Geschichten Besessener neuerer Zeit . Beobachtungen aus dem Gebiete kakodaͤmonisch-magnetischer Erscheinungen von Justinus Kerner; nebst Reflexionen von C. A. Eschenmayer über Besessenseyn und Zauber . Karlsruhe, 1834 . G. Braun . Vorwort . A uch die nachstehenden Beobachtungen gehoͤren in das Gebiet magnetischer Erscheinungen, aber in das Gebiet kakodaͤmonisch-magnetischer, es sind die Gegensaͤtze von denjenigen dämonisch-magnetischen Erscheinungen (das Wort daͤmonisch hier im guten Sinne gebraucht) wie die Geschichte der Seherin von Prevorst , die Ge- schichte zweier Somnambuͤlen S. Geschichte zweier Somnambülen, nebst andern Denkwürdig- keiten aus dem Gebiete der magischen Heilkunde und Psychologie, von J. Kerner. Carlsruhe, bey G. Braun. und andere, sie auf- weisen. In allen Geschichten Daͤmonisch-magnetischer (oder wenn man so sagen will, Gut-magnetischer) tritt kon- stant die Uebernatur im Menschen hervor, alle sprechen von einer Verbindung mit guten Geistern, von Seli- gen, die sie zu Fuͤhrern haben; aber in den hier zur Sprache gebrachten kakodaͤmonisch-magnetischen Zustaͤn- den (dem andern Pole) tritt die Unnatur im Menschen hervor, Spott gegen alles Heilige, kakodaͤmonisches Be- sessenseyn. Es steht als feste Wahrheit: daß die menschliche Natur nur als Mittelglied zwischen eine Uebernatur und Unnatur gestellt und in magnetischen Zustaͤnden wie in den diesen analogen des Sterbens und des Todes, ih- ren Mittelpunkt verlassend, in jene andere Naturen Blicke zu thun oder sich mit ihnen zu verbinden, faͤ- hig ist, was sie, in dem, allerdings fuͤr sie fuͤr dieses Leben als Norm bestimmten, Zustande der Isolirung und des glaͤsernen Wachens, nicht zu thun vermag. Mittheiler dieses zeigte schon in der Geschichte der Seherin von Prevorst , daß er nicht auf der Seite der- jenigen stehe, die in solchen Erscheinungen einzig nur Ner- venspiel, Monomanie und fixe Idee sehen und hat seinen Glauben und seine Gruͤnde dafuͤr auch in jener Geschichte, wie noch in andern Blättern, zur Genuͤge ausgesprochen. Wie wir schon im gemeinen Menschenleben nach einem verlorenen Paradiese die Unnatur haͤufiger als die Uebernatur hervortreten sehen, so kommen auch diese kakodaͤmonisch-magnetischen Erscheinungen, und nament- lich das Besessenseyn, viel haͤufiger vor, als wir glau- ben und ich koͤnnte von ihnen Reihen auffallender Bey- spiele anfuͤhren. Sie werden meistens nur mißkannt und mit Krankheiten verwechselt, die ihnen in einigen aͤuße- ren Symptomen gleichen. Besser als die im Aeußeren lebende neue Zeit diese Zustaͤnde versteht, verstand sie das mehr im Inneren lebende Alterthum. Wie dieses sie beschrieb, sind sie noch und eben so haͤufig vorhanden und nur wie dieses sie heilte, sind sie noch und auf keinem andern Wege zu heilen. Es waͤre zu wuͤnschen, daß diese Zustände immer mehr wiedererkannt und auf dem alten Wege zu heilen wieder verstanden wuͤrden. Die hier folgenden Beobachtungen aus diesem Ge- biete (in welches besonders der zweyte Fall gehört) sind mit aller Treue gegeben, ob sie gleich Dinge enthal- ten, die den Geistreichen und Gebildeten abermals ein Entsetzen seyn werden; aber es sind Erscheinungen, die sehr an die Besitzungen erinnern, die das neue Testa- ment uns uͤberlieferte, und die, sollten sie auch im stren- gen Sinne unter jene nicht völlig zu zaͤhlen seyn, doch wohl aͤhnlicher Rubrik beyzugesellen sind. In den am Ende beygefuͤgten Reflexionen heißt es uͤber sie: „Dem Skepticismus lassen sie freylich genug Spielraum uͤbrig, was unvermeidlich ist, da die Natur oder vielmehr Unnatur des Gegenstandes in Hinsicht auf Grund und Ursache mysterioͤser Art ist und bleiben muß. Ohne Zweifel waͤre es auch dem Menschen nicht gut, wenn es zur Evidenz käme, weil jeder darin frey bleiben soll, sich seinen Glauben und seine Lehre dar- aus zu nehmen, wie ihm beliebt. Indessen sind es rein beobachtete Phaͤnomene, die schon ihrer Seltenheit we- gen (ich moͤchte abermals bemerken, daß nicht ihr Vor- kommen, sondern ihr Erkennen, selten ist) verdienen aufgezeichnet zu werden.“ Uebrigens gibt der Mittheiler dieser Beobachtungen hier nur die blosen Thatsachen und einige geschichtliche Winke uͤber Besessenseyn, keine Theorieen. Bereichert aber hat bey dieser Gelegenheit sein Freund Eschen- mayer die christliche Philosophie durch Reflexionen uͤber Besitzung und Zauber, die diesen Beobachtungen ange- haͤngt und ein schoͤner Gewinn sind, den sie herbey- fuͤhrten. Besitzung und Zauber sind allerdings schon laͤngst ver- waiste Probleme, die aus dem großen Cyklus der Wis- senschaften ausgestoßen waren, ohne daß ihre Raͤthsel geloͤst sind. Der Natur und dem Himmel geschieht taͤg- lich ihr Recht, die Unnatur will auch das ihrige ha- ben: denn sie gehoͤrt zur gleichen Proportion. In die- sen Reflexionen sind hiezu Versuche gemacht. Möchte nicht nur der geneigte , sondern auch der ungeneigte Leser, wenigstens unsere gute Absicht und treuen Glauben nicht mißkennen! Weinsberg, im August 1834. Justinus Kerner. Inhalt . Seite Vorrede 1 Einige Vorbemerkungen über Besessenseyn, besonders in geschicht- licher Hinsicht 1 Geschichte des Mädchens von Orlach 20 Nachträglicher Bericht über das Mädchen von Orlach , von Gerber 59 Geschichte der besessenen U. 73 Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1829 101 Geschichte zweyer Besessenen vom Jahr 1714 104 Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1766 113 Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1559 118 Einige Reflexionen über Besitzung und Zauber zu den vorstehen- den Geschichten, von Eschenmayer 120 Einige Vorbemerkungen über Besessenseyn, besonders in geschichtlicher Hinsicht. N icht blos im neuen Testamente (aber allerdings in diesem vorzüglich), sondern auch in Schriften noch früherer Zeit, finden wir die Lehre vom Besessenseyn und das Vor- kommen desselben, nicht unähnlich dämonischen Erscheinungen, wie sie noch bis auf den heutigen Tag sich zeigen. Auch das neue Testament spricht von diesen Erscheinungen nicht wie von einer neuen Sache, sondern wie von einer ganz bekannten. Aeschylus, Sophokles, Euripides führen Besessene, ganz verschieden von Wahnsinnigen und Epileptisten, auf, und wir finden sie bey Hyppokrates, Lucian, Plutarch, Appo- lonius u. s. w. In Philostratus Leben des Appolonius ( L. III. C. 38) wird von einem jungen Manne erzählt, der zwey Jahre lang besessen (dämonisch) gewesen. Es heißt dort: „Der Dämon sprach von sich selbst; er sagte auch: daß er ein Mann sey, der im Kriege gefallen .“ Die Griechen machten auch immer einen Unterschied zwischen solchen, die durch eine natürliche Krankheit in Wahnsinn verfielen, und zwischen dämonischen, von bösen Geistern Besessenen. Sie leiteten das Delirium in einem Fieber nicht von Dämonen her, eben so wenig das Delirium der Säufer. Im Herodot wird vom Kleomen gesagt: „daß sein Un- verstand vom Trinken und nicht von einem Dämon her- komme“, und so betrachteten sie auch sonst nicht alle Ver- Kerner , über Besessenseyn. 1 rückte als Besessene (obgleich im Ausdruck besessen seyn zu- gleich der Begriff des Wahnsinns liegt); denn sie erkannten den Unterschied gar wohl. Lucian sagt, indem er vom Besessenseyn spricht: „Allen ist Syrus aus Palästina bekannt, welcher die Kunst ver- steht, Leute, welche gegen den Mond zu Boden fielen, die Augen dabey verdrehten und den Mund voll Schaum be- kamen, aufzurichten und zu heilen. Wenn er zu den von der Krankheit Befallenen hintritt und fragt: woher sie in den Körper gekommen seyen? so spricht der Kranke selbst nicht , der Dämon aber antwortet in griechischer oder fremder Sprache, je nach dem er selbst aus einer Gegend ist , wie und woher er in den Menschen gekommen sey; Syrus aber treibt dann den Dämon durch Beschwö- rungen, oder wenn diese nicht wirken, durch Drohungen aus.“ Die Juden sagten wohl von jedem Kranken, daß er von einem bösen Geiste gequält werde, aber sie sagten nicht von einem Jeden, der krank war, daß er von einem Dämon besessen sey. Des Besessenseyns wurde von ihnen nur da erwähnt, wo es charakteristisch auch nur wirklich da war. Das neue Testament, welches von dem Wunder der Aus- treibung mit besonderem Nachdruck spricht, öfter und nach- drücklicher, als von all den andern Wundern, gab uns auch ein so klares Bild von diesem Besessenseyn, daß wir jetzt nach den vielen Jahrhunderten durch die in der neuesten Zeit beobachteten Dämonischen wieder lebhaft an dasselbe erinnert werden; mag auch problematisch bleiben, ob diese Fälle streng genommen zu jenen Besitzungen in älterer Bedeu- tung gehören. Christus und seine Apostel trugen die wirkliche Lehre von Besitzungen vor und behaupteten sie, und wäre es eine irrige Lehre, so hätten die inspirirten Lehrer des Evangeliums nothwendig von einem Irrthume frey seyn müssen, der sich unglücklicherweise der Religion beymischte, die sie auszu- breiten suchten, und sie hätten also den Irrthum vielmehr berichtigen müssen, als daß sie das Volk wissentlich in dem- selben bestätigten. Das neue Testament spricht: 1) von dem Dämonischen in der Synagoge zu Kapernaum Marc. I, 23. Luc. IV, 33. 2) von dem Gadarenischen Dämonischen Matth. VIII, 28. Marc. V, 1. Luc. VIII, 26. 3) von dem Dämonischen Matth. IX, 32. Luc. XI, 14. 4) von dem Dämonischen Matth. XII, 22. 5) von der kananitischen Tochter Matth. XV, 21. 6) von dem Dämonischen Matth. XVII, 14. Marc. IX, 17. Luc. IX, 38. Nach Luc. VIII, 2. trieb Christus aus der Marie Mag- dalene sieben Dämonen aus. Von diesem aber und andern Fällen haben wir eine blos allgemeine Nachricht. Ich bitte den geneigten Leser, all diese Fälle in dem hei- ligen Buche genau nachzulesen: denn ich will nur zwey derselben hier ausziehen. S. Evangelium Marci Cap. IX. V. 17. „Und Einer aus dem Volke gab zur Antwort und sprach: Lehrer! ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, der einen stummen Geist hat. (Im Ev. Matthäi C. 17. V. 15 sagt dieser Vater zu Jesus: „Herr! erbarme dich über meinen Sohn, denn er ist mondsüchtig.“) Und wo dieser ihn ergreift, reißt er ihn hin und her, so daß er schäumt, mit den Zähnen knirscht und ganz abzehrt. Ich habe deine Jünger gebeten, ihn wegzuschaffen, sie konnten es aber nicht. Da gab er ihnen zur Antwort und sprach: O du ungläubiges Geschlecht! wie lange soll ich bey euch seyn? wie lange noch Geduld mit euch haben? bringet ihn her zu mir! Sie brachten ihn zu ihm. Und alsbald, da ihn der Geist sah, riß er ihn und fiel auf die Erde und wälzte sich und schäumte. Und Jesus fragte seinen Vater: wie lange ist es, daß ihm dieses widerfahren ist? Er sprach: von Kindheit auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und Wasser geworfen, daß er ihn umbrächte. Wenn du es vermagst, so erbarme dich unser 1 * und hilf uns. Jesus aber sprach zu ihm: wenn du könntest glauben; alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet. Und alsbald schrie des Kindes Vater mit Thränen und sprach: ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Schwachglau- ben! Da nun Jesus sah, daß das Volk zulief, bedrohete er den unsaubern Geist und sprach zu ihm: Du sprach- loser und tauber Geist , ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest und kehrest hinfort nicht mehr in ihn zurück ! Hierauf schrie er, verzerrte sich schrecklich und fuhr aus. Der Knabe aber war wie todt, daß auch Viele sagten, er ist todt. Jesus aber ergriff ihn bey der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. Und da Jesus nach Hause kam, fragten ihn seine Jünger allein: warum konnten denn wir ihn nicht austreiben? Er antwortete ihnen: diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten und Fasten.“ — S. Marci C. V, 1—17. Matth. C. VIII, 28—34. Luc. C. VIII, 26. „Sie kamen nun jenseits des Meeres in die Gegend der Gergesener. Da er aus dem Schiffe stieg, kam ihm gleich ein Mann mit einem unreinen Geiste aus den Grabhöhlen entgegen, welcher in den Grabhöhlen seine Wohnung hatte. Nicht einmal mit Ketten konnte man ihn bändigen. Ob- gleich er schon oft mit Fußeisen gebunden worden, so hatte er doch die Ketten zerrissen und die Fußeisen zerrieben, und Keiner vermochte ihn zu bändigen. Immerfort Tag und Nacht war er in den Grabhöhlen und auf den Bergen, schrie und schlug sich selbst mit Steinen. Als er aber Jesum von ferne sah, lief er zu, betete ihn an und rief mit lauter Stimme: Jesus, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten! was haben wir mit dir zu schaffen? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist? (denn er hatte zu ihm gesprochen: geh’ von dem Manne, du unsauberer Geist!) Er fragte ihn: wie heißt du? Er antwortete ihm: „ich heiße Legion, denn unserer sind Viele.“ Dabey bat er ihn sehr, ihn nicht aus der Gegend zu vertreiben. Es weidete da am Berge eine große Menge Schweine. Und die unsaubern Geister baten ihn und sprachen: Schicke uns in die Schweine, damit wir in dieselben hineinfahren! Jesus erlaubte es ihnen gleich. Da gingen die unreinen Geister aus und in die Schweine hinein, und mit Ungestüm stürzte die Heerde, die sich auf zwey- tausend belief, von der Anhöhe in das Meer und ersoffen im Meer. Und die Schweinhirten entflohen und verkün- digten das in der Stadt und auf dem Lande; und sie gingen hinaus und sahen, was sich ereignet hatte. Und sie kamen zu Jesus und sahen den, der von den unsaubern Geistern besessen war, daß er saß und war bekleidet und vernünftig, und sie fürchteten sich. Und die, die es mit angesehen hatten, erzählten ihnen, wie es mit dem Besessenen ergangen und von den Schweinen. Und sie fingen an und baten ihn, daß er aus ihrer Gegend zöge. Und da er in das Schiff trat, bat ihn der Besessene, er möchte ihn bey sich lassen. Aber Jesus ließ es nicht zu und sprach zu ihm: Gehe hin in dein Haus und zu den Deinen, und verkündige ihnen, wie große Wohlthat dir der Herr gethan und sich deiner erbarmet hat. Und er ging hin und fing an, in den zehen Städten aus- zurufen, wie große Wohlthat ihm Jesus erzeigt, und Je- dermann verwunderte sich.“ — Josephus, ein naher Zeitgenosse von den Aposteln, und der mit ihnen in einer Sprache schrieb, überlieferte uns auch Mehreres von den Dämonischen. Er stellt die Dä- monen als in die Dämonischen hineingehend vor und sagt, daß die Wurzel Baaras sie austreibe. Er erzählt ( Flav. Josephus Antiquit. Lib. 8. Cap. 2. 5.): „Ich habe selbst einen von meinen Landsleuten gesehen, mit Namen Eleazar , der vor Vespasian, seinen Söhnen, Hauptleuten und übrigen Soldaten von Dämonen besessene Leute aus deren Macht befreyte. Die Befreyung geschah auf folgende Art: Er hielt dem Besessenen einen Ring vor die Nase, in dessen Kästlein eine von den Wurzeln einge- schlossen war, die Salomo bekannt gemacht hatte (vorher erzählte Josephus, daß besonders Salomo Formeln und Vorschriften, derley übernatürliche Erscheinungen zu heben, hinterlassen habe), und zog, wann er daran roch, den bösen Geist durch die Naslöcher heraus; alsdann fiel der Mensch zu Boden, und jener beschwor den Geist, daß er nicht wie- derkommen solle, gedachte dabey Salomonis und sagte die von ihm aufgesetzten Beschwörungen (Formeln, die noch bis auf den heutigen Tag auch unter unserem Volke zu gleichem Zwecke gebraucht werden) her. Ferner wollte Eleazar den Umstehenden seine Kunst bewähren und klärlich beweisen, daß sie Kraft habe, setzte deßwegen ein Trinkgeschirr oder Fußbecken voll Wasser hin und gebot dem Dämon, er solle von dem Menschen ausfahren und zum Kennzeichen, daß solches geschehen, das Gefäß mit dem Wasser umstoßen.“ — Dieser Eleazar mag aber vielleicht auch, wie viele seines Gleichen zu seiner Zeit, nur momentane Hülfe durch seine Beschwörungskunst geleistet haben. Wenn auch die Heilung der Dämonischen durch solche Beschwörer erfolgte, die neben ihren Beschwörungsformeln und Wurzeln auch Räucherungen und andere natürliche Mittel anwandten, so war es nur oft ein Werk von kurzer Dauer, der Dämon zeigte sich bald wieder. Bey den Austreibungen Jesus war es nur sein Wort, sein Befehl, der mehr bewirkte ohne Gebrauch na- türlicher Mittel, und dadurch war auch das Erstaunen der Umstehenden bey den durch ihn bewerkstelligten Aus- treibungen so groß. Das Austreiben selbst, wie das Besessen- seyn, war ihnen nichts Neues. Die Erscheinung des Be- sessenseyns und das Austreiben dauerte auch nach Jesus bis auf die heutige Stunde fort, aber letzteres allerdings nicht mit gleichem Erfolge, und es war in der ersten christlichen Kirche der Exorcismus besonders sehr häufig. Mit keinem Gegenstande sind die Schriften der christlichen Väter so be- kannt, als mit diesem, keiner Sache rühmen sie sich mehr, als der Macht des geringsten Christen, die Dämonen aus dem Leibe der Christen zu bannen. In der Kirchengeschichte kommen weit mehr Nachrichten von Besitzungen vor, als in andern Annalen; in vielen andern kirchlichen Schrift- stellern finden wir sie, nicht als eine seltene ungewohnte Sache, sondern als einen bekannten und gewöhnlichen Vorfall. Justin , der Kirchenvater, ( Apol. II. ) spricht von „Men- schen, welche von den Seelen Verstorbener in Besitz genommen und zu Boden geworfen werden, welche Jeder- mann von Dämonen besessen nenne.“ Wir sehen diesen Glauben auch durch viele Beobachtungen und Beyspiele in den verschiedenen Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag bewährt. Exorcistische Schriften des vorigen Jahrhunderts geben die Zeichen, durch die Besessenseyn von einer Krank- heit zu unterscheiden ist, sehr richtig an, wenn sie z. E. sagen: „Der Exorcist soll nicht leicht glauben, es sey Einer von einem Dämon besessen, er habe denn vorher die be- stimmten Kennzeichen, die einen Besessenen von einem an schwarzer Galle oder anderer Krankheit Leidenden unter- scheiden. Die sichersten Kennzeichen sind diese: wenn der Mensch in einer ihm vorher unbekannt gewesenen Sprache spricht, ihm Verborgenes, oder was von ihm entfernt ge- schieht, offenbar wird, wenn er bey frommen Reden zu- sammenschreckt, in Unruhe oder gar in Wuth verfällt, wenn er Gottes Wort verwünscht oder verabscheut, beym Hören desselben Schmerzen empfindet und Theile seines Leibes sich dabey ungewöhnlich aufblähen, wenn er nicht in die Kirche gehen will und, wenn er hineingezwungen wird, es ihn sogleich wieder hinaustreibt, wenn er beym Anblick des Bildes des Gekreuzigten in Wuth geräth, oder es nicht ansehen kann, es anspuckt, wenn er fromme Redensarten, z. E. „Gott erbarme dich meiner“, „am Anfang war das Wort“ u. dgl., nicht nachsprechen kann, oder wenn er sie auch nachspricht, dieselben zu verstümmeln oder zu verdrehen sich bestrebt, gegen sie einen wahren Ekel zeigt, wenn er, wenn man das Leiden Jesu, die Evangelien u. dgl. über ihn liest, unerträgliche Beängstigung fühlt, oder man Schweiß- tropfen auf ihm stehen sieht, er brüllt, sich niederwirft u. s. w., wenn er Kräfte zeigt, die über seine sonstige Natur sind, wenn kein natürliches Mittel, keine gewöhnliche Arzney bey ihm anschlägt S. Manuale selectiss. benedict. per C. Fritz. MDCCXXXVII. u. Thesaurus à Gelasio di Cilia. 1756. . Sauvages sagt: „Mehrere Kennzeichen eines wahren Besessenseyns, durch die dasselbe von einem solchen zu er- kennen ist, hat uns Hoffmann überliefert. Erstens: nicht allein erschrecklicher Ton der Stimme, bewunderungswür- dige und ungewohnte Bewegungen des Körpers, sondern zweytens auch wunderbare Convulsionen, die sich plötzlich und ohne vorangegangene Krankheit einstellen; drittens: Gotteslästerungen, Verdrehung des göttlichen Wortes, ob- scöne Reden; viertens: Wissen verborgener Dinge und be- sonders zukünftiger; fünftens: Wissen fremder Sprachen; sechstens: Erbrechen von sonderbaren Dingen, wie z. E. Haare, Kieselsteine u. s. w., die mit ungeheurer Auftrei- bung des Bauches aus dem Munde geworfen werden.“ — Ich führe diese Stellen besonders auch deßwegen an, um zu zeigen, daß man zu dieser Zeit das Besessenseyn wohl von anderer natürlicher Krankheit zu unterscheiden wußte, und es durch geistliche Mittel, nicht durch leibliche, heilte. Dieses Besessenseyn, wie es auch jetzt noch, mehr als man denkt, vorkommt, ist auch von einer durch natürliche körperliche Ursachen entstandenen Epilepsie und Manie gar wohl zu unterscheiden, und ist durchaus etwas ganz Anderes, als diese. Bey Besessenen sehen wir allerdings auch, wie bey Epi- leptischen, convulsivische Bewegungen des Körpers, Nieder- fallen, Schlegeln u. s. w. Bey der Epilepsie bemächtigt sich aber nicht ein ganz fremder, in all seinem Sprechen und Thun durchaus anderer teuflischer Geist, des Individuums, nimmt den Sitz seiner Seele ein und besorgt ihre verschie- denen Verrichtungen ganz im Sinne der Hölle, bis dieser Dämon gleichsam von dem Schutzgeiste des Individuums nie- dergedrückt, eine Zeit lang wieder gebunden wird, jedoch immer bald wieder über ihn obsiegt und durch keine leibliche Arzney (man gab solchen Personen die halbe materia me- dica schon oft umsonst ein), sondern einzig durch das geistige Wort und vor Allem durch den Namen Jesu ganz und für immer aus dem Geplagten weicht. Das ist keine Epilepsie und das ist auch kein Wahnsinn!! Einen Wahnsinnigen kann man Jahre lang im Namen Jesu be- schwören, und so auch einen Epileptischen, sie genesen da- durch gerade nicht. Es gibt aber allerdings sehr viele Be- sessene, in denen der Dämon, sich listig versteckend, sich, wenigstens oft nicht gleich anfänglich, durch Rede kund gibt, und die dann leichter mit wirklichen Epileptischen verwechselt werden, und es scheinen das die Besessenen zu seyn, von denen es im neuen Testamente heißt: sie seyen von einem stummen Geiste besessen. Nicht daß in solchen Fällen der Besessene stumm war, sondern der Geist, der Dämon, nicht aus ihnen sprach. So sagte auch Jesus: „Du sprachloser und tauber Geist!“ nicht, du sprachloser und tauber Be- sessener! Durch magische Einwirkung, hauptsächlich aber durch das Wort und die Besprechung im Namen Jesu, kann aber auch bey diesen der Dämon zum Sprechen genöthigt werden, er spricht dann aus ihnen als der sie Besitzende mit teuflischer Rede, und so erkennt man denn auch die Besessenen von dieser Form nicht als gewöhnliche Epilep- tische, sondern als Besessene Man sehe auch hier unten die Geschichte zweyer Besessener vom Jahre 1814. . Eben so wenig sind aber auch die Besessenen Wahnsinnige. Es geschah schon von der Unwissenheit oder dem Unverstande, daß Magnetische auch geradezu Wahnsinnige genannt wur- den, und nur mit gleichem Unrechte könnten allerdings auch Besessene in diese Cathegorie gezählt werden; denn wie bey den gewöhnlichen Magnetischen ein Zustand der Begeiste- rung (Besitzung) von einem guten Geiste, ein dämonisch- magnetischer Zustand (wenn man das Wort dämonisch im guten Sinne als Schutzgeist gebraucht) Statt findet, so findet bey den Besessenen ein Zustand der Begeisterung (Besitzung) von einem boͤsen Geiste, ein kakodämonisch-magnetischer Zu- stand Statt, aber so wenig Magnetische mit Wahnsinnigen zu verwechseln sind, so wenig sind es die Besessenen. Was nun hauptsächlich auch die Besessenen im neuen Testamente anbe- langt, die der Verstand der Gelehrten auch schon längst für Wahnsinnige, wie den Glauben an die Wunder für Wahnsinn, erklärte, so kann ich hier keinen bessern Gewährsmann als v. Meyer reden lassen. Dieser spricht hierüber in seinen „Bibeldeutungen“ also: „So gewiß im Ausdruck Besessen- seyn zugleich der Begriff des Wahnsinns liegt, so wenig können die Besessenen der Schrift bloße Wahnsinnige seyn, so lange wir der Bibel als Gottes Wort glauben. Man sehe Marc. Cap. III. V. 11. „Und wenn ihn die unsaubern Geister sahen, fielen sie nieder, schrieen und sprachen: „Du bist Gottes Sohn.“ Was wußte ein bloßer Verrückter von Gottes Sohn? während sonst Niemand davon wußte? Oder wie kann die Schrift das Urtheil von Wahnwitzigen zur Verherr- lichung Jesu aufzeichnen? Ja, es heißt im 12ten Vers: „Jesus bedräuete sie hart, daß sie ihn nicht offenbar machten.“ Wo bleibt hier die Ehrfurcht vor dem Verstande Jesu, wenn es bloße Unsinnige waren? — Marc. I, 34 heißt es: „Er trieb viele Teufel aus, und ließ die Teufel nicht reden, denn sie kenneten ihn.“ Doch nicht wohl, wie ein Wahnsinniger einen kennen kann? Was sollte das heißen? — Oder was sollte es heißen, vom Wahnsinn genommen, wenn Matth. VIII, 29 erzählt wird, die beyden grimmigen Besessenen im Gergesener Gebiet, welche aus den Todtengräbern kamen, und deren Dämonen (nicht sie selbst) nachher in die Schweine fuhren, hätten geschrieen: „Jesu, du Sohn Gottes (also das heißt, sie kannten ihn, vgl. Marc. I, 24), Jesu, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu thun? Bist du herkommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist?“ Freylich möchte diese letzte Rede eine irre Rede scheinen, weil der Neologen keiner sie erklären kann Anmerkung . Unter der Rede: „Bist du gekommen, uns zu quälen, ehe dann es Zeit ist?“ verstund der Dämon nichts An- deres, als: „die Zeit, wo unser Herr (der Teufel) uns nicht mehr erlauben wird, in diesem Menschen, dem für uns noch erträglicheren Orte, zu bleiben, ist noch nicht gekommen; nachher müssen wir in die Qual, in die du uns jetzt schon senden willst. Laß uns nur noch, bis jene Zeit kommt.“ . Es fällt also hier die Frage vor, auf welcher Seite das Irrereden ist. Sagen wir aber (denn dieß ist der neueste Schlupfwinkel der Zeit), die Evangelisten hätten als Juden solche Verrückte und Epileptische wirklich für besessen gehalten, daraus aber folge noch nichts für die Sache selbst, so wenig wie bey den Wundern, welche die Evangelisten als Juden auch geglaubt und als Wunder erzählt hätten; so sehen wir nicht nur Matth. C. 17, daß wo der Vater als Jude seinen Sohn blos mondsüchtig nennt, Jesus und der Evangelist als solcher ihn für besessen erklärt Der Vater sagte zu Jesus: „Herr, erbarme dich über meinen Sohn, denn er ist mondsüchtig und hat ein schweres Leiden; er fällt oft ins Feuer und oft ins Wasser.“ Dann heißt es: „und Jesus bedräuete ihn und der Dämon fuhr aus von ihm, und der Knabe war gesund zu derselbigen Stund.“ , sondern die Bibel ist nun, wie gesagt, nicht mehr Gottes-, sondern Menschenwort, und zwar das Wort von Menschen, die mit den thörigsten Vorurtheilen besessen waren. Wir haben demnach nichts Angelegentlicheres zu thun, als das Evangelium aus den Kirchen und Schulen zu verbannen, und dafür rein-vernünftige Fibeln und Lehrbücher für Er- wachsene einzuführen, weil die Evangelisten unter aller Kritik abergläubische Juden waren, die Jesum und seine Religion gar nicht verstanden; dagegen wir einen reinen Jesum auf- stellen können. Ich fühle mich hier versucht, ein wenig über Besessenheit zu scherzen; aber mir fällt Pauli Wort allzu- schwer aufs Herz im Briefe an die Galater C. I, 8. „ So Jemand euch Evangelium predigt anders, denn das ihr empfangen habt, der sey verflucht .“ An sich lassen sich zwey Arten von Wahnsinn gedenken: einer, der seinen Grund in bloser Störung oder Zerrüttung der Denkwerkzeuge hat, und abermals entweder eine Folge innerlicher Krankheit oder einer gewaltsamen Erschütterung von außen, eines Falls, Schlags und Stoßes, oder einer heftig aufgeregten Leidenschaft seyn kann. Diesen heilt, so Gott will und die Werkzeuge noch ganz sind, der Arzt. Es ist aber, wenn wir böse Geister und ihren Einfluß auf den Menschen, den die Schrift lehrt, annehmen, auch ein Wahn- sinn und eine Raserey und eine Fallsucht möglich, die un- mittelbar von der Inwohnung eines bösen Wesens herrührt, welches die Denkkräfte lähmt, verwirrt, auf allerhand schreck- liche Art mißbraucht, und dann zuweilen ganz wunderwür- dige Reden oder Handlungen hervorbringt. — Die unge- heure Stärke der Wüthenden, der scharfe Witz, den Blöd- sinnige aussprechen, brauchen zwar so wenig, wie die son- derbaren Liebhabereyen des Wahnwitzes, jedesmal dem Spiel eines Dämons anzugehören, da der Mensch in sich selbst verborgene Kräfte genug hat, deren zufällige Entwickelung, da sie ins Gebiet des Wunderbaren hinüberreichen, uns in ein gerechtes Erstaunen setzen kann. Ich will hiezu sogar die entschiedene Wahrsagergabe rechnen, die man an ge- wissen Wahnsinnigen beobachtet hat; denn sie ließe sich aus einer Entwickelung des Ahnungvermögens bey geschwächten Vernunftkräften erklären. Wie aber überhaupt das Ahnungs- vermögen den Menschen in Verbindung mit der Geisterwelt setzt, und sobald diese Thür geöffnet ist, sich nicht mehr berechnen läßt, wie viel oder wenig Einfluß letztere auf ihn habe; so kann ich, wenn ich ruhig dir Möglichkeiten abwäge, mir auch denken, daß bey einem oder dem andern jener Nervenkranken, Irren und Rasenden der wahre Treiber oder Agent ein unsichtbarer Inwohner aus der finstern Welt sey. Denn es ist blos ein körperliches Gesetz, daß ein Ding dem andern den Raum versperrt, oder, wie die Physiker sprechen, daß die Körper undurchdringlich sind; im Geisterreich herrscht eine andere Ordnung, wovon der An- fang schon an der wunderreichen Lichtmaterie wahrzunehmen ist. Geist kann in Geist wohnen, und mehrere Geister in einem Körper zugleich. Daher wir in der Schrift sogar von mehrfachen Teufelsbesitzungen lesen. Richtet nun ein solcher böser Dämon zugleich eine leibliche Krankheit an, was er selten unterlassen und was die natürliche Folge seiner Wir- kung auf die Seele seyn wird; oder war umgekehrt die leibliche Krankheit zuerst da, und zog eine Verfinsterung und Verwirrung der Gemüthskräfte nach sich, diese aber zog durch die Imagination das finstere Reich an, welches in der Verwirrung sein Element hat, so wäre es sogar mög- lich, daß eine zweckmäßige gemeine Arzney, auf die körper- liche Erscheinung gerichtet, durch Gottes besondern Willen auch den Grund oder die Folgen höbe; der Einwohner könnte ausziehen müssen, vielleicht auch wollen. Es wäre möglich, aber es wird selten geschehen . — Es scheint mir nicht undenkbar, daß, wenn ein gottge- sandter Prophet und Wunderthäter, oder ein rechter Magus, in eins von unsern Irrhäusern träte, er unter einer Anzahl unheilbarer Verrückter auch einzelne wirkliche Besessene ent- decken und heilen könnte, sey es mit bloser Beschwörung im Namen Jesu oder mit Beyhülfe physischer Mittel. (Das Gleiche ist auch auf Epileptische anzuwenden.) Daß nach Jesu Tod und Auffahrt noch Besitzungen Statt haben konnten, liegt in seiner eigenen Verheißung Marc. 16. 17. wo unter den Zeichen, die den Glaubenden folgen sollen, zu allererst steht: „ In meinem Namen werden sie Teufel austreiben .“ Und Apostelg. 8. 7. findet sich die Bestätigung in den Worten: „ Die unsaubern Geister fuhren aus vielen Besessenen mit großem Geschrey .“ Ob also diese höllische Seuche noch bis auf diese Stunde hier und da vorhanden ist, müssen Erfahre- nere entscheiden. Die Zukunft wird auch über dieses Dunkel das gewünschte Licht verbreiten. Daß dieses Besessenseyn noch in den spätern Jahrhun- derten nach Christus, ja wohl noch bis auf den heutigen Tag (wenigstens ein ihm sehr verwandter Zustand) vor- kommt, davon mögen den geneigten Leser die hier aufge- führten Erfahrungen überzeugen. Auffallend mag es auch dem Bibelgläubigen seyn, daß in mehreren dieser neuen Erfahrungen von Besessenseyn der Dä- mon des Besessenen sich nicht für einen wirklichen Teufel, son- dern für den Geist eines unselig verstorbenen Menschen, der von diesem fremden Leibe Besitz genommen, ausgibt; auffallend wird es ihm seyn, weil die Dämonen der Besessenen im neuen Testamente, wenigstens in Luthers Uebersetzung, immer Teufel genannt werden. Um so merkwürdiger ist aber, daß schon frühere Schriftsteller über Besessene, z. E. der Engländer Hugo Farmer Siehe Hugo Farmers Versuch über die Dämonischen des neuen Testamentes. , die wohl keine eigenen Erfahrungen von Besessenen gemacht haben, auch sonst ganz im Sinne des Rationalismus über sie urtheilen, blos in Folge ihrer literarischen Kenntnisse, die Behauptung aufstellten, auch der Heiland und die Jünger hätten unter den Dämonen der Besessenen nicht Teufel — sondern Geister böser ver- storbener Menschen, verstanden. Ihre Gründe sind folgende: Die Geister, die von den menschlichen Leibern sollen Besitz genommen haben, werden im neuen Testamente nicht Teufel (Διαβολοι), sondern Dä- monen genannt (Δαιμονες), und das Wort Dämonen wird nie in der mehreren Zahl bösen Geistern (Teufeln) beyge- legt, wie Alle zugeben, was auch immerhin sein Gebrauch in der einfachen Zahl seyn mag. Josephus, ein naher Zeit- genosse von den Aposteln, sagt ausdrücklich, daß die Dä- monen Geister böser Menschen wären, die von den Leben- digen Besitz nehmen. Es ist auch anzunehmen, daß die Schriftsteller des neuen Testamentes durch Dämonen (wenn sie bey Besitzungen vorkommen) solche menschliche Geister verstanden, von denen man glaubte, daß sie nach dem Tode Dämonen würden. Justinus Martyr , der auch um die Zeit der Apostel lebte, sagte, ohne Furcht Christo und seinen Aposteln zu widersprechen, ausdrücklich: daß die von den Seelen der Verstorbenen angegriffenen und niedergeworfenen Personen von Jedermann Dämonische und Unsinnige genannt würden, und er beweist eben aus diesem Zustand der Be- sessenen (daß er nämlich denselben der Besitzung von ver- storbenen Seelen zuschreibt), daß die Seele nach dem Tode übrig bleibe. Philostratus erzählt (wie schon oben angeführt) in seinem Leben des Apollonius Tyanus, der ein Zeitgenosse von Christo war, daß ein Dämon, der einen jungen Mann besessen hatte, selbst bekannt habe, daß er ein Geist von einer in der Schlacht umgekommenen Person sey, und be- sonders verstand man unter Dämonen auch Geister solcher böser Menschen, die einen gewaltsamen Tod erlitten hatten. — Aus genauer Untersuchung aller Stellen im neuen Testa- mente, in welchen Dämonen vorkommen, können wir sicher schließen, daß in denselben nie der Teufel und seine Engel verstanden werden, am wenigsten in den Schriften Pauli. Im Gegentheil sind alle Beweise da, daß er und die andern Apostel darunter Geister verstorbener Menschen verstehen, und sie gebrauchen dieses Wort bald in einem guten, bald in einem bösen Sinne, gerade wie es die Alten machten, und auf die auffallendste Weise stimmen auch mehrere der Geschichten der neuesten Besessenen damit überein, die gewiß, wären ihre Geister nur eine fixe Idee, sie auch nach der allgemeinen Meinung für Teufel, aber nicht, ganz gegen ihren und den herrschenden Glauben, für Geister verstor- bener böser Menschen ausgegeben hätten: denn Hugo Far- mers Meinung von dieser Sache ist ihnen wohl so unbe- kannt geblieben, als die von Josephus, Justinus Martyr, Philostratus und Anderen. Ich sagte auch einmal zu einer der Besessenen in ihrem gewöhnlichen Zustande: die Dämonen in den Besessenen der Bibel hätten sich für keine Seelen verstorbener Menschen ausgegeben, das aber thue, wie man ihr schon gesagt haben werde, der in ihr seyn sollende Dämon, worauf sie entgeg- nete: „Das seye ihr auch wunderbar; denn in der Bibel habe sie nie etwas davon gelesen, aber es müsse doch so seyn, weil es der Dämon in ihr schon so oft versichert habe, auch seine Aussagen von seinem früheren Leben, das ihr nicht so bekannt gewesen, als wahr erfunden würden. Und dieser letztere Umstand muß allerdings auch hier beson- ders in die Wagschale gelegt werden. Ueber diese besondere Erscheinung, daß bey mehreren der hier aufgeführten Besessenen die Besitzenden nicht Teufel, sondern verstorbene böse Menschen waren, sprach sich ein bewährter Freund und Kenner der heiligen Schrift gegen mich auch folgendermaßen aus: „Sollte nicht Schwedenborg hier Recht bekommen, nach dessen Lehrsatz alle Engel und alle Teufel verstorbene Menschen sind? Wenn dieser Lehre auch nicht so schlagende Beweise aus der heiligen Schrift und der Erfahrung ent- gegenständen, die sie als einen Irrthum des wirklichen, aber auch mitunter getäuschten Geistersehers bezeichnen, so folgt doch aus jenen neuen Begebenheiten nicht das mindeste dafür. Bey der vor einigen Jahren zu M. vorgefallenen (in diesen Blättern auch gegebenen) und andern neuen Geschichten (wie auch in mehreren der hier angeführten) waren wirkliche Dä- monen, keine Menschenseelen, die Peiniger der Besessenen. Im Allgemeinen läßt sich zweyerley als moͤglich denken. Die Teufel sind Lügner, sie sind ungerne gekannt und unter- drücken ihren wahren Namen, daher jener im Evangelium, auf die Frage wie er heiße, sich Legion nennt, weil ihrer Viele seyen, ohne auch nur einen Namen anzugeben. Es ist also möglich, daß sie sich, um unerkannt zu bleiben und der Menschen zu spotten, für Verstorbene ausgeben. Es ist aber eben so möglich, daß es wirkliche abgestorbene Seelen sind, und in den Fällen des Mädchens von O. und der dämo- nischen Frau U. scheint diese Annahme den Vorzug zu ver- dienen, oder verdient sie wirklich aus Gründen, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen. Ein solcher Zustand, wo eine Seele in einem fremden Leibe wohnt, und die wahre Inwohnerin beherrscht, kann im Guten wie im Bösen , und sogar noch bei Leibesleben des Gastes, wie viel mehr nach dessen leiblichem Tode Statt haben, und ist längst unter dem Namen Ibbur bekannt. Man sehe darüber Kerners Ge- schichte zweier Somnambulen nebst andern Denkwürdigkeiten aus dem Gebiete der magischen Heilkunde, und v. Meyers Blätter für höhere Wahrheit 9. Samml. S. 272. Deutlich redet die heilige Schrift davon allerdings nicht, und das vornehmlich deswegen, weil sie ihre weisen Ursachen hat, den Zustand der Verstorbenen überhaupt zu verschleiern, besonders die, daß Niemand seine Buße auf das Leben nach dem Tode verschieben möge. Sie macht gleichwohl manche wichtige Andeutung davon, mit welcher die Erfahrungen neue- rer Zeit übereinstimmen, und es scheint, daß in unsern Tagen auch jene Wahrheit von der Influenz der Abgeschiedenen auf die Lebenden und von ihren Besitzungen offenbar werden soll. Der Zweck dieser nähern Entdeckung möchte mannigfach seyn und ist in allem Betracht zu unserm Heil gemeint. Auch können wir nicht wissen, ob nicht unter dem allgemeinen Namen der Dämonischen im neuen Testamente (will man auch nicht mit Farmer annehmen, daß unter dem Wort Dämon in der Bibel nie ein Teufel, sondern immer die abgeschiedene Seele eines bösen Menschen verstanden werde) wirklich solche begriffen sind, die nicht von Teufeln, sondern von andern Menschenseelen be- sessen waren: denn da dieses der wenigere Theil seyn mochte, so gingen sie mit unter der Benennung der vorherrschenden Gattung hin.“ Die oben erwähnte, hieher gehörende Stelle aus v. Meyers Blätter für höhere Wahrheit ist folgende: „Die Rabbinen, besonders die kabalistischen behaupten, daß die Seele eines Verstorbenen auf einen Lebendigen geheimen Einfluß haben, ihn inspiriren, ja bewohnen und be- sitzen könne, ohne für immer an ihn gebunden zu seyn, und ohne Aufhebung der beyderseitigen Persönlichkeit, obgleich Kerner , über Besessenseyn. 2 diese sich im Denken, Wollen und Handeln zusammen vermi- sche; sie glauben sogar, daß mehrere solcher Seelen zugleich in einem Menschen wohnen könnten, gleich wie viele Dä- monen in einem Besessenen. Sie nennen diesen Zustand der Seeleninwohnung Ibbur , gleichsam Schwangerschaft. Wir wollen die Möglichkeit hievon nicht läugnen. Es kann eine Art von Ibbur sogar zwischen zwey lebenden Personen vorgehen. Ein Beispiel hiervon liefert in Kerners Geschichte zweier Somnambulen die erste und merkwürdigste derselben. — Sie war öfters in andern Menschen, in ihrem Arzt, in ihrer Mutter; sie durchbrach als dann die Wolke (den dunkeln Stoff) ihres und des andern Leibes. Einst sagte sie zum Arzte: „Ich bin nun ganz in dir, daß wenn du jetzt schnell zur Thür hinaus gin- gest, so würde es mich mein Leben kosten; denn wie ich nur all- mählig in dich gehen konnte, so kann ich nur allmählig aus dir heraus, und ich würde durch dein Hinweggehen allzu- schnell von deinem Körper getrennt: denn ich bin mehr von meinem Körper getrennt als mit ihm verbunden.“ Sie er- klärte auch, wie es damit zugehe: „Es zieht sich das Leben und alles Geistige nur allmählig aus dem Kopfe nach der Herz- grube, und von dieser, wenn ich in andere Personen übergehe, nur allmählig hinaus; doch bleibt immer hier noch eine Verbindung, sonst könnte ich nicht wiederkehren.“ Das Außer- sichseyn eines Menschen, d. i. seiner Seele mit ihrem Geiste, außer dem Körper ist längst bekannt, aber hier zeigt sich auch die Erscheinung ihres Seyns in einem Andern, und das ist Ibbur , und mahnt auch an das Eingehen der Geister Ver- storbener in die Leiber noch Lebender, oder an das Besessen- werden. Magnetische sind in einem Zustande, der sich dem Verstorbe- ner nähert, sie sind halbe Geister, halbe Gespenster, und was hier von einem Magnetischen halb geschah, kann von einem Verstorbenen ganz und vollkommen geschehen. Ein philosophisches Raisonnement über diese Erscheinung und zugleich über die nachstehenden Thatsachen ist in den von Eschenmeyer am Ende dieser Blätter mitgetheilten Refle- xionen über Besessenseyn und Zauber enthalten, worauf ich den Leser verweise. Zuerst folgen hier nun die treu und einfach erzählten That- sachen, von denen die erste Thatsache, die der Geschichte des Mädchens von Orlach , weniger als die ihr nachfol- genden, zu den Besitzungen in älterer Bedeutung zu zählen ist. 2 * Geschichte des Mädchens von Orlach. Nachstehende Geschichte gehört in das Gebiet kakodämonisch- magnetischer Erscheinungen und bildet einen Uebergang zu den darauf folgenden, mehr den Besitzungen im neuen Testamente analogen Thatsachen. In dem kleinen Orte Orlach , Oberamts Hall in Würtem- berg, lebt die Familie eines allgemein als sehr rechtschaffen anerkannten Bauern (der inzwischen zum Schultheißen seines Ortes erwählt wurde), Namens Grombach , lutherischer Confession. In dieser Familie herrscht Gottesfurcht und Recht- schaffenheit, aber keine Frömmeley. Ihre Lebensweise ist die einfacher Bauersleute und die Arbeit in Stall und Feld ihre einzige Beschäftigung. Grombach hat vier Kinder, die alle auf’s eifrigste zum Feldbau angehalten sind. Durch Fleiß zeichnet sich auch besonders dessen zwanzigjährige Tochter, mit Namen Magdalene , aus. Dreschen, Hanfbrechen, Mähen, ist oft wochenlang von Tagesanbruch an bis in die späte Nacht ihre Beschäftigung. Der Schulunterricht ging ihr nur schwer ein, ob sie gleich zu andern Arbeiten gute Sinne hatte, und so gab sie sich auch später nicht mit Lesen von Büchern ab. Sie ist, ohne zu vollblütig zu seyn, stark, frisch, ein gesun- des Kind der Natur, war in ihrem ganzen Leben nie krank, hatte selbst nie die geringste Kinderkrankheit, nie Gichter, nie Würmer, nie einen Ausschlag, nie Blutstockungen, und brachte auch deswegen nie das Geringste von Arzeneymit- teln über den Mund. Im J. 1831 im Monat Februar geschah es, als Grom- bach eine neue Kuh gekauft hatte, daß man dieses Thier zu wiederholtenmalen an einer andern Stelle im Stalle, als an die es gebunden wurde, angebunden fand. Dieses fiel Grom- bach um so mehr auf, als er sich völlig versichert hatte, daß bestimmt keines seiner Leute dieses Spiel mit dem Thiere ge- trieben. Darauf fing es auf einmal an, allen dreyen Kühen im Stall ihre Schwänze auf’s kunstreichste zu flechten Dieses Flechten, besonders auch der Pferdsmähnen, findet man häufig als Geisterspuk. Siehe auch Horsts Zauberbibliothek. In einer andern, ganz von dieser unabhängigen Geschichte, kommt es ebenfalls als Geisterspuk vor. , so kunst- reich, als hätte es der geschickteste Bortenmacher gethan und dann die geflochtenen Schwänze wieder untereinander zu ver- knüpfen. Machte man die Flechten der Schwänze wieder aus- einander, so wurden sie bald wieder von unsichtbarer Hand ge- flochten und das mit einer solchen Geschwindigkeit, daß wenn man sie kaum gelöst hatte und sogleich wieder in den menschen- leeren Stall zurückgekehrt war, die Schwänze auch bereits wieder allen Kühen auf das kunstreichste und pünktlichste ge- flochten waren, und dieß täglich vier bis fünfmal. Diese Son- derbarkeit dauerte mehrere Wochen lang tagtäglich fort und bey der größten Aufmerksamkeit und Begierde, einen Thäter zu entdecken, gelang dieß doch nie. In dieser Zeit bekam die Tochter Magdalene einmal, als sie bey dem Viehe melkend saß, aus der Luft von unsichtbarer Hand eine so derbe Ohrfeige, daß ihr die Haube vom Kopfe an die Wand flog, wo sie der auf ihren Schrey herbeygesprun- gene Vater aufhob. Oft ließ sich im Stalle eine Katze mit weißem Kopfe und schwarzem Leibe sehn, von der man nicht wußte woher sie kam, oder wohin sie bey ihrem Verschwinden ging. Von dieser Katze wurde das Mädchen einmal angefallen und in den Fuß gebis- sen, so daß man mehrere Zähne dieses Thires in ihrem Vorder- fuße sah. Daß man die Zähne dieses Thieres im Fuße des Mädchens sah, ist kein Beweis, daß diese Bisse von einer wirklichen Katze Nie konnte man dieses Thieres habhaft werden. Einmal flog auch aus dem Stall, man wußte nicht woher er gekommen, da alles verschlossen war, ein unbekannter schwar- zer Vogel in Gestalt einer Dohle oder eines Raben. Unter solchen kleinern und größern Neckereyen im Stalle verfloß das Jahr 1831. Den 8. Februar 1832 aber, als das Mädchen gerade mit ihrem Bruder den Stall reinigte, erblickten sie im Hintergrunde desselben ein helles Feuer. Es wurde nach Wasser gerufen und die Flamme, die schon zum Dache hinausschlug, so daß sie auch die Nachbarn be- merkten, bald mit ein paar Kufen Wasser gelöscht. Die Haus- bewohner wurden nun in großen Schrecken versetzt, sie wuß- ten sich nicht zu erklären, woher die Flamme gekommen und vermutheten nicht anders als es sey ihnen das Feuer durch böse Menschen gelegt worden. Dieses Entstehen einer Flamme und wirkliches Brennen in verschiedenen Theilen des Hauses, wiederholte sich am 9., 10. und 11. Februar, so daß endlich auf Ansuchen Grombachs das Schultheißenamt Tag und Nacht Wächter vor und in dem Hause ausstellen ließ, allein dem unerachtet brachen wie- der in verschiedenen Theilen des Hauses Flammen aus. Wegen solcher Gefahr sahen sich Grombachs genöthiget, das Haus völlig zu räumen; aber auch dieß fruchtete nichts: denn es brannte dennoch und aller Wachen unerachtet wieder zu ver- schiedenenmalen bald da bald dort in dem nun leeren Hause. Als die Tochter Magdalene einige Tage nach dem letzten Brande, Morgens halb sieben Uhr wieder in den Stall kam, hörte sie in der Ecke der Mauer (Grombachs Haus hat zum Theil eine sehr alte Mauer zum Fundament) das Winseln geschahen. So schreibt der von einem unsichtbaren Wesen verfolgte Superintendent Schupart : „es hat mich mit Nadeln gestochen, gebissen, daß man utramque seriem dentium gesehen, die zwey großen Zähne stunden da.