Gedichte von Eduard Mörike. Stuttgart und Tübingen. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1838. Seinem Freunde Wilhelm Hartlaub zum Zeichen unveränderlicher Liebe gewidmet. Inhalt. Seite An einem Wintermorgen 1 Erinnerung 3 Naͤchtliche Fahrt 6 Der junge Dichter 9 Der Knabe und das Immlein 12 Rath einer Alten 14 Begegnung 16 Der Jaͤger 17 Jaͤgerlied 19 Schoͤn-Rohtraut 20 Ein Stuͤndlein wohl vor Tag 22 Das verlassene Maͤgdlein 23 Storchenbotschaft 24 Die schlimme Greth und der Koͤnigssohn 26 Die Geister am Mummelsee 34 Septembermorgen 36 Er ist's 37 Erstes Liebeslied eines Maͤdchens 38 Liebesvorzeichen 40 Nimmersatte Liebe 42 Suschens Vogel 43 In der Fruͤhe 45 Im Fruͤhling 46 Fußreise 47 Besuch in Urach 48 Seite An eine Aeolsharfe 52 Hochzeitlied 54 Jung Volker 59 Jung Volkers Lied 60 Maschinka's Lied 61 Mein Fluß 62 Josephine 64 Auf der Reise 66 Frage und Antwort 67 Heimweh 68 Nachts 69 Die traurige Kroͤnung 70 Chor juͤdischer Maͤdchen 72 Der Gaͤrtner 73 Lied vom Winde 74 Agnes 76 Elfenlied 77 Mausfallen-Spruͤchlein 78 Die Schwestern 79 Des Schloßkuͤpers Geister zu Tuͤbingen 80 Romanze vom wahnsinnigen Feuerreiter 85 Erzengel Michaels Feder I. II . 87 Idylle 97 Akme und Septimius 101 Lose Waare 103 Die Herbstfeier 104 Lied eines Verliebten 109 An Clara 110 Johann Kepler 112 Auf das Grab von Schillers Mutter 113 Theokrit 114 An eine Lieblingsbuche meines Gartens, in deren Stamm ich Hoͤlty's Namen schnitt 115 Tibullus 116 An Hermann 117 Seite Muse und Dichter 119 Gespraͤch vor Tage 120 An meinen Arzt, Herrn Dr . Elsaͤsser 121 Der Genesene an die Hoffnung 122 Ideale Wahrheit 123 Maschinka 123 Schnelle Beute 124 Nachts am Schreibepult 124 Vicia faba minor 125 Auf dem Grabe eines Kuͤnstlers 125 An meine Mutter 126 An Dieselbe 126 An H. K. 127 Brockes 127 Joseph Haydn 127 Auf einen Klavierspieler 128 P. K. 129 An Friedrich Vischer 130 Die Anti-Sympathetiker 131 An einen Liebesdichter 132 Apostrophe 133 Antike Poesie 134 Eberhard Waͤchter 135 Seltsamer Traum 136 Trost 137 Zum neuen Jahr 138 Der Koͤnig bei der Kroͤnung 139 Auf die Vermaͤhlung des Fuͤrsten v. Schwarzburg-Sondershausen, mit Mathilde, Prinzessin von Hohenlohe 140 Nanny's Traum 141 Verborgenheit 143 Suspirium 144 An den Schlaf 145 Wo find' ich Trost? 146 Auf ein altes Bild 147 Seite Zurechtweisung 148 Am Walde 150 Zu viel 151 Liebesgluͤck 152 An die Geliebte 153 Nur zu! 154 Charwoche 155 Tag und Nacht 156 Die Elemente 158 Schiffer- und Nixen-Maͤhrchen. I . Vom Sieben-Nixen-Chor 162 II . Nixe Binsefuß 166 III . Zwei Liebchen 167 IV . Der Zauberleuchtthurm 169 Das lustige Wirthshaus 171 Maͤhrchen vom sichern Mann 175 Gesang Weyla's 190 Der Tambour 191 Die Soldatenbraut 192 Auftrag 193 Unser Friz 195 Einer verehrten Frau zum Geburtstage 197 Die Visite 198 An — 200 An Florentine 201 Der Liebhaber an die heiße Quelle in B. 202 Lammwirths Klagelied 203 Der Kanonier 205 Charis und Penia 206 An meinen Vetter 208 Gute Lehre 210 Restauration 212 Zur Warnung 213 Alles mit Maas 214 Kalter Streich 215 Seite Falsche Manier 216 Schul-Schmaͤcklein 216 Auf die Prosa eines Beamten 217 Hanswurst an der Sandmuͤhle 218 Huͤlf' in der Noth 221 Selbstgestaͤndniß 222 Bei einer Trauung 223 Meines Vetters Brautfahrt 224 An einen Prediger 225 Pastor an seine Zuhoͤrer 226 Pastoral-Erfahrung 226 Neutheologische Kanzelberedtsamkeit 227 Luͤckenbuͤßer 227 An — 228 Auskunft 228 Abschied 229 Tout comme chez nous 230 Peregrina I .– V . 231 Um Mitternacht 236 An einem Wintermorgen. Vor Sonnenaufgang. O flaumenleichte Zeit der dunkeln Fruͤhe! Welch neue Welt bewegest du in mir? Was ist's, daß ich auf einmal nun in dir Von sanfter Wollust meines Daseyns gluͤhe? Einem Krystall gleicht meine Seele nun, Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen; Zu fluthen scheint mein Geist, er scheint zu ruh'n, Dem Eindruck naher Wunderkraͤfte offen, Die aus dem klaren Guͤrtel blauer Luft Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft. Bei hellen Augen glaub' ich doch zu schwanken, Ich schließe sie, daß nicht der Traum entweiche; Seh' ich hinab in holde Feenreiche? Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken Zur Pforte meines Herzens hergeladen, Die glaͤnzend sich in diesem Busen baden, Goldfarb'gen Fischlein gleich im Gartenteiche? Mörike , Gedichte. 1 Ich hoͤre bald der Hirtenfloͤten Klaͤnge, Wie um die Krippe jener Wundernacht, Bald weinbekraͤnzter Jugend Lustgesaͤnge: Wer hat das friedenselige Gedraͤnge In meine traurigen Waͤnde hergebracht? Und welch Gefuͤhl entzuͤckter Staͤrke, Indem mein Sinn sich frisch zur Ferne lenkt? Vom ersten Mark des heut'gen Tags getraͤnkt, Fuͤhl' ich mir Muth zu jedem frommen Werke! Die Seele fliegt, so weit der Himmel reicht, Der Genius jauchzt in mir; — doch sage, Warum wird jetzt der Blick von Wehmuth feucht? Ist's ein verloren Gluͤck, was mich erweicht? Ist es ein werdendes, was ich im Herzen trage? — Hinweg, mein Geist! hier gilt kein Stillestehn; Es ist ein Augenblick, und — Alles wird verwehn! Dort sieh! am Horizont luͤpft sich der Vorhang schon, Es traͤumt der Tag, nun sey die Nacht entflohn, Die Purpurlippe, die geschlossen lag, Haucht, halbgeoͤffnet, suͤße Athemzuͤge, Auf einmal blitzt das Aug', und, wie ein Gott, der Tag Beginnt im Sprung die koͤniglichen Fluͤge! Erinnerung. An C. N. Jenes war zum lezten Male, Daß ich mit dir ging, o Claͤrchen! Ja, das war das lezte Mal, Daß wir uns wie Kinder freuten. Als wir durch die sonnenhellen, Regnerischen Straßen liefen, Unterm seidnen Schirme eilend, Beide heimlich eingeschlossen, Wie in einem Feenstuͤbchen, Endlich einmal Arm in Arme! Wenig wagten wir zu reden, Denn das Herz schlug zu gewaltig, Beide merkten wir es schweigend, Und ein Jedes schob im Stillen Des Gesichtes gluͤh'nde Roͤthe Auf den Widerschein des Schirmes. Ach, ein Engel warst du da! Wie du auf den Boden immer Blicktest, und die blonden Locken Um den hellen Nacken fielen. 1 * „Jezt ist wohl ein Regenbogen An dem Himmel,“ sagt' ich einmal: Dann in meinem frohen Muthe Sprach ich weiter diese Worte: „Kaͤm' auch keiner mehr an Himmel, Waͤr' es gar nicht zu verwundern, Denn die Leute ziehn ja selber Seine bunten Bogenstreifen Zu sich nieder auf die Gassen. Sieh nur, wie sie sich beeilen! Jeder mit dem Regendache Fuͤhret einen andern Farben- Bogen uͤber seinem Haupte, Jeder springt mit seinem Raube, Blaue, rothe, violete, — Alles nehmen sie mit fort.“ Und du laͤcheltest und bogest Mit mir um die lezte Ecke. Und ich bat dich um ein Roͤslein, Das du an der Brust getragen, Und du reichtest mir's im Gehen Schnelle hin, das suͤße Roͤslein; Zitternd hob ich's an die Lippen, Kuͤßt' es bruͤnstig zwei- und dreimal, Niemand konnte dessen spotten, Keine Seele hat's gesehen, Und du selber sahst es nicht. An dem fremden Haus, wohin Ich dich zu begleiten hatte, Standen wir nun, weiß'st, ich druͤckte Dir die Hand und — Dieses war zum lezten Male, Daß ich mit dir ging, o Claͤrchen! Ja, das war das lezte Mal, Daß wir uns wie Kinder freuten. Nächtliche Fahrt. J uͤngst im Traum ward ich getragen Ueber fremdes Heideland; Vor den halbverschloss'nen Wagen Schien ein Trauerzug gespannt. Dann durch mondbeglaͤnzte Waͤlder Ging die sonderbare Fahrt, Bis der Anblick offner Felder Endlich mir bekannter ward. Wie im lustigen Gewimmel Tanzt nun Busch und Baum vorbei! Und ein Dorf nun! Guter Himmel! O mir ahnet, was es sey. Sah ich doch vor Zeiten gerne Diese Haͤuser oft und viel, Die am Wagen die Laterne Streift im stummen Schattenspiel. Ja, dort unterm Giebeldache Schlummerst du, vergeßlich Herz! Und daß dein Getreuer wache, Sagt dir kein geheimer Schmerz. — Ferne waren schon die Huͤtten; Sieh', da flattert's durch den Wind! Eine Gabe zu erbitten Schien ein armes, holdes Kind. Wie vom boͤsen Geist getrieben, Werf' ich rasch der Bettlerin Ein Geschenk von meiner Lieben, Jene goldne Kette, hin. Ploͤtzlich scheint ein Rad gebunden, Und der Wagen steht gebannt, Und das holde Maͤdchen unten Haͤlt mich schelmisch bei der Hand. „Denkt man so damit zu schalten? So entdeck' ich den Betrug? Doch, den Wagen festzuhalten, War die Kette stark genug. Willst du, daß ich dir verzeihe, Sey erst selber wieder gut! Oder wo ist deine Treue, Falsches Herze, falsches Blut?“ Und sie streichelt mir die Wange, Kuͤßt mir das erfrorne Kinn, Steht und laͤchelt, weinet lange Als die schoͤnste Buͤßerin. Doch mir bleibt der Mund verschlossen, Und kaum weiß ich, was geschehn; Ganz in ihren Arm gegossen, Schien ich selig zu vergehn. Und nun fliegt mit uns, ihr Pferde, In die graue Welt hinein! Unter uns vergeh' die Erde Und kein Morgen soll mehr seyn! Der junge Dichter. Wenn der Schoͤnheit sonst, der Anmuth Immer fluͤchtige Erscheinung Wie ein heller Glanz der Sonne Einmal vor die Sinne wieder Mit der Neuheit Zauber trat, Daß ein heimlich trunknes Jauchzen Mir der Ausdruck lautern Dankes Fuͤr solch suͤßes Daseyn war: O wie drang es da mich armen, Mich unmuͤnd'gen Sohn Apollens, Dieses Alles auch in schoͤner, Abgeschlossener Gestaltung Fest, auf ewig festzuhalten, Es durch goldne Leierklaͤnge So zum Einklang mit mir selber Umzubilden, neu zu schaffen, Daß ich, heiter wie ein Gott, Ueber der gediegnen Schoͤne, Die aus mir herausgetreten, Die ich ganz mein eigen nenne, Ruhig, klaren Auges schwebe. Doch, wenn mir das tief Empfundne Nicht alsbald so rein und voͤllig, Wie es in der Seele lebte, In des Dichters zweite Seele, Den Gesang, hinuͤberspielte, Wenn ich nur mit stumpfem Finger Ungelenk die Saiten ruͤhrte, Sollt' ich dann nicht muthlos werden, Daß ich stets ein Schuͤler bleibe? Aber, Liebchen, sieh, bei dir Bin ich ploͤtzlich wie verwandelt, Im erwaͤrmten Winterstuͤbchen Bei dem Schimmer dieser Lampe, Wo ich deinen Worten lausche, Hold bescheidnen Liebesworten. Wie du dann geruhig deine Braunen Lockenhaare schlichtest, Also legt sich schoͤn geglaͤttet All dies wirre Bilderwesen, All des Herzens eitle Sorge, Viel-zertheiltes Thun und Denken. Froh begeistert, leicht gefiedert, Flieg' ich aus der Dichtung engen Rosenbanden, daß ich nur Noch in ihrem reinen Dufte, Als im Elemente, lebe. Oder, Maͤdchen, sage mir, Bist du gar die Muse selber, Die, wie wahre Dichtung pflegt, Selbst unwissend, wer sie sey, Mich in ihren Armen haͤlt, Daß ich selber, eins mit ihr, Nur ein zart Gedicht erscheine? O du Liebliche, du laͤchelst, Schuͤttelst, kuͤssend mich, das Koͤpfchen, Und begreifst nicht, was ich meine. Moͤcht' ich selber es nicht wissen, Wissen nur, daß du mich liebest, Daß ich in dem Flug der Zeit Deine kleinen Haͤnde halte! Der Knabe und das Immlein. Im Weinberg auf der Hoͤhe Ein Haͤuslein steht so windebang, Hat weder Thuͤr noch Fenster, Die Weile wird ihm lang. Und ist der Tag so schwuͤle, Sind all' verstummt die Voͤgelein; Summt an der Sonnenblume Ein Immlein ganz allein. Mein Lieb hat einen Garten, Da steht ein huͤbsches Immenhaus: Kommst du daher geflogen? Schickt sie dich nach mir aus? „O nein, du feiner Knabe, Es hieß mich Niemand Boten gehn; Dies Kind weiß nichts von Lieben, Hat dich noch kaum gesehn. Was wuͤßten auch die Maͤdchen, Wenn sie kaum aus der Schule sind! Dein herzallerliebstes Schaͤtzchen Ist noch ein Mutterkind. Ich bring' ihm Wachs und Honig; Ade! — ich hab' ein ganzes Pfund; Wie wird das Schaͤtzchen lachen, Ihm waͤssert schon der Mund.“ Ach, wolltest du ihr sagen: Ich wuͤßte, was viel suͤßer ist: Nichts Lieblichers auf Erden Als wenn man herzt und kuͤßt! Rath einer Alten. Bin jung gewesen, Kann auch mit reden, Und alt geworden, Drum gilt mein Wort. Schoͤn reife Beeren Am Baͤumchen hangen: Nachbar, da hilft kein Zaun um den Garten; Lustige Voͤgel Wissen den Weg. Aber, mein Dirnchen, Du laß dir rathen: Halte dein Schaͤtzchen Wohl in der Liebe, Wohl im Respekt! Mit den zwei Faͤdlein, In Eins gedrehet, Ziehst du am kleinen Finger ihn nach. Aufrichtig Herze, Doch schweigen koͤnnen, Fruͤh mit der Sonne Muthig zur Arbeit, Gesunde Glieder, Saubere Linnen, Das machet Maͤdchen Und Weibchen werth. Bin jung gewesen, Kann auch mit reden, Und alt geworden, Drum gilt mein Wort. Begegnung. Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen, Bis erst der Morgen sich geregt! Wie hat der ungebetne Besen Kamin und Gassen ausgefegt! Da kommt ein Maͤdchen schon die Straßen, Das halb verschuͤchtert um sich sieht; Wie Rosen, die der Wind zerblasen, So unstet ihr Gesichtchen gluͤht. Ein schoͤner Bursch tritt ihr entgegen, Er will ihr voll Entzuͤcken nahn: Wie sehn sich freudig und verlegen Die ungewohnten Schelme an! Er scheint zu fragen, ob das Liebchen Die Zoͤpfe schon zurecht gemacht, Die heute Nacht im offnen Stuͤbchen Ein Sturm in Unordnung gebracht. Der Bursche traͤumt noch von den Kuͤssen, Die ihm das suͤße Kind getauscht, Er steht, von Anmuth hingerissen, Derweil sie um die Ecke rauscht. Der Jäger. Drei Tage Regen fort und fort, Kein Sonnenschein zur Stunde, Drei Tage lang kein gutes Wort Aus meiner Liebsten Munde! Sie truzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie's haben wollen; Mir aber nagt's am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Willkommen denn, des Jaͤgers Lust, Gewittersturm und Regen! Fest zugeknoͤpft die heiße Brust, Und jauchzend euch entgegen! Nun sizt sie wohl daheim und lacht, Und scherzt mit den Geschwistern; Ich hoͤre in des Waldes Nacht Die alten Blaͤtter fluͤstern. Nun sizt sie wohl und weinet laut Im Kaͤmmerlein, in Sorgen; Mir ist es wie dem Wilde traut, In Finsterniß geborgen. Moͤrike , Gedichte. 2 Kein Hirsch und Rehlein uͤberall! Ein Schuß zum Zeitvertreibe! Gesunder Knall und Widerhall Erfrischt das Mark im Leibe. — Doch wie der Donner nun verhallt In Thaͤlern in die Runde, Ein ploͤtzlich Weh mich uͤberwallt, Mir sinkt das Herz zu Grunde. Sie truzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie's haben wollen, Mir aber frißt's am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Und auf! und nach der Liebsten Haus! Und sie gefaßt um's Mieder! „Druͤck' mir die nassen Locken aus, Und kuͤss' und hab' mich wieder!“ Jägerlied. Z ierlich ist des Vogels Tritt im Schnee, Wenn er wandelt auf des Berges Hoͤh': Zierlicher schreibt Liebchens liebe Hand, Schreibt ein Brieflein mir in ferne Land'. In die Luͤfte hoch ein Reiher steigt, Dahin weder Pfeil noch Kugel fleugt: Tausendmal so hoch und so geschwind Die Gedanken treuer Liebe sind. 2 * Schön-Rohtraut. W ie heißt Koͤnig Ringangs Toͤchterlein? Rohtraut, Schoͤn-Rohtraut. Was thut sie denn den ganzen Tag, Da sie wohl nicht spinnen und naͤhen mag? Thut fischen und jagen. O daß ich doch ihr Jaͤger waͤr'! Fischen und jagen freute mich sehr. — Schweig' stille, mein Herze! Und uͤber eine kleine Weil', Rohtraut, Schoͤn-Rohtraut, So dient der Knab' auf Ringangs Schloß In Jaͤgertracht und hat ein Roß, Mit Rohtraut zu jagen. O daß ich doch ein Koͤnigssohn waͤr'! Rohtraut, Schoͤn-Rohtraut lieb' ich so sehr. — Schweig' stille, mein Herze! Einsmals sie ruhten am Eichenbaum, Da lacht Schoͤn-Rohtraut: Was siehst mich an so wunniglich? Wenn du das Herz hast, kuͤsse mich! Ach! erschrak der Knabe! Doch denket er: mir ist's vergunnt, Und kuͤsset Schoͤn-Rohtraut auf den Mund. — Schweig' stille, mein Herze! Darauf sie ritten schweigend heim, Rohtraut, Schoͤn-Rohtraut; Es jauchzt der Knab' in seinem Sinn: Und wuͤrd'st du heute Kaiserin, Mich sollt's nicht kraͤnken: Ihr tausend Blaͤtter im Walde wißt, Ich hab' Schoͤn-Rohtrauts Mund gekuͤßt! — Schweig' stille, mein Herze! Ein Stündlein wohl vor Tag. Derweil ich schlafend lag, Ein Stuͤndlein wohl vor Tag, Sang vor dem Fenster auf dem Baum Ein Schwaͤlblein mir, ich hoͤrt' es kaum, Ein Stuͤndlein wohl vor Tag: Hoͤr' an, was ich dir sag', Dein Schaͤtzlein ich verklag': Derweil ich dieses singen thu', Herzt er ein Lieb in guter Ruh, Ein Stuͤndlein wohl vor Tag. O weh! nicht weiter sag'! O still! nichts hoͤren mag! Flieg' ab, flieg' ab von meinem Baum! — Ach, Lieb' und Treu ist wie ein Traum Ein Stuͤndlein wohl vor Tag. Das verlassene Mägdlein. F ruͤh, wann die Haͤhne kraͤhn, Eh' die Sternlein verschwinden, Muß ich am Herde stehn, Muß Feuer zuͤnden. Schoͤn ist der Flammen Schein, Es springen die Funken, Ich schaue so drein, In Leid versunken. Ploͤtzlich, da kommt es mir, Treuloser Knabe, Daß ich die Nacht von dir Getraͤumet habe. Thraͤne auf Thraͤne dann Stuͤrzet hernieder, So kommt der Tag heran, — O ging' er wieder! Storchenbotschaft. Des Schaͤfers sein Haus und das steht auf zwei Rad, Steht hoch auf der Heiden, so fruͤhe, wie spat. Und wenn nur ein Mancher so'n Nachtquartier haͤtt'! Ein Schaͤfer tauscht nicht mit dem Koͤnig sein Bett. Und kaͤm' ihm zu Nacht auch was Seltsames vor, Er betet sein Spruͤchel und legt sich auf's Ohr, Ein Geistlein, ein Hexlein, so lustige Wicht', Sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht. Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt, Es knopert am Laden, es winselt der Hund, Nun ziehet mein Schaͤfer den Riegel — ei schau! Da stehen zwei Stoͤrche, der Mann und die Frau. Das Paͤrchen, es machet ein schoͤn Kompliment, Es moͤchte gern reden, ach, wenn es nur koͤnnt'! Was will mir das Ziefer? ist so was erhoͤrt? Doch ist mir wohl froͤhliche Botschaft bescheert. Ihr seyd wohl dahinten zu Hause am Rhein? Ihr habt wohl mein Maͤdel gebissen in's Bein? Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr, Sie wuͤnschet den Herzallerliebsten sich her? Und wuͤnschet daneben die Taufe bestellt: Ein Laͤmmlein, ein Wuͤrstlein, ein Beutelein Geld? — So sagt nur, ich kaͤm' in zwei Tag oder drei, Und gruͤßt mir mein Buͤbel und ruͤhrt ihm den Brei! Doch halt! warum stellt ihr zu Zweien euch ein? Es werden doch, hoff' ich, nicht Zwillinge seyn? — Da klappern die Stoͤrche im lustigsten Ton, Sie nicken und knixen und fliegen davon. Die schlimme Greth und der Königssohn. „ M ein Vater ist ein Muͤller, Ich bin sein einzig Kind; Ich habe keinen Muͤhlbach hier, Die Muͤhle treibt der Wind. Die stangenlangen Fluͤgel Sie haspeln leere Luft: Ich lebe von dem Winde leicht Und Regenbogenduft.“ — „Mein Vater war ein Koͤnig, Ich bin sein einziger Sohn. Dreimal verwuͤnschet sey der Tag An dem ich stieg zu Thron! Es riß die rothe Fahn' vom Thurm Die Windsbraut und ihr Troß, Es that sich auf der Erden Grund, Es fiel mein Koͤnigsschloß. Da schrien die Priester Ach und Weh, Mein Volk in Waffen stand, Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn Aus meiner Vaͤter Land. Und drunten an dem Berge Die Huͤtte dort ist mein, Da liegt auch meine Krone, Geschmuck und Edelstein. Willt du meine Liebste heißen, So sage, wie und wann, An Tagen und in Naͤchten Ich zu dir kommen kann?“ — „Ich bind' eine guͤldne Pfeife Wohl an den Fluͤgel hin, Daß sie sich helle hoͤren laͤßt, Wann ich daheime bin. Doch willt du bei mir wohnen, Sollt mir willkommen seyn: Mein Haus ist groß und weit mein Hof, Da wohn ich ganz allein.“ — Der Koͤnigssohn ihr folget Mit Freuden in ihr Haus; Sie tischt ihm auf, sie spielet ihm Die Zither fein zum Schmaus. Und schaffet, was sein Herz begehrt, Er fragt nicht lang woher; Ein Kuͤßlein sie ihm auch gewaͤhrt, Doch weiter nimmermehr. Einsmals da kam der Koͤnigssohn Am Morgen von der Jagd, Er sah gar scheu und bange drein, Er sprach zu seiner Magd: „Die Leute reden schlimm von dir, Schatz, sey auf deiner Hut! Sie thaͤten dich gern verderben, Du suͤßes junges Blut!“ — „Sie sagen, daß ich ein falsches Ding, Daß ich eine Hexe sey?“ — „Ach, Liebste, ja so sprechen sie! Eine Hexe, meiner Treu! Das macht, du bist die Schoͤnst' im Land, Sie sind voll Gift und Neid; O ihr beerschwarzen Augen, ihr Seyd dennoch meine Freud'. Und laͤnger ruh' ich keinen Tag, Bis daß ich Koͤnig bin, Und morgen zieh' ich auf die Fahrt: Aufs Jahr bist du Koͤnigin!“ — Sie sieht ihn an so schelmisch, Sie sieht ihn an so schlau: „Du luͤgst in deinen Hals hinein, Du willt keine Hex zur Frau! Du willt dich von mir scheiden; Das mag ja wohl geschehn: Sollt aber von der schlimmen Greth Noch erst ein Probstuͤck sehn.