Gotthold Ephraim Lessings Fabeln. Drey Bücher. Nebst Abhandlungen mit dieser Dichtungsart verwandten Inhalts. Berlin, bey Christian Friedrich Voß 1759 . Vorrede. I ch warf, vor Jahr und Tag, einen kritischen Blick auf meine Schriften. Ich hatte ihrer lange genug vergessen, um sie völlig als fremde Geburten betrachten zu können. Ich fand, daß man noch lange nicht so viel Böses davon gesagt habe, als man wohl sagen könnte, und beschloß, in dem ersten Unwillen, sie ganz zu verwerfen. * Viel Viel Ueberwindung hätte mich die Aus- führung dieses Entschlusses gewiß nicht ge- kostet. Ich hatte meine Schriften nie der Mühe werth geachtet, sie gegen irgend je- manden zu vertheidigen; so ein leichtes und gutes Spiel mir auch oft der allzuelende An- griff dieser und jener, würde gemacht haben. Dazu kam noch das Gefühl, daß ich itzt meine jugendlichen Vergehungen durch bes- sere Dinge gut machen, und endlich wohl gar in Vergessenheit bringen könnte. Doch indem fielen mir so viel freund- schaftliche Leser ein. — Soll ich selbst Ge- legenheit geben, daß man ihnen vorwerffen kann, kann, ihren Beyfall an etwas ganz Unwür- diges verschwendet zu haben? Ihre nach- sichtsvolle Aufmunterung erwartet von mir ein anderes Betragen. Sie erwartet, und sie verdienet, daß ich mich bestrebe, sie, wenigstens nach der Hand, Recht haben zu lassen; daß ich so viel Gutes nunmehr wirklich in meine Schriften so glücklich hin- einlege, daß sie es in voraus darinn be- merkt zu haben scheinen können. — Und so nahm ich mir vor, was ich erst ver- werffen wollte, lieber so viel als möglich zu verbessern. — Welche Arbeit! — * 2 Ich Ich hatte mich bey keiner Gattung von Gedichten länger verweilet, als bey der Fabel. Es gefiel mir auf diesem gemein- schaftlichen Raine der Poesie und Moral. Ich hatte die alten und neuen Fabulisten so ziemlich alle, und die besten von ihnen mehr als einmal gelesen. Ich hatte über die Theorie der Fabel nachgedacht. Ich hatte mich oft gewundert, daß die grade auf die Wahrheit führende Bahn des Aeso- pus, von den Neuern, für die blumenrei- chern Abwege der schwatzhaften Gabe zu erzehlen, so sehr verlassen werde. Ich hatte eine Menge Versuche in der einfälti- gen gen Art des alten Phrygiers gemacht. — Kurz ich glaubte mich in diesem Fache so reich, daß ich, vors erste meinen Fabeln, mit leichter Mühe, eine neue Gestalt geben könnte. Ich griff zum Werke. — Wie sehr ich mich aber wegen der leichten Mühe geirret hatte, das weis ich selbst am besten. An- merkungen, die man während dem Stu- dieren macht, und nur aus Mißtrauen in sein Gedächtniß auf das Papier wirft; Ge- danken, die man sich nur zu haben be- gnügt, ohne ihnen durch den Ausdruck die nöthige Präcision zu geben; Versuchen, * 3 die die man nur zu seiner Uebung waget, — — fehlet noch sehr viel zu einem Buche. Was nun endlich für eines daraus gewor- den; — hier ist es! Man wird nicht mehr als sechse von meinen alten Fabeln darinn finden; die sechs prosaischen nehmlich, die mir der Erhaltung am wenigsten unwerth schienen. Die übrigen gereimten mögen auf eine an- dere Stelle warten. Wenn es nicht gar zu sonderbar gelassen hätte, so würde ich sie in Prosa aufgelöset haben. Ohne übrigens eigentlich den Gesichts- punct, aus welchem ich am liebsten be- trach- trachtet zu seyn wünschte, vorzuschreiben, ersuche ich bloß meinen Leser, die Fabeln nicht ohne die Abhandlungen zu beur- theilen. Denn ob ich gleich weder diese jenen, noch jene diesen zum Besten ge- schrieben habe; so entlehnen doch beyde, als Dinge, die zu Einer Zeit in Einem Kopfe entsprungen, allzuviel von einander, als daß sie einzeln und abgesondert noch eben dieselben bleiben könnten. Sollte er auch schon dabey entdecken, daß meine Regeln mit meiner Ausübung nicht allezeit über- einstimmen: was ist es mehr? Er weiß von selbst, daß das Genie seinen Eigen- * 4 sinn sinn hat; daß es den Regeln selten mit Vorsatz folget; und daß diese seine wollü- stigen Auswüchse zwar beschneiden, aber nicht hemmen sollen. Er prüfe also in den Fabeln seinen Geschmack, und in den Abhandlungen meine Gründe. — Ich wäre Willens mit allen übrigen Ab- theilungen meiner Schriften, nach und nach, auf gleiche Weise zu verfahren. An Vorrath würde es mir auch nicht fehlen, den unnützen Abgang dabey zu ersetzen. Aber an Zeit, an Ruhe — — Nichts weiter! Dieses Aber gehöret in keine Vor- rede; und das Publicum danket es selten einem einem Schriftsteller, wenn er es auch in solchen Dingen zu seinem Vertrauten zu machen gedenkt. — So lange der Virtuo- se Anschläge fasset, Ideen sammlet, wäh- let, ordnet, in Plane vertheilet: so lange genießt er die sich selbst belohnenden Wol- lüste der Empfängniß. Aber so bald er einen Schritt weiter gehet, und Hand an- leget, seine Schöpfung auch ausser sich dar- zustellen: sogleich fangen die Schmerzen der Geburt an, welchen er sich selten ohne alle Aufmunterung unterziehet. — Eine Vorrede sollte nichts enthalten, als die Geschichte des Buchs. Die Ge- schichte schichte des meinigen war bald erzehlt, und ich müßte hier schliessen. Allein, da ich die Gelegenheit mit meinen Lesern zu spre- chen, so selten ergreiffe, so erlaube man mir, sie einmal zu mißbrauchen. — Ich bin gezwungen mich über einen bekannten Scribenten zu beklagen. Herr Dusch hat mich durch seine bevollmächtigte Freunde, seit geraumer Zeit, auf eine sehr nichts- würdige Art mißhandeln lassen. Ich mei- ne mich, den Menschen; denn daß es sei- ner siegreichen Critik gefallen hat, mich, den Schriftsteller, in die Pfanne zu hauen, das würde ich mit keinem Worte rügen. Die Die Ursache seiner Erbitterung sind ver- schiedene Critiken, die man in der Biblio- thek der schönen Wissenschaften, und in den Briefen die neueste Litteratur betreffend, über seine Werke gemacht hat, und Er auf meine Rechnung schreibet. Ich habe ihn schon öffentlich von dem Ge- gentheile versichern lassen; die Verfasser der Bibliothek sind auch nunmehr genug- sam bekannt; und wenn diese, wie er selbst behauptet, zugleich die Verfasser der Brie- fe sind: so kann ich gar nicht begreiffen, warum er seinen Zorn an mir ausläßt. Vielleicht aber muß ein ehrlicher Mann, wie wie Er, wenn es ihn nicht tödten soll, sich seiner Galle gegen einen Unschuldigen ent- laden; und in diesem Falle stehe ich seiner Kunstrichterey, und dem Aberwitze seiner Freunde und seiner Freundinnen, gar gern noch ferner zu Diensten, und wiederrufe meine Klage. Fabeln. Fabeln. Erstes Buch. I. Die Erscheinung. I n der einsamsten Tiefe jenes Waldes, wo ich schon manches redende Thier be- lauscht, lag ich an einem sanften Was- serfalle und war bemüht, einem meiner Mährchen den leichten poetischen Schmuck zu geben, in wel- chem am liebsten zu erscheinen, la Fontaine die Fabel fast verwöhnt hat. Ich sann, ich wehlte, ich verwarf, die Stirne glühte — — Umsonst, es kam nichts auf das Blatt. Voll Unwill sprang ich auf; aber sieh! — auf einmal stand sie selbst, die fabelnde Muse vor mir. Und sie sprach lächelnd: Schüler, wozu diese undankbare Mühe? Die Wahrheit braucht die An- muth der Fabel; aber wozu braucht die Fabel die A 2 Anmuth Anmuth der Harmonie? Du willst das Gewürze würzen. Gnug, wenn die Erfindung des Dich- ters ist; der Vortrag sey des ungekünstelten Ge- schichtschreibers, so wie der Sinn des Weltweisen. Ich wollte antworten, aber die Muse verschwand. „Sie verschwand? höre ich einen Leser fragen. „Wenn du uns doch nur wahrscheinlicher täuschen „wolltest! Die seichten Schlüsse, auf die dein Un- „vermögen dich führte, der Muse in den Mund zu „legen! Zwar ein gewöhnlicher Betrug — Vortreflich, mein Leser! Mir ist keine Muse er- schienen. Ich erzehlte eine blosse Fabel, aus der du selbst die Lehre gezogen. Ich bin nicht der erste und werde nicht der letzte seyn, der seine Grillen zu Orakelsprüchen einer göttlichen Erscheinung macht. II. Der II. Der Hamster und die Ameise. I hr armseligen Ameisen, sagte ein Hamster. Verlohnt es sich der Mühe, daß ihr den ganzen Sommer arbeitet, um ein so weniges einzusam- meln? Wenn ihr meinen Vorrath sehen soll- tet! — — Höre, antwortete eine Ameise, wenn er grösser ist, als du ihn brauchst, so ist es schon recht, daß die Menschen dir nachgraben, deine Scheuren ausleeren, und dich deinen räubrischen Geitz mit dem Leben bussen lassen! A 3 III. Der III. Der Löwe und der Hase. E in Löwe würdigte einen drolligten Hasen seiner nähern Bekanntschaft. Aber ist es denn wahr, fragte ihn einst der Hase, daß euch Löwen ein elen- der krähender Hahn so leicht verjagen kann? Allerdings ist es wahr, antwortete der Löwe; und es ist eine allgemeine Anmerkung, daß wir grosse Thiere durchgängig eine gewisse kleine Schwachheit an uns haben. So wirst du, zum Exempel, von dem Elephanten gehört haben, daß ihm das Grunzen eines Schweins Schauder und Entsetzen erwecket. — Wahrhaftig? unterbrach ihn der Hase. Ja, nun begreif ich auch, warum wir Hasen uns so entsetzlich vor den Hunden furchten. IV. Der IV. Der Esel und das Jagdpferd. E in Esel vermaß sich, mit einem Jagdpferde um die Wette zu laufen. Die Probe fiel erbärmlich aus, und der Esel ward ausgelacht. Ich merke nun wohl, sagte der Esel, woran es gelegen hat; ich trat mir vor einigen Monaten einen Dorn in den Fuß, und der schmerzt mich noch. Entschuldigen Sie mich, sagte der Kanzelredner Liederhold, wenn meine heutige Predigt so gründlich und erbaulich nicht gewesen, als man sie von dem glücklichen Nachahmer eines Mosheims erwartet hätte; ich habe, wie Sie hören, einen heischern Hals, und den schon seit acht Tagen. A 4 V. Zevs V. Zevs und das Pferd. V ater der Thiere und Menschen, so sprach das Pferd und nahte sich dem Throne des Zevs, man will, ich sey eines der schönsten Geschöpfe, womit du die Welt gezieret, und meine Eigenliebe heißt mich es glauben. Aber sollte gleichwohl nicht noch verschiednes an mir zu bessern seyn? — Und was meinst du denn, daß an dir zu bessern sey? Rede; ich nehme Lehre an: sprach der gute Gott, und lächelte. Vielleicht, sprach das Pferd weiter, würde ich flüchtiger seyn, wenn meine Beine höher und schmächtiger wären; ein langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen; eine breitre Brust wür- de meine Stärke vermehren; und da du mich doch einmal bestimmt hast, deinen Liebling, den Men- schen zu tragen, so könnte mir ja wohl der Sattel anerschaffen seyn, den mir der wohlthätige Reiter auflegt. Gut Gut, versetzte Zevs; gedulde dich einen Augen- blick! Zevs, mit ernstem Gesichte, sprach das Wort der Schöpfung. Da quoll Leben in den Staub, da verband sich organisirter Stoff; und plötzlich stand vor dem Throne — das häßliche Kameel. Das Pferd sah, schauderte und zitterte vor ent- setzendem Abscheu. Hier sind höhere und schmächtigere Beine, sprach Zevs; hier ist ein langer Schwanenhals; hier ist eine breitere Brust; hier ist der anerschaffene Sat- tel! Willst du, Pferd, daß ich dich so umbil- den soll? Das Pferd zitterte noch. Geh, fuhr Zevs fort; diesesmal sey belehrt, ohne bestraft zu werden. Dich deiner Vermessenheit aber dann und wann reuend zu erinnern, so daure du fort, neues Geschöpf — Zevs warf einen er- haltenden Blick auf das Kameel — — und das Pferd erblicke dich nie, ohne zu schaudern. A 5 VI. Der VI. Der Affe und der Fuchs. N enne mir ein so geschicktes Thier, dem ich nicht nachahmen könnte! so prahlte der Affe gegen den Fuchs. Der Fuchs aber erwiederte: Und du, nenne mir ein so geringschätziges Thier, dem es einfallen könnte, dir nachzuahmen. Schriftsteller meiner Nation! — — Muß ich mich noch deutlicher erklären? VII. Die VII. Die Nachtigall und der Pfau. E ine gesellige Nachtigall fand, unter den Säu- gern des Waldes, Neider die Menge, aber keinen Freund. Vielleicht finde ich ihn unter einer andern Gattung, dachte sie, und floh vertraulich zu dem Pfaue herab. Schöner Pfau! ich bewundere dich. — — „Ich „dich auch, liebliche Nachtigall! — So laß uns Freunde seyn, sprach die Nachtigall weiter; wir werden uns nicht beneiden dürfen; du bist dem Auge so angenehm, als ich dem Ohre. Die Nachtigall und der Pfau wurden Freunde. Kneller und Pope waren bessere Freunde, als Pope und Addison. VIII. Der VIII. Der Wolf und der Schäfer. E in Schäfer hatte durch eine grausame Seuche seine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam seine Condolenz abzustatten. Schäfer, sprach er, ist es wahr, daß dich ein so grausames Unglück betroffen? Du bist um deine ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette Heerde! Du tauerst mich, und ich möchte blutige Thränen weinen. Habe Dank, Meister Isegrim; versetzte der Schäfer. Ich sehe, du hast ein sehr mitleidiges Herz. Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers Hylax hinzu, so oft er unter dem Unglücke seines Nächsten selbst leidet. IX. Das IX. Das Roß und der Stier. A uf einem feurigen Rosse floh stolz ein treuster Knabe daher. Da rief ein wilder Stier dem Rosse zu: Schande! von einem Knaben ließ ich mich nicht regieren! Aber ich; versetzte das Roß. Denn was für Ehre könnte es mir bringen, einen Knaben abzu- werfen? X. Der X. Die Grille und die Nachtigall. I ch versichre dich, sagte die Grille zu der Nachti- gall, daß es meinem Gesange gar nicht an Be- wundrern fehlt. — Nenne mir sie doch, sprach die Nachtigall. — Die arbeitsamen Schnitter, ver- setzte die Grille, hören mich mit vielem Vergnü- gen, und daß dieses die nützlichsten Leute in der menschlichen Republik sind, das wirst du doch nicht leugnen wollen? Das will ich nicht leugnen, sagte die Nachtigall; aber deswegen darfst du auf ihren Beyfall nicht stolz seyn. Ehrlichen Leuten, die alle ihre Gedanken bey der Arbeit haben, müssen ja wohl die feinern Empfindungen fehlen. Bilde dir also ja nichts eher auf dein Lied ein, als bis ihm der sorglose Schäfer, der selbst auf seiner Flöte sehr lieblich spielt, mit stillem Entzücken lauschet. XI. Die XI. Die Nachtigall und der Habicht. E in Habicht schoß auf eine singende Nachtigall. Da du so lieblich singst, sprach er, wie vortreflich wirst du schmecken! War es höhnische Bosheit, oder war es Einfalt, was der Habicht sagte? Ich weis nicht. Aber gestern hört ich sagen: dieses Frauenzimmer, das so unvergleichlich dichtet, muß es nicht ein aller- liebstes Frauenzimmer seyn! Und das war gewiß Einfalt! XII. Der XII. Der kriegrische Wolf. M ein Vater, glorreichen Andenkens, sagte ein junger Wolf zu einem Fuchse, das war ein rechter Held! Wie fürchterlich hat er sich nicht in der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr als zweyhundert Feinde, nach und nach, triumphirt, und ihre schwarze Seelen in das Reich des Verder- bens gesandt. Was Wunder also, daß er endlich doch einem unterliegen mußte! So würde sich ein Leichenredner ausdrücken, fagte der Fuchs; der trockene Geschichtschreiber aber würde hinzusetzen: die zweyhundert Feinde über die er, nach und nach, triumphiret, waren Schafe und Esel; und der eine Feind, dem er unterlag, war der erste Stier, den er sich anzufallen er- kühnte. XIII. Der XIII. Der Phönix. N ach vielen Jahrhunderten gefiel es dem Phö- nix, sich wieder einmal sehen zu lassen. Er er- schien, und alle Thiere und Vögel versammelten sich um ihn. Sie gaften, sie staunten, sie be- wunderten und brachen in entzückendes Lob aus. Bald aber verwandten die besten und gesellig- sten mitleidsvoll ihre Blicke, und seufzten: Der unglückliche Phönix! Ihm ward das harte Loos, weder Geliebte noch Freund zu haben; denn er ist der einzige seiner Art! B XIV. Die XIV. Die Gans. D ie Federn einer Gans beschämten den neuge- bohrnen Schnee. Stolz auf dieses blendende Ge- schenk der Natur, glaubte sie eher zu einem Schwa- ne, als zu dem was sie war, gebohren zu seyn. Sie sonderte sich von ihres gleichen ab, und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teiche herum. Bald dehnte sie ihren Hals, dessen ver- rätherischer Kürze sie mit aller Macht abhelfen woll- te. Bald suchte sie ihm die prächtige Bügung zu geben, in welcher der Schwan das würdigste An- sehen eines Vogels des Apollo hat. Doch verge- bens; er war zu steif, und mit aller ihrer Bemü- hung brachte sie es nicht weiter, als daß sie eine lächerliche Gans ward, ohne ein Schwan zu werden. XV. Die XV. Die Eiche und das Schwein. E in gefrässiges Schwein mästete sich, unter einer hohen Eiche, mit der herabgefallenen Frucht. In- dem es die eine Eichel zerbiß, verschlucke es bereits eine andere mit dem Auge. Undankbares Vieh! rief endlich der Eichbaum herab. Du nährest dich von meinen Früchten, ohne einen einzigen dankbaren Blick auf mich in die Höhe zu richten. Das Schwein hielt einen Augenblick inne, und grunzte zur Antwort: Meine dankbaren Blicke sollten nicht aussenbleiben, wenn ich nur wüßte, daß du deine Eicheln meinetwegen hättest fallen lassen. B 2 XVI. Die XVI. Die Wespen. F äulniß und Verwesung zerstörten das stolze Ge- bäu eines kriegerischen Rosses, das unter seinem kühnen Reiter erschossen worden. Die Ruinen des einen braucht die allzeit wirksame Natur, zu dem Leben des andern. Und so floh auch ein Schwarm junger Wespen aus dem beschmeißten Aase hervor. O, riefen die Wespen, was für eines göttlichen Ur- sprungs sind wir! Das prächtigste Roß, der Lieb- ling Neptuns, ist unser Erzeuger! Diese seltsame Prahlerey hörte der aufmerksame Fabeldichter, und dachte an die heutigen Italiäner, die sich nichts geringers als Abkömmlinge der alten unsterblichen Römer zu seyn einbilden, weil sie auf ihren Gräbern gebohren worden. XVII. Die XVII. Die Sperlinge. E ine alte Kirche, welche den Sperlingen unzähli- che Näster gab, ward ausgebessert. Als sie nun in ihrem neuen Glanze da stand, kamen die Sper- linge wieder, ihre alten Wohnungen zu suchen. Allein sie fanden sie alle vermauert. Zu was, schrieen sie, taugt denn nun das grosse Gebäude? Kommt, verlaßt den unbrauchbaren Steinhaufen! B 3 XVIII. Der XVIII. Der Strauß. I tzt will ich fliegen; rief der gigantische Strauß, und das ganze Volk der Vögel stand in ernster Er- wartung um ihn versammelt. Itzt will ich fliegen, rief er nochmals; breitete die gewaltigen Fittige weit aus, und schoß, gleich einem Schiffe mit aufgespann- ten Segeln, auf dem Boden dahin, ohne ihn mit einem Tritte zu verlieren. Sehet da, ein poetisches Bild jener unpoetischen Köpfe, die in den ersten Zeilen ihrer ungeheuren Oden, mit stolzen Schwingen prahlen, sich über Wolken und Sterne zu erheben drohen, und dem Staube doch immer getreu bleiben! XIX. Der XIX. Der Sperling und der Strauß. S ey auf deine Grösse, auf deine Stärke so stolz als du willst: sprach der Sperling zu dem Strausse. Ich bin doch mehr ein Vogel als du. Denn du kannst nicht fliegen; ich aber fliege, obgleich nicht hoch, obgleich nur Ruckweise. Der leichte Dichter eines fröhlichen Trinkliedes, eines kleinen verliebten Gesanges, ist mehr ein Ge- nie, als der schwunglose Schreiber einer langen Hermaniade. B 4 XX. Die XX. Die Hunde. W ie ausgeartet ist hier zu Lande unser Geschlecht! sagte ein gereister Budel. In dem fernen Welt- theile, welches die Menschen Indien nennen, da, da giebt es noch rechte Hunde; Hunde, meine Brüder — — ihr werdet mir es nicht glauben, und doch habe ich es mit meinen Augen gesehen — die auch einen Löwen nicht fürchten, und kühn mit ihm anbinden. Aber, fragte den Budel ein gesetzter Jagdhund, überwinden sie ihn denn auch, den Löwen? Ueberwinden? war die Antwort. Das kann ich nun eben nicht sagen. Gleichwohl, bedenke nur, einen Löwen anzufallen! — — O, fuhr der Jagdhund fort, wenn sie ihn nicht überwinden, so sind deine gepriesene Hunde in In- dien — besser als wir, so viel wie nichts — aber ein gut Theil dümmer. XXI. Der XXI. Der Fuchs und der Storch. E rzehle mir doch etwas von den fremden Laͤndern, die du alle gesehen hast, sagte der Fuchs zu dem weitgereisten Storche. Hierauf fing der Storch an, ihm jede Lache, und jede feuchte Wiese zu nennen, wo er die schmack- haftesten Wuͤrmer, und die fettesten Froͤsche ge- schmauset. Sie sind lange in Paris gewesen, mein Herr. Wo speiset man da am besten? Was fuͤr Weine ha- ben Sie da am meisten nach ihrem Geschmacke ge- gefunden ? B 5 XXII. Die XXII. Die Eule und der Schatzgraͤber. J ener Schatzgraͤber war ein sehr unbilliger Mann. Er wagte sich in die Ruinen eines alten Raub- schlosses, und ward da gewahr, daß die Eule eine magere Maus ergrif und verzehrt. Schickt sich das sprach er, fuͤr den philosophischen Liebling Minervens? Warum nicht? versetzte die Eule. Weil ich stille betrachtungen liebe, kann ich deswegen von der Luft leben? Jch weis zwar wohl, daß ihr Men- schen es von euren Gelehrten verlanget _ _ XXIII. Die XXIII. Die junge Schwalbe. Was macht ihr da? fragte eine Schwalbe die ge- schaͤftigen Ameisen. Wir sammeln Vorrath auf den Winter; war die geschwinde Antwort. Das ist klug, sagte die Schwalbe; das will ich auch thun. Und sogleich fing sie an, eine Menge todter Spinnen und Fliegen in ihr Nest zu tragen. Aber wozu soll das? fragte endlich ihre Mutter. „Wozu? Vorrath auf den boͤsen Winter, liebe „Mutter; sammle doch auch! Die Ameisen haben „mich diese Vorsicht gelehrt.‟ O laß den irrdischen Ameisen diese kleine Klug- heit, versetzte die Alte; was sich fuͤr sie schickt, schickt sich nicht fuͤr bessere Schwalben. Uns hat die guͤ- tige Natur ein holdres Schicksal bestimmt. Wenn der reiche Sommer sich endet, ziehen wir von hin- nen; auf dieser Reise entschlafen wir allgemach, und da empfangen uns warme Suͤmpfe, wo wir ohne Beduͤrfnisse rasten, bis uns ein neuer Fruͤhling zu einem neuen Leben erwecket. XXIV. Me- XXIV. Merops. J ch muß dich doch etwas fragen; sprach ein jun- ger Adler zu einem tiefsinnigen grundgelehrten Uhu. Man sagt, es gaͤbe einen Vogel, mit Namen Me- rops, , der, wenn er in die Luft steige, mit dem Schwanze voraus, den Kopf gegen die Erde ge- kehret, fliege. Jst das wahr? Ey nicht doch! antwortete der Uhu; das ist eine alberne Erdichtung des Menschen. Er mag selbst ein solcher Merops seyn; weil er nur gar zu gern den Himmel erfliegen moͤchte, ohne die Erde, auch nur einen Augenblick, aus dem Gesichte zu ver- lieren. XXV. Der XXV. Der Pelekan. F ür wohlgerathene Kinder können Aeltern nicht zu viel thun. Aber wenn sich ein blöder Vater für einen ausgearteten Sohn das Blut vom Herzen zapft; dann wird Liebe zur Thorheit. Ein frommer Pelekan, da er seine Jungen schmachten sahe, ritzte sich mit scharfem Schnabel die Brust auf, und erquickte sie mit seinem Blute. Ich bewundere deine Zärtlichkeit, rief ihm ein Adler zu, und bejammere deine Blindheit. Sieh doch, wie manchen nichtswürdigen Guckuck du unter dei- nen Jungen mit ausgebrütet hast! So war es auch wirklich; denn auch ihm hatte der kalte Guckuck seine Eyer untergeschoben. — Waren es undankbare Guckucke werth, daß ihr Leben so theuer erkauft wurde? XXVI. Die XXVI. Der Löwe und der Tieger. D er Löwe und der Hase, beyde schlafen mit offe- nen Augen. Und so schlief jener, ermüdet von der gewaltigen Jagd, einst vor dem Eingange seiner fürchterlichen Höhle. Da sprang ein Tieger vorbey, und lachte des leichten Schlummers. „Der nichtsfürchtende Löwe! „rief er. Schläft er nicht mit offenen Augen, na- „türlich wie der Hase!„ Wie der Hase? brüllte der aufspringende Löwe, und war dem Spötter an der Gurgel. Der Tieger wälzte sich in seinem Blute, und der beruhigte Sieger legte sich wieder, zu schlafen. XXVII. Der XXVII. Der Stier und der Hirsch. E in schwerfälliger Stier und ein flüchtiger Hirsch weideten auf einer Wiese zusammen. Hirsch, sagte der Stier, wenn uns der Löwe an- fallen sollte, so laß uns für einen Mann stehen; wir wollen ihn tapfer abweisen. — Das muthe mir nicht zu, erwiederte der Hirsch; denn warum sollte ich mich mit dem Löwen in ein ungleiches Gefecht einlassen, da ich ihm sichrer entlaufen kann? XXVIII. Die XXVIII. Der Esel und der Wolf. E in Esel begegnete einem hungrigen Wolfe. Habe Mitleiden mit mir, sagte der zitternde Esel; ich bin ein armes krankes Thier; sieh nur, was für einen Dorn ich mir in den Fuß getreten habe! — Wahrhaftig, du tauerst mich; versetzte der Wolf. Und ich finde mich in meinem Gewissen verbunden, dich von diesen Schmerzen zu befreyen. — Kaum war das Wort gesagt, so ward der Esel zerrissen. XXIX. Der XXIX. Der Springer im Schache. Z wey Knaben wollten Schach ziehen. Weil ihnen ein Springer fehlte, so machten sie einen überflüs- sigen Bauer, durch ein Merkzeichen, dazu. Ey, riefen die andern Springer, woher, Herr Schritt vor Schritt? Die Knaben horten die Spötterey und sprachen: Schweigt! Thut er uns nicht eben die Dienste, die ihr thut? C XXX. Aeso- XXX. Aesopus und der Esel. D er Esel sprach zu dem Aesopus: Wenn du wie- der ein Geschichtchen von mir ausbringst, so laß mich etwas recht vernünftiges und sinureiches sagen. Dich etwas sinnreiches! sagte Aesop; wie würde sich das schicken? Würde man nicht sprechen, du seyst der Sittenlehrer, und ich der Esel? Fabeln. Fabeln. Zweytes Buch. I. Die eherne Bildsäule. D ie eherne Bildsäule eines vortreflichen Künst- lers, schmolz durch die Hitze einer wüthenden Feuers- brunst in einen Klumpen. Dieser Klumpen kam einem andern Künstler in die Hände, und durch seine Geschicklichkeit verfertigte er eine neue Bild- säule daraus; von der erstern in dem, was sie vor- stellete, unterschieden, an Geschmack und Schönheit aber ihr gleich. Der Neid sah es und knirschte. Endlich besann er sich auf einen armseligen Trost: „Der gute Mann „würde dieses, noch ganz erträgliche Stück, auch „nicht hervorgebracht haben, wenn ihm nicht die „Materie der alten Bildsäule dabey zu Statten ge- „kommen wäre.