P hilipp J acob S peners / D . T heologische B edencken Und andere B rieffliche A ntworten auff geistliche/ sonderlich zur erbauung gerichtete materien zu unterschiedenen zeiten auffgesetzet/ und auff langwihriges anhalten Christlicher freunde in einige ordnung gebracht/ und heraus gegeben. A nderer T heil. W orinnen sonderlich die pflichten gegen G Ott/ die Obern/ den nechsten und sich selbs/ auch ehe-sachen/ so dann auffmunterung- und trost-schreiben enthalten. Mit Koͤnigl. Polnischer und Preuß. auch Churfl. Saͤchs. und Brand. Freyheit HALLE / in Verlegung des Waͤysen-Hauses / 1701. W Jr F riederich der D ritte/ von Got- tes Gnaden/ Marg- graff zu Brandenburg/ des Heil . Roͤmischen Reichs Ertz-Caͤmmerer und C hur- F uͤrst/ in Preußen/ zu Mag- deburg/ Cleve/ Juͤlich/ Berge/ Stettin/ Pom- mern/ der Caßuben und Wenden/ auch in Schlesien zu Crossen Hertzog/ Burggraff zu Nuͤrnberg/ Fuͤrst zu Halberstadt/ Minden und Camin/ Graff zu Ho- henzollern/ der Marck und Ravensberg/ Herr zu Ravenstein/ und der Lande Lauenburg und Buͤtow. ꝛc. B Ekennen hiermit fuͤr Uns/ Unsere Erben und Nach- kommen/ Margraffen und Chur-Fuͤrsten zu Bran- denburg/ als Hertzogen zu Magdeburg/ auch sonsten gegen Jedermaͤnniglichen; Nachdem Uns der Ehrwuͤrdige und Hochgelahrte Unser lieber Getreuer Ehr M. August Hermann Francke/ Prof. Ordinar. Theol. \& Philosoph. bey Unserer Friedrichs- Universit aͤt zu Halle/ wie auch Director des Waͤysen-Hauses und Pastor zu Glaucha/ unterthaͤnigst zuvernehmen gegeben/ daß/ ob Wir wohl dem Waͤysen- Hause zu Glaucha an Halle eine absonderliche Druckerey und Buch-Handlung zuhalten/ unter andern Gnaͤdigst con- concedi ret/ und verstattet/ dennoch einige Buchfuͤhrer so so wohl anderwerts/ als absonderlich in unsern Landen mit dem Nachdrucken derjenigen Buͤcher und Schrifften/ die so wohl itzt als zukuͤnfftig von dem Waͤysen-Hause moͤchten verleget werden/ gar sehr droheten; Mit gantz gehorsam- ster Bitte/ Wir wollten Gnaͤdigst geruhen/ das Waͤysen- Hauß gegen solche Nachdrucker mit einem General-Privile- gio, welches bey jeder aufzulegenden Schrifft forne an zu drucken/ dahin Gnaͤdigst zuversehen/ daß diejenigen Schriff- ten/ welche Er entweder selbst zum Nutzen des Waͤysen- Hauses heraus geben/ oder cum concessione des Autoris drucken laßen moͤchte/ oder auch sonsten/ da ein gewisses Buch (welches nicht mehr verhanden/ auch von einem an- dern noch nicht unter die Preße genommen worden/ und zu nuͤtzlicher Erbauung wieder auffzulegen noͤthig waͤre) durch Verlag des Waͤysen-Hauses gedruckt wuͤrde/ in allen Unsern Landen weder heimlich noch oͤffentlich nachzudrucken veꝛbothen und verwehret werden moͤchte; Und Wir dann dieses sein unterthaͤnigstes Bitten der Billigkeit gemaͤß und zum Auff- nehmen des Waͤysen-Hauses dienlich zu seyn befinden; Als haben Wir solchem an Uns gebrachten gehorsamsten Su- chen in Gnaden Raum und statt gegeben. Thun demnach dasselbe als der Chur-Fuͤrst und Landes-Herr/ privilegi ren und begnadigen obgemeldetes Waͤysen-Hauß zu Glaucha an Hall/ dergestalt und also/ daß/ so wohl des gedachten Professoris Ehrn M. Franckens heraus gegebene/ und noch kuͤnfftig heraus kommende Buͤcher/ Predigten und Schriff- ten/ als auch alle andere Scripta und Buͤcher/ die von des Waͤy- Waͤysen-Hauses Mitteln bereits verleget/ oder demsel- ben noch ins kuͤnfftige zuverlegen gegeben werden moͤch- ten/ alleine aus des Waͤysen-Hauses Buchladen/ so wohl an Buchfuͤhrer/ als andere zuverhandeln/ zu distrahi ren/ oder gegen nuͤtzliche und zum besten des Buchladens dien- liche Sortimen ten zuverwechseln/ verstattet und zuge- laßen/ hingegen aber Maͤnniglichen nur erwehnte des Waͤysen-Hauses Verlags-Buͤcher und Schrifften in die- ser Unser Chur- und Marck Brandenburg/ in Dersel- ben incorporir ten/ auch andern Unsern Landen und Pro- vincien weder nachzudrucken noch da solches von andern auser Unserm Gebiethe geschehe/ die gedruckte Exempla- ria in solche unsere Lande einzufuͤhren/ daselbst zu distra- hi ren/ heimlich oder oͤffentlich zuverkauffen/ und loß zu- schlagen/ bey confiscation der Exemplarien/ und Ein tau- send Thlr. Geld Straffe/ halb Unserm Fisco, und die andere Helffte dem Waͤysen-Hause/ nebst denen Exem- plarien zuerlegen hiermit verbothen/ und nicht zugelassen seyn solle; Aus habender Macht von Obrigkeit und Lan- des-Fuͤrstl. Hoheit wegen/ Krafft dieses Unsers offenen Brieffs/ allermaßen wie vorstehet; Wir und Unsere Nachkommen/ Marggraffen und Chur-Fuͤrsten zu Brandenburg/ als Hertzogen zu Magdeburg ꝛc. wollen auch mehr erwehntes Waͤysen-Hauß zu Glaucha an Halle/ und deßen Directorem dabey jederzeit Gnaͤdiglich schuͤtzen/ handhaben und erhalten/ auch alle Buchfuͤh- rer und Buchdrucker ernstlich gewarnet haben/ sich an sol- solchem Werck nicht zuversuͤndigen/ oder aus Neid und Mißgunst mit uͤbelen Reden und unchristlichem bezeu- gen/ bey Vermeidung hoher Straffe zuvergreiffen; Ge- stalt Wir dann allen Unsern Regierungen/ und Gerichts- Obrigkeiten/ in allen Unsern Chur-Fuͤrsten- und Hertzog- thuͤmern/ Graff-Herrschafften und Landen/ uͤber diesem Unserm Privilegio generali gebuͤhrend zu halten/ und die- jenige/ so dawider handeln/ mit vorerwehnter Straffe un- nachlaͤßig anzusehen/ hiemit Gnaͤdigst anbefehlen; Getreu- lich sonder Gefehrde; Jedoch Uns an Unsern/ und sonst jedermaͤnniglichen an seinen Rechten ohne Schaden; Uhr- kundlich unter Unser eigenhaͤndigen Unterschrifft und an- hangendem Chur-Fuͤrstlichem Lehen-Siegel/ gegeben zu Potstam/ den 23. Maji 1699. F riedrich. L. S. P. v. Fuchs. D em C hristlichen leser W uͤnsche das liecht von oben in allen ihm noͤ- thigen stuͤcken die wahrheit und goͤttlichen willen zuer- kennen/ auch die krafft denselben zuthun/ von dem Himmlischen Vater durch wirckung des H. Gei- stes um JEsu CHristi willen! J Ch bin in der guten hoffnung gestanden/ als vorige meß den er- sten theil der Theologischen beden- cken und briefflicher antworten her- ausgegeben/ daß mit der huͤlffe Got- tes auff ietzige meß der rest auch her- aus kom̃en koͤnte: Wann ich aber meinen ordenlichen beruffs-arbeiten etwas abzubrechen billich bedencken trage/ die zunehmende jahr eine lang- samkeit in allem bey mir verursachen/ und hingegen die zusammensuchung der copien aus allerhand meinen papie- ren/ auch durchsehung derselben/ um sie von den fehlern der copi sten/ da mir manchmal schwehr worden meinen eigenen von ihnen verkehrten sinn wiederum zu errathen/ mehrere zeit/ als von anfang vermuthet hatte/ erfordert haben/ war mirs unmuͤglich damit fertig zuwerden: wes- wegen diesesmahl nur 3 capitel/ nemlich III. IV. und V. in GOttes nahmen heraus gebe. Jn dero erstem die je- nige bedencken und antworten stehen/ welche die Chri- stliche pflichten gegen GOtt/ gegen die Ober und untere/ gegen gegen die nechste insgemein/ und endlich eines jeden gegen sich selbs angehen; das andere (oder IV. ) faßet die ehesachen in sich; endlich das dritre die parænetica und paracletica, das ist vermahnung- oder auffmunterung- und trost-schreiben. Also bleiben vor den dritten und letzten theil noch uͤbrig theils die jenige materien/ welche den zu- stand unsrer zeiten und kirche betreffen/ sonderlich worin- nen ich etwas mit zuthun und zuleiden gehabt/ theils welche in denen vorigen capiteln/ weil sie mir in dero ein- richtung noch nicht unter die haͤnde gekommen/ ihren platz haben sollen/ und also als paralipomena angefuͤhret werden/ oder auch von denen nicht wol sagen konte/ wo- hin sie am formlichsten zuziehen waͤren. Zu welcher aus- fertigung die nechste zeit nach GOttes fuͤgung anzuwen- den haben werde. Was im uͤbrigen bey dem ersten theil wegen unter- schiedlicher dinge/ die bey dem gebrauch dieses wercks zu- bemercken noͤthig erinnert worden/ soll hiermit so viel als auch hier wiederholet angesehen werden/ als welches al- les mit gleichem recht auch diesen theil mit angehet/ wie auch der dritte theil darnach zurichten ist. Der HErr HErr/ als ein GOtt der wahrheit/ in deßen nahmen auch diese arbeit heraus gehet/ segne sie mildig- lich bey denen/ die sie lesen/ wo ich in so mancherley schwehren und verworrenen sachen aus menschlicher schwachheit etwa ange- stoßen und gefehlet haͤtte/ sehe er diese in gnaden an/ laße aber auch keinen im vertrauen darauff etwas zu thun/ was ihm nicht wahrhafftig gefaͤllet/ verleitet werden/ hingegen die von mir vor- getragene wahrheit kraͤfftig in die hertzen zur erkaͤntnuͤs/ gehor- sam/ und vielen fruͤchten eintringen durch JEsum Christum/ das ewige liecht vom liecht. Amen. Berlin. den 4. Mart. 1701. Philipp Jacob Spener/ D. Jn JEsunahmen. Amen. Das dritte Capitel. ARTIC . I. Von den pflichten/ darinnen mans unmittelbahr mit GOtt nach der ersten taffel zuthun hat. SECTIO 1. W Je man sich GOtt in dem gebet vorbilden moͤge. 2. Von einem geluͤbde des fastens einer person/ die davon schaden lidte. 3. Von verbindlichkeit der geluͤbde/ sonderlich des fastens. 4. Von einem nicht mit gnugsamen bedacht gethanen geluͤbde. 5. Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt seye. 6. Ein casus betreffend einen nicht voͤllig gehaltenen eyd. 7. Von einem schwaͤngerungs- casu. Was bey sorge eines meineydes rich- ter und prediger zuthun haben. 8. Enthaltung von poetischen gedichten von den Heidnischen Goͤttern. 9. Von dem sabbath/ dessen ursprung und staͤten fortsetzung. 10. Von verbindlichkeit der sabbaths-feyer. 11. Noch von der sabbaths-feyer. 12. Von holtz-fuhren am sontag. 13. Vom Separatismo. 14. Von der gefahr der vornehmenden trennung der frommen. 15. Wie einigen trennungen/ die zu besorgen oder ansetzen/ vorzukommen o- der zu begegnen seye. 16. Von absonderlichen eigenmaͤchtig-anstellenden communionen. 17. Nochmal von freyheit absonderliche communionen anzustellen/ und der dem ministerio nothwendig zukommenden auffsicht. 18. Ob um der hauß-andacht willen der oͤffentliche gottesdienst zu versaͤu- A men Das dritte Capitel. men; von der vierdten bitte/ und auch schluß des Vater unsers. Ob Ana- nias und Sapphira Ap. Gesch. 5. verdammt worden? 19. Von der obern gewalt uͤber besondere zusammenkunfften zur erbauung/ in den umstaͤnden. 20. Von verbindlichkeit obrigkeitlicher verbote in solcher materie. 21. Auffmunterung aus der hoffnung kuͤnfftiger besserer zeiten. Collegia bi- blica und Christliche uͤbungen mit den zuhoͤrern. Gewoͤhnliche widerse- tzung gegen das gute. 22. Von lesung der schrifft. 23. Etliche fragen von bestraffung eines predigers. Vorbitte fuͤr die krancke. Bleiben bey der communion/ sontags-mahlzeiten/ und dergleichen ma- terien zur sontags-feyer gehoͤrig. 24. Vom gebrauch des H. Abendmahls und dessen nothwendigkeit/ mit wi- derlegung der entschuldigungen. 25. Vom offtmaligen gebrauch des H. Abendmahls. 26. Nochmals von offtmaliger niessung des H. Abendmahls. 27. Von der freyheit ohne privat-beicht und absolution zum H. Abendmahl zu gehen. Was deswegen in Berlin vorgegangen/ mit anhaͤngung ei- ner in der sache gehaltenen predigt. 28. Vom auffschlagen der spruͤche in der kirchen. 29. An eine adeliche weibs-person/ sich mit Jesuiten nicht in disputat einzu- lassen. 30. Von dem kirchen-bauen. SECTIO I. Wie man sich Gott in dem gebet vorbilden moͤge. D Je vorgelegte frage anlangend/ fasse meine mei- nung in etzliche saͤtze. 1. Es bleibet ausgemacht/ nicht allein/ daß GOtt ein Geist seye/ und also keine gestalt habe/ sondern daß auch der mensch/ wo er sich von GOtt in seiner schwachheit einen leiblichen concept machet/ doch daran gedencken muß/ daß GOtt ein geistliches wesen seye/ von dem kein wahres bild gemachet werden koͤnte; hingegen wer sich GOtt wahrhafftig so einbil- den wolte/ als einen alten mann/ daß er solche ge- stalt nicht so wol als eine repræsentation einer goͤttlichen offenbahrung/ als seine eigene gestalt/ achtete/ der wuͤrde anbeten/ was nicht Gott ist. 2. Die voll- ARTIC. I. SECTIO I. vollkommenste art zu GOtt zu beten ist diejenige/ wo sich die seele von Gott/ den sie anbetet/ gantz keinen leiblichen concept machet/ sondern wie sie weiß/ daß er ein Geist ist/ daher kein bild haben kan/ also auch gantz in sich von allem bild abstrahi ret. Es wird diese art etwas schwehr/ weil unsere seele sich im- mer an bilder gewehnet/ sie ist aber nicht unmuͤglich. 3. Nechst dem/ wo ei- ner sein gemuͤth nicht so gantz abstrahi ren koͤnte/ daß alle bilder wegblieben/ weil gleichwol unter allen coͤrpern keiner ist/ der subtiler waͤre/ und einem geistlichen wesen naͤheꝛ kaͤme/ als das liecht/ hingegen Gott sich selbst ein liecht nennen laͤsset/ 1. Joh. 1/ 5. und seine reinigkeit unter dem nahmen des uns bekandten liechtes uns vorstellet/ so hielte noch am besten/ wo man sich GOtt vorstellet unter der gestalt eines unendlichen und an allen orten durchstrah- lenden liechtes. 4. Was andere bilder anlanget/ achte ich/ daß auffs wenig- ste mit grosser behutsamkeit verfahren werden muͤsse. Zwahr was CHRJ- STUM betrifft/ weil derselbe zugleich wahrhafftiger mensch ist/ so hat das bild/ daß wir uns von ihm in der seele machen/ da wir ihn uns vorstellen als gecreutziget/ oder in anderer menschlicher figur/ keine falschheit in sich/ und ist also ohne fehler; GOtt den Vater aber/ oder den H. Geist/ als einen alten mann und eine taube/ wegen der in solchen gestalten geschehenen offenbah- rungen vorzubilden/ moͤchte zwahr an gantz einfaͤltigen/ jedoch/ daß sie / wuͤ- sten/ daß es dennoch keine eigentliche bilder waͤren/ geduldet werden: an an- dern aber/ die eine mehrere erkaͤntnuͤß haben/ wolte ich solches nicht gerne se- hen/ sondern lieber wuͤnschen/ daß sie davon gantz abstrahi rten. 5. Daher ich vor das bequemste achte/ wo man je eine eigentliche gestalt haben will/ man stelle sich allezeit das bild Christi vor/ nicht allein wo man seingebet zu solcher person besonders richtet/ sondern auch wo man den Vater und den H. Geist anbeten will/ denn der HErr sagt selbst Joh. 14/ 9. 10. Wer mich siehet/ der siehet den Vater; und glaubestu nicht/ daß ich im Vater/ und der Vater in mir ist? Also wissen wir/ daß in der menschlichen natur nicht allein die gantze fuͤlle der Gottheit leibhafftig und persoͤnlich woh- net/ Col. 2/ 9. sondern/ daß auch der Vater in ihm ist/ und ausser ihm nicht gesucht werden kan. Nicht weniger ist der Heil. Geist derjenige/ mit dem der HErr ohne maaß gesalbet worden/ und der sein eigner Geist ist; Also will ich am liebsten in allem gebet meinen Heyland mir vorstellen/ nicht allein als denjenigen/ der mir das recht/ und den zugang zu dem Vater zuwege ge- bracht/ und ich deßwegen nie anders als durch ihn zu denselben kommen darff: sondern auch als denjenigen/ indem ich den Vater und den Heil. Geist finde/ die sich also in gewisser maaß in Christo unsern augen sichtbahr darstel- len/ wie die seele in ihrem leib/ daher wo ichmir den menschen einbilden will/ A 2 ich Das dritte Capitel. ich mir nur die gestalt des leibes bilde/ und doch die seele mit begreiffe/ die in solchem leibe wohnet/ und unmittelbar nicht gesehen werden kan. Diese art der vorstellung finde ich/ daß sie ohne scrupul gebraucht werden kan/ ja in dem gebet/ weil wir den Vater nie anders als in Christo uns vorstellen/ unsern glauben und vertrauen destomehr auffmuntern mag/ daher ich sie recom- mendi re/ selbs gebrauche/ und weiß/ daß sie auch andern Christlichen hertzen zu ihrer andacht dienlich befunden worden ist. Der HErr aber gebe uns selbst/ so offt wir vor sein angesicht uns darstellen/ den Geist der gnaden und des gebets/ so wird auch dieser unsere phantasie mehr und mehr von demjeni- gen reinigen/ was der heiligkeit dessen/ zu dem wir beten/ moͤchte entgegen seyn/ auch wird der liebste Vater diejenige/ so ihn in seinem Sohn im Geist und in der wahrheit anruffen/ ihm gefaͤllig seyn lassen/ und uns aller solcher unserer bitte gewehren. 1693. SECTIO II . Von einem geluͤbde des fastens einer person/ die da- von schaden lidte. Species facti. E Jne ledige weibs-person/ so mit schwehren anfechtungen gepla- get/ thut ein geluͤbde/ so ihr GOtt helffen wuͤrde/ zur danckbar- keit woͤchentlich 2. abendmahlzeiten zu fasten: Jhrer mutter schwester erinnert sie/ und widerspricht wegen bekandter bloͤdigkeit ih- res leibes. Gott erbarmt sich ihꝛ/ sie faͤngt an das geluͤbde zu halten/ fin- det aber davon sonderlich/ nachdem sie geheyrathet/ wo sie schwanger ist/ grosse beschwehrde und nachtheil ihrer gesundheit. Jhr wird gera- then/ das genus voti zu muti ren/ da gibt sie eine ansehnliche summe an die arme; aber das gewissen wird noch nicht ruhig/ und stehet auff einer seiten die gefahr der gesundheit/ auff der andern religio voti. Fragt sich was ihr zu rathen? Antwort. J N vorgelegtem fall wegen des geluͤbdes/ setze ich dieses zum voraus/ daß die gelobende person dasselbe in einfalt ihres hertzens gethan/ und damit ihre hertzliche danckbarkeit gegen GOtt/ der ihr gebet erhoͤret/ bezeu- gen wollen. Da ist nun 1. die gute intenti on des hertzens an ihr zu loben/ und ohne allen zweiffel GOtt gefaͤllig/ weil es ein geluͤbd/ so aus glaͤubiger seelen gekommen/ gute ursach und zweck hat/ uͤber eine sache gehet/ welche an sich selbs nicht boͤse/ und daß ihr solches zu halten so beschwerlich fallen wuͤr- de/ ARTIC. I. SECTIO III. de/ nicht bekant war. 2. Die sache die gelobet/ nemlich wochentliche doppele enthaltung einer abendmahlzeit/ ist eine mittel-sache/ das ist/ an sich selbst we- der boͤß noch gut. 1. Cor. 8/ 8. Die speise foͤrdert uns vor GOTT nicht. Essen wir/ so werden wir darum nicht besser seyn/ Essen wir nicht/ so werden wir darum nicht weniger seyn. 3. Aber gleichwol sind die ursachen/ warum das fasten angestellt wird/ als nemlich die zuͤchti- gung seines fleisches/ demuͤthige bezeugung seiner uͤber die suͤnde habende reue/ und befoͤrderung hertzlicher andacht/ an sich selbst gut/ und um desselben wird die sache selbs/ nemlich das fasten/ vor gut gehalten/ und in der schrifft gelobet. 4. Gleichwol sind die jetzo angefuͤhrte stuͤcke so bewandt/ daß sie nicht bloß an das fasten gebunden/ sondern durch taͤgliches ordinari fasten/ das ist/ staͤtiges maͤßiges halten/ das fleisch eben so wohl gezaͤhmet Rom. 13/ 14. auff andere weise die reue angezeiget/ und die andacht befoͤrdert werden mag. 5. Jst das fasten ein solches mittel/ das an sich selbsten nicht bey allen noch zu allen zeiten nuͤtzlich ist/ theils zwahr weil bey gewissen personen oder in gewissen zustaͤnden solches der leibes-gesundheit mag schaͤdlich seyn/ die wir aber nach vermoͤgen nach goͤtlicher ordnung zu erhalten verbun- den sind; theils aber/ weil bey einigen/ welche von bloͤder constituti on und bey deren gantz laͤhrer magen allerhand duͤnste/ mehr als sonsten/ in den kopff auffsteigen macht/ die andacht etwa mehr gehindert als gefoͤrdert wird/ und solche leute/ wo sie etwas weniges zu sich genommen/ viel freyer in dem gemuͤth/ und also tuͤchtiger zu betrachtungen/ gebet und allerhand gott- seligen uͤbungen sich befinden/ als wo sie gantz nuͤchtern bleiben/ und die da- her entstehende ungelegenheiten des leibes auch das gemuͤth und die gedan- cken mehr beunruhigen. 6. Wann wir insgemein lehren/ daß die geluͤbde nicht guͤltig sind/ welche von unmuͤglichen dingen gethan werden/ ist die mei- nung nicht nur von bloß unmuͤglichen/ sondern auch den jenigen/ welche ohne daraus fliessende andere suͤnde nicht koͤnte gehalten werden. Solche sachen sind zwahr physice, nicht aber moraliter, muͤglich/ und also die daruͤber thu- ende geluͤbde unbuͤndig: wie unsere allgemeine lehre uͤber den paͤbstischen geboten ausweiset. Voraus gesetzt dieser dinge/ so waͤre meine einfaͤltige meinung diese. 1. Es hat diese weibs-person zum allerfoͤrdristen zu erkennen/ daß eine suͤnd- liche schwachheit mit untergelauffen/ indem sie dergleichen sache GOtt gelo- bet/ uͤber welches sie sich nicht genugsam gepruͤffet/ obs ihr auch zu halten muͤglich seye/ oder auch sich nicht mit andern verstaͤndigern davon beredet/ und dero raths gepflogen/ was sie vor muͤglich halten. Jst ein exempel ei- nes menschlichen fehlers/ welches sich offt zutraͤget/ daß da wirs am besten im sinne haben/ wir etwa in einem umstand anstossen/ und also das jenige/ A 3 was Das dritte Capitel. was sonsten an sich selbsts gut gewesen/ mit suͤnde beflecken. Wie nun in allen solchen dingen es geschehen solle/ also hat diese Person/ (welches viel- leicht schon mag geschehen seyn) solches ihr uͤbersehen/ und durch unvorsich- tigkeit begangenen fehler/ zu erkennen/ und sich vor ihrem GOtt deßwegen bußfertig zu demuͤthigen. Welches ihr nachmal eine ziemliche erleichte- rung ihres gewissens geben wird. 2. Der widerspruch ihrer mutter schwe- ster ist auch nicht von geringer considerati on. Waͤre dieselbige/ (so ich nicht weiß/ als dem die umstaͤnde der person nicht bekandt sind) allerdings als Mutter bey ihr gewesen/ das ist/ sie in ihrer sorge damal gestanden/ so ge- hets so viel kraͤfftiger an/ nach 4. Mos. 30. 4. und folg. Waͤre aber solches nicht/ so ist gleichwol eine person/ welche nicht nur an jahren aͤlter/ sondern dergleichen muͤtterlichen respect gegen der gelobenden hat/ wohl befugt/ aus besserer ihrer erkaͤntnuͤß das geluͤbde nicht so wol auffzuheben als zu corri- gi ren. Daher halte ich 3. die person an dessen geluͤbdes art und weise/ worin- nen sie gefehlet/ und warum ihre wase widersprochen/ nicht mehr gebunden: wohl aber dazu gehalten/ daß sie das geluͤbde erfuͤlle/ so fern sie darinnen nicht gefehlet/ und demselben nicht hat widersprochen werden sollen. 4. Wol- te ich nicht gerne bloß bey den geschehenen almosen beruhen. Dann ob schon dasselbige freylich auch ein Gottgefaͤlliges werck der danckbarkeit ist/ so ist doch einstheils dasselbe nicht so eigentlich dem zweck des geluͤbdes gemaͤß/ welcher ohne zweiffel wird gewesen seyn/ sich allezeit bey solchem fasten der von GOTT erwiesenen gutthat danckbarlich zu erinnern/ dazu das einma- lige almosen geben nicht bequem; andern theils gehet es allerdings von der sache ab/ die gelobet worden/ und kommt in ein gantz ander genus voti. Da auffs wenigste ein zartes gewissen/ wie aus allem erhellet/ das bey dieser person seye/ sonderlich das den anfechtungen leicht unterworffen/ sich nicht so wohl tranquilli ren kan. 5. Hielte ich rathsam zu seyn/ daß sie so nahe bey dem gethanen geluͤbde bliebe/ als geschehen kan: und also dasselbe zwahr nicht hielte in dem rigore der enthaltung aller speisen/ weil solches ihrer leibs- constituti on und etwa so offt sie gesegnetes leibes/ der frucht schaͤdlich moͤch- te seyn/ und daher ohne suͤnde nicht gehalten werden koͤnte; auffs wenigste bey einmal sich auch aus andern ursachen ereignenden znfaͤllen das zarte gewissen sich dadurch verletzet achten/ und die schuld dem fasten zuschreibeu moͤchte; Aber daß sie es auff diese weise hielte: weil GOtt dem HErrn das fasten nicht um sein selbs/ sondern um der ihm gefaͤlligen geistlichen uͤbun- gen willen/ deren mittel es allein ist/ gefaͤllet/ so mag sie wochentlich zweymal des abends sich des ordentlichen und zu voͤlliger saͤttigung oder auch lust ge- schehenden nacht-essens enthalten/ und hingegen allein mit weniger/ und da- fern es eine Person ist/ die sonsten sich koͤstlich zu halten pflegt/ und die die mittel ARTIC. I. SECTIO III. mittel dazu hat/ geringerer speise und tranck der noth der natur gnug thun/ daß sie oder ihre frucht dessen kein schaden haben mag; so dann einige stun- den/ so viel sie es haben kan/ sich allein halten/ in solcher absonderung (die et- wa bequemer darzu/ als die gegenwart anderer leute) oder auch bey andern so wol sich allezeit ihres ausgestandenen elends als goͤttlicher ihr erwiese- ner gnad danckbarlich erinnern/ beten/ lesen und mit andern bußfertigen uͤbungen/ dazu wir taͤglich materi gnug haben/ solchezeit zubringen. Dazu wird sie auff solche weise viel geschickter sich befinden/ als wo sie entweder einerseits sich wie gewoͤhnlich/ gesaͤttiget/ oder ander seits von dem fasten in- commodi ret/ oder doch in forcht einiger gefahr besorgte zu seyn. Und wie diese wercke eigentlich die jenige sind/ um derer willen unserem GOtt das fa- sten ohne dasselb aber das blosse fasten gar nicht gefaͤllet/ Esa. 58. also wird auch solches vor GOtt bey der person/ welche zu andern fasten nicht geschickt/ ein wahrhafftiges fasten seyn. Jhr gewissen wird sich hierdurch am kraͤfftig- sten stillen/ und hingegen GOtt ihr durch die fruͤchten dieses fastens sehen lassen/ daß ihm nicht nur solches gefalle/ sondern/ daß er auch solche ihre hei- lige uͤbungen/ dazu sie durch das geloben sich vor andern mehr verbunden/ al- so segnen/ daß sie wie sonsten in ihrem Christenthum mehr zunehmen/ also auch die krafft des geistes und seine wuͤrckungen so viel herrlicher bey sich spuͤ- ren wird. Welches ich auch solcher ob wohl nach dem fleisch unbekanter/ aber in Christo geliebter mitschwester von unserem treuen GOTT und heyland hertzlich wuͤnsche und bitte/ Amen. SECTIO III . Von verbindlichkeit der geluͤbde/ sonderlich des fastens. J Ch komme auff das anliegen wegen eines gethanen geluͤbdes/ und fasse um so viel gruͤndlicher und deutlicher die sache zu heben meine meinung in einige saͤtze. 1. Wir Christen haben ein einiges haupt-geluͤbde/ so wir in unsrer tauff vor GOtt dem HErrn thun/ und mehrmals in erneue- rung unsers bundes mit GOtt/ ja billig in taͤglichem vorsatz wiederhohlen: dieses geluͤbde verbindet uns zu lauter solchen dingen/ dazu wir von GOtt ohne das verbunden sind/ und also ist es nur eine bezeugung unserer obligen- den pflicht/ davon wir niemals befreyet werden koͤnnen/ oder auch solches nur zu verlangen haben. 2. Was aber die absonderlich also genannte geluͤbde uͤ- ber dinge/ welche an sich selbsten sonsten frey sind/ und zu thun oder lassen aus gewissen ursachen/ sonderlich auff lebens lang angenommen werden/ bin ich nicht in abrede/ daß sie nicht leicht rathe/ indem der nutze/ welchen man davon hoffen Das dritte Capitel. hoffen kan/ gemeiniglich gering/ oder doch auch ohne geluͤbde/ durch einen nicht gleich verbindlichen vorsatz was er durch jenes suchet erhalten werden kan/ die beschwehrde aber und zuweilen hindernuͤß so daher entstehet/ mei- stentheils groͤsser als jener ist/ daß ich sorge/ es sollen wol/ auch unter Christ- lichen personen/ so etwas gelobet haben/ mehr gefunden werden/ welche zu seiner zeit wolten/ das geluͤbde nicht gethan zu haben/ als welche ohne einige reue immer einerley wohlgefallen an der gelobten sache behalten/ und wo sie es nicht gethan haͤtten/ ihr geluͤbde allezeit noch zu thun bereit waͤren. Wor- aus also nur allerley stricke des gewissens/ zweiffel und beaͤngstigung/ dahero ordentlich mehr hindernuͤß des rechtschaffenen Gottesdienstes und Christen- thums (da man doch eine beforderung suchet) zu erfolgen pfleget/ welches ich gleichwohl lieber vermieden/ und damit verschonet zu werden sehen wolte. 3. Jndessen kan ich doch auch nicht sagen/ daß dergleichen freywillige geluͤbde an sich selbs unrecht/ oder suͤndlich waͤren: so wol weil GOtt in dem A. T. uͤber die geluͤbde einige verordnungen gemacht/ und ihrer hin und wieder als einer sache so ihm gefaͤllig/ gedencket/ als auch weil an sich selbs in einer solchen freywilligen verbindung nichts straͤffliches gezeiget werden kan/ indem was ich dieses mal zu thun oder zu lassen macht habe/ und weiß/ daß solches GOtt nicht entgegen ist/ das darff ich (wo sonsten keine ursach einen unter- scheid machet) auch zu andern malen thun oder unterlassen/ und mich dazu verbinden. So ist auch nicht ohn/ daß zuweilen solche verbindung durch ein geluͤbd/ daß man seinen etwa unbestaͤndigen sinn dadurch befestiget/ eini- gen nutzen bey etlichen leuten haben mag. Jch achtete aber die jenige alle- zeit die sicherste/ welche etwa von etwas gewisses nur einmahl zu thun/ oder doch nur auff eine gewisse zeit/ nach dero uns aus dem/ wie wir uns dabey be- funden/ wiederum frey bleibet/ solches auffs neue fort zu setzen/ oder es damit zu schliessen/ geleistet werden: indem bey denselben das gewissen weniger an- stoß findet/ als bey den jenigen/ so auff das gantze leben uͤbernommen werden/ welche/ nachdem dem Menschen so vielerley aͤnderungen auffstossen/ gar leicht scrupul und gefahr erwecken: So doͤrffte man auch in allen solchen geluͤbden niemal auff nichts anders sehen (wie ohne das die einbildung eines verdien- stes oder insgesamt in eusserlichen dingen eine heiligkeit zu suchen/ unrecht seyn/ und gar alles verderben wuͤrde) als daß sie ein huͤlffs-mittel des jeni- gen waͤren/ worzu wir ohne das alle insgesamt verbunden sind. 4. Wo aber einmal ein formlich geluͤbd/ und also mit anruffung goͤttlichen nahmens ge- schehen ist/ wird die sache ziemlich schwer/ und hat man wol acht zu geben/ daß man sich nicht versuͤndige. Zwahr/ wo etwas gelobet worden waͤre/ so an sich unrecht/ oder nunmehr von dem menschen ohne uͤbertretung goͤttlichen gebots nicht gehalten werden koͤnte/ so faͤllet von selbsten alle verbindlichkeit des ARTIC. I. SECTIO III. des geluͤbdes dahin/ weil sich niemand aus freyem willen zu etwas verbin- den koͤnte/ was goͤttlichem willen entgegen ist: auff welchem grunde es zum theil beruhet/ daß die jenige/ so in dem Pabstthum das geluͤbd der ledi- gen keuschheit gethan/ und ohne suͤnde solches nicht halten koͤnnen/ mit gutem gewissen sich davon loß machen moͤgen. Wiewol solches dabey erfordert wird/ daß solche leute ihre unbedachtsamkeit vor GOTT etwas gelobt und sich nicht zur gnuͤge gepruͤffet zu haben/ billich mit buß und demuth erstlich zu erkennen haben/ ehe sie sich der befreyung davon getroͤsten moͤgen. 5. Wo sich aber dergleichen nicht befindet/ sondern ein geluͤbd ist zwahr dem men- schen beschwehrlich/ er kans aber ohne suͤnde gleichwol halten/ so traute ich einen Christen davon nicht loß zu sprechen/ sondern halte davor/ die ehrerbie- tung gegen seinen GOtt erfordere dieses/ daß er/ was er einmal demselben zugesaget/ also lang zu halten willig seye/ als ihm muͤglich ist/ und derselbige ihn nicht selbs davon loß spricht. Wir haben Gottes austruͤcklichen be- fehl in dem A. T. 4. Mos. 30/ 3. Wenn jemand dem HErrn ein ge- luͤbde thut/ oder einen eyd schwehret/ daß er seine seele verbindet/ der soll sein Wort nicht schwaͤchen/ sondern alles thun/ wie es zu seinem munde ist ausgegangen. Und 5. Mos. 23/ 21. u. f. Wenn du dem HErrn deinem GOTT ein geluͤbde thust/ so solt du es nicht verzie- hen zu halten. Denn der HErr dein GOtt wirds von dir fordern/ und wird dir suͤnde seyn. Wann du das geloben unterwegen laͤssest/ so ist dirs keine suͤnde. Aber was zu deinen lippen ausgegangen ist/ solt du halten/ und darnach thun/ wie du dem HErrn deinem GOtt freywillig gelobet hast/ das du mit deinem munde geredet hast. Diese verordnungen aber haben wir nicht anzusehen/ als waͤren sie allein stuͤcke des levitischen gesetzes/ so uns Christen nicht verbuͤnden: indem sie viel- mehr eine pflicht sind der natuͤrlichen gerechtigkeit. Dann diejenige ge- rechtigkeit und wahrheit/ welche von mir fordert/ daß ich meinem nechsten/ dem ich etwas zugesagt habe/ das versprochene halte/ erfordert nicht weniger von mir/ daß ich GOtt das angelobte halte: und wie sich mein nechster daruͤ- ber beschwehret/ und es als einen mangel der wahrheit/ der liebe und so er sonderlich vornehmer ist/ des respects, annimmet/ wo ich mit der leistung zu- ruͤck bleibe/ ja so viel hoͤher er gegen mir ist/ solche unterlassung zu so viel meh- rerem schimpff sich anziehet; eben also streitets auch wider die ehrerbietung gegen GOTT so wol/ als wider die wahrheit/ wo ich mir die freyheit neh- men wolte/ das jenige zu schwaͤchen/ was ich meinem GOTT gelobet habe/ gegen welchen ich gleichwol alles unterlassen solle/ was nur den geringsten schein einer verachtung gewinnen moͤchte. Weßwegen ich auch B nicht Das dritte Capitel. nicht sehe/ wie unsre christliche freyheit uns dieser verbindung loß mache: Denn es hat uns zwahr freylich unser liebste heyland/ wie von dem mosai- schen knechtischen gesetz/ also von aller dienstbaren beobachtung eusserlicher dinge frey gemacht/ daher sich ein Christ/ so in dem glauben stehet/ kein ge- wissen uͤber etwas dessen/ so zum munde eingehet/ oder sonsten den leib beruͤh- ret/ machet/ sondern getrost durch hin/ nemlich durch alle menschliche dem ge- wissen auffgelegte ordnungen/ reisset: aber der HErr hat uns von der pflicht der wahrheit und der ehrerbietung gegen sich nicht frey gemacht/ sondern diese ist eher genauer als vorher. Ja wie niemand sagen wird/ daß ich aus der freyheit/ die ich in Christo habe/ frey seye von den jenigen zusagen/ welche ich meinem naͤchsten gethan habe/ und er also ein recht gegen mich daraus erhal- ten hat/ so sehe ich nicht/ wie die zusagen gegen GOtt weniger verbindlich seyn/ und um solcherbefreyung willen ohne suͤnde hindan gesetzt werden koͤn- ten: und hingegen/ wie ich den nahmen nicht zu haben/ daß ich meinen wor- ten gegen den nechsten keine krafft gegeben haͤtte/ das eusserste/ und meine groͤste ungelegenheit thue/ so muß mir auch die beschwehrde/ so ich von dem geluͤbde habe (immer zu reden von dem jenigen/ in dero haltung keine suͤnde stecket) zu vermeiden nicht so lieb seyn/ deßwegen mich von demselben mit ver- letzung der wahrheit loß zu wuͤrcken. 6. Wo ich nun auff die hypothesin gehe/ so finde zwahr so bald einigen fehler bey diesem geluͤbde/ daß dasselbe nicht mit gnugsamen bedacht und pruͤffung der kraͤfften geschehen seye/ wie wir gleichwol in allen dingen/ was wir mit GOtt vorhaben/ zusehen sollen bedaͤchtlich zu seyn/ und an die worte Salomons zu gedencken Pred. 5/ 1. Sey nicht schnell mit deinem munde/ und laß dein Hertz nicht eilen et- was zu reden vor GOTT. Deßwegen nachdem bisher durch die erfah- rung solcher fehler sich gnugsam offenbahret hat/ und alle bisherige scrupel durch solche uͤbereilung veranlasst worden sind/ billich seyn wird/ sich hertzlich vor GOtt zu demuͤthigen/ und diesen fehler/ dadurch man sich selbs in nicht wenige verunruhigung gesetzet habe/ abzubitten. 7. Jndessen finde doch nicht/ daß damit das band auffgeloͤset seye/ sondern es bleibet aus obenange- fuͤhrten ursachen also lang noch fest/ als es ohne andere suͤnde gehalten wer- den kan: Daher ich auch die aͤnderung desselben in eine andere art auff mich zu nehmen nicht getraute/ noch eine ruhe des hertzens dabey versprechen koͤn- te. 8. Weil uns aber gleichwol von GOTT die erhaltung so unserer ge- sundheit/ als auch bequemlichkeit zur andacht also anbefohlen ist/ daß wir wi- der solche nichts zu thun befugt sind/ sondern uns alles zur suͤnde wird/ wo wir selbs unsre gesundheit schwaͤchen/ und uns zu geistlichen uͤbungen/ oder auch andern von ihm uns befohlenen dingen/ ungeschickt machen/ so waͤre dieses wohl die einige ursach/ so denselben etlicher massen von dem geluͤbde be- freyen ARTIC. I. SECTIO III. freyen moͤchte. 9. Wann dann befunden worden/ daß durch das fasten sonderlich des freytags/ wegen der mehrern amts-verrichtungen/ die natur nicht ohne dero wahrhafftigen nachtheil und schwaͤchung/ abgemattet wer- de/ so faͤllet das geluͤbde/ was den umstand des tages (darauff ohne das nicht hauptsaͤchlich wird gesehen seyn worden) anlangt/ dahin/ und kan damit nicht fortgefahren werden: indem GOtt nicht gefallen kan/ womit wir an uns seine creatur verderbten/ und uns zu anderem seinem dienst untuͤchtig machten. 10. Wo aber befunden wird/ daß an einigem andern wochentage/ da die wenigste ermuͤdende verrichtungen waͤren/ das fasten ohne nachtheil der gesundheit und verstoͤhrung der andacht angestellet werden koͤnte/ so wuͤrde durch solche verlegung dem geluͤbde in der sache selbs ein gnuͤge gesche- hen/ und sich das gewissen damit beruhigen. 11. Wo aber letzlich sich erge- ben solte/ daß alles solche fasten nicht ohne schaden der noͤthigen leibeskraͤff- ten und mit staͤter hinderung der andern geistlichen uͤbungen zu werck gerich- tet werde/ so waͤre mein rath/ gleichwol bey dem ersten geluͤbde so nahe zu bleiben/ als ohne andere verletzung des gewissens geschehen koͤnte/ und wolte ich vorschlagen/ an statt des einen tages/ sich zwey tag zu wehlen/ da ich die or- dina rie mahlzeit aussetzte/ oder nicht nach sonst gewoͤhnlicher nothdurfft aͤsse/ sondern etwa allein auff meinem cabinet mir von speiß und tranck nur so viel reichen liesse/ was die eusserste nothdurfft der staͤrckung der natur erforderte/ und hingegen die gewoͤhnliche zeit des speisens uͤber/ allein mit geistlichen uͤbungen und andacht zubraͤchte. Dieses achtete ich vor das sicherste/ und von dem man kuͤnfftig die wenigste unruhe des gewissens zu sorgen haͤtte: dann also bliebe man bey dem geluͤbde/ dessen rigor die schwachheit der natur nicht zu gibt/ und uns also gewisser massen davon befreyet/ annoch am nech- sten/ und moͤchte den durch die erste entschliessung dazu vorgehabten zweck am kraͤfftigsten dardurch erlangen. Wie dieses nun meine in der forcht des HErrn gefaste einfaͤltige gedancken sind/ die ich zur pruͤffung meines gelieb- ten bruders eigenem gewissen uͤberlasse/ ob und wie fern er sich uͤberzeuget fin- den moͤchte/ also ruffe ich schließlich den himmlischen Vater demuͤthigst an/ daß er nach seiner vaͤterlichen guͤte und treue gegen seine kinder/ welche wider seinen willen nicht gern thun wolten/ ihm denselben zu voͤlliger beruhigung des gewissens zu erkennen geben/ und uns selbs allezeit mit seinem geist fuͤh- ren/ also auch sonderlich in dieser sache das hertz durchseinegnadevestmachen wolle. SECTIO IV . Von einem nicht mit genugsamen bedacht gethanen geluͤbde. B 2 Was Das dritte Capitel. W As die uͤberschickte frage von dem geluͤbde anlangt/ so schicke erstlich hierbey eine antwort/ die ich von der materie vor diesem an einen andern guten freund gethan/ daraus meine meinung von dieser sa- che abzunehmen seyn wird. Auff den Special-Casum aber zu kommen: 1. So halte dieses votum quæstionis, so viel ich noch sehe oder begreiffen kan/ nicht wohl und mit gebuͤhrender vorsichtigkeit gethan. Denn ich kaum verstehe/ wie ein mensch ohne verletzung seiner gesundheit des tages immerfort nur ein- mal speisen/ in der woche aber zweymal gantz fasten koͤnte. Daher weiln wir nicht Herren unsers leibes sind/ sondern derselbe so wol als unsere seele Christi eigen ist/ deswegen von uns also muß gepfleget werden/ daß er tuͤch- tig bleibe zu verrichtung desjenigen/ worzu ihn GOtt verordnet hat/ und die zu GOttes ehr begirige seele durch und in ihm wircken muß; so stehet uns nicht frey/ aus einiger ursach/ und also auch nicht per modum voti, demsel- ben also zuzusetzen/ daß er darnach zu seinen verrichtungen geschwaͤchet/ und also auch die fertigkeit der seele/ die allezeit von der leibes beschaffenheit et- was mit leidet/ mehr gehindert als gefoͤrdert werde. Daher 2. wird noͤthig seyn/ daß die person zum foͤrdersten einen verstaͤndigen christlichen Medicum consuli re/ der ihrer constitution wohl wissend seye/ oder sie ihm solche nach aller nothdurfft deutlich vorstelle/ und alsdenn von demselben vernehme/ ob er ohne verletzung und schwaͤchung seiner gesundheit diese rationem victus gebrauche/ sonderlich aber/ ob er nicht zu sorgen haben moͤchte/ daß auffs we- nigste in das kuͤnfftige seiner gesundheit davon schade zu befahren waͤre. Wie ich mich entsinne/ als ich in zeit meiner studiorum einmal ein jahr absque voto continui ret/ die woche alleine eine mahlzeit (den sambstag) gantz auszu- setzen/ und also biß abends zu fasten/ ein verstaͤndiger und meiner constitution kuͤndiger Medicus darnach bezeuget/ daß meiner gesundheit solchen schaden gethan haͤtte/ welchen/ wenn es moͤglich/ lieber mit geld abkauffen solte. Da- her auch jetzt/ da ich ex ratione valetudinis und einige zeit zur arbeit zu gewin- nen/ woͤchentlich 2. abend ordinarie (wiewol ich mich auch nicht als an etwas noͤthiges daran binde) nicht zu tische gehe/ mir gleichwol eine suppe/ brodt und trunck auff mein losament reichen lasse/ und nicht gantz faste; alles aber sine voto. 3. Wo nun der Medicus, welches ich schwehrlich gedencken kan/ aussprechen solte/ daß damit der gesundheit nicht geschadet wuͤrde/ oder doch/ daß noch biß auff eine gewisse zeit ohne sorge kuͤnfftig davon fuͤhlenden unge- machs damit continui ret werden koͤnne/ so bliebe das votum in seinem vigo- re, und wuͤrde eine muthwillige brechung desselbigen (ein anders ist von un- bedachtsamer uͤberschreitung) sonderlich da sie mehrmal wiederhohlet wuͤr- de/ eine solche suͤnde seyn/ die den menschen in Gottes ungnade setzte/ wie ande- re wissentliche sonderlich beharrliche suͤnden. Jndem die geluͤbde wegen goͤtt- lichen ARTIC. I. SECTIO IV. lichen befehls nicht ohne verletzung goͤttlicher ehre und entheiligung sei- nes nahmens koͤnnen gebrochen werden. 4. Mos. 30/ 3. 5. Mos. 23/. 21. 22. 23. Pred. 5/ 3. 4. Conf. Ap. Geschicht 5/ 4. Wo dann auff diese weise dagegen gehandelt worden/ ist es mit demuͤthiger Buß zuerkennen. 4. Es wird auch in solchem fall dennoch das jenige ausgenommen/ wo der mensch/ so das votum gethan/ und dasselbe sonsten zu andern zeiten hal- ten koͤnne und gehalten hat/ entweder in eine schwachheit verfiele/ oder in der- gleichen stand kaͤme/ da er es nicht ohne schaden halten koͤnte/ daß nemlich auch alsdenn das votum nicht guͤltig bliebe/ sondern was jetzo folget/ auch darauff gezogen werde. Nemlich 5. wenn der Medicus solte gewissenhafft urtheilen/ daß entweder bereits in dem gegenwaͤrtigen ohne schwaͤchung der gesundheit und bald daher entstehenden schadens solches votum nicht gehalten werden koͤnte/ oder doch von jetziger so vieler abstinenz, auff das kuͤnfftige nachtheil zu sorgen waͤre/ so hat die person/ so das geluͤbde gethan/ zum allerfoͤrdersten ih- re unbedachtsamkeit hertzlich zu erkennen/ daß sie in einer solchen sache/ da mans mit GOtt selbsten zu thun hat/ ohne vorhergehende reiffe deliberati- on, untersuchung der muͤglichkeit/ und etwa einziehung christlichen raths/ ein solches geschlossen/ und ein geluͤbd gethan/ so ihr nun zu halten unmuͤglich/ daher durch ihre unachtsamkeit den nahmen des HErrn einiger massen ent- heiliget habe: da sie wissen und bedencken sollen/ mit was sonderbahrem vor- bedacht in dergleichen sachen vor GOtt zu handeln waͤre. Sie hat sich also deßwegen vor Gott zu demuͤthigen/ ihn um gnaͤdige vergebung zu bitten/ und wo das gewissen sich je nicht so bald zu frieden geben will/ ein gewisses denck- mal sich zu machen/ daß man sich auch solcher suͤnde vor dem HErrn sein le- betag erinnere/ und staͤts in wahrer busse derselben bleibe. 6. Hingegen hat man alsdenn die haltung des voti von solcher zeit an auffzuheben/ weil es nicht ohne suͤnde gehalten werden koͤnte/ indem die wissentliche schwaͤchung der gesundheit in diesem fall eine art des selbsmords waͤre/ und wir also bey unserm gewissen verbunden sind/ alles das jenige/ was in unserm willen ste- het/ zu vermeiden/ wodurch das leben abgekuͤrtzet/ die gesundheit geschwaͤ- chet/ und wir also GOtt und dem nechsten laͤnger oder ungehinderter zu die- nen gehindert wuͤrden. Also wuͤrde sich der jenige/ der dennoch wissentlich wider seine gesundheit darinnen handeln wolte/ sothaner schwehrer suͤnde schuldig machen/ und die verantwortung alles dessen auff sich laden/ was er sonsten noch gutes ausrichten koͤnnen/ und sich darzu untuͤchtig gemacht hat. 7. Jedennoch ist er damit noch nicht des gantzen voti frey/ sondern er hat von dem Medico (dessen judicium hierinnen als in einer sache/ die seiner profession ist/ dem gewissen ein gnuͤgen thun kan) zuerlernen/ wie viel er seines voti ins- B 3 kuͤnff- Das dritte Capitel. kuͤnfftige ohne verletzung seiner gesundheit zu halten vermoͤge/ und alsdenn dasselbe sich auffs neue entweder voto, oder welches ich allezeit præferi re/ und an ein eigenlich votum aus erkaͤntnuͤß unserer schwachheit nicht gern komme/ auffs wenigste mit festem vorsatz vorzunehmen; jedoch mit dieser austruͤckli- chen condition (damit allem neuen scrupel/ der sich erheben moͤchte/ vorgebeu- get werde) so lange damit zu continui ren/ als die gesundheit jedesmal nach eines verstaͤndigen und gewissenhafften Medici erkaͤntnuͤß/ ertragen wuͤrde koͤnnen; hingegen dero anfangende schwaͤchung vor ein zeichen/ daß der HErr auch solches nicht weiter von ihm haben wolle/ anzunehmen. 8. Wie ich nun dieses nothwendig achte/ indem des vorigen geluͤbdes guͤltigkeit nur wegen der gefahr der gesundheit dahin faͤllet/ und also auch die freyheit davon nicht weiter zu ziehen ist/ also halte auch davor/ daß dem gewissen am besten gera- then werde/ wo in allem auffs wenigste am nechsten bey dem voto geblieben wuͤrde/ und also die person die jenige mahlzeiten/ die ihr von dem Medico fer- ner nothwendig geachtet wuͤrden/ nicht nur desto sparsamer/ und allein zu eusserster nothdurfft/ sondern gar abgesondert von andern hielte: daß sie also nicht zu der ordinari mahlzeit kaͤme/ wo nicht nur leicht ein mehrer exceß vor- gehen mag/ sondern auffs wenigste andere conversation und gespraͤch das ge- muͤth distrahi ret/ vielmehr sich ihre geringe portion allein geben liesse/ die zeit ihres essens mit andaͤchtiger betrachtung/ sonderlich der ursachen/ warum sie das votum gethan/ so dann ihrer schwachheit und anderer erbaulichen din- ge/ zubraͤchte/ und auch einige zeit ihrer uͤbrigen arbeit dadurch gewoͤnne. Wie nun dieses dem vorigen voto am nechsten kommet/ ja solche art etwa ver- muthlich ihrer seelen mehr erbauung geben kan/ als die vorige haltung/ wo die der mahlzeit uͤbergangene zeit an andere weniger erbauliche dinge gewen- det werden/ also hoffe ich/ werde ihr gewissen dadurch vor GOtt gnung tran- quilli ret werden/ daß nemlich derselbe nicht in zorn zurechnen werde/ was zwahr aus der intention ihm zu dienen/ aber unbedachtsam/ gelobet worden/ und nun auch allein aus der intention wider den offenbahren seinen befehl/ sich selbs nicht schaden zu thun/ nicht zu suͤndigen unterlassen/ und doch seine gnaͤdige vergebung voriger leichtsinnigkeit demuͤthig gebeten werde. 9. Solte das gewissen (wie ich weiß/ daß solches in dergleichen ma- terie sich offte nicht leichte zur ruhe geben will/ und daher/ wie obgemeldt/ nicht gern durch geluͤbde/ da man noch frey ist/ demselben einen strick ange- worffen zu werden sehe) sich noch nicht gantz befriedigen/ wolte schließlich ra- then/ neben dem vorigen/ was jetzt an hand gegeben/ gleichsam zur ersetzung/ was man nachlassen muͤssen/ etwas anders gutes sich vorzunehmen/ und sich darzu auff thunliche art zu verbinden/ davon unsre seele und der nechste mehr er- ARTIC. I. SECTIO IV. erbauung hat/ etwa von gewissen uͤbungen der andacht oder gottseligkeit/ o- der was sonsten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Dieses waͤre meine christliche meinung/ so ich den gruͤnden goͤttliches worts nicht un- gemaͤß zu seyn mich versichert halte/ dabey den guͤtigen himmlischen Vater hertzlich anruffe/ er wolle die person selbs durch diesen unterricht/ oder an- dern christlichen rath/ seines willens versichern/ und ihr zeigen/ wie sie ihm am besten gefaͤllig seyn moͤge: auch alles solches durch seine gnade in ihr schaf- fen zu befoͤrderung ihrer seelen heil. Amen. 1686. SECTIO V. Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt seye. Matth. 5. D As hertzliche vertrauen eines recht Christlichen gemuͤthes/ so aus dem an mich gethanen klahr erhellet/ machet mich so viel getroster/ densel- ben ohne in der welt gebraͤuchlichen titul anzureden/ ob wol nach dem mir dessen person und weltliche condition nicht voͤllig bekant/ ich auch darin- nen die sonst nach der welt lauff gewoͤhnliche gebuͤhr nicht gnug in acht neh- men koͤnnen. Jch bedancke und freue mich des gegen mich christlichen be- zeugenden vertrauens/ so vielmehr aus einer solchen stadt/ da sonsten mein armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver- lautet/ und also nicht haͤtte gedencken sollen/ daß jemand nach meinem rath verlangen tragen wuͤrde. Aber gelobet seye der HErr/ der gleich wie mich bißher gewuͤrdiget um der wahrheit seines Sohns willen einige schmach zu leiden/ also derjenigen hertzen nichts desto weniger mit rechtschaffener liebe verbindet/ die in einem geist/ den sie von ihme haben/ ihren wandel fuͤhren. Er kennet die seinen/ und gibt sie auch sich unter einander etwa zu erkennen. Die sache selbs belangend/ so will erstlich meine einfaͤltige gedancken in thesi von dem Ort Matth. 5. zu seinem fernern nachsinnen und beurtheilung vor- legen/ nachmal was mein wolmeinender rath in hypothesi seyn wuͤrde/ bey- fuͤgen. Das erste belangend/ bekenne gern/ daß mir selbs solcher Ort nicht nur einmal viele gedancken gemacht/ und ich ihn wol fuͤr den schwersten in der gantzen sonsten so einfaͤltigen berg-predigt unsers lieben heylandes halte: So erkenne auch/ daß in dieses und anderer befehl des HErrn erklaͤrung sehr behutsam zu gehen seye/ aus des HErrn eigener betrohung/ wer eines sei- ner geringsten gebote werde aufloͤsen und die leute also lehren/ der werde der kleinest seyn im himmelreich. Was unterschiedlicher lehrer auslegungen seyen/ ist auch nicht der ort hie auszufuͤhren/ noch dienet zur beruhigung des gewissens. Wo ich aber einfaͤltig bey dem text hleibe/ moͤchte ich Das dritte Capitel. ich sagen/ es rede der HErr allein von den eidschwuren/ die geschehen bey dem himmel/ erde/ Jerusalem/ eigenem haupt und dergleichen: Und also wo goͤtt- licher nahme nicht deutlich mit drinnen begriffen wird. Theils weil sich nicht geziemen will/ bey andern als bey GOtt selbs zu schwehren/ theils weil eben dieses die suͤnde der juͤden war/ welche viele solcher schwuͤre/ wie zu sehen Matth. 23. nicht verbindlich hielten/ und also damit andere betrogen/ und weil der nahme des HErrn nicht deutlich ausgedrucket waͤre/ gantz leichtsin- nig dieselbe offters brauchten: Dargegen will Christus auch diese eben so wol verboten haben; hingegen schreibet er vor mit ja und nein zu frieden zu seyn/ und also den goͤttlichen nahmen nicht in dem gemeinen leben mit unnoͤthigem gebrauch zu entheiligen. Wo nun diese auslegung stehet/ so moͤgen die wor- te den eidschwuͤren bey GOtt selbs nicht entgegen gesetzet werden; solche auslegung aber scheinet in dem deutlichen buchstaben gegruͤndet/ und also das allerdings nicht bloß zu nehmen/ sondern mit den folgenden zusammen zu setzen seyn. Jch sage euch/ daß ihr allerdings nicht schweren solt/ we- der bey dem himmel noch erde u. s. f. Solte aber diese auslegung nicht wollen angenommen werden/ sondern wie Jacob. 5/ 12. dazu setzet/ noch mit keinem andern eyd/ solches auch dieses orts mit gemeinet werden/ so wer- wir doch nach reifflicher erwegung nimmer mehr sagen koͤnnen/ daß allerdings einiger eid nicht von Christen moͤchte gebraucht werden. 1. Weil Paulus offtmal sich der eidlichen betheurung gebraucht/ als Rom. 1/ 9. 2 Cor. 1/ 23. 11/ 31. Phil. 1. 8. 1. Thess. 2/ 5. 10. Wo er theils uͤber solche dinge schweret/ die in seiner seele waren/ und mit nichts anders erwiesen werden konten/ theils die auch eusserliche dinge betraffen; wo man sagen moͤchte/ daß nicht die allereusserste noth des eids/ nachdeme auch anderer erweiß statt ge- habt/ vorhanden gewesen seye: als was mit ihm zu Damasco vorgegangen waͤre. 2. So hat ja Christus selbs mit seinem Amen Amen/ oder War- lich warlich/ einen eid oder betheurung/ die dem eid gleich guͤltig/ auffs we- nigste mehr als ja und nein waͤre/ gebraucht. Nun wolte ich nicht zweiflen/ daß alle auslegung der worte Christi dem gewissen sicher genug seyen/ die sich auff das exempel Christi selbs/ so dann seiner von dem H. Geist uͤber den ver- stand der wort ihres HErren erleuchteter Apostel begruͤnden. 3. Finden wir nicht nur die exempel der Heiligen/ so in dem A. T. eide gethan/ da einige excipi ren moͤchten/ es waͤre eben solches den alten erlaubt gewesenes hier von Christo auffgehoben: Sondern wir finden/ daß von dem N.T. geweissa- get worden Es. 65/ 16. Jer. 12/ 16. daß GOtt auch alsdann mit schwehren werde gedienet werden. 4. Wird der ort Hebr. 6. nicht gantz aus der acht zu lassen seyn. Daß aber unser liebe Lutherus solche epistel nicht vor Pau- linisch ARTIC. I. SECTIO VI. linisch erkennen wollen/ præjudici ret dero wuͤrde und guͤltigkeit nichts; von dero auch jetzo unsere kirche einmuͤthig sich versichert haͤlt/ und wahrhafftig die hoheit der goͤttlichen darinnen enthaltenen geheimnuͤssen und uͤbrige kennzeichen der goͤttlichen buͤcher/ wo wohl acht gegeben/ darinnen gnugsam erkant werden wird. 5. Jst wohl zu mercken/ daß der eyd an und vor sich selbs/ und ohne die mißbraͤuch genommen/ der liebe weder Gottes/ noch des nechsten entgegen stehe: Nun aber hat der HErr alle gebotte in die liebe ver- fasset. Vielmehr sind die rechte eidschwuͤhre eine herrliche uͤbung/ bruͤder- licher gebotener liebe: wie dann es gleichwie eine ehre goͤttlichen nahmens ist/ wo wir einen rechtmaͤssigen eid thuende/ GOtt zu zeugen der wahrheit an- ruffen/ und also seine gerechtigkeit und wahrheit preisen; also mag auch damit offters dem nechsten eine sehr nuͤtzliche liebe erwiesen werden. Daher aber- mal/ welche erklaͤrung mit dem allgemeinen zweck aller gebote Christi uͤber- ein kommt/ von deroselben meinung nicht frembd zu achten ist. 6. Mag auch einem christlichen gemuͤthe zu seiner versicherung in dergleichen sonsten zweiffelhafftig scheinenden orten dienlich seyn/ wo es weiß/ wie die liebe erste Christen/ so dem alter der heil. Apostel am nechsten gewesen/ des HErrn wort verstanden und insgemein belebet haben. Nun finden wir/ daß die liebe leute gleichwol in gantz wichtigen sachen eyd abgeleget/ obwol sich der jeni- gen entschlagen haben/ welche einiges abgoͤttisches oder leichtfertiges in sich haͤtten. Gleichwol werden auch einige vaͤter auff die art reden/ wie die wor- te Christi und Jacobi bloß dahin lauten: so uns aber dieses zeigen moͤchte/ daß so wol eine als andere nicht schlechterdings von jeglichen eydschwuͤh- ren/ wie dieselbe auch seyn moͤchten/ zu verstehen seyen. Wann also ver- hoffentlich erwiesen/ daß diese worte unseres theuren heylandes nicht ohne einige restricti on verstanden werden moͤchten/ weil ja derselbe selbs/ und Pau- lus sein treuer nachfolger nicht allezeit schlecht dahin bey Ja und Nein geblie- ben sind. So ist ferner in der Furcht des HErren zu untersuchen/ wo wir die rechte limitati on/ und also meinung des HErren finden moͤgen. Meine ein- faͤltige gedancken hievon/ die ich seiner und anderer gottseeliger hertzen erwe- gung und beurtheilung willig uͤberlasse/ gehen dahin; Es seyen die eyde nicht bloß dahin verboten/ sondern allein die jenige/ so man eigenen willens thut: wie es sich auch mit andern dingen/ davon der HErr Matth. 5. handelt/ ver- haͤlt. Massen wir auch nicht macht haben zu zoͤrnen/ den nechsten einen nar- ren zu heissen und dergleichen/ fuͤr uns selbs und aus eigenem trieb unsers verderbten rachgierigen hertzens/ als welches allezeit boͤse ist/ und doch nicht gewehret wird/ daß GOtt in uns zoͤrne/ und ein heiliger eiffer fuͤr Gottes ehre unser gemuͤth gegen unsern nechsten/ nicht denselben zu hassen/ sondern dem uͤbel in ihm zu widerstehen/ bewege; Auch harte empfindliche wort zur C straffe Das dritte Capitel. straffe und besserung gegen die hartnaͤckige gebraucht werden/ nicht aus fleischlicher bitterkeit/ sondern goͤttlichem reinen eiffer/ der/ wie er in den exempeln etwas rar ist/ also an sich selbs gleichwol so gar nicht zu verwerffen/ daß er vielmehr lob verdienet/ welches wir leicht erweisen. Dann unser theure erloͤser/ so seine lehre selbs allen belebet/ erzuͤrnet sich Marc. 3/ 5. er ergrimmet in dem geist/ Joh. 11/ 33. 38. Seine worte waren offt so hart/ als immermehr andere scheltwort seyn moͤchten/ gegen die jenige/ die er doch aus liebe bessern wolte. Ferner: Paulus ergrimmet zu Athen in dem geist. Act. 17/ 16. Strafft seine Galater mit empfindlichen worten: er laͤst seine Epheser zoͤrnen/ aber mit grosser behutsamkeit/ daß sie nicht suͤndigten; Eph. 4/ 26. Ob er wol v. 31. solte scheinen allen zorn zu verbieten. Jaco- bus will haben der mensch solle zu dem zorn langsam seyn c. 1/ 19. nicht daß er niemal zu zuͤrnen haͤtte/ aber daß er mit grossem bedacht zuͤrne/ und es nicht ein bloß menschlicher zorn werde/ welcher nicht thut/ was vor GOtt recht ist. Wie dann also/ ob es schon scheinen moͤchte/ daß von Christo und den Apo- steln etliche mal aller zorn verboten wuͤrde/ gleichwol derselbe nicht anders unrecht ist/ als wo der mensch aus sich selbs/ um sein selbs willen/ und wider die liebe zoͤrnet/ nicht aber wo der zorn eine wahrhafftige frucht einer hertz- lichen liebe Gottes und des nechsten ist. Jtem/ wie in der erklaͤrung des sech- sten gebots unser liebe heyland verbeut die geluͤst eines weibes/ nemlich aus- ser goͤttlicher ordnung/ und gegen diejenige/ die mir GOtt nicht gegeben hat/ nicht aber gegen diejenige/ welche Gottes ordnung mir auch zu leiblicher liebe (obwol diese weder das einige/ noch vornehmste in dem ehestand ist/ und selbs in ihren schrancken gehalten werden solle/ daß sie nicht in eine unkeusche viehische brunst ausbreche/) gegeben: also halte ich das sicherste/ daß wir sagen/ die eyde oder das schwehren seye verboten/ wo es aus eigner wahl und bewegung/ aus absicht auff sich/ daß wir eben haben wollen/ daß uns geglaubet werde/ oder damit einiges zeitliches erhalten wollen/ geschie- het. Daher wolte ich wegen geld-sachen nicht schwehren/ sondern lieber das meinige verliehren/ als welcherley dinge ich nicht so viel werth achte/ daß der heil. nahme Gottes daruͤber gefuͤhret werde. Hingegen achte die jenige eyde fuͤr erlaubt und recht/ wo wir zu goͤttlicher ehre und liebe des nechsten schweh- ren/ dasie nicht unsere/ sondern der liebe werck sind/ und mir also von GOtt in der liebe befohlen. Was also die eydschwuͤhre anlangt/ welche zu thun mir nicht frey stehet/ sondern mir autoritate der obrigkeit/ als dienerin Gottes/ zu dem zweck der verwaltung ihres goͤttlichen Amts der gerechtigkeit gehoͤ- rig/ aufferleget werden/ zum exempel in sachen/ wo der cursus justitiæ mein zeugnuͤß/ und zwar dasselbe beeydigt/ erfordert/ da mirs nicht frey stehet/ ob ich der obrigkeit dasjenige/ worinnen sie meines zeugnuͤsses zu verrichtung ihres ARTIC. I. SECTIO V. ihres Ampts noͤthig hat/ abstatten wolle; also auch wo ein homagium erfor- dert wird/ so eines von den banden ist/ damit die policey aneinander hafftet/ und die liebe auch dessen erhaltung uns anbefihlet/ und was dergleichen faͤlle mehr sind/ die achte ich mit freudigem gewissen geschehen zu koͤnnen; als wel- che weder wider die heiligkeit goͤttlichen nahmens/ noch wider die liebe des nechsten streiten; in dem/ was diese anlangt/ dieselbe so viel klaͤhrer vor augen liget/ so vielmehreren offters dadurch liebe erzeiget/ hingegen die menschliche gesellschafft sehr zerruͤttet/ und also wider die liebe gesuͤndiget werden wuͤrde/ wo wir alle eyde auffheben: was aber jene betrifft/ so ists goͤttlicher heiligkeit nicht entgegen/ dazu gebraucht zu werden/ was dero ordnung in der obrig- keit ist/ und wobey goͤttlicher nahme nicht ohne innerliche und eusserliche ve- nerati on gefuͤhret wird. Wie nun dergleichen eyde von der obrigkeit auffer- legt/ in goͤttlicher ordnung geschehen/ und also wo sie sonsten keinen fehler ha- ben/ daß man mit boͤsem gemuͤth/ oder uͤber ungewissen sachen dieselbe ablegen wolte/ recht und christlich sind/ also achte nicht weniger/ daß es faͤlle gebe/ wo auch ohne erfordern der obrigkeit/ die augenscheinliche ehre Gottes und liebe des nechsten zuweilen dieselbe erlaubt und noͤthig mache. Nachdem diese thesis nach der gnade so mir gegeben/ mag expedi ret seyn/ so wirds jetzo 2. noͤthig seyn/ in hypothesi, ob er wider die vorgeschriebene ordnung nicht ge- suͤndigt zu haben/ mit einem eyd behaupten doͤrffe/ zu erwegen/ was in diesem fall zu thun. Da setze ich nun diese alternativam: Daß mein vielgeliebter Herr entweder durch obige remonstrati on in seinem gewissen versichert/ daß er ohne uͤberschreitung der gebote Christi solchen eyd thun koͤnne oder nicht. Jst jenes/ wie ich etwa hoffen will/ so bedarffs nichts weiteres/ sondern so ste- hen der gehorsam Gottes und der obrigkeit in ihrer subordinati on/ und hin- dert keine den andern. Solte aber das hertz noch nicht beruhiget seyn/ so koͤn- nen wir auch dubia conscientia nichts thun/ sondern muͤste das jenige unter- lassen werden/ was uns das gewissen nicht zugibet: Waͤre aber auff mittel zu gedencken/ wie et wa die sache declini rt werden moͤchte/ wo fern die gedach- te ordnung viele und solche articul haben solte/ die leicht und unvermerckt uͤberschritten werden moͤchten/ bey der vorforderung zu bekennen/ ob man sich wohl nichts bewust seye/ daß man gegen die ordnungen gesuͤndigt/ weil solches doch auch unwissend geschehen seyn moͤchte/ wolte man in causa dubia lieber eine dicti rende straff bezahlen/ als das jenige mit einem eyd behaup- ten/ was man zwahr gewiß bey sich halte/ aber doch eine formido oppositi da seye; oder wo etwa ein ander weg gefunden werden moͤchte/ wie die necessi- tas jurandi, aber ohne andern schwuhr gebendes aͤrgernuͤß/ gleich ob wuͤrden die eyde allerdings verworffen/ declini ret werden moͤchte. Bey allem ist auch GOtt hertzlich anzuruffen um seinen heil. geist/ der unsere hertzen seines C 2 willens Das dritte Capitel. willens versichern wolle; wobey Paulus Rom. 12. ein ander herrliches mittel vorschlaͤgt/ nemlich sich selbs GOtt zum opffer dar zu geben/ sich der welt nicht gleich zu stellen/ sondern durch verneuerung unsers sinnes veraͤn- dern/ so werden wir je mehr und mehr pruͤffen/ und mit gewißheit erkennen/ welches da seye der gute/ der wolgefaͤllige und der vollkommene Gottes wil- le. Lasset uns also unserm heyland treu werden in den jenigen stuͤcken erstlich/ die ohne einige ungewißheit und zweiffel sind/ so wird er unsere hertzen auch mehr und mehr befestigen in dem uͤbrigen/ so erstlich uns noch nicht so gewiß vorgekommen. Wer da hat/ und solches seinem HErren zu ehren braucht/ dem wird gegeben. Er der HErr verleihe uns allen solche gnade/ staͤrcke und bekraͤfftige in uns das angefangene gute/ und heilige uns in seiner wahrheit/ sein wort ist die warheit. SECTIO VI . Ein casus betreffend einen nicht voͤllig gehaltenen eyd. A Us der communici rten specie facti, so ich in der furcht des HERRN durchlesen/ ziehe ich folgende saͤtze: 1. Die genandte Lucilia, welche in einer sache zwischen Cajo und Sem- pronia, die zu einer fiscali schen inquisiti on gediehen/ zum eyd angestrenget worden/ alles zu entdecken/ was ihr davon bewust waͤre/ oder sie noch hin- fuͤhro davon erfahren wuͤrde; nachdem aber nach der zeit etwas unter Caji sachen gefunden/ so sie rechtswegen nach entdecken sollen/ auch solches dem judici hinterbringen wollen/ aber immer durch Caji, dem es sonsten haͤtte scha- den werden/ gute worte davon abgehalten worden/ bis er gestorben/ und nun res nicht mehr integra, noch sie die sache im geringsten mehr beweisen kan/ kan von der suͤnde des meineydes vor GOtt nicht loß gesprochen werden. Jndem nicht allein 1. die heiligkeit goͤttlichen nahmens/ der in dem eyd ange- ruffen wird/ allerdings erfordert/ daß dieser unverbruͤchlich gehalten werde: da hingegen jede dessen brechung denselben schaͤndlich entheiliget/ und daher GOttnicht vergebens denjenigen drohet/ die sich auff solche weise an ihm vergreiffen: sondern 2. der bruch des eydes ist so viel schwehrer/ weil er in ei- ner gerichtlichen sachen geschehen/ und aber nach 2. Chron. 19/ 6. das ge- richt GOTT gehalten wird/ der allezeit dabey ist; daher alle suͤnden in dem gericht begangen/ sonderlich welche den lauff der gerechtigkeit hem- men/ und verursachen koͤnnen/ daß aus mangel gnugsamen berichts/ der rich- ter ein unrechtes urtheil sprechen mag/ desto schwehrer find: darzu kommt 3. daß ARTIC. I. SECTIO VI. daß Caji gegenpart/ zu dessen vortheil der Petronellæ aussage hat dienen sol- len/ dardurch kan um etwas/ was derselben rechts wegen gebuͤhret/ gebracht worden seyn: da sie also vor GOTT angesehen wird/ als eine person/ die an- dere um das ihrige gebracht/ und dessen schuldig ist. II. Jndessen finden sich auch einige ursachen/ die ob wol Luciliam ihrer schuld nicht befreyen/ gleichwol dieselbige etwa geringer/ als sonsten freveler meineyd seyn wuͤrde/ machen: indem nicht abzusehen/ wie sie einer vorsetzli- chen boßheit/ durch ihren meineyd das gericht und Caji gegentheil zu gefaͤh- ren/ uͤberzeuget werden koͤnne/ wie es seyn wuͤrde/ wenn sie damal/ als sie be- eydiget worden/ etwas wissentlich falsches ausgesagt/ oder wissentlich die wahrheit verschwiegen haͤtte; sondern es wird præsupponi ret/ daß sie zeit abgelegten zeugnuͤsses nach ihrem gewissen geredet: als sie auch nach der zeit etwas erfahren/ da ihr gewissen sie erinnert/ daß sie solches zu entdecken schul- dig seye/ erhellet/ daß sie auch damal den entschluß nicht gemacht/ es gar zu verschweigen/ vielmehr meldet facti species, daß sie es dem richter oder doch ihrem beicht-vater eroͤffnen wollen/ daran sie aber von Cajo (die art wie es ge- schehen/ wird nicht ausfuͤhrlich ausgetruckt/) gehindert worden: daher nicht allein die meiste schuld auff Cajum, der wissentlich seine ungerechte sache muß durchgetrieben/ und auch diese wahrheit zu unterdrucken gesucht haben/ faͤl- let/ sondern bey Lucilia scheinet meistens die schuld nicht so wol darauff zu kommen/ daß sie ihrem eyd niemal ein gnuͤgen zu thun fest beschlossen/ als daß sie aus ursachen/ die sie besser wissen muß/ wie fern dieselbe ihre schuld mehr beschwehren oder erleichtern/ solche allzulang verschoben/ biß ihr durch Caji todt es nunmehro zuthun/ unmuͤglich wird worden seyn. III. Was nun anlangt/ wie der person gewissen am besten zu rathen seye/ fasse ich meine gedancken also. 1. Es ist derselben ihre suͤnde nicht gering zu machen oder nur auszureden/ sondern da sie GOtt in ihrer seele selbs gleich- sam lebendig gemacht/ dessen fuͤhrung nachzugehen/ und ihr zu zeigen/ wie sie allerdings goͤttliche heiligkeit groͤblich angetastet/ und den zorn dessen/ dessen nahmen sie mißgebrauchet/ auff sich geladen habe/ daher sie weder die suͤnde entschuldigen/ noch sich uͤber das leiden/ das sie deswegen ausstehet/ be- schwehren/ sondern sich mit aller gedult unter die schwehre hand GOttes/ die sie ewiglich zu trucken wohl verschuldet haͤtte/ demuͤthigen/ und allein die barmhertzigkeit/ die auch dem groͤssesten suͤnder wiederfahren seye/ anflehen solle. 2. Sie ist auch ferner auff ihr voriges leben zu fuͤhren/ wie dasselbe vor GOtt gefuͤhret worden. Jndem dieses unter die heilige wege der weiß- heit GOttes gehoͤret/ daß derselbe zuweilen einige/ deren hertz nicht recht- schaffen/ sondern heuchlerisch vor ihm gewesen/ und ohne daß sie jemal wahr- hafftig zu ihm bekehꝛet/ in einem rechtschaffenen wesen/ das in Christo Jesu ist/ C 3 ge- Das dritte Capitel. gestanden waͤren/ sich dannoch wegen ihres ehrbaren leben und fleisses in dem eusserlichen gottesdienst fuͤr gute Christen gehalten haͤtten/ und also immer sicher dahin gegangen waͤren/ in grobe und greifliche suͤnde hat fallen lassen/ daß sie dadurch der tuͤcke ihres hertzens gewahr wuͤrden/ und zu wahrer buß kaͤmen. Wie mir vor mehrern jahren das exempel eines mannes bekant wor- den/ der/ da er vorhin ein leben zu anderer gutem exempel gefuͤhret/ und sich selbs fuͤr fromm geachtet/ nachmal aber in einen oͤffentlichen ehebruch gera- then/ hingegen selbs darnach bekennet/ weil ihm sein in heucheley betrieg- liches hertz durch solchen groben ausbruch erst recht bekant worden/ daß solche goͤttliche verhaͤngnuͤß uͤber ihn/ ihm zur wolthat worden/ und er sonsten in sei- ner sicherheit ewig wuͤrde verlohren gegangen seyn; da hingegen nachmal sei- ne buß und dero fruͤchten in dem gantzen leben ernstlich und auffrichtig gewe- sen sind. Also wird der beicht-vater wohl thun/ die person treulich auff ihren vorigen zustand zu fuͤhren/ ob sie nicht finden werde/ daß sie auch vor began- genem diesem fall niemal rechtschaffen vor GOTT gestanden/ noch jemal den hertzlichen vorsatz gefaßt/ und in demselben das leben gefuͤhret habe/ daß ihrs in allem allein um GOtt und seinen willen/ nicht aber um sich und um die welt zu thun gewesen waͤre/ dabey sie aber wegen der eusserlichen ehrbarkeit/ sich doch GOttes kind geglaubet zu seyn. Jch halte mich versichert/ weil dieses der zustand der allermeisten menschen/ nur daß sie es nicht glauben/ es werde mit solcher person nicht wol anders gestanden seyn. Wann nun/ wie ich hoffe/ ihr gewissen sie dessen uͤberzeugen wird/ so wird nicht allein ihre reue/ die nun uͤber das gantze leben gehet/ desto gruͤndlicher und heilsamer werden/ sondern wenn sie auch diese wolthat GOttes erkennet/ daß dieser der in ihr vorhin gesteckten eben so gefaͤhrlichẽ/ aber ihr verborgen gebliebenen boßheit diesen ausbruch gelassen/ damit sie zu bußfertiger erkaͤntnuͤß ihrer selbs kaͤ- me/ und erst auff den rechten weg der seligkeit/ auff dem zu seyn sie sich vorhin faͤlschlich eingebildet/ eintraͤte/ ihre gesamte suͤnde ihr nicht mehr allein leid werden wegen der verdienten straff/ sondern daß sie einen so guͤtigen Vater/ der auch in ihrer suͤnde guͤtig gegen sie gewesen/ beleidiget habe. 3. Jn sol- chem stand wird der trost des Evangelii so viel eher an ihr hertz/ wo es nun- mehr des gantzen lebens wegen zerknirschet worden/ anschlagen/ weil sie nicht allein durch das goͤttliche wort/ und die so viele exempel/ die auch von den schwehresten suͤndern darinnen angefuͤhret werden/ versichert werden kan/ daß goͤttliche barmhertzigkeit unendlich groͤsser als alle unsre suͤnden seyn/ son- dern an sich bereits das exempel erfaͤhret/ wie dieselbe sie nicht in voriger si- cherheit habe hingerissen/ wo sie verlohren gegangen seyn moͤchte/ sondern das gifft ihres schwehren falles zu einer artzeney einer heilsamen buß mache. Von dem trost/ der in diesem der seelen stand gefasset wird/ halte mich gewiß/ daß ARTIC. I. SECTIO VI. daß er nachmal bestaͤndig bleiben werde. 4. Weil aber zu wahrer buß auch gehoͤret/ daß man seinen fehler bessere/ so hat sie/ wofern damit der gerechtig- keit und denjenigen/ die ihres stillschweigens halber haben schaden leiden muͤssen/ noch wieder geholffen werden koͤnte/ solches gern zu thun. Ob aber solches muͤglich/ oder nicht/ weiß ich nicht/ auch kans keiner urtheilen/ der nicht so wol die jura verstehet/ als auch die gantze bewandnuͤß des processes, auch dessen ausschlag/ so dann was Lucilia noch anzeigen koͤnte/ weißt/ um daraus zu schliessen/ 1. Ob dasjenige/ was Lucilia angibet/ also bewandt/ daß es ohne fernern beweiß/ von dem judice angenommen werden koͤnte. 2. So dann/ ob es von solcher wichtigkeit/ daß dadurch der gegen Cajum unter- gelegene theil koͤnte wieder zu seinem recht gelangen. Daher achte ich noͤ- thig/ daß an einen christlichen und verstaͤndigen Juristen alles/ was zur eroͤr- terung dieser frage erfordert wird/ unter verborgenem nahmen/ und durch die dritte/ vierdte hand/ gesandt/ und dessen meinung erfordert werde. Fin- det nun der mann/ daß damit die verletzte gerechtigkeit wiederum zurechte ge- setzt/ und denen/ die schaden leiden haben muͤssen/ dadurch geholffen werden koͤnte/ so ist Lucilia annoch schuldig/ und erfordert es die wahre buß von ihr/ daß sie die anzeige noch thue/ ob sie wol vor ihre person schaden und einigen schimpff daruͤber leiden muͤßte. Erkennet aber ein der materie verstaͤndiger/ daß zu der zurechtbringung der gantzen sache solches angeben nicht gnugsam/ entweder weil mehr erweiß noͤthig/ als sie auffbringen kan/ oder res judicata dannoch durch solches angeben nicht auffgehoben werden darff/ so ist sie nicht schuldig/ ohne daß jemand davon mercklichen nutzen haͤtte/ sich ihres verbre- chens wegen zu melden/ und damit in gefahr und schimpff zu setzen/ sondern hat sich allein vor GOtt so vielmehr zu demuͤthigen/ und fuͤr diejenige/ die ih- renwegen nachtheil gelidten/ desto hertzlicher zu beten/ daß GOtt ihnen den- selben/ weil es in ihrem vermoͤgen nicht stehet/ ersetzen wolte/ hingegen von dessen guͤte sich auch in solcher ihrer buß der gewissen vergebung zu getroͤsten. 5. Wie nun in solcher bewandnuͤß ein christlicher prediger sie der goͤttlichen gnade getrost versichern/ und darauff absolvi ren kan/ also hat sie auch mit glauben solches anzunehmen/ GOtt aber inbruͤnstig anzuruffen/ daß er diesen trost lebendig in ihrer seele versiegeln wolle. Solte es aber geschehen/ daß die empfindlichkeit solches trostes lange ausbliebe/ hingegen die anfech- tung fortwaͤhrete/ darzu vieles thun kan/ daß die eine weil angehaltene ge- wissens-angst auch die natur angegriffen/ und einen morbum hypochondria- cum erreget haben mag/ bey welchem eine froͤliche fuͤhlung sehr sch wehr wird: so kan man sie doch mit wahrheit versichern/ daß sie auch solchen zustand nicht fuͤr ein zeugnuͤß einer goͤttlichen ungnade zu halten/ sondern zu glauben habe/ der himmlische Vater finde ihr solchen zustand so viel seeliger/ dadurch wegen ih- Das dritte Capitel. ihrer begangenen/ obwol nun vergebenen suͤnden in so vielmehr demuth und niedrigkeit stets gehalten/ auch fuͤr andern suͤnden und welt-luͤsten desto kraͤfftiger verwahret zu werden: damit sie auch zu frieden seyn/ und solches leiden als ein huͤlffs-mittel ihrer fernerer heiligung mit kindlichem gehorsam auffnehmen solle. Jnsgesamt aber ist sie zu vermahnen/ daß sie dieser suͤnde wegen/ die ihr der Vater um Christi willen vergeben/ schuldig seye/ ihr gan- tzes leben/ noch vor andern/ in desto mehr sorgfalt und behutsamkeit zuzu- bringen/ sich vor allen suͤnden zu huͤten/ und den nahmen GOttes/ den sie mit gewisser art eines meineyds entheiliget/ hingegen so vielmehr auff allerley art zu heiligen: worzu ihr die noͤthige goͤttliche gnade/ denjenigen aber/ die mit ihr umzugehen haben werden/ die erforderte christliche weißheit mit ihr recht zu verfahren/ von grund der seelen anwuͤnsche um Christi willen. A- men. SECTIO VII. Von einem schwaͤngerungs- casu. Was bey sor- ge eines meineydes der Richter und Prediger zu thun haben. D En vorgelegten schwaͤngerungs- casum anlangend/ so sind auff vorge- legte fragen meine gedancken folgende: 1. daß freylich dahin zu trach- ten/ und darauff zu tringen/ daß der streitigen sache ein ende gemacht werde. Wie aber solches geschehen muͤsse/ kan ich nicht gewiß defini ren/ son- dern gehoͤret vor die rechts-gelehrte/ so die personen abgehoͤret/ oder dero voͤl- lige bekantnuͤß umstaͤndlich vor sich haben. Die sache aber wird dahinaus- kommen/ nachdem die stuprata Sempronium der schwaͤngerung beschuldiget/ ob sie einige zimliche indicia vorbringen koͤnne/ oder sich dergleichen aus sei- nem eignen bekaͤntnuͤß hervor thun/ daß er damit starck gravi ret wuͤrde. Ge- schehe dergleichen nichts/ so moͤchte Sempronio kein eyd aufferleget werden/ als wozu in den rechten zimliche indicia erfordert werden/ damit nicht ein ehr- licher mann um jeder blossen anschuldigung willen zu einem eyd genoͤthiget werden doͤrffe: sondern in solchen fall muͤsse er bloß dahin von der klage ab- solvi ret werden/ weil gegentheil gantz nichts zu erweisen/ oder ihn nur mit starcken indiciis zu gravi ren vermoͤchte. Jsts aber/ daß einige gnugsame in- dicia vorhanden/ welche der stupratæ vorgeben bestaͤrcken/ so kan die sache nicht also gelassen/ sonder n muß beklagten der reinigungs-eyd aufferleget werden/ und gegentheil sich damit vergnuͤgen. Was 2. die andre frage be- trifft/ ob wol stuprata stets einwirfft/ der beschuldigte werde falsch schweh- ren/ hindert doch solches nicht/ daß die obrigkeit ihm/ dafern er mit gnugsa- men ARTIC. I. SECTIO VII. men indiciis gravi ret ist/ und also die aufftragung des eydes statt hat/ den eyd nicht solte aufflegen koͤnnen/ sie haͤtte dann selbs wichtige anzeigungen/ daß er falsch schwehren wuͤrde/ wider ihn; oder es wolte jene ( actrix ) selbs gar de- sisti ren/ und ihn also gantz loßlassen. Denn was ihr vorgeben betrifft/ mag solches/ wenn keine andere indicia und sorgen des meineydes vorhanden sind/ welche ihn nicht zuliessen zueinem eyd zu kommen/ den Richter davon nicht ab- halten/ daß er nicht/ was das recht erfodert/ ihm zuerkenne: indem sonsten allezeit jede parthey/ gegen welcher der gegentheil zum Juramento verstattet werden solle/ denselben mit ihrem beharrlichen vorgeben/ er werde falsch schwehren/ abhalten/ und also den lauff des rechten eludi ren koͤnte. Daher in ermangelung andrer und kraͤfftiger gruͤnde wider den beschuldigten/ der klaͤgerinn protestation gegen ihn/ gar nicht geachtet wird. Ob dann schon freylich muͤglich/ daß ein meineyd begangen werden koͤnte/ wuͤrde doch als- denn dessen schuld nicht den Richter/ welcheꝛ/ als der in die hertzẽ zu sehen nicht vermag/ an die regeln des rechten verbunden ist/ sondern den meineydigen al- lein/ der zwahr vorhin vor dem meineyd desto ernstlicher zu warnen/ treffen. So ists mit unsern menschlichen leben so bewandt/ daß unmoͤglich den boͤsen alle rencke ihrer boßheit außzuuͤben/ koͤnne vorgebeuget werden/ sondern uns gnug seyn muß/ auch vor GOtt solches gnug gehalten wird/ da wir an demje- nigen/ wenn einige ihre seelen muthwillig dahin geben wollen/ nicht schuld sind/ sondern alle uns muͤgliche mittel versucht haben/ dadurch wir nach be- stem unsern wissen eine suͤnde zu verhuͤten gehofft. 3. Wenn Sempronius ent- weder sich loßgeschworen haͤtte/ oder in ermangelung der gegen ihn noͤthi- gen indiciorum ungeschworen loßgesprochen werden muͤste/ so koͤnte dessen beicht-vater nichts weiter mit ihm anfangen/ ob er wol zimlichen verdacht auff ihn zu haben meinte/ als daß er ihn/ ehe er ihn admitti rte/ nochmal ernst- lich erinnerte/ und ihm sonderlich zeigte/ daß ihm die suͤnde seines meineyds/ oder vor GOtt in der obrigkeit zu præjudiz der geschwaͤchten person/ faͤlschlich gelaͤugnete mißhandlung/ nicht vergeben werden koͤnte/ wo er nicht mit auff- richtiger bekaͤntnuͤß solcher seiner uͤbertretung/ welche er GOtt in der ord- nung/ worinnen er ihn gelaͤugnet/ zu rettung dessen ehr/ und zur gnugthuung fuͤr die beleidigte/ wiedrum ablegen muͤste/ die suͤnde gleichsam retracti rte/ sondern weil er vorsetzlich in einer suͤnde gegen GOtt/ die obrigkeit und die gesch waͤchte immer stehen blieben/ und also in der that unbußfertig seye/ seye alle absolution an ihm vergebens/ und binde ihn in gewisser maaß nur desto mehr/ weil er dasjenige fordre und annehme/ was ihm sein hertz sagen solte/ das ihm nicht zustehe. Wenn er denn nichts destoweniger auff seiner un- schuld beharret/ so mag der Prediger ohne ferner bedencken ihn zulassen. Dann wo er dannoch schuldig waͤre/ und also das wort der versoͤhnung und die ana- D den- Das dritte Capitel. den-mittel nur zu seinem gericht nehme/ so wuͤrde doch der Prediger/ welcher als ein mensch die hertzen nicht unmittelbar pruͤfete/ vor GOtt ohne schuld seyn; dieser aber/ der leichtfertige mensch allein tragen/ und gewiß/ wie der- gleichen exempel zu finden/ dasselbe zu seiner zeit schwehrer als er gesorgt/ er- fahren. Jedoch/ so viel mehr als der Prediger noch zimliche ursach an dem menschen zu haben meinet/ so viel mehr mag er auch seine absolution (die oh- ne das alle/ so fern sie von menschen kommet/ dem verstand nach conditionata ist/ wo nemlich der beichtende auch in dem hertzen so seye/ wie er sich mit dem munde als bußfertig darstellet) dermassen clausuli ren/ daß dem menschen/ da er redlich ist/ an seinem trost nichts abgehe/ aber auch/ wo er GOtt und den Prediger zubetriegen gesucht/ sein hertz und gewissen aus derselben wenig tro- stes zu staͤrckung seiner sicherheit lasse. Womit der Prediger sein gewissen al- lerdings retten kan. Der HErr gebe auch hierinn/ und in allem die noͤ- thige klugheit der gerechten/ und wende alles kuͤnfftige aͤrgernuͤß kraͤfftig ab. 1688. SECTIO VIII . Enthaltung von poetischen gedichten von den heidnischen goͤttern. J Ch finde die geschickte emblemata alle ingeniös und sinnreich/ jedoch hat mich das erste/ deß durch die lantze von oben her regierten loͤwen/ am meisten contenti ret. Was die uͤbrige anlanget/ laͤugne ich nicht/ daß ich bedencken habe uͤber den poetischen gedichten/ dafern sie zu goͤttlichen din- gen angewendet werden/ wann etwas die heidnische goͤtter/ in denen der teuf- fel geehrt worden/ betreffend/ eingefuͤhret wird; und trauete ich sie in nichts anzufuͤhren/ das einigerley massen zu ihrer ehre dienen moͤchte. Wie ich vor dem in meiner jugend von einem frommen anweiser (Herr Georg Sigismund Vorbergern/ nachmal Caͤmmerern zu Budißin/) in poeticis gewehnt worden bin/ nimmeꝛmehr in einigem carmine solcheꝛ goͤtter nahmen/ es waͤꝛe dann/ daß es zu dero schande gereichete/ zu gedencken. Weil wir den nahmen der Baa- lim aus unserm munde thun sollen. Hose 2/ 17. Man achtet zwahr insge- mein/ es koͤnte kein Carmen eine rechte poetische zierde ohne solche dinge ha- ben/ aber gedachter Herr Vorberger zeigte mit seinem exempel/ daß die aller schoͤnste und eben so wol sinnreichste Carmina moͤchten gemacht werden/ ohne einige vermischung dieser aus der GOtt widrigen abgoͤtterey hergenomme- nen gedichten. Daher getraute ich mich nimmer der Minervæ oder einiger der genannten goͤtter gabe mich zu bezeichnung der goͤttlichen weißheit oder leitung zu bedienen/ sorgende ich moͤchte dieselbe verunehren/ da ich sie dem jeni- ARTIC. I. SECTIO VIII. jenigen vergliche/ was aus des satans (der die abgoͤtterey der Heyden ein- gegeben hat) eingebung seinen ursprung her genommen hat. Ein anders ists mit den poetischen dingen/ die entweder wahrhaffte/ oder doch vermuthliche historien zum grunde haben/ oder physica ænigmata sind/ und aus der natur und dero verborgenheiten hergenommen werden. Wie ich mich seither erin- nert/ welches in dem Herm. Hugone gesehen haben werde/ und sich etwa auff dieses DEO Duce reimte/ das bild des Labyrinthi, darinnen einer gehet/ der durch einen faden oder seyl von oben her geleitet wird/ da andere vor ihm und nach ihm in die graͤben fallen. Welches einigerley massen auch aus der hi- storie des Thesei und Ariadner herkommet. 