“ ꝛc. S. Horst Zauber- bibliothek, Th. 4. S. 252. Auch dort erscheint das Gespenst in Gestalt einer Dohle. wie eines Kindes. Sie erzählte es sogleich ihrem Vater, er ging auch in den Stall, aber hörte nichts. Um halb acht Uhr desselben Tages sah das Mädchen im Hintergrunde des Stalles an der Mauer die graue Schatten- gestalt einer Frau, die um Kopf und Leib wie einen schwarzen Bund gewickelt hatte. Diese Erscheinung winkte dem Mädchen mit der Hand. Eine Stunde später, als sie dem Vieh Futter reichte, erschien ihr die gleiche Gestalt wieder und fing zu reden an. Sie sprach zu ihr hin: „Das Haus hinweg! das Haus hinweg! Ist es nicht bis zum 5. März kommenden Jahres abgebrochen, ge- schieht euch ein Unglück! Vor der Hand aber zieht nur in Gottes Namen wieder ein und das heute noch, es soll bis da- hin nichts geschehen. Wäre das Haus abgebrannt, so wäre das nach dem Willen eines Bösen geschehen, ich habe es, euch schüz- zend, verhindert; aber wird es nicht bis zum 5. März kom- menden Jahres abgebrochen, so kann auch ich nicht mehr ein Unglück verhüten und verspreche mir nur, daß es geschieht.“ Das Mädchen gab nun der Erscheinung dieses Versprechen. Vater und Bruder waren zugegen und hörten das Mädchen sprechen, aber sonst sahen und hörten sie nichts. Nach Aussage des Mädchens war die Stimme der Erschei- nung eine weibliche und die Aussprache hochdeutsch. Am 19. Februar halb neun Uhr Abends kam die Erscheinung vor ihr Bett und sagte: „Ich bin wie du von weiblichem Ge- schlecht und mit dir in einem Datum geboren. Wie lange, lange Jahre schwebe ich hier!! Noch bin ich mit einem Bösen verbunden, der nicht Gott, sondern dem Teufel dient. Du kannst zu meiner Erlösung mithelfen.“ Das Mädchen sagte: „Werde ich einen Schatz erhalten, wenn ich dich erlösen helfe?“ Der Geist antwortete: „Trachte nicht nach irdischen Schäz- zen, sie helfen nichts!“ Am 25. April Mittags zwölf Uhr erschien ihr der Geist wie- der im Stall und sprach: „Grüß dich Gott liebe Schwester! ich bin auch von Orlach gebürtig und mein Name hieß Anna Maria. Ich bin geboren den 12. September 1412 (das Mädchen ist den 12. September 1812 geboren). Im zwölften Jahre meines Alters bin ich mit Hader und Zank ins Kloster gekommen, ich habe niemals in’s Kloster gewollt.“ Das Mädchen fragte: „Was hast du denn verbrochen?“ Der Geist antwortete: Das kann ich dir noch nicht eröffnen.“ So oft nun der Geist zu dem Mädchen kam, sprach er gegen sie nur religöse Worte, meistens Stellen aus der Bibel, die sonst dem Mädchen gar nicht im Gedächtnisse waren Herr Pfarrer Gerber schreibt von diesem Mädchen: „Das Mädchen selbst zeichnete sich in der Schule durch ihre guten Sitten und ihre Gutmüthigkeit aus, hatte aber wenig Anlage zum Lernen, und verließ daher die Schule mit ganz geringen Kenntnissen. Das Lob eines sittlichen Wandels erhielt sie auch nach der Schule, und entzog sich zwar den Lustbarkeiten der jungen Leute des Dorfes nicht, war aber doch die erste, welche sich wieder zurückzog.“ . Dabey sagte er: „Man wird meinen, weil ich eine Nonne gewesen, wisse ich nichts von der Bibel, aber ich weiß bald alles in ihr. Er betete meistens den 116. Psalmen. Einmal sagte das Mädchen zum Geist: „Vor nicht langer Zeit war ein Geistlicher bey mir, der gab mir auf, dich zu fragen: ob du nicht auch andern erscheinen könntest, man würde dann eher glauben, daß du nicht blos ein Trug meines Gehirnes seyest.“ Darauf antwortete der Geist: „Kommt wieder ein Geistlicher, so sage ihm, er werde wohl das, was in den vier Evangelien stehe, auch nicht glauben, weil er es nicht mit Augen gesehen. Es sagte auch ein an- derer Geistlicher zu dir (das war wirklich so) du sollest sagen wie ich (der Geist) beschaffen sey. Spricht einer wieder so, so sage ihm: er solle einen Tag in die Sonne sehen und dann soll er sagen, wie die Sonne beschaf- fen sey .“ Das Mädchen sagte: „Aber die Leute würden es doch eher glauben, würdest du auch andern erscheinen!“ Auf dieß sprach der Geist seufzend: „O Gott! wann werd ich erlöset doch werden:“ wurde sehr traurig und verschwand. Das Mädchen sagt: sie dürfe die Fragen an den Geist nur denken, dann erhalte sie schon die Antwort. Bey etwas, das sie einmal nur gedacht und nicht habe aussprechen wollen, habe der Geist gesagt: „Ich weiß es schon, du hast nicht nöthig es auszusprechen, damit ich es weiß, doch spreche es nur aus.“ So war es bekanntlich auch bei der Seherin von Prevorst. Oft fragte das Mädchen den Geist: warum er so leide, auf welche Art er denn mit einen bösen Geiste noch verbun- den sey, warum das Haus weg solle, allein hier gab die Er- scheinung immer nur ausweichende Antworten, oder seufzte sie. Vom Monat Februar bis May erschien dieser Geist dem Mädchen zu verschiedenen Tagen, sprach immer religöse Worte und deutete oft mit Jammer auf seine Verbindung mit ei- nem schwarzen Geiste hin. Einsmal sagte er, daß er nun auf längere Zeit nicht mehr kommen könne, dagegen werde das Mädchen durch jenen schwarzen Geist Anfechtungen er- leiden, sie solle nur standhaft bleiben und ihm doch ja nie eine Antwort ertheilen. Mehrmals sagte er ihr auch Dinge voraus, die dann eintrafen, z. E. daß die oder jene Per- son am andern Tage zu ihr kommen werde. Als am 24. Juny, am Johannistage, da Alles in der Kirche war, das Mädchen allein zu Hause blieb, um das Mittagessen zu besorgen und gerade am Feuerheerde in der Küche stund, hörte sie auf einmal einen heftigen Knall im Stalle. Sie wollte nachsehen was geschehen sey; als sie aber vom Heerde gehen wollte, so erblickte sie einen ganzen Hau- fen sonderbarer gelber Frösche auf dem Heerde. Sie erschrak zwar, dachte aber: ich sollte doch einige dieser Thiere in meinen Schurz fassen, um meinen Eltern bey ihrer Heimkunft zu zeigen, was das für eine neue Art von Fröschen ist, aber als sie im Begriff war, einige derselben mit ihrer Schürze auf- zufassen, rief Jemand von Boden herab: (es schien ihr die Stimme jener weiblichen Erscheinung zu sein) „Magda- lene! laß die Frösche gehen!“ und sie verschwanden. Am 2. July ging der Vater mit seiner Tochter Morgens zwey Uhr auf die Wiese zu mähen. Als sie gegen sechzig Schritte vom Hause entfernt waren, sagte die Tochter: „Da schreit ja des Nachbars Knecht: halt Magdalene! ich will auch mitgehen!“ Der Vater konnte es nicht hören, aber der Tochter hörbar, schrie es noch einmal dasselbe und lachte ganz höhnisch dazu. Sie sagte: jetzt kommt er! Da war es aber eine schwarze Katze. Sie gingen weiter, da sagte die Tochter: jetzt ist es ein Hund. Sie gingen bis an die Wiese, da war es eine schwarze Fohle, aber der Vater und die andern Leute sahen es nicht, der Tochter aber blieb es von 2 bis 7 Uhr sichtbar, da wurde ihr das Mähen sehr mühsam. Als sie am 5. July Morgens drey Uhr wieder zum Mähen gieng, rief ihr eine Stimme zu: „Magdalene! was ist denn das für eine, die als zu dir kommt?“ und lachte recht höhnisch dazu. Auf einmal sagte die Tochter zum Vater: „Jetzt kommt etwas!“ da kam ein schwarzes Pferd ohne Kopf, sprang bald hinter ihr, bald vor ihr. Oft war es, als wäre der Kopf wie frisch abgeschnitten, daß man das Fleisch sah, oft war die Stelle am Halse vom Felle überzogen. Mittags zwölf Uhr kam beym Heuwenden auf der Wiese ein schwarzer Mann zu ihr, ging mit ihr die Wiese auf und ab und sagte: „Das ist eine rechte Schachtelgret, die als zu dir kommt, was will denn diese? Dieser mußt du gar nichts antworten, das ist ein schlechtes Mensch, aber ant- worte du mir, dann geb ich dir den Schlüssel zum Kel- ler unter deinem Hause. Da liegen noch acht Eymer vom ältesten Wein und viele, viele köstliche Dinge. An dem Weine könnte dein Alter noch lange bürsten, das ist auch was werth.“ Dann lachte er höhnisch und verschwand. Am 4. July Morgens drey Uhr, als sie zum Mähen ging, kam ein schwarzer Mann ohne Kopf zu ihr und sagte: „Magdalene! hilf mir heute mähen, ich gebe dir für jeden Maden einen Laubthaler. Wenn du sehen würdest, wie schön meine Thaler sind, du würdest mir gewiß mähen hel- fen! Kennst du mich denn nicht? ich bin ja des Wirths Sohn. Wenn ich wieder in den Bierkeller gehe, so gebe ich dir noch Bier dazu, wenn du mir mähen hilfst“ Immer lachte der Schwarze höhnisch zu solchen Worten. Er blieb eine Viertelstunde und sprach im Weggehen: „Du bist auch eine solche Schachtelgret wie jene (die weiße Geistin) die als zu dir kommt!“ Fünf Uhr kam er wieder als ein schwarzer Mann, trug eine Sense und sagte: „Dieses Stück will ich dir auch heruntermähen helfen, damit ihr eher fertig werdet, und sind wir fertig, dann gehest du mit mir, dann wollen wir zu der Schachtelgret, da gibt’s recht zu fressen und zu sau- fen, aber freundlich mußt du mir seyn und eine Antwort mußt du mir geben. Gib mir jetzt nur deine Sense her, auf daß ich sie dir wetze! So! jetzt muß sie recht schnei- den! Das Moos muß sie aus der Erde hauen und dazu viele schöne blanke Thaler, wenn du mir antwortest.“ Er blieb bis sieben Uhr um sie. Sie hatte diesen ganzen Tag nicht nöthig, ihre Sense zu wetzen, sie blieb unverwüstlich scharf. Mittags zwölf Uhr war der Schwarze wieder auf der Wiese mit einem Rechen in der Hand und sagte: „Ein rechter Taglöhner stellt sich Mittags gleich ein.“ Er wen- dete das Heu hinter der Magdalena nach und sagte immer unter die Arbeit hinein: „gib mir doch Antwort, du Dumme! dann hast du Geld genug; jede Antwort bezahle ich dir mit Schätzen, ich bin reich. Eine Messe, Magda- lene! mußt du lesen lassen, damit es schön Wetter bleibt, es nützt dich alles nichts, eine Messe mußt du lesen las- sen!“ Dann lachte er wieder höhnisch und verschwand. Das Mädchen ist, wie schon angeführt, lutherischer, nicht katholischer Confession, es befinden sich auch keine Katholiken zu Orlach . Das Gewand des Schwarzen kam ihr wie die Kutte eines Mönchs vor, wie er auch später erklärte, daß er im Leben ein Mönch gewesen. Am 5. Juli Morgens, als die Tochter wieder auf der Wiese war, rief es mit der Stimme ihres Nachbars hinter ihr: „Magdalene! hast du keinen Wetzstein mitgenommen? Bin heute verkehrt ausge- gegangen; ich habe meinen Wetzstein daheim gelassen!“ Die Tochter wandte sich um, doch ohne Antwort zu geben (was sie immer auf das standhafteste vermied, selbst jetzt, wann sie sicher zu seyn glaubte, daß eine wirklich mensch- liche Stimme von ihr Antwort begehre), da stund der schwarze Mönch da und sagte weiter: „Nicht wahr, das ist doch schön, wenn man jedesmal wieder dahin darf, wo man gewesen ist? Ich glaube, du kennst die Leute nicht mehr. Das bedeutet deinen Tod, wenn du die Leute nicht mehr kennst. Siehe recht, ich bin ja dein Nachbar. Sage, was wollte denn dein Vater mit dem Buche machen, das er heute mitnehmen wollte? — Wollte er eine Messe lesen?“ Und dann lachte er spöttisch. (Man hatte dem Vater den Rath gegeben, das neue Testament mitzunehmen und so bald die Erscheinung sich zeige, ihr diese heilige Schrift hinzu- halten, aber es unterblieb des Regens wegen.) „Magdalene, fuhr er fort, du wetzest deine Sense nicht recht! Sieh! so auf den Boden muß man sich setzen und die Sense in den Schooß nehmen. Setze dich! Sieh so wetze sie und antworte mir und sey freundlich, dann wirst du mit der Sense das Moos aus der Erde heraus hauen und noch viele blanke Thaler da- zu. Halt Magdalene! die Fliegen stechen dich (es war so), ich will dir die Fliegen wehren!“ (Er wehrte ihr wirklich die Fliegen und diesen ganzen Tag kamen keine mehr an sie, wie auch den ganzen Tag wieder ihre Sense, ohne daß man sie wetzte, schnitt.) Dann sagte er ferner: „Aber Mag- dalene! du mußt deinem Vater sagen, er soll mit dir nach Braunsbach gehen (einem katholichen Orte in der Nähe), da wollen wir dann eine Messe lesen lassen, daß das Wetter schön bleibt, — aber antworten mußt du mir!“ Mittags halb zwölf Uhr an diesem Tage war der schwarze Mönch bey ihr schon wieder auf der Wiese. Er hatte einen Ranzen auf dem Rücken und trug in der Hand eine Sense, fing zu mähen an und sagte: „Magdalene! das ist eine Schande vor den Nachbarsleuten, wenn ihr so unsauber mähet. Sage, willst du nicht mit mir handeln? Gibst du mir nicht deine Sense, ich gebe dir da die meinige dafür? Sieh! dann gebe ich dir auch den Ranzen, den ich da auf meinem Rücken habe, der ist voll schöner blanker Thaler, wie du noch keine gesehen. Die geb’ ich dir all noch dazu, aber antworten mußt du mir und deinem Alten (dem Vater) darfst du nicht gleich sagen, daß ich da bin, sonst gehe ich sogleich wieder heim.“ Auf diese Rede sagte die Tochter sogleich dem Vater, daß der Mönch wieder da sey. Da ging dieser augenblick- lich und rief noch im Gehen höhnisch zurück: „Geh’ auch mit mir heim, ich will Messe lesen lassen, daß das Wetter schön bleibt.“ Am 6. July Morgens halb drey Uhr rief hinter ihr auf dem Felde die Stimme ihrer Magd: „Magdalene! du sollst schnell auf die Wiese zum Vater kommen! wo gehst du hin? he! antworte!“ Als die Tochter umsich sah, sah sie keine Magd, aber ein schwarzes Kalb, das sagte: „Gelt! dießmal hätte ich dich fast gefangen? Mit der Bibel kann mich dein Alter nicht fortschicken, das soll er sich von den Leuten nicht bereden lassen! Was Bibel! Narrheit! die Meß ist besser, ist vornehmer! Komm, Magdalene, mit mir nach Braunsbach , wir wollen Messe lesen lassen, daß das Wetter schön bleibt!“ Am 8. July Morgens fünf Uhr kam er auf den obern Boden zu ihr, gerade als sie das Bett machte und sprach hinter ihr mit der Stimme der Magd des Wirths im Ort: „Guten Morgen Magdalene! mein Herr und meine Frau schicken mich zu dir, du sollest mit nach Braunsbach gehen, sie wollen eine Messe lesen lassen, wie der Mönch gerathen, damit das Wetter schön bleibt, und zwar eine um einen Gulden: denn diese ist besser als eine um acht und vierzig Kreuzer. Du sollst deinem Vater zureden, daß er auch eine um einen Gulden lesen läßt. Es ist auch viel werth, wenn man das Heu gut heimbringt, nicht wahr?“ Sie war schon im Begriff Antwort zu geben, als sie wäh- rend der Rede das Betten einstellte und um sich sah und den schwarzen Mönch erkannte. Dieser lachte nun hell auf und sagte: „Hab ich dich nicht gefangen, so werd ich dich doch noch fangen. Sage deinem Alten, ich wolle ihm eine Messe um acht und vierzig Kreuzer lesen, die eben so gut seyn soll als die um einen Gulden.“ Dann lachte er wieder und verschwand. Um diese Zeit fand ihre Schwester und sie im Stalle auf einem Balken ein kleines Säckchen, das beym Herun- terfallen klingelte. Sie öffneten es und fanden darin ei- nige große Thaler nebst Münzen, im Ganzen eilf Gulden. Es war unerklärlich, wie dieses Geld an jenen Ort gekom- men: denn den Leuten im Hause fehlte es nicht und kein anderer Mensch wollte sich dazu melden. Da kam der schwarze Mönch und sagte: das gehört dein, Magdalene, und ist für die Ohrfeige, die ich dir einmal im Stalle gegeben. Das Geld habe ich von einem Herrn in H. genommen, der an diesem Tage um sechs Caroline betrogen hat. Magdalene bedanke dich dafür!“ Aber auch das konnte das Mädchen nicht zum Reden mit ihm bringen und Abends erschien ihr die weiße Gestalt und sagte: „Es ist gut, daß du ihm auf sein Gerede nicht antwortetest und auch das Geld sollst du nicht behalten, sondern es den Armen geben.“ (Man gab nun auch davon ein Drittel in das Waisenhaus nach Stutt- gart, ein Drittel in die Armenpflege nach Hall, und ein Drittel in den Schulfond des Orts.) Weiter sagte die weiße Gestalt: „Wenn du nächstens nach Hall kommst, so wandle in der Stadt fort, bis dich Jemand ruft, der wird dir ein Geschenk an Geld geben und dafür kaufe dir ein Gesangbuch.“ Sie kam nun auch wirklich bald nach Hall, und als sie da durch eine Straße lief, ließ sie ein Kaufmann in seinen Laden rufen, fragte sie, ob sie jenes Mädchen von Orlach sey, worauf er sich ihre Geschichten erzählen ließ und ihr dann einen Gulden schenkte, um den sie sich dann auch sogleich ein Gesang- buch kaufte. Am 10., als sie an einem abgelegenen Waldbrunnen das Vieh tränkte, kam der schwarze Mönch wieder zu ihr und sagte mit der Stimme ihres Nachbar Hansels : „Dieß- mal hast keinen Bothen bey dir! Hansel! sagte dein Vater zu mir, sey doch so gut und gehe du meiner Magdalene nach, sie ist allein mit dem Vieh an dem Waldbrunnen, da könnte der schwarze Mönch zu ihr kommen und sie zu einer Antwort zwingen und das könnte dem Mädchen großes Unglück bringen. Da komm ich nun zu dir; nicht wahr, der Mönch ist nicht bey dir? und nun will ich dir auch etwas sagen, — bist du begierig was? — Gestern als ich in deinem Hause war — nicht wahr es war gestern? oder war es vorgestern? — und du meinen Buben auf den Arm genommen und in den Garten gingest, da hat dein Vater, als wir allein waren, recht über dich ge- schimpft und hat gesagt: Die Magdalene die behalte ich nimmer daheim, die muß fort. Entweder muß sie in ein Nonnenkloster, — ist das nicht kurios von deinem Vater? oder muß sie heirathen. Das sagte dein Vater, aber ich konnte ihm nicht ganz Unrecht geben. Was sagst du zu dem Nonnenkloster? Als ich Soldat war, war ich auch einmal in einem Nonnenkloster, da ist’s nicht so übel wie man meint. Ich will dir nur sagen, deine Freundin, des Wirths Tochter, will jetzt auch in ein Nonnenkloster. Willst du aber lieber heirathen? Rede! Willst du heirathen, so weiß ich dir einen rechten Kerl, wen meinst du? — Dann kannst du schaffen was du willst. Willst du aber in das Nonnenkloster, so darfst du gar nichts schaffen; darum will des Wirths Catharine in das Nonnenkloster, die mag gar nicht schaffen. Heirathest du oder gehst du in’s Nonnenkloster, so darfst du keine Garben mehr aufgeben. Diesen Abend will ich auch ein wenig kommen und euch Garben aufge- ben. Seyd ihr mit euren Garben fertig? He!“ — Das Mädchen gab ihm keine Antwort: denn er konnte wohl seine Stimme verstellen, aber seine Gestalt nicht so, daß sie nicht den schwarzen Mönch in ihm erkannte, der nun auch wie- der verschwand. Wie er aber gesagt, so half Nachbar Hansel (in wirklicher Person) ihr noch an diesem Abend Garben aufgeben, ohne zu wissen, daß sich der Schwarze Nachmit- tags für seine Person am Waldbrunnen ausgegeben und jenes Versprechen in seinem Namen gemacht. Am 12. July ein Viertel auf eilf Uhr erschien ihr wieder die weiße Frauengestalt. Sie fing zu beten an: „O Jesu, wann soll ich erlöset doch werden!“ Dann sagte sie: „Du vermehrest meine Unruhe! Halte dich standhaft gegen die Anfechtungen des Bösen! Antworte ihm doch ja nie! Hät- test du ihm eine Antwort gegeben, nur ein Ja gesagt, wäre das Haus plötzlich in Flammen gestanden: denn er ist es, der es schon mehrmals durch Feuer verdorben hätte, hätte nicht ich entgegen gestrebt. Er wird dich immer mehr äng- stigen, aber antworte ihm nie, spreche gegen ihn nie ein Wort!“ — Sie sagte ihr hierauf auch, sie wolle ihr die Stelle zeigen, wo vormals das Nonnenkloster gestanden. Sie führte sie nun eine Strecke durch das Dorf und gab ihr da die Stelle an. Am 15. July Morgens, als sie ganz allein in der Stube war, kam der Schwarze zu ihr in Gestalt eines Bären und sagte: „Nun hab’ ich’s getroffen, daß ich dich allein habe! Gieb mir Antwort! Geld gebe ich dir genug! War- um gabst du Jener (der Geistin) sogleich Antwort und die versprach dir kein Geld? Was hast du denn bey deinem erbärmlichen Leben? Nichts hast als Müh und Last vom früh- sten Morgen bis in die späte Nacht, Stallkehren, Viehmel- ken, Mähen, Dreschen. Nur eine Antwort und du bist reich und darfst dich um all den Plunder dein Leben lang nicht mehr kümmern! Nur eine Antwort und ich plage dich nicht mehr, und jene Schachtelgret, die dir doch nur vorlügt und nichts gibt, kommt auch nicht mehr. Aber antwortest du mir nicht, so sollst du sehen, wie ich dich noch plage.“ Von jetzt an erschien ihr der Schwarze meistens in der drohenden Gestalt eines scheußlichen Thiers, eines Bären, einer Schlange, eines Krokodills, nicht mehr in Men- schengestalt, versprach ihr bald Geld, bald drohte er ihr mit Martern. In ihrem Jammer hielt sie ihm mehrmals die Bibel entgegen, worauf er sogleich verschwand. Am 21. August erschien ihr der Geist in Gestalt eines monströsen Thieres, das mitten am Leibe einen Hals hatte. Sie saß gerade auf der Bank und strickte. Man hörte von ihr nichts als daß sie in Unmacht fiel und nur noch die Worte herausbrachte: „Der Schwarze!“ Mehrere Stunden lang lag sie bewußtlos da und diese Anfälle wiederholten sich selbst noch den ganzen andern Tag hindurch. Sie schlug nach allem, was sich ihr näherte, mit dem linken Arme und dem linken Fuße, besonders wurde dieses Wü- then der linken Seite heftig, wenn man die Bibel gegen dieselbe brachte . Die Eltern ließen einen Geistlichen und einen Arzt rufen, weil ihnen dieser Zustand unerklärlich war. Fragte sie der Arzt: hast du Krämpfe? antwortete sie: nein! Bist du sonst krank? Nein! Was ist es denn? Der Schwarze! war die Antwort. Wo ist er? Da! Dabey schlug sie mit der rechten Hand auf die linke Seite. Man ließ ihr zu Ader, setzte ihr Blutegel. Sie war in einem magnetischen, schlafwachen Zustand und sagte in ihm: „Das nützt alles nichts, ich bin nicht krank, man gibt sich vergebliche Mühe, mir kann kein Arzt helfen.“ Man fragte: Wer kann dir denn helfen? Da erwachte sie auf einmal und sagte freudig: „Mir ist geholfen!“ Man fragte: wer hat geholfen? Sie sagte: „Das Fräulein hat geholfen“ (die weiße Geistin). Sie erzählte nun: daß vor ihrem Fall der schwarze Geist in jener scheuslichen Gestalt auf sie losgegangen, sie nie- dergedrückt und sie zu erwürgen gedroht habe, wenn sie ihm Kerner , über Besessenseyn. 3 dießmal nicht antworte, nun müsse es seyn. Da seye aber, wie sie schon fast am Tode gewesen, die weiße Geistin erschienen, die habe sich zu ihrer Rechten gestellt, der schwarze Geist seye zu ihrer Linken gewesen. Beide Geister hätten, wie es ihr geschienen, mit einander gestritten, aber in einer ihr ganz fremden Sprache , aber ihr vernehmbar, laut, und endlich sey der weißen Gestalt die schwarze ge- wichen und sie wieder zu sich gekommen. Von den Fragen, die man während ihres Zustandes an sie gemacht hatte, wußte sie nichts. Sie weinte nun sehr über ihren unglücklichen Zustand, besonders da ihr die Leute sagten, sie seye mit Gichtern behaftet. Als sie darob am 23. August sehr traurig war, erschien ihr die weiße Geistin und sagte: „Grüß Gott Magdalene! Kümmre dich nicht, du bist nicht krank. Die Leute können nicht darüber urtheilen. Wenn du noch so oft hinfällst, ich schütze dich, daß es dir keinen Schaden bringt und den Unglaubigen soll es ein Beyspiel seyn. Wohl sagen auch die Leute: warum kommt so ein Geist zu einer so Un- wissenden? die hat nichts gelernt, die weiß nichts, die gilt nichts, und der Geist war eine Nonne und Nonnen wissen auch nichts als von der Marie und vom Kreuz- lein. Die aber wissen nicht, daß geschrieben stehet: „„Und ich, lieben Brüder, da ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten, oder hoher Weisheit, euch zu verkündigen die göttliche Predigt, denn ich hielt mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten. Und ich war bey euch mit Schwach- heit und mit Furcht, und mit großem Zittern. Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft. Auf daß euer Glaube bestehe, nicht auf Men- schenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.““ Wenn auch Doktoren und sonst gelehrte Leute kommen und sehen dich, so werden sie alle nichts wissen. Etliche werden sprechen: Die ist verrückt! andere: die ist in einem Schlafzustande! andere: die hat die fallende Sucht! Dich aber Magdalene soll dieß alles nicht kümmern: denn es ist keins von all dem und dein Leiden hat am fünften März kommenden Jahres ein Ende, halte du nur dein Versprechen, daß das Haus ab- gebrochen wird.“ Hierauf betete die Geistin den 116. Psalmen und verschwand dann wieder. Von da an traf der Vater des Mädchnes nun auch alle Anstalten zum Abbruche seines Hauses und zum Aufbau eines neuen, so wunderlich dieß auch Manchem erschien. Bey einem abermaligen Erscheinen des weißen Geistes sagte ihr dieser neben trostreichen Sprüchen aus der heiligen Schrift, es werde wohl nun dahin kommen, daß der Schwarze sich ihres Leibes völlig bemächtige, sie solle aber nur ge- trost seyn, sie werde jedesmal dann mit ihrem Geiste aus dem vom Schwarzen besessenen Leibe gehen und ihn in Sicher- heit bringen. Es wurden auch vom 25. August an ihre Anfechtungen durch den schwarzen Geist immer heftiger, er hielt sich nun nicht länger mehr, sich verstellend, außer ihr auf, sondern bemächtigte sich von nun an bei seinem Erscheinen sogleich ihres ganzen Innern, er ging in sie selbst hinein und sprach nun aus ihr mit dämonischer Rede. Vom 24. August an erscheint ihr der schwarze Mönch nun immer so. Sie sieht, wenn sie auch mitten in einem Geschäft ist, ihn in menschlicher Gestalt (eine Mannsgestalt in einer Kutte, wie aus schwarzem Rebel, das Gesicht kann sie nie bestimmt angeben) auf sich zugehen. Dann hört sie, wie er nur ein paar kurze Worte zu ihr spricht, na- mentlich meistens: „Willst du mir als noch keine Antwort geben? Hab acht wie ich dich plage!“ und dergleichen. Da sie standhaft darauf beharrt, ihm nicht zu antworten, (na- türlich ohne ein Wort zu reden) so spricht er immer: „Nun so gehe ich nun dir zum Trotz in dich hinein!“ Hierauf sieht sie ihn immer auf ihre linke Seite treten und fühlt wie er ihr mit fünf Fingern einer kalten Hand in den Nacken greift 3 * und mit diesem Griff in sie hineinfährt. Mit diesem ver- schwindet ihre Besinnung und eigentlich ihre Individualität. Sie ist nun nicht mehr in ihrem Körper, dagegen spricht eine rohe Baßstimme nicht in ihrer Person, sondern in der des Mönchs, aus ihr heraus, aber mit der Bewegung ihres Mundes und mit ihren, aber dämonisch verzerrten, Gesichts- zügen. Was nun während eines solchen Zustandes der schwarze Geist aus ihr spricht, sind Reden ganz eines verruchten Dämons würdig, Dinge, die gar nicht in diesem ganz recht- schaffenen Mädchen liegen. Es sind Verwünschungen der heiligen Schrift, des Erlösers, alles Heiligen, und Schimpfreden und Lästerungen über das Mädchen selbst, die er nie anders als „Sau“ benennt. Den gleichen Schimpfnamen und die gleichen Lästerungen ertheilt er auch der weißen Geistin. Das Mädchen hat dabey den Kopf auf die linke Seite gesenkt und die Augen immer fest geschlossen. Eröffnet man sie gewaltsam, sieht man die Augensterne nach oben gekehrt. Der linke Fuß bewegt sich immer heftig hin und her, die Sohle hart auf dem Boden. Das Hin und Herbewegen des Fußes dauert während des ganzen Anfalles (der oft vier bis fünf Stunden währt) fort, so daß die Bretter des Bodens mit dem nackten Fuße (man zieht ihr gewöhnlich Schuhe und Strümpfe zur Schonung aus) ganz abgerieben werden und hie und da aus der Fußsohle endlich Blut kommt. Wäscht man aber nach dem Anfalle das Blut ab, so be- merkt man auf der Haut nicht die mindeste Aufschirfung, die Sohle ist wie der ganze Fuß eiskalt und das Mädchen fühlt auch nicht das mindeste an ihr, so daß sie sogleich nach dem Erwachen wieder rasch Stunden weit von dannen läuft. Der rechte Fuß bleibt warm. Ihr Erwachen ist wie das aus einem magnetischen Schlafe. Es geht ihm gleichsam ein Streiten der rechten mit der linken Seite (des Guten mit dem Bösen) voran. Der Kopf bewegt sich bald zur rechten bald wieder zur linken Seite, bis er endlich auf die rechte Seite fällt, mit welcher Bewegung der schwarze Geist gleichsam wie- der aus ihr heraus fährt und ihr Geist wieder in ihren Körper zurücktritt. Sie erwacht und hat keine Ahnung von dem, was inzwischen in ihrem Körper vorgegangen und was der schwarze Geist aus ihm gesprochen. Gemeiniglich ist es ihr nach dem Erwachen, als seye sie in der Kirche ge- wesen und habe mit der Gemeinde gesungen oder gebetet, während doch die teuflischen Reden durch ihren Mund gegan- gen waren. Aber das ist es, was der weiße Geist ihr mit ihrem Geiste zu thun versprach, während der schwarze Geist sich ihres Körpers bemächtige. Der schwarze Geist in ihr ant- wortet auf Fragen. Heilige Namen aus der Bibel, selbst das Wort heilig, ist er nicht auszusprechen fähig. Nähert man dem Mädchen die Bibel, sucht sie gegen dieselbe zu spucken, der Mund ist aber in diesem Zustande so trocken, daß er nicht den mindesten Speichel hervorzubringen fähig ist, es ist nur das Zischen einer Schlange. Von Gott spricht er mit einer Art Aengstichkeit. „Das ist das Verhaßte, sagte er einst, daß mein Herr auch einen Herrn hat.“ Oft leuchtete aus seinen Worten der Wunsch und sogar die Hoffnung hindurch, vielleicht doch noch bekehrt zu werden, und nicht sowohl der böse Wille als vielmehr der Zweifel an die Möglichkeit noch begnadigt und selig zu werden, schien ihn von der Bekehrung abzuhalten Eine bei Sündern und Missethätern nicht seltene Erscheinung, daher die einzige Bekehrungskraft des Evangeliums. Vergl. Waltersdorf Schächer am Kreuz. — y — . Es war nicht zu verwundern, daß Aerzte diesen Zustand des Mädchens für eine natürliche Krankheit erklärten. Sie konnten daher unmöglich der in den Anfällen ausgesprochenen Behauptung des Mädchens, daß es von einem guten wei- ßen Geiste eine wirkliche Erscheinung habe und von einem bösen schwarzen Geiste besessen sey, Glauben schenken, wenn gleich wieder andere wenigere nicht läugnen mochten, daß einerseits in den evangelischen Geschichten dergleichen Er- eignisse, welche nur durch eine verkünstelte Exegese umzu- gestalten sind, als sich von selbst verstehende Dinge erzählt werden, und daß sie anderseits die Thatsachen, über deren Wahrhaftigkeit ihnen selbst nicht der mindeste Zweifel blieb, mit ihren Doktrinen schlechthin nicht zu erklären vermöchten. Denn wenn sie gleich, dieselben generalisirend, den Krankheitszustand des Mädchens zu den Nervenkrank- heiten, und sie specialisirend, zu einer Art von Epilepsie zählen zu dürfen glaubten, so schien es ihnen selber doch auch wieder unmöglich, in den Zufällen eine Analogie mit irgend einer bestimmten Art von Epilepsie zu finden und zu rechtfertigen. Denn es ging diesem Zustande auch nicht die mindeste körperliche Störung voran, das Mädchen war in keiner Hinsicht je krank gewesen (litt nicht und hatte nie an Ausschlägen, nie an Menstruationsstörungen u. s. w. gelitten), sie war gleich nach den heftigsten Krämpfen frisch und gesund, kräftig, thätig, heiter. Sie erwachte (wie schon bemerkt) nach den Anfällen, als hätte es ihr von erbaulichen Liedern geträumt, die sie in einer Kirche singen zu hören glaubte, während doch der schwarze Dämon durch ihren Mund mit fremdartiger Stimme die schändlichsten Blas- phemien ausstieß. Die rechte Seite blieb während der to- bendsten Anfälle warm und ruhig, indessen das linke Bein eiskalt vier volle Stunden hindurch ununterbrochen mit un- glaublicher Gewalt auf und niederflog und den Boden schlug, und sich dennoch weder Geifer vor dem Munde, noch ein- geschlagene Daumen an den Händen wahrnehmen ließen; war auch einmal der Daumen der linken Hand eingeschla- gen, so reichte ein Wort hin, um ihn in seine natürliche Lage zu bringen. Dennoch! die Mehrzahl stimmte immer für Dämonomanie aus körperlich-krankhafter Ursache, für Epilepsie, die in partiellen Wahnsinn übergehe, und der eine wohl bereits schon eingetretene Desorganisation des Rückenmarkes, besonders der linken Parthie desselben, zu Grunde liege. Es wurden schulgerecht dagegen Gaben von bella donna , Zinkblumen u. s. w., Einreibungen von Brechweinsteinsalbe, ja sogar das Brenneisen, zu schleunigstem Gebrauche angerathen, — aber zum Glücke ließ der schlichte natürliche Sinn der Eltern solche rationelle Anrathungen nicht zur Ausführung kommen, sie vertrauten in ihrem Glauben, der sich durch keine Herren wankend machen ließ, der guten weißen Erscheinung, die immer fest versicherte: dieser jammervolle Zustand ihres Kindes werde bis auf den fünften März kommenden Jahres gewiß enden, sey nur bis dahin das Haus abgebrochen und in diesem Glauben machten sie auch alle Zurüstung zur Niederreißung des alten Hauses, und zur Erbauung eines neuen. Ich, dem sie das Mädchen auf Bitten, nachdem ihr Zu- stand mehr als fünf Monate schon so gedauert hatte, auf mehrere Wochen zur Beobachtung in’s Haus brachten, unter- stützte ihren Glauben an ein dämonisches Besessenseyn ihres Kindes nicht im mindesten , hauptsächlich des Mäd- chens wegen, um sie alsdann auch einer desto reinern Be- obachtung unterwerfen zu können, sondern erklärte den Zu- stand nur für ein Leiden, gegen das keine gewöhnlichen Arz- neymittel fruchten würden, weswegen sie auch mit Recht noch bis jetzt die Hülfe aller Arzeneyflaschen, Pillenschach- teln und Salbenhäfen bey ihrer Tochter zurückgewiesen hätten. — Dem Mädchen empfahl ich auch kein anderes Heilmittel als Gebet und schmale Kost an. Die Wirkung magnetischer Striche, die ich über sie nur ein paarmal versuchsweise machte, suchte der Dämon immer sogleich wieder durch Gegenstriche, die er mit den Händen des Mädchens machte, zu neutralisiren. So unterblieb auch dieses und überhaupt alle Heilmittel ohne alle Besorgniß von meiner Seite, weil ich in jedem Falle in diesem Zustand des Mädchens einen dämonisch-magnetischen erkannte und der Divination des bessern Geistes, der ihr ihre Gene- sung bis zum 5. März zusagte, wohl vertraute. In diesem Glauben ließ ich sie unbesorgt und zwar in dem Zustand, wie sie mir gebracht worden war, wieder nach Orlach in ihr elterliches Haus zurückkehren, nachdem ich mich durch genaue und lange Beobachtung fest überzeugt hatte, daß hier nicht die mindeste Verstellung, nicht das mindeste geflissentliche Hinzuthun von Seite des Mädchens zu ihren Anfällen statt fand. Ihren Eltern empfahl ich auf’s ange- legentlichste, aus dem Zustande ihrer Tochter kein Schau- spiel zu machen, ihre Anfälle so viel als möglich geheim zu halten, keine Fremde in solchen zu ihr zu lassen und keine Fragen an den Dämon zu richten, was ich selbst während ihres hiesigen Aufenthaltes aus Sorge für ihre Gesundheit nur wenig that. Nicht durch die Schuld der Eltern, denen dieser Zu- stand ihres Kindes nur Kummer machte und die sein Ende im- mer sehnlichst wünschten, sondern durch die Zudringlichkeit der Menge geschah es, daß meinen Warnungen nicht Folge geleistet wurde; viele Neugierige strömten dem sonst unbe- kannt gewesenen Orlach zu, um das Wundermädchen in seinen Paroxismen zu sehen und zu hören, was vielleicht doch den Vortheil hatte, daß sich auch manche andere außer mir von der Eigenheit dieses Zustandes überzeugten. Ein Berufener unter den vielen Unberufenen war auch Herr Pfarrer Gerber , der das Mädchen in ihrem letzten An- falle sah und in einem Aufsatze in der Didaskalia seine Beobachtung niederschrieb, auf den wir hier bald wieder zurückkommen werden. Am 4. Merz, Morgens sechs Uhr, als sich das Mäd- chen noch allein in seiner Schlafkammer im alten elter- lichen Hause befand, zu dessen Abbruch man aber schon Veranstaltung getroffen hatte, erschien ihr auf einmal die weiße Geistin. Sie war von einem so strahlenden Glanze, daß das Mädchen sie nicht lange ansehen konnte. Ihr Gesicht und Kopf waren von einem glänzend weißen Schleier bedeckt. Ihre Kleidung war ein langes, glän- zendes, weißes Faltengewand, das selbst die Füße be- deckte. Sie sprach zum Mädchen: „Ein Mensch kann keinen Geist durch Erlösung in den Himmel bringen, dazu ist der Erlöser in die Welt gekommen und hat für alle gelitten, aber genommen kann mir durch dich das Irdische werden, das mich noch so da unten hielt, dadurch daß ich die Un- thaten, die auf mir lasteten, durch deinen Mund der Welt sagen kann. O möchte doch Niemand bis nach dem Ende warten, sondern seine Schuld immer noch vor seinem Hin- scheiden der Welt bekennen! In meinem zwei und zwan- zigsten Jahre wurde ich als Koch verkleidet von jenem Mönch, dem Schwarzen, vom Nonnenkloster in’s Mönchskloster gebracht. Zwei Kinder erhielt ich von ihm, die er jedes- mal gleich nach der Geburt ermordete. Vier Jahre lang dauerte unser unseliger Bund, während dessen er auch drey Mönche ermordete. Ich verrieth sein Verbrechen, doch nicht vollständig, — da ermordete er auch mich. O möchte doch (wiederholte sie noch einmal) Niemand bis nach dem Ende warten, sondern seine Schuld immer noch vor seinem Hin- scheiden der Welt bekennen!“ Sie streckte nun ihre weiße Hand gegen das Mädchen hin. Das Mädchen hatte nicht den Muth, diese Hand mit bloßer Hand zu berühren, son- dern wagte dieß blos vermittelst des Schnupftuches, das sie in die Hand nahm. Da fühlte sie ein Ziehen an diesem Tuche und sah es glimmen. Nun dankte die Geistin dem Mädchen, daß sie alles befolgt habe und versicherte sie, daß sie nun von allem Irrdischen frey sey. Hierauf betete sie: „Jesus nimmt die Sünder an.“ u. s. w. Das Mäd- chen hörte sie noch beten, als sie sie schon nicht mehr sah. Während die Geistin so da gestanden war, sah das Mäd- chen immer einen schwarzen Hund vor ihr, der auf die Geistin Feuer spie, das aber die Geistin nicht zu berühren schien. Dieser verschwand mit der Geistin. In das Sacktuch des Mädchens aber war ein großes Loch gebrannt, wie das Innere einer Hand und ob diesem Loche noch fünf kleinere Löcher wie von fünf Fingern. Es geben die Brandstellen gar keinen Geruch von sich und auch im Momente des Glimmens bemerkte das Mädchen keinen Geruch. Auch hier die bekannte Aeußerung eines elektrischen Feuers, das mit dem magnetischen Nervenfluidum (dem Nervengeist) diesem Seelenvehikel, identisch oder eine seiner verschiedenen Darstellungen ist. — y — Vom Schrecken fast gelähmt wurde das Mädchen von den Ihrigen in der Kammer angetroffen und sogleich in das Haus des Bauern Bernhard Fischer gebracht, weil Grombach den Abbruch seiner Wohnung jetzt beschleunigen wollte. Kaum dort angelangt, erschien der Magdalene der schwarze Geist. Er hatte jetzt etwas weißes auf dem Kopfe, gleich einer Quaste, da er sonst ganz schwarz war. Er sprach: „Nicht wahr ich bin auch da? Du wirst recht weinen, weil es das letztemal ist! Du siehest nun doch auch etwas Weißes an mir.“ Als er dieses gesprochen, ging er auf sie zu, griff ihr mit kalter Hand in den Nacken, sie verlor ihr Bewußtseyn und er war nun in ihr. Ihr Aussehen (be- richtet ein Augenzeuge) war nun blaß, die Augen fest ge- schlossen. Wenn man den Augendeckel öffnete, fand man den Augapfel ganz gegen die Nase zu hinaufgetrieben und sah vom Lichten des Auges nur wenig. Das Auge schien auch wie eingesunken zu seyn. Der Puls schlug wie ge- wöhnlich. Der linke Fuß war in beständiger Bewegung. Die linke Seite war auffallend kälter als die rechte. Von Sonntag Nachts bis Dienstag Mittags nahm das Mädchen keine Speise mehr zu sich. Eben so unterblieben während dieser Zeit alle Sekretionen bey ihr. Sie blieb nun unausgesetzt vom schwarzen Geiste bis zum andern Tage Mittags besessen. Zuerst kündigte der Dämon an, daß er nicht vor halb zwölf Uhr am andern Tage (was auch so eintraf) gehen könne. Dann sprach er: „Wäre ich dem, was bey Petrus steht, nachgefolgt, so müßte ich nicht mehr hier seyn. Hierauf sprach er die Verse Petr. 1. 2. Cap., Vers 21 bis 25. her. „Denn dazu seyd ihr berufen, sintemal auch Chri- stus gelitten hat für uns und uns ein Vorbild gelassen, daß ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; welcher keine Sünde gethan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden, welcher nicht wieder schalt, da er geschol- ten ward, nicht drohte, da er litt, er stellte es aber dem heim, der da recht richtet, welcher unsre Sünden selbst ge- opfert hat an seinem Leibe auf dem Holze, auf daß wir der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch welches Wunden ihr seyd heil worden: denn ihr waret wie die irrenden Schafe, aber ihr seyd nun bekehrt zu dem Hirten und Bischoff eurer Seelen.“ Während des Tages kam eine ungeheure Menschenmenge in Orlach zusammen, um das Mädchen zu sehen und Fragen an den Dämon zu richten. Genügend und nach der Erklärung der Frager richtig, äußerte er sich besonders über Klöster und Schlösser und überhaupt über Alterthü- mer der Umgegend; andere vorwitzige Frager wieß er mit Spott oder Witz ab. Nachts, als sich auf polizeyliche Anordnung der Andrang der Gaffer verloren, erklärte der Dämon gebetet zu haben und äußerte mit Freude, er könne nun den Namen Jesus, Bibel, Himmel, Kirche, aussprechen, er könne beten und läuten hören. Wenn er sich doch nur schon im Sommer ge- wendet hätte, dann wäre es besser gewesen! — Seine Schuld gab er nun auch so an: „Mein Vater war ein Edler von Geislingen eine Stunde von Orlach . Da hatte er ein Raubschloß auf dem Löwenbuk bey Geis- lingen zwischen dem Kocher und der Bühler, man muß seine Mauern noch finden. Ich hatte noch zwey Brüder. Der älteste, der nicht weiter kam als wo ich auch bin, bekam das Schloß, der andere kam im Kriege um. Ich wurde zum geistlichen Stande bestimmt. Ich kam in’s Kloster nach Orlach, wo ich bald der Obere wurde. Der Mord von mehreren meiner Klosterbrüder, von Nonnen und von Kindern, die ich mit ihnen erzeugte, lastet auf mir. Die Nonnen brachte ich in männlicher Kleidung in das Kloster und fand ich an ihnen keinen Gefallen mehr, ermordete ich sie. Eben so ermordete ich die Kinder, die sie geboren, sogleich nach der Geburt. Als ich die ersten drey meiner Klosterbrüder er- mordet hatte, verrieth mich die, die du die Weiße nennest. Aber in der Untersuchung wußte ich mir dadurch zu hel- fen, daß ich meine Richter bestach. Ich ließ die Bauern während der Heuernte zusammen kommen und erklärte ihnen, keine Messe mehr zu lesen, würden sie mir nicht ihre schrift- lichen Dokumente ausliefern, dann würde zur Heuernte es immer regnen, ich würde Fluch über ihre Felder beten Daher wohl auch sein anfängliches Erscheinen bei dem Mädchen hauptsächlich zur Heuernte und seine Reden von Messe lesen, daß das Wetter schön bleibe. . Sie gaben ihre Dokumente, die die Gerechtsame Orlachs enthielten, und die lieferte ich meinem Inquisitor aus. Wieder in’s Kloster zurükgelassen, ermordete ich meine Ver- rätherin, darauf noch drey meiner Klosterbrüder und nach vier Wochen, im Jahre 1438, mich selbst. Als Oberer wußte ich meine Opfer in’s Verborgene zu locken und er- stach sie da. Die Leichen warf ich in ein gemauertes Loch zusammen. Mein Glaube war: mit den Menschen ist es nach dem Tode wie mit dem Vieh, wenn es geschlachet ist, wie der Baum fällt, bleibt er liegen. Aber — aber, es ist ganz anders, es ist eine Vergeltung nach dem Tode. Am andern Tage Morgens äußerte sich der Dämon noch gegen Umstehende über die ehmaligen Klöster zu Krails- heim ganz richtig. Dann verfiel er wieder in Zweifel, ob er wohl in Gnaden angenommen werde, wenn er jetzt für immer diesen Raum und das Mädchen verlassen müsse. „Heute Abend, sprach er, muß ich zum zweitenmal in’s Gericht und zwar mit Jener.