„ C 3 II. Her- II. Herkules. A ls Herkules in den Himmel aufgenommen ward, machte er seinen Gruß unter allen Göttern der Juno zuerst. Der ganze Himmel und Juno erstaunte darüber. Deiner Feindin, rief man ihm zu, begegnest du so vorzüglich? Ja, ihr selbst; er- wiederte Herkules. Nur ihre Verfolgungen sind es, die mir zu den Thaten Gelegenheit gegeben, womit ich den Himmel verdienet habe. Der Olymp billigte die Antwort des neuen Got- tes, und Juno ward versöhnt. III. Der III. Der Knabe und die Schlange. E in Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. Mein liebes Thierchen, sagte der Knabe, ich würde mich mit dir so gemein nicht machen, wenn dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen seyd die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe! Ich habe es wohl gelesen, wie es einem armen Land- mann ging, der eine, vielleicht von deinen Uhräl- tern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob, und sie in seinen erwärmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohlthäter biß; und der gute freund- liche Mann mußte sterben. Ich erstaune, sagte die Schlange. Wie par- theyisch eure Geschichtschreiber seyn müssen! Die unsrigen erzehlen diese Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sey wirk- lich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, ihr zu Hause die schöne Haut abzustreifen. War das recht? C 4 Ach, Ach, schweig nur; erwiederte der Knabe. Wel- cher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt. Recht, mein Sohn; fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem ausser- ordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche ja alle Umstände genau, bevor du einen Menschen mit so einem abscheulichen Schandflecke brandmar- ken lässest. Wahre Wohlthäter, haben selten Un- dankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre der Menschheit hoffen, — niemals. Aber die Wohlthäter mit kleinen eigennützigen Absichten, die sind es werth, mein Sohn, daß sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern. IV. Der IV. Der Wolf auf dem Todtbette. D er Wolf lag in den letzten Zügen und schickte einen prüfenden Blick auf sein vergangenes Leben zu- rück. Ich bin freylich ein Sünder, sagte er; aber doch, hoffe ich, keiner von den größten. Ich habe Böses gethan; aber auch viel Gutes. Einsmals, erinnere ich mich, kam mir ein blöckendes Lamm, welches sich von der Heerde verirret hatte, so nahe, daß ich es gar leicht hätte würgen können; und ich that ihm nichts. Zu eben dieser Zeit hörte ich die Spöttereyen und Schmähungen eines Schafes mit der bewundernswürdigsten Gleichgültigkeit an, ob ich schon keine schützende Hunde zu fürchten hatte. Und das alles kann ich dir bezeugen; fiel ihm Freund Fuchs, der ihn zum Tode bereiten half, ins Wort. Denn ich erinnere mich noch gar wohl aller Umstän- de dabey. Es war zu eben der Zeit, als du dich an dem Beine so jämmerlich würgtest, das dir der gutherzige Kranich hernach aus dem Schlunde zog. C 5 V. Der V. Der Stier und das Kalb. E in starker Stier zersplitterte mit seinen Hörnern, indem er sich durch die niedrige Stallthüre drengte, die obere Pfoste. Sieh einmal, Hürte! schrie ein junges Kalb; solchen Schaden thu ich dir nicht. Wie lieb wäre mir es, versetzte dieser, wenn du ihn thun könntest! Die Sprache des Kalbes ist die Sprache der klei- nen Philosophen. „Der böse Bayle! Wie manche „rechtschaffene Seele hat er mit seinen verwegnen „Zweifeln geärgert!„ — O ihr Herren, wie gern wollen wir uns ärgern lassen, wenn jeder von euch ein Bayle werden kann! VI. Der VI. Die Pfauen und die Krähe. E ine stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefal- lenen Federn der farbigten Pfaue, und mischte sich kühn, als sie gnug geschmückt zu seyn glaubte, un- ter diese glänzende Vögel der Juno. Sie ward erkannt; und schnell fielen die Pfaue mit scharfen Schnäbeln auf sie, ihr den betriegrischen Putz aus- zureissen. Lasset nach! schrie sie endlich; ihr habt nun alle das eurige wieder. Doch die Pfaue, welche einige von den eignen glänzenden Schwingfedern der Krä- he bemerkt hatten, versetzten: Schweig, armselige Närrin; auch diese können nicht dein seyn! — und hackten weiter. VII. Der VII. Der Löwe mit dem Esel. A ls des Aesopus Löwe mit dem Esel, der ihm durch seine fürchterliche Stimme die Thiere sollte jagen helfen, nach dem Walde ging, rief ihm eine nasenweise Krähe von dem Baume zu: Ein schöner Gesellschafter! Schämst du dich nicht, mit einem Esel zu gehen? — Wen ich brauchen kann, ver- setzte der Löwe, dem kann ich ja wohl meine Seite gönnen. So denken die Grossen alle, wenn sie einen Niedrigen ihrer Gemeinschaft würdigen. VIII. Der VIII. Der Esel mit dem Löwen. A ls der Esel mit dem Löwen des Aesopus, der ihn statt seines Jägerhorns brauchte, nach dem Wal- de ging, begegnete ihm ein andrer Esel von seiner Bekanntschaft, und rief ihm zu: Guten Tag, mein Bruder! — Unverschämter! war die Antwort. — Und warum das? fuhr jener Esel fort. Bist du deßwegen, weil du mit einem Löwen gehst, besser als ich? mehr als ein Esel? IX. Die IX. Die blinde Henne. E ine blind gewordene Henne, die des Schar- rens gewohnt war, hörte auch blind noch nicht auf, fleissig zu scharren. Was half es der arbeitsa- men Närrin? Eine andre sehende Henne, welche ihre zarten Füsse schonte, wich nie von ihrer Seite, und genoß, ohne zu scharren, die Frucht des Schar- rens. Denn so oft die blinde Henne ein Korn auf- gescharret hatte, fraß es die sehende weg. Der fleissige Deutsche macht die Collectanea, die der witzige Franzose nutzt. X. Die X. Die Esel. D ie Esel beklagten sich bey dem Zevs, daß die Menschen mit ihnen zu grausam umgingen. Unser starker Rücken, sagten sie, trägt ihre Lasten, un- ter welchen sie und jedes schwächere Thier erliegen müßten. Und doch wollen sie uns, durch unbarm- herzige Schläge, zu einer Geschwindigkeit nöthigen, die uns durch die Last unmöglich gemacht würde, wenn sie uns auch die Natur nicht versagt hätte. Verbiete ihnen, Zevs, so unbillig zu seyn, wenn sich die Menschen anders etwas böses verbieten las- sen. Wir wollen ihnen dienen, weil es scheinet, daß du uns darzu erschaffen hast; allein geschlagen wollen wir ohne Ursach nicht seyn. Mein Geschöpf, antwortete Zevs ihrem Spre- cher, die Bitte ist nicht ungerecht; aber ich sehe keine Möglichkeit, die Menschen zu überzeugen, daß eure natürliche Langsamkeit keine Faulheit sey. Und so lange sie dieses glauben, werdet ihr geschla- gen gen werden. — Doch ich sinne euer Schicksal zu erleichtern. — Die Unempfindlichkeit soll von nun an euer Theil seyn; eure Haut soll sich gegen die Schläge verhärten, und den Arm des Treibers ermüden. Zevs, schrien die Esel, du bist allezeit weise und gnädig! — Sie gingen erfreut von seinem Throne, als dem Throne der allgemeinen Liebe. XI. Die XI. Das beschützte Lamm. H ylax, aus dem Geschlechte der Wolfshunde, bewachte ein frommes Lamm. Ihn erblickte Lyko- des, der gleichfalls an Haar, Schnautze und Ohren einem Wolfe ähnlicher war, als einem Hunde, und fuhr auf ihn los. Wolf, schrie er, was machst du mit diesem Lamme? — Wolf selbst! versetzte Hylax. (Die Hunde ver- kannten sich beyde.) Geh! oder du sollst es erfah- ren, daß ich sein Beschützer bin! Doch Lykodes will das Lamm dem Hylax mit Ge- walt nehmen; Hylax will es mit Gewalt behaupten, und das arme Lamm — Treffliche Beschützer! — wird darüber zerrissen. D XII. Ju- XII. Jupiter und Apollo. J upiter und Apollo stritten, welcher von ihnen der beste Bogenschütze sey. Laß uns die Probe machen! sagte Apollo. Er spannte seinen Bogen, und schoß so mitten in das bemerkte Ziel, daß Ju- piter keine Möglichkeit sahe, ihn zu übertreffen. — Ich sehe, sprach er, daß du wirklich sehr wohl schiessest. Ich werde Mühe haben, es besser zu machen. Doch will ich es ein andermal versuchen. — Er soll es noch versuchen, der kluge Jupiter! XIII. Die XIII. Die Wasserschlange. Z evs hatte nunmehr den Fröschen einen andern König gegeben; anstatt eines friedlichen Klotzes, eine gefrässige Waßerschlange. Willst du unser König seyn, schrieen die Frösche, warum verschlingst du uns? — Darum, antwor- tete die Schlange, weil ihr um mich gebeten habt — Ich habe nicht um dich gebeten! rief einer von den Fröschen, den sie schon mit den Augen ver- schlang. — Nicht? sagte die Wasserschlange. De- sto schlimmer! So muß ich dich verschlingen, weil du nicht um mich gebeten hast. D 2 XVI. Der XIV. Der Fuchs und die Larve. V or alten Zeiten fand ein Fuchs die hohle, einen weiten Mund aufreissende Larve eines Schauspie- lers. Welch ein Kopf! sagte der betrachtende Fuchs. Ohne Gehirn, und mit einem offenem Munde! Sollte das nicht der Kopf eines Schwätzers ge- wesen seyn? Dieser Fuchs kannte euch, ihr ewigen Redner, ihr Strafgerichte des unschuldigsten unserer Sinne! XV. Die XV. Der Rabe und der Fuchs. E in Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die Katzen seines Nach- bars hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche ver- zehren, als sich ein Fuchs herbey schlich, und ihm zurief: Sey mir geseget, Vogel des Jupiters! — Für wen siehst du mich an? fragte der Rabe. — Für wen ich dich ansehe? erwiederte der Fuchs. Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von der Rechte des Zevs auf diese Eiche herab kömmt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich? Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt? Der Rabe erstaunte, und freute sich innig, für einen Adler gehalten zu werden. Ich muß, dachte er, den Fuchs aus diesem Irrthume nicht brin- D 3 gen. gen. — Großmüthig dumm ließ er ihm also seinen Raub herabfallen, und flog stolz davon. Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf, und fraß es mit boshafter Freude. Doch bald verkehrte sich die Freude in ein schinerzhaftes Gefühl; das Gift fing an zu wirken, und er verreckte. Möchtet ihr euch nie etwas anders als Gift erlo- ben, verdammte Schmeichler! XVI. Der XVI. Der Geitzige. I ch Unglücklicher! klagte ein Geitzhals seinem Nachbar. Man hat mir den Schatz, den ich in meinem Garten vergraben hatte, diese Nacht ent- wendet, und einen verdammten Stein an dessen Stelle gelegt. Du würdest, antwortete ihm der Nachbar, deinen Schatz doch nicht genutzt haben. Bilde dir also ein, der Stein sey dein Schatz; und du bist nichts ärmer. Wäre ich auch schon nichts ärmer, erwiederte der Geitzhals; ist ein andrer nicht um so viel rei- cher? Ein andrer um so viel reicher! Ich möchte rasend werden. D 4 XVII. Der XVII. Der Rabe. D er Fuchs sahe, daß der Rabe die Altäre der Götter beraubte, und von ihren Opfern mit lebte. Da dachte er bey sich selbst: Ich möchte wohl wissen, ob der Rabe Antheil an den Opfern hat, weil er ein prophetischer Vogel ist; oder ob man ihn für einen prophetischen Vogel hält, weil er frech genug ist, die Opfer mit den Göttern zu theilen. XVIII. Zevs XVIII. Zevs und das Schaf. D as Schaf mußte von allen Thieren vieles lei- den. Da trat es vor den Zevs, und bat, sein Elend zu mindern. Zevs schien willig, und sprach zu dem Schafe: Ich sehe wohl, mein frommes Geschöpf, ich habe dich allzu wehrlos erschaffen. Nun wähle, wie ich diesem Fehler am besten abhelfen soll. Soll ich deinen Mund mit schrecklichen Zähnen, und deine Füsse mit Krallen rüsten? — O nein, sagte das Schaf; ich will nichts mit den reissenden Thieren gemein haben. Oder, fuhr Zevs fort, soll ich Gift in deinen Speichel legen? Ach! versetzte das Schaf; die giftigen Schlan- gen werden ja so sehr gehasset. — Nun was soll ich denn? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben. D 5 Auch Auch nicht, gütiger Vater; ich könnte leicht so stössig werden, als der Bock. Und gleichwohl, sprach Zevs, mußt du selbst schaden können, wenn sich andere, dir zu schaden hüten sollen! Müßt ich das! seufzte das Schaf. O so laß mich, gütiger Vater, wie ich bin. Denn das Vermögen, schaden zu können, erweckt, fürchte ich, die Lust, schaden zu wollen; und es ist besser, Unrecht leiden, als Unrecht thun. Zevs segnete das fromme Schaf, und es vergaß von Stund an, zu klagen. XIX. Der XIX. Der Fuchs und der Tieger. D eine Geschwindigkeit und Stärke, sagte ein Fuchs zu dem Tieger, möchte ich mir wohl wünschen. Und sonst hätte ich nichts, was dir anstünde? fragte der Tieger. Ich wüßte nichts! — — Auch mein schönes Fell nicht? fuhr der Tieger fort. Es ist so vielfärbig als dein Gemüth, und das Aeussere würde sich vor- trefflich zu dem Innern schicken. Eben darum, versetzte der Fuchs, danke ich recht sehr dafür. Ich muß das nicht scheinen, was ich bin. Aber wollten die Götter, daß ich meine Haa- re mit Federn vertauschen könnte! XX. Der XX. Der Mann und der Hund. E in Mann ward von einem Hunde gebissen, ge- rieth darüber in Zorn, und erschlug den Hund. Die Wunde schien gefährlich, und der Arzt mußte zu Rathe gezogen werden. Hier weis ich kein besseres Mittel, sagte der Empiricus, als daß man ein Stücke Brodt in die Wunde tauche, und es dem Hunde zu fressen gebe. Hilft diese sympathetische Cur nicht, so — Hier zuckte der Arzt die Achsel. Unglücklicher Jachzorn! rief der Mann; sie kann nicht helfen, denn ich habe den Hund er- schlagen. XXI. Die XXI. Die Traube. I ch kenne einen Dichter, dem die schreien- de Bewunderung seiner kleinen Nachahmer weit mehr geschadet hat, als die neidische Verachtung seiner Kunstrichter. Sie ist ja doch sauer! sagte der Fuchs von der Traube, nach der er lange genug vergebens gesprun- gen war. Das hörte ein Sperling und sprach: Sauer sollte diese Traube seyn? Darnach sieht sie mir doch nicht aus! Er flog hin, und kostete, und fand sie ungemein süsse, und rief hundert näschiche Brüder herbey. Kostet doch! schrie er; kostet doch! Diese treffliche Traube schalt der Fuchs sauer. — Sie kosteten alle, und in wenig Augenblicken ward die Traube so zugerichtet, daß nie ein Fuchs wieder darnach sprang. XXII. Der XXII. Der Fuchs. E in verfolgter Fuchs rettete sich auf eine Mauer. Um auf der andern Seite gut herab zu kommen, ergriff er einen nahen Dornenstrauch. Er ließ sich auch glücklich daran nieder, nur daß ihn die Dornen schmerzlich verwundeten. Elende Helfer, rief der Fuchs, die nicht helfen können, ohne zugleich zu schaden! XXIII. Das XXIII. Das Schaf. A ls Jupiter das Fest seiner Vermählung feyerte, und alle Thiere ihm Geschenke brachten, vermißte Juno das Schaf. Wo bleibt das Schaf? fragte die Göttin. Wa- rum versäumt das fromme Schaf, uns sein wohl- meinendes Geschenk zu bringen? Und der Hund nahm das Wort und sprach: Zürne nicht, Göttin! Ich habe das Schaf noch heute gesehen; es war sehr betrübt, und jammerte laut. Und warum jammerte das Schaf? fragte die schon gerührte Göttin. Ich ärmste! so sprach es. Ich habe itzt weder Wolle, noch Milch; was werde ich dem Jupiter schenken? Soll ich, ich allein, leer vor ihm er- scheinen? Lieber will ich hingehen, und den Hir- ten bitten, daß er mich ihm opfere! Indem Indem drang, mit des Hirten Gebete, der Rauch des geopferten Schafes, dem Jupiter ein süsser Geruch, durch die Wolken. Und itzt hätte Juno die erste Thräne geweinet, wenn Thränen ein unsterbliches Auge benetzten. XXIV. XXIV. Die Ziegen. D ie Ziegen baten den Zevs, auch ihnen Hörner zu geben; denn Anfangs hatten die Ziegen keine Hörner. Ueberlegt es wohl, was ihr bittet: sagte Zevs. Es ist mit dem Geschenke der Hörner ein anderes unzertrennlich verbunden, das euch so angenehm nicht seyn möchte. Doch die Ziegen beharrten auf ihrer Bitte, und Zevs sprach: So habet denn Hörner! Und die Ziegen bekamen Hörner — und Bart! Denn Anfangs hatten die Ziegen auch keinen Bart. O wie schmerzte sie der häßliche Bart! Weit mehr, als sie die stolzen Hörner erfreuten! E XXV. Der XXV. Der wilde Apfelbaum. I n den hohlen Stamm eines wilden Apfelbau- mes ließ sich ein Schwarm Bienen nieder. Sie füllten ihn mit den Schätzen ihres Honigs, und der Baum ward so stolz darauf, daß er alle andere Bäume gegen sich verachtete. Da rief ihm ein Rosenstock zu: Elender Stolz auf geliehene Süssigkeiten! Ist deine Frucht darum weniger herbe? In diese treibe den Honig herauf, wenn du es vermagst; und dann erst wird der Mensch dich segnen! XXVI. Der XXVI. Der Hirsch und der Fuchs. D er Hirsch sprach zu dem Fuchse: Nun wehe uns armen schwächern Thieren! Der Löwe hat sich mit dem Wolfe verbunden. Mit dem Wolfe? sagte der Fuchs. Das mag noch hingehen! Der Lowe brüllet, der Wolf heu- let; und so werdet ihr euch noch oft bey Zeiten mit der Flucht retten können. Aber alsdenn, alsdenn möchte es um uns alle geschehen seyn, wenn es dem gewaltigen Löwen einfallen sollte, sich mit dem schleichenden Luchse zu verbinden. E 2 XXVII. Der XXVII. Der Dornstrauch. A ber sage mir doch, fragte die Weide den Dorn- strauch, warum du nach den Kleidern des vorbey- gehenden Menschen so begierig bist? Was willst du damit? Was können sie dir helfen? Nichts! sagte der Dornstrauch. Ich will sie ihm auch nicht nehmen; ich will sie ihm nur zer- reissen. XXVIII. Die XXVIII. Die Furien. M eine Furien, sagte Pluto zu dem Bothen der Götter, werden alt und stumpf. Ich brauche frische. Geh also, Merkur, und suche mir auf der Oberwelt drey tüchtige Weibespersonen dazu aus. Merkur ging. — Kurz hierauf sagte Juno zu ihrer Dienerin: Glaubtest du wohl, Iris, unter den Sterblichen zwey oder drey vollkommen strenge, züchtige Mäd- chen zu finden? Aber vollkommen strenge! Ver- stehst du mich? Um Cytheren Hohn zu sprechen, die sich das ganze weibliche Geschlecht unterworfen zu haben, rühmet. Geh immer, und sieh, wo du sie auftreibest. Iris ging. — In welchem Winkel der Erde suchte nicht die gute Iris! Und dennoch umsonst! Sie kam ganz allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: Ist es möglich? O Keuschheit! O Tugend! E 3 Göttin, Göttin, sagte Iris; ich hätte dir wohl drey Mädchen bringen können, die alle drey vollkom- men streng und züchtig gewesen; die alle drey nie einer Mannsperson gelächelt; die alle drey den ge- ringsten Funken der Liebe in ihren Herzen erstickt: aber ich kam, leider, zu spät. — Zu spät? sagte Juno. Wie so? „Eben hatte sie Merkur für den Pluto ab- „geholt.“ Für den Pluto? Und wozu will Pluto diese Tugendhaften? — „Zu Furien.“ XXIX. Ti- XXIX. Tiresias. T iresias nahm seinen Stab, und ging über Feld. Sein Weg trug ihn durch einen heiligen Hain, und mitten in dem Haine, wo drey Wege einander durchkreutzten, ward er ein Paar Schlangen ge- wahr, die sich begatteten. Da hub Tiresias seinen Stab auf, und schlug unter die verliebten Schlan- gen. — Aber, o Wunder! Indem der Stab auf die Schlangen herabsank, ward Tiresias zum Weibe. Nach neun Monden ging das Weib Tiresias wie- der durch den heiligen Hain; und an eben dem Orte, wo die drey Wege einander durchkreutzten, ward sie ein Paar Schlangen gewahr, die mit einander kämpften. Da hub Tiresias abermals ihren Stab auf, und schlug unter die ergrimmten Schlangen, und — O Wunder! Indem der Stab die kämpfen- den Schlangen schied, ward das Weib Tiresias wieder zum Manne. E 4 XXX. Mi- XXX. Minerva. L aß sie doch, Freund, laß sie, die kleinen hämi- schen Neider deines wachsenden Ruhmes! Warum will dein Witz ihre der Vergessenheit bestimmte Na- men verewigen? In dem unsinnigen Kriege, welchen die Riesen wider die Götter führten, stellten die Riesen der Minerva einen schrecklichen Drachen entgegen. Minerva aber ergriff den Drachen, und schleuderte ihn mit gewaltiger Hand an das Firmament. Da glänzt er noch; und was so oft grosser Thaten Be- lohnung war, ward des Drachen beneidenswürdige Strafe. Fabeln. Fabeln. Drittes Buch. I. Der Besitzer des Bogens. E in Mann hatte einen trefflichen Bogen von Eben- holz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß, und den er ungemein werth hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: Ein wenig zu plump bist du doch! Alle deine Zierde ist die Glätte. Schade! — Doch dem ist abzuhelfen; fiel ihm ein. Ich will hingehen und den besten Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen. — Er ging hin; und der Künstler schnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen; und was hätte sich besser auf einen Bogen geschickt, als eine Jagd? Der Mann war voller Freuden. „Du verdie- „nest diese Zierrathen, mein lieber Bogen!“ — Indem will er ihn versuchen; er spannt, und der Bogen — zerbricht. II. Die II . Die Nachtigall und die Lerche. W as soll man zu den Dichtern sagen, die so gern ihren Flug weit über alle Fassung des größ- ten Theiles ihrer Leser nehmen? Was sonst, als was die Nachtigall einst zu der Lerche sagte: Schwingst du dich, Freundin, nur darum so hoch, um nicht gehört zu werden? III Der III . Der Geist des Salomo. E in ehrlicher Greis trug des Tages Last und Hitze, sein Feld mit eigner Hand zu pflügen, und mit eigner Hand den reinen Saamen in den lockern Schooß der willigen Erde zu streuen. Auf einmal stand unter dem breiten Schatten einer Linde, eine göttliche Erscheinung vor ihm da! Der Greis stutzte. Ich bin Salomo: sagte mit vertraulicher Stimme das Phantom. Was machst du hier, Alter? Wenn du Salomo bist, versetzte der Alte, wie kaunst du fragen? Du schicktest mich in mei- ner Jugend zu der Ameise; ich sahe ihren Wan- del, und lernte von ihr fleissig seyn, und sam- meln. Was ich da lernte, das thue ich noch. — Du Du hast deine Lection nur halb gelernet: ver- setzte der Geist. Geh noch einmal hin zur Ameise, und lerne nun auch von ihr in dem Winter deiner Jahre ruhen, und des Gesam- melten geniessen! IV. Das IV . Das Geschenk der Feyen. Z u der Wiege eines jungen Prinzen, der in der Folge einer der größten Regenten seines Landes ward, traten zwey wohlthätige Feyen. Ich schenke diesem meinem Lieblinge, sagte die eine, den scharfsichtigen Blick des Adlers, dem in seinem weiten Neiche auch die kleinste Mücke nicht entgeht. Das Geschenk ist schön: unterbrach sie die zweyte Feye. Der Prinz wird ein einsichtsvoller Monarch werden. Aber der Adler besitzt nicht allein Scharfsichtigkeit, die kleinsten Mücken zu bemerken; er besitzt auch edle Verachtung, ihnen nicht nachzujagen. Und diese nehme der Prinz von mir zum Geschenk! Ich Ich danke dir, Schwester, für diese weise Ein- schränkung: versetzte die erste Feye. Es ist wahr; viele würden weit grössere Könige gewesen seyn, wenn sie sich weniger mit ihrem durchdringenden Verstande bis zu den kleinsten Angelegenheiten hätten erniedrigen wollen. V. Das V. Das Schaf und die Schwalbe. E ine Schwalbe flog auf ein Schaf, ihm ein we- nig Wolle, für ihr Nest, auszurupfen. Das Schaf sprang unwillig hin und wieder. Wie bist du denn nur gegen mich so karg? sagte die Schwalbe. Dem Hirten erlaubest du, daß er dich deiner Wolle über und über entblössen darf; und mir verweigerst du eine kleine Flocke. Woher kömmt das? Das kömmt daher, antwortete das Schaf, weil du mir meine Wolle nicht mit eben so guter Art zu nehmen weißt, als der Hirte. F VI. Der VI. Der Rabe. D er Rabe bemerkte, daß der Adler ganze dreyßig Tage über seinen Eyern brütete. Und daher kömmt es, ohne Zweifel, sprach er, daß die Jun- gen des Adlers so alisehend und stark werden. Gut! das will ich auch thun. Und seitdem brütet der Rabe wirklich ganze dreyßig Tage über seinen Eyern; aber noch hat er nichts, als elende Raben ausgebrütet. VII. Der VII . Der Rangstreit der Thiere, in vier Fabeln. (1) E s entstand ein hitziger Rangstreit unter den Thie- ren. Ihn zu schlichten, sprach das Pferd, laßet uns den Menschen zu Rathe ziehen; er ist keiner von den streitenden Theilen, und kann desto unpar- theyischer seyn. Aber hat er auch den Verstand dazu? ließ sich ein Maulwurf hören. Er braucht wirklich den allerfeinsten, unsere oft tief versteckte Vollkommen- heiten zu erkennen. Das war sehr weislich erinnert! sprach der Hamster. Ja wohl! rief auch der Igel. Ich glaube es nimmermehr, daß der Mensch Scharfsichtigkeit ge- nug besitzet. F 2 Schweigt Schweigt ihr! befahl das Pferd. Wir wissen es schon: Wer sich auf die Güte seiner Sache am wenigsten zu verlassen hat, ist immer am fer- tigsten, die Einsicht seines Richters in Zweifel zu ziehen. VIII. (2) VIII . (2) D er Mensch ward Richter. — Noch ein Wort, rief ihm der majestätische Löwe zu, bevor du den Ausspruch thust! Nach welcher Regel, Mensch, willst du unsern Werth bestimmen? Nach welcher Regel? Nach dem Grade, ohne Zweifel, antwortete der Mensch, in welchem ihr mir mehr oder weniger nützlich seyd. — Vortrefflich! versetzte der beleidigte Löwe. Wie weit würde ich alsdenn unter dem Esel zu stehen kommen! Du kannst unser Richter nicht seyn, Mensch! Verlaß die Versammlung! F 3 IX. (3) IX . (3) D er Mensch entfernte sich. — Nun, sprach der höhnische Maulwurf, — (und ihm stimmte der Hamster und der Igel wieder bey) — siehst du, Pferd? der Löwe meint es auch, daß der Mensch unser Richter nicht seyn kann. Der Löwe denkt, wie wir. Aber aus bessern Gründen, als ihr! sagte der Löwe, und warf ihnen einen verächtlichen Blick zu. X. (4) X. (4) D er Löwe fuhr weiter fort: Der Rangstreit, wenn ich es recht überlege, ist ein nichtswürdiger Streit! Haltet mich für den Vornehmsten, oder für den Geringsten; es gilt mir gleich viel. Genug ich kenne mich! — Und so ging er aus der Ver- sammlung. Ihm folgte der weise Elephant, der kühne Tie- ger, der ernsthafte Bär, der kluge Fuchs, das edle Pferd; kurz, alle, die ihren Werth fühlten, oder zu fühlen glaubten. Die sich am letzten wegbegaben, und über die zerrissene Versammlung am meisten murreten, wa- ren — der Affe und der Esel. F 4 XI. Der XI . Der Bär und der Elephant. D ie unverständigen Menschen! sagte der Bär zu dem Elephanten. Was fordern sie nicht alles von uns bessern Thieren! Ich muß nach der Musik tan- zen; ich, der ernsthafte Bär! Und sie wissen es doch nur allzuwohl, daß sich solche Possen zu mei- nem ehrwürdigen Wesen nicht schicken; denn warum lachten sie sonst, wenn ich tanze? Ich tanze auch nach der Musik: versetzte der ge- lehrige Elephant; und glaube eben so ernsthaft und ehrwürdig zu seyn, als du. Gleichwohl haben die Zuschauer nie über mich gelacht; freudige Bewun- derung bloß war auf ihren Gesichtern zu lesen. Glaube mir also, Bär; die Menschen lachen nicht darüber, daß du tanzest, sondern darüber, daß du dich so albern dazu anschickst. XII. Der XII. Der Strauß. D as pfeilschnelle Rennthier sahe den Strauß, und sprach: Das Laufen des Strausses ist so ausserordentlich eben nicht; aber ohne Zweifel fliegt er desto besser. Ein andermal sahe der Adler den Strauß und sprach: Fliegen kann der Strauß nun wohl nicht; aber ich glaube, er muß gut laufen können. F 5 XIII. Die XIII. XIV. Die Wohlthaten, in zwey Fabeln. (1) H ast du wohl einen grössern Wohlthäter unter den Thieren, als uns? fragte die Biene den Menschen. Ja wohl! erwiederte dieser. „Und wen?., Das Schaf! Denn seine Wolle ist mir nothwen- dig, und dein Honig ist mir nur angenehm. (2) Und willst du noch einen Grund wissen, warum ich das Schaf für meinen grössern Wohlthäter halte, als dich Biene? Das Schaf schenket mir seine Wolle ohne die geringste Schwierigkeit; aber wenn du mir deinen Honig schenkest, muß ich mich noch immer vor deinem Stachel fürchten. XIV. Die XV. Die Eiche. D er rasende Nordwind hatte seine Stärke in einer stürmischen Nacht an einer erhabenen Eiche bewiesen. Nun lag sie gestreckt, und eine Men- ge niedriger Sträuche lagen unter ihr zerschmet- tert. Ein Fuchs, der seine Grube nicht weit davon hatte, sahe sie des Morgens darauf. Was für ein Baum! rief er. Hätte ich doch nim- mermehr gedacht, daß er so groß gewesen wäre! XV. Die XVI . Die Geschichte des alten Wolfs, in sieben Fabeln. (1) D er böse Wolf war zu Jahren gekommen, und faßte den gleissenden Entschluß, mit den Schäfern auf einem gütlichen Fuß zu leben. Er machte sich also auf, und kam zu dem Schäfer, dessen Horden seiner Höhle die nächsten waren. Schäfer, sprach er, du nennest mich den blut- gierigen Räuber, der ich doch wirklich nicht bin. Freylich muß ich mich an deine Schafe halten, wenn mich hungert; denn Hunger thut weh. Schütze mich nur vor dem Hunger; mache mich nur satt, und du sollst mit mir recht wohl zufrieden seyn. Denn ich bin wirklich das zahmste, sanftmüthigste Thier, wenn ich satt bin. Wenn du satt bist? Das kann wohl seyn: ver- setzte der Schäfer. Aber wenn bist du denn satt? Du und der Geitz werden es nie. Geh deinen Weg! XVI. (2) XVII . (2) D er abgewiesene Wolf kam zu einem zweyten Schäfer. Du weißt Schäfer, war seine Anrede, daß ich dir, das Jahr durch, manches Schaf wür- gen könnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr sechs Schafe geben; so bin ich zufrieden. Du kannst alsdenn sicher schlafen, und die Hunde ohne Bedenken abschaffen. Sechs Schafe? sprach der Schäfer. Das ist ja eine ganze Heerde! — Nun, weil du es bist, so will ich mich mit fünfen begnügen: sagte der Wolf. „Du scherzest; fünf Schafe! Mehr als fünf „Schafe opfre ich kaum im ganzen Jahre dem „Pan.