“ — „Ach, Liebchen, ach, wie wallet hoch Dein schwarzes Ringelhaar! Und ruͤhret sich kein Luͤftchen doch, O sage, was es war? Schon wieder, ach, und wieder! Du lachest und mir graut: Es singen deine Zoͤpfe ... Weh! Du bist die Windesbraut! Du rissest die Fahn' von meinem Thurm! Mein Schloß verheertest du!“ — „O nein! die Fahne nahm ich zwar, Dein Schloß ließ ich in Ruh'; Tief unter deinem Felsen haͤlt Mein Bruder Grabesrast, Er baͤumte sich im Schlafe nur, Da stuͤrzte dein Palast. Und bin ich auch des Windes Braut, Der Schaden ist nicht groß; Komm, kuͤsse mich! ich halte dich Und lasse dich nimmer los! O pfui, das ist ein schief Gesicht! Du wirst ja kreideweiß! Frisch, munter, Prinz! ich gebe dir Ein lustig Stuͤcklein preis.“ — Ruͤhrloͤffel in der Kuͤch' sie holt, Ruͤhrloͤffel ihrer zwei, War jeder eine Elle lang, Waren beide nagelneu. „Was guckst du so erschrocken? Denkst wohl, es gaͤbe Streich? Ach nein, Herzliebster, warte nur, Dein Wunder siehst du gleich.“ Auf den obern Boden fuͤhrt sie ihn: „Schau, was ein weiter Platz! Wie ausgeblasen, huͤbsch und rein! Hie tanzen wir, mein Schatz. Schau, was ein Nebel zieht am Berg! Gib Acht, ich thu' ihn ein!“ Sie beugt sich aus dem Laden weit, Die Geister zu bedraͤu'n; Sie wirbelt uͤber einander Ihre Loͤffel so wunderlich, Sie wickelt den Nebel und wickelt, Und schmeißt ihn hinter sich. Sie langt hervor ein Saitenspiel, Sah wie ein Hackbret aus, Sie ruͤhret es nur leise, Es zittert das ganze Haus. „Theil' dich, theil' dich, du Wolkendunst! Ihr Geister, geht herfuͤr! Lange Maͤnner, lange Weiber, seyd Hurtig zu Dienste mir!“ Da fangt es an zu kreisen, Da wallet es hervor, Lange Arme, lange Schleppen, Und wieget sich im Chor. „Faßt mir den dummen Jungen da! Geschwinde wickelt ihn ein! Er hat mein Herz gekraͤnket schwer, Das soll er mir bereun.“ Den Juͤngling von dem Boden hebt's, Es dreht ihn um und um, Es traͤgt ihn als ein Wickelkind Dreimal im Saal herum. Margreth ein Woͤrtlein murmelt, Klatscht in die Hand dazu: Da fegt es wie ein Wirbelwind Durch's Fenster fort im Nu. Und faͤhret uͤber die Berge, Den Juͤngling mitten inn', Und fort bis wo der Pfeffer waͤchst — O du Knabe, wie ist dir zu Sinn? Und als er sich besonnen, Lag er im gruͤnen Gras, Gar hoch auf einer Heiden, Die Liebste bei ihm saß. Ein Teppich ist gebreitet, Koͤstlich gewirket, bunt, Darauf ein lustig Essen In blankem Silber stund. Und als er sich die Augen reibt Und schaut sich um und an, Ist sie wie eine Prinzessin schoͤn, Wie ein Prinz er angethan. Sie sieht ihn an so schelmisch, Sie schenkt ihm lieblich ein, Er will nicht weiter trinken, Legt sich zur Buhlin sein. Da ging es an ein Kuͤssen, Er kriegt nicht satt an ihr: Fuͤrwahr ihr guͤldner Guͤrtel waͤr' Zu Schaden kommen schier. „O Liebchen, schau, wie wallet hoch Dein schwarzes Ringelhaar! Warum mich so erschrecken jezt? Nun ist meine Freude gar.“ — „Hu! meine Zoͤpfe sausen Und singen wundersam — Mir ist, ich muͤsse dich wuͤrgen, Herzliebster Braͤutigam! Ruͤck her! ruͤck her! sey nicht so bang! Nun sollt du erst noch sehn, Wie lieblich meine Arme thun, Komm, es ist gleich geschehn!“ — — Sie druͤckt ihn an die Bruͤste, Der Athem wird ihm schwer, Sie singt ein lustig Todtenlied Und traͤgt ihn uͤber das Meer. Moͤrike , Gedichte. 3 Die Geister am Mummelsee. Wechselgesang. Vom Berge, was kommt dort um Mitternacht spaͤt Mit Fackeln so praͤchtig herunter? Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht? Mir klingen die Lieder so munter. O nein! So sage, was mag es wohl seyn? Das, was du da siehest, ist Todtengeleit, Und was du da hoͤrest, sind Klagen, Dem Koͤnig, dem Zauberer, gilt es zu Leid, Und Geister nur sind's, die ihn tragen. Ach wohl! Sie singen so traurig und hohl. Sie schweben hernieder ins Mummelseethal, Sie haben den See schon betreten, Sie ruͤhren und netzen den Fuß nicht einmal, Sie schwirren in leisen Gebeten: O schau, Am Sarge die glaͤnzende Frau! Jezt oͤffnet der See das gruͤnspiegelnde Thor; Gib Acht, nun tauchen sie nieder! Es schwankt eine lebende Treppe hervor, Und — drunten schon summen die Lieder. Hoͤrst du? Sie singen ihn unten zur Ruh. Die Wasser, wie lieblich sie brennen und gluͤhn! Sie spielen in gruͤnendem Feuer; Es geisten die Nebel am Ufer dahin, Zum Meere verzieht sich der Weiher. Nur still: Ob dort sich nichts ruͤhren will? Es zuckt in der Mitten — o Himmel! ach hilf! Ich glaube, sie nahen, sie kommen! Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf; Nur hurtig, die Flucht nur genommen! Davon! Sie wittern, sie haschen mich schon! 3 * Septembermorgen. Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch traͤumen Wald und Wiesen: Bald siehst du, wenn der Schleier faͤllt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkraͤftig die gedaͤmpfte Welt In warmem Golde fließen. Er ist's. Fruͤhling laͤßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Luͤfte, Suͤße, wohlbekannte Duͤfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen traͤumen schon, Wollen balde kommen. — Horch, von fern ein leiser Harfenton! Fruͤhling, ja du bist's, Fruͤhling, ja du bist's! Dich hab' ich vernommen! Erstes Liebeslied eines Mädchens. Was im Netze? Schau einmal! Aber ich bin bange; Greif' ich einen suͤßen Aal? Greif' ich eine Schlange? Lieb' ist blinde Fischerin; Sagt dem Kinde, Wo greift's hin? Schon schnellt mir's in Haͤnden! Ach Jammer! o Lust! Mit Schmiegen und Wenden Mir schluͤpft's an die Brust. Es beißt sich, o Wunder! Mir keck durch die Haut, Schießt's Herze hinunter, O Liebe! mir graut! Was thun, was beginnen? Das schaurige Ding, Es schnalzet da drinnen, Es legt sich im Ring. Gift muß ich haben! Hier schleicht es herum, Thut wonniglich graben Und bringt mich noch um! Liebesvorzeichen. I ch stand am Morgen juͤngst im Garten Vor dem Granatbaum sinnend still; Mir war, als muͤßt' ich gleich erwarten, Ob er die Knospe sprengen will. Sie aber schien es nicht zu wissen, Wie maͤchtig ihr die Fuͤlle schwoll, Und daß sie in den Feuerkuͤssen Des goldnen Tages brennen soll. Und dort am Rasen lag Jorinde; Wie schnell bin ich zum Gruß bereit, Indeß sie sich nur erst geschwinde Den Schlummer aus den Augen streut! Dann leuchtet dieser Augen Schwaͤrze Mich an in Lieb' und guter Ruh, Sie hoͤrt dem Muthwill meiner Scherze Mit kindischem Verwundern zu. Dazwischen dacht' ich wohl im Stillen: Du gut und unerfahren Kind! Die Lippen, die von Reife quillen, Wie bloͤde noch und fromm gesinnt! Fuͤrwahr, sie schien es nicht zu wissen, Wie maͤchtig ihr die Fuͤlle schwoll, Und daß sie in den Feuerkuͤssen Des wildsten Knaben brennen soll. Still uͤberlegt' ich auf und nieder, Und ging so meiner Wege fort, Doch schon der naͤchste Morgen wieder Fand mich an dem Granatbaum dort. Wer hat dem Baum in wenig Stunden Ein solches Wunder angethan? Die Flammenkrone aufgebunden? Und was sagt mir dies Zeichen an? Ich eile rasch den Gang hinunter, Dort geht das Kind im Morgenstrahl, Und bald, o Wunder uͤber Wunder! Wir kuͤßten uns zum ersten Mal! Nun trieb der Baum wohl Bluͤth' auf Bluͤthe Frisch in die blaue Luft hinaus, Und noch, seitdem er lang vergluͤhte, Ging uns das Kuͤssen nimmer aus. Nimmersatte Liebe. So ist die Lieb! So ist die Lieb! Mit Kuͤssen nicht zu stillen; Wer ist der Thor und will ein Sieb Mit eitel Wasser fuͤllen? Und schoͤpf'st du an die tausend Jahr, Und kuͤssest ewig, ewig gar, Du thust ihr nie zu Willen. Die Lieb, die Lieb hat alle Stund Neu wunderlich Geluͤsten, Wir bissen uns die Lippen wund, Da wir uns heute kuͤßten. Das Maͤdchen hielt in guter Ruh, Wie's Laͤmmlein unter'm Messer; Ihr Auge bat: nur immer zu, Je weher, desto besser! So ist die Lieb, und war auch so, Wie lang es Liebe gibt, Und anders war Herr Salomo, Der Weise, nicht verliebt. Suschens Vogel. Ich hatt' ein Voͤglein, ach wie fein! Kein schoͤners mag wohl nimmer seyn: Haͤtt' auf der Brust ein Herzlein roth, Und sung und sung sich schier zu todt. Herzvogel mein, so wunderschoͤn, Jezt sollt du mit zu Markte gehn! — Und da ich durch das Staͤdtlein kam, Es saß auf meiner Achsel zahm; Und als ich ging am Haus vorbei Des Knaben, dem ich brach die Treu, Der Knab' just aus dem Fenster sah, Mit seinem Finger schnalzt er da: Wie horchet gleich mein Vogel auf! Zum Knaben fliegt er husch! hinauf; Der koset ihn so lieb und hold, Ich wußt nicht, was ich machen sollt, Und stund, im Herzen so erschreckt, Mit Haͤnden mein Gesichte deckt', Und schlich davon und weinet' sehr, Mir war, als rief' es hinterher: „Du falsche Maid, behuͤt' dich Gott, Ich hab' doch wieder mein Herzlein roth!“ In der Frühe. Kein Schlaf noch kuͤhlt das Auge mir, Dort gehet schon der Tag herfuͤr An meinem Kammerfenster. Es wuͤhlet mein verstoͤrter Sinn Noch zwischen Zweifeln her und hin Und schaffet Nachtgespenster. Aengste, quaͤle Dich nicht laͤnger, meine Seele! Freu' dich! schon sind da und dorten Morgenglocken wach geworden. Im Frühling. Hier lieg' ich auf dem Fruͤhlingshuͤgel; Die Wolke wird mein Fluͤgel, Ein Vogel fliegt mir voraus. Ach, sag mir, all-einzige Liebe, Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe, Doch du und die Luͤfte, sie haben kein Haus. Der Sonnenblume gleich steht mein Gemuͤthe offen, Sehnend, Sich dehnend, In Lieben und Hoffen. Fruͤhling, was bist du gewillt? Wann werd' ich gestillt? Die Wolke seh' ich wandeln und den Fluß, Es dringt der Sonne goldner Kuß Mir tief bis in's Gebluͤt hinein; Die Augen, wunderbar berauschet, Thun, als schliefen sie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. Ich denke Dies, und denke Das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was: Halb ist es Lust, halb ist es Klage; Mein Herz, o sage: Was webst du fuͤr Erinnerung In golden gruͤner Zweige Daͤmmerung? — Alte unnennbare Tage! Fussreise. Am frischgeschnitt'nen Wanderstab, Wenn ich in der Fruͤhe So durch Waͤlder ziehe, Huͤgel auf und ab: Dann wie's Voͤgelein im Laube Singet und sich ruͤhrt, Oder wie die goldne Traube Wonnegeister spuͤrt In der ersten Morgensonne: So fuͤhlt auch mein alter, lieber Adam Herbst- und Fruͤhlingsfieber, Gottbeherzte, Nie verscherzte Erstlings-Paradieseswonne. Also bist du nicht so schlimm, o alter Adam, wie die strengen Lehrer sagen: Liebst und lobst du immer doch, Singst und preisest immer noch, Wie an ewig neuen Schoͤpfungstagen Deinen lieben Schoͤpfer und Erhalter. Moͤcht' es Dieser geben, Und mein ganzes Leben Waͤr' im leichten Wanderschweiße Eine solche Morgenreise! Besuch in Urach. N ur fast so wie im Traum ist mir's geschehen, Daß ich in dies geliebte Thal verirrt; Kein Wunder ist, was meine Augen sehen, Doch schwankt der Boden, Luft und Staude schwirrt, Aus tausend gruͤnen Spiegeln scheint zu gehen Vergang'ne Zeit, die laͤchelnd mich verwirrt, Die Wahrheit selber wird hier zum Gedichte, Mein eigen Bild ein fremd und hold Gesichte! Da seyd ihr alle wieder aufgerichtet, Besonnte Felsen, alte Wolkenstuͤhle! Auf Waͤldern schwer, wo kaum der Mittag lichtet Und Schatten mischt mit balsamreicher Schwuͤle; Kennt ihr mich noch, der sonst hieher gefluͤchtet, Im Moose bei suͤß-schlaͤferndem Gefuͤhle, Der Muͤcke Sumsen hier ein Ohr geliehen, Ach, kennt ihr mich, und wollt nicht vor mir fliehen? Hier wird ein Strauch, ein jeder Halm zur Schlinge, Die mich in liebliche Betrachtung faͤngt, Kein Maͤuerchen, kein Holz ist so geringe, Daß nicht mein Blick voll Wehmuth an ihm haͤngt; Ein jedes spricht mir halbvergeßne Dinge, Ich fuͤhle, wie von Schmerz und Lust gedraͤngt Die Thraͤne stockt, indeß ich ohne Weile, Unschluͤssig, satt und durstig, weiter eile. Hinweg! und leite mich, du Schaar von Quellen, Die ihr durchspielt der Matten gruͤnes Gold! Zeigt mir die ur-bemoosten Wasserzellen, Aus denen euer ewigs Leben rollt, Im kuͤhnsten Walde die verwachs'nen Schwellen, Wo eurer Mutter Kraft im Berge grollt, Bis sie im breiten Schwung an Felsenwaͤnden Herabstuͤrzt, euch im Thale zu versenden. O hier ist's, wo Natur den Schleier reißt! Sie bricht einmal ihr uͤbermenschlich Schweigen: Laut mit sich selber redend will ihr Geist, Sich selbst vernehmend, sich ihm selber zeigen. — Doch ach, sie bleibt, mehr als der Mensch, verwais't, Darf nicht aus ihrem eignen Raͤthsel steigen! Dir biet' ich denn, begier'ge Wassersaͤule, Die nackte Brust, ach! ob sie dir sich theile! Vergebens! und dein kuͤhles Element Tropft an mir ab, im Grase zu versinken. Was ist's, das deine Seele von mir trennt? Sie flieht, und moͤcht' ich auch in dir ertrinken! Dich kraͤnkt's nicht, wie mein Herz um dich entbrennt, Kuͤssest im Sturz nur diese schroffen Zinken; Du bleibest, was du warst seit Tag und Jahren, Ohn' ein'gen Schmerz der Zeiten zu erfahren. Hinweg aus diesem uͤpp'gen Schattengrund Voll großer Pracht, die druͤckend mich erschuͤttert! Bald gruͤßt beruhigt mein verstummter Mund Den schlichten Winkel, wo sonst halb verwittert Moͤrike , Gedichte. 4 Die kleine Bank und wo das Huͤttchen stund; Erinn'rung reicht mit Laͤcheln die verbittert — Bis zur Betaͤubung suͤßen Zauberschalen, So trink' ich gierig die entzuͤckten Qualen. Hier schlang sich tausendmal ein junger Arm Um meinen Hals mit inn'gem Wohlgefallen. O saͤh' ich mich, als Knaben sonder Harm, Wie einst, mit Necken durch die Haine wallen! Ihr Huͤgel, von der alten Sonne warm, Erscheint mir denn auf keinem von euch allen Mein Ebenbild, in jugendlicher Frische Hervorgesprungen aus dem Waldgebuͤsche? O komm, enthuͤlle dich! dann sollst du mir Mit Freundlichkeit in's dunkle Auge schauen! Noch immer, guter Knabe, gleich' ich dir, Uns beiden wird nicht vor einander grauen! So komm' und laß mich unaufhaltsam hier Mich deinem reinen Busen anvertrauen! — Umsonst, daß ich die Arme nach dir strecke, Den Boden, wo du gingst, mit Kuͤssen decke! Hier will ich denn laut schluchzend liegen bleiben, Fuͤhllos, und Alles habe seinen Lauf! Mein Finger, matt, in's Gras beginnt zu schreiben: Hin ist die Lust! hab' Alles seinen Lauf! — Da, ploͤtzlich, hoͤr' ich's durch die Luͤfte treiben, Und ein entfernter Donner schreckt mich auf; Elastisch angespannt mein ganzes Wesen Ist von Gewitterluft wie neu genesen. Sieh! wie die Wolken finstre Ballen schließen Um den ehrwuͤrd'gen Trotz der Burgruine! Von Weitem schon hoͤrt man den alten Riesen, Stumm harrt das Thal mit ungewisser Miene, Der Kukuk nur ruft sein einfoͤrmig Gruͤßen Versteckt aus unerforschter Wildniß Gruͤne, — Jezt kracht die Woͤlbung und verhallet lange, Das wundervolle Schauspiel ist im Gange! Ja nun, indeß mit hoher Feuerhelle Der Blitz die Stirn und Wange mir verklaͤrt, Ruf' ich den lauten Segen in die grelle Musik des Donners, die mein Wort bewaͤhrt: O Thal! du meines Lebens andre Schwelle! Du meiner tiefsten Kraͤfte stiller Herd! Du meiner Liebe Wundernest! ich scheide, Leb wohl! — und sey dein Engel mein Geleite! 4 * An eine Aeolsharfe. Tu semper urges flebilibus modis Mysten ademptum: nec tibi Vespero Surgente decedunt amores, Nec rapidum fugiente Solem. H or . Angelehnt an die Epheuwand Dieser alten Terrasse, Du, einer luftgebornen Muse Geheimnißvolles Saitenspiel, Fang' an, Fange wieder an Deine melodische Klage! Ihr kommet, Winde, fern heruͤber, Ach! von des Knaben, Der mir so lieb war, Frisch gruͤnendem Huͤgel. Und Fruͤhlingsbluͤthen unterweges streifend, Uebersaͤttigt mit Wohlgeruͤchen, Wie suͤß bedraͤngt ihr dies Herz! Und saͤuselt her in die Saiten, Angezogen von wohllautender Wehmuth, Wachsend im Zug meiner Sehnsucht, Und hinsterbend wieder. Aber auf einmal, Wie der Wind heftiger herstoͤßt, Ein holder Schrei der Harfe Wiederholt, mir zu suͤßem Erschrecken, Meiner Seele ploͤtzliche Regung; Und hier — die volle Rose streut, geschuͤttelt, All' ihre Blaͤtter vor meine Fuͤße! Hochzeitlied. Mit einem blauen Kornblumenkranze. Nicht weit vom Dorf zwei Linden stehen, Einsam, der Felder stille Hut, Wo in der Sommernaͤchte Wehen Ein Hirte gern, ein Dichter, ruht. Hell schwamm auf Duft und Nebelhuͤlle Des Mondes leiser Zaubertag, Kaum unterbrach die holde Stille Von fern bescheidner Wachtelschlag. Und wie ich ruhig so in Mitten All dieser Schoͤnheit lag und sann, Da kam mit leichtgehobnen Schritten Ein goͤttlich Frauenbild heran. Gewiß, es war der Musen eine, Erschrocken merkt' ich's, lustbewegt; Sie sezt sich zu mir an dem Raine, Die Hand auf meinen Arm gelegt. Und schuͤttelt laͤchelnd aus dem Kleide Blaue Cyanen, Stern an Stern: „Dich stoͤrt's nicht, wenn an deiner Seite Ich heut' ein Kraͤnzlein baͤnde gern. Nicht wahr, mit Schwaͤrmen und mit Plaudern Verbraͤchte gern mein Freund die Nacht? Doch flecht' ich still, und ohne Zaudern Sey du mir auf ein Lied bedacht! Sieh, wo das Doͤrflein mit der Spitze Des gelben Thurms heruͤberschaut, Dort schlummert auf dem Elternsitze Noch wenig Naͤchte eine Braut. Sie schlaͤft. Der Wange Rosen beben, Wir beide ahnen wohl, wovon; Um die halb offne Lippe schweben Die Traͤume gluͤhnder Kuͤsse schon. Nicht doch! mit lauten Herzensschlaͤgen Hoͤrt sie vielleicht der Glocken Klang, Hoͤrt am Altar den Vatersegen Und eines Engels Brautgesang. Sieht unter Weinen sich umschlungen Von Mutter-Lieb', von Schwester-Treu', Das Herz von Lust und Schmerz gedrungen, Macht sich mit tausend Thraͤnen frei. Und alle diese sel'gen Traͤume, Der naͤchste Morgen macht sie wahr; Es stehen schon des Hauses Raͤume Geschmuͤckt fuͤr froher Gaͤste Schaar. Hier aber, wo mit den Gespielen Das Maͤdchen oft sich Veilchen las, Vielleicht alleine mit Gefuͤhlen Der sehnsuchtsvollen Ahnung saß, Hier, unterm Blick prophet'scher Sterne, Weih' ich mit dir dies Fest voraus: Tief schaut die Muse in die Ferne Des braͤutlichen Geschicks hinaus. Wie golden winkt die neue Schwelle Des Lebens jedem jungen Paar! Doch weiß man, daß nicht stets so helle Der Mittag wie der Morgen war. Bei manchem lauten Hochzeitfeste Schlich mit weissagendem Gemuͤth Ich aus dem Kreis entzuͤckter Gaͤste, Und sang ein heimlich Trauerlied. Heut aber seh' ich schoͤne Tage Bluͤhn in gedraͤngter Sternen-Saat, Entschieden liegt schon auf der Wage, Was dieses Paar vom Schicksal bat. Hast, Liebchen, du der Jugend Bluͤthe, Anmuth und Liebenswuͤrdigkeit, All deines Herzens lautre Guͤte Kuͤhn deinem Einzigen geweiht; Laͤß'st du der Heimath Friedens-Auen, So manch ein lang gewohntes Gluͤck, Um dir den eignen Herd zu bauen, Halb wehmuthsvoll, halb froh zuruͤck: Getrost! so darf ich laut es zeugen, Ein wuͤrdig Herz hast du gewaͤhlt; Selbst boͤser Neid bekennt mit Schweigen, Daß Nichts zu deinem Gluͤcke fehlt. Denn Heiterkeit und holde Sitte, Wie Sommerluft, durchwehn dein Haus, Und, goldbeschuht, mit leisem Tritte Gehn Segensengel ein und aus.“ Die Muse schwieg, und ohne Saͤumen Flocht sie nun mit geschaͤft'ger Hand, Indeß zu anspruchslosen Reimen Ich ihre Worte still verband. Auf einmal hielt sie mir entgegen Den fertigen Cyanenkranz, Und sprach: „Bring's Ihr mit meinem Segen!