“ Er verstand darunter die weiße Geistin. Es war vor halb zwölf Uhr Mittags. Die Leute, welche das Haus abbrachen, waren an den letzten Rest eines Stücks der Mauer gekommen, welche das Eck des Hauses bildete, und von ganz anderer Beschaffenheit als der übrige Theil war. Während die andern Mauern nur von Leim aufge- führt waren, so war dieses Stück mit ganz besonderem Kalk und fester verbunden, so daß es wirklich scheint, diese Mauer stamme von einem sehr alten Gebäude her. Mit dem Sinken dieses Theils des Gebäudes auch (was das Mäd- chen nicht sehen konnte) es war jetzt halb zwölf Uhr, und zwar mit dem Abbruch des letzten Steins desselben, trat bey dem Mädchen ein dreymaliges Neigen des Kopfes auf die rechte Seite ein, ihre Augen schlugen sich auf. Der Dämon war aus ihr gewichen und ihr natürliches Leben war wie- der da. Herr Pfarrer Gerber beschreibt als Augenzeuge den Moment, nachdem der letzte Stein jener Mauer ge- fallen war, also: „In diesem Moment wendete sich ihr Haupt auf die rechte Seite und sie schlug die Augen auf, die nun hell und voll Verwunderung über die vielen Per- sonen, welche sie umgaben, um sich schauten. Auf einmal fiel es ihr ein, was mit ihr vorgegangen war, sie deckte beschämt mit beyden Händen das Gesicht — fing an zu weinen, erhob sich, noch halb taumelnd, wie ein Mensch, der aus einem schweren Schlaf erwacht — und eilte fort. Ich sah nach der Uhr, — es war — halb zwölf! Nie werde ich das Ueberraschende dieses Anblicks vergessen, nie den wunderbaren Uebergang von den entstellten dämoni- schen Gesichtzügen der, wie soll ich sie nennen — Kranken, zu dem rein menschlichen, freundlichen Antlitz der Erwachten; von der widrigen hohlen Geisterstimme zu dem gewohnten Klange der Mädchenstimme, von der verborgenen, theils gelähmten, theils rastlos bewegten Stellung des Körpers, zu der schönen Gestalt, die wie mit einem Zauberschlage vor uns stund. Alles freute sich, alles wünschte dem Mädchen, wünschte den Eltern Glück: denn die guten Menschen waren fest überzeugt, daß nun der schwarze Geist zum letztenmale da gewesen sey. Der Vater zeigte mir hierauf das verbrannte Tuch, das seine Tochter gestern in der Hand hatte, als der weiße Geist von ihr Abschied nahm. Es war ganz deutlich zu sehen, daß die Löcher, welche darin waren, durch Feuer ent- standen waren. Ich ging auf den Bauplatz. Das alte Haus war bis auf eine kleine Mauer, mit welcher man in wenigen Stunden fertig werden konnte, schon abgebrochen.“ — Bey Wegräumung des Schuttes in den späteren Tagen fand man ein brunnenähnliches, ungefähr zehn Schuh im Durchmesser haltendes Loch, das zwanzig Schuh tief aus- gegraben wurde. In diesem und sonst im Schutte des Hauses wurden Ueberreste von menschlichen Knochen, auch die von Kindern gefunden. Das Mädchen blieb von jener Stunde an durchaus gesund und nie mehr kehrten bey ihr die früheren Erscheinungen zurück. Selbst in der Krankheit, die sie in Folge einer Erkältung ein Jahr später erlitt und die in Hemmung des Schlingens und in Stimmlosigkeit bestand aber sich bald wieder hob, Es brachen Geschwürchen im Kehlkopfe auf. zeigte sich keine Spur des früheren dämonisch-magnetischen Zustandes mehr. Es ist natürlich, daß auch diese Geschichte Jeder nach seinem Glauben, seiner Denkungsweise, seiner Beschäfti- gung, Bildung und Dressirung auslegen und immer den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben glauben wird. Besonders werden das die rationellen Aerzte vermeinen, mit einer Auslegungsweise, die jedem nur etwas rationell dressirten Dorfbarbierer auch bekannt ist, daher der geneigte Leser füglich annehmen darf, daß ich eine solche auch sehr aus- führlich nnd gelehrt scheinend machen könnte, wäre mir eine solche für den ganzen Inhalt dieser Geschichte genügend und kämen in ihr nicht Thatsachen in das Spiel, die diese Geschichte allerdings zu etwas weiterem, als zu einer me- dicinischen Dissertation über Monomanie und den nervus vagus und sympathicus, geeignet machen. Von meiner Seite übrigens wird es am besten gethan seyn, blos bei der getreuen Geschichtserzählung stehen zu bleiben und nur das noch dieser Geschichte beizufügen, was einige andere Männer, die zum Theil auch Augenzeugen von ihr waren, als Räsonnement über sie öffentlich äußerten oder mir zum Gebrauche mittheilten. „Merkwürdig ist es,“ schreibt Hr. Gerber , „daß man bey all diesen Geistergeschichten eine Familienähnlichkeit nicht mißkennen kann, welche auf etwas Wahres, das ihnen allen zu Grunde liegt, schließen läßt. Und zwar zeigt sich diese Aehnlichkeit in den verschiedensten Gegenden, wo auch nicht die geringste Verabredung oder Nachahmung, oder sonst ein Einfluß gedacht werden kann. Wie ähnlich sind nicht diese Geistererscheinungen in Orlach mit denen in der Seherin von Prevorst erzählten? Wie dort so oft, sind es zwey Geister, ein guter und ein böser, ein Verführer und eine Verführte, welche erscheinen, wie dort und beynahe in allen diesen Geschichten dieselbe Sehnsucht nach Erlösung bey dem lichtern, gebesserten Theil, dieselbe moralische Muthlosig- keit und starre Verstockung der dunkeln Erscheinungen. Selbst die so gewöhnlichen thierischen Gestalten, in welchen sich der schwarze Geist zeigte, sollten sie nicht Bild seiner nie- drigen thierischen Natur seyn? Durchgehends findet sich, daß unmoralische Wesen in dunkeln Hüllen, bessere in lich- ten Gestalten erscheinen; eben so oft kommt es vor, daß solche Geister Bibelsprüche und Liederverse anführen und wünschen, daß man für sie beten möchte. So unbegreiflich das Anbrennen des Tuchs in der Hand des Mädchens, bey der Berührung des weißen Geistes, uns vorkommt, so hat dieser Fall in den Geistererscheinungen zu viele analoge Fälle, um sie wegstreiten zu können, und ich kenne die Fa- milie genau, in welcher die Bibel aufbewahrt wird, welche der Großvater aus den Händen eines Geistes erhielt, und in welcher die eingebrannten Spuren einer feurigen Hand noch zu sehen sind, wie es Stilling in seiner Geister- theorie erzählt und eine scharfsinnige Erklärung dieser Er- scheinung zu geben sucht.“ „Wir würden uns wohl auch in Orlach vergebens be- mühen, eine natürliche Erklärung dieser Vorfälle zu finden. Die in die Augen fallenden Thatsachen, wie z. B. das Brennen im Haus, der Unfug im Stall u. s. w., wurden von zu vielen unpartheiischen, redlichen Zeugen gesehen und an eine Absicht zur Täuschung läßt sich bei einer Sache, welche den betreffenden Personen so großen Nachtheil brachte, gar nicht denken. Auf das einfache Bauernmädchen, wel- ches in ihrem Leben weder von Stillings Geistertheorie, noch von der Seherin von Prevorst einen Buchstaben ge- lesen hat, konnten jene Schriften keinen Einfluß haben, und die Aehnlichkeit ihrer Erscheinungen mit so manchem, was in jenen Schriften erzählt und behauptet wird, kann daher nicht blos zufällig seyn. Auch läßt sich nicht voraus- setzen, daß das Mädchen, dem es so sehr an Geistesanla- gen fehlte, daß es in der Schule nicht einmal das recht lernen konnte, was in den Dorfschulen gelehrt wird, die Geschichte der zwey Geister ersonnen habe, denn es herrscht eine Consequenz in der Charakterschilderung, in den Aeuße- rungen dieser Personen, es kommen Anspielungen auf das Klosterleben der Mönche aus den Zeiten des Mittelalters darin vor, die das protestantische, unwissende Bauernmäd- chen unmöglich aus der eigenen Phantasie geschöpft haben kann. Und was die Bibelsprüche betrifft, welche ich von ihr gehört habe, so ist doch wohl schwer zu erklären, daß sie solche Sprüche traf, die sehr geeignet erscheinen, sie in ihren Leiden zu trösten, wie 1. Pet. 1, 20, während der 116. Psalm für ein Gemüth, wie der weiße Geist geschil- dert wird, das vom Gefühl der Reue, der Sehnsucht nach Erlösung und der Hoffnung baldiger Begnadigung erfüllt ist, eine sehr schöne, tiefe Bedeutung hat. Ist es nicht wunderbar, daß unter den vielen tausend Bibelsprüchen, unter welchen sie eben so gut eine weit größere Anzahl ganz unpassender hätte treffen können, gerade solche von ihr an- geführt wurden, welche in einer schönen Beziehung zu ih- ren Verhältnissen oder der Lage des Geistes stehen? Wo kommt dem Bauernmädchen diese Weisheit her, welche ihr im natürlichen Zustand ganz fremd ist? Am wunderbarsten ist aber die Verwechslung der Persönlichkeit. Es ist eigent- lich schwer, einen Namen für diesen Zustand zu finden. Das Mädchen verliert das Bewußtseyn, ihr „ Ich “ ver- schwindet oder entfernt sich vielmehr, um einem andern „ Ich “ Platz zu machen. Ein anderer Geist ergreift nun gleichsam Besitz von diesem Organismus, von diesen Sinn- werkzeugen, von diesen Nerven und Muskeln, spricht mit dieser Kehle, denkt nun mit diesen Gehirnnerven und zwar auf eine so gewaltsame Weise, daß die Hälfte des Orga- nismus dadurch wie gelähmt wird. Es ist gerade, wie wenn ein Stärkerer kommt und den Hausbesitzer aus dem Hause jagt und dann behaglich zum Fenster hinausschaut, wie wenn es das seine wäre. Denn es ist keine Bewußt- losigkeit, welche eintritt, ein bewußtes Ich bewohnt ohne Unterbrechung den Körper, der Geist, der jetzt in ihr ist, weiß so gut — sogar oft noch besser als zuvor, was um ihn vorgeht, aber es ist ein anderer Bewohner, der darin haust. Und zwar ist das Mädchen bey all’ dem nicht ver- gessen, er spricht von ihr, er weiß recht gut, daß sie lebt, aber er behauptet, sie sey nicht da, er sey da . Und Alles scheint es zu bestätigen, daß nun ein ganz anderer, roherer, gottloser Bewohner in diese Behausung eingezogen ist, der mit dem vorigen keine Aehnlichkeit hat. Wohl schwe- ben dem Menschen auch im Traume, in der Fieberhitze, im Wahnsinne seltsame Täuschungen vor, aber es ist doch immer dasselbe Ich, das als der bleibende Grundton unverändert bleibt, wie auch dieses Ich sich zum Kai- ser oder Bettler, zu Gott oder zum Gerstenkorn gestalten mag — aber von einer so scharf abgetrennten, klar erkann- ten Verwechslung des Ichs haben wir noch nichts gehört. Kerner , über Besessenseyn. 4 Sollten wir das Ganze als eine Ausgeburt der Phantasie halten, so ist es schwer zu begreifen, wie das Mädchen mit so beharrlicher Consequenz immer auf dieselben Ideen zurück- kommen, und allmählig ganze Charakterbilder und eine fort- laufende Erzählung erdichten konnte; so ist eben so wenig erklärbar, wie sie zuletzt noch gar die Rolle dieses ruchlo- sen Mönchs, eines Charakters, der ihren natürlichen Ge- sinnungen und ihrem ganzen Ideenkreis so ganz fremd ist, in Ton und Sprache so richtig spielen konnte, wie es nur ein Dichter und geübter Schauspieler vermag.“ Einem Denkgläubigen war wohl mit noch Vielen, ein Räthsel, wie der Abbruch eines Bauernhauses Bedingung der Erlösung eines abgeschiedenen Geistes seyn könne. Ein Freund der Bibel und der Wahrheit antwortet: „Diese Bedenklichkeit ist gegründet und jedenfalls ver- zeihlich, sie trägt aber die Ermahnung in sich, das Para- doxe dieser Art an seinen Ort gestellt seyn zu lassen, bis nach gesammelten Erfahrungen über ihren Grund weiteres Licht kommt. So viel ist gewiß, daß auch in der Sinnen- welt sich täglich eine Menge begibt, wovon wir den Zu- sammenhang und die Ursache der Zulassung nicht einsehen. Daß den bösen Buben im Reich der Geister Langmuth wi- derfährt, wie in diesem Leben, scheint nicht so abnorm zu seyn. Daß es dort Beziehungen, Bedingungen und Ver- hältnisse zur Diesseite gibt, die aus der Diesseite nicht er- klärbar sind, ist gerade recht und nothwendig, weil dort ganz andere, dem Gesetz des Sichtbaren wahrhaft oder scheinbar widersprechende Gesetze im Großen und Kleinen walten. Man kann einen Menschen von einer angehenden Blindheit erretten, wenn man eine gegenüberstehende weiße Mauer abbricht; wer weiß, was zur Beruhigung einer Seele dienen kann, wenn man ein Haus abbricht, in welchem sie gewohnt oder Uebels gethan hat? oder worin ein schlim- mer Bezug zu ihr sich befindet? Daß dieses unbedingt nö- thig sey, um eine solche Seele zum Frieden zu fördern, ist damit keineswegs gesagt; aber daß es vermöge ihrer Imagination Einfluß auf ihre Zufriedenheit haben kann, ist eben so gewiß, als daß ein grillenhafter Mensch sich befriedigt fühlt, wenn ein Gebäude abgebrochen wird, des- sen Anblick ihn geärgert hat. Daß der Mönch gegen ein Haus wüthete, welches in seinen Fundamenten noch die stummen Zeugen seiner Missethaten enthielt, ist so unglaub- lich nicht. Auch ihm konnte geholfen werden, ohne den Abbruch dieses Hauses; aber er wollte es nun einmal zer- stört wissen, und plagte so lange, bis es geschehen, dessen für seine Einwirkung empfängliche junge Bewohnerin. Von da an glaubte er sich beruhigen zu können, oder fand we- nigstens keinen Anlaß mehr, die Hausbewohner in Schrecken zu setzen. Wer weiß nicht, daß ein Missethäter gern Al- les zernichtet, was ihn vor Gott und seinem Gewissen an- klagt? Wäre die weniger schuldige Nonne nicht schon auf andere Weise zur Buße gelangt gewesen, so hätte der Haus- abbruch sie nicht entsündigt; aber es trug wesentlich zu ihrer Stellung bey, theils der Erinnerung halben an sich, theils in ihrem Zusammenhang mit dem Mönch. Man denke sich doch diese im Gericht stehenden Seelen höchst empfind- lich, stets mit ihrer Schuld beschäftigt, bis in’s Kleinste sorgsam, oder auch wüthend, sie auszulöschen, dabey un- klar, verworren, je nach dem Zustand ihrer Verdammniß und nach dem hiernach sich bemessenden Grad ihres Be- wußtseyns, ihrer Besinnung oder Geistesgegenwart, daher oft nur trachtend auf eine verkehrte Weise und durch neue Bosheiten ihren Muth zu kühlen. Ihre Vorstellungen sind ihre Qualen oder ihr Trost, bis sie das Licht der Wahr- heit gefunden haben.“ Der Denkgläubige meint: Die religiösen Ansichten über das zukünftige Leben, welche wir unsern Somnambülen und unsern Geistern verdanken, seyen so trostlos, daß sie die Schrecken des Todes uns wiederbringen, welche doch Jesus nach den Aussprüchen der h. Schrift vernichtet habe. Der Freund antwortet: „Für wen hat sie Jesus vernich- tet? Für die, welche mit der That und Wahrheit an ihn 4 * glauben, zu denen auch ohne Zweifel der würdige Verfas- ser gehört. Wem bringen jene religiösen Ansichten über das zukünftige Leben die Schrecken des Todes wieder? Nicht „ uns “ die wir glauben, sondern denen, für die Je- sus Christus der Heiland noch nicht erschienen ist, weil sie nicht an sein Heil glauben wollen, und für die er daher bis jetzt die Schrecken des Todes nicht hat vernichten kön- nen. Wer aus Eigensinn, aus Verstocktheit, aus Ueber- muth, ohne Christum in der Welt lebt, erschrickt mit Recht vor dem Tode, und damit er heilsam erschrecke, kommen solche außerordentliche Begebenheiten, die einen Blick in das Leben nach dem Tode eröffnen, ob sie gleich öfter ver- loren als wirksam sind. Einige Theologen bilden sich ein, Christus habe den Hades, oder gar den Glauben daran, aufgehoben. Er hat ihn nicht aufgehoben, sondern geöff- net, indem er dessen Schlüssel hat.“ Der Denkgläubige sagt: „Die Bibel lehrt ein rastloses Fortschreiten, ein ununterbrochenes Wirken in Gottes Reich; unsere Somnambülen und Geister wollen dagegen wissen, daß unzählige Geister oft 300—400 Jahre lang in Kel- lern und Gewölben, in Boden und Kammern zubringen müssen. Wie läßt sich das mit der Weisheit des Gottes vereinigen, der kein irdisches Pfund, viel weniger einen unsterblichen Menschengeist mit seinen Anlagen Jahrhun- derte lang vergräbt?“ Der Freund entgegnet: „Wir werden doch hoffentlich nicht glauben, daß ein Jeder nolens volens nach dem Tode (denn in diesem Leben geschieht es offenbar nicht) zur Voll- endung fortgerissen werde? Daß manches irdische, selbst günstige Pfund Jahrhunderte lang vergraben bleibt, ist eine gewisse Erfahrung. Handelt sich’s hier von Naturschätzen, Entdeckungen, Wahrheiten, Schriften, so werden solche oft erst nach langer Zeit gefunden, geachtet, benutzt. Wenn aber der Verfasser der heiligen Schrift Glauben beymißt, so muß er auch glauben, daß nicht nur Seelen 300—400 Jahre lang in Kellern, Kammern zubringen können, näm- lich in der Art, wie ein Geist sich daselbst in seinem eigen- thümlichen Hades-Raum aufhalten, bewegen und daraus hervortreten kann; sondern daß nach 1. Petri 3, 19—20 die Seelen der Unglaubigen vor der Sündfluth von da bis zur Höllenfahrt und Auferstehung des Herrn in den Ge- fängnissen des Hades zubringen mußten, welches einen un- gefähren Zeitraum von 2400 Jahren macht. Bey ihnen hätte also das „rastlose Fortschreiten“ gute Weile gehabt. Und doch schritten sie fort; denn sonst könnte sie Christus nicht aus ihrem Zustande befreyen. Die Frage, wie sich dergleichen mit der Weisheit Gottes vereinigen lasse, hat seiner Zeit auch Hiob gethan und guten Bescheid darauf erhalten.“ Der Denkgläubige meint, es solle so ein Verstorbener, wenn er wieder käme, uns doch auch die Räthsel des Le- bens lösen und uns Kunde bringen von dem Jenseits, in das unser Auge mit so vieler Neugierde blicke. „Das thut er wirklich,“ antwortet der Freund, „aber nicht nach unserer vorgefaßten Meinung.“ Auch dieser Denkgläubige ist der Meinung der Geistreichen: es sollten Geister geist- reich seyn und nicht so albern. „Das ist eben unser gro- ßer Irrthum,“ antwortet der Freund, worüber anderwärts viel gesagt ist. Der Denkgläubige kann an kein Zwischenreich halbseli- ger und halb unseliger Geister glauben, welches ihm weit ärger wäre, als das Fegfeuer, das doch schneller wirke und einen vernünftigen Zweck habe. In diesem Zwischen- reiche fände keine weitere Vervollkommnung statt, die Gei- ster müßten da noch mehr verdummen, statt, wie er es sich vorstelle, sich vorher zu einem andern Geschlecht entwik- keln u. s. w. Der Freund entgegnet: „Man möchte wohl wissen, was der Zweifler sich unter dem Fegfeuer nnd bey dessen Unter- schied von dem Zwischenreich und welchen vernünftigen Zweck er sich bey seinem Fegfeuer denkt. Ferner wie geschwind nach seiner Vorstellung die thörichte Mehrzahl der Men- schen auf Erden sich drüben entwickeln, vervollkommnen, entfalten, ihre Thorheit abschütteln und ein anderes Ge- schlecht aus ihr entstehen muß, und ob er hier den lang- müthigen Gott nicht mit menschlichem Maßstab, oder nach der Wanduhr die Ewigkeit messen läßt. Auch ob ein Ge- fangener verdummen muß, dem man in seinem Kerker Zeit läßt, sich zu besinnen, von seinem leidenschaftlichen Trei- ben sich abzukühlen, die Augen nach Gott zu richten und den auch wohl von Zeit zu Zeit ein Seelsorger besucht, weil des Richters Absicht ist, ihn zu bekehren und zu bes- sern. Endlich, ob der Denkgläubige berechnen und uns die Versicherung geben kann, daß und in welcher kurzen Frist alle Narren eines Irrenhauses als geheilt entlassen werden können. Was aber hier Jahre sind, das mögen dort wohl Jahrhunderte nach hiesigem Zeitmaß seyn. Oder noch dieß: warum dort bloße Anomalien seyn müssen, was hier die Regel ist; wofern wir nicht mit dem Tode selbst eine nir- gends geoffenbarte, nirgends erweisliche Verwandlungskraft beylegen wollen.“ Der Denkgläubige sagt: „So auffallend auch immerhin die Aufschlüsse sind, welche unsere Geister und Somnam- bülen schon gegeben haben, so ist es doch nur Sternen- licht — das zwar aus einer höhern geheimnißvollen Welt stammt, aber mit dem klaren Sonnenlichte der reinen ge- sunden Vernunft nicht verglichen werden kann. Alle diese Geister, welche uns durch ihre übernatürlichen Einsichten und Wirkungen in Erstaunen setzen, haben dennoch auch nicht eine große segensreiche Wahrheit, eine wichtige Ent- deckung der Menschheit gebracht und selbst die Maschinen, die sie erfunden haben, kommen nicht einmal unserm Pflug oder Spinnrad gleich. Nie werden sie unsern großen Gei- stern mit natürlichem Berstande an die Seite gestellt wer- den können, sie waren nur Seltenheiten, die Erstaunen er- regten, aber keinen bleibenden Gewinn brachten. Der Freund entgegnet: „Der Zweifler verfällt hier in den Ton des Rationalismus nnd hält die „reine gesunde Vernunft“ für das Sonnenlicht, das uns erleuchten soll. Wessen Vernunft? Seine oder meine, oder Kerner’s seine oder die der Herren P., St. u. W.? Denn wir haben alle Vernunft, und meine Vernunft behauptet reiner und gesun- der zu seyn, als die des Zweiflers, weil sie sonst nicht wagen könnte, der seinigen zu widersprechen. Wenn der Zweifler sich im 1. Brief an die Corinther umsehen will, so wird er finden, wiefern die Seher überhaupt (außer den biblischen) unsere Professoren seyn sollen, und wiefern wir die ihrigen. Die rechte Kritik in diesen Dingen verleiht nicht die sogenannte reine gesunde Vernunft an sich, so we- nig wie eine klare Glaslaterne für sich leuchtet, sondern das Wort Gottes und der Geist, der es gegeben hat. „So auffallend auch immerhin die Aufschlüsse sind, wel- che unsere Geister und Somnambülen schon gegeben haben,“ sagt der Zweifler, und doch sollen sie gar nichts Großes, Segensreiches oder Wichtiges gebracht haben! Ich meine aber, wenn sie die biblischen Wahrheiten bestätigen und durch ihre Entdeckungen aufhellen, so haben sie der Menschheit ein großes, segensreiches und wichtiges Stärkungsmittel gegen den Un- glauben und Abfall gebracht — womit natürlich die gleich folgenden Maschinen und Spinnräder nicht in Vergleich kommen. Wer ihre Eröffnungen wohl zu sichten und zu benutzen weiß, dem haben sie bleibenden Gewinn gebracht. Wenn der Zweifler sagt: „sie können unsern großen Gei- stern mit natürlichem Verstande nicht an die Seite gestellt werden,“ so frage ich: wer sind aber unsere „großen Gei- ster mit natürlichem Verstande?“ und was sind sie? Der Zweifler kann die Antwort lesen 1. Kor. 2. und Röm. 1, 22., auch Coloss. 2, 8. Der Denkgläubige sagt: „Wir wollen diesen Geistern alle Aufmerksamkeit schenken, welche sie allerdings verdienen.“ Der Freund: „Weswegen? sie haben ja nichts gebracht. Bloße Raritäten, aus denen nichts zu lernen ist, verdienen überall keine Aufmerksamkeit.“ Der Denkgläubige: „Aber wir wollen uns die mühsam erworbenen Schätze der Wissenschaft und Erfahrung nicht rauben lassen.“ Der Freund: „Keineswegs wollen wir das; aber jene Eröffnungen, jene „Aufschlüsse“ gehören auch, wenn ir- gend etwas, zu den Schätzen der Wissenschaft und Er- fahrung.“ Der Denkgläubige sagt: „Es gibt keine Art von Aber- glauben, keine Albernheit, kein Ammenmährchen, welches nicht in diesem System seine Sanktion findet.“ Der Freund: „In welchem System? Was die Geister und Somnambülen sagen, ist an sich kein System, denn sie widersprechen auch zuweilen einander, ja sogar sich selbst. Was man aus diesen Erscheinungen hat schließen wollen, ist zu unbestimmt, als daß es ein System heißen könnte. Wie viel wird nicht alle Tage falsch geschlossen? Baculus stat in angulo etc. ist kein System. Uebrigens gibt es, je nach dem System der Urtheiler, Aberglauben, Albern- heiten und Ammenmährchen, die es nicht sind.“ Der Denkgläubige sagt: „Könnten wir denn diese uner- klärlichen Erscheinungen aus der Geisterwelt nicht eben so auf sich beruhen lassen, wie wir alle jene Räthsel auf sich beruhen lassen müssen?“ Der Freund erwiedert: „Ja, das soll Jeder, der diese unerklärlichen Erscheinungen nicht zu benutzen weiß, nicht zu sichten versteht, und nicht fortzuschreiten begehrt. Es muß aber andern unverboten seyn, in den Räthseln der Natur, des Menschenlebens und der Erscheinungen aus der Geisterwelt zu forschen und etwas daraus zu lernen; denn Gott zeigt uns nichts umsonst. Wir sollen keine faulen Schüler seyn, die das aufgeschlagene Buch liegen lassen und Aepfel schmausen, dazu sind wir nicht hier.“ Der Denkgläubige sagt: „Es ist ein wahrhaft wohlthuen- der, beruhigender Gedanke, daß der weiseste der Weisen, der die Tiefen der Gottheit durchschaute und aus dem Reiche des Todes zurückkehrte, uns nichts von solchen Sonderbar- keiten aus dem unbekannten Jenseits mit herüberbrachte, sondern nur klares, beglückendes Sonnenlicht.“ Der Freund entgegnet: „Wahr! aber bey dem klaren Sonnenlicht, welches der Gottmensch aus dem unbekann- ten Jenseits herübergebracht hat und welches nichts anders heißen kann, als das Evangelium von der vollendeten Er- loͤsung, das denn den Gläubigen zu ihrem Trost genügen kann, offenbart sich erst mancher dunkle Punkt und zwar in der Offenbarung selbst, welche darum von den Ungläubi- gen verworfen wird, so daß man endlich vor dem klaren beglückenden Sonnenlicht die Augen verschließt. Die Geschichte des Todes und der Auferstehung Jesu ist sogar reich an Sonderbarkeiten und muß es wohl seyn, weil sie das Wunder aller Wunder in sich faßt. Diese zu erklären und durch die Erklärung zu bestätigen, trägt dann die Wissenschaft der Erfahrungen aus der Geisterwelt mehr bey, als alle logische Constructionen der Schultheologie. Zum Beweis dient, daß die, welche Erfahrungen anneh- men, an das Sonnenlicht des Evangeliums glauben, die sie aber verwerfen, es entweder nur halb oder gar nicht haben wollen .“ Der Denkgläubige sagt: „Es ist traurig, daß die Ge- schichte in Orlach dem Aberglauben des Landvolks so sehr zur Nahrung dient und sich wie eine ansteckende Krankheit verbreitet.“ Der Freund sagt: „Hier haben die Seelenhirten einzu- schreiten und die Sache dem Landvolk nicht auszureden, da sie wahr ist, sondern nach der Wahrheit und für zweck- mäßige Anwendung zurechtzulegen, eben damit auch dem Aberglauben zu steuern, welcher ist eine Mißgestalt und ein Mißbrauch des Glaubens.“ „Hiezu gehört aber, daß die Seelenhirten sich nicht zu denen gesellen, welche die Sache auf sich beruhen lassen, sondern welche sich gründlich prüfen, in allen Richtungen beleuchten und das Reine von dem Unreinen ohne Vorur- theil zu scheiden suchen. Dadurch können sie auch „Au- steckungen steuern, nämlich nicht blos denen eines leeren Wahns, sondern der Ansteckung wirklicher Besitzungen, wel- chen durch Gebet und festen Glauben an den, der Macht hat über alle Gewalt des Feindes, widerstanden werden kann, während eine geängstigte Imagination sich eine solche dämonische Krankheit wesentlich zuziehen kann, wie die Pest, Cholera und andere Seuchen, und wie der Dieb (der kein Wahn ist) nicht eindringen kann, wenn die Thür wohl ver- schlossen ist. Der Riegel ist aber nicht der Unglaube, son- dern der Glaube.“ Nachträglicher Bericht über das Mädchen von Orlach ; nebst einer Beleuchtung der Bemerkungen der Didaskalia uͤber diese Erscheinungen, von Gerber . Ich hatte der Redaktion der Didaskalia in Frankfurt eine treue Darstellung der Vorfälle des Mädchens von Or- kach eingeschickt, welche in Nr. 81 — 86 v. J. aufgenom- men wurden, und auch in dem würtembergischen Landboten abgedruckt worden ist. Die Redaktion hielt es für nöthig, in den Blättern 89 u. 91 eine natürliche Erklärung dieser Erscheinungen zu versuchen, in welcher sie mich von dem Vor- wurf der Inconsequenz nicht freysprechen zu können glaubte. Nach einigen Monaten sandte ich folgenden nachträglichen Bericht ein, in welchem ich mich zugleich verpflichtet fühlte, das Unhaltbare dieser natürlichen Erklärung zu zeigen und mich gegen den Vorwurf der Inconsequenz zu vertheidigen. Die Redaktion trug jedoch Bedenken, diesen Aufsatz aufzu- nehmen, weil diese Geschichte in der Gegend von Frank- furt weder Glauben noch Theilnahme gefunden habe. Ich setzte in die Versicherung der Redaktion nicht den mindesten Zweifel und bin weit entfernt, den Lesern der Didaskalia Glauben und Theilnahme aufzwingen zu wollen. Da sich aber hoffen läßt, daß die Leser dieser Blätter mehr Inter- esse an diesen merkwürdigen Erscheinungen nehmen werden, und die natürliche Erklärung der Didaskalia als ein Vor- bild aller Erklärungen dieser Art zu betrachten ist, so wer- den sie wohl auch diesen nachträglichen Bericht und die Beleuchtung jener Erklärung ihrer Aufmerksamkeit würdigen. In dieser Widerlegung möchte wohl das Meiste berücksich- tigt seyn, was die vernunftelnde Welt überall über diese Vorfälle geurtheilt haben mag, und es handelt sich daher hier nicht von der Meinungsverschiedenheit zwischen mir und der Redaktion, sondern von einer allgemeinen Beur- theilung jener Philosophie, welche alles Unbegreifliche in der Natur wegdemonstriren will. Die Redaktion hat ganz in meinem Sinn gehandelt und mir eigentlich vorgearbei- tet, wenn sie eine natürliche Erklärung dieser Erscheinun- gen zu geben versuchte und dem Aberglauben keinen Vor- schub leisten möchte. Auch ich bin Freund des Lichts und hasse allen Aberglauben so sehr, daß ich etliche Mo- nate lang von dieser Geschichte in Orlach sprechen hörte, ohne etwas anderes, als Widerwillen dagegen zu empfin- den, und ich war nicht einmal neugierig, die Sache genauer zu erfahren, weil mir alles zu albern vorkam, und bedauerte nur, daß der Volksaberglaube dadurch aufs Neue gestärkt wurde, was mir heute noch an der Geschichte höchst zu- wider ist. Recht herzlich würde ich mich darüber freuen, wenn durch eine richtige Erklärung aller Geisterspuk und und alles Unbegreifliche weggeräumt werden könnte, denn den Schlüssel zu dieser Erklärung zu finden, war von der ersten bis zu der letzten Stunde mein eifrigstes Bestreben. Leider aber kann ich nicht sagen, daß durch die Bemerkun- gen der Redaktion dieser Zweck erreicht worden wäre. Auch ich hoffte, ehe ich nach Orlach ging, das Wahre von der Betrügerey oder von der Verblendung Befangene zu schauen, bald absondern und den Schlüssel finden zu können, um allen Geisterspuk, alle Visionen als einen, durch seine Sel- tenheit wichtigen Krankheitszustand zu erklären. Ich hatte daher mir bereits eine Erklärungsweise gebildet, welche der in den Bemerkungen gegebenen beinahe ganz gleich war, die ich aber, so wie jede andere, welche ich versuchte, wieder aufgeben mußte, sobald ich mich genauer nach den Umständen erkundigte. Vor Allem muß ich bemerken, daß, wie das Mädchen es vorhersagte, jener Anfall, bey welchem ich zugegen war, der letzte gewesen ist. Sie blieb seither ganz gesund und keine Spur von Geistererscheinungen oder somnambulen Zu- fällen zeigen sich mehr. Erst vor einigen Wochen wurde sie wieder von einer Krankheit befallen, durch welche sie am Sprechen gehindert wurde, und über welche der Her- ausgeber dieser Blätter eben Auskunft gab. Diese Krank- heit ist aber in so fern merkwürdig, als sich dabey keine Spur ihrer frühern Erscheinungen des Besessenseyns, der Gei- ster u. s. w. mehr zeigten; ein Beweis, daß dieses Mädchen krank seyn kann, ohne solche Crscheinungen zu haben, wie man hätte vermuthen sollen. Wenn Alles nur Folge ihres krankhaften Körpers war, warum stellten sich diese Erschei- nungen nicht mit der Krankheit wieder ein? Die Redaktion beginnt ihre Beleuchtung mit den Wor- ten: „Das Hohenloh’sche ist bekanntermaßen ein Land, in welchem noch viel Aberglauben herrscht.“ Daß im Ho- henloh’schen viel Aberglauben herrscht, will ich nicht bestrei- ten, aber das Wörtchen bekanntermaßen deutet darauf hin, wie wenn das Land durch seinen Aberglauben bekannt wäre, oder wie wenn es sich dadurch auszeichnete. Man wird es mir verzeihen, wenn ich diese Beschuldigung von meinem lieben Hohenloh’schen Ländchen abzuwälzen suche. Von dem Aberglauben gilt, was vom Reich Gottes —, man kann nicht sagen, siehe hier ist er, oder da ist er, denn er ist inwendig im Menschen, so weit auf Erden Men- schen wohnen. Wir finden ihn in den Hütten der Wilden wie in den Salons der gebildetsten Hauptstädte der Welt, er wohnt an der Spree wie an der Seine, und wird wohl auch in Frankfurt seyn. Führen wir gen Himmel, so ist er da, und fliegt als Drache auf Sternschnuppen herum, segeln wir auf den Wellen des Meeres, so schwimmt er auf dem schauerlichen Geisterschiff, betteten wir uns in den Schooß der Erde, so schickt er uns seine Kobolde und Berg- geister entgegen, denn er hat das Weltall mit seinen Ge- stalten bevölkert. Der Aberglaube ist so alt, wie die Mensch- heit. Er stand in Asien an der Wiege des Menschenge- schlechts, er ist mit der Menschheit zum Mannesalter ge- reift, und stirbt wohl erst, so wie die Sünde, mit dem letzten Menschen aus. Der Aberglaube ist der Schlagschat- ten unseres Gesichtes; und so wie unser Schatten immer unsere Gestalt annimmt, so richtet sich der Aberglaube in unzählig vielen Formen und Reflexen immer nach der in- dividuellen Denkungsweise und Bildungsstufe der Menschen. Er ist materiell und grob-sinnlich in den Hexen- und Ge- spenstergeschichten der Bauern, er ist sinnig, zart und ge- müthlich, wenn er in den ästhetischen Theevisiten unserer Damen verhandelt wird, er ist gelehrt und schwülstig in den Schriften unserer Philosophen, er ist mystisch und fromm in der Dogmatik mancher Theologen. Unzählig viele Men- schen, die sich ihrer Aufklärung rühmen, sind abergläubisch ohne es zu wissen und zu wollen, trotz ihrer Versicherun- gen vom Gegentheil. Und obgleich wir damit nicht bestrei- ten wollen, daß der Aberglaube in einigen Gegenden mehr als in andern herrscht, so sind doch gerade die Hohen- loher durch ihren heitern, leichtern Sinn, der überhaupt den Franken eigen ist, weit weniger zum Aberglauben ge- neigt, als andere Völkerstämme, was sich auch daraus er- gibt, daß der Pietismus und Mysticismus und Separatis- mus, der in andern Gegenden wuchert, im Hohenloh’schen keinen Boden findet, wo er Wurzel fassen kann. Der Ab- bruch des Hauses in Orlach ist kein Beweis dafür, daß sich dieses Dorf durch Aberglauben auszeichnet. Wenn der aufgeklärteste Kopf des achtzehnten Jahrhunderts, Fried- rich der Große, das Pfarrhaus in dem Dorf Quarez bei Glogau wegen Geisterspuk abbrechen und wieder neu bauen ließ (wie mir die glaubwürdigsten Personen erzählten und wie es in Schlesien allgemein bekannt seyn soll) so wird es wohl Niemand den schlichten Bauersleuten in Orlach ver- denken, wenn sie dasselbe thaten. Die Redaktion meint, in Frankfurt hätte man das Haus nicht abgebrochen, son- dern über die Absurdität gelacht und die Besessene in ein Kranken- oder Irrenhaus gebracht. Das möchte ich be- zweifeln. Auch in Frankfurt würde wohl ein guter Va- ter lieber sein Haus (und besonders ein solches Haus) abbrechen und wieder neu bauen lassen, als seine Toch- ter in das Kranken- oder Pflegehaus zu bringen, denn ob es gleich eine sonderbare Kur ist, die bis jetzt noch wohl in keinem Recept verschrieben wurde, daß man durch den Abbruch von Häusern Kranke heilt; so ist doch sehr zu bezweifeln, ob das Mädchen ganz gesund geworden wäre, wenn nicht auch dieser Idee Genüge geleistet wor- den wäre, besonders wenn man sie, wie die Redaktion, nur als eine fixe Idee betrachtete: und diese Heilung, diese Rettung eines Menschen, war wohl den Abbruch eines al- ten Bauernhauses werth. Wenn sich die Redaktion bei den Frankfurtern nach dem Hohenloh’schen erkundigen will, so wird sie die Antwort erhalten: Es ist das Land, dem wir das beste Rindfleisch und auch vieles Repsöl verdanken; aber von einem besondern Hohenloh’schen Aberglauben, nament- lich unter dem Volke Hohenlohs, da wird wohl gewiß Niemand etwas wissen. Die Redaktion beginnt ihre Er- klärung mit den Voraussetzungen: „In ihrer Kindheit hatte das Mädchen gewiß viel gehört von alten Klöstern, von schwarzen Mönchen und weißen Nonnen, von Teufeln und Hexenspuk, von Verdammnissen und Erlösungen.“ Diesen Eckstein der Beleuchtungs-Hypothese muß ich nach den ge- nauesten Erkundigungen und meinen eigenen Erfahrungen verwerfen. Ich kenne das Landvolk in unserer Gegend mit seinem Glauben und Aberglauben genau, und kann versichern, daß in unserer protestantischen Gegend das Volk nichts von alten Klöstern, schwarzen Mönchen und weißen Nonnen weiß — ja daß, wenn man es auf die Probe ankommen lassen will, man finden wird, daß die meisten Bauernpursche und Bauern- mädchen nicht einmal wissen, was Klöster, Mönche und Nonnen sind, was besonders bei diesem Mädchen der Fall war. Eben so kann ich versichern, daß namentlich in dem Fa- milienkreis dieses Mädchens solche Erzählungen durchaus nicht vorkamen. Die Hexen- und Geistergeschichten, welche bei uns unter dem Volk bekannt sind, haben einen ganz andern Charakter. Eben so unrichtig ist die Voraussetzung, daß dieses Mädchen ein höchst reizbares Nervensystem habe. Sie hat im Gegentheil eine sehr kräftige Natur. Und so fällt eben damit die ganze Unterlage der Erklärung weg; denn man muß dieses Mädchen gesehen haben, um zu wis- sen, wie wenig Geistesgaben, wie wenig Einbildungskraft sie besitzt, und wie sogar nicht vorausgesetzt werden kann, daß sie sich Ideen oder Chimären dieser Art könnte hinge- geben haben, denn ich wollte vielmehr darauf wetten, daß sie in ihrem Leben über gar nichts lange nachgedacht hat! Auf diese Art konnte sich mithin ihr späterer Zustand nicht verbreiten; da kein Saame dieser Art gelegt worden war, so konnte keiner aufgehen. Die Erklärung stellt den Verlauf der Sache auf folgende Weise dar: „Die körperlich Kranke und geistig Zerrüttete bekam allerley Visionen, und endlich setzte sich bei ihr die Idee fest und ward eine fixe — sie sey von einem Mönch besessen, der durch sie von seiner Verdammniß erlöst werden müßte. Eine jener, die arme Geisteszerrüttete erschütternden Visionen, die sie vielleicht zur Nachtzeit in irgend einem Winkel des Hauses hatte, gaben ihr den Einfall der hier obwaltenden dramatischen Idee, daß der Mönch durch das Niederreißen des Hauses erlöst werden würde.“ Diese Voraussetzungen sind durchaus unrichtig. Niemand hatte weder eine geistige noch körperliche Veränderung an dem Mädchen bemerkt, noch sie selbst etwas dieser Art ge- fühlt — und war daher weder geistig zerrüttet, noch kör- perlich krank, (man müßte denn nur annehmen, daß man geistig zerrüttet und koͤrperlich krank seyn könnte, ohne daß man es weder selbst wisse, noch von andern bemerkt werde, eine Voraussetzung, die zu den absurdesten Folgerungen füh- ren würde) als sie eines Tages (nicht in der Nacht) in Ge- genwart mehrerer anderer Personen, auf einmal mit starren Augen in eine Ecke des Stalles blickte — und darauf laut die Worte aussprach: „Die Scheune auch?“ Und als sie sich von dem Schrecken erholt hatte, den Umstehenden er- zählte: sie habe eben einen Geist gesehen, der zu ihr gespro- chen habe: das Haus muß weg! und sie habe darauf ge- fragt: die Scheune auch? Nie hatte sie zuvor eine Idee dieser Art gehabt, es war noch nichts Außerordentliches vor- gefallen, es hatte noch Niemand etwas dieser Art gespro- chen. Diese Idee also, daß das Haus weg müsse, ist nicht allmählig in ihr entstanden, und zuletzt zur fixen Idee ge- worden, sondern wurde plötzlich von ihr ausgesprochen, und wie sie behauptete, durch diese äußere Veranlassung hervorgebracht. Wie diese Idee in diesem Moment nach psychologischen Gesetzen entstanden seyn sollte, läßt sich nicht erklären. Eben so hatte sie nie die Idee, der Mönch wollte durch sie erlöst werden, sondern der weiße Geist, und eben so wenig hatte sie im wachen Zustand je davon ge- sprochen oder daran gedacht, daß sie von dem Mönch be- sessen sey, — es war abermals keine Chimäre, keine fixe Idee, welche sich allmählig gebildet hätte, sondern erst als sie in den bezeichneten krankhaften Zustand verfiel, sprach der Mönch aus ihr, während sie beim Erwachen nichts da- von wußte, und also diese Idee nicht hatte. Eben so we- nig kann wohl das Aufhören ihres Zustandes psychologisch daraus erklärt werden, wie es von der Redaktion geschieht, daß die fixe Idee des Mädchens ihren Kreislauf vollbracht hatte, und ihr Genüge geleistet worden sey; denn wie hätte sie sonst schon ein Jahr zuvor den 6. Merz als den entschei- denden Tag bestimmen können? Wäre dies auch nur Idee gewesen, wie hätte sie denn entstehen können? woher hätte sie so lange vorher wissen können, daß gerade an diesem Tag ein Uebel aufhören würde, das alle ärztliche Hülfe nicht zu entfernen vermochte! Mir scheint sogar, man habe diese psychologischen Erklärungen, diese Voraussetzungen nicht einmal nöthig, da sie auf jeden Fall unzulänglich sind. Aus den Wirkungen der Phantasie, aus der Beschäftigung mit solchen Vorstellungen lassen sich ja diese gewaltsamen Kerner , über Besessenseyn. 5 Symptome doch nicht erklären; denn dann müßten ja nicht nur andere, weniger kräftige Bauermädchen, welche diesel- ben Geschichten hatten erzählen hören, und noch weit mehr unsere nervenschwachen Stadtdamen, welche die schauerlich- sten Geistergeschichten lesen, ebenfalls solche Zufälle bekom- men. Könnten wir aber je annehmen, alle diese Erschei- nungen seyen blos Wirkung ihres gestörten krankhaften Or- ganismus, etwa eines magnetisch-somnambulen Zustandes — oder ein vorübergehendes Deliriren gewesen, so haben wir nicht nöthig, psychologisch nachzuweisen, da der logi- sche Zusammenhang ihrer irrigen Ideen mit ihren frühern Vorstellungen auch bey andern Personen dieser Art, nicht immer nachgewiesen werden kann. Wenn diese krampfhaften Anfälle durch keine fixe Ideen hervorgebracht werden konn- ten, so kann auch das Aufhören derselben nicht daher kom- men, weil diese Idee ihren Kreislauf vollendet hatte, ob- gleich die Befriedigung dieser Vorstellung allerdings zu der Heilung mitgewirkt haben konnte. Eher noch kann man sagen, es war ein magnetisches Voraussehen. Es steht ferner in den Bemerkungen: „Das Feuer im Haus legte sie wahrscheinlich im somnambülen Zustand selbst an, so wie auch der Lärm im Stalle wohl nur durch sie gemacht ward.“ Auch ich hatte zuerst diesen Gedanken, aber nach allen Erkundigungen, die ich selbst und Bekannte von mir anstellten, ist dieß nicht möglich. Denn als das Brennen im Haus anging, war das Mädchen noch ganz ge- sund, sie hatte (so viel ich mich erinnere) noch keinen Geist gesehen und noch keine Spur von magnetischen Zuständen war an ihr zu bemerken. Sie half Hausgeräthe flüchten, das Feuer entstand, wärend viele Menschen Wache hielten, und daher auch das Mädchen bemerkt worden wäre. Eben so verhielt es sich mit dem Flechten der Kuhschwänze, welches nach meiner spätern Erkundigung auch am Tage geschah, während das Mädchen bey den andern in der Wohnstube war. Mit Bewußtseyn legte die Tochter gewiß nicht Feuer in des Vaters Haus und trieb ohne allen Zweck den Spuk mit den Kühen; im bewußtlosen Zustande aber, von welchem sie erst wieder erwacht wäre und Feuer gelegt hätte, ohne daß Jemand eine Veränderung an ihr be- merkt hätte, ist so undenkbar, daß er alle Wunder der Gei- sterwelt weit übertreffen würde. Am allerleichtesten macht sich die Redaktion die Erklärung der übrigen auffallenden Erscheinungen. „Die erhaltene Ohrfeige und die später erfolgte Sühne derselben durch zehn Gulden, heißt es in den Bemerkungen, ist eine zu augenfällige Absurdität, als daß wir uns die Mühe nehmen sollten, sie zu widerlegen. Und weiter un- ten: nach diesen allgemeinen Andeutungen wird es als über- flüssig erscheinen, in eine Beleuchtung aller Curiositäten, welche uns erzählt werden, einzugehen.“ Nein, mein Freund! so leicht geht es nicht! Die Absur- dität, d. h. die Sonderbarkeit und Unbegreiflichkeit dieser Erzählung war selbst so einleuchtend, daß ich Monate lang es gar nicht der Mühe werth hielt, den Weg nach Orlach zu machen und mich näher darnach zu erkundigen; allein als mir an Ort und Stelle von den glaubwürdigsten Per- sonen, welche die unmittelbaren Zeugen waren, diese That- sachen erzählt wurden, da konnte ich denn doch nicht mehr behaupten, es müsse alles erlogen seyn, weil ich es mir nicht zu erklären vermochte. So absurd es auch lauten mag, daß ein Geist die Summe von zehn Gulden in den Stall gelegt haben soll, so lag doch nun einmal das Geld da, das war doch unbestreitbare Thatsache! Das Mädchen selbst konnte dieß damals so wenig in einem unbewußten Zustand gethan haben, als sie das Feuer anlegen konnte; denn wo sollte sie das Geld her haben? Unsere Bauernmäd- chen haben nicht so viel Thaler zum wegwerfen oder Pos- sen zu treiben, die ja so gar keinen Zweck hatten; und die gedruckte Bescheinigung im Stuttgarter Waisenhausbüchlein beweist, daß das Geld dahin geschickt worden ist. Eben so wenig hat wohl der Vater oder ein anderer Hausgenosse auf seine eigenen Kosten sich diesen seltsamen Spaß ge- 5 * macht, der ihm ja auf keine Weise ersetzt worden ist. Wäre endlich das Geld schon viel länger da gewesen, so hätte man es an der Stelle, wo es war, längst zuvor bemerken müssen. Alle diese Thatsachen kann ich nun unmöglich mit der kurzen Bemerkung abfertigen, daß es eine zu augen- fällige Absurdität sey, als daß wir uns die Mühe geben sollten, sie zu widerlegen. Gerade so verhält es sich mit dem verbrannten Schnupftuch und den übrigen Thatsachen. Meine Ansicht über solche Erscheinungen und diese her- kömmliche Weise mit solchen Anmerkungen darüber weg zu gehen, werde ich in einer spätern Schrift sagen. Was endlich die Aeußerung der Redaktion betrifft: wie viel dabey auf Rechnung absichtlicher Betrügerey, unwill- kührlicher Täuschung und poetischer Ausschmückung aber- gläubischer Menschen zu setzen sey, können wir nicht be- stimmen; man weiß ja, wie die Erzählung einer Son- derbarkeit, einer Lavine gleich anschwillt, wann sie von Mund zu Mund von befangenen und ungebildeten Leu- ten getragen wird; so habe ich folgendes dagegen zu er- innern. Keiner, der die Verhältnisse kennt, wird hier an beabsichtigte Betrügerey glauben können. Denn vor allem sind die betreffenden Personen als ehrliche, rechtschaffene Bauersleute bekannt, und zu einer absichtlichen Betrügerey gehört immer auch eine Absicht , ein Zweck; der Mensch muß einen Nutzen von seinem Betrug vorher sehen, sonst betrügt sogar der schlechte nicht; — hier aber ist nicht nur kein Gewinn, sondern vielfacher Schaden für diese Menschen aus dieser Geschichte entstanden, und wer den Jammer dieser Eltern über den Zustand ihrer Tochter gesehen hätte, der würde gewiß nicht von absichtlicher Betrügerey sprechen. Die- ser Zweck könnte doch wohl nicht ein so geheimer seyn, daß ihn nicht irgend Jemand errathen hätte, er müßte doch früher oder später entdeckt werden; in der langen Zeit aber, in welche die Geschichte die Köpfe auch der genauesten Be- kannten dieser Familie beschäftigte, hat noch Niemand einen Zweck ausfindig gemacht. Es wäre doch wirklich höchst sonderbar, wenn z. B. der Vater oder die Tochter mit je- nen zehn Gulden Geld die Absicht gehabt hätte, die Welt betrügerischer Weise glauben zu machen, es sey durch einen Geist in den Stall gelegt worden, denn am Ende wäre ja doch kein Mensch dadurch betrogen worden, als der Bauer selbst, nämlich um sein Geld ! Unwillentliche Täuschung kann ich eben so wenig annehmen, denn die meisten dieser Thatsachen wurden von vielen gesehn, und sind der Art, daß zu ihrer Auffassung weiter nichts, als gesunde Sinne nöthig waren; z. B. das Brennen im Haus, das Vorfin- den des Geldes, der Zustand, die Aeußerungen des Mäd- chens. Poetische Ausschmückung war eben darum nicht wohl möglich, in so fern es sich von ganz einfachen Thatsachen handelt, bey welchen viele Personen zugegen waren. Es läßt sich z. B. nicht wohl denken, was an dem gefun- denen Geld, an den verflochtenen Kuhschwänzen, an dem verbrannten Schnupftuch, an den groben Antworten des Mädchens poetische Ausschmückung seyn sollte. Auch ich weiß, wie sehr jede Erzählung, wenn sie von Mund zu Mund geht, anschwillt; eben darum habe ich auch die Versicherung gegeben, daß ich durchaus nichts in meiner Darstellung aufgenommen habe, was ich von Mund zu Mund , d. h. von der zweiten oder dritten Person, erfah- ren habe, sondern nur was mir genau bekannte, glaub- würdige, unmittelbare Zeugen erzählten, also nicht was bereits von Mund zu Mund gegangen war, denn sonst wäre meine Erzählung ganz anders aus- gefallen . Die Redaktion wünscht, daß ich mehr Skepticismus in meine Beobachtungen möchte gebracht haben. Ich kann versichern, daß ich mit einer so starken Dosis Skepticismus nach Orlach ging, als immer irgend Jemand dahin hätte mitbringen können. Beobachten aber konnte ich das Mäd- chen nur in der halben Stunde bis zu ihrem Erwachen. Hier läßt sich nun beim besten Willen nicht viel Skepticis- mus anbringen. Es waren die Fragen zu untersuchen: 1) „Verdienen die Erzähler meinen Glauben, d. h. sind sie redlich und haben sie den Willen , die Wahrheit zu sagen?