1681. SECTIO IX . Von dem sabbath/ dessen ursprung und steter fortsetzung. Die 1. Frage. Ob zuerweisen/ daß der siebende tag der welt/ an welchem GOtt nach vollbrachtem werck der schoͤpffung geruhet 1. Mos. 2/ 3. von denen ersten menschen gleich anfangs mit celebri ret/ und die feyer desselben continua \& recta serie biß auffs gesetz 2. Mos. 20/ 8. u. f. beybehalten? E S hanget diese frage an einer andern vorhergehenden/ nemlich ob 1. Mos. 2. so bald nach der schoͤpffung GOtt den siebenden tag zum ruhe- tag verordnet/ oder denselben erst in der wuͤsten 2. Mos. 16/ 23. einge- setzt/ und darauff 2. Mos. 20/ 8. solche einsetzung auch den zehen geboten ein- verleibet habe? dann waͤre dieses letztere/ so wuͤrde von voriger zeit vergeb- lich gefragt/ und koͤnte niemand eine noch nicht geschehene einsetzung observi- ret haben: ist aber das erste/ so ist auch kein zweiffel/ ob wol der wenigste theil der menschen auch solchem gebot moͤchte nachgekommen seyn/ daß doch/ was die gottsfuͤrchtige anlanget/ dieselbe zu keiner zeit solche goͤttliche satzung werden gar hindan gesetzet haben. Also kommts alles auff die frage an/ wann der sabbath erstmal von GOtt eingesetzet worden. Es ist aber diese frage so bewandt/ daß die lehrer sich nicht wohl druͤber vergleichen koͤnnen/ und ist sonderlich in Niederland in der ersten helffte die- ses jahrhunderts mit zimlicher hefftigkeit daruͤber gestritten worden/ da ei- ner seits Franc. Gomarus die meinung behauptete/ daß der sabbath erst in der wuͤsten eingesetzet worden/ anderseits Anton. Walæus und der beruͤhmte An- D 2 dr. Das dritte Capitel. dr. Rivetus die einsetzung in das paradieß verwiesen/ welche denn in unter- schiedlichen schrifften untereinander die sache disputi ret haben. Unter solchen beyden meinungen aber achte ich diejenige/ welche gedach- ter massen von Riveto auch vertheidiget worden/ fuͤr die wahrhafftigste/ der schrifft gemaͤsseste und sicherste; wie sie auch von den meisten beliebet wor- den. Wie dann unter den alten derselben beygepflichtet Philo, Chrysosto- mus, Theodoretus, Augustinus, auch wo er recht verstanden wird (da man sonsten ihn auff die gegenseit ziehen will/) Tertullianus. Unter den Refor- mirten halten es damit ohne die angefuͤhrte Walæum und Rivetum mehrere von denselben selbs benannte/ als Ulr. Zwinglius, Joh. Calvinus, Theodo- rus Beza, Petrus Martyr, Henr. Bullingerus, Hieron. Zanchius, Zach. Ursinus, Rud. Gvalterus, Bened. Aretius, Bonav. Bertramus, Ant. Faius, Franc. Junius, Dav. Paræus, Wilh. Zepperus, Joh. Henr. Alstedius, Martinius, Lamb. Danæ- us, Rud. Hospinianus, Joh. Simlerus, Aug. Marloratus, Fequernequinus, und andere: aus der Roͤmischen kirchen stehen davor August. Sterutius Eugu- binus, Gilb. Genebrardus, Jac. Salianus, Corn. a Lapide, Catharinus, Emanuel Sà, Fr. Ribera. Was unsere kirche anlanget/ stehet zum foͤrdersten unser D. Lutherus selbs/ der also hiervon schreibet T. 9. Alt. f. 38. a. Moses sagt/ daß GOtt den sabbath gesegnet/ und ihn geheiliget habe. Solches hat er an keiner andern creatur gethan/ den himmel und erden oder einige andere creatur hat er ihm nicht geheiliget/ ohn allein den sieben- den tag hat er ihm geheiliget. Dieses gehoͤret sonderlich dahin/ daß wir daraus verstehen lernen/ daß der siebende tag fuͤrnemlich dem gottes- dienst gebuͤhret und zugeeignet werden solle. Dañ heilig heißt/ das von allen andern creaturen abgesondert und Gott zugeeignet ist; und heili- gen heist zum heil gebrauch odeꝛ gottesdienst eꝛwehlen und absondern/ wiediese art zu reden Moses offt brauchet/ als wenn er von heiligen ge- faͤssen redet. Folget derohalben aus diesem text/ daß wenn Adam gleich in seiner unschuld gestanden und blieben waͤre/ so haͤtte er doch den sie- benden tag heilig gehabt/ das ist/ haͤtte darinnen seine nachkommen gelehret von GOttes willen und gottesdienst/ haͤtte GOtt gelobet/ gedancket/ geopffert etc. Die andern tage haͤtte er das land gebauet/ des viehes gewartet etc. Ja er hat auch nach dem fall diesen siebenden tag heilig gehalten/ das ist/ hat an selben tage seine kinder gelehret/ wie da zeiget das opffer seiner soͤhne Cain und Abel. Derhalben ist der sabbath vom anfang der welt zum gottesdienst verordnet. Und also haͤtte menschliche natur/ wo sie in ihrer unschuld und erbgerechtigkeit ge- ARTIC. I. SECTIO IX. geblieben waͤre/ Gottes ehre und wolthat geruͤhmet/ und haͤtten die menschen am sabbath mit einander geredet von der unaussprechlichen guͤtigkeit Gottes ihres schoͤpffers/ haͤtten geopffert/ gebetet/ ꝛc. dann diß alles bedeut und schleust in sich das wort heiligen. Nach diesem unserm vornehmsten lehrer haben gleiches mit ihm gehalten/ als viel mir wissend ist/ die beruͤhmteste und meiste unsrer Theologorum, aus denen al- lein anfuͤhre D. Martin. Chemnitium, D. Joh. Gerhardum, D. Wolfg. Franzi- um, D. Luc. Osiandrum, die Weimarische Bibel/ Henr. Buntingium, D. Joh Conr. Dannhauerum, D. Joh. Ad. Osiandrum, \&c. Weil es aber in einer theologischen frage mit der autori taͤt andrer lehrer nicht gnug ist/ haben wir auch die gruͤnde unsrer meynung aus der schrifft dar zu thun. So ist nun 1. der erste grund in dem text 1. Mos. 2/ 2. 3. der also lautet: Und also vollendete GOTT am siebenden tage seine wercke/ die er machte/ und ruhete am siebenden tag/ und heiliget ihn/ darum/ daß er an demselben geruhet hatte von allen seinen wercken/ die er machte. damit zu vergleichen ist/ was im 2. Mos. 20/ 11. als die ursach der sabbaths- feyer angefuͤhret wird: Dann in sechs tagen hat der HERR himmel und erden gemacht/ und das meer/ und alles/ was darinnen ist/ und ruhete am siebenden tag. Darum segnet der HErr den Sabbath/ und heiliget ihn. Und nochmal 2. Mos. 31/ 17. Dann in sechs tagen machte der HERR himmel und erden/ aber am siebenden tage ruhete er/ und erquickte sich. Aus diesen spruͤchen ist zu mercken 1. daß ohne wi- derspruch in denselben gehandelt werde von dem siebenden tag der welt und dero schoͤpffung/ als welcher den sechs schoͤpffungs-tagen entgegen und nach ihnen gesetzet wird. 2. Wird darvon gesagt/ der HERR habe geruhet/ das ist/ auffgehoͤret zu thun/ was er die vorige tage gethan/ nemlich jeden tag etwas neues erschaffen hatte: indem von der steten erhaltung aller creatu- ren/ er auch damal nicht kan abgelassen und geruhet haben. 3. Es heisset aber auch/ er habe solchen tag gesegnet und geheiliget. Das segnen kan nicht anders verstanden werden/ als daß GOTT der HERR solchem tag eine sonderbahre wuͤꝛde beygeleget habe/ welches in nichts anders wohl beste- hen kan/ als in dessen absonderung von den uͤbrigen tagen/ von denen er einen unterscheid und vorzug haben solte; welches durch das heiligen sonderlich verstanden wird; in dem heiligen eigenlich heisset/ etwas absondern/ sonder- lich aber von dem gemeinen und weltlichen gebrauch abziehen/ und zu einem goͤttlichen widmen. Welches/ daß es die meinung seye dieser heiligung/ auch daraus erhellet/ weil in dem dritten gebot austruͤcklich die sechs tage D 3 von Das dritte Capitel. von dem siebenden unterschieden werden/ mit diesem unterscheid/ daß jene zu des menschen eignen wercken/ darinnen ers mit diesem irrdischen und zeitli- chen leben zu thun hat/ uͤberlassen werden; der siebende aber von denselben frey bleiben solle. Welches recht die bedeutung des Worts heiligen aus- drucket. Daher 4. kan es nicht ein heiligen und segnen seyn/ das gleichsam bey GOTT bleibe/ und auff ihn termini rte: wie dann kein tuͤchtiger ver- stand moͤchte gezeiget werden/ wie GOTT dem HERRN selbs ein tag heiliger oder gesegneter werde/ sondern es muß die absicht seyn auff die men- schen/ daß der tag ihnen heiliger und gesegneter seyn/ das ist/ sie denselben von dem gemeinen gebrauch absondern/ und daran eines kraͤfftigen segens in dem geistlichen von GOTT geniessen solten. 5. Dieses heiligen und segnen ist geschehen an dem tag/ da der HERR geruhet hat/ daher auch der effect da- von billich so bald hat folgen sollen/ nemlich daß gleich damal Adam und Eva darzu verbunden wuͤrden/ so bald den anfang zu machen/ und samt ihren nachkommen solchen tag GOTT dem HERRN zu heiligen: daher folget/ daß dann damal die einsetzung solcher feyer geschehen seye. Welche nun dieser meynung widersprechen/ und vorgeben/ daß allererst 2. Mos. 16. die einsetzung in der wuͤsten geschehen seye/ haben gegen diese stel- le nichts einzuwenden/ als daß was hie stehet/ per πρόληψιν hieher gesetzt seye/ und daß Moses bey der historia von der ruhe nach der schoͤpffung/ nur die gelegenheit her genommen habe/ des jenigen zugleich meldung zu thun/ was GOTT so lang darnach zu dessen gedaͤchtnuͤß verordnet habe. Aber 1. ob wol nicht zu leugnen stehet/ daß hin und wieder in der schrifft sich exempel finden/ wo etwas nicht eben in der ordnung erzehlet wird/ als es geschehen ist/ so wuͤrde es doch allzuhart seyn/ von dieser stelle ohne die nachtruͤcklichste ursach/ welche doch hie nicht gezeiget werden kan/ es vorzugeben: indem der heilige Geist diese dinge nacheinander erzehlet/ Gott vollendete und ruhete/ und segnete/ und heiligte; welche folge dieser goͤttlichen handlungen/ ohne dem text gewalt zu thun/ niemand wol anders ansehen kan/ als daß sie zu ei- ner zeit nacheinander geschehen/ nicht aber die 2 letzte mehr als 2000 jahr nach den ersten erfolget seyen/ welches nach der andern meynung seyn muͤste/ aber keine gnugsame ursach angezeiget werden kan/ von der einfalt der wort der- massen abzugehen. Denn 2. was anlangt/ daß man sagen will/ es koͤnne das segnen und heiligen nicht von dem siebenden tage gesprochen werden/ sondern es seye allein wahr von dem siebenden tag/ da das manna nicht gefallen/ und also auch nicht gesammlet werden sollen/ worinnen dessen tages heiligen und segnen bestehe/ ist es ein vergebenes einwenden/ dann jenem ersten tag ists ja segens und heiligens gnug/ daß GOTT denselben zum ruhe-tag verord- net habe: hingegen kan der segen des siebenden tages/ da das manna nicht fiel/ ARTIC. I. SECTIO IX. fiel/ so groß nicht gehalten/ sondern der segen des sechsten tages muͤste ihm vielmehr vorgezogen werden/ da das manna in doppelter maaß gefallen. 3. Wann es aber heist/ daß der sabbath nicht koͤnne vorhin gewesen seyn/ weil ihn GOTT 2. Mos. 31/ 13. u. f. zum zeichen seines bundes mit den Jsraeliten gemacht/ und also dem gesetz denselbigen gegeben/ einverleibet hat; ist es eine unguͤltige folge/ indem etwas/ das bereits vorhin gewesen/ zu ei- nem neuen gebrauch kan angewendet werden: von dem regenbogen ist kaum zu zweiffeln/ wo man dessen natuͤrliche ursachen ansiehet/ daß er vor der suͤnd- fluth bereits gewesen/ jedoch bekam er nach derselben ein sonderbahres amt zum zeichen zu dienen 1. Mos. 9. die beschneidung war dem Abraham ver- ordnet 1. Mos. 17. jedoch wurde auch dieselbe in das levitische gesetz mit ein- verleibet 3. Mos. 12/ 3. Also waren die opffer bald von anfang der welt im gebrauch/ und machten doch nachmal ein wichtiges stuͤck des mosai- schen gottesdienstes. Also kans wohl seyn/ ob GOTT schon densabbath zu erst allen menschen eingesetzt und befohlen hat/ daß er doch nachmal/ als unter allen voͤlckern dessen wahrer gebrauch in abgang kommen/ denselben absonderlich den Jsraeliten wieder anbefohlen/ und ihn zum absonderlichen zeugnuͤß seines bundes mit dein volck/ machen wollen. 4. Einen mehrern schein moͤchte es haben/ wo man sagt/ daß die ersten eltern/ denen vor dem fall keine muͤhsame arbeit auffgelegt gewesen/ keines ruhe-tags beduͤrfft haͤtten: dann es haͤtten gleichwol die menschen vor dem fall/ ob sie wol mit GOTT immerfort viel genauer/ als jetzo von uns geschehen kan/ umgegangen waͤ- ren/ darneben ihre zu diesem leben abziehlende verrichtungen gehabt/ wie ihnen denn der garten Eden/ ob wol ohne beschwehrliche muͤhe/ zu bauen an- vertrauet gewesen/ da ist dann der goͤttlichen weißheit allerdings gemaͤß/ daß er ihnen einen tag verordnet/ da sie auch von solchen wercken abgewandt/ es mit keinen irrdischen/ sondern nur mit ihrem GOTT und himmlischen dingen lauterlich zu thun gehabt haͤtten/ sonderlich/ daß wo das menschliche geschlecht vermehret worden/ die allgemeine versammlungen zu Gottes lob an demselben angestellet haͤtten werden sollen. 2. Jch achte/ es koͤnne auch mit gutem fug angefuͤhret werden/ daß nicht allein vor dem gesetz 2. Mos. 20. bereits c. 16. des sabbaths meldung v. 23. u. f. geschihet/ und er also auffs wenigste nicht erst auff dem berg Sinai eingefuͤhret worden/ sondern Moses auch also dardon redet/ als von einer be- kandten sache: das ists/ das der HERR gesagt hat/ morgen ist der sab- bath/ der heilige ruhe-tag des HERRN; welche worte der mann Got- tes nicht wohl haͤtte gebrauchen koͤnnen/ wo niemand unter dem volck vorhin etwas darvon gewust haͤtte. So viel mag zwahr wohl zugegeben werden/ daß Das dritte Capitel. daß sonderlich aus der tyrannischen dienstbarkeit der Egyptier solche feyer bey den juͤden aus noth unterlassen werden muͤssen/ und also bey vielen/ und den meisten eine lange zeit moͤchte in vergeß gekommen seyn/ daß es GOtt fuͤr diensam gefunden/ durch dieses wunderwerck bey dem manna/ die gedaͤchtnuͤß desselben/ auch vor gebung des gesetzes/ zu erneuern/ indem das volck/ da es seiner meinung nach am sechsten tag nicht mehr gesamlet hatte als die andre tage/ gleichwol jeglicher zwey Gomor in dem maaß fand. Daher auch unser Lutherus T. 3. Alt. f. 635. a. uͤber diese stelle also schreibet: Aus diesem si- hest du/ daß der sabbath gewesen seye/ ehe denn das gesetz Mostis kom- men ist/ und ist auch wohl von der welt anfang gewesen/ sonderlich/ daß die frommen/ die den wahrhafftigen gottesdienst gehabt/ an die- sem tag zusammen kommen sind/ und GOTT angeruffen haben. Und obwol die meiste der juͤden die einsetzung des sabbaths erst in die wuͤste setzen/ behauptet doch der gelehrteste unter ihnen/ Menasse Ben Israel probl. 8. de creat. daß bereits Abraham und andre Patriarchen denselben ge- feyret haͤtten/ mit anfuͤhrung aus Schemoth Rabba, daß Mose den Jsraeli- ten in ihrer schwehren dienstbarkeit einen tag der wochen zur ruhe ausgebe- ten/ und darauff den siebenden tag darzu genommen habe. 3. Hierzu kommt die stelle Hebr. 4/ 3. u. f. da zwahr nicht ohne ist/ daß mehrere aus derselben etwas zu erweisen/ sich nicht getrauen; aber Rivetus behauptet auch dieses sein argument gegen Gomarum, und D. Dannhauer meinet darinnen eine krafft zu seyn/ wie es auch D. Calovius nicht verwirfft. Es bestehet aber die macht des schlusses darinnnen/ weil der Apostel einer dreyfachen ruhe Gottes gedencke/ nemlich der ersten/ da er geruhet habe nach der schoͤpffung; der andern/ da er das volck durch den Josuam in Chanaan eingefuͤhret; so dann der dritten/ die dem volck Gottes noch bevorstehe: hin- gegen GOTT trohe/ daß die unglaͤubige nicht wuͤrden in seine ruhe einge- hen. Dieses koͤnne nun nicht verstanden werden von der ersten und andern art der ruhe/ so muͤste es verstanden werden von der dritten. Daß es von der ersten nicht verstanden werden koͤnte/ erhelle daher/ weil dieselbe schon vorher gewesen/ und zwahr/ da die werck von anbegin der welt waren gemacht. Wie auch die ruhe Gottes heisset in den andern beyden arten/ worinnen GOTT nicht so wol fuͤr sich selbs ruhet/ als der der ruhe nicht bedarff/ und in ihm selbs keine aͤnderung statt findet; als in dem verstand/ daß er die menschen in die ruhe setzet/ nemlich durch Josuam das volck in die ruhige besitzung von Chanaan eingefuͤhret hat/ und durch JEsum seine glaͤubige in die ewige ru- he einfuͤhren werde/ so muͤste auch die erste ruhe Gottes nicht denselben so wol/ als die menschen angehen. 4. Es ARTIC. I. SECTIO IX. 4. Es bemercken auch einige dieses/ (wie dann D. Dannhauer es auch anfuͤhret) daß Noah 1. Mos. 8/ 10. 11. 12. von sieben tagen zu sieben tagen die tauben aus dem kasten/ um zu forschen/ ob das gewaͤsser auffgehoͤret haͤt- te/ ausfliegen lassen. Da gedachter Lehrer also schreibet: Cur septimo die emissa columba? nisi quia is dies, quo cultui divino intra arcam vacabant, videbatur magis ominosus. Auffs wenigste laͤsset sich daraus abnehmen/ daß bereits damal die theilung der zeit in wochen oder sieben tage habe zuge- schehen gepflegt; wo anders her/ als aus dem unter scheid des einen von den andern sechs tagen? 5. Wie auch in andern stuͤcken die wahrheit heiliger schrifft und vieler darinn erzaͤhlter geschichten aus demjenigen/ was man bey den heiden findet/ bekraͤfftiget werden kan/ ja auch in dieser fabeln vieles stecket/ so aus der goͤtt- lichen wahrheit entsprungen/ und nachmal nur in mißbrauch und mißdeu- tung gezogen worden/ aber jener fußstapffen eben darinnen gezeigt werden koͤnnen: also mag auch dieses/ daß bey sehr vielen heidnischen voͤlckern ein sie- bender tag gefeyret/ so dann meistens ohne jahr und monat die zeit auch in sieben tag oder wochen abgetheilet zu werden gepfleget hat/ (welche ge- wohnheit Salmasius aus Georg. Syncelli Chronolog. erweiset noch vor der abtheilung in jahr und monat gewesen zu seyn) ein zeugnuͤß der aͤlte des sab- baths seyn. Also gedencket Clem. Alex. L. 5. Stromat. daß auch die Grie- chen den siebenden tag heilig gehalten. Euseb. L. 13. Evang. præparat. erwei- set aus Platone, Homero, Callimacho und Solone die heiligkeit des siebenden tages. Sonderlich Philo L. 2. de vita Mosis schreibet: Nostrum jus omnes admonet offcii: Barbaros, Græcos, continentis æque ac insularum incolas. Occidentales \& Orientales, Europæos atque Asiaticos, totum orbem habita- bilem usque ad extremos terminos. Quis enim sacrum illum diem per sin- gulas septimanas recurrentem, non honorat? Dergleichen bezeuget auch Jose- phus L. 2. contra Apion. Also weiset Tertull. Apol. c. 16. und L. 1. ad gentes c. 13. die heiden auff ihre gewohnheit/ da sie auff den sonnabend/ als den tag Saturni sich gute tag zu machen/ und muͤssig zu gehen gepfleget: wie dann auch aus andern stellen zu sehen ist/ daß sie sich der geschaͤfften solches tages entschlagen/ ja auff diesen aberglauben gerathen sind/ daß/ was solchen tag vorgenommen werde/ ungluͤcklich seye. Was anlangt die art nach wochen zu zaͤhlen/ gedencket der gelehrte Frantzos Petr. Dan. Huetius demonstr. Evang. p. 227. Per hebdomadas discreta fuerunt Ægyptiis temporum spatia, nec non \& Indis, \& Gallis, \& Germanis, \& Britannis, \& ipsis etiam Americanis: \& Græcis quoque. Insignis est locus R. Gedaliæ in Cat. Cabalæ, quo in con- fesso apud Ethnicos ait, universum orbem Sabbathum celebrare. Wiederum p. 235. Sabbatha peculiari aliquo cultu Romanis fuisse observata, ex Ovidio, E Sene- Das dritte Capitel. Seneca, Vulcatio Gallicano \& veteribus calendariis manifestum est: sed ma- gis etiam ex Dione, qui numerandorum per hebdomadas dierum modum sua ætate apud omnes homines, præsertim verò apud Romanos, usitatum fu- isse, tradit. So fuͤhret er dergleichen auch von den Mexica nern in America an p. 150. Was nun als eine fast allgemeine gewohnheit bey allen voͤlckern ge- wesen/ weiset uns billich auff eine allgemeine ursach: Nun moͤchte man zwahr die sieben zahl der planeten anfuͤhren; es wuͤrde aber dieselbe auffs wenigste dem siebenden tag oder dem sonnabend/ vor den uͤbrigen tagen keine sonder- bahre wuͤrde machen/ sondern vielmehr dieselbe bey dem sonntag angetroffen worden seyn. Also muß es vielmehr daher gekommen seyn/ nachdem GOtt den sabbath eingesetzet/ daß die Patriarchen in ihren famili en denselben fort- gepflantzet und gefuͤhret haben: daher auch die soͤhne Noaͤ solche gewohnheit behalten/ und dero nachkommen sie auch von ihnen gehabt/ und immer den ihrigen wiederum hinterlassen haben; bis sie bey theils/ wie ander gutes/ gar erloschen ist/ theils sich allerley aberglauben mit untergemischet hat. Da gleichwol auch diese dunckle fußstapffen einigerley massen auff den ersten ursprung uns leiten koͤnnen. Man moͤchte zwahr einwenden/ es haͤtten die heiden solche gewohnheit nicht so wol von ihren voreltern (da man also auff den Noam/ den allgemei- nen Stam-vater aller noch uͤbrigen menschen kommen muͤste/) empfangen/ als vielmehr von den Juͤden entlehnet; daher der sabbath nicht nothwendig aͤlter/ als das Sinaitische gesetz seyn muͤste. Nun wolte ich nicht allerdings widersprechen/ daß nicht sonderlich benachbarte voͤlcker vieles von den Juden entlehnet haben/ wie dergleichen exempel von mehrern juͤdischen satzungen gezeigt werden kan. Diese gewohnheit aber der sieben tage/ und des sie- benden tages feyer/ kommt mir zu allgemein vor/ nachdem sie sich auch bey voͤlckern sindet/ die von den Juden weit entfernet/ und mit ihnen keine gemein- schafft gehabt haben/ als daß sie nur allein von diesem volck/ welches ohne das bey den meisten veracht und fuͤr ein greuel gehalten worden/ solte abge- sehen seyn. Daß daher es viel glaubwuͤrdiger/ daß von Noah alle seine nach- koͤmmlinge solche empfangen/ und zum theil behalten haben. Hieraus wird zur gnuͤge erhellen/ daß die meinung von dem ursprung des sabbaths aus dem Paradieß/ so wol dem deutlichen buchstaben der schrifft am gemaͤssesten seye/ als auch durch andre gruͤnde beglaubet werden koͤnne. Die 2. Frage. Ob die Juden von dar an bis auff die heutige in sothaner ord- nung ungehindert aller zerruͤttung fortgefahren/ \& sic citra dubitationem versichert seyn koͤnnen/ daß sie obigen des HErrn ARTIC. I. SECTIO IX. HErrn ruhe-tag annoch begehen/ nemlich jedweden siebenden tag von dem ersten siebenden welt-tage zu rechnen. D Je frage muß mit einem unzweiffelichem ja beantwortet werden/ so gar/ daß ich auch keine ziemlich scheinbahre rationem dubitandi antreffe. Die vornehmste moͤchte seyn/ daß in der zeit der suͤndfluth ein fehler in der rechnung/ da Noah in dem kasten auff dem wasser gesch webet/ so dann in den jahren der Egyptischen dienstbarkeit/ haͤtte vorgehen koͤnnen. Es ist aber einstheils solche sorge vergebens/ indem Noah in dem kasten so gar alle mo- nats-tage/ wie zu sehen 1. Mos. 7/ 11. 8/ 4. 5. 13. 14. auffgezeichnet hat/ und in Egypten bey einem solchen zahlreichen volck ein verstoß in der rechnung der tage nicht einmal gedacht werden kan. Andern theils ob man auch in der vo- rigen zeit die muͤglichkeit eines fehlers zu gestehen wolte/ waͤre gleichwol der- selbe 2. Mos. 16/ 22. u. f. da GOtt durch ein sonderbahres wunder solchen siebenden tag wiederum bezeichnet/ und dem volck anbefohlen hat/ zur gnuͤ- ge ersetzet worden/ und also unwidersprechlich gewiß/ daß der jenige tag/ an dem das manna erstmals ausgeblieben/ und die ursach von GOTT durch Mosen angedeutet worden/ ein siebender von dem ersten siebenden tag ohne einigen fehl/ den wir von GOTT nicht gedencken koͤnnen/ gewesen. Von solcher zeit an/ da gedachter massen der tag selbs von GOTT durch das wunderwerck bezeichnet worden/ welches auch 40 jahr aneinan- der gewaͤhret/ konte bis auff jetzige zeit unmuͤglich ein irrthum in der rech- nung vorgehen. Dann es wurde der sabbath von dem gantzen volck nicht nur so lang sie in der wuͤsten waren/ sondern auch die gantze zeit uͤber/ als sie das land Chanaan inne gehabt/ und ihr so reich als gottesdienst darinnen erhalten haben/ ohne einige unterbrech ung gefeyret/ daß es zu einem solchen irrthum nicht zu kommen vermochte. Ob sie nun wol nachmal in der Ba- bylonischen gefaͤngnuͤß mehrere jahre zugebracht/ konte doch auch daher kein solcher verstoß der zeit geschehen/ daß der tag verruͤcket worden; wie eben- falls nachdem sie wiederum in ihr land eingefuͤhret/ und so stadt als tempel. wieder auffgebaut/ auch der voͤllige gottesdienst auffs neue angerichtet wor- den/ alles in seiner ordnung geblieben ist: nachdem ohne das die Priester sol- cher zeit/ je weniger sie des rechtschaffenen und innerlichen in dem gottes- dienst achteten/ oder denselben verstunden/ so vielmehr alle ihre sorgfalt und fleiß auff das eusserliche wendeten. Daß ich nicht sehe/ wie die muͤglichkeit ei- ner verruͤckung auch nur eingebildet werdẽ koͤnte/ bis auff die zukunfft Christi. Nachdem aber auch die Christliche religi on auffgekommen/ konte solches noch so viel weniger geschehen: indem die Christen erstlich beide tage/ den er- sten und siebenden/ mit einander feyerten (daher beide tage von einigen der alten/ bruͤder genennet wurden/ solche gewohnheit auch noch heute zu tage E 2 in der Das dritte Capitel. in der Abissinischen Kirchen im schwang ist) nachmal aber bey dem ersten oder so genannten sonntag allein blieben/ der noch heut zu tag im gebrauch ist. Ob nun wol die Juden nun uͤber 1600 jahr land und tempel verlohren/ daher auch das wenigste ihres gottesdiensts mehr uͤbrig haben/ sind sie doch allezeit auff nichts mehr als auff die beschneidung und sabbath bis auff diese stunde verpicht geblieben/ daß sie den rechten tag nimmer weder veꝛgessen/ noch umge- setzet haben: welches wir auch daraus versichert wissen/ weil wir Christen von ihnen in keinem lande nirgend unterschieden sind/ sondern aller orten unsre wochen-tage mit den ihrigen ohne den geringsten verstoß uͤbereinstimmen/ nur daß wir den ersten/ sie den letzten tag feyren. Daher ob wol so grosser streit von der anzahl der jahre von anfang der welt bis hieher unter den gelahrten gefuͤhret wird/ der bis daher noch nicht geendiget werden koͤnnen: ob schon D. Waßmuth durch seinen calculum sol- ches unfehlbar gewiß zu machen/ sich unternommen hat; so bleibet doch unwidersprechlich/ daß die wochentage-ordnung ohne aͤnerung fort ge- waͤhret/ und daran auch mit dem geringsten schein nicht gezweiffelt werden moͤge ꝛc. 1696. SECTIO X. Von der verbindlichkeit der sabbaths-feyer. W As den Sabbath anlangt/ solists an dem/ daß solche controvers, so wol von verbindlichkeit des sabbaths in dem N. T. an sich selbs/ als auch der art dessen feyer/ in diesem seculo nicht allein unter den Reformirten/ sondern auch den unsrigen viel disputi ret worden/ also/ daß sich unsre beruͤhmte Theologi ziemlich zweyen/ wie auch einige offentliche schriff- ten davon/ vor dem tag ligen. Welche ursach mich beweget/ daß ich lieber sehe/ daß von sothaner controvers nicht viel offentlich disputi ret werde; als dessen folge ich gesehen/ gemeiniglich gewesen zu seyn/ daß die menschen sich nur daraus eine ihren seelen und erbauung nachtheilige freyheit zu nehmen pflegen. Bin hingegen versichert/ wo man die leute nur dahin bereden koͤnte/ eine zeitlang GOTT zu ehren den sabbath recht heilig- lich zu zubringen/ daß die eigne erfahrung solche heiligung ihnen auffs herr- lichste recommendi ren/ und den guͤtigen rath des himmlischen Vaters/ so zu unsrer eigenen seelen besten solche ruhe uns gegoͤnnet/ dermassen zu erkennen geben wuͤrde/ daß es vieles subtilen disputi rens nicht mehr bey denen/ wel- chen es um das geistliche zu thun ist/ noͤthig seyn wuͤrde. Jndessen geb ich gern zu/ daß die obligatio sabbathi nicht seye legis naturalis, wohl aber moralis po- sitivæ, wie unser D. Dañhauerus zu reden pflegte. Also lasse ich desvorgelegten Syllo- ARTIC. I. SECTIO X. Syllogismi conclusion passi ren/ und unterschreibe ihr selbs. Wann aber das argument also formi ret wuͤrde: was den ceremonial- gesetzen wei- chet/ ist auch nicht moral; die feyr des sabbaths weichet den ceremoni- al- gesetzen/ daher ist sie nicht moral; so leugne ich den minorem, wo das weichen in seinem eigenlichen verstand gebraucht wird/ nemlich daß dessen obligation selbs auffgehoben werde; ob wol einiges weichen in dem verstand moͤchte zugegeben werden/ da des einen gebotes werck einem andern in gewis- ser maaß vorgezogen wird/ in welchem verstand hingegen der erste satz falsch seyn wuͤrde. Die sache aber besser zu verstehen/ wird vornemlich noͤthig seyn/ daß wir bedencken/ worinnen die morali taͤt des sabbaths bestehe; da ich sie nicht eigenlich setze in der ruhe des leibs/ oder der unterlassung der leiblichen arbeiten an und vor sich selbs/ sondern in dem: Nachdem der mensch in diesem jetzigen leben nicht allezeit unmittelbar mit GOtt und geistlichen dingen um- gehen kan/ sondern durch die irrdische geschaͤffte daran nicht wenig gehindert wird (sonderlich da diese nach dem fall gar zur straff und mehrer beschwehrde worden sind) daß GOtt dem menschen einen tag dazu verordnet hat/ da er als viel muͤglich ist/ allein mit goͤttlichen und geistlichen dingen umgehe/ und sich also goͤttlichen wirckungen zu seiner heiligung freyer darstelle. Dieses hal- te ich in dem N. T. das hauptwerck der sabbat-feyer/ und ist desselben art am gemaͤssesten. Was aber betrifft die eusserliche unterlassung der arbeit/ wel- che in dem A. T. nach solches Testaments art so viel eigenlicher mit in das ge- bot an und vor sich selbs gehoͤret/ sehe ich jetzt nur an als ein mittel/ an jenem vornehmsten/ was geboten wird/ weniger gehindert zu werden. Nun alle exempel/ die angefuͤhrt werden/ heben das hauptwerck des sabbaths/ und die beschaͤfftigung des gemuͤths mit goͤttlichen dingen und betrachtungen/ nicht auf; also weichet dieses gebot andern nicht/ sondern sie lassen nur einigẽ eusser- lichen wercken neben sich platz/ dero unterlassung etlicher massen das gebotene in dem A. T. nach dessen Testaments art war/ aber uns in dem N. T. nicht e- ben verbindet/ und also nicht zu der morali taͤt des tags oder gebots gehoͤret: wie dann nichts ungereimtes ist/ zu statui ren/ daß GOtt sonderlich in solches gebot zu demjenigen/ was eigenlich moral ist/ und allezeit aus der ersten einsetzung verbindlich gewesen/ in dem eigenlichen so genannten alten Testa- ment oder Levitischen dienst einige weitere determinationes hinzu gesetzt/ so deswegen nicht moral worden sind/ und also als etwas ceremoniales andern verrichtungenhat weichen koͤnnen. Also wo ich die sache auff diesen fuß setze/ daß der wahre zweck und inhalt des gebotes seye/ die absonderung eines tags unter sieben zu geistlichen verrichtungen/ dem dienst GOttes und unsrer see- len heiligung/ die also nach sich ziehet die unterlassung der ordenlichen wo- chen- und irrdischen geschaͤfften/ nicht als das hauptwerck/ sondern nur als ein E 3 mit- Das dritte Capitel. mittel desselben/ davon deswegen allezeit nicht mehr erfordert wird/ als so viel jene heiligung bedarff/ so faͤllet die gantze kꝛaft des arguments weg/ indem die arbeit der Priester bey den opffern/ und die beschneidung/ mit zu den geist- lichen verrichtungen gehoͤren/ und dieselbe nicht stoͤhren. Was aber die noth- wercke anlanget/ als das ausrauffen der aͤhren bey den juͤngern/ die ziehung. des ochsen aus einem brunnen/ stoͤhren auch dieselbe das haupt-werck nicht/ ob sie wol die ruhe etzlicher massen unterbrechen. Wie also das gebet und die predigt goͤttlichen worts ohne zweiffel zu den moral- wercken gehoͤren/ und doch niemand sagen wird/ wo zum exempel eine gantze gemeinde in solcher hei- ligen handlung begriffen waͤre/ oder jemand in dem gebet vor GOTT laͤge/ und geschaͤhe indessen ein grosses ungluͤck/ das schleunige rettung bedoͤrffte/ daß man nicht auch solche heilige wercke unterbrechen und zu jenem liebes- werck schreiten doͤrffte. Also doͤrfften wir doch nicht sagen/ daß der dienst GOttes an sich dem liebes-dienst des nechsten weiche: sondern GOtt hat al- le seine gebot also weißlich in einander gegattet/ daß dero wercke neben ein- ander stehen/ und allezeit getrachtet werden solle/ dem einen also abzuwarten/ daß das andere nicht gar auffgehoben werde. Solches aber heißt nicht eigen- lich ein weichen/ dadurch des einen verbindlichkeit auffhoͤrte/ indem nur beider gehorsam kluͤglich zusammen gesetzt wird. Hiemit hoffe ich einer see- le/ dero es bloß um die erkaͤntnuͤß goͤttlichen willens/ und wie goͤttlicher zweck am besten zu erhalten seye/ zu thun ist/ zu ihrer beruhigung gnug zu gesche- hen: ob aber leuten/ welche gern in allem widersprechen/ jemal mit etwas gnug geschehe/ stehet dahin. Der HErr gebe uns selbs das liecht/ zu pruͤfen/ welches in allem uns noͤthigem seye der gute/ der wolgefaͤllige und der voll- kommene wille GOttes und denselben treulich zu vollbringen. 1690. SECTIO XI. Von der sabbaths-feyr. B Etreffend die sabbaths-feyr/ expedi re ich mich mit wenigen. 1. Die feyer gehet nicht nur auff etliche wenige stunden/ vor- oder nachmittag/ sondern es wird der tag gemeldet/ und also erfordern wir mit recht einen gantzen tag: so sind also die abend-stunden nicht ausgeschlos- sen/ um so vielmehr/ weil dafern in denselben das gemuͤth in weltliche und fleischliche ergoͤtzungen gezogen/ dadurch alles gutes/ so etwa durch be- trachtung goͤttlichen worts des tages war gewircket/ wiederum ausgeloͤschet wird. 2. Jch erkenne uns in dem N. T. an die feyer des sabbaths nicht weni- ger/ sondern wegen mehrer wolthaten und reicheren gnaden-maasses/ eher mehr/ als die in dem A. T. verbunden; aber mit inachtnehmung des unter- scheids ARTIC. I. SECTIO XI. scheids der beiden Testamenter. Jn dem A. T. wo alles mehr eusserlich war/ gehoͤrte die unterlassung des eusserlichen und der arbeit/ mehr an sich selbs zu dem gebot: nachdem aber die art des gottesdiensts in dem N. T. mehr in dem innerlichen bestehet; so ist unsre heiligung des sabbaths vornemlich zu suchen in der innerlichen ruhe der seelen/ und daß man dieselbe zu goͤttlichen wirckungen uͤberlasse/ dazu die eusserliche ruhe nicht anders gehoͤret/ als weil sie ein mittel ist jener innerlichen ruhe/ die sonsten durch eusserliche arbeit auch verstoͤhret wuͤrde. 3. Daher nach art des N. T. ists der heiligung des sabbaths vielmehr zuwider/ wo man die abend-stunden mit eiteler welt-freude/ balleten/ taͤntzen/ schlitten-fahren und dergleichen zubringet/ als wo man an seine beruffs-ge- schaͤffte auch wohl in schwehrer arbeit gienge/ daher die suͤnde auch schwehrer ist. Dann bey der leiblichen arbeit waͤre noch eher muͤglich/ diejenige gedan- cken fest zu setzen/ darinnen ich in GOtt ruhete/ und er in mir wirckete/ als bey dergleichen weltlicher lust nicht geschehen kan. Ja ich sorge/ die paar stun- den solcher fleischlichen ergoͤtzlichkeit setzen die seele mehr aus ihrer ruhe in GOTT/ als ob man den gantzen tag mit arbeit zugebracht/ und dabey noch an GOTTES wort unter derselben gedacht haͤtte: und koͤnnen also das klei- ne fuͤncklein/ welches etwa durch das wort des HERREN fruͤhe waͤre an- gezuͤndet worden/ allerdings auff einmal ausloͤschen. Daher bey mir Au- gustini regel gilt/ es seye sontags besser ackern als tantzen/ und also auch andern weltlichen ergoͤtzungen anhangen. Jch halte aber dafuͤr/ eine seele/ welche einmal erfahren/ worinnen die frucht der sontags-feyer bestehe/ und also die krafft des goͤttlichen worts/ wo man recht damit umgehet/ geschmaͤ- cket hat/ wird selbs leicht hievon urtheilen/ und bedarff nicht weitlaͤufftig da- von uͤberzeuget zu werden. SECTIO XII. Von holtz-fuhren an dem sontag. E He auff die vorgelegte frage/ wegen verstattung der holtz-fuhren auff den sontag/ mit grund antworten kan/ ist noͤthig/ zum allerfordersten die gantze materie von der heiligung des sabbaths etwas einzusehen. 1. Finde ich derjenigen meinung nicht gnug gegruͤndet zu seyn/ welche aus Rom. 14/ 5. Gal. 4/ 10. Col. 2/ 16. behaupten wollen/ daß in dem N. T. nun gar kein sonderbahrer sabbath mehr geboten seye/ sondern nach Jes. 66/ 23. ein sabbath nach dem andern gehalten/ oder vielmehr alle ta- ge bey den Christen zu sabbathern oder heiligen ruhe-tagen gemacht werden sol- Das dritte Capitel. solten; nach dem der alte sabbath nur um der groben Juden willen/ die alle- zeit zu solcher heiligen innerlichen ruhe nicht tuͤchtig waren/ eingesetzt worden waͤre/ aber mit anderm schatten-werck habe auffgehaben werden sollen. Zwahr ist in solcher meinung viele wahrheit/ und es freylich an dem/ daß bey einem Christen ein staͤter sabbath in seiner seelen solle gehalten werden/ als fern solcher in derjenigen ruhe bestehen muß/ daß die seele ablasse von allem dienst der suͤnden/ der welt eitelkeit und allen fleisches-wercken; so dann/ daß sie sich den goͤttlichen wirckungen stets gelassen darstelle/ und dieselbe nicht bey sich verstoͤhre. Dieses ist der geistliche sabbath/ der in dem Rig. Ca- tech. q. 86. also beschrieben wird: Daß der mensch in wahrer glaubens- krafft auffhoͤret von seinen suͤndlichen wercken/ vernunfft/ willen/ lust/ begierden; laͤsset GOtt sein werck in und mit ihm haben/ so daß nichts in seinem hertzen geschehe/ es thue und wircke es dann GOtt selber: dazu Jes. 56/ 2. (er haͤlt seine hand/ daß er kein arges thue) und Jes. 58/ 13. angefuͤhret wird. Aus diesem sabbath soll der mensch nie schreiten/ das ist/ er hat nie macht/ seinen eigenen (dem goͤttlichen entgegen stehenden) wil- len zu thun/ oder dem fleisch zu dienen/ noch auch goͤttlichen wirckungen zu widerstehen. Also ist dieses freylich ein stetswaͤhrender sabbath/ und nicht auff einen einigen siebenden tag einzuschrencken. Aber es ist dieses nicht al- lein der in dem dritten gebot gebotene sabbath/ noch kan dieses dritte gebot/ als ein stuͤck des moral- gesetzes gantz abgeschafft zu seyn vorgegeben werden; sondern es muß ein gewisser sabbath/ welchen bereits GOtt in dem paradieß/ da der mensch auch den steten geistlichen sabbath gehalten haͤtte/ eingesetzt/ 1. Mos. 2/ 2. 3. deswegen auch noch in dem N. T. behalten werden. 2. Jndessen ist ein zimlicher unterschied unter diesem dritten gebot/ und allen uͤbrigen geboten: einmal zwahr/ indem dasjenige/ was darinnen ver- boten wird/ nemlich die arbeit des siebenden tages/ nichts an sich selbs un- rechtes und suͤndliches ist/ wie alle uͤbrige suͤnden/ die in den andern geboten verboten werden; sondern etwas/ das aus dem blossen verbot GOttes erst zur suͤnde wird/ daher da auch in keinem fall der noth jemal ohne suͤnde abgoͤt- terey getrieben/ der nahme GOttes entheiliget/ die Eltern eigenlich veruneh- ret/ eigenwilliger todtschlag vollbracht/ die ehe gebrochen/ gestohlen/ gelogen und nach dem boͤsen geluͤstet werden kan; weil es lauter dinge sind/ die an sich selbs boͤse; So konte hingegen auch selbs in dem Alt. Testam. wie Christi lehr Matth. 12/ 3. u. f. 11. Luc. 14/ 5. zeiget/ an dem sabbath im fall der noth ei- nige arbeit ohne suͤnde verrichtet werden. Nechst dem ist auch darinnen der unterscheid/ daß dieses einige gebot zum theil mit unter die schatten-werck und bilder auff das N. T. Col. 2/ 16. 17. gesetzet wird/ und es GOtt vor an- dern ARTIC. I. SECTIO XII. dern zum zeichen seines alten bundes mit den Jsraeliten 2. Mos. 31/ 13. u. f. Ezech. 20/ 12. verordnet hat. Daher nicht allein das vorbild auff das kuͤnff- tige/ nachdem der leib selbs gekommen/ in dem N. T. auffhoͤret/ sondern alles dasjenige/ was uͤber den in dem menschlichen leben nothwendigen sabbath/ als worinnen die krafft des gebots stehet/ und davon bald folgen solle/ in dem A. T. von unterschiedlichen satzungen hinzugethan/ und die strenge desselben sehr geschaͤrfft worden ist/ uns in dem N. T. eigenlich nicht mehr angehet, Sonderlich muͤssen wir wohl anmerckẽ/ daß das verbot der eusserlichen arbeit der art des A. T. welches mit eusserlichen dingen grossen theils umging/ al- lerdings gemaͤß/ und also wahrhafftig ein stuͤck des gesetzes selbs gewesen. Da hingegen das N. T. mit dem eusserlichen nicht anders/ als wie es zu dem inner- lichen fuͤhret/ oder dessen uͤbung ist/ oder auch hingegen daran hindert/ um- gehet/ dasselbe auszuschliessen/ oder zuerfordern. 3. Jndessen muß das haupt-werck in dem dritten gebot auch in dem N. T. allerdings bleiben. Wir koͤnnen aber dasselbe sonderlich finden/ wo wir auff den unterscheid der gebot der ersten taffel sehen: da gehet nun das erste gebot damit um/ daß unsre seele mit allen ihren kraͤfften/ in erkaͤntnuͤß/ liebe/ furcht und vertrauen GOtt allein gewidmet werde: das andere damit/ daß solcher innerliche erste dienst in der erkaͤntnuͤß/ liebe/ furcht und vertranen GOttes sich heraus lasse in allem dem/ worinnen goͤttlicher nahme/ und wie sich der HErr uns offenbahret hat/ von uns geheiliget und recht gebraucht werden moͤge. Ausser diesen beiden stuͤcken erfordert auch goͤttliche ehre noth- wendig einstheils/ daß die menschen nicht nur eintzeln und jeglicher fuͤr sich selbs GOtt dienen/ ihn loben und preisen/ sondern daß dergleichen auch in ei- ner gemeinde geschehe/ welcher dienst GOtt so viel besser gefaͤlt/ und einer durch den andern auffgemuntert wird; darzu aber muͤssen versammlungen geschehen: andeꝛn theils eꝛfordeꝛt sie auch jetzo nach dem fall/ weil der mensch/ was das erste gebot von ihm fordert/ die erkaͤntnuͤß/ liebe/ furcht und ver- trauen GOttes nicht hat/ noch dieselbe nach dem andern gebot aus sich selbs uͤben kan/ sondern sie erst von GOTT in ihm gewircket werden muͤssen/ fer- ner sie GOtt durch sein wort wircken will/ daher mit desemlben umzugehen/ solches zu hoͤren/ zu lesen und zu betrachten ist/ hingegen der mensch wegen nach dem fall aufferlegter schwehrer eusserlicher arbeit und schweiß seines an- gesichts 1. Mos. 3/ 19. nun unmuͤglich alle zeit zu solchen geistlichen wercken/ darinnen an seiner heiligung absonderlich gearbeitet wird/ anwenden kan/ ja deren aller meisten wegen dero armuth oder dienstbarkeit wenig darzu uͤ- brig bleibet/ daß dann eine gewisse zeit seye/ welche den weltlichen und leibl. verrichtungen sofern entzogen werde/ damit der mensch dieselbe ungehindert F zu Das dritte Capitel. zu denjenigen wercken/ durch die die heiligung in ihm gefoͤrdert werden/ und er unmittelbar Gott dienen solle/ an wenden koͤnne. Welche zeit dann diegoͤttl. weißheit auff den siebenden tag bestimmet hat. Dessen bedoͤrffen nun glau- bige hertzen/ und welche auch in dem eusserlichen ihrer zeit meister seyn/ sofern nicht; (wie zwahr auch anderer gebote/ nach 1. Tim. 1/ 9. ) indem sie in sich selbs eine solche begierde nach dem geistlichen haben/ daß sie vielmehr sich mit einem siebenden tage nicht vergnuͤgen/ sondern lieber aus freyem trieb meh- rere zeit/ und wie sie solches vermoͤgen/ zu solchem zweck und gebrauch an- wenden. Es beduͤrffen aber solches gebots/ theils die noch keine rechtschaf- fene Christen sondern gantz rohe sind/ daß sie auffs wenigste durch gesetze an solche ort und versammlungen getrieben werden/ wo sie dasjenige hoͤren muͤs- sen/ wodurch der H. Geist in ihnen/ da sie ihn nicht hindern/ geistlich gutes auch wircken will und kan/ ja allezeit in einigen wircket; zu welcher gelegen- heit die meiste ohne dieses gebot und einigen zwang desselben nicht kommen wuͤrden: ja es beduͤrffen auch boͤse an orten/ die der christlichen religion eus- serlich zugethan sind/ eines dergleichen gebots/ so sie auch von demjenigen sol- chen tag abhaͤlt/ das andre sonsten in ihrer ruhe irre machte: theils beduͤrf- fens auch schwache/ daß es ihnen eine handleitung werde/ zu der gelegenheit der erbauung zu kommen/ darzu sie sonst etwa/ ob wol aus nachlaͤßigkeit/ nicht kaͤmen: theils bedoͤrffens diejenige/ die entweder in hauß-diensten sind/ oder sonsten andern zur arbeit verbunden leben/ und wo nicht goͤttliches ge- bot ihnen eine solche zeit frey machte/ schwehrlich etwas freyheit zu ihrer er- bauung erlangen wuͤrden/ daß gleichwol eine dergleichen ihnen durch dieses gebot werden muß. Also ist dasjenige/ was eigenlich geboten wird/ an sich selbs eine wolthat. Weil aber auch nicht allein ein jeglicher vor sich eine zeit noͤthig hat zu seiner erbauung/ sondern zu dem zweck des gebots eine oͤffentli- che versammlung erfordert wird/ so ist auch allerdings ein gewisser tag noͤ- thig/ darnach sich alle richten/ und koͤnte der zweck durchaus nicht erhalten werden/ wann jeglicher allemal nach seiner gelegenheit einen tag zur feyer wehlen wolte. 4. Wie nun also das wahre gebotene in diesem gebot bestehet in der handlung goͤttlichen worts und der gnaden-mittel zu mehrer heili- gung/ auch GOttes gemeinschafftlichen dienst/ welches lauter solche dinge/ die an sich gut und noͤthig sind/ und dero muthwillige unterlassung an sich selbs suͤnde ist: (welcher art alles andere in den zehen geboten gebotene uñ verbotene ist) so ist nun zuerwegen/ was von der arbeit selbs und dero verbot zu halten seye. Da gestehe nun/ daß in dem A. T. nach art solches Testaments die ARTIC. I. SECTIO XII. die arbeit ein eigenlich stuͤck solches gebotes oder vielmehr verbots gewesen/ so ich nun in dem N.T. nach dessen art/ welche alle eusserliche satzungen aus- schliesset/ davor nicht erkennen kan/ sondern sie allein verboten achte/ weil und sofern sie an jener gebotenen heiligung/ in der begehung des oͤffentlichen got- tesdiensts/ und handlung goͤttl. worts hinderlich ist: daher auch ausser der lei- bes-arbeit alles uͤbrige fuͤr noch mehr verboten halte/ was gedachter wahrer heiligung noch mehr entgegen stehet; als alle eitele welt-freude und spiele/ die die geistliche gemuͤths-ruhe noch mehr stoͤhren/ wie nicht weniger alles welt- liche studiren/ sorgen/ und womit der verstand und die gedancken mehr umge- hen muͤssen; als neben welchen die innerliche heiligung des sabbaths mehr als durch grobe arbeit gehindert wird. Hingegen halte davor/ daß es gelegen- heit geben koͤnte/ wann man zur oͤffentlichen versammlung nicht kommen koͤn- te/ und sich also mit der privat- andacht vergnuͤgen muͤßte/ daß solche leute/ welche in dem geistlichen bereits so geuͤbt waͤren/ daß sie einige eusserliche wercke daran gantz nicht hinderten/ ohne suͤnde auch dergleichen an solchem tag zum theil verrichten koͤnten/ und doch durch die geistliche innerliche uͤbun- gen dem gebot gnug thaͤten. Wiewol so bald dergleichen in gegenwart sol- cher leute geschehe/ die eine der art freyheit nicht fassen koͤnten/ sondern sich daran stossen/ uͤbel davon urtheilen/ oder wol gar mit verletzung ihres gewis- sens dergleichen nachthun wuͤrden/ es auch zur suͤnde um des aͤrgernuͤsses willen werden wuͤrde/ daher sichs niemand gebrauchen moͤchte/ sondern man so wol das boͤse/ als dessen schein zu meiden verbunden ist. 5. So viel aber folget daraus/ daß in jedem nothfall/ den auch die liebe machen kan/ die arbeit solchen tag/ sonderlich wo sie an dem oͤffentlichen got- tesdienst nicht hindert/ erlaubt zu achten seye. Wie zwahr insgemein alle unsre Lehrer von dem nothfall bey diesem gebot zu handeln/ und denselben auszunehmen pflegen. Zu solchem nothfall nun/ zehle ich auchdas gebot deꝛ O- bern und Herrschafften/ daß es diejenige/ so unter dero bothmaͤßigkeit stehen/ von der suͤnde frey mache. Daher wir in der ersten kirchen nicht sehen/ daß sich jemalen die heidnische obrigkeiten oder auch herrschafften uͤber ihre christliche unterthanen oder gesinde/ deren immer viele waren/ beschwehret haben/ daß sie ihnen jemal ihren dienst/ ausgenommen wo sie sie zum heid- nischen gottesdienst treiben wolten/ versagt haͤtten: welches sonsten eine haupt-klage gegen das gesamte Christenthum wuͤrde gegeben haben/ als welches die regimente und haußhaltung zerruͤttete/ und den gemeinen dien- sten so viele zeit entzoͤge. Jch entsinne mich aber nicht einen buchstaben je ge- sehen zu haben/ daß sichdie Heiden daruͤber beschwehret: daraus aber fol- gen muß/ daß die christliche knechte und maͤgde/ ob sie wol/ wo sie es haben koͤnnen/ die versammlungen zu besuchen nicht werden saͤumig gewesenseyn/ F 2 doch Das dritte Capitel. doch die uͤbrige zeit auch des sontags ihre gewoͤhnliche dienste verrichtet/ und nur an dem innerlichen dienst sich begnuͤget haben werden: welches sie dannoch/ wo die arbeit an sich selbs solchen tag eine suͤnde waͤre/ so wenig wuͤrden haben thun/ oder darinnen den Herrschafften gehorchen koͤnnen/ als sie auff dero befehl nicht den goͤtzen opffern/ laͤstern/ ehebrechen/ steh- len oder dergleichen thun dorfften. Daher wie solches gebot der obern also ansehen muͤssen/ daß es von seiten der untergebenen einen nothfall mache/ und verursache/ daß was sonsten suͤnde seyn wuͤrde/ ihnen nicht suͤnde seye. Daher ich auch davor halte/ wo Christliche seelen auch noch zu unsrer zeit das ungluͤck haben/ daß sie bey solchen Herrschafften stehen/ die sie nicht nur auch sonsten an der uͤbrigen sontags-feyer hindern/ sondern vornemlich sie auch zu sonst unnoͤthigen arbeiten mit bereitung grosser panquet und derglei- chen mißbrauchen/ ob sie wol/ da sie freyes zustandes sind/ weil sie erkennen/ daß ihnen auffs wenigste viel nachtheil dadurch geschehe/ sich dergleichen dienste/ ohneracht des leiblichen mehreren nutzens/ auff zimliche art am lieb- sten erlassen/ und mit andern verwechseln/ auch als lang sie darinnen ver- harren muͤsten/ ihre wehmuth daruͤber bezeugen/ und davor bitten sollen; daß sie dannoch auff den befehl der Herrschafft dasjenige thun muͤssen/ wor- innen sie sonsten ausser solches gehorsams suͤndigen wuͤrden/ sie aber alsdann darinnen nicht suͤndigen. Daraus der grosse unterscheid unter der sontags- arbeit und andern suͤnden/ als stehlen/ huren/ liegen u. s. f. erhellet; da dieser andern keines (weil sie nemlich in ihrer natur suͤnde sind) auff der Herrschafft befehl zu thun erlaubt ist. Vorausgesetzt nun dessen/ formire die frage also: Ob ein auffseher der holtz-fuhren/ wo die hoͤhere Herrschafft solche auch sontags zu der vermeinten nothdurfft nach hofe zuverrich- ten fordert/ solche anordnen und verstatten koͤnne/ oder sich also widersetzen muͤsse/ daß er diesen mißbrauch geaͤndert zu werden verlange/ auch lieber seinen dienst/ da er dieses nicht erhielte/ re- signi ren/ oder denselben in gefahr der ursach wegen setzen solte? D Arauf zu antworten mercke ich folgendes: 1. Die Herrschafft oder bey wem die gantze anordnung stehet/ und der sie also aͤndern kan/ versuͤndiget sich mit befehl solcher holtz-fuhren. Jndem 1. durch dieselbe die leute/ so damit um- gehen/ wo nicht gar auch von dem oͤffentlichen gottesdienst abgehalten/ oder ihn zu versaͤumen veranlasset/ auffs wenigste/ weil es insgemein unwissende leute sind/ die ihnen nicht selbs helffen/ noch ohne eusserliche andacht die in- nerliche uͤbungen anstellen koͤnnen/ um die frucht des sabbaths/ die ihnen GOTT ARTIC. I. SECTIO XII. GOTT durch seine ordnung gegoͤnnet/ gebracht/ hingegen zu suͤnden/ wie bald folgen wird/ angetrieben werden/ dero schuld auff die Obern faͤllet. 2. Wird dadurch nicht wenig aͤrgernuͤß gegeben/ nicht allein durch veranlas- sung widriger urtheile/ sondern auch/ daß durch solches exempel auch andere sich zu weiterer und noch offenbahrer entheiligung des sabbaths verleiten lassen: damit vollends alle sonsten so nuͤtzliche/ und deßwegen aus liebe von GOTT anbefohlne sabbaths-feyer zu grossem schaden des Christenthums leicht hinfaͤllet. Welches aͤrgernuͤß abermal die jenige/ so es verhuͤten sollen/ nicht wenig vor GOTT besch wehret. 2. Was die leute selbs anlanget/ erinnere mich dabey/ daß in einigen alten griegischen exemplaren des N. T. nach Luc. 6/ 5. etwas folget/ das wir in den gemeinen exemplaren ntcht haben/ und zu teutsch also lautet: Densel- bigen tag sahe JESUS einen am sabbath arbeiten/ und sprach zu ihm: Mensch/ so du zwahr weissest/ was du thust/ bist du selig/ wo du es aber nicht weissest/ bist du verflucht/ und ein uͤbertreter des gesetzes. Also mag ich sagen/ wo sie sich recht fassen/ koͤnnen sie die arbeit ohne suͤnde thun: wo sie nemlich erkennen/ daß es an sich selbs nicht suͤnde seye/ dieser hindernuͤß eines mehrern guten gern frey waͤren/ indessen ihren gehorsam in dem eusserlichen leisten/ innerlich aber so viel ihnen muͤglich ist/ mit geistlichen guten gedancken umgehen/ und auch die uͤbrige tages-zeit desto fleissiger dem sabbath gemaͤß zubringen. Jch sorge aber/ die meiste werden sich in solchem weꝛck wahrhafftig versundigen; entweder da sie wider ihr gewissen und dessen widerspruch solches thun/ also ihrer eignen meinung nach den menschen mehr gehorchen als GOTT/ daher sorglich auch in andern wahrhafftig suͤndli- chen sachen denselben nicht weniger gehorsam zu werden willig sind: oder da sie insgesamt des sabbaths nicht achten/ und also auch ohne gebot denselben immer ohne viel bedencken entheiligen. 3. Auff den jenigen aber zu kommen/ der die auffsicht auff die sache/ aber noch unter hoͤherer verordn nu g/ hat/ so glaube demselben zuzukommen 1. Daß er den obern/ und in welcher hand die aͤnderung stehet/ diesen mißbrauch/ und was vor suͤnde/ daher auch fluch/ darauff stehe/ beweglich vorstelle/ und dessen abschaffung/ mit anweisung/ wie es am besten geschehen koͤnte/ suche: dabey er leicht zeigen kan/ daß er des seinigen darin nichts verlange/ sondern alles allein aus trieb des gewissens thue. 2. Wuͤrde aber damit nichts erlanget/ (welches gleichwol von Christlicher Herrschafft billich zu hoffen ist) so wuͤr- de noͤthig seyn/ die jenige/ welche die arbeit zu verrichten haben/ davon zu un- terrichten/ wie sie bey solchen umstaͤnden des befehls von ihrer Herrschafft/ ge- horsam leisten duͤrfften/ aber desto emsiger und sorgfaͤltiger die uͤbrige zeit F 3 des Das dritte Capitel. des sonntags zum so offentlichen als absonderlichen gottesdienst anzuwen- den haͤtten/ ausser dergleichen nothfall aber des gehorsams/ sich der sonntags- arbeit entschlagen solten. Wo nun dieses geschehen 3. achte ich/ daß ein sol- cher auffseher sein gewissen zur gnuͤge durch gethane erinnerung und bezeu- gung seines mißfallens gerettet habe/ und da es bey der obern befehl bleibet/ die er davon abzuhalten nicht vermag/ an denen aber alles/ was suͤndlich ist in der sache/ liget/ mag er die anstalten geschehen lassen/ und so viel auff ihn kommet/ solche mit ordnen/ weil in solchem gedachter massen von denjenigen/ uͤber die er die auffsicht hat/ nichtgesuͤndiget wird. Daher 4. der grosse un- terscheid zu mercken ist unter andern suͤnden/ welche in einer an sich selbs boͤ- sen handlung bestehen/ daran alle suͤndigen/ welche einiger massen mit zu thun haben/ und unter dergleichen sonntags-arbeit/ die in dem N. T. nicht anders verboten/ als sofern sie eine hindernuͤß eines gebotenen guten ist/ dessen schuld auff denjenigen allein faͤllet/ von dem solche hindernuͤß eigenlich her- kommet/ demjenigen aber der gehindert wird/ nicht anklebet. Deßwegen 5. weder noͤthig noch nuͤtzlich ist/ um solcher ursach willen das amt zu resigni- ren/ oder durch beharrlichen widerstand sich in dessen gefahr zu setzen/ und da- mit der gelegenheit vieles andern guten sich zu berauben. Der HERR aber gebe uns sein liecht selbs/ in allen dingen seinen willen zu erkennen/ und neige unsre hertzen dahin/ denselben zu vollbringen/ hingegen steure er auch allen aͤrgernussen. Jnsgesamt bringe er unser aller seelen zu dem geistlichen bestaͤndigen sabbath/ und innerlichen ruhe/ so wird sichs selbs leicht geben/ wie man auch den eusserlichen sabbath recht GOtt gefaͤllig fey- ren moͤge/ bis es komme zu jenem ewigen sabbath/ Amen: SECTIO XIII. Vom Separatismo. J Ch freue mich/ daß mein werther freund mehr und mehr erkennet/ wie einmal der Separatismus gefaͤhrlicher seye/ als die begierde sich der ge- meinschafft der allgemeinen aͤrgernuͤssen zu entziehen/ demselben erstlich einen stattlichen schein machet/ und wohl gute gemuͤther leicht einnim̃et. Wie deñ ich fuͤr meine person staͤts bey den gedancken bleibe/ die ich in meinem tra- ct aͤtlein unter dem titul/ der klagen uͤber das verdorbene Christenthum gebrauch und mißbrauch/ vorgestellt/ und alle trennung hertzlich wider- rathen/ hingegen wie wir zwahr des boͤsen uns nicht selbs mit schuldig zu machen/ aber dasselbe/ was wir nicht zu aͤndern vermoͤgen/ mit gedult lieber zu ertragen/ als davon zu fliehen haben/ hoffentlich mit gnugsamen grunde dargethan habe: also hoffe ich/ es werde diese wahr heit immer ihrer mehrern in die augen leuchten/ und sonderlich unterschiedliche gute seelen/ welche auff sol- ARTIC. I. SECTIO XIII. solchem wege ihr heyl gesucht/ wo sie sehen/ wie wenig befoͤrderung sie zu dem- selben/ wohl aber noch mehr hindernuͤß (des daher bey andern entstehenden aͤrgernuͤsses nicht zu gedencken) darauff finden/ durch ihre erfahrung und etwa anderer christlichen leute zuspruch sich wieder dahin bringen lassen/ mit ihrer muttergebrechen und elend mehr gedult zu haben/ als diejenige/ dero wir viel lieber/ ob wir nochetwas helffen koͤnten/ beystehen solten/ aus unge- dult zu verlassen. Jch erkenne auch/ wohl bemerckt zu seyn/ daß bey den so hefftigen Richtern sich offt mehr fehler/ wo dieselbe recht vor GOtt angese- hen werden/ finden/ als bey denen/ so sich von ihnen richten lassen muͤssen. Und wie koͤnnen die jenige den groͤssern gemeinden mit fug so hoch auffmutzen/ daß manches in vieler unordnung bey denselben hergehe/ die in weniger an- zahl sich vielweniger mit einander betragen/ oder ihre dinge in einer ordnung halten koͤnnen? Also trage ich lieber gedult mit einer gantzen kirchen/ als mit einem und andern sonderling/ wo leicht so viel eigensinn sich finden kan/ als er an jenen vielen unziemliches zu bemercken meinet: und warte drauff/ bis der HERR selbs die scheidung vornehmen und seine kirche reinigen wird/ da gewißlich seiner weißheit gluͤcklich von statten gehen muß/ was un- sre thorheit ohne ihn und aus eigner wahl nicht anders als ungluͤcklich ver- suchet. So ist mir auch lieb/ daß derselbe die wahrheit der lehr der Aug- spurgischen Confessi on nochmal erkennet/ und dabey bleibet/ die einmal dem wort GOttes unter allen andern am gemaͤssesten erfunden werden wird- wer dieselbe und uͤbrige mit solchem unpartheyisch conferi ren will. Der HErr heilige uns alle mehr und mehr in seiner wahrheit/ sein wort ist und bleibet die wahrheit. 1688. SECTIO XIV. Von der gefahr der vornehmenden trennung/ der Frommen. M Jr war lieb/ was mein tractaͤtlein wegen der separati on anlangt/ daß vernehme/ daß wir gantz einer meinung seyen. Jch bleibe ein- mal dabey/ daß zwahr das elend und verderben der kirchen groß und kaum genug zu beschreiben/ aber daß solches mittel der trennung/ ob es wol bey einigen/ welche es auch hertzlich gut meinen/ einen ziemlichen schein hat/ doch das rechte mittel nicht seye/ ja vielmehr eine solche artzney/ welche gefaͤhrlicher/ als die kranckheit selbs/ und recht das jenige/ dar durch vollends unsre evangelische kirche zu grund gerichtet werden koͤnte. Ach der HErr bringe doch solche liebe leute die damit umgehen/ (dero wir hier auch haben) durch seinen gnaden-zug wieder zuruͤcke auff die richtige bahn/ daß sie viel- mehr Das dritte Capitel. mehr uns helffen in dem bessern der jenigen/ die sie verlassen/ als sich nicht nur demjenigen guten entziehen/ so sie noch mit ihrer froͤmmigkeit bey an- dern ausrichten koͤnten/ sondern sich auff einmal zu allem solchen untuͤchtig machen/ ja auch anderer christlicher hertzen arbeit mit schwehrem verdacht be- laden/ und sehr hindern. Er gebe aber auch uns uͤbrigen die noͤthige weißheit und vorsichtigkeit/ wie wir hierinnen uns unverweißlich und zu gemeinem nutzen am besten halten moͤgen/ niemand auff ein oder andere seit zu aͤrgern/ wozu gewiß eine mehr als gemeine und menschliche klugheit gehoͤ- ret; weßwegen wir den HErren darum demuͤthig anzuflehen haben/ daß er sich unser aller hertzlich erbarme. Jch bekenne/ es ist mir dieses eines von meinen hertzlichsten anligen/ und groͤster betruͤbnuͤß/ ja gewissens-angst/ daß ich in solcher sache meistens mir nicht genug zu rathen weiß/ wie ich mich dar- innen zu verhalten/ damit ich weder das gute/ so noch in solchen leuten uͤbrig ist (wie dann gemeiniglich dieselbe in dem uͤbrigen nicht nur/ was die eusser- liche mo ral-tugenden nach der andern taffel anlangt/ sich ohne tadel aufffuͤh- ren/ sondern in dem genauern umgang mit ihnen sich wahrhafftig offenbah- ret eine innerliche demuth und niedrigkeit gegen GOTT/ eine innigliche lie- be gegen ihn/ staͤte ehrerbietung vor seinem angesicht/ vor dem sie wandeln/ vertrauen auff Christum und andere der gleichen tugenden/ die aus dem geist entspringen; wo sie auch in solchem allem der heucheley zu beschuldigen allzu- schwehr und unverantwortlich faͤllet/ da man siehet/ wie sie in der welt davon nichts haben noch hoffen koͤnnen/ sondern nur allein sich an allem leiblichen und eusserlichen hindern) allerdings schlage/ untertrucke/ und sie noch weiter wegtreibe/ da sie inihrem gewissen der aͤrgernuͤssen/ die sie sehen/ nicht aber auch zugleich der unbilligkeit ihres mittels/ welches sie dagegen ergreiffen/ uͤberzeuget sind/ (als an deren letzten sie die præconcepta opinio allzustarck hindert) das verfahren gegen sich fuͤr lauter verletzung der liebe/ und also des haupt-gebots Christi/ ansehen/ und folglich sich noch mehr daruͤber aͤrgern und zu seufftzen bewogen werden; noch auff der andern seite etwas dessen ver- saͤumen moͤge/ was zu ihrer zurechtbringung und anderer verwahrung dienl. seyn mag. Da stehe ich also immeꝛ zwischen thuͤr und angel/ daß ich weder einer noch anderseits GOtt erzuͤrnen moͤchte/ und dessen gericht auff mich laden/ welches in solchen sachen so leicht geschehen kan: daher mir dieses wohl fast die zarteste und delicateste materie ist/ wo es am leichtesten versehen werden kan. Da hingegen was solche anlangt/ die offenbahrere feinde der wahrheit sind/ bey ihnen oder ihrentwegen bey weitem so viel sorge nicht ist. Jch finde offt/ wo ich alles uͤberdacht/ keine huͤlffe noch rath/ mich aus solchem gewissens- zweiffel zu retten/ als das gebet zu GOtt/ daß er mich selbs hierinn so fuͤhren wolle/ wie es seinem H. willen gemaͤß ist/ und nicht zugeben/ daß ich aus man- gel ARTIC. I. SECTIO XIV. gel der noͤthigen weißheit meiner seelen und andern schade; so dann die hoff- nung/ daß der HErr mich nicht mehrso lange in der gefahr stecken lassen wer- de: da ich es also endlich ihm befehle/ und in demuth meinen mangel vor sei- nen heiligen augen erkenne. Es wird im uͤbrigen M. H. Hn. Schw. seiter wissend worden seyn/ daß seiter annoch gegen end der meß/ hier ein discurs ge- druckt worden/ da eine solche trennung so starck behauptet/ als in meinem tract aͤtlein bestꝛitten wiꝛd/ moͤgen auch wohl darinnen solche particularia seyn/ die eigenlich auff meine person gemeinet/ jedoch das vernehme/ es gehe die sache selbs eigenlich gegen Hr. Erasmi Francisci gegen-strahl. Es hat aber Herr Holtzhausen unser Collega solchen discurs in druck widerleget/ und weiß ich nicht/ was ferner folgen wird. Ach HERR heilige uns in deiner wahrheit/ dein wort ist die wahrheit! dieses lasset uns unauffhoͤrlich vor dem HERRN beten/ bis er uns erhoͤre/ welches er nach seiner wahrheit thun/ und so viel hertzlicher wir beten/ seine huͤlffe so viel mehr beschleunigen wird. 1684. SECTIO XV. Wie einigen trennungen/ die zu besorgen oder anse- tzen/ vorzukommen/ oder zu begegnen seye. J Ch halte es fuͤr ein stuͤck goͤttlichen gerichts uͤber die kirche/ daß er we- gen des undancks vor die offenbahrung des Evangelii (sonderlich weil wir insgemein uns an der buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß/ und bekaͤntnuͤß der wahren lehr/ vergnuͤgen/ hingegen die krafft nicht eindringen lassen/ noch die wahre fruͤchten der gottseeligkeit bringen wollen) nicht allein unsern offentlichen feinden/ dem Roͤmischen Babel/ je laͤnger je mehr gewalt gibet/ uns wieder unter sein joch zu zwingen/ und damit das maaß seiner suͤnden zu erfuͤllen/ sondern darzu verhaͤnget/ daß auch von den besten seelen/ und de- nen es wahrhafftig ein ernst um GOtt ist/ in einen exce ß des eiffers gera- then/ und auff trennungen verfallen; wodurch geschihet/ daß nicht allein der gebrauch ihrer gaben/ der sonsten der kirchen nutzen haͤtte koͤnnen/ meistens verlohren gehet/ sondern noch schwehrer aͤrgernuͤß entstehet: der gerechte GOTT aber uns/ wo wir die sache recht erwegen/ damit seinen zorn zu er- kennen gibet/ daß wir wahrnehmen/ wie die mittel zur besserung angesehen/ offt nicht allein die gewuͤnschte frucht nicht bringen muͤssen/ sondern einen widrigen effect nach sich ziehen. Daher diesem uͤbel nicht anders gerathen werden kan/ als daß wir erst den erzoͤrnten GOtt durch wahre buß zu versuͤh- nen suchen. Es ist aber eine versuchung/ die nicht erst dißmal anfaͤngt/ sondern fast allezeit/ wo mit mehrer krafft auff das rechtschaffne wesen in Christo ge- G trie- Das dritte Capitel. trieben wird/ dieselbe sich einfindet/ die froͤmste am ersten derselben unter- worffen sind/ wie ich solches bereits vor etlich und 20 jahren erfahren/ und daruͤber den tract at von der klagen uͤber das verdorbene Christenthum rech- ten gebrauch und mißbrauch noch in Franckfurt herausgegeben habe/ dessen lesung zu dieser zeit vielleicht wieder desto dienlicher seyn moͤchte. Die ge- legenheit ist allemal diese: wenn leute die art des wahren Christenthums er- kannt/ und in dessen uͤbung eingetreten sind/ daß sie einen so viel mehrern greuel an allem uͤppigen welt-wesen fassen/ und fordern/ daß jedermann/ wie es auch an sich recht ist/ nach den reglen Christi sich recht anschicken solle. Sehen sie aber/ daß es insgemein nirgend fort will/ sondern der rohe hauff in seinem suͤndlichen thun fort faͤhrt/ und sich doch aus dem eusserlichen got- tesdienst der seligkeit getroͤstet/ sonderlich aber/ wann sie auch gewahr wer- den/ daß Prediger entweder selds nicht mit gottseligem wandel den gemein- den vorleuchten/ oder doch nicht allen eiffer nach vermoͤgen gebrauchen/ dem uͤbel zu steuren; so entbrennet alsdann bey ihnen ein eiffer/ der an sich erst goͤttlich ist/ aber gemeiniglich/ weil es ihnen noch an der gedult mangelt/ auch frembdes feuer aus der natur sich mit einmischet; daher da sie daran recht thun/ sich desto forgfaͤltiger von allem dem/ was boͤse ist/ abzuziehen/ und der welt nicht gleich zu stellen/ so schlaͤget es darnach dahin weiter aus/ sich auch von der gemeinschafft des noch guten/ wegen der boͤsen/ die es mißbrauchen/ abzureissen/ entweder mit offentlicher trennung und anstellung sonderer ge- meinden/ wie es mit der gesellschafft des beruͤhmten Johan von Labadie er- gangen; oder daß sie eintzel in der stille vor sich bleiben. Wo nun mit hefftig- keit und ohne gebuͤhrende vorsichtigkeit in sie getrungen wird/ so wird das uͤbel immer aͤrger/ das hingegen durch gedult/ langmuth und christliche klug- heit erst gemindert/ und letzlich in Gottes segen wieder auffgehoben werden kan. Die vornehmste mittel sind nechst dem hertzlichen gebet/ um abwen- dung des wolverdienten zorns uͤber unser kirche/ und um verleihung der zu der sache noͤthigen klugheit/ fleissige beobachtung von seiten der beiden Ober- staͤnde/ der ihnen hierin obligenden pflichten. Da liget nun das meiste an dem predigamt/ und zwahr 1. daß sich alle dessen glieder desto ernstlicher be- fleissigen/ nicht allein vor offenbahren lastern/ der trunckenheit/ prachts/ gei- tzes/ faulheit/ leichtfertigkeit und dergleichen/ sondern auch allem schein des boͤsen sich zu huͤten/ und sich also dar zustellen/ daß man in ihrem gantzen wan- del sehe/ wie sie der welt abgestorben/ nicht sich in ihrem amt/ sondern lauter- lich Gottes ehre/ der kirchen erbauung und ihre seligkeit suchen/ damit also jene gute leute/ die sich sonsten zu erst an uns stossen/ wann sie uns rechte vorbilder der heerden sehen/ uns auch fuͤr wahre diener Christi erkennen/ und ein vertrauen zu uns gewinnen: Hingegen muͤssen wir selbs/ wo einige unsers ARTIC. I. SECTIO XV. unsers standes straͤfflich leben/ sie nicht vertheidigen/ sondern unsern eiffer auch gegen sie geziehmend richten. Nechst diesem 2. muß man suchen/ sol- chen leuten offentlich und absonderlich/ wo man gelegenheit hat/ die gefahr und schaden ihres weges/ wo sie darinnen fortfahren/ zu zeigen/ auffs gruͤnd- lichste als es seyn kan/ aber auch freundlich/ damit sie sehen/ daß man das gute an ihnen wahrhafftig liebe/ und lobe/ und nur verlange/ daß die frucht nicht von ihnen selbs verdorben werde. Hingegen eine einige hefftige und mit bittren worten angefuͤllte predigt/ kan alles noch aͤrger/ und die wunde gleichsam unheilsam machen: dann damit/ weil sie wissen/ daß der anfang ihres eiffers goͤttlich ist/ und in die gedancken gerathen/ man verwerffe auch das gute an ihnen/ werden sie immer dadurch weiter fortgetrieben/ da man sie mit aller kunst vielmehr zu sich wieder zu locken hat. Daher ist ein gros- ser unterscheid unter andern lastern/ gegen die man auch mit der schaͤrffe ver- fahren muß/ und diesem abweichen; dann dorten ist eine bosheit in dem willen/ hier bleibt der wille allezeit/ GOtt allein und auffs eiffrigste zu die- nen/ der fehler aber kommt her aus irrthum des verstandes/ da sie sichs fuͤr suͤnde halten/ in der eusserlichen gemeinschafft deren/ die sie nicht fuͤr wahre Christen achten/ auch der gnaden-guͤter sich zugebrauchen. Diesen irrthum nun zu benehmen/ thut buͤndige vorstellung der wahrheit/ mit liebe und ge- dult vermischet/ das vornehmste/ weil solche art zu handlen ein vertrauen in den seelen erhaͤlt/ dessen gaͤntzliche auffhebung aber die gemuͤther untuͤchtig machet/ etwas an ihnen auszurichten. Also wo sie sich von uns entfernen wollen/ sollen wir sie mit liebe und sanfftmuth suchen/ deßwegen ihnen freundlich nachgehen/ damit sie allezeit versichert bleiben/ man hasse das gu- te an ihnen nicht/ sondern wolle es lieber selbs befordern. Mit dieser lang- muth ist immer anzuhalten und zu erwarten/ bis sie sich endlich/ das wol mehrere jahre waͤhren kan/ erholen/ und widerkehren. Die weltliche Obrig- keit hat auch ihr amt dabey/ und solte billich in guter eintracht mit dem pre- digampt der gefahr suchen zu begegnen; am meisten aber sich huͤten/ daß sie keine gewaltsame mittel gegen solche leute/ als lange sie nicht dinge anfan- gen/ die auch die weltliche und buͤrgerliche ruhe stoͤhren/ zu gebrauchen/ oder sich wo ein predigamt in einen fleischlichen eiffer verfiele/ und zu eusserlicher gewalt sie anreitzen wolte/ dahin bewegen zu lassen. Jndem die gewalt nur mehr schaden thut/ dann die da gewalt leiden muͤssen/ und glauben/ sie leiden um des HErrn willen/ werden in ihrer meinung nur mehr bekraͤfftiget; und solle sich in Engelland dieses an den Quackern gezeiget haben/ nemlich/ daß so lang man sie eusserlich verfolgt/ mit gefaͤngnuͤß und andern straffen/ sind eben dadurch und das exempel ihrer Gedult immer desto mehrere zu ihnen getreten: als aber jenes verfahren gegen sie auffgehoͤret/ hat auch der wachs- G 2 thum Das dritte Capitel. thum ihrer secte auffgehoͤret. Sonderlich aber hat eine Obrigkeit samt dem predigamt sich wohl zu huͤten/ daß sie/ was noch andre anlangt/ die einen sonderbaren eiffer zur uͤbung der gottseligkeit haben/ dieselbe verwehren/ damit sie nicht auff gleiche abwege gerathen/ welches nicht allein dardurch leicht geschihet/ wo man diejenige/ die sich zu trennen angefangen/ hart haͤlt/ und also bey diesen ein mitleiden gegen sie erwecket/ sondern auch/ wo sie eini- ge christliche uͤbungen unter sich haben/ solche ihnen verbieten wolte: dann dieses kan rechtschaffne seelen also aͤrgern/ daß sie desto eher zu den andern fallen/ wenn sie gewahr werden/ daß man ihnen/ was sie vor sich heylsam ge- funden/ nehmen wolte/ und daraus schliessen/ man seye dem guten selbs ent- gegen. Vielmehr solle man an solchen orten dergleichen uͤbungen desto mehr befordern/ und das predigamt selbs die auffsicht auff sich nehmen/ daß alles in richtiger ordnung bleibe. Dieses ist alsdann das mittel/ das nicht allein/ die noch auff richtigen weg geblieben/ darauff erhalten/ sondern auch andre desto eher wiederum zuruͤck gezogen und gewonnen werden. Es ha- ben auch beide obre staͤnde dahin zu trachten/ daß das gemeine volck auff keinerley maß sich an den absonderenden vergreiffe/ noch in einen haß gegen sie gesetzet werde/ sondern daß sie lernen das gute an ihnen noch lieben/ und mit ihren abwegen mitleiden zu tragen: da sonsten/ wo jene jedermanns spott oder raub seyn muͤssen/ solches sie nur desto mehr verhaͤrtet/ da hingegen liebe herbey zeucht. Unser liebste Heyland sehe selbs seine arme kirche in gna- den an/ lasse ihm ihr elend zu hertzen gehen/ mildre seine gerichte/ steure aller eusserlichen gewalt der feinde und innerlichen aͤrgernuͤssen von falscher lehr/ irrthum/ gottlosigkeit oder unordnung/ gebe den auch guter meinung abwei- chenden ihre abwege und dero gefahr zu erkennen um sie zuruͤck zu fuͤhren/ erfuͤlle die hertzen aller Prediger und Regenten/ wie mit eiffer vor die erhal- tung der wahrheit und beforderung der gottseligkeit/ also auch goͤttlicher klugheit/ in diesen gefaͤhrlichen zeiten den vor augen habenden zweck bester massen zu erreichen/ erhalte indessen alle die seinige durch seines heiligen Geistes liecht auff richtiger bahn/ und erscheine endlich selbs/ alle steine in seinem reich zu heben/ welche menschlicher krafft zu heben zu schwehr worden sind/ um seiner selbs ehre willen. 1700. SECTIO XVI. Von absonderlichen eigenmaͤchtig anstellenden Communionen. Frage. Ob es recht und Christi ordnung gemaͤß seye/ wo an einem ort/ da eine ARTIC. I. SECTIO XVI. eine Evangelische gemeinde und predigamit ist/ sich einige Chri- sten/ so von dem predigamt nicht ausgeschlossen sind/ unterste- hen wolten/ einer allein/ oder etzliche unter sich/ heimlich und ohne wissen oder billigung der uͤbrigen gemeinde und predig- amts das abendmahl des HErrn zu halten? E S ist in for mirung dieser frage bereits ein und anders ausgeschlossen/ wovon die frage nicht ist: als 1. Ob in einem eussersten nothfall nicht moͤchte erlaubt seyn/ daß ein ander als Prediger einem mitbruder das H. abendmahl reichte/ oder einer sich selbs dasselbige nehme. Dann ob wol nicht gleicher nothfall bey diesem Sacrament sich or denlich findet/ wie bey der H. tauff (da wir lieber die tauff auch durch einen andern als beruffenen Prediger administri ren lassen/ ehe wir ein kind/ welches das recht zu dem goͤttlichen bund hat/ ohne das ordentliche mittel desselben/ das bey ihm durch kein anderes wieder ersetzet werden kan/ hinsterben lassen wolten) indem die erwachsene ihres glaubens staͤrckung/ so sie in dem H. abendmahl suchen/ auch aus dem goͤttlichen wort und der geistlichen niessung herhaben koͤnnen: so wolte doch nicht so hart seyn/ allen nothfall auszuschliessen/ wie auch ohne zweiffel aus solcher absicht der tapffre Theologus, N. Hunnius Epit. Cred. c. 25. §. 625. nur also redet/ daß andern zum predigamt nicht verordneten das A- bendmahl zuhandeln nicht leichtlichen zugestattet. Woraus abzunehmen/ daß er gleichwol einige faͤlle muß fuͤr erlaubt geachtet haben. Jch entsinne mich dabey meines S. Præceptoris, Herr D. Dannhauers/ wie derselbe ei- nige mal auch davon redete/ und einen solchen fall setzete/ wo einige christli- che freunde auff einer reise in Jtalien oder sonst an einigen ort/ da keine Ev- angelische gemeinde vorhanden/ sich befaͤnden/ und einer unter denselbigen geriethe bey einer kranckheit oder sonsten/ in die anfechtung/ daß er ohne das H. abendmahl sich goͤttlicher gnade nicht gnug versichern und selig werden koͤnte; da er bey solchem fall haben wolte/ daß man einen solchen menschen zwahr so viel muͤglich/ an die geistliche niessung/ und sich damit zu vergnuͤgen/ weisen solte; wo er aber sich damit in solcher anfechtung nicht befriedigen koͤnte/ liesse er zu/ daß ein ander gefaͤhrte ihm solches Sacrament wohl reichen moͤchte; dabey er die ursach anfuͤhrte/ es waͤre die geistliche niessung als un- sre taͤgliche speise/ die Sacramentliche aber/ fuͤr eine artzeney anzusehen/ wie es dann in dem natuͤrlichen bey einem menschen dahin kommen koͤnte/ daß es ihm nicht gnug waͤre an der speise/ sondern auch die artzeney zu weilen erfor- dert wuͤrde/ so koͤnte eine seele auch in den stand gerathen/ daß sie nebs der taͤglichen speise/ auch diese himmlische artzeney noͤthig haͤtte. Jch finde auch in den Consiliis D. Bidenbachii dec. 3. cons. 5. die antwort D. Tilem. Heshusii G 3 da er Das dritte Capitel. da er den fall setzet/ wann etliche Christen an dem ort sind/ da uͤberall kein bestellter Seelsorger ist/ wenn etliche Christen um der wahrheit willen gefangen ligen/ oder in gefaͤhrlichkeit waͤren auff dem meer/ o- der wenn etliche Christen unter den Tuͤrcken saͤssen/ oder im Papst- thum/ da keine rechte pfarrer sind/ wenn etliche Christen unter den Calvinisten/ oder Schwenckfeldianern oder Adiaphoristen oder Ma- joristen/ saͤssen/ von denen/ als von falschen Lehrern sie sich nach GOt- tes befehl muͤßten absondern/ oder wenn etliche Christen unter solchen pfarrern und kirchen-dienern sassen/ die oͤffentliche tyranney uͤbeten/ und die rechte bekenner der wahrheit grausamlich verfolgeten/ damit sie denn auch gnugsamlich an tag geben/ daß sie nicht gliedmassen der wahren kirchen waͤren/ und derhalben gottselige Christen schuldig/ sich ihrer gemeinschafft zuenthalten/ auff daß sie ihre tyranney nicht staͤrcken/ und die unschuldige Christen nicht helffen verdammen. Jn diesen faͤllen nun zeigt er/ daß alsdann eine eintzele privat-person und glaubige Christen wohl befugt waͤren/ auch das H. nachtmahl JEsu Christi auszuspenden. Da er nachmals auch die worte braucht: Was der gantzen kirchen zustehet/ und eines jeden Christen ist/ das mag auch ein jeder Christ im fall der noth nach GOTTES wort in gemeinem geist aller glaubigen/ austheilen und verrichten; Dann der gantzen Christenheit wille ist allezeit/ daß durch die Sacramente von Christo eingesetzt/ al- len betruͤbten trost erzeiget/ und allen bußfertigen die suͤnden nach dem Evangelio auffgeloͤset werden. Nachmal folget auch das judicium D. Joh. Galli, der p. 391. also spricht: Wann dann die tauff und absolution eines layen kraͤfftig ist in dem eussersten nothfall/ als obgemeldt/ war- um solte nicht gleichfals auch die ausspendung des hochwuͤrdigen a- bendmahls kraͤfftig seyn/ so die im nothfall durch einen layen geschicht: sintemal zwischen diesen stuͤcken/ nemlich dem tauffen oder abfolvi ren/ und dem nachtmahl-reichen kein unterscheid ist. Also haben wir von dem nothfall die zeugnuͤß unsrer Lehrer: wiewol ich nicht in abrede bin/ daß ich auch in denselben sehr behutsam zu sein noͤthig achte/ und denen in verfol- gung stehenden und ihrer Prediger beraubten gemeinden nicht leicht rathen wolte/ sich solcher freyheit zugebrauchen/ als wodurch sie ihre gefahr noch vielmehr vergroͤssern moͤchten. 2. Es wird auch gleich in der frage ausgeschlossen ein anderer/ aber mit dem vorigen etwas verwandter fall: ob diejenige/ welche unbilliger weise von ARTIC . I. SECTIO XVI. von einem sich seiner gewalt mißbrauchendem predigamt/ ausgeschlossen und nicht zur communion gelassen werden wollen/ alsdann macht haben/ das je- nige/ was ihnen rechtswegen gebuͤhret/ und Christus nicht versagen will/ ih- nen selbs zu nehmen? auff welche wir bereits gesehen/ daß D. Tilem. Heshu- sius nicht weniger mit ja antworte. Da aber wiederum wohl zubeobachten/ daß solche unbillich ausgeschlossene lang zu warten/ und alle christliche mittel wiederum auffgenommen zu werden vorher zu versuchen/ oder auch/ wo kei- ne andre hindernuͤß/ was ihnen eines orts versagt wird/ anderwertlich zu su- chen/ hingegen sich so lange mit den ordinari mitteln zu vergnuͤgen haben/ ehe sie auff dieses extremum sich begeben. Also bleibet allein die frage von solchen orten/ wo ein predigamt sich findet/ welches die Sacramenta administri ret/ und sich nicht weigert/ dieje- nige fromme Christen/ so daselbs wohnen/ zu der communion zuzulassen: ob nemlich dannoch ohne solches predigamt und hinterruͤcks desselben/ also auch ohne billigung der gesamten gemeinde/ vielmehr mit besorgtem derosel- ben/ wo sie es wissen solte/ mißfallen/ einige unter sich die communion halten moͤgen? Hierauff finde ich nicht anders als mit nein zu antworten: die ursa- chen solcher antwort sind: 1. weil eine solche heimliche und ohne das predigamt haltende communion ermanglet goͤttlicher einsetzung und befehls. Als der HErr JEsus das H. Sacrament erstmals einsetzte/ so sehen wir den billich an/ als den obersten Propheten/ Lehrmeister und HErren seiner gemeinde/ der was er einsetzen wolte/ selbs administri rte/ und solches in gegenwart al- ler seiner juͤnger. 2. Es hat auch solche heimliche communion kein exempel in der Heil. Schrifft. Es will zwahr dagegen angefuͤhret werden/ was stehet Apost. Gesch. 2/ 42. Sie blieben aber bestaͤndig in der Apostel lehre/ und in der gemeinschafft/ und im brodtbrechen/ und im gebet: wiederum v. 46. Und sie waren taͤglich und staͤts bey einander einmuͤ- thig im tempel/ und brachen das brodt hin und her in haͤusern. Es ist aber hiedurch noch nicht erwiesen/ was in einer so wichtigen sache erwiesen werden solte. 1. Moͤchte noch gar in zweiffel gezogen werden/ ob hie durch die redens-art des brodtbrechens von dem H. abend mahl gehandelt wuͤrde/ o- der nicht vielmehr von gemeinen mahlzeiten: daß nemlich die erste Christen/ um staͤts beysammen zu seyn/ und sich untereinander immer zu ermuntern/ taͤglich in starcken versam̃lungen mit einander gespeiset haben/ welcherley lie- bes-mahl auch darnach in andern gemeinden lange zeit sind beybehalten wor- den: in der gemeinde zu Jerusalem aber war noch so viel nothwendiger/ daß sie insgemein mit einander speiseten/ nachdem die glaubige auch in dem leib- lichen Das dritte Capitel. lichen ihre guͤter gemein hatten/ daraus also nicht anders als gemeine taffeln gehalten werden konten. Es moͤchte auch solchen verstand bestaͤꝛcken/ daß v. 47. gleich dabey stehet: nahmen die speise (also war nicht nur brodt und wein verhanden/ so zu dem Sacramentlichen mahl gehoͤret/ sondern auch andere speise/ welche jenes nicht angehet) und lobeten GOTT mit freuden und einfaͤltigem hertzen. Daher noch nicht zur gnuͤge hieraus erwiesen waͤre/ daß hie von dem Sacrament geredet wuͤrde. Aber 2. ich will die erklaͤhrung gern paßiren lassen/ weil ich weiß/ daß die alte Christen ihre agapas und lie- des-mahl mit dem Sacrament der verkuͤndigung des todes ihres Heylands gern zusammen zu halten pflegten. Jndessen ist auch dadurch noch lange nicht erwiesen/ was erwiesen werden solte. Dann davon die frage nicht ist/ ob man das H. abendmahl in haͤusern halten doͤrffe/ wie wirs ja selbs noch bey krancken und unvermoͤglichen/ auch zuweilen aus andern christlichen ursa- chen/ andern darinn helffen: ja niemand nur in zweiffel ziehet/ daß an ei- nem ort/ da eine gemeinde keine oͤffentliche kirche hat/ wie uͤbrige stuͤcke des oͤffentlichen Gottesdienstes/ also auch die communion/ in haͤusern nicht nur doͤrffen/ sondern muͤssen verrichtet werden; in dem nicht der ort sondern die versammlung anzusehen ist. Also hatten die ersten Christen zu Jerusalem zwahr den tempel/ welchen sie noch besuchten/ und diejenige stuͤcke des Got- tesdienstes in demselben verrichteten/ welche sie noch mit den Juden gemein haben konten/ als lange diese sie bey sich lidten. Aber zu denjenigen stuͤcken/ die ihnen nunmehr aus der lehr des HErrn JEsu oblagen/ und des N. Test. dienste waren/ hatten sie keinen platz in dem tempel/ noch eine andere besonde- re stelle: daher sie von dem HErrn JEsu zu predigen/ zu tauffen und das H. abendmahl zu halten/ privat-haͤuser brauchen mußten: daher es unmuͤglich andersseyn kan/ als daß in deꝛ ersten kirchen das H. abendmahl in den haͤusern hat muͤssen gehalten werden. Aber 3. muͤssen wir solche haͤuser ansehen/ daß ob sie wol auch zu weltlichem gebrauch/ geschaͤfften und wohnung der Chri- sten angewendet wurden/ sie dannoch darneben den gebrauch hatten/ an die stelle unsrer jetzigen kirchen ihnen damal zu dienen: also predigten sie daselbs/ sangen/ beteten/ und thaͤten alles was in die versammlungen gehoͤret. Fer- ner obwol bey einer solchen starcken gemeinde/ als die zu Jerusalem war/ wel- che in so kurtzer zeit in mehrere tausend angewachsen ist/ ein hauß dieselbe zu fassen/ nicht genug seyn konte/ so werden sie wol bald da/ bald dort/ anf einmal an mehrern orten/ wie sich die gelegenheit ergeben/ zu sammengekommen seyn/ und ihren Gottesdienst gepfleget haben. Wie nun also auch die predigten uñ oͤffentlicher vortrag goͤttlichen worts in den privat-haͤusern geschehen/ die- se aber von den Aposteln/ und welche dieselbe ohne zweiffel auch nach und nach zu eltesten der gemeinde verordnet haben/ gehalten wurden/ so waren dann ARTIC. I. SECTIO XVI. dann die liebes-mahl/ und auch das H. abendmahl etwas/ so auff jenes zu folgen pflegte/ und geschahe demnach darinnen nichts/ als unter anordnung und auffsicht der lieben Apostel/ die deswegen sich bey der vermehrung der versammlungen auch ausgetheilet haben werden/ aller orten zu thun/ was die ordnung des HErrn vermochte: daher Lucas auch diese dinge zusammen setzt: sie waren bestaͤndig in der Apostel lehr/ und in der gemeinschafft/ und im brodtbrechen: also hoͤrten sie der Apostel lehr mit andacht an/ dar- auff auch das brodtbrechen folgte/ solche versammlungen aber in allem von den Aposteln/ als den ordenlichen Lehrern regieret und angerichtet wurden. Also erhellet/ daß aus diesem ort fuͤr die heimliche communion das wenigste erwiesen werde/ man thue dann aus dem text dar/ daß sie die communion ge- halten haben in den haͤussern ohne die Apostel/ uñ ohne derselben anordnung/ welches zu erweisen unmuͤglich faͤllet. Sehen wir hingegen was 1. Cor. 11/ von Paulo gelehret wird/ so finden wiꝛ klahr den unteꝛschied/ unter den gemei- nen haͤussern und der gemeinde v. 22. habt ihr nicht haͤusser/ da ihr essen und trincken moͤget? oder verachtet ihr die gemeinde GOTTES? wo die privat-haͤusser/ und die gemeinde/ und also der ort/ da die versamm- lung zugeschehen pflegte/ ob es wol auch an sich ein privat-hauß mag gewesen seyn/ unterschieden werden/ und nur von diesem gedacht wird/ daß sie daselbs das H. abendmahl zu halten pflegten/ ohne die geringste fuß-spuhr einer an- dern heimlichen/ nach eines jeden belieben angestellten communion. 3. Wir finden auch das wenigste nicht in der historie der alten und er- sten kirchen/ (die gleichwol/ was sonderlich dergleichen dinge anlangt/ den sinn ihres Heylands/ welcher bey den anstalten seines dienstes gewesen/ am besten verstanden und bewahret haben wird) daß dergleichen geheime com- munionen waͤren im gebrauch gewesen. Dann wo Serapionis exempel aus Euseb. 6. H. E. 44. angefuͤhrt werden wolte/ so schicket sichs doch nicht auff diesen fall/ sondern zeiget allein/ daß wo einer nicht zu der versammlung und den aͤltesten kommen koͤnnen/ ihm wohl die communion nach hausse gesandt worden seye. Ja es mag vielmehr/ wo die sache recht angesehen wird/ die- ses exempel das gegentheil erweisen. Dann wo sich die glaubige nicht an ih- re aͤltesten verbunden gehalten haͤtten/ solte Serapion lieber mit dem nechsten besten Christen/ den er zu sich bekommen koͤnnen/ solches H. Sacrament ce- lebri ret/ als es von dem aͤltesten der gemeinde/ der doch nicht zu ihm zu kom- men vermochte/ bitlich gesuchet haben. Nun ist dieses ein grosses præjudiz wider diese art der communion/ daß die erste kirche/ bevor auch noch der An- tichrist in derselben hervorzubrechen/ angehoben hat/ von derselben nichts gewust/ noch sie eingefuͤhret/ da man doch sagen moͤchte/ daß in den schweh- H ren Das dritte Capitel. ren verfolgungs-zeiten solcher gebrauch am noͤthigsten haͤtte scheinen moͤ- gen. 4. Also ferner was unsre Evangelische kirche anlangt/ ist bekannt/ daß dieser art communionen darinnen niemals eingefuͤhret oder gebraucht wor- den sind; denn was Lutheri worte anlangt/ solle darnach davon gehandelt werden. Wem nun GOtt die gnade gethan/ solcher kirchen glied zu heissen/ hat von deroselben ordnung ohne die eusserste noth und trang des gewissens/ in einer sache/ daraus unfehlbar schwehre zerruͤttung entstehen wuͤrde/ nicht abzuweichen. Nemo pacificus contra Ecclesiam. Und ob wir der kirchen als der Mutter gegen unsren himmlischen Vater keinen gehorsam schuldig sind/ so erfordert gleichwol die ihr schuldige ehrerbietung und gehorsam/ daß wir uns deroselben bequemen in allem/ worinnen sie nichts wider den willen des Vaters von uns fordert. 