INTELLIGENZBLATT DER ALLGEMEINEN LITERATUR-ZEITUNG vom Jahre 1797 . Wien d. 25. Febr. Heut früh starb hier Hr. Johann Friedrich Jünger an einer Lungenentzündung im 39. Jahr seines Lebens, bedauert von allen, die seine Talente und seine unerschütterliche Rechtschaffenheit gekannt haben. Den 23. starb hier nach einer langwierigen Krankheit an einer Leberverhärtung im 69. Jahr seines Alters Hr. Dr. C. Dejean berühmt durch seine vielen Reisen und durch den Commentar über Gaubius. Einige Zeitungen haben ihn fälschlich für früher verstorben ausgegeben. III. Oeffentliche Anstalt. Braunschweig . Unsre Waisenhausschule wird schon seit einiger Zeit auch von Judenkindern besucht. Um sie auch in den Stunden des christlichen Religionsunterrichts zu beschäftigen ist ein eigner Lehrer, der geschickte Can- didat Gieseke , angestellt, der in diesen Stunden mit ih- nen zweckmässige Bücher lieset, und damit keine Ab- sonderung entstehe, nehmen an diesen Stunden die Kin- der einiger angesehenen Christen, besonders einiger un- srer würdigsten Geistlichen Theil. IV. Erklärung. In dem 169. Stück des Intelligenzblatts der A. L. Z. 1796. habe ich eine vorläufige Nachricht von dem grossen Magnetberge, den ich im verflossenen Herbste im mittle- ren Deutschlande entdeckt, bekannt gemacht. Die Leb- haftigkeit, mit welcher vaterländische Naturforscher sich seitdem mit dieser und anderen verwandten Erscheinun- gen beschäftigt haben, beweiset, wie sehr der Geist der Nachforschung unter uns rege ist. Wichtigere chemische und physiologische Arbeiten, die ich unablässig zu ver- vollkommen strebe, hindern mich, jenem geologischen Phänomene eine grössere Musse zu widmen. Doch halte ich es für meine Pflicht in einer Sache, wo apodictische Entscheidung unmöglich ist, und wo der wahre Gesichts- punkt daher um so leichter verrückt werden kann, eini- ge Fragen, welche achtungswerthe Männer an mich ge- than, hiermit öffentlich zu beantworten. 1. Ist das Fossil, welchem jene auffallende, bis zu den kleinsten Atomen sichtbare Polarität adhärirt, wirklicher Serpentinstein? — Der magnetische Gebirgsrücken gehört zu der Serpentin- steinformazion . Er enthält sehr verschiedeue Lager von reinem lauchgrünen, an der Oberfläche verwittertem Serpentinstein , von Chloritschiefer, Hornblendschiefer , und Mittelgattungen, die an Syenitschiefer und Topfstein grenzen. Geognesten, welche die Gebirge in der freyen Natur beobachtet haben, werden sich über das Zusam- menseyn (Zusammenbrechen) dieser Fossilien nicht wun- dern. Auch sind die oryktognostischen Unterschiede hier ganz gleichgültig , da es eine Thatsache ist, dass sich von zwey Stücken, welche neben einander brechen, und in denen sowohl durch die Lupe, als nach kleinen che- mischen Versuchen kein Unterschied der Mischung zu bemerken ist, das eine wirksam, das andere unwirksam bezeigt. Dagegen üben oft zwey andere ganz heterogene Stücke, von denen das eine reiner Serpentinstein , das andere wahres Hornblendegestein ist, eine gleich starke magnetische Kraft aus. Hieraus folgt von selbst, dass so nothwendig die chemische Untersuchung jener Gebirgs- art auf regulinisches, nicht oxydirtes Eisen ist, so frucht- los jede Bemühung einer völligen Zerlegung seyn wird. Jede Felskuppe jenes Magnetberges würde andere Resul- tate geben. 2. Hat das Fossil oder vielmehr haben die Ge- birgsarten aus welchen der Magnetberg besteht, einen beträchtlichen Eisengehalt? — Bey der grossen Verschie- denheit der Mischung ist diese Frage weder zu bejahen, noch zu verneinen. Sollten auch Stücke entdeckt wer- den, die 40-60 p. C. Eisen enthielten, so könnte diese Entdeckung doch nur wenig Aufklärung geben, da meh- rere überaus wirksame Stücke, die ich auf Nicholson's Wage gewogen, kaum ein spez. Gewicht von 1,91. (Wasser=1) haben. Ein grosser Chemist, dessen An- sehen besonders in der analytischen Chemie allgemein anerkannt ist, meldet mir, dass er wirksame Stücke, in denen die Lupe nichts metallisches zeigte, untersucht und, wie ich, nur höchst oxydirtes Eisen gefunden habe. Hiedurch wird demnach bestätigt; was ich vor fünf Mo- naten, wenige Tage nach der ersten Entdeckung äusser- te; dass man sich die magnetische Kraft entweder dem vollkommenen Eisenkalche , womit das Fossil tingirt ist, oder den erdigten Stoffen adhärirend denken müsse. Der Um- stand, dass man bisher nur regulinisches oder höchst schwach oxydirtes Eisen magnetisch befunden hat, und die Erfahrung, dass die Wirksamkeit der Stücke oft im umgekehrtem Verhältniss zu ihrem Gewichte steht, spricht sogar für den letzteren Satz jener Alternative. 