“ 2) „Sind sie fähig , die Wahrheit zu sagen, waren sie im Stande die Thatsachen richtig zu sehen und zu beobachten?“ Und nachdem ich diese beiden Fragen, trotz meines Skep- ticismus bejahen mußte, so blieb mir nichts übrig als zu glauben , da ich über geschehene Dinge weder Beobachtun- gen noch Prüfungen anstellen konnte. Hätte ich nicht ge- glaubt , so hätte ich nach einem Grundsatz gehandelt, bey welchem alle Geschichten, alle Erfahrungswissenschaften aufhören müßten. Denn ohne den Glauben an glaubwür- dige Zeugen fällt unsere ganze Geschichte weg. Zum Schluß habe ich über diese Vorfälle in Orlach nur noch Folgendes zu bemerken: Meine Erzählung ist in sofern sehr unvollständig, als ich nur das darin aufgenommen habe, was mir in den wenigen Stunden, in welchen ich an Ort und Stelle war, von den Zeugen erzählt wurde, welche ich persönlich kannte. Es versteht sich von selbst, daß dabey nicht alle interessante Erscheinungen, welche im Verlauf eines Jahres vorgekommen sind, mir mitgetheilt werden konnten. Ich schrieb das Gehörte, so bald es meine Geschäfte erlaubten, mit möglichster Worttreue, aus dem Gedächtniß nie- der. Sollte daher eine aktenmäßige Erzählung der Zeugen selbst erscheinen, so müßte ich auf diese verweisen, und kleine unwesentliche Abweichungen als Gedächnißfehler be- trachtet werden. Die Thatsachen und die Darstellung im Wesentlichen aber ist, auch nach den spätern Nachforschun- gen anderer Bekannten, ganz richtig, nur daß sie sehr viele höchst interessante Einzelheiten nicht enthält, welche ich erst später erfahren habe. Nur der Vater des Mädchens selbst, der alles, so gut er es konnte, niedergeschrieben hat, und Dr. Kerner sind fähig, ganz vollständige Nachricht zu geben. Nur noch folgenden Zug will ich anführen, welchen mir der Vater des Mädchens erst später erzählte. In Beyseyn dieses Vaters erhielt eines Tages der Schultheiß von Or- lach das Wochenblatt von Hall, als gerade das Mädchen diesen Anfall hatte. Dieses Wochenblatt enthält am An- fang einen immerwährenden Kalender, in welchem eine Begebenheit aus der Geschichte, welche einst an diesem Tag sich zugetragen hat, erzählt wird. Dießmal fanden nun die Männer eine Anekdote von einem Grafen, der bey Tin- genthal (einem etwa sechs Stunden entfernten Dorfe) im fünfzehnten Jahrhundert jagte, wobey ein Hase sich in das Dorf, und zuletzt durch die offene Kirchthür hinter das Bild der Mutter Gottes flüchtete, was auf den Grafen und seine Begleiter einen solchen Eindruck machte, daß er den Hasen lebenslänglich füttern ließ u. s. w. Diese Geschichte war den Männern gänzlich unbekannt, und sie konnten mit derselben Gewißheit voraussetzen, daß sie auch dem Mäd- chen eben so unbekannt sey (ich selbst, ob ich gleich lange in der Gegend lebte, hatte sie nie erzählen hören, und kann versichern, daß es keine, in unserer Gegend bekannte Volks- sage ist). Da nun die Geschichte gerade in die Zeit fällt, in welcher der Mönch behauptete, gelebt zu haben, so be- schlossen beide Männer, eine Probe zu machen, ob er et- was davon wisse. Sie gingen daher zu ihm und fragten: was ist in dem Jahr ....... vorgefallen? Antwort: Da ist viel vorgefallen, du mußt mir sagen wo? Er: Ey zu Tingen- thal! Antwort: Nicht wahr, du meinst die Geschichte von dem Hasen, welcher verfolgt wurde auf der Jagd, sich in die Kirche hinter das dumme Bild flüchtete“ u. s. w. und erzählte noch umständlicher den ganzen Vorfall. Wachend wußte sie von diesem allem nichts. Doch nicht nur mit der Geschichte selbst, sondern auch mit dem Ort meines Referats kann die Redaktion nicht über- einstimmen. Sie findet es für inconsequent, daß ich an diese Geister zugleich zu glauben und nicht zu glauben scheine, und meint, es stehe mit meiner Darstellungsweise im Wi- derspruch, wenn ich bedaure, daß diese Geschichte dem Aberglauben des Landvolks so sehr zur Nahrung diene. Man darf es mir getrost glauben, daß ich wohl gewußt habe, wie ich meine Erzählung hätte einrichten müssen, wenn sie die Zustimmung und den Beifall der Welt hätte erhalten sollen. Ich hätte sie nur als eine interessante Krankheits- geschichte geben dürfen, mit einigen psychologischen Re- sultaten und einigen Witzelein über die Absurditäten des Geisterspuks, des verbrannten Schnupftuchs u. s. w. Aber ich wollte nicht ! Die Wahrheit ist mir wichtiger als das Urtheil der Welt, und ob ich gleich die Einwendungen, den Tadel, das mitleidige Achselzucken mancher Leser recht gut vorher sah — (denn das ist ja so leicht vorher zu sehen) so konnte mich doch das alles nicht bewegen, meine Ueber- zeugung zu verläugnen. Freylich gestehe ich, daß in den kurzen Sätzen, mit welchen ich die Erzählung schloß, meine Ansicht nicht gehörig entwickelt ist, um den Schein des Wi- derspruchs zu entfernen, und ich will sie daher in einer spätern Schrift vollständiger begründen. Geschichte der besessenen U. Es folgen nun hier diejenigen dämonisch-magnetischen Geschichten, durch die wir sehr lebhaft an die Besitzungen des neuen Testaments erinnert werden, sollte es auch unaus- gemacht bleiben, ob sie streng genommen wirklich zu diesen Besitzungen zu zählen sind. Anna Maria U., lutherischer Confession, ist geboren den letzten December 1799. in dem würtembergischen Dorfe J. Außer einigen Unpäßlichkeiten in dem Kindbett (sie hatte sich im 28. Jahre ihres Alters glücklich verheirathet) hatte sie nie eine Krankheit, war nie mit Ausschlägen oder an- dern Uebeln behaftet, von denen ihre nachherigen Leiden hätten hergeschrieben werden können. In ihrer glücklichen Ehe gebahr sie drey Kinder. Ihr früheres und späteres Leben war immer tadellos, sie war fleißig in ihrem Haus- stande, religiös ohne Frömmlerin zu seyn. Ohne eine be- stimmt zu erhebende vorangegangene Ursache wurde sie im August des Jahres 1830 mit furchtbaren convulsivischen Anfällen behaftet, unter welchen ein magnetischer Zustand in ihr einzutreten schien, in welchem ihre eigene Individua- lität jedesmal wie erloschen war und nun andere Indivi- duen, nach deren eigener Aussage verstorbene Menschen, mit dämonischer Rede aus ihr sprachen, bis sie wieder aus diesem Zustand erwachte, wo dann ihre eigene frühere Per- sönlichkeit wieder in sie eintrat uud sie von all dem, was vorher in ihr vorgegangen und aus ihr gesprochen, nicht die mindeste Ahnung hatte und auch darüber keine Aus- kunft geben konnte. Der Anfang war so, daß vier Monate lang, während sie durch das schmerzhafteste Nagen in den Zähnen gequält wurde, sie in solchen Anfällen immer nur um sich schlug. Erst nach vier Monaten sprach es nun auf einmal aus ihr und zwar das erstemal zu ihrem Bruder in der Nacht: „Weist du wer ich bin?“ Er sagte: „Nein.“ Hierauf er- wiederte die Stimme: „Erinnerst du dich noch, wem du als Knabe einmal Zuckerbirnen gestohlen hast?“ Der Bru- der antwortete: „Niemand als dem verstorbenen X.“ Hierauf sagte die Stimme: „Nun so sage ich dir, der bin ich!“ Als die Frau wieder zu sich kam, wußte sie nichts von dieser Rede, wußte auch wachend nichts davon, daß ihr Bruder einmal als Knabe Birnen dem verstorbenen X. ge- stohlen. Von da an sprach nun immer in jenen Anfällen die Stimme des verstorbenen X. aus dieser Frau heraus, es hatte sich ihrer jedesmal durchaus die Persönlichkeit jenes X. bemäch- tigt und die ihrige war wie völlig aus ihr weggegangen. Er tobte, fluchte, und schlug auf’s fürchterlichste aus ihr, besonders stieß er Verwünschungen gegen Gott und alles Heilige aus. Man brauchte von verschiedenen Aerzten Mit- tel gegen ihr Leiden, aber alle blieben durchaus fruchtlos. Nur durch Gebet und magisches Einwirken wurde der Dä- mon einmal acht Wochen lang in ihr ruhig, tobte aber, nachdem sie zum Nachtmahl gegangen war, auf einmal wieder auf’s heftigste mit Fluchen und Schimpfen und dieß ein Jahr lang, während welcher Zeit sie schwanger wurde, was aber nicht die mindeste Aenderung in ihren Zustand brachte, wie auch nie ein körperliches Mittel, eine körper- liche Arzeney, auf sie von irgend einer Wirkung war, einzig nur geistige Mittel, wie z. B. Gebet. Man hatte ihr gerathen, in die katholische Kirche nach W. zu gehen, wo ein Geistlicher ihr durch Exorcismus helfen könne. Man führte sie mit Mühe auf einem Wagen dahin, wobey ihr der Dämon, um es zu verhindern, die furchtbarsten Qualen schuf, lästernd aus ihr schrie und sie in Krämpfen von dem Wagen oft in die Höhe warf, daß man ihre Nie- derkunft alle Augenblicke befürchtete. Zu W. endlich ange- kommen, sagte ihr der Geistliche: da sie nicht von seiner Con- fession seye, solle sie nur allein in die Kirche gehen und für sich selbst beten. Aber als sie unter das Thor der Kirche kam, stieß sie der Dämon furchtbar und wollte sie nicht eintreten lassen, bis sie endlich der Dechant unter dem Arme ergriff und hineinführte. Sie betete nun da allein vor dem Altar zwey Tage, jedesmal mehrere Stunden lang, kein vorgeschriebenes Gebet, sondern frey aus dem Herzen. Da- durch blieb der Dämon acht Wochen lang niedergedrückt, während welcher sie auch nieder kam, aber dann stellte er sich wieder in ihrem Kindbett und während des Säugens auf’s schauerlichste mit Schlagen, Fluchen und Toben ein. Wenn sie ihren Säugling auf die Arme nahm, konnte der Dämon nichts machen, die Unschuld dieses Kindes schien gegen ihn zu wirken. So wirkte auch der Einfluß des ältern Kindes niederdrückend und störend auf den Dämon, aber einmal schlug er es aus Rache mit den Fäusten der Mutter, als es mit der Mutter niederkniete und für ihre Gesundheit zu Gott betete. Fünf Monate lang brauchte man ihr nun wieder ärzt- liche Mittel aller Art (z. E. bella donna, assa foetida, vale- riana, cuprum sulphur. ammon, stramonium etc., drastische Purganzen, Ausschläge ꝛc.) allein ihr Zustand blieb sich bey all diesen Mitteln, als wären sie nur Wasser gewesen, durchaus gleich. So nahm man nach fünf Monaten vergeblichen Me- dicinirens wieder zu geistlichen Mitteln Zuflucht, die bis jetzt doch wenigstens, wenn auch nicht Heilung, doch Minderung des Uebels verursacht hatten und brachte sie in die Kapelle nach O. Wegen Toben des Dämons mußte man sie durch mehrere Männer in diese Kapelle schleppen lassen. Da betete sie vor dem versammelten Volk mehrere Stunden lang vor dem Altar, bis sie wie scheintodt zurück- fiel, von den Umstehenden auch wirklich eine Weile für todt gehalten wurde, aber dann wieder erwachte und sich dann wirklich von dem Dämon befreyt glaubte. Aber schon nach wenigen Tagen zeigte sich dieser nur noch teuflischer in ihr. Nun wurden abermals wieder, aber ohne die geringste Aen- derung, mehrere Monate lang ärztliche Mittel angewendet, ja es kam nun, daß statt eines Dämons zwey aus ihr sprachen, ja oft in ihr gleichsam das wüthende Heer auf- führten, wie Hunde bellten, wie Katzen schrieen u. s. w. Erwachte die Frau und hörte die Erzählungen der Um- stehenden oder fühlte ihre Wunden, die sie durch Schlagen und Werfen erhalten hatte, so brach sie in Thränen über ihren Zustand aus, hielt aber immer fest im Glauben an, daß Gott ihr noch Hülfe senden werde. Beten konnte sie jetzt nicht: denn sobald sie zu diesem ihre Zuflucht neh- men wollte, schmissen sie die Dämonen in die Höhe und fluchten und tobten auf’s schrecklichste aus ihr. — Ihre Verwandten hörten um diese Zeit von einem Bauern zu M., der durch Magie und Sympathie schon solche Be- sessene geheilt habe, und brachten sie dahin. Dieser Mann, ein ganz schlichter Bauer, der viele Kraft des Glaubens und Gebets und viele magnetische Kraft besaß, übte nun seine Kunst an dieser Unglücklichen mit einer beyspiellosen Uneigennützigkeit und Ausdauer eilf Wochen lang. Seine Hauptmittel waren Beten und Fasten und Hand- auflegen und daß er magisch auf die Dämonen, die er zur Angabe ihrer Namen und Verbrechen im Leben zwang, einwirkte und sie zur Bekehrung zu bringen suchte. Die Frau durfte nichts anderes eilf Wochen lang über den Mund bringen als schwarze Wassersuppen. Fast Tag und Nacht setzte er Gebet und Exorcismus, nicht achtend auf das Toben der Dämonen, mit ihr fort. Den ersten der Dämonen brachte er durch solche Mittel endlich selbst zum Gebet und zur Reue, so daß er zuletzt wohl noch aus der Frau sprach, aber sie nicht mehr quälte. Unter solchem exorcistischem Bestreben bekam die Frau in einer Nacht Wehen, als wäre sie in Kindesnöthen, endlich that es in ihr einen, allen Anwesenden hörbaren Knall, worauf sie rücklings umfiel, und wie scheintodt eine Viertel- stunde dalag, worauf sie wieder erwachte und sich vom Dämon befreit fühlte. Sie wurde hierauf, da das Amt den Bauern über seine Heilungsversuche zu Rede stellte, in ihre Heimath gebracht, wo der noch in ihr zurückgeblie- bene zweyte Dämon, der sich noch nicht bekehrt hatte, nach- dem er ihr nur wenige Tage Ruhe ließ, bald aufs heftigste aber wieder auf eine ganz andere Art als der vorige in ihr wüthete. Gerne hätte man den Bauern wieder zu Hülfe gerufen, aber dieser wurde in amtliche Untersuchung gezo- gen, bey der er sich aber so gut vertheidigte, daß man ihm blos untersagen konnte, inskünftige derley Kuren ohne Arzt zu unternehmen. Die Frau hoffte nun, auf den Rath eines Arztes, der abermals vergebliche Heilungsversuche bey ihr gemacht hatte, bey mir durch magnetisches Einwirken Hülfe zu finden, und kam in Begleitung ihres Mannes am 23. Februar 1833 in mein Haus. Ich lernte bald in ihr eine sehr brave, durch viele Lei- den geprüfte, gottvertrauende Frau kennen. Ihr Körper war sehr verzehrt. Ihre Augen hatten einen besondern ge- spenstischen Schein (Stechblick) sie fühlte immer Schmerzen in ihnen und behauptete, aus ihren Augen hätten die Dä- monen immer gesehen. Den Widerspruch, daß ihr Leiden nicht von Dämonen herrühre, konnte sie wohl ertragen, sie sagte: „Es ist mir gleichgültig, für was man es hält, wenn es nur ein Ende nehmen würde.“ Außer ihren Anfällen bemerkte man an ihr nicht die mindeste Seelenstörung; diese traten ohne alle körperliche Veranlassung und ohne Vorausempfindung ein. Gemeiniglich erhielt sie plötzlich Schüttelungen durch den ganzen Körper, schloß die Augen und nun sprach der Dä- mon aus ihr, der sich für einen vor fünfzehn Jahren sich erhängt habenden Müller von J. ausgab. Die Frau hatte diesen Müller in ihrem Leben nie gekannt und als er den Mord an sich verübt hatte, war sie noch ganz jung. Die Reden dieses Dämons sprachen immer teuflische Bosheit und Entgegenstreben allem Heiligen aus. Gegen Gebet und religiöse Reden richtete er Spott und Schimpf und fing furchtbar zu toben, die Frau hin und her zu wer- fen und mit ihren eigenen Fäusten so zu schlagen an, daß davon oft bedaurungswürdige Spuren an ihr zurückblieben. Stets gieng, während man betete, aus dem Munde des Weibes teuflischer Spott, Geplapper oder thierisches Gebrüll, aus dem Munde, der, wenn sie zu sich kam, sich so gerne zum Gebet öffnete, was ihr aber der Dämon nur schwer zuließ: denn mitten unter dem Gebet tauchte er wieder in ihr auf, reckte ihr die Zunge unbegreiflich lang aus dem Munde, verzerrte ihr alle Gesichtsmuskeln und ließ sie die furchtbarsten Flüche und teuflische Reden gegen Gott, den Erlöser, die heilige Schrift und gegen das Weib selbst ausstoßen. Eine völlig reine und wahre Beobachtung ist: daß, wenn man an den Dämon in ihren Anfällen mit fe- stem Willen Befehle in lateinischer Sprache richtete, sie von ihm (that das eine Person, die auf ihn exorcistisch einzuwir- ken fähig war und geschah es im Namen Jesu) eben so gut befolgt werden mußten, als wenn diese Befehle in deutscher Sprache geschahen. So bewegte sie z. E., wurde von einem solchen zu ihr gesprochen: „Agitetur caput!“ das Haupt. Sprach er: „Agitetur brachium dextrum!“ so geschah es. Sprach er: „Surget e sella!“ stund sie auf. Als er ein- mal sagte: „Moveatur persona ad tristitiam!“ so fing der Dämon aus ihr nach spöttischem Gelächter zu pfeifen und dann zu singen an. Dieß sind reine Thatsachen, die von gewichtigen Zeugen bestätiget werden könnten. Wenn sie mit zusammengelegten Händen betete und dann der Dämon während des Gebetes zornig in ihr aufstieß, so war er doch nicht, trotz aller Anstrengung, im Stande ihr die gefalteten Hände von einander zu lösen. Eben so wenig war er im Stande, die ihr in die Hände gelegte Bibel wegzuwerfen. Darüber wurde er immer sehr ergrimmt und brach in unmächtige Wuth aus. Wenn man von dem Dämon etwas beantwortet oder sonst haben wollte, das nicht in seinem Sinne war und es mit Ungestüm forderte, so daß er auf den Punkt gebracht worden war, Folge lei- sten zu müssen, so sagte er: „So lass’ ich das Luder wieder gescheid werden“ und damit erwachte sie und blieb wach, bis der Dämon sah, daß man von der Forderung abgestan- den, dann tauchte er wieder in ihr auf und sie schloß die Augen und er sprach. Auch außer dem Paroxismus, im natürlichen, ganz wa- chen Zustande, machte ihr der Dämon oft die furchtbarsten Schmerzen im Leib, in den Gliedern, im Kopf, in den Zähnen, daß diese Theile oft sichtbar aufschwollen. Die magnetische Manipulation war bey ihr (und so scheint es bey allen Dämonischen zu seyn) nur dann von Wirkung, wenn die Striche verkehrt, das heißt von unten nach oben (vom entgegengesetzten Pol) gemacht wurden, da man im Gegentheil bey gewöhnlich Magnetischen sie von oben nach unten machen muß. Schon beym dritten Striche kam sie dann meistens in einen halbwachen Zustand, in dem sie eine Stimme, wie die eines Schutzgeistes, sie tröstend und ihr baldige Befreyung versprechend, hörte. Sie sagte in diesem halbwachen Zustande: durch dieses Magnetisiren werde in ihr ihr Schutzgeist immer mehr herbeygerufen und der Dämon in ihr geschwächt. Aber oft tauchte wäh- rend des Magnetisirens und gemeiniglich am Anfang des- selben, der Dämon unversehens in ihr auf, schrie, er lasse sich nicht vertreiben, und stieß Schimpfreden aus. Am Ende eines solchen Anfalles hörte sie auch gemeiniglich in sich eine Stimme, die des Schutzgeistes, die dem Dämon zu weichen befahl. Es gab ihr dann Stöße von unten herauf und sie erwachte. Gegen diesen Schutzgeist wüthete der Dämon sehr oft und nannte ihn nur mit Schimpfreden. Fragte man den Dämon, während er in ihr war, wo jetzt der Geist des Weibes seye, so sagte er: „Er ist mit jenem Lumpen (worunter er den Schutzgeist verstand) fort.“ Man sieht das Gleiche in der Geschichte des Mädchens von Orlach. Sie hatte das Gefühl von diesem Dämon nur in der linken Seite. In solchen Anfällen war ihr Puls ganz unterdrückt. Entsetzlich war die Anstrengung, sollte sie Mittel, die anti- dämonisch wirkten, namentlich Pulver und Thee von Johan- niskraut, nehmen. Sie konnte dieses meistens nur knieend und nach vorausgeschicktem Gebet erzwingen. Der Dämon suchte da mit aller Macht sie am Knieen zu verhindern, so daß sie oft wie schwebend war, und wollte sie beten, stellte er ihre Kinnbacken oder zwang sie zu einem teuflischen Gelächter. Oft bließ er ihr auch ihren Bauch bis zur Härte einer gespannten Trommel auf. So verhinderte sie auch der Dämon sehr oft am Essen. Sobald sie den Löffel an den Mund brachte, tauchte er dann auf in ihr und drehte ihr den Löffel vor dem Munde um und stieß ihr den leeren Löffel in den Hals, daß das Blut nachlief. Sie durfte nie etwas anderes als Wassersuppe von schwar- zem Brode essen, sobald sie etwas Besseres aß, tauchte der Dämon in ihr auf und schrie: „Das Luder soll nichts Gutes essen“ und drehte ihr den Löffel herum. Oft schrie er: „Kre- piren soll sie!“ und dergleichen. Sie fastete oft zwey bis drey Tage lang durchaus ohne einen Bissen Speise zu sich zu nehmen, ohne einen Tropfen zu trinken. In solchen Tagen blieb der Dämon am ruhigsten. Betete man über sie und legte ihr die Hände auf, tobte je- desmal der Dämon auf’s schrecklichste. Während solcher Hand- lungen schrie er beständig aus ihr: „Ich will nicht fort! Du bringst mich nicht fort! Krepiren soll das Luder.“ — Dieser magnetische Zustand wechselte äußerst schnell mit dem wachen, welcher letztere besonders dadurch erkannt wurde, daß sie die Augen öffnete (im kakodämonisch-magnetischen hatte sie die Augen geschlossen) und nun keine solche dämoni- sche Reden mehr von ihr ausgingen, dagegen aber wurden nun oft die Stöße und Schüttelungen in ihren Gliedern und besonders die des Kopfes, nur noch heftiger, welches ihr als wachend große Schmerzen verursachte und ihr sehr arg war. In diesen wachen Zustand zurückgekehrt, bat die Frau aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey- stehen. Dann zwang sie sich, sich zum Gebete auf die Kniee niederzulassen, wo sie aber, kaum ein Wort des Gebets ge- sprochen, in den kakodämonisch-magnetischen Zustand fiel, der Dämon ihr die Zunge aus dem Halse reckte, sie vom Boden aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teuflisches Pfei- fen, statt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ. Manchmal war es durch Besprechung und Gebet dahin gekommen, daß es schien, als seye der Dämon matt gemacht und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ sich in solchen Momenten an’s offene Fenster bringen, wo sie zum Himmel hinauf das inbrünstige Gebet an den Geist ihres verstor- benen Vaters und den ihres verstorbenen Kindes richtete. Dann erfolgte auch oft ein entsetzliches Würgen und drey- maliges heftiges Blasen, als stieße sich etwas mit Gewalt aus ihrem Munde, sie stürzte rücklings auf den Boden und blieb auf diesem eine Viertelstunde in völligem Schein- todt liegen, worauf sie erwachte, sich aber nur auf wenige Stunden scheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach einer solchen Scene nur desto wilder und teuflischer, spottend über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem es geschah, in ihr tobte. Solche Versuche waren wie Ab- treibungsversuche eines geistigen Bandwurms. Durch die magnetische Manipulation, die aber (siehe oben) verkehrt geschehen mußte, wurde sie, wie schon erwähnt, in einen halbwachen magnetischen Zustand gebracht, in welchem sie immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeistes, zur Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Versiche- rung gab, daß das Böse endlich aus ihr weichen müsse. Dieser gute magnetische Zustand trat auch öfters von selbst, ohne vorausgegangenes Magnetisiren, bey ihr ein, beson- ders in der Nacht, wo ihr dann meistens tröstende Er- öffnungen von dieser innern Stimme gemacht wurden. Dieß war ihr guter magnetischer Zustand im Gegensatz von dem Kerner , über Besessenseyn. 6 bösen magnetischen, dem kako-dämonischen, in welchem sie ja auch magnetisch war. Dieser kako-dämonische Zustand war aber ein tieferer magnetischer als jener gute magne- tische, wie er auch immer bald über diesen die Oberhand bekam: denn nach dem Erwachen aus dem kako-dämonischen Zustand hatte sie durchaus keine Rückerinnerung an ihn, was nach dem Erwachen aus dem guten magnetischen nicht der Fall war, sie erinnerte sich erwacht, was in diesem vorging, wie man sich nach dem Erwachen eines Traumes erinnert; es war dieser Zustand also ein sogenannter halb- wacher magnetischer Zustand, der kako-dämonische aber, ein tieferer, schlafwacher. Als dieser Zustand unter beständiger Abwechslung lange fortgedauert, und sowohl die magnetischen als arzneilichen Versuche fruchtlos geblieben, schien keine andere Wahl mehr übrig, als wieder zu dem Mittel des Exorcismus zu greifen, welcher die angeblich früheren Dämonen zum Wei- chen gebracht und der geplagten Frau wenigstens auf einige Zeit Ruhe verschafft zu haben schien. Es brachten auch nur Beschwörung des Dämons im Namen Jesu, Hand- auflegen im Glauben und Gebet, kurz ein höheres magne- tisches, — ein magisches Einwirken, — hier Linderung und war nur einzig von diesen Mitteln, nachdem die ge- wöhnlichen alle einen im Stiche gelassen hatten, Beendigung dieses teuflischen Zustandes der Unglücklichen zu erwarten. Die nachdrücklichste Anwendung dieser Mittel fiel gerade in die Zeit, als ich von einem hohen Gönner und Freund einen Besuch erhielt, der, nachdem er von der Geschichte unterrichtet war, eingedenk des Wahlspruchs: „Prüfet Alles und das Gute behaltet“ gleiches Interesse zeigte, eine solche ihm früher nie vorgekommene Szene mit eigenen Augen zu prüfen. Dieß geschah, und nachdem Alles vorüber war, bat ich ihn, als den unbefangensten und schärfsten Beobachter, das Gesehene niederzuschreiben, was mir auch seine Güte nicht versagte. Die Beschreibung der vorgefallenen Szenen ist folgende. „Am Freitage den 22. März 1833, Nachmittags um 2 Uhr, sah ich bey meinem Freunde Dr. Kerner in Weinsberg, zum erstenmal eine Kranke höchst eigenthümlicher und merk- würdiger Art, von der ich schon in Stuttgart und Tübingen hatte reden hören, ohne daß ich mir von dem Zustande derselben ein anschauliches Bild entwerfen konnte. Zwey junge Aerzte in Tübingen hatten mir zwar von dem Zu- stande einer Kranken ähnlicher Art, eines jungen Mäd- chens aus Orlach, welches sie selbst ebenfalls bey dem Dr. Kerner einige Wochen zuvor beobachtet, mancherley erzählt, was mit dem mir später zu Gesicht gekommenen Berichte, den ein Augenzeuge in Nro. 81 Didaskalia vom 22. März 1833, Beilage zum Frankfurter Journal, erstattete, im We- sentlichen ganz übereinstimmte. Allein es war ihnen eben so wenig gelungen, mich über den Zustand jenes Mädchens auch nur einigermaßen ins Klare zu bringen, als es mir oder jedem andern Augenzeugen gelingen wird, einen sol- chen unbegreiflichen Zustand anschaulich zu beschreiben. Durch diese früheren Vorfälle in Weinsberg vorbereitet, beobachtete ich mit desto größerer Aufmerksamkeit die Erschei- nungen, die mir die Krankheit der U. aus J. darbot. Von Dr. Kerner erfuhr ich, daß diese Person eine glück- lich verheirathete Frau und Mutter von drey Kindern, jetzt etwa sechs und dreißig Jahre alt, schon seit vier Jahren von einer Krankheit befallen sey, welche durch keine ärztliche Vorkehrungen gehoben oder auch nur gemindert werden konnte. Aus ihr sprachen während der Dauer dieser Krankheit mit wenig Unterbrechung nach einander drey Geister verstorbener Menschen, so daß, wenn Einer ausgetrieben schien, der Andere sogleich seine Stelle einnahm. Alle aber bekannten mit dämonischer Stimme die Verbrechen und Schandthaten, die sie während des Lebens größtentheils im Geheimen ver- übten. Sie selber wußte in ihrem natürlichen Zustande anfänglich von diesen Dämonen gar nichts, bis sie davon durch Augen- und Ohren-Zeugen in Kenntniß gesetzt wurde. Von da an fürchtete sie sich vor solchen Anfällen weit mehr 6 * als früher, glaubte fest an das Daseyn dieser Quälgeister in ihrem Körper und wurde, von jeher fromm und Gott vertrauend, immer eifriger im Gebet. (Die gute Einwir- kung magischer und exorcistischer Mittel, da alle gewöhn- liche Arzeneyen fruchtlos blieben, ist oben beschrieben, auch wie sie durch solche von zweyen oder drey Quälgeistern, welche nacheinander aus ihr sprachen und sich zu erken- nen gaben, befreyt wurde.) Die Geschichte des Mädchens aus Orlach, welche großes Aufsehen erregte und deren auf eine bestimmte Zeit vor- ausgesagte Heilung wirklich erfolgte, kam auch vor die Ohren des Mannes des kranken Weibes. Er nahm daher keinen Anstand, sein Weib auch nach Weinsberg zu führen und den Dr. Kerner zu bitten, sich auch der Cur derselben zu unterziehen. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Der Arzt nahm die Frau in sein Haus und wendete, nachdem alle Mittel erfolglos durchversucht waren, den Magnetismus bey ihr an, der aber nur einen unbedeutenden und keinswegs heilenden Einfluß auf sie übte. In ihrem dadurch herbey- geführten schlafwachen Zustande erfuhr er nur so viel von ihr, daß ihr Schutzgeist ihr die Hoffnung gebe, durch Gebet und Gottvertrauen von ihrem bösen Geiste befreit zu werden. Auf dieß bauend wurden auch von nun an, mit Hintan- setzung fast aller leiblichen Arzneymittel, nur geistige ma- gische und hauptsächlich Gebet und Beschwörung im Namen Jesu, angewendet und das besonders gerade am Tage, wo ich bey meinem Freunde ankam. Die Kranke war da schon längere Zeit in seinem Hause. Ich fand die Patientin in ihrem natürlichen Zustande, der jedoch eine Stunde später bey Anwendung besagter Mittel schon durch die heftigsten Anfälle unterbrochen wurde, welche mit geringen Ruhepunkten bis zum andern Morgen 2 Uhr in einer Weise fortdauerten, daß sie nicht beschrieben werden können. Ich unterschied bestimmt die verschiedenen Zustände, in welche sie abwechslungsweise versetzt wurde, nämlich den natürlichen, den magnetischen und den sogenannten dämoni- schen, die jedoch öfters so schnell mit einander abwechselten, daß ich große Mühe hatte, dem Ueberspringen des Einen in den Andern mit Sicherheit zu folgen. Indessen erinnere ich mich nicht, daß der magnetische und dämonische Zustand je unmittelbar aufeinander gefolgt wären, sondern immer nur wechselte der natürliche mit dem magnetischen oder mit dem dämonischen und umgekehrt. Den Uebergang aus dem dämonischen Zustande in den natürlichen kündigte die Kranke fast immer und zwar mit den Worten an: „Jetzt bin ich wieder gescheid,“ so wie den Uebergang aus dem magne- tischen in den natürlichen mit dem Worten: „Ich bin wach.“ Uebersah man den Uebergang der verschiedenen Zustände und fuhr man fort, sie wie eine Dämonische zu behandeln, so schrie sie ängstlich: „Ich bin ja gescheid.“ Im natürlichen Zustande ist die Frau ganz einfache Hausfrau, sie strickt oder verrichtet andere häusliche Geschäfte auch im Hause des Arztes in großer Stille und ohne Hast. Sie spricht ohne geschwätzig zu seyn und betet viel, am liebsten unter freiem Himmel. Ihr Körper ist zwar sehr abgemagert, doch zeigt ihr Gesicht eine viel geringere Zer- störung, als man nach so mannigfachen vierjährigen Leiden erwarten sollte. In den Augen bemerkt man oft ein krampf- haftes Zusammenziehen. Am meisten klagt sie über die Mis- deutungen, welche ihr kranker Zustand veranlaßt, über den Kummer und die Plage, welche ihr Mann, ihre Kinder und übrigen Angehörigen um ihretwillen leiden müssen und über die Last, die sie dem Arzte und dessen hülfreicher Fa- milie zuzieht. Im magnetischen Zustande sitzt sie wie eine ruhig Schlafende da, jedoch ganz aufrecht und un- beweglich; sie hat die Augen sanft geschlossen, ihr Gesicht ist beruhigt, jedoch ohne jene Verklärung, welche ich bey vielen Somnambülen gesehen habe. Auch ist ihr Ton der Stimme weniger angenehm als bey diesen, und die Aus- sprache und die Wahl der Worte weniger edel; allein von dem, was um sie vorgeht, vernimmt sie ebenfalls nichts, und spricht nur, wenn sie gefragt wird. In diesem Zu- stande ist es, daß ihr eine Stimme, welche sie ihren Schutz- geist nennt, der aber Andern unvernehmbar ist, sagt, wie es um den bösen Geist in ihr stehe, ob dieser noch dabey beharre, in ihrem Körper zu bleiben und sie zu plagen, ob er selbst noch der eigenen Besserung widerstrebe, — ob die Besserung, die er zuweilen zeigte, nur scheinbar und er- heuchelt, oder ob sie wahrhaft sey, — was sie genießen dürfe oder nicht, um dem Dämon den Aufenthalt in ihr unan- genehm zu machen. Dieser erschien ihr in der Configuration einer Wespe, und sie gestattet deßwegen nicht, daß man ihr etwas Süßes und Nahrhaftes reiche. Wein oder Bier verweigert sie und genießt nichts, als magere Wassersuppe und saure in Wasser gekochte Aepfel nebst etwas Brod. Das Fasten bis zur äußersten Nothdurft scheint sie sich über- haupt zum Grundsatz gemacht zu haben. Im dämonischen Zustande oder in dem Ausbruche der Besessenheit spricht die Kranke stets von sich als von einer dritten Person, zu der man nicht reden darf, wenn man verstanden seyn will, vielmehr muß man den Dämon selber anreden. In diesem Zustande sind die Augen fest geschlossen, das Gesicht fratzenhaft, oft über allen Ausdruk scheußlich verzerrt, der Ton der Stimme widerlich, gellend und in tiefen kräch- zenden Lauten schreiend, die Worte durchaus pöbelhaft, der Inhalt der Rede bald schadenfroh, bald Gott und die Welt verfluchend, bald den Arzt, bald die Kranke selbst fürchterlich bedrohend mit dem hartnäckigsten Vorsatz, den Kör- per der Frau nicht verlassen und sie mit ihren Angehörigen immer mehr plagen zu wollen; so mußte die Frau einst, ge- trieben vom Dämon, ihr liebstes Kind schlagen, als es bey einem solchen Anfalle neben der Mutter hinkniete, um für sie zu beten. Am schauderhaftesten mußte sich die Arme geberden, wenn sie während der Anfälle einnehmen oder sich einreiben lassen sollte; sie bedrohte, mit den Händen ausschlagend, Jeden, der sich ihr mit solchen Mitteln näherte, schimpfte und schmä- hete in den allerniedrigsten Ausdrücken, der Körper wurde dann wie in einem Bogen, mit dem Unterleib in der Höhe ausgespannt, vom Stuhle niedergeworfen und auf dem Bo- den herumgezogen, auf dem sie dann völlig ausgereckt, starr und kalt liegen blieb, so daß ein wahrer Scheintod einge- treten zu seyn schien. War dennoch der Kranken trotz des Widerstrebens etwas beygebracht worden, so trat sofort eine gewaltsame Bewegung ein, das Aufgedrungene wieder von sich zu geben, was jedoch nur selten und nie vollständig gelang. Dieß geschah jedesmal unter höllischem Gebrülle und furchtbarem Blasen, welches mit einem satanischen, in den höchsten Fisteltönen ausbrechenden Gelächter abwech- selte. Kam die Kranke für einige Augenblicke zu sich, so forderte sie mit Hast und Eile, was sie kaum vorher im dämonischen Zustande mit Ungestüm von sich gewiesen hatte, sank dann todesmüde zusammen und jammerte laut, be- theuerte aber immer wieder, Muth und Gottvertrauen nicht verlieren und alles dulden und thun zu wollen, was dazu dienen könne, von dem bösen Geiste befreit zu werden. Dann kniete sie meistens am offenen Fenster nieder und sprach mit begeisterter Andacht und flehender Stimme die herrlichsten Gebete, recitirte richtig und mit innigem Gefühle alles aus dem Gedächtniß, die schönsten Lieder aus dem Gesangbuche und jederzeit die passendsten für ihre Lage. Fühlte sie sich allzuentkräftet, so ersuchte sie die Anwesenden, ihr laut vorzubeten. An der Bewegung ihrer Lippen sah man, daß sie alles still nachbetete. Nun bat sie um Arzney (sie war aus Johanniskraut bereitet), kaum war aber diese eingenommen, so traten sogleich wieder die fürchterlichsten dämonischen Szenen ein. So ging es die ganze Nacht hin- durch. Ich habe sehr starke Nerven, dennoch griffen mich diese schauderhaften und doch dabey rührenden Auftritte so heftig an, daß ich zuweilen für einige Zeit das Zimmer ver- lassen mußte, um mich in frischer Luft zu erholen. Gegen Morgen zwischen ein und zwei Uhr verloren die Anfälle etwas von ihrer Schrecklichkeit, die Sprache des Dämons wurde milder, zuweilen klagend. „Er fühle, so sprach er aus der Kranken, daß er den Körper der Frau verlassen müsse, er wolle ihn auch verlassen, nur solle man ihm Zeit dazu lassen und ihm nicht so arg zusetzen; (er verstand darunter das magi- sche Einwirken durch Beschwörung im Namen Jesu) wenn man sich denken könnte, wie fürchterlich es draußen sey (hier schauderte der Körper der Frau zusammen), so würde man Mitleid mit ihm haben und ihn nicht so drängen.“ Nachdem die Kranke wieder zu sich gekommen war und etwas ausgeruht hatte, wurde sie in magnetischen Schlaf gebracht, in welchem sie aussagte: „Ihr Schutzgeist bestätige, daß der Dämon wirklich in der Umkehr zum Bessern begriffen gewesen, ihm jedoch noch nicht ganz zu trauen sey, viel- mehr werde er noch einen, wahrscheinlich den letzten, Versuch machen, sich in ihrem Körper festzuhalten, dennoch solle man schonender mit ihm umgehen, und sie solle nur den Glaubensmuth nicht verlieren.“ Am Morgen des andern Tages um acht Uhr sagte die von dem Arzte wieder in magnetischen Schlaf gebrachte Kranke: „Der Dämon sey allerdings noch in ihr, aber sehr matt, man solle ihn sanfter behandeln, denn er bereue jetzt ernstlich. Er werde sie zwischen 11 und 12 Uhr Mit- tags nach gelindem Widerstand wirklich verlassen und kaum je wieder zurückkehren.“ In der That wurden die von Zeit zu Zeit eintretenden Krämpfe immer weniger heftig, nur selten brach der Dämon noch in Drohungen und wi- derspenstige Worte aus, Spuren der Reue zeigten sich immer mehr und gegen 11 Uhr erklärte er selber: „daß er die Geplagte heute noch verlassen wolle, dieses aber nicht ver- möge, wenn er nicht vorher Alles, was er im Leben ge- sündigt habe, bekenne; denn er finde keine Ruhe und keine Hoffnung, bis Alles an den Tag komme; sonst müsse er zurückkehren, wenn er nicht Alles bekenne. Damit er nichts verhehle, müsse man ihn mit Fragen unterstützen, Alles, was er aussage, niederschreiben, das Niedergeschriebene ihm zuweilen vorlesen und ihn beständig ermahnen, die Wahrheit zu sagen.“ Nun wurden die Bekenntnisse stückweise, nicht selten als Antworten auf die vorgelegten Fragen, die Jedes der Anwesenden machen konnte, von ihm abgelegt, wobey es nicht zu verkennen war, daß gegen das Ende hin der Sinn für das, was Sünde sey, ihm mehr und mehr auf- zugehen schien und er sich dessen, was zur Sünde gerech- net wird, immer mehr zu versichern suchte. Die Unter- brechungen kündete die dämonische Stimme immer mit den Worten an: „Ich kann nicht mehr, ich muß jetzt wieder gehen.“ Auf dieses erwachte die Kranke mit heftigen Kopf- schmerzen und verlangte, daß man ihr die Stirn einreiben solle. Der Magnetismus, der einen kurzen Schlaf herbey- führte, beruhigte den Schmerz einigermaßen. Sobald sie wie- der bey sich war, betete sie stillgefaßt, und verlangte auch von den Anwesenden, daß sie ihr vorbeten möchten. Kam sie dann in den dämonischen Zustand, so konnte, was früher nicht der Fall war, fortgebetet werden, ohne daß der Dämon reagirte. Das, was der Schutzgeist verkündet hatte, trat auch unfehlbar gegen zwölf Uhr Mittags ein. Der böse Geist wich, sobald er Alles aufrichtig bekannt hatte, und nachdem die Frau dreymal hintereinander hingestorben (schein- todt geworden) war, mit dreymaligem heftigem Aufstoßen und unter lautem Blasen von ihr. Die Kranke fühlte sich, nachdem der Dämon seine Bekenntnisse abgelegt hatte und unter jenen Erscheinungen von ihr gewichen war, todtmüde und konnte kaum die Treppe hinauf zu ihrem Bette wanken, in welchem sie, innerlich und äußerlich gestärkt, erwachte und Gott für ihre Befreiung dankte. Ein auswärtiger Arzt, der die Kranke schon früher beobachtet hatte, und eben erst eintrat, fand ihren Puls auf merkwürdige Weise verändert, nämlich weich und ruhig, während er in den vorigen Tagen hart und heftig war. In magnetischen Schlaf gebracht, bestätigte der Schutz- geist die wirklich vollzogene Befreiung. Aber damit nicht zu- frieden, wiederholte man, gegen meinen Wunsch, mehrere Gegenproben durch Eingabe von Arzneien und Anwendung von exorcistischen Formen; allein es war von nun an auch nicht die mindeste Reaction mehr zu spüren. Man zweifelte nun nicht länger mehr an der vollständig gelungenen Cur und die Frau war und blieb ruhig, schmerzlos und still heiter. Man ließ sie eine schwache Fleischbrühe nehmen, und auch diese ertrug sie, was sonst nie der Fall war. Sie ging nun ins Freie und bestieg einen Hügel, um dort einsam zu beten, kehrte gestärkt und voll Vertrauen zurück. Ihre Ge- sichtzüge waren beruhigt, die Augen heller geworden, und aus ihren Antworten leuchtete eine stille Heiterkeit hervor. Für ihren Dauk gegen Dr. Kerner und seine Familie konnte sie nicht herzliche Worte genug finden. Als die Familie und deren Gäste Abends traulich bei Tische saßen und auch einige scherzhafte Geschichten erzählt wurden, hörte man die Frau, die in einiger Entfernung am Ofen saß und dem Gespräche mit Theilnahme zuhörte, zum erstenmal, seit sie im Hause des Arztes war, herzlich lachen. Es sind nun noch die Aussagen und Bekenntnisse des dämo- nischen Wesens in einem kurzen Inbegriff nachzuholen, mit Hinweglassung der Fragen und Wiederholungen; sie lau- ten so: „Ich hieß im Leben Caspar B…r und wurde im Jahr „1783 geboren. Ich ging zwar in die Schule, lernte „aber nichts. Es ging nichts in mich hinein, und auch „bey der Confirmation hatte ich weder Einsehens noch „Glauben. Es fehlte an der Hauptsache im Hause, an „der Kinderzucht. Mein Vater war manchmal sehr streng, „die Mutter aber immer zu gut. Sie glaubte Alles, „was ich sagte, und ich betrog sie stets. Dem Vater „läugnete ich ab, was er ganz gewiß wußte. Wenn „er dann zornig darüber wurde, versündigte ich mich „vielfach an ihm, so wie an der Mutter. Einmal schüt- „telte und würgte ich den Vater im Zorne. Ich lernte „das Müller-Handwerk, that aber niemals gut, ich „trank gerne und verging mich oft mit Weibspersonen. „Eine davon wurde von mir schwanger, ich läugnete „hartnäckig, daß ich Vater zum Kinde sey. Ich sagte „früher, daß ich mich losgeschworen hätte, aber dieß „ist nicht wahr, wahr aber ist, daß ich das Mädchen „bis zum Schwur trieb. Als sie den Eid abgelegt hatte, „sagte sie zu mir: „Dieser Schwur soll auf deine Seele „fallen.“ Von nun an hatte ich keine Ruhe. Der Teufel „blendete mich, und ich ging lange mit dem Gedanken „um, das Weibsbild zu ermorden, doch kam es nicht „dazu. Ich ließ mich mit andern Weibsbildern ein und „dachte nachher nicht mehr viel an sie und an das Kind. „Es wurde wieder ein Mädchen von mir schwanger, was „ich abermals abläugnete, ich trieb auch sie zum Eid, „den sie aber nicht abschwur, weil sie auch mit Andern „eingehalten hatte; da sie auch sonst schlecht war, be- „unruhigte mich das nicht sehr. Inzwischen kam ich „immer tiefer in die Liederlichkeit hinein, ergab mich „dem Trunk und betrog, wo ich nur immer Gelegenheit „fand. Oft zwar regte sich das Gewissen, die Unruhe „aber trieb mich in die Wirthshäuser und da versoff ich „die Qual. War ich im Rausch, so fing ich Schlag- „händel an. Einmal war dieß in Kirchberg beim Staffel- „wirth, da schlug ich den Beßten von meinen Sauf- „kameraden nieder. Er blieb zwar nicht todt auf dem „Platze, starb jedoch bald darauf an den Schlägen, „die er von mir erhalten hatte. Untersucht ist dieser „Handel nicht worden; wie der Camerad hieß, weiß ich „nicht gewiß, ich denke, er nannte sich Michel Diller. Hat „mich auch das Gewissen nie in Ruhe gelassen, so habe „ich doch niemals, was ich that, bereut. Ich ging zwar „zuweilen zum Nachtmahl, bekannte und bereute aber meine „Sünden weder vorher noch nachher. Ich soff nur um so „stärker. Einst stahl ich auch einem Mühlknecht die Sack- „uhr, Niemand aber dachte daran, daß ich es gethan „haben könne, ich verkaufte sie um ein Spottgeld, das ich „sogleich verputzte. In der Mühle betrog ich die Kunden „beständig, doch habe ich auch etwas Gutes gethan, weil „ich von dem gestohlenen Mehl zuweilen den Armen gab.“ Auf die ihm gemachte Bemerkung, daß er damit nichts Gutes gethan habe, da er den Armen nicht von dem Sei- nigen, sondern von gestohlenem Gut gegeben, erwiederte er: „Ich kann nicht glauben, daß das eine Sünde war, dem Reichen that es nicht weh und den Armen kam es zu gut.“ So viel ihm auch dagegen eingewendet wurde, wollte er doch nicht begreifen, daß das einr Sünde war, und nur ganz zuletzt äußerte er: „Nun wenn dieß wirklich Sünde gewe- sen ist, so will ich sie auch bereuen.