5. Wir sehen auch billich das H. abendmahl an/ wie eine der vorneh- mern absichten desselben ist/ daß es ein so mittel/ als zeugnuͤß der vereinigung der glaubigen/ wie mit Christo/ also unter sich selbs/ seye: davon es heisset 1. Cor. 10/ 17. ein brodt ists/ so sind wir viele ein leib/ dieweil wir alle ei- nes brods theilhafftig sind. Und c. 12/ 13. Wir sind alle zu einem geist getraͤncket. Daher ists allerdings der art solches Sacraments gemaͤß/ daß es allein gehalten werde in der versammlung der gemeinde/ oder doch/ wo auch ein nothfall ist/ auffs wenigste mit einer subordination derselbigen/ also daß sie in diesen und jenen actum mit ihrer verordnung willige. Hingegen sind diejenige communionen derselben art nicht/ welche ausser derselben ver- ordnung/ und vielmehr mit ihrem der uͤbrigen gemeinde mißfallen/ gehalten werden sollen. 6. Sonderlich sehen wir/ daß einmal des HErrn JEsu ernster wille und goͤttlicher rath seye/ ob er wol alle seine gnaden-guͤter der gantzen kirchen und gemeinde geschencket hat/ daß doch/ unordnung zu verhuͤten/ welche un- muͤglich anders verhuͤtet werden koͤnte/ in derselben allein gewisse personen verordnet werden/ welche das gantze geistliche wesen einrichten und regieren; Eph. 4/ 11. 12. Er hat etliche zu Aposteln gesetzt/ etliche aber zu Pro- pheten/ etliche zu Evangelisten/ etliche zu Hirten und Lehrern/ daß die heilige zugerichtet werden zum wercke des amts/ dadurch der leib Christi erbauet werde. Dergleichen auch 1. Cor. 12/ 28. gemeldet wird: Also hat Paulus und andere Apostel oder Apostolische maͤnner/ so bald sie gemeinden gepflantzet hatten/ aͤltesten/ Bischoͤffe und Hirten bey einer jeden verordnet/ als zu sehen Tit. 1/ 5. welche der H. Geist durch sie setzte; Ap. Gesch. 20/ 28. Was aber derselben amt war/ davon sagt Paulus: (dann das Apo- stel ARTIC . I. SECTIO XVI. stel- und uͤbrige hirten-amt/ ob sie wol auch viel unterschied haben/ kommen doch in dem haupt-werck uͤberein) 1. Corint. 4/ 1. dafuͤr halte uns jeder- mann/ nemlich fuͤr Christus diener und haußhalter uͤber GOttes ge- heimnuͤß. Wie ihnen also die predigt des Evangelii anvertrauet ist/ dero sich kein anderer zu ihrem præjudiz anmassen solle/ also auch die austheilung der H. Sacramenten. Nicht zwahr/ daß sie in solchem werck eigenmaͤchtig verfahren moͤchten/ dann wie sie GOttes diener darinnen sind/ so sind sie auch zugleich darinnen der kirchen diener/ die ihnen als die hauß-mutter die auffsicht und sorge der geistlichen haußhaltung anvertrauet hat/ daß sie in derselben nach der ordnung GOttes verfahren sollen/ aber in zweiffelhafften faͤllen die kirche selbs daruͤber zu hoͤren haben. Hingegen ist der zuhoͤrer amt Hebr. 13/ 17. daß sie gehorchen ihren Lehrern/ und ihnen folgen: daher sich von denselben in der sache ihres heils regieren lassen/ mit dieser eini- gen ausnahm/ daß sie ihnen darinnen nicht gehorchen/ wo sie sie von goͤttli- cher ordnung auff sich selbs und eigne autoritaͤt fuͤhren wolten. Sonsten ists billich/ daß sie ihnen nicht in das amt greiffen/ noch dasjenige/ was der HErr und seine braut die kirche/ ihnen anvertrauet hat/ zu sich ziehen. Es ist auch die weißheit solcher ordnung/ die Christus in der kirchen angestellet hat/ so offenbar/ daß sie jeder/ wer nur acht geben will/ erkennen muß. Und gedencke man selbs/ was in der kirche vor eine verwirrung und entheiligung aller hei- ligen ordnungen erfolgen wuͤrde/ wo allerdings keine Vorsteher/ die doch das gantze geistliche wesen zuregiren haͤtten/ sich faͤnden. Und wie verstaͤndige leute das regiment eines tyrannen/ wie ungerecht es auch ist/ noch leidlicher halten/ als den zustand eines oꝛts/ da gar keine obꝛigkeit waͤꝛe/ uñ jeglicher nach seinem willen leben moͤchte; also erfahren wir zwahr mit betruͤbnuͤß/ wie viel schaden uñ unordnung in der kirchen entstehe/ wo das predigamt nicht so bewandt ist/ wie es seyn solle/ und also die/ welche Regierer seyn solten/ weder den willen des HErꝛn recht verstehen/ noch denselben treulich zu werck zu richten beflissen sind/ sondern wol gar sich ihrer gewalt mißbrauchen: aber ich sorge/ das elend wuͤrde noch groͤsser seyn/ wo gar keine vorsteher waͤren/ und jeglicher allein nach seinem gutduͤncken mit goͤttlichen dingen umginge. Daß aber absonderlich zu dieser gewalt des predigamts die verwaltung des heiligen abendmahls gehoͤre/ ist nicht allein die allgemeine ursach/ weil auch dieses Sacrament ein siegel der gnaden/ der predigt/ und des amts der versoͤh- nung/ so sie tragen/ 2. Cor 5/ 19. ist; sondern auch absonderlich/ weil obge- dachter massen in demselben die vereinigung der gemeinde stehet/ daher der- jenige/ welcher noch ein glied der gemeinde ist/ zu demselben Sacrament das recht hat/ hingegen kein anderer darzu verstattet werden solte: deswegen H 2 wel- Das dritte Capitel. welcher von dergemeinde gesondert wird/ sich solcher gemeinschafft enthal- ten muß/ also daß die excommunicati on hauptsaͤchlich darinnen bestehet/ wer von diesem mahl ausgeschlossen wird. Wann nun dieses werck einer solchen wichtigkeit/ und der gantzen gemeinde so hoch dran gelegen ist/ daß sie zwahr wol einige/ die sie nicht fuͤr bruͤder haͤlt/ annoch in der gemeinschafft des gehoͤrs goͤttlichen worts/ auch eben des gebets/ leidet/ nicht aber an die- sem tische dultet/ so gehoͤret deꝛ gantzen gemeinde vor allem die aufficht auf die verwaltung dieses Sacraments; welche auffsicht sie ordenlicher weise durch das predigamt uͤbet/ aber sich auch billich uͤber dasselbe die ober-macht und auffsicht/ damit es sich der gewalt nicht mißbrauche/ vorbehaͤlt. Hingegen will sichs nicht thun lassen/ daß einiger mensch in solcher sache fuͤr sich felbs etwas vornehme. Dabey zu mercken ist/ daß alle diese goͤttliche ordnungen angesehen werden muͤssen/ nicht wie sie etwa wircklich in einem mißbrauch in dem verderbten stand der kirche stehen: wo ich gern bekenne/ daß die frucht dieser auffsicht heut zutage sehr gering seye/ und den zweck Christi nicht errei- che; sondern in ihrem zustand/ wie sie eingesetzt sind/ und wie sichs damit verhalten solte: daher was auch in diesem stand der goͤttlichen ordnung wuͤrde abbruch thun koͤnnen/ solches muß der absicht des HErrn auch entge- gen seyn. Nun wo die geheime communio nen solten fuͤr recht gehalten werden/ wuͤrde darmit das vornehmste der krafft der excommunicati on der aͤrgerlichen (wo sie auch recht gebraucht worden waͤre/) dahin fallen/ und sich ein solcher excommunici rter/ wenig darumzu bekuͤmmern haben/ ob er zu der communi on der uͤbrigen gelassen wuͤrde/ indem er des Sacraments ent- weder vor sich allein/ oder wo er jemand anders dazu bereden wuͤrde/ so offt er nur wolte/ theilhafftig werden koͤnte. Da aber jeder leicht begreifft/ was vor unordnung dieses nach sich ziehen wuͤrde; daher auch das jenige/ daraus solches von sich selbs entstehet/ die goͤttliche ordnung nicht seyn muß. Wie nun 7. auch noch dieses hinzu setze/ daß dergleichen heimliche communio nen nicht recht/ und sonderlich zu dieser gegen waͤrtigen zeit nicht einzufuͤhren seyn/ wegen fast unzaͤhlicher aͤrgernuͤssen/ dero die vornehmste etwa erzehlen solle. 1. Wuͤrden solche leute/ so bald dergleichen kund wuͤrde/ eine trennung verursachen/ und weil sie eine sonderbare communi on des Sacraments/ so der gantzen kirchen zu kommet/ anstelleten/ damit ihre sonderung von den uͤbrigen bezeugen/ und daher auch selbs ausgestossen zu werden veranlassen. Nun ist die trennung in der kirchen eines der groͤsse- sten uͤbel als gefunden werden kan/ nachdem sie der einigkeit derselben/ die der leib Christi ist/ und ein stuͤck seiner ehre in jener bestehet/ schnurstracks entgegen/ hinwider unzaͤhlicher anderer suͤnden/ die/ wo jene einreißt/ nicht gnug ARTIC. I. SECTIO XVI. gnug weiter verhuͤtet werden koͤnnen/ ursach ist. Daher die glaͤubige alle- zeit sich so lang gelitten haben/ auch in der gemeinschafft der verderbten kirchen verharret sind/ als lange man sie noch hat dulden wollen/ und sie nicht gar wircklich zu suͤnden genoͤthiget. Wir sehen so gar/ als die Apo- stel und erste Christen sich nothwendig in gewisser maaß von den uͤbrigen Juden trennen musten/ weil sie in einen neuen bund durch Christum gesetzt worden/ welcher den andern alten auffhube/ und dergleichen von ihnen for- derte/ was sie in den juͤdischen versamlungen nicht verrichten konten/ daß sie dannoch in denjenigen dingen/ worin sie noch mit der juͤdischen kirchen gemeinschafft haben konten/ sich nicht trenneten/ sondern sich noch zu ihr hielten/ wie wir Apost. Gesch. 3/ 1. und hin und wieder in demselbigen buch/ sehen. Wo man gewiß dencken solte/ es haͤtte solche besuchung und gemein- schafft des juͤdischen diensts/ der nun seine verfaste krafft verlohren hatte/ kaum ohne gemeinschafft der suͤnden geschehen koͤnnen/ und doch muß es der Geist Gottes in den Aposteln anders erkannt haben/ der sie dahin gefuͤhret/ aber uns eben damit gezeiget hat/ wie sorgfaͤltig alle trennung/ als lang es muͤglich ist/ zu verhuͤten seye. So wissen wir/ in was vor dienstbarkeit un- sre voreltern in dem Pabstthum sich unter der Roͤmischen Clerisey befunden/ und dannoch waren sie bey der angehenden Reformati on willig/ noch alle last zu tragen/ und in ihrer kirchen offentlichen gemeinschafft zu bleiben/ wo nur dem gewissen nicht zwang angethan/ uñ die noͤthigste predigt des wahren Evangelii ihnen gestattet wuͤrde. Also meideten sie die trennung von jenen/ als lange es muͤglich war/ bis sie selbs ausgestossen wurden. Daher unsre Theologi insgemein unsre voreltern von dem schismate und trennung vor- nehmlich damit entschuldigen/ weil sie sich nicht selbs getrennet/ sondern durch bann-strahlen und eusserliche gewalt ausgestossen worden seyen. Nachdem nun auch an solchen orten/ wo unser predigamt am verderbesten seyn moͤchte/ (wo sich eine solche kirche befaͤnde) dasselbe auffs wenigste die- jenige/ so wahre kinder Gottes sind/ ob wol sonsten trucken und plagen moͤchte/ und sie von demselben wenig erbauung fuͤr sich genoͤssen/ doch nicht suͤnde zu thun noͤthigen wird/ (wie mich auffs wenigste dergleichen exempel zu erinnern nicht wuͤste/) so muͤsten jene sich in allem gedulden und leiden/ und auffs sorgfaͤltigste das jenige zu verhuͤten trachten/ wodurch sie gewiß denselben ihre ausstossung abnoͤthigen/ und also eine trennung verursachen/ damit aber offt gewisse etwas der schuld der daraus entstehenden suͤnden auff sich laden wuͤrden. Und solches hat man zu dieser zeit so viel mehr zu verhuͤten/ da ohne das bisher allem fleiß die gottseligkeit ernstlich zu befoͤr- dern mit grossem schein offters vorgeworffen worden/ es zielte alles endlich auff eine trennung hinaus/ welches man zu seiner zeit schon sehen wuͤrde: H 3 da aber Das dritte Capitel. da aber solchen laͤsterungen christliche leute/ als der sachen besser kuͤndig/ allezeit aus ihrem gewissen getrost widersprochen haben/ daß dergleichen nicht gesuchet oder intendi ret wuͤrde. Auff den erfolg aber einer solchen den andern gleichsam abgenoͤthigten trennung/ wuͤrden so wol diese fuͤr luͤgner/ welche alles nur zu verbergen gesucht/ gehalten werden/ als hingegen die laͤ- sterungen zu niederschlagung alles guten/ mit grossem schein triumphi ren. So viel bekenne ich gern/ daß die boßheit der fleischlichen in dem so genann- ten geistlichen stand durch Gottes verhaͤngnuͤß endlich wol dahin wachsen moͤchte/ daß sie wircklich an einigen orten die fromme ausstossen/ und eine trennung machen: wo wir aber ihnen dazu durch dergleichen gefaͤhrliche dinge nicht ursach geben/ und nur von ihrer ungerechtigkeit leiden muͤssen/ so leiden wir alsdann vor GOTT mit gutem gewissen/ und vor allen unpar- theyischen mit gutem zeugnuͤß der unschuld/ und trifft die gute sache deß- wegen kein vorwurff/ wo man gleichsam aus einem Egypten mit gewalt ausgetrieben wuͤrde. Dessen man dann zu erwarten/ nicht aber selbs das ungemach der kirche zu befoͤrdern hat. 2. Hierzu kommet/ wo die sache auskommen solte/ daß alle religionen insgesamt/ (dann keine solche heimliche communionen billiget) auff diejenige loß stuͤrmen wuͤrden/ die dergleichen thun/ ja nicht allein auff diese/ sondern weil es heisset/ es seyen Pietisten/ die es thaͤten/ auff alle/ die wegen treibung der thaͤtlichen gottseligkeit unter solchem nahmen der welt verhaßt gemacht worden sind. Ja es wird die welt sich freuen/ nunmehr/ was sie lange ver- gebens gesuchet/ eine ursach gefunden zu haben/ diejenige des betrugs zu be- schuldigen/ die sich bißher gestellet/ ob waͤren sie mit mund und hertzen unsrer Evangelischen kirchen und ihrer lehr zugethan/ und nun in so wichtigem stuͤck nicht allein von derselben/ sondern auch allen andern religionen der Christen- heit/ abwichen. Wie viel dieses niederschlagen/ und wie manche gute her- tzen/ so auff gutem wege bereits gestanden/ es zuruͤck treiben/ andre aber die auch nahe bey dem reich GOttes gewesen/ abhalten/ und unzaͤhliche aͤrger- nuͤssen erwecken wuͤrde/ ist kaum auszudencken. Zwahr ist die sache GOt- tes und dessen wahrheit wol wehrt/ ihrentwillen auch alle verfolgung mit freuden auszustehen/ so dann wo sich jemand an dem Evangelio aͤrgert/ muß es um der ursach willen zu treiben nicht unterlassen werden: aber alles sol- ches gehet allein die verfolgungen und aͤrgernuͤssen an/ uͤber die unzweiffenli- che goͤttliche wahrheit/ und die jenige dinge/ welche unmuͤglich mit gutem ge- wissen unterlassen werden koͤnnen; da aber/ wie jenes noch im zweiffel stehet/ auffs wenigste solche communion auch von denen/ die sie verlangen moͤchten/ schwehrlich fuͤr bloß nothwendig wird ausgegeben werden. 3. Jch setze hiezu billich/ daß noch viel ander boͤses daraus entstehen wird/ ARTIC. I. SECTIO XVI. wird/ indem nicht wol zu zweifflen/ daß alle/ so sich etwa einmal darzu auch ziehen lassen/ (wie es dann eine sache ist/ die sehr scheinbar kan beygebracht/ uñ ein seiner mehrern staͤrckung begieriger mensch leicht darzu bewogen wer- den) in ihren seelen nicht eben so fest stehen werden/ daß nicht vielen kuͤnfftig ein schwehrer scrupel uͤber die sache entstehe/ und ihnen das gewissen als uͤber einen schwehren mißbrauch des H. Sacraments auffwache; wo ihnen als- dann so bald nicht wird zu helffen/ hingegen wo sie rath bey ohne das widri- gen Predigern suchen/ denselben die angenehmste gelegenheit seyn/ den fleiß der gottseligkeit insgesamt verdaͤchtig zu machen/ und solche leut von vori- gem gutem weg allerdings abzuziehen. Hinwieder da die sache ausbraͤche/ und alsdann/ wie es nicht andersseyn kan/ daruͤber schwehres leyden sich er- heben wuͤrde/ sorge ich/ daß die wenigste/ so sich in der ersten andachts-hitze dazu verstanden/ so fest seyn werden/ daß sie alles dasjenige auszustehen vermoͤchten/ was ihnen vor leiden deswegen auffstossen mag. Wie auff vieler- ley weise alsdenn das gewissen mag verkehret werden/ kan man leicht nach- dencken. 4. Es ist auch nicht aus der acht zu lassen/ daß durch dergleichen begin- nen/ selbs unter denen/ welche sonsten fuͤr das studium der wahren pietaͤt ge- standen/ und ihre hertzen in dem HErrn mit einander vereinbaret haben/ uͤ- ber dieses wuͤrde streit und mißverstand entstehen; wie mich dann versichere/ daß derjenigen allezeit mehr/ als weniger seyn werden/ welche dergleichen communionen fuͤr einen schwehren mißbrauch halten/ als ihn billigen wer- den. Ob sie dann wol/ als lang alles in der stille bleibet/ und in der kirchen noch kein lermen oder aͤrgernuͤß davon entstehet/ auch hoffnung ist/ daß solche mitbruͤder sich von ihren gedancken wieder abbringen lassen moͤchten/ mit ih- nen gedult haben/ und ihre schwach heit/ daß sie nach dergleichen ver- langen getragen/ zu tragen wissen werden; so wird doch/ da solche dinge ausbraͤchen/ und die kirche verunruhigten/ deroselben noth auch erfordern wird/ daß jeder sich in solcher sache declari ren muͤsse/ unmuͤglich andeꝛs gesche- hen koͤnnen/ als daß diejenige/ so eine solche neuerung unrecht erkennen/ wi- der die jenige offenbarlich stehen muͤsten/ die das gefaͤhrliche werck belieben/ welche zerruͤttung der sonsten zu einem zweck treulich zusammensetzender ge- muͤther nicht wenig allen lauff des guten hemmen/ und daher manchen from- men viele tausend seufftzen/ die den verursachenden nicht gut sind/ austru- cken/ dem teuffel aber ein lachen und freu de erwecken wuͤrde. Wo zwahr die gedachte geheime communion GOttes austruͤcklicher befehl waͤre/ bin ich nicht in abrede/ daß alles dieses/ was ich aus derselben zu folgen vorgestellet habe/ nicht zuwegen braͤchte/ daß man sie unterlassen doͤrffte/ ob wol auch alsdann eine vorsichtigkeit wuͤrde billich erfordert wer- den/ Das dritte Capitel. den/ wie man dero uͤbung also einrichtete und maͤßigte/ daß so viel muͤglich/ die meiste ungemache ausblieben. (nachdem es gleich wol heißt/ præcepta af- firmativa obligant semper, sed non ad semper, daher einige auch ins gemein befohlene dinge dann und wann/ da und dort/ mehrers unheyl zu verhuͤten/ unterlassen/ oder doch etwas davon ausgesetzt werden doͤrffen.) Jch hoffe aber auffs wenigste nicht/ daß jemand dergleichen befohlen zu seyn/ vorgeben werde/ (wie dann dergleichen befehl unmuͤglich gezeiget werden koͤnte) son- dern man begnuͤgte sich allein etwa damit/ daß sothaner gebrauch erlaubt seye/ und also kinder Gottes ihres rechts nach ihrem gutbefinden unverhin- dert jemands/ geniessen doͤrfften. Wann es dann nun auch also waͤre/ und daß die sache goͤttlicher ordnung nicht zu wider/ erwiesen werden koͤnte/ achte ich doch/ daß wegen oberzehlter aͤrgernuͤssen und boͤser folgen/ auch der be- wandnuͤß der jetzigen zeiten/ die jenige Christen/ so sich dergleichen frey zu seyn glauben/ gleichwol lieber sich des gebrauchs ihrer freyheit begeben/ als zu so vieler zerruͤttung und unheyl/ da es nicht um leibliches leiden/ son- dern die anlaß vieler von allerley leuten begehender suͤnden/ zu thun ist/ ge- legenheit geben solten/ und wo sie rechtschaffene liebe haben/ der uͤbrigen mit sothaner unterlassung schonen wuͤrden. Wir wissen und gestehen alle/ daß nechst dem glauben die liebe die vornehmste Meisterin des gantzen lebens seye/ daher kein kind GOttes seinen nutzen mit eines andern schaden suchet/ oder auch suchen doͤrffte. Phil. 2/ 4. Ein jeglicher sehe nicht auff das seine/ sondern auffdas/ das des andern ist. 1. Cor. 10/ 24. Niemand suche was sein ist/ sondern ein jeglicher was des andern ist. v. 33. ich suche nicht was mir/ sondern was vielen frommet/ daß sie selig werden. So gehet auch diese regel nicht allein das zeitliche oder leibliche/ sondern auch das geist- liche/ und in gewisser maaß das ewige an. Unser liebste Heyland JEsus/ das hoͤchste muster der liebe/ enteussert sich aus liebe zu uns/ seiner Gott-foͤrmig- keit/ ja eine zeitlang des innerlichen trostes und fuͤhlung der sonsten von sei- ner Gottheit in seine gesegnete menschheit abfliessenden goͤttlichen freude: al- so gehoͤret auch uns zu/ nach seinem exempel das leben fuͤr die bruͤder zu assen 1. Joh. 3/ 16. mit begriff auch der empfindlichkeit oder mehrern ge- nusses der geistlichen gnade/ etwas in diesem um des nechsten willen zuruͤck zu setzen. Also da Paulus verlangen hatte/ und es ihm an seiner seelen nuͤtz- licher fande/ bald abzuscheiden und bey Christo zu seyn Phil. 1/ 23. ziehet er dennoch den nutzen/ welchen die gemeinden noch von ihm noͤthig hatten/ aus liebe/ dem verlangen des ehendern genusses der voͤlligen heiligkeit und selig- keit vor seine person/ vor: und ist also zu frieden/ noch laͤnger in dem fleisch/ uͤber dessenlast/ wegen der einwohnenden suͤnde/ er doch klaget Rom. ARTIC. I. SECTIO XVI. Rom. 7/ 24. zu wohnen/ damit andre erbauung von ihm haͤtten. Ja es kommt bey ihm zu dem grad Rom. 9/ 3. daß er gewuͤndschet verbannet zu seyn von Christo/ fuͤr seine bruͤder. Diese nachfolge muthe ich zwahr niemand zu/ sondern allein fordert die liebe von denjenigen/ die sich zu der geheimen communi on berechtiget zu seyn glauben/ und davon eine uͤberzeugung zuhaben vorgeben moͤchten/ daß sie dasjenige/ wovon sie mehre- re geistliche staͤrckung hoffen/ aber ihnen remonstri ret wird/ daß dadurch viele andre/ auffs wenigste von denen fuͤr schwach gehaltenen seelen schwehr verletzet/ und in gefaͤhrliche versuchung gefuͤhret werden wuͤrden/ um dieser zu schohnen/ unterlassen. Da dann wohl dabey zu mercken ist 1. daß nicht geredet werde von einer unterlassung aller mittel ihrer seligkeit/ oder staͤr- ckung ihres glaubens/ sondern allein eines einigen und zwahr nur in gewis- sen umstaͤnden: vornehmlich das/ wo es bey der einigen offentlichen com- muni on bliebe/ sie nicht sehen/ daß sie so offt wie bey der andern dazu kom- men koͤnten. Auff dieses wirds endlich/ wo man die sache gnug uͤberleget/ alles ankommen. Also bleibet solchen seelen 2. die staͤte handlung goͤttli- chen worts/ so doch die ordenliche speise des glaubens ist/ allerdings frey/ und moͤgen sie von demselben gedencken und reden tag und nacht/ Ps. 1/ 2. 3. Es bleibet ihnen frey in staͤtem gebet vor GOtt zu bleiben/ und auch mit diesem eymer immerfort aus dem abgrund goͤttlicher guͤte und den gnaden- schaͤtzen ihres JEsu/ was den innern menschen staͤrcket/ zu schoͤpffen. 4. Nie- mand darff ihnen wehren/ oder solle es doch nicht thun/ daß nicht jeglicher allein/ oder mit einem oder andern freunde/ taͤglich das leiden und todt sei- nes heylands mit betrachtung/ gebet/ gesang und dancksagung verkuͤndige/ und in dem glauben taͤglich des leibes und blutes desselben geniesse. 5. Sie sind auch nicht verbunden/ allein an der virtheljaͤhrigen communi on zu han- gen/ sondern es kan ihnen auch ein mehrmaliger offentlicher zugang dazu nicht verwehret werden: und sind endlich die exempel derjenigen nicht so gar unerhoͤrt/ die ordenlich alle monat/ und noch wol oͤffter/ zu dem Sacrament gegangen sind/ dero mir in Straßburg und Franckfurt bekannt worden. Daher ich nicht sehe/ wie ein Prediger ihnen dasselbe/ nemlich zum offtersten zu communici ren/ leicht versagen moͤchte.Ja es sollen sich einige finden/ die auch jeden sonntag willig jeden zulassen wuͤrden/ ob ich wol nicht zweiffle/ daß einige andere dessen moͤchten bedenckens haben/ so aber vielen davon durch liebreiche remonstrati on auch benommen werden moͤchte. 6. Ob dann solche seelen bezeugen moͤchten/ sie verlangten diese seelen-speise noch offters/ auch in der woche/ und so offt sie einen hunger derselben empfaͤnden/ so gebe ich ihnen zu bedencken/ ob dieser einige umstand der mehrmaligen J wie- Das dritte Capitel. wiederholung so gewichtig seye/ das stehen der liebe gegen andre zu uͤber- wiegen. Zwahr moͤchte man sagen/ man bedoͤrffte in diesen so gefaͤhrlichen zeiten so viel mehrere staͤrckung/ als des teuffels gewalt und grimm zunim- met; weil dann nun die glaͤubige ihn uͤberwinden sollen durch des lam- mes blut/ Offenb. Joh. 12/ 11. so seye noͤthig/ daß sie desselben oͤffters theil- hafftig werden. Aber wie freylich ein mittel/ ja das offenbahrste dessen ist die sacramentliche geniessung/ die ich also nicht ausschliesse/ so ist sie es doch nicht allein/ ja in gewisser maß ist noch noͤthiger die geistliche niessung in dem glauben/ die ohne das auch zu der sacramentlichen kommen muß/ und in dero wir auch des leibes und blutes des HErrn nach Joh. 6. auff geistliche art theilhafftig werden. Wie dann Christus vorgestellet ist zu einem gnaden-stuhl durch den glauben in seinem blut/ Rom. 3/ 25. Da wir sehen/ daß sich der glaube an das blut JEsu haͤlt/ und es also allezeit ergreifft/ daher sich auch ausser dem Sacrament zu eigen macht. Weßwe- gen solche liebe leute sich auch mit dieser taͤglichen gemeinschafft sofern ver- gnuͤgen lassen sollen. Ja wird es heissen/ es ist das Sacrament nicht verge- bens eingesetzt/ so muß also die sacramentliche niessung etwas noch weiteres haben/ als die geistliche. Nun/ dieses gestehe ich auch zu/ und sehe die eine als die speise/ die andre als eine artzeney an/ davon auch bereits anregung geschehen; daher verlange ich nicht/ daß solche seelen sich des Sacraments gar enthalten sollen/ daran sie freylich ihrer staͤrckung schaden thun wuͤrden/ vielmehr sollen sie auch zu dem eusserlichen abendmahl sich nach ihrem ha- benden hunger so offt einfinden/ als es ihnen bey ihrem verlangen werden mag. Aber dieses sage allein/ da sie dieses Sacrament nicht eben so offt ha- ben koͤnnen/ als sie begehrten/ daß die taͤgliche glaubens-niessung sie die uͤbrige zeit wohl vergnuͤgen koͤnne/ daß sie zu einer solchen eigenmaͤchtigen communi on zu schreiten nicht ursach haben. Vielmehr 7. haben sie aus der guͤte ihres liebsten JESU sich zu versichern/ wo sie sich aus einer liebe ande- rer zu schonen/ und nicht dergleichen anstoß/ welcher viel suͤnde veranlassen wuͤrde/ zu setzen/ der ihnen nach ihren gedancken gegoͤnnten freyheit begeben/ das ist/ sie nicht gebrauchen/ daß derselbe ihre geistliche niessung desto kraͤff- tiger segnen/ und sie endlich erfahren werden/ daß ihnen in der that nichts von geistlicher krafft/ die sie aus jenem mittel sonsten gehofft/ abgehen sol- te. Also haben sie sich allezeit die regel Pauli vorzustellen: 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles. Jch habe es alles macht/ aber es bessert nicht alles. Dann ob wol der liebe Apostel solche anfuͤhret aus gelegenheit der mittel-dinge/ doͤrffen wir dannoch nicht gedencken/ daß dieselbe sich nicht weiter erstrecke: sondern wie sie ARTIC. I. SECTIO XVI. sie ihren grund hat in der liebe/ so erstrecket sie sich so weit als die liebe/ und gibt demnach maaß in allem/ was nicht bloß von GOtt geboten ist/ dann dessen gebot und gehorsam gehet uͤber das uͤbrige gesetz der liebe des nech- sten. Hingegen was in unsrer macht stehet/ und also nicht schlechter dings geboten ist/ es seyen nuneigenlich so genannte mittel-dinge/ die an sich gut sind/ uͤber dieselbe hat die absicht des nutzen deß nechsten viele macht/ und doͤrffen wir deren nimmermehr mit beyden augen nur auff uns selbs/ auch was das geistliche angehet/ sondern muͤssen immer mit dem einen aug zu- gleich auff den nechsten sehen. Und da wird es heissen/ daß GOTT wolgefallen habe an barmhertzigkeit und nicht am opffer/ Matth. 9/ 13. Hingegen haͤtten solche leut/ die ohne schohnen ihres nechsten/ ihres davor gehaltenen rechtens um ihrer mehreren staͤrckung willen sich gebrauchen wuͤrden/ weil sie damit die verantwortung der daraus entstehenden hinder- nuͤß des guten/ in der fleissigen treibung der predigt der busse und des glau- bens/ (die ja am allernoͤthigsten sind) laͤsterung des studii der gottseligkeit/ (dem man solche neuerung zuschreiben wuͤrde) und wahrer pflegung dessel- ben/ verletzung der gewissen der schwachen/ die uͤber eine solche sache nachmal zu leiden die kraͤfften nicht haben wuͤrden/ anstoß anderer schwachen/ welche da sie diese freyheit nicht fassen koͤnten/ alles andre gute desto mehr in ver- dacht ziehen moͤchten/ trennung der jenigen/ welche sonsten treulich zu einem zweck der erbauung gearbeitet/ und von dero zusammensetzung in dem werck des HErrn/ aus dessen segen gewiß mehr geistliche kraͤfften als aus einem solchen ausserordenlichen mittel/ zu erwarten waͤre/ und uͤbriger aͤrgernissen/ vor Gottes gericht auff sich ziehen/ ja unzehliche seufftzen auch wahrhafftig christlicher hertzen/ denen es um den schaden Josephs ein ernst ist/ ihnen selbs auffladen wuͤrden/ sehr zu sorgen/ daß der liebste Vater/ der ihnen so wol des nechsten als eigne seele anbefohlen hat/ weil sie die liebe hindan setzen/ auch sothanes mittels (da es sonsten erlaubt gewesen waͤre) sonderlich zu jetzigen zeiten/ dero umstaͤnde den gebrauch noch so vielmehr mißrathen/ krafft ihnen vielmehr entziehen/ und mit seinem segen von ihnen weichen/ als sie wahr- hafftig davon nutzen schoͤpffen lassen wuͤrde. Hiemit hoffe also mit gnugsamen grund dargethan zu haben/ daß der- gleichen geheime communi on/ von dero die frage lautet/ anzustellen/ Christi ordnung nicht gemaͤß seye/ daraus auch noch forne gezeiget habe als zum uͤbekfluß/ ob auch dieselbe an sich nicht unrecht waͤre/ daß sie dannoch wegen dessen/ was daraus entstehet/ unterlassen werden muͤste/ und daher auch die- jenige/ die sonsten den gebrauch derselben kindern Gottes frey zu stehen ge- dencken/ sich solcher freyheit/ sonderlich zu dieser zeit/ zubegeben aus liebe verbunden seyen. Diesem mag nun unterschiedliches entgegen gehalten J 2 wer- Das dritte Capitel. werden. 1. Daß es ein stuͤck des geistlichen priesterthums seye/ welches allen Christen aus 1. Petr. 2/ 8. zukomme: wie dann unser theure Lutherus T. 2. Alt. f. 504. den gebrauch des H. abendmahls/ und insonderheit das segnen und reichen des heiligen brods und weins/ als ein stuͤck solches priester- thums allen gemein macht/ und damit gegen die paͤbstische streitet/ denen er vorwirfft/ sie haben nichts/ das sie widersetzen moͤgen/ ohn allein die Vaͤter/ concilia und den langen brauch samt der menge. Da er aber sich durch dieses nicht abschrecken lassen will/ das recht allen zu zugestehen. Hierauff ist nun unterschiedliches zu mercken. 1. Bin nicht in abrede/ daß nicht so klar ausgemacht seye/ ob eben dieses recht eigenlich zu dem geistli- chen priesterthum nach der schrifft gehoͤre/ und nicht vielmehr dieses allein in opffren aller arten/ gebet und verkuͤndigung der gnade Gottes bestehe: auffs wenigste moͤchte es gegen einen schaͤrffern widersprecher etwas schwehr zu behaupten hergehen. Aber 2. ich will der sache hier nicht widersprechen/ sondern will gern dieses recht/ so allerdings den Christen zustehet/ unter dem nahmen des priesterthums mit begreiffen; indessen folget daraus nichts mehrers/ als daß die macht an sich selbs bereits einem jeglichen Christen aus seinem Christenthum zukomme. Hierauff siehet Lutherus allein/ und zeiget/ daß zu solcher handlung keine besondere weihe/ wie die Papisten vor- gaben/ und davon er sagt/ daß sothane Priester sich entsetzen und ver- wundern uͤber ihre hohe wuͤrdigkeit und gewalt/ die sie haben/ we- gen der verwandlung des brods/ welche macht weder die jungfrau und Mutter Gottes/ die sie doch hoch erheben/ noch die Engel haͤtten/ gehoͤrig seye: womit den Papisten gnug widersprochen war. So laͤugne ich also eben so wol dieses nicht/ sondern gestehe/ daß die gewalt an sich selbs allen Christen zukomme. Will man aber sagen/ so doͤrffen sie sich auch alle derselbigen gebrauchen/ so gestehe ich 3. diese folge nicht/ sondern distin- gui re mit allem fug unter dem recht selbs/ und unter dessen gebrauch. Wo- rinnen ich auch nicht meinen eigenen willen rede/ sondern Luthero selbs nach- folge/ da er nach erzaͤhlten allgemeinen priester-aͤmptern spricht: f. 509. a. b. Diß alles haben wir allein von gemeinen rechten und macht aller Christen gesagt/ dann dieweil allen Christen alle ding gemein sollen seyn/ die wir bisher erzaͤhlet haben/ das wir auch bewaͤhrt und bewei- set haben/ so will nicht gebuͤhren einem der sich von ihm selbs wolt herfuͤr thun/ und ihm allein zueigenen/ das unser aller ist. Unter- winde dich dieses rechten/ und lege es auch an brauch so fern/ wo kein ander ist/ der auch ein solch recht empfangen hat. Das erfordert aber der ARTIC . I. SECTIO XVI. der gemeinschafft recht/ daß einer oder als viel der gemeine gefallen/ erwehlet und auffgenommen werden/ welche an statt und im nahmen aller derer/ so eben dasselbige recht haben/ verbringen diese amter oͤs- fentlich/ auff daß nicht eine scheusliche unordnung geschehe in dem volck GOTTES/ und aus der kirchen werde ein Baby- lon/ in welcher alle dinge ehrbarlich und ordenlich sollen zugehen/ wie der Apostel gelehret hat. Es ist zweyerley/ daß ei- ner ein gemein recht durch der gemeine befehl ausrichte/ oder daß ei- ner sich desselbigen rechten in der noth gebrauche. Jn einer gemein/ da je dem das recht frey ist/ solle sich desselbigen niemand annehmen/ ohne der gantzen gemeine willen und erwehlung; aber in der noth brauche sich desselbigen ein jeder/ wer da will. Aus welchem allerdings erhellet/ daß diese distinction in des lieben mannes sinn gewesen. Damit man aber nicht sagen moͤchte/ daß es dann nur ein spiel waͤre/ einem ein recht zu sprechen/ und dessen uͤbung nicht verstatten; so ist 4. zu wissen/ und aus Lu- theri worten zu sehen/ daß es freylich auch einige mal zur uͤbung kommen koͤnne/ nemlich in dem nothfall/ da ausser demselben die kirche selbs die uͤbung durch ihre wahl auff gewisse personen eingeschrencket hat: droben aber haben wir auch den nothfall selbs zugestanden. Dabey aber zu wissen/ daß unter dem nothfall in der tauff und bey diesem Sacrament ein grosser unterscheid seye: indem sich jener an einem ort/ wo gleich wol ein Prediger ist/ offt begi- bet/ weil es um die administration der tauff in dieser stund oder augenblick/ da man den Prediger nicht haben kan/ zu thun ist; die versaͤumnuͤß aber/ das kind/ das ohne dasselbe auch kein ander ordenliches mittel hat/ allerdings des Sacraments entsetzen wuͤrde/ welche noth leicht die ordnung bricht/ auch ausser derselben die macht zu tauffen von keinem gebraucht werden solle. Die- ser aber/ nemlich bey dem Sacrament des leibes und blutes des HErrn/ an solchen orten sich nicht wohl begeben kan/ nicht allein/ weil nebs dem Sacra- ment noch andre gnaden-mittel zur geistlichen staͤrckung an dessen stelle vor- handen sind/ sondern was man zu jeder zeit nicht haben kan/ zu einer andern gesuchet werden muß. Jndessen wird nicht vergebens einem ein recht bey- geleget/ ob es wol selten zu dessen uͤbung kommen moͤchte. 5. Wann die ord- nung angefuͤhret wird/ welche im wege stehe/ daß sich nicht jede Christen ih- rer macht gebrauchen doͤrfften/ ob wol der liebe Lutherus den ort 1. Cor. 14/ 40. dazu ansuͤhret/ muß doch solche ordnung nicht nur so angesehen werden/ wie einige nur decori ergo, oder um eusserlichen wolstands willen/ eingefuͤh- ret werden/ als etwa die ordnung der ceremonien seyn moͤchte/ oder da es umstaͤnde des Gottesdienstes betraͤffe/ aus welcher gelegenheit Paulus die wor- Das dritte Capitel. worte gebraucht/ welcherley ordnungen aber leicht dispensi ret werden koͤn- nen; sondern es heisset eine ordnung/ die dem rath CHristi allerdings ge- maͤß und nothwendig ist: eine ordnung der art/ wie das predigamt das recht der oͤffentlichen predigt allein im nahmen der gesamten gemeinde fuͤhret/ so doch eine einsetzung Christi zugleich ist/ Eph. 4/ 11. Dessen anhang wir bil- lich die administration der Sacramenten ansehen. Also sehen wir/ daß das allgemeine Priester-recht diese geheime communionen nicht bewaͤhre. 2. Mag eingewendet werden/ daß GOtt dergleichen communion nicht austruͤcklich verbothen/ da aber nach unserer Theologorum lehr/ wo kein verboth ist/ die gewissen nicht beschwehret werden sollen. Jch antworte a- ber mit gutem fug: daß in diesen dingen/ so goͤttlicher einsetzung seynd/ etwas zuverwerffen nicht nothwendig seye/ daß es verbothen/ sondern in den um- staͤnden/ so etwas wichtiges in sich fassen/ schon dieses/ solche nicht anzuneh- men/ gnug seye/ daß die sache nicht geboten. Wie dann niemand sich leicht unterstehen wird/ auch nur vorzugeben/ daß ein gebot des HErrn fuͤr diese sa- che vorhanden seye: so ist oben angezeiget/ wie allerdings die goͤttliche ord- nung bey einem solchen Sacrament/ so eine gemeinschafft der kirchen andeu- tet/ und ein theil derselben ist/ der geheimen und ohne der andern wissen und willen geschehenden communion vielmehr entgegen stehe/ als favorisire. Wie wir dann einmal dem weisesten und guͤtigsten Heyland/ so alle seine ordnung mit goͤttlicher klugheit eingerichtet/ nicht zuzutrauen haben/ daß er derglei- chen freyheit/ welche zu allen zeiten leicht eine gelegenheit des mißbrauchs aus sich selbs mitbringen koͤnte/ in seiner kirche eingefuͤhret haben solte; da- her auch aus diesem de voluntate legislatoris zu præsumi ren ist/ wo er sonst denselben in diesem punct nicht deutlich ausgetrucket haͤtte. So ist ferner o- ben gezeigt/ was die pflicht der liebe erfordere/ wann ja sonsten insgemein eine freyheit gegeben waͤre. 3. Es koͤnte ferner die verwehrung dieses gebrauchs angesehen werden/ als ein papistischer gewissens-zwang/ der nichts vor sich habe/ als wie in o- ben angefuͤhrtem Lutherus T. II. Alt. f. 504. b. spricht/ die Vaͤter/ die con- cilia und den langen brauch/ darzu auch ihren allerstaͤrcksten articul des glaubens/ der also heißt/ unser sind viel/ und wir haltens also/ darum muß es gewißlich wahr seyn. Daher mans vergleichen moͤchte mit der paͤpstischen verbietung des lesens der schrifft/ und entziehung des weins im Sacrament/ welche dinge wir alle als einen tyrannischen zwang verwerffen. Aber wer die sorgfalt derer/ so die kirche und das Sacrament in der rechten ordnung gern haben wolten/ einer solchen paͤpstischen gewis- sens-herrschafft beschuldigte/ wuͤrde sich damit versuͤndigen. Dann man ver- sagt ARTIC. I. SECTIO XVI. sagt damit kindern GOttes nichts/ das ihnen goͤttliche ordnung jemals ge- geben: dann daß der gebrauch der priesterlichen allen Christen zukommen- den aͤmtern ordenlicher weise an das predigamt gewiesen/ ist nicht bloß der kirchen wolgefallen/ sondern selbs eine goͤttliche ordnung. Also ist ein gros- ser unterscheid unter einem alten gebrauch/ welcher gleichwol seinen guten grund in goͤttlicher ordnung und zur absicht der kirchen ordenlichere verfas- sung hat; und einem andern/ der allein auff die erhoͤhung des so genandten geistlichen standes ziehlet/ und der gemeinde etwas dessen ent- zeucht/ dessen ermanglung ihr schaden thut. Diese letztere haben allein eine paͤpstische art/ nicht aber die erste. Nun gehoͤret die abhaltung der heim- lichen communionen nicht zu den letzten/ sondern ersten: dann ob man wol die- ses Sacrament an das predigamt verbindet/ da es also das ansehen haben moͤchte/ es seye um dessen eigenes interesse zu thun/ so ist doch dieses nicht/ sondern die erhaltung der noͤthigen ordnung der kirchen selbs erfordert sol- ches/ und wird also den zuhoͤrern verwehret/ was ihnen nicht wahrhafftig nutzen/ sondern in dem gebrauch nur anlaß vieles mißbrauchs seyn wuͤrde: hingegen wird die innerliche macht und wuͤrde allen gleich zugesprochen/ und also der so grosse unterscheid unter so genandten layen und geistlichen/ darin- nen der grund des Pabst thums stehet auffgehaben/ nachdem diese zu ihren verrichtungen vor jenen nichts anders als ihren beruff haben. Also ist auch ein grosser unterscheid unter der verwehrung dergleichen geheimen commu- nionen/ und hingegen der paͤpstischen verbietung der schrifft/ so dann raub des kelchs: indem dieser die gantze gemeinde von der gemeinschafft des bluts Christi/ welches der HErr doch allen verordnet hat/ ausschleußt; jene aber wiederum dieselbe von demjenigen abhaͤlt/ was ihnen der HErr/ und dazu fein im gegensatz des predigamts/ als dessen vortrag ihrem examini und pruͤ- fung solle unterworffen seyn/ austruͤcklich anbefohlen hat; dergleichen be- fehl wir nicht finden/ jemal den Christen im gegensatz der Prediger/ oder mit dero ausschliessung/ von der communion gegeben zu seyn. 4. Einen grossen schein hats/ was unser liebe Lutherus T. 3. Alt. f. 468. b. schreibet: Die dritte weise/ die rechte art der Evangelischen ordnung/ muͤßte nicht so oͤffentlich auff dem platz geschehen unter allerley volck/ sondern diejenige/ so mit ernst Christen wollen seyn/ und das Evan- gelium mit hand und mund bekennen/ muͤßten mit nahmen sich ein- zeichnen/ und etwa in einem hause allein sich versammlen/ zum gebet/ zu lesen/ zu tauffen/ das Sacrament zu empfahen/ und andre christ- liche wercke zu uͤben. So bekenne davon/ daß der liebe mann/ wie einige ihn entschuldigen wollen/ nicht bloß unbedachtsam diese wort in die feder flies- sen Das dritte Capitel. sen lassen/ sondern noch 3. jahr darnach T. 4. Alt. f. 465. b. wiederholet hat. Jn- dessen sehe noch nicht/ wie diese stelle das jenige darthue/ wozu sie angefuͤhret wird. 1. Wird damit allerdings nicht jeden Christen macht gegeben/ unter sich frey die communion zu halten/ sondern Lutherus redet von einer sondern ge- meinde/ die er/ und also ein Prediger/ anordnen wolte/ wie er darnach spricht: Aber ich kan und mag noch nicht eine solche gemeine oder versam̃lung ordnen oder anrichten; Also solte auch solche gemeinde in einer gewissen ordnung/ und demnach unter der regirung einiger Prediger/ stehen/ da nicht einem jeglichen frey stuͤnde zu thun/ was er wolte; sondern es gehoͤrte darzu die auffsicht der Vorsteher: und waͤre diese gemeinde von jeder andern ab- fonderlichen gemeinde/ die sich nemlich in dieses oder jenes kirch-spiel und kir- che sammlen/ alleine darinnen unterschieden/ daß zu diesen ein jeder ein- wohner solches orts/ bloß aus dem/ weil er ein einwohner ist/ recht hat/ als ein glied sich einzufinden/ in jene aber/ als die etwas neues waͤre/ niemand ohne gewisse conditiones, nemlich in allen dem christlichen ordnungen/ so bey an- dern wieder so sehr in abgang gekommen/ sich zu bequemen/ auffgenommen wuͤrde: daher muͤßten sie/ nemlich erstlich/ allein in einem hause zusammen kommen/ nicht daß der liebe mann einen eckel vor den oͤffentlichen kirchen ge- habt/ sondern weil die andre gemeinden/ da man nicht einen jeglichen unter ihnen mit einnehmen wuͤrde/ ihre kirchen einer solchen neuen gemeinde nicht einraͤumen wuͤrden. Also ists allerdings ein ander sache/ davon Lutherus redet/ und von welcher unsre frage handelt; und zwahr ist der unterscheid in dem haupt-werck/ nach dem Lutherus keine eigenmaͤchtige communion mit ausschliessung der Vorsteher damit noch billiget. 2. Den Vorschlag des lieben mannes aber selbs betreffende/ habe ich bereits vor 16. jahren dessel- ben in einem send-schreiben an einen auslaͤndischen Theologum p. 74. meldung gethan/ auch bekannt/ daß ich in solchem fall ein schisma oder trennung be- sorgte/ so ich in der kirchen auff alle muͤgliche weise verhuͤtet zu werden noͤthig achtete: daher nur verlangt/ daß da der theure Lehrer so weit gegangen waͤre/ auffs wenigste so viel von seinem vorschlag moͤchte beliebet werden/ als noch davon ohne sorge der trennung behalten werden koͤnte. So ists nun an dem/ daß des lieben mannes absicht wol herrlich gut gewesen/ als der nach dem er gemercket/ daß den fast verwildeten gemeinden uͤberhaupt schwehr mehr zu helffen seye/ weil der boͤsen und ruchlosen allzuviele waͤren/ auff die- sen weg gedacht/ daß eine neue gemeinde gesammlet wuͤrde/ zu dero sich allge- mach auch aus der andern diejenige sam̃leten/ die der HErr nachund nach ruͤh- rete/ ob dero gutes exempel so viel fruchtete/ daß endlich die andre insgesamt auch gewonnen/ und auff diese art gebessert wuͤrden. So hoffe ich/ es wer- den seine gedancken auch nicht gewesen seyn/ ein eigenlich schisma an einem ort ARTIC. I. SECTIO XVI. ort anzuheben/ sondern wie an einem ort/ wo die zahl der zuhoͤrer zunimmet/ auch etwa neue gemeinden angeleget werden/ daß diese auch dergleichen/ ob wol durch eine freywillige auswahl aus den andern/ angeordnet wuͤrde/ die aber deswegen die andre gemeinden nicht verwerffen haͤtten muͤssen/ als waͤ- ren jene keine Christen. Es moͤchte auch solches damals so viel weniger auff- sehens gemacht haben/ weil in dem Papstthum/ daraus sie erst gingen/ der bruͤderschafften/ die auch gewisse Gottesdienste/ aber unter der auffsicht der geistlichen/ hatten/ sehr viele waren/ mit denen eine solche ausgewehlte freye gemeinde eine gleichheit etlicher massen gehabt haͤtte. Es haͤtte aber auch eine anordnung seyn/ und nichts bloß aus etlicher gutachten und belieben ge- schehen sollen: da denn der theure mann alles das jenige auch in acht genom- men haben wuͤrde/ was vor einwilligung auch anderer zu dergleichen anstal- ten gehoͤret. Jch vor meine person wolte mit Luthero gleiches wuͤnschen/ wo es mit belieben derer/ welche dazu zu reden haben/ geschehen koͤnte/ daß son- derlich an groͤssern orten dergleichen besondere gemeinden angeordnet wuͤr- den/ aber gleichwol auch mit verhuͤtung der trennung/ als welcher schaden ich groͤsser zu seyn sorgte/ als von der anstalt selbs nutzen hoffte; indessen/ son- derlich bey jetziger der zeiten und gemuͤther bewandnuͤß/ diese bedingung fast unmuͤglich halte. So sehen wir auch/ daß der liebe mann/ da er gleichwol noch 20 jahr nach diesem seinem vorschlag gelebet/ und eine solche autoritaͤt gehabt/ daß er mehr als nach ihm einiger etwas grosses haͤtte sollen haben durchtreiben koͤnnen/ dennoch seinen eigenen vorschlag zu wercke zu richten/ sich nicht unterstanden hat: ohne zweiffel/ weil er so viel schwehrigkeiten und gefahr dabey gesehen/ daß ers zu thun billich angestanden. 5. Es wird auch noch eine andre stelle aus Luthero angefuͤhret/ ( Groß. Catech. f. 225. ) da der liebe Vater die wort unsers Heylands/ so offt als ihrs thut/ also gloßiret: ich setze auch ein oster-fest oder abendmahl/ das ihr nicht eben diesen abend des jahrs einmal/ sondern offt sollet geniessen/ wenn und wo ihr wollet/ nach eines jeglichen gelegenheit und noth- durfft/ an keinen ort oder bestimmte zeit angebunden. Da scheinet es nun/ weil die offtere niessung befohlen wird/ auch keine bestimmte zeit oder ort solle in acht genommen werden/ es werde damit den geheimen communio- nen das wort geredet. Es folget aber auch dieses nicht/ sondern allein wird erfordert/ daß es offt geschehen solle/ welches Lutherus hie sonderlich der paͤpstischen einmaligen oster-com̃union entgegen setzet/ da er wiedrum sagt: wiewol der Papst hernach solches umkehret/ und wieder ein Juden- fest daraus gemacht hat. So gehet auch der gegensatz gegen das juͤdische passah/ so allein auff einen gewissen tag/ und nachdem der HErr solchen ort K er- Das dritte Capitel. erwehlet/ zu Jerusalem/ gehalten werden dorffte. Also doͤrffen wir freylich nach eines jeglichen gelegenheit und nothdurfft ohne verbindung an zeit oder ort/ die H. communion halten/ nur daß es in der oͤffentlichen gemeinde (ausser dem nothfall) und mit zuziehung dero Vorsteher geschehe. So wird auch in den groͤssern gemeinden dazu gelegenheit gnug gegeben/ wo die oͤffentliche communion alle sontag/ ja einiger orten wol auch auff einen wochen-tag/ ge- halten wird: da dann niemand der mehrmalige zugang zu solchem tisch/ wann er ihn seiner seelen diensam findet/ verweigert wird/ oder werden solle. 6. Endlich moͤchte auch darauff getrieben werden/ daß die gegenwaͤrti- ge schwach heit der Christen eine mehrmalige staͤrckung aus dem fleisch und blut des HErren bedoͤrffe/ auff die schwehre bald einbrechende gerichte recht kraͤfftig getroͤstet zu werden. Nun ist die gefahr unserer zeiten nicht zu leug- nen/ sondern offenbar gnug/ daher auch die staͤrckung uns freylich noth thut; wie aber die haupt-staͤrckung in dem goͤttlichen wort/ in dem wir durch den glauben auch das blut JEsu Christi finden/ bestehet/ so bin nicht in abrede/ daß auch die offtermalige wuͤrdige niessung des H. abendmahls ein grosses beyzutragen vermag/ daher sie jeglicher auch so offt ers haben kan/ und sich etwa darzu getrieben findet/ gebrauchen mag; nur daß es in der ordnung ge- schehe/ welche die gemeinschafft der kirche mit sich bringet. Wo wir auch auff die schwachheit der meisten Christen sehen/ will uns dieselbe dergleichen ge- heime communionen mehr mißrathen/ als daß sie uns dazu treiben solte/ wie oben gezeiget worden/ was vor austoß schwache auff unterschiedliche weise davon leiden wuͤrden. Aus allem achte zur gnuͤge zu erhellen/ daß nichts so erhebliches von der- gleichen privat-communionen der Christen unter sich insgeheim vorgebracht/ so nicht so bald kraͤfftig gnug widerlegt werden koͤnte/ daher der obige behaup- tete satz annoch fest stehet. Der HErr JEsus/ der GOtt der liebe und der wahrheit/ gebe allen seinen juͤngern in diesem und allen andern anligen seinen willen mit voͤlliger uͤberzeugung der gewissen zuerkennen/ und lehre uns denselben in gehorsam und liebe zu vollbringen: er steure hingegen al- len aͤrgernuͤssen/ und lasse nicht immer neue entstehen! Endlich sehe er selbs mit gnaden drein/ und bessere die oͤffentliche anstalten also/ daß keiner seines heils begieriger einige weitere geheime verlangen doͤrffte/ damit wir in deꝛ that sehen/ er habe der seinigen nicht vergessen/ und ihn ewig daruͤber preisen/ Amen. 1693. SECTIO ARTIC. I. SECTIO XVII. SECTIO XVII. Nochmals von freyheit absonderliche communio- nen anzustellen/ und der dem Ministerio nothwendig zu- kommenden auffsicht. W As die beyden fragen betrifft/ darauff in der furcht des HErrn zu antworten/ so kan ich 1. nicht anders sagen/ als daß jure divino die auffsicht und direction der communion dem ordentlichen Ministerio zukomme/ und also ohne dessen willen und wissen sich niemand der admini- stration anzumassen habe. Jch procedi re darinnen also: Es wird wol 1. un- ter uns ausgemacht seyn/ daß die institutio Ministerin an sich juris divi- ni seye; daher ob wol alle jura, so dasselbige uͤbet/ radicaliter der gantzen kir- chen zukommen/ woraus auch entstehet/ daß wo die noth die gemeine ord- nung auffhebet/ das recht auff jegliche glieder wiederum zuruͤck faͤllet/ so ist doch deroselben ordentliches exercitium nicht humano arbitrio, sondern divi- na ordinatione auff das Ministerium devolvi ret/ wie dann auch das Mini- sterium nicht waͤre/ was es ist/ wenn die membra der gemeinde die uͤbung ih- rer jurium ohne dasselbige frey behielten/ daher hingegen sie nicht anders an- gesehen werden koͤnnen/ als welche auff solche uͤbung in die haͤnde des Presby- terii gleichsam verzieg thun haben muͤssen. 2. Dem Ministerio kommt also alles dasjenige in geistlichen dingen zu/ was nicht singula membra fuͤr ihre person allein angehet/ sondern entweder unmittelbar oder mittelbar die ge- sanite gemeinde betrifft. Zu jenen stuͤcken gehoͤret die oͤffentliche predigt/ die anstalt des oͤffentlichen Gottesdienstes/ die auffsicht auff die gantze gemein- de: zu diesen aber/ gehoͤret die administration der H. Sacramenten/ welche die vincula der gemeinde sind/ und daher diese allezeit durch ihre verordnete/ die einrichtung und obsicht behalten muß. Nachdem die tauffe der eingang in die gemeinschafft der kirchen ist/ im H. abendmahl aber nebens dem nutzen/ welchen jeglicher fuͤr seine person daraus zu erwarten hat/ allezeit eine er- neurung des bandes/ mit welchem der HErr seine Christen verbunden ha- ben will/ geschihet (sihe 1. Cor. 10/ 7. ) 3. Daher ligt der gemeinde allezeit ein grosses daran/ wie mit den Sacramenten umgegangen werde/ und hat also kein glied die macht/ ohne direction des Ministerii oder Presbyterii sich oder andern desselben theilhafftig zu machen. 4. Dazu auch kommet/ daß we- gen der allzuviel aus der freygebung der communion/ nicht nur vermuthlich/ sondern fast unvermeidlich/ folgender grossen un- ordnung und inconvenientien sich unmuͤglich mit der weißheit unsers Hey- landes vergleichen liesse/ daß er die inspection und direction der Sacramen- K 2 ten Das dritte Capitel. ten nicht solte dem Presbyterio, dem insgesamt die regirung der gemeinde und der geistlichen dinge zukommet/ anbefohlen/ sondern allen frey gegeben haben. Daher 5. nachdem diese inspectio von dem Presbyterio unabsonder- lich/ so ist sie nicht weniger juris divini, als die institutio des Presbyterii selbs. So bleibet ein grosser unterscheid unter Sanctioribus Ecclesiasticis, die nach der kirchen gutbefinden uͤber diejenigen dinge/ so in der kirchenmacht stehen/ gemacht worden/ und unter demjenig n/ ohne welches eine der vornehmsten einsetzungen Christi/ nemlich das predigamt und dessen regirung/ dasjenige verliehren wuͤrde/ was ihm noͤthig/ und durch dessen entziehung seine regi- rung guten theils unfruchtbar wuͤrde/ daher nicht anders als nach goͤttlichem willen an jener einsetzung hengen muß. Ja dem ersten/ kan die kirche aͤndern nach ihrem wolgefallen/ und wie sie es zu jeden zeiten am erbaulichsten fin- det/ wie sie auch uͤber dasjenige/ was jedesmal vor ehrlich und ordentlich ge- halten werden solle/ decerni ret; aber in dem andern stehet ihr nicht zu/ et- was nachzugeben/ wodurch die goͤttliche ordnung selbs geschwaͤchet wuͤrde/ wie sie auch insgemein darzu verbunden ist/ daß sie nach vermoͤgen alles ehr- lich und ordentlich hergehen zu lassen/ trachte. Es wird also dieses argument geben: Was dem Presbyterio dermassen zukommt/ daß ohne dassel- bige die solchem anvertrauete regirung der gantzen gemeinde ihren zweck nicht erreichen kan/ sondern allzusehr geschwaͤchet wird/ solches ist juris divini: (denn da das Presbyterium selbs aus diesem herkommt/ so muß dasjenige gleicher natuꝛ seyn/ was in dessen iñerstes gleichsam einfleußt) Nun kom̃t die auffsicht und anordnung der H. communion dem Pres- byterio dermassen zu/ daß ohne dieselbige die solchem anvertraute regi- rung der gantzen gemeinde ihꝛen zweck nicht erreichen kan/ sondern all- zusehr geschwaͤchet wird: Ergo so ist dieselbige juris divini. Der Minor ist bereits in vorigem erwiesen; wie dann mir fast nicht begreifflich ist/ wie im uͤbrigen auch des Presbyterii auffsicht ihren voͤlligen zweck erreichen koͤnte/ wo in diesem stuͤck/ und was das Sacrament angehet/ so das sonderbareste band der gemeinschafft der kirchen-glieder ist/ ohne seine auffsicht jeder nach seinem duͤncken thun doͤrffte. Jst aber solche auffsicht juris divini, so streitet die selbs anmassende freyheit der glieder/ was diese sache betrifft/ contra jus divinum: nur daß man zu unterscheiden hat/ daß einige dinge bloß und in ihrer natur nach oder wider goͤttliches recht gehen/ die nemlich in sich selbs boͤse oder gut sind/ andere hingegen koͤnnen juris divini seyn/ nach dem sie allein von andern goͤttlichen einsetzungen gleichsam nach sich gezogen/ und von den- selben erfordert werden; da denn das gegentheil als mit dem jure divino strei- tend/ angesehen werden muß. Die der ersten art wider jus divinum sind/ moͤ- gen ARTIC. I. SECTIO XVII. gen in dem nothfall nicht recht werden/ weil alles was in sich boͤse ist/ nicht gut werden kan: aber bey der andern art/ macht der nothfall etwas erlaubt; also da in dieser hypothesi das predigamt nach goͤttlichem rath eingesetzet ist/ die kirche in ordnung zu erhalten/ wo die ordnung nicht mehr platz hat/ sondern die noth dieselbe ausschliesset/ so wird das jenige recht/ was nur um der ordn nn g willen/ ob wol nach goͤttlichem willen/ unrecht gewesen/ so es ausser der noth vorgenommen waͤre. Weilen dann die auffsicht auff die Sacramenten/ wie andere kirchliche verrichtungen/ dem Ministerio nach angedeutetem und in solchem verstand/ jure divino zukommet/ so war es nicht vonnoͤthen/ daß die angemaste privat- administrati on ulla Ecclesiastica sanctione absonderlich verboten wuͤrde; noch hat man die unterlassung des verbots fuͤr eine billigung anzusehen/ indem sie demjenigen entgegen stehet/ was alle kirchen-ordnungen præsup- poni ren/ ja eben darinnen begreiffen/ wenn sie den Predigern die predigt des worts und administrati on der Sacramenten/ als gleichsam die haupt-theile ihres amts/ zuschreiben. Und ist das jenige/ daß eine solche privat-admi- nistrati on nirgends expresse verboten wird/ eine anzeige/ daß solche von allen/ so die kirchen-ordnungen verfasset/ so absurd und unziemlich gehalten worden seye/ daß sie nicht geglaubt noͤthig zu seyn/ verboten zu werden/ oder daß jemal einem dergleichen vorzunehmen/ in die gedancken kommen moͤchte. 2. Die andere frage anlangend/ ob sie wol/ nachdem die erste mit gruͤn- dung der noͤthigen inspecti on des Ministerii auff das jus divinum, nicht aber positivum, beantwortet worden/ vor sich selbs dahin faͤllet/ kan ich sie auch nicht anders beantworten/ als daß in einer solchen Communi on/ weil wider die ordnung/ welche GOtt in seiner kirche bey dem Presbyterio haben will/ gethan wird/ auch eo ipso gesuͤndiget werde. Welche suͤnde so viel schwehrer oder geringer ist/ als derjenige/ so sie verrichtete/ von der goͤttlichen ordnung/ die das werck an die auffseher der kirchen verweiset/ versichert/ oder der ge- fahr des Schismatis und anderer dergleichen/ erinnert ist/ oder hingegen von solcher freyheit in dem gewissen einige uͤberzeugung zu haben/ geglaubet hat. Wie nun das erste die suͤnde auch vor GOTT schwehrer machte/ so haͤtte die kirche auch uͤber ihr recht gegen einen solchen so vielmehr zu eiffern: wo aber das letzte waͤre/ wie der himmlische Vater den seinigen vieles zu gut haͤlt/ wo sie aus guter meinung unwissend fehlen/ also hat auch die kirche als eine guͤtige Mutter/ mit solchen kindern gedult zu tragen/ und das geschehene leicht zu uͤbersehen/ nur daß sie nachmal auff dero erinnerung sich wieder in die ordnung schicken. Dieses sind meine christliche gedancken von dieser materie, so ich auch K 3 andern Das dritte Capitel. andern Gottliebenden und der kirchen ruhe suchenden bruͤdern einzuleuchten/ das vertrauen trage. Den HErrn HErrn aber/ dessen gnade allein die her- tzen gewiß machen kan/ demuͤthigst anruffe/ daß Er uns alle seines willens versichern/ denselbigen zu thun/ krafft und trieb geben/ hingegen alles aͤrger- nuͤß gnaͤdiglich abwenden wolle. SECTIO XVIII. Ob um der hautz-andacht willen der offentliche Gottesdienst zu versaͤumen. Von der vierdten bitte/ und auch schluß des Vater unsers. Ob Ananias und Sapphira Apost. Gesch. 5. verdammet worden? J Ch komme auff die vorgetragene scrupul und fragen 1. Ob wegen der taͤglichen predigten/ die mit denen haußgenossen nuͤtzliche lesung zu unterlassen/ oder vielmehr jene hindan zu setzen seyen? Hierauff antworte ich/ daß wir alle verbunden seyen/ die offenliche ver- sammlungen und predigten gern zu besuchen/ (wohin der angefuͤhrte ort Hebr. 10/ 25. weiset) damit wir uns keinerley weise von der gemeinde tren- nen. Solche besuchung aber/ ist sonderlich nothwendig auff den lieben sonn- tag/ und ob wol dessen nicht einiger/ dennoch vornehmster zweck/ daß der Got- tesdienst solchen tag von der gantzen versammlung verrichtet werde. Da- mit ist zwahr nicht auffgehoben/ daß man auch die woche gleich wie zu hause/ also auch in der kirchen mit goͤttlichem wort umgehe/ und also diejenige/ deren uͤbriger zustand und beruff ihnen solche musse laͤsset/ sich mehrmal dabey einfinden/ so wol um eigener erbauung/ als auch anderer guten exem- pels willen. Jndessen ists nicht dahin gemeinet/ gleich ob jeder Christ/ der GOTT hertzlich dienen will/ taͤglich sich dahin befleissen muͤste/ daß er keine predigt versaͤume/ als wozu GOTT unser gewissen nirgend verbunden hat. Vielmehr werden deßwegen an grossen orten taͤglich predigten gehalten/ nicht als wolte man jedermann zu solchen taͤglichen predigten verbinden/ sondern daß sich die leute jeder nach seiner gelegenheit eintheilen/ dieser den einen/ der andere einen andern tag/ die kirche zu besuchen. Ob nun wol insgemein der offenliche Gottesdienst dem absonderlichen billich vorgezo- gen zu werden verdienet/ so kan doch manchmal eine nuͤtzliche geistliche uͤbung zu hause mir und andern meinigen so erbaulich seyn/ daß ich dieselbe einer predigt um solche zeit gehalten/ mit gutem gewissen vorziehen darff. Da also/ wie ich nicht zweiffle/ derselbe die uͤbung des lesens mit seinem hauß von guter frucht findet/ koͤnnen gantz wol einige tage in der woche ausgesetzet wer- ARTIC. I. SECTIO XVIII. werden/ nicht in die predigt zu kommen/ sondern dieselbe zu der mehrern er- bauung seines hauses anzuwenden. Wann auch gesagt wird/ daß der glaube aus der predigt komme/ muͤssen wir nicht bloß allein an die jenige predigt gedencken/ welche von der cantzel geschiehet/ sondern alles lesen und hoͤren des goͤttlichen worts gehoͤret zu solcher predigt/ und wird mit darunter ver- standen/ ob wol jene offentliche predigt die allgemeinste art und mittel ist. 2. Wird gefraget/ von dem verstand der vierdten bitte des Vater unsers Da ich/ wie ich mich unterschiedlich in meinen schrifften erklaͤret habe/ dabey bleibe/ daß durch das taͤgliche brod die leibliche nahrung/ wie unser Cate- chismus es erklaͤret/ gemeinet werde: halte es auch fuͤr billich/ weil wir nicht laͤugnen koͤnnen/ daß wir der zeitlichen nahrung von GOtt bedoͤrffen/ daß wir GOtt auch die ehre thun/ ihn darum anzuruffen/ und ihm auch darum zu dancken; wie ich es dann fuͤr einen hochmuth und verachtung Gottes ach- tete/ wissen/ daß man etwas von GOtt noͤthig habe/ und das er uns zu geben willig seye/ und ihn darum nicht bittlich ersuchen wollen. Daher ich davor halte/ die auch das leibliche aus der vierdten bitte ausgeschlossen wissen wollen/ werden dennoch nicht verlangen/ daß man GOTT nicht um das keibliche/ auff kindliche art anzuruffen schuldig seye/ sondern ich glaube viel- mehr/ daß sie die sache wol zugeben/ aber in dem Vater unser diese bitte nicht enthalten zu seyn/ sondern dasselbe allein die geistliche/ und also vornehmste guͤter zu begreiffen/ achten werden. Was dann solche bitte selbs betrifft/ ist nicht ohn/ daß die meiste alte Lehrer es also verstehen/ daß nicht das leibli- che/ sondern himmlische brod gemeinet seye/ wie auch unser liebe Lutherus selbs Tom. I. Altenb. f. 89. solche erklaͤrung gebraucht hat. Der gantze streit kommt her uͤber ein griechisch wort/ dessen verstand etwas zweiffelhafftig ist/ in dem es heissen kan/ ein uͤberwesentlich brod/ (so waͤre es also nichts leib- liches) oder auch ein taͤgliches oder morgendes brod (in welchem verstand es auff das leibliche seine absicht hat.) Wie nun die gelehrte uͤber solche deu- tung nicht einig sind/ also entstehet daher solche unterschiedliche erklaͤrung: daher einige gar am liebsten alle beide arten/ das geistliche und leibliche brod zugleich in der bitte verstehen wollen/ da mirs hingegen fast schwehr vorkom- met/ solche unterschiedliche dinge in einem wort zubegreiffen. Jch aber blei- be am liebsten bey der allergemeinsten erklaͤrung von dem zeitlichen; nicht/ daß ich an dem zeitlichen mehr/ als an dem geistlichen gelegen zu seyn achtete/ sondern weil ich am liebsten das Vater unser fuͤr dasjenige gebet/ welches alle unsre nothdurfft ins gesammt in sich begreifft/ halte/ und aber in den andern bitten wohl gelegenheit finde/ da das geistliche/ oder seelen-brod mit drunter verstanden werden kan; als in der andern und dritten bitte/ nicht aber Das dritte Capitel. aber finde ich eine andre bitte/ wo ich das leibliche brod mit begreiffen koͤnte. Jndessen lasse ich den andern ihre gedancken/ nur daß gleichwol auch des irr- dischen/ dessen wir von GOtt beduͤrffen/ nicht allezeit vergessen/ und GOtt/ die ihm daraus gehoͤrige ehre nicht entzogen werde. Was auch den schluß des Vater unsers anlanget/ so bey Luca nicht zu finden/ so ist zu mercken/ daß Christus das Vater unser zu zweyen malen vorgesprochen/ in der berg- predigt Matth. 6. und nachmal allein seinen juͤngern Luc. 11. da er das letzte mal den vorigen schluß nicht wiederholet: indem er nicht ein eigenlich stuͤck des gebets/ als gebets ist/ sondern ein lob-spruch zu staͤrckung des glau- bens/ der deßwegen nach dem Luca zu weilen ohne suͤnde ausgelassen wer- den koͤnte/ aber billich ordenlich nach dem Mattheo darzu gesetzt werden solte/ mit solchem lob- und danck-spruch GOtt die ursache der erhoͤrung vor- zustellen/ unser vertrauen mit demselben zu staͤrcken/ und ihm gleich voran fuͤr seine guͤte zu dancken. 3. Das exempel Anania und Sapphira Apost. Gesch. 5. belangend/ finde ich nicht/ daß uns die gewißheit dero seligkeit oder verdamnuͤß noͤthig seye. Diese letztere ist zwahr vielmehr zu sorgen/ indem die wort/ welche Petrus von dem/ daß satanas sein/ des Ananiaͤ/ hertz erfuͤllet habe/ gebrauchet/ die eigenliche bosheit in dessen hertzen ziemlich scheinen an- zudeuten. Jndessen wo N. N. nicht eigenlich darauff beharren wollen/ mag ihn vielleicht dazu bewogen haben/ daß er Ananiam angesehen/ als einen sonsten warhafftig glaubig gewesten; (wie dann zu solcher zeit/ da das Chri- stenthum so bald lauter verfolgung und gefahr vor sich hatte/ nicht leicht leute aus blosser heucheley dazu getreten seyn moͤgen) da nun der wahre glaube sonsten bey ihm gewesen/ moͤchten einige diesen betrug/ da er sich auff das kuͤnfftige einen noth-pfennig zuruͤck behalten wollen/ uñ die schwehre der suͤnden nicht so erkannte/ noch etlicher massen fuͤr eine schwachheit/ und daß dieser tod zu dem verderben des fleisches (daß aber der geist am tag des HErrn JEsu noch selig wuͤrde/ nach der redens-art Pauli 1. Cor. 5/ 5. ) gemeint gewesen/ halten. Aber wie gedacht/ die verdammnuͤß der armen leute mag wol mehrerngrund in dem text haben. Der HERR lasse auffs wenigste das jenige gericht/ das an denen personen offentlich veruͤbet wor- den/ noch jetzund jederem zu einer heiligen furcht dienen. 1690. SECTIO XIX. Von der obern gewalt uͤber besondere zusammen- kunfften zur erbauung/ in dero umstaͤnden. Ob zur andacht und erbauung anstellende zusammenkuͤnfften/ da sich wegen zeit oder anderer umstaͤnde/ einiger verdacht dazu schlaͤ- ARTIC. I. SECTIO XIX. schlaͤget/ von den Obern in solchen umstaͤnden zu halten/ mit gutem fug ernstlich verboten werden koͤnnen/ auch fromme Christen solchem verbot sich zu bequemen schuldig/ seyen? H Jerauff solte scheinen/ daß man mit nein antworten koͤnte/ weil wir die austruͤckliche regel haben/ daß man GOtt mehr/ als den menschen zu gehorchen habe/ und die Apostel Apost. Gesch. 4/ 19. und Cap. 5/ 29. sich austruͤcklich auff dieselbe beziehende/ deßwegen dem verbot/ nicht in dem nahmen JEsu zu lehren/ nicht folge leisten wolten/ daher es fuͤr unrecht und unbuͤndig erklaͤret haben. So ist auch eine ausgemachte sache/ daß christliche Obrigkeiten die herrschafft uͤber die gewissen sich nicht zu nehmen/ noch das gute zu stoͤhren/ befugt seyen/ sondern sich damit schwerlich versuͤn- digen/ und GOTT in sein recht greiffen wuͤrden. Wie nun solche gruͤnde an und fuͤr sich selbs richtig find/ wird sich doch im reifferen nachdencken fin- den/ daß auff dieselbe die verneinung unserer frage sich nicht gruͤnden lasse/ welches zu zeigen/ die sache in gewisse saͤtze abzufassen ist. I. Was solche dinge anlangt/ die GOTT in seinem wort allen Chri- sten/ oder diesen und jenen staͤnden/ als nothwendig befohlen hat/ und daher von keinen/ oder doch nicht denen jenigen/ die der befehl angehet/ ohne suͤnde unterlassen werden koͤnnen; oder auch hingegen/ die er als suͤndlich verboten hat/ uͤber die hat keine Obrigkeit macht/ jene zu verbieten/ diese zu befehlen: dann wie sie allein ihre gewalt von GOTT hat/ ist ihr dieselbe nicht anders vertrauet/ als mit steter unterwerffung unter ihn/ und also daß ihre befehle den seinigen niemal zu wider seyn doͤrffen. So bald also eine Obrigkeit Got- tes geboten sich widersetzet/ und das gegentheil derselben verordnet/ schreitet sie aus ihrer ordnung/ und hat solches zu thun nicht macht/ daher auch ihre befehle nicht verbuͤndlich/ noch die unterthanen ihr zu gehorsamen/ gehalten sind; vielmehr/ wo sie gehorchten/ und also des hoͤchsten Ober-HErrn deutli- chen befehl seines verordneten dieners widrigem gebot nachsetzen wuͤrden/ suͤndigten sie schwehrlich/ ja es stecket in solcher suͤnde eine offenbare abgoͤtte- rey/ und macht man sich denjenigen selbs zum Gott/ dem man mehr als GOtt gehorchet. Hierher gehoͤret das exempel der Apostel/ indem ihnen der hohe Rath zu Jerusalem etwas blos noͤthiges verbieten wolte/ nemlich von dem HErꝛn JESU zu lehren/ welches ihnen von GOTT und dem HErrn JESU selbs/ austruͤcklich geboten war/ daher sie auch eher ihr leben in gefahr setzen musten/ als denen gehorchen. Also auch dorfften Daniels gesellen dem ge- bot Nebucadnezars/ sein bild anzubeten/ nicht gehorchen/ sondern musten sich lieber in den feurigen offen werffen lassen. So beruhet darauff der ruhm L aller Das dritte Capitel. aller Maͤrtyrer/ wann glaͤubige/ sich zuder von den unglaͤubigen Regenten anbefohlnen abgoͤtterey nicht verstehen wolten/ sondern druͤber sich das le- ben nehmen liessen. Sonderlich sehen wir ein exempel an Daniel c. 6. Dann als seine feinde hinterlistig ein gebot von dem Koͤnige heraus practisi rt hat- ten/ darinnen in 30 tagen etwas von jemand anders/ als dem Koͤnige zu beten/ verboten/ und also dieser dienst Gottes/ den man ihm unaussetzlich schuldig ist/ auff eine weile auffgehaben wurde/ konte Daniel nicht gehorsamen/ son- dern setzte sein gebet fort/ und weil er vorhin gewohnet war/ sein gebet also zu verrichten/ daß er seinen gewissen ort (so gar bey offenen fenstern) hatte/ auch seine zeit hielte/ welches er leicht erachten konte/ auch andern bekannt zu seyn/ daher aber billich sorgen muste/ wo er solches aͤndern/ und allein in geheim/ und daß niemand solches gewahr wuͤrde/ diese 30 tage sein gebet verrichten wuͤrde/ daß solches bey allen das ansehen/ er habe dadurch das ungerechte und dem wahren GOTT schimpffliche verbot des Koͤniges/ mit dem gehorsam gut geheissen/ gewinnen/ und so wol andre gefangene Juden/ zu suͤndlicher nachfolge/ als die heyden/ zur bekraͤfftigung/ daß der Juͤden GOtt/ nicht der wahre GOtt waͤre/ sich daran aͤrgern wuͤrden/ so aͤnderte er auch nichts an den umstaͤnden/ und wagte sein leben fuͤr den gehorsam sei- nes Gottes/ der ihn zwahr auch maͤchtig schuͤtzte. II. Es sind aber andre dinge/ welche an sich gut/ nicht aber als noth- wendig von GOtt allen/ oder diesem und jenen geboten sind/ sondern allein unter der gemeinen regel stehen/ da GOTT alles von uns haben will/ wo wir etwas guts thun zu koͤnnen/ sehen; daher dessen unterlassung suͤndlich werden kan. Jac. 4/ 17. Diese stehen bereits unter mehrer gewalt der Obrigkeit/ denn weil derselben die regierung der unterthanen und dero ver- richtungen/ zur gemeinen ruhe/ und was dazu fuͤhret/ anbefohlen ist/ so stehet in dero erkaͤntnuͤß/ von diesem und jenen guten zu urtheilen/ ob es zu dem zweck ihrer regierung diensam/ oder demselben hinderlich/ uñ also zu zulassen/ oder zu verbieten seye. Dann weil die meiste præcepta affirmativa zwahr allezeit verbuͤndlich sind/ aber ihre uͤbungen nicht allezeit noͤthig/ so gar we- gen gewisser umstaͤnde unziemlich und unrecht werden koͤnten; so sind diejeni- ge gute dinge/ die aber nicht austruͤcklich auff alle zeiten geboten sind/ der art/ daß sie gut bleiben/ wo sie nicht ein groͤsseres gutes hindern/ oder etwas boͤses nach sich ziehen: aber wo dieses geschehe/ eben dadurch gut zu seyn auffhoͤren und boͤse werden wuͤrden. Hieruͤber nun zu erkennen/ kommt der Obrigkeit aus ihrer allgemeinen sorge fuͤr die wohlfahrt der unterthanen zu/ daher sie auch in solchen dingen zu befehlen/ zu verbieten und zu zulassen/ an sich selbs macht hat. III. Es koͤnnen aber Obrigkeiten sich solcher ihrer macht recht gebrau- chen ARTIC . I. SECTIO XIX. chen/ oder auch mißbrauchen; nicht allein damit/ wosie alles nach eigenem wohlgefallen und ohne genungsame erwegung thun/ und allein ihre macht damit zeigen wollen/ daß alles bloß bey ihnen stehe; sondeꝛn auch/ wo sie in ih- rem gebieten/ verbieten/ oder zu lassen des guten/ dessen regel die wahre wohl- fahrt der gesamten unterthanen seyn solle/ dieselben verfehlen/ und also fuͤr schaͤdlich verbieten/ was gleichwol nuͤtzlich gewesen waͤre. Jndessen ob sie wol ihrer seits sich damit versuͤndigen koͤnnen/ sind doch die unterthanen ih- nen zu gehorsamen/ hingegen die verantwortung des unterbleibenden guten/ ihnen zu uͤberlassen/ gehalten: wie sie auch/ ob die Obrigkeiten ihnen all zu schwehre last auffbuͤrden/ dieselbe sich damit an GOTT und ihnen schwehr- lich versuͤndigen/ sie aber dennoch sich derselben auff jener verantwortung unterwerffen muͤssen. Und zwahr gruͤndet sich die nothwendigkeit ihres gehorsams darauff/ weil alle Christen den austruͤcklichen befehl/ der Obrig- keit auch um des gewissens willen gehorsam zu seyn/ von GOtt haben/ von dem sie nichts loß spricht/ als wann ihr gebot dem goͤttlichen gerad entgegen stehet. Hingegen das sonst an sich gute nothwendig zu thun/ haben sie kei- nen austruͤcklichen befehl/ sondern ob es dißmal zu thun/ oder nicht zu thun seye/ gehoͤret erst eine untersuchung darzu. Ob dann wol ich und andere christliche hertzen davor halten moͤchten/ es waͤre besser zu thun/ als zu lassen/ uͤber wieget doch der ausspruch der Obrigkeit/ die es dißmal nicht gut zu seyn/ durch ihr verbot erklaͤret/ wegen der von ihrer seiten stehenden goͤttli- chen macht. IV. Wie dann nun christliche unterthanen schuldig sind/ ihrer Obrig- keit verbot zu gehorchen/ wo es etwas an sich selbs gutes (wo zwahr immer nach thes. I. die dinge ausgeschlossen werden/ die an sich nothwendig/ und als solche/ befohlen sind) zu unterlassen betrifft/ wann auch die Obrigkeit selbs drinnen fehlte; so sind sie so vielmehr darzu verbunden/ wann diese derglei- chen gutes nicht bloß dahin verbietet/ sondern dessen uͤbung allein gewisse schrancken setzet/ auch in solcher ordnung gleichwie christliche absichten hat/ also in der that allein dasjenige davon nimmt und verbietet/ was den nu- tzen mehr schlagen und hindern kan/ als befoͤrdern wuͤrde: als in welchem fall man nicht allein aus gehorsam sich zu bequemen hat/ sondern auch der Obrigkeit christliche vorsorge mit hertzlichen danck erkennen solle. V. Wie die pflichten der Eltern und Herrschafften/ ihre kinder und ge- sinde zu GOtt zu weisen/ item bey gelegenheit die GOtt bescheret/ an mei- nem nechsten etwas/ das zu seiner besserung dienet/ insgemein zu thun/ und also in genere die handlungen des geistlichen mit dem nechsten/ unter die erste art/ der von GOtt allerdings gebotenen und nothwendigen dinge gehoͤren/ daher solche schlechter dings dahin zu verbieten/ keine Obrigkeit gewalt hat/ L 2 noch Das dritte Capitel. noch ein solches verbot/ das sie thaͤte/ zum gehorsam verbinden wuͤrde/ also gehoͤren hingegen gewisse versammlungen christlicher personen/ die austruͤck- lich zur erbauung/ lesen/ beten/ singen und dergleichen/ ordenlich angestellet werden/ unter die art des jenigen guten/ das nicht bloß geboten/ und also un- ter der Obrigkeit gewalt/ es zu zulassen/ oder zu verbieten/ stehet. Zwahr wuͤn- schete ich von hertzen/ daß dergleichen uͤbungen/ obwol mit gebuͤhrender ob- sicht der Obrigkeit und des Ministerii, aller orten im schwangegingen/ und wuͤrde nicht leicht einiger Obrigkeit rathen/ sie zu verbieten: vielmehr glau- be ich/ sie koͤnnen nicht ohne suͤnde irgends verboten werden/ es waͤre dann sache/ daß einiges orts dieselbe in solchen mißbrauch gerathen waͤren/ daß demselben nicht anders mehr/ als durch gaͤntzliche abstellung gesteuret werden koͤnte/ der schade auch groͤsser/ als der verhoffende nutzen waͤre; da dann auff eine zeitlang die noth die abstellung erfordern/ und eben damit er- laubt machen wuͤrde. Jndessen ob auch eine Obrigkeit sie ohne solche noth abschaffte/ und also darinne suͤndigte/ so achte ich doch nach thes. 3. die unter- thanen schuldig zu gehorchen/ und sich auch des sonsten davon hoffenden nu- tzens zu begeben/ hingegen zu trachten/ daß sie/ was ihnen an solchen ordenli- chen uͤbungen abgehet/ auff andere muͤgliche und christliche art zu ersetzen. VI. So vielmehr stehet dann in der Obrigkeit macht/ wo einige derglei- chen uͤbungen vorgenommen werden/ und aber wegen zeit/ ort und anderer umstaͤnde der personen/ etwas dabey vorgehen moͤchte/ daß unanstaͤndig waͤ- re/ und aͤrgernuͤß gebe/ oder doch einen ziemlichen verdacht dessen verursach- te/ denselben gewisse schrancken und maaß vorzuschreiben/ wie man sie also anzustellen habe/ damit alles aͤrgernuͤß und boͤser schein/ der sonsten die gantze sache leicht verderben koͤnte/ vermieden bleibe/ auch wo einige sich solcher verordnungen nicht bequemen solten/ sie bey straffe dazu anzuhalten: ja es hat es dieselbe nicht allein macht/ sondern welche christlich gesinnet ist/ wird sich dazu verbunden erkennen/ dergleichen zu thun. Dessen ursachen folgende sind: (1.) Jnsgemein wird von \ den Christen in ihrem gantzen wandel vorsichtigkeit erfordert. So bleibets eine allge- meine regel/ Eph. 5/ 15. 16. So sehet nun zu/ wie ihr fuͤrsichtig wandelt/ nicht als die unweisen/ sondern als die weisen; und schicket euch in die zeit/ dann es ist boͤse zeit. Es bestehet aber solche vorsichtigkeit sonderlich darinnen/ wie einer seits/ daß wir die gelegenheit des guten nicht unvorsich- tig versaͤumen/ also anderseits/ daß wir sie auff solche art gebrauchen/ wie der meiste nutze daraus zu schoͤpffen ist/ daher auff alle umstaͤnde wohl acht zu ge- ben/ die denselben befoͤrdern/ und hindern moͤchten. (2) Weil wir aber nicht allein auff uns/ sondern auch unsern nechsten acht zu geben haben/ da- mit derselbe von uns erbauung schoͤpffe/ hingegen ja kein aͤrgernuͤß nehme/ so gehoͤ- ARTIC. I. SECTIO XIX. gehoͤret hauptsaͤchlich zu der christlichen von allen erforderten vorsichtigkeit/ was wir thun/ also einzurichten/ so viel muͤglich/ daß der nechste daran von uns erbauung haben moͤchte/ hingegen mit aller sorgfalt sein besorgendes aͤr- gernuͤß zu vermeiden. Und zwahr muͤssen wir darinnen nicht auff unsere glaͤu- bige mitbruͤder allein sehen/ sondern an die wort Pauli gedencken/ 1. Cor. 10/ 32. Seyd nicht aͤrgerlich/ weder den Juden/ noch den Griechen/ noch der gemeinde Gottes. Daher (3) muͤssen wir uns nicht allein huͤten vor dem boͤ- sen/ sondern uach 1. Thess. 5/ 22. meiden allẽ boͤsen schein/ und uns also hal- ten/ daß es redlich zugehe/ nicht allein voꝛ dem Herꝛn/ sondeꝛn auch voꝛ dẽ menschen. 2. Cor. 8/ 21. Daher uns der Apostel lehret Rom. 14. wie wir uns auch der von Christo uns erworbenen freyheit/ was dero gebrauch an- langet/ begeben muͤssen/ wo wir sehen/ daß schwache bruͤder sich sonsten an uns stossen moͤchten: wo er auch zeiget/ daß wer solches nicht thue/ wandele nicht in der liebe/ daher auch sein glaube nicht richtig seyn kan. Deswegen es eine vermessene rede ist/ wo einige zuweilen sich vernehmen lassen/ wo sie wuͤ- sten recht zu etwas zu haben/ sehen sie auff niemand/ es moͤchte sich daran stos- sen/ wer da wolte; dazu sie sich auch des im guten verstand richtigen spruchs/ mißbrauchen: Thue recht/ scheue niemand. Der uns aber ja nicht freyheit/ die liebe des nechsten/ dessen wir schonen sollen/ aus den augen zu setzen/ geben muß. (4) Wie dann nun eine solche vorsichtigkeit in eines Christen gantzen wandel erfordert wird/ so ist dieselbe so viel nothwendiger in geistlichen uͤbun- gen und verrichtungen/ nicht allein/ weil deroselben wichtigkeit an sich selbs so viel mehr sorgfalt auff alles acht zugeben/ erfordert/ sondern/ weil sonst das daher entstehende und veranlassende aͤrgernuͤß schwehrer ist/ als in andern dingen/ auch der nahme GOttes mehr verlaͤstert wird; sonderlich wo leute/ die von der gottseligkeit ohne das die beste meinung nicht haben/ sondern da- gegen eingenommen/ etwas an solchen uͤbungen/ die den nahmen der gottse- ligkeit haben sollen/ sehen/ daran sie etwas unanstaͤndiges zu finden meinen: daraus dann insgemein die schwehrste laͤsterungen entstehen/ und aus einem verdacht/ der einen starcken schein hat/ noch immer mehrere gezogen werden. Wann nun solches geschiehet/ so faͤllet die verantwortung auff diejenige/ wel- che durch ihr unbedachtsames beginnen anlaß dazu gegeben haben/ und koͤn- nen sie den damit zugefuͤgten schaden so leicht nicht wieder ersetzen. (5) Wie nun alle rechtschaffene Christen sich einer solchen vorsichtigkeit von selbs befleissen/ auch/ daß jemehr sie als wahre kinder GOttes von andern angese- hen werden/ desto mehr auch von ihnen erfordert werde/ glauben/ und die dazu noͤthige gnade von dem himmlischen Vater sich erbitten muͤssen/ so gehoͤ- ret aber auch dazu der Obrigkeit amt/ daß sie um solches zugeschehen/ obsicht L 3 habe/ Das dritte Capitel. habe/ und so wol etwa voran/ wo man einigen mißstand sorgen moͤchte/ durch gute ordnungen und gesetze dergleichen vorkomme/ als auch/ wann sich etwas verdaͤchtiges ereignen will/ so bald/ ehe das aͤrgernuͤß starck werde/ der sache durch ernstliches verbot helffe/ und alles in dienliche ordnung bringe. Die- ses thuende/ erfuͤllet sie ihre pflicht/ und befordert die geistliche uͤbungen herr- lich/ wann sie sie verwahret/ fuͤr demjenigen/ was sonst alle ihre frucht nie- derschlagen koͤnte. (6) Daher rechtschaffene kinder GOttes dergleichen ver- boten/ nicht allein aus zwang/ sondern mit freudiger dancksagung fuͤr die christliche vorsorge/ gehorsamen/ und da sie die sache selbs behalten/ in den umstaͤnden sich leicht vorschreiben lassen/ so vielmehr da sie sehen/ daß auch in diesem/ alles auff mehreren wahren nutzen eingerichtet seye. Diesen ge- horsam wircket bey ihnen so wol der allgemeine befehl/ der Obrigkeit unter- than zu seyn/ als auch in dieser sache die erkaͤntnuͤß deroselben treue/ so dann die eigenschafften der wahren weißheit von oben/ die nach Jac. 3/ 17. ihr sa- gen laͤsset/ das ist/ einen gehorsam weiset/ und sich gern zurecht weisen laͤsset. (7) Hingegen wuͤrde es kein gutes zeichen seyn/ wo jemand dergleichen gebot zu uͤbertreten/ sich wuͤrde geluͤsten lassen/ indem es gewiß keine frucht des Gei- stes/ sondern eigensinnes waͤre/ der/ wo er noch nicht voͤllige Herrschafft ge- wonnen/ doch damit starck ansetzte/ daher wem seine seele lieb ist/ solchen ver- suchungen selbs mit ernst zu widerstehen/ sich befleißiget. Und darff kein wahrer Christ sorgen/ daß er suͤndige/ wo er sich seiner freyheit also begebe/ weil der Gottesdienst im Geist und in der wahrheit Joh. 4/ 24. dennoch oh- ne bestimmung zeit und ort/ wolle geleistet seyn/ und der trieb des Geistes sich nicht binden lasse. Dann der rechte wahre Gottesdienst/ der in dem inner- lichen geschihet/ ist freylich an zeit und ort nicht gebunden/ aber wie der eus- serliche zeit und ort bedarff/ so ist selbs des H. Geistes weißheit gemaͤß/ diesel- be/ wie sie den zweck zu erhalten/ am bequemsten sind/ einzurichten. Also laͤsset sich der glaube von keiner menschlichen gewalt binden/ sondern eiffert uͤber sei- ne freyheit/ aber die liebe laͤsset sich also binden/ daß sie jedermann allerley/ und niemand anstoͤßig werde 1. Cor. 9. an welchem stuͤck sonderlich die recht- schaffenheit derselben erkant wird. VII. Wo eine Obrigkeit eine solche christliche verordnung gemacht/ daß alles anstoͤßige und verdaͤchtige abgeschaffet werde/ fordert sie nicht allein mit recht den gehorsam/ sondern auff genugsame verwarnung/ mag sie auch die widerspenstigen nach ihrer habenden macht mit gewalt zum gehorsam an- halten. Wo sie nun solches thut/ nimmt sie sich keine Herrschafft uͤber die gewissen/ sondern haͤlt uͤber die autoritaͤt/ die ihr von GOtt/ das eusserliche in erbauliche ordnung zu bringen/ verliehen ist. Die aber druͤber leiden muͤß- ten/ wuͤrden alsdann nicht um Christi/ oder des guten/ sondern eigensinniger wider- ARTIC. I. SECTIO XX. widersetzligkeit willen/ die wahren Christen unanstaͤndig/ und daher Mosi unter sein regiment geworffen wird/ leiden/ und sich es selbs zuzuschreiben ha- ben. Dazu es aber billig keiner kommen lassen solle/ als dadurch nur das aͤr- gernuͤß vermehret wuͤrde. Der HErr leite alle seine kinder durch den H. Geist/ und lasse ihn in ih- nen allen seyn einen Geist der weißheit/ der in allem erkenne/ was das beste seye; und der liebe/ in allem zu sehen/ nicht auff das/ was nur uns/ sondern vielen frommet. Er regiere auch alle Obrigkeiten/ daß sie auff alle weise sei- ne ehre und die mittel der erbauung zu befordern/ so verstehen/ als sich treu- lich lassen angelegen seyn/ und also ihm alle ihre gewalt selbs heiligen. A- men. 1699. SECTIO XX. Von verbindlichkeit obrigkeitlicher verbote in solcher materie. Ob einer christlichen Obrigkeit verbot/ da sie gewisse zur erbauung und andacht gemeinte zusammenkuͤnfften um solche zeit/ und mit solchen umstaͤnden/ welche boͤsen verdacht geben koͤnten/ anzustellen/ ernstlich und bey straffe verboten/ von dero unter- thanen und bedienten ohne suͤnde aus diesem vorwand uͤber- treten werden koͤnte/ daß sie den trieb des H. Geistes folgen muͤ- sten/ und bey der auch wider das verbot geschehenen bewerck- stelligung ihres vorhabens/ wircklich goͤttliche gnade reicher uͤ- ber sich verspuͤhret haͤtten? E S ist im vorigen responso durch GOttes gnade aus dessen wort und in demselben enthaltenen gruͤnden/ hoffentlich zur gnuͤge dargethan worden/ so wol insgemein/ wie weit einer christlichen Obrigkeit macht sich in diesen dingen erstrecke; hingegen was goͤttliche ordnung von den un- terthanen erfordere; als auch absonderlich/ daß eine Obrigkeit nicht unrecht thue/ wo sie denen zusammenkuͤnfften/ die zur andacht angesehen sind/ solche schrancken setzet/ dadurch der/ der goͤttlichen ehre so nachtheilige boͤse schein da- von abgewendet werde/ dahero ihre unterthanen allerdings gewissens hal- ben sich solchen verordnungen zubequemen haben/ und ohne suͤnde sich dem ge- horsam nicht entziehen koͤnten. Von diesem gehorsam nun spricht sie der dop- pelte vorwand nicht loß/ noch machet ihre widersetzligkeit GOtt gefaͤllig; wie theils die vorige allgemeine gruͤnde/ solches erweisen/ theils ietz ferner ausge- fuͤhret werden solle. I. Was Das dritte Capitel. I. Was nun den einen vorwand anlanget/ daß man insgemein verbun- den seye/ nach den worten Pauli Rom. 8/ 14. dem trieb des H. Geistes alle- zeit zu folgen/ und sich daran nichts hindern zu lassen/ auch sich absonderlich/ ob solcher trieb wahrhafftig von GOtt seye/ wohl gepruͤfet/ aber die kraͤfftige bewegung des Geistes zu dem guten vorhaben so viel maͤchtiger bey sich ver- spuͤret habe: so ist von solchem trieb des Heil. Geistes unterschiedliches zu mercken. (1) Jsts allerdings gewiß/ daß der H. Geist/ wie er seine wohn-statt in den hertzen der glaubigen hat/ also auch dieselbe ihrer pflichten erinnere/ und sie zu derselben leistung antreibe: daß demnach/ wer dieses leugnen wolte/ so wol der H. Schrifft widersprechen muͤßte/ als sich eben damit verrathen wuͤr- de/ daß er noch nichts in den wegen GOttes erfahren haͤtte. Aber (2) muͤs- sen wir auch die art solches triebs recht erkennen lernen/ der nicht anders er- kant werden kan/ als daß man den gesamten zustand/ wie es mit uns eine be- wandnuͤß habe/ so lang wir noch in dem fleisch leben/ recht einsihet. Der ver- haͤlt sich aber also/ daß neben unsrer aus der wiedergeburth habenden neuen natur/ auch die alte bey uns uͤbrig ist; so dann die natur allezeit in die wercke der gnaden sich einflicht/ und dieselbe hindert. Daher wie alle unsere wahre goͤttliche erkaͤntnuͤß wahrhafftig eine erleuchtung des H. Geistes ist/ so hin- dert dennoch unsere natuͤrliche finsternuͤß nicht allein/ daß wir nicht so voͤllig erleuchtet werden/ sondern verursachet gar/ daß einige irrthum zuweilen sich mit einmischen/ und zum exempel/ ein kind GOttes in diesem und jenem arti- cul/ was das haupt-werck anlanget/ die goͤttliche wahrheit (welches nicht anders/ als aus der erleuchtung des Heil. Geistes herkommen kan) erkennet/ und doch in eben demselben/ was neben-umstaͤnde betrifft/ unterschiedliches nicht allein nicht weiß/ sondern gar sich unrechte concepten davon machet. Da gleichwol daraus geschihet/ daß dasselbe/ wie es sich gewiß versichern kan/ daß es die wahrheit in goͤttlichem liecht erkenne/ darneben auch dasjeni- ge in goͤttlichem liecht zu erkennen meinet/ worinnen sich die natur mit ihrem irrliecht eingemischet hat. Damit hoͤret jenes zwahr nicht auff/ ein goͤttliches liecht zu seyn/ darum weil sich etwas ungleiches darunter gemischet/ aber dar- innen irret der mensch/ wann er deßwegen sich auch dieses fuͤr wahrheit ein- bildet/ davon er aber endlich durch bessern unterricht anders uͤberzeuget wer- den kan. Wie sichs dann mit dem verstand verhaͤlt/ so verhaͤlt sichs auch mit dem willen. Da hat der H. Geist nicht allein in der wiedergeburch den wil- len zu heiligen angefangen/ und in demselben die krafft und trieb des guten erstmal gewuͤrcket/ sondern er ist auch derjenige/ der immer/ zuweilen mit/ zuweilen ohne eusserliche gelegenheit/ zu dem guten auffs neue die kinder GOttes antreibet. Wie aber die natur darneben auch vorhanden/ so ist sie dieje- ARTIC. I. SECTIO XX. diejenige/ die nicht allein auff mancherley art offt solches gute hintertreibet/ sondern sich auch offte also einmischet/ daß einige unordnung mit unterlaͤuf- fet; da alsdann das gute an sich selbs/ des H. Geistes werck bleibet/ und der natur nicht zugemessen werden darff/ aber die anklebende unordnung/ wor- innen sie auch (zum exempel/ in traͤgheit/ unvorsichtigkeit/ uͤbereylung/ oder dergleichen/) bestehet/ koͤmmt nicht von dem H. Geist/ sondern ist ein fehler/ der seinen ursprung aus der verderbten natur hat/ daher auch/ wie die sache an sich selbs ihr lob verdienet/ also derselbe der besserung und cor- recti on unterworffen ist. Daher (3) jeglicher trieb etwas zu thun/ so wol von demjenigen selbs/ bey dem er sich findet/ als von andern/ gepruͤfet werden muß/ ob derselbe/ oder was an ihm/ goͤttlich/ oder nicht seye; und zwahr muß solche pruͤfung nach dem goͤttlichen geoffenbahrten wort/ als wel- ches uns die regel unsers thuns und lassens/ und die anzeige goͤttlichen wil- lens bleibet/ angestellet werden. Jst also die sache dem goͤttlichen wort und dessen regel gemaͤß/ lso hat sie das zeugnuͤß/ des H. Geistes werck an sich selbs zuseyn: klebet aber etwas von umstaͤnden daran/ welches der regel goͤttlichen worts zuwider ist/ so hat derjenige selbs/ der das werck verrichtet/ und ge- wahr wird/ worinnen wider das wort gefehlet worden/ seinen fehler zu er- kennen/ und denselben ja nicht mit dem goͤttlichen trieb/ der zu nichts boͤses geschehen kan/ zu entschuldigen; noch haben andere/ die ihn sehen/ um der ur- sach willen/ weil die sache an sich selbs gut ist/ deswegen alles anklebende auch fuͤr goͤttlich zu erkennen/ vielmehr einen gerechten unterscheid unter dem/ was GOttes und des menschen ist/ zu machen. 