“ Auch nicht viere? fragte der Wolf weiter; und der Schäfer schüttelte spöttisch den Kopf. „Drey? „Drey? — Zwey? — — Nicht ein einziges; fiel endlich der Bescheid. Denn es wäre ja wohl thöricht, wenn ich mich einem Feinde zinsbar machte, vor welchem ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann. XVII. (3) XVIII . (3) A ller guten Dinge sind drey; dachte der Wolf und kam zu einem dritten Schäfer. Es geht mir recht nahe, sprach er, daß ich unter euch Schäfern als das grausamste, gewis- senloseste Thier verschrieen bin. Dir, Montan, will ich itzt beweisen, wie unrecht man mir thut. Gib mir jährlich ein Schaf, so soll deine Heerde in jenem Walde, den niemand unsicher macht, als ich, frey und unbeschädigt weiden dürfen. Ein Schaf! Welche Kleinigkeit! Könnte ich groß- müthiger, könnte ich uneigennütziger handeln? — Du lachst, Schäfer? Worüber lachst du denn? O über nichts! Aber wie alt bist du, guter Freund? sprach der Schäfer. „Was geht dich mein Alter an? Immer noch „alt genug, dir deine liebsten Lämmer zu wurgen. Erzürne Erzürne dich nicht, alter Isegrim! Es thut mir Leid, daß du mit deinem Vorschlage einige Jahre zu spät kömmst. Deine ausgebissenen Zähne verrathen dich. Du spielst den Uneigen- nützigen, bloß um dich desto gemächlicher, mit desto weniger Gefahr nähren zu können. XIX. (4) XIX . (4) D er Wolf ward ärgerlich, faßte sich aber doch, und ging auch zu dem vierten Schäfer. Diesem war eben sein treuer Hund gestorben, und der Wolf machte sich den Umstand zu Nutze. Schäfer, sprach er, ich habe mich mit meinen Brüdern in dem Walde veruneiniget, und so, daß ich mich in Ewigkeit nicht wieder mit ihnen aussöh- nen werde. Du weißt, wie viel du von ihnen zu fürchten hast! Wenn du mich aber, anstatt deines verstorbenen Hundes in Dienste nehmen willst, so stehe ich dir dafür, daß sie keines deiner Schafe auch nur scheel ansehen sollen. Du willst sie also, versetzte der Schäfer, gegen deine Brüder im Walde beschützen? — „Was meine ich denn sonst? Freylich.“ Das wäre nicht übel! Aber, wenn ich dich nun in meine Horden einnähme, sage mir doch, wer G sollte alsdenn meine armen Schafe gegen dich beschützen? Einen Dieb ins Haus nehmen, um vor den Die- ben ausser dem Hause sicher zu seyn, das halten wir Menschen — — Ich höre schon: sagte der Wolf; du fängst an zu moralisiren. Lebe wohl! XX. (5) XX . (5) W äre ich nicht so alt! knirschte der Wolf. Aber ich muß mich, leider, in die Zeit schicken. Und so kam er zu dem fünften Schäfer. Kennst du mich, Schäfer? fragte der Wolf. Deines gleichen wenigstens kenne ich: versetzte der Schäfer. „Meines gleichen? Daran zweifle ich sehr. Ich „bin ein so sonderbarer Wolf, daß ich deiner, „und aller Schäfer Freundschaft wohl werth bin.“ Und wie sonderbar bist du denn? „Ich könnte kein lebendiges Schaf würgen und „fressen, und wenn es mir das Leben kosten sollte. „Ich nähre mich blos mit todten Schafen. Ist „das nicht löblich? Erlaube mir also immer, daß „ich mich dann und wann bey deiner Heerde einfin- „den, und nachfragen darf, ob dir nicht — G 2 Spare Spare der Worte! sagte der Schäfer. Du müßtest gar keine Schafe fressen, auch nicht einmal todte, wenn ich dein Feind nicht seyn sollte. Ein Thier, das mir schon todte Schafe frißt, lernt leicht aus Hunger kranke Schafe für todt, und gesunde für krank ansehen. Mache auf meine Freundschaft also keine Rechnung, und geh! XXI. (6) XXI . (6) I ch muß nun schon mein Liebstes daran wenden, um zu meinem Zwecke zu gelangen! dachte der Wolf, und kam zu dem sechsten Schäfer. Schäfer, wie gefällt dir mein Belz? fragte der Wolf. Dein Belz? sagte der Schäfer. Laß sehen! Er ist schön; die Hunde müssen dich nicht oft unter ge- habt haben. „Nun so höre, Schäfer; ich bin alt, und werde „es so lange nicht mehr treiben. Füttere mich zu „Tode; und ich vermache dir meinen Belz.“ Ey sieh doch! sagte der Schäfer. Kömmst du auch hinter die Schliche der alten Geitzhälse? Nein, nein; dein Belz würde mich am Ende siebenmal mehr kosten, als er werth wäre. Ist es dir aber ein Ernst, mir ein Geschenk zu machen, so gieb mir ihn gleich itzt — Hiermit grif der Schäfer nach der Keule, und der Wolf flohe. G 3 XXII. (7) XXII . (7) O die Unbarmherzigen! schrie der Wolf, und ge- rieth in die äusserste Wuth. So will ich auch als ihr Feind sterben, ehe mich der Hunger tödtet; denn sie wollen es nicht besser! Er lief, brach in die Wohnungen der Schäfer ein, riß ihre Kinder nieder, und ward nicht ohne grosse Mühe von den Schäfern erschlagen. Da sprach der Weiseste von ihnen: Wir thaten doch wohl Unrecht, daß wir den alten Räuber auf das Aeusserste brachten, und ihm alle Mittel zur Besserung, so spät und erzwungen sie auch war, benahmen! XXIII. Die XXIII. Die Maus. E ine philosophische Maus pries die gütige Natur, daß sie die Mäuse zu einem so vorzüglichen Gegen- stande ihrer Erhaltung gemacht habe. Denn eine Helfte von uns, sprach sie, erhielt von ihr Flügel, daß, wenn wir hier unten auch alle von den Katzen ausgerottet würden, sie doch mit leichter Mühe aus den Fledermäusen unser ausgerottetes Geschlecht wieder herstellen könnte. Die gute Maus wußte nicht, daß es auch geflü- gelte Katzen giebt. Und so beruhet unser Stolz meistens auf unsrer Unwissenheit! G 4 XXIV. Die XXIV. Die Schwalbe. G laubet mir, Freunde; die grosse Welt ist nicht für den Weisen, ist nicht für den Dichter! Man kennet da ihren wahren Werth nicht, und ach! sie sind oft schwach genug, ihn mit einem nichtigen zu vertauschen. In den ersten Zeiten war die Schwalbe ein eben so tonreicher, melodischer Vogel, als die Nachtigall. Sie ward es aber bald müde, in den einsamen Bü- schen zu wohnen, und da von niemand, als dem fleissigen Landmanne und der unschuldigen Schäfe- rinn gehöret und bewundert zu werden. Sie ver- ließ ihre demüthigere Freundin, und zog in die Stadt. — Was geschah? Weil man in der Stadt nicht Zeit hatte, ihr göttliches Lied zu hören, so verlernte sie es nach und nach, und lernte dafür — bauen. XXV. Der XXV. Der Adler. M an fragte den Adler: warum erziehest du deine Jungen so hoch in der Luft? Der Adler antwortete: Würden sie sich, er- wachsen, so nahe zur Sonne wagen, wenn ich sie tief an der Erde erzöge? G 5 XXVI. Der XXVI . Der junge und der alte Hirsch. E in Hirsch, den die gütige Natur Jahrhunderte leben lassen, sagte einst zu einem seiner Enkel: Ich kann mich der Zeit noch sehr wohl erinnern, da der Mensch das donnernde Feuerrohr noch nicht erfun- den hatte. Welche glückliche Zeit muß das für unser Ge- schlecht gewesen seyn! seufzete der Enkel. Du schliessest zu geschwind! sagte der alte Hirsch. Die Zeit war anders, aber nicht besser. Der Mensch hatte da, anstatt des Feuerrohres, Pfeile und Bogen; und wir waren eben so schlimm daran, als itzt. XXVII. Der XXVII . Der Pfau und der Hahn. E inst sprach der Pfau zu der Henne: Sieh einmal, wie hochmüthig und trotzig dein Hahn einher tritt! Und doch sagen die Menschen nicht: der stolze Hahn; sondern nur immer: der stolze Pfau. Das macht, sagte die Henne, weil der Mensch einen gegründeten Stolz übersiehet. Der Hahn ist auf seine Wachsamkeit, auf seine Mannheit stolz; aber worauf du? — Auf Farben und Federn. XXVIII. Der XXVIII. Der Hirsch. D ie Natur hatte einen Hirsch von mehr als gewöhnlicher Grosse gebildet, und an dem Halse hingen ihm lange Haare herab. Da dachte der Hirsch bey sich selbst: Du könntest dich ja wohl für ein Elend ansehen lassen. Und was that der Eitele, ein Elend zu scheinen? Er hing den Kopf traurig zur Erde, und stellte sich, sehr oft das böse Wesen zu haben. So glaubt nicht selten ein witziger Geck, daß man ihn für keinen schönen Geist halten werde, wenn er nicht über Kopfweh und Hypochonder klage. XXIX. Der XXIX . Der Adler und der Fuchs. S ey auf deinen Flug nicht so stolz! sagte der Fuchs zu dem Adler. Du steigst doch nur des- wegen so hoch in die Luft, um dich desto weiter nach einem Ase umsehen zu können. So kenne ich Männer, die tiefsinnige Welt- weise geworden sind, nicht aus Liebe zur Wahr- heit, sondern aus Begierde zu einem einträglichen Lehramte. XXX. Der XXX . Der Schäfer und die Nachtigall. D u zürnest, Liebling der Musen, über die lau- te Menge des parnassischen Geschmeisses? — O höre von mir, was einst die Nachtigall hören mußte. Singe doch, liebe Nachtigall! rief ein Schäfer der schweigenden Sängerin, an einem lieblichen Frühlingsabende, zu. Ach! sagte die Nachtigall; die Frösche machen sich so laut, daß ich alle Lust zum Singen ver- liere. Hörest du sie nicht? Ich höre sie freylich: versetzte der Schäfer. Aber nur dein Schweigen ist Schuld, daß ich sie höre. Abhand- Abhandlungen. I. Von dem Wesen der Fabel. J ede Erdichtung, womit der Poet eine gewisse Absicht verbindet, heißt seine Fabel. So heißt die Erdichtung, welche er durch die Epopee, durch das Drama herrschen läßt, die Fa- bel seiner Epopee, die Fabel seines Drama. Von diesen Fabeln ist hier die Rede nicht. Mein Gegenstand ist die sogenannte Aesopische Fabel. Auch diese ist eine Erdichtung; eine Erdichtung, die auf einen gewissen Zweck abzielet. Man erlaube mir, gleich Anfangs ein Sprung in die Mitte meiner Materie zu thun, um eine An- merkung daraus herzuhohlen, auf die sich eine ge- wisse Eintheilung der Aesopischen Fabel gründet, de- ren ich in der Folge zu oft gedenken werde, und die mir so bekannt nicht scheinet, daß ich sie, auf gut Glück, bey meinen Lesern voraussetzen dürfte. H Aeso- Aesopus machte die meisten seiner Fabeln bey wirklichen Vorfällen. Seine Nachfolger haben sich dergleichen Vorfälle meistens erdichtet, oder auch wohl an ganz und gar keinen Vorsall, sondern bloß an diese oder jene allgemeine Wahrheit, bey Verfer- tigung der ihrigen, gedacht. Diese begnügten sich folglich, die allgemeine Wahrheit, durch die erdich- tete Geschichte ihrer Fabel, erläutert zu haben; wenn jener noch über dieses, die Aehnlichkeit seiner erdich- teten Geschichte mit dem gegenwärtigen wirklichen Vorfalle faßlich machen, und zeugen mußte, daß aus beyden, so wohl aus der erdichteten Geschichte als dem wirklichen Vorfalle, sich eben dieselbe Wahr- heit bereits ergebe, oder gewiß ergeben werde. Und hieraus entspringt die Eintheilung in ein- fache und zusammengesetzte Fabeln. Einfach ist die Fabel, wenn ich aus der erdich- teten Begebenheit derselben, bloß irgend eine allge- meine Wahrheit folgern lasse. — „Man machte „der Löwin den Vorwurf, daß sie nur ein Jun- „ges zur Welt brächte. Ja, sprach sie, nur „eines; aber einen Löwen Fabul. Aesop. 216. Edit. Hauptmannianæ. .“ — Die Wahrheit, welche welche in dieser Fabel liegt, ὁτι το καλον ȣ̍κ ἐν πληϑει, ἀλλ’ ἀρετῃ, leuchtet sogleich in die Augen; und die Fabel ist einfach , wenn ich es bey dem Ausdrucke dieses allgemeinen Satzes bewenden lasse. Zusammengesetzt hingegen ist die Fabel, wenn die Wahrheit, die sie uns auschauend zu erkennen giebt, auf einen wirklich geschehenen, oder doch, als wirklich geschehen, angenommenen Fall, weiter angewendet wird. — „Ich mache, sprach ein „höhnischer Reimer zu dem Dichter, in einem „Jahre sieben Trauerspiele; aber du? In sieben „Jahren eines! Recht; nur eines! versetzte der „Dichter; aber eine Athalie !„ — Man mache die- ses zur Anwendung der vorigen Fabel, und die Fa- bel wird zusammengesetzt . Denn sie bestehet nun- mehr gleichsam aus zwey Fabeln, aus zwey ein- zeln Fällen, in welchen beyden ich die Wahrheit eben desselben Lehrsatzes bestätiget finde. Diese Eintheilung aber — kaum brauche ich es zu erinnern — beruhet nicht auf einer wesentlichen Verschiedenheit der Fabeln selbst; sondern bloß auf H 2 der drr verschiednen Bearbeitung derselben. Und aus dem Exempel schon hat man es ersehen, daß eben dieselbe Fabel bald einfach , bald zusammenge- setzt seyn kann. Bey dem Phädrus ist die Fabel von dem kreissenden Berge , eine einfache Fabel. — — — Hoc scriptum est tibi, Qui magna cum minaris, extricas nihil. Ein jeder, ohne Unterschied, der große und fürch- terliche Anstalten einer Nichtswürdigkeit wegen macht; der sehr weit aushohlt, um einen sehr klei- nen Sprung zu thun; jeder Prahler, jeder viel- versprechende Thor, von allen möglichen Arten, siehet hier sein Bild! Bey unserm Hagedorn aber, wird eben dieselbe Fabel zu einer zusammen- gesetzten Fabel, indem er einen gebährenden schlech- ten Poeten zu dem besondern Gegenbilde des kreis- senden Berges macht. Ihr Götter rettet! Menschen flieht! Ein schwangrer Berg beginnt zu kreissen, Und wird itzt, eh man sichs versieht, Mit Sand und Schollen um sich schmeissen ꝛc. Suffenus Suffenus schwitzt und lermt und schäumt: Nichts kann den hohen Eifer zähmen; Er stampft, er knirscht; warum? er reimt, Und will itzt den Homer beschämen ꝛc. Allein gebt Acht, was kömmt heraus? Hier ein Sonnet, dort eine Maus. Diese Eintheilung also, von welcher die Lehr- bucher der Dichtkunst ein tieses Stillschweigen beob- achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens in der richtigern Bestimmung verschiedener Regeln: diese Eintheilung, sage ich, vorausgesetzt; will ich mich auf den Weg machen. Es ist kein unbetrete- ner Weg. Ich sehe eine Menge Fußtapfen vor mir, die ich zum Theil untersuchen muß, wenn ich überall sichere Tritte zu thun gedenke. Und in die- ser Absicht will ich sogleich die vornehmsten Erklärun- gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel gegeben haben. De la Motte. Dieser Mann, welcher nicht so wohl ein großes poetisches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf war, der sich an mancherley wagen, und überall H 3 erträg- erträglich zu bleiben hoffen durste, erklärt die Fabel durch eine unter die Allegorie einer Handlung versteckte Lehre La Fable est une instruction deguisee sous l’allegorie d’une action. Discours sur la fable . . Als sich der Sohn des stolzen Tarquinius bey den Gabiern nunmehr fest gesetzt hatte, schickte er heimlich einen Bothen an seinen Vater, und ließ ihn fragen, was er weiter thun solle? Der König, als der Bothe zu ihm kam, befand sich eben auf dem Felde, hub seinen Stab auf, schlug den höchsten Mahnstängeln die Häupter ab, und sprach zu dem Bothen: Geh, und erzehle meinem Sohne, was ich itzt gethan habe! Der Sohn verstand den stummen Befehl des Vaters, und ließ die Vornehmsten der Gabier hinrichten Florus. lib. 1. cap. 7. . — Hier ist eine allegorische Handlung; hier ist eine unter die Allegorie dieser Handlung versteckte Lehre: aber ist hier eine Fabel ? Kann man sagen, daß Tarquinius seine Meinung dem Sohne durch eine Fabel habe wissen lassen? Ge- wiß nicht! Jener Jener Vater, der seinen uneinigen Söhnen die Vortheile der Eintracht an einem Bündel Ruthen zeigte, das sich nicht anders als stückweise zerbrechen lasse, machte der eine Fabel Fabul. Aesop. 171. ? Aber wenn eben derselbe Vater seinen uneinigen Söhnen erzählt hätte, wie glücklich drey Stiere, so lange sie einig waren, den Löwen von sich abhiel- ten, und wie bald sie des Löwen Raub wurden, als Zwietracht unter sie kam, und jeder sich seine eigene Weide suchte Fab. Aesop. 297. : alsdenn hätte doch der Vater sei- nen Söhnen ihr Bestes in einer Fabel gezeigt? Die Sache ist klar. Folglich ist es eben so klar, daß die Fabel nicht bloß eine allegorische Handlung, sondern die Er- zehlung einer solchen Handlung seyn kann. Und dieses ist das erste, was ich wider die Erklärung des de la Motte zu erinnern habe. Aber was will er mit seiner Allegorie ? — Ein so fremdes Wort, womit nur wenige einen bestimm- ten Begriff verbinden, sollte überhaupt aus einer H 4 guten guten Erklärung verbannt seyn. — Und wie, wenn es hier gar nicht einmal an seiner Stelle stünde? Wenn es nicht wahr wäre, daß die Handlung der Fabel an sich selbst allegorisch sey? Und wenn sie es höchstens unter gewissen Umständen nur werden könnte? Quintilian lehret: Αλληγορια, quam Inversio- nem interpretamur, aliud verbis, aliud sensu osten- dit, ac etiam interim contrarium Quinctilianus lib. VIII. cap. 6. . Die Allegorie sagt das nicht, was sie nach den Worten zu sagen scheinet, sondern etwas anders. Die neuern Lehrer der Rhetorik erinnern, daß dieses etwas andere auf etwas anderes ähnliches einzuschränken sey, weil sonst auch jede Ironie eine Allegorie seyn würde Allegoria dicitur, quia ἀλλο μεν ἀγορευει, άλλο δε νοει. Et istud ἀλλο restringi debet ad aliud simile, alias etiam omnis Ironia Allegoria esset. Vossius Inst. Orat. libr. III . . Die letztern Worte des Quintilians , ac etiam interim contrarium, sind ihnen hierinn zwar offenbar zuwider: aber es mag seyn. Die Die Allegorie sagt also nicht, was sie den Wor- ten nach zu sagen scheinet, sondern etwas ähnli- ches . Und die Handlung der Fabel, wenn sie alle- gorisch seyn soll, muß das auch nicht sagen, was sie zu sagen scheinet, sondern nur etwas ähnliches ? Wir wollen sehen! — „ Der Schwächere wird „gemeiniglich ein Raub des Mächtigern .“ Das ist ein allgemeiner Satz, bey welchem ich mir eine Reihe von Dingen gedenke, deren eines immer stärker ist als das andere; die sich also, nach der Fol- ge ihrer verschiednen Stärke, unter einander auf- reiben können. Eine Reihe von Dingen ! Wer wird lange und gern den öden Begriff eines Din- ges denken, ohne auf dieses oder jenes besondere Ding zu fallen, dessen Eigenschaften ihm ein deut- liches Bild gewähren? Ich will also auch hier, an- statt dieser Reihe von unbestimmten Dingen, eine Reihe bestimmter, wirklicher Dinge annehmen. Ich könnte mir in der Geschichte eine Reihe von Staaten oder Königen suchen; aber wie viele sind in der Geschichte so bewandert, daß sie, so bald ich meine Staaten oder Könige nur nennte, sich der H 5 Verhält- Verhältnisse, in welchen sie gegen einander an Größe und Macht gestanden, erinnern können? Ich wür- de meinen Satz nur wenigen faßlicher gemacht ha- ben; und ich möchte ihn gern allen so faßlich, als möglich, machen. Ich falle auf die Thiere; und warum sollte ich nicht eine Reihe von Thieren wäh- len dürfen; besonders wenn es allgemein bekannte Thiere wären? Ein Auerhahn — ein Marder — ein Fuchs — ein Wolf — Wir kennen diese Thiere; wir dürfen sie nur nennen hören, um sogleich zu wissen, welches das stärkere oder das schwächere ist. Nunmehr heißt mein Satz: der Marder frißt den Auerhahn; der Fuchs den Marder; den Fuchs der Wolf. Er frißt ? Er frißt vielleicht auch nicht. Das ist mir noch nicht gewiß genug. Ich sage also: er fraß . Und siehe, mein Satz ist zur Fabel ge- worden! Ein Marder fraß den Auerhahn; Den Marder würgt ein Fuchs; den Fuchs des Wolfes Zahn von Hagedorn; Fabeln und Erzehlungen, erstes Buch. S. 77. . Was kann ich nun sagen, daß in dieser Fabel für eine Allegorie liege? Der Auerhahn, der Schwäch- ste; ste; der Marder, der Schwache; der Fuchs, der Starke; der Wolf der Stärkste. Was hat der Auer- hahn mit dem Schwächsten, der Marder mit dem Schwachen, u. s. w. hier ähnliches? Aehnli- ches! Gleichet hier bloß der Fuchs dem Starken, und der Wolf dem Stärksten; oder ist jener hier der Starke, so wie dieser der Stärkste? Er ist es. — Kurz; es heißt die Worte auf eine kindische Art mißbrauchen, wenn man sagt, daß das Besondere mit seinem Allgemeinen , das Einzelne mit seiner Art , die Art mit ihrem Geschlechte eine Aehn- lichkeit habe. Ist dieser Windhund, einem Wind- hunde überhaupt , und ein Windhund über- haupt, einem Hunde ähnlich ? Eine lächerliche Frage! — Findet sich nun aber unter den bestimm- ten Subjecten der Fabel, und den allgemeinen Subjecten ihres Satzes keine Aehnlichkeit , so kann auch keine Allegorie unter ihnen Statt haben. Und das Nehmliche läßt sich auf die nehmliche Art von den beyderseitigen Prädicaten erweisen. Vielleicht aber meinet jemand, daß die Allegorie hier nicht auf der Aehnlichkeit zwischen den bestimm- ten ten Subjecten oder Prädicaten der Fabel und den allgemeinen Subjecten oder Prädicaten des Satzes, sondern auf der Aehnlichkeit der Arten, wie ich ebendieselbe Wahrheit, itzt durch die Bilder der Fa- bel, und itzt vermittelst der Worte des Satzes er- kenne, beruhe. Doch das ist so viel, als nichts. Denn käme hier die Art der Erkenntniß in Betrach- tung, und wollte man bloß wegen der anschauen- den Erkenntniß, die ich vermittelst der Handlung der Fabel von dieser oder jener Wahrheit erhalte, die Handlung allegorisch nennen: so würde in allen Fabeln ebendieselbe Allegorie seyn, welches doch nie- mand sagen will, der mit diesem Worte nur einigen Begriff verbindet. Ich befürchte, daß ich von einer so klaren Sache viel zu viel Worte mache. Ich fasse daher alles zu- sammen und sage: die Fabel, als eine einfache Fabel, kann unmöglich allegorisch seyn. Man erinnere sich aber meiner obigen Anmerkung, nach welcher eine jede einfache Fabel auch eine zu- sammengesetzte werden kann . Wie wann sie als- denn allegorisch würde ? Und so ist es. Denn in der der zusammengesetzten Fabel wird ein Besonderes gegen das andre gehalten; zwischen zwey oder mehr Besondern, die unter eben demselben Allgemeinen be- griffen sind, ist die Aehnlichkeit unwidersprechlich, und die Allegorie kann folglich Statt finden. Nur muß man nicht sagen, daß die Allegorie zwischen der Fabel und dem moralischen Satze sich befinde. Sie befindet sich zwischen der Fabel und dem wirk- lichen Falle, der zu der Fabel Gelegenheit gegeben hat, in so fern sich aus beyden ebendieselbe Wahrheit er- giebt. — Die bekannte Fabel vom Pferde , daß sich von dem Manne den Zaum anlegen ließ, und ihn auf seinen Rücken nahm, damit er ihm nur in seiner Nache, die es an dem Hirsche nehmen wollte, be- hülflich wäre: diese Fabel sage ich, ist so fern nicht allegorisch, als ich mit dem Phädrus Liber IV. fab. 3. bloß die all- gemeine Wahrheit daraus ziehe: Impune potius lædi, quam dedi alteri. Bey der Gelegenheit nur, bey welcher sie ihr Er- finder Stesichorus erzehlte, ward sie es. Er er- zehlte sie nehmlich, als die Himerenser den Pha- laris laris zum obersten Befehlshaber ihrer Kriegsvölker gemacht hatten, und ihm noch dazu eine Leibwache geben wollten. „O ihr Himerenser , rief er, die ihr „so fest entschlossen seyd, euch an euren Feinden zu „rächen; nehmet euch wohl in Acht, oder es wird „euch wie diesem Pferde ergehen! Den Zaum habt „ihr euch bereits anlegen lassen, indem ihr den Pha- „laris zu eurem Heerführer mit unumschränkter „Gewalt, ernannt. Wollt ihr ihm nun gar eine „Leibwache geben, wollt ihr ihn aussitzen lassen, so „ist es vollends um eure Freyheit gethan.“ Aristoteles Rhetor lib. II. cap. 20. — Alles wird hier allegorisch! Aber einzig und allein dadurch, daß das Pferd, hier nicht auf jeden Beleidigten, sondern auf die beleidigten Himerenser ; der Hirsch nicht auf jeden Beleidiger, sondern auf die Feinde der Himerenser ; der Mann nicht auf jeden listigen Unterdrücker, sondern auf den Phalaris ; die An- legung des Zaums nicht auf jeden ersten Eingriff in die Rechte der Freyheit, sondern auf die Ernennung des Phalaris zum unumschränkten Heerführer; und das Aufsitzen endlich, nicht auf jeden letzten tödtlichen Stoß, welcher der Freyheit beygebracht wird, wird, sondern auf die dem Phalaris zu bewilligen- de Leibwache, gezogen und angewandt wird. Was folgt nun aus alle dem? Dieses: da die Fa- bel nur alsdenn allegorisch wird, wenn ich dem er- dichteten einzeln Falle, den sie enthält, einen an- dern ähnlichen Fall, der sich wirklich zugetragen hat, entgegen stelle; da sie es nicht an und für sich selbst ist, in so fern sie eine allgemeine moralische Lehre enthält: so gehöret das Wort Allegorie gar nicht in die Er- klärung derselben. — Dieses ist das zweyte, was ich gegen die Erklärung des de la Motte zu erin- nern habe. Und man glaube ja nicht, daß ich es bloß als ein müssiges, überflüssiges Wort daraus verdrengen will. Es ist hier, wo es steht, ein höchst schädliches Wort, dem wir vielleicht eine Menge schlechter Fabeln zu danken haben. Man begnüge sich nur, die Fabel, in Ansehung des allgemeinen Lehrsatzes, bloß al- legorisch zu machen; und man kann sicher glauben, eine schlechte Fabel gemacht zu haben. Ist aber eine schlechte Fabel eine Fabel? — Ein Exempel wird die Sache in ihr völliges Licht setzen. Ich wehle wehle ein altes, um ohne Mißgunst Recht haben zu können. Die Fabel nehmlich von dem Mann und dem Satyr . „Der Mann bläset in seine kal- „te Hand, um seine Hand zu wärmen; und bläset „in seinen heissen Brey, um seinen Brey zu kühlen. „Was? sagt der Satyr ; du bläsest aus einem Mun- „de Warm und Kalt? Geh, mit dir mag ich nichts „zu thun haben! Fab. Aesop. 