“ Und schwand dahin im Nebelglanz. Ich aber blieb noch lange lauschen Von Liedestrunkenheit bewegt, Das Aehrenfeld begann zu rauschen, Von Morgenschauern angeregt. Und lichter ward's und immer lichter In mir und außer mir; da ging Die Sonne auf, von der der Dichter Den ersten Strahl fuͤr Euch empfing. Jung Volker. Gesang der Raͤuber. J ung Volker, das ist unser Raͤuberhauptmann, Mit Fidel und mit Flinte, Damit er geigen und schießen kann, Nachdem just Wetter und Winde. Fidel und die Flint, Fidel und die Flint! Volker spielt auf. Ich sah ihn hoch im Sonnenschein Auf einem Huͤgel sitzen: Da spielt er die Geig' und schluckt rothen Wein, Seine blauen Augen ihm blitzen. Fidel und die Flint, Fidel und die Flint! Volker spielt auf. Auf einmal, er schleudert die Geig' in die Luft, Auf einmal, er wirft sich zu Pferde; Der Feind kommt! Da stoͤßt er in's Pfeifchen und ruft: Brecht los, wie der Wolf in die Herde! Fidel und die Flint, Fidel und die Flint! Volker spielt auf. Jung Volkers Lied. U nd die mich trug in Mutterleib, Und die mich schwang im Kissen, Die war ein schoͤn frech braunes Weib, Wollte nichts vom Mannsvolk wissen. Sie scherzte nur und lachte laut, Und ließ die Freier stehen: Moͤcht' lieber seyn des Windes Braut, Denn in die Ehe gehen! Da kam der Wind, da nahm der Wind Als Buhle sie gefangen: Von dem hat sie ein lustig Kind In ihren Schoos empfangen. Maschinkas Lied. H erz! und weißt du selber denn zu sagen, Was dich druͤckt und quaͤlt? Oder kann man so um Nichts verzagen? Herz, ich habe schwer an dir zu tragen, Schwer! Schwer! Daß ich mit dir im Grabe waͤr'! Die Geschwister kommen mich zu fragen, Was mir immer fehlt? O ich darf nicht wagen, Die verweinten Augen aufzuschlagen, Wenn ich denke, was du mir verhehlt! Herz! ich habe schwer an dir zu tragen, Schwer! Schwer! Daß ich im Grabe waͤr'! Mein Fluss. O Fluß, mein Fluß im Morgenstrahl! Empfange nun, empfange Den sehnsuchtsvollen Leib einmal Und kuͤsse Brust und Wange! — Er fuͤhlt mir schon herauf die Brust, Er kuͤhlt mit Liebesschauerlust Und jauchzendem Gesange. Es schluͤpft der goldne Sonnenschein In Tropfen an mir nieder, Die Woge wieget aus und ein Die hingegeb'nen Glieder; Die Arme hab' ich ausgespannt, Sie kommt auf mich herzugerannt, Sie faßt und laͤßt mich wieder. Du murmelst so, mein Fluß, warum? Du traͤgst seit alten Tagen Ein seltsam Maͤhrchen mit dir um, Und muͤh'st dich, es zu sagen; Du eilst so sehr und laͤufst so sehr, Als muͤßtest du im Land umher, Man weiß nicht, wen? drum fragen. Der Himmel blau und kinderrein, Worin die Wellen singen, Der Himmel ist die Seele dein: O laß mich ihn durchdringen! Ich tauche mich mit Geist und Sinn Durch die vertiefte Blaͤue hin, Und kann sie nicht erschwingen! Was ist so tief, so tief wie sie? Die Liebe nur alleine. Sie wird nicht satt und saͤttigt nie Mit ihrem Wechselscheine. — Schwill an, mein Fluß, und hebe dich! Mit Grausen uͤbergieße mich! Mein Leben um das deine! Du weisest schmeichelnd mich zuruͤck Zu deiner Blumenschwelle; So trage denn allein dein Gluͤck, Und wieg' auf deiner Welle Der Sonne Pracht, des Mondes Ruh, Die lieben Sterne fuͤhre du Zur ew'gen Mutterquelle! Josephine. D as Hochamt war. Der Morgensonne Blick Glomm wunderbar im suͤßen Weihrauchscheine; Der Priester schwieg; nun brauste die Musik Vom Chor herab zur Tiefe der Gemeine. So stuͤrzt ein sonnetrunkner Aar Vom Himmel sich mit herrlichem Gefieder, So laͤßt Jehovens Mantel unsichtbar Sich stuͤrmend aus den Wolken nieder. Dazwischen hoͤrt' ich eine Stimme wehen, Die sanft den Sturm der Choͤre unterbrach, Sie schmiegte sich mit schwesterlichem Flehen Dem suͤß verwandten Ton der Floͤte nach. Wer ist's, der diese Himmelsklaͤnge schickt? Das Maͤdchen dort, das so bescheiden blickt. Ich eile sachte auf die Galerie, Zwar klopft mein Herz, doch tret' ich hinter sie. Hier konnt' ich denn in unschuldvoller Lust Mit leiser Hand ihr festlich Kleid beruͤhren, Ich konnte still, ihr selber unbewußt, Die nahe Regung ihres Wesens spuͤren. Doch, welch ein Blick und welche Miene, Als ich das Wort nun endlich nahm, Und nun der Name Josephine Mir herzlich auf die Lippen kam! Welch zages Spiel die braunen Augen hatten! Wie barg sich unterm tiefgesenkten Schatten Der Wimper gern die ros'ge Schaam! Und wie der Mund, der eben im Gesang Die Gottheit noch auf seiner Schwelle hegte, Sich von der Toͤne heil'gem Ueberschwang Zu mir mit schlichter Rede herbewegte! O dieser Ton, — ich fuͤhlt' es nur zu bald, Schlich sich in's Herz und macht es tief erkranken; Ich stehe wie ein Traͤumer in Gedanken, Indeß die Orgel nun verhallt, Die Saͤngerin voruͤberwallt, Die Kirche aufbricht und die Kerzen wanken. Moͤrike , Gedichte. 5 Auf der Reise. Zwischen suͤßem Schmerz, Zwischen dumpfem Wohlbehagen Sitz' ich naͤchtlich in dem Reisewagen, Lasse mich so weit von dir, mein Herz, Weit und immer weiter tragen. Schweigend sitz' ich und allein, Ich wiege mich in bunten Traͤumen, Das muntre Posthorn klingt darein, Es tanzt der liebe Mondenschein Nach diesem Ton auf Quellen und auf Baͤumen, Sogar zu mir durch's enge Fensterlein. Ich wuͤnsche mir nun Dies und Das. O koͤnnt' ich jetzo durch ein Zauberglas In's Goldgewebe deines Traumes blicken! Vielleicht dann sah' ich wieder mit Entzuͤcken Dich in der Laube wohlbekannt, Ich saͤhe Genofevens Hand Auf deiner Schulter traulich liegen, Am Ende saͤh' ich selber mich, Halb keck und halb bescheidentlich, An deine holde Wange schmiegen. Doch nein! wie duͤrft' ich auch nur hoffen, Daß jezt mein Schatten bei dir sey! Ach, stuͤnden deine Traͤume fuͤr mich offen, Du winktest wohl auch wachend mich herbei! Frage und Antwort. F ragst du mich, woher die bange Liebe mir zum Herzen kam, Und warum ich ihr nicht lange Schon den bittern Stachel nahm? Sprich, warum mit Geisterschnelle Wohl der Wind die Fluͤgel ruͤhrt, Und woher die suͤße Quelle Die verborgnen Wasser fuͤhrt? Banne du auf seiner Faͤhrte Mir den Wind in vollem Lauf! Halte mit der Zaubergerte Du die suͤßen Quellen auf! 5 * Heimweh. Anders wird die Welt mit jedem Schritt, Den ich weiter von der Liebsten mache; Mein Herz, das will nicht weiter mit! Hier scheint die Sonne kalt in's Land, Hier daͤucht mir Alles unbekannt, Sogar die Blumen am Bache! Hat jede Sache So fremd eine Miene, so falsch ein Gesicht. Das Baͤchlein murmelt wohl und spricht: Armer Knabe, komm' bei mir voruͤber, Siehst auch hier Vergißmeinnicht! — Ja, die sind schoͤn an jedem Ort, Aber nicht wie dort! Fort, nur fort! Die Augen gehn mir uͤber! Nachts. W ie suͤß der Nachtwind nun die Wiese streift! Und klingend jezt den jungen Hain durchlaͤuft! Da noch der freche Tag verstummt, Hoͤrt man der Erdenkraͤfte fluͤsterndes Gedraͤnge, Das aufwaͤrts in die zaͤrtlichen Gesaͤnge Der reingestimmten Luͤfte summt. Wie ein Gewebe zuckt die Luft manchmal, Durchsicht'ger stets und leichter aufzuwehen, Dazwischen hoͤrt man weiche Toͤne gehen, Von sel'gen Feen, die im Sternensaa! Beim Sphaͤrenklang, Und fleißig mit Gesang Die goldnen Spindeln hin und wieder drehen. Die traurige Krönung. Es war ein Koͤnig Milesint, Von dem will ich euch sagen; Der meuchelte sein Bruders-Kind, Wollte selbst die Krone tragen. Die Kroͤnung ward mit Prangen Auf Liffey-Schloß begangen. O Irland! Irland! warest du so blind? Der Koͤnig sizt um Mitternacht Im oͤden Marmorsaale, Er freut sich seiner neuen Pracht Beim einsamen Pokale; Er spricht zu seinem Sohne: „Noch einmal bring' die Krone! Doch schau, wer hat die Pforten aufgemacht?“ Da kommt ein seltsam Todtenspiel, Ein Zug mit leisen Tritten, Vermummte Gaͤste groß und viel, Eine Krone schwankt in Mitten; Es draͤngt sich durch die Pforte Mit Fluͤstern ohne Worte; Dem Koͤnige, dem wird so geisterschwuͤl. Und aus der schwarzen Menge blickt Ein Kind mit frischer Wunde, Es laͤchelt sterbensweh und nickt, Es macht im Saal die Runde, Es trippelt zu dem Throne, Es reichet eine Krone Dem Koͤnige, deß Herze tief erschrickt. Darauf der Zug von dannen strich, Von Morgenluft berauschet; Die Kerzen flackern wunderlich, Der Mond am Fenster lauschet; Der Sohn mit Angst und Schweigen Zum Vater thaͤt sich neigen, — Er neiget uͤber eine Leiche sich. Chor jüdischer Mädchen. Aus einer unvollendeten Oper. W ir fuͤrchten uns nicht in des Koͤniges Saale: Er lud uns zum Mahle; So sind wir nun da. Eia la la! Eia la la! Ist doch auch des Koͤnigs sein Toͤchterlein da! Duftende Quellen Springen im Saal, Und wie Gazellen Wir huͤpfen um's Mahl. Keine soll stocken im Tanz! Schuͤttelt nur Locken und Kranz! Lustig! im Taumel muthwilliger Taͤnze Fliegen die Kraͤnze, Fliegt es mit Rosen und Baͤndern im Saal! Eia la la! Eia la la! u. s. w. Der Gärtner. A uf ihrem Leib-Roͤßlein, So weiß wie der Schnee, Die schoͤnste Prinzessin Reit't durch die Allee. Der Weg, den das Roͤßlein Hintanzet so hold, Der Sand, den ich streute, Er blinket wie Gold! Du rosenfarbs Huͤtlein, Wohl auf und wohl ab! O wirf eine Feder Verstohlen herab! Und willst du dagegen Eine Bluͤthe von mir, Nimm tausend fuͤr Eine, Nimm alle dafuͤr! Lied vom Winde. Sausewind! Brausewind! Dort und hier, Deine Heimath sage mir! „Kindlein, wir fahren Seit viel vielen Jahren Durch die weit weite Welt, Und moͤchten's erfragen, Die Antwort erjagen, Bei den Bergen, den Meeren, Bei des Himmels klingenden Heeren, Die wissen es nie. Bist du kluͤger als sie, Magst du es sagen. — Fort, wohlauf! Halt' uns nicht auf! Kommen Andre nach, unsre Bruͤder, Da frag' wieder.“ Halt an! Gemach, Eine kleine Frist! Sagt, wo der Liebe Heimath ist, Ihr Anfang, ihr Ende? „Wer's nennen koͤnnte! Schelmisches Kind, Lieb ist wie Wind, Rasch und lebendig, Ruhet nie, Ewig ist sie, Aber dein Schatz nicht bestaͤndig. — Frisch, wohlauf! Halt uns nicht auf! Fort uͤber Stoppel und Waͤlder und Wiesen! Wenn ich dein Schaͤtzchen seh', Will ich es gruͤßen; Kindlein — Ade! Agnes. Rosenzeit! wie schnell vorbei, Schnell vorbei, Bist du doch gegangen! Waͤr' mein Lieb nur blieben treu, Blieben treu, Sollte mir nicht bangen. Um die Ernte wohlgemuth, Wohlgemuth, Schnitterinnen singen. Aber, ach! mir kranken Blut, Mir kranken Blut, Will nichts mehr gelingen. Schleiche so durch's Wiesenthal, So durch's Thal, Als im Traum verloren, Nach dem Berg, da tausend Mal Tausend Mal, Er mir Treu geschworen. Oben auf des Huͤgels Rand, Abgewandt, Wein' ich bei der Linde, An dem Hut mein Rosenband, Von seiner Hand, Spielet in dem Winde. Elfenlied. Bei Nacht im Dorf der Waͤchter rief: Elfe! Ein ganz kleines Elfchen im Walde schlief, Wohl um die Elfe; Und meint, es rief ihm aus dem Thal Bei seinem Namen die Nachtigall, Oder Silpelit haͤtt' ihn gerufen. Reibt sich der Elf die Augen aus, Begibt sich vor sein Schneckenhaus, Und ist als wie ein trunken Mann, Sein Schlaͤflein war nicht voll gethan, Und humpelt also tippe tapp Durch's Haselholz in's Thal hinab, Schlupft an der Weinbergmauer hin, Daran viel Feuerwuͤrmchen gluͤhn: „Was sind das helle Fensterlein? Da drin wird eine Hochzeit seyn; Die Kleinen sitzen beim Mahle, Und treiben's in dem Saale, Da guck' ich wohl ein wenig 'nein!“ — Pfui, stoͤßt den Kopf an harten Stein! Elfe, gelt, du hast genug? Gukuk! Gukuk! Mausfallen-Sprüchlein. Das Kind geht dreimal um die Falle und spricht: Muse-Maͤuschen, stell dich ein Heut Nacht bei Mondenschein! Mach' aber die Thuͤr fein hinter dir zu, Hoͤrst du? Dabei huͤte dein Schwaͤnzchen! Nach Tische singen wir, Nach Tische springen wir Und machen ein Taͤnzchen: Witt witt! Meine alte Katze tanzt wahrscheinlich mit. Die Schwestern. Wir Schwestern zwei, wir schoͤnen, So gleich von Angesicht, So gleicht kein Ei dem andern, Kein Stern dem andern nicht. Wir Schwestern zwei, wir schoͤnen, Wir haben lichtbraune Haar, Und flichst du sie in Einen Zopf, Man kennt sie nicht fuͤrwahr. Wir Schwestern zwei, wir schoͤnen, Wir tragen gleich Gewand, Spazieren auf dem Wiesenplan Und singen Hand in Hand. Wir Schwestern zwei, wir schoͤnen, Wir spinnen in die Wett', Wir sitzen an Einer Kunkel, Wir schlafen in Einem Bett. O Schwestern zwei, ihr schoͤnen! Wie hat sich das Blaͤttchen gewend't! Ihr liebet einerlei Liebchen — Jezt hat das Liedel ein End'. Des Schlossküpers Geister zu Tübingen. Ballade, beim Weine zu singen. I n's alten Schloßwirths Garten Da klingt schon viele Jahr kein Glas, Kein Kegel faͤllt, keine Karten, Waͤchst aber schoͤn lang Gras. Ich mutterseelalleine Sazt' mich an einen langen Tisch; Der Schloßwirth regt die Beine, Vom Rothen bringt er frisch. Und laͤßt sich zu mir nieder; Von alten Zeiten red't man viel, Man seufzet hin und wieder; Der Schoͤpplein wird kein Ziel. Da nun der Tag gegangen, Der Schloßwirth sagt kein Woͤrtlein mehr; Neun Lichter thaͤt er langen, Neun Stuͤhle sezt er her. Als wie zum groͤßten Feste Auftischt er, daß die Tafel kracht: Was kaͤmen noch fuͤr Gaͤste? Ist doch schier Mitternacht! Der Narr, was kann er wollen? Er macht sich an die Kugelbahn, Laͤßt eine Kugel rollen, Ein Hoͤllenlaͤrm geht an. Es fahren gar behende Acht Kegel hinter'm Brett herauf, Schrei'n: Hagel und kein Ende! Wer Teufel weckt uns auf? Und waren acht Studiosen, Wohl aus der Zopf- und Puderzeit: Rothe Roͤcklein, kurze Hosen, Und ganz charmante Leut'. Die sehen mit Ergetzen Den edelen Karfunkelwein, Gleich thaͤten sie sich letzen Und zechen und juchhein. Den Wirth erbaut das wenig; Er sprach: Ihr Herren, wollt verzeihn: Wo ist der Schoppenkoͤnig? Wann seyd Ihr denn zu Neun? Ach Kuͤper, lieber Kuͤper! Wie machest uns das Herze schwer! Wohl funfzig Jahr und druͤber Begraben lieget er. Moͤrike , Gedichte. 6 Gott hab' den Herren selig, Mit seiner rothen Habichtsnas'! Regierete so froͤhlich, Kam Tags auf sieben Maß. Einst thaͤt er uns bescheiden, Sprach: Maͤnniglich kennt mein Gebot: Den Gerstensaft zu meiden; Man buͤßet's mit dem Tod. Mit ein paar lausigen Dichtern Traf man beim sauren Bier euch an, Versteht sich, nudelnuͤchtern, Wohl auf der Kugelbahn. Kommt also her, ihr Luͤmmel! — Er zog sein' Zauberstab herfuͤr — Wir stuͤrzten wie vom Himmel — Acht Kegel waren wir! Jezt ging es an ein Hudeln, Einen hoͤlzern Koͤnig man uns gab, Doch schoß man nichts wie Pudel, Da schafften sie uns ab. — Nun dauert es nicht lange, So zieht das Burschenvolk einmal Auf's Schloß mit wildem Sange, Zum Koͤnig in den Saal: Wir woll'n dich Lands verweisen, So du nicht schwoͤrest ab den Wein; Bierkoͤnig sollt du heißen! — Er aber saget: Nein; Da habt ihr meine Krone! An mir ist Hopfen und Malz verlor'n. — So stieg er von dem Throne In seinem edlen Zorn. Fuͤr Kummer und fuͤr Graͤmen Der Herre wurde krank und alt, Zerfiele wie ein Schemen Und holt der Tod ihn bald. Mit Purpur ward gezieret Sein Leichnam als ein Koͤnig groß; Ein tief Gewoͤlb man fuͤhret Zu Tuͤwingen im Schloß. Vier schwarze Edelknaben Sein' Becher trugen vor der Bahr'; Der ist mit ihm begraben, War doch von Golde gar. Damal ward prophezeihet: Wenn nur erst hundert Jahr herum, Da wuͤrd' der Thron erneuet Vom alten Koͤnigthum. 6 * So muͤssen wir halt warten, Bis daß die Zeit erfuͤllet was; Und in des Schloßwirths Garten Derweil waͤchst langes Gras. Ach Kuͤper, lieber Kuͤper! Jezt geige du uns wieder heim! Die Nacht ist schier voruͤber: Acht Kegel muͤssen wir seyn. Der Schloßwirth nimmt die Geigen Und streicht ein Deo gloria , Sie tanzen einen Reigen Und Keiner ist mehr da. Romanze vom wahnsinnigen Feuerreiter. Ist aus dem Roman: „Maler Nolten.“ In einer alten Stadt, so wird erzaͤhlt, habe im Giebeldache eines kleinen Hauses ein junger fremder Mann gewohnt, von dessen Lebensweise Niemand naͤher wußte, der sich Jahr aus, Jahr ein auch niemals habe blicken lassen, außer — nach dem Volksglauben — regelmaͤßig vor dem Ausbruch einer Feuersbrunst. Dann sah man ihn in einer scharlachrothen, netzartigen Muͤtze unruhig am kleinen Fenster auf und nieder gehen, zum sichern Vorzeichen des nahe drohenden Ungluͤcks. Mit dem ersten Feuerlaͤrmen kam er auf einem magern Klepper unten aus dem Stalle hervorgesprengt und nahm pfeilschnell, unfehlbar seinen Lauf nach dem Orte des Brandes. Sehet ihr am Fensterlein Dort die rothe Muͤtze wieder? Muß nicht ganz geheuer seyn, Denn er geht schon auf und nieder; Und was fuͤr ein toll Gewuͤhle Ploͤtzlich auf den Gassen schwillt! Horch! das Jammergloͤcklein grillt: Hinter'm Berg, hinter'm Berg Brennt's in einer Muͤhle! Schaut! da sprengt er wuͤthend schier Durch das Thor, der Feuerreiter, Auf dem rippenduͤrren Thier, Als auf einer Feuerleiter! Durch den Qualm und durch die Schwuͤle Rennt er schon wie Windesbraut! Aus der Stadt, da ruft es laut: Hinter'm Berg, hinter'm Berg Brennt's in einer Muͤhle! Keine Stunde hielt es an, Bis die Muͤhle borst in Truͤmmer, Doch den wilden Reitersmann Sah man von der Stunde nimmer; Darauf stiller das Gewuͤhle Kehret wiederum nach Haus; Auch das Gloͤcklein klinget aus: Hinter'm Berg, hinter'm Berg Brennt's! — Nach der Zeit ein Muͤller fand Ein Gerippe sammt der Muͤtzen Ruhig an der Kellerwand Auf der beinern' Maͤhre sitzen: „Feuerreiter, wie so kuͤhle Reitest du in deinem Grab!“ Husch! da faͤllt's in Asche ab! Ruhe wohl! Ruhe wohl Drunten in der Muͤhle! Erzengel Michaels Feder. Frau Marie Niethhammer, geb. Kerner, gewidmet. I. Weil schon vor so viel hundert Jahren, Da unsre Vaͤter noch Heiden waren, Unser geliebtes Schwabenland So lustig wie ein Garten stand, So sah der Teufel auch einmal Vom Michelsberg in's Maienthal Und auf das weit bebaute Feld. Er sprach: das ist ja wohlbestellt; Hier bluͤht, wie einst im Paradies, Der Apfelbaum und schmeckt so suͤß! Wir wollen dieses Gartens pflegen, Und soll sich erst kein Pfaff drein legen! — Solch Frevelwort des Satans hoͤrt Der Herr im Himmel ungestoͤrt, War aber gar nicht sehr ergezt, Daß sich der Bock zum Gaͤrtner sezt. Er sandte Bonifazium Damals im deutschen Reich herum, Daß er, des heiligen Geistes voll, Den himmlischen Weinstock pflanzen soll; So ruͤckt er nun auch zum Michelsberg. Das kam dem Satan uͤberzwerch, Thaͤt ihm sogleich den Weg verrennen, Ließ den Boden wie Schwefel brennen, Huͤllet mit Dampf und Wetterschein Das ganze Revier hoͤchst grausam ein, Geht selber auf den Heiligen los, Der stand aller irdischen Waffen bloß, Die Haͤnde sein zum Himmel kehrt, Rief: Starker Gott! leih mir ein Schwert! Da zuͤckt herab, wie ein Donnerstreich, Erzengel Michael sogleich. Sein Fluͤgel und sein Fußtritt daͤmpft Das Feuer schnell, er ficht und kaͤmpft Und wuͤrgt den Schwarzen blau und gruͤn, Der haͤtte schier nach Gott geschrien; Schmeißt ihn der Engel auch alsbald Kopfunter in den Hoͤllenspalt, Schließt sich der Boden eilend zu, Da war's auf Erden wieder Ruh, Die Luͤfte flossen leicht und rein, Der Engel sah wie Sonnenschein. Unser heiliger bedankt sich sehr, Moͤcht' aber noch ein Woͤrtlein mehr Mit dem Patronen gern verkehren, Deß wollte Jener sich erwehren, Sprach: Jetzo hab' ich keine Zeit. Da ging Herr Bonifaz so weit, Daß er ihn faßt an seiner Schwingen, Der Engel ließ sich doch nicht zwingen, War wie ein Morgenrauch entschluͤpft. Der Mann Gottes stund sehr verbluͤfft. Ihm war, wie er mit dem Erzengel rang, Eine Feder, guͤlden, schoͤn und lang Aus dem Fittig in der Hand geblieben. Jezt thaͤt er sie schnell in Mantel schieben, Ging eine Strecke fort und sann: Was fang ich mit der Feder an? Nun aber auf des Berges Rand Ein kleiner Heidentempel stand, Noch in der lezten Roͤmerzeit Luna, der Mondsgoͤttin, geweiht Von Trephon, dem Feldhauptmann. Da nahm Bonifaz ein Aergerniß dran, Ließ also das Bethaus gleich fegen und lichten, Zur christlichen Kapell herrichten Und weihte sie auch auf der Stell' Dem theuren Erzengel Michael. Sein Bild, uͤber'n Altar gestellt, Mit der rechten Hand die Feder haͤlt, Die denn bei mancher Pilgerfahrt, Noch bis heute, hochverehret ward. Zu guter Lezt ich melden will: Da bei dem Berg liegt auch Tripstrill, Wo, wie ihr ohne Zweifel wißt, Die beruͤhmte Pelzmuͤhl' ist. ll. Es war ein Kaufherr zu Heilbronn, Fuͤrwahr ein halber Salomon; Mit seinen Thalern haͤtt' man moͤgen Den Markt wohl zwiefach pflaͤstern und legen; Zwar seines Glaubens nur ein Juͤd, Jedoch ein aͤcht und fromm Gemuͤth, Machte manchen Christenbettler satt. Er hatte drei Haͤuser in der Stadt, Indeß er selbst das ganze Jahr, Oft uͤber Meer, verreiset war. Weil aber in guter Christen Mitte, Sein Volk damals viel Tort erlitte, Ließ Herr Aaron seiner Frauen Auf dem Land ein Schloͤßlein bauen, Ringsum mit Wiesen, See und Wald, Zur Sommerszeit ein Aufenthalt. Zu all dem sah sein jung Gemahl Nur wie das Klagweib im Hochzeitsaal: Ging weder fischen, weder jagen, Ließ sich auch nicht vom Maulthier tragen Durch Berg und Wald, das Dorf entlang, Wollte kein Saitenspiel, noch Gesang: Denn ihr einzig Kind, ein Maͤgdlein zart, Wie ein Fuͤrstenblut so schoͤn von Art, War leider taub und stumm geboren, Auch Kunst und Hoffnung ganz verloreu. Als nun das Maͤgdlein, endlich groß Gleich einer Lilien aufschoß, Ging es und ritte manches Mal Ohne Diener durch's Wiesenthal. Dann sprachen die Leute insgemein: „Seht da, des Sultans Toͤchterlein!