4. Es gibet zwahr dergleichen triebe/ die ausserordenlich sind/ wo GOtt die menschen zu werckzeugen gebraucht/ dinge zu thun/ die sie sonst zu thun nicht macht haͤtten/ welche handlungen alsdann dem menschlichen urtheil nicht unterworffen sind. Als da Pinehas 4. Mos. 25/ 7. 11. in eiffer fuͤr GOtt entbrannte/ und die hurer erstach: da Ehud von GOTT erweckt/ Richt. 3/ 15. den Koͤnig Eglon entleibt: wo von Simson stehet/ der Geist des HErrn gerieth uͤber ihn. Dieser trieb hat auch insgemein das an sich/ daß der also getrieben wird/ nicht zuruͤck bleiben darff/ sondern er muß demsel- ben ohne vieles uͤberlegen folgen/ und leidet mehr/ als daß er selbs wuͤrckete. 5. Eine andere bewandtnuͤß aber hat es mit dem ordentlichen trieb/ wie der H. Geist die glaubige treibt/ daß nemlich bey solchem trieb keine derglei- chen gewalt/ und gleichsam dahinreissen ist/ daher das wort/ welches Rom. 8/ 14. stehet/ einige lieber durch fuͤhren als treiben geben/ dermas- sen/ daß es in desjenigen/ der also gefuͤhret wird/ macht und erkaͤntnuͤß ste- het/ demselben trieb zu folgen/ oder nicht/ dahero dann bey spuͤhrender zunei- gung zu einer sach/ die seele erst zu uͤberlegen hat/ ob vor dieses mal und bey M diesen Das dritte Capitel. die sen umstaͤnden die sache zu thun/ oder zu lassen besser/ folglich GOttes wil- le/ der stets auff das beste gehet/ auff diese oder jene seite zuerkennen seye: wie es dann die allgemeine regel bleibet Eph. 5/ 15. 17. So sehet nun zu/ wie ihr fuͤrsichtiglich ( accurat nach der regel) wandelt/ nicht als die unwei- sen/ sondern als die weisen. Darum werdet nicht unverstaͤndig/ sondern verstaͤndig/ was da seye des HErren wille. Also bedarffs nicht nur etwa bloß auff sein hertz/ und den darinne fuͤhlenden trieb/ acht zu geben/ um gleich demselben/ als von dem H. Geist herkommende/ zu folgen; sondern man muß den trieb accurat nach den vorgeschriebenen regeln examini ren und pruͤfen/ ob es der wille GOttes seye/ bey diesen und jenen umstaͤnden etwas zu thun: und zu solcher pruͤfung gehoͤret die weißheit/ dero man nicht bedoͤrff- te/ wo jeder trieb zu dem guten/ ohne absicht auff die umstaͤnde/ bereits gewiß fuͤr goͤttlich zu halten waͤre. Daher ist solcher trieb auch anderer glaͤubiger Christen pruͤfung/ und in gewisser maaß urtheil unterworffen/ und hat sich keiner diesem bloß zu entziehen/ und seinem sinne schlecht dahin zu folgen. Vielmehr machte es den trieb sehr verdaͤchtig/ wo uns einkaͤme/ wir muͤßten demselben blindlings gehorsamen/ auch andeꝛer mitbꝛuͤder gutachten/ daꝛuͤber nicht achten/ daß nemlich alsdann derselbe/ wo nicht bloß von dem fleisch komme/ auffs wenigste sich vieles des fleischlichen eigenwillens mit eingemi- schet habe. Dahin etlicher massen die worte Lutheri gehoͤren uͤber 1. Cor. 14/ 32. Die Geister der Propheten/ sind den Propheten unterthan; die al- so lauten: Etliche meinen/ wenn sie den verstand und des Geistes ga- ben haben/ sollen sie niemand weichen noch schweigen/ daraus dann Secten und zwiespalt folget. Aber S. Paulus spricht hie/ sie sollen und moͤgen wol weichen/ sintemal die gaben des Geistes in ihrer macht stehen/ ihr nicht zu brauchen wider die einigkeit/ daß sie nicht sagen doͤrffen/ der Geist treibe und zwinge. Was nun unser theure Lehrer spricht von dem gebrauch der auch ausserordentlichen goͤttlichen gaben/ daß man denselben wider die einigkeit und mit dero verletzung/ unter dem vor- wand des triebs des Geistes/ nicht bewerckstelligen solle/ das gilt auch dahin/ daß/ wodurch aͤrgernuͤß und zerruͤttung gestifftet werden wuͤrde/ nicht fuͤr ei- nen trieb des Geistes gehalten werden muͤsse. Wie nun dieses in Thesi die art des goͤttlichen triebs vorstellet/ so die- net nun die application in hypothesi zu machen/ folgendes: (1) daß man gerne zugebe/ daß der trieb zu uͤbungen der andacht/ in betrachtung des goͤttlichen worts und gebets/ an sich selbs gut/ und eine wirckung des Geistes seye/ auch allezeit/ als lang nicht unordnung in den umstaͤnden mit einlauffet/ und die gute ARTIC. I. SECTIO XX. gute sache verdirbet/ davor erkant und gefolget werden solle. (2) Wo aber solcher trieb vorhanden ist/ hat die glaubige seel auf das/ was sie vor hat/ acht zu geben/ ob es auch an diesem ort/ und zu dieser zeit/ nach goͤttlichem willen sich zu thun schicke/ oder nicht. (3) Daher weil in voriger beantwortung ge- zeiget/ daß obrigkeitlicher befehl/ der die geistliche uͤbungen in christliche schrancken bringet/ hingegen diejenige arten derselben/ die starckem verdacht unterworffen sind/ und boͤsen schein auff allerley weise geben/ bey straffe ver- bietet/ GOtt nicht entgegen/ sondern ihrer sorgfalt vor goͤttliche ehr und be- forderung des guten/ gemaͤß seye; so folget/ daß diejenige uͤbungen/ die mit ungehorsam gegen dergleichen gebote angestellet wuͤrden/ suͤndlich und goͤtt- licher ordnung entgegen seyen. Dieses haben diejenige/ welche dazu sich ge- trieben achten/ billig in der furcht des HErrn zu uͤberlegen gehabt/ und sollen es noch uͤberlegẽ/ da sie es nach der regel goͤttlichen worts nicht anders zuseyn/ in der wahrheit finden werden. (4) Daher solchem offenbaren goͤttlichen wil- len der verspuͤhrte trieb nicht mit grund entgegen gesetzt/ noch um desselben willen der gehorsam versagt werden darff: sondern eben hiedurch/ daß er zu etwas gehet/ welches unordenlich/ sich verraͤth/ daß sich eigenwille un- vermerckt mit eingeschlichen habe. Welches auch verursacht/ daß der- gleichen gebet/ so wider den deutlichen willen Gottes geschehen/ und man eine versuchung Gottes dariñen zu sorgen hat/ uͤber etwas eine neue offenbahrung GOttes zu fordern/ daruͤber wir seinen willen deutlich aus seinem wort vor augen ligen haben/ nicht erhoͤrlich gewesen/ noch was darauff bey sich ge- fuͤhlet worden/ vorgoͤttliche antwortzu halten seye. 2. Jst noch uͤbrig der andere vorwand/ daß als die uͤbungen wider herr- schafftliches gebot wieder fortgesetzt worden/ sich goͤttliche gnade so reichlich bezeuget/ daß sie dergleichen vormalen nicht empfunden/ damit GOtt ihm solches vorhaben zu gefallen angedeutet/ und sie dennoch darinnen gestaͤrcket habe. Aber es ist auch dieser nicht genug die unterthanen von dem gehorsam eines an sich rechtmaͤßigen verbots/ loßzuzehlen. Dann erstlich die richtig- keit und billigkeit des verbots/ ist aus gruͤnden goͤttlichen worts dermassen dargethan/ und kan uns nicht triegen; daher was noch einigem zweiffel unter- worffen ist/ nicht gnug ist/ jenes gewiß und festgesetzte/ umzustossen. 3. Die reichlichere goͤttliche gnade auff die man sich beziehet/ kan in nichts anders bestehen/ als in einer gewissen innerlichen empfindung/ dar- ein sich leicht etwas natuͤrliches mit einmischen kan. Wie dann gezeiget wor- den/ daß sich in das goͤttliche liecht in dem verstand/ auch einige finsternuͤß des irrthums; in den trieb zu dem guten/ auch einige unordnung/ wegen unserer verderbnuͤß einmischen kan: so kan sich nicht weniger in unsere empfindung goͤttlicher gnade und trostes/ einige menschliche und daher betriegliche be- M 2 we- Das dritte Capitel. wegung einmengen. Es erhellet/ daß die christliche freunde durch die erste verspuͤrte frucht ihrer andacht und uͤbungen hertzlich mit liebe dazu einge- nommen worden sind/ worinnen ich goͤttliche wirckung nicht leugne. Da nun solche liebe veranlasset/ daß sie darinnen nicht zu viel zu thun zu koͤnnen/ sich eingebildet/ und daher nicht gnugsame vorsichtigkeit gebraucht/ damit aber boͤsen schein gegeben/ und ein solches verbot verursachet haben; so hat dessen erfolg die liebe nicht allein vermehret/ wie solcher affect auch natuͤrlich waͤch- set gegen dasjenige/ was man uns nehmen will/ sondern hat auch gehindert/ daß sie davor die gerechtigkeit des verbots/ und ihres beginnens unordnung/ nicht haben sehen koͤnnen. Weil sie dann das ihnen vorstehende leiden/ als ein leiden des HErrn/ ob wol irrig/ angesehen/ hat dieses/ dessen sie sich uͤber- redet/ solchen effect wol haben koͤnnen/ daß ihre andacht so viel bruͤnstiger worden/ und einen mehrern trost ihnen gelassen hat/ den sie fuͤr eine kraͤfftige- re gnade GOttes ansehen: da doch/ da man ihnen in der andacht nicht alle wirckung GOttes/ der noch mit ihrer schwachheit gedult traͤget/ absprechen will/ sich gleichwol auch unordenliches feuer mit eingemischet/ welches sie doch von dem goͤttlichen nicht gnug beflissen gewesen/ zu unterscheiden. 4. Und wie? solte es nicht auch GOttes heiligem rath gemaͤß seyn/ da sie/ als er ihnen seinen willen in der sache von denjenigen/ deren gewalt uͤber sich/ sie ohne zweiffel zu erkennen haben/ zu verstehen gegeben/ damit nicht zu frieden seyn wollen/ sondern eine andere versicherung unmittelbar von ihm verlanget/ also ihn damit in der that versuchet haben/ daß er sie hinwieder- um in versuchung gerathen lassen/ die wirckungen ihres unordenlichen eifers fuͤr die seinige anzunehmen? 5. Jnsgesamt ist die regel dessen/ was wir thun und lassen sollen/ in den dingen/ welche goͤttliches wort deutlich oder durch klare folge bereits aus- gemacht/ dessen einiger ausspruch/ deꝛ keinem solchen selbs-betꝛug unter worf- fen ist/ gleich wie unsre empfindungen/ die wir bey uns in diesen und jenen dingen wahrnehmen/ dergleichen irrungen so lange unterworffen sind/ als wir noch in dem fleisch leben/ und sich dessen subtlie wirckungen/ mit unter die goͤttliche verbergen koͤnnen. Der HErr fuͤhre uns alle durch seinen Geist auff richtiger bahn/ die der weg seiner gebote sind/ und bewahre uns sonderlich vor dem eigenen Geist/ der uns auch unter bestem schein von jenem abfuͤhren kan/ um uns nicht selbs in versuchung zustuͤrtzen/ sondern unsern wandel unanstoͤßig zu fuͤhren/ um Chri- sti willen/ Amen. 1699. SECTIO ARTIC. I. SECTIO XXI. SECTIO XXI . Auffmunterung aus der hoffnung kuͤnfftiger bes- sern zeiten. Collegia Biblica und christliche uͤbungen mit den zuhoͤrern. Gewoͤhnliche widersetzung gegen das gute. D Aß die hoffnung des kuͤnfftigen meinen werthen bruder kraͤfftig auff- richtet/ hat derselbe gemein mit allen uͤbrigen kindern GOttes/ welche nicht nur die beschwerden der gegenwaͤrtigen zeit des gerichtes/ mit schmertzen fuͤhlen/ sondern auch tieffer einsehen/ und sich freylich mit nichts nachdruͤcklicher/ als dem ansehen des kuͤnfftigen/ zu troͤsten vermoͤgen. Zwahr ists an dem/ daß auch die hoffnung des kuͤnfftigen in der ewigkeit/ ei- nem Christen gnug seyn mag: jedoch wo wir auch die verheissungen des jeni- gen ansehen/ was der himmlische Vater seiner gemeinde noch in dieser zeit bestimmet hat/ so munterts eine Gottliebende seele deßwegen so viel kraͤsfti- ger auff/ wenn sie sonst daruͤber betruͤbt/ daß von anbegin der welt/ bisher das reich des satans staͤts die meiste macht in der welt gehabthat/ doch hoͤret und fasset/ daß gleichwol noch eine zeit seyn solle/ da auch auff dieser erden/ wel- che je zu Gottes ehren/ und nicht des satans dienst erschaffen ist/ das reich Christi bluͤhen und herrlich seyn werde. Ob dann wol keiner gewiß ist/ daß er um solche zeit noch allhier in der welt seyn werde/ ja unser die meiste schon moͤgen vor deren anbruch in die ewigkeit uͤbergegangen seyn/ so ists doch wahren Christen/ welche ihre bruͤder nicht weniger/ als sich selbs lieben/ und daher/ wo sich die ehre ihres Gottes an denselben offenbaret/ ihnen einerley freude an sich selbs seyn lassen/ das hertzlichste vergnuͤgen/ wann sie ihnen den seligen zustand der jenigen zeit vorstellen/ wo die erkaͤntnuͤß Gottes die erde erfuͤllen/ und die goͤttliche weißheit in allen creaturen verborgen/ deren tau- senden theil wir jetzo nicht erkennen/ solcher kinder Gottes augen auffs herr- lichste einleuchten/ daher einen so viel innigern danck gegen ihren Vater erwe- cken wird: also/ daß wann sie daran gedencken/ entweder solche seligkeit mit zu geniessen/ oder doch der jenigen/ welche da zu kommen sollen/ bruͤder zu seyn/ nicht anders als eine solche freude in ihnen entstehen kan/ welche ihnen alle jetzige beschwehrlichkeiten leicht machet. Und zwahr solches desto mehr/ nachdem wir nicht allein der sache selbs in Gottes wort versichert sind/ son- dern ferner aus unterschiedlichem abnehmen koͤnnen/ daß wir nicht mehr so gar weit von der gesegneten zeit zuruͤcke seyn moͤgen/ sondern dieselbe uns ziemlich nahe seyn darff/ ob wir wol jahr und tag zu bestimmen/ uns nicht ver- messen sollen. Nun der HERR gebe uns so viel von solchem kuͤnfftigen M 3 einzu- Das dritte Capitel. einzusehen/ als uns auffs wenigste zu unserer buß-bereitung und glaubens- auffmunterung noͤthig ist. Jm uͤbrigen hat mich von grund der seelen er- freuet/ daß berichtet worden/ wie GOTT ihres orts gnade gegeben habe zu einem Collegio und christlichen unterredung/ zu befoͤrderung mehrer er- bauung. Der himmlische Vater seye demuͤthigst gepriesen/ der meinem werthesten bruder dieses in das hertz gegeben/ und auch der uͤbrigen/ dero au- tori taͤt zu gluͤcklichem fortgang/ und ihr beytrag zu vermehrung der frucht noͤthig ist/ dazu gelencket hat/ eine solche gottselige uͤbung anzustellen/ welche in der furcht des HErrn und mit christlicher klugheit gefuͤhret/ nicht ohne nutzen bleiben kan. Er wolle nun ferner mit seiner gnade und segen also bey- stehen/ daß dieses eine saat seye einer reichern ernde/ und weisen/ wie er/ ob zwahr in diesen zeiten des gerichts/ dennoch nicht unterlasse/ seiner diener treue zu vieler frucht zu segnen. Jch erfreue mich insgesamt hertzlich/ daß hier und dar GOTT unterschiedliche seelen der Lehrer erwecket/ welche/ was sie mit dem gewoͤhnlichen oͤffentlichen predigen nicht gnugsam ausrichten koͤnnen/ suchen auff andere muͤgliche und christliche art zu ersetzen. Der christliche Herr Winckler in Hamburg/ hat bisher/ wie vorhin zu Wertheim/ also auch seither an jetzigem ort/ nicht wenig gutes durch sein Collegium aus- gerichtet. Was Herr Scriverii in dergleichen vorgenommene arbeit gu- tes schaffe/ hoͤre ich auch ruͤhmen. So hat Herr L. Majus, Prof. Theol. zu Giessen/ auch neulich ein Collegium uͤber die Epistel an die Roͤmer in teut- scher sprach/ damit neben den Studiosis, auch buͤrger dessen geniessen moͤchten/ intimi ret/ wiewol so bald einer seiner Collegen sich daruͤber bey hoff be- schwehret. Wie dann zu bedauren ist/ daß so bald etwas gutes mit ernst vorgenommen wird/ gemeiniglich diejenige dessen zunahme sich widersetzen/ welche am sorgfaͤltigsten selbs alles gute anstellen/ und bey andern befordern sollen/ wodurch gewiß nicht wenig unheyl geschiehet. Wie denn auch in N. N. weil ein christlicher Prediger mehr fleiß zu erbauung seiner gemeinde mit Catechisi ren und sonsten angewendet/ GOtt aber denselben also gesegnet hat/ daß die fruͤchten bey den zuhoͤrern/ vielen andern in die augen geschienen; hingegen besorglich anderer unfleiß beschaͤmet haben/ derselbe mit den be- nachbarten in schwehren streit gezogen/ und gar mit verdacht irriger lehr be- leget worden ist/ weil er die lehr von der moͤglichkeit goͤttliche gebot/ ob wol nicht nach des gesetzes strenge und vollkommenlich/ (wie er selbs bekennet) jedoch mit redlichem kindlichen hertzen unvollkommen/ aber daß nach der gnade des Evangelii der himmlische Vater sich denselben gehorsam gefallen laͤsset/ zu halten/ also treibet/ wie es der schrifft/ symbolischen buͤchern und an- drer christlicher Theolog en schrifften/ allerdings gemaͤß ist. Jndessen stuͤrmet alles auff ihn zu/ und da der gegentheil/ einer Universi taͤt Cens ur wider ihn/ der ARTIC. I. SECTIO XXII. der hingegen die approbati on seiner antworten von 4. Universi taͤten hat erhalten/ solle er nicht besser als ein ketzer geachtet werden/ damit man nur ei- nes solchen beschwehrlichen menschen moͤchte loß werden; doch wird GOtt auch sein werck in der sache haben und schuͤtzen. Mich betruͤbt aber wol hertz- lich/ wo ich sehe/ wie man sich streubet/ wo man die moͤglichkeit eines nicht vollkommenen heiligen/ (als daran das anklebende fleisch noch hinderlich ist) jedoch von der welt abgesonderten/ und von herrschenden suͤnden befreyten gottseligen wandels/ mit ernst treibet: und muß ich immer sorgen/ daß solche leute sich foͤrchten muͤssen/ ob sie ihnen etwa bewust/ daß sie sich zu einem recht- schaffenen Christenthum nicht resolvi ren koͤnten/ und daher dergleichen moͤg- lich zu seyn/ welches ihre schuld so viel schwehrer machte/ nicht gern zugeben wollen. Ach der HERR erbarme sich seiner kirchen in gnaden/ und lasse sonderlich derselben Hirten in der schuldigen treue mehr zunehmen/ hingegen von aller miedlings-art und fleischlichen affect en/ sonderlich wider ihre bruͤ- der/ gereiniget werden. Was sonsten GOTT vor segen zu unsers Hn. M. Franckens/ so bekannt ist/ Collegiis Biblicis in Leipzig gegeben/ und wie hinge- gen eben solcher segen und besorglich einiger commilitonum neid/ ihn bey den Hn. Professoribus in verdacht gebracht/ auch grossen lermen ohne seine schuld erwecket/ wird bereits anderwerts her bekannt seyn. Jn der daruͤber ange- stellten inquisiti on ist er ohne schuld befunden worden/ so mich hertzlich erfreu- et hat/ doch traue ich nicht zu versichern/ daß er und sein christliches vorha- ben ohne nachdruͤckliches hindernuͤß bleiben werde. Wie solches die art unsrer zeiten ist/ die wir GOTT klagen/ und seiner huͤlffe warten muͤssen/ wann er sie schaffen wird/ daß man getrost lehren moͤge. 1689. SECTIO XXII. Von lesung der heiligen schrifft. W As die gethane fragen anlanget von lesung der heil. Bibel/ so wuͤn- sche daß dieselbe zu erst von so gelehrten/ als ungelehrten/ gelesen wer- de ohne commentariis, sondern wie sie uns der heilige Geist vor au- gen geleget hat/ und aus derselben nach unserer bekaͤnntnuͤß auch jeder ein- faͤltiger/ was zu seinem glauben und leben blosser ding noͤthig ist/ fassen und verstehen kan. Es soll aber alsdann solches lesen mit dieser ordnung und ab- sicht geschehen: 1. Daß das neue Testament allezeit vielmehr als das alte ge- lesen werde/ ja daß mans wol 4 oder 5 mal gegen einem einigen mal des alten/ durchzubringen habe. Jedoch ist dieses auch nicht hindan zu setzen/ sondern wir bedoͤrffen es auch; so wol daß wir die historie uns bekannt machen/ Got- tes weißheit/ guͤte und gerechtigkeit in allem/ was von der welt her vorge- gangen ist/ sonderlich wie er seine kirche allezeit regieret und erhalten habe/ zu sei- Das dritte Capitel. seinem preiß und unsers glaubens staͤrckung erkennen/ die wahrheiten/ die wir in dem neuen Testament lernen/ bereits dorten auch/ ob wol etwa dunck- ler/ angedeutet sehen/ und dadurch befestigt werden/ und also die vereinigung beider Testamenter warnehmen. Der vorzug aber gebuͤhret dem neuen/ dar- innen die glaubens-lehren und lebens-regeln am verstaͤndlichsten und kraͤff- tigsten zu finden. 2. Solle alles lesen billich geschehen mit hertzlicher an- dacht und gebet/ mit achtgebung auff alle worte/ und hertzlicher begierde goͤttlichen willen aus dem wort gruͤndlich zu lernen/ und nachmal sorgfaͤltig zu thun. 3. Das erste lesen/ ja wol etliche malige durchlesen/ ist rathsam also anzustellen/ daß man weder gedencke noch sich bemuͤhe/ alles was man lieset/ dißmal zu verstehen: sondern nur erstmal zu fassen/ was auff das aller- deutlichste und einfaͤltigste da stehet/ daß an dem verstand niemand wol eini- nigerley massen zweiffeln kan/ mit aussetzung aller derjenigen ort/ welche ei- nige scrupul und schwerigkeit zu haben scheinen. Was aber dermassen klar und offenbahr da stehet/ hat der leser sich so viel mehr nicht nur in die gedaͤcht- nuͤß/ sondern recht in das hertz zu drucken/ und GOTT um solche gnade zu bitten: solche wahrheiten/ was den glauben betrifft/ bey sich selbs fleissig zu uͤberlegen/ und wie mans zu seiner staͤrckung gebrauchen koͤnne/ zu behertzigen/ sonderlich aber was man vor lebens-regeln erkannt/ ungesaͤumt zu trachten/ in das werck zu setzen. 4. Wo man etliche mal also die schrifft durchge- bracht/ und nur das leichteste zu fassen sich bemuͤhet/ auch solches ziemlich in das hertz gefaßt hat/ (da ich auch versichere/ daß man in der zweiten/ dritten/ durchlesung von selbs schon mehrere stellen/ die das erste mal gar dunckel geschienen/ gruͤndlicher einsehen werde/ weil man der art zu reden des Heil. Geistes stets kundiger und gewohnter wird) so haͤtte man denn sein lesen nun weiter fort zu setzen/ daß man je laͤnger je mehr/ jeglicher nach dem maaß das ihm gegeben ist/ die heilige schrifft zu verstehen verlange/ und allgemach auch einige schwehrere ort mit verstehen lerne: da moͤgen alsdann anderer christlicher leute schrifften auch zum gebrauch kommen/ und sollen nicht ver- achtet werden: da wolte ich denen/ die nicht studi ret haben/ die Weimarische/ oder Osiandri Bibel/ oder auch Crameri, wegen der lehren/ nicht mißrathen. Aber wiederum also/ daß sie allemal das capitel allein/ wie es da stehet/ lesen/ und darauff entweder wo sie nicht recht fort kommen koͤnnen/ oder sorgen den verstand nicht recht zu treffen/ in solchen nachschlagen/ was sie darinnen vor nachricht finden; oder daß sie nach jenem lesen/ alsdann solche erklaͤhrung auch lesen/ und also dasjenige drauß lernen/ was sie ohne solcher christlicher leute anzeige vor sich selbs nicht wuͤrden gesehen haben. Allezeit aber was sie lesen/ sich bemuͤhen/ nicht nur zu wissen/ sondeꝛn gleich in das hertz zu fassen/ und sich dadurch in dem glauben und vertrauen zu GOtt/ oder in dessen liebe und ARTIC. I. SECTIO XXII. und gehorsam/ desto mehr zu staͤrcken: daher vor/ in und nach dem lesen staͤts den Heil. Geist um sein liecht und beystand anzuruffen/ so dann was solche dinge sind/ so bald in die uͤbung zu bringen. Diese art wird denen/ die nicht studi ret haben/ gnug seyn/ und das goͤttliche wort bey ihnen diejenige zwecke wozu es gegeben/ ohnfehlbarlich erhalten/ nemlich die befestigung in der wahrheit und wuͤrckung der fruͤchten der gerechtigkeit. 5. Was denjeni- gen so nicht studi ret haben/ gesagt ist/ gehet eben so wol auff die gelehrte/ son- derlich was die allgemeine requisita der lesung angehet mit diesem unter- scheid. 1. Daß diese neben ihrem teutschen sich des grund-textes sonderlich zu brauchen/ und ihre gewißheit hauptsaͤchlich auff denselben zu gruͤnden ha- ben. 2. Weil ihnen GOTT mehr gegeben hat/ so haben sie auch weiter in der erkaͤntnuͤß zu gehen/ oder darnach zu trachten: sonderlich/ welche sich da- zu bereiten/ dermaleins andern das wort der wahrheit selbs fuͤr zu tragen; daher ihnen nicht gnug seyn will/ daß sie allein/ was zu glauben seye/ verste- hen/ sondern auch von allem aus dem wort gruͤndliche rechenschafft/ als viel noͤthig seyn will/ zugeben vermoͤgen. Da will es nun freylich auch noth seyn/ zuweilẽ commentarios zu besehen. Jch wuͤste aber nechst den obigen keinen ei- nigen allgemeinen commentarium einem zu recommendi ren/ sondern es wird wol jeder sich fast mehr an die absonderliche commentatores jeder buͤcher/ welche sich einer mit mehr fleiß zu lesen vorgenommen haben moͤchte/ halten muͤssen. Jedoch unter denen/ welche allgemeiner gehen in dem N. Testa- ment/ recommendi re ich gern glossam Flacii, darinnen gewiß viel stattliches und nuͤtzliches sich findet; die harmoniam Chemnitio-Lysero-Gerhardianam; Balduinum in Epistolas; so dann auch in die Epistolas minores Eilh. Lubi- num, von dem zwahr schad/ daß man ihn schwehr bekommen kan. Die kleine und kurtze paraphrasis oder erklaͤrung D. Seb. Schmiedten uͤber 13 episteln und den Prediger Salomonis/ mag auch nicht ohne nutzen gebraucht wer- den. Was aber die uͤbrige absonderliche commentarios uͤber jede buͤcher an- langt/ werden dieselben ohne zweiffel ohne das gnug bekannt seyn. Der HErr gebe allezeit/ so offt wir mit seinem wort umgehen/ die gnade seines Heil. Geistes/ der was wir lesen/ auch mit lebendigen buchstaben in die hertzen schreibe/ oder es da hineinpflantze/ wo es bleibe und viele lebendige fruͤchten trage. Den mir communici rten auffsatz von christlicher kinder-zucht habe ich verlangter massen durchgesehen/ und mir derselbe wohlgefallen. Dann ob ich wol meinen mangel gestehen muß/ daß ich von schul-arbeit und methodo nicht genau urtheilen kan/ nachdem ich weder active noch passive in oͤffentlichen schulen als ein lehrender oder lernender mich befunden/ und also keine erfah- rung davon habe/ was jede arbeit leichter machen oder befoͤrdern kan/ son- dern allein so viel davon weiß/ was ich naturali judicio assequi re, so hatmir N doch Das dritte Capitel. doch die ausfuͤhrung selbs nach dem zweck/ welcher vor augen ist/ eingerich- tet/ nicht uͤbel gefallen/ sonderlich da die jugend auch rechtschaffen zu dem griechischen und hebraͤischen gefuͤhret wird/ und hoffe/ es werde die publica- ti on theils an einigen orten gelegenheit geben/ sich der nuͤtzlichen vorschlaͤge zu gebrauchen/ theils andere auffmuntern/ daß sie auch mit den ihrigen lieber herfuͤrbrechen/ und nach nothwendigkeit der sachen in commune zu consulti- ren einen naͤheren anfang machen. Der HERR segne die arbeit zu vieler gehofften frucht/ und lasse auch mehr und mehr neben der kirchen/ in den schu- len seinen Geist kraͤfftig wuͤrcken/ damit in denselben/ die in der tauff demsel- ben vorgetragene und seinem bund einverleibte seelen/ nicht nur mit nuͤtzli- cher erkaͤntnuͤß der dinge/ die in dem gantzen leben auch sonsten ihren nutzen und nothdurfft haben/ erfuͤllet/ sondern fuͤrnehmlich in staͤrckung des glau- bens und pflantzung der gottseligkeit/ das heilige bilde Gottes in ihnen mehr und mehr erneuret werde/ welches wohl der schulen vornehmste absicht ist/ und seyn solle. Ach daß sie staͤts erhalten/ und auch diese schrifft dazu gesegnet wuͤrde! 1690. SECTIO XXIII. Etliche fragen von bestraffung eines Predigers; vorbitte fuͤr die krancken; bleiben bey der communi on; sonntags-mahlzeiten und dergleichen materi en zur sonntags- feyer gehoͤrig. Die I. Frage. Mann ich lese 3. Mos. 19/ 17. du solt deinen bruder nicht hassen in deinem hertzen/ sondern du solt deinen nechsten straffen/ auff daß du nicht seinetwegen schuld tragen muͤssest: ob wol ein lay/ wenn er in der gemeinde einen Prediger vor ihm im stul sitzen sehe/ welcher nach gehaltenem Gottesdienst und zwahr unter dem gesang/ mit denen andern zuhoͤrern/ so neben ihm sitzen oder gesessen sind/ von krieges-sachen redet/ so gar/ daß die ne- ben und hinter ihm stehende zuhoͤrer alles horeten/ und sich daran aͤrgerten/ und der gedachte lay wartete/ bis daß alle leu- te aus der kirche waͤren/ ihm dem Prediger derselben stadt/ zwischen den beyden thuͤren/ da ihn niemand sehen kan/ ein mit bleyweiß geschriebenes zettulein/ worauff diese wort geschrie- ben gewesen (mein Herr Pastor, ich wuͤnsche/ daß sein sohn/ der jetzo ARTIC. I. SECTIO XXIII. jetzo geprediget/ in dem HErrn ferner zunehmen moͤge. Es ha- ben sich aber die zuhoͤrer vor und hinden E. Wohl-Ehrw. geaͤr- gert/ alldieweil dieselbe gehoͤret/ daß sie mit discur sen unter dem gantzen gesang sich auffgehalten/ und das noch von krieges- sachen) uͤberreichete; frage also/ wann gedachter lay solches zettu- lein ihm dem Prediger/ der nicht zu derselben gemeinde gehoͤ- rig/ ohne unterschrifft zugestellt/ auch einen scrupul zu machen habe/ und weil er der Prediger erfahren im nachfragen/ wer er ist/ ob er/ der solches geschrieben/ und sich wohl gepruͤfet/ daß er es nicht gethan/ um vor den leuten gesehen zu seyn/ schuldig seye/ ihn den gedachten Prediger um verzeihung zu bitten; (ver- stehe expresse darunter/ daß er aus liebe zu GOtt und auff- richtigen hertzen solches gethan habe) was davon zu halten/ auch ob man in der schrifft solches factum probi ren/ und mit dem angezogenen loco seinen christlichen eiffer behaupten koͤnne? J Ch antworte 1. insgemein/ daß ich finde/ wie die materie von der bruͤ- derlichen bestraffung eine derjenigen seye/ daruͤber gottselige hertzen nicht nur sich manchen scrupul machen/ sondern man ihnen offt kaum eine leichte regel zeigen kan/ wie sie sich zu verhalten; nicht ob waͤre die sache an sich so schwehr/ sondern weil der bruͤder/ (welche eigenliche bruͤder/ und an denselben die bestraffung gewiß wohl angewendet waͤre) leider so gar we- nige auch unter denen/ welche solchen nahmen eusserlich tragen/ sich finden/ hingegen unter solchem titel manche hund und saͤue verborgen ligen/ da doch gegen jene vornemlich diese pflicht geuͤbet zu werden noͤthig waͤre; diesen aber das heiligthum und die perlen solcher bestraffung Matth. 7/ 6. vorzuwerf- fen/ nicht rathsam ist. Daher ich nicht laͤugne/ daß ich davor halte/ es seye ein gottseliger mensch/ der den nechsten gerne in liebe straffe/ wo er vernuͤnfftig vorsiehet/ daßer nichts ausrichten/ und jener nur aͤrger werden/ und zu trutz das boͤse desto mehr thun/ ihn aber daruͤber angreiffen werde/ wohl entschul- diget/ wo er solches unterlaͤsset/ indem er weder Gottes ehr/ noch seines nech- sten bestes/ zu welchem doppelten ende alle bestraffung gemeinet ist/ damit zu befordern sihet. 2. Auff den besondern fall zu kommen/ so bemercke erstlich/ daß der Pre- diger mit solchem geschwaͤtz sich versuͤndiget. Dann weil der gesang ein nicht geringes stuͤck des Gottesdiensts ist/ so haben alle/ so es zu thun vermoͤgen/ gerne sich mit der gemeinde in demselben zu vereinigen. Wer es also unter- laͤsset/ unterlaͤsset etwas seiner pflicht/ und suͤndiget also. Die suͤnd wird N 2 auch Das dritte Capitel. auch so viel schwehrer durch das geschwaͤtz von dingen/ welche an solchem ort/ und zu solcher zeit/ die zu heiligen verrichtungen gewidmet/ sich nicht ziehmen; so dann/ weil dadurch auch andre in ihrer andacht gestoͤret wurden/ die sich auch daruͤber geaͤrgert haben. Zu allem diesem kommt/ daß dieser fehler eben deßwegen/ weil er an einem Prediger gewest/ desto schwehrer zu achten ist/ wie insgemein alle derselben suͤnden/ vor denen sie sich huͤten koͤnnen/ vor weniger entschuldbar/ als andrer leute gebrechen zu halten sind. Also ha- ben wir an ihm eine person/ welche gestrafft zu werden verschuldet hat/ und dero demnach in diesem stuͤck nicht unrecht geschehen ist. 3. Hierbey ist ferner in acht zu nehmen/ daß der zustand der person/ weil es ein Prediger seye/ sie von der bruͤderlichen bestraffung nicht befreyet: dann da die bestraffung zwey haupt-ursachen hat/ die rettung der goͤttlichen verletzten ehre; so dann die besserung des nechsten/ so haben beyde ursachen auch bey den Predigern platz: dann weil goͤttliche ehre durch ihre suͤnden nicht weniger/ sondern wol gar mehr als von andern entheiliget wird/ ver- schulden sie daruͤber auch einen so viel ernstlichern zuspruch. Weil sie auch von ihren suͤnden gebessert zu werden noͤthig haben/ ist man ihnen auch das mittel dazu/ so in dem bestraffen stehet/ schuldig/ und wie ein Pfarherr seines amts wegen/ wenn er kranck ist/ nicht ohne artzney gelassen werden darff; also auch da seine seele geistlicher artzney der suͤnden wegen noͤthig hat/ muß sie ihm/ auch wol wider seinen willen/ applici ret werden. Und zwahr darff man nicht gedencken/ Prediger doͤrfften von niemand anders/ als ihren collegis ge- strafft werden/ nicht aber von andern/ die nicht in dem amt stehen; dann die schrifft/ da sie von dem bestraffen des nechsten oder der bruͤder redet/ macht unter den personen keinen unterscheid: so suͤndiget er auch nicht eigenlich als ein Prediger und aus seinem amt/ sondern vielmehr wider sein amt/ da- her ihm dieses keine freyheit giebet. Wie dann Prediger/ ob sie wol sonsten unter der Obrigkeit sind/ als unter den gemeinen Landes-vaͤtern/ daunoch der Regenten suͤnden zu straffen befugt sind/ so haben auch dero zuhoͤrer gegen sie gleiches recht/ oder vielmehr sind ihnen diese gleiche liebe schuldig: massen wir die sache nicht eigenlich als eine straffe/ damit einem weh geschehen solle/ sondern vielmehr als eine wohlthat anzusehen haben; nur allein/ daß bey Pre- digern uñ andern Vorgesetzten/ wo sie von den untergebenen bestrafft werden muͤssen/ des amts wegen so vielmehr bescheidenheit zu gebrauchen ist; wie aus der analogie dessen/ was Paulus seinen Timotheum lehret/ 1. Tim. 5/ 1. 2. erhellet. 4. Die art zu bestraffen solle allemal also eingerichtet werden/ daß der nechste am wenigsten dadurch beschimpffer/ sondern allein gebessert werden moͤge/ indem von solcher art das meiste von nutzen zu erwarten ist; da hinge- gen ARTIC . I. SECTIO XXIII. gen wo viele beschimpffung ist/ das gemuͤth gemeiniglich zu zorn erreget/ und also zur besserung unbequemer gemacht wird. 5. Nun auff die sache selbs zu kom̃en/ sehen wir also/ daß der Prediger ge- fehlet/ der andere hingegen macht gehabt hat/ denselben zustraffen/ und zwahr wie in der frage ausdruͤcklich bedinget wird/ solches aus gotiseligem eiffer gethan; dabey das gute vertrauen gegen einen Pfarrherrn haben sollen/ daß er nicht unter die saͤu und hunde gehoͤre/ welcher wuth man wider sich nicht reitzen doͤrffe/ sondern einen christlichen bruder/ der solche liebe mit gleicher liebe auffnehmen wuͤrde. Wir sehen auch/ daß die art des straffens oder erin- nerns unstraͤflich gewesen/ da die worte liebreich lauten/ und nichts bitters in sich haben; so dann eine gelegenheit gesucht worden/ worinnen derselbe am wenigsten beschaͤmet werden koͤnte. Daher ich nicht wuͤste/ ob einer der alles genau examini ren wolte/ etwas auch in der art zu tadeln finden moͤchte/ es waͤre denn sache/ daß die person sich nicht so bald kund gegeben: es kan aber auch solcher fehler gantz leicht entschuldiget werden/ indem es gantz guter mei- nung/ und aus demuth/ mag geschehen seyn; auch dem Pastori nicht dran ge- legen seyn solte/ wer ihn uͤber eine sache erinnerte/ woruͤber ihn sein gewissen so bald selbs erinnern sollen. 6. Hieraus folget/ daß der sogenannte lay nicht schuldig seye/ uͤber die- se erinnerung den Pastorem um verzeihung zu bitten/ denn er hat ihm kein leid noch unrecht gethan/ sondern einen liebes-dienst damit zu erzeigen getrachtet/ davor ihm eher christlicher danck/ als einiger verweiß gebuͤhrete. 7. Solte aber dergleichen der Prediger mit ernst prætendi ren/ waͤre mir solches sehr leid/ indem er sich damit/ so doch nicht hoffen solle/ verrathen wuͤrde/ daß er die regeln Christi/ zu deren beobachtung er gleichwol alle selbs mit fleiß anzuhalten/ und sie also allermassen zu loben hat/ nicht verstehe/ vielweniger mit dem nachtruck auff dero uͤbung treiben koͤnte/ weil er sie an sich auch nicht uͤben lassen will. Da gleichwol wir Prediger uns hertzlich druͤ- ber zu erfreuen haben/ wo GOtt solche liebe in unsrer zuhoͤrer hertzen gibet/ daß wo sie uns irgend straucheln sehen/ sie uns mit liebe erinnern/ dahinge- gen die unoꝛdentliche ehrerbietung und scheue/ welche viele gegen uns tragen/ und daraus uns nicht/ was ihnen an uns mißfaͤllig ist/ zu sagen getrauen/ auch uns selbs vielen schaden thut/ und uns um den nutzen bringet/ den wir zu unsrer eignen besserung von anderer erinnerung schoͤpffen solten. Wie ich etliche mal auff der Cantzel publice daruͤber geklaget/ daß die Prediger uͤbel dran waͤren/ daß zwahr jedermann in der gemeinde auff unser thun und las- sen genau acht zu geben pflege/ selten aber jemand uns in liebe dasjenige sa- ge/ was uns zu anderem verhalten dienlich waͤre; indem wir so wenig als an- dre bey uns/ was uns mangelt/ dermassen gewahr werden/ wie diejenige/ die N 3 um Das dritte Capitel. um uns sind: daher zugleich die gemeinde mehrmal gebeten/ mir und andern solchen liebes-dienst zu erzeigen/ und versichert habe/ daß wirs wohl auffneh- men wuͤrden. Wiewol ich dennoch bekennen muß/ daß ichs selten dahin brin- gen koͤnnen/ jedoch den wenigen/ die zuweilen mit mir geredet/ mich davor zum danck verbunden gehalten habe. Ja wir solten solches auch deßwegen mehr wuͤnschen/ weil uns/ wann dieses mehr in schwang kaͤme/ die gelegen- heit gegeben wuͤrde/ da jetzt manchmal vieles von uns gemurmelt wird/ wor- innen uns unrecht geschihet/ wenn es offenhertzig an uns gebracht wuͤrde/ so wol der sachen andere bewandnuͤß den leuten zu unsrer rettung zuweisen/ und also ihnen ihre scrupel zu benehmen/ als auch/ wo wir uns selbs straͤfflich fin- den/ die erinnerung zu unserm besten anzunehmen. Ach was vor ein vortreff- liches mittel der besserung der kirchen solte es seyn/ wo diese liebreiche ver- trauligkeit unter zuhoͤrern und Predigern gestifftet wuͤrde! So der HERR gebe! II. Wenn die predigt am soñtag vollendet/ und der Prediger nach dem allgemeinen gebet die krancken ablieset/ welches offtmals eine hal- be stunde und druͤber waͤhret/ der lay in seinem stuhl/ mit denen/ so bey ihm sitzen/ und die predigt nachgeschrieben haben/ dieselbe mit ihm repei ren/ ja wenn ein oder ander locus scripturæ ver- sehen im schreiben/ die weiber aber/ deren maͤnner mit auffge- schrieben/ dieselbige loca im nachschlagen gezeichnet/ und in der stille/ (jedoch daß die zuhoͤrer/ so vor ihnen sitzen/ nicht gehindert werden im gebet) dieselbigen anweisen/ damit alles so gepredi- get/ ordentlich auffgeschrieben/ und hernach zu hause mit den sei- nigẽ wieder repeti rt werden moͤge; frage ich also/ ob selbiges wohl zulaͤßig? oder ob man schuldig seye fuͤr die krancken allein zu bit- ten/ und solches zu unterlassen? ich meines orts/ meine nicht un- recht zu thun/ daß/ so bald die gedachten krancken abgelesen wer- den/ jeglicher ein á parte gebet fuͤr sie thue/ und wenn das gesche- hen/ dieses exercitium vor die hand nehme. H Jerauff zu antworten/ ist unterschiedliches zu mercken: 1. Daß das ge- bet fuͤr jemand insgemein/ so dann auch fuͤr die besondere anligen des nechsten/ vornemlich aber der im leiden und kranckheit stehenden/ eine solche christliche pflicht seye/ die aus der liebe des nechsten/ und sonderlich aus der gemeinschafft der heiligen herfliesset; so wird auch etwas darauff gedeutet Jac. 5/ 14. denn was damals geschehen mochte von den zu den krancken be- ruf- ARTIC. I. SECTIO XXIII. ruffenen aͤltesten/ geschihet mit eben dem grunde auch in der gemeinde/ da die aͤlteste solches verlangen derselben vortragen. So ist jeglicher begierig/ daß auch zu der zeit seiner bedoͤrffnuͤß fuͤr ihn absonderlich/ das ist/ mit absonder- licher richtung des gebets auff ihn/ gebetet werde/ deswegen andern auch von seiner seit dergleichen schuldig. 2. Daher kan sich keiner davon ausnehmen/ daß er nicht auch in seinem gebet seine gedancken absonderlich auff diejenige richte/ dero anligen von sei- nem Prediger auff das begehren der nothleidenden ihm vorgetragen/ und er also darum gebeten wird. Ja ich zweiffle nicht daran/ daß jeder fuͤr dieselbe nicht nur in der kirchen/ sondern auch zu hause zu beten verbunden seye. 3. Nachdem aber bey solcher menge der krancken/ dero in einer grossen gemeinde gedacht wird/ die meiste kaum von ein und dem andern wissen/ als daß sie hoͤren/ daß solche und solche personen seyen/ die dergleichen anligen ha- ben/ mag an und vor sich selbs gnug seyn/ daß man solche alle in seinem her- tzen in ein gebet einschliesset/ und derselben/ die dieses mal ihre noth haben vor- stellen lassen/ zugleich vor GOtt gedencket. 4. Was das anhoͤren der verlesung selbs anlanget/ so geschihet diese al- lein/ theils/ solche personen etlicher massen kund zu machen/ theils/ durch solche anzeigung christliches mitleiden zu erwecken/ damit alsdann das gebet aus so viel eiffrigerem hertzen geschehe/ dahero auch das anhoͤren allein diesen zweck vor sich hat: hingegen die nothwendigkeit dessen dahin faͤllet/ wo sol- cher zweck dadurch nicht erhalten werden kan. Nun bey einer solchen men- ge einer grossen stadt/ werden die wenigsten seyn/ die daraus die gewisse per- sonen abmercken koͤnnen/ fuͤr welche gebeten wird; so dann sind die formuln dermassen allgemein abgefasset/ daß ich nicht eben sehe/ wie das mitleiden da- durch so sonderbar erweckt wuͤrde/ welches zuweilen geschihet/ wo sonderlich in einer kleinen gemeinde die meiste einander kennen/ und von den zustaͤnden der mit-Christen ohnedas einige wissenschafft haben/ daher alsdenn/ wo et- was von denselben auch bey der intimation meldung geschihet/ die erinne- rung die gemuͤther stracks zu desto mehrern mitleiden/ und folglich andacht fuͤr sie zu beten/ beweget/ daß aber gedachter massen bey solcher menge nicht platz hat. 5. Dieser ursach wegen/ halte ich einen christlichen zuhoͤrer an ei- nem solchen grossen ort/ und wo gedachter massen der absonderliche zweck der anhoͤrung nicht platz findet/ nicht ver bunden/ daß er eine solche mehrere zeit/ da er sie zur erbauung besser anzuwenden wuͤste/ gerade mit der zuhoͤrung zu- bringen muͤste; sondern glaube gnug zu seyn/ da er aller derselben/ dero noth der gemeinde jetzo vorgetragen werde werden/ anligen in geistlich und leibli- chem auff einmal vortraͤget/ daß der Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles Das dritte Capitel. alles trostes/ seinen trost lebendig in ihren seelen versiegeln/ ihr leiden zu de- roselben besten richten/ und auch in dem eusserlichen diejenige huͤlffe ihnen er- zeigen wolle/ die er ihnen ersprießlich erkenne. Dieses gebet erreichet den allgemeinen zweck dieser verlesung/ daß ein solcher nicht nur insgemein fuͤr alle nothleidende/ sondern in specie fuͤr diejenige/ dero jetzt gedacht werde/ und zwahr fuͤr eben dasselbe anligen/ davon geredet werde/ betet/ ob er wol solches anligen eben nicht voͤllig weiß/ aber auch aus der verlesung und dero anhoͤ- rung wenig mehr davon wissen wuͤrde. So ists doch ein besonders/ und nicht nur bloß allgemeines gebet/ daher der absicht der intimation gemaͤß. 6. Daraus folget/ wo man solche zeit hingegen kan zu einer dergleichen geistlichen uͤbung/ die zu der erbauung und nuͤtzlicher anwendung der pre- digt diensam ist/ widmen/ daß solches ohne verletzung des gewissens wohl ge- schehen koͤnne. 7. Solte es aber sich begeben/ daß einige andre sich daran aͤrgerten/ son- derlich was einfaͤltige und schwache Christen sind/ und ihnen moͤchte die sache nicht also beygebracht werden koͤnnen/ daß sie sich daruͤber zu ruhe zu geben vermoͤchten/ so wissen wir die regel der liebe/ die uns Paulus sonderlich Rom. 14. und 1. Cor. 8. mit mehrerm vorstellet/ welche von uns fordert/ daß wir uns auch derjenigen dinge/ welche sonsten an sich selbs nicht verbo- ten/ sondern wohl erlaubt sind/ aber den bruder wegen seiner schwachheit aͤr- gern moͤchten/ eben deswegen enthalten sollen. III. Wenn man in andern kirchen die gelegenheit solches zu treiben nicht hat/ sonderlich da die nachbarn nicht mit schreiben/ die boͤse ge- dancken zu vertreiben/ die Bibel lesen moͤge oder nicht? D Jese frage hat ihre beantwortung bereits in dem vorigen: nur daß die- ses noch mit hinzu setze/ und auch bey dem vorigen hinzugesetzt haben will; daß sich ein Christ erstlich pruͤfen und untersuchen solle/ ob er durch die anhoͤrung der unterschiedlichen noth und anligen/ mehr als insgeniein geruͤh- ret/ und zu bruͤnstiger andacht getrieben finde; oder ob er/ wie aus dieser frage abzunehmen/ daß einiger ihre klag seyn mag/ seine gedancken bald zerstrenet zu werden fuͤhle. Waͤre jenes erste/ so achte ich ihn verbunden/ daß er zuhoͤrte/ und lieber alles andre unterliesse/ weil ihn diese ruͤhrung GOttes dazu leite- te/ und er sein gebet fuͤr die krancke/ dazu er an sich verbunden ist/ mit so viel- mehr nachtruck zu thun/ dadurch tuͤchtig wuͤrde: waͤre aber dieses/ so ich gleich- wol von den meisten sorge/ bey einer so langen erzehlung allerley anligens; bleibet nicht allein jene uͤbung aus der vorigen frag wiedrum zu rathen/ son- dern auch in entstehung desselben/ das Bibel-lesen/ damiter sein hertz besser in der andacht halten wuͤrde. Gleichwol ist alles wiedrum mit voriger aus- nahm ARTIC. I. SECTIO XXIII. nahm des falles des aͤrgernuͤsses zu verstehen/ und auch dieselbe hie zu wie- derhohlen. IV. Unter der communion/ wenn die wort der einsetzung von dem Diacono abgesungen/ ob der lay nicht mitsinge/ sondern in der stille solche wort nachspraͤche/ und nach verrichtetem gebet wol moͤge hinweggehen; oder ober schuldig seye/ biß die communi- on gantz aus seye/ zu bleiben? 1. B Ey dieser frage/ da des mitsingens meldung gethan wird/ ist mir dero kirchen gewohnheit nicht bekant/ ob sonsten die gemeinde/ oder einige derselben/ solche mitzusingen pflegen; indem mir nicht wissend ist/ anders wo von einer dergleichen gewohnheit gehoͤret zu haben: auch nicht leugne/ daß mir dieselbe etwas unformlich vorkaͤme/ sonderlich/ weil solche wort die Con- secration in sich fassen/ die nicht eigentlich von der gemeinde/ sondern von dem Prediger geschihet. Daher nicht davor halte/ daß andre mitzusingen/ oder auch sonsten die wort eigentlich/ wie sonsten etwas/ was uns der Prediger vorspricht/ nachzusprechen haben: sondern man hat allein mit hertzlicher an- dacht denselben nachzudencken/ und sich/ was der HErr damals gethan und geredet/ zu erinnern. 2. Das bleiben bey der communion aber betreffende/ bekenne ich/ daß zwahr keinen austruͤcklichen befehl des HEren habe/ daß ich alle glieder der gemeinde zu dero gegenwart dabey/ obligi ren koͤnte; jedoch achte ich/ daß die gemeinschafft der heiligen/ und die wir mit unsern mitgliedern/ so gerade da- mals communiciren/ haben/ uns billig dazu antreiben solle/ daß wir mit den- selben fuͤr ihre wuͤrdige communion beten/ und nach derselben mit ihnen dan- cken/ auch um die versiegelung der empfangenen gnade fuͤr sie bitten/ daher ihr geistliches gute damit befoͤrdern. Wie wir etwa in dem fall unsrer eignen communion ohne zweiffel wuͤnschen werden/ daß unsrer mitbruͤder mehrere seyn moͤgen/ welche ihre andacht mit der unsrigen vereinigen/ und uns die noͤ- thige gnade erbitten helffen; weßwegen wir uns nicht weniger zu gleicher lie- be gegen sie verbunden achten sollen. 3. Jch glaͤube auch/ daß das dabeyverbleiben bey der communion/ un- srer eignen andacht sehr nuͤtzlich seye/ indem man allezeit dabey nicht nur die gelegenheit hat/ an die theure wohlthat des heil. abendmahls/ dero wir auch offt geniessen/ mit andacht zu gedencken; sondern vornemlich sich allemal das leiden und sterben unsers Heylands/ zu dessen gedaͤchtnuͤß dieses Sacrament eingesetzet ist/ desto kraͤfftiger vorzustellen/ und also samt den communican- ten den todt des HErrn dabey zu verkuͤndigen. Nun ist kein articul unsrer O christ- Das dritte Capitel. christlichen lehr/ welcher unsern glauben kraͤfftiger staͤrcket/ als eben der arti- cul von Christi todt/ folglich ist auch keine nuͤtzlichere uͤbung/ als dessen be- trachtung; ferner aber zu dieser keine bequemere gelegenheit/ als bey dem H. abendmahl. Daher ich weiß/ daß einige/ so vorhin eiffrig papistisch gewe- sen/ aber nachmals zu unsrer wahrheit bekehret worden/ bekant haben/ daß sie zeit ihrer unwissenheit bey der meß/ ob sie wol sonsten ein aberglaͤubischer greuel bey ihnen ist/ offtmal wahrhafftig goͤttliche kraͤfftige wirckungen zum vertrauen auff GOttes gnade/ glauben an den Heyland/ und inbruͤnstiger liebe desselben/ in sich gefuͤhlet haben: so sie aber darnach erkanten/ daß sie nicht aus der krafft der meß selbsten/ sondern aus der betrachtung des leidens und todes JEsu Christi/ welche bey der messe anzustellen/ einige anleitungen in dem Pabstthum gefunden werden/ her entstanden seyen. Es mag auch wol der anfang/ der so vielen und taͤglichen messen/ wie aller andrer mißbraͤu- che des Pabstthums/ erstlich aus guter absicht gekommen seyn/ daß man nemlich den leuten so noͤthig geachtet hat/ eine staͤte erinnerung des leidens Christi und gelegenheit zu dero betrachtung zu machen/ als sie staͤts in den predigten sonsten zu unterrichten. Dahero dann zu solcher bequemligkeit die taͤgliche meß/ das ist/ communion/ angestellet worden/ wo auch taͤglich einige der gemeinde wahrhafftig werden communiciret/ die andre aber ihre andacht dabey geuͤbet haben/ so gewißlich eine loͤbliche sache gewesen/ und ge- blieben zu seyn/ zu wuͤnschen waͤre; biß nach dem der eiffer der communion er- loschen/ doch die messen beybehalten worden/ aber daß der sie hielte/ allein communicirte/ so schon der anfang des mißbrauchs war/ und die andre nach sich gezogen hat. Jndessen ists doch ein zeugnuͤß/ wie die alte Christen die betrachtung des leidens Christi so hoch gehalten/ und dazu demjenigen/ wer taͤglich gelegenheit verlangte/ dieselbe haben machen wollen. Nun da wir also auffs wenigste bey der sontaͤglichen communion solche gelegenheit haben koͤnnen/ hielte ich davor/ daß wir sie unserer eignen erbauung wegen nicht ver- saͤumen solten: glaͤube auch schwehrlich/ daß wir um solche zeit eine unsrer see- len ersprießlichere uͤbung anstellen koͤnten. Solche aber zu befoͤrdern/ wolte rathen/ wenn nicht etwa unter solcher zeit erbauliche lieder gesungen werden/ die man mit singen koͤnte; oder aber/ wenn man sich nicht starck gnug findet/ fuͤr sich selbs allemal seine betrachtungen uͤber diese wohlthat des leidens Christi anzustellen/ daß man anfangs zwahr einige solche betrachtung versuche/ dasie aber nicht von statten gehen will/ in der Bibel von der historie der Paßion/ o- der etwas dahin gehoͤriges/ oder auch aus gottseligen buͤchern/ betrachtun- gen/ andachten und gebet von dieser materie lese/ und trachte seine seele aller- dings in solches leiden des HErrn/ und dessen frucht gleichsam einzusencken. Wer dieses thut/ wird gewiß eine geistliche krafft davon empfinden/ und sichs nicht ARTIC. I. SECTIO XXIII. nicht reuen doͤrffen lassen/ wegen folgender staͤrckung seines glaubens. Und dieses ist ein weg zur so offtern geistlichen niessung des leibes und blutes JE- su Christi/ als wir mit solcher andacht der andern Sacramentlichen niessung beywohnen. Alle diese angefuͤhrte nutzen hoffe ich von solcher wichtigkeit zu seyn/ daß sie uns das verbleiben bey der communion angenehm machen sollen. V. Ob am werck-tage/ wenn die predigt verrichtet/ er seinen beruffs- geschaͤfften nachgehend/ die ihn forci ren/ schuldig seye/ fuͤr die krancke mit zu beten/ und also der segen von dem Prediger mit- zunehmen; oder ob er wegzugehen macht habe; oder aber waͤh- render zeit in der Bibel lesen mag? H Jerauff erklaͤhre mich dahin: 1. Die geistliche verrichtungen sind nicht dermassen an den sonntag gebunden/ ob haͤtten wir die woche damit gar nicht umzugehen/ vielmehr wo wir unsre seele lieben/ werden wir auch in der woche unsern geschaͤfften einige zeit abbrechen/ gleich wie zur privat-andacht/ dero unsre seele taͤglich so wol/ als der leib seiner nahrung bedarff/ also auch wo es muͤglich ist/ zu einigem oͤffentlichen Gottesdienst und versamm- lung. 2. Jndessen verbinden uns die sonsten zu der gemeinen arbeit gewidme- te wochen-tage nicht mit gleicher strenge zu dem oͤffentlichen Gottesdienst/ wie an dem sontag/ den wir nach vermoͤgen dem HErrn gantz zu widmen ge- halten sind. 3. Ob also wol sonntags vor geendigtem Gottesdienst ohne sonderba- re noth sich aus der versammlung vor dem schluß zu begeben/ nicht ziehmlich seyn will/ auch fast gewisses anderer aͤrgernuͤß geben doͤrffte; halte ich doch/ wo ehrliche geschaͤfften des beruffs einen christlichen mann trucken/ daß er nicht ohne merckliche versaͤumung das ende der versammlung auswarten kan/ daß er ohne suͤnde sichmit dem gehoͤr goͤttlichen worts und dem gebet ver- gnuͤgen koͤnne/ nach diesem aber seinem eusser lichen beruff nachgehen doͤrffe. 4. Jndessen verstehet sich doch dabey/ daß er insgesamt fuͤr die krancke/ so der gemeinde werden vorgetragen/ sein gebet vorher thue/ und derselben auch zu hauß gedencke. Was das Bibel-lesen anlangt/ ist bey der 3. frage meldung geschehen. 5. Jedoch rathete ich/ daß ein solcher nicht allezeit hinaus gehe/ und bey andern den boͤsen schein gebe/ als ob er den segen gantz verachte: sondern zuweilen/ wo ihn die geschaͤffte treiben/ sich seiner freyheit gebrauche; zu an- dernmalen aber/ wo er weniger gehindert ist/ auch zu anderer erbauung drin- nen bleibe. O 2 6. Ob Das dritte Capitel. VI. Ob ein Christ/ wenn er am sonntag zu gast gebeten/ wol die vesper- predigt versaͤumen/ und zu seinem freunde gehen; oder ob er zu hause bleiben moͤge/ sintemal er wohl weiß/ daß er das gepredig- te wort/ des vormittags gehoͤret/ bey ihm nicht wieder repeti- ren/ und gleichsam wiederkaͤuen kan/ und zumalen sich abson- dere/ alldieweil er die welt-kinder/ so mit zu gast gebeten/ nicht frequenti ren will? D Jese frage haͤlt wieder etlicherley in sich. 1. Jst zwahr der liebe sonntag nicht nur zu der privat-andacht/ sondern nach aller Theologorum fast einmuͤthiger lehr/ hauptsaͤchlich zu dem oͤffentlichen Gottesdienst eingesetzet/ daher wir uns denselben solchen tag/ wo wir ihn zu besuchen vermoͤgen/ auch angelegen seyn lassen sollen: Jndessen koͤnte ich nicht gruͤndlich darthun/ daß eben jeglicher an solchem tag sich so vielmal/ als jedes orts moͤglich/ dabey einzufinden verbunden waͤre; sondern wie er sich der oͤffentlichen gemeinde nicht entziehen darff/ also hat er gleichwol zahl und umstaͤnde/ nach denjeni- gen abzumessen/ wie er es seiner erbauung am bequemsten findet. 2. Wer also vormittags in der predigt gewesen ist/ und die materie/ die er gehoͤret/ sonderlich zu seiner aufferbauung dienlich befindet/ auch gewahr wird/ daßer an derselben wiederkaͤuung den tag gnug zu thun haben werde; hingegen sich nur mit weiterm anhoͤren confundi ren/ und das vorige zu sei- nem rechten nutzen anzuwenden hindern wuͤrde/ der thaͤte nichtwohl/ wo er ei- ne nachmittags-predigt besuchte/ weil er damit die erbauung seiner seele/ wel- che der wahrhafftige zweck der sonntags-feyer ist/ nicht befoͤrdern/ sondern wohl gar verringern wuͤrde. 3. Waͤre aber sache/ daß er vormittag nicht eben dergleichen gehoͤret/ davon er sonderliche erbauung spuͤhrete/ oder koͤnte doch dasselbige in kurtzer zeit zu gnugsamer fruchtbringung wiederholen/ wolte ich ihm rathen/ daß er in der nachmittags-predigt versuchte/ ob ihm GOtt etwas ihm noͤthiges hoͤ- ren lassen wolte/ oder daß er doch die uͤbrige zeit/ die er eben nicht nothwendig zu der vorigen wiederholung bedoͤrffte/ dahin anwendete: Wie ich insge- samt auch diesen rath gebe/ auffs wenigste zuweilen bey der nachmittags- predigt sich einzufinden/ auff daß die ungleiche meinung/ die etwa einige schoͤpffen moͤchten/ ob verachtete man den nachmittags-Prediger oder solchen Gottesdienst/ und also das daher besorgende aͤrgernuͤß verhuͤtet/ oder abge- wendet werden moͤge. 4. Die sonntags-mahlzeiten anlangende/ kan ein rechtschaffener Christ durchaus zu dergleichen sich nicht einfinden/ bey welchen er solche welt-kinder zu ARTIC. I. SECTIO XXIII. zu erwarten hat/ welche/ wo nicht mit offenbar-ruchlosen/ jedennoch mit sol- chen gespraͤchen/ die die erbauung nicht foͤrdern/ seine sonntags-feyer verstoͤh- ren moͤchten: thut er anders/ so ist er alsdenn selbs in schuld/ daß ihm nicht nur solche zeit verlohren gehet/ sondern auch das etwa morgends gefaste gute/ wiederum verstoͤret wird/ und also suͤndiget er damit; dabey ich doch diejeni- ge ausgenommen haben will/ welche durch ihre autori taͤt oder gnade/ die ih- nen GOTT gegeben hat/ auch andre in ordnung zu bringen/ oder dabey zu erhalten hoffen koͤnten. 5. Ob aber wol unter gottseeligen Christen auch sonntags solche mittags- mahlzeiten gehalten werden koͤnten/ bey denen durch gottselige gespraͤche die zeit wohl geheiliget werden moͤchte/ und also dieselbe an sich selbs der heili- gung des sabbaths nicht entgegen waͤren; so wolte ich dennoch solche auch nicht rathen: nicht nur/ weil es etwas schwehr zu hoffen ist/ lauter solche gaͤste zusammen zu bringen/ davon man foͤrdernuͤß und nicht hindernuͤß zu erwar- ten hat; sondern auch um des exempels willen/ indem/ wenn gottselige hertzen sonntags miteinander so mahlzeit halten/ daß sie dabey ihrer seelen erbauung nicht vergessen/ sondern wohl mehr an dieselbe/ als an des leibes ergoͤtzung gedencken/ andre welt-gesiñte/ welche nur einigen vorwand ihrem welt-leben suchen/ gar behende solche gelegenheit ergreiffen/ und sie zur behauptung ih- res wolluͤstigen lebens mißbrauchen: wie es nemlich nicht unrecht seye/ sonn- tags-mahlzeiten zu halten/ und auch daruͤber die vesper-predigten zu versaͤu- men/ dann diese und jene bekanntlich gottselige leute thaͤten dergleichen auch/ ob sie wol nicht dabey gedencken/ was grosser unterscheid unter ihren und jener mahlzeiten seye. Weil wir aber wissen/ daß dergleichen mißdeutung gemeiniglich folge/ so will die christliche klugheit/ daß man sich desjenigen ent- halte/ was an sich selbs in christlicher freyheit stuͤnde/ wir aber dessen miß- brauch so bald vor augen sehen: wo uns immer im sinne ligen solle/ was der Apostel erinnert 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles; ich habe es alles macht/ aber es bessert nicht alles. Der HERR gebe uns allezeit den Geist der weißheit und der klugheit der gerechten/ in allen stuͤcken zu thun/ was seines willens ist/ und zu verste- hen/ was bey jeglicher gelegenheit zu seinen ehren/ des nechsten erbauung/ und unsers gewissens versicherung/ das vortraͤglichste seye/ damit wir solches alle- zeit thun/ und wir ihm darinnen wohlgefallen/ Amen. O 3 SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XXIV . Vom gebrauch des Heil. Abendmahls und dessen nothwendigkeit/ mit widerlegung der entschul- digungen. I. Ob es in unserer freyen willkuͤhr stehe/ das heilige Abendmahl zu brauchen; oder wie groß desselben nothwendigkeit sey? Antwort. W Jr sagen auff den ersten theil der frage mit einem worte nein; auff den andern aber/ es seye eine solche nothwendigkeit/ daß man mit un- terlassung des gebrauchs sich der seeligkeit verlustig machen koͤnne. Solches nun auszufuͤhren/ wird davon nicht gefragt/ ob niemand jemal selig worden sey/ der sich des Heil. Abendmahls nicht gebraucht haͤtte: denn da ist ausgemacht/ daß so viel 1000. lieber altvaͤter vor der einsetzung dieses Heil. Sacraments in dem alten Testament selig worden sind; also auch die lieben kinder/ welche GOTT vor der zeit/ da sie durch eigene pruͤffung zu die- sem Sacramente tuͤchtig werden/ dahin nimmet. Wiederum diejenigen/ wel- che an den orten gefangen/ oder sonsten enthalten werden/ da sie dieser seligen speise/ nach welcher sie sehnlich seufftzen/ und sich sehnen/ wider ihren willen nicht habhafft werden koͤnnen/ werden freilich ohne diesen gebrauch selig. Dann das sey ferne/ daß dasjenige sie ausschliessen solte/ was nicht in ihrer macht stehet/ und sie es nicht aͤndern koͤnnen; sondern GOTT nimmet mit denselben vorlieb/ die sich derjenigen mittel gebrauchen/ welche dem alter und zustand zukommen/ ob sie wol von diesem nicht aus eigenem willen/ sondern aus unvermeidlicher noth ausgeschlossen sind. Aber ausser dem so sagen wir/ daß sich des heiligen Abendmahls muthwillig zu enthalten/ eine ver- dammliche suͤnde seye/ und keiner selig werden koͤnne/ der in solcher beharrlich fortfaͤhret/ und sich selbs vorsetzlich des theuren guts beraubet. Solches zu erweisen/ sehen wir (1.) auff Christi befehlich. Hier stehet unumbge- stossen/ daß alles dasjenige nicht in unserer freien willkuͤhr stehe/ was Chri- stus seiner kirchen insgemein befohlen. Nun haben wir den ausdruͤcklichen befehl: Esset/ trincket/ und thut solches zu meinem gedaͤchtnuͤß/ Matth. XXVI, 26. 27. Luc. XXII, 19. 1. Corinth. XI, 24. 25. Die worte zeigen selbs den befehlich/ und zwahr/ daß wirs nicht fuͤr einen be- fehlich/ der nur die Apostel betroffen habe/ haltẽ moͤgen/ so setzet Paulus v. 26. dazu/ daß so offt wir solches thun/ sollen wir dabey den todt des HErrn ver- ARTIC. I. SECTIO XXIV. verkuͤndigen/ bis daß er kommet; waͤhret demnach der befehlich also lang/ als die verkuͤndigung des todes des HErrn/ und bis auff seine zukunfft. Nun solle einem Christen genug seyn/ daß er etwas fuͤr nothwendig halte/ wo er den befehlich desjenigen siehet/ nach dessen seinen geboten er erkennen muß/ daß er allezeit schuldig seye zu leben als der sein HErꝛ ist/ nicht nur allein wegen der schoͤpffung/ sondern auch/ weil er ihn noch darzu mit seinem theu- ren blute zum eigenthum erkaufft und erloͤset hat. Wie streng demnach ei- ner Obrigkeit befehlich den unterthanen/ eines Herrn gebot seinen leibeige- nen selaven verbindet/ demselben bey verlust der gnade nach zu leben; also streng sind wir auch/ wie zu andern befehlen Christi/ also auch zu dieses sei- ner beobachtung verbunden: ja noch so vielmehr/ so viel genauer unsere pflicht gegen Christo ist/ als einiges unterthanen und leibeigenen gegen sei- nen HErrn seyn koͤnte. Es will ja ein jeglicher Herr/ je hoͤher derselbe ist/ so viel genauer auch sein gebot beobachtet und gehalten haben: wie vielmehr dann der/ dem alles neben uns zu gebot stehen muß/ und wuͤrcklich stehet. Wie nun die hoheit des befehlendẽ den befehlich so viel wichtiger machet/ also auch die uͤbrige umstaͤnde/ indem wir sehen/ daß es ein befehlich sey/ wobey der HErr nicht so wol seinen nutzen/ als unser heyl suchet. Nun kan einem gutthaͤtigen Herrn kein groͤsser schimpff und verdruß wiederfahren/ als wo er jemand gutes thun/ derselbe aber solche gutthat nicht annehmen will/ son- dern von sich stoͤsset. Hierdurch haͤlt sich ein solcher mehr beschimpfft/ als mit unterlassung eines andern befehlichs/ der allein seine eigene sache betrifft. Ja wo gleichwol einige liebe bey einem Christen gegen seinen Erloͤser ist/ so ists unmoͤglich/ daß er an nothwendigkeit desjenigen befehlichs Christi zweiffeln solte koͤnnen/ welchen er gethan um die zeit/ da er aus blosser liebe gegen uns jetzo dem todt entgegen ging/ und uns noch vorhin dergleichen liebes-mahl zu seinem andencken stifften wolte. Dann wie solte diese liebe nicht mehr um uns verdienen/ als daß wir auch den befehlich nicht einmal nothwendig achten wolten/ die uns von ihm hier zu geniessen gegeben wird. (2.) Erhellet solche nothwendigkeit auch aus demjenigen zwecke und nutzen/ um welches willen das heilige Abendmahl eingesetzet ist. So vielfaͤltig also die jenigen sind/ so viel neue ursachen dieser nothwendigkeit werden wir antreffen. Christus der suchet auff seiner seiten nichts anders durch dieses heilige Sa- crament/ als das zeugnuͤß seiner liebe/ die er hiermit erweisen will/ so groß zu seyn/ daß er auffs innerste sich mit unser seelen und leibe vereinigen wolle/ und das gedaͤchtnuͤß seines aus trieb solcher liebe fuͤr uns ausgestandenen todes. Dahero dann wir dieselbe liebe auch hierinnen zu preisen/ und seinen tod nach Pauli worten 1. Cor. XI. zu verkuͤndigen haben. Wer es also nicht thut/ der verachtet die liebe Christi/ und seinen tod selbs: indem er das mittel Das dritte Capitel. mittel verachtet/ durch welches sie von ihm solte gepriesen werden/ ja versagt hiermit dem HErrn den vornehmsten dienst/ darinnen er seine ehre suchet/ womit er eben/ so viel an ihm ist/ dieselbe schmaͤlert/ und den HErrn um solche frucht seiner arbeit bringen will/ mit greulicher undanckbarkeit/ davor billich ein jeglich christliches hertz/ auch an solche verachtung nur zu gedencken/ sich entsetzen solle. Auff unser seiten aber sind der absichten in dem heiligen Abendmahl unterschiedliche/ so viel nemlich der fruͤchte desselben sind. Wann also (1.) die vergebung der suͤnden im heiligen Abendmahl zu suchen ist/ indem uns die pfande gereichet werden/ wodurch solche vergebung verdie- net ist worden: so zeiget solches auch die nothwendigkeit dieser heiligen hand- lung. Wir finden in unsern gewissen suͤnde genug/ und fuͤhlen auch die wie- dergebohrne und gottselige Christen taͤglich allerhand unvollkommenheiten an sich/ welche sie nach dem gesetz fuͤr suͤnde erkennen muͤssen/ dahero taͤglich derselben vergebung beduͤrffen. Wie also nun ein krancker/ der von seiner kranckheit befreyet zu werden vonnoͤthen hat/ eben deßwegen der artzney be- darff: also wer der vergebung der suͤnden bedarff/ der bedarff auch des mit- tels derselben. Denn daß es damit nicht ausgemacht sey/ daß man sage/ es seyen noch ohne das heilige Abendmahl mehrere mittel der vergebung/ der man in ermanglung des einigen sich bedienen und getroͤsten koͤnne/ soll nach- malen beantwortet werden. Und in diesem verstande heist das heilige Abendmahl recht eine geistliche artzeney fuͤr die suͤnden/ die nicht weniger nohtwendig ist/ als die leibliche fuͤr leibliche schaͤden. So vielmehr/ weil es nicht nur eine artzeney ist/ damit die begangenen suͤnden geheilet/ sondern auch wir vor weitern verwahret werden: denn es ist das heilige Abendmahl (2.) auch eine geistliche staͤrckung. Wir wissen/ daß wir von natur verder- bet und untuͤchtig sind/ etwas gutes von uns selbs zu thun/ so werden auch die kraͤfften/ die in der tauffe/ und durch allerhand geistliche mittel uns von GOTT zu unsers Christenthums und guten wandels fortfuͤhrung verlie- hen worden/ offt gar schwach/ und nehmen wir in denselben ab. Die muͤssen nicht nur taͤglich durch die speise goͤttlichen worts/ sondern nach unse- rer noth bewandnuͤß/ zuweilen auch mit kraͤfftiger artzeney staͤrckung wieder ersetzet werden. Wir beduͤrffen auff unserer reise nach dem himmlischen va- terland derselben wohl/ weil die reise so gefaͤhrlich/ als lang ist. So ist aber dieses das brod/ in dessen krafft wir mit Elia an den berg Gottes Horeb moͤ- gen gehen/ 1. Reg. XIX, 8. wie die alten sich mit solchem gleichnuͤß belusti- get haben. Also auch muͤssen wir leben in stetem kampff/ da Geist und fleisch wider einander streiten/ Gal. V. Hie gehoͤren einmal staͤtig neue kraͤfften dazu/ daß wir nicht/ weil das fleisch auch so offt neue kraͤfften bekoͤmmt/ als wir ihm zu gefallen etwas boͤses thun/ gar uͤberwunden/ und niedergeleget wer- ARTIC . I. SECTIO XXIV. werden. Nun ists an dem/ daß keine edlere staͤrckung seyn kan/ als dieser heilige genuß des leibs und bluts Christi. Denn soll ein Christ recht in seinem Christenthum stehen/ wie sichs gebuͤhret/ so muß er ruͤhmen koͤnnen mit Paulo Gal. 2/ 20. daß er nicht mehr bloß lebe/ sondern Christus lobe in ihm. Soll nun Christus in uns leben/ so muß/ weil wir sein leben in uns offt mit suͤnden schwaͤchen/ er immer auffs neue mit uns/ und wir mit ihm ver- einiget werden/ so in dem heiligen Abendmahl geschiehet/ da er alle mal wie anffs neue bey uns einziehet/ also auch auff das neue bey uns zu leben an- faͤnget/ oder doch sein leben bey uns gestaͤrcket wird. Es ist der leib des leben- digen HErrn/ den wir empfangen/ viel kraͤfftiger uns das geistliche leben zu geben/ und darinnen weiter zu bestaͤrcken/ als jene todtenbeine des Propheten/ die gleichwol wunderthaͤtiger weise den todten leichnam leiblich lebendig machten/ 2. Reg. 13/ 21. Und kan hierinnen kein zweiffel seyn/ dann weil/ wo GOtt ist/ seine gegenwart nie muͤßig oder unkraͤfftig/ sondern allezeit kraͤff- tig und wuͤrckend ist/ so ist auch Christus/ der ja bekantlich in dem heiligen Abendmahl zu uns und in uns koͤmmt/ gleichfals nicht muͤssig oder tod bey uns/ sondern sein leben ist staͤrckend unser leben/ welches die 3 frucht des heilt- gen Abendmahls wohl mag genennet werden/ nemlich die vereinigung Chri- sti: davon aber nachmal unzaͤhlich anderes geistliches gutes fliesset. Es fliesset daher die vermehrung der gnade des heiligen Geistes/ der ein Geist Christi ist/ und bey dem wohnet/ wo er ist; bruͤnstigere andacht zum gebet und goͤttlichem wort/ eifferiger antrieb zu allem guten/ freudiger trost in allem anligen/ und also der rechte vorschmack des ewigen lebens. Welche wuͤrckungen/ wie sie billich dem heiligen Abendmahl zugeschrieben/ auch aus demselben offt von glaͤubigen Christen gefuͤhlet werden/ und daher uns ja al- len noͤthig sind/ also gleichwie von dem haupt in die glieder staͤtig eine leben- dige krafft eingehet/ also auch auff uns. Zum 4. so ists absonderlich eine bekraͤfftigung unsers glaubens/ welcher/ wie er offt staͤrckung bedarff/ also nicht nachtruͤcklicher kan dieselbe empfangen/ als wo er selbs seinen Heyland/ davon er seine seeligkeit allein zu erwarten hat/ empfaͤnget und zu sich be- koͤmmet/ ja ihn in dieser absicht empfaͤnget/ wie erfuͤr uns sich selbs gege- ben/ seinen leib in den todt gelieffert/ und sein blut vergossen hat. Daß also durch dasselbe nicht allein der todt und das verdienst Christi/ als unsers glaubens einiger schatz/ uns gleichsam vor augen allemal gemahlet und gele- get/ sondern jeglicher leben damit versichert wird/ es gelte auch ihm/ weil ihm der HErr es selbs darreichen lasse. Daher/ ob wol das heilige Abend- mahl nicht eigenlich ein opffer ist/ so ists doch die innige heylsame wieder- gedaͤchtnuͤß des fuͤr uns geleisteten opffers/ welche uns in unserm gewissen alles das versigelt/ und im glauben zu eignet/ was wir seiner gebessert seyn. P Die- Das dritte Capitel. Dieses sind nun neben andern mehrern die fruͤchte des heiligen Abend- mahls; welche/ weil sie so bewandt sind/ daß ein Christ derselben guͤter be- darff/ also genugsam erweisen/ wie noͤthig denn das heilige Abendmahl seye: daß also wiederum auch aus dieser absicht wir dasselbe nicht/ ob waͤre es in unser freyen willkuͤhr gestellet/ sondern als hoͤchst noͤthig/ anzusehẽ haben. Zu angezogenem koͤmmt noch (3) ein neues argument, das zeugnuͤß unser einig- keit mit der christlichen kirchen/ vor dero glieder wir uns bekennen. Es ist an deme/ daß das heilige Abendmahl auch als das band der liebe und einigkeit zwischen den gliedern der christlichen kirchen eingesetzt ist: Paulus saget 1. Cor. 10/ 17. Wir sind viele ein leib/ dieweil wir alle eines brods theil- hafftig sind. Also hinwiederum sollen dann auch alle/ die da ein leib/ und also der christlichen kirchen mitglieder sind/ von einem brod theilhafftig werden: und wer desselbigen sich nicht theilhafftig machen will/ der reisset sich damit selbs von der gemeinschafft der kirchen. Nun ists ein herrliches werck um der kirchen gemeinschafft/ die die gemeinschafft der heiligen in dem Apostolischem glauben genennet wird/ indem sie machet/ daß ein jeg- liches der glieder der kirchen recht und anspruch an das gebet und alles das gute hat/ was sein mitglied hat und thut. Nun bestehet zwahr dieselbe gemeinschafft in allen goͤttlichen gutthaten insgesamt/ deren die kirche ge- niesset; sie ist aber nirgends scheinbahrer/ als in dem heiligen Abendmahl/ daß also billich dasselbe fuͤr das vornehmste mittel/ wie der vereinigung un- serer mit unserm haupt Christo/ also auch der vereinigung zwischen den glie- dern selbs/ zu halten ist. Daher billich dieses fuͤr eine der guͤltigsten pro- ben bey allen religio nen gehalten wird/ daß man die kirche fuͤr die wahre kir- che erkenne/ bey dero man das heilige Sacrament empfaͤhet/ und dennoch der empfang gleichsam die thaͤtliche bekaͤntnuͤß ist. Woraus in dem ge- gentheil zu schliessen stehet/ daß derjenige die kirche nicht allerdings fuͤr die rechte erkenne/ oder doch von derselben nicht fuͤr ein wahres glied zu erken- nen seye/ welcher bey einer kirchen sich des oͤffentlichen zeugnuͤsses/ damit wir unsere einigkeit in Christo bezeugen/ enthaͤlt. Daraus ferner fliesset/ daß also ein solcher mensch der nutzbarkeit des gebets/ und uͤbriger allgemeiner kirchen-guͤter sich verlustig mache durch sothanen riß/ da er sich von dem uͤbrigen geistlichem leibe Christi absondert und zwahr mit eigenem schaden/ a- ber noch groͤsserem aͤrgernuͤß anderer leute: Jndem der schwache hierdurch in schweren anstoß gesetzet wird/ dieweil wenn sie dergleichen leute/ sonderlich da sie eusserlich einen vor der welt erbaren wandel fuͤhren/ sich des heiligen Adendmahls zu enthal en sehen/ gantz daruͤber irre werden/ und nicht wissen/ was sie gedencken sollen/ wo sie nicht gar endlich durch dergleichen exem- ARTIC. I. SECTIO XXIV. exempel zu gleichem uͤbel verleitet werden. Ruffet denn nun Christus Matth. 18. so ernstlich das wehe aus uͤber diejenigen/ durch welche einer seiner geringsten geaͤrgert wird/ und ist man offt schuldig um verhuͤtung des aͤrgernuͤsses das zu thun/ worzu man sonst an und fuͤr sich selbs nicht ver- bunden waͤre/ und was mittel-dinge sind: wie vielmehr hat man dann dasje- nige nicht aus der acht zu lassen/ worzu man ohne das aus Gottes befehl mit hoͤchstdringenden ursachen verbunden wird/ und also/ welches an sich noͤthig ist/ da wir sehen/ daß wir auch noch durch unterlassung hefftiges aͤr- gernuͤß stifften wuͤrden. Da also nicht nur die liebe/ die wir gegen GOtt/ sondern auch die wir gegen den nechsten haben sollen/ uns die nothwendig- keit dieses wercks zu erkennen geben solte. Aus welchem allem schließlich erhellet/ daß also freilich des heiligen Abendmahls sich zu gebrauchen/ nicht in unserm willen stehe/ sondern Gottes befehl/ desselben nutz und zweck/ war- um es eingesetzt; so dann die schuldige einigkeit der kirchen-glieder/ oder aus dem gegentheil entspringendes aͤrgernuͤß es allerdings noͤthig mache/ und deßwegen niemand in dem stande/ wo man dessen kan theilhafftig wer- den/ sich desselben ohne gefahr der seligkeit zu enthalten vermag. Die andere Frage. Ob wir dadurch von dem gebrauch des heiligen Abendmahls ent- schuldiget werden/ weil wir sonst der uͤbrigen goͤttlichen mittel uns gebrauchen; sonderlich das goͤttliche wort fleissig hoͤren/ und die heilige absoluti on/ wie dieselbe oͤffentlich allen bußferti- gen insgemein gesprochen wird/ annehmen? O B schon sattsam erwiesen/ wie nothwendig das werck an und fuͤr sich selbs ist/ so wuͤrde es doch nicht genug seyn/ wo nicht auch einige hinder- nuͤssen aus dem weg geraͤumet werden/ um welcher willen ein und andere sich dieses noͤthigen mittels ihrer seligkeit enthalten/ und derenthalben ge- nug meinen entschuldiget zu seyn. Unter denselben mag wohl dieses die erste seyn: wenn einige damit gedencken sich zu vertheidigen/ daß GOtt ohne das heilige Abendmahl auch die uͤbrige mittel eingesetzt habe/ sonderlich sein hei- liges wort/ aus dessen anhoͤrung/ und daraus annehmenden trost und abso- luti on sie wohl alles haben koͤnten/ was zu ihrer seligkeit vonnoͤthen seye; und moͤchte also die unterlassung des einigen mittels/ welches durch andere er- setzt werde/ ihnen nichtes schaden. Vorausgesetzt dessen/ daß wirhier re- den/ wie bey der ersten frage bemercket worden/ von denen/ die da das heili- ge Abendmahl haben koͤnnen/ so beantworten wir die frage mit runden nein. Essollen zwahr die uͤbrige mittel/ goͤttliches wort und die absoluti on des P 2 heili- Das dritte Capitel. heiligen Evangelii/ die nach allgemeiner verkuͤndigung denjenigen billich zum trost dienen/ die da des heiligen Abendmahls aus unvermeidlichen hindernuͤssen nicht koͤnnen theilhafftig werden/ ob sie schon darnach hertzlich sich sehnen; nicht aber diejenigen in ihrer haͤrtigkeit besteiffen/ welche meh- rere mittel haben koͤnten/ und sich selbs derselben berauben. Dann nicht da- von zu sagen/ daß solche leute hiermit Gottes des HErrn ordnung still- schweigend straffen/ indem sie dieselbe fuͤr unnoͤthig und also uͤberfluͤssig zu ihrem heyl achten zu seyn/ die doch GOTT angeordnet/ und aber/ was er ordnet/ loͤblich und herrlich ist/ Psalm 111, 3. So stehet 1. Christi befehl noch fest/ und wird durch diese entschuldigung nicht auffgehoben. Der HErr sprach zu seinen juͤngern/ esset und trincket/ auch um die zeit/ da sie die uͤbrige mittel ihres heyls eben so wol hatten. Also die Corinther hatten sie auch/ gleichwol laͤsset Paulus 1. Cor. 11. den befehl der worte der einsetzung auch ihnen guͤltig seyn. Es stehet uns nicht zu/ wie in andern goͤttlichen gesetzen/ also auch in den befehlen/ die zu unser seligkeit gehoͤren/ und die mittel dazu betreffen/ mit GOtt dem HErrn daruͤber zu accordi ren/ daß wir ihm zwahr in diesem und jenem folgen/ hingegen nach belieben an- ders auslassen wolten. Es ist vielmehr eine kette zwischen allen goͤttlichen geboten/ die also an einander haͤngen/ daß keines uͤbertreten wird/ daß nicht die gantze kette auffgeloͤset wuͤrde: sonderlich wann es gar mit diesem vor- wand verknuͤpffet/ daß mans nicht fuͤr noͤthig halte zu seyn/ welches recht das auffloͤsen ist/ Matth. 5/ 19. und Gottes des HErren ehre viel empfind- licher verletzet/ als sonst andere uͤbertretungen. 