“ Er fuhr unn fort: „Ich hatte mich verheirathet und ich hausete auf eigener „Mühle. Die Müllerin, die keine Kinder bekam, war „gar lieb und gut, redete mir stets freundlich zu und „ermahnte mich zu einem ordentlichen Leben. Ich hörte „nicht auf sie und achtete ihres Kummers nicht, doch „wurde ich ihr wenigstens nicht ungetreu. Ich wurde „nun immer liederlicher und zog von einem Wirthshaus „in das andre, wo ich, so lange ich noch selber das „Geld einnahm, alles schnell durchbrachte. Endlich aber „verschloß die Müllerin das Geld, gab mir jedoch, was „sie nur vermochte, und redete mir immer freundlich „zu. Ach, sie war so brav! Ich aber folgte nicht und „wurde immer schlechter. Da wurde sie endlich uneins mit „mir. Einmal sagte sie zu mir: Wenn du so fortlebst, muß „ich mich vor meinen Freunden schämen, die mir immer „von der Heirath mit dir abriethen, ich kann nicht mehr „unter ihre Augen treten, wenn du mir nicht folgst. Zu- „letzt aber sagte sie: Folgst du mir nicht, so lasse ich „mich von dir scheiden, oder laß du dich von mir schei- „den. Ich gerieth darüber in Zorn und Furcht. Ich „wollte mich nicht scheiden lassen und wollte doch auch „nicht länger bey ihr bleiben, weil ich mich vor ihr schä- „men mußte. Der böse Feind kam über mich und trieb mich „zum Hause hinaus. Ich lief nach Ellwangen, forderte „unterwegs bey Schuldnern Geld ein, das ich dann gleich „versoff. Es war nicht viel, was mir die Leute gaben, „weil sie wußten, daß die Müllerin die Wirthschaft führe. „Ich konnte nicht mit mir einig werden, was ich an- „fangen solle. Bald wollte ich zurückkehren, aber ich „schämte mich vor der Müllerin, so gut sie auch war, „bald wollte ich mich in der Fremde wieder als Mühl- „knecht verdingen, aber auch dieses widerstand meiner „Hoffart. So kam ich nach Westhausen, wo ich über „Nacht blieb. Ich schlief nicht, die Gewissensangst trieb „mich fort; so erreichte ich ein Wäldchen, wo der Ge- „danke mich überfiel mich aufzuhängen; das werde, „dachte ich, die Müllerin am meisten ärgern.“ Auf die Frage, ob er denn den Selbstmord nicht für eine Sünde gehalten habe, antwortete er: „Das ist mir gar nicht eingefallen, ich dachte an kein „anderes Leben und glaubte an keines. Ich that mir ein „Sacktuch um den Hals und hängte mich an einen Baum „auf, so niedrig, daß die Fußspitzen noch die Erde be- „rührten. Es war gleich geschehen, allein hernach that „es mir wehe, daß ich nicht sollte begraben werden. Als „man mich gefunden hatte, wurde ich fortgefahren und „verschnitten.“ Nach dieser Erzählung ging der Dämon wieder nieder; die Patientin war sehr matt und fiel bald in einen magne- tischen Schlaf, aus dem sie nur wieder erwachte, um in den dämonischen Zustand zurückzufallen, in welchem der Dämon, nachdem die früheren Aussagen ihm vorgelesen waren, fortfuhr: „Vorhin habe ich die Frage, ob ich nicht auch der Müllerin „ungetreu geworden sey, verneint; es ist aber nicht wahr, „ich habe gelogen. Ich habe mich geschämt, auch diese „Untreue zu gestehen, weil die Müllerin so gar gut ge- „wesen ist. Der Ehebruch ist aber auch eine große Sünde „und ich darf keine Sünde verhehlen. Es hülfe mir auch „nichts, der Schutzgeist findet sie alle doch heraus, darum „will ich auch diese Sünde bekennen, so wie ich sie auch „von Herzen bereue. Seit ich mich im Jahr 1818 auf- „gehängt gehabt, habe ich als Wespe in der Luft schweben „müssen; doch habe ich erst vor 16 Wochen in den Körper „der Frau, die ich so sehr geplagt, eindringen können; „da kam ich doch wieder zu einem Leib. Von da an „habe ich die Frau, in die ich fuhr, gar sehr geplagt. „Ich kannte sie früher so gut wie gar nicht, sie war „damals noch ein Kind und um Kinder bekümmerte ich „mich nicht, ich kannte eigentlich Niemand als meine „Saufbrüder und die Weibsleute, die mit mir einhielten. „Auch ließ ihr Vater nicht in meiner Mühle mahlen, „er war übrigens gut gegen mich und ein sehr braver „Mann, ich machte ihm auch viel Kummer und Sorgen. „Und wie plagte ich nicht die Mutter und die Kinder „und den Mann dieser Frau! Ich konnte nicht anders, „ich mußte sie plagen; aber nicht wahr, es ist auch große „Sünde, daß ich diese Menschen so plagte? Ach, wie „reut es mich! Ja, jetzt fühle ich erst mein Unrecht, ich „bereue es bitterlich und bitte es ihnen allen demüthig „ab. Ach wenn ich nur beten könnte! die Frau kann „beten, ich kann es nicht und habe es nie gekonnt. „Könnte ich es, so könnte ich eine kleine Staffel höher „hinauf kommen, und ich dürfte hoffen, nicht immer „abgewiesen zu werden.“ Bey diesen Worten fragte ich: kannst du nicht reuig sagen: Gott sey mir armen Sünder gnädig ? Ja, rief es freudig aus der Kranken, ich kann es: und nun sprach es mit unbeschreiblicher Wehmuth: Gott sey mir armen Sünder gnädig, er stärke mich in meiner Reue und Buße, und lasse mich Gnade finden !“ Nach einer kleinen Pause traten die heftigsten Convulsionen mit Brüllen und Blasen, und dann, nach dreymaliger Un- brechung, der dreymalige Scheintodt ein, wie oben schon erwähnt wurde. Die Kranke erwachte, um in ihren natür- lichen Zustand überzugehen, sie fühlte sich frey und lobte und dankte Gott. Spät am Abend desselben Tages sprachen Kerner und ich zusammen in Gegenwart der Frau von Ge- genständen, welche auf dieselbe gar keine Beziehung hatten. Kerner ergriff eine sich darbietende Gegelegenheit, die Frau zu fragen, ob man nicht reichen Leuten etwas entziehen dürfe, um armen Menschen damit beyzustehn? Sichtlich ver- wundert über eine solche Frage, antwortete sie schnell: „Wie dürfte man so etwas thun? gestohlen ist gestohlen, mag man das entwendete Gut auch anwenden wie man will.“ Mehrere thatsächliche Umstände, die in den obigen Aus- sagen und Bekenntnissen berührt wurden, sind bereits verifizirt, andere werden zu Gegenständen weiterer Nachforschung ge- macht werden. Ich aber mußte in der Nacht abreisen, und nahm den vollen Wunsch mit mir, den weitern Verfolg dieser zum ernsten Nachdenken auffordernden Geschichte, so wie etwaige Erklärungsversuche derselben, zu vernehmen. v. W....m Dieß ist die genaue Beschreibung des mit eigenen Augen prüfenden Freundes, zu der ich nichts hinzuzusetzen weiß. Er schied mit dem vollen Glauben von uns, daß dem Weibe geholfen sey, und wir Alle theilten die gleiche Hoffnung mit ihm. Aber kaum waren wenige Tage vergangen, während welchen jede dämonische Spur verschwunden schien, so fing der alte Jammer wieder an und alle die früheren Zufälle kehrten in ihrer furchtbaren Gestalt zurück. Das Weib, als sie dieses aufs neue in sich fühlte, war aufs äußerste niedergeschlagen, weinte bitterlich und jammerte beständig. Wir Alle mußten glauben, daß die Austreibung, obgleich sie unter den sonst gewöhnlichen Zeichen geschah, vergeblich war, und daß das gleiche böse Wesen noch fest sitze und sein selbst verkündeter Abschied nur Verstellung und Lüge sey. Von dem Schutzgeist erfuhr zwar die Frau im magne- tischen Zustand, daß der vorige Dämon wirklich ausgefahren sey, sie aber schon wieder ein anderer besitze; Er sprach ihr Trost zu und munterte sie auf, mit Fasten und Beten anzu- halten, wornach dann die Hülfe nicht lange verziehen werde. Die Frau faßte wieder Muth und befolgte Alles pünktlich, was zu ihrem Heil diente. Eines Tages kam sie des Morgens von ihrem Schlafgemach herab und erzählte, daß ihr diese Nacht wie im Traume eingegeben worden sey, daß ihr ge- genwärtiger Dämon der längst verstorbene Schmid Sch…n aus J..m sey. Ein längst erwarteter Freund, mit welchem ich über diese Geschichte viele Briefe wechselte, kam nun auch, um Alles selbst mit anzusehen. Die Kranke erwartete sehnlich Hülfe von ihm; allein der Dämon sprach sogleich lachend gegen ihn aus: „Du bringst mich nicht hinaus, gib dir keine Mühe, es muß ein Stärkerer seyn als du.“ Den folgenden Tag wurde jedoch ein Versuch gemacht, nicht sowol, den Dämon auszutreiben, als vielmehr ihn zu Bekenntnissen seiner im Leben begangenen Sünden zu brin- gen, da aus den Vorgängen bekannt war, daß diese Me- thode dem Dämon am beßten den Ausgang bereite und ihm gleichsam mehr von Körper ablöse. Es war schon viel ge- wonnen, daß der Name des Dämons bekannt war und seine Individualität nun selbst zur Rede gestellt werden konnte. Auf jeden Befehl, der im Namen des Herrn geschah, mußte er jetzt antworten, und so hartnäckig er sich auch sträubte, dieses oder jenes zu bekennen, so war er doch zuletzt dazu genöthigt. Deutlich konnte man sehen, daß ihm die heili- gen Namen eine Qual verursachten, und daß er, um dieser los zu werden, jedesmal eine Antwort gab. Das Merk- würdigere seiner Bekenntnisse besteht in Folgendem: „Er sey „schon länger neben dem Andern in der Frau gewesen, hätte „sich aber, so lange der Vorige herrschte, ruhig verhalten. „Seitdem Jener ausgefahren, seye er nun Meister ge- „worden, und es seye seine Lust, das Weib zu plagen. „In seinem Leben habe er viel betrogen und viele Misse- „thaten begangen. Noch ledig habe er ein Mädchen verführt „und nachdem sich dieses als Mutter gefühlt, habe er ihm „Gift beigebracht, wovon es schnell gestorben sey. Die That „sey nicht heraus gekommen, weil die Leute es für eine „Gallenruhr erklärten. Er habe einen fürchterlichen Mein- „eid auf seiner Seele, was ihn hindere, selig zu werden. „Er seye zuletzt von J ..m nach El…n gezogen und „dort endlich an einem Leibschaden und an der Läusesucht ge- „storben.“ Nach diesen Bekentnissen wurde er ernstlich ver- mahnt, sich jetzt noch zu bekehren, indem Jesus jeden reuigen Sünder annehme. Jedesmal aber, und diß wohl zehnmal, war die Antwort: „Was nützt es, daß ich mich bekehre, „ich werde doch nicht angenommen.“ Unerachtet nun durch dieses Verfahren nicht viel ausgerichtet wurde, so schien doch der Dämon mehr gedemüthigt und war nicht mehr so frech in seinem Hohn und Spott. Es war vorauszusehn, daß er seinen Meister finden werde. Mein Freund machte öfters, sobald die Frau vom Dämon geplagt war, die Probe, daß er ihr die Hand auf das Haupt legte und befahl: „Der Schutzgeist soll kommen,“ worauf jedesmal sogleich ein sichtlicher, in den Bewegungen des Körpers ausgedrückter Kampf anging, der nach wenigen Sekunden den Dämon zum Weichen brachte und die Frau befreite. Die öftere Wiederholung dieser Szene ließ keinen Zweifel über den Erfolg und zeigte so recht augenscheinlich, wie der böse und gute Geist sich um den Menschen streiten, immer aber dem Guten der Sieg bleibe, wenn der Mensch nicht durch eigene Schuld ihn von sich entfernt. Nachdem mein Freund sich verabschiedet hatte, wurde noch ein weit kräftigerer und ernstlicherer Versuch gemacht; Alles schien gelungen, indem alle Zeichen der vorhergehenden Expulsion sich wieder einstellten. Aber dennoch rettete der Dämon sich wieder, indem er, wie er nachher aussagte, sich in einen unempfindlichen Theil des Körpers flüchtete, bis der Sturm vorüber war. In dieser Zeit besuchte mich auch auf der Durchreise ein angesehener Gelehrter, der über Be- sitzungen anderer Meinung war. Dennoch machte auch er auf Zureden einen Versuch, indem er das böse Wesen als ein Nichts, als einen Wahn erklärte, dem er gebot, das Weib zu verlassen. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er von einer Fluth des pöbelhaftesten Spottes überschüttet wurde, indem es der Dämon übel nahm, daß er nichts und ein bloßer Wahn seyn solle. Kerner , über Besessenseyn. 7 Noch einige Zeit dauerte die Plage des Weibes ohne Widerstand fort, bis endlich mehrere gläubige Freunde in der Ferne sich im Gebet für dieses Weib vereinigten und den Herrn um die Lösung dieses unnatürlichen Bandes fle- hentlich baten. Wenigstens läßt sich der Erfolg so deuten, indem um eben diese Zeit der Schutzgeist den Ausspruch that, daß der Befehl gekommen sey: „Der Dämon müsse morgen Mittag um zwölf Uhr den Körper verlassen.“ Dieß geschah auch wirklich unter den bekannten Zeichen des Aus- fahrens, ohne daß Jemand an einen förmlichen Exorcismus dachte. Die Frau fühlte sich wieder befreit und dankte inbrün- stig Gott. Alles wünschte ihr Glück, indem keine Spur der dämonischen Besitzung mehr vorhanden war. Aber es war nur ein Trug. Nach einem Stillstand von fünf Tagen kehrte die dämonische Plage wieder zurück, und die Frau wurde jetzt zum fünften Mal recitiv. Nicht undeutlich schien jene Bibelstelle anwendbar: „Wenn ein Dämon seine Wohnung verläßt, so daß alles gereinigt, geschmückt und wie mit Besen gekehrt erscheint, und alsdann dürre Stätten durchwandert, so kehrt er wieder zurück und nimmt sieben andere Gesellen mit.“ Alle waren jetzt rathlos; auch die Aus- sagen des Schutzgeistes waren schwankend; Manchmal wollte es uns dünken, als spiele eine satanische List die doppelte Rolle des Dämons und des Schutzgeistes. Diese Meinung wurde aber wieder zurückgewiesen dadurch, daß er die Frau zum Ausharren mit Geduld ermahnte, ihr Trost zusprach, sie zum Fasten und Beten anhielt und ein baldiges Ende ihrer Leiden verkündete. Wirklich war es auch die Frau immer zuerst, welche, ob sie gleich durch den Jammer und das viele Fasten beynahe ein Gerippe geworden, durch Trennung von Gatten und Kindern große Opfer gebracht, und dennoch Alles vergeblich sah, doch den Faden der Hoff- nung zur Wiedergenesung wieder auffaßte, eingedenk jener biblichen Thatsache, daß Jesus von der Maria sieben Teufel austrieb. Dieser neue Dämon in der Unglücklichen gab sich bald als einen vor Jahren zu X. verstorbenen, mir wohlbekannten Sünder zu erkennen. Es ist entschieden, daß U. diesen Men- schen im Leben nie sah, nie etwas von ihm hörte, um so auffallender und beweisender war es, daß sie, so oft der Dämon in ihr aufstieg, durchaus die ganz gleichen Ge- sichtszüge bekam, die dieser im Leben hatte, und die sehr marquirt waren, so das es nöthig war, die U. in ihren Anfällen nun jedesmal von den Menschen zu entfernen, weil Jeder, der jenen Verstorbenen im Leben kannte, ihn jetzt sogleich in den Gesichtszügen der Dämonischen wieder erkannte, was zu unangenehmen Reden hätte Veranlassung geben können. Auch bewiesen sonst Einzelheiten, die der Dämon aus seinem frühern Leben angab, von welchen die Frau nicht das mindeste wußte und wissen konnte, daß Er es wirklich und kein Anderer, oder daß er keine bloße fixe Idee oder leere Fratze war. Der Schutzgeist der Frau sagte ihr im guten magnetischen Zustande: dieser Dämon habe erst kürzlich in sie geschickt werden können nach Austreibung des letztern, weil man versäumt habe, sie gegen solche Anfechtungen auf immer zu verwahren. Die Teufeley und Hartnäckigkeit dieses Dämons schien auch die früheren weit zu übertreffen und die Leiden der Unglücklichen waren Tag und Nacht so groß, daß sie gar nicht zu beschreiben sind, und wir mit ihr in die größte Verzweiflung kamen. Von Bekehrung und Buße wollte dieser Dämon nichts wissen, alle Versuche, ihn dazu zu bringen, waren fruchtlos, er erklärte, daß er nie aus ihr weichen und sie bis zum Tode Tag und Nacht fortmartern werde. Es war jetzt klar, daß das bloße Austreiben der Dämonen nicht hinreichend war, indem immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm, welche der Vorhergehende leer gelassen hatte. Sollte die Unglückliche gänzlich geheilt werden, so mußte sie auch für die Zukunft verwahrt seyn. Es wurde mir 7 * durch Nachforschung von Freunden ein in der Ferne Woh- nender bekannt, der neben großer Glaubenskraft vielfältige Erfahrung in solchen Dingen besaß. Seine nähere Bezeich- nung ist mir nicht erlaubt. Er erschien und der Kraft seines Glaubens und seines magischen Einwirkens (das keine nähere Beschreibung zuläßt) gelang, was vorher nie gelungen war, die Unglückliche nicht blos vom Dämon zu befreyen, sondern sie auch für die Zukunft zu verwahren . Nach einem hartnäckigen Kampfe von fast drey Tagen fuhr der Dämon, ein Teufel wieder zu seinen Teufeln aus. Seine letzten Worte waren: „Nun muß ich fort, da steht es ja!“ und dann erfolgten die beym Hinausfahren gewöhnli- chen Zufälle, namentlich das Zurückfallen und der Schein- tod der U. Eine sehr rechtschaffene Frau von hier, Frau W., die die Fähigkeit hat, Geister zu sehen, und bey dieser letzten Scene anwesend war, sah, während die U. im Scheintode, der eine Viertelstunde andauerte, da lag, eine kleine ganz lichte Geister- gestalt neben der Liegenden stehen. Auch das erste Wort der U. war, als sie wieder erstanden: sie habe, während sie so dagelegen, immer nur die Gestalt eines kleinen lichten Geistes in ihrer Nähe gesehen und sonst nichts gesehen und gehört, und wahrscheinlich bezogen sich die letzten Worte des Dämons, die ich, als er sie aussprach, gar nicht deuten konnte: „Nun muß ich fort, da steht es ja!“ auf diese Erscheinung, die wahrscheinlich die eines Schutzgeistes war. — Von da an nun blieb U. von allen dämonischen Anfech- tungen völlig frey und auch sonst ganz gesund, und ihr Gatte schrieb mir, nachdem mehr als ein Jahr vorüber ge- gangen: „Mein Weib ist noch immer ganz gesund, betet und ar- beitet, ohne alle Störung und dankt mit mir Gott, der uns durch Ihre Mithülfe von einem Jammer befreyte, der so lange Jahre so schwer auf uns lastete.“ Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1829. Margaretha B. von N. eilf Jahre alt, Tochter einer armen Wittwe, von etwas heftiger Gemüthsart, aber ein christliches, frommes Kind, wurde den 19. Januar 1829, ohne vorher unwohl gewesen zu seyn, von krampfhaften Zufällen ergriffen, die sich mit wenigen und kurzen Unterbre- chungen zwey Tage lang wiederholten. So lange die Krampf- anfälle dauerten, war das Mädchen nicht beym Bewußtseyn, sie verdrehte die Augen, machte Grimassen und allerlei sonderbare Bewegungen mit den Armen, und von Montag den 21. Januar an ließ sich auch wiederholt eine tiefe Baßstimme vernehmen, mit den Worten „ Für dich betet man recht !“ Sobald das Mädchen wieder zu sich selber kam, war sie müde und erschöpft, wußte aber von allem Vorgefallenen nichts und sagte nur, sie habe geträumt. Am 22. Januar Abends fing eine andre, von der obigen Baßstimme sich deutlich unterscheidende Stimme an, sich hören zu lassen. Diese Stimme redete fast unaufhörlich so lange die Krisis dauerte, d. h. eine halbe, ganze, auch mehrere Stunden, und wurde nur zuweilen von jener Baß- stimme, die ihr voriges Recitativ standhaft wiederholte, unterbrochen. Augenscheinlich wollte diese Stimme eine von der Persönlichkeit des Mädchens verschiedene Persönlichkeit darstellen, und unterschied sich auch von demselben aufs ge- naueste, sich dasselbe objectivirend, und in der dritten Per- son von ihr redend. In den Außerungen dieser Stimme war durchaus nicht die mindeste Verwirrtheit oder Verrücktheit zu bemerken, sondern ganz strenge Consequenz, die alle Fragen folgerecht beantwortete, oder mit Schalkheit von sich wieß. Was aber diesen Aeußerungen ihr Unterscheidendes gab, war der moralische, oder vielmehr der unmoralische Charak- ter derselben; Stolz, Arroganz, Spott, Haß gegen die Wahr- heit, gegen Gott und Christus, thaten sich in derselben kund. — „Ich bin der Sohn Gottes, der Welt Heiland, mich müßt ihr anbeten,“ hörte man jene Stimme zuerst sagen, und nachher oft wiederholen. Spott über alles Heilige, Läste- rungen gegen Gott und Christus und gegen die Bibel, heftiger Unwille gegen alle, die das Gute lieben, die abscheulichsten Flüche, tausendfach wiederholt, grimmiges Wüthen und Toben beym Anblick eines Betenden, oder auch nur bei gefalteten Händen — das Alles konnte man als Symptome einer fremden Einwirkung betrachten, wenn auch jene Stimme nicht selbst, wie es wirklich geschah, den Namen des Redenden verrathen hätte, sich einen Teufel nennend. Sobald dieser Dämon sich hören ließ, veränderten sich auch die Gesichtszüge des Mädchens sogleich höchst auffallend und es trat jedesmal ein wahrhaft dämonischer Blick ein, von dem man in der Messiade auf dem Bilde, wo der Teufel Jesu einen Stein bietet, eine Idee bekommt. Am 26. Januar Mittags nach eilf Uhr, zu derselben Stunde, welche das Mädchen im wachen Zustand, nach ihrer Behauptung von einem Engel belehrt, schon vor einigen Tagen als ihre Erlösungsstunde angekündigt hatte, erfolgte das Aufhören dieser Zufälle. Das letzte, was gehört wurde, war eine Stimme aus dem Munde des Mädcheus: „ Fahre aus, du unsauberer Geist, aus diesem Kinde! weißt du nicht, daß dieses Kind mein liebstes ist ?“ dann erwachte sie zum Bewußtseyn. Am 31. Januar stellte sich derselbe Zustand mit denselben Symptomen wieder ein. Doch kamen nach und nach mehrere neue Stimmen hinzu, bis die Zahl dieser, von einander theils im Ton, theils in der Sprache, theils nach dem Inhalt augenscheinlich verschiedenen Stimmen auf sechs ge- stiegen war, von denen sich jede als die Stimme eines be- sondern Individuums geltend machte, und auch als solche von jener vorher so oft gehörten Stimme angekündigt wurde. Die Heftigkeit des Tobens, Fluchens, Lästerns, Scheltens u. s. w. erreichte in dieser Periode der Krankheit den höchsten Grad, und die Zwischenzeiten des Bewußtseyns, in welchen übrigens das Mädchen durchaus keine Erinnerung an die Vorfälle im Paroxismus hatte, sondern still und fromm betete und las, wurden seltener und kürzer. Der 9. Februar, der ebenfalls schon am 31. Januar von dem Mädchen als der Befreiungstag bezeichnet wurde, machte auch diesem Jammer ein Ende, und ähnlich dem ersten Male, ließen sich den 9. Februar Mittags 12. Uhr, nachdem jene Stimme wiederholt ihren Abschied angekündigt hatte, aus dem Munde dieses Mädchens die Worte hören: „ Fahreaus, du un- sauberer Geist! das ist ein Zeichen der letzten Zeit !“ Das Mädchen erwachte und ist bisher gesund ge- blieben. Was die ärztliche Behandlung betrifft, so wurden dem Mädchen während dieser Zeit verschiedene Medikamente, und unter diesen auch Wurmmittel gereicht, worauf auch Würmer abgingen, was wohl bey jedem andern Kinde auch der Fall gewesen wäre, allein sie brachten durchaus keine Aenderung in seinen Zustand, der nicht eher als bis zu der ihm voraus gesagten Zeit, verschwand . Trotz des Tobens der Dämonen gegen alles Heilige, wurden Gebet und Händeauflegen häufig angewendet, geistige Mittel, die hier gewiß auch von besserem Erfolg als alle noch so ausgesuchte ärztliche leibliche Mittel waren. Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1714. S. M. Andreä Hartmanns Hauspostill, 1743. Auf unvermuthetes Vernehmen, daß zwey besessene Weibs- leute in hiesiges Armenhaus gebracht worden, ging ich Pfarrer den 14. Dec. 1714 Abends aus starkem Trieb meines Gewis- fens in’s Armenhaus und nachdem ich die zwey besessenen Weibsleute auf eine Herzensprüfung geführt, ob sie nicht durch mancherley herrschende Sünden, z. E. Fluchen, Hader, Zank, Unzucht, Lügen und dergleichen Teufelswerke, dem Satan in sich Raum gegeben hätten, welches aber die Besesse- nen mir nicht gestehen wollten, fing bey der einen Besessenen, Elisabetha, Johann Doblers Frau aus Roschach in der Schweiz, alsbald der Paroxismus damit an, daß der Satan aus ihr mich anfuhr: „Du Narrenmaul! was thust du hier im Bettelhaus, du bekommst gewiß Läuse u. s. w. Ich gab ihm die Antwort: „Durch das Blut, die Wunden und die Marter Jesu Christi sollst du überwunden und ausgetrieben werden!“ worüber er heftig schnaubete und brüllte und schrie: „Hätten wir Teufel Gewalt, wir wollten Himmel und Erden unter einander werfen u. s. w., was Gott nicht seyn will das ist unser!“ Auf dieses kam die Besessene wieder zur rechten Vernunft und sprach fein und sittsam mit mir, bezeugend, sie wolle Gott bey allen sa- tanischen Anläufen doch nicht aus dem Herzen lassen. Sonnabends Vormittags bettelte sie ganz verständig hier vor den Häusern, eines andern Bettlers Kind in der Schlinge tragend. Als sie deswegen zur Rede gesetzt wurde, warum sie das thue? das Kind könnte ja in der satanischen Wuth umkommen, versetzte sie! „Der Satan muß mich so lang, als ich das Kind in meinen Armen habe, ungeplagt lassen. Man sieht Gleiches in der Geschichte der U. Mittags um eilf Uhr kam diese Besessene auf mein Ver- langen, aber nicht mit ihrem guten Willen, in hiesige Kirche, darin ich, um nach ihrem höchst jämmerlichen Zustand mich zu richten, das Gesang: „Gott der Vater wohn’ uns bey“ ꝛc. singen ließ und nach nöthig befundener Vorbereitung auf der Kanzel die zwey merkwürdigen Stellen von etlichen Be- sessenen, Marc. 5. u. 9. Cap. mit … gehängter Applikation so lange vorlas, bis der Satan aus der Besessenen zu mir auf die Kanzel schrie: „Wenn ist’s einmal genug!“ Nach meiner ertheilten Antwort: „wenn’s Gott genug ist, dir Teufel ist’s gleich genug!“ beklagte sich der Satan über mich: „Wie quälest, wie plagest du mich! wäre ich nur nicht in deine Kirche gegangen.“ Als er unverschämt sprach: „Nun meine Kreatur muß leiden andern zum Exempel!“ stopfte ich ihm sein Maul also: „Teufel! die Kreatur ist nicht dein, sondern Gottes! Dein ist Koth und Unflath, Hölle und Verdammniß in Ewigkeit“ und als ich mit kräftigen Ausdrücken vom Namen Jesu und seinem allerheilsamsten Mittleramt auf den Satan zudrang! schrie er: „O heiß! o heiß! O Qual! o Qual!“ oder fuhr er mich zornig an: „Was hast du für ein Geplapper?“ — Inwährend des Betens, Schreyens, Kämpfens der Ge- meinde, marterte der Satan die arme Kreatur jämmerlich, brüllte aus ihr entsetzlich und warf sie so starr, so unem- pfindlich zur Erde nieder, daß sie lange eiskalt, ohne daß man einen Athemzug bemerkte, wie ganz todt da lag, bis sie endlich mit Gottes Hülfe wieder zu sich selbst kam und ganz schwach und entkräftet von etlichen Personen wieder aus der Kirche in’s Armenhaus geführt wurde, allwo der Satan sie von neuem grausam plagte. — Gegen Abend besuchte ich sie wieder im Armenhause, in Begleitung eines siebenjährigen Kindes, das aus Furcht vor der Besessenen sich hinter eine Frau versteckte. Zu diesem sprach der Satan: „Du darfst dich vor mir nicht fürchten, du bist Gottes Kind, ich kann dir nichts thun. Die Frau aber, die sich ehr li ch nährte, schalt der Satan eine liederliche Haushälterin, und weil sie in einem Hafen, der einen kleinen Spalt hatte, der von Niemand wahrgenommen wurde, der Besessenen Essen brachte, schrie der Satan: „O Spalt! Spalt! warum nahmst du nicht den ganzen Hafen, der bey dem Brünnlein liegt?“ Die Anwesenden verwunderte es, daß der Satan nicht nur den verborgenen Spalt in dem Hafen, sondern auch den Hafen bey dem Brünnlein liegend wissen sollte, an einem Ort, der der Besessenen un- bekannt war. — Eine andre Frau, die der Bettler wegen aufgestellt ist, reizte er an: „Wenn Bettler in den Flecken kommen ’ , so jag’ und schlag sie brav wieder hinaus, und bekommst du Allmosen für sie, so behalt’s für dich und kaufe dir Spitzen dafür.“ Ein Weib, das ein uneheliches Kind bey sich hatte, ent- deckte er, indem er sagte: „Es ist hier was ungerades!“ Mich aber schnaubte er an: „Was schickst du der Kreatur zu fressen und zu saufen? es gehört ihr nichts!“ Ich fertigte ihn kurz ab: „Teufel, wenn mich Gott seiner Kreatur Barm- herzigkeit will lassen erzeigen, was hast du darein zu reden?“ Obwohl nun die Besessene auch dießmal wieder den Ge- brauch der gesunden Vernunft, bey welchem sie sich, nota bene, niemals zu entsinnen wußte, was der Satan aus ihr geredet, erlangt, so ließ ihr doch der Satan nach meinem Abschied nicht lange Ruhe, sondern quälte sie wie zuvor. Samstag Nachts um ein Uhr holte mich ein welscher reformirter Schweizer, der etlicher Sprachen kundig war, und erzählte mir mit Erstaunen: die Teufel sprächen aus der Besessenen lateinisch, französisch, ungarisch u. s. w. und wütheten als wollten sie Alles im Armenhaus umbringen. Indem ich nun hineingehen wollte, rief der Satan: „Lasset den Paperle nicht herein, er hat mir schon zwey Kameraden gestohlen, er will mir meine vier auch stehlen!“ Unter den Armen, die selbige Nacht im Armenhause lagen, waren drey kleine Kinder und darunter ein Säugling, von wel- chen der Satan bekannte: „Die drey unschuldigen Kinder ma- chen mir sehr bange!“ Da gab ich ihm einen Schwerdtstreich mit dem Wort Gottes: „Merk’s Teufel! Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hat Gott eine Macht wider dich zugerichtet, daß du Feind und Rachgieriger ver- tilget werdest.“ Inzwischen riß der Satan die armselige Kreatur, sperrte ihr das Maul gräßlich auf, warf sie so stark hin und her auf den Boden, daß drey bis vier starke Personen sie kaum halten konnten, ließ einen natürlichen und unleidendlichen Gestank von sich, machte die Besessene so hart wie einen Stein, eiskalt und so sinn- und leblos, daß sie gleich als zuvor, lange wie todt da lag, bis sie endlich in Gottes Kraft wieder zur natürlichen Wärme, Empfindung und Verstand gelangte. — Nach diesem schalt mich der Satan: „Du Papperle hast mir meine sechs Kameraden gestohlen!“ Auf meine Antwort: „Du wirst mit der Hülfe Gottes deinen Kame- raden nachfolgen müssen, sprach er: „Die Zeit ist noch nicht da, ich darf noch sechs Jahre in der Kreatur bleiben.“ Darauf erwiederte ich: „Du Lügengeist! du weist ja Gottes Zeit nicht!“ Nach meinem Abschied blieben zwey fromme Männer von meinen Zuhörern zurück. mit welchen die Besessene, als sie sich ein wenig erholt hatte, zu beten anfing. Der Satan ließ sie aber nicht lange im Gebet, sondern fing bald an zu schimpfen: „Warum habe ich die Kreatur nicht lieber in die Türkey geführt, denn hieher, wo man mir meine sechs Kameraden gestohlen, aber der große Gott hat mich gezwun- gen, daß ich hieher mußte.“ — Die Männer bedrohten den Satan, er solle die Kreatur beten lassen, da sprach er: „Tanzet, tanzet, dann führen wir Teufel den Vortanz!“ u. s. w. Ein Weib aus dem Armenhause wandte sich zu der andern Besessenen, zur Stieftochter der ersten Besessenen und sprach von ihr: „Diese kann doch das Gebet noch wohl anhören.“ Einer der Männer fragte: „Warum?“ Sie antwortete: „Diese hat auch einen bösen Geist in ihr, aber er ist stumm.“ Alsbald brach der Satan (der andern) aus: „Was stumm? was stumm? greifet ihn an wie mich, er wird laut genug werden: denn er ist ja mein Kamerad, er kann laut genug reden, er kann besser reden denn ich, er ist so tückisch, er meint, wenn man seine Kreatur nicht angreife, so habe er Ruhe, und wenn die Kreatur sterbe, so fahre er mit der Seele fort.“ — Die Männer fragten: „Warum sagst du dieses, ist denn dein Reich uneins?“ Da antwortete er: „Der große Gott zwingt mich dazu, daß ich es sagen muß, wir werden Schaden genug davon haben.“ — Oft schrie er: „Ist denn kein Pardon, ist denn keine Gnade da?“ und bat um Er- laubniß in eine Kornähre, oder in ein Faß, in eine Kluft, in einen Spalt fahren zu dürfen, — es hieß aber jedes- mal: „Nein! der Hölle zu!“ Sonntags neun Uhr, zur gewöhnlichen Zeit des Gottes- dienstes, ließ ich die erste Besessene, in welcher der Satan am offenbarsten wirkte und von welcher bisher am meisten die Rede gewesen, durch einige Männer in die Kirche führen, dagegen sich Satan mit aller Macht sträubte. Nach ge- sungenem Lied: „Eine feste Burg ist unser Gott“ nahm ich, nach vorgelesenem Gebet, den Eingang meiner Predigt aus dem 3. Cap. Joh. v. 8. „Wer Sünde thut, der ist vom Teufel: denn der Teufel sündiget von Anfang, darzu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre,“ und machte mit solchen Worten aus Veranlassung des Evangelii (Matth. 11.) eine Vorbereitung auf den Vor- trag, was es für eine Beschaffenheit habe 1) mit den Werken des Teufels, 2) mit den Werken Christi. Teufels- werke sind geistliche Blindheit, Lahme u. s. w., Christi Werke, die Erlösung von solchen Teufelswerken und Schenkung göttlicher Erleuchtung, Fertigkeit im Guten u. s. w. Der Satan erhob zwar ein Gebrüll und die rachgierige Rede: „O wenn ich auf die Kanzel hinauf könnte, wie wollte ich dich propffen!“ Allein auf das einige Wort: „Schweig Teufel! laß mich im Namen Gottes reden!“ mußte er ver- stummen und konnte die ganze Predigt hindurch weiter nichts thun, als sich aus der Besessenen fürchterlich gebehrden, das Maul krümmen, den Kopf grimmig hin und her drehen und über mich und diejenigen Worte, die ihn hart trafen, ausspucken. Nach vollendeter Predigt und gegebenem Segen vor dem Altare, that ich diese Anrede vor den häufig versammelten Zuhörern, unter welchen nicht wenig Fremde und auch zwey französische Bürger waren: „Euer Lieb hab noch ein wenig Geduld, ich habe wegen gegenwärtiger besessenen Person noch etwas zu reden.“ Darüber wurde der Satan so un- gehalten, daß er ausrief: „Nein! nein!“ Ich ermahnte herzlich Alte und Junge, besonders die Schulkinder, auf den Knien und mit heißen Seufzern, Geschrey und Thränen, den allmächtigen und barmherzigen Gott anzurufen: er wolle doch um seiner Ehre willen und dem Satan und dessen Anhang zum Spott, den Satan von der elenden Kreatur völlig austreiben, und drohete dem Satan: „Du hast nicht gern, wenn man den Namen Jesu im Geist und in der Wahrheit nennt!“ Dieser stieß hierüber das schreck- liche Wort aus: „Pfui wie stinkt’s!“ Ich sprach zu ihm: „Der Name Jesus, der dir stinkt und ein Geruch des ewi- gen Höllentodtes ist, ist den Gläubigen süße und ein Geruch des Lebens zum Leben! Höre! des Weibes Saame hat dir den Kopf zertreten, der Sohn Gottes hat einen Triumph aus dir gemacht und aus allen Pforten der Hölle. Die Rechte des Herrn Jesu ist erhöhet, die Rechte des Herrn Jesu behält den Sieg wider dich und dein Reich! Du mußt unter der Gläubigen Füße!“ Da schalt er mich vor Jedermann: „Du erbärmlicher Kuttenträger, du hast mir schon sechs Kameraden gestohlen! o könnt ich an dich! wie wollt ich dir ein Klepperlein anhängen!!“ Hernach schrie er von neuem: „Pardon! Pardon!“ „Nichts! schrie ich, du mußt im Namen Jesu Christi auch fort wie deine sechs Kameraden! Im Namen Christi sag ich dir!“ Da schrie er: „Weh! weh! ich muß fort!“ — Nach diesen Worten fuhr er aus dem jämmerlich geplagten Weibe und hinterließ einen unnatürlichen und abscheulichen Gestank. Die Unglückliche ward auch durch Gottes Hülfe gänzlich befreyt, betete mit großer Andacht und ließ sich aus der Kirche mit Jedermanns großer Freude, wiewohl sehr schwach und entkräftet, wieder ins Armenhaus führen. Nächstfolgenden Montag, Vormittags um zehn Uhr, ging ich, in Begleitung eines jener frommen Männer, wieder in’s Armenhaus, um zu erforschen, ob die andere Weibs- person, Namens Ursula , der erst Besessenen Stieftochter, wahrhaftig möchte besessen seyn, welches theils daraus zwei- felhaft schien, weil diese Besessene nicht nur keine offenbare Merkzeichen der Besitzung wie die Erstere von sich sehen ließ, außer in den Augen, die ein sonderbares Ansehen hatten, sondern weil sie auch bey allem, was mit der erst Beses- senen sowohl in der Kirche als im Armenhaus vorging, ganz stille blieb, theils daraus, daß sie selbst nicht mit der Sprache, sie sey besessen, heraus wollte, außer daß der böse Geist bisweilen wie ein Hahn aus ihr krähte. Als ich nun zu dieser Besessenen im Vertrauen zu Gott und Christo sprach: „Es ist mit euch fürwahr auch nicht richtig! Teufel, du mußt hervor, wenn du diese auch be- sessen hast, ich will dich rege und aufrührerisch machen!“ da fing diese Besessene nicht nur an, über die Maßen sich zu erbrechen, sondern auch der Satan mich zu schimpfen: „Du alte Kutte!“ und dasjenige, was ich mit der Besessenen beten wollte, mit lautem Gelächter zu verspotten, oder das Gebet zu verhindern, oder die Worte auf’s leichtfertigste zu verdrehen und zu verfälschen. So sprach der Teufel zum Exempel, statt: mit Waffen Gottes uns rüsten: mit Waffen Spottes uns rüsten. Statt: trotz dem alten Dra- chen: Schutz dem alten Drachen. Man hörte das Gleiche in der Geschichte des Mädchens von Orlach. Und sollte die Be- sessene beten: „Heiliger Geist wohn’ uns bey! vor dem Teufel uns bewahr!“ u. s. w. so wollte er sie nicht beten lassen, bis man ihm die Worte vorhielt: „Zur Ehre Gottes, zum Gehorsam Jesu Christi, laß die Kreatur beten!“ — Nachdem wir einige Zeit mit dem Gebete stark anhielten, wurde der Satan so grimmig, daß er die Besessene auf den Boden und mit ihr fast ihre Stiefmutter, die, wie erzählt, Sonntags vorher von der Besitzung frey wurde, nieder- warf, auch auf’s gräulichste aus ihr brüllte und sie jäm- merlich, wie zuvor ihre Stiefmutter, zermarterte. Ihr Vater, der Ehemann der erst Besessenen, als der das Elend seiner Tochter sah, bat uns, wir sollten seine Tochter in Frieden lassen, daß sie von dem Satan nicht so schrecklich gemartert werde, sein Weib aber, das erst besessen gewesen, sprach ihm ernstlich zu, er solle es geschehen lassen, es verursache ihr die Marter keinen Schaden. Und wir ließen auch nicht nach, sondern machten auch Anstalt, daß die Besessene durch etliche Männer, wogegen sich aber der Satan gewaltig sperrte, zur Kirche geschleppt wurde, welches Mit- tags gegen zwölf Uhr geschah. Die Gemeinde, obgleich nur eine Betstunde gehalten ward, erschien in der Kirche und sang etliche Gesänge, z. E. „Gott der Vater wohn’ uns bey“ und „Eine feste Burg“ u. s. w. und sprach mir den 46. Psalmen eifrig nach, den ich mit Fleiß auf der Besessenen Zustand richtete, auch beteten alle mit mir so herzlich, so feurig zu Gott, und war eine solche mächtige Bewegung, Angst, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit, auch unter den rohesten Ge- müthern, daß es nicht auszudrücken ist. Der Satan aber trieb ein lautes, großes Gelächter und Gespött in der Be- sessenen mit dem Gebet, das sie nachsprechen sollte, brüllte aus ihr ungeheuer, warf sie, unerachtet sie immer drey bis vier Männer stark hielten, so hoch empor, daß man immer besorgen mußte, er werde sie über die Anwesenden hinein- schmeißen, machte auch, daß die Besessene ihre Haube her- unterriß und sich selbst das Haar grimmig zerraufte. Auf einmal rief es aus der Besessenen: „Jetzt ist Einer fort, — es sind aber noch fünf da!“ Diese entsetzliche Rede be- wegte die Gemeinde, immer heißer, ängstlicher und ernstlicher zu Gott zu beten und zu singen, und Gott erhörte es auch kräftig: denn jetzt bat der Satan in ihr, wie bey der ersten, oft um Pardon, und als ihm dieser nicht gewährt wurde, um Erlaubniß, nur in irgend etwas fahren zu dürfen, bis er endlich Abends um drey Uhr auf vielmaliges Zu- sammenschreyen: „In Namen Jesu Christi fahr aus, du böser Geist!“ der Kreatur Leib völlig verlassen und sie von nun an ungehindert und andächtig und gerne mit mir und andern beten konnte, auch wieder einen ganz natürlichen Blick erhalten hatte. Also hat der allmächtige und barmherzige Gott beede Weibspersonen, davon die eine, die Stiefmutter, neun Jahre mit sieben Teufeln, die Stieftochter aber fünfzehn Jahre mit sechs Teufeln besessen gewesen, von des Satans leib- licher Besitzung so befreiet, daß sie sich längere Zeit noch hier, wiewohl entkräftet, doch ohne all die frühere satanische Anfechtung aufgehalten; wie sie auch immer hier eifrig gebetet und meinen Zuspruch, (obgleich sie an der papistischen Religion stark hingen) begierig annahmen, auch die Kirche fleißig besuchten, der Predigt mit Ernst und Thränen zuhörten und endlich von mir und der hiesigen Gemeinde sehr dankbar und beweglich Abschied nahmen. Döffingen in Würtemberg den 1. October 1715. Pfarrer M. Hartmann . Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1766. S. Memmingers Jahrbücher. Vergangenen Domin. XVIII. Trinit. (1766) hat sich in dem benachbarten Flecken Gärtringen ein sehr seltener Casus zugetragen, dessen Erzählung Ew. Hochwürden nicht unangenehm seyn dürfte. Dienstags zuvor kam ein siebenzig- jähriges Bettelweib, kathol. Religion, aus Lothringen gebür- tig, welche einige Zeit in Rastadt gewohnt, auf der Bettelfuhr nach Gärtringen, und wurde dorten in dem Armenhaus ab- geladen, woselbst sie auch übernachtete. Sowol sie als andere, die sie seit langer Zeit kannten (dann sie wurde schon seit etlichen Jahren vielfältig durch Gärtringen hin und her geführt) sagten öffentlich, sie wäre von einem bösen Geiste besessen, der sie in Gegenwart vieler Zuschauer an zerschie- denen Orten, wo sie durchgeführt wurde, entsetzlich quälte und schlug, so daß sie gar selten ruhen konnte oder im Stand war, etwas von Speise und Trank zu genießen, wenn er es nicht gestattete. Der Pfarrer in Gärtringen, M. E …, vernahm ohngefähr von dem Bettelvogt, der ein Almosen vor sie abholte, daß eine dergleichen besessene Weibsperson da wäre, worauf er sich Anfangs aus Neugierde zu ihr in das Bettelhaus begab, um sich ihrer wahren Umstände zu erkundigen. Er fand sie aber damals in natürlichem Zustand, wo sie ruhig war und kein böser Geist sich regte, daher er sie weitläufig besprochen und auf solches wieder heim gegangen. Den folgenden Morgen kam der Bettelvogt wieder zu Kerner , über Besessenseyn. 8 ihm und erzählte, wie der böse Geist diese Person die Nacht über so grausam gequält habe, so daß viele Leute herbey gesprungen, die es gesehen und gehört haben. Worauf der Pfarrer wieder zu ihr ging und sie ganz ruhig antraf, auch so lang bey ihr aushielt, bis sie auf einen Karren gesetzt und nach Eningen abgeführt wurde, wobey er neben dem Karren bis zu seinem Haus herging und unter der Hausthüre auf dem Weg noch etwas nachsah, da dann der Geist anfing, sein mit heller Stimme zu spotten, und ihn mit verächtlichen Geberden und Namen zu schimpfen, auch die Weibsperson auf dem Karren übel zu tractiren, welches viele Leute mit angesehen. Dieß bewegte den Pfarrer, dem Karren weiter und bis Eningen zu folgen, um mehrere Beobachtungen zu machen. Zu Eningen erzählte er diese Begebenheit dem Herrn von Breitschwerdt und dessen Frau Gemahlin, welche beyde sich mit ihm zu dieser Person begaben, um genauere Kundschaft einzuholen. Hier wurde Pastor bewegt durch diese Person, welche ihn ersuchte, sie wieder zurück nach Gärtringen führen zu lassen, weil sie ihm in Gegenwart anderer frey sagte, sie glaube gewiß, er könne ihr helfen. Da sie wieder nach Gärtrin- gen gebracht worden, wüthete der böse Geist grausam, spot- tete den Pfarren auf jede Weise und drohte ihm gewaltig, wenn er ihm Einhalt thun würde. Sagte aber dabey unter andern öffentlich zu ihm im Bettelhaus vor vielen Leuten: „Ja Pfäffle (so pflegte er ihn zu nennen) wenn du einen rechten Glauben hättest, so könntest du mich austreiben.“ Pastor erwiederte: „Ich habe einen Herrn, der meinen schwachen Glauben stärken kann, und du sollst es erfahren daß er es thun werde.“ Worauf er seine Kreatur (denn so nannte er sie, oder seinen Schleppsack) erbärmlich anfing zu quälen und zu sagen, wenn das Pfäffle seine Kreatur bis Sonntag wolle in die Kirche nehmen, so lasse er es nicht geschehen, er wolle sie krank genug machen, welches er Sonntags auch gethan, da er sie weder essen noch trinken noch ruhen lassen. Pastor schöpfte inzwischen unter Fasten und Beten den Muth, Sonntags den Exorcismus vorzunehmen. Er berichtete solches dem Hrn. Dekan und erhielt von ihm mündliche Erlaubniß. Sonntags früh hielt er eine besondre öffentliche Betstunde deßwegen, sprach die Beicht und Abso- lution dabey und präparirte sein Auditorinm auf den vorhaben- den wichtigen Act. Um die gewöhnliche Stunde ließ er die Mor- genpredigt läuten und die Besessene, weil sie an ihren Krücken nicht laufen konnte, wurde auf einem Karren vor die Kirchthür geführt und von da durch Männer vor den Altar gebracht und auf ein Bett hingelegt. Pastor predigte sodann über das gewöhnliche Evangelium und ließ das Lied singen: „Gott wills machen ꝛc.“ Nach geendigter Predigt und ge- sprochenem Seegen redete er den bösen Geist (der sich wäh- rend dem Gottesdienst sehr ungebärdig gestellt, das Weib entsetzlich geplagt, auch vor der ganzen Gemeinde den Pfarrer mit entsetzlichem Brüllen und Schreyen unterbrochen, und oftmal schweigen heißen) von der Kanzel also an: „Nun, du böser Geist, wie hat dir dieses Wort Gottes gefallen?“ Dieser antwortete mit erhobener Stimme: „Ja, was meinst Pfäffle, ob dein Vortrag auch deine Zuhörer gerührt habe? nicht weiter als zwanzig, die andern sind alle nur aus Fürwitz da.“ (Es waren mehr denn Tausend, sowohl fremde als einheimische Zuhörer da.) Wenn du es ver- langst, so will ich dir’s mit Namen sagen, wen dein Vor- trag gerührt habe. Pastor sagte: „Nein, ich verlange es von dir nicht zu wissen,“ und fragte: „Wie bist du, böser Geist, in diese Person gekommen?“ worauf er geantwortet: „Ich bin ihr neun Jahre nachgegangen, bis ich sie be- kommen. Sie hat fleißig gebetet, ist fromm und ihrem Geist- lichen gehorsam gewesen. Ich bin in sie gekommen nicht durch Müssiggang, nicht durch Wollust, nicht durch Unzucht; sondern durch en alte Gabelreiterin, durch en alte Hex.“ Ich habe noch einen Kameraden bey mir gehabt, der zwar nicht so stark als ich war, doch thut er mir weh: (denn in Scheer hat der dortige Dechant schon einen von ihr getrieben.) Du weißt wohl, wenn man auch Kameraden 8 * bey sich hat, so ist es gleich lustiger. Ich bin schon vier Jahre in dieser Kreatur gewesen, und du Pfäffle, wirst mir sie nicht nehmen.“ Worauf der Pastor gefragt: „Wer bist du dann, du böser Geist?“ Dieser antwortete: „Ich war ein Amtmann in S., Namens F. und bin verdammt worden, weil ich mich so sehr schmieren lassen und das Recht verkauft. Jetzt bin ich da in meinem Schleppsack, aus welchem du Pfäffle mich nicht wirst austreiben können.“ Der Pastor antwortete: „Ich nicht; aber der Herr, der dein und mein Herr ist.“ Der böse Geist schrie hierauf: „Wenn es denn seyn muß, so laß mich in einen andern Menschen oder in ein Vieh fahren.“ Der Pastor antwortete: „Nein, das kann und darf ich dir nicht erlauben.