“ War weiß von Haut und schwarz von Haar, Mit Ringeln deckt's den Nacken gar. Ihr Auge gab so edlen Glanz, Sah munter drein beim Schaͤfertanz; Ihr rother Mund zwar red'te nicht, Konnt' aber lachen inniglich. Einsmals schoͤn Rahel saß allein Beim Birkenwald am gruͤnen Rain, Dacht' einem Traumgesichte nach, Darin ihr Gott der Herr versprach, Treu und wahrhaft, durch Engelsmund: Sie sollte werden ganz gesund, Wenn sie ihm thaͤte Dies und Das — Sie wußte leider nicht mehr Was? Haͤtt' sie's gewußt, sie koͤnnt's nicht sagen, Muͤßt' es ewig bei ihr selbsten tragen. Das fiel ihr nun auf's Herz so schwer, Daß sie seufzet laut und weinet sehr. Nun kam den Pfad ein Buͤblein her, Dem war die Rahel wohlgesinnt, Es war des Juden Paͤchters Kind, Kam von der Synagoge warm, Hatt' Buch und Taͤflein unter'm Arm. Sie macht ihm Platz an ihrer Rechten, Lehrt ihm ein lustig Kraͤnzlein flechten, Am Bach da hatt's der Blumen viel; Der Tag war aber gar zu schwuͤl: Der Knabe nickt, dann schlaͤft er ein, Schoͤn Rahel sizt fuͤr sich allein. Sie kriegt des Knaben Buch zur Hand, Davon sie leider nichts verstand, Sie nimmt das Taͤflein auf den Schoos, Da wurden ihr die Thraͤnen los. Mit Haͤnden deckt sie ihr Gesicht, Sie bet't im Stillen und weiß es nicht. Und wie sie wieder aufgeblickt, Ein frisches Aug ins Blaue schickt, — Vom Michelsberg was blinkt so hell, Als wie das Kreuz auf der Kapell? Streicht es nicht durch die Luft daher? Kommt es nicht nah und immer mehr? Ein Vogel, ei! ein Schwaͤlblein hold! Im Schnabel hat's ein klares Gold. Der Jungfrau legt's, o Wunder, sieh! Ein' guͤldene Feder auf ihr Knie, Fliegt auf den naͤchsten Erlenbaum: Der Jungfrau ist es als ein Traum. Wie wird es ihr im Geist so licht! Sie weiß ihr ganzes Traumgesicht! Ihr klinget, was der Engel sprach, Hell, wie Gesang, im Herzen nach. Im Taumelsinn, in seliger Hast, Hat sie den guͤldnen Kiel gefaßt: Er lebt und schreibt, kaum haͤlt sie ihn, So rasch geht's uͤber's Taͤflein hin, Mit goldiger Hebraͤer-Schrift (Wohl feiner, denn mit Schiefer-Stift!): „Schoͤn Rahel! Friede sey mit dir! Der ewig' Vater gruͤßt dich hier, Will loͤsen deiner Zunge Band, Aufthun dein Ohr mit seiner Hand, So du mit Vater und Mutter dein Dem Heiland willt zu eigen seyn.“ Die Feder ruht; das Schwaͤlblein keck Fliegt ab dem Baum und nimmt sie weg, Und auf und fort in einem Nu, Dem Michelsberg da wieder zu. Indessen war der Knab erwacht, Nahm auch das Wunder wohl in Acht. Die Jungfrau winket ihm aufzustehn, Alle Beide stumm nach Hause gehn. Wie sie noch wenig Schritt vom Hofe, Entgegen rennet schon die Zofe, Bedeutend, daß der Vater kommen. Von tausend Freuden uͤbernommen Es eilet das gluͤckselig Kind Ins Haus noch zehnmal so geschwind. Herr Aaron stund just in der Thuͤr, Faßt sie in Arm, sie zittert schier, Und Thraͤnen, so sonst nicht sein' Art, Ihm maͤchtig tropfen in den Bart. Sie dringet ihm das Taͤflein auf, Dann eilet sie in Einem Lauf, Holt ihre Mutter in den Saal, Herzet und kuͤßt sie tausendmal, Winket des Paͤchters Kind herbei, Das saget, was geschehen, frei. Der Alte liest und staunt und schweigt, Seiner Frauen dar das Wunder reicht, Und murmelt fuͤr sich unbewußt; Schlaͤgt dann laut an seine Brust, Und ruft: „Dein Knecht, Herr, ist nicht werth, Daß ihm so Großes widerfaͤhrt! Ich seufzet' oft in Naͤchten tief Nach deines Sohnes Heil und rief; Doch Zweifels Angst und Spott der Welt Hat mir so theures Licht verstellt: Ich war verstocket, taub und blind: Muß mich noch retten mein armes Kind! Dafuͤr sey Preis und Ehre dein! Laß mich jezt auch der Erste seyn, So bruͤnstig dir, Herr Jesu Christ, Weh! die durchgrabnen Fuͤße kuͤßt! Und wie, zu deinem Stern gewandt, Drei Koͤnige aus Morgenland Dir brachten Myrrhen, Weihrauch, Gold: Vergoͤnne, daß dein Knecht dir zollt, Was Alles du seit so viel Jahren Durch ihn der Kirche wollen sparen! — O du an deines Sohnes Seite Vertritt uns Mutter, benedeyte!“ So sprach Herr Aaron jenen Tag; Hoͤrt an, was weiter werden mag. Zu Pfingsten, fruͤh vor Tage schon, Zieht, groß und lang, eine Prozession Mit hellen Kerzen ohne Zahl Langsam dahin durch's gruͤne Thal, Soͤhne und Toͤchter Israel, Zum Berg des Engels Michael. Zuvorderst thaͤt Herr Aaron gehn Mit seiner Frauen und Rahel schoͤn; Kam hierauf seine Dienerschaft, Lobpreisend Gottes Wunderkraft, Aber zulezt, in langen Reihn, An die zweihundert von seiner Gemein: Die kamen nicht, zu sehn und zu gaffen, Sondern geschlagen von Gottes Waffen, Wollten sich alle taufen lassen. Das Kirchlein nicht ein Drittel faßt Der Meng', so an den Pforten paßt. Jetzo die Orgel hell erklingt, Man freudig Hallelujah singt. Dann, voller Demuth, holder Sitte, Schoͤn Rahel vor den Taufstein schritte. Ihr Haupt gebeuget und ihr Knie, Empfaͤnget Bad und Segen sie. Und als der Priester feierlich Sprach: Gotteskind, ich taufe dich, So jetzo Dorothea heißt, Auf Vater, Sohn und heiligen Geist: — Glaubst du an des Dreieinigen Namen? Schoͤn Dorothe' sprach: Ja und Amen. Idylle. An J. M. Unter die Eiche gestreckt, im jung belaubten Gehoͤlze Lag ich, ein Buͤchlein vor mir, das mir das lieblichste bleibt; Jene Maͤhrchen erzaͤhlt's von der Gaͤnsemagd und von dem Fischer, Von dem Machandelboom; wahrlich, man wird sie nicht satt. Gruͤnlicher Maienschein warf mir geringelte Lichter Auf's beschattete Buch, neckische Bilder zum Text. Ferne hoͤr' ich die Holzart fallen, ich hoͤre den Gukuk Und es lispelt ein Bach wenige Schritte vor mir. Maͤhrchenhaft fuͤhl' ich mich selbst, mit aufgeschlossenen Sinnen Seh' ich, wie helle! den Wald, ruft mir der Gukuk, wie fremd! Ploͤtzlich rauscht es im Laub, — wird doch Sneewittchen nicht kommen, Oder, bezaubert, ein Reh? Nicht doch, kein Wunder geschieht; Siehe, mein Nachbarskind aus dem Dorf, mein artiges Schaͤtzchen! Muͤßig lief es in Wald, weil es den Vater dort weiß, Ehrbar setzet es sich an meine Seite, vertraulich Plaudern wir Dieses und Das, und ich erzaͤhle sofort Moͤrike , Gedichte. 7 Gar ausfuͤhrlich die Leiden des unvergleichlichen Maͤdchens, Dem von der Mutter Hand dreimal der Tod schon gedroht. Denn die Eitle, die Koͤnigin, haßte sie, weil sie so schoͤn war, Grimmig, da mußte sie fliehn, wohnte bei Zwergen sich ein. Aber die Koͤnigin findet sie bald; sie klopfet am Hause, Bietet, als Kraͤmerin, schlau, lockende Waare zu Kauf. Arglos oͤffnet das Kind, den Rath der Zwerge vergessend, Und das Liebchen empfaͤngt, ach! den vergifteten Kamm. Welch ein Jammer, da nun die Kleinen zu Hause ge¬ kommen! Welcher Kuͤnste bedarf's, bis die Erstarrte erwacht! Doch zum zweiten Mal kommt, zum dritten Male, ver¬ kleidet, Die Verderberin, leicht hat sie das Maͤdchen beschwazt, Schnuͤrt in das zierliche Leibchen sie ein, den Athem er¬ stickend In dem Busen; zuletzt bringt sie die toͤdtliche Frucht. Nun ist alle Huͤlfe umsonst; wie weinen die Zwerge! Ein krystallener Sarg schließet die Aermste nun ein, Frei gestellt auf den Berg, ein Anblick allen Gestirnen, Unverwelklich ruht innen die suͤße Gestalt. — So weit war ich gekommen, da drang aus dem naͤch¬ sten Gebuͤsche, Hinter mir Nachtigallschlag herrlich auf Einmal hervor, Troff wie Honig durch das Gezweig und spruͤhte wie Feuer Zackige Toͤne, mir traf freudig ein Schauer das Herz, Wie wenn der Goͤttinnen Eine, voruͤberfliehend, dem Dichter Durch ambrosischen Duft ihre Begegnung verraͤth. Leider verstummte die Saͤngerin bald, ich horchte noch lange, Doch vergebens, und so bracht' ich mein Maͤhrchen zum Schluß. — Jetzo deutet das Kind und ruft: „Margrete! da kommt sie! In dem Korbe, siehst du, bringt sie dem Vater die Milch!“ Durch die Luͤcke sogleich erkannt' ich die aͤltere Schwester; Von der Wiese herauf beugt nach dem Walde sie ein, Ruͤstig, die braͤunliche Dirne; ihr brennt auf der Wange der Mittag, Gern erschreckten wir sie, aber sie gruͤßet bereits. „Haltet's mit, wenn Ihr moͤgt! es ist heiß, da mißt man die Suppe Und den Braten zur Noth, fett ist und kuͤhle mein Mahl.“ Und ich straͤubte mich nicht, wir folgten dem Schlage der Holzart; Statt des Kindes wie gern haͤtt' ich die Schwester gefuͤhrt! — Freund! du ehrest die Muse, die jene Maͤhrchen vor Alters Wohl zu Tausenden sang; aber nun schweiget sie laͤngst, Die am Winterkamin, bei der Schusterbank, oder am Webstuhl Dichtendem Volkswitz oft koͤstliche Nahrung gereicht. Das Unmoͤgliche war ihr Feld; leichtfertig verknuͤpft sie Das Entfernteste, reicht lustig dem Bloͤden den Preis. Sind drei Wuͤnsche erlaubt: ihr Held wird das Albernste waͤhlen; Ihr zu Ehren sey dir nun das Gestaͤndniß gethan, 7 * Wie an der Seite der Dirne, der vielgespraͤchigen, sachte Im bewegten Gemuͤth bruͤnstig der Wunsch mich be¬ schlich: Waͤr' ich ein Jaͤger, ein Hirt, waͤr' ich ein Bauer geboren, Truͤg' ich Knuͤttel und Beil, waͤrst, Margarete, mein Weib! Nie beklagt' ich die Hitze des Tags, ich wollte mich herzlich Auch der rauheren Kost, wenn du sie braͤchtest, erfreun. O wie herrlich wuͤrde mir jeder Morgen begegnen, Und das Abendroth uͤber dem reifenden Feld! Balsam wuͤrde mein Blut im frischen Kusse des Weibes, Kraftvoll bluͤhte mein Haus, doppelt, in Kindern empor. Aber im Winter, zu Nacht, am Ofen und auf der Schnitz¬ bank Rief' ich, o Muse, dich auch, maͤhrchenerfindende, an! Akme und Septimius. Nach Catull. Akme, seine Geliebte, auf dem Schoose Haltend, sagte Septimius: „Meine Akme! Uebermaͤßig hab' ich dich lieb und will auch Jahr fuͤr Jahr dich bestaͤndig also lieben, So arg wie nur ein Mensch jemals im Stand ist; Sieh, sonst mag mir's geschehn, daß ich, ganz einsam, Sey's in Libyen, sey's im heißen Inder- Land, dem toͤdtlichen Blick des Leu'n begegne!“ Wie er dieses gesagt, nies't Amor, herzlich Es bekraͤftigend (sonst war er ihm abhold). Akme, ruͤckwaͤrts ihr Koͤpfchen leicht gebogen, Und die trunkenen Augen ihres suͤßen Knaben kuͤssend mit jenem Purpurmunde, Sprach: „Mein Leben! o du mein Septiminchen! kuͤnftig dienen wir diesem Herrn alleine, Ich , wie du, — so gewiß als mir noch weit ein Heißer Feuer im zarten Marke gluͤhet!“ Wie sie dieses gesagt, nies't Amor, herzlich Es bekraͤftigend (sonst war er ihr abhold). Auf so guͤnstige Zeichen nunmehr bauend Tauschen Beide von Herzen Lieb' um Liebe. Nur in Akme allein lebt noch Septimius, Die ihm theurer als Syrien und Britannien, Nur Septimius widmet Akme treulich All' ihr Suͤßes und alle Liebeswonnen. Kein gluͤckseliger Paar hat man gesehen, Keine Liebe, so schoͤn vom Gott besiegelt! Lose Waare. „Tinte! Tinte kauft ab! Schoͤn schwarze Tinte verkauf' ich:“ Rief ein Buͤblein gar hell Straßen hinauf und hinab. Lachend traf sein feuriger Blick mich oben im Fenster, Eh' ich mich's irgend versah, huscht er ins Zimmer herein. Knabe, dich rief Niemand! — „Herr! meine Waare ver¬ sucht nur!“ Und sein Faͤßchen behend schwang er vom Ruͤcken herum. Da verschob sich das halbzerrissene Jaͤckchen ein wenig An der Schulter und hell schimmert ein Fluͤgel hervor. Ei, laß sehen, mein Sohn! du fuͤhrst auch Federn im Handel? Amor, verkleideter Schelm! soll ich dich rupfen sogleich? Und er laͤchelt, entlarvt und legt auf die Lippen den Finger: „Stille! sie sind nicht verzollt — stoͤrt die Geschaͤfte mir nicht! Gebt das Gefaͤß, ich fuͤll' es umsonst, und bleiben wir Freunde!“ Dies gesagt und gethan, schluͤpft er zur Thuͤre hinaus. — Angefuͤhrt hat er mich doch: denn will ich was Nuͤtzliches schreiben, Gleich wird ein Liebesbrief, gleich ein Erotikon draus. Die Herbstfeier. Auf! im traubenschwersten Thale Stellt ein Fest des Bacchus an! Becher her und Opferschale! Und des Gottes Bild voran! Floͤte mit Gesang verkuͤnde Gleich des Tages letzten Rest, Mit dem Abendstern entzuͤnde Sich auch unser Freudenfest! Braune Maͤnner, schoͤne Frauen Soll man hier versammelt seh'n, Greise auch, die ehrengrauen, Duͤrfen nicht von ferne steh'n; Knaben, so die Kruͤge fuͤllen, Und, daß er vollkommen sey, Treten zoͤgernd auch die stillen Maͤdchen unserm Kranze bei. Noch ist vor der nahen Feier Suͤß beklommen manche Brust, Aber weiter bald und freier Uebergibt sie sich der Lust. Thaut euch nicht wie Fruͤhlingsregen Lieblicher Gedankenschwarm? Erdenleben, laß dich hegen, Uns ist wohl in deinem Arm! Wahrlich und schon mit Entzuͤcken Ist der Gott in vollem Lauf, Schließt vor den erwaͤrmten Blicken Seine goldnen Himmel auf. Amor auch hat nichts dawider, Wenn sich Wang' an Wange neigt, Und der Mund, im Takt der Lieder, Sich dem Mund entgegen beugt. Maͤdchen! schlingt die wildsten Taͤnze! Reißt nur euren Kranz entzwei! Ohne Furcht, denn solche Kraͤnze Flicht man immer wieder neu; Doch den andern, den ich meine, Nehmt, ihr Zaͤrtlichen, in Acht! Und zumal im Mondenscheine, Und zumal in solcher Nacht. Laßt mir doch den Alten machen, Der sich dort zum Korbe buͤckt Und den Krug mit hellem Lachen Kindisch an die Wange druͤckt! Wie sein kleiner Sohn geschaͤftig Sorge um den Zecher traͤgt Und ihm mit der Fackel kraͤftig Den gekruͤmmten Ruͤcken schlaͤgt! Aber schaut nach dem Gebuͤsche, Wo gedrungner Epheu webt, Wie sich dort das traͤumerische Marmorbild des Gottes hebt! Lasset uns ihm naͤher treten, Schließt mit Fackeln einen Kreis! Flehet zu ihm in Gebeten, Doch geheimnißvoll und leis'. Wie er laͤchelnd abwaͤrts blicket! Er besinnet sich nur kaum. Herrlicher! dein Auge nicket, Doch dies Alles ist kein Traum; Luna sucht mit frommer Leuchte Dich, o schoͤner Juͤngling, hier, Schoͤpfet zaͤrtlich ihre feuchte Klarheit auf die Stirne dir. Wie der Menschen, so der Goͤtter Liebster Liebling heißest du: Selber Zeus rief seinem Retter Herzliches Willkommen zu; Dumpf ist des Olympus Droͤhnen, Aber wie melodisch Gold Muß sein starres Erz ertoͤnen, Wenn dein Thyrsus auf ihm rollt. Und eh Mars im Kriegerschwarme Sich zur Ebne niederlaͤßt, Schließet er in seine Arme Dich, wie die Geliebte, fest, Fuͤhlet nun an Goͤttermarke Sich gedoppelt einen Gott, Dann erst bruͤllt der Himmlisch-Arge Todeslust und Siegerspott. Wie dir Alle dienen muͤssen, Schmiegt auch Eros' hohe Macht Leise todt sich dir zu Fuͤßen, Oder schauert auf und wacht. Und Apollo mit der Leyer Rufet Welt und Sternenbahn Gern aus dem verklaͤrten Feuer Deines holden Wahnes an. Herr! wie muͤssen wir dich loben? Soll mit wild geschlagner Brust Die Maͤnade um dich toben? Fluchst du unsrer keuschen Lust? Gib, o Fuͤrst, gib uns ein Zeichen, Daß wir deine Kinder sey'n! Wunderthaͤter ohne Gleichen, Laß ein Wunder uns erfreun! Tritt in unsre bunte Mitte, Oder winke mit der Hand, Wandle drei gemess'ne Schritte Laͤngs der hohen Rebenwand! — Ach, er laͤßt sich nicht bewegen .. Aber, horcht, es bebt das Thal! Ja, das ist von Donnerschlaͤgen: Horch, und schon zum dritten Mal! Selber Zeus hat nun geschworen, Daß sein Sohn uns guͤnstig sey So ist kein Gebet verloren, So ist der Olymp getreu. — Doch nach solcher Goͤtterfuͤlle Ungestuͤmem Ueberschwang Werden alle Herzen stille, Alle Gaͤste zauberbang. Stimmet an die letzten Lieder! Und so, Paar an Paar gereiht, Steiget nun zum Fluß hernieder, Wo ein festlich Schiff bereit. Auf dem vordern Rand erhebe Sich der Gott und fuͤhr' uns an, Und der Kiel, mit Fluͤstern, schwebe Durch die mondbeglaͤnzte Bahn! Lied eines Verliebten. I n aller Fruͤh', ach, lang vor Tag Weckt mich mein Herz, an dich zu denken Da doch gesunde Jugend schlafen mag. Hell ist mein Aug' um Mitternacht, Heller als fruͤhe Morgenglocken: Wann haͤtt'st du je am Tage mein gedacht? Waͤr' ich ein Fischer, stuͤnd' ich auf, Truͤge mein Netz hinab zum Flusse, Truͤg' herzlich froh die Fische zum Verkauf. In der Muͤhle, bei Licht, der Muͤllerknecht Tummelt sich, alle Gaͤnge klappern; So ruͤstig Treiben waͤr' mir eben recht! Weh, aber ich! o armer Tropf! Muß auf dem Lager mich muͤßig graͤmen, Ein ungebaͤrdig Mutterkind im Kopf! An Clara. Hoͤre das lieblichste Wunder, das ich fuͤrwahr nicht er¬ dichte, Auch erdichtet waͤr' es wohl schoͤn, doch sah ich's mit Augen. Unter dem bluͤhenden Apfelbaum saß ich auf dem be¬ moosten Maͤuerchen, still in Gedanken vertieft; es ruhte das neue Testament mir halbgeoͤffnet zwischen den Fingern, Klein und zierlich gebunden: (es kam vom treuesten Herzen — Ach, du ruhest nun auch, mir unvergessen, im Grabe!) Lange saß ich und blickte nicht auf; mit Einem so laͤßt sich Mir ein Schmetterling nieder auf's Buch, er hebet und senket Dunkle Fluͤgel mit schillerndem Blau, er dreht sich und wandelt Hin und her auf dem Rande. Was suchst du, reizender Sylphe? Lockte die blaue Decke dich an, der glaͤnzende Goldschnitt? Sahst du, getaͤuscht, im Buͤchlein die herrlichste Wunder¬ blume? Oder zogen geheim dich himmlische Kraͤfte hernieder Des lebendigen Worts? Ich muß es glauben, denn immer Weilest du noch, wie gebannt und scheinst wie trunken, ich staune! Aber von nun an bist du auf alle Tage gesegnet! Unverletzlich dein Leib, dir altern nimmer die Schwingen! Und wohin du kuͤnftig die zarten Fuͤße wirst setzen, Thauet Segen von dir. Jezt eile hinunter zum Garten, Den das beste Maͤdchen besucht am fruͤhesten Morgen, Eile zur Lilie du, gleich wird die Knospe sich oͤffnen Unter dir, dann kuͤsse sie tief in den Busen: von Stund an Goͤttlich befruchtet, athmet sie Geist und himmlisches Leben. Wenn die Gute nun kommt, vor den hohen Stengel ge¬ treten, Steht sie befangen, entzuͤckt von paradiesischer Naͤhe, Ahnungsvoll wie im Traum die holde Seele versunken. Johann Kepler. Gestern, als ich vom naͤchtlichen Lager den Stern mir in Osten Lang' betrachtete, den dort mit dem roͤthlichen Licht, Und des Mannes gedachte, der seine Bahnen zu messen, Von dem Gotte gereizt, himmlischer Pflicht sich ergab, Durch beharrlichen Fleiß der Armuth grimmigen Stachel Zu versoͤhnen, umsonst, und zu verachten bemuͤht: Mir entbrannte mein Herz von inniger Wehmuth; ach! dacht' ich, Wußten die Himmlischen dir, Meister, kein besseres Loos? Wie ein Dichter den Helden sich waͤhlt, wie Homer von Achilles Goͤttlichem Adel geruͤhrt, schoͤn im Gesang ihn erhob. Also wandtest du ganz die Kraͤfte nach jenem Gestirne, Sein gewaltiger Gang war dir ein ewiges Lied. Doch so bewegt sich kein Gott von seinem goldenen Sitze, Holdem Gesange geneigt, den zu erretten, herab, Dem die hoͤhere Macht die dunkeln Tage bestimmt hat, Und euch Sterne beruͤhrt nimmer ein Menschengeschick; Ihr geht uͤber dem Haupte des Weisen oder des Thoren Euern seligen Weg ewig gelassen dahin! Auf das Grab von Schillers Mutter. Cleversulzbach, im Mai. Nach der Seite des Dorf's, wo jener alternde Zaun dort Laͤndliche Graͤber umschließ't, wall' ich in Einsamkeit oft. Sieh' den gesunkenen Huͤgel! es kennen wenige Greise Kaum ihn noch und es ahnt Niemand ein Heiligthum hier. Jegliche Zierde fehlt und jedes deutende Zeichen; Duͤrftig breitet ein Baum schuͤtzende Arme umher. Wilde Rose! dich find ich allein statt anderer Blumen; Ja, beschaͤme sie nur, brich als ein Wunder hervor! Tausendblaͤttrig eroͤffne dein Herz! entzuͤnde dich herrlich Am begeisternden Duft, den aus der Tiefe du ziehst! — Eines Unsterblichen Mutter liegt hier bestattet; es richten Deutschlands Maͤnner und Frau'n eben den Marmor ihm auf. Moͤrike . Gedichte. 