2. So bleibet gleichfals auch die ursach der nothwendigkeit/ ohnerach et dieser entschuldigung/ ste- hen/ welche von dem zweck und fruͤchten des heiligen Abendmahls genom- men wird. Weil dann nun Christus darinnen das zeugnuͤß seiner liebe und seines todes von dir suchet/ bist du schuldig ihm solche nicht zu verhalten. Dann ob du schon bezeugest/ aus seinem wort und dessen anhoͤrung seiner liebe zeugnuͤß zu nehmen/ und solches mit bekaͤntnuͤß/ gebet und gesang auch von dir vernehmen zu lassen: So thust du zwahr etwas/ das du auch ohne das schuldig bist/ aber du thust gleichwol dasjenige noch nicht/ was eben so wol Christus von dir fordert; wann er dann von dir auch solch wuͤrckliches zeugnuͤß haben will/ welches durch das muͤndliche zeugnuͤß nicht auffgeha- ben wird/ so kan auch solches muͤndliche zeugnuͤß ihm nicht gefaͤllig seyn/ oder als guͤltig von ihm angesehen werden/ aus ansehung dessen/ daß du ihm das andere/ das er von dir auch fodert/ versagest. Es stehet ja dem HErren frey/ seinen dienst also von dir zu fordern/ wie es ihm gefaͤllet/ nicht wie dirs beliebet: also ist es ja in des HERREN macht gestanden/ die art und weise ARTIC. I. SECTIO XXIV. weise vorzuschreiben/ mit welcher er wolte seine liebe von dir geehrt/ und sei- nen todt verkuͤndiget haben. Du aber kanst dich solches gethan zu haben nicht ruͤhmen/ wo du es nicht auff die von ihme vorgeschriebene weise thust. Die fruͤchte/ so wir daraus ziehen/ belangend/ weisen solches auch. Die vergebung der suͤnden wird zwahr freylich durch das wort des Evangelii und die H. absolution ertheilet; aber solten darum andere mittel vergebens und uͤberfluͤßig seyn/ welche GOtt zu diesem zwecke eingesetzet hat? das seye ferne. Wer bey seinem alter noch bekehret wuͤrde/ dem wuͤrden gleich/ ver- moͤge seines glaubens/ und glaubiger annehmung des Heil. Evangelii/ seine suͤnden vergeben: Solte man aber darum ihn nicht auch getaufft haben zur vergebung seiner suͤnden/ weil ihm dieselbe schon vergeben sind. Das wuͤr- de niemand sagen. Also auch hier bedarff der doch auch nach goͤttlicher ord- nung des H. Abendmahls zur vergebung der suͤnden/ der dieselbe auch in an- dern mitteln empfaͤnget. Es verhaͤlt sich hie nicht mit den geistlichen mitteln/ wie mit den leiblichẽ/ da ein krancker/ so numehro duꝛch eine aꝛtzeney von seiner kranckheit gantz befreyt ist/ nicht bedarf/ von derselben auch durch andere artze- neyen frey zu werden; aber bey uns menschen in dem geistlichen/ entstehen nicht allein taͤglich neue ursachen und neue zufaͤlle/ die immer neue artzeneyen erfordern/ sondern es wircken auch die neue mittel mit muthwilliger unter- lassung der andern/ dasjenige nicht/ welches sie wircken solten; indem dieselbe unterlassung selbs wieder eine neue kranckheit und suͤnde ist. Davon bald. Al- so ists freylich auch an dem/ daß wir durch das heilige wort GOttes gespei- set/ und demnach in dem neuen leben ordentlicher weise gestaͤrcket werden; indessen aber wird darum das H. Abendmahl nicht unnoͤthig. Es geschie- het im leiblichen wol/ daß der mensch sich nicht genug mit gewoͤhnlicher speise und tranck staͤrcket/ uñ dadurch zu kraͤften kom̃en kan/ sondern dazu eineꝛ artze- ney/ so auch nicht jeglicher artzeney/ sondern vor andern einer koͤstlichẽ artzeney beduͤrfftig ist: So verhaͤlt sichs auch hier/ daß wir nicht allemal mit der spei- se und taͤglichen artzeneyen des worts GOttes gnug haben koͤnnen/ sondern auch noch koͤstlicheren mittels bedoͤrffen/ das wir in dem H. Abendmahl em- pfangen. Gleicher massen verhaͤlt sichs auch mit der einwohnung CHristi/ und bekraͤfftigung unsers glaubens/ die freylich auch und vornemlich durch das wort und dessen anhoͤrung gewircket werden/ aber dazu die H. Sacra- menta nicht allein auch herrlich helffen/ sondern es wohl zuweilen dahin kom- men kan/ daß ohne dieselbe diese sonst durch das wort erlangende guͤter/ nicht erlanget werden koͤnnen/ sonderlich wenn die eigentliche verachtung dazu koͤmmt/ von dero in der letzten frage. Wenn ein grosser Fuͤrst uns seiner gna- de mit brieff und sigel versicherte/ wir sagten aber/ ey wir wolten des sigels nicht/ sondern wolten bloß seinem wort und brieff trauen/ rissen also das sigel P 3 ab; Das dritte Capitel. ab; da wuͤrde/ wie die versigelung des brieffs vorhin von seiten des HErrn eine sonderbare gnade gewesen war/ derselben verwerffung zum hoͤchsten schimpff angezogen/ und mit straffe angesehen werden. Das thun aber die- jenige/ die zwahr in hoͤrung goͤttlichen worts wollen GOtt dem HErrn glauben/ aber das sigel/ das H. Abendmahl/ so der HErr daran gehencket hat/ so viel an ihnen ist/ abreissen. Also ists auch (3) damit bewandt/ wo wir die nothwendigkeit des H. Abendmahls gezeigt/ wegen des zeugnuͤsses unserer einigkeit mit der christlichen kirchen. Einmal die muͤndliche bekaͤntnuͤß zu unserer kirchen ist noch nicht gnug/ wo man zu der wuͤrcklichen sich nicht verstehen will: sonderlich wird dem aͤrgernuͤß nicht gesteuret. Ja es wer- den sich viele an demjenigen mehr aͤrgern/ der in diesem einigen stuͤck von der kirchen sich zuruͤcke zeucht/ dabey aber in andern ihr glied seyn will/ und den schein eines gottseligen lebens hat/ als uͤber einem oͤffentlichen veraͤchter GOttes. Denn auff diesen gibt man weniger acht/ und weil er bekaͤntlich ein boͤser mensch ist/ wird sein exempel nicht viel geachtet/ sondern ein jeder weiß/ was man an ihm hat. Aber je mehr die sonst scheinende froͤmmigkeit von einem solchen menschen andere einnimmt/ daß sie gutes von ihm halten/ je mehr stossen sich schwache daran: es muͤsse einmal nicht so noͤthig seyn/ was ja dergleichen gottseeliger mensch unterlasse/ der in andern dingen sich so christlich bezeuge. Da gibts scrupel/ und viel gefaͤhrliche anfechtungen/ da- her aber von jener seiten ein schweres gegebenes aͤrgernuͤß. Jst also hieraus zu erkennen/ daß alles dasjenige/ was droben die nothwendigkeit des H. A- bendmahls zu bezeugen angefuͤhret worden ist/ von dieser entschuldigung durchaus nicht auffgehaben werde/ und daher dieselbe nothwendigkeit aller- dings fest stehen bleibe. Dazu denn noch billich zu setzen/ daß wir sagen moͤ- gen/ weil ein solcher mensch in einem erweißlichen suͤnden-stand stehet/ so nutzen auch demselben die uͤbrige mittel der seligkeit so lange nicht/ als lang er in der unterlassung desselben mittels hartnaͤckig beharret. Das H. wort GOttes verspricht vergebung der suͤnden allen bußfertigen suͤndern/ und wer solche verheissung annimmt/ der hat sie gleich in derselbigen selber. Aber wir koͤnnen die nicht fuͤr bußfertige suͤnder erkennen/ die die versaͤumung sol- cher ihrer obliegenden pflicht ihnen nicht lassen leid seyn/ dessen zeugnuͤß ge- nug daran zu sehen/ weil sie sie entschuldigen/ und durch erinnerung davon abzustehen nicht koͤnnen bewogen werden. Dieses ist also eine stets in ih- rem hertzen herrschende suͤnde/ welche sie aus dem stande der busse setzet/ und sind sie also der vergebung der suͤnden nicht faͤhig. Und ob sie wol etwa die verheissung des Evangelii auff sich ziehen/ thun sie es mit unrecht/ und be- triegen sich damit selbs/ so lang/ biß sie solchen stein/ der in dem weg lieget/ diese suͤnde/ von sich ablegen. Bleibet also dabey/ daß dieselbe leute nicht nur ARTIC. I. SECTIO XXIV. nur mit denen ordinari brauchenden mitteln der H. absolution, und des wor- tes GOttes auch schuldig seyn/ des H. Abendmahls sich zu gebrauchen/ son- dern daß in unterbleibung desselben/ die uͤbrige mittel alle insgesamt ihnen nichts nutzen/ sondern vielmehr ihren stand so viel gefaͤhrlicher machen/ und ihr verdammnuͤß vermehren koͤnnen. Die dritte Frage. Ob unsere unwuͤrdigkeit uns von dem H. Abendmahl abhalten/ und solche entschuldigung angenommen werden solle? E S verstellet sich der teuffel auch in einen engel des liechts/ 2. Cor. 11/ 14. und suchet also offt bey uns/ wo er uns zu etwas boͤses verleiten will/ dasselbe durch dergleichen ursachen/ die nicht allein bey andern/ sondern auch wol etwa bey uns selbs zuweilen das ansehen der gottseligkeit haben/ zu we- ge zu bringen: ob wol in der that man sich selbs betrieget. Dazu gehoͤret auch gegenwaͤrtige entschuldigung/ wo unser fleisch uns uͤberreden will/ daß/ weil wir allerhand suͤndliche schwachheiten an uns haben/ ja derselben nie- mal uns voͤllig entbrechen koͤnnen/ wir wegen solcher unwuͤrdigkeit uns nicht unternehmen sollen/ zu solchem H. tisch uns zu nahen/ und daselbs den leib und blut des allerheiligsten zu geniessen; weil ausdruͤcklich Paulus 1. Cor. 11. uns warne/ nicht unwuͤrdig hinzuzugehen. Lautet das nicht eine gottselige entschuldigung zuseyn/ daß man sich zu unwuͤrdig halte/ einer dergleichen ho- hen ehre/ Gottes selbs/ theilhafftig zu werden. Diese demuth solte man mei- nen GOtt wolzu gefallen. So solte man auch meinen/ man ehre ja Christum so viel hoͤher/ so viel ernstlicher man seine eigene unwuͤrdigkeit erkenne: Und ist ja dieses ein werck der Gottesfurcht/ weil man diese himmlische gaben nicht will mit seiner unwuͤrdigkeit entheiligen. So lautets freylich/ wo wirs nach dem eusserlichen ansehen. Aber lasse sich hier keiner verfuͤhren/ es stecket mehr boͤses darunter als man meinet. GOtt will dasjenige was wir thun sollen/ nicht davon verurtheilet haben/ wie es uns irgend anstaͤndig und fein deuch- te zu seyn/ sondern nach seiner regel und ordnung. Sonderlich will GOtt der HErr nicht leiden/ wenn er uns wuͤrdigen will seiner gnade/ daß wir aus einigem vorwand der unwuͤrdigkeit/ uns ihm und derselben entziehen sollen. Das leget er/ obs schon den nahmeneiner wahren ehrerbietung solte haben/ fuͤr einen schimpff und verachtung aus/ gleich ob verstuͤnden wir besser/ wer wuͤrdig zu diesem oder jenem seye/ als er der HErr selbs. So gings Petro/ da der HErr ihm wolte die fuͤsse waschen/ Joh. 13/ 6. da deuchte es ihm all- zuviel zu seyn/ daß er dieses zugeben solte; sprach also: HErr soltestu mir die fuͤsse waschen! ja er wolte es nicht leiden/ obschon der HErr sagte/ er thue es aus guten ursachen: verdient aber von dem HErrn dadurch einen gu- Das dritte Capitel. guten verweiß; jedoch ließ er sich weisen. Es ist freylich so/ daß/ wenn wir unfere vernunfft fragen/ so ist niemand wuͤrdig zu diesem heiligen wercke/ Gottes des HErrn seinen eigenen leib und blut in dem H. Abendmahl zu em- pfangen/ als wer vollkom̃en heilig uñ ohne alle suͤnde ist/ weil einem heiligem gast auch eine heilige herberge gebuͤhꝛet. Aber das ist der vortheil unserer ver- nunfft/ die wie in andern dingen/ also auch hierinne eine thoͤrin ist/ und sich nicht in goͤttliche gnaden-geheimnuͤsse richten kan. Jst aber denn jetzo diese ver- meinte demuth nicht vielmehr geistlicher hochmuth/ daß wir also die sache bes- ser verstehen wollen/ als Christus sie verstanden habe/ der gleichwol armen suͤndern/ die da an sich unwuͤrdig sind zum besten/ dieses Heil. Abendmahl ein- gesetzet hat? Dahin bringet uns endlich unser fleisch/ daß wir unvermerckt e- ben dasjenige begehen/ was wir zu fliehen gedencken. Wie aber/ moͤchte je- mand sagen/ kan man denn mit gutem gewissen/ unwuͤrdiger weise zum H. A- bendmahl gehen/ das doch Paulus verbeut 1. Cor. 11. Hierauff ist zu mer- cken/ daß zweyerley unwuͤrdigkeit seye: eine unwuͤrdigkeit ist nach dem gesetz/ und heisset diejenige/ wo wir nicht die gehoͤrige vollkommene heiligkeit und gerechtigkeit an uns haben/ die wir haben solten/ sondern vielmehr fuͤhlen an uns allerhand suͤnden und maͤngel/ um welcher willen wir vor GOtt dem HErrn/ da er nach seinem gesetz und strengen gerechtigkeit mit uns handeln wolte/ nicht erscheinen/ oder etwas gutes von ihm erwarten solten. Diese unwuͤrdigkeit ist bey uns allen/ massen wir in suͤnden alle gebohren sind/ auch aus der verderbten natur allerhand suͤnde begangen haben/ ja sie bleibet al- lezeit bey allen/ auch wahren kindern GOttes. Aber sie hindert so gar nicht an dem gebrauch des H. Abendmahls/ von dem sonsten alle menschen bleiben muͤsten/ weil sothane unwuͤrdigkeit bey allen sich befindet/ daß um derselbi- gen willen wir so vielmehr ursache haben dazu zu eilen. Diese unwuͤrdigkeit ist unsere allgemeine kranckheit/ dazu aber wir in dem heiligen Abendmahl eine tuͤchtige artzeney finden. Wir melden ja uns bey dem H. Abendmahl nicht an/ als fromme und gerechte leute/ sondern als arme suͤnder/ die der ver- soͤhnung um des HErrn JEsu willen/ welcher den suͤndern zu gut gekommen ist/ beduͤrfftig sind. Derowegen auch bey darreichung der H. pfaͤnde nicht gesagtwird/ nehmet hin/ esset und trincket/ das ist um eurer gottseligkeit wil- len dahin gegeben und vergossen/ sondern um eurer suͤnde willen. Ja weil das H. Abendmahl auch vergebung der suͤnden ertheilet/ so findet es bey de- nen auch sunde/ die es fruchtbahrlich gebrauchen. Bey wem aber suͤnde ist/ da ist auch die wuͤrdigkeit nach dem gesetze nicht. Streitet demnach diese ein- bildung/ da wir meinen/ solche unwuͤrdigkeit schliesse uns von dem H. Abend- mahl aus/ selbs wider den zweck desselben/ und macht es uns allerdings un- nuͤtz. Denn wer da selbs gerecht/ und an sich heilig waͤre/ beduͤrffte Christi und ARTIC. I. SECTIO XXIV. und seines nachtmahls nicht. Wir werden aber keinen solchen finden. Hin- gegen ist eine andere unwuͤrdigkeit nach dem Evangelio/ welche darin beste- het/ wo man nicht goͤttliche gnade auff gebuͤhrende weise erkennen und anneh- men will. Von der gestehen wir gerne/ daß solche unwuͤrdigkeit an dem H. Abendmahl hindere; aber sie machet den menschen nicht nur allein zu die- sem H. gut/ sondern auch zu allem genuß goͤttlicher gnade untuͤchtig. Damit man aber recht diese unwuͤrdigkeit verstehen moͤge/ muß in obacht genommen werden/ wer da zu dem H. Abendmahl wuͤrdig seye/ woraus die unwuͤrdig- keit auch leicht verstanden wird. So erfordert nun diese wuͤrdigkeit nichts/ als die hertzliche und ernstliche busse; daß nemlich der mensch zum 1. zwahr seine angebohrne und aus andern begangenen suͤnden herfliessende unwuͤr- digkeit/ denn auch seine suͤnde hertzlich erkenne/ GOtt dem HErrn beichte/ und sich von grund der seelen druͤber betruͤbe/ auch erkenne/ wie GOtt ursache haͤtte/ nach seinen zorn/ uns wegen unser mißhandlung willen von seinem an- gesicht zu stossen/ und ewiglich zu verdammen/ so dann/ daß uns kein mensch aus solcher unser noth helffen koͤnne. 2. Muß der wahre glaube dazu kom- men/ daß man gleichwol in ansehung solcher seiner suͤnde nicht verzage/ son- dern erkenne und glaͤube/ das verdienst Christi sey noch viel groͤsser/ als un- sere suͤnden sind/ es sey auch absonderlichfuͤr unsere suͤnde geleistet/ und dem- nach dieselbige dadurch getilget; Ja weil Christus sich selbs/ und was er hat/ uns zu eigen geschencket/ so seyn wir ohnfehlbarlich um seinet willen bey un- serm himmlischen Vater in gnaden. Aus solchen glauben muß nachmal die hertzliche gegen-liebe gegen GOtt herkommen; ja der glaube/ wo er hertzlich ist/ bringt sie ohnerfordert mit sich/ daß man wegen der abermaligen goͤttli- chen gnade ihm vornehme/ den suͤnden mehr und mehr abzusterben/ und im neuen gehorsam Gott dem HErrn gefaͤllig zu leben/ auch um seinet willen un- sern nechsten hertzlich zu lieben. Das sind die stuͤcke und fruͤchte der wahren busse/ die allein wegen des einen stuͤcks/ des glaubens aus dem Evangelio/ uns zu dem heilsamen gebrauch des Heil. Abendmahls wuͤrdig machet/ und also deren gegensatz allein die unwuͤrdigkeit verursachet/ die uns von dem ge- brauch des H. Abendmahls abhaͤlt. Fraget sich also/ wer unwuͤrdig sey zu dem H. Abendmahl? so heists gleich/ derjenige/ der entweder seine suͤnde nicht begehret zu erkennen/ sondern sich einbildet/ fuͤr sich selbs gar fromm zu seyn; seine suͤnde vertheidiget/ gefallen daran hat/ und noch meinet/ GOtt duͤrffe doch daruͤber nicht zuͤrnen; oder der da nicht sich mit wahren glauben an Chri- stum haͤlt/ will in etwas anders seine seligkeit suchen/ der zweiffelt allerdings an goͤttlicher gnade. Oder endlich/ der nicht begehret sein leben zu bessern und gottseliger zu werden/ sondern in seinen suͤnden-dienst fortzufahren. Wer der haar ist/ der heist unwuͤrdig/ und der bleibe allerdings in solchem stande von dem H. Abendmahl: Ja wenn ein solcher auch schon desselben sich wolte Q ge- Das dritte Capitel. gebrauchen/ solte es wissentlich ihm in diesem stande nicht einmal gereichet werden. Aber ein solcher mensch ist nicht allein untuͤchtig zu dem Heil. Abend- mahl/ sondern er ist gar auch ausser dem gnaden-stand/ und in augenblickli- cher gefahr der verdammnuͤß/ welche stunde ihn GOtt also hinweg ruffen solte. Ein solcher mensch kan nicht beten/ kein vertrauen gegen GOtt haben/ auch gehet ihm der trost des Evangelii nicht an/ und wuͤrde er 1000 mal ab- solviret/ hilffts ihm aus eigner schuld nichts/ sondern er koͤmmt immer tieffer in des satans stricke. Sind also die stuͤcke/ die zu dem H. Abendmahl und wuͤꝛdigen vorbereitung dazu/ gehoͤren/ eben diejenigen/ welche jeglicher Christ taͤglich an sich haben muß/ wo er GOtt gefallen solle/ ohne allein/ daß eben um solche zeit man bey empfangung des H. Abendmahls mit fleißiger pruͤ- fung/ betrachtung/ gebet/ und solchen heiligen uͤbungen/ dasjenige noch in- bruͤnstiger thue/ was gleichwol an sich selbs alle tage in unsern hertzen seyn und vorgehen muß. Daher ein solcher mensch/ der da vorgibt wegen seiner unwuͤrdigkeit sich des H. Abendmahls zu enthalten/ auff vorhaltung nechst angedeuteteꝛ stuͤcke eins nothwendig gestehen muß/ entweder er suche die wuͤr- digkeit des gesetzes; wo wir ihm gerne gestehen/ daß ihm das H. Abendmahl nichts nutze sey/ aber dazu setzen/ daß er von Christo abgefallen/ und ihm einen eigenen weg gen him̃el duꝛcheigene geꝛechtigkeit veꝛgebens bahnen wolle; odeꝛ es seye mit seiner eingebildeten unwuͤrdigkeit nichts/ sondern er koͤnne die wuͤrdigkeit wohl haben/ die zu diesem heil. wercke gehoͤret/ wo er nur GOttes gnade bey sich platz lassen wolle/ oder er sey ein unbußfertiger mensch/ der um der ursache willen gar unter die kinder GOttes nicht gezehlet werden kan/ die- weil er damit/ wann er sich fuͤr unwuͤrdig selbs erkennet/ gestehet/ er wolle entweder seine suͤnde nicht erkennen/ oder er begehre nicht an Christum zu glauben/ oder er begehre nichts gutes zu thun. Aus diesen 3. erwehle jeglicheꝛ/ der diese entschuldigung fuͤhret/ ein stuͤck/ welches ihn unwuͤrdig mache. Aber es wird ein jeglicher sehen/ daß alle 3. so bewandt sind/ daß sie bereits den men- schen gar von goͤttl. gnaden ausschliessen. Will er aber keines von sich gestehẽ/ sondern davor angesehen seyn/ daß er seine suͤnde erkeñe/ an Christum glaube/ uñ begehre taͤgl. froͤm̃er zuweꝛden/ so ist eꝛ ja nicht unwuͤrdig. Jst eine sache/ die so klahr ist/ daß sich da keiner ausnehmen darff/ sondern wo er nicht will fuͤr ei- nen solchen menschen gehalten werden/ der gar nicht werth ist/ den christl. nah- men zu fuͤhren/ so muß er gestehen/ er sey nicht so unwuͤrdig/ daß er von dem H. Abendmahl sich selbs ausschliessen muͤste/ sondern es sey dasselbe in blosser einbildung/ oder nur gesuchte und erdichtete ursach. Wiewol wir alsdenn mit wahrheit sagen koͤnnen/ daß ein solcher eben dadurch wahrhafftig un- wuͤrdig werde/ aber aus muthwillen/ weil er leicht durch goͤttliche gnade sich wuͤrdig dazu machen und dieses erlangen kan/ was GOttes gnaͤdiger wille zum ARTIC . I. SECTIO XXIV. zumfruchtbahrlichen gebrauch dieses wercks von uns erfordert. Der schluß ist dieser: keiner ist unwuͤrdig zu dem H. Abendmahl/ als der da ihm seine ei- gene unwuͤrdigkeit laͤst lieber seyn/ als GOttes gnade/ die ihn begehret wuͤr dig zu machen: Und wer da zu dem H. Abendmahl nicht wuͤrdig ist/ der ist auch in solchem stande/ dariñ er nicht selig werden kan/ daher er billig sich fuͤr- zusehen hat/ seine seele zu retten: hingegen wer da in dem stande ist/ da er se- lig werden/ da er beten kan/ da er des trosts des H. Evangelii und der abso- lution faͤhig ist/ der ist auch tuͤchtig zum H. Abendmahl. Jst also auch diese entschuldigung nicht erheblich/ und haben/ die damit angefochten werden/ ihnen billig davon helffen zu lassen. Die vierdte Frage. Ob uns von des H. Abendmahls gebrauch entschuldige/ weil wir se- hen/ daß wir doch immer wiederum nach dem gebrauch desselben/ da wir doch GOtt besserung versprochen haben/ in suͤnde fallen? D Jeses ist eine neue entschuldigung/ so zwahr in gewisser maaß zu der vor- hin betrachteten unwuͤrdigkeit auch gezogen werden koͤnte. Sie ist aber eben von dem ursprunge her/ nemlich wie zum foͤrdersten aus der fleischlichen vernunfft/ also auch wol von dem heiligen satan/ der abermal unter dem schein der froͤmmigkeit/ daß man goͤttliche ehre nicht entheiligen wolle/ den menschen suchet um das theure mittel seines heils zu bringen. Deswegen man auff ihn abermal gar wol acht zu geben hat/ daß man seinen betrug fein lerne erkennen. Ehe wir aber auff die frage eigentlich antworten/ ist gleichwol voraus zu setzen/ daß wir dero leichtfertigkeit durchaus nicht billigen/ son- dern von hertzen verfluchen und verdammlich halten/ welche da entweder nie- mal den guten vorsatz gehabt haben/ ihr leben zu bessern/ wodurch sie denn unwuͤrdig zu dem Sacrament gegangen zu seyn/ selbs zeigen; oder aber/ die/ wann es ihnen schon mit dem verspruch etwas ernst gewesen waͤre/ gleichwol wenn die erste andacht kaum vorbey ist/ bald erkalten/ und sich nicht befleißi- gen/ auch thaͤttlich ihren verspruch der besserung ins werck zu setzen/ sondern fangens an/ wo sie es vorhin gelassen/ und fahren gerad wieder in den vori- gen suͤnden fort. Jndem von diesen auch zu schliessen ist/ daß die buß nicht recht hertzlich gewesen seye/ weil so gar geschwinde sie wieder zu den suͤnden kehren/ die sie vorhin beꝛeuen sollen/ uñ das ansehen dazu haben haben wollen. Wie ists aber muͤglich/ daß man das alsobald wieder ungescheut thue/ was gerad vorher uns inniglich leid gewesen/ daß mans gethan hat. Jndem al- so solche leute mit der busse spielen/ so betriegen sie darum GOtt nicht damit/ und haben vor ihm den nahmen der unbußfertigen/ ob sie wol vor der welt/ als die in das hertz nicht sehen kan/ den nahmen der busse/ ob haͤtten sie sie ge- than/ erhalten: ja sie werden je laͤnger/ je verhaͤrteter. Vielmehr erfordern Q 2. wir Das dritte Capitel. wir freylich/ daß ein jeglicher wuͤrdiger communicant nicht nur allein den eif- ferigen vorsatz der besserung des lebens zu dem tisch des HErrn bringen sol- le/ sondern auch nachmals schuldig sey auffs muͤglichste sich zu befleißigen/ damit er ihn ins werck richten moͤchte; derohalben sich fleißig vornemlich fuͤr den suͤnden zu huͤten/ die vorhin irgend ihn in seinem gewissen getruckt haben/ auch um die krafft dazu zu erlangen/ des H. Geistes beystand taͤglich anzuruf- fen/ daß er/ was wir nicht vermoͤgen/ in uns verrichten wolle. Vorausgesetzt dessen/ so erinnern wir uns billich derjenigen unvollkommenheit/ die allemal bey auch gottseliger Christen neuem gehorsam sich zu finden pfleget/ daß nemlich wir niemal die besserung so weit bringen koͤnnen/ als wir christlich wuͤnscheten; denn wir tragen noch das fleisch bey uns/ so da stets den guten vorsatz des Geistes hindert/ wie Paulo selbs geschehen nach seiner klage. Al- so/ ob schon fromme Christen/ wenn sie etwa vorhin in schwehre suͤnden gefal- len sind/ aber durch die buß sich wieder auffgerichtet haben/ darnach in ihrem neuen gehorsam sich huͤten/ nicht wieder an den vorigen stein anzustossen: so bleiben sie doch menschen/ und stossen indes anderwaͤrts an/ in andern suͤnden. Oder es geschiehet wol zuweilen/ daß denn wiederum die schwachheit des fleisches (damit wir doch nicht die boßhafftigen suͤnden und also grobe eusser- liche laster verstehen) sie auch in der vorigen uͤbereilet/ oder doch sie in gefahr derselben stehen. Dieses ist diejenige unvollkommenheit/ dero wir nicht in abrede sind. Und wann davon die frage verstanden wird/ wie sie denn ver- standen werdensolle/ so sagen wir wiederum nein zu derselben. Es sey nem- lich auch diese entschuldigung/ daß man solcher schwachheit-fehler nicht voͤl- lig frey werden kan/ nicht guͤltig/ indem sie sich gruͤndet auff dem falschen prin- cipio, ob solten wir goͤttlicher gnaden-guͤter insgesamt uns nicht gebrauchen/ so lang wir wiederum in suͤnde fallen koͤnnen. Welches offenbahr falsch ist. Denn auff diese weise/ solten wir auch die H absolution nicht suchen/ weil doch nachmals wir wieder in suͤnde fallen/ und kan keine genugsame ursache angezogen werden/ warum wir die vergebung der suͤnden/ bey noch waͤhren- der gefahr kuͤnfftiger suͤnden/ in einem mittel/ dem goͤttlichen wort und der absolution suchen wolten/ nicht aber auch in dem andern/ nemlich dem Heil. Abendmahl. Solte dieses gelten/ so muͤste man ja auch die kinder o- der andere/ die sich bekehren/ nicht tauffen/ weil sie doch nachmals das reine kleid der unschuld/ damit sie in der tauff begabet worden/ mit suͤn- den wiederum beflecken. Wie denn bey den alten Christen etliche daraus in den aberglauben gefallen sind/ daß sie die tauffe bis auff ihr letztes ende verspahreten/ damit sie nach empfangung derselben nicht mehr suͤndig- ten. War aber ein gefaͤhrlicher irrthum/ wider welchen die kirche damal sehr zu streiten hatte. Gottes wort gibt uns keinen anlaß dazu. Christus gab das heilige Abendmahl seinen juͤngern/ die ja freylich nachmal alle noch wie- ARTIC. I. SECTIO XXIV. wiederum gesuͤndiget haben/ und es Christus wol wuste/ ja sie selbs sich nicht wuͤrden dafuͤr ausgegeben haben/ daß sie ins kuͤnfftige niemal mehr suͤndi- gen wuͤrden. Der HERR lehret uns taͤglich um vergebung der suͤnde in unserm Vater Unser beten/ so ist er uns dann auch bereit dieselbe krafft un- sers glaubens taͤglich zu geben; solten wir solche aber deßwegen nicht begeh- ren oder annehmen/ weil noch kuͤnfftig wir wieder suͤndigen/ und der verge- bung auffs neue bedoͤrffen werden/ sondern es dahin spahren wollen/ daß es dermaleins auff einmal geschehen moͤchte? das wird ja jedermann selbs fuͤr ungereimt erkennen. So ists dann nicht weniger ungeschickt/ das heilige Abendmahl um der ursach willen zu unterlassen. Ja hieraus wuͤrde folgen/ daß dann es allein vor diejenigen eingesetzet waͤre/ die in dem zustand begrif- fen/ nunmehro durch den tod von der welt abzuscheiden/ weil alsdann allein keine weitere suͤnde mehr zu befahren waͤre/ ja weil man solches selten von den leuten gewiß sagen kan/ indem viele wieder auffkommen und darnach wieder in die gefahr der suͤnde fielen/ die bereits in des todes rachen zu ste- cken schienen/ waͤre es auch denselben zu reichen nicht sicher. Wo bliebe aber des HErrn einsetzung/ die davon nichts meldet; vielmehr solches heilige werck offt will wiederhohlet haben/ und also freylich auch/ nachdem man nach dem vorigen mal wieder in suͤnde gefallen war? Welches alles weiter aus- zufuͤhren nicht bedarff. Die fuͤnffte Frage. Ob uns entschuldige/ weil wir andere unwuͤrdig zum tisch des HErrn sehen gehen/ und wenig fruͤchte der busse von ihnen spuͤhren koͤnnen? W Je billich hier abermal gar nicht diejenigen Prediger/ welche aus nach- laͤssigkeit/ oder sonsten mangel des gebuͤhrenden eiffers/ leute/ die da in offentlichen und vorsetzlichen suͤnden leben/ ohne rechtschaffene pruͤffung/ und demnach wissentlich unwuͤrdige/ ohne alles/ was ihr amt vermag an ihnen zu thun/ zu dieser heiligen mahlzeit lassen/ dadurch aber nicht nur die perlen/ (nach der redens art Matth. 7/ 6. wo zwahr von dem heiligen Abendmahl nicht eigenlich gehandelt wird/) sondern was edler ist als die perlen/ die himmlische und goͤttliche speise den schweinen vorwerffen: von welchen/ wo sie nicht alles muͤgliche dagegen versucht/ sondern in ihrem amt sorgloß ge- wesen/ GOTT die seelen derer/ die durch diesen unwuͤrdigen gebrauch des heiligen Abendmahls sich in die verdammnuͤß noch tieffer stuͤrtzen/ und die schmach/ die dadurch ihnen selbs widerfaͤhret/ mit strengem urtheil fordern/ und an ihnen raͤchen wird. Also entschuldigen wir auch eben so wenig diesel- be/ die den thener-gethanen verspruch das leben zu bessern/ in den wind schla- Q 3 gen/ Das dritte Capitel. gen/ und kaum einmal daran gedencken/ wenn sie von dem beichtstuhl und altar weg sind: sondern sagen vielmehr/ daß solche durch den gebrauch des heiligen Abendmahls nicht gebessert worden/ sondern sie werden noch mehr und mehr verhaͤrtet/ zu ihrer endlichen verdammnuͤß. So viel wird gern gestanden. Es ist aber hiervon die frage nicht/ sondern ob jetzt umder ursach willen/ und wegen solches aͤrgernuͤsses/ andere sich des heiligen Abend- mahls mit guten gewissen enthalten koͤnnen? Da wird abermal mit nein ge- antwortet; dann das andere der goͤttlichen gnaden-guͤter mißbrauchen/ soll bey uns den rechten gebrauch nicht auffheben; oder wolten wir Gottes nah- men nicht heiligen deßwegen/ weil er von andern entheiliget wird? vielmehr bringts die schuldigkeit mit/ daß je mehr der HERR von denen beschimpffet wird/ die unwuͤrdiglich ihn zu essen sich nicht entbloͤden/ je mehr wir durch rechten gebrauch ihn zu essen/ uns angelegen seyn lassen. Es wuͤrde sonst auch auff gleiche weise folgen/ weil nicht nur viele/ sondern die meisten das wort Gottes ohne nutz hoͤren/ und sich so wenig daraus bessern/ daß sie viel- mehr immer aͤrger und gottloser dabey werden/ man auch dasselbe nicht hoͤ- ren sondern sich sein enthalten doͤrffte: oder von leiblichen exempeln zu re- den/ weil etliche die artzney unrecht und ohne gehoͤrige vorbereitung zu ih- rem schaden gebrauchen/ auch wol daruͤber das leben einbuͤssen/ wo einer deß- wegen in seiner kranckheit auch nicht wolte die artzney rechtmaͤssig gebrau- chen/ ein solcher wuͤrde mit seiner einbildung billich von verstaͤndigen leu- ten ausgelacht und fuͤr einen thoren gehalten werden. Auff gleiche weise haͤlt sichs auch mit dieser geistlichen artzeney/ wo dero bey andern merckender mißbrauch zwahr eine vorsichtigkeit bey uns/ dieselbe mit besserer frucht zu gebrauchen/ wircken/ aber nicht derselben gar uns zu enthalten/ ausrichten solle. Solches nun weiter zu zeigen/ so muͤste dieses absehen anderer ihrer gottlosigkeit diese unterlassung bey uns verursachen/ entweder/ weil wir mit der kirchen keine gemeinschaft haben wolten/ bey dero solche gottlose leute sich finden und communici ren; oder daß wir dafuͤr hielten/ wir machten uns da- mit ihrer/ der mit- communican ten suͤnden theilhafftig; oder weil wir das hei- lige Abendmahl fuͤr unkraͤfftig halten/ indem in solchen exempeln es bey den lenten die besserung nicht habe gewuͤrcket/ auch deßwegen bey uns eben so wol nichts mehrers wuͤrcken wuͤrde. Aber auff keine weise wird etwas folgen. Wehlete man das erste/ ists derjenige irrthum/ der laͤngst von der christlichen kirchen verworffen/ und aus der schrifft zur genuͤge widerleget ist worden/ ob muͤste die kirche hier auff erden also rein und heilig seyn/ daß bey derselben sich keine gottlose finden solten/ oder man muͤste in entstehung dessen von dersel- ben abtreten. Die Apostolische kirche selbs fand unter ihnen schwehre aͤr- gernuͤsse und gottlose leute/ indessen trenneten sich dero glieder nicht/ daß um der ARTIC. I. SECTIO XXIV. der ursach willen sich die andere der communi on enthalten haͤtten. Wie gottloß Ananias und Sapphira/ nemlich heuchler in der haut gewesen/ sehen wir Ap. Gesch. 5. sie werden aber eben so wol unter den andern offt mit zu dem tisch des HErrn gegangen seyn; solten darum andere nachmahl sich des heiligen Abendmahls enthalten haben? das sehen wir nicht. Ja die Apo- stel hatten selbs sehen muͤssen/ daß Judas/ nachdem er das heilige Abend- mahl bey eben der ersten einsetzung empfangen/ nur verteuffelter dadurch worden ist: unter dessen haben sie es nachmal darum nicht ferner zu brauchen unterlassen. Da auch aus solchem exempel ferner zu sehen ist/ daß auch Prediger zuweilen mit gutem gewissen/ denen die da/ so viel der Prediger weiß/ unwuͤrdig sind/ hingegen solche unwuͤrdigkeit nicht eusserlich erweißlich ist/ und sie von aussen das gegentheil heuchlerischer weise von sich sehen las- sen/ dasselbe reichen koͤnnen/ ja muͤssen: wie hie Christus es dem verraͤther gab/ deme er doch in das hertze sahe/ und also wuste/ wie voll teufflischer boß- heit es stecket. Also moͤchte auch das andere bedencken nicht platz haben. Dann so wenig meine hertzliche busse einem andern unbußfertigen nutzet/ so wenig mag hingegen eines andern unbußfertigkeit/ neben dem ich communi- ci re/ mir nachtheilig seyn/ wofern ich gleichwol in wahrer buß hinzu gehe. Es lebet der gerechte seines glaubens Hab. 2/ 4. Und schadet keinem eines anderen/ sondern alleine seine eigene unwuͤrdigkeit. So mache ich mich ja auch des andern unwuͤrdigkeit und suͤnde nicht theilhafftig/ indem ich vielmehr uͤber dasjenige/ so ich davon sehe/ mich hertzlich betruͤbe/ und von GOtt ihre hertzen zum besseren zu leiten anruffe. Daher dero absehen viel- mehr gutes bey mir erwecket. Solte aber der mit- communican ten suͤnde einem frommen hertzen zugerechnet werden/ wie wuͤrde es denen lieben Apo- steln ergangen seyn/ wegen des gottlosen Judaͤ? und wie haͤtte Christus seinen Aposteln die schwehre suͤnde unwissend auffbuͤrden wollen/ da er Ju- dam mit ihnen communici ren lassen/ daferne einer des andern entgelten muͤ- ste. Die dritte absicht ist nichts besser/ denn derselbe will gar die boßheit des unwuͤrdigen unverantwortlicher weise der himmlischen speise selbs zuschrei- ben/ da doch/ daß boͤse leute keine besserung von dem gebrauch des heiligen Abendmahls spuͤren/ nicht ursach ist der leib und blut des HErrn selbs/ wel- cher ja kraͤfftig genug ist an und fuͤr sich selbs/ sondern daß sie dieselbe nicht wollen bey sich fruchtbarlich wuͤrcken lassen. Es widerstreben ja die leute auch offt selbs dem wort Gottes/ ja dem heiligen Geist/ und lassen denselben nicht in sich wircken/ solten wir darum sagen/ daß der heilige Geist und sein wort unkraͤfftig waͤren? das sey ferne Versuche es viel lieber selbs/ da andere das heilige Nachtmahl ohne nutzen empfangen haben/ und gebrauche es mit hertzlicher busse/ so wirst du auß dem daraus schoͤpffendẽ nutzen bey dir finder/ daß Das dritte Capitel. daß bey andern leuten/ nicht dieser himmlischen guͤter schuld gewesen/ daß nichts gefruchtet worden ist. Die sechste Frage. Ob die schwehre straffe/ welche GOTT den unwuͤrdigen commu- nican ten gedrohet/ eine gnusame entschuldigung sey/ sich dessen zu enthalten? E S ist an dem/ daß weil Paulus sagt 1. Cor. 11/ 27. 29. daß wer unwuͤrdig zu dem tisch des HErrn gehet/ ihm selbs das gericht esse/ und sich an dem leib und blut des HErren schuldig mache/ solche bedrohung nicht nur zuwei- len selbs sromme Christen etwas verzagt machet/ und sich ihr fleisch dessel- ben gebrauchet/ sie durch forcht eine weile davon abzuhalten/ sondern viel- mehr bringet solches bey denen/ die ihnen ihrer suͤnden/ und beharlichen vor- satzes zu suͤndigen bewust sind/ zu wegen/ daß sie erschrecken wann sie an das heilige Abendmahl gedencken/ indem sie wissen/ daß sie in solchem zustande fuͤr die seligkeit gar ihre verdammnuͤß daselbs holen wuͤrden. Aber wo sie mei- nen/ dadurch entschuldiget zu seyn/ irren sie weit; denn so gehet solche gefahr nicht alle an/ sondern allein die unwuͤrdig zum tisch des HErrn gehen. Nun fordern wir ja von keinem/ daß er solches thun solle/ ja wollen nicht wissen- lich einen dazu lassen. Was gehet aber dieses den wuͤrdigen gebrauch an/ der so viel mehr nutzen bringt/ als der unwuͤrdige straffe nach sich zeucht? wer ja auch das wort Gottes unbußfertig hoͤret/ dem wird an jenem tag jegliches wort/ so er gehoͤret hat/ neue flammen der hoͤllischen quaal erwecken; wilt du dan darum Gottes wort nicht hoͤren? Es ist mit beyden einerley bewandnuͤß. Ja vom zeitlichen ein exempel zu nehmen: wer sich in einen gewissen beruff und amt begibt und dazu brauchen laͤsset/ der setzet vor sich solchen stand/ da er/ wo er nicht redlich sich halten/ und dem amt ein genuͤgen nach seinem be- sten gewissen leisten will/ die hoͤlle daran verdienen kan. Solte aber deswe- gen ein mann/ dem GOtt die gaben gegeben hat/ dieselbe nicht anwenden wollen um solcher gefahr willen/ so haͤtte er als ein schalcks- und fauler knecht sein urtheil abgefasset Luc. 19/ 22. 23. Eine andere bewandtnuͤß haͤtte es/ wo man nicht mehr die stuͤcke/ die uns zum heilsamen gebrauch wuͤrdig ma- chen/ haben koͤnte/ oder sie GOtt nicht bey uns wircken wolte/ sondern wir in stetem zweiffel stehen muͤsten/ ob wir auch nunmehr wuͤrdig seyn oder nicht. Da moͤchte die furcht erheblich seyn/ sich in die gefahr nicht begeben zu wol- len/ da wir nicht versichert waͤren/ daß wir bestehen moͤchten. Nun verhaͤlt sichs aber gar anders/ und ist in der dritten frage gezeigt/ wie GOtt nichts anders von uns fordere/ als allein hertzliche reue/ glaubiges vertrauen/ und eiffrigen vorsatz: ja wir wissen/ daß der HErr alle diese stuͤcke gern in uns wir- ARTIC . I. SECTIO XXIV. wircken wolle/ wo wirs nur wolten annehmen. Daher die gefahr/ die die unwuͤrdige betrifft/ denen nicht gilt/ die sich wuͤrdiglich bereiten wollen. Viel- mehr geben solche leute/ die aus dieser utsache beharrlich sich des H. mahls enthalten/ zu erkennen/ sie muͤssen dergleichen etwas heimlich bey sich stecken haben/ um welches willen sie in ihrem gewissen uͤberzeuget sind/ daß sie nicht koͤnnen hinzugehen/ sondern aller gebrauch bey ihnen wuͤrde ein unwuͤrdiger gebrauch seyn/ vor dem sie sich billich fuͤrchten: nemlich/ daß sie einiger suͤnde wider das gewissen nachhaͤngen/ die sie noch nicht zu lassen entschlossen sind/ und dennoch wissen/ daß sie nicht zur busse/ so lange sie dieselbe suͤnde hegen/ tuͤchtig sind. Aber sie entfliehen darum nicht. Dann 2) doͤrffen sie nicht mei- nen/ daß deßwegen sie goͤttlichem gerichte entgehen. Dann wo sie in dem stan- de sind/ da sie nicht wuͤrdiglich koͤnnen zu dem tisch des HErrn gehen/ so ste- hen sie/ wie oben in der dritten frage auch erwiesen/ allerdings ausser goͤttli- cher gnade/ und unter dem zorn GOttes. Sie haben an GOtt keinen gnaͤdi- gen Vater/ sondern einen zornigen Richter; das verdienst Christi und des hei- ligen Geistes gnade gehet sie nicht an/ sondern der fluch schwebet uͤber ihnen/ so lange sie also beharren. Dahero sie vergebens meinen/ mit enthaltung des heiligen Abendmahls die sache gut zu machen: Sie stecken schon tieff ge- nug in der hoͤlle. Da machen sie sich keine andere rechnung. Dann wer da herrschende suͤnde in seinem gewissen ligen hat/ denselben nachhaͤnget/ und nicht durch buß sie ableget/ der liegt bereits in GOttes gerichte/ ob er schon das heilige Abendmahl niemal empfange. Ja 3. so vermehret doch nach- mals die unterlassung dieses heiligen mahls ihre suͤnde noch mehr. Denn Gott nimmt dieses fuͤr eine greuliche verachtung auff/ da man noch dazu meint/ mit einer neuen suͤnde seinem gerichte um etwas zu entgehen: und werden nachmal die suͤnden einander nicht gar ungleich/ die unwuͤrdige niessung des H. Abendmahls und dessen boßhafftige unterlassung; denn mit beyden wird/ obwol auff unterschiedliche weise/ der Sohn GOttes gleichsam mit fuͤs- sen getreten/ und das blut des Testaments unꝛein geachtet/ Hebr. 10/ 29. worauff es nachmal heisset/ daß es schrecklich sey/ in die haͤnde des leben- digen GOttes zu fallen v. 31. Aus welchen allen folget/ daß die angedeu- tete straff der unwuͤrdigen/ bloß und allein um der ursachen willen gedrohet seye/ daß diejenige/ so dazu gehen wollen/ sich huͤten/ nicht ohne hertzliche vor- bereitung sich herbey zu machen/ nicht aber die leute gar davon abzuschre- cken: und daß deßwegen man derselben trohung nicht mit unterlassung des wercks/ sondern allein mit wuͤrdigem gebrauch durch goͤttliche gnade entge- hen moͤge. R Die Das dritte Capitel. Die siebende Frage. Ob uns dieses entschuldige/ wann wir keinen hunger und durst nach solcher seelen-speise fuͤhlen? W Jr singen in der christlichen kirchen: Solche grosse gnad und barm- hertzigkeit/ sucht ein hertz in grosser arbeit; ist dir wohl/ so bleib da- von/ daß du nicht kriegest boͤsen lohn. Daraus will in mißdeutung der worte eine neue entschuldigung genommen werden/ wo man sich wol befinde/ keine suͤnde habe/ die uns truͤcken/ und also wir keinen hunger und durst nach diesem himmlischen labsaal und artzeney fuͤhlen/ so koͤnne man wol des heili- gen Abendmahls muͤßig gehen. Jst aber eine nicht bessere entschuldigung als die uͤbrigen; welches wir also weisen wollen. Es findet sich bey dem leibli- chen hunger und durst/ daß man 1. krafft bedoͤrffe: wo nemlich magen und glieder den gehabten nahrungs-safft verzehrt/ und also neuen bedoͤrffen. 2. Daß man auch solche duͤrfftigkeit fuͤhle/ und wisse 3. daß man deßwegen be- gehre der noth der natur zu huͤlffe zu kommen. 4. Wisse/ was dazu/ den hun- ger und durst zu stillen gehoͤre/ und 5. es zu sich nehme. Wo wir dann von der geistlichen speise und tranck reden/ muͤssen wir sehen/ wo es eigentlich bey dieser entschuldigung fehle. An dem letzten siehet man ohnedas/ daß es feh- le/ indem solche leute die speiß und tranck nicht zu sich nehmen/ aber die ur- sach dessen ist noch zu suchen. An dem ersten kans nicht mangeln: die duͤrfftig- keit geistlicher artzney und speise ist allezeit bey uns/ denn die suͤnde und ange- bohrne schwachheit ist allezeit bey uns. Findestu also nicht irgend etwas von wiꝛcklichen suͤnden/ das unmuͤglich ist; so gehe nur auf die eꝛbliche/ da wiꝛstu ei- ne solche verderbung deiner natur finden/ daß du es fuͤr kranckheit gnug haltẽ must/ dagegen du geistliche artzeney beduͤrffest: ja solche erkaͤntnuͤß des erb- schadens wird dir nachmal auch zeigen/ daß in deinem leben vieles wirckliche suͤnden seynd/ so du vorher nicht dafuͤr gehalten. Weil es dann hie an der sache selbs/ und an der duͤrfftigkeit nicht manglet/ so bleibet noch uͤbrig/ daß es an den 3. andern stuͤcken manglen muͤsse/ worinnen er keinen hunger und durst bey sich spuͤret; nemlich/ entweder erkennet er seine nothdurfft nicht/ o- der er begehret derselben nicht loßzukommen/ und sich helffen zu lassen; oder er erkennet die vortrefligkeit dieser heiligen speise nicht/ daß sie diejenige seye/ durch welche ihm geholffen werde: keine andere ursache wird sich finden/ aus deren es an solchem hunger manglen koͤnte. Nun sind aber alle solche ursa- chen an sich selbs boͤse/ und streiten wider das gesamte Christenthum. Dann die vortrefligkeit dieser himmlischen speise nicht erkennen/ das heist selbs den artickel von dem H. Abendmahl und seiner frucht in zweiffel ziehen; waͤre al- so dasselbe ein ketzerischer irrthum/ und ein solcher mensch/ der aus solcher ur- sach ARTIC. I. SECTIO XXIV. sach keinen hunger und durst nach dem heiligen Abendmahl hat/ weilen er mit- einander nicht viel auff diß Sacrament haͤlt/ fuͤr kein eigenlich glied unsrer kirchen zu halten. Hinwieder ists bloß muthwillige/ ja teufflische und un- sinnige boßheit/ ihme nicht begehren helffen zu lassen/ wann man wuͤste/ daß man huͤlffe beduͤrffte/ und wuͤste auch/ wie dieselbe zu erlangen waͤre. Daher koͤnte man einen solchen menschen abermal fuͤr einen Christen nicht halten/ der seiner seligkeit/ und also auch seines Gottes gar nicht achtete. Weiter/ seine suͤnde/ uͤnd also seine nothduͤrfftigkeit nicht erkennen/ ist wiederum eine verdam̃liche sicherheit und geistliche hochmuth. Und wer also/ weil er es nicht noͤthig zu haben befindet/ des H. Abendmahls sich enthaͤlt/ der muß sich einbil- den/ er bedoͤrffe Christi selbs nicht. Dann wer keine suͤnde hat/ bedarff Christi nicht/ welcher allein die muͤhsaͤlige und beladene zu sich ruffet Matth. 11. wer aber suͤnde hat/ bedarff des heiligen Abendmahls. Aus diesen 3 stuͤ- cken/ muß nun derjenige/ der sich deßwegen entschuldigen will/ weil er keinen hunger und durst hat/ eine erwehlen/ die bey ihm den mangel desselben verur- sache: wird aber finden/ daß alle 3 so bewandt sind/ daß sie ihn aus der zahl der kinder Gottes ausschliessen. Dahero er dann diesen mangel des geistlichen hungers und dursts nicht anzusehen hat/ als ein gutes zeichen/ und daß er des heiligen Abendmahls nicht beduͤrffe/ auch deßwegen wol entschuldiget seye/ sondern als eine gefaͤhrlichste versuchung oder gar kranckheit/ die ihn um seine seele bald bringen moͤge. Es werden diejenigen unter den leibli- chen kranckheiten sonst fuͤr die verzweiffelsten gehalten/ wo der patient seine nothdurfft und schwachheit nicht mehr fuͤhlet/ und wo aller appetit hinweg ist. Soists auch bey dem am gefaͤhrlichsten/ der da nicht glauben und wissen will/ daß er geistliche staͤrckung bedarff/ und deßwegen kein verlangen darnach hat. Auch wird kein ander mittel seyn/ solchen menschen zu helffen/ als daß er zur erkaͤntnuͤß seines elendes gebracht wird/ da nachmal unmuͤglich/ daß nicht auffs wenigste aus einiger liebe seiner selbs/ er hunger und durst nach der huͤlffe bekommen solte. Ehe dieses geschiehet/ so lange hat ein solcher verhaͤrteter mensch keine hoffnung einiges heyls: und ist darnach auch zu dem heiligen Abendmahl nicht zu lassen/ bis endlich wahrer hunger bey ihm erwe- cket werde. Vielweniger wird vor GOttes gericht wegen dergleichen selbs-boͤsen und suͤndlichen ursachen und unterlassenen heiligen wercks/ er fuͤr entschuldiget gehalten/ sondern gebuͤhrlich zur straffe/ sonderlich mehr um seiner verhaͤrtung/ gerechter massen gezogen werden. Eine andere be- wandnuͤß hats mit denjenigen angefochtenen/ die daruͤber sehnlich klagen/ und sich aͤngsten/ daß sie keinen hunger und durst haͤtten/ hingegen hiernach hertzlich verlangen: indem eben dieses verlangen in der wahrheit ein hunger R 2 ist/ Das dritte Capitel. ist/ und es ihnen also nicht an demselbigen selbs/ sondern nur gewisser dero fuͤhlung mangelt. Die achte Frage. Ob fuͤhrende rechts- processe und feindschafft mit dem nechsten uns entschuldigen? E S ist das heilige Abendmahl ein mahl der liebe/ nicht nur/ daß in dem- selben Gottes liebe gegen uns sich herrlich bezeuget/ und die unsere gegen ihn geuͤbet und gestaͤrcket wird: sondern auch/ weil darinne unsere liebe gegen den nechsten sich weisen/ und mehr und mehr anflammen solle. Daher wir nicht anders/ als in hertzlicher liebe hinzugehen doͤrffen/ und dennoch vorher verbunden sind/ allen denen/ die uns jemals auffs hefftigste beleidiget haben/ so wahr und vollkommen zu vergeben/ als wir von GOTT die vergebung bitten und erwarten. Woraus leicht erhellet/ daß tragender groll und feindschafft gegen unsern neben-menschen freylich den menschen untuͤchtig zum gebrauch des heiligen Abendmahls mache/ als ein stuͤck der in der 3ten frage beschriebenen unwuͤrdigkeit. Ob aber schon hiedurch ein mensch von dem heiligen Abendmahl ausgeschlossen wird/ wird er darum dadurch nicht entschuldiget/ daß er davor halten koͤnte/ daß denn/ weil er mit guten gewissen nicht hinzugehen koͤnne/ er hingegen mit guten gewissen davon bleiben moͤge. Solches folget nicht. Sondern der mensch ist schuldig mit ablegung der feindschafft und hertzlichen versoͤhnung mit dem neben-menschen/ sich wuͤrdig zu machen/ will er GOttes zorn nicht durch solche unterlassung auff sich zie- hen. Es mag ja die suͤnde nicht dieses privilegium haben/ daß sie uns frey machte vom goͤttlichen gebot: auch weil solcher hartnaͤckiger haß und feind- schafft gegen den nechsten an sich selbs eine todt- und verdammende suͤnde ist/ so ist abermal der mensch/ so lange er in derselben stecket/ im verdammlichen stande/ da ihn wiederum seine enthaltung des heiligen Abendmahls/ dafern er dadurch seine sache meinete wieder gut zu machen/ nicht entschuldigen/ oder goͤttlichem gerichte entziehen kan. Was aber processe anlanget/ soist mit unterscheid davon zu reden. Man siehet leider/ daß gewoͤhnlich heuti- ges tages die sachen und processe nicht mit der christlichen bescheidenheit und maͤßigung der affect en gefuͤhret werden/ wie es sich geziemete/ daß nem- lich man die sachen gegeneinander bis auff richterlichen ausspruch streiten liesse/ und indessen mit der person des gegentheils liebreiche freundschafft pflegete; so gehets aber alles an den meisten orten mit solcher verbitterung daher/ daß einige gar meinen/ es koͤnnen keine rechts-haͤndel ohne dergleichen vergaͤltes gemuͤth gefuͤhret werden: weil die exempel/ da es anders hergin- ge/ so garselten sich sehen liessen. Da ist nun gewiß/ daß auff solche gehaͤssige weise ARTIC. I. SECTIO XXIV. weise processe zu fuͤhren/ (wohin auch alle gegen den andern fuͤhrende eigen- liche injuri en- processe gehoͤren) freylich den menschen so wol als andere feindschafft/ ja so vielmehr/ weil dieses eine offenliche und bekandliche feind- schafft waͤre/ von dem heiligen Abendmahl ausschliesse: und ist also eben das darvon zu sagen/ was jetzo von feindschafft insgemein gesagt worden. Un- terdessen so ist solche ausschliessung nicht zur entschuldigung zu ziehen/ son- dern lebet wiederum ein solcher mensch die gantze zeit dergleichen feindseligen processe, in einem verdammlichen stande/ und gehet stets in den stricken des satans/ deren er vielmehr sich zu befreyen suchen muß/ als um derselben willen/ und ihnen recht nach seines boͤsen hertzens lust nachzuhaͤngen/ des hei- ligen Abendmahls sich enthalten. Gleichwol bringen solches die processe nicht selbs mit sich/ sondern es koͤnnen solche an sich selbs mit christlichen ge- muͤthern gefuͤhret werden/ wañ die partheyen ihre streitige sache dem gerichte und der Obrigkeit uͤberlassen/ von deroselben den ausspruch erwarten/ und indessen ein theil den andern hertzlich lieben. Wo sie nun also gefuͤhret wer- den/ so hindern sie an dem heiligen Abendmahl gantz nicht/ viel weniger solten sie davon entschuldigen. Dahero die entschuldigung wieder vergebens ist: dann fuͤhrest du die processe, wie sichs gebuͤhret/ so stehen sie dir nicht in dem wege; fuͤhrest du sie aber uͤbel/ so bist du/ so lieb dir deine seligkeit ist/ ehe da- von abzulassen schuldig/ als um derselben willen/ dich deiner seligkeit mittel zu entschlagen. Wie ja ohne das/ das geistliche dem weltlichen vorgezogen werden solle/ und noch dazu bey uͤbelfuͤhrenden process en du so wenig mit un- terlassung des heiligen Abendmahls als mit dem gebrauch desselben/ selig werden kanst. Die neundte Frage. Ob die angst/ welche man davon habe/ so offt man sich des heiligen Abendmahls gebrauchen wolle/ uns davon entschuldige? E S ist dieses abermal etlicher entschuldigung: daß man vorgiebt/ man wolle hertzlich gern zu dem heiligen Abendmahl gehen/ habe auch verlan- gen darnach/ aber so offt man sich darzu resolvi re/ sinde man solche angst/ daß daruͤber unmuͤglich werde/ solches zu verrichten. Diese haͤlt aber eben so wenig den stich/ als vorige entschuldigungen. Es hat die angst entweder ihre ver- nuͤnfftige ursachen/ oder nicht. Hat dieselbe keine ursache/ wuͤrde dergleichen fuͤr eine miltz sucht und leibliche kranckheit/ da die leute zuweilen ohne bekan- te ursach bangigkeit fuͤhlen/ zu halten seyn: die dann/ weil sie uns nicht hin- dern kan/ alles das zu thun/ was der wuͤrdige gebrauch erfordert/ uns auch an dem gebrauch selbs so wenig als andere kranckheiten hindern mag. Aber wo man dergleichen angst bey nichts anders spuͤret/ als allein bey vorhaben- R 3 den Das dritte Capitel. den solchem heiligẽ werck/ da sie sonst bey andern/ wo es ein leiblicher zustand ist in allerhand sachen sich ereignet/ und der mensch gleichwol keine ursache der angst anzuziehen wuͤste/ hat mans billich fuͤr eine gefaͤhrliche versuchung des boͤsen feindes zu achten/ der damit den guten vorsatz/ welchen der Geist Gottes etwa wuͤrcket/ zu diesem heiligen werck sich zu schicken/ wiederum hemmet/ hindert und zu nichte machet. Dahero man nicht allein ursache hat/ mit so viel eiffrigerem gebet den Allerhoͤchsten anzuruffen/ daß er uns dawider zu streiten beystehen wolle/ sondern auch ihm so vielmehr und tapffe- rer widerstehen muß/ dasjenige auch wider seinen danck/ und ohngeachtet seiner hinderungen/ ins werck zu setzen/ daß er gerne verhinderte. Wo aber die angst gewisse ursachen hat/ so muß auff solche acht gegeben werden. Es koͤnnen aber fast nicht wol einige andere ursachen seyn/ als wo uns unsere unwuͤrdigkeit aͤngstet/ und das ansehen der greulichen gedroheten straffe der unwuͤrdigkeit erschrecket. Da ist alsdan auff diese weise von der angst zu halten/ wie wir in der 3 und 6 frag gesehen haben/ und hie nicht zu wieder- hohlen stehet. Jst aber irgend die angst allein daruͤber/ wie man sich wuͤr- diglich dazu bereiten wolle/ so kommt sie aus guten ursprung/ aber es muß dabey nicht bleiben; sie kan zwahr die vorsichtigkeit bey uns zu wege bringen/ nicht aber von dem wercke selbs uns abziehen. Wir habens nicht ursach/ uns also zu aͤngsten/ dann GOtt erfordert in solcher vorbereitung das we- nigste von uns/ sondern wenn wir seinen Geist bey uns wollen wircken lassen/ so wircket er selbs alles noͤthige. Ruffe du also GOTT den HErrn um sei- nen heiligen Geist eiffrig an/ und folge alsdann dessen leitung/ dich hertzlich zu pruͤffen/ so hast du alles gethan/ was von dir erfordert worden/ um wuͤr- diglich dich bey dem tisch des HErrn einzufinden. Was darffs dann der allzugrossen und stets fortwaͤhrenden angst? Ja sagt einer/ es ist mir aber unmuͤglich um der angst willen/ die resoluti on zu fassen. Hie fragt sichs/ von was fuͤr unmuͤglichkeit geredet werde; es heist entweder unmuͤglichkeit/ das werck an und fuͤr sich selbs zu thun/ oder aber eine unmuͤglichkeit/ das werck mit gebuͤhrender vorbereitung zu thun. Der erste verstand kan nicht platz haben/ dann nach derselben kan ja jeglicher mensch dieses werck verrich- ten/ so lang er bey gutem verstand ist/ und weiß/ was er thut: es seye also die angst beschaffen/ wie sie wolle/ so hindert sie das werck nicht/ an und fuͤr sich selbs. Wird aber geredet von der unmuͤglichkeit/ das werck auff gehoͤrige weise/ und mit gebuͤhrender heylsamer vorbereitung zu verrichten; so sagen wir abermal/ die unmuͤglichkeit bestehe in blosser einbildung/ und mag leicht ein schreck-bild des leidigen satans seyn/ das er uns vorstellet/ damit er uns davon abhalte/ was er uns unmuͤglich zu seyn vormahlet. Dann man betrachte alle die oben erzehlte stuͤcke/ welche zu der wuͤrdigen vor- berei- ARTIC. I. SECTIO XXIV. bereitung gehoͤren/ so ist kein einiges/ welches solte durch die vorwen- dende angst unmoͤglich gemacht werden. Nicht die reue und leyd uͤber die suͤnde/ denn die wird vielmehr durch die angst befoͤrdert; nicht der gute vorsatz/ als dazu abermal die angst mehr treiben solte. Was den glauben anlanget/ so ists an dem/ daß die angst desselben freudigkeit um et- was einhaͤlt/ aber/ wo wir in unser ordnung bleiben/ und GOttes beystand anruffen/ kan sie uns auch dieselbe zuversicht nicht benehmen. Ja es haben solche leute vielmehr zu gedencken/ ob nicht dergleichen angst herkomme von dem/ daß dieselbe irgend lang dasjenige heilsame mittel ihrer seligkeit unter- lassen haben/ und daher die angst der schwachheit ihres glaubens/ welcher wol gar an dem ist/ daß er allerdings auslesche/ zeugnuͤß seye. Denselben also wiederum zu staͤrcken/ und der angst loßzukommen/ ist eben dieses das beste mittel/ dasjenige wieder zu gebrauchen/ aus dessen unterlassung diesel- be entsprungen ist. Es gehet gemeiniglich auff diese weise her/ wo man eine zeitlang eines dinges entwohnet worden/ sonderlich wann man bey sich befin- det/ daß man dadurch gefehlet habe/ daß uns angst und bange wird/ biß man wieder dazu komme. Das kind/ welches seinen Vater erzuͤrnet/ und eine zeit- lang vor sein angesicht nicht doͤrffen kom̃en/ weñ es schon nachmals wiederum der verzeihung gewiß ist/ und die erlaubnuͤß zu ihm zu kommen erlanget/ pfle- get doch gemeiniglich mit angst und forcht das erstemal hinzugehen. Also ist offt eben die unterlassung/ und das eine zeitlang gewaͤhrete ausbleiben von dem heiligen Abendmahl/ der angst ursach/ die nachmals uns zuruͤck will hal- ten/ wo wir auch schon wieder dazu zukommen/ die gute gedancken fassen. Wir haben aber solche angst allein anzusehen/ als eine verdiente straffe solches lan- gen verzugs/ daß uns das werck schwehrer ankommt/ als zu andern malen zugeschehen pfleget. Hingegen suchet GOtt/ der es uͤber uns verhaͤnget/ dadurch bey uns dieses/ daß wir/ ohneracht derselben ihme gleichwol und sei- nem befehl nachkommende desto mehr und kraͤftiger unsern gehorsam/ und die reue uͤber vorige ausbleibung bezeugen moͤgen/ ja selbs fuͤhlen/ was wir durch solches unterlassen an uns verderbet haben: daß da andere fromme Christen mit hertzlicher und getroster freude dahin gehen/ sie mit angsthaffti- gen gemuͤth und niedergeschlagenen gesicht sich einstellen muͤssen/ ja sich selbs vor ihrem GOtt und ihren neben-menschen schaͤmen. Gleichwol wer in der furcht GOttes sich selbs in solcher angst uͤberwinden/ und ohnangesehen der- selben dennoch demuͤthig und bußfertig sich bey dem tisch seines vorhin belei- digten/ aber wieder die versoͤhnung anbietenden Heylandes einstellen wird/ dem kan versicherung gegeben werden/ daß auch solche angst bey desto offtern gebrauch mehr und mehr abnehmen werde/ biß er endlich mit eben dem freu- digen muth/ als andere fromme kinder GOttes/ hinzuzugehen vermoͤge/ und darinnen auch die wirckung seines Heylandes spuͤre. SE- Das dritte Capitel. SECTIO XXV. Vom offtmaligem gebrauch des H. Abendmahls. D Je angedeutete art/ sich von denen an sich befindenden fehlern und faͤl- len wieder auffzurichten/ ist gantz gut und christlich: so ist auch das H. Abendmahl eigentlich zu diesem zweck eingesetzet/ daß wir damit un- sern glauben staͤrcken/ und also die vergebung der suͤnden damit versieglen. Was nun die absonderliche frage betrifft/ ist meine einfaͤltige meinung diese. 1. Daß man sich nicht so præcise an eine gewisse zahl der empfangung des Heil. Abendmahls halten solte/ sondern lieber in solcher sache auff seiner seelen er- bauung und trost/ als auff die besorgende nachrede und verdaͤchte sehen. Dann obwol die liebe billich des nechsten schonet/ und daher alles dasjenige meidet/ woruͤber der nechste scheinbahrlich sich aͤrgern moͤchte/ so muß solches gleich wol so weit nicht gehen/ daß wir uns einer von GOtt selbs gegoͤnnterso heylsamen speise und artzney allzuviel enthalten wolten. Damit aber gleich- wol so viel muͤglich (dann dazu sind wir schuldig und verbunden) aller un- gleichen meinung vorgekommen wuͤrde/ so wolte ich 2. also rathen. Erstlich daß mit dem Herrn Beicht-vater zuerst gruͤndlich die sache in der furcht des HErrn uͤberleget/ ihm das anligen zu verstehen gegeben/ und sein rath an- gehoͤret wuͤrde. Solte er nun einen bessern und solchen rath/ der das gewis- sen besser beruhigte/ als der meinige/ an die hand geben/ moͤchte solches wohl geschehen lassen. Sonsten ging ich dahin/ daß allgemach die H. communion oͤffentlich mehr frequenti ret wuͤrde/ nicht auff einmal gleich gar offt nachein- ander/ sondern doch etliche mal mehr als bey andern bißher uͤblich gewesen/ biß es mit der zeit dahin kaͤme/ daß man/ nachdem die leute es gewohnet/ so offt dazu gehen moͤchte/ als unserer seelen zustand solches erfordern mag. Jn- dessen moͤchte/ wo solcher christlicher hunger wieder vorhanden ist/ zuweilen zwahr mit der geistlichen niessung denselben zu stillen versuchet werden/ zu- weilen aber/ sonderlich wo man findet/ daß das gemuͤth sich mit jener nicht beruhigen will/ die privat-communion eben so wol gebraucht werden. Die gruͤnde meines raths sind diese. 1. Unser liebste Heyland hat uns keine ge- wisse zahl vorgeschriebẽ/ sondern es dabey bleiben lassen/ daß es heisset/ so offt ihr esset/ daher mir niemand meine freyheit solle nehmen/ die mir mein Hey- land gegeben/ noch mir den genuß der seelen-guͤter enger einspannen/ die der- selbe mir so mild und reichlich darbietet. So vielmehr da wir solches von dem HErrn zu diesem zweck eingesetzte mittel in eigener erfahrung zu staͤrckung unsers glaubens so kraͤfftig empfunden haben. Wie wir nun befugt/ ja auff gewisse weise befehlicht sind/ unsers geistlichen oder innern menschens wachs- thum ARTIC. I. SECTIO XXIV. thum und staͤrcke nach aller moͤglichkeit zu befoͤrderen/ so ist in solcher absicht die H. communion so offt geboten/ als es unserer seelen nothdurfft erfodert. 2. So ist die sorge des aͤrgernuͤsses so groß nicht/ sondern mag derselben wohl auff unterschiedliche art begegnet werden. Es haͤtte der Herr Beicht-vater selbs billich dazu zu helffen/ daß er bey gelegenheit die materie in einigen pre- digten zuweilen beruͤhrte/ wie uns keine gewisse zahl des hinzugehens vor- geschrieben/ aber viele ursachen uns zu offterm gebrauch billich ermahneten; sonderlich aber daß deßwegen niemand den andern urtheile/ weder daruͤber/ so einen seine noth offters zu der artzney triebe/ oder da ein ander aus andern/ abeꝛ dem gewissen auch gemaͤssen ursachen so offt sich dazu nicht schicken koͤnte/ mit vorstellung/ wie schwehr solche suͤnde seye/ da man also seines nechsten hertz richten/ und dasjenige/ was etwa aus einem guten trieb des H. Geistes gekommen seyn moͤchte/ einer heucheley und also teuflischer bewegung zu- schreiben wolte. Wie ich dann mehrmalen in predigten solche materie vor- getragen/ auch in der kinder-lehr/ wo die sache vorkommt/ wir insgesamt sol- che erinnerung zu thun pflegen. Moͤchte etwa dabey das gleichnuͤß gebraucht werden/ daß einige offterer artzeney noͤthig haͤtten/ andere sich mit weniger vergnuͤgen koͤnten. Damit koͤnte der Prediger selbs vieles des besorgen- den aͤrgernuͤsses hindern/ und waͤre solches seines gewissens halben zu thun schuldig. Es koͤnte auch etwa bey gelegenheit unter guten freunden davon meldung geschehen/ und mit solcher demuth davon geredet werden/ daß diese oͤfftere communion kein ruhm einer sonderbaren heiligkeit fuͤr andern/ viel- mehr eine bekantnuͤß einer mehrern schwachheit/ die man bey sich fuͤhlete/ seye. Moͤchten einige andere dazu disponi ret werden/ gleiches zu thun/ so wuͤrde diese opinion auch so viel eher fallen/ die nur von der ungewohnheit herkommet. 3. So ists auch eine sache/ welche obwol etwa nicht an ihrem ort/ doch anderwertlich nicht so frembd ist. Jch weiß von dem Sel. D. Joh. Schmidten in Straßburg/ der fast gewoͤhnlich alle monat communicirte. Jch weiß/ daß auch hie einiger mann gewesen/ so gleiches gethan/ auch sind mir andere bekant/ die es nicht viel weniger wiederhohlen. Jetzo nicht zu sagen von dem eiffer der ersten Christen/ wie offt sie sich in solcher himmlischen spei- se zu staͤrcken pflegten. 4. Wann jedermann sich scheuet/ dergleichen anzu- fangen/ so wird vielmehr dieser irrthum/ gleich als ob das oͤfftere hinzugehen einem Christen nicht anstaͤndig waͤre/ gestaͤrcket; dahingegen wo etwa einer den anfang machet/ andere gute seelen bald folgen moͤgen/ die vielleicht nur auff andere warten/ und die erste zu seyn sich nicht unterstehen doͤrfften. Wo also die auffmunterung und aufferbauung einiger weniger frommer seelen die waagschal haͤlt/ ja uͤberwieget das besorgte aͤrgernuͤß anderer/ die sich moͤchten aus eigener schuld daran stossen. Und ob ich wol insgemein den S we- Das dritte Capitel. wenigsten die offtere communion rathe/ da sie mit so schlechter vorbereitung und frucht geschicht/ so wuͤrde hingegen hertzlich verlangen/ daß fromme see- len sich offters damit staͤrcketen. 5. Ob wir wol in der geistlichen niessung e- ben so wol dasjenige alles haben/ was uns zu unserer seligkeit noͤthig ist/ so ist doch nicht zu leugnen/ daß dem H. Abendmahl noch eine sonderbahrere krafft seye/ als ausser demselben. Dann wir werden je nicht sagen/ daß es ohne noth oder nutzen eingesetzt seye. Es ist die geistliche niessung so zu re- den/ die taͤgliche speise der seelen; die sacramentliche aber als eine artzney. Nun wie es in dem leiblichen dahin kommen kan/ daß zuweilen wir mit der speise nicht genug haben/ sondern auch einiger artzney bedoͤrfftig seynd; so kans auch in diesem geistlichen hergehen. Wie ich mich erinnere/ unterschiedliche mal solches gleichnuͤß von meinem S. Præceptore, Herr D. Dañhauern/ gehoͤrt zu haben. Daher ob ich wol mit der geistlichen niessung zu frieden seyn kan und solle/ wo mir die sacramentliche nicht werden kan/ so muͤssen es gleich wol wichtige ursachen seyn/ die mich davon abzuhalten haͤtten/ daß ich nicht mei- ner seelen trost am allerkraͤfftigsten suchte. Dieses sind meine gedancken uͤber die vorgelegte frag/ so ich zu desselben eigenen christlichen nachsinnen uͤberge- be/ nach dero pruͤfung zu wehlen/ was sein gewissen ihm fuͤr das dienlichste achten wird. Der HErr HErr lasse ihn und uns alle immer mehr wachsen am innern menschen/ und zeige uns durch seines Geistes gnade/ welche mit- tel er dazu am kraͤfftigsten segnen wolle. 1680. SECTIO XXVI. Von offtmaliger geniessung des H. Abendmahls. E S ist 1. eine ausgemachte sache/ daß uns unser liebste Heyland keine gewisse zeit noch zahl gesetzet hat/ wann und wie offt wir seines H. A- bendmahls uns theilhafftig machen solten; daher weder insgemein ein gewisses gesetz fuͤr alle gegeben werden darff/ noch auch ich rathsam halte/ daß eineꝛ ihm selbs eine solche ordnung machte/ bey deꝛo eꝛ allzu præcise bliebe/ und sich davon auszusetzen ein gewissen machte/ indem einiges gutes dadurch gehindert werden moͤchte. 2. Jndessen hat nicht allein unser liebste Heyland damit/ wann es heißt/ so offt ihrs trincket/ gewiesen/ daß es eine sache seye/ die mehrmal geschehen solle; sondern die vortreflichkeit der guͤter/ die uns dar- innen gereichet werden/ der trefliche nutze/ welchen dieselbe bey uns wircken sollen/ und die schuldige pflicht seinen todt offt zu verkuͤndigen/ sollen uns von sich selbs zu offtmaliger begehung dieses gedaͤchtnuͤß- liebes- und lebens- mahls treiben. 3. Daher haben die ersten Christen gemeiniglich taͤglich/ o- der so offt sie ihre versammlungen hielten/ sich auch mit diesen himmels-schaͤ- tzen ARTIC. I. SECTIO XXVI. tzen zu staͤrcken gepfleget; um so wol gegen die taͤglich obschwebende verfol- gungen sich zu wapnen/ als auch so offt neue krafft zu dem goͤttlichen leben zu erlangen. Wie aber nach der zeit der eiffer zu dem geistlichen maͤchtig erkal- tet/ so wurde auch dieses goͤttliche mahl je laͤnger je weniger mehr gebraucht/ daß es endlich eines gesetzes bedorffte/ so noch in dem Pabstthum behalten wird/ daß jeder Christ auffs wenigste einmal sich gegen die osterliche zeit da- bey einfinden muste. Wie aber der erkaltende eiffer der menschen in der nach- lassung solches heiligen wercks die ursach gewesen/ so erkenne ich es doch zu- gleich mit/ als ein stuͤck der H. providenz GOttes/ die es also gefuͤget/ daß nachdem die meiste fast gantz irrdisch worden/ und also zu der wuͤrdigen nies- sung kaum jemal geschickt waren/ auch der gebrauch des Sacraments selte- ner worden/ damit auffs wenigste es eben daher weniger mißbrauchet wuͤr- de. 4. Unser liebe Lutherus hat nach mals nicht durch ein gebot/ sondern rath veranlasset/ daß in unserer kirchen gemeiniglich das H. Abendmahl von den meisten des jahrs zu 3. oder 4. malen genossen wird/ (wie waͤre aber zu wuͤn- schen/ daß allemal mit bußfertiger wuͤrdigkeit!) und bekenne ich/ daß ich nicht wuͤnschte/ daß die gewohnheit insgemein mehrere mal eingefuͤhret haͤtte/ nachdem ich/ wie wir die leute befinden/ sorgen muͤste/ daß die offtere wieder- holung nicht so viel bey einigen zu ihrer geistlichen staͤrckung nutzen bringen/ als wegen der allermeisten staͤter unwuͤrdigkeit mehrern schaden schaffen moͤchte. 5. Jndessen ist weder verboten/ noch gantz ungebraͤuchlich in unse- rer kirche/ daß einige fromme Christen auch mehrmal sich dabey einfinden: wie mich noch erinnere von dem alten S. Herr D. Schmidten zu Straßburg/ der alle monat sich bey dem tisch des HErren einfand; dergleichen ich auch in Franckfurt einem kauffmann/ so mein beicht-kind/ hatte: da gab es zwahr auch allerley reden daruͤber/ sonderlich wegen der person/ jedoch suchte nie- mand die sache selbs zu hindern. 6. Jch zweifle auch nicht/ daß mehrere gute hertzen sich oͤffters bey dieser H. mahlzeit einfinden wuͤrden/ wo die anstalten der begehung derselben an den meisten orten besser zur andacht/ vorstellung und danckbarer verkuͤndigung des todes JEsu Christi eingerichtet wuͤrden/ und also die seelen mehrere auffmunterung zu und von solchem H. werck fuͤh- leten: dahingegen jetzt alles offt sehr kalt hergehet/ und jeder fast muͤhe hat/ sich nur selbs zur andacht auffzumuntern/ welches aber gleich wie den nutzen vermindert/ also auch das verlangen darnach sehr zuruͤcke haͤlt; wie mir ein und anderer christlicher seelen anligen und kummer in solcher sach bekant und offt in meinen schooß ausgeschuͤttet worden: da aber solchen gebrechen auch zu helffen in eines oder andern macht und anstalt nicht stehet. 7. Es ist kein zweiffel/ daß der offtmalige wuͤrdige gebrauch des H. Abendmahls freylich von stattlicher krafft ist/ und eine aus Christo wiedergebohrne seele ausdem S 2 leib Das dritte Capitel. leib und blut ihres Heylandes/ die voller himmlischen und goͤttlichen kraͤff- te sind/ jedesmal zu ihrer erneuerung und staͤrckung einen neuen einfluß und geistliche nahrung bekom̃et/ zu eꝛfuͤllung dessen/ was deꝛ liebste Heyland sagt/ Joh. 6/ 55. u. f. Mein fleisch ist die rechte speise/ und mein blut ist der rechte tranck. Wer mein fleisch isset und trincket mein blut/ der blei- bet in mir/ und ich in ihm. Wie mich gesand hat der lebendige Vater/ und ich lebe um des Vaters willen/ also wer mich isset/ der wird auch leben um meinet willen. 8. Daher wo keine andere hindernuͤß ist/ eine seele/ welche gern in dem innern wesen wachsen will/ diese ihre anerbotene gnade er- kennet/ und gelegenheit dazu hat/ wol thut/ wo sie zum offtern und so vielmal als ihrs werden kan/ und sie durch einen hunger dazu getrieben wird/ sich dieser gnade ihres Erloͤsers theilhafftig machet/ weil uns je geboten ist/ nach dem wachsthum zu streben/ und uns also nach muͤglichkeit aller dazu dienli- chen mittel zu gebrauchen. 9. Wo dann eine solche seele/ solte es auch zum offtersten geschehen/ dieser ihrer freyheit und rechts sich gebraucht/ solle sich billich niemand dran aͤrgern/ solches einer scheinheiligkeit oder sonderlichkeit beschuldigen/ sondern denjenigen ihre gnade goͤnnen/ die der HErr mehrmal derselbigen wuͤrdiget. Ja es haben Prediger auch fuͤr sie zu reden/ und an- dere vor frevel-urtheil zu warnen: wie ich in Franckfurt auch mehrmal of- fenlich und absonderlich gethan habe. Wer hingegen uͤbel urtheilet/ versuͤn- diget sich in der that schwehrlich. 10. Jndessen kan es faͤlle geben/ wo die lie- be ein anders erfordert/ und haben will/ daß wir uns auch in gewissen stuͤcken einiges geistlichen vortheils begeben/ wo wir sehen/ daß andere/ ob wol aus ihrer schuld/ davon mehr schaden nehmen wuͤrden. Wir sehen die krafft der liebe an dem theuren Paulo/ bey dem sie zu diesem hohen grad kam/ Rom. 9/ 3. daß er auch um seiner bruͤder der Juden willen/ wo es nemlich muͤg- lich waͤre/ und dadurch fuͤr sie gnug gethan werden koͤnte/ verbañet zu wer- den gewuͤnschet. Ob nun dann solcher heroische grad nicht bey allen ist/ so wird doch auffs wenigste der grad erfordert/ daß wir um verhuͤtung unsers nechsten geistlichen schadens und aͤrgernuͤsses willen/ sonderlich wo solches auch schwache betrifft/ bereit seyn/ nicht zwahr an unserm heyl selbs schaden zu leiden/ aber doch einer wietern staͤrckung und erquickung um dersel- ben willen aus liebe zu entrathen. 11. Davon hoffe auch nicht/ daß eine sol- che seele sonderlichen nachtheil leiden solle/ nicht allein weil wir gleichwol auch aus der geistlichen niessung des leibes und bluts unsers Heylandes eben so wol eine herrliche krafft und staͤrckung/ ja das meiste dessen was die Sa- cramentliche geben kan/ (die frucht betreffend) erlangen/ und daher der an- dern offteren wiederholung nicht blosser dings beduͤrfftig sind/ (wie man ja in ARTIC. I. SECTIO XXIV. in entstehung aller gelegenheit zu dem Sacrament sich ohne verlust der see- ligkeit mit jenem vergnuͤgen kan) sondern auch/ weil ich der goͤttlichen guͤte uñ weißheit allerdings gemaͤß befinde/ daß sie einer solchen seelen/ so aus einer wahren liebe und schonen des nechsten sich einiges stuͤcks ihres trosts willig- lich begiebet/ was sie darinnen verliehret/ auff andere ihr bekannte art kraͤff- tig wisse zu ersetzen/ daß ihr doch in der that nichts mangeln muß/ nachdem je/ ob wol wir an dem gebrauch aller mittel von unsrer seiten nach aller muͤglichkeit gebunden sind/ sie hingeen sich nicht daran bindet/ sondern wuͤr- cket/ wann/ durch was/ und wie sie will. 12. Voraus gesetzt nun dieser din- ge/ halte ich dafuͤr/ ob ich wol derselben zu dero geistlichem wachsthum die off- tere wiederholung der seligen communi on hertzlich goͤnnete/ daß sie dannoch/ bey gegenwaͤrtiger dieser zeit umstaͤnden/ GOTT gefaͤlliger thun werde/ sich derselben noch jetzt zu enthalten/ als sich ihres rechts zu gebrauchen/ und also auch aus liebe der andern lieber etwas zu entrathen/ als andern sich zu ver- sundigen anlaß zu geben. 13. Die ursachen sind ziemlich offenbahr; dann nach dem es durch einiger widriger leute/ theils practiquen/ theils unbeson- nenen eiffer/ dahin gekommen ist/ daß das gantze land/ ja Teutschland mit dem geruͤcht einer neuen secte/ des Pietismi, erfuͤllet worden ist; welches geruͤcht so wol schwache sehr niederschlaͤget/ und irre machet/ als einigen boßhafftigen gelegenheit zu vielen laͤsterungen und andern suͤnden ursach giebet/ will nun christliche klugheit und liebe erfordern/ daß seelen/ die ihr heyl ernstlich su- chen/ sonderlich die bereits in den verdacht dergleichen vermeinter secte gera- then sind/ sich sehr vorsichtig aufffuͤhren/ und zwahr deßwegen um der welt zu gefallen nichts derjenigen pflichten unterlassen/ die sie ihrem GOTT schuldig/ und die ihnen zu ihrer geistlichen staͤrckung noͤthig sind; aber was alles uͤbrige anlangt/ so noch ohne an GOtt sich zu versuͤndigen/ und sich allzu sehr zu versaͤumen/ unterlassen werden kan/ in demselben desjenigensich ent- halten/ so zu neuen nachreden oder vermehrung der vorigen/ auch zu neuem streit/ anlaß geben koͤnte/ davon gewiß andere/ sonderlich schwache/ schaden nehmen moͤchten. 14. Weilen dann nun die gar offtere empfangung des H. Abendmahls eins theils nach vor ausgefuͤhrtem nicht bloß nothwendig/ andern theils aber/ sonderlich weil sie von deroselben allein geschehe/ nicht nur einigen schwachen selbs einige scrupul machen/ und sie was ihnen zu thun waͤre/ in zweiffel setzen/ sondern auch das geschrey von den Pieti sten auffs neue vermehren/ und gleichsam einen neuen deroselben glaubens- articul bey denen/ welche gern alle gelegenheit aufffassen/ machen/ und also nur zu mehr suͤnden anlaß geben wuͤrde/ so sehe ichs an als ein exempel des- jenigen falles/ wo die liebe erfordert/ auch sein mehreres geistliches dem nech- sten zum besten nachzusetzen. 15. Jch erinnere mich dabey eines falles in S 3 Franck- Das dritte Capitel. Franckfurt/ da auch eine frembde jungfrau mehrmal und wo es muͤglich waͤre/ alle monat zu communici ren verlangte/ daß ich es deroselben um der ursach willen/ weil sonsten auff sie die nachrede einer sonderlichkeit bereits gefallen war/ mißrathen/ ohne daß sich nachmal das mittel fand/ daß weil ich ihr beicht-vater/ in zwo kirchen bey beicht und dem heiligen Abendmahl zu seyn pflegte/ sie in beyden kirchen communici rte/ da solches offtmalige weni- ger von der gemeinde beobachtet worden/ und zu urtheilen ursach geben kon- te. Hingegen sehe ich kein mittel nicht/ wie dergleichen bey deroselben sich auffs wenigste zu dieser zeit practici ren liesse/ massen was man vornehmen wolte/ noch mehr difficul taͤten geben wuͤrde. 16. Daher nochmal dabey bleibe/ daß dieselbe am rathsamsten vor ihre und anderer seelen thun wuͤrde/ wo sie/ es waͤre denn sache/ daß dero werthester ehe-herr sich gleichfals resol- vi rte/ etwa ein oder zweymal weiter des jahres sich einzustellen/ es bey bis- heriger von saͤmmtlichen gebrauchter ordnung liessen/ und sich dieselbe com- muni on allezeit so viel hertzlicher zu nutze machten: hingegen wo sie ausser dem sich zu einem innigen verlangen solcher seelen-speise getrieben fuͤnden/ einige tage sich dazu aussehen/ da sie etwa mit einigen christlichen seelen der ihrigen/ sich die betrachtung des bittern leidens und sterbens ihres Heylan- des liessen mehr als sonst angelegen seyn/ an dieselbe und den hertzlichen danck davor mit andacht/ lesen/ beten und singen/ und also zur verkuͤndigung seines todes (dazu sonderlich das Sacrament eingesetzet ist) mehr zeit anzuwen- den: welches dann das sonderbarste mittel ist/ auch ohne brod und wein den leib und blut Christi geistlich zu geniessen und sich damit zu staͤrcken. Wie dañ der christliche Jurist Herr D. Ahasverus Fritsch/ ein tractaͤtlein von der geistlichen niessung geschrieben und mir communici ret hat/ so ich aber nicht erfahren/ ob es seit wenigem gedruckt moͤchte worden seyn. 17. Auff diese weise/ wie dieselbe anderer aus liebe schonen wird/ versichere ich mich/ daß ihrer lieben seelen an nichts/ wessen sie bedoͤrfftig ist/ einiges abgehen solle/ hingegen der HErr die seltenere communi on und oͤfftere geistliche niessung zu ihrem verlangten wachsthum gnugsam segnen werde. Unser treueste JEsus gebe auch hierinnen seinen willen mit festigkeit und versi- cherung zu erkennen/ heilige sie immer sammt den ihrigen und allen/ die ihres orts ihn hertzlich lieben/ mehr und mehr/ und bringe doch dermaleins (ach daß es bald geschehen moͤchte!) seine kirche in den stand/ wo man weniger sorge bey verrichtung des guten haben/ und ihm freyer in allen stuͤcken dienen/ auch seiner gnade reichlicher geniessen moͤge. 1690. SECTIO ARTIC. I. SECTIO XXVII. SECTIO XXVII . Von der freyheit ohne privat- beicht und absoluti- on zum heiligen Abendmahl zu gehen. Was deßwegen in Berlin vorgegangen; mit anhaͤngung einer in der sache gehaltenen Predigt. W Ann derselbe die wahre beschaffenheit/ was es vor eine bewandnuͤß habe mit dem Chur-Fuͤrstlichen deciso wegen freyheit des beicht- stuhls/ weil in ihrer gegend so unterschiedlich davon geredet werde/ von mir verlanget zu wissen/ ist mir lieb/ die gelegenheit zu haben/ die wahre beschaffenheit und ordnung des gantzen geschaͤfftes mitzutheilen/ der guten zuversicht/ derselbe werde auch andern so viel nachricht/ als jedwedem noͤthig/ und die rettung der unschuld einiger leute erfordert/ zu ertheilen willig seyn. So verhaͤlt sichs nun also: wie unser nun seeliger Herr M. Johann Ca- spar Schade ein treuer diener Gottes bey uns gewesen/ dessen amt Gott auch an so vielen seelen/ von alten und jungen/ zu dero bekehrung so reichlich/ als kaum einiges andern/ gesegnet hat/ also hat ihn auch bald vom anfang des antrits nichts mehr geaͤngstet/ als die verwaltung des beicht-stuhls/ die in gegenwaͤrtigem zustand unserer zeit die gemeinste marter ist aller treuen diener des HErren/ daß sie viele anfechtung davon ausstehen. Er hatte aber seine scrupul nicht uͤber den beicht-stuhl selbs/ sondern/ daß er allen/ die zu der beicht kaͤmen/ die hand aufflegen/ und die absoluti on sprechen sol- te/ da er nicht gelegenheit haͤtte/ ihre wuͤrdigkeit zu beruhigung seines gewissens recht zu pruͤffen/ ja nach dem er allgemach viele seiner beicht-kinder kennen gelernet/ an deroselben wuͤrdigkeit starck zu zweiffeln ursach zu haben meinte. Diese angst nahm/ ohngeachtet alles/ womit er selbs und durch un- sern zuspruch sich auffzurichten meinte/ immer zu/ so viel mehr als die zahl seiner beicht-kinder sich algemach mehrte/ und er auch dieselbe mehr und mehr kennen lernete. Zwahr trachtete er sich nach muͤglichkeit darhin zu be- streben/ daß er an denen/ die er erkennete/ nichts versaͤumete/ wohin nicht allein seine oͤffentliche amts-verrichtungen/ sondern auch in seinem hausse mit alten und jungen angestelte examina, hauß-besuchungen seiner beicht-kin- der/ sonderlich daß er die sich sonnabend anmelden wolten/ vorhin freytags zu sich kommen lassen/ und sie vorbereitete/ und andre dergleichen uͤbungen/ abzieleten: dabey andre meiste nicht nur gnug/ sondern auch ein uͤbriges ge- than zu haben gedacht haͤtten. Doch wolte seine angst sich nicht legen/ die schon allemal freytags anfieng/ nicht allein den sonnabend/ sondern auch wei- ter/ waͤhrte/ daß er manchmal die nacht auf den sonntag an statt schlaffens/ mit lauter jam̃ern und seuffzen zubrachte/ uñ mit gan tz geschwaͤchten kraͤfften die Das dritte Capitel. die sonntags-arbeit antreten muste. Diese angst hat ihn endlich zu den fra- gen/ die er uͤber die materie edi rt/ und andern schrifften/ auch harten expres- sionen/ gebracht/ als da er gesprochen: beicht-stuhl/ satans-stuhl/ hoͤllen- pfuhl: daruͤber so vieler lermen entstandẽ; wiewol aus eben derselben schrifft/ da die worte stehen/ das vorhergehende und folgende klahr gnug zeigten/ daß damit nicht von der sache selbs/ sondern dem mißbrauch/ geredet werde/ weil er selbs erkennet/ daß der beicht-stuhl wohl gebraucht werden koͤnte/ welches man von nichts zu sagen vermag/ daß an sich des teuffels ist. Jch versuchte auch oͤffentlich durch guten unterricht von dem beicht-wesen der sache zu ra- then/ da ich nicht allein 1695. den 7. aug. auff einen buß-tag/ des beicht-we- sens in den Evãngelischen kirchen rechten gebrauch und mißbrauch vorstellete/ sondern auch 1697. 3. Mart. abermal auff einen buß-tag die ma- terie wiederhohlte/ vornemlich den leuten die falsche zuversicht/ die sie auff das blosse werck der beicht und empfangung der absolution ohne wahre buß setzten/ zubenehmen/ und sie dahin zu bringen/ daß sie mit christlicher Lehrer angst/ die sie uͤber den beicht-stuhl lidten/ mitleiden truͤgen/ hingegen sie durch anderes bezeugen erleichterten. Weil aber nicht allein obige harte wort/ die er schrifftlich und muͤndlich wiederhohlt/ fast insgemein bey allen/ auch wol guten seelen/ allzugrossen anstoß verursacht/ sondern Herr Schad auch in dem anfang des 1697. jahrs ohnbefragt jemanden/ um selbs seinem gewissen zura- then/ sich unterstanden hatte/ in der sacristey/ die ihm zueiniger erleichterung/ weil er mit jeder person absonderlich daselbs freyer handlen koͤnte/ von un- serm gesamten Ministerio zu S. Nicolai zum beicht-stuhl angewiesen gewest/ er sich auch derselben eine gute zeit dazu gebrauchte/ an statt der sonst gewoͤhn- lichen privat-beicht und absolution 2. sonnabend nacheinander mit allen sei- nen beicht-kindern zumalen zu handlen/ und es bey einer gemeinen absoluti- on zu lassen: daraus so bald eine groͤssere bewegung entstunde/ und nicht al- lein diejenige/ die ihm seines christlichen eiffers wegen ohnedas gehaͤßig wa- ren/ in die eusserste bitterkeit gegen ihn gesetzet wurden/ sondern auch viele rechtschaffene Christen/ die ihn selbs liebten/ nicht anders konten/ als grosses mißfallen davon zu bezeugen/ (indem es das ansehen gewann/ eigen maͤchtig in unsrer kirch den beicht-stuhl abzuschaffen) so war nicht gnug/ daß ihm die fortsetzung des angefangenen inhibi rte/ (darauff er zwahr so bald das ange- fangene unterließ/ aber damit sich insgesamt des beicht-stuhls enthielte) son- dern ich fande auch noͤthig/ daß in gedachter predigt des 3. Mart. so wol dieses eigenmaͤchtige beginnen/ als unrecht gethan/ unbillichte/ sondern auch we- gen jener wort mich also vernehmen liesse: daher man ja den beicht-stuhl keinen satans-stuhl nennen soll/ noch ohne suͤnde kan/ weder nach dem- ARTIC. I. SECTIO XXVII. demjenigen/ was selbs von goͤttlicher einsetzung drinnen ist/ noch auch was aus der kirchen anstalten in dem rechten gebrauch dazu gekom- men ist. Verstehet man aber nur den mißbrauch/ darinnen freylich der satan/ wie in allem mißbrauch/ sein werck hat/ so muß man nicht den beicht-stuhl nennen/ sondern allen mißbrauch zu vermeiden/ deut- lich reden. Jndessen war aus dieser ursach die stadt voller unruhe/ indem der groͤste theil der buͤrgerschafft/ theils aus ohne das gegen den mann und dessen ernstliches wesen gefaßten haß/ theils aus eiffer vor diese der Luthe- rischen kirchen ceremonie und sorgfalt vor die religi on/ entweder daß er wie- der zu dem beicht-stuhl sich einfinden/ und denselben nach der gewohnheit ver- walten solte/ oder daß er seine dimissi on haben moͤchte/ verlangte. Auch moͤchte/ weil er zu jenem sich nicht verstehen wolte/ der Chur-Fuͤrstl. Hoff/ der in Preussen damal war/ zu diesem letztern resolvi ret haben/ wo nicht so wol von hiesigem Stadt-rath favora bel fuͤr ihn relati on abgestattet worden/ und durch eine sonderbare unterthaͤnigste supplique an unsers gnaͤdigsten Chur-Fuͤrsten und Herrn Durchlaucht. eine ziemliche anzahl der buͤrger fuͤr ihn eingekommen waͤren. Deßwegen dann eine commissi on zu untersu- chung der gantzen sache gnaͤdigst verordnet wurde/ bestehende aus 9. Lutheri- schen aus den Chur-Fuͤrstlichen Raͤthen/ dem Ministerio und Stadt-Rath; und dero Herr geheimde Rath/ Freyherr von Schwerin/ weil Hr. ge- heimbde Rath von Fuchs (in dessen expediti on sonsten die kirchen-sachen einlauffen) mit in Preussen war/ præsidi ren solte. Diese wurde nun in der geheimen raths-stub gehalten den 17. May 1697. dazu erst 4 Stadt-Verord- nete und 8 wegen der viergewercke erschienen/ und durch ihren advocatum denunciando ihre klagen mit mehrerem anfuͤhrten: auff solche aber Herr M. Schade (der auff gethanes anbieten sich doch keines advocati gebrauchen wolte/) selbs also antwortete/ daß mich (der ich mit in der commissi on war) nicht allein hertzlich dessen freuete/ und einen guten ausgang durch GOttes gnade bereits zu sehen meinte/ sondern auch nicht zweiffle/ daß den meisten Herrn Commissariis werde dadurch gnug geschehen seyn. So bald aber Herr M. Schade seine antwort geschlossen/ trat eine gute anzahl buͤrger aus Berlin und Coͤlln vor/ sich auch durch einen advocatum interveniendo meldende. Jhr vortrag ging zum fordersten dahin/ daß/ weil die andre in dem nahmen der gantzen buͤrgerschafft gegen Herr M. Schaden geklagt/ sie und so viel an- dre von solcher klage nichts gewust/ noch darinn consenti ret; da sie hingegen demselben das zeugnuͤß eines treuen Predigers und Seelsorgers geben koͤn- ten/ und das feste vertrauen zu ihm truͤgen/ daß er alles wider sich angegebene gnugsam elidi ren werde/ wo er aber in einigen ratione modi, gefehlet/ hoff- T ten Das dritte Capitel. ten sie/ daß aus absicht der guten intenti on ihm solches gnaͤdigst pardoni- ret werde werden. Bis so weit hoͤrte ich mit grossem vergnuͤgen zu. Hier- auff aber fuhr advocatus im nahmen solcher buͤrgerschafft fort/ daß sie den beicht-stuhl auff solche art als vorhin/ nicht mehr mit gutem gewissen betre- ten koͤnten noch wolten. Sie haͤtten/ ehe sie besser informi ret worden/ aus dem beicht-stuhl gleichsam einen abgott gemacht/ und darvor gehalten/ daß ausser demselben und der ohren-beicht keine vergebung der suͤnden zu erlan- gen waͤre; nunmehr aber wuͤsten sie sich wol zu bescheiden/ daß zwahr con- fessio und absolutio in der kirchen nothwendig bleiben muͤsten/ aber deßwe- gen der beicht-stuhl und ohren-beicht nicht eben noͤthig seyen. Weil aber ihre gemuͤther und seelen nicht wenig durch diese verunruhiget worden/ hin- gegen sie von den Predigern ohne privat- beicht/ die auch Herr D. Luther frey haben wollen/ und Christus sein heiliges Abendmahl ohne dieselbe eingesetzt habe/ zu dem tisch des HErrn nicht zugelassen werden moͤchten/ bitten sie es dahin zu richten/ daß ihnen frey stehen moͤge/ jedem nach befindung seines ge- wissens sich der beicht in specie zu gebrauchen/ oder auch ohne vorhergegan- gene beicht des heiligen Abendmahls zu geniessen/ welche freyheit ihres ge- wissens sie von Sr. Chur-Fuͤrstl. Durchl. unterthaͤnigst hoffeten: dabey sie contesti reten/ daß ihnen dieses nicht etwa auff vorstellung beklagten Herrn M. Schadens in den sinn gekommen/ sondern sie vorlaͤngst nur aus gehorsam gegen die kirchen-ceremonie sich der ohren-beicht mit nicht geringer kraͤnckung ihrer gewissen gebraucht haͤtten. So angenehm mir nun der vorige vortrag gewesen/ so hertzlich hat mich dieses petitum erschreckt/ und gleichsam nider- geschlagen/ indem ich leicht die weitlaͤufftige und zweiffelhafftige folgen dar- aus mir vorgestellt: und zwahr bewegte mich solches so viel mehr/ weil vor- her von diesem vorhaben weder von jemand solcher buͤrger/ noch Herr M. Schaden/ dessen klagen allezeit nur einem Prediger/ der absolvi ren solte/ nicht aber einem beichtenden das hertz schwehr machen konten/ das geringste wort gehoͤret oder vermuthung gehabt haͤtte. Nur daß mich entsinne/ wie einige jahr vorher/ ehe dieser lermm angegangen/ ein Chur-Fuͤrstlicher Rath/ der mit Herr Schaden nicht bekannt/ als er mich besuchte/ im discours gemel- det/ daß er und mehrere andere unserer religi on bey sich fast schluͤssig worden waͤren/ bey Seiner Chur-Fuͤrstlichen Durchl. unserm gnaͤdigsten Herren/ un- terthaͤnigst um dispensati on anzuhalten/ daß sie ohngebeichtet zum heiligen Abendmahl gehen doͤrfften. Jch zeigte ihm aber/ ob ich wol den beicht-stuhl nicht fuͤr bloß nohtwendig hielte/ auch von jugend auff (wie es in dem Elsaß gebraͤuchlich) ohne privat- beicht communici ret haͤtte/ daher ehe ich jemal ge- beichtet/ 25jahr alt gewesen; so dann bekannte/ daß bey unsern beicht-anstall- ten der zweck der kirche nicht erlangt wuͤrde/ daher die meiste keinen nutzen/ eini- ARTIC . I. SECTIO XXVII. einige gar schaden/ davon haͤtten/ daß dannoch dergleichen gesuch/ wegen der gemuͤther dieses orts bewandnuͤß/ und daher besorglichen aͤrgernuͤsses/ durch- aus nicht zu rathen seye/ sondern man sich in gedult dieser kirchen- ceremonie zu bequemen haͤtte. Als aber derselbe immer auff solchem fuͤrhaben beharr- te/ bat ich endlich/ weil er liebe gegen mich bezeugte/ er und andre freunde moͤchten auffs wenigste meiner darinnen schohnen/ und so lang ich lebte/ nichts dergleichen versuchen/ indem sie leicht vorsehen koͤnten/ wo dergleichen bey meinem leben vorginge/ daß mir/ ob ich wol unschuldig/ dennoch dessen schuld in und ausser diesem lande wuͤrde beygemessen werden; welches er auch wol begriffe. Daher von solcher zeit an nichts mehr von ihm der sache wegen gehoͤret habe. Jch kehre aber wieder zu meiner angefangnen erzehlung. Weil dann nun in der commissi on geschlossen wurde/ daß nechst unterthaͤnigster relati on jeglicher der Commissariorum auch seine gedancken daruͤber einschicken solte/ wurde es mir und unterschiedlichen andern schwehr/ einen ausgang aus die- ser schwehrigkeit zu finden/ indem von beiden seiten/ die wichtigsten momen- ta vor augen stunden. Der interveni ren den buͤrger verlangen zu willfah- ren/ moͤchte rathsam machen 1. daß die privat- beicht und absoluti on/ wie sie in unsern kirchen uͤblich/ bekanntlich kein goͤttlicher befehl/ sondern eine menschliche einsetzung und an sich adiaphorum seye/ welche dinge aber zur last der gewissen nicht werden sollen. 