126. „ — Diese Fabel soll lehren, ὁτι δει φευγειν ἡμας τας φιλιας, ὡναμφιβολος ἐςι ι ἡ διαϑεσις; die Freundschaft aller Zweyzüngler, aller Doppelleute, aller Falschen zu fliehen. Lehrt sie das? Ich bin nicht der erste der es leugnet, und die Fabel für schlecht ausgiebt. Richer ‒ ‒ contre la justesse de l’allegorie. ‒ ‒ Sa morale n’est qu’u- ne allusion, \& n’est fondée que sur un jeu de mots équi- voque. Fables nouvelle, Preface, p . 10. sagt, sie sündige wider die Richtigkeit der Allegorie; ihre Moral sey weiter nichts als eine Anspielung, und gründe sich auf eine blosse Zweydeutigkeit. Richer hat richtig empfunden, aber seine Empfindung falsch ausgedrückt. Der Fehler liegt nicht sowohl darinn, daß die Allegorie nicht richtig genug ist, sondern darinn, darinn, daß es weiter nichts als eine Allegorie ist. Anstatt daß die Handlung des Mannes , die dem Satyr so anstössig scheinet, unter dem allgemeinen Subjecte des Lehrsatzes wirklich begriffen seyn soll- te, ist sie ihm bloß ähnlich . Der Mann sollte sich eines wirklichen Widerspruchs schuldig machen; und der Widerspruch ist nur anscheinend . Die Lehre warnet uns vor Leuten, die von ebendersel- ben Sache ja und nein sagen, die ebendasselbe Ding loben und tadeln: und die Fabel zeiget uns einen Mann , der seinen Athem gegen verschiede- ne Dinge verschieden braucht; der auf ganz etwas anders itzt seinen Athem warm haucht, und auf ganz etwas anders ihn itzt kalt bläset. Endlich, was läßt sich nicht alles allegorisiren ! Man nenne mir das abgeschmackte Mährchen, in welches ich durch die Allegorie nicht einen moralischen Sinn sollte legen können! — „Die Mitknechte des „ Aesopus gelüstet nach den trefflichen Feigen ihres „Herrn. Sie essen sie auf, und als es zur Nach- „frage kömmt, soll es der gute Aesop gethan ha- „ben. Sich zu rechtfertigen, trinket Aesop in J „grosser „grosser Menge laues Wasser; und seine Mitknechte „müssen ein gleiches thun. Das laue Wasser hat „seine Wirkung, und die Näscher sind entdeckt.“ — — Was lehrt uns dieses Histörchen? Eigentlich wohl weiter nichts, als daß laues Wasser, in grosser Menge getrunken, zu einem Brechmittel werde? Und doch machte jener persische Dichter Herbelot Bibl. Orient. p . 516. Lorsque l’on vous donnera a- boire de cette eau chaude \& brulante, dans la question du Jugement dernier, tout ce que vous avez caché avec tant de soin, paroitra aux yeux de tout le monde, \& celui qui aura acquis de l’estime par son hypocrisie \& par son deguisement, sera pour lors couvert de honte \& de confusion. einen weit edlern Gebrauch davon. „Wenn man euch, spricht er, „an jenem grossen Tage des Gerichts, von die- „sem warmen und siedenden Wasser wird zu trin- „ken geben: alsdann wird alles an den Tag kommen, „was ihr mit so vieler Sorgfalt vor den Augen der „Welt verborgen gehalten; und der Heuchler, den „hier seine Verstellung zu einem ehrwürdigen Man- „ne gemacht hatte, wird mit Schande und Ver- „wirrung überhäuft dastehen!„ — Vortrefflich! Ich Ich habe nun noch eine Kleinigkeit an der Erklä- rung des de la Motte auszusetzen. Das Wort Lehre ( instruction ) ist zu unbestimmt und allgemein. Ist jeder Zug aus der Mythologie, der auf eine physische Wahrheit anspielet, oder in den ein tief- sinniger Baco wohl gar eine transcendentalische Lehre zu legen weis, eine Fabel? Oder wenn der seltsame Holberg erzehlet: „Die Mutter des Teusels „übergab ihm einsmals vier Ziegen, um sie in ihrer „Abwesenheit zu bewachen. Aber diese machten „ihm so viel zu thun, daß er sie mit aller seiner Kunst „und Geschicklichkeit nicht in der Zucht halten konnte. „Diesfalls sagte er zu seiner Mutter nach ihrer Zu- „rückkunft: Liebe Mutter, hier sind eure Ziegen! „Ich will lieber eine ganze Compagnie Reuter be- „wachen, als eine einzige Ziege.“ — Hat Holberg eine Fabel erzehlet? Wenigstens ist eine Lehre in diesem Dinge. Denn er setzet selbst mit ausdrück- lichen Worten dazu: „Diese Fabel zeiget, daß keine „Kreatur weniger in der Zucht zu halten ist, als „eine Ziege. Moralische Fabeln des Baron von Holberes S. 103. „ — Eine wichtige Wahrheit! Nie- J 2 mand mand hat die Fabel schändlicher gemißhandelt, als dieser Holberg ! — Und es mißhandelt sie jeder, der eine andere als moralische Lehre darinn vor- zutragen, sich einfallen läßt. Richer . Richer ist ein andrer französischer Fabulist, der ein wenig besser erzehlet als de la Motte , in An- sehung der Erfindung aber, weit unter ihm stehet. Auch dieser hat uns seine Gedanken über diese Dich- tungsart nicht vorenthalten wollen, und erklärt die Fabel durch ein kleines Gedicht, das irgend eine unter einem allegorischen Bilde versteckte Re- gel enthalte La Fable est un petit Poeme qui contient un precepte caché sous une image allegorique. Fables nouvelles Presace p. 9. . Richer hat die Erklärung des de la Motte of- fenbar vor Augen gehabt. Und vielleicht hat er sie gar verbessern wollen. Aber das ist ihm sehr schlecht gelungen. Ein kleines Gedicht ? ( Poeme ) — Wenn Ri- cher das Wesen eines Gedichts in die blosse Fiction setzet: so bin ich es zufrieden, daß er die Fabel ein Gedicht nennet. Wenn er aber auch die poetische Sprache Sprache und ein gewisses Sylbenmaaß, als noth- wendige Eigenschaften eines Gedichtes betrachtet: so kann ich seiner Meinung nicht seyn. — Ich wer- de mich weiter unten hierüber ausführlicher er- klären. Eine Regel ? ( Precepte ) — Dieses Wort ist nichts bestimmter, als das Wort Lehre des de la Motte . Alle Künste, alle Wissenschaften haben Regeln, haben Vorschriften. Die Fabel aber stehet einzig und allein der Moral zu. Von einer andern Seite hingegen betrachtet, ist Regel oder Vor- schrift hier so gar noch schlechter als Lehre ; weil man unter Regel und Vorschrift eigentlich nur solche Sätze verstehet, die unmittelbar auf die Bestim- mung unsers Thuns und Lassens gehen. Von die- ser Art aber sind nicht alle moralische Lehrsätze der Fabel. Ein grosser Theil derselben sind Erfahrungs- sätze, die uns nicht sowohl von dem, was geschehen sollte, als vielmehr von dem, was wirklich geschie- het, unterrichten. Ist die Sentenz: In principatu commutando civium Nil præter domini nomen mutant pauperes; J 3 eine eine Regel, eine Vorschrift? Und gleichwohl ist sie das Resultat einer von den schönsten Fabeln des Phädrus Libri I. Fab. 15. . Es ist zwar wahr, aus jedem solchen Erfahrungssatze können leicht eigentliche Vorschrif- ten und Regeln gezogen werden. Aber was in dem fruchtbaren Satze liegt, das liegt nicht darum auch in der Fabel. Und was müßte das für eine Fabel seyn, in welcher ich den Satz mit allen seinen Folgerungen auf einmal, anschauend erkennen sollte? Unter einem allegorischen Bilde ? — Ueber das Allegorische habe ich mich bereits erkläret. Aber Bild ! ( Image ) Unmöglich kann Richer dieses Wort mit Bedacht gewehlt haben. Hat er es viel- leicht nur ergriffen, um vom de la Motte lieber auf Gerathewohl abzugehen, als nach ihm Recht zu haben? — Ein Bild heißt überhaupt jede sinn- liche Vorstellung eines Dinges nach einer einzigen ihm zukommenden Veränderung. Es zeigt mir nicht mehrere, oder gar alle mögliche Veränderun- gen, deren das Ding fähig ist, sondern allein die, in in der es sich in einem und eben demselben Augen- blicke befindet. In einem Bilde kann ich zwar also wohl eine moralische Wahrheit erkennen, aber es ist darum noch keine Fabel. Der mitten im Wasser dürstende Tantalus ist ein Bild, und ein Bild, das mir die Möglichkeit zeiget, man könne auch bey dem größten Ueberflusse darben. Aber ist dieses Bild deswegen eine Fabel? So auch folgendes kleine Gedicht: Cursu veloci pendens in novacula, Calvus, comosa fronte, nudo corpore, Quem si occuparis, teneas; elapsum semel Non ipse possit Jupiter reprehendere; Occasionem rerum significat brevem. Effectus impediret ne segnis mora Finxere antiqui talem effigiem temporis. Wer wird diese Zeilen für eine Fabel erkennen, ob sie schon Phädrus als eine solche unter seinen Fa- beln mit unterlaufen läßt? Libri V. Fab. 8. Ein jedes Gleichniß , ein jedes Emblema würde eine Fabel seyn, wenn sie nicht eine Mannigfaltigkeit von Bildern, und zwar zu Einem Zwecke übereinstimmenden Bildern; wenn sie, mit einem Worte, nicht das nothwen- J 4 dig dig erforderte, was wir durch das Wort Hand- lung ausdrücken. Eine Handlung nenne ich, eine Folge von Veränderungen, die zusammen Ein Ganzes ausmachen . Diese Einheit des Ganzen beruhet auf der Uebereinstimmung aller Theile zu einem Endzwecke . Der Endzweck der Fabel, das, wofür die Fabel erfunden wird, ist der moralische Lehrsatz. Folglich hat die Fabel eine Handlung , wenn das, was sie erzehlt, eine Folge von Veränderun- gen ist, und jede dieser Veränderungen etwas dazu bey- trägt, die einzeln Begriffe, aus welchen der moralische Lehrsatz bestehet, anschauend erkennen zu lassen. Was die Fabel erzehlt, muß eine Folge von Veränderungen seyn. Eine Veränderung, oder auch mehrere Veränderungen, die nur neben ein- ander bestehen, und nicht auf einander folgen, wollen zur Fabel nicht zureichen. Und ich kann es für eine untriegliche Probe ausgeben, daß eine Fa- bel schlecht ist, daß sie den Namen der Fabel gar nicht nicht verdienet, wenn ihre vermeinte Handlung, sich ganz mahlen läßt . Sie enthält alsdenn ein blosses Bild, und der Mahler hat keine Fabel, son- dern ein Emblema gemahlt. — „Ein Fischer, in- „dem er sein Netz aus dem Meere zog, blieb der „grössern Fifche, die sich darinn gefangen hatten, „zwar habhaft, die kleinsten aber schlupften durch „das Netz durch, und gelangten glücklich wieder ins „Wasser.“ — Diese Erzehlung befindet sich unter den Aesopischen Fabeln Fab. Aefop. 126. , aber sie ist keine Fabel; wenigstens eine sehr mittelmässige. Sie hat keine Handlung, sie enthält ein blosses einzelnes Factum, das sich ganz mahlen läßt; und wenn ich dieses ein- zelne Factum, dieses Zurückbleiben der grössern und dieses Durchschlupfen der kleinen Fische, auch mit noch so viel andern Umständen erweiterte, so würde doch in ihm allein , und nicht in den andern Um- ständen zugleich mit, der moralische Lehrsatz liegen. Doch nicht genug, daß das, was die Fabel erzehlt, eine Folge von Veränderungen ist; alle diese Verände- rungen müssen zusammen nur einen einzigen an- J 5 schauen- schauenden Begriff in mir erwecken. Erwecken sie deren mehrere, liegt mehr als ein moralischer Lehrsatz in der vermeinten Fabel, so fehlt der Handlung ihre Einheit, so fehlt ihr das, was sie eigentlich zur Handlung macht, und kann, richtig zu sprechen, keine Handlung , son- dern muß eine Begebenheit heissen. — Ein Exempel: Lucernam fur accendit ex ara Iovis, Ipsumque compilavit ad lumen suum; Onustus qui sacrilegio cum discederet, Repente vocem sancta misit Religio: Malorum quamvis ista fuerint munera, Mihique invisa ut non offendar subripi; Tamen, sceleste, spiritu culpam lues, Olim cum adscriptus venerit pœnæ dies. Sed ne ignis noster facinori præluceat, Per quem verendos excolit pietas Deos, Veto esse tale luminis commercium. Ita hodie, nec lucernam de flamma Deùm Nec de lucerna fas est accendi sacrum. Was hat man hier gelesen? Ein Histörchen; aber keine Fabel. Ein Histörchen trägt sich zu; eine Fabel wird erdichtet. Von der Fabel also muß sich ein Grund angeben lassen, warum sie erdichtet wor- den; da ich den Grund, warum sich jenes zugetra- gen, weder zu wissen noch anzugeben gehalten bin. Was Was wäre nun der Grund, warum diese Fabel er- dichtet worden, wenn es anders eine Fabel wäre? Recht billig zu urtheilen, könnte es kein andrer als dieser seyn: der Dichter habe einen wahrscheinlichen Anlaß zu dem doppelten Verbote, weder von dem heiligen Feuer ein gemeines Licht, noch von einem gemeinen Lichte das heilige Feuer an- zuzünden , erzehlen wollen. Aber wäre das eine moralische Absicht, dergleichen der Fabulist doch nothwendig haben soll? Zur Noth könnte zwar die- ses einzelne Verbot zu einem Bilde des allgemeinen Verbots dienen, daß das Heilige mit dem Un- heiligen, das Gute mit dem Bösen in keiner Gemeinschaft stehen soll . Aber was tragen als- denn die übrigen Theile der Erzehlung zu diesem Bilde bey? Zu diesem gar nichts; sondern ein jeder ist vielmehr das Bild, der einzelne Fall einer ganz andern allgemeinen Wahrheit. Der Dichter hat es selbst empfunden, und hat sich aus der Verlegenheit, welche Lehre er allein daraus ziehen solle, nicht besser zu reissen gewußt, als wenn er deren so viele daraus zöge, als sich nur immer ziehen liessen. Denn er schließt: Quot Quot res contineat hoc argumentum utiles Non explicabit alius, quam qui repperit. Significat primo, sæpe, quos ipse alueris, Tibi inveniri maxime contrarios. Secundo ostendit, scelera non ira Deum, Tatorum dicto sed puniri tempore. Novissime interdicit, ne cum malefico Usum bonus consociet ullius rei. Eine elende Fabel, wenn niemand anders als ihr Erfinder es erklären kann, wie viel nützliche Din- ge sie enthalte! Wir hätten an einem genug! — Kaum sollte man es glauben, daß einer von den Al- ten, einer von diesen grossen Meistern in der Ein- falt ihrer Plane, uns dieses Histörchen für eine Fa- bel Phædrus libr. IV. Fab. 11. verkaufen können. Breitinger . Ich würde von diesem grossen Kunstrichter nur wenig gelernt haben, wenn er in meinen Gedanken noch überall Recht hätte. — Er giebt uns aber eine doppelte Erklärung von der Fabel Der Critischen Dichtkunst/ ersten Bandes siebender Ab- schnitt, S. 194 . Die eine hat er von dem de la Motte entlehnet; und die andere ist ihm ganz eigen. Nach Nach jener versteht er unter der Fabel, eine un- ter der wohlgerathenen Allegorie einer ähn- lichen Handlung verkleidete Lehre und Unter- weisung . — Der klare, übersetzte de la Motte ! Und der ein wenig gewässerte: könnte man noch dazusetzen. Denn was sollen die Beywörter: wohlgerathene Allegorie; ähnliche Handlung? Sie sind höchst überflüssig. Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung auf ihn versparet. Richer sagt: die Lehre solle unter dem allegorischen Bilde versteckt ( caché ) seyn. Versteckt! welch ein unschickliches Wort! In man- chem Räthsel sind Wahrheiten, in den Pythagori- schen Denksprüchen sind moralische Lehren versteckt ; aber in keiner Fabel. Die Klahrheit, die Lebhaf- tigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Theilen einer guten Fabel auf einmal hervor strahlet, hätte durch ein ander Wort, als durch das ganz widersprechen- de versteckt , ausgedrückt zu werden verdienet. Sein Vorgänger de la Motte hatte sich um ein gut Theil feiner erklärt; er sagt doch nur, verkleidet ( deguisé ). Aber auch verkleidet ist noch viel zu unrichtig, unrichtig, weil auch verkleidet den Nebenbegriff einer mühsamen Erkennung mit sich führet. Und es muß gar keine Mühe kosten, die Lehre in der Fabel zu erkennen; es müßte vielmehr, wenn ich so reden darf, Mühe und Zwang kosten, sie darinn nicht zu erkennen. Aufs höchste würde sich dieses verkleidet nur in Ansehung der zusammengesetz- ten Fabel entschuldigen lassen. In Ansehung der einfachen ist es durchaus nicht zu dulden. Von zwey ähnlichen einzeln Fällen kann zwar einer durch den andern ausgedrückt, einer in den andern ver- kleidet werden: aber wie man das Allgemeine in das Besondere verkleiden könne, das begreife ich ganz und gar nicht. Wollte man mit aller Gewalt ein ähnliches Wort hier brauchen, so müßte es an- statt verkleiden wenigstens einkleiden heissen. Von einem deutschen Kunstrichter hätte ich über- haupt dergleichen figürliche Wörter in einer Erklä- rung nicht erwartet. Ein Breitinger hätte es den schön vernünstelnden Franzosen überlassen sollen, sich damit aus dem Handel zu wickeln; und ihm würde es sehr wohl angestanden haben, wenn er uns mit den den trocknen Worten der Schule belehrt hätte, daß die moralische Lehre in die Handlung weder ver- steckt noch verkleidet , sondern durch sie der an- schauenden Erkenntniß fähig gemacht werde. Ihm würde es erlaubt gewesen seyn, uns von der Natur dieser auch der rohesten Seele zukommenden Erkenntniß, von der mit ihr verknüpften schnellen Ueberzeugung, von ihrem daraus entspringenden mächtigen Einflusse auf den Willen, das Nöthige zu lehren. Eine Materie, die durch den ganzen spe- culativischen Theil der Dichtkunst von dem größten Nutzen ist, und von unserm Weltweisen schon gnugsam erläutert war Ich kann meine Verwunderung nicht bergen, daß Herr Breitinger das, was Wolf schon damals von der Fabel gelehret hatte, auch nicht im geringsten gekannt zu haben scheinet. Wolfii Philosophiæ practicæ universalis Pars po- sterior §. 302-323. Dieser Theil erschien 1734, und die Breitingersche Dichtkunst erst das Jahr darauf. ! — Was Breitinger aber damals unterlassen, das ist mir, itzt nachzuhohlen, nicht mehr erlaubt. Die philosophische Sprache ist seit dem unter uns so bekannt geworden, daß ich mich der Wörter anschauen, anschauender Er- kenntniß , gleich von Anfange als solcher Wörter ohne ohne Bedenken habe bedienen dürfen, mit welchen nur wenige nicht einerley Begriff verbinden. Ich käme zu der zweyten Erklärung, die uns Breitinger von der Fabel giebt. Doch ich bedenke daß ich diese bequemer an einem andern Orte werde untersuchen können. — Ich verlasse ihn also Batteux . Batteux erkläret die Fabel kurz weg durch die Erzehlung einer allegorischen Handlung Principes de Litterature, Tome II. I. Partie p. V. L’Apo- logue est le recit d’une action allegorique \&c. . Weil er es zum Wesen der Allegorie macht, daß sie eine Lehre oder Wahrheit verberge , so hat er ohne Zweifel geglaubt, des moralischen Satzes, der in der Fabel zum Grunde liegt, in ihrer Erklärung gar nicht erwähnen zu dürfen. Man siehet sogleich, was von meinen bisherigen Anmerkungen, auch wider diese Erklärung anzuwenden ist. Ich will mich daher nicht wiederhohlen, sondern bloß die fernere Erklärung, welche Batteux von der Hand- lung giebt, untersuchen. „Eine „Eine Handlung, sagt Batteux , ist eine Un- „ternehmung, die mit Wahl und Absicht geschie- „het. — Die Handlung setzet, ausser dem Leben „und der Wirksamkeit, auch Wahl und Endzweck „voraus, und kömmt nur vernünftigen Wesen zu.“ Wenn diese Erklärung ihre Richtigkeit hat, so mögen wir nur neun Zehntheile von allen existiren- den Fabeln ausstreichen. Aesopus selbst wird als- dann, deren kaum zwey oder drey gemacht haben, welche die Probe halten. — „Zwey Hähne kämpfen „mit einander. Der Besiegte verkriecht sich. Der „Sieger fliegt auf das Dach, schlägt stolz mit den „Flügeln und krähet. Plötzlich schießt ein Adler „auf den Sieger herab, und zerfleischt ihn Aesop. Fab. 145. . — Ich habe das allezeit für eine sehr glückliche Fabel gehalten; und doch fehlt ihr, nach dem Batteux , die Handlung. Denn wo ist hier eine Unterneh- mung, die mit Wahl und Absicht geschähe? — „Der Hirsch betrachtet sich in einer spiegelnden „Quelle; er schämt sich seiner dürren Läufte; und „freuet sich seines stolzen Geweihes. Aber nicht K „lange! „lange! Hinter ihm ertönte die Jagd; seine dürren „Läufte bringen ihn glücklich ins Gehölze; da ver- „strickt ihn sein stolzes Geweih; er wird erreicht Fab. Aesop. 181. . — Auch hier sehe ich keine Unternehmung, keine Ab- sicht. Die Jagd ist zwar eine Unternehmung, und der fliehende Hirsch hat die Absicht sich zu retten; aber beyde Umstände gehören eigentlich nicht zur Fabel, weil man sie, ohne Nachtheil derselben, weglassen und verändern kann. Und dennoch fehlt es ihr nicht an Handlung. Denn die Handlung liegt in dem falsch befundenen Urtheile des Hir- sches. Der Hirsch urtheilet falsch; und lernet gleich darauf aus der Erfahrung, daß er falsch geurtheilet habe. Hier ist also eine Folge von Veränderungen, die einen einzigen anschauenden Begriff in mir er- wecken. — Und das ist meine obige Erklärung der Handlung, von der ich glaube, daß sie auf alle gute Fabeln passen wird. Giebt es aber doch wohl Kunstrichter, welche einen noch engern, und zwar so materiellen Begriff mit dem Worte Handlung verbinden, daß sie nir- gends gends Handlung sehen, als wo die Körper so thätig sind, daß sie eine gewisse Veränderung des Rau- mes erfordern. Sie finden in keinem Trauerspiele Handlung, als wo der Liebhaber zu Füssen fällt, die Prinzessin ohnmächtig wird, die Helden sich palgen; und in keiner Fabel, als wo der Fuchs springt , der Wolf zerreisset , und der Frosch die Maus sich an das Bein bindet . Es hat ihnen nie beyfallen wollen, daß auch jeder innere Kampf von Leidenschaften, jede Folge von verschiedenen Ge- danken, wo eine die andere aufhebt, eine Handlung sey; vielleicht weil sie viel zu mechanisch denken und sühlen, als daß sie sich irgend einer Thätigkeit dabey bewußt wären. — Ernsthafter sie zu widerlegen, würde eine unnütze Mühe seyn. Es ist aber nur Schade, daß sie sich einigermassen mit dem Bat- teux schützen, wenigstens behaupten können, ihre Erklärung mit ihm aus einerley Fabeln abstrahiret zu haben. Denn wirklich, auf welche Fabel die Er- klärung des Batteux passet, passet auch ihre, so abgeschmackt sie immer ist. K 2 Batteux , Batteux , wie ich wohl darauf wetten wollte, hat bey seiner Erklärung nur die erste Fabel des Phädrus vor Augen gehabt; die er, mehr als ein- mal, une des plus belles \& des plus celebres de l’an- tiquité nennet. Es ist wahr, in dieser ist die Hand- lung ein Unternehmen, das mit Wahl und Absicht geschiehet. Der Wolf nimmt sich vor, das Schaf zu zerreissen, fauce improba incitatus ; er will es aber nicht so plump zu, er will es mit einem Schei- ne des Rechts thun, und also jurgii causam intulit. — Ich spreche dieser Fabel ihr Lob nicht ab; sie ist so vollkommen, als sie nur seyn kann. Allein sie ist nicht deswegen vollkommen, weil ihre Handlung ein Unternehmen ist, das mit Wahl und Absicht geschiehet; sondern weil sie ihrer Moral, die von einem solchen Unternehmen spricht, ein völliges Genüge thut. Die Moral ist Fab. Aesop. 230. : ὁις προϑεσις ἀδι- κειν, παρ᾿ ἀυτοις ȣ̍ δικαιολογια ἰσχυει. Wer den Vorsatz hat, einen Unschuldigen zu unterdrücken, der wird es zwar μεϑ᾽ ἐυλογου ἀιτιας zu thun suchen; er wird einen scheinbaren Vorwand wählen ; aber sich sich im geringsten nicht von seinem einmal gefaßten Entschlusse abbringen lassen, wenn sein Vorwand gleich völlig zu Schanden gemacht wird. Diese Mo- ral redet von einem Vorsatze ( dessein ); sie redet von gewissen, vor andern vorzüglich gewählten Mitteln, diesen Vorsatz zu vollführen ( choix ): und folglich muß auch in der Fabel etwas seyn, was diesem Vorsatze, diesen gewählten Mitteln ent- spricht; es muß in der Fabel sich ein Unternehmen sinden, das mit Wahl und Absicht geschiehet. Bloß dadurch wird sie zu einer vollkommenen Fabel; welches sie nicht seyn würde, wenn sie den geringsten Zug mehr oder weniger enthielte, als den Lehrsatz an- schauend zu machen nöthig ist. Batteux bemerkt alle ihre kleinen Schönheiten des Ausdrucks und stellet sie von dieser Seite in ein sehr vortheilhaftes Licht; nur ihre wesentliche Vortrefflichkeit läßt er unerör- tert, und verleitet seine Leser sogar, sie zu verken- nen. Er sagt nehmlich, die Moral die aus dieser Fabel fliesse, sey: que le plus foible est souvent oppri- mé par le plus fort. Wie seicht! Wie falsch! Wenn sie weiter nichts als dieses lehren sollte, so hätte K 3 wahrlich wahrlich der Dichter die fictæ causæ des Wolfs sehr vergebens, sehr für die lange Weile erfunden; seine Fabel sagte mehr, als er damit hätte sagen wollen, und wäre, mit einem Worte, schlecht. Ich will mich nicht in mehrere Exempel zerstreuen. Man untersuche es nur selbst, und man wird durch- gängig finden, daß es bloß von der Beschaffenheit des Lehrsatzes abhängt, ob die Fabel eine solche Handlung, wie sie Batteux ohne Ausnahme fodert, haben muß oder entbehren kann. Der Lehrsatz der itzt erwehnten Fabel des Phädrus , machte sie wie wir gesehen, nothwendig; aber thun es deswe- gen alle Lehrsätze? Sind alle Lehrsätze von dieser Art? Oder haben allein die, welche es sind, das Recht, in eine Fabel eingekleidet zu werden? Ist z. E. der Erfahrungssatz: Laudatis utiliora quæ contemseris Sæpe inveniri nicht werth, in einem einzeln Falle, welcher die Stelle einer Demonstration vertreten kann, er- kannt zu werden? Und wenn er es ist, was für ein Unternehmen, was für eine Absicht, was für eine Wahl Wohl liegt darinn, welche der Dichter auch in der Fabel auszudrücken gehalten wäre? So viel ist wahr: wenn aus einem Erfahrungs- satze unmittelbar eine Pflicht, etwas zu thun oder zu lassen, folget; so thut der Dichter besser, wenn er die Pflicht, als wenn er den blossen Erfahrungs- satz in seiner Fabel ausdrückt. — „Groß seyn, ist „nicht immer ein Glück“ — Diesen Erfahrungssatz in eine schöne Fabel zu bringen, möchte kaum mög- lich seyn. Die obige Fabel von dem Fischer, wel- cher nur der größten Fische habhaft bleibet, indem die kleinern glücklich durch das Netz durchschlupfen, ist, in mehr als einer Betrachtung, ein sehr mißlun- gener Versuch. Aber wer heißt auch dem Dichter, die Wahrheit von dieser schielenden und unfrucht- baren Seite nehmen? Wenn groß seyn nicht immer ein Glück ist, so ist es oft in Unglück; und wehe dem, der wider seinen Willen groß ward, den das Glück ohne seine Zuthun erhob, um ihn ohne sein Verschulden desto elender zu machen! Die großen Fische mußten groß werden; es stand nicht bey ihnen, klein zu bleiben. Ich danke dem Dichter für kein K 4 Bild, Bild, in welchem eben so viele ihr Unglück, als ihr Glück erkennen. Er soll niemanden mit seinen Um- ständen unzufrieden machen; und hier macht er doch, daß es die Grossen mit den ihrigen seyn müs- sen. Nicht das Groß Seyn, sondern die eitele Be- gierde groß zu werden (κενοδοξιαν), sollte er uns als eine Quelle des Unglücks zeigen. Und das that jener Alte Fab. Aesop. 