8 Theokrit. Sey, Theokritos, mir, du Anmuthsvollster, gepriesen! Lieblich bist du zuerst, aber auch herrlich fuͤrwahr. Wenn du die Grazien schickst in die Palaͤste der Reichen, Unbeschenkt kehren sie dir, nackenden Fußes, zuruͤck. Muͤßig sitzen sie dort im aͤrmlichen Hause des Dichters, Auf die frierenden Knie' traurig die Stirne gesenkt. Oder fuͤhre das Maͤdchen mir vor, das, rasend in Liebe, Da ihm der Juͤngling entfloh, Hekate's Kuͤnste ver¬ sucht. Oder singe den jungen Herakles, welchem zur Wiege Dient der eherne Schild, wo er die Schlangen erwuͤrgt: Klangvoll faͤhrst du dahin! dich kraͤnzte Kalliope selber: Aber bescheiden, ein Hirt, hast du die Syrinx er¬ waͤhlt. An eine Lieblingsbuche meines Gartens, in deren Stamm ich Hoͤlty's Namen schnitt. Holde Dryas, halte mir still! es schmerzet nur wenig; Mit wolluͤstigem Reiz schließt sich die Wunde geschwind. Eines Dichters Namen zu tragen bist du gewuͤrdigt, Keinen Lieberen hat Wiese noch Wald mir genannt. Kuͤnftig sey du die Erste von allen deinen Geschwistern, Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt. Und ein liebendes Maͤdchen, von deinem Dunkel umduftet, Sieht den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt; Leise druͤckt sie, gedankenvoll, die Lippen auf diese Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerste Mark. Wehe der Hand, die dich zu schaͤdigen waget! Ihr gluͤcke Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches Werk! 8 * Tibullus. Wie der wechselnde Wind nach allen Seiten die hohen Saaten im weichen Schwung niedergebogen durchwuͤhlt: Liebekranker Tibull! so unstet fluthen, so reizend Deine Gesaͤnge dahin, waͤhrend der Gott dich bestuͤrmt. An Hermann. Unter Thraͤnen rissest du dich von meinem Halse; In die Finsterniß lang' sah ich verworren dir nach; Wie? auf Ewig? sagtest du so? Dann laͤsset auf Ewig Meine Jugend von mir, laͤsset mein Genius mich! Und warum? bei Allem, was heilig, weißt du es selber? Wenn es der Uebermuth schwaͤrmender Jugend nicht ist? O verwegenes Spiel! Komm! nimm das Wort, ruf es zuruͤcke! — Aber du hoͤrtest nicht, ließest mich staunend allein. Monde vergingen und Jahre; die heimliche Sehnsucht im Herzen, Standen wir fremd, es fand Keiner ein muthiges Wort, Um den falschen Bann, den luftgewebten, zu brechen, Und der gemeine Tag loͤschte bald jeglichen Wunsch. Aber heutige Nacht erschien mir wieder im Traume Deine Knabengestalt — Wehe! wo rett' ich mich hin Vor dem lieblichen Bild! Ich sah dich unter den hohen Maulbeerbaͤumen im Hof, wo wir zusammen gespielt. Und du wandtest dich ab, wie beschaͤmt, ich strich dir die Locken Aus der Stirne: O du, rief ich, was kannst du dafuͤr! Weinend erwacht' ich zulezt, truͤb schien der Mond auf mein Lager, Aufgerichtet im Bett saß ich und dachte dir nach; O wie tobte mein Herz! Du fuͤlltest wieder den Busen Mir, wie kein Bruder vermag, wie die Geliebte nicht kann! Muse und Dichter. „Graben kann ich nicht: nun vollends krank! und zu betteln Schaͤme ich mich. Du schweigst, Muse? O rathe mir! hilf! Gib die Leyer!“ — Nicht doch! Dir ist die Ruhe geboten. Schlafe, traͤume nur! still ruf' ich dir Huͤlfe herab. Deinem Haupte noch bluͤhet ein Kranz; und sey es zum Leben, Sey's zum Tode; getrost! meine Hand windet ihn dir. „Keinen Lorbeer will ich, die kalte Stirne zu schmuͤcken: Laß mich leben! und gib froͤhliche Blumen zum Strauß.“ Gespräch vor Tage. „Sage, wird es denn heute nicht Tag? es daͤmmert so lange! Und zu Hunderten, horch! singen die Lerchen im Feld.“ Wohl; ihr lichtbegieriges Auge sauget die ersten Strahlen des Tages hinweg und so waͤchst langsam er nur. An meinen Arzt, Herrn Dr . Elsaͤsser. Siehe! da stuͤnd' ich wieder auf meinen Fuͤßen! und blicke Froh erstaunt in die Welt, die mir im Ruͤcken schoͤn lag; Aber ich spreche von Danke dir nicht: du liesest ihn besser Mir im Auge, du fuͤhlst hier ihn im Drucke der Hand. — Ich gluͤckseliger Thor, daß ich meine, du solltest ver¬ wundert Ueber dich selber seyn, oder geruͤhrt, so wie ich! Doch daran erkennen wir dich! — Den schwindelnden Nachen Herrlich meisternd faͤhrt ruhig der Schiffer an's Land, Wirft in den Kahn das Ruder, das, ach! so Viele ge¬ rettet, Laut aufjauchzen sie ihm, aber er achtet es kaum, Kettet das Schiff an den Pflock; und Abends sizt er beim Kruge Wie ein anderer Mann, fuͤllet sein Pfeifchen und ruht. Der Genesene an die Hoffnung. T oͤdtlich graute mir der Morgen: Doch schon lag mein Haupt, wie suͤß! Hoffnung, dir im Schoos verborgen, Bis der Sieg gewonnen hieß. Opfer bracht' ich allen Goͤttern, Doch vergessen warest du; Seitwaͤrts von den ew'gen Rettern Sahest du dem Feste zu. O vergib, du Vielgetreue! Tritt aus deinem Daͤmmerlicht, Daß ich dir in's ewig neue, Mondenhelle Angesicht Einmal schaue recht von Herzen, Wie ein Kind und sonder Harm; Ach, nur Einmal ohne Schmerzen Schließe mich in deinen Arm! Ideale Wahrheit. Gestern entschlief ich im Wald: da sah ich im Traume das kleine Maͤdchen, mit dem ich als Kind immer am liebsten verkehrt. Und sie zeigte mir hoch in der Eiche Gipfel den Gukuk, Wie die Kindheit ihn denkt, praͤchtig gefiedert und groß. Drum! — so rief ich — dieß ist der aͤchte Gukuk! Wer sagte Mir doch neulich, er sey klein nur, unscheinbar und grau! Maschinka. Dieser schwellende Mund, den Reiz der Heimath noch athmend, Kennt die Sprache nicht mehr, die ihn so lieblich ge¬ formt; Halb verdrießlich greifet die Schoͤne nach der Grammatik, Stammelt russischen Laut, weil es der Vater befiehlt. Euer Stammeln ist suͤß, doch pflegt ihr, trutzige Lippen, Heimlich ein ander Geschaͤft, das euch vor allem ver¬ schoͤnt! Schnelle Beute. Hat der Dichter im Geist ein koͤstliches Liedchen empfangen, Ruht und rastet er nicht, bis es vollendet ihn gruͤßt: Schoͤnste! so sah ich dich neulich zum ersten Mal fluͤchtig am Fenster, Und ich brannte; nun liegst heute du mir schon im Arm! Nachts am Schreibepult. Primeln, Sterne, Syringen, von stiller Kerze beleuchtet, Hier im Glase: wie fremd blickt ihr, wie feenhaft, her! Sonne schien, als die Liebste euch trug; da wart ihr so freudig: Mitternacht summt nun um euch, ach! und kein Lieb¬ chen ist hier. Vicia faba minor. Fort mit diesem Geruch, dem zauberhaften! Er mahnt mich An die Haare, die mir einst alle Sinne bestrickt. Weg mit dieser Bluͤthe, der schwarz und weißen! Sie sagt mir, Daß die Verfuͤhrerin, ach! schwer mit dem Tode ge¬ buͤßt. Auf dem Grabe eines Künstlers. Tausende liegen hier, sie kannten keinen Homerus: Selig sind sie gleichwohl, aber nicht eben wie du. An meine Mutter. Siehe, von alle den Liedern nicht Eines gilt dir, o Mutter! Dich zu preisen, o glaub's, bin ich zu arm und zu reich. Ein noch ungesungenes Lied ruhst du mir im Busen, Keinem vernehmbar sonst, mich nur zu troͤsten bestimmt, Wenn sich das Herz unmuthig der Welt abwendet und einsam Seines himmlischen Theils bleibenden Frieden bedenkt. An Dieselbe. Ach wie liebreich warst du der Welt und dienetest Allen! Und wie klein doch, wie plump hat sie dich endlich verkannt! Da entsagtest du ihr; doch laͤchelnd wehren die Deinen Heute wie gestern der Hand, die sich in Liebe vergißt. An H. K. S ey mir bestens willkommen! denn wahrlich Dir hat die Muse Heiter Lippen und Stirn und beide glaͤnzende Augen Mit unsproͤdem Kusse beruͤhrt, so kuͤsse mich wieder! Brockes. A lter, fuͤhre mich nur in deinen geschnoͤrkelten Fruͤhlings- Garten! noch duftet und thaut frisch und gewuͤrzig sein Flor. Joseph Haydn. M anchmal ist sein Humor altfraͤnkisch, ein zierliches Zoͤpflein, Das, wie der Zauberer spielt, schalkhaft im Ruͤcken ihm tanzt. Auf einen Klavierspieler. H oͤrt ihn und seht sein duͤrftig Instrument! Die alte, klepperduͤrre Maͤhre, An der ihr jede Rippe zaͤhlen koͤnnt, Verwandelt sich im Griffe dieses Knaben Zu einem Pferd von wilder, edler Art, Das in Arabiens Gluth geboren ward! Es will nicht Zeug, noch Zuͤgel haben, Es baͤumt den Leib, zeigt wiehernd seine Zaͤhne, Dann schuͤttelt sich die weiße Maͤhne, Wie Schaum des Meers zum Himmel sprizt, Bis ihm, besiegt von dem gelass'nen Reiter, Im Aug' die bittre Thraͤne blizt — O horch! nun tanzt es sanft auf goldner Toͤne Leiter! P. K. W er ergoͤzte sich nicht am derben Witze des Mannes! Heute verwuͤnschet man ihn, morgen heißt's: waͤr er nur da! Trocken sitzt er im Kreis der Gaͤste; bald wagt es ein Schlaukopf, Reizt ihn leise von fern, scheinbar bemerkt er es nicht. Jetzo faßt er den Mann sich in's Auge, schweigt noch und wieget Sachte, sachte das Haupt, und — nun, ihr kennt ja das Spiel Mit dem Vogel von Holz? Erst zielt der eiserne Schnabel, Trifft ins Schwarze: — herauf rauschet mit Lachen Hanswurst. Moͤrike , Gedichte. 9 An Friedr. Vischer Prof. der Aesthet. etc. Mit meinen Gedichten. Oft hat mich der Freund vertheidigt, Oft sogar gelobt, doch nun? Der Professor ist beeidigt Und da hilft kein Traulich-thun. Also geht, ihr braven Lieder, Daß man euch die Koͤpfe wascht! Seht auch, daß ihr hin und wieder Einen guten Blick erhascht. Er ist Vater: um so minder Denk' ich ihn euch abgeneigt; Sind doch seine eignen Kinder Auf der Schulbank nicht gezeugt! Die Anti-Sympathetiker. An Justin Kerner. V on lauter Geiste die Natur durchdrungen, Wie wuͤrde sie nicht durch den Geist bezwungen? Wenn sich getrennte Kraͤfte wiederkennen, Auf ein Erinn'rungswort entbrennen, Die Krankheit weicht, das Blut sich ploͤtzlich stillt, Das ist das Wunder, wie's die Dummheit schilt! — Laß die Schwachmatiker nur immer raͤsonniren, Und rechn' es ihnen allzu hoch nicht an! Denn, wenn sie Gott und die Natur borniren, Es streckt sich Keiner laͤnger als er kann. 9 * An einen Liebesdichter. V on Liebe singt so mancher Mann, Damit er auch von Liebe singe, Und hebt ein maͤchtig Klagen an, Der Ruhm ist groß, die Pein geringe. Nun bist du nicht im selben Fall, Und laͤssest auch Gesang erschallen, Obwohl noch keine Nachtigall, Doch mehr als jene Nachtigallen. Was ist denn wohl der Unterschied, Freund, zwischen dir und zwischen jenen? — Sie singen froh ein traurig Lied, Und du ein froͤhlichs unter Thraͤnen. Apostrophe. Als der Verfasser unter ein paar alten Eichen verschiedene Gedichte las, worin Ruͤckerts geniale Formen auf eine geißlose Weise nachgeahmt und uͤberboten waren. Ihr mehr als tausendjaͤhrigen, Eichbaͤum', ihr rauh-moos-haͤrigen! Ihr, froͤhlichen, spitzoͤhrigen Waldteufeln angehoͤrigen! Ihr lang von wuthbeflissenen Nordstuͤrmen wild zerrissenen! Nun angeweht von weichlichen Mailuͤftchen, unvergleichlichen; Und euer Fuß, der tuͤchtige, Den grimmig der bergschluͤchtige, Von Felsen uͤberpurzelte Waldstrom so gern entwurzelte, Beglaͤnzt von Baͤchleins Schimmer nun, Dessen Gespraͤchlein nimmer ruhn: Von Grund des Herzens preis' ich euch, Und uͤbergluͤcklich heiß' ich euch, Daß ihr so hoch euch beide streckt Und in so dicken Haͤuten steckt, Daß, was ich euch in kuͤnstlichen, So aͤußerst sprachverdienstlichen Reimweisen eben vorgesungen, Euch gar nicht an das Ohr gedrungen. Antike Poesie. I ch sah den Helicon in Wolkendunst, Nur kaum beruͤhrt vom ersten Sonnenstrahle; Schau! jetzo stehen hoch mit einem Male Die Gipfel dort in Morgenroͤthe-Brunst. Doch unten spricht von holder Musen Gunst Der heil'ge Quell im dunkelgruͤnen Thale: Wer aber schoͤpft mit reiner Opferschale, Wie einst, den aͤchten Thau der alten Kunst? Wie? soll ich endlich keinen Meister sehn? Will keiner mehr den alten Lorbeer pfluͤcken? — Da sah ich Iphigeniens Dichter stehn: Er ist's, an dessen Blick sich diese Hoͤhn So zauberhaft, so sonnewarm erquicken. Er geht, und frostig rauhe Luͤfte weh'n. Eberhard Wächter. In seine hohen Waͤnde eingeschlossen, Mit traurig schoͤnen Geistern im Verkehr, Gestaͤrkt am reinen Athem des Homer, Von Goldgewoͤlken Attikas umflossen: So stets vor seinen Tuͤchern unverdrossen, Fern von dem Markt der Kuͤnste, sizet er; Kein Neid verlezt, kein Lob berauscht ihn mehr, Ihm bluͤht ein Kranz bei herrlichern Genossen. O kommt und schaut ein selig Kuͤnstlerleben! Besuchet ihn am abendlichen Herd, Wenn diese Stirne sich der Wunderschwingen Des Genius erwehrend, nun soeben Sich munter zu dem Alltagskreise kehrt, Den Weib und Kinder scherzend um ihn schlingen. Seltsamer Traum. Als Nachbild eines gluͤcklichen Theaterabends bei und nach Auffuͤhrung von Mozarts Figaro, dem liebenswuͤrdigen Schwesterpaar Marie und Pauline , Rudolph und Friedrich , gewidmet von dem Lustigsten aus der Gesellschaft. Stuttgart 1828. Ich sahe naͤchtlich hinter Traumgardinen Viel Fruͤhlingsgaͤrten bluͤhn und immer aͤndern; Es tanzten, klein, auf zierlichen Gelaͤndern An hundert Figaros mit Cherubinen. Wie alle Dinge hundertfach erschienen, So sah ich zwischen „Masken, Blumen, Baͤndern,“ Und zwischen all den „seidenen Gewaͤndern“ Einfach die Einzigen, Marien , Paulinen . Und aus dem sammtnen Fruͤhlingsboden stiegen, Gehoben von melodischen Gewalten, Die Leidenschaften auf als ernste Schatten; Da sah ich, still, mit tief gefurchten Zuͤgen, Einfach zwei edle baͤrtige Gestalten, Und ich sang, als Hanswurst, auf Blumenmatten. Trost. Ja, mein Gluͤck, das lang gewohnte, Endlich hat es mich verlassen! — Ja, die liebsten Freunde seh ich Achselzuckend von mir weichen, Und die gnadenreichen Goͤtter, Die am besten Huͤlfe wuͤßten, Kehren hoͤhnisch mir den Ruͤcken. Was beginnen? werd' ich etwa, Meinen Lebenstag verwuͤnschend, Rasch nach Gift und Messer greifen? Das sey ferne! vielmehr muß man Stille sich im Herzen fassen. Und ich sprach zu meinem Herzen: Laß uns fest zusammenhalten! Denn wir kennen uns einander, Wie ihr Nest die Schwalbe kennet, Wie die Cither kennt den Saͤnger, Wie sich Schwert und Schild erkennen, Schild und Schwert einander lieben. Solch ein Paar, wer mag es scheiden? Als ich dieses Wort gesprochen, Huͤpfte mir das Herz im Busen, Das noch erst geweinet hatte. Zum neuen Jahr. Kirchengesang. (Melodie aus Axur: Wie dort auf den Auen.) W ie heimlicher Weise Ein Engelein leise Mit rosigen Fuͤßen Die Erde betritt: So nahte der Morgen. Jauchzt ihm, ihr Frommen, Ein heilig Willkommen, Ein heilig Willkommen! Herz, jauchze du mit! In Ihm sey's begonnen, Der Monde und Sonnen An blauen Gezelten Des Himmels bewegt. Du, Vater, du rathe! Lenke du und wende! Herr, dir in die Haͤnde Sey Anfang und Ende, Sey Alles gelegt! Der König bei der Krönung. D ir angetrauet am Altare, O Vaterland! wie bin ich dein! Laß fuͤr das Rechte mich und Wahre Nun Priester oder Opfer seyn! Geuß auf mein Haupt, Herr! deine Schale, Ein koͤstlich Oel des Friedens, aus, Daß ich wie eine Sonne strahle Dem Vaterland und meinem Haus! Auf die Vermaͤhlung des Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen mit Mathilde, Prinzessin von Hohenlohe. Zum Empfang in der Kirche. Hebt euch, sanftbeschwingte Lieder, Und empfangt ein edel Paar! Ew'ge Liebe blick' hernieder! Denn dir schmuͤckt sich der Altar; Wo der Fuͤrst, der Hochbegluͤckte, Staunend deiner Wege denkt, Tief in Wehmuth die entzuͤckte Braut die reine Stirne senkt. Leis' auf goldner Wage waͤget, Engel, guͤtig Ihr Geschick, Und zu ew'gen Kraͤnzen leget Jedes holde Erdengluͤck! Nannys Traum. Der Mutter zum Geburtstage. Mit einer rothen Rose. I ch ging auf gruͤnen Wiesengruͤnden, Ich wollte gar zu gern fuͤr Dich Ein herzig Bluͤmelein wo finden, Und lief und suchte emsiglich. Ach, nirgend sah ich eines stehen, Da fing ich laut zu weinen an: „Den Fruͤhling hab' ich kaum gesehen, Und kommt der Winter schon heran!“ So lief ich fort und fort mit Trauern, Erst bei dem letzten Abendschein Hielt ich vor heil'gen Kirchenmauern, Das Thor stand auf, ich trat hinein Und kam in einen stillen Garten Und vor ein frisch bereites Grab, Dran sah ich einen Engel warten, Gelehnt auf einen Hirtenstab. Der schaut mich traurig an und bange Und nickt und winket mich herbei; Mir war, als kennt' ich ihn schon lange An seinen Augen fromm und treu. Er winkt, und aus des Grabes Schoose Steigt bluͤhend, wie der Schnee so rein, Hervor die weiße Todtenrose Und neiget sich im Mondenschein. Begierig schnell will ich sie pfluͤcken, Doch mir versagt die kleine Hand, Indeß mit freudehellen Blicken Ein zweiter Engel vor mir stand. Er zog mich sachte weg zur Pforte Und sprach: „Du gutes, krankes Kind, O laß die Rosen hier am Orte, Die bleich wie deine Wangen sind! Auf's Neue sollst du froͤhlich springen, Ihr Waͤnglein bluͤhet frisch und roth! Dies Pfand magst du der Mutter bringen, Das dir dein guter Engel bot.“ Verborgenheit. L aß, o Welt, o laß mich seyn! Locket nicht mit Liebesgaben! Laßt dies Herz alleine haben Seine Wonne, seine Pein! Was ich traure weiß ich nicht, Es ist unbekanntes Wehe; Immerdar durch Thraͤnen sehe Ich der Sonne liebes Licht. Oft bin ich mir kaum bewußt, Und die helle Freude zuͤcket Durch die Schwere, so mich druͤcket Wonniglich in meiner Brust. Laß, o Welt, o laß mich seyn! Locket nicht mit Liebesgaben! Laßt dies Herz alleine haben Seine Wonne, seine Pein! Suspirium. Jesu benigne! A cujus igne Opto flagrare Et Te amare: Cur non flagravi? Cur non amavi Te, Jesu Christe? — O frigus triste! (Altes Lied.) Seufzer . Dein Liebesfeuer, Ach Herr! wie theuer Wollt' ich es hegen, Wollt' ich es pflegen! Hab's nicht geheget Und nicht gepfleget, War Eis im Herzen — O Hoͤllenschmerzen! An den Schlaf. Somne levis! quanquam certissima mortis imago; Consortem cupio te tarnen esse tori. Alma quies, optata, veni! nam sic sine vita Vivere, quam suave est, sic sine morte mori! Meibom. Schlaf! sanfter Schlaf! obwohl dem Tod wie du Nichts gleicht: Komm! theilen wir dies Lager bruͤderlich! So ohne Leben, ach wie lieblich lebt es sich! So ohne Tod, wie stirbt es sich so leicht! Moͤrike , Gedichte. 10 Wo find' ich Trost? Eine Liebe kenn' ich, die ist treu, War getreu, so lang ich sie gefunden, Hat mit tiefem Seufzen immer neu, Stets versoͤhnlich, sich mit mir verbunden. Welcher einst mit himmlischem Gedulden Bitter bittern Todestropfen trank, Hing am Kreuz und buͤßte mein Verschulden, Bis es in ein Meer von Gnade sank. Und was ist's nun, daß ich traurig bin, Daß ich angstvoll mich am Boden winde? Frage: Huͤter, ist die Nacht bald hin? Und: was rettet mich von Tod und Suͤnde? Arges Herze! ja gesteh es nur, Du hast wieder boͤse Lust empfangen; Frommer Liebe, frommer Treue Spur, Ach, das ist auf lange nun vergangen. Ja, das ist's auch, daß ich traurig bin, Daß ich angstvoll mich am Boden winde! Huͤter, Huͤter, ist die Nacht bald hin? Und was rettet mich von Tod und Suͤnde? Auf ein altes Bild. In gruͤner Landschaft Sommerflor, Bei kuͤhlem Wasser, Schilf und Rohr, Schau, wie das Knaͤblein Suͤndelos Frei spielet auf der Jungfrau Schos! Und dort im Walde wonnesam, Ach, gruͤnet schon des Kreuzes Stamm! 10 * Zurechtweisung. In dieser Winterfruͤhe Wie ist mir doch zu Muth! O Morgenroth, ich gluͤhe Von deinem Jugendblut. Es gluͤht der alte Felsen, Die Waͤlder Funken spruͤhn, Berauschte Nebel waͤlzen Sich in der Tiefe hin. Wie von der Hoͤhe nieder Der reinste Himmel flimmt, Der um die Rosenglieder Entzuͤckter Engel schwimmt! Mit thatenfroher Eile Erhebt sich Geist und Sinn, Und fluͤgelt goldne Pfeile Durch alle Ferne hin. Auf Burgen moͤcht' ich springen, In alter Fuͤrsten Schloß, Moͤcht' hohe Lieder singen, Mich schwingen auf das Roß. Und stolzen Siegeswagen Stuͤrzt' ich mich brausend nach, Die Harfe wird zerschlagen, Die nur von Liebe sprach. Wie? singst du so vermessen, Herz, hast du nicht bedacht, Hast, Naͤrrchen, ganz vergessen, Was dich so trunken macht? Ach, wohl! was aus mir singet, Ist nur der Liebe Gluͤck, Die wirren Toͤne schlinget Sie sanft in sich zuruͤck. Was hilft, was hilft mein Sehnen? Geliebte, waͤrst du hier! In tausend Freudethraͤnen Verging' die Erde mir. Am Walde. Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage, Dem Gukuk horchend, in dem Grase liegen, Er scheint das Thal gemaͤchlich einzuwiegen Im friedevollen Gleichklang seiner Klage. Da ist mir wohl, und meine schlimmste Plage, Den Fratzen der Gesellschaft mich zu fuͤgen, Hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen, Wo ich auf eigne Weise mich behage. Und wenn die feinen Leute nur erst daͤchten, Wie schoͤn Poeten ihre Zeit verschwenden, Sie wuͤrden mich zuletzt noch gar beneiden. Denn des Sonetts gedraͤngte Kraͤnze flechten Sich wie von selber unter meinen Haͤnden, Indeß die Augen in der Ferne weiden. Zuviel. Der Himmel glaͤnzt vom reinsten Fruͤhlingslichte, Ihm schwillt der Huͤgel sehnsuchtsvoll entgegen, Die starre Welt zerfließt in Liebessegen, Und schmiegt sich rund zum zaͤrtlichsten Gedichte. Am Dorfeshang, dort bei der luft'gen Fichte, Ist meiner Liebsten kleines Haus gelegen — O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Waͤgen, Daß all' der Wonne-Streit in dir sich schlichte! Du, Liebe, hilf den suͤßen Zauber loͤsen, Womit Natur in meinem Innern wuͤhlet! Und du, o Fruͤhling, hilf die Liebe beugen! Lisch aus, o Tag! Laß mich in Nacht genesen! Indeß ihr sanften Sterne goͤttlich kuͤhlet, Will ich zum Abgrund der Betrachtung steigen. Liebesglück. Wenn Dichter oft in warmen Phantasieen, Von Liebesgluͤck und schmerzlichem Vergnuͤgen Sich oder uns, nach ihrer Art, beluͤgen, So sey dies Spielwerk ihnen gern verziehen. Mir aber hat ein guͤt'ger Gott verliehen, Den Himmel, den sie traͤumen, zu durchfliegen, Ich sah die Anmuth mir im Arm sich schmiegen, Der Unschuld Blick von raschem Feuer gluͤhen. Auch ich trug einst der Liebe Muͤh' und Lasten, Verschmaͤhte nicht, den herben Kelch zu trinken, Damit ich seine Lust nun ganz empfinde. Und dennoch gleich' ich jenen Erz-Phantasten: Mir will mein Gluͤck so unermeßlich duͤnken, Daß ich mir oft im wachen Traum verschwinde. An die Geliebte. Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt, Mich stumm an deinem heil'gen Werth vergnuͤge, Dann hoͤr' ich recht die leisen Athemzuͤge Des Engels, welcher sich in dir verhuͤllt. Und ein erstaunt, ein fragend Laͤcheln quillt Auf meinem Mund, ob mich kein Traum betruͤge, Daß nun in dir, zu ewiger Genuͤge, Mein kuͤhnster Wunsch, mein einz'ger sich erfuͤllt? Von Tiefe dann zu Tiefen stuͤrzt mein Sinn, Ich hoͤre aus der Gottheit naͤcht'ger Ferne Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen. Betaͤubt kehr' ich den Blick nach Oben hin, Zum Himmel auf — da laͤcheln alle Sterne; Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen. Nur zu! Schoͤn prangt im Silberthau die junge Rose, Den ihr der Morgen in den Busen rollte, Sie bluͤht, als ob sie nie verbluͤhen wollte, Sie ahnet nichts vom lezten Blumen-Loose. Der Adler strebt hinan in's Grenzenlose, Sein Auge trinkt sich voll von spruͤhndem Golde, Er ist der Thor nicht, daß er fragen sollte, Ob er das Haupt nicht an die Woͤlbung stoße. Mag denn der Jugend Blume uns verbleichen, Noch glaͤnzet sie und reizt unwiderstehlich, Wer will so holdem Trug zu bald entsagen? Und Liebe, darf sie nicht dem Adler gleichen? Doch fuͤrchtet sie; auch fuͤrchten ist ihr selig, Denn all' ihr Gluͤck, was ist's? ein endlos Wagen! Charwoche. O Woche, Zeugin heiliger Beschwerde! Du stimmst so ernst zu dieser Fruͤhlingswonne, Du breitest im verjuͤngten Strahl der Sonne Des Kreuzes Schatten auf die lichte Erde, Und senkest schweigend deine Floͤre nieder: Der Fruͤhling darf indessen immer keimen, Das Veilchen duftet unter Bluͤthenbaͤumen Und alle Voͤglein singen Jubellieder. O schweigt, ihr Voͤglein auf den gruͤnen Auen! Es schallen rings die dumpfen Glockenklaͤnge, Die Engel singen leise Grabgesaͤnge: O still, ihr Voͤglein hoch im Himmelblauen! Ihr Veilchen, kraͤnzt heut keine Lockenhaare! Euch pfluͤckt mein frommes Kind zum dunkeln Strauße, Ihr wandert mit zum Muttergotteshause, Da sollt ihr welken auf des Herrn Altare. Ach dort, von Trauermelodieen trunken Und suͤß betaͤubt von schweren Weihrauchduͤften, Sucht sie den Braͤutigam in Todesgruͤften: Und Lieb' und Fruͤhling, Alles ist versunken! Tag und Nacht. (Orientalisch.) Schlank und schoͤn ein Mohrenknabe Bringt in himmelblauer Schuͤrze Manche wundersame Gabe, Kuͤhlen Duft und suͤße Wuͤrze. Wenn die Abendluͤfte wehen, Naht er sachte, kaum gesehen, Hat ein Harfenspiel zur Hand. Auch der Saiten sanftes Toͤnen Kann man naͤchtlich lauschend hoͤren; Doch scheint Alles seiner Schoͤnen, Ungetreuen zu gehoͤren. Und er wandelt, bis am Haine, Bis am See und Wiesenraine Er die Spur der Liebsten fand. Wohl ein Laͤcheln mag sich leise Dann ins ernste Antlitz neigen, Weiße Zaͤhne, schneeig-weiße, Sich wie Sternenlichter zeigen. Doch ihn faßt ein reizend Bangen, Kommt von Ferne Sie gegangen, Und er sucht sein dunkel Haus. Liebchen tritt von Bergeshoͤhen In das Thal: da wird es Freude! Wald und Flur wie neu erstehen Vor dem Kind im Rosenkleide; Alles draͤngt sich nach der Suͤßen, Alt und Jung will sie begruͤßen, Nur der Knabe bleibet aus. Und doch ist ein tiefes Ahnen Von dem Fremdling ihr geblieben; Wie ein Traum will sie's gemahnen An ein fruͤh gehegtes Lieben. Glaͤnzen dann auf allen Wegen Schmuck und Perlen ihr entgegen, Denkt sie wohl, wer es gebracht. Schnell den Schleier vorgezogen, Steht das Toͤchterchen in Thraͤnen, Und der Mutter Friedensbogen Neigt sich thauend ihrem Sehnen; Erd' und Himmel haben Frieden, Aber ach, sie sind geschieden, Sind getrennt, wie Tag und Nacht . Die Elemente. ῾Н γάϱ ἀποϰαϱαδοϰία τῆϛ ϰτίσεως τήν ἀποϰάλυψιν τῶν υἱῶν τοῦ ϑεοῦ ἀπεϰδέχεται. Paulus a. d. Roͤm. 8, 19. Am schwarzen Berg da steht der Riese, Steht hoch der Mond daruͤber her; Die weißen Nebel auf der Wiese Sind Wassergeister aus dem Meer: Ihrem Gebieter nachgezogen, Vergiften sie die reine Nacht, Aus deren hochgeschwungnem Bogen Das volle Heer der Sterne lacht. Still schaut der Herr auf seine Geister, Die Faust am Herzen fest geballt; Er heißt der Elemente Meister, Heißt Herr der toͤdtlichen Gewalt; Ein Gott hat sie ihm uͤbergeben, Ach, ihm die schmerzenreichste Lust! Und namenlose Seufzer heben Die ehrne, goͤttergleiche Brust. Die Keule schwingt er jezt, die alte, Vom Schlage droͤhnt der Erde Rund, Dann springt durch die gewalt'ge Spalte Der Riesenkoͤrper in den Grund. Die fest verschlossnen Feuer tauchen Hoch aus uraltem Schlund herauf, Da fangen Waͤlder an zu rauchen Und prasseln wild im Sturme auf. Er aber darf nicht still sich fuͤhlen, Beschaulich im verborgnen Schacht, Wo Gold und Edelsteine kuͤhlen Und hellen Augs der Elfe wacht: Nach einem unverruͤckten Willen, Der bluͤht in der Gestirne Flur, Muß er die ew'gen Kraͤfte stillen Mit Lust und Schrecken der Natur. Soll er den Flug von hundert Wettern Laut donnernd durcheinander ziehn, Des Menschen Huͤtte niederschmettern, Verderben auf das Meerschiff spruͤhn, Da will das edle Herz zerreißen, Da sieht er schrecklich sich allein: Und doch kann er nicht wuͤrdig heißen, Mit Goͤttern ganz ein Gott zu seyn. Noch aber blieb ihm eine Freude, Nachdem er Land und Meer bewegt, Wenn er bei Nacht auf oͤder Haide Die Sehnsucht seiner Seele pflegt. Da haͤngen ungeheure Ketten Aus tiefstem Wolkenraum herab, Dran er, als muͤßten sie ihn retten, Sich schwingt zum Himmel auf und ab. Dort weilen rosige Gestalten In heitern Hoͤhen, himmlisch klar, Und fest an goldnen Seilen halten Sie schwesterlich das Kettenpaar; Sie liegen aͤngstlich auf den Knieen Und sehen sanft zum wilden Spiel, Und wie sie im Gebete gluͤhen, Loͤst, wie ein Traum, sich sein Gefuͤhl. Denn ihr Gesang toͤnt mild und leise, Er ruͤhrt beruhigend sein Ohr: O folge harmlos deiner Weise, Dazu Allvater dich erkor! Dem Wort der Sterne kannst du trauen, Laß dein Gemuͤth in ihnen ruhn! Das Tiefste wirst du endlich schauen, Begreifen lernen all dein Thun. Und wirst nicht laͤnger menschlich hadern, Wirst schaun der Dinge heil'ge Zahl, Wie in der Erde warmen Adern, Wie in dem Fruͤhlingssonnenstrahl, Wie in des Sturmes dunkeln Falten Des Vaters goͤttlich Wesen schwebt, Den Faden freundlicher Gewalten, Den Geist der holden Eintracht webt. Einst wird es kommen, daß auf Erden Sich hoͤhere Geschlechter freun, Und heitre Angesichter werden Des Ewig-Schoͤnen Spiegel seyn, Wo aller Engelsweisheit Fuͤlle Der Menschengeist in sich gewahrt, In neuer Sprachen Kinderhuͤlle Sich alles Wesen offenbart. Und auch die Elemente moͤgen Die freie, gottbewußte Kraft In Frieden auf und niederregen, Die nimmermehr Entsetzen schafft; Dann, wie aus Nacht und Duft gewoben, Vergeht dein Leben unter dir, Mit lichtem Blick steigst du nach Oben, Denn in der Klarheit wandeln wir. Moͤrike , Gedichte. 11 Schiffer- und Nixen-Mährchen. I. Vom Sieben-Nixen-Chor. M anche Nacht im Mondenscheine Sizt ein Mann von ernster Schoͤne, Sizt der Magier Drakone Auf dem Gartenhausbalkone Mit Prinzessin Liligi; Lehrt sie allda seine Lehre Von der Erde, von dem Himmel, Von dem Traum der Elemente, Vom Geschick im Sternenkreise. Laß es aber nun genug seyn, Mitternacht ist lang voruͤber, — Spricht Prinzessin Liligi, — Und nach solchen Wunderdingen, Maͤchtigen und ungewohnten, Luͤstet mich nach Kindermaͤhrchen, Lieber Mann, ich weiß nicht wie! „Hoͤrst du gern das Lied vom Winde, Das nicht End' noch Anfang hat, Oder gern vom Koͤnigskinde, Gerne von der Muschelstadt?“ Singe du so heut wie gestern Von des Meeres Lustrevier, Von dem Haus der sieben Schwestern, Und vom Koͤnigssohne mir. „Zwischen gruͤnen Wasserwaͤnden Sizt der Sieben-Nixen-Chor; Wasserrosen in den Haͤnden, Lauschen sie zum Licht empor. Und wenn oftmals auf der Hoͤhe Schiffe fahren, schattengleich, Steigt ein siebenfaches Wehe Aus dem stillen Wasserreich. Dann, beim Spiel von Zauberglocken, Drehn die Schwestern sich im Tanz, Schuͤtteln wild die gruͤnen Locken Und verlieren Gurt und Kranz. Und das Meer beginnt zu schwanken, Well' auf Welle steigt und springt, Alle Elemente zanken Um das Schiff, bis es versinkt.“ Also sang in Zaubertoͤnen Suͤß der Magier Drakone Zu der lieblichen Prinzessin; Und zuweilen, im Gesange, Neiget er der Lippen Milde 11 * Zu dem feuchten Rosenmunde, Zu den hyazintheblauen, Schon in Schlaf gesenkten Augen Der bethoͤrten Jungfrau hin. Diese meint im leichten Schlummer, Stets noch hoͤre sie die Lehre Von der Erde, von dem Himmel, Vom Geschick im Sternenkreise, Doch zulezt erwachet sie: Laß es aber nun genug seyn! Mitternacht ist lang voruͤber, Und nach solchen Wunderdingen, Maͤchtigen und ungewohnten, Luͤstet mich nach Kindermaͤhrchen, Lieber Mann, ich weiß nicht wie! „Wohl! — Schon auf des Meeres Grunde Sizt das Schiff mit Mann und Maus, Und die Sieben in die Runde Rufen: Schoͤnster, tritt heraus! Rufen zierlich mit Verneigen: Komm! es soll dich nicht gereu'n; Woll'n dir unsre Kammer zeigen, Wollen deine Maͤgde seyn. — Sieh, da tritt vom goldnen Borde Der bethoͤrte Koͤnigssohn, Und zu der korallnen Pforte Rennen sie mit ihm davon. Doch man sah nach wenig Stunden, Wie der Nixenbraͤutigam Todt, mit sieben rothen Wunden, Hoch am Strand des Meeres schwamm.“ Also sang in Zaubertoͤnen Suͤß der Magier Drakone; Und zuweilen, im Gesange, Neiget er der Lippen Milde Zu dem feuchten Rosenmunde, Zu den hyazintheblauen, Schon in Schlaf gesenkten Augen Der bethoͤrten Jungfrau hin. Sie erwacht zum andern Male, Sie verlanget immer wieder: Lieber Mann, ein Kindermaͤhrchen Singe mir zu guter Lezt'! Und er singt das lezte Maͤhrchen, Und er kuͤßt die lezten Kuͤsse; Lied und Kuß hat ausgeklungen, Aber sie erwacht nicht mehr. Denn schon war die dritte Woche, Seit der Magier Drakone Bei dem edeln Koͤnigskinde Seinen falschen Dienst genommen; Wohlberechnet, wohlbereitet, Kam der lezte Tag heran. Jetzo fasset er die Leiche Schwingt sich hoch im Zaubermantel Durch die Luͤfte zu dem Meere, Rauschet nieder in die Wogen, Klopft an dem korall'nen Thor, Fuͤhret so die junge Fuͤrstin, Daß auch sie zur Nixe werde, Als willkommene Genossin In den Sieben-Nixen-Chor. II. Nixe Binsefuß. Des Wassermanns sein Toͤchterlein Tanzt auf dem Eis im Vollmondschein, Sie singt und lachet sonder Scheu Wohl an des Fischers Haus vorbei. „Ich bin die Jungfer Binsefuß, Und meine Fisch' wohl huͤten muß, Meine Fisch' die sind im Kasten, Sie haben kalte Fasten; Von Boͤhmer-Glas mein Kasten ist, Da zaͤhl' ich sie zu jeder Frist. Gelt, Fischer-Matz? gelt, alter Tropf, Dir will der Winter nicht in Kopf? Komm' mir mit deinen Netzen! Die will ich schoͤn zerfetzen! Dein Maͤgdlein zwar ist fromm und gut, Ihr Schatz ein braves Jaͤgerblut. Drum haͤng' ich ihr, zum Hochzeitstrauß, Ein schilfen Kraͤnzlein vor das Haus, Und einen Hecht, von Silber schwer, Er stammt von Koͤnig Artus her, Ein Zwergen-Goldschmieds-Meisterstuͤck, Wer's hat, dem bringt es eitel Gluͤck: Er laͤßt sich schuppen Jahr fuͤr Jahr, Da sind's fuͤnf hundert Groͤschlein baar. Ade, mein Kind! Ade fuͤr heut! Der Morgenhahn im Dorfe schreit.“ III. Zwei Liebchen. Ein Schifflein auf der Donau schwamm, Drin saßen Braut und Braͤutigam, Er huͤben und sie druͤben. Sie sprach: Herzliebster, sage mir, Zum Angebind' was geb' ich dir? Sie streift zuruͤck ihr Aermelein, Sie greift in's Wasser frisch hinein. Der Knabe, der thaͤt gleich also, Und scherzt mit ihr und lacht so froh. Ach, schoͤne Frau Done, geb' sie mir Fuͤr meinen Schatz eine huͤbsche Zier! Sie zog heraus ein schoͤnes Schwert, Der Knab' haͤtt' lang so eins begehrt. Der Knab', was haͤlt er in der Hand? Milchweiß ein koͤstlich Perlenband. Er legt's ihr um ihr schwarzes Haar, Sie sah wie eine Fuͤrstin gar. Ach, schoͤne Frau Done, geb' sie mir Fuͤr meinen Schatz eine huͤbsche Zier! Sie langt hinein zum andern Mal, Faßt einen Helm von lichtem Stahl. Der Knab' vor Freud' entsezt sich schier, Fischt ihr einen goldnen Kamm dafuͤr. Zum Dritten sie in's Wasser griff: Ach weh! da faͤllt sie aus dem Schiff. Er springt ihr nach, er faßt sie keck, Frau Done reißt sie Beide weg; Frau Done hat ihr Schmuck gereut, Das buͤßt der Juͤngling und die Maid. Das Schifflein leer hinunter wallt; Die Sonne sinkt hinter die Berge bald. Und als der Mond am Himmel stand, Die Liebchen schwimmen todt an's Land, Er huͤben und sie druͤben. IV. Der Zauberleuchtthurm. Des Zauberers sein Maͤgdlein saß In ihrem Saale, rund von Glas. Sie spann beim hellen Kerzenschein, Und sang so glockenhell darein; Der Saal, als eine Kugel klar, In Luͤften aufgehangen war An einem Thurm auf Felsenhoͤh', Bei Nacht hoch ob der wilden See, Und hing in Sturm und Wettergraus An einem langen Arm hinaus. Wenn nun ein Schiff in Naͤchten schwer Sah weder Rath noch Rettung mehr, Der Lootse zog die Achsel schief, Der Hauptmann alle Teufel rief, Auch der Matrose wollt' verzagen: O weh mir armen Schwartenmagen! Auf einmal scheint ein Licht von fern Als wie ein heller Morgenstern; Die Mannschaft jauchzet uͤberlaut: Heida! jezt gilt es trockne Haut! Aus allen Kraͤften steuert man Jezt nach dem theuren Licht hinan, Das waͤchst und waͤchst und leuchtet fast Wie einer Zaubersonne Glast, Darin ein Maͤgdlein sizt und spinnt, Sich beuget ihr Gesang im Wind; Die Maͤnner stehen wie verzuͤckt, Ein Jeder nach dem Wunder blickt Und horcht und staunet unverwandt, Dem Steuermann entsinkt die Hand, Hat Keiner auf das Schiff mehr Acht, Bis es am Felsenriffe kracht. Die Luft zerreißt ein Jammerschrei: Herr Gott im Himmel, steh' uns bei! Da loͤscht die Zauberin ihr Licht; Noch einmal aus der Tiefe bricht Verhallend Weh aus Einem Munde: Da zuckt das Schiff und sinkt zu Grunde. Das lustige Wirthshaus. Ballade, beim Weine zu singen. Nichts fuͤr ungut, lieber Leser! Jugendblut hat Uebermuth. Die Burschen. Man lebet doch wie im Schlaraffenland hier, Da schmauset man fruͤhe wie spat; Schon dreht sich der Boden vor Wonne mit mir, Kaum daß ich die Schwelle betrat! Der Becher, ihr Herrn, wird nur gratis gefuͤllt: Der Wirth ist kein knausiger Tropf, Er fuͤhrt den Hanswurst nicht vergeblich im Schild, Man wirft euch das Geld an den Kopf. Der Alte, man sagt's, soll ein Zauberer seyn, Er laͤchelt auch immer so schlau; — Und seht nur, was treten fuͤr Kerl da herein! Die Eule, der Storch und der Pfau! Seht nur, wie manierlich die Racker sich drehn! Die Kratzfuͤß'! Ei Wetter, so schlag! Sie nehmen sich Stuͤhle — das muß ich gestehn, So was sieht man nicht alle Tag. Mein Alter am Faͤßchen, er zapfet den Wein Und haͤlt sich vor Lachen den Bauch; Rebekke schenkt ihnen vom feurigsten ein Und zierlich kredenzt sie ihn auch. Nun sitzen sie steif wie Professorsleut' da, Und lassen das Glas unberuͤhrt, Wir Herren vom Humpen sind ihnen zu nah': Man hat sich leicht compromittirt. Nur ruhig, und kehrt euch noch gar nicht an sie! Die fuͤhren ihr Muͤthlein im Sack; Es ist nur erlogene Pedanterie, Sie sind das versoffenste Pack. Inzwischen, mein schoͤnes, schwarzaugiges Kind, Komm, sing' uns was Lustiges vor! Das Maͤdchen. Das kann ja geschehen; die Herren dann sind So guͤtig und machen den Chor. (Dieselbe faͤhrt fort mit der Zither:) — Mein Vater, der hatte drei Krebse zum Schild, Da sprachen die Leute nicht ein: Nun fuͤhrt er den scheckigen Narren im Bild, Er selber trinkt aber den Wein. Chor. Heida! sa sa! Er selber trinkt aber den Wein. Maͤdchen. Auch seht ihr ja wohl, wie so herrlich das lauft, Man denkt, es waͤr Kirmeß im Haus; Und wenn man uns Betten und Stuͤhle verkauft, Wir lachen die Leute noch aus. Chor. Heida! sa sa! Ihr lachet die Leute noch aus. Maͤdchen. Mein Vater, heißt's, hab' ein klein Maͤnnlein im Sold, Ein Maͤnnlein, so fein und so klug, Und wenn er nur moͤchte und wenn er nur wollt', Wir haͤtten Dukaten genug. Chor. Heida! sa sa! Ihr haͤttet Dukaten genug. Maͤdchen. Das lass' ich nun gerne dahin gestellt seyn; Was kuͤmmert mich Silber und Gold! Und zoͤg' ich auf Bettel Land aus und Land ein, Mein Schaͤtzchen das bliebe mir hold. Chor. Heida! sa sa! Dein Schaͤtzchen das bliebe dir hold. Maͤdchen. Denn ich und des Schaͤfers sein lustiger Franz, Wir ziehn wie die Voͤgel so frei, Ich spiele die Zither, das Hackbrett zum Tanz, Mein Liebster, der spielt die Schalmei. Chor. Heida! sa sa! Dein Liebster, der spielt die Schalmei. Maͤdchen. Und wenn meine Mutter Frau Kaiserin waͤr', Haͤtt' ich Kleider und seidene Schuh', Ich gaͤb' doch den herzigen Jungen nicht her, Gaͤb' ihm Kron' und Zepter dazu. Chor. Heida! sa sa! Gaͤbst ihm Kron' und Zepter dazu. Maͤdchen. Doch seht mir nur dort das Professorsvolk an! Das jauchzet und tanzet und hopft! Der Storch und der Pfau und die Eule voran! Mein Seel, sie sind Alle bezopft! Chor. Heida! sa sa! Mein Seel, sie sind Alle bezopft! Mährchen vom sichern Mann. An Louis B. Soll ich vom sicheren Mann ein Maͤhrchen erzaͤhlen, so hoͤre! — Etliche sagen, ihn habe die steinerne Kroͤte geboren: Also heißt ein maͤchtiger Fels in den Bergen des Schwarz¬ walds, Bauchig und oben platt, der haͤßlichen Kroͤte vergleichbar. Darin lag er und schlief bis nach den Tagen der Suͤnd¬ fluth. Naͤmlich es war sein Vater ein Waldmensch, tuͤckisch und grausam, Allen Goͤttern ein Graͤul und allen Nymphen gefuͤrchtet. Ihm nicht voͤllig gleich ist der Sohn, doch immer ein Un¬ hold; Riesenhaft an Gestalt, von breitem Ruͤcken und Schultern. Ehmals ging er fast nackt, unehrbarlich, aber seit Menschen- Denken im grauen wollenen Rock, mit schrecklichen Stiefeln. Graue Borsten traͤget sein Haupt, es starret der Bart ihm. (Heimlich, so heißt's, besucht ihn der Igelslocher Balbierer In der Hoͤhle, wo er ihm dient wie der sorgsame Gaͤrtner, Wenn er die Hecken stuzt mit der unermeßlichen Scheere.) Lauter Nichts ist sein Thun und voller thoͤrichter Grillen: Wenn er niedersteigt vom Gebirg bei naͤchtlicher Weile, Laut mit sich selber redend, und oft ingrimmigen Herzens Weg- und Meilenzeiger knickt mit Einem Fußtritt (Diese hasset er auf den Tod, gewißlich ohn' Ursach'), Oder wenn er zur Winterzeit in's beschneiete Blachfeld Sich der Laͤnge nach streckt und, aufgestanden, an seinem Conterfei sich ergoͤzt mit bergerschuͤtterndem Lachen. Aber nun lag er einmal Mittags in seiner Behausung, Seinen Ruͤbenfraß zu verdauen, welcher ihm suͤß daͤucht. Ploͤtzlich erfuͤllet wonniger Glanz die Waͤnde der Hoͤhle, Lolegrin tritt herein, der liebliche Goͤtterjuͤngling, Welcher ein Lustigmacher heißt der seligen Goͤtter, (Sonst nur auf Orplid Orplid , eine fabelhafte Insel, deren Beschuͤtzerin die Goͤttin Weyla ist. Man vergleiche uͤberhaupt zu diesem Stuͤck: Maler Nolten , 1r Thl. S. 142 und 171 . gesehn, die andern Lande ver¬ meidend) Weyla's schalkischer Sohn, mit dem Narrenkranz um die Schlaͤfe, Zierlich aus blauen Glocken und Kuͤchenschelle geflochten. Er nun redet den Ruhenden an mit truͤglichem Ernste: „Suckelborst, sicherer Mann, sey gegruͤßt! und hoͤre ge¬ traulich, Was die Himmlischen dir durch meine Sendung entbieten. — Saͤmmtlich ehren sie deinen Verstand und gute Ge¬ muͤthsart, So wie deine Geburt: es war dein Vater ein Halbgott, Und deßgleichen hielten sie dich stets; aber in Einem Bist du ihnen nicht recht: das sollst du jetzo vernehmen. Lieber, bleibe nur liegen getrost! ich setze mich unten Auf den Absatzrand hier deines wuͤrdigen Stiefels, Der wie ein Felsblock ragt, und unschwer bin ich zu tragen. — Siehe, Serachadan zeugete dich mit der Riesenkroͤte, Seine Goͤtterkraft in ihrem Leibe verschließend, Da sie noch lebend war; denn gleich nach ihrer Empfaͤngniß Ward sie verwandelt zu Stein, auch dein Vater hauchte den Geist aus; Ader du schliefest im Mutterleibe neun Monden und druͤber, Denn im zehnten kamen die großen Wasser auf Erden. Vierzig Tage lang stroͤmte der Regen und vierzig Naͤchte Auf die suͤndige Welt, so Thiere wie Menschen ersaͤufend; Eine einzige See war uͤber die Lande ergossen, Ueber Berg und Thal und deckte die wolkigen Gipfel. Aber du lagest zufrieden in deinem Felsen verborgen, So wie die Auster ruht in fest verschlossenen Schalen, Oder des Meeres Preis, die unbezahlbare Perle. Goͤtter segneten deinen Schlaf mit hohen Gesichten, Zeigten der Schoͤpfung Heimliches dir, wie Alles geworden; Erst, wie der Erdenball, mit wirkenden Kraͤften geschwaͤn¬ gert, Einst dem dunkelen Nichts entschwebte, zusammt den Ge¬ stirnen, Wie mit Gras und Kraut sich zuerst der Boden begruͤnte, Wie aus der Erde Milch, so sie hegt im inneren Herzen, Alles Fleisch ward geformt, das zarte, darinnen der Geist wohnt, Thier- und Menschengeschlecht; denn erdgeboren sind Beide. Ferner sang dir dein Traum der Voͤlker spaͤteste Zukunft, Auch der Throne Wechselgeschick, der Koͤnige Thaten, Ja, du sahst den verborgenen Rath der ewigen Goͤtter. Solches goͤnnten sie dir, daß du, ein herrlicher Lehrer Oder Seher, das Unerhoͤrte wiederum kuͤndest, Moͤrike , Gedichte. 12 Nicht den Menschen sowohl, die da leben und wandeln auf Erden, — Ihnen dient nur wenig zu wissen —, sondern den Geistern In der Schattenwelt, den alten Weisen und Helden, Welche traurig sitzen und forschen das hohe Verhaͤngniß, Schweigsam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend. Aber vergebens harren sie dein, dieweil du ja gaͤnzlich Deines erhabnen Berufs vergissest. Laß mich nur offen Dir gestehen, so wie du es bisher getrieben, erscheinst du Weder ein Halbgott, noch ein Begeisteter, sondern ein Schweinpelz, Graͤulichem Ruͤbenfraß ergeben, sinnst du nur Unheil; Steigest des Nachts in den Fluß, bis uͤber die Kniee ge¬ stiefelt, Trennst die Baͤnder los an den Floͤßen und schleuderst die Balken Weit hinein in das Land, den ehrlichen Floͤßern zum Torten. Tagelang trollst du muͤßig umher im wilden Gebirge, Ahmest das Grunzen des Keulers nach und lockest sein Weibchen, Greifest, wenn sie nun rennt durch den Busch, die Sau bei den Ohren, Zwickst die Wuͤthende, grausam dich weidend an ihrem Geschreie. Siehe, dies wissen wir wohl, denn Alles sehen die Goͤtter. Aber reize sie laͤnger nicht mehr, es moͤchte dich reuen! Schmeidige doch ein Weniges deine borstige Seele! Suche zusammen dein Wissen und lichte die rußigen Kammern Deines Gehirns, besinne dich wohl auf Alles und Jedes, Was dir offenbart ist, dann nimm den Griffel und zeichn' es Fein mit Fleiß in ein Buch, damit es daure und bleibe; Leg' es den Todten aus in der Unterwelt! sicherlich weißt du Wohl die Pfade dahin und den Eingang, welcher dich nicht schreckt, Denn du bist ja der sichere Mann mit den wackeren Stiefeln. Jetzo sey es genug. Bewahre mein Wort im Gedaͤchtniß, Lieber! und also scheid' ich. Ade! wir sehen uns wieder.“ Sprach's, der schelmische Gott, und ließ den Alten alleine. Dieser war wie verstuͤrzt, und stand ihm fast der Verstand still. Endlich hebt er halblaut zu brummen an und zu fluchen, Schandbare Worte zumal, gottlose, nicht zu beschreiben. Aber nachdem die Galle verraucht war und die Empoͤrung, Hielt er inne und schwieg, denn es gemahnte der Geist ihn, Nicht zu trotzen den Himmlischen, deren doch immer die Macht ist, Sondern zu folgen vielmehr. Und alsbald wuͤhlt sein Gedanke Ruͤckwaͤrts durch der Jahrtausende Wust, bis tief wo er selber, Noch ein Ungeborener, traͤumte die Wehen der Schoͤ¬ pfung, (Denn so sagte der Gott, und Goͤtter werden nicht luͤgen). 12 * Aber da daͤucht' es ihm Nacht, dickfinstere; wo er umher¬ tappt, Nirgend ist noch ein Halt und noch kein Nagel geschlagen, Anzuhaͤngen die Wucht der zentnerschweren Gedanken, Welche der Gott ihm erregt' in seiner erhabenen Seele. Und so kam er zu Nichts und schwitzete wie ein Ma¬ gister. Endlich ward ihm geschenkt, daß er sich dahin bedachte: Erst ein Buch sich zu schaffen, ein unbeschriebenes, großes, Seinen Faͤusten gerecht und werth des kuͤnftigen Inhalts. Wie er Solches erreicht, o Muse, dies hilf mir verkuͤnden! Laͤngst war die Sonne hinab und Nacht beherrschte den Erdkreis Seit vier Stunden, da hebt der sichere Mann sich vom Lager, Setzet den runden Hut auf das Haupt, den Wanderstab faßt er Und verlaͤsset die Hoͤhle. Gemaͤchlich steigt er bergaufwaͤrts, Redt mit sich selber dabei und brummt nach seiner Ge¬ wohnheit. Aber jetzo hub sich der Mond in leuchtender Schoͤne Rein am Forchenwalde herauf und erhellte die Gegend, Sammt der Hoͤhe von Igelsloch, wo nun Suckelborst an¬ langt. Eben hatte der Waͤchter die zwoͤlfte Stunde gerufen, Alles ist ruhig im Dorf und nirgend Licht mehr zu sehen, Nicht in den Kunkelstuben gesellig spinnender Maͤgdlein, Nicht am einsamen Stuhle des Webers oder im Wirthshaus, Mann und Weib liegt im Bette, die Last des Tages verschlafend. Sachte tritt Suckelborst nun vor die naͤchstgelegene Scheuer, Mißt mit wohlgefaͤlligem Aug' so Hoͤhe wie Breite Beider Fluͤgelthore (sie waren nicht von den kleinsten, Aber er selbst war groͤßer denn sie, dieweil er ein Riese), Dann betrachtet er Schloß und Riegel, kneipt mit dem Finger Ab den Globen und oͤffnet das Thor und hebet die Fluͤgel Aus den Angeln und lehnt an die Wand sie uͤbereinander. Alsbald schaut er sich um nach des Nachbars Scheuer und schreitet Zu demselben Geschaͤft und raubt die maͤchtigen Thore, Stellt zu den vorigen sie an die Wand, und alsofort macht er Weiter im Gaͤßchen hinauf, bis er dem fuͤnften und sechsten Bauern auf gleiche Weise die Tenne geluͤftet. Am Ende Ueberzaͤhlt er die Stuͤcke: es waren eben ein Dutzend Blaͤtter, und fehlte nur noch, daß er mit sauberen Stricken Hinten die Angel-Oehre verband, da war es ein Schreib¬ buch, Gar ein stattliches; doch dies war ein Geschaͤft fuͤr da¬ heime. Also nimmt er es unter den Arm, das Werk, und trollt sich. Unterdeß war der schnarchenden Bauern Einer vom Schlafe Aufgeschauert und hoͤrte des schwer-Entwandelnden Fußtritt. Hastig entrauscht er dem Lager und stoͤßt am niedrigen Fenster Rasch den Schieber zuruͤck und horcht und sieht mit Ent¬ setzen Rings im mondlichen Dorf der Scheuern finstere Nachen Offen stehn; da faͤhrt er voll Angst in die lederne Hose (Beide Fuͤße verkehrt den linken macht er zum rechten), Ruͤttelt sein Weib und redet zu ihr die eifrigen Worte: „Kaͤthe, steh' auf! der sichere Mann — ich hab' ihn ver¬ nommen — Hat im Flecken uͤbel handthiert und die Scheuern ge¬ pluͤndert! Sieh mir im Hause nach und im Stall! Ich laufe zum Schulzen.“ Also stuͤrmt er hinaus. Doch im Hofe thut er erst selber Einen Blick in die Staͤlle, ob auch das Vieh noch vor¬ handen. Aber da fehlte kein Stuͤck, und die Schecke muht ihm entgegen, Meint, es waͤr' Fuͤtternszeit; er aber eilt in die Gasse, Klopft unterwegs dem Buͤttel am Laden und ruft ihm das Wort zu: „Michel, steh' auf! mach' Laͤrm! der Suckelborst hat den Flecken Heimgesucht und die Scheuern erbrochen und uͤbel gewirth¬ schaft't!“ Solches noch redend war er schon weiter und weckte den Schultheiß, Weckte den Burgermeister und alle seine Gefreundte. Alsbald werden die Straßen lebendig, es staunen die Maͤnner, Stoßen Verwuͤnschungen aus, es lamentiren die Weiber. Jeder durchsuchet seinen Besitz und, halb nur getroͤstet, Keinen groͤßeren Schaden zu finden, fallen mit Unrecht Etliche uͤber den Nachtwaͤchter her und schreien: „Du Schlafratz! Du keinnuͤtziger Tropf!“ und ballen die baͤurischen Faͤuste, Ihn zu blaͤuen, und nehmen auch nur mit Muͤhe Ver¬ nunft an. Endlich zerstreuen sie sich zur Ruhe; doch ordnet der Schultheiß Wachen an auf den Fall, daß der Unhold noch einmal kaͤme. Suckelborst hatte nunmehr die Hoͤhle wieder gewonnen, Welche von vorne gar weit und hoch in den Felsen sich woͤlbte, Duftende Kiefern umschatteten riesenmaͤßig den Eingang. Hier dann leget er nieder die ungeheueren Thore, Und sich selber zugleich, des goldenen Schlafes genießend. Aber sobald die Sonne nur zwischen den Baͤumen hereinschien, Gleich an die Arbeit machet er sich, die Thore zu heften, Saubere Stricke lagen bereit, gestohlene freilich; Und er ordnet die Blaͤtter mit sinnigen Blicken und fuͤget Vorn und hinten die schoͤnsten zur Decke (sie waren des Schulzen, Kuͤnstlich uͤber das Kreuz mit rothen Leisten beschlagen). Aber auf einmal nun in des stattlichen Werkes Be¬ trachtung Waͤchst ihm der Geist, und er nimmt die maͤchtige Kohle vom Boden, Legt vor das offene Buch sich nieder und schreibet aus Kraͤften, Grad' und krumme Strich', in unnachsagbaren Sprachen, Krazt und schreibt und brummelt dabei nach seiner Ge¬ wohnheit. Anderthalb Tag handthieret er so, kaum goͤnnet er Zeit sich, Speise zu nehmen und Trank, bis die lezte Seite ge¬ fuͤllt ist. Endlich folget am Schlusse das Punktum, groß wie ein Kindskopf. Tief aufathmend erhebet er sich, das Buch zuschmetternd. Jetzo, nachdem er das Herz sich gestaͤrkt mit reichlicher Mahlzeit, Nimmt er den Hut und den Stock und reiset. Auf ein¬ samen Pfaden Immer gen Mitternacht laͤuft er: dies ist der Weg zu den Todten. Schon mit dem fuͤnften Morgen erreicht er die finstere Pforte. Purpurn streifte so eben die Morgenroͤthe den Himmel, Welche den lebenden Menschen das Licht des Tages ver¬ kuͤndet, Als er hinunterstieg, furchtlos, die felsigen Hallen. Aber er hatte der Stunden noch zweimal zwoͤlfe zu wandeln Durch der Erde gewundenes Ohr, wo ihn Lolegrin heimlich Fuͤhrete, bis er die Schatten ersah, die, luftig und schwebend, Daͤmmernde Raͤume bewohnen, die Boͤsen so wie die Guten. Vorn am Eingang sammelte sich unliebsamer Kehricht Niederen Volks, betruͤgliche Kraͤmer, Kuppler und Metzen, Lausige Dichter auch und unzaͤhlbares Gesindel. Diese, zu schwatzen gewohnt, zu scherzen oder zu fluchen, Muͤhten vergebens sich ab, zu erheben die lispelnde Stimme — Denn hellklingendes Wort ist nicht den Todten verliehen — Und so winkten sie nur mit heftig bewegter Geberde, Stießen und zerrten einander wie im Gewuͤhle des Jahr¬ markts. Aber weiter hinein sah man die edleren Geister, Priester, Koͤnige, Helden; geschmuͤckt mit ewigem Lorbeer, Ruhig ergingen sie sich und saßen, Manche zusammen, Manche fuͤr sich, und es schied die weit zerstreueten Gruppen Huͤgel und Fels und Gebuͤsch und die finstere Wand der Cypressen. Kaum nun war der sichere Mann in der Pforte er¬ schienen, Aufrecht die hohe Gestalt, mit dem Welt-Buch unter dem Arme: Sieh, da betraf die Schatten am Eingang toͤdtliches Schrecken. Auseinander stoben sie all', wie Kinder vom Spielplatz, Wenn es im Dorfe nun heißt: „Der Hummel ist los!“ und „da kommt er!“ Doch der sichere Mann, vorschreitend, winkete gnaͤdig Rings herum, da kamen sie naͤher, standen und gafften. Suckelborst lehnet nunmehr sein maͤchtiges Manu¬ scriptum Gegen den kleinen Huͤgel, den rundlichen, welchem gen¬ uͤber Er selbst Platz zu nehmen gedenkt auf moosigem Felsstuͤck. Doch erst leget er Hut und Stock bedaͤchtig zur Seite, Streicht mit der breiten Hand den beißenden Schweiß von der Stirne, Raͤuspert sich, daß die Hallen ein prasselndes Echo ver¬ senden, Sitzet nieder sodann und beginnt den erhabenen Vortrag; Wie der Erdenball, mit wirkenden Kraͤften geschwaͤngert, Einst dem dunkelen Nichts entschwebte zusammt den Ge¬ stirnen, Wie mit Gras und Kraut sich zuerst der Boden be¬ gruͤnte, Wie aus der Erde Milch, so sie hegt im inneren Herzen, Alles Fleisch ward geformt, das zarte, darinnen der Geist wohnt, Thier- und Menschengeschlecht; denn erdgeboren sind Beide. Solches lehrte der Alte, und still aufhorchten die Schatten. Aber es hatte der Teufel, das schwarze, gehoͤrnete Scheusal, Sich aus fremdem Gebiet des unterirdischen Reiches Unberufen hier eingedraͤngt, neugierig und boshaft — So wie er manchmal pflegt, wenn er Kundschaft suchet und Kurzweil — Und er stellte sich hinter den Alten, ihn zu verhoͤhnen, Schnitt Gesichter, reckte die Zung' und machete Purzel- Baͤum', als ein Aff', und reizte die Seelen bestaͤndig, zu lachen. Wohl bemerkt' es der sichere Mann, doch that er nicht also, Sondern redete fort, in wuͤrdiger Ruhe beharrend. Indeß trieb es der Andere nur um desto verwegner: Schob am Ende den Schwanz, den wuchtigen, langen, dem Alten In die Hintertasche des Rocks, als wenn es ihn froͤre: Ploͤtzlich greifet der sichere Mann nach hinten und packet Mit der Rechten den Schweif gewaltig und reißet ihn schnellend Bei der Wurzel heraus, daß es kracht' — ein graͤßlicher Anblick! Lautauf bruͤllet der Boͤse, die Tatzen gedeckt auf die Wunde, Dreht im rasenden Schmerz wie ein Kreisel sich, schreiend und winselnd, Und es schoß ihm das Blut wie heißes Pech aus der Wunde. Jezt, wie ein Pfeil, zur Seite gewendet, schmaͤhlich ent¬ rinnt er Durch die schnell eroͤffnete Gasse der staunenden Seelen, Nach der eigenen Hoͤlle verlangend, wo er zu Haus war. Und man hoͤrte noch weit aus der Ferne des Fluͤchtigen Wehlaut. Aber es standen die Schaaren umher von Grausen ge¬ fesselt, Ehrfurchtsvoll die Augen zum sicheren Manne erhoben. Dieser hielt noch und wog den wuchtigen Schweif in den Haͤnden, Den bisweilen zuckender Schmerz noch leise bewegte; Sinnend schaut' er ihn an und sprach die prophetischen Worte: „Wie viel Mal thut der sichere Mann dem Teufel ein Leides? Erstlich heute, wie eben geschehn, ihr saht es mit Augen. Dann ein zweites, ein drittes Mal in der Zeiten Voll¬ endung: Dreimal rauft der sichere Mann dem Teufel den Schweif aus. Solcher sprosset ihm zwar von Neuem, aber nicht ganz mehr, Sondern kuͤrzer, je um ein Drittel, bis daß er welket. Gleichermaßen vergeht dem Boͤsen der Muth und die Staͤrke, Kindisch wird er und alt und ein Bettler, Allen verachtet. Dann wird ein Jubel seyn in der Unterwelt und auf der Erde, Aber der sichere Mann wird ein lieber Genosse den Goͤttern.“ Dies gesprochen, legt er den Schweif in das Buch als ein Zeichen, Sorgsam, daß oben noch just der haarige Buͤschel heraussah: „So! da machen wir denn ein ander Mal weiter!“ und — Basta Schlaͤgt er den Deckel zu des ungeheueren Werkes, Faßt es unter den Arm, nimmt Hut und Stock und em¬ pfiehlt sich. Unermeßliches Beifallklatschen des saͤmmtlichen Poͤbels Folgte dem Trefflichen nach, bis er ganz in der Pforte verschwunden, Und es rauschte noch lang und tosete schwaͤrmende Freude. Aber Lolegrin hatte, der Gott, das ganze Spektakel Heimlich mit angesehn und gehoͤrt, in Gestalt der Cicade Auf dem hangenden Zweig der schwarzen Weide sich wiegend. Jetzo verließ er den Ort und schwang sich empor zu den Goͤttern, Ihnen treulich zu melden die Thaten des sicheren Mannes Und das himmlische Mahl mit suͤßem Gelaͤchter zu wuͤrzen. Gesang Weyla's. D u bist Orplid, mein Land! Das ferne leuchtet; Vom Meere dampfet dein erwaͤrmter Strand Den Nebel, so der Goͤtter Wange feuchtet. Uralte Wasser steigen Verjuͤngt um deine Huͤften, Kind! Vor deiner Gottheit beugen Sich Koͤnige, die deine Waͤrter sind. Der Tambour. W enn meine Mutter hexen koͤnnt', Da muͤßt' sie mit dem Regiment Nach Frankreich, uͤberall mit hin, Und waͤr' die Markedenterin. Im Lager, wohl um Mitternacht, Wenn Niemand auf ist als die Wacht, Und Alles schnarchet, Roß und Mann, Vor meiner Trommel saͤß' ich dann: Die Trommel muͤßt' eine Schuͤssel seyn, Ein warmes Sauerkraut darein, Die Schlegel Messer und Gabel, Eine lange Wurst mein Sabel, Mein Tschako waͤr' ein Humpen gut, Gefuͤllet mit Burgunderblut, Und weil es mir an Lichte fehlt, Da scheint der Mond in mein Gezelt, Scheint er auch auf Franzoͤ'sch herein, Mir faͤllt doch meine Liebste ein: Ach weh! jezt hat der Spaß ein End'! — Wenn nur meine Mutter hexen koͤnnt'! Die Soldatenbraut. A ch, wenn's nur der Koͤnig auch wuͤßt', Wie wacker mein Schatzelein ist! Fuͤr den Koͤnig, da ließ er sein Blut, Fuͤr mich aber eben so gut. Mein Schatz hat kein Band und kein' Stern, Kein Kreuz wie die vornehmen Herrn, Mein Schatz wird auch kein General: Haͤtt' er nur seinen Abschied einmal! Es scheinen drei Sterne so hell Dort uͤber Marien-Kapell; Da knuͤpft uns ein rosenroth Band, Und ein Hauskreuz ist auch bei der Hand. Auftrag. An S. In poetischer Epistel Ruft ein desperater Wicht Aus dem Ton der hoͤchsten Fistel: Schurke, warum schreibt Er nicht?! Weiß Er doch, es lassen Herzen, Die die Liebe angeweht, Ganz und gar nicht mit sich scherzen, Und nun vollends ein Poet! Denn ich bin von dem Gelichter, Dem der Kopf bestaͤndig voll: Bin ich auch nur halb ein Dichter, Bin ich doch zur Haͤlfte toll. Amor hat Ihn mir verpflichtet, Und fuͤrwahr, der durft' es schon, Denn der Mund, der Ihm berichtet, Reicht zugleich den Botenlohn. Pass' Er denn zur guten Stunde, Wenn Sein Schatz durch's Laͤdchen schaut Lock' ihr jedes Wort vom Munde, Das mein Schaͤtzchen ihr vertraut. Moͤrike , Gedich t e 13 Schreib' Er mir dann von dem Maͤdchen Ein halb Dutzend Bogen voll, Und daneben ein Traktaͤtchen, Wie ich mich verhalten soll. Unser Friz. (d. 3. Maͤrz 1827.) U nser Friz richt't seinen Schlag, Wollt' ein Meislein fangen, Doch weil ihm denselben Tag Keines drein gegangen, Wird dem Friz zu lang die Zeit, Denkt: ich hab' umsonst gestreut, Will ja keine kommen. Nach acht Tagen faͤllt ihm ein, Im Garten zu spazieren: Es ist schoͤner Sonnenschein, Man kann nicht erfrieren; Und am alten Apfelbaum Kommt's ihm ploͤtzlich wie im Traum: Ob der Schlag gefallen? „Ja! es sizt ein Vogel drinn! Aber, weh! o wehe! Das ist trauriger Gewinn: Todt, so viel ich sehe! — Aber was kann ich dafuͤr? Sicher hat das dumme Thier Sich zu todt gefressen!“ 13 * So troͤst't sich dein Moͤrder wohl, Der dich hungern lassen, Aber ich vor Leid und Groll Weiß mich nicht zu fassen! Hast alle Broͤslein aufgepickt, Hast dann vergebens umgeblickt, Wo noch ein Koͤrnlein waͤre! Ihr andern Voͤglein allesammt, Wohl unterm blauen Himmel! Ihr habt mit Wehgesang verdammt Den Vogelsteller-Luͤmmel. Ach, Eines starb so balde, bald! Eben da in Feld und Wald Der Fruͤhling wollte kommen. Einer verehrten Frau zum Geburtstage , mit einem Blumenstock. Man sagt, an solchen Tagen sey es Pflicht, Sich selber einen Spiegel vorzuhalten; Ich bring' ihn Dir; verschmaͤh' dies Bluͤmchen nicht, Es soll Dir Deinen eignen Werth entfalten. Sieh' der bescheidenen Reseda Bluͤthe, Ein Bild der Menschenfreundlichkeit, Die ohne Prunk, voll innerer Herzensguͤte, Den Wohlgeruch der thaͤt'gen Liebe streut. Die Visite. Philister kommen angezogen: Man sucht im Garten mich und Haus; Doch war der Vogel ausgeflogen Zum vielgeliebten Wald hinaus. Sie kommen, mich auch da zu stoͤren; Schon heißt es: Horcht! die Nachtigall! — Gleich lass' ich mich als Gukuk hoͤren, Bin nirgends und bin uͤberall. So fuͤhrt' ich sie, nur wie im Traume, Als Puck im ganzen Wald herum; Ich pfiff und sang von jedem Baume, Sie sahn sich fast die Haͤlse krumm. Nun schalten sie: Verfluchte Possen! Der Sonderling, der Grobian! Da komm' ich grunzend angeschossen, Ein Eber, mit gefletschtem Zahn. Mit Schrei'n, als wenn der Boden brennte, Zerstob ein Theil im wilden Lauf, Die Andern kletterten behende Den naͤchsten besten Baum hinauf; Sie krochen weislich bis zum Wipfel, Und sahen nicht einmal zuruͤck, Doch ich als Eichhorn saß im Gipfel: Ich gruͤße sie und wuͤnsche Gluͤck. „Ei, welch ein allerliebstes Spaͤßchen! Gott gruͤß' euch, schoͤne Fraun und Herrn! Sie kommen, hoff' ich, auf ein Taͤßchen Eichel-Kaffee? Von Herzen gern!“ — Allein sie fanden's nicht gemuͤthlich In dieser ungewohnten Hoͤh'. So schieden wir fuͤr heute guͤtlich; Doch wehe meiner Renomm é e! An — Ei, wer haͤtt' es je gemeint, Fraͤulein Ludovike! Hat man denn, so lieb man scheint, Auch geheime Tuͤcke? Maͤdchen! wer ergruͤndet euch? Raͤthsel ohne Ende! Arg und falsch und engelgleich, Wer das reimen koͤnnte! O, nicht suͤßen Honig nur Fuͤhren eure Lippen; Und so seyd ihr von Natur Liebliche X — — —. An Florentine. Wildes Maͤdchen! schau mir doch Einmal recht in's Auge! Ob so gar nichts dir darin Nur ein wenig tauge? Zwar dein liebes Bild hast du Oefters drin gesehen, Freutest auch des Spiegels dich, Laͤß'st ihn wieder stehen. Doch so mußt du mehr und mehr Dir darin gefallen, Und am Ende bleibt er dir Lieb und werth vor allen. Der Liebhaber an die heiße Quelle in B. Du heilest Den und troͤstest Jenen, O Quell, so hoͤr' auch meinen Schmerz! Ich klage dir mit bittern Thraͤnen Ein hartes, kaltes Maͤdchenherz. Es zu erweichen, zu durchgluͤhen, Dir ist es eine leichte Pflicht; Man kann ja Huͤhner in dir bruͤhen, Warum ein junges Gaͤnschen nicht? Lammwirths Klagelied. D a droben auf dem Markte Spazier' ich auf und ab, Den ganzen lieben langen Tag, Und schaue die Straße hinab. Es steht ein Regenbogen Wohl uͤber jenem Haus, Mein Schild ist eingezogen, Ein andrer hangt heraus! Heraus hangt uͤber der Thuͤre Ein Hahn mit rothem Kamm; Als ich die Wirthschaft fuͤhrte, War es ein guͤldenes Lamm. Mein Schaͤflein wohl zu scheeren, Ich sparte keine Muͤh', Ich bin herunter gekommen, Und weiß doch selber nicht, wie. Nun laͤuft es mit Koͤchen und Kellnern Im ganzen Hause so voll, Ich weiß nicht, wem ich von Allen Zuerst den Hals brechen soll. Da kommen die Chaisen gefahren! Der Hausknecht springt in die Hoͤh'. Voruͤber, ihr Roͤßlein, voruͤber, Dem Lammwirth ist gar so weh! Der Kanonier. (Mit einer Zeichnung.) Auf der Erde begegneten sich die Schaaren des Himmels Und der Hoͤllen; es kommt eben zur foͤrmlichen Schlacht. Vorn am Huͤgel steht ein Teufel bei der Kanone; Sein stets rauchender Schwanz dient ihm als Lunte dabei. (Etwas phantastisch geformt ist der Feuerschlund, Fluͤgel des Drachen, Statt der Raͤder, stehn huͤben und druͤben empor: Denn man braucht dies Geschuͤtz zuweilen uͤber den Wolken Bei Blokaden, da fliegt es durch die hoͤllische Kunst.) Aber der Kerl ist feige; denn waͤhrend langsam der Schweif sich Nach dem Zuͤndloch bewegt, haͤlt er die Ohren sich zu, Seitwaͤrts uͤber die Achsel nur schielend, jetzo die Augen Fest zudruͤckend: Tupf! folgt der entsetzliche Knall. Charis und Penia. A. Seht doch den Schlaͤfer dort in's Gras gestreckt! Es ist des Gauklers Sohn, der schoͤne Knabe, Den gestern wir so lieblich tanzen sahn. Fuͤr jezt das bunte Jaͤckchen abgeworfen, Den Schatten suchend vor der Mittagsschwuͤle, Warf er sich in des Wirthes Garten, faul. Hier unter den Syringenbusch. B. Frei, losgebunden ruht ein jedes Glied; Nur bei den Knoͤcheln schmiegen sich die Fuͤße, Das rothe Paar der Stiefeln, um einander, Dem Bluͤthenknopfe des Granatbaums gleich, Der eben aufzubrechen Willens ist; Es scheinen seine Fuͤße wie zum Tanz In jedem Augenblicke sich zu oͤffnen. C. Es ist, als athmen sie im Schlafe selbst Den holden Geist des Tanzes! Ja gewiß, Er traͤumt Musik zu hoͤren. A. Aber seht, Wie ruͤhrend spricht aus diesen fremden Zuͤgen Jezt offne, reine Menschlichkeit sich aus! Bajazzo's rohe Stimme ist entfernt, Die Peitsche, die zum Scherze, doch empfindlich, Den Kleinen traf, der sich zum Lachen zwang. B. Ich weck' ihn auf! und stuͤrzt er auch im Traum Von seinem Seil, er faͤllt in's weiche Gras. Knabe im Schlaf. No! No! per Dio santο! Mein ist die Wurst, Du Immeldonnerwetter! Die Freunde. Ach so! Das war's! Nun, das ist lustig! C. Er erwacht und hebt Den Kopf; verstoͤrt, beschaͤmt schaut er uns an. B. Komm, guter Junge, dort an unsern Tisch! So recht — nur munter! Magst du denn Wurst? Knabe. Si, si, cari Signori! Gern, das ik freß'. A. O Charis! O Penia! Wie seyd ihr einzig, wenn ihr euch umarmt! An meinen Vetter. Lieber Vetter! Er ist eine Von den freundlichen Naturen, Die ich Sommerwesten nenne. Denn sie haben wirklich etwas Sonniges in ihrem Wesen. Es sind weltliche Beamte, Rechnungsraͤthe, Revisoren, Oder Cameralverwalter, Auch wohl manchmal Herrn vom Handel, Aber meist vom aͤltern Schlage, Keinesweges Petitmaitres, Haben manchmal huͤbsche Baͤuche, Und ihr Vaterland ist Schwaben. Neulich auf der Reise traf ich Auch mit einer Sommerweste In der Post zu Besigheim Eben zu Mittag zusammen. Und wir speisten eine Suppe, Darin rothe Krebse schwammen, Rindfleisch mit franzoͤ'schem Senfe, Dazu liebliche Radieschen, Dann Gemuͤse, und so weiter; Schwazten von der neu'sten Zeitung, Und daß es an manchen Orten Gestern stark gewittert habe. Druͤber zieht der wackre Herr ein Silbern Buͤchslein aus der Tasche, Sich die Zaͤhne auszustochern; Endlich stopft er sich zum schwarzen Kaffee seine Meerschaumpfeife, Dampft und discurrirt und schaut in¬ mittelst einmal nach den Pferden. Und ich sah ihm so von hinten Nach und dachte: Ach, daß diese Lieben, hellen Sommerwesten, Die bequemen, angenehmen, Endlich doch auch sterben muͤssen! Moͤrike , Gedichte. 14 Gute Lehre I n unsers Pfarrers Garten, Es faͤllt ein warmes Regelein, Wie duften da die Blumen, Die Apfelbluͤth' so fein! Im Haͤuselein da druͤben Ein Bauer vespert wohlgemuth, Hat's Fensterlein halb offen, Das Luͤftlein thaͤt ihm gut. Ei, spricht er bei sich selbsten, Ein Sonntagsstraͤuschen haͤtt' ich gern, Auf morgen in die Predigt, Tulipanen oder Stern. Ein Voͤglein hat's vernommen, Das denkt: dir soll geholfen seyn; Thaͤt schnell ein Bluͤmlein holen, Und bringt's im Schnaͤbelein. Ei, lachte da mein Peter! Hat flugs sein Fenster zugemacht, Hat's Voͤgelein gefangen Und in den Kaͤfig bracht. Ach, muß das Voͤglein trauern! Und war auch von der Stunde krank; Sind feine Kerl die Bauern, Die geben Stank fuͤr Dank! 14 * Restauration nach Durchlesung eines Manuscripts mit Gedichten. D as suͤße Zeug ohne Saft und Kraft! Es hat mir all mein Gedaͤrm erschlafft. Es roch, ich will des Henkers seyn, Wie lauter welke Rosen und Camille-Bluͤmlein. Mir ward ganz uͤbel, mauserig, dumm, Ich sah mich schnell nach was Tuͤchtigem um, Lief in den Garten hinter'm Haus, Zog einen herzhaften Rettig aus, Fraß ihn auch auf bis auf den Schwanz, Da war ich wieder frisch und genesen ganz. Zur Warnung. Einmal nach einer lustigen Nacht War ich am Morgen seltsam aufgewacht: Durst — Wasserscheu — ungleich Gebluͤt, Dabei geruͤhrt und weichlich im Gemuͤth, Beinah poetisch, ja, ich bat die Muse um ein Lied; Sie, mit verstelltem Pathos, spottet' mein, Gab mir den schnoͤden Bafel ein: „ Es schlagt eine Nachtigall Am Wasserfall ; Und ein Vogel ebenfalls , Der schreibt sich Wendehals , Johann Jakob Wendehals ; Der thut tanzen Bei den Pflanzen Obbemeldten Wasserfalls — “ So ging es fort: mir wurde immer baͤnger; Jezt sprang ich auf — zum Wein; der war denn auch mein Retter. — Merkt's euch, ihr thraͤnenreichen Saͤnger, Im Katzenjammer ruft man keine Goͤtter! Alles mit Maas. Mancherlei sind der Gaben, die guͤtige Goͤtter den Menschen Zum Genusse verliehn und fuͤr die taͤgliche Nothdurft. Aber vor jeglichem Ding begehr' ich gebratenen Schweinsfuß. Meine Frau Wirthin, die merkt's, nun hab' ich alle Tag' Schweinsfuͤß'. Oefters ahnt' mir im Geist: jezt ist kein einziger Schweinsfuß In der Stadt mehr zu finden: Was krieg' ich zu Mit¬ tage? Schweinsfuͤß'! Spraͤche der Koͤnig nun gleich zu seinem Koch: Schaff' mir Schweinsfuͤß'! Gnade der Himmel dem Mann! denn nirgend mehr wan¬ delt ein Schweinsfuß. Und ich sagte zur Wirthin zulezt: Nun laßt mir die Schweinsfuͤß'! Denn er schmeckt mir nicht mehr wie sonst, der braͤun¬ liche Schweinsfuß. Aber sie denkt, aus Zartgefuͤhl nur verbaͤt' ich die Schweins¬ fuͤß', Laͤchelnd bringet sie mir auch heute gebratenen Schweins¬ fuß — Ei so hole der Teufel auf ewig die hoͤllischen Schweinsfuͤß'! Kalter Streich. A. Ich will mich selber just nicht ruͤhmen; Doch darf ich sagen: Es ist so im Geist Von „Stunden der Andacht.“ B. Ja? Und wie heißt — A. Der Titel? „ Amor und Hymen ; Eine christliche Gabe fuͤr beide Geschlechter, Besonders fuͤr gebildete Toͤchter.“ B. Pfui Teufel! A. Was? Mein Werk? Sind Sie bei Verstand? So eben meldete sich der achthundertste Praͤnumerant! B. Ich glaub's; die lieben Eltern gegenwaͤrtig Sind selber ungemein davon charmirt, Wenn bei der suͤßen Jugend allzeit' fertig Amor dem Hymen praͤnumerirt. Falsche Manier. A ch, ich merke, Freund, du moͤchtest Gern pikant dein suͤß Gedicht; Aber in der Pfeffermuͤhle Mahlt man keinen Zucker nicht. Schul-Schmäcklein. E i ja! es ist ein vortrefflicher Mann, Wir lassen ihn billig ungerupft; Aber seinen Versen merkt man an, Daß der Verfasser Lateinisch kann Und schnupft. Auf die Prosa eines Beamten. A. W elch ein Gedankendrang in den Perioden! ein wahrer Stilus infarctus , von dem Quinctilian nichts gewußt! B. Ganz wurstartig, auf Ehre! Die Schrift ist ein einzig farcimen , Und der Zipfel guckt hinten und vorne heraus. Bei Gelegenheit eines Kinderspielzeugs, vorstellend: Hanswurst an der Sandmühle. Hanswurst. S chauen's gefaͤlligst, meine Lieben, Ein huͤbsch Geschaͤft wird hier betrieben. Geht wohl einem Muͤller im ganzen Land Sein Metier so lustig aus der Hand? Zwar das bekenn' ich frank und frei, Besonderer Segen ist nicht dabei: Sand gießt man ein, Sand kommt heraus; Man daͤchte fast, hier waͤr' ein Narr zu Haus. Sobald ich uͤbrigens insoweit fertig bin, Hab' ich etwas wirklich Gemeinnuͤtziges im Sinn. Ein Bürger. Was denn, Hans? Hanswurst. Ein neues Augenpulver. Zweiter Bürger. Aus Streusand, Kerl? o weh! Hanswurst. Ein herrlich Volksmittel. Erster Bürger. Volksmittel? Ich versteh' Spitzbub! Schlagt ihm den Schaͤdel ein! Hanswurst . Ihr Herrn, da muß ein Irrthum seyn. Beide Bürger . Hundsfott! dich hat die Regierung im Sold! Hanswurst . Ich will des Teufels seyn, ich weiß nicht, was ihr wollt. Huͤlfe! zu Huͤlfe! Andere . Was gibt's? Erster und Zweiter . Da! Sand will man uns in die Augen streu'n! Der Polignac steckt dahinter! Andere . Seyd gescheidt. Der Narr hatt' euch zum Besten, gute Leut'! Ihr kennt ihn ja, es ist der Alte. Hanswurst . Gleich beißen und kratzen! Gott verdamm's! Hab' doch tausend Farben an Hosen und Wamms, Zum Zeichen, daß ich's mit keiner halte! Wenn ich meinen Purzelbaum machen kann, Was ficht die Politik mich an? Ein Bürger . Ich glaub's ihm gern; der Sand ist nur so nebenher. Hanswurst . Mein Seel! treibt ihr mein Rad, ich mahl' euch lotterleer! Erster Bürger. Der Tagdieb! Hanswurst. Was, du Schuft? Gott der Herr schlaͤgt am lustigen Sommertage Seinen bunten Reifen in die Luft, — Was guckst du scheel, wenn ich den meinen schlage? Der eine nuzt so wenig wie der ander', Aber Kinder und Narren sehen's gern. Ich bin nicht Bonapart' und bin nicht Alexander, Und hab' doch meinen Sparr'n so gut wie diese Herrn. — Was fuͤhrt ihr uͤberhaupt so hohen Ton Und schaͤmt euch schier, mich auch nur zu belachen? Ich sah die ganze wuͤrdige Nation Schon viel possierlichere Spruͤnge machen! Aus jezt — wem sein Kopf lieb ist! Hülf' in der Noth. Ein rechter Freund erscheint uns in der Noth Zu rechter Zeit und sicher wie der Tod. Doch offen, Bester, sag' ich dir, Du hast eine ganz verwuͤnschte Manier! Du trocknest mir den Jammerschweiß, Und machst mir doch die Hoͤlle heiß, Du bringst das ganze juͤngste Gericht Mit dir; — bei Gott, so meint' ich's nicht! Selbstgeständniss. I ch bin meiner Mutter einzig Kind, Und weil die andern ausblieben sind, Was weiß ich wie viel, die Sechs oder Sieben, So ist eben Alles an mir haͤngen blieben; Ich hab' muͤssen die Liebe, die Treue, die Guͤte Fuͤr ein ganz halb Dutzend allein aufessen, Ich will's mein Lebtag nicht vergessen. Es haͤtte mir aber noch wohl moͤgen frommen, Haͤtt' ich nur auch Schlaͤg' fuͤr Sechse bekommen. Bei einer Trauung. V or lauter hochadligen Zeugen Copulirt man ihrer Zwei; Die Orgel haͤngt voll Geigen, Der Himmel nicht, mein' Treu! O weh', sie weint ja graͤulich, Er macht ein Gesicht abscheulich! Denn leider, freilich, freilich Keine Lieb' ist nicht dabei. Meines Vetters Brautfahrt. A ch, wie wird er sich freun, die liebe Braut zu begruͤßen! — Aber wo bleibt er so lang? Sagt ihm, die Kutsche sey da! Droben liegt er im Bett, verdrießlich, und lieset in Schellers Lexikon! als ich ihn schalt, rief er halb grimmig: „Nun ja, Gebt mir andere Struͤmpf'! die haben Loͤcher — ach freilich Eine Frau muß in's Haus, die mich von Fuß auf kurirt!“ An einen Prediger. Lieber! ganz im Vertrauen gesagt: Es buhlt mit dem Ehrgeiz Deine Andacht: Du traͤgst Hoͤrnlein, und Satanas lacht. Moͤrike , Gedichte. 15 Pastor an seine Zuhörer. Gefall' ich euch nicht, ei so bleibt doch zu Haus, Oder geht zu einem Andern! Der zieht euch die Zaͤhn' mit dem Stiefelknecht aus; Wir sind noch von den Galantern. Pastoral-Erfahrung. Meine guten Bauern freuen mich sehr; Eine „scharfe Predigt“ ist ihr Begehr. Und wenn man mir es nicht verdenkt, Sag' ich, wie das zusammenhaͤngt. Sonnabend, wohl nach Elfe spat, Im Garten stehlen sie mir den Salat; In der Morgenkirch' mit guter Ruh' Erwarten sie den Essig dazu; Der Predigt Schluß fein linde sey: Sie wollen gern auch Oel dabei. Neutheologische Kanzelberedtsamkeit. A. Der biblische Text ist gar nicht schlecht, Nur sing' ich nach eigenen Noten. B. bei Seite. Ja, untersucht nur seine Kanzel recht: Sie hat einen doppelten Boden! Lückenbüsser. „Hochehrwuͤrdiger Herr“, so haͤtt' ich gerne geschrieben, Aber die Ehre schien mir fast und die Wuͤrde zu hoch; Euch verdroß indeß mein P. P. ; doch setz ich es wieder Ueber den Brief; denkt Euch pater peccavi dabei. 15 * An — Laß doch dein Dichten! hast ja Geld; Tropf! brauch's, die Poesie lebendig zu betreiben! Was gilt's? dich freut das Schoͤnste in der Welt Nur halb, vor lauter Angst, du muͤssest es beschreiben. Auskunft. Dumme Tadler und Lober auf beiden Seiten! Doch darum Hat mir mein Schoͤpfer den Kopf zwischen die Ohren gesezt. Abschied. U nangeklopft ein Herr tritt Abends bei mir ein: „Ich habe die Ehr', Ihr Recensent zu seyn.“ Sofort nimmt er das Licht in die Hand, Besieht lang meinen Schatten an der Wand, Ruͤckt nah und fern: „Nun, lieber junger Mann, Sehn Sie doch gefaͤlligst 'mal Ihre Nas' so von der Seite an! Sie geben zu, daß das ein Auswuchs is.“ — Das? Alle Wetter — gewiß! Ei Hasen! ich dachte nicht, All mein Lebtage nicht, Daß ich so eine Welts-Nase fuͤhrt' im Gesicht!! Der Mann sprach noch Zerschiednes hin und her, Ich weiß, auf meine Ehre, nicht mehr; Meinte vielleicht, ich sollt' ihm beichten. Zulezt stand er auf; ich that ihm leuchten. Wie wir nun an der Treppe sind, Da geb' ich ihm, ganz froh gesinnt, Einen kleinen Tritt Nur so von hinten auf's Gesaͤße mit — Alle Hagel! ward das ein Gerumpel, Ein Gepurzel, ein Gehumpel! Dergleichen hab' ich nie gesehn, All mein Lebtage nicht gesehn Einen Menschen so rasch die Trepp' hinab gehn! Tout comme chez nous. Erste Henne. Nur Einen Dotter hat doch sonst ein Ei, Das meine hier hat ihrer zwei! Andere Henne. Ach, Frau Gevatter, ich bitte Sie! Das gibt wahrhaftig ein Genie. Dritte Henne. Ja wohl, Natur treibt gern so loses Spiel, Hat manchmal einen Sparren zu viel. Der Hahn halblaut. Ich glaub', der Wind blaͤst wo anders her: Die legt schon Jahr und Tag nicht mehr. Kikeriki! Peregrina. I. Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen Ist wie von innerm Gold ein Widerschein; Tief aus dem Busen scheint er's anzusaugen, Dort mag solch Gold in heil'gem Gram gedeih'n. In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen, Unwissend Kind, du selber laͤdst mich ein, Willst, ich soll kecklich mich und dich entzuͤnden, Reichst laͤchelnd mir den Tod im Kelch der Suͤnden! II. Aufgeschmuͤckt ist der Freudensaal. Lichterhell, bunt, in laulicher Sommernacht Stehet das offene Gartengezelte; Saͤulengleich steigen, Reichlich durchwirket mit Laubwerk, Die stolzen Leiber Sechs gezaͤhmter, riesiger Schlangen, Tragend und stuͤtzend das Leichtgegitterte Dach. Aber die Braut noch wartet bescheiden In dem Kaͤmmerlein ihres Hauses; Endlich bewegt sich der Zug der Hochzeit, Fackeln tragend, Feierlich stumm. Und in der Mitte, Mich an der rechten Hand, Schwarzgekleidet geht einfach die Braut, Schoͤngefaltet ein Scharlachtuch Liegt um den zierlichen Kopf geschlagen; Laͤchelnd geht sie dahin; Das Mahl schon duftet. Spaͤter im Laͤrmen des Fests Stahlen wir seitwaͤrts uns Beide Weg, nach den Schatten des Gartens wandelnd, Wo im Gebuͤsche die Rosen brannten, Wo der Mondstrahl um Lilien zuckte, Wo die Baͤume vom Nachtthau troffen. Und nun strich sie mir, stillestehend, Seltsamen Blicks mit dem Finger die Schlaͤfe, Jaͤhlings versank ich in tiefen Schlummer, Aber gestaͤrkt vom Wunderschlafe Bin ich erwacht zu gluͤckseligen Tagen, Fuͤhrte die seltsame Braut in mein Haus ein. III. Ein Irrsal kam in die Mondscheingaͤrten Einer einst heiligen Liebe. Schaudernd entdeckt' ich verjaͤhrten Betrug. Und mit weinendem Blick, doch grausam, Hieß ich das schlanke, Zauberhafte Maͤdchen Ferne gehen von mir. Ach, ihre hohe Stirn, Drin ein schoͤner, suͤndhafter Wahnsinn Aus dem dunkelen Auge blickte, War gesenkt, denn sie liebte mich; Aber sie zog mit Schweigen Fort in die graue, Stille Welt hinaus. Von der Zeit an Kamen mir Traͤume voll schoͤner Truͤbe, Wie gesponnen auf Nebelgrund; Wußte nimmer, wie mir geschah, War nur schmachtend seliger Krankheit voll. Oft in den Traͤumen zog sich ein Vorhang Finster und groß in's Unendliche Zwischen mich und die dunkle Welt; Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland, Hinter ihm hoͤrt' ich's wie Nachtwind sausen; Auch die Falten des Vorhangs Fingen bald an, sich im Sturme zu regen: Gleich einer Ahnung strich er dahinten, Ruhig blieb ich und bange doch: Immer leiser wurde der Haidesturm — Siehe! da kam's. Aus einer Spalte des Vorhangs guckte Ploͤtzlich der Kopf des Zaubermaͤdchens, Lieblich war er und doch so beaͤngstend. Sollt' ich die Hand ihr nicht geben In ihre liebe Hand? Bat denn ihr Auge nicht, Sagend: da bin ich wieder Hergekommen aus weiter Welt? IV. Warum, Geliebte, denk' ich dein Auf Einmal mit viel tausend Thraͤnen, Und kann gar nicht zufrieden seyn, Und will die Brust in alle Ferne dehnen? Ach, gestern in den hellen Kindersaal Beim Flimmer zierlich aufgesteckter Kerzen, Wo ich mein selbst vergaß in Laͤrm und Scherzen, Tratst du, o Bildniß mitleid-schoͤner Qual; Es war dein Geist, er sezte sich an's Mahl, Wir saßen fremd mit stumm verhaltnen Schmerzen, Zulezt brach ich in lautes Schluchzen aus, Und Hand in Hand verließen wir das Haus. V. Die Liebe, sagt man, steht am Pfahl gebunden, Geht endlich arm, verlassen, unbeschuht, Dies edle Haupt hat nicht mehr, wo es ruht, Mit ihren Thraͤnen nezt sie bittre Wunden. Ach, Peregrinen hab' ich so gefunden! Schoͤn war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Gluth, Noch scherzend in der Fruͤhlingsstuͤrme Wuth, Und wilde Kraͤnze in das Haar gewunden. Wie? solche Schoͤnheit konntest du verlassen? So kehrt nun doppelt schoͤn das alte Gluͤck! O komm', in diese Arme dich zu fassen! Doch weh'! o weh'! was soll mir dieser Blick? Sie kuͤßt mich zwischen Lieben, zwischen Hassen, Sie kehrt sich ab — und kehrt mir nie zuruͤck. Um Mitternacht. Bedaͤchtig stieg die Nacht an's Land, Lehnt traͤumend an der Berge Wand, Ihr Auge sieht die goldne Wage nun Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn, Und kecker rauschen die Quellen hervor, Sie singen der Mutter, der Nacht, in's Ohr Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Das uralt alte Schlummerlied, Sie achtet's nicht, sie ist es muͤd'; Ihr klingt des Himmels Blaͤue suͤßer noch, Der fluͤcht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch. Doch immer behalten die Quellen das Wort, Es singen die Wasser im Schlafe noch fort Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage.