwol wenig trost noch segen ist. Also auch freuet mich hertzlich/ was von NN. zu melden beliebet hat/ so wohl insgemein/ betreffende seinen wachsenden eiffer in treibung des wahren Christenthums/ als absonderlich der recommen- direnden sanfftmuth und gelindigkeit gegen die jenigen/ welche entweder wahr- hafftig in irrthum stecken/ oder doch unschuldig dessen beschuldiget werden. Ge- wißlich diese unart/ welche sich bey vielen findet/ daß sie so gern ketzer machen/ und meinen/ darinnen bestehe ihr eyffer vor die beybehaltung der reinen warheit (die an sich freylich eine gefahr ist/ daran wir allen fleiß anwenden sollen) wo sie anderer ihre wort mißdeuten/ und aus jeglichem erzwungene folgen machen/ an die die Autores nicht gedacht haben/ ist eine unsrer zeit so gemeine als gefaͤhrliche seuche/ daß sie fast morbum Epidemium Ecclesiæ nennen solte: wolte GOtt/ es thaͤte aber dieselbe nicht so viel schaden/ wie sie thut/ durch schweres aͤrgerniß nicht nur der gantz schwachen/ die endlich fast nicht mehr wissen/ wohin sie sich wen- den sollen/ sondern auch der mehr erfahrnen/ welche sich hefftig stossen/ wo dieleh- rer/ derer Goͤttliche warheit sie erkennen/ wegen dieser oder jener formul/ so nicht eben in allen compendiis gestanden/ oder unter die gewoͤhnliche kunst worte ge- meiniglich auffgenommen worden/ als falsch oder verdaͤchtig angegriffen wer- den/ so dann durch hindernisse solcher leute/ welche theils aus furcht/ andern un- ter die zaͤhne zugerathen/ manches unterlassen/ so sie sonsten in dem gebrauch ih- rer DISTINCTIO II. SECTIO XVII. rer gaben zu GOttes ehre gleich wie freyer also auch nutzbarer verrichten wuͤrden/ theils durch abgenoͤtigte rettungen von andern nuͤtzlichern verrichtungen sehr ge- hindert/ theils endlich ihre schrifften und arbeiten andern verdaͤchtig gemacht werden/ daraus nicht fehlen kan/ daß sie alßdenn auch weniger damit ausrich- ten. Jch zweiffle aber nicht/ daß der HErr dermaleins von solchen unzeitigen ketzermachern eine schwere rechenschafft uͤber alles solches von ihnen verursachte boͤses und gehinderten gutes fordern werde. Hingegen haben wir alle/ die es treulich mit der kirchen und dero besten meinen/ als mit einem munde dieses uͤ- bel zubeklagen/ und das ihm doch endlich gesteuret wuͤrde/ als viel an uns lege zubearbeiten. So ist das von NN. gefuͤhrte argument in solcher sache recht kraͤfftig/ in dem gewißlich der streit von dem goͤtzen-opffer zu den zeiten des H. Apostels wohl wichtiger gewesen/ als viele von den jenigen/ da man nur umb ein oder ander worts willen einander verketzern will/ und das band des friedens un- verantwortlich zerreist. Der HErr sehe mit gnaden endlich drein/ reinige un- sern orden auch von solchem gefaͤhrlichen uͤbelstand/ und lasse unsers geliebten NN. meines alten werthen freundes/ und aller gleichgesinneter/ verlangen auch in dem stuͤck erfuͤllet/ in uͤbrigen aber auch alle seine arbeit stets richtig gesegnet werden. 18. Sept. 1687. SECTIO XVII. Was gegen irrige lehren/ sonderlich der Qvackecker zuthun. Daß derselben irgends unrecht gethan. Daß ei- nige solcher lehr wegen in verdacht gezogene derselben un- schuldig halte. Die bekehrung der Juden. Nicht alle weis- sagungen noch erfuͤllet. Wichtigkeit solcher lehr. G Leichwie daß geliebter bruder sein hertz dermassen offenbahr bey mir aus- geschuͤttet hat/ mir gantz angenehm gewesen/ und solches so gar keinen un- willen bey mir erwecket/ daß vielmehr mich zu schuldigem danck davor verbunden erkenne/ also versehe mich auch/ daß gleichfals mir nicht verdacht wer- de werden/ da ich dergleichen auch freymuͤthig gegen einen lieben freund thue/ und ob wir in dem particularibus und der hypothesi nicht einig seynd/ gnug zu aller bruͤderlichen freundschafft und deroselben fortsetzung erkannt werde werden/ daß wir in thesi eines sind. Es bleibet unter uns beyden ausgemacht 1. daß man bey der hergebrachten Evangelischen wahrheit verbleiben/ dieselbe auff die nachfolger auch treulich fortpflantzen/ und also iederman dazu unterrichten/ darin bestaͤr- cken/ und zu solcher erkaͤndtniß zu bringen trachten solle 2. daß man auch den irr- Z z z z thuͤmen Das sechste Capitel. thuͤmen widersprechen/ deroselben fortpflantzung durch geistliche mittel (was den weltlichen arm anlangt/ bekenne einem guten freund gern/ daß ich von ziemlichen Jahren nicht mehr in der meinung seye/ daß weltliche obrigkeit/ weil die herrschafft uͤber das gewissen/ ihr nicht zukommt/ viele macht darin habe/ und bleibe nun- mehr bey dem jenigen/ was ich ohne beysetzung meines nahmens in einem beden- cken/ von der pflicht der Obrigkeit/ welche anderer religion unterthanen hat/ hoffentlich gruͤndlich gezeiget habe/ und sehr nothwendig achte/ in solcher materie behutsam zugehen/ daß wir nicht principia statuiren, darin mich selbst vorhin versehen habe/ welche den Papisten gegen uns auf gefaͤhrliche weise zu stat- ten kommen) widerstehen/ und nach moͤglichkeit die irrende zu recht zubringen trachten solle. 3. liebe ich die wohlfahrt unsrer wehrten Franckfurtischen kirchen mit demselben so hertzlich/ als da ich daselbst gewesen bin. Jn diesen puncten werden wir eins seyn/ ob wir dann in den stuͤcken nicht einerley gedancken fuͤhren. 1. Daß auch in widerlegung der offenbahren irrthuͤme solcher ernst gebraucht werden solle/ daß die zuhoͤrer in der dabey noch spuͤhrenden sanfftmuth gegen die personen das principium, woraus die bestraffung herkomme/ nehmlich eine er- barmende und mit keiner bitterkeit vermischte liebe/ deutlich warnehmen koͤnne. 2. Daß welche sich nicht offenbahrlich von uns trennen/ mit sreundlichkeit mehr bey zubehalten/ als mit haͤrtigkeit zur trennung ihnen mehr anlaß zu geben. 3. Daß die gefahr ihrer liben kirchen in diesem stuͤck nicht so groß seye/ als sie angesehen wird/ wo man mit sanffmuͤtiger klugheit die sache fuͤhret; so halten uns gleich- wohl jene allgemeine stuͤcke gnugsam zusammen/ und wird der Herr etwa noch gnade geben/ daß wir auch mehr und mehr in diesen zu einerley sinn kommen moͤ- gen. Daß wehrter bruder gegen die Qvackerische lehr eiffere und mit nach- truck offentlich widerlege/ halt ich an und vor sich selbst nicht unrecht/ sondern ab- solute zu reden nothwendig. Wiewohl wie noͤthig zu dieser zeit und an solchem ort dieses itzt gewesen/ kan ich nicht beurtheilen/ sondern geliebter bruder wird selbs die umstaͤnde wargenommen haben: Meine reguln sind die folgende: so lange eine sache unter wenigen ist/ finde ich nicht rathsam/ daß publice davon/ sonderlich mit einer mehrern angelegenheit/ als insgemein/ getrieben werde. Die ursach ist diese/ weil eine dergleichen offentlich anstellende refutation die leute nur rege macht/ daß deswegen auch diejenige/ so nimmermehr sonst daran gedacht/ begierig werden/ von solchen irrthumen etwas zu wissen/ und solcherley buͤcher zu lesen/ da dann sehr dahin stehet/ ob solcher fuͤrwitz nachmahl ihrer mehrern eher gelegenheit zur verfuͤhrung gebe/ als andere dadurch verwahret werden: Wie mir ein christlicher und verstaͤndiger mann erzehlt/ daß in einer beruhmten reichs- stadt/ als etzliche personen Jacob Boͤhmens schrifften hatten/ und das ministeri- um auf den cantzeln hefftig darauff zu predigen anfinge/ eine grosse anzahl der leute erst darnach luͤstern worden/ und solche schrifften aufs eifferigste gesucht und gele- DISTINCTIO II. SECTIO XVII. gelesen worden seyen/ nicht bey allen mit gleichem Succeß: W o aber eine sache/ irrthum/ buch bereits unter vielen bekandt worden/ daß man also in der stille nicht mehr gnug wehren kan/ da will denn freylich offentliche widerlegung noͤthig seyn. Sonsten in jenem fall moͤchte es offt heissen/ wie jener Historicus sagt/ Apud qvosdam plus proficit ignoratio vitiorum qvam notitia virtutis. Wo auch ferner derselbe nuͤtzlich findet/ dagegen zu schreiben/ will ichs auch nicht unbillichen/ als der ich selbs gewuͤnschet/ daß ein so gelehrter als gottseliger und in der schrifft maͤchtiger Theologus sich an solche materie machte; indem meines und anderer erachtens der liebe Herr D. Reiser besorglich noch nicht gnug gethan hat. Jch versihe mich aber/ daß es mit aller Modestia geschehe/ wie Herr D. Baͤyer zu Jena sich sehr bescheiden gewiesen/ und damit vielen treflich gefallen hat/ daß eine mehrere continuation immerdar gewuͤnschet wird; so dann das sonderlich fleis- sig/ was die eigentliche wirckungen GOttes in dem hertzen/ dessen erleuchtung/ trieb/ zeugniß und anders dergleichen seye/ gezeiget/ selbst gebilliget/ und von dem/ wie j ene die sache darnach weiter treiben/ und sich darinne verstossen/ unterschle- den werde. Welche art zu widerlegen so viel nachdruͤcklicher ist/ wo ein leser sihet/ was man auch zugiebt/ und hingegen/ was man von gegentheils zusaͤtzen ver- wirfft. Jm uͤbrigen was geliebter bruder mit mehrerem uͤber viele puncten der christlichen religion anfuͤhret/ worin ihre lehre bestehe/ bekenne ich gern/ daß davon nicht urtheilen koͤnne/ weil ich Barclaium nicht gantz/ ja schwehrlich meines besin- nens ein paar bogen nach einander/ gelesen/ auch wuͤrcklich das buch weder latei- nisch noch teutsch/ nachdem ich dieses Herr NN. auf sein begehren uͤberlassen/ in meiner gewalt/ sondern wo ich etwas aufzuschlagen gehabt/ von einem andern das lateinische gelehnet habe: wo aber seine meinung recht also gefasset seyn solte/ kommet mir sonderlich unterschiedliches schrecklich vor. Jndessen was mein ju- dicium von den Qvackern in der Gottes gelehrigkeit p. 36, anlangt/ traute ich mir/ was den einigen punct anlangt/ daß sie alle uͤbrige religionen uͤber einen hauffen verdammen/ nicht mehr wohl zu bestehen. Jndem der D. Kohlhaß/ so der einige qvacker/ welchen ich mein lebenlang gesehen und gesprochen/ als er nicht lang nach der edition des tractaͤtleins mir zusprach/ mich freundlich daruͤber erinnerte/ daß ich ihnen darin zu viele thaͤte/ und versicherte/ sie verdammeten nicht alle ausser ihrer versammlung/ sondern erkenneten auch unter andern secten kinder Gottes zu seyn/ die demselben treulich dieneten: Da ich hingegen jenes aus ver- trauen auf das schreiben eines guten freundes/ so mir solches aus Engelland be- richtet/ also gesetzet hatte; hingegen wider ihre eigene bekaͤndtniß sie itzt gleicher- massen weiter nicht beschuldigen koͤnte. Was aber die in NN. beschuldigte oder verdaͤchtige personen anlangt/ laͤugne ich nicht/ daß ich sie durchaus derselben ke- tzerey nicht verdaͤchtig halten kan: Jch kan versichern/ daß der jenige/ welchen ge- liebter Bruder ihren professorem genennet/ selbst gegen mich unterschiedliches Z z z z 2 der Das sechste Capitel. der Qvacker thun mißbillichet/ und einmahl gesag:/ wie die beyde/ die Socinla- ner und Qvacker/ einander e diametro entgegen stuͤnden/ deren jene nichts im geringsten anders als literam scripturæ cum ratione erkenneten/ und von keiner illuminatione interna, die dazu noͤthig waͤre/ wissen wolten/ diese hingegen alles allein auf diese setzten/ das es schiene/ GOtt werde solche sich untereinander durch- beissen lassen/ daß es zu dem rechten medio von den extremis komme. So kan ich wahrhafftig sagen/ daß ich die angefuͤhrte irrige meinungen von einem an- dern Christo/ als der GOtt und mensch/ und unser Heyland ist/ hingegen auch wahrhafftig in seinen glaͤubigen wohnet/ und dergleichen nimmermehr von ie- mand unter ihnen gehoͤrt/ da man doch gegen mich als viel andere freyer heraus gangen. Ja eben oben erwehnter freund hat einmahl von der ewigen GOttheit JEsu Christi/ wie er aus dem Vater geboren seye/ statlich gegen mich geredet: so weiß auch/ als ihm ein anderer christlicher freund unsere lehr von der rechtferti- gung/ nicht wie sie von dem grossen hauffen mißverstanden wird/ sondern eigent- lich von uns gemeinet ist/ ausfuͤhrlich erklaͤhret hatte/ daß er sich darauf bedacht/ und den andern tag wieder zu ihm gekommen/ und bezeuget/ daß er nichts dagegen habe. Deswegen mich noch nicht genug beweget/ daß sie Barclaii buch recom- mendiren solten/ welches ich gleichwohl niemahl von ihnen gehoͤret habe: in- dem nicht weiß/ wieweit sie solches recommendir en, und ob sie vielleicht ein und anders darinnen nutzlich achten/ da sie hingegen mit andern darinnen auch nicht einstimmig seyn wuͤrden. Wie wir auch Taulerum recommendir en, und son- derlich jener denselben vor allen andern buͤchern immer gepreiset hat/ da wir doch beyderseits ziemlich viel paͤbstliches in dem guten mann nicht loben. Aufs wenigste wo den Qvackern eine geringhaltung und hindarisetzung der schrifft zu- kommen solte/ meine ich/ dieselbige (sie muͤsten dann in ein paar Jahren sich gantz umgekehret haben) davon bloß frey sprechen zukoͤnnen/ und wuͤste ich mein lebe tag keine leute gekandt zu haben/ die sich so gantz sine exceptione an die schrifft allein verbunden/ und uͤber nichts mehr geeiffert/ als wo das geringste derselben zugesetzt wuͤrde: Ja eben deswegen achten sie anderer confession en, catechismorum und schrifften nicht/ weil sie allein bey jenem buchstaben bleiben wollen. Herr NN. anlangend/ halte ihn so gar der aus Barclaio angezogener lehren nicht schuldig/ daß ich weiß/ dem lieben Mann mangle es vielmehr allein in einigen puncten an der festigkeit unserer lehr/ da er gern verlangte/ eine voͤllige deroselben versicherung bey sich zuhaben/ als daß er auf jenen sich fest zusetzen verlangte. Und wie gut ers mit unserer kirche meine/ hoffe/ daß auch das neulichste weisen moͤge/ wie hertz- lich er sich angelegen lassen/ damit die kirche zu NN. mit einem rechtschaffenen Theolog en versehen werden moͤge/ da er dann in beyder nach einander da ge- standenen treuen lehrer vocations sache viele arbeit gethan/ ja unter menschen in der letzten als viel mir wissend die meiste ursach ist. So finde ich auch Hr. NN. DISTINCTIO II. SECTIO XVII. NN. nicht dermassen/ daß er mit solchem argwohn zu beladen seye/ hoffe auch sei- ne glaubens genossen sonderlich Hr. NN. werde anders von ihm urtheilen. Jns- gesamt halte es vor ein stuͤck meiner christlichen pflicht/ ohne die gewisseste gruͤnde niemand/ sonderlich mit solchen schwehren beschuldigungen zu belegen. Dieses ist meine meinung/ zu dero ich zwar so wenig iemand anders zu noͤthigen mir macht nehmen/ als mir auch anders von andern zuhalten aufbuͤrden liesse. Der HErr regiere uns allerseits/ weder um der wahrheit willen/ die liebe/ noch um der liebe willen/ die wahrheit zu verletzen/ sondern nach dieser doppelten Regul uns allezeit zu richten. Was ferner meines wehrtesten bruders freundliche contestationes gegen mich anlangt/ waͤren solche nicht noͤthig gewesen/ als der ich dessen gegen mich liebreich gesinnet gemuͤth von der ersten zeit an genugsam erkandt/ auch noch biß daher daran zu zweiffelen keine ursach gehabt/ oder einiges dessen wort auf die- se weiß angenommen: Hingegen demselben billich seine freyheit in ieglichem din- ge nach seinem gewissen gelassen/ wie mir auch von allen mitbruͤdern/ ein gleiches bedinge. Also in der materie von der bekehrung der Juden/ kan ich an ande- ren wohl tragen/ da sie darin dasjenige nicht erkennen/ darvon ich dannoch mich versichert glaube/ nur daß mich umb der gemeinde willen/ so irre zu werden ge- sorgt betruͤbet haͤtte/ wann es so gewesen waͤre/ wie ich war berichtet worden (da aber gern und mit freuden bessern bericht daß solches nicht geschehen/ angenom- men habe) und ich mir gleichfals mein freyheit auch behalte. An dem Loco Matth. 23/39. erkenne solche selbst nicht gegruͤndet/ ob wohl unser Lutherus solche meinung hat: Sehe aber auch aus dem uͤberschriebenen/ daß es eben diese mei- nung und nicht um die sache selbst sondern solches orts verstand zuthun gewesen seyn muͤste/ da mir (wo mir recht ist/ so bald in dem ersten Jahr) von gel. Hr. Col- lega war referirt worden/ daß er auf Stephani tag dagegen geprediget/ ich hielte es aber nicht wichtig/ mit demselben deswegen zureden/ oder daruͤber zu befragen/ damit es nicht das ansehen gewinne/ ich beschwehrte mich daruͤber/ und wolte an- deren die geziemende freyheit neben mir nicht lassen/ welches allezeit wider meine art ist/ daß ich bey mir und allen andern die freyheit so viel mit unverletztem gewis- sen geschehen kan/ uͤber alles andere liebe. So bekenne auch/ daß vor weilen die- se meinung von der Juden bekehrung/ und derer fast daran haͤngender besserung der gesamten kirche/ nicht gehabt habe/ als der ich ohne weiteren nachbedacht mei- nem S. Præceptori D. Dannhauer gefolget war/ daher es wohl seyn mag/ daß ich an den Hertzog von Gotha in den ersten Jahren schreibend/ von den letzten zei- ten andere gedancken und wenig hoffnung gehabt habe. Hingegen habe es meinem seligen Collegis Hr. Grambsen und Hr. Emmeln (so viel mich erinnere) vor- nehmlich zu dancken/ welche mir dazu anleitung gegeben/ biß darinnen mich mehr und mehr also befestiget habe/ daß nicht leugne/ ein grosses itzo darauf zusetzen/ daß solche sache auch nim̃ermehr fahren lassen koͤnte; also daß mir mit hinfallung dersel- Z z z z 3 ben Das sechste Capitel. ben die gewißheit des gantzen Goͤttlichen worts/ so ferne seye/ zugleich mit hinfallen muͤste. Hingegen kan an dem mir angenehmen Arndtio auch gantz wohl tragen/ daß er anderst davor gehalten/ und wuͤrde von ihm auch wohl haͤrtere terminos ohne unwillen vortragen/ ob zwar auch nicht in abrede bin/ daß mir sein suffragi- um, da ihn GOtt auch dazu gefuͤhret/ wuͤrde angenehm gewesen seyn. Hie muß es nur heissen/ ἕκαστος ἐν τῶ ἰδίῳ νοῒ πληρο ορείσϑω. wegen Jurieu buch wird sich geliebter bruder errinneren/ daß mir vieles/ aber nicht alles/ darinnen gefallen/ was aber den punct anlangt/ ob alles erfuͤllet seye/ oder nicht/ was in den Propheten stehet/ bin ich nicht in abrede daß ich der negativæ so fest anhange/ daß ich davor halte/ ein kluger Mann/ welcher aber die authorit aͤt der schrifft sonsten nicht hoch hielte/ solte in seinem atheismo kaum kraͤfftiger bekraͤfftiget/ und die schrifft einer vanitet zu beschuldigen/ verleitet werden/ als wo er von vielen orten der schrifft hoͤ- ret/ die man sagen will/ daß sie schon erfuͤllet seyn/ da man so viele arbeit offt brau- chen muß/ eine solche erfuͤllung zuzeigen/ und man nach allem angewendeten fleiß doch kaum siehet/ worin die erfuͤllung stecken solle/ da dannoch wie die weissagun- gen dunckel sind/ hingegen die erfuͤllung ein solches licht/ und nicht eben so dunckel wider seyn muß. Ja ich dencke offt daran/ daß eben dieses die Juden auch gegen uns desto mehr verstockt/ da wir unterschiedliche prophezeyungen als bereits erfuͤl- let erklaͤhren/ wo sie gewiß sehen/ daß unsere vorgebende erfuͤllung/ der vortreflich- keit der verheissung bey weitem nicht gleich komme. Wie mich also versichert hal- te/ daß die Propheten/ so von dem reich Christi reden/ offt auf das gantze neue te- stament gehen/ so wolte ja nicht gern/ daß alles was sie geschrieben/ allein in den an- fang desselben eingeschrenckt wuͤrde/ sondern glaube/ daß etwa vielmehr ihrer wort auf die folgende/ auch itzige/ und letzte zeiten sehen/ ob ich wohl bekenne/ daß mein pfund sich so weit nicht erstrecke/ sondern es mir gehet wie einem/ der eine sache von weitem siehet/ der aber wol warnim̃et/ es seye dieses und jenes nicht/ aber doch auch nicht was es sey recht unterscheiden kan. Also sehe manches/ daß es eben dasjenige nicht seyn koͤnne/ was etwa man offt als eine bereits geschehene erfuͤllung angeben will/ ob ich wol die rechte wahre erklaͤrung zugeben auch nicht vermoͤgend bin. Nun der Herr oͤffne uns allen mehr und mehr die augen in seinem wort/ dessen reichthum immer weiter und tieffer einzusehen/ zu seinem so viel mehrern preiß. 10. Oct. 1687. SECTIO XVIII. Uber ( Dan. Kleschii ) tractat de Bestia bicorni die der Koͤnig in Franckreich seyn solle. Sandhagens ga- be in Propheticis. Ungrische gefahr. E S ist mir vergangene woche zwey tage nach einander Herr D. Pfeif- fers paqvetlein/ so dann dessen eigenes wohl zuhanden kommen/ und ob zwar DISTINCTIO II. SECTIO XVIII. zwar bekenne/ daß sonsten gemeiniglich in den etlichen ersten wochen zu antwor- ten nicht wohl zeit finde/ habe ich doch gleichwohl diese sache nicht laͤnger ver- schieben sollen/ nach dem ich nothwendig gefunden/ den inschluß wiedrum zuruͤck zusenden: dessen ursach diese ist/ nicht nur/ weil ich ohne das schwerlich einem guten freund etwas bey hiesigen buchfuͤhrern zum verlag unter zubringen ge- trauete/ sondern weil ich nicht in abrede seyn kan/ daß mir deß Hr. Superint. meinung de bestia bicorni, in denselben der Koͤnig in Franckreich zu suchen/ kein gnuͤge gethan/ der mich wie auch viel andere freunde/ welche dieselbe vor mehrern Monaten gelesen/ dessen uͤberzeuget/ daß wir deswegen von unsrer fast gemeinsten erklaͤhrung/ den Papst mit seiner Roͤmischen Clerisey darinnen zusu- chen/ abzuweichen haͤtten. Hiemit schmeichle ich dem Koͤnige in Franckreich nicht/ noch mache seine grausamkeit geringe/ vielmehr nachdem mein Bruder sein politisches amt in dem Elsaß um der Franzosen willen verlassen muͤssen/ der andre/ ein prediger/ schon einen papistischen pfaffen neben sich stehen hat/ auch mein leiblicher Schwager ein Superintendens bereits zum viertenmahl von Franckreich seiner amts-treue wegen gefangen gelegt worden/ solte ich einen so viel hefftigern Eyfer gegen solchen Koͤnig haben. Aber indessen erkenne ich ihn doch nicht vor solches zweyhoͤrnigte thier/ vielweniger traue der erklaͤhrung wegen der 3. Engel (von welchen sonsten hertzlich gerne/ was hier versprochen wird/ der kir- chen goͤnnete und wuͤnschte) glauben beyzulegen/ als wozu mich/ was bißher al- le solche muthmassungen zubestaͤrcken angefuͤhret worden/ viel zu schwach und nicht zulaͤnglich zu seyn deucht. Jedennoch wie ich mir meine gedancken uͤber ein und andern ort der schrifft/ alsfern wieder die analogiam fidei nicht gefehlet wird/ freygelassen zuwerden mit recht fordere/ als kan ich auch andern Mitbruͤdern nicht verwehren/ daß sie sich auch ihrer freyheit gebrauchen/ daher ich auch meinen Hr. Superint. nicht zuwehren habe/ da er in dieser persvasion stehet/ seinen sinn andern vorzustellen/ (ob ich zwar deñoch billich bitte/ die sache noch weiter zuuͤberlegen/ wie gegruͤndet sie seye/ und nichts in dergleichen dingen zu præcipitir en/ was in etwa nicht so langer zeit durch den ausgang anders gewiesen werden moͤchte) aber doch hoffe ich/ so fern entschuldiget zu seyn/ daß ein scriptum dessen gantze hypothesin ich ungegruͤndet halte/ daher eher ungleiche als gute effectus der kirchen davon sorgen muß/ selbs zum vorschein zubefoͤrdern/ und also mich so fern desselben theil- hafftig zu machen bedenckens trage: ob wohl was ohne mich und anderswo her- aus kaͤme/ mich nicht zu wiedersetzen/ sondern anderer verantwortung zu uͤberlassen haͤtte. Jch trage das gute vertrauen/ mein Hochgl. Hr. Superintend. werde mir/ gleich wie meine freymuͤtigkeit nicht in uͤbeln nehmen/ also auch nicht unbillich finden/ daß ich mit einer meynung/ die ich nicht annehmen kan/ auch keine ge- meinschafft haben wolle. GOtt zeige uns allen seine warheit mit und zu kraͤffti- ger uͤberzeugung des gewissens/ daß wir weder iemal derselben erkaͤntnis uns ent- ziehen/ noch auch hinwieder deroselben schein vor sie selbs ergreiffen/ und lasse bald Das sechste Capitel. bald die zeit erscheinen/ daß nach seiner verheissung viele uͤber die biß dahin versie- gelte schrifften kommen/ und vielem verstand finden. Was Hr. D. Hildebrand gegen denselben geschrieben haben solle/ habe nicht gesehen/ daß also nicht weiß/ ob es die hauptsache selbs oder nebens dinge angehe/ und also ob wir eine mey- nung so ferne haben oder nicht. Jnsgemein weiß ich keinen Theologum der un- srigen/ dessen gedancken uͤber die offenbahrung mich mehr vergnuͤgen/ als Hr. Sandhagens Superintendent ens in Luͤneburg/ aus dem wenigen was ich von ihm gesehen/ und durch gute freunde gehoͤret/ also daß ich wuͤnschen moͤchte/ weil er schwer dran kommet/ daß ihm publico nomine auferleget wuͤrde/ solches Pro- phetische des N. T. buch so wol als unterschiedliche Propheten aus dem alten voͤllig zu commentir en/ wozu ich itzo der unsrigen leute keinen tuͤchtiger zu seyn glaube/ und auch mit geld/ wo ich einige tage mit ihm umgehen koͤnte/ gern erkauffen wol- te. Wie ich denn billig die mannigfaltige austheilung der Goͤttl. gnaden gaben hoch venerir e/ und die darinnen steckende weißheit demuͤtigst preise; wie wenig mir aber hierinnen gegeben seye/ also daß ich was das kuͤnfftige betrift/ bloß bey den generalibus stehen bleiben muͤße/ gern bekenne. Der zustand des lieben Unger- landes/ darinnen auch noch unterschiedliche liebe freunde habe/ ist so/ daß recht alles zwischen furcht und hoffnung stehet/ und zwar jene bekraͤfftiget alles was menschen augen und vernunfft erkennen koͤnnen/ diese beruhet endlich auff Gott allein/ von dem wir zwar auch gewiß seynd/ daß er weder seine ehre stecken/ noch sein reich aller orten untertrucket werden lassen werde/ aber gleichwohl auch nicht vorher sagen koͤnnen/ wie weit er noch dem gerichte uͤber sein hauß zusehen wolle. Jndessen bleibet uns gewiß/ die warheit muß zuletzt uͤberwinden/ und solte es lange zeit durch lauter scheinende verlust geschehen muͤssen. Nun er erfuͤlle seinen willen der allezeit gut ist/ und maͤßige seine gerichte mit vieler barmhertzigkeit zu abwen- dung der laͤsterung seiner feinde und ewigen preiß seiner guͤte. 28. Oct. 1687. SECTIO XIX. Gratulation an Hn. Georg Albrecht Grafen zu Mansfeld uͤber seine bekehrung von der Roͤmischen zu der Evangelischen kirchen. Goͤttliche gnade/ licht/ friede und segen in unsern treuen Heyland JEsu Christo! Hochgebohrner Graff/ Gnaͤdiger Graff und Herr. W Je allen denen/ welche Gott in dessen reich lieben/ eben deßwegen zukom̃t/ daß gleich wie sie daruͤber betruͤbt seyn sollen/ wo dasselbige gehindert wird/ und ihm abbruch geschiehet/ also sich auch hertzlich zu freuen haben/ wenn DISTINCTIO II. SECTIO XIX. wenn auff einigerley weise dessen wohlstand befoͤrdert wird/ so kan ich als einer der geringsten unter denen/ welchen das beste des Reichs Christi zu hertzen gehet/ ver- sichern/ daß auch bey mir eine sonderbare freude entstanden ist/ als ich anfangs von einiger hoffnung/ dero aber noch ziemliche hindernuͤssen in dem wege legen/ nach- mahl aber die voͤllige froͤliche post hoͤrte/ wie der him̃lische Vater durch gnaͤdige er- leuchtung E. Hochgraͤffl. Gnaden zu der warheit seines Evangelii seiner betraͤngten kirchen eine neue freude erwecket/ und zur dancksagung ursach gegeben habe. Da- hero auch billich seiner himmlischen guͤte selbsten davor demuͤtigst danck zusagen ursach gefunden habe. Nechst dem erkuͤhne mich auch/ ob wohl sonsten unbekant/ solche meine freude uͤber die E. Hochgraͤfl. Gnaden erwiesene himmlische gnade auch von derselben selbs auszuschuͤtten/ und mit gegenwaͤrtigen zeilen gehorsamst zubezeigen. Jch erkenne aber dasjenige/ das der HErr HErr an deroselben/ und zugleich an unsrer kirchen gethan/ vor eine so viel hoͤhere wohlthat auff un- terschiedlichen ursachen. Zum aller fordersten sehe ich billich deroselben Hochgraͤfl. familie an/ welcher der allerhoͤchste/ gleich wie sonsten von alters her so viel wohl- thaten in dem weltlichen erzeiget/ und sie hoch gesetzet/ also sonderlich in dem ver- gangenen seculo die gnade erwiesen/ daß nicht nur der werthe werckzeug der se- ligen reformation Lutherus aus derselben Graffschafft entsprungen/ sondern auch dieselbe bald vor so vielen andern gleiches standes zu der seligen erkaͤntnuͤß des reinen Evangelii durch die Goͤttl. guͤte gebracht worden ist: Nach dem aber die Goͤttliche verhaͤngniß zugegeben/ daß nicht nur so viele der Evangelisch geblie- benen Linien nach einander erloschen/ daß also biß daher alles auff dem werthe- sten haupt des Hochgebohrnen Graffen HErrn Johann Georgen beruhet ist/ sondern hingegen die eine wiederum in etzliche abgetheilte Hochgraͤfl. linie von der Roͤmischen kirchen durch gewoͤhnliche verleitung von solcher theuren erkaͤntnis ab- gezogen worden/ welches wir billich mit hertzlichen betauren anzusehen hatten und haben/ so erkenne es billich vor eine so viel denckwuͤrdigere gutthat GOttes/ daß er an E. Hochgrl. Gnaden wiedrum einen seeligen anfang machet/ zuzeigen/ seine warheit sey nicht unvermoͤgender/ die gemuͤther deren/ welche ihr nicht wie- derstreben/ wiedrum zu ruͤck zubringen/ als die persvasion en der wiedrigen maͤch- tig sind/ ihre irrthumen den jenigen beglaubt zu machen/ welche sie sonderlich mit zeitlicher hoheit und gluͤckseeligkeit begleitet vor sich sehen oder hoffen. Welches auch diese neue consideration giebet/ eine innigliche freude uͤber dero bekehrung zuschoͤpffen/ wann deroselben stand und vorige condition keine sorge lassen/ daß einige andre absicht bey solcher aͤnderung gewesen seye/ ohne allein/ daß dieselbe dem Geist GOttes zu uͤberzeugung der lautern warheit bey sich platz gegeben/ als welche von derselben in der welt keinen weitern vortheil/ sondern vielmehr ver- druß und/ durch entfremdung des nechsten angehoͤrigen/ nachtheil abzusehen und zu erwarten haben: da hingegen ob man sich wohl allezeit der bekehrung eines jeg- lichen aus der irre zu uns kommenden billich zu freuen hat/ dannoch diese freude mehrmal sehr verringert wird/ wo man sich nicht nur eriñert der vielen exempel de- A a a a a rer Das sechste Capitel. rer/ welche nachmahl/ weil ihre vorgegebene bekehrung niemahl auffrechten grun- de gestanden/ vielmehr unsrer kirchen schandflecken worden sind/ sondern solche sorge so offt vorkommet/ wo sich dergleichen personen bey uns einfinden/ da man nicht nur siehet/ wie wenig grund sie anzufuͤhren wissen/ warum sie die von jugend auff vor die einig wahre erkante kirche verlassen/ (welches bereits eine nicht ge- ringe leichtsinnigkeit ist/ und alle hoffnung des kuͤnfftigen von ihnen bey mir sehr niederschlaͤget) sondern auch aus reden/ und allem verhalten erhellet/ daß sie gar anderes/ nemlich dinge/ so die welt angehen/ an stat des einigen verlangens nach der wahrheit und seeligkeit/ mit ihrem umtreten suchen. Weßwegen ich bißher offt als ein stuͤck des so viel schwerer auff der Roͤmischen kirche ligenden gerichts angesehen habe/ daß die gemuͤter in derselben bereits so verdorben worden/ daß ob sie nachmahl zu uns und daselbs auffs wenigste zur besten gelegenheit einer le- bendigen wahren erkaͤntniß kommen/ sie doch zu deroselben sich fast ungeschickt/ und ihre hertzen mit liebe des irrdischen dermassen eingenommen zeigen/ daß ob sie endlich zu einer buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß gebracht werden/ dannoch von dem Goͤttlichen liecht/ in dem wir allein die warheit recht erkennen moͤgen/ meistens nichts in ihre seele kommet/ daß also bey denselben gemeiniglich allein mehr eine verwechselung der euserlichen profession / alß eine innerliche aͤndrung des her- tzens und kraͤfftige bekehrung/ vorgehet. So viel ungewisser uns also die so man- che ungleiche exempel der den nahmen nach bekehrten die hoffnung bey dem mei- sten/ welche sich bey uns einfinden/ und etwas dergleichen zu sorgen ist/ machen/ so viel hertzlicher ist hingegen die freude/ uͤber die jenigen von dero stand/ und aus dero bezeugung/ nichts dergleichen zu sorgen ist. Sonderlich aber erfreue mich auch so viel mehr uͤber E. Hochgrl. gnaden Goͤttliche bekehrung/ wenn ich die be- schaffenheit unsrer gegenwaͤrtigen zeit bedencke/ welche gewißlich/ wo wir sie recht einsehen/ die jenige ist/ in dero der HErr HErr dem Roͤmischen Babel die macht wird gegeben haben den hoͤchsten gipffel seiner gewalt wieder zubesteigen/ sein gericht uͤber unsre leider ziemlich lang undanckbar gewesene Evangelische kir- che auszuuͤben und besorglich ein grosses derselben/ wie wir bereits gegen abend zugeschehen taͤglich mit betruͤbnuͤß erfahren/ unter sich zubringen/ indessen aber durch seine grausamkeit und boßheit vollends das maaß seiner suͤnde zuerfuͤllen/ und damit das ihm laͤngst angedrohete gericht des untergans voͤllig uͤber den halß zu ziehen. Daß nun um solche zeit/ da hingegen taͤglich so viele vor uns in die Roͤmische dienstbarkeit mit gewalt und listiger verfuͤhrung gezogen werden/ und der betruͤbte zustand und gefahr unsrer kirchen bey den jenigen dero gliedern/ in denen die liebe der welt noch stecket/ vielmehr die gedancken mehr und mehr er- reget/ sich bey zeiten zuder obsiegenden partie zu geben/ GOTT ein gemuͤth so kraͤfftig ruͤhret/ sich zu der gemeinde/ dero eine schwere verfolgung uͤber den haupten schwebet/ unerachtet solcher gefahr/ zubegeben/ und mit Mose viel lie- ber zuerwehlen mit dem volck GOttes ungemach zu leiden/ denn die zeitliche er- goͤtzung der suͤnden zu haben/ ja die schmach CHristi fuͤr groͤsser reichthum als die schaͤ- DISTINCTIO II. SECTIO XIX. schaͤtze Egypti zu achten/ ist wahrhafftig eine so viel wichtigere ursach Christliche freude und dancksagung gegen die kraͤfftigste gnade GOttes/ als wo dergleichen um die zeit eines mehrern flors unsrer kirchen geschehen waͤre. Wie ich auch mich versichere/ daß E. Hochgraͤfl. gnaden als sie diese gottseelige resolution fassen wollen/ in der forcht des HErrn reiflich uͤberleget und sich vorgestellet haben wer- den/ wie sie in dem zeitlichen ihren zustand dadurch so gar nicht verbessern/ daß sie nur desto mehr gefahr und ungemach auff vielerley weise sich zuentziehen/ und in demselben nicht viel anders als allein des goͤttlichen beystandes sich zugetroͤ- sten vermoͤgen/ daran es zwar auch nach seiner verheissung nicht mangeln wird. Unser/ die wir uns also druͤber erfreuen/ daß GOttes himmlische vaͤterliche guͤ- te unsrer kirchen einen neuen trost und zeugn uͤ ß seiner krafft in diesem werck ge- geben habe/ uͤbrige schuldigkeit bestehet nun darinnen/ wie wir mit E. Hoch- graͤfl. gnaden die deroselben seele erzeigte theure wolthat mit demuͤtigsten danck preisen/ daß wir auch beflissen seyen/ ferner den ienigen/ welcher in deroselben sein gutes werck angefangen hat/ inniglich anzuruffen/ daß er solches fortsetzen und vollfuͤhren wolle auf den tag JEsu Christi. Der allerliebste him̃lische Vater/ wel- cher aufs neue durch dieses werck sich dero liebreich bezeuget/ und sie zu der wahren erkaͤntnis der in der H. Tauffe vormahlen geschenckter kindschafft und uͤbriger heylsguͤter nunmehr recht gebracht hat/ walte immer fort und fort mit gleicher vaͤ- terlicher gnade uͤber sie/ und lasse sie schmecken und sehen/ wie freundlich er seye den seelen/ die ihn lieben: er schaͤtze sie kraͤfftiglich gegen alle gefahr/ und wiederwaͤr- digkeiten/ welche bevorstehen moͤgen/ und wuͤrcke in ihren hertzen eine unbeweg- liche zuversicht auff seine maͤchtige krafft zu allen zeiten. Unser treuester Hey- land JEsus CHristus/ der rechte ertzhirt/ welcher sein mit so goͤttlichem Blut erkaufftes Schaaff zu seiner heerde nach seiner treue gebracht hat/ weide sie nun selbsten mildiglich/ er regiere sie mit seiner stimme/ und lasse sie dieselbe auch in ihrer seele hoͤren und erkennen/ er fuͤhre sie selbs mit seinem geist/ daß sie wisse/ wie sie nicht menschen (welches der haupt-fehler der Roͤmisch verdorbenen kirchen ist) sondern GOtt und ihrem Heyland allein glaube/ er lasse sein vorgeschriebe- nes exempel in ihrem gantzen leben ihre seelige nachfolge wircken/ er vertheidige sie gegen alle woͤlffe/ und derselben klauen/ ja er versorge sie also/ daß sie in seiner hand sicher das leben bey ihm und volle gnuͤge haben. Er helffe ihr uͤberwinden/ daß er ihr alsdenn auch gebe zu sitzen auff seinen stuhl/ GOtt der werthe heilige Geist/ der geist der weißheit und der offenbahrung/ der sein werck in deroselben kraͤfftig bißher gefuͤhret/ gebe ferner erleuchtete augen ihres verstaͤndnuͤsses/ daß sie erkennen moͤgen/ welches da sey die hoffnung ihres beruffs/ und welches da seye der reichthum seines herrlichen erbes an seinen heiligen. Er vermehre also sein himmlisches liecht der lebendigen erkaͤntnuͤß seines Heil. Evangelii in ihrer seele/ damit es mehr und mehr tieff eintringe/ und befestiget werde. Er gebe ihr zu erkennen die greuel der finsternuͤß/ aus dero sie der HErr so gnaͤdig gerissen hat/ desto mehrere danckbarkeit ihm und seinem licht wiederum zubezeugen: er A a a a a 2 befe- Das sechste Capitel. befestige sie gegen alle kuͤnfftige anfechtungen und versuchungen/ an welchen es gewißlich nicht mangeln wird/ sie gleichwohl alle in seiner krafft zuuͤberwinden. Er heilige sie durch und durch/ und reinige ihr werthes hertz von aller liebe dieser welt/ und was dem theuren beruff des Evangelii zu wieder ist/ daß sie ein herrli- ches zeugnis seye einer von innerstem grund nicht nur von den irrthumen des ver- standes/ sondern auch allen/ was der HErr an den seinigen nicht haben will/ be- kehrten und gereinigtẽ person/ damit man an ihr sehe das rechtschaffene wesen/ das in CHristo JEsu ist/ in taͤglicher auffziehung des alten/ und anziehung des neuen menschen/ auff daß so wohl unsre kirche an ihr eine zierde/ und liebes exempel der nachfolgung und erbauung habe/ als auch die jenige/ welche sie itzo verlassen/ durch ihren stets fuͤhrenden gottseeligen wandel von der krafft des heiligen Evan- gelii/ wie es die heiligung auch in uns wuͤrcke/ uͤberzeuget/ auch ein und andre (ach wolte GOtt/ daß es auch von E. Hochgrl. gnaden nechsten anverwandten waͤren!) zu einer seeligen nachfolge in goͤttlicher gnade bewogen wuͤrde. Nun der GOtt des friedens (daß ich auch nochmahl diese wort unsern liebsten Apostel abborge) heilige sie durch und durch/ und ihr geist gantz samt der seele und leib muͤsse behalten werden unstraͤflig auff die zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi. Ach ja! getreu ist er/ der sie ruffet/ welcher wirds auch thun. Amen. Wie nun itzo dieses von grund meiner seelen wuͤnsche/ und mich goͤttlicher erhoͤrung/ in dem ich nach GOttes willen bete/ gewiß getroͤste/ so werde auch deroselben ferner vor dem thron der gnaden unvergessen seyn. 8. Decembr. 1687. SECTIO XX. An einen Doctorem Theologiæ. Was zu unsern zeiten des gerichts auszurichten. Einigkeit im geistlichen stand. N. widrigkeit gegen mich. D. Hinckelmann. Bezeugung ge- gen das ministerium. Mein Catecheti sches examen. Warum unge- fragt angefangen. Allgemein einzufuͤhrende catechisation. M Eine art in meinem amt zuhandeln bekenne/ daß sie noch auf den vorigen regeln beruhe/ nicht mit willen einige gelegenheit/ welche mir der HERR weiset/ zu versaͤumen/ hingegen mit gedult auf selbige zu warten. Was biß- hero ausgerichtet worden/ kan nicht zeigen/ dennoch zweiffele ich an der erfuͤllung der verheissung des HErrn nicht. Wir leben in den zeiten Goͤttl. gerichts/ da kei- ne besserung so mit ansehen in die augen fallen moͤchte/ von statten gehen wird/ nachdem ich sorge/ das urtheil seye uͤber unser hauß zu dessen niederreissung ge- sprochen/ und wolle der HErr an statt bißherigen flickens es lieber selbst wiederum neu bauen. Daher das allermeiste unsers amts itzt darin stehet/ das wort und den willen des HErrn insgemein und absonderlich vortragen/ und nachmahl mit ge- bet/ dem dessen die sache ist/ empfohlen. Bey den meisten wirds dennoch zum zeug- DISTINCTIO II. SECTIO XX. zeugniß uͤber sie dienen: und sorge ich/ daß der welt ergebenen hertzen werden so viele itzt nicht bekehret werden/ sondern unsere arbeit vornehmlich nur an den jeni- gen kraͤfftig seyn/ die sich noch helffen lassen wollen/ daß sie von uns hilffe haben. Wir werden also an steinen zu arbeiten haben/ aus denen der HErr zu seiner zeit seinen bau wiederum fuͤhren wird/ aber noch schwehrlicher selbst dieselbe in einen rechten scheinbarn bau bringen/ ob wir zwar auch daran nach vermoͤgen zu arbei- ten haben. Jch habe einigerley massen meine gedancken hieruͤber vor etzlichen jah- ren vorgestellt/ in einem tractat von der klagen des verdorbenẽ Christenthums gebrauch und mißbrauch : Werde auch in denselben immer mehr bekraͤfftiget. Der HErr gebe uns allen die weißheit/ die aus ihm ist/ in seinem werck nichts zu versaͤumen/ und nichts zu verderben/ darinnen auch die zeichen unserer zeit zu er- kennen. Die einigkeit derer/ welche an dem leibe Christi arbeiten/ waͤre freylich eines der kraͤfftigsten mittel/ wichtige dinge zuheben/ aber ich hoffe sie ie laͤnger ie weniger/ als ich in mehrern jahren die welt und der menschen gemuͤther erkennen gelernet. Einerley gesinnnet seyn/ machte wohl die beste einigkeit/ und wuͤrde man/ wo wahrhafftig ein zweck im grunde ist/ auch sich der mittel unschwehr vergleichen. Aber!! Jch habe nun bey fast 20. jahren erfahren/ aus welchem stande mir der meiste widerstand geschehen/ auch mich mein GOtt gedemuͤthiget/ dessen wege und gerichte ich aber auch alle heilig u. unstraͤflich preisen muß. Was den allegirt en NN. anlangt/ ists freylich so/ daß da er vor eꝛst sich freundlich zu mir gehalten/ wie er von den ersten war/ so meine pia desideria approbirt en/ er nochmal derjenige gewesen/ welcher nicht nur seines orts sondeꝛn auch andeꝛwertlich mich zu faͤlle mag getrach- tet haben/ so ihm der guͤtigste Vater vergeben haben wolle. Waͤre auch dieser nicht mein schutz gewest/ so moͤchten die consilia von denselben so concerti rt gewesen seyn/ daß ich/ ein schwacher mann/ der ohne huͤlffe stund/ unterliegen haͤtte muͤssen. Aber der HErr hat ein zeugniß seiner weißheit und krafft gezeiget/ die unschuldige/ so in gedult und demuth sich seinem willen/ und was er verhengen wolte/ allein uͤ- berliessen/ zu retten und empor zu bringen. Jtzt ist sein successor Hr. D. Hin- ckelman meiner vertrautesten freunde einer/ welchen mir GOtt in der welt gege- ben hat/ der in vielen stuͤcken jenes principiis mag entgegen seyn/ und ihm der HErr bereits in wenigen monaten hat lassen einige siege davon tragen. Dem der alleine wunder thut/ seye preiß vor alles solches/ er lasse uns durch sothane betrach- tung nur immer mehr auffgemuntert und in dem glauben gestaͤrcket werden! Mit hiesigem Ven: ministerio wuͤndsche wohl nichts sehnlichers als in guter vertrau- lichkeit zuleben/ wie auch an meinem ort nicht ermangeln lassen wuͤrde/ und viel- leicht mehr als einiger meiner vorfahren solches gesuchet/ ich habe aber nicht in meiner macht/ anderer hertzen zu mir zu neigen/ ob auch wohl zu ihnen neige. Wie denn zu erst alle/ und zwar mehr als einmahl besuchet/ aber man entschlaͤget sich meiner bereits lange/ ohn allein NN. der sein redliches hertz mir zeiget/ und zuwei- len zu mir kommet. Jch muß es dem HErrn befehlen/ biß er die gemuͤther auch A a a a a 3 zu Das sechste Capitel. zu mir lencken/ und mir solche hertzliche freude machen wird: so zu seiner zeit zuge- schehen nicht zweiffeln will. Solten die liebe maͤnner in meine Seele/ und wie ich/ so sonsten als gegen sie/ gesinnet/ selbst darinnen sehen/ so wuͤrde man vielen ver- dacht fallen lassen/ und sich naͤher zu mir halten. Was aber darin dem Menschen versagt ist/ in des andern hertz zusehen/ hoffe solle GOtt dadurch ersetzen/ wo man nach langer zeit aus dem staͤten fortfahren auf einem weg/ und also aus dem/ was aus dem hertzen kommt/ und zeigen kan/ daß keine falschheit da seye/ das innerste meiner seelen wahrhafftig erkennen wird: Denn da bin versichert/ daß sich alles vertraulich zu mir halten wird/ was den HErrn hertzlich liebet/ da sich itzt unter- schiedliche von anderm argwohn abhalten lassen. Nur ist langmuth und gedult noͤthig/ welche mir hoffentlich mein GOtt/ als welcher mich lange in dieser schul geuͤbet/ verleyhen wird/ so trage ich auch das vertrauen/ er werde mein seufftzen darin ansehen; daß ich ohne communication mein catecheti sches exercitium an- gefangen/ und solches unwillen verursachet/ ist nicht ohne: solte ich aber meine ursa- chen geliebtem bruder/ wie sie in meiner seelen sind/ darstellen/ wuͤrde derselbe es nicht unbilligen koͤnnen: im schreiben aber trage bedencken/ alles zu entdecken. Bitte aber zubedencken/ daß zuweilen ein durchriß/ so andern gewaltsam vorkom- met/ geschehen muß/ wo man auf die ordentliche weise verfahrend gewiß versichert ist/ daß die im weg sich legende hindernissen unuͤberwindlich werden wuͤrden. So ist zu weilen besser/ in einer guten sache gute freunde nicht zu fragen/ da man aus gnugsamen ursachen versichert ist/ daß dero consens aus dergleichen præconce- ptis, so man ihnen nicht anders als durch die erfahrung benehmen kan/ nicht zuer- halten/ und also nochmehr unwillen zu sorgen waͤre/ wieder als ohne dero willen etwas vorzunehmen/ an dessen bewerckstelligung man gleichwohl ein grosses zu liegen weist. Jn gegenwart koͤnte mehr davon sagen als schreiben. Jn deme ich auch nicht leugne/ daß einen solchen succeß und zulauff mir nimmermehr einbil- den oder hoffen haͤtte koͤnnen/ als GOtt (der warhafftig in dem werck ist) geschi- cket hat. Jch bin auch gewiß versichert/ daß christliche mitbruͤder zu seiner zeit dasjenige/ was itzo nicht bestens gefaͤllet/ selbst billigen und Gottes weise regie- rung preisen werden. Nuꝛ bedaꝛf es auch hier zeit und gedult. Jndessen hoffe ich/ deꝛ HErr habe diese meine einfaͤltige arbeit nicht ohne seegen an alten und jungen ge- lassen/ und solte damit auch die allgemeine catechisatio etwas befoͤrdert werden. Wie denn numehro durch Gottes gnade der Landtags schluß die sache voͤllig au- torisiret, und daheꝛ kuͤꝛtzlich das allgemeine ausschreiben in das gantze land gesche- hen solle. Der Herr gebe nur weißheit zu den anstalten/ und willigen muth denjeni- gen/ welche hand anlegen sollen/ davon ein grosses des seegens/ den wir davon zu hoffen/ gelegen seyn wird/ wir ihn aber auch darum hertzlich anzuruffen ha- ben. Als dann wird auch hie solches examen angestellet werden: weil man biß- hero in der persvasion gestanden/ daß man dergleichen sine autoritate superio- rum zuthun nicht macht habe: Da ich aber bekenne/ allezeit anderer meinung ge- wesen DISTINCTIO II. SECTIO XXI. wesen zu seyn/ und zu glauben/ daß wir zu denjenigen/ was uns vor hundert jahren befohlen keine neue autorit aͤt beduͤrffen/ ohn allein/ daß es eben nicht mit grossem wesen vorgenommen werde. Massen biß dahero hin und wieder auf dem lande Gottselige prediger ohngefragt dasjenige angefangen und gethan/ was ihnen nun befohlen/ keinem aber/ daß er solchen befehl vorgekommen/ verarget wird. Jch werde auch/ geliebt es GOtt/ auf numehrige gnaͤdigste erlaubniß der Churf. herr- schafft meine uͤbung in publicum transferir en/ dazu mir der S. Churfuͤrstin ca- pell eingeraͤumet worden. Ach der HErr befoͤrdern doch selbst worin einiges orts seine ehre zu befoͤrdern gesucht wird/ und gebe so weißheit als krafft und sieg. 13. Mart. 1688. SECTIO XXI. Der freunde und feinde an mir fehlende urtheil. Nutzen christlichen umgangs. Goͤttliche erweckung vieler gemuͤther/ und daraus hoffnung. A Us dem an mich von 18. Novembr. freundlichen abgegebenen habe mit freuden und vergnuͤgung verstanden/ wie Goͤttliche vaͤterliche gnade den- selben auf der reise so wohl gefuͤhret/ und ihn gluͤcklich wiederum zu hause gebracht habe: Dero dann auch billich mit demselben schuldigen demuͤthigsten danck sage. Daß aber derselbe so viel vergnuͤgen an unsrer hiesigen conversation bezeuget/ schreibe dessen hertzlicher liebe zu/ welche der kunst-glaͤser natur ofters hat/ daß sie das gute/ was sie lieben/ vor viel groͤsser ansiehet/ als es sonsten an sich ist/ dahero auch nicht anders davon zu urtheilen vermag. Jch selbst aber bin mir meiner wenigkeit wohl bewust: und ob ich wol das mir unwuͤrdigen anvertraute pfund nicht zu verlaͤugnen habe/ so kan ich doch/ wie gering dasselbe/ oder wie we- nig ich/ ohne zweiffel aus eigener schuld/ dessen annoch theilhafftig worden seye/ mit mehr gewißheit erkeñen als andere/ nach dem ich meine maͤngel bey mir fuͤhle/ wel- che einige an mir nicht warnehmen koͤñen/ oder sie/ weil ihrer augen allein auf eini- ges gutes gerichtet sind/ nicht so genau beobachten. Ja ich habe bißher billig mich offt verwundert/ uͤber die sonderliche schickung GOttes bey mir/ daß derselbe zu meiner pruͤfung mich grossen theils damit versuchet werden laͤsset/ daß freunde und feinde meisten theils an mir fehlen/ diese mir mehr boͤses als GOtt nach seiner gna- de in mir gelassen hat/ jene mehr gutes/ als sich bey mir findet/ mir zuschreiben. Jch sehe es aber billich so an/ daß aus dieser urtheil/ wie ich ausser GOttes gnade seyn wuͤrde/ zu erkennen/ uͤber jenes aber mich vor ihme desto mehr zu demuͤthigen ha- be/ weil mir seine guͤte in der jenigen maß/ welche andere an mir zu finden meinen/ wuͤrde von ihme wiederfahren seyn/ wo ich nicht etwa selbst gehindert haͤtte. So in dessen/ geliebter bruder/ durch unsern umgang allhier/ wie er auch ruͤhmet/ ge- s taͤrcket worden/ preise ich billich den jenigen/ von dem/ nicht aber von uns/ alles kom- Das sechste Capitel. kommet/ was gut ist: Dem ich auch demuͤthigst dancke vor die freude/ trost/ und aufmunterung/ so er mir an denselben solche tage uͤber beschehret/ und also unsre ohne das in ihn vereinigte seelen so viel inniglicher verbunden hat: Daß nunmehr/ da zwar ohne das vor mehrer zeit dessen lieben nahmen vor den thron der gnaden gebracht/ solches mit so viel mehr krafft taͤglich forthin thue. Er lasse uns noch ferner untereinander und mit allen andern wahrhafftigen mitbruͤdern ie laͤnger ie inniger vereinbaret/ und also die gemeinschafft der heiligen stets mehr bestaͤrcket/ oder uns in derselben tieffer gegruͤndet werden. Lasset uns indessen aus der ver- gnuͤgung/ welche wir aus etlicher tage christlichem umgang in seiner gnade gefas- set/ abnehmen/ was wir vor ein vergnuͤgen bereits hier in der welt haben moͤchten/ wo wir uns alle/ wie wir billich solten/ eines solchen bruͤderlichen umgangs beflies- sen/ und die meiste also bewandt finden/ daß dergleichen in dem gemeinen leben durch und durch muͤglich waͤre/ welcherley ich versichert bin/ daß der ersten Chri- sten/ da ihre gantze menge ein hertz und eine seele war/ umgang stets in lauter liebe und absicht auf das einig nothwendige werde gefuͤhrt seyn worden/ in welcher- ley art des lebens mich deucht/ daß wir so zu reden einen himmel auf erden haben koͤnten: folglich es nicht an GOtt manglet/ daß wir nicht schon auch hier seliger seyen/ sondern dieses eine grosse hinderniß ist/ daß so wenig wahre Christen seynd/ und die es sind/ durch so vielerley abgehalten werden/ daß sie nicht/ wie sie koͤnten und solten/ zu versuͤssung auch dieses lebens/ ja wahrhafftig zu ihrer kraͤfftigern er- bauung/ sich so nahe zusammen thun. Wie ja freylich recht inniglicher uͤmgang vor dem HErrn eine seltzame sache zu unsrer zeit/ hingegen diese in goͤttlichem ge- richt so zu reden eine zeit von lauter zertrennung und absonderung worden ist. Ach daß der Herr seinen Geist der einigkeit/ liebe und vertrauens immer in mehrer maaß in die hertzen gebe/ daraus alsdenn jene vereinigung gewiß folget/ und also zeige/ daß sein gebet Joh. 17/ 21. 22. 23. bey uns recht in die krafft gehe. Jm uͤbrigen ist ie der mir gethane danck uͤberfluͤßig gewesen/ indem ich einem solchen bruder mehr als dieses schuldig bin. Die zusage des hertzlichen gebets aber nehme danck- bar an/ mit gleicher liebe versicherung. Der allerliebste Vater erfuͤlle uns nur al- lezeit/ wenn wir vor uns und andre mitbruͤder vor seinem angesicht erscheinen/ mit dem Geist der gnaden und des gebets/ das um seines einigen Sohnes willen unsre opffer ihm stets moͤgen von s uͤ ssen geruch seyn/ und erhalten/ was wir nach seinem willen beten. Das einige prediger in dem lande sich auch mehr und mehr aufmun- tern lassen/ das werck des HErrn mit angelegeneren fleiß und eiffer zu treiben/ hoͤ- re auch anderwertlich her/ und dancke billich dem/ welcher zeiget/ daß er der seinigen noch nicht vergessen habe/ und ob das meiste unsers aͤusserlichen in seinem gericht moͤchte bald zu grunde gehen muͤssen/ dennoch bereits an den jenigen lebendigen steinen arbeite/ und arbeiten lasse/ aus denen er kuͤnfftig seinen fernern bau fuͤhren will. Wie mich auch insgesamt offt vergnuͤgt/ wenn ich bedencke/ daß inner we- niger als 20. Jahren fast eine mehrere bewegung aller orten sich hervor gethan hat/ DISTINCTIO II. SECTIO XXII. hat/ indem manche den zustand der kirchen und die bewandtniß des gemeinen ver- dorbenen Christenthums mit andeꝛn augen anzusehen/ nach mehr besserung eiffrig sich zu sehnen/ und andere neben sich aufzumuntern angefangen haben. Welche bewegung gewißlich nicht anders als von oben herkommen kan/ und uns billich ei- ne mehrere hoffnung des kuͤnfftigen machet. 15. Mart. 1688. SECTIO XXII. Falscher vorwand der orthodoxiæ , zu unterdru- ckung treuer Diener Christi. Absicht des satans darinnen. J Ch sorge/ præ nimium scrupulosa orthodoxiæ conservatione / werden wir die goͤttliche wahrheit/ und also die orthodoxiam selbst/ endlich ver- liehren. Des teuffels absicht ist wohl keine andere/ weil ihm die lehre vom lebendigen glauben und dessen fruͤchten/ von der aus dem wort noͤtigen erleuch- tung/ von dem innern menschen/ von der gnaden wuͤrckung GOttes in seinen kin- dern/ wohl den meisten abbruch thut/ weil dadurch dem wahn-Christenthum ge- steuret wird/ damit er sonsten so viele tausend in seinen stricken behaͤlt/ als daß er die jenige so alte als neue lehrer/ die dergleichen meistens treiben/ in verdacht brin- gen/ und damit die von ihrer arbeit gehoffte frucht hindern moͤge: da muͤssen auch die vorsichtigst-gesetzte formeln angegriffen werden: hat aber ein Christl. lehrer aus der freyheit des geistes/ so sich nicht eben an alle von menschen vorgeschriebe- ne sylben bindet/ ein wort geredet oder geschrieben/ so einigerley massen auff ei- nen irrigen/ von ihm aber nicht intendirt en/ verstand gezogen werden kan/ so solte nichts gelten/ daß man sich anderwertlich zur gnuͤge erklaͤhret hat/ und noch erklaͤhret/ sondern da muß die ὑποτύπωσις τῶν ὑγιαινόντων der vorwand al- les liebkosen und blinden/ oder auch boßhafftigen/ eyffers/ und das gute weidlich verlaͤstert/ werden. Gewißlich ich entsetze mich offt daruͤber/ wann ich sehe/ wie es dem satan in diesem stuͤck aus gerechtem gerichte GOttes so offt gelingen hat muͤssen/ zu vieler seines reichs beforderung/ und wuͤnschte/ daß nur diejenige/ die das reich Christi/ so ein reich der liebe so wohl als ein reich der wahr- heit ist/ fortpflantzen/ und jenem abbruch thun solten/ nicht meistentheils sich zu dem werckzeugen solcher seiner boßheit mißbrauchen liessen. Der HErr steure doch auch dem friede in diesem stuͤcke/ binde die zunge und haͤnde denen welche das gu- te wissentlich oder unwissentlich laͤstern/ oder bekehre sie; lasse seine kinder dadurch nicht irre werden/ oder ihnen auf diese weise gute buͤcher aus den haͤnden gerissen werden lassen/ und staͤrcke seine treue diener/ daß sie auch in dieser anfechtung nicht muͤde werden/ und etwan von ihren arbeiten ablassen/ sondern dem feind zu trutze fortfahren/ ja ihnen auch die freyheit in Christo nicht nehmen lassen/ als die ja des endlichen sieges versichert sind. 26. Oct. 1688. B b b b b SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XXIII. Offentliche ablesung der gantzen H. Schrifft/ wie nothwendig. Nutzen der wohl eingerichteten predigten neben solcher ablesung. E S ist an dem/ daß wie vorher einige/ also sonderlich letztmahls von dem Septembri zwey brieffe empfangen habe/ deren letzterem/ so NN. aus Hamburg an mich bestellet/ und das andere schreiben an ihre Churfuͤrstl. Durchl. samt den paqvet beygefuͤget gewesen. Jch habe auch dasselbe unverlaͤngt in unsers gnaͤdigsten Churfuͤrsten haͤnde selbs gelieffert. Hierauff zweiffelte nicht/ daß der ordnung nach solches wuͤrde von ihr Churfuͤrstl. durchl. in dero geheimen Rath eingegeben/ und von dar in unser Ober- Consistorium remittir et werden/ welches aber bißher nicht geschehen ist/ und ich die ursachen nicht weiß/ waruͤm es hingelegt und zur deliberation nicht gebracht worden; bin auch nicht versichert/ ob und wann es noch ferner geschehen moͤchte. Weiln denn meine antwort an- fangs so lange verschieben wollen/ biß ich von dem ausgang dessen/ was in un- serm Ober- Consistorio in der sache gut befunden waͤre worden/ etwas berichten koͤnte/ und mir aber diese hoffnung etwas zweiffel-hafftig werden will/ so habe nicht laͤnger anstand nehmen/ sondern in privato meine wohlmeinende gedan- cken/ nachdem das uͤberschickte in der forcht des HErrn durchgelesen/ offenher- tzig hinderbringen und mittheilen wollen. So kan nun 1. desselben und aller derer/ welche uͤber die wuͤrde der H. schrifft halten/ und den leuten dero gebrauch mehr und mehr beybringen/ gute intention insgemein nicht anders als billichen und loben/ mit versicherung/ daß auch mei- ne absicht laͤngst dahin gegangen/ wie das wort des HErrn immer reichlicher in seiner gemeinde wohnen moͤchte/ alß dessen vorzug vor allen menschen schrifften ich so gar nicht laͤugne/ daß ich meinen zuhoͤrern bey aller gelegenheit denselben einschaͤrffe. Jndessen 2. wo wir ad hypothefin gehen und den vorschlag/ so von Mhhl. geschiehet/ wegen mehrer einfuͤhrung der oͤffentl. lesung der H. Bibel/ und zwar wie und mit was argument en derselbe in dem tractat getrieben wird/ ansehen/ bin ich nicht in abrede/ daß demselben nicht allerdings unterscheiden kan/ und sehr wuͤnschte derselbe haͤtte seinen auffsatz/ ehe er gedruckt worden/ andern mehrern christlichen und klugen Theologis communicir et/ und vorher dero bedencken da- ruͤber eingeholet: da ich versichre/ daß manche wohlmeinende erinnerungen wuͤr- den geschehen seyn/ welche billich in acht zunehmen gewesen waͤren. Jn dessen ent- stehung sehe ich das werck also abgefasset/ daß Mhhl. ohne noth seinem gut mei- nenden vorhaben nur viel mehrere hindernuͤssen und besorglich feinde wird durch seine allzu hefftige klagen und vielerley eingemischtes erwecket/ daher die sach an stat des erleuchterens nur desto schwerer gemacht haben. Da hingegen bey allen sol- DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. solchen wichtigen und weit um sich greiffenden vorhaben das vornehmste stuͤck der Theologi schen klugheit ist/ so viel muͤglich waͤre/ alles was dieselbe noch mehr widrig machen koͤnte/ mit fleiß abzuwenden und zuverhuͤten. 3. Die offentliche lesung der H. schrifft in der versammleten gemeinde unbil- liche ich selbst so gar nicht/ daß ich sie vielmehr vor gantz nuͤtzlich und ziehmlich hal- te in den groͤssern gemeinden/ wo mehrmalige versamlungen die woche gehalten werden/ und eine anzahl der leute sich finden/ welchen der gesamten schrifft lesung erbaulich seyn kan. Denn was zum exempel doͤrffer anlangt/ da gemeiniglich die woche uͤber nicht wohl mehr als ein einiges mahl eine kirchen versammlung ist/ und die bauren so bewandt/ daß man gnug zu thun hat/ das ihnen bloß zur selig- keit noͤtigste bey zubringen/ und solche erkaͤntnis bey ihnen so zu erlangen als zu- erhalten/ dazu und also zu dem milchlehren solche wochentliche stunde kaum gnug seyn mag/ wolte ich in denselben solche durchgehende lesung der schrifft/ ob die sa- che auch in meine haͤnde gegeben wuͤrde/ nicht einfuͤhren/ sondern auffs hoͤchste mit der vorlesung des neuen testaments/ samt ausserlesenen capiteln des alten/ zu frieden seyn. Aber wie gedacht in groͤssern gemeinden wuͤnschte sie selbs einge- fuͤhrt/ und wo es bey mir stuͤnde/ solte es nicht lang anstehen/ daß man nicht der- gleichen anstalten sehen wuͤrde. Dennoch bin wiederum nicht in abrede/ daß ich die ablesung nicht also einrichtete/ wie ihn die vorschlaͤge gethan worden/ sondern viel weniger auf einmal nehmen wolte/ ob schon die sache sich deßwegen auf meh- rere zeit erstrecken wuͤrde: So vielmehr weil das neue testament/ in dem die meiste uns zur seligkeit noͤthige materien so viel voͤlliger und klahrer vor dem alten vorge- stellet werden/ muͤsse es alle mahl auffs wenigste drey biß vier mal durch gebracht werden/ biß man mit dem alten einmahl fertig wuͤrde. So wuͤrde auch die able- sung lieber anordnen auff die weise/ wie die texte in der schrifft stehen/ nicht aber nach der harmonischen zusammengattung/ welche mehr zu den predigten alß der ablesung meines erachtens gehoͤrte. 4. Dergleichen ablesungen sind auch bey unsern kirchen so seltsam nicht/ son- dern der orte noch viele/ da sie stets in schwange sind. Wie wir denn hier in unsrer Schloß-capell von alten her solche ordnung baben/ daß in beyden wochen-pre- digten/ ehe der Prediger auff die Cantzel steigt/ vor der gemeinde bey dem altar ein capitel des neuen testaments nach der ordnung/ taͤglich aber in den nachmit- tags-betstunden eines aus dem alten testament/ wie aus demselben die vornehm- ste selegir et sind/ abgelesen wird. So sind an andern orten mehr solche an- stalten. Dabey ich auch vergeblich halte dieses desideri ret zu werden/ daß die ablesung nicht von der Cantzel/ sondern vor dem altar gemeiniglich nicht von dem jedes orts vornehmsten Psarrherren/ sondern einem deren Diaconorum ver- richtet wird. Welches ich nicht zugeben kan/ daß es aus geringachtung des goͤttl. worts geschehe/ in dem ie die verrichtungen der H. Sacramenten nicht anders als vor sehr Heil. wercke/ und nicht geringer als die predigten/ geachtet werden B b b b b 2 koͤn- Das sechste Capitel. koͤnnen/ und dannoch werden sie gemeiniglich in dem chor/ und nicht in der uͤbri- gen kirchen und von den Diaconis verachtet. So ist vielmehr die wahre ursach/ weil der vornehmste gemeiniglich die predigt zu thun hat/ und in seinen medita- tionibus nicht zu turbir en ist/ daß ein anderer Collega die lection vorher verrich- tet. Welches die sache darum nicht veraͤchtlich machet/ oder dahin anzustehen ist. 5. Jndessen sihe ich nicht/ mit was grund eine solche durchjaugige lesung der schrifft in den offentlichen versammlungen als etwas bloß nothwendiges getrie- ben/ und in solcher unterlassung die vornehmste verderbniß der kirchen und mangel verlangter erbauung gesuchet werden koͤnne/ daher ich der klagen/ so uͤber die un- terlassung gefuͤhret werden/ uͤbermaͤßig und nicht gegruͤndet halte/ auch so viel mehr daruͤber erschrocken bin/ daß p. 142. das jenige/ was der lieben Straßburgi- schen kirchen begegnet/ als eine straffe Gottes durch solche unterlassung verschuldet angegeben werden wil: da ich doch davor halte/ daß uns weder dergleichen gericht zukommen wolle nach Joh. 9. noch da wir ja sonderbahre ursachen anziehen sol- ten/ diese unterlassung vor die eigendliche schuld anzugeben waͤre. Vielmehr bin ich versichert/ daß um dieser ursach willen/ wo sonsten dem goͤttlichen wort sein re- spect und gehorsam geleistet wird/ weder einen noch anderen ort ein Goͤttliches straffgericht zu besorgen seye. Was nun diesen punct der nothwendigkeit der ab- lesung der schrifft/ der weiter zu untersuchen ist betrifft/ so bekenne (1. daß der gan- tzen kirchen die gantze H. Schrifft nothwendig seye/ und sie keines buchs oder Ca- pitels aus derselben ohne schaden entrahten koͤnne/ nach dem sie gantz von GOtt selbst eingegeben/ gewiß aber ist/ daß der weise GOtt nichts ohne nutzen kan einge- geben oder seiner kirchen anvertrauet haben. (2. Lehrern und predigern ist auch nothwendig die gantze H. Schrifft gelesen zu haben/ daß sie sich nicht nur ihres glaubens aus einem und andern ort versichern/ sondern ihrer lehr gewißheit aus der gantzen schrifft und uͤbereinstimmung fassen: damit sie auch immer einen ort aus dem andern zu erklaͤhren vermoͤgen. (3. Was andre Christen anlangt/ welche zu einer weitern als bloß zur seligkeit nothwendigen erkaͤndtniß zu gelangen die ga- ben haben/ denen ist wiederum nicht nur nuͤtzlich/ sondern auch noͤthig/ die gantze schrifft zu lesen/ und aus deroselben gantzen abfassung/ iegliches nach dem maaß als ihnen verliehen ist/ das jenige zu suchen und zu begreiffen/ was zu ihrer erbauung in glauben und leben dienlich ist. (4. Was aber die jenige betrifft/ deren gaben sich so weit nicht erstrecken/ daß sie viel uͤber das jenige zukommen vermoͤchten/ als was ihre noͤthigste glaubens lehren und lebens reglen sind/ solchen halte die erkaͤnt- nuͤß der gantzen schrifft nicht noͤthig/ sondern vor sie gnug/ da sie aus derselben so vieles vorgelegt bekommen/ und fassen/ was solchem zweck gemaͤß ist. (5. Daher ist einer gantzen gemeinde/ in dero ein und anderer art leute sind/ wohl zu goͤnnen/ daß ihr das Goͤttliche wort gantz vorgetragen werde/ wo dasselbe dermassen ge- schehen kan/ daß dem einfaͤltigen nicht zu vieles von dem ihnen nothwendigsten entzogen wird. Wo aber dieses zu sorgen/ so ist besser/ daß in oͤffentlicher gemein- de DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. de das jenige stets gehoͤret werde/ was allen allezeit noͤthig ist/ als daß durch die ordentliche ablesung der schrifft/ wann dadurch die zu der gemeinsten erbauung noͤthige predigten zu viel muͤssen hindangesetzt werden/ die einfaͤltige an dem ihnen vornehmlich noͤthigen verkuͤrtzet werden. Daher in solchem fall/ und an solchen orten vielmehr verlange/ daß die lesung der gantzen schrifft in die haͤuser verwiesen werde/ indem der jenigen/ so mehrere gaben empfangen haben/ an gelegenheit sich durch lesen zu uͤben nicht mangeln wird/ daß ihnen also durch die unterlassung der oͤffentlichen lesung nichts abgehet/ hingegen die einfaͤltigere/ welche zu hauß wenig auszurichten vermoͤgen/ an ihrer nothdurfft keinen gebruch leiden. Dieses ist die ursach/ warum ich aber gewuͤndschet/ daß die ordentliche ablesung an den orten geschehe/ wo die versammlungen in der wochen mehrmahlen gehalten/ und also unter denselben einige zeit zu solcher ablesung ohne abgang des noͤthig- sten angewendet werden koͤnnen/ nicht aber an den orten/ an welchen nur einmahl die gemeinde zusammen kommet/ wo also kaum so viel zeit verhanden ist/ den ein- faͤltigen ihre nothdurfft vorzutragen. Ja an solchen orten halte ich die durchgaͤngige ablesung der schrifft/ wodurch die gemeinde an dem staͤten vortrag des ihren noͤthigsten gehindert wuͤrde/ so gar nicht noͤthig/ daß ich sie auch nicht nuͤtzlich zu seyn glaube/ sondern viel erbaulicher achte/ wo die zuhoͤrer in allen predigten etwas des ihnen noͤthigsten von glaubens- lehren/ und lebens-regeln zu hoͤren haben. Die ursach dessen ist diese/ weil das meiste in der H. Schrifft/ sonderlich alten Testaments/ nehmlich die meiste historien und weissagungen/ so bewandt sind/ daß ob sie zwar obgedachter massen der gantzen kirchen nothwendig sind/ und man nichts desselben ohne schaden missen koͤnte/ dannoch die meiste leute ohne sonderli- chen abgang ihrer erbauung dero entrathen koͤnnen/ hingegen was aus denselben zu eigentlicher gruͤndung des glaubens und einrichtung des lebens noͤthig/ in we- niger zeit zusammen gezogen den einfaͤltigen beygebracht werden kan: also gar/ daß ich traue/ was in der gantzen helffte der schrifft/ oder vielleicht drey qvart en derselben sich findet/ woraus ein einfaͤltiger/ deren art staͤts die allermeiste glieder der kirchen sind/ sich eigentlich in glauben und leben erbauen kan/ in nicht viele boͤ- gen sich zusammen ziehen liesse/ aufs wenigste in der uͤbrigen helffte oder qvart der schrifft also ersetzt sich finden wuͤrde/ daß ein solcher der uͤbrigen ohne abbruch sei- ner erbauung entrathen koͤnte. Wie denn das meiste aus den historien und weis- sagungen/ ausser den jenigen/ die von Christo handeln/ fast allein gehet auf die er- kaͤndtniß goͤttlicher weißheit/ allmacht/ guͤtigkeit und gerechtigkeit in belohnung des guten/ und bestraffung des boͤsen/ in schuͤtzung der frommen und abhaltung oder stuͤrtzung der gottlosen/ und also auf solche dinge/ die kurtz gefast mit wenigen den leuten eingetruckt werden moͤgen: daß ein oder zween spruͤche mit weniger er- klaͤhrung einem solchen einfaͤltigen/ der tieff nicht eintringen kan/ viel einen meh- rern eintruck in das hertz geben solten/ als die anhoͤrung mehrer Capitel aus de n B b b b b 3 histo- Das sechste Capitel. historien/ oder meisten propheceyungen des A. Test./ woraus ihm die erbauliche folgen heraus zu ziehen schwehr wuͤrden/ und er alles solches/ was er daraus ler- net/ viel kuͤrtzer in etzlichen spruͤchen begreiffen koͤnte. Wie wir denn nicht davor zu halten haben/ daß die historien als histor i en etwas zu unsrer seligkeit oder hei- ligung thun/ sondern nur das jenige/ was aus denselben zu unsers glaubens unter- richtung oder des lebens-besserung gezogen werden kan/ welches wir aber alles in kurtzen und deutlichen spruͤchen finden moͤgen. An sich selbst aber ohne diese daraus ziehende folgen/ so dann ausser dem/ daß die historie uns die wahrheit der schrifft/ die folge der zeiten/ und Goͤttliche regierung in denselben zeiget/ und so fern den glauben der jenigen/ welche jene dinge daraus zu ziehen verstehen/ staͤrcket/ wuͤrden uns die historien in der schrifft nichts mehr nutzen/ als andere ausser der schrifft be- findliche historien. Dahero ich sie des nutzen und der erbauung wegen den lehrbuͤ- chern der schrifft weit nachsetze/ aber eben daraus folget/ daß sie nicht so viele zeit wegnehmen muͤssen/ als den jenigen materi en zugewendet wird/ welche unmittelbar unsre erbauung wircken: Dero erkaͤntniß und ablesung allein schlechter dinges nothwendig ist/ wie aber und was von den andern mit vorzunehmen/ nach der be- wandniß ieder gemeinde und derselben umstaͤnden billich gerichtet wird. 6. Was die predigten anlangt/ ist mit recht vieles an denselben gestrafft/ und ich straffe es eben so wol/ suche mich auch vor solchen dingen zu huͤten: aber es be- trifft also solches nicht den rechten gebrauch/ sondern nur den mißbrauch der pre- digten/ dero nutzen an sich gewißlich viel groͤsser ist/ als er in dieser schrifft vorgestel- let/ ja insgesamt fast verkleinerlich von den predigten geredet wird. Die ursach aber des haͤrtern urtheils uͤber die predigten selbst finde in einem dreyfachen fal- schen præsupposito, welches Mhhr. sich selbst gemachet hat. 1. Daß alle die pre- digten muͤsten nach gewissen kunstregeln eingerichtet seyn. Dahero 2. dero zweck nach der rhetoric kein anderer sey als persvadir en/ und eine sache amplificir en. Und 3. daß das wort in der predigt nicht Gottes wort eigentlich/ noch von gleicher krafft auf solche art vorgetragen seye/ als da es bloß dahin/ wie der text laute/ gelesen werde. Hierauf sorge ich billich/ ruhe alles/ was mit solcher hefftigkeit theils gegen die predigtẽ/ theils vor die absolut e nothwendigkeit der ablesung der gantzen schrifft in dem tractat getrieben wird. Es sind aber alle solche præsupposita nicht richtig. 1. Ob wol die predigten in der that orationes seynd/ so finde ich gleichwol dieselbe nach einer arte oratoria und dero præceptis einzurichten so gar nicht noͤthig/ daß ich auch solches zu thun weder lobe noch nuͤtzlich achte/ sondern versichert bin/ es bedoͤrffe das goͤttl. wort/ welches in den predigten vorgetragen werden solle/ so gar einer oratoriæ eloqventiæ nicht zu seinen fruchtbarlichen vortrag/ daß dieselbe vielleicht ihm zuweilen ehe hinderlich 1. Cor. 1/ 17. als foͤrderlich seyn wuͤrde. Mensch- liche orationes tragen solche dinge vor/ die nicht allezeit in sich selbst so kraͤftig sind/ in die gemuͤther einzutringen/ und ihnen deswegen mit allerley kunstmitteln geholf- fen DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. fen werden muß/ damit sie nicht vergebens seyn/ und durch der worte anmuth oder artlichkeit/ was der krafft der sachen abgehet/ ersetzet werde. Die Goͤttlichen warheiten aber sind von solchem licht und krafft/ daß sie auch in ihrer einfalt vorge- tragen selbst in die seelen eintringen/ und ihre krafft nicht erst von menschlicher wolredenheit zu entlehnen bedoͤrffen. Daher/ wo ie noch etwas aus der rhetoric zu entlehnen waͤre/ wuͤrde es in nichts anders bestehen/ als daß man daraus etwas ersehe/ wie man eine sache verstaͤndlicher machen/ und in die fuͤglichste ordnung/ damit es zu fassen leichter werde/ bringen koͤnne. Jch versichre auch Mhhr. daß ich dieser meinung allezeit gewesen bin/ und die artem oratoriam stets von den pre- digten entfernet gewuͤnschet habe. Daher ich auch mit fleiß nie keine buͤcher von der oratoria ecclesiastica lesen wollen noch gelesen habe/ und mirs daher vor keine schande achte/ daß ich derselben regeln und præcepta nicht weiß/ nach dem ich mit reiffen bedacht mich derselben enthalten/ auch so ungern sehe/ wo man gleichsam gewisse leges vorschreibet/ also/ da dieselbe nicht observir et werden/ solches vor ei- nen fehler solle geachtet werden. Daher/ wo iemand dergleichen nothwendigkeit aufdringen wolte/ wuͤrde ich eher mit fleiß das gegentheil thun/ als mich solches le- gis wegen lassen an etwas verbinden. Wie meine predigten selbst weisen werden/ daß ich mir allezeit die freyheit behalte/ iegliches auf die weise allemahl vorzutra- gen/ wie mich deucht/ dißmal am erbaulichsten zu seyn/ ohne die geringste reflexion auf gewisse oratori sche regeln: Ja ich achte immer meinem amt am meisten eine gnuͤge gethan zu haben/ wann ich mich vor allen am fleißigsten gehuͤtet/ was nach der arte oratoria schmecket. 2. Ob die persvasio allein der zweck seye der orato- riæ, uͤberlasse ich deren ermessen/ welche von solcher kunst profession machen/ und bekuͤmmere mich nichts darum: Aber in den predigten ist mein zweck die erbau- ung allerley art/ so wol insgemein als nach erforderung iegliches textes. Daher ich zwey stuͤcke der predigten noͤthig finde/ und also einen doppelten zweck habe bey ieglicher predigt/ nehmlich 1. daß der eigentliche verstand des textes aus der- selben selbst und gegenhaltung andrer stellen aufs gruͤndlichste und deutlichste den zuhoͤrern vorgestellet/ so dann 2. desselben fruͤchten gewiesen werden/ theils so fern solche fruͤchten darinnen bestehen/ eine Goͤttliche wahrheit/ die zu unsrer glaubens- staͤrckung noͤthig ist/ deutlicher vorzutragen/ und also eine solche lehr mit zuziehung anderer spruͤche auszufuͤhren/ oder auch einige irrthum zu widerlegen/ theils so fern sie in einrichtung oder besserung des lebens bestehen/ theils so fern dadurch das hertz getroͤstet werden solle: Daher zu solchen fruͤchten die unterrichte/ die bestraffungen und vermahnung/ und die vorstellungen des trostes gehoͤren. Davon hats nun die erklaͤrung des textes und die glaubens lehren meistentheils mit dem verstand des menschen zu thun/ die andere fruchten beruͤhren mehr den willen. Welches aber un- ter allen ausgelassen wird/ wird der erbauung dadurch etwas abgehen. Wo hin- gegen diese dinge recht/ wie sichs geziemet/ getrieben werden/ mag man erst sagen/ daß Das sechste Capitel. daß die predigten zur erbauung eingerichtet. Daher rechte predigten damit nicht getroffen werden/ was p. 116. gesagt wird: Der orationum homileticarum entzweck ist dieser/ mit vielen menschlichen worten wenig ausreden/ dann wo einer nur gleich zugehen/ und die sache in ihrer nudit et vorstellen wolte/ lieber/ wo wuͤrde das flumen eloqventiæ bleiben/ und wo wuͤrden materi en erfunden werden/ die zu beredung so vieler 1000. stundẽ wuͤrden gnug seyn. Und bald darauf: die oratoria ecclesiastica handelt alle ihre sachen stuͤckweiß/ und dienet nicht dazu/ noch ist ge- schickt/ eine gantze sache oder scienz in ihrer vollkommenheit darzulegen/ und den augen der lehrschuͤler zu entdecken/ deñ ihre indoles und ultimus finis ist nicht igno- tas res docere \& methodice discere, sondern antehac notas illustrare, exornare, am- plificare, \& ad amplectendum persvadere. Daher es dañ nicht ohn/ daß diese prom- te vielredenheit in Theologia bey denen/ die vorher die erkaͤndtniß der Goͤtt- lichen geheimnuͤssen haben/ nuͤtzlich gebraucht werden koͤnte. Aber die capita fi- dei \& morum, ja die erkaͤntnuͤß der H. schrifft per oratoriam jemand beyzubrin- gen/ ist eine verlohrne arbeit/ und heisset mit der ruthe ins wasser schlagen. Fer- ner p. 117. die erkaͤntnis und wissenschafft eines dinges kommet mir demnach zu/ und ich erlange dieselbe nicht per oratorias persvasiones, dann dieselbe hindern mehr/ als daß sie foͤrdern solten/ sondern per continuas lectiones aut lectio- num diligentes auscultationes m. f. w. Hier gestehe ich gern/ daß ich eine von Mhhr. beschriebene oratoriam Ecclesiasticam freylich mehr vor eine hindernis als befoͤrderung der erbauung hielte/ ich gebrauche sie aber selbs nicht/ und bin versichert/ daß andre rechtschaffene prediger eben so wenig dieselbe achten: So kan ich gewiß von mir sagen/ daß wo man mir eine kunst zeigen koͤnte/ wie etwas zu contrahir en waͤre ohne abgang der erbauung/ ich solche lieber lernen wolte/ als die kunst zu amplificir en. Denn da wird kein text seyn der nicht/ wo man ihm nachgraͤbet/ so viel von selbsten an die hand gebenkan/ daß man gewiß keines an- derwertlich her entlehnten amplificir ens bedarff: wer also sich dahin genoͤtigt fin- det/ allerhand amplificationes rhetoricas zu suchen/ wird sorglich wenig erbau- en/ und die sache daher kommen/ daß er seinen text und die darinnen enthaltene goͤttliche wahrheit nicht recht inne hat/ aus dero er sonsten zur erbauung ohne weitgesuchtes amplificir en gnug herausgeben koͤnte. Also sey Mhhl. versichert/ ich mit aller Christlich gesinnten predigern lassen dieses unsre hauptsorge seyn/ jegliche sache in ihrer nudi tet deutlich vorzustellen/ und suchen darinnen mehr ver- gnuͤgung/ als in einem affectirt en flumine eloqventiæ. Wiewohl dahin stehet/ ob in der that diejenige art mehr eine eloqvenz seye/ eine sache recht deutlich vorzu- stellen/ und wenig vergebliche wort zubrauchen/ oder wie Mhhl. saget/ mit vielen worten wenig sagen. Auffs wenigste ich meines orts wuͤrde auch in humanis solches vielmehr vor ein vitium eloqventiæ halten. So begreif ich auch nicht/ war- um eine gantze sache oder scienz in ihrer vollkommenheit nicht solte koͤnnen in den predigten vorgestellet werden: Vielmehr ist meine meinung/ daß solches auf kei- ne DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. ne art fuͤglicher als in wol eingerichteten predigten geschehen koͤnne/ denn wil man einen articul des glaubens recht aus dem grunde ausfuͤhren/ daß die zuhoͤrer dem- selben recht einnehmen koͤnnen/ so bedarff man ja nur einen classicum locum vor- zunehmen/ denselben genau durch zugehen/ und gleichsam nach dem innersten/ was darinnen stecket zu anatomir en/ und alßdenn was an andern orten von eben solcher materie befindlich/ zur erklaͤhrung ein zumischen. Will man aber die gan- tze Theologi e voͤllig und also ein gantzes systema dem zuhoͤrern vorstellen/ kan solches abermahl geschehen/ wo man solche texte dazu wehlet. Also daß ich nicht sehen kan/ wie Mhhl. eine fuͤglichere art zeigen koͤnte/ massen ihn versichern will/ ob er nach seiner art die gantze bibel ein oder zweymahl einer gemeinde vorlesen wird/ daß sie die gruͤndliche erkaͤntnuͤß aller glaubens articul bey weitem der- massen nicht fassen werden/ als es geschehen kan/ wo auch nur einmal solche ar- ticul aus auserlesenen texten und beyziehung anderer zu jeder materie gehoͤriger spruͤche von einem der sache und der schrifft maͤchtigen mann durchgepredigt wuͤrden. Also ists einmal nicht gegruͤndet/ daß der predigten/ dann die werden doch immer durch die Oratoriam Ecclesiasticam gemeinet (davon zwar meine mei- nung selbs bereits entdecket habe) art und zweck nicht seye/ dinge die man nicht gewust lehren und lernen/ sondern allein bekante sachen zu amplificir en und da- von zu persvadir en. Da ich hingegen Mhhl. versichre/ daß bey mir und allen rechtschaffenen predigern die unterweisung der gemeinden/ dinge so sie noch nicht begriffen zufassen/ oder die sie nur etwas verstanden/ besser verstehen zu lernen/ samt vorstellung der darausfliessenden fruͤchten/ dahin vermahnungen und war- nungen gehoͤren moͤgen/ der gantze inhalt und absicht der predigten seyen: wel- ches dem jenigen concept / so Mhhl. sich von den predigten macht/ schnur stracks entgegen stehet/ und dessen mißverstand zeiget. 3. Was das gepredigte wort GOttes anlangt/ siehe ich nicht/ wie man denselben solchen titul mit recht beneh- men koͤnte. Jch lasse freylich den unterscheid unter dem formali und materiali des worts GOttes wohl passir en/ indessen sorge/ daß dieses allzu geringe geach- tet werde. Jch erkenne daß das formal wort GOttes vor allen menschlichen para- phrasibus, erklaͤhrungen und anwendungen einen grossen vorzug habe/ es beste- het aber derselbe hauptsaͤchlich allein in dessen infallibilit aͤt/ ἀυτοπιστία und gewiß- heit. Also was dem text der schrifft anlangt/ ist derselbe allein der unmittelbare grund meines glaubens/ auff den ich mich ohne sorge eines fehls sicherlich verlas- sen darff/ und nicht noͤtig habe/ was ich darinnen finde erst nach andern zu pruͤ- fen/ ob es auch wahrhafftig GOttes wort seye: da hingegen was mit andern/ und menschlichen worten/ jenes zuerklaͤhren/ oder einigen nutzen daraus zu zie- hen/ ausgesprochen wird/ hat gleiche gewißheit nicht/ sondern ist allezeit der pruͤ- fung nach dem buchstaben des formal en worts unterworffen/ und wo ich meinen glauben auff dasselbe gruͤnde/ beruhet er nicht eigentlich auff solchen menschli- chen worten/ sondern auff den worten des H. Geistes durch seine diener selbs auf- C c c c c gesetzet/ Das sechste Capitel. setzet/ und auff meiner uͤberzeugung/ daß solche erklaͤhrung in jenen worten in der that stecke. Gegen diesen vorzug spreche ich nichts/ ja setze noch dazu/ daß unsre gemeine dolmetschungen auch noch erst nach dem grund-text examinir et zu wer- den noͤthig haben/ und also wann man in dem groͤsten rigor reden wolten/ nicht recht das formal wort GOttes waͤren. Welche bemerckung von nicht geringer wichtigkeit ist/ sondern weiset/ weil Mhhl. gleichwohl das wort in den dolmet- schungen vor das formal goͤttliche wort/ und das gewisse kraͤfftigste mittel unsrer erleuchtung erkennet/ da doch ein menschlicher fleiß in der uͤbersetzung dazu gekom- men ist/ der nicht nur irrthumen unterworffen war/ sondern wircklich in vielen stellen/ ob nicht in dem uͤbersetzen gefehlet worden/ mit gutem grund disputir et wird daß denn/ ob auch in den worten der erklaͤhrung was menschliches dazu ge- komm en waͤre/ solches aufs wenigste die krafft des worts zu unsrer erbauung nicht auf hebe oder schwaͤche. Wie denn dieses nun ferner hinzuthue/ wie ich den unmittelbahren worten des H. Geistes wegen solcher gewißheit dem gedachten vorzug nicht nur goͤnne/ sondern selbs daruͤber eiffern wolte/ wo jemand das jenige/ da etwas von menschlicher hand dazu gekom̃en/ demselben gleich zu machen sich unterstuͤnde/ daß gleichwohl solchen unterscheid/ welchen Mhhr scheinet zu intendi- ren/ was betrifft die krafft die menschliche seele zu erleuchten und zu bessern/ nicht zugeben koͤnte/ sondern mich versicheren/ es habe das material goͤttliche wort/ wie es zu nennen beliebet hat (ich rede aber von dem jenigen/ wo die erklaͤhrungen und daraus ziehende gebraͤuche mit der schrifft wahrhafftig uͤbereinstimmen/ dazu die vorige pruͤfung der gewißheit wegen gehoͤret/ und also auch von den jenigen per- sonen/ die der gewißheit wegen uͤberzeuget sind) eben diejenige seligmachende krafft als das so genante formal wort GOttes selbs. Dieser satz bestaͤrcket sich so bald aus der gethanen bemerckung wegen der dolmetschungen/ so von den blos- sen menschen gemacht worden/ und also keines præcise der jenigen wort/ welche von dem H. Geist eingegeben worden/ darinnen gelesen oder gehoͤret wird. Dann sind diese zu der erbauung und innerlichen wirckung bey denen/ so nun an der rich- tigen uͤbersetzung nicht zweiffeln/ nicht von geringerer krafft/ als wo man sie in der grundsprach laͤse/ welches ich von Mhhl. zugestanden zu werden nicht zweif- feln will/ und sonsten folgen wuͤrde/ daß welche die grundsprachen nicht verstehen/ und also das allermeiste theil aller christen/ allzu vieles/ was ihnen zur seligkeit noͤtig ist/ ermangeln muͤste/ welches mir mit goͤttlicher guͤte und weißheit sich nicht zu reimen vorkommet: so folget/ daß was die wuͤrckung der wort in der seelen an- langt/ derselben dadurch nichts abgehe/ ob schon menschlicher fleiß dabey etwas zu thun gehabt/ und die wort die man hoͤret/ aus demselben gesetzet sind/ und kan man deswegen auch die krafft des so genanten material worts GOttes nicht ge- ringer schaͤtzen. Die sache kommet daher/ weil ob schon so wohl die wort selbs/ als die dadurch angedeutete oder darinnen enthaltene goͤttliche wahrheiten von dem H. Geist sind/ jene als gleichsam das kaͤstlein/ diese als die darinnen verwahr- te DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. te und uns vorgetragene guͤter/ die krafft der wuͤrckung nach dieser distinction nicht in diesen worten als worten (dann sonsten wuͤrden allemahl die dolmet- schungen allzu unkraͤfftig gehalten werden muͤssen) sondern in solche Goͤttliche warheiten einerley blieben/ so haben sie in den seelen der menschen einerley kraft/ sie werden mit jenen ersten worten des H. geistes (die der gewißheit regel nach o- bigen staͤts bleiben) oder mit andern worten ausgesprochen. Ja es kan gesche- hen/ daß durch diese zuweilen mehr gewuͤrcket wird/ nemlich/ wenn ein text uns dunckel ist/ und also einer dessen wahren verstand nicht begreiffen kan/ ob er ihn schon vielmal lieset/ es erklaͤhret ihn aber ein christlicher lehrer denselben sonsten oder sonderlich in einer predigt durch anfuͤhrung und gegenhaltung anderer spruͤ- che/ und andere mittel den rechten verstand hervorzubringen/ da er staͤts andere/ und also seine menschliche wort braucht/ so wird erstlich des zuhoͤrers verstand durch die hertzliche erwegung der angefuͤhrten gruͤnde/ daß dieses der rechte ver- stand seye/ uͤberzeuget/ und leuchtet ihm solcher verstand durch die menschliche wort ein/ daß er die darinnen enthaltene goͤttliche warheit erkennet: nachmahl da vor- hin die formal goͤttliche wort deßwegen in seiner seele wenig erbauung wircken konten/ weil er sie nicht verstund/ so fangen sie nunmehr an dergleichen zu thun ver- mittels der menschlichen erklaͤhrung und worte/ nicht daß die krafft in diesen wor- ten steckte/ denn sie stecket vielmehr allein in den goͤttlichen warheiten/ sondern daß die menschliche wort das mittel gewesen sind dadurch er zu der erkaͤntnuͤß der ihm in jenen worten verborgen gebliebener warheiten gekommen ist. Welches ich/ wo es fleißig erwogen wird/ nicht koͤnnen geleugnet zu werden hoffe. 7. Hierauß schliesse nun ferner/ wo die blosse ablesung der H. schrifft/ und zwar mit so grossen stuͤcken und mehrern capiteln auff einmal dermassen solte eingefuͤhret werden/ daß die predigten gar abgeschafft/ oder doch denselben zu wenig mehr uͤbrig ge- lassen wuͤrde/ daß die mehrere erbauung der gemeinde eher dadurch gehindert als befoͤrdert werden doͤrffte: Folglich das kraͤfftigste mittel dieser erbauung nicht in demjenigen/ was Mhhl. hauptsaͤchlich veꝛlangt (und ich oben bereits bekant/ was ich davon zugebe) sondern in der bessern einrichtung der predigten/ zu suchen seye/ nemlich daß dieselbe einmal nichts anders seyen als erklaͤhrungen der schrift und anweisungen dessen/ was in derselben verborgen ist/ welches ohne andrer an- weisung zu finden/ nicht eben eines jeglichen gabe ist. Wo aber eine predigt/ wie sie seyn solle/ recht eingerichtet ist/ getraue ich nicht zu sagen/ daß sie so viel und meistens mehr zur wahren erbauung thun werde/ als die ablesung mehrer capitul aus der H. schrifft/ sonderl. was die capitul anlangt/ da nicht ex professo die dogmatica gehandelt werden. Hiemit entziehe dem goͤttlichen wort aller- dings nichts/ sondern wie ich dem buchstaben des so genanten formal worts den vorzug der unfehlbarkeit lasse/ also schreibe nichts von der krafft den menschli- chen worten zu/ sondern den goͤttlichen warheiten/ die dorten in jenen worten ver- borgen stecken/ in diesem aber zu dem menschlichen gebrauch beqvemer angewen- C c c c c 2 det Das sechste Capitel. det werden. Welches ich nach beiden stuͤcken/ die ich in den predigten erforde- re/ zeigen kan/ die da sind die erklaͤhrung des buchstaͤblichen verstandes und die herausziehung und vorstellung der usuum und fruͤchten. Was die erklaͤh- rung anlangt/ wird mein hochgeehrter Herr nicht in abrede seyn/ daß viel stel- len sind/ welche einiger erleuterung bedoͤrffen/ sollen sie anders nuͤtzlich seyn/ und streitet solches wider unsre thesin nicht/ die wir von der klarheit der Schrifft wider die papisten behaupten: wenn denn solche stellen gelesen/ und nicht ver- standen werden/ wird jedermann bekennen muͤssen/ daß sie ihre frucht bey uns nicht haben koͤnnen. Daher sind menschliche wort der jenigen/ welchen GOtt eine mehrere gabe und erfahrung in der schrifft gegeben hat/ daß sie das in den uns duncklern orten klaͤhrer vorzustellen vermoͤgen/ wenn sie solches in den predigten thun/ das mittel/ wodurch jene zu ihren nutzen bey uns gebracht werden/ aber die krafft ist dannoch nicht unsrer worte/ sondern der goͤttlichen warheit: gleich wie ei- ner der zu schwach waͤre ein brodt aufzuschneiden/ und nur eusserlich daran nagte/ nicht gnugsam nahrung davon bekommen wuͤrde/ wann ihm aber iemand dassel- be aufschneidet/ daß ers geniessen kan/ hat jener dazu geholffen/ und doch ist die krafft allein des brodts selbst gewesen. Was aber die uͤbrige usus anlangt/ haben wir widrum zu bedencken/ daß es mit dem goͤttlichen wort gar eine andere be- wandtniß als mit menschlichen worten habe/ und daß es als eine reiche fundgrube seye/ worinnen unvergleichlich mehr stecke/ als man in dem ersten anblick darin vermuthete/ sich aber alsdenn erst offenbahrete/ wo wir entweder selbst nach dem vermoͤgen/ das GOtt gibet/ ieglichen wort nachdencken/ oder einen andern lehrer haben/ der uns nach seiner mehrern erfahrung eines nach dem andern darinnen zeiget/ welches wir selbst nicht haͤtten finden wuͤrden. Daher allen/ sonderlich aber den predigern/ das ἐρευνᾶν suchen und forschen in derselben anbefohlen ist/ und ist noch dabey wol inacht zunehmen/ da in menschen schrifften nicht alles vor des au- toris sinn kan angenommen werden/ was durch einige folge aus seinen worten ge- zogen werden koͤnte/ weil kein mensch die jenige weißheit hat/ alle muͤgliche folgen aus seinen worten vorzusehen/ und sie deswegen alle so vorsichtig zusetzen/ damit nichts seiner meinung widriges daraus von iemand gezogen werden koͤnte/ daß hin- gegen was die H. Schrifft anlangt/ weil die wort von dem H. allwissenden Geist eingegeben sind/ alles das jenige was richtig aus derselben folget/ wahrhafftig auch vor ein wort und wahrheit Gottes/ ob es wol deutlich nicht da stehet/ zu hal- ten seye. Worauf sich alle unsre conseqvenzen gruͤnden. Also gar/ daß solche Goͤttliche wahrheiten aus den gewissen conseqvenzen mit als ein theil des worts zu halten sind: Daß deswegen unser Heyland zu den Sadduceern/ so die aufer- stehung leugneten/ Matth. 