143. Phaedrus libr. IV. Fab. 5. , der die Fabel von den Mäusen und Wieseln erzehlte. „Die Mäuse glaubten, daß sie „nur deswegen in ihrem Kriege mit den Wieseln so „unglücklich wären, weil sie keine Heerführer hät- „ten, und beschloßen dergleichen zu wählen. Wie „rang nicht diese und jene ehrgeitzige Maus, es zu „werden! Und wie theuer kam ihr am Ende dieser „Vorzug zu stehen! Die Eiteln banden sich Hörner „auf, — — — ut conspicuum in prælio Haberent signum, quod sequerentur milites. „und diese Hörner, als ihr Heer dennoch wieder ge- „schlagen ward, hinderten sie, sich in ihre engen „Löcher zu retten, Hæsere in portis, suntque capti ab hostibus Quos Quos immolatos victor avidis dentibus Capacis alvi mersit tartareo specu. Diese Fabel ist ungleich schöner. Wodurch ist sie es aber anders geworden, als dadurch, daß der Dich- ter die Moral bestimmter und fruchtbarer angenom- men hat? Er hat das Bestreben nach einer eiteln Größe, und nicht die Größe überhaupt, zu seinem Gegenstande gewählet; und nur durch dieses Be- streben , durch diese eitle Größe, ist natürlicher Weise auch in seine Fabel das Leben gekommen, das uns so sehr in ihr gefällt. Ueberhaupt hat Batteux die Handlung der Ae- sopischen Fabel, mit der Handlung der Epopee und des Drama viel zu sehr verwirrt. Die Handlung der beyden letztern muß außer der Absicht, welche der Dichter damit verbindet, auch eine innere, ihr selbst zukommende Absicht haben. Die Handlung der erstern braucht diese innere Absicht nicht, und sie ist vollkommen genug, wenn nur der Dichter seine Absicht damit erreichet. Der heroische und drama- tische Dichter machen die Erregung der Leidenschaf- K 5 ten ten zu ihrem vornehmsten Endzwecke. Er kann sie aber nicht anders erregen, als durch nachgeahmte Leidenschaften; und nachahmen kann er die Leiden- schaften nicht anders, als wenn er ihnen gewisse Ziele setzet, welchen sie sich zu nähern, oder von welchen sie sich zu entfernen streben. Er muß also in die Handlung selbst Absichten legen, und diese Absichten unter eine Hauptabsicht so zu bringen wis- sen, daß verschiedene Leidenschaften neben einander bestehen können. Der Fabuliste hingegen hat mit unsern Leidenschaften nichts zu thun, sondern allein mit unserer Erkenntniß. Er will uns von irgend einer einzeln moralischen Wahrheit lebendig überzeugen. Das ist seine Absicht, und diese sucht er, nach Maaß- gebung der Wahrheit, durch die sinnliche Vorstel- lung einer Handlung bald mit, bald ohne Absichten, zu erhalten. So bald er sie erhalten hat, ist es ihm gleich viel, ob die von ihm erdichtete Handlung ihre innere Endschaft erreicht hat, oder nicht. Er läßt seine Personen oft mitten auf dem Wege stehen, und denket in geringsten nicht daran, unserer Neugierde ihretwegen ein Genüge zu thun. „Der Wolf be- „schuldi- „schuldiget den Fuchs eines Diebstahls. Der Fuchs „leugnet die That. Der Affe soll Richter seyn. Klä- „ger und Beklagter bringen ihre Gründe und Gegen- „gründe vor. Endlich schreitet der Affe zum Urtheil Phædrus libr. 1. Fab. 10. : Tu non videris perdidisse, quod petis; Te credo surripuisse, quod pulchre negas. Die Fabel ist aus; denn in dem Urtheil des Affen lieget die Moral, die der Fabulist zum Augenmerke gehabt hat. Ist aber das Unternehmen aus, das uns der Anfang derselben verspricht? Man bringe diese Geschichte in Gedanken auf die komische Büh- ne, und man wird sogleich sehen, daß sie durch einen sinnreichen Einfall abgeschnitten , aber nicht geendigt ist. Der Zuschauer ist nicht zufrieden, wenn er voraus siehet, daß die Streitigkeit hinter der Seene wieder von vorne angehen muß. — „Ein „armer geplagter Greis ward unwillig, warf seine „Last von dem Rücken, und rief den Tod. Der „Tod erscheinet. Der Greis erschrickt und fühlt be- „troffen, daß elend leben doch besser als gar nicht „leben ist. Nun, was soll ich? fragt der Tod. Ach, „lieber „lieber Tod, mir meine Last wieder aufhelfen Fab. Aesop. 20. . — Der Fabulist ist glücklich, und zu unserm Vergnügen an seinem Ziele. Aber auch die Geschichte? Wie ging es dem Greise? Ließ ihn der Tod leben, oder nahm er ihn mit? Um alle solche Fragen beküm- mert sich der Fabulist nicht; der dramatische Dich- ter aber muß ihnen vorbauen. Und so wird man hundert Beyspiele finden, daß wir uns zu einer Handlung für die Fabel mit weit wenigerm begnügen, als zu einer Handlung für das Heldengedichte oder das Drama. Will man daher eine allgemeine Erklärung von der Handlung ge- ben, so kann man unmöglich die Erklärung des Batteux dafür brauchen, sondern muß sie nothwen- dig so weitläuftig machen, als ich es oben gethan habe. — Aber der Sprachgebrauch? wird man ein- werffen. Ich gestehe es; dem Sprachgebrauche nach, heißt gemeiniglich das eine Handlung, was einem gewissen Vorsatze zu Folge unternommen wird; dem Sprachgebrauche nach, muß dieser Vorsatz ganz erreicht seyn, wenn man soll sagen können, daß daß die Handlung zu Ende sey. Allein was folgt hieraus? Dieses: wem der Sprachgebrauch so gar heilig ist, daß er ihn auf keine Weise zu verletzen wagt, der enthalte sich des Wortes Handlung , in- sofern es eine wesentliche Eigenschaft der Fabel ausdrücken soll, ganz und gar. — Und, alles wohl überlegt, dem Rathe werde ich selbst folgen. Ich will nicht sagen, die moralische Lehre werde in der Fabel durch eine Handlung aus- gedrückt; sondern ich will lieber ein Wort von einem weitern Umfange suchen und sagen, der allgemeine Satz werde durch die Fabel auf einen einzeln Fall zurückgeführet . Dieser einzelne Fall wird allezeit das seyn, was ich oben unter dem Worte Handlung verstanden habe; das aber, was Batteux darunter verstehet, wird er nur dann und wann seyn. Er wird allezeit eine Folge von Veränderun- gen seyn, die durch die Absicht, die der Fabulist da- mit verbindet, zu einem Ganzen werden. Sind sie es auch ausser dieser Absicht; desto besser! Eine Folge von Veränderungen — daß es aber Verän- derungen freyer, moralischer Wesen seyn müssen, verstehet verstehet sich von selbst. Denn sie sollen einen Fall ausmachen, der unter einem Allgemeinen, das sich nur von moralischen Wesen sagen läßt, mit be- griffen ist. Und darinn hat Batteux freylich Recht, daß das, was er die Handlung der Fabel nennet, bloß vernünftigen Wesen zukomme. Nur kömmt es ihnen nicht deswegen zu, weil es ein Unternehmen mit Absicht ist, sondern weil es Freyheit voraus- setzt. Denn die Freyheit handelt zwar allezeit aus Grunde, aber nicht allezeit aus Absichten. — — Sind es meine Leser nun bald müde, mich nichts als widerlegen zu hören? Ich wenigstens bin es. De la Motte, Richer, Breitin- ger, Batteux , sind Kunstrichter von allerley Art; mittelmäßige, gute, vortreffliche. Man ist in Gefahr sich auf dem Wege zur Wahrheit zu verirren, wenn man sich um gar keine Vorgän- ger bekümmert; und man versäumet sich ohne Noth, wenn man sich um alle bekümmern will. Wie weit bin ich? Huy, daß mir meine Le- ser alles, was ich mir so muhsam erstritten habe, von von selbst geschenkt hätten! — In der Fabel wird nicht eine jede Wahrheit , sondern ein allgemei- ner moralischer Satz, nicht unter die Allegorie einer Handlung , sondern auf einen einzeln Fall, nicht versteckt oder verkleidet , sondern so zurück- geführet, daß ich, nicht bloß einige Aehnlich- keiten mit dem moralischen Satze in ihm ent- decke , sondern diesen ganz auschauend darinn erkenne. Und das ist das Wesen der Fabel? Das ist es, ganz erschöpft? — Ich wollte es gern meine Leser bereden, wenn ich es nur erst selbst glaubte. — Ich lese bey dem Aristoteles Aristoteles Rhetor. libr. II. cap. 20. : „Eine obrigkeitli- „che Person durch das Looß ernennen, ist eben als „wenn ein Schiffsherr, der einen Steuermann „braucht, es auf das Looß aukommen liesse, wel- „cher von seinen Matrosen es seyn sollte, anstatt „daß er den allergeschicktesten dazu unter ihnen mit „Fleiß aussuchte.“ — Hier sind zwey besondere Fälle, die unter eine allgemeine moralische Wahr- heit gehören. Der eine ist der sich eben itzt äussern- de; der andere ist der erdichtete. Ist dieser erdich- tete, tete, eine Fabel? Niemand wird ihn dafür gelten lassen. — Aber wenn es bey dem Aristoteles so hiesse: „Ihr wollt euren Magistrat durch das Looß „ernennen? Ich sorge, es wird euch gehen wie „jenem Schiffsherrn, der, als es ihm an einem „Steuermanne fehlte ꝛc.“ Das verspricht doch eine Fabel? Und warum? Welche Veränderung ist da- mit vorgegangen? Man betrachte alles genau, und man wird keine finden als diese: Dort ward der Schiffsherr durch ein als wenn eingeführt, er ward bloß als möglich betrachtet; und hier hat er die Wirklichkeit erhalten; es ist hier ein gewisser, es ist jener Schiffsherr. Das trift den Punct! Der einzelne Fall , aus welchem die Fabel bestehet, muß als wirklich vor- gestellet werden. Begnüge ich mich an der Mög- lichkeit desselben so ist es ein Beyspiel , eine Para- bel . — Es verlohnt sich der Mühe diesen wichtigen Unterschied, aus welchem man allein so viel zwey- deutigen Fabeln das Urtheil sprechen muß, an eini- gen Exempeln zu zeigen. — Unter den Aesopischen Fabeln des Planudes lieset man auch folgendes: „Der „Der Biber ist ein vierfüssiges Thier, das meistens „im Wasser wohnet, und dessen Geilen in der Me- „dicin von grossem Nutzen sind. Wenn nun dieses „Thier von den Menschen verfolgt wird, und ihnen „nicht mehr entkommen kann; was thut es? Es „beißt sich selbst die Geilen ab, und wirft sie seinen „Verfolgern zu. Denn es weis gar wohl, daß „man ihm nur dieserwegen nachstellet, und es sein „Leben und seine Freyheit wohlfeiler nicht erkaufen „kann Fab. Aesop. 33. .“ — Ist das eine Fabel? Es liegt wenig- stens eine vortreffliche Moral darinn. Und dennoch wird sich niemand bedenken, ihr den Namen einer Fabel abzusprechen. Nur über die Ursache, warum er ihr abzusprechen sey, werden sich vielleicht die meisten bedenken, und uns doch endlich eine falsche angeben. Es ist nichts als eine Naturgeschichte: würde man vielleicht mit dem Verfasser der Criti- schen Briefe Critische Briefe. Zürich 1746. S. 168. sagen. Aber gleichwohl, würde ich mit eben diesem Verfasser antworten, handelt hier der Biber nicht aus blossem Instinkt, er han- L delt delt aus freyer Wahl und nach reifer Ueberlegung; denn er weis es, warum er verfolgt wird ( γινωσ- κων ȣ̍ χαριν διωκεται ). Diese Erhebung des In- stinkts zur Vernunft, wenn ich ihm glauben soll, macht es ja eben, daß eine Begegniß aus dem Rei- che der Thiere zu einer Fabel wird. Warum wird sie es denn hier nicht? Ich sage: sie wird es deswe- gen nicht, weil ihr die Wirklichkeit fehlet. Die Wirklichkeit kömmt nur dem Einzeln, dem Indivi- duo zu; und es läßt sich keine Wirklichkeit ohne die Individualität gedenken. Was also hier von dem ganzen Geschlechte der Biber gesagt wird, hätte müssen nur von einem einzigen Biber gesagt werden; und alsdenn wäre es eine Fabel geworden. — Ein ander Exempel: „Die Affen, sagt man, bringen „zwey Junge zur Welt, wovon sie das eine sehr „heftig lieben und mit aller möglichen Sorgfalt pfle- „gen, das andere hingegen hassen und versäumen. „Durch ein sonderbares Geschick aber geschieht es, „daß die Mutter das Geliebte unter häuffigen Lieb- „kosungen erdrückt, indem das Verachtete glücklich „aufwächset Fab. Aesop. 268. .“ Auch dieses ist aus eben der Ur- sache, sache, weil das, was nur von einem Jndividuo ge- sagt werden sollte, von einer ganzen Art gesagt wird, keine Fabel. Als daher Lestrange eine Fabel daraus machen wollte, mußte er ihm diese Allgemein- heit nehmen, und die Individualität dafür erthei- len In seinen Fabeln, so wie sie Richardson adoptirt hat, die 187te. . „Eine Aeffin, erzehlt er, hatte zwey Junge; „in das eine war sie närrisch verliebt, an dem andern „aber war ihr sehr wenig gelegen. Einsmals überfiel „sie ein plötzlicher Schrecken. Geschwind raft sie „ihren Liebling auf, nimmt ihn in die Arme, eilt „davon, stürzt aber, und schlägt mit ihm gegen einen „Stein, daß ihm das Gehirn aus dem zerschmetter- „ten Schedel springt. Das andere Junge, um das „sie sich im geringsten nicht bekümmert hatte, war ihr „von selbst auf den Rücken gesprungen, hatte sich „an ihre Schultern angeklammert, und kam glück- „lich davon.“ — Hier ist alles bestimmt; und was dort nur eine Parabel war, ist hier zur Fabel ge- worden. — Das schon mehr als einmal angeführte Beyspiel von dem Fischer, hat den nehmlichen Feh- ler; denn selten hat eine schlechte Fabel einen Fehler L 2 allein. allein. Der Fall ereignet sich allezeit, so oft das Netz gezogen wird, daß die Fische welche kleiner sind, als die Gitter des Netzes, durchschlupfen und die grössern hangen bleiben. Vor sich selbst ist dieser Fall also kein indwidueller Fall, sondern hätte es durch andere mit ihm verbundene Nebenumstände erst werden müssen. Die Sache hat also ihre Richtigkeit: der beson- dere Fall, aus welchem die Fabel bestehet, muß als wirklich vorgestellt werden; er muß das seyn, was wir in dem strengsten Verstande einen einzeln Fall nennen. Aber warum? Wie steht es um die phi- losophische Ursache? Warum begnügt sich das Exem- pel der practischen Sittenlehre, wie man die Fabel nennen kann, nicht mit der blossen Möglichkeit, mit der sich die Exempel andrer Wissenschaften begnü- gen? — Wie viel liesse sich hiervon plaudern, wenn ich bey meinen Lesern gar keine richtige psychologi- sche Begriffe voraussetzen wollte. Ich habe mich oben schon geweigert, die Lehre von der anschauen- den Erkenntniß aus unserm Weltweisen abzuschrei- ben. Und ich will auch hier nicht mehr davon bey- bringen, bringen, als unumgänglich nöthig ist, die Folge meiner Gedanken zu zeigen. Die anschauende Erkenntniß ist vor sich selbst klar. Die symbolische entlehnet ihre Klarheit von der an- schauenden. Das Allgemeine existiret nur in dem Besondern, und kann nur in dem Besondern anschauend erkannt werden. Einem allgemeinen symbolischen Schlusse folglich alle die Klarheit zu geben, deren er fähig ist, das ist, ihn so viel als möglich zu erläutern; müssen wir ihn auf das Besondere reduciren, um ihn in diesem anschauend zu erkennen. Ein Besonderes, in so fern wir das Allgemeine in ihm anschauend erkennen, heißt ein Exempel. Die allgemeinen symbolischen Schlüsse werden also durch Exempel erläutert. Alle Wissenschaften bestehen aus dergleichen symbolischen Schlüssen; alle Wissenschaften bedürfen daher der Exempel. Doch die Sittenlehre muß mehr thun, als ihre allgemeinen Schlüsse bloß erläutern; und die Klar- L 3 heit heit ist nicht der einzige Vorzug der anschauenden Erkenntniß. Weil wir durch diese einen Satz geschwinder über- sehen, und so in einer kürzern Zeit mehr Bewegungs- gründe in ihm entdecken können, als wenn er sym- bolisch ausgedrückt ist: so hat die anschauende Er- kenntniß auch einen weit grössern Einfluß in den Willen, als die symbolische. Die Grade dieses Einflusses richten sich nach den Graden ihrer Lebhaftigkeit; und die Grade ihrer Lebhaftigkeit, nach den Graden der nähern und mehrern Bestimmungen, in die das Besondere ge- setzt wird. Je näher das Besondere bestimmt wird, je mehr sich darinn unterscheiden läßt, desto grösser ist die Lebhaftigkeit der anschauenden Erkenntniß. Die Möglichkeit ist eine Art des Allgemeinen; denn alles was möglich ist, ist auf verschiedene Art möglich. Ein Besonderes also, bloß als möglich betrach- tet, ist gewissermaassen noch etwas Allgemeines und hindert, als dieses, die Lebhaftigkeit der an- schauenden Erkenntniß. Folglich Folglich muß es als wirklich betrachtet werden und die Individualität erhalten, unter der es allein wirklich seyn kann, wenn die anschauenden Erkennt- niß den höchsten Grad ihrer Lebhaftigkeit erreichen, und so mächtig, als möglich, auf den Willen wir- ken soll. Das Mehrere aber, das die Sittenlehre, ausser der Erläuterung, ihren allgemeinen Schlüssen schul- dig ist, bestehet eben in dieser ihnen zu ertheilenden Fähigkeit auf den Willen zu wirken, die sie durch die anschauende Erkenntniß in dem Wirklichen er- halten, da andere Wissenschaften, denen es um die blosse Erläuterung zu thun ist, sich mit einer gerin- gern Lebhaftigkeit der anschauenden Erkenntniß, deren das Besondere, als bloß möglich betrachtet, fähig ist, begnügen. Hier bin ich also! Die Fabel erfordert deswegen einen wirklichen Fall, weil man in einem wirklichen Falle mehr Bewegungsgründe und deutlicher unter- scheiden kann, als in einem möglichen; weil das Wirkliche eine lebhaftere Ueberzeugung mit sich füh- ret, als das bloß Mögliche. L 4 Aristo- Aristoteles scheinet diese Kraft des Wirklichen zwar gekannt zu haben; weil er sie aber aus einer unrechten Quelle herleitet, so konnte es nicht feh- len, er mußte eine falsche Anwendung davon ma- chen. Es wird nicht undienlich seyn, seine ganze Lehre von dem Exempel (περι παραδειγματος) hier zu übersehen Aristoteles Rhetor. lib. II. cap. 20. . Erst von seiner Eintheilung des Exempels: Παραδειγματων δ̛ ἐιδη δυο ἐϛιν, sagt er, ἑν μεν γαρ ἐϛι παραδειγματος ἐιδος, το λεγειν πραγ- ματα προγεγε νημενα, ἑν δε, το ἁυτα ποιειν. Τουτου δ̛ ἑν μεν παραβολη: ἑν δε λογοι: οἱον ὁι αισωπειοι και λιβυκοι. Die Eintheilung überhaupt ist richtig; von einem Commentator aber würde ich verlangen, daß er uns den Grund von der Unterabtheilung der erdichteten Exempel beybrächte, und uns lehrte, warum es deren nur zweyerley Arten gäbe, und mehrere nicht geben könne. Er würde diesen Grund, wie ich es oben gethan habe, leicht aus den Bey- spielen selbst abstrahiren können, die Aristoteles da- von giebt. Die Parabel nehmlich führt er durch ein ὡσπερ ἐι τις ein; und die Fabeln erzehlt er als etwas etwas wirklich Geschehenes. Der Commentator müßte also diese Stelle so umschreiben: Die Exem- pel werden entweder aus der Geschichte genommen, oder in Ermanglung derselben erdichtet. Bey jedem geschehenen Dinge läßt sich die innere Möglichkeit von seiner Wirklichkeit unterscheiden, obgleich nicht trennen, wenn es ein geschehenes Ding bleiben soll. Die Kraft, die es als ein Exempel haben soll, liegt also entweder in seiner blossen Möglichkeit, oder zugleich in seiner Wirklichkeit. Soll sie bloß in jener liegen, so brauchen wir, in seiner Ermanglung, auch nur ein bloß mögliches Ding zu erdichten; soll sie aber in dieser liegen, so müssen wir auch unsere Erdichtung von der Möglichkeit zur Wirklichkeit erheben. In dem er- sten Falle erdichten wir eine Parabel, und in dem andern eine Fabel. — (Was für eine weitere Ein- theilung der Fabel hieraus folge, wird sich in der dritten Abhandlung zeigen). Und so weit ist wider die Lehre des Griechen eigent- lich nichts zu erinnern. Aber nunmehr kömmt er auf den Werth dieser verschiedenen Arten von Exem- peln, und sagt: Εισι δ̛ οἱ λογοι δημηγορικοι: ϰαι L 5 ἐχουσον ἐχουσιν ἀγαϑον τουτο, ὁτι πραγματα μεν ἑυρειν ὁμοια γεγενημενα, χαλεπον, λογους δε ῥαον. Ποιησαι γαρ δει ὡσπερ και παραβολας, ἀν τις δυνηται το ὁμοιον ὁρᾳν, ὁπερ ῥαον ἐϛιν ἐκ φιλοσοφιας. Ρᾳω μεν ου᾽ν πο- ρισασϑαι τα δια των λογων: χρησιμοτερα δε προς το βουλευσασϑαι, τα δια των πραγματων: ὁμοια γαρ, ὡς ἐπι το πολυ, πα μελλοντα τοις γεγονοσι. Ich will mich itzt nur an den letzten Ausspruch dieser Stelle halten. Aristoteles sagt, die historischen Exem- peln hätten deswegen eine grössere Kraft zu überzeu- gen, als die Fabeln, weil das Vergangene gemei- niglich dem Zukünftigen ähnlich sey. Und hierinn, glaube ich, hat sich Aristoteles geirret. Von der Wirklichkeit eines Falles, den ich nicht selbt erfah- ren habe, kann ich nicht anders als aus Gründen der Wahrscheinlichkeit überzeugt werden. Ich glaube bloß deswegen, daß ein Ding geschehen, und daß es so und so geschehen ist, weil es höchst wahrschein- lich ist, und höchst unwahrscheinlich seyn würde, wenn es nicht, oder wenn es anders geschehen wäre. Da also einzig und allein die innere Wahrschein- lichkeit mich die ehemalige Wirklichkeit eines Falles glauben glauben macht, und diese innere Wahrscheinlichkeit sich eben so wohl in einem erdichteten Falle finden kann: was kann die Wirklichkeit des erstern für eine grössere Kraft auf meine Ueberzeugung haben, als die Wirklichteit des andern? Ja noch mehr. Da das historische Wahre nicht immer auch wahrschem- lich ist; da Aristoteles selbst die Sentenz des Aga- tho billiget: Ταχ̛ ἀν τις ἐικος αυτο τουτ̛ ἐιναι λεγοι: Βροτοισι πολλα τυγχανειν ου᾽κ ἐικοτα: da er hier selbst sagt, daß das Vergangene nur gemeiniglich (ἑπι το πολυ) dem Zukünftigen ähn- lich sey; der Dichter aber die freye Gewalt hat, hier- inn von der Natur abzugehen, und alles, was er für wahr ausgiebt, auch wahrscheinlich zu machen: so sollte ich meinen, wäre es wohl klar, daß den Fabeln, überhaupt zu reden, in Ansehung der Ueber- zeugungskraft, der Vorzug vor den historischen Exempel gebühre ꝛc. Und nunmehr glaube ich meine Meinung von dem Wesen der Fabel genugsam verbreitet zu haben. Ich fasse daher alles zusammen und sage: Wenn wir wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besondern Fall zurückführen, diesem be- sondern Falle die Wirklichkeit ertheilen, und eine Geschichte daraus dichten, in welcher man den allgemeinen Satz anschauend er- kennt: so heißt diese Erdichtung eine Fabel. Das ist meine Erklärung, und ich hoffe, daß man sie bey der Anwendung, eben so richtig als fruchtbar finden wird. II. Von II. Von dem Gebrauche der Thiere in der Fabel. D er größte Theil der Fabeln hat Thiere, und wohl noch geringere Geschöpfe, zu handelnden Perso- nen. — Was ist hiervon zu halten? Ist es eine wesentliche Eigenschaft der Fabel, daß die Thiere darinn zu moralischen Wesen erhoben werden? Ist es ein Handgriff, der dem Dichter die Erreichung seiner Absicht verkürzt und erleichtert? Ist es ein Ge- brauch, der eigentlich keinen ernstlichen Nutzen hat, den man aber, zu Ehren des ersten Erfinders, bey- behält, weil er wenigstens schnackisch ist — quod risum movet? Oder was ist es? Batteux hat diese Fragen entweder gar nicht vor- ausgesehen, oder er war listig genug, daß er ihnen damit zu entkommen glaubte, wenn er den Gebrauch der Thiere seiner Erklärung sogleich mit anflickte. Die Fabel, sagt er, ist die Erzehlung einer allegori- schen schen Handlung, die gemeiniglich den Thieren beygelegt wird. — Vollkommen à la Françoise! Oder, wie der Hahn über die Kohlen! — Warum, möchten wir gerne wissen, warum wird sie gemei- niglich den Thieren beygelegt? O, was ein lang- samer Deutscher nicht alles fragt! Ueberhaupt ist unter allen Kunstrichtern Breitin- ger der einzige, der diesen Punkt berührt hat. Er verdient es also um so viel mehr, daß wir ihn hören. „Weil Aesopus, sagt er, die Fabel zum Unter- „richte des gemeinen bürgerlichen Lebens angewen- „det, so waren seine Lehren meistens ganz bekannte „Sätze und Lebensregeln, und also mußte er auch „zu den allegorischen Vorstellungen derselben ganz „gewohnte Handlungen und Beyspiele aus dem ge- „meinen Leben der Menschen entlehnen: Da nun „aber die täglichen Geschäfte und Handlungen der „Menschen nichts ungemeines oder merkwürdig „reitzendes an sich haben, so mußte man nothwendig „auf ein neues Mittel bedacht seyn, auch der alle- „gorischen Erzehlung eine anzügliche Kraft und ein „reitzendes Ansehen mitzutheilen, um ihr also da- „durch „durch einen sichern Eingang in das menschliche „Herz aufzuschliessen. Nachdem man nun wahrge- „nommen, daß allein das Seltene, Neue und Wun- „derbare, eine solche erweckende und angenehm ent- „zückende Kraft auf das menschliche Gemüth mit „sich führet, so war man bedacht, die Erzehlung „durch die Neuheit und Seltsamkeit der Vorstellun- „gen wunderbar zu machen, und also dem Körper „der Fabel eine ungemeine und reizende Schönheit „beyzulegen. Die Erzehlung bestehet aus zween „wesentlichen Hauptumständen, dem Umstande der „Person, und der Sache oder Handlung; ohne „diese kann keine Erzehlung Platz haben. Also muß „das Wunderbare, welches in der Erzehlung herr- „schen soll, sich entweder auf die Handlung selbst, „oder auf die Personen, denen selbige zugeschrieben „wird, beziehen. Das Wunderbare, das in den „täglichen Geschäften und Handlungen der Men- „schen vorkömmt, bestehet vornehmlich in dem Un- „vermutheten, sowohl in Absicht auf die Vermessen- „heit im Unterfangen, als die Boßheit oder Thor- „heit im Ausführen, zuweilen auch in einem ganz „uner- „unerwarteten Ausgange einer Sache: Weil aber „dergleichen wunderbare Handlungen in dem ge- „meinen Leben der Menschen etwas ungewohntes „und seltenes sind; da hingegen die meisten gewöhn- „lichen Handlungen gar nichts ungemeines oder „merkwürdiges an sich haben; so sah man sich ge- „müssiget, damit die Erzehlung als der Körper „der Fabel, nicht verächtlich würde, derselben „durch die Veränderung und Verwandlung der „Personen, einen angenehmen Schein des Wun- „derbaren mitzutheilen. Da nun die Menschen, „bey aller ihrer Verschiedenheit, dennoch überhaupt „berrachtet in einer wesentlichen Gleichheit und Ver- „wandtschaft stehen, so besann man sich, Wesen „von einer höhern Natur, die man wirklich zu seyn „glaubte, als Götter und Genios, oder solche die „man durch die Freyheit der Dichter zu Wesen er- „schuf, als die Tugenden, die Kräfte der Seele, „das Glück, die Gelegenheit ꝛc. in die Erzehlung „einzuführen; vornehmlich aber nahm man sich die „Freyheit heraus, die Thiere, die Pflanzen, und „noch geringere Wesen, nehmlich die leblosen Ge- „schöpfe, „schöpfe, zu der höhern Natur der vernünftigen „Wesen zu erheben, indem man ihnen menschliche „Vernunft und Rede mittheilte, damit sie also fähig „würden, uns ihren Zustand und ihre Begegnisse „in einer uns vernehmlichen Sprache zu erklären, „und durch ihr Exempel von ähnlichen moralischen „Handlungen unsre Lehrer abzugeben ꝛc.