“ Der böse Geist schrie wieder: „So laß mich denn in eine Dornhecke fahren.“ Pastor: „Warum dieses?“ Satan: „Wann Leute Zahnstürer davon nehmen, so kann ich doch wieder in einen Menschen dadurch kommen.“ Der Pastor: „Nein, ich kann es dir nicht erlauben.“ Satan: „So laß mich in einen Sumpf fahren.“ Pastor: „Warum?“ Satan: Wann etwa ein Vieh da weidet, so kann ich von da in selbiges kommen.“ Pastor: „Nein, ich kann es nicht erlauben.“ Satan: „So laß mich in ein ungebundenes Faß fahren, nur nicht in die Hölle, es ist so heiß darinnen. Wann eine Leiter von der Erde bis an den Himmel reichte und jede Sprosse wäre ein Scheermesser, so wollte ich daran hinauf steigen, um zu dem großen Mann (so nannte er Gott und sprach den Namen Gottes niemals aus) zu kommen. Wirf mich nur nicht in die Hölle. “ Pastor: „Gott ist ein gerechter Gott, nicht wahr?“ Satan: „Ja, er ist gerecht.“ Pastor: „Nun seinem gerechten Gericht übergebe ich dich und sollst dich ihm unterwerfen.“ Bey diesen Worten riß der Satan das Weib entsetzlich, drehete ihr Hände und Füße um, blähete den Leib grausam auf, worauf er verstummete und sie in Ohnmacht da lag . Die Männer, die als Wächter bey ihr stunden, mußten sie wieder auf ihr Bett rücken, von welchem er sie weggeschleppt hatte, und einige sagen, daß bey diesem Umstand ein gewaltiger Gestank s. v. aus- gegangen. In wenigen Miuuten kam sie zu sich selber, redete recht und brüllte nicht mehr mit voriger Stimme; stund auf (da sie vorher nicht gehen konnte), lobete Gott mit lauter Stimme vor ihre Befreiung und dankte allen Anwesenden vor ihre Fürbitte: befindet sich auch inzwischen ganz wohl und klagt nichts mehr, kann essen, trinken, schla- fen und beten. Ich bin nicht vermögend, zu beschreiben, in welche Be- wegung sowohl die Zuschauer als auch hernach durch ihre Erzählung diese ganze Gegend gesetzt worden. Nun aber suchet das gemeinschaftliche Oberamt Herrenberg, vor welchem diese Person in Inquisition und Verhaft sich befindet, die Sache als Betrügerey vorzustellen und lächerlich zu machen, obgleich diese Herren vorher weder die Person gesehen, noch bey dem Act gegenwärtig waren, den der Pastor in der besten Absicht unternommen. Meine Erzählung habe ich aus dem Munde des Pfarrers und auch zerschiedenen von meinen beyderseitigen Zuhörern, um die Sache unpartheyisch zu erkundigen. Nufringen den 1. Oct. 1766. Geschichte einer Besessenen vom Jahr 1559 Aus Nitzschka Blumenlust. . Im Jahre 1559 hatte ein Schmied auf der Platten, zwey Meilen von Joachimsthal an der böhmischen Grenze, eine Tochter, die das Zeugniß hatte, daß sie fromm, züchtig und gottesfürchtig war. Diese wurde von einem Dämon besessen, also daß derselbe sie oft niederwarf als hätte sie die fallende Sucht. Aber bald begann der Dämon aus ihr leibhaft zu reden und zwar grausame und wunderliche Dinge, so nicht zu beschreiben, so daß ein großer Zulauf von Ein- heimischen und Fremden wurde. Aber die Jungfrau hat sich stets geduldig erwiesen, hat oft zu Gott gebetet, aber wann sie den Namen Jesu um Erlösung angerufen, hat sich bald der böse Geist wieder eingefunden, ist ihr in die Augen gesessen, dieselben aus dem Kopf getrieben, ihr die Zunge, wie eine zusammengedrehte Weide eine Spannelang zum Munde herausgereckt, ihr das Angesicht auf den Rücken ge- wendet, so jämmerlich, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Es sind alle Prediger, so des Orts umher gewesen, zu ihr gekommen und haben mit ihr gesprochen, denen aber der Teufel über alle Maßen höhnische Antwort gegeben und wenn man von Jesus ihn fragte, antwortete er mit solchem Spotte, daß das nicht nachzusagen ist. Als ihn die Prediger fragten: wer ihn dahin geschickt habe? antwortete er: „Mein Herr hat es gethan, diesen Leib zu peinigen und zu martern.“ Man ließ die Besessene in die Kirche tragen uud betete mit einer großen Menge zu Gott für sie. Wurde der Name Jesus genannt, so brüllte und tobte der Dämon furchtbar. Man richtete aber dieß- mal noch nichts aus. Als man wieder heimging, ließ der Dämon sich auf dem Wege wie eine Heerpauke hören und sagte: „Ey wie bald hätten sie mich gehoben! meiner Ge- sellen waren schon acht hinweg.“ Am 10. May wurde der Pfarrer zu Schlackenwalda zu ihr begehrt und sonst noch zehn Priester, auch verordnete der Hr. Johannes Matthesius aus dem Joachimsthal zwey Diakoni zu ihr, welche alle dann von Morgen bis Mittag zwölf Uhr mit Beten, Singen und Lesen, allen Fleiß an- wendeten, aber doch nichts ausrichteten. Nach zwölf Uhr kam der Pfarrer von Schlackenwalda an, da dann bey tausend Menschen zugegen waren. Die Gemeinde fing dann Jesus Christus zu singen an und betete mit herzlicher Andacht zu Gott und so wurde auch der böse Geist aus dem Mädchen endlich getrieben und fuhr wie ein Geschwärm von Fliegen zum Fenster hinaus. Ehe er ausfuhr, begehrte er von der Jungfrau ein Glied, einen Nagel vom Finger, letztlich nur ein Haar, um in diesem bleiben zu dürfen, was ihm aber nicht zugestanden wurde. Nach Ausfahrung des bösen Geistes trug man die Jung- frau aus ihres Vaters Haus in ein anderes und reichte ihr das Abendmahl. Sie war ganz bey Sinnen, aber geschwächt und bat die Prediger herzlich, in ihren Kirchen für sie zu beten, daß sie Gott vor diesem Feinde fortan gnädiglich be- wahren wolle; — was auch erhört wurde. Einige Reflexionen über Besitzung und Zauber zu den vorstehenden Geschichten. Von Eschenmayer . Die Aufstellung einer Lehre über Besitzung ist durch und durch von dem Evangelium sanctionirt. Wäre die Theologie, statt an dem Reiche der Unnatur und an dem, was Christus vom Satan und den Dämonen sagt, nur in leisen Tritten vorbeyzustreifen, und statt den unnützen dogmatischen Plän- keleien und Accommodationen, mitten in dasselbe eingegangen, so würde sie schon lange über den beliebten Vernunft- und Naturzusammenhang sich erhoben und für ihre Forschungen ein weiteres Feld geöffnet haben. Der Verfasser der jüngst erschienenen Abhandlung über das Besessenseyn Ueber das Besessenseyn, oder das Daseyn und den Einfluß des bösen Geisterreiches in der alten Zeit. Mit Berücksichtigung dä- monischer Besitzungen der neuern Zeit. Heilbronn, bey Drechs- ler, 1833. hat das Verdienst, alle Hauptbe- ziehungen der h. Schrift über diesen Gegenstand gesammelt und zusammengestellt zu haben, so daß der Ernst und die Autorität der Schrift nicht mehr verkannt werden kann. Die Besitzung gehört in das Reich der Unnatur, und ihre Aufgabe läßt sich in folgende drey Momente zerfällen: 1) Von der Unnatur überhaupt. 2) Von der Gestaltung derselben als Act der Besitzung; 3) vom Exorcismus. Von der Unnatur uͤberhaupt . Es ist ein engherziger Gedanke, die menschliche Natur für das höchste uud vortrefflichste Meisterstück zu halten und dabey die sowohl tiefer als höher liegenden Naturen unberück- sichtigt zu lassen, da uns schon die einfachsten Analogieen aus unsern Ordnungen dahin führen, daß die menschliche Natur nur als Mittelglied zwischen eine Uebernatur und Unnatur gestellt ist. Es giebt drey große Proportionen, welche der mensch- lichen Natur zugehören, 1) die Proportion von Schwere, Wärme und Licht, welche die physische Ordnung füllen und das Reich der Bewegung darstellen, 2) die Proportion von Reproduction, Irritabilität und Sensibilität, welche die organische Ordnung füllen und das Reich des Lebens darstellen, und 3) die Proportion von Denken, Fühlen und Wollen, welche die moralische Ordnung füllen und das Reich der Handlung oder der Zwecke darstellen. So lange nun diese Proportionen in den Werthen ihrer Glieder eine gewisse Gränze nicht überschreiten und zur Ein- heit zusammengehalten sind, so lange sehen wir auch einen voll- kommenen Zusammenhang von Gesetzen, Typen und Zwecken in denselben. Im Reiche der Bewegung gibt sich uns ein Zusammenhang von mechanischen und dynamischen Gesetzen, im Reiche des Lebens ein Zusammenhang von organischen und plastischen Gesetzen, und im Reiche der Handlung ein Zusammenhang von logischen und moralischen Gesetzen zu erkennen. Alle aber greifen in einander und darin liegt der allgemeine Zusammenhang von Vernunft- und Natur- gesetzen, wie wir ihn in uns, außer uns und um uns haben. Die physische Proportion gestaltet sich in den veränderlichen Werthen ihrer Glieder zur Dignität unserer Sphärenwelt, die organische Proportion auf gleiche Weise zur Dignität unserer Individualwelt, und eben so die moralische Pro- portion zur Dignität des Reiches der Persönlichkeiten. Alle drey aber konstituiren die menschliche Natur gerade, wie sie uns in ihrer Subjectivität und Objectivität erscheint. Aber ganz anders verhält es sich, wenn die Glieder jener Proportionen die Gränzen überschreiten und in ihre Ex- treme auslaufen. Alsdann löst sich die Einheit des Zu- sammenhangs auf, die äußersten Glieder reißen sich von der Verbindung mit den andern los und gewinnen eine solche Uebermacht, daß die andern Glieder kaum noch als schwache Coeffizienten bemerkbar sind. Auf diesen Zustand sind unsere Vernunft- und Naturgesetze nicht mehr anwendbar; vielmehr werden sie selbst von der Uebermacht der sich isolirenden Glieder überwältigt und die menschliche Natur wird in fremde Richtungen hineingezogen und muß sich eine fremde Gewalt, die sich nicht auf ihrem eigenen Boden erzeugt, gefallen lassen. Die fremden Richtungen und Gewalten sind einander entgegengesetzt, und wir können sie nun nach der Dignität der einzelnen Ordnungen näher entwickeln. In Hinsicht der physischen Ordnung läßt sich wohl ein Reich denken, das noch viel tiefer liegt als die Gränze der Schwere, die der Erde und ihrer uns bekannten Körper- welt zugetheilt ist, und eben so ein Reich, das höher liegt, als die Gränze des Lichts, das aus den entferntesten Ge- stirnen in unser Auge scheinet. Wird die Schwere so mächtig, daß Wärme und Licht in ein Kleinstes übergehen, so daß selbst die Gesetze der Bewegung, wie sie sich an den Massenkörpern äußern, auf- hören und die Einheit, die aus der Proportion der drey Grundkräfte sich bildet, in eine Differentialwelt zerfällt, so ist dieses Reich unter die Gränze unserer Natur gesunken, und heißt mit Recht Unnatur . Das Evangelium nennt es das Reich der Finsterniß . Wird hingegen das Licht so mächtig, daß Schwere und Wärme in ein Kleinstes übergehen, so daß ebenfalls die den Massenkörpern zugetheilten Bewegungsgesetze nicht mehr passen und alle Naturen ätherisch werden, so ist dieß Reich über die Gränze unserer Natur erhaben, und heißt mit Recht Uebernatur . Das Evangelium nennt es das Licht- oder Himmel- reich . Der Begriff der Uebernatur und Unnatur darf der dy- namischen Philosophie nicht fremd bleiben, weil es, räumlich genommen, wirklich solche Reiche geben kann, die die gleiche Consequenz zulassen, wie unsere Sonnensysteme. Denn, warum sollten wir nicht, wenn wir die Mittelglieder haben, auf die Extreme fortgehen, die zwar zur gleichen Reihe gehören, aber einen ganz andern Charakter annehmen. Setzen wir die Gränze unserer Natur in Beziehung der Schwere in irgend einen negativen Exponenten = n , so gehört das, was unter diesen Werth fällt, nicht mehr zu uns, sondern zur Unnatur . Und so umgekehrt. Setzen wir die Gränze unserer Natur in Beziehung des Lichts in den positiven Exponenten = n , so gehört das, was über diesen Werth erhaben ist, auch nicht mehr zu uns, sondern zur Ueber- natur . Der Unterschied beyder von unserer Natur muß sich in wesentlichen Charakteren darstellen. Die Differentialwelt der Schwere ist das Reich der Atomen , die sich um Masse, Volumen und Dich- tigkeit der Materie nichts mehr bekümmern, sondern, wie körperlose geometrische Linien, Alles in einem Augenblick durchdringen. Die hieher gehörigen Kräfte sind atomistische Kräfte, wie die Kraft der Schwere selbst und wohl auch die physisch-magnetische Kraft, und wenn es in diesem Reiche noch Wesen gibt, so sind es atomistische oder Schein- körper, die nicht mehr zu unserer sinnlichen Existenz ge- hören. Da die Uebermacht der Schwere der Wärme und des Lichts entbehrt, so sind die Eigenschaften solcher Wesen Kälte und Finsterniß . Die Integralwelt des Lichts hingegen ist das Reich der ätherischen Wesen , welche weit über unsere Natur erhaben sind, die sich gleichfalls um Massen, Volumen und Dichtigkeit nichts mehr bekümmern, sondern, wie der geistige Gedanke, sich überall in einem Augenblick hinbewegen. Sie haben gleichfalls keine siinnliche Existenz für uns, und nur ausnahmsweise erscheinen sie im Glanze des Lichts. Da die Uebermacht des Lichts der Schwere und der Wärme entbehrt, so sind die Eigenschaften solcher Wesen nichts als Aether und Licht . In Hinsicht der organischen Ordnung sehen wir ein mannigfaches sich veränderndes Verhältniß der Grundkräfte von Reproduction, Irritabilität und Sensibili- tät und dieß vom Lithophyten an bis zum Menschen hinauf. An der untern Gränze ist die Reproduction so mächtig, daß die beyden höheren Kräfte nicht mehr, ihrem eigenthümlichen Charakter nach, darin erkennbar sind, sondern nur als Brüche erscheinen. Nach und nach aber winden sie sich von den Fesseln derselben los, steigern sich immer höher, bis endlich die Sensibilität für dieses Erdsphäroid im Menschen ihr Maximum erreicht. Es hindert uns aber nichts, auch in dem Gebiete der Lebenskraft die Glieder der Proportion in ihre Extreme fort- gesetzt anzunehmen. In einer höhern Verfassung kann die Uebermacht der Sensibilität so sehr anwachsen, daß sie die beyden andern Kräfte völlig zurückdrängt. In diesem Zustande muß der gröbere materielle Stoff von Fleisch und Bein verschwin- den und aus der plastischen Kraft des Nervengeistes ein ätherischer Leib sich bilden, der nicht mehr verweslich ist, wie unser irdischer Leib. Ohne Zweifel meint Paulus diesen Zustand, wenn er sagt, daß der verwesliche irdische Leib als unverweslicher und verklärter wieder aufstehen werde. Aber auch hier schon auf der Erde übersteigt unter seltenen Bedingungen die Sensibilität die Gränzen der gewöhnlichen Proportion, und dann zeigt sie uns jene außerordentlichen Er- scheinungen, wie wir sie im Somnambulismus wahrnehmen. Der Mensch nennt sie wunderbar, weil er gewohnt ist, Alles mit seinen niedern Naturgesetzen zu messen. Sie sind aber eben so natürlich, als alles andere und gehen blos aus einer höhern Entwicklung der Sensibilität hervor, als es die gewöhnliche Proportion mit sich bringt. Auf gleiche Weise kann aber auch die Reproductions- kraft die Gränze der Proportion überschreiten, so daß in ihrer Uebermacht die höhern Kräfte ihrer Wirksamkeit ver- schwinden. In diesem Zustand hört alle Plastik auf, sich in organisch-leiblicher Form zu gestalten. Es sind blose Scheinkörper, die durch die atomistische Kraft sich eben so leicht bilden als wieder zerfallen. Hieher gehört das Reich der Verwandlungen, wo kein festes Gebilde sich mehr findet. Es ist ein ewiges Reproduziren und Wiedervergehen der Ge- stalten, etwa wie wir in der mikroskopischen Welt der In- fusionsthierchen wahrnehmen. Der Unterschied beyder von unserer Natur muß sich gleich- falls in wesentlichen Charakteren darstellen. In der Uebermacht der Sensibilität löst sich die leiblich-organisirte Masse auf. Der Leib wird ganz Sinn . Der Nervengeist verklärt sich zum Aug, das aber nicht nur Irdisches, sondern Himmlisches schaut. Zeugung, Empfängniß und Geburt verlieren ihren organischen Bestand, oder vielmehr, die leibliche Zeugung wird geistige Zeugung, alle Gestalten werden Ideale in der hellesten Klarheit und das Wirkliche erhebt sich zum Schönen. In der Uebermacht der Reproduction löst sich gleichfalls die leibliche organisirte Masse auf, denn Fleisch und Blut erzeugen sich nur da, wo die organischen Kräfte eine Proportion eingehen. Die Leiblichkeit erscheint als bloser Trieb . Der Nervengeist behält blos noch das Vermögen, sich einen atomistischen Leib oder vielmehr einen Scheinkörper anzubilden. Zeugung, Empfängniß und Geburt verlieren sich gleichfalls: denn Samen entsteht nur, wo Fleisch und Blut ist. Es bleibt nichts übrig, als der faule Verwesungsgeruch und Dunst. Alle Gestalten werden Scheusale, die sich im Nebel figuriren, und das Wirkliche sinkt ins Häßliche zurück. In Hinsicht der moralischen Ordnung weisen uns die Analogieen noch bestimmter auf eine Unnatur und Ueber- natur hin. Das freie Princip, welches den menschlichen Willen beseelt, ist als eine Gabe Gottes und als Funke aus sei- nem Wesen unendlicher Natur und erkennt keine Gränze im menschlichen Daseyn, d. h. es ist unsterblich. Wie nun der gute Wille sich durch Reinigung und Läuterung zur Liebe Gottes verklären kann, so kann der böse Wille durch Laster und Sünden sich zur satanischen Selbstsucht vertiefen. Jenes ist die Theilnahme an der Uebernatur, die- ses die Theilnahme an der Unnatur . Die Freiheit und innere Causalität ist nichts ohne einen Willen, in dem sie ist und aus dem sie wirkt, und der Wille kann nicht bestehen ohne Persönlichkeit. Der freie Wille ist seiner Natur nach konkret und nicht abstract; denn dadurch, daß er den Begriff ins Leben führt und zur That macht, hebt er alle Abstraction auf. Ein unpersönlicher Wille ist ein Unding. Durch den Willen aber wird das Böse eine Macht, und es ist ganz falsch, wenn Hegel das Böse als eine Nichtigkeit (logische Negation) betrachtet, welche der Geist abstreifen könne. Vielmehr ist in der Bosheit eine um so größere Kraft, je mehr sie an der Unnatur Theil nimmt. Die moralischen Extreme sind das Gute, gesteigert zum Leben der Liebe und der Tugend , und das Böse, gesteigert zum Leben des Hasses und der Selbst- sucht . Wenn es wahr ist, was uns hundert Protocolle aus den freien Geständnissen der dem Zauber ergebenen Personen erzählen, daß es einen förmlichen Bund mit dem Satan gebe , so würde das Extrem des Bösen diese förmliche Theilnahme an der Unnatur seyn, das andere Extrem hingegen wäre die Heiligung des Lebens in dem Bund mit Christo. An beyden Gränzen müßten sich Kräfte erzeugen, welche auf den Zusammenhang der Vernunft- und Natur- gesetze störend eingreifen, nur mit dem Unterschied, daß diese der Unnatur im Fluch, jene der Uebernatur im Segen wirken. Nehmen wir die bisher erhaltenen Charaktere der verschie- denen Ordnungen in ihren Extremen zusammen, so wird die Unnatur folgende für sich nehmen: Es gibt Wesen, die einen persönlich-bösen Willen haben, der zur absoluten Selbstsucht hinstrebt, und welche mit einer größern und rohern Gewalt ausgerüstet sind, als deren die menschliche Na- tur fähig ist. Sie haben keine aus Fleisch und Blut organisirte Leiber, sondern nur Schein- körper, die sie aus Atomen beliebig zusammen- setzen und wieder auflösen können. Denn auch an der untern Gränze ist die Lebenskraft noch individualisirend, d. h. die Stoffe zu irgend einer Gestalt formend und bildend. Sind nun diese Stoffe blose Atomen, so entsteht ein ato- mistischer oder bloser Scheinkörper, der sich zwar sinnlich nicht wahrnehmen läßt, in welchem aber die Kraft der Bewegung und Handlung eben so gut vorhanden sind, als in den sinnlich wahr- nehmbaren organisirten Körpern. Sie wohnen im Reiche der Schwere, beraubt der Wärme und des Lichts oder im Reich der Finsteriß . Dieß sind die Dämonen . Die Uebernatur hingegen wird folgende Charaktere für sich nehmen. Es gibt Wesen, welche einen persönlich gu- ten Willen haben, der zur absoluten Liebe hin- strebt und welche gleichfalls mit einer größern, aber geistigen Kraft ausgerüstet sind, als deren die menschliche Natur fähig ist. Sie haben gleich- falls keinen aus Fleisch und Blut, sondern höher organisirten Lichtkörper, der im gewöhnlichen Zustande für uns insensibel, aber doch unter seltenen Bedingungen sensibel ist. Sie wohnen im Reiche des Lichts, der Wärme nicht mehr be- dürfend und ungebunden von der Schwere, oder im Himmelreich . Dieß sind die Engel . Wir sind immer gewohnt, Kraft und Bewegung an die Materie zu knüpfen, aber das Verhältniß ist just umgekehrt. Je mehr Masse, desto mehr absorbirt sie die Kraft, je we- niger Masse, desto freier äußert sich die Kraft, wie wir deutlich genug bey der magnetischen, electrischen Kraft, und überhaupt bey allen chymischen Potenzen wahrnehmen. Der Nervengeist ist eine unermeßliche Kraft, die um so stärker wirkt, je feiner und ätherischer das Organ ist, dem er inwohnt. So verhält es sich auch mit den atomistischen Körpern der Dämonen. Sie sind ohne Masse, aber doch mit großer Kraft begabt. Sie sind auch nur denen sichtbar, welche durch ihren Willen sich dem Reiche der Unnatur an- geignet haben, so wie die Lichtkörper der Genien oder Schutz- engel nur den Somnambülen sichtbar sind, sobald sie sich zum positiven Extrem der Verklärung erheben. Nehmen wir jetzt zu dem, was aus den erwähnten Ord- nungen sich folgern läßt, noch das hinzu, was die Religion uns lehrt, so werden die bisherigen Analogieen zu wirk- lichen Lehrsätzen erhoben, welche die Wahrheit einer Unnatur und Uebernatur als wirklich thatsächlich bestehender Reiche bekräftigen. Das Evangelium spricht vom Satan und seinem dämonischen Reiche auf eine so unverhohlene und zuversichtliche Weise, daß es in der That zum Aergerniß wird, an eine Fiction zu denken. Aus den bisherigen Sätzen ergeben sich manche bisher verkannte Wahrheiten: 1) der Unterschied zwischen Natur- und Moral- gesetzen . Alle Naturgesetze gelten nur für die menschliche Na- tur mit ihren Ordnungen, in so fern sie als Mittelglied betrachtet wird, aber sie gelten nicht für ihre Extreme. So lange wir den Menschen in die Proportionen der phy- sischen, organischen und moralischen Ordnung gestellt denken, so lange ist die Vernunft auch ermächtigt, den Maßstab der Naturgesetze geltend zu machen. Aber für das Herein- ragen sowohl der Unnatur als der Uebernatur sind jene Gesetze nicht mehr gültig, vielmehr werden sie auf die man- nigfaltigste Weise gestört. Die Moralgesetze hingegen, obgleich sie auch für das Mittelglied gelten, erreichen doch ihre höhere Wahrheit erst in den Extremen. Das Moralgesetz verlangt eine Aus- gleichung zwischen Rechtschaffenheit und Glückseligkeit, so wie zwischen Bosheit und Unseligkeit. Diese Ausgleichung findet aber während des Lebens darum nicht statt, weil eben die Naturgesetze alle Menschen gleich stellen und von ihrem moralischen Werthe gänzlich absehen. Um so wirksamer aber ist das Moralgesetz für den bösen Willen in der Unnatur, und für den guten in der Uebernatur. Der moralische Ge- winn oder Verlust, den der Mensch während des Lebens gemacht hat, ist ein unveräußerliches Erbe der Seele und des Geistes. Denn das, was der Mensch aus Freiheit zu seinem Eigenthum gemacht hat, ist so tief in Seele und Geist verflochten, daß es durch den Tod nicht mehr davon getrennt werden kann. Das Böse ist kein Nichtiges, son- dern die moralische Schwerkraft, welche Seele und Geist in sich gefangen hält. Die Selbstsucht und Weltsucht, womit der Mensch während des Lebens sich füllt, werden nach dem Tode seine Tyrannen, die er nicht eher von sich bringt, als bis er das noch nachholt, was er im Leben versäumte, nämlich die Regeneration durch Buße und Glauben. Der Tod ist kein Uebergang zur Herrlichkeit, wie Hegel meint, sondern eine Fortsetzung des Lebens mit allen Irrthümern, Thorheiten, Neigungen und Grundsätzen, nur mit dem Un- terschied, daß die Natürlichkeit aufhört, dagegen das Mo- ralgesetz seine volle Herrschaft gewinnt. War der Geist wäh- rend des Lebens Sklave der Welt und seiner Leidenschaft, so ist er es auch noch nach dem Tode. Darum heißt es: „Ihre Werke folgen ihnen nach.“ Was wird denn geändert, wenn im Tode die Natürlichkeit und die sinnliche Hülle abfällt? Kerner , über Besessenseyn. 9 Richts, — denn die Verfassung der Seele und des Geistes bleibt, was sie im Leben war; aber jetzt erst fühlt sie sich einerseits in ihrer Blöse und Nichtigkeit mit der ganzen Last der Selbstverschuldung, wenn sie bös war, und an- dererseits in ihrem Gewinn und Reichthum mit der ganzen Kraft des Glaubens, wenn sie gut war. Wenn das Natur- gesetz aufhört, dann kommt es an die Herrschaft des Moral- gesetzes, und dieses ist die Vergeltung nach den Werken. In diesen Sätzen läßt sich diejenige Richtung in die Un- natur erkennen, welche zur dunkeln Geisterwelt gehört, in welcher die Verfassung der Seele in jenen atomistischen Zustand versetzt ist, in welchem sie sich von dem in ihr substantiell gewordenen Bösen allmählig reinigen muß. 2) Der Unterschied zwischen logischen und reli- giösen Wahrheiten . Alle die Denkgesetze, Vernunftformeln und überhaupt der ganze Zusammenhang des Wissens gelten nur für die mensch- liche Natur und ihre Ordnungen, und haben nur eine unterge- ordnete Beziehung zur Religon. Hat die Logik ihr Höchstes im Absoluten erreicht und es als Urgleichung von Wissen und Seyn zu ihrem Anfangspunkte gemacht, so bleibt sie unbeweglich an diesem Schwerpunkt haften, während die Religion das Absolute mitten entzwei theilt und an seine Ex- treme führt, indem sie der Unnatur die absolute Selbst- sucht , der Uebernatur die absolute Liebe zuordnet. Das Absolute, das in der Logik nur die höchste Form ist, gewinnt erst Substanz in den Extremen, welche die Religion uns lehrt. 3) Der Unterschied zwischen Selbstbewußtseyn und Offenbarung . Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß uns schon das Selbstbewußtseyn, wenn wir sowohl sein urbildliches ideales als auch sein abbildliches reales Leben in seinen Richtungen verfolgen, an die Extreme der Unnatur und Uebernatur hinführt, wie vorhin gezeigt wurde, aber weiter enthüllt es uns nicht. Wie die beyden Extreme Substanz gewin- nen, muß die Offenbarung ergänzen, und sie ist es auch, die uns im Evangelium das Reich des Satans und das Reich Christi genügend lehrt. Durch sie erst erfahren wir die Gegensätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde und Heiligkeit, Fluch und Segen , welche mehr bedeuten, als die Gegensätze, die innerhalb des Selbstbewußt- seyns sich erzeugen, wie zwischen Guten und Bösen, Strafe und Lohn, Laster und Tugend, Schaden und Wohlthat . Durch sie lernen wir erst die Idee des wahren Gottes in uns aufnehmen und unser Verhältniß zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das christliche Princip die Erfordernisse zum ewigen Leben, welche die Weltweisheit aufzufinden seit Jahrtausenden vergeblich sich bemühte. Alles dieß zusammengenommen mag uns über- zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie sie in den voranstehenden Geschichten geschil- dert ist, keine blose Hypothese ist . Gestaltung der Unnatur . Besitzung und Zauber ist das häßliche Zwillingspaar, das aus der Unnatur aufsteigt und seine verhaßte Wirkungen immer in die Menschen-Natur fortzuflanzen bereit ist. Es erscheint hier eine Macht, die den Zusammenhang der Natur- gesetze auflöst, und nicht mehr durch die Masse gebrochen und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon die Physik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig von Masse und Dichtigkeit der Materie und zugleich insensibel für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere und besonders die physisch-magnetische Kraft. Diese ato- mistische Kräfte sind kein Product der Körperwelt, sondern erzeugen sich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird nun eine solche Kraft durch einen Willen und zwar, nach unserer Annahme, durch einen dämonischen potenziert, so 9 * wächst sie zu einer Macht an, welcher weder der physische noch organische Zusammenhang von Masse und Kraft zu widerstehen vermag. Darin liegt der Begriff desjeni- gen Magismus, der aus der Unnatur entspringt. Er ist nichts anders als die an der negativen Gränze der Körperwelt sich erzeugende Polarkraft, welche, durch einen dämonischen Willen beseelt, in die Kör- perwelt aufsteigt und selbst unter gewissen Be- dingungen die menschliche Natur zu ergreifen im Stande ist. In der physischen Ordnung erkennen wir das Gesetz der Gleichheit zwischen Action und Reaction, und so groß auch die Störungen seyn mögen, die im Einzelen sich erzeugen, so werden sie doch durch die Anstalten der Natur, welche durch das Ganze vertheilt sind, wieder ins Gleichgewicht gebracht. Dieses Compensationsgesetz gilt aber nicht in Hinsicht der Einwirkungen der Unnatur auf die Natur. Die Reaction ist verhältnißmäßig weit geringer als die Action, und daher hat die menschliche Natur, für sich betrachtet, nur einen geringen Widerstand gegen die Macht des Ma- gismus. Nur die Polarkräfte stehen einander gegenüber und halten sich das Gleichgewicht. Keine andere Kraft aber, die innerhalb der Pole sich erzeugt, ist ihnen gewachsen. Soll daher die Unnatur besiegt werden, so muß es durch die Kraft der Uebernatur geschehen, welche dadurch, daß ein heiliger Wille sie beseelt, zur unüberwindlichen Macht sich steigert. Der atomistischen Kraft der Unnatur steht die Lichtkraft der Uebernatur entgegen. Wird diese durch den heiligen Willen beseelt, so wird sie zum flammenden Schwert des Cherubs, dem die ganze Hölle nicht stehen mag . Auch diese Kraft ragt in die menschliche Natur herein und dient zum Schutz für Jene. Aus diesen Sätzen im Verein mit dem Evangelium bildet sich der Lehrsatz von den guten und bösen Engeln , die keine Fiction sind, sondern so gewiß existiren, als die menschliche Natur das Mittelglied zwischen zwey Extremen ist. Ueberall und jederzeit ist der Mensch in ihre Einflüsse gestellt. Setzen wir die Macht der Unnatur, wie sie vor- hin geschildert ist, so müßte der Mensch beständig unterliegen, stünde ihm nicht der gute Engel zur Seite, welcher dem Bösen, jedoch immer nur auf der Wage der Freiheit, das Gleichgewicht hält. Es ist zwar keinem Zweifel unterworfen, daß der gute Engel immer den Bösen überwältigen kann, aber seine Einwirkung ist dadurch bedingt, daß der Mensch mitten in diesen Einflüssen frey bleiben soll. Allerdings streiten sich um den Menschen beyde Mächte, aber welche es gewinnen soll, hängt immer zuletzt von dem freien Ent- schlusse des Menschen selbst ab. Gott hat jedem Geist neben der Freiheit auch dasjenige Maß von Kraft verliehen, das er nöthig hat, unerachtet des Zugs zum Bösen doch dem Guten zu folgen. Läßt er sich durch Gewissen und Glauben, durch Ehristum und sein Wort ziehen, so öffnet er sich den Einflüssen des guten Engels und verschließt sich dem Bösen. Läßt er sich aber durch die Selbstsucht und Weltsucht, durch den Satan und die Sünde ziehen, so öffnet er sich den Einflüssen des bösen Engels und verschließt sich dem Guten. In beyden Fällen aber beruht das positive Moment des Uebergewichts zu aller erst auf dem innern lebendigen Act des Geistes, der aus seiner relativen Wahlvollkommenheit ausgeht . Diejenigen, welche, um die Einflüsse der Unnatur und Uebernatur umgehen zu können, annehmen, daß ein vorher- geordneter Vernunft- und Natur-Zusammenhang schon allen Forderungen genüge, bedenken nicht, daß, wenn die gött- liche Weisheit dem Menschen die Freiheit als einen Fun- ken aus ihrem Wesen ertheilen wollte, ein solcher vorher- bestimmter Zusammenhang von Gesetzen nicht damit beste- hen koͤnnte. Wie sollten denn logische Vernunftgesetze und physische Naturgesetze jenen Stoͤrungen gewachsen seyn, welche aus der unendlichen Verkettung freier Causalitä- ten unter einander hervorgehen? Wo jeden Augenblick der Arme Hülfe, der Bedrängte Trost, der Verlassene Aufrichtung, der Versuchte Warnung, der Leichtsinnige Abhaltung, der Verführte Rettung, der Ge- prüfte Geduld und vor Allem die Unschuld ihren Wächter bedarf, wie sollte hier ein vorhergeordneter Plan und Zu- sammenhang möglich seyn, welche sich des Menschen an- nehmen, und dazu hat Gott die Engel verordnet. Die stärkste Schutzwache gegen die Einflüsse der Unnatur ist der Name des Herrn, weil an diesen Namen der Dienst aller guten Engel und der Sieg über alle Böse geknüpft ist . Allerdings liegt in der Natur ein geordneter Gesetzes- Zusammenhang und eben so herrscht auch in der Weltge- schichte ein göttlicher Plan, der durch ein Compensations- gesetz alle Störungen in sich auszugleichen vermag. Aber dennoch besteht die Freiheit aller individuellen Thatenreihen neben Gesetz und Plan. Der Werth des Menschen ist durch die Freiheit ein unendlicher geworden, und stellt sich der ganzen Geschichte gegenüber. Nie darf die Freiheit ange- tastet werden, denn sie ist das Leben des Geistes und nur durch sie kann der Geist zur Seligkeit gelangen. Am we- nigsten aber kann ein Gesetzes-Zusammenhang für die Ein- flüsse der Unnatur und Uebernatur statt finden. Da, wo der Geist Gottes weht und Alles nur aus dem höheren Lichtreich erklärbar ist, nämlich im positiven Extrem, wird sich die Vernunft mit ihren logischen Gesetzen bescheiden, und da, wo der Geist der Finsterniß wohnt, nämlich im negativen Extrem, wird sie eben so vergeblich den Maß- stab physischer Gesetze anwenden. Es ist hauptsächlich das Evangelium, was uns von dem factischen Bestand der Besitzungen unterrichtet und die Ur- sache dieser besondern Gattung von Krankheit der Inwohnung eines oder mehrerer Dämonen zuschreibt. Christus heilte nicht nur viele Besessene, sondern er hinterließ auch seinen Jüngern und allen Glaubigen die Macht und Verordnung, daß sie das Gleiche thun können und sollen. Diese Verordnung wurde von den Aeltesten sanctionirt und ging in die Kirche uͤber, welche den Namen des Herrn in dieser Sache auf vielfältige Weise verherrlichte. Die moderne Theologie ist dieser Ansicht nicht hold, und unter dem Vorwand, daß seit Christi Zeiten die Besitzungen aufgehört hätten, und daß man den Mißbräuchen steuern müsse, hebt sie den guten Gebrauch auf und legt einen Bann an den Namen des Herrn, was unchristlich ist. Die Welt will immer durch die Thatsachen überwältigt seyn, und so kommt es immer, daß, wenn eine christliche Lehre zu Grunde gehen soll, die Macht des Geschehens sie aufs neue wieder erfrischt. Mit den Thatsachen soll aber auch die Erklärung gleichen Schritt halten, und so können wir auch der Lehre von der Besitzung eine tiefere Bedeutung gewinnen. Nach der Johanneischen Weissagung ist der Satan vom Himmel auf die Erde geworfen mit allen seinen Engeln. Er hat einen großen Zorn und erregt das größte Wehe der Menschheit, in dessen Periode wir selbst noch begriffen sind. Diese Periode ist wohl von der zu unterscheiden, in wel- cher der Satan gebunden und in den Abgrund verschlossen wird. Erst dann ist seine Macht auf der Erde vertilgt, und seine Rolle ausgespielt. Wer etwa glauben mag, der Satan habe mit der Sendung Christi aufgehört, Schaden in der Welt zu stiften, der hat die Gerichte Gottes über den Satan nicht erkannt. Durch den Sturz auf die Erde ist blos der Himmel von ihm gereinigt worden, aber de- nen, die auf der Erde wohnen, ist großes Wehe prophe- zeiht. Die Schriftstellen führen uns blos dahin, daß ihn Gott dem Namen Christi unterthan ge- macht und seine Gewalt an den Glaubigen gebro- chen habe. Im Uebrigen aber ist er noch der alte Menschenfeind und alte Menschenverführer . In dem Reich der Unnatur ist keine Fortpflanzung möglich; denn nur da, wo Leben, Lust und Liebe in Eins verschmel- zen, kann die höhere Gattung sich fortzeugen und dieß ist in der menschlichen Natur der Fall, dem satanischen Reiche hingegen ist dieß nicht gewährt. Daher rührt eben der große Zorn des Satans, daß er sein Reich nicht anders erhalten kann, als durch das Fahen der Menschenseelen. Als er noch im Himmel seinen Sitz hatte, konnte er Manchen der früher erschaffenen Engel zum Abfall bringen. Seitdem er aber auf die Erde geworfen ist, muß er sich mit seiner großen Staatskunst auf das Menschengeschlecht beschränken und wie ein armseliger Fischer sein Netz auswerfen, um Seelen zu erbeuten. Das Reich des Satans ist das der umgekehrten Idee. Statt Wahrheit ist Lug und Trug und Verblendung, statt Schönheit ist Unflath, Häßlichkeit und Scheusal, und statt Tugend ist Bosheit, Ruchlosigkeit und Verführung in ihm. Und wie sich jene Ideen im Leben der Liebe verklären, so zeugen ihre Gegensätze das Leben des Hasses, und dieß ist der Charakter des satanischen Reichs. Seitdem den Satan bei der ersten Verführung der Menschen der Fluch traf, ist sein ganzes Seyn und Wesen nichts anderes, als die Wirkung und Fortpflanzung des Fluchs, wovon die Be- sitzung auch Eine der Wirkungen ist. Besitzung ist diejenige Wirkung der Unnatur, in welcher Einer oder mehrere unreine Geister durch irgend eine Vermittlung in einen Menschenleib ein- dringen, sich der Sinnen-, Bewegungs- und größ- tentheils auch der Sprachwerkzeuge bemächtigen, die Macht der Seele auf dieselbe sistiren und in kürzern oder längern Paroxismen sich in fremden Tönen, Worten, Geberden und Bewegungen, mei- stens spöttischer, ruchloser und gewaltsamer Art, vernehmen lassen . Diese Definition ist von den vorausgehenden Geschichten gerechtfertigt. Bey dem Mädchen von Orlach ist es ein in der Gestalt eines Mönchs erscheinender Geist, der schon 400 Jahre an den Ort seiner Verbrechen gebannt war und die gleichen ruchlosen Gesinnungen und blasphemischen Reden äußerte, wie er sie im Leben mag gehabt haben. Lange drohte er dem Mädchen, weil es ihm jede Antwort verweigere, bis er endlich in dasselbe eindrang. Das Mädchen fühlte jedes- mal bei seinem Erscheinen eine eiskalte Hand in dem Nacken, worauf es auf der Stelle bewußtlos dahinsank, das fremde Wesen aber sich seines Körpers so bemächtigte, daß er wäh- rend der Zeit der Paroxismen dieser dämonischen Gewalt gänzlich unterworfen schien. Die Seele selbst war von der weißen Gestalt, die sich für eine Nonne ausgab, so lange in Schutz genommen, bis der Dämon den Körper wieder verließ. In dieser Geschichte bleibt übrigens die Vermittlung durch einen fremden Willen, die sonst ein Erforderniß der Be- sitzung zu seyn scheint, unentschieden. Bey der U. aus J … m waren es fünf unreine Geister, von welchen sie in einem Zeitraum von 4 Jahren besessen war, so daß immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm, wenn der Vorhergehende ausgetrieben war. Alle gaben sich für noch nicht lange verstorbene Menschen aus, welche ihrer geheimen Sünden und Verbrechen wegen umherirren müßten, und, um Ruhe zu finden, immer bereit wären, in Menschenleiber zu fahren. Mehrere gaben bestimmt an, daß sie nur durch Vermittlung solcher Personen, welche sich dem Zauber ergeben, in das Weib hätten eindringen kön- nen. Auch in dieser Frau stand immer ein Schutzgeist dem Dämon gegenüber, der sie von der Qual befreite, indem er, wie in einem selbst äußerlich sichtlichen Wettkampf, den- selben niederdrückte, worauf jedesmal das völlige Bewußt- seyn zurückkehrte. Der Magnetismus schien das Mittel zu seyn, die Frau mit dem Schutzgeist in einen nähern Ver- kehr zu bringen, was zu vielen Aufschlüssen Anlaß gab. Bei dem 11jährigen Mädchen B .. von M .. e waren es zuletzt 6 verschiedene Stimmen, die sich aus demselben hören ließen. Aber auch hier war ein Schutzengel zur Seite, der dem Mädchen den Tag seiner Befreiung ankündigte, was auch eintraf, nachdem man aus dem Munde desselben die Worte hörte: „Fahr aus, du unsauberer Geist! Das ist ein Zeichen der letzten Zeit.“ Ob durch Vermittlung eines bösen Willens das Mädchen besessen wurde, sagt die Ge- schichte nicht. Bey den beyden Besessenen vom J. 1714, deren Geschichte Pfarrer Hartmann von Döffingen erzählt, waren in Einer (der Stiefmutter) sieben, und in der Andern (der Stieftochter) sechs unreine Geister zugleich versammelt, welche alle unter den in der Geschichte der U .. n aus J .. m erwähnten Zeichen ausgetrieben wurden. Diese Geschichte ist dadurch sehr bemerkenswerth, weil durch das kräftige Einschreiten und die wahre Glaubensrüstung des Pfarrers, welcher sich nicht scheuete, den Exorcismus in der Kirche, bei versammelter Gemeinde und unter frommer Theilnahme derselben, vorzunehmen, alle die Teufel blos durch die Kraft des Wortes und des Namens Christi ausgetrieben wurden. Der Act der Vermittlung durch Zauber und das Daseyn der Schutzgeister bleiben unentschieden. Die Geschichte der besessenen Frau, welche im Jahr 1766 in Gärtringen sich ereignete, reiht sich an die vorherge- hende an, dadurch, daß der Geistliche den Exorcismus gleich- falls in der Würde und Kraft des Wortes und Namens des Herrn vornahm. Das Weib hatte zwei Dämonen, wo- von aber Einer schon früher durch einen Geistlichen aus- getrieben war. Zugleich erhellt aus der Geschichte, daß der böse Geist ein ehemaliger Beamter war, der, wie er selbst angibt, durch Bestechung und Unrecht in die Ver- dammniß gerieth. Zugleich erwähnt der Dämon, daß er 9 Jahre der Person umsonst nachgestellt habe, und zuletzt nur durch Kunst des Zaubers in sie gekommen seye. Merk- würdig ist die Bitte um Pardon, und um die Erlaubniß, in Thiere oder andere Oerter zu fahren, was die Wahr- heit von jenen Besessenen bestätigt, welchen Christus ge- stattete, in die Schweine zu fahren. Uebrigens schien die- ser Dämon der Bekehrung nahe, was aus dem Verlangen nach dem Höhern hervorgeht, in folgender Aeußerung: „Wenn eine Leiter von der Erde bis an den Himmel reichte, und jede Sprosse ein Scheermesser wäre, so wollte ich daran hinaufsteigen, um zu dem großen Mann (Gott) zu kommen.“ Von dem besessenen Mädchen von Joachimsthal im Jahr 1559, welches auch durch Exorcismus in der Kirche von 9 Dämonen befreit wurde, fuhr das böse Wesen wie ein Geschwärm von Fliegen durchs Fenster hinaus, nach- dem es auch vorher um die Erlaubniß, in irgend einem Theil der Jungfrau, wäre es auch nur ein Haar, zu blei- ben, gebeten hatte. In Horsts Dämonologie steht die Geschichte einer be- sessenen Nonne, Namens Cäcilie, von Unterzell, welche mehr durch die Einfalt und Ungeschicklichkeit ihres Exor- cisten, des Pater Sicard , als durch ihre Resultate beleh- rend ist. Die Austreibungsversuche dauerten vom 8. Fe- bruar 1746 bis 30. October desselben Jahres, an wel- chem Tage der Dämon, ohne die gewöhnlichen Zeichen des Ausfahrens, zur Ruhe kam. Seine Angaben sind sichtlich ein Gewebe von Lügen und sein ganzes Beneh- men ein wahres Possenspiel, in welchem er den treu- herzigen Pater zum Stichblatt machte. Eine Probe davon ist folgende: Der Pater, nachdem der Dämon die gräßlich- sten Blasphemieen ausgespieen hatte, ereiferte sich und fuhr ihn an: „Höllische Bestie! Wer hat dich erschaffen? A. Ich mich selbst. Pater. Wie aber kann Jemand sich selbst schaf- fen? A. Ich habe es gekonnt. P. Wer hat dich von oben herabgestürzt? A. Niemand. Ich mochte nicht droben blei- ben.“ Eine Menge ähnlicher trivialer Dinge kamen in die- ser Geschichte vor, welche zum Beweis dienen, daß die an- gewandte Methode nicht die rechte ist, und daß der Menge exorcistischer Formeln der einfache Befehl im Namen des Herrn weit vorzuziehen ist. In Henning ’s Buch über Geister und Geisterseher steht eine Geschichte einer Frau von Eberstein aus Gehoven , beschrieben vom dortigen Prediger Thalemann , welche manches Aehnliche mit den Erscheinungen des Mädchens von Orlach darbietet. Die Geschichte ereignete sich vom Oktober 1683 bis zum April 1684. (In mehreren Schriften ist das Jahr 1685 irrig angegeben.) Der genannten Dame erschien eine weiße Gestalt, ge- kleidet als eine Nonne, wie sie angab, ein ehemaliges Fräulein von Trebra. Diese Gestalt bat die Dame aufs inständigste, mit ihr zu gehen, um einen Schatz zu erhe- ben, indem sie ihr genau den Ort angab und ihr versprach, alle Schrecken dabei zu ersparen. Da die Dame auf wie- derholte Bitten sich beständig weigerte, so fing sie an, die- selbe zu plagen, so daß immer körperliche Spuren sichtbar waren. Täglich war diese Marterstunde von 5 bis 6 Uhr Abends, wo eine Menge Augenzeugen öfters anwesend wa- ren, die zwar das Leiden der Dame, aber die Thäterin nicht wahrnahmen. Nur ein Dienstmädchen und ein klei- nes Kind, das mit den Händen darauf hinwieß, sahen die gleiche Gestalt. Die Zufälle stiegen von den einfachen Schmerzen, die vom Kneipen herrührten, bis zu Convul- sionen, Ohnmachten und Bewußtlosigkeit. Auch die Ent- fernung vom Hause half nichts, die Dame wurde überall- hin verfolgt. Als die Geplagte einstmals in der Angst zu Gott betete, er möchte sie durch den Tod von ihrer Qual befreien, so erschien ihr, wie sie angab, der Erlöser in ver- klärter Gestalt mit der Anrede: „Sie werde noch Vieles erleiden, aber wegen der vielen Seufzer und Gebete den Ihrigen erhalten werden.“ Diese Anfechtungen dauerten über Ostern in doppelter Stärke fort, bis am Sonntag Quasimodogeniti der Abschied der Geistin erfolgte, indem sie sagte: „Weil sie (die Dame) bisher zu Nichts zu be- wegen gewesen, und beständig an ihrem Gott verbliebe, so wolle sie sie jetzt verlassen und von ihr weichen.