22/ 29. sagt/ nicht nur/ sie wuͤsten die krafft Gottes nicht/ sondern siewuͤsten auch die schrifft nicht/ da sie gleichwol den ort/ den er fuͤhret/ und das jenige/ was der unmittelbare verstand war/ wol wusten/ nicht aber so tieff ein- sahen/ daß sie auch diese folgen gesehen haͤtten. Bey solchem reichthum der schrifft DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. schrifft ist ja nicht nur nuͤtzlich/ sondern/ wo wir Goͤttlichen zweck/ welcher alles gern zu unsern nutzen angewendet haben will/ ansehen/ der gemeinde allerdings noͤthig/ daß weil eben nicht ieglichen dero gliedern muͤglich ist/ so tieff in diese fund- grube sich einzulassen/ daß dann in der kirchen einige seyen/ die solche grube gleich- sam besteigen/ und den andern das jenige/ was sie darinnen finden/ heraus langen/ ihnen nehmlich zeigende/ wie diese oder jene lehre/ diese vermahnung/ warnung/ trost und dergleichen darinnen stecke/ und solche stracks also treiben/ daß sie in ihre hertzen eintringen. Also hoffe ich/ daß ich die H. Schrifft/ wo ich zu dero reicherem gebrauch solchen dienst der prediger erfordere/ nicht beschimpffe/ oder ihr einen mangel zuschreibe/ sondern dero unerschoͤpfflichen reichthum recht hoch erhebe. Und was dann durch solche erklaͤhrungen und folgen erbauet wird/ hat seine krafft nicht aus den menschlichen worten/ mit denen diese vorgestellet werden/ sondern aus de- nen Goͤttlichen wahrhetten selbst/ die gefunden worden sind/ und zu ihren gebrauch angewendet werden. Gleichwie die Artzney ihre gesundmachende krafft in sich haben muß/ ob wohl des medici verordnung und wahl/ auch des apotheckers kunst in dero vermischung/ mit dazu kommen muß. Item, wie der weitzen die naͤhrende krafft in sich hat/ ob wol zu fuͤglicher geniessung der muͤller und becker mit ihrer ar- beit concurri ren, aber keine neue krafft dem weitzen geben/ sondern denselben uns zum gebrauch am beqvemsten machen. Also hat eine wol eingerichtete predigt uͤber einen reichen und wichtigen text (indem ich abermahl nicht billichen wuͤrde/ wo iemand in iedem text so vieles suchen/ und vielmehr fremde dinge hineintragen/ als daraus hervor langen wolte/ so aber widrum ein mißbrauch waͤre) diesen vor- theil/ daß ein andaͤchtiger Zuhoͤrer den reichthum desselben aus solcher anhoͤrung erkennen und ins hertz fassen kan/ welchen er etwa sonsten/ ob er ihn in der able- sung 10. oder 20 mahl gehoͤret hatte/ nicht also zu seiner erbauung zu gebrauchen vermocht haͤtte. Da mag als eine solche predigt/ ob wol das formal wort Gottes etwa in einem kurtzen text bestanden/ und das uͤbrige nach der gemachten distin- ction allein das material wort Gottes gewesen/ leicht mehr erbauung geben/ als eine so lang waͤhrende ablesung vieler capitel/ aus dero etwa nicht so viel gruͤndli- che erbauung in das hertz gekommen waͤre. Wie eben dieses das jenige ist/ wel- ches in der blossen ablesung und zwar vieler capitel (dann in den historien/ sonder- lich des A. T. da so vieles nicht darinnen verborgen ist/ gehets noch eher an) de- siderir et werden mag/ daß man alles zu geschwind uͤbergehet/ und in nichts tieff eintringet. Da ich hingegen die Heil. Schrifft wegen dero krafft vor eine solche theure und starcke artzney halte/ daß man sie nicht mit gantzen bechern/ sondern mit loͤffeln/ ja mit tropffen/ am nuͤtzlichsten einnimmet. Wie etwa einer/ der eine fei- ne erkaͤndtniß bereits hat/ und also zur betrachtung geschickt ist/ bey sich befinden wird/ wenn er einen kleinen text in der forcht des HErrn vor sich nimmet/ und nach hertzlichem gebet alle wort darinnen fleißig erweget/ um die krafft derselben/ und der darinnen enthaltenen lehren zu schmecken/ daß er davon sich mehr erbauet und C c c c c 3 gestaͤr- Das sechste Capitel. gestaͤrcket fuͤhlet/ als wo er noch so vieles lieset/ aber nur auf das jenige achtung gi- bet/ was sich so zu reden in dem ersten anblick præsentir et. Was dann ein solcher/ der bereits selbst tieffer eine sache einzusehen/ und einen text zu untersuchen tuͤchtig ist/ von seiner meditation vor nutzen schaffen wird/ eben denselben sucht ein christ- licher prediger seinen zuhoͤrern auch zuzuwenden/ da er ihnen das jenige vortraͤgt/ was er nach geschehener nachforschung gefunden hat. Welches gewiß vermit- tels Goͤttlicher gnade und segens nicht anders kan als in die hertzen so viel tieffer eintringen/ als eine solche ablesung/ weil in jener uͤbung das gemuͤth eine gute weil auf einer sache bleibt/ und das feuer so zu reden zeit hat hinein zu brennen/ in der ablesung aber in unterschiedlichen capiteln man niemal auf eines lange dencken kan/ sondern offt viel gantz unterschiedener materi en nach einander folgen/ bey dero keine man lange stille stehen und weiter nachdencken kan. Daher das haus- lesen noch vor dem oͤffentlichen lesen diesen vortheil hat/ daß wo man in dem lesen auf einen spruch koͤmmet/ an dem man so bald einen sonderlichen geschmack spuͤ- ret/ der mensch gleich dabey still stehen/ und ferner nachsinnen/ ja gar dabey abbre- chen/ und nur in solcher materi e sich ergoͤtzen und erbauen/ das folgende aber auf andre mahl verschieben kan. So in der oͤffentlichen ablesung nicht thuelich. Wel- cher ursach wegen ich auch die an gewisse tage und anzahl der capitel gebundene lesung niemand rathe/ in dem solche etwa eher den nutzen hindert/ wann man mei- net/ man muͤsse gerad seine gesetzte zahl taͤglich erfuͤllen/ damit man nicht aus der ordnung komme/ sich aber eben damit des mehrern nutzens verlustig machet/ den man zu weilen daraus nehmen koͤnte/ wenn man bey einem spruch sich geruͤhrt ge- fuͤhlet/ und dabey geblieben waͤre. Aus allen diesen versihe mich/ daß Mhhr/ erkennen wird/ wo ich die recht- gefaßte predigten von mehrer frucht/ als derselbe sie ansiehet/ zu seyn achte/ und zu- weilen von denselben mehr erbauung/ als von der blossen ablesung erwarte/ daß ich damit dem Goͤttlichen wort nichts entziehe oder menschen worten zulege/ son- dern daß es dabey bleibe/ alle krafft und geistliche wirckung komme aus dem wort Gottes allein/ das ist aus den jenigen wahrheiten/ welche die schrifft uns vorstellet/ sie werden nun mit den worten des H. Geistes/ oder mit erklaͤhrungs worten der menschen/ aber richtig/ vorgetragen: Denn was der mensch oder prediger dabey thut/ bestehet nur darinnen/ daß er/ was in den worten steckt/ mit mehrern vor- legt/ damit es zu sinne gefaßt/ nachmal seine krafft in den hertzen ereigne. Daher solches so wenig die krafft des worts hindern kan/ als Mhhr. nicht wuͤrde zugeben/ daß man eine harmonie aus mehreꝛn orten zusam̃en gegattet/ wolte von geringerer krafft halten/ weil ja die wort nicht mehr in der ordnung stuͤnden/ wie sie der Heil. Geist gesetzet hat/ und in solcher zusammengattung unzweiflich auch gefehlet wer- den kan. Wo auch die biblia dogmatica solte heraus kommen/ an welcherley ar- beit etwa vielmehr der kirchen moͤchte gelegen seyn/ als an der harmonia histori- ca, so sihe ich nicht/ wie sie anders eingerichtet werden koͤnte/ als itzt ein gottseliger predi- DISTINCTIO II. SECTIO XXIII. prediger/ wo er eine materi e auszufuͤhren sich vornimmet/ die dahin gehoͤrige texte alle mit einiger erklaͤhrung anfuͤhret. Und ob es hiesse/ hie mische der prediger vie- le seiner menschen wort mit ein/ dorten aber wuͤrden allein die goͤttliche wort in ei- ne gewisse harmonie gebracht/ mag doch solches zeigen/ daß ein an das wort ge- wandter menschlicher fleiß dessen krafft nicht verringere/ und ist gewiß/ daß in der zusammengattung so viele fehler/ so ein wichtiges austragen koͤnnen/ moͤgen vor- gehen/ und die so oder anders zusammen gesetzte worte leicht diesen oder jenen ver- stand so wohl annehmen koͤnnen/ als etwa durch die erklaͤhrung gefehlet werden moͤchte. Dergleichen harmonische zusammensetzung aber ohneracht der dabey muͤglichen oder vorgehenden fehler goͤnnet Mhhr. gern den nahmen des goͤttlichen wortes/ und halt sie von der groͤsten erbauung/ warum denn nicht auch die pre- digten? daher ich dieses mit nicht gnugsamen grund gestraffet zu werden achte/ wo die prediger sich ruͤhmen/ sie haben Gottes wort geprediget/ und die zuhoͤrer/ daß sie solches gehoͤret haͤtten: Dann dazu ist all gnug/ daß solche goͤttliche wahrhei- ten/ die der Heil. Ge i st geoffenbahret hat/ mit richtigen und beqvemen worten ausgesprochen und gehoͤret worden sind. Hingegen erhellet/ daß also die gefuͤhrte klagen nicht von gnugsamen grunde sind/ und ob wol gestandener massen die offentliche ablesung der schrifft an dazu be- qvemen orten eine erbauliche uͤbung seyn wuͤrde und zu wuͤnschen waͤre/ dannoch der erbauung dadurch noch nicht so wol geholffen werden moͤchte/ als durch die bes- sere einrichtung der predigten/ daß nehmlich dieselbe allein mit erklaͤhrung und anwendung der schrifft umgiengen. Daher wuͤrde Mhhr. viel besser gethan/ und seinen insgemein habenden zweck vermuthlich eher erlangt haben/ wo er die gaͤntz- liche ablesung der schrifft mehr als nuͤtzlich gelobet und gerathen/ als vor bloß noͤ- thig mit so vielen klagen und obtestation en/ dadurch viele gemuͤther der sache eher moͤgen widrig gemacht seyn worden/ getrieben haͤtte. Jch habe auch/ so nicht laͤugne/ fast mit bestuͤrtzung den titel gelesen/ die erste goͤttliche predigt/ dann ob zwar Mhhr denselben nachmahl emollir en will/ so sind doch die wort gleich an sich zu hart/ und beruhet solcher nahmen insgesamt auf einigen oben nicht richtig befundenen hypothesibus: zu geschweigen daß einige/ so nicht in christlicher liebe alsobald iedes von einen bruder aufs beste auszulegen sich geweigert/ aus solchem titel und einigen fast excessiv en lobspruͤchen dieses inventi bey demselben ein ge- muͤth sorgen moͤchten/ das ihm und seinen gedancken zu viel zuschriebe/ andre aber wuͤrcklich den verdacht geschoͤpffet haben/ ob waͤre ein grosses motiv der gantzen sache die verhoffte befoͤrderung der mit unkosten heraus gegebener Bibliorum Harmonicorum, so ich aber lieber anders wuͤnsche und hoffe. Aus allem/ trage das vertrauen/ werde mein werther Bruder mein auf- richtiges gemuͤth erkennen/ daß ich die gantze sache/ wie ich sie in meinem gewis- sen vor GOtt befinde/ offenhertzig zu fernern nachdencken/ wie etwa zu helffen waͤre/ hiemit in schuldiger liebe vorzustellen mich unternommen/ und alles mit glei- chemliebreichem hertzen aufnehmen. Auß Das sechste Capitel. Der HErr HErr/ dessen wort es ist/ mit dem wir vor der gemeinde allezeit umgehen sollen/ lasse dasselbe ie laͤnger ie reichlich er unter uns wohnen in aller weißheit: er befoͤrdere auch alle die jenige mittel/ wie er nach seinen rath iedes orts und zu ieder zeit/ dieses oder jenes zu der erbauung am diensamsten erkennet/ damit lehrende und lernende nichts dessen unterlassen/ was beyderseits pflichten hierinnen erfordern. Er gebrauche auch meinen hochgeehrten Herrn ferner zu einem theu- ren und kraͤfftigen werckzeug seiner gnaden/ segne alle zu seinen ehren diensame ar- beit/ und weise ihm selbst/ worinnen seine gaben am fruchtbarlichsten angewen- det werden koͤnnen. Womit der ewigen liebe und versorgung unsers himmlischen Vaters treulich erlassende verbleibe. u. s. w. 13. Febr. 1689. SECTIO XXIV. An einen christlichen Edelmann aufmun- terung und wunsch. D Em Herrn Herrn sage ich demuͤtigen danck/ der nechst andern seinen kin- dern auch dessen liebe person/ aus dem stande derer/ welche sonsten vor an- dern fast mehrere hindernissen des wahren Christenthums haben/ dadurch aber die meiste sich von dessen ernstlicher fuͤhrung abhalten lassen/ kraͤfftiglich be- ruffen/ und von der welt zu sich gezogen/ mir aber auch eine sonderbahre freude daruͤber durch seine guͤte erwecket hat. Wie dann uns Christen allen/ so viel mehr denen/ die der HErr zu seiner gemeinde dienern verordnet hat/ zukommet/ daß wir unsre groͤste freude darinnen suchen und erkennen/ wo wir von wachsthum des reichs Gottes/ und wie so wol die zahl der rechtschaffnen kinder Gottes/ als in denselben die krafft seines Geistes/ zunehme/ hoͤren und vernehmen koͤnnen; indem wir darinnen stets die erfuͤllung und erhoͤrung der uns nothwendigsten und an sich wuͤrdigsten ersten bitten des vater unsers erkennen moͤgen/ und iedesmal ursach haben/ den himmlischen Vater/ so offt er uns etwas dessen zu gesicht oder gehoͤr kommen laͤsset/ davor demuͤthigsten danck zu sagen/ und uns stets daraus zu troͤ- sten/ daß der HErr sein angesicht noch nicht gantz von uns gewendet habe/ oder uns als ein born worden seye/ welcher gar nicht qvellen wolle/ wie es so offt das ansehen gewinnet/ wo man das allgemeine verderben vor augen sihet/ und immer mit David zu seufftzen ursach findet: Hilff Herr die heiligen haben abgenommen/ u. der glaͤubigen ist wenig unter den menschen kindern. Aber gelobet seye die goͤtt- liche guͤte und barmhertzigkeit/ die auch mitten in diesen zeiten des gerichts sich nicht gar von uns abgewendet hat/ sondern uns noch da und dort gewahr werden laͤsset eines uͤbergebliebenen saamens/ damit wir nicht werden moͤgen wie So- dom und wie Gomorrha. Ach der HErr HErr maͤchtig von krafft und guͤte er- halte nicht allein das jenige/ was er bereits kraͤfftig mit seinem Geist geruͤhret/ son- dern thue noch taͤglich zu der zahl derer/ die in lebendigem glauben/ ob wol mitten unter DISTINCTIO II. SECTIO XXV. unter den hauffen derer/ welche sich mit dem wahnglauben aufs elendeste betrie- gen/ ihm dienen. Ja nach dem die ausserwehlte Gottes tag und nacht zu ihm ruf- fen/ daß er drein sehen/ den geistlichen vielmehr als leiblichen verderben steuren/ hingegen das gute/ die erkaͤntniß der wahrheit zur gottseligkeit/ mehr und mehr ob- hand gewinnen/ und durchbrechen lassen wolle/ so erfuͤlle er seine verheißung/ und errette sie in einer kuͤrtze/ daß wir unser Jerusalem in anderem stand und herrliche- rem schmuck wiedrum sehen moͤgen. Er lasse auch ihres orts vor andern die je- nige/ bey welchen er das rechtschaffene wesen in CHristo JEsu gewircket hat/ in solchem guten gestaͤrcket/ und welches eine stattliche beforderung dazu ist/ naͤher und naͤher unter sich miteinander vereiniget werden. Sonderlich giesse er uͤber seine liebe person taͤglich von dem thron seiner heiligen hoͤhe aus mit reichem maaß die krafft des Geistes starck zu werden an dem geist und innern menschen/ und wircke insgesamt in ihm alles was vor ihm gefaͤllig ist/ daß die beklagte schwach- heit immer nach und nach raum geben muͤsse einer goͤttlichen krafft und staͤrcke durch vielen selbst in solcher schwachheit annoch davon tragenden sieg. Ja er se- gne dessen liebes exempel zu erwuͤnschter nachfolge vieler andern gleiches standes/ um zu erkennen/ da die adeliche geburt in der welt eine sonderbare wuͤrde ist/ daß deroselben vornehmste zierde seye eine noch hoͤhere geburt aus GOtt/ mit dero jene vereinbaret/ allererst ihren rechten glantz erlanget/ und daher sich gern an alle die regeln/ die der himmlische Vater denen aus sich gebohrnen kindern vorgeschrieben hat/ verbunden glaubet/ und sich keine ausnahen von denselben mit der thoͤrichten welt einbildet: Wie sonsten leider der jenigen/ so allein an der fleischlichen geburt und dero vorzug hangen bleiben/ gefaͤhrliche meinung ist; Dero hinwider durch loͤbliche exempel solcher personen/ bey welchen der doppelte Adel beysammen ist/ und die gleichwol den jenigen/ der von oben kommt/ dem fleischlichen vorziehen/ am kraͤfftigsten gesteuret werden mag. 27. Apr. 1689. SECTIO XXV. An einem an meinem ort verstossenen prediger/ da er widerberuffen worden. Harte klagen. Ob bey uns auch an der lehr mangel. Vater wider den sohn. Auslassung einiger ge- saͤnge um der Papisten willen. Articul der rechtfertigung. Arbeiten an glauben/ da man keine frucht siehet. Gewisse hoffnung der besse- rung. Daß einige bey der communion von dem wein nichts bekom- men. Qvacker nahme. Heilig leben. Neuer mensch. Ob in Pensylvaniam zu fliehen. D Aß der himmlische Vater denselben nicht allein wiedrum gnaͤdiglich ver- sorget/ sondern auch unter verschiedenen stellen die wahl gegeben/ er- kenne ich billich desselben heilige guͤte/ weise regierung und gewisse wahr- D d d d d heit/ Das sechste Capitel. heit/ die den seinigen gethane verheissungen ohne sehl zuerfuͤllen. Er seye auch da- vor von mir demuͤthigst gepriesen. Die unter verscheidenen stelien angestellte wahl kan ich nicht urtheilen/ nach dem mir die voͤllige bewandnuͤß einer jeglichen nicht zur gnuͤge bekant/ wie ich aber sein hertz habe kennen lernen/ daß ihms wahrhafftig allein um GOtt in allem zu thun seye/ und die insgemein angefuͤhr- te ursachen der bey den andern mehrer zeitlicher zerstreuungen/ sind mir gnug/ zu glauben/ daß solcher auch in dieser wahl nach dem willen des HErrn gewehlet/ und also von diesem wahrhafftig in diese stelle gesand seye. Jch ruffe ihn demuͤ- thigst an/ daß er nun solchen ruff auch so viel kraͤfftigern nachtruck und segen ver- leyhen/ sein werck durch ihn kraͤfftig gegen alle hindernuͤssen durchgetrieben/ viele seelen wahrhafftig zu dem HErrn und erkaͤntnuͤß ihres heils gefuͤhret/ und also was an der frucht der arbeit anderer orten ermangelt/ an diesem reichlich ersetzet werden lassen/ so dann diese stelle zu derjenigen machen wolle/ da er so wol in geniessung anderer seiner gnaden und segens als freudiger ansehung der rei- chen ernde seiner bißherigen leiden ergoͤtzet/ hingegen die vorige klagen in desto froͤlichere dancksagung verwandelt werden moͤgen. Der HErr verleihe auch hierzu bestaͤndige leibes und gemuͤths kraͤfften/ sonderlich aber licht und krafft des H. Geistes/ gleich wie in jenem staͤts einzusehen/ was vor ihm in allen dingen wolgefaͤllig ist/ also auch in dieser alles endlich siegreich zuuͤberwinden/ was sich eine weile noch wiedersetzen moͤchte. Nun er ist der HErr/ wir seine diener: Er regiere uns so/ daß wir nichts thun/ als was er von uns fordert/ und in uns wir- cket. Daß selbigen mit einigen freyern klagen oder haͤrtern worten bey mir unwillen erwecket haben moͤchte/ wolle derselbe alle sorge fahren lassen/ und sich versichern/ daß ich die sache selbst so betruͤbt und elend zu seyn ansehe/ daß nicht wohl einige klagen an sich selbst zu hart seyn/ ob zwar an gewissen orten unzeitig und zu schaden ausgeschuͤttet werden koͤnten. Daher wenn Christl. Bruͤder in meinem schooß ihren kummer ausschuͤtten/ ist bey mir nie zu hart: doch werde ich sie zu weilen bitten/ bey andern mit demselben nicht auszubrechen/ die sich daran aͤrgern/ oder bey denen sie sich nur vergebene wiederwertigkeit dadurch erregen wuͤrden: wo wir aber vor GOtt ligen/ oder es mit denjenigen zu thun haben/ de- nen GOtt auch die augen etwas geoͤffnet hat/ moͤgen wir dem schmertzen den lauff so fern lassen/ daß wir uns nur nicht mit murren gegen GOttes Heil. regie- rung und wider die liebe des nechsten versuͤndigen. Daß die wahre lehr auch bey der wahren lehre schier unbekant werde/ ist leider allzuwahr. Dabey bleibets zwar/ wie unsre Evangelische lehr in Symbolischen buͤchern/ und vieler unsrer gottseli- ger lehrer buͤchern/ vor augen liget/ so ist sie die goͤttliche wahrheit/ und koͤnnen wir nicht klagen/ daß nicht die articul so wohl der rechtfertigung als der heiligung rich- tig vorgestellet werden ohne vermischung und trennung. Wolte aber GOtt/ daß alle unsrer kirchen-lehrer und prediger dieselbe also inne haͤtten/ daß sie sie wahr- hafftig verstuͤnden/ und daher auch ihren gemeinden recht vortragen koͤnten. Aber so DISTINCTIO II. SECTIO XXV. so manglet es leider nicht an vielen solchen/ die von der lehr der heiligung nichts wahrhafftig wissen und verstehen; daher ists unmoͤglich/ daß sie auch den articul von der rechtfertigung gruͤndlich verstehen/ oder davon eine gemeinde wie sichs geziehmet/ unterweisen solten koͤnnen: sondern sie sagen zwar/ der mensch werde gerecht allein durch den glauben: welches eine goͤttliche wahrheit ist/ aber sie wis- sen nicht was sie sagen/ als die nicht verstehen/ was gerecht werden/ noch was glaube seye: ja der verstand/ wie sie solche wort nehmen/ mag wohl gar falsch seyn/ nach dem sie durch den glauben eine menschliche unkraͤfftige einbildung verstehen/ und von keinem andern glauben leider wissen. Damit kan geschehen/ daß man die wahre wort behaͤlt/ und dennoch lehrer und zuhoͤrer die warheit in denselben ge- faͤhrlich verliehren. Was ists denn wunder/ wenn es solchen leuten/ die wohl die wahre wort gewust/ aber den wahren verstand davon nie eingesehen haben/ als eine frembde lehr vorkommet/ wo leute aufftreten/ die bey den worten auch die wahrheit und die krafft treiben? So kans also auch nicht anders geschehen/ als daß solcher wahrheit von denen widersprochen wird/ die sie nie erkant/ und sich nur an nicht/ oder vielmehr falsch/ verstandene worte gehalten haben. Nun der HErr wird endlich drein sehen. Daß im uͤbrigen auch dessen leiblicher Vater sich nicht nur unter den wiedersprechern dieser goͤttlichen warheit finden lasse/ sondern von demselben dieser ursach wegen alle vaͤterliche liebe abziehe/ bekenne ich/ daß es wohl eines der schwehresten leiden/ so einer seelen widerfahren koͤnne/ seyn muͤsse. Doch muͤssen wir uns solches auch nicht befrembden noch aͤrgern lassen/ dann der HErr hats uns laͤngst zuvor gesagt/ Luc. 12/ 53. es wird seyn der Vater wider den Sohn: daher wir auch einen Vater hassen Luc. 14/ 26. das ist/ den Vater nicht mehr als ihn lieben muͤssen. Matth. 10/ 37. Also ob alle welt sich wiedersetzte/ und auch unsre Eltern/ so wollen wir dennoch an dem treu bleiben/ welcher der rechte Vater ist/ uͤber alles was kinder heist/ im himmel und auff erden/ und an sich reichlich ersetzet/ was uns an der entziehung eines leiblichen Vaters abgehen mag. Jedoch lasset uns fleißig vor ihn bitten/ welches ich auch mei- ner seits thun werde/ daß GOtt dem mann noch die augen/ so durch die schein- bare præjudicia der welt/ welche die aͤlteste lehr/ so sie eine zeit lang/ so viel an ihr gewest/ zuverbergen gesucht hat/ nun wann sie wieder hervor blickt/ vor neue- rungen laͤstert/ eingenommen sind/ oͤffnen/ und die hertzen der Vaͤter zu den kindern (Luc. 1. 17.) bekehren auch dadurch zu neuer dancksagung ursach geben wolle. Was die gethane anfrage anlangt/ so stehet nicht in unsrer macht/ daß wir einige unsre glaubenslehren und puncten verleugnen und ablegen/ und also den Papst oder seinen stuhl nicht vor den Anti-christ/ der er ist/ erklaͤhren solten: so sind wir auch gegen ihn zu beten verbunden. Und also/ wo es auff solche Ter- minos kaͤme/ etwas gegen dieses zuverheissen/ doͤrffen wir nicht weichen. Wan es aber dabey bleibet/ bey welcher gelegenheit/ auff was art/ mit welchen formalien man solche bekaͤntnuͤß thun/ oder solches gebet ablegen solle/ da ist nicht einerley D d d d d 2 ver- Das sechste Capitel. verbindung/ sondern da ein prediger nur beflissen ist/ seine zuhoͤrer gegen die ver- fuͤhrung zu verwahren/ und hingegen in der wahrheit zu befestigen/ stehet ihm frey/ er seye dann durch der obern anordnung an etwas gewisses verbunden) die jeni- ge gesaͤnge zuwehlen/ die er auch dem euserlichen zustand seiner kirchen/ ihr nicht ohne noth unruhe und widerwaͤrtigkeit zu machen/ am beqvemsten findet/ und wo er einige auslaͤsset/ aus denen er der gemeinde von den feinden gefahr sorget/ hat er damit noch nichts unsrer wahrheit begeben/ die nicht in gewissen gesaͤngen be- stehet/ noch diese/ wie wohl erinnert worden/ als ein Symbolum fidei auffge- nommen worden sind. Ja es kans der prediger vor sich lieber ungeheissen aus- lassen/ als wo ihm solches von den widersachern mit gewalt und trohen auffge- zwungen wuͤrde/ wo die christliche freyheit mehr noth leiden moͤchte. Jn Straß- burg weiß ich nicht anders/ alß daß dergleichen gesaͤnge staͤts vermeidet werden/ womit sie der wahrheit nichts begeben/ sondern ihrer kirchen kluͤglich schohnen. So halte auch davor daß die herrschafftliche erinnerung bey der beruffung/ alles zuverhuͤten/ was auch die herrschafft incommodir en/ und mit den benachbarten in streit/ darinnen sie leicht unterliegen moͤchte/ bringen doͤrffte/ eben diese klug- heit von ihm fordere/ zwar von der goͤttlichen wahrheit nichts zuruͤck zulassen/ a- ber auch in der art dero vortrags auff ihren zustand zu sehen. Der HErr gebe auch hierinnen den geist der weißheit. Was den articul de justificatione an- langt/ bin ich versichert/ daß wir in denselben so gegruͤndet/ als in einigen seyen: nur will immer dieses in acht genommen werden/ daß ein anders seye/ daß bey ei- nem glaͤubigen Christen auch eine innerliche inhafftende gerechtigkeit aus der hei- ligung seye/ ja seyn muͤsse/ so wir gern bekennen/ aber die wiedersacher auch nichts mehrers erweisen koͤnnen/ und daß dieselbe das jenige seye/ damit wir vor GOtt bestehen moͤgen/ wovon aller unser zwiespalt ist ꝛc. Die klage/ daß wir so wenig mit unsern amt außrichten/ und wo wir zuweilen meinen viel ausgerichtet zu haben/ nur heuchler machen/ ist eine allgemeine klage aller derer/ die tieffer in das gemei- ne wesen einsehen. Jedoch muß uns auch dieses nicht muͤde machen/ sondern wir nach dem maaß der gnaden/ das unser iedem gegeben ist/ unser amt thun/ Gesetz und Evangelium/ abermahl nach der verliehenen weißheit/ bey der gemeinde trei- ben/ und den ausgang oder wirckliche frucht dem uͤberlassen/ der allein in die her- tzen so siehet als den eintruck geben kan/ versichert/ daß weder seine verheissung/ die das wort nicht gar laͤhr zu lassen uns vertroͤstet hat/ uns triegen koͤnne/ noch allemahl gantz vergebens seye/ was wir wohl vergebens zu seyn sorgen. Es ist zuweilen dem ansehen nach gruͤnes graß/ und weil die halmen zu gewoͤhnlicher zeit nicht auffschiessen/ achten wir es vor blosses unfruchtbahres graß/ es kan aber die zeit kom̃en/ daß da alles geschienen verlohren zu seyn/ eins mahls der halm auffstei- get und in den aͤhren die verlangte frucht zeiget. Offt liegt lange das koͤrnlein dem ansehen nach gar todt in dem staub/ es folget aber zu seiner zeit ein gesegneter regen/ der es lebendig und auffgehen machet. Daher ich nicht zweiffle/ daß bey eini- DISTINCTIO II. SECTIO XXV. einigen die frucht unsrer arbeit erst recht vorbrechen mag/ wenn wir selbs nicht mehr verhanden sind. Also lehret uns Gott/ wenn wir nichts sehen/ in blossen glau- ben arbeiten/ und wird sichs lassen angenehm seyn/ ob wir unsrer meinung nach uns selbst fast vor unglaubig haben halten muͤssen. Daß aber werther Bruder eine huͤlffe und rettung von dem HErrn hoffet/ darin pflichte nicht nur derselben bey/ sondern bekenne ihm/ daß solches meine vornehmste hoffnung/ ja trost und auffmunterung in alle betruͤbnuͤß und beschwerde ist/ daß ich weiß/ der Herr werde seine ausserwehlte/ so tag und nacht zu ihn seuffzen/ retten in einer kuͤrtze. Wie ich versichern kan/ daß dis mein angelegenstes gebet ist/ und mich noch wohl erinne- re/ wie vor mehrern jahren/ als ich in dergleichen betruͤbten gedancken zu Franck- furt in die betstunde gieng/ die wort des gesanges: darum spricht GOtt/ ich muß auff seyn/ die armen sind verstoͤret/ ihr feuffzen dringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret. m. f. w. welche in meinem eintrit gesungen wurden/ mir mit einer solchen ungewoͤhnlichen krafft ins hertz getrungen sind/ daß ich we- der vor noch nach eine solche lieblichkeit auch nur des thons/ als damahl/ gespuͤh- ret/ es aber billich als eine goͤttliche antwort auff meinen kummer geachtet habe. Die mich auch nicht triegen wird. Lasset uns nur nicht muͤde werden anzuhalten/ und was die welt von unsrer hoffnung urtheile/ oder sie spotte/ wenig achten. Gnug daß wir wissen/ an wen wir glauben/ und wem wir dienen/ nemlich GOtt/ der sich nicht vergebens dienen laͤsset. Was anlanget die klage/ daß einige nichts von dem wein bey der communion solten genossen haben/ bekenne ich/ daß es kein geringer fehler seye/ aber nicht so wohl des administrantis, als der Commu- nicant en: Jndem der prediger weniger wissen kan/ ob der mensch etwas empfaͤn- get/ als der Communicant selbst/ so viel mehr wo jener einen natuͤrlichen mangel des gesichts hat/ dem der andre seiner seits mit errinnern nichts empfangen zu ha- ben/ zu statten kom̃en sollen. Daher an statt dessen/ daß dieses als sein verbrechen dem pastori zugemessen wird/ haͤtte vielmehr den klaͤgern der ernstliche verweiß ge- geben werdẽ sollen/ daß sie ohne empfangung des weins von der communion weg- gegangen/ u. nicht vielmehꝛ sich entweder besser dazu etwas zu empfangẽ geschicket/ odeꝛ daß sie nichts empfangen haͤtten gemeldet/ u. also was ihnen gebuͤhꝛet empfan- gen haben. Wie ich weiß/ daß in Franckf. geschehen/ als von einer frauen kund wur- de/ die auch einigen orts sich beschweret/ daß sie nichts von dem gesegneten wein be- kom̃en/ daß ihr durch den Beichtvater von wegen des gantzen ministerii zugespro- chen/ und kuͤnfftig besser acht zu geben ernstlich anbefohlen: darauf aber/ weil man gesorget/ daß mehrmal dergleichen casus geschehen moͤchte/ in den predigten einige mahl erinnerung gethan worden/ daß ja niemand ohne etwas genossen zu haben von dem kelch weggehen/ sondern vielmehr den prediger/ welcher gemeiniglich ohne schuld ist/ erinnern wolte. Daß aber endlich derselbe von seiner stelle gleichwol abgekommen/ ob ich wol der jenigen verantwortung nicht auf mich nehmen wolte/ welche solches verursachet/ sihe ich deñoch an/ als eine fuͤgung Gottes/ welcher etwa D d d d d 3 denen/ Das sechste Capitel. denen/ so seiner treue nicht wehrt waren/ seinen treuen diener nicht laͤnger lassen/ und hoffentlich seinen dienst anderwertlich reichlicher habe segnen wollen. Daß rechtschaffne und treue diener Gottes/ ja fast insgesamt alle/ die sich ihr Christen- thum ernstlich lassen angelegen seyn/ der Qvacker nahmen von der welt tragen muͤssen/ ist nun fast ein altes/ und haben wir uns dessen so viel weniger mehr zu be- frembden. Wie denn neulich auch einem vornehmen Professori Theologiæ, so selbst gegen die Qvacker etwas geschrieben/ von einem hoff-geistlichen (wenn zwar solcher nahme eines geistlichen einen solchen zukommt) dieser titul beygeleget wor- den. Ach daß wir doch damit nicht unsre kirche zu sehr beschimpffeten/ als beken- nende/ daß so gar nichts gutes bey uns seyn muͤße/ daß wo nur etwas sich blicken laͤsset/ ihm gleich ein fremder nahme gegeben werden muͤsse. Wie ich hingegen davor halte/ daß wo die Qvacker in etwas eine ehr suchen wolten/ sie es in diesem stuͤck solten finden koͤnnen. Also auch/ wo man die wort heilig leben/ nicht mehr leiden will/ so muͤssen wir nebenst der Bibel auch unsern Catechismum abschaffen/ und endlich zu der regel unsers lebens nicht mehr Gottes wort/ sondern Aristote- lem oder Senecam vornehmen/ damit man ja endlich sehe/ daß wir des Christen- thums uͤberdruͤßig nach dem heydenthum lust haben/ und an statt des heiligen le- bens JEsu und seiner nachfolger das tugendthaffte leben der beruͤhmten Heyden setzen/ wobey wir alsdenn auch an der natur gnug haben/ und des H. Geistes nicht mehr bedoͤrffen/ daher auch nicht mehr Enthusiast en zu werden zu sorgen haben. Ob aber der jenige/ der den neuen menschen in das ewige leben verspahret haben/ und in der zeit davon nichts wissen will/ daher auch sorglich ihn nicht haben wird/ ihn in der ewigkeit anzuziehen bekommen werde/ ist mir fast zweiffelhafft/ ja daß es nicht geschehen werde/ wo man nicht anders licht annimmet/ mit betruͤbniß ge- wiß. Der HErr erbarme sich unsrer kirchen/ und lasse es nicht dahin kommen/ daß es endlich heissen muͤsse: Alle ihre waͤchter sind blind/ sie wissen alle nichts. Von Hr. L. Pastorio aus Pensylvania erinnere mich nichts gehoͤrt zu haben/ als lang ich hie bin: solte ich aber sem tractaͤtlein zusehen bekommen/ wuͤrde mirs an- genehm seyn. Denen die ihre zuflucht dahin nehmen/ uͤberlasse ich ihre gedancken: ich koͤnte niemand rathen/ zu fliehen/ ehe der HErr austreibet: so scheinet jener ort so leicht in gefahr kommen zu koͤnnen als andere/ und stehet dahin/ was die itzi- ge englische unruhen auch dorten vor veraͤnderungen nach sich ziehen moͤchten. Von Hn. Pennen selbst hats schon eine weil bey seinen eignen leuten verlauten wollen/ er waͤre nicht mehr/ der er vorhin gewesen. Meine gedancken sind alle- zeit/ zu bleiben/ wo uns der HErr hinsetzt/ und wie lang er uns daselbst laͤsset; zu gehen/ wo er uns gehen heisset. Auff solchem wege bin ich gewiß sicher. 1. Aug. 1689. SECT. DISTINCTIO II. SECTIO XXVI. SECTIO XXVI. An eine prediger witwe. Freude uͤber zunehmende zahl der frommen. Betruͤbniß uͤber des ehegatten todt. Es kan derselben zuviel nachgezeuget werden. Klage uͤber die traͤgheit. Diese unter- schiedlicher art. Was dabey zuthun. W Je mir das gute zeugniß von deroselben bereits vorher angenehm gewesen/ so konte das dar- auf von dero lieber hand empfangene briefflein auch nicht anders als angenehm seyn/ in- dem nicht nur die gegen meine wenigkeit tragende christliche liebe/ so mich hinwieder sonderbar verbindet/ sondern vornehmlich die gnade Gottes/ so sie in Christo JEsu ergrieffen/ zu erkaͤntniß des rechtsch affen wesens/ das in denselbigen ist/ gebracht/ und ein verlangen ihm bestaͤndig zu die- nen in ihro erwecket hat/ zu vielem meinem vergnuͤgen heraus leuchtet. Dem HErrn HErrn seye ewiger preiß/ der auch zu diesen zeiten der goͤttlichen so geist-als weltlichen gerichten/ da es offt scheinet/ er seye uns worden/ wie ein bronne/ der nicht mehr qvellen will/ dannoch weiset/ daß er seiner guͤte noch nicht vergessen/ oder seinem wort alle wiedergebaͤhrende und heiligende krafft ent- zogen habe/ sondern unß noch stets exempel solcher seelen vor augen kommen laͤsset/ die er kraͤfftig ruͤhret/ sie aus der welt und dero verderbniß/ oder doch gemeinen sicherheit herausreisset/ und als- denn sein werck in ihnen herrlich und kraͤfftig fuͤhret. Wie wir denn vor iedes dergleichen exem- pel/ welches er uns vor augen kommen laͤsset/ billich demuͤthigst danck zusagen/ uns der wachsen- den zahl der kinder Gottes zu freuen/ und unsern glauben auch daraus zu staͤrcken/ hingegen vor einander wo uns der HErr bekant machet/ desto hertzlicher zu beten haben. Daß dero Eherrns seliger aber fruͤhzeitiger todt dieselbe eine gute zeit sehr nieder geschlagen habe/ ist eine wirckung der liebe/ und so wol die daraus uͤber den verlust des geliebten erweckte traurigkeit als sehnen/ an und vor sich selbst/ nach dem der HErr uns nicht zu steinen und kloͤtzern erschaffen/ noch zu densel- ben werden lassen/ sondern seine hand/ die uns schlaͤget und schmertzen verursachet/ von uns gefuͤh- let haben will nicht unrecht: Es ist aber sehr schwehr/ solche natuͤrliche empfindlichkeit also zu maͤßigen/ daß nicht die trauer das hertz zu sehr einnehme/ oder zu lang verunruhige/ ja wir wer- den bey den allermeisten sehen/ daß die schrancken der christlichen gelassenheit uͤberschritten wer- den. Wo aber solches geschiehet/ ists uns allemal ein zeugniß/ daß unsre an sich selbst gute und goͤttlicher einsetzung gemaͤsse liebe in einiger unordnung gestanden sey: Dann wie wir alles unter und in GOtt lieben sollen/ dermassen daß wirs nicht anders lieben sollen/ als nach seinem willen/ so wuͤrde in solcher schuldigen bewandtniß unsre seele bey der entziehung des geliebten die kindliche annehmung goͤttlichen Vater willens/ die unruhe bald stillen/ und die empfindlichkeit des schmer- tzens maͤßigen: Wo wir nun solches nicht vermoͤgen/ offenbahret sichs/ wie auch etwas unordent- liches in der liebe gewesen seye: aus welchem alle starcke verunruhigung der seele und hefftigers dero leiden entstehet/ aber uns dieses eben zur zuͤchtigung wird/ da uns unser schmertzen so viel mehr wehe thut/ als wir vorhin das jenige/ was wir gehabt/ mit mehr als sich geziemet/ eigenheit geliebet und besessen haben. Dem HErrn aber sey danck/ der sie auch nicht nur mit erkaͤntniß seines willens aus seinem wort wiedrum kraͤfftig aufgerichtet/ sondern auch ihre vorige schwach- heit endlich zu einen mittel mehrer heiligung bey ihr gemachet hat: der fuͤhre ferner sein werck in ihr zu seinen ehren. Die klage der Traͤgheit betreffende/ glaube sie/ daß sie dieselbe mit so vielen auserwehlten bruͤdern und schwestern gemein habe. Wie aber die traͤgheit an sich selbst nicht loͤb- lich ist/ so ist hingegen die klage an sich selbst ein gutes zeichen. Wir muͤssen aber mercken/ daß auch diese traͤgheit unterschiedlicher art seye. Es ist bereits unser natuͤrliches/ sich bey allen menschen aus ihrer natur befindendes/ unvermoͤgen des guten eine traͤgheit/ auch aller uͤbriger traͤgheit ursprung. Nechst deroselben ist abermal eine doppelte traͤgheit; die eine art list der jenigen/ die ihr nachhaͤngen/ und da sie sich sonderlich die einbildung eines Christenthums/ so in blosser aͤuser- lichen wenigen dingen bestehe/ haben einnehmen lassen/ und einen mehrern fleiß in dem wege der gottseligkeit nicht moͤglich noch noͤthig achten/ als sie gemeiniglich vor augen sehen/ zwar nicht un- ter- Das sechste Capitel. terlassen/ einige solche aͤusserliche wercke zu verrichten (dann sonsten muͤsten sie selbst offentlich vor unchristen darstellen) aber doch keinen eiffer an der heiligung bey sich anwenden/ sondern entweder niemal etwas mit ernst angreiffen/ oder wenn es ja nicht gleich von statten gehen will/ die haͤnde so bald sincken lassen/ und also in der traͤgheit so einschlaffen/ daß sie nie einen rechten ernst anwenden. Diese art der traͤgheit gehoͤret unter die suͤnden/ die der mensch ohne kampff bey sich herrschen laͤs- set/ und also welche ohne zweiffel denselben von der seligkeit in solchem stande ausschliessen. Die andre art der traͤgheit ist die jenige/ wo ein Christ von grund seiner seelen verlanget seinem GOtt ernstlich zu dienen/ und alle dahin gehende uͤbungen mit eiffer zu verrichten/ auch zu weilen zu eini- gem solchen ernst kommet/ aber nicht nur fuͤhlet/ wie ihm alles/ was er gutes thun will/ sauer an- kommet/ und er sich gleichsam stets gewalt anthun muß/ sondern auch so bald er nur etwas von seinem wachen und ihm selbst anthuender gewalt ablaͤsset/ gleich eine solche traͤgheit spuͤhret/ wel- che wo er sich nicht bald aufmunterte/ viel gutes gar unterbleiben machen wuͤrde/ und wenn er die sache wieder angreiffet/ ihn nicht viel weniger zuruͤck haͤlt/ als die in GOtt gefaßte resolution fort- reisset: Er haͤlt aber solches vor sein ereutz und leiden/ seufftzet dagegen/ ruffet GOtt um seine huͤlffe an/ und widerstehet solcher traͤgheit mit dem gebrauch der auffmunterungs mittel nach sei- nem vermoͤgen. Diese traͤgheit gehoͤret nun unter die schwachheit-suͤnden/ ist eine frucht der un- vollkommenheit unsrer erneuerung/ und setzet den menschen nicht aus dem gnaden-stand. Wie- wol sie auch ihre grade hat/ und mehrmal viel schuld bey dem menschen seyn kan/ der wo er sich goͤttlicher gnade mit mehrer sorgfalt gebrauchet haͤtte/ viel staͤrcker seyn/ und sich der traͤgheit mit mehr nachdruck widersetzen koͤnte/ in welchem fall gleichwol der zustand eines solchen so viel ge- faͤhrlicher ist/ und so viel eher geschehen kan/ daß die traͤgheit gar uͤberhand nehme/ und vollends allen eiffer des guten austilge. Wie denn nun bey verspuͤhrung der traͤgheit ein Christ sich vor- sichtig zu halten/ und ja zu huͤten hat/ damit er nicht moͤge von derselben gar uͤberwunden wer- den/ sondern vielmehr sie abzulegen/ so hat er gleichwol als lang nicht allein das innigliche ver- langen nach mehrern eiffer/ die bestrebung nach staͤter aufmunterung und das mißfallen an seiner traͤgheit vorhanden sind/ aus solcher noch uͤbrigen traͤgheit seinen gnaden-stand nicht in zweiffel zu ziehen. Dann 1. gehoͤret es unter die rechte der kinder Gottes/ daß weil und so lange sie in Chri- sto JEsu sind/ das fleisch/ nach dem sie gleichwol nicht wandeln/ ihnen auch nicht verdam̃lich seyn kan: nun ist solche traͤgheit nichts anders als ein stuͤck ihrer natuͤrlichen verderbniß und dero nechste wirckung. So lang sie also dermassen bey ihnen ist/ daß sie derselben nicht muthwillig nachhaͤngen/ bleiben sie dabey Gottes angenehme und liebe kinder. 2. Jst der gegen sie hochgeprie- senen guͤte Gottes allerdings zu wider/ daß er um des jenigen willen seine kinder verstossen solte/ was selbst ihr schmertzliches ereutz ist/ und sie ein recht innigliches mißfallen daran haben/ deswe- gen tag und nacht um die erloͤsung von denselben zu ihm seufftzen. Da kans nicht anders seyn/ als daß der HErr vielmehr mitleiden mit solchem ihrem elend habe/ als deswegen mit ihnen zuͤrne. 3. Es gehoͤret auch dieses zu der beschreibung des zustands des lieben Apostels/ wenn er klagt/ das vollbringen finde er bey den wollen nicht/ und was er wolle/ das thue er nicht Rom. 7/ 15. 18. Nicht ob haͤtte er/ wo er sich was gutes vorgesetzt/ keinen fleiß gebraucht/ dasselbige zu verrichten/ son- dern daß er dabey eine solche traͤgheit der natur gefuͤhlt/ die ihn immer zuruͤck gehalten/ als das gute/ was er verrichtet/ bey weitem nicht so voͤllig gewesen/ als er sichs vorgenommen/ und es ohne solche noch uͤbrige traͤgheit und widerstand wuͤrde worden seyn. Jndessen war der liebe Apostel ein angenehmes kind Gottes/ und in deßen seiner gnade. 4. Wie GOtt in andern stuͤcken alles/ auch das boͤse zu seiner liebhaber besten weißt und pfleget zu richten/ also auch geschihet es mit die- ser traͤgheit und fuͤhlung derselben. Wir sind nicht nur sonsten verdorben/ sondern unsre verderb- niß mißbrauchet sich offt selbst des guten an uns/ und wo wir in dem Christenthum weit gekom- men sind/ und etwa viele andre suͤnden uͤberwunden haben/ uͤberlistet sie uns/ daß sie einiges gefal- len an uns selbst erwecket in uns/ daß wir uns selbst erheben; welcher geistliche hochmuth/ wie er ziemlich verborgen und uns unerkantlich ist/ so ist er uns so viel gefaͤhrlicher/ und gar zu leicht ge- schehen/ daß wir druͤber verlohren gehen/ also daß GOtt seinem theuren Apostel 2. Cor. 12/ 7. ein sehr hartes und schmertzliches artzney-mittel gegen diese kranckheit verordnen muste. Es ist aber diese DISTINCTIO II. SECTIO XXVII. diese unsre natuͤrliche traͤgheit auch ein solch mittel davor/ und da es GOtt muͤglich waͤre/ durch eine grosse krafft auff einmal solche traͤgheit auffzuheben/ daß wir lauter freude/ trieb und feuer zu dem guten in uns fuͤhleten/ thut ers nicht/ sondern laͤsset uns unser traͤgheit fuͤhlen/ wie uns alles noch so schwehr werde/ und wenn wir uns hin auf schwingen wolten/ der an den suͤßen hangende stein uns noch so starck zuruͤck halte: Woraus geschiehet/ daß wir uns nicht uͤberheben/ sondern ob wir wol dann und wann einen starcken eiffer fuͤhlen/ dannoch meistens mit unsrer traͤgheit schleppen und kaͤmpffen muͤssen. Daraus wir sehen/ was wir sind/ demuͤthigen uns vor GOtt de- sto hertzlicher/ seufftzen so viel in bruͤnstiger zu dem lieben Vater/ erkennen unsre gefahr/ sind so viel vorsichtiger und wachsamer/ damit die traͤgheit uns nicht gar niederwerffe/ und werden also aus gelegenheit des jenigen/ was wir suͤndlich erkennen/ und uns dessen vor GOtt billich schaͤmen/ von vielen andern boͤsen abgehalten/ und zu den guten angetrieben: Weswegen wir den guͤtigen und weisen rath Gottes auch in diesem stuͤck mit kindlicher verehrung zu erkennen haben. Diese be- trachtungen moͤgen eine christliche Seele wohl auffmuntern/ daß sie sich in ihre traͤgheit nicht allzu sehr niederschlagen lasse/ u. sich drein schicken lerne. Daher auch meine wehrte freundin bitte/ solche in der forcht des HErrn und mit gebet sich fleißig vorzustellen/ und zwar auch zu untersuchen/ ob sie selbst (welches zu weilen auch geschehen kan) zu ihrer traͤgheit durch versaͤumung dessen/ wenn goͤttliche gnade in ihr kraͤfftiger hat wircken wollen/ etwas mehrers geholffen haͤtte/ wo sie dann deswegen sich so viel hertzlicher vor Gott zu demuͤthigen/ sich auch so viel gelassener in die gedult zu geben haben wuͤrde: insgesamt aber ihr mehr angelegen seyn lassen/ solcher traͤgheit zu wider- stehen/ und sich aller seligen mittel der staͤrckung angelegenlich zu gebrauchen/ als nur sich druͤber zu aͤngsten/ und mit solchen aͤngstlichen sorgen dieselbe mehr zu befoͤrdern. Der HErr aber/ der unsre krafft und staͤrcke ist/ staͤrcke sie an geist/ seel und leib/ ja er wolle sie vollbereiten/ staͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden: auch sie fertig machen in allem gutem werck zu thun seinen willen/ und schaf- fe in ihr was vor ihm gefaͤllig ist/ durch JEsum Christum/ welchem seye ehre von ewigkeit zu ewig- keit. Amen. 15. Aug. 1689. SECTIO XXVII. Qvackerismus. Von welchen Theologis die be- forderung der gottseligkeit zuerwarten. Recommendation der buͤcher/ darinnen nicht alles richtig. Collegium. Das 7. capit. ad Romanos. D Er Discurs zu N. belangend/ wundre mich nicht daruͤber/ denn was mir von des guten mannes gemuͤth unterschiedliche mahl und nicht von einer person allein erzehlet worden/ hat mir gnug gewiesen/ daß von ihm zur be- foͤrderung der gottseligkeit und des rechtschaffenen wesens in Christo JEsu besorg- lich wenig zu hoffen ist. GOtt bewahre ihn nur gnaͤdiglich/ daß er sich mit wi- dersetzung gegen einiges gutes nicht ein schwehr gericht einmal uͤber den hals zie- hen moͤge. Daß aber dem Qvackerismo, wie er redete/ der gelehrte teuffel zuge- schrieben worden/ hat mich gewundert/ in dem ja die eigentliche so genandte Qva- cker die erudition weniger achten/ als andere sect en. Jm uͤbrigen wolle sich mein wehrter Herr dieses eine staͤte regel seyn lassen/ wo er einen gelehrten lernet kennen/ der entweder geitzig ist/ und dessen proben an sich mercken laͤsset/ oder hoch- muͤthig/ und der seine ehre suchet/ also daß wo man die sache recht tieff einsiehet/ solches in dem grund seines hertzens zu seyn gefunden werden kan/ daß er von dem- E e e e e selben Das sechste Capitel. selben sich niemal versehe/ daß er von hertzen das studium der rechtschaffenen gott- seligkeit werde lieben und befordern/ obs wol moͤglich ist/ daß er eine weil etwas davon thun moͤchte/ wozu er fleischliche ursachen haben kan: aber bestaͤndig wirds nicht bey ihm seyn/ sondern wo diese ursachen auf hoͤren oder sich umwenden/ so zeigt man einen andern sinn/ tritt davon zuruͤcke/ was man zu vorher selbst gelo- bet und befoͤrdert hatte/ oder faͤngt es wol selbst an zu widerfechten. Also darff man sich in solcher sache auf niemand etwas gewisses verlassen/ an dem man nicht ziemlich kaͤntliche zeichen hat einer seele/ so ihr selbst abgestorben ist/ oder in solchem absterben stehet/ denn diesen allein ists ein wahrer ernst/ andern ists entweder kein ernst/ oder mangelt doch gewiß an der bestaͤndigkeit. Daher wo ich von einer per- son etwas gutes wahrnehme oder ruͤhmen hoͤre/ gefaͤllet mirs zwar wol/ und freue mich dessen/ ehe ich aber auch davon zeugniß habe/ daß derselbe eigene ehr und nu- tzen von grund der seelen zu verlaͤugnen angefangen hat/ vielmehr wo ich noch pro- ben sehe/ daß solche bey demselben maͤchtig sind/ setze ich wenig hoffnung vor das werck des HErrn auf ihn/ entziehe mich zwar seiner nicht/ sondern thue mich wol naͤher zu ihm/ entweder ob er sich voͤllig gewinnen liesse/ oder ihn so lang als noch moͤglich ist/ dabey zu erhalten/ daß er etwas vor das gute thue/ aufs wenigste sich denselben nicht widersetze: Aber ich gehe doch nicht anders mit ihm um/ als mit ei- nem/ der sich wiedrum leicht abwenden moͤge/ daher mich ihm auch nie gantz ver- traue/ sondern an das exempel und lehr meines Heylands gedencke/ Matth. 10/ 17. Joh. 2/ 24. iedoch ohne abbruch der ihm in den uͤbrigen schuldigen liebe. Daß nun in diesem stuͤck nicht unrecht thue/ sondern vielmehr dieses zu der klugheit der ge- rechten gehoͤre/ und sonderlich zu unsrer zeit gantz noͤthig seye/ werde ich immerfort durch neue exempel bestaͤtiget. Daß im uͤbrigen sich einige daran stossen/ wo in sonsten gottseeligen/ und von andern der gottseligkeit liebhabern belobten buͤchern einige harte/ ja zu weilen wol gar nicht gantz richtige/ dinge angetroffen werden/ und daher diese/ so der buͤcher sich gebrauchen oder sie loben/ in verdacht ziehen/ ist mir auch bekant. Jch meine aber/ man koͤnne solchen leuten wol damit begegnen/ wo man ihnen zeiget/ daß wir ja kein einiges menschliches buch ohne allen fehleꝛ und irrthum halten koͤnnen/ in dem der preiß der unfehlbarkeit allein den jenigen schriff- ten eigen ist/ welche von dem Geist der wahrheit unmittelbar herkommen/ dahin- gegen wo menschen verstand dabey sein werck gehabt/ nach dem alle menschen luͤ- gner sind/ nichts so sorgfaͤltig und vorsichtig abgefaßt seyn kan/ das nicht eigentlich etwas menschliches/ das ist/ einiger verstoß/ darinnen sich finde. Weswegen wir uns auch von jugend auf also gewehren muͤssen/ menschliche schrifften nicht anders zu lesen/ als alles in denselben zu pruͤffen/ und das gute zu behalten. Ob dann in ei- nem buch/ so im uͤbrigen erbaulich ist sich neben dem gold und silber/ auch etwas von holtz/ heu und stoppeln findet/ suchet ein gottseliger leser aus jenem seine erbau- ung/ diese laͤst er fahren: so vielmehr weil er ohne das gewohnt ist/ von keinem menschen und aus keinem buch etwas anzunehmen/ weiter als er sich in seiner seele/ daß DISTINCTIO II. SECTIO XXVII. daß es gottes wort seye/ und mit dem jenigen/ was er allezeit daraus erkant hat/ uͤbereinkomme/ uͤberzeuget findet. Weil auch die leser theils ziemlich geuͤbte und verstaͤndige leute sind/ theils einfaͤltige/ so sind die erste zu der pruͤfung bereits ge- schickt/ diese aber verstehen gemeiniglich das jenige am wenigsten/ was anstoͤßig ist/ und lassen deswegen fahren/ was sie nicht verstehen. Wie ich denn weiß/ daß einfaͤltige leute buͤcher gelesen/ darinnen vieles nicht richtig war/ ohne dem gering- sten irrthum daraus gefaßt zu haben. Denn entweder faßten sie aus den irrigen gar keinen verstand/ oder einen guten verstand/ der nicht so wol des Autoris und der wort war/ als der schon in ihrem gemuͤth aus ihrer vorigen unterrichtung war. Daß aber die recommendation eines buchs/ in dem einiges nicht eben gebilliget zu werden verdienet/ einen christlichen mann nicht stracks verdaͤchtig machen solle/ achte ich/ daß wir auch daraus abzunehmen haben/ weil ja keiner unsrer Theolo- gen die Apocryph ische buͤcher aus der schrifft ausmustert/ sondern vielmehr de- roselben lesung gelehrt und ungelehrten recommendir et/ da doch keines unter sel- bigen ist/ so nicht seine irrthume haͤtte/ deren etzliche nicht so gar geringe sind/ und starck gegen uns von den papisten getrieben werden. Wolten wir aber um solcher recommendation willen alle Theologos verdaͤchtig machen/ oder ihnen zuschrei- ben/ daß sie jenen irrthumen/ aufs wenigste heimlich/ favorisirt en? das seye ferne. Vielmehr haben wir an solchem exempel wahr zunehmen/ daß keine recommen- dation einiges menschlichen buchs ohne alle ausnahme gemeinet zu seyn/ verstan- den werden muͤste. Der HErr gebe uns allen zwar auch vorsichtige augen/ uns vor irrthumen/ die der seligkeit schaͤdlich seyn moͤchten/ zu huͤten/ aber dabey wie- drum wahre liebe/ die nicht argwoͤhnisch in ihrer natur ist. Daß im uͤbrigen alles zu hause in vergnuͤglichen zustand/ sonderlich die gemuͤther der vornehmsten in dem geistlichen stand zu beforderung des guten und erbauung eifrig und mit einan- der genau verbunden angetroffen worden/ war mir eine innigliche freude. Der HErr des friedens lasse dieselbe bestaͤndig seyn/ und alle die er dazu verordnet hat/ ihres und anderer orten mit redlichem ernst und zusammen gesetzter treue sein und ihr werck treiben/ damit es endlich so viel kraͤfftiger durchdringe. Von dem an- gestelleten Collegio hoffe ich so viel mehr frucht/ nach dem dasselbe auch unter au- torit aͤt der obern angefangen worden/ und desto weniger hindernissen dagegen zu sorgen sind. Jedoch versehe ich mich noch mehr frucht davon/ wenn es nicht bloß vor studiosos gehalten/ sondern auch andere dazu gelassen wuͤrden/ deren jenes ich aber mehr aus dem schreiben abnehme. Der jenige von dem alle gute und alle vollkommene gaben herkommen/ der Vater des lichts/ lasse es eine saat seyn einer dermaleins aus seinem segen hoffende sehr reichen ernde. Das 7. Cap. an die Roͤmer anlangende/ ists nicht ohn/ daß nicht nur leute aus- ser unsrer kirchen/ dasselbe anders als insgemein geschiehet/ erklaͤhren/ sondern mir sind selbst christliche und im uͤbrigen unsrer orthodoxi e zugethane Theologi be- kant/ die Pauli reden also annehmen/ daß er seinen zustand/ da er noch im fleisch E e e e e 2 und Das sechste Capitel. und nicht wiedergebohren gewesen seye/ darinnen beschreibe. Jch bekenne aber/ ob wol derselben argumenta einen ziemlichen schein haben/ daß sie dennoch von mir erwogen mich nicht dahin uͤberzeuget/ daß ich die gemeine erklaͤhrung fahren muͤste lassen: Denn ob ich wol nicht in abrede bin/ daß Paulus einige sehr harte reden von sich brauchet/ die in dem verstand/ wie sie an den andern orten in der schrifft gebraucht werden/ einem wiedergebohrnen nicht beygeleget werden koͤn- ten/ siehe ich dannoch/ daß hinwider auch andere prædicata da stehen/ die ich aber- mal von einem unwidergebohrnen zu brauchen bedenckens mache: Wenn also nothwendig diese oder jene prædicata mit einiger erklaͤhrung muͤssen gleichsam ge- mildert werden/ als die beyderseits in ihrem rigor nicht neben einander stehen koͤn- ten/ finde ichs billiger und der gantzen Apostolischen handlung gemaͤßer/ daß die wort fleischlich/ unter die suͤnde verkaufft seyn/ und dergleichen nicht nach der strenge genommen werden/ als daß wir den andern worten/ die die wiedergeburt voraus setzen/ gleichsam eine gewalt anlegen wolten. Weil ich auch weiß/ daß etzliche liebhaber der gottseligkeit die andre erklaͤhrung deswegen lieber erwehlen wolten/ weil sie gedachten/ die gemeine gebe der sicherheit zu viel vorschub/ wie nicht ohne ist/ daß sich manche sichere der wort des Apostels mißbrauchen/ so meine doch nicht/ daß auch derselben sorge wichtig gnug seye/ die gemeine auslegung zuver- werffen: Vielmehr bin ich versichert/ wo diese recht gefaßt wird/ wie ich sie selbst hin und wieder vorgestelt habe/ behalte die sicherheit keine ausflucht/ noch moͤge sich der wort des Apostels zum deckmantel bedienen. Der HErr oͤffne uns aber allen mehr und mehr die augen/ daß wir in die weißheit seines worts und geheim- nissen stets tieffer einsehen/ und ie laͤnger ie gewisser in dero erkaͤntniß werden. 13. Sept. 1689. SECTIO XXVIII. An einen Studiosum Theologiæ. Art des wahren Christenthums wider den betrug des todten glaubens. Die wahre goͤttliche Theologi e. Dero methodus. Aufmunterung darzu. A M allerangenehmsten ist mir gewesen aus solchen schreiben zu ersehen/ daß der treue GOtt und Vater des lichts denselben die augen geoͤffnet/ die art des wahren Christenthums und der rechten krafft- Theologi e anders einzusehen/ als es gemeiniglich geschiehet. Wie ich denn versichere/ daß die allermeiste in eben denjenigen gedancken von dem wahren Christenthum stehen/ wie desselben bekaͤntnuͤß lautet: und wolte GOtt/ sie wuͤrden nicht von vielen unsers standes und amts alzusehr in solcher meinung gestaͤrcket/ ja die nothwen- digkeit und moͤgligkeit eines rechtschaffenen thaͤtigen Christenthums und nach den geboten GOttes/ ob wohl nach dem maaß ietziger zeit schwachheit/ sorg- faͤltig eingerichteten lebens/ als eine halbe ketzerey verschreyet/ und den leuten (denen ohne das eine angenehmere post ist/ welche ihrem fleisch mehr freyheit zu geste- DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. gestehet) verdaͤchtig gemacht. Da doch die H. schrifft und aus derselben unsre Symbolische Buͤcher gleich wie sie unsre rechtfertigung der blossen gnade GOt- tes durch den glauben/ und nicht die wercke/ ergriffen/ alleining zuschreiben/ also hingegen solchen seligmachenden glauben uns viel anders vorstellen/ als daß wir unter denselben schoͤnen nahmen diejenige menschliche einbildung von Christo pas - sir en lassen doͤrfften/ welche sich sichere hute machen/ wenn sie auff dessen theu- res verdienst sich bey allem ihrem nach dem fleisch und bey dessen herrschafft fuͤh- rendem leben verlassen wollen/ sich aber damit erbaͤrmlich zu ihrem ewigen scha- den betriegen. Diesem betrug mit nachtruck mich zu widersetzen/ bekenne ich/ daß meine angelegenste materie ist/ die ich muͤndlich und schrifftlich treibe/ auch nicht weiß/ ob einige andere zu dieser zeit bey so tieffem schlaff der sicherheit je- derman einzublaͤuen noͤtiger seye. Wie aber diese lehr ihrer so vielen ein dorn in den augen (oder vielleicht gar in dem hertzen/ welches er schmertzet) seye/ habe vor mehrern jahren gnug erfahren/ u. erfahre es noch taͤglich: wobey mich zwar dieses am allermeisten betruͤbet/ weñ auch solche leute derselbẽ zu wieder sind/ die sie selbs vortragen u. vertheidigen solten. Jndessen doͤrffen wir um keines einigen menschen widerspruchs willen/ das wenigste von der goͤttlichen wahrheit aͤndern oder zu- ruͤck lassen/ noch weder die enge pfort weiter/ noch die schmale strasse breiter ma- chen/ alß sie der HErr gemacht hat/ oder wir wuͤrden das blut aller dadurch be- trogener und in das verderben gestuͤrtzter seelen auff uns laden. Je gemeiner denn die thoͤrichte einbildung von der seligkeit/ diese durch einen todten oder wahn-glau- ben zu erhalten/ ist/ so viel hertzlicher freuet mich/ so offt von einer seele hoͤre/ die aus diesem schlaff auffwachet/ und die himmlische wahrheit recht einsiehet/ so viel mehr wo es von denen geschiehet/ welche dermahleins auch andrer handleiter wer- den sollen. Also dancke ich billich mit und vor ihm dem geber alles guten/ wel- cher denselben kraͤfftig geruͤhret/ und wie ich mich versichere/ dadurch einen sol- chen grund bey ihm geleget hat/ auff welchen das uͤbrige gantze studium Theo- logicum so viel vester wird gebauet werden koͤnnen. Denn wer nunmehr trach- tet vor GOtt staͤts in einem solchen lebendigen glauben erfunden zu werden/ aus welchem er sich und sein gantzes leben demselben taͤglich auffzuopffern sich bemuͤ- het/ der ist recht eine werckstaͤtt desjenigen geistes/ aus dessen erleuchtung alle wahre und goͤttliche Theologi e kommet. Daher da andre/ welche weltlich ge- sinnet bleiben/ und mit der welt auch in dem leben mit machen/ durch einen mensch- lichen fleiß zu einer buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß und gleichsam Philosophi e de re- bus Theologicis gelangen koͤnnen/ die aber einmahl viel zu schlecht ist/ als daß wir ihr den edlen nahmen der Theologi e geben solten: so haben hingegen die jenige/ so nunmehr rechtschaffene thate Christen sind/ und sich von der welt unbe- fleckt zubehalten bemuͤhen/ diesen vortheil/ daß ihre studia und fleiß/ welchen sie anwenden/ von dem H. Geist geheiliget werden/ zu einer rechten lebendigen und kraͤfftigen Theologi e/ die von jener unterschieden ist/ als das himmlische licht von E e e e e 3 dem Das sechste Capitel. dem irdischen. Und diese sinds nachmahl/ von welchen ich/ wo sie nach GOttes rath dermahleins in aͤmter kommen/ die meiste frucht hoffe wie denn ihr licht/ so nicht nur scheinet/ sondern feurig ist/ in die hertzẽ also eintringt/ daß es sie erwaͤrmet und mit vieler krafft erfuͤllet. Dergleichen versehe ich mich nun auch von ihm/ aus demjenigen kraͤfftigen anfang/ welchen aus desselben lieben schreiben mit freuden abgenom̃en habe. Dahero ich treumeinend erinnere/ nicht allein/ von solchen richti- gen weg sich niemahl und durch nichts widrum abwendig machen zulassen/ viel- mehr nicht weniger in stetem gebet und wandel vor dem Herrn als den studiis selbst/ so zwar von jenen viele krafft empfangen werden/ zu uͤben/ sondern auch andre gute freunde unter den Commilitonibus auffzumuntern/ daß sie auch die- sen weg erwehlen/ und sonderlich auff der universit aͤt/ da die Cathedra unsers S. Lutheri ist/ nach der jenigen Theologi e zu trachten/ die nicht durch blosses lesen und hoͤren erlangt werden kan/ sondern zu dero methodo die von ihm recommen- dir te stuͤcke meditatio, oratio, tentatio gehoͤren: mit gewisser versicherung/ ob sie von andern weltgesinneten Studen ten einige verachtung und ungelegenheit ausstehen muͤssen (so mit ein stuͤck jener tentation ist/ und ihnen mehr nutzen kan als schaden wird) daß sie doch dadurch einen schatz bekommen/ den die welt ihnen nicht bezahlen kan/ und aus dem sie recht tuͤchtig werden/ dermahleins sich selbs und die sie hoͤren selig zumachen. Ach daß die zahl solcher personen groß werde! welches mir gewißlich eine der groͤsten freuden/ so mir in der welt begegnen koͤn- te/ seyn/ und so offt ich von einigen dergleichen hoͤre/ eine neue freudige dancksa- gung zu GOtt bey mir erwecken wuͤrde. Den himmlischen Vater ruffe ich in- niglich an/ daß das gute werck in seiner selen angefangen ferner befestigen und fortsetzen/ seine seele mit seinem licht und krafft von oben erfuͤllen/ und die Studia durch seinen geist dermassen heiligen wolle/ daß er ob wol durch menschen ie dan- noch wahrhafftig von Gott gelehret ein kraͤfftiges werckzeug der goͤttlichen gna- de zu vieler menschen seligkeit werden moͤge. Dabey versichere/ daß wie mir des- sen geistlicher wachsthum allezeit erfreulich/ also auch iede gelegenheit liebe zu er- zeigen angenehm seyn werde. Jm uͤbrigen hat mich auch der beyden NN. biß- heriger fleiß nicht wenig contenti ret/ und erfreuet/ daß noch vieles gutes von ih- nen hoffe. Ach daß doch mehr und mehr das von mehrern eine gute zeit lang versaͤumete mit desto hertzlichen eiffer eingebracht/ und durch die jenige/ so nun rechtschaffen gesinnet/ ja von allen die der HErr in aͤmter gesetzet hat/ oder die denselben nahe sind/ die studir ent jugend zu einer solchem liebe der H. schrifft/ daß sie dieselbe allen uͤbrigen Studiis vorziehen/ und jegliches so viel mehr oder weniger zu derselben erkaͤntnuͤß thut/ so viel hoͤher oder geringer achten/ und zu der rechtschaffenen Gottseligkeit/ daran es zwar/ wenn das wort GOttes in die hertzen recht zukommen anfaͤnget/ nie mangeln kan/ mit ernst angewiesen werden: so werden wir erkennen/ daß der HErr seine kirche noch liebe/ und dero bruͤche hei- len wolle. 20. Jan. 1690. SECT. DISTINCTIO III. SECTIO XXIX. SECTIO XXIX. Gratulation zu einem fuͤrstlichen Hofprediger amt. Einige erinnerungen darzu. J Ch ruffe zum foͤrdersten den himmlischen Vater demuͤthigst an/ daß derselbe nicht allein seine liebe person mit den seinigen unter dem schutz seiner H. Engel sicher und wohl an den ort/ wo- hin er sie bestimmet/ bringen/ und daselbst nach seinem H. rath viele zeit und jahr bey guter gesund- heit und gesegnetem wolstand erhalten/ hingegen alles/ was solchem zuwider ist/ maͤchtig von ih- nen abwenden/ sondern vornehmlich die krafft seines H. Geistes zu der neuen wichtigen stelle auch erneuern und verdoppeln wolle. Er wolle also in seiner wehrten seele sein licht immer heller las- sen aufgehen/ zu erkaͤntniß seines goͤttlichen willens an ihm/ und die ihm anvertraute gemeinde/ nicht nur zuverstehen/ was/ sondern auch wie alles zu derselben seliger erbauung das beste seye. Er erhalte ihm stets den redlichen willen in seiner anbesohlenen haushaltung treu erfunden zu wer- den/ und nichts nach eigenen gutduͤncken/ sondern wahrhafftig nach goͤttlicher regel zu thun. Er reinige seine seele von allem eigengesuch/ menschlicher forcht und hoffnung/ und was in dem lauff der treue ihn aufhalten moͤchte: Er staͤrcke seinen muth mit kraͤfftigen vertrauen auf die allmacht seines beruffers weder in der arbeit selbst muͤde zu werden/ noch durch allerley hindernissen sich muͤ- de machen zu lassen: Er gebe in ihm den Geist der gnaden und des gebets in solcher maaß/ taͤglich mit gebet/ was ihm nothwendig seyn wird/ von ihm zu erlangen/ er lege sein wort allezeit in seinem mund/ wie solches zu iederzeit am erbaulichsten seyn wird/ und lasse es kraͤfftiglich in die seele ein- tringen/ und alles das ausrichten/ was von ihm Hebr. 4/ 12. 13. geruͤhmet wird. Er bereite also die hertzen durch seinen dienst und selbst durch seinen Geist/ daß der von ihm darein ausstrenende saa- me zu einer schoͤnen saat bald aufgehe/ und zu seiner zeit eine reisse und reiche ernde bringe/ sonder- lich erfuͤlle er sie mit hertzlicher liebe und vertrauen zu ihm/ so dann mit wahrer ehrerbietung des tragenden H. amts/ und des Gottes von dem ers traͤget. Er neige zu ihm sonderlich das hertz seines gnaͤdigsten Fuͤrstens/ nicht allein das wort des HErrn aus seinem munde auch zu eigner er- bauung mit sanfftmuth anzunehmen/ sondern auch nach an hand gebendem rath in allen stuͤ- cken/ wo es noͤthig seyn mag/ seine gewalt zur befoͤrderung des reichs Christi willig anzuwenden/ so dann das hertz der uͤbrigen hohen herrschafft zum fruchtbaren gebrauch dessen lieben amts. Er verbinde mit ihm das hertz anderer mit arbeiter/ daß sie in einigkeit des Geistes und gleichgesinnet mit zusammen gesetzten fleiß das werck des HErrn so viel nachdruͤcklicher treiben/ und er von nie- mand solches standes hinderniß erfahren muͤsse. Er gebe ihm dabey gedult/ weil man ja nicht dencken darff/ daß der teuffel uns irgend/ wo wir seinem reich abbruch zu thun bemuͤhet seyn/ und es ihm nicht schencken/ in ruhe und in dem amt unangefochten lassen werde/ wenn auch derselbe in solchem seinem amt widerwaͤrtigkeit/ was art sie waͤre/ ausstehen wird muͤssen/ daß es niemal an goͤttlichen trost/ freudigem muth/ treuem rath/ kraͤfftiger hilffe/ und gluͤcklichem ausgang mangeln moͤge. Er gebe endlich zu allen pflantzen und begiessen das jenige gedeyen/ daß er nicht noth habe nur immer in blossen glauben zu arbeiten/ sondern die freude geniesse/ die frucht selbst zu sehen/ da- mit der Hoͤchste seinen fleiß eroͤhne: in summa/ daß er sich selbst und alle die ihn hoͤren selig mache. Amen. Nechst diesem bedarff es nicht/ daß denselben erst von den jenigen/ was in fuͤhrung des amts noͤthig ist/ unterrichte/ dem der himmlische Vater lichts und erkaͤntniß gnug gegeben hat. Nach dem aber doch einiger christlicher rath aus bruͤderlichem vertrauen verlanget worden/ so moͤchte derselbe darinnen bestehen: Des Gesetzes nicht zu vergessen/ aber gleichwol die vornehmste hoffnung auf die krafft des Evangelii/ so allein selig machen kan/ zu setzen: wie die warmscheinende Sonne zu weilen den wandersmann seinen mantel selbst von sich abzulegen mit ihren lieblichen strahlen beweget/ der wo der gewaltsame wind solchen ihm entreissen will/ sich nur desto staͤrcker darein huͤllet. Bewegliche vorstellung der guͤter des Evangelii und der goͤttlichen Gnade/ sonder- lich wie es die kinder Gottes auch bereits hier in diesem leben in ihren seelen gegen andere/ welche die tyranney der suͤnde bey sich leiden muͤssen/ so gut haben/ dringet mauchmal am tieffsten durch: So Das sechste Capitel. So wird das Gesetz am nachdruͤcklichsten getrieben/ nicht so wol directe mit hefftigem straffen und schelten/ als wo man den trost des Evangelii nachtruͤcklich gezeiget hat/ darauf aber weiset/ wie sich desselben alle die jenige/ so der suͤnde die herrschafft bey sich lassen/ durchaus nichts anzunehmen haben/ sondern sich aller gnade verlustigt machen: wo dieses geschiehet/ wird die seele also kraͤfftig geruͤhret durch eine unwidersprechliche uͤberzeugung/ daß hingegen die affect en nicht zu einer bit- terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemuͤthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer- den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690. SECTIO XXX. Antwort auf ein empfangenes trostschreiben an mich. J Ch habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich selbst zur freude so hertzlich aufmun- tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe uͤber den christlichen und aus treuer seele her geflossenen trost/ auch deswegen dem GOtt alles trostes/ welcher mir durch ihre wehrte feder solchen zusprechen wollen/ so dann ihro als dessen werckzeuge/ schuldigen danck sage. Es ist freylich an dem/ wo uns der HErr um seines nahmens und wahrheit willen einiges leiden wiederfahren laͤsset/ daß der darzu vom himmlischen Vater uns in seinem wort ertheilende trost so uͤberschwencklich ist/ daß er das leiden weit uͤbertri fft / und eben daher auch kommet/ daß wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit uͤberwinden: daher es billich ist/ daß wir uns vielmehr/ wo uns der liebste vater solcher hoffarbe seines lieben Sohnes wuͤrdiget/ daruͤber erfreuen/ als betruͤbt seyen. Wo man aber von mir reden will/ so hat es bey mir noch wenig platz/ weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren lassen/ noch gar gering gewesen/ in dem es allezeit allein in verachtung/ uͤbler nachrede/ laͤsterung/ haß/ drohen und unwillen bestanden ist/ welches aber lauter kinderproben und die unterste gnade der leiden sind/ hingegen hat es GOTT bißher noch niemal an thaͤtliches und wuͤrckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener Gottes haben erfahren muͤssen/ gelangen lassen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu schwach befunden/ und daher noch mit den schwehrern proben verschonet hat. Solte es aber/ wie es aus einigem das ansehen gewinnet/ auch noch an diese kommen/ so trage ich das kindliche ver- trauen zu dem getreuesten vater/ daß er mir auch die krafft und vermoͤgen aus der hoͤhe alsdenn in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemaͤß seye dem maaß des mir alsdenn bestimmten leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen trost/ welchen mir ietzund christliche hertzen zusprechen/ und dessen sonsten mein ietziges leiden nicht eben wehrt ist/ zu den ienigen haͤrtern an- stoͤssen/ welche mir vorstehen moͤgen/ bereiten: Daher ich auch solches vor eine wohlthat zu erken- nen habe: Jch schreibe auch hierinnen seiner weisen regierung nichts vor/ entweder um schwehrere leiden zu bitten/ damit ich ihn versuchen moͤchte/ noch dieselbe zu soͤrchten und davor zu fliehen/ son- dern uͤberlasse billich alles seiner guͤtigsten verfuͤgung/ so alles dermassen schicken wird/ wie es mir und andern selig seyn mag. Weil aber um der gottseligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die- selbe lehren muͤssen/ sondern die auch sich derselben befleissen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und sich darauf gefast machen muͤssen/ so lasset uns allerseits so viel ernstlicher unter und vor einander vor dem HErrn zu seuftzen fortfahren/ der an uns allen seinen gnaͤdigen willen vollbringen/ im̃er dessen lebendige erkaͤntuiß in unsre seelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu solchen proben noͤthigen maaß des glaubens und trostes von oben herab ausruͤsten wolle: als versichert/ er koͤnne sich nicht verlaͤugnen/ sondern werde unfehlbar seine verheissung an uns erfuͤllen. Wie ich nun weiß/ und auch solches vor eine theure wohlthat des liebsten Vaters achte/ daß derselbe viele seelen seiner kinder zu mir geneiget/ daß sie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu seyn erkenne/ also versichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denselben zubegegnen/ und vor sie vor dem gnadenthron zuerscheinen unvergessen bin/ daß aber solches mit so viel mehr krafft geschehe/ ihn umb seinen H. Geist der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr seine gnade kraͤfftig auf seine kinder auszugiessen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge- gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle sich seines verstoͤhrten Zions wiederum nachtruͤcklicher annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derselben hertzen in einigkeit des Geistes und mit heiliger lie- DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. liebe also unter einander verbinden (damit unsre dancksagung und gebete desto ernstlicher zusam- men gesetzt kraͤfftiger bey ihn eindringen/ und endlich alles uns versprochene in zeit und ewigkeit erhalten. 9. May. 1690. SECTIO XXXI. Auf gnaͤdigsten chuꝛfuͤꝛstlichen befehl aus den acten abgefaßtes bedencken/ worinnen der so genannte Pietismus bestehen solle/ und wie dem werck und entstandener unordnung am besten zu rathen und abzuhelffen. Goͤttliche gnade/ friede und heil in CHristo JEsu zu allem hohen wohlwesen und gesegneter Regierung! Durchlaͤuchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. W As E. Churf. Durchl. nechst hin an dero verordnetes Ober- Consisto- rium wegen der sache des so genannten pietismi gnaͤdigst rescribir et/ und absonderlich anbefohlen/ daß wir beyde geistliche raͤthe zu forderst unsre rathsame gedancken abfassen/ deßwegen vorher das werck nach seiner wich- tigkeit absonderlich reiflich erwegen/ und darauff wie wir unsers orts dasselbe an- sehen/ worinnen eigenlich der so genante pietismus bestehen solle/ auch wie wir vermeineten/ daß dem werck und der entstandenen unordnung am fuͤglichsten und kuͤrtzesten zurathen und abzuhelffen/ jeder absonderlich unsre gegruͤndete beden- cken und gutachten in unterthaͤnigkeit erstatten solten/ habe auch meines wenigen orts nicht nur mit unterthaͤnigstem gehorsam sondern auch sonderbahrer freude/ verstanden/ weil ich dadurch gelegenheit/ davor ich GOtt und derselben demuͤtig- sten danck schuldig bin/ bekaͤme/ vor E. Churfl. Durchl. mein anligen in so wich- tiger sache/ so mich bißher nicht wenig geaͤngstet/ voͤllig auszuschuͤtten/ und damit mein gewissen vor dem angesicht des grossen GOttes/ dessen ehre vielfaͤltig hie- rinnen intressirt ist/ zu kuͤnfftigen dessen beruhigung zu erleichtern. Zum allerfordristen versichere E. Churfl. Durchl. nochmahlen in aller unter- thaͤnigster treue/ daß wie ich zu der reinen unverfaͤlschten Evangelischen in un- sern Symbolischen buͤchern enthaltenen lehr nicht allein bey meinem eintritt in den dienste mich eydlich verbunden/ sondern auch in vorigen meinen kirchendien- sten allezeit in gleicher verbindnuͤß gestanden/ und von mir sagen darff/ niemahl nichts begangen zu haben/ was wieder die festhaltung derselben einen billichen verdacht machen koͤnte/ ich also unverruͤckt in solcher bekaͤntnuͤß noch stehe/ auch biß an mein seliges ende stehen zubleiben gesonnen bin/ daher wo etwas wieder solche lehr vorgenommen wuͤrde/ an meinem schuldigen eyffer dagegen nichts manglen lassen wuͤrde: weßwegen auch wo jemand ein anders und strengeres Christenthum und art selig zu werden/ als uns der liebste Heyland und seine H. Apostel selbs laͤngst in der H. schrifft vorgeschrieben haben/ vorgeben und darauf F f f f f treiben Das sechste Capitel. treiben wolte/ wuͤrde ich selbs daran einen eckel und abscheuen haben/ als ver- sichert/ daß GOtt kein selbs erwehlter dienst gefallen koͤnte: ferner wie ich ruhe/ einigkeit und ordnung in der kirche liebe/ so verlange auch meines orts nimmer- mehr etwas/ so dieselbe eigentlich und vor sich stoͤhren moͤchte/ sondern vielmehr daß auf alle christliche weise der friede in der kirchen in beybehaltung der wahrheit und der liebe unverbr uͤ chlich erhalten werde. Wann aber E. Churfl. Durchl. vornemlich zweyerley gnaͤdigst von uns er- fordern/ daß wir einstheils wie wir das gantze werck unsers orts ansehen/ und worinnen der so genannte pietismus bestehen solle/ andern theils wie dem werck und entstandnen unordnung am fuͤglichsten und kuͤrtzesten zu rathen und ab- zuhelffen seye/ unsre gegruͤndete bedencken und gutachten/ iedweder absonderlich in unterthaͤnigkeit erstatten solten/ so habe auch darinnen unterthaͤnigst gehorsam zu leisten. Was nun das erste anlangt/ die sache ins gemein/ und was der pietismus solle seyn: So ist nicht zu laͤugnen/ daß nunmehr fast bey drey viertel jahren vie- le unruhe solches wercks wegen sich erhoben/ so noch nicht gestillet ist/ weil nicht allein in Leipzig anfangs das geruͤchte einer neuen secte sich hervorgethan/ und auf allerley weise vermehret/ sondern dasselbe in das gantze land/ ja fast in gantz teutschland/ ausgebrochen ist: Es hat aber diese sach etwas besonders vor an- dern exempeln/ dann wo man sonsten von einer secte gehoͤret hat/ oder etwas er- schollen ist/ konte man mit grund so bald sagen/ was solche secte seye/ und worin- nen ihre lehre/ oder was sie sonderbares vor andern haͤtte/ bestuͤnde; den pietis- mum aber anlangend/ habe weder ich bißher warnehmen/ noch mir von andern gezeiget werden koͤnnen/ worinnen deñ dersebe als eine secte bestuͤnde. So gar daß in allen bißherigen unterthaͤnigsten berichten/ so eingeschickt worden/ sich noch niemand unterfangen wollen/ denselben eigentlich und mit bestand zu definir en. Daher es alles dabey annoch geblieben ist/ daß man gewisse leute hat zeigen koͤn- nen/ welchen man den nahmen der pieti sten beygeleget/ was aber das jenige seye/ warum sie mit einem sonderbahren nahmen bezeichnet werden solten oder doͤrff- ten/ kan ich mit allem fleiß und forschen nicht befinden/ sorge auch andere moͤgen mit grund ebenfals dergleichen nichts zu zeigen. Wie ich auch nicht gedencken will/ daß Act. Vol. ☾ f. 55. b. vor eine eigentliche definition wird sollen gehalten werden/ wann es heist/ daß der nahme der Pietisten nichts anders heisse/ als leute/ welche sich fuͤr andern mit beten/ mit seuffzen/ mit kopf haͤn- gen/ mit fasten/ in gleichen in kleidung und andern dingen/ heilig/ ge- recht und gottselig anstellen/ und komt doch so gezwungen heraus: wel- che andere zur pietet wollen anfuͤhren/ und haben doch das geschicke nicht dazu: welche mit hindansetzung aller noͤtigen studiorum allein vom studio pieratis reden. Auffs wenigste/ ob alles dergleichen von solchen leu- ten wahr waͤre/ so sich in der untersuchung anders befindet/ wuͤrde doch solches alles noch keine sondere secte machen. Weßwe- DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. Weßwegen ich gewissens halben noch biß daher nach verlesung und reiffer uͤ- berlegung aller acten, nicht anders kan sagen noch bezeugen/ als daß keine neue secte / ketzerey/ schisma / oder auch nur orden und gesellschafft (dergleichen doch nicht eben alle bloß dahin verdammt werden koͤnten) sich (wie gleichwohl das geruͤcht sich entsponnen hat/ und wolte GOtt daß es nicht so sehr von vielen fomentirt worden waͤre) in E. Churf. Durchl. landen/ und absonderlich in Leip- zig/ erhaben habe/ sondern bin versichert/ daß alles nach sorgfaͤltiger untersuchung und unpartheyischer pruͤffung sich ergeben werde/ wie das geschrey davon als von einer neuen secte nicht allein viel zu groß/ sondern wahrhafftig in der that ohne grund seye. Was ich hie setze/ traue ich mit GOttes huͤlffe klahr vor augen zu legen/ und zu erweisen: Solten wir eine neue secte haben/ so muͤste dieselbe entweder eine eigenliche ketzerey seyn (welche erforderte/ daß neue und falsche glaubens articul/ folglich irrthum in der lehre/ sich bey denjenigen/ welche unter dem nahmen der Pietisten zusammen hielten/ entstanden und geheget worden seyn muͤsten) oder ein absonderlich so genañtes schisma / da sich ein hauffe personen/ und zwar in der lehr mit andern ihrer kirchen einig blieben/ sich aber von dem uͤbrigen hauf- fen um dero beklagte aͤrgernuͤß willen abgetrennet/ und einen sonderbahren Got- tesdienst angestellet haͤtten: wie vor deme von dem bekanten Johann von Laba - die eine trennung angestellet worden/ so noch ietzo waͤhret/ da dessen gesellschafft/ ob sie sich wohl in allen glaubens puncten zu der Reformirten kirchen bekennet/ dan- noch sich von derselben gemeinden gemeinschafft wegen der aͤrgernuͤssen in die- sem/ und daß die leute ohne rechte pruͤffung zu dem H. Abendmahl gelassen wuͤr- den/ abgesondert haͤlt/ und ihren sonderbaren Gottesdienst deswegen angeord- net hat. Wie nun dieses letztere von diesen leuten nicht gesagt werden kan/ als die sich/ als viel mir wissend ist/ alle bis daher zu der gemeinen ordenlichen und offentlichen versamlung in der predigt und bey dem H. Sacrament gehalten/ hingegen keinen sonderbaren altar gegen den altar (wie man zu reden pfleget) auffgerichtet haben: so gar daß ich von niemand gehoͤret/ der sich noch bißher einen scrupul der offentlichen communion wegen gemacht haͤtte/ da gleichwohl an einigen andern orten unsrer kirchen solche leute gefunden werden/ die sich we- gen der unordnung bey der communion und vermuthlicher zulassung vieler un- wuͤrdigen derselben allerdings entziehen/ vor welchem scrupul diese gute leute ver- wahret zuhaben/ ich die goͤttliche guͤte demuͤthigst preise/ und vorsichtigkeit noͤ- tig achte/ ihnen nicht auff einige weise erst zu denselben gelegenheit zu geben. Also kan das erste nemlich/ daß es eine ketzerey seye/ oder sich daraus anzuspinnen anfange/ mit eben so wenigem grund gesaget werden. Jedennoch nicht ein einiger punct der lehr oder solcher irrthum/ welcher wieder einen glaubens arti- ckul (dann solches gehoͤrte zu einer ketzerey) stritte/ bey den leuten/ so man Pie- tist en genennet/ gefunden worden: massen die acta von vorigem sommer nach F f f f f 2 genau- Das sechste Capitel. genauer inqvisition nichts gebracht haben. Zwar sind von dem ministerio zu Leipzig Act. Vol. ☽. p. 85. 86. einige irrige puncten/ so in den collegiis solten do- cir et worden seyn/ eingesandt worden/ von welchen ich bekenne/ wo erweißlich waͤ- re/ daß dieselbe von den ienigen/ so die collegia gehalten/ also vorgetragen/ o- der unter die leut gebracht worden waͤren/ daß solches ein starcker und gefaͤhr- licher anfang neuer lehr und also secte waͤre. Es ist aber solches nicht erwiesen/ und mir so viel weniger glaublich/ in dem mir die vornehmste personen/ so die col- legia gehalten/ M. Francke und M. Schade selbs vor ihre person/ und was sie von solchen glaubens puncten/ nemlich mit uns einerley/ halten/ gnugsam be- kant/ daß ich gegen sie ohne gnugsamen erweiß dergleichen noch nicht annehmen kan: hingegen mir/ wie es mit solchen beschuldigungen pflege herzugehen/ aus lang- wihriger erfahrung wohlwissend ist/ wie entweder von uͤbelgesinnten und boß- hafften leuten vorsetzlich manchmal christlichen leuten dergleichen dinge auf- gedichtet zu werden pflegen/ daran sie nie gedacht haben/ oder von unverstaͤndi- gen wort/ die sie nicht begreiffen/ aufgefasset/ in andern verstand gezogen/ und also nachmal verkehrt ausgebreitet werden koͤnnen: wie ich auch noch in den ge- dancken stehe/ was dem ministerio in Leipzig in solchen puncten angebracht worden/ seye keiner andern art/ hoffe auch in genauer inqvisition werde sich der- gleichen bereits ergeben haben oder noch ergeben. Weil aber sonderlich so wohl sonsten vielfaͤltig durch das geruͤcht ausgebrei- tet worden ist/ als man auch aus den acten ersiehet/ daß diese leute in verdacht gezogen worden sind/ ob lehreten sie von der haltung des goͤttlichen gesetzes oder der gebote GOttes nicht nach unsrer Evangelischen wahrheit/ so ist gleichwohl von M. Francken/ nach dessen lehr man doch der andern lehr vermuthlich auch æ- stimir en wird/ aus den acten erweißlich/ daß nichts heterodoxes in diesem punct gegen ihn erfunden worden. Wie dann die zeugen Vol. Act. ☉ f. 41. u. f. ihn theils voͤllig absolvir en/ theils nichts gnugsam gegen ihn deponir en/ also unter denen mit ihm in verdacht gezogenen antworten seinet wegen M. Schade/ fol. 57. daß man das gesetz perfecte nicht erfuͤllen koͤnte/ M. Lange fol. 58. ein regenitus seye nicht ohne suͤnde/ M. Thieme/ f. 59. daß ein regenitus das wort GOttes nach dem rigore legis vollkomlich nicht halten koͤnne/ aliqvo modo kan ers hal- ten. Endlich fol. 69. antwortet er auf die frage: ob ein regenitus GOttes gesetz vollkommlich halten/ und ohne suͤnde leben koͤnne/ mit einem run- den Nein. Ob ich dann wohl/ daß er nachmal fol. 106. in solchem punct seinen præ- ceptoribus einiges vorhaͤlt/ nicht billiche/ so finde doch auch nicht Vol. ☽. f. 57. daß etwas auf ihn gebracht wuͤrde/ was gegen unsre gesunde lehr in diesem punct streit- te: indem es nicht weniger ein stuͤck unsrer Religion ist/ daß ein wiedergebohr- ner in der krafft GOttes/ ob zwar nicht nach der strenge des gesetzes und also voll- kommen/ dannoch etlicher massen/ und wie der himmlische Vater mit seiner kin- der unvollkommenen aber gleichwohl redlichem gehorsam gedult tragen will/ die gebote DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. gebote GOttes halten koͤnne/ als wie jenen thesin / daß die vollkommene haltung und ersuͤllung des gesetzes in diesem leben noch unmuͤglich seye/ mit gutem grund gegen die Papisten behalten muͤssen. Jenes ist offenbar/ weil der H. Geist selbs von den glaͤubigen das halten der goͤttlichen gebote asseriret, und unsre Symbo- lische buͤcher/ sonderlich die Apologi e D. A. C. gantz deutlich und offters die re- dens art/ von haltung goͤttlicher gebote gebrauchet/ ja so gar auch das wort erfuͤllen (von dem ich sonsten lieber mich enthalte) zu brauchen nicht bedenckens hat. Daher wer mit den libris symbolicis nechst der schrifft redet/ deswegen kei- ner verdaͤchtigen lehr beschuldiget werden kan/ wie ich auch meine lehr in diesem punct gegen einige/ so im finstern dagegen zumurren geschienen/ einige mahl gruͤndlich und mit gnugsamen zeugnuͤssen unser besten Theolog en also befestigt habe/ daß ich versichert bin/ daß kein rechtschaffner Theologus den geringsten mangel daran finden kan. Wo nun dieses wegfaͤllet/ so faͤllet aller auch nur scheinbarer verdacht irriger lehr und also einer secte hinweg: ja wo man etwa nur an eine sonderbare gesell- schafft oder gleichsam orden (etwa aus nachahmung der Paͤpstischen orden) ge- dencken/ und dergleichen von diesen leuten vermuhten wolte/ muͤsten aufs wenigste einige gewisse leges oder anordnungen gezeiget werden/ womit sie sich unter ein- ander verbunden und etlicher massen von andern abgesondert haͤtten: ob nun wol allerley/ so gar etliche laͤcherliche und absurde dinge/ sonderlich erstlich von beson- derer kleidung/ und dergleichen/ die sie unter sich eingefuͤhret/ ausgesprenget woꝛ- den/ so hat sich gleichwol nicht das geringste von solchen erweißlich gemacht/ und versichere ich mich/ aus allem was ich von den leuten und dero so reden als umgang habe/ finden kan/ haben sie so wenig in dem leben andere regeln als in der lehr an- dere dogmata ihnen selbst gesetzet/ sondern was auch jene anlangt/ achten sie sich allein verbunden an die gebot und regeln/ an welche unser Heyland alle seine Chri- sten selbst verbunden hat/ und welche kein mensch aufzuloͤsen sich die macht nehmen darff/ verlangen deswegen auch nichts anders/ als wie sie sich nach vermoͤgen gern derselben befleissen wollen/ daß alle die Christen heissen/ ihren gꝛoͤßten fleiß seyn lies- sen/ dieselbe recht wie sie vorgeschrieben sind/ und nicht wie die welt ihr so vielerley dispensation selbst darinnen machen will/ zu practicir en. Also sind sie auch in diesem stuͤcke keinerley welse/ als ein aus eigner wahl von andern abgesondertes corpus oder gesellschafft anzusehen. Wenn auch die Theologi sche Facult aͤt von Leipzig Act. Vol. ☾ f. 58. die XXX. Conversations und lebens regeln von M. Francken ausgegeben/ ansehen als ein specimen Symboli Pietistici, wie sie auch deswegen dieselbe nicht zu drucken ge- statten wollen/ und sich druͤber beschwehren Act. Vol. ☉ f. 82. So wuͤrde auch solches ein zeugnuͤß seyn/ daß die Pietist en keine andere lehr von dem gottseligen le- ben fuͤhren/ als bißher von allen gottseligen Theologis unsrer religion gefuͤhret worden ist/ und also keine sect e machen: Jndem ja iegliche religion in ihre sym- F f f f f 3 bola Das sechste Capitel. bola ihre hauptlehren/ vornehmlich da sie sich von andern unterscheidet/ zu setzen pfleget. Dieses einige moͤchte einen ziemlichen scrupul erregen/ wann es gleichwol heis- set/ daß sie einen besondern nahmen truͤgen/ und also deswegen auch vor eine be- sondere secte zu halten waͤre. Nun ists nicht ohn/ wo sie sich einen solchen son- derbaren nahmen gegeben haͤtten/ und sich damit selbst von andern unterscheiden wolten/ wuͤrde sie solches nicht wenig gravir en. Aber wie der nahme der Pieti- sten bereits vor mehrern jahren in Ober-teutschland von spoͤttern ist andern christ- lichen leuten gegeben worden (daß ich auch selbst eines christlichen Theologi tra- ct aͤtlein/ so er damal zur vertherdigung gegen die laͤsterung wider solche leute/ so damal also genennet wurden/ heraus geben wolte/ ich aber die edition nicht rath- sam gehalten/ in haͤnden habe) also ist er weder vor diese leute als eine sondere se- ct e neu erfunden/ noch viel weniger von ihnen selbst genommen worden. Wie dann so wol die universit aͤt als Theologi sche facult aͤt zu Leipzig bekennen/ Act. Vol. ☉ f. 81. b. 100. a. ☾ f. 10. b. daß von andern zum spott solcher nahme diesen leu- ten gegeben worden. So gar daß auch M. Fonne, so unter den zeugen in allen stuͤ- cken ein erbittertes gemuͤth gegen die leute angezeiget/ dannoch auch den nahmen nicht anders getraut herzu fuͤhren/ als daß ihnen derselbe/ weil sie pietatem colir- t en/ per calumniam beygeleget worden seye. Act. Vol. ☉ f. 25. Wo dann iemand imprudenter sich denselben selbst nachmal zugeeignet/ kan solches andere nicht beschwehren/ und mag allein zu dem ende geschehen seyn/ daß man sich endlich der- gleichen nahmens/ wo man gottselige personen damit zu schmaͤhen gedaͤchte/ weil er an sich selbst gut waͤre/ zuschaͤmen nicht ursach haͤtte. Wie nachmal die ursach dessen von der Theologi schen Facult aͤt Vol. Act. ☾ f. 42. b. daher angefuͤhret wird/ weil sie in ihren neuen und sonst ungewoͤhnlichen convent en von nichts als von der pietet redeten. Da ie die ursach der benennung von ihrer seit/ zu præscin- dir en von der art der convent e/ nichts in sich fast/ wessen man sich zu schaͤmen haͤt- te. Zwar moͤchte man zu behauptung/ daß es gleich eine sect e seyn moͤchte/ nach Act. Vol. ☾ f. 34. einen unterscheid machen/ inter errores formaliter \& aperte propositos \& semina errorum tecte \& clanculum dispersa, da M. Franck jener noch nicht ex actis uͤberfuͤhret seye/ diese aber nicht unbillich besorget wuͤrden: Aber er ist gleichwol daselbst dessen nicht uͤberwiesen/ indem derselbe von der im- pletione legis nichts anders/ wie gerad vorher auch erinnert worden/ gelehret/ als was expressis terminis in den libris symbolicis stehet. So nun auf den jenigen/ welcher des pietismi urheber angesehen wird/ keine irrige lehr mit bestand ge- bracht werden kan/ als welches aus den acten kuͤndig/ so wird auch so viel weni- ger dergleichen von den uͤbrigen zu vermuthen seyn. Weilen aber andere unordnun- gen daraus entstanden zu seyn vorgegeben worden/ und ich nicht eben laͤugnen wil/ daß nicht einiges anders und ordentlicher geschehen/ theils auch verhuͤtet werden koͤnnen und sollen/ so ist auch alles solches aus dem grund zu untersuchen/ indem die DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. die unordnungen gesucht werden muͤsten (1.) in M. Francken collegiis, (2) in M. Schaden und anderer magistrorum collegiis, und (3) in denen angegebenen an- derer leute zusammenkunfften. M. Francken nun (1.) betreffend/ dessen gruͤndli- che erudition, exemplari sches leben und redlicher eiffer vor Gottes ehre nicht nur mir bekant/ sondern auch von niemand mit grund bestritten werden kan/ welcher sich auch rechenschafft seiner lehr und thuns zu geben niemal beschwehret/ sondern vielmehr selbst gehoͤret zu werden unterschiedlich verlanget/ und sich auf die libros symbolicos bezogen hat/ so mag mit recht wegen seiner collegiorum, welche er gehalten/ nichts gefaͤhrliches aus denselben gezogen werden. Daß in denselben nichts wider unsre lehr und orthodoxiam vorgebracht worden/ ist aus den zeug- nuͤssen so vieler abgehoͤrten personen/ und daruͤber eingeschickten inqvisitions actis Vol. ☉ bekant/ und ob wol M. Fonne , nach dem er in seinen depositionibus so viel- mal auf offenbaren falsis ergriffen worden/ (als da nach seiner deposition mein famulus soll collegia gehalten haben Vol. Act. ☉ f. 28. 31. da ich gleichwol/ ehe ich hieher gekommen/ niemal einigen famulum gehabt/ der einige aber/ welchen ich hier angenommen/ seiter zwey jahr/ da ich ohn eins letzte mal in Leipzig war/ solche stadt nicht gesehen/ und also keine collegia kan daselbst gehalten haben/ item da M. Franck auf dem felde solle gepredigt haben ibid. f. 40. b. 53. b. ) sich noch hier in dieser stadt privatim also verlauten hat lassen/ ob waͤre mit solcher inqvisition und actis nicht recht verfahren worden/ hoffe ich nicht/ daß einem solchen menschen/ der vorher seinen glauben billich verlohren/ und sich sehr verdaͤchtig machet/ einer der vornehmsten urheber zu sein der boͤßlich ausgesprengeten vielen laͤsterungen/ ge- gen die fidem publicam der jenigen inqvisition die unter dem directorio des re- ctoris Theologi (und da D. Carpzovius Theologus meistens dabey gesessen) verrichtet/ und die acta verfertigt worden/ das geringste gehoͤr zu geben seye/ son- dern die universit aͤt ursach haͤtte/ solches gegen den verleumder/ so damit seine of- fenbarte falsa beschoͤhnen wollen/ zu anden. Was aber belangt das jus derglei- chen collegia zu halten/ so ist nicht nur aus den actis zu sehen/ daß biß dahin ma- gistri ohne hinderuiß gepflegt collegia philologica zu halten/ daruͤber sie den Decanum Theologiæ nicht begruͤssen (daruͤber sich zwar Facultas Theologica Vol. Act. ☉ f. 81. b. beschwehret/ es aber als etwas schon eine weil eingerissenes be- klagt) weswegen M. Francke sich der so viel ihm bekant war nicht bestrittenen freyheit auch gebrauchet hat. Ob dann nun wol zwischen beyden/ der Theolo- gica und philosophica, facultate uͤber solches jus streit ist/ den ich hier nicht de- cidire, ists genug/ daß damal dergleichen mehrfaͤltig geschehen/ und er also nicht mala fide die permission der Facult. theologicæ zu suchen unterlassen/ vielmehr aus seinem mir sonsten bekandten gemuͤth/ da er dergleichen noͤthig zu seyn gewust/ oder von iemand er i nnert waͤre worden/ er die ehr seinen præceptoribus willig wuͤrde gegeben haben: so zeiget auch die art seiner collegien, wie sie selbst von der Facult aͤt Theologi e angefuͤhret wird/ Act. Vol. ☉ f. 4. b. daß er das jenige Das sechste Capitel. jenige/ was propriissime den Theologis zukommt/ nehmlich die eigentliche do- gmata zu tractir en/ aus- und aus respect gegen sie denselben uͤberlassen/ hingegen nichts anders gehandelt/ als erstlich philologica, so ohne zweiffel einem magistro zukommt/ und nachmal was pietatem den auditoribus inculcir te/ da die Facul- t aͤt ausdruͤcklich Act. Vol. ☾ 39. b. solches von sich abzuweisen scheinet: daher daß M. Franck falcem in alienam messem vorsetzlich immittirt, mit grund nicht ge- sagt werden kan. Ob dann wol aus dem damal uͤblichen M. Franck seine colle- gia exegetica nicht voran bey der Facult. Theolog. angemeldet/ so sind sie doch so fern nachmal auf gewisse weise von derselben zugegeben worden/ da sie derselben bereits etliche monath kund gewesen/ und sie sich nichts movir et/ auch da der Decanus ihn daruͤber beschicket/ solcher selber mit ihm zu frieden gewesen/ und ihm solche nicht inhibir et/ vielmehr ihm (so nicht vermuthlich/ daß gegen einen geschehen waͤre/ welchen man vor einen offenbaren violatorem der jurium der facult aͤt ge- halten haͤtte) an seine statt die lectiones caniculares publice zu halten von dem- selben aufgetragen/ wie auch nachmahl das auditorium qvasi publicum die lampe/ wegen angewachsener freqvenz, von zweyen andern membris vergoͤnnet worden ist. Dann was die entschuldigung Act. Vol. ☾ f. 49. anlangt/ ob waͤre es ihm nie eigentlich vergoͤnnet worden/ waͤre nicht allein nicht vermuthlich/ daß dergleichen proprio ausu einzunehmen einem magistro so lang wuͤrde nachgese- hen worden seyn/ sondern mir ist ex ore Theologi, daß sie ihm vergoͤnnet worden/ selbst bekant. Wie auch Act. Vol. ☉ f. 4. ausdruͤcklich die Theologi sche Facul- t aͤt solches mit vorbewust des Rectoris Magnifici und præpositi geschehen zu seyn einraͤumet. Also ist in haltung solcher collegien ie nichts unordentliches vorsetz- lich vorgegangen: so hat er auch nach dem er der Theologi schen Facult aͤt displi- cenz verstanden/ selbst seine collegia philologica unterlassen/ und da er auf ansu- chen keine neue permission erlangen koͤnnen/ nicht weiter angefangen. Will man aber von unordnungen solcher zeit reden/ so wuͤꝛden sie in nichts an- ders bestehen/ als in den vielen verleumdungen und laͤsterungen/ so damal entstan- den/ da aber eine gute sache wol eine anlaß/ ob schon nicht eine ursach/ des boͤsen werden kan/ ja wegen anderer menschen boßheit jenes gemeiniglich wird/ aber dar- um das gute nicht unterlassen werden darf. Wo man nun die eigentlichen ursachen solcher unruhen untersuchet/ so hat die anlaß gegeben der starcke und ungewoͤhnliche numerus der studiosorum, so sich in die collegia eingefunden/ und nach dem in exegeticis biß dahin von den ordinariis nicht so viel geschehen war/ als derselben profectus erforderten/ diese bald aus der art zu tractir en erkant/ wie sehr ihren studiis dadurch gerathen waͤre/ weswegen nicht leicht einer einmal eine lection gehoͤret/ daß er dadurch nicht so bald bewogen waͤre worden/ sie weiter zu freqven- tir en/ nach dem methodus und materi en sich selbst recommendir ten. Wie nun Gott die arbeit darinne gesegnet hatte/ daß so viel studiosi, wie nothwendig ihnen vor allen andern das studium publicum waͤre/ erkanten/ so kam noch dieses dazu/ daß DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. daß ihrer viele aus dem jenigen/ was sie hoͤrten/ was Gottes wort von uns erfor- derte/ durch dessen krafft uͤberzeuget wurden/ und in der that ihren sinn und leben ziemlich aͤnderten/ auch dergleichen von sich bekanten. (Deren bekaͤntnissen ich selbst unterschiedliche gehoͤret/ und versichert bin/ daß viele derselben biß an ihr en- de Gottes guͤte dancken werden/ die sie von manchem/ darinnen sie in der welt ge- steckt waren/ durch solche gelegenheit abgezogen habe; Wie nun dieses alles an sich selbst gut war/ so mag sich wol dabey/ wie allezeit in dergleichen dingen zu ge- schehen pfleget/ begeben haben/ daß einige der auditorum theils allzu viel ruͤhmens davon gemacht/ so zu anderer verkleinerung ausgedeutet werden moͤchte/ theils in dem eiffer excedir et (so bey dem anfang aller auch bester dinge schwehr zu verhuͤ- ten ist) theils unbedachtsame sachen gethan/ die sie wol unterlassen sollen/ als wañ einiger ein collegium metaphysicum, weil er befunden/ wie wenig ihm dasselbe studium gegen dem studio scripturæ zu rechnen genuͤtzet haͤtte/ verbrandt zu ha- ben erzehlet wird. Die rechte ursach aber dar unruhe wird hergekommen seyn aus neid und mißgunst anderer studiosorum oder magistrorum, denen der ap- plausus dieser person in die augen stach/ vielleicht auch einige/ wo ihrer mehrere sich einer ernstlichen gottseligkeit beflissen/ sorgen muͤsten/ daß sie kuͤnfftig weniger gelten doͤrfften: so dann aus verlaͤsterung der dinge/ die ietzt von den auditori- bus der collegiorum (daran doch M. Francke nicht schuld hatte) angefuͤhret wor- den sind. Wie aber eine sache/ welche neu scheinet/ so bald in aller mund kommet/ aber das geruͤcht nach seiner gewohnheit luͤgen und wahrheit stracks unter ein- ander mischet/ so wurden bald nicht nur gantz Leipzig/ sondern auch diese stadt und das land/ damit erfuͤllet: und weil nicht also bald/ welches ohne weitlaͤufftigkeit und mit kraͤfftiger untertruckung/ nicht der sache sondern der laͤsterung/ geschehen haͤtte koͤnnen/ solchen luͤgen wiederstanden werden/ hingegen sich immer mehrere/ auch leute/ die sonsten wehren koͤnnen/ daran einnehmen haben lassen/ so wuchs solche unordnung eine gute weil/ nicht aber von seiten der nunmehr zum schimpff also genannten pietisten als derselben verleumder. Daß dadurch Facultas theo- logica an E. Churfl. Durchl. unterthaͤnigste nachricht davon zuertheilen/ und wie sie M. Francken die collegia inhibir en/ so dann ferner nachforschen wolten/ an- zufuͤgen bewogen wurde/ Act. Vol. ☉ f. 4. da bereits unter der zeit auch von hier aus von der universit et bericht erfordert worden war. Worauff die inqvisition erfolget ist. Daß aber auch damal gegen M. Francken noch nichts gewisses/ so seine orthodoxiam oder leben gravir en koͤnnen/ erweißlichen bekant muß gewesen seyn/ habe auch daraus abzunehmen gehabt/ nicht nur weil die Theol. Fac. ☉ f. 7. bekennet/ daß sie noch keine eigenliche nachricht haͤtten/ sondern auch weil/ als zu anfang des Septembris in Leipzig meiner verrichtungen wegen zwey tag war/ und viere der profess. Theologiæ mich besuchten/ auch iede von der sache rede- ten/ keiner etwas mir zeigen koͤnnen/ darauff man gewiß fussen moͤge. Vielmehr sprach mich D. Valentinus Alberti an/ weil damahl die Superintendenz zu Pe- G g g g g gau Das sechste Capitel. gau ledig war/ ob ich durch tertium M. Francken am Fuͤrstlichen hoff zu Zeitz zu derselben recommendir en wolte: welches von einem Theologo unverantwort- lich waͤre/ dafern er auch nu gnugsam gegruͤndete su spiciones auf seine ortho- doxiam gehabt haͤtte. Wie ihn auch nachmal die acta also absolvir et/ daß Fa- cultas Theologica Act. Vol. ☉ f. 81. selbs bekennt/ daß er noch zur zeit keiner heterodoxiæ, und anderer in gemein ihm beygemessener dinge beschuldi- get werden koͤnne/ ob sie ihn wohl vor sich nicht gaͤntzlich ausser schuld hal- ten will. Erhellet also/ daß bis dahin keine straͤfliche unordnungen vorgegangen von seiten M. Francken und seiner auditorum, sondern daß alle unruhe und un- wesen von denjenigen entstanden seye/ welche falsche geruͤchte ausgestreuet/ wolte Gott nicht gar aller orten dergleichen so ausgeschrieben/ daß E. Churfl. Durchl. universit et und land anderwerts mit uͤbler nachrede beleget worden. Vielleicht solte aber auch damahl der gantzen sache nicht unschwer zu helffen/ und diese zu rettung der unschuld ihrer universit et nieder zulegen gewesen seyn. Nebens M. Francken/ und als derselbe meines behaltens bereits in dem No- vember, nach dem er seine apologi a hier eingeschicket (welche ich von ihm unter- lassen und seiner præceptorum respects mehr geschauet worden zu sein/ billich verlangt hatte) nach ihm hat M. Schade (von andern ist mir weniger gruͤndli- ches bekant) dergleichen collegia eadem methodo, nach dem ihnen nichts ver- boten worden/ fortgesetzt/ und hoffe ich/ daß abermal in denselben einiges hetero- doxes gelehret worden zu seyn/ sich nicht erfinden werde. Jn dem mir nicht nur aus privat discursen dessen mit goͤttlicher schrifft und unsern Symbolischen buͤ- chern uͤbereinstimmende lehr bekant ist/ sondern auch durch einige tractaͤtlein/ so mit der Theol. Facult. zu Leipzig censur herausgegeben/ solche ziemlicher mas- sen bezeuget hat. Dieser einige hat sich nur noch bey seinen collegiis begeben/ daß algemach/ nach deme durch mehrere studiosos unterschiedliche buͤrger davon gehoͤret/ auch aus derselben zahl sich einige als zuhoͤrer eingefunden/ die er aber weder selbs dazu eingeladen/ noch hingegen weggehen zu heissen sich getrauet hat. Nun wuͤnschte ich zwar abermahl/ daß solches nicht geschehen waͤre/ weil es die gelegenheit mehrer motuum worden ist/ und solche M. Schaden nie verboten worden sind/ so ists auf wenigste kein verbrechen/ daß andere/ so nicht studir et hatten/ zu solcher uͤbung sich mit eingefunden haben. Und ist mir noch wol erin- nerlich/ daß in Straßburg buͤrger/ so in der jugend in der schul etwas latein geler- net/ und nachmal ihrer handarbeit sich genaͤhret/ in den disputationibus und ex- ercitiis Academicis zu zuhoͤren sich offt mit eingefunden/ ohne daß die Theologi sich im geringsten solches haͤtten mißfallen lassen/ vielmehr es gelobet/ und die bey- de beruͤhmte maͤnner D. Dorsche und D. Dannhauer deswegen dergleichen uͤbun- gen in teutscher sprach angestelt/ und also diesen den zugang dazu erleichtert zu wer- den/ gewuͤnschet haben: Daher es an sich selbst nichts unordenliches seyn kan. So hat M. Schade/ als die anzahl dieser buͤrger sich vermehrte/ von selbst das colle- DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. collegium, ehe noch das Churfl. edict kam/ ob wol mit der guten leute vieler be- truͤbniß/ dissolvir et/ so viel mehr nach dem jenes erfolget war/ sich alles dessen aus gehorsam enthalten: Daß daher auch in diesem stuͤck keine straͤffliche unordnung sich antreffen laͤst. Nun komme 3. auf die vorgegebne zusammenkunfften der buͤrger/ als von welchen die hitzig eingelauffenen relationes die meiste motus gemacht haben: also daß weilen dieselbe dahin lauteten/ daß nicht allein von studiosis, sondern auch von buͤrgers leuten/ ja allerdings weibspersonen/ fuͤrnemlich Sontags/ bedenckli- che conventicula und zusammenkunfften/ unter dem vorwand der gemeinen er- bauung und beforderung des Christenthums/ angestellet wuͤrden/ darinnen man die H. schrifft nach eignem gutachten auslegte/ und allerhand neuerliche/ und in der rechtglaͤubigen evangelischen kirchen bißher ungewoͤhnliche dinge fuͤrgenom- men wuͤrden/ man auf solche ob schon nur durch privat schreiben gekom̃enen nach- richt (wie dann der erste an E. Churfl. Durchl. gerichtete sonderliche bericht der Theologi schen facult aͤt 4 tag darnach den 14. Martii eingelauffen Act. Vol. ☾ f. 94. ) bey E. Churfl. Durchl. verordneten Kirchenrath/ nach dem dergleichen als ein weitaussehendes und zu allerhand conseqventi en abziehlendes unwesen ange- sehen worden/ der nothdurfft erachtet/ dergleichen unbefugte und gefaͤhrliche zu- sammenkunfften allerdings und ernstlich zu verbieten/ massen denn dergleichen den 10. Mart. an die universit aͤt/ amt und rath zu Leipzig rescribir et/ und solche inhi- bition durch offentlichen anschlag werckstellig gemacht ist worden. Wo ich nicht laͤugne/ daß aus consideration der geschehenen relation en von grosser anzahl der leute in dergleichen versam̃lungen und dabey vorgehenden unordnungen/ solche in- hibition mit meinem suffragio selbst habe bekraͤfftiget. Jch bin aber hinwieder nicht in abrede/ daß ich nach der zeit gehoͤret habe/ wie es bey weitem nicht solche anzahl der leute oder dergleichen unordnungen gewesen/ wie es anfangs ange- bracht worden/ also daß es dahin stehet/ ob es so weit damit gekommen seye/ daß dergleichen verordnungen/ so die liberal ere erzehlungen dessen was vorgegangen waͤre/ veranlasset hatten/ nothwendig gewesen waͤren/ auf andere weise haͤtte zu recht gebracht oder verhuͤtet werden koͤnnen. Jnsgesamt wie viel in dieser sache Christen an sich selbst erlaubet seye/ und wo wie fern dieselbe nicht zwar grosse ver- sammlungen anzustellen/ welche einen schein einer trennung haͤtten/ und vieler an- derer ungelegenheit unterworffen waͤren/ iedoch wo nemlich solches nicht austruͤck- lich verboten ist/ zu ihrer erbauung unter einander ausdruͤcklich zusammen zu kom- men vermoͤgen/ so dann wie sie sich in solcher sache in gewissen schrancken zu halten haben/ habe ich meine lehr und meinung bereits vor mehr als 13. jahren in dem tract aͤtlein von dem geistlichen Priesterthum durch offentlichen druck an den tag geleget: Welches in vieler hundert Prediger und Theologorum, auch deren in hiesigen landen/ wie mir wol bewust/ haͤnden bißher gewesen/ und von einigem nie- mal publice oder gegen mich privatim das wenigste widersprochen worden: Wel- G g g g g 2 ches Das sechste Capitel. ches dannoch deroselben gewissen/ sonderlich da ich hieher beruffen werden sollen/ erfordert haͤtte/ dafern in solcher lehre ichtwas dem goͤttlichen wort und der wol- fahrt der kirchen wiedriges enthalten waͤre. Es haben auch andere christliche Theologi hievon gehandelt: wie ich anfuͤhren kan den vor noch nicht vielen jah- ren beruͤhmt gewesenen Sachsen-Haͤllischen Oberhoffprediger D. Olearium, der in seinem teutschen Bibelwerck/ so zu E. Churfl. Durchl. vielen kirchen auzuschaf- fen wuͤrdig erkant worden/ uͤber 1. Cor i 4/ 23. also schreibet: Es ist dabey zu mer- cken/ daß dergleichen christliche unterredungen gar noͤthig und nuͤtzlich/ aber gar vorsichtig und ordenlich einzurichten. 