2. Daß sie nicht in allen Evangelisch- Lutherischen kirchen hergebracht/ sondern in und ausser reichs viele gemein- den sind/ die sich vergnuͤgen mit einer vorber eitung und allgemeinen absolu- ti on/ damit auch die intervenien ten zu frieden seyn wuͤrden. 3. Daß die zahl deren/ die solches begehrten/ groß seye/ wie dann einem supplicato an Seine Chur-Fuͤrstl. Durchl. darinnen sie um solche freyheit auch angehal- ten/ auff 50 unterschrieben/ und sich vernehmen lassen/ daß mehr als noch so viele dieses sinnes waͤren/ daher es schwehr wurde/ eine so starcke anzahl der gemeinde/ in einer sache/ darinnen sie sich auff die von Christo habende frey- heit berieffen/ nicht zu erhoͤren. 4. Daß sie auch nichts eigenmaͤchtig vor- genommen/ sondern die sache bey dem summo Episcopo suchten. 5. Daß sie auch Lutherum vor sich haͤtten/ der so ernstlich er die privat-absoluti on fuͤr die/ so ihrer beduͤrfftig/ in der kirchen beybehalten haben wollen/ also daß er sie um aller welt gut nicht fahren zu lassen gemeinet/ eben so ernstlich allen zwang davon ausgeschlossen/ und die beichtfrey gelassen haben wollen. Als kirchen-post. in der Sermon von der beicht: wiewol es nicht geboten soll werden/ auff daß man nicht ein gewissen daruͤber mache/ als muͤste man zuvor beichten/ ehe man zum Sacrament gehe. Tom. 1. Alt. fol. T 2 795. a. Das dritte Capitel. 795. a. will er auch die beicht nicht zu einem noth-stall gemacht/ und mit geboten verfaßt haben/ sondern daß sie als die jungfrauschafft frey bleibe. Tom. 2. Alt. f. 114. b. Darum hab ichs gesagt und sags noch/ daß ich mir diese heimliche beicht nicht will nehmen lassen/ ich will auch niemand dazu zwingen oder gezwungen haben/ sondern einem jegli- chen frey heim stellen. Tom. 7. Alt. fol. 10. b. und in dem unterricht der visitatorum an die Pfarherrn in dem Chur-Fuͤrstenthum Sachsen: (welche schrifft die art einer kirchen-Ordnung hat) Es soll niemand zum Sacra- ment gelassen werden/ er seye dann vorhin bey dem Pfarherrn gewe- sen: der soll hoͤren/ ob er vom Sacrament recht unterrichtet seye/ ob er auch sonst raths bedoͤrffe/ oder seye eine solche person/ die man sihet und weist/ daß sie alles wol berichtet seye. Denn ob der Pfarherr selbs oder Prediger/ so taͤglich damit umgehen/ ohne beicht oder verhoͤr zum Sacrament gehen will/ soll ihm hiemit nichts verboten seyn. Deßgleichen ist auch von andern verstaͤndigen personen/ so sich selbs wol zu berichten wissen/ zusagen/ damit nicht wieder ein neuer papst- zwang oder noͤthige gewohnheit aus solcher beicht werde/ die wir sollen und muͤssen frey haben. Und ich D. Martin selbs etliche mal ungebeichtet hinzu gehe. Daß ich mir nicht selbs eine noͤthige ge- wohnheit mache im gewissen; doch wiederum der beicht brauche/ und nicht entbehren will/ allermeist um der absoluti on/ das ist/ Got- tes worts willen: dann das junge und grobe volck muß man anders ziehen und weisen/ weder die verstaͤndige und geuͤbte leute. Und fol. 126. doch so fern daß es alles frey bleibe/ denjenigen unverboten/ die derselben absoluti on brauchen wollen/ und von ihrem Pfarherr viel- leicht lieber haben/ als von einer offentlichen kirchen-person/ dann von einem andern/ auch vielleicht nicht entbehren koͤnnen. Wie- derum diejenige ungezwungen/ zuvor so sie wol berichtet im glauben und in der lehre Christi sind/ so allein GOTT beichten wollen/ und das Sacrament darauff nehmen/ die soll man nichts weiter zwingen. Dann es nimmts ein jeder auff sein gewissen/ 1. Cor. 11/ 28. Weil nun Lutherus so starck auff diese freyheit getrieben/ (wie dann dergleichen stellen noch mehr in seinen schrifften sich finden) daß ers auch in die erste Saͤchs. kirchen-ordnung setzen lassen/ wuͤrde es ein hartes seyn/ wo man deroselben gebrauch denen nicht verstatten wolte/ die ihn sehnlich ver- ARTIC . I. SECTIO XXVII. verlangten: auch wuͤrde es sie so viel mehr aͤrgern/ sonderlich weil unter de- nen/ die am meisten solche suchten/ einige von langer zeit Lutheri schrifften fleißig gelesen/ dieses daraus geschoͤpfft hatten/ und deswegen an der versa- gung sich mehr stossen wuͤrden. 6. Daß die leute sich immer auff den anstoß ihres gewissens bezoͤgen/ daß ihnen die beicht zur last wuͤrde/ und sie mehr in der andacht stoͤhrete/ weil sie nicht aus freyem trieb kaͤme/ sondern dazu genoͤ- thiget/ auch von den meisten Predigern ohne unterschied alle also tractiret wuͤrden/ ob muͤßtẽ sie jedesmal erst in dem beicht-stuhl aus kindern des zorns/ kinder der gnaden/ und die suͤnden/ die ihnen noch zugerechnet waͤren/ erst vergeben werden; dessen doch das gewissen diejenige/ die in staͤter buß und glauben einhergehen/ gantz anders versichere. 7. Daß hingegen andere/ welche den beicht-stuhl ihnen troͤstl. finden/ und daher ihn gern allezeit brau- chen wolten/ ihre freyheit auch behielten/ dem trieb ihres gewissens nachzu- gehen: indem sie die gaͤntzliche abschaffung des beicht-stuhls nicht forderten. 8. Daß man bereits in diesem land ein gleiches exempel einiger freyheit an dem exorcismo habe/ da den eltern denselben bey ihren kindern zugebrauchen/ oder auszulassen erlaubt seye. 9. Daß damit auch denen gerathen wuͤrde/ die von solchen orten herkaͤmen/ da die privat-beicht nicht uͤblich/ und solchen leuten gemeiniglich schwehr falle/ sich erst zu dergleichen zu gewehnen/ indem sie dabey blieben/ wie sie von jugend auff gewohnt gewesen. 10. Daß/ im fall den leuten in dem petito, das sie billich zu seyn glaubeten/ nicht gefuͤget wuͤr- de/ viele derselben sich opiniastri ren und der communion gar enthalten moͤch- ten/ daraus es bald zu einem voͤlligen schismate, wo nicht gar eigenmaͤchti- gen privat-communionen/ ausschlagen/ denselben alsdann aber nicht mehr so leicht und ohne die groͤsseste motus wieder abgeholffen werden koͤnte. 11. Daß also Herrn M. Schaden/ auch solches stuͤck des predigamts/ davon ihn sonsten sein gewissen noch abhaͤlt/ anvertrauet werden koͤnte. Wie nun diese mo- menta kein geringes gewicht hatten/ die verlangte freyheit zu belieben/ wa- ren hingegen die gegen-gewichte nicht geringer/ die in folgenden stuͤcken be- stunden. 1. Ob wol die privat-beicht nichts mehr als ein adiaphorum und kirchen-gebrauch zu erkennen/ so verbinden doch auch dieselbe im gewissen um guter ordnung willen/ als lang die kirche/ dabey alle staͤnde seyn muͤßten/ sie nicht auffhebet. 2. Jn der Augsp. Conf. als unserm allgemeinen Symboli- schen buch/ da auch die Reformirte zu unterschreiben sich erboten/ wird art. 11. die beicht in der kirchen zu behalten/ befohlen; sodann art. 25. der Kaͤyser und das reich versichert/ daß niemand das Sacrament gereichet werde/ er seye dann zuvor verhoͤrt und absolvirt/ dagegen diese freyheit streiten moͤchte. 4. Wie es sehr widrige urtheil an andern orten nach sich ziehen/ und hiesige kirche boͤsen nachreden freystellen wuͤrde/ also wuͤrden sich auch T 3 hier Das dritte Capitel. hier schwache und unberichtete sehr daran aͤrgern/ da wir doch um verhuͤtung aͤrgernuͤß willen uns auch nach Rom. 14. des gebrauchs unsrer freyheit be- geben solten. 5. Die verbitterung der gemuͤther/ die sich gleich bey der com- mission an dem gegentheil gezeiget/ wuͤrde durch die dem schwaͤcheren theil zulassende freyheit/ nicht nur unterhalten/ sondern vermehret/ und die sich ihr gebrauchten/ von den uͤbrigen nicht mehr fuͤr wahre Lutherische gehalten werden/ daß es zu einer voͤlligen trennung ausschlagen/ sorglich bey gelegen- heit (vielleicht selbs unter ehe-leuten) viel streit/ zanck/ ja wol gar in allerhand zusammenkuͤnfften/ schlaͤgereyen/ wo nicht gar mord und todtschlag/ veran- lassen koͤnte. 6. Jn dem Ministerio selbs ist zu sorgen/ daß dergleichen frey- gebung viele irrung und aͤrgerliche mißhelligkeit zu vielem andern nachtheil erwecken moͤchte. 7. Jn ansehung dessen/ solten diejenige/ welche die frey- heit verlangen/ aus der schuldigen liebe des nechsten/ damit sie dergleichen ungemach/ das sie vor augen sehen/ verhuͤteten/ sich auch ihres rechtes so lang begeben/ als sie sehen/ daß der schade so groß ist/ daß er ihren davon hoffen- den nutzen uͤberwiegen wuͤrde. 8. Und zwahr so vielmehr/ weil der vorwen- dende scrupel ihres gewissens von der erheblichkeit nicht ist/ wie etwa der Prediger von ihrer seiten/ wann dieselbe sorgen muͤssen/ in verrichtung ihres amts wegen ungewißheit der wuͤrdigkeit des absolvendi, zu suͤndigen; da hingegen diese nicht sagen koͤnnen noch werden/ daß wo beicht-vaͤter und beicht-kinder sich recht bezeugen/ durch den gebrauchder beicht gesuͤndigt wer- de; indem sie es selbs fuͤr ein frey mittel-ding und es einigen und in gewissen faͤllen noͤthig zu seyn glauben/ also daß sie nicht darin zu suͤndigen gewiß seyn koͤnnen: sondern es kommt alle beschwehrde darauff allein an/ daß sie zu ei- nem actu genoͤthigt wuͤrden/ den sie im gewissen ihnen nicht noͤthig finden/ und der ihnen ohne nutzen bleibe/ weil sie sich an der allgemeinen absolution gantz vergnuͤgten: dergleichen aber ist eine beschwehrde/ die sie aus liebe zu andern viel lieber tragen/ als anderer gewissen irre zu machen haͤtten; so viel- mehr/ weil sie auch nicht allein ihre beicht nach ihrem gewissen jeder frey ein- richten/ sondern auch wo sie christliche verstaͤndige beicht-vaͤter haben/ sich mit denselben also unterreden moͤchten/ daß auch dieser absolutions- formul ih- nen nicht anstoͤßig seye; wie denn auch diese ihnen zu fuͤgen verbunden sind. 9. Es haben solche leute billich sich des exempels der ersten Christen zu erin- nern. Es war damals durch den todt JEsu Christi allen ceremonien, ihrer beschneidung und andern stuͤcken des levitischen gesetzes nicht nur ihre krafft benommen/ sondern gar ein ende daran gemacht/ und die glaͤubige in eine voͤllige freyheit davon gesetzt: so gar/ daß wo sie mit dem hertzen daran noch hiengen/ ihnen auch der gebrauch schaͤdlich und verdammlich werden kon- te. Gal. 5/ 2. 3. 4. Unterdessen so lang als die aus den Juden bekehrte/ sich nicht ARTIC. I. SECTIO XXVII. nicht recht darein richten konten/ und sich an ihren mitbruͤdern aͤrgerten/ weñ diese sich der freyheit gebraucheten/ so befiehlet Paulus 1. Cor. 8. Rom. 14. daß man sich seiner freyheit so lang begeben/ und das joch solcher be- schwehrde aus liebe auffnehmen solte/ mit dem beysatz/ wo man doch auff sei- ner freyheit bestehen/ man sich dadurch an Christo selbs versuͤndigen wuͤrde. Ja als ein widriges von ihm ausgebracht worden/ ob lehrte er/ man solle die von Christo gleichwol abgethane satzungen Mosis gantz verlassen/ (wir moͤch- ten sagen/ die kirchen-ordnungen hindan setzen) so wurde ihm von Jacobo und den uͤbrigen Eltesten der christlichen kirchen zu Jerusalem aufferleget/ daß er ein geluͤbde auff sich nehmen/ und denen durch Christum abgeschaffeten satzungen sich ohne noth aus liebe bequemen muste/ wie er auch that: Apost. Geschicht 21/ 21. u. f. Gleiches verbindet uns auch noch jetzt/ daß wir aus liebe und anderer zu schohnen/ denen/ ob wol nicht noͤthigen/ doch auch un- suͤndlichen kirchen- ceremonien, uns/ so lang sonst noch aͤrgernuͤß zu sorgen ist/ ob schon mit beschwehrden/ unterwerffen. 10. Es ist billich zu sorgen/ daß ob einigen guten seelen/ der gebrauch des H. Abendmahls durch solche freyheit so viel freudiger werden/ hingegen viele andere ruchlose/ denen kein scrupel ihres gewissens dazu anlaß gibet/ nach ihrer art derselben zu mehrer hegung ihrer frechheit/ mißbrauchen/ und da der zuspruch des Predigers vor der absolution noch ein geringes stuͤck der kirchen- disciplin bey denen/ die es noͤthig haben/ seyn mag/ mit dessen hinfallen die boßheit nur einen desto scheinbahrern deckel bekommen wuͤrde. Deswegen dann abermal diejenige/ welche sich der freyheit wol zu brauchen wuͤsten/ da sie andern dadurch zum mißbrauch anlaß zu geben sehen/ lieber selbs davon zuruͤck treten solten: die Obere aber in ertheilung der freyheit billich auff beyde sehen/ und von wel- cher seite der nutze oder schade wichtiger/ kluͤglich erwegende/ den ausschlag darnach richten muͤssen. 11. Weil Lutherus selbs/ da er von der freyheit han- delt/ zwahr den wol berichteten solche gestattet/ dem groben und jungen volck aber nicht zugeben will/ werde es tausend schwehrigkeiten geben/ und jeder wollen nicht den unberichteten und groben leuten zugezehlet/ sondern unter die erste sorte gerechnet werden. 12. Weil die meiste und der kirchen nuͤtzlich- ste sorge/ billich dahin gerichtet werden solle/ damit die bekehrung der ruchlo- sen und abhaltung der unwuͤrdigen/ die sich in der sicherheit staͤrcken/ befor- dert werden moͤge/ thut dazu diese freygebung nichts/ sondern mag wol gar eher eine hindernuͤß derselben werden. 13. Es wuͤrde das exempel/ da es in der haupt-stadt eingefuͤhret/ auch in dem gantzen lande viel auffsehens ma- chen/ und deren eine grosse anzahl auffstehen/ nicht allein meiste des Adels/ sondern auch andre/ die nicht eben aus dergleichen christlichen anliegen/ son- dern daß sie gar keinen zuspruch leiden/ vielmehr gern alle auch ihnen nuͤtzli- che Das dritte Capitel. che bande von sich werffen wolten/ eine solche freyheit fordern/ hingegen sich manch mal weniger in schrancken halten lassen wuͤrden/ als wir von den hiesi- gen interveni renden buͤrgern hoffen koͤnten; worauff gleichwol auch grosse reflexion zu machen. 14. Sonderlich ist ein wichtiges bedencken/ weil es nicht allein die Berlinische/ sondern auch Coͤllnische kirche/ (indem auch Coͤll- nische buͤrger mit angegeben worden) ja wegen der folge die gantze Maͤrcki- sche kirche angehe/ daß mans von solcher wichtigkeit zu achten/ daruͤber langwirige berathschlagungen und zu rathziehung aller derer/ die es mit be- treffe/ anzustellen noͤthig seyn wuͤrde. Jch bin versichert/ wer diese beyderley rationen mit fleiß uͤberlegen wird/ daß es einem jeden schwehr fallen wird/ auff eine oder andre seite den ausspruch zu geben: daher ich nicht weiter zu gehen gewust/ als daß rathsam gehalten/ den eingekommenen buͤrgern ihr begehren zwahr nicht abzuschla- gen/ sondern noch auszusetzen; indessen dem gesamten Ministerio beyder staͤd- te zu befehlen/ sich zusammen zu thun/ und in der forcht des HErrn reifflich zu uͤberlegen/ wie das beicht-wesen in hiesigen kirchen auff das erbaulichste/ mit ableinung aller gemeinen mißbraͤuche/ und also abschaffung der klagen/ welche dasselbige auch vielen guten seelen widrig machen/ eingerichtet wer- den koͤnte: sonderlich aber darauff bedacht zu seyn/ weil das beicht-geld so offt boͤsen schein gebe/ und den beicht-stuhl einigen gewissenhafften Predigern/ so dann zuhoͤrern/ verdaͤchtig mache/ ob wege zu finden/ daß dasselbe abgestellt und zu ersetzung der nothdurfft der Prediger ein ander mittel ausgefunden werden koͤnte. Wo dieses geschehe/ hatte ich hoffnung/ es wuͤrde manchem deꝛ beicht-stuhl nicht mehr so anstoͤßig vorkommen/ als biß dahin ihnen dersel- be geschienen/ vielleicht auch die gemuͤther bey denselben in dem stuͤck geaͤndert werden: man haͤtte auch gelegenheit indessen/ mit denen die freyheit verlan- genden buͤrgern ausfuͤhrlich zu handeln/ ihnen die wichtige bedencken gegen ihr verlangen/ auch was sie vor verantwortung vieles aͤrgernuͤsses auff sich laden wuͤrden/ beweglich und nachtruͤcklich vorzustellen/ damit sie selbs von ihrem begehren abstuͤnden. Wuͤrde aber mit allem solchem nichts ausgerich- tet/ und weder durch die zeit noch geschehene zuspruͤche die gemuͤther zum weichen gewonnen/ vielmehr wuͤrden endlich andre extrema und trennung zu erwarten seyn; da waͤre erst zeit/ auffs neue daruͤber zu deliberi ren/ und end- lich denjenigen/ die sich von ihrem begehren nicht abhalten liessen/ zuverstat- ten/ daß sie nach angehoͤrter einer vorbereitungs-predigt und empfangner gemeinen absolution, sich des beicht-stuhls/ welcher den uͤbrigen allezeit ohne eintrag bliebe/ enthalten/ und doch bey dem Abendmahl sich einfinden moͤchten. Nachdem folgendes der Churfuͤrstliche hoff aus Preussen wieder zuruͤ- cke ARTIC. I. SECTIO XXVII. cke kam/ zeigte sich bald/ daß derselbe zu verstattung der freyheit inclini rte/ doch wurde das geschaͤffte wegen anderer hindernuͤssen immer auffgeschoben. Jndessen unterliesse ich nicht/ bey von freyem aufgestossener uñ auch selbs ge- suchter gelegenheit einem und andern von denen/ welche die freyheit vom beicht-stuhl verlangten/ hertzlich zuzusprechen/ daß sie die liebe darinnen vor- tringen lassen/ und andrer mitglieder unsrer kirchen/ die sich an ihnen aͤrger- ten/ schohnen; und weil man ihren gewissen keinen trang anzuthun suchte/ von freyen stuͤcken ihres begehrens sich begeben/ und der gemeinen ord- nung wieder bequemen moͤchten. Jch bekam auch gelegenheit/ als solchen sommer eine aͤrgerliche schrifft eines mannes/ den man bald an seiner schreib- art kennen konte/ unter dem nahmen Apostolischer bericht und unter- richt von beicht und Abendmahl/ heraus kam/ und von einigen nicht ohne belieben gelesen/ dadurch aber andre noch mehr erbittert/ und viel christliche seelen auch hertzlich betruͤbt worden; also daß noͤthig war/ oͤffentlich davon zu handlen/ daß ich den 19. nach Trinitat. solches 1697. jahrs bey dem Evange- lio/ von der dem gichtbruͤchigen ertheilten vergebung der suͤnden/ nicht nur dieselbe in der predigt gruͤndlich widerlegte/ sondern auch des streits in der gemeinde wehemuͤthig erwehnte/ und beiden theilen beweglichst zusprach/ wie sie sich gegen einander bezeugen/ die widrige ihre bitterkeit ablegen/ die andre aber auch wider die liebe sich auff ihre freyheit mit dero aͤrgernuͤß nicht zu starck beruffen/ sondern lieber weichen solten: wie nun mein gantzes hertz in derselben ausgeschuͤttet habe/ so communicire dieselbe auch copeylich hie- mit. Ob nun wol andre verstaͤndige glieder unserer gemeinde/ die gleichsam nicht parthey genommen hatten/ da sie meinen sinn und bekaͤntnuͤß oͤffentlich angehoͤret/ damit wol vergnuͤget waren; so wurde doch dadurch zur beyle- gung des streits noch nichts ausgerichtet: sondern der eine theil verharrete in seinem grimm und hefftigkeit wie gegen Herr M. Schaden/ den sie als den urheber der sache ansahen/ und gegen diejenige/ die vor die freyheit waren. Die andre liessen sich hingegen auch durch keine oͤffentliche oder geheime re- monstrationes von ihrem sinn abbringen/ sondern wiederhohlten ihr suchen immer auffs neue. Jndessen gefiel es GOtt/ Herr M. Schaden den 24. Jul. des vorigen jahrs (1698) selig abzufodern/ und aus diesen bewegungen in die wahre ruhe zu versetzen; jene aber wurden dadurch/ wie man hoffen moͤgen/ nicht geleget/ sondern waͤhreten immerfort/ sonderlich blieben diejenige/ so vor die freyheit stunden/ so fest bey ihrem vorsatz/ daß ich klahr gnug sahe/ daß/ wo sie das gesuchte nicht erlangten/ eher andre unsrer kirchen gefaͤhrlichere resolutiones und unwieder bringliche aͤrgernuͤssen (welche die von der frey ge- bung entstehende weit uͤbertraͤffen) erfolgen/ als ruhe erhalten werden wuͤr- de: daß des wegen die sache endlich gehen liesse. Darauff geschahe/ daß S. U Churfl. Das dritte Capitel. Churfl. Durchlaucht. unser gnaͤdigster Herr/ der der loͤblichen intention ist/ jedem seiner unterthanen ihre gewissens-freyheit ungekraͤnckt zu lassen/ nach staͤtem anlauff endlich den 16. Novembr. juͤngsthin sein decisum in der sache zwischen den beyden/ hiesiger staͤdte streitenden partheyen/ die demselben zu seinem ausspruch gebracht worden/ ertheilte/ und solches so wol pronuncii- ren/ als durch den truck bekant machen liesse; dahin gehende/ daß die privat- beichte/ wie sie uͤblich gewesen/ fuͤr diejenigen/ die sich derselben gebrauchen wolten/ nach wie vor bleiben/ und darinnen nichts geaͤndert werden solte/ nur daß allezeit alle sonnabend nachmittag zur zeit der beicht/ zudesto besserer vorbereitung der communicanten/ ein buß- sermon vor dem altar zu halten/ mit anbefohlen worden. Was aber diejenige anlangt/ die sich einen gewis- sens-scrupel uͤber die privat-beicht machten/ da sie sonsten keines offenbahren aͤrgerlichen wandels uͤberfuͤhret/ ist verordnet/ daß sie/ weil sie nicht zum beicht-stuhl gingen/ der ursach wegen nicht von den H. nachtmahl abgehalten werden solten. Dabey aber diese austruͤckliche cautel, damit durch diese concession nicht etwa rohen leuten/ welche aus andern ursachen/ und entwe- der ihrer unwissen heit oder boͤsen lebens willen/ sich der privat-beicht enthal- ten wolten/ anlaß gegeben werde/ das H. Sacrament zu profani ren/ sollen alle diejenige/ welche sich des beicht-stuhls enthalten/ die woche vor dem sonn- tag/ da sie das nachtmahl zu nehmen gesonnen/ bey einem der Prediger sich erst anmelden/ damit derselbe sein amt darunter an ihnen beobachte. Hie- mit wurde also/ was einer der haupt-zwecke des beybehaltenen beicht-stuhls ist/ nemlich/ daß man mit den leuten nach nothdurfft ihres gewissens beson- ders handlen koͤnte/ bey solchen leuten/ die nicht beichten/ nicht weniger als bey den andern/ ja noch besser/ weil man bey jetziger bewandnuͤß und umstaͤn- den/ in dem beicht - stuhl mit keinem recht nach nothdurfft allein handlen kan/ erhalten. Jch bin nicht in abrede/ daß ich mir mehr lermen uͤber dieses de- cisum eingebildet und besorget habe/ als sich darauff erhoben; denn ob wol von seiten einiger Prediger wegen der admission dieser leute schwehrigkeit sich ereignet/ so denn vieles murren der leute gehoͤret worden/ ist es doch nicht allein bey der verordnung geblieben/ sondern es leget sich alles allgemach. Wie ich denn des gaͤntzlichen vertrauens bin/ daß sich mit der zeit die gemuͤ- ther selbs mehr vereinigen/ einige/ welche diese freyheit biß dahin als die ge- faͤhrlichste wunde unser religion zugefuͤget/ angesehen/ dieselbe selbs anders ansehen lernen; hingegen andre/ die vor dem beicht-stuhl einen greuel gefaßt/ auch diesen fahren lassen/ und nachdem sie sich einige mal ihrer freyheit ge- braucht/ ihrem gewissen nicht weiter mehr zuwider achten werden/ in ihrer freyheit sich wieder bey dem beicht-stuhl einzufinden. Damit wird auch das aͤrgernuͤß nach und nach hinfallen/ daß durch eine trennung/ die aus der be- harli- ARTIC. I. SECTIO XXVII. harrlichen versagung entstanden/ unheilbar worden waͤre. Der HErr er- halte uns bey der wahrheit/ und lasse uns ihm stets dienen aus glauben in der liebe/ in freyheit und gehorsam/ in christlicher weißheit und friede/ zur heiligung seines nahmens/ seines reichs befestigung und seines willens voll- bringung um Christi willen! Amen. 1699. Hier auff folget aus der im vorhergehenden bericht ange- regten/ und den 10. Oct. 1697. uͤber das Evangelium Matth. IX, 1--8. sonderlich aber v. 2. zu S. Nicolai gehaltenen predigt/ die erklaͤhrung des textes und haupt-lehr. Erklaͤhrung des textes. E S ist zu betrachten der absolvirende/ der absolvirte/ und die abso- lution. Absolvens, absolutus, absolutio. I. Der absolvirende. Der HErr JEsus/ wie aus dem vorigen zu erkennen. Wir sehen ihn aber an/ nicht nur als GOtt/ der nach seiner hoͤchsten gewalt solches thun kan/ sondern auch als wahren menschen/ v. 6. aber daß die menschheit in der persoͤhnlichen gemeinschafft der gottheit/ und also auch aller ihrer gewalt stunde. Er that dieses werck/ als der dazu gesandte Meßias/ zu dessen amt auch dieser trost gehoͤrete/ Jesa. 61/ 1. 2. welchen ort der HErr selbs auff sich ziehet Luc. 4./ 18. Also ist GOtt allein derjenige/ der die eigentliche macht hat/ suͤnde zu vergeben: Wie denn Marc. 2/ 7. die Phariseer nicht in solchem satz/ sondern nur dessen uͤbeler anwendung/ fehleten. Die ursach ist diese/ weil niemand etwas vergeben kan/ als an wem unrecht geschehen ist: nun geben alle suͤnden/ so viel derselben einiger massen begangen werden koͤnnen/ unmittelbar/ oder auch mittelbar wider GOtt/ da- her ob wol ein jeglicher mensch auch von seiner seite/ die suͤnde/ so fern sie auch wider ihn begangen worden/ vergeben kan; so bleibet der suͤnder nach erhalte- ner vergebung des nechsten doch noch immer vor GOtt in der schuld/ die nie- mand als er allein selbs nachlassen kan. Wie gleichwol der HERR JEsus auch der kirchen und dero dienern Matth. 16/ 19. 18/ 10. Joh. 20/ 23. nicht so wol die macht/ als die verwal- tung der vergebung der suͤnden/ anvertrauet habe/ soll nachmal folgen. Ob nun wol alsdenn eine vom Prediger ertheilte absolution/ bey einem wahr- hafftig-bußfertigen/ so guͤltig/ als Christi eigne absolution/ ja vielmehr Chri- sti/ als des Predigers werck ist; so ist doch nicht allein der groͤsseste unterscheid darinnen/ daß der HErr alles auch in solchem werck/ thut als ein HErr und in. eignem nahmen/ wir aber nur als diener/ ausrichter seines amts und be- U 2 fehls/ Das dritte Capitel. fehls/ und also in seinem nahmen; sondern auch darinnen/ daß Christus selbs hier in das hertz des gichtbruͤchigen/ oder so offt er sonst suͤnde vergeben hat/ solches menschen hinnein sehen/ und also erkennen konte/ ob der mensch wahr- hafftig bußfertig/ und also der vergebung auch vor GOtt faͤhig seye/ daher er in seiner absolution nie betrogen wurde. Weil aber wir Prediger men- schen sind/ und also aus der beicht oder andern kennzeichen offt einen als buß- fertig annehmen/ der es doch wahrhafftig nicht ist/ weil wir nicht in das hertz sehen koͤnnen/ so geschiehets wol/ daß wir betrogen werden/ und jemand ab- solviren/ der doch um seiner unbußfertigkeit willen/ der vergebung vor Gott nicht faͤhig ist/ und sie also in der that nicht erlanget. Wiewol alsdenn kei- ner durch die absolution betrogen wird/ der nicht mit eingebildeter oder an- gemaßter buß erstlich sich und uns betrogen haͤtte/ der deßwegen niemand anders als ihm selbs den aus der ihm nicht zukommenden vergebung erwach- senden schaden/ beyzumessen hat. II. Der absolvirte. Der gichtbruͤchige. Ein mann/ an dem lei- be gantz elend/ der durch einen schlag-fluß gelaͤhmet/ seine glieder nicht brau- chen konte; der auch seine suͤnde an sich hatte/ die der HErr an ihm erkannt/ und deswegen diese geist liche cur an seiner seelen ihm vorerst noͤthig erachtet hat. Ob er nun gar mit unmaͤßigkeit und gewissen absonderlichen suͤnden diese kranckheit ihm selbs zugezogen/ wird nicht ausged ruckt/ und kan also nicht ohne vermessenheit bejahet oder verneinet werden. Er muß aber in wahrer buß gestanden seyn/ als ohne welche ihm der HErr/ als der ordnung seines himmlischen Vaters wol kuͤndig/ die suͤnde nicht vergeben haben wuͤrde. So scheinet auch/ weil der HErr zu ihm spricht/ sey getrost/ deine suͤnde sind dir vergeben/ daß der gute mann/ seine suͤnde schwehr gefuͤhlet haben/ und in angst derselben gestanden seyn muß. Daß er auch den wahren glauben in seiner seelen gehabt/ bezeugt der text selbs/ da der Herr ihren glauben sahe. Es mag auch wol seine kranckheit gleichsam ein strick gewesen seyn/ ihn zur wahren buß zu bringen/ Ps. 32/ 9. 107/ 17. 18. 19. Wie GOtt bey ihrer viele solches/ obwol harte/ doch ihren seelen heylsame mittel zu ihrer bekeh- rung brauchet. Wir sehen aber dabey die bewandnuͤß deren/ welche der suͤn- den vergebung faͤhig seyen. Nemlich keine andre/ als die bußfertig sind; wie solche beyde buß und vergebung zusammen gesetzt werden: Luc. 24/ 47. Ap. Gesch. 5/ 13. Es muß die bekehrung vorher gehen/ ehe man der vergebung faͤhig ist/ Ap. Gesch. 26/ 18. Also doͤrffen wir nicht gedencken von einiger solchen krafft der absoluti- on/ daß wo nur dieselbe erlanget wuͤrde/ nothwendig die suͤnden auch kraͤfftig vergeben seyn muͤsten/ um solches wercks willen. Nein/ sondern es muß erst der ARTIC. I. SECTIO XXVII. der mensch in einer wahren bekehrung/ in wahrer buß/ in reu und haß seiner suͤnde/ und also ernstlichem vorsatz sie nun und nimmermehr mit willen zu be- gehen/ auch im glauben an JEsum Christum stehen/ ehe ihm die absoluti on nutzen kan. Wo nun also der bußfertige mensch in solchem glauben an Got- tes gnade in JEsu Christo stehet/ und damit diese ergreifft/ so ist er gerecht- fertiget durch den glauben/ das ist/ es sind ihm seine suͤnden um der gerechtig- keit JEsu Christi willen/ der dafuͤr genug gethan hat/ in dem augenblick vor Gottes gericht vergeben/ und er gerecht/ Rom. 3/ 24. 25. 4/ 5. ehe er auch mit eusserlichen worten absolvi ret wird/ ja ob auch in der welt keine absolu- ti on nachfolgte. Wann aber nachmal einem solchen bußfertigen die absolu- ti on gesprochen wird/ so wird die vor GOtt in seinem gericht bereits gesche- hene vergebung bekraͤfftiget/ und sein glaube damit versichert. Daher gehet erstlich vor GOtt solche vergebung vor/ und folget die vergebung auff erden durch den Prediger hernach. Wie auch der HErr hier sagt/ deine suͤnde sind dir vergeben/ sie sind dir schon vergeben worden. Also auch Matth. 16/ 19. 18/ 18. Joh. 20/ 23. zeigen die redens-arten alle an/ daß die verge- bung bey GOTT vorhergehe. Wo hingegen der mensch nicht in buß und glauben stehet/ und ein solch hertz zu dem beicht-stuhl bringet/ das vor GOtt in seinem gericht der vergebung nicht faͤhig ist/ dem kan die absoluti on/ die er von einem menschen/ mit was ernst ihm auch dieselbe gesprochen wuͤrde/ em- pfaͤnget/ nicht im geringsten nutzen. Und kan er sich alsdenn nicht dermal- eins beschwehren/ weil das wort der Absolution/ als ein wort GOttes muͤs- se kraͤfftig seyn/ so habe er sich darauff verlassen/ und seye dadurch und also durch goͤttliche ordnung selbs betrogen worden. Dann goͤttliche ordnung be- krieget keinen/ sondern du armer mensch hast dich in solchem fall/ durch den mißbrauch goͤttlicher ordnung betrogen: indem du ein hertz ohne wahre buß und glauben gebracht/ an welchem denn keine absolution hafften kan. Also lassen sich doch alle dieses gesagt seyn/ welche zum beicht-stuhl kom- men/ daß sie vor der beicht/ und auch nach der beicht/ sich auffs hertzlichste pruͤffen/ ob sie in auffrichtiger buß und glauben stehen oder nicht: daher sich nicht eher des trosts der absoluti on an nehmen/ als bis sie das zeugnuͤß ihres gewissens haben/ daß es ihnen mit ihrer buß ein ernst seye; ist aber dieses/ und haben sie nicht allein ein hertzlich verlangen nach der gnade/ sondern auch einen bußfertigen vorsatz der suͤnde nicht weiter zu dienen/ so sind sie alsdann der absoluti on und dero guͤltigkeit goͤttlich versichert. Ach daß doch jederman dieses hertzlich erwegte! da hingegen gewiß/ viele hundert und tausend druͤber ewig verlohren gehen/ daß sie sich immer auff die beicht und absoluti on verlassen/ und daß ihnen ihre suͤnde vergeben U 3 wor- Das dritte Capitel. worden/ betrieglich geglaubet haben; da sie doch niemal zur wahren buß ge- kommen/ und also immer in ihren suͤnden stecken geblieben/ auch wol darin- nen gestorben sind. Denen geholffen haͤtte werde koͤnnen/ wann sie den be- trug ihres falschen vertrauens auff die absoluti on bey unbußfertigem stand haͤtten erkannt und fahren lassen/ und dadurch zur wahren buß ange- trieben worden waͤren/ aus ihrer vorigen sicherheit zu entfliehen. III. Die absoluti on. 1. Der anspruch. Mein sohn. Einige der Vaͤter sehen 1. das wort an/ als ein wort der demuth. Und bemercket Hie- ronymus, es seye eine wunderbare demuth/ daß der HErr solchen verachte- ten/ schwachen und lahmen mann seinen sohn nennet/ den die priester nicht gewuͤrdiget haͤtten/ anzuruͤhren. 2. Andre sehen auff den glauben des mannes/ Joh. 1/ 12. wodurch wir Gottes kinder werden. Andre 3. auff die vergebung der suͤnden/ oder auch 4. die Schoͤpffung. Wir fassen am be- sten das meiste zusammen. Es habe nemlich der HErr auch mit diesem zuspruch dem armen mann ein hertz machen/ und sein vaͤterliches gemuͤth ge- gen ihn bezeugen wollen/ daß er ihn wegen seines glaubens einen sohn nennet/ damit er so viel weniger an der treuen meynung des HErrn/ und an der gewißheit der vergebung zweiffeln moͤchte. Also ist das vertrauen insgesammt/ das wir auff GOTT haben/ ge- gruͤndet auff unsre kindschafft/ weil er uns um seines sohnes Christi willen zu gnaden-kindern verordnet und angenommen hat. 2. Der trost. Sey getrost. Er will ihm anzeigen/ er habe nicht ursach aͤngstlich oder wehmuͤthig zu seyn/ er solte auch deßwegen solche angst fahren lassen. Daraus sehen wir 1. ob wol der gichtbruͤchige den glauben gehabt/ daß er doch dabey viel schwachheit desselben muß gefuͤhlet/ ihm sein gewissen staͤts seine suͤnde vorgeruͤcket/ und ihn also verunruhiget haben; wel- ches 2. der HERR bey ihm gesehen/ und also derselben begegnen wollen. 3. Daher heist er ihn getrost seyn/ allen zweiffel von Gottes gnade/ den ihm sein hertz machen wollen/ ablegen/ und hingegen einen zuversichtlichen muth fassen. 4. Sonst forderte er von ihm zur vergebung der suͤnden nichts an- ders/ daß er etwa seine suͤnde noch kuͤnfftig mit etwas gewisses abbuͤssen muͤ- ste. Wir sehen 1. daß zu der rechtfertigung und vergebung der suͤnden nichts anders zu dero mittel erfordert werde/ als der glaube/ dessen krafft durch die- ses getrost seyn angedeutet wird. Rom. 3/ 28. Ferner 2. daß der mensch auch der vergebung der suͤnden so gewiß werden koͤnne/ daß er einen getrosten muth daruͤber habe. Auch 3. wie unser Heyland so gern/ wo er den glauben/ ob wol in schwachem maaß/ findet/ denselben mit zuspruch/ und auff alle weise/ staͤrcke. 3. Die ARTIC. I. SECTIO XXVII. 3. Die absoluti on selbs. 1. Deine suͤnde. Nemlich alle/ die er ge- wust und erkannt/ oder auch nicht gewust/ und ihm verborgen gewesen/ mit einander; jedoch allein die begangene suͤnde/ nicht aber die er ferner in falschem vertrauen auff solche vergebung muthwillig begehen/ und sich also vorbehal- ten wolte. Wir mercken/ daß bey GOtt allezeit alle suͤnden zugleich/ niemal aber nur ein und andre gewisse/ mit behaltung anderer/ vergeben werden. Das macht/ weil alle vergebung sich gruͤndet auff die versoͤhnung JEsu Christi/ und aber diese uͤber alle suͤnde/ nicht nur etwan fuͤr diese und jene/ geschehen ist: so ist der mensch entweder des verdienstes JEsu Christi theilhafftig worden/ oder nicht: ist er dessen theilhafftig worden so allein/ aber auch alle- zeit/ durch den wahren glauben geschiehet/ so sind ihm alle suͤnde vergeben; ist er aber dessen nicht theilhafftig/ so ist ihm auch nicht eine einige suͤnde vergeben. 2. Sind vergeben. Jn præterito ἀφέωνται, sie sind schon vergeben: und also ich vergebe sie dir nicht bloß allein jetzo/ sondern weil du glaubest- so sind sie dir auch bey meinem himmlischen Vater vergeben/ und hiemit sollen sie auch von mir dir vergeben seyn/ nemlich daß derselben vor Gottes gericht zu deinem nachtheil nicht mehr gedacht werden solle/ du auch nicht weiter mehr dich derselben wegen anzufechten hast. Wir sehen also 1. daß dann bey GOtt wahrhafftig eine vergebung der suͤnden seye/ die die vornehmste frucht seiner barmhertzigkeit ist. Wie er auch mehrmal von sich ruͤhmen laͤsset. 2. Mos. 34/ 6. 7. Psal. 103/ 8. u. f. Mich. 7/ 18. 19. 2. Er laͤsset auch die bußfertige solcher vergebung versi- chern/ damit sie wissen/ daß sie wuͤrcklich die vergebung erlangen/ und nicht in stetem zweiffel bleiben moͤgen. 3. Solche vergebung gruͤndet sich auff den glauben/ mit dem der mensch das versuͤhn-opffer und gnugthunng JEsu Christi muß ergriffen haben/ worauff er/ da ers als numehr ihm geschencket/ vor GOTT darbringt/ und dessen gerechtigkeit fuͤr seine suͤnde damit gnug thut. Also thut nichts unsrer seit zur erlangung der vergebung/ als un- ser glaube: wiewol auch derselbe in solcher sache nicht so wol eigenlich etwas thut/ als nur annimmet und empfaͤnget. Was die reue in der buß/ und den haß der suͤnden anlangt/ werden solchezwahr an demjenigen/ der glauben solle/ erfordert/ und kan hingegen der glaube mit dem wohlgefallen an der suͤnde und dero gestattender herꝛschafft nicht bestehen/ aber sie sind nicht das- jenige/ dadurch der mensch die vergebung erlanget. 4. Es wird von dem menschen nicht erfordert/ daß er nach empfangener vergebung erst GOTT mit thun und leiden noch abbuͤssen und abverdienen muͤsse/ sondern es ist ei- ne gna- Das dritte Capitel. ne gnadenreiche vergebung und nachlassung/ lauter umsonst. Zwahr wird freylich erfordert/ daß der mensch nicht weiter muthwillig suͤndigen solle/ nicht aber damit GOTT erst gnug zu thun/ dann die suͤnden sind bereits voͤl- lig vergeben; sondern allein GOTT danckbar zu werden/ und seine liebe hin- wieder zu bezeugen. 5. Wo auch der mensch nach der zeit noch etwas lei- den muß/ (dann ob wol hie/ da der HERR dem gichtbruͤchigen seine suͤnde vergeben/ er auch so bald drauff der suͤnden frucht/ nemlich die kranckheit/ von ihm wegnimmet/ so geschiehet solches doch nicht allezeit/ sondern wo je- mand/ auch seiner schwehren suͤnden willen/ unter schwehrem leiden stehet/ ob ihm wol seine suͤnde vergeben werden/ werden von ihm nicht allezeit auch zugleich derselben straffen weg genommen) so hats doch mit solchem leiden die bewandnuͤß/ daß es einem solchen bußfertigen alsdann nicht mehr eine straff seiner suͤnden seye/ sondern eine solche heylsame zuͤchtigung/ dadurch die buß so viel fester in das hertz gedruͤcket/ er vor fernern suͤnden und sicher- heit verwahret/ der fleiß eines sorgfaͤltigen und behutsamen wandels ver- mehret/ und sein glaube und ander gutes dadurch geuͤbet werde. Daher ists ein werck goͤttlicher gnade/ und nicht seines zornes. Welches zur nach- richt dienet/ wo einer ein gottloses leben gefuͤhret/ dadurch aber in grosses elend gerathen waͤre/ wann er sich von grund der seelen bekehret/ und nun- mehr in wahrer buß stehet/ daß er an der ihm wiederfahrenen vergebung der suͤnden nicht etwa deßwegen zu zweiffeln habe/ weil er darum aus seinem zeit- lichen leiden nicht befreyet wuͤrde; als wenn solches ein zeugnuͤß seyn muͤste/ daß GOtt ihm noch nicht versoͤhnet waͤre. Lehr-Puncten. W Eil die natuͤrliche haupt-lehr aus dem text fliessen wuͤrde/ von der ab- soluti on und geschehender vergebung der suͤnden; und aber erst dieses jahr die materie von dem beicht-stuhl ausfuͤhrlich gehandelt/ auch solche pre- digt gedruckt worden/ so fuͤhret mich eine gelegenheit der zeit auff eine dahin auch zielende materie/ die an statt der haupt-lehr gehandelt werden solle. Es ist E. C. L. zum theil bekannt/ daß von einigen wochen her eine ge- druckte schrifft/ unter dem Titul/ Apostolischer bericht und unterricht vom beicht-stuhl und Abendmahl/ bey einigen allhier herum gegangen/ dadurch aber eine neue bewegung unter der gemeinde erwecket/ und die vori- ge vermehret worden. Daher diese von GOTT selbs durch unser Evange- lium an hand gegebene gelegenheit nicht aus haͤnden lassen sollen/ hier an die- sem ort von solcher schrifft zu handlen/ und E. C. L. zu unterrichten/ wie sie dieselbige anzusehen habe. Den Steller und Autorem anlangend/ finde mir nicht zu zukommen/ ein ARTIC. I. SECTIO XXVII. ein urtheil der laͤsterung uͤber ihn zu faͤllen/ sondern ich uͤberlasse ihn als einen andern knecht seinem HErrn und Richter/ dem er daruͤber wird rechenschafft zu geben haben/ und wuͤnsche ihm/ deroselben bey zeiten zu begegnen. Die schrifft aber selbs kommet mit dem titul nicht uͤberein/ und hoffe ich/ welches christliche hertz/ ohn von passio nen eingenommen/ sie lesen wird/ wer- de in derselben und der gantzen schreib-art/ die gehoͤrige Apostolische sanfft- muth/ bescheidenheit und gravi taͤt/ mit welchen die heilige Apostel allezeit ih- ren heiligen eiffer gemaͤssiget und geuͤbet haben/ nicht antreffen/ sondern un- verantwortliche spott-worte/ auch von an sich heiligen dingen/ (also worte/ die aus einem gemuͤthe kommen/ da fleischliche bitterkeit und galle vieles gu- tes verdorben hat) darinnen finden. Zur sache aber selbs zu gehen/ ists nicht ohne/ daß auch unterschiedliche goͤttliche wahrheiten in den blaͤttern stehen/ die anders verfasset/ und mit ungleichem nicht vermischet/ nicht ohne nutzen seyn wuͤrden/ aber leider/ wie die gantze abfassung/ also auch das un- termischete irrige/ hat das uͤbrige mit unbrauchbar gemacht. Es theilet sich aber alles in zwey stuͤcke/ von der Beicht und Abend- mahl. (Denn was anlangt/ daß die drey bey uns bekannteste religio nen zu der babylonischen drachen-hur faͤlschlich gezogen werden/ dem ist bereits zu andern malen widersprochen worden. Man moͤchte zwahr auch darneben fragen/ wohin dann die andre religio nen zu ziehen waͤren?) I. Die beicht anlangend. 1. Wird gern zu gegeben/ daß der liebe Hey- land in dem Vater unser unsre suͤnden Matth. 6/ 12. schulden nenne. Weil wir damit seiner gerechtigkeit so wol/ als ein schuldner seinem glaͤubiger ver- bunden sind: daß er aber seine juͤnger damit in das Cap. 18. Matth. verwie- sen/ wird vergebens gesagt; indem der HERR die gleichnuͤß Matth. 18. laͤnger als ein jahr darnach erst vorgetragen/ vor dem ja die fuͤnffte bitte auch wird verstanden worden seyn. So kan aus dem gleichnuͤß Matth. 18. unterschiedliches angefuͤhret werden/ was zur erklaͤrung der materie von der vergebung der suͤnden gehoͤret/ nicht aber alles/ noch schicket sich dasselbe ei- genlich auff die absoluti on aus dem wort des Evangelii. 2. Es wird auch zugestanden/ daß unser heutige beicht-stuhl/ wo er auch schon im rechten gebrauch stehet/ dannoch keine goͤttliche einsetzung/ son- dern allein ein kirchen-gebrauch seye/ davon die erste reinste christliche kirche uͤber etliche hundert jahr nichts gewust/ noch nechst der tauff/ da alle suͤnden vergeben wurden/ einige andre absoluti on gebraucht hat/ als wenn gefallene suͤnder offenlich nach vollendeter buß wieder zu gnaden auffgenommen wur- den; oder da man betruͤbte und geaͤngstete mit dem trost des Evangelii auff- zurichten/ noͤthig befunden hat. Es ist aber nachmal die beicht/ gleichwol che das Pabstthum auffgekommen/ allgemach/ wiewol nur als eine freywilli- X ge sa- Das dritte Capitel. ge sache/ eingefuͤhret/ und des nutzens wegen/ daß Prediger und zuhoͤrer ihr hertz gegen einander vertraulicher ausschuͤtten/ und diese vermahnung/ rath und trost/ wie sie dessen beduͤrfftig sind/ von ihnen geniessen moͤchten/ insge- mein beliebet worden. Daher bekannter massen bey der Reformati on Lu- theri unsre Evangelische kirchen meistentheils die privat- beicht/ als eine er- bauliche ceremonie behalten/ aber sie eben deßwegen nicht fuͤr gantz noͤthig geachtet/ weil sie diejenige gemeinden/ die insgemein ausser Teutschland/ theils aber auch in Teutschland/ solche absonderliche beicht nicht angenommen oder behalten/ fuͤr gut Evangelisch erkennen. 3. Es wird auch zu gestanden/ daß sich leider in dem beicht-wesen so viele mißbraͤuche finden/ daß es nicht gnug zu beklagen ist. Es ist offenbahr/ daß diejenige ursachen/ warum unser liebe Lutherus die beicht behalten/ damit ein Prediger mit einem jeden beicht-kind nach nothdurfft handeln/ den zu- stand dessen seelen/ so viel ihm noͤthig/ erkundigen/ es unterrichten/ straffen/ vermahnen/ rathen/ und dergleichen an ihm ausrichten/ also beyde mit ein- ander vertraulich handeln solten/ nicht allein an den meisten orten nicht in acht genommen werden/ sondern in allen grossen staͤdten/ da auff einen Predi- ger viele beicht-kinder ankom̃en/ unmuͤglich platz haben koͤnnen: also daß man die sache hat/ aber den zweck warum sie eingefuͤhret ist/ nicht erreicht. So ist wol der schrecklichste mißbrauch/ und nur allzugemein/ daß sich die leute einbilden/ wenn sie nur gebeichtet/ und die absoluti on empfangen haͤtten/ waͤre es alles gut/ und die suͤnde ihnen gewiß von GOTT vergeben/ ob schon das geringste von wahrer buß nicht in ihrem hertzen ist: womit solche arme leute das wort der absoluti on an sich erschrecklich entheiligen/ und durch sol- chen mißbrauch der beicht/ sich desto tieffer in die hoͤlle stuͤrtzen/ daran man ohne grausen und wehmuth nicht gedencken kan. Jch traue auch nicht zu leugnen/ daß von Predigern derselbe auch offt mißbraucht werde. Wenn etli- che gar nicht verstehen/ wie sie mit den beicht-kindern umgehen/ und je nach dero bewandnuͤß sich richten sollen. Wo es an der treue mangelt. Wo perso- nen auff allerley weise angesehen werden. Wo man vornehmen und reichen schmeichelt: wo man unziemliche und weltliche haͤndel in den beicht-stuhl bringet. Wo man seine privat- sachen daselbst ausrichten/ und ihn zum zwang-mittel/ das seinige zu bekommen/ brauchen will. Wo dem geitz gestel- let/ und auff den beicht-pfennig gesehen wird. Wie dann insgesammt der beicht-pfennig da er jetzt von Predigern/ die keine andre lebens-mittel ha- ben/ gedultet werden muß/ gleich wol mehr eine flecke als zierde unsrer kir- chen ist: und alle staͤnde der kirchen/ ja die gantze gemeinden/ darauff bedacht seyn solten/ wie die Prediger mit weniger uͤbelen schein besser versorget wer- den ARTIC. I. SECTIO XXVII. den koͤnten. Wer diese mißbraͤuche leugnen wolte/ stritte wider die wahrheit. 4. Es ist ferner auch nicht zu widersprechen/ daß noch mehr arten der beichten als die kirchen-beichte/ und zwahr daß die andre noͤthiger sind. Gott ist derjenige/ dem meine suͤnde zu bekennen/ und also zu beichten/ mir nicht frey stehet/ sondern ich bin dazu verbunden; kan auch ohne dieselbe bekaͤnnt- nuͤß nicht zur ruhe der seelen kommen. Psal. 32/ 3. u. f. 1. Joh. 1/ 9. Wie- derum/ wo ich mich an dem nechsten versuͤndiget habe/ weil ich mich nach Matth. 5/ 24. mit ihm versoͤhnen solle/ so muß ich ihm auch die suͤnde beken- nen/ das ist beichten und bezeugen/ daß es mich reue/ Luc. 17/ 4. Daher von ihm die vergebung suchen: diese beyde beichten sind recht goͤttlicher ord- nung und einsetzung/ daher wir alle dazu verbunden sind/ da wir gleichwol nicht alle an die kirchen-beicht verbunden/ und deßwegen wol viele selig wer- den/ die ihr lebenlang keinem Prediger gebeichtet/ ja wol an solchen orten/ da sie nicht im brauch ist/ nichts davon gewust haben. Hingegen kan keiner selig werden/ der nicht GOtt beichtet: wo man sich auch der bekaͤnntnuͤß ge- gen den beleidigten nechsten entbrechen/ und seine schuld halßstarrig leugnen wolte/ mag es auch an der seelen schaden. 5. So ist auch wahr/ daß ehe der beicht-stuhl nuͤtzlich gebraucht werden koͤnne/ Prediger erst trachten muͤssen/ die leute zu wahren und bußfertigen Christen zu machen: denn kommen sie nicht vorhin bußfertig zum beicht- stuhl/ so ists zwahr nicht unmuͤglich/ daß aus Gottes gnade eines/ der noch unbußfertig sich eingestellet/ hertz/ erst durch beweglichen zuspruch des beicht- vaters geruͤhret/ und die buß gewuͤrcket wuͤrde/ daß er alsdann die absoluti- on wuͤrdig empfangen koͤnte; ich sage aber/ es sey eine nicht eben gemeine sache/ sondern meistens kommen unbußfertig zuruͤck/ die also darzu gekommen waren: daher man ja nicht alle hoffnung der besserung auff den beicht-stuhl setzen muß. Jnsgesammt ist es auch eine ausgemachte sache/ daß wir nicht allein in dem beicht-stuhl/ sondern auch ausser demselben unmittelbar von GOtt so offt vergebung der suͤnden empfangen/ als wir in wahrer buß und mit hertzlichem gebetsolche suchen; also daß der beicht-stuhl janicht der einige ort der vergebung ist. 6. Man kan auch nicht leugnen/ daß es keine goͤttliche einsetzung ist/ daß wer zum H. Abendmahl gehen will/ vorhin muͤsse gebeichtet haben/ und absolvi ret seyn; wie denn freylich weder solches bey dem ersten Abendmahl geschehen/ noch auch in der ersten zeit der christlichen kirchen in uͤbung gewe- sen/ sondern es ist solches erst spat auffgekommen/ und unter diejenige anstal- ten zu zehlen/ die/ als der eiffer des Christenthums numehr sehr abgenommen hatte/ guter meinung eingefuͤhret worden/ etwas zur besserung dadurch zu X 2 helf- Das dritte Capitel. helffen; also weil gleichwol der liebe Paulus so ernstlich erfordert/ daß wer zu dem H. Abendmahl kommen wolle/ sich selbs pruͤffen und bereiten solle/ und man aber gesehen/ daß etwa viele ohne einige bereitung hinzugegangen/ hat man deßwegen/ um solchem leichtsinnigen und unbedachtsamen hinlauf- fen zu wehren/ die ordnung gemacht/ daß alle vorher beichteten/ und absolvi- ret wuͤrden/ damit die Prediger aus gelegenheit der beicht/ ihnen koͤnten besser an die hand gehen/ an ihrer vorbereitung und buß mitarbeiten zu helf- fen/ und nachmal ihren glauben durch die absoluti on zu staͤrcken. Diese mei- nung ist keines Antichristischen geistes/ sondern hat ihren allgemeinen grund in dem allgemeinen befehl/ 1. Cor. 14/ 26. 40. daß alles ehrlich und ordenlich zugehe/ und zur besserung und erbauung dienlich seye. So werden auch unterschiedliche gottselige hertzen vor GOtt das zeugnuͤß ge- ben/ daß sie selbs in ihrer erfahrung befunden/ wie ihnen zuweilen bey der beicht/ wo sie es mit verstaͤndigen/ klugen und treuen beicht-vaͤtern zu thun gehabt/ das hertz kraͤfftig geruͤhret/ ihr heiliger vorsatz bekraͤfftiget/ und ihr glaube gestaͤrcket/ also sie zu wuͤrdiger niessung des heiligen Abendmahls dardurch besser bereitet worden. Daß es aber nicht allezeit geschiehet/ kan offt die schuld des beichtenden oder auch beicht-vaters seyn: indessen bleibt die sache an sich selbs gut: ob sie wol freylich nicht bloß dahin noͤthig/ und es geschehen koͤnte/ daß zuweilen diese verbindung des Abendmahls an den beicht-stuhl einigen guten seelen mehr hinderlich/ als foͤrderlich seyn mag. Daher Lutherus selbs uͤber den beicht-stuhl/ denselben in der kirchen bey zu behalten/ zwahr starck geeiffert/ aber doch nicht allein von sich selbs bezeuget/ daß er auch mehrmal ungebeichtet zum Abendmahl gangen sey; hingegen zu andern malen/ auch sich der beicht gebraucht habe/ sondern es auch mit an- dern verstaͤndigen Christen gleicher massen gehalten haben wolle. Wel- ches etwa nach ihm auch andere gewuͤnschet/ und zu wuͤnschen gute ursach gehabt haben; ob wol nicht ohne/ daß auch wichtige ursachen dagegen ge- fuͤhret werden moͤchten. Was aber 7. das haupt-werck selbs anlangt/ ists unrecht und GOttes wort entgegen/ wann der genannte bericht die macht der absolution/ darauff sich aller beicht-stuhl gruͤndet/ dem predigamt/ was dero verwaltung anlan- get/ abspricht. Denn da sind die texte zu klahr: Matth. 16/ 19. Da der HErr mit Petro redet/ und mit allen Aposteln. Joh. 20/ 23. da stehet austruͤcklich erstlich von suͤnde vergeben und suͤnde behalten/ und zwahr das auf erden geschiehet; und ferner 2. daß dasselbige auch solle im himmel guͤltig seyn/ und also derjenige/ dem die suͤnde vergeben wird/ auch vor GOttes gericht dersel- ben loß wird. 3. Wie nun dieses denen Aposteln befohlen wird/ welche alles ihr ARTIC. I. SECTIO XXVII. ihr amt in Christi nahmen thun musten/ und also derselbe durch sie kraͤfftig war/ so thaten sie auch dieses stuͤck ihres amts/ wo sie jemand die suͤnde verga- ben/ in dessen nahmen/ und er also durch sie. Es wird solche macht des predigamts suͤnde zu vergeben/ ferner erwie- sen/ wann nicht allein die Prediger gesetzt sind/ zu predigen buß und ver- gebung der suͤnden in Christi nahmen Luc. 24/ 47. auch auffzuthun die augen der menschen/ daß sie sich bekehren von der sinsternuͤß zum liecht/ von der gewalt des satans zu GOtt/ zu empfahen vergebung der suͤnden/ Ap. Gesch. 26/ 18. Zwahr hauptsaͤchlich von GOtt/ aber doch auch durch das mittel der Prediger: sondern wann denen Aposteln und in ih- nen allen Lehrern (weil es ein befehl ist/ der biß an das ende der welt/ und also noch nach der Aposteln leiblichen abscheid/ waͤhren solte. Matth. 28/ 20. ) befohlen/ daß sie das Evangelium predigen solten/ Marc. 16/ 15. so ist a- ber das Evangelium die troͤstliche predigt von der vergebung der suͤnden in Christo JEsu/ das sollen sie denn predigen auff allerley weise/ als es die se- ligkeit der leute erfoderte/ und also nicht allein durch die allgemeine versiche- rung/ daß GOtt denen glaͤubigen die suͤnde vergeben wolle/ sondern auch wo jemand getaufft wurde/ ihm damit alle seine suͤnde in GOttes nahmen zu vergeben. Item, wo einen sein gewissen der sunden wegen abermal aͤngstete/ ihm auch die vergebung nachmal zu versichern/ und also zuertheilen/ das nichts anders ist/ als die absolution. Wiederum 2. Cor. 5/ 18. 19. bezeuget Paulus/ daß sich Gott nicht nur 1. in Christo die welt versohnet habe/ da nemlich er dessen versoͤhn-opffer zur gnugthuung fuͤꝛ unsre suͤnde angenommen/ sondern habe 2. auch eingesetzt das amt/ das die veꝛsohnung predigt/ (oder dẽ dienst der versoͤhnung) und das wort der versoͤhnung/ also dasjenige mittel/ wodurch die menschen nicht nur versichert wuͤrden/ daß sich GOtt mit ihnen versoͤhnen wolle/ son- dern dadurch sie versoͤhnet wuͤrden/ und also die vergebung dadurch empfin- gen; ist also das amt dazu eingesetzt/ die vergebung den menschen zu uͤberrei- chen: Ob nun wol dasselbige auch geschiehet durch die allgemeine predigt/ so bedarffs gleichwol auch/ wenn dieser und jener versoͤhnet/ oder der versoͤh- nung versichert werden solle/ daß solches Christi diener auch thun; dann weil sie ruffen sollen/ lasset euch versoͤhnen mit GOtt/ so muͤssen sie auch denen/ die sie anmahnen wollen/ die versoͤhnung uͤberantworten. Und zwahr 3. sind die Apostel/ und nach ihnen andre Lehrer des Evangelii/ dieser ursach wegen bothschaffter GOttes an Christi statt/ und haben dessen befehl. Daher ob ich wol freylich den beicht-stuhl/ und solche art so offterer ab- solvirung in demselben/ fuͤr goͤttliche einsetzung nicht halte/ so kan ich doch X 3 nach Das dritte Capitel. nach goͤttlicher wahrheit nicht anders als dem widersprechen/ wo man dem predigamt die macht suͤnde zu vergeben/ die ihnon nicht aus eigner macht/ son- dern als dienern zukommt/ absprechen/ und solche ordnung der Babyloni- schen drachen-hur unverantwortlicher weise hin weisen will. Ja spricht man/ die worte Matth. 16. und Joh. 20. redeten von der gantzen christlichen gemeinde/ von der gantzen kirche/ welcher Chri- stus an GOttes statt auff erden die suͤnden zu vergeben macht gegeben hat: dieses leibes und weibes glied ist ein jeder Christ/ von Christo gemacht zum Koͤnig und Priester/ der macht hat die suͤnde zu verge- ben/ wie Lutherus solches schon laͤngst in seinen schrifftẽ erklaͤhret habe. Antwort. 1. Es ist wahr/ daß diese gewalt/ wie alle andre schaͤtze/ von Chri- sto nicht dem predigamt allein und unmittelbar anvertrauet sind; sondern freylich der gantzen kirchen/ welche die hauß-mutter ist/ die uͤber alles sorge hat/ und nachmal durch die diener verrichten laͤsset/ welche eben um der ur- sach/ weil ihnen das amt und diese guͤter von GOtt durch die kirche anver- trauet/ an dieselbe und dero ordnung/ so ferne nichts wider GOtt ist/ gewie- sen sind/ daher auch sich an dieselbe mit zu halten haben. 2. Jch leugne auch nicht/ sondern habe es laͤngsten/ auch mit eigenem tractat gelehret/ daß alle Christen geistliche Priester seyen/ und auch/ daß sie macht haben/ suͤnde zu vergeben/ ja es wird E. C. L. selbs zeuge seyn/ daß ich auff dieser cantzel wer- de gezeuget haben/ daß in dem nothfall auch ein gemeiner Christ guͤltig absol- viren koͤnne: daher ich solche lehre Lutheri sonderlich liebe. Aber 3. muß man wol mercken/ was Lutherus dabey meldet/ nachdem er durch etliche blaͤtter die rechten der geistlichen Priester oder aller Christen/ auch was die verge- bung der suͤnden anlangt/ ausgefuͤhret hatte/ Tom. 2. Alt. f. 509. a. b. doch diß alles haben wir allein von gemeinen rechten und macht aller Christen gesagt/ denn dieweil allen Christen alle dinge gemein sollen seyn/ die wir bißher erzehlet haben/ daß wir auch bewaͤhret und bewiesen ha- ben/ so will nicht gebuͤhren/ einem der sich von ihm selbs herfuͤr wolt thun/ und ihm allein zueignen/ das unser aller ist. Unterwinde die- ses rechten/ und lege es auch an brauch/ so fern wo kein ander ist/ der auch ein solch recht empfangen hat; das ersodert aber das gemein- schafft-recht/ daß einer/ oderals viel der gemeine gefallen/ erwehlt und auffgenommen werden/ welche an statt und im nahmen aller derer/ so eben dasselbige recht haben/ verbringe diese aͤmter oͤffentlich/ auff daß nicht eine schenßliche unordnunggeschehe in dem volck GOttes/ und aus der kirchen werde ein Bahylon/ in welcher alle ding ehrbarlich und or- ARTIC . I. SECTIO XXVII. ordentlich sollen zugehen/ wie der Apostel gelehret hat. Es ist zwey- erley/ daß einer ein gemeines recht durch der gemeinde befehl ausrich- te/ oder daß einer sich desselben rechten in der noth gebraucht. Jn ei- ner gemeine/ da jedem das recht frey ist/ soll sich desselbenniemand an- nehmen/ ohne der gantzen gemeinde willen und erwehlung/ aber in der noth braucht sich desselbigen ein jeder/ wer da will. Dieses ist Lu- theri lehr und goͤttlicher ordnung gemaͤß. Also 4. hebet das allgemeine prie- sterthum die verwaltung des predigamts nicht auff: und haben alle ihren theil an den geheimnuͤssen GOttes/ aber es sind deswegen nicht alle Christi/ in solchem verstand/ diener/ und haußhalter uͤber seine geheimnuͤß. 1. Cor. 4/ 1. Sie sind nicht alle bothschaffter an Christi statt. Wann es dann heisset: daß ein Priester in puncto der absolution nicht ein haar mehr gilt/ als ein gemeiner Christ: hat es ent weder den verstand/ daß ei- nes gemeinen Christen absolution/ die er in einigem nothfall/ der unterschied- licher art seyn kan/ dem andern ertheilet/ eben so kraͤfftig seye/ als die absolu- tion eines Predigers/ so ists wahr/ und keine absolution kraͤfftiger als die andre: oder es hat die meinung/ ein Prediger habe nicht mehr macht zu der absolution/ dieselbe zu ertheilen/ und die leute seyn nicht mehr an ihn/ als an einen andern in dem werck gewiesen; so streitet solche meinung mit goͤttlicher ordnung. Hingegen daß ein Prediger in dergleichen sache/ nemlich in ange- deutetem verstande/ mehr gelte/ als ein gemeiner Christ/ ist so gar keine Ba- bylonische lehr/ daß vielmehr nach unsers Lutheri angefuͤhrter bemerckung/ die kirche erst ein Babylon werden wuͤrde/ wenn man solchen unterscheid gantz auffheben wolte. 5. Jndessen bleibet dieses freylich auch recht/ weil es auch andre geuͤbte und von GOtt begabte Christen giebet/ die von goͤttlichen din- gen so viele/ auch zuweilen mehrere erkaͤntnuͤß und erfahrung haben/ als Pre- diger/ daß einem andern Christen/ der rath und trost bedarff/ und einen sol- chen kennet/ nicht allein vergoͤnnet/ sondern auch ihm zu rathen seye/ daß er sich dessen auch gebrauche/ der auch alsdenn seine gabe mittheilen/ und in lie- be dienen kan/ aber wo er ordnung liebet/ neben sich gleichwol seinen bruder auch an seine beruffene diener weisen wird. So bleibet das geistliche Prie- sterthum in seinen schrancken/ und hilfft der goͤttlichen und kirchlichen ord- nung/ gegen die es nicht zu mißbrauchen ist. Es wird auch der erb-suͤnde in dem bericht gedacht/ daß dieselbe vor keinen beicht-stuhl oder menschen gehoͤre/ sondern der suͤnder wende sich mit taͤglichem und stuͤndlichem gebet und flehen zu seinem GOtt/ und bete um krafft aus der hoͤhe/ solcher erb-lust zu widerstehen. Aber Das dritte Capitel. Aber 1. es ist nicht genug zu bitten um krafft ihr zu widerstehen/ sondern auch um dero vergebung/ als dero greuel vor GOtt groß ist/ und wir also in aller wircklichen suͤnde auch der vergebung der erblichen noͤthig/ deswegen dar- um zu beten haben: Wie David Ps. 51/ 7. bey seinem ehebruch auch seine erb-suͤnde beklaget. 2. Daher wer GOtt in seinem diener seine suͤnden kla- gen und beichten will/ thut nicht unrecht/ sondern es solle vielmehr seyn/ daß er auch seine demuth bezeuge/ wegen der so tieff bey ihm eingesessenen ver- derbnuͤß/ derselben sich schuldig zu geben. Ob er dann wol weiß/ daß dereits auch in der tauff solche schuld ihm vergeben/ so bedarff sein glaube der versi- cherung so wol dieser/ als anderer wircklichen suͤnden. Aus allem erhellet/ daß das haupt-werck des angegebenen Apostoli- schen berichts/ das gesamte beichten und absolviren zu einem Babylonischen monstro und ungeheur/ vom naͤrrischen menschen-hirn ersonnen/ zu machen/ davon Christus und seine gemeinde nichts wuͤsten/ eine unverant- wortliche laͤsterung gegen eine an sich selbs unstraͤfliche ordnung seye/ daruͤ- ber wir uns zu betruͤben und zu entsetzen haben. Der II. punct betrifft das H. Abendmahl. So kan abermal 1. nicht geleugnet werden/ daß auch in unserer kirchen (von denen/ die ausser der unsrigen sind/ will ich nicht sagen/ sondern jeden seiner verantwortung uͤber- lassen) viel damit gesuͤndiget werde/ wann ich sagen muß/ ja fast vor augen liget/ daß dasselbe mehr von unwuͤrdigen/ als wuͤrdigen; mehr ohne/ als mit frucht; zum gericht/ als zuvermehrung deꝛgnade/ gebrauchet weꝛde. Und glau- be ich wol/ daß solche unwuͤrdige niessung vieler gerichte GOttes uͤber unsere kirche mit-ursach werden koͤnne. 2. Daß die wenigste von dem H. Abendmahl nutzen haben koͤnnen/ weder in erlangung der vergebung der suͤnden/ noch in staͤrckung des innern men- schen/ ist allerdings wahr. Und koͤnnen freylich die leute/ die noch todt in suͤnden sind/ so wenig der krafft solcher himmlischen speise theilhafftig werden/ als ein leiblicher todter der krafft natuͤrlicher speise/ ob sie ihm auch in mund gestecket wird. Daher wir Prediger auch nicht so viel die leute zum Abend- mahl treiben/ als sie zu wahrer buß anzuweisen/ und an ihrer bekehrung zu arbeiten/ trachten sollen. Zwahr/ wer nun ein wahrer Christ/ kan nicht zu vielmal dazu gehen/ sondern je oͤffter/ je besser/ man soll ihn auch nicht davon abhalten/ sondern ihn darinnen staͤrcken: aber die meiste sind keine Christen/ denen man so lang mehr das werck abrathen solte. 3. Daß das H. Abendmahl zur gedaͤchtnuͤß des HErrn gestifftet/ und noch zu halten seye/ ist eine goͤttliche wahrheit/ aber daß wir auch darinnen vergebung der suͤnden/ leben und seligkeit empfangen/ ist nicht allein un- ser ARTIC . I. SECTIO XXVII. ser Evangelischen kirchen bekaͤntnuͤß/ wie auch unsre theure Lutherus in dem Catechismo die kinder davon unterrichtet; sondern es ist nicht weniger selbs ein wort des HErrn/ gegruͤndet in dem/ wenn der liebste Heyland spricht Matth. 26/ 28. welches vergossen wird fuͤr viele zur vergebung der suͤnden. Zwahr muͤssen wir auch solche worte/ daß man in dem heiligen Abendmahl vergebung der suͤnden empfange/ recht verstehen: denn wer es also nehmen wolte/ daß wir mit dem Abendmahl-gehen vergebung der suͤn- den verdienten/ oder auch 2. davor hielte/ es seye mit dem hingehen schon gnug/ daß wir vergebung der suͤnden empfangen/ wir moͤchten darzu gehen/ wie wir wolten/ der irrete groͤblich/ und verstuͤnde unsere lehre nicht/ ja der uns dergleichen lehr zuschriebe/ thaͤte uns das groͤste unrecht. Sondern dieses ist die meinung: wie Christus mit dargebung seines leibes und vergiessung seines blutes/ uns die vergebung der suͤnden verdienet hat/ also wann er uns solches sein opffer-fleisch und opffer-blut zu geniessen darreicht/ so reichet er unserm glauben zugleich mit dar die dadurch er worbene vergebung der suͤn- den. Dieses sehen wir aus dem gedachten ort Matthaͤi/ sonderlich wo wir den grund-text ansehen/ da ein γὰρ oder denn/ dabey stehet/ so im teutschen aus- geblieben; daher heißt es also: trincket alle daraus. Warum sollen sie daraus trincken? denn das ist mein blut des N. Test. welches vergossen wird fuͤr viele/ zur vergebung der suͤnden. Also stecket in solcher vergies- sung zur vergebung der suͤnden die ursach/ warum man es trincken solle. Die kan aber keine andre seyn/ noch das trincken mit solcher vergebung eine ge- meinschafft haben/ als daß uns durch das trincken dessen/ womit uns die vergebung zuwege gebracht worden/ dieselbe auffs neue angeboten und uͤber- reichet werde. Und warum sollen wir trincken/ was fuͤr uns vergossen/ wo solches nicht zur versicherung und versiegelung dienen solle/ daß uns solches vergiessen angegangen/ und noch anjetzo angehe? Also ist unsrer kirchen lehr hievon unstraͤflich/ und hat weder unser liebe Lutherus noch andre/ welche diese lehr treiben; noch auch diejenige/ welche den glauben ihrer versoͤhnung mit dem leib und blut Christi versiegeln/ und sich also daraus der vergebung versichern/ verdienet/ daß man gegen sie mit Babylonischen sau-hun- den/ Antichrist/ Teuffels-streich/ heraus fahre. Welche laͤsterungen gewiß vor GOTT eine schwehre verantwortung bringen werden. Wie ich nun. hoffe/ daß E. C. L. deutlich aus diesem vortrag die wahrheit un- srer lehr/ und die richtigkeit des rechten gebrauchs der beicht und des H. A- bendmahls an sich selbs; hingegen wie so gar der sogenannte bericht nicht A- postolisch seye/ zur gnuͤge erkant habe/ also habe dieselbe hertzlich in GOttes nahmen zu vermahnen/ sich in der wahrheit durch allerley schein nicht irre Y ma- Das dritte Capitel. machen zu lassen; ja auch GOTT hertzlich zu bitten/ daß er alle irrige und verfuͤhrte wieder bringen/ hingegen daß niemand auffs neue zu irrthum ver- fuͤhret werde/ verwahren: ja auch fuͤr diejenige/ von welchen diese schrifft her- geflossen/ oder noch dergleichen nachfolgen moͤchten/ in bruͤnstig zu beten/ daß sie GOtt von solchem fleischlichen eyfer in wahrer buß reinigen/ und sie mit seinem feuer des H. Geistes/ das ein feuer voll liebe und sanfftmuth ist/ erfuͤl- len moͤge. Jm uͤbrigen/ weil aus gelegenheit deꝛ beicht-sache leider in dieseꝛ unserstadt und kirchen nun dieses jahr uͤber so eine grosse bewegung entstanden/ daßsich die meiste gemuͤther von einander getrennet haben/ kan E. C. L. leicht erachten/ wie mir zu muth seyn muͤsse/ wo ich euch/ der nicht allein einem theil/ sondern der gantzen gemeinde vorgestellet worden bin/ in solchem zustand ansehe/ nem- lich nicht anders als einem Vater/ dessen gesamte kinder in hader und unei- nigkeit verfallen sind/ und er sie nicht/ wie er will/ zur einigkeit bringen kan. Jch habe euch aber hertzlich alle anzureden/ meine lieben/ die ich wahr- hafftig als meine kinder/ einen so wol als den andern/ liebe/ und mich zwahr nicht/ euch erst in Christo gebohren zu haben/ ruͤhmen darff/ aber gern bey al- len an eurem neuen menschen arbeiten/ und mich davon keine arbeit dauren lassen will/ damit ich neben euch vor jenem thron mit freuden eꝛscheinen moͤge/ habt liebe und friede unter einander. Gedencket doch/ ihr seyd eines Va- ters kinder; ihr habt einen Heyland/ der euch so theuer erloͤset hat; es ist ein H. Geist/ und zwahr derselbe ein Geist der liebe und des friedens/ der euch zur seligkeit fuͤhꝛen muß. Jhr habt auf erden eine Mutter an deꝛ Evangelischen kirchen/ ja ihr seyd einer stadt einwohner/ und also auch einer absonderlichen kirchen glieder; so zeiget es inder that/ und leget alle irrungen und mißver- staͤnde/ daraus so viel suͤnde und aͤrgernuͤssen entstehen/ und ferner entstehen koͤnnen/ bey zeiten ab. Jhr/ die ihr sonderlich vor den beicht-stuhl eyfert/ habt daran gantz recht/ daß ihr vor die reinigkeit der lehre eyfert/ dann diese muß verwahret/ und keiner falschen lehre eingang verstattet werden/ dazu wir alle/ jeglicher nach seinem maaß/ arbeiten muͤssen. Jhr habt auch recht/ daß ihr den abson- derlichen beicht-stuhl bey der kirchen behalten haben wollet/ der euch auch billich zu lassen/ und denjenigen/ welche und so offt sie dessen benoͤthigt sind/ derselbe nicht zu entreissen ist. Pruͤfet euch aber auch redlich vor GOtt/ der die hertzen forschet/ ob ihr bißher alles/ mit der/ den juͤngern unsers Heylan- des anstaͤndigen liebe/ sanfftmuth und ehrerbietung gegen diener des HErrn/ gethan/ oder nicht vieler bitterkeit und haß bey euch platz gegeben habt? Ja was eines und andern absonderliche absichten in der sach gewesen seyn moͤ- gen? ARTIC. I. SECTIO XXVII. gen? Ob ihr nicht finden werdet/ daß ihr euch durch manche falsche erzehlun- gen offt erhitzen/ auch zu solchen klagen bewegen lassen/ die doch nach mals ohne grund/ oder doch nicht gantz also bewandt gewesen sind? Ob ihr nicht so wol mit einem Lehrer/ dessen treue/ und GOttes durch ihn bißher ausgerich- tetes werck vor augen ligt/ und niemand widersprechen kan/ gedult zu tragen habet? Ob ihn die angst seines gewissens/ die ihr dazu selbs grossen theils ver- ursachet habt/ zuetwas getrieben/ das nicht nach der ordnung ist/ als um eines mißfaͤlligen willen den fruchtbaren gebrauch so viel anderer gaben/ zu hem- men nicht begehren soltet? Ob ihr auch nicht mit anderen mit-buͤrgern/ die anderer meinung sind/ billich in sanfftmuth und gedult umzugehen habet? Jch versichere/ wo ihr in der furcht des HErrn diese dinge erwegen werdet/ wird sich die hefftigkeit bald legen/ und neben erhaltung der wahrheit auch friede bluͤhen. Da hingegen/ welche auch in einer in gewisser maaß guten sache ohne liebe verfahren/ alles damit verderben/ aber eben dadurch auch die schuld des daher entstehenden unheyls auff sich laden; die ich von euch allen abgewendet zu werden/ hertzlich verlange. Jhr seyd auch schuldig/ wo ihr scrupel des gewissens bey euren mit-bruͤdern findet/ in sie nicht zu starck zu tringen; oder auch/ da in rechter ordnung ihnen eine freyheit gegeben wuͤrde/ euch zu hart zu widersetzen. Jhr aber/ die ihr hingegen wider den beicht-stuhl eyfert/ pruͤfet euch nicht weniger/ wie ihr vor GOtt stehet/ und seyd versichert/ ihr koͤnnet euch auch nicht rechtfertigen. Hat jemand unter euch theil an ausbreitung der gedachten schrifft/ so seye er versichert/ er habe sich schwehrlich versuͤndi- get/ und viel gutes damit verdorben/ und wo ers gar fuͤr recht haͤlt/ habe er GOtt zu bitten/ ihm solchen irrthum zu benehmen. Jhr suchet die freyheit vom beicht-stuhl: Sind aber nicht viele unter euch/ da bey allen zwahr der vorwandt ist/ daß die einschrenckung der christlichen freyheit das gewissen verletze/ bey denen aber wahrhafftig in dem grund ihrer seelen diese ursach nicht ist; sondern wie etwa ihr leben nichts von einem ernstlichen Christen- thum von sich zeiget/ also ist solchen in der beicht nichts zuwider/ als weil zu- weilen aus gelegenheit der beicht/ von gewissenhafften Predigern ihnen des lebens wegen mag zugesprochen werden/ daß sie auch dessen loß kommen wol- len/ damit ja kein Prediger gelegenheit habe/ ihnen die doch so noͤthige erin- nerung zu thun. Derselben boͤse absicht aber zu befodern/ hoffe ich/ solten die gewissenhaffteste unter euch selbs bedencken haben. Jch lasse aber gelten/ daß unter euch seyn werden/ welche bloß ihr gewissen in seiner zaͤrtlichkeit treibet/ und euch den beicht-stuhl/ wegen des wenigen nutzens/ den ihr davon sehet/ auch etwa an euch selbs eimpfunden habt; hingegen der vielen euch be- kannten mißbraͤuche/ gantz zu wider gemacht hat/ daß ihr fuͤr noͤthig achtet/ Y 2 ihn Das dritte Capitel. ihn zu verlassen. Nehmet aber in der furcht des HErrn die gedult/ der sache besser nachzudencken/ so hoffe ich/ solle euch mehr und mehr klahr werden/ daß ihr die rechte gestalt davon nicht recht eingenommen habet; hingegen daß ihr ohne verletzung eures gewissens euch demselben wohl bequemen koͤnnet. Brauchen ihn andre uͤbel/ so brauchet ihn recht. Jhr werdet ja wollen von euch glauben machen/ daß ihr taͤglich GOTT beichtet/ seine vergebung bit- tet und besserung versprechet; warum beschwehrete ich mich dann solche be- kaͤntnuͤß zu GOTT auch vor seinem diener zu thun/ und was ihr auch sonst aus GOttes wort zur versicherung eures glaubens euch selbs erinnert/ aus dessen munde mit glauben anzunehmen. Man fodert ja von keinem ein gewis- ses formular einer beichte/ das eurem gewissen zuwider waͤre/ sondern ist gnug/ wo ihr euch bußfertig darstellet/ ohne welches ihr ja nie vor GOTT bestehen koͤnnet. Also kan ich nicht begreiffen/ was ihr in der beicht und ab- solution zeigen koͤntet/ das in wahr heit wider ein erleuchtetes gewissen strei- ten koͤnte. Heisset es aber: Es ist gleich wol die beicht vor dem H. Abendmahl keine von GOtt gebotene sache/ sondern weil sie nur eine kirchen- ceremonie, muß das gewissen nicht damit gebunden werden/ sonst suͤndiget man/ wo man sich die von Christo geschenckte freyheit nehmen laͤsset. Antwort: Man noͤthi- get niemand/ die beicht vor dem H. Abendmahl als eine goͤttliche einsetzung zu gebrauchen/ sondern allein als eine solche kirchen-ordnung/ die ihren nutzen haben kan. Und also darffstu nicht beichten/ als wann ohne die dem Predi- ger geschehende beicht niemand selig werden koͤnte/ daß sich dein glaube an diese ordnung selbs binden solte; sondern/ daß dein glaube/ was er zwahr auch ohne die beicht von GOtt unmittelbar haben kan/ in derjenigen ordnung su- che/ die die kirche eingefuͤhret hat/ dero die liebe/ als des glaubens erste toch- ter/ sich willig bequemet. 2. So ist es eine in der Heil. Schrifft sonderlich Rom. 14. 1. Cor. 8. ausgemachte sache/ was die liebe in den dingen die in einer freyheit stehen/ von einem Christen erfodere: nemlich/ daß man dem bruder/ der schwach ist/ zu gefallen/ sich auch seiner frey- heit begeben muͤsse/ oder man suͤndige an CHristo. Es war damal durch Christum das Levitische gesetz auffgehaben/ und alle Christen in die freyheit gesetzet/ alle speisen zu essen/ die den Juden verboten waren. Darein konten sich die aus den Juden bekehrte schwehrlich schicken/ sondern stiessen sich dar- an/ wann erleuchtete andre Christen von verbotenen speisen assen. Da will aber Paulus/ ehe die glaͤubige/ die doch ihre theuer von Christo erworbene freyheit verstunden/ und hoch hielten/ wolten mit gebrauch ihrer freyheit den andern bruͤdern einen anstoß geben/ solten sie sich lieber ihrer freyheit in dem gebrauch begeben/ und wo sie es nicht thaͤten/ sagt er/ sie wandelten nicht ARTIC. I. SECTIO XXVII. nicht nach der liebe/ das doch den Christen gebuͤhret. Ja er selbs auff gut- befinden/ des Apostels Jacobi und der bruͤder zu Jerusalem Apost. Gesch. 21/ 26. um das aͤrgernuͤß/ das von ihm war ausgebreitet worden/ als lehrte er die Juden vom gesetz Mosis gantz abfallen/ wieder abzuwenden/ bequemete sich gar/ denen juͤdischen ceremo nien wegen des geluͤbdes/ reinigung und opffer/ die doch auch durch Christi tod abgethan gewesen/ und ihm beschwehr- lich moͤgen gefallen seyn. Also ob ihr wol versichert seyd/ daß die privat- beicht vor dem heiligen Abendmahl nach dem exempel vieler andern kirchen nicht von Gottes wegen noͤthig/ weil sie gleichwol eine an sich unstraͤffliche ceremonie ist; ihr hingegen sehet/ wie so viele eurer mit-bruͤder sich an euch stossen/ wo ihr euch gantz derselben entziehet/ so erweiset den Geist Christi bey euch durch die liebe; und da ihr ja nothwendig GOtt beichten muͤsset/ so be- schwehret euch nicht/ solches gegen GOtt auch in seinem diener zu thun/ und was ihr zwahr auch von GOtt selbs hoͤren koͤnnet/ hoͤrets auch von ihm mit glauben aus dem munde seines dieners. Also behaltet ihr eure freyheit in dem glauben/ aber nach der liebe setzet ihr dero gebrauch aus/ und koͤnnet euch desto mehr gnade von GOTT getroͤsten/ auch um solcher liebe willen. Solte es aber GOtt gefallen/ ordenlicher weise euch eine mehrere frey- heit zu gestatten/ so gebraucht alsdann euch doch derselben allezeit maͤßiglich/ und abermal ohne anstoß der liebe. Jhr uͤbrige aber/ die ihrs mit keinem theil haltet/ sondern es von beyden seiten gern mit mir anders sehet/ und hertzlich verlanget/ daß glaube und liebe bey allen erhalten/ und aller hertz in einigkeit des Geistes verbun- den/ so lang man aber sich beyderseits noch nicht genug verstehen kan/ der ge- wissen geschonet werde: wo ihr gelegenheit habt/ helfft beyderseits mit christ- lichem zuspruch die einigkeit/ dazu uns der HErr beruffen hat/ befordern/ als woran ein grosses theil der erbauung hanget/ hingegen bey fortsetzender ver- bitterung dieselbe mehr und mehr geschlagen wird. Lasset uns auch zu dem HErrn beten/ der/ was menschlichen kraͤfften unmuͤglich ist/ selbs in den her- tzen seiner kinder zum zeugnuͤß seiner guͤte und allmacht wuͤrcke. Nun ich habe mein hertz bey euch vor GOTT ausgeschuͤttet/ wie es die mir obligen- de treue erfodert/ und hoffe so fern wiederum/ auch darinnen meine seel geret- tet zu haben. Ach lasset es nicht vergebens seyn/ sondern allerseits trachtet dahin/ daß ich auch hierin mein amt ferner nicht mit seufftzen thun muͤsse/ sondern mit dancksagung verrichte! Dabey wir den Trost haben/ GOTT koͤnne auch aus boͤsem gutes machen/ und wo man von beyden seiten etwas von der strenge in einer sache/ die eusserliche ordnung betrifft/ nachgiebet/ so wol die gemuͤther desto besser vereinigen/ als zu so viel mehr erbauung/ und Y 3 hoffen- Das dritte Capitel. hoffenlich auch besserung des beicht-wesens selbs/ gnade verleyhen. So wird er auch die liebe/ und was aus derselben ohne verletzung der wahrheit bey- derseits geschiehet/ ihm lassen angenehm seyn/ und so viel reichern segen zu allen seinen gnaden-mitteln beschehren/ zu seinem preiß und unsrer aller seligkeit. A Llmaͤchtiger ewiger GOTT/ getreuer Vater/ du foderst von deinen kindern/ daß/ die deine wahrheit im glauben erkennen/ auch nach der liebe untereinander leben. Wir muͤssen auch daraus erkennen/ daß wir dir fuͤr deine reiche/ auch diesem ort erzeig- te gnade/ nicht/ wie es sich geziemet/ muͤssen danckbar seyn worden/ wann du verhaͤnget hast/ daß in unsrer gemeinde nicht geringe miß- helligkeit und zerruͤttung der gemuͤther/ mit erfolg manches aͤrger- nuͤsses/ eine weil her im schwang gegangen/ und sich noch nicht legen will. Vergib uns unsre zum theil bekannte/ aber auch unbekannte suͤnden/ damit wir auch dieses dein gericht verschuldet haben/ und was beyderseits darinnen gefehlet worden. Erhalte uns zum forder- sten dein wort/ und aus demselbigen die reinelehr/ und lasse dem sa- tan nicht zu/ bey truͤben wasser zu fischen/ und aus gelegenheit jetzi- ger mißverstaͤndnuͤssen gar irrthuͤmer auszustreuen: vielmehr be- festige deine kinder in der erkaͤntnuͤß der wahrheit/ sich von niemand unter einigem schein verfuͤhren zu lassen. Geuß den Geist der liebt beyderseits in die hertzen der glieder unsrer gemeinden/ und bewahre sie fuͤr aller trennung: vielmehr lehre diejenige/ welche in dem/ was der kirche das erbaulichste sey/ unterschiedliche meinung haben/ daß sie einander tragen/ weder eine der andern gewissen zu starck angreif- fen/ und es zu noͤthigen sich unterstehen; noch andre mit mißbrauch ihrer freyheit die liebe verletzen/ sondern nach dem rechten Aposto- lischen bericht und unterricht sich gegen einander bezeugen. Regie- re auch die hertzen aller in Obern-staͤnden/ die darzu zu reden haben/ daß sie was auch in dieser sache deinem rath und ehre am gemaͤssesten sey/ weißlich erkennen/ nach reiffer berathschlagung beschliessen/ und damit durch deinen segen allem unwesen abhelffen; hingegen auch dadurch zu so viel reicherer kuͤnfftigen erbauung neuen grund legen. Jnsgesammt steure in deiner gantzen kirchen allem miß- brauch deiner heiligen mittel/ (sonderlich der absoluti on) daß sich nie- ARTIC. I. SECTIO XXVIII. niemand damit betriege/ sondern alle in deiner heiligen ordnung also angewandt werden/ wie es zu aller seligkeit dienlich ist. Dem- nach wuͤrcke in allen hertzen wahre buß/ damit wir aus derselben dir/ und auff wen du uns weiter weisest/ also die suͤnde beichten/ daß wir auch deine absoluti on/ durch wen du sie uns sprichst/ mit glau- ben ergreiffen/ und diejenige vergebung erlangen/ in dero wir selig leben/ froͤlich sterben/ und freudig vor deinem gericht erscheinen moͤgen/ um JESU unsers Suͤnden-Tilgers willen! Amen. SECTIO XXVIII . Vom auffschlagen der spruͤche in der kirchen. W As das aufschlagen der spruͤche in der kirch anlangt/ so ist entwe- der die rede von dem Prediger/ oder von den zuhoͤrern. Was jenen anlangt/ wo wir auff menschen sehen wollen/ wie es nun- mehr leider dahin gekommen/ daß man meistens auff dieselbe sihet/ so solte des beruͤhmten Herrn D. Calovii exempel vorgehalten werden/ der wie ich hoͤre/ die gantze predigt durch/ die Bibel vor sich offen ligen gehabt/ und fast immer darinnen geblaͤttert. Was aber die zuhoͤrer betrifft/ leugne ich nicht/ daß es gut/ und unnuͤtz sein kan: dieses/ wo man daruͤber auff die predigt nicht acht gibet/ sondern sich mit auffschlagen und lesen daran hindert; jenes/ wo man einstheils den text sich sonderlich vor augen leget/ um acht zu geben/ wie solcher nach und nach in der predigt erklaͤret wird; andern theils/ wo man nur die haupt-spruͤche auffschlaͤgt/ und bloßzeichnet/ dazu wenig zeit erfodert wird/ um nachmal zu hause dieselbe wiederum nachzulesen und zubetrachten: es seye dann daß der Prediger auch einen von solchen spruͤchen mit mehr fleiß erklaͤrete/ da man solchen auch vor augen behalten und auff die erklaͤ- rung mit gutem nutzen acht geben koͤnte. Wo also damit verfahren wird/ kan niemand zeigen/ daß eine hindernuͤß eines guten daraus erfolgte/ wol aber wird solche uͤbung das gepredigte/ was die spruͤche anlangt/ desto mehr in das hertz drucken. Sind nun leute/ welchen nichts gefaͤlt/ als was sie von ihren Eltern gesehen oder selbs gethan haben/ denen koͤnnen wir nichts bessers auffdringen/ es ist aber auch billich/ daß hinwiederum sie andern das- jenige lassen/ was sie zu ihrer erbauung dienlich finden: wir aber muͤssen uns nicht wundern/ wann alles gute seine splitter-richter haben muß. Und wie koͤnte es gut seyn/ wo es allen gefiele? Der HERR gebe uns nur gnade/ an dergleichen urtheil uns nicht also zu kehren/ daß wir die hand von dem guten abzie- Das dritte Capitel. abziehen/ oder etwas von dem eiffer nachlassen wolten. Es gewinnet ohne das das ansehen/ daß es bald zu einem harten kampff sich bereiten moͤchte/ da diejenige/ so fleischlich in dem geistlichen stand gesinnet sind/ mit aller ge- walt an allen orten die anders gesinnete/ werden mit verleumdungen/ ver- dachten und auff andere weise suchen zu unterdrucken; vielleicht auch an- fangs es damit weit bringen; bis endlich/ wann der HErr seiner diener glau- ben und gedult wird zur gnuͤge gepruͤffet haben/ ein seliger sieg und durch- bruch erfolgen/ und diejenige/ so sich dem guten widersetzet haben/ werden (ach der HErr gebe/ zu ihrer wahren busse!) zu schanden werden. Auff sol- chen kampff lasset uns uns gefaßt machen/ wo wir ihn an bruͤdern sehen/ uns daran nicht aͤrgern/ noch wo wir dazu gefordert werden/ befremden lassen/ sondern getrost und freudig vor dem HERRN kaͤmpffen und leiden. 