“ — Breitinger also behauptet, daß die Erreichung des Wunderbaren die Ursache sey, warum man in der Fabel die Thiere, und andere niedrigere Geschö- pfe, reden und vernunftmässig handeln lasse. Und eben weil er dieses für die Ursache hält, glaubt er, daß die Fabel überhaupt, in ihrem Wesen und Ur- sprunge betrachtet, nichts anders, als ein lehrrei- ches Wunderbare sey. Diese seine zweyte Erklä- rung ist es, welche ich hier, versprochnermaassen, untersuchen muß. Es wird aber bey dieser Untersuchung vornehm- lich darauf ankommen, ob die Einführung der Thie- re in der Fabel wirklich wunderbar ist. Ist sie es, so hat Breitinger viel gewonnen; ist sie es aber M nicht, nicht, so liegt auch sein ganzes Fabelsystem, mit einmal, über dem Hauffen. Wunderbar soll diese Einführung seyn? Das Wunderbare, sagt eben dieser Kunstrichter, legt den Schein der Wahrheit und Möglichkeit ab. Die- se anscheinende Unmöglichkeit also gehöret zu dem Wesen des Wunderbaren; und wie soll ich nunmehr jenen Gebrauch der Alten, den sie selbst schon zu einer Regel gemacht hatten, damit vergleichen? Die Alten nehmlich fingen ihre Fabeln am liebsten mit dem Φασι, und dem darauf folgenden Klagefalle an. Die griechischen Rhetores nennen dieses kurz, die Fabel in dem Klagefalle (ταις ἀιτιατικαις) vor- tragen; und Theon, wenn er in seinen Vorübun- gen Nach der Ausgabe des Camerartus S. 28. hierauf kömmt, führet eine Stelle des Ari- stoteles an, wo der Philosoph diesen Gebrauch billiget, und es zwar deswegen für rathsamer er- kläret, sich bey Einführung einer Fabel lieber auf das Alterthum zu beruffen, als in der eigenen Per- son zu sprechen, damit man den Anschein, als erzehle man etwas unmögliches, vermindere. (ἱνα (ἱνα παραμυδησονται το δοκειν ἀδυνατα λεγειν). War also das der Alten ihre Denkungsart, wollten sie den Schein der Unmöglichkeit in der Fabel so viel als möglich vemindert wissen: so mußten sie noth- wendig weit davon entfernt seyn, in der Fabel etwas Wunderbares zu suchen, oder zur Absicht zu haben; denn das Wunderbare muß sich auf diesen Schein der Unmöglichkeit gründen. Weiter! Das Wunderbare, sagt Breitinger an mehr als einem Orte, sey der höchste Grad des Neuen. Diese Neuheit aber muß das Wunderbare, wenn es seine gehörige Wirkung auf uns thun soll, nicht allein bloß in Ansehung seiner selbst, sondern auch in Ansehung unsrer Vorstellungen haben. Nur das ist wunderbar, was sich sehr selten in der Rei- he der natürlichen Dinge eräugnet. Und nur das Wunderbare behält seinen Eindruck auf uns, dessen Vorstellung in der Reihe unsrer Vorstellungen eben so selten vorkömmt. Auf einen fleissigen Bibelleser wird das größte Wunder, das in der Schrift auf- gezeichnet ist, den Eindruck bey weiten nicht mehr machen, den es das erstemal auf ihn gemacht M 2 hat. hat. Er lieset es endlich mit eben so wenigem Er- staunen, daß die Sonne einmal stille gestanden, als er sie täglich auf und niedergehen sieht. Das Wun- der bleibt immer dasselbe; aber nicht unsere Ge- müthsverfassung, wenn wir es zu oft denken. — Folglich würde auch die Einführung der Thiere uns höchstens nur in den ersten Fabeln wunderbar vor- kommen; fänden wir aber, daß die Thiere fast in allen Fabeln sprächen und urtheilten, so würde diese Sonderbarkeit, so groß sie auch an und vor sich selbst wäre, doch gar bald nichts Sonderbares mehr für uns haben. Aber wozu alle diese Umschweiffe? Was sich auf einmal umreissen läßt, braucht man das erst zu er- schüttern? — Darum kurz: daß die Thiere, und andere niedrigern Geschöpfe, Sprache und Vernunft haben, wird in der Fabel vorausgesetzt; es wird angenommen; und soll nichts weniger als wunder- bar seyn. — Wenn ich in der Schrift lese: 1 B. Mos. XXII. 28. „Da „thät der Herr der Eselin den Mund auf und sie „sprach zu Bileam ꝛc.“ so lese ich etwas wunderba- res. res. Aber wenn ich bey dem Aesopus lese Fab. Aesop. 316. : Φασιν, ὁτε φωνεεντα ἠν τα ζωα, την ὀϊν προς τον δεσποτην εἰπειν: „Damals, als die Thiere noch redeten, soll „das Schaf zu seinem Hirten gesagt haben:„ so ist es ja wohl offenbar, daß mir der Fabulist nichts wunderbares erzehlen will; sondern vielmehr etwas, das zu der Zeit, die er mit Erlaubniß seines Lesers annimmt, dem gemeinen Lauffe der Natur vollkom- men gemäß war. Und das ist so begreifflich, sollte ich meinen, daß ich mich schämen muß, noch ein Wort hinzuzuthun. Ich komme vielmehr sogleich auf die wahre Ursa- che, — die ich wenigstens für die wahre halte, — warum der Fabulist die Thiere oft zu seiner Absicht bequemer findet, als die Menschen. — Ich setze sie in die allgemein bekannte Bestandtheit der Charaktere. — Gesetzt auch, es wäre noch so leicht, in der Geschichte ein Exempel zu finden, in welchem sich diese oder jene moralische Wahrheit anschauend erkennen liesse. Wird sie sich deswegen von jedem, ohne Ausnahme, darinn erkennen lassen? Auch von M 3 dem, dem, der mit den Charakteren der dabey interessir- ten Personen nicht vertraut ist? Unmöglich! Und wie viel Personen sind wohl in der Geschichte so all- gemein bekannt, daß man sie nur nennen dürfte, um sogleich bey einem jeden den Begriff von der ihnen zukommenden Denkungsart und andern Eigen- schaften zu erwecken? Die umständliche Charakteri- sirung daher zu vermeiden, bey welcher es doch noch immer zweifelhaft ist, ob sie bey allen die nehmlichen Ideen hervorbringt, war man gezwun- gen, sich lieber in die kleine Sphäre derjenigen We- sen einzuschränken, von denen man es zuverlässig weis, daß auch bey den Unwissendsten ihren Be- nennungen diese und keine andere Idee entspricht. Und weil von diesen Wesen die wenigsten, ihrer Natur nach geschickt waren, die Rollen freyer We- sen über sich zu nehmen, so erweiterte man lieber die Schranken ihrer Natur, und machte sie, unter gewissen wahrscheinlichen Voraussetzungen dazu geschickt. Man hört: Britannicus und Nero. Wie viele wissen, was sie hören? Wer war dieser. Wer jener? In In welchem Verhältnisse stehen sie gegen einan- der? — Aber man hört: der Wolf und das Lamm; sogleich weis jeder, was er höret, und weis, wie sich das eine zu dem andern verhält. Diese Wörter, welche stracks ihre gewissen Bilder in uns erwecken, befördern die anschauende Erkenntniß, die durch jene Namen, bey welchen auch die, denen sie nicht unbekannt sind, gewiß nicht alle vollkommen eben dasselbe denken, verhindert wird. Wenn daher der Fabulist keine vernünftigen Individua auftreiben kann, die sich durch ihre blosse Benennungen in un- sere Einbildungskraft schildern, so ist es ihm erlaubt, und er hat Fug und Recht, dergleichen unter den Thieren oder unter noch geringern Geschöpfen zu suchen. Man setze, in der Fabel von dem Wolfe und dem Lamme, anstatt des Wolfes den Nero, anstatt des Lammes den Britannicus und die Fabel hat auf einmal alles verloren, was sie zu einer Fabel für das ganze menschliche Geschlecht macht. Aber man setze anstatt des Lammes und des Wolfes, den Riesen und den Zwerg, und sie verlieret schon we- niger; denn auch der Riese und der Zwerg sind M 4 In- Individua, deren Charakter, ohne weitere Hinzu- thuung, ziemlich aus der Benennung erhellet. Oder man verwandle sie lieber gar in folgende menschliche Fabel: „Ein Priester kam zu dem armen Manne „des Propheten 2 B. Samuelis XII. und sagte: Bringe dein weisses „Lamm vor den Altar, denn die Götter fordern ein „Opfer. Der Arme erwiederte: mein Nachbar hat „eine zahlreiche Heerde, und ich habe nur das ein- „zige Lamm. Du hast aber den Göttern ein Ge- „lübde gethan, versetzte dieser, weil sie deine Fel- „der gesegnet. — Ich habe kein Feld; war die Ant- „wort. — Nun so war es damals, als sie deinen „Sohn von seiner Krankheit genesen liesse — O, „sagte der Arme, die Götter haben ihn selbst zum „Opfer hingenommen. Gottloser! zürnte der Prie- „ster; du lästerst! und riß das Lamm aus seinem „Schoosse ꝛc. — — Und wenn in dieser Verwand- lung die Fabel noch weniger verloren hat, so kömmt es bloß daher, weil man mit dem Worte Priester den Charakter der Habsüchtigkeit, leider, noch weit geschwinder verbindet, als den Charakter der Blut- dür- dürstigkeit mit dem Worte Riese; und durch den armen Mann des Propheten die Idee der unter- drückten Unschuld noch leichter erregt wird, als durch den Zwerg. — Der beste Abdruck dieser Fa- bel, in welchem sie ohne Zweifel am aller wenigsten verloren hat, ist die Fabel von der Ratze und dem Sahne Fab. Aesop. 6. . Doch weil man auch hier sich das Ver- hältniß der Katze gegen den Sahn nicht so geschwind denkt, als dort das Verhältniß des Wolfes zum Lamme, so sind diese noch immer die allerbequem- sten Wesen, die der Fabulist zu seiner Absicht hat wehlen können. Der Verfasser der oben angeführten Critischen Briefe ist mit Breitingern einerley Meinung, und sagt unter andern, in der erdichteten Person des Hermann Axels: Seite 166. „Die Fabel bekömmt durch „diese sonderbare Personen ein wunderliches An- „sehen. Es wäre keine ungeschickte Fabel, wenn „man dichtete: Ein Mensch sah auf einem hohen „Baume die schönsten Birnen hangen, die seine Lust „davon zu essen, mächtig reitzeten. Er bemühte M 5 „sich „sich lange, auf denselben hinauf zu klimmen, aber „es war umsonst, er mußte es endlich aufgeben. In- „dem er weggieng, sagte er: Es ist mir gesunder, „daß ich sie noch länger stehen lasse, sie sind doch „noch nicht zeitig genug. Aber dieses Geschichtchen „reitzet nicht stark genug; es ist zu platt ꝛc. — Ich gestehe es Hermann Axeln zu; das Geschichtchen ist sehr platt, und verdienet nichts weniger, als den Namen einer guten Fabel. Aber ist es bloß des- wegen so platt geworden, weil kein Thier darinn redet und handelt? Gewiß nicht; sondern es ist es da- durch geworden, weil er das Individuum, den Fuchs, mit dessen blossem Namen wir einen gewissen Cha- rakter verbinden, aus welchem sich der Grund von der ihm zugeschriebenen Handlung angeben läßt, in ein anders Individuum verwandelt hat, dessen Name keine Idee eines bestimmten Charakters in uns er- wecket. „Ein Mensch“! Das ist ein viel zu allge- meiner Begriff für die Fabel. An was für eine Art von Menschen soll ich dabey denken? Es giebt deren so viele! Aber „ein Fuchs!“ Der Fabulist weis nur von Einem Fuchse, und sobald er mir das Wort nennt, nennt, fallen auch meine Gedanken sogleich nur auf Einen Charakter. Anstatt des Menschen überhaupt hätte Hermann Axel also wenigstens einen Gas- conier setzen müssen. Und alsdenn würde er wohl gefunden haben, daß die Fabel, durch die blosse Weglassung des Thieres, so viel eben nicht verlöre, besonders wenn er in dem nehmlichen Verhältnisse anch die übrigen Umstände geändert, und den Gas- conier nach etwas mehr, als nach Birnen, lüstern gemacht hätte. Da also die allgemein bekannten und unverän- derlichen Charaktere der Thiere die eigentliche Ursache sind, warum sie der Fabulist zu moralischen Wesen erhebt, so kömmt mir es sehr sonderbar vor, wenn man es Einem zum besondern Ruhme machen will, „daß der Schwan in seinen Fabeln nicht singe, noch „der Pelican sein Blut für seine Jungen vergiesse Man sehe die critische Vorrede zu M. v. K. neuen Fabeln. . — Als ob man in den Fabelbüchern die Naturgeschichte studieren sollte! Wenn dergleichen Eigenschaften all- gemein bekannt sind, so sind sie werth gebraucht zu werden, der Naturalist mag sie bekräftigen oder nicht. Und derjenige der sie uns, es sey durch seine Exempel Exempel oder durch seine Lehre, aus den Händen spielen will, der nenne uns erst andere Individua, von denen es bekannt ist, daß ihnen die nehmlichen Eigenschaften in der That zukommen. Je tiefer wir auf der Leiter der Wesen herabstei- gen, desto seltner kommen uns dergleichen allgemein bekannte Charaktere vor. Dieses ist denn auch die Ursache, warum sich der Fabulist so selten in dem Pflanzenreiche, noch seltener in dem Steinreiche und am aller seltensten vielleicht unter den Werken der Kunst finden läßt. Denn daß es deswegen ge- schehen sollte, weil es stuffenweise immer unwahr- scheinlicher werde, daß diese geringern Werke der Natur und Kunst empfinden, denken und sprechen könnten; will mir nicht ein. Die Fabel von dem ehernen und dem irdenen Topfe ist nicht um ein Haar schlechter oder unwahrscheinlicher als die beste Fabel, z. E. von einem Affe, so nahe auch dieser dem Men- schen verwandt ist, und so unendlich weit jene von ihm abstehen. Indem ich aber die Charaktere der Thiere zur eigentlichen Ursache ihres vorzüglichen Gebrauchs in in der Fabel mache, will ich nicht sagen, daß die Thiere dem Fabulisten sonst zu weiter gar nichts nütz- ten. Ich weis es sehr wohl, daß sie unter andern in der zusammen gesetzten Fabel das Vergnügen der Vergleichung um ein grosses vermehren, welches alsdenn kaum merklich ist, wenn sowohl der wahre als der erdichtete einzelne Fall beyde aus handelnden Personen von einerley Art, aus Menschen, bestehen. Da aber dieser Nutzen, wie gesagt, nur in der zu- sammen gesetzten Fabel Statt findet, so kann er die Ursache nicht seyn, warum die Thiere auch in der einfachen Fabel, und also in der Fabel über- haupt, dem Dichter sich gemeiniglich mehr empfeh- len, als die Menschen. Ja, ich will es wagen den Thieren, und andern geringern Geschöpfen in der Fabel noch einen Nu- tzen zuzuschreiben, auf welchen ich vielleicht durch Schlüsse nie gekommen wäre, wenn mich nicht mein Gefühl darauf gebracht hätte. Die Fabel hat unsere klare und lebendige Erkenntniß eines moralischen Satzes zur Absicht. Nichts verdunkelt unsere Er- kenntniß mehr als die Leidenschaften. Folglich muß der der Fabulist die Erregung der Leidenschaften so viel als möglich vermeiden. Wie kann er aber anders, z. E. die Erregung des Mitleids vermeiden, als wenn er die Gegenstände desselben unvollkommener macht, und anstatt der Menschen Thiere, oder noch geringere Geschöpfe annimmt? Man erinnere sich noch einmal der Fabel von dem Wolfe und Lam- me, wie sie oben in die Fabel von dem Priester und dem armen Manne des Propheten verwandelt worden. Wir haben Mitleiden mit dem Lamme; aber dieses Mitleiden ist so schwach, daß es unserer anschauenden Erkenntniß des moralischen Satzes keinen merklichen Eintrag thut. Hingegen wie ist es mit dem armen Manne? Kömmt es mir nur so vor, oder ist es wirklich wahr, daß wir mit diesem viel zu viel Mitleiden haben, und gegen den Prie- ster viel zu viel Unwillen empfinden, als daß die an- schauende Erkenntniß des moralischen Satzes hier eben so klar seyn könnte, als sie dort ist? III. Von III. Von der Eintheilung der Fabeln. D ie Fabeln sind verschiedener Eintheilungen fähig. Von einer, die sich aus der verschiednen Anwen- dung derselben ergiebt, habe ich gleich Anfangs ge- redet. Die Fabeln nehmlich werden entweder bloß auf einen allgemeinen moralischen Satz angewen- det, und heissen einfache Fabeln; oder sie werden auf einen wirklichen Fall angewendet, der mit der Fabel unter einem und eben demselben moralischen Satze enthalten ist, und heissen zusammengesetzte Fabeln. Der Nutzen dieser Eintheilung hat sich be- reits an mehr als einer Stelle gezeiget. Eine andere Eintheilung würde sich aus der ver- schiednen Beschaffenheit des moralischen Satzes her- holen lassen. Es giebt nehmlich moralische Sätze, die sich besser in einem einzeln Falle ihres Gegen- theils, als in einem einzeln Falle der unmittelbar unter unter ihnen begriffen ist, anschauend erkennen lassen. Fabeln also, welche den moralischen Satz in einem einzeln Falle des Gegentheils zur Intuition bringen, würde man vielleicht indir ecte Fabeln, so wie die andern directe Fabeln nennen können. Doch von diesen Eintheilungen ist hier nicht die Frage; nach vielweniger von jener unphilosophischen Eintheilung noch den verschiedenen Erfindern oder Dichtern, die sich einen vorzüglichen Namen damit gemacht haben. Es hat den Kunstrichtern gefallen, ihre gewöhnliche Eintheilung der Fabel von einer Verschiedenheit herzunehmen, die mehr in die Augen fällt; von der Verschiedenheit nehmlich der darinn handelnden Personen. Und diese Eintheilung ist es, die ich hier näher betrachten will. Aphthonius ist ohne Zweifel der älteste Seribent, der ihrer erwähnet. Του δε μυϑου, sagt er in seinen Vorübungen, το μεν ἐϛἰ ??λοιϰον, το δε ??ἠϑιϰον το δε ??μιϰτον. Και ??λογιϰον μεν ἐν ᾡτι ποιων ἀν- ϑρωπος πεπλαϛαι: ??ἠϑιϰον δε το τωο ἀλογων ἠϑος ἀπομιμουμενον: μικτον δε το ἐξ ἀμφοτερων ἀλογου και και λογικου. Es giebt drey Gattungen von Fabeln; die vernünftige, in welcher der Mensch die han- delnde Person ist; die sittliche, in welcher unver- nünftige Wesen aufgeführet werden; die ver- mischte, in welcher so wohl unvernünftige als vernünftige Wesen vorkommen. — Der Hauptfeh- ler dieser Eintheilung, welcher sogleich einem jeden in die Augen leuchtet, ist der, daß sie das nicht er- schöpft, was sie erschöpfen sollte. Denn wo bleiben diejenigen Fabeln, die aus Gottheiten und allego- rischen Personen bestehen? Aphthonius hat die vernünftige Gattung ausdrücklich auf den einzigen Menschen eingeschränkt. Doch wenn diesem Fehler auch abzuhelfen wäre; was kann dem ohngeachtet roher und mehr von der obersten Fläche abgeschöpft seyn, als diese Eintheilung? Oefnet sie uns nur auch die geringste freyere Einsicht in das Wesen der Fabel? Batteux würde daher ohne Zweifel eben so wohl gethan haben, wenn er von der Eintheilung der Fabel gar geschwiegen hätte, als daß er uns mit jener kahlen aphthonianischen abspeisen will. Aber N was was wird man vollends von ihm sagen, wenn ich zeige, daß er sich hier auf einer kleinen Tücke tref- fen läßt? Kurz zuvor sagt er unter andern von den Personen der Fabel: „Man hat hier nicht allein den „Wolf und das Lamm, die Eiche und das Schilf, „sondern auch den eisernen und den irdenen Topf „ihre Rollen spielen sehen. Nur der Herr Ver- „stand und das Fräulein Einbildungskraft, und „alles, was ihnen ähnlich siehet, sind von diesem „Theater ausgeschlossen worden; weil es ohne Zwei- „fel schwerer ist, diesen bloß geistigen Wesen einen „charaktermässigen Körper zu geben; als Körpern, „die einige Analogie mit unsern Organen haben, „Geist und Seele zu geben Nach der Ramlerschen Uebersetzung, S. 244. .“ — Merkt man wi- der wen dieses geht? Wider den de la Motte, der sich in seinen Fabeln der allegorischen Wesen sehr häuffig bedienet. Da dieses nun nicht nach dem Geschmacke unsers oft mehr eckeln als feinen Kunst- richters war, so konnte ihm die aphthonianische mangelhafte Eintheilung der Fabel nicht anders als willkommen seyn, indem es durch sie stillschweigend gleich- gleichsam zur Regel gemacht wird, daß die Gotthei- ten und allegorischen Wesen gar nicht in die Aeso- pische Fabel gehören. Und diese Regel eben möchte Batteux gar zu gern festsetzen, ob er sich gleich nicht getrauet mit ausdrücklichen Worten darauf zu drin- gen. Sein System von der Fabel kann auch nicht wohl ohne sie bestehen. „Die äsopische Fabel, sagt „er, ist eigentlich zu reden, das Schauspiel der Kin- „der; sie unterscheidet sich von den übrigen nur durch „die Geringfügigkeit und Naivität ihrer spielenden „Personen. Man sieht auf diesem Theater keinen „Cäsar, keinen Alexander: aber wohl die Fliege „und die Ameise ꝛc.“ — Freylich; diese Geringfü- gigkeit der spielenden Personen vorausgesetzt, konnte Batteux mit den höhern poetischen Wesen des de la Motte unmöglich zufrieden seyn. Er verwarf sie also, ob er schon einen guten Theil der besten Fabeln des Alterthums zugleich mit verwerfen muß- te; und zog sich, um den kritischen Anfällen des- wegen weniger ausgesetzt zu seyn, unter den Schutz der mangelhaften Eintheilung des Aphthonius. Gleich als ob Aphthonius der Mann wäre, der N 2 alle alle Gattungen von Fabeln, die in seiner Einthei- lung nicht Platz haben, eben dadurch verdammen könnte! Und diesen Mißbrauch einer erschlichenen Autorität, nenne ich eben die kleine Tücke, deren sich Batteux in Ansehung des de la Motte hier schuldig gemacht hat. Wolf Philosoph. practicæ universalis Pars post. §. 303. hat die Eintheilung des Aphthonius gleichfalls beybehalten, aber einen weit edlern Ge- brauch davon gemacht. Diese Eintheilung in ver- nünftige und sittliche Fabeln, meinet er, klinge zwar ein wenig sonderbar; denn man könnte sagen, daß eine jede Fabel sowohl eine vernünftige als eine sittliche Fabel wäre. Sittlich nehmlich sey eine jede Fabel in so fern, als sie einer sittliche Wahrheit zum Besten erfunden worden; und vernünftig in so fern, als diese sittliche Wahrheit der Vernunft gemäß ist. Doch da es einmal gewöhnlich sey, diesen Worten hier eine andere Bedeutung zu geben, so wolle er keine Neuerung machen. Aphthonius habe übrigens bey seiner Eintheilung die Absicht gehabt, die Verschiedenheit der Fabeln ganz zu erschöpfen, und mehr nach dieser Absicht, als nach den Worten, deren deren er sich dabey bedient habe, müsse sie beurthei- let werden. Absit enim, sagt er — und o, wenn alle Liebhaber der Wahrheit so billig dächten! — absit, ut negemus accurate cogitasse, qui non satis accurate loquuntur. Puerile est, erroris redarguere eum, qui ab errore immunem possedit animum, propte- rea quod parum apta succurrerint verba, quibus men- tem suam exprimere poterat. Er behält daher die Benennungen der aphthonianischen Eintheilung bey, und weis die Wahrheit, die er nicht darinn gefunden, so scharfsinnig hinein zu legen, daß sie das vollkom- mene Ansehen einer richtigen philosophischen Ein- theilung bekömmt. „Wenn wir Begebenheiten er- „dichten, sagt er, so legen wir entweder den Sub- „jecten solche Handlungen und Leidenschaften, über- „haupt solche Prädicate bey, als ihnen zukommen; „oder wir legen thnen solche bey, die ihnen nicht zu- „kommen. In dem ersten Fallen heissen es vernünf- „tige Fabeln; in dem andern sittliche Fabeln; und „ vermischte Fabeln heissen es, wenn sie etwas so „wohl von der Eigenschaft der sittlichen als vernünf- „tigen Fabel haben.“ N 3 Nach Nach dieser Wolfischen Verbesserung also, beruhet die Verschiedenheit der Fabel nicht mehr, auf der blossen Verschiedenheit der Subjecte, sondern auf der Verschiedenheit der Prädicate, die von diesen Subjecten gesagt werden. Ihr zu Folge kann eine Fabel Menschen zu handelnden Personen haben, und dennoch keine vernünftige Fabel seyn; so wie sie eben nicht nothwendig eine sittliche Fabel seyn muß, weil Thiere in ihr aufgeführet werden. Die oben angeführte Fabel von den zwey kämpfenden Hähnen, würde nach den Worten des Aphtho- nius eine sittliche Fabel seyn, weil sie die Eigen- schaften und das Betragen gewisser Thiere nachah- met; wie hingegen Wolf den Sinn des Aphtho- nius genauer bestimmt hat, ist sie eine vernünf- tige Fabel, weil nicht das geringste von den Häh- nen darinn gesagt wird, was ihnen nicht eigentlich zukäme. So ist es mit mehrern: Z. E. der Vo- gelsteller und die Schlange Fab. Aesop. 32. ; der Hund und der Koch Fab. Aesop. 34. ; der Hund und der Gärtner Fab. Aesop. 67. ; der Schä- fer fer und der Wolf Fab. Aesop. 71. : lauter Fabeln, die nach der gemeinen Eintheilung unter die sittlichen und ver- mischten, nach der verbesserten aber unter die ver- nünftigen gehören. Und nun? Werde ich es bey dieser Eintheilung unsers Weltweisen können bewenden lassen? Ich weis nicht. Wider ihre logicalische Richtigkeit habe ich nichts zu erinnern; sie erschöpft alles, was sie erschöpfen soll. Aber man kann ein guter Dia- lektiker seyn, ohne ein Mann von Geschmack zu seyn; und das letzte war Wolf, leider, wohl nicht. Wie, wenn es auch ihm hier so gegangen wäre, als er es von dem Aphthonius vermuthet, daß er zwar richtig gedacht, aber sich nicht so vollkommen gut aus- gedruckt hätte, als es besonders die Kunstrichter wohl verlangen dürften? Er redet von Fabeln, in wel- chen den Subjecten Leidenschaften und Handlungen, überhaupt Prädicate, beygelegt werden, deren sie nicht fähig sind, die ihnen nicht zukommen. Die- ses nicht zu kommen, kann einen übeln Verstand machen. Der Dichter, kann man daraus schlies- N 4 sen, sen, ist also nicht gehalten, auf die Naturn der Ge- schöpfe zu sehen, die er in seinen Fabeln auffuhret? Er kann das Schaf verwegen, den Wolf sanftmü- thig, den Esel feurig vorstellen; er kann die Tau- ben als Falken brauchen und die Hunde von der Hasen jagen lassen. Alles dieses kömmt ihnen nicht zu; aber der Dichter macht eine sittliche Fabel, und er darf es ihnen beylegen. — Wie nöthig ist es dieser gefährlichen Auslegung, diesen mit einer Ueber- schwemmung der abgeschmacktesten Mährchen dro- henden Folgerungen, vorzubauen! Man erlaube mir also, mich auf meinen eigenen Weg wieder zurückzuwenden. Ich will den Welt- weisen so wenig als möglich aus dem Gesichte ver- lieren; und vielleicht kommen wir, am Ende der Bahn, zusammen. — Ich habe gesagt, und glaube es erwiesen zu haben, daß auf der Erhebung des einzeln Falles zur Wirklichkeit, der wesentliche Un- terschied der Parabel, oder des Exempels über- haupt, und der Fabel beruhet. Diese Wirklich- keit ist der Fabel so unentbehrlich, daß sie sich eher von ihrer Möglichkeit, als von jener etwas abbre- chen chen läßt. Es streitet minder mit ihrem Wesen, daß ihr einzelner Fall nicht schlechterdings möglich ist, daß er nur nach gewissen Voraussetzungen, unter ge- wissen Bedingungen möglich ist, als daß er nicht als wirklich vorgestellt werde. In Ansehung dieser Wirklichkeit folglich, ist die Fabel keiner Verschieden- heit fähig; wohl aber in Ansehung ihrer Möglich- keit, welche sie veränderlich zu seyn erlaubt. Nun ist, wie gesagt, diese Möglichkeit entweder eine un- bedingte oder bedingte Möglichkeit; der einzelne Fall der Fabel ist entweder schlechterdings möglich, oder er ist es nur nach gewissen Voraussetzungen, unter gewissen Bedingungen. Die Fabeln also, deren einzelner Fall schlechterdings möglich ist, will ich (um gleichfalls bey den alten Benennungen zu blei- ben) vernünftige Fabeln nennen; Fabeln hingegen, wo er es nur nach gewissen Voraussetzungen ist, mögen sittliche heissen. Die vernünftigen Fa- beln leiden keine fernere Unterabtheilung; die sittli- chen aber leiden sie. Denn die Voraussetzungen betreffen entweder die Subjecte der Fabel, oder die Prädicate dieser Subjecte: der Fall der Fabel ist N 5 ent- entweder möglich, vorausgesetzt, daß diese und jene Wesen existiren; oder er ist es, vorausgesetzt, daß diese und jene wirklich existirende Wesen (nicht an- dere Eigenschaften, als ihnen zukommen; denn sonst würden sie zu andere Wesen werden, sondern) die ihnen wirklich zukommenden Eigenschaften in einem höhern Grade, in einem weitern Umfange be- sitzen. Jene Fabeln, worinn die Subjecte voraus- gesetzt werden, wollte ich mythische Fabeln nen- nen; und diese, worinn nur erhöhtere Eigenschaf- ten wirklicher Subjecte angenommen werden, wür- de ich, wenn ich das Wort anders wagen darf, hyperphysische Fabeln nennen. — Ich will diese meine Eintheilung noch durch einige Beyspiele erläutern. Die Fabel, der Blinde und der Lahme; die zwey kämpfenden Hähne; der Vo- gelsteller und die Schlange; der Hund und der Gärtner, sind lauter vernünftige Fabeln, ob schon bald lauter Thiere, bald Menschen und Thiere darinn vorkommen; denn der darinn enthaltene Fall ist schlechterdings möglich, oder mit Wolfen zu reden, es wird den Subjecten nichts darinn bey- gelegt, gelegt, was ihnen nicht zukomme. — Die Fabeln, Apollo und Jupiter Fab. Aesop. 