“ Von dieser Stunde blieb die Dame frey, weßwegen auch in öf- fentlicher Kirchenversammlung ein Dankgebet abgehalten wurde. Aus den acht vorliegenden Geschichten ergeben sich meh- rere allgemeine Sätze: I. In allen ist der generische Charakter eine blos körper- liche Besitzung, ohne Schaden der Seele, welche, wie aus einigen Fällen ersichtlich ist, vor den bösen Einflüssen des unreinen Geistes in Schutz genommen zu seyn scheint. Tritt der Paroxismus ein, so wird die Person auf der Stelle bewußtlos, das Regiment der Seele über den Körper hört auf, und es ist nun eine ganz fremde Individualität, die im Körper haust und aus ihm sich vernehmen läßt. II. Die karakteristischen Zeichen sind: 1) Das plötzliche Dahinschwinden des Bewußtseyns; 2) ungewöhnliche Be- wegungen einzelner Theile des Körpers; 3) öfters sehr künst- liche Verdrehungen der Glieder und Umherwälzungen; 4) verzerrte, häufig spöttisch-höhnische Grimassen, die mit der natürlichen Gemüthsart völlig contrastiren; 5) eine rauhe Baßstimme; 6) auf Anreden der Person keine Antworten, wohl aber, wenn das dämonische Wesen durch Fragen auf- gefordert wird; hierher gehören auch die richtigen Antwor- ten, wenn der Dämon in fremder Sprache angeredet wird; 7) bey Nennung heiliger Namen, Gebeten und besondern Formeln, Schreien, Brüllen, Schimpfen, Toben und Wü- then; 8) Hohn und Spott, besonders gegen diejenigen, welche dem Dämon zusetzen; 9) vorzüglich aber die furcht- baren Gotteslästerungen und Verhöhnungen gegen Alles, was heilig ist, bei sonst gutartigen und gesitteten Personen; 10) Widerwillen und wie gewaltsames Zurückhalten von Gebet und Kirche; 11) schnelles Wiederkehren der Kräfte nach den heftigsten Agitationen im Anfall; 12) völliges Nichtwissen, was während des Paroxismus vorgegangen. Einzelne Zeichen entscheiden nichts, vermehren aber die Wahrscheinlichkeit einer dämonischen Besitzung, je mehr sie sich zusammenfinden. III. Aus mehreren Geschichten erhellt, daß der Satan, dem alle die Dämonen untergeordnet sind, sie doch nicht nach Willkühr in die Menschenleiber schicken kann, sondern daß ein dem Satan ergebener menschlicher Wille die dä- monische Besitzung durch Zauber vermitteln muß. IV. Gewöhnlich sind diejenigen Personen, welche dieses Schicksal trifft, keine bösen und verdorbenen Menschen, viel- mehr solche, die ihr Unglück tief fühlen und sich gerne um Hülfe zum Gebet wenden. Es läßt sich auch schon zum Voraus erwarten, daß der Satan die Weltmenschen, die ihm schon zur Hälfte angehören, mit solchen Plagen verschonen und nur diejenigen heimsuchen wird, die es nicht mit ihm halten. V. Aus mehreren Thatsachen gibt sich ein Schutzgeist kund, der dem Bösen widerstrebt, und wenn er auch nicht Alles verhindern kann oder darf, doch einem bleibenden Schaden vorbeugt und den Anfeindungen Gränzen setzt. Ein sehr wichtiger Punkt leuchtet aus der Geschichte der U .. n aus J .. m hervor, nämlich, daß sie durch magne- tische Behandlung mit ihrem Schutzgeist in einen offenen Verkehr gebracht wurde, der ihr in jeder Hinsicht sehr nütz- lich war. Wenn der böse Wille des Menschen im Stande ist, einen Dämon in einen Menschenleib zu bannen, warum sollte nicht der gute Wille des Menschen im Stande seyn, den Schutzgeist zu größerem Widerstand zu kräftigen? Wurde bey der U .. n der Schutzgeist bestimmt und im Namen des Herrn aufgefordert, zu kommen und zu helfen, so war im Augenblick der Dämon niedergekämpft und das Weib frey. Allein zum Austreiben war dies nicht genug, denn dieß er- fordert den Sieg jenes Glaubens, der die Welt und die Hölle überwindet, und der bey gemeinen und ungelehrten Menschen häufiger angetroffen wird, als bey den Vorneh- men und Gelehrten, in welchen der in den Studien viel- fach aufgeregte Zweifel den Glauben nicht gedeihen läßt. Der Magnetismus, wenn er sich, wie bey der U .. n, auch in andern ähnlichen Fällen bewähren sollte, dadurch, daß er die Person mit ihrem Schutzgeist in Verkehr bringt, wäre ein großer Gewinn für die Cur der Besessenen. VI. Selten ist ein Dämon allein, denn ihrer ist Legion. Wo Einer ist, können unter gleichen Umständen auch meh- rere seyn. Die vorliegenden Geschichten sprechen von zwey, fünf, sechs, sieben bis neun Dämonen, die zugleich da waren. Und vielleicht ist es noch seltener, daß nicht ein Zweiter die leere Stätte einzunehmen bereit ist, die der Ausgetriebene zurückgelassen hat. Bey der Frau aus J .. m waren es nach einander fünf Dämonen, welche ausgetrie- ben wurden. Daraus gehen für den Exorcisten verschie- dene Regeln hervor: 1) Daß er den anscheinenden Still- stand der Paroxismen nicht gleich für eine gelungene Cur hält, sondern wiederholt das böse Wesen herausfordert; 2) daß er nie ermüdet, wenn nach den bestimmten Zeichen des Ausfahrens sich wieder neue Bewegungen einstellen, und 3) daß er nicht nur austreibt, sondern auch die Person für die Zukunft verwahrt. Das Evangelium hat mehrere Stellen, welche in dieser Hinsicht zu beherzigen sind. Luk. 11, 24 u. f.: „Wenn der unsaubere Geist von dem Men- „schen ausfähret, so durchwandert er dürre Stätten, suchet „Ruhe und findet sie nicht. Nun spricht er: Ich will wie- „der umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. „Und wenn er kommt, so findet er es mit Besen gekehret „und geschmücket. Dann gehet er hin und nimmt sieben „Geister zu sich, die ärger sind, denn er selbst; und wenn „sie hineinkommen, wohnen sie da, und es wird hernach „mit demselben Menschen ärger, als vorhin.“ Eben so kommt es vor, daß Christus beym Austreiben nicht blos sagt: „Fahre aus, du unsauberer Geist!“ sondern auch hinzusetzt: „Und kehre nicht wieder zurück.“ Dieser letz- tere Befehl ist sicher gar oft schon versäumt worden. Man vergleiche hiermit die Geschichte der Besessenen U .. n. VII. Merkwürdig ist die Bitte der Dämonen um Auf- schub oft nur auf eine kleine Zeit, oder um Erlaubniß, in Thiere oder andere Gegenstände fahren zu dürfen. In der Geschichte der U .. n steht, daß der Dämon in Gestalt ei- ner Wespe in sie gefahren seye, in andern Geschichten liest man, daß die Dämonen wie ein Geschwärm von Fliegen ausgefahren seyen. Im Reiche der Unnatur kann jedes Wesen sich aus der atomistischen Kraft einen Scheinkörper auf beliebige Weise bilden, der aber nur ein Blendwerk ist. Die Bitte der Dämonen, in wirkliche organisirte Thiere fah- ren zu dürfen, hat daher einen andern Sinn. Es muß für sie eine Art Schutzmittel seyn, um der Qual mehr zu entgehen. Wird den Dämonen stark zugesetzt, so verwandelt sich ihr Hohn und Spott am Ende in Weh und Ach. Oft neh- men sie ihre Zuflucht zum menschlichen Mitleiden, indem sie sagen, wir würden gewiß Schonung mit ihnen haben, wenn wir wüßten, wie fürchterlich es für sie draußen sey. Wohl müssen sie dürre Stätten durchwandern, sie suchen Ruhe und finden sie nicht. Das ist das Loos der Unseli- gen. Nicht umsonst baten jene Dämonen Christum, den sie für den Sohn Gottes erkannten, ihnen zu erlauben, in die Schweine zu fahren. Jeder Ort, in dem sie sich bergen können, muß ihnen lieber seyn, als der freie Himmel, des- sen reine Luft ihnen Qual verursacht. Da liegt die Be- deutung jenes Spruchs: „Berge! fallet über uns, Hügel! bedecket uns.“ Dieses Schicksal nach dem Tode wird wohl mehr Wahrheit in sich haben, als jenes philosophische Hirn- gespinst, nach welchem der endliche Geist sogleich nach dem Tode, ohne Rücksicht auf seinen moralischen Werth, sich mit dem allgemeinen, ewigen Geist zusammenschließen soll. VIII. Das Evangelium entscheidet weder dafür noch da- gegen, ob die Dämonen der Besessenen verstorbene böse Menschen oder etwa gefallene Engel sind. Nach der Offen- barung war, als Christus erschien, der Satan mit seinen Engeln noch nicht auf die Erde geworfen. Er herrschte noch im Himmel über weitere und höhere Regionen, und seine Staatskunst hatte, als Fürst der Welt, durch seine Engel wichtigere Dinge auszuführen, als in armen Menschenlei- bern Besitzungen vorzunehmen. Auch läßt sich kaum erwar- ten, daß jene früher erschaffenen Engel im Himmel, in die Schweine zu fahren, oder auch, stumme und taube Rol- len zu spielen, begehren sollten. Von den unseligen Men- schen aber, welche an die Erde gebannt sind, Ruhe suchen und keine finden und sich überall vor dem Zorne verbergen möchten, läßt sich erwarten, daß sie nach Menschenleibern begierig sind, wo sie einst selbst wohnten, um theils mehr geschützt zu seyn, theils ihre Bosheiten noch fortsetzen zu können. Dieser Punkt bleibt auch in den nachfolgenden Zeiten noch unausgemacht, und nur hie und da regt sich die Mei- nung, daß die Dämonen der Besessenen verstorbene böse Menschen seyen. Ohne Zweifel haben die Exorcisten die- sem Punkt von jeher wenig Aufmerksamkeit, oder, wenn auch die Dämonen aus dem Munde der Besessenen sich für ehemalige Menschen ausgaben, wenig Glauben geschenkt. Man kann zwar einwenden, daß die Dämonen zu Christi Zeiten ihn und seine Abkunft erkannten, und wohl die Macht wußten, die er gegen sie hatte, was mehr die Mei- nung zu bestätigen scheint, daß sie gefallene Engel seyen, allein eine solche Wissenschaft und ein solches Geoffenbart- werden nach dem Tode dürfen wir auch bey verstorbenen Menschen annehmen. So gibt uns die Parabel vom rei- chen Manne zu erkennen, daß ihm nach dem Tode der Blick in jene selige Region, wo Abraham war und Laza- rus in seinem Schoße, sogleich geöffnet wurde. In den meisten vorliegenden Geschichten wird diese Mei- nung durch die Angaben der Dämonen, daß sie bestimmte Personen auf der Erde gewesen, bestätigt. So gab die U .. n fünf Verstorbene mit Namen und Personalien an, oder vielmehr die Dämonen gaben sich selbst durch sie als solche an. Die Einwendung, daß die Frau jene Männer im Leben gekannt habe, und daß die fixe Idee des Beses- senseyns ihr wohl diese Namen suggerirt haben könne, paßt wenigstens nicht auf den letzten Dämon, von dem es er- wiesen ist, daß sie ihn im Leben nicht gekannt hat. IX. Das dämonische Reich ist das Reich der Lügen, sie sind und bleiben Lügengeister. Werden sie auch genöthigt, ihre Namen und Lebensumstände anzugeben, so sind ihre Aussagen doch nur halb wahr, halb erlogen, wovon wir uns in der Geschichte der U .. n überzeugen konnten. In den Sündenbekenntnissen und Personalien der Dämonen ka- Kerner , über Besessenseyn. 10 men noch manche Lebensumstände vor, deren Wahrheit jetzt noch durch Erkundigung ausgemittelt werden konnte. Diese Erkundigung wurde von einem ganz unbefangenen, höchst schätzbaren Freunde an Ort und Stelle unternommen, aber die Ergebnisse waren von der Art, daß mehrere Aussa- gen unentschieden blieben, mehrere nur halbwahr, andere aber ganz wahr erfunden wurden. Uebrigens kann dieser Mangel nichts gegen die Besitzungen beweisen; denn wenn auch die Meinung gefaßt werden wollte, daß eine fixe Idee oder Verstellung der Frau im Spiel gewesen sey, so würde sie gerade die Lebensumstände, die ihr von den Verstorbe- nen bekannt seyn konnten, weit richtiger und unzweifelhaf- ter angegeben haben. Zu einer solchen Meinung ist aber nicht der geringste Grund vorhanden, vielmehr sprechen alle Gründe dagegen, und der endliche Erfolg mit Wiederher- stellung ihrer Gesundheit ist der stärkste Beweis dagegen. Der Exorcismus . Den Aufklärungs-Schauer, den ich früher bey diesem Worte hatte, habe ich überwunden, seitdem ich mich theils durch evangelische, theils theoretische Gründe, theils durch Selbstbeobachtungen, von dem Daseyn einer Unnatur über- zeugt habe. Die evangelischen Gründe finde ich nicht nur darin, daß Christus den Exorcismus selbst häufig angewandt hat, und daß die Jünger ihm mit Freuden berichteten und sprachen: „Herr! in deinem Namen sind uns auch die Teufel unter- than,“ sondern auch hauptsächlich in der sichern Verhei- ßung, die er Allen, die da glauben, noch nach seiner Auf- erstehung, mithin für alle Zukunft, gab: „In meinem Na- „men werden die Glaubigen Teufel austreiben, — — und, „so sie auf die Kranken die Hände legen, wird es mit „ihnen besser werden.“ In dieser Stelle ist nicht nur die volle Befugniß zum Exorcismus enthalten, sondern die Be- sitzung ist auch von andern Krankheiten genau unterschie- den, so daß das Teufel-Austreiben und die Heilung der Kranken durch Händeauflegen als zwey sehr verschiedene Dinge dargestellt sind. Die theoretischen Gründe habe ich theils schon berührt, theils liegen sie darin, daß die Macht der Unnatur nicht durch natürliche Mittel, sondern nur durch Waffen, welche aus der Uebernatur abstammen, besiegt werden kann. Die Selbstbeobachtungen habe ich durch eigene Anschauung und Einwirkung bey der Frau U .. n aus J .. m gemacht. Der wahre Exorcismus ist dasjenige Verfahren, in welchem der Glaubige die Kraft, welche nun einmal für allemal mit dem Namen Jesu Christi und der heiligen Dreifaltigkeit auf eine mystische Weise vereinigt ist, benützt, und dieselbe auf feyer- liche Weise und in einem bestimmten Befehl zum Austreiben der Dämonen gebraucht . In diesem Sinne haben ihn die Apostel, die ältesten Kir- chendiener, die Gemeinden und im Grunde die ganze Kirche ausgeübt. Da Christus diese Wirkung überhaupt den Glau- bigen verheißen hat, so ist er kein ausschließliches Recht der Clerisei; denn jeder Glaubige ist Diener des göttlichen Wortes und kann das, was Christus verordnet hat, so- bald er den Beruf dazu in sich fühlt, unter Bedingungen, welche den Mißbrauch beschränken, ausüben. Die vieler- lei exorcistischen Formeln scheinen keine besondere Wirkung in sich zu haben, aber sie dienen dazu, auf eine feyerliche Weise sowohl in den Energumenen als in den Umstehen- den, wie auch in den Exorcisten selbst, den Glauben stär- ker hervorzurufen. Wo dieser Glaube schon feststeht, da ist das einfachste Ritual der Befehl im Namen Jesu, wie es Christus selbst nicht anders haben will. Die einfachste Form, in der zugleich das Außerordent- lichste, was der Exorcismus aufzuweisen hat, sich zusam- mengedrängt findet, lehrte uns der Pater Gaßner in den Jahren 1774—1777. Seine Rechtfertigung gegen die vie- 10 * lerley zweydeutigen Gerüchte, die über seine Kuren ver- breitet sind, steht, durch eine Menge von Zeugnissen und faktischen Nachweisungen unterstützt, in dem Archiv für den thierischen Magnetismus vom Jahr 1820 und 1821. Ich führe hier blos sein Verfahren an, das ein Augen- zeuge, der Abt Bourgeois, niedergeschrieben hat. „Da Herr Gaßner in Ellwangen, bey den vielen Frem- „den, deren Zahl sich manchmal bis auf 1500 belaufen „soll, sich zum Gesetz gemacht hat, Niemand, wer es auch „sey, ohne besondern Befehl seines Fürsten, den Vorzug „vor einem Andern zu geben, so sind Viele genöthigt, „zwey bis drey Wochen zu warten, bis sie die Reihe trifft. „Wenn die kranke Person in den zweyten Platz, wo sich „der Exorcist befindet, eingeführt ist, so sieht man weder „täuschende Verstellung, noch prahlerisches Großthun, alles „ist einfach und gleichförmig. Er sitzt auf einem kleinen „Schlafsessel mit einer Stole über seine Kleider angethan, „an seinem Halse hängt ein Kreuz, an seiner Seite steht „ein Tisch, worauf ein Crucifix sich befindet, und um den „Tisch herum steht eine Reihe Sessel für die hohen Frem- „den. Ein Actuarius muß die merkwürdigen Vorgänge „protocolliren. Die dem Priester vorgestellte kranke Person „kniet nieder, er fragt sie über die Gattung und Umstände „ihrer Krankheit. Hat er sich um ihren Zustand genug erkun- „digt, so spricht er einige Worte zur Erweckung des Vertrauens „an sie, ermahnt sie, ihm innerlich beyzustimmen, daß alles ge- „schehe, was er befehle. Ist alles so vorbereitet, so spricht er: „„Wenn in dieser Krankheit etwas Unnatürliches ist, so „„befehle ich im Namen Jesu, daß es sich sogleich zeige;““ „oder er beschwört den Satan in Kraft des allerheiligsten „Namens Jesus, die nämlichen Uebel, womit diese Per- „son behaftet ist, auf der Stelle hervorzubringen. Zuwei- „len erscheint das Uebel sogleich nach gegebenem Befehl, „und alsdann läßt er alles nacheinander kommen, gleich- „sam stufenweise, und nach Maßgabe der Stärke, in wel- „cher der Patient sein Uebel früher hatte. Dieß Verfah- „ren nennt der Priester den Exorcismum probativum, um „zu erfahren, ob die Krankheit unnatürlich oder natürlich „ist. Und zugleich hat er die Absicht, durch diese Ueber- „einstimmung der Erscheinungen mit seinen Befehlen das „Vertrauen der Kranken zu vermehren und allen Anwesen- „den die Kraft des heiligen Namen Jesus kund und offen- „bar zu machen. Wenn sich das Uebel auf den ersten ge- „gebenen Befehl nicht zeigt, so wiederholt er denselben „immer steigend wohl bis zehnmal. Erfolgt dann keine „Wirkung, so verschiebt er diese Person auf den an- „dern Tag oder noch später, oder er schickt sie auch ganz „zurück, mit der Aeußerung, daß ihr Uebel natürlich sey, „oder sie nicht hinreichend Vertrauen besitze. Wenn der „Priester durch den Exorcismum probativum das Uebel „zum erstenmal kommen läßt, so läßt er gewöhnlich die „Zufälle etliche Minuten fortdauern, dann wieder ver- „schwinden und wiederkommen, immer unter den gleichen „Befehlen. Ist der Kranke von der Ursache seines Uebels „und der Kraft des Mittels dadurch überzeugt, so lehrt er „ihn, sich künftighin selbst zu helfen und läßt ihn in sei- „ner Gegenwart die Probe machen. Zu diesem Zwecke be- „fiehlt er, daß die Krankheit wiederkomme, und nun muß „der Kranke durch einen entgegengesetzten Befehl, den er „innerlich im Namen Jesus gibt, den Ausbruch verhindern, „oder, wenn der Anfall schon da ist, ihn vertreiben. Sol- „ches habe ich gesehen und die Kranken stimmen damit „überein. Zu bemerken ist, daß nicht alle Patienten die „nämliche Wirkung verspüren. Gaßner gesteht selbst, daß „er kein Wunderthäter, sondern nur ein Exorcist sey; er wirke „keine Mirakel, sondern wolle nur das von der Kirche ge- „gründete und gutgeheißene Mittel wider die unnatürlichen, „vom bösen Geist verursachten Krankheiten in Ausübung „bringen; daher komme es auch, daß Viele nicht gänzlich „geheilt werden können, weil ihnen die Lebendigkeit des „Glaubens mangle, obgleich ihre Krankheiten nicht natür- „lich seyen. Es braucht sogar nach der Aussage des Herrn „ Gaßner nichts, als daß man sein Uebel für natürlich „halte, um die Wirkung des Exorcismus zu hintertreiben. „Endlich behauptet er, daß viele Krankheiten blos natür- „lich und daher auch nur durch die natürlichen Mittel der „Aerzte zu vertreiben seyen. Uebrigens muß man diesen „Mann nicht aus seinen Reden, sondern aus seinen Wir- „kungen beurtheilen. Ich müßte ein ganzes Buch schrei- „ben und mehr Zeit und Muße haben, als wirklich, um „Alles zu erzählen, was ich von Augenzeugen erfuhr. Ich „gebe nur das, was ich selbst sah, und von diesem nur „das Merkwürdige.“ Von da geht der Berichterstatter auf einzelne von Pater Gaßner vorgenommene Operationen selbst über, und be- schreibt sie ausführlich, was ich aber hier übergehe und auf die Auszüge, die ich aus den Protokollen der Gaßner ’- schen Operationen machte und die in dem erwähnten Archiv für den Magnetismus stehen, verweise. Von nicht geringer Wich- tigkeit für die faktische Wahrheit der Gaßner ’schen Kuren ist das Gutachten, welches die aus vier Ingolstädter Professoren bestehende Commission, die mehrere Tage den Operationen an- wohnte, ausstellte, was ich hier übergehe. Eine Stelle aber, welche Herr Levelin , Professor der Medizin in Ingolstadt, als Augenzeuge an den Dr. Hombourg in Wien in einem Briefe schrieb, füge ich noch bei: „Extra dubium est, quod „illi sacerdoti ad nutum sine tactu imperium sit abso- „lutum in systema nerveum. Horribilia at nutum pro- „ducit et unico verbo „cesset“ evanescunt ad momen- „tum. Repetitis vicibus pulsum produxit intermitten- „dum, sæpius momentanee evanescentem. Exploravi „pulsum et inveni veritatem imperantis sacerdotis, in „quo non est dolus, et qui homo est sincerrimus.“ Was in dieser Stelle Professor Levelin behauptet, daß Pater Gaßner eine absolute Herrschaft auf das Nerven- system jener Kranken ausgeübt habe, so daß selbst die Be- wegungen des Pulses und, wie aus andern Geschichten er- hellt, auch die Empfindungen der Sinne sich ganz nach seinen Befehlen richteten, scheint freilich wunderbar, aber hier liegt ein Deus in machina verborgen. Nicht der Prie- ster hatte die Herrschaft in das Nervensystem, sondern der Dämon, der aber die Befehle des Priesters ausführen mußte. So war es der Dämon, der das Mädchen von Orlach so ergriff, daß sie stundenlang mit dem linken Fuß, der eis- kalt wurde, den Boden schlagen und ihm zu seinen Blas- phemieen das Sprachorgan leihen mußte. So brachte bey der U .. n der Dämon alle die höhnischen Grimassen in den Gesichtsmuskeln und die gewaltsamsten Bewegungen in den Gliedern hervor. Steht dieß alles in der Gewalt des Dä- mons, so steht es auch in der Gewalt des Exorcisten, dem Dämon im Namen des Herrn zu befehlen, daß er diese oder jene Bewegung in dem Körper des Kranken hervor- bringe, und das Wunder reduzirt sich auf die einfache Glau- bensmacht, welche Christus den Glaubigen verheißen hat. Aber eben diese einfache Glaubensmacht, wie selten ist sie und zwar in ihrem Doppelleben, nämlich in dem, der hei- len will, und in dem, der geheilt werden soll? Gaßner war ein frommer Priester. Ihm koncentrirte sich die ganze Welt im Evangelium und das Evangelium im Namen Jesu. Er wußte nichts Anderes und wollte nichts Anderes. Ihm war es unmöglich, zu zweifeln. Er war durchdrungen von einer Wahrheit, die, wenn sie den Glauben beseelt, zu- gleich die größte Kraft der Erde ist. Darum wurde er Organ dieser Wahrheit; sie gebot über ihn, er nicht über sie. Dieß ist eben der große Unterschied zwischen den Wahr- heiten, welche blos an der Begriffsform haften, und de- nen, welche Herz, Geist und Glauben durchdringen. In Jenen liegt blos der Zeitgeschmack vergänglicher Theorien, in diesem wirkt das, was als ewiges Gebot uns gegeben ist. Da der wahre, lebendige Glaube eine trauscendente Kraft ist, so steht der handelnde Mensch unter ihr, er be- meistert nicht sie, sondern sie bemeistert ihn und wirkt wie eine vom Himmel gekommene Gabe durch ihn. Von die- ser Beschaffenheit ist der Name Jesu, welchem Gott nun für alle Zukunft das Reich der Unnatur unterthan gemacht hat, welcher aber nur durch solche zur Macht wird, die ihn als eine transcendente Kraft durch sich wirken lassen. In diesem Lichte erscheint mir Gaßner , und keine der vielen Zeugschaften, die ich prüfte, widerlegt diese Meinung. Der außerordentliche Ruf dieses Priesters durchflog alle Länder und aus den entlegensten Gegenden eilten Neugie- rige und Kranke herbey. Jakob von Huth erzählt in sei- ner Kirchengeschichte, daß in Ellwangen sich nach und nach zwanzigtausend Fremde eingefunden und zu Regensburg dreytausend Kranke auf seine Hülfe gewartet hätten. Die- ser Ruf war sein Verbrechen. Es dauerte nicht lange, so machten sich Bischöfe und Erzbischöfe, Hirtenbriefe, kaiser- liche Befehle und päpstliche Dekrete gegen ihn auf und nö- thigten zuletzt den Fürstbischof von Ellwangen, der ihn be- günstigte, dem Priester seine Kuren zu verbieten. Es gibt eine falsche und eine wahre Aufklärung. Die falsche geht von ihren selbstgemachten Theorien aus und erhebt sich über die Thatsachen. Sie läugnet und verwirft, ohne zu sehen und zu prüfen. Was gegen den gesunden Menschenverstand und den sichtlichen Naturzusammenhang läuft, das werfen sie ohne weitere Untersuchung in die Ca- pitel des Obscurantismus, der Mystik, der Visionen, der Täuschungen, des Aberglaubens und der Schwärmereien, und können nicht warnen genug vor den Nachtheilen, welche Staat, Volk und Kirche drohen. So erging es Gaßner . Es ist hier nicht ohne Interesse, auch einige literarische Gegner und Vertheidiger des Exorcismus zu vernehmen: Dr. Semler zu Halle machte in einer Schrift folgende Einwürfe und Beschuldigungen: „Gaßner führe die Einwir- „kungen des Teufels wieder ein, die aus allen christlichen „Staaten durch die neue Theologie verbannt werden soll- „ten. Der Exorcismus durch die Kraft des Namens Jesu „sey Aberglaube. Diejenigen, welche behaupten, daß die „Kirche und Theologie von Teufeln und Teufelsmacht lehre „und gelehret habe, seyen böse Buben und haben keinen „Theil an dem Erlöser und Heiland mehr. Darum müß- „ten alle Nachrichten ven der Gaßner’schen Kurart, wo- „her sie auch kommen, gänzlich als alberne, phantastische „Einfälle und Aberglauben verworfen werden, und alle die „Handlungen, die darauf hinzielen, dürfen in christlichen „Staaten nicht geduldet werden. Gaßners Glaube sey „kein christlicher Glaube, daher könne es keine geistliche „und noch weniger leibliche Wirkungen desselben geben. „Man könne Einen dazu bereden, daß er sage, es sey ihm „geholfen. Gaßner müsse ein Phantast oder Betrüger seyn, „ein Tertium gebe es nicht. Wenn der Patient sage, er „werde besser, so könne man noch nicht schließen, ergo „Gaßner helfe, ergo helfe er durch Exorcismus, ergo sey „die Krankheit eine Wirkung des Teufels. Lavater , wel- „cher nur die Thatsachen, nicht Meinung und Dogma un- „ters u cht haben wolle, verfalle beynahe in die Strafe der „Gotteslästerung.“ Hier haben wir das leibhafte Bild eines Rationalisten, der sein selbst gemachtes oder wenigstens accommodirtes Dogma über die Thatsachen erhebt und ohne Prüfung die Sache, der Meinung zu lieb, verdammt. So ungefähr mögen die Sadduzäer die Zeichen und Wunder Christi weg- raisonnirt haben. Gegen die obigen Einwürfe trat Dr. Schleiß , der Leib- arzt der Pfalzgräfin von Sulzbach, als vielfältiger Augen- zeuge der Gaßner’schen Kuren auf. Ich setze hier blos bey, was Schleiß an Semler am Schlusse seiner Ab- handlung spricht: „Ich ersuche Sie noch einmal, ohne Be- „fangenheit und Uebereilung, ohne Rücksicht auf Person, „Stand und Lehre Gaßner ’s, meine Zweifelsfragen zu „beantworten. Zeigen Sie Ihr erhabenes Herz auf der „edeln Seite, überlegen Sie wohl, ob es nicht der Mühe „werth sey, die Gaßner’schen Thatsachen durch eine ordent- „liche, aus allen drey christlichen Religionen und aus allen „Facultäten zusammengesetzte Commission zu untersuchen. „Der glaubige Gaßner ist zu Allem wegen der Ehre Got- „tes und des Heils des Nebenmenschen bereit, und es ist „zu erwarten, daß keiner der Untersuchenden mit sehenden „Augen Ehre und Gewissen werde verlieren wollen. Es „ist entschuldbar, wenn Einer mit aller Treue nach einem „irrigen Grundsatz handelt, aber es ist auch Pflicht, seine „Grundsätze immer genauer zu prüfen, und es ist Groß- „muth, deren sich auch der Weise nicht schämen darf, wenn „er seinen Grundsatz in dem Augenblick verwirft, sobald „er ihn als Vorurtheil erkannt hat. Es ist hier um die „Wahrheit zu thun, und diese sollten alle christliche Reli- „gionen ohne Vorrecht, ohne Eifersucht und ohne Vorur- „theil zu entdecken trachten. Soll ich, als vielfältiger „Zeuge, läugnen, was meine Ohren gehört, meine Au- „gen gesehen, meine Finger befühlt und mein Verstand „geprüft haben? Ich würde Gott und die Wahrheit be- „leidigen.“ Auf gleiche Weise äußert sich Lavater an Semler in einem Briefe: „Was ich mit Gaßner zu thun habe? fragen Sie. Un- „tersuchen will ich, komme heraus, was da wolle. Unter- „suchungswerth ist die Sache, sie sey wahr oder falsch, „Kraft Gottes oder Betrug. Wer sich zu untersuchen schämt, „was für Naturforscher, Psychologen und Theologen wich- „tig ist, blos um des Gutachtens wegen, ist dieser Kind „oder Mann? Was ist Gaßner ? Einige sagen, er ist gut, „andere, er verführe das Volk; beyde aber behaupten im- „mer, Thatsachen sind da, mehr oder weniger, warum „hüpft man über diese hinweg? Alles raisonnirt und er- „klärt, — aber wo ist der, der blos beobachtet? Es ist „wirklich unterhaltend, zuzusehen, wie unlogisch man bey „dieser Sache verfährt, sey sie noch so lächerlich. Jeder „beurtheilt den Mann nicht nach Gaßners, sondern nach „seiner eigenen Theorie. Gaßner will kein Apostel seyn, „ist’s also billig, seine Operationen mit den apostolischen „zu vergleichen? Gaßner will kein Wunderthäter seyn, „ist’s also billig, irgend eine Theorie von Wundern, die man „haben mag, auf ihn anzuwenden? Ich gebiete nur dem „Teufel, sagt er, und er hört auf zu wirken aus Ehr- „furcht vor dem Namen Jesu. Gott wirkt nicht! Eigent- „lich ist also das, was vorgeht, kein Wunder. Sey nun „Gaßner ein Israelit, in dem kein Falsch ist, wie Zwan- „zig gegen Einen behaupten, oder ein von Jesuiten besol- „deter Betrüger, wie Eins gegen Hundert behauptet, alle- „mal ist man schuldig, ihn nach seiner Theorie und seiner „Prätension zu beurtheilen. Man verstößt gegen die ersten „Gründe der Logik und alle Billigkeit, wenn man, statt „die Thatsachen zu untersuchen, raisonnirt, und ihm zu „Last legt, daß er dieß oder jenes nicht könne, was er zu „können nie behauptet hat. Ich gestehe Ihnen, Briefe „von Gaßner gesehen zu haben, die nur entweder von der „redlichsten Seele oder von dem verfluchtesten Tartüffe her- „kommen können. Ich müßte mich verachten, wenn ich beym „Lesen dieser Briefe mir hätte können einfallen lassen: Gaß- „ner ist ein Betrüger. — Ich schäme mich nicht, zu sa- „gen, daß ich, die Sache zu untersuchen, selbst Lust hatte, „wären nicht unvermeidliche Hindernisse dazwischen gekom- „men. Ich habe eine solche Menge von Nachrichten vor „mir, daß die Wichtigkeit und Würdigkeit einer genauen „Untersuchung außer Zweifel ist. Aber was werden meine „Feinde hiezu sagen? Sie werden lachen und lügen. — „Aber leichter ist Lachen als Untersuchen. Der Narr lacht, „der Weise untersucht, und nachher mag er lachen oder wei- „nen. Gaßner ist kein Wunderthäter, und will keiner seyn, „aber ein Exorcist? sagst Du Protestant; das soll und darf „er seyn. Alle Partheyen geben Thatsachen zu, also un- „tersuchet. Wer soll’s thun? Viele können’s nicht, Viele „wollen’s nicht. Katholiken können nicht, Protestanten „wollen nicht. Wer soll’s? Nochmal, lachen ist leichter „als untersuchen.“ Zürch, den 31. Mai 1775. In diesen beyden letztern Briefen steht die wahre Auf- klärung der falschen gegenüber. Die wahre dringt auf Un- tersuchung und muß darauf dringen, weil Christus selbst darauf hinweist, wenn er sagt: „Wenn ihr meiner Lehre nicht glaubet, so glaubet doch meinen Werken.“ Die falsche hingegen bleibt an ihrem Dogma hängen, das schon nach kurzem Jahreswechsel eine andere Gestalt annimmt. Die Macht des Geschehens steht über der Macht der Meinung . Warum kam jene Prüfungscommission der ver- schiedenen Confessionen nicht zu Stande, welche Dr. Schleiß dem Dr. Semler vorschlug? Vermuthlich, weil die Ra- tionalisten fürchteten, ihre Dogmen möchten von der Ge- walt der Thatsachen überflügelt werden, sie möchten mit eigenen Augen sehen müssen, was ein Augenzeuge von den Wirkungen Gaßner ’s auf das Volk erzählt: „Es seye bey- nahe alle Tage das zugetroffen, was zu den Zeiten der Apostel sich ereignete, Act. 19, 17. „Cecidit timor super omnes illos et magnificabatur nomen Domini Jesu.“ So verhält es sich in Wahrheit mit der Kurart Gaß- ners ; allein die Aufklärungsepoche hat sie nicht nur unge- geprüft verdammt und aus dem Ged ä chtniß verwischt, son- dern auch einen Bann an sie gelegt. Der Exorcismus ist nun allgemein verboten und ihm überhaupt die Befugniß genommen, im Namen Jesu zu wirken und Kranke zu hei- len. Die Polizey hebt mit dem Misbrauche, der aller- dings häufig seyn mochte, auch den guten Gebrauch auf und greift insofern in jene Glaubensmacht ein, welche Chri- stus ausdrücklich in seinen Namen gelegt hat. Man erwäge nur die beyden oben erwähnten Geschichten von Döffin- gen und Gärtringen , nach welchen die Energumenen von den Geistlichen in die Kirche genommen, durch eine passende Rede dem Volke vorgestellt und dieses zum ge- meinschaftlichen Gebet und zur Theilnahme ermahnt wurde. War auf diese Weise die Stimmung der Gemüther hervor- gebracht, welche der Glaube verlangt, so trat alsdann der Geistliche vor den Kranken und befahl dem unreinen Geist im Namen des Herrn Jesu zu weichen, was auch jedes- mal zutraf, indem die Kranken von ihren Plagen auf der Stelle befreit wurden. Wo findet sich hiebey etwas Arges und der Polizey Verdächtiges? Der Exorcismus könnte wohl unter die erlaubten und so- gar wohlthätigen, nicht den Aberglauben, sondern den Glau- ben befördernden Mittel wieder aufgenommen werden, wenn er unter Bedingungen gestellt würde, welche seinen Mis- brauch verhindern. Die vorliegenden Geschichten haben viel Belehrendes in dieser Hinsicht, was sich systematisch ordnen läßt auf folgende Weise: Finden sich mehrere der oben angegebenen Zeichen der Besitzung bey einem Kranken, der die Hülfe der Aerzte lange gesucht und nicht gefunden hat, so kann er nur da- durch den Händen der Teufelsbanner, Segensprecher und unbefugten Exorcisten entrissen werden, wenn sich geprüfte Männer, besonders Aerzte und Geistliche, finden, welche mit dem zu diesem Zwecke nöthigen Glaubensmuth ausge- rüstet sind. Alle Eigenschaften dieser Männer concentriren sich in der Wahrheit des Namens Jesu, weil die Wahrheit, in’s Heilige aufgenommen, zur Kraft wird, welche die Un- natur besiegt. Daher sind auch einfache, fromme Männer aus dem Volke ganz tauglich. Die Behandlung einer sol- chen Person kann in verschiedene Perioden abgetheilt werden: Erstens in eine Vorbereitungszeit. Hieher gehört der Gaß- ner ’sche Exorcismus probativus, durch welchen das Un- natürliche der Krankheit sich in allen Richtungen hin offen- baren muß. Zugleich muß eine solche Person zum Fasten (sparsamer Diät) und Beten angehalten, im Glauben ge- stärkt und besonders darin geübt werden, daß sie dem Be- fehl, den der Exorcist im Namen des Herrn gibt, inner- lich beystimmen, und das, was geschehen soll, durch den eigenen Willen zugleich hervorrufen solle. Ist der Magne- tismus, was bey solchen Kuren mir eine wichtige Entdek- kung von Dr. Kerner zu seyn scheint, anwendbar, ent- weder in der gewöhnlichen oder umgekehrten Manipulation, so darf er nicht versäumt werden, weil er die Person in dem magnetischen Halbschlaf mit ihrem Schutzgeist in Com- munikation bringt, wodurch sich viele Aufschlüsse ergeben, die der Behandlung äußerst günstig werden können. Auch scheint es, daß durch die Vermittlung des guten mensch- lichen Willens der Schutzgeist in eine freiere und kräftigere Wirksamkeit gesetzt wird. Da die Meinung, daß die Dämonen nichts anderes als verstorbene unselige Menschen sind, große Wahrscheinlich- keit hat, so muß nicht nur der Name des Dämons heraus- gebracht, sondern er muß auch, und dieß zu wiederholten Malen, zum Sündenbekenntniß angehalten werden. Dar- über wird ein förmliches Protokoll geführt, das häufig mit allen Angaben und beständiger Mahnung zur Wahrheit ihm wieder vorgehalten werden muß. Denn der Lügengeist, der in diesen verdorbenen Seelen steckt, läßt selten die Wahr- heit frey bekennen; doch können sie durch die Qual, welche ihnen die heiligen Namen verursachen, zuletzt dazu gezwun- gen werden. Ist das Sündenbekenntniß vorüber, so kommt die Reihe an die Bekehrungsversuche, die immer mehr oder weniger Anklang finden, sobald die geheimen Sünden, die sie in das jenseitige Leben mit hinübernahmen, offenbar werden und die Seele entlasten. Dieses Verfahren hat den doppelten Zweck, erstlich, daß der Dämon mehr von dem Menschenleib abgelöst wird und seine Lust zu quälen und zu peinigen verliert, zweitens, daß durch das Licht, das in die dunkle Seele fällt, die Begierde in ihm erregt wird, sich an die Gnade Gottes zu wenden. Dieser religiöse Punkt ist von keiner geringen Wichtigkeit, da es, eine verlorne Seele zu retten, unter die ersten christlichen Pflichten gehört. Der Ausspruch: „Fahr’ aus in die Hölle,“ ist unchristlich. Hat ja Chri- stus auch der Bitte der Dämonen, in die Schweine zu fah- ren, nachgegeben. Nach dieser Vorbereitung kommt die zweite Periode, in welcher der Exorcismus expulsivus förmlich vorgenom- men wird. Die beste Methode würde allerdings die seyn, welche die beyden Geistlichen in Döffingen und Gärtringen be- folgten, nämlich den Exorcismus nach dem Gottesdienst bei versammelter Gemeinde und unter Mitwirkung ihres Gebets in der Kirche vorzunehmen. Bey den Katholiken gehört dieß Alles nicht blos unter die erlaubten, sondern selbst unter die verordneten Gebräuche, wie überhaupt in der katholischen Kirche der Exorcismus unter einen ganz andern Gesichtspunkt gestellt wird, als in der protestanti- schen. Allein, wo finden wir eine solche Gemeinde, die an einem solchen Akt nicht Anstoß und Aergerniß nehmen und mit herzlicher innerer Beystimmung den Geistlichen un- terstützen würde, so daß, wie Pfarrer Hartmann von seiner Gemeinde in Döffingen erzählt, eine mächtige Be- wegung, Angst, Furcht, Zittern, Weinen, Bangigkeit die Gemüther der Gemeinde ergriffe? Nicht überall trifft man solche Gemeinden an, wie die Gemeinde Bonnet im fran- zösischen Maasdepartement ist, welche, um Verrückte zu heilen, durch ihre Mitwirkung eine schon lange daselbst gebräuchliche Heilmethode unterstützt, die darin besteht, daß der Verrückte in Begleitung der frommen Inwohner und Kinder in Form einer Prozession zu einer dem Schutzpatron der Irren geweihten Qnelle , von da in die Kirche geführt und nach Abhaltung einer feyerlichen Messe in eine Zelle gebracht wird, wo er unter Aufsicht freundlicher Wärter steht. Diese Heilmethode dauert neun Tage und wird da- her Neufaine genannt. Das Tagebuch dieses Orts gibt eine Menge geheilter Kranken an. Eine gleiche Anstalt würde ohne Zweifel auch bey Ener- gumenen von großem Erfolg seyn, aber es fehlt an der Hauptsache, nämlich an dem frommen Sinn solcher Ge- meinden. In Ermanglung dessen bleibt nichts übrig, als daß sich eine kleine Anzahl frommer Männer zu diesem Zwecke ver- sammelt, durch Gesang und Gebet die glaubige Stimmung hervorruft und auf diese Weise den förmlichen Austreibungs- akt unterstützt. Die einfachste exorcistische Formel im Na- men Jesu oder der h. Dreyfaltigkeit ist die beste. Gaßner gebrauchte selten das vorgeschriebene römische Ri- tual, weswegen er auch von den Priestern vielfach ange- feindet wurde. Er gebot ganz einfach im Namen des Herrn, und es geschah. Denn das Senfkorn des Glaubens wächst zu einer unermeßlichen Macht, während ein Gran des Zwei- fels Alles zerstört. Exorcistische Formeln sind übrigens auch da zulässig, wo durch sie der Glaube an die Kraft des Namens Jesu eine Steigerung erhält, aber sie dürfen nichts unevangelisches enthalten, was ihre Kraft schwächen würde. In der Geschichte der Cäcilie legt der Pater Sicard den größten Werth auf die wunderthätige Maria von Steinbach , worüber ihn der Dämon mit dem bittersten Spott heimschickt, indem er ihm sagte: „ Er solle nur bey der Steinbacherin bleiben, die werde ihn schon hinausbringen .“ Ein andermal sagte er zur Cäcilie: „Siehest du nicht, daß alles Beschwören nichts hilft? Es „sind ja so viele Schismen (Exorcismen) gesprochen wor- „den, daß die Vögel in der Luft sie bald singen und pfei- „fen werden. Die Steinbacherin kann und will dir nicht „helfen. Darum nimm ein kleines Stricklein und mach „deinem Leben ein Ende.“ Ein solcher Exorcismus kann nichts wirken, weil er unevangelisch ist. Ganz anders ver- hielt sich jener Dämon, welchen Pfarrer Hartmann in Döffingen mit Hölle und Verdammniß und dem Namen Jesu bedrohete, wobei der Dämon ausrief: O heiß! o heiß! O Qual! o Qual! Ist nach der erwähnten Methode der Exorcismus gelun- gen, so muß die Person auch für die Zukunft verwahrt werden, eingedenk jenes Befehls Christi: „Fahre aus und kehre nicht mehr zurück.“ Uebrigens kann man sich des Gelingens nur dann versichert halten, wann die folgen- den Tage auf wiederholte Aufforderungen keine Zufälle mehr erscheinen. So viel vom Exorcismus. Die Verständigen werden nun fragen, wie man eine so nichtige Sache so lange ernsthaft behandeln könne? Ich entgegne ihnen ganz einfach, daß ich diese Sache nicht ernsthafter behandle, als sie Christus, die Apostel und die ganze Kirche behandelt haben. So lange nicht nachgewiesen ist, daß die Besitzungen seit Christi Zei- ten aufgehört haben, so lange muß auch von einem Exor- cismus die Rede seyn. Die Hauptsache ist, diese Behand- lung den Händen der Teufelsbeschwörer und Segensprecher zu entreißen, welche sie zu Gewinn und Täuschung mis- brauchen, und sie solchen Händen anzuvertrauen, welche sie, wie Gaßner , zur Ehre Gottes und zu Beweisung der Kraft des Namens Jesu ausüben. Die Fälle sind ohne- dieß selten, aber die göttliche Zulassung mag ihre Zwecke dabey haben, und unter diesen ist wohl auch der, dem Un- glauben die beyden Reiche der Unnatur und der Ueberna- tur vorzuhalten und den Sieg des Letztern über das Erstere in seiner Herrlichkeit zu zeigen. Was die Einwürfe überhaupt betrifft, so werde ich noch später auf dieselben mich einlassen. Vom Zauber . Der andere nicht weniger wichtige Zweig der Unnatur ist der Zauber , den ich aber hier nur mit einigen theore- tischen Momenten berühre, ganz absehend von der großen Menge von Thatsachen, welche in den Schriften und Pro- tocollen aller Zeitalter über ihn gesammelt sind. Wer möchte alle die Gattungen und Arten von Magieen, Mantieen und Skopieen zählen, welche zur klassischen Literatur des Sa- tans gehören und besonders von Schriftstellern des Mittel- alters in förmliche Systeme gebracht sind? Eine factische Wahrheit muß zum Grunde liegen; denn die Conformität der Geständnisse und Zeugnisse der dem Zauber ergebenen Kerner , über Besessenseyn. 11 und gerichtlich verhörten Personen aus allen Zeitaltern, so weit die Geschichte sich mit diesem Gegenstand befaßt, ist nicht erklärbar ohne die Conformität der Thatsachen, ob- gleich Vieles davon in den Nebel des Aberglaubens, der Vorurtheile und der Schwärmereien eingehüllt seyn mag. Das Mittelalter war in Hinsicht von Besitzung und Zau- ber reich an Thatsachen, aber sie wurden nicht verstanden und geprüft, und darum wurde der furchtbarste Misbrauch damit getrieben. Die Brutalität der Inquisitionsgerichte und der Torturen schien vielmehr, statt den Teufel auszu- treiben, ihn nachzuahmen, so daß es unentschieden blieb, auf welcher Seite der stärkere Bund mit dem Teufel war. Durch die Tortur wird das Recht mitten entzwey gerissen, und der Delinquent kommt über seinen Richter zu stehen; denn dieser begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt, jener verletzt nur einzelne Glieder der Gesell- schaft. Der Zauber verletzt zwar auch unmittelbar die göttliche Ordnung, aber eben hier hat der menschliche Richter Vie- les dem göttlichen zu überlassen, und auf keine Weise mit gewaltsamen Mitteln, die Gott eben so wenig angenehm sind, zu verfahren. Indirecte hat daher Christian Thoma- sius, welcher zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, übri- gens mit wenig besagenden Gründen, die Meinung ver- theidigte, „ es gebe keinen Bund mit dem Teufel ,“ das Verdienst, dem Unfug gesteuert zu haben, und es war fast besser, dem Zauber freyes Feld einzuräumen, als die Gefahr zu haben, daß auch unschuldige Personen im förm- lichen Rechtsweg verurtheilt werden konnten. Zur Reife einer Sache müssen immer zwey Momente zu- sammentreffen: 1) die Weckung des Interesses durch eine gediegene, im Gefolge wichtiger Erscheinungen auftretende Thatsache, und 2) das Urtheil, welches sie zu prüfen ver- steht, und ihr in der großen Sphäre des Wissens und Glaubens ihr Gebiet anweist. Ist das erste Moment blos da, ohne das zweyte, so ist das Interesse blind und dumm, das Außerordentliche der Erscheinung wird dem Aberglauben, der Unwissenheit und dem Misbrauche preisgegeben, und das Wahre, was dar- unter verborgen liegt, geht unter, während das Schlechte eine Zeit lang seine Rolle spielt, aber zuletzt durch seine schädlichen Folgen auch seinen Untergang findet, und somit wird das Ganze vergessen. So erging es der Besitzung und dem Zauber. Ist das Zweyte ohne das Erste, so fehlt das Interesse dafür; denn die ältern Geschichten wirken nichts mehr auf ein aufgeklärtes Zeitalter. Man zweifelt gewöhnlich, ob jene Männer, jene Gerichte, jene Consilien, welche diese Gegenstände zu verhandeln hatten, richtig gesehen, gehört und verstanden haben, so daß die Thatsachen jener Zeiten jetzt nicht mehr geglaubt, sondern in Hintergrund gestellt werden. Die Geschichten über Besitzung und Zauber sind wie alte Münzen zu betrachten, die zwar außer Curs gesetzt und im Schatze verwahrt sind, aber doch einen wahren innern Werth haben. Der Kenner nur schätzt sie und sucht sie auf, aber im Kauf und Verkauf gelten sie nichts. Soll ihr Werth wieder in Umlauf kommen, so müssen sie ein- geschmolzen werden und ein neues Gepräge bekommen. Wie es sich nun auch mit dem factischen Bestand ver- halten mag, so ist hier die Rede blos davon, ob die Sätze, die ich für die Unnatur folgerte, auch auf die besondere Gestaltung derselben, was man Zauber nennt, angewandt werden können, und insofern gehört die Aufgabe vor das Forum der Speculation. Die Definition, die sich aus den vielen Schriften, die über diesen Gegenstand handeln, schöpfen läßt, wird fol- gende seyn: Zauber ist diejenige Wirkung der Unnatur, wo- durch der Satan eine Menschenseele durch einen 11 * ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag zum förmlichen Eigenthum machen, ihren Willen mit seiner Macht vereinigen, dadurch gegen die ge- wöhnlichen Gesetze der Natur handeln und auf vielfältige aber geheime Weise Unheil und Scha- den stiften kann . Für den Zauber hat das Evangelium keine Beweisstel- len, wie für die Besitzung; nur die Apostelgeschichte spricht von dem Zauberer Simon, welcher das samaritische Volk verzaubert habe und in großem Ansehen stand. Allein, das Evangelium konnte auch in dem Sinne, wie jetzt der Zau- ber angenommen ist, nicht von demselben handeln. Wie Paulus dem Tisch und dem Kelch des Herrn den Tisch und den Kelch der Teufel entgegensetzt, so wird auch der Bund mit Christo dem Bund mit dem Satan entgegengesetzt. Nach allen Beschreibungen besteht dieser Bund in der feyerlichen Absagung des Taufbundes, in der Abschwörung der Sa- cramente, in der Verfluchung der h. Dreyfaltigkeit und in einer Menge Ceremonien, die alle dem Satan geweiht sind. Und nun fragt sich: kann die menschliche Natur sich bis zu diesem Grad verschlimmern, und können die besondern Wirkungen, welche man dem Zauber zuschreibt, daraus hervorgehen? Auch zu Erklärung des Zaubers kann nur die Kraft der Unnatur ausreichen, wie sie aus ihrem Abgrunde herauf- ragt in die menschliche Natur, und nun Wirkungen her- vorbringt, welche die Gesetze unserer Natur weit über- schreiten. Die menschliche Natur ist kein blos einseitiges Verhält- niß zwischen Endlichem und Unendlichem, Zeitlichem und Ewigem, Irdischem und Himmlischem, sondern eine volle Proportion, in welcher sie zwischen zwey Extremen in der Mitte erscheint. Und so stellt auch das Evangelium den Menschen zwischen die Versuchung des Sa- tans und die Erleuchtung des Geistes Gottes . Das positive Extrem beugt um in die Verklärung himmli- scher Wesen, wo eine höhere Kraft den Menschen beseelt, welche wohlthätig, heilend und im Segen wirkt, den Men- schen zur Wohlfarth dient und Gott wohlgefällig ist. Das negative Extrem hingegen beugt um in die Scheusale dä- monischer Wesen, wo eine unnatürliche Kraft den Men- schen beseelt, welche verderblich, zerstörend und im Fluche wirkt, den Menschen zum Schaden dient und von Gott verdammt ist. In der Mitte aber zwischen den Extremen steht der Mensch frey, und diese Freyheit ist die Gabe Got- tes, welche den Menschen zur Selbstbestimmung befähigt und ihn zum Schöpfer seiner Thaten und Werke macht. Der Mensch kann sich nun zum Fluch oder Segen wen- den. Jenes ist seine Schuld, dieses sein Verdienst. So lange er innerhalb der Gränzen stehen bleibt, in welchen das Böse zwar seine verschiedenen Wurzeln treibt, aber doch das religiöse christliche Princip nicht verläugnet wird, so lange mögen zwar alle Richtungen des Bösen, vom Ele- ment der Eigenliebe an durch Laster und Verbrechen bis zur abgefeimten Bosheit, sich in ihm ausbilden, aber er hat doch noch seinen Stützpunkt am christlichen Prinzip nicht verloren, und kann sich an ihm wieder aufrichten. Geht der Mensch aber in das negative Extrem selbst über, wo die Natur umbeugt in die Unnatur, dann wird er ein Eigenthum des Satans. Er übergibt sich ihm in einem förmlichen Bunde, schwört das christliche Princip förmlich ab, und sein ganzes Leben wird Scheusal und Fluch. Aber dann wirken auch die Kräfte der Unnatur in ihm und durch ihn auf eine Weise, welche dem naturge- mäßen Wirken nicht mehr analog ist. Dieß ist dann die Magie der dem Zauber er- gebenen Personen, welche aus eigener Lust sich zu Werkzeugen des Satans gebrauchen lassen . Es scheint überhaupt, daß der Satan, ein so gewalti- ger Feind der Menschen er auch ist, dennoch keine Macht hat, durch sich selbst den Menschen zu schaden. Daher nennt das Evangelium den Satan gewöhnlich nur den Ver- sucher und Verführer, nicht den Thäter und Verbrecher selbst. Er bedarf nothwendig eines menschlichen Wil- lens , um Uebels in der Welt zu stiften; er bedarf eines Organs, wodurch seine atomistische Kraft mit der mensch- lichen Natur vermittelt wird. Viele Menschen dienen ihm zwar unwillkührlich und unbewußt dadurch, daß er ihre Leidenschaften aufreizt und sie nach und nach an den Rand des Abgrunds führt, aber dabey bleibt seine Herrschaft immer noch ungewiß, weil ein einziger Wurf des Schicksals ihm diese Menschen wieder entreißen und vom Verderben retten kann, was unzählige Male in der Welt geschieht. Bekommt er aber Menschen in seine Gewalt, die aus eigenem Antrieb und aus innerer Lust die Werke der Finsterniß lieben und suchen, wie Judas Ischa- rioth , die sich an ihn verkaufen, einen freywilligen Bund mit ihm eingehen und ihm ihren Willen unbedingt zum Ge- horsam leihen, dann erst ist seine Herrschaft gesichert, und dann erst vermögen die Kräfte der Unnatur in die Welt hereinzuwirken. Aber wehe diesen Menschen! Man kann von ihnen sagen, was Christus vom Ischarioth sagt: „Es wäre ihnen besser, sie wären nie geboren.