1. Von gottseligen leh- rern und collegen, 2. von studiosis und liebhabern der goͤttlichen wahrheit. 3. von guten freunden. 4. Von nahon anverwandten. 5. Von benachtbar- ten. 6. Von denen so gleicher lebensart. 7. Von christlichen hausvaͤtern. Jedoch also/ daß alle unordnung/ aͤrgerniß und mißbrauch nach reiffer uͤberlegung und noͤthigem ermessen des lehr- und nehrstandes wol be- daͤchtig verhuͤtet werde/ damit nicht der aus uͤbereilen und unvorsichtig- keit entstehende schade den verhofften nutz uͤbertreffen moͤge. Es koͤntẽ noch der jenigen tapffren leute die hievon geschrieben mehr genennet werden: unter wel- chen nur fuͤr allen anfuͤhren will D. Justum Christophorum Schomerum pro- fess. Theol. zu Rostock/ der in unterschiedlichen Disputationibus de collegiis privatæ pietatis die materi e am fleißigsten ausgearbeitet hat/ und wie er was bey allen collegiis zu verhuͤten/ oder auch dabey zu sorgen/ mit solcher behutsamkeit vorstellet/ daß einer Wiedertaͤufferischen oder Qvackerischen Licenz kaum von einigem bedachtsamer begegnet/ dero gefahr gewiesen/ und ihre gruͤnde wiederle- get worden sind/ also gleichwol die macht der Christen insgemein zu erbauung zu- sammen zu kommen/ nicht nur nicht wiederspricht/ sondern selbst bekraͤfftigt. Weil dann seine wort sehr wichtig sind/ so wird Ewre Churfuͤrstliche Durchlauchtig- keit nicht ungnaͤdig vernehmen/ daß dieselbe etwas weitlaͤufftiger anfuͤhre. Al- so schreibet er nun § 19. Etenim agnoscimus, non fortuitis tantum congressioni- bus, sed \& studio qvæsitis mutuam illam οἰκοδομὴν urgeri posse, \& pro re nata etiam debere. Uti enim qvodqve laudabiliter fit, ita etiam laudabiliter intenditur. In exem- plis etiam sanctorum, qvæ adduximus, illum principalem \& unicum forte, finem fuisse conveniendi, ut piis colloqviis animi erigerentur, circumstantiæ omnes satis produnt. Permittunt \& probant hujusmodi conventus non tantum sacræ sed \& ci- viles leges. Nam conventus qvi ad finem bonum \& honestum, s. ob causam licitam fiunt, non improbantur, nec indigent superioris venia, adeo ut licet expresso supe- riorum decreto prohibitum sit inire congregationes, causa tamen \& intentionis bo- nitas excuset coeuntes, utlatius tradit Mevius ad jus Lubec. P. 4. tit. 13. art. 1. n. 5. seqq. Noch viel deutlicher und ausfuͤhrlicher aber handelt er davon § 21. u f. Daraus allein das vornehmste anziehe: Forma ipsa generalis horum collegiorum omnium simpli- citer \& in se considerata, præcisis circumstantiis alterantibus reprehendi neqvit, qvasi DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. qvasi vel juri divino vel veteris Ecclesiæ canonibus adversa, qvibuscunqve etiam per- sonis constet s. laicis s. clericis, sive utroqve horum genere. Qvia enim locorum temporumqve nulla definita lege Dei sanctitas est, sed omnis angulus, omnis hora, omnis numerus eorum qvi in nomine Christi conveniunt, ipsi sacer est Matth. 18, 20. utiqve assiduitas major, \& continuatio in bono pactis firmata ipsi displicere non pot- est. Volo, inqvit Paulus, viros orare in omni loco 1. Tim. 2, 8. sine cessatione 1. Thess. 5, 17. etiam communi consilio, ut inqvit Christus Matth. 18, 19. neqve differentia est maris aut fœminæ, servi aut liberi, in Christo Jesu. Gal. 3, 38. omnes se in domum Dei spiritualem \& sacerdotium spirituale ædificare jussi sunt. 1. Pet. 2, 5. Hierauff fuͤhret er aus/ daß diesem seinem satz nichts mit grund entgegen gesetzt werden koͤnne. §. 22. Non obstat 1. libertati convenientium collegarum jus parochiale, qvo qvisqve suo parocho \& Ecclesiæ asscriptus est. (Welches er darnach mit mehreren erweiset.) §. 23. Non obstat 2. defectus aliqvis vocationis (So auch in dem folgenden ausgefuͤhret wird.) Sonderlich §. 24. non obstat 3. idem vel probabilior vocationis defectus ho- mini laico tales societates colligenti. Ad institutum enim privatum publica vocatio non reqviritur, sufficit vocatio charitatis, qva qvisqve alteri placere ad bonum bo- næqve actionis πρὸς οἰκοδομὴν auctor esse jubetur. Rom. 15, 2. Si qvis in tali collegio sibi docendi jus peculiare assereret ut eos qvi ipsum pro patre nec humano nec divi- no jure tenentur revereri, ab ore suo cuperet pendere, ἀλλοτριοεπίσκοπον recte dice- res, qvi contra monita Apostolica Hebr. 5, 4. \& Jac. 5, 1. se muneri non demandato ingereret. At qvi liberis, pupillis, famulis, clientibus eorumqve familiis in privatam ecclesiam collectis hoc officium præstiterit, jure suo agere dicendus est. Sic etiam qvi vicinis ac familiaribus norit necessaria religionis subsidia de esse, ad catecheticas vel S. Scripturarum prælectiones illos invitans, etiamsi ut eo melior informatio sit, con- tinuatum collegium constituat, modestiæ fines non egreditur, cum charitati opera- tur. Ubi omnes pares sunt, si qvisqve pro suo modulo symbolam conferat, aut si cui uberior scientia vel docendi precandive charisma sit, ut sine studio ὑπεροχῆς copio- sius aliis in tali conventu disserat, nihil omnino peccatur. Constantinus Imp. ap. Euseb. in vita ejus L. 2. c. 60. ita præcipit: qvod qvisqve novit ac intelligit, eo proxi- mum, si fieri potest, juvet. Nam \& laicus, qvi in his terris proedria non honoratur, verus tamen sacerdos \& Ecclesiæ minister est, si fecerit docueritqve qvæ sunt Domini, inqvit Clem. Alex. L. 6. Strom. p. 667. In hac mutua opera cum adolescimus, com- missura sit subministrationis ejus, per qvam totum corpus Ecclesiæ coagmentatur, \& conjungitur, ad incrementum ipsius nostramqve ædificationem, juxta Eph. 4, 16. Gaudebant Apostoli cum audirent \& per illorum sermones atqve operam conversas esse gentes, qvibus prædicatio Evangelii peculiariter commissa non erat. Act. 11, 23. Phil. 1, 18. qvare non etiam gauderent presbyteri, cum talibus adjuvantur parochia- norum exercitiis, qvibus non minima parte curarum, levari possunt? Peccant igitur haud leviter (verba sunt Ægid. Hunnii tr. 4. op. p. 604.) qvi ex præpostera \& perversa æmulatione improbant conatus eorum, qvi pio studio doctrinam Evangelii propa- G g g g g 3 gare Das sechste Capitel. gare satagunt. Laudabilius \& rectius Moses: utinam omnis populus vaticinaretur. Plane \& Baptista Johannes suorum æmulationem compescit Joh. 3. \& Christus Jaco- bum \& Joannem, qvi prohibere volebant eum, qvi in nomine Jesu dæmonia ejicie- bat Luc. 9. Nec immerito huc ad ducitur exemplum Augustini, qvi anteqvam ad presbyterium vocaretur, teste Possidonio in vita ejus c. 3. laicus etiam de iis, qvæ sibi Deus cogitanti atqve oranti intellecta revelabat, \& præsentes \& absentes sermone ac literis docebat. §. 25. Non obstat 4. in iisdem Laicis sine presbytero tali exercitio va- cantibus præsumtus eruditionis ac ἱκανότητος defectus. Qvamvis enim, cum omnes capita fidei satis perfecte hauferint, vel s. literas intelligant, qvi alios docere conan- tur, alii etiam qvi rem ipsi probe perceperunt, alios docere apti non sint, sed prompti sermonis flumine destituti qvandoqve \& a sanioribus verbis aberrent, qvantum ta- men qvisqve profecerit, ut cum aliis communicet, vel eo nomine salubre fuerit, ut mutui errores mutuis correctionib9 emendentur, perinde ut pueri se Latini sermonis rudimentis alter alterum in scholis exercent, qvamvis nemo latinitatis veram habeat peritiam. Id si in vagis conventibus locum habet, ut agnoscunt omnes, nulla causa est, qvare non \& procedat in statis collegiis. Neqve etiam ea est sacrarum literarum difficultas, qvæ obstet qvo minus qvisqve etiam stupidior paulo inde per Spiritus S. gratiam, haurire possit, qvod ad salutem creditu, \& ad vitam recte in stituendam sci- tu necessarium est, uti contra Pontificios perspicuitatem hanc solemus asserere. Et vos itaqve alloqvebatur plebem christianam qvondam Chrysostomus, si lectioni scripturæ cum animi alacritate volueritis attendere, nulla alia re præterea opus ha- bebitis. Verus enim est sermo Christi, cum dicit: qværite \& invenietis, pulsate \& a- perietur. Præf. in ep. ad Rom. Plura tamen subsidia laicis suppeditabit freqventatio s. concionum \& libellorum Theologicorum lectio, qvibus plures per Dei gratiam satis attente adhærent. Autor. ep. Hebr. 5, 12. hanc velut indubitatam ponit hypothesin, qvod illos, qvi jam ab aliqvo tempore Christianismi fundamenta hauserunt, opor- teat doctores esse, qvi alios possint feliciter informare. Si accuratior evolutio qvæstio- num Theologicarum, si notitia idiomatis avtentici aliorumqve ad interpretationem Scripturæ reqvisita media ab unoqvoqve desiderentur, qvi cum fructu alios docere cupit, eqvidem vereor, ut id argumentum contra solos laicos concludat, nec plures hodie parochos officio movere oporteat. Nihilominus ut cum Apostolo 1. Cor. 14, 5. Eph. 1, 17. Phil. 1, 9. omnibus spiritum sapientiæ \& profectus cognitionis uberrimos esse optamus, ita etiam qvemqve, qva sit ἱκανότητι se ipsum jubemus explorare, an \& peritus sermonis \& moribus gravis sit, qvod in laico docente L. 8. Constit. Apost. c. 38. reqviritur, neqve in difficiliora, qvæ captum ejus superant, se immittat; sed discere potius a peritioribus, qvam aliis non intellecta proponere sataget. Er removir et end- lich auch einen wichtig scheinenden einwurff §. 26. Non obstat deniqve 5. jus episcopa- le, vel expectanda primum autoritas eorum, qvorum est, qvæ ad Ecclesiæ bonum per- tinent, ordinare: qvam ita religiose solent multi prætexere, ut qvicqvam nisi ejus jussu in hisce tentare nefas esse arbitrentur, utut id ne fiat, nullibi sit interdictum. Agitur DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. Agitur enim hic de re naturalis libertatis, qvæ unicuiqve salva esse intelligitur, donec sit qvi impediat, nec qvi jure \& libertate sua utitur, alii, nec ipsi superiori, facit in- juriam. Agitur de re per se favorabili, nempe proximi ædificatione \& exercitio pie- tatis, cui impedimentum a potestate superiori positum esse, non debet præsumi. Exercitii hujus licentia non pendet ab Episcopo, vel eo qvi episcopi vicem supplet, sed immediate a Deo, qvi nobis hanc gratiam fecit, ut ubiqve possimus de magnali- bus ejus loqvi. Ergo si qvis nobis modus ad id videtur aptus esse, qvo leges publicæ aut aliena libertas non convelluntur, non expectandum est, donec præsul id permit- tat vel jubeat, sed pergendum, donec sit qvi prohibeat. Agnoscimus hanc potesta- tem legislatoriam in ipso, qva prohibere possit, attamen qvicqvid ille legibus suis non complectitur, qvi imperat, nostræ industriæ reliqvit. Qvo jure paterfamilias de do- mesticæ pietatis legibus disponit, nempe qvod legibus publicis de ea nihil definitum sit, eodem \& vicini de vicinali s. collegiali pietate disponere poterunt. Pastor etiam Ecclesiæ, cui officium publicum demandatum est, eo magis sibi \& privati collegii jus peculiare datum esse concludet, qvo magis id officio qvod gerit congruum est: \& sicut professor in publica cathedra constitutus, nulla indiget peculiari vocatione aut indulgentia ad collegia etiam privata formanda, ita neqve pastor. Qvod recte ali- qvando in pari casu objectum esse legimus. Multa cepere in veteri Ecclesia, qvæ E- piscopos non habuere autores: \& consvetudine laudabili introducta violari jus le- gislatoris nunqvam hactenus creditum est. Nach diesem examinir et er das Roͤ- mische recht/ was die Heydnische Roͤmische gesetze in solcher sache verordnet/ wel- cher krafft iedoch so viel weniger gegen die christliche uͤbungen gelten kan. Jns- gesamt aber treibet gleichwol gedachter autor dieses/ daß absonderliche und or- denliche dergleichen collegia nicht eben/ wie etliche darvon ausgeben wolten/ als nothwendig von GOtt eingesetzte ordnungen gehalten werden muͤsten/ sondern wie die gemeine erbauung/ die ohne gewisse ordnung oder collegia geschiehet/ ihre freyheit von GOtt habe/ auch dergleichen collegia so ihre gewisse ordnung haben/ auch nicht straͤfflich seyen/ als lange solche nicht von der obrigkeit verboten wer- den/ daß gleichwol in dieser macht stehe/ nach ihrem gut befinden/ wie an iedem ort mehr guts draus zu hoffen/ oder boͤses draus zu sorgen waͤre/ dieselbe entweder mit ihrer autorit aͤt zu bekraͤfftigen oder hingegen zu verbieten. Diese etwas weit- laͤufftige ausfuͤhrung eines gelehrten und unverdaͤchtigen Theologi habe ich wuͤr- dig geachtet/ hie zu wiederholen/ als dero fernere erwegung der gantzen sache ein ziemliches licht geben mag. Wann wir daraus sehen 1. daß die zusammenkunff- ten der Christen/ nicht nur wo prediger mit dabey sind/ sondern auch ohne die pre- diger unter ihnen allein/ an sich nichts unrechts haben/ sondern in der christlichen freyheit stehen. 2. Daß sie auch dardurch nicht unrecht werden/ wo sie schon zu ordentlichen collegiis / und also von gewissen personen/ zu gewissen zeiten und or- ten gehalten wuͤrden/ sondern sie bleiben so lang und viel Christliche und unstraͤf- liche uͤbungen/ ohne daß sie vor einen eingriff in der prediger amt/ oder in die ge- walt Das sechste Capitel. walt des juris episcopalis zu achten waͤren/ biß sie von denjenigen/ so die auff- sicht auf kirch und policey haben/ als diesen nicht dienlich/ verboten werden/ in welchem fall sie dann die art/ wie sie vorhin als untadelich zuerkennen gewesen waren/ verliehren. Da hingegen als viel mir wissend worden/ die jenige in Leip- zig/ so einige mahl zu ihrer erbauung zusammen gekommen waren/ nach dem das obrigkeitliche verbot da zwischen gekommen/ demselben willig gehorsam gelei- stet/ und demselben zu respect diese ihre obwol so erbaulich ihnen selbs befundene uͤbungen eingestellet haben. Wann aber auch eine sache zuweilen aus uͤblen da- her folgenden fruͤchten beschuldiget zu werden pfleget/ habe ich auch aus den acten noch nichts finden koͤnnen/ daß einige boͤse fruͤchten der in verdacht gezogenen zusammenkunfften auffgewiesen worden/ sondern sehe/ daß GOtt diese leute/ da sonsten der erste eyffer sich offt sehr schwer in den schrancken also halten laͤsset/ daß er nicht etwa austrete/ davor gnaͤdiglich bewahret habe: Zwar wird Act. Vol. ☾ f. 95. dahin angefuͤhret/ daß ein schumacher einem prediger zugesprochen/ und ihn uͤber etwas/ so er in seinem leben straͤflich hielte/ erinnert habe. Nun kan davon hie nicht urtheilen/ aus was trieb und mit was bescheidenheit der mann seinen ausspruch gethan: aber ich begreiffe allerdings nicht/ wie solches bereits eine for- male schwaͤrmerey seyn koͤnne/ wie es daselbst heissen muß. Es sind ja wir predi- ger nicht davon frey/ daß ob wirs in einigem versehen/ auch unsre zuhoͤrer uns aus liebe nicht daruͤber zusprechen doͤrfften/ indem solches vielmehr zu unserm besten ge- reichet/ und hingegen wir so viel uͤbler dran seyn wuͤrden/ wo uns niemand uͤber das jenige/ welches er an uns siehet/ und wir etwa nicht so wol selbst warzunehmen ver- moͤgen/ zu erinnern sich unterstuͤnde. Wie ich nicht in abrede bin/ daß ich vielmehr unterschiedlich meine gemeinden gebeten habe/ uns predigern die liebe zu thun/ wo sie einen anstoß an uns nehmen/ uns freundliche eroͤffnung davon zu thun/ daß wir entweder selbst uns bessern/ oder ihnen ihren mißverstand an uns hinwiederum freundlich benehmen koͤnten: welches ie keine formale schwaͤrmerey zu heissen wuͤr- dig ist/ sondern dessen offtmaligere praxis vielmehr hertzlich zu wuͤnschen waͤre. Weil in dem uͤbrigen auch mehrere klagen und sorgen in den acte n gelesen wer- den/ daß die studia philosophica und was zu der rechten soliditet der erudition gehoͤret/ durch den pietismum aufgehoben/ und eine neue barbarey in kurtzem ein- gefuͤhret werde werden/ so habe ich auch solchen punct nicht auszulassen/ aber so bald zu mercken/ daß auch diese beschuldigung mit nichts erwiesen seye/ sondern die zeugnissen lauten gar anders/ wie auch M. Franck ausdruͤcklich Act. Vol. ☉ f. 72. befragt/ ob er nicht vorgebe/ die philosophie waͤre einem studioso Theologiæ nichts nuͤtze/ mit Nein antwortet/ und sich darauf berufft/ daß vielmehr das con- trarium publice und privatim von ihm vielfaͤltig gesagt worden/ wiewol er sie vor den abusum der philosophiæ treulich gewarnet/ doch nicht als was neues sondern so bereits von vielen Theologis und Philosophis geschehen. Was auch die sorge des kuͤnfftigen anlangt/ so siehe ich die folge durchaus nicht. Vielmehr da das studium DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. studium der H. Schrifft ernstlich getrieben wird/ so erforderts an sich selbst/ daß ein solcher mensch/ der dasselbe zu seinem hauptzwecke setzet/ wie solches von den so genannten Pietisten gesagt wird/ die grundsprachen nothwendig fleißig handeln/ und darinnen etwas rechtes thun muß/ und also kommt das studium philologi- cum desto mehr empor/ so der barbariei am meisten/ und vielmehr/ als die philo- sophia scholastica wehret/ wie wir denn insgemein die zeiten vor Luthero der bar- barey beschuldigen/ da die sprachen gelegen/ und alles auf die Philosophie gese- tzet worden ist. Jndessen wird die Philosophische auch nicht weg geleget/ aber der philologie etlicher massen nachgesetzt: so dann ist ohne das billich des gemeinen besten wegen dahin zugedencken/ wie dem grossen mißbrauch bey der Philosophie mit krafft gewehret werden moͤchte/ da so viele ihr lebtag daruͤber klagen/ daß sie ihre meiste und beste zeit auf den universit aͤten auf die Philosophie gewant haͤtten/ da sie gleichwol nachmal in ihren aͤmtern sich derselben wenig getroͤsten koͤnnen/ das jenige hingegen daruͤber versaͤumt zuhaben bethauren/ woran ihnen das mei- ste gelegen war: Nemlich daß die jenige/ welche so gar kurtze zeit auf der univer- sit aͤt sich aufzuhalten vermoͤgen/ und doch zur Theologie gewidmet sind/ treulich angewiesen wuͤrden/ was ihnen um solche zeit das noͤthigste waͤre; Da gewißlich die Philosophie diesem nicht gerathen werden koͤnte/ sondern alles bey den spra- chen/ bey der schrifft und der Theologie bleiben muͤste: Ob wol hingegen die jeni- ge/ welche laͤngere zeit auf der academie zu bleiben gelegenheit und mittel haben/ daher auch die studia hoͤher treiben koͤnnen/ billich sich der Philosophie mit meh- rerm zubefleissen ursach haben/ und dahin anzuweisen sind/ nach dem zu dem grad der erudition, nach welchem sie in der Theologi e zu trachten haben/ auch ein meh- rers von der Philosophie erfordert wird. Wann nun endlich alles dieses in der forcht des HErrn erwogen wird/ hoffe ich/ werde sich ergeben/ daß bey weitem solche unordnungen oder gefahr der kirchen sich nicht ereignet/ viel weniger eine neue sect e in E. Churfl/ Durchl. stadt und land entstanden seye/ wie das gemeine geruͤcht gebracht/ und auch wir in dero Kirchen- rath dergleichen bericht aus Leipzig mehrmal haben einnehmen muͤssen/ dessen auszug aber in dem E. Churfl. Durchl. gestellten unterthaͤnigsten bericht vorge- tragen haben. Wob ey ich unterthaͤnigst zuerinnern nicht unterlassen kan/ weil vernehme/ daß solcher bericht habe wollen also angesehen werden/ gleich ob von uns insgosamt die wahrheit aller solcher darinnen der laͤnge nach erzehlter facto- rum, die so bewandt sind/ daß sie nicht ohn gefahr seyn moͤchten/ asseriret wuͤrde/ auch von mir mit meiner subscription gleichfals bezeuget worden waͤre/ dahero ich ietzo dieselbe nicht hinwieder in zweiffel zu ziehen vermoͤchte/ daß nemlich als solcher unterthaͤnigster bericht abgelesen wurde/ und unterschrieben werden solte/ ich anfangs selbst die sache angesehen/ ob wuͤrde die wahrheit der dinge/ so an uns aus Leipzig angebracht worden waͤren/ gegen E. Churfl. Durchl. hiedurch bezeu- get/ und deswegen in consessu so bald erinnert habe/ daß ich viele deroselben nicht H h h h h vor Das sechste Capitel. vor wahr achtete/ und wo es solche meinung haben solte/ mit guten gewissen nicht subscribir en koͤnte: Jch erhielte aber zur antwort/ daß man darinnen nichts an- ders thaͤte/ als E. Churfl/ Durchl/ den extract der acten und berichte/ wie sie an uns eingelauffen waͤren/ vortruͤge/ nicht aber was davon gegruͤndet oder nicht ge- gruͤndet waͤre/ da ohne das noch die untersuchung geschehe/ decidirt e/ ob mir dañ wol auch freyheit gelassen wurde zu unterschreiben oder nicht/ so habe doch weil es nur diese meinung habe/ und ich nicht laͤugnen kan/ daß nichts in dem unterthaͤnig- sten bericht stehe/ so nicht sonsten oder nach dem zeugniß der acten eingelauffen und angebracht worden waͤre/ in der subscript. aber in solchem verstand so sich auf die erhaltene antwort gruͤndete/ mich von dem uͤbrigen collegio abzusondern nicht ur- sach gefunden/ ob ich wol gedachter massen in der gantzen sache mehr mißverstand und ungleichen bericht/ als wahrhafftig straͤfliches an den beschuldigten/ ange- troffen zu werden mich versichere/ und wo ich mit kurtzen nach meinem gewissen al- les zusammen fassen solle/ von den personen/ so man pietisten bißher unter stu- denten und buͤrgern genant/ nicht anders sagen kan/ als daß es leute seyen/ die sich ihre studia zu dem rechten zweck der heilsamen erbauung und ihr Chri- stenthum GOtt gefaͤllig fleißiger zu fuͤhren/ als sie vorhin mangel bey sich befunden hatten/ hertzlich resolvir et/ und ein ander in solcher resolu- tion gestaͤrckt haben/ daher einige magistri die andere mehr und mehr zu dem studio der H. schrifft/ als der eintzigen regel lehr und lebens/ aufzu- muntern collegia uͤber dieselbe gehalten/ und sonderlich alles zu der praxi gerichtet/ dardurch der guten leute eiffer gewachsen ist/ und sich auch in wuͤrcklicher aͤnderung ihres lebens hervor gethan hat/ worauf sie erst von spoͤttern und rohen leuten vielfaͤltig verleumdet und mit sonderbaren nah- men bezeichnet worden/ daruͤber auch bey andeꝛn in verdacht gefallen sind/ iedoch in der inqvisition nichts auf sie gebracht worden: als auch bey vie- len die begierde ihrer erbauung weiter zugenommen/ haben angefangen so wol buͤrger mit den studiosis in die collegia sich einzufinden/ als auch wo diese einige mahl beysammen gewesen/ lieber allein von goͤttlichen dingen und der schrifft als andern materi en unter einander zu handlen/ welches aber sorge der unordnung gemacht/ und das publicirte edict, so dann nach bißherige inqvisition, verursachet hat. Aus welchem allen erhel- len wird/ daß pietismus keine secte / sondern ein aufgebuͤrdeter beynahme der ietzt beschriebenen und in meisten stuͤcken nur mit ungegruͤndetem ver- dacht gravirt en personen seye. Wann aber 2. E. Churfl. Durchl. auch ein gegruͤndetes bedencken erfordern/ wie dem werck und entstandenen unordnungen am fuͤglichsten und kraͤfftigsten zu rathen und abzuhelffen seye/ so erfordert meine unterthaͤnigste schuldigkeit/ auch hieruͤber/ was ich vor dem angesicht GOttes und in meinem gewissen vor noͤthig und nuͤtzlich erachte vorzustellen. So DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. So ist nun 1. allerdings noͤthig/ daß diese boͤse nachrede von einer in E. Churfl. Durchl. lande und universit aͤt entstandnen und gehegten sect e oder kaͤtzerey kraͤf- tig abgewendet werde. Als woran so wol E. Churfl. Durchl. hohem respect nicht wenig gelegen ist/ und denselben hingegen verletzte/ wo es dermaleins heissen solte/ daß unter deroselben regierung sich ein solches unwesen erhoben/ und demselben nicht mit geziehmender vorsichtigkeit solte vorgebogen oder mit nachdruck bald anfangs gesteuret worden seyn/ als auch der guten universit aͤt wolstand und flor/ dessen sie bißher die goͤttliche providenz gewuͤrdiget hat/ sehr daran haͤnget/ den- selben durch Gottes gnade weiter fort zusetzen oder sorglich zu verlieren. Ja dem gantzen lande liegt groß dran/ so dann gleichwie den kirchen desselbigen absonder- lich/ also ebenfals der gantzen Evangelischen kirchen/ daß sie weder in gefahr eini- ger verwirrung gerathe/ wie gleichwol eben so wol aus dergleichen ungegruͤndeten aussprengungen/ als wo es in der that sich so verhielte/ entstehen koͤnte/ als auch von den widersachern nicht wiederum einen neuen vorwurff leiden muͤsse. Dahero die remedir ung des gantzen wercks so noͤtig/ und die deliberation davon so wich- tig/ als einige in langer zeit hat seyn moͤgen/ auch GOtt hertzlich anzuruffen ist/ er- sprießliche mittel zu aller beruhigung und abwendung muͤglichen aͤrgernisses selbst zu zeigen. Es will solche sorge/ und daß man vorsichtig verfahre/ auch so viel noͤ- thiger werden/ weil was bißher in der sache vorgegangen/ vor den augen so vieler menschen geschehen ist/ und ferner geschehen wird/ die von allen auch wissenschafft haben/ damit man sich in allem/ was man alles zu recht zubringen vornimmet/ also verwehre/ daß nicht nach dem studiosi sich aller orten hin vertheilen/ und nicht alle allezeit unter E. Churfl. Durchl. botmaͤßigkeit verbleiben/ wo haͤrtere mittel ge- braucht wuͤrden/ die zum grunde das falsche præsuppositum einer neuen secte haͤtten/ anderwertlich offentliche schrifften heraus kommen/ und die rechte wahr- heit der sachen/ wie niemal eine solche secte gewesen/ und dem geruͤchte zu viel ge- trauet worden seye/ also vor augen legten/ daß man dieselbe gleichwol nicht durch rechtmaͤßige acten widerlegen koͤnte/ und alsdann solche urtheil uͤber sich leiden muͤste/ die man lieber vermeiden solte: sonderlich wann etwa art und weise/ wie und warum von einigen die falsche spargimen ten fovirt worden/ sehr scheinbar vor- gestellet wuͤrden/ und man nachmal nicht eben alles gnug ableinen koͤnte. Da- her man staͤts zu gedencken/ man versire in einem solchen geschaͤfft/ in dem man uͤber die arth des verfahrens unzaͤhliche richter haben werde/ die auff keines menschen autoritet, sondern allein was erwiesen oder nicht erwiesen wor- den seye/ sehen werden. 2. Was nun die mittel selbs anlanget/ finde ich die meiste der bißher vorgeschla- genen durchaus nicht zu laͤnglich oder vortraͤglich zu sein/ als welche fast ins ge- mein ein falsches præsuppositum haben/ auch wohl in dem munde fuͤhren/ ob waͤre wahrhafftig eine neue secte und gefaͤhrliches schisma bereits entstanden o- der in dem nechsten ausbruch. Wo ich nicht leugne/ wañ dieses eine ausgemach- H h h h h 2 te Das sechste Capitel. te sache waͤre/ daß die von denen Consistoriis und Facultet en vorgeschlagene mittel nicht zuverwerffen waͤren/ sondern wol noͤtig seyn moͤchten. Wann aber das gegentheil/ daß sich nemlich nichts dessen/ wo man die sache unpartheyisch untersuchet/ antreffen lasse/ ziemlich offenbahr/ und aus den actis zu ersehen ist/ so faͤllet die gantze vorgeschriebene cur/ da die vorgegebene kranckheit verschwin- det/ ja es solten solche remedia / da man sie brauchen wolte/ leicht so viel unheil verursachen/ als eine starcke einer schweren knanckheit zugemessene cur/ da man sie einem gesunden leib applicir en wolte/ und eben dadurch erst eine kranckheit herbey ziehen koͤnte. Sonderlich faͤllet damit das ienige hinweg/ was wegen der so genanten Pietisten beforderung/ ob sie dazu zulassen oder auszuschliessen seyen/ so dann die entziehung oder versagung der sonsten genossenen oder vertroͤ- steten beneficiorum, vorgekommen ist: dann nach dem auff solche leute nichts des jenigen gebracht worden/ was sie entweder irriger lehr/ oder anderer verun- ruhigung der kirchen/ schuldig machte (massen alle unruhe und unwesen vielmehr von denjenigen entstanden ist/ die durch verlaͤumdungen und laͤsterungen so viel wesens gemacht haben) so ist keine ursach/ daß man jemand/ weil er mit einem solchen nahmen von spoͤttern belegt worden/ von demjenigen ausschliesse/ dazu ihm sonsten die von GOtt verliehene gaben u. andere ursachen einiges recht und zugang geben. Und wo einer dem pietismo absagen solle/ fragt sich billich/ was denn dasjenige seye/ dem er absagen muͤsse? der pietet selbs/ auch so wohl sich derselben in eigner person zubefleißigen/ als bey aller redlichen und ziemlichem gelegenheit mit andern gern davon zu reden/ und sie dazu aufzumuntern/ wird ie niemand absagen doͤrffen: dergleichen formliche collegia aber zu halten/ als biß dahin gehalten worden waren/ bedarffs abermal nicht so wohl eines absagens/ als einer richtigen verordnung/ was E. Churfl. Durchl. in dero landen und auff dero universit aͤt kuͤnfftig zugeben wolle oder nicht/ da alsdenn ieglicher ohne das an dieselbe gehalten ist/ und der jenige/ der sich wiedersetzen wolte/ alsdenn nicht so wohl wegen eines pietismi sondern ungehorsams sich der beforderung un- faͤhig machen wuͤrde: wo aber jemand so weit gehen wolte/ zu zumuthen und zu fordern/ daß man versprechen muͤste/ alle gelegenheit welche GOtt zeigen moͤch- te/ seinen nechsten neben sich zuerbauen (welcher pflicht eine christliche Obrigkeit einige regeln/ was die art anlangt/ vorzuschreiben vermag/ aber sie insgesammt aufzuheben/ oder die Christen davon zu befreyen nicht macht hat) allerdings zu versaͤumen/ und also dem hauptgesetz der liebe abzusagen/ so waͤre solches begeh- ren wieder GOtt/ und also doͤrffte sich niemand dazu verbinden/ ich will aber auch nicht hoffen/ daß jemand so unverschaͤmt seyn werde/ seine affecten sich so weit treiben zu lassen/ dergleichen anzumuthen. Also bedarff es auch keine distin- ction unter den seductoribus und seductis, wo noch keine verfuͤhrung gezeigt werden mag/ nach dem sich noch kein irrthum hervor gethan/ oder hoffentlich her- vor thun wird/ und wann auch in den collegiis nach der art des eiffers zu weit ge- gan- DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. gangen worden waͤre/ solches noch den nahmen einer seduction nicht merit irte an denjenigen/ die sich zu unserer Evangelischen wahrheit und libris symbolicis, und nechst dem was das euserliche anlangt dem schuldigen gehorsam bekennen/ ob sie auch der meinung waͤren/ daß in der materie der erbauung Christen vielmehr erlaubt seye/ als man insgemein glaubt/ aber in gehorsam der oberen sich auch ihrer freyheit begeben. 3. Wo ich dann endlich vor E. Churfl. Durchl. meine eigne meinung und gut- achten in unterthaͤnigstem gehorsam entdecken solle/ so hielte ich folgendes zu thun/ als das beqvemste mittel der gantzen sache und bißherigen weiterung ohne grosse schwerigkeit ihre abhelffliche maaß zu geben. 1. Daß die angefangene inqvisition auf alles dasjenige/ was vorgegangen sol- le seyn/ vollends an gehoͤrigen orten zu ende gebracht/ so dann solche acta, die der gantzen sache das rechte licht erst werden geben muͤssen/ eingeschickt werden sollen: da sonderlich der hauptpunct wegen der angeschuldigten oder besorgeten irrigen lehr anzusehen seyn wird/ ob man darinnen auf den rechten grund kommen moͤge/ ehe dessen man auch nichts recht ausmachen kan. Solte nun solcher punct noch nicht mit gehoͤrigem fleiß untersuchet seyn worden/ so wuͤrde derselbe aufs neue/ fleißigste und sorgfaͤltigste untersucht zu werden/ zu verordnen seyn. Daß man nemlich zum foͤrdersten denjenigen buͤrger/ so die puncten Act. Vol. ☾ f. 85. 86. schrifftlich eingegeben aufs schaͤrffste examinirt e/ daß er von wem eriedes gehoͤret/ nahmhafft machen muͤste/ daruͤber er samt denjenigen/ welche mit ihm gleiches ge- hoͤret haben solten/ mit denen/ welche solches geredet oder gelehrt zu haben beschul- diget werden/ muͤste confrontiret, und durch zuziehung aller derer/ die mit dabey gewesen waͤren/ und also zeugen koͤnnen/ was wahr oder nicht wahr heraus ge- bracht werden. Ob ich nun wol aus dem/ was mir privata scientia von M. Scha- den und anderer reinen lehr bekant ist/ vermuthe/ es werde sich ergeben/ daß entwe- der solcher buͤrger/ das ich doch nicht gern wolte/ boͤßlich dergleichen erdichtet/ oder aus unverstand die dinge nicht wie sie gemeint/ sondern nach seinen gedancken/ un- recht gefaßt habe/ also daß was allerdings/ wie es hie vor augen stehet/ gefaͤhrliche irrthum in sich faste/ in seiner rechten gestalt und verstand vorgestellet/ nichts der- gleichen mehr haben/ sondern einige goͤttliche wahrheiten begreiffen werde: so halte ich doch nicht davor/ daß man dabey sicher seyn doͤrffe/ in dem auch ein verdacht ei- ner heterodoxiæ genauer untersuchung wuͤrdig ist/ und also damit nicht in ruhe stehen darff/ bis alles voͤllig an den tag gebracht worden waͤre. Welches ich glei- chermassen von demjenigen/ was auch p. 86. von einer lohnwaͤscherin/ so sich auff ei- nen candidatum medicinæ, und eine jungfrau Heinrichin beruffen/ verstanden haben will/ daß man nemlich auch/ was daselbs und unter solchen personen vorge- gangen/ voͤllig untersuchen muͤsse. Jn dem ja/ daß einer von dem andern irrige lehr gelehret worden zu seyn vorgiebet/ noch nicht gnug seyn mag diesen zu verdammen/ H h h h h 3 nach Das sechste Capitel. nach dem nicht nur gantz reine Theologi sich von andern leuten haben muͤssen ir- riger lehr/ wol zuweilen aus boßheit oder doch groben unverstand/ beschuldigen las- sen/ sondern auch schwerlich ein prediger sich finden wird/ dem sein lebtag nicht be- gegnet waͤre/ daß einige zuhoͤrer seine wort zu ein oder andern mahlen unrecht und mißverstanden haͤtten/ davor sich keine klugheit gnugsam huͤten kan. Wo nun/ dar- an ich zwar/ wo in der inqvisition als vor Gottes angesicht und unpartheyisch ver- fahren wird/ billich zweifle/ dannoch wieder verhoffen/ wahrhafftig dergleichen irrige lehren solten gefuͤhret worden seyn/ so leugne ich nicht/ daß die sache eine andere gestalt/ als ich noch glauben kan/ gewoͤnne; Und wuͤrde so bald anstalt zu machen seyn/ daß die jenige/ welche unrechte lehr erstlich selbs gefasset/ und drauff andern vorgetragen haͤtten/ zum allerfoͤrdersten vorgenom̃en/ u. an ihrer zurecht- bringung gearbeitet wuͤrden: wo auch das vorgeschlagene mittel dergleichen leu- te nicht ohne ablegung ihres irrthums in dienst zunehmen allerdings gerecht ist/ ja nach dem billichen vorschlag/ ob sie auch denselben abzulegen bezeugeten/ mit ih- rer beforderung eine gute weil verzogen/ und sie auf die probe gesetzt werden muͤ- sten. Massen die wahre und sichere beybehaltung der reinen lehr unsre regel billich bleibet/ und wieder dieselbe nichts nachgesehen werden solle. Jn solchem fall waͤ- ren gleichfals diejenige so studiosi als buͤrger/ die man dabey gewesen zu sein erfah- ren koͤnte/ fleißig zu examiniren / ob alle oder welche sich dergleichen irrthum haͤt- ten beybringen lassen/ damit alsdann auch sie wiederum/ jedoch mit gebuͤhrender sanfftmuth/ welche das meiste bauet/ zu recht gebracht/ und der gleichen feur eines irrthums recht in der asche/ und so still als es muͤglich ist/ dann solches in dieser art geschaͤffte allezeit sicherer ist/ als viel laut davon zu machen/ gedaͤmpffet wuͤrde. Wo fern aber/ wie ich in solcher hoffnung stehe/ alles was von solcher irrigen lehr vorgegeben worden/ ein blosses gedicht uͤbel gesinnter leute/ die andere bey dem ministerio faͤlschlich angegeben haͤtten/ oder ein mißverstand (in welchem fall gleichwohl/ wo aufs wenigste einige zuweilen nicht vorsichtig gnug geredet/ und al- so zu dem mißverstand etlicher massen anlaß gegeben haͤtten/ diesen ein verweiß gebuͤhrte/ und sie zu vorsichtigern reden angehalten werden solten) gewesen zu seyn befunden wuͤrde/ und also der punct der orthodoxiæ fest stehet/ so wuͤrde doch die nothwendigkeit erfordern/ aus diesen bißherigen motibus eine gelegenheit eines guten zuziehen/ und also 2. solte nicht undienlieh sondern fast noͤthig seyn/ daß von E. Churfl. Durchl. an die Theologi sche Facult aͤten beyder Universitaͤten gnaͤdigste erinnerung geschehe/ wie in andern stuͤcken ihrer profession also fuͤr- nehmlich in treibung des studii Scripturæ oder Exegetici eifrig fortzufahren/ und sich des ruͤhmlichen eiffers und begierde der studirenden jugend/ so sie nunmehr auf dieses unter allen uͤbrigen noͤthigste studium gefast haben/ dieses mal dazu zugebrauchen/ ihnen nach moͤglichkeit in denselben an die hand zu gehen/ nach dem DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. dem ohne das zwar auch die uͤbrige theile der Theologiæ hoͤchst nuͤtzlich und noͤthig sind/ da- her bey leibe nicht unterlassen werden doͤrffen/ dieses studium aber ohne billichen wiederspruch das vornehmste unter allen bleibet/ und den uͤbrigen maaß gibet/ weßwegen auch Doctores und studiosi den nahmen von der H. Schrifft fuͤhren/ und E. Churfl. Durchl. loͤblichste vor- fahren in den legibus auch die Theologos auf dieselbe hauptsaͤchlich weisen: und zwar wie die austruͤckliche verordnung des theuren Churfuͤrsten Augusti Universitaͤt-Ordnung (p. 397.) mit sich bringen/ daß die professores ihre lectiones also unter ihnen selbs austheilen/ und der- massen anstellen/ damit ein studiosus derselben auff bestimmte gewisse zeit durch Gottes gna- de in den schrifften der Propheten und Apostel einen solchen verstand fassen moͤge/ da er gleich nicht alle buͤcher gaͤntzlich hoͤren erklaͤren/ sich dannoch in alle schicken koͤnne. m. f. w. Wo auch außtruͤcklich befohlen wird: damit die zuhoͤrer nicht lange an einem ort der H. Schrifft mit verdruß und versaͤumniß auffgehalten werden/ sollen sie nicht lange bey einer materie verharren/ noch viel weniger dictir en/ sondern ein ieder professor aufs laͤngst in 3. oder 4. lectionibus ein Capitel absolvir en/ und die zeit mit den opinionibus doctorum Ecclesiæ, oder andern unnothwendigen/ vorwitzigen sachen nicht vergeblich zubringen/ sondern allen ihren fleiß dahin wenden/ daß sie uach anleitung des H. Christlichen glaubens und art der sprachen eines ie- den orts oder spruchs H. Schrifft eigentlichen verstand auf das einfaͤltigste und kuͤrtzest/ so es im- mer seyn kan/ ihren discipeln erklaͤren/ und darneben anzeigen/ wie solcher entweder zur bestaͤti- gung/ oder zum trost/ vermahnung oder warnung vor suͤnden und ungerechtigkeit nuͤtzlich ge- braucht werden moͤge/ vornemlich aber mit allem fleiß achtung geben/ daß die spruͤche H. Schrifft eigentlich erklaͤret werden/ welche von den Papisten und rottengeistern/ alten und neuen ketzern. m. f. w. Gewiß ists/ wo dieser methodus (wozu auch die daselbs anbefohlne/ aber nicht richtig biß her/ wie ich hoͤre/ continuir te jaͤhrliche 12. disputationes ordinariæ gesetzt werden moͤgen/ und dero unterlassung nicht laͤnger mehr nachzusehen waͤre) fleißig und staͤts nach dem vorgeschriebenen in acht genommen wuͤrde/ solte ein solcher nutze und profectus der studiosorum Theologiæ folgen/ vor welchen wir dem hoͤchsten nicht gnug danck zusagen wuͤsten/ und die kirche einen unbeschreibli- chen nutzen davon schoͤpffen wuͤrde. Da hingegen leider die offenbahre erfahrung zeiget/ wie bey denjenigen/ welche zu der beforderung examinir et werden/ nicht nur die meiste wenige fundamen- ta der studiorum mit sich bringen/ sondern auch unter denen/ welche sonsten in uͤbrigen partibus Theologiæ nicht ungeschickt/ auffs wenigste von dem studio exegetico, so ihnen ihr lebenlang das meiste nutzen solte/ sehr wenig wissen/ und sich dazu wenig angeleitet worden zu seyn/ gemeiniglich entschuldigen. Daher auch schwerlich eine gleich wichtige ursach sich finden wird/ warum die le- ctiones publicæ und collegia privata M. Antonii und M. Francken/ so dann auch M. Schaden und anderer so bald einen fast ungemeinen zulauff der studiosorum bekommen/ und der eiffer derselben staͤts beharret/ als weil sie/ wie nuͤtzlich und hoͤchsinoͤthig vor allen andern studiis dieses ihnen seye/ bey sich selbs erkant und empfunden/ da sie nichts in spem futuræ oblivionis lerneten/ sondern was sie hoͤrten lauter dergleichen dinge zu seyn fanden/ davon sie und andere nutzen haben wuͤrden. Daher allerdings kein zweiffel ist/ wo die professores ordinarii sich dermassen nach dem begriff und nutzen ihrer auditorum schicken und herab lassen/ und dieselbe in dasjenige/ was das hauptwerck ist/ am fleißigsten fuͤhren werden/ daß auch diese desto mehr vertrauen und liebe gegen sie haben werden. Es wuͤrde aber auch noͤthig seyn/ daß Professores Theologiæ sich angelegen seyn lassen/ ih- re lectiones also einzurichten/ daß die auditores auch allezeit einigen gustum und sensum pietatis drauß schoͤpffen moͤchten. Jch bin nicht in abrede/ daß ich fast erschrocken bin/ und kaum meinen augen gegla u bet habe/ als ich in dem nahmen der Theologischen Facultaͤt Act. Vol. ☾ f. 39. b. „diese wort gelesen: Die prediger/ zu denen wir die studenten in die kirche weisen/ sollen sie fromm/ „wir zu denen sie in die lectiones und collegia kommen/ sollen sie gelehrt machen. Jch will auch nicht hoffen/ daß dieses/ wie die wort so crude da stehen/ dieser maͤnner/ welche im uͤbrigen billich liebe/ und in ehren halte/ meinung solle seyn/ sondern gern eine interpretation, wie sie gefunden wer- Das sechste Capitel. werden mag/ daruͤber annehmen. Solte aber dieses die wahre meinung seyn/ wie die wort an sich selbs mit sich bringen/ wuͤßte ich nicht/ wie ich solches vertheidigen solte/ und bin versichert/ daß unsre Christliche alte Theologi gar anders von der sache gehalten haͤtten. Jch habe ander- wertlich (Allgem. Gottesgelehrth. q. 5. p. 185. u. f.) aus unsern vornehmsten lehrern hoffentlich mit unwiedersprechlichen gruͤnden und zeugnuͤssen dargethan/ daß die wahre Theologia nicht al- lein in einer natuͤrlichen und durch menschlichen fleiß zu wegen gebrachten wissenschafft bestehe/ sondern daß nothwendig die goͤttliche erleuchtung auch dazu erfordert werde/ und also bey keinem menschen/ der nicht auch von hertzen gottsfuͤrchtig seye/ und zu einer tuͤchtigen werckstatt des Heil. Geistes sich bereiten lasse/ gefunden werden moͤge. Daher wo Christliche professores rechtschaf- fene Theologos durch ihre anweisung in goͤttlichem segen machen sollen/ mag zu solchem zweck noch nicht gnug seyn/ daß sie gelehrte leute machen/ denn solche sind deßwegen noch nicht wahre Theologi, sondern sie muͤssen auch dazu mit das ihrige beytragen/ daß sie fromm/ und also tuͤchti- ge officinæ werden/ in welchen der H. Geist wuͤrcke/ und ihre uͤbrige arbeit an ihnen zur rechtschaf- fenen und lebendigen Theologie segne. Wie daher derjenigen Theologorum gedaͤchtnuͤß staͤts am meisten in dem segen geblieben/ und das meiste kraͤfftige ausgerichtet haben wird/ welche ihre meiste lectiones allezeit dahin gerichtet haben/ daß auch nicht nur bey allen glaubens-articuln o- der auch abhandlung der schrifftstellen/ wie iede wahrheit des glaubens auch ihre lebens-pflicht nach sich ziehe/ gemeldet/ sondern auch so offt sichs thun liesse/ bewegliche paræneses von ihnen un- termischet worden sind/ und Christliche lehrer noch leben werden/ die ihren præceptoribus nicht geringern danck/ daß sie sie fromm als gelehrt gemacht haben/ diese stunde vor GOtt sagen/ und sich ihnen ewig davor verbunden erkennen. Daher ich hoffe/ es werden auch E. Churfl. Durchl. Universitaͤten sichs nicht nachsagen wollen lassen/ daß man nur so zu reden zur helffte Theologos daselbs durch die instructionem Theologicam machen/ die uͤbrige helffte/ von dero doch die ande- re alle ihre vornehmste krafft herhaben muß/ dem ministerio allein uͤberlassen wolte/ wie sichs auch nicht verantworten liesse. 3. Weilen aus den acten erhellet/ daß eine differenz von guter zeit zwischen den beiden der Theo- logischen und Philosophischen Facultaͤten obschwebet/ und der mißverstand wegen des rechts der collegiorum ziemlichen theils aus derselben entstanden ist/ so wuͤrde fast noͤtig seyn/ daß E. Churf. Durchl. foͤrderlichst dieselbe gegen einander gnugsam zu hoͤren/ und alsdenn ein solches decisum zu geben gnaͤdigst geruhen wolten/ wie sie am besten und fuͤglichsten sich mit einander wol verstehen/ und beiderseits zu dem gemeinen zweck der auffnahm der studien neben einander arbeiten koͤnten: so viel mehr nach dem in dem Philosophischen collegio gemeiniglich eine gute zahl der Professo- rum zugleich auch Licentiati oder Doctores Theologiæ, hingegen gemeiniglich unter den Profes- soribus Theologiæ einige mit pastoralen beladen sind/ welche sie bey den verrichtungen der pro- fession nicht allein lassen/ daher der gemeinen wolfahrt der Universitaͤt und der studirenden ju- gend bestem gemaͤsse ist/ wo ihrer mehrere/ doch gleichwol mit freundlichem vernehmen unter ein- ander/ an dem sich so weit erstreckenden studio Theologico arbeiten/ als da die gesamte theologi- sche/ oder auch gar die Theologie nur etzlicher massen beruͤhrende/ materien bloß auff etzliche we- nige maͤnner restringir et werden. Sonderlich ist die Vol. Act. ☾ f. 16. b. angefuͤhrte Churfl. verordnung wol in acht zu nehmen/ dadurch ohne zweiffel aus angezogner ursach und wegen meh- reren nutzes der studirenden jugend verordnet worden/ daß von den materiis philologicis den Professoribus lingvarum und Magistris philosophiæ zu disputir en zugelassen werden solte/ doch daß solches von einem professore, der von Fac. Theologica dependir et/ moderir et wuͤrde. So ist auch der unter beyden collegiis nachmal gemachte vergleich sehr fein/ und meritirt e eine solche confirmation, daß er zu kuͤnfftiger regel diente. Daß aber die bißher den baccalaureis Theolo- giæ, und andern/ so sich dazu durch eine disputation habilitir en/ durch die hohe verordnung ge- gebne erlaubnuͤß mehr ins kuͤnfftige zu restringir en solte seyn/ finde ich keine/ sondern vielmehr es dabey zu lassen/ rechtmaͤßige ursache. 4. Nach ARTI C. II. SECTIO XXXI. 4. Nachdem bey hiesigen Universi taͤten in allen studiis fast gebraͤuchlich/ daß auch zu allen zeiten von Studiosis unter sich allerley collegia und exercitia gehalten worden sind/ welches auch den flor derselben gegen einige andere/ da der- gleichen nicht herkommens ist/ grossen theils verursachet und erhalten hat/ so wird nicht allein dergleichen in materia exegetica fortzusetzen/ billich zu vergoͤnnen/ sondern vielmehr aus hoher autori taͤt Ew. Churfuͤrstl. Durchlauchtigkeit anzu- ordnen seyn/ daß sonderlich das collegium Phylobiblicum, welches nun in das vierdte jahꝛ mit gꝛossen nutzein der membrorum, welcher auch anderwertlich hin zum preiß der loͤblichen Universi taͤt Leipzig weit erschollen ist/ und andere aufge- muntert hat/ gehalten/ aber nach dem juͤngst hin D. Valentinus Alberti sein hauß und auffsicht daruͤber auffgesaget/ und ohne diese die membra sorgten/ daß ihre zusammenkunfft auch vor verboten geachtet werden moͤchte/ dissolviret worden ist/ auffs forderlichste restabiliret, und nach ihren vorigen legibus, oder wie sie zur erbauung nuͤtzlicher eingerichtet werden koͤnten/ zu continuiren, einem Pro- fessori das præsidium oder auffsicht uͤber dasselbige auffgetragen wuͤrde: damit nicht der davon biß dahin verspuͤhrte grosse nutze zur verantwortung niedergeschla- gen/ so dann nach dem das gericht von solchem collegio gedachter maßen sich an viele orte erbreitet hat/ die opinion ihrer vielen beygebracht wuͤrde/ ob suchte man das studium biblicum selbs bey uns mehr zu hemmen als zu fordern. Ob nun auch wol mir noch nichts vorgekommen ist/ so mich uͤberzeuͤgte/ daß die wenigste unordnung oder inconveniens aus dem gedachten collegio Philobiblico, wie es biß dahin war continuiret worden/ entstanden waͤre/ da doch nicht ordinarie ein Professor dabey gewesen/ so moͤchte gleichwol dieses die sache noch so viel siche- rer stellen/ wo das ordentliche præsidium einem Professori auffgetragen wuͤrde/ welcher allezeit oder meistentheils dabey waͤre; Auff welche art nicht einmal ein billicher verdacht nur davon geschoͤpffet werden koͤnte/ hingegen die frucht solches exercitii und dadurch schaͤrffenden fleisses der Studiosorum sehr reichlich sich zei- gen wuͤrde. 5. Nechst dem was andere gemeine erbauung anlangt/ so bliebe das aus Ew. Churf. Durchl. kirchen-Rath angeordnete edict, daß dergleichen bedenck- liche conventicula und privat- zusammenkunfften/ darinnen man die hei- lige schrifft nach eigenem gutachten auslege/ und allerhand neuerliche und in der rechtglaͤubigen Evangelischen kirchen bißher ungewoͤhnliche dinge fornehme/ die auff weit aussehende und gefaͤhrliche consequentien abziehleten/ gaͤntzlich eingestellet werden solte/ in seinem vigor fest; muͤste aber nicht uͤber seine wort und meinung extendiret werden/ wie gleichwol von den meisten bißher hat geschehen wollen/ so gardaß auch einige befragt/ ob dann auch verboten solte seyen/ wo ein hauß-vater mit den seinigen in der Bibel lese/ und al- lerdings von ungefehr ein anderer dazu kaͤme/ mit dem lesen fortzufahren/ solches J i i i i beja- Das sechste Capitel. bejahet worden/ und man haben wollen/ man seye schuldig/ das buch so bald zu zu- machen/ und das lesen zu unterlassen. Sondern moͤchte unmaßgeblich dahin er- laͤubet werden/ daß Ew. Churfuͤrstl. Durchl. aus vorsorge gegen allerley gefahr/ so sonsten entstehen moͤchte/ keine formliche und den schein gewisser Collegiorum habende versamlungen von vielen personen/ welche ohne auffsicht oder præsidio eines ordenlicher Professoris oder Predigeꝛs waͤren/ gehalten haben wolten/ son- dern solche verboten bleiben solten. Damit aber wuͤrde nicht verboten/ wo einige wenige Christliche personen sich je zuweilen von ungefehr antreffende oder auch mit fleiß einander besuchende von goͤttlichem wort und erbaulichen dingen beredeten/ ohne eigenmaͤchtiges auslegung der heiligen Schrifft/ wie dann die jenige/ so sich er- bauen wollen/ uͤber schwehꝛe und hohe sachen/ wo man sich leicht versteigen koͤnte/ sich nicht zu machen pflegen/ sondern allein sich in dem HErrn zu erfreuen und auff- zumuntern trachten. Welcherley gespraͤche unter Christen von allen Christlichen Theologis gewuͤnschet/ hingegen offt klagen gefuͤhret werden/ daß an statt erbau- licher gespraͤche meistens so viel unnuͤtze geschwaͤtze getrieben werden. Ja es kan so gar die freykeit der Christen sich dann und wann gottselig zu unterreden vor nichts neuerliches gehalten werden/ in dem wir selbs in unsern Libris Symbolicis, nahmentlich dem ort Schmalcald. S. 3. n. 4. p. 329. unter die mittel/ dadurch GOTT seine gnade und guͤte reichlich uns ertheile/ zehlen mutuum colloqui- um \& consolationem fratrum: Mit anfuͤhrung des spruchs Matth. 18. Wo zwey odeꝛ drey versamlet sind: Daher billich zu præcaviren ist/ daß das Churfuͤrstl. edict wieder diese bekaͤntnuͤß zu streiten das ansehen nicht gewinnen moͤge. Nach dem ferner unterschiedliche Christliche Theologi selbs rathen/ daß ob wol mit gu- ter behutsamkeit an orten/ wo keine besondere hindernuͤssen sich vor thun/ auch ei- gentliche collegia zur erbauung unter auffsicht des predigamts angestellet wuͤr- den/ also daß auch die Theologi sche Facul taͤt zu Leipzig Act. Vol. ☉ f. 81. b. außtruͤcklich sagt: daß collegia pietatis an ihnen selbs/ da in gewisser ord- nung unter dem præsidio eines gottseligen Predigers oder Professoris die spruͤche der heiligen schrifft untersuchet/ die unteꝛlauffende scrupul benom- men/ die zweiffels fragen beantwortet/ und andere zur erbaunng des Chri- stenthums noͤtige dinge abgehandelt werden/ nicht zu verwerffen/ sondeꝛn ihren guten und herrlichen nutzen haben: nur daß sie solche daselbs nicht wol- len jungen leuten gestatten. Wie sie auch nachmal Act. Vol. ☾ f. 52. b. 53. a. einem unterscheid unter einigen conventiculis ex cacozelia, und unter dem von unterschiedlichen Theologis gerathenen collegiis pietatis, und von diesem sagen/ daß sie sie billich ruͤhmen und rathen/ daß sie auff Evangelische Universi- taͤten so wol als an andern orten/ da keine Universi taͤten seyen/ so sichs an- ders absque abusu inseparabili will practiciren lassen/ eingefuͤhret wer- den moͤchten. So stuͤnde ferner zu reiffer deliberation, ob nicht jetzo eben die zeit ARTIC. II. SECTIO XXXI. zeit waͤre/ da bekanntlich eine mehrere begierde bey so vielen entstehet/ sich in ih- rem Chꝛistenthum besser als vormahlen zu uͤben/ einigen oder etzlichen Predigern/ welche zeit/ prudenz und zuneigung dazu haͤtten/ auffzutragen/ daß sie derglei- chen uͤbungen auff art und weise/ welche denselben vorgeschrieben weꝛden moͤchte/ wuͤrcklich anstelleten/ damit die leute nicht in die gedancken kommen/ man verlan- ge hohen orts nicht alles zu thun/ was ihr ewiges heyl mehr befordern koͤnte/ son- dern daß sie vielmehr sehen/ was vorhin gegen die vorige Collegia gethan worden seye nicht geschehen zu daͤmpffung des guten/ sondern dessen uͤbung allein in die rechte und sicherste ordnung zu bringen. Jch sehe auch nicht/ wie einiger abu- sus der inseparabel waͤre/ und nicht prudenter vorgebauet/ oder stracks abge- lehnet werden koͤnte/ da gegen angefuͤhret werden koͤnte. Daher eine blosse forcht/ der erhaltung eines starck einleuchtenden guten mit recht nicht gleich wichtig gehal- ten werden mag. 6. Wann dann alles solches duꝛch GOttes gnad voͤllig zu stand und in ord- nung gebracht waͤre/ solte an statt der Act. Vol. ☾ f. 89. vorgeschlagenen predigt/ nicht undiensam seyen/ daß/ wie vor einigen jahren die Universi taͤt Jena sich pu- blice purgiret hat/ als ein geschrey von einer daselbs neu entstandenen secte der gewissener entstanden war/ u. dessen ungrund von ihnen dargethan worden ist/ a lso durch einen offenlichen anschlag unter E. Churf. Durchl. autori taͤt auch bezeuget wuͤrde/ wie unguͤtlich dero unschuldige Universi taͤt Leipzig/ ob haͤtte daselbs eine neue secte sich entsponnen/ hin und wieder diffamiret worden/ wie die sache auffs ge- naueste untersucht/ des ausgesprengten nichts gefunden/ einigen bemerckten ge- ringen unordnungen abgeholffen/ und alles in solche verfassung/ daß weder dem studio pietatis einige hinderung gemacht/ nach dem vorwand desselben eine ge- legenheit schaden zu thun gelassen wuͤrde/ gebracht worden seye. Wo etwa auch unmaßgeblich etliches von gewissen anstalten/ dero kundmachung bey andern vor nuͤtzlich erachtet wuͤrde/ den nahmen des pietismi oder der pietisten nicht weiter mehr hoͤren zu lassen. So moͤchte auch deꝛgleichen in ausdruͤcklichen predigten der gemeinde wissend gemacht/ und sie von dem mißverstand von einer seiten eines hasses gegen unschuldige leute/ von der andern seite der sorge/ daß man das gute selbs hindern wolle/ durch Christkluge information befreyet werden. Jndessen aber wuͤꝛde zum allerfoͤrdersten wol die hoͤchste nothdurfft erfordern/ daß Ew. Churfuͤrstl. Durchl. hier/ in Leipzig/ in Wittenberg/ und an allen orten ernstli- che inhibition thaͤten/ daß ehe alles ausgemacht/ auff den cantzeln/ wie mit be- truͤbnuͤß und aͤrgernuͤß vieler Christlichen hertzen bißher geschehen ist/ von der glei- chen unerfindlichen und aufs wenigste noch unerwiesenen dingen nicht gepredigt/ das falsche geruͤcht gestaͤrckt/ und die beylegung des gantzen wercks schwerer ge- macht wuͤrde. J i i i i 2 Die- Das sechste Capitel. Dieses ists/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr/ worinnen ich meine einsicht in das gantze geschaͤfft/ und was mich dabey zu thun noͤthig bedeucht/ vor dem angesicht des HErrn und derselben in schuldiger demut vorzustellen noͤthig und Ew. Chur- fuͤrstlichen Durchlauchtigkeit gnaͤdigstem befehl gemaͤß erachtet habe: Der gaͤntz- lichen zuversicht/ wo auff diese weise die sach mit gebuͤhrender sorgfalt und vorsichtig- keit angestellet werden solte/ daß damit viel besorgendes unheil vermieden/ vieler se- len heil so viel kraͤfftiger befordert/ und nicht geringer segen uͤber diese lande und kir- che unfehlbahr gezogen werden wuͤrde. Wie ich dann noch zuletzt davor achte/ die hauptabsichten/ so zu gleich die re- glen mitgeben koͤnnen in diesem gantzen geschaͤffte sollen nechst der Goͤttlichen ehr und der kirchen wohlfahrt/ so in allen folgenden mit stecken/ seyen/ daß 1. Aller irrthum verhuͤtet/ oder wo einer waͤre/ so bald gebessert/ und das theu- re kleinod der reinen lehr/ als eine Goͤttliche beylage/ in Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit landen ohne einigen abbruch erhalten. 2. Dabey aber auch keine muͤgliche gelegenheit zur erbauung und einem Got- seligen leben/ dessen mangel bey den meisten so wol den mangel des wahren glau- bens verraͤth/ als auch wol dessen ursach ist/ mit willen zu einer schwehren verant- wortung versaͤumet/ sondern alle welche GOTT zeiget danckbahrlich angewen- det/ und also wo man weisst gutes zu thun/ nichts wider des Apostels lehr Jac. 4/ 17. unterlassen. 3. Niemand so unschuldig ist/ der reinen lehr beypflichtet/ und dieselbe mit heiligen wandel zu zieren/ auch andern dazu nach moͤglichkeit befoͤrderlich zu seyen/ begiehrig ist/ um verdacht oder einiger wiederwaͤrtigen eigen sinns willen/ gedruckt und zu seufftzen bewogen. 4. Auch niemanden/ der wahrhafftig der gottseligkeit zu wider waͤre/ und unter dem vorwand der reinen lehr und guter ordnung in der that dieselbe zu hin- dern bedacht waͤre/ die hand gegen dieselbe auch unwissend gestaͤrcket. 5. Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit land und kirche der auffgelegten uͤblen nachrede nachdruͤcklich befreyet/ der wiederwaͤrtigen freude und frolocken uͤ- ber die post einer neuen secte unter den Evangelischen geschweiget und die kirche selbs in ruhe erhalten/ auch zu dieser fernerem GOTT gefaͤlligem flor guter vor- schub gethan. 6. Das vertrauen gegen Eurer Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit hohe per- son und dero regierung bey gottseligen hertzen wegen dero treuen vorsorge in befoͤr- derung des guten stattlich bestaͤrcket. 7. Des heiligen predigamts wuͤrde/ so durch nichts bey sonst Gottsfuͤrchtigen seelen gefaͤhrlicher verletzt und das noͤthige vertrauen geschwaͤchet werden kan/ als wo es das ansehen gewinnet/ daß die personen in demselben nicht alles zur erbau- ung ARTIC . II. SECT . XXXII. ung dienliches nach muͤglichkeit zu befoͤrdern bereit seyen/ sondern aus fleischlichen absichten dasselbe hinderten/ kraͤfftiglich gerettet. 8. GOttes gerechter und wegen vieler suͤnde leider allzusehr auff uns liegen- der zorn/ welcher durch jede hindernuͤß einiges guten/ daran auch die versaͤumung einiger seelen hangen koͤnte/ allzusehr vermehret/ und dessen ausbruch gefaͤhrlich beschleunigt werden moͤchte/ abgewendet/ hingegen 9. Dessen segen durch befoͤrderung der erkaͤntnuͤß der wahrheit und uͤbung der Gottseligkeit/ auff eiffrige taͤgliche dancksagung frommer seelen/ vor das gute so sie geniessen/ auffs reichlichste uͤber dero gantze land/ ja auch eigner hohen person und hauß/ gezogen werde. Wo diese absichten nicht aus den augen gesetzt/ und nach denselben alle deli- berationen angestellet/ folglich auch alles/ was man vornimmt/ wie jedes sonder- lich denselben gemaͤß ist/ in der furcht des HERRN erwogen werden wird/ bin ich in meiner seelen versichert/ traue auch in den nahmen GOttes zu versprechen/ daß niemand/ welcher daran theil habe/ sich dessen zeitlich oder ewig gereuen zu lassen ursach haben wird. Nach dem also vor Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit nach meinem ver- langen mein hertz ausgeschuͤttet/ und mich also der sonst besorgenden verantwor- tung vor GOTT hiemit entladen habe/ so uͤberlasse ichs numehr in stille und ge- horsam gleich wie der heiligsten regierung des HERRN/ dessen ehre so vielfach hierinnen interessi ret ist/ also auch deroselben gnaͤdigsten entscheidung: den him̃- lischen Vater demuͤthigst anruffende/ so auch ferner zu thun niemahl unterlassen werde/ welcher seine weißheit von oben auch in diesem so wichtigen geschaͤffte in de- ro theures hertz/ auch dero treuen Raͤthe und ministrorum hertzen reichlich geben/ und sie so zu erkennen/ was wahrhafftig seines willens ist/ als ohne andere fleisch- liche absichten diesem in allem nachzukommen/ kraͤfftig regieren/ dadurch aber ei- nen solchen ausgang derselben verleihen wolle/ daß allein boͤsen gesteuret/ und des Satans list zu schanden gemacht werde/ hingegen viele seelen uͤber solche Goͤttliche gnade/ und dero gesegnete werckzeuge treue denselben mit freuden in zeit und e- wigkeit dancken. Womit zu aller hohen wohlfart und in geist- und weltlichem gesegneter regierung inbruͤnstig in des HERRN HERRN starcke obhut empfehlende verharre. u. s. f. SECTIO XXXII. N ochmahliges bedencken uͤber gleichen punct/ als die uͤbrige volumina actorum darzu gekommen. Goͤttliche gnade/ friede und heil in CHRJSTO JESU zu allem hohen wohlwesen und gesegneter regierung! J i i i i 3 Durch- Das sechste Capitel. Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Chur-Fuͤrst und Herr. D Aß Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit auff unterthaͤnigstes mein bitten von den acten / die so genante Pietisten betreffende/ mir nebens den ersten bereits durch gesehenen sub signo. ☉. und ☾ auch die uͤbrige sub sign. ♂ ☿ und ♃ die letzte inquisition in sich fassende volumina gnaͤdigst zu be- stellen lassen wollen/ habe hiedurch unterthaͤnigsten danck zu sagen/ und solches so viel freudiger/ als mich deroselben fleißige durchlesung so beruhi- get als erfreuet hat/ also daß ich ursach finde/ zum allerfoͤrdersten die himmlische guͤ- te mit demuͤhtigsten danck zu preisen/ welche Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtig- keit anvertraute lande und kirche so gnaͤdigst und maͤchtigst erhalten habe/ daß sol- che mit keinen irrthuɯe oder anderen gefaͤhrlichen dingen/ wie die falsche geruͤcht bißher aller orten dergleichen ausgesprenget hatte/ angefochten oder beflecket wor- den sind/ und alle unruhe und unwesen meistens allein jenem ungegruͤndeten geꝛuͤcht und allerley mißverstaͤnden/ in welchem fall hinwider auch alles so viel leichter voͤl- lig beruhiget werden kan/ zu zuschreiben ist. Ob ich dann wol/ wie mich bil- lich allezeit dahin erklaͤhret habe/ bereit gewesen/ dafern sich in der letzten inquisi- tion etwas anderes/ und von mir nicht vermuthetes/ angeben solte/ meine vorige meinung/ da in gnaͤdigst erforderten meinem unterthaͤnigsten bericht von den 14. Jan. von denjenigen personen/ welche spottsweise Pietisten genennet werden/ und der gantzen sache nicht anders als gut/ und daß sie des beygemessenen nicht schuldig seyen/ zu halten/ und darauff mein gantzes gehorsamstes gutachten zu gruͤnden ver- mocht habe/ zu retracti ren/ und nach befinden anderer vorschlaͤgen mich zu con- formi ren/ so hat mich dennoch die durchsehung dieser acten mit freuden versichert/ daß ich mich in meiner gantzen hoffnung nicht betrogen/ noch von meinen vorigen gedancken abzuweichen/ sondern obgedacht gnaͤdigst erforderten unterthaͤnigsten bericht hiemit nochmahl zu bestaͤrcken und zu suppli ren ursach habe. Dann es erhellet aus diesen actis 1. Daß keine neue secte oder ketzerey in Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit land/ und sonderlich dero statt und uni- versi taͤt Leipzig/ entstanden/ noch die genannte Pietist en vor eine solche zuhalten seyen: Wie dann die gantze acten nicht das geringste/ daß nur einen ziemlichen schein einer secte oder trennung geben koͤnte/ in sich fassen: So hat sich auch nicht ein einiger irrthum hervorgethan/ welcher entweder von den davor gehaltenen au- toribus des so genanten Pietismi hergekom̃en/ oder in ihren collegiis gehoͤret wor- den waͤre/ sondern alle/ welche von solchen collegiis examiniret worden/ haben nichts anders zeugen koͤnnen gehoͤret zu haben/ als was unsrer kirchen allgemeine lehr ist. Da es unmoͤglich ist/ wo etwas irriges vorgebracht worden waͤ- re ARTIC . II. SECTIO XXXII. re/ daß nicht auffs wenigste einige zeugen in ihren depositionibus entweder auff- richtig davon wuͤrden herausgegangen seyen/ oder aber auch unwissend sich in den reden verschnappet haben. Dann ob wohl von einem buͤrger Act. ☾. f. 85. 86. schrifftlich 9. puncten uͤberreichet sollen worden seyen/ welche freylich schwere irr- thuͤme in sich fassen/ u. da sie also gelehret worden waͤren/ die gantze sache wider solche leute ausmachen koͤnten/ so findet sich doch in der gantzen inquisition nicht ein jota von solchen buͤrger/ der also widerum muß zuruͤck und in sich gegangenseyen/ oder wuͤrde sich nicht verantworten lassen/ daß da so viele andere studiosi und buͤrger examiniret worden sind/ der jenige an dessen aussage alles am meisten ge- legen ist/ von denen verschohnet waͤre/ unter welche er gehoͤret. Jn deme ihn abge- hoͤret zu werden/ nicht haͤtte schuͤtzen koͤnnen/ daß er dergleichen puncten seinem Seelsorger und also in geheim uͤbergeben habe/ alldieweil das secretum confessio- nis nicht darauff sich zeucht/ sondern allein die jenige suͤnden/ so jeglicher von sich beichtet/ angehet/ und wo diese sache unter dasselbe gehoͤrete/ der seelsorger solche puncten auch nicht an Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit haͤtte bringen/ noch viel weniger weiteꝛ propaliren (so doch geschehen/ und von solchen biß ausser landes erschollen/ so gar daß ich sorge/ wo nicht versehung geschiehet/ solche pun- cten noch in oͤffentlichen schrifften also die errores pietistarum werden von der nachwelt gelesen werden/ davon bereits einiger anfang sich zeigen liesse) sollen: nach dem aber dieses einmahl geschehen/ koͤnte solcher buͤrger keinerley weise sich entschuͤt- ten/ seine aussage oͤffentlich zu thun/ und solche untersuchen zulassen/ und wuͤrde al- len seinen entschuldigungen das hierunter versirende bonum publicum, auff den grund zu rettung der wahrheit oder abwendung aller gefahr zu kommen/ kuͤnfftig verdringen. Also kan ich die uͤbergehung dieses hauptstuͤcks/ daran mehr als an allen andern examinibus gelegen gewesen waͤre/ nicht anders ansehen/ weil ich sie der Churfuͤrstlichen commission nicht zu zutrauen habe/ als daß der buͤrger wide- rum zuruͤck gegangen/ und also sein voriges eingeben eine blosse verlaͤumdung ge- wesen seye/ bey dero er nachmahl zu stehen nicht getrauet habe. Welches gleich- wohl nicht wenig straffbahr ist/ hingegen/ der so genanten pietisten unschuld tref- lich bestaͤrcket: und bleiben sie ohne irthum/ nachdem keiner derselben in der auch genau angestelten inquisition auff sie gebracht worden ist. Diesem moͤchte zwar entgegen gesetzet werden/ was uͤber Christian Gaulicke/ einen studiosum medi- cinæ erstlich Vol. ☾. f. 86. b. wie er die Junfrau Henrichin/ und nebens ihr ei- ne lohnwaͤscherin/ E lisa beth Karigsin/ irriger dinge theils beredet/ theils bere- den haben wollen geklagt worden. Welche Karigsin auch nachmahl Vol. ♂. f. 27. b. u. f. so dann Vol. ☿. f. 16. u. f. ihre aussage gethan/ auch Vol. ♂. f. 88. und ☿. 100. mit einem eid bekraͤfftigt hat: daruͤber f erner so wohl die jungfrau. Vol. ♂. f. 41. u. f. ☿. f. 38. u. f. so dann Benjamin Meser und Elias Gebler Vol. ♂. f, 67. 84. u. f. ☿. f. 47. u. f. abgehoͤret/ endlich er Gaulicke selbs zum examine gebracht wor- Das sechste Capitel. worden ist. Vol. ♂ f. 77. u. f. ☿. f. 92. u. f. Nun moͤchte so bald vor ihn dieses ange- fuͤhret werden/ daß so wol die jungfrau als auch er selbs sich anders und orthodo- xe gnug erklaͤhret haben/ insgesamt auch der Karigsin/ von dero ohne daß als einer der Goͤttlichen dinge unkuͤndigen person wol muͤglich ist/ daß sie/ wie jegliches ge- redet gewesen/ nicht gnugsam eingenommen habe/ aussage in unterschiedlichen durch die andere zeugen und die eigne erklaͤhrung geschwaͤchet worden seye. Aber ich erkenne gern/ das Gaulicke nicht allerdings zu entschuldigen seye/ sondern ge- zeiget habe/ daß er die lehre der rechtfertigung und heiligung nicht recht verstehe/ unterschiedliches irrig darinnen gefasset/ und sich in reden verstossen habe/ daher ihm so wohl ein verweiß als besserer unterricht gebuͤhret. Hingegen graviret die- ses exempel die gantze sache/ wo es recht erwogen wird/ bey weitem nicht dermassen/ als es zu erst das ansehen haben moͤchte. Dann was biß daher von einer neuen secte und irrthum ausgesprenget/ und untersucht worden/ betrifft eigentlich die- ses/ daß oder ob die von M. Francken/ M. Schaden und andern haltende collegia eine neue secte ausgebruͤtet haben/ und die Pietisten so die jenige seyen sollen/ wel- che aus jener collegiis daß ihrige hergenommen/ also auch allein nach deme zu urtheilen waͤren/ was sie daraus gehoͤret haͤtten/ irriger lehre schuldig seyen. Sol- ches wird nun im geringsten durch dieses exempel nicht erwiesen: Jndem 1. Gau- licke nicht allein ein studiosus medicinæ der dazu vor noch nicht vieler zeit ein wil- des wuͤstes leben gefuͤhret zu haben Vol. ♂. f. 54. b. bezeuget wird/ sondern mir auch anderwerts her bekant worden ist/ daß er bereits vor etzlichen jahren/ ehe der nahme der pietisten bekant/ oder von dergleichen collegiis gehoͤret worden ist/ nicht in allen vor richtig gehalten worden seye. 2. Ob er wohl nach Vol. ♂. f. 79. b. 80. in M. Antonii, M. Francken/ und M. Schaden collegiis fleißig gewesen zu seyn gestehet/ bekenet er dannoch selbs/ daß er darinnen die jenige dinge nicht ge- hoͤret/ welche ihn vorgehalten worden sind: so muß auch sonsten wenig absonder- liche kundschafft mit denselben vorgegangen seyn/ den M. Schade Vol. ♂. f. 8. b. bezeuget/ daß er ein eintzig mahl bey ihm auff der stube gewesen/ aber damahl we- nig/ von den imputirten meinungen aber gar nichts/ geredet habe: Daher we- der er selbs/ noch andere die dieser gefragt/ wie fleißig er in den collegiis gewesen/ bezeugen haben koͤnnen. 3. Jst also der irrthum einer einzeln person/ der sie von andern nicht her hat/ noch sich auff diese bezeugt/ den so genanten Pietisten so we- nig zu zumessen/ als ein rechtglaubiges Ministerium sich nicht zumessen liesse/ wann auch unter ihrer gemeinde/ so sie vor ihre lehrer erkennet/ sich einige personen finden solten/ die in privat-discursen sich einiger irriger reden zu weilen vernehmen lies- sen/ wo nur diese nicht sagen koͤnnen/ daß sie dieselbe von ihnen haben. Waͤre aber dieses die rechte eigentliche lehre der so genandten Pietisten / so wuͤrde sie nicht Gau- licke allem/ sondern weil in den collegiis / sonderlich auff die letzte/ der numerus allezeit groß/ vermuthlich aber allezeit auch unter denselben einige laͤsterer gewesen/ ihrer ARTIC. II. SECTIO XXXII. ihrer viel mehrere gehoͤret haben. Als bleiben dem Gaulicke seine mißverstaͤnde und irrthuͤme allein vor sich/ und gehen die so genannte Pietisten / welche gantz an- ders und das gegentheil muͤndlich und schrifftlich gelehret haben/ nichts an. 4. So ists ohne das nichts ungewoͤhnliches/ wo etwas gutes mit ernst getrieben wird/ daß der jenige/ so das gute gern verderbet/ auff GOTTES verheng- nuͤß so bald einige dinge suchet anzustifften/ da durch demselben ein boͤser nahme und dardurch ein hindernuͤß geinachet werde/ so aber dem guten nicht zu zuschrei- ben ist; Oder wir muͤssen dem theuren werckzeug GOttes Luthero auch schuld geben aller irrthuͤme Carlstads Muͤntzers/ Storchens und anderer/ welche bey sei- ner reformation auff allerley weise in irrthum verfallen sind/ ja viel unheil ge- stifftet haben/ die er aber vor die seinige alsdann nicht mehr erkant hat. Und zwar haͤtte man ihm mit so vielmehr schein solcher leute fehler beymessen koͤnnen/ (wie sie ihm auch wuͤrcklich von den Papisten bey gemessen worden sind/ und noch mit un- recht bey gemessen werden/) weil sie offenbahrlich von seiner reformation / die ein gantz ausserordenliches werck war/ anlaß zu ihrem unfuge genommen haben. Wie wir aber eine solche aufflage vor ungerecht erkennen/ und keine vor Lutheri discipul passiren lassen/ als welche ihre lehr von ihm gefast haben/ also wuͤrde es auch unbillich seyn/ wann man/ da keine außerordenliche reformation angestellet wird/ sondern GOtt nur gnade gegeben hat/ daß einige so studiosi als buͤrger sich ihres Christenthums ernstlicher anzunehmen angefangen haben die irrthuͤme eines oder des andern/ so sich mit zu denselben gesellete/ und sie von dero meinungen nicht einmahl wuͤßten den uͤbrigen zu schreiben/ und sie da mit zu einer irrigen secte ma- chen wolte/ so E. Chuꝛfuͤrstl. Duꝛchl. nach dero gerechtigkeit nicht zugeben wird. 2. Erhellet ferner daraus/ daß auch in den Collegiis der Studiosorum nichts eigenlich straͤffliches vorgegangen seye: dann die gantze historie aus den a- ctis wird dahinaus lauffen: daß 1. privat collegia uͤber die Bibel zur besseren verstaͤndnuͤß der schrifft/ vorbereitung zum kraͤfftigen predigamt/ und eigener auff- munterung zur gottseligkeit von Studiosis angefangen und mit gutem ihrem nutzen eine gute zeit continuiret worden. Wie nun in solcheꝛ sache zweck und metho- dus an sich selbs unstraͤfflich sind/ also hat auch/ sonderlich in Leipzig (welcher Uni- versi taͤt freyheit in unterschiedlichen stuͤcken vor andern ihn nicht wenigen ruhm ge- bracht/ und im flor erhalten hat) niemand iemal bißher den Studiosis das recht zu dergleichen uͤbungen in zweiffel gezogen. 2. Nach deme diese Collegia eine weil mit der besuchenden grossen erbauung gehalten worden/ hat sich die zahl der Studiosorum in denselben immer vergroͤssert/ in dem ie einer den ande r n die nutzbarkeit geruͤhmet haben wird/ und aber jeder/ welcher gern proficiren will/ mit freuden jegliche gelegenheit ergreifft/ wovon er dergleichen hoffet. Hierinnen ist abermal nichts wieder einige leges oder herkommen gesuͤndiget worden/ als wann nirgend die zahl der Collegarum oder auditorum determiniret ist/ in den Col- Kk k kk legiis Das sechste Capitel. legiis, die einen eigenlichen Præsidem haben/ daher auch den collegiis amicis und die in einer conferenz bestehen/ keine genauere schrancken biß dahin gesetzet wor- den waren 3. Jst bey der vorigen gegen M. Francken gehaltenen inquisition, ob wol M. Schade auch abgehoͤret worden/ weder diesem noch einigem andern/ ohne Francken/ das halten ihreꝛ Collegien verboten wordẽ/ daher sie solches vor eine bil- ligung zu der fortsetzung/ wohl haltẽ kontẽ. Wañ aber nebens Studiosis auch letzlich Christliche buͤrger mit hinein gekom̃en/ ist nicht zu leugnen/ daß solches nicht eben so gewoͤhnlich seye: indessen aber (1. ists auch nulla lege verboten. (2. haben die- se Magistri vor sich das verlangen und wuͤnsche Christlicher Theologorum, so verstorbener als lebender/ die dergleichen gern gesehen/ daher sie sich so viel weni- ger solcher guten leuthe verlangen zu widersetzen ursach gefunden haben (3. haben sie solche leute dazu nicht invitiret, dann das einige bezeugen/ von andern mit da- zu beredet worden zu seyen ist von den auditoribus, nicht aber den eigenlichen collegis, geschehen/ da was einer ihm selbs nuͤtzlich befunden/ gern andern re- commendiret hat: sondern (4. Die buͤrger sind von selbs gekommen und sa- hen diese nicht/ wie sie sie bequem oder ohne verletzung Christlicher liebe abwei- sen koͤnten. Da gleichwol/ als weibs personen sich einfinden wolten/ dieselbe weg- gewiesen worden sind Vol. ♂ fol. 4. b. (5. hat keiner derselben niemahl etwas mit proponiret, sondern allein zuhoͤrer abgegeben. Daher auch solches an sich selbs vor keine straͤffliche unordnung gehalten werden kan. 5. Dazu kommet/ als M. Schaden von dem Rectore Magnifico das Collegium, nach dem es mehr pu- blic worden Vol. ♂. fol. 4. b. inhibiret worden/ er solches so bald auffgeho- ben/ wie er nicht weniger sein privat - collegium abgestelt (daselbs f. 5.) nachdem das Churfuͤrstliche patent angeschlagen worden/ deme auch die uͤbrige Magistri nicht weniger schuldige parition geleistet. Mehrers als dieses/ wird sich aus den actis nicht ziehen lassen/ noch etwas/ so sie weiter gewuͤrckt/ angeben. Darauß aber zusehen seyen wird/ das M. Schade und andere sich nicht zu lehrern anderer leute eigenmaͤchtig auffgewoꝛffen haben/ da so gar in den Collegio er nicht der einige proponens gewesen ist/ sondern allezeit mehrere oder wenigeren nach ihrem instituto die symbolas beygetragen haben. Jn dem ihre intention allein war/ unter sich als studiosi Theologiæ zuhandlen/ weswegen die uͤbrige sich dazu eingefundene auditores etwas zufaͤlliges dabey sind. 3. Was anderer buͤrger oder auch der weibs personen zusammenkuͤnfften an- langt/ findet sichs in den acten weit nicht so/ als der rumor groß gewesen ist/ und die gefahr ergroͤssert hat. Bey Samuel Voigten dem kornschreiber sind ande- de leute auff 3. Sontag nacheinder gewesen/ wer aber des mannes eingegebe- nes schreiben Vol. ☿ f. 5. 6. liset/ wird so wol der Christlichen leute/ die beysammen gewesen sind/ gute intention, als auch das nichts straͤffliches dabey vorgegangen am wenigsten aber/ daß er/ wie von ihm ausgegeben worden/ andern gepredigt ha/ be- ARTIC . II. SECT . XXXII. be/ sonnen klahr ersehen: wie man ja ein Christliches gespraͤch/ da jeder seine meinung saget/ nicht deswegen eine predigt zunennen hat. Was Cath. Meyin anlangt/ ist zwar erwiesen/ daß so wol einige weibs per- sonen mit ihr bekant worden/ und zu weilen zu ihr gegangen sind/ als auch das M. Franck und M. Schade mit ihr und ihrem mann/ als einem melancholico, um- gang gehabt haben: auch daß dieser/ als er bey ihr zu abend speisen sollen/ eine stund vorher gekommen seye/ und da er mehrere leute da angetroffen/ aus g ! egen- heit einer lection aus der Bibel einen Christlichen discours angehoben/ und mit dem andern studioso Zielen meistentheils continuiret habe. Jndessen ob ich wol/ sonderlich in solchem stuͤck/ mehrere vorsichtigkeit gebraucht und dieses unter- lassen worden zu seyen gewuͤnschet haͤtte/ wol abeꝛ weiß/ wie der erste eyffer auch zu dem guten sich nicht allemahl gnug zuruͤck und in den schrancken zu halten vermoͤ- ge/ ist gleichwol auch eine dergleichen versamlung/ und was darinnen geschehen ist/ an sich nichts unrechtes und sectirisches. Massen weder in GOttes wort/ wel- ches vielmehr dergleichen verstattet/ noch in einigen kirchen ordnungen/ eine die- ser art uͤbung verboten stehet/ wie darvon in vorigem unterthaͤnigst bericht aus dem beruͤhmten Rostockischen Theologo D. Schomero gruͤndlich gezeiget wor- den: ist daher wersich dergleichen seiner habenden freyheit gebraucht/ deswegen nicht als thaͤte er unrecht/ beschuldiget werden kan/ biß eine hoͤhere verordnung und von der Obrigkeit herkommendes verbot das jenige/ so sonsten frey gewesen war/ un- recht machet. Wobey ich billich zuerinneren habe/ daß erst vor dritthalb jahren die Theologi sche Facul taͤt in Leipzig einiger Christlicher kauffleute und buͤrger in Riga absonderliche zusammenkuͤnfften/ da sie sich auch aus GOttes wort mit ein- ander erbaueten/ und einige des dasigen staͤttischen Ministerii solches bestritten/ durch ein absonderliches responsum gebillicher hat. Aus allem ist abzunehmen/ daß diese acta nichts in sich haben/ womit die so genannte Pietisten als irriger lehr oder anderes gegen goͤttliche oder gemeine gesetze gethan uͤberzeuget woꝛden waͤren: Dazu 4. kommet/ daß von der jenigen zeit/ als in Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit nehmen nur die in dem gnaͤdigsten re- script ver clausulirte zusammenkuͤnfften oder conventicula (darunter mit recht nicht alle zu der erbauung angesehene unterredungen koͤnten verstanden wer- den) verboten worden sind/ sich nicht aus den actis angibet/ daß eine einige solche versamlung/ so nur der gleichen zimlichen schein haͤtte/ waͤre gehalten worden: sondern wird offenbahr/ daß die leute/ so doch von vielen als veraͤchter aller goͤttlichen und menschlichen ordnung angesehen und beschrieben worden/ solchen gehorsam geleistet haben/ daß ehe sie auch den schein auff sich laden wolten/ ihrer von GOTT vorgesetzten Obrigkeit ungehorsam zu seyen/ sie sich auch der weitern mittel ihrer erbauung/ ob sie wohl dero nutzen vorhin verspuͤret hatten mit gedult be- geben haben. K k k k k 2 Dann Das sechste Capitel. Dann was anlangt den convent, welchen den 5. Maj. D. Petersen in Au- gustin Frentzels hause gehalten haben solte/ wird sich in erwegung/ was die in- quisition gegeben/ gnugsam zeigen/ daß es weder eine angestelte versamlung/ noch von D. Petersen dem Ministerio gethaner eingriff/ gewesen seye. Sondern nachdem D. Petersen nach Leipzig gekommen/ dessen nahme ohne das studiosis Theologiæ nicht unbekant ist/ und etzliche von Luͤneburg in Leipzig studirten, sei- ne aber mehrmahl gegen andere als eines Christlichen und Gottseligen Theologi gedacht hatten/ so waren viele so Studiosi als Buͤrger begihrig/ ihn und seine hauß- frau/ dero nahm nicht unbekant ist/ zu sehen und zu sprechen: ich will auch nicht in abrede seyen/ daß seine ankunfft je von einen dem andern kund gethan worden. Nachdem nun bekant worden war/ daß er bey Frentzeln zu mittag gegessen/ ver- fuͤgten sichder leute mehꝛere den nachmittag dahin/ deꝛen einige auch ihn in Samuel Knauers hauß erstlich suchten (da also keine gewisse beziehlung kan geschehen seyen) so ihn aber/ weil er auch ausgegangen/ nicht bald antraffen/ dahero theils wieder weggegangen sind/ theils unterschiedliche stunden gewartet haben/ welches die ge- legenheit gewesen ist/ da sonsten jede eintzel mit ihm zu reden verlangten/ daß die an- zahl staͤrcker worden/ die er/ nach dem er endlich um 6. uhr heimgekommen war/ angetroffen hat; wo ja leicht zuerachten ist/ nach dem die zeit des tages nicht mehr zu gelassen/ daß er mit jedem absonderlich redete/ daß er nicht wol anders gekonnt/ als mit ihnen insgemein daß jenige zureden/ was jeden Theologo, wann ihm an- laß dazu gegeben wird/ an allen orthen zu reden frey-ja wohl anstehet: als dem ja gebuͤhren will/ nicht von andern unnuͤtzen sondern seinem stande und profession an- staͤndigen dingen am liebsten bey ieder gelegenheit zusprechen: welches deswegen nicht also bald eine predigt heissen muß oder kan. So wird außdruͤcklich von den zeugen deponiret, nach dem unter seinem discurs auch des Churf. mandats mel- dung gethan worden/ daß er davon vernehmende gedacht habe/ wie man der dieß- fals ergangenen gnaͤdigsten verordnung allerdings nach kommen solte/ und habe sie von conventen abgemahnet. Wie alles dieses/ und nichts das ihn weiter graviren koͤnte zufinden ist aus der inquisition Vol. ♂ f. 72-76. und 81. 82. 83. Hingegen ist nichts ungemeines in allem solchen 1. das einem fremden Doctori Theologiæ ihrer viele zuspꝛechen/ und seine kundschafft suchen/ 2. daß es muͤglich/ wo ihrer mehrer auff einen einige stunde warten/ daß derselben zahl starck wer- de/ so dann 3. daß einer der nicht mit jeglichen zu reden zeit findet/ zu allen zugleich rede/ und 4. daß ein Theologos seiner profession zukommende sachen bey jeder gelegenheit am liebsten rede. Weil aber 5. nicht nur niemahl dieses eine der haupt beschuldigungen gewe- sen ist/ daß das gantze werck dem Ministerio verkleinerung braͤchte/ und die pre- digten dadurch versaͤumet/ und gering gehalten wuͤrden worden: so dann daß sol- che leute von dem gliedern des Ministerii uͤbel geredet haͤtten/ welches alles/ wo es er ARTIC. II. SECTIO XXXII. er wiesen wuͤrde/ die gantze sache sehr graviren solte/ so hat doch GOTT gnade gegeben/ daß abermal in dieseꝛ inquisition dergleichen sich nicht hervor gethan hat/ sondern die beschuldigte ohne schuld befunden worden sind. Vielmehr fin- den sich zeugnuͤssen des gegentheils/ wie Vol. ♂ f. 74. einer bekant/ dieses koͤnne er wol mit warheit sagen/ er habe die predigten nie mit solcher auffmerck- samkeit angehoͤret/ als nach dem er in diesen versamlungen gewesen: und einanderer Vol. ☿ f. 6. dieses kan ich vielmehr nicht verschweigen/ daß ein jeder unter uns niemal lieber/ und freudiger/ den oͤffentlichen GOttesdienst und pregigten besucht/ als seit dem wir mit diesen Student en umgan- gen: nochmal einanderer Vol. ♂ f. 25. er habe nichts gehoͤret/ daß etwas gelehrt worden‒‒was etwa zu verachtung des predigamts oder hindansetzung oͤffentlichen Gottesdiensts gereichen koͤnte/ vielmehr wuͤrden die zuhoͤrer ermahnet/ sich in die kirchen zu denen predigtenfleißig einzufinden/ (dergleichen auch f. 39. 40. zu lesen) wie dann auch er mit warheitsagen koͤnte/ daß er niemals die predigt mit mehrere attentation angehoͤret/ als nachdem er in bemeldeter versammlung gewesen. Dazu auch komt/ das nach der zeugen bestaͤndiger aussage die colle- gia allezeit erst nach geendigten oͤffentlichen GOttesdienst/ um dessen zuschohnen/ angegangen sind/ und wo einige etwa platzes wegen/ sich zeitlicher eingefunden/ daruͤber geeyffert worden ist. Dem kan nun nicht mit fug entgegen gehalten oder ein wiedriges daraus geschlossen werden/ wann einige den nutzen aus solchen pri- vat- zusammen kuͤnfften sonderlich geruͤhmet haben: als wen eben in gedachter aussage Vol. ♂ f. 25. b. stehet: daß er die in solcher versamlung geschehene außlegung besser verstehen und fassen koͤnne/ als bey der oͤffentlichen pre- digt/ die darinnen vorkommende general erinnerungen: zwahr wurde diesen leuten schuld gegeben/ ob sagten sie/ man koͤnte aus einer solchen versamlung mehr lernen als aus den predigten/ oder wol 10. predigten: es haben aber die zeugen wi- dersprochen. Vol. ♂ f. 56. 62. Auß deme ersten aber folget nichts wider die wuͤrde des predigamts oder der predigten; ob wol nicht geleugnet werden kan/ ich mich auch selbs auff eigne erfahrung beruffen moͤchte/ daß offt aus familiar vortraͤgen/ wo alles kuͤrtzer und vertraulicher gefast wird/ mehr gelernet worden/ und solches zu hertzen dꝛingen koͤnne/ als in foꝛmlichen langen und an einander hangenden reden: dann solches aus der art des vortrags entspringet: also daß auch D. Johann. Be- nedict. Carpz. in seinen tugend-spruͤchen. 23. p. 448. zu schreiben sich nicht ent- bloͤdet: Es ist nicht zusagen/ was dieselben (die erbauliche gespraͤch und hei- lige reden der Christen) fuͤr nutzen bringen/ absonderllch wannzuhoͤrer sich mit ihren lehrern also besprechen/ da gewißlich ein gemeiner maun in ei- ner stunde mehr/ als sonst auß zehen predigten lernet. Womit gleichwol den oͤffentlichen predigten nichts zunahe geredet wird/ wie ja auch in solchen worten von diesem Theologo denselben nicht wird zu nahe geredet haben werden wollen. K kk kk 3 Fer- Das sechste Capitel. Ferner ist zwar auch Joh. Andr. Schilling. beschuldiget worden/ daß derselbe gegen das Ministerium / absonderlich aber einige dessen membra in Leipzig/ hart geredet haben solte Vol. ♃ f. 1. Aber nicht allein seine aussage/ sondern auch des zeugen eydliche bekaͤntnuͤß f. 11. seq. zeuget ein anders/ und daß wider diese nichts geredet worden/ was aber jenes insgemein betrifft/ aus El. Prætorii buch/ daß ei- ner/ dem es von Wittenberg um nach Magdeburg zubestellen gesand worden/ com- municiret hatte/ gelesen und keine application gemacht worden seye: Ob dann wol der denunciant. Vol. ☿ f. 116. daruͤber geschwohren hat/ so wird doch seiner aussag so wol durch andere eydliche aussag (an gedachter stelle Vol. ♃ f. 11. ) als durch eine andere person. Vol. ☿ f. 116. wiedersprochen/ daher er allerdings seinen glauben billich verliehret. Wie ohne daß unmuͤglich ist/ daß einem/ dem es recht um seine erbauung zu thun ist/ das jenige amt an sich selbs verachten koͤnne/ welches zu derselben von GOtt verordnet ist; ob wol muͤglich ist/ daß in solcher uͤber einige feh- ler der jenigen/ die es tragen/ klagen koͤnte. Wann auch 6. eine klage unterschiedliche mal gewesen ist/ daß die Philoso- phie von den so genanten Pietisten verworffen wuͤrde/ ergibet sich abermahl das gegentheil aus der jenigen aussage nemlich das solche nicht nur allein nicht verachtet sondern in ihrem rechten gebrauch recommandiret wuͤrden. Vol. ♂ f. 10. 11. 20. 22. 23. 24. 36. daß also jene beschuldigung wiederum aus einer blossen calumnie her entstanden seyen muß. Endlich 7. sind auch diese leute bezuͤchtiget worden/ daß sie zu den buͤrgern in die haͤuser wider ihren willen gegangen waͤren/ und ihren zuspruch ihnen auffge- drungen haͤtten: aber auch dessen ist nichts erwiesen: zwar deponiret einer Vol. ♃. f. 1. das Schilling der Studiosus gegen eine person dergleichen gethan habe/ aber Vol. ☿ f. 116. sind sich die sache gantz anders zu seyen. Was M. Friedeln an- langt/ ist nicht ohn/ daß er zu einem vor besessen gehaltenen maͤgdlein erstmals aus curiositet gekommen/ nachmal aber wurde er von dero eltern ihr mit liebe an die hand zugehen erbethen. So sind insgesamt dergleichen liebes dienste der art/ daß nicht allezeit besondere erforderung noͤthig/ sondern die liebe thut auch gern gu- tes ohne viele ersuchung/ wo sie solches angenehm zu seyen weist: und wo in sol- cher sache einige fehler geschehen/ sind auch dieselbe um der guten absicht willen/ leicht zu vergeben. Auß allem diesem/ was sich aus den acten, wo sie mit unein- genommenen gemuͤth/ und nach der billichkeit/ nach welcher alle rechten dem be- klagten einen favor so weit goͤnnen/ daß er genug uͤberfuͤhrt seyn muß/ oder eher vor seine unschuld als schuld præsumiret werden solte/ gelesen und examiniret werden/ colligiren laͤsset/ werden E. Churf. Durchl. von selbsten gnaͤdigsten er- keñen/ daß das jenige/ was von dem Pietistischen unwesen dz gantze land erfuͤllet/ sich in der wahrheit nicht also befunden habe sondern das unwesen vielmehr in den fal- schen außsprengungen/ und leichtglaubiger annehmung und daher erweckteunruhe/ als ARTIC. II. SECTIO XXXII. als in einigem unfug der so genanten Pietisten selbs bestanden/ also dero universi- taͤt und lande zur ungebuͤhr einer daselbs entstandenen neuen secte mit nicht weni- ger beschimpffung bezuͤchtiget worden seyen: Welches Ew. Churfuͤrstlichen Durch- lauchtigkeit selbs zu viel groͤssrer vergnuͤgung/ ehr und freude gedeyen solte/ als hin- gegen verdrießlich gewesen waͤre/ deroselben begluͤckten regierung bey der nach- welt einen solchen nahmen einer neuen secte angeschmitzet zu werden. Ob nun wol diesem allem entgegen gehalten werden wolte/ (wie ich leider dergleichen geschehen/ und auch an andre ort geschrieben worden zu seyen/ vor mich selbs weiß) daß diese leute/ die examini ret worden sind/ die wahrheit weder mit noch ohne eyd ausgesaget haͤtten/ sondern der Basilidianer irrthum bey gethan waͤren/ und sich die wahrheit vor einem Richter der nicht widergebohren waͤre/ aus zusagen nicht schuldig hielten (wie auch nur Vol. ♂. f. 39. 40. ohne zweiffel auff vorhalten/ sich daruͤber erklaͤhren muͤssen) so ist doch die geringste ursach nicht/ warum er die- selbe/ auff die man sonsten nichts ungleiches bringen koͤñen/ mit dem verdacht solcher gottlosigkeit und falschheit belegen wolte. Dahero der troͤstlichen zuversicht gele- be/ daß Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit selbs an dergleichen aufflage viel- mehr ein ungnaͤdiges mißfall tragen/ als unverschuldete mit einem solchen schweh- ren verdacht ohne einigen erweiß beschwehren lassen werden. Dann wo diese be- schuldigung solte ohne gruͤndliche uͤberfuͤhrung angenommen werden/ so waͤre es um allen schutz der unschuldigen gethan/ und stuͤnde einem jeglichen frey/ einen from- men menschen/ dem er diesen irrthum andichtete/ nach seinem belieben alles boͤsen anzuklagen/ und waͤre diesem/ weil alle verantwortung durch jene exception elu- di ret wuͤrde/ vor seine unschuld nichts mehr uͤbrig: welches ferne seye unter Chri- sten gehoͤret zu werden. Jch stehe auch in den unterthaͤnigsten vertrauen/ nach dem gedachter massen die unschuld dieser uͤber ein jahr in ziemlicher bedraͤngnuͤß von allerley leuten ge- standenen personen sich darthat/ daß Eure Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit gnaͤ- digsi anorden werden/ daß sie auff gebuͤhrende weise in schutz genom̃en/ aller arrest/ suspensionen von beneficien / oder beforderung/ und dergleichen/ so biß zu der sachen untersuchung noͤthig gehalten worden ist/ auffgehoben/ und sie weiter von niemand mehr graviret werden moͤchten. Es wird auch Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit selbs gnaͤdigst und hoch- vernuͤnfftigst ermessen/ wie hoch dero respect, dero kirchen und lande gutem ruhm und wohlwesen daran gelegen seye/ daß alle die bißherige motus auffs foͤrderlich- ste/ gerechteste/ kraͤfftigste und bestaͤndigste beygelegt werden/ wie nun auff gnaͤdigste erforderung vorige unterthaͤnigstebedencken/ wie ich daher hielte/ daß das werck am besten zu heben aus treuesten und gehorsamsten hertzen vorgestellet habe/ welche besondere vorschlaͤge alle hiemit nochmahl unterthaͤnigst wider hohlet habẽ will: also achtete nach gaͤendigter inquisition daß es nun in dero hohen hand stehet/ alles gantz leicht- Das sechste Capitel. leichtlichen auff einmahl zu recht zubringen. Wo Ew. Churfuͤrstliche Durch- lauchtigkeit gnaͤdigst geruhen wolten/ nunmehr zu declari ren/ und soches auff die jenige art/ so am nachdruͤcklichsten und sichersten nach reiffer berathschlagung ge- funden werden moͤchte/ offentlich zu jeder mans wissenschafft zubringen/ daß nach genauer erforschung des gantzen wercks der ruff einer neuen ketzeꝛey nicht gegꝛuͤndet befunden/ einige unordnungen aber/ oder was leicht darzu ausschlagen koͤnnen/ ab- gestellet worden seyen: Daher wie alle mißliche und auff unordnung ziehlende conventicula nach dero publicir ten patent unterbleiben solten/ also solten hin- wiederum der nahme und beschuldigung des pietismi hiemit gaͤntzlich auffgehoben/ und bey vermeidung dero hohen ungnade mit solchem niemand zu belegen ernstlich verboten/ hingegen alles in denjenigen stand/ als es vor enstandener dieser unruhe gewesen/ widerum gesetzet seyen: Mit fernerem ernstlichẽ befehl an alle ordines / daß jeglicher seines orts/ was zu befoͤrderung Goͤttlicher ehr und ungefaͤrbter Gottselig- keit nach Gottes wort/ den Symboli schen buͤcheꝛn und kirchenoꝛdnungen/ anweisung diensam seye/ sich seinen verpflichten nach angelegen seyen lassen/ die Professores u. das Ministerium ihrem amt vorgeschriebener massen mit aller treue gegen die an- vertraute studiosos, und gemeinden/ zu dero erbauung abwarten/ wo sie aber eini- ge unordnungen ferner vermercken solten/ bey zeiten/ und so viel muͤglich ohne viele weitlaͤufftigkeit und strepitum / denselben selbs abhelffen/ oder an gehoͤrige ort be- richten/ hingegen jeder an seine vorgesetzte/ sonderlich das ministerium / in seiner von GOTT ihm beygelegten wuͤrde und amt nicht turbirte, noch denselben ein- griff thun/ oder den vorwand gemeiner erbauung dazu mißbrauchen/ untereinan- der aber samt und sonders was zu gaͤntzlicher tilgung alles unvernehmens/ so aus voriger unruhe entstanden waͤre/ vortraͤglich auffs fleißigste beytragen/ und daran seyen solten/ daß kuͤnfftig Ew. Chuꝛfuͤrstliche Durchlauchtigkeit mit dergleichen ver- drießlichkeit/ dero kirche schul und land aber mit solcher nachrede verschonet werden moͤchte. Wie ich nun keinen zweiffel trage/ daß auff eine solche oder doch zu solchem zweck gerichtete andere art das feuer/ welches so weit um sich gefressen u. noch ferner zu fressen getrohet hatte/ auff einmahl und in kurtzem geloͤschet werden koͤnne/ so ver- sichere mich auch/ daß darauß nicht wenig seyen/ von der himmlischen guͤte auff Ew. Churfuͤrstlichen Durchlauchdigkeit hohe person u. Churfuͤrstliches hauß/ ja gantze regierung und lande/ gezogen worden/ und dieselbe ie mehr und mehr diese in rei- ner bekantnuͤß der wahrheit und ungeheuchelter uͤbung der eiffrigen Gottseligkeit bluͤhende mit iñiglichster freude sehen/ die aber sonsten auch diesen orten wie andern um der suͤnde willen schwehr trohende gerichte/ wo nicht abgewendet/ dannoch mercklich gemildert werden werden. Der HERR aber/ der wunderbahr/ rath/ krafft/ held/ einiger Vater/ frie- de fuͤrst ist/ walte selbs uͤber Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit/ erfuͤlle sie mit sei- ARTIC. II. SECTIO XXXIII. seiner weißheit von oben/ in diesen und in allen andern regierungs geschaͤfften stets zu erkennen/ was das beste seye/ auch mit krafft solches nachtruͤcklich ins werck zu setzen/ auch aus seinem segen allemahl den gluͤcklichen succeß zusehen/ damit dero regierung wegen vieles guten so unter derselben befoͤrdert werden/ noch bey den nachkommen vor andern einen froͤlichen ruhm behalte. m. f. w. den 10. Oct. 1690. SECTIO XXXIII. Z wey greuel/ denen man sich in unsrer kirchen son- derlich zu wiedersetzen/ dem todten glauben und herrschafft uͤber die gewissen. G Eliebter bruder/ ists zeit zum heyl unsrer kirchen sich einiger boßheit zu wi- dersetzen/ so ists gewiß diese doppelte boßheit/ eins theils/ da man unser Chri- stenthum in das opus operatum setzt/ und durch einen todten glauben selig zu werden meinet; andern theils da Prediger und Theologi sich der herrschafft uͤber die gewissen annehmen/ ohne zuziehung der uͤbrigen kirchen alles decidi ren/ und was zuglauben seye/ andern vorgeschreiben und auffdringen/ welche ange- masste macht des cleri / so vielmehr nur gewisser theil desselben/ als das hertz des Papstums zuhalten ist/ und gleichsam ein Babel der menschlichen autori taͤt unter uns gruͤnden will; Daher von allen denen/ die den HERRN lieben/ sonderlich die Gott/ da sie selbs wider sich dergleichen erfahren muͤssen/ sonderbar dazu berufft/ dieser tyꝛanney getrost begegnet werden muß: Solten wir dabey auch alles muͤs- sen auffsetzen/ so geschichts nicht weniger zu der ehre unsers grossen GOttes/ als vor welchen andern articul wir etwas leiden wuͤrden. Dann wir leiden vor die freyheit der wahrheit insgemein/ und thun nach den befehl/ nicht menschen knechte zu werden. Jch halte auch dafuͤr/ es werden sich mehr und mehr leute hervor thun die sich der herrschafft uͤber die gewissen freudig entgegen setzen sollen. Der Herr aber regiere sie alle mit der weißheit aus der hoͤhe/ hierinn auch zu thun/ was seine ehre erfordert und gebe ihnen endlich den sieg. 8. Jul. 1690. SECTIO XXXIV. M ein verhalten/ wann gute freunde mit andern in streit gerathen. D Jeses hoffe und verlange von guten freunden/ wo sie mit andern etwa in eine contradiction gerathen/ die sonsten auch mit mir bekant sind/ u. ich eine gu- te meinung von ihnen gefasst/ daß sie zwar wohl meine gedancken moͤgen von L l l l l mir Das sechste Capitel. mir verlangen/ die ich auch auffrichtig geben/ auch wo sie sorgen/ das gegentheil etwas wider sie bey mir tendirt haͤtte/ was zu ihrer unschuld dienet/ mir commu- nici ren moͤgen/ aber nicht fordern/ daß mich deswegen gegen die andere erklaͤhren und solchen mich widersetzen muͤsste; Wie wohlich gemeiniglich als denn ihnen zu lieb mich der communication mit den andern entschlage/ damit sie sich begnuͤgen koͤnnen/ und wo ich nicht so zu reden/ gantz die partey nehme/ solches nicht als ein mißtrauen in sie auffnehmen sollen. Dann da bekenne/ daß mich sauer ankomt/ voͤl- lig auff eine seite zu treten/ wo mir die cognitio causæ nicht anbefohlen/ noch auch in abwesenheit voͤllig moͤglich ist; alldieweil auch die Christliche freunde/ wenn auch die sache selbs gut ist/ in einigen umstaͤnden zuweilen den andern theil gewinnen moͤchten/ ob wohl ohne einige boßheit/ sondern aus dem/ wie sie sich die sache ein- mahl inprimirt haben. Hingegen verlange auch von andern gleiches gegen mich zu halten/ und fordere von niemand ein mehrers vor mich/ noch setze deswegen mißtrauen in die je- nige/ welche mir nicht voͤllig bey zutreten sich resolvi rten. Der HERR verbinde allezeit unsere hertzen in wahrhafftiger einigkeit und erkaͤntnuͤß seines willens. 9. Sept. 1690. SECTIO XXXV. V erlangen nach beylegung der gantzen sache desso genanten Pietismi : Dero wichtig- keit. E Uer Excell. beliebiges ist mir wol worden/ und habe ich draus verstanden daß dieselbe rathsam befinden/ daß hierausgefertigte klag- memorial wide- rum zuruͤck an den Hochl geheimen rath zusenden. Wie mir nun leid ist/ daß Ew. Excell. hiedurch unnoͤthe beschwerde gemachet worden/ also sage gehorsamen danck/ vor die auch hierunter unterschiedliche genomme bemuͤhung und bezeugte großguͤnstige affection. Die sache selbs anlangend/ als meines reinen gewissens versichert/ erwarte ich ferner/ was ein Hochl. geheimter Rath vornehmen werde. An mir hof- fe in meinem gantzen leben gezeiget zu haben/ daß wie niemand mit willen beleidige/ also in unvermuthet enstehenden zwistigkeiten mich allezeit zu der guͤte als fern das gewissen zugeben mag/ bereit erweise. Was den gantzen pietismum betrifft/ pflichte Ew. Excell. vornehmen billich auch von hertzen bey/ daß mit dem nah- men desselben alles so nach einer secte schmecken solte/ aus den grund gehoben wuͤr- de: wozu ich auch hoffe/ in dem an Sr. Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit unsren gnaͤ- ARTIC . II . SECT. XXXV. gnaͤdigsten Herrn auff gnaͤdigsten befehl eingegebenen bedencken durch GOttes gnade zu laͤngliche und solche mittel vorgeschlagen zu haben/ dardurch weder einige unschuldige einigerley massen beschwehret/ noch einiges gutes zu schwehrer ver- antwortung verhindert/ hingegen kirche und schul in voͤllige ruhe gesetzet/ und mit tilgung alles falschen geruͤchts den Churfuͤrstlichen landen ihre durch jenes verletzte ehre wider gegeben werden moͤchte. Wozu aber die gantze gruͤndliche und genaue- ste untersuchung aller geschehnen denunciationen / u. was sich in der inquisition gefunden/ der einige sichere weg und mittel ist/ damit man vor GOTT und der welt/ wenn auch jemand auser landes kuͤnfftig davon urtheilen wuͤrde/ den man als dann getrost begegnen kan/ zu bestehen vermag. Wie ich nun nicht in abrede bin/ daß die sorge dieser sache mir die angelegenste ist/ so mrin gemuͤlh mein lebenlang af- ficirt hat/ so gehet mein taͤgliches gebet dahin/ daß der HERR HERR / dessen ehre sie an dem ort betrifft/ wo sie am zartesten ist/ alle so damit um zugehen haben/ und dero berathschlagungen durch seinen heiligen Geist dahin regieren wolle/ daß alles aͤrgernuͤß abgethan und verhuͤtet/ hingegen einerseits die wahrheit der lehr und ordenliche ruhe der kirchen/ anderseits hertzlicher eiffer die wahre pie taͤt ohne sorge oder schein einer secte / sondern als die allgemeine pflicht aller Christen ne- ben einander/ und daß keine die andere hindere/ wie sie es auch in ihrer wahren ord- nung nicht koͤnnen erhalten/ und mehr und mehr in schwang gebracht werde. Hier- an bin ich versichert/ liege ein grosses theil der zeitlichen und ewigen wohlfahrt un- sers gnaͤdigsten Churfuͤrsten und Herrn/ des segens des gantzen Durchlauchtigsten Churhauses/ des gluͤcks der gesamten lande/ und des heils deren/ welchen die him̃- lische guͤte gelegenheit dero ehre so kraͤfftig zu befoͤrdern gegeben hat. GOTT laße mich meines wunsches/ so mich zwar am wenigsten betrifft/ gewaͤhret werden/ so solte mich genuͤgen/ wie es auch sonsten je mit meinen eigenen dingen stehen moͤch- te/ darinnen mich ohne das billich in dessen heiligen willen lediglich resignire. Die von Ew. Excell. gemachten hoffnung eines baldigen schlusses dieser campagne / uñ so Jhr. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit als gesamten ansehnlichen comitats e- hender zuruͤckkunfft wird durch das noch biß daher continuirte zu campiren unbequeme wetter mehr confirmiret. Der grosse GOTT lasse nur solche zu- ruͤckkunfft mit voͤlliger gesundheit und freuden geschehen/ so haben wir/ ob wir wol dabey mit betruͤbnuͤß sehen mussen/ daß GOTT uns noch nicht versoͤh net/ und auch noch dieses jahr dessen gericht unsren/ ob schon der sache nach gerechten waf- fen gegen einem ungerechten feind entgegen stehende die gefasste hoffnung nicht hat erfuͤllet werden lassen/ dennoch seine himmlische guͤte vor die erhaltung gnaͤdigster Herrschafft und dero Ministrorum demuͤthigst zu dancken. 11. Sept. 1690. Lll ll 2 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO XXXVI. Z erruͤttung der gemuͤther der Theologorum, und wie meistens von beyden seiten/ derer die die studia und die die praxin treiben/ gefehlet werde. Gros- ser schade davon. W As von dem elend unserer kirchen wegen der zeꝛruͤttung der gemuͤther unter den Theologen gemeldet wird/ ist die lautere wahrheit/ und mir schon lang ein solcher kummer/ daß ich unserer gantzen kirchen nichts gutes drauß weissagen kan/ sondern desto schwehrere gerichte sorge/ oder daß wir unser gebaͤu/ daß ohne das klein genug und schadhafft ist/ endlich selbs niderreissen werden. Daß von denen/ die die controversen hauptsaͤchlich lieben/ und von denen/ welche die praxin treiben beiderseits einiges menschliches zu weilen begangen werde/ zweiffle ich nicht/ sondern seufftze bald uͤber dieses/ bald uͤber jenes/ kan aber nicht gnug hel- fen: Doch finde jener affecten hefftiger/ ihre anschlaͤge gewaltsamer/ und ihre ab- sicht weniger rein. Obs dann geschiehet/ daß der HERR denselben mehr zu der unterdruckung zuliesse/ so doͤrffte es zu dieser reinigung dienen/ daß solches feuer der truͤbsal/ wo auch gefallen an sich selbsten vorhanden gewesst/ und man je- ner gewaltsamkeit nicht mit gnugsamer liebe und gedult getragen/ sondern auch den menschen hervor gucken lassen/ solches alles verzehre/ und sie desto auser- wehlter machen: da ich alsdann ihnen den sieg von dem HERRN / wider die/ welche sich fleischlichen arms gegen sie mißbraucht/ gewiß zuzusa gen getraue. Jch bekenne/ daß zur befoͤrderung der rechtschaffenen Gottseligkeit nach der schrifft und auch unsren Symboli schen buͤchern/ nun so viele jahr alle meine absichten/ arbeiten/ predigten/ schrifften und rathschlaͤge gerichtet habe/ daher wohl weiß auch ihrer vielen ein dorn in den augen zu seyn: Jndessen æstimire ich auch alle studia Aca- demica / selbs die Polemica / und wolte nicht/ daß unsre kirch eines einigen dessel- bigen entrathen solte; wie ichs auch ohne dero schaden nicht glaube geschehen zu koͤnnen: nur daß alles zu dem rechten zweck gerichtet/ jeden gleichsam sein pen- sum / was ihm am nuͤtzlichsten zu kommet/ angewiesen/ das studium exegeti- cum den uͤbrigen vorgezogen/ und die rechtschaffene pie taͤt zum grunde geleget/ das ist/ dahin getrachtet werde/ daß alle diejenige erstlich wahre Christen werden und bleiben/ welche zu der Theologie sich appliciren. Wie ich dieses alles in in der præfatione ad Tabb. Hodosoph. neulich ausgefuͤhret/ wie wol auch un- verschuldeter weise sich dieselbe von unterschiedlichen leiden muß. Also erkenne ich selbs an unterschiedlichen Academicis leute/ die ich so hoch/ und vor so treue die- ner GOttes halte/ als andere/ so ausser solchen lebens art dem HERREN die- nen ARTIC. II. SECTIO XXXVI. nen. Wo ich hingegen unter diesem einige finde/ welche das rechtschaffene Chri- stenthum eyffrig treiben und vernehme/ daß sie ausser den schrancken gehen wolten/ thut mir solches nicht nur leid/ sondern so viel der HERR gnade verleihet/ suche auch dieselbe freundlich zu erinnern/ und sie auff die pflicht der nicht argwoͤhnischen liebe und sanfftmuth zu weisen/ damit sie nicht durch ihre unordenliche affecten dem studio pietatis einen schandfleck anhaͤngen/ und hindernuͤß setzen. Wasin uͤ- brigen solche collisiones und sondeꝛlich der bey vielen fast mehr und mehruͤbeꝛhand nehmende haß gegen alle/ welche jenes hoch preisen/ vor boͤses in und ausser der kir- chen stiffte/ habe ich auch neulich in meiner rettung gegen Hartnacken meine wehe- muͤtige/ aber gewiß gegruͤndete klagen gefuͤhret. Das bekenne/ wo ich bey anderer religion gebohren und erzogen waͤre/ daß dieses aͤrgernuͤß mir einen solchen nebel vor die augen machen wuͤrde/ daß ob auch unsrer lehr grund in vielem einsaͤhe/ dannoch unsre kirch vor die jenige nicht erkeñen koͤnte/ zu dero mich verfuͤgen muͤste. Ja wo die arme Quacker ein scheinbar ar- gument gegen uns brauchen wolten/ moͤchte es dieses seyen/ es muͤsse sich ja bey ih- nen die wahre erleuchtung des geistes und rechte gottseligkeit vor allen finden/ und sie die wahre kirche gegen uns gehalten seyen/ in dem man/ wo nur von der erleuchtung des geistes und goͤttlichen wandel geredet wird/ solches stracks vor Quackerisch halte/ und ihnen also dieselbe als gleichsam ihr eigenthum heim weise. Wir moͤchten jenes alten worte wiedeꝛhohlen. Domine, in quæ nos tempo- ra! das betruͤbteste ist/ daß fast auch die mittel/ so man wider dieses uͤbel gebrauchen moͤchte/ nicht mehr zulaͤnglich scheinen wollen: daher zwar alles dienliche vorzukeh- ren und zu versuchen/ der HErr aber vornehmlich ohne auffhoͤren anzuruffen ist/ daß er sich seines Zions erbarmen/ und dessen bruͤche heilen/ die es treulich mit sei- ner ehre meinen erhalten/ schuͤtzen und staͤꝛcken/ die neben ihrer guten meinung sich nicht allezeit in ihren schrancken zu halten wissen/ durch seine gnade auff die rechte wege leiten/ welche er aber muthwillig sich dem guten/ zu widersetzen erkennen moͤchte/ entweder znruͤck halten/ und ihnen die haͤnde binden/ oder (so er ja allen thun wolte) auff ihm bekante art bessern/ die bißherige aͤrgernuͤßen aber an abthun/ hingegen seine gnade auffs neue reichlicher uͤber seine kirche außgiessen wolte. 1690. 12. Sept. SECTIO XXXVII. V on laͤsterung des guten/ und dero gewissen fol- ge. Wahrer aͤnderung des menschen wird vor zau- berwerck gehalten. L l l l l 3 Was Das sechste Capitel. W As die klage anlangt/ wie die laͤsterungen/ verachtung und haß der gemei- n e lohn seyen/ damit die welt die jenige ihrer seits ablohnet/ welche sich von GOtt geruͤhret zur rechtschaffenen gottseligkeit und dero uͤbung fuͤhren lassen/ und alsodann ihr selbs mit exempel und vermahnung gern dienen wolten/ ist mir die wahrheit derselben gnug/ und auch aus eigener erfahrung/ von ziemlicher zeit bekant. Aber gelobet seye unser theurster Erloͤser der uns solches lang zuvor gesagt hat/ damit wir uns/ wann es komme/ nicht daruͤber aͤrgern. Nur ists noͤthig/ daß wir allezeit auch in solchem leiden auff ihn und sein wort sehen. Wann wir dann hoͤren in demselben/ daß es nicht anders seyn koͤnne/ als daß die welt das jenige hasse/ was nicht ihr/ sondern von GOTT erwehlet/ und also aus ihr heraus gezogen seye/ und das exempel unsers Heylands vor augen haben/ dem es nicht an- ders gegangen/ so befremdet unsern neuen menschen das jenige nicht/ was dem al- ten nicht wol schmecket. Vielmehr erkennet jener/ daß dieses wort des HERRN so wol erfuͤllet und von unsrem glauben angenommen werden muͤsse/ als andere goͤttliche wort stets erfuͤllet werden/ und sich unser glaube an dieselbe haͤlt. Und sind wir mit dieser bedingung von dem HErrn unter seine juͤnger auffgenommen worden/ daß so bald wir uns selbs nach seiner ersten regel verlaͤugnet haben/ wir uns gefast ma- chen muͤssen/ auch seyn creutz/ so daran unabsonderlich ist/ auff uns zunehmen/ so wollen wir uns nicht entziehen/ wann auch solche bedingung bey uns platz finden solle: der gewissen versicherung/ je aͤhnlicher wir unsrem vorgaͤngeꝛ auch in diesem stuͤck werden/ je ein mehrer maß der gnaden hier/ so dann auch dorten der herrlich- keit/ seye uns von dem libsten Vater bestimmet: Der zugleich in aller solcher pruͤffung unsers glaubens und gedult uns kraͤfften gnug ertheilen wird unsre pro- be außzustehen/ und in unsrer schwachheit zu uͤberwinden. Daß ist je gewßilich war! Daß ferner die blinde welt (wolte GOTT es machten sich nicht zu wei- len solcher schuld auch blinde leiter/ die aber damit zeugen/ was sie sind/ schuldig) die aͤnderung eines menschen zu einem andern sinn und rechtschaffenen Chꝛisten- thum vor zauberwerck halte/ ist schrecklich/ aber muß auch nicht fꝛemd seyen. Der natuͤrliche mensch (dahin gehoͤret nach der glosse Lutheri aller mensch ausser der gnade/ das ist/ ausser der wahren goͤttlichen erleuchtung/ mit aller vernunft/ kunst/ sinnen und vermoͤgen/ auch auffs beste geschickt ) vernimmt nichts vom Geist GOttes/ es ist ihm eine thorheit/ und kan es nicht erkennen/ denn es muß geistlich gerichtet seyen. Nun ist ja die krafft der wiedergeburt und erneuerung in einer glaͤubigen seele etwas des Geistes GOttes/ und seine wahre gnaͤdige wuͤrckung: Wie solte dieselbe dann ein natuͤrlicher mensch/ ein auch sehr (ja in der schrifft) gelehrter mann/ da er das licht des heiligen Geistes nicht hat/ und selbs nicht in erfahrung rechter goͤttlicher wuͤrckungen in seiner seelen ste- ARTIC . II. SECTIO XXXVII. stehet/ sondern sein lebenlang allein an einem unfruchtbaren muͤßigen buchstaͤbli- chen wissen kleben geblieben ist/ aber die krafft des Geistes immer in sich gehindert hat/ vernehmen und begreiffen koͤnnen die krafft GOTTES/ wo er den seini- gen ein neues hertz und einen neuen sinn schencket/ das fleischerne hertz ihnen gibet/ und hin hingegen das steinerne von ihnen nimmet: von welcherley ein solcher mensch wol mag offt gehoͤret/ gelesen/ auch wol geredet haben/ da er doch die sache selbs niemal warhafftig eingesehen hat. Jndessen ists/ wie oben gesprochen/ recht erschrecklich/ GOTTES werck zu zauber- und also teuffels-weꝛck machen. Als dorten unser Heyland einen teuf- fel durch den finger GTTTES aus getrieben/ und seine feinde ihn beschuldiget/ er thue solches durch Beelzebub/ der teuffel Obristen/ zeiget er an/ dieses seye eine laͤsterung in dem heiligen Geist/ die ihnen nimmermehr vergeben werden solte. Der gleichen will ich zwar von dieser art laͤsterern nicht sagen/ in dem ich in ihr hertz nicht sehen kan/ aber die sache selbs anlangend/ kommt diese suͤnde/ des heiligen Geistes werck dem zauber-geist zuzuschreiben/ mit jener sehr uͤberein. Uns kommet al- so zu/ daß wir/ wo wiꝛ in der forcht des HERRN ihm treulich zu dienen vorge- nommen haben/ auff solchem wege ernstlich fortfahren/ darbey vorsichtig wand- len/ daß wir uns weder mit einigem aberglauben oder gemeinschafft eines irthums selbs hindernuͤß setzen/ und dem jenigen welche gern gelegenheit zu laͤstern suchen/ dieselbe geben/ vielmehr bey der reinen warheit der Gottseligkeit/ und bey deꝛ Gottseligkeit der reinen wahrheit fest anhangen/ von der welt und dero laͤsterun- gen uns nicht muͤde machen lassen/ hertzlich abeꝛ vor die jenige beten/ so uns um des guten willen zu wider sind/ daß der liebste Vater im himmel sich ihrer erbar- me/ und ihnen die augen oͤffne/ zu sehen wie gefaͤhrlich sie sich selbs/ wider den stachel leckende verwunden/ ob sie endlich selbs/ daß jenige/ dem sie zu wider gewe- sen/ nach dem sie es erkant/ kuͤnfftig befordern/ oder der HERR ihnen die haͤn- de binde/ sich nicht weiter mehr zu versundigen. Wo wir auff diesem wege fort- fahren/ so wird uns wol seyen/ und endlich jenes Apostolische erfuͤllet werden: Selig ist der mann/ der die anfechtung erduldet denn nach dem er bewaͤb- ret ist/ wird er die crone des lebens empfahen/ welche GOTT verheissen hat/ denen die ihn liebhaben ꝛc. 1690. 20. Sept. SECTIO XXXIIX. K lage des verderbens/ daß das C hristenthum noch nicht gnugsam aufgerichtet. Woran es mangelt. Der schade davon. Unsre pflicht und trost. Die Das sechste Capitel. D Je mit der meinigen einstimmende klage uͤber das allgemeine verderben/ ist leider allzu gnug gegruͤndet/ ja ich sorge/ wir die wir es ziemlich einsehen/ se- hen dannoch den gantzen grund desselben nicht tieff genug: daher es hart lau- tet/ was derselbe schreibet/ aber ich auch nicht wol widersprechen kan/ daß das Christenthum bey uns Evangelischen nicht so wol gefallen/ als niemal gnugsam auffgerichtet wordꝛn seye: Freylich sind wir leyder/ nachdem die haupt irrthuͤme der lehr waren abgeschafft/ und dieser reinigkeit erlangt worden/ zu fruͤhe still gestanden/ da man haͤtte fortfahren/ und darauff bedacht seyn sollen/ wie alles in der kirche nach allen staͤnden also eingerichtet wuͤrde/ daß die wahrhei- ten/ die nach dem buchstaben von den vorigen irrthumen waren gerettet worden/ auch durch des heiligen Geistes krafft in die hertzen gebracht/ und diese dazu ge- schickt zu seyen bereitet wuͤrden. Dieser ursach wegen/ sorge ich/ habe uns bißda- her/ an dem segen gemanglet/ den wir von GOtt beduͤrffen/ weil man sich ins ge- mein mit dem buchstaben vergnuͤget hat/ und GOTT selbs damit hat abspeisen wollen/ ohne daß man ihn lernen im geist und in der wahrheitanbeten/ ja insge- mein wenig davon weißt/ was solches seye/ oder wol gar vor Enthusiasterey haͤlt und ausgiebet/ was uͤber das jenige gehet/ was unsere kraͤfften sich vvr conce- pten in den hirn machen koͤnnen/ die gewiß so weit von goͤttlichen wirckungen/ als das wahre liecht von den schimmern eines faulen holtzes entfernet und unterschieden sind. Jemehr auch unsre Theologie wiederum von der Biblischen einfalt/ darzu sie der liebe Lutherus zu bringen sich bemuͤhet/ hat anfangen von luͤstrenden koͤpf- fen auff die alte scholastic gefuͤhrt zu werden/ so hat alles/ was aus der schrifft und nach dero anleitung aus der erfahrung von einigen gottseligen/ von dem in- nern wesen und dem werck des heiligen Geistes in dem glaubigen bezeuget worden/ mit so viel hefftigerem eyffer vor Enthusiasterey und Quackerey muͤssen ausgeruf- fen werden/ so viel weniger solche leute zu diesen seligen wuͤrckungen tuͤchtig sind/ und daher gemeiniglich laͤstern/ was sie nicht wissen. Daher findet sich freylich/ wie gantz wol bemercket worden/ auch bey unsrem stande das verderben nicht we- niger sondern so groß als bey anderen ist/ kan auch nicht wol anders seyen/ dann wel- che unter uns keine wahre Christen sind (ach daß doch die zahl derselben nicht allzu- groß waͤre!) koͤnnen alsdenn die ihnen anbefohlene gar schwehrlich den weg fuͤh- ren/ den sie selbs nie recht eingesehen haben/ wann sie dann unter ihren amts-bruͤ- dern andere sehen/ durch dero exempel sie sorgen beschaͤmet zu werden/ und sie doch ihrem fleischlichen leben noch nicht abschied zu geben gedencken/ neiden und hassen sie dieselbe/ und trachten sie in verdacht deꝛ heucheley/ sonderlichkeit oder gar heim- licher ketzerey zu bringen/ damit derselben exempel ihnen darnach nicht weiter moͤge vorgeruͤcket werden: ja sie suchen sich wol gar mit einandeꝛ zu verbinden/ um die andere zu unterdrucken/ und also der verdruͤßlichen leute abzukommen. Dieses aͤr- ARTIC . II. SECT. XXXIIX. aͤꝛgert die schwache/ haͤlt/ welche einen guten trieb zur gottseligkeit bekommen ha- ben/ maͤchtig zuruͤcke/ besteiffet die boßhafftige in ihrer boßheit/ sonderlich aber be- kraͤfftiget die Atheisten in ihrer gottlosigkeit/ daß sie mit einander auf alles Chri- stenthum nichts/ sondern es vor erdicht pfaffen geschwaͤtz/ halten/ da die so davon prefession machten/ selbs nicht thaͤten (und also auch nicht glauben muͤsten) was sie sagten/ die jenige aber die es thaͤten/ vor einfaͤltige tropffen oder gefaͤhrliche heuchler von dem amts-bruͤdern ausgeschrien wuͤrden. Hieran ligt gewiß der groͤste verfall alles unsers wesens/ und ich sorge es seye der letste stoß/ dem wir un- serem baufaͤlligen hause selbs geben/ das besorglich zum meisten theil bald vollend ligen/ der HERR aber aus denuͤbergebliebenen und auffgehabenen steinen dassel- be besser auffuͤhren wird. So stehen wir jetzt: wir muͤssen aber nicht daruͤber muͤde werden/ oder die haͤnde sincken lassen/ sondern fortfahren den willen unser GOttes dem volck vor- zutragen/ sie hoͤrens oder lassens/ und es werde ihnen ein geruch des todes zum to- de odeꝛ des lebens zum leben: auch willig seyen daruͤber zu leyden/ so viel der himm- lische Vater uͤber uns zur probe unseꝛs glaubens und gedult verhaͤngen will: Dann die sache/ warum es zu thun/ ist je werth/ und der jenige/ um dessen ehr willen wir leiden sollen/ alles leyden mit freuden vor ihn zu erdulden unendlich wuͤrdig. Wir thun aber wohl/ so viel unser die hertzliche resolution haben/ uns nicht von dem strohm der aͤrgernuͤssen mit hinreissen zu lassen/ in welchem aͤusserlichen stand wir auch leben moͤchten/ daß wir mit den jenigen zwahr/ so sich widersetzen/ hertzliches erbarmen tragen/ und ihnen die bekehrung von GOTT in liebe zu erbitten trach- ten/ unter uns aber so viel hertzlicher zusammen halten/ aus inniglicher liebe/ un- sern kummer bey und gegen einander vertraulich außschuͤtten/ so dann mit und voꝛ einander unablaͤßig beten/ daß der HERR drein sehen und seiner elenden sich er- barmen wolle. Jch weiß/ wir wollen siegen/ oder der HERR wird vielmehr selbs in uns siegen/ ob wir auch in der welt den nahmen der uͤberwundenen tragen muͤssen: aber unsre palmen und triumph sol uns gewiß weder teuffel noch seine braut nehmen. Gelobet seye GOTT und der Vater unsers HERRN JESU CHRJ- STJ/ der Vater der barmhertzigkeit und GOTT alles trostes/ der uns troͤstet in allem unsren truͤbsall/ ja der uns freudigen muth gibet/ daß wir uns ob noch nicht vollkommen freuen/ dannoch nicht mehꝛ viel betruͤben uͤber die mahlzeichen seines Sohns/ indessen auch immer nach jenem grad der freude in seiner krafft streben/ daran ers auch seinen kindern nicht wird manglen lassen/ wo er das leyden auch auff einen hoͤhern grad solte kommen lassen/ nach dem uns insgesamt biß daher noch keine andere als menschliche versuchungen und gleichsam kinder proben (weil er uns nemlich nur noch als kinder ansihet/ und also tractiret ) betroffen haben/ da uns aber die versicherung von seiner treue gewiß ist/ daß zu schwehrern proben ein M m m m m kraͤff- Das sechste Capitel. kraͤfftiger geist gegeben werden solte. Nun er wiꝛd und wolle alles wol machen! 1690. 23. Sept. SECTIO XXXIX. A n J oh. H irschen einen blinden leinweber in Fraustatt. Freude uͤber dessen brieff. Guͤte GOTTes/ die den mangel des gesichts in geistlichen ersetzet. Arndts Christenthum. D. H. Muͤller. Lutheri schrifften/ son- derlich kirchen Postill. Lesung der heiligen schrifft mit ge- buͤrenden bedacht. Sontags feyer. Auch in der woche dem geistlichen abzuwarten. 1. Thim. 5/ 8. Von versor- gung der seinigen erklaͤhret. Gebet aus Biblischen formuln. G Oettliche gnade/ friede/ licht/ trost und leben/ in unserm treusten Heylan- de JEsu Christo. Jndemselben vielgeliebter freund; Ob mir wol des- selben liebreiches schreiben bereits vorigen monath zu haͤnden gekommen/ habe dennoch nicht fuͤglich ehe antworten koͤnnen/ nachdem die menge der an mich einlauffenden brieffe nicht leicht schleuͤnige antwort zu giebt/ es seye denn sache/ daß die verzoͤgerung der antwort/ die frucht derselben gantz auffheben wuͤrde/ da also unverzoͤglich geantwortet werden muß; ausser diesen fall ist mirs nichts neues/ ers t noch virtel-halben- oder gantzen jahren zu antworten. Jndessen kan er sich versi- cheren/ daß mir dessen schreiben von hertzen angenehm gewesen/ und mich auff un- terschiedliche art erfreuet habe. Es hat mich zum allerfordersten erfreuet/ das aus den gantzen brieffe gegen mich hervor leuchtende/ gute vertrauen und liebe. Wie denn ich mich zu dehmuͤthigen dancke dem himmlischen Vater verbunden er- kenne vor diese gnade/ daß er mich unter deme/ da ich sonsten auch von mancher leu- te fast feindseeligen gemuͤthe gegen mich offt hoͤren muß/ damit troͤstet/ wenn er mir da und dorten wissend werden laͤsset/ daß er auch Christliche hertzen zu mir neiget/ und mit einer reinen liebe erfuͤllet. Jn dem solches zu doppelten trost gereichet/ ei- nes theils/ weil daraus ersehe seine guͤte/ daß er seines knechtes arbeit in schrifften nicht ungesegnet seyn laͤsset; weil unbekanter persohnen liebe gegen mich nicht wohl andern grund haben kan/ als daß der Herr durch meine schrifften derselben seelen geruͤhret/ und er also in mir schwachen auch kraͤfftig gewesen sey (womit ich mich gegen die anfechtunge mannigmahl so weniger frucht meiner arbeit/ die ich den ARTI C. II. SECTIO XXXIX. bey den gegenwaͤrtigen sehe/ etwas auffrichte) andern theils/ weil ich gewiß bin/ daß die jenigen/ so mich in GOTT lieben/ auch vor mich andaͤchtig zu bethen nicht unterlassen/ welches mir die groͤste wohlthat ist/ so eꝛzeiget werden kan! Daher mich auch ihm zu freundlichem danck vor gegen mich geschoͤpfftes vetrau- en/ und bezeugte vorbitte verbunden erkenne; hingegen auch meiner liebe/ und seiner fuͤr dem HErrn zu gedencken versichere. Nechst dem wuͤnschete/ daß auch dem gegen mich gefassetem vertrauen ein genuͤgen leisten koͤnte. Ob denen wol an meiner seiten eben mit willen nichts ermangeln lassen solle/ so dazu gehoͤret so kan doch nicht vieles versprechen/ so gar/ ob mir wohl dessen hieherkunfft nicht unangenehm seyen/ und ich zur liebe mich willig bezeugen wuͤrde/ daß fast zu besor- gen habe/ daß ihn/ nach dem Er mich gegenwaͤrtig gesprochen/ die angewandte muͤhe und verdruͤßlichkeit reuen moͤchte. Jedoch will denselben damit nicht gantz abgeschraͤcket/ sondern darinn erinnert haben/ wenn es gegen solche zeit gehen/ und uns der HErr noch so lange lebendig lassen solte/ vorhin in der furcht des HErren wol zu uͤberlegen/ ob dergleichen bey habenden zustande uͤbernehmende beschwerde durch das jenige/ was bey mir zuerwarten/ wiederum ersetzet zu werden/ zu hof- fen waͤre. Ob nun aber mich/ die gegen mich selbs bezeigte liebe/ so viel mehr/ weil sie nichts iꝛrdisches auf beyden seiten zu grunde hat/ hertzlich freuet/ so freuet mich doch noch mehr/ die an demselben/ aus dem schreiben/ ausser welchen er mir sonst unbekant gewesen/ in reicher maß erkante goͤttliche gnade/ und preise den wunder- bahren/ weisesten und guͤtigsten. Vater/ welcher zum zeugnuͤß seiner weißheit und guͤte/ den mangel seines aͤusserlichen gesichts/ mit so viel innerlichem liechte aus gna- den ersetzet hat. Jch verehre dessen vaͤterlichen vorsorge/ die demselben zu derglei- chen buͤchern gebracht/ in welchen er nechst der heiligen schrifft als dem haupt- buch aller buͤcher/ den aus dieser gelegten grund ferner befestigen und vieles dar- auff bauen koͤnnen. Wie denn alle geruͤhmte buͤcher mir selbst auch allezeit sehr angenehm gewesen sind. Des theuren Arndts Wahres Christenthum bekenne/ daß es den meisten andern menschlichen schrifften weit vorziehe/ und mich nicht wol erinnere/ daß mir einiges anders vorkommen/ davon so viele zeugnuͤssen der jenigen haͤtte/ welche durch dessen anleitung zu einem rechtschaffenen thaͤtigen und wahren Christenthum wie des buchs titul lautet/ durch wuͤrckung GOttes gekommen waͤren/ wie ich von diesem einigen weiß. Jedoch wundere mich nicht/ daß es vielen auch ein dorn in den augen seye/ und wol garzuweilen harte worte darwieder gebrauchet werden; die ursache ist/ weil es dem alten Adam nicht schmeichelt/ sondern ihn mit GOttes wort also angreiffet/ daß er sich nicht weiter mit falsch eingebildeten vertrauen auf Christi verdienst/ so denselben nicht angehet/ sondern allein den menschen welcher M m m m m 2 stets Das sechste Capitel. stets in wahrer busse stehet/ und jenem den krieg mit eꝛnst angekuͤndiget hat) mit dem aͤusserlichen GOttes-dienste/ (dessen/ wo er von den innerlichen abgeson- dert wird/ heucheley/ recht in ihrer bloͤsse vorgestellet wird) troͤsten und beruhigen kan. Dahero kan das buch keinem von heꝛtzen gefallen/ welcher nicht mit ernst entschlossen hat/ den goͤttlichen erkanten willen anzunehmen/ und nach demselben sich ohne ausnahm zurichten; Wann dann dieses fleisch und blut schwer ankoͤm̃t/ und sein todt ist/ so ist sich nicht zu verwundern/ daß sich viele vor diesem buch/ so in GOttes nahmen ihren todt von ihnen fodert/ fuͤrchten/ die aber ruchloß sind/ es allerdings laͤstern: Jndessen bleibet es rechtschaffenen seelen ihre einige freude/ und halten sie sich demselben verbunden/ daß es ihnen ihre schaͤndliche gestalt in Adam schaͤndlich gnug verstellet/ weil es hingegen auch ihnen ihre schoͤne gestalt in Chri- sto weiset/ und den weg/ auff dem sie dazu gelangen moͤgen/ zeiget. Dieses sel. Arnd- ten/ so dann auch D. Luͤtkemanns/ der auch mit grosser krafft geschrieben/ schuͤler und juͤnger ist auch der von demselben belobte D. Muͤller gewesen/ dessen schrifften auch vielen die augen aufgethan/ und sie erwecket haben/ auch hoffentlich noch fer- ner viele frucht bringen werden. Es war mir aber sonderlich lieb zuvernehmen/ daß auch unsers theuren Lutheri schrifften nicht unbekant/ sonderlich seine werthe Kirchen-Postill/ die wir nicht nur deßwegen so viel hoͤher zu schaͤtzen haben/ weil GOTT durch seinen dienst uns in unsern vor-eltern das liecht des Evangelii aus aus den fi nsternuͤssen des Papstums wieder herfuͤr gebracht/ und aufgehen hat las- sen/ sondern weil er auch in ihn ein solches reiches maaß des Geistes geleget hat/ daß seine schrifften voller krafft und sonderlich nach der Apostel zeit wenige gleichermas- sen/ die lebendige krafft des glaubens werden erkant und beschrieben haben/ wie ihn der HERR dieselbe hat einsehen und andern zeigen lassen. Unter seinen ge- sammten schrifften aber ist wohl seine Kirchen-Postill eine der besten/ wie er sie selbst sein liebstes buch genant/ darinnen er mit reicherm Geist die goͤttliche war- heit vorgestellet hat/ und so viel weniger er/ der sonst offt in predigten befindlicher kuͤnsten und wol-rendenheit zeiget/ so viel mehrere krafft empfindet davon ein an- daͤchtiger leser. Taulerum anlangend/ hat derselbe zwar zu einer zeit gelebet/ wo das Papstum in dicker finsternuͤß gestecket ist/ jedennoch siehet und findet man in demselbigen mehr liecht als man sich von solcher zeit haͤtte versprechen und ver- sehen sollen/ und dienet dieser Christliche lehrer zum zeuͤgnuͤß/ wie GOTT zu allen zeiten die seinigen erhalten habe/ daß die auch ihrer zeit gemeine iꝛ ꝛ thuͤmer das liecht ihres wahren glaubens so nicht ausloͤschen moͤgen. Wie auch gewiß ist/ daß unser lieber Lutherus/ (so er selbst bekennet) solchem Taulero nicht wenig seiner erkaͤnt- nuͤß gedancket habe; Jch habe mich auch etzliche mahl daruͤber verwundert/ daß mir exempel vorgekommen/ daß einige ungelehrte und einfaͤltige/ solche schrifften bes- ARTIC. II. SECTIO XXXIX. besser und ungehinderter als gelehrte verstanden haben. Von der lieben Alt- Vaͤter buͤchern ist nicht ohne/ daß wenige in unserm teutschen zu haben/ unterwei- len moͤchten vielleicht einige derselben nicht ohne nutz auch von den unsrigen gelesen werden/ indem der Gottseligen leute (so vielmehr sie von den jetzt in streit gezoge- nen dingen wenig gewußt/ noch davon gehandelt/ oder zuhandeln noͤthig gehabt/ da- hero allein diejenigen dinge meistens getrieben/ die zu staͤrckung des glaubens und der liebe dienlich sind) schrifften meistentheils in einer mehreren einfalt von allen materien gehandelt haben/ als nach der zeit geschehen ist. Jedoch ists nicht ohne/ daß sie auch den menschen an vielen orten sehen lassen/ so wir a- ber mit gedult an ihnen zu tragen/ nicht aber deswegen das gute zuverwerffen ha- ben. Hat er nun etwas von denem selben schrifften gelesen/ so wird er auch das reiche maß des Geistes in demselben zum preiß GOttes erkant/ und dem HER- REN/ vor die durch seine diener erzeigte gnade zu dancken nicht vergessen haben. Jndessen trage ich doch auch zu ihm das gute vertrauen/ (und haͤtte dabey auch die erinnerung zu thun) daß er werde solchen allen menschlichen schrifften sich haben lassen angelegen seyen/ die Goͤttliche schrifft vor zu ziehen/ in dem dieses buch das a l - lein nothwendigste buch ist/ der andren nutze aber fuͤrnehmlich darinn stehet/ daß sie uns eine handleitung seyen muͤssen/ zu der schriff t immer naͤher und tieffer zu kom- men/ so denn uns das jenige aus derselben zu zeigen/ was der guͤtige GOTT jedem seiner diener/ durch seinem heiligen Geist aus der schrifft zu erkennen gegeben hat/ und wir es etwan ohne solche beyhuͤlffe/ und anderer anzeige/ nicht haͤtten gefun- den. Weswegen wir freylich solche wohlthat widerum mit danck gegen GOtt auch zu gebrauchen/ aber doch keines menschen schrifften dessen eigenen worten vor- zuziehen/ je mehr und mehr zu trachten haben/ daß wir anderer buͤcher weniger mehr beduͤrffen/ und selbst ungehindert stets im Goͤttlichem worte fort kommen moͤgen. Wozu sonderlich dienlich ist/ daß man in der Bibel nicht geschwinde/ und viel auff einmahl lieset/ sondern sich gewehnet/ neben derjenigen lesung/ da man insgemein gantze oder mehrer capitel zusammen nimt/ sie auch auff eine andere art zu lesen; Da man nehmlich von versicul zu versicul gehet/ und bey einem jegli- chen nachdencket/ was darinnen die meinung des heiligen Geistes seye: was vor lehren/ lebens-regeln/ trost/ vermahnung und dergleichen zu unserer und anderer erbauung darinnen stecken/ sich bemuͤhe/ und also gleichsam einen jeden versicul so kaͤue/ daß er uns als eine lebendig machende speise in dem innerlichen staͤrcke/ wel- cher nutzen von dem geschwinden lesen nicht so reichlich folgen kan. Wo man aber also damit umgehet/ ob wir auch in einer stunde nicht gar viel versicul durch braͤch- ten/ bin ich versichert/ es werde dennoch mit mehr nutzen geschehen/ als ob man so viel capitel oben hingelesen. Damit koͤmt man in die schrifft allgemach tieffer/ und bedarff immer so viel weniger anderer buͤcher/ die wir zwar niemahls aus den haͤn- den deswegen gar zu legen haben: Wie ich dann oben bedeuteter massen/ Goͤttli- M m m m m 3 cher Das sechste Capitel. cher guͤte uͤber demselben preise/ welche ihn zu vielen erbaulichen buͤchern gebracht/ aus welchen derselbe sein Christenthum staͤrcken koͤnne; so bezeuge ich auch/ daß ich mich gefreuet habe/ aus seinem schreiben gesehen zu haben/ daß er auch/ was er gelesen/ nicht an sich unfruchtbahr seyn lassen/ und dadurch so viel inbruͤnstiger und begieriger worden/ in dem guten immer ferner zu wachsen/ welches ein sicheres anzeigen ist/ eines recht gelegten grundes/ da hingegen der zu dem geistlichen nicht immer mehr hunger und durst hat/ sich damit verrathet/ daß er noch niemahls des- selben geschmack geschmecket habe. Denn wer dieses wasser schmecket/ duͤrstet im- mer wieder darnach; Sonderlich sehe ich gerne/ daß derselbe sich die liebe Son- tags-feyer laͤsset hertzlich angelegen seyen/ wie denn derselbe einmahl der gesegnete tag des HERREN/ und uns zur wohlthat von GOTT gegeben ist/ daß/ da wir die uͤbrige zeit ziemlich theils zur arbeit gleichsam/ verdam̃t sind/ auffs wenigste der liebe Sontag ausgenommen bleibet/ da wir so zu reden in unsere alte Paradiesi- sche ruhe/ mit einer befreyung von unsern taͤglichen frohn-diensten/ gesetzet werden/ um macht zu haben/ den gantzen tag mit geistlichen dingen und was bereits zu jener Ewigkeit gehoͤret/ um zu gehen. Und bin ich versichert/ wer eine zeitlang mit sonder- bahrer sorgfalt seinen Sabbath recht halten wird/ wird bald einen nicht geringen wachsthum indem Geistlichen bey sich spuͤhren. Es gefaͤllet mir auch wohl/ daß derselbe so wol solches tages die oͤffentlichen pre- digten fleißig besucht/ (wie wir denn die oͤffentliche predigten aus vorwand der pri- vat- andacht/ ja nicht versaͤumen/ oder uns einiger ursachen willen/ wie scheinbahr sie seyen moͤchte/ von der gemeine trennen sollen) als auch ausser solcher zeit mit an- dern Christlichen freunden die erbauung suchet. Denn wir auch dieses mittel/ so das Gottselige gespraͤch unter Christlichen mit-bruͤdern ist/ und von GOTT herr- liche verheissung des segens hat/ nicht zuverachten/ ob gleich wir dessen uͤbung alle zeit also anzustellen haben/ daß aller boͤser schein/ fuͤrwuͤtz/ und was der an sich guten sache einen ungleichen nahmen machen koͤnte/ und einiger orten gemacht hat/ nach moͤglichkeit vermieden/ und alles nur dahin hauptsaͤchlich gerichtet werde/ in der einfalt des glaubens gestaͤrcket/ und zu bringung dessen fruͤchte auffgemuntert zu werden. Jch zweiffle auch nicht/ er werde auch dieses noch hinzuthun/ seine eigene andacht fuͤr sich selbst in pruͤffung seiner/ betrachtung der Goͤttlichen/ in der vorigen woche empfangenen wohlthaten und verrichteten guten oder boͤsen/ so dann vorbe- reitung zu der instehenden wochen anzustellen/ als welches den uͤbrigen uͤbungen nicht wenig krafft giebet. Ferner kann ich auch nicht anders als billigen dessen fleiß in der uͤbrigen wochen/ so wohl den oͤffentlichen GOttesdienst mit zu besuchen/ als zu hause sich mit den seinigen in der Gottseligkeit zuuͤben. Und hat sich dersel- be von denjenigen nicht irre machen zu lassen/ welche die woche allein zur leiblichen arbeit bestimmet zu seyen/ wider solche geistliche wercke einwenden: Denn es ist wol wahr/ daß der HERR zu unserer straffe die wochen-arbeit uns auffgeleget hat ARTIC. II. SECTIO XXXIX. hat: Aber es hat durchaus die meinung nicht/ daß man in der woche so wenig mit geistlichen/ als des Sontags mit weltlichen/ dingen um zugehen macht haͤtte/ son- dern der siebende tag wird von den andern 6 also abgesondert/ daß derselbige mit de- nen dingen/ so zur nahrung gehoͤren/ nichts zu thun haben solle. Hingegen wer- den diese auff die ander 6 tage verwiesen/ so viel nehmlich jedem von solcher arbeit obliget. Wie nun einige in einer solchen dienstbahrkeit ihrer arbeit stehen/ als zum exempel gantz arme leute/ tagloͤhner/ dienstbothen/ so sonderlich bey harter Herrschafft dienen/ daß sie an solchen tagen in der wochen zu den besondern geistli- chen uͤbungen in oͤffentlicher kirchen oder zum lesen/ nicht kommen koͤnnen/ sondern sich solche zeit mit ihrem gebeth und inneren andacht vergnuͤgen/ so denn des abgans in der wochen am Sontag sich wieder zu erhohlen/ nach vermoͤgen sich be- fleißen muͤssen/ und damit ohne suͤnde sind: So hingegen andere in solchen stan- de da sie ihre beruffs-arbeit/ und was die liebe des nechsten erfordert/ also in der woche verrichten koͤnnen/ daß ihnen noch zeit uͤbrig bleibet zu geistlichen/ so oͤffent- lich als zu hause anzustellenden uͤbungen. Diesen ist es nicht nur erlaubet/ daß sie/ was sie also von ihrer noͤthigen arbeit eruͤbrigen koͤnnen/ auch in der woche an das geistliche anwenden/ sondern wo sie so gar auff das irrdische verpichtet sind/ daß sie um mehrers gewinst und verdienst willen/ ohne welchen sie doch mit den ihrigen nach nothdurfft leben koͤnten/ in der wochen sich keiner zeit zu ihrer seelen abbrechen wollen/ ist es eine betruͤbte anzeigung/ daß ihre seele des reiches GOt- tes/ und seiner gerechtigkeit wenig achte/ und besorglich der bauch ihr GOtt seye; Dahero von ihren Christenthum man sich nicht viel versprechen kan/ auch gewiß ist/ daß das gebot von der arbeit der sechs tage nicht so wohl der haupt antrieb in ihre seele seye/ als der geitz und anhaͤngigkeit an das irrdische/ da sie doch allein je- nes zu deck-mantel nehmen. Welche bewandnuͤß es auch mit dem spruch 1. Ti- moth. 5/ 8. hat/ welchen gewiß ihrer mehrere fast unrecht erklaͤhren/ und mißbrau- chen/ als den verstand des Apostels recht fassen. Wie dann einmahl derselbe de- nen eltern nimmer diese last auffgebuͤrdet hat/ daß sie muͤsten/ auch mit versaͤumung einiger ihrer geistlichen pflichten/ also arbeiten/ daß sie den kindern grosse schaͤtze und reichthum sammlen/ und hinderlassen/ oder aͤrger als die heiden gehalten wer- solten: Nachdem er wohl gewußt/ wie unser Heyland vielmehr die sorge schaͤtze zu sammlen/ seinen Christen verboten/ als anbefohlen habe; Daher er selbst gleich 1. Timoth 6. v. 9. Die begierde reich zu werden vor sehr gefaͤhrlich und den Christen fuͤr hinderlich haͤlt; Sondern wo wir ja diese worte von der pflicht der eltern gegen die kinder verstehen wolten/ wuͤrde das versorgen denjenigen in nichts anders bestehen/ als in soꝛgfaͤltiger aufferziehung derselben/ wie in dem geist- lichen zur furcht GOttes/ also in dem eusserlichen/ zu einer solchen arbeit und lebens art/ daß sie dermahl eins GOTT und dem nechsten dienende sich selbst ernehren koͤnnen/ und nicht der gemeine kuͤnfftig eine last werden duͤrfften. Wo man aber den ort des Apostels fleißig einsiehet/ wird man gar finden/ daß er nicht so wohl von schul- Das sechste Capitel. schuldigkeit der eltern gegen ihre kinder/ als der kinder gegen ihre alte verlebte eltern h andele/ wo man sonderlich den 4. verß ansiehet/ und ist also die meinung des Apo- stels vielmehr/ weil da mahls witwen in der gemeine zu den geistlichen dienst der armen/ krancken und fremden gebrauchet/ und hingegen von der gemeine ernaͤhret worden/ daß er Thimotheo zeiget/ was er vor wittwen dazu waͤhlen solte/ nehmlich solche/ welche niemand haben und verlassen sind. Welche aber kinder oder neffen haben/ da sollen diese ihre kinder oder neffen erstlich lehren/ ihre eigene haͤuser Goͤtt- lich regieren/ und ihren eltern gleiches vergelten/ das ist/ daß sie ihre muͤtter und großmuͤtter selbst versorgen/ und die last nicht lassen auff die gemeine fallen: Dar- auff saget er: Wenn aber einer nicht wolte die seinigen/ seine mutter oder groß- mutter/ versorgen/ sondern die gemeine dabey beschwehrete/ derselbe sey aͤrger als ein heyde/ welche aus der natur gelernet/ von ihren eltern sich nicht zu entziehen. Diese erklaͤhrung doͤrffte wol die absicht des Apostels am gemaͤchstesten scheinen. Aber auch die gemeine auslegung von der schuldigkeit der eltern gegen die kinder/ braͤchte die meinung nicht mit sich/ welche zu beschoͤnung des geitzes daraus gezo- gen werden will: Jnsgemein bleibet es bey dieser regel: Wie die seele das vor- nehmste an uns/ und wir nicht so wol um deszeitlichen/ als geistlichen und ewigen lebens willen erschaffen und in der welt sind/ also muß auch das geistliche unser hauptwerck in dem gantzen leben bleiben; Das irrdische aber als ein neben werck angesehen seyen/ daher immer jenen nachgehen. Jch billige auch von gantzem her- tzen/ was derselbe bey sich befindet/ daß es nehmlich mit den eusserlichen in unserm GOttesdienst nicht ausgemacht seye/ sondern daß innerliche vornehmlich dazu ge- hoͤre/ und baher Gott der ein Geist ist/ ein auffrichtiges hertz/ und demnach dieses von uns erfordere/ daß unsere staͤte absicht/ unser stetswehrender innerlicher GOttes- dienst seyn muß: Jch bekenne/ daß dieses fleisch und blut sehr sauer ankoͤmmet/ da es hingegen demselben so sauer nicht wird/ einige stunde oder zeit auff eusserliche geist- liche uͤbungen zu wenden. Jndessen fordert GOTT jenes einmahl von uns/ und will sich hingegen mit diesen von uns nicht abspeisen lassen. So ists auch denjeni- gen durch seine gnade nicht unmoͤglich/ welchen es einmahl ein rechter ernst ist. Denn ob wir wol gerne bekennen/ daß der hoͤchste grad/ welchen wir/ als lang wir noch in dem fleisch leben/ erreichen/ sehr weit von der vollkommenheit/ die das gesetz erfordert/ zuruͤck bleiben/ so wissen wir dennoch/ und trauen es der guͤte unsres him̃- lischen Vaters zu/ daß er es den seelen/ welche ihm gern gefallen wollen/ nicht lasse an kraͤfften manglen/ es dahin zu bringen/ daß sie in einer kindlichen einfaͤltigen auffrichtigkeit/ seine ehre wahrhafftig suchen/ und sie dazu gewaͤhnen koͤnnen/ bey welchen er um CHristi willen mit ihrer schwachheit gedult tragen/ und gefallen an ihm haben wolle: Daher abermahl die meiste entschuldigung der unmoͤglich- keit eines thaͤtigen Christenthums eine ausflucht des fleisches ist/ damit es seine faul- beit bedecken/ und sich von seiner schuldigkeit vergebens loßwuͤrcken will. GOtt ARTIC . II. SECT. XXXIX. GOTT aber und rechtschaffene Christen/ welche solches wohl sehen/ lassen sich damit nicht betruͤgen/ sondern verstehen allemahl/ wo man sich entschuldiget/ man koͤnne nicht/ daß es vielmehr heisse/ man wolle nicht. Jch komme nunmehr auff das gebeth/ da ich zum besondersten nochmahls den himmlischen Vater dan- cke/ welcher ihm den Geist der gnaden und des gebeths bereits in zimlicher maß ge- geben haben muß/ daß er viele dinge in solcher materie erkennet/ welche nicht von allen/ wie sichs geziehmet/ erkant zu werden pflegen: Wie nehmlich in unserem gebet hertz und mund einstimmen muͤße/ wo dasselbige ein GOTT recht wohlge- faͤlliges opffer seyn solle/ und daß das gebeth nicht eben an das buch gebunden seye/ sondern ob wohl der gebethbuͤcher gebrauch/ wo er recht eingerichtet wird/ auch sei- nen nutz haben kan/ daß gleichwohl das vornehmste gebet aus dem hertzen selbst zu GOTT auffsteigen/ und durch die eigene erkaͤntnuͤß unserer beduͤrffnuͤß/ gewir- cket werden muͤsse. Jch sehe auch gerne/ daß er sich die in den psalmen und sonsten in der schrifft befindliche kurtze stoß-gebethlein/ wohl bekant macht; und dersel- ben fleißig gebraucht/ wie sie denn ihre Goͤttliche krafft haben/ und dahero anderen vorgezogen werden muͤssen. Wann aber derselbige von mir etliche von denen vor- geschlagenen materien / aus lauter dergleichen biblischen formuln zusammen ge- setzte gebethe verlanget/ muß ich mich entschuldigen/ nicht daß einem Christlichen freunde zugefallen eine arbeit nicht gerne auffnehmen wolle/ da ich hoffe daß eben dieser brieff ein anders von mir zeugen moͤge; Sondern weil ich bekenne/ daß mei- ne gabe nicht seye/ aus andern formuln ein gebeth zusetzen/ und ob ich mich unter- schiedliche mahl dessen bemuͤhet/ so will es doch nicht wohl von statten gehen; Son- dern ich muß vielmehr aus dem hertzen selbst/ mit mehrer freyheit/ wie mir GOtt die materie und angelegenheit es eingiebet/ meine worte fassen: Da ich bekenne/ daß die redens-arten zwar nicht aus der schrifft genommen sind/ (auffs wenigste ge- hen die gedancken/ nicht eben dahin) aber selbst versichere mich/ daß sie Goͤttlichen worte gemaͤß sind. Wie also die gaben unterschiedlich sind/ so schaͤtze ich die jeni- ge hoch/ denen aus der uͤbung die vorher von andere heiligen auch gebrauchte for- muln stets zu fallen/ und GOTT sie also in ihnen wuͤrcket. Jch kan mir aber sol- che nicht geben/ und weil ich/ was meinen eigenen gebrauch anlanget/ durch einen solchen zwang/ vielmehr meine andacht stoͤhren wuͤrde/ finde ich rathsamer/ auch hierinnen demjenigen zufolgen/ wie mich GOttes Geist selbst darinnen leitet; zweif- fele auch nicht/ daß dessen liebe/ diese meine entschuldigung nicht uͤbel nehmen werde/ als die auff der wahrheit gegruͤndet ist/ sondern vielmehr sich entweder selbst ver- gnuͤgen/ mit denen aus eigener andacht zusammengesetzten Davidischen stoß-ge- bethlein/ oder sich anderer arbeit gebrauchen; Da ich unter allen gebeths-formuln die meisten aus Johann Arndten paradieß gaͤrtlein die besten und kraͤfftigsten zu seyen finde/ und deswegen vor anderen recommendi re. Jch bin auch bereit/ nach dem der vor etlichen monaten verstorbene Christliche Propst zu Berlin/ Herr N n n n n Teu- Das sechste Capitel. Teuber nicht lange vorher drucken lassen ein Goͤttliches gebetbuch (wie er es nennet) da alle solche Biblische formuln/ und ihre titel auch nach den bitten des Va- terunsers/ zusammen getragen sind/ solches/ wenn mir wege gezeiget werden/ wie es am besten zu uͤberschuͤcken waͤre/ mitzutheilen/ ob villeicht solches zu diesem zweck dienlich seyen moͤchte. Jch ruffe aber vornehmlich und schließlich den himmlischen Vater demuͤ- thigst an/ der noch ferner den Geist des gebeths ihm reichlich verleihen/ und selbst/ was ihm gefaͤllig/ in ihm wircken/ hingegen seine taͤgliche opffer vor sich und ande- re/ einen suͤssen geruch fuͤr seinen angesicht seyen lassen/ ferner den mangel der eus- serlichen augen/ mit seinen innerlichen seelen lichte/ desto uͤberfluͤßiger ersetzen/ ihn in allen guten wercken seinen willen zuthun fertig machen/ und in ihm/ was vor ihm gefaͤllig ist durch JESUM CHRJSTUM schaffen/ so dann auch zu ertragung der aufferlegten last geziemende gedult verleihen wolle/ womit in der Goͤttlichen treuen obhut zu allen Christlichen wohlwesen deroselben mit seinem hause und Christlichen freunden befehlende/ verbleibe meines vielgeliebten freundes zu gebet und liebe williger ꝛc. den 29. Sept. 1690. Wenn ich etwas zusenden gelegenheit bekomme/ oder mir dieselbe an die hand gegeben wird/ so schicke auch meine predigten wider die liebe der welt/ da die frage mit eroͤrtert ist/ von wiederkehr derer wider in die welt verpflochtenen. Jh- ren Christlichen Predigern/ ob wohl unbekant/ bitte auch bey gelegenheit einen bruͤderlichen gruß anzuzeigen. NB. Es hat Herr D. Schelwig seinem itinerario Antipietistico p. 91. u. f. Diese brieff antrucken lassen/ aber so vitiose, daß er an unterschiedlichen orten keinen richtigen verstand hat. Weil ich nun keine copiam desselben behalten/ oder doch diese nicht finde/ habe nur nach gutduͤncken/ wie es vermuthe geheissen zu haben/ corrigi ren muͤssen. SECTIO XL. Das gnte wird insgemein gelaͤstert. Dreßdi- sches Edict. Der spruch 2. Cor. 12/ 9. Was es vor schwach- heit. 1. Tim. 5/ 8. Quedlinburgischer catechismus. Be- suchung der predigten an fremden ort. Vorsichtigkeit in verrichtung des guten. Jch ARTIC. II. SECTIO XL. J Ch dancke dem treuen Vater in kidlicher demuth/ daß er mir auch aus den- selben eine neue freude gegeben/ daraus zu vernehmen/ daß auch ihres orts mehrere seelen auffgemuntert werden/ aus der sicherheit auffzustehen/ und dasjenige was das einige nothwendige ist/ sich auch vor allem andern angelegen seyn lassen. Und woruͤber sollen wir uns mehr und inniglicher freuen/ als wo wir se- hen oder hoͤren/ daß das reich GOttes/ so da nicht in worten und nach der schrifft aus der vernunfft gemachten concepten / sondern in krafft und geist/ daß die in dem Goͤttlichen wort vorgestellte wahrheit auch tieff in die hertzen eingedrucket wer- den/ bestehet/ an mehrern orten mit gewalt durchbricht/ und die heucheley der jeni- gen/ welche die rechtschaffene Gottseligkeit der heucheley und scheinheiligkeit gemei- niglich beschuldigen/ desto mehr offenbahret und beschaͤmet? Deme auch was sich schon demselbigen widersetzet/ nichts dermassen wird widerstehen koͤnnen/ daß es nicht endlichen durchbrechen muͤsste. Jndessen befremdet mich dieses nicht/ was derselbe meldet/ daß bereits auch ihres orts der sich etwas mehr als vorher hervorthuende eiffer der welt schon so in die augen sticht/ daß sie nach ihres fuͤrsten art einen erblickten funcken gern mit aller- ley laͤsterungen ausloͤschen wolte. Dann was wolten wir uns anders von ihr ver- sehen/ als was ihrer art gemaͤß ist/ nehmlich eines hasses gegen das gute/ dardurch sie ihr wesen wegen des gegensatzes in scham gesetzt zu werden sorget/ und derglei- chen mittel solchen haß auszuuͤben/ die darzu dienlich sind? Nun mag die wahrheit dem guten nicht schaden thun/ so muß es also mit luͤgen und verleumden versucht werden: wie an allen orten die exempel zeigen: daß wir sagen moͤgen/ es werde an allen orten einerley spiel getrieben/ nur mit verwechselung der personen. Was man gegen die besprachung fuͤnf Christl. personen/ sonderlich in eines predigershauß (dendabey gewesen zuseyen vermuthe) welche auch nur einmahl geschehen/ auch nur mit einem vernuͤnfftigen schein reden oder auffbringen koͤnne/ sehe ich nicht: und da man die sache ja genauer zu untersuchen wuͤrdig geachtet/ haben sich solche leut sol- ches auch nicht leid seyn zu lassen/ weil ihre unschuld/ dero mich versichert halte/ durch die genaueste aber auffrichtige und gerechte forschung nur desto offenbahrer werden muß/ welches zur befoͤrderung des guten vermittels Goͤttlicher guͤte heil- samlich ausschlagen kan. Daß zwar etwas davon hiehergebracht solte seyen worden/ ist mir nicht das geringste wissend/ jedoch kan es auch nicht wiedersprechen/ nicht geschehen zu seyn/ als dem was in dem geheimen rath kommet selten kund wird. Was den Chur- fuͤrstlichen befehl wegen der conventiculorum / so nach Leipzig ergangen/ anlan- get/ laͤsset meinen zustand/ weil ich selbs in den kirchenrath sitze/ nicht zu/ davon zu schreiben: gnug ists/ daß wo die wort in ihrem rigor bleiben/ man sich nicht zu beschwehren/ und wo dergleichen conventicula / wie sie daselbs bezeichnet (ob aber dergleichen also gehalten worden/ uͤberlasse ich andern) gehalten worden waͤren/ sie N n n n n 2 mit Das sechste Capitel. mit guten fug muͤgen verboten werden: wo man aber die sache weiter ausdaͤh- net/ berufft man sich vergebens auff solches patent. Die gethane fragen anlangend/ so diene darauff 1.) 2. Corinth. 12/ 9. wird nicht eine suͤndliche schwachheit verstanden/ dann es an sich ungereimt ist/ daß sich Paulus derselben solte ruͤhmen/ und gutes muths daruͤber seyen/ oder wie es gar lautet wohlgefallen dran haben: Da wir hingegen seine sehnliche klage daruͤber Rom. 7. lesen und ja niemand an der suͤnde freude haben oder rurm suchen darff: so koͤnte auch die Goͤttliche krafft in derselben nicht vollendet werden. Da- her die auff die saͤudliche schwachheit eine absicht haben wollen/ eine fernere wort- blum darinnen suchen/ daß die schwachheit heisse die erkaͤntuuͤß seiner menschlichen schwachheit/ wie Herr D. Calovius schreibet: alii agnitionem infirmitatis facere ad perfectionem gratiæ exhibitionem intelligunt. Es ist aber zu weit gesucht/ und will es Herr D. Calovius selbs lieber von dem leiden des Apostels vernehmen. Und solchen verstand werden wir an andern orten finden/ nehmlich daß die schwachheit des Apostels heisse so wol seine veraͤchtliche und unansehnliche gestalt nach dem eusserlichen/ als allerley leiden einstheils eusserlich der verfol- gungen seiner feinden/ anderntheils innerlich in anfechtungen/ deren er sich nicht gnug erwehren oder frey machen konte. Dieser verstand wird gnug erhellen/ wo wir die stellen einsehen 1. Cor. 2/ 3. 2. Cor. 10/ 10. 11. 21. 29. 30. Gal. 4/ 13. Die sich gewiß zu den suͤndlichen schwachheiten allerdings nicht schicken. Daher auch un- ser liebe Lutherus es auff das leiden des Apostels ziehet. Zwar bey 2. Cor. 11/ 29. hat er diese randgloß: Mit dem schwachen im glauben thaͤt und ließer viel/ daß er wol andere macht hatte/ wie er 1. Corinth. 9/ 12. sagt und brante/ das ist es verdroß ihn hart/ wenn man die schwachen aͤrgerto. Da er zwar in dem ersten wort die schwachheit des glaubens verstehet/ die daher suͤndlich ist/ aber bey dem Apostel nimmt ers an/ als von seinem hertzlichen mitleiden mit der andern schwachheit geredet/ welches gewiß nicht eine suͤndliche schwachheit ist. Anders wo redet er deutlich von dem leiden/ als bey 2. Cor. 12/ 9. mit diesen worten troͤ- stet CHRJSTUS alle die in schwachheit oder leiden sind/ denn er kan sei- ne staͤrcke in uns nicht beweisen/ wir seyen denn schwach und leiden. Son- derlich aber erklaͤhret er sich uͤber Gal. 4/ 13. Tom. 6. Altenb. f. 786. a. Wenn Sanct Paulus hie von der schwachheit nach dem fleisch redet/ will er nicht gemeinet noch verstanden haben eine kranckheit oder anfechtnng zur un- keuschheit/ sondern er redet von der leiblichen verfolgung/ so er dazumahl hat leiden muͤßen. Er nennets aber eine schwachheit nach dem fleisch/ daß er sie der krafft und staͤrcke des Geistes entgegen setzet: Wiederum: Siehe solche leibliche truͤbsalen und verfolgung nennet er schwachheit nach dem fleisch/ darum redet er von leiblicher noth und leiden: als wolt er sagen zur zeit/ als ich das Evangelium bey euch Galatern predigte/ war ich mit ARTIC. II . SECT. XL. mit viel und mancherley unfall und widerwertigkeit beladen und umgeben/ da musst ich mich auf allen seiten fuͤr luͤsten und gefahr besorgen/ von Juden/ Heyden/ und falschen bruͤdern: Da war allent- halben angst und noth/ außwendig streit/ inwendig forcht/ zit- tern und zagen/ mangel/ kummer und armuth. m. f. w. darauf er auch die- sen ort 2. Cor. 12/ 9. ansuͤhret/ und auff solchem verstand erklaͤhret/ von dessen so gegruͤndeter außlegung wir zu weichen nicht ursach haben. Es gehen auch davon andere unsere Christliche lehrer nicht ab: alß wenn in der Weinmarschen Bibel die wort 2. Cor. 11/ 30. so gloßiret werden: meiner schwachheit/ daß ich um des Evangeli i willen so viel muͤhe/ gefahr/ widerwertigkeit und unge- mach außgestanden. Wiederum 2. Cor. 12/ 9. es gereichet mir zu ehren/ daß ich durch dich/ ob duglelch ein schwacher wol geplagter mensch und taͤglich vielen angefechtungen unterworffen bist: nochmahl/ schwachheit meiner vielfaͤltigen truͤbsalen/ und Gal. 4/ 13. schwachheit/ ohne aͤusserlichem pracht und glantz/ unter viel haß und anstoß in schlechter verachter gestalt. So redet auch Flacius uͤber Gal. 4/ 13. Forte etiam suas cruces \& pericuIa commemorat, in quibus perrexerit eos docere: p.p. da er den ort 1. Cor. 2/ 3. angefuͤhret: ut recte queas intelligere varias cruces \& afflictiones, qui- bus perpetuo exercebatur adeo ut eo nihil esset abjectius, si externam speciem inspexisses. Herr D. Calovii zeugnuͤß ist bereits angefuͤhret/ dazu ich noch das andere aus ihm setze uͤber Gal. 4/ 13. wo er die schwachheit des Apo- stels also ansiehet: Agit de suæ personæ infirmitate despicatui habita, tum quod vilis, abjectus \& contemtus venerit, tum quod variis contumeliis, persecutionibus ac periculis obnoxius fuerit. Unter den aͤltern erklehret der liebe Ægid. Hunnius den ort 2. Cor. 13/ 30. in infirmitate sua, id est in laboribus, quos sustinuit, in molestiis, quas devoravit, in periculis, quæ adiit, in tribulationibus, quas sensit, in hujus vitæ incommoditatibus, quas propter Evangelium Christi expertas est. Es ist aber die sache so klahr und offenbahr/ daß es nicht vielmehr zeugnuͤssen bedoͤrffen wird/ ich wuͤrde auch diese nicht angefuͤhret haben/ wo wir nicht zu einer solchen zeit lebten/ da man so schwer eine auch best gegruͤndete erklaͤhrung annehmen will/ wo sie nicht mit ande- rer lehrer zeugnuͤssen befestiget wird. Bleibet also dabey/ die schwachheit heisse hie nicht eigenlich suͤndliche schwach- heit/ sondern das leyden der verfolgung und der anfechtung/ dazu noch die natuͤrli- che schwachheit des Apostels wird zu setzen seyen/ daß nemlich dieselbe/ nach welcher dem fleisch das leyden allezeit widrig und bitter ist (so gar daß auch unser Heyland/ der ohne suͤnde war/ eine schwachheit in ansehung und fuͤhlung seines leidens em- pfunden hat. Matth. 26/ 39. Joh. 12/ 27. 13. 21. ) noch nicht also durch den geist uͤber wunden gewesen/ daß er mit lauter freudigkeit das leyden haͤtte moͤgen tꝛa- N n n n n 3 gen Das sechste Capitel. gen/ sondern gefuͤhlet hat/ wie schwehr es ihm falle. Welche schwachheit gleich- wol an sich selbs nicht suͤndlich ist. Wo aber einige diesen spruch dannoch von den suͤndlichen schwachheiten verstehen/ und damit sich in ihrer sicherheit staͤrcken wol- len/ moͤgen sie wol zusehen/ daß sie nicht mit dem ruhm ihrer schwachheit vor den heiligen augen GOttes ihre suͤnde noch dazu vermehren. 2.) Was den andern ort anlangt 1. Tim. 5/ 8. bin ich nicht in abrede/ daß ihn biß dahin anders/ nemlich von der sorge der eltern vor die kinder verstanden ha- be/ daß jenen obligen/ gleich wie die kinder in der forcht GOttes zu erziehen/ also auch ohne geitz/ ungerechtigkeit und versaͤumung der liebe des nechsten/ in dem zeit- lichen also vor sie zu sorgen/ daß sie moͤgen wol erzogen werden/ und nicht wo die eltern nachlaͤßig und faul waͤren/ auch alles das ihrige verthaͤten/ der gemeinde zur last uͤber den halß fallen: Jch habe aber von kurtzer zeit aus anderer veranlas- sung den text anders anfangen einzusehen/ daß ich nun fast nicht zweifle/ es werde von der versorgung alter und unvermoͤglicher eltern geredet/ und diese den kindern befohlen. Welches der gantze context und die absicht des Apostels/ die da war/ zu zeigen welche witwen aus der gemeinde guͤtigkeit unterhalten werden solten/ mit sich bringet: sonderlich v. 4. da außtruͤcklich davon geredet wird/ daß die wit- wen nicht dazu gezogen werden solten/ die kinder und neffen haben: da heist es/ solche (nicht die witwen/ sondern kinder und neffen/ wie es dann der pluralis ist/ da von der witwe in singulari geredet wird) laß zuvor (ehe sie die kirche be- schwehren) lernen ihre haͤuser goͤttlich regieren (zu welcher gottseligkeit auch das folgende gehoͤret) und den eltern gleiches vergelten/ also wie sie/ da sie sich nicht selbs versorgen koͤnten von den eltern unterhalten worden/ ihnen in ihrem un- vermoͤglichen stande auff gleiche weise begegnen. Auff dieses zeigt der Apostel ferner/ welches hingegen eine rechte und also der gemeinen wolthat wuͤrdige wit- we seye v. 5. 6. darauff v. 7. erinnert er/ daß sie dergleichen wol in acht nehmen sol- len. Endlich v. 8. folget die ursach/ warum man sich/ sonderlich von seiten der kinder gegen ihre alte muͤttern/ dergleichen treue solle lassen angelegen seyen/ will so gar wer die seinige nicht versoꝛge/ aͤrger als ein Heyde seye/ und den glauben verlaͤugnet habe/ also vor keinen Christen gehalten werden koͤnne. Wo dann die absicht vornehmlich gerichtet ist/ auff die pflicht der kinder gegen die eltern/ aber die worte gehen allgemeiner/ und drucken die pflicht eines jeden gegen seine hauß- genossen aus. Diese sache finde nun so klar/ daß mich verwundere/ solche nicht eher war- genommen zuhaben. Jch sehe aber/ daß auch andere unserer Christlichen lehrer diesen rechten verstand weisen. Also redet Hunnius, daß der Apostel hie die je- nige straffe/ welche ihren muͤttern und großmuͤttern/ so von alter unvermoͤglich worden die schuldige liebe nicht erweisen. Also uͤber v. 4. gloßiren die Weymarische also/ so aber eine witwe kinder oder neffen/ (kindes kinder) hat/ solche (kinder oder ARTIC. II. SECTIO XL. oder nessen) lasse zu vor (ehe die kirche angelauget werde/ ihre mutter o- der großmutter mit dem allmosen zu versorgen) lernen/ ihre eigne haͤuser goͤttlich regiren/ (ihren muͤttern oder großmuͤttern die nothduͤrfftige hand- reichung zu leisten.) und derer eltern (von denen sie erzogen sind) gleiches ver- gelten (sie ernehren und versorgen/ gleich wie die eltern ihnen zuvor auch gethan haben/ ehe sie erwachsen.) bey v. 8. aber erklaͤren sie die haußgenossen insgemein/ eltern/ kinder und bluts-freunde. Also auch Flacius gedencket bey v. 4. dieses: ejusmodi liberos rectè ab ea educatos grandesque illius vi- duæ præsertim in ejus senectute curam suscipere debere, eamque enu- trie, ne sit necesse Ecclesiam Dei gravari sumptibus. v. 8. setzet er auch die witwen und kinder zusammen/ die an einander die liebesthaten erzeigen solten. Letzlich Herr D. Sebastian Schmidt in seiner Paraphrasi stimmet bey v. 4. auch bey/ und bey v. 7. paraphrasirt ers mit fleiß also: dieses gebiete nicht allein den witwen selbs/ sondern auch ihren kindern/ neffen und anverwandten. m. f. w. Sihe also insgesamt nicht/ was ferner solcher erklaͤhrung mit ziemlichen schein entgegen gesetzet werden koͤnte. Jch komme nun auff den Quedlinburgischen Catechismum/ da mir a- ber leid ist/ daß nicht gnugsam und nach verlangen antworten kan. Jch habe demselben damal/ als ich den meinigen edirte, von einem guten freund gelehnt ge- habt und gelesen/ vor michselbs aber zu bekommen nicht vermocht. Wie mir der- selbe so trefflich wol gefallen/ habe ich in der selbs angefuͤhrten vorrede bezeuget: ob ich aber in dem lesen auch einige stellen bemercket haͤtte/ daran ich angestanden waͤre/ weiß ich mich nicht zu entsinnen/ in dem seither so viel jahr verflossen/ da mir alles ausgefallen: auffs wenigste muß es nichts von einiger wichtigkeit gewesen seyen/ in dem ich sonsten ohne beyerinnerung demselben zu recommendiren ohne zweiffel um die zeit da ich ihn neulich gelesen/ wuͤrde bedenckens gehabt haben. Da- mit ich endlich auch das P. S. und die darinnen vorgestellte materien beruͤhre/ laß ich wol gelten/ daß einiger Christlichen personen ausreisen nach NN. zu Herr NN. predigten andern ungewoͤhnlich vorkommen wird: wo aber die predigt ihres orts dadurch nicht versaͤumet wird/ kan solches niemand verwehꝛet/ und mit gutem grund dargegen gesprochen werden: nur wird sehr zu huͤten seyen/ daß man nicht mit allzuvielen ruhm der erbauung aus der fremden predigt sich den haß der ein- heimischen prediger zu ziehe/ und diese jenen zuꝛ verkleinerung der ihrigen scheinbar ziehen koͤnten. So dann wolte ich auch wuͤnschen/ daß solche gute freunde es nicht eben ordinarie thaͤten/ sondern allein zu weilen/ um die ungleiche urtheil et- licher massen zu vermeiden. Also auch wie niemand Herrn NN. verwehren kan/ daß er Christliche freunde in der nachbarschafft besuche/ so ists auch nicht zu wehren/ denselben in dem hause zu beherbergen. Jedennoch wolte auch da rathen/ daß die besuchungen von andern/ wañ er zu ihnen kom̃t/ nicht so viel geschehen/ daß es Das sechste Capitel. es das ansehen gewinnen moͤchte/ ob nehme er sich durch dergleichen besuchungen/ da sie offters vorgenommen wuͤrden/ einen theil des lehramts an dem ort/ welcher sei- ne ordinari lehrer hat/ davon dero klagen uͤber solchen eingriff einen starcken schein haben wuͤrden. Daher solches also einzurichten/ daß diesen nicht zu viel ge- legenheit/ sich zu beschwehren gegeben werde/ in dem sonsten die hieraus mit dem uͤbrigen Ministerio entstehende mißhelligkeiten und unruhe leicht mehr aͤrger- nuͤß und schaden verursachen moͤchte/ als erbauung und nutzen von solchem zuspruͤ- chen Christlichen zu hoffen waͤre. Jnsgesamt aber bleibet dieses wol die regel/ wie in den dingen/ welche und so fern sie als nothwendig von GOtt erfordert werden/ um des voꝛwands des daher nehmenden aͤꝛgernuͤsses willen/ nichts zu unterlassen ist/ so hats doch etwas eine andere bewandnuͤß mit den dingen/ die nicht bloß noth- wendig sind/ und da/ was davon zu hoffen/ zur noth auch noch auff andere wege sich ersetzen laͤsset/ nemlich daß man daruͤber/ um andern nicht eine gelegenheit zum aͤrgernuͤß/ so uns und viel andere verunruhigen und an anderem guten hindern moͤchte/ zu geben/ sich zu weilen auch dessen zu entschlagen/ oder es doch zu maͤßigen hat/ worvon man sonsten wojene sorge und gefahꝛ nicht waͤre/ gute erbauung hof- fen koͤnte. Welches ich der regel der liebe und Christlichen klugheit allerdings ge- maͤß zu seyn erachte: insgesamt aber das elend unserer zeit beseufftze/ in dero man bey dem guten/ ob mans thun doͤrffe/ und wie mans um nicht anzustossen anzugreif- fen habe/ vielmehr bedenckens haben muß/ als die boͤse nicht bedoͤrffen/ wo sie boͤ- ses zu thun sich vornehmen. Ach der HErr sehe von himmel darein/ erhoͤre die des- wegen zu ihm auffsteigende seufftzer/ und schaffe endlich eine solche huͤlffe/ daß man getrost lehren/ und das gelehrte practicir en moͤge: in dessen gebe er uns gedult der huͤlffe zu erwarten/ und weißheit uns in die zeit zu schicken. 1690. 15. Dec. SECTIO XLII. B ewandnuͤß unsrer zeiten. S tarcke bewegung der gemuͤther. Der welt widerwertigkeit gegen das gu- te: sonderlich auch der Theologorum, Gewiß- heit des siegs. J Ch sage freundlichen danck vor die neuliche bruͤderliche auffmunterung/ so ich nicht ohne bewegung gelesen habe. Es ist freylich an dem/ daß wir ins- gemein alle Christen/ absonderlich wir prediger/ zum kampff beruffen sind/ a- ber diese jetzige zeit scheinet noch vor andern zu erfordern/ daß wir uns auff schweh- rere angriff gefast machen. Das reich Gottes will mehr und mehr durchbrechen/ und hat der HERR hin und wieder/ vieler an manchen orten aus unsrem stande hertzen bey einiger zeit geruͤhret/ zuerkennen/ daß die vorige laulichkeit nichts tau- ge/ ARTIC. II. SECTIO LXI. gen/ und wir zur rettung unsrer seelen ein mehrers thun muͤssen/ als die mei- ste bißher gethan/ sonderlich aber hat er in vielen andren seelen einen ungemeinen hunger und durst erwecket nach der kraͤfftigen speise/ daß sie sich nicht mehr mit der oratorie und menschlichen kunstworten abspeisen lassen wollen/ son- dern verlangen das wort des HErrn mit geist u. krafft vorgetragen/ erkeñen auch bald einen unterscheid unter den treuen und untreuen hirten. Wie denn gewiß diese regung der gemuͤther von mehrern jahren zimlich kantlich angefangen hat/ a- ber je laͤnger je mehr zu nimmet/ und nicht allein das verlangen nach einer fernern besserung bruͤnstig machet/ so auch in viel tausend seuffzen/ die sich fast nicht mehr daͤmpffen lassen/ daß sie nicht in offentlichen laut ausbrechen/ bißdaher sich bezeu- get hat/ sondern auch denen die auff das werck des HErrn sehen (neben einigen din- gen/ da der HErr auch ausser der oꝛdnung sich scheinet anfangen den seinigen kund geben zuwollen) die gewisseste versicherung gibet/ daß sich der liebste Hey- land seiner armen braut erbarmen wolle/ und ihre gestalt bessern. Dieses werden nicht nur allein fromme hertzen gewar/ und immer begiehriger/ nechst freudiger er- wartung der vertroͤsteten huͤlffe des HErrn/ sondern auch der Fuͤrst der finster- nuͤß mercket es allerdings wol/ und suchet sich nach vermoͤgen zuwidersetzen. Daher ruͤstet er sich nicht weniger: die offenbahr boͤse mag er nun leicht weil sie ohne das al- lerdings in seiner gewalt stehen/ nach seinem willen haben/ zu offenbahren u. wissent- lichen luͤgen/ laͤstrungen/ verleumdungen/ und gewaltsamer verfolgung: was andere sind/ die ob sie nicht rechtschaffen vor GOtt/ dannoch einige erbarkeit und froͤmmigkeit in sich haben/ sucht er auf andre weise an sich zu ziehen/ mit forcht vor die reine lehr/ die in gefahr/ und vor den respect des predigamts/ so in abnehmen kommen moͤchte/ oder mit leichtglaͤubiger annehmung aller von gottseligen leuten und dero vornehmen boͤßlich ausgedachten laͤstrungen/ dardurch sie zu einem blin- den eyffer entzuͤndet werden/ und darinnen allerdings recht zu haben meinen: damit haͤlt er sie nicht allein ab/ daß sie zu dem rechtschaffenen wesen in Christo JEsu nie- mal kommen/ sondern vielmehr dasselbige auch andern verdaͤchtig halten/ hassen und jeglicher nach seinem vermoͤgen zu hindern suchen. Die meiste aber/ die er zu seinen werckzeugen gebraucht/ sind leider leute unsers ordens/ die das gute mit dop- pelter verbindlichkeit befordern solten: aber einige sind ohne das in der seelen den guten feind/ und foͤrchte ich/ der Theologus so vor einigen jahren de atheismo Theologorum Lutheranorum schreiben wollen/ den ich aber hertzlich abgerathen/ wuͤrde viele warheit geschrieben haben/ und seyen manche allzuweit von allen/ was nur einiger massen eine wahrheit ist/ entfernet: andeꝛe so es noch auff ihre art nicht so boͤse meinen/ sorgen abermahl nicht allein vor die reinigkeit der lehr (gerade als wann dieselbe durch die ernstliche gottseligkeit gehindert/ uñ nicht vielmehr vortref- lich gefoꝛdert wuͤrde) sondern theils es wuͤrde ihre vorige traͤgheit/ wo andere nun O o o o o mehr Das sechste Capitel. mehr thaͤten/ oder unwissenheit/ wo die zuhoͤrer weiter gefuͤhrt wuͤrden/ dardurch zu schanden werden/ theils weil ihr eigen leben nicht eben mit den rechten reglen Christi uͤbereinkoͤmt/ u. bey einem auch erbaren wandel eigne ehre/ nutzen u. lust die herꝛschafft behaͤlt/ daher abeꝛmal die forcht eingehet/ sie wuͤrden nichts mehꝛ gelten/ wo andere so viel weiter zukommen nicht nur sich bestrebten/ sondern auch dessen nothwendigkeit zeigten. Ob nun also wol aus unterschiedenen principiis und mo- tiven, sind doch alle solche wahrhafftig dem wachsthum des guten von hertzen zu wieder: und also wiedersetzen sie sich entweder bereits/ oder werden sich kuͤnfftig/ wo es zu einem mehrern eꝛnst kommen wird/ zu widersetzen anfangen. Also sihet viel geliebter bruder/ wo wir die sache auch nur nach menschlicher vernunfft ansehen/ daß es nicht anders muͤglich seye/ als daß der kampff immer so viel hefftiger werden muͤsse/ als das gute zunimmet/ und dessen nachfolgere in dem eyffer wachsen: daß vielleicht das bißherige nur noch vorspiele mag heissen gegen das jenige/ was folgen wird. Jndessen ist uns gleichwol der sieg gewiß/ ob wir woll art und zeit nicht be- stimmen koͤnnen/ und nicht wissen/ ob wir in der zeit oder in der ewigkeit unsern tri- umph zuerwarten haben/ ohne daß uns dieses auch sicher bleibet/ daß wo nicht wir/ doch unsre mit-bruͤder/ wann wir nicht mehr da solten seyen/ sondern von der welt uͤberwunden von dem kampff-platz abgetrieben zu seyn scheinen/ noch in der zeit ih- re siegs-lieder dem deꝛ auff den thron sitzet singen werden. Dieses macht uns mu- thig und getrost/ und muntern wir uns billich untereinander hertzlich auff/ damit keiner muͤde werde/ noch aus forcht die haͤnde sincken lasse. So lasset uns also mit glauben/ gedult/ gebet und hoffnung/ als welche unsre einige waffen sind/ ruͤsten/ daß wir wenn das boͤse (wie es von dem feind gemeinet ist/ an sich abeꝛ gute und se- lige) stuͤndlein kommt/ alles wol außrichten und das feld behalten moͤgen. Der bey uns ist/ ist einmal groͤsser/ dann der in der welt ist/ trotz daß dieser ihm den sieg disputire. So hat uns unser liebste JEsus eine weil unsren glauben zustaͤr- cken/ hier und dar einige siege/ die vor der welt augen fast unansehnlich sind/ aber gewiß goͤttlicher krafft zeugnuͤß geben/ erhalten lassen/ damit wir auch hinkuͤnfftig niemal zaghafft werden/ als wormit wir allein unsern sieg/ der versprochen ist/ verderben koͤnten: davor uns der HERR bewahre/ und hingegen so viel die gefahr zunehmen mag/ seine krafft von oben uns auch so viel reichlicher geben wird. Amen Hallelujah. 8. Jan. 1691. SECTIO XLII. V on der klage/ wie wenig man ausrichte. Dessen ursache. Hoffnung kuͤnfftiger besserung/ und dero art. Das ARTIC. II. SECTIO XLII. D As erste war die nicht nur von uns beiderseits/ sondern auch von fast allen andern mit-bruͤdern auch anderwertlich/ fuͤhrende klagen wegen der weni- gen frucht/ so wir mit aller unsrer arbeit bey den gemeinden auszurichten fin- den: da ich nicht zweiffle/ daß wir dessen einige ursach auch selbs auff uns nehmen muͤssen/ und zu bekennen haben/ daß auch an uns manches manglen mag/ und uns zuweilen einweniger maß gegeben wird/ nach dem wir uns eines mehrern unwuͤr- dig machen/ also daß der HERR in unsre seelen/ die noch nicht recht gereiniget/ nicht mehr licht/ seiner ordnung nach/ geben kan/ damit eine auch staͤrckere erleuch- tung von uns bey andern entstuͤnde: indessen halte mich doch versichert/ daß nicht weniger schuld bey den gemeinden seye und hingegen das maaß der uns ertheilten gnade an sich selbs zu voͤlliger heiligung der anvertrauten gnug seyn wuͤrde wo nicht von diesen die meiste sich der guͤtigen goͤttlichem wuͤrckung widersetzten: dazu wir zwar auch letzlich GOttes gericht setzen/ und dessen geꝛechtigkeit veneriren muͤssen/ der manchmal vorige suͤnden derer/ an denen wir zu arbeiten haben/ mit zuruͤck- haltung fernerer gnade bestraffet. Jndessen ist mir hertzlich lieb/ daß derselbe auff die jenige erinnerung gekommen/ daß wir offt nichts ausgerichtet zu haben meinen/ und nachmal durch GOttes regierung eines besseren gewahr werden: daran nicht nur offt gedacht/ die gewißheit dessen/ ob ich auch nichts erfahre/ auff die goͤtt- liche versicherung gesetzet/ und folgends selbs unterschiedliche mal dergleichen exem- pel bemercket/ sie auch als sonderlich zu meiner staͤrckung von dem himmlischen Va- ter angesehen vor neue wolthaten GOttes gehalten habe. Nechst dem ist mir auch von grund der seelen angenehm gewesen/ daß wir beiderseits auch darinnen einstimmig sind/ daß der HERR HERR seiner kirchen noch einigen sonnenschein und besserung versprochen habe/ und also noch vorbehalte. Was aber die art des anbruchs desselben anlangt/ werden wir vielleicht auch darinnen nicht weit von ein- ander abgehen/ daß wir beyde erkennen/ es werde auff eine art geschehen/ die kein mensch voͤllig vorher erkennen oder bestimmen koͤnne/ ja wer sich dessen unternehmen wolte/ ohne vermessenheit solches zu thun nicht vermoͤchte. Ob nicht GOTT freylich neben den ordentlichen gnaden-mitteln/ wo er sein grosses werck wird auß- richten/ manches ausser der ordnung thun moͤchte/ will auch nicht in abrede seyn/ son- dern achte es seiner weißheit nicht ungemaͤß. Jndessen sehe ich dannoch das weni- ge/ was GOtt hie und da in diesen tagen geschehen und auffgehen laͤsset/ auch an/ als etwas dazu gehoͤriges/ nicht daß auff der gleichen gemeine weise das gantze werck zum stande solte gebracht werden/ sondern daß der HERR etwa jetzt eine be- reitung machet der jenigen seelen/ an dero gedult und leyden er in den bevorstehen- den schwehrsten truͤbsalen/ und wo Babel/ vielleicht das letste mal/ die heiligen (der gleichen dann auch vorhanden seyn muͤssen) uͤberwinden solle/ gepriesen werden will: oder daß er die steine allgemach bereitet/ aus denen eꝛ nach solchen schwehr- O o o o o 2 sten Das sechste Capitel. sten veꝛfolgungen/ in denen er sie wol wird zu verwahren wissen/ sein liebes Zion auffs neue wiederum herlicher bauen wird. Also ist weder was jetzt in der gnade geschihet/ das rechte was wir noch warten/ noch von denselben gantz unteꝛschieden/ ja gleichsam dessen vorbote. Lasset uns also unsrer seits mit aller treue an dem je- nigen arbeiten/ wozu uns der HErr gesetzt hat/ ob es wol nur eine vorbereitung ist/ und uns versichren/ daß gleichwol auch solche arbeit nicht werde umsonst seyen/ darneben aber unauffhoͤrlich zu dem HErrn um seine gnaͤdige huͤlffe/ nach dem fast in geist und leiblichem die noth uͤber das vermoͤgen menschlicher huͤlffe gekom- men ist/ seuffzen und ruffen/ damit er seine außerwehlte rette in einer kuͤrtze. ARTIC ARTIC . III. SECT . I. ARTIC. III. Was meinberuff und amts bedie- nung in B erlin anlanget/ und in solche zeit einlaufft. SECTIO . 1. A Als ein jahr vor hero erstmahl wegen hiesiger Propstey/ so damal auch va- cant, durch einen vornehmen geheimen Rath sondirt worden/ erklaͤh- rung. 2. Als wegen Seiner Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit von Sachsen mein amt freywillig zu resigniren mir zugemuthet wurde/ erklaͤhrung an das Churf. Saͤchs. Geheime Raths Collegium. 3. Nach erhaltenen Churfuͤrstlichen vocations- schreiben an das Ministerium in Berlin meine kuͤnfftige Collegas. 4. Schreiben an Buꝛgemeister und Rath zu Berlin nach empfangeneꝛ Churfuͤrst- licher vocation. 5. Von der abreise auch Sachsen unterthaͤnigst abschieds-schreiben an Chur- Printz Joh. Georg. IV. 6. Bey dem abschied aus Sachsen unterthaͤnigstes abschieds-schreiben an den Churfuͤrstl. Printzen Hertzog Friederich August von Sachsen. 7. Den tag vor der abreiß aus Dreßden unterthaͤnigstes abschieds-schreiben an Churfuͤrst Joh. Georg III. 8. Aus meiner vocation nach Berlin von einigen gefaster verdacht abgelei- net. 9. An einen auch dimittirten und anderwerts wieder beruffenen Theologum. Jn Sachsen bin nicht ohne frucht geblieben. Wiederstand des guten von Universitaͤten. D. Carpzovius. Berlinischer stelle bewandnuͤß. Mann will allenthalben die wahrheit weiter als zu einem moral- leben nicht leyden. Gratulation zu neuen amte. 10. Unbilligkeit der Theologorum / die ein schisma intendiren. 11. Das predigamt hat billig der zuhoͤrer unter sich anstellende uͤbungen zu befor- dern und zu schuͤtzen. Mangel der kiꝛchen disciplin. GOTTES rath darinnen. O o o o o 3 12. Nach- Das sechste Capitel. 12. Nach dem tod Churfuͤrst Joh. Georg. III. zu Sachsen unterthaͤnigst condo- lenz -schreiben und wunsch zur angetretenen regierung an Chuꝛfuͤrst Joh. Georg den IV. 13. An eine Fuͤrstliche person/ die den erbarmung wuͤrdigen zustand der kirchen er- kante. Hoffnung der besserung. 14. Uber die anfechtung eines Studiosi Theologiæ, der eine weile fast zu allen untuͤchtig wurde. Ob man von einem gottlosen administratore ein stipen- dium annehmen koͤnne. 15. An den leinweber Joh. Hirschen (siehe art. 2. Sect. 39. ) entschuldigung der langsamkeit der antwort. Meine aͤnderung von Dreßden nach Berlin M. Schade. M. Lehman. Gluͤckwuͤnschung zu einem kinde. Jch weiche nicht von meiner lehre und art des vortrags. 16. An eine Churfuͤrstl. Rath. Chur f uͤrstliches rescript wegen der so genanten Pietisten. Der Gottseligkeit nutzen auch in gemeinen wesen. Wegen aͤnde- rung eines beichtvaters. 17. An einen Fuͤrstlichen Hoffprediger. Schrecklicher irrthum/ vertrauen auff eingebildeten glauben. Leyden daruͤber. Die wahrheit bricht mehr durch. 18. An einen Christlichen Edelman von verderbnuͤß der kirchen und ursach des has- ses gegen die Gottseligkeit. 19. Als uͤber mein edirtes bedencken ein vornehmer mann scrupel gefast wegen vertheidigung der Pietisten/ der von Assenburg und des tausendjaͤhrigen- reichs erklaͤhrung. 20. An Churfuͤrst Joh. Georgen den IV in Sachsen gerechte beschwerde uͤbeꝛ das so mir als andern unter dem nahmen der Pietisten angethanes unrecht. 21. An M. Joh. Christoph Holtzhausen wegen seiner gewissens angst uͤber das veꝛ- messene urtheil wider die Pietisten/ verdammung Jacob Boͤhmens und har- te schreib-art gegen Matthaͤi. 22. Meine außfuͤhrung aus Sachsen und bestaͤndige liebe gegen dasselbige. Von einem vermeinten gespenst. 23. Lehre der Gottseligkeit und goͤttlichen wuͤrckungen werden verlaͤstert. Wie in der that die laͤsterungen zu wiederlegen. 24. An einen Edelmann von Cassuben. Freude uͤber dessen kandnuͤß. Hoffnung von dem sohn. Fraͤulein von der Assenburg. Gefaͤhrliche zeit. Weder tag noch nacht. 25. An M. Joh. Christoph Holtzhausen fernere erinnerung seinem gewissen ruhe zu schaffen. Einen fehler zu bekennen hebt die autorit aͤt des Ministerii nicht auff. Jacob Boͤhme hat einiges retractir et. Bey einem goͤttlichem liech- te kan noch einige finsternuͤß seyen. 26. Noch- ARTIC. III. SECTIO I. 26. Nochmahl an M. Joh. Christ. Holtzhausen uͤber seine declaration / die er mir gesandt. Uberlassung an GOTT und sein gewissen. Ob Jacob Boͤhme etwas revociret : Ob ein mittler weg des urtheils von ihm zu finden. 27. An einen Christlichen schulmeister in Sachsen/ den GOTT von jugend auff gefuͤhret auff den weg der busse und glaubens. Hochachtung der schrifft. Einige Prediger verbieten dero lesung. Wir haben alle zuboͤrer auff dieselbe zu weisen. Maͤßigung des entbrennenden eiffers. Wie auff dem land auch erbauliche buͤcher unter die leute zu bringen. Gebet um besserung. Luc. 18/ 7. 8. Hoffnung desselben. 28. An einen Christlichen Prediger in Sachsen. Jch setze Goͤttlichen worte keine andere offenbahrung zur seiten. Haß fleischlicher Theologorum gegen die lehre der Gottseligkeit aus ihrem interesse. Unsere pflicht in solchem zustand und gewisser sieg. 29. An einem vornehmen Frantzosen/ der aus guten trieb von dem Pabstum zu uns getreten. Salbung des Geistes wenig bekant. Die kirche ihrer gebrechen wegen nicht zuverlassen/ sondern erbarung mit zutragen. Zum predigamt ist neben der salbung auch der beruff noͤthig. 30. An Churfuͤrst Johann Georg IV. von Sachsen auff begehren widerholte be- schwerde uͤber das unbillige verfahren in der sache Pietismi. 31. Jch lielle keinen streit noch bin an den entstandenen schuld. Deswegen auch bey der sache freudig. Warum uͤber Jacob Boͤhmen nicht urtheilen noch ihn verwerffen kan. Ob ein mittler weg zu finden. Hoffnung zu GOtt zu entschuldigung der sache. 32. Gabe des gebets. Verlangen den nahmen GOttes groß zu machen/ daß nichts ausser ordentliches habe. Durch vorbitte vor andern mehr in die ge- meinschafft der heiligen einzutringen. Was von ermanglender lust zuster- ben zu halten. 33. Von den gerichten unserer zeiten in unterschiedlichen stuͤcken. 34. An den Churfuͤrsten zu Sachsen als meine verantwortuug gegen die Witten- bergische Facul taͤt Seiner Churf. Durchl. dedicir te. 35. Gegen die Pietisten / wird nicht uͤber die lehre gestritten. Interesse in solcher sache der clerisey und Doctorum Academicorum. 36. An eine Adeliche Jungfrau in Sachsen. Derselben vor diesem ertheilete trost. Betruͤbnuͤß uͤber der unruhe in die kirchen. Ob und was vor eine reforma- tion intendi ret werde. Jch bin von der Evangelischen lehre im geringsten nicht abgetreten: noch auch andere dessen beschuldigte/ sonderlich M. Franck. Dieser laͤstert Lutheri dolmetschung nicht/ noch begehrt sie den leu- ten zu verleiden. Alle Theologi haben zu allen zeiten gleiche oder mehrere freyheit gebraucht. 37. Viele Das sechste Capitel. 37. Viele greiffen mich an um mein selbs und meiner freunde willen. Hertzliches gebet vor mich und dessen frucht. 38. Als man mir in der sache des beichtwesens/ alles auff die spitze zusetzen/ zumuh- tete. 39. Von meinem zustand/ unschuld und verlangen keine freunde meines leydens theilhafftig zu machen. 40. Als J. Peter Spaͤth zum Judenthum abgetreten. Letztes schreiben an ihn. 41. Als eine Graͤffin/ von den wahren ursachen der vielen wiederwaͤrtigen gegen mich. Treibung der lehr der heiligung. Mehrere forderung an das predigamt. Hoffnung besserer zeiten. Daß die unruhe nicht erweise daß unsere kirche nicht die wahre kirche seye: Gefahr vom Papstum. 42. Klage uͤber die universi taͤt Wittenberg. 43. Meine art zu verfahren. Kurtze anschlaͤge und beginnen nicht die beste. Wie man sich jeglicher zeit zu verhalten. Fingi rung neuer secte der Pietisten. Daß den widersachern nicht mehr antworten wolle. Mittelstrasse wegen der Symboli schen buͤcher Churfuͤrstliches decisum wegen der beicht freyheit ob geaͤndert. 