287. ; Herkules und Plutus Phædrus libr. IV. Fab. 11. ; die verschiedene Bäume in ihren besondern Schutz nehmende Götter Phædrus libr. III. Fab. 15. ; kurz alle Fabeln, die aus Gott- heiten, aus allegorischen Personen, aus Geistern und Gespenstern, aus andern erdichteten Wesen, dem Phoenix z. E. bestehen, sind sittliche Fabeln, und zwar mythisch sittliche; denn es wird darinn vorausgesetzt, daß alle diese Wesen existiren oder existi- ret haben, und der Fall, den sie enthalten ist nur unter dieser Voraussetzung möglich. — Der Wolf und das Lamm Phædrus libr. I. Fab. 1. ; der Fuchs und der Storch Phædrus lib. I. Fab. 25. ; die Natter und die Feile Phædrus libr. IV. Fab. 7. ; die Bäume und der Dornstrauch Fabul. Aesop. 313. ; der Oelbaum und das Rohr ꝛc. Fabul. Aesop. 143. sind gleichfalls sittliche, aber hyperphysisch sitt- liche Fabeln; denn die Natur dieser wirklichen We- sen sen wird erhöhet, die Schranken ihrer Fähigkeiten werden erweitert. Eines muß ich hierbey erinnern! Man bilde sich nicht ein, daß diese Gattung von Fabeln sich bloß auf die Thiere, und anderer geringere Geschöpfe einschränke: der Dichter kann auch die Natur des Menschen erhöhen, und die Schran- ken seiner Fähigkeiten erweitern. Eine Fabel z. E. von einem Propheten würde eine hyperphysisch sittliche Fabel seyn; denn die Gabe zu prophezeyen, kann dem Menschen bloß nach einer erhöhtern Na- tur zukommen. Oder wenn man die Erzehlung von den himmelstürmenden Riesen, als eine aesopische Fabel behandeln und sie dahin verändern wollte, daß ihr unsinniger Bau von Bergen auf Bergen, endlich von selbst zusammen stürzte und sie unter den Rui- nen begrübe: so würde keine andere als eine hyper- physisch sittliche Fabel daraus werden können. Aus den zwey Hauptgattungen, der vernünfti- gen und sittlichen Fabel, entstehet auch bey mir eine vermischte Gattung, wo nehmlich der Fall zum Theil schlechterdings, zum Theil nur unter ge- wissen Voraussetzungen möglich ist. Und zwar kön- nen nen dieser vermischten Fabeln dreyerley seyn; die vernünftig mythische Fabel, als Herkuies und der Kärner Fabul. Aesop. 336. , der arme Mann und der Tod Fabul. Aesop. 20. ; die vernünftig hyperphysische Fabel, als der Holz- schläger und der Fuchs Fabul. Aesop. 127. , der Jäger und der Lö- we Fabul. Aesop. 280. ; und endlich die hyperphysisch mythische Fabel, als Jupiter und das Kameel Fabul. Aesop. 197. , Jupiter und die Schlange ꝛc. Fabul. Aesop. 189. . Und diese Eintheilung erschöpft die Mannigfal- tigkeit der Fabeln ganz gewiß, ja man wird, hoffe ich, keine anführen können, deren Stelle, ihr zu Folge, zweifelhaft bleibe, welches bey allen andern Eintheilungen geschehen muß, die sich bloß auf die Verschiedenheit der handelnden Personen beziehen. Die Breitingersche Eintheilung ist davon nicht aus- geschlossen, ob Er schon dabey die Grade des Wun- derbaren zum Grunde gelegt hat. Denn da bey ihm die Grade des Wunderbaren, wie wir gesehen haben, haben, größten Theils, auf die Beschaffenheit der handelnden Personen ankommen, so klingen seine Worte nur gründlicher, und er ist in der That in die Sache nichts tiefer eingedrungen. „Das Wun- „derbare der Fabel, sagt er, hat seine verschiedene „Grade — Der niedrigste Grad des Wunderbaren „findet sich in derjenigen Gattung der Fabeln, in „welchen ordentliche Menschen aufgeführet werden — „Weil in denselben das Wahrscheinliche über das „Wunderbare weit die Oberhand hat, so können „sie mit Fug wahrscheinliche, oder in Absicht auf „die Personen menschliche Fabeln benennet werden. „Ein mehrerer Grad des Wunderbaren äussert sich „in derjenigen Classe der Fabeln, in welchen ganz „andere als menschliche Personen aufgeführet wer- „den. — Diese sind entweder von einer vortreflichern „und höhern Natur, als die menschliche ist, z. E. „die heidnischen Gottheiten; — oder sie sind in „Ausehung ihres Ursprungs und ihrer natürlichen „Geschicklichkeit von einem geringern Rang als die „Menschen, als z. E. die Thiere, Pflanzen ꝛc. — „Weil in diesen Fabeln das Wunderbare über das „Wahr- „Wahrscheinliche nach verschiedenen Graden herr- „schet, werden sie deswegen nicht unsüglich wun- „derbare, und in Absicht auf die Personen entwe- „der göttliche oder thierische Fabeln genennt — Und die Fabel von den zwey Töpfen; die Fabel von den Bäumen und dem Dornstrauche? Sollen die auch thierische Fabeln heissen? Oder sollen sie, und ihres gleichen, eigne Benennungen erhalten? Wie sehr wird diese Namenrolle anwachsen, besonders wenn man auch alle Arten der vermischten Gattung benennen sollte! Aber ein Exempel zu geben, daß man, nach dieser Breitingerschen Eintheilung, oft zweifelhaft seyn kann, zu welcher Classe man diese oder jene Fabel rechnen soll, so betrachte man die schon angeführte Fabel, von dem Gärtner und seinem Hunde, oder die noch bekanntere, von dem Ackers- manne und der Schlange; aber nicht so wie sie Phädrus erzehlet, sondern wie sie unter den grie- chischen Fabeln vorkömmt. Beyde haben einen so geringen Grad des Wunderbaren, daß man sie noth- wendig zu den wahrscheinlichen, das ist mensch- lichen Fabeln, rechnen müßte. In beyden aber kommen kommen auch Thiere vor; und in Betrachtung dieser würden sie zu den vermischten Fabeln gehören, in welchen das Wunderbare weit mehr über das Wahrscheinliche herrscht, als in jenen. Folglich würde man erst ausmachen müssen, ob die Schlan- ge und der Hund hier als handelnde Personen der Fabel anzusehen wären oder nicht, ehe man der Fabel selbst ihre Classe anweisen könnte. Ich will mich bey diesen Kleinigkeiten nicht län- ger aufhalten, sondern mit einer Anmerkung schlies- sen, die sich überhaupt auf die hyperphysischen Fabeln beziehet, und ich, zur richtigern Beurthei- lung einiger von meinen eigenen Versuchen, nicht gern anzubringen vergessen möchte. — Es ist bey dieser Gattung von Fabeln die Frage, wie weit der Fabulist die Natur der Thiere und andrer nie- drigern Geschöpfe erhöhen, und wie nahe er sie der menschlichen Natur bringen dürffe? Ich ant- worte kurz: so weit, und so nahe er immer will. Nur mit der einzigen Bedingung, daß aus allen, was er sie denken, reden, und handeln läßt, der Charakter hervorscheine, um dessen willen er sie sei- ner ner Absicht bequemer fand, als alle andere Indi- vidua. Ist dieses; denken, reden und thun sie durchaus nichts, was ein ander Individuum von einem andern, oder gar ohne Charakter, eben so gut denken, reden und thun könnte: so wird uns ihr Betragen im geringsten nicht befreinden, wenn es auch noch so viel Witz, Scharfsinnigkeit und Ver- nunft voraussetzt. Und wie könnte es auch? Ha- ben wir ihnen einmal Freyheit und Sprache zuge- standen, so müssen wir ihnen zugleich alle Modifi- cationen des Willens und alle Erkenntnisse zugeste- hen, die aus jenen Eigenschaften folgen können, auf welchen unser Vorzug vor ihnen einzig und allein beruhet. Nur ihren Charakter, wie gesagt, müs- sen wir durch die ganze Fabel finden; und finden wir diesen, so erfolgt die Illusion, daß es wirkliche Thiere sind, ob wir sie gleich reden hören, und ob sie gleich noch so feine Anmerkungen, noch so scharf- sinnige Schlüsse machen. Es ist unbeschreiblich, wie viel Sophismata non causæ ut causæ die Kunstrichter in dieser Materie gemacht haben. Unter andern der Verfasser der Critischen Briefe, wenn er O von von seinem Hermann Axel sagt: „Daher schreibt „er auch den unvernünftigen Thieren, die er auf- „führt, niemals eine Reihe von Anschlägen zu, die „in einem System, in einer Verknüpfung stehen, „und zu einem Endzwecke von weiten her angeord- „net sind. Denn dazu gehöret eine Stärke der Ver- „nunft, welche über den Instinkt ist. Ihr Instinkt „giebt nur flüchtige und dunkle Strahlen einer Ver- „nunft von sich, die sich nicht lange empor halten „kann. Aus dieser Ursache werden diese Fabeln mit „Thierpersonen ganz kurz, und bestehen nur aus „einem sehr einfachen Anschlage, oder Anliegen. „Sie reichen nicht zu, einen menschlichen Charakter „in mehr als einem Lichte vorzustellen; ja der Fabu- „list muß zufrieden seyn, wenn er nur einen Zug „eines Charakters vorstellen kann. Es ist eine aus- „schweiffende Idee des Pater Bossne, daß die „aesopische Fabel sich in dieselbe Länge, wie die epi- „sche Fabel ausdehnen lasse. Denn das kann nicht „geschehen, es sey denn daß man die Thiere nichts „von den Thieren behalten lasse, sondern sie in Men- „schen verwandle, welches nur in possirlichen Ge- „dichten „dichten angehet, wo man die Thiere mit gewissem „Vorsatz in Masken aufführet, und die Verrich- „tungen der Menschen nachäffen läßt. ꝛc.“ — Wie sonderbar ist hier das aus dem Wesen der Thiere hergeleitet, was der Kunstrichter aus dem Wesen der anschauenden Erkenntniß, und aus der Einheit des moralischen Lehrsatzes in der Fabel, hätte her- leiten sollen! Ich gebe es zu, daß der Einfall des Pater Bossue nichts taugt. Die aesopische Fabel, in die Länge einer epischen Fabel ausgedehnet, hö- ret auf eine aesopische Fabel zu seyn; aber nicht des- wegen, weil man den Thieren, nachdem man ihnen Freyheit und Sprache ertheilt hat, nicht auch eine Folge von Gedanken, dergleichen die Folge von Handlungen in der Epopee erfordern würde, erthei- len dürfte; nicht deswegen, weil die Thiere alsdenn zu viel menschliches haben würden: sondern deswe- gen, weil die Einheit des moralischen Lehrsatzes ver- lohren gehen würde; weil man diesen Lehrsatz in der Fabel, deren Theile so gewaltsam auseinander gedehnet und mit fremden Theilen vermischt wor- den, nicht länger auschauend erkennen würde. Denn O 2 die die anschauende Erkenntniß erfordert unumgänglich, daß wir den einzeln Fall auf einmal übersehen kön- nen; können wir es nicht, weil er entweder allzu- viel Theile hat, oder seine Theile allzuweit ausein- ander liegen, so kann auch die Intuition des All- gemeinen nicht erfolgen. Und nur dieses, wenn ich nicht sehr irre, ist der wahre Grund, warum man es dem dramatischen Dichter, noch williger aber dem Epopeendichter, erlassen hat, in ihre Wer- ke eine einzige Hauptlehre zu legen. Denn was hilft es, wenn sie auch eine hineinlegen? Wir kön- nen sie doch nicht darinn erkennen, weil ihre Werke viel zu weitläuftig sind, als daß wir sie auf einmal zu übersehen vermöchten. In dem Squelette der- selben müßte sie sich wohl endlich zeigen; aber das Squelett gehöret für den kalten Kunstrichter, und wenn dieser einmal glaubt, daß eine solche Haupt- lehre darinn liegen müsse, so wird er sie gewiß her- ausgrübeln, wenn sie der Dichter auch gleich nicht hinein gelegt hat. Daß übrigens das eingeschränkte Wesen der Thiere von dieser nicht zu erlaubenden Ausdehnung der aesopischen Fabel, die wahre Ur- sach sach nicht sey, hätte der kritische Briefsteller gleich daher abnehmen können, weil nicht bloß die thieri- sche Fabel, sondern auch jede andere aesopische Fabel, wenn sie schon aus vernünftigen Wesen bestehet, der- selben unfähig ist. Die Fabel von dem Lahmen und Blinden, oder von dem armen Manne und dem Tode, läßt sich eben so wenig zur Länge des epischen Ge- dichts erstrecken, als die Fabel von dem Lamme und dem Wolfe, oder von dem Fuchse und dem Raben. Kann es also an der Natur der Thiere liegen? Und wenn man mit Beyspielen streiten wollte, wie viel sehr gute Fabeln liessen sich ihm nicht entgegen setzen, in welchen den Thieren weit mehr, als flüch- tige und dunkle Strahlen einer Vernunft bey- gelegt wird, und man sie ihre Anschläge ziemlich von weiten her zu einem Endzwecke anwenden siehet. Z. E. der Adler und der Käfer Fab. Aesop. 2. ; der Adler, die Katze und das Schwein ꝛc. Phædrus libr. II. Fab. 4. . Unterdessen, dachte ich einsmals bey mir selbst, wenn man dem ohngeachtet eine aesopische Fabel von einer ungewöhnlichen Länge machen wollte, wie O 3 müßte müßte man es anfangen, daß die itztberührten Un- bequemlichkeiten dieser Länge wegfielen? Wie müßte unser Reinicke Fuchs aussehen, wenn ihm der Name eines aesopischen Heldengedichts zukommen sollte? Mein Einfall war dieser: Vors erste müßte nur ein einziger moralischer Satz in dem Ganzen zum Grunde liegen; vors zweyte müßten die vie- len und mannigfaltigen Theile dieses Ganzen, unter gewisse Haupttheile gebracht werden, damit man sie wenigstens in diesen Haupttheilen auf einmal über- sehen könnte; vors dritte müßte jeder dieser Haupt- theile ein besonders Ganze, eine für sich bestehende Fabel seyn können, damit das grosse Ganze aus gleichartigen Theilen bestünde. Es müßte, um alles zusammenzunehmen, der allgemeine moralische Satz in seine einzelne Begriffe aufgelöset werden; jeder von diesen einzelnen Begriffen müßte in einer beson- dern Fabel zur Intuition gebracht werden, und alle diese besondern Fabeln müßten zusammen nur eine einzige Fabel ausmachen. Wie wenig hat der Rei- nicke Fuchs von diesen Requisitis! Am besten also, ich mache selbst die Probe, ob sich mein Einfall auch wirklich wirklich ausführen läßt. — Und nun urtheile man, wie diese Probe ausgefallen ist! Es ist die sechzehnte Fabel meines dritten Buchs, und heißt die Ge- schichte des alten Wolfs, in sieben Fabeln. Die Lehre welche in allen sieben Fabeln zusammen- genommen liegt, ist diese: „Man muß einen alten „Bösewicht nicht auf das äusserste bringen, und ihm „alle Mittel zur Besserung, so spät und erzwungen „sie auch seyn mag, benehmen. Dieses Aeusserste, diese Benehmung aller Mittel zerstückte ich; machte verschiedene mißlungene Versuche des Wolfs daraus, des gefährlichen Raubens künftig müssig gehen zu können; und bearbeitete jeden dieser Versuche als eine besondere Fabel, die ihre eigene und mit der Hauptmoral in keiner Verbindung stehende Lehre hat. — Was ich hier bis auf sieben, und mit dem Rangstreite der Thiere auf vier Fabeln, gebracht habe, wird ein andrer mit einer andern noch frucht- barern Moral leicht auf mehrere bringen können. Ich begnüge mich, die Möglichkeit gezeigt zu haben. O 4 IV. Von IV. Von dem Vortrage der Fabeln. W ie soll die Fabel vorgetragen werden? Ist hier- inn Aesopus, oder ist Phädrus, oder ist la Fon- taine das wahre Muster? Es ist nicht ausgemacht, ob Aesopus seine Fa- beln selbst aufgeschrieben, und in ein Buch zusam- men getragen hat. Aber das ist so gut als aus- gemacht, daß, wenn er es auch gethan hat, doch keine einzige davon durchaus mit seinen eigenen Wor- ten auf uns gekommen ist. Ich verstehe also hier die allerschönsten Fabeln in den verschiedenen grie- chischen Sammlungen, welchen man seinen Namen vorgesetzt hat. Nach diesen zu urtheilen, war sein Vortrag von der äussersten Präcision; er hielt sich nirgends bey Beschreibungen auf; er kam sogleich zur Sache und eilte mit jedem Worte näher zum Ende; er kannte kein Mittel zwischen dem Noth- wendigen wendigen und Unnüzen. So charakterisirt ihn de la Motte; und richtig. Diese Präcision und Kürze, worinn er ein so grosses Muster war, fan- den die Alten der Natur der Fabel auch so angemes- sen, daß sie eine allgemeine Regel daraus machten. Theon unter andern dringet mit den ausdrück- lichsten Worten darauf. Auch Phädrus, der sich vornahm die Erfindun- gen des Aesopus in Versen auszubilden, hat offen- bar den festen Vorsatz gehabt, sich an diese Regel zu halten; und wo er davon abgekommen ist, schei- net ihn das Sylbenmaaß und der poetischere Styl, in welchen uns auch das allersimpelste Sylbenmaaß wie unvermeidlich verstrickt, gleichsam wider seinen Willen davon abgebracht zu haben. Aber la Fontaine? Dieses sonderbare Genie! La Fontaine! Nein wider ihn selbst habe ich nichts; aber wider seine Nachahmer; wider seine blinden Verehrer! La Fontaine kannte die Alten zu gut, als daß er nicht hätte wissen sollen, was ihre Muster und die Natur zu einer vollkommenen Fabel erfor- derten. Er wußte es, daß die Kürze die Seele der O 5 Fabel Fabel sey; er gestand es zu, daß es ihr vornehmster Schmuck sey, ganz und gar keinen Schmuck zu ha- ben. Er bekannte In der Vorrede zu seinen Fabeln. mit der liebenswürdigsten Auf- richtigkeit, „daß man die zierliche Präcision und „die ausserordentliche Kürze, durch die sich Phä- „drus so sehr empfehle, in seinen Fabeln nicht finden „werde. Es wären dieses Eigenschaften, die zu „erreichen, ihn seine Sprache zum Theil verhindert „hätte; und bloß deswegen, weil er den Phädrus „darinn nicht nachahmen können, habe er geglaubt, „ qu’il falloit en recompense egayer l’ouvrage plus qu’il „n’a fait. Alle die Lustigkeit, sagt er, durch die ich meine Fabeln aufgestützt habe, soll weiter nichts als eine etwanige Schadloshaltung für wesentlichere Schönheiten seyn, die ich ihnen zu ertheilen zu un- vermögend gewesen bin. — Welch Bekenntniß! In meinen Augen macht ihm dieses Bekenntniß mehr Ehre, als ihm alle seine Fabeln machen! Aber wie wunderbar ward es von dem französischen Publico aufgenommen! Es glaubte, la Fontaine wolle ein blosses Compliment machen, und hielt die Schad- löshal- loshaltung unendlich höher, als das, wofür sie ge- leistet war. Kaum konnte es auch anders seyn; denn die Schadloshaltung hatte allzuviel reitzendes für Franzosen, bey welchen nichts über die Lustig- keit gehet. Ein witziger Kopf unter ihnen, der her- nach das Unglück hatte, hundert Jahr witzig zu blei- ben Fontenelle. , meinte so gar, la Fontaine habe sich aus blosser Albernheit (par betise) den Phädrus nach- gesetzt; und de la Motte schrie über diesen Einfall: mot plaisant, mais solide! Unter dessen, da la Fontaine seine lustige Schwaz- haftigkeit, durch ein so grosses Muster, als ihm Phädrus schien, verdammt glaubte, wollte er doch nicht ganz ohne Bedeckung von Seiten des Alter- thums bleiben. Er setzte also hinzu: „Und meinen „Fabeln diese Lustigkeit zu ertheilen, habe ich um so „viel eher wagen dürffen, da Quintilian lehret, „man könne die Erzehlungen nicht lustig genug ma- „chen (egayer). Ich brauche keine Ursache hiervon „anzugeben; genug, daß es Quintilian sagt. — Ich habe wider diese Autorität zweyerley zu erinnern. Es Es ist wahr Quintilian sagt: Ego vero narrationem, ut si ullam partem orationis, omni, qua potest, gra- tia \& venere exornandam puto Quinctilianus Inst. Orat. lib. IV. cap. 2. ; und dieses muß die Stelle seyn, worauf sich la Fontaine stützet. Aber ist diese Grazie, diese Venus, die er der Erzehlung so viel als möglich, obgleich nach Maaß- gebung der Sache Sed plurimum refert, quæ sit natura ejus rei, quam exponi- mus. Idem, ibidem. , zu ertheilen befiehlet, ist die- ses Lustigkeit? Ich sollte meinen, daß grade die Lustigkeit dadurch ausgeschlossen werde. Doch der Hauptpunkt ist hier dieser: Quintilian redet von der Erzehlung des Facti in einer gerichtlichen Rede, und was er von dieser sagt, ziehet la Fontaine, wider die ausdrückliche Regel der Alten, auf die Fa- bel. Er hätte diese Regel unter andern bey dem Theon finden können. Der Grieche redet von dem Vortrage der Erzehlung in der Chrie, — wie plan, wie kurz muß die Erzehlung in einer Chrie seyn! — und setzt hinzu: ἐν δε τοις μυϑοις ἀπλουϛεραν την ἐρ- μηνειαν ἐινα μ δει ϰαι προσφυη· ϰαι ὡς δυνατον, ἀϰα- τασϰευον τε ϰα μ σαφη: Die Erzehlung der Fabel soll noch noch planer seyn, sie soll zusammen gepreßt, so viel als möglich ohne alle Zierrathen und Figuren, mit der einzigen Deutlichkeit zufrieden seyn. Dem la Fontaine vergebe ich den Mißbrauch dieser Autorität des Quintilians gar gern. Man weis ja, wie die Franzosen überhaupt die Alten lesen! Lesen sie doch ihre eigene Autores mit der un- verzeihlichsten Flatterhaftigkeit. Hier ist gleich ein Exempel! De la Motte sagt von dem la Fon- taine: Tout Original qu’il est dans les manieres, il etoit Admirateur des Anciens jusqu’a la prevention, comme s’ils eussent été ses modeles. La brieveté dit-il, est l’ame de la Fable, \& il est inutile d’en apporter des raisons, c’est assez que Quintilien l’ait dit Discours sur la Fable p. 17. . Man kann nicht verstümmelter anführen, als de la Motte hier den la Fontaine anführet! la Fontaine legt es einem ganz andern Kunstrichter in den Mund, daß die Kürze die Seele der Fabel sey, oder spricht es vielmehr in seiner eigenen Person; er beruft sich nicht wegen der Kürze, sondern wegen der Munter- keit, die in den Erzehlungen herrschen solle, auf das Zeug- Zeugniß des Quintilians, und würde sich wegen jener sehr schlecht auf ihn berufen haben, weil man jenen Ausspruch nirgend bey ihm findet. Ich komme auf die Sache selbst zurück. Der allgemeine Beyfall, den la Fontaine mit seiner muntern Art zu erzehlen erhielt, machte, daß man nach und nach die aesopische Fabel von einer ganz andern Seite betrachtete, als sie die Alten betrach- tet hatten. Bey den Alten gehörte die Fabel zu dem Gebiethe der Philosophie, und aus diesem hohlten sie die Lehrer der Redekunst in das ihrige herüber. Aristoteles hat nicht in seiner Dichtkunst, sondern in seiner Rhetorik davon gehandelt; und was Aph- thonius und Theon davon sagen, das sagen sie gleichfalls in Vorübungen der Rhetorik. Auch bey den Neuern muß man das, was man von der aesopischen Fabel wissen will, durchaus in Rheto- riken suchen; bis auf die Zeiten des la Fontaine. Ihm gelang es die Fabel zu einem anmuthigen poe- tischen Spielwerke zu machen; er bezauberte; er bekam eine Menge Nachahmer, die den Namen eines Dichters nicht wohlfeiler erhalten zu können glaubten, glaubten, als durch solche in lustigen Versen ausge- dehnte und gewässerte Fabeln; die Lehrer der Dicht- kunst griffen zu; die Lehrer der Redekunst liessen den Eingriff geschehen; diese hörten auf, die Fabel als ein sicheres Mittel zur lebendigen Ueberzeugung an- zupreisen; und jene fingen dafür an, sie als ein Kinderspiel zu betrachten, das sie so viel als möglich auszuputzen, uns lehren müßten. — So stehen wir noch! — Ein Mann, der aus der Schule der Alten kömmt, wo ihm jene ἐρμηνεια ἀκατασκευος der Fa- bel so ost empfohlen worden, kann der wissen, woran er ist, wenn er z. E. bey dem Batteux ein langes Verzeichniß von Zierathen lieset, deren die Erzehlung der Fabel fähig seyn soll? Er muß voller Verwunderung fragen: so hat sich denn bey den Neuern ganz das Wesen der Dinge verändert? Denn alle diese Zierrathen streiten mit dem wirkli- chen Wesen der Fabel. Ich will es beweisen. Wenn ich mir einer moralischen Wahrheit durch die Fabel bewußt werden soll, so muß ich die Fabel auf einmal übersehen können; und um sie auf einmal über- übersehen zu können, muß sie so kurz seyn, als möglich. Alle Zierathen aber sind dieser Kürze ent- gegen; denn ohne sie würde sie noch kürzer seyn kön- nen: folglich streiten alle Zierathen, in so fern sie leere Verlängerungen sind, mit der Absicht der Fabel. Z. E. Eben mit zur Erreichung dieser Kürze, braucht die Fabel gern die allerbekanntesten Thiere; damit sie weiter nichts als ihren einzigen Namen nennen darf, um einen ganzen Charakter zu schil- dern, um Eigenschaften zu bemerken, die ihr ohne diese Namen allzuviel Worte kosten würden. Nun höre man den Batteux: „Diese Zierathen beste- „hen Erstlich in Gemählden, Beschreibungen, „Zeichnungen der Oerter, der Personen, der Stel- „lungen.