“ Aus diesen Sätzen ergibt sich, daß der böse Wille des Menschen sich mit der magischen Kraft des Satans verbinden müsse, wenn es zu Werken der Verzauberung kommen soll . Was nun die Erscheinungen des Zaubers betrifft, die sich in den Volkssagen, mit vielem Unsinn vermischt, seit vielen Jahrhunderten fortpflanzen, und die ich hier nicht speciell berühre, so läßt sich ein großer Theil davon auf die Macht reduziren, „ sich überall hin versetzen zu können, entweder auf unsichtbare Weise oder un- ter den dem Menschen ungewöhnlichen Formen .“ Die vielerley Hypothesen, welche die Schriftsteller theils aus den Protokollen und Geständnissen, theils aus den Rechts- consilien hierüber geschöpft haben, lasse ich hier gleichfalls zur Seite liegen, und berühre blos die Frage über die Möglichkeit einer solchen Versetzung . Aus den Sätzen über die Unnatur geht hervor, daß es über der negativen Gränze der menschlichen Ordnung We- sen geben könne oder müsse, welche keine aus Fleisch und Blut organisirte Leiber, sondern nur Scheinkörper haben, die sie vermittelst der individualisirenden Lebenskraft aus Atomen beliebig zusammensetzen und wieder auflösen kön- nen. Diese atomistischen Körper sind von uns sinnlich nicht wahrnehmbar, obgleich sie der Lebenskraft als Organe zu Bewegung und Handlung eben so gut dienen, als die or- ganisirten Körper. Diese Wesen sind die Dämonen . Die Erscheinungen des Somnambulismus belehren uns zur Genüge, daß Seele und Geist abwechselnd sich außer dem Leibe versetzen und nicht nur in die Ferne sehen, son- dern auch in die Ferne wirken und sich mittheilen können. Bey der Seherin von Prevorst kam dieses öfters vor, und merkwürdig ist ihre Unterscheidung hiebey, daß das Heraus- treten des Geistes, wie bey dem Anklopfen bey Dr. Ker- ner , durch den festen Willen im tiefen magnetischen Zu- stande, das Heraustreten der Seele aber, wie bey dem Tode ihres Vaters, aus Kummer und Sehnsucht gesche- hen sey. Die Erklärung dieser Erscheinung beruht auf den Eigen- schaften des Nervengeistes, welcher, als Verbindungsglied zwischen Seele und Körper, das wirksame Agens aller Be- wegung ist. Versetzt sich nun der Geist oder die Seele au- ßer dem Leib, so geschieht es immer nur in Begleitung des Nervengeistes, der als plastisches Princip, dem Willen un- terthan, sich auf mannigfache Weise wahrnehmbar machen kann. Nach dem Tode bleibt, nach der Seherin, der Ner- vengeist als ätherische Hülle mit der Seele vereint, und vollführt, insofern die Seele zum niedern Geisterreich ge- hört, noch manche den Sinnen vernehmliche Bewegung. Das Heraustreten von Seele und Geist setzt aber immer einen Zustand voraus, in welchem das Band beyder mit dem Leib viel loser geworden ist, als im natürlich wachen- den Leben. Dieser Zustand ist auf doppelte Weise möglich. Die mensch- liche Natur wird in Beziehung des organischen Leibes an ihren beyden Gränzen oder Extremen in gleiche Wirkungen versetzt. An der positiven Gränze, wo sie in die Verklä- rung übergeht, wie es im magnetischen Leben der Fall ist, lösen sich Seele und Geist weit leichter vom Leib, als im natürlich-wachenden Zustand. Dieß ist aber auch der gleiche Fall an der negativen Gränze, wo Seele und Geist in das Scheusal der Unnatur übergehen. Die festeste Verei- nigung des Leibes mit Seele und Geist ist nur da, wo die Glieder jener Proportionen, nämlich der physischen, orga- nischen und moralischen Ordnung, mit einander harmonisch vereinigt sind, d. h. wo sie am weitesten von den Extre- men abstehen. Alles dieß erwogen, liegt die Annahme nicht ferne, daß der Teufel solche Menschen, die sich ihm mit Seele und Leib ergeben, in solche Zustände versetzen könne, daß sie nicht nur unabhängig vom Körper wirken, son- dern auch, da er durch seine atomistische Kraft ihrem Willen irgend einen Scheinkörper anbil- den kann, unter verschiedenen und ungewöhn- lichen Formen, die jedoch nur Blendwerke sind, erscheinen können . Die Existenz des Zaubers wurde bisher nur als eine hy- pothetische Möglichkeit angenommen, unerachtet wir eine solche Masse beglaubigter Thatsachen vor uns liegen ha- ben, daß es schwer wird, an seiner factischen Wirklichkeit zu zweifeln. Uebrigens mag sich über solche Dinge jeder nach Belieben seine Ueberzeugung bilden. Die unsrige hat sich nicht nur aus Thatsachen, sondern auch aus theoreti- schen Gründen gebildet. Wir geben sie auf der Stelle auf, sobald man uns beweist, daß beydes falsch und irrig ist. Aber wir geben sie nicht auf, wenn blos das fade ratio- nalistische Geschwätz oder die vornehme Ignoranz, die sich Aufklärung nennt, sich einer Autorität in dieser Sache an- maßen und über die Thatsachen erheben will. Beleuchtung der Einwuͤrfe gegen Besitzung und Zauber . Ueber die theoretischen Sätze von Besitzung und Zauber werden alle diejenigen lächeln, die sich weise dünken, d. h. solche, die sich in den Vernunft- und Naturzusammenhang so hineingelebt haben, daß sie schon über die Möglichkeit, daß es anders seyn könne, einen Schauder bekommen. Sie haben an ihrer Wissenschaft eine Art Streichmaas, womit sie alles das, was über den Scheffel geht, welchen ihr Geist zu tragen im Stande ist, wegstreichen. Sie verste- hen mit Hegel die große Kunst, wie der Geist das Ge- schehene ungeschehen, oder das so Geschehene anders machen könne. Sie sind es, welche vor dem Gedanken einer Un- natur erschrecken, dafür aber den Menschen immer auf sanf- ten Fittichen in den Himmel hinüberwiegen und ihn ganz wohlfeilen Kaufs in die Seligkeit einführen. Das große Gegengewicht, das der Fürst der Welt und der Finsterniß an der Wage unserer Schicksale hat, ahnen und erkennen sie nicht, und brauchen somit auch keine Waffen dagegen. Den Himmel hätten sie wohl gerne, aber ohne die Mühe des Kampfes, der Hölle zu entgehen. Das Eine ist jedoch nur durchs andere möglich. Das Licht des Himmels tritt nur am Schatten der Hölle ganz hervor, und das Evan- gelium, welches die höchste Proportion des Geistes in sich faßt, zeigt uns die Hölle als das negative Extrem dersel- ben. Diese große Proportion hat die Philosophie noch nicht studirt, und stümpert blos an den Verhältnissen des Lebens herum. Hegel überhebt sich dieser Mühen auf eine ge- schickte Weise. Er verlegt den Himmel des Jenseits in das Diesseits, und dadurch entschlägt er sich auch der Hölle mit einem Federzug. Denn wer keinen Himmel hat, braucht auch keine Hölle. Consequent ist ein solcher Gedanke, aber kaum des Nachdenkens werth. Die Einwürfe, welche gewöhnlich gegen Besitzung und Zauber sich erheben, sind verschieden nach den Gesichtspunk- ten, von welchen Jeder ausgeht. Sie lauten: Von Seiten des Juristen : „Die gerichtlich erhobenen Thatsachen sind unsicher, theils wegen der Präsumtionen der Richter, die meistens aus den Inquisitionsgerichten ge- nommen waren, theils wegen der durch Gewaltmittel er- preßten Geständnisse.“ Von Seiten des Pathologen : „Die Zufälle der Be- sitzung gehören größtentheils zu den Nervenanomalieen.“ Von Seiten des Psychologen : „Die Erscheinungen von Besitzung und Zauber sind bald Simulation, bald fixe Idee.“ Von Seiten des Philosophen : „Die Erscheinungen widerstreiten dem Vernunft- und Naturzusammenhang.“ Von Seiten des Theologen : „Die Zulassung einer dämonischen Gewalt bey unschuldigen Menschen verträgt sich nicht mit der Güte und Gerechtigkeit Gottes.“ Unsicheres richterliches Verfahren . Die Juristen haben ihren Thomasius, welcher in seiner Inaugural-Dissertation „de Crimine Magiæ“ sich zuerst an die Spitze derjenigen Partey stellte, welche das Zau- berwerk für null und nichtig erklärte, obgleich seine Haupt- gründe, daß deswegen kein Bund existire, weil der Satan keinen Leib annehmen könne, ein Be- trüger sey, und daß kein Nutzen dabey heraus- komme , von wenig Bedeutung sind. Von Bedeutung dagegen sind zu damaliger Zeit die Prä- sumtionen der Richter, welche auf das richterliche Verfah- ren in Dingen, wo so selten ein vollständiger juridischer Beweis zu erzielen ist, schädlich einwirken mußten. Die Natur des Verbrechens ist von der Art, daß der Thäter nie auf der That ertappt, von Zeugen überführt und durch die gewöhnlichen Criterien ausgemittelt werden kann. Ver- dachtsgründe aber geben blos eine moralische Ueberzeugung, aber keinen juridischen Beweis. Und so scheint in dem frühern Verfahren an die Stelle des juridischen Beweises immer die moralische Ueberzeugung getreten zu seyn, was den factischen Bestand des Verbrechens höchst ungewiß macht. Bedeutender noch in ihrer Nullität sind die durch Tortu- ren erpreßten Geständnisse. Denn da selbst die freyen Geständnisse eines Verbrechens nur dann den juridischen Glauben verdienen, wenn die That durch andere Umstände ihre factische Richtigkeit gewinnt, so können erpreßte Geständnisse um so weniger genügen. Am bedeutendsten aber ist der Einwurf, daß die freyen Geständnisse von einem Wahn herrühren können, als hät- ten diese Personen das wirklich an ihrem Kör- per erlebt, durch ihren Willen beschlossen und durch ihre Hände ausgeführt, was blos ein ihrer Phantasie vorgespiegeltes satanisches Blend- werk sey . (Dieser Einwurf wird noch später berücksichtigt.) Soll das richterliche Verfahren in Dingen der Zauberey sich über alle Einwürfe erheben, so muß es folgende Ei- genschaften haben: 1) Der Bestand der Thatsachen muß durch eine förm- liche Untersuchung erhoben und in ein Protokoll verfaßt werden. 2) Sind es mehrere schuldige Personen, so müssen ihre abgesonderten Verhöre zu Geständnissen führen, welche in den Thatsachen völlig übereinstimmen. 3) Die Depositionen der Zeugen müssen die angegebenen Verbrechen bestätigen, wodurch der Verdacht, daß die Ver- brechen blose vorgespiegelte Blendwerke seyen, am besten gehoben wird. 4) Der Richter muß nicht nur sich aller Gewalmittel und Ueberredungskünste enthalten, sondern auch durch Schär- fung des Gewissens und religiöse Ermahnungen die Schul- digen zu freyen Geständnissen mit unermüdeter Geduld zu bewegen suchen. 5) Einen geschärften Grad von Wahrheit erhalten die freyen Geständnisse, wenn sie von Reue und Leid über die begangenen Missethaten und von der Aeußerung, daß sie jede Strafe wohl verdienen, begleitet sind. 6) Die Acten müssen in Consilien erwogen und durch ein förmliches Rechtsurtheil nach dem Bestand der Gesetze be- schlossen werden. Sind nun vollends die Angaben über die Natur des Verbrechens mit den Protokollen der vorhergehenden Jahr- hunderte und bey den verschiedensten Völkern gänzlich con- form, so werden wir über die factische Wahrheit nicht mehr im Ungewissen seyn. Gerade von dieser Qualität sind die Protokolle und ju- ridischen Facultäts-Consilien, welche der Zufall in unsere Hände gespielt hat und aus welchen sich auch die theore- tischen Momente über den Zauber gebildet haben. In ih- nen sind alle Erfordernisse erfüllt, alle obige Einwürfe ge- hoben, und alles, was dem frühern richterlichen Verfah- ren aus den Zeiten der Inquisition zur Last fällt, ist weg- geräumt. Dennoch wollen wir das Siegel nicht lösen, womit unser aufgeklärtes Jahrhundert diese Geheimnisse ver- siegelt hat, sondern die Sache blos als eine philosophische Aufgabe würdigen. Aus Allem aber erhellt, daß ein förmlicher Contrakt mit dem Meister der Unnatur keine blose Fiction der Dichter ist, und daß die Faustianer dieses Reich bey weitem noch nicht in jenen tiefern Beziehungen erfaßt haben, in wel- chen die satanische Ironie und Prostitution mit der Men- schennatur liegt. Statt daß jetzt die Juristen einen solchen Contrakt als einen verpönten Rechtshandel von sich weisen, kann man sich vielmehr darüber wundern, daß sich noch keine Rabbulisten aufgeworfen haben, welche dem Satan sein Recht, das er durch einen förmlichen Contrakt auf Leib und Seele seiner Clienten sich erworben , als jus quæ- situm vor den ordentlichen Gerichten vindiciren. Denn da er doch Persona publica ist und als Fürst der Welt, wie wir aus der Versuchungsgeschichte wissen, Reiche und Herr- lichkeiten zu verschenken hat, so ist es doch auffallend, daß ihm noch kein privilegirter Gerichtsstand eingeräumt ist, vor welchem seine Anwälte plaidiren. So viel ist gewiß, daß er vor einem absoluten Forum die meisten Prozesse gewin- nen würde. Da ihm aber das öffentliche Libelliren noch nicht gestattet ist, so muß er sich freilich auf die Politik beschränken, durch Suggestionen die Zaubereyen für Fabeln zu erklären und ihre Prozesse sogleich zu aboliren. Gibt es aber wirklich einen Contrakt der Art, so ist ein anderer Umstand der größten Aufmerksamkeit des Richters werth, nämlich daß die gewöhnlich schon in früher Jugend verführten, verblendeten und betrogenen Menschen, die als verlorene Seelen zu betrachten sind, noch zu rechter Zeit zu Erkenntniß ihrer Sünden und zur Reue und Bekehrung gelangen, um ihrer ewigen Bestimmung genügen zu kön- nen. Und dazu ist nur, wie wir aus unsern Protokollen ersehen, ein nach den obigen Qualitäten eingerichtetes rich- terliches Verfahren geeignet. Nerven-Anomalieen . Der Patholog hat auch eine Rubrik „Insgemein,“ in die er solche Erscheinungen einschiebt, die sich unter keine feste Grundsätze bringen lassen, welche sich aber doch brau- chen läßt, um das Unverstandene wenigstens durch das Wort verständlich zu machen, nicht aber der Sache nach zu erklären. Was im Innern des Organismus vorgehen muß, bis es zu einer Epilepsie, Catalepsie, St. Veitstanz, tonischen und klonischen Krämpfen, und zu dem großen Heer der hysterischen und hypochondrischen Zufälle kommen kann, weiß die Pathologie nicht. Die Nerven im Zusam- menhang mit den Gefühlen gebähren die Krankheiten des Gemeingefühls; die Nerven im Zusammenhang mit der Ein- bildungskraft gebähren die Visionen, Phantasmen, Ge- spenster und Schreckgestalten, welche der Seele ein objecti- ves Daseyn vorspiegeln, aber keines haben. Obgleich dieß nur in den Träumen der Fall ist, so kann doch ein solcher Zustand auch in das wachende Leben fallen und in ihm eine Reihe gleichförmig wiederkehrender Erscheinungen kör- perlich und geistig hervorbringen, welche, da uns die ge- heimen Kräfte und Gesetze verborgen sind, uns außerna- türlich scheinen und uns das Bild eines Besessenen auf- dringen. Ist die Einbildungskraft so lebhaft, daß sie die Vorstellung ganz verdrängt, so kann sie den Zusammenhang der wahren Persönlichkeit mit der Außenwelt gänzlich auf- heben, und alsdann tritt die Vision als falsche Persönlich- keit ganz in das Bewußtseyn und spielt daselbst kürzere oder längere Zeit so gut ihre Rolle, als wäre sie die wahre Persönlichkeit. Dem Umstehenden kommt es dann so vor, als wäre ein Dämon in die Person gefahren, während blos eine Vision Persönlichkeit annahm. Dieß ist der Er- klärungsgrund von den Scenen und Erscheinungen bey dem Mädchen von Orlach und der Frau U .. n von J .. m. Ihre Dämonen waren nichts anders, als persönlich gewor- dene Visionen. Spielt ja der Irre die Rolle eines Königs oder Kaisers oder gar unsers Herrn Gottes mit großer Con- sequenz und bey anscheinender Gesundheit durch, warum sollte das Gleiche nicht in periodischen Uebergängen mög- lich seyn? Eben so ist es der Erklärungsgrund der Geständnisse jener Personen, die sich für Zauberinnen halten. Sie glauben das wirklich erlebt und gethan zu haben, was blos eine in ihnen persönlich gewordene Vision war, die ihre ganze Seele einnahm. Dieß wird ungefähr auf diesem Standpunkt der stärkste und umfassendste Einwurf seyn, den wir zu beantworten haben. Wir geben zu, daß eine Vision eine solche Intensität er- reichen könne, daß sie nicht nur das Ich aus seiner Stelle verdrängt, sondern auch das ganze Nervensystem in Be- wegung setzt, und zwar in solche, welche mit der Vision übereinstimmt. Aber diese Vision muß dann doch auf ei- genem Boden gewachsen seyn und darf der Gemüthsart und dem moralischen Charakter nicht widersprechen. Wenn wir nun bey gutartigen, nie überspannten, vielmehr sehr einfachen und christlichen Personen auf einmal Hohn und Spott gegen die Menschen, und die ärgsten Lästerungen gegen Gott, Christum und die Religion ausstoßen sehen, sie mit einer rauhen Baßstimme reden hören, wenn sich vor Augenzeugen Dinge ereignen, die nur von fremder, unbe- kannter Hand kommen konnten, wenn vorher verkündete Thatsachen eintreffen und die Geschichte sich in solche Sce- nen verwickelt, welche die Erfindungsgabe und die Diction dieser Personen weit übersteigen, so werden wir wohl ge- noͤthigt seyn, einen andern Erklärungsgrund aufzusuchen. Dieß war nun wirklich bey dem Mädchen von Orlach der Fall. Was hingegen die Frau U .. n von J .. m und die mei- sten übrigen Geschichten betrifft, so war von keiner Vision die Rede. Der natürliche Zustand wechselte mit dem un- natürlichen ohne irgend eine Vision oder Phantasma. Der unnatürliche trat gewöhnlich sogleich ein, wenn man fromme Worte an die Person richtete, und hörte auf den Ruf des Schutzgeistes plötzlich auf, während sonst kein Mittel vor- handen war, ihn zu vertreiben. Die Frau gab nicht nur mit Namen und Personalien einen Verstorbenen an, den sie erwiesener Maßen nie kannte, sondern seine Gesichts- züge, wie er sie im Leben hatte, drückten sich zugleich in ih- rem Gesichte ab. Dieß geht weit über eine Vision. Auch läßt es sich nicht mit einer Vision reimen, daß der Zustand, welcher nach den frühern Exorcismen immer wie- derkehrte, nur auf einen solchen ausblieb, der das Weib auch für die Zukunft verwahrte. Uebrigens muß man den Verlauf der Sache selbst gesehen haben, um dem nichtigen Wort einer Nervenanomalie mit Vision den Ab- schied zu geben. Aber eben so wenig reicht jene Hypothese zu, die zum Kreise der Zauberey gehörigen Erscheinungen zu erklären. Wären es blose Geständnisse von gesehenen und gehörten Scenen, so möchte es noch gehen; aber da, wo die Aus- sage mit einer in der Wirklichkeit substantiell gewordenen Handlung übereinstimmt, hört Vision und Phantasma auf. Simulation . Daß besonders Frauenzimmer sich leicht in eine andere Rolle einstudiren, eine fremde Individualität absichtlich an- nehmen, in allen Actionen und Reden nachahmen und mit großer Consequenz durchführen können, ist kein Zweifel, aber es müssen unreine Triebfedern zum Grunde liegen. Wo Geld, Ehre, Aufsehen oder irgend ein Vortheil zu ge- winnen ist, da dürfen wir wohl auf Verstellung rathen. Wo aber dieß Alles fehlt, vielmehr nichts als Kosten, Sorgen, Jammer und üble Nachreden einzuernten sind, da werden wir uns hüten, an Simulation zu denken. Dieß war auch bey den beyden ersten erwähnten Personen so sehr der Fall, daß wohl Niemand, der sie kannte, den Gedanken an Verstellung haben konnte. Die guten Prä- dicate, das ganze Benehmen, die bittern Klagen über ihr Schicksal, Gebet und Fasten, wie bey der U .. n, die sehn- lichsten Bitten um Hülfe, das strengste Erfüllen aller Ge- bote sind lauter sprechende Beweise dagegen. Simulation kann nur bey Besessenen angenommen wer- den; denn daß sich eine ehrbare Frau zur Zauberin verstel- len wird, wird wohl kein Mensch im Ernste behaupten. Fixe Idee . Könnte nicht die Macht der fixen Idee, die Rolle einer Besessenen oder Zauberin zu spielen , eine Person von Jugend an so sehr beherrschen, daß diese Idee sie zu allen den Visionen, zu den Selbstanklagen ver- übter Verbrechen, zu den Verführungen Anderer, zu den Gotteslästerungen und zum Reiigionshaß, ja endlich bis zum Scheiterhaufen führen könnte, während diese Personen sonst sich sehr klug benehmen und jedes Geschäft verrichten? Dagegen sprechen überwiegende Gründe: 1) Eine solche fixe Idee wäre so alt, als die erste Urkunde des Menschengeschlechts. Denn schon in der Mosaischen Gesetzgebung steht Exod. C. 22, V. 18. „Die Zauberinnen sollt ihr nicht leben lassen.“ In den ältern Schriften fin- den wir alle die magischen Künste in ein förmliches Sy- stem gebracht und alle die Sammlungen zeigen uns, daß dieses geheime Uebel von den ältesten Zeiten in einer steten Reihenfolge bis auf unsere Zeiten sich geschichtlich nachwei- sen läßt. Diese fixe Idee muß demnach nicht blos ein pe- riodisches Uebel, wie etwa die Cholera, sondern ein statio- Kerner , über Besessensenn. 12 näres des menschlichen Herzens seyn, was ihrer Natur wi- derspricht, da sie nie einen allgemeinen Charakter annimmt. 2) Diese Personen läugnen, wie aus den Protokollen er- hellt, anfangs sehr hartnäckig, gestehen, widerrufen und gestehen wieder. Dieß ist gegen die Natur einer fixen Idee, die eben, weil sie fix ist, sich getreu bleibt. 3) Die Angaben harmoniren mit den Thatsachen, und dieß unter Umständen, wo das verübte Uebel einer blos natürlichen Ursache und nicht dem Zauber zugeschrieben wird. Dieß verträgt sich nicht mit der Beschaffenheit einer fixen Idee. 4) Wenn in der Jugend verführte Kinder unbefangen erzählen, was sie sahen und erfuhren, und Dinge beschrei- ben, welche weit über ihren Horizont gehen, und nicht aus ihnen selbst als Fictionen, Visionen und Phantasmen her- vorgehen konnten, wenn diese Beschreibung mit allen an- dern Geschichten genau übereinstimmt, so muß wohl dieser Uebereinstimmung ein faktischer Bestand zum Grunde lie- gen, was die Annahme einer fixen Idee gänzlich zurückweist. 5) Da der Charakter der fixen Idee darin besteht, daß ihr Inhalt nicht mit der Wirklichkeit und mit dem festen Anschauungsgesetz von Raum und Zeit übereinstimmt, also unwahr ist, so kann die strenge Consequenz der Verbrechen, die im Namen des Teufels verübt werden, eben so wenig eine fixe Idee seyn, als es die Consequenz frommer Hand- lungen im Namen Gottes ist. Wollte man es so weit treiben, so würde man zuletzt Mühe haben, die fixe Idee von der gesunden Vernunft zu unterscheiden, und der Mensch würde sich selbst zu einer Ironie machen. Daß bey Verbrechen die fixe Idee einen Causal-Zusammenhang mit der Wirk- lichkeit habe, hat wohl noch kein Mensch behauptet. 6) Am meisten aber widerspricht der Annahme einer fixen Idee, daß die Depositionen der Zeugen mit den in beyden Protokollen eingestandenen Vergehen genau übereinstimmten. Denn wir müßten im andern Falle annehmen, daß die fixe Idee ihre unbegreifliche Ansteckungskraft auf alle die vor Gericht geladenen Zeugen ausgebreitet hätte, — eine Mei- nung, die gefährlicher wäre, als das Hexenwerk selbst. Für das Verbrechen selbst müßte übrigens das richterliche Urtheil sehr gelind ausfallen. Die Person ginge frei aus, und nur die fixe Idee müßte auf dem Scheiterhaufen ver- brannt werden. Vernunft- und Natur-Zusammenhang . Die Rationalisten meinen, wenn sie den großen Gesetzes- plan von Vernunft und Natur in eine Wagschale legen, und alle Thatsachen der Hexenprotokolle in die andere, so müsse das schwere Dogma zuverlässig das leichte Hexen- werk wegschnellen. Aber so ist es nicht, die Thatsache wiegt weit schwerer, als alle Dogmen zusammengenommen. Es ist ein Wahn, wenn man glaubt, man dürfe die That- sache entweder läugnen oder wenigstens so beschneiden, daß das Dogma ihm anpaßt. Vielmehr steht die Macht des Geschehens über allem Raisonnement, und die Theorie muß sich so lange strecken, bis sie die Thatsache erreicht. Was von dieser Sache zu halten ist, habe ich in frü- hern Sätzen deutlich auseinander gelegt, und es wäre Ueber- fluß, die gleiche Ansicht hier wieder vorzubringen. Ich be- merke hier nur den Hauptpunkt, um den sich das Ganze dreht. Der Vernunft- und Natur-Zusammenhang gilt nur für die Ordnungen, in welche der Mensch gestellt ist, nämlich die physische, organische und intelligible Ordnung. In je- der dieser Ordnungen ist eine Proportion von Potenzen, welche in ihren Gliedern zwar einen mannigfaltigen Wech- sel gestattet, aber sie doch gebunden hält. In der physischen Ordnung bilden diese Proportion: Schwere, Wärme und Licht; in der organischen: Reproduction, Irritabilität und Sensibilität, und in der intelligibeln: Denken, Fühlen und Wollen. Diese drey Reihen von Potenzen konstituiren die innere und äußere Natur des Menschen und stehen unter bestimmten sowohl logischen Vernunft- als physischen Na- turgesetzen, die durch alle Ordnungen einen Zusammenhang bilden. Aber eben in diesem Zusammenhang binden die Glieder jeder Proportion und die Potenzen der Ordnungen einander, und daher kann keines sich seiner Natur nach frey äußern. So verhält es sich in dem Mittelglied der mensch- lichen Natur, in welchem sich alle Kräfte indifferenziiren. Aber anders verhält es sich in den Extremen. Die Kräfte isoliren sich, ihre Bindung hört auf, und jede kann sich nun frey ihrer Beschaffenheit nach äußern, und dadurch müssen ganz andere Wirkungen zum Vorschein kommen, als innerhalb des Zusammenhangs. Diese beyden Ertreme sind die Unnatur und Uebernatur. In der ersteren wirkt die Schwere in ihrer atomistischen, Alles durchdringenden Kraft, sie ist an keine Leiblichkeit gebunden, und das Lebensprincip, das sich in ihm individualisirt, bildet lauter Scheinkörper, die sich blos wie Luftgestalten figuriren, aber, wie die mag- netische Kraft, sich gewöhnlich den Sinnen entziehen. Steht diese atomistische Kraft einem Willen zu Gebote, der durch irgend eine Vermittlung in die Natur hereinwirken kann, so entstehen Wirkungen, welche den Naturzusammenhang aufheben, und dieß ist nun das, was wir magische Kraft nennen. Der Satan ist der Meister der Unnatur. Ihm gehört das Reich der isolirten Schwere oder, was das Nämliche ist, der Finsterniß. Er gebietet über jene atomistische Kraft, und vermittelst des Lebensprincips vermag er sich in allen Scheinkörpern zu individualisiren. Steht ihm nun ein frem- der Wille zu Gebote, mit dem er seine Macht vereinigen kann, so wirkt er durch diesen in die Natur herein, und so entsteht der Zauber . Umgekehrt verhält es sich in der Uebernatur. In ihr isolirt sich die Lichtkraft und wirkt in ihrer Freiheit. Sie ist auch an keine Leiblichkeit gebunden, aber das Lebens- princip individualisirt sich in ihm zu lauter Idealen, wie in der Unnatur zu lauter Scheusalen. Diese beyden Kräfte stehen auch einem Willen zu Gebote, und wo diese drey zusammentreffen, da ist das Reich der Engel und Christus ihr Herrscher. Auch von diesem Reiche aus vermitteln sich die Kräfte mit der menschlichen Natur, sobald der Wille des Menschen im lebendigen Glauben sich ihren Einflüssen öffnet. Diese Einflüsse überwältigen zwar auch die Natur- gesetze, aber sie sind immer wohlthätiger und segenvoller Art, während diese der Unnatur immer zerstörend und im Fluche wirken. Und nun glaube ich den Einwurf, daß Besitzung und Zauber nichtig seyen, weil sie gegen den Vernunft- und Natur-Zusammenhang streiten, in den Hauptpunkten wi- derlegt zu haben. Goͤttliche Zulassung . Die Frage: Wie reimt sich Besitzung und Zauber mit der göttlichen Güte und Gerechtigkeit? ist allerdings unter allen Einwürfen einer der wichtigsten, und wir sind ganz mit der Ehrfurcht einverstanden, daß lieber alle die erwähn- ten Thatsachen und ihre Protokolle zu nichte gemacht wer- den, als daß jenen göttlichen Eigenschaften Abbruch ge- schehe. Aber zum Glück hat sich bisher alles Böse in der Welt und alle Uebel und Gebrechen der Menschheit mit der göttlichen Zulassung, und unbeschadet der Güte und Gerechtigkeit, vereinigen lassen, und so ist es auch des Versuches werth, die Teufeleyen unter diesen Gesichtspunkt zu stellen. Eine Stimme, die, wie man zu sagen pflegt, schon vor dem Streich ein Geschrey erhebt, läßt sich auf folgende Weise vernehmen: „Die neueste Teufelslehre (nämlich diese, welche Besitzung und Zauber annimmt) greife die Gottheit in ihrer Wesenheit an. Sie (die Gottheit) ist allmächtig und läßt ihre Herrschaft dem Verworfensten. Sie ist die unendliche Güte und gibt ihr Ebenbild in die Gewalt des furchtbarsten Feindes. Sie ist die heiligste Gerechtigkeit und treibt das willkührlichste Spiel mit der Höllenqual. Sie ist die unendliche Liebe und läßt die gebrechlichen Men- schen ganz aus ihrer Gnade fallen.“ Dieß sind die Paradesätze der Halbtheologen, welche das, was die innere Bewegung evangelischer Wahrheiten als Schaum auf die Oberfläche wirft, ablösen und zur Er- götzlichkeit dem Publikum in farbigen Blasen wiedergeben. Haben denn Christus, die Apostel und die Kirche, welche unverholen von der Macht des Satans und seinem Reiche sprechen und die Menschen vor seinen Tücken beständig war- nen, je an der Allmacht, Güte, Gerechtigkeit und Liebe Gottes gezweifelt? Es muß also doch beydes nebeneinan- der bestehen und dazu lassen sich wohl auch Sätze finden. Wie auch der Satan ursprünglich mag gestellt gewesen seyn, so erhellt doch so viel aus Allem, daß ihm eine große Sphäre der Freiheit anvertraut war und daß er aus Mis- brauch dieser Freiheit von Gott entfernt und verbannt wurde. Aber deswegen hört der Satan nicht auf, gleich den Men- schen unter der Gerechtigkeit Gottes zu stehen und nach sei- nen Werken gerichtet zu werden. Nicht undeutlich erhellt aus dem Evangelium, daß schon mancherley Gerichte über ihn ergangen sind. Unter diesen Gerichten ist auch das, daß er mit seinen Engeln vom Himmel auf die Erde ge- worfen wurde, und obgleich der Himmel dadurch voll Freude über seinen Sturz ist, so ist dafür der Erde ein um so grö- ßeres Wehe angekündigt. Er ist, wie das Evangelium sagt, der Fürst der Welt und der Finsterniß, und wie wir uns die innere Beschaffenheit eines solchen Wesens zu den- ken haben, habe ich aus den Extremen der Unnatur zu ent- wickeln gesucht. Aber seine Freiheit ist ihm deswegen noch nicht genommen, weil eben mit der Gerechtigkeit, Güte und Liebe Gottes die Freiheit nicht nur bestehen kann, son- dern bestehen muß, bis zu jenem Grad von Verworfenheit, wo die Strafe nothwendig den Verlust der Freiheit nach sich zieht. Der Satan ist jetzt noch nicht in den Abgrund gebun- den. Wer aber nicht gebunden ist, hat ein freyes Wirken und Thun. Ist nun die Freyheit überhaupt das höchste Gut, was dem Geisterreich verliehen ist, so muß auch die Wahl zwischen gut und böse ungehindert bestehen, damit Jeder der freye Schöpfer seiner Werke werden kann. Dar- aus ergibt sich als unmittelbare Folge die göttliche Zulas- sung des Bösen beym Satan wie bey dem Menschen. Der Satan ist nun wirklich der Fürst der Welt und der Finsterniß, aber seine Macht gehet hinein in die Ordnun- gen, in welche der Mensch gestellt ist. Es braucht hier keiner Erwähnung, daß die Allmacht Gottes ihn jeden Au- genblick zernichten könnte, aber eben dieses würde nicht mit den göttlichen Eigenschaften verträglich seyn, zufolge deren jeder Geist nur nach seinen Werken gerichtet wird. So ge- wiß die Gerechtigkeit dem weltlichen Richter nicht zuläßt, einen Menschen eines geringen Verbrechens wegen gleich an Freiheit und Leben zu strafen, so gewiß ist das auch bey der göttlichen Gerechtigkeit der Fall. Vielmehr sehen wir bey allen den verschiedenen Gerichten, welche den Sa- tan betroffen, zugleich auch das Recht mit der Gnade ge- paart, indem jedes Gericht ihm zugleich als eine neue Frist der Buße und Bekehrung dienen konnte. Wessen Schuld ist es dann, wenn diese Frist nicht benützt wird? Durch die erste Verführung der Menschen zog sich der Satan zwar den göttlichen Fluch zu, aber der Weg zum menschlichen Herzen war ihm nun für immer gebahnt. Aber auch die Menschheit soll nur nach ihren Werken gerichtet werden, und darum wurde ihr Loos auch ihrer Freiheit an- heimgestellt. Sie konnte diese Freyheit zum Guten und zum Gehorsam gegen Gott gebrauchen, und dazu hatte auch Gott an Erweckungsmitteln es nicht fehlen lassen. Sie konnte aber auch die Freiheit zum Bösen und zum Abfall von Gott misbrauchen, und dazu verleitete sie der Satan. So fiel nach und nach das Uebergewicht an der Wage der Freiheit auf die Weltsucht und Selbstsucht, und die ver- derbliche Folge war der allgemeine Götzendienst, die Skla- verey des Satans. Aus diesem Abgrunde konnte sich die Menschheit nicht selbst wieder herausziehen. Soll sie daher nicht verloren gehen, so muß Einer kommen, der sie rettet und wieder auf jene Stufe erhebt, auf welcher sie wieder ihrer Freyheit mächtig wird, um Seligkeit oder Verdamm- niß aus sich selbst zu erwerben an der Hand der Lehre und der Verheißungen. Dieser Retter ist Christus . Durch ihn ist die In- tegration der Menschheit wieder eingeleitet worden, und hiezu ist der einzige positive und untrügliche Weg die Wahr- heit des Evangeliums und der Glaube an den Namen des Herrn. Die Macht des Satans ist nun gebrochen so weit, daß er dem Namen Jesu und allen Glaubigen unterthan gemacht ist, und dieß ist doch wohl genug für den, dem sein ewiges Heil angelegen ist, aber im Uebrigen ist er noch der gleiche Menschenfeind und der gleiche Vater der Lügen und wird es auch bleiben, bis er in den Abgrund verworfen wird. So verhält es sich mit der Zulassung Gottes neben den Eigenschaften der Gerechtigkeit und Gnade in Hinsicht des Satans. Noch hat der Satan ein freies Wirken in die Welt her- ein aus seinem Reiche der Finsterniß, und dieß zeigt sich einerseits in der Zaubermacht durch Vermittlung des bösen Willens der Menschen, die er schon hier durch einen förm- lichen Bund zum Eigenthum macht, und andererseits in der politischen Lehensherrschaft über die Welt, worüber aber Gott sich das Gericht vorbehalten hat. Der Hauptpunkt, um den es sich dreht, ist, daß der Satan für sich keine Macht hat, der Menschheit zu scha- den, sondern nur durch den bösen Willen des Einen auf den Andern. Er ist nur der Verführer und Versucher, aber nicht der unmittelbare Thäter. Der böse Wille der Menschen aber muß zugelassen seyn, wenn der Geist frey seyn und nach seinen Werken gerichtet werden soll. Die Fragen um die göttliche Zulassung stehen daher ein- ander überall parallel. Fragt man, wie mag es Gott dulden, daß unschuldige Menschen der Besitzung und Zau- bermacht unterworfen sind? — so erwiedere ich: Warum fragt ihr nicht, warum es Gott dulde, daß Hunderttau- sende einem politischen Wahn zu lieb geopfert werden? Oder auch nur, warum er dulde, daß ein Mensch den andern beraubt und mordet? Die Antwort ist immer die gleiche, weil, wenn die Freiheit das höchste Gut ist, auch die Macht, Böses zu thun, damit bestehen muß. Es bleiben freilich zuletzt Geheimnisse zurück, die wir nicht er- gründen können, weil sie ihren Zusammenhang mehr mit der Heiligkeit Gottes als mit seiner Güte und Gerechtig- keit haben. Um diesen Zusammenhang zu fassen, dazu ge- hört, daß wir den Geschichtsplan nicht nur der Erde, son- dern des Weltalls verstehen müßten, was für uns unmög- liche Werthe sind. Fragen, wie diese, warum der Teufel nicht die vorneh- men Sünder und Gottesläugner ergreife? beantworten sich von selbst, — weil er sie schon hat. Wie sollte er diejenigen plagen, die sich ihm ergeben? Da wäre ja das Reich uneins und würde in sich zerfallen. Was kann dem Satan willkommener seyn, als daß der Glaube an Besitzung und Zauber aufgehört hat und er über- all freies Quartier findet, das wie mit Besen gekehret und geschmücket ist? Kerner , über Besessensenn. 13 Es ist allerdings gut, daß es keine Hexenprocesse mehr gibt, wie sie früher betrieben wurden; denn sie waren die Schmach der Justiz und der Menschheit, aber es ist nicht gut, daß jeder Ankläger sogleich in Gefahr kommt, als Verläumder gestraft zu werden, weil die Natur des Ver- brechens keinen juridischen Beweis zuläßt. Wohl mögen auch die Fälle viel seltener sein als früher, und dieß aus dem einfachen Grunde, weil der Religions- unterricht jetzt allgemein geworden ist, was er früher nicht war. Nach den Protokollen sind die Kinder schon in frü- her Jugend dazu verführt worden, und da konnte der Teu- felssamen Platz finden, weil noch kein christlicher ausge- streut war, aber jetzt treibt vielfältig der christliche den teuflischen aus. Doch wer mag dem Unkraut wehren, daß es nicht unter den Weizen sich mische? Sollen ja die Kin- der der Bosheit, welche der Teufel säet, neben den Kin- dern des Reichs, welche des Menschen Sohn säet, beste- hen und fortwachsen bis zur großen Ernte. Letztlich hat sich der Verfasser dieser Reflexionen noch vor dem unedeln Mißverstand, der seine Tücke in Verdrehung der Meinung nicht lassen kann, zu verwahren und spricht sich daher ganz frey über die abgehandelten Gegenstände aus: 1) An die Wirklichkeit der Besitzung glaubte er vor aller Untersuchung schon um des Evangeliums, der Kirche und der Thatsachen wegen, die ihm unbezweifelt scheinen. Seine theoretische Untersuchung, hauptsächlich über die Beschaffen- heit der Unnatur, führte ihn aber auch auf die innere Mög- lichkeit eines solchen Zustandes und auf eine Erklärung sei- ner Erscheinungen, und bestärkte dadurch den Glauben an seine Wirklichkeit. 2) Ob die erwähnten Geschichten streng genommen zu den Besitzungen in älterer Bedeutung gehören, mag wohl noch problematisch seyn, aber auf jeden Fall sind die den ältern Erfahrungen analogen Erscheinungen so stark darin nachgebildet, daß das Recht, sie unter die gleiche Rubrik zu bringen, nicht wohl verkannt werden kann. Dem Skepticismus lassen sie freilich genug Spielraum übrig, was unvermeid- lich ist, da die Natur oder vielmehr Unnatur des Gegenstan- des in Hinsicht auf Grund und Ursache mysteriöser Art ist und bleiben muß. Ohne Zweifel wäre es auch den Men- schen nicht gut, wenn es zur Evidenz käme, weil jeder darin frey bleiben soll, sich seinen Glauben und seine Lehre daraus zu nehmen, wie ihm beliebt. Indessen sind es rein beobachtete Phänomene, die schon ihrer Seltenheit wegen verdienen aufgezeichnet zu werden. 3) In Beziehung des Zaubers ging es dem Verf. ge- rade umgekehrt. Er glaubte nie an die Wirklichkeit des- selben, bis ihm ausführliche Protokolle, juridische Fakul- täts-Consilien und in diesen eine Menge Citaten älterer Schriftsteller zu Gesicht kamen, die ihn in seiner Meinung schwankend machten, und, wenn überhaupt ein formelles richterliches Verfahren in Erhebung von Thatsachen eine sichere Bürgschaft des Geschehens ist, schwankend machen mußten. Er ging nun zur Untersuchung über und fand, daß eine solche Richtung der Unnatur, wie sie der Zauber enthält, eben so gut stattfinden könne, als die Besitzung, und somit überzeugte er sich von seiner Möglichkeit. Dieß führte ihn natürlich auch auf die Prüfung der Dokumente, die seine Wirklichkeit bezeugen. Zu diesem Ende ging er eine ziemliche Reihe von Schrif- ten durch, die in den frühern Jahrhunderten sich mit die- sem Gegenstand sowohl dafür als dagegen beschäftigten. Mit den Resultaten dieser Schriften verglich er die Protokolle und die in denselben niedergelegten ganz freyen Geständ- nisse von sechs dem Zauber ergebenen Personen, und über- zeugte sich, nicht nur, daß die abgesonderten Verhöre der sechs Personen in Hinsicht der Thatsachen des Zaubers voll- kommen gleiche Angaben enthielten, sondern auch, daß diese Angaben mit dem, was die ältesten Schriftsteller davon aufgezeichnet hatten, völlig conform waren. Was die äl- tern Schriftsteller betrifft, so sind diejenigen, welche den Zauber verwerfen, auf eine kleine Zahl beschränkt, wäh- rend die entgegengesetzte Meinung sehr viele Verfechter zählt. Eines der Rechtsconsilien gibt die Zahl Jener mit Na- men auf Zwölf an, während Goldast in seinem Traktat: Rechtliches Bedenken von Confiskation ꝛc. Hundert und zwanzig aufzählt, welche für die Wirklichkeit des Zau- bers sich erklären. 4) Es konnte nicht fehlen, daß in jenen Zeiten, wo die- ser Gegenstand gleichsam an der Tagesordnung war, der menschliche Geist nicht zögerte, auch eine wissenschaftliche Berathung darüber anzustellen, und so bildeten sich drey Hypothesen, welche mit mehr oder weniger Glück jene Phä- nomene zu erklären suchten. Diese Hypothesen konnten übri- gens nicht tief gehen, da ihnen die Aufschlüsse des mag- netischen Lebens fehlten. Der Blick in die Unnatur fängt jetzt erst an, sich nicht nur dogmatisch, sondern wissenschaft- lich zu erweitern. Denn so lange die Philosophie nicht glaubt, was das Evangelium vom Satan und seinem dä- monischen Reiche sagt, — wie soll es zu einer Untersu- chung kommen? Die christliche Philosophie verlangt dieß, und darum habe ich mich nicht gescheut, diesen Gegenstand zu einem Problem zu machen. 5) Nach Allem, was der Verf. über diesen Gegenstand gesammelt, gedacht und verglichen hat, ist ihm wenigstens die frühere Wirklichkeit des Zaubers mehr als wahrschein- lich. Ob er jetzt noch fortdauert ist eine andere Frage. Denn da der Zauber, was sich von selbst versteht, nur unter göttlicher Zulassung besteht, diese aber in der Weisheit Gottes wohl ihre Gränze haben kann, so ist, da wenigstens neuere und zwar beglaubigte Thatsachen feh- len, darüber nichts zu entscheiden. 6) Was die Erscheinungen selbst betrifft, so sind sie blos als Scheusale merkwürdig, und sind in den fünf Haupt- zügen: Betrug, Häßlichkeit, Unzucht, Verführung und Got- teslästerung enthalten, und bezeichnen so recht das Reich der Unnatur, das immer darauf ausgeht, das Ebenbild- liche mit Gott zu verderben und die Menschen zu sich hin- abzuziehen.