44. Daß meine lehre/ sonderlich von haltung Goͤttlicher gebote/ mit Lutheri lehr voͤllig uͤbereinstimme. SECTIO I. A ls ein jahr vorhero erstmal wegen hiesigen Propstey/ damahl noch vacant/ durch einen vornehmen geheimen rath sondiret worden/ erklaͤh- rung. M Je ich Ew. Excell. gegen mich tragender sonderbahren affection von mehrern jahren auff unterschiedliche art bisher versichert worden bin/ also habe dero letzteres durch des Heꝛꝛn N.N. Excell. uͤberbrachtes als ein neues zeugnuͤß deꝛselben anzusehen/ ob wohl in nicht geꝛinge unruhe des gemuͤths daꝛdurch gesetzet worden zu seyen dabey nicht in abrede seyn kan: Jch habe aber in Christlicher uͤberlegung des gantzen in dero schreiben vorgestellten geschaͤffts zum all b efoͤꝛdeꝛsten die ewige guͤte des him̃lischen Vaters mit demuͤhtigstẽ danck zu preisen/ so ihren neuẽ knecht zu der zeit/ da sich der jenigẽ/ die mir zu wider seyen/ zimlich viele offenbahren/ mit neuemzeugnuͤß guͤtigster vorsorge nicht wenig troͤstet und staͤrcket/ und wie ich in gewissen glauben mich versichere/ alles weißlich zum besten ausfuͤhren wird. Nechst ARTIC. III. SECTIO I. Nechst deme bin auch unterthaͤnigsten danck schuldig Seiner Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit von Brandenburg/ so durch gnaͤdigste absicht auff einige meine beforderung zu der Evangelischen in dero lande kirchendienst dero gnade gegen mich zu bezeugen geruhet; Dergleichen ich um dieselbe nicht verdienet/ ob zwar dieses auch nicht in abrede bin/ daß bereits von mehrern jahren/ wie des gesamten hohen Churhauses/ also auch dero glorwuͤrdigen Herrn Vaters/ und nunmehr de- ro theuren person/ vor dem angesicht des HERREN zu gedencken mich verbun- den erkant habe. Jch sage aber auch gehorsamen danck Ew. Excell. in dieser sache auffs neue gegen mich bezeigte gewogenheit und sorge/ auch ferner großguͤnstigen anerbietung ihres hohen favors / so ich in schuldiger veneration billich halte. Wann ich aber zu der sache selbs so bald schreiten solle/ leugne ich nicht/ daß mich der allweise GOTT durch dieses geschaͤfft in einen solchen stand setzet/ dessen schwehre sonderlich als auch die mutation auff hieher vor war/ ich bereits genugsam gefuͤh- let/ und nicht widerum in dergleichen versuchung zu kommen gehoffet habe: hinge- gen Goͤttlichen rath hierinnen mit kindlicher demuth veneri ren solle/ da solcher auffs neue die proben des glaubens und gehorsams von mir fordert. Seine ewige guͤte ruͤhme ich billich darinn/ daß sie von der ersten stunde dieser sache mein hertz ge- neiget zu einer willigẽ unterwerffung unter dero willen/ hier zu bleiben oder weg zu gehen/ wo ich denselben voͤllig erkennen solte: Aber dahinaus gehet alle meine sorge/ nicht ohne ziemliche beaͤnstigung/ wie ich den willen meines guͤtigsten Vaters ohne fehl und kuͤnfftigen scrupul erkennen moͤgen; in dem es als dann an williger folge auff ein oder andere seite durch seine gnade nicht manglen solle. Waͤre es sache/ daß ich gantz frey stuͤnde/ oder aus GOttes verhaͤngnuͤß von jetziger stelle schlechter dings ausgestossen und dimittiret wuͤrde/ so koͤnnen Euer Excell. sich großguͤnstig versichern/ daß mirs eine sonderbahre freude seyen/ und vor eine wohlthat GOt- tes erkant werden solte/ der gnade eines solchen Potentaten versichert zu werden/ und unter desselben gnaͤdigsten schutz dem Evangelio zu dienen/ dessen nicht nur uͤ- brige hoͤchstruͤhmliche Regenten tugenden/ sondern vornehmlichẽ dessen eiffrige vor- sorge/ GOttes ehre und alles zu solchen zweck abziehlendes treulich und kraͤfftig zu befoͤrdern/ mir von guter zeit bekant worden/ und bey mir und allen andern den HErrn und sein reich liebenden eine schuldige veneration erwecket hat: weswe- gen es keiner oder weniger deliberation zu endlicher entschliessung in solchem fall von noͤthen seyen wuͤrde. Es stehet aber mit mir/ wie zwar auch mit andern bereits in diensten lebenden/ in dem stande/ daß Goͤttlichen willen bey meinem antrag zu er- kennen so leicht nicht wird. Daß ich durch einen sonderbahren rath GOttes von mei- ner lieben gemeinde zu Franckfurt am Mayn abgerißen/ und hieher gefuͤhret wor- den seye/ bin ich auff vielerley/ auch einige fast ungemeine arten dermassen uͤber- z euͤget/ daß mir solcher ruff nicht ungewisser ist/ als ob ich denselben selbs von him- P p p p p mel Das sechste Capitel. mel herab gehoͤret haͤtte/ daher ich auch versichert bin/ daß der allerhoͤchste seine weise und wichtige ursachen gehabt/ mich hieher zu senden. Ob nun schon diese vier jahr uͤber wohl vielmehrers von mir ausgerichtet worden zu seyen gefordert werden koͤnte/ ich auch mehr mit betruͤbnuͤß was noch zu ruͤck geblieben/ als was ausge- richtet worden mit freuden/ ansehe/ so vin ich doch dessen versichert/ daß der treue GOTT seines elenden knechts schwache arbeit an mehrern zu segnen nicht unter- lassen habe/ ja daß mancher widerstand/ den ich fuͤhle/ mir ein zeugnuͤß gebe/ wie das werck des HERREN durch mich armen dem teuffel mehr als gemein wehe thue/ daher er sich desto mehr streubet/ aber eben deswegen hoffnung seyen mag wo ich in gedult und demuth GOTT still haltende in der arbeit fortfahre/ daß so viel kraͤfftiger manches noch uͤber hoffnung durchbrechen/ und ich hingegen wo ich zu fruͤ- he dem HErrn aus der arbeit gienge/ selbs mit kuͤnfftiger dessen bereuung und schwehrer verantwortung seyn werck hindern moͤchte. Welche betrachtung er- fordert/ daß ich meine station nicht verlasse/ ohne des Goͤttlichen willens hieruͤber eben so gewisse versicherung/ als diejenige gewesen ist/ welche mich hieher gebracht hat. So viel mehr nach dem ich zwar nicht in abrede bin/ daß das gemuͤth der je- nigen hohen person/ vor welche vornehmlich mir dieß verordnet solte seyen/ nach Got- tes verhengung eine zeitlang von mir abgewendet seye/ so dann an nicht wenigern haß unterschiedlicher anderer/ auch welches das betruͤbteste ist/ meines eigenen or- dinis / nicht zu zweifflen habe/ vielmehr dessen fruͤchten und manchen widerstand verspuͤhre; so hat mich dennoch der Allmaͤchtige durch seine gewaltige hand noch biß daher bey meinem beruff also geschuͤtzet/ u. so hoher als anderer vornehmen per- sonen hertzen mir heuͤffig zu geneiget/ daß mir nichts uͤbels zugefuͤget hat werden doͤrffen/ sonderlich aber/ daß mir selbs die haͤnde in meinen geistlichen verrichtungen annoch nicht gebunden worden/ hingegen diese vielen seelen angenehm geblieben sind. Daher wo ich mich uͤber verfolgung beklagte/ darinnen zu viel thun wuͤrde/ und also nicht sagen koͤnte/ daß um solcher ursach willen/ ob wohl der HERR etwa meinen glauben und gedult mit mehrerem noch zu uͤben versehen moͤchte/ in dem gewissen befugt waͤre/ meinem vorigen so gewiß Goͤttlichen beruff deswegen zu ver- lassen. Zwar ists an dem/ wo ich die gnaͤdigst zu gedachte præpositur erwege/ dieselbe gegen der jetzigen so wol nach meinem gemuͤth und lebens art/ sonderlich weil die freyheit von beichtstuhl dabey ist/ bequemer scheinet/ als auch bey einer grossen gemeinde mehr nutzen zuschaffen die hoffnung gefasst werden koͤnte/ daß also der menschliche wille bey mir/ sonderlich weil auch nicht zu zweifflen/ daß in den zeitlichen vor mich und die meinige ein noͤthiges auskommen finden wuͤrde/ etwa ohne zu sol- cher stelle incsiniren als mich davon abhalten moͤchte. Jch erkenne aber gar wol/ daß weder was unser nutze oder gemaͤchlichkeit und eigen belieben ist die regel unse- rer wahl seyen darff/ noch allezeit die groͤsse der gemeinde gegen eine andere gehalten die ARTI C. III. SECTIO I. die gewisse versicherung der mehrern erbauung gibet. Daher ich billich zu beru- higung meines gewissens/ mehrere und kantlichere zeugnuͤssen des Goͤttlichen wil- lens uͤber eine aͤnderung noͤthig habe. Und solches so vielmehr/ weil an solcher ge- wißheit alles gelegen ist/ und wo ich wider Goͤttlichen willen endlich hie bliebe/ oder wider denselben weggienge/ ich mich alsdann in solchem stande keines Goͤttlichen segens zu getroͤsten habe/ sondern der HErr mich entweder so bald weggerissen/ oď doch meine gaben entziehen/ und also niemand viel nutzen mehr von mir haben wuͤr- de. Welche betrachtung so wohl von seiten der berrffenden/ als von welchen ich abgeruffen werden solte/ und meiner eigenen/ erfordert/ daß auff nichts sorgfaͤltiger gesehen werde/ als woraus wir allerseits in der gantzen sache den Goͤttlichen willen gnugsam erkennen moͤchten. Nun hat zwar GOTT einigen seiner diener so vie- les liecht und krafft verliehen daß sie in dergleichen faͤllen nach hertzlichem gebet/ und Gottseliger uͤberlegung der sache zu einer gewißheit in denen hertzen kommen koͤn- nen/ und gleichsam den innerlichen beruff bey sich selbs fuͤhlen: ich bin aber nicht in abrede daß mir solche gnade nicht gegeben seye/ weswegen ich auch niemahl vor mich zu dergleichen gewißheit habe zukommen vermocht/ sondern es allezeit auff an- derer ausspruch in Goͤttlicher ordnung habe muͤssen kommen lassen. Daher ich nach bißherigen gebet und erwegung der umstaͤnde auch dieses mahl kaum einigen andern weg zu gehen getraue. Wie dann nun bey meiner aͤnderung von Straß- burg nach Franckfurth ich die decision schlechter dings dem jenigen was die beyde staͤtte sich uͤber mich mit einander vereinbahren wuͤrden/ uͤberlassen/ als aber von Franckfurt hieher beruffen wurde/ der erkaͤntnuͤß solcher statt rath als meine O- brigkeit/ gleichwohl mit starcker obtestation Goͤttlichen willen wol zu pruͤfen/ uͤ- bergeben habe/ darauff zwar folgte/ nach dem sie sich Goͤttlichen willen zu deter- miniren nicht getraute/ daß man untereinander auff gewisse Theologos compro- mittirte / dero decisum uns deyderseits obligiren solte; also wuͤrde ich auch diß- mahl in dieser ordnung zu bleiben haben. Dahero Ew . Excell. ich nicht wohl vor dieses mahl anderszu antworten weiß/ als daß ich zu allen zeiten Goͤttlichen erkanten willen unverlaͤngt folge zu leisten bereit seye. Wuͤrde also ferner un- terthaͤnigst zubitten habendaß zum aller foͤrdersten Seine Churfuͤrstliche Durch- lauchtigkeit von Brandenburg oder diejenige/ welche dieselbe das geschaͤfft anzube- fhelen beliebten/ gnaͤdigst geruhen wolten/ die obige momenta meines uͤbrigen be- ruffes und zustandes nochmahl eine zeitlang reifflich vor dem HERRN zu erwe- gen/ ob an der zu gedachten stelle/ als viel menschen vorzusehen vermoͤchten/ mehr als bey meinen gegenwaͤrtigen zustand auszurichten/ und insgesamt den umstaͤn- den Goͤttlicher wille als dahin ziehlende anzusehen waͤre: solte sich dann die wag- schal in der berathschlagung dahin neigen/ daß ich aus meinen jetzigen beruff an- noch nicht abzufordern/ und also mein bleiben allhier dem rath GOttes gemaͤsser waͤre/ so wuͤrde als denn die gnaͤdigste resolution auff eine andere person/ welche P p p p p 2 der Das sechste Capitel. der HERR zeigen moͤchte/ gefasset werden/ und nichts desto weniger Seiner Churfuͤrstlichen Duꝛchlauchtigkeit vor dero gnaͤdigste intention zeit lebens zu alle m unterthaͤnigsten danck/ gehorsam und fortsetzung meines gebets verpflichtet blei- ben. Ergebe sich aber der schluß dahin/ daß man davor hielte/ ohne wider GOt- tes willen zu thun es zu einer wuͤrcklichen vocation gelangen zu lassen/ so wuͤrden Seine Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit zu Brandenburg an Seiner Chur- fuͤrstlichen Durchlauchtigkeit zu Sachsen/ in dessen als meines jetzigen gnaͤdigsten Herrn pflichten ich stehe/ ein freundliches schreiben meinet wegen und um meine dimission abgehen zu lassen nicht bedenckens tragen/ ich aber dasselbe mir zu gefer- tigt unterthaͤnigst uͤber antworten lassen/ und wo als dann nach ohne zweiffel dar- uͤber gepflogene deliberation der grosse GOTT das hertz meines gnaͤdigsten Herrn hinlencken und den schluß ausfallen lassen wuͤrde/ ich als denn mir dardurch in seiner ordnung geoffenbahrten seinen willen auff ein oder andere seite zur regel meiner folge und verhaltens setzen und annehmen/ und verhoffentlich dabey die ruhe eines gewissens finden. Den grossen GOTT und himmlischen Vater ruffe ich schließlich demuͤthigst an/ der auch dieses gantze werck/ so ich nicht geringer wichtig- keit zu seyen erkenne/ also regieren/ und deswegen die hertzen derjenigen/ die dazu zu reden oder zu rathen haben/ dahin richten wolle/ wie ers zu seines nahmens mehrer heiligung/ zu seines reichs erweiterung und seines willens vollbringung am dien- lichsten erkennet; also gebe er nun den jenigen/ durch welche er mir seinen willen offenbahren solle selbs denselben mit einer versicherung zu erkeñen/ mir aber auch die gnade/ alsdenn mit eine festigkeit auff denselben zu beruhen. Wie ich dann noch- mahl schließlich von grund der seelen versichern kan/ daß es mir um nichts anders in dieser gantzen sache zu thun sey/ als wie der wille solcher grossen Herrn von und an mir gewissesten vollbꝛacht weꝛden moͤge/ so auch geschehen zu werden/ zu seiner vaͤteꝛ- lichen guͤte das kindliche vertrauen billich trage; dabey auch Ew. Excell. um dieses am allermeisten und angelegensten bitte/ nach der gegen mich bißher bezeigten gros- sen affection solche in diesem werck vielmehr ferner in dem zu erweisen/ wie vor meiner versicherung des Goͤttlichen willens als sonsten uͤbrige versorgung sorge ge- tragen werde. Der HERR HERR aber seye auch davor dero grosser lohn. den 12. Jun. 1690. SECTIO II. A ls wegen Seiner C hurfuͤrstlichen D urchlauch- tigkeit von Sachsen mein amt freywillig zu resigni ren mir zugemuthet wurde/ erklaͤhrung an das Churf. Saͤchs. Geheime Raths Collegium. Nach- ARTIC . III. SECT . II. N Achdem aus dero mittel durch des Herrn Directoris und Herrn Ober- Consistorii Præsidenten E. Excel. mir hinterbracht worden/ das unser Durchlauchtigster Churfuͤrst und Herr nachdruͤcklich verlange/ daß zu vermeidung allerley inconvenientien ich zu eigne resignation mei- nes tragenden Oberhoffpr. amts moͤchte disponiret weꝛden/ auch daruͤber meine gedancken sondiret worden/ so habe zwar so bald diese nach einfalt meines hertzens in unterthaͤnigem gehorsam muͤndlich von mir gegeben/ aber auch diese zeit uͤber ne- ben dem/ dz der heiligen direction des alles in haͤnden habenden gꝛossen uñ allmaͤch- tigen Gottes so viel oͤffteꝛ und heꝛtzlicher empfohlen der gantzen sache in seineꝛ furcht ferner nach gedacht/ und was ich zu thun vermoͤchte/ reifflich erwogen/ finde aber allerdings nach allem uͤberlegen nichts anders/ als auch mich jedesmal muͤndlich er- klaͤhret/ nehmlich wie ich einmahl mit guten gewissen zu eineꝛ solchen freywilligen resignation mich nicht verstehen koͤnte. Denn wie willig und schuldig ich bin Seiner Chuꝛf. Durchl. gnaͤdigsten willen in allen dingen welche nicht GOttes sind zugehorsam en/ so gehoͤret diese sache gleichwol unter die letzte art. Jch bin zu meinem amte nicht aus eigener wahl/ oder daß ich etwas darzu cooperiret sondern von GOTT durch das Churfuͤrstliche vocations- schreiben beruffen/ und demnach von der heiligen Dreyeinigkeit/ in dero nahmen die beruf- fung geschehẽ muͤssen/ an diese stelle gesand worden/ daran ich bißdaher nach verlie- henen kraͤfften treulich zuarbeiten mich beflissen/ hingegen von derselben/ wo mich GOTT nicht selbs außtreibet/ finde ich mich nicht bemaͤchtiget/ eigen willens mich selbst loßzumachen/ oder darzu zuhelffen/ sondern achte mich vielmehr schuldig/ lie- ber in gedult alles endlich abzuwarten. Und weil meine dimission ohne derglei- chen verschuldet zuhaben (massen solches mir gezeiget zuwerden nicht hoffe/ oder es zuerwarten haͤtte) nicht ohne suͤnde und beleidigung dessen/ dessen diener ich aus sei- nem hoͤchsten beruff bin/ geschehen kan/ auch sie offenbarlich nicht alleine viele men- schen seufftzen/ sondern auch aͤrgernuͤß/ so dann manche ungleiche urtheile in uns ausser landes bey unsern und andern religions verwanten ja noch bey der nachwelt/ erꝛegen wird/ so kan ich ohne verletzung meines gewissens und mich aller solcher schuld selbs vor GOTT theilhafftig zumachen/ nicht selbs etwas darzuthun/ son- dern wo der HERR HERR einanders/ nemlich mich anderswo zuhaben uͤber mich nach seinen heiligen rath/ der allezeit gut ist/ und auch das boͤse zum besten zu wenden weiß/ bestimmet haben solte/ muß ichs zum wenigsten auff eine solche wei- se erwarten/ daß ich nicht nur keiner Christlichen leute thraͤnen sondern vornemlich keine verantwortung vor GOTTes gericht/ vor der welt/ vor den nachkoͤmmlin- gen und in meinen gewissen/ auff mich lade sondern bey dergleichen erfolg mit rei- ner seele dahin gehen moͤge/ wohin mich GOTTES heiliger rath/ den ich daraus erst schliessen muste/ weiter senden wuͤrde. Weil nun davor halte daß einem gan- P p p p p 3 tzen Das sechste Capitel. tzen hochpreißlichen Collegio, so wol wie ich die sache bey mir nach ferner uͤberle- gung befunden/ zuwissen/ als auch solches schrifftlich zu haben/ angenehm seyen moͤchte/ habe ich nicht nur mich erkuͤhnen wollen/ sondern selbs meine unterthaͤnig- keit und gehorsamen schuldigkeit erachtet/ mit diesen zeilen meiner vo r ige einigemal muͤndlich gethane resolution, weilen nicht dieselbe zuaͤndern vermag/ zu wieder- hohlen/ das gantze geschaͤffte aber/ dabey nichts mehr weiter zu thun vermag/ em- pfehle ich in demuth und kindlicher gelassenheit und hertzlichem gebet dem HErrn alleꝛ Herrn und obersten Bischoff aller seiner diener/ ihn anflehende Seiner Churf. Durchl. und alle dero hohe Ministros auch in dieser wichtigen angelegenheit also zu regieren/ daß sein rath und reich am besten befo r dert/ und aller verletzung der ge- wissen abgewendet/ hingegen segen uͤber kirche und lande gezogen werde. Wor- mit auch solcher heiligen regierung GOttes so dann theuren segen derselben hohe personen und haͤuser schließl. empfehlende verbleibe u.s.w. 14. Mart. 1691. SECTIO III. N acherhaltener C hurfuͤrstlicher vocation schreiben das Ministerium in Berlin/ meine kuͤnfftige Collegas. E S kan denselben nicht verborgen seyn/ daß der Durchlauchtigste Churfuͤrst zu Brandenburg ꝛc.ꝛc. vor einigen wochen mich wie zu seinem Rath in dem Consistorio, als auch zu der Propstey und der Inspection der kirchen zu S. Nicolai in dero statt beruffen habe. Nun sind zwar bereits 2. jahr/ daß nach dem todte des sel. Herrn Propst Schraders Seiner Churfuͤrstl. Durchl. in der stille erstmals meine meinungen ob einem gnaͤdigsten beruff folgen moͤchte/ verneh- men lassen. Aber nach abermaligen abgang des sel. Herrn Propst Teuͤbers wur- de voꝛ drey viꝛtel jahren der gnaͤdigste antrag solcher stelle wiederhohlet. Jndessen schiene immer/ der HERR wuͤrde nichts draus werden lassen/ weil ich aus einer ge- wiß goͤttlichen vocation eignen willens außzugehen mir allezeit ein gewissen ge- macht/ hingegen ohne gewisse resolution von meineꝛ seiten zugeben zu einer vo- cation zugelangen nicht wol hoffnung gefast werden koͤnte. Es wuste es aber doch die goͤttliche weißheit/ nachdem sie es einmal beschlossen/ also zu regieren/ daß es juͤngsthin ohne mein geringstes zuthun unter bey den Durchlauchtigsten Chur- fuͤrsten/ uͤber mich zur richtigkeit gekommen/ und ich derselben werthen kirchen ge- widmet habe werden sollen. Wie ich mich nun der gewißheit goͤttlichen ruffs daraus so vielmehr versichere/ weilen ich das geringste darzu von meiner seiten nicht contribuiret, sondern mich bloß ARTIC. III. SECT. III. bloß passive gehalten habe/ also dancke ich billig der guͤte meines himmlischen Va- ters/ der mich seines willens versicheꝛt/ und je mehr und mehr mir zeiget/ daß ich nicht an einem/ sondern am mehreren orten/ das Evangelium zu predigen ver- ordnet seye/ dabey ich das kindliche vertrauen zu dessen guͤte trage/ er werde mir ih- ꝛes ortes/ wohin er mich sendet/ auch einigen geistlichen segen bestimmet haben. Wann dann nun von den grossen GOtt und in dessen nahmen von unserm gnaͤdig- sten Churfuͤrsten und Herrn die vocation empfangen/ auch dieselbe mit unterthaͤ- nigsten respect angenommen habe so hoffe auch EE. W. W. Wol Erwuͤꝛden werden solchen meinen empfangenem beruff nicht weniger vor goͤttlich erkennen/ und ein bruͤderliches veꝛtrauen gegen mich schoͤpffen. Wie ich von meiner seite dazu mich schuldig bekenne; hinwiederuni versichere/ daß mich also durch die gna- de GOttes zu bezeugen gedencke/ daß weder die Christliche gemeinde ander reinig- keit meiner lehr/ noch sorgfaͤltigem fleiß exemplari schen lebens/ noch meine wehr- teste Herrn Collegen an Collegiali scher einigkeit und bruͤderliche liebe/ etwas mangel bey mir finden sollen. Dieses hoffe so viel gewisser zuversprechen/ nach- dem bereits dessen pꝛoben zu zeigen vermag/ als der von Straßburg nach Franck- furt am Mayn zum Seniore Ministerii, und also præside conventus Ecclesia- stici / (da erst 31. jahr alt war/ und die 4. nechste nach mir alle uͤber 60. jahr waren) beruffen worden/ mich aber vermittelst goͤttlicher gnade also gegen das gesamte Mi- nisterium bezeuget/ daß sie nicht allein bald eine liebe und vertrauen gegen mich gewonnen/ sondern auch die gantze 20. jahr unter uns eine unzerstoͤrte einig- keit erhalten worden ist; so ohne friedfertiges gemuͤth unmoͤglich gewesen waͤre. Wie nun dergleichen meiner seits/ nach der gnade GOttes/ so mir beystehen wird/ versichere/ also trage das liebreiche vertrauen/ das EE. Wohl Ehrwuͤrden auch ihrer se its willig seyen werden/ mit liebe und bruͤderlicher einigkeit mit mir zusam- men zu setzen/ damit daß werck des HErrn/ durch solche treue zusammensetzung de- sto kraͤfftiger von uns gemeinschafftlich getrieben/ und so viel reicherer segen von o- ben herab erlanget werden moͤge/ darum auch meines orts hiermit freundlich bit- te. Der GOtt des friedens bringe uns nicht allein nach seinem willen bald zusam- men sondern vereinige uns mit dem band des friedens in einigkeit des Geistes/ lehre uns in allen stuͤcken seinen willen an uns und die uns anvertraute erkennen/ gebe uns ferner krafft denselben getrost und mit nachdruck zuerfuͤllen/ und schencke uns neben den unsrigen alle die seelen derer/ welche unsrer treue und sorge anbefohlen sind/ mit denselben dermahleins vor den thron GOttes mit freuden zuerscheinen. Wormit schließlichen in des himmlischen Vaters treue absicht/ milden seegen/ und weise regierung hertzlich erlassende/ und dero angesicht bald selbst mit freuden zu sehen verlangende/ verbleibe u.s.f. 20. Apr. 91. SECT. Das sechste Capitel. SECTIO IV. S chreiben an B uͤrgemeister und R ath zu Ber- lin nach empfangener Churfuͤrlichen vocation. N Achdem der Durchlauchtigste Churfuͤrst von Brandenburg/ unser gnaͤ- digster Herr von dato 28. Mart. mich wie zu seiner Consistorial -Rath stel- le also auch der Propstey und inspection der kiꝛchen zu S. Nicolai in dero statt Berlin gnaͤdigst beruffen/ ich auch aus erkanten goͤttlichen willen/ nach von jetzigem meinem gnaͤdigsten Churfuͤrsten und Herrn geschehener uͤberlassung mei- neꝛ person/ zu solchem beruff mich gehorsamst verstanden habe/ und an deme bin/ dem zufolge mich unter dem geleite GOttes ihres orts zuverfuͤgen: so habe meiner schuldigkeit erachtet/ mit diesemzeilen gegen E. Wol Edl. Herrl. und Weißh. mei- nen gehorsam/ observanz und respect zu bezeugen und in dero wehrte gunst mich bester massen zu recommendiren. Jch erkenne mehr und mehr/ daß mei- nes himmlischen Vaters wille und rath uͤber mich seye/ nicht an einem/ sondern an mehrern orten sein wort und Evangelium zuverkuͤndigen/ wie nun mit demselben als einem weisen und guͤtigen rath hertzlich zu frieden bin/ also freue mich auch/ nach seiner anweisung vor diesesmal in ihrer werthen statt mein weniges pfund in goͤtt- lichen seegen treulich anzuwenden/ und gehe auff goͤttlichen ruff mich hertzlich ver- lassende/ mit getꝛosten hertzen dahin/ wo mich der HERR HERR unzweiffent- lich gehen heisset. E. Wohl Edl. Herrl. und Weißh. versicheꝛe alles dessen/ was sie gegen sich von einem diener GOttes in ihrer statt verlangen moͤgen: wie auch verhoffe noch jetzo das zeugnuͤß von einem Hochweisen Rath zu Francksurt am Mayn/ unter dem ich 20. jahr als Senior ihres Ministerii gestanden bin/ zu haben/ daß denselben in nichts in ihre gerechtsame eingegriffen/ oder zu einiger klage gegen mich ursach ge- geben/ sondern mich vermittels goͤttlicher gnade also verhalten habe/ daß als mich der allerhoͤchste von ihnen nahm/ und hieher fuͤhrte/ solcher mich nicht so gar gern/ sondern alleinaus gehorsam gegen goͤttlichen willen/ von sich gelassen hat. Den him̃- lischen Vater ruffe ich demuͤthigst an/ welcher gleich wie uͤber E. Wohl Edl. Herrl. und Weißh. alle arten seines himmlischen segens in geistlichem und leiblichem wol- wesen/ sonderlich friedlicher und begluͤckter regierung der anvertrauten statt/ mil- diglich ausgiessen/ also auch mich seinen knecht/ welchen er zu denselben sendet/ von oben herab dermassen ausruͤsten wolle/ daß die Evangelische kirche dero statt von dem wort/ so er durch mich auch verkuͤndigen lassen wird/ viele selige erbauung in seinem segen geniessen/ E. Wol Ed. Herrl. und Weißh. aber auch alle verlangte ver- ARTIC . III. SECTIO V. vergnuͤgung davon schoͤpffen moͤge. Welches alles auch aus vertrauen gegen den erkanten goͤttlichen beruff von seiner vaͤterlichen guͤte so viel unzweiffenlicher er- warte/ und nechst hertzlicher deroselben/ ihrer amts-verrichtungen und eigener haͤu- ser empfehlung in des allerhoͤchsten treuen schutz/ milden segen und weiseste regierung verbleibe m.f.w. Dreßden den 18. Maji. 1691. SECTIO V. V on der abreise aus Sachsen unterthaͤnigstes ab- schieds-schreiben an Chur-Printz Johann Georg IV. Von unsrem durch leiden in seine herrlichkeit eingegangenen Heyland JEsu Christo alle seiner leyden verdienste und seiner herrlich- keit krafft und leben! Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Chur-Printz und Herr. O B ich wol juͤngsthin zu Coßdorff die gnade gehabt/ E. Churprintzliche Durchl. letztes mahl zusehen/ und von deroselben damal unterthaͤnigst ab- schied nehmen koͤnnen/ so hat doch theils die gemuͤths bewegung bey mir/ theils die zeit/ solches damal mir nicht wol verstatten wollen/ sondern habe also was mir obgelegen/ mit dero gnaͤdigster erlaubnuͤß schrifftlich zuverrichten mir vorgenommen. So habe nun zum foͤrdersten Ew. Chur- Printzl. unterthaͤnigsten danckzusagen vor alle zeit meines anwesens in die- sen landen bezeugte hohe gnade und gnaͤdigstes vertrauen/ dessen mehrere zeugnuͤs- sen verspuͤhret habe/ und billich des allerhoͤchsten himmlischen Vaters anade gegen mich auch daraus zu demuͤthigstem danck erkannt/ daß desselbigen maͤchtige hand dero hertz gegen mich kraͤfftig geneiget hat. Solte nun sein heiliger rath gewe- sen seyen/ mich laͤnger dieses orts zu lassen/ wuͤrde mir solches auch eine freude erwe- c ket/ und meine hoffnung/ (dafern er der grosse GOTT mein leben so lang haͤt- te erstrecken wollen/) dermaleins unter E. Churprintzliche Durchl. regierung mehr gelegenheit und vorschub das gute zubefordern zufinden/ mich hoffentlich kuͤnf- tig nicht betrogen haben. Wañ aber alles unser thun nicht in unserer macht sondern unter dessen hoͤchsten regierung allein stehet/ der gleich wol alles/ es habe vor men- schen ein ansehen wie es wolle/ recht macht/ und auffs weißlichste schicket/ und aber dessen heilige versehung es also gefuͤget/ daß von S. Churfuͤrstl. Durchl. an des Q q q q q Chur- Das sechste Capitel. Churfuͤrsten von Brandenburg Durchlaucht. ich uͤberlassen nunmehr von den Saͤchsischen zu den Brandenburgischen Evangelischen kirchen gehen solle/ bin ich des guten vertrauens/ das E. Churpr. Durchl. diesen des allerhoͤchsten rath/ welchen ich zur uͤberzeugung des gewissens gnuglich erkant habe/ sich auch nicht werden mißfallen lassen/ sondern damit friedlich seyen/ und was derselbe schicket/ vor das beste halten. Wann ich aber damit auch die von E. Churpꝛ. Durchl. mir gnaͤdigst anvertraute dero besondere seelen-sorgen und beichtvater amt ablegen/ und dem jenigen/ welchen die himmlische guͤte nunmehr an meine stelle anweisen wird (und mit aller noͤthigen weißheit und Geistes krafft dazu ausruͤsten wolle) uͤberlassen solle/ so versehe mich/ daß mir gnaͤdigst zugelassen werde seyn/ bey diesem abschied meine letzte amts erinnerungen aus treuen hertzen und mit unterthaͤnigsten respect zu thun. Da ich zu eꝛst vor GOttes heiligen augen bezeuge/ wie ich biß daher E. Churprintzl. Dnrchl. wahres seelen heyl inniglich verlanget und gesuchet habe/ auch hertzlich wuͤnschete/ daß ich mehrere krafft und weißheit darzu bey mir gefunden haͤtte/ und niemahl von mir in solcher meiner pflicht und zwar auch geha- bter hertzlicher intention nichts waͤre versaͤumet worden (da ich aber meiner schwachheit mir wol bewust/ solcher meiner versaͤmnuͤß und fehler/ die das scharffe auge GOTTes in meinem amt/ wo ich mehr haͤtte thun sollen und koͤnnen/ ver- gebung von seiner himmlischen und vaͤterlichen guͤte bitte/ und auch von E. Churpr. Durchl. gutmuͤtigkeit hoffe) daß gleichwol die jenige lehr/ welche ich die zeit mei- nes anwesens offentlich und absonderlich getrieben habe/ dem worte GOTTES und unsern Symbolischen buͤchern in allen stuͤcken wahrhafftig gemaͤß seye/ und ich das vertrauen trage/ wie andere also auch zum fordersten E. Churprintzliche Durchl. werden aus der pruͤffung aus der heil. schrifft/ auff welche ich zu jederzei t alle meine zuhoͤrer hoͤhere und niedere zu weisen pflege/ solche derselben also gemaͤß befunden haben/ und stets befinden. Wie nun zwar nicht verlange/ daß jemand werder auch waͤre das geringste um meinet willen annehme oder glaube/ sondern alles nach GOttes wort pruͤfe/ so habe doch unterthaͤnigst zu bitten/ E. Churpr. Durchl. geruheten sich der jenigen dinge/ so sie die wenige zeit uͤber von mir gehoͤret/ offtmal zu erinnern/ um solche immerdar gegen die heilige schrifft zuhalten/ und da sie sie darinnen gegruͤndet erkennen/ sie durch fernere betrachtung so viel tieffer in die seele einzudrucken/ sonderlich aber das allein unbetruͤgliche Wort GOTTes in der schrifft sich vor allem am hertzlichsten angelegen seyen zu lassen/ und zuglauben/ daß solches das jenige seye/ welches wie insgesamt Christen/ also auch vor anderen die Fuͤꝛsten/ nimmer aus den augen kommen lassen sollen. Sie machen also mit ihrem GOTT und HERREN den jenigen bund/ daß derselbe/ als viel moͤglich ist/ alle morgen der erste seye/ welchen sie mit sich in seinem wort reden lassen/ und sie hinwiederum mit denselben in dessen betrachtung und in dem gebet reden. Sie glauben/ es seye die heilige schrifft nicht nur dasjenige/ worinnen man das gute was ARTIC. III . SECTIO V. was man thun solle und zu hoffen hat/ zu lernen vor sich sehe/ sondern auch aus dem man/ wo man recht mit umgehet/ die krafft hernimmet des glaubens und des- sen heilige fruͤchten. Sie seyen aber auch hertzlich erinnert/ allezeit also die schrift zu lesen/ als das wort der hoͤchsten Majestaͤt/ vor dero sich alles demuͤthigen muß/ und also mit wahrer demut/ ehrerbietigkeit/ andacht und hertzlicher begierde/ was man gelesen hat so bald nach vermoͤgen mit schuldigem gehorsam in die uͤbung zu bringen. Wo sich nun E. Churpr. Durchl. erstlich gewehnen die heilige schrifft selbs dermassen fruchtbarlich zu lesen/ werden sie mit so viel mehr nutzen alsdann auch andere buͤcher Christlicher leute lesen koͤnnen/ da sie vor allen andern sich diese bei- de arten der buͤcher recommendiret seyen zu lassen haben/ ein theils welche die schaͤ- tze des heils und der guͤter der wahren Christen deutlich und beweglich vorstellen/ andern theils welche derselben ihre Christliche und auch Fuͤrstliche pflichten aus goͤttlichem woꝛt/ so aller staͤnde norm bleibet/ zeigen: jene zur auffmunterung und staͤrckung des glaubens/ diese zu Gottgefaͤlliger einrichtung des lebens/ welche bey- de sich mit von einander trennen lassen. 2. Weil aber E. Churpr. Durchl. versichert ist/ daß so wenig sie als einiger mensch das gute aus eigenen kraͤfften zu thun vermoͤge/ oder auch seinem werck ei- nen verlangten succes geben koͤnne/ sondern daß alles von dem himmlischen Va- ter erlanget werden muͤsse/ so werden sie sich auch angelegen seyen lassen/ vor den- selben immer mit ihrem gebet zuerscheinen/ und dieses vor das kraͤfftigste mittel zu halten alles andern ihr noͤtigen gutes. Und zwar daß das gebet nicht allein gesche- he mit dem munde/ sondern vornehmlich mit dem hertzen (daher auch rathsam ist/ es nicht allein bey den gebeten/ die aus dem buch gelesen oder aus der gedaͤchtnuͤß re- ciret werden zulassen/ sondern offtmal die angelegenheiten dem liebsten Vater aus eigenem hertzen und mit eigenen einfaͤltigsten worten/ die ihm am angenehm- sten sind/ vorzutragen) und allezeit mit vorstellung/ daß man vor dem hoͤchsten Mo- narchen uͤber himmel und erden/ gegen welchen alles hohe in der welt nichts anders als staub und asche sich halten muß/ in dem gebet stehe oder liege/ welches alsdann eine innigliche ehrerbietung/ demuth und andacht in der seele wircken/ und hingegen das gebet recht erhoͤrlich machen wird. Ob nun schon E. Churprintzl. Durchl. veꝛsichert seyen moͤgen/ daß vor dieselbe wie vor das gesamte hohe Churhauß viel tausend personen taͤglich beten/ unter welchen kein zweiffel ist/ daß nicht manche andaͤchtige und eyffrige beter sich befinden/ dero gebet an sich selbs nicht anders kan/ als dem himmlischen Vater angenehm seyen/ so glaube sie dannoch darbey/ daß ihr eigen gebet nichts desto weniger vor GOtt nothwendig seye/ dessen bestaͤrckung al- lein von anderer vorbitte kommt/ diese hergegen bey des eigenen gebets versaͤum- nuͤß nichts zuerlangen vermag. Weil aber nicht allein ein jeweiliges und zuge- wissen zeiten geschehendes gebet noͤthig ist/ sondern Christus fordert/ daß wir alle- Qq q q q 2 zeit Das sechste Capitel. zeit beten sollen/ so wird auch dieses aͤusserst noͤthig seyen/ sich zugewoͤhnen/ ausser der gewoͤhnlichen betzeit/ zum oͤfftern des tages unter allen andern geschaͤfften das hertz zu GOtt mit einem blick oder seufftzen zuerheben/ und mit wenig worten/ oder gar ohne wort/ seine gnade und beystand zu erbitten. Wie diese stuͤck/ die betrach- tung goͤttlichen worts und das gebet/ zu dem jenigen pflichten gehoͤre/ welche unmit- telbar dem allerhoͤchsten Gott E. Churpr. Durchl. schuldig sind/ und alle tage gewisse zeit/ vornehmlich aber der liebe Sontag (dessen eyffrige und voͤllige heiligung nicht nur durch den offentlichen sondern eben so wol besondern GOttes dienst billich mit aͤusserster angelegenheit recommendire, hingegen wo solche in acht genommen werden wird/ unendlichen segen in geistlichem/ ja auch gewisser maaß leiblichen/ von dem grossen GOTT davor zu zusagen getraue) dazu gewidmet werden muͤssen/ so wird E. Churpr. Durchl. nicht weniger sich angelegen seyn lassen 3. Die fruͤchten des goͤttlichen worts und dessen wirckung in allen stuͤcken bey sich zu zeigen. Da hat sie mit allen andern hohen in der welt gewiß zuglauben und sich vorzustellen/ je auff eine hoͤhere stuffe in der zeit sie der Allerhoͤchste gesetzet hat/ so viel naͤher habe er sie ihm selbs gemacht/ hingegen sehe er auch so viel genau- er vor andern menschen auff alles ihr thun und lassen/ ja er fordere von ihnen nichts weniger als von gemeinen leuten/ nach dem sie ihm vor mehrere empfangene wohl- thaten auch vor andern mehr zum gehorsam verbunden seyen: da seye also keine ei- nige lebens-pflicht von Gottesfurcht/ andacht/ demuth/ zufriedenheit in allem/ gedult/ sanfftmuth/ nuͤchterkeit/ keuschheit/ warheit/ fleiß/ und wie sie alle heissen moͤgen/ welche die groͤsseste in der welt nicht mit gleicher verbindlichkeit angehe/ wie sie von den geringern erfordert werden; weswegen sie ihr stand in nichts von sol- cher schuldigkeit befreye/ sondern diese vielmehr nachschaͤrffe: sonderlich nach dem gresser Herren gantzes leben nach allen seinen stuͤcken jederman in die augen leuchtet/ und weder gutes noch boͤses an denselben verborgen seyen kan/ daher ihr gutes exem- pel alsdann so viel mehrere zu treuer und loͤblicher nachfolge treibet/ hingegen jede begehende suͤnde so viel schwerer aͤrgernuͤß und schaden bringet/ deswegen aber von GOtt so viel hefftiger gestraffet wird. Sie tragen das goͤttliche bild an sich/ da ihnen der grosse GOTT einen theil seiner gewalt und ehre anvertrauet hat/ daher aber auch fordert/ daß sie dasselbe auch also ziehren/ sein bild in allen Christ- und Fuͤrstlichen tugenden an sich mehr und mehr leuchtende zu bekommen: Dann wo dieses nicht geschiehet/ sondern grosse Herrn den suͤnden freventlich dienen/ schaͤn- den sie zu schwerster verantwortung solches bilde an sich selbsten/ und verunehren GOTT/ der es nicht ungerochen laͤsset. Hingegen ist es das ziehmlichste/ daß der jenige/ so in einem lande der vornehmste an stand und wuͤrde ist/ auch der vornehm- ste an wahren tugenden seye. Hierzu gehoͤret 4. auch diese betrachtung/ daß der von Gott verordneter Fuͤr- ARTIC. III. SECTIO V. Fuͤrsten leben nicht in einem muͤßigang oder wohlleben bestehe/ sondern vielmehr in einem steten fleiß und geschaͤfft; dann weil andere leute verrichtungen mit we- nigerem umgehen/ der jenigen aber/ die der HERR HERR am hoͤchsten gesetzt hat/ vorsorge auff gantze lande und so viel tausend menschen gerichtet seyn solle/ so erfordert nothwendig ihr stand von ihnen nicht weniger sondern mehr als der niede- re stand/ wollen sie anders/ wie sie schuldig sind/ dem jenigen zweck einigeꝛley massen gnung thun/ zu dem sie der HERR verordnet hat. Wie nun solches vornemlich platz hat bey den jenigen/ welche wuͤrcklich in regierung stehen/ denen GOtt nicht frey giebet/ die regierung allein auff die Raͤthe und bediente ankommen zulassen/ sondern dermaleins von ihnen/ wie sie selbs derselben abgewartet haben/ rechen- schafft fordern/ hingegen alles was versaͤumet worden/ auff ihre eigene verant- wortung ankom̃en wird: so gehet es doch auch auff gewisse weise die jenigen an/ so al- lein in der anwartschafft der regierung stehen/ daß sie bereits ihre vorige zeit sorg- faͤltig dahin anwenden/ wie sie sich in allen dingen/ welche zu der klugheit eines Re- genten gehoͤren/ und in allerley tugenden/ unauffhoͤrlich uͤben moͤgen/ damit sie sich bereiten/ wo sie der HERR HERR zu seiner zeit auff den thron setzet/ alsdañ bereits dazu tuͤchtig zu seyen/ was der Regenten stand erfordert/ um nicht in erman- glung der noͤthigen weißheit sich mehr von andern regieren zulassen/ und alsdann allzu theur lehr-geld mit schaden der regierung geben. E. Churpr. Durchl. verste- het von selbst/ daß dieses jetzo derselben gegenwaͤrtiger zustand seye/ und wird sich also/ so lieb deroselben ist dermaleines eine gesegnete regierung zubekommen/ ange- l e gen seyen lassen/ jetzige zeit dahin anzuwenden/ mit lesen/ erkundigen/ und aller- ley loͤblichen uͤbungen/ damit man zu rechter zeit dazu bereit werde/ was das werck des gantzen lebens dermaleins seyn wird. Weil 5. einer der groͤsten anstoͤsse wie anderer menschen also vornehmlich grosser Herren ist/ daß sie so viele ja die allermeiste exempel um sich haben nicht von tugendhafften leuten/ sondern an welchen das meiste zustraffen ist/ so will hingegen wieder solches aͤrgernuͤß die beste und kraͤfftigste verwahrung seyen/ sich allezeit vor- zustellen/ daß so wol grosser Fuͤrsten als anderer leute leben durchaus nicht nach dem jenigen/ wie mans bey andern/ wer die auch seyn moͤgen/ siehet/ sondern nach der regel goͤttlichen worts/ welches allem staͤnde ihre pflichten vorschreibet/ gefuͤh- ret weꝛden muͤste/ und daß daher die auch allgemeine gewohnheit/ ob sie alle hoͤffe/ ja alle lande/ erfuͤllet haͤtte/ nichts des jenigen/ was goͤttlicher seinen Christen vor- geschriebener ordnung zuwieder waͤre/ autorisiren oder recht machen koͤnne; daher in der frag/ ob etwas zuthun seye oder nicht/ durchaus nicht/ obs andere (waͤrens auch die hoͤheste und ansehnlichste in der welt) zu thun pflegten/ sondern ob es goͤtt- lichen willen gemaͤß seye/ zu untersuchen ist/ und daraus geurtheilet werden solle. Wie ich auch von E. Churpr. Durchl. michdessen gehorsamst versehe/ daß sie laͤngst gelernet/ durch die Exempel hindurch allemahl auff die rechte regel zusehen/ daher Q q q q q 3 auch Das sechste Capitel. auch flehenlich zu bitten habe/ sich auch kuͤnfftig durch kein ungleiches exempel je- mahl von der regel abziehen zu lassen. 6. Wann der Allmaͤchtige nach seinem rath Ew. Churprintzliche Durch- lauchtigkeit zu wuͤrcklicher regierung setzen wird/ habe ich das kindliche vertrauen zu seiner ewigen guͤte/ daß er deroselben auch alle dazu noͤthige Gottselige weißheit verleihen werde. Jch meines wenigen orts recommendire voran diese beyde wichtigste regeln/ deren die eine die unterthanen angehend ist/ daß deroselben wohl- fahrt der hauptwerck eines Regenten seye/ und wo dessen vermeintes interesse und jene einander begegnen/ daß jener billich dieses weichen solle/ alldieweil nicht die un- terthanen um des Regenten/ sondern dieser um jener willen in der welt ist: Die an- dere betrifft die gesamte hohe und niedrige bediente/ und wuͤrde darinnen bestehen/ daß man in dero wahl allezeit hauptsaͤchlich auff die Gottseligkeit zusehen/ und zu glauben habe/ daß je treuer einer seinem GOTT seye/ je treuer werde er auch fei- ner herrschafft dienen/ da hingegen wer sich kein gewissen macht wissentlich wider GOTT zu suͤndigen/ sich auch kein bedenckeu machen wird/ wo er seinen vortheil siehet/ seiner herrschafft etwas zu versaͤumen. Welche regel Ew. Churprintzlichen Durchlauchtigkeit auch auff diese stunde zu observiren noͤthig ist/ daß sie nehm- lich/ da sie einige ihrer diener zu wehlen willens sind/ immer nicht nur auff uͤbrige geschicklichkeit/ oder wie man sich nach der welt mode zuschicken gelernet habe/ sehe/ sondern wie das gemuͤth eines jeden beschaffen seye/ ob es GOtt und die tugend hauptsaͤchlich liebe/ oder seine fortun / nutzen oder ehre zu seinem goͤtzen und end- zweck gemachet haben: an den ersten werden Ew. Churprintzliche Durchlauch- tigkeit niemahl fehlen/ an der letztern art aber niemahl bestaͤndige treu e finden. Ein kennzeichen aber dieser letztern art ist unter andern dieses/ wo bediente ih- ren Herrn zu einigen suͤnden rathen/ anlaß geben/ ja auch wo die Herrn selbsten solches verlangen ihnen willig darzu helffen. Da moͤgen Ew. Churpritznliche Durchlauchtigkeit dieses als eine gewisse wahrheit sich fest eintrucken/ wo jemand ihrer bedienten sie jemahl zu einigem unrechten veranlasset/ sein wohlgefallen daran bezeuget oder dazu geholffen/ so vielmehr gar dazugerahten haͤtte/ oder ins kuͤnfftige dergleichen thun wuͤrde/ der seye wahrhafftig kein treuer diener/ dann er liebet E. Churprintzliche Durchlauchtigkeit und ihre wahre wohlfahrt nicht/ da doch die liebe der grund aller treue ist/ sondern er sucht allein ihre gnade um seines vortheils willen/ und trachtet sie auch mit dero schaden zu erlangen oder zu erhalten. Wo aber Ew. Churprintzliche Durchlauchtigkeit einige finden werden/ welche mit un- terthenigstem respect / wo etwas GOTT miß gefaͤlliges vorgegangen waͤre/ oder vorgehen solte/ lieber dieselbe selbs erinnern/ oder doch ihr mißfallen bezeuͤgen/ und nichts damit zu thun haben wollen/ von denen koͤnnen sie sich unfehlbahr solcher tꝛeue versehen/ daß sie ihnen alles auch wichtigste vertrauen doͤrffen/ in dem sie es wahr- hafftig treu mit derselben und ihrer wohlfahrt meinen. Wird Ew. Churrintz- liche ARTIC. II . SECTIO V. liche Durchlauchtigkeit diese regel ihr gantzes lebenlang fleißig in acht nehmen/ und also mit David aus dem 101. Psalm. (welchen sie sich samt den 6. 7. 8. und 9. Capiteln des buchs der weißheit zu offtmaliger veꝛlesung recommendiret seyen las- sen wollen) gern fromme diener haben/ daher diese allen andern vorziehen/ so traue von GOTT zu versprechen/ daß sie ein sonderbahr gesegneter Regent werden wer- den. Zu allen diesen erinnerungen setze noch diese 7. als zum siegel/ daß Eure Churprintzliche Durchlauchtigkeit sich bereits bey diesen ihren noch juͤngere jahren gleichwohl erinnern der ungewißheit des lebens und dermahleins gewiß folgenden abschieds/ um alles ihr leben also vor GOTT zufuͤhren// wie sie an dessen ende ver- langen wuͤrden solches gefuͤhret zu haben. Diese betrachtung/ da sie stets erwe- gen werden/ wie sie auff dem wege zu der ewigkeit seyen/ wird ein steter antrieb seyen das jenige treulich zu thun/ was in der ewigkeit seine belohnug erwartet/ und das je- nige sorgfaͤltig zu vermeiden/ was alsdann straffe leyden muß: und solches so viel- mehr/ wo sie noch beysetzen/ daß mit diesem leben der stand und alle irrdische hoheit auffhoͤre/ und die seele des groͤssesten Monarchen vor dem unpartheyischen Richter mit keinem mehrern vortheil erscheine als des aͤrmsten bettlers/ daher sie alle nicht nach voriger wuͤrde und dero unterscheid/ sondern nach ihrem glauben und wercken gerichtet werden sollen: daß also die seele nichts anders dahin mit sich bringet/ als was sie aus Goͤttlicher wuͤrckung in sich hat/ und sie des fernern geniesses der ewigen herrlichkeit und seligen gemeinschafft mit der seligsten Dreyeinigkeit faͤhig ma- chet. Gnaͤdigster Chur-Printz und Herr/ diese erinnerungen/ welche gewiß aus ei- nem dero theure seele und ihr ewiges wohl hertzlich liebenden gemuͤthe fliessen/ moͤ- gen vor GOttes heiligen angesicht der schluß meines an Ew. Churprintzliche Durch- lauchtigkeit biß daher in meiner schwachhet vollbrachten amtes seyen/ und stehe ich in dem unterthaͤnigsten vertrauen/ daß sie dieselbige nicht nur in gnaden auffnehmen/ sondern auch mit fleiß erwegen und etwa mehrmahl zu steter erinnerung/ welche ohne frucht aus GOttes segen nicht bleiben wird/ ansehen werden. Wie dann also nochmahl Ew. Churprintzliche Durchlauchtigkeit vor des himmlischen Vaters allsehenden angesicht in hertzlicher demuth bezeuge/ daß sie das wort des HErrn so sie auch aus meinem seines armen dieners mund angehoͤret haben/ und ihre seele selig machen kan/ sich die tage ihres lebens angelegen seyen lassen wollen/ also schliesse endlich mit inniglichem wunsch und gebet zu dem Vater des liechts/ von welchem alle gute und alle vollkommene gabe kommen/ daß derselbe nach seiner ewi- gen guͤte mit aller gnade und segen uͤber sie walten wolle. Er als der GOTT des lebens friste ihr leben nach seinem wohlgefallen lange zeit/ daß sie erreichen oder uͤberschreiten moͤgen die jahre ihrer hohen vorfahren/ und solches bey steter gesunt- heit/ als viel zu der ehre GOttes auch darinnen dienlich seyn wird: Er wende deswegen ab alle gefahr und umgebe sie stets mit der starcken wache seiner himm- lischen Das sechste Capitel. lischen heerscharen/ sonderlich auff allen reisen und expeditionen / an sonderbahr- sten aber auch dieses mahl in gegenwaͤrtigen zug/ davon er zu rechter zeit eine froͤli- che/ siegreiche und gesunde widerkunfft bescheren wolle. Er lasse auch alles ubri- ge Christfuͤrstliche vornehmen immer nach wunsch in seinem segen gluͤcklich gera- then/ daß uͤber steten gesegneten succeß ihre theure seel sich immer zu freuen ursach finde. Er lasse sonderlich den vorstehenden heurath mit dero verlobten Koͤnigli- chen Princessin hoheit zu rechter zeit mit allem vergnuͤgen vollzogen/ und ein exem- pel einer unter hohen personen sonderbarst nach allen stuͤcken/ was man von dem reichthum der Goͤttlichen milde dazu verlangen moͤchte/ gesegneten ehe/ und ursach taͤglicher dancksagung vor dem thron deroselben/ weꝛden. Sonderlich aber wol- le er der heilige GOTT das werck seiner heiligung in ihrer werthesten seele immer durch des heiligen Geistes gnade auffs kraͤfftigste vollfuͤhren/ daß wie sie einmahl aus ihm wiedergebohren sind/ daß aus der wiedergeburh erstmahl gewuͤrckte gute immer in gleicher wuͤrckung fortgesetzt werde: Er lasse aus seinem liecht das liecht seiner und seines willens lebendiger erkantnuͤß in deroselben taͤglich vermehret/ und sie mit krafft aus der hoͤhe zu dessen vollbringung stets auffs neue erfuͤllet werden/ zum wachsthum der fruͤchten des Geistes der liebe/ der freude/ des friedens/ der ge- dult/ der freundlichkeit/ der guͤtigkeit/ des glaubens/ der sanfftmuth/ der keuschheit/ hingegen zutilgung aller den menschen angebohrne liebe der welt in augenlust/ flei- scheslust und hoffaͤrtigem leben: Er erfuͤlle sie mit dem Geist der gnaden und des gebeths/ damit ihre taͤgliche rauchopffer/ in bitten und dancksagungen/ vor seinen thron moͤgen angenehm seyen: Er eroͤffne ihn die geheimnuͤssen seines worts/ wo sie damit umgehen/ und gebe demselben die noͤthige krafft zu ihrer mehrern erleuch- tung und heiligung: Er lasse sie geniessen seiner Vaͤterlichen suͤssen liebe/ und in derselben taͤglich mit dem blut JESU CHRJSTJ von allen suͤnden gereini- get/ von dessen allguͤtiger vorbitte vertreten/ und alles solches durch den heiligen Geist bey dero zu wege gebracht werden: Daß ihro niemahl mangle an irgend ei- nen geistlichen gut/ so zu dero heil/ trost/ staͤrckung und freude in ihren GOTT dienen mag/ daß daher das reich GOttes/ so bestehet in gerechtigkeit/ friede und freude in dem heiligen Geist/ immerfort in ihrem hertzen biß zur ewigen offenbah- rung fest gegruͤndet bleibe. Weil aber auch der allgewaltige GOTT dieselbe dermaleins zu einem grossen Regenten bestimmet hat/ so bereite er sie auff das jeni- ge/ was ihr der mahleins obliegen wird/ und wenn es dazu kommet/ ruͤste er sie auffs neue aus mit dem Geist der weißheit und des verstandes/ mit dem Geist des raths und der staͤrcke/ mit dem Geist der erkaͤntnuͤß und der furcht des HERRN/ ja mit der jenigen weißheit/ durch welche herrschen die Fuͤrsten und alle Regenten auff er- den/ und stehe ihr in allen stuͤcken kraͤfftig bey/ damit als dann sein heiliger nahme und reich voꝛtrefflich durch sie befordert und so vieler tausenden unterthanen hertzli- che hoffnung in dero unter ihro regierung geniessender voͤlliger wohlfarth vollkom- men- ARTIC . III. SECT . VI. menlich erfuͤllet werde: Damit auch der mahleines die nachwelt dero wuͤrdige person und zeit zu ruͤhmen habe/ sie aber auch nach in Goͤttlicher krafft gefuͤhrten le- ben und regierung in die unendliche freude und herrlichkeit ihres HERRN / da endlich alle wuͤnsche zusammen fliessen/ eingehe. Wie dieses das innigliche gebet dero werthesten frau Mutter Hoheit/ (welche der guͤtigste Vater als ein theures stuͤck ihrer Churfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit wohlfarth lange zeit erhalten/ und ihro alle an deroselben sorgfaͤltigen erziehung angewandte treue/ auch noch uͤber sie wachende sorgfallt/ herrlich vergelten wolle) so dann des gantzen landes/ auch biß daher das meinige nach meiner pflicht gewesen ist/ so werde ich auch abwesend/ als lang der HERR HERR mich leben lassen wird/ nicht weniger als ob noch in vo- riger stelle stunde/ damit fortfahren/ und will mich auch hierdurch nochmahl dar zu verbunden haben. m. f. w. Dreßden den 25. Maj. 1691. SECTIO VI . B ey den abschied aus S achsen unterthaͤnigstes abschieds-schreiben an den Churfuͤrstlichen Printzen Hertzog Friderich August von Sachsen. Goͤttliche gnade/ friede/ leben und regierung von unsern in seine herr- lichkeit eingegangenen Heyland JESU CHRJ- STO! Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Fuͤrst und Herr. D Je kurtze zeit und unbequemlichkeit des orts/ als sonsten juͤngsthin zu Coß- dorff die gnade gehabt/ Ew. Hochfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit letztesmahl zu sehen/ haben mir nicht zugelassen geziehmenden unterthaͤnigsten abschied zunehmen/ sondeꝛn habe deswegen solches schrifftlich zu thun mit dero gnaͤdigster er- laubnuͤß verspahren muͤssen: Stehe aber in guter hoffnung/ wie auch unterthaͤ- nigster bitte/ Ew. Hochfuͤrstliche Durchlauchtigkeit geruchen die zeit zu nehmen/ da sie anderer gedancken frey/ das jenige/ was noch dieses mahl schreibe/ mit be- dacht zulesen und zu hertzen zuziehen. Da ich dann erstlich unterthaͤnigsten danck- sage vor alle bißherige gegen mich bezeigte gnade/ vertrauen und gestatteten zu- spruch/ so mich allezeit hertzlich gefreuet hat/ und ich solche gnaͤdigste zuneigung Ew. Hochfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit gegen mich als ein zeugnuͤß Goͤttlicher wuͤr- R r r r r ckung Das sechste Capitel. ckung mit demuͤtigsten danck gegen den himmlischen Vater angesehen habe/ so dann auch dero fortsetzung zuversichtlich hoffe. Wann aber der jenige grosse GOTT/ welcher macht hat allemahl auff ihm beliebende weise seine diener da o- der dorthin zuversetzen/ mich nunmehr von hier anderwers hinsendet/ dessen heiliger fuͤhrung ich auch mit freudigem gehorsam und hertzlicher zuversicht eines mehrern an andern orten mir bestimmten segens nechstens folgen werde/ hingegen damit wie mein uͤbriges predigamt also auch die uͤber Ew. Hochfuͤrstlichen Durchlauch- tigkeit mir gleichfalls anvertrauet geweste beichtvaters sorge abzulegen habe/ so ha- be mit diesem vorher Ew. Hochfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit nochmahl hertzlich versichern wollen/ daß dasjenige/ was dieselbige die zeit uͤber von mir so wohl in predigten als besondern zuspruͤchen gehoͤret/ nicht allein aus treuer begierde/ gleich wie alle mir anvertraut gewesene also auch Ew. Hochfuͤrstlichen Durchlauchtigkeit seele zu erkantnuß und beliebung des allein guten Goͤttlichen willens zubringen/ her- geflossen/ und nach sorgfaͤltiger pruͤfung gewißlich den heiligen geoffenbahrten wort GOttes gemaͤß gefunden werde werden. Jch erkenne dabey meine schwach- heit/ und muß aus derselben sorgen/ daß manches zu Ew. Hochfl. Durchl. wie auch anderer erbaunng mit mehrerem fleiß und weißheit haͤtte sollen von mir vorgenom- men und verrichtet werden/ daran es aber annoch gemanglet hat: daß deswegen unterthaͤnigst zu bitten habe/ daß Ew. Hochfl. Durchl. mir in gnaden vergeben wol- le/ was auch hierinnen jemahl von mir mag versaͤumet seyn worden/ dessen verge- bung aber auch zum foͤrdersten von meinen him̃lischen Vater und seiner barmher- tzigkeit zu erbitten und zu erwarten habe. Hingegen setze auch diese unterthaͤnigste bitte hinzu/ daß sich gleichwohl Ew. Hochfl. Durchl. zum offter des etwa angehoͤr- ten guten/ sonderlich aber derer zu unterschiedlichen mahlen GOTT dem HErrn in mir sein em diener/ vornehmlich bey und nach letzter kranckheit/ gethaner zusa- gungen zu dero erfuͤllung gegen den/ welchem sie geschehen sind/ und der kuͤnfftig davon rech enschafft fordern wird/ treulich erinnern/ und daran nicht ein geringes gelegen zu seyn glauben wolle. Es werden Ew. Hochfuͤrstliche Durchlauchtigkeit mir guaͤdigst vergoͤn- nen/ daß zu diesem beschluß meines getragenen beichtvater amts annoch einige re- geln deroselben hinterlasse/ dero fleißige beobachtung dero leben dem Allerhoͤchsten hertzlich angenehm machen/ und vielen segen herbey ziehen wird. Wie nun unsre pflichten sich in drey abtheilen/ so fern wirs darinnen mit GOTT/ mit uns selbs/ und mit dem nechsten zu thun haben/ so moͤgen alle ihre gewisse regeln erfordern. Was dann anlangt die pflichten/ damit Ew. Hochfuͤrstl. Durchlauchtigkeit dem grossen GOTT verbunden sind/ wuͤrden sich solche in drey regeln abtheilen lassen/ deren die erste ist: sich GOttes heiliger gegenwart zu allen zeiten zu erinnern/ und gewiß zu glauben/ daß seine augen stets auff alle menschen/ auch die er in der welt so hoch gesetzet hat/ aber von demselben einen nicht weniger als von andern leuten ernst- ARTIC. III . SECT. VI . ernstlichen gehorsam und furcht erfordert/ gerichtet seyen/ und auff dero gedan- cken/ wort und wercke acht gebe/ als welche dermahleins vor sein gericht gebracht werden sollen. Wo diese erinnerung stets geschiehet/ da wird die seele mit einer heiligen ehrerbietung gegen diese gegenwart ihres GOttes erfuͤllet/ und betrachtet alles was sie thut. Die andere regel solle billich seyen/ das Goͤttliche wort nicht nur fleißig wo man kan zuhoͤren/ sondern auch in der heiligen Schrifft taͤglich zu lesen/ und den jenigen tag vor ungluͤckliche zu gebracht zu halten/ da man seinen GOtt nicht mit sich in seinem worte haͤtte reden lassen. Wie nun aber solches lesen auch mit andacht und ehrerbitung/ auch vorsatz des gehorsams/ taͤglich geschehen solle/ also muß sonderlich der liebe Sontag zu sothaner uͤbung unaussetzlich angewendet werden/ als dessen rechte heiligung den seegen auff die gantze woche ziehet/ wo er a- ber entheiliget wird/ einiger fluch daher erwartet werden muß. Die dritte re- gel recommendi ret billich das liebe gebeth/ welches taͤglich nicht allein der anfang des tages/ sondern auch aller vornehmenden verrichtungen/ seyen solle/ hingegen a- ler wahre seegen an demselben haͤnget: Wie dann nichts auff GOTT gefaͤllige art geschehen kan/ was man ohne gebeth vornimmet. Wo bey sonderlich die fal- sche einbildung gemieden werden muß/ welche zu weilen einige denen hohen standes personen zu machen unterstehen/ gleich ob bedoͤrffte es dieser gebets nicht/ weil so viele vorbitten von andern vor sie geschehen. Wo aber jemand Ew. Hochfuͤrstl. Durchl. jemahl etwas dergleichen beybringen wolte/ so haben sie demselben billich vor einen untreuen menschen/ so dieselbe um ihre wohlfart bringen wolle/ zu achten/ und dero gerechten eiffer gegen ihn spuͤhren zulassen. Wie nun dise regeln ein zim- liches stuͤck der pflichten gegen GOTT/ von dem doch alle seligkeit zu erwarten/ und also sein dienst allem andern vorzuziehen ist/ in sich fassen/ so bestehen hingegen die pflichten gegen sich selbs nicht weniger in drey regeln. Die 1. ist/ daß Ew. Hochfuͤrstl. Durchl. den von GOtt verliehenen verstand immer mit mehrern nuͤtzlichen/ und die so geistliche als leibliche/ deroselben selbsten und anderer/ wohlfahrt angehenden wissenschafften zu perfectioni ren suchen. Dann wie der verstand an dem menschen nach dem natuͤrlichen das edelste ist/ des- sen vollkommenheit aber in vieler erkaͤntnuͤß wichtiger und noͤthiger dinge bestehet/ so ist eines hohen Fuͤrsten sonderbahrste zierde/ andere auch wie von stande/ also nicht weniger mit erkaͤntnuͤß wichtiger und zu GOttes ehre und der gemeinen wohlfahrt dienlicher dinge/ zu uͤbertreffen. Daher alles dahin gerichtete studi- ren eine der anstaͤndigsten uͤbungen einer hohen person seyen solle. 2. Die andere regel betrifft den leib/ weil nun dieser allezeit also gehalten wer- den muß/ damit er stets eine wohnung des heiligen Geistes seyen/ und zu allen loͤbli- chen verrichtungen geschickt uno fertig bleiben moͤge/ also will noͤthig seyen/ daß er allezeit maͤßig und keusch gehalten/ hingegen alle trunckenheit und unzucht als solche laster geflohen werden/ welche GOttes Geist vertreiben/ den verstand verfinstern/ R r r r r 2 die Das sechste Capitel. die gesuntheit schwachen/ den leib verunreinigen/ und dem Goͤttlichen zweck uns- rer erloͤsung und heiligung schnur stracks entgegen seyen. Daher auch billich das sechste Capitel der epistel an die Corinthier offt und andaͤchtig zu lesen ist. 3. Weil unser leben eine gabe GOttes und keine sache ist/ damit wir nach be- lieben umzugehen haͤtten/ so erfordert GOtt als der HERR desselben/ daß man mit dem leben vorsichtig umgehe/ und sich nimmer in muthwilliger gefahr begebe/ als der sonsten wo wir in der gefahr schaden leiden von uns selbs schwehre rechnung fordern wird. Diese regeln wollen Ew. Hochfuͤrstl. Durchl. samt den andern sorgfaͤltig sich angelegen seyn lassen/ und sonderlich auch bey dieser letzten bedencken wie offt sie bißher GOtt versucht/ dadurch aber mit fallen/ stoͤrtzen und auff andere weise in offenbahre lebens gefahr gerathen/ aber von der Vaͤterlichen guͤte gnaͤdig wieder erhalten worden sind. Es fordert aber GOtt/ daß die bißherige exempel seines sonderbahr geleisteten schutzes in dergleichen gefahr nicht zur sicheꝛheit miß- brauchet/ sondern ein antrieb werden/ hinkuͤnfftig in reiten und allen andern mit so vielmehr vorsichtigkeit sich zu moderiren / damit der HErr nicht dermahleins einen traurigen fall/ von dem man offt nicht weit entfernt gewesen/ verhaͤngen moͤchte. Jch setze noch die pflichten gegen den nechsten hinzu/ die in den folgenden regeln be- stehen/ daß 1. bitte/ Ew. Hochfuͤrstl. Durchl. wollen sich zum grund des meisten le- bens dieses vorstellen/ daß kein mensch/ wie hoch er in der welt seyen moͤchte/ um sein selbs willen lebe/ sondern alle um des nechsten willen: Daher Fuͤrstliche perso- nen sich dieses auch fest einzutrucken haben/ daß ihr gantzes leben durchaus nicht zu eigenem wohlgefallen gesuͤhret/ sondern nothmendig gleich wie zur ehre GOttes/ also nechst derselben zu dem besten des nechsten/ gerichtet werden muͤsse: wes we- gen ihre groͤste freude billich seyen solle/ wo sie nach gelegenheit ihres standes vielen gutes zu erzeigen vermoͤgen. 2. Wird auch dieses eine regel seyen/ daß man dem nechsten gutes zu erzeigen habe/ nicht allein in leiblichen dingen/ so viel GOtt gele- genheit vorkommen laͤsset/ sondern auch darinnen/ mit gutem exempel vorzugehen/ und sich hingegen sorgfaͤltigst zu huͤten/ damit ja niemand je eines aͤrgernuͤß nehmen moͤge. Und weil hoher personen leben so viel offenbahrer ist/ daß unzaͤhliche au- gen auff sie gerichtet sind/ die alles ihr boͤses und gutes genau beobachten/ so will E. Hochfuͤrstl. Durchl. so vielmehr gewissens wegen obligen/ auff alles ihr thun ge- nau acht zu geben/ damit ja niemand je darinnen anstoß finde/ sondern vielmehr al- le zu Christlicher tugend durch dero exempel auffgemuntert werden. 3. Weil E. Hochfuͤrstl. Durchl. ihres standes wegen mehrere bediente noͤthig haben/ so ist bil- li c h diese auch eine wichtige hauptregel/ daß in der wahl nicht allein auff andere quali taͤten sondern hauptsaͤchlich auff die wahre Gottseligkeit gesehen werde/ wie der kluge Koͤnig David gern fromme diener hatte in dem 101. Psalmen (so ein Psalm ist/ den alle hohe offtmahls zu betrachten und in das hertz zu fassen haben) dann wer seinen GOtt auffrichtig fuͤrchtet/ dem kan man gewiß zutrauen/ daß er auch ARTIC. III . SECTIO VI. auch seiner herrschafft allezeit getreu seyn werde: Wer aber nicht rechtschaffen gottselig oder nach GOtt gesinnet ist/ wie er in allem nach antrieb der natuͤrlichen verdeꝛbnuͤß nach eigener ehr/ nutzen oder lust trachtet/ also ists unmoͤglich/ daß er seiner herrschafft weiter getreu seye/ alß so weit es jenem seinem hauptzweck gemaͤß ist. Also kan man sich nimmermehr einer solchen auffrichtigen und bestaͤndigen treue versehen/ wie bey den warhafftigen gottseeligen. Sonderlich koͤnnen Ew. Hochfuͤrstl. Durchl. ein gewisses zeugnuͤß der foͤmmigkeit und also auch treue ihrer bedienten daran finden/ ob sie denselben jemahl gelegenheit oder reitzung zu einigem unrecht geben/ dazu rathen/ ihr wohlgefallen daran bezeugen/ und also dazu selbs beforderlich sind/ oder das gegentheil thun/ und ihr mißfallen uͤber das/ was dem willen GOttes nicht gemaͤß ist/ zuerkennen geben. Was leute sind/ an denen man das erste findet/ und die also das boͤse selbsten belieben/ und ihre Herrn mit dazu rei- tzen/ diese begehen die groͤste und hoͤchst straͤffliche untreue/ als die den genuß von ihrer Herrn gunst und also ihr eigen interesse der herrschafft wahren wohlwesen verziehen/ daher man in wichtigen dingen sich nimmermehr auff dieselbige/ gleich wie auff die/ von denen man weiß/ daß es ihnen um das gewissen und um GOTT redlich zuthun seye/ verlassen darff. Hingegen welche so gar nicht zu dem boͤsen helffen/ daß sie vielmehr mit allem respect und bescheidenheit zu bequemer zeit dar- uͤber erinnerung thun/ von denen ist man versichert/ daß sie ihre herschafft auffrich- tig lieben/ und also in allem gehorsam stets dero wahres bestes befordern wer- den. Durchlauchtigster Printz/ diese dreymahl drey reglen empfehle ich nochmal zu meinem abschied aus unterthaͤnigster treue und hertzlichen verlangen nach E. Hochfuͤrstl. Durchl. geistlichen/ leiblichen und ewigen heyl/ dazu sie gewiß in goͤtt- licher gnade vieles beytragen/ und sie sich versichern koͤnnen/ wo sie werden treu- lich nach demselben einher gehen/ daß der himmlische Vater sie auch ferner auff rich- tigem wege fuͤhren/ und was ihro weiter noͤthig seyen mag/ seinem willen offenbah- ren werde. Wie ich nun dabey versichre/ daß auch abwesend nicht weniger vor dieselbe bey unsrem getreuesten Vater zu beten mir angelegen seyen lassen/ und in ermanglung anderer gelegenheit auffs wenigste in diesem stuͤck meine unterthaͤnig- ste devotion noch fortsetzen werde/ so verlange wol inniglich daß ich stets hoͤren moͤge/ daß E. Hochfuͤrst. Durchl. auffrichtiger bahn der Christlich-und Fuͤrstli- chen tugenden/ auff welchen sie von seiner ewigen guͤte sonderlich durch gottselige vorsorge Dero Durchl. Fr. Mutter Hoheit treulich angewiesen werden/ ruͤhm- lich fortfahren/ und vor allen denen muͤtterlichen vermahnungen stets bey sich platz lassen/ damit neben meinen armen gebet ich auch vor dieselbe mit freudigem gemuͤth und versicherter hoffnung sie wiederum in der ewigkeit mit noch groͤssern freuden zu- sehen/ meine danckopffer vor den thron der gnaden bringen moͤge. Nun der all- R r r r r 3 maͤch- Das sechste Capitel. maͤchtigste grosse GOTT und himmlische Vater/ bieibe auch unaufhoͤr- lich deroselben treuester Vater/ versorge sie mildiglich/ erhalteihr leben/ leibes und gemuͤths kraͤfften nach seinem willen lange zeit ohne anstoß/ umbgebe sie zu solchem ende mit einer flarcken wache seiner maͤchtigen himmels- Fuͤrsten/ und ziehe deroselben seele allezeit kraͤfftiglich zu seinem Sohn. Unser treu- este Heyland JEsus CHristus seye in bꝛuͤderlicher treue allezeit ihr liebreichster Heyland/ reinige sie taͤglich mit seinem blut von ihren suͤnden/ vertrete sie mit seiner allguͤltigen vorbitte vor seinem Vater/ mache und beꝛeite sie zu einem herrlichen werckzeug seiner ehre in seinem gnadenreich/ erfuͤlle sie deswegen mit einer auffrich- tigen begierde solche auff alle weise nach ihrem stand eyffrig zu befoͤrdern/ und sol- che wuͤrde allem uͤbrigen ruhm und reputation in der welt vor zu ziehen. Der wer- theste heilige Geist/ welcher uͤber sie in der heiligen Tauffe reichlich ausgegos- sen worden ist/ stelle ihr in ihrer werthen seele solchen tauff-bund/ so wol was die darinnen erlangte seligkeit und heyls-guͤter/ als auch dero pflicht und geluͤbde an- langt/ also vor/ daß er niemal aus ihrem gedaͤchtnuͤß komme/ sondern stets so die kraͤfftigste staͤrckung des glaubens als auch nachdruͤcklichster antrieb zur wahren gottseligkeit bleibe/ um in dessen wuͤrcklichen genuß immer zustehen: Er erfuͤlle ih- rem verstand immerdar mit lebendiger erkaͤntnuͤß seiner und seines guͤtigsten wil- lens: er lencke ihr hertz kraͤfftig zu dem gehorsam seiner gebote/ in ihrem gantzen le- ben niemahl zu thun/ was deroselben vor sich wol gefiehle/ oder was die seiner heilig- keit widrige welt zuthun pfleget/ und sie etwa von andern (wer dieselbige auch seyen moͤgen) zugeschehen sehen/ sondern allein/ was ihr HErꝛ und GOTT/ dessen wil- le allein der meister unsers lebens seyn muß/ fordert/ und also insgesammt/ sich nicht nach exempeln/ welche uns auff allerley weise leicht verfuͤhren moͤgen/ sondern nach seinem wort zurichten: Er treibe sie also innerlich an zu allem guten/ und terdrucke in ihr/ was seinem trieb widerstehen moͤchte: Er seye in ihr ein Geist der gnaden und des gebets/ in ihꝛer seelen allezeit zu wuͤrcken/ was sie der himmlischen gnade theilhafftig machet/ und die gottgefaͤllige seuffzer: Er bewahre sie vor allem/ was ihr seel und leib beflecken/ und sie seiner seligen einwohnung unfaͤhig machen wuͤrde: Er seye ihr rath in zweiffelhafften sachen/ der zaum sie zuruͤck zu halten/ wo sie sich sonsten in gefahr wuͤrden begeben/ der friede ihres hertzens: Er tilge in ihr alle liebe der welt und dero eitelkeit/ um zu der liebe ihres getreuesten GOTTes stets tuͤchtig zu bleiben. Die gantze heilige Dreyfaltigkeit ergiesse alle ihre gnade uͤber sie reichlich aus/ zu werden ein kꝛaͤfftig instrumens dero verherrlichung/ der Evangelischen kirchen zierde/ des gesamten reiches wohlgefallen/ der hohen eltern freude/ dieser lande trost und der jenigen/ welche auch deroselben zur ꝛegierung werden nach des HErrn willen anvertrauet werden/ wahre gluͤckseligkeit/ endlich aber auch in die vollkommene herrlichkeit nach hier genossenem vielen seegen einzugehen. Nun der ARTIC. III . SECTIO VII . der HErr HEꝛr/ zu dem alle unsre gebete und wuͤnsche gehen/ spreche auch also wie wir bitten und ferner bitten werden/ und lasse ja und Amen seyen. Dreßden/ den 25. Maji. 1691. SECTIO VII. Den tag vor der abreise aus D reßden unterthaͤ- nigstes abschied schreiben an Churfuͤrst Johann Georgen den III. Goͤttliche gnade/ friede/ heyl und leben mit reichem maß des hei- ligen Geistes durch JEsum Christum unsern treusten Hey- land. Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. W Eil es an dem ist/ daß nunmehr nach von E. Churf. Durchl. an das Churfuͤrsten von Brandenburg Durchl. erfolgter mein er uͤberlassung/ und erhaltener vocation, aus allen concurrenzen aber erkanten goͤttli- chen willen/ morgenden tag von hier aus meine reise im nahmen des HErrn fort- setzen werde/ so habe solches nicht ohne zugleich von E. Churf. Durchl. hie- mit unterthaͤnigst nehmenden abschied ins werck richten sollen. Da mich dann zum foͤrdersten unterthaͤnigst bedancke vor alle diese zeit uͤber mir und den meinigen erzeigte gnade/ und daraus hergeflossene auch noch ferner gnaͤdigst versicherte meh- rere gutthaten/ dero der HERR HERR ein veꝛgelter seyn wolle. Die innere ursachen zu meiner dimission gefasten entschlusses habe nicht zu untersuchen/ son- dern E. Churfuͤrstl. Durchl. eigenem gewissen/ und was Gott darinnen noch zuer- kennen geben werde/ zu uͤberlassen: Dabey aber vor dem angesicht des allsehen- den grossen GOttes/ vor dessen richtstuhl wir stehen muͤssen/ und ich nicht weiß/ wann ich davor erscheinen solle/ E. Churf. Durchl. gewiß versichere/ daß in gan- tzem meinem getragenen amt (ob ich mich wol vor des Hoͤchsten richters thron nicht zu rechtfertigen vermag/ sondern derselbe noch viel ein mehrers/ als ich gethan ha- be/ nehmlich mehrern ernst und mehrere klugheit/ von mir gesordert hat) ich gleich- wol es in allem mit E. Churf. Durchl. seele in predigten und uͤbrigen zuspruͤchen treulich gemeinet/ und alles aus unterthaͤnigster liebe/ treuster absicht und nach dem trieb meines gewissens als vor GOtt frey von allen intriguen, gethan/ auch keine an- Das sechste Capitel. andere lehr deroselben/ oder der gesamten gemeinde/ offentlich oder absonderlich/ jemal vorgetragen habe/ als welche nach besten meiner erkaͤntnuͤß gleich wie der hei- ligen schrifft also auch den Symbolischen buͤchern/ dazu ich verbunden/ nach allen puncten gemaͤß ist/ dessen auch GOTT dem Koͤnig der warheit/ der gantzen kir- chen/ und E. Chuꝛf. Durchl. rechenschafft zu geben allezeit beꝛeit bin. Ob dann wol uͤbriges mein amt hiermit unterthaͤnigst niederlege/ so werde mich dannoch zu allen zeiten verbunden erkennen/ nicht weniger als bißdaher vor E. Churfuͤrstl. Durchl. vor dem thron der gnaden/ als lange ich lebe/ zu bitten/ und zu seufftzen/ daß der grosse GOTT/ der HERR aller HERRN/ der nach seinem wolgefal- len dieselbe hochgesetzet/ und ihro vieles anvertrauet hat/ nicht allein nach seinem heiligen willen dieselbe ferner erhalten/ dero gesundheit fristen und bißherige be- schwehrden mildern oder gar hinweg nehmen/ sondern auch so dero hohes hauß mit, allem muͤglichen segen uͤberschuͤtten als dero regierung in allen stuͤcken begluͤcken wolle. Vornehmlich aber gebe er doch in dero theure seele seinen heiligen Geist in gnugsamer maaß/ durch ihn/ wie sie vor seinem heiligen angesicht in derselben ste- hen moͤgen wahrhafftig zuerkennen/ sich von allem/ so ihm mißfaͤllig ist/ bußfertig zuꝛeinigen/ und in den jenigen stand zukommen/ wo sie taͤglich alsdann mit freuden ihr angesicht zu dem himmlischen Vater auffrichten/ durch das blut JEsu Christi abgewaschen werden/ und mit beruhigem hertzen ihre lebens-zeit ihm dienen/ end- lich aber zu seiner zeit in die herrlichkeit seliglich eingehen moͤgen. Jn welcher die- selbe dermaleins gewiß zusehen/ das vornehmste ist/ damit meine aus tieffstem grund der seelen gehende wuͤnsche versigle: und nechst schließlicher empfehlung in die schuͤtzende/ enthaltende und regierende gnade des Allerhoͤchsten verharre u. s. w. Dreßden den Pfingst dienst. als den 2. Jun. 1691. SECTIO VIII . A us meiner vocation nach Berlin von einigen gefasten verdacht abgeleinet. D Je widrige urtheile/ welche uͤber diese aͤnderung fallen wuͤrden/ habe selbs lang vorgesehen/ auch so vielmehr mich beflissen/ daß in der gantzen sache oh- ne die geringste mitwuͤrckung mich bloß passive hielte/ um des goͤttlichen wil- lens zu meinen eigenem trost und schutz gegen die jenige/ welche ungleich davon sprechen moͤchten/ desto vꝛrsicherter zu seyen. Wie nun gewiß ist/ daß mit allen auch an sich selbs guͤltigsten gruͤnden nicht allen leuten in dieser sache von mir eine gnuͤge gesehen kan/ am wenigsten aber die jenige falsche bruͤder/ so mir ohne das in unsrem ordine feind sind/ und nur nach anlaß zu laͤstern und uͤbel zu urtheilen verlangen/ sich diese entreissen werden lassen wollen/ so bin ich gleichwol nicht nur versichert vor ARTIC . III. SECTIO VIII. vor mich selbs/ daß ich mit gutem gewissen hieher gekont/ ja gemusthabe/ sondern traue auch allen denen/ welche einige billichkeit bey sich haben/ voͤllige satisfacti- on darinnen zu geben. Dann 1. bin ich beruffen zu einer Evangelischen Lutherischen kirchen/ dero ich nicht nur das reine wort GOttes zu predigen gewissens halben verbunden bin/ sondern auch selbs die Churf. beruffung mich nicht auff die Reformiꝛte lehr/ son- dern die Augspurgische Confession, verweiset. 2. Stehet es gleichwol mit der freyheit der Evangelischen kirchen dieser lan- de anders/ als man aussen davon meistens berichtet ist oder glaubet: Dann es ste- het frey und geschicht taͤglich in dieser statt und gantzen lande/ daß nicht allein die Evangelische wahrheit in thesi vorgetragen und befestiget/ sondern auch die an- tithesis gehandelt/ absonderlich den Reformirten meinungen nahmentlich ange- fuͤhret und gruͤndlich wiederle get/ auch die wichtigkeit der streit-fragen und gefahr der irrthuͤme gezeiget werden doͤrffen/ und werden: nuꝛ daß es mit bescheidenheit/ ohne bittere wort/ andichtung der consequenzien, ob waͤre solches ihre eigene leh- re/ geschehe/ und nicht zu allen zeiten in allen predigten die Reformirten mit haaren herbey gezogen werden. Daher ich mich versichere/ daß ich hier/ und ob einige- mal Sr. Churf. Duꝛchl. selbs zu gegen seyen solten/ also werde predigen und re- den doͤrffen/ als ich in der schloß-capelle zu Dreßden gepfleget habe. 3. Hat ja jeglicher so unserer gesamten kirchen wohlfahrt verlanget/ dazu wir gleichwol alle verbunden sind/ auch dieser Maͤrckischen Evangelischen kirchen bestes hertzlich zu wuͤnschen und so viel an ihnen waͤre/ auch gern mit zubefordern/ deswe- gen ihnen auch solche lehrer/ die das wort des HErrn mit krafft treiben moͤgen/ zu goͤnnen sind/ ja gern zu sehen ist/ daß sie auch der jenigen/ welche vor andern ein mehrers pfund empfangen haͤtten (so von mir eben nicht ruͤhmen kan) dienstes/ des- sen sie vor andern/ wo man sie vor gedruckte kirchen halten wolte/ bedoͤrfftig waͤ- ren/ theilhafftig werden moͤchten. Weswegen dann welche dahin warhafftig von GOTT beruffen werden/ um des beschwerlichen zustands der kirchen wil- len/ sich von den beruff so gar nicht abziehen lassen doͤrfften/ daß vielmehr das anse- hen desselben sie zur folge so vielmehr verbindet. Andere aber haben wiederum so gar nicht macht/ daß sie deswegen sie mit verdacht beladen/ daß sie vielmehr sich verbunden solten erkennen/ voꝛ sie desto hertzlicher zu bitten/ und sie so vielmehr zu lieben/ da sie vor andere sich inmehr gefahr um des wercks des HErrn willen be- geben muͤßten. Hingegen welche die jenige/ so sich zu einer kirchen ziehen lassen/ die unter anderer religion herrschafft die wahrheit bekennet/ um solcher ursach wil- len uͤbel ansehen/ und mit verdacht beschwehren wollen/ zeigen/ daß sie dann sol- che kirchen denen widrigen lieber gern in die haͤnde geben wolten/ wo sie nemlich ih- nen keine andere lehrer goͤnneten/ als welche bey anderen gemeinden keinen platz vor sich finden koͤnten. Welches je schnurstracks wider die ehre GOttes/ der ge- S s s s s sam- Das sechste Capitel. samten kirchen wolfahrt und die liebe streiten wuͤrde. Da hingegen andere reli- gions genossen/ sonderlich die Papisten/ an die jenige ort/ wo sie gedruckt werden/ am liebsten ihre tuͤchtigste leute senden/ und solches dem interesse der religion ge- maͤß achten. 4. So bin ich auch nicht zu dieser stelle aus eigenem rath oder willkuͤhr gegan- gen/ daß ein sonderlich verlangen unter denen Reformirten zu seyn mich dazu bewo- gen haͤtte/ sondern ohne einiges mein zuthun bin ich von einem Churfuͤrsten beruf- fen/ von dem andern ausdruͤcklich demselben uͤberlassen worden/ deswegen einiger verdacht auch nur mit einem schein der billigkeit auff mich nicht gefast zu werden vermag. 5. Das Consistorium belangend/ ist solches von beyderseits religionen zu- gleich besetzet wiewol da ich jetzo darzu beruffen nunmehr zwey Theologi unserer religion darinnen sein werden/ da nur ein Reformirter darinnen sitzet/ man moͤchte dann auch extra ordinem noch einen Reformirten jetzo beyfuͤgen. Aller dieser ur- sachen bedarff es bey meinem hochgeehrten Herrn nicht/ als der ohne das besser ur- theilet/ ich habe sie aber anfuͤhren wollen/ damit wie ich mich versichert halte/ derselbe werde gern in solcher sache vor mich sprechen/ das jenige so ich anfuͤge an- dern zu desto bessern nachricht hinwiederum vorgestellet merden koͤnte. Der HErr verleihe mir nur seines heiligen Geistes gnade und krafft/ daß ich einige seelen ge- winne/ so mags nachmal mit andern urtheil gehen wie es wolle/ und bin ich ohne das dergleichen von allen orten uͤber mich zuhoͤren/ lang gnung gewohnet. 11. Jun. 1691. SECTIO IX. A n einen auch dimittirten und anderwerts wie- der beruffenen Theologum. Jn Sachsen bin nicht ohne frucht geblieben. Wiederstand des guten von Universitaͤten. D. Carpzovius. Berlinische stelle bewandnuͤß. Man will al- lenthalben die warheit weiter als zu einem moral - leben nicht leyden. Gratulation zum neuen amt. J N Sachsen/ wohin mich der HErr auch voꝛher gefuͤhret/ und nun wieder ausgefuͤhret hat/ gewesen zu seyen/ reuet mich nicht/ so wol wegen des auch dahin gehabten goͤttlichen ruffs/ als auch daß der himmlische Vater meinen armen dienst daselbst nicht ohne segen gelassen hat/ dann ob ich wol leider weder ruͤh- men kan/ daß ich zeit meines anwesens alles das jenige erfuͤllet haͤtte/ was treue und ARTIC. III. SECTIO IX. und fleiß von uns fordern kan/ noch auch sehe/ daß eine mercklich allgemeine aͤnde- rung erfolget waͤre/ dero das allzu tieffe verderben zu dieser zeit des gerichts noch zu starck entgegen stehet/ so manglets gleichwol nicht an mehrern seelen/ welche dem HErrn dancken/ daß er zeit meines anwesens ihnen die augen weiter geoͤffnet und sein wort in ihnen lebendig und fruchtbar gemachet habe: sonderlich ist nicht zu leugnen/ daß gleichwol inner solcher zeit nicht nur in Dreßden sondern auch dem gantzen lande eine starcke bewegung erreget worden/ daß man insgemein hat an- fangen etwas mehr aus dem schlaff auff zu wachen/ und zu sehen/ daß nach GOt- tes wort ein mehrers/ als man insgemein sehe/ eꝛfordert werde/ daruͤber eines theils/ welchen solches liecht in den augen wehe that/ sich demselben destomehr wi- dersetzet und des wegen es auszuloͤschen getrachtet/ aber doch ihr gewissen nicht voͤllig zustillen vermocht/ andere aber/ so sich von denselben bewegen lassen/ es anzuneh- men und andern auch vorzutragen/ oder doch gut davon zureden/ sich befliessen ha- ben. Daher unter denen Predigern hin und wieder gleichwol mehr von dem recht- schaffen Christenthum und der heiligung zu handlen angefangen ist worden/ sorg- lich zwar von einigen auch nur zum schein und sich in credit zu setzen/ von andern a- ber auch aus redlichen hertzen/ dero eyffer hoffentlich nicht wiederum erkalten son- dern durch GOttes gnade ferner entbrennen wird. Also daß ich des guten ver- trauens gelebe/ der HErr habe eine gute saat ausgestreuet/ welche in seinem see- gen noch immer weiter biß zu einer ꝛeiffen erndte erwachsen werde/ ohnerachtet eini- ger schweren wetter/ welche ich fuͤrchte/ von einigen gegen das wachsthum des gu- ten bald erreget zu werden: jedoch wird der HErr vor seine ehre und die seelen de- rer die ihn lieben/ hertzlich sorgen/ und sie zu beschuͤtzen/ ja bey denen wo allein ein weniger anfang gemachet worden/ auch diesen durch seine krafft durchbrechen las- sen/ weil es je nicht unser sondern sein werck ist/ darum wir ihn auch hertzlich und unablaͤßig anruffen wollen/ daß er doch dermaleines zeige/ er seye noch richter auff erden/ und maͤchtiger seine sache und seines reichs wachsthum zuvertheidigen/ als der Fuͤrst dieser welt alles solches zu unterdrucken/ dessen gewalt sich einmal zu en- de neigen muß. Auff denen Universitaͤten ist bißdaher meistens der beforderung des guten/ wiewohl allein durch etlicher/ so sich eine autorit aͤt gemachet/ und vor denen die uͤ- brige nicht viel sagen doͤrffen/ widerspruch und hartnaͤckigkeit widerstanden wor- den/ daher auch Herr D. Carpzovius Prof. zu Leipzig/ da er vorher mich mit mehrer submission, als gern habe zugeben moͤgen verehret haͤtte/ sich dessen/ daß von dem als 1689. auff den bußtag 22. Febr. an Sr. Churf. Durchl. krafft meines beicht-vater amts noͤthige erinnerung/ und zwar (nach dem exempel meiner selig n antecessorum Herr D. Wellers und Herr D. Geiers) schrifftlich gethan/ und deroselbẽ mit beybehaltenem unterthaͤnigsten respect den zustand dero seele beweg- S s s s s 2 lich Das sechste Capitel. lich und weitlaͤufftig vorgestellet hatte/ dadurch in ungnade gefallen/ die sich im- mer durch einblasen gehaͤßiger leute vermehret/ und daher bey hoff ohne schutz waͤ- re/ dazu mißbrauchet hat/ daß er mich/ als dem er alles zuschriebe/ was andere ge- than haͤtten/ zu mehrern malen/ sonderlich in predigten/ so dann dreyen program- matibus, so dazu sub nomine Rectoris und also academiæ publibiret worden/ zum hefftigsten angegriffen/ und vielerley dinge beschuldigt/ da ich hingegen wie- der ihn ohne schutz geblieben bin. Nun der HErr hat ihm auch solches zur uͤbung und pruͤffung meiner gedult zu gelassen. Dem bleibe deswegen auch schuldiges danck- bares lob/ und ihm alles zu seiner gnade empfohlen. Die hiesige stelle anlangend/ ob sie wol unterschiedlicher bekanter ursachen willen nicht wenig gefaͤhrlich ist/ und ich wol vorsehe/ daß es an allerhand wider- wertigkeiten nicht manglen wird/ sehe gleichwol auch also an/ daß sich vieles gutes in derselben werde ausrichten lassen. Wie ich dann so wol wegen des gewiß goͤtt- lichen beruffs/ da wieder aller auch sonsten kluger staats-leute vermuthen das werck diesen ausgang nehmen muͤssen/ aber eben dardurch der unhintertreibliche rath des HErrn sich so viel versicherter offenbahret hat/ der dann deswegen nicht anders als guͤtig und weise seyen kan und muß/ als auch wegen anderer umstaͤnde/ der troͤst- lichen zuversicht gelebe/ daß mir eine weitere thuͤr des guten hiesigen orts geoͤffnet werden solle/ u. mir der HErr einen reichern segen bestimmet haben werde. Er gebe mir doch dazu seinẽ h. Geist in dem jenigẽ maß als die stelle erfordert/ weder aus man gel noͤthiger klugheit in etwas anzustossen/ u. dẽ wort selbs eine hindernuͤß zu machẽ/ noch sonsten aus forcht oder nachlaͤßigkeit etwas noͤthiges zuversaͤumẽ. Welche noͤ- thige gaben aber Christliche mit-bruͤder mir auch mit ihrem gebet erbitten zu helffen gebeten werden. Jm uͤbrigen haben wir ja hertzlich zu bejam̃ern den zustand unserer armen kirchen/ da es nun dahin gekommen/ daß man die warheit fast nirgend mehr leiden will/ sonderlich wo mans nicht bey dem schelten auff dieses und jenes besondern laster bleiben laͤsset/ sondern die wurtzel und den stamm/ von welchem jene boͤse fruͤchten herkommen/ selbs angreifft/ und die rechte innere hertzens-buß und einen gantz andren sinn/ als der mensch von natur hat/ folglich die gruͤndliche verleugnung seiner selbs/ als etwas das blosser dings nothwendig seye/ erfordert: Dañ darwieder streubet sich der alte Adã am allermeisten/ der sonsten noch wohl leidet/ daß man ein moral -leben treibe/ und sich auch/ wo man etwas grob versehen hat/ zu einer corre- ction daruͤber verstehet/ nur daß man nicht gar seinen todt fordere/ sondern eine sol- che buß gelten lasse/ welche bey seinem leben stehen koͤnne. Sonderlich aber ha- ben wir zu bedauren den verfall unseres ordinis, nach dem wir sehen/ und an eige- nem exempel mehrmahl selbs erfahrenhaben/ daß die jenige/ so aus doppelter pflicht das gute befordern solten/ die jenige seyen/ welche mit nachlaͤßiger und der welt-art sich bequemender lehr/ schmeicheley und traͤgheit/ so dann fleischlichem le- ben/ der beforderung des guten am meisten entgegen stehen/ deßwegen aber auch de- ARTIC . III. SECTIO IX . denen jenigen/ welche sie das werck des HERRN mit mehrern ernst angelegen seyen lassen sich am hefftigsten widersetzen/ und wie sie koͤnneu sie zu unterdrucken su- chen/ dergleichen exempel ich fast/ wohin ich mich nur wende/ mit hertzlichster betruͤb- nuͤß aller orten sehen muß/ und daraus des schrecklichsten gerichts GOttes uͤber unsre kirche/ welches so wol uͤber derselben bereits schwebet/ als sich noch ferner uͤ- ber sie ergiessen mag/ anzeige nehme. Ach daß der HERR kaͤme/ und erstlich die kinder Levi reinigte/ so wolte hoffen/ es wuͤrde auch alsdann mit den uͤbrigen staͤnden sich so viel eher zur besserung geben. Nun wir wollen zu dem HERRN tag und nacht seufftzen/ biß er sich seines armen Zions erbarme/ und es wider auff ihm gefaͤllige art baue/ solcher zeit aber auch mit glaͤubiger gedult in seiner krafft er- warten. Meinen werthesten bruder gratulire nochmahl hertzlich vor seinen vielfa- chen sieg/ so wohl in uͤberzeigung und gewinnung vieler seelen/ durch die krafft des worts/ welche auch nach seinen abschied von vorigen ort ferner das angefangene fortsetzen wird/ als in beschaͤmung der jenigen so sich der wahꝛheit in allerleystaͤnden widersetzet/ aber eben damit allezeit ihre schande nur mehr offenbahret/ und wie sie dieselbe in ihrem gewissen widerwillen fuͤhlen bezeiget haben: ferner erkenne auch solchen sieg in deme/ da er vor der welt uͤberwunden zu seyen geschiehnen/ aber vor GOttes und des glaubens (so immer widersinnisch urtheilet) augen wahꝛhafftig die welchen er weichet uͤberwunden hat/ so dann in dem neuen beruff/ welchen GOttes guͤte zur confusion deren/ so ihn auszustossen veranlasset haben/ ihm wieder zu ge- sant/ und eine solche stelle angewiesen hat/ in dero ich auch demselben unvergleichlich mehr gelegenheit des guten und krafft damit durchzudringen gegeben zu werden nicht zweiffele/ auch um Goͤttliches liecht/ schutz und segen/ welche zu denen nun auffgetragenen aͤmtern erfordert werden/ zu dem HERRN zu flehen taͤglich nicht unterlassen will: sonderlich aber/ daß er/ so der GOTT der liebe ist/ liebe und ver- trauen in die hertzen der jenigen/ zu welchen er ihn nunmehr sendet/ meistens wel- che mit ihm zugleich an dem weinberg des reichs GOttes arbeiten sollen/ durch sei- nen Geist geben/ und sie also mit ihm hertzlich verbinden wolle/ damit sie so wol das Goͤttliche wort aus seinem munde gehorsamlich annehmen/ als auch bruͤderlich zu dem gemeinen werck hand mit anlegen/ und also desto mehrer segen folgen moͤgen. Nun der HERR erfuͤlle an ihm/ an ihren orten/ und bey uns allen alles/ wordurch sein nahme mehr und mehr verherlichet und sein reich so befestiget alsfort gepflan- tzet werden moͤge. 11. Jun. 1691. S ss ss 3 SECT. Das sechste Capitel. SECTIO X. U nbillichkeit der Theologorum / die ein schis- ma intendiren. W As Ew. Excellenz sorget/ gewinnet ley der das ansehen/ als wenn einige ein schisma intendirten / nehmlich daß gewisse unsers Ordinis, welche fleischlich gesinnet sind/ auff allerley art und weise trachten doͤrfften/ ande- re/ die mit ihnen dem sinne nach nicht einstimmen/ so viel ihnen muͤglich seyen wird/ auszustossen/ und weil sie sonsten solches nicht zu wercke richten koͤnnen/ als durch falsche aufflagen/ und sie irriger lehre zu beschuldigen/ so werden sie es auff diese weise versuchen welches ihnen menschlicher weise so gar schwehr nicht weꝛden moͤchte (wie ich laͤngst gehoͤret/ daß ein vornehmer Theologus solte gesagt haben/ wenn 3. oder 4. Theologi, die in ansehen sind/ zusammen halten wolten/ daß sie den vier- ten/ oder fuͤnfften leicht zum ketzer machen koͤnten) aber ich hoffe/ eben dieses/ was dergleichen leute suchen/ solle ihnen nicht nur nicht angehen/ sondern es solle gar dasjenige seyen/ dadurch sie ihre thorheit u. boßheit endlich jederman offenbahren denen leuten aber die augen besser auffgehen/ und sie zuletzt/ was sie an diesen oder jenen haben/ deutlich erkennen werden/ auffs wenigste muß dieses/ ob sichs verzoͤge/ und unschuldige zimlich lange von anderer trotz leyden muͤsten/ der endliche ausgang seyen/ und wird der HERR nicht immer den menschen in der welt die uͤberhand las- sen/ sondern daß er noch richter und meister auff erden seye mit krafft erzeigen/ dar- auff wir mit gedult warten wollen 1691. 13. Jun. SECTIO XI. Das predigamt hat billig der zuhoͤrer unter sich anstellende uͤbungen zu befoͤrdern und zu schuͤtzen. Man- gel der kirchen disciplin. GOTT es rath darinnen. A M heꝛtzlichstẽ hat mich ergoͤtzet/ u. daher mein gegẽ E. Wohl-Ehꝛw. u. gantzes Ven. Ministerium ihres orts tragendes vertrauen gemehret/ daß dieselbe meldet/ als des guten mannes ( welches war der Johann Hirsch. siehe Artic. II. Sect ...) und seiner mit andern Christlichen freunden anstel l ender an- dachtsuͤbungen wegen bey ihnen klage angebracht worden/ ob waͤren sie halbe Schwenckfelder/ daß dieselbe nicht zugefahren/ sondern die sache untersuchet/ und nach dem sie die personen/ buͤcher auch uͤbungen ohne rechtmaͤßigen verdacht ge- fun- ARTIC . III. SECT . XI. funden/ die liebe leute in ihren guten vorhaben nicht allein nicht gehindert/ sondern vielmehr gelobet und und befordert haben. Welche Vaͤterliche vorsorge vor das geistliche wachsthum ihrer anvertrauten kirchkinder von ihnen so viel ruͤhmlicher ist/ als leider sich an andern orten von einer zeit her so viele finden/ welche so bald sich nur einige ihrer zuhoͤrer ihrer Christlichen pflicht nach um der erbauung willen zu- sammen thun/ sich auffs hefftigste widersetzen/ und es vor dem gefaͤhrlichsten anfang allerley ketzerey und schwaͤrmerey achten/ daher eher deroselben zusammenkuͤnfften zu trincken und spielen als zu handlung Goͤttlichen worts leiden koͤnnen: gerad als wenn das geistliche Priesterthum mit seinen uͤbungen dem predigamt entgegen waͤ- re/ oder dieses sich jenem widersetzen muͤste/ da sie doch als zwey herrliche kleinoden immer neben einander stehen solten. Es ist nicht zu sagen/ was vor schaden jener blinde eiffer unbesonnener prediger thut/ in dem Gottselige hertzen denen in ihren loͤblichen vorhaben einhalt geschiehet/ und sie an statt des lobes gescholten werden/ daruͤber inniglich betruͤbt und irre gemacht/ andere nachlaͤßige in ihrer traͤgheit ge- staͤrcket/ offenbahre weltkinder zulaͤstern veranlasset werden/ daraus nichts anders als schwere gerichte GOttes uͤber unsere kirche zu erwarten sind/ und sorglich bald ausbrechen werden. Ach daß wir stets an die wort Pauli gedaͤchten: Den Geist daͤmpffet nicht: und Mosis: Wolte GOTT daß alles volck des HErrn weissaget/ und der HERR seinen Geist uͤber sie gebe. Wo zu es gleichwol auch noch nach seiner verheissung kommen solte. Was ferner geliebter bruder klaget uͤber des Politi schen Antichrists eingriff und daher sich bey unserer kirchen befindenden mangel der kirchen disciplin / ists freylich auch eine gerechte klage/ aber menschlicher weise nicht abzusehen/ wie zuhelf- fen seye/ sondern es gehoͤret nur Goͤttliche krafft darzu/ zurecht zu bringen/ was durch und durch verdorben ist; Daher ich offt in die furcht gerathen/ nachdem unsre kirch dermassen verdorben/ daß kein flicken mehr hilfft/ GOTT werde unser gebaͤu mit einander niederschmeissen/ und aus der beyseit gebrachten steinen/ es so viel herrlicher wider auffrichten. Dabey erinnere ich mich/ wie einmahl ein Gottseliger freund es vor eine heilige verhaͤngnuͤß GOttes hielte/ daß die haͤnde dem predigamt wegen der disciplin von der Obrigkeit dermassen gehemmet waͤ- ren/ weil leider die meiste Prediger sich einer mehrer macht/ da sie dieselbe haͤtren/ eher miß- und zur ausuͤbung ihrer affecten / als recht und zu der seelen besten ge- brauchen wuͤrden. Jch habe der sache seither offt nachgedacht/ und solche gedan- cken nicht ungegruͤndet/ und gewiß die meiste unsers ordens von solchen sinn befun- den/ daß ihnen eine freyere gewalt in solchem wichtigen werck zu geben nicht nuͤtz- lich waͤre. Wie dann die zeit uͤber in Sachsen bey dem Ober -Consistorio so viele klagen uͤber die Prediger/ da dieselbe in amts-geschaͤfften ihre affecten herrschen lassen/ erfahren habe/ daß daraus schliessen koͤnnen/ wo sie nicht eine andere gewalt uͤber sich haͤtten/ vor dero straff sie sich fuͤrchten muͤsten/ wie unertraͤglich derselben herr- Das sechste Capitel. herrschafft nicht so wol den wahrhafftig aͤrgerlichen/ als manchmahl den jenigen/ de- nen sie sonsten nicht gut sind/ fallen wuͤrde. Nun der HERR gebe uns mehr und mehr hirten nach seinen hertzen/ so wird auch denselben mit samt ihren gemein- den von seiner guͤte und weißheit der freye gebrauch ihrer rechten widerum sicher gegeben werden/ und lasse seine ehre und wahrheit aller orten maͤchtiglich durchbre- chen. 18. Jul. 1691. SECTIO XII. N ach dem tod C hurfuͤrst J oh. G eorg. III . zu Sachsen unterthaͤnigst condolenz-schreiben und wunsch zur angetretenen regiernng an Churfuͤrst Joh. Georg den IV. Goͤttliche gnade/ friede/ trost/ rath/ heil/ segen und leben von unsren treuesten Heiland JESU CHRJSTO zu aller hohen wohlfahr t und begluͤckten regierung! Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. D Aß es dem Allerhoͤchsten HERRN uͤber leben und tod nach seinem uner- forschlichen rath gefaͤllig gewesen seye/ den Weyland Durchl. Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Johann Georg den III. Hertzog zu Sachsen/ Juͤlich/ Clev/ und Berg/ des heiligen Roͤmischen Reichs Ertz-Marschalln und Churfuͤrsten. ꝛc. ꝛe. Ew. Churfuͤrstlichen Durchl. geliebtesten Herrn Vater/ in Tuͤbingen juͤngsthin aus dieser zeitlichkeit abzufordern/ ist gestern mit der post das zweitemahl (da der ersten nicht voͤlliger glaube noch zugestellet wurde) berichtet worden. Wie nun nechst den allgemeinen leidwesens und schreckens der dieser fall in dem gantzen reich/ vornehmlich wegengegenwaͤrtiger conjuncturen eꝛwecket haben wird/ absonderl. E. Churfuͤrstl. Durchl. aus Soͤhnlicher und natuͤrlicher liebe uͤber solchen abschied dero schmertzen empfunden hat/ also habe auch ich billich meine Christliche condo- lenz in unterthaͤnigster demuth hiemit von hertzen bezeugen sollen. Jch achte mich aber dessen dabey versichert/ daß der himmlische Vater/ so diesen fall nach seinem heiligen willen geschicket hat Ew. Churfuͤrstl. Durchl. mit der jenigen Christfuͤrst - lichen bestaͤndigkeit und gedult gestaͤrcket haben werde/ sich auch in deroselben der obristen verordnung dessen/ in dessen hand unsre aller leben stehet/ und der alle au- gen ARTI C. III. SECTIO XII. genblick uns die jenige/ welche wir hertzlich lieben/ zu entziehen und von uns abzu- fordern macht hat/ gehorsam und mit geziehmender gelassenheit unterworffen ha- ben werde; wie dann seine kraͤfftigste hand noch ferner die geschlagene wunde mit dem trostbalsam seines heiligen Geistes heilen/ und zu solchem ende so wol die lebendi g e erkaͤntnuͤß gedachtes seines willenstieff in dero hertz eindrucken/ als auch die himmlische gnade/ welche dero Hochsel. Herrn Vater widerfahren ist (daß ihm vor dem abschied einige wochen zur seligen vorbereitung und bußfertiger uͤberden- ckung des vorigen lebens aus grosseꝛ barmhertzigkeit gegoͤnnet worden sind/ ich auch dieselbe durch des heiligen Geistes wuͤrckung hoffen will/ nach dem mir keine spe- cialia noch bekant sind worden/ wohl und heilsamlich angewendet worden zu seyen) also kraͤfftig vor augen stellen wolle/ daß dardurch das gemuͤth in dem trauren maß zuhalten geziemlich befriediget werde. Warum ich dann auch/ wie nicht weniger daß solcher grosse GOTT durch seine allmacht Ew. Churfuͤ r stl. Durchl. zu dero alter/ die dem wehrtesten Herrn Vater (so das Vaͤter-Muͤtter-auch allerseits Groß-Vaͤter- und Muͤtterliche maß bey weitem nicht erreichet) abgekuͤrtzete jahre ferner gnaͤdigst zusetzen/ alle weitere betruͤbte eingriffe von dero hohen Churhause (so ohne daß wenig mehr zu zusetzen hat) maͤchtigstlich abwenden/ vornehml. aber die numehr antretende regierung von himmel herab mildigst segnen/ und dieselbe mit dem dazu noͤthigen Geist/ weißheit und gaben reichlichst erfuͤllen wolle/ dessen ewi- ge liebe demuͤthig anflehe. Wann aber dieses das erstemahl Ew. Churfuͤrstl. Durchl. in diesen zustand unterthaͤnigst zu zuschreiben ich die gnade habe/ so trage auch das unter thaͤnigste vertrauen/ daß dieselbe gnaͤdigst ausnehmen werde/ wo in meinung des vormahls getragenen Characteris dero unwuͤrdigen beicht- vaters und aus gedaͤchtnuͤß dero gegen mich allzeit gnaͤdigst bezeigten vertrauens/ mich dessen unterstehe/ wo von ich zwahr eusserlich loßgesprochen bin/ aber in mei- ner seele mich aus schuldiger treue noch darzu verbunden erkenne/ nehmlich bey nun antretender regierung mein hertz nochmahl bey deroselben/ und zwar vor Got- tes hei li gen angesicht auszuschuͤtten. Ew. Chur f uͤrstliche Durchl. treten nach des HERRN aller HERREN befehl die regierung an zimlich weitlaͤufftiger und vieler lande und leute/ welche derselbe mit vielem allerley aꝛt segen/ samt andeꝛn laͤn- dern des reichs/ theils auch vor andern gesegnet hat/ aber welche Ew. Chuͤrfuͤrstl. Durchl. gewißlich nicht in dem stande finden/ wie sie wuͤnscheten. Den zustand nach allen stuͤcken vorzustellen/ ist nicht noͤthig/ sondern es ist/ wie mir wohl wissend/ und aus Ew. Churfuͤrstl. Durchl. eigenem munde erinnerlich/ derselben grossen theils bekont/ was in dem geistlichen und weltlichen vor maͤngel sich befinden/ wel- che/ wo nicht kraͤfftig gewehret/ und alles nach vermoͤgen gebessert wird/ freylich das eusserste verderben und viele schreckliche gerichte bald nach sich ziehen werden. Also gedencken Ew. Churfuͤrstl. Durchl. daß dieselbe nicht zu einen wohlleben son- dern einer der schwehrsten arbeiten von ihrem hoͤchsten Lehns-Herren/ und solches T t t t t zur Das sechste Capitel. zur gefaͤhrlichsten zeit/ gesetzet seyen/ der nun von deroselben eine probe fordere dero treue/ und wie sie das jenige/ wodurch seine himmlische guͤte sie hierauff lange be- reitet hat/ hinkuͤnfftig anwenden werde. Hieran ligt deroselben zeitlich und ewi- ges heil: Hingegen ist diese regierung ein solches werck/ welches unmuͤglich mit menschlischer klugheit und krafft gluͤcklich gefuͤhret werden kan/ sondern es muß GOTT der Hoͤchste herscher solches thun/ und wird Ew. Churfuͤrstliche Duꝛchl. als dann ein begluͤckter und seliger Regent seyen/ wo sie nichts anders thut/ als daß sie ein werckzeug sich ihren GOTT darstelle/ der alles durch sie wuͤrcke. Also bleibet je dieses das erste und wichtigste/ daß Ew. Churfuͤrstl. Durchl. so wol ihren GOTT und dessen ehr zu den ersten und letzten zweck alles ihres lebens und regie- rung/ zu welchem das uͤbrige gerichtet werde/ sich vorsetze/ als befliessener un- aussetzlichen vor ihre eigene hohe person in dem stande zu bleiben/ darinnen GOtt in deroselben seele wohne/ und sie zu einem gefaͤß seiner gnade allezeit behalte. Ge- schiehet dieses/ so kans unmuͤglich daran manglen/ daß nicht die regierung in allen er- wuͤnschet seye. Es werden Ew. Churfuͤrstlichen Durchl. lande anvertrauet/ darinnen un- ser him̃lische Vater vor mehr als anderthalb hundert jahren/ das liecht seines Ev- angelii angezuͤndet/ und seither die reine lehr ohne untermischung gefaͤhrlicher irr- thum erhalten hat. Aber ach daß ich auch aus der erfahꝛung der zeit/ die ich in demsel- ben nach des HErrn willen zugebracht habe/ richten koͤnte/ daß solche reine lehre/ wie in den kirchen bekantnuͤssen und etwa predigten/ also auch den hertzen der mei- sten unterthanen mit ihren heiligen fruͤchten sich finden moͤchte/ und nicht billich die klage gefuͤhret werden muͤsste/ daß nicht allein die erkaͤntnuͤß GOttes in denselben bey der gemeinde weit geringer seye/ als man gedencken solte/ sondern auch bey den jenigen/ welche dieselbe fuͤhren sollen/ grosser mangel sich find; wie vielleicht Ew. Churfuͤrstl. Durchl. selbs bereits nicht einmahl vieles beobachtet haben wird/ wie kirchen/ academien und schulen dero lande bey weitem nicht in dem florirenden stand stehen/ wie sie solten und koͤnten/ ja derer nicht wenig seynd/ diẽ was sie zu be- foͤrdern verbunden/ mehr und lieber hindern. Durchl. Churfuͤrst/ wo Ew. Churfuͤrstl. Durchl. sich von dero gnade ihres GOttes also regieren laͤsst/ daß ihre erste sorge seye/ diesem nach allen vermoͤgen/ als auch in diesem menschlichen wesen geschehehen kan/ seine ehre wider zu geben/ und die uͤbung der wahren Gottseligkeit/ als die krafft und zweck der reinen lehre/ recht empor und in schwang zu bringen/ so wird damit der festeste gꝛund geleget wer- den dero eigenen und dero lande zeitlichen und ewigen wolwesens. Hiezu will auch gehoͤren eine genaue und und vor Gott fleißig anstellende untersuchung vieler dinge/ die in dergleichen materie eine zeitlang vorgegangen sind/ viele tausend seufftzen/ GOtt angenehmen seelen ausgetrucket haben/ und Ew. Churfuͤrstl. Durchlauch - tigkeit ARTIC. III. SECTIO XII. tigkeit zum theil zimlich bekant worden sind: dardurch ich nicht ohne ursach sorge/ daß nicht weniger fluch herbey gezogen worden/ welchen hingegen Ew. Churfuͤrstl. Durchlauchtigkeit widerum abthuende/ sich am vortrefflichsten um dero lande und das reich GOttes verdienet machen/ damit tausend dancksagungen gegen GOtt er- wecken und segen auff sich ziehen kan. Es wird aber auch neben dem Ew. Churf. Durchl. die lande finden wegen des leiblichen voller klagens von lauter jam̃er/ ab- nahm der nahrung in staͤtten und lande/ allgemeine armuth/ und wie alles sich tieff herabneige/ da es hingegen an andern landen nicht mangelt/ von dero in nicht so langer zeit mercklichen auffnahm und zuwachs nicht ohne grund geruͤhmet werden kan. Da hat sich Ew. Churfuͤrstl. Durchl. zu versichern/ alle nothleidende seuff- tzen/ die auch nicht vor dero ohren kommen/ gehen doch in gewisser maß auff sie/ und fordern vor GOtt von derselben/ die ursachen des uͤbelstandes sorgfaͤltig zu unter- suchen/ und ohne ansehen der person kraͤfftig zu remedi ren: Wie ich nun nicht zweiffle/ daß Ew. Churfuͤrstliche Durchl. mit solchen loͤblichen vorsatz dero thron besteigen/ so wuͤnsche und hoffe auch ernstlichen und unermuͤdeten fleiß denselben zu bewerckstelligen. Weil aber eine person zu dergleichen schwehren regierungs ge- schaͤfften unmuͤglich gnug ist/ sondern deswegen grosse Regenten auch ihre vorneh- me bediente haben muͤssen/ mit denen sie die regierungs und sorgen-last theilen/ die ihre augen/ ohren und haͤnde sind/ verbunden mit rath u. beystand ihnen zur seiten zu seyen/ so ist eines angehenden Regenten vornehmste angelegenheit billich/ nechst dem was seine eigene hohe person betrifft/ daß er tuͤchtige leute sich darzu erwehle. Will nun Ew. Churfuͤrstl. Durchl. eine rechte unpartheyische regel haben/ nach dero sie abzumessen/ welcherley leute zu dero diensten die capabel ste sind/ so finden sie keine bessere als in dem 101. Psalmen (welchen Ew. Churfuͤstl. Durchl. wo es nicht taͤglich solte seyen koͤnnen/ auffs wenigste woͤchenlich einmahl mit grossen be- dacht und anruffung GOttes lesen wolle/) dann da sehen sie/ was vor leute Da- vid/ der mit grossen vergnuͤgen und vielen segen das volck Jsrael regieret hat an sei- ren hoff und zu seiner regierung genommen/ andern Regenten aber damit ein exem- pel gelassen habe/ ja was der heilige Geist durch Davids feder zur nachfolge der kuͤnfftigen zeiten auffzeichnen habe l assen. Ew. Churfuͤrstl. Durchl. aber se- hen/ wie die vornehmste quali taͤt/ die er an seinen bedienten erfordert/ gewesen/ daß er gern fromme diener gehabt/ und seine augen nach den treuen (oder nach den glaubigen) in dem lande gesehen/ darmit sie bey ihn wohneten: hingegen bezeuget er/ daß er nicht um sich leiden moͤge die uͤbertreter/ verkehrte hertzen/ boͤse menschen/ solche die den nechsten verleumden/ die stoltze geberden und hohen muth haben/ ja auch alle falsche/ luͤgner und gottlose. Was dieser art gewesen ist/ sie seyen in dem uͤbrigen von quali taͤten gewesst/ wie sie wolten/ litte er nicht allein nicht um sich/ sondern so viel an ihm war/ suchte er sie gar zu vertilgen. Wird nun E. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit stets solche leute um sich haben/ und sie deswe- T t t t t 2 gen Das sechste Capitel. gen vor allen andern suchen/ so wird auch GOTT stets bey und um sie seyen/ und es gewiß an segen nicht manglen: Und kan dieselbe sich gewiß versichern/ kein be- staͤndig treuer diener kan wol seyen/ auffs wenigste man sich nie gewiß auff ihn als einen solchen verlassen/ der nicht von hertzen GOTT fuͤrchtet/ hingegen wer von hertzen GOTT fuͤrchtet/ von deme kan sich ein Herr unfehlbahrlich aller treue al- lezeit versichern/ ja er kan nicht untreu werden/ er lasse dann nunmehr selbs seine froͤmmigkeit fahren. Die ursach ist diese/ es ist die eigne liebe und also das eigue interesse / in dieser unsrer verderbnuͤß nunmehr allzustarck bey den menschen/ daß es nicht anders als durch Goͤttliche krafft und also in wahrer gottseligkeit uͤber- wunden werden kan: also der auch sonsten aus ehrlichkeit des gemuͤths und weltli- cher tugend lange zeit treu ist/ kan doch/ wo endlich das zeitliche interesse worinnen es auch bey jeden bestehen mag/ zustarck einleuchte t / sich von der treue auffs wenig- in etwas abbeugen lassen/ wo ihn nicht die wahre furcht GOttes/ die allein kraͤfftig gnug ist/ davon zuruͤcke haͤlt. Also hat Ew. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit ihr lebtag niemand voͤllig/ sonderlich in wichtigen dingen zu trauen/ von dem sie nicht als viel geschehen kan sihet/ daß er von grund der seelen GOtt fuͤrchte/ so viel weniger wo sie klar sihet/ daß keine furcht GOttes vorhanden seye: hingegen kan sie sich sicher verlassen auff die jenige/ dero ungeheuchelten Gottesfurcht proben verhanden sind: bey de- ro werck auch nach GOttes des HERRN verheissung allezeit segen ist/ da der an- dern gottlosigkeit auch uͤber ihre geschaͤfften den fluch zeucht. Also kan Ew. Churfuͤrstl. Durchl. ferner daraus eine probe nehmen der treue ihrer Ministro- rum / wo ihre confilia allezeit wahrhafftig Goͤttliche ehr und die gemeine wohl- fahrt zum zweck haben. Jch weiß wohl/ daß leider aller orten dergleichen Mini- stri sind/ welche daꝛiñen ihre treue zu zeigen meinen/ daß sie alle anschlaͤge richten/ wie sie reden/ nach dem interesse des Herrn/ wie nehmlich dessen hoheit jura und intra- den / durch allerley erfindungen immer moͤgen vergroͤssert werden/ ob es wol ge- schiehet mit ungerechtigkeit und der armen unterthanen unterdruͤckung. Wolte GOTT es wuͤrden dergleichen leute nicht auch von den meisten Regenten mit willigen ohren angehoͤret/ und offt eben deswegen vor die treuste gehalten: da doch gewißlich dieses die groͤsseste untreue ist/ seinen Herrn in dergleichen dinge einzu- wickeln/ dardurch uͤber denselben und gantzes hauß GOttes zorn erwecket/ viel tau- send seutzen erreget/ dadurch der fluch herbey gezogen/ aller segen hingegen vertrie- ben wird. Und ist gewiß dieses ein verfluchter und schaͤdlicher nutz/ der so erschreck- lichen schaden nach sich zeucht/ der jenige aber als ein verfluchter verraͤther zu schel- ten/ welcher seinen Herrn nicht in weltlicher feinde haͤnde lieffert/ sondern gar in GOTT es zorn stuͤrtzet. Jch trage aber das hertzliche vertꝛauen/ nachdem E. Churf. Durchl. verhof- fentlich dieses principium sich fest werden in das hertz gedruckt haben (als wel- ches ARTIC. III. SECT. XII. ches mit dem Christenthum uͤbereinkommt) daß die unterthanen nicht um des Re- genten willen/ oder dessen hoheit/ schaͤtze und wolluͤstiges leben zubefordern/ sondern die Regenten um der unteꝛthanen willen/ der mit diesen unter dero schutz allezeit in geist- und leiblichem wohl seye/ in der welt seye/ sie werde auch diesen festen vorsatz vor GOttes angesicht gefaßt haben/ und denselben unveraͤnderlich behalten/ daß sie zwar die von GOtt derselben anvertraute jura und befuͤgnuͤssen/ dero conserva- tion selbs mit zu dem gemeinen besten gehoͤret/ sorgfaͤltig erhalten/ aber mit nicht weniger sorgfalt die jura ihrer unterthanen beobachten/ und niemand auch in par- ticulari, geschweige wo es mehrere betrifft/ darinnen lassen um dero vorgewen- deten interesse willen zu kurtz thun. Wie dann sonderlich alle Regenten sich auffs fleißigste vor zu sehen haben/ daß was die jenige anlangt/ welche mit dem cam- mer-wesen zuthun haben/ weil sonderlich in derselben vor andern leicht himmel- schreyende injustiz vorgehen kan/ und dergleichen dannoch denselben unter gantz speciosen und der gerechtigkeit gemaͤssen prætexten und nahmen von leuten/ die GOtt nicht fuͤrchten/ beygebꝛacht/ sie aber dar durch zu schwehren suͤnden verleitet werden moͤge/ keine andere dazu angenom̃en werden/ alß von den man so wol ihrer politischen redlichkeit und experienz, als auch ihrer ernstlichen GOttesfurcht versichert ist/ auch daß denselben niemahl absolute gewalt gelassen werde/ sondern alle ihre actiones dem urtheil und examini anderer/ so vor das allgemeine beste zu sorgen haben/ unterworffen bleiben. Geschiehet dieses/ so wird mancher fluch von einer regierung abgewendet/ und in solchem staat werden offt 100 thaler weiter wegen des goͤttlichen segens reichen/ als sonsten 1000 mit ungerechtigkeit und fluch beschwehrte. Wie besorglich die- ses neben dem grossen und unverantwortlichen luxu welcher an meisten hohen or- ten getrieben und alles verschwendet wird/ die ursach ist/ warum heut zu tag die so vielfach gegen den alten zeiten erhoͤhete revenuen der gꝛossen nicht so weit zulangen wollen/ als vor dem/ da dieselbe nicht den fuͤnfften theil so hoch gewesen/ weil immer die adler federn der ungerechtigkeit die uͤbrige neben sich verzehren. Da nun abeꝛ Ew. Churf. Durchl. mit treuen leuten (dergleichen sie mehrere unter den bereits bißher in erfahrung gestanden findẽ wird) versehen seyn wird/ so will aber nicht gnug seyen/ alles auff dieselbe allein ankommen zu lassen/ sondern Regenten/ denen es warhafftig darum zu thun ist/ daß sie vor GOtt ihre regierung fuͤhren/ liget ob/ daß sie selbs die last tragen/ und ihre Raͤthe allein zu ihren gehuͤlffen gebrauchen/ da- her bey allen wichtigen deliberationen dabey seyen/ und von allen uͤbrigen als viel muͤglich ist/ ihnen relation abstatten lassen/ darmit nicht nur in ihrem hohen nahmen/ sondern warhafftig von ihnen selbs/ als viel menschliche kraͤfften zulan- gen/ die regierung gefuͤhret wird. Welches GOTT der hoͤchste Herrscher von ihnen als seines reiches amt leuͤt ñ dermassen fordert/ daß wo sie es hingegen alles auf T t t t t 3 die Das sechste Capitel. die diener ankommen lassen/ alle dieser begehende fehler ihnen vor GOTTes ge- richt auffgebuͤrdet werden/ wo aber auch/ jene alles wie sichs geziehmet verwalten/ ihre versaͤumnuͤß dannoch vor seinem gericht nicht entschuldigt wird. Jch versichre mich/ daß E. Churf. Durchl. alles dieses laͤngst erwogen haben wird/ und also jetzt mit vorbereiteten gemuͤth ihre regierung antrete: Mir/ hoffe ich aber/ werde es nicht in ungnaden auffgenom̃en werden/ daß ich aus erinneꝛung vormaliger pflicht und noch waͤhrender ungefaͤrbter treue mit diesen zeilen mich unternehme/ dieselbe darin- nen zu bekraͤfftigen. Wann aber alles dieses/ wie oben gedacht nicht menschen werck ist/ sondern GOTT der hoͤchste Herrscher solches in den seelen seiner unter-regenten wuͤrcken muß/ solches aber auch in keinen thut/ als die auch vor ihre eigene person der gott- seligkeit sich befliessen/ so erkennet E. Churf. Durchl. endlichen nachmal auch die- ses/ daß deroselben/ ob zwar allezeit noͤthig gewesen/ doch nunmehr noch noͤtiger worden seye/ vor ihres himmlifchen Vaters augen sich eines heiligen andaͤchtigen/ nuͤchtern/ keuschen und goͤttlichem willen gemaͤssen lebens nach allen vermoͤgen/ das er geben wird/ zu befleißigen/ die anhoͤrung und lesung seines worts (so dann auch aus denselben gezogener Christlicher buͤcher) nun sich noch fleißiger taͤglich angelegen seyen zu lassen/ hingegen um goͤttliche gnade nicht zuverschertzen sichvor allen suͤnden und welt eitelkeit (dazu die um grosse Herrn gemeiniglich sich nechst haltende schmei- cheler gern anreitzen/ aber eben daran zuerkennen und zu meiden sind) zu huͤten und deswegen genau auff ihr leben acht zu geben/ uñ taͤglich sich in der pruͤfung vor Gott zustellen/ sonderlich aber unablaͤßig tag und nacht zu GOtt dem HErrn um seinen Geist und was ihr noͤthig ist zubeten/ auch dazu Salomonis worte in buch der Weißh. c. 9. sich wol bekant zu machen: insgesamt das zu glauben/ daß dieses de- ro gebet/ so mit andacht und inbruͤnstigem geist geschehen muß/ ihro selbs/ ihrer re- gierung und lande wol so viel als uͤbrige sorge zu wege bringen musse. Da als- dann in solchem fall (dem ohne eignes gebet vermag anderer vorbitte nichts aus zu- richten) auch dero treuen unterthanen stuͤndliches gebet vor dieselbe kraͤfftig gen himmel auffsteigen/ vor dem thꝛon der gnaden angesehen werden/ und alles wor- durch dero zeitlich und ewig wol seyen/ erlangen wird. Jch meines geringen orts der nun abwesend nichts weniger/ als da noch in Sachsen lebte/ das hohe Chur- hauß und jegliche dessen personen/ taͤglich mehrmahl vor GOtt bringe/ beuge auch diesesmal meine knie vor dem Vater unsers HERRN JEsu Christi/ der uͤber dieselbe nun mit doppelter maaß als vorhin außgiesse seinen Geist/ den Geist der weißheit und des verstandes/ den Geist des raths und der staͤrcke/ den Geist der erkaͤntnuͤß und der furcht des HERRCN. Er gebe ihr in allen dingen zuerkennen seinen willen an Sie und die ihr anver- trauet sind/ auch krafft denselben zu vollbringen. Er reinige Sie mehr und mehr bey ARTIC. III . SECTIO XIII. bey diesen antritt mit dem blut JEsu in vergebung aller suͤnden der jugend und in taͤglicher heiligung/ um tuͤchtig zu seyn/ daß er durch sie seinem volck heyl schaffe. Er erfuͤlle sie mit liebe zur Gottseligkeit/ zur gerechtigkeit und allem guten/ solchem selbs nachzusetzen/ und bey ihren unterthanen sie zu befordern. Er wuͤrcke in ihr taͤglich die seufftzen/ die er alsdann selbs erhoͤre. Er umgebe sie mit treuen bedienten/ und lasse von ihr ferne seyen/ alle von denen dero seel oder leib schaden leiden moͤchte. Er ersetze an ihr wiederum alle tugenden der hohen ehꝛen/ und lasse allen dero segen auff sie kommen. Er erfuͤlle ihre regierung mit stetem fꝛiede/ wahren einigkeit/ ver- trauen der niedern und obern/ fruchtbarkeit des landes/ und wiederbringung des alten flors. Er lasse sie ins gesamt also regieren/ daß sie nicht anders als in hohen bey gesundheit erreich tem alter/ und nach genuß unzehlichen segens/ solche regie- rung mit den durchgang in das herrliche reich ihres GOttes endige/ und noch da- selbs einer ewigen ernde der hie außgestreuet en saat seliglich geniessen. m. f. w. den 21. Sept. 1691. SECTI O XIII . A n eine Fuͤrstliche person/ die den erbarmung wuͤrdigen zustand der kirchen erkante. Hoffnung der besserung. W Ormit E. Hochf. Durchl. ihr gnaͤdigstes wollen schliessen/ habe auch da- mit dieses zuversieglen/ daß GOtt sich seiner kirche selbs erbarmen wolle: welcher von E. Hochf. Durchl. gethaner wunsch mich versichert/ daß die- selbe den zustand unsrer kirchen mit viel erleuchtetern augen ansehen/ als vor weniger zeit ein beruͤhmt gehaltener Theologus, der demselben florentissimum erkant ha- ben wolte/ woruͤber es eben nicht vieles erbaꝛmens folglich noͤthig waͤre. Aber wir wenden die augen hin/ wohin wir wollen/ so sehen wir dinge/ die hertzliches mit- leiden bey Christlichen seelen erwecken/ und solches nicht allein angesehen der feind- lichen anschlaͤge/ die ausser derselben zu ihrem untergang geschmiedet werden/ und wir nicht wissen/ wie vielen succeß der gerechte GOTT denselben uͤber uns ver- haͤngen werden; sondern vornehmlich wegen der innerern deroselben bewandnuͤß/ in dem auch in dem heiligthum deꝛ feind fast alles verderbet hat/ und alles voller aͤr- gernuͤssen ist: unter welchen ich wohl eines der schwehrsten halte/ so sich in unsern eigenen stande findet/ wann nemlichen/ wie E. Hochf. Durchl. ohne zweiffel mit vielen seufftzen nicht nur einmal werden bemercket haben/ deren unteꝛ uns so viele sind/ die es nicht nur nicht treulich mit der kirchen GOttes und den gemeinden mei- nen/ und also vielmehr sich als dieselbe und dero erbauung suchen/ sondern hinge- gen Das sechste Capitel. gen die jenige/ welche ihr gewissen treibet/ einen meh eren fleiß anzuwenden/ und alle mittel/ so zu befordeꝛung des wahren Christenthums dienlich seyen moͤgen/ mit sorgfalt zu gebrauchen/ der ursachen wegen/ damit durch anderer exempel nicht ihre nachlaͤßigkeit beschaͤmet wuͤrde/ anfeinden/ nach allem vermoͤgen hindern/ und weil sie keinen scheinbaren vorwand ihrer widrigkeit erfinden koͤnnen/ sie in verdacht irri- ger lehr ziehen. Woraus denn nicht wenig unheils entstehet/ schwachen anstoß gesetzt/ den widrigen unser zuspotten gelegenheit gegeben/ hingegen manches gutes/ so sonsten ausgerichtet zu werden vermocht/ ungluͤckselig hintertrieben wird. Also wuͤnsche nochmal nach E. Hochf. Durchl. wunsch/ den ich auch ein stuͤck dero taͤglichen ge- bets zu seyen nicht zweiffle/ daß sich der HErr selbs seiner kirchen erbarme/ welches ich zwar zugeschehen/ u. uns die fruͤchten solcher erbarmung nahe vorzustehen/ mich gewiß versichere/ und von dem GOTT der warheit aus nicht wenigen anzeigun- gen/ da er hin und wieder die gemuͤther fast rege macht/ erwarte/ daß er sein werck nach nicht so langer zeit gegen alle hindernuͤssen/ die der feind in weg geworffen hat/ oder noch ferner werffen wird/ werde lassen durchbrechen/ und mit grossen heyl und reicherem liecht/ uͤber seine kirche ausgegossen/ zu grosser freude seiner kinder/ daß er sich seiner verlassenen kraͤfftig angenommen habe/ thaͤtlich erweisen. Ach daß wir in solcher hoffnung alles jetzige leiden und was eine fromme seele anzusehen jetzund offt aͤngstiget/ desto kraͤfftiger uͤberwinden/ unsern glauben staͤrcken/ und in gedult die eꝛfuͤllung erwaꝛten. 1. Oct. 1691. SECTIO XIV. V ber die anfechtung eines Studiosi Theologiæ, der eine weile fast zu allen untuͤchtig wurde. Ob man von einem gottlosen administratore ein stipendium an- nehmen koͤnne. M As derselbe wegen NN. berichtet/ daß er sich nicht/ wie man gern ver- langte/ nach seineꝛ ruͤckunfft bezeuge/ nicht nur von den predigen sich ent- schuldige/ so dann die bruͤder nicht informire / sondern insgesamt stille blei- be/ auch fast nichts lesen wolle/ ist miꝛ zwar so fern leid/ weil mein Herr und die sei- nige betruͤbens davon haben/ auch sich andre dran stossen moͤchten/ so dann zimliche zeit ohne scheinbaren nutzen zugebracht wird. Jndessen ist mirs nichts fremdes/ son dern habe dieser tentation, davor ich es billich halte/ unterschiedliche exempel auch vor deme gesehen; daher mich desto eher darein richten kan/ und es als eines guten ausgangs versichert mit weniger bewegung/ als sonsten thun wuͤrde/ ansehe. Es ARTIC. III. SECTIO XIV. Es hat GOTT unterschiedliche arten uns auzugreiffen und zu laͤutern/ nicht al- lein mit leibes schwachheiten/ sondern auch wo das gemuͤth leiden muß. Unter die- sen ist auch dieser zustand/ da ein gemuͤth mit eckel alles dessen/ wormit es umge- hen solle/ erfuͤllet wird/ also daß es sich auch/ sich etwas ernstlich anzunehmen vor suͤnde achtete/ ziehet sich abeꝛ darmit in sich selbs/ fuͤhlet doch auch darinnen seine beschwerde/ ja ist um solche zeit nicht tuͤchtig etwas vorzunehmen. Da ist aber das beste/ wo man solchen leuten nach sihet/ und sie nicht mit gewalt zu etwas noͤtigt/ in dem sonsten in diesen fall man ihren zustand nur desto schwehrer macht/ und ihnen dinge zumuthet/ so in ihren kraͤfften nicht stehen: Daher wo man starck an sie se- tzet/ sie fast desto tieffer darein gerathen/ und laͤnger darinnen stecken bleiben. Hin- gegen da man ihnen indulgiret, und nur allgemach wieder zu dem reden durch gelegenheit erbaulicher reden bringet/ so dann dergleichen buͤcher/ daran sie sonsten gefallen tragen/ vorleget/ so erholen sie sich allgemach/ wo nemlich der HERR sihet/ daß er durch die zugesandte tentation seinen zweck erreichet/ und daß gemuͤth in solcher stille von einigen nicht bekant gewesten gebrechen/ fonderlich in der allzuvie- len zustreuung/ gelaͤutert hat/ da gehet alsdann solchen leuten der mund gleichsam wieder auff/ und kehren sie zu vorigen geschaͤfften/ die sie folgend mit mehrer sorg- falt und krafft wiederum verrichten. Wie mir das exempel bekant ist/ jetzo des al- ten Tauleri nicht zugedencken/ von dem sel. Herr D. Johann Schmiden in Straßburg/ der nach dem er mehreꝛe jahr der Præsident des kirchen convents gewesen/ nachmal in solchen stand gerieth/ daß er zu predigen/ reden und allen sei- nen amts geschaͤfften eine geraume zeit gantz untuͤchtig wurde/ daß man auch kaum gedacht/ daß er wieder zu recht kommen wuͤrde. Aber es hat auch nur seine ge- wisse von GOtt bestimmte zeit/ und fand sich der theure mann endlich voͤllig wiedeꝛ/ daß er nach der zeit noch mit mehr krafft des geistes sein amt und predigten verrich- tete. Also hoffe/ wo dieser innerliche kampff bey NN. vorbey seyen wird/ der ihn jetzt in solcher stille helt/ werden die freunde zu seiner zeit mit so vielmehr vergnuͤgen warnehmen/ wie GOTT in solcher stille/ da er nichts thut/ nicht unkraͤfftig ge- wesen/ und der nutz seiner gaben groͤsser werden wird. Wie mich/ in dem ich die- ses schreibe erinnere noch eines exempels eines predigers/ so mir wohl bekant/ und mir erst dieses jahr was ihm begegnet geschrieben/ u. darmit sein langes stillschwei- gen entschuldiget hat; es wurde nehmlich derselbe aus gelegenheit des todes seiner nur eine kurtze zeit gehabten eheliebsten/ weil solcher sehr ploͤtzlich war/ in eine solche traurigkeit gestuͤrtzet/ daß er sich mit nichts auffrichten konte/ und ihm alles zu wi- der wurde/ keinen umgang mit leuten ausser amts-nothwendigkeit zu vertragen wuste/ daher er auch alle correspondenz unterliesse: er konte nicht studiren auch nicht auff die predigt/ muste doch wann die stunde da war/ auff die cantzel/ und re- den/ was GOTT bescherte: dieses wehrte etliche jahr bey ihm/ aber GOTT es U u u u u krafft Das sechste Capitel. krafft wurde in ihm immer staͤrcker/ daß seine predigten/ dero er sich scheute/ weil er nicht studiren konte/ nicht allein die gemeinde mehr als vorhin contentirten, sondern einen solchen ruffihm machten/ daß allemahl von andern orten mehrere/ auch vornehme zuhoͤrer sich einfunden. Biß nunmehr der kampf uͤberstanden ist/ da e r aber GOTT nicht gnung dancken kan wegen der krafft so derselbe in ihm gewuͤrcket/ daß nach solcher gegne von vielen orten sich leute bey ihm einfinden/ und seines raths gebrauchen. Jch kan nicht sagen/ das NN. zustand (von dem als was dessen eigen schrei- ben mich berichtet nichts anders weiß) eben dergleichen seye: sondern weise nur/ wie GOttes wege bey den seinigen so wunderbar seyen/ daß wir uns uͤbel drein rich- ten koͤnnen/ wo wir nach der vernunfft die anfechtungen betrachten/ in welche er et- wa die seinige gerathen laͤsset. Wann mir aber sonsten bekant/ daß er GOTT hertzlich gesuchet und geliebet/ auch daß er von solchen guten weg abgetreten seye/ keine gegruͤndete vermuthung habe/ so sehe auch diesen zustand als eine anfechtung an/ darein ihn GOtt fuͤhre/ aber ihm in demselben beystehen wolle/ und gewiß nach seiner wahrheit solches thnn werde. Nur ist bey denen/ welche mit ihm umgehen weißheit und gedult von noͤthen/ neben dem hertzlichen gebet/ so ich auch von mei- ner seite weder bißher unterlassen habe/ noch ferneꝛ unterlassen will/ der allerdings versicherten zuversicht/ daß der HERR dieser versuchung ein gutes ende verlei- hen werde. Daß die vorgehabte Disputation nicht gehalten worden ist mir leid/ vielleicht aber hat sich das gemuͤth dazu bereits nicht tuͤchtig befunden. Jn uͤbrigen/ wo ei- nerein stipendium (so er sonflen mit guten gewissen suchen oder sich dazu tuͤchtig ma chen kan) deswegen nicht annehmen wolte/ da ers sonsten noͤthig haͤtte/ weil es ein bekantlich gottloser mensch veꝛwaltete oder zu assigniren haͤtte/ waͤre es ein un- noͤthiger scrupel/ in dem ich ohne die geringste verletzung des gewissens mein bꝛod/ wein/ bier/ auch von den gottlosesten leuten/ die es feil haͤtten/ kauffen/ von gottlose- sten leuten meine besoldung empfangen/ oder was sie mir schuldig worden sind/ von ihnen annehmen kan. Jn dem mit gottlosen genaue freundschafft zu pflegen Chri- sten nicht anstaͤudig/ nicht aber verboten ist/ gleich wie ihnen in der noth die wercke der liebe zu leisten/ also auch in sachen die gerechtigkeit angehenge; ihnen zugeben odeꝛ von ihnen zu empfangen. Wie nun solches in dem fall/ daß stipendia in der verwaltung bekantlich gottloser leute stuͤnden/ gewiß ist/ und also vergebene forcht bey der annehmung seyen wuͤrde/ so ists hingegen auch gewiß/ und in GOttes wort gnu g gegꝛuͤndet/ daß ich keinen menschen als gottloß zu beurtheilen befugt bin/ sei- ne gottlosigkeit seye dann recht offenbahr: thue ich hiegegen/ so ver suͤndige ich mich schwerlich/ ob nicht mit gewiß falschen/ auffs wenigste veꝛmessenen urtheil. Und dieses ists/ welches ich neben meinen hochge. Herrn zuweilen an einigen/ welche ich sonsten liebe/ so war genommen habe/ als auch nothwendig mißbilliche/ daß man zur ARTIC . III. SECT . XV . zur verurtheilung anderer leichter als sichs geziehmet ausfaͤllet. Daher ich wo ich kan gern erinnere/ und gute freunde warne/ da sie sich uͤber anderer boͤse urtheil beschwehren/ daß sie hingegen nicht auch vermessen von andern leuten/ auch zuwei- len dero verrichtungen/ von welchen sie die rechte ursach offt nicht wissen/ oder wis- sen koͤnnen/ urtheilen/ und darmit goͤttlichen berichts sich schuldin machen/ Der HERR zeige uns doch in allen stuͤcken seinen heiligen willen/ und gebe uns gnade und krafft denselben zuthun. Er regiere auch die jenige/ deren hertzen er zur wah- ren gottseligkeit sonsten gelencket hat/ durch seinen heiligen Geist/ daß sie unter des- sen fuͤhrung auff richtigem weg stets bleiben/ und nicht durch eigenen duͤnckel oder sonsten auff einige abwege sich verleiten lassen. Sonderlich erhalte er NN. in sei- ner heiligen ordnung/ und setze sein werck/ ob uns unbegreifflich/ doch hertzlich und selig fort/ ihn zu einen theuren gefaͤß seiner gnade und werckzeug seiner ehre kuͤnfftig zu bereiten. 9. Oct. 1691. SECTIO XV . A n den leinweber J oh. H irschen (siehe art. 2. Sect. 39. ) Entschuldigung der langsamkeit der antwort. Mei- ne aͤnderung von Dreßden nach Berlin. M. Schade. M. Lehman. Gluͤckwunsch zu einem kinde. Jch wei- che nicht von meiner lehre und art des vor- trags. JESVM Mit allen seinem liecht/ gnade/ friede/ heyl und leben! in dem- selben unserem erst gebohrnen bruder/ hertzlich geliebter freund. W Je mich seine liebe/ so aus allen brieffen abnehme/ nicht wenig erfreut/ so solte zwar allemahl bald wieder antworten. Wie aber daß erste mal be- zeuget habe/ mangelt es gemeiniglich nicht an gutem willen/ zu antwoꝛten/ sondern an zeit und vermoͤgen. Denn weil meine von den ampts-verrichtungen und nothwendiger leibes-Ruhe uͤbrige nicht alzuviele zeit/ unter allzuviele persoh- nen/ die muͤndlich oder schrifftlich mit mir reden wollen/ ausgetheilet werden soll/ gibt es schmale theile/ und kans des jahrs an einer person nicht offtmals kommen/ es seyen dann sondeꝛbahre dringende ursachen/ die solches erfodern. Nach dem ich dessen andern brieff bekommen hatte/ so war zwar die resolution so bald/ daß U u u u u 2 ich Das sechste Capitel. ich antworten wolte/ aber was ich mir vornehme/ erfordert manchmal zur be- werckstelligung viele monathe; So war auch nichts in dem schreiben/ welches nicht wol verzug litte; weil ich aber sonderlich des sel. Herrn Teubers buͤchlein demsel- ben nuͤtzlich und an statt eines stuͤcks meiner antwort zu dienen erachte/ so wolte die gelegenheit des vorgestandenen Breßlauer marcks nicht versaͤumen/ und ob schon nicht zugleich schreiben konte/ dennoch das gedachte buͤchlein (dem noch andere bey gefuͤget/ unter denselben sonderlich Crameri buͤchlein recommandire ) uͤbersenden/ u. damit dessen verlangen aufs wenigste etlicher maaß stillen/ biß ich selbs schreiben koͤnte/ so bald hat folgen sollen. Es geschach aber gleich in etlichen wochen/ daß es mit meiner endeꝛung ein ernst werden wolte/ da so wol eine zeitlang nichts gewisses von mir schꝛeiben konte/ als auch/ nach dem es endlich geschehen/ so viel zu thun be- kahm/ daß an die auch noͤthigste brieffe nicht gedencken konte: Wie auch hie mich noch nicht recht eingerichtet habe. Aus diesem wird derselbe ersehen/ daß keine auch geringste ursach sey/ meines stillschweigens wegen ungleiche gedancken zufas- sen/ entweder daß mein gemuͤth geaͤndert haͤtte/ oder iemanden verachtete/ (da hin- gegen Fuͤrstl. brieffe vorlegen kan/ die uͤber jahr und tage ohne antwort ligen) son- dern daß mein zustand/ da ich allen in der liebe gerne diene/ es nicht anders zugebe. Dahero es auch nicht noͤtig gewesen/ abschied von mir zunehmen/ oder nur noch einiges schreiben zu begehren/ sondern ich will gerne zu weilen auch mehrere brieff von demselben erwarten/ und auch einige schreiben/ aber alles mit der zeit. Und ver- dencken mirs Christliche freunde nicht/ wenn zu weilen erst nach dem dritten oder vierdten brieff eine antwort folget. Die uͤberschickte Sachen verlange nicht bezahlt/ sondern der preiß davon solle seyen/ wo derselbe und andere sich warhafftig daraus erbauen werden. Was meine aͤnderung anlanget/ daruͤber sich derselbe verwundeꝛt/ dienet zur nachricht/ daß ich nicht aus eigener wahl oder willen bin hieher gekommen/ sondern von den Churfuͤrsten von Sachsen/ nachdem er mich wegen schrifftlicher gewissenhafftiger erinnerung bereit damahls uͤber 2. jahr nicht mehr hoͤren wollen/ und solches verre- det gehabt/ dahero sich meiner loß zumachen getrachtet/ an den hiesigen Churfuͤr- sten/ so mich zu seinen Consistorial- Rath und Propst der Berlinischen kirchen/ darinnen ich dem seligen Herrn Teuber succedire, verlangte/ uͤberlassen wor- den. Sehe man an/ was in dem werck von menschen/ die die warheit nicht leiden wollen/ sondern sie gerne von sich weit weg schicken/ vorgegangen/ so ists betruͤbt/ daß sich unterschiedliche so rohe welt-kinder als falsche bruͤder/ an mir versuͤndiget/ denen es GOtt gnaͤdigst verzeihen/ deswegen aber auch zu erkennen geben wolle. Siehet man aber/ wie man billig soll/ vornehmlich auf GOttes rath/ der ob wohl durch suͤndiger menschen-werck endlich zum besten durchgedrungen hat/ und ich also mit freuden demselben gefolget bin/ voller hertzlichen vertrauens/ daß mir GOTT. eine weitere thuͤre des guten oͤffnen/ und einen mehrern seegen in dem amt ARTIC . III. SECTIO XV. amt bestimmet haben werde/ darinnen ich auch sonderlich gestaͤrcket werde/ wenn er wege/ daß ich in Dreßden eine kleine schloß- capelle und gemeine gehabt/ da- hingegen hier durch GOTTes gnade eine sehr grosse gemeine habe/ welche bereits bey dem wenigen anfang scheinet/ eine sonderbahre begierde nach kraͤfftigen vor- trag goͤttliches wortes zu haben/ und solche auff unterschiedliche art bezeuget. Doch werden hie und anderwerts Christliche mit-bruͤder nicht unterlassen/ mir auch/ die mir zu dieser in gewissen stuͤcken auch gefaͤhrlichen stelle noͤthige/ und noch nicht bey mir befindliche klugheit der gerechten mit ihrem gebet/ erbitten zu helffen. Das in uͤbrigen meine wenige erinnerung zu dem gebet aus dem eigenen hertzen sol- che frucht geschaffet/ daß derselbe nun in eigener erfahrung/ die krafft solcher uͤ- bung erkennet/ und preiset/ dancke ich billich den himmlischen Vater und versichere daß in fleißiger und gottseliger fortsetzung derselben die krafft des Geistes sich immer staͤrcker einfinden und erweisen werde. Denn der HERR ist freundlich gegen alle/ die sich zu ihm nahen/ und von gantzen hertzen ihm suchen. Der liebe Herr Schade ist mein guter freund. Jn Leipzig war er einer unter den vornehmste/ welche unter dem nahmen der Pietisten/ von solchen geistlichen/ die es schwer zu verantworten haben werden/ unschuldig in verdacht gezogen/ und hart gedruckt wurden. Seine schrifften zeugen von seiner reinen lehꝛe/ und samt dem leben/ (das damit allerdings einstimmet) von seiner ungefaͤrbten gottseligkeit. Uber die angefuͤhrten tra ctaͤtlein hat er auch ein anders geschrieben/ unter den titul: Was muß ich thun ? die anleitung zum Bibel lesen ist mir noch nicht bekant gewesen/ sondern erst durch dessen anzeige mir erst bekant worden/ da- hero ich auch dasselbe mit lesen noch nicht gantz durchgehracht. Er hat die gabe von GOTT/ sich deutlich außzudrucken/ und die warheit mit grosser krafft zu- treiben; dahero ich hoffe/ der HERR werde ihn zu einem sonderlichen werckzeuge seiner ehre bestimmet haben/ dazu er ihn denn durch leyden/ und hartes tracta- ment unbilliger leute desto mehr bereitet hat. Ohne diesen seye der Herr versicheꝛt daß GOTT noch eine starcke Anzahl derer habe/ welche je laͤnger jemehr an vie- len orten durchbrechen/ und das rechtschaffene wesen/ das in CHristo JEsu ist/ sich mit mehr alß mit gemeinem ernst lassen angelegen seyen/ und derselben immer mehr erwecke. Aber es wird sorglich noch schwere truͤbsalen und verfolgung ge- ben/ ehe wir die Evangelische kirche in schoͤnerem und erfreulicherem verhofften wolstande mitfreuden sehen werden; So aber gleichwol endlich geschehen muß/ und GOTTes warheit nicht truͤgen kan. Jhres getreuen predigers Herr M. Lehmans brieff hat mich erfreuet/ und dancke dafuͤr GOTT/ daß er denselben und seine Collegas also regieret/ daß sie Christlicher leute erbauliche zusam̃en kuͤnffte nicht/ wie es leyder an unterschiede- nen orten geschicht/ verhindern/ sondern liebreich befordern. Daher ich versichert U u u u u 3 bin/ Das sechste Capitel. bin/ daß GOTT auch zu ihrem uͤbrigen amte desto mehr Geist und segen verlei- hen werde. Und so soll es freylich seyen/ daß wir alle mit Mose wuͤnschen sollen/ daß alles volck des HERRN weissagte : Weßwegen auch was einige werck- stellung solches wunsches befordert/ uns alles angenehm seyen muß. Zum neuen Soͤhnlein wuͤnsche auch neue gnade; daß der himmlische Vater dasselbe unaus- gesetzet unter der zahl seiner kinder behalten; Der HERR JESUS es taͤglich mit seinem blute abwaschen/ und mit seinem leben staͤrcken; Der heilige Geist/ so uͤber dasselbe in der heiligen tauffe ausgegossen worden/ sein gutes werck in ihm an- gefangen/ biß auff den tag JESU CHRJSTJ allerdings vollfuͤhren wolle/ damit es ein nuͤtzliches gefaͤß seiner gnaden und erbe der seligkeit wahrhafftig seye und bleibe/ in der zeit und ewigkeit. GOtt regiere auch sie beyde eltern/ daß sie solches sein geschenck ihm willig wieder auffopfferen/ es nicht nach eigenen willen oď der welt zu gefallen/ sondern zu seinen ehren treulich auffzuziehen/ und ewig seiner zugeniessen. Jm uͤbrigen seye derselbe versichert/ daß ich von meiner lehre und art des vortrags derselben mein lebelang nicht weichen werde. Denn jener bin ich uͤberzeuget in meiner seelen/ daß sie nicht mein sondern GOttes seye/ aus dessen wort ich dieselbige gefchoͤpffet. Diese halte ich einfaͤltig/ und habe sie auch in Goͤttlichen seegen nicht ohne erbauung in der erfahrung gefunden. Jedoch solte mir/ was die art des vortrags anlanget/ durch Christliche freunde in liebe gezeiget werden/ wie eines und anders noch erbaulicher eingerichtet werden koͤnte/ bin ich allezeit auch dazu willig und bereit. Der HERR zeige uns aber allen zu allen zeiten/ was sein wille ist an uns/ und die jenigen/ welche er uns zu geordnet hat/ und verleihe uns krafft und eiffer/ denselben zu vollbringen. Ja je boͤser die welt von tage zu tage wird/ so vielmehr lasse er auch das gute bey den seinigen wachsen und zunehmen/ biß die verheissene zeit einiger ferneren besserung fuͤrhanden seye/ und diese mit gewalt durch alle hin- dernuͤsse durchdringe. Nun in dessen heilige hut/ macht/ segen und krafft densel- ben mit seinem gantzen hause und andern freunden/ so sich mit ihm in der Gottse- ligkeit uͤben/ und unter demselben seinen schreiber/ der sich einen lehrling/ nicht nur des handwercks/ sondern auch des Christenthums nennet/ und ich ihm in beyden wachsthum wuͤnsche/ hertzlich empfehlend verbleibe/ m. f. w. Den 16. October 1691. ( NB. Auch diesen brieff hat D. Schelwig in itin. Antipiet. drucken lassen p. 100. ) SECT . A RTIC . III. SECT . XVI . SECTIO XVI. A n einen C hurfuͤrstlichen R ath. C hurfuͤrst- liches rescript wegen der so genanten Pietisten. Der Gottse- ligkeit nutzen auch in gemeinen wesen. We- gen aͤnderung eines Beichtva- ters. W As derselbe in dem an mich abgegebenen angenehm verlanget/ daß unsers gnaͤdigsten Churfuͤrsten und Herrn Durchl. ein einsehen auff die verlaͤste- sterung unschuldiger leute und den nahmen der Pietisten/ so an so vielen orten dero herrschafft ungescheuet von den cantzeln bißher geschehen war/ haben und derselben steuren moͤchte/ hatte bereits ehe solches eingelauffen angefangen/ und war/ weil ich an einem vornehmen ort repræsentiret / wie von den leuten/ so mit ge- walt einigen Leipzigschen Theologen zu gefallen/ eine neue secte machen wolten/ S. Churfuͤruͤlichen Durchl. die zu erst daruͤber cognitionem hatten unverant- wortlich vorgegriffen und præjudiciret wuͤrde/ bereits ein schreiben an die Magde- burgische und Halberstaͤttische regierung dergleichen und schwehren geldstraffen/ ohne welchen die leute sich schwehrlich geben wuͤrden/ zu inhibiren abgefasset ge- wesen/ so auch fort gesendet wird worden seyen. Der HERR gebe nur einen nachdruck/ und lasse entweder solche unzeitige zeloten selbst zu erkaͤntnuͤß dessen was sie thun zu ihren eignem besten gebracht/ oder ihnen haͤnde und zungen sich de- roselben nicht mehr mit solcher licenz zu mißbrauchen gebunden werden. Wozu sichs fast einiger orten anlassen/ und das ansehen gewinnen will/ als wolten viel rechtschaffene leute auffwachen/ und sehen/ was der ungezaͤhmte und auff falschem grunde ruhende eiffer so vieler genannter geistlicher vor grossen schaden thue/ dahe- ro diejenigen/ denen das allgemeine beste ein ernst ist/ auch finden werden/ zeit zu seyen/ daß man denselben mit nachdruck einhalt thue. Daß die ungefaͤrbte Gott- seligkeit auch zu der gemeinen ruhe und weltlichen wohlstand vieles thue/ werden alle bekennen/ ich will nicht sagen/ die das Christenthum verstehen und die Goͤttliche gnade den grund aller wohlfahrt zu seyen glauben: sondern auch selbs sein Machiavellist / der in den hertzen der Gottseligkeit sportet/ wird doch sei- nem fuͤrsten das nuͤtzlichste/ und ihn am gluͤcklichsten halten/ wo er lauter Gottseli- ge unterthanen haͤtte. Daraus aber erhellet/ wie dan der conatus der jenigen/ so gleichsam mit haͤnden und fuͤssen wehren/ daß ja die leute nicht fromm werden moͤchten/ und deswegen so wol die jenige/ welche vor andern mit ernst darauff trei- Das sechste Capitel. treiben als auch die dahin dienende mittel/ wie sie nur koͤnnen in verdacht zie- hen/ und mit aller macht hindern/ gleichwie dem Goͤttlichen w r rt und reguln des Christenthums also auch der politischen klugheit in der that entgegen seye. Wel- ches letztere denn vielen mehr und mehr in die augen leuchten wird/ die auch von je- nen noch wenig begriffen haben. Uber dieses so ists ohne das unmuͤglich/ daß der HERR HERR immerdar so bloß zusehen/ und die sich seiner ehre widersetzen ih- ren muthwillen stets ohne einhalt forttreiben lassen solte: vielmehr wird derselbe nach so viel tausend seufftzern der armen und elenden/ die zu ihm auffsteigen sich hof- fentlich bald/ auffmachen/ und eine huͤlffe an vielen orten schaffen/ daß man getrost lehren solle. Diese hoffnung muntert uns billich auff/ und machet uns freudig/ so wol fortzufahren auff dem guten wege/ als auch daruͤber/ was die welt vor lohn zu geben pfleget/ zu leiden. Es wird gewiß nichts vergebens seyen/ sondern sich zu seiner zeit klahr weisen/ daß der HErr der seinigen gedencke. Was unsern werthen Herrn N. N. anlangt/ wuͤnsche auch denselben abson- derlich ruhe und beystand/ ich sehe aber nicht/ wie hier zu erlaugen waͤre/ daß man sich eher seiner annehme/ oder die acta hieher fordere/ wo er nicht durch ein unter- thaͤnigst memorial schutz suchet/ und die abforderung verlanget. Daher wofern seine widrigen nicht so bald durch die allgemeine inhibition sich zu einiger stille be- geben/ wuͤrde das mittel zu ergreiffen seyen/ die hiesige huͤlffe zu imploriren. Gott lasse ihn aber einen sieg nach dem andern kraͤfftig erhalten. Uber Herrn N. N. er- zehlung verwundere ich mich sehr/ u. dienet mir zum exempel dessen/ was so offt sage/ wo man klaget/ das der bindschluͤssel den Predigern genommen seye/ nehmlich daß GOttes guͤtige providenz darinnen erkenne in dem dieselbe nicht zugebe/ daß das predigamt/ so lange noch solches sinnes leute darinnen sind/ solche gewalt in die haͤn- de bekomme/ denn wir wuͤrden bald in dieser sache nicht vielweniger mißbrauch sol- ches gewalts finden/ als sich in dem Papstum gewiesen hat/ und alles geschwind wi- derum auff eine herrschafft der gewissen/ nicht ohne dero angst und gefahr/ auslauf- fen. Wo aber/ was zurathen/ gefraget wird/ ist mir ihrer kirchen ordnung nicht ge- nugsam bekant. Waͤre es sache/ daß bey ihnen die wahl und aͤnderung des beicht- vaters (wie es in dem reich an den meisten orten uͤblich ist) frey stuͤnde/ so wolte ra- then/ sich zu einem andern zu wenden/ dem vorigen aber sagen zu lassen/ wie man ihm/ wodurch er denselben in gedachter begebenheit betruͤbt und irre gemacht habe/ von grund der seelen (wie es auch in der that also seyen muß) vergebe/ aber seiner so wol als eigner seele/ um nicht wider in der andacht gestoͤret zu werden/ zu schonen eines andern beichtvaters sich brauchen wolle. Waͤre aber bey ihnen die aͤnde- rung nicht frey/ (wie es in Sachsen damit auch schwehr hergehet) so riethe bey den Consistorio die dispensation zu suchen und demselben frey zustellen/ ob es bloß die- se ertheilen/ oder die ursache vorhero untersuchen wolle. Auff solche art achte ich dem ARTIC . III. SECTIO XVII. dem gewissen am besten gerathen zu werden. Der HERR aber mache selbst das hertz gewiß/ und zeige was das beste seye. 23. Oct. 1691. SECTIO XVII. A neinen Fuͤrstlichen H offprediger. V erfall der kirchen. Schrecklicher irrthum/ vertrauen auff einge- bildeten glauben. Leyden daruͤber. Die wahrheit bricht mehr durch. D Aß derselbe den verfall unsers Christenthums und nahmentlich unserer armẽ Evangelischen kirche tieffer einsiehet/ als derer viele sind/ die wieder die offen- bahre wahrheit denselben florentissimum zu seyen andere uͤberreden wol- len/ ja wer es nicht mit haͤlt/ deswegen in verdacht nicht richtiger lehre ziehen/ ist mir ein angenehmes zeugnuͤß/ daß der HERR auch denselben bereitet habe zu ei- nem solchen werckzeuge/ welches dermahleins in seiner gnade etwas wichtiges zu seinen ehren ausrichte: Wie hingegen/ welcher nicht recht erkennet/ worinn unfer verderben stehet/ so wol was das gesamte Christenthum als unser amt anlanget/ unmuͤglich auch das jenige ausrichten kan/ was auszurichten noͤthig ist. Denn wie will einer einen krancken recht tractiren / welcher seine kranckheit noch nicht verstehet. Wo wir nun absonderlich bey den allgemeinsten stuͤck des gemeinen verderben bleiben/ so stehet es wol unzweiffentlich in der so gefaͤhrlichen (nicht in un- sere confessionen und oͤffentliche lehre/ aber doch in so vieler hertzen unter der ge- meinde/ wolte GOtt nicht auch unter prediger) eingerissenen falschen persuasion ob koͤnte man durch einen blossen gedancken/ den man sich bey allen fleischlichen we- sen vor CHRJSTO und seinem verdienst machet/ selig werden; so ich vor eine der gefaͤhrlichsten ketzereyen halte/ die jemahl gewesen waͤren; als welche meistens unter lauter orthodoxis terminis / daß man allein durch den glauben ohne zu- thun der wercke gerecht werde/ vorgebacht wird/ aber weil man durch den glauben die blosse menschliche einbildung/ nicht aber daß Goͤttliche werck in uns (von welchen zweyen unterschiedenen dingen und dero unterschied unser theurer Lutherus in der billich deswegen so offt anfuͤhrenden vorrede der Epistel an die Roͤmer handelt/ und nur zu wuͤnschen waͤre/ daß die wahrheit/ die er darinnen vertheidigt allen bekant wuͤrde) verstehet/ und dannoch jenen hirngespenst die gerechtigkeit vor GOtt zu schreiben will/ unter solcher wahꝛen/ aber uͤbel gedeutetẽ terminis ein recht verfuͤhri- sch er irrthum verborgen liget. Wider diesen greuel bekenne gern/ daß ich biß daher X x x x x nach Das sechste Capitel. nach vermoͤgen geeyffert/ aber vor mir auch andere rechtschaffene Theologos zu vorgengern gehabt habe. Daß aber ein und anders widriges aus GOttes ver- haͤngnuͤß mich daruͤber betroffen/ soll ich mich nicht befremden lassen/ ja haͤtte dessen mehr ursach/ wo es ohne dergleichen leiden bliebe: So bin ichs auch nicht alleine/ sondern ist ein leiden/ damit GOtt nicht weniger auch anderer seiner kinder und die- ner glauben und gedult uͤbet/ dero exempel uns hertzlich auffrichten kan. Gnug ists/ daß wir alle (wie denn geliebter bruder sein theil aus diesem kelche auch bißher wird gekostet haben) wissen wir leiden nicht um falscher lehre willen/ sondern um ei- ner solchen Goͤttlichen wahrheit willen/ daran ein grosses der ehre GOttes/ und vieler seelen heil gelegen ist. Dem HERRN seye danck/ der uns nicht nur dieser mahlzeichen wuͤrdiget/ sondern uns die freude goͤnnet/ zusehen/ wie gleichwol durch das treiben eines rechtschaffenen Christenthums immer mehr und mehr gute see- len/ aus unserem ordine und andern erwecket werden/ die diese wahrheit/ die von andern so hart widersprochen wird/ je laͤnger je gruͤndlicher einsehen/ ja daß dieselbe durch manchen widerspruch nur desto mehreren bekant worden: Daher ich das feste vertrauen trage/ der HERR werde/ ob zwar etwa durch noch mehrere truͤb- salen/ sein werck immer staͤrcker lassen durchbrechen/ daß man sehe/ wie in dem kampff mit der sinsternuͤß wahrhafftig das liecht endlich den sieg davon trage. Er gebe uns nur immer mehr liecht seinen willen zu erkennen/ mehr treue denselben zu vollbringen/ und bald mehrern segen/ seinen nahmen desto herrlicher zu preisen. So solle uns genuͤgen. 19. Nov. 1691. SECTIO XIIX. A n einen Christlichen E delman von verderbnuͤß der kirchen und ursach des hasses gegen die Gottseligkeit. J Ch habe hertzlichen danck zu sagen/ vor die gegen mich bezeugte liebe/ und f reundliches vertrauen/ deßen ein zeugnuͤß das gantze schreiben ist/ den him̃li- schen Vater aber preise ich zu foͤrdersten billich mit demuͤthigen danck/ der mich so offt zu der zeit/ da sich von allen orten so viele wieder mi ch setzen/ hinwide- rum troͤstet/ durch offenbahrung anderer rechtschaffener seelen/ die er mit liebe ge- gen mich erfuͤllet hat/ und die davor halten/ daß dessen guͤte auch meine einfaͤltige schrifften zu ihrer auffmunteꝛung gesegnet habe/ zum zeugnuͤß/ daß noch an mir u. an dern/ die es mit den HErrn treulich meinen/ stets erfuͤllet werden muͤste/ was Pau- lo begegnet da es geheissen/ 2. Cor. 6. Durch ehre u. schande/ durch gutegeruͤchte und hoͤse geruͤchte. Deswegen wir auch uͤber dergleichen begegnuͤßen nicht muͤ- de ARTIC . III. SECTIO XIIX. de werden/ sondern den treuen Vater in seine weise disposition stellen sollen/ wel- ches unter beyden er uns in mehrerer maß widerfahren lassen wolle/ dieses vornehm- lich von ihn bittende und verlangende/ daß er nicht zu gebe/ daß entweder jene uns auffblasen/ noch diese niederschlagen moͤgen. Sonderlich aber seye seine guͤte und krafft auch uͤber dessen wehrteste person gepriesen/ welche wie ich mit inniglicher freude sehe dessen seele kraͤfftig geruͤhret/ zur erkaͤntnuͤß/ wie das Christenthum in einen rechtschaffenen wesen in CHRJSTO JESU stehe/ und was fuͤr ein un- terschied unter demselben/ und unter dem was sonsten die welt/ wann sie gleichwol auch fromm heissen will/ davor haͤlt/ sich befinde/ gebracht/ auch mit einer solchen liebe gegen jenes/ so den fleiß seine seele zu retten/ und solches die vornehmste sorge seyen zu lassen/ erfuͤllet hat/ daß man ob einiges in der welt daruͤber zu leyden seyen moͤchte/ auch der mahlzeichen unsers Heilandes sich nicht zuschaͤmen resolvi ret. So ists nun andern/ wo ich den zustand der Christlichen kirchen und in derselben sonder- lich unserer Evangelischen gemeinden ansehe/ daß mir lauter betruͤbtes fast vor au- gen kommet/ und man das gantze gebaͤude kaum anders vergleichen kan/ als mit ei- nen solchen/ so aller orten krachet/ und kein flicken fast mehr helffen will. Bey an- dern religionen sehen wir irthume/ welche alle ihre/ ob wohl nicht gantz gleiche/ ge- fahr haben: Darum der HERR uns von irrthumen der lehr befreyet hat/ fin- det dannoch ein tieffer einsehendes auge/ daß es aller orten an den leben (folglich auch an dem glauben/ weil der lebendige glaube bey boͤsen leben/ oder ohne gutes leben nimmermehr bestehen kan) magle/ ja wo wirs recht ansehen/ auch an der lehr/ nicht zwar wie dieselbe in unsern bekaͤn t nuͤssen und symboli schen buͤchern stehet/ an dero richtigkeit ich nichts desiderire / sondern wie s i e von manchen getrieben und von den meisten gefuͤhret wird. Wie mirs an exempeln nicht mangelt von predigern/ so gantz Christlich gesinnet sind/ und mir bekant haben/ daß sie mehrere jahre/ in den lehramt gestanden/ und doch weder den articul vor der rechtfertigung noch von der heiligung ob sie wol die worte davon aus unsern buͤchern gewust/ und nachgespro- chen/ verstanden haͤtten/ biß ihnen GOTT allgemach erst in den amt durch die heili- ge bibel/ und einige Christliche schrifft die augen besser geoͤffnet/ da sie aber wuͤsten wie mahrhafftig bey so vielen andern/ es eben so wohl an gruͤndlicher erkantnuͤß sonderlich dieser haupt articul mangele; Daher ich sorge/ daß noch von vielen cantzeln die lehre des Evangelii nicht gantz/ nehmlich nach allen stuͤcken/ die dazu ge- hoͤren/ sondern (vornehmlich die lehre von der rechtfertigung) nur stuͤckweise vor- getragen werde/ wann man nehmlich meister orten/ nur die eine Goͤttliche wahr- heit treibet/ (wie man freylich davon nicht weichen solle) daß wir allein aus den glauben gerecht werden muͤsten: hingegen der andern nicht weniger Goͤttlicher wahrheit dabey vergisset/ nicht weniger zu treiben/ was die art des allein seligma- chenden glaubens und seine wuͤrckung/ also der unterschied des wahren- und schein- glaubens seye: Da doch die zuhoͤrer/ welche das erste stuͤck allein hoͤren/ von diesen X x x x x 2 letzten Das sechste Capitel. letzten aber wenig unterrichtet werden/ auch jenes nicht anders als in einen unrech- ten verstand annehmen/ und sich zur verlust ihrer seligkeit betruͤgen koͤnnen: Da- her wir leyder unter denen/ so viel zu der rechten lehr und glauben sich bekennenden/ so wenig rechtglaͤubige/ und also wahre Christen haben. Daß da dorten Matth. 22. unter den vielen gaͤsten nur einer (das ist eine geringe zahl) eingefuͤhret wird/ dem es an den hochzeitlichen kleid mangelte/ nun bey uns unter vielen offt kaum ei- ner mit dem hochzeitlichen kleid des glaubens angethan angetroffen wird. Wel- ches verderben denn nicht anders als schreckliche gerichte GOttes/ oder wohl gaͤntz- liche verstossung/ nach sich ziehen kan. Es ist aber solches verderben nur noch da- durch so viel schwehrer worden/ wann nunmehr von guter zeit/ da GOtt nach sei- ner grossen barmhertzigkeit einige seelen unter andern Christen/ und auch unter pre- digern/ aus dem schlaff gewecket/ daß sie das elend erkennen/ und so wol selbst ein rechtschaffeners Christenthum anders als heutige mode sonsten ist/ anstellen/ als bey andern darauff treiben/ solchem guten sich fast alles widersetzen will/ und der teuffel/ der den gefaͤhrlichen abbruch seines reichs wol mercket/ gleichsam alle macht seiner hoͤllen auffbiethet/ daß doch solcher neurung (denn so muß es heissen/ wo man die alte wahrheit hervorbringet/ und sie vor denen eine weil eingeschlieche- nen mißbraͤuchen reinigen will) gesteuret werde. Daß betruͤbteste aber ist/ daß so viele aus unsern stande/ die doch GOTT taͤglich auff ihren knien vor die besse- rung der kirchen anruffen/ wo sich etwas hervor thaͤte/ sich dessen freuen/ und gleich mit hand anschlagen solten/ am hefftigsten allem was zur besserung des rechtschaf- nen guten vorgenommen wird/ widerstehen/ und es deswegen/ (weil es gar zu grob lauten/ und sich nicht entschuldigen lassen wuͤrde/ die Gottseligkeit nahmentlich zu verwerffen) unter den schein/ als wenn allerley irrthum und heimliches gifft darun- ter verborgen laͤge/ da sie doch dessen das wenigste nicht erweißlich machen koͤnnen/ laͤstern und verfolgen/ da doch die wahre ursach ist/ theils das einige forgen/ wo ei- niger leute mehrer fleiß/ an das amt und die erbauung der kirchen gewendet/ gebilli- get werden solte/ es das ansehen gewinnen wuͤrde/ als haͤtten sie bißher nicht das ih- rige gnugsam/ und wie sichs geziehmet gethan/ (da ihnen doch an solchen ruhm viel- leicht mehr als an der ehre GOttes gelegen seyen mag) theils daß andern in den sin- ne liget/ wo ein solches ernstliches Christenthum/ wie einige fagten/ erfordert wuͤr- de/ und solches auffkommen solte/ wuͤrden sie gar nichts mehr gelten/ oder selbs an- ders werden muͤssen/ so ihnen gar nicht gelegen ist. Dahero/ damit solches ihrem interesse so schaͤdlich scheinendes werck/ nicht moͤge auffkommen/ muͤssen alle fleisch- lich gesinnete sich zusammenthun um zu wehren/ und da es auff andere art und mit der wahrheit nicht kan gehindert werden/ es mit falschen verdacht zu belegen/ und mit laͤstern zu unterdrucken. Jch habe dieses nun viele jahre nach einander ge- sehen/ und wol sels erfahren; finde auch noch staͤts/ daß der teuffel nicht anders/ sondern endlich je laͤnger je gewaltsamer und unverschaͤmter werde/ so aber ein zei- che ARTIC. III. SECTIO XIIX. hen ist/ daß sein reich zur neige gehet; wie nun dieses das allgemeine gluͤck der recht- schaffenen gottseligkeit an allen orten ist/ daß sie gelaͤstert/ uñ die dieselbe sich ernstlich lassen angelegen seyen/ deßwegen von der welt (auch die unter geistlichen habit sich verbirget) verachtet/ verspottet/ und gehasset werden/ so ist sich nicht zuverwun- dern/ daß in ihrem land es nicht anders hergehet. Vielmehr haͤtten wir uns zu befremden/ wo noch einiger ort waͤre/ an wel- chen der guͤtige Vater seinen kindern diese pruͤffung ihres glaubens und ihrer ge- dult nicht noͤthig finden/ und ihrer damit schonen solte. Daher wollen wir uns je laͤnger je mehr lernen in solche ordnung GOttes schicken/ desto fleißiger nach allen vermoͤgen/ daß der HErr jeden darreichen wird/ das jenige/ was unsere Christen- pflicht erfordert/ ohne aufsehen auf menschen zuverrichten trachten/ der welt urtheil und haß daruͤber nichts achten/ hertzlich um besserung beten und derselben nach goͤtt licher verheissung in glauben und gedult e r warten/ gewißversichert/ auf solche wei- se koͤnne es uns an sieg nicht ermangeln und solte die welt vor zorn bersten wollen. Wir leben ohne das in der zeit/ da die huͤlffe des HEꝛrn immer naͤher komt/ und dieser/ wo er die seinige gnug/ auch durch leyden/ gelaͤuteꝛt haben mag/ seine feinde und der seinigen verfolger mit maͤchtigem arm angreiffen/ und zur straffe ziehen/ hingegen an denen jenigen/ die in denen truͤbsalen ausgehalten haben/ seine auch de- nenselben gethane herrliche verheissungen haar klein und sehr herrlich erfuͤllen wird. Welche versicherung uns den trefflich aufmuntern kan/ das wenige/ was uns etwa zu dieser zeit zuleiden noch vorstehen moͤchte/ mit getrostem hertzen anzusehen: und obs dann eine weil hart halten/ und die feinde des guten die voͤllige obhand zu gewinnen scheinen moͤchten/ solle dochgewiß ď sieg auff der jenigen seite bleiben/ wel- chenin glauben u. gedult ausharren. Dz in uͤbrigen auch an hiesigen hof das geruͤch- te als von einer neuen secte erschollen/ will ich nicht zweiffeln/ doch haben wir den himmlischen Vater demuͤtigst zu dancken/ der uns eine solche Christliche herrschaft bescheret hat/ die ob sie unserer confession nicht zugethan/ doch auch unserer kirchen rechtschaffene erbauung gern sihet/ und willig befordert/ hingegen der widrigkeit derjenigen/ welches aus falsch genanter geistlichen antrieb aus unwissenheit oder boßheit das gute anfeinden/ nicht freye macht unschuldige zu unterdrucken lassen wird. Wie denn bereits durch rescripta an die regierungen von Magdeburg uñ Halberstadt auch stadt Magdeburg ergangen/ da denen jenigen inhibition zu thun befohlen wird/ die auf denen cantzeln die so genante Pietisten angreiffen und mit ge- walt eine neue secte/ wo keine ist/ erzwingen wollen. Jndessen wollen wir uns doch nicht auf mensch- und weltlichen arm verlassen/ sondern aufden HErrn HErrn/ dessen sache es ist/ und der die jenige/ so ihm treulich zu dienen ihre sorge seyen lassen/ zu schuͤtzen/ oder wo er sie in gefahr kommen zu lassen dienlich findet/ wiederum zu- errettẽn vermag. Er gebe uns nur alle zeit seinen willen zuerkennen/ daß noͤthi- ge liecht/ u. zu volbringen die zu laͤngliche krafft. Sonderlich wolle er das jenige gu- Xx x x x 3 te/ Das sechste Capitel. te/ so er in meines werthesten Heꝛrn theurer seelen angefangen und bekraͤfftiget hat immer staͤreken gegen alle anlaͤuffe der feinde/ innerlich und aͤusserlich/ an denen es nicht mangelnkan/ befestigen/ einen sieg nach den andern erhalten lassen/ und den- selben zu einenliecht machen/ daß ihrer viel zugesegneter nachfolge leuchten moͤge. den 24. Oct. 91. SECTIO XIX. Als uͤber mein edirtes bedencken ein vornehmer mann scrupel gefast wegen vertheidigung der Pietisten/ der von Assenburg und des tausend jaͤhrigen-reichs erklaͤhrung. A Ls NN. mir die ehre that/ abschied bey mir zunehmen/ that er meldung das des Herrn NN. Exc. mit meinem judicio, so ich auf befehl an unsere gnaͤ- digste Churfuͤstin gestellet/ nicht zu frieden seye/ und einige objectiones an ihn gemachet/ mich daruͤber zubefragen/ wie er aber das schreiben nicht bey sich hatte/ nach sich alles erinnerte/ also nahm er vor/ mir einen extract davon noch zustellen zulassen/ so aber durch seine abreise mag gehindert worden seyen: deswegen E. Excel. so vielmehr verbunden bin/ daß dieselbe mir großg. eroͤffnung und communicati- on davon thun wollen/ um gelegenheit zuhaben/ meine declaration zuthun/ als der nicht gerne bey einem hohen Patron / welcher mehrere jahre mich seiner gunst ge- wuͤrdiget/ in andern concept kommen moͤchte. Es hat mich aber bald dieses ge- freuet/ daß ich davor halten muß/ weil Herr NN. einer Apologie gedencket/ daß derselbe mein bedencken nicht gesehen/ sondern nur etwas davon gehoͤret haben muͤste/ daher wo ers selbs sehen solte/ vielleicht diese objectiones nicht noͤthig zu seyen vor selbsten erkennen wird. Massen mein bedencken keine Apologie in den ersten beiden stuͤcken ist/ in dem was die Fraͤulein von Assenburg anlangt/ ich mein judicium noch suspendiren muß/ und davor halte/ daß die sache gruͤndlich davon zu urtheilen noch nichtzeitig gnug seye/ u. mich also huͤte etwas mich zu præcipitiren in einer sache/ wo man sein gewissen leicht verletzen kan: Hr. D. Petersen belangend gebe ich ihm ein zeugnuͤß/ wie ich aus warheit und liebe schuldig bin; berge aber nicht daß ich unterschiedliches anders gethan wuͤnschete/ ihm daruͤber mehr entschuldi- gende/ als voͤllig vertheidigende: Nur was den dritten punct angehet/ bekeñe daß die unschuld der sogenanten Pietisten defendire, und so fern ists eine Apologie : so aber auch nur darinnen bestehet/ daß ich/ wie ich als der acten voͤllig kundig wohl vermag/ bezeuge/ daß sie alles dessen/ wessen sie beschuldiget worden sind/ unschul- dig seyen/ und von dem neid fleischlicher Theologorum haben leyden muͤffen: dabey wiederum bedinge/ daß ich vor keine andere die feder ansetze/ als welchen sol- cher nahme erst in Leipzig gegeben worden/ und wo dieselbe hingekommen sind: dañ wie geschehen kan/ das anderwertlich solcher nahme auch anderen leuten/ die in et- was mit diesen uͤbereinkommen gegeben worden/ und solche doch warhafftig mit schwer- ARTIC. III. SECT. XIX. schwermereyen behafftet seyẽ koͤnten/ so haͤtte mich deroselben nicht anzunehmẽ/ noch hielte gemeinschafft mit ihnen: Wie ich auch es mit diesen/ deren unschuld ich jetzt erkenne/ nicht halten wuͤrde/ wo sie desjenigen/ was von ihnen ausgegeben worden schuldig waͤren/ so ich aber anders weiß. Nechst dem bekenne/ daß auch die obje- ctiones nicht voͤllig verstehe/ in dem ich nicht weiß/ ob sie wieder alle 3. stuͤcken mei- nes bedenckens/ oder allein eines gerichtet seyen; jedoch will meine declaration hier- uͤber thun/ so viel ich die absicht derselben erkenne. 1. Was anlangt die singularitæt dieser neuer Christen/ welche ordenlich hochmuth und verachtung anderer nach sich ziehe/ m der kirchen trennungen mache/ und also auch den staat folglich turbire : so bekenne 1. daß ich keine singulari taͤt lie- be und billige/ so gar als vor mehreren jahren ein Chꝛistltcher politicus eine sonder- bahre socie taͤt rechtschaffener Christen unter gewissen legibus anstellen wolte/ und meinen assens zu erst hoffte/ ich alles mißrathen/ daß es auch unterbliebe. Wo aber 2. von denen so genanten Pietisten dieses gesagt wird/ daß sie sin- gularitæten haͤtten/ kan ich versichren/ daß mir weder in lehre noch in leben eine einige singularitæt vorgekommen: man moͤchte denn daß jenige eine singulari- tæt nennen/ daß sie sich dessen/ was wahrhafftig allen Christen zukommt/ mit mehrerer sorgfalt als insgemein geschiehet/ befliessen: Da aber die schuld/ daß sol- ches etwas singulares wird/ nicht derer jenigen ist/ die die allgemeine pflichten in acht nehmen/ sondern derer/ welcher leben dieselbe rar machet. Jch weiß zwar wol/ was vor seltsame und abenthererliche dinge/ die rechte singulariteten gewe- sen waͤren/ von ihnen in Leipzig gesaget worden/ es hatt sich aber in der untersuchung alles falsch befunden. Wo man aber ihr leben vor singular haͤlt/ so muͤste die schuld auff goͤttliches wort fallen/ indem sie nichts als dessen reguln ihnen selbs und andern vorschreiben. Wie Herr M. Franckens conversation regeln dessen zeugnuͤß geben koͤnnen. 3. Daher kan auch keine hoffarth oder verachtung anderer daraus entstchen/ sondern sie setzen die demuth selbs zu eine der ersten pflichten der Christen/ und ken- ne ich unter ihnen solche/ welche von GOtt ein gleiches gnaden-maß empfangen/ aber so gar sich dessen nicht uͤberheben/ da sie was an ihnen ist nicht einmal erken- nen. Also finde auch 4. nichts/ was einige trennung in der kirchen an sich selbs er- wecken koͤnte/ da diese leute weder anders lehren noch anders thun/ als was ande- re selbs bekennen muͤssen/ daß man thun und lehren solte. Zwar das unruhen ent- standen sind und entstehen koͤnnen/ leugne ich nicht/ es zeigen es auch die exempel/ abeꝛ davon ist die frage/ ob diese leute/ oder wer daran ursach seye? das exempel in Leipzig u. Erffurt ist neu/ da es ziemlich lermen gegeben/ an diesem ort auch Hr. M. Fran- cke dimittiret worden. Jndessen hat durch alle inquisitionen in Leipzig nicht die geringste unrechte lehre noch begangenesstraͤffliches auf die so genanten Pietisten gebracht werden koͤnnen: Ja in Erffurt hat man gegen Herrn M. Francken bey der di- Das sechste Capitel. dimission sich nicht einmal getrauet darauff zu beruffen/ daß er in lehr oder leben straͤfflich gewesen/ sondern allein/ daß seinet wegen viel unruhe entstanden. Su- chet man denn die ursach/ die ja an den unschuldigen nicht seyen kan/ so ist sie allein zu finden bey den Predigern/ welche sich denenselben aus gewisser ratione status, weil sie sorgen/ ihr leben und fleischliches thun werde durch anderer besser exempel uñ mehreren fleiß beschaͤmet/ wiedersetzen/ allerley boͤses ihnen aufdichten/ sie dem volck verhast machen/ und unter diesen die boͤse sonderlich gegen sie animiren. Hier aber hoffe/ ein jeder cordatus werde erkennen/ solchen motibus vorzukommen/ o- der dieselbe zu stillen/ seye das zulaͤngliche mittel nicht/ unschuldige zu unterdrucken zu lassen/ sondern denen fl e ischlichen auffzulegen/ daß sie jene etwas boͤses uͤberfuͤh- ren/ oder da sie es nicht koͤnnen/ ein gebiß ins maul zu werffen/ so wird sich die un- ruh bald stlllen. So folget nicht/ wo einige widersetzlichkeit sich findet/ daß solche leute gleich dessen gegruͤndete ursach haben/ sondern man hasset offt unveꝛschuldet. Jch erinnere mich dabey/ was mir ein vornehmer und ansehnlicher Cavallier, so in nicht geꝛinger charge stehet/ juͤngst geschrieben/ daß er sich verwundern muͤsse/ was ihm selbs begegne/ da er anfange nichts anders zuthun/ als worzu er sein lebtag von denen Predigern in predigten angewiesen worden/ daß ers thun solte/ in dem nun diese die hefftigste dagegen waͤren/ und aus solchen einigen verdacht schoͤpfen wol- ten. Also folget 5. daß von diesen leuten daß gemeine wesen keinen nachtheil habe/ sondern vielmehr wann sie geziemend geschuͤtzet werden/ davon nicht weniger seegen hoffen koͤnne. II . Was die andere objection anlangt/ bleibe noch dabey/ daß man sich grosser vorsichtigkeit zugebrauchen habe gegen falsche Propheten: also auch daß ei- nige falsche Propheten werden koͤnten/ die es nicht wuͤsten durch phantasie und kranckheit. Doch wuͤrde mir die proposition zu hart vorkommen/ und ich derselben nicht unterschreiben koͤnnen/ daß auch die heiligste leute (les plus saints hommes) falsche Propheten werden koͤnten: Jndem die jenen nahmen tragen koͤnten/ noth- wendig in einem ziemlichen grad goͤttlichen liechtes (so mit zu der heiligkeit gehoͤ r et) stehen muͤsten/ da mit ich einen solchen betrug der phantasie / da sie sich goͤtt- liche offenbahrungen faͤlschlich einbildeten/ nicht zu reimen vermoͤchte/ ob ich wol zu- gebe/ daß sich dergleichen wohl bey guten frommen einfaͤltigen finden koͤnte. Alles aber dieses kan meinem bedencken wegen der Fraͤulein von Assenburg nicht entge- gegen gehalten werden. Denn ich erfordere mit ernst gegen falsche Propheten vorsichtigkeit: Es gehoͤret aber zu der vorsichtigkeit/ als deroselben erste pflicht/ die pruͤffung und erkaͤntnuͤß derselben/ daß sie es nemlich seyen: wo denn unser Hey- land selbs die kennzeichen giebet/ daß man sie an den fruͤchten erkennen solle. Nun wo erstlich ausgemachet waͤre/ daß gedachte von Assenburg eine falsche Prophetiñe waͤre/ so ginge daß vorsehen vor ihr weiter/ und erforderte unterschiedliches von un- terschiedlichen staͤnden/ um allerley gefahr/ so von falschen Propheten zubesoꝛgen/ zube- ARTIC. III. SECTIO XIX. zubegegnen. Jn diesem zustand aber stehet alles noch in denen terminis, daß di e sache zu pruͤffen und zu untersuchen/ und zwar/ wie ich noͤthig achte/ nichts zu uͤber- eilen ist. Dahin aber gehet alles in meinen bedencken/ nachdem meine meinung gnaͤ- digst begehret worden/ daß ich sage/ ich koͤnte noch davon nicht urtheilen/ sondern weise es auff die untersuchung und zwar die mit grosser vorsichtigkeit und sorgfalt/ als in einer sache da es aufs wenigste moͤglich seye/ daß GOtt etwas sonderbares innen haben moͤchte/ vorzunehmen ist. Worzu vielleicht einige zeit mag erfordert werden/ biß alles etwas zeitiger werde. Also ziele t meine gantze absicht auf das je- nige/ was auch Christi meinung ist/ der uns befohlen/ uns vor denen falschen Propheten fuͤꝛzusehen/ davon ich geprediget habe/ aber dzuͤbrige fuͤrsehen nothwen- dig vor sich her die untersuchung erfordert. Dann so gefaͤhrlich es ist falschen Pro- pheten zu folgen/ so mißlich wuͤrde es auch seyen/ da GOtt eine Huldam/ (welche 2. Chron. 34/ 22. der Koͤnig und Priester rath zu fragen sich nicht scheueten) irgend erweckte/ ohne gnugsame pruͤffung solche verwerffen. Jndem GOtt alles mit gros- ser sorgfalt behandelt haben will/ wo moͤglich ist/ daß er seine werck darinnen haͤtte/ um sich nicht unvorsichtig an ihr selbs zuvergreiffen. 3. Was endlich betrifft die meinung von dem tausendjaͤhrigen reich Christi auff erden/ habe mich so wol mehrmahls anderwertlich als auch in den bedencken erklaͤ- ret/ wiefern ich etwas darvon annehuie/ und wo ich anstehe. Die gantze sache aber selbs anlangend/ kan ich nicht sagen/ daß nachgethanener objection, die verkuͤndi- gung unsers Heylandes an seine juͤnger/ von dem leyden und verfolgung/ welches dieselbe hier in deꝛ zeit betreffen solte/ die von einer herrlichen zeit schoͤpfende hoff- nung umstosse; sondern die bekante regul, distingve tempora \& concordabit scriptura hebet alle schwerigkeit auff. Also muͤssen beyderley spruͤche wahr bleiben so wol welche von den leyden lauten/ als auch die einen gluͤckseligern zustand der kirchen gegen die letzte zeit hin und wieder in den Propheten zusagen/ wiewohl ich nicht sagen will/ daß in solcher bessern zeit die glaͤubige gantz ohne leyden seyen wer- den/ dann ob die kirche auch ohne verfolgung waͤre/ und das meiste leyden eine zeit- l n ng aufhoͤrete/ welches die frommen von denen untermischten boͤsen leiden muͤssen/ so wirds doch bey allen die noch in dem fleisch leben/ an andern leiden auch nicht eꝛ- mangeln/ durch welche der himmlische Vater ihren glauben und gedult uͤben wird. Wie wir also nicht leugnen koͤnnen/ daß ob wohl allen Christen ihr leyden vorgesa- get ist/ dannoch unterschiedliche personen/ zeit und ort mit grossem unterschied/ we- niger und mehr desselben theilhafftig werden/ so wird uns auch so ungereimt nicht vorkommen/ daß der HErr einige zeit mehr als jemahl der leyden befreyen wolle. Hiermit hoffe Sr. Excel. dem Hrn. NN. wegen gedachter objectionen eine gnuͤge zugeschehen: auch wuͤrde selbs/ wo ich anlaß darzu gehabt/ an denselben des- wegen geschrieben haben/ als der nicht gern wolte der vorigen gunst eines hochge- schaͤtzten Patronen verlustigt werden. Solte auch dafern S. Excel. selbs oder Y y y y y durch Das sechste Capitel. durch Herrn NN. einiges hiervon zu communiciren belieben/ etwas weiters in der sache von denselben veꝛlangt/ und mir selbs davor zuschreiben verstattet werden/ werde ich nicht entstehen/ alß der ich allerdings wuͤnsche/ solchen voꝛ- nehmen Herrn allezeit unter die befoͤrderen desreichs Gottes/ so ohne segen nie blei- bet zu wissen und zu veneriren. 9. Jan. 1692. SECTIO XX. A n C hurfuͤrst J oh. G eorg den IV. in S ach- sen gerechte beschwerde uͤber das so mir als andern un- ter den nahmen der Pietisten angethanes unrecht ( NB. Dieses unterth. schꝛeiben habe bereits 1695. in meiner gegen Herr D. Schel- wigen ausgegebenen freudigen gewissens frucht p. 10. und ferner drucken las- sen.) Goͤttliche gnade und Geist zu gesegneter regierung u. aller hohen wolfahrt. Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. O Bich wol bey antretender Ew. Churfuͤrstl. Durchl. regierung die so viel mehrere und schwaͤhrere geschaͤfften sehr ungern mit meiner angelegenheit vermehre/ so dringet mich dennoch so wol die noth/ als unterthaͤnigstes ver- trauen zu Ew. Churfuͤrstl. Durchl. gerechtigkeit/ bey deroselben das jenige anzu- bringen/ woran nicht nur mir/ sondern als viel ich begreiffe selbsten Ew. Churf. Durchl. und dero selben regierung/ so allen gluͤcklichen fortgang von goͤttlicher gna- de haben muß/ diese aber die rettung der unschuldigen allerdings erfordert/ nicht ein weniges gelegen ist: Auf was vor eine art D. Carpzovius in Leipzig numehr auff an- derthalb jahr und druͤber/ sich gegen mich bezeuget/ mich nicht nuꝛ bey den daselbst sich haltenden studiosis sondern auch außwaͤrtigen in allerley verdacht zu ziehen sich bemuͤhet/ und endlich mit gedruckten programmatibus in dem nahmen der Uni- versitaͤt (dessen er sich als zeitlicher Decanus Theologiæ gebrauchet/ und der Re- ctor solches vorher nicht zusehen pfleget) offentlich angegriffen habe/ mag viel- leicht Ew. Churf. Durchl. aus dem was noch in Dreßden gegen dieselbe unter- schiedliche m ahl muͤndlich gedacht habe/ einiger maassen erinnerlich seyen; er ist a- ber in solchem noch nach demselben/ aus hoffnung sich der zeit und conjuncturen zu seinem vortheil zugebrauchen/ zu meines ohne ꝛuhm zumelden vor der kirchen her- gebrachten guten zeugnuͤßes bekraͤnckung unverantwortlich fortgefahren; Nechst dem will verlauten/ nach dem der grosse GOTT Ew. Churfuͤrstl. Durchl. selbst in die regierung gesetzet/ daß deroselben von einigen/ welche gesorget/ daß dieselbe von ARTIC. III. SECTIO XX. von dero gewesenen beichtvaters lehre und gemuͤth beffeꝛ gedancken haben moͤchten/ bey zu bringen getrachtet werde/ gleich als waͤren alle Universitaͤten und Theolo- gi in dero landen mir zu wider/ und fuͤhreten beschwehrung wider mich/ ob such- te ich neue lehr-arten wider die Augspurgische Confession und libros Symbolicos einzufuͤhren/ hingegen die alte loͤbliche ordnungen auff Schulen und Universitaͤ- ten zuzernichten und waͤre ein urheber und vertheidiger des so genanten pietismi, der vor eine schaͤdliche secte ausgegeben wird; ja gar solte Ew. Churf. Durchl. aus dero Ober- Confistorio ein Theologi sches bedencken wider mich eingegeben seyen/ da doch noch vor einen jahre der Superintendens zu Dreßden auff befragen E. Churf. Durchl. præsidenten (aus dessen munde es habe) als von meiner dimis- sion gehandelt worden/ außdruͤcklich bekant hat/ daß man mich keiner irrigen lehre zu beschuldigen vermoͤge/ sondern wo man auch an einiger redens-art anstoß habe/ ich mich allezeit orthodoxe erklaͤhrete. Wenn aber ich meiner unschuld versichert bin/ und deßwegen getrost vor jedem stehen darff/ so ergehet zu vorderst an E. Churf. Durchl. mein unterthaͤnigstes/ und wie ich nicht zweiffele deꝛ billigkeit/ ja gerechtig- keit/ allerdings gemaͤsses bitten dahin/ mir die gnade zu erzeigen/ und das jenige/ so wieder mich eingegeben/ damit ich nicht ungehoͤret verdammet und als ein verwir- rer der kirchen angesehen werde/ zu meiner verantwortung communiciren zu las- sen; Denn ob ich wol versichert bin/ wann auf Ew. Churf. Durchl. Universiteten an singula membra aus allen corporibus begehret wuͤrde/ daß ein jeder nach dem eyd und pflicht/ damit er seinem GOtt u. seinem Churfuͤrsten verbunden waͤre/ in einen verschlossenen schreiben/ was ihn von meiner lehre und dem auch so genanten pietismo wissend waͤre und was er von mir und andern vor grund habe/ an Jhre Churf. Durchl. selbst einschicken/ und dabey veꝛsichert seyen solte/ daß die jenige/ vor denen sich ein und andere zufuͤrchten haͤtten/ nichts davon erfahren solten/ daß ge- wiß solche nachrichten einlauffen wuͤrden/ dadurch mein und anderer leute unschuld sattsam an dentag kommen svlte; so ist doch die hoͤchste billigkeit/ die jenige anschul- digungen/ wo mit ich mich vor der Evangelischen kirchen eines gantzen landes/ den ich nach GOttes willen eine zeitlang voꝛgestanden bin/ u. nach geschehener goͤttliche vocacation hieher mit aller gnadẽ bezeugung weg gelassen worden/ graviret sehen solle/ mir zu meiner eigenen verantwortung zu communiciren, und nicht mit mi- wie mit denen so genanten Pietisten / verfahren zu lassen; von welchen unlaugba r und notori sch ist/ daß man keinen der angeschuldigten weder selbs hoͤren noch ihr e beschuldigung/ dem gesetz der billichkeit nach in gebuͤhrender ordnung von unpar- theischen Richtern hat untersuchen lassen wollen/ wormit man sonsten gar leicht hin- ter die warheit wuͤrde gekommen seyen; da doch dem aͤrgsten auch woll nothor ischen uͤbelthaͤtern dergleichen nicht verfagt zu werden pflegt; welches bißherige verfah- ren vermuthlich weder von E. Churf. Durchl. selbst (vor dero regierung desglei- chen vorgegangen) noch der geheimen Rath/ darinnen gleichwol viel redliche Christ- Y y y y y 2 liche Das sechste Capitel. liche leute sind/ die ihr gewissen mit solcher ungerechtigkeit nicht beschweret (wieder dero verordnung aber nicht weniges von andern geschehen ist) noch sich fre m der suͤnden werden theilhafftig machen wollen/ gebilliget werden wird/ oder kan. Damit aber Ew. Churf. Durchl. mein gutes und freudiges gelassen/ so ich vor GOtt und derselben habe/ mit wenigern darstelle/ so bezeuge 1. Daß ich mir nicht bewust bin/ ein einiges dogma, so wider die Augspur- gische Confession und libros Symbolicos streite/ behauptet zu haben/ ober zube- haupten: und haͤtte deßwegen unterthaͤnigst zu bitten/ meine widrige dahin zuhal- ten/ mir einiges nahmhafft zu machen/ da ich denn/ wo ich eintziges dessen warhaf- tig uͤberfuͤhret wuͤrde/ mich zur enderung (denn auch in diesen jahren mich wo ich anstiesse/ weisen zu lassen nicht schaͤme) ja zu aller bestraffung/ ob wol nunmehr ausser Ew. Churf. Durchl. lande nach GOttes fuͤgung lebe/ willig erbiehte ꝛc. 2. Daß ich weder jemahlen die kirche zu verwirren gesucht/ noch etwas des- sen jemahlen angegeben habe/ woraus von selbsten deroselben verwirrung folgte: denn wo heylsame anschlaͤge gegeben oder anstalten veranlasset werden/ dadurch andere/ so das ihrige nichtrechtschaffen gethan haben/ beschaͤmet zu werden sorgen/ und diese deswegen unruhe anfangen/ auch von den jenigen/ welche derselben muth- willen nach ihrenpflichten und amt steuren/ und das gute secundiren solten/ nicht coerciret werden/ ligt solche schuld deꝛ verwirrung alsdenn nicht auff denen/ die die besserung gesuchet/ sondern welche dero gute intention boͤßlich bestreiten/ und alles lieber in unruhe setzen/ als etwas zu geben/ daß sie ihrer rationi status widrig zu seyen sorgen. 3. Daß ich keine einige alte ordnung der Universitaͤten und Schulen uͤmzu- stossen getrachtet/ sondern vielmehr/ da was die. Theologiam anlanget E. Churf. Durchl. hochselige vorfahren/ das hauptwerck/ auff die handlung der heiligen schrifft gesetzet (daran das wenigste leyder gedacht wird) dieselbe absicht auch zum letzten zweck aller meiner consiliornm gestellet/ aber eben damit so viele/ deren ab- sicht auff andersgehet/ wieder mich irritiret habe. 4. Daß es ein gottloses gedicht sey/ was von dem pietismo als einer son- derbahren secte/ in alle welt aus Leipzig aus- spargiret worden/ u. noch zu feꝛner zeit die boßheit der jenigen/ welche damit sie nicht in ihren ersten vorgeben moͤchten falsch befunden werden/ solches noch immerfort behaupten/ sich klar nicht nur vor GOt- tes richterstul/ sondern hoffentlich noch vor der gantzen welt offenbahren werde. Wie denn da ich tragenden amts-wegen die gesamten acta der beyden inquisi- tionen durchlesen/ und meinen unterthaͤnigst. bericht auff gnaͤdigsten befehl ein- geben muͤssen/ und als in der furcht des HErrn die sache also genau eingenommen/ und erwogen babe/ ich nochmals Ew. Churf. Durchl. hiemit vor GOttes augen versichere/ daß auff die unte den nahmen des pietismi angeschuldigte nichts weder von irrthuͤmern der lehre/ noch in dem leben und wercken wider goͤttliche und welt- che ARTIC . III. SECT . XX . che gesetze streiten des/ erwiesen worden u. sie als rechtswegen aso unschuldige haben absolviret werden sollen/ und billig noch zu absolvi ren sind. Hirmit nach einigen linien fahre ich fort. Jch erbiete mich auch/ da Ew. Churfuͤrstliche Durchl. gnaͤ- digst geruhen solte meine beyde unterthaͤnigste in den geheimen rath befindliche be- dencken/ denen so widriger meinung sind zur beantwortung vorlegen zulassen/ sol- che von allen dem/ was diese dagegen excipiren wuͤrden/ mit gutem grund zu ret- ten/ als der ich weiß vor GOTT und vor der unpartheyischen welt eine gute sache/ und mich unschuldiger und von maͤchtigern hart gedruckter leute/ angenommen/ zu haben: dessen mich auch nimmermehr gereuen solle. Also geschiehet Ew. Churf. Durchl. kirche und lande von eigenen dero einwohnern und zwar solchen/ die viel- mehr dessen guten nahmen und ruhm befoͤrdern solten/ unrecht/ mit der erdichtung einer neuen in denselben entstandenen secte, davon der geꝛingste doch nicht voꝛhandẽ ist/ und mit oerwirrung der gemuͤhter/ welche vor gefahr gewarnet werden/ da kei- ne sich findet/ und sie deswegen nachmahl in verdacht das jenige ziehen/ was gantz ohne schuld ist. Daraus auch geschehen kan/ daß kuͤnfftig alle Theolo- gi und Prediger dero lande furcht haben werden/ einige Gottseligkeit von sich leuch- ten zu lassen/ damit sie nicht den nahmen der Pietisten auff sich laden moͤchten. 5. Daß wo man die gantze sache nach der wahrheit/ wie sich endlich offenbah- ren muß/ untersuchet/ sich nichts anders ergeben werde/ als daß in Leiptzig Christ- liche studiosi gewefen die so wol selbst erkant/ als andere angewiesen haben eins- theils/ daß einem studioso Theologiæ das studium der heiligen Schrifft das aller- nothwendigste seye/ und zwar ohne ausschliessung der uͤbrigen studiorum / nach CHRJSTJ und der Apostel eigenen zeugnuͤß der vornehmste fleiß auff dasselbe (wie dieses auch in denen alten ordnungen befohlen/ nicht aber wie sichs geziehmet in acht genommen worden ist) gerichtet/ anderntheils daß die uͤbung des rechtschaf- fenen Christenthums zu der erudition hinzu gethan und nicht weniger auff jene als auff diese getrieben werden muͤsse/ welche nun dieses gethan/ und in ihren so colle- giis nach der academi schen freyheit als aller conversation getrieben haben/ die hat man spotsweise Pietisten gẽnennet/ und sie daruͤber so hart gedruͤckt. Was aber weiter ihnen schuld gegeben wird/ ist alles ohne grund/ und unerwiesen/ beste- het auch zimlich theils in verkehrung an sich guter dinge/ welche ungleich und nicht nach der regel der wahrheit und liebe auffgedeutet werden. Wo auch E. Churfuͤrstliche Durchlauchtigkeit gnaͤdigst befehlen solten/ bin ich bereit dergleichen dinge so in der sache vorgegangen/ deroselben vorzustellen/ dar- an handgreifflich viele ungerechtigkeit/ welche veruͤbet worden/ zu erkennen ist. Wiewohl bey allen diesen ich bedinge/ wo von dem pietismo redet/ daß nichts mei- ne/ als was die jenige und ihre actiones betrifft/ die zu Leipzig beschuldiget/ und ih- n en des falls solcher nahme beygeleget ist worden/ vor dero unschuld ich stehen kan/ Y y y y y 3 mich Das sechste Capitel. mich aber nichts anzunehmen haͤtte/ wo andern anders wo solcher nahme auch gege- ben wuͤrde/ die sich etwa in andern dingen vergehen moͤchten. Wenn denn Ew. Churfuͤstl. Durchl. aus dieser kurtzen vorstellung nach de- ro erleuchteten veꝛstand auffs wenigste so viel eꝛkennen/ daß es gleichwohl eine wich- tige sache seye/ und wo es sich also verhalten solte/ daß solchen leuten bisher unrecht waͤre geschehen/ wie ich mich solches darzuthun unterthaͤnigst erbiehte/ der gleichen unrecht/ dafern damit fortgefahren wuͤrde/ uͤber Ew. Churfuͤrstl. Durchl. derosel- ben regierung und lande nichts anders als GOttes/ der uͤber die beschwehrung der frommen und unschuldigen ernstlich eiffert/ zorn/ auch die schuld/ daß andere orte gegen solche leute/ als bereits von so hohen ort verdammte/ auch unbillig verfahren und sich auff solches præiudiz beruffen (wie wircklich bereits geschehen ist) ziehen wuͤrde; so weꝛden sie nicht weniger gnaͤdigst eꝛmessen/ daß es eine der alleꝛwichtigsten angelegenheiten bey derer gesegneten antrit ihrer regierung billig seyen solle/ alles was in sothanen gefchaͤfften bey 2. jahren vorgangen ist/ auffs genauste und ohne partheiligkeit oder ansehn derer/ so bißher damit zu thun gehabt/ durch deren gehei- men rath zu untersuchen/ die beschuldigte zu ihrer allerzeit gesuchten aber niehmahls verstatteten defension zu admitti ren/ und alsdenn zu gleich ein gerechts urtheil/ wie es vor jenen gerechten richter dermahleinst bestehen kan/ aussprechen zu lassen: Denn wie ich selbst nicht verlange/ daß wo die beschuldigte einiger boßheit/ unrechts u. unziemlicher neuerung uͤberfuͤhret wuͤrden/ ihnen nach gesehen wuͤrde/ so wird die gerechtigkeit selbs erfordern daß auch die jenigen nicht leer ausgehen/ die unter fal- schen vorwand der orthodoxiæ und sorge vor die ruhe der kiꝛchen ungegruͤndete de- lationes gethan/ und die unschuld Christlicher leute auff allerhand weise zu unter- druͤcken getrachtet/ darmit aber unsere arme kirche verunruhiget/ und doch dessen schuld auff friede- und ruhe-liebende personen unbillig geleget haben. Geschiehet nun solches/ wie denn zu Ew. Churfuͤrstl. Durchl. die gerechtig- keit liebenden gemuͤht mich dergleichen/ wie auch dero gnaͤdigsten schutzes gegen D. Carpzov. in Leipzig und andere/ welche mich unbillig bißher angegriffen haͤtten/ gebuͤhrender massen unterthaͤnigft versehe/ so werden dieselbe sich um die ehre Got- tes und ruhe der nicht nur Saͤchsischen sondern insgesamt Evangelischen kirchen/ dero erstes directorium bey dero durch GOttes gnade stehet/ wohl verdienen/ vie- lem sonsten besorglichen ungemach und befuͤrchtenden schismati (deme nicht durch unterdruͤckung der unschuldigen sondern coerci rung deren/ so sich ihrer gewalt und autori taͤt mißbrauchen/ vorgebeuget werden kan) zu vorkommen/ ein ruͤhm- liches zeugnuͤß wie dero treuen sorgfalt vor das gemeine beste/ also auch von GOtt habender weißheit in so schwehrer sache/ an allen orten erlangen/ viele Goͤtt- lichen seegen uͤber dero hohe personen/ trohn und anvertrauten lande ziehen/ und al- ler an aller orten GOTT hertzlich fuͤrchtender seelen/ so wohl freidige dancksagung gegen GOTT also vil eiffriger gebtee vor ihre geistliche und leibliche wolfahrt die un- ARTIC . III. SECT . XXI. unmuͤglig unerhoͤret bleiben koͤnnen/ sich zu wege bringen: Wormit der himmli- schen regierung und mildesten segen treulich empfehlende verharre. u. s. f. SECTIO XXI. A n M. Joh. C hristoph H oltzhausen wegen sei- ner gewissens angst uͤber das vermessene urtheil wider die Pietisten/ verdammung Jacob Boͤhmens und harte schreib-art gegen Matthaͤi. ( NB. Die gantze historie samt des S. mañes eigenẽ brieffe habe einverleibt meiner rettung der gerechten sache gegen D. Aug. Pfeiffern cap. 4. §. 9. u. s. f. 260. u. f. Wie nun damahl dieses concept pag. 279. nicht hatte finden koͤnnen/ so aber seither wie auch die num. folgen/ sich wider ge- funden hat/ so mangelt mirs dießmahl an dem ersten/ dar auff sich die- ser brieff bezencht/ worinnen ihm allein zum trost gezeigt/ daß er kei- ne suͤnde in den heiligen Geist begangen haben koͤnne. ) J Ch habe seither so wol wegen bekanten geschaͤfften/ als auch weil gern eine mehrere zeit verlangte/ der wichtigen sache nachzudencken/ und diesen ter- minum / selbst neulich gesetzt/ daß etwa diese woche schreiben moͤchte/ die ant- wort annoch verschoben/ so hiermit in der furcht des HErrn und mit dessen anruf- fung abstatte. 1. Erkenne ich/ die geliebten bruder widerfahrne auffwachung des gewis- sens/ und daher entstandene der seelen unruhe uͤber eine sache/ darinnen derselbe nach damahligen seines gewissens vorstellung nicht zu suͤndigen/ sondern vor GOt- tes ehre und die wahrheit auch zueiffern gedachte/ so dann haͤrtere wort einen solchen eiffer nicht umstaͤndig zu seyen glaubte/ vor ein nicht ungefehres werck/ sondern vor einen finger Gottes: Um so viel mehr weil solche unruhe und angst sich nicht legen wollen/ was auch derselbe zu seiner beruhigung mag vorgenommen haben/ also daß auch der trost der absolution einige nur kurtze linderung gegeben/ hingegen dieselbe widerum auffs neue hefftiger angesetzet hat: So gewiß nirgends anders her/ als von der ruͤhrung dessen/ eessen hand unsere seele/ sie wolle oder wolle nicht/ fuͤhlen muß/ herruͤhren kan/ und mich des zustands Davids/ den er Psalm. 32. beschreibet erinnert. Wo nun dergleichen Goͤttliche ruͤhrungen sich zeigen/ ist man schuldig denenselben platz zugeben/ und demjenigen nachzukommen/ was uns alsdenn das gewissen vor rath giebet; indem man sonst zu einer bestaͤndigen ruhe nimmermehr kommen kan. Wie mir erst neulich ein exempel aus N. N. bekant worden da miꝛ der ehemann/ selbst ein Prediger berichtet/ daß seine ehefrau/ mit dero er liebreich lebet/ Das sechste Capitel. lebet/ und ihr eines Gottseligen lebens zeugnuͤß giebet/ 5. gantzer jahr in hertzlicher betuͤbnuͤß zugebracht/ uͤber einige unbekante in der jugend begangene sunden/ sie hat auch dem gewissen wollen ruhe schaffen/ und erstlich ihm solche geoffenbahret/ und seinen trost gesucht/ nachmabl ihrem beicht vater geklagt/ und die absolution em- pfangen/ da zwar jedesmahl das gewissen erstlich sich etwas besaͤnfftiget/ aber im̃er wider auffgewachet/ und ihr ein elendes leben verursachet/ daß sie endlich eine ge- luͤbde that/ oͤffentlich in der kirchen die bekaͤntnuͤß zu thun. Er trachtete sie davon abzuhalten/ weil heimliche suͤnden nicht vor die gemeinde gehoͤrten/ und dieselbe nicht dadurch geaͤrgert/ auch ohne das eine solche abbitt gantz ungewoͤhnlich waͤre. Aber die angst nahm so zu/ daß sie weder zu gebeth nach haͤußlichen geschaͤfften mehr tuͤchtig war/ und selbst sorgte/ bey laͤngerer verhaltung entweder gar in verzwei- felung oder verstockung zugerathen. Darauff der mann selbs drein gewilliget. Jch will seine wort selbst hieher setzen: Hac ergo tam miferabili nec non peri- culosa lorte ejus impulsus ego in Ecclesiola illa rurali, cui præeram, juxta verba, Psalm. 32/ 3. 4. 5. paucis explicata, \& ad ejus statum, ut pote adprime congruentia, adplicata, per comministrum meum votum ejus impleri cu- ravi: quo facto, laus Clementissimo JESU, dulci \& svavi gaudet pace con- scientiæ, sentit se ereptam laqueis mortis \& inferni, atque adeo in usuram beatissimæ in Christo vitæ translocatam. Er klagt zwar/ da Christliche see- len die sache hertzlich gebilliget/ und trost daraus gefasset/ daß hingegen andere/ auch vorgesetzte/ solches hefftig geunbilliget/ um welcher ursach willen er auch meines raths zupflegen die sache uͤberschrieben. Jch fuͤhre auch die historie allein an zum zeugnuͤß/ was die macht des einmahl starck auffgeweckten gewissens/ zu seyen pfle- ge/ und nicht wol anders denselben/ als mit gehorsamer folge/ zu rathen seye. 2. Erkenne ich auch/ nicht ohne Goͤttliche sonderliche fuͤgung geschehen zu seyen daß derselbe/ nachdem das gewissen bereits in unruhe gestanden/ uͤber dieses buͤchlein des Jacob Boͤhmens gerathen: Von welchen ich zeugnuͤssen einiger leute weiß/ welche GOTT durchlesung desselben zu erst starck geruͤhret/ und sie von der welt zu sich gezogen hat/ daruͤber er auch selbst so bald ein gefuͤhl bekommen/ daß solche ar- beit nicht von einen/ welchen der luͤgen geist zu seinem werckzeug gebraucht/ her- kommen koͤnne/ auch so bald in solche angst daruͤber gesetzet worden/ daß er sich der suͤnde in den heiligen Geist schuldig worden zu seyen/ zu sorgen anfinge/ und eine weil mit solcher furcht gekaͤmpffet hat. Wir wissen/ daß auch die ringste bewe- gung eines fingers ausser Goͤttlichen rath nicht geschehen/ so vielmehr sind wir ver- sichert/ daß der gleichen begebnuͤßen/ da uns dieses oder jenes in die haͤnde oder au- gen faͤllt/ und so bald starcken eintruck daraus in das hertz kommet/ nichts ungefeh- res sind/ sondern gewißlich aus einen sonderbahren rath GOttes herkommen. 3. Ob ARTIC. III. SECTIO XXI. 3. Ob nun wohl bereits neulich zur gnuͤge dargethan zuhaben glaube/ daß hier keine suͤnde wider dem Heil. Geist habe begangen werden koͤnnen/ wir ver- stehen nun dieselbe nach der nunmehr von denen Theologis insgemein ange- nommenen definitione Feurbornii, oder nach anderer erklaͤrung/ und naͤherer vergleichung/ mit dem exempel der Phariseer und ihres verhaltens gegen Chri- stum. Dann so viel wird unlaͤugbar seyen/ daß bey solcher suͤnde sich noth- wendig muͤsse boßheit befinden/ hingegen ein irrendes gewissen dieselbe nicht bege- hen koͤnne. Wie ich auch das exempel Pauli aus 1. Tim. I, 13. angefuͤhret/ bey dem es nechst dem laͤsteren auch zu dem verfolgen gekommen war/ und der doch damit sich jener unvergeblichen suͤnde nicht theilhafftig gemacht: wie auch in dem vertrauen stehe/ das geliebter Bruder druͤber wol keinen weitern scru- pel haben werde. So ist doch 4. die angst des gewissens nicht bloß vergebens/ oder ohne grund/ sondern wo wir in der furcht des HErrn und ohne affect en die sache/ wie sie an sich selbst ist/ ansehen/ so wuͤste ich vor GOtt nicht zu verantworten/ so wol da gegen die so genante Pietist en ein ungleiches urtheil gefaͤllet worden (denn ob ich wol den tract at habe/ so laͤsset mir doch die zeit nicht leicht zu/ einige schrifften/ die uͤber etliche bogen sich erstrecken/ durchzulesen/ und hin- gegen in dem durchblaͤttern/ habe ich die stelle/ wo davon gehandelt wird/ nicht finden koͤnnen) als auch was theils in dem harten urtheil gegen J. Boͤhmens buͤcher/ und woher dieselbe kommen sollen/ theils durch die hefftigkeit gegen dem adversarium, gegen die liebe gesuͤndiget worden. Jndem ersten konte es nicht ohne vermessenheit abgehen/ indem ich nicht glaube/ daß geliebtem bruder die gantze wahre bewantnuͤß und historie des Pietismi dermassen bekant hat seyn koͤnnen/ daß es muͤglich gewesen waͤre/ das derselbe ein judicium dagegen/ da- mit er vor GOttes trohne getrost bestehen koͤnnte/ zusassen vermocht haͤtte. Was das andere anlangt/ bekenne/ daß auch ein dergleichen hartes urtheil von eines mannes schrifften/ deren man das wenigste gelesen/ von andern vernom- men/ das seine reden zuverstehen schwer seyen/ und was einigen anstoß giebet gantz anders gemeinet seye/ und der von andern/ an dero Christlichen wesen man nicht eben zu zweiffeln wichtige ursachen hat/ aus ihrer eignen erfahrung/ als ein Lehrer/ in dessen schrifften GOtt viele krafft geleget habe/ geruͤhmet wird/ zufaͤllen/ mir auch nicht muͤglich waͤre/ von der vermessenheit und gefahr ihm unrecht zuthun zubefreyen. Endlich was die schreibart gegen dem widersacher anlangt/ sehe ich sie auch nicht an/ als der sanfftmuth des Geistes Christi ge- maͤß: noch wuͤrde mir zur entschuldigung seyn/ daß gegentheil durch seine haͤr- tigkeit dazu anlaß gegeben/ denn uns die regel immer vor augen schweben muß/ der nicht schalt/ da er gescholten ward. Also kan ich nicht anders erken- nen/ als daß die angst des gewissens guten grund habe/ und deswegen von dem- Z z z z z z jenigen Das sechste Capitel. jenigen herkommen der uns die suͤnden fuͤhlen laͤsset/ davon er uns hei- len will. 5. Nun ist es zwar an dem/ das wo wir unsre suͤnde bekennen/ so ist der HErr gerecht und getreue/ das er uns die suͤnde vergiebet/ und reiniget uns von aller untugend 1. Joh. I. und also wo wahre buß und reue der suͤnden verhan- den ist/ beut goͤttliche gnade so bald unserm glauben die vergebung an/ ohne daß etwas mehr vonnoͤthen ist. Wie aber einige sondere faͤlle sind/ wo die bus- se noch etwas weiter erfordern will/ also sehe ich diesen auch an/ daß nemlich eini- ge satisfaction nicht an GOtt/ sondern an diejenige/ welche beleydiget/ oder vielmehr an diejenige/ so geaͤrgert worden/ und noch ferner geaͤrgert werden moͤchten/ abzustatten seye/ nach der alten regel: Non remittitur peccatum, nisi re- stituatur ablatum. Was also die so genannte Pietist en anlangt/ nachdem kei- ner in specie angegriffen seyen wird/ ist darmit alle genug/ wo nur dasjenige aufgehoben wird/ womit sie gravi ret worden/ und ins kuͤnfftige sonst ferner gravi ret werden moͤchten/ darmit alsdann dem aͤrgernuͤß gesteuret werde. Ja- cob Boͤhmen betreffend/ ist auch nichts weiter noͤthig/ als daß das urtheil uͤ- ber ihm aufgehoben/ und seine sache dem urtheil GOttes und der kirchen wie- derum lediglich heimgegeben werde. Denn Matthæi vor sich/ da er selbst in gleiche suͤnde stecket/ und seine feder nicht zuzaͤhmen gewust/ gehoͤret etwa kei- ne andere satisfaction, sondern nur ist dem aͤrgernis/ so andere davon gefaßt ha- ben moͤgen/ zuwehren. 6. Damit aber dieser zweck erhalten/ und das gewissen seiner angst gruͤnd- lich befreyet werde/ will nothwendig seyen/ daß was geschehen solle/ durch ei- ne oͤffentliche schrifft geschehe: Jndem auf andre art sonst unmuͤglich wieder zu- rechte gebracht werden kan/ was geliebter bruder selbs sorget/ durch seine suͤn- den schaden geschehen oder anstoß gesetzt worden zu seyen. Jedoch muß hinwi- der auch mit grosser vorsichtigkeit dergleichen schrifft aufgesetzet werden/ daß nicht ein neues aͤrgernuͤs daraus entstehe/ und da man dem verunruhigten ge- wissen auf einer seite rathen will/ auf der andern eine anlaß einer neuen unruhe gegeben wuͤrde. 7. Wo ich dann mein einfaͤltiges bedencken geben solle/ so gehet es in der furcht des HErrn dahin/ daß ein nicht weitlaͤufftiges scriptum aufgesetzet und publici ret wuͤrde; in dem was den Pietismum oder was von solcher mate rie de- pendi ret/ anlangt/ geliebter bruder sich dahin erklaͤhrete/ was er davon geschrie- ben (so ist oben bekant/ daß es nicht habe zu lesen finden koͤnnen) seye ihm von andern durch allerley ratio nen beygebracht und glaubhafft gemacht/ also sein gemuͤth mit unterschiedlichem verdacht erfuͤllet worden/ daher er sich bewegen lassen/ solche persohnen/ die mit solchem nahmen beleget worden/ auch mit seinem urtheil zubeschwehren. Weilen ihm aber nunmehr von andern leuten ein ARTIC. III. SECTIO XXI. ein anders und das gegentheil von solcher sache gezeiget werden wolle/ komme er auf die billige sorge/ ihrer mehren damit zu viel gethan zuhaben: Daher wo sichs also verhalte/ wie andre zeugnuͤssen lauteten/ und sonderlich in dem be- dencken uͤber die imaginem Pietismi / so dann meiner præfation, gemeldet wuͤr- de/ wolte er niemand von solchen unschuldigen mit seinem urtheil beschwehret wis- sen/ sondern solches nicht gefaͤllet haben. Hiemit wird alles seuffzen/ so etwa von einigen seelen/ dem dieser leute unschuld bekant/ uͤber geliebten bruder sonst gehen moͤchte/ abgewendet/ hingegen dero seegen auf ihn gezogen/ denen wel- che aus boßheit die unschuldige bisher verfolget/ die gelegenheit geliebten bru- ders wort auch wider jene zu misbrauchen abgeschnitten/ andern der stein des anstossens da sie sich auch aus dessen vorurtheil gegen die bedruckte einnehmen lassen/ kraͤfftig weggenommen/ und hingegen das gewissen/ so von eigner als gemeinschafft frembder suͤnden befreyet werden/ welches nichts anders als eine hertzliche ruhe/ was dieses betrifft/ geben kan. 8. Was hingegen/ Jacob Boͤhmen anlangt/ so wolte ichs/ wo es mei- ne sache waͤre/ also einrichten: Erstlich zubekeñen/ daß was er wider den mann ge- schrieben haͤtte/ aus einer solchen meynung geschehen waͤre/ daß er sich im gewissen verbunden gehalten/ vor die ehre GOttes gegen solche schrifften/ die er von kei- nen guten geist hergekommen zuseyen und andere verfuͤhren zukoͤnnen geglaubet/ zu eiffern/ und andre davor zuwarnen (wie ich solches auch gewiß glaube/ daß in seinem hertzen gewesen/ und nichts fleischliches sonst untergelauffen zu seyen/ dann wo sich auch dieses in genauer pruͤfung finden sollte/ so duͤrffte man auch solche bezeugung nicht thun:) Es stuͤnden auch noch wuͤrcklichen geliebten bru- der die harte reden Jacob Boͤhmens vor augen/ welche er mit goͤttlichen wort bisher noch nicht concilii ren/ oder mit den erklaͤhrungen/ so gemacht worden/ zu frieden habe seyen koͤnnen; da dann dieselbe puncte n/ so noch am haͤrtesten entgegen stehen/ candidè noch moͤchten wiederhohlet/ und was vor schwehrig- keit darinnen stecke modestè / und also mit muͤglicher moderation, dem leser noch- mal vorgestellet werden. Weil es aber in zweiffelhafften sachen zuurtheilen dem gewissen fast gefaͤhrlich fallen wollen/ und ihn dieses von einer zeit her nicht allein wegen gebrauchter harten wort gegen den adversarium, zubeschuldigen an- gefangen habe/ sondern ihm auch nunmehr ein neuer scrupel gemacht worden seye/ nachdem er sich in lesung des wegs der seeligkeit J. Boͤhmens aus dem vielen gelesenen guten fast geruͤhrt befunden/ ob er nicht dem autori mit der harten beschuldigung moͤchte unrecht gethan haben/ so finde er sich von GOtt verbunden/ eine offentliche declaration zuthun/ das ob ihm wol keine satisfacti- on in denjenigen dingen/ so ihm bisher des mannes schrifften so zuwider ge- macht/ zu seiner uͤberzeugung geschehen waͤre/ er dennoch wuͤnschete/ daß er sol- ches urtheil uͤber ihn nicht gefaͤllet haͤtte/ und also nicht wolte/ daß sich jemand Z z z z z 2 hinkuͤnff- Das sechste Capitel. hinkuͤnfftig darauf beruffete. Vielmehr uͤberliesse er das gericht uͤber ihn/ und seine schrifften GOtt und der kirchen; jene m daß er mehr und mehr/ was gutes oder boͤses an ihnen waͤre/ zuerkennen geben; dieser aber/ daß sie es erkennen moͤge. Er recommendi rte aber jedermann/ gleich wie nicht vermessen zuurthei- in einer sache/ die sich villeicht anders einmahl befinden moͤchte/ also eben so wol vorsichtig zu seyn/ darmit nicht/ wofern/ wie es das ansehen habe/ irrige dinge darinnen waͤren/ jemand sich dadurch einnehmen liesse. Seye also daß sicherste/ daß wir allein bey dem ohne zweiffel gewissen wort GOttes in der heil. schrifft blieben/ und aus solchem unsern glauben zufassen/ und nach sol- chem unser leben zufuͤhren/ daran wir gnug haben koͤnten. Wolte aber jemand nach der freyheit/ die GOtt seinen kindern gegeben/ alles zu pruͤffen/ Jacob Boͤhmen lesen/ moͤchte solches mit guter vorsichtigkeit und anruffung GOttes geschehen/ durch dunkele und unverstaͤndliche wort sich von nichts dessen/ was man aus dem klaren wort GOttes uͤberzeuget worden/ abziehen zulassen/ aber auch nichts dessen vermessentlich zuverwerffen/ was man nicht gewiß verstehe/ und wieder die schrifft zu streiten versichert seye. Jnsgemein aber muͤste eine treuhertzige warnung angehaͤnget werden/ sich ja vor dem urtheil uͤber zweif- felhaffte dinge zuhuͤten/ weil man sich sonsten in schwere gewissens-angst/ da- ran man vorhin nicht gedacht/ stuͤrtzen/ und hingegen alsdenn sobald sich nicht wieder helffen koͤnne: Daher in dergleichen dingen/ wo muͤglich waͤre/ daß etwas gutes darunter seyn koͤnte/ das sicherste seye/ stille zustehen/ das boͤse so man erkant/ zwar nicht anzunehmen/ aber auch nichts zu verdammen/ wovon wir bekennen muͤsten/ daß wirs nicht voͤllig verstehen/ aber eben durch solche verdammung uns sehr versuͤndigen/ hingegen sothane uͤbereylung/ wenn das gewissen aufwachte uns vieles kosten moͤchte. 9. Weil auch was die schreibart anlangt/ ich versichern kan/ daß sich auch gute seelen daran gestossen/ so moͤchte etwan beygefuͤget werden/ wie der widersacher zwar darzu anlaß mit seinem exempel gegeben/ und das vertrauen der guten sache nochmehr darzu animi ret: Wie man aber dem andern theil die verantwortung seiner heftigkeit uͤberlasse/ so finde man nun/ daß es besser ge- wesen/ dem exempel des Heylandes in der sanfftmuth zufolgen/ und darmit des andern haͤrtigkeit zu uͤberwinden. 10. Von dergleichen einer schrifft hoffe ich aus GOttes seegen nicht wenig gutes/ 1. trage ich das vertrauen/ das geliebter bruder in seinem gewissen wiederum zu einer bestaͤndigen ruhe kommen. 2. Sich der verantwortung dererjenigen/ welche seines tract ats mißbrauchen/ und ferner suͤndigen moͤchten/ suͤnden vor GOtt entschuͤtten. 3. Bey mehreren Gottseeligen hertzen zum lob und danck ge- gen GOtt anlaß geben. Und 4. ihrer vielen/ die auch zu urtheilen vorschnel sind/ so ich eine der gemeinsten suͤnden unserer zeiten achte/ eine warnung/ in al- len ARTIC. III. SECT. XXII. len dingen mit judiciren sehr bedachtsam zu werden/ beybringen werde: wel- ches ich vor einen wichtigen nutzen halte. So hat geliebter bruder sich auch nicht einiges wahren schimpfes daraus zubesorgen/ denn ob wol mehrere fleisch- liche leute/ wie zum haß also auch verachtung desselben sich dadurch moͤgen be- wegen lassen/ weiß ich doch wohl/ daß derselbe mit allen denen/ so was ehr o- der schande seye/ warhafftig verstehen/ dieser urtheil nicht hochachten oder glau- ben werde/ daß ihm das wenigste an demselben gelegen sey: hingegen da aus dem vorigen tract at besorglich unterschiedliche etwas der guten meinung von dem- selben moͤgen haben fallen lassen/ und also derselbe vielmehr dessen existimati- on verletzet/ so wird hingegen dergleichen schrifft/ nicht nur bey diesen/ sondern auch bey allen dem HErrn treulich suchenden hertzen/ ja dem HErrn selbst/ zur ehre gereichen. Wie nun dieses vor dem angesicht GOttes meine meinung in dem gegen- waͤrtigen anliegen ist/ ich auch nicht zweifele derselben guten grund zuhaben/ so stelle dieselbe hiemit in bruͤderlichen vertrauen vor/ und uͤberlasse sie desselben fernerer pruͤfung und seines gewissens (dem ich keinen strick vor mich selbst an- legen werde/ sondern alles GOttes wirckung uͤberlasse) eigener uͤberzeugung. Der Vater des liechts/ von dem alle gute gaben/ und alle vollkommene gaben kommen/ gebe ihm selbst/ erleuchtete augen seines verstaͤndnuͤsses/ auch in die- sem anliegen/ selbst oder aus Christlicher freunde anleitung/ zuerkennen/ was dessen heiliger ehre/ der Kirchen erbauung/ des nechsten besserung/ und eigener gewissens bestaͤndiger ruhe an diensamsten ist. Er lasse aber auch insgesamt sein liecht in allen stuͤcken immer weiter durchbrechen/ zu vertreiben alle finster- nuͤß und zweiffel/ damit wir alle unangestossen/ staͤts in demselben wandeln biß zu dem seel. eingang in die voͤllige liechte ewigkeit. Den April 1692. SECTIO XXII . Meine Ausfuͤhrung aus Sachsen/ und bestaͤndige Liebe gegen dasselbe. Von einem vermeintem Gespenst. O B ich wohl die weise und guͤtige vorsehung meines himmlischen Va- ters zu veneri ren habe/ die mich zu meinem besten aus Sachsen ausge- fuͤhret (da sie sich vielleicht zu erinnern weiß/ was ich einmahl von meinem Pathmo erwehnet/ ) auch es etwa in solchem lande nicht an leu- ten gefehlet hat/ auch ex nostro ordine, uͤber die ich mich beschweren moͤchte/ so bewahre mich doch mein GOtt/ daß ich einen feindseligen gedancken gegen sol- Z z z z z z 3 chem Das sechste Capitel. chem lande iemahl in meiner seele hegen/ oder unterlassen solte/ einen tag dessel- ben in liebe vor dem thron des HErren zu gedencken/ oder daß ich iemand da- rinnen einiges boͤses wuͤnschen solte: hingegen ist mein stetes seuffzen zu Gott/ daß derselbe es immerdar ein land seyen lassen wolle/ da seine ehre wohne/ und alle staͤude in diejenige ordnung bringe/ wie es ihm gefaͤllig/ und zur wahren wohlfarth der kirchen und gemeinen wesens dienlich ist: sonderlich bete ich oh- ne unterlaß/ daß der HErr denjenigen/ welche nicht bruͤderlich gegen mich ge- handelt/ oder noch handeln moͤchten/ solches zu erkennen gebe und verzeihe/ die aber in liebe noch mit mir verbunden stehen/ darinnen bekraͤfftigen/ und solche unsere verbindung in gebeth und andern liebesfruͤchten fruchtbar machen wol- le. Vornehmlich erhalte er geliebten bruder lange/ vermehre/ reinige/ und hei- lige seine gaben/ zu viel tausendfaͤltiger frucht/ und lasse ihn stets einen gese- gneten des HErrn bleiben. Hierzu und also desselben in liebe zu gedencken/ verpflichte ich mich allezeit/ und solle mich auch hieran keine entlegene des orts hindern. Als ich im uͤbrigen dessen anderes bekam/ und die wunderliche ge- schichte/ welche sich in dessem hause begeben/ (davon aus den zeitungen etwas bereits gesehen hatte) lase/ war so bald der schluß gefaßt/ auffs foͤrderlichste zu antworten/ schaͤme mich aber/ da erstlich allein von woche zu woche zuschrei- ben/ verschoben/ daß die zeit nunmehr mit monaten zehlen muß. Doch habe nicht zu bergen/ daß nicht allein mir/ sondern auch/ als die relation einen Ge- heimen Rath communici ret/ solcher sie aber aus curiosi taͤt denen uͤbrigen gewie- sen/ denselben allen die sache so vorgekommen/ daß aus dem erzehlten dingen nichts voͤllig convincirendes zu finden sey/ daß es warhafftig ein gespenst gewe- sen/ sondern waͤre muͤglich/ daß ein boͤsewicht/ so aus einigen ursachen andere aͤffen wollen/ alles solches moͤchte gethan haben. Sonderlich weil so offt mein hochgl. Herr und vermuthlich andre leute/ die ihm besser in die carte sehen koͤn- nen/ vorhanden gewesen/ das gespenst sich sehr zuruͤck gehalten/ allerdings aber ausgeblieben/ da eine starcke wache zu dem hause verordnet worden. Wo dann nun von solcher zeit sich alles verlohren haben/ oder sich nicht seither etwas wei- tres mit augenscheinlichen proben hervor gethan haben solte/ bin ich nicht in abrede/ daß wie ich der uͤberschickten relation gern glauben beymesse/ doch starck zweiffele/ ob etwas aussernatuͤrliches/ und was ein betruͤger/ sonderlich wo ein paar personen sich mit einander verstanden haben solten/ nicht ausrichten koͤn- te/ daraus zuerzwingen waͤre. Wie dann zwar die list des satans unerforsch- lich/ aber auch der menschen betrug (davon mir gnug exempel bekant) nicht al- lemahl gnug zuerkennen ist. Hingegen wo wahre gespenster sind/ offenbahret sichs auch also/ daß man klar solche dinnge dabey findet/ die unmuͤglich durch die natur geschehen koͤnnen. Doch wil ich mit meinen gedancken niemand/ so alles naͤher und genauer angesehen/ præjudici ret haben/ dancke vielmehr Gott/ der ARTIC. III. SECT. XXIII der entweder dem teuffel/ da er unmittelbahr solches spiel gespielet/ / oder eini- gen boͤsen leuten/ wo solche ihr werck dabey gehabt/ nicht zugelassen/ mehre- ren schaden zuzufuͤgen/ sondern alles bey allerley angst und solchem ungemach/ so noch leicht zuuͤberwinden/ bleiben hat lassen. Der walte ferner mit gnaden uͤber dieselbe und gantzes hauß/ und bewahre sie vor allen sichtbahren und un- sichtbahren seinden/ dero gewalt/ list und betrug ꝛc. 1692. 16. Apr. SECTIO XXIII. Lehre der Gottseligkeit und goͤttliche wirckungen werden gelaͤstert. Wie in der that die laͤsterungen zu wiederlegen. W O wir so vieles offt hoͤren muͤssen/ daß so wol der wahren Lehr der Gottseligkeit/ (die doch das hertz der Evangelischen religion ist/ und sich ja diese mit nichts mehr hervorgethan/ als daß sie den lebendigen glau- ben deutlicher vorgestellet hat) als auch allen denen wirckungen/ wel- che GOTT in einigen seelen weiset/ mit laͤsterung und sonsten wiedersprochen wird/ so lasset uns auch solches zu unserm besten gebrauchen: jenes erste/ daß wir uns gewehnen/ die muͤglichkeit und nothwendigkeit der gottseligkeit/ so dann wiewohl sie einen menschen seyen mache/ nicht allein mit worten aus der schrifft zuerweisen/ sondern mit unseren lebendigen exempeln der laͤsterer ungrund zu wiederlegen/ darmit sie nicht immerdar verneinen moͤgen/ muͤglich zuseyen/ was sie wuͤrcklich vor augen sehen; darzu aber auch gehoͤret/ daß unser gantzes le- ben nach allen dessen stuͤcken/ als viel diese zeit/ da wir noch in dem fleisch wallen/ zugiebet/ dem willen unsers Heylandes gleichfoͤrmig eingerichtet werde/ darmit nicht/ wo sie dieses und jenes/ so bekantlich von der regul abweiche/ an uns se- hen/ solches ihnen anlaß gebe/ auch alles unser uͤbriges thun vor heucheley aus- zugeben/ und sich damit eines sieges gegen uns zu beruͤhmen: Das andere aber mag uns darzu dienen/ wo wir uns dermassen der goͤttlichen gnade in schuldi- gem gehorsam uͤberlassen/ und alsdann dieselbe in solcher ihrer ordnung ihre ge- woͤhnliche wuͤrckungen desto kraͤfftiger zeiget/ hingegen die welt dergleichen wahr- nimmet/ was ihr aus eigener erfahrung nicht bekant ist/ aber ihr so in die au- gen leuchtet/ daß sie es nicht leugnen darff/ daß sie dadurch uͤberzeuget werde/ wir haben keinen ohnmaͤchtigen GOtt sondern moͤgen an seinen ordentlichen wercken wohl abnehmen/ was er dann auch/ wo er will/ ausser der ordnung zu thun vermoͤge. Wiewohl was solche sonderliche und ausserordentliche din- ge anlanget/ von denen man dieser zeit hin und her allerhand hoͤret/ ich Christ- liche hertzen billig allezeit erinnere/ daß wir in solcher sache behutsam gehen muͤssen/ darmit wir weder etwas warhafftig goͤttliches vermessenlich verwerf- fen/ Das sechste Capitel. fen/ welches gleichwol keine geringe suͤnde ist/ noch hinwieder/ so etwas von der krafft der phantasie herkaͤhme/ und nur goͤttlich schiene davor annehmen: Welches zu vielen irrungen anlaß geben wuͤrde. Nachdem aber unsere vor- sichtigkeit hierinnen viel zu schwach waͤre/ ists noͤthig/ daß wir unablaͤßig zu den himmlischen Vater ruffen und flehen/ daß er doch selbst seine arme kirche in gnaden ansehen/ so dann seine kinder/ welche gern in aller einfalt ihm ge- horchen wollen/ und vor sich selbst leicht auf die eine oder andere seite anstos- sen moͤchten/ vor allem irrthum bewahren/ hingegen seine warheit in den seelen kraͤfftig versieglen wolle. Dieses gebeth wird wohl das vornehmste seyen/ dar- mit wir uns gegen die gefahr dieser zeiten zuverwahren haben werden/ hinge- gen versichert seyen koͤnnen/ wo seine auserwehlte nicht muͤde/ viel mehr tag und nacht zu ihm ruffen werden/ daß er ihrer seuffzen nicht uͤberdruͤßig werden/ son- dern wo sie die erforderte proben ihrer gedult werden abgeleget haben/ in einer kuͤrtze sie erretten werde. Jn dieser hoffnung wollen wir vollends auswarten/ wann die laͤngstbestimte und verheissene huͤlffes stunde auch der goͤttliche lohn vorhanden seyen wird; Er staͤrcke aber selbst unsere schwachheit/ und fuͤhre ins- gesamt sein werck herlich hinaus. Amen. Er wird es thun. 1692. SECTIO XXIV . An einen fuͤrnehmen von Adel in Cassuben. Freu- de uͤber dessen kantnuͤße. Hoffnung von dem sohn. Fraͤulein von der Assenburg. Gefaͤhrliche zeit. Weder tag noch nacht. Von unserm aufferstandenen Sieges-Fuͤrsten JEsu CHristo/ gna- de/ friede/ licht/ rath/ krafft/ sieg und leben. Hoch-Edeler gebohrner Herr. Jnsonders hochgeehrter Herr und Patron. J Ch habe zwar dessen geliebtes zu rechter zeit wohl erhalten/ wie es mir aber mit allen brieffen gehet/ daß ausser denen/ ubi summum in mora pe- riculum, nicht leicht ohne zimlichen verzug beantworten kan/ so ging mirs auch mit solchem schreiben: daß/ ob ich wol bedacht gewesen/ foͤrder- samst zu antworten/ dennoch wegen so vieler hindernissen immer eine woche nach der andern/ auch endlich gantze monathen daruͤber verstrichen sind; wel- ches verzuges und langsamkeit wegen ich zum foͤrdersten uͤmb verzeihung bitte. Dabey aber versichere/ daß mir das schreiben sehr angenehm gewesen sey/ aus demselben wiederumb eine vornehme person erkandt zu haben/ dero es ein ernst sey mit den ihrigen GOtt treulich zu dienen/ und solches die vornehm- ste sorge des lebens seyn zu lassen: dazu ich denn immer mehr und mehr goͤtt- liche ARTIC. III. SECTIO XXIV. liche krafft wuͤnsche/ zu erkentniß und vollbringung seines heil. willens/ auch zu eig ner erfahrung/ wie gut es bereits in dieser welt diejenigen haben/ welche das einig nothwendige auch ihre sonderbahreste sorge vor allen seyen lassen/ wo man nur recht verstehet/ worinnen einer seele nicht der einbildung nach/ sondern wahr- hafftig/ wohl seye. Den herrn sohn habe nicht nur gesprochen/ sondern halte davor/ bey ihm ein Christliches gemuͤthe aus seinen reden erkant zu haben/ wie er denn nicht allein meinen freundlichen zuspruch liebreich angenommen; son- dern bezeuget/ daß er selbst bereits sich dazu entschlossen/ das itzige leben/ nach ge- endigter dieser campagne, welche er auszusetzen nicht meynte in seiner gewalt zu ste- hen/ mit einem stillern in seiner werthen eltern hause zu verwechseln/ und sich dem- jenigen zu entziehen/ was ihn an treuen dienste GOttes laͤnger hindern moͤchte. Der HErr bewahre ihn in gnaden/ und bringe ihn gluͤcklich wieder zuruͤcke/ so dann bekraͤfftige er in ihm so itzt als nachmals den gefaßten vorsatz/ und be- reite ihm zu einem heiligen werckzeug seiner ehre/ mit voͤlliger erfuͤllung alles vaͤterl. verlangens. Was die Adeliche Fraͤulein Rohamunden Julianam von der Assenburg und ihre vorgebende offenbahrung/ daruͤber meine gedancken be- gehret worden/ anlanget/ habe ich solche in einem bedencken/ welches auf gnaͤ- digstes begehren an unsere Durchl. Churfuͤrstin gegeben/ und nachmahlen ge- drucket worden/ ausgedruckt/ ich weiß auch nicht anders/ als daß ich davon ein exemplar samt der antwort uͤber Imaginem Pietismi dem herrn sohn umb zu uͤber- schicken/ zugestellet habe/ und also solches werde bereits gelesen worden seyen. Wie nun dasselbe mein urtheil habe muͤssen suspendi ren und davor gehalten/ daß die sache noch nicht reiff genug seye/ mit grund ob es goͤttliche offenbahrung oder die krafft einer starcken phantasie oder impression seye/ zu determini ren/ deßwe- gen auch den rath Gamali elis ergriffen habe. Also ob ich wohl seither die Fraͤu- lein/ da sie sich unterschiedliche wochen bey ihrem herrn vormund alhie aufge- halten/ zu etlichen mahlen gesprochen habe/ kann ich doch weder weiter fort noch zu ruͤcke gehen/ weil mir weder mein zweiffel dargegen starck vermehret wor- den die sache zuverwerffen/ noch auch ich eine kraͤfftigere uberzeugung der goͤtt- lichkeit derselben/ aus den umgehen mit den Fraͤulein bekommen habe. Also bleibet es noch allezeit ein stuͤck meines hertzl. anliegens und taͤglichen gebeths/ daß uns der HErr weder unter seinem nahmen gefaͤhret/ noch etwas das von ihm zu unserem besten gesaget waͤre/ zu verachten/ verleitet werden lasse/ son- dern vielmehr seinen rath zu aller erkaͤntnuͤß kraͤfftig durchbrechen/ sich auch ins- gesamt in so mißlichen und gefehrlichen zeiten seiner kinder vaͤterlich annehmen/ und sie selbst auf richtigem weg fuͤhren wolle. Es verhalte sich nun aber mit die- ser sache/ wie sichs dermahleins zeigen wird/ achte ich mich doch versichert/ daß wir unterschiedlicher ursach wegen wohl klagen moͤgen/ daß es bey uns fast nacht sey/ oder wie dorten der prophet Zacharias C. 14. saget: Ein tag dem HErrn A a a a a a bekand/ Das sechste Capitel. bekand/ weder tag noch nacht; nicht voͤllig nacht/ indem das liecht der lehre heller scheinet/ als vormahlen unter den papsthum/ aber auch nicht voͤllig tag/ indem wenig hertzen durch solches liecht der lehre wahrhafftig innerlich zum e- wigen lebendigen glauben erleuchtet sind/ sondern die meisten noch in der fin- sterniß der unwissenheit oder todten wahn-glaubens alzutief stecken: Jndessen muß es doch wahr bleiben/ daß an dem abend liechte werde. Und ach! daß wir nahe dabey seyn moͤchten! nun wir wollen im glauben/ und dessen fruͤchten/ in verleuchnung der welt/ und ihrer luͤsten/ im gebeth und gedult des geistes uns trachten taͤglich zu denjenigen gerichten zubereiten/ die vor dem anbruch der zei- ten der besserung hergehen muͤssen/ in dero anfang wir bereits stehen/ aber die noch schwer genug werden moͤchten/ um darinnen zubestehen und alles zu uͤber- winden/ mit glaͤubiger hoffnung und erwartung/ wenn der HErr auch die sei- nen kindern gethane verheissung erfuͤllet werde. den 21. April Anno 1692. ( NB. Auch dieses schreiben hat D. Schelwig in itin. Antipiet. p. 103. abdrucken lassen. ) SECTIO XXV. An M. J. Christoph Holtzhausen fernere erinnerung seinem gewissen ruhe zuschaffen. Einen fehler zu bekennen/ hebet die auto- ri taͤt des ministerii nicht auff. J. Boͤhm hat einiges retracti rt. Bey einigen goͤttlichen liecht kan noch einige finsternuͤß sein. D Aß meine beyde briesse wol uͤberliefert worden/ ist mir lieb zu verneh- men gewesen/ wiewol gewindschet haͤtte/ daß der erste nicht so bald dem uͤbrigen ministerio waͤre kund worden/ doch scheue mich meiner person wegen nicht/ und was ich vor GOtt rede oder schreibe/ mag auch von andern gehoͤret und gelesen werden/ in fall es ihnen selbst nicht etwa unnuͤtz- lich ist. Weilen aber sonderlich in dem letzten mein gantzes hertz ausgeschuͤttet/ und dem rath/ so gut mich GOtt demselben erkennen lassen/ treulich gegeben ha- be/ so weiß ich nun wenig mehr bey der sache zu thun/ als einerseits mit fortwaͤh- renden/ und gewiß des tags nicht nur einmahl vor GOtt bringenden/ gebeth an- zuhalten/ und dessen HErrn und weise regierung anzuflehen/ anderseits geliebten bruders eigenen gewissen/ uͤber welches weder ich noch jemand anders ihm einige macht zunehmen hat/ den fernern entschluß zuuͤberlassen/ mit der einigen erinne- rung/ sich ja wol zu pruͤffen/ was eine goͤttliche ruͤhrung gewesen waͤre/ nicht in sich zu unterdrucken: Worbey man gewiß zu keiner bestaͤndigen ruhe gelangen wuͤrde. Daß ungleiche urtheil fallen werden/ zweifele ich nicht/ wie auch das be- ste denselben allezeit/ ja wohl mehr als anders/ unterworffen ist/ aber daß mit gu- tem grund jemand/ der das wahre beste der kirchen erkennet/ uͤbel davon urtheilen koͤnne/ glaube ich nimmer. Jch halte dem pruritum von allen dingen/ auch die nicht ARTIC. III. SECTIO XXV. nicht gnugsam bekant sind/ zuurtheilen vor eine schwere kranckheit unserer kir- chen/ so dazu von wenigen erkennet worden/ in dessen vielen schaden thut; nun hoffe durch eine bewegliche erinnerung bey dieser gelegenheit/ solte ihrer unter- schiedlichen anlaß gegeben werden/ in sich selbst zu schlagen/ und hinkuͤnfftig sich davor zu huͤten. So sehe ich der reinigkeit der lehr keine gefahr aus der sache/ indem geliebter bruder Jacob Boͤhmen nicht billigen darff/ ja bey noch habenden scrupel n nicht billigen kan/ sondern nur die sache nach immer fernern gottseeliger uͤberlegung einer jeden seelen/ und dem auspruch der kirchen/ da der HErr es zeit finden/ und hierzu die hertzen lencken wird/ heimgiebet. So sehe auch nicht/ wie des Ministerii autorit aͤt dadurch fallen kan. Jndem wir uns ja keine infallibilit aͤt anmassen doͤrffen oder wolten/ ja auch nicht zu fordern ha- ben/ daß sich die gemeinde dergleichen fuͤrbildung vor uns machte/ dero wir/ wo sie uns bekant wuͤrde/ vielmehr zu wiedersprechen haͤtten/ daher wo einer sich aus menschlicher/ durch das gemeine exempel der meisten auctorisir ten/ præcipitanter mit einem urtheil vergangen hat/ von GOtt aber selbst seines sehlers erinnert wird/ ists vielmehr ein erbaulicher candor von ihm/ da er zwar zeiget/ wie er warhafftig zu erst seinem gewissen auch gefolget/ aber bezeuget/ daß er nun des- sen verstoß sehe/ und das vorige retracti re/ welches gewißlich so gar kein aͤrger- uuͤß meines ermessens geben kann/ daß andere vielmehr einen solchen prediger desto mehr lieben und das beste vertrauen zu ihm tragen werden. Dann daß wir alle fehlbahre menschen sind/ weiß jederman/ daß wir aber auch/ wo wir ge- fehlet/ uns nicht wieder Sirachs regel c. 41, 31. solches zu bekennen und zu bessern schaͤmen/ weiß man nicht/ man erkenne es denn aus dergleichen exempeln. Und versichere ich/ daß die retractationes Augustini weder seiner noch anderer Theo- logorum autorit aͤt schaden gethan/ sondern vielmehr sie vermehret haben. Nun der HErr HErr der seine seele auch in haͤnden hat/ regiere sie in dieser sache/ und beuge sie zu einer ungezweiffelten erkantnuͤß seines willens/ alsdann ohne ferner absehen auf menschen das zu thun/ was dieser fordert: Er segne aber als- den solchen vorsatz und dessen bewerckstelligung zu nicht allein voͤlliger beruhi- gung seiner seelen/ in dieser particular- sache/ sondern lasse ihn auch alsdañ aufs neue/ die versicherung seiner gnade erlangen/ dero unterbrechung/ und was sol- che verursachet/ villeicht uns nicht allemahl so bekant ist/ aber auf unterschied- liche/ etwa auch fast unangenehme art/ zuweilen ungezeiget werden muß. Nun der liebste Vater wird es thun/ wie ich zu ihm hoffe/ und geliebten bruder sein angesicht wieder sehen lassen. Jch habe seiter auch wegen Jacob Boͤhmen von jemand diese erinnerung bekommen/ daß derselbe selbst einiges aus seiner Aurora retracti ret/ und c. 10. von denen principiis goͤttl. wesens §. 9. 1. und 2. schrei- be: Moses hatte recht geschrieben/ aber ich hatte es nicht recht verstan- den: Dergleichen er auch anderwertlich bezeugen solle. Daraus aber folgte A a a a a a 2 nicht/ Das sechste Capitel. nicht/ daß nicht/ etwas von goͤttlichen licht bey ihm moͤchte gewesen seyen/ sondern daß bey dem liecht viele finsternuͤß sich gefunden/ wie jener blinde Marc. 8, 29. als der HErr JEsus ihm zu erleuchten anfinge/ menschen als baͤume ansahe/ biß er zu voͤlligem gesichte kam. Jst es nun eine muͤgliche sache gewesen/ daß Petrus/ und ohne zweiffel auch mit ihm andere Apostel/ so gar nach unmittel- und wunderbahrer ausgiessung des heil. Geistes uͤber sie/ der sie auch in dem amt selbst allezeit erleuchtete und fuͤhrete/ dennoch in einen ziemlichen irrthum betruͤf- fende die Juden und friden gestecket/ biß Petro selbst wiederum durch eine neue offenbahrung Act. 10. auch solches geheimnuͤß mehr geoffenbahret worden ist/ warum solte man deßwegen dem Satan zuschreiben/ was Jacob Boͤhm ge- schrieben/ weil er in einigen stuͤcken sich verstossen hat? Ja warum solte des- wegen unmuͤglich seyen/ daß er ein sonderbahres liecht von GOtt in gewissen din- gen empfangen haͤtte/ weil er in einigen dingen/ was ihm etwa in solchem liecht gezeiget worden/ als von ferne erstlich noch nicht recht/ sondern confus, und also mit einigem irrthum/ angesehen/ nachmahl aber auch dasselbe tieffer und klaͤrer eingesehen? da wir in uͤbrigen ihn nicht den Aposteln und allgemeinen lehrern der kirchen/ auf dero grund dieselbe erbauet ist/ und von denen wir den weg un- serer seeligkeit also zu lernen haben/ daß wir ihren schrifften ohne fernere pruͤf- fung glauben/ nach ihnen aber alle andre erst pruͤffen muͤssen/ vergleichen: son- dern wo man etwas goͤttliches in ihn erkennen wolte (davon ich aber selbst noch nicht urtheilen kan) es also eine sonderbahre Gabe/ etwa wie dorten Bezaleels/ dem auch der Geist GOttes gegeben worden Exod. 3 5, 31. achten moͤchten. Nun aber auch solcherley gabe hart zu tracti ren/ mag das gewissen auch verletzen. Was eine remotion oder dero androhung anlangt/ darff geliebter bruder/ ob er auch seinen gewissen nicht anders als durch eine retractation rathschaffen koͤn- te/ jene nicht fuͤrchten/ noch diese anders ansehen/ als daß einige denselben damit zuschrecken und abzuhalten/ gedencken. Jedoch GOtt/ der sein werck aller orten kraͤfftig wird lassen durchdringen/ wird alles wol machen. ꝛc. 9. May 1692. ( NB. Sectionem XXVI. suche am ende dieses dritten theils.) SECTIO XXVII . An einen Christlichen schulmeister in S achsen/ den GOtt von jugend auf gefuͤhret auf den weg der buße und glaubens. Hochachtung der schrifft. Einige prediger verbieten dero lesung. Wir haben alle zuhoͤrer auf dieselbe zu weisen. Maͤßigung des entbreñenden eyffers. Wie auf dem lande auch erbauliche buͤcher unter die leute zu bringen. Gebet um besserung. Luc. 18/ 7. 8. Hoffnung derselben. Daß ARTIC. III. SECT. XXVII. D Aß sobald zur sache selbst schreite/ so muß vor GOtt bekennen/ daß ich mich uͤber dessen schreiben in Dreßden dermassen erfreuet habe/ daß die empfangung desselben/ eine von den vornehmsten staͤrckungen gewe- sen/ damit in den damaligen vielen zerstreuungen/ sorgen und unruhe der himmlische Vater mich erqvicket hat: Wie ich versichern kann/ daß mir dieses eine der inniglichsten freuden hier iu diesem leben ist/ so offt hie und da- her eines und andern rechtschaffenen Christen/ den der HErr kraͤfftig geruͤhret/ gewahr werde/ und aus jedem exempel zu staͤrckung meines glaubens in eige- ner erfahrung sehe/ daß auch in den zeiten der uͤber uns noch so schwere liegen- den gerichte/ der guͤtigste Vater nicht unterlasse/ sein werck in denenjenigen see- len zu treiben/ welche seiner gnade annoch bey sich platz lassen/ und also daß er uns noch einigen saamen uͤbrig lasse/ damit wir nicht werden moͤchten wie So- doma und Gomorrha. Gelobet seye also die himmlische ewige guͤte/ welche denselben auch/ wie sobald in der kindheit durch treue anweisung einer gottse- ligen mutter und vorhaltung des Christlichen exempels eines seligen groß-va- ters/ kraͤfftig zu sich zu ziehen angefangen/ und sein werck immer/ ob wol etwas verborgener fortzusetzen nie unterlassen/ also endlich so viel kraͤfftiger bey ihm durchgebrochen hat/ in ihm so wol eine heilige begierde/ sein eigen heil in der goͤt- lichen gnade treulich zu wircken/ als auch einen aufrichtigen liebreichen eyffer/ erwecket hat/ auch seinen neben-menschen nach besten vermoͤgen zu seiner ret- tung an hand zu gehen. Ach geliebter freund/ er hoͤre nicht auf/ (wie zwar ohne das das vertrauen habe/ daß ers ohne meine erinnerung thun werde) den treue- sten GOtt vor diese uͤberschwengliche barmhertzigkeit an seiner seelen erzeiget/ mit tieffster demuth zu preisen/ und derselben sich in schuldiger danckbarkeit folg- sam zu uͤberlassen/ der gewissen versicherung/ daß er auf dem rechten wege ste- he/ und sich nur fener von dem guten geist/ der ihn bereits kraͤfftig ergriffen hat/ leiten lassen duͤrffe. Es ist einmahl dieses der einige weg zu GOtt zu kommen/ buß und glauben: und zwar jene nicht allein von den groben suͤnden/ damit die offenbar ruchlose sich zu beflecken pflegen/ sondern auch von dem der meisten welt (ob sie wol allertieffst darinnen stecket/) unbekannt bleibenden fleischlichen sinn/ der seine ehre/ nutzen/ lust und willen in allen suchet/ und darinnen nicht zu suͤndigen meinet/ bey dessen beybehaltung aber nimmermehr das goͤttliche liecht in die seele einleuchten kan: dieser aber/ nemlich der glaube/ nicht wie er in einer fleischlichen einbildung von der gnade GOttes bestehet/ sondern eine goͤttliche krafft in uns seyen/ und dasjenige an sich haben muß/ was unser theure Luthe- rus in der mehrangefuͤhrten vorrede uͤber die Roͤmer bezeuget. Nachdem ich nun sehe/ daß mein geliebter freund sich diesen einigen weg gefallen laͤsset/ und auf denselben ein hergehet/ so kan mit warheit sagen/ daß er auf den rechten we- ge stehe/ und auch auf denselben getrost fortwandern solle. So vielmehr aber A a a a a a 3 freuet Das sechste Capitel. freuet mich/ daß derselbe/ ob zwar andere buͤcher/ und die gaben/ welche GOtt in andere seine diener geleget hat/ nicht verachtet/ dennoch seinen grund allein auf das goͤttliche unbetruͤgliche wort selbst setzet: Wie wir denn alle andere buͤ- cher nicht anders als zeugen derjenigen warheit/ die in der schrifft gelehret wird/ und als einige handleiter zu deroselben leichteren verstand anzusehen haben/ dero wir je laͤnger je weniger bedoͤrffen/ je mehr wir in solches buch des lebens selbst nunmehr eindringen. Daher er auch wol thut/ daß er nach seinen ver- moͤgen jedermann zur lesung solches buchs hilfft vermahnen/ und solches allen rathet. Dieses aber ist erschrecklich/ und solte man nicht davor gehalten haben/ daß es in unser Lutherischen kirchen/ und zwar wo man sich des ersten ursprun- ges der seligen reformation ruͤhmet/ dahin solte gekommen seyen/ daß prediger selbst den zuhoͤrern die lesung der heil. schrifft mißrathen. Welches leider all- zustarck nach dem Pabstum schmecket/ und solche leute anzeiget/ die wiederum den alten blinden gehorsam/ und die von damaliger geistlichkeit uͤber die andere geuͤbte tyranney im hertzen haben/ da sie wollen/ daß die menschen an ihrer au- tori taͤt hengen sollen/ damit sie aus ihnen machen koͤnnen/ was sie wollen. Aber wehe denen lehrern/ welche nicht fleiß ankehren/ die menschen dahin zu weisen/ daß sie selbst gern ihren wahren meister Christum Matth. 23/ 8. in seinen wort hoͤren/ damit sie darnach alle uͤbrige lehren pruͤffen lernen; so vielmehr wo sie sie noch von demselben als viel an ihnen ist/ abhalten. Jch kan von einen sol- chen wenig anders vermuthen/ als daß er seine gemeine betruͤgen will/ wann er sie an sich/ als einen betruͤglichen menschen/ weiset/ die er doch von sich ab/ und zu dem/ der allein weder betruͤgen noch betrogen werden kan/ weisen solte. Ach wie wuͤnschte ich so hertzlich/ daß keiner meiner zuhoͤrer waͤre/ der sich nicht aufs fleißigste in der bibel/ sonderlich in dem neuen testament/ so das klaͤreste ist/ uͤb- te! und wird mir ein jeglicher unter denenselben so viel lieber seyen/ als fleißiger ich weiß/ daß er sich solches laͤsset angelegen seyen. Weswegen auch so offt von der cantzel sie erinnert habe/ daß sie weder mir/ noch jemand von den anderen predigern/ etwas um unser selbst willen glauben/ sondern allezeit auf die gruͤn- de/ die wir aus GOttes wort anfuͤhrten/ vornehmlich acht geben/ daher alle unsere predigten nach denselben pruͤffen solten. Jch lese ihnen auch die vornehmste spruͤ- che/ worauf ich mich beziehe/ auf der cantzel vor/ damit sie/ [wie es denn auch ei- nige thun/] sobald solche nachschlagen/ und zu hauß wiederlesen und erwegen moͤgen. Also in den catechismus- examinibus eirnnere ich eben dieses/ daß die jugend/ wo sie nicht sobald die gantze bibel haben kan/ auffs wenigste das neue testament sich bald bekant mache/ und alles was sie aus dem catechismo unter- richtet werde/ daraus erweisen lernen moͤchte: weil der catechismus in der form/ wie sie ihn vor sich haben/ von einen menschen Luthero gemachet worden seye/ deswegen noch ferneres erweißthums beduͤrffe. Dergleichen hoffe ich/ daß alle/ welche ARTIC. III. SECTIO XXVII. welche treue hirten und diener Christi seyen sollen/ thun werden/ welche aber nicht thun/ was hierinnen die versicherung ihrer zuhoͤrer erfordert/ weiß ich von den miedlings-namen nicht frey zu sprechen. Was im uͤbrigen den gegen die ge- lahrte und insgesamt diejenige/ welche nicht nach vermoͤgen trachten/ daß die kirche wiederum in rechten zustand komme/ bey demselben erregten eyfer an- langet/ ist mir wohl bekant/ wie derselbe gemeiniglich sich bey denenjenigen ent- zuͤndet/ welche aufangen das verderben recht einzusehen/ und es gern gut haͤtten/ weil sich aber auch leicht eine fleischliche bitterkeit unvermerckt mit einflicht/ so ist wohl gethan/ daß man sich wiederumb darin gemaͤßiget/ und vielmehr mit erbarmender liebe diejenige nunmehr ansiehet/ die es an sich ermangeln lassen/ und mit Sanfftmuth sie vielmehr zu dem guten allgemach zu lencken trachtet/ als das man einige hefftigkeit gegen sie spuͤren liesse. Daher ist mir leid/ daß in ein buch geschrieben worden/ so lange keinen wiedergebohrnen Predi- ger erkant zuhaben/ und siehe ich schon vor/ wo solches in das Consistorium kaͤme/ daß es nicht eben zum besten ablauffen doͤrffte. Jch finde aber das rath- samste/ daß es aufs glimflichste erklaͤret werde/ so auch der warheit gemaͤß seyn wird: daß er nemlich keinen also gekant/ nicht aber daß keiner/ auch unter denen die er gekant/ dergleichen gewesen waͤre: Es moͤchten also wohl/ welches er auch hoffte und wuͤnschte/ sich warhafftig wiedergebohrne unter denselben gefun- den haben/ da er aber nicht in solche genaue ihre kundschafft gekommen waͤ- re/ daß er die zeugnuͤssen der wiedergeburth so eigendlich an ihnen haͤtte ken- nen koͤnnen. Daß den leuten auf dem land mit guten buͤchlein auch zur hand gegangen wuͤrde/ sehe ich selbst vor eine nicht nur nuͤtzliche sondern auch sol- che sache an/ vor die die obere/ wo sie alle stuͤcke ihres amts erfuͤllen wolten/ bil- lig sorge zu tragen haͤtten: Was ich aber vor hoffnung darzu machen solle/ weiß ich nicht. Aufs wenigste wuͤndschete/ daß nur bey jeglicher haußhaltung/ wo nicht die gantze bibel/ doch aufs wenigste das N. Testament/ gefunden wer- den mochte/ dessen lesung den mangel anderer buͤcher ersetzen koͤnte: So moͤch- te auch ein feines mittel seyn/ wo an einem ort nicht mehr als etzliche waͤren/ die einen hertzlichen eyser haͤtten zu der erbauung/ die sich nachmahl mit an- dern an andern orten sofern vereinbahrten/ daß sie einander/ was sich einer vor ein buch schaffte/ nach der ordnung nachmahl allen uͤbrigen zu lesen leihete; Da also einer dieses/ der andere ein ander feines buch kaufte/ welche immer un- ter ihnen herum zum gebrauch gingen/ da es keinen zu viel wuͤrde/ indem kei- ner viele kauffen doͤrffte/ und doch da die zahl derer/ die es miteinander in die- ser Sache hielten/ zunehmen wuͤrde/ ein jeder den gebrauch der mehreren vor sich erlangte/ welches eine feine huͤlffe geben moͤchte. Wir muͤssen also sehen/ wie wir noch da und dorten ein und andere huͤlffe schaffen/ und einige retten moͤgen/ Das sechste Capitel. moͤgen/ nachdem in dieser zeit des gerichts/ und bey gegenwaͤrtiger befchaffen- heit/ sonderlich der beyden obern staͤnde/ annoch nicht zu hoffen ist/ daß durch of- fentliche anstalten eine allgemeine besserung zu werck gerichtet werde. Hin- gegen lasset uns neben dem fleiß/ den so wohl ein jeglicher an erhaltung seiner eigenen seele und rettung einiger seiner bruͤder/ so viel ihm der HErr gnade und gelegenheit giebet/ anzuwenden hat/ und in solchen nicht muͤde werden muß/ tag und nacht den himmlischen Vater mit imbruͤnstigen seuffzen anruffen/ daß er sich doch selbsten seiner sache annehmen/ das elend so vieler tausend seelen/ die aus eigner schuld und anderer versaͤumnuͤß verlohren gehen/ zuhertzen neh- men/ die hindernuͤssen des guten auf ihm bekante weise wegraͤumen/ und hinge- gen seiner Propheten verheissungen/ daß es an dem abend liecht werden solle/ samt so vielen andern/ dermahleins erfuͤllen/ also sein reich mit gewalt endlich gegen dasjenige/ was sich biß daher demselben widersetzet hat/ durchbrechen las- sen wolle; Wo wir hiemit treulich unausgesetzt anhalten/ so muß gewiß auch erfuͤllet werden was der HErr meldet Luc. 18, 7. 8. Solte GOtt nicht ret- ten seine auserwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und solte gedult daruͤber haben? Jch sage euch/ er wird sie erretten in einer kuͤrtze. Und zwar etwa mit solcher geschwindigkeit/ daß wann er kommen und erscheinen wird mit seiner huͤlffe/ er nicht glauben bey dem seinigen finden wird/ sondern sie we- gen ihrer angst die schon vor augenstehende huͤlffe eine weile nicht glauben wer- den. Nechst dem gebeth lasset uns an solcher hoffnung fest halten/ und uns darmit gegen alle truͤbsalen und kummer/ die uns betrifft/ wapnen/ als versi- chert/ daß kein woͤrtlein von dem/ was der HErr je seinen kindern verheissen hat/ auf die erde fallen/ sondern alles warhafftig in zeit und ewigkeit erfuͤllet werden solle und muͤsse. Nun der HErr gebe uns hierzu den geist der gna- den und des gebeths/ damit unsere seuffzer fuͤr ihm tuͤgen/ den geist der weiß- heit/ daß wir verstehen/ wie wir uns in diese boͤse zeiten schicken sollen/ und was in allen stuͤcken zu thun seye/ als lange wir noch unter diesen unschlachtigen und verkehrten geschlecht leben sollen/ den geist der krafft und gedult/ zu thun was ihm gefaͤllig ist/ und auszustehen/ woran er an uns gepriesen werden will/ den geist des glaubens und der hoffnung/ mit jenem unser heil zu ergreiffen/ und zubehalten/ mit dieser seiner verheissung zu erwarten/ endlich den geist des glau- bens und der liebe/ darmit wir alles uͤberwuͤnden. Nun/ er wirds thun/ wa- rum ihn seine kinder bitten! 30. May 1692. SECTIO ARTIC . III. SECTIO XIIX. SECTIO XXVIII. A n einen C hristlichen P rediger in S achsen. Jch setze Goͤttlichem wort keine andre offenbahrung zur seiten. Haß fleischlicher Theologorum gegen die lehre der Gottseligkeit aus ihrem interesse. Unsere pflicht in solchen zustand und gewisser sieg. M Jt meiner bißherigen erklaͤhrung zweiffele ich nicht/ daß allein billichkeit liebenden gemuͤthern ein genuͤge geschehen werde. Was aber andere an- langt/ welche mit bitterer gall gegen mich oder auch insgesamt gegen das gute so ich treibe/ eingenommen seind denen geschiehet mit nichts gnug/ sondern in der geradesten bintzen werden sie knoten finden/ daher ich ihrer wenig achte/ sondern nur vor sie bete. Jn uͤbrigen kan ich alle fromme selen ein vor allemahl versichern/ daß mich nimmermehr durch etwas/ was es auch seyen solte/ von den unbetruͤgli- chen wort GOttts abziehen/ oder nur einige scheinbahrste offenbahrung darneben zum grunde unsers glaubens setzen lassen werde/ sondern ich erkenne den hohen vor- zug des geschriebenen Goͤttlichen der allgemeinen kirchen gegebenen worts vor al- len andern (wann auch solche waͤren) von GOTT gewissen leuten/ absonderlich gegebenen offenbahrungen. Jenes bleibet die einige richtschnur/ diese muͤssen sich erst nach jener urtheilen/ und von der uͤbereinstimmung mit derselbigen/ so wohl als andere auslegungen/ ihren glauben hernehmen. Ach geliebter bruder/ lasset uns die list des teuffels/ dessen herrschafft so maͤchtig ist/ auch darinne wahrnehmen/ daß er unter den schein des eiffers vor die orthodoxie alles gute/ wo nehmlich Christliche hertzen/ daß es mit der buchstaͤblichen wahrhett nicht gnug/ sondern ne- ben derselben/ die jenige wahrheit/ so Lutherus Ephes. 4/ 21. das rechtschaffene wesen in CHRJSTO JESU nennet/ welche voller fruͤchten der heiligung ist/ noͤthig seye/ ernstlichtreiben/ und andere so solcher wahrheit aus uͤberzeugung ih- res gewissens anfhngen bey sich platz zu geben/ zu unterdrucken suchet/ und ihm lei- der aus Goͤttlichem gericht nur allzusehr gelinget. Er bekommet auch gar leicht fleischliche Theologos zu instrumenten seiner boßheit: Denn weil dieselbe nichts an sich haben als eine buchstaͤbliche gelehrheit ohne innerlichen Geist und krafft/ aus ihrem geistlichen sinn aber ihre hauptabsicht ist wie sie sich unter den vorwand der heiligkeit des amts in hohen ansehen/ reichen auskom̃en/ u. bey mitteln eines beque- men oder gar wolluͤstigen lebens erhalten moͤchten/ so sehen sie solchem ihren inter- esse nichts gerader entgegen zu stehen/ als wo ein solches Christenthum nicht nur gelehret/ sondern von mehrern in der uͤbnng gebracht wuͤrde/ so daß ihrige beschaͤ- B b b b b b mete: Das sechste Capitel. mete: Daher muß aller fleiß angewendet werden/ denen jenigen den mund zu stopffen/ welche solches treiben/ oder sie in miß- credit zu bringen/ darmit jener wort nicht mehr gelten muͤssen/ und diese die gemeinden also behalten koͤnnen/ daß sie nicht weiter kommen doͤrffen/ als ihnen gelegen/ und ihren stand vortraͤglich ist. Jch bin versichert/ wo man alles bißher vorgegangene recht tieff einsihet/ wird sichs finden/ daß der gantze lermen daher entstehet. Daher vor diesen sonsten andern Theologis / wo sie auch in der lehr gantz sonderbahre meinungen gehabt haben/ al- lerley zu gut gehalten worden ist/ wo sie sich nur sonsten also bezeuget/ daß fleischli- che Theologi sich nicht vor ihnen fuͤrchten doͤrffen; dann es ist ihnen entweder gantz hingegangen und nicht geachtet worden/ oder obs zu einiger refutation ge- kommen/ hat man dannoch nicht wie jetzt gleich wind und mehr in sturm und bewe- gung daruͤber gebracht. Aber an den jenigen/ vor denen sich die andere/ so das an- sehen in der kirchen zu haben meinen/ foͤrchten/ daß ihr respect durch sie etwa (ob wohl ohne ihr suchen) geschmaͤhlert werden/ u. das volck lautere augen sie zukeñen bekom̃en moͤchte/ muß nichts geduldet werden/ sondeꝛn wo sie einmahl ein woꝛt/ ohne vorgaͤnger darinnen zu haben/ reden/ wo sie eine formul / die einmahl von ketzern mißbrauchet werden/ ob wol mit guter erklaͤhrung/ gebrauchen/ wo sie eine mei- nung/ die an andern nie gestraffet worden/ hegen/ wo sie etwas daß vor jenen pro autoritate verurtheilet worden/ nicht mit condemni ren/ muͤssen alle solche dinge lauter gnugsame zeugnuͤßen einer wo nicht oͤffentlichen doch heimlichen heterodo- riæ seyen. Warum? Wo haß das hertze eingenommen hat/ kan kein urtheil mehr nach der liebe gefaͤllet werden. Diese list des Satans/ die darzu offenbahr gnug ist/ lasset uns recht einsehen/ und das elend unserer zeiten hertzlich beseufftzen/ aber auch andere unsere mitbruͤder/ welche sich in ihrer einfalt vor der andern an- sehen moͤchten allzusehr einnehmen/ und in die gemeinschafft solcher suͤnden mit ein- flechten lassen/ trachten nach vermoͤgen davon abzuhalten/ und ihnen die augen auch zu oͤffnen: indessen mit gedult ertragen/ was die welt mit uns vornehmen will/ sie kann uns endlich nichts mehr nehmen/ als was wir ohne das vor den HErrn zu las- sen freudig oder doch willig/ allezeit seyen sollen/ hingegen wird sie noch ihren kopff zustossen an dem felsen/ darauff wir gegruͤndet sind. Und also bleibt es dabey/ was derselbe in Dreßden von mir gehoͤret zu haben sich erinnert/ wir wollen nicht allein/ sondern werden siegen in der krafft des HERRN HERRN: ob wir aber den sieg noch in dem fleisch erleben werden/ ist den allein wissend/ welcher alles in seinen haͤnden hat. Jndessen ist unser sieg nicht weniger wahrhafftig/ ob wohl in der zeit nicht wir/ sondern unsere zuruͤcklassende bruͤder und schwestern desselben geniessen sollen/ uns genuͤgt an der freude/ daß der HErr uns doch gewuͤrdiget hat zu seinen werckzeugen mit zu gebrauchen/ seine trotzige feinde/ und welche die herrschafft der gewissen/ so ihm allein gebuͤhret/ ihnen selbs zu gemessen haben/ zu bekriegen/ und sie zu uͤberwinden/ so dann an derjenigen herrlichkeit/ die/ der durch uns sieget/ sei- nen ARTIC . III. SECTIO XXIX. nen kaͤmpffern in jenen leben verheissen hat/ und gewiß geben wird/ hierauff mit glauben sehende/ wird uns alles leiden leicht werden/ und koͤnnen wir der feinde la- chen: wie ich auch mit demuͤthigsten danck des HERRN guͤte uͤber mich preise/ welche mich bißher/ wie viel mir auch mit worten und thaten vor allen orten getro- het wurde/ dermassen gestaͤrcket/ daß ich mich nicht gefuͤrchtet/ noch eine nacht dar- uͤber schlaffloß zu bringen doͤrffen; und also mit wahrheit David Psalm. 4/ 9. nachsprechen mag/ ich lige und schlaffe gantz mit frieden/ denn du HERR allein hilffest mir/ daß ich sicher wohne. Nun er staͤrcke nicht allein mich/ sondern uns alle/ zu allen den kaͤmpffen/ die uns noch moͤgen bevorstehen/ ihm treu zu bleiben/ an seinem wort/ glauben und gebothen fest zu hengen/ der welt trohen und trotzen nicht zu fuͤrchten/ hingegen ihr getrost/ mit freudigen glauben/ hertzlichen eiffer zur befoͤrderung Goͤttlicher ehre und des nechsten seligkeit/ lebendiger hoffnung und unermuͤdeter gedult zu begegnen/ biß er uns die palmen selbs darreiche. Er erbarme sich aber auch derer/ welche sich durch blinde leiter verfuͤhren las- sen/ und oͤffne solchen ihre augen/ darmit sie sich nicht aus dero verhetzung immer weiter dem guten widersetzen/ so dann der feinde selbsten/ sie vornehmlich in ihren seelen seine gewaltige hand fuͤhlen zulassen/ damit sie sich in wahrer buß zu ihren heil vor ihme demuͤthigen/ oder wo sie solches nicht zugeben/ ihre haͤnde zu binden/ damit sie sich nicht schwehrer versuͤndigen/ biß end lich ihre zeit heran komme. Er eile auch mit erfuͤllung seiner verheissungen/ auff welche wir hoffen/ wenn die zeit seiner gerichte um seyen wird/ um rette damit seine von so vielen in diesem stuͤck an- gegriffene wahrheit. Absonderlich aber erhalte er auch geliebten bruder nach sei- nen heiligen willen lang/ zur verherrlichung seines nahmens und gewinnung vieler seelen; ruͤste ihn auch dazu immer mit mehr licht/ und krafft aus/ damit die frucht und segen desto reicher seye/ und wo es sein heiliger wille ist/ lasse er ihn auch noch das heil sehen/ wo der HERR seiner glaubigen seufftzen in kurtzen erhoͤren und sie ret- ten wird. ꝛc. 1692. 12. Oct. SECTIO XXIX. A n einen vornehmen F rantzosen/ der aus guten trieb von dem Papstum zu uns getreten. Salbung des Geistes wenig bekant. Die kirche ihrer gebrechen wegen nicht zu verlassen/ sondern eꝛbarmung mit zutragen. Zum predigamt ist neben der salbung auch der beruff noͤthig. B b b b b b 2 Jn Das sechste Capitel. J N dessen schreiben/ hat mich unterschiedliches sonderlich erfreuet: Wann ich daraus meines wehrten Herrn zustand ziemlicher massen eingesehen zu haben getraue. Da ich also zum allerfoͤrdersten billich des himmlischen Va- ters guͤte und weißheit auch heilige fuͤhrung erkenne und preise/ welche sich in des- selben herbeyfuͤhrung offenbahret hat. Dem ich dann billich zu schreibe den hertz- lichen trieb noch zeit voriger Paͤpstischer bekaͤntnuͤß/ sich stets in dem neuen Testa- ment umzusehen/ und also einen grund des glaubens zulegen; ferner daß dem- selben die Augspurgische bekaͤntnuͤß zu haͤnden kommen/ GOTT aber sein liecht dazu verliehen hat/ die irrthuͤme und abgoͤtterey des Papstums zu erkennen/ und die wahrheit unsrer lehꝛe denenselben/ auch mit hindansetzung des seinigen in Fꝛanck- reich/ vorzuziehen. Nachdem aber aus dem Papstum mehrere zu uns kommen/ die nur gleichlam den blossen nahmen aͤndern/ von denen aber in dem uͤbrigen nnsre kirche wenig nutzen oder erbauung erlanget/ vielmehr manche aͤrgernuͤß lei- den muß/ welches nnsre freude uͤber die ankommende offt vermindert/ so hat mich billig dieses hingegen ferner erfreuet/ daß aus dem brieff nicht allein eine hertzliche intention / GOTT treulich in der erlangten erkaͤntnuͤß und auch zu derselben ausbreitung zu dienen/ sondern auch dieses/ ersehen/ daß dessen erkaͤntnuͤß rechter art seye/ darvon man auch kuͤnfftig alles beste hoffen mag: worinnen ich bekraͤff- tiget werde/ wann ich ansehe/ daß man die heilige Schrifft allein zu seinem grunde leget/ aus deroselben Goͤttlicher offenbahrung viel lieber als menschlichen meinun- gen alles herzunehmen/ welches dañ einrecht gesegneter und der wahrhafftig festeste grund ist/ welchen der hoͤllenpforten nicht zu uͤberwaͤltigen vermoͤgen. Jch neh- me auch daraus ab/ daß derselbige mit der schrifft gebuͤhrend umgehe/ nehmlich nicht allein vermittelst menschlichen fleisses und gebrauchs des eignen verstands aus derselben eine buchstaͤbliche erkaͤntnuͤß zu wege zubringen/ sondern aus GOTT durch solches sein wort gelehret zu werden/ wohin ich ziehe/ die meldung der sal- bung des heiligen Geistes/ von dem wir Christen alles haben muͤssen/ was eine le- bendige erkaͤntnuͤß seyen solle/ dardurch auch die jenige erkaͤntnuͤß/ welche wir predi- ger bey unsern amt bedoͤrffen/ geheiliget werden muß: also daß derheilige Geist das jenige/ was er vor dem durch die Propheten und Apostel/ welche er unmittelbahr erleuchtet/ geredet und auffgezeichnet hat/ auch in unsern hertzen/ da wir solches le- sen und betrachten/ lebendig machet/ und gleichsam auffs neue redet. Wiewol leider diese salbung viel seltzamer und rarer ist/ als seyen solte: Daraus aber ge- schiehet/ das Christen ohne salbung eben deswegen auch nicht Christen sind/ noch ihr vermeinter glaube vor einen glauben/ sondern nur eine unfruchtbahre und muͤßige einbildung oder auffs hoͤchste wissenschafft gehalten werden mag: Die Prediger aber ohne die salbung sind nicht viel besser als thoͤnennes ertz und klingende schellen/ daher sie weder selbs selig werden/ noch auch alles das jenige auszurichten ver- ARTIC . III. SECTIO XXIX. vermoͤgen/ was ihnen sonsten amts-wegen obliget. Bebtruͤbt aber aber ist noch die- ses dabey/ daß auch die lehre von der salbung bey vielen der unsrigen so fremd und unbekant worden ist/ daß ob wol das woꝛt so wol als die sache in der heiligen schrifft stehet/ dannoch manche/ wann sie solches hoͤren/ so bald den veꝛdacht einer irrigen lehre daraus schoͤpffen/ ob wolte man mit außschliessung goͤttlichen worts alles auff unmittelbare offenbahrung und eingebung setzen/ von welcher einbildung man gleich wol entfernet ist. Jch erkenne auch/ daß mein wehrter Herr die sachen insgesamt tieffer einse- hen muß/ als insgemein geschiehet/ wann er unsre kirche/ ob wol/ in se kurtzer zeit/ also erkant hat/ wie nehmlich wenig Evangelisches ausser des tituls sich bey dersel- ben/ was die ansta lt en und das leben anlangt/ befinde/ und dannoch solche deswe- gen zuverlassen nicht in die gedancken fasset/ folglich die lehre an sich selbs/ welche heilig und gut ist/ von den verhalten der menschen zu unterscheiden gelernet hat; darein sonsten manche gute seelen sich nicht wol zufinden wissen/ und sich gefaͤhrli- cher als sie solten daran aͤrgern. Jch erkenne gern/ daß wir sehr abgewichen seind von den ersten wegen/ darauff uns der HErr gefuͤhret hatte/ und sorge/ daß der- selbe einige schwehre gerichte deswegen auff uns fallen lassen mag/ wie er gemeinig- lich allezeit die gerichte gegen seine feinde (welche auch vielleicht nach nicht langer zeit uͤber Babel gehen werden) erstlich an seinen eignen hause/ wann dasselbige unge- horsam worden/ anzufahen pfleget. Uns gebuͤhret indessen uͤber das innerliche verderbnuͤß unsrer mutter hertzli- ches mittleiden zu tragen/ es zubejammern/ wo wir etwas vermoͤgen zu bessern zu- trachten/ vor sie inniglich zu beten/ und vollends gedult mit ihr zuhaben/ indessen uns des guten in derselben treulich und fruchtbarlich zugebrauchen/ und der miß- braͤuche uns nicht theilhafftig zu machen/ sondern vielmehr nach vermoͤgen uns den- selben zu widersetzen. Diese achte die summe zu seyen/ was uns allen obliget/ dazu uns auch der himmlische Vater sein liecht und kraͤffte verleihen wolle. Was in uͤbꝛigen die resolution anlangt/ sich zu dem Predigamt zubequemen/ kan ich die- selbige an und vor sich selbs nicht mißbilligen: jedoch bekenne ich/ daß die schwehrig- keiten dabey nicht geringe sind/ nachdem es an erkaͤntnuͤß der lateinischen/ vornem - lich aber der teutschen/ sprache mangelt. Nun haben wir in unser gantzen kirche/ als viel mir wissend ist/ keine gemeinden/ da man Frantzoͤsisch-predigte/ als in den Fuͤrstenthum Montbelgard, so aber nun unter Franckreich ist/ und zu Franck- furt am Mayn. Also sehe ich die sache alzuschwehr/ und wenig hoffnung davon zumachen. Es waͤre dann sache/ daß Mein Hochgeehrter Herr zeit und muͤhe anwenden wolte/ sich in der Teutschen spꝛache also zu uͤben/ um derselben maͤchtig zu werden/ und darinnen einer gemeinde dienen zu koͤnnen/ so dann darzu des beruffs zuerwar- ten/ als welcher auch das amt mit guten gewissen zufuͤhren allerdings noͤtig ist. B b b b b b 3 Dann Das sechste Capitel. Dann gleich wie die salbung uns tuͤchtig machet/ so muͤssen wir hingegen das recht mit unsern gaben vor der gemeinde zu dero aufferbauung auffzutreten von dem ordentlichen beruff her haben/ wozu das geistliche Pꝛiesterthum/ so allen Chri- sten gemein ist/ nicht gnug seyen will; Jch wuͤnsche hiemit hertzlich/ daß der grosse GOTT auch demselben seinen willen in allem stets zu erkennen geben/ in ihm im- mer mehr und mehr seyen liecht und krafft wachsen lassen/ u. alles zu seines nahmens verherrlichung anzuwenden gelegenheit nach seiner weißheit verschaffen wolle. 10. Dec. 1692. SECTIO XXX. A n C hurfuͤrst J ohann G eorg IV. von Sach- sen auff begehren wiederholte beschwerde uͤber das un- billige verfahren in der sache Pietismi. Von dem GOTT der zeit und ewigkeit/ aus dessen befehl unsre jahre kommen und hingehen/ zu angetretenen neu- en jahr und viele folgenden reiche gnade/ im liecht und krafft des Geistes/ gesundheit des leibes und mit allen segen be- seligte regierung! Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. D Aß E. Churf. Durchl. dero Cammer-Herrn NN. dero Churf. gnaden mich auffs neue versichern lassen/ habe mit unterth. danck zuerkennen/ ob wol davor nichts hinwieder setzen kan/ als daß taͤglich nicht nur zu einem mahl auff meinen knien/ wie auch mit gesamten meinigen/ dero nahmen vor den HERRN bringe. Es hat mich auch sonderbahr erfreuet/ daß E. Churf. Durchl. das jenige wieder zu sehen verlangt/ was deroselben vor einem jahr alhier unterthaͤ- nigst uͤbergeben hatte/ solches aber wiederum von handen gekommen ist; allermas- sen mir solches ein neues zeugnuͤß gibet/ das E. Churf. Durchl. angelegen seye/ in einer solchen wichtigen sache/ als jemal dero regierung betreffen kan/ sich von nie- mand einnehmen oder uͤbereylen zu lassen/ sondern alles reifflich und nach dem ge- wissen zu untersuchen/ und alsdenn erst ein gerechtes urtheil zusprechen. Ob dann nun wol/ wie ich schuldig bin/ mit wieder einsendung des vorigen gern ARTIC. III. SECTIO XXX. gern unterth. gehorsamen wolte/ bin ich doch so ungluͤcklich/ daß nach allen suchen voriges concept gleichwol nicht wieder fi nden kan. ( NB. ich habe es nach der zeit gefunden/ und stehet oben Sect. 20. ) Es werden aber E. Churf. Durchl. nicht ungnaͤdig nehmen/ daß an statt d e s vorigen/ ob wol etwa mit andern worten dennoch einerley sache/ nach dero gnaͤdigste erlaubnuͤß hiermit wieder- hohle. So habe nun damal gegen E. Churf. Durchl. meiner eigenen person wegen diese gerechte klage gefuͤhret/ daß von D. Carpzovio so unguͤtig und unverschuldet angegriffen wuͤrde: wie dann berichtet worden war/ daß derselbe/ als wegen der ersetzung des Oberhoffprediger amts gehandelt wurde/ eine harte beschuldigung gegen mich eingegeben habe/ daher ich unterth. gebeten/ auch hiemit nochmal solches wiederhole/ ob mir die gnade dero communication solcher schrifft wieder fahren/ und verstattet moͤge werden/ meine gebuͤhrende verantwortung daruͤber zu thun/ mit dem unterthaͤnigsten erbieten/ uͤber meine zeit meines anwesens in Sachsen gefuͤhrte lehr/ amt und leben vor E. Churf. Durchl. (ob ich wol sonsten nach GOt- tes willen nunmehr ausser dero botmaͤßigkeit lebe) freudig rechenschafft zugeben/ und da ich in solchen dingen schuldig uͤberwiesen wuͤrde (welches ich unmuͤglich zu- seyen aus meinem gewissen versicheꝛt bin) alleꝛ verdienten straffe dar zu stellen. Wie ich dann mit unerschrockenen hertzen/ wie ohne das stuͤndlich mich des goͤttlichen richteꝛstuhls/ vor demselben mich zu stellen/ versehen muß/ also auch vor allen un- partheyischen gerichten (wo nur diese einige maxime gilt/ daß man denen in geist- lichen aͤmtern sitzenden wider andre ihre mit-bruͤder nicht eben auff ihr beziehen auff ihr gewissen/ verpflicht und eyffer uͤber die reinigkeit der lehr/ bloß dahin glau- be/ sondern ihrer beschuldigungen gruͤndlichen beweiß allemal von ihnen erfordere) zuerscheinen/ und was ich gelehret und gethan/ untersuchen zulassen bereit bin. Und wo E. Churf. Durchl. ich unterthaͤnigst anflehe/ (wie auch hiermit nochmal thue) daß sie ehe und bevor ich einiges unrechten uͤberfuͤhret bin/ meinen offentlichen widersachern mich ferner in predigten und schrifften (dergleichen bißher sonderlich zu Leipzig ohne die geringste ahndung so offt an den vorschein gekommen) un- schuldig anzugreiffen ernstlich verwehren wolten/ bin ich versichert/ daß ich was vor GOtt/ und nicht nur der Christlichen/ sondern nuꝛ ehrbaren/ welt/ die gerechtig- keit erfordert/ bitte und suche/ daher auch E. Churf. Durchl. gnaͤdigster gewehrung mich billich versehen solle. Weil aber E. Churf. Durchl. von den so genanten pietismo insgesamt mei- ne er klaͤhrung/ und was mir davon wissend/ gnaͤdigst verlangen/ so kan ich vor GOttes angesicht getrost bekennen/ daß der gantze leꝛmen nicht von den jenigen leuten/ welche man mit solchem nahmen beleget/ sondern von dem gegentheil und dessen unzeitigem eyffer hergekommen seye. Bin auch gewiß/ wo alles unparthey- isch und ohne schohnen gewisser personen untersuchet und examiniret werden solte/ daß Das sechste Capitel. daß sichs sonnenklahr ergeben weꝛde/ wie weder eine secte noch dero eigentlicher anfang in Leipzig entstanden/ davon doch nicht nur solche statt und gantzes land von so genannten geistlichẽ mit boͤsen geruͤchte erfuͤllet sondern auch die gantze Evan- gelische kirche zu grossem aͤrgernuͤß verunruhigt worden ist: uñ hat man sich nicht zu zu verwundeꝛn/ daß aus falscher ursach dañoch grosse unruhe entstehen koͤñe/ wie dañ wo zum exempel in der nacht in einer statt einige boßhafftige herum lauffen/ daß ver- raͤtherey in der statt seye ausschreyen/ und wol gar die sturm-glock anziehen wuͤr- den/ einen solchen tumult u. in denselben wahrhafftig fast so viel ungluͤck/ mord und unwesen entstehen koͤnte/ als wann in der that etwas daran gewesen waͤre. Nicht viel andere bewandnuͤß hat es mit dem gantzen pietistischen unwesen/ und kommt der lermen von denen/ die eine secte faͤlschlich erdichtet/ und alles damit in unruhe gesetzt haben: darzu sie aus fleischlichen ursachen/ neid und sorge durch anderer fleißiger und gottseliger leute exempel beschemet zu werden/ moͤgen bewogen seyen worden/ aber auffs wenigste dem grossen GOtt des wegen schwehre rechnung zu thun haben werden. Daß aber E. Churf. Durchl. nicht in die gedancken kom̃en moͤchten/ ob redete ich hierinnen meinen willen/ so kan ich die unschuld/ derer/ welche wegen des pietis- mi beschuldiget werden/ sattsam darthun/ als der ich damal durch GOttes gnade in dero kirchen-rath gesessen/ und alle acta lesen muͤssen/ auch gelesen habe: Da E. Churf. Durchl. sich versichern koͤnnen/ daß nicht ein einiger irrthum der lehr o- der etwas dessen/ so wider GOtt oder Christliche Obrigkeit oder den nechsten strit- te und straͤfflich waͤre/ den leuten erweißlich gemacht worden seye. Der anfang war 1689. als M. Franck/ jetziger Professor zu Halle und Pastor zu Glauche da- selbs/ in Leipzig mit andern Magistris und Studiosis Collegia uͤber die Bibel nach hergebrachter Academi scher freyheit hielte/ mit diesem einigen unterschied/ daß er mehr auff die practica als theoretica triebe/ und den Studiosis das haupt studium der schrifft vor andern recommendirte / dadurch viele Studiosi dassel- bige vor allen andern sich angelegen seyen zu lassen/ und so bald auch eines Christli- chern lebens/ sich zu befliessen angefangen haben. Weil nun der zulauff unge- mein groß/ und solcher Magister ohne seinen willen von den zuhoͤrern mehr als an- dre es ertragen konten gelobet wurde/ gieng der handel an/ und demunciirte die Theologi sche Facul taͤt in Leipzig solches in den kirchen-rath als eine gefaͤhrliche sache/ die sie ferner untersuchen wolte/ wurden auch so bald M. Francken seine Col- legia inhibiret / und eine inquisition angestellet/ so ein paar monat gewaͤhret. Hievon ligen in E. Churf. Durchl. kirchen-rath die acta mit der Universitaͤt rela- tion, ja es hat die Theologi sche Facult aͤt/ wie das original bey den acten vor- handen ist/ bekennet/ es seye in solcher inquisition nichts dessen/ was wider M. Francken und andre/ so es mit ihm gehalten geklaget/ erwiesen worden/ wie wol sie ihn ARTIC. III. SECT. XXX. ihn deswegen nicht unschuldig halten wolten/ sondern begehrten/ man solte sich in Hamburg seines verhaltens wegen erkundigen. Nachdem aber M. Franck nicht mehr Collegia halten dorffte/ sondern M. Schade jetziger prediger allhier/ dergleichen continuirte, und sich ohne sein verlan- gen anfingen etzliche mal bey denselben buͤrger einzufinden/ wiewol er sie deswegen selbs/ um alle unordnung zu verhuͤten/ auffgegeben haͤtte/ gieng die unruhe auffs neue 1690. an/ und lieffen die hitzigste denunciationes in Dreßden ein/ daß daher nicht nur ein patent angeschlagen/ sondern eine scharffe inquisition der Univer- sitaͤt/ amt und rath uͤber die gantze sache anbefohlen wurde/ welche abermahl etzli- che monate gewaͤhret hat/ und sehr viel leute eydlich abgehoͤret worden sind. Aber als auch dieser acta eingeschicket wurden/ fand sich abermal nichts/ was die leute vor unpartheyische richtern schuldig machen koͤnnen. Sonderlich wollen E. Churf. Durchl. gnaͤdigst dieses erwegen. Es war unter andern denunciationen auch eine von dem Ministerio zu Leipzig/ die das allerwichtigste unter allen in sich faßte/ nemlich eine designation der glaubens irrthuͤme und falscheꝛ lehꝛ/ welche ein buͤr- ger in den collegiis gehoͤret/ und dem Ministerio uͤbergeben haͤtte. Welche irr- thuͤme gleich wol darnach aller orten auß- spargir et/ ja auff E., Churf. Durchl. schloß-capell cantzel/ zugeschweigen anderer unzeitigen cantzlen/ wiederholet wor- den sind/ auch deswegen noch diese stunde als der pietisten irrthume pflegen ange- fuͤhret zu werden. Nun ists an dem/ wo die leute solche lehr gefuͤhret haͤtten/ muͤ- ste ich selbs sagen/ daß es ein starcker anfang einer eigenlichen secte gewesen waͤre. Aber wo E. Chuꝛf. Durchl. gnaͤdigst geruhen wollen/ nachsuchen zu lassen/ wer- den sie vernehmen/ das in den inquisitions-acten, da doch so viele zeuͤgen von U- niversitaͤt und rath abgehoͤret worden/ sich nicht nur das geringste finde/ daß sol- cher buͤrger (dessen vorgeben wichtiger gewesen/ als alle andre zeugen) waͤre ad ex- amen gebracht worden. Welches eine klahre anzeige ist/ weil ja der rath nicht wider pflicht bey anbefohlener ernsten inquisition des jenigen wuͤrde geschohnt haben/ der das meiste haͤtte aussagen koͤnnen/ daß sich kein solcher buͤrger gefunden/ oder daß er wieder zuruͤckgegangen und seine aussage widerruffen haben muß. Und gleich- wol wehret diese imputation noch. Jch habe damal auff gnaͤdigsten befehl uͤber beide inquisitionen meine doppelte unterthaͤnigste relation 1690. nach gewis- sen abgestattet/ daß der angeschuldigten leute unschuld aus den actis erhelle/ klar dargestellet/ und wie dem unwesen zuhelffen/ auch alles zur ruhe zubringen/ un- maßgeblich gezeiget. Welche zwifache relation in E. Churf. Durchl. geheimen Rath noch liget/ und ich zu deꝛoselben verantwortung vor GOtt und menschen freu- dig bin/ auch wuͤnschen moͤchte/ daß E. Churf. Durchl. dieselbe (so zwar etwas weitlaͤufftig/ weil dersachen wichtigkeit eserforderte) sich vorlesen zu lassen gnaͤdigst geruheten. Von allen diesen dingen kan ich zeugen/ als der mit dabey gesessen/ da davon C c c c c c gehan Das sechste Capitel. gehandelt worden/ und die acta gelesen/ daß ich mit grund der warheit sagen kan/ wo nicht seiter durch neue inquisitiones wichtigere dinge hervorgebracht worden (da- von ich nichts weiß) daß als lang ich in Sachsen gewesen/ gegen den so genantẽ Pie- tismum, daß er eine secte waͤre/ oder irrthum hegte/ nichts heraus gebracht/ sondern die beschuldigungen auff ihrem ungrunde befunden worden. Da wollen aber E. Churf. Durchl. gnaͤdigst ermessen/ wie unrecht es seye/ das gleichwol so genan- te geistliche mit gewalt eine secte erdichten/ E. Churf. Durchl. gewissen/ um sich an unschuldigen leuten zuvergreiffen/ noͤthigen wollen/ und das gantze land mit haß gegen sie erfuͤllen. Daß aber E. Churf. Durchl. an einigen absonderlichen exem- peln/ wie unbillig einige ihrer Theologorum hirinnen verfahren offentlich sehen/ bitte ich unterth. diese mit gedult anzuhoͤren. M. Schade hatte nechst M. Francken die meiste collegia gehalten/ als er nun nach der inquisition, da alle seine dinge nach muͤglichkeit untersucht/ aber nichts wider ihn auffgebracht worden/ keinen sentenz kriegte/ sistirte er sich in Dreßden dem examini, da man ja ihn am schaͤrffsten examinirte, und ob er irrig oder nicht waͤre/ untersuchen koͤnte/ er wuꝛde aber gegen meine meinung ab- und Leipzig gewiesen/ als er aber dahin kam/ wolte man ihn auch nicht anhoͤren/ daher er an den geheimen Rath gegangen/ und sich deswegen/ weil man ihn nicht admit- tiren wolte/ beschwehret/ darauf ein befehl an den kirchen-rath und von diesem an die Theologi sche Facul taͤt in Leipzig ergangen/ M. Schaden auffs schaͤrffste zu examiniren, und dar von/ wie sie ihn befunden/ relation abzustatten/ aber es hat zum despect des Churfuͤrstl. befehls derselbe von damaligen Decano D. Carpzo- vio in dem gantzen jahr/ als er noch in Leipzig geblieben/ nicht erlangen koͤnnen/ ad mittiret und gehoͤret zu werden. Also auch 1690. sandte D. Alberti als Epho- rus der Churfuͤrstlichen Stipendiaten im nahmen der gesamten Ephororum (damit gleichwol die uͤbrige nicht zu frieden gewesen) an den kirchen rath eine for- mul/ mit welcher alle so aus den Stipendiaten des pietismi schuldig oder suspect waͤren/ ihren irrthum erkennen und revociren solten/ darmit man dermaleins schrifftlich zeigen koͤnte/ daß gleichwol eigenliche irrthuͤme verhanden gewesen/ und von einigen erkant haͤtten werden muͤssen. Jch zeigte der sachen unbillichkeit/ aber die majora erhieltens/ das solche formulæ approbirt wurden/ und ob wol feine stu- diosi, wo man ihnen einigen irrthum zeigen koͤnte/ sich willig erboten/ denselben ab- zulegen/ halfft doch nichts/ sie solten bekennen davon sie nichts wusten/ oder der Churf. gnade quitt gehen; wie dann durch dieses mittel unteꝛschiedliche gelehrte u. feine leute/ so der kirchen vor andern haͤtten nutzliche dienste leisten koͤnnen/ abge- wiesen worden/ und von beforderung in ihrem vaterland ausgeschlossen blieben. Hieraus und aus mehrern andern/ so alles dargethan werden kan/ vermoͤ- gen E. Churf. Durchl unschwehr zu sehen/ wie nicht allein die so. genante Pietisten un- ARTIC. III. SECTIO XXX. unschuldige leute seyen/ und also dero vertilgung mit groͤssesten unrecht gefordert worden/ sondern auch wie viele ungerechtigkeit von ihren feinden biß daher gegen sie veruͤbet/ damit aber gewiß uͤber E. Churf. Durchl. regierung wenig segen gezo- gen worden seye. Jch kan auch versichern/ daß selbs in Leipzig und an an- dern orten in dero landen/ in allen staͤnden es an rechtschaffenen Christlichen leuten nicht mangle/ welche die unschuld solcher leute/ und hingegen die unbilligkeit ihrer widerwertigen/ einsehen und erkennen: also das wo singuli Professores und Prediger in geheim und ohne deswegen haben furcht vor dem kirchen-rath (davor sie zwahr zu versichern schwer werden wuͤrde) nach den pflichten/ damit sie GOtt und ihren landes-Herrn verbunden sind/ offenhertzig/ was sie von der gan- tzen sache wißen und halten/ bekennen solten/ Ew. Churf. Durchl. ein grosses liecht erlangen/ und das gantze werck eine andere gestalt gewinnen wuͤrde. Es geruhen Ew. Churf. Durchl. uͤber obiges noch ferner gnaͤdigst zu ermessen/ da diese gedruckte leute/ Studiosi und andre/ das offenbahre unrecht gegen sich der jenigen die doch vaͤterlich gegen sie gesinnt seyen sollen/ etzliche jahr nach einander erfahren/ obs zu verwundern waͤre/ wann sie in ein starckes mißtrauen gegen die Theologos und das Ministerium und daraus endlich in einige unordnung ver- fallen waͤren (so zwar noch nicht geschehen) oder noch verfallen moͤchten? und ob nicht die schuld alsdann vielmehr bey ihren widrigen als ihnen selbs zu suchen seyen wuͤrde? So dann auch daß man jetzund die sache der lehr von dem tausendjaͤhri- gen reich/ so dann den offenbahrungen/ mit aller macht in die causam Pietismi ein- mischen will: da sie doch gantz unterschieden sind/ und ja in Leipzig als der handel angieng/ von beiden andern materien nicht einmal gedacht worden ist. Daher bleibet der so genante Pietismus unschuldig/ wann auch in jenen sich nach gnugsa- mere pruͤffung mangel finden wuͤrde. Weswegen beyde sachen nicht wider ein- ander zuerregen sind; wie zwar die jenige gern thun wolten/ welche durch die ei- ne die andere so vielmehr zu graviren sich bemuͤhen. Wann nun E. Churf. Durchl. von dem Allerhoͤchsten die regierung auff dero theure seele also anvertrauet ist/ daß er von derselben erfoꝛdert/ in allen stuͤcken recht und gerechtigkeit zu administriren, sonderlich aber alle betrengte von der ge- walt derer/ welche ihnen zu maͤchtig sind/ zuretten/ so werden dieselbe leicht und hoͤchst erleuchtet ermessen/ wie deroselben so vielmehr obliege/ diese leute/ so unter den nah m en des pietismi so viel haben leiden muͤssen/ und gegen welche gleichwol nichts erweißliches jemal dargethan worden/ sondern sie allein der haß etlicher in dem so genanten geistlichen stande angesehener Maͤnner/ und der je- nigen/ die sich in andern staͤnden durch derselben autorit aͤt einnehmen lassen/ der massen drucket/ daß sie schuldig heissen muͤssen/ in dero maͤchtigen schutz zunehmen: die sache mit außschliessung dero/ so sich bißdahin partheyisch bezeuget/ von unpar- theyischen Christlichen leuten/ auffs genaueste examiniren zu lassen/ die jenige wel- C c c c c c 2 che Das sechste Capitel. che wahrhafftig an solcher unꝛuhe schuldig sind/ und welchen der vorgewante eyffer der orthodoxiæ (die freylich beybehalten werden muß) nicht eben zu statten kom- men soll/ zu gebuͤhrender straff zu ziehen/ und damit so ihrer lande kiꝛchen und U- niversitaͤten mit ernstlicher einfuͤhrung der wahren ungefaͤrbten gottseligkeit in bes- sern stand/ auch ruhe zu bringen/ als in der gantzen Evangelischen kirche aus diesen unwesen entstandenes aͤrgernuͤß wieder abzuwenden. Hiedurch werden sich E. Churf. Durchl. uͤm goͤttliche ehr und wahrheit (die zu erhalten ein hauptmittel ist die verpflegung der fruchtbaren pietet ) um der kirchen wahren wolfahrt u. vieler seelen/ die durch die bisherige ungegruͤndete beschuldigun- gen irre gemacht/ zu suͤnden verleitet und von der wahren Gottesfurcht abgeschrecket woꝛden/ ewiges heyl/ ja um dero gantzen lande gluͤckseligkeit/ die an der guͤte Got- tes henget/ hochverdient machen/ und von dem HErrn desto mehr seegen auff dero regierung laden/ hingegen seine gerichte (die sonsten nechst andern suͤnden auch durch diese bißher sehr gereitzet worden sind) desto laͤnger abwenden. den 16. Jan. 1693. SECTIO XXXI. J ch liebe keinen streit/ noch bin an den entstande- nen schuld. Deswegen auch bey der sache freudig. War- um uͤber Jacob Boͤhmen nicht urtheilen noch ihn verwer- fen kan. Ob ein mittler weg zu finden. Hoffnung zu GOTT zu entschuldigung der sa- che. J Ch komme so bald auf den mehrern inhalt des brieffes. Da zum allerfoͤr- dersten mit meinen werthen Herrn inniglich bedaure/ die in unserer kirchen entstandene unruhen. Wie ich aber hoffe/ wer mich von jugend auf gekant hat/ werde mir das zeuguuͤß geben/ daß ich mein lebtag nicht nur mit wenigen/ ge- schweige vielen zustreiten oder zu zancken nie lust gehabt habe/ sondern solche le- bens-art mir gleichsam von natur einen ekel seye/ also kan ich vor Gottes angesicht mit reinem gewissen bezeugen/ daß weder jemahlen einen streit und unruhe in der kirche anzurichten gesuchet/ noch mich schuldig weiß/ dergleichen dinge vorgenom- men zu haben/ darauß die jenige/ so diesen lermen machen/ eine vor GOTT und Christlichen hertzen/ redliche ursach desselben gehabt haͤtten. Sondern ich bedau- re vielmehr des Satans list/ so dann das schwere gericht GOttes/ welches jenen viele macht zugelaßen: daß derselbe aus dem jenigen/ was erst zu rechter ruhe/ und friede der kirchen/ dero gewissestes mittel ist/ wo der wahre lebendige glaube in al- ler A RTIC . III. SECT . XXXI. ler hertzen durch Goͤttliche krafft eigepflantzet wuͤrde/ abgeziehlet gewesen (wie der HERR mein zeuge ist/ daß dieses meine einige absicht jederzeit in meinen consiliis geblieben) anlaß der unruhe genommen/ da er einstheils einige (von dero wahrer boßheit mir leid ist/ so viele zeugnuͤssen zuhaben) aus unsern stande/ nach dem sie ih- nen hoͤchst præjudicir lich achten/ wenn ein solches Christenthum/ daß ihr wesen be- schaͤmte/ auffkommen solte/ mit haß und neid erfuͤllet/ um an vielen orten lemren zu- blasen/ und mit allerley so verdacht als gar laͤsterungen daß gute zubelegen/ andrer theils aber verursacht hat/ daß auch andere nicht boͤßgesinnte/ sich von jenen unter den schoͤnen schein des eiffers vor die orthodoxie / und vorstellung/ der derselben ob- schwebender/ in die sache mit einflechten haben lassen: Daraus es denn dazu ge- kommen ist/ wie wir vor augen sehen/ u. billich beseufftzen. Mir zwar bleibet diese un- zweiffenliche zuversicht/ der himmlische Vater/ dessen guͤte und weißheit ist/ auch aus den boͤsesten gutes heraus zubringen/ werde unter allen diesen aͤꝛgernuͤssen seinen heiligen rath lassen durchbrechen/ und/ ob wol nach noch mehreren truͤbsalen/ so wol die unschuld der faͤlschlich beschuldigten an den tag bringen/ als die redliche intention deren/ so sein reich in den seelen mehr zu besestigen getrachtet/ endlich mit gluͤcklicheren succeß beseligen. Welches mich so getrost gemacht/ daß ob mir wohl wehe thut/ daß ich andere sehe/ sich so schwehrlich versuͤndigen/ dannoch im- merfort in einer freudigkeit vor meinen GOTT durch dessen gnade erhalten wer- de/ daß ich mich weder fuͤrchte noch aͤngste/ sondern nebens den/ das gerne thue/ wo- hin mich derselbe anweiset/ alles lediglich seiner guͤtigsten regierung uͤberlasse/ des- sen sache es insgesamt ist. Und traue ich mit freudigem hertzen/ diese worte des lieben Lutheri (ohne mich in uͤbrigem ihm zu vergleichen) zu widerholen: Nos i- stam pugnam velut alia agentes sustineamus: Causa Dei est, cura Dei est, opus Dei est, victoria Dei est, gloria Dei est. Sine nobis pugnabit \& vin- cet. Quod si nos dignabitur pro armis suis apprehendere, proni libentes- que erimus. Und widerum: Si injusti sumus, quid justius, quam ut oppri- mamur! si justi, justus est Deus, qui educet justitiam nostram tanquam meridiem. Cadat itaque quod cadit, stet quod stat res nostra non agitur, qui non ea quæ nostra sunt quærimus. Neben dieser freudigkeit des glaubens/ so ich vor die groͤsseste gnade meines him̃- lischen Vaters erkenne/ und ihn nur um deroselben staͤtige erhaltung vor allen bitte/ bin ich auch bereit/ so oͤffentlichen als absonderlich jeglichen Christlichen bruder re- chenschafft des jenigen zu geben/ was ich thue oder gethan habe: thue auch solches hertzlich gern/ als der doch bald vor hoͤherem gericht rechenschafft zu geben habe. Wann also auch mein wehrter Herr mir seinen gefasten scrupel freundlich vor- stellet/ daß er sich in mein vielleicht allzuzartes schonen der Boͤmisten schrifften nicht schicken koͤnne: so liebe ich billich auch dessen auffrichtigkeit/ hoffe aber hin- gegen wiederum/ daß derselbe in bruͤderlicher liebe meine erklaͤhrung vernehmen/ Christ- Das sechste Capitel. Christlich uͤberlegen/ und mich dabey tragen wolle. So habe nun in der freiheit der glaͤubigen c. 6. § . 20. bereits meine meinung deutlich bekant/ von dero noch unmuͤglich weichen kan: Jch habe noch seither nichts mehr in Boͤhmen gelesen/ als vor deine das gantz wenige (so auch damahl nicht verstanden) so wol weil mei- ne geschaͤfften mir die zeit nicht lassen/ solche dinge/ die ein freyes gemuͤth und be- harren auff einer materie erfordern/ zu lesen/ als auch weil sie nicht zuverstehen noch zu beurtheilen getraue. Daher ihn noch die stunde nicht als einen Goͤttlichen leh- rer annehmen kan. Wie dann versichere/ wo ich davon eine gewißheit in meiner seelen haͤtte/ ich die zeitliche gefahr/ die mir daher entstehen moͤchte/ nicht achten wuͤrde/ mich auch offentlich zu ihn zu bekeñen/ ja ich hielte davor/ mein gewissen wuͤr- de mich darzu allerdings noͤthigen. Aber wo ichs jetzo thaͤte/ mich zu ihn zu beken- sen/ so wuͤrde ich mein gewissen verletzen/ als in welchem ich noch nichts dessen sinde so mich darvon uͤberzeugete. Ja die harte reden/ welche ich sehe/ aus ihn angefuͤh- ret zu werden/ kommen mir theils schrecklich vor/ und solte mir schwehr werden/ sie alle aus dem grunde mit GOttes wort zu concllii ren. Also daß ich gegen ihn nicht wenig eingenommen bin. Jndessen was ich gegen ihn habe/ und deswegen auch nicht nur mich des lesens enthalte (so ich nicht thun koͤnte/ wo ich ihn vor einen von GOTT gesanten lehrer unserer kirchen hielte) sondern sie auch andern nicht rathe/ ist doch so maͤchtig nicht/ daß ich mit einer plerophoria meines gewissens/ so in dergleichen dingen allerdings noͤthig ist/ ihn als einen irrgeist verwerffen koͤn- te. 1. Habe ich noch nichts bißher gegen ihn angefuͤhret gefunden/ so mich dahin sine omni formidine oppositi braͤchte: sondern auff unterschiedliche argu- menta, als was stylum anlangt/ und dergleichen traute selbst zu antworten/ andeꝛe haben auffs wenigste keine gnugsame krafft der uͤberzeugung gegen ihm. 2. Hingegen habe von unterschiedlichen Christlichen leuten (wie mich auch etliche mahl auff einer standsperson beruffen/ so sonst auch wie anderer studiorum also auch der Theologiæ wohl erfahren war) gehoͤret/ daß er was die glaubens articul angehet/ und zwar was indenselben zum glauben gehoͤret/ allerdings mit un- serer analogia fidei Evangelicæ uͤbereinkomme/ ob er wol in den quæstionibus annatis Theologicis von unsern schulen differire / daher unterschiedliche des Boͤh- mens liebhabere/ weñ sie mich hoͤrten predigen sich kaum haben bereden lassen wolle daß ich den autorem nicht solte gelesen haben/ und gleichsam aus ihm predigen. Wann ich nun meiner lehr/ die ich offentlich und privatim fuͤhre/ als welche einer- ley ist/ versichert bin/ daß ich sie nicht aus Jacob Boͤhmen/ als den ich weder gelesen noch verstanden/ sondern aus der heiligen schrifft/ und so fern nechst derselben aus unsern Evangelischen lehrern herhabe/ und daß man mich nicht der wenigsten he- terodoxiæ beschuldigen koͤnne; und aber die des Boͤhmen liebhaber sie vor richtig er- ARTIC. III. SECTIO XXXI. erkennen/ so kan ich nicht dencken/ daß dessen lehr/ nehmlich in glaubens sachen/ von den unsrigen unterschieden seye. 3. Jch habe gekant und kenne noch unterschiedliche/ die Jacob Boͤhmen hoch- halten/ auch theils im lehrstand leben/ und biß an ihr ende gelebet haben/ von denen ich sagen kan/ daß unter solchen die ich kenne/ (denn von andern habe auch boͤses ge- hoͤret) ich nicht einen/ so viel mich erinnere/ weiß/ der nicht solte einen Christlichen und zwar nicht nur moral wandel/ sondern einen solchen fuͤhren/ daß der glanbe an den mittler JESUM CHRJSTUM der grund bleibet/ und sie aus denselben alles ihr leben herziehen: auch die gestorben sind/ auff unsern Heyland lauterlich/ und auch mit freudigkeit des glaubens/ gestorben sind. Jch habe auch unter de- nen/ welche in den lehramt gestanden/ gemercket/ daß sie gemeiniglich mit vieler krafft den wahren und thaͤtigen glauben also getrieben haben/ daß nicht wenige fruͤchten bey den gemeinden/ die sie darzu niemahl auff Jacob Boͤhmen gewiesen/ ja wol diese nicht moͤgen gewust haben/ was ihre prediger davon hielten/ ausge- richtet worden sind/ und der HERR zu ihren pflantzen und begiessen ungemeinen segen gegeben hat. 4. Ferner habe auch von denselben gehoͤret/ daß sie die heilige schrifft niemahl fleißiger und mit mehr geschmack gelesen haͤtten/ als nachdem sie Boͤhmen gelesen gehabt; also daß dessen lesen die schrifft ihnen nicht verleitet sondern angenehmer ge- macht. Ja ich entsinne mich eines/ der als ein studiosus kaum konte zu lesung der Bibel gebracht werden/ so gar schiene sie ihn ungeschmackt/ daß ihm selbst deswegen erinnerung thate: Da er aber nach der zeit uͤber jene scripta gekommen/ so war nachmahl die liebe Bibel feine freude/ auch in seinen amt darein er gekommmen ist. 5. Hingegen schrecken mich einige Goͤttliche gericht/ uͤber Jacob Boͤhmens laͤsterer/ da das nachdencklichste an einem Superint. mir umstaͤndlich bekant/ so mir stets einen solchen schauer einjagt daß mich nicht getraue/ diesen feuer nahe zu kommen. So ist mir auch nicht wenig bedencklich vor gekommen/ daß die Theo- logi so gegen ihn ex professo geschrieben/ allemahl geringe e b re davon gehabt. Als Herr D. Calovius seinen tractat verfertiget/ ist mir erzehlet worden/ daß er densel- ben Herrn D. Pomario nach Luͤbeck gesandt/ darmit er daselbst gedruckt wuͤrde/ dieser aber solle ihn/ weil er dessen schwachheit ansahe/ znruͤck gehalten haben/ biß an seinen tod/ nachdem aber derselbe gestorben/ so habe ihn Herr D. Calovius wider gefodert von den Erben/ und selbst drucken lassen. Er ist aber einmahl so geschrieben/ daß derselbe seinem nahmen wenig vortheil thut/ wie denn der zuletzt angehenckt Catalogus der Boͤhmisten leute in sich fasst/ theils die bekant orthodoxi gewesen/ vielleicht wohl von Boͤhmen nichts gewust/ theils gestorben ebe J. Boͤhme geschrie- ben/ theils nicht eben richtig in glauben/ aber dennoch mit Boͤhmen nicht einstim- mig Das sechste Capitel. mig gewest. Wie ich von N. N. gehoͤret/ daß die seinige ihm selbst solchen catalo- gum auff anderer erinnerung gezeiget/ da er aber nichts daruͤber zu sagen gewust: Wie dann der mann einige jahr vor seinen todt/ sehr an kraͤfften des gemuͤths ab- genommen haben solle. Nechst dem hat Herr D. Wagner Cancell. der Univer- si taͤt zu Tuͤbingen ein in den uͤbrigen wohlmeinender mann/ eine disputation wi- der Boͤhmen edi ret/ welche aber sehr schwach wahr/ und das meiste solle gerichtet seyen gegen ein buch jehi Or / so gleichwohl Boͤhmen nichts angehen solle. Hierauff hat er einen grossen tractat gegen ihn geschrieben/ auch noch in seinem todt-bette ihn dictando absolviret/ er ist aber nach seinen todt also befunden worden/ daß man ihn heraus zugeben noch biß daher bedenckens gehabt. Nach demselben ist her- aus gekommen Herr Johann Muͤllers Predigers in den Erfurthischen Phan- tastischer Atheist. Als ihn aber jemand daruͤber besprochen/ solle er bekant ha- ben/ daß er Jacob Boͤhmen nie gelesen/ sondern von Herrn D. Leichnern erbethen worden/ seinen nahmen zu dem von diesen verfertigten tractat zu spendiren/ nach- dem derselbe es dahin gebracht/ daß kein buchfuͤhrer mehr ein blat unter seinen nah- men annehmen wollen/ als welches alle zeit gewiß maculatur waͤre. Endlich hat unser fromme Herr M. Holtzhausen sich daran gemacht. Der aber daruͤber in die noth gerathen/ die ich/ ob wohl nur zum theil/ in der dedication an ihn gemel- det. Der liebe man bekahme erstlich eine solche angst des gewissens/ daß er gar meinte/ die suͤnde in den heiligen Geist begangen zu haben/ und einen sehr klaͤgli- chen brieff an mich schriebe/ daß zu thun hatte/ ihn wieder auffrichten. Er hat auch nachmahl eine revocation auffgesetzt/ so er publici ren wolte/ weil aber ihn solches seine collegæ nicht verstatteten/ so bath er mich/ daß ich meinen tractat wi- der Herrn D. Meyern/ den er unter der hand zu seyen wuste/ so viel aus seiner re- vocation inseri ren/ und so Herr D. Meyern als andere an seinen exempel warnen wolte/ sich nicht mit vermessenen urtheil zu vergreiffen: Daher ich solches nach- mahl zu seines gewissens erleichterung in der form der dedication verrichtet habe. Jch weiß wol/ daß auff alle diese angedeutete scrupel sich vieles antworten laͤsset/ wie sie daher auch bey mir so starck nicht sind/ daß ich deswegen mich vor ihn de- clarirte: aber sielassen doch in mir eine solche furcht/ die ich nicht uͤberwinden kan/ und mich abhaͤlt/ daß ich den/ gegen welchen ich auch starcke præsumtiones zu ha- ben nicht in abrede bin gleichwohl zu verwerffen nicht getraue. Wiewol mir die- ses gewiß bleibet/ daß auffs wenigste die jenige zu weit gehen/ (wie vernehme/ daß der bemelte N.N. von dem sonst nichts weiß/ thue) so Jacob Boͤhmens schrifften gar zu einer canonica autoritate / so die gantze kirche obligi re/ erheben wollen/ dar- innen hoffentlich auch die meiste deren/ welche den mann gleichwol hochhalten/ ih- nen nicht beypflichten werden; Wie mir einer einmahl schrieb/ daß Jacob B oͤhm ein mann gewesen seye/ dem GOTT ein sonderbahres hohes liecht seines Geistes gegeben/ un b viele vortreffliche sachen geoffenbahret/ aber da auch das liecht seiner ver- ARTIC . III. SECT . XXXI. vernunfft sich offt mit eingemischet habe/ daraus er sich verstossen haͤtte. Also meinte ich/ es gebe gar wol ein tertium / daß er weder ein Θεόπνευστος ( sensu ex- cluso, wie diejenige/ derer gantze scripta zur regul der kirchen von GOTT ein- gegeben worden) noch ein haupt- Enthusiast gewesen. Wenn es nehmlich GOtt also gefallen haͤtte/ ihm nicht so wol circa œconomiam salutis, als andere dinge/ so gleichsam zu einer philosophia sacra gehoͤrten/ (wie mir einmahl eine stelle in ihm gewiesen worden/ da er spricht/ daß er nicht gesetzt seye in der Theologia etwas zu aͤndern/ sondern wo mir recht ist/ die wahre philosophia zuzeigẽ) vieles unmittel- bahr zu offenhahrer/ nicht aber auch die gnade verliehen/ solche erkaͤntnuͤß mit glei- cher Goͤttlicher gewißheit in schrifften zuverfassen/ sondern wol darneben zugelas- sen/ daß er auch des seinigen mehreres mit untergemischet haͤtte. Vielleicht wo wir noch heut zu tage des Koͤnigs Salomons viele schrifften/ (davon 1. Koͤnig. 4/ 32. 33. meldung geschiehet) haben solten/ moͤchten in denselben manche wahrheiten stehen/ die derselbe wahrhafftig in Goͤttlichen liecht erkannt/ ob sie wol nicht in einer solchen infallibili taͤt geschriben worden/ wie diejenige/ so wir in der B ibel haben/ sondern er solche erkaͤntnuͤßen mit menschlichem fleiß mag ausgedruckt haben/ wel- cher nicht eben frey ist von allen fehlern. Jch sage hiemit nicht/ daß es sich mit Boͤhmen also verhalte/ noch koͤnte solches erweisen/ sondern weise allein/ wie ein medium unter solchen extremis zu treffen muͤglich. Was also mich selbst betꝛifft/ wie gern ich verlangte/ in der gantzen sache zu einer gewißheit zu gelangen/ und ver- sichere/ wo ich zu einer wahren hertzens uͤberzeugung kommen koͤnte/ daß der mann ein verfuͤhrer waͤre/ daß es mir an eiffer nichts mangeln solte/ ihn von grund der see- len zu widersprechen: hingegen da ich mich vor GOTT in diesen wichtigen werck zu schwach zu urtheilen befinde/ weiß ich wohl/ daß meine forsetzliche feinde sich des- sen trefflich zum vortheil gebrauchen/ auch einige schwache anstoß daran finden; a- ber ich trage gleichwohl das vertrauen/ daß cordate und billiche gemuͤther/ welche verstehen/ was die krafft des gewissens seye/ mir das jenige nicht verdencken koͤn- nen noch zumuthen werden/ daß in dessen zweiffel etwas auff eine seite thue/ da ja nicht anders als suͤndigen koͤnte. Versichere dabey/ daß dieses mit ein stuͤck mei- nes offtmahligen gebeths vor GOTT seye/ daß er uns doch nicht allezeit in solchem zweiffel lassen/ sondern da er bey vielen seinen kindern/ das hertzliche verlangen/ sei- nen willen gern zu erkennen/ und als denn denselben auch willig zufolgen/ sehe/ auff ihm bekante art endlich die sache an den tag bringen wolle/ daß wir mit versicherung wissen/ wo vor wir den mann halten sollen. Vielleicht geben die von Herrn D. Hickelmannen heraus gegebene fragen/ wan von einigen darauff geantwortet/ und die materie mehrmahl ultro citraqueventili ret wird werden/ gelegenheit/ daß als dann mit mehr gewißheit davon geurtheilet werden moͤge. Wie ich denn insge- samt das kindliche veꝛtrauen zu der vaͤterlichen guͤte GOttes t r age/ daß sie ge- genwaͤrtige betruͤbte und so elendes ansehen gebende verwirrung/ endlich zu einem D d d d d d seli- Das sechste Capitel. seligen und seiner ehr gemaͤssen ende werde ausschlagen lassen/ wie es einmahl de- roselben gemaͤß/ hoffentlich auch die zeit der erfuͤllung vieler dinge/ so sie in dem klah- ren wort zugesagt hat/ nicht zu weit ent s ernet ist. Nun der HERR fuͤhre uns selbst an der hand/ so irren wir nicht/ und komme unserer schwachheit/ die wir er- kennen und gewahr gnug werden/ kraͤfftiglich zu huͤlffe. ꝛc. 16. Maj. 1693. SECTIO XXXII. G abe des gebets. V erlangen den nahmen G ot- tes großzumachen. Daß nichts ausser ordentliches habe. Durch vorbitte vor andre mehr in die gemeinschafft der heiligen einzutringen. Was von er- manglender lust zu sterben zu halten. W Ann derselbe davor haͤlt an statt der allgemeinẽ formul eines gebeths/ wel- che er von mehrern sehnlich aber vergebens gesucht habe/ von den guͤtigsten Vater ein so viel reicheres maß des Geistes des gebeths/ selbs aus dessen trieb zu beten und das Abba lieber Vater zuruffen empfangen zu haben/ so gebrau- che er sich nicht nur solcher gabe treulich/ sondern dancke auch GOTT davor/ der ihm an statt eines geringeren eine bessere gabe gegeben habe/ und es also der libste Vater allezeit zum besten zu machen wisse. Vor das hertzliche verlangen/ auch seines orts den nahmen GOttes groß zu machen/ dancke er auch GOTT hertzlich/ und versaͤume mit willen keine gelegenheit darzu: dabey mich aber aber auch des- sen versehe/ daß solches verlangen gleichwol in den ihm zukommenden schran- cken bleiben/ und er sich nichts des jenigen unternehmen werde/ was uͤber sein maß gehen wuͤrde/ wie wir uns dann dessen gewiß versichern koͤnnen/ daß der liebste Vater einem jeglichen unter uns das jenige zugeordnet habe/ worinnen er vor und an uns gepriesen werden wolle/ dabey wir in einfalt bleibende ihm allemahl am be- sten gefallen/ und versichert seyen koͤnnen/ er sehe nicht auff das ansehen der wercke/ in welchen wir ihm nach seiner ordnung dienen/ welche gering scheinen moͤgen/ sondern auff das kindliche hertz/ daß ihm gern in dem anvertrauten/ wie wenig es auch schei- nen solte/ wahrhafftig treu erfunden zu werden verlangt. Wie in den uͤbrigen derselbe auff die vermutung moͤchte gekommen seyn/ ob ich meine liebe oder das wenige gute/ so ich habe/ in mutterleib uͤberkommen haͤtte/ kan ich nicht absehen: ver- sichere hingegen/ daß ich vor andern nichts sonderbahres zu haben mir einbilden doͤrffen/ sondern dancke der himmlischen guͤte des liebsten Vaters/ der mich/ da ich nichts bessers als andere in die welt mit mir gebracht/ nicht allein so bald in der hei- ligen tauff widergebohren/ und wie in andern kindern der Christen das gute werck in ARTIC. III. SECTIO XXXII. in mir gleich angefangen/ sondern es auch nachmahl durch sein wort/ theils vermit- tels der treue aufferziehung meiner seligen eltern/ die mich als von mutterleibe an dem HERRN zu seinem dienst gewidmet/ theils durch anweisung meiner Præcep- torum und prediger/ theils durch das einigen lese so wol der schrifft selbs als anderer Christlicher buͤcher/ bald fortgesetzet hat/ also daß mich der HERR bereits zimlich in meiner seele durch verleidung aller eitelkeit bereitet/ ehe ich noch auff die universi- taͤt gekommen/ auch manchmahl in den noch jungen jahren viele gute bewegungen/ dero erinnerung mich jetzo noch offt erfreuet/ bey mir zu wircken angefangen hat. Also weiß ich von keinen ausserordentlichen wegen/ sondern allein denjenigen durch welche insgemein der HERR die seinige fuͤhret/ nehmlich daß das wort samt den sacramenten/ und dero krafft/ alles gute in uns ausrichten muß. Auff welchen wege mich GOTT auch biß an mein end erhalten wird/ und ich ihm davor demuͤ- thigen danck sagen will. Das gebet anlangend/ dancke ich auch meinen liebsten Vater/ was er mir darinnen zu meiner noth gegeben hat/ es findet sich aber auch darinnen bey mir nichts ungemeines/ so nicht jegliches kind GOttes auch haben koͤnte. Hingegen zu den jenigen betern darff ich mich nicht zaͤhlen/ dero gebete krafft sich bald scheinbarlich weiset/ und denen uͤber das gemeine ein noch mehreres maß von bruͤnstigkeit/ suͤßigkeit/ freude/ heldenmuth und wunderkrafft (dergleichen mir an andeꝛn wol bekant woꝛdẽ sind) zugetheilet woꝛdẽ waͤre. Jch tꝛachte aber durch taͤgliches gebet vor andere Christliche hertzen so viel tieffer in die gemeinschafft der heiligen auch auff solche weise einzutringen/ damit auch ihr gebet vor GOTT dem mangel des meinigen zu huͤlffe komme: hoffe auch solche uͤbung nicht ohne frucht zu seyen. Der HERR erfuͤlle uns alle mehr und mehr mit seiner gnaden/ daß auch alle unsere opffer ihm mehr und mehr moͤgen gefaͤllig auffsteigen/ und alle dero maͤngel durch die theure vorbitte unsers wuͤrdigsten hohenpriesters vor sei- nem angesicht ersetzet werden. Was endlich anlangt/ die ermanglende lust zusterben/ habe ich in einer predigt also darvon geredet: Die jenigen welche den todt so fuͤrchten/ daß sie GOtt gern den himmel liessen/ wo sie nur immer auff erden bleiben doͤrfften/ wel- che dem juͤngsten tag feind sind/ und nicht anders als mit widerwillen an denselbigen gedencken/ haben gar einen schlechten characterem / und bey sol- cher bewandtnuͤß/ da sie so bleiben/ ist ihr tod nicht selig. Zwar kans bey einigen eine natuͤrliche schwachheit seyen/ daß einige wahre glaubige ein e n solchen schrecken vor dem tode haben/ daß sie nicht ohne entsetzung daran gedencken/ da sie doch ihrer furcht selbs feind sind/ und lieber nach der ewi- gen freudigkeit verlangten/ daher selbs nach moͤgligkeit sich nach solchem verlangen bestrebtn. Solche habe ich nicht zu verdammen/ indem eben diese bestrebuͤng weiset/ ob wol das entsetzen die eussere krafft der natur ein- genommen hat/ daß dennoch in den grund der seelen ein verlangen nach dem Ddd ddd 2 tode Das sechste Capitel. tode verhanden seye. Jndessen ist es ihnen doch eine anzeigung einer gros- sen schwachheit/ uñ haben sie so viel sorgfaͤltiger mit gebet und sonsten dar- gegen zu kaͤmpffen/ darmit ihnen der tod je laͤnger je anmuthiger werden/ und sie ein ernstliches verlangen daruach bekommen moͤgen. Dieses ist/ was auch ihm zur antwort widerfahren lassen sollen/ dabey GOTT anruffe/ daß er seinen glauben staͤrcke/ und die erkaͤntnuͤß der himmlischen guͤter in seine seele al- so eintrucke/ daß er zwar so lange das maß seiner arbeit und leidens hier annoch nicht ersuͤllet ist/ in der welt auszuhaiten wohl zufrieden seyen/ aber auch wann es dem HERRN ihn zur ruhe zufuͤhren beliebig seyen wird/ sich ihm zu folgen hertzlich freue. 5. Dec. 1693. SECTIO XXXIII. V om grrichte unserer zeiten in unterschiedlichen stuͤcken. J Ch erkenne wol daß zu manchen laͤsterungen durch auch gutmeinender leute uuvorsichtigkeit und verstoß anlaß gegeben werde/ nun solten zwar auch dero- selben fehltritte/ als lange sie bey reiner lehr und unstraͤfflichen wandel blei- ben ihnen/ zu gut gehalten werden/ wie ich auch von rechtschaffenen Christen zu ge- schehen versichert bin; es sinn auch darmit die laͤsterer/ so davon anlaß nehmen nicht entschuldiget: aber ich bekenne auch/ daß jener unbedachtsamkeit/ sonderlich wo eigensinn darzukommet/ damit nicht gerechtfertigt werde. Jndessen sehe ich auch dieses als ein stuͤck Goͤttlichen gerichts an/ daß nicht allein sonsten dem guten/ wo es mit ernst getrieben werden will/ so vielerley hindernuͤssen in den weg geworf- fen werden/ sondern der HERR auch geschehen laͤsset/ daß die so es redlich meinen/ so offt da und dorten anstossen: ob wolte GOTT zeigen/ daß noch ein solcher zorn auff unsrer kirchen ligender noch nichts mit gnugsamen und kraͤfftigen nach- druck auffkommen und durchtringen lasse. Ach daß wir doch mit wahrer buß und gebet solchen zorn versoͤhnen/ damit doch endlich der liebste Vater sein gnaden an- gesicht wieder zeigen/ und zu dem/ was zu seinen ehren vorgenommen wird/ mehr se- gen geben/ daher auch seine diener mit allen darzu noͤthigen gebrauch der klugheit und sonsten ausruͤsten wolle: so er auch thun wird/ indessen unseren glauben und ge- dult auch mit solchem verzug pruͤffet und uͤbet. Der jammer in dem eusserlichen und leiblichen/ so nach dem gerechten willen des grossen GOttes ihre dem schein naͤ- here quartire bißher betroffen/ ist ein stuͤck meines hertzlichen anliegens/ so vielmehr als es die jenige ort betrifft/ an welchen ich die meiste zeit meines lebens zugebracht/ und viele den HERRN treulich suchende seelen habe kennen lernen. Ja ich ver- wundre mich offt uͤber solche schwehre gerichten/ wenn ich gedencke/ ob mir wol be- kant/ ARTIC . III. SECTIO XXXIII. kant/ daß man freylich draus in solcher gegend auch den gerechten zorn GOttes offters mit suͤnden gereitzet/ daruͤber manchmahl daselbs seyende hertzlich geklaget/ daß dannoch deroselben suͤnden die jenige nicht uͤbersteigen/ ja bißweilen vielleicht nicht gleichkommen/ die ich an andern orten seither angetroffen/ deren der HErr dannoch so lange schonet: wiewol zusorgen/ daß das laͤngere ausbleiben der straf- fe derselben schwehre nur vermehren/ und also wol gar das verderben zu erwarten seyen mag. Das allerbetruͤbteste ist/ daß man sihet/ wie bey allen so bereits auffliegen- den als noch antrohenden gerichten der menschen verstockung und sicherheit so groß ist/ daß so wenig an die wahre buß/ welche dennoch das einige mittel der abwendung derselben seyen wuͤrde/ mit ernst gedacht/ oder dieselbe nach GOttes willen gethan werde. Welches gemeiniglich ein zeugnuͤß ist des endlichen unvermeidlichen un- tergangs. Der HERR aber gedencke doch mitten in seinen zorn auch seiner barm- hertzigkeit/ und lasse jenen fallen/ oder wo er ja fortbrennen solle/ so sehe er doch die seinige/ die er selbs kennet/ in gnaden an/ und verberge sie heimlich in seinem gezelt/ biß das schwehrste wetter vorbey seyen wird/ wie wir uns auch dessen zu seiner guͤte und wahrheit versehen wollen. 12. Jan. 1694. SECTIO XXXIV. A nden C hurfuͤrsten zu S achsen als meine ver- antwortung gegen die Wittenbergische Facul- taͤt Seiner Churfuͤrstlichen Durchlaucht. dedicirte. Goͤttliche gnade/ friede und heil zu allem hohen wohlwesen und geseg- neter regierung! Durchlauchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Churfuͤrst und Herr. D As unterthaͤnigste vertrauẽ zu E. Churf. Durchl. so wol gerechtigkeit lieben- den als noch an ihre alte diener (wie sie sich noch dieses jahr gegen einen selbs gnaͤdigst erklaͤhret) gedenckenden gemuͤth/ nechst der versicherung meines gewissens treibet mich/ Ew. Churfuͤrstl. Durchl. in meinen wichtigen anliegen un- terthaͤnigst anzugehen und gegen einige deroselben Theologos / so mich bißher auff vielerley weise auffs unbillichste tracti ret/ nunmehr aber eine gantze dero Facul- taͤt mich etlich hundert irriger gegensaͤtze/ welche wider die richtige lehrsaͤtze stritten/ D d d d d d 3 vor Das sechste Capitel. vor der gantzen kirchen beschuldiget hat/ dero gerechten schutz zu suchen. Daher meine gegen solche Wittenbergische Facul taͤt nothwendig publicirte verantwor- tung E. Churf. Durchl. hohen nahmen selbs zuschreiben sollen; nichts anders da- bey unterthaͤnigst bittende/ als daß sie nach der macht/ die ihro der Allerhoͤchste ge- geben/ und sie auch zu seinen ehren anzuwenden fordert/ durch nachdruͤckliche daͤm- pfung der vonden widrigen auffgebrachten und durch allerley unloͤbliche kuͤnste biß daher gehegte fabel einer neuen secte des pietismi, nach deꝛ loͤblichen intention dero Hoch Sel. Herrn Bꝛuders Churf. Durch. der Evangelischen ki r chen ihrer seits erwuͤnschte ruhe zu verschaffen/ meine und andrer betrangten unschuld zu ret- ten/ und welche alles bißherigen unwesens urheber sind maͤchtiglich zuruͤck zuhal- ten geruhen wolten. Dieses thuende wird E. Churf. Durchl. sich um des grossen GOttes/ von dessen gnade sie ihre wuͤrde traͤgt/ ehꝛe/ um der kirchen/ die sonsten von denen/ wel- che andere dessen faͤlschlich beschuldigen/ immer mehr zerruͤttet werden wird/ seligen wolstand/ um des reichs (wie sich denn gefahr aus dem geistlichen das weltliche durch boͤse leute endlich ziehen moͤchte) fried und einigkeit/ um dero lande gesegne- tes wohlseyen/ welches sonsten durch reitzung goͤttlichen zorns mehr und mehr gehin- dert werden wuͤrde/ und um viele bißher auf allerley weiß betrangte/ die nachmal desto innbruͤnstiger vor dieselbe zu GOtt ruffen und alles ersprießliche erbitten helf- fen werden/ stattlich verdienen/ und vielen segen auff dero wuͤrdige person und hohes Churhauß ziehen. ꝛc. 5. Oct. 1695. SECTIO XXV. W egen die Pietisten wird nicht uͤber die lehr ge- stritten. Interesse in solcher sache der clerisey und Do- ctorum Academicorum. E S ist einmal an dem/ daß nicht gestritten werde eigenlich um die lehre selbs oder um glaubens articuln/ gleich ob waͤre wahrhafftig unter beyden bereits ein unterscheid (wiewol dahin stehet/ wie weit Gott das gegentheil noch in sei- nem gericht verfallen lassen moͤchte/ massen es in der Wittenberger schrifft ein fast betruͤbtes ansehen gewinnet/ als wolte man allgemach von unsrer wah r en lehr/ wie sie von Luthero und in dem Symbolischen buͤchern getꝛieben worden/ etwas ab- weichen) auch wo noch eine differenz ist/ als von der kuͤnfftigen hoffnung/ wuͤrde man bey anderer bewandnuͤß der gemuͤther bald sich mit einander vergleichen: son- dern es ist zu thun um das interesse theils der gesamten clerisey, theils sonderlich deꝛ Doctorum Acade micorum: jenen ist das bißher getriebene studium pietatis beschwehrlich/ weil sie mehrern fleiß in ihrem amt anzuwenden angemahnet wer- den ARTIC . III. SECTIO XXXVI. den/ auch sorgen/ wo ein solches Christenthum auffkommen solte/ daß ihr leben bey vielen daruͤber zu schanden werden moͤchte: Diese sehen/ daß ihre dictatoria pote- stas einen anstoß gewinne/ wenn die freyheit der glaͤubigen von dem ansehen der menschen in glaubens-sachen in die hertzen kommet/ und diese anfangen an dem eini- gen meister JEsu Christo zu hangen/ und aller menschen lehr erstlich aus goͤttlichem wort zu pruͤfen sich gewehnen. Weil aber dieses offentlich zubekennen allzu plump lautete (wie wol etliche ziemlich unverschaͤmt sich auch darinne zu bloͤssen beginnen) so muß die sorge vor die reinigkeit der lehr zum vorwand gebrauchet werden/ daß man die arme so genannte Pietisten mit vertraͤhung ihrer worte allerley unerfindli- che irrthuͤme beschuldige/ und wo man in nebens-fragen nicht gerade eines mit ih- nen haͤlt/ solche streitigkeiten/ als wuͤrde die seligkeit in eusserste gefahr gesetzet/ all- zu groß mache/ um diese in allgemeinen haß/ auffs wenigste solchen verdacht zu se- tzen/ daß sie wenig oder nichts mehr außrichten/ sondern in allen gehindert werden moͤchten. Wie viel sie bey manchen in dieser sache außgerichtet/ liget vor augen/ aber der HERR wird mehr und mehr ihre thorheit/ auch vieler boßheit/ offenbah- ren: und sie endlich einen so viel schrecklichern sturtz thun lassen/ als hoch sie sich er- haben halten. Dem bleibt deswegen die sache der armen empfohlen/ und steigen taͤglich so viel tausende seufftzer gottseliger hertzen zu ihm auff/ die durchdringen/ uñ zu ihm bekanter zeit huͤlffe bringen werden; wie wuͤnsche so hertzlich/ daß es viel- mehr durch der widersacher bekehrung als schwehres gericht an ihnen geschehen muͤste/ und sie sich selbs zu dem fuͤssen unsers allgewaltigen Koͤnigs niederwerffen/ als erwarten/ daß sie davor nidergeschmissen werden. 23. Jan. 1696. SECTIO XXXVI. An eine Adeliche Jungfrau in Sachsen. Dersel- selben vor dem ertheilete trost. Betruͤbnuͤß uͤber die un- ruhe in der kirchen. Ob und was vor eine reformation in- tendi ret werde. Jch bin von deꝛ Evangelischen lehꝛe imgering- sten nicht abgetreten: noch auch andere dessen beschuldig- te: sonderlich M. Franck. Dieser laͤstert Lutheri dolmet- schung nicht/ noch begehrt sie den leuten zu verleiden. Alle Theologi haben zu allen zeiten gleiche oder mehrere freyheit gebraucht. B Ey empfangen des schreibens habe mich erfreuet/ darauß ein zeugnuͤß zuse- hen/ der noch gegen mir fortwaͤhrenden Christlichen zuneigung/ wie hingegen versichern kan/ daß auch bißher so wolder oselben als dero wehrten angehoͤri- gen Das sechste Capitel. gen/ vor dem thron der gnaden zu gedencken nicht nachgelassen habe/ noch auch kuͤnfftig nachlassen werde. Aus uͤberfluͤßiger liebe aber kommet her/ daß noch auffs neue gefallen hat danck zu sagen wegen eines vormahlen ertheilten trostes: da doch was hierinnen von mir geschehen/ nicht allein wenig/ sondern ohne das meine schuldigkeit gegen alle/ so von mir rath oder trost verlangen/ gewesen/ also alles zu viel ist/ was vor danck gegen mich abgestattet wird. Nur wuͤnsche/ wo ja der HErr nach seiner guͤte einiges seines worts/ durch meinen unwuͤrdigen mund oder feder zugesprochen/ zu dero seelen erquickung und auffmunterung gesegnet haͤtte/ darvor ihn zu preisen mich schuldig erkenne/ daß er solchen trost bey ihro immer mehr ver- siglen und befestigen wolle. Wie mich dann vornehmlich auch dieses erfreuet/ so dann ich daruͤber goͤttliche guͤte hertzlich zu preisen habe/ daß dieselbe meldet/ ob wol die anfechtung noch nicht auffgehoͤret/ folglich der liebste Vater noch nuͤtzlich befin- den muß/ deroselben gold ferner durch solches feur zu reinigen/ daß dannoch die last um so vielmehr erleichtert worden/ als sie vor dem gewesen: welches eine so viel gewissere versicherung ist/ daß der jenige/ welcher so weit geholffen/ und so viele stuͤrme zu uͤberwinden/ beygestanden hat/ sein werck kraͤfftig zu ende fuͤhren/ und biß zu endlichem triumph immer einen sieg nach dem andern beschehren weꝛde. So er ja thun wolle um unsers siegesfuͤrsten JEsu Chꝛisti willen. Nechst dem habe aus meiner wehrtesten Jungf. brieff mit billichem mittlei- den eingenommen dero gottselige betruͤbnuͤß uͤber den jetzigen zustand/ welchen wir leider an meisten orten in unsrer Evangelischen kirchen sehen. Und wem solte es nicht zu hertzen gehen/ wo man das kleid der braut JEsu Christi mit so vielen un- flat bemackelt schauet? Wie dann wer sich noch uͤber solches boͤse freuen/ oder doch es nicht achten wolte/ eben damit/ daß er keine liebe weder vor GOTT noch dessen gemeinde habe/ bezeugen wuͤrde. Nur wuͤnsche ich hertzlich/ das alle gottselige sce- len nicht so wol allein wie es stehe sondern auch die ursach/ und wo die schuld her- komme/ in der furcht des HErren erwegen. Wie ich dann derselben von grund der seelen wuͤnsche/ sich in solcher sache von niemanden einnehmen zulassen/ sondern alles wahrhafftig und ohne affecten nach der wahrheit zu untersuchen/ da ich ver- sichert bin/ das viel andeꝛe gedancken/ als aus deroselben s c shertzlich gemeinten schrei- ben hervor zublicken scheinen erfolgen werden; also daß dieselbe die jenige/ die von so vielen als verwirrer der kirchen beschuldiget werden/ alsdenn selbs loß zehlen/ hin- gegen die schuld bey den jenigen finden wird/ die uͤber die verwirrung der kirchen/ welche sie mit ihrem geschrey selbs machen/ immer klagen. Wer eine Reformation unserer Evangelischen lehr anstellen wolte/ wie nemlich dieselbige in unsrer kirchen bekantnuͤß/ was die ordnung des heils anlangt/ enthalten ist/ der wuͤrde eben damit sich verschulden: Dann die wahrheit kan nicht reformiret werden/ ohne daß sie auffhoͤren muͤßte zu seyen was sie ist. Ob wol et- wa nicht zu leugnen stehet/ daß man nicht ohne ursach klagen moͤge/ daß ihrer viele die ARTIC . III. SECTIO XXXVI. die warheit einer seits nicht mit solchem fleiß und krafft vortragen/ wie sichs gezieh- met/ anderseits dieselbe zu fassen keine muͤhe anwenden; daher es komt/ und nich gnug betrauret werden kan/ daß wir bey aller bekantnuͤß und lehr der warheit gleich wol eine solche menge leute in un sren gemeinden haben/ welche allerdings von Gott und ihꝛem heyl wenig wissen. Und eben deswegen/ so dann weil leider so wenig fruͤch- ten der lehr sich bey unsern kirchen am meisten orten zeigen/ koͤnnen wir nicht wol jeugnen/ daß wiꝛ nicht einer fast starcken und allgemeinen reformation bedoͤrffen/ die nicht dieser und jener allein außzufuͤhren hat/ sondeꝛn da kein stand/ ja in keinen stand einige peꝛson ist/ die nicht an solcher Gottgefaͤlligen reformation/ an sich und andeꝛn/ ohne unordnung und jeglicher/ wie ihn der HErr selbs gesetzet hat/ und fuͤhret/ zu arbeiten verbunden waͤre/ und wir doch/ biß der grosse Reformator von himmel selbs komme/ und was menschen nicht vermocht/ durch seine goͤttliche krafft alles neu/ einen neuen himmel und neue erde schaffende/ ausrichte/ damit nie zu ende kommen werden. Wie ich dann nicht zweiffle/ daß derselben GOTT ergebene seele selbs so viel hertzlicher eine staͤte besserung wuͤnschen werde/ als sie das ansehen der verderbnuͤß betruͤbet. Weiter gehet auch weder die intention noch der fleiß der jenigen/ welche von so vielen andern Theologen (denen der HERR es zu erken- nen geben wolle) mit unverdienten aufflagen beleget/ und auch Christlichen hertzen wiederlich und verdaͤchtig gemacht werden. Wie ich nun von mir selber/ als der nechst GOtt am besten wissen muß/ was in meiner seelen seye/ versichert bin/ daß ich nicht in einem einigen lehr-puncten von unsrer Augsp. Confession abgetreten bin (wie auch neulich gegen die ohne ursach wider mich erbitterte Theologi sche Facult aͤt zu Wittenberg meine unschuld durch GOttes gnade so deutlich als kraͤfftig dargethan habe) auch solcher meiner reinen Evangelischen lehr so viel tausend zeugen/ welche mich in Franckfurt/ Dreßden uñ Berlin gehoͤret u. hoͤren/ so dann die an allen orten meine schrifften in nicht geringer anzahl lesen/ zu haben getraue/ so bin nicht weniger ferner versichert/ daß mir kein widriger etwas anders von mir oder aus meinen buͤchern/ ohne boßhafftige ver- kehrung meiner worte/ darthun oder zeigen werde/ daß ich vor einigen jahren in der lehr des heils mich geaͤndert haͤtte. Dann was im uͤbrigen anlangt die fernere untersuchung der schrifft/ welche als ein bergwerck ist/ aus dem man immer mehr und mehr herrliches ertzt durch gottseligen fleiß heꝛausholen/ und solche wahrheiten/ die einigen neu scheinen/ da sie doch/ als gleich in die schꝛifft von dem heiligen Geist hingeleget/ alt gnug sind/ an dem tag bringen kan/ ist solcher fleiß der absicht GOt- tes und dem befohlenen wachsthum in allen stuͤcken der goͤttlichen erkaͤntnuͤß aller- dings gemaͤß/ und an niemand zustraffen: nur das die regel des glaubens/ und dessen nothwendig an einander hangende articul von der ordnung der seligkeit/ un- verletzet bleiben. Wie nun gedachter massen vor mir selbs/ daß in der religion nicht die gering- E e e e e e sten Das sechste Capitel. ste aͤnderung weder mir vorgesetzt/ noch auch etwas dergleichen ins weꝛck zurichten mich bemuͤhet habe/ versichert bin/ so habe auch bey allem schreyen einiger widrigen uͤber die gefahr der reinigkeit der lehr an andern gutẽ freund/ uͤber welche jenes im̃er gegangen/ ebenfals deꝛgleichen boͤses voꝛnehmen nicht/ sondeꝛn vielmehr/ wo ich nach der wahrheit die sache untersucht/ die beschuldigungen falsch/ und sie selbs ꝛichtig befunden: bin auch versichert/ daß der GOtt der warheit nach seiner guͤtigkeit uñ gerechtigkeit deren/ die bißdaher so viele aufflagen leiden muͤssen/ unschuld zu seiner zeit voͤllig an den tag bringen/ und rechtschaffene seelen/ die durch das ansehen der widerwertigen eingenommen wol auch eine zeitlang sie bey sich verdammet ha- ben/ sich darvon uͤberzeuget flnden/ und GOTTES wunderbare regierung in allem preisen weꝛden. Was sonderlich Herr M. Francken anlangt/ wie ich sehe/ daß meine Hoch- Edelgebohrne Jungfrau durch ungleichen bericht in zimlichen eyffer gegen ihn ge- setzt ist/ so halte mich dannoch versichert/ wo dieselbe ihn/ der nicht allein einen hertz- lichen und heiligen eyffer vor Gott hat/ sondern auch gewiß durch die krafft des E- vangelii (welches er/ wo er ist/ offentlich und absonderlich/ mit herrlichen geist und leben verkuͤndiget) bereits manche seelen/ die ihm deswegen ewig vor Gottes thron dancken werden/ zur lebendigen erkaͤntnuͤß des heyls gebracht hat/ recht/ u. was an ihm ist/ kennen solte/ daß dieselbe gantz andere gedancken von ihm fassen/ und die gnade GOttes in ihm hochachten wuͤrde. Zwahr bin ich nicht in abrede/ daß als seine monate erst gesehen/ daruͤber erschrocken bin/ gleich wahrnehmende/ wie das gutgemeinte auff allerley art uͤbel gedeutet/ und zum stein des anstossens gemachet werden wuͤrde/ da vielleicht mit einer geringen aͤnderung des vortrags solches haͤt- te verhuͤtet/ und doch die wahre absicht erhalten werden koͤnnen: also haͤtte es lieber anders gesehen/ uñ wo ich es vorher gewust/ solches so viel an mir ist gehindert. Jn- dessen kan nicht anders als sagen/ daß er/ wo seine absicht recht in acht genommen wird/ weder unsers theuren L ut heri dolmetschung/ die wir sreylich vor einen un- vergleichlichen schatz unsrer kirchen halten/ und GOtt nicht gnug darvor zudan- cken vermoͤgen/ laͤstere/ noch sie den leuten aus den haͤnden zu bringen trachte: wie ich dann versichert bin/ daß vielleicht wenige prediger/ die 4. 5. mal so lang im amt als er gewesen/ so viele leut/ alt und junge/ zu fleißiger lesung der heiligen Bibel wircklich gebracht haben werden/ als dieser liebe freund in den kurtzen jahren seines predigamts gethan hat/ und also ja unsers Lutheri Bibel den leuten zu verleiden kei- nes weges gedencket. So hat er auch in einem der monate gnugsam sich erklaͤhret/ wie hoch er diesen theuren lehrer unsrer kirchen/ und die durch ihn geben in dieser dolmetschung erzeigte wolthat achte. Jndessen kan mit wahrheit niemand leugnen/ und wuͤrde Lutherus selbs/ wo er noch lebte/ nicht leugnen/ daß ers in dem uͤbersetzen eben nicht allemal voͤllig getroffen habe; daher er noch in seinem gantzen leben an diesem theuren werck zu bessern bemuͤhet gewesen auch nicht zu zweifflen ist/ ob er laͤnger gelebet haͤtte/ daß er immer weiter zu corri- grien ARTIC. III. SECTIO XXXVI. giren nicht unterlassen haben wuͤrde: hingegen seinen nachfolgern nie verboten/ daselbs/ wo ers gelassen hat/ noch ferner fortzufahren. Wo man dann beyseit gesetzt aller ungleichen und von seinen widrigen erst veranlaßten affecten in der wahrheit/ was er gethan/ erweget/ wird sichs ergeben/ daß er nichts anders gethan als in eine schrifft das jenige zusammen zutragen angefangen/ was meistentheil oder dergleichen laͤngst vor ihm ander hin und wider in ihren schrifften zerstreut an- gemerckt/ oder in predigten erinnert/ daher es auff diese weise weniger/ hingegen in seinem tractat nur deutlicher in die augen faͤllet/ an sich aber eines ist. Wie dañ wenig gelehrte Theologi oder prediger sein werden/ die nicht in schrifften und pre- digten so offt auff den grund text/ wie es daselbs anders laute/ oder worinnen der nachdruck mehr bestehe/ sich beruffen/ ohne das deßwegen jemand sie einer boßheit gegen unsrem wehrtesten lehrer beschuldige. Was vor eine menge stellen der schrifften werden von den beiden so stattlich verdienten lehrern Herr D. Geiern uñ dem erst nechst entschlaffenen Herr D. Schmiden in Straßburg gar weit anders erklaͤhret/ als nach unserer version? daher dieser gantz eine neue lateinische dol- metschung verfeꝛtigt hat/ auff dero heraußgebung alle unsre beste Theologen mit vielen verlangen/ ja fast mit ungedult uͤber den verzug/ bißher gewartet/ und darvor gehalten/ daß ihm die kirche darvor zu grossen danck verbunden seye. Jch glaube auch nicht/ wann schon M. Francke seine monate viele jahr continuirte, daß er der stellen mehr solte anfuͤhren/ als selbs einige seiner widersacher/ so etwa viele jahr in dem pꝛedig-amt gewesen/ bißher in ihren predigten corrigiret haben. So be- gehrt er durchaus nicht unsre Bibel verdaͤchtig zu machen/ vielweniger eine andre einzufuͤhren/ sondern verlangt selbs/ daß wir bey unsrer allgemeinen eingefuͤhrten dolmetschung bleiben; nur ist seine absicht/ den jenigen/ welche da sie nicht studiret, und also die grundsprachen selbs nicht zurath ziehen koͤnnen/ gleichwol/ wie jedes in denselben am eigenlichsten heisse/ zu wissen verlangen/ mit seiner arbeit einigen dienst zu thun; hingegen weder dieselbige noch andere damit irre zumachen. Da- her wo andre Prediger und Theologi an statt/ daß in liebe die absicht andern viel lieber vorgestellet/ und wie man sich darein zuschicken habe/ gezeiget werden koͤnnen/ nicht vielmehr solches auffs hefftigste bestrafft/ und folgen/ die ihm nie in sinn ge- kommen sind/ daraus gezogen haͤtten/ habe ich ursach zu glauben/ daß sich nicht ein- mal die einfaͤltigste/ geschweige recht Christliche gemuͤther/ mehr daran wuͤrden ge- stossen haben/ als sie sich nicht stossen/ wann sie in predigten uͤber diesen oder jenen ort der gleichen erinnerungen hoͤren. Ob ich wol nicht in abrede bin/ und an meineꝛ theuren jungfrauen das exempel selbs habe/ das einiges aͤrgernuͤß daher nun ge- nommen worden; dessen schuld aber sorge mehr auff die jenige zufallen/ welche das werck in gantz anderer als seiner eignen wahren gestalt allerley auch gottseligen leu- ten vorstellen/ da sie das aͤrgernuͤß gantz leicht abwenden koͤnten. Glaube auch- wo ein anderer/ als einer deren/ die ohne das in dem haß so vieler des geistlichen stan- E e e e e e 2 des Das sechste Capitel. des stehen/ dergleichen gethan haͤtte/ es wenig oder keine bewegung daruͤber wuͤr- de gegeben haben. Der HERR/ HERR aber zeige selbs/ wie allen irrungen und mißverstaͤn- den am kraͤfftigst en von allen seiten moͤge gesteuꝛet werden/ darzu meines wenigen orts/ wo zu mir se i ne guͤte gelegenheit gaͤbe/ willig das meinige mit beytragen wolte: wie noch erst kuͤrtzlich in meiner vertheidigung gegen Herr D. Alberti die mittel und wege gezeiget/ wie bald in der kirchen friede gestifftet/ und die mißverstaͤnde auff- gehoben werden koͤnten. Lasset uns aber alle mit zusammen gesetzten gebet tag und nacht ihn um solche gnade anruffen/ und nicht nachlassen/ biß sich sein geist/ ein geist des friedens und der einivgkeit/ in so viel reicherer maß uͤber alle ergiesse: so dann auff die uns sehr nahe eorstehende verfolgungen und uͤber uns weil wir we- nig fruͤchten des Evangeliig bracht haben/ besorglich bestimmte schwehre gerichte mit glauben und gedult wapnen. 1696. 29. Jan. SECTIO XXXVI. Viele greiffen mich an um mein selbs und meiner freunde willen. Hertzliches gebet vor mich und des- sen frucht. E S haben mich desselben liebreiche zeilen/ die vor wenig tagen empfangen/ sonderlich der treue wunsch und versicherung dessen gebets/ von grund der seelen erfreuet. Wie mich denn nechst goͤttlicher gnade selbs nichts mehr billich freuen solle/ als Christlicher mit-bruͤder gebete/ und dero vertroͤstung. Es ist an dem/ das es GOtt gefallen hat von einiger zeit her mich vornehmlich zum ziel zusetzen/ auff den die meiste der jenigen/ welche in unsrer Evangelischen kirchen dem wachsthum der lebendigen erkaͤntnuͤß/ auch dero außuͤbung/ widrig seynd/ ihꝛe pfei- le abschiessen lassen: wie dann eine starcke anzahl der jenigen/ und zwar zum mei- sten theil benahmter Theologorum sich findet/ die sich vor etzlichen jahren mit of- fentlichen schꝛifften an mich gemacht/ und sich immer mehrere gleiches fort zusetzen zu zuruͤsten scheinen/ ob sie mich mit der maͤnge endlich unteꝛdrucken moͤchten. Nun haben zwar die meisten ihren absonderlichen haß gegen mich/ in dem sie mich uñ mei- ne schrifften darvor halten/ ihrem fleischlichen interesse allzuviel eintrag gethan zu haben. Jedoch muß ich in der that auch vor andre bꝛuͤder leiden/ dañ weil ich auch mehr- mal rechtschaffner und bekandter Christl. leute/ welche jene gern gantz auff einmal unterdrucken wolten/ nach meinem wenige vermoͤgen mich anzunehmẽ verbunden erachtet/ auffs wenigste mich nicht/ mit jenen gegen sie anzutreten/ entschliessen koͤn- nen ARTIC. III. SECTIO XXXVI. koͤnnen/ hingegen auch mehrere von diesen sich auff mich/ auch wol in terminis / welche jenen mehr verdruß gemacht/ beruffen haben/ so kommen die widrige immer mehr auff die gedancken/ ich muͤsste erst niedergelegt seyen/ ehe sie mit den uͤbrigen fertig werden koͤnten/ daher sie alle kraͤfften sonderlich gegen mich anwenden. Weñ denn in der that mein kampff so fern auch vor andre mit geschiehet/ insgesamt aber zum zweck nichts anders hat/ als der Goͤttlichen wahrheit rettung und mehrere of- fenbahrung/ so dann hemmung der jenigen gewalt/ damit einige die freiheit der kin- der GOttes allzusehr einschrencken/ und dieselbe widerum in dem geistlichen an der menschen autori taͤt binden wollen/ an welchen beyden der Goͤttlichen ehre gelegen ist/ so dancke der him̃lischen guͤte/ die bißher nicht allein so leibs als gemuͤths kraͤfften und eine sonderbahre freudigkeit zu aller solcher arbeit/ bey mir erhalten/ sondern auch an allen orten viele Christliche hertzen zu einer sondern liebe und vorbitte vor mich geruͤhret/ daß in dem ich meine haͤnde zur feder ausstrecken muß/ sie mit ihrer haͤnde auffheben mir manches erlangen/ dessen ich sonsten nicht wuͤrdig bin/ ja dar- durch den sieg mit erhalten helffen. Solche alle/ und unter ihnen auch geliebter bruder/ mit denen die ihres orts gleichgesinnet sind/ seyen gesegnet dem HERRN/ der dessen frucht/ was sie mir erbitten/ auch auff sie fallen lassen/ so dann nicht we- niger meinen seufftzen vor sie zu ihren besten krafft geben/ ja alle seine kinder zur ge- nausten gemeinschafft wie aller geistlicher guͤter also auch dieses gebets vereinigen wolle. Alfo fahren sie fort vor mich den HERREN anzuflehen/ am meisten/ daß er mir seinen willen zu erkennen geben/ und solchen zu vollbringen in mir wuͤrcken/ hingegen mich bewahren wolle/ daß ich in so heiliger sache kein fremdes feuer eini- ger fleischlichen affecten in das heiligthum bringe. Er regiere aber auch alle die- jenige/ vor welche ich so offt einigen kampff angehen muß/ daß sie auch zu allen zei- ten bey seiner wahr heit und in dem gleiß seiner ordnungen bleiben/ nicht aber durch einiges austreten/ wo sie jemahls eigenen duͤnckel folgeten/ die gute sache verderben/ dem laͤsterer das maul oͤffnen/ und was ich vor sie thue/ nicht allein fruchtloß ma- chen/ sondern auch dardurch mich selbs in vielen verdacht einflechten/ und dardurch vieles anderes gutes/ daß es wenig durch mich geschehen koͤnne/ hindern. Der- gleichen bißher einiger orten geschehen/ und eine starcke hindernuͤß des Wercks des HERRN worden ist. So uns alle zu so vielmehr vorsichtigkeit (weil ja aller anderer augen auff uns gerichtet zu seyen pflegen) und solche von GOTT zu erbit- ten/ antreiben solle. Jch zweiffle nicht/ geliebter bruder/ werde auch aller orten/ wo er etwas vermag/ dergleichen erinnerungen zu thun nicht ermanglen. Der liebste Vater aber habe stets geduld mit seiner kinder schwachheit/ die er wol ken- net/ und fuͤhre uns alle staͤts auff richtiger bahn durch seinen heiligen Geist. ꝛc. 1696. 15. Febr. E e e e e e 3 SECT . Das sechste Capitel. SECT . XXXVIII. A ls man mir in der sache des beichtwesens/ alles auff die spitze zusetzen/ zumuhtete. D Aß meine Herr Collegæ / die mit dem beichtstul umzugehen haben/ ihr amt treulich und fleißig (ich will auch sagen fleißiger als es geschicht) thun verlan- ge ich hertzlich/ und helffe gern dazu/ daß sie aber mit Herrn S. alles auff die spitze setzten/ wuͤnsche ich nicht/ sondern fordere/ nichts an sich unrechts zu thun/ aber ein und anders/ daß bey anderer umstaͤnden/ zu andern zeiten/ an andern orten/ so gut als noͤthig zu unterlassen/ oder noch zu verschieben/ wo eine gantze zuruͤttung der kirchen vor augen ist. Das creutzes haben wir nicht zu fliehen/ das uns betrifft/ wol aber das jenige leiden/ was mehr andere/ die geistliche huͤlffe beduͤrfftig sind/ als uns selbs troffen/ ja vielleicht uns in eine uns angenehme freiheit setzen wuͤrde/ nach aller muͤglichkeit zu meiden/ als lang es ohne suͤnde geschehen kan. Besser ists eine auch in vieler verwirꝛung stehende gemeinde als keine haben. Besser/ daß die rechte schaffe vor sich weide gnug behalten/ ob wohl die boͤcke zur ungebuͤhr mit essen/ als das jenen ihre weide entzogen oder geschmaͤhlert/ oder doch in dessen ge- fahr gesetzt wuͤrde. Wie also wir Herr S. darinnen tragen/ und deswegen ihm gern seine last als viel in unsern haͤnden stehet/ erleichtern/ so wird Herr S. hingegen uns auch tragen/ und unser gewissen frey lassen: auch bedencken/ daß in einer statt als Berlin/ so aus mehrern ministeriis / zugeschweigen anderen verfas- sungen/ bestehet/ viele es nicht angehe/ was sich auch an vielen orten practiciren lies- se. Der HERR gebe uns allen/ seinen willen mit gewißheit zu erkennen/ und leite uns selbs nach seinem rath. 28. Mart. 1696. SECTIO XXXIX. V on meinen zustand/ unsch n ld und veꝛlangen keine freunde meines leidens theilhafftig zu machen. D Essen schreiben hat mich inniglich erquickt/ daß auch den himmlischen Vater demuͤthigen danck zusagen habe/ der mich dadurch/ wie auch zu andern mah- len bißweilen geschiehet/ staͤrcken und auffrichten wollen; deswegen aber zu- gleich der liebe dessen/ welchen er dazu gebrauchet/ mich zu vielinniglicher liebe auch verbunden erkenne. Mein eusserlicher zustand ist zimlich bekant/ daß zwar auch vor dem um des verlangens willen an meinem wenigen ort etwas zu befoͤrderung des rechtschaffenen wesens in CHRJSTO JESU zu thun/ und andere nachdem maß meiner ga- ben ARTIC. III. SECTIO XXXIX. ben dazu auffzumuntern/ viele laͤsterungen uͤber mich ergangen sind solche aber nie- mahl den grad erreichet haben/ welchen zu erreichen ihnen bey nunmehr starck anse- tzenden alter (als der ich gegen das ende des 63sten jahrs stehe) der treue Vater von einiger zeit verhaͤnget hat: Also daß nunmehr von unterschiedlichen jahren das haupt einer neuen und schaͤdlichen secte / und der Patriarch der Pietisten/ welche als ein ausbung irriger und boͤser leute jederman zum haß vorgestellet werden/ auf oͤffentlichen cantzeln und in oͤffendlichen schrifften von so vielen auch in ansehen ste- henden maͤnnern erklaͤhret worden bin/ und daher mir die ursach alles aͤrgernuͤsses/ nnruhe und schadens der kirchen beygemessen/ damit aber viel einfaͤltiges volck zu einen haß und grimm wieder mich erfuͤllet wird. Welches alles dann noch immer im wachsen stehet/ und da es dem HERRN gefaͤllet weiter zu verhaͤngen/ ferner zunehmen wird. Nun habe ich mich uͤber solches leiden gegen GOTT nicht zu beschwehren/ als der ich das leiden an meinen guten nahmen/ welches so fern in die- ser sache unschuldig trage/ sonsten mehr als wol verdienet/ ja auch in der guten sa- che selbs mags in manchen an gnugsamer vorsichtigkeit/ so dann zuweilen an der treue/ gemanglet/ daher alles eine schaͤrffere ruthe erfordert haben: Vielmehr ha- be ich die guͤte des himmlischen Vaters zu preisen/ der das auch anderes verdiente leiden in solche art verwandelt/ von dero/ weil die haupt-ursach/ so fern es von mei- nen wiedersachern kommt/ die verthaͤidigung der wahrheit/ und also es an sich selbs mir mehr ehrlich ist/ ich desto reichern trost empfinde/ so dann uͤber die laͤsterungen/ verlaͤumdungen uñ was solcher art ist (die ich gegen andern orten nur noch vor kin- derleiden achte) meinen widersachern noch nichts gegen mich verhaͤnget hat/ als der meine schwachheit kennende mich zu haͤrtern proben der gedult noch nicht geschickt erkeñen muß: Welches lauter betrachtungen sind/ die mir alles leicht machensollen/ und in gewisser maß durch seine gnade annoch zimlich leicht bißher gemachet haben. Jndessen schlaͤgt mich zu weilen dieses doppelte nieder: Einstheils/ daß ich gleich- wol darinnen so ungluͤcklich seyen solle/ der stein des anstosses gesetzt zu seyen/ an wel- chen sich ihrer so viele/ und besorglich manche zu ihrem ziemlichen schaden/ stossen/ auch so viel aͤrgernuͤß aller orten aus dieser gelegenheit entstanden ist/ da mir billig offt einkommt ob nicht ein und anders auch vermieden und mit mehrer klugheit ab- gemendet werden sollen und koͤnnen: Anderntheils daß offt in die gedancken gera- the/ wenn dieses orts mich nicht ruͤhmen kan/ viele fruͤchten meines amts und solche leute/ die der HERR durch meinen dienst eigentlich zu sich gezogen haͤtte/ zeigen zu koͤnnen (welches sonsten eine stattliche auffmunterung giebet) daß ich gar moͤchte unfruchtbahr erfunden werden/ sonderlich nachdem meine feinde meine schrifften/ wenn mich noch von denselbigen einer frucht getroͤsten wolte/ jederman trachten verdaͤchtig zu machen/ und auch alle derselben frucht niederzuschlagen/ so sie auch besorglich bey vielen ausrichten. Wie ich aber der eine n anfechtung durch Goͤtt- liche gnade also begegne/ daß mich getroͤste/ der unruhe wahre ursach nicht zu seyen/ Das sechste Capitel. seyen/ als der ich nichts als die besserung der kirchen und offenbahrung der wahrheit zum zweck zu haben mir bewust bin/ daher meine sache an sich selbs gut ist/ hingegen mich wegen der in dem gantzen werck auch an mir bemerckten schwachheit und ge- brechen vor dem lieben Vater demuͤthige/ und mich seiner vergebung und gnade in kindlichen vertrauen versichere: Also staͤrcket mich dessen himmlische guͤte ge- gen die andere selbs/ wenn sie mir bald von diesem bald jenem ort zeugnuͤssen kom- men laͤsset/ daß sie den seegen meiner arbeit noch nicht entzogen habe/ sondern wo ich hie in gegenwart kaum einige frucht sehe/ dieselbe von andern orten hoͤren solle/ da- mit ich den muth nicht sincken lasse/ sondern in dem glaubigen vertrauen ferner ge- staͤrcket werde. Hieher ziehe ich auch meines werthen Herrn an mich abgegebenes/ daß mich der guͤtige Vater/ wie ers bißher durch mehrere andere auch geschehen hat lassen/ durch dessen exempel mehr aufrichten wolle/ wenn derselbe mich berichtet/ daß es GOTT gefallen/ meine wenige schrifften dahin zu segnen/ ihm eine hand- leitung zu werden/ sich von der welt mehr ab- und zu ihm mit gantzen hertzen zu wen- den/ auch hinwider ihn zu einem werckzeug zu gebrauchen/ andere zu suchung glei- chen weges anzufrischen. Wie nun nichts dessen lobes mir gebuͤhret/ als der in meinen schrifften nichts vor mein eigen/ als das noch untermischte menschliche und und mangelhaffte erkenne/ das uͤbrige aber lediglich GOttes gabe bleibet/ so preise mit ihm dessen ewige liebe/ der dessen seele so kraͤfftig geruͤhret und zu sich gezogen/ so dann mich armen auch durch dessen kundmachung auffs neue auffmuntern/ ferner mir damit eines guten freundes liebe zu wegen bringen wolle/ von dem versichert waͤre/ und mich dessen troͤsten koͤnte/ daß er auch hinkuͤnfftig nebenst andern meine person und amt dem Herrn vortragen werde; Dergleichen vorbitter und zwar mehrer ich so viel beduͤrfftiger bin/ als das jenige/ wozu mich der HERR gesetzt/ vor so viel andern mitbruͤdern mehrerer gefahr unterworffen ist. Wie nun solches kuͤnfftig ferner vor mich zu thun/ desto fleißiger bitte/ also versichere/ daß auch von der zeit des empfangenen brieffs an/ dessen gleichfalls vor dem HERRN zu geden- cken nicht saͤumig gewesen/ noch jenes forthin unterlassen will/ GOTT aber auch darum selbs anflehe/ daß er mir auch den dazu noͤthigen geist in gnaden verleihen wolle. Daß im uͤbrigen mein werther Herr wegen dessen/ daß er sich von der welt abgerissen/ und dem HERRN mit volligen hertzen zu dienen desto mehr fleiß anzuwenden angefangen/ von der welt starck angefochten wird/ erwecket zwar bey mir ein Christliches mitleiden/ so wol mit demselben selbs/ weil es gleichwol dem eusserlichen menschen keine freude ist/ fonderlich weil auch die nahrung dadurch ge- hemmet werden soll/ als auch gegen die welt/ die damit ihre schuld vermehret/ aber es befremdet mich nicht/ weil es das jenige ist/ was unlaͤngst vorgesagt worden/ ja auch dieses wundere mich nicht/ daß sich unter solchen an das gute sich mit wider- spruch machenden welt leuten auch maͤnner befinden/ die ein heiliges amt tragen: indem ARTIC. III. SECTIO XL. indem meistentheils zu allen zeiten aus unserm stand solche aufgestanden sind/ die sich aus unziemlicher unwissenheit/ oder auch boßheit/ der wahren befoͤrderung des relchs CHRJSTJ/ ob zwar aus scheinbahren vorwand eines heiligen eiffers vor die reine lehr/ widersetzet haben. Daher wir auch heut zu tage uns daran nicht aͤrgern muͤssen. Doch bitte freundlich/ auch in solcher sache Christliche klugheit/ die wir von dem HERRN erbitten wollen/ zu gebrauchen/ und ja sol- chen leuten mit aller sanfftmuth und gedult zu begegnen/ daher als viel das gewis- sen leiden kan/ ihnen lieber zu weichen/ als ohne tringende noth sich ihnen zu wider- setzen/ womit man insgemein nichts anders ausrichtet/ als nur dero bitterkeit ver- mehret. Daher ich sonderlich alle Christliche freunde bitte/ daß sie meiner person gegen die jenige/ die ihnen schaden koͤnnen/ sich nicht weiter annehmen/ als mit demje- nigen zeugnuͤß der wahrheit/ aus meinen schꝛifften durch Gottes gnade einiges gutes gefasst zu haben/ im uͤbrigen sich darauff zu beziehen/ daß sie mir meine sache zu mei- ner verantwortung uͤberliessen. Denn ob man sich meiner mit mehrer angelegen- heit gegen bittere feinde annehmen wolte/ thut man mir damit weh auch der sache selbs/ keinen vortheil/ sondern naͤchst dem/ das jene gemeiniglich desto mehr erzuͤr- net werden/ ziehet man ohne noth und frucht dero haß desto hefftiger auff sich/ so mir alsdenn desto mehr leid thut/ als weniger ich verlange/ daß andere meiner lei- den theilhafftig werden/ und ich dazu ursach geben solle. Wie wir zwar die truͤb- fahlen/ wo GOttes ehre dergleichen erfordert/ und wir ohne verleugnung derwar- heit ihnen nicht entgehen koͤnnen/ mit freudigem hertzen auffnehmen/ so lang sie aber noch ohne suͤnde vermeiden werden koͤnnen/ denselben mit aller sorgfalt zu entwei- chen trachten sollen. 1697. SECTIO XL . A ls J ohann P eter Spaͤth zum Judenthnm ab- gefallen. Letztes schreiben an ihn. Der barmhertzige Heiland und hirt CHRJSTUS JESUS wende noch einen blick auff seine arme seele/ oder vielmehr gebe dem so schreck- lich verirreten/ weiland seinem/ schaff in die wuͤsten nach/ biß daß ers finde/ und mit frenden auff seine schultern nehmend widerum zur uͤ ck bringe! Jndemselben vorweilen mit freuden/ jetzo aber mit wehmuͤthigen erbarmen geliebter Herr Spaͤth/ W Je schmertzlich sein erstmahl durch das geruͤcht nochmahl durch eigenes schreiben mir kund gewordener schrecklicher stuꝛtz mich betꝛuͤbet/ kan er leicht daraus abnehmen/ wann er bedencket/ daß ich seine seele geliebet/ und zwar noch jetzt/ als lang die gnadenthuͤr noch offen ist/ liebe aber mit desto mehrer emfind- F f f f f f lich- Das sechste Capitel. ligkeit ihn bereits in der gefahr sehe/ aus dero ihn kein menschlicher arm zu retten vermag/ sondern ein sonderbahres zeugnuͤß nicht allein der allmacht sondern auch fast un gemeinen barmhertzigkeit GOttes erfordert wird/ wo seiner rettung hoffnung uͤbrig seyen solte. Jndessen glaube noch nicht/ daß er die jenige suͤnde begangen/ davon es heisset/ daß solche leute unmuͤglich sol- ten zur busse erneuert werden koͤnnen. Denn ob er wol abgefallen/ und ihn selbs den sohn GOttes gecreutziget und fuͤr spott haͤlt/ glaube ich doch je aͤnger je weniger/ daß er einmahl recht erleuchtet gewesen/ geschmecket habe die himml. gabe/ u. theilhaftig worden seye des h. Geistes u. geschmecket habe das guͤtige wort GOttes und die kraͤffte der zukuͤnfftigen welt. Denn ob ich wol ein und ander gutes an ihm damahl zusehen gemeinet/ hab ich doch allzeit ein gemuͤth gefunden/ daß nie zu keiner festigkeit gekom̃en/ oder eine gewiß heit hatte/ daher ich sorgen muß/ daß noch einmahl die wahre erkaͤntnuͤß JESU CHRJSTJ/ von den er gleichwol so viel geruͤhmet/ und dessen zeugnuͤssen in vielen seinen schrifften ich auch noch bey mir habe/ in seine seele gekommen seye oder wurtzel gefasset habe. Versichere mich aber auch/ daß da er ruhe auff diesen abwege gesucht/ er auch dieselbe nicht lange behalten werde. Ob nun wol es scheinen moͤchte/ daß ich ihn jetzt auff seinen irrwe- gen suchen solte/ so will doch einstheils mein alter/ und auch jetziger zustand/ auch wehmuth uͤber seinen fall/ mir nicht zugeben mich mit ihm in weitlaͤuff- tige conferenz einzulassen/ anderntheils muß ich sorgen/ daß da er zuweilen anderer freunde zuspruch mehr bey sich gelten lassen/ hingegen der meinige weniger angeschlagen/ es wuͤrde auch dießmal/ was von mir kommt weniger eintruck finden. Daher da ihm noch gnade einer seligen wiederkehr widerfahren solle/ hoffe ich/ der HERR HERR werde andere zu dero werckzeugen an ihm verordnet haben. Jch werde seines nahmens/ so lang mir GOTT dieses leben laͤsset/ in wehmuth vor dessen thron gedencken/ ob ihm noch einige barmhertzigkeit um des zwahr von ihm verleugneten HERRN JESU willen erlangen koͤnte. Jm uͤbrigen bleibe von ihm ge- schieden; Daher auch das pacquet an mich uneroͤffnet wieder zuruͤck sende/ auch kein folgendes niemahl annehmen werde. Begehre aber von ihm/ wo er da vor haͤlt/ daß ich ihm jemahl einige liebe erzeiget/ keine andere danck- bahrkeit/ als diese/ so lange er in dem stande stehet/ meinen nahmen weder in munde noch in der feder zufuͤhren/ weil es in eigener macht nicht sie het ihn gar aus seiner gedaͤchtnuͤß auszuloͤschen. Nun der Vater der barmhettzig- keit erbarme sich unser aller/ denen er seine wahrheit zu erkennen gegeben/ in derselben fest zu stehen/ und seiner bald in wahrer buß zuruͤck zukehren: auffs wenigste/ solte diesem verlangen seine gerechtigkeit/ wider welche ich nichts vealangen darff/ entgegen stehen/ binde er ihm die haͤnde/ um niemand mit sich ARTIC. III. SECTIO XLI. sich zu verfuͤhren/ uñ damit dasschreckliche gericht/ welches leiderseiner war- tet/ noch zu vermehren. Mehr weiß in liebe nicht zuwuͤn schen/ dem der sich aller uͤbrigen wuͤnsche unfaͤhig gemacht. 4. Oct. 1697. SECTIO XLI . A n eine G raͤssin von den wahren ursachen der vielen widerwaͤrtigen gegen mich. Treibung der lehr der heiligung. Mehrere forderung an das predigamt. Hoff- nung besserer zeiten. Daß die unruhe nicht zeige/ daß unser kirche nicht die wahre seye. Gefahr. vom Papstum. W As die eigenliche und wahre ursachen seyen/ daß so viele gemuͤther theils von langer theils neulicher zeit in eine hefftigkeit gegen mich gerathen/ und sich daher feiudseliger weise an mich gemachet haben/ vorzustellen/ so sind derselben sonderlich zwo/ welche aus meiner lehrart her- kommen/ ich mich aber auch derselben vor GOTT und denselben/ welche diesen kennen/ nicht zuscheuen noch zuschaͤmen habe. Die erste bestehet darinn/ daß fast von der ersten zeit an meines predigamts in Franckfurth am Mayn den vornehmsten inhalt alles dessen/ wo es oͤffentlich und absonder- lich getrieben habe/ seyn lassen die articul von der rechtfertigung u. heiligung und solches auf diese weise/ daß wir zwar vor Gottes gericht gerecht und selig werden muͤssten aus blosser gnade GOTT es in CHRJSTO JESU ohne einiges verdienst oder absicht auff unsere wercke allein durch den glau- ben/ der die gerechtigkeit unsers Heilandes ergreifft/ und damit zu eigen be- kommt/ darvon wir auch nicht einen finger zu weichen haben: Aber auch mit dieser erinnerung daß kein ander wahrer und lebendiger glaube seye/ o- der seyen koͤnne/ als derjenige/ der durch die liebe thaͤtig ist/ und daher nach unsers theuren lehrers Lutheri worten uns zu gantz andere menschen mache von hertz/ muth und sinn/ und deswegen den h Geist mit sich bringe: Nicht zwar wiederum ob muͤssten solche fruͤchte des glaubens diesem erst seine ge- recht machende krafft geben/ denn er ist selbs derjenige/ der die gerechtigkeit seines Jesu ergreifft/ und gibt den wercken dz leben: sondern weil der glaube nicht eine muͤßige meuschliche einbildung sondernein Goͤttlich liecht des heili- gen Geistes in der seele ist/ welches unmuͤglich ohne krafft bleiben kan/ son- dern den gantzen menschen aͤndert. Daher ich stets treibe/ wo ein mensch auch bey der wahren religion lebet/ einen grossen eiffer daruͤber bezeiget demeus- F f f f f f 2 serli- Das sechste Capitel. serlichen GOttesdinst fleißig beywohnet und sich festiglich auff CHRJ- STUM und sein verdienst verlaͤsst/ aber dabey seinen alten menschen bey sich herrschen laͤsset/ und also von seinen wissentlichen vorsetzlichen suͤnden nicht lassen will/ sondern in denselben immer beharret/ so koͤnne ihn sein glau- be nicht seligmachen/ nicht deswegen/ als wenn die wercke dem glauben erst solzu reden helffen muͤssten/ sondern weil sein glaube sich verathet/ er sie nicht der wahre glaube/ vielmehr nur ein todter mund und heuchel-glaube der vor GOTT nichts gilt. Ob nun wol diese lehre nicht allein die offen- bahre Goͤttliche wahrheit/ sondern auch die eigentliche lehre unsrer Evan- gelischen kirchen und in unsern Symbolischen buͤchern (wie ich offt erwiesen) vortrefflich gegruͤndet ist/ so thut sie doch den leuten insgemein sehr wehe/ indew sie von ihnen fordert/ daß sie von innen und aussen gantz andere men- schen werden muͤssen/ und ihnen bey ihrem eingebildeten glauben die seelig- keit abspricht; Daher auch viele fleischlich gesinnte prediger dadurch zum haß gegen mich im̃er sind bewogen worden/ einstheils weil damit ihre kalte u. die wahrheit nicht kraͤfftig vorstellende lehr-art bestraffet wuͤrde/ andern- theils weil solche auch ihr eigen leben beschaͤmete; Daher man so offt die leute zu uͤberreden gesucht/ daß die meinige eine trostlose lehre waͤre/ und die menschen zur verzweiffelung treibe. Der andere punct ist/ weil ich von dem predigamt lehre/ es seye das- selbe zwar eine heilige einsetzung GOttes/ und wolle dieser in dessen dienst durch sein wort zur seligkeit der menschen kraͤfftig seye/ und zwar daß das wort und die sacramenten ihre krafft nicht von dem Prediger und dessen wuͤr- digkeit ne hmen/ sondern von GOTT haben/ aber daß GOTT von allen predigern ein nicht nureusserlich tugendhafftes sondern wahrhafftig Christ- liches und der welt absterbendes leben fordere/ abermahl nicht nur/ weil sonsten das boͤse leben die erbauung des worts niederschlaͤgt/ sondern weil ein gottloser prediger diejenige weißheit des heiligen Geistes nicht hat/ die ihn doch in allen stuͤcken das amt recht zu fuͤhren noͤthig waͤre die ermang- lung dessen aber ihn viel hindere. Daher komme ein grosses stuͤck des ver- derbens der kirchen her von den untuͤchtigen und untreuen predigern/ auch solte derselben um ihres amts willen/ wo sie boßhafft lebten/ nicht geschoh- net/ sondern sie nur desto haͤrter gestrafft werden. Ferner es solten die pre- diger ihre zuhoͤrer nicht auff sich und ihre person weisen/ noch sich einer herr- schafft uͤber ihr gewissen anmassen/ sondern alle auff GOTT/ CHRJ- STUM und das wort weisen/ daher allen fleiß anwenden/ daß sie nicht al- lein mit predigen sondern auch catechisi ren/ oͤffentlich und absonderlich/ das wort des HErrn ihren zuhoͤrern/ alten und jungen/ hekant machten/ und daruͤber keine arbeit scheuen. Ob ARTC. III. SECT. XLI. Ob nun wol abermahl dieses die wahre lehr unserer kirchen/ und der meisten kirchen ordnungen innhalt gemaͤß ist/ will doch dero treibung vielen/ denen es sonderlich gilt/ unertraͤglich fallen/ und geben mich deswegen vor einen feind des predig-amts auß/ der denselben nur weitere last ohne weite- re ergoͤtzung aufflege. Diese beyde ursachen/ gnaͤdige Graͤfin und Frau/ sind die jenige gewesen/ die bereits bey nahe dreyßig jahr mir vielen haß von pre- digern und andern leuten erwecket haben/ solcher sich auch/ als ich noch in Franckfurt lebte/ an manchen orten sehr geaͤussert hat. Als aber in Sach- sen die unruhe entstunde/ daß man Christliche/ eyfrige und unschuldige leu- te unter den nahmen der Pietisten anzugreiffen begunte/ vermehrte sich die anzahl der feinde so vielmehr. Denn weil deren nicht wenig waren/ die mir gedachter ursachen willen im hertzen feind waren/ aber doch sich nicht regten/ in dem sie davor hielten/ daß ich allein doch niemal nichts ausrichten wuͤrde/ so fiengen sie an sich erst zu fuͤrchten/ da sie bey Studiosis und auch hin und wieder bey predigern eine starcke bewegung gewahr wuden/ es moͤchten nun- mehr mit mehrern ernst/ so den auch wegen der zusammensetzung mit meh- rern nachdruck/ auff die ernstliche gottseligkeit getrieben/ darmit aber so wol ihr denselben nicht gemaͤsses leben/ als auch kalte schlaͤffrige lehr-art offent- lich zu schanden/ und an eine besserung der prediger auch von denen dadurch erweckten Regenten gedacht werden. Daher muste sich alles auffmachen/ dessen fleischliches interesse erfoderte/ daß die gottseligkeit nicht uͤberhand nehme. Hingegen konte das wiedersetzen auch mit keinen zimlichen schein geschehen/ als daß man die leute/ und sonderlich mich/ dem man die meiste ursach zuschriebe/ irriger lehr beschuldigte/ und sie unter solchem vorwand leicht unterdruckte. Daher kommen die vielen schrifften wieder mich/ denen ich aber/ so viel derselben solche muͤhe etlicher massen zu verlohnen schiehnen/ bißher gruͤndlich geantwortet habe. Zu diesen ist endlich noch eine dritte ursach gekommen/ darinnen ihrer viel den besten schein gegen mich gefunden zu haben davor gehalten/ weil ich nemlich die hoffnung bessrer zeiten (so zwar in der sache selbs bereits laͤngst in Franckfurt geschehen wie sie denn in mei- nen daselbs heraus gekommenen piis desideriis stecket) behauptet/ und leh- rete/ daß noch vor dem ende der welt das Roͤmische Babel und Papstum von grund aus gestuͤrtzet/ hingegen das Juͤdische volck durch goͤttliche gnade wie- derum bekehret/ darmit aber die erkaͤntnuͤß GOttes aller orten herrlich gemehret/ die Christliche kirche in einen viel herrlichern und heiligern stand gesetzet/ und in solchem die erfuͤllung aller uͤbrigen goͤttlichen verheissungen/ die in diese zeit gehoͤren/ erfolgen solle/ wohin ich auch die tausend-jahr der Offenbahrung Johannis ziehe. Gegen diese lehr/ die doch so stattlich in der schrifft gegruͤndet/ und auch nach meisten ihren stuͤcken nicht nur alte/ son- Ff f f f f 3 dern Das sechste Capitel. dern auch unsrer kirchen lehrer zu beypflichtern hat/ die ich auch mit derglei- chen bescheidenheit handle/ daß ich sie niemand als zu glauben noͤtig auffdrin- ge/ setzen sich der leute so viele/ sorglich aber vornehmlich der ursach wegen/ nicht so wol daß sie die materia selbs von solcher wichtigkeit achteten/ denn sonsten wuͤrde gleicher widerspruch damal als in Franckfurt schon davon ge- schrieben/ entstanden seyen/ sondern daß man an solchem ort mich dem man um der andern ursach willen feind ist/ am nachdruͤckligsten angreiffen zu koͤn- nen glaubet. Bey allen diesen unruhen aber troͤstet mich von meiner seiten/ und beru- higet mein gewissen/ einmal dz ich weis/ keinen einigen selbs jemal zu erst an- gegriffen zu haben/ sondern von andern allein angegriffen zu seyen/ so dañ/ dz ich mir der wahrheit meiner lehr u. auffrichtiger absicht dessen was ich gethan bewust bin/ hingegen meiner widrigen fleischliche absichten sich fast allent- halben offenbahren/ daher auff sie alle schuld der unruhe faͤllet. Jndessen betruͤbt mich dieses offt allein so fern/ von dem himmlischen Vater zu einem stein des anstosses gesetzt zu seyen/ daran sich ihrer viele ob wol aus eigner schuld stossen/ und damit so wol manche der unsrigen aͤrgern/ als auch den wiedrigen uns zu laͤstern mehr anlaß geben. Ob wol/ wo die sache recht er- wogen wird/ keine andere religionen gnugsame ursachen haben/ sich unsrer uneinigkeiten zu ihrem vortheil zu ruͤhmen: Jn dem wann es darauff kom- met/ eine jede vor ihrer eignen thuͤr gleichen unrath weg zu kehren hat. So gar in dem Papstuhm/ da man doch solche gewaltsame mittel der aͤusserli- chen einigkeit brauchet/ und mit tyranney uͤber die gewissen herrschet/ kan man doch nicht alle außbrechende uneinigkeit verhuͤten: wie dessen zeugen sind die Quietisten (deren feuer in Jtalien nicht/ wie man gedencken moͤchte/ gantz gedaͤmpffet/ sondern gleichsam unter der erden glumset/ u. zu seiner zeit wieder außbrechen mag) die Jansenisten/ die starcke denũciationes gegen die gantze Jesuitische socie taͤt des P. Valeriani Magni, neulich des Mons. Arnauld, insgesamt die widrigkeit gegen dieselbe der Patrũ Oratorii in Franckreich; der langen streitigkeiten der Dominicaner gegen die Franciscaner und Jesui- t en zu geschweigen. Also auch hats unter den Reformirten von alten u. noch bisher uneinigkeiten gegeben unter den Absolutisten u. hypotheticis, unter Coccejanis und Maresianis, auch Voetianis, unter den Episcopalibus und Presbyterianis, in Engelland. Ja auch die kleinere hauffen der Mennoni- sten und Quacker haben sich nicht vor uneinigkeit/ die so gar in trennung außgebrochen/ verwahren koͤnnen. Dieses sage ich nicht/ die schuld deren/ die bey uns solche unruhe stifften/ auff zu heben/ denn da uns GOTT seine wahrheit in mehrern mans hat erkennen lassen/ solten wir uns auch der einig- keit vor andere mehr ruͤhmen koͤnnen/ sondern allein zu zeigen/ daß sich schwa- che ARTI C. III. SECTIO LXII. che deswegen in und an unsrer gemeinde nicht zu stossen haben: weil es eine von allen menschlichen gesellschafften unabsonderliche unvollkommenheit ist/ daß da sie sich weit erbreiten/ mit der zeit uneinigkeiten sich darinnen erhe- ben; der HERR auch nach seiner weißheit/ gerechtigkeit und guͤte seine hei- lige ursachen hat/ dergleichen auch in seinem hause entstehen zulassen/ dar- mit aber unsern glauben/ ob er rechtschaffen seye/ und nicht an menschen/ son- dern allein an ihm und seinem wort/ hange/ pruͤfe: daran ihres heils begie- rige seelen desto hertzlicher allezeit zugedencken haben. Jch sorge aber/ es stehe unsrer armen Evangelischen kirchen eine noch haͤrtere probe vor/ dero wir nicht entgehen werden/ nemlich in wachsthum des Papstuhms/ das wir vor augen sehen. Wie ich zwaꝛ bereits vor langer zeit in Franckfurt geprediget/ gleiches auch in Dreßden und hier wiederholet habe/ daß ich mich versicherr halte/ weil Babel/ ehe sein schreckliches gericht kom̃t/ sprechen wird (Offenb. 18/ 7.) ich sitze und bin eine Koͤnigin/ und werde keine wittwe seyen/ und leid werde ich nicht sehen/ daß G D TT dem Roͤmischen Papstum noch zu lassen werde/ wo nicht alles/ doch das meiste/ dessen was sich seiner tyranney einmal entrissen/ wiederum unter sein joch zubringen/ mit solcher grausamkeit aber sein gericht ihm selbs uͤber den hals ziehen. Die- ses moͤchte uns je laͤnger je naͤher kommen/ und ist der abtritt des Chur- fuͤrsten von Sachsen (welcher auch mit dem exempel viel schaden thut) eine nicht geringe stuffe zu mehrerer emporsteigung solches dem Evangelio feind- seligen reiches. Daher wir uns auff solche pruͤffungen und truͤbsalen ja bey zeiten gefast zu machen/ und auff allerley weise vermittelst goͤttlicher gnade zu bereiten haben/ daß wañ nun die stunde der versuchung einbricht/ wir in glauben und gedult bestehen/ mit unsern leiden/ so viel der HErr uͤber jeg- lichen verhaͤngen will/ ihn preisen/ und in seiner krafft alles uͤberwinden moͤgen. Zu welchem ende ich neulich eines meiner tractaͤtchen Christliche auf- munterung zur bestaͤndigkeit/ sammt e i nem untericht von der wiederkehr der gefallenen/ zu Franckfurth nochmal habe drucken und an das licht geben lassen. Der HErr aber sehe selbst in gnaden drein/ befestige uns selbs in seiner krafft/ und zeichne die seinigen auffdie kuͤnfftige schwehre zeiten/ E- zech. 9/ 4. Lasse den feinden der wahrheit nicht mehrere macht/ als die offen- barung seiner gerechtigkeit und warheit erfordert/ endlich gebe er den seini- gen nach außgestandenem maaß des leidens den sieg/ und fuͤhre seine gerich- te uͤber seine feinde aus. 11. Nov. 97. SECTO . XLII. Klageuͤber die U niversitaͤt W ittenberg. Wir Das sechste Capitel. M Jr thuts wehe/ und ist ein betruͤbtes omen vor uns/ daß es mit solcher Universitaͤt/ da das liecht des Evangelii in vergangenem se- culo zu hellerem schein erstmals wieder auffgegangen/ aus goͤttli- chen gericht in den jenigen stand gerathen/ daß man nicht ohne wehmuth/ theils in mitleiden/ theils gerechten eyffer vor die wahrheit/ an dieselbige wegen ihrer Theologi schen Facult aͤt gedencken kan. So vielmehr weil an statt gehoffter besserung es schier immer aͤrger und unverschaͤmter werden will: welches in vorigen sommer Herr D. Neumanns Disp. de justificatione gnugsam angezeiget. Ach daß nunmehr die lehr von lebendigen glauben/ wie allein derselbige/ nicht aber der todte/ gerecht mache/ als ein schwehrer irr- thum will angegeben und verworffen werden/ an dem jenigen ort/ wo vor- weilen unser theurer Lutherus so hertzlich gegen die falsche einbildung des glaubens geeyffert/ und die sicherheit/ die auff diese sich gruͤndet/ aͤrger ge- halten hat/ als alle irrthum/ die vor der zeit in dem Papstuhm im schwang gewesen sind: wie er unter andern T. 7. Alt. f. 11. a deutlich redet/ und seine meinung außdrucket. Daher ich den zustand der Studiosorum Theologiæ in Wittenberg hertzlich bedaure/ die entweder als der wahrheit noch uner- fahren zu deroselben laͤsterung und hingegen in irrthum gefuͤhret/ oder da sie bessern grund gefast auffs wenigste irre gemacht/ oder doch weiter nicht zuzu- nehmen verhindert werden. 6. Oct. 1699. SECT. XLIII. M eine art zuverfahren. H itzige anschlaͤge und beginnen nicht die beste. Wie man sich jetziger zeit zuver- halten. Regierung neuer secte der Pietisten. Daß den wi- dersachern nicht mehr antworten wolle. Mittelstras- se der Symbolischen buͤcher. Churfuͤrstl. decisum wegen der Reichs-freyheit ob geaͤn- dert. E S ist mir angenehm ge wesen/ wenn mein Hochgeehrter Herr befin- det/ daß die in meinen geringen schrifften angefuͤhrte wahrheiten nach heutigen zustand des Christenthums sich ad vitam practicam besser und nachdruͤcklicher appliciren lassen/ als einige sonsten scheinbare speculationes academicæ. Jn welchem sinn versichere/ daß man durch die erfahrung immer mehr bekraͤfftiget werde werden. Was zwar die Theo- retica und gleubens punct en anlanget/ ist darinnen die wahrheit allezeit ei- ner ARTIC . III . XLIII. nerley/ und aͤndert sich dieselbe weder durch zeit noch ort/ ohne daß zu dersel- ben deutlicher vorstellung und erklaͤhrung eine zeit vor der andern mehr ge- legenheit giebet. Also auch die regulæ practicæ von unsern pflichten ins- gemein und in thesi sind allezeit einerley: und weil sie sowol als die glau- bens-lehren aus der goͤttlichen offenbahrung in der schrifft allein zu erken- nen sind/ stehen sie niemal unter unserm gutachten/ noch lassen sich jemal von uns selbsten nach befinden beugen. Wo es aber in hypothesi darauff ankommet/ wie zu dieser zeit oder an jenem ort das werck des HERRN am nuͤtzlichsten zutreiben/ wie die lehre zufuͤhren/ und die pflichten am besten zu werck zurichten seyen/ da bedarffs Christliches nachsinnens/ pruͤffens und gebets/ daß man goͤttlichen willen erkenne/ und demselben allemal in ihm gefaͤlliger klugheit folge. Da bekenne nun/ daß immer in den gedancken ge- standen/ auch in denselben stets mehr durch erfahrung bekraͤfftigt werde/ daß die generosiora consilia und hitzige beginnen/ wo man in meinung grade durch zugehen/ und eins zu wagen/ vielmehr durch die hindernuͤssen mit ge- walt durch reisen will/ als sie mit guter manier und allgemach abzuweisen sich unterstehet/ mir nicht gefallen/ noch ich mich denselbigen conformiren koͤnnen; wie wol ich dardurch bey vielen/ auch guten seelen offt keinen danck verdienet/ sondern dieselbe es meinen naturel, alter und furchtsamkeit zu- geschrieben. Ob ich nun wol/ daß niemal darinnen gefehlet haben solte/ zu behaupten nicht getraue/ gereuet mich doch insgemein diese meine bißherige art nicht/ vielmehr dancke meinem GOtt/ der mich also gefuͤhret; hingegen habe offt mit betruͤbnuͤß erfahren/ wie manches gutes/ das sich noch stifften oder er- halten haͤtte lassen/ durch allzueyffrige außbruͤche auch gutmeinender leute gantz verdorben/ auch seits mir manches/ damit sonsten durch zukommen vermocht/ gehindert worden. Also ist der jenige medicus eben nicht der beste/ der grad zufaͤhret/ und einen an einer alten eingewurtzelten kranckheit ligenden patienten mit denen in dem uͤbrigen appropriatest en und kraͤfftig- sten specificis angreifft/ ja es kan geschehen/ daß er ihn eben damit toͤdtet. Kluͤglicher aber handelt der jenige/ der den ursprung der kranckheit/ wodurch sie unterhalten und vermehret werde/ was dero gefaͤhrlichste symptomata seyen/ und dergleichen/ bedaͤchtlich untersucht/ und als denn allen seinen fleiß dnhin anwendet/ den symptomatibus nur erst zu wehren, daß sie nicht uͤberhand nehmen und den todt bringen/ nechst dem die ursachen allgemach abzuwenden und den leib zu bereiten. Da meinet zwar der patient, und etwa auch andere/ der medicus gehe zu schlaͤffrig/ er solte die kranckheit staͤr- cker angreiffen: aber wer den methodum verstehet/ wird seine klugheit lo- ben und er selbs wartet seiner zeit/ der kranckheit nach gnugsamer vorberei- G g g g g g tung Das sechste Capitel. tung immer naͤher zu treten. So muͤssen wir offt auch mit dem allgemeinen kranckheiten umgehen/ wollen wir etwas auszurichten hoffnung haben. Al- so laͤsset sichs in derokirchen uñ sonderlich dero itzigen bewandnuͤß/ nicht ver- fahren/ wie in einer republica Platonis, oder auch nur wie in der ersten kir- chen. Daher sind nicht allezeit die jenige besserungs mittel die beste/ die der gleichen lob sonsten an sich verdienten/ sondern die diesesmal sich am besten und mit nutzen practisiren lassen. So giebets hindernuͤssen und steine/ die wir eine weil auf eine seite nicht weltzen koͤnnen/ sondern annoch ligen lassen muͤssen/ aber daher neben wege umher suchen muͤssen/ daß wir doch dahin kommen wo wir sollen. Da bleiben meine regeln 1. et- was wahrhafftig boͤses darff ich nimmermehr aus einigen vorwand thun. 2. Das gute/ so bloßdahin nothwendig/ darff auch nicht unterlassen werden. 3. Was aber die dinge anlangt/ die an sich zwar gut und nuͤtzlich/ nicht aber bloß nothwendig sind/ haben wir nicht wo wir mehr boͤses darauß zu sorgen/ eine weile zu unterlassen/ oder auff besser gelegenheit zu verschieben: oder nicht eben auff die sonst beste art/ sondern wie man itzo am bestem und un- gehindertsten durchdringen kan/ zu bewerckstelligen. 4. Die hindernuͤssen/ die uͤber alle unsere kraͤfften in dem gegenwaͤrtigen gehen/ und wir solches nach Gottseliger uͤberlegung und mit gebet angestellter pruͤffung finden/ ha- ben wir nicht mit gewalt vergeblich anzugreiffen/ sondern dahin zu trachten/ daß wir deroselben mehrern schaden allgemach abwenden. 5. Ob wir das boͤse noch nicht bey seit raͤumen koͤnnen/ ist GOtt schon davor zu dancken/ wo es nur erst in engere schrancken gebracht/ und allgemach præparatoria gema- chet werden/ daß man denselben immer naͤher kommen/ und es kraͤfftiger an- greiffen koͤnne. An diese regeln halte mich/ und achte sie nicht ohne nutzen/ auch bin versichert/ daß auff diesem langsamen weg mit der zeit unvermerckt mehr außgerichtet werde/ als wo man stets gern zu fahren will/ und aber damitoffte nicht nur im gegenwaͤrtigen nichts außrichtet/ sondern auch auffs kuͤnfftige alles verderbet. Der HErr aber gebe uns allen selbs die weißheit/ die auß ihm ist/ und weise uns seinen willen: auch lasse er uns nicht durch eigene weißheit/ da sie der seinigen entgegen/ betrogen werden. Daß mein Hochg. Hr. nunmehr aus gelegenheit des Consistorii die wahr- heit/ der von Christlichen maͤnnern bißher gefuͤhrter wehmuͤtiger klagen im- mer mehr erfahre/ glaube ich wol/ und weiß es auß gleicher erfahrung. Es ist freylich leider dahin kommen/ daß ich dem verderben zu wehren alle menschl. consilia viel zu schwach erkenne/ und alleine auff den HERRN meine au- gen wegen besserung wenden muß: aber sehr sorge: diese werde schwerlich anders geschehen/ als durch die niederschmeissung des gantzen hauses/ daß sich nicht flicken laͤsset/ daß ers neue auffuͤhre. So gehoͤret das schreckliche aͤrgernuͤß/ daß die Wittenbergische und zum theil Leipzigische Theologi mit ih- ARTIC. III. SECT. XLIII ihren adhærenten durch erregung einer neuen secte der Pietisten in unsrer kirchen gestifftet haben/ so wol unter die schwehrste gerichte GOttes/ dar- mit er seinen zorn weiset/ als auch unter die listigste strategemata des teuf- fels/ in dem nicht nur in dem gegenwaͤrtigen so viel gutes dadurch gestoͤhret/ sondern auch noch andern zuvor aus lauter rigel vorgeschoben worden sind/ wie ich in meiner historia des Pietismi und auch anders wo wehmuͤtig gekla- get habe. Daß es nun auch bey ihnen also hergehe/ habe auch noch vor dessen brieff von dem Hrn. NN. gehoͤret; Wenn aber auch solches nicht geschehen/ haͤtte es bereits daraus gewiß zuhalten gehabt/ weil der teuffel an allen or- ten eines sinnes ist/ und daher an allen orten/ so viel ihm GOtt macht laͤsset/ einerley treibet/ mit wenigerm unterschied des successes. Das harte scri- ptum des Predigers habe mit wehmuth gesehen: war aber in der hoffnung gestanden/ daß seither autoritate Principis und Consistorii die sache beyge- legt/ und abgethan seyen werde: wie es denn zu geschehen billig gewesen/ uñ noch waͤre. Daß die Wittenberger/ und welche durch sie angestifftet wer- den (unter welchen sich M. Buͤcher in Dantzig am eyffrichsten bezeugt und am aͤrgsten wuͤthet) nicht auffhoͤren in lectionen, disputationen und oͤffent- lichen schrifften mich anzugreiffen/ ligt am tage. Jch habe aber bereits vo- riges jahr mich oͤffentlich erklaͤhret keinen mehr zu antworten. Dann 1. ihrer sind viele/ suchen mich mit der zahl zu unter drucken/ ja mit der arbeit mich uͤber vermoͤgen zubeladen: so ihnen nicht angehen solle: hingegen mir nicht verdacht werden kan/ daß mich ihnen entziehe/ und theils ihre schrifften auch nicht zusehen bemuͤhet bin. 2. Vor meine unschuld und der sachen ge- rechtigkeit habe bißher bereits so viel geschrieben/ als bey rechtschaffenen leuten gnug ist/ was aber eingenommene und unverstaͤndige leute anlangt/ denen geschihert nie gnug/ ob ich alle meß neue apologien heraus gebe. 3. Es kommet nichts vor/ das nicht schon von mir insgemein examiniret waͤre/ o- der aus meinen andern schrifften leicht beantwortet werden koͤnte. Daher ist nicht noͤthig mehr davon zu schreiben/ in demes beiderseits fast nur auff lauter wiederholungen und endlich gezaͤnck außlauffen wuͤrde. 4. Jch ha- be meine thesin durch alle articuln, die vorkommen koͤnnen/ in so vielen chrif- ten und also so offt wiederholet/ daß ein der wahrheit liebhaber ohne mich meine unschuld gnug sehen kan; Daher 5. achte ich meine zeit/ die sehr kurtz uͤbrig seyen mag/ da ich bereit in den 65. jahr stehe/ zu edel darzu/ als vollens in streit schrifften zu consumirem, sondern will sie lieber zu bessern und wuͤrdigern sachen anwenden. Welche meine ursachen von Christlich ge- siñete leute gebilliget zuwerden nicht zweiffle. Daß sich hingegen einige wie- drig gesinnten auff mich beruffen/ ist mir leid/ aber befremdet mich nicht: ich habe mich aber offt erklaͤhret/ daß sich keiner weiter auff mich beziehen G g g g g g 2 koͤn- Das sechste Capitel. koͤnne: als er klahr meine wort/ zu denen ich nicht auff hoͤre mich zu beken- nen/ vor augen legen kan. Was sonderlich die Symbolische buͤcher anlangt/ habe ich meine meinung darvon gegen Herr D. Meyern und die Witteber- genses so offt und so deutlich erklaͤhret/ daß ich mich nicht deutlicher zuer- klaͤhren wuͤste. So bleibe allezeit auff der richtigen mittel strasse: daß ich eineß theils weder mit Herr D. Hannekenio ihnen eine ϑεοπνευστίαν zu le- gen lasse/ noch ihre hoͤchste nothwendigkeit/ als wann die kirche ohne diesel- bẽ/ nicht haͤtte stehen koͤnnen/ zugebe/ noch die verbindungen dieselbe auff alle apices ziehe/ sondern auff die glaubens-lehren selbs einschrencke/ noch die je- nige/ die unsre Gvangelische lehr behaupten/ aber sich zu dem Symbolischen buͤchern zu verbmden scrupel haben/ vor irrlehrer halte/ oder aus der bruͤ- derschafft außsch liesse: daß ich aber auch andern theils der jenigen thun nicht billige/ die sie und die verbindung daran verwerffen/ und sie aus der kirchen ausgeschafft haben wollen; da sie doch in richtigen verstand/ und bey der recht verstandenen verbindung/ auffs wenigste zu dieser zeit/ ihren guten nutzen haben/ hingegen dero abschaffung der kirchen itzo grossen schaden thun wuͤrde. Wie dann unter dem nicht einfuͤhren und abschaffen gar ein grosser unterschied ist. Jch komme endlich auff die letzt an gehengte frage/ ob die Churf. wegen des beicht-wesens gemachte verordnung wiederum geaͤndert seye? Darauff aber mit wenigem zu antworten habe/ daß solches im ge- ringsten nicht geschehen seye/ sondern bißher von der zeit des decisi an nicht allein alhier in der Nicolai kirchen in Berlin (dahin sich zwahr die meiste/ die sich der freyheit gebrauchen/ ziehen/ sondern auch in der Peters-kirchen zu Coͤln (da Herr Luͤtke Propst ist) immer die jenige/ die es verlanget haben/ und sonsten nichts widriges an ihnen gefunden/ auff ihr anmelden zur com- munion gelassen worden sind/ und noch gelassen werden. Nur ist die anzahl der jenigen/ die sich der freyheit gebrauchen/ nicht so groß/ als sie erstlich war/ die sie begehrten: in dem viele von diesen/ da sie den haß der blinden eyfferer wider die jenige/ so sich der freyheit gebrauchen gesehen/ lieber sich derselben begeben und zur beicht gehen/ als sich mit demselben beloden wol- len lassen. Jndessen wer dieses nicht achtet/ und ursachen zu haben meinet ohne beicht zu communiciren, geniesset dessen/ worzu das Churf. decisum die Prediger verbunden hat. So mangelts auch nicht an solchen/ die zu- weilen beichten/ zu weilen nicht beichten/ je nach dem sie jedesmal eines oder anders ihnendienlicher achten. Der HERR aber/ der alleine die bruͤche heilen kan/ vereinige selbs die hierdurch solchem streit etlicher massen zerruͤt- tete gemuͤther/ daß sie einander besser verstehen und fragen letnen: und richte alles in seiner kirchen/ hier und an allen orten zu seiner ehre und reichster er- bauung. 17. Jan. 1699. SECT. ART. III. SECT. XLIV. SECTIO XLIV. D aß meine lehꝛ/ sondeꝛlich von haltung G oͤttlicher gebot/ mit Lutheri lehr voͤllig uͤbereinstimme. A Uff freundlicher commmunication des mir geschehenen vorwurffs/ daß ich mit der Lutherischen lehr nicht voͤllig uͤbereinstimme/ dienet zur nachricht/ daß mir damit zuviel geschehe. 1. Kan man bey unserer Evangelischen kirchenlehr bleiben ob man auch in diesen und jenen von Lutheri ein und andern saͤtzen abweichen solte. Jndem wir ihn zwar vor einen theuren lehrer achten/ aber es heisst zu weilen/ in hoc Magister non tenetur. Und sind wir nicht in unsrer kirchen an Lutheri schrifften/ sondern nechst der schrifft an die Symbolische buͤcher verbunden. 2. Jch glaube und lehre/ daß man Goͤttliche gebot in unterschiedlichen verstand halten koͤnne/ und nicht halten koͤnne. Man kan sie nicht halten nach dem rigore legis / und also in ihrer schaͤrffe/ vollkommenlich/ und der massen daß man daraus vor Gott gerecht werden koͤnte. Man kan und muß sie halten nach der moderatione Evangelica / wie Gott mit dem zwar unvoll- kommenen aber auffrichtigen und nach dem maß der mitgetheilten gnade ge- leisteten gehorsam um Christi willen gedult tragen/ und sich denselben gefal- len lassen will/ nicht daraus gerecht zu werden/ als welches den glauben zu- kommt/ sondern dem himmlischen Vater die fruͤchten seiner gnaden und der dauckbahrkeit zu bringen. 3. Diese haltung der gebote GOttes lehret die Apologie der Augspur- gischen Confession und also unsere kirche so wol/ als sie die vollkommene hal- tung dem menschen in diesem leben wegen des noch anklebenden fleisches ab- spricht. Daher ich/ wenn ich dieselbe behaupte/ so wenig einen finger breit von unserer gemeinen kirchenlehr abweiche/ daß ich dessen vielmehr beschul- diget werden koͤnte/ wo ich alle moͤgligkeit einiger weise die gebot zuhalten widersprechen wolte. 4. Unsers lieben Lutheri erinnerung und lehr hiervon ist auch keine andere gewesen: wie ich solches mit mehrern stellen aus ihm er wiesen habe in der glaubigen gerechtigkeit wider D. Brewing c. 4. §. 31. pag. 349. Also schreibet gedachter unser lehrer T. 6. Alt. f. 1278. b. Moͤcht nun einer sagen/ soll man denn nicht die 10. gebot halten? Wann man sie aber haͤlt/ ist man dann nicht fromm und gerecht? Dar auff antworte ich/ daß wir die 10. ge- bot halten wollen doch mit dem unterscheid und Evangelischen dispensa- tion/ weil wir allein des geistes erstling empfangen haben/ und das seufftzen des geistes in unsern hertzen bleibet. Jtem weil auch noch unser fleisch mit Ggg ggg 3 allen Das sechste Capitel. allen boͤsen begierden und suͤndigen zuneigungen (welches ist der gantze baum samt den fruͤchten) auch noch in uns bleibet/ so koͤnnen aus diesen ursachen die 10. gebot nicht vollkommenlich vollbracht und gehalten wer- den. Dann wann wir die 10. gebot gantz erfuͤllen und halten koͤnten/ was duͤrfften wir der gerechtigkeit/ welche David hie durch das wort gnaͤdig be- gehret und bittet/ das ist/ was waͤre es von noͤthen zu bitten/ daß er unsre missethat nicht solle zu rechnen. Weil aber auch in den heiligen noch s uͤ nde uͤbrig ist/ und die suͤndliche natur sich noch starck reget/ und nicht gar getoͤ- tet ist/ so widerfaͤhret uns leides: Erstlich daß wir durch den Geist/ so in uns wohnet/ den s uͤ nden widerstreben/ und nach den 10 gebothen thun und leben: Darnach wann wir gleich von unserm fleisch und satan zu zeiten uͤ- bereilet in suͤnden fallen/ daß wir gleichwol vergebung der suͤnden hoffen. Und bald darauff: Darum ist unser gantzes leben biß in den todt nichts an- ders denn lauter barmhertzigkeit GOttes gegen uns. Doch halten gleich- wol die Christen die 10. gebote/ wiewol unvollkoͤmmlich/ um der suͤnde willen/ so in uns wohnet. Nochmahl schreibet er Tom. 6. Alt. f. 866. a. So erfuͤllt nun ein Christ das gesetz innerlich durch den glauben imputative, auswendig durch die wercke und vergebung der suͤnden. 5. Was den angefuͤhrten ort anlangt aus Tom. 1. Wittenb. f. 273. da die wort stehen sollen: præcepta servari non posse, imo nec hominem ad ea ser- vanda obligari, kan ich/ weil ich die Lateini sche Tomos Witenbergenses nicht zur hand bekommen koͤnnen/ nicht so eigenlich darauff antworten/ ich will a- ber/ als des mannes schrifften und schreibart zimlich kundig/ versichern/ daß wo man den gantzen context nach sehen/ kein anderer verstand seyen wird/ als wie ich auch lehre. Nehmlich 1. das Göttliche gebote nach dem rigore le- gis und in ihrer vollkommenheit von uns nicht gehalten/ und wir also dar- aus die seligkeit nicht herhaben koͤnnen; ja eben daher bedoͤrffen wir Chri- sti und seiner zugerechneten gerechtigkeit/ weil wir sie nicht vollkommen zu halten vermoͤgen. Jn dessen bleibet 2. dennoch wahr/ daß sie von einen glau- bigen gehalten werden koͤnnen auff zwar unvollkommene/ gleichwohl solche art/ daß der himmlische Vater solchen gehorsam von seinen kindern gnaͤdig annimmet. 3. Also ist auch beides wahr/ einerseits/ der mensch ist stets ver- bunden Goͤttliche gebot zu halten/ so wol als ferne er noch unter dem gesetz und ausser Christo/ also daß ihm wegen des nicht haltens stets noch mit der verdamnuͤß gerechter weise gedrohet wird/ als auch da er durch den glauben in Christo und von des gesetzes gewalt erloͤset ist; Dann ob GOtt wol aus gnaden ihm seine maͤngel vergiebet/ so bleibet doch die verbindlichkeit an den gehorsam unverruͤckt: anderseits aber ist auch wahr/ der mensch (nehmlich der numehr in Christo Jesu durch den glaubẽ ist) ist nicht verbundẽ die Goͤtt- liche ARTIC. III. SECT. XXVI. liche gebot vollkommen alsozu halten/ daß er aus solcher haltung gerecht und selig werden muͤsste/ sondern weil er nicht mehr unter dem gesetz sondern unter der gnade ist Rom. 6. so hat er eine andere art gerecht und se- lig zu werden/ nehmlich durch die gerechtigkeit JEsu CHristi durch den glauben ergrieffen: Dahero die verbindlichkeit zu der haltung nicht mehr auff den zweck der gerechtigkeit gehet/ sondern andern grund hat. 6. Wo dieses recht erwogen wird/ zeiget sich/ daß Lutherus die wahre aꝛt der muͤglichkeit und unmuͤgligkeit zu halten/ beyde recht gelehret/ wie auch wie fern ein glaͤubiger an das gesetz verbunden und nicht veꝛbunden/ oder von demselben erloͤset seye/ mit welchem ich allerdings uͤbereinstimme. Der GOtt der wahrheit lasse diese wahrheitauch den jenigen kund werden/ die sie noch nicht erkennen/ um CHristi willen. Amen. SECTO XXVI. Nochmal an M. Johann Christoph Holtzhausen uͤber seine declaration / die er mir gesandt. Uberlassung an GOTT und sein gewissen. Ob Jacob Boͤhme et- was revociret. Ob ein mittler weg des urtheils vor ihm zu finden. D Aß das vorhaben weiter vor der zeit eclatti ret/ und dadurch gelegenheit zu mehrer aͤngst- licher verunruhigung gegeben worden/ ist mir leid; ich habe auch die sache nicht nach Ham- burg geschrieben/ sondern muß eine andere feder gewesen seyen: jedoch hoffe ich/ wie auch sol- ches nicht ohne GOTT geschehen/ er werde es darzu gefuͤget haben/ damit geliebter bruder den entschluß mit so viel reifferer uͤberlegung fasse/ und sich niemahl nichts wiederum gereuen lassen duͤrffe. Die uͤbersandte declaration habe etliche mahl durchlesen: es kommet mir aber nicht zu/ etwas darinnen zu aͤndern indem sie aus desselben eigenen hertzen herausgehen/ und fremdes ur- theil darinnen nichts aͤndern solle. Daher weil derselbe wegen Jacob Boͤhmens noch solche præcautionen zu gebrauchen sich in dem gewissen getrieben findet/ so habe auch darinnen nichts z uaͤndern/ sondern ist endlich dieses genug/ das urtheil nicht selbs zu nehmen/ sondern es GOtt un d der kirchen zulassen. Sonsten wo es beliebig/ waͤre ich erboͤthig/ eines nur bekanten Christ- lichen predigers geschriebene beantwortung der an gedachten stellen gefundener oder gemach- ter scrupel/ welche sie alle ohne zwang zu retten und mit der heiligen schrifft zu concilii ren trach- tet/ zu uͤbersenden: ob sie aber besser zum zweck treffe/ als des Joh. Matthaͤi/ weiß ich nicht/ als der ich dessen buch nicht gelesen habe/ dieses geschriebene aber habe durchlauffen/ und hat mich gedeucht/ daß es eine ziemliche satisfaction gebe einen andern verstand in denen beschuldigten worten zu finden/ als die beschuldigung gelautet: jedoch habe nicht genugsamen fleiß angewen- det/ als der mit fleiß mich in solche sache nicht einlassen mag. Es wurde mir aber zugestellet/ geliebtem bruder zu schicken oder auch drucken zulassen; wie n un zu den letztern mich nicht resolvi ren konte/ so haͤtte jenes gethan/ wann dessen schwehre kranck- heit nicht so bald darzwischen kommen waͤre/ da ich mir bedencken gemacht einen schwachen zu beunruhigen. Wie im uͤbrigen von ihrem ministerio und den guten freunden aus Hamburg uͤber diese declaration werde gesprochen/ und sie approbi ret/ verworffen oder geaͤndert werden/ muß ich erwarten. Mir ist in solchen faͤllen genug/ wie allezeit bezeuget habe/ meinen rath vor GOttes angesichte aus meinen hertzen zu geben/ darauff ich als dann den andern billich selbs wehlen lasse/ was ihm sein gewissen/ uͤber welches bey keinen menschen die herrschafft nehme/ an die hand giebet. Also habe ich geliebten brudes angst und starcken trieb zu einer declaration vor eine gewisse wuͤrckung des guͤtigsten Vaters gehalten/ wie auch noch halte/ demselben zu folgen gerathen/ art und weise/ wie ichs vors beste hielte/ gezeiget/ und seiter den HERRR HErrn Das sechste Capitel. HERRN um die regierung des gantzen wercks taͤglich angeruffen: nunmehr uͤberlasse ichs dessen eigenen gewissen/ aber mit dem gebet zu GOTT/ ohne welches ich nichts ferner zu thun vermag/ ferner anhaltende. Der so solchen nahmen mit recht bißher allzeit getragen/ wolle noch immer alles gut machen/ wie er gewi ß lich thun wird/ und ich solches billich seiner guͤte glau- big zutraue. Wo nun der schluß in dessen seele dahinaus fallen/ wuͤrde diese declaration zu publi- ci ren/ und des drucks wegen an ihrem ort difficul taͤt gemacht werden moͤchte/ erbiethe ich mich/ auf erhaltenen winck die edition / und solche ohne einen heller unkosten/ zu verschaffen. Was im uͤ- brigen die gemelte revocation der auroræ anlangt/ habe ich die sache nicht so eingenommen/ als meinte man/ daß er Jacob Boͤhm die genante auroram solte revocirt haben/ sondern nur/ daß er bekenne/ daß er einige mahl eine sache unrecht angesehen/ und also gefehlet/ auch Mosi schuld gegeben habe/ nachmahl aber seye ihm klahr worden/ daß die schuld nicht Mosis sondern sein ge- wesenseye. Daher ich den locum allein zu diesen doppelten zweck brauchte/ einmahl wo er in der aurora solte Mosis autori taͤt (wi e mich deucht allegirt gesehen zu haben) in zweiffel gezogen habe/ daß seine bekaͤntnuͤß da waͤre/ wie er Mosen nicht recht verstanden haͤtte/ so auff alle stellen sich schickte/ da er gedachter mass e n Mosen etwas beschuldiget haͤtte; nochmahl/ daß man daraus se- he/ wie sich Boͤhme selbs nicht unfehlbahr gehalten habe: und also diejenige fꝛeilich zu wei t giengen/ welche ihn absolute vor einen Θεόπνενστον u. welcher alles aus GOttes Geist geschrieben haͤtte/ halten wolten. Da in dessen dieses doch bleiben koͤnte/ daß er einstheils ein frommer Christ gewesen waͤre/ und die eigenliche glaubens sachen in dem liecht des h geistes/ wie jede kin- der GOttes/ aus dem worte gefasset haͤtte/ andern theils aber von GOTT manchmal eines son- derbahren liechts aus seinem Geist gewuͤrdiget worden waͤre/ die natuͤrliche dinge und wercke Gottes tieffer einzusehen/ als andere gepflegt. Wie mir einmal ein ort aus der aurora gezeigt wor- den/ da er seine gabe setzen solle/ nicht erst di e lehre Christi oder von unserer seligkeit zu offen- bahren/ sondern die philosophiam und also wie ichs fasse/ die pnevmaticam und physicam: wie dorten 2. Mos 31/ 3. u. f Bezaliel u. Ahaliab mit weißheit u. allerley kunst- arbeit von dem heiligen Geist erfuͤllet worden sind. Da moͤchte es wol seyen/ daß er im goͤttlichen liecht viele wahrhei- ten eingesehen/ u. derselben manche auch zu stattlichem liecht deren die ihn verstehen beschrieben haͤtte/ in andern moͤchte er auch gefehlet/ und nicht alles gnugsam erkant/ oder sich zu erklaͤhren nicht vermocht haben/ wie er dann auch sonderlich daruͤber etliche mahl klagen solle/ daß es ihm daran mangle. Daraus folget zwar nicht/ daß er nicht etwas unmittelbahres und ungemeines von dem heiligen Geist gehabt/ sondern nur allein/ daß ihn der heilige Geist nicht unmittelbahr in seinen schreiben regieret haͤtte/ wie die Propheten und Apostel/ nach dem seine schrifften von GOtt nicht zur richtschnur des glaubens bestimmet gewesen waren. Darmit blieben seine schriff- ten aller Christlicher hertzen pruͤffungen noch unterworffen/ und nehmen diese nichts anders dar- aus an/ als was sie entweder auch in der schrifft gegruͤndet finden/ oder da es sachen sind/ davon die schrifft keine meldung thut/ aber auch nicht dagegen ist/ so viel sie von solchen bey sich in ihren hertzen wahr zu seyen aus dero betrachtung finden/ und uͤberzeuget werden; nicht zwar als stuͤ- cke ihres seligmachenden glaubens/ der allein auff der schrifft beruhet/ sondern der gabe des erkantnuͤsses/ die Gott so wol als andere nach seinen wohlgefallen unterschiedlich austheilet. Auff diese mittler art doͤrffen wir vielleicht am sichersten bleiben/ weder Boͤhmen zu einen mitgrund des glaubens zu machen/ und ihm eine voͤllige unfehlbahrkeit zu zuschreiben/ noch anderseits ihm sei- ne vielleicht ungemeine gaben/ weil sie der Apostolischen noch nicht gleich waͤren/ allerdings abzu- sprechen/ und zuverdammen. Jch kan aber insgesamt/ wie ich offtmahl bezeuget in der gantzen sache nichts gewisses setzen/ sondern allein meine unmaßgebliche gedancken guten freunden ver- traulich vorstellen/ die sie selbst zu pruͤffen haben. Der HErr selbs mache uns in allen gewiß/ oder ob wir zu solchen maß des liechts noch nicht kommen sollen/ bewahre er uns nur/ daß wir aus ungewißheit uns nicht versuͤndigen. Derselbige reinige/ befestige und versichere auch in allen stuͤcken absonderlich geliebten bruder/ so wol seine uͤber ihn waltende gnade zu erkennen/ als etwa bald widerum nach seinen rath das heilige amt mit mehrer gewißheit zufuͤhren/ u. in allen stuͤcken nichts zuthun als was der HErr in ihm wircket. 9. Jul. 1662. ENDE .