1690. SECTIO XXIX. An eine Adeliche Ampts-Person/ sich mit Jesuiten nicht in disputat einzulassen. M O Eu. Hoch-Adel. Tugend meines einfaͤltigen raths gelieben wolte/ so wuͤrde rathen/ mit solchen widersachern/ Jesuiten und andern sich in keinen disputat einzulassen/ als wovon sie nicht einigen nutzen hoffen moͤgen/ wol aber nur unruhe und beschwehrden davon einzunehmen haben. Jst also am allerbesten/ da man unter solchen leuten leben und um- gehen muß/ sie/ wo sie sich an uns anhangen wollen/ so bald mit bescheidenheit abzuweisen/ daß sie ihres gleichen suchen moͤchten; man seye nicht in willens/ sich mit ihnen einzulassen: da sie dann/ wo sie sehen nichts auszurichten/ von selbs muͤde werden und uns ruhe lassen. Wann man sich aber einlaͤsset/ hat man staͤten anspruch/ und ob man in einem einigen stuͤck etwa nicht so fuͤglich zu antworten vermocht/ ist des ruͤhmens kein ende/ auch wol muͤglich/ daß man dadurch/ da mans nicht gedacht/ unbewehrt gegen einen geuͤb- ten sich macht/ einige scrupul mit etwas gefahr fassen kan. Welches alles man entuͤbrigt ist/ so man sie bescheidenlich abweiset/ und daß das disputi ren unsere professi on nicht seye/ sich glimpfflich entschuldigt; und koͤnnen alsdann diejenige stunden und zeiten/ welche man sonsten in streit-schrifften sich zu ersehen/ und denselben nach zudencken/ anwendet/ viel nuͤtzlicher zu anderer andacht/ betrachtung und lesung in der H. Schrifft oder gottseligen buͤcheꝛn zu unserer mehreren gruͤndung in der wahrheit und leben- diger erkaͤntnuͤß GOttes angewendet werden/ davon unsere seele mehr nu- tzen/ als von jenem streit haben kan. Wo aber ja die intention ist/ (so ich gleich wol nicht rathe/) sich in einigen disputat einzulassen/ so wuͤrde noͤthig seyn/ ARTIC. I. SECTIO XXIX. seyn/ dergleichen schrifften unserer Theologorum, so mit grosser menge vor- handen sind/ selbs zu lesen/ und an der hand zu haben; oder wo es noͤthig waͤ- re/ zuweilen etwas zu beantworten/ wie dieses ansinnen des Jesuiten an E. Hoch-Adliche Tugend gewesen/ muͤste ein seiner Studiosus oder land-Pfar- rer/ welcher nicht zu viel zu thun haͤtte/ deßwegen angelangt werden/ derglei- chen arbeit zu uͤbernehmen: dann was grosse staͤdte anlangt/ sind der Predi- ger verrichtungen allzuviel/ als daß sie dergleichen materien abwarten koͤn- ten. Hingegen sind die streit-sachen/ so wir mit den Papisten haben/ so be- wandt/ daß auch ein Studiosus, der ein wenig gegruͤndet ist/ leicht alle satis- faction thun kan/ und nur hin und wieder die antworten aus unseren Auto- ribus auffschlagen darff/ die sich genugsam finden. Wie dann schwehrlich ein oder ander spruch unter den uͤberschickten ist/ da nicht mehrmal zur genuͤge von den unserigen darauff geantwortet worden waͤre: und habe ich mich fast gewundert/ daß diese leute E. Hoch-Adeliche Tugend in dieser materie von dem feg-feuer sonderlich haben wollen angreiffen/ da sonsten die kluͤgste unter ihnen nicht eben so grossen staat von solchem articul machen/ und mir selbs ein vornehmer paͤpstischer Churfuͤrstlicher Rath in meinerstudier-stube bekant/ daß er kein feg-feuer glaube/ ob er wol die kirche nicht urtheile/ oder ihr un- recht gebe/ daß sie dergleichen lehre. Nebenst dem bekenne auch/ daß ich von mehrern jahren weniger mehr lust gehabt habe zu den streit-schrifften/ als die/ ob sie schon auch noͤthig/ dannoch gegen andern stuͤcken der Theologiæ geringern nutzen zu der seelen erbauung haben: jedoch als es GOtt zugelas- sen/ daß Herr D. Breving mich in einem buͤchlein angegriffen/ habe es als ei- nen goͤttlichen beruff angesehen/ auch in solcher sache etwas zu schreiben/ da ich die materie von der rechtfertigung und ordnung unserer seligkeit/ gegen die Papisten mit mehrerem durch GOttes gnade suche auszufuͤhren; wie dann bereits uͤber 80 boͤgen davon getruckt/ ich aber noch viel zu arbeiten ha- be/ und E. Hoch-Adeliche Tugend leicht ermessen koͤnnen/ da ich zu dieser ar- beit nicht genug zeit finden oder gewinnen kan/ daß so viel weniger etwas an- ders neues zu uͤbernehmen vermoͤgte: daher das gute vertrauen trage/ E. Hoch-Adeliche Tugend werden nicht ungleich auffnehmen/ daß ich einer ar- beit mich nicht unterstehen kan/ dazu mir es an noͤthiger weil mangelt; wo a- ber sonsten in einigen gewissens-faͤllen und anligen/ nach dem maaß der gna- de/ so mir GOtt gegeben hat/ zu deroselben erbauung etwas beyzutragen vermoͤchte/ da es dergleichen weitlaͤufftigkeit wie in streit-schrifften/ nicht be- darff/ so erbiete gern/ mit christlicher bereitwilligkeit an die hand zu gehen. Der ich schließlich den Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trostes de- muͤthig anflehe/ welcher dieselbige nicht nur in der erkaͤntnuͤß der wahrheit des Evangelii wider alle verfuͤhrungen befestigen/ und alle gefaͤhrliche versu- Z chun- Das dritte Capitel. chungen von ihr abwenden/ sondern auch in dem uͤbrigen das werck seiner heiligung in dem liecht seines Heiligen Geistes/ in desselben krafft und trieb/ auch empfindlichen trost/ immer in ihr fortsetzen; sie hingegen gegen alle an- fechtungen des teuffels/ der welt und eigenen fleisches zu staͤtem sieg wapnen/ ja durch und durch heiligen wolle/ daß ihr geist gantz samt seel und leib/ moͤge erhalten werden unstraͤflich auff dentag JEsu Christi. 1684. SECTIO XXX. Von dem kirchen-bauen. J Ch habe wegen der nechstmal von wegen ihrer christlichen gemeinde an mich gethanen ansinnung dero collecten werck zu ihrem kirchen-bau zu recommendi ren/ mich zu abwendung etwa widriger gedancken zu er- klaͤren: daß nicht nur hiesiges orts/ weder ich/ noch jemand meiner H Hn. Collegen bey denen petitis um collecten etwas zu thun haben/ als welcher- ley unmittelbar vor dem Rath gesucht werden muß/ welcher auch nach einem befinden dariñ decerni ret/ und was zuvergoͤnnen seye oder nicht/ mit dem Mi- nisterio nicht zu communici ren hat; sondern daß ich auch in m e inem hertzen die gantze sache nicht also habe ansehen koͤnnen/ daß ob es auch bey mir gestan- den waͤre/ ich mein votum dazu geben sollen. Daß nun solches nicht aus ei- ner widrigkeit gegen ihre gemeinde und religions-exercitium thue/ sondern dieselbe von hertzen liebe/ und ihnen alles guts goͤnne/ hoffe ich/ werden sie aus andern meines gemuͤths gegen sie proben/ mir zu trauen: damit aber die wahre ursach vor augen stelle/ so muß mich voͤllig erklaͤren. 1. Das kirchen- bauen bloß dahin und an sich selbs/ achte ich fuͤr keinen Gottes- dienst/ oder dem HErrn sonderbar gefaͤlliges werck/ wie es auch nirgend in dem N. T. uns Christen befohlen oder recommendi ret wird: so laͤsset sich auch von dem von GOtt in dem A. Test. befohlenen tempel nicht auff unsere kirchen schliessen/ wann nicht nur jener mit zu dem levitischen Gottesdienst gehoͤrte/ und was GOtt dabey und in solchem vorbild vor absichten hatte/ sich auff unsere kirchen nicht reimet/ sondern diese vielmehr mit den schulen o- der Synagogen der Juden/ als dem tempel zu vergleichen sind. Hingegen halte ich dieses aus dem Papstthum noch her zu kommen/ da man meinet/ es seye diestifftung und erbauung der kirchen/ und so genannter geistlicher ge- baͤude/ auch wo und in welcher zahl man sie nicht noͤthig hat oder braucht/ an und vor sich selbs ein heiliges werck/ damit man GOtt einen dienst thue. Jn welcher meinung/ so aber nicht viel besser als ein aberglaube ist/ man leider! so lange zeit in dem Papstthum gestanden/ und noch stehet/ daß viele/ da sie et- was zu GOttes ehren anwenden wollen/ dasselbe mit hindansetzung viel noͤ- thi- ARTIC. I. SECTIO XXX. thigerer liebes-wercke am heiligsten an dergleichen gebaͤude gewendet zu wer- den achten. 2. Jndessen ist uns im N. T. als ein befehl des HErrn geboten/ daß wir zu dem Gottesdienst/ anhoͤrung goͤttlichen worts/ administri rung der H. Sacramenten/ gesang/ gebet und dergleichen uns versammlen sollen. Nun koͤnte zwahr auch solche versammlung ausser einiger dazu bestimmter gebaͤude geschehen/ wie die Christen in der ersten zeit und bey einigen hundert jahren wenig von solchen tempeln gewust/ sondern sich wegen der verfolgun- gen da und dort in haͤusern/ unter der erden/ in waͤldern/ kluͤfften und son- sten/ versammlen muͤssen/ da sie mit nochwol mehrerer andacht als wir jetzt in unsern kirchen/ dem HErrn gedienet/ und hinwiederum ihm gefallen haben. Jedennoch/ weil privat-haͤuser bey grossen gemeinden viel zu enge/ derselben versammlung zu fassen/ so dann die bequemlichkeit der versammlungen/ wel- che zu suchen uns der HErr nirgend verboten/ vielmehr die liebe solche/ wo sie platz findet/ uns raͤthet/ erfordert/ daß gewisse staͤtte dazu verordnet/ von neuem gebauet/ oder andere dazu bequem gemachet werden/ in denen die ver- sammlungen gehalten werden moͤgen/ welche auch deswegen zu diesem zweck und der groͤsse der gemeinde eingerichtet werden sollen: so sind folglich die kirchen-gebaͤude in solcher absicht und nach proportion der nothdurfft GOtt nicht nur nicht zuwider/ sondern gantz angenehm/ als stuͤcke einer feinen ordnung/ die uns 1. Cor. 14/ 40. empfohlen wird/ und als huͤlffs-mittel/ denjenigen zweck desto besser zu erhalten/ den er durch das gebot der versam̃- lungen bey uns suchet. Daher wer an solche gebaͤude/ deren jeglichen orts die gemeinde noͤthig hat/ etwas mit einfaͤltigem hertzen/ und in der liebe/ an- wendet/ darff es nicht als verlohren ansehen/ sondern weiß/ daß es ein dem HErrn gefaͤlliges opffer seye. 3. Wo man aber solche kirchen oder haͤu- ser der versammlung/ oder solche stellen/ so zu der versammlung bequem ge- machet sind/ (massen an dem nahmen und eusserlicher form nichts gelegen ist) bereits hat/ und die vorhandene vor die nothdurfft der kirchen und gemeinde gnug sind/ (dann sonsten wo eine kirche bey einer volckreichen gemeinde nicht gnug ist/ muͤssen freylich so viel seyn/ als die groͤsse derselben mit sich bringet) so achte ich es fuͤr einen uͤberfluß/ wo auch die gemeinde ihre eigene mittel/ da sie solche haͤtte/ an dergleichen wenden wolte/ als lang bey ihr oder bey an- dern glaubens-bruͤdern wichtigere und goͤttliche ehr naͤher betreffende gele- genheiten/ in liebes-wercken/ an armen/ bestellung gnugsamer Prediger/ schul-diener und dergleichen/ etwas anzuwenden sich finden/ dergleichen ich mich versichere/ daß nicht wol jemaln manglen werde. Dann weil wir obge- dachter massen die kirchen allein nach dero gebrauch und zweck zu æstimir en haben/ und sie erst in absicht auff diese etwas Gottgefaͤlliges werden/ so blei- bet einmal ein uͤberfluß/ was hierzu nicht erfordert wird: und sind wir hinge- Z 2 gen Das dritte Capitel. gen allezeit/ unsere uͤbrige mittel zu denjenigen wercken anzuwenden schul- dig/ damit GOtt wahrhafftig und am meisten gedienet/ und dem nechsten im geistlich- und leiblichen/ nutzen geschaffet wird. Daher ich/ was an einige arme mit liebreichem hertzen gewendet wird/ solte es auch in geringeren sum- men bestehen/ fuͤr viel ein heiliger opffer halte/ als wo auch viel tausende an unnothwendige kirchen-gebaͤude/ oder auch dero zierathen/ gewendet wuͤr- den/ damit gewißlich GOtt und dem nechsten wenig gedienet wird; weßwe- gen auch/ wo in solchem fall und absicht jemal etwas andern nothduͤrfftigen entzogen/ oder entzogen zu werden gelegenheit gegeben wuͤrde/ ich dergleichen GOtt so gar nicht gefaͤllig/ daß es vielmehr suͤndlich achtete/ als die wir un- sers GOttes guͤter allezeit billich auff die art anzuwenden haben/ wie sie den meisten nutzen bringen. 4. Daraus folgete/ daß so viel weniger dem gewis- sen gemaͤß seye/ wo eine gemeinde zu dergleichen einem nicht noͤthigem bau die mittel selos nicht hat/ daß solche von anderer gutthaͤtigkeit gesucht wer- den sollen: als zu dero wir unsere zuflucht ohne verletzung der liebe nicht neh- men doͤrffen/ es seye denn eine wahrhafftige noth vorhanden; und wo es denn geschiehet/ daß damit andere/ was sie steuren/ aus guter meinung wol etwa gar an anderer gutthaͤtigkeit in wahrhafftigen liebes-wercken deßwe- gen abbrechen/ daher nicht so wol anwenden/ als es geschehen solle/ faͤllet solche suͤnde auff diejenige/ die zu dergleichen unnoͤthigen bau ihre huͤlff ge- sucht. 5. Sehe ich ohne das unsere jetzige zeit als die zeit des goͤttlichen ge- richts also an/ wie der HErr dem Roͤmischen Babel (davon wir betruͤbten anfang bereits vor augen sehen) bald eine zimlich grosse macht zulassen wer- de/ das verderbte Jerusalem zu zerstoͤhren/ das ist: seinen letzten grimm ge- gen unsere Evangelische kirch auszuschuͤtten/ deroselben eusserliches besorg- lich zu unterdrucken/ und an den meisten orten eine voͤllige gewalt uͤber uns zu bekommen/ da wir uns leicht die rechnung machen koͤnnen/ wie viel uns alsdenn/ da ihrem zorn der zuͤgel gelassen/ uͤbrig bleiben wird/ und wir also (wie gern wolte ich/ meine sorge betroͤge mich/ aber der ausgang wird es leh- ren) wenige oͤffentliche exercitia behalten doͤrfften. So haben wir ja viel- mehr zu dieser zeit ursach/ uns mit der habenden geringsten bequemlichkeit zu vergnuͤgen/ und uns nur sonst in dem innerlichen also zuruͤsten/ daß wir in den zeiten solcher versuchung (biß sie voruͤber gehe/ und hingegen das Babel sein letztes gericht ihn auch uͤber den halß ziehe) bestehen/ und in ermanglung der eusserlichen tempel/ wahrhafftig tempel des Heil. Geistes bleiben moͤgen/ nicht aber sorge/ muͤhe oder kosten anzuwenden/ zu einigen unnoͤthigen ge- baͤuden/ die wir nicht uns/ sondern andern bauen wuͤrden. 6. Achte ich auch den zust and einer gemeinde/ welche schwach/ uñ unter anderer religion Herrschafft ist/ viel nuͤtzlicher/ daß die oꝛt ihrer versam̃lungen geringund unansehnlich/ als daß ARTIC . I. SECTIO XXX. daß sie ansehnlich seyen. Dieses letztere sticht die widrige in die augen/ erwe- cket verdruß/ und vermehret nur ihren haß gegen uns: jenes aber macht al- lein/ daß sie uns verachten/ und etwa spotten/ so uns aber von ihnen viel weni- ger/ als ihr haß schaͤdlich ist. Wie ohne das ihrer religion/ die vielen pomp und splendor liebet/ principiis die ansehnliche kirchen vielmehr/ als den unsri- gen gemaͤß sind/ als die wir gelernet haben/ daß der dienst des N. T. mehr in dem innerlichen bestehe/ und in dem eusserlichen nichts/ ohne allein was die sauberkeit/ reinigkeit und gute ordnung angehet/ erfordert/ den uͤberfluß aber mehr fuͤr seine hindernuͤß als foͤrderung halte. Dieses sind meine gedancken von dem kirchen-bauen unserer zeit/ daher die application auf deroselben hy- pothesin sich etwa unschwehꝛ machen laͤsset. Jch sehe auch nicht/ was wichtiges gegen dieselbe moͤchte angefuͤhret werden/ indem dem aͤrgernuͤß derjenigen un- berichteten/ welche weil wir nicht eben solche kirchen solches orts als die Roͤ- mische und Reformirte haben/ unsere religion von uns selbs fuͤr gering ge- halten zu werden/ sorgen wolten/ durch gruͤndlichen unterricht des Predigers wohl geholffen werden kan; so dann das erhaltene jus einer kirchen/ mit fort- setzung des offentlichen Gottesdiensts in der vorigen stelle/ und erwa andere mittel/ nicht weniger als durch die auffrichtung eines gebaͤudes conservi ret werden mag: endlich die hoffnung der vergroͤsserung der gemeinde (welche ich erfuͤllet zu werden gern wuͤnsche) auffs wenigste einen solchen bau biß auf die zeit verschieben solte/ biß man desselben noͤthig hat. Es wird aber schließli- chen hieraus mein Hochg. Herr und andere zur gnuͤge erkennen/ wie in dieser sache/ und da ich in meinem gewissen also von dem kirchen bauhalte/ ich dero verlangen in befoͤrderung der collecte nicht habe einigerley weise deferi ren koͤnnen/ der ich sonsten ihrer lieben gemeinde liebe zu erzeigen bereit bin und bleiben werde. Der HErr lehre uns in allen stuͤcken erkennen/ was ihm wahrhafftig gefaͤllig ist/ und uns nach solchem richten. 1685. ARTIC . II. Pflichten derer/ die andern vorgesetzt oder unter worffen sind/ nach dem 4. gebot. SECTIO 1. H Oher stand bleibt eben so wohl an die gemeine Christen-pflichten verbunden. 2. Von der gefahr hohen standes/ an eine Gottselige Fuͤrstliche person. 3. Als eine Graͤfliche Fraͤulein die welt verlassen/ und in ein stifft gehen wol- te/ anweisung/ wie sie auch ausser einem stifft ihr Christlich vorhaben fuͤglicher einrichten koͤnne. Erstes schreiben. Z 3 4. An- Das dritte Capitel. 4. Andres schreiben. 5. Von der vornehmen Standes-jugend zukommender arbeit. 6. Ob ein Herr gegen ansehnliche offer ten die cloͤster seines landes wieder an die Papisten uͤberlassen koͤnne. 7. Ob ein Evangelischer Herr seine unterthanen durch verkauff/ in die gefahr ihre religion zu verliehren/ setzen koͤnne. 8. Von sonderbahren begegnuͤssen. Ob GOttes laͤsterung am leben zu straffen. 9. Die sorge vor die besserung der schulen ein haupt-stuͤck der sorgen Christli- cher Regenten: Einige vorschlaͤge. 10. An eine hoͤhere Standes-person; von der pruͤfung sein selbs/ kleidern/ con- fect; gebet uͤber das allgemeine verderben. 11. An eine hoͤhere Stands-person wegen der kleider. 12. Ob vornehme weibs-personen schuldig/ ihre kinder selbs zu stillen. 13. Was unterthanen in ihrer schwehren betraͤngnuͤß von der Obrigkeit/ zu thun haben. 14. Von vervortheilung der hoͤchsten Obrigkeit in der bier-accise. 15. Wegen einer vor der Obrigkeit gelaͤngneten mißhandlung. 16. Von den tituln: Als eine hohe Stands-person in schrifften ohne die ge- woͤhnliche titul angesprochen zu werden verlangt. 17. Vom geschenck-geben und nehmen in gerichtlichen haͤndeln. 18. An eine Christliche Mutter/ deren soͤhne in boͤses leben gerathen. 19. Als eine Mutter einen ungerathenen sohn ins zucht-hauß bringen lassen wolte. 20. Ob vaͤterlicher wille im testament/ die soͤhne nach seinem todt ver- binde? SECTIO I. Hoher stand bleibt eben so wohl an die gemeine Christen-pflichten verbunden. E S ist freylich noͤthig/ den getreuen himmlischen Vater demuͤthigst und staͤts anzuruffen/ daß wie er vielmehr durch seine eigene regie- rung und direction, als menschliche genugsame vorsichtigkeit/ die religions-gefahr von der lieben Fuͤrsten-seele kraͤfftig abgewendet hat/ er noch uͤber sie ferner in gnaden walten wolle; nicht nur allein seine weise regierung zu erkennen/ und ihm vielmehr dafuͤr danck zu sagen/ als sich einen gedancken der reue in das heꝛtz kom̃en zu lassen/ (wie zwahꝛ au c ch hoͤre/ daß sie von sich uͤber das jenige/ was ihr der Allerhoͤchste bescheh- ret/ eine voͤllige vergnuͤgung bezeuge) sondern auch das hertz allerdings von der ARTIC. I. SECTIO XXVII. der liebe der welt und dero eitelkeit abzuziehen: darinnen man etwa desto mehr eingeflochten wird/ wo man allerhand mit fleiß hervorsuchet/ womit man den gegen waͤrtigen stand ihr angenehm machen will/ daß man der aus- geschlagenen herrlichkeit vergesse. Ach wie zart ist das gifft der liebe dieser welt/ der augen-lust/ fleisches-lust und hoffaͤrtigen lebens bey den taͤglichen gelegenheiten in die hertzen sich einzuziehen! und doch/ wie gefaͤhrlich ist es da- bey/ wenn es den menschen zur liebe des Vaters ungeschickt machet/ daher eben so wohl/ als falschheit der religion aus dessen gnade ausschleusset. Es ist eine betruͤbte sach/ die mich sehr niederschlaͤgt/ so offt ich daran gedencke/ daß die praxis unsers Christenthums so gar frembd seye/ sonderlich bey den jeni- gen/ welche der HErr in hoͤhern stand in der welt gesetzet/ daher einiges sein bild angehenget/ sie aber desto mehr zu seinem gehorsam dadurch verbunden hat; indem man sich doch meistentheils gar andere gedancken davon machet/ als mit seinem wort und deit allgemeinen regeln/ die kein ansehen der person leiden/ uͤbereinkommet/ weßwegen man die verlaͤugnung sein selbs/ demuth/ genaue wahr nehmung aller zeit und stunden/ wie sie angewendet werden/ auch alle kosten/ wozu sie gebraucht werden/ und dergleichen/ fast fuͤr privatas vir- tutes allein haͤlt/ und das jenige auch von GOtt davon ausgeschlossen achten will/ was die welt davon auszuschliessen sich unterstehet. Welches aber ein solch starck eingerissenes uͤbel leider ist/ daß man fast niemand/ daß es ein uͤbel seye/ bereden kan/ und ob man davon meldung thut/ es nicht wohl anders/ als fuͤr einen gefaͤhrlichen irrthum/ ob wolte man die staͤnde und dero unterscheid auffheben/ angesehen werden will. Da man doch freylich den unter scheid der staͤnde/ und daß jeglicher in demselben nach dessen absonderlichen vorgeschrie- benen regeln GOTT diene/ gern stehen laͤsset/ aber sie insgesampt dem ge- horsam Christi und seiner regeln unterwirfft/ auf daß also das Christenthum die meisterin/ die haupt-regel und virtus architectonica seye/ so allen staͤnden und jeglichem absonderlich/ in seinen pflichten maaß gebe. Wo ich gern be- kenne/ daß manches hinfallen mag/ weß man nach dem alamode. Christen- thum un disputi rlich fuͤr erlaubt haͤlt; hingegen die Grosse in der welt finden doͤrfften/ daß sie nicht weniger/ sondern noch vielmehr als alle andere zu dem gehorsam ihres HErren verpflichtet seyen/ daher der welt so sehr als andere abzusterben noͤthig haben. Wann aber die gegentheilige meynung so tieff eingesessen/ und so schwehrlich aus dem hertzen zu bringen ist/ so bleiben meiste der besten und wohlgesinnten/ so ihrer meynung nach der froͤmmigkeit sich be- fleißigen/ und ihr leben fuͤr gantz christlich gepriesen wird/ sehr weit zuruͤck- daß es ohne betruͤbnuͤß nicht angesehen werden kan/ und ich nicht weiß/ was ich solchen leuten von GOtt versprechen darff. Mein geliebter bruder wird mirnicht uͤbel deuten/ wann ich mein offtmaliges hertzens-anligen in seinen schooß Das dritte Capitel. schooß ausschuͤtte; wozu mich veranlasset/ wo ich bedencke/ wie etwa nach einer so theuren wolthat/ die man sein lebtag nicht gnug verdancken kan/ nicht nur so grosse unkosten auff allerhand eitelkeit gewandt/ sondern wol die meiste zeit mit allerhand divertissements, wie mans nennet/ (ich aber nicht weiß/ wie vor jenem Richter-stuhl vor solche eine guͤltige rechnung abge- stattet werden moͤge) zu gebracht solle worden seyn; gerade ob waͤre solches der einige zweck/ wozu wir in die welt oder in solchen stand gesetzt worden seyen. Dergleichen ich ohne seufftzen niemal hoͤren/ lesen oder gedencken kan/ sonderlich wo es diejenige angehet/ welche ich vor andern liebe/ und sie also allzeit in einen seligern zustand wuͤnschte. Ach der HErr HErr/ ruͤhre durch die krafft seines Geistes die hertzen zur erkaͤntnuͤß ihres standes/ und brauche dazu die mittel/ welche er am kraͤfftigsten erkennet! 1682. SECTIO II. Von der gefahr hohen standes/ an eine gottselige Fuͤrsiliche person. J Ch weiß vor dieses erste mal nichts anders zu thun/ als daß allein mei- ne innigliche freude bezeuge uͤber dasjenige gute/ so von dem hoͤchsten geber alles guten in dero theure seele geleget zu seyn/ mir durch christli- cher freunde zeugnuͤß kund worden ist: wie nemlich E. Hoch-Fuͤrstl. Durch- lauchtigkeit nicht nur sonsten das goͤttliche wort und Gottesdienst hertzlich lieben/ sondern da auch jenes krafft in dero hertz wahrhafftig gedrungen seye/ sie damit bezeuge/ daß sie auff eine ihrem stand sonsten wenig gewoͤhn- liche art sich befleisse/ wahrhafftig der welt und ihro selbs abzusterben/ wel- ches denn die art derjenigen ist/ in denen nach solcher bereitung der HErr JEsus sich alsdenn mehr und mehr lebendig offenbahret. Nachdem denn in dieser jetzigen verderbten zeit/ die zahl rechtschaffner Christen so enge an- faͤngt zu sammen zu gehen/ daß die meiste/ welche auch solchen heiligen nah- men fuͤhren/ dasjenige/ was er mit sich bringt/ nicht nur mit der that und le- ben/ sondern offtmals so gar auch mit worten/ ob waͤre dergleichen weder noͤ- thig noch moͤglich/ verleugnen; so ist hingegen denen/ so die ehre ihres GOt- tes lieben/ keine inniglichere freude/ als wo sie noch dergleichen seelen finden/ in denen dasjenige in zimlicher maaß angetroffen wird/ was rechtswegen bey allen seyn solte. Daher wir immerdar unsern sonderbahrsten trost draus schoͤpffen/ und GOttes/ der seine gemeinde noch in den zeiten dieser gerichte nicht gantz verlassen habe/ guͤte daruͤber preisen/ so offt wir solcher personen gewahr werden. Am allermeisten aber hat man sich zu freuen/ wo man auch in dem stande der hoͤhern in der welt die krafft GOttes an den seelen derer er- ken- ARTIC . II. SECTIO II. kennet/ die ihr bey sich platz/ und sich von ihr aus dem unslath dieser welt her- aus ziehen lassen. Denn ob wol der stand derjenigen/ welche der HErr aller Herren auch in der welt hochgesetzet hat/ daß sie entweder selbs dessen bild in der anvertrauten gewalt an sich tragen/ oder doch ihrer geburth wegen des glantzes derselben mit theilhafftig sind/ an sich selbs GOtt nicht mißfaͤllig/ und daher dem Christenthum nicht entgegen ist; so ist doch billich zu bejam- mern/ daß/ wie der Fuͤrst dieser welt in allen staͤnden so maͤchtig herrschet/ er auch solche gewalt in dem stand der Hohen ihm zuwege gebrachthat/ und die meiste derselben entweder auff grobe und greifliche/ oder doch subtilere und unvermerckte art/ an den stricken fuͤhret. Jch will also nicht so wol von je- nen ersten sagen/ als davor alle seelen/ die noch einige begierde ihres heils ha- ben/ einen eckel fassen/ und sich noch zimlich davor huͤten/ sondern nur der an- dern gedencken. So ist nun sonderlich zu bejammern/ dah in gekommen zu seyn/ daß die meiste derjenigen/ welche durch ihre geburth in der welt eine hoͤ- here stelle besitzen/ unter beyderley geschlecht/ sich dermassen von kindheit an von der welt einnehmen lassen/ daß in dero gantzen leben/ wo wir die sache in dem liecht des Heil. Geistes ansehen/ wenig anders als eine bedecktere welt- liebe in augen-lust/ fleisches-lust und hoffaͤrtigem leben sich darstellet; also gar/ daß man dasjenige nicht fuͤr suͤnde haͤlt/ was doch einmal den allgemei- nen regeln Christi zu wider ist: vielmehr was rechte eigentliche zeit-verderb/ muͤßiggang und faulheit/ hoffart/ pracht/ zaͤrtligkeit/ hegung des fleisches/ wohlgefallen der welt und eitelkeit ist/ und so genennet werden solle/ auch von unserm Heyland davor gehalten wird/ solle dennoch keine suͤnde seyn/ sondern eine wohlanstaͤndigkeit des hohen standes/ von deme sich jenes nicht trennen lasse. Damit werden die armen seelen von kindheit an angefuͤllet/ und wach- sen in solchem eiteln wesen insgemein so auff/ daß sie auch dasjenige fuͤr tu- gend und ruhmwuͤrdig achten/ sich der welt gleich stellen zu koͤnnen/ was der HErr/ der sie von der welt erloͤset/ als seiner feindin lieberey an ihnen auffs eusserste hasset/ und solche seelen fuͤr seine braͤute nicht erkennen kan. Daher bleiben sie in der finsternuͤß/ vergnuͤgen sich mit buchstaͤblichem wissen und dem werck des eusserlichen Gottesdiensts/ sodann sittlichem tugend-wandel/ nach demjenigen/ was auch in der welt fuͤr tugendhafft gehalten wird; aber des wahren himmlischen liechts und goͤttlicher kraft kommet nichts in die her- tzen/ und ist also der zustand derjenigen/ die in dem eusserlichen die gluͤckselig- ste scheinen/ in des glaubens augen wahrhafftig der ungluͤckseligste/ weil die gemeine einbildung von dem vorzug ihres standes/ und wie derselbe eben nicht so gar an Christi gebot gehalten seye/ sondern mehr freyheit habe/ ihre augen verblendet/ daß sie zu dem wahren liecht schwehrlich kommen/ auch um die zeit/ da sie in vollem liecht zu stehen meinen. Daß dieses die gemeine be- A a wand- Das dritte Capitel. wandnuͤß der Hohen seye/ meine ich so offenbahr zu seyn/ daß E. Hoch-Fuͤrstl. Durchlaucht. selbs dessen nicht in abrede seyn werden. Sie wird aber auch die Jhro erzeigte goͤttliche gnade so viel hoͤher achten/ welche deroselben die augen geoͤffnet/ daß sie alles auff andre art anzusehen gelernet/ auch ihr hertz dahin gelencket/ ihre hoheit nicht in etwas eusserliches/ sondern in dem inner- lichen und in ihrem GOtt zu suchen. Wie ich nun nicht zweifle/ daß sie fuͤr diese theuerste wolthat ihrem seelen-braͤutigam/ welcher sie aus inniglicher liebe auch von der welt erwehlet hat/ taͤglich hertzlich danck sage/ so unterlasse auch nicht an meinem wenigen ort/ meine dancksagung mit dazu zu setzen/ und die ewige guͤte an ihr mit freudiger seele zu preisen/ so offt als von neuen zeugnuͤssen goͤttlicher guͤte uͤber sie hoͤren werde. Jch stehe auch in der troͤst- lichen zuversicht/ daß dero belobtes exempel als ein liecht/ auch andern ihres standes in goͤttlicher krafft leuchten/ und noch mehrere zu gleicher nachfolge und verleugnung der weltlichen luͤsten auffmuntern solle: wie dann die guͤte des HErrn so groß ist/ daß sie nicht nur/ so offt sie jemanden geistliche gaben der heiligung verleihet/ solche auch bey andern nuͤtzlich angewendet zu werden die absicht hat/ sondern auch den von ihnen dazu brauchenden fleiß kraͤfftig- lich segnet. Jch habe auch so viel mehr hoffnung/ nachdem auch von der N N. durch eigen dero gnaͤdigstes schreiben versichert worden bin/ daß sie auch die eitelkeit der welt nicht liebe/ und die bey ihr leben in einer christlichen ord- nung zu halten beflissen seye/ daß dann E. Hoch-Fuͤrstl. Durchlaucht. nicht nur solcher ort ihres jetzigen auffenthalts zu dero gottseliger stilligkeit sehr bequem seye/ sondern auch hinwiederum ihr christlicher vorgang andern eine so viel mehrere auffmunterung geben wuͤrde/ immer mehr und mehr sich und allen ihren wandel von allem deme zu reinigen/ was noch einige gleichfoͤrmig- keit der welt waͤre/ und aus der so gemeinen einbildung der allgemeinen ge- wohnheit bey allen Stands-personen jemand noch ankleben moͤchte. Wie ich in der that an mehrern guten seelen anderwerts wahrgenommen habe/ daß alles/ was man aus goͤttlichem wort jemal insgemein und besonders an- gehoͤret/ aber sich staͤts damit/ weil man niemand also leben sehe/ ob wuͤrde es eben nicht so scharff muͤssen gehalten werden/ selbs auffgehalten/ nicht so vieles zur gruͤndlichen besserung in langer zeit aus zurichten veꝛmocht hat/ als das gesegnete ansehen eines rechten lebendigen exempels gutes geschaffet/ daraus so zu reden/ alles vorige erst in den hertzen recht lebendig gemacht worden. Nun alles dasjenige/ was nechst schuldigem danck gegen GOtt uͤ- ber deroselben von oben empfangener gnade von dessen vaͤterlicher guͤte de- muͤthigst bitte/ bestehet darinnen/ daß derjenige/ welcher sie erstlich durch die fleischliche geburth aus einem alten Regenten-baume entspriessen lassen/ a- ber sie ferner durch eine noch hoͤhere gnade in der wiedergeburth dem baum des ARTIC. II. SECTIO II. des lebens JEsu Christo einverleibet und eingepfropffet hat/ zwahr auch nach dem eusserlichen/ was zu dem menschlichen wolstand und vergnuͤgung dieses lebens gehoͤret/ an leben/ gesundheit und uͤbrigen/ mildiglich Jhro staͤts ertheilen/ aber vornemlich seinen geistlichen seegen in Christo JEsu in reichlichster maaß uͤber dero innern menschen ausgiessen wolle! Er lasse sein liecht aus der krafft seines worts in der wirckung seines Geistes immer heller bey ihr auffgehen: er mache sie staͤts der goͤttlichen natur mehr theilhaff- tig/ daß er allerley seiner goͤttlichen krafft/ was zum leben und goͤttlichem wandel dienet/ durch die erkaͤntnuͤß des/ der sie beruffen hat durch seine herr- ligkeit und tugend/ deroselben schencke/ damit alles in ihr reichlich seye/ was sie nicht faul und unfruchtbar seyn lasse/ in der erkaͤntnuͤß unsers HErrn JE- su Christi; vielmehr sie fleiß thue/ ihren beruff und erwehlung fest zu machen/ damit ihr dargereichet werde reichlich/ der eingang zu dem ewigen reich un- sers HErrn und Heylandes JEsu Christi! Er segne aber auch dero gottse- ligen wandel zu einem geheiligten exempel jedes orts da sie ist/ wie bey an- dern/ also auch sonderlich bey denen ihres standes/ mit ihrem pfund dem HErrn noch mehrere zu gewinnen und zuzufuͤhren. Er erfuͤlle sie/ dero er einen solchen lieben nahmen in der heil. tauffe geben lassen/ mit Englischen tugenden goͤttliches lobes/ gehorsam/ liebe/ reinigkeit/ demuth und heiligkeit/ biß er sie zu der schaar solcher himmlischen Geister/ dero seligen schutz auch vor dißmal wuͤnsche/ in dem ort der herr ligkeit in ewiger wonne geselle. Womit der ewigen liebe des himmlischen Vaters/ dem friede unsers Heylandes/ und der kraͤfftigen wirckung des Heil. Geistes/ sonderlich zu fruchtbahrer bege- hung der bevorstehenden feste empfehle. 1687. SECTIO III . Als eine graͤfliche Fraͤulein die welt verlassen/ und in ein stifft gehen wolte/ anweisung/ wie sie auch aus- ser einem stifft ihr christlich vorhaben fuͤglicher einrichten koͤnne. Erstes Schreiben. E S hat mich sonderbahr erfreuet/ daß mein unterthaͤniges schreiben von E. Hochgraͤfl. Gn. und dero geliebten Fraͤulein schwestern so gnaͤ- dig aufgenommen worden/ und ich aus solcher gnaͤdigen antwort auffs neue in dem vorhin gehabten guten vertrauen von E. Hochgraͤfl. Gn. hertzli- cher begierde/ einig und allein ihrem GOtt mit eiffriger gottseligkeit zu die- nen/ weiter hekraͤfftiget worden bin. So schliessen E. Hochgraͤfl. Gn. frey- A a 2 lich Das dritte Capitel. lich recht und wol/ daß hoͤherer stand so gar die/ die darinn stehen/ von Gottes gesetze/ und dem zu der uͤbung der wahren gottesfurcht noͤthigen ernst nicht dispensi re/ daß vielmehr so wol wegen mehr von dem Allerhoͤchsten empfan- gener wolthaten/ auch habender gelegenheit/ als weil dero exempel auff bey- den seiten so viel gutes und boͤses zu thun vermag/ sie vor andern zu einem so viel ernstlicherm und bey andern leuchtenden eiffer verbunden seyen. Wo nun solcher gute grund dieser erkaͤntnuͤß einmal recht geleget/ so zweiffele nicht/ daß goͤttliche gnade/ das gute werck noch ferner zu dero preiß befoͤrdern und fortsetzen werde. Wie dann die erkaͤntnuͤß unserer pflicht dazu wir ge- halten seyen/ so dann der eiffrige vorsatz/ demselben nach dem maaß der em- pfangenen gnade nach zuleben/ in unserm Christenthum wol die helffte dessel- ben uͤbung machen: und wo es in solchen richtig stehet/ mit fleißigem gebet solche goͤttliche gnade erlangt wird/ welche alsdann alles uͤbrige noͤthige vol- lends wircket/ und das gottselige vornehmen durch ihre kraͤffte zur wircklich- keit bringet. Daß nun E. Hochgraͤfl. Gn. den christlichen schluß und reso- lution gefaßt/ ihr leben allerdings GOtt dem HErren zu widmen/ und sich von aller welt anhaͤngigkeit loßzureissen/ ist diejenige schuldigkeit/ dazu alle Christen saͤmtlich beruffen/ als die der HErr so theuer mit seinem blut von der welt erkauffet hat/ damit sie sich ihm gantz zum eigenthum geben/ und hinfuͤrter in allem sich von der welt unbefleckt halten. So ist freylich der welt falsch heit und boßheit der massen kaͤntlich/ daß so man sie nur mit et was eꝛleuchteten augen ansihet/ man nicht anders kan/ alssie hassen/ und einen eckel vor derselben fassen. Also auch oͤffentlich profession davon zu thun/ ist so fern eine sache/ dazu wiederum alle insgesamt verbunden sind/ als fern nem- lich damit gemeinet ist/ solchen seinen vorsatz in der that mit seinem gantzen le- ben/ ob wol ohne ostentation an sich sehen zu lassen; und also nicht nur in ge- heim und wo uns die welt/ vor der urtheil und verachtung man sich etwa fuͤrchten moͤchte/ nicht sihet/ GOtt zu dienen/ sondern das einmal resolvi rte/ und allein nach Christi/ nicht nach der welt regeln/ eingerichtete leben immer fort und an allen orten zu fuͤhren/ und uns seiner in der welt nicht zu schaͤ- men/ noch aus furcht sonsten ausgelacht und verachtet zu werden/ wo man unter welt-leuten ist/ mit denselben zum schein mitzumachen/ damit sie uns/ ob hielten wir es mit ihnen/ ansehen moͤchten. Welches etwa zu weilen bey den anfaͤnglichen auff diesem weg aus schwachheit erstlich geschihet/ aber in die harre nicht waͤhꝛen/ sondern der gute anfang dahin wachsen muß/ daß man oͤffentlich aller orten in beobachtung seiner Christen-regeln bleibe/ und dar- uͤber die schmach Christi zu tragen sich nicht zu schwehr werden lasse. Weil aber E. Hochgraͤfl. Gn. scheinet die absicht anff eine andere oͤffentliche pro- fession, welche in eusserlicher begebung auff ein stifft bestuͤnde/ mit solchen wor- ARTIC. II. SECTIO III. worten zu sehen; so bekenne ich/ daß bey solcher sache nicht wenig zu bedencken vorkomme. Zum foͤrdersten halte ich die stiffter und cloͤster/ wie dero erste absicht und einsetzung gewesen/ fuͤr ein herrlich und sehr nuͤtzlich werck/ daß personen/ die es ihrer gelegenheit nicht gefunden/ besondere haußhaltung zu fuͤhren/ und doch dabey um der mehrern reitzungen und gelegenheit des boͤsen sich zu enthalten/ in dergleichen cloͤster sich verfuͤget/ da sie keine andere/ als gleichgesinnte gottselige seelen um sich haͤtten/ mit denen sie sich taͤg- lich erbauen und GOTT dienen moͤchten/ und auffs wenigste den vor- theil haͤtten/ nicht in staͤter gefahr von allerhand gesellschafft/ und also auch unter allerhand reitzungen/ zu leben: So dann/ daß solche cloͤster zur auffer zie- hung der jugend angewendet wuͤrden/ daß die zarte gemuͤther um die zeit/ wo die exempel am meisten ausrichten/ nicht mitten unter dem welt-hauffen er- wachseten/ sondern leute um sich haͤtten/ die staͤts mit eigenem heiligen leben und vernuͤnfftiger regierung des ihrigen/ den wachsthum in dem guten befoͤr- dern/ hingegen nicht alle augenblick/ wie fast in dem gemeinen leben geschie- het/ allerhand boͤse exempel das einmahlige gute verderben koͤnten. Gleich wie aber nachmal solche gute erste absicht sehr schaͤndlich in dem Pabstthum mit einbildung sonderbahrer heiligkeit und Gottesdiensts/ unziemlicher ge- luͤbden/ zwang/ auch unzehligem aberglauben verkehret worden/ daß bey der Reformation das damalige closter leben billich mit ernst abgeschafft/ und den leuten/ was sie von solchem menschen-tand halten solten gezeiget werden mu- ste: Also waͤre gleichwol sehr nuͤtzlich gewest/ wo die eloͤster nicht eben gantz abgethan/ und mit mancher ungerechtigkeit secularisi rt/ sondern mit abschaf- fung des mißbrauchs/ der rechte und erste gebrauch beybehalten/ oder sorgfaͤl- tig wieder eingefuͤhret worden waͤre; welches viel gottselige hertzen wuͤn- scheten/ und in solcher art zu leben/ ihnen eine stattliche befoͤrderung der uͤbung des Christenthums hoffeten. Was aber die noch bey uns uͤbrige/ sonderlich weibliche cloͤster und stiffter anlangt/ so sind mir zwahr dieselbe besonders nicht bekant/ was ich aber gleichwol von auch guten und deroselben kundigen gemuͤthern gehoͤret/ hat mich fast mehr betruͤbet als erfreuet/ und verursachet/ daß ich sehr in bedencken ziehe/ jemand/ der einen ernstlichen vorsatz gefast/ sei- nem GOTT rechtschaffen zu dienen/ in solche zu rathen. Jndem weil/ wie E. Hoch Graͤfl. Gn. selbs bekeñen/ solche mehr zu hof-haltungen/ als Gottes- dienst verkehret worden/ und die meiste zeit mit denen weltlichsten conversa- tio nen und eitelkeiten nebens dem eusserlichen schein gewisser und bestimmter uͤbungen zugebracht wird/ zu sorgen stunde/ daß ein gutes gemuͤth/ so darein kommen solte/ entweder leicht selbs zur liebe solcher eitelkeiten allgemach mehr gebracht/ und also/ wo es gedacht aus der welt zu gehen/ erst recht tieffer hin- ein gefuͤhret werden moͤchte; oder wo ihm GOTT die krafft und gnade ver- A a 3 leihet/ Das dritte Capitel. leihet/ solche versuchungen zu uͤberwinden/ wuͤrde es doch ein gantz unruhig leben seyn/ dergleichen weltliches wesen und aͤrgernuͤssen taͤglich vor augen zu sehen/ und sie doch nicht aͤndern zu koͤnnen: am allerwenigsten aber wuͤrde der vor augen gehabte zweck/ in stiller einsamkeit GOTT zu dienen/ erreichet werden koͤnnen. Wozu nachmal dieses kommt/ daß wo einmal solche re- solution gefast/ und profession gethan worden/ man folglich scheu traͤget/ wie- derum aus dergleichen orten zu treten/ und daher aus sorge anderer unglei- cher urtheil in solcher staͤter gefahr oder betruͤbnuͤß sein leben zubringen muͤ- ste/ deswegen nachmahl immer bereuen wuͤrde/ sich in solche dienstbahrkeit (wie dann in dergleichen leben eine rechte dienstbahrkeit einer frommen GOtt auffrichtig suchenden seelen seyn wuͤrde) begeben/ und selbs menschen-stri- cke sich angethan zu haben. Womit ich zwahr nicht mißrathen wolte/ wo ei- ne gottselige person bereits nicht nur in dem guten vorsatz kraͤfftig gestaͤrcket/ sondern auch dermassen geuͤbet waͤre/ daß sie an dere auf solchem weg zu regie- ren tuͤchtig/ und selbe solte beruf in eine dergleichen versammlung oder stifft haben/ dieselbe zu regieren/ daß sich eine solche dazu willig gebrauchen/ und die daraus besorgende schwehrigkeiten/ welche ihr bey unternehmender Reforma- tion vieler eingewurtzelter mißbraͤuche bevorstuͤnden/ nicht scheuen/ sondern ihr vermoͤgen/ so ihr GOTT gegeben/ dahin anwenden moͤchte/ ja solte. Wann aber solches mittel eines stiffts oder closters um angezogener gegen- waͤrtiger zeit beschaffenheit willen nicht eben insgesampt zu rathen/ so man- glets doch durch goͤttliche gnade an dergleichen gelegenheiten nicht/ daß nicht nur jegliche Christliche person im jungfraͤulichen stande vor sich allein der re- gel Pauli 1. Cor. 7/ 34. nachgeleben mag/ und wo sie keine solche schwestern in dem HErrn/ die sich mit ihr auf einerley weise uͤben/ findet/ in der stille und einsamkeit ihrem seelen-braͤutigam andaͤchtiglich dienen kan/ sondern daß auch anstalten zu machen muͤglich sind/ vornemlich den personen/ die GOTT in hoͤheren stand gesetzet/ daß einige gottselige gemuͤther beysammen woh- nen/ GOTT in mehrer abgeschiedenheit von der welt/ als von andern gesche- hen mag/ dienen/ und ohne solchen nahmen die that und den vortheil eines clo- sters haben koͤnnen. Wie dann/ wo E. Hoch-Graͤfl. Gn. belieben tragen solten/ dergleichen bequemlichkeit ihres orts zu machen/ es eine sehr leichte sa- che seyn wird/ und werden derselben von ihrem Herrn Superintendenten nach der ihm von GOTT verliehenen weißheit in geistlichen dingen/ die erbauung des Christenthums betreffende/ gnugsame anleitung finden; so will auch ich meines geringen orts nach dem pfuͤndlein/ so der himmlische Vater mir anver- trauet/ wo solches erfordert werden solte/ willig meinen einfaͤltigen rath mit- theilen. Wiewol dergleichen fast fuͤglicher muͤndlich/ als schrifftlich gesche- hen mag: jedoch ist in entstehung jener art auch dieser weg nicht unmuͤglich. So ARTIC . II. SECTIO IV. So bin auch versichert/ daß dergleichen vorschlaͤge geschehen moͤchten/ welche E. Hoch-Graͤfl. Gn. Hochgeehrten Herrn Vaters Hoch-Graͤfl. Gn. nicht entgegen seyn solten/ sondern nach dessen hohen verstand von ihm nuͤtzlich zu seyn erkant/ und verhoffentlich gebilliget werden moͤchten. Den grundguͤ- tigen GOTT und mildesten geber alles guten ruffe ich hertzlich an/ daß er so wol insgemein das in deroselben und geliebtesten Fraͤulein schwestern ge- wuͤrckte gute ferner bekraͤfftigen/ und mit taͤglichem wachsthum zunehmen lassen/ als absonderlich dero vorhaben staͤrcken/ auch so ihr selbs als anderer/ so hiezu zu rathen haben/ hertzen/ dahin durch seines Geistes finger leiten und re- gieren wolle/ damit sie moͤgen das jenige kinden/ auf welchem wege seine goͤtt- liche guͤte sie zu ihrem besten und seinen ehren am gemaͤssesten fuͤhren/ und wel- che vorschlaͤge er zu seyn beschlossen habe; auf daß/ wo solche erkant/ alsdann auch seiner leitung darin nen vornehmlich gefolget werden moͤge. Wie dann unsere gantze uͤbung des Christenthums bestehet/ in vorsichtiger achtgebung auf goͤttlichen willen/ der jederzeit uͤber uns seyn mag/ und in gelassener folge nach demselben. Der HErr wolle alle/ die ihn hertzlich suchen/ vollbereiten/ kraͤfftigen/ staͤrcken/ gruͤnden zu seiner verherrlichung! 1676. SECTIO IV. Das andre Schreiben. W As E. Hoch-Graͤfl. Gn. wofern dieselbige allhier eine zeitlang sich auffhalten solte/ zu dero eigener erbanung und seelen-vergnuͤgung zu thun gedencken/ halte davor/ daß E. Hoch-Graͤfl. Gn. nicht weniger auch an dero geliebten Herrn Vaters hof/ wie in vorigem etwas meldung ge- than zu haben mich entsinne/ anzurichten und vorzunehmen vermoͤgen/ und solte vielleicht die mehrere stille und einsamkeit des orts gegen hiesiger stadt unruhigem thun/ eine mehrere befoͤrderung eines GOTT allein suchenden und dem einig nothwendigen nachtrachtenden lebens an die hand geben. Wo- zu es auch au verlangenden anleitungen und huͤlffes-mitteln durch GOttes gnade nicht manglen wird. Es ist zwahr an deme/ daß die Christliche con- versation mit ihrer mehrern/ die mit hertzlichem ernst ihren GOTT meynen/ eine nicht geringe befoͤrderung der unter einander suchenden erbauung ist: aber wo auch nur 2. oder 3. in dem nahmen des HErrn/ und also mit hertzli- chem vorsatz GOTT je laͤnger je eiffriger nach seinem willen zu dienen/ ver- sammlet sind/ da ist Christus schon mitten unter ihnen/ laͤsset ihm nicht nur deroselben dienst wolgefallen/ sondern schencket ihnen auch seinen Geist in der jenigen maaß/ als er ihnen nothwendig erachtet/ durch seine wuͤrckung immer zu wachsen/ in fleißiger forschung der schrifft/ in hoͤchster einfalt seinen willen aus der erleuchtung des himmlischen Lehrers zu erkennen/ in gottseligeu uͤbun- Das dritte Capitel. uͤbungen zuzunehmen/ und die anmuth eines das wahre gut/ hindangesetzt der weltlichen luͤste/ allein suchenden lebens vergnuͤglichen zu kosten/ dardurch aber immer weiter zum ernst und eiffer/ auf dem angefangenen wege fort zu wandlen/ entzuͤndet zu werden. Ja es wird die erfahrung geben/ daß offters eine kleine anzahl dahin hertzlich geneigter gemuͤther/ da sie unter sich das werck ihnen lassen ernstlich angelegen seyn/ in solchem wachsthum ehender zu- nehmen werden/ als da derselben mehrere sind/ dabey es etwa nicht ohne zer- streuung abgehet. Sonderlich wird der anfang gluͤcklicher unter wenigen gleich gesinnten gemacht/ biß solche durch goͤttliche gnade dermaffen bekraͤff- tiget/ daß folgends auch mehrere allgemach dazu gezogen werden. Wes we- gen E. Hoch Graͤfl. Gn. bereits an dero geliebten Fraͤulein schwester/ und wo sie noch einige guteseelen ihres orts wissen/ so einen zweck haben/ gnugsame ge- sellschafft haben wird/ zu taͤglicher erbauung unter ihnen selbs und zu nuͤtz- lichen dahin ziehlenden uͤbungen; worinnen der Herr Superintendens vor- treffliche anleitung und in allem vorfallenden getreuen rath zu geben so weißlich vermag/ als immer willig seyn wird. Es will aber der meiste an- fang in allem solchen mitfleißiger lesung heiliger schrifft gemacht seyn als aus welcher wir allein den willen unsers Heylandes erkennen/ und durch dero krafft ihm zu folgen bewogen werden. Jn derselben aber mag etwa am rathsamsten das Neue Testament erst unterschiedliche mal ausgeleseu wer- den/ ehe wir zu dem Alten kommen/ damit wir dieses duncklere nicht eher als mit ausjenem bereits erleuchtetẽ augen einsehen moͤgen: So moͤchtevielleicht selbs in dem Neuen Testament die erste milch-speise in etlichen schrifften und episteln der Apostel/ sonderlich in den so liebreichen episteln Johannis gema- chet/ und darnachim̃er weiter auf andere nach fuͤhrung einesgottseligen hand- leiters fortgegangen werden. Jn der lesung aber/ gleichwie ein eiffriges ge- bet und betrachtung/ daß jetzo der groͤsseste HERR himmels und der erden/ vor deme auch die H. Engel mit ehrerbietung stehen/ mit uns in seinem wort reden wolle/ woraus auch eine ehrerbietung und achtsamkeit erwecket werden wird/ nothwendig voꝛgehen soll/ so muß nach mal auf alles genau acht gegeben werden/ daß wir glauben/ kein woͤrtlein stehe vergebens: und ist nicht rath- sam/ daß man auf einmal vieles nach einan der lese/ sondern weniges/ aber mit fleißigem nachsinnen. Hat man auch etwa nur einen versicul gelesen/ so bald nachzudencken/ was solcher in sich fasse; woh in dieses/ wohin jenes wort/ ge- meinet seye/ so viel nehmlich unsere einfalt davon fasset. Wo dann nicht ohne nutzen ist/ daß wo ihrer etliche personen bey solchem lesen sind/ jegliche derselben sage/ was ihr von solchem versicul deuchte/ ob sie ihn verstehe oder nicht. Fasset man dann nun den verstand wol und gut: man muß aber dabey gedencken/ es stecke in solchem doch noch vielmehr/ als wir darinnen erkant haben/ ARTIC. II. SECTIO IV. haben/ und wo wir dasjenige/ was uns GOTT darinnen bereits hat erken- nen lassen/ fleißig gebrauchen werden/ so werde er/ wo wir ein andermal wie- derum daruͤber ko mmen werden/ noch ein mehreres darinnen zeigen. Jsts aber/ wie es offt geschicht/ sonderlich anfangs/ daß wir einem spruch keinen geschmack abgewinnen/ das ist/ keinen rechten erbaulichen verstand darinnen finden/ so sollen wir zum foͤrdersten dabey uns unserer angebohrnen blindheit des natuͤrlichen verstandes demuͤthig erinnern/ und erkennen/ daß auch das- jenige/ was wir gleichwol aus andern orten gefasset eine gnaden-erleu chtung GOttes gewesen; so dann entweder bey gelegenheit einen treuen gottseli- gen Prediger daruͤber fragen/ oder es biß wir ein andermal es wieder lesen/ und etwa mehr verstehen moͤchten/ verspahren. Jmmerdar aber trachten/ alles was wir gelesen haben/ auch in der that ins werck zu richten. Dann dieses ist das sicherste und gewisseste mittel immer zu weiterer erleuchtung zu kommen/ wo wir das uns erstlich gleichsam zur prob von GOTT geschenckte geringere liecht danckbarlich angenommen/ und uns zu gebrauchen beflissen haben. Hier heissets/ wer da hat/ (das ist/ der das/ so ihm gegeben worden/ wircklich und in dem gebrauch hat dem wird noch mehrers gegeben/ Matth. 13/ 25. Wer aber nicht hat/ wer dasjenige/ so ihm einmal gegeben gewesen/ nicht gebraucht/ und also in dem gebrauch nicht hat/ deme wird auch dassel- be genommen/ was er hat/ und nur muͤßig besitzet. Gewißlich es wuͤrde offt nicht so grosse unwissenheit goͤttlicher dinge auch bey denjenigen/ die et- wa die schrifft dem buchstaben nach offt vor sich haben/ sich befinden/ wo der mangel nicht dran steckete/ daß nemlich vieler intention nur dahin gehet/ daß sie etwas wissen/ und aus solchem nachmal bey andern sich hoͤren lassen moͤch- ten/ damit also die wissenschafft ihnen allein eine uͤbung ihres fuͤrwitzes/ hoch- muths und ruhm-sucht/ und also des alten Adams bequemes futter werden solle: daruͤber GOTT auch solchen leuten zu ihrem lesen seinen Geist und gnade nicht giebet/ und wo sie noch endlich etwas lernen/ so ists nichts anders/ als eine blosse buchstaͤbische wissenschafft ohne Geist und krafft. Wo aber die heilige begierde ist/ das lernende zu goͤttlicher ehre anzuwenden/ und solche so bald in das werck gesetzet wird/ so kans nicht fehlen; GOTT segnet solches verlangen/ und erfuͤllet den hunger einer solchen nach seiner himmlischen weißheit begierigen seele/ daß sie in ihrer hoͤchsten einfalt/ gleichwol die hohe weißheit ihres GOttes fasset/ und nachdem sie das erste pfuͤndlein wol ange- leget/ mit weitern begnadet wird. Daher eine offtere untersuchung unser selbs nuͤtzlich/ wie wir das bereits gelesene zu GOttes ehren angewendet ha- ben oder nicht. Es wird aber zu allem solchen dero getreuen Herrn Superin- tendentis rath viel bessere anleitung in gegenwart geben/ als meine einfaͤltige B b feder Das dritte Capitel. feder solches vorschreiben mag. Der grosse GOtt/ von deme alles’ gute allein kommet/ der GOTT des friedens/ heilige sie durch und durch/ und ihr Geist gantz/ sampt der seele und leib muͤsse behalten werden unstraͤfflich auf die zu- kunfft unsers HErrn JEsu Christi! Getreu ist er/ der ruffet/ der wirds auch thun. 1. Thess. 5/ 23. 24. 1676. SECTIO V. Von der vornehmen Standes-jugend zukommen- den arbeit. W Ann gefraget wird: ob es dem Christenthum nicht entgegen/ vor- nehme Stands-jugend allerley kunst-arbeit/ als sticken/ wir- cken/ teppich- und stuͤhl-machen und dergleichen lernen zu las- sen; oder ob die selbs-verleugnung erfordere/ sich blosser dings alles desjenigen zu entschlagen/ was nicht allen zur eussersten nothdurfft gehoͤrt? So erklaͤhre mich hierauf also: 1. Daß an sich selbs nicht verboten seye/ mit den goͤttlichen creaturen/ als gold/ silber/ seide/ wollen/ leinen und dergleichen also umzugehen/ daß sie nicht allein zur blossen nothdurfft ge- braucht werden/ sondern auch zu einiger zierde dienen/ (wie auch goͤttlicher ge- schoͤpffe selbs einige allein vornehmlich mit ihrer schoͤne GOTT preisen/ und den menschen ergoͤtzen) und des menschen verstand sich in der kunst daran uͤber Wie dann GOTT nicht zinvider ist/ daß alle kraͤfften der seelen (darzu aber auch die geschicklichkeit kuͤnstlicher arbeit gehoͤret/) bey gelegenheit mit ange- wendet werden/ nur daß es in rechter ordnung geschehe/ nehmlich nicht zu suͤndlichem zweck/ noch mit versaͤumnuͤß des nothwendigen; (wie denn viel- leicht niemand die gesamte mahler-kunst/ bild-hauen und was dergleichen ist/ an sich selbs verdammen wird/ ob man wol derselben allen zur enssersten noth- durfft eben nicht bedarff: auffs wenigste ich nicht sehe/ mit was grund einer solches thun/ das ist/ alle dergleichen kuͤnste verdammen koͤnte/ da vielmehr auch ein lob GOttes in deroselben rechten gebrauch seyn kan) so sehe auch nicht/ wie dann weibliche arbeit im sticken/ wircken und dergleichen fuͤr verbo- ten zu achten seye/ wo man sie mit solchem hertzen verrichtet/ was goͤttliche ge- schoͤpffe in der natur zum preiß des mancherley reichthums seiner schoͤne dar- stellen/ mit nachsinnen und fleißiger hand nachzumachen/ und also auch solche werck zu verfertigen/ an dero kunst und schoͤnheit GOTT gepriesen werde. 2. Vielmehr sehen wir/ daß der verstand und weißheit kuͤnstliche arbeit zu verfertigen/ als eine gabe des Geistes GOttes 2. Mos. 31/ 3. u. f. angege- ben/ und Cap. 35/ 25. weiber geruͤhmet werden/ die verstaͤndig waren zu wuͤr- cken mit ihren haͤnden: sonderlich stehet an solchem ort v. 35. von Bezaleel und ARTIC. II. SECTIO V. und Ahaliab: GOTT hat ihr hertz mit weißheit erfuͤllet/ zu machen allerley werck/ zu schneiden/ wircken und zu sticken/ mit geler seiden/ scharlacken/ rosinroth und weisser seiden/ und mit weben/ daß sie ma- chen allerley werck/ und kuͤnstliche arbeit erfinden. Zwahr gestehe ich gern/ daß solche kunst damal angewendet werden solte/ zur zierde und ausruͤ- stung der huͤtte des stiffts: aber es folget gleichwol/ daß dergleichen kuͤnstli- che dinge zu machen/ neu zu erfinden/ und sich darinnen zu uͤben/ ja auch dinge zu verfertigen/ die/ da man meinen solte/ ein schlechtes solte eben so viel nutzen/ zu mehrerer zierlichkeit mehrere arbeit erforderen/ GOTT an sich selbs nicht zuwider seye/ als der sonst/ wenn dergleichen fuͤr blosse eitelkeit zu achten/ sei- ne wohnung also nicht wuͤrde anrichten haben lassen. 3. Also wird ein tu- gendhafft weib von dem H. Geist gelobet Spruͤch. 31/ 21. 22. Jhr gantzes hauß hat zweyfache kleider/ (da zwahr uͤber dem verstand des grund-textes disputi ret wird) sie macht ihr selbs decke/ weisse seiden und purpur ist ihr kleid. Wann dann dergleichen kunst-wercke an sich nicht unrecht und suͤnd- lich sind/ so wenig als blumen und andere gewaͤchse GOttes/ die derselbe schaf- fet/ und dem menschen vorstellet; so kan 4. auch nicht suͤndlich seyn/ mit derglei- chen umzugehen/ also auch dergleichen Standes-personen/ an welche andere geringere arbeiten nicht kommen/ als worzu andere bestimmet sind/ die ihnen darmit an die hand gehen/ und dardurch ihr leben gewinnen; daher vorneh- mere ihnen auch andere arbeiten zu suchen haben. 5. Treibet man etwa auf das/ daß bey GOTT kein ansehen der person seye/ und er einerley von allen erfordere/ so ist solche gleichheit nicht zu leugnen/ gleich wie in gemeinschafft einerley heils-guͤter/ darinnen vornehme vor geringen keinen vorzug haben; also auch was die gemeine pflichten der liebe gegen GOTT und den nechsten/ saufftmuth/ demuth/ gedult und dergleichen anlangt/ wo abermal das hertz ei- nes Christen in dem hoͤchsten stand nicht anders gesinnet seyn darff/ als das hertz des aͤrmsten bettlers. Wie aber der unterscheid der staͤnde/ die eusserliche dinge dieser welt anlangend/ von GOTT selbs eingesetzet ist/ so kommen nach solchen staͤnden auch nicht einerley geschaͤffte und wercke jedem zu/ sondern diese richten sich nach der bewandnuͤß der staͤnde/ und dero auch in der men- schen augen eusserlich fallenden unterschied: und wie denn niemand so unge- reimt seyn wird/ vornehmen personen zuzumuthen/ die zeit/ die sie auch auf ihre regierungs-geschaͤfften nicht wenden/ an baurẽ- oder grobe schmied-arbeit anzuwenden; sondern man es genug haͤlt/ daß sie nicht muͤßig zu seyn/ derglei- chen dinge vornehmen/ die nicht boͤse/ aber auch nach gemeinem urtheil/ das man nicht gantz hindansetzen darff/ ihrem zustande gemaͤßer sind; also kan auch in dem weiblichen geschlecht von solchen Standes-personen nicht gefordert B b 2 werden/ Das dritte Capitel. werden/ nichts anders zu thun/ als was jede bauren-magd in der kuͤchen/ im stall oder am rocken vorhat; sondern ist ihnen eine von andern unterschiedene arbeit nicht zu verargen. 6. Jndessen muß alle solche arbeit als vor GOtt ge- schehen/ daß man aus GOttes befehl den muͤßiggang fliehe/ und so seinen ver- stand als glieder zur arbeit brauche/ daß man weder an den wercken/ die man nach der ersten tafel gegen GOtt schuldig ist/ noch die zu der liebe des nechsten gehoͤren/ um jener uͤbrigen gleichsam lust-arbeit willen etwas zuruͤcke setze/ und sein hertz/ daß die zierliche dinge/ die wir arbeiten/ dasselbige so wenig/ als GOttes schoͤne creaturen/ zur liebe der eitelkeit und gefallen an sich selbs ver- fuͤhren/ verwahre. Wo man auf solche art mit dergleichen arbeit umgehet/ streiten sie nicht wider die verleugnung seiner selbs/ die Christen oblieget/ sondern sind dero beruf gemaͤß. 1699. SECTIO VI. Ob ein Herr gegen ansehnliche offert en die cloͤster seines landes wieder an die Papisten uͤberlassen koͤnne? J Ch komme ein auf das in dero gnaͤdigen schreiben vornehmst enthalte- ne/ nemlich die gethane ansehnliche offer ten vor uͤberlassung der eloͤ- ster an die Papisten/ wie dieselbe anzusehen seyen/ davon E. Hoch- Graͤfl. Exc. meine wenige gedancken zu vernehmen gnaͤdig verlangen. Jch fasse die sache aber kurtz/ nehmlich daß es eine sache seye/ welche so bald von an- fangs und schlechter dings abzuweisen. 1. Kan ohne suͤnde dasjenige/ was einmal aus den paͤbstischen greueln durch GOttes gnade heraus gerissen worden/ nicht wieder dazu uͤberlassen werden; sonsten wuͤrden E. Hoch- Graͤfl. Exc. alle suͤnde alles aberglaubens/ abgoͤtterey und andern greuel-we- sens/ welchen dadurch in solchen cloͤstern wiederum platz gemacht wuͤrde/ auf ihre seele laden/ und in ewigkeit vor GOTT dessen verantwortung tragen muͤssen. Da mag uns aber unser Heyland zuruffen Matth. 16/ 26. Was huͤlffe es dem menschen/ so er die gantze welt gewonne/ und litte scha- den an seiner seele/ oder was kan der mensch geben/ daß er seine seele wieder loͤse. Wir haben ohne das an unsern eigenen suͤnden vor GOttes gericht genug zu tragen/ und bedoͤrffen nicht/ noch schwehrere last auf uns zu nehmen/ die uns an unserm letzten ende unertraͤglich werden/ und allen trost benehmen doͤrffte. Jch mag auch wol sagen/ daß derjenige/ so der wahrheit des Evangelii erkaͤntnuͤß von GOTT erlangt/ und dannoch mit willen sol- chen greueln platz gibet/ und also so viel an ihm ist/ dieselbe befordert/ vor GOTT ein schwehrer gericht zu erwarten habe/ weil er mehreres liecht em- pfangen hat/ als diejenige/ welche in ihrer unwissenheit solche greuel selbs begehen. ARTIC. II. SECTIO VII. begehen. 2. Hat man die billige sorge/ daß durch die einfuͤhrung der paͤpsti- schen ordens-leut in die graffschafft/ gelegenheit gegeben moͤchte werden/ zu verfuͤhrung vieler einfaͤltigen hertzen zu sothaner falschen religion: dero see- len der HErr an jenem tag alle von der hand dessen fodern wuͤrde/ welcher mit willen und aus ansehen zeitlichen vortheils gelegenheit dazu gegeben haͤtte. 3. Wuͤrde die liebe posteri taͤt/ so wol von E. Hochgraͤfl. Excell. ei- genem gebluͤt/ als auch dero unterthanen nach langer zeit noch uͤber sol- ches ungluͤck seufftzen/ wo sie dermaleins mehr den schaden/ den man darnach nicht wieder einbringen koͤnte/ gewahr wuͤrden werden; wel- ches auch die gedaͤchtnuͤß derselben/ die man nach sich gern im se- gen zu verlassen trachten solle/ sehr gravi ren wuͤrde. 4. Ob man von dem zeitlichen vortheil reden wolte/ waͤre derselbe nicht allein gegen den erzehlten schaden fuͤr nichts zu achten/ sondern auch zu sorgen/ daß der HErr durch seinen fluch/ alles solches in dem zeitlichen bald zu nicht machen wuͤrde/ was man auff solche art zu erlangen gemeinet. Wie wir dann die taͤgliche exempel haben/ welche diese goͤttliche wahrheit bekraͤfftigen/ daß es nicht un- ser fleiß und klugheit/ sondern der seegen des HErrn seye/ davon wir alles erwarten muͤssen/ und denselben gewißlich nicht hoffen koͤnnen durch derglei- chen dinge/ dadurch man die goͤttliche gnade/ den brunnen alles segens von sich hinweg stosset. Also haben E. Hochgraͤfl. Exc. solch gethane anmuthun- gen/ als lauter versuchungen anzusehen/ welche der HErr zulaͤsset/ ob sie ihn und seine gnade/ wie nicht weniger die wolfahrt und verwahrung ihrer un- terthanen von aller verfuͤhrung/ auch ihrer eigenen seelen und ihres Hoch- graͤflichen hauses wahres heil; oder hingegen anderseits den schein eines zeit- lichen nutzens/ bey sich prævali ren lassen werden. Jch trage aber das hertz- liche vertrauen zu derselben/ ersehe es auch bereits aus dem schreiben selbs/ daß sie/ nachdem dieser scheinende nutzen in der wahrheit vielmehr schade ist/ (ob wol der satan uns und unsre augen offtmals auff eine solche art zu ver- blenden suchet) jene guͤter aber/ die wahrhafftige guͤter sind/ welche ohne lan- ge uͤberlegung so bald den andern vorzuziehen/ sie werden ihre liebe zu GOtt und dero unterthanen (um welcher/ nicht aber um seinet willen jeglicher Re- gent in der welt ist) offenbahrlich damit zeigen/ da sie in solcher anfechtung be- staͤndig stehen/ sich zu nichts/ so das gewissen verletzet/ jemalen bereden lassen/ und also in der gnade GOttes seinen segen auff sich und die ihrige ziehen wer- den: welche gnaden-regierung Gottes/ und wahrhafftigen segen auch schließ- lich von grund der seelen anwuͤnsche. 1686. B b 3 SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO VII . Ob ein Evangelischer Herr seine unterthanen durch verkauff in die gefahr ihre religion zu verlieh- ren stecken koͤnne? D As anligen/ welches derselbe mir vortraͤgt/ und meines raths daruͤber verlangt/ habe in der furcht des HErrn erwogen/ und so wichtig be- funden/ daß freylich alles in der sache genau uͤberleget werden muß/ das gewissen nicht gefaͤhrlich zu verletzen. So ist auch diejenige resolution, welche derselbe gefaßt zu haben bezeuget/ christlich und nothwendig/ die er- haltung der reinigkeit des gewissens gern allem andern vorzuziehen/ und daruͤber allen schaden/ den GOtt verhaͤngen moͤchte/ zu erwarten; in welchem wir in seiner gnade mehr behalten/ als wir gedencken moͤchten/ in dem irrdi- schen zu verliehren. Wo wir nun die sache selbs reifflich erwegen/ so wolte ich sie in 2. saͤtze abtheilen. 1. Alles dasjenige/ wodurch die Evangelische unterthanen zu NN. in gefahr gesetzet werden ihrer religion/ so lang man ih- nen sonsten die freyheit derselben noch erhalten kan/ wuͤrde das gewissen ge- faͤhrlich verletzen. Dann wie wir unsern nechsten als uns selbs/ und also des- sen geistliches und ewiges mehr/ als unser leibliches und irrdisches zu lieben schuldig sind; also stritte austruͤcklich gegen diese liebe/ (ja auch gegen die liebe GOttes/ dessen ehre durch die befoͤrderung der falschheit verletzet wird/) wo man sein zeitliches interesse mehr in acht naͤhme/ als woran des nechsten see- len gelegen ist/ und wo diese beyde einander anfangen entgegen zu stehen/ je- nes diesem vorziehen wolte: So vielmehr weil alle Obrigkeiten gedencken muͤssen/ daß nicht die unterthanen um ihrent willen/ sondern sie von GOtt der unterthanen bestens wegen eingesetzet seyn; daher sie alle ihre intraden, und was sie von den unterthanen geniessen moͤgen/ deroselben wohlfarth/ son- derlich ihrer geistlichen/ nachzusetzen haben. Welche lehre zwahr den mei- sten Obrigkeiten ungereimt vorkommet/ aber wahrhafftig und in GOttes wort gegruͤndet ist/ massen der gantze grund des Christenthums dahin weiset. Wo es also darauff ankommet/ daß entweder die Obrigkeiten ihres nutzens/ oder die unterthanen ihres heils/ gefahr leiden sollen/ so tringet diese vor/ und gibt der frage den ausschlag. Wo man aber hingegen solche unterthanen/ die unter der Evangelischen regierung noch bey dem Evangelio erhalten wer- den koͤnten/ kaͤuflich und auff eine art die in unserm willen stehet/ denjenigen uͤberlaͤsset/ von welchen zu sorgen ist/ daß sie jene verfuͤhren/ oder um ihre reli- gion bringen wuͤrden/ so wuͤrden folgende suͤnden darinnen begangen: (1. goͤtt- liche ehr und wahrheit zu Gottes groͤssester beschimpffung dem eigenen nutzen nachgesetzt. (2. Die obrigkeitliche pflicht uͤbertreten/ die da ist/ vor die un- ter- ARTIC . II. SECTIO VII. terthanen und dero wohlseyn mehr als vor sich selbs zu sorgen. (3. Der un- terthanen gerechte seufftzen auff die seele geladen/ welche erschrecklich truͤcken/ und zu seiner zeit das gewissen dermassen auffwecken moͤchten/ daß in solcher hoͤllen-angst von menschen mit trost wenig ausgerichtet werden koͤnte. (4. Die unterthanen wuͤrden damit also geaͤrgert/ da sie von ihrer Obrigkeit das Evangelium so gering geachtet zu werden/ sehen/ daß sie auch nachmal der verfuͤhrung so viel leichter platz geben. (5. Die widersacher selbs werden damit geaͤrgert/ da sie uns die religion nicht mehr angelegen zu seyn sehen. (6. welche seelen daruͤber verlohren gehen/ die will der HErr von uns in gewisser maaß fodern/ da wir sie ihm aber nicht wieder geben koͤnnen. Woraus zu sehen ist/ daß es nicht eine geringe suͤnde seye/ in eine solche sache zu consenti- ren/ welche uns und andern so viele gefahr uͤber den halßzoͤge/ die gewiß groͤs- ser ist als diejenige/ ob wir endlich daruͤber alles verliehren muͤßten. 2. Wo die gefahr der unterthanen nicht kan abgewendet werden/ und man zuschwach ist/ sie dagegen zu schuͤtzen/ da nemlich eine hoͤhere gewalt aus GOttes ver- haͤngnuͤß uns uͤberlegen ist/ oder andere mit- consorten, unsre fernere vorsor- ge unfruchtbar machen/ so sind wir ohne schuld/ daß wir nicht hindern koͤnnen/ was in unserer macht nicht stehet/ und alsdann frey haben/ zu sorgen/ ob wir unsers zeitlichen noch etwas retten moͤgen. Also gesetzt den fall/ es brauch- te sich Franckreich seiner gewalt/ wie anderswo schon mehrmal geschehen ist/ und nehme die kirchen nicht nur zu einem gemeinschafftlichen gebrauch der paͤpstischen/ (da wir dannoch die unsrige des wegen nicht vollends den feinden uͤber geben doͤrfften) sondern mit gaͤntzlicher wehrung unsers GOttes dieses hinweg/ oder zoͤge es wieder zu einem closter/ so muß man solches geschehen lassen/ und GOtt befehlen; mag aber in solchem fall/ so gut man kan/ vor sein zeitliches noch sorgen/ ob uns GOtt noch etwas davon wolte zu gut kommen lassen. Wiederum wo die gemeinschafftliche/ die theil und prætension ha- ben/ den verkauff endlich unerachtet unsers widerspruchs schliessen/ und der papistische kaͤuffer krigte damit so viele macht/ daß wir/ wann er etwas zum nachtheil der religion thun wolte/ von ihm uͤberwogen wuͤrden/ (dann so lang unser widersetzen ihn noch hindern moͤchte/ ist unser gewissen noch nicht frey) und also doch nichts mehr zu erhaltung des geistlichen fuͤr die unterthanen ausrichten koͤnten/ so ist uns/ wie in jenem fall/ unverwehrt/ annoch zu sehen/ ob wir mit endlichem consens in dem kauff das unsrige zimlicher massen mit salvi ren koͤnten: jedoch haben wir unser mißfallen/ und wie ungern wir an die sache kommen/ dabey zur genuͤge zu bezeugen/ und damit das sonsten be- sorgliche aͤrgernuͤß/ so viel an uns ist/ abzuwenden: so dann auch daran zu seyn/ daß man die condition in der religion nichts zu erneuern/ mit einruͤcke; dann obwol auff dergleichen verspruch von paͤpstischer seiten nicht genug zu- trau- Das dritte Capitel. trauen/ so hilfft es doch endlich etwas zur verwahrung des gewissens/ wo man nicht weiter kan. Dieses waͤre meine einfaͤltige meinung uͤber solches geschaͤfft/ welches mein werther Herr ferner in der furcht des HErrn pruͤfen/ und wessen er in seiner seele sich uͤberzeuget befinden wird/ zu thun sich ange- legen seyn lassen wolle. Wie wir dann auch nicht sicher auff eines andern rath trauen doͤrffen/ wo wir nicht nach anruffung GOttes auch die mitein- stimmung unsers gewissens bey uns finden; dem wir sonsten leicht anstoß se- tzen/ die tage unsers lebens uns dadurch verunruhigen/ und hingegen an dem geistlichen wachsthum hindern wuͤrden. Zu deme ist auch wol in acht zu neh- men/ daß man sich auch huͤte vor demjenigen/ was auffs wenigste bey andern einen boͤsen schein haben/ und aͤrgernuͤß geben wuͤrde/ wie jener Eleasar 2. Maccab. 6/ 21. auch dasjenige fleisch nicht essen wolte/ welches erlaubt/ aber dabey der schein/ ob seye es schwein-fleisch/ gewesen waͤre. Also haben sonderlich diejenige/ welche insgemein ein rechtschaffen Christenthum an sich leuchten zu lassen beflissen sind/ sich vor andern zu huͤten/ daß sie bey welt-ge- sinnten den nahmen der gottseligkeit nicht durch boͤsen schein laͤstern machen/ und aus einigem stuͤck gefolgert werde/ entweder es seye uns mit unserer gott- seligkeit kein ernst/ da wir/ so bald es an unsern nutzen oder schaden gehet/ des- sen vergessen/ was andere in dem geistlichen vor nachtheil davon haben wuͤr- den; oder es muͤste hieran wenig gelegen seyn/ indem es ja diejenige thaͤten/ welche fuͤr gottselig paßirten. Dergleichen urtheil nun zu entgehen und zu begegnen/ sind wir schuldig/ nicht zwahr etwas gutes zu unterlassen/ oder boͤses zu thun/ aber einige unsrer zeitlichen vortheile gern hindan zu setzen. Jm uͤbrigen zweifle ich nicht/ derselbe werde auch die gegenwaͤrtige zeit ins- gesamt mit rechten augen ansehen/ und erkennen/ es seye diejenige/ da GOtt nach seinem H. rath dem Roͤmischen Babel zugebe/ allgemach den hoͤchsten gipffel seiner macht zu besteigen/ besorglich unser verderbtes Jerusalem zu zerstoͤhren/ und aber damit sein eigen gericht ihm selbs uͤber den hals zu zie- hen. Da will es nun vonnoͤthen seyn/ nicht nur GOtt flehentlich anzuruf- fen/ daß er sich seiner armen kirchen annehmen/ uns seine gerichte zu erkennen geben/ und alles murren dagegen in unsern seelen verhindern/ der verfolger und verfuͤhrer sich erbarmen/ sie bessern/ oder ihnen die haͤnde binden; denen die. in der versuchung begriffen sind/ mit krafft und Geist beystehen/ die ver- fuͤhrte aus barmhertzigkeit wieder zuruͤck fuͤhren/ uns zu gleichen kampff/ wo uns die reihe betreffen wird/ ausruͤsten/ und endlich zu rettung seiner ehre/ wo nun die gerichte vorbey sind/ seinen zerstoͤhrten tempel wiederum aus den uͤbergebliebenen lebendigen steinen auffs neue herrlicher bauen wolle: son- dern auch aus dem/ was wir an andern sehen/ abnehmen/ was uns noch vor- sichen mag/ und uns darauff mit fester gruͤndung unsers glaubens und hoff- nung/ ARTIC. II. SECTIO VIII. nung/ ernstem fleiß eines heiligen wandels/ ablegung aller liebe der welt/ die uns sonsten in der verfolgung weich machen wuͤrde/ gutthat an dem nechsten/ so lang wir noch zeit haben/ unsere liebe zu uͤben/ und staͤter vorstellung der krohne/ welche der bestaͤndigkeit in dem leiden bestimmet ist/ in seiner gnade zu ruͤsten/ damit/ wo das stuͤndlein unserer versuchung auch kommt/ (davon ich fuͤrchte/ daß wir nirgend sicher seyn werden/) wir alles wohl ausrichten und das feld behalten moͤgen. Hieran lasset uns taͤglich gedencken/ uns un- tereinander auffmuntern/ der alten exempel/ die vor uns gelidten haben/ uns erinnern/ und die dazu noͤthige gnade von dem himmlischen Vater uns selbs und untereinander erbitten: so sollen uns unsre truͤbseligste zeiten dannoch selig seyn. 1685. SECTIO VIII . Von sonderbaren begegnuͤssen. Ob GOtteslaͤ- sterung an dem leben zu straffen? E S war mir auch hertzlich lieb/ dasjenige exempel zu vernehmen/ wie der HErr HErr geliebten bruder in seiner betruͤbnuͤß und aͤngstlicher sorge durch zusendung eines leichen-texts getroͤstet. Wie ich weiß/ daß auch das geringste nicht ohngefehr geschehe/ sondern alles unter der regierung un - sers weisesten Vaters stehe/ ohne welchen auch nicht ein haar faͤllet; so achte ich dergleichen beobachtung nicht fuͤr aberglaͤubisch/ sondern denjenigen zim- lich/ die alles als aus der hand des HErrn kommende ansehen. Jch erinne- re mich dabey einer dergleichen begebenheit/ daß ich einmal in sorglichen ge- dancken wegen des gemeinen unwesens in die kirche ginge/ die bet-stunde zu halten: da ich aber in dieselbe eintrat/ sang man aus dem 12. Psalm die wort: Darum spricht GOtt/ ich muß auff seyn/ die armen sind verstoͤhret/ ihr seufftzen tringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret. Jch kan wol sagen/ daß mir mein lebelang weder diese wort noch einige andere so in meinen ohren geklungen/ als obs kaum menschen-stimme waͤre/ und sie so bald als eine antwort auff meine innerliche klage mit grosser zufriedenheit angenommen; ob ich wol seither niemal mehr weder solchen thon/ noch krafft davon empfunden. Will dißmal nicht nochmal gedencken/ (weil zu andern malen davon werde geschrieben haben) was vor spruͤche bey hiesiger vorste- henden vocation fuͤr mich von guten freunden auffgeschlagen worden/ wel- che mir gewißlich nicht wenig krafft und versicherung gegeben. Lasset uns also gewaͤhnen/ in allen dingen einigen rath unsers GOttes zu erkennen/ so solle solches eine stattliche staͤrckung unsers glaubens werden/ und wird Gott in vielem seinen zweck erreichen/ den viele unachtsamer weise an sich sonst ver- C c ge- Das dritte Capitel. gebens machen. Jch komme nun auff die letzte vorgelegte frag wegen lebens- straff der Gottes-laͤsterer. Da will mir nun nicht zukommen/ uͤber die NN. absonderliche hypothesin zu judici ren/ sondern uͤberlasse/ was in sol- cher stadt geschehen/ der verantwortung derjenigen/ die GOtt dazu gesetzt/ das gericht zu halten: sonderlich weil zu einem examine eines gesprochenen urtheils eine voͤllige erkaͤntnuͤß aller umstaͤnde erfordert wuͤrde. Jnsgemein aber und in thesi zu reden/ 1. so halte die straffe des todes nicht fuͤr unbillich/ wie sie auch in den rechten dicti ret ist/ daß Gottes-laͤsterer an dem leben ge- strafft werden/ wenn es nemlich vorsetzliche und boßhafftige Gottes-laͤsterer sind/ welche GOtt sonsten buchstaͤblich erkennen/ und ihn gleichwol laͤstern/ dergleichen laͤsterungen diejenige sind/ welche von personen geschehen/ so in der lehr keinen irrthum nicht haben. 2. Dergleichen moͤchte auch gelten von denen/ welche zwahr GOtt nicht erkennen; zum exempel/ Tuͤrcken/ oder Hey- den/ oder dergleichen unglaubige/ da sie unter uns wohnen/ auch was ihnen hierinnen eusserlich verboten seye/ wissen/ und aber nicht etwa in discurs, wo sie von ihrem glauben rechenschafft geben/ oder denselben zu behaupten sich in dem gewissen schuldig zu seyn glauben/ dergleichen dinge reden/ die wir nach unsern articuln fuͤr gotteslaͤsterlich erkennen/ sondern ohne solche noth oder trieb des gewissens unsern GOtt und Heyland also laͤstern/ daß man dero boßheit wahrhafftig nun sehen kan. Dann diesen meine ich/ moͤge eben so wol eine empfindliche straffe dicti ret werden. Was aber 3. diejenige an- langt/ welche unsre wahrheit nicht erkant/ oder wo sie einmal bey dero be- kaͤntnuͤß gewesen/ nachmal erst in irrthum entweder von andern verfuͤhret werden/ oder sonsten verfallen/ ob sie nachmal solchen ihrem irrthum gemaͤß/ dergleichen reden fuͤhren/ welche sonsten in sich gotteslaͤsterlich sind/ aber von ihnen nicht dafuͤr/ sondern vielmehr fuͤr die rechte wahrheit gehalten werden/ achte ich nicht/ daß man sie mit einer solchen weltlichen und leibes- straffe zu belegen habe; vielmehr daß dergleichen zu thun der art des N. Te- staments gantz nicht gemaͤß seye. Ja ich glaͤube/ wir haben solche hypothe- sin so viel fleißiger beyzubehalten/ nachdem unsre lehre von eiffrigen Papi- sten in unterschiedlichen stuͤcken/ als gegen die kirche und dero autori taͤt/ ge- gen die heilige/ gegen die von ihnen fuͤr das groͤste heiligthum geachtete mes- se/ u. s. f. gotteslaͤsterlich ausgegeben wird/ und wir dahero ihnen das schwerdt in die haͤnde gegen uns geben wuͤrden/ wenn wir davor halten wol- ten/ daß eine auch von einem irrenden vorgebrachte Gottes-laͤsterung mit weltlicher straffe zu belegen seye. Denn ob wir uns damit schuͤtzen wolten/ daß unsre lehren die wahꝛheit/ uñ nicht gotteslaͤsteꝛlich seyen/ mag uns solches bey jenen nicht helffen/ als die sie gleichwol dafuͤr halten/ und dafuͤr von ih- ren Geistlichen erklaͤhret zu werden hoͤren. Die ursach meiner meinung ist die- ARTIC. II. SECTIO VIII. diese: weil das reich Christi in dem geistlichen von keiner eusserlichen gewalt nicht weiß/ sondern nur in einer krafft des Geistes bestehet; daher alle eusser- liche gewalt und straffen in das reich der welt gehoͤren/ und also nicht diejeni- ge dinge unter sich begreiffen koͤnnen/ die in einem irrthum bestehen oder dar- aus herkommen. So ist jeglicher irrthum der ein blosser irrthum ist/ von Christen an ihrem nechsten nicht anders anzusehen/ als eine kranckheit/ um welcherley willen man mit dem krancken mehr mitleiden und gedult hat/ als daß man ihn wegen derselben und derer symptomatum hassen wolte: daher unsre pflicht vielmehr von uns eine erbarmende liebe gegen die irrige/ und ei- ne gedult gegen dasjenige/ was sie aus dem irrthum thun/ wircken solle; als daß wir uns zu einem gehaͤßigen eiffer gegen sie/ und also ihnen zu schaden/ bewegen lassen wolten. Gnug ists also/ daß wir gegen solche materiales blasphemias als eine geistliche suͤnde/ mit geistlichen waffen kaͤmpffen/ und mit grosser gedult/ wie GOtt selbs zu thun pfleget/ die irrende/ biß sie etwa moͤchten bekehret werden/ tragen: oder nach allem gethanen versuch die sache deme/ dessen sie ist/ befehlen/ der endlich hart gnug diejenige/ so seiner wahr- heit widerstanden haben/ zu straffen weiß; so dann dabey vorsichtigkeit brau- chen/ nur das aͤrgernuͤß auff alle der christlichen sanfftmuth nicht zu wider- lauffende mittel von den unsrigen nach vermoͤgen abzuwenden/ welches aller- dings ohne die eusserliche leibes-straffe gnugsam geschehen kan. Der ort Hebr. 10/ 28. 