3. Ist sein eingesprengter Magnet-Eisenstein die Ursache jener magnetischen Polarität? — Unter den vielen Stük- ken, welche seit den letzten Monaten zerschlagen und untersucht worden sind, haben sich allerdings einige ge- zeigt, in denen Talk, Glimmer, gemeine Hornblende, dichter Feldspath, Schwefelkies und selbst Magnet-Ei- senstein eingesprengt ist. Herr Oberbergrath Karsten äussert sich hierüber in einem Briefe an mich auf eine Art, welche den Gesichtspunkt der Streitfrage sehr rich- tig bestimmt: „Ich sehe mit blossen Augen hier und da „sehr fein eingesprengten Magnet-Eisenstein, andere „sehen ihn wenigstens mit dem Mikroscop. Ich halte „diesen Magnet-Eisenstein aber für ganz zufällig und „schlechterdings für unzusammenhängend mit dem Haupt- „phänomen des Gebirgsrückens. Ich glaube, dass er „wenig oder gar keinen Einfluss auf die physikalischen „Ei- „Eigenschaften der einzelnen Stücke hat, denn sein quan- „titatives Verhältniss ist sehr unbedeutend und ich habe, „wie Sie, gesehen, dass jedes Stäubchen des erdigten „zerriebenen Pulvers des Fossils ohne alle Schwierigkeit „vom Magnet gezogen wird. Wie kann man nun glau- „ben, dass der sparsam eingesprengte Magnet-Eisenstein (der in so vielen Stücken ohnedies ganz fehlt) „die Ur- „sach jener interessanten Erscheinung seyn sollte?“ — Wie aber, wenn ausser diesem hier und da sichtbaren Magnet-Eisenstein ein anderer unsichtbarer so sein in dem Fossile zertheilt wäre, dass er sich in jedem zerpul- verten Stäubchen gleich gegenwärtig und wirksam zeig- te? Wer die Möglichkeit dieser Annahme mit der Er- fahrung von dem geringen spec. Gewichte der wirksam- sten Stücke und mit den chem. Erfahrungen, welche nur höchst oxydirtes Eisen verkündigen, zusammenreimen kann, der freilich ist für mich unwiderleglich! 4. Be- sitzt nicht aller Serpentinstein in einem schwächeren Grade einige magnetische Kraft? — Nicht nur einige Serpen- tine, sondern einige Abänderungen von Jade, Pechstein und Feldspath beunruhigen die Magnetnadel, da hinge- gen vieler fasrigter brauner Eisenstein sie nicht afficirt. Die Ursach dieses Phänomens verdient die genaueste Prüfung. Einer meiner mineralogischen Freunde, Herr von Schlottheim , hat hierüber eine schöne Experimental- untersuchung angefangen. Eigenthümliche Polarität habe ich bisher in jenen Fossilen noch gar nicht gefunden, doch halte ich das Daseyn dieser Eigenschaft für sehr wahrscheinlich. Dagegen habe ich Gelegenheit gehabt, in Deutschland und Italien sehr viele, weit verbreitete Lager von Serpentinstein und anderen dieser Formation untergeordneten Gebirgsarten zu beobachten, welche die Boussole gar nicht afficirten . Gäbe es Condensatoren und Duplicatoren des Magnetismus, wie man sie für die Electricität hat, so zweifle ich nicht, dass auch jene Ge- birgsarten einige Einwirkung geäussert hatten. Aber welch ein Unterschied zwischen einer solchen Krafsäusse- rung und der eines Hügels, welcher in 22 Fuss Entfer- nung den Pol der Magnetnadel invertirt —? 5. Ist der von dem verewigten Fichtel beschriebene Magnet-Serpen- tin von Pass Vulkan mit dem von mir beschriebenen iden- tisch? Nach Fichtels eigener Aussage sind beide bis jetzt von einander zu unterscheiden, da jener allemal Magnet- Eisenstein in Körnern eingesprengt enthält. Neue Unter- suchungen werden indess lehren, ob jene Siebenbürgi- schen Felsmassen nicht auch bestimmte Magnetaxen ha- ben, ob diese Axen nicht unter sich parallel sind oder einen bestimmten Winkel mit der Magnetaxe des Erd- sphäroids halten? Kein Phänomen steht einzeln in der Natur da, und die schönste Frucht physikalischer Ent- deckungen ist die, ähnliche, aber wichtigere zu veran- lassen. Im März 1797. F. A. v. Humboldt . (2) P 2 N