“ — Das heißt: Man muß nicht schlecht- weg z. E. ein Fuchs sagen, sondern man muß fein sagen: Un vieux Renard, mais de plus fins, Grand croqueur de poulets, grand preneut de lapins, Sentant son Renard d’une lieuë \&c. Der Fabulist brauchte Fuchs, um mit einer einzi- gen Sylbe ein individuelles Bild eines witzigen Schalks zu entwerfen; und der Poet will lieber von von dieser Bequemlichkeit nichts wissen, will ihr ent- sagen, ehe man ihm die Gelegenheit nehmen soll, eine lastige Beschreibung von einem Dinge zu machen, dessen ganzer Vorzug hier eben dieser ist, daß es keine Beschreibung bedarf. Der Fabulist will in Einer Fabel nur Eine Mo- ral zur Intuition bringen. Er wird es also sorg- fältig vermeiden, die Theile derselben so einzurichten, daß sie uns Anlaß geben, irgend eine andere Wahr- heit in ihnen zu erkennen, als wir in allen Theilen zusammen genommen erkennen sollen. Vielweniger wird er eine solche fremde Wahrheit mit ausdrückli- chen Worten einfliessen lassen, damit er unsere Auf- merksamkeit nicht von seinem Zwecke abbringe, oder wenigstens schwäche, indem er sie unter mehrere all- gemeine moralische Sätze theilet. — Aber Batteux, was sagt der? „Die zweyte Zierath, sagt er, be- „stehet in den Gedanken; nehmlich in solchen Gedan- „ken, die hervorstechen, und sich von den übrigen „auf eine besondere Art unterscheiden. Nicht minder widersinnig ist seine dritte Zierath, die Allusion — Doch wer streitet denn mit mir? Batteux selbst gesteht es ja mit ausdrücklichen Wor- P ten, ten, „daß dieses nur Zierathen solcher Erzehlungen „sind, die vornehmlich zur Belustigung gemacht „werden. Und für eine solche Erzehlung hält er die Fabel? Warum bin ich so eigensinnig, sie auch nicht dafür zu halten? Warum habe ich nur ihren Nutzen im Sinne? Warum glaube ich, daß dieser Nutzen seinem Wesen nach schon anmuthig genug ist, um aller fremden Annehmlichkeiten entbehren zu kön- nen? Freylich geht es dem la Fontaine, und allen seinen Nachahmern, wie meinem Manne mit dem Bogen S. die erste Fabel des dritten Buchs. ; der Mann wollte, daß sein Bogen mehr als glatt sey; er ließ Zierathen darauf schnitzen; und der Künstler verstand sehr wohl, was für Zierathen auf einen Bogen gehörten; er schnitzte eine Jagd darauf: nun will der Mann den Bogen versuchen, und er zerbricht. Aber war das die Schuld des Künstlers? Wer hieß den Mann, so wie zuvor da- mit zu schiessen? Er hätte den geschnitzten Bogen nunmehr fein in seiner Rüstkammer aufhängen, und seine Augen daran weiden sollen! Mit einem solchen Bogen schiessen zu wollen! — Freylich würde nun auch Plato, der die Dichter alle mit samt ihrem Ho- mer, aus seiner Republick verbannte, dem Aesopus aber aber einen rühmlichen Platz darinn vergönnte, frey- lich würde auch Er nunmehr zu dem Aesopus, so wie ihn la Fontaine verkleidet hat, sagen: Freund, wir kennen einander nicht mehr! Geh auch du dei- nen Gang! Aber, was geht es uns an, was so ein alter Grillenfänger, wie Plato, sagen würde? — Vollkommen richtig! Unterdessen, da ich so sehr billig bin, hoffe ich, daß man es auch einigermaas- sen gegen mich seyn wird. Ich habe die erhabene Absicht, der Welt mit meinen Fabeln zu belustigen, leider nicht gehabt; ich hatte mein Augenmerk nur immer auf diese oder jene Sittenlehre, die ich, meistens zu meiner eigenen Erbauung, gern in besondern Fällen übersehen wollte; und zu diesem Gebrauche glaubte ich meine Erdichtungen nicht kurz, nicht trocken ge- nug aufschreiben zu können. Wenn ich aber itzt die Welt gleich nicht belustige; so könnte sie doch mit der Zeit vielleicht durch mich belustiget werden. Man erzehlt ja die neuen Fabeln des Abstemius, eben sowohl als die alten Fabeln des Aesopus in Versen; wer weis was meinen Fabeln aufbehalten ist, und ob man auch sie nicht einmal mit aller möglichen Lustigkeit erzehlet, wenn sie sich anders durch ihren P 2 innern innern Werth eine Zeitlang in dem Andenken der Welt erhalten? In dieser Betrachtung also, bitte ich voritzo mit meiner Prosa — Aber ich bilde mir ein, daß man mich meine Bitte nicht einmal aussagen läßt. Wenn ich mit der all- zumuntern, und leicht auf Umwege führenden Erzeh- lungsart des la Fontaine nicht zufrieden war, mußte ich darum auf das andere Extremum verfallen? Warum wandte ich mich nicht auf die Mittelstrasse des Phädrus, und erzehlte in der zierlichen Kürze des Römers, aber doch in Versen? Denn prosai- sche Fabeln; wer wird die lesen wollen! — Diesen Vorwurf werde ich unfehlbar zu hören bekommen. Was will ich im voraus darauf antworten? Zweyer- ley. Erstlich; was man mir am leichtesten glauben wird: ich fühlte mich zu unfähig, jene zierliche Kürze in Versen zu erreichen. La Fontaine der eben das bey sich fühlte, schob die Schuld auf seine Sprache. Ich habe von der meinigen eine zu gute Meinung, und glaube überhaupt, daß ein Genie seiner angebohrnen Sprache, sie mag seyn welche es will, eine Form ertheilen kann, welche er will. Für ein Genie sind die Sprachen alle von einer Na- tur; tur; und die Schuld ist also einzig und allein meine. Ich habe die Versification nie so in meiner Gewalt gehabt, daß ich auf keine Weise besorgen dürffen, das Sylbenmaaß und der Reim werde hier und da den Meister über mich spielen. Geschähe das, so wäre es ja um die Kürze gethan, und vielleicht noch um mehr wesentliche Eigenschaften der guten Fabel. Denn zweytens — Ich muß es nur gestehen; ich bin mit dem Phädrus nicht so recht zu frieden. De la Motte hatte ihm weiter nichts vorzuwerfen, als „daß er seine Moral oft zu Anfange der Fabeln „setze, und daß er uns manchmal eine allzu unbe- „stimmte Moral gebe, die nicht deutlich genug aus „der Allegorie entspringe. Der erste Vorwurf be- trift eine wahre Kleinigkeit; der zweyte ist unendlich wichtiger, und leider gegründet. Doch ich will nicht fremde Beschuldigungen rechtfertigen; sondern meine eigne vorbringen. Sie läuft dahin aus, daß Phä- drus so oft er sich von der Einfalt der griechischen Fabeln auch nur einen Schritt entfernt, einen plum- pen Fehler begehet. Wie viel Beweise will man? z. E. Fab. 4. Libri I. Canis per flumen, carnem dum ferret natans, Lympharum in speculo vidit simulacrum suum \&c. P 3 Es Es ist unmöglich; wenn der Hund durch den Fluß geschwommen ist, so hat er das Wasser um sich her nothwendig so gedrübt, daß er sein Bildniß unmöglich darinn sehen können. Die griechischen Fabeln sagen: Κυων κρεας ἐχουσα ποταμον διεβαινε ; das braucht weiter nichts zu heissen, als: er ging über den Fluß; auf einem niedrigen Steige, muß man sich vorstellen. Aphthonius bestimmt diesen Um- stand noch behutsamer: Κρεας ἁρπασα τις κυω π ῤ ἀυτην διηει την οχϑην; der Hund ging an dem Ufer des Flusses. Fab. 5. Lib. I. Vacca \& capella, \& patiens ovis injuriæ, Socii fuere cum leone in saltibus. Welch eine Gefellschaft! Wie war es möglich, daß sich diese viere zu einem Zwecke vereinigen konnten? Und zwar zur Jagd! Diese Ungereimtheit, haben die Kunstrichters schon öfters angemerkt; aber noch keiner hat zugleich anmerken wollen, daß sie von des Phädrus eigener Erfindung ist. Im Griechischen ist diese Fabel zwischen dem Löwen und dem wilden Esel (Οναγρος). Von dem wilden Esel ist es be- kannt, daß er ludert; und folglich konnte er an der Beute Theil nehmen. Wie elend ist ferner die Thei- lung bey dem Phädrus: Ego Ego primam tollo, nominor quia leo, Secundam, quia sum fortis, tribuetis mihi; Tum quia plus valeo, me sequetur tertia; Male afficietur, si quis quartam tetigerit. Wie vortreflich hingegen ist sie im Griechischen! Der Löwe macht so gleich drey Theile; denn von jeder Beute ward bey den Alten ein Theil für den König oder für die Schatzkammer des Staats, bey Seite ge- legt. Und dieses Theil, sagt der Löwe, gehöret mir, βασιλευς γαρ ἐιμι; das zweyte Theil gehört mir auch, ὡς ἐξ ἰσου κοινωνων, nach dem Rechte der gleichen Theilung; und das dritte Theil κακον μεγα σοι ποιησει, εἰ μη ἑϑελης φυγειν. Fab. 11. Lib. I. Venari asello comite cum vellet leo, Contexit illum frutice, \& admonuit simul, Ut insueta voce terreret feras \&c. — — — — Quæ dum paventes exitus notos petunt, Leonis affliguntur horrendo impetu. Der Löwe verbirgt den Esel in das Gesträuche; der Esel schreyet; die Thiere erschrecken in ihren Lagern, und da sie durch die bekannten Ausgänge davon fliehen wollen, fallen sie dem Löwen in die Klauen. Wie ging das zu? Konnte jedes nur durch Einen Ausgang davon kommen? Warum mußte es gleich den wählen, an welchem der Löwe lauerte? Oder konnte der Löwe überall seyn? — Wie vortreflich P 4 fallen fallen in der griechischen Fabel alle diese Schwierig- keiten weg! Der Löwe und der Esel kommen da vor eine Höhle, in der sich wilde Ziegen aufhalten. Der Löwe schickt den Esel hinein; der Esel scheucht mit seiner fürchterlichen Stimmen die wilden Ziegen heraus, und so können sie dem Löwen, der ihrer an dem Eingange wartet, nicht entgehen. Fab. 9. Libr IV. Peras imposuit Jupiter nobis duas, Propriis repletam vitiis post tergum dedit, Alienis ante pectus suspendit gravem. Jupiter hat uns diese zwey Säcke aufgelegt? Er ist also selbst Schuld, daß wir unsere eigene Fehler nicht sehen, und nur scharssichtige Tadler der Fehler unsers Nächsten sind? Wie viel fehlt dieser Unge- reimtheit zu einer förmlichen Gotteslästerung? Die bessern Griechen lassen durchgängig den Jupiter hier aus dem Spiele; sie sagen schlecht weg: Ανϑρωπος δυο πηρας ἐκαϛος φουρει; oder: δυο πηρας ἐξημμεϑα του τραχηλου u. s. w. Genug für eine Probe! Ich behalte mir vor, meine Beschuldigung an einem andern Orte um- ständlicher zu erweisen; und vielleicht durch eine eigene Ausgabe des Phädrus. V. Von V. Von einem besondern Nutzen der Fabeln in den Schulen. I ch will hier nicht von dem moralischen Nutzen der Fabeln reden; er gehöret in die allgemeine prakti- sche Philosophie: und würde ich mehr davon sagen können, als Wolf gesagt hat? Noch weniger will ich von dem geringern Nutzen itzt sprechen, den die alten Rhetores in ihren Vorübungen von den Fabeln zogen; indem sie ihren Schülern aufgaben, bald eine Fabel durch alle casus obliquos zu verändern, bald sie zu erweitern, bald sie kürzer zusammenzuziehen ꝛc. Diese Uebung kann nicht anders als zum Nachtheil der Fabel selbst vorgenommen werden; und da jede kleine Geschichte eben so geschickt dazu ist, so weis ich nicht warum man eben die Fabel dazu mißbrau- chen muß, die sich, als Fabel, ganz gewiß nur auf eine einzige Art gut erzehlen läßt. Der Nutzen, den ich itzt mehr berühren als um- ständlich erörten will, würde man den hevristi- schen Nutzen der Fabeln nennen können. — War- um fehlt es in allen Wissenschaften und Künsten so P 5 sehr sehr an Erfindern und selbstdenkenden Köpfen? Diese Frage wird am besten durch eine andre Frage be- antwortet: Warum werden wir nicht besser erzo- gen? Gott giebt uns die Seele; aber das Genie müssen wir durch die Erziehung bekommen. Ein Knabe, dessen gesammte Seelenkräfte man, so viel als möglich, beständig in einerley Verhältnissen aus- bildet und erweitert; den man angewöhnet, alles, was er täglich zu seinem kleinen Wissen hinzulernt, mit dem, was er gestern bereits wußte, in der Ge- schwindigkeit zu vergleichen, und Acht zu haben, ob er durch diese Vergleichung nicht von selbst auf Dinge kömmt, die ihm noch nicht gesagt worden; den man beständig aus einer Scienz in die andere hinüber sehen läßt; den man lehret sich eben so leicht von dem Besondern zu dem Allgemeinen zu erheben, als von dem Allgemeinen zu dem Besondern sich wieder herab zu lassen: Der Knabe wird ein Genie werden, oder man kann nichts in der Welt werden. Unter den Uebungen nun, die diesem allgemeinen Plane zu Folge angestellet werden müßten, glaube ich, würde die Erfindung aesopischer Fabeln eine von denen seyn, die dem Alter eines Schülers am aller aller angemessensten wären: nicht, daß ich damit suchte, alle Schüler zu Dichtern zu machen; sondern weil es unleugbar ist, daß das Mittel, wodurch die Fabeln erfunden worden, gleich dasjenige ist, das allen Erfindern überhaupt das allergeläufigste seyn muß. Dieses Mittel ist das Principium der Re- duction, und es ist am besten, den Philosophen selbst davon zu hören: Videmus adeo, quo artificio utantur fabularum inventores, principio nimirum re- ductionis: quod quemadmodum ad inveniendum in ge- nere utilissimum, ita ad fabulus inveniendas absolute necessarium est. Quoniam in arte inveniendi princi- pium reductionis amplissimum sibi locum vindicat, absque hoc principio autem nulla effingitur fabula; ne- mo in dubium revocare poterit, fabularum inventores inter inventores locum habere. Neque est quod inven- tores abjecte de fabularum inventoribus sentiant: quod si enim fabula nomen suum tueri, nec quicquam in eadem desiderari debet, haud exiguæ saepe artis est eam invenire, ita ut in aliis veritatibus inveniendis ex- cellentes hic vires suas deficere agnoscant, ubi in rem praesentem veniunt. Fabulae aniles nugae sunt, quae nihil veritatis continent, \& earum autores in nugata- rum rum non inventorum veritatis numero sunt. Absit au- tem ut hisce aequipares inventores fabularum vel fa- bellarum, cum quibus in praesente nobis negotium est, \& quas vel inviti in Philosophiam practicam ad- mittere tenemur, nisi praxi officere velimus Philosophiæ practicæ universalis pars posterior §. 310. . Doch dieses Principium der Reduction hat seine grossen Schwierigkeiten. Es erfordert eine weit- läuftige Kenntniß des Besondern und aller individuel- len Dingen, auf welche die Reduction geschehen kann. Wie ist diese von jungen Leuten zu verlan- gen? Man müßte dem Rathe eines neuern Schrift- stellers folgen, den ersten Anfang ihres Unterrichts mit der Geschichte der Natur zu machen, und diese in der niedrigsten Classe allen Vorlesungen zum Grunde zu legen Brief die neueste Litteratur betreffend 1 Theil S. 58. . Sie enthält, sagt er, den Saamen aller übrigen Wissenschaften, sogar die moralischen nicht ausgenommen. Und es ist kein Zweifel, er wird mit diesem Saamen der Moral, den er in der Geschichte der Natur gefunden zu ha- ben glaubet, nicht auf die blossen Eigenschaften der Thiere, und andern geringern Geschöpfe, sondern auf auf die Aesopischen Fabeln, welche auf diese Eigen- schaften gebauet werden, gesehen haben. Aber auch alsdenn noch, wenn es dem Schüler an dieser weitläuftigen Kenntniß nicht mehr fehlte, würde man ihn die Fabeln Anfangs müssen mehr finden, als erfinden lassen; und die allmäligen Stuffen von diesem Finden zum Erfinden, die sind es eigentlich, was ich durch verschiedene Ver- suche meines zweyten Buchs habe zeigen wollen. Ein gewisser Kunstrichter sagt: „Man darf nur im „Holz und im Feld, insonderheit aber auf der Jagd, „auf alles Betragen der zahmen und der wilden „Thiere aufmerksam seyn, und so oft etwas sonder- „bares und merkwürdiges zum Vorschein kömmt, „sich selber in den Gedanken fragen, ob es nicht „eine Aehnlichkeit mit einem gewissen Charakter der „menschlichen Sitten habe, und in diesem Falle in „eine symbolische Fabel ausgebildet werden kön- „ne Critische Vorrede zu M. v. K. neuen Fabeln. . Die Mühe mit seinem Schüler auf die Jagd zu gehen, kann sich der Lehrer ersparen, wenn er in die alten Fabeln selbst eine Art von Jagd zu legen weiß; indem er die Geschichte derselben bald bald eher abbricht, bald weiter fortführt, bald die- sen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darinn erkennen läßt. Z. E. Die bekannte Fabel von dem Löwen und Esel fängt sich an: Λεων και ὀνος, κοινανιαν ϑεμενοι, ἐξηλϑον ἑπι ϑηραν — Hier bleibt der Lehrer stehen. Der Esel in Gesellschaft des Löwen? Wie stolz wird der Esel auf diese Gesellschaft gewesen seyn! ( Man sehe die achte Fabel meines zweyten Buchs ) Der Löwe in Gesellschaft des Esels? Und hatte sich denn der Löwe dieser Gesellschaft nicht zu schämen? ( Man sehe die siebende ) Und so sind zwey Fabeln entstanden, indem man mit der Geschichte der alten Fabel einen kleinen Ausweg genommen, der auch zu einem Ziele, aber zu einem andern Ziele führet, als Aesopus sich dabey gesteckt hatte. Oder man verfolgt die Geschichte einen Schritt weiter: Die Fabel von der Krähe, die sich mit den ausgefallenen Federn andrer Vögel geschmückt hatte, schließt sich; και ὁ κολοιος ἠν παλιν κολοιος. Viel- leicht war sie nun auch etwas schlechters, als sie vor- her gewesen war. Vielleicht hatte man ihr auch ihre eigene glänzenden Schwingfedern mit ausge- rissen, rissen, weil man sie gleichfalls für fremde Federn gehalten? So geht es dem Plagiarius. Man er- tappt ihn hier, man ertappt ihn da; und endlich glaubt man, daß er auch das, was wirklich sein ei- gen ist, gestohlen habe. (S. die sechste Fabel mei- nes zweyten Buchs. ) Oder man verändert einzelne Umstände in der Fabel. Wie wenn das Stücke Fleisch, welches der Fuchs dem Raben aus dem Schnabel schmeichelte, vergiftet gewesen wär? (S. die funfzehnte ) Wie wenn der Mann die erfrorne Schlange nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus Begierde ihre schöne Haut zu haben, aufgehoben und in den Busen gesteckt hätte? Hätte sich der Mann auch alsdenn noch über den Undank der Schlange beklagen können? (S. die dritte Fabel. ) Oder man nimmt auch den merkwürdigsten Um- stand aus der Fabel heraus, und bauet auf denselben eine ganz neue Fabel. Dem Wolfe ist ein Bein in dem Schlunde stecken geblieben. In der kurzen Zeit, da er sich daran würgte, hatten die Schafe also vor ihm Friede. Aber durfte sich der Wolf die gezwun- gene Enthaltung als eine gute That anrechnen? (S. die (S. die vierte Fabel). Herkules wird in den Him- mel aufgenommen, und unterläßt dem Plutus seine Verehrung zu bezeigen. Sollte er sie wohl auch seiner Todfeindin, der Juno, zu bezeigen un- terlassen haben? Oder würde es dem Herkules an- ständiger gewesen seyn, ihr für ihre Verfolgungen zu danken? (S. die zweyte Fabel). Oder man sucht eine edlere Moral in die Fabel zu legen; denn es giebt unter den griechischeu Fabeln verschiedene, die eine sehr nichtswürdige haben. Die Esel bitten den Jupiter, ihr Leben minder elend seyn zu lassen. Jupiter antwortet: τοτε ἀυτους ἀ- παλλαγησεσϑαη της κακοπαϑειας, ὀταν ου᾽ρουντες ποιη- σωσι ποταμον. Welche eine unanständige Antwort für eine Gottheit! Ich schmeichle mir, daß ich den Jupiter würdiger antworten lassen, und überhaupt eine schönere Fabel daraus gemacht habe. (S. die zehnte Fabel. ) — Ich breche ab! Denn ich kann mich unmög- lich zwingen, einen Commentar über meine eigene Versuche zu schreiben. Inhalt. Inhalt . Fabeln, erstes Buch. 1. D ie Erscheinung S. 3 2. Der Hamster und die Ameise 5 3. Der Löwe und der Hase 6 Aelianus de natura animalium libr. I. cap. 38. Ορ᾽ρ᾽ωδει ὁ ἐλεφας κεραϛην κριον και χοιρου βοην. Idem lib. III. cap. 31. Αλεκτρυονα φοβειται ὁ λεων. 4. Der Esel und das Jagdpferd 7 5. Zevs und das Pferd 8 Καμηλον ὡς δεδοικεν ἱππος, ἐγνω Κυρος τε και Κροισος. Aelianus de nat. an. lib. III. cap. 7. 6. Der Affe und der Fuchs 10 7. Die Nachtigall und der Pfau 11 8. Der Wolf und der Schäfer 12 9. Das Roß und der Stier 13 10. Die Grille und die Nachtigall 14 11. Die Nachtigall und der Habicht 15 Q 12. Der 12. Der kriegerische Wolf 16 13. Der Phoenix 17 14. Die Gans 18 15. Die Eiche und das Schwein 19 16. Die Wespen 20 Ιππος ἐρ᾽ρ῾ιμμενος σφηκων γενεσις ἐϛιν. Aelianus de nat. animal. lib. I. cap. 28. 17. Die Sperlinge 21 18. Der Strauß 22 Η ϛρουϑος ἡ μεγαλη λασιοις μεν τοις πτεροις ἐπτερωται, ἀρϑηναι δε και ἐις βαϑυν ἀερα μετεω- ρισϑηναι φυσιν οὐκ ἐχει · ϑει δε ὠκιϛα, και τας παρα την πλευραν ἑκατεραν πτερυγας ἁπλοι, και ἐμπιπτον το πνευμα κολποι δικην ἱϛιων αυτας· πτησιν δε ου᾽κ ὀιδεν. Aelianus lib. II. c. 26. 19. Der Sperling und der Straus 23 20. Die Hunde 24 Κεοντι ομοσε χορει κυιν Ινδικος — και πολλα ἀυ- τον λυπησας και κατατρωσας, τελευτων ἡτταται ὁ κυων. Aelianus lib. IV. cap. 19. 21. Der Fuchs und der Storch 25 22. Die Eule und der Schatzgräber 26 23. Die junge Schwalbe 27 24. Merops 28 Ο Μεροψ το ὀρνεοε εμπαλιν, φασι, τοις ἀλλοις ἁπασι πετεται· τα μεν γαρ ἐις τουμπροσϑεν ἰεται και κατ᾽ οφϑαλμους, το δε ἐις τουπεσω. 25. Der 25. Der Pelekan 29 Aelianus; de nat. animal. libr. III. cap. 30. 26. Der Löwe und der Tieger 30 Aelianus de natura animal. libr. II. cap. 12. 27. Der Stier und der Hirsch 31 28. Der Esel und der Wolf 32 29. Der Springer im Schache 33 30. Aesopus und der Esel 34 Zweytes Buch. 1. D ie eherne Bildsäule S. 37 2. Herkules 38 Fab. Aesop. 192. edit. Hauptmannianæ. Phæ- drus lib. IV. Fab. 11. 3. Der Knabe und die Schlange 39 Fab. Aesop. 170. Phædrus lib. IV. Fab. 18. 4. Der Wolf auf dem Todbette 41 Eab. Aesop. 144. Phædrus lib. I. Fab. 8. 5. Der Stier und das Kald 42 Phædrus lib. V. Fab. 9. 6. Der Pfauen und die Krähe 43 Fab. Aesop. 188. Phædrus lib. I. Fab. 3. 7. Der Löwe mit dem Esel 44 Phædrus lib. I. Fab. 11. Q 2 8. Der 8. Der Esel mit dem Löwen 45 Phædrus lib. I. Fab. 11. 9. Die blinde Henne 46 Phædrus libr. III. Fab. 12. 10. Die Esel 47 Fabul. Aesop. 112. 11. Das beschützte Lamm 49 Fab. Aesop. 157. 12. Jupiter und Apollo 50 Fab. Aesop. 187. 13. Die Wasserschlange 51 Fab. Aesop. 167. Phædrus lib. I. Eab. 2. 14. Der Fuchs und die Larve 52 Fab. Aesop. 11. Phædrus lib. I. Fab. 7. 15. Der Rabe und der Fuchs 53 Fab. Aesop. 205. Phædrus lib. I. Fab. 13. 16. Der Geitzige 55 Fab. Aesop. 59. 17. Der Rabe 56 Fab. Aesop. 132. 18. Zevs und das Schaf 57 Fab. Aesop. 119. 19. Der Fuchs und der Tieger 59 Fab. Aesop. 159. 20. Der Mann und der Hund 60 Fab. Aesop. 25. Phædrus lib. II. Fab. 3. 21. Die 21. Die Traube 61 Fab. Aesop. 156. Phædrus lib. IV. Fab. 2. 22. Der Fuchs 62 Fab. Aesop. 8. 23. Das Schaf 63 Fab. Aesop. 189. 24. Die Ziegen 65 Phædrus lib. IV. Fab. 15. 25. Der wilde Apselbaum 66 Fab. Aesop. 173. 26 Der Hirsch und der Fuchs _ 67 Fab. Aesop. 226. Phædrus lib. I. Fab. 11. \& lib. I. Fab. 5. 27. Der Dornstrauch 68 Fab. Aesop. 42. 28. Die Furien 69 Suidas in Αειπαρϑενος. 29. Tiresias 71 Antonius Liberalis c. 16. 30. Minerva 72 Drittes Buch. 1. D er Besitzer des Bogens S. 75 2. Die Nachtigall und die Lerche 76 3. Der Geist des Salomo 77 Q 3 4. Das 4. Das Geschenk der Feyen 79 5. Das Schaf und die Schwalbe 81 Η Χελιδων — ἐπι τα νωτα των προβατων ἱζανει, και ἀποσπα του μαλλου, και ἐντευϑεν τοις ἑαυτης βρεφεσι το λεχος μαλακον ἐϛρωσεν. Aelianus lib. III. c. 24. 6. Der Rabe 82 7—10. Der Rangstreit der Thiere _ _ 83—87 11 Der Bär und der Elephant 88 Aelianus de nat. animal. libr. II. cap. 11. 12. Der Strauß 89 13. 14. Die Wohlthaten 90 15. Die Eiche 91 16—22. Die Geschichte des alten Wolfs 92—102 Aelianus libr. IV. cap. 15. 23. Die Maus 103 24. Die Schwalbe 104 25. Der Adler 105 26. Der junge und der alte Hirsch 106 27. Der Pfau und der Hahn 107 28. Der Hirsch 108 29. Der Adler und der Fuchs 109 30. Der Schäfer und die Nachtigall 110 Abhand- Abhandlungen. I. V on dem Wesen der Fabel. S. 113. Fa- bel, was es überhaupt heisse. Eintheilung der Fabel in einfache und zusammengesetzte S. 114. u. f. Die Erklärung des de la Motte wird un- tersucht S. 117. Die Fabel ist nicht bloß eine allegorische Handlung, sondern die Erzehlung einer solchen Handlung, 118. 119. Allegorie, was sie ist, 120. Die einfache Fabel ist nicht allegorisch, 124. Blos die zusammengesetzte Fa- bel ist es, 125 u. f. Warum das Wort Allego- rie gänzlich aus der Erklärung der Fabel zu lassen, 127. u. s. Die Lehre der Fabel muß eine mora- lische Lehre seyn, 131. Untersuchung der Erklä- rung des Richer, 132 u. f. Wie fern die Fabel ein Gedicht zu nennen, 132. Die moralische Lehre der Fabel ist nicht immer eine eigentliche Vorschrift, 133. Ein blosses Bild macht keine Fabel aus, 134 u. f. Was eine Handlung sey? 136 u. f. Worinn die Einheit einer aesopischen Handlung bestehe, 138 u. f. Breitingers Er- klärung wird geprüft, 140 u. f. Er hat die Er- klärung des de la Motte übersetzt und gewäs- sert, 141. Die Lehre muß in die Fabel weder versteckt noch verkleidet seyn, 142 u. f. Von der Erklärung des Batteux, 144 u. f. Seine Erklärung der Handlung ist für die aesopische Fa- bel zu eingeschränkt, 145 u. f. Er hat sie mit der Q 4 Hand- Handlung der Epopee verwirrt, 153 u. f. Wor- inn die Fabel von der Parabel unterschieden, 159. Der einzelne Fall der Fabel muß nothwendig als wirklich vorgestellt werden, 160. Exempel von Fabeln, die wider diese Regel verstossen, 161 u. f. Philosophische Gründe dieser Regeln, 163 u. f. Die Lehre des Aristoteles von dem Exempel, 168. Worauf sich seine Eintheilung des erdichteten Expempels gründet, 169. Er schreibt der histo- rischen Wahrheit zuviel zu, 170 u. f. Geneti- sche Erklärung der Fabel, 171. II. Von dem Gebrauche der Thiere in der Fabel, S. 173 u. f. List des Batteux, keine Ursache davon angeben zu dürfen, 173. 174. Breitinger nimmt die Erreichung des Wunder- baren dafür an, 174 u. f. Die Einführung der Thiere in der Fabel ist nicht wunderbar, 177 u. f. Die wahre Ursache derselben ist die allgemein be- kannte Bestandtheit der thierischen Charaktere, 181 u. f. Wider den Verfasser der critischen Briefe, 185 u. f. Warum der Fabulist seine Personen weit seltner aus dem Pflanzenreiche und Steinreiche, und aus den Werken der Kunst nimmt, 188. Nutzen des Gebrauchs der Thiere in der zusammengesetzten Fabel, 189. Nutzen desselben in Ansehung der nicht zu erregenden Lei- denschaften, 189. 190. III. Von III. Von der Eintheilung der Fabel, S. 191. In einfache und zusammengesetzte, 191. In directe und indirecte, 191. 192. Von der Ein- theilung des Aphthonius, 192 u. f. Warum Batteux diese Eintheilung angenommen, 193. u. f. Wolfs Verbesserung der Aphthonianischen Ein- theilung, 196 u. f. Was wider diese Verbesse- rung zu erinnern, 199. Die Eintheilung der Fabel wird aus der verschiednen Möglichkeit des einzeln Falles in der Fabel hergeholt, 200 u. f. Fernere Eintheilung der sittlichen Fabeln in my- thische und hyperphysische, 201. 202. Be- sondere Arten der vermischten Fabel, 204. Beurtheilung der Breitingerschen Eintheilung, 205 u. f. Wie weit in den hyperphysischen Fabeln die Natur der Thiere zu erhöhen, 208. 209. Von der Ausdehnung der aesopischen Fabel zu der Länge des epischen Gedichts, wider den Verfas- ser der critischen Briefe, 209 u. f. Idee von einem aesopischen Heldengedichte, 213 u. f. IV. Von dem Vortrage der Fabeln, S. 216. Von dem Vortrage des Aesopus, 216. Des Phädrus, 217. Des la Fontaine, 217. 218. LA Fontaine mißbraucht eine Autorität des Quintilians, 219. De la Motte führet den la Fontaine verstümmelt an, 221. Die Alten handeln von den Fabeln in ihren Rhetoriken, wir in der Dichtkunst, 222. Wodurch diese Ver- änderung veranlaßt worden, 223. Die Zierra- then, then, welche Batteux den Fabeln ertheilt wis- sen will, streiten mit dem Wesen der Fabel, 223 u. f. Warum der Verfasser den prosalschen Vortrag gewehlet, 226 u. f. Fehler des Phä- drus, so oft er von den griechischen Fabeln ab- weicht, 229 u. f. V. Von einem besondern Nutzen der Fabel in den Schulen 233 u. f. Die rhetorischen Uebun- gen mit der Fabel werden gemißbilliget, 233. Von dem hevristischen Nutzen der Fabel, in Absicht auf die Bildung des Genies, 234. 235. Wie die Fabel erfunden werde, 236. Wie der Jugend die Erfindung zu erleichtern, 237 u. f. Exempel an verschiednen eignen Fabeln des Ver- fassers, 238 u. f.