29. beweget mich im geringsten nicht/ denn dieses bleibet wahr/ daß freylich/ wer den Sohn GOttes mit fuͤssen trit/ schwehrere straffen verdiene/ als derjenige/ so nur das gesetz Mosis gebrochen hat. Aber dar- aus folget nicht/ daß deßwegen die straffen auch einer art seyn muͤsten/ nem- lich beyde leiblich. Ja wo man wolte bey der leiblichen straff bleiben/ koͤnte keine aͤrgere straff jetzo den untertretern des bluts Christi angethan werden/ als in dem gesetze Mosis/ in dem mehrern uͤbelthaten die steinigung zuerkant wurde/ uͤber welche in dem leiblichen keine hoͤhere straffe war. Solte also die straffe jetzo des N. T. aͤrger und schwehrer seyn/ so muß sie gantz eine an- deꝛe/ das ist/ desselben art gemaͤß/ geistlich und ewigseyn. Unseꝛ Hr. D. Schmidt mag hievon wol gelesen werden in seinem Commentario; und ist sehr fein/ wenn er austruͤcklich sagt: Siquidem eadem etiam ratio fuit, quæ hæreticos morte capitali puniverit, quod N. T. non facit. Er verstehet auch an die- sem ort die suͤnde in dem Heil. Geist/ die ich doch nicht wol hoffe/ daß man sie am leben straffen wolte. Also gibt er die krafft des spruchs sehr wohl: Si is, qui politiam legis Mosaicæ violavit \& irritam fecit, quat. hoc fecit, sine miserationibus in suo genere mortis pœna civili afficiendus fuit: quanto putatis majorem pœnam in suo genere, h. e. in genere pœnarum spirituali- um \& æternarum afficiendus erit peccans in Spiritum S.? Mich deucht aber/ die sache seye allzuklahr/ als daß man vieles nicht uͤber den spruch bedoͤrffte. C c 2 Wun- Das dritte Capitel. Wundre mich auch sehr/ wo sich einer daraus unterstehen wolte/ eine leibes- straff der aus irrthum herkommenden Gottes-laͤsterung zu erweisen. Die- se meine lehr hoffe ich die sicherste/ der art des N. T. gemaͤsseste/ und in der wahrheit gegruͤndeteste zu seyn. Der HErr HErr lehre uns in allen stuͤcken in seines Geistes liecht seinen willen erkennen/ sonderlich aber den unterscheid seines geistlichen/ und des andern weltlichen reichs/ samt beyderley unter- schiedlicher beherrschung arten/ recht einsehen/ nachdem ich dafuͤr halte/ daß so bald diese miteinander vermischt oder confundi ret werden/ daß daraus nicht wenig irrung entstehen moͤge. Er wende auch kraͤfftig ab alles aͤrger- nuͤß von seiner kirchen/ und vertreibe endlich mit seinem liecht alle finster- nuͤß! 1688. SECTIO IX. Die sorge fuͤr die besserung der schulen/ ein haupt- stuͤck der sorge christlicher Regenten. Einige vorschlage. W Je mir NN. gesamte Conversation und gespraͤch eine sonderbahre tr ende gemacht/ so war gleichwol dasjenige eine der vornehmsten ur- sachen solcher meiner freude/ was der christliche mann mir von E. Hoch-Fuͤrstl. Durchlaucht. staͤts fortwaͤhrender ernstlichen sorge fuͤr die be- foͤrderung der ehre des Allerhoͤchsten/ wie in uͤbrigen stuͤcken dero begluͤckter regierung/ als vornemlich in verbesserung des kirchen- und schul-wesens ge- ruͤhmet/ und also mein auff dieselbe als ein theures werckzeug der goͤttlichen verherrlichung gesetztes vertrauen/ so vielmehr bestaͤrcket hat. Es ist einmal unlaͤugbar/ daß einer der haupt-zwecke/ ja wol der erste der wuͤrde nach unter allen/ ist/ warum der grosse HErr uͤber himmel und erden gewisse seines reichs amt-leute und seiner macht befehl-habere auf erden verordnet/ und ihnen sein bild und theil seiner gewalt angehaͤnget und anvertrauet hat; nemlich daß dieselbe/ wie im uͤbrigen mit gehorsamer beobachtung seiner gebote in allen stuͤcken ihre dependenz von ihm bezeugen/ und damit seine hoheit thaͤtlich preisen: also auch/ da er sie selbs mit seiner theuren erkaͤntnuͤß begnadet hat/ die ihnen anvertraute zu gleichem liecht zu bringen/ beflissen seyen/ und also diejenige mittel/ wodurch solches geschehen mag/ nach allem vermoͤgen befoͤr- dern sollen; womit sie dann erst recht das an sich tragende herrliche bild so viel vortreflicher ziehren/ und ihren stand heiligen. Hingegen wird auch von leu- ten/ welche die sache genau einsehen/ nicht wol geleugnet werden koͤnnen/ daß gleichwol auch/ so gar bey unsrer Evangelischen religion/ das kirch- und schul- wesen/ durchaus nicht in demjenigen stande stehe/ wie wir wuͤnschen moͤchten/ son- ARTIC. II. SECTIO IX. sondeꝛn daß viele ursachen seyen/ daruͤber zu seuffzen/ uñ nach der verbesserung vieles/ was in das verderben fast verfallen/ verlangen zu tragen. Jch bin auch versichert von E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. so wol gottseligkeit/ als Christ-Fuͤrstl. klugheit/ daß sie nach jener so wol die ihnen obliegende pflicht gegen den gros- sen HErrn/ von welchem sie auch ihre regierung und hoheit tragen/ gern er- kennen/ und deroselben nach allem vermoͤgen nachzuleben begierig seyn/ als nach dieser in das gemeine verderben mit erleuchteten augen viel tieffer einse- hen/ als von den meisten geschiehet. Daher ich mir durch GOttes/ von dem aller rath und segen kommet/ gnade von dero auffrichtigen intention, das be- ste und die auffnahm der kirchen nachdruͤcklich zu befoͤrdern/ auch dem alsdenn davon erwartenden gesegneten succeß, viele hoffnung mache. So bedarff E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. von meiner wenigkeit in solcher wichtigsten sache keines beyrathens/ als die in so langer regierung nechst ohne das beywohnenden er- leuchtetẽ verstande eine vortreffliche erfahrung/ so die mutter der gewissesten klugheit ist/ erlanget haben/ auch mit tapffern leuten/ welche noch mit fernern diensten an die hand zu gehen vermoͤgen/ und willig seyn werden/ ihres orts selbs umgeben ist. Weil aber sie so gnaͤdigst sich vor unterschiedlichen jahren gegen mich bezeuget/ auch einen frembden geringen diener einige mal zu hoͤ- ren/ so gelebe auch der troͤstlichen zuversicht/ daß E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. nicht ungnaͤdig auffnehmen werden/ wo einiges dessen/ was mit obge- dachtem geliebten freunde hier geredet/ auch in deroselben schooß mit dero hohen erlaubnuͤß auszuschuͤtten mich erkuͤhne. Wie nemlich/ ob zwahr solches mittel der gantzen kirchen voͤllig zu helffen/ und sie in erwuͤnschten zu- stand zu setzen/ noch nicht zulaͤnglich ist/ gleich wol ein grosses zu deroselben besserung wuͤrde ausgerichtet werden/ wo nur zum foͤrdersten die niedrige und hohe schulen in den jenigen stand gebracht werden koͤnten/ wie davon billich zu wuͤnschen und zu fordern waͤre/ wenn sie in der wahrheit die werck- staͤtte des Heil. Geistes seyn sollen. Denn weil in den schulen die meiste/ son- derlich diejenige/ welche nachmal in allen staͤnden andern vorgesetzt werden/ und sie regieren sollen/ erzogen werden muͤssen; so lieget ein allzugrosses an den schulen/ daß deswegen/ je nachdem es mit denselben bewandt ist/ tuͤchtige oder untuͤchtige leute dem gemeinen wesen zugesendet werden: sonderlich aber weil ich mit betruͤbnuͤß immer sehe/ daß in unserm/ dem so genannten geistlichen stand ein grosses des gemeinen verderbnuͤß stecket/ oder aus dem- selben geheget wird/ so hoffte auch bessere Theologos und Prediger/ wo sie besser an den orten/ die dazu geheiliget sind/ zu dem rechtschaffenen wesen/ das in Christo ist/ angefuͤhret und bereitet wuͤrden. Hierzu achtete zwey haupt- mittel am diensamsten zu seyn: Das erste ist/ die vorziehung des goͤttlichen worts vor alle uͤbrige studia, wo ich zwahr eigentlich in absicht auf das stu- C c 3 dium Das dritte Capitel. dium Theologicum rede. Es ist gewiß/ daß dieses ein solches studium sey/ welches auf keinem principio rationis, sondern bloß dem principio revelato, der heiligen Schrifft beruhet; dahero wir in der heiligen Theologia nichts vor uns selbsten anzunehmen haben/ dessen wir nicht aus dem wort GOttes selbs zur gnuͤge uͤberzeuget waͤren/ auch niemand anders etwas zu glauben auffdringen doͤrffen/ was wir nicht abermal auf eine buͤndige art aus der Schrifft erwiesen haben. Daraus folget/ daß im merdar ein jeder ein so viel vortrefflicher oder geringer Theologus seye/ so viel besser er die Schrifft inne hat oder nicht; sonderlich aber/ so viel gruͤndlicher er sie verstehet oder nicht. Dahero das studium der heiligen Schrifft bey andern/ so viel gleichwol ein jeglicher auch seines eigenen heils begierig und sorgfaͤltig seyn soll/ sonderlich aber bey denen/ die in geistliche aͤmter treten/ und andere auf den weg der se- ligkeit dermaleins anweisen sollen/ den vorzug billich vor allen andern behal- ten muß: und stehet es deswegen um die schulen/ folglich auch um die kirche/ so viel besser oder schlechter/ als der fleiß auf die heilige Schrifft hauptsaͤchlich gewendet/ oder anderes deroselben entweder gleich gemachet oder vorgezo- gen wird. Wo man nun die untere schulen und Gymnasia ansiehet/ so sorge ich/ das wenigste habe seine absicht auf das gedachte einige haupt-nothwen- dige/ da dennoch/ weil ja die Exegesis der Schrifft nicht formlich und voͤllig an solchen orten/ oder bey solchem alter/ gehandelt werden kan/ auffs wenigste alles dahin meistens gerichtet werden solle/ damit die jugend wol bereitet und bequem auf die hohen schulen gesandt wuͤrde/ daselbst alsdann das stu- dium Scripturæ recht ex professo zu tracti ren/ welches gewißlich/ wo es mit fortgang geschehen solle/ solche leute præsupponi ret/ die schon bereits die noͤ- thige subsidia auf die Academi en bringen/ die zu der Exegesi erfordert wer- den. Jch sorge aber itzt gedachter massen sehr/ wo die schulen insgemein ange- sehen weꝛden/ und doͤꝛffte wol nicht das meiste hierzu angetroffen werden/ son- dern daß mehr fleiß auf die dinge staͤts gewandt werde/ die zu jenem studio gantz nichts thun/ sondern nur die absicht auf andere Erudition haben/ und die Ingenia zu der Philosophia geschickt machen sollen/ die gleichwol/ ob sie schon nicht auszuschliessen/ dañoch als die magd zuachten ist/ auf die/ als auf die Koͤ- nigin selbs nicht gleich viel præparatoria gemacht werden doͤrfften. Siehet man auch die Universi taͤten und sonderlich auf denselben die Theologiam an/ sorge abermal/ daß dieser uͤbrige theil immerdar mehr Cultores finde/ welche mit lehren und lernen darinnen beschaͤfftiget sind/ als die Exegetica die doch aller uͤbrigen grund ist. Massen ich nicht nur einen von mehrern jahren gesprochen/ welche 6. und 8. jahr auf unterschiedlichen Universi taͤten zugebracht/ aber bekanten/ daß die Philosophia, und uͤbrige partes Theolo- giæ, ihre eintzige arbeit gewesen/ ja sie niemal nur gelegenheit gehabt/ ein Col- legium ARTIC. II. SECTIO IX. legium uͤber die Exegesin Scripturæ, oder einig sonderbares buch derselben/ damit man an einen und andern exempeln lernte/ was man im uͤbrigen nach- zumachen hat/ zu halten: so sie aber darnach/ da sie funden/ daß sie in ihren aͤmtern von jenen dingen/ darauf sie so viel zeit gewandt/ den wenigsten nutzen haͤtten/ und was ihnen jetzo noͤthiger seye/ erst auffs neue lernen muͤsten/ nicht wenig bereuet haben. Dahero offt gewuͤnschet habe/ daß GOTT auf den hohen schulen die liebe der Patrum, der Scholasticorum und des Aristotelis, in die liebe der Propheten/ der Apostel und seines Geistes verwandeln wol- te/ so solte in seiner krafft und seegen gar bald manches sich aͤndern/ und eine mehrere hoffnung einer weiteren besserung erscheinen. Das andre mittel der verbesserung moͤchte wol dieses seyn: daß so wol die lehrenden sich dieses allezeit vorstelleten/ als allen lernenden auf hohen und niedern schulen fleißig eindrucketen/ wie ohne rechtschaffne und thaͤtliche gottseligkeit die heilige studia nicht gluͤcklich und mit seegen getrieben werden moͤgen. Welches be- reits daraus folget/ wenn wir krafft unsrer religion das unvermoͤgen der menschlichen vernunfft in goͤttlichen dingen/ und die nothwendigkeit der er- leuchtung des Heil. Geistes in denselben/ bekennen. Wo hinwiederum gewiß ist/ daß dieser Geist der heiligung in keinen seelen als seinen werckstaͤtten woh- ne und wuͤrcke/ die sich nicht auch der heiligung befleißigen/ und diese zum aller- foͤrdersten bey sich wuͤrcken lassen. Welche Theologia aber nicht aus diesem hoͤhern principio herkommet/ und also da die menschen nicht auch von GOtt/ sondern bloß von menschen gelehret werden/ sind nicht die jenige Theologia oder Theologi, von denen die kirche den rechten nutzen erwarten oder erlan- gen koͤnne. Dahero ja so viel daran gelegen seyn muß/ allezeit solche Theolo- gos zu suchen/ die wahrhafftig der welt/ ihrer eignen ehr/ nutzen und lust abge- storben sind/ und bey denen sich nicht nur ein moral- leben/ sondern das recht- schaffne wesen/ das in Christo JEsu ist/ finde/ als daß man an ihnen eine hohe Erudition suche/ welche freylich eine theure gabe/ aber alsdenn erst gnug/ wo sie auf jene art auch geheiliget ist. So dann fliesset auch ans jenem/ daß de- rer/ so andern studiis vorgesetzet sind/ nicht weniger sorge dahin gerichtet seyn muͤsse/ daß die hertzen der anvertrauten mit der gruͤndlichen gottseligkeit/ bey dero sie des himmlischen liechts faͤhig seyn moͤgen/ als die koͤpffe mit der Eru- dition angefuͤllet werden. Wo dieser fleiß/ dieser zweck und diese regel ist/ da kan es an dem kraͤfftigsten segen GOttes nicht mangeln; wo aber solches nicht ist/ hingegen auch von denselben nicht viel gehoffet werden. Dieses sind die beyde mittel/ welche ich auch vor einem halben jahr in meiner gast-predigt zu Leipzig getrieben habe/ und wo dieselbe recht in den gebrauch gebracht wuͤr- den/ davon mehr als von einigen andern/ hoffen wolte. Jch trage auch zu E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. solches unterthaͤnige vertrauen/ daß auch sie nach dero erleuch- Das dritte Capitel. erleuchtetem verstande laͤngsten dieselbe erkant/ und in den anvertrauten lan- den/ so viel dero hohen orts geschehen kan/ durch dieselbe die besserung der kir- chen gesucht haben/ und ferner gluͤcklich suchen werden. Jst also nichts mehr uͤbrig/ als daß ich den grossen GOtt/ von dem alle gute und vollkommene ga- ben/ als dem Vater der liechter herkommen/ demuͤthigst anruffe/ daß er sich sei- ner armen kirchen zu dero besserung annehmen/ und neben andern/ welche er gleichfals dazu erkohren haben mag/ E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. zu einem theu- ren werckzeug seiner ehren in befoͤrderung seines reichs machen wolle. Er segne also nicht nur dero uͤbrige regierung/ sondern vornehmlich/ was dieselbe in denen deliberatio nen/ dero letzte frucht und absicht sich in die ewigkeit hin- aus strecket/ um nemlich dero unterthanen auch ihres orts zu der seligkeit zu befoͤrdern/ vornehmen und vornehmen werden/ damit sie in goͤttlichem liecht/ wie solcher zweck in einrichtung kirchen und schulen am besten zu erreichen/ oh- ne fehl erkennen/ in goͤttlicher krafft/ was sie dazu dienlich finden/ getrost ins werck zu richten/ beflissen seyen/ und in goͤttlichem segen den erwuͤnschten fort- gang solcher Consiliorum ansehen/ auch dessen ruhm bey jetzigen und nachkoͤm̃- lingen allezeit behalten. Er erhalte sie auch deswegen zu ausuͤbung vieler loͤblicher Fuͤrstlicher gedancken bey langem leben und unverruckten gemuͤths- und leibes-kraͤfften/ und kroͤne sie mit allen herrlichsten zeugnuͤssen seiner ewi- gen liebe! 1687. SECTIO X. An eine hoͤhere Standes-person/ von der pruͤfung sein selbs/ kleidern/ confect/ gebet uͤber das allgemeine verderben. J Ch kan nicht bergen/ daß mich die vorstellung deroselben pruͤfung wol inniglich erfreuet und vergnuͤget habe/ daß ich dem him̃lischen Vater de- muͤthigen danck sage/ welcher in ihrer lieben seele seines wercks nicht nur einen solchen rechtschaffenen grund geleget/ sondern seinen bau ferner ziemlich fortgesetzet hat. Seine guͤte sey daruͤber ewiglich gepriesen/ welche sich so kraͤfftig in derselben erwiesen/ und sie nun mehr und mehr zu einem herrlichen werckzeug seiner ehre/ verhoffendlich noch durch ihr liecht andere mehrere ih- res standes auffzumuntern/ bereitet hat/ und ferner bereiten wird. Auf die specialia zu kommen/ leugne nicht/ daß ich wenig mehr dabey zu erinnern ha- be/ sondern zu weiterem grad zu kommen/ kan ich schwehrlich hand-leitung ge- ben: massen jeglicher auf einem weg nicht wol ferner den andern leitenkan/ als so weit er selbs gekommen ist; sondern ich habe hierinnen dieselbige allein ei- nem gewissern und weisern hand-leiter/ ihrem liebsten JEsu und dessen wer- then ARTIC . II. SECTIO X. then Geist zu uͤberlassen/ und mit hertzlichem gebet zu empfehlen/ selbs aber zu trachten/ ob ich auch durch eben dessen fuͤhrung weiter auf solchem wege fort- schreiten/ und dadurch tuͤchtig werden moͤchte/ andern bruͤdern und schwestern nachmal auch diejenige schritt zu zeigen/ die ich gefuͤhret worden. Weil aber dieselbe aus hertzlichem vertrauen ihr hertz bey mir ausgeschuͤttet/ so will uͤber jeglichen punct dieser letzten pruͤfung/ was mir dabey gedaͤucht/ vorle- gen/ ob so es keine weitere anleitung mehr geben koͤnte/ auffs wenigste unsern gleichen sinn in dem HErrn untereinander zu erkennen. Daß sie GOTT fuͤr alles hertzlich danckbar zu werden sich befleißet/ ist unsere haupt-pflicht ge- gen GOTT/ und da sich solches befindet/ ihro ein vortreffliches zeugnuͤß des inwohnenden H. Geistes/ welcher allein derjenige ist/ so alle danckbarkeit in uns wuͤrcken/ und uns dazu antreiben muß. Jndessen muß freylich noch un- sere natuͤrliche traͤgheit zu solchem danck/ mit demuth erkannt/ und mit stets neuem vorsatz das annoch ermanglende nach allem vermoͤgen zu ersetzen/ ge- trachtet werden/ auf daß/ wie wir alles in dem nahmen JEsu thun sollen/ auch alles zu dem danck GOttes sich richte/ welche beyde pflichten der liebe Apostel Col. 3/ 17. genau an einander haͤnget. Jedoch entsinnen wir uns billich/ daß die goͤttliche wolthaten unvergleichlich mehr und groͤsser seyen/ als daß sie unser auch sorgfaͤltigster und fleißigsteꝛ danck erreichen/ uñ ihnen gleich werden moͤchte: vielmehr wuͤrde dieses die hoheit und groͤsse der unermaͤßli- chen guͤte GOttes verringern/ wo wir gedencken wolten/ daß einiges auch heiligsten menschen danckbarkeit dahin reichte/ daß nicht mehrere schuldigkeit uͤbrig bliebe; auf daß wir zwahr damit/ was an unserm danck aus unserer schuld ermanglet/ welches allezeit vieles ist/ nicht beschaͤhmen/ aber doch darin- nen die groͤsse der wolthaten desto mehr preisen/ daß sie allen menschlichen danck uͤbersteiget: desto mehr aber beschaͤhmet uns jegliche unsere saͤumigkeit in abstattung des schuldigen dancks/ daß da wir nach allem angewandten fleiß dannoch so viel schuldig bleiben/ wir auch so viel manchmal desjenigen unterlassen/ wohin noch das maaß der ertheil ten gnade wuͤrde gereichet ha- ben. Ferner ist auch eine sehrliebe probe eines mercklichen wachsthums/ da sie vor und uͤber ihre seele wachsamer als vorher ist/ welches auch das vor- trefflichste mittel ist/ so wol zu huͤten/ daß das gute/ so der HErr bereits gege- ben/ nicht wieder verlohren werde/ als auch die vermehrung desselben zu be- fordern. Darinnen aber ist sich nicht zu verwundern/ daß das zunehmen nicht so mercklich seye/ wie in dem anfang. Zu der zeit/ da wir zu erst von dem HErrn gezogen werden/ und zu einem heiligen eiffer kommen/ wird nicht nur offters eine mehrere krafft des H. Geistes mitgetheilet/ die sich bey uns em- pfindlich spuͤhren laͤsset/ und welche auch zu legung eines rechtschaffenen grun- des/ da noch nichts von geistlichen kraͤfften in uns vorhanden/ noͤthig ist/ da- D d durch Das dritte Capitel. durch der HErr auch unserem ersten vorsatz eine rechtschaffene krafft giebet/ die aber nachmal/ da der HErr fordert/ daß wir nun der ersten empfangenen kraͤfften selbs treulich und sorgfaͤltig uns gebrauchen/ nicht immer in gleicher maaß fortgesetzet wird/ wie die treue einer Mutter das erst gehen lernende kind mit eigener hand gaͤngelt/ aber nachmal haben will/ daß es allein zu gehen sich befleisse; sondern es finden sich in der erste bey den menschen noch so viele eusserliche und innerliche dinge/ davon er sich bald nach einander reiniget/ daß der wachsthum von andern und von jeglichem selbs unschwehr erkant werden kan: wo nun das erste und meiste erstlich abgethan ist/ so hat man zwahr noch immer sein lebtag an andern bey sich zu reinigen/ es sind aber weder der dinge/ noch so viel mehr/ noch dieselbe so scheinbar/ wie die erste/ sondern stecken tief- fer/ und gehet schwehrer damit her/ daher auch natuͤrlich zu begreiffen ist/ daß/ nachdem das erste geschehen/ der uͤbrige wachsthum nicht anders als langsa- mer geschehen/ und weniger wahrgenommen werden moͤge. Wie ein kind in den ersten jahren viel scheinbarer waͤchset/ da man so zu reden von monat oder viertheljahren des zunehmens gewahr wird; wo es aber mehrere jahre errei- chet/ und seiner voͤlligen statur naͤher kommet/ so nimmet mans viel weniger als vorhin wahr/ und gehoͤren gantze jahre dazu/ ehe man etwas gleichsam mercket. Also auch/ wo man etwas/ so mit vielem unflath uͤberzogen ist/ rei- niget/ so gehets gleichsam geschwind her/ und siher man es augenscheinlicher/ so lang man das groͤbere abwaͤschet/ aber biß die tieffer eingefressene flecken/ die subtiler sind/ ausgerieben werden/ gehets mit mehrer muͤh und langsamer daher. Weswegen/ wo wir meinen still zu stehen/ oder wieder zuruͤck zu ge- hen/ haben wir uns zwahr nach nechstmaliger erinnerung auch zu pruͤfen/ ob wir etwa solches selbs verursachet/ um die fchler zu bessern/ aber wo uns unser gewissen zeugnuͤß gibet/ daß unser fleiß auf unsere seele acht zu geben/ mehr zu- als abgenommen habe/ so haben wir uns in gedult zu fassen/ indem etwa der HErr uns unsern wachsthum aus heiligen ursachen selbs verbirget. Fer- ner die reitzungen des fleisches zu einiger uͤberhebung wegen der empfangenen gnaden-gaben zu fuͤhlen/ ist keine weitere anzeige/ als daß wir noch in dem fleisch/ und mancherley versuchungen unterworffen seyen/ von denen wir fin- den auch so gar den theuren Apostel Paulum nicht frey gewesen zu seyn/ in- dem GOtt gegen solches uͤbel ihme eine ziemlich beschwehrliche artzney 2. Cor. 12. verordnet. Lasset uns nur solchem des fleisches eingeben desto ernstliche r widerstreben/ und uns vor GOTT und gegen andere so vielmehr demuͤthi- gen/ damit wir dem fleisch desto weher dabey thun/ so wird der HErr dasjeni- ge uns nicht zurechnen/ deme wir uns selbs mit aller krafft widersetzen. Der mangel der hertzlichen freude uͤber das gute an dem nechsten/ aus was ursachẽ er entstehet/ uͤberzeuget uns doch der schwachheit unserer liebe gegen GOTT und ARTIC. II. SECTIO X. und den nechsten. Dann waͤre die liebe gegen GOTT in derjenigen voll- kommenheit/ wie sie billich seyn solte/ so wuͤrde uns seine ehre/ da sie sich an ei- nem andern offenbahret/ mehr freuen/ als uns dasjenige betruͤben/ daß wir noch so viel zuruͤcke stehen; Nicht weniger solte die in einem hoͤhern grad ste- hende liebe des nechsten bey uns ausrichten/ daß wir nicht weniger freude uͤber sein geistliches/ als unser heil fuͤhleten. Die resolution des hoͤheren stan- des wegen sich keiner der Christlichen pflichten zu entziehen/ ist wie gerecht/ also eines der versichersten zeugnuͤssen desjenigen rechten ernsts/ den goͤttliche guͤte nicht ungesegnet/ noch stecken lassen kan/ sondern gewiß auch die kraͤfften und mittel zeigen wird/ die noch in dem weg von diesem und jenem werffende hindernuͤssen endlich voͤllig zu uͤberwinden. Wann auch dieselbe in der pruͤ- fung bey sich befindet/ nach dero wahren bekehrung sich nicht unter welt-gesin- neten denselben gleich gestellet zu haben/ achte ich solches fuͤr das fast groͤsseste unter allen/ was sie bey sich finden moͤchte/ wann wir sonderlich bedencken/ daß auch dieses schon einiges gleichstellen seye/ wo wir nicht nur allerdings mit- machen/ sondern auch/ wo wir nicht bey solcher gelegenheit mit worten oder ge- baͤrden/ wie es jedesmal muͤglich ist/ unser mißfallen bezeugen/ und mit einem so vielmehr von der andern eitelkeit unterschiedenen exempel jene beschaͤhmẽ: welches ich nicht leugne/ eine von den schwehrsten proben zu seyn/ und eine son- derbare weißheit dazu erfordert zu werden/ welche wir von GOTT erbitten muͤssen. Eben dieselbe gehoͤret auch insgesamt zu unserm umgang mit dem nechsten zu dessen erbauung/ sonderlich zu diesen unsern verwirrten zeiten. Dann wo wir in einem andern zustand des Christenthums/ wie solches in dem ersten alter der Christlichen kirchen gewesen/ stuͤnden/ so beduͤrffte es so viel nicht/ sondern wuͤrde jeglicher in seiner einfalt bey jeder gelegenheit anlaß fin- den/ an seinem nechsten zu bauen/ und solches allemal von dem andern mit hertzlicher danckbarkeit ohne verdruß auffgenommen werden. Weil wir aber jetzo meistens leute um uns haben/ bey denen wenig Christliches/ ja offt kaum die faͤhigkeit ist/ daß man in solchem paß mit ihnen als Christen umgehe/ da sie alle vermahnungen und bestraffungen mit verdruß auffnehmen/ und man si- het/ wie an statt der erbauung gemeiniglich mehr geaͤrgert und zu mehrern suͤnden anlaß gegeben auch seye; so sehe ich selbs offt kaum/ was zu thun seye/ und traue nicht wol/ gewisse reglen hierinnen vorzuschreiben/ sondern muß es dabey bleiben lassen/ daß wer seinem gewissen darinnen ein genuͤge gern thun wolte/ GOTT um seine weißheit anruffen/ und nachmal in seiner forcht bey jeder gelegenheit/ was diesesmal zu thun/ acht geben muͤsse/ um weder einer seits mit unterlassung sich anderer suͤnden/ zu denen man schweiget/ theilhaff- tig/ und der versaͤumnuͤß einiger seelen schuldig zu machen; noch andern theils die perlen vor die schwein wider unsers Heylands verbot Matth. 7. D d 2 zu Das dritte Capitel. zu werffen/ und damit zu beroselben verspottung und vertretung/ auch andern suͤnden ursach zu geben. Wie es dann scheinet/ daß die unter wahren Christ- lichen bruͤdern und schwestern von dem liebsten Heyland verordnete pflichten nicht gleichermassen uns jetzo allemal gegen alle/ welche den Christen-nahmen tragen/ verbinden/ sondern kluͤglich/ was aus jeglicher sache zu goͤttlicher ehre und des nechsten wahren besten vor nutzen zu erwarten/ oder gegen dieselbe vor gefahr zu sorgen/ uͤberleget werden muß. Wiewol dieselbe ihres hoͤhern standes halben so fern in diesem stuͤck vor andern insgemein einen vortheil haben/ da sie meistens mit solchen personen umgehen/ die mit mehrerem re- spect dasjenige auffnehmen muͤssen/ was von deroselben kommet/ daher sie auch zu so zuthanem fleiß desto mehr pflichtig ist. Die Christliche uͤbungen mit dero untergebenen/ darinnen sie ihr priesterliches amt treulich verrichtet/ (nachdeme wie unser theure Lutherus T. 1. Alt. f. 522. bedencklich schreibet: Es sind alle Christen-mann pfaffen/ alle weiber pfaͤffin/ es sey jung oder alt/ herr oder knecht/ frau oder magd/ gelehrt oder laye) habe auch schon anderwertlich her ruͤhmen hoͤren/ daher nicht zweiffle/ daß der HErr solchen fleiß gnaͤdiglich segnen werde; so auch von grund der seelen anwuͤn- sche/ und in so heiliger arbeit nicht ermuͤdet zu werden/ hertzlich bitte. Jch komme aber hiemit auf die beyde vorgelegte fragen wegen der kleidung und des confects. Das erste betreffend/ so wissen wir insgemein/ daß uns ein- maldie kleidung nicht zur zierde noch gepraͤng/ sondern zur decke unserer suͤnd- lichen schand und bloͤsse/ daher erinnerung unseres suͤndlichen falles/ gegeben ist/ und daher die einfalt Christi erfordert/ daß diejenige/ welche ihm angehoͤ- ren/ alle ihre kleidung allein zu dem noͤthigen gebrauch der decke und beschir- mung des leibes richten/ und darinnen nichts von einiger eitelkeit oder ge- praͤng suchen: ohne daß der HERR nicht eben bloß verbeut/ daß diejeni- ge/ welche er andern in seinem nahmen vorgesetzet/ weil dero bey den unterthanen habender respect zu derselben gehorsam nicht wenig thut/ einiges mehreres ansehen des eusserlichen aber bey dem unverstaͤndigen volck den respect und voneration ziemlich mehret/ auch samt den ihri- gen in der kleidung einiges an sich ansehnliches haben moͤgen: welches mit gebuͤhrender bescheidenheit/ und zu solchen zweck wahrhafftig gerichtet/ in sich nicht suͤndlich ist. Absonderlich aber auff dero person und zustand zu kommen/ so muß 1. das hertz immer mehr und mehr gereiniget werden von al- lem wohlgefallen an der eitelkeit und pracht/ auch so bald etwa ein belieben auffsteigen will/ hat sich dieselbe druͤber zu bestraffen und zu betruͤben: ja zu verlangen/ daß man doͤrffte in allen dingen blosser dings bey der nothdurfft bleiben/ und seine innerliche demuth/ auch durch die eusserliche bezeugung heraus lassen/ und auch dem buchstaben nach/ und so weit man die wort zie- hen ARTIC . II. SECTIO X. hen moͤchte/ der Apostel befehl nachkommen. 1. Tim. 2/ 9. 10. 1. Pet. 3/ 3. 4. Nicht weniger daß die christliche erkaͤntnuͤß dermassen bey allen menschen waͤre/ daß niemand des hoͤhern stands sich mit dergleichen eusserlichen be- doͤrffte einigerley massen eine autoritaͤt zu machen/ sondern die untergebene sonsten das goͤttliche den Obrigkeiten angehengte bild zu erkennen und zu eh- ren wuͤßten 2. Nachdem wir aber zu derjenigen zeit leben/ da um des durch- gehenden verderbnuͤß willen einige dinge wollen noͤthig seyn/ die sonsten we- der noͤthig noch nuͤtzlich waͤren/ so bleibet wol einiger zimlicher unterscheid der kleidung gegen anderen gantz gemeinen stand; aber wo eine demuth in dem hertzen redlich ist/ so wird sie solchem unterscheid wircklich allemal lieber etwas abziehen als beysetzen/ und sich immer mit dem noch geringsten begnuͤ- gen lassen/ was sich thun laͤsset: nur zu dem ende/ damit nicht durch eine gaͤntzliche vergleichung mit den gemeinesten andere eher geaͤrgert/ solches fuͤr etwas affecti rtes gehalten/ und der verdacht geschoͤpfft werde/ ob setzte man das haupt-werck in dergleichen eusserlichen dingen/ und wolte insgesamt alle ordnung der eusserlichen staͤnde abgeschaffet wissen. Welcher verdacht leicht die wahre gottseligkeit eher laͤstern machet/ als etwas gutes befoͤrdert. 3. Weil nach goͤttlichem befehl das weib dem mann unterworffen/ und an dessen willen in allem was nicht eigentlich und schlechter dings boͤse ist/ gebunden ist; so dann eine verstaͤndige person/ welche an ihrem Ehe-herrn noch vielmehr gu- tes mit christlichen exempel/ und auff andere weise mit der zeit auszurichten hoffen kan/ denselben ohne noth nicht beleidigen/ oder sein gemuͤth von sich abwenden solle/ und aber der selben geliebter Herr einiges mehreres von de- roselben noch in der tracht fodert/ als sie lieber unterlassen wolte/ so hat sie in einer solchen sache (wie kleidung an sich etwas ist/ so zu den mittel-din- gen gehoͤret/ und aus dem gemuͤth und absicht des tragenden geurtheilet/ gut und boͤß werden muß) ihres gemahls willen nicht mit einer haͤrtigkeit zu wi- derstreben/ damit nicht das ansehen seye/ die vorgebende gottesfurcht wolte den befehl des HErrn in dem gehorsam der Ehe-frauen auffheben/ dadurch aber das gemuͤth mehr gereitzet werde/ auch in andern wichtigern dingen sich gutem vor haben zu wider setzen/ und also an statt der verhuͤtung der suͤnden zu mehreren anlaß gegeben werde. Wie dann dasjenige was 1. Cor. 7/ 34. von einer verheuratheten stehet/ daß sie sorge/ wie sie dem mann gefalle/ nicht allein zu verstehen von der gantz suͤndlichen complacenz, wo man einem mann mit eigentlichen suͤnden zu gefallen zu seyn/ kein bedenckens hat; son- dern daß der Apostel darinnen eine unbequemlichkeit des ehestands vor den ledigen anzeiget/ daß nemlich wo jener schon nicht eben ausser der furcht Got- tes gefuͤhret wird/ dannoch die liebe/ welche das weib gegen den mann traͤget/ D d 3 und Das dritte Capitel. und der gehorsam/ den sie ihm auch schuldig ist/ manches mit sich bringe/ daß sie dessen mißfallen nicht zu mehrer stoͤhrung der goͤttlichen ordnung auff sich zu ziehen/ einige dinge thun und unterlassen muß/ die sie etlicher massen hin- dern an der sorge dessen/ wie sie sonsten dem HErrn ohne diese hindernuͤß zu gefallen trachten wuͤrde. Mit welchen er gleichwol weiset/ daß der HErr um seiner ordnung willen/ und weil er unsre schwachheit kennet/ gedult tra- gen will/ indem der Apostel des wegen die ehe nicht verbeut. 4. Jndessen ist dieselbige schuldig/ mit freundlichen bitten und vernuͤnfftiger begegnuͤß im- mer dahin zu trachten/ wie sie ihren geliebten Herrn mehr und mehr dahin vermoͤge/ ihro eine mehrere freyheit zu gestatten/ nach der begierde ihrer see- len auch in diesem stuͤck leben zu doͤrffen und nichts tragen zu muͤssen/ da er selbs sehe/ daß es ihr mehr seufftzen als freude mache. Ein solches mit christ- licher klugheit (daß es nicht ein zwang oder eigensinn scheine) brauchendes offteres anhalten/ sonderlich etwa wo man eine zeit be mercket/ da entweder wegen einer von GOtt zugesandten truͤbsal/ oder bey anderer gelegenheit das gemuͤth mehr dazu geschickt ist/ etwas aus ansehen auff GOtt einzugehen/ kan nach und nach mehr erhalten werden/ als man erstlich gehofft/ oder wo mans zur unzeit abnoͤthigen wollen/ auszurichten vermocht haͤtte. Hiezu gehoͤret auch ein eiffriges gebet zu dem HErrn/ welcher nicht nur unser hertz/ ihm staͤts zu gefallen zu seyn/ sondern auch anderer uns darinnen nicht zu hin- dern/ regieren wolle; ja vielmehr mit gleichem eiffer zu beobachtung aller christlichen pflicht/ nach den regeln unsers Heylandes auch zu erfuͤllen: wel- ches gebet/ weil es ja nach dem willen GOttes geschihet/ nicht vergebens seyn kan/ sondern zu seiner zeit die krafft desselben sich offenbahret. 5. Will auch noͤthig seyn/ so offt sie dasjenige/ so sie lieber ablegen/ und sich einer einfaͤlti- gen demuth befleissen wolle/ anziehen und tragen muß/ allezeit sich vor dem HErrn des wegen zu demuͤthigen/ uͤber das elend unsers heutigen zustandes (da nach Rom. 8/ 19. u. f. die creatur wider ihren willen der eitelkeit unter- worffen ist/ aber mit gedult der erloͤsung erwarten muß/ unter denen auch die des Geistes erstlinge haben uͤber eine gemeinschafft dieser knechtschafft/ die sie auch noch mit betrifft/ seufftzen/ und nach der herrlichen freyheit der kinder GOttes sich desto mehr sehnen) von grund der seelen zu seufftzen/ den HErrn/ daß er doch unser hertz vor allen wohlgefallen an solcher eitelkeit/ und andere/ daß sie nicht aͤrgernuͤß von uns nehmen/ hertzlich anzuruffen/ und also in al- len stuͤcken vor GOtt/ auch so viel geschehen kan vor menschen/ zu bezeugen/ wie mans so hertzlich gern anders haben wolte. Wie dergleichen etlicher mas- sen auchan dem exempel deꝛ Esther erhellet/ da dieselbe vor GOtt aufftreten und sagen darff: du weisests/ daß ichs thun muß/ und nicht achte den herr- ARTIC. II. SECTIO X. herrlichen schmuck/ den ich auff meinem haupt trage/ wenn ich pran- gen muß/ sondern/ halte es wie ein unrein tuch/ und trage es nicht aus- ser dem gepraͤnge. Wo ein solches hertz ist/ so gefaͤllt es GOtt bey aller eusserlichen tracht des leibes/ welche der gehorsam aufferleget/ und der HErr wird demselben gnaͤdig seyn/ auch mehr und mehr ruhe und huͤlffe schaffen/ in allen stuͤcken nach dem zeugnuͤß des gewissens leben zu doͤrffen. Was ferner den andern punct des Confects anlangt/ so ists wahr/ daß heut zu tag gleich- fals ein grosser staat/ und auch weltliche eitelkeit darinnen stecket/ welche in gegenwaͤrtiger bewandnuͤß nicht so stracks von jemand/ der es zwahr er- kennet/ um anderer willen abgestellet werden kan/ ob es wol vor andern noch leichter erkant wer den solte/ da so grosse kosten dazu erfordert werden/ welche an so viel anderes besseres angewendet werden koͤnten und solten; so dann da es eine sache ist/ welcher gebrauch der menschlichen gesundheit eher schaden als vortheil bringet. Nachdem ich aber noch nicht sehe/ wie solches sich auff einmal sonderlich/ abschaffen liesse/ lasse ich mir dasjenige mntel noch bestens gefallen/ welches dieselbige selbs gefunden/ es bey demjenigen zu lassen/ was sie mit eigenem fleiß machet/ wodurch nicht nur allein ein grosses der kosten erspahret/ und solches etwa gelegenheit geben wird/ deꝛ sache je laͤnger je mehr um dero muͤhe zu schohnen/ abzubrechen/ und allgemach abgehen zu lassen: so mag auch die fleißige verwahrung bey dem abtrag desselben von der taffel et- was an arbeit und kosten erspahren. Aus allen aber werden sie erkennen/ in was betruͤbten zustand und verfall wir stehen/ da eine seele/ welche willig waͤ- re/ ihrem Heyland treulich nachzufolgen/ so viel umstaͤnde bedarff/ zu uͤberle- gen/ wie sie es machen muͤsse/ daß sie ungehindert seinen geboten nachlebe/ da sonsten/ wo man gerade durchgehen koͤnte/ und auff nichts anders neben sich reflecti ren muͤste/ dieselbe mit so viel hertzlicheꝛem veꝛgnuͤgen/ in den wegen ih- res JEsu wandlen/ und dabey viele ruhe finden wuͤrde; da man hingegen in dem gegenwaͤrtigen sich so quaͤlen und aͤngsten muß/ und doch dabey noch manchmal viele sorge hat/ ob des HErrn willen damit ein genuͤge geschehe. Deßwegen schließlich/ da dieselbe ferner christlichen rath verlanget/ diesen ei- nigen noch hinzu setze/ als ein recht nuͤtzliches mittel zu mehrer gnaden-erlan- gung/ daß wir doch alle unauffhoͤrlich zu dem HErrn seufftzen/ uͤber nicht nur unser/ sondern des gesamten welt-wesens/ ja auch der kirchen/ unaussprech- lich grosses elend/ und des HErrn barmhertzigkeit daruͤber anruffen/ daß er dermaleins mit erbarmenden augen uns ansehen wolle. Also zeiget Paulus Rom. 8. daß dasjenige/ weilen die creatur (auch die kinder GOttes selbs) allhier der eitelkeit wider ihren willen noch so sehr unterworffen seyn muß/ und sich daruͤber nicht anders als eine gebaͤhrende aͤngstet und windet/ zu we- ge Das dritte Capitel. ge bringe/ daß sie hertzlich seufftzen und verlangen um die erloͤsung und nach der herrlichen freyheit der kinder GOttes. Nun ist es zwahr an dem/ daß sol- che freyheit erst vollkommen seyn wird in jener ewigkeit/ wie auch daselbs von der erloͤsung unsers leibes gehandelt wird: indessen/ weil gleichwol die schrifft annoch in dieser welt den glaubigen einige zeit und frist verheissen hat/ da dieselbe mit mehrer freyheit und ungehinderter ihrem GOtt dienen/ auch die erkaͤntnuͤß und krafft des Geistes sich viel weiter ausbreiten und staͤrcker offenbahren solle/ da also die vorige dienstbarkeit auffs wenigste zim- licher massen erleichtert/ und ein treflicher grad der freyheit gegeben werden solle/ wo nemlich das dem HErrn feindselige Babel/ von deme das verderben auch in alles andere sich ergossen hat/ wird in seinem gericht verstoͤhret seyn/ und der braut des HErrn/ dem himmlischen Jerusalem hie auff erden/ einige erquickung gegoͤnnet werden. So haben wir ja inniglich zu beten/ daß der HErr Zion wieder b aue/ und derselben bruͤche heile/ daß er was ungleich ist/ eben/ und was hoͤckericht/ gleich machen/ und das jaͤmmerliche winseln seiner auserwehlten an allen orten mit gnaden bald erhoͤren wolle. Werden sie also wolthun/ wo sie taͤglich oder zu gewisser zeit sich in ihrer einsamkeit vor GOtt stellen/ und in seiner furcht sich das schreckliche verderben in allen staͤn- den/ so ich hoffe/ ihr zimlich bekant zu seyn/ ausfuͤhrlich vorstellen/ wie es in dem so genannten geistlichen/ weltlichen und hauß-stande hergehe/ nicht so wol was das zeitliche betrifft/ als wie so gar alles bey allen den regeln und befehl Christi/ da diese recht in der wahrheit erkant werden/ nicht weniger entgegen seye/ als fast die finsternuͤß dem liecht entgegen zu seyn erkant wer- den mag: wie uͤber dieses der nahme des HErrn so maͤchtig entheiliget/ die wuͤrde der christlichen lehr bey den unglaubigen beschimpffet und gelaͤstert/ so viele seelen/ die gleichwol der HErr auch zu seinem eigenthum erkauffet/ in die verdammnuͤß gestuͤrtzet/ auch andere/ welche noch dem verderben zu ent- rinnen sich bemuͤhen/ in grosse gefahr gefuͤhret/ und offt fast mit dem andern strohm hingerissen werden/ auffs wenigste mit solcher vielen hindernuͤß in dem wege der gottseligkeit sich auffgehalten sehen/ und mit aͤngsten ihr heil schaffen muͤssen. Wo sie nun solches sich recht vorgestellet/ und ihr hertz dar- uͤber mit wehmuth/ eiffer vor GOttes ehre/ welche so schrecklich leiden muß/ und erbarmender liebe des nechsten erfuͤllet/ gleichsam warm worden/ so stelle sie sich entweder allein oder mit den ihrigen/ die solches begreiffen koͤnnen/ vor das angesicht des HErrn/ schuͤtte ihre klage in kindlicher einfalt und weh- muth vor demselben aus/ ruffe ihn flehentlich an/ daß er nicht nur allein seine gerichte mit grosser barmhertzigkeit mildern/ sondern solchem verderben steu- ren/ und diejenige huͤlffe zur allgemeinen besserung schaffen wolle/ dazu al- ler menschen krafft viel zu wenig ist/ und er auch die art/ wie er sie ins werck stellen ARTIC. II. SECTIO X. stellen muͤsse/ nicht erst von uns/ daß wir sie ihm vorschreiben muͤsten/ lernen darff. Sie versichere sich/ es seye diese uͤbung eine von den heiligsten/ die wir zu dieser zeit anstellen moͤgen. Dorten Ezech. 9/ 4. werden diejenigen mit einem zeichen an ihren stirnen gezeichnet/ folglich auch in den straff-gerichten geschonet/ welche seufftzen und jammern uͤber alle greuel/ die sie zu geschehen sehen/ und nicht helffen koͤnnen. So verspricht auch der HErr Luc. 18/ 7. wann seine auserwehlte tag und nacht zu ihm ruffen/ daß er sie retten und gedult erzeigen wolle. Also lasset uns unauffhoͤrlich zu dem HErrn ruffen/ biß er die zeiten seines gerichts verkuͤrtze/ und mit seiner huͤlffe seine e- lende/ seine arme gefangene/ seine trostlose/ erfreue und erloͤse. Gewißlich/ ob wol alles gebet/ welches wir fuͤr unsere eigene noth und der unsrigen anli- gen vor GOtt in dem glauben thun/ ihm angenehm und gefaͤllig ist/ so ist doch dasjenige/ was fuͤꝛ solche gemeine noth aus eiffer fuͤr die ehre des Herꝛn uñ er- barmen uͤber das elend der menschen geschihet/ ihm so viel gefaͤlliger/ als rei- ner es ist von aller eigenen und selbs liebe/ so sich sonsten auff subtile art in unser gebet fuͤr uns selbs mit einschleicht/ und etwa dessen werth vor GOtt geringer macht. Auch bin ich versichert/ je hertzlicher wir fuͤr das gesamte gemeine wesen und das reich Christi beten/ und so zu reden unseres eigenen darinnen vergessen/ so viel reichlicher wird uns GOtt auch das uns noͤthige geben/ das wir auch andern mit solchem ernst gebeten haben: Er wird auch anderer bruͤder gebet fuͤr uns/ weil wir damit uns so viel fester in ihre gemein- schafft setzen/ desto kraͤfftiger fuͤr uns erhoͤren/ biß die zeit seye/ daß er die ver- streuete kinder GOttes naͤher zusammen bringe/ wo sie mehr freud an einan- der haben moͤgen/ als sie jetzo mit betruͤbnuͤß fuͤr einander zu seufftzen noͤthig haben. Ach der HErr gebe uns zu allem solchen auch den Geist der gnaden/ und des gebets/ damit unsere seufftzen moͤgen vor seinem gnaden thron tuͤgen/ und in der krafft der fuͤrbitte unseres theuren JEsu das allen noͤthige erlan- gen. Nun diesem treuen himmlischen Vater/ dem Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trostes/ diesem allerliebsten Heyland und Ehren/ Koͤnig/ die- sem allerheiligsten Geist und troͤster empfehle schließlichen deroselben liebe person/ samt wehrtesten gemahl und gantzem hause/ zu ewiger gnade/ zu be- festigung und fortsetzung des angefangenen guten/ zur krafft seinen willen zu thun/ zu suͤssem geschmack seines friedens und freuden/ zuvielem seegen in dem jenigen/ worinnen sie seinen willen zu thun verlanget/ zu uͤberwindung der welt/ zu ertragung alles demselben beliebigen creutzes/ zu aller uͤbrigen dieses lebens/ als viel seine guͤte nuͤtzlich befindet/ wohlfarth. 1685. E e SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XI. An eine hoͤhere Standes-person wegen der kleider. D As schreiben selbs angehende/ wie mich vorhin der todes-fall des S. jungen Herrn zu christlichem mitleiden bewogen/ so habe ich doch hin- wieder aus gethanem bericht ursach/ die himmlische guͤte zu preisen/ die bey noch so zartem alter ihre gnaden-wirckungen in dero seele/ die sie bald in die ewigkeit versetzen wolte/ dermassen kraͤfftig erzeiget/ daß es auch zu ande- rer trost und auffmunterung gereichet. Er wolle/ was durch solches anse- hen damals die hertzen geruͤhret/ so viel tieffer noch immer weiter lassen ein- getruckt werden/ zu kraͤfftiger verachtung alles irrdischen/ und was uns zur stunde des abschieds keinen trost geben kan/ zu einer seligen begierde der voll- kommenheit/ in welche die an jahren juͤngere vor uns einzugehen gewuͤrdiget werden/ und zu einer sorgfaͤltigen bereitung auff denjenigen wechsel/ welcher uns mit allen vorangeschickten seligen wiederum vereinigen solle. Was dero- selben mir vorgestelltes anligen betrifft/ ist mir solches einstheils ein ange- nehmes zeugnuͤß der christlichen sorgfalt/ in nichts wider die gebote des HErren zu thun/ andern theils eine anzeige/ daß solche in dieser sache noch zu keiner festigkeit gelangen habe koͤnnen. Da ich so wohl den himmlischen Vater demuͤthigst anruffe/ die seele und gewissen auch in dieser sache zu einer gewißheit und ruhe zu bringen/ auff daß sie inskuͤnfftige ihrem GOtt staͤts mit so viel mehr freudigkeit/ welche durch allen zweiffel niedergeschlagen wird/ zu dienen geschickt seye: als auch bitte/ mehr und mehr dahin zu trach- ten/ damit das gemuͤth zu einer festigkeit komme/ durch hertzliches gebet und gottselige uͤberlegung; allezeit aber sich zuhuͤtẽ/ widerdas gewissen niemal mit willen zu thun. Was ich vor dem in der materie von den kleidern geschrieben habe/ ligt mir nicht vor augen/ noch kan mich alles erinnern. Daher itzo al- les von grund aushohlen muß/ was die sache erfordert. Da ich denn diese saͤtze vorstelle. 1. Unser Christenthum stehet an sich selbs in nichts eusserli- ches/ oder zu dem eusserlichen menschen gehoͤrendes/ sondern in dem innern menschen und neuen creatur. Jn Christo JEsu gilt weder beschneidung noch vorhaut etwas/ sondern eine neue creatur. Galat. 6/ 15. oder der glaube/ der durch die liebe thaͤtig ist/ Gal. 5/ 6. Daher einen Christen nichts beflecken kan/ was ausser ihm ist/ so fern und wie es ausser ihm ist/ daß seine seele und inneres nichts damit zu thun hat. Da heist es nicht nur von essen und trincken/ Matth. 15/ 11. was zum munde eingehet/ verunrei- niget den menschen nicht/ sondern was zum munde ausgehet (das nem- lich aus dem hertzen kommt v. 19.) das verunreiniget den menschen. 1. Cor. ARTIC. II. SECTIO XI. Cor. 8/ 8. die speise fodert uns nicht vor GOtt. Essen wir/ so wer- den wir darum nicht besser seyn/ essen wir nicht/ so werden wir dar- um nicht weniger seyn. Also daß wir uns solten lassen gefangen nehmen/ von denen die da sagten Coloss. 2/ 21. du solt das nicht angreiffen/ du solt das nicht kosten/ du solt das nicht anruͤhren/ und Rom. 14/ 17. das reich GOttes ist nicht essen und trincken/ sondern gerechtigkeit. etc. Sondern die art des Christenthums zeiget uns/ daß dergleichen auch von allen andern eusserlichen dingen/ und also auch von den kleidern wahr/ nem- lich daß keine an und vor sich selbs suͤnde seyen: sie sind je alle GOttes gute geschoͤpffe/ und keines geschoͤpffes gebrauch an und vorsich selbs dem menschen verboten/ sondern wo eine suͤnde in solcher sache begangen wird/ muß sie in et- was anders bestehen/ so in der seele des menschen ist/ oder vorgehet/ welcher solches eusserliche gebrauchet. 2. Daher freylich auch in dem eusserlichen gesuͤndiget/ und dasselbe uns zur suͤnde werden kan/ wo nemlich etwas unor- dentlich und nicht mit demjenigen hertzen geschihet/ wie es geschehen solle/ mit wenigem/ wo der ordentlichen liebe GOttes/ unser selbs/ und des nechsten entgegen ist/ wie wir mit solchem eusserlichen umgehen. Dahero bleibet die haupt-regel/ was auch in dem eusserlichen/ folglich in den kleidern/ der liebe GOttes/ unser selbs und des nechsten entgegen ist/ das ist suͤnde/ nicht daß die suͤnde in dem kleide steckte/ sondern weil das hertz nicht recht stehet/ dessen suͤnde die kleider und tracht befleckt/ die an sich sonst nicht suͤnde sind. 3. Wo man denn betrachtet/ wie die seele an den kleidern suͤndigen koͤnne/ finde ich deroselben unterschiedliche arten: als wo man die kleider also machen laͤsset/ daß sie bey andern einige unkeuschheit reitzen/ damit aber gemeiniglichen auch die innere geilheit zuerkennen geben; dergleichen geschihet durch solche entbloͤssung/ die der gewoͤhnlichen landes-art nicht gemaͤß ist/ und also die luͤ- ste bey andern erreget: es bestehet aber die suͤnde nicht eigentlich in dem kleid/ sondern so wol in der eigenen unreinigkeit des hertzens/ als auch aͤrgernuͤß der andern/ welches wider die liebe streitet: man kan sich ferner versuͤndigen mit kostbarkeit derselben/ da man also dasjenige dadurch an wird/ was rechts- wegen nuͤtzlicher solte angewendet werden/ da stehet abermal die suͤnde in der uͤbelen verwaltung der von GOtt anvertrauten irrdischen mittel/ und also in einem mangel der liebe. Man kan sich auch versuͤndigen mit allzuvielem fleiß und arbeit/ so man daran wendet/ und also die zeit/ davor wir GOtt re- chenschafft zu geben haben/ unnuͤtzlich durchbringet: die gemeinste suͤnde aber mit den kleidern bestehet in dero pracht/ und ist eigentlich eine hoffarth/ wol- gefallen an sich selbs und begierde andern zu gefallen/ welche eitelkeit der in- nern art des Christenthums allerdings entgegen ist/ da dasselbe eine solche E e 2 seele Das dritte Capitel. seele fordert/ die keine eitelkeit liebe/ an nichts dergleichen ihre sondere freude suche/ oder es hoch achte/ vielweniger in etwas andern sich vorzuziehen trach- te: als welches die uns gebotene demuth/ verleugnung unser selbs und be- scheidenheit ist. 4. Wenn demnach von kleidern gefragt wird/ ob sie suͤnd- lich oder nichtseyen/ so folget der ausspruch nicht so wohl aus der betrach- tung der kleider an sich selbs (es waͤren denn trachten/ diean sich selbs etwas garstiges und leichtfertiges an sich haͤtten) als aus der bewandnuͤß des ge- muͤths und der ursach/ warum man sie so und so traͤgt: ist nun diese dem Chri- stenthum gemaͤß/ so ist das kleid unstraͤflich/ nicht aber wo die ursach mit dem- selben streitet. 5. Weil sich aber die menschen sehr offt in dergleichen dingen schmeicheln/ so ist wohl zu beobachten/ daß um ein rechtes urtheil zu formi- ren/ man sich sehr genau und sorgfaͤltig pruͤfen muß/ so bald bey einem kleid/ ob es unserm Christenthum zuwider oder nicht seye/ ein zweiffel entstehe: was die rechte wahre ursache seye/ nicht aber/ womit wir etwan andere/ oder wol gar uns selbs/ uͤberreden wollen/ daß dieses die rechte ursache seye/ oder nicht. Denn weil GOtt nichts/ auch nicht der grund unserer seelen/ verbor- gen ist/ sihet er ohnfehlbar/ wodurch unser gemuͤth bewogen werde/ oder wo- durch wir selbs glauben wolten/ daß es die ursache seye/ um nemlich uns zu entschuldigen: daher kan durch dieses ihm das auge nicht verkleibet werden. 6. Wo man dann von praͤchtigen kleidern redet/ so ist nun die gemeinste ursach/ wo mans recht untersuchet/ diejenige unordentliche selbs-liebe/ daß der mensch sich selbs so hoch haͤlt/ daß er auch seinen madensack mit einer sol- chen decke will bedecket haben/ die ihm ein solches ansehen mache/ daß andere zu einer ehrerbietung gegen ihn bewogen werden/ erhaͤlt sich also dessen wuͤr- dig/ hat gefallen an sich selbs/ suchet sich andern vorzuziehen/ und suchet also seine wuͤrde in einer an sich selbs eitelen sache. Wo also diese dinge in dem her- tzen sind/ da sind sie nicht nur an sich suͤnde/ sondern machen auch zur suͤnde/ was man aus dteseꝛ bewegenden uꝛsache thut. Ob nun wol die meisten pꝛaͤcht- linge nicht gern diese ursache an sich kommen lassen wollen/ sondern allerhand ursachen der bequemlichkeit/ der gewohnheit oder dergleichen vorwenden/ warum sie sich koͤstlich tragen/ so wird doch/ wo man in sie tringet/ daß sie auf alle einwuͤrffe antworten sollen/ gewißlich endlich heraus kommen/ es seye die ursache gedachte eitelkeit/ hoffarth und selbs-liebe gewesen: wodurch also ihre kleider durch die unordentliche lust und hochmuth ihrer seelen/ ihnen verunreiniget und zur suͤnde werden/ welche sonst nichts unreines oder suͤnd- liches an sich haͤtten. 7. Unter den ursachen/ welche die kleider/ die da schei- nen etwas uͤber die nothdurfft an sich zu haben/ unsuͤndlich machen/ finde ich vornemlich zwo/ welche wichtig sind/ nemlich der unterscheid der staͤnde/ und der geborsam gegen Obere/ die zu befehlen haben. Die erste anlan- gend/ ARTIC. II. SECTIO XI. gend/ weiß ich wol/ daß sie der gewoͤhnliche deckmantel des prachts zu seyn pfleget/ und insgemein viel zu weit ausgedaͤhnet wird/ daß sich alles mit dem stande entschuldigen will. Diesen mißbrauch billige ich nun nicht: indessen wird die sache hoffentlich jedem klahr in die augen leuchten/ welcher sie mit bedacht erweget/ daß nehmlich einiger unterscheid der kleider auch von dem stande herkommen moͤge. GOTT hat nach seiner weißheit die staͤnde in ge- wisse ordnungen unterschieden/ daß einige regenten/ andere unterthanen/ eini- ge herren/ andere knechte/ und so fortan/ sind. Dieser unterscheid aber beste- het nicht allein in blossen nahmen/ sondern die nahmen ziehen auch gewisse wuͤrden und pflichten unter einander nach sich. Jnsgesamt aber ist denen unteren und geringern gegen die obere einige unterwerffung/ demuͤthigung und ehrerbietung anbefohlen. Wie denn nun den obern dergleichen von den unteren anzunehmen (jedoch daß das hertz alle zeit in demuth bleibe/ und nur auf goͤttliche ordnung sehe) nicht verboten ist/ als welches vielmehr zu der goͤttlichen ordnung gehoͤret/ also ist auch goͤttlichem willen dasjenige nicht bloß dahin zu wider/ was von den obern zu erhaltung ihres respects bey den untern (da so viele einfaͤltige meistens etwas dergleichen eusserliches/ so ih- nen in die augen leuchtet/ beduͤrffen) gebraucht zu werden/ diensam ist: Dazu denn auch ein unterscheid der kleider/ welcher allen zu erst in die augen faͤllet/ gehoͤret/ und deswegen GOTT nicht zu wider seyn kan. Wie also zu des eusserlichen standes und lebens zierde und befoͤrde- rung gehoͤret/ daß man zum exempel mann und weib/ frauen und jungfrauen/ herren und diener/ knechte und maͤgde/ die jedes orts in wuͤrden stehende oder nicht stehende/ so bald an dem anschen etlicher massen erkenne/ indem sonst vieles unziemliche und confusion entstehen wuͤrde; so sind die kleider das fuͤglichste mittel/ und eben nicht allein/ was die form derselben an- langt/ sondern auch die materie und also kostbarkeit: Wer also prætendi ren wolte/ es doͤrffte niemand keine andere kleider tragen/ als so viel blosser dings zu der decke und schutz nothwendig ist/ auch aus der geringsten und schlechtesten materie der zeuge/ der wuͤrde damit fordern/ daß denn alle/ herr und knecht/ bauer und fuͤrst/ in grobem sack tuch und in nicht mehreren stuͤcken des kleides/ als die eusserste nothdurfft erforderte/ auffgezogen kaͤmen: Welches aber vielleicht jedeꝛman so ungeꝛeimt zu seyn erkeñen wiꝛd/ daß es der wideꝛlegung nicht bedarff. Also bleibet ein unterscheid der staͤnde/ auch in den kleidern/ und wer demnach in einem solchen kleide gehet/ das vor andern geringern ei- nen vorzug hat/ sein hertz aber haͤnget nicht anders daran/ als daß ers traͤget/ als so zu reden zu einem zeichen des standes/ worein ihn der HErr gesetzt/ ver- suͤndiget sich damit nicht/ aber das hertz muß wahrhafftig also wie gesagt be- wandt seyn/ und kein hochmuth oder uͤberhebung des standes in demselben E e 3 stecken. Das dritte Capitel. stecken. Daher wo das hertz rechtschaffen ist/ so wird ein solcher mensch nicht eben allen unterscheid seines standes in den kleidern hindansetzen/ sondern sich dessen gebrauchen/ als viel er ihn um anderer willen noͤthig findet/ hingegen damit er sich nicht selbst betriege/ sein hertz offtmal pruͤfen/ mit was wolgefal- len es etwan an etwas seiner kleider haͤngen moͤchte/ um seine tuͤcke bey sich selbs abzustraffen/ und auch an den kleidern seines standes so viel einziehen und abbrechen/ als es noch moͤglich ist/ nimmermehr aber das geringste uͤber denselben sich geluͤsten lassen/ oder auch sich desselben um der darinnen suchen- den freyheit auffs eusserste gebrauchen/ als welches so bald einen hochmuth und gefaͤlligkeit an sich selbs andeutete/ welche allerdings unrecht ist: ja wo die wahre demuth ist/ wird der mensch sich solches mehr vor eine last halten/ wo solche eusserliche or dnung ihn zu etwas mehrers noͤthiget/ und lieber wuͤn- schen/ ohne anderer anstoß und unordnung viel geringer gehen zu duͤrffen. 8. Die andere ursache ist/ der gehorsam/ hat aber insgemein jene erste in sich/ und bestehet darinnen/ daß eine christliche person/ welche/ da es in ihrem blos- sen willkuͤhr stuͤnde/ am liebsten in der geringsten tracht einher gehen moͤchte/ auf den befehl derjenigen/ welche uͤber sie eine gewalt haben/ sich stattlicher kleider/ so dem eusserlichen stand gemaͤß/ gebrauchen muß. Diese ursach/ wo sie in der wahrheit und nicht nur ein vorwand ist/ machet dergleichen kleider einigen Christlichen personen/ welche in dergleichen stande sind/ erlaubt/ in- dem sonsten von anderen/ die sie aus eigener wahl und willen truͤgen/ die Christliche bescheidenheit und modestie uͤberschritten wuͤrde/ und sie andern also vorkommen moͤchten. Wie ich aber auch in dem tractat von natur und gnade gezeiget/ wird dabey erfordert/ daß das hertz bey aller solcher tracht sei- ne unwuͤrdigkeit und niedrigkeit vor GOTT erkenne/ und sich ja des standes nicht uͤberhebe/ noch sich andern bey sich selbs vorziehe/ noch eigenen gefallen an seinem vorzug/ so dann solchen kleidern/ habe/ vielmehr sie vor eine last hal- te/ deswegen stets so viel noch in eigener macht stehet/ zuruͤcke halte und abbre- che/ so dann alles aͤrgernuͤß anderer nach bestem vermoͤgen verhuͤte. Wo aber ein solches hertz wahrhafftig ist/ wie das bekante exempel der Esther bezeuget/ da sind die an sich ein praͤchtiger ansehen habende kleider nicht suͤndlich/ noch koͤnnen eine demuͤthige seele vor GOTT verunreinigen: Daher auch solche personen von andern nicht freventlich beurtheilet werden doͤrffen. Und gilt hinwieder nicht einzuwenden/ daß man GOTT mehr als menschen gehorchen muͤste/ indem solche regel freylich nicht zugibet/ daß etwas an sich boͤses we- gen der menschen autoritaͤt begangen/ noch etwas nothwendiges gutes um des verbots willen unterlassen wuͤrde/ was aber solche dinge anlanget/ welche von GOTT nicht eben an sich selbs geboten oder verboten/ sondern unter die mittel-ding gehoͤren/ koͤnnen einige derselben/ so aus eigener wahl suͤndlich wuͤrden ARTIC. II. SECTIO XI. wuͤr den gewesen seyn/ durch der obern befehl von der schuld befreyet werden. 9. Was den scrupel anlanget/ uͤber die worte der lieben Apostel Pauli 1. Tim. 2. und Petri 1. Pet. 3. von dem tragen goldes/ silbers und perlen/ meine ich nicht/ wo die worte recht erwogen werden/ daß dieselbe das gewissen einer person aͤngsten sollen/ welche von dergleichen keinen staat machet/ son- dern aus anderen dem Christenthum nicht widrigen ursachen dergleichen traͤ- get. Alle beyde Apostel reden eigentlich davon/ wormit sich Christliche weiber schmuͤcken/ und also worinnen sie ihren schmuck suchen sollen. Da heisset es freylich/ keine Christliche weibes-person mag in gold/ silber/ per- len oder koͤstlichem gewand ihren schmuck suchen/ sondern welche dieses thut/ weiset dadurch die eitelkeit ihres sinnes und wohlgefallen an ihrem maden- sack/ und suͤndiget also/ welches wir nicht gleicher massen von derjenigen sagen koͤnnen/ welche aus noth oder gehorsam/ oder was dergleichen eine redliche ursache seyn moͤchte/ in dergleichen erscheinet/ da sie wol in ihrer seelen derglei- chen nicht achtet/ sondern vielmehr an solcher dienstbarkeit einen verdruß hat/ und sie vor eine last haͤlt/ als auch indem sie solche dinge traͤget/ als viel muͤg- lich ist/ alles auch so einrichtet/ daß wer acht geben will/ mercken kan/ wie weit das hertz von der hochachtung solcher dinge seye. Daher stehet so bald bey Petro der rechte schmuck/ welcher seyn solle der verborgene mensch des hertzens unverruckt mit sanfftem und stillem geist: Damit Christliche weiber auf das innere gewiesen werden/ worinnen sie ihren schmuck suchen sol- len. Was also diesem innern zu wider ist als alles wohlgefallen an der eitel- ke it/ alle begierde bey andern angesehen zu werden und aller hochmuth/ ist Christlichen weibern allerdings verboten: Was aber solchem innern men- schen nicht zu wider ist/ und also ein tragen solcher dinge/ dero liebe in das hertz nicht kommen darff/ so nur an dem leibe klebet/ ist so fern unstraͤfflich/ und kan von den lieben Aposteln nicht verboten seyn/ nachdeme die gantze natur des Christenthums/ nach oben angefuͤhrtem/ alle eusserliche dinge/ so ferne sie die seele nicht in unordnung setzen/ und der liebe GOttes/ des nechsten und un- ser selbs nicht zu wider sind/ uns frey machet. Nach welcher regel alle befehl zu achten und zu verstehen sind. 10. Aus welchem allem schliesse ich billich/ da ich weiß/ und von deroselben nochmal versichert werde/ daß sie an allen din- gen/ was nur einen schein des prachts hat/ in sich ein mißfallen trage/ sich auch nicht nur von vielem/ so sonsten bey dero stande herkom̃ens/ selbs abgezogen/ sondern auch von dero geliebtesten gemahl dessen erlaubnuͤß erlanget habe/ auch alles uͤbrigen nach der welt schmeckenden befreyet zu seyn wuͤnschete/ so mir in diesem stuͤck genug dazu ist/ zu erkennen/ daß ihre seele vor GOTT richtig stehe/ daß dieselbe/ nachdem ihr doch nicht zugegeben werden will/ daß sie Das dritte Capitel. sie von anderen ihres gleichen allzu unterschieden seye/ und alles/ was den schein einiges prachtes haben moͤchte/ schlechterdings ableg en solte/ anderem willen hierin wol fuͤgen/ solche last/ dero ansehen sie hoffentlich mehrmal eher demuͤthigen als erheben wird/ auf sich nehmen und behalten/ indessen uͤber ihre seele selbs und uͤber das innere so viel wachsamer seye/ dieser diensibarkeit zur gelegenheit mehreres guten bey andern und ihrem HErrn sich gebrauchen/ und ferner die regierung GOttes uͤber sich absehen und beobachten moͤge und solle. Welchen meinen schluß aus obigem selbs zufliessen/ und ferneres er- weises nicht noͤthig zu haben mich versehe. 11. Jndessen wird auch allerdings noͤthig seyn/ daß dieselbe eben auch darinnen ihre seele wahrnehme/ daß sie alle diese gruͤnde also wol erwege/ damit sie durch GOttes gnade in ihrem gewis- sen versichert werden moͤge/ was ihres GOttes willen uͤber sie seye. Massen nicht genung ist/ daß eine sache recht seye/ sondern dazu auch erfordert wird/ daß das gewissen davon eine ihm genungsame uͤberzeugung habe: massen son- sten in einer sache/ die an sich nicht unrecht waͤre/ gleichwol gesuͤndiget werden koͤnte/ wo man etwas dessen thaͤte/ woruͤbeꝛ man zweiffel haͤtte/ uñ es mehr voꝛ unrecht als vor recht hielte: welches aus der disputation des Apostels Rom. 14. ausfuͤndig ist. Dahero mag meine oder einiges andern lehrers meinung derselben noch nicht genung seyn/ sondern um nicht zu suͤndigen ist noth/ daß dieselbe/ was ich oder auch andere moͤchten von dieser materie an hand geben/ in der furcht des HErrn und mit seiner hertzlichen anruffung also uͤberlege/ daß sie bey sich eine festigkeit erlange uͤber dasjenige/ was sie thut/ daß sie es nicht wider den willen ihres himmlischen Vaters/ den sie ihr zur regel ihres lebens billich gesetzet hat/ thun/ und also darin ihm gefallen moͤge. Der HErr aber/ der allein unsere hertzen gewiß machen kan/ thue derselben auch diese gna- de/ und versichere sie in ihrer geheiligten seelen/ was auch in diesem stuͤcke sein wille an sie seye/ damit sie denselben getrost verrichte/ und weder der eiteln welt sich gleich stelle/ noch entweder mit unnoͤthiger angst sich quaͤle/ oder mit allzuvieler scrupulosi taͤt sich selbs und die gelegenheit an andern gutes zu schaffen hindere/ sondern in Christlicher einfalt und klugheit so in allem an- dern als auch in diesem thue/ was vor dem HErrn gefaͤllig/ dem nechsten er- baulich und ihrer seelen mehrer reinigung vortraͤglich seyn mag. Er be- freye aber auch mehr und mehr alle seine kinder/ von allem was noch einige art einer dienstbarkeit an sich hat/ und setze sie in ihre vollkommene freyheit/ da es so vieler zweiffel nicht mehr beduͤrffen wird. Ach kaͤme die selige stunde bald! Nun sie wird kommen/ wo wir ihr in gedult erwarten/ Amen. 1689. SECTIO ARTIC . II. SECTIO XII. SECTIO XII. Ob vornehmere weibs-personen schuldig/ ihre kin- der selbs zu stillen. W Egen eigener stillung der kinder/ erklaͤhre mich mit wenigem. 1. Die regel ist/ daß jede mutter ihr eigen kind selbs traͤncke/ und was ihr Gott in der natur zur ernehrung dessen/ was er auch aus ihr gebohren werden lassen/ gegeben/ darzu anwende. Hierzu weiset die natur selbs/ und ist insgemein so wol muͤttern das saugen ihrer kinder gesuͤnder/ als eigne mut- ter-milch den kindern zutraͤglicher/ daher der eingepflantzten und gebotenen mutter-liebe gemaͤßer. 2. Jndessen koͤnnen ursachen seyn/ die eine mutter davon befreyen/ wo ein natuͤrlicher mangel an bruͤsten/ oder an milch sich fin- det/ wo die natur aus gewissen ursachen allzuschwach/ wo kranckheiten anstos- sen/ darvon sonderlich die saͤuglinge auch schaden nehmen moͤchten; Es muͤs- sen aber lauter solche ursachen seyn/ welche eine art einer nothwendigkeit ha- ben/ und mit der liebe stehen. Hingegen 3. vornehmer stand an sich selbs/ be- freyet nicht von solcher schuldigkeit/ und wo sich eine mutter solcher pflicht entziehet/ bloß aus flucht der beschwehrden/ gemaͤchlichkeit und zaͤrtlichkeit/ ists eine fleischliche ursach/ die ich nicht zu vertheidigen getrauete. Wie aber 4. ein ehemann uͤber den leib seiner ehegenoßin eine sonderbare gewalt hat/ so erstreckt sie sich auch dahin/ daß ers derselben wehren kan/ wo er deroselben liebes-dienste/ als bey schwachheiten/ also benoͤthiget ist/ daß er derselben nicht zur gnuͤge/ wo dieselbe selbs stillet/ geniessen kan/ sondern dardurch allzuviel und zu seinem schaden verunruhigt wuͤrde. Da bekenne zwahr/ daß es ein seltener casus seyn mag/ daß diese ursach so wichtig/ und die besorgte hinder- nuͤß so groß seye/ daß man den ehemann in solchem verbot nicht zu suͤndigen versichern koͤnte/ und muß ich sorgen/ der vormand seye vielmehr nur gesucht als in der wahrheit gegruͤndet. Jndessen 5. wo eine ehegenoßin/ die selbs gern stillen wolte/ und die beschwehrde selbs nicht fliehet/ auch um solche frey- heit bittet/ aber dieselbe nicht erlangen kan/ hingegen in dem ehestand/ von der verweigerung des gehorsams in solchem stuͤck uneinigkeit sorgen muͤste/ in ih- rer einfalt dem ehemann/ auf dessen verantwortung es ankommt/ folget/ wird GOTT es derselben nicht zurechnen. 6. Diese schuldigkeit einer ehefrauen gehet nicht allein die erste kinder an/ sondern sie hafftet auch auf den uͤbrigen/ und welche mutter bey einigen der ersten an ihrem vorhaben gehindert wor- den waͤre/ wo solche hindernuͤß auffhoͤret/ solle auch billich bey andern folgen- den trachten den mangel zu ersetzen. 7. Wo aber das stillen bey vielen be- reits unterlassen worden/ trante alsdann/ wo die kraͤfften durch mehrere kin- F f der Das dritte Capitel. der bereits geschwaͤchet/ der natur/ die dergleichen/ da sie noch staͤrcker/ nicht versuchet/ solche last nicht mehr zuzumuthen/ weil sie es allzusehr schwaͤchen moͤchte: Darzu auch setze/ was von einem geschickten medico verstanden/ daß bey einer solchen person das eigne stillen sich nicht rathen liesse/ nicht so wol um der mutter als des kindes willen: dann diejenigen wege/ dadurch die milch zufliessen muß/ da sie in ersten zeiten nicht gebraucht/ sondern die milch zuruͤck gehalten worden/ stopfften sich allgemach/ daß ein kind/ das man darnach erst anlegen wolte/ alsdann schwehrlich genugsam und ihm dienliche nahrung ziehen und erlangen koͤnte/ daher darvon schaden leiden wuͤrde. 1699. SECTIO XIII. Was unterthanen in ihrer schwehren betrangnuͤß von der Obrigkeit zu thun haben. D Je betrangnuͤß der unterthanen anlangend/ sonderlich dadurch ihre sabbaths-ruhe und erbauung gestoͤhret werde/ sehe ich fast nicht/ was zu hoffen noch zu rathen. Die meiste Obrigkeiten an allen orten gehen fast nach einerley principiis, und halten darvor/ es stehe bey ihnen/ lasten auff- zulegen so viel sie wollen/ und seye eine gnade/ wo man nur darunter noch re- spiri ren kan. Wiewol die meiste schuld nicht der hoͤchsten Obrigkeit seyn wird/ sondern der muthwille der subalternorum thut fast allezeit den groͤsse- sten schaden. Wir muͤssen indessen freylich an denjenigen/ mit denen wir zu handeln haben/ nichts unterlassen/ mit warnen/ bitten/ flehen und straffen/ jedoch mehr privatim, als publice, und wo dieses geschiehet/ mit derjenigen discretion, daß man erkenne/ man suche vielmehr die besserung derer/ welche sich ihrer gewalt mißbrauchen/ als das volck/ so ohne das voller unmuth und bitterkeit gegen sie stecket/ noch mehr dazu zu bewegen: vielmehr muß diesen die lection offt vorgeleget werden/ wie sie auch unrecht gedultig leiden/ und uͤber das gerechte gericht GOttes/ so diejenige/ welche ihm gemeiniglich vor- her nicht haben treulich gehorchen/ noch das sanffte joch Christi mit gedult tragen wollen/ unter desto schwehreres menschen-joch wirfft/ sich mit murren nicht beschwehren/ vielmehꝛ sich bußfeꝛtig unter dessen gewalt demuͤthigen sol- len: bey welchem zustande der unterthanen gemeiniglich GOTT auch der Obrigkeit hertzen zu mehrer guͤtigkeit lencket; sonsten aber offters sie von der Obrigkeit so tractiret werden laͤsset/ nicht wie dero vorgeschriebene regeln mit sich braͤchten/ da sie vaͤterlich mit den unterthanen umgehen solten/ sondern wie jene es wuͤrdig sind/ und von ihm verdienet haben. Dabey versichere dieses/ welche seelen noch eine wahre begierde zu dem goͤttlichen haben/ denen wird GOtt allezeit auch unter den haͤrtesten trangsalen zuweilen noch einige tage ARTIC . II. SECTIO XIV. tage und stunden am sabbath oder sonsten zum besten ihrer seelen frey werden lassen/ daß sie nach der gerechtigkeit hungernde und duͤrstende gesaͤttiget wer- den. Die uͤbrige/ denen es doch kein rechter ernst ist/ leiden gemeiniglich in goͤttlichem gericht/ wessen sie dasselbe werth achtet/ und laͤsset dieses denselben offt ihre sabbaths-ruhe/ ob zwahr durch der menschen/ die sich schwehrlich da- mit versuͤndiget/ boßheit/ entziehen/ die sie ihm etwa ohne solche eusserliche ab- haltung dennoch wenig heiligen/ sondern ihre feyer bloß zur leiblichen ruhe/ schlaͤffriger und fast nur durch die gewohnheit abgezwungener hoͤrung des worts ohne hertzliche begierde sich wahrhafftig daraus zu bessern/ uñ wol gar zur uͤppigkeit und unmaͤßigkeit gemeiniglich anwenden/ weßwegen der HErr schon lang an unserm feyertage einen gerechten eckel gefasset zu haben scheinet. Nun das verderben ist so groß/ als es seyn kan/ und ausser dem stand/ daß menschliche huͤlffe zulangte: Wir muͤssen zwahr endlich dabey thun/ was noch muͤglich ist/ ob wir einige retten koͤnnen/ aber dabey glauben/ die ehre etwas rechts ausgerichtet zu haben/ werde dem allein bleiben/ der zu kommen pfle- get/ und gewiß auch dißmal kommen wird/ wo die boßheit den hoͤchsten gipffel erreichet habe/ und hingegen die zeit seiner verheissung vorhanden seyn wird. Hiernach lasset uns seuffzen und beten/ und mit solcher hoffnung uns staͤr- cken/ er aber selbs erhalte diese in unsern seelen/ und verleihe uns die gnade/ daß wir treu vor seinem angesicht erfunden werden. 1687. SECTIO XIV. Von vervortheilung der hoͤchsten Obrigkeit in der bier-accise. Die erste Frage. Obs niedrigen Obrigkeiten im gewissen verantwortlich/ wann sie der hohen Obrigkeit/ den von vielen jahren her ausgeschriebe- nen uͤblichen bier-accis nicht richtig abfuͤhren/ also daß da sie des jahrs uͤber 200. achtel und druͤber zum verkauff auffsetzen/ kaum 15. oder 20. achtel veraccisen/ gleichwol aber bey ihren ade- lichen ehren und gutem gewissen auf dem steuer-zedul betheu- ren/ daß sie nicht mehr als 15. oder 20. achtel verkaufft/ dardurch sie verursachen/ daß andere Contributiones und anlagen desto haͤuffiger folgen/ die den armen Adel/ dem der Brau urbar mangelt/ und gemeinen mann am meisten trucken? A Ufdiese frage mit grund zu antworten/ sind einige dinge vorhin auszu- setzen/ auf welchen dero gantzer entscheid beruhet. F f 2 1. Die Das dritte Capitel. 1. Die niedrige Obrigkeiten/ ob sie wol gegen die unterthanen wahr- hafftig Obrigkeiten sind/ sind doch gegen der hoͤhern Obrigkeit zu rechnen/ eben so wol unterthanen/ und das jenige denselben zu leisten schuldig/ was sie von diesen sich geleistet zu werden fordern: daher sie in den pflichten/ darzu sie den obern verbunden sind/ keinen eigentlichen vorzug fuͤr ihren unterthanen haben/ so wenig als einen haußvater/ daß er auch uͤber sein gesinde gesetzet ist/ von dem gehorsam gegen die Obrigkeit im geringsten befreyet: Ja wir moͤgen sagen/ die unter-obrigkeiten seyen in gewisser absicht den obern noch mehr als die unterthanen ihnen verbunden/ theils aus danckbarkeit/ weil sie von ihnen in seiner maaß ihre gewalt uͤber ihre unterthanen herhaben/ und gleichsam in die gemeinschafft ihrer regierung genommen worden sind/ die sie also gegen sie nicht mißbrauchen sollen/ theils weil sie den gehorsam von ihren unterthanen fordern/ und also dessen schuldigkeit dardurch selbs bekraͤfftigen. 2. Die Obrigkeit/ sonderlich die hoͤchste Obrigkeit/ hats macht/ den un- terthanen/ sie seyen wiederum Obrigkeiten oder nicht/ schoß/ zoll/ oder ande- re dergleichen lasten/ dahin auch die accisen gehoͤren/ auffzulegen/ nach dem klaren ausspruch Pauli Rom. 13/ 6. 7. derohalben muͤsset ihr auch schoß geben/ denn sie sind GOttes diener/ die solchen schutz handhaben. So gebet nun jedermann was ihr schuldig seyd/ schoß dem der schoß ge- buͤhret/ zoll dem der zoll gebuͤhret/ furcht dem die furcht gebuͤhret/ eh- re dem die ehre gebuͤhret. Wo wir sehen/ daß der liebe Apostel austruͤck- lich diese schuldigkeit behauptet/ und zeiget/ daß solcher zoll und schoß nicht allein der Obrigkeit selbs/ sondern in derselben GOtt/ dessen diener sie sind/ um des durch sie leistenden schutzes willen/ abgestattet werden solle/ daher was hierinnen gegen die Obrigkeit gesuͤndiget wird/ wird zugleich auch gegen GOtt gesuͤndiget/ und ist so viel schwehrere suͤnde. Zwahr ists nicht ohn/ daß auch die Obrigkeit in ihrem gewissen nicht frey hat/ solche lasten auffzule- gen/ oder zu erhoͤhen/ wie sie will/ sondern sie hat von den untertha- nen nicht mehr zu fordern macht/ als was die ordentliche und ausser ordentli- che bedoͤrffnuͤssen zu fuͤhrung der regierung im krieg und friedens zeiten erhei- schet/ fordert und nimmt sie mehr/ als dieser zweck erfordert/ versuͤndiget sie sich schwehrlich/ und wird das ohne recht abgenoͤthigte vor GOTT ihnen wahrhafftig zum raub/ damit sie ihre seelen schwehrlich verletzen/ so wohl als unter privatis einer sich verschuldet/ welcher frembdes gut an sich zeucht. Jn- dessen stehet ordentlicher weise die ermessung dessen/ wie viel die regierung er- fordere oder nicht/ nicht bey den unterthanen/ sondern eigentlich bey der O- brigkeit/ ohne daß nach landes-gesetzen oder freyheit hier oder da auch der Staͤnde und unterthanen einwilligung erfordert wird/ auch alsdenn billich dar- ARTIC. II. SECTIO XIV. darauff gesehen werden solle. Wo also eine auflage geschehen/ und derosel- ben schuldigkeit erkant worden ist/ welches zumalen von denenjenigen offen- bahr/ die nunmehr lange gewaͤhret haben/ ob auch die hoͤchste Obrigkeit sich mit derselben forderung versuͤndigte/ so ists doch von seiten der unterthanen/ und also auch der untern Obrigkeit/ nicht weniger suͤnde/ wo sie sich ihrem ge- horsam entweder mit gewalt entziehen/ oder mit heimlichem betrug/ da sie sich stellen ihrer schuldigkeit nachzukommen/ die Obere hintergehen. 3. Die untere oder mitlere Obrigkeiten/ sind der hoͤhesten Obrigkeit al- lezeit mit eyde und pflichten zugethan/ daher was sie thun/ so ihnen von der Obrigkeit befohlen ist/ muß allezeit angesehen werden/ als ein stuͤck ihrer eyd- lichen pflicht/ und wo sie hingegen wider der Obrigkeit befehl vorsetzlich thun/ thun sie wider ihren eyd/ ob sie wohl in specie uͤber solche sache keinen eyd ge- schworen haben. 4. Es sind auch alle staͤnde einer jeglichen provinz, als glieder eines lei- bes/ dazu verbunden/ allezeit auff alle muͤgliche und an sich selbs zimliche weise an das gemeine des gantzen leibes beste zugedencken/ und dahin sich zu- bemuͤhen/ auch um ihres privat nutzens willen das publicum nicht zu be- schwehren. Voraus gesetzt nun dieser erinnerungen oder grund-saͤtze kan ich nach GOttes wort und den regeln des gewissens nicht anders auff die frage ant- worten/ als daß eine solche Obrigkeit/ die dergleichen wissentlich thut/ sich damit auffs schwehrste versuͤndige/ und solches auff vielerley weise. 1. Jsts eine suͤnde unmittelbahr wider die hohe Obrigkeit/ indem dero- selben dasjenige wissentlich entzogen oder vorenthalten wird/ was man nach GOttes befehl wie oben aus Paulo gezeiget worden/ schuldig ist. Heisset es nun insgemein von andern schulden Ps. 37/ 21. der gottlose borget/ und bezahlet nicht/ da dieses als eine eigenschafft eines gottlosen gehalten wird/ wo man/ was man einem andern auch in dem gemeinen lebenschuldig ist/ nicht abstattet/ so heists dergleichen so vielmehr von einem/ der seiner Obrigkeit schuldig ist/ und solches nicht bezahlet: daß er nemlich mit recht den nahmen eines gottlosen trage: so vielmehr weil die schuldigkeit der unterthanen noch so viel strenger billich gehalten wird/ als anderer privat-leute/ nachdem der HErr selbs dem Kaͤyser was des Kaͤysers seye/ abzustatten befohlen hat. Matth. 22/ 21. 2. Weil aber die Obrigkeit GOttes dienerin ist/ und ihr nach Pauli er- innerung Rom. 15/ 6. in solcher absicht der schoß abgestattet werden solle/ so gehet dieser ungehorsam gegen die Obrigkeit auch zugleich mit auff GOtt/ dessen bild die Obrigkeit traͤgt/ und alles was sie fordert/ auffs wenigste un- F f 3 ter Das dritte Capitel. ter dem nahmen der bedoͤrffnuͤß der regierung und ihres goͤttlichen amts for- dert: daher nimmet GOtt solche ungerechtigkeit also an/ als auch ihm selbs geschehen: und wird die suͤnde so viel schwehrer/ als sie in einer ungerechtig- keit zwischen andern personen sonsten seyn wuͤrde. 3. Dazu kommt/ daß ob wohl die angebung nicht/ so viel ich sehe/ aus- truͤcklich mit einem eyd geschihet/ sondern bey Adelichen treuen und gutem ge- wissen (welches letztere von einem eigentlichen eyd nicht viel unterschied hat) dannoch ein meineyd in gewisser maaß darinnen begangen wird/ alldieweil die unter-Obrigkeit den hoͤhern mit eydes-pflicht verwandt ist; daher diese und alle dergleichen vorsetzliche uͤbervortheilungen derselben eine verletzung des ihr insgemein geschwohrnen eydes ist. 4. Weil alle hinterhaltung frembden guts oder dessen an sich ziehung eine schwehre suͤnde und diebstahl nach GOttes wort geachtet wird (wie un- ter die suͤnde/ die mit opffern versoͤhnet werden musten/ und damit man sich an dem HErrn vergriffe/ 3. Mos. 6/ 2. gezaͤhlet wird/ wo einer seinem nechsten verleugnet/ was er ihm befohlen hat/ oder das ihm zu treuer hand gethan ist/ oder das er mit gewalt genommen/ oder mit unrecht zu sich gebracht. Und Habac. 2/ 6. da heist es: wehe dem/ der sein gut mehret mit frembdem gut/ wie lange wirds waͤhren? und ladet nur viel schlamms auff sich) so ist die hinterhaltung und verleugnung desjeni- gen/ was der Obrigkeit gehoͤret/ eine noch viel schwehrere suͤnde/ und stets fortwaͤhrende ungerechtigkeit/ als lange man solches schuldige zuruͤck behaͤlt: daß daher das gewissen einer solchen person/ biß sie erstattung thut/ nach dem wie es heist Ezechiel. 33/ 15. Wenn der gottlose das pfand wiedergiebet/ und bezahlet was er geraubet (zu dem moͤgen wir aus gleicher ursach se- tzen/ mit unrecht hinterhalten) hat/ zu ruhe nicht kommen kan/ sondern es ligt deswegen ein fluch/ wo nicht (welches doch wol manchmal sich weisen mag) auff eines solchen mit unrecht vermehrten guͤtern/ daß etwa das un- rechte das uͤbrige mit endlich verzehret/ auffs wenigste (so aber noch gefaͤhrli- cher) auff seiner seele/ und setzet diese ausser goͤttlichem gnaden-genuß. Da- von die alte regel bekant ist: non remittitur peccatum, nisi restituatur ab- latum. 5. Es wird die suͤnde auch nicht vermeidet sondern vermehret/ daß es nicht eine blosse vorenthaltung des schuldigen ist/ sondern die Obrigkeit/ dero man sonderlich die wahrheit und auffrichtigkeit schuldig ist/ auch getaͤuschet wird. Hat nun dorten Petrus dem Ananiaͤ die suͤnde so hoch auffge- nommen Ap. Gesch. 5. als er seinen acker verkaufft/ und etwas davon heim- lich hinterhalten hatte/ da der Apostel doch bekennet/ daß ers wohl gar behal- ten ARTIC. II. SECTIO XIV. ten haͤtte koͤnnen/ weil er mit solcher falschheit dem Heil. Geist in dem Apostel gelogen hatte/ und vor der gemeinde/ ob waͤre alles geliefert worden/ angese- hen seyn wollen: so ists gewiß auch keine geringe suͤnde/ sondern kommet etli- cher massen mit derselben uͤberein/ wo man auch seiner Obrigkeit leugt/ und doch dabey davor angesehen seyn will/ ob haͤtte man derselben alles treulich angeben. Und wie in der welt moͤchte gefragt werden/ wie schwehr die ma- ckel seye/ die ein solcher seinen adelichen ehren anklecket/ da er diese zum deck- mantel seiner ungerechtigkeit braucht/ so ists gewiß/ daß das gute gewissen/ so faͤlschlich zum zeugen angeruffen wird/ nicht weniger durch solchen betrug/ als duꝛch die voꝛenthaltung deꝛ schuldigen gebuͤhꝛ an sich selbs allerdings ver- schertzet werde. Heist es nun insgemein von den Christen 1. Petr. 2/ 1. So leget nun von euch ab alle boßheit und allen betrug/ und Ephes. 4/ 25. nach dem allgemeinen befehl deꝛ ablegung des alten menschen/ absonderlich: darum leget die luͤgen ab/ und redet die wahrheit/ ein jeglicher mit sei- nem nechsten/ sintemal wir untereinander glieder sind/ also daß von dieser allgemeinen pflicht der Christen niemand sich ausnehmen kan: so ist die suͤnde der luͤgen und betrugs/ wo er gar gegen die Obern/ so nicht als gemeine glieder sondern in gewisser maaß das haupt selbs anzusehen sind/ so viel schwehrer/ und dem GOtt der wahrheit ein groͤsser greuel. 6. Es kommet noch hinzu wider den 4. obigen satz eine neue ungerech- tigkeit gegen andere landes-einwohner und unterthanen/ welche weil durch diese vorenthaltung des groͤssesten theils die einkuͤnfften der hohen Obrigkeit so viel geschwaͤchet/ und dero bedoͤrffnuͤß zuerfuͤllen unzulaͤnglich gemacht/ von derselben zu ersetzung des manglenden neue und andere lasten auffgeleget werden/ dadurch dasjenige/ was rechtswegen von solchen/ die in der bier-ae- cise untreu sind/ getragen werden solte/ auch auff die schultern derer/ die in ihren abgaben treu sind/ oder die brau-urbar nicht haben/ zimlichen theils gewaltzet/ und das gantze land um einiger willen haͤrter getrucket/ den getruck- ten aber mancher seufftzer zu schwehrer last/ derer/ die ob wol diesen unwissend ursach dran sind/ ausgepresset wird. 7. Jch sehe auch nicht/ wie eine solche Obrigkeit/ wo sie hinwieder von ihren unterthanen betrogen wuͤrde/ sie um der ursach willen/ mit sonst gebuͤh- render straffe ansehen koͤnte: wie ich gleichwol davor halte/ daß sie derglei- chen betrug und teuscherey ungeandet nicht lassen/ allemal aber das urtheil auch in der that ihrem eigenen facto sprechen wuͤrde: So vielmehr weil ich nicht wohl sehe/ wie die mitlere Obrigkeit in dieser sache gegen die hohe so heimlich verfahren koͤnte/ daß nicht ihre unterthanen vieles davon gewahr werden solten. Daraus aber leicht zu erachten ist/ wie ein schwehres aͤrger- nuͤß Das dritte Capitel. nuͤß dasjenige seye/ so man den unterthanen gibet/ und sie damit selbs zur un- treu/ die darnach immer weiter gehet/ mit eigenem exempel verfuͤhret: wel- ches alles vor GOtt auff die rechnung desjenigen kommet/ welcher solches aͤrgernuͤß gegeben hat. Aus allem erhellet/ wie vielfaͤltige suͤnde in diesem falschen angeben des verkaufften zu vervortheilung der accise stecke. Die andere Frage. Wie sich ein beicht-vater/ wenn unter-Obrigkeiten/ und seine beicht-kinder ihren bißherigen unterschleiff/ gegen die hohe O- brigkeit/ auffsein vielfaͤltiges zu- und einreden nicht erkennen/ auch nicht davon abzustehen gedencken/ auch nicht rathsam ist/ seine Patronos bey der hohen Obrigkeit oder dero beamten/ die nicht der Evangelischen religion zugethan sind/ anzugeben ha- be/ damit er ein reines gewissen behalten moͤge? Ob er sie koͤnne zur heiligen communion admitti ren oder nicht? N Achdem bey voriger frage ausgemachet/ daß eine solche Obrigkeit/ durch diesen unterschleiff sich vielfaͤltig versuͤndige/ und also stets in einer vor- saͤtzlichen herrschenden suͤnde stehe/ bey welcher keine wahre buß platz hat/ so waͤre diese frage leicht decidi rt/ wenn die kirche in ihrer rechten ordnung und verfassung stuͤnde/ wie sie stehen/ und nach Christi regel eingerichtet seyn solte: Denn nachdem das urtheil der zulassung oder ausschliessung von den guͤtern des heils/ nicht in eines mannes oder auch standes macht stehen solle/ sondern der gantzen kirchen nach allen ihren staͤnden gebuͤhret/ so muͤste. nach wieder- holter privat- erinnerung zum andern die erinnerung vor einigen zeugen ge- schehen/ und da noch keine folge erhalten wird/ der gantzen gemeinde die sache vorgetꝛagen/ und in dero versammlung/ ob ein solcher noch vor einen bruder zu halten/ oder aus der gemeinschafft auszuschliessen seye/ durch dero spruch ausgemachet werden; wie wir den proceß Matth. 18/ 15. u. f. von unserem Heyland vorgeschrieben haben. Nachdem aber leyder unsere kirchen/ nicht so wol in guter ordnung als vielmehr in einer erbaͤrmlichen zerruͤttung ste- hen/ und sonderlich die gemeinde nirgends fast in den gebrauch/ der ihr zukom- menden rechten gesetzet ist/ so aber mehr suͤnde/ fluch und ungemach auf sie ziehet/ als wir insgemein glauben/ so wird diese frage sehr schwehr. So viel- mehr/ wo es noch dazu an orten ist/ da die hoͤhere Obrigkeit selbst anderer reli- gion/ und vieles bedencken dabey ist/ die bloͤsse unserer/ sonderlich vornehmer/ glieder deroselben auffzudecken/ und damit etwa der gantzen kirchen viele ge- fahr zuzuziehen: so dann da man folglich keine Consistoria hat/ an die man der- ARTIC. II. SECTIO XIV. dergleichen gelangen lassen/ und sich bescheids erholen kan. Daher weil nicht allerdings nach der ordnung (weil das vornehmste mittel desselben uns man- gelt) in diesem casu verfahren werden kan/ so finde ich keinen andern weg zu gehen/ als daß 1. der beichtvater nochmal der person die schwehre ihrer suͤnde mit vorstellung der kraͤfftigen gruͤnde zu uͤberzeugung ihres gewissens vor- stelle/ und sie so beweglich vermahne als flehentlich bitte/ ihrer seele darinnen zu schonen/ und sich um des irrdischen willen (dabey man noch darzu nicht si- cher ist/ und wo die sache an die hohe Obrigkeit auch kuͤnfftig kommen moͤchte/ sehr schwehre straf/ die alles unrecht behaltene und noch mehr auffzehren wuͤrde/ zu befahren waͤre) der goͤttlichen gnade nicht verlustig zu machen. Da- bey zum 2. ihr ausdruͤcklich zeige/ daß in solchem stand alle seine absolution . an ihr unkraͤfftig/ wie offt sie wiederholet werden wuͤrde/ bleibe/ ja sie nur an statt des loͤsens mehr binde/ weswegen auch das H. Abendmahl nicht nuͤtz- lich/ und zur seelen heil sondern zum gericht gebrauchet wuͤrde. Daher er sie auff das hoͤchste baͤte/ sich dessen lieber zu enthalten/ was sie zu ihrem todt an statt des lebens empfinge/ als goͤttlichen zorn uͤber sich zu haͤuffen. Wuͤrde nun 3. die person in sich schlagen/ und von GOtt geruͤhret busse thun/ so waͤ- re durch GOttes gnade der sache geholffen: wuͤrde sie auch auffs wenigste in dem hertzen so weit geruͤhret/ daß sie sich des H. Abendmahls enthielte/ so waͤre auch auff solche art auffs wenigste dem gewissen des beicht-vaters etli- cher massen gerathen. Wo aber 4. dieselbe præfracte dabey bliebe/ von sol- cher suͤnde nicht zulassen/ noch dieses zuzusagen/ und dennoch von der com- munion sich nicht ausschliessen lassen wolte/ so haͤtte der Prediger nach beweg- licher remonstration und protestation sie zu admitti ren/ wie unser Heyland Judam admitti ret hat/ dessen boßheit ihm bekant/ aber bey den Juͤngern noch nicht vollkommen offenbahr war/ also da dieser person unbußfertigkeit noch anderen nicht allerdings oder gar nicht kund worden/ oder zum aͤrgernuͤß ge- reichen kan. Jch bekenne/ es seye ein hartes/ einem dasjenige zugeben/ wo- mit er sich selbs schadet: ich sehe aber hier nicht die schuld an dem Prediger/ sondern daß sie alle auff denjenigen faͤllt/ der muthwillig dasjenige dem an- dern abnoͤthiget/ was derselbe sua solius autoritate ihm nicht versagen darff: weil er die Sacramenta ausspendet in dem nahmen der kirchen/ und also da- von kein glied der gemeinde/ so sie durchaus haben will/ ausschliessen kan/ das nicht diejenige/ die druͤber zu cognosci ren haben/ ihn auszuschliessen erkant haͤtten. Also ist er ohne schuld/ da er sich einer gewalt der ausschliessung die ihm nicht zukommet/ nicht gebrauchet/ hingegen auch niemand hat/ an den er sich deswegen/ daß die sache recht formlich ausgemachet/ und ein kir- chen-gericht angestellet wuͤrde/ wenden koͤnte. Ausser diesem mittel finde ich keinen rath: dann die person bloß dahin auszuschliessen/ mangelts nicht al- G g lein Das dritte Capitel. lein an der eigentlichen gewalt/ sondern weil nothwendig die gantze sache da- durch/ im fall sie nicht willig acquiesci rte/ oͤffentlich werden muͤste/ wuͤr- den so viele aͤrgernuͤssen erfolgen/ daß die zulassung eines solchen unwuͤrdigen gering dagegen waͤre: sonderlich weil die ausschliessung die person nicht bes- sern/ sondern da sie sie allein von der unwuͤrdigen niessung/ so doch dem vor- haben nach vorgegangen/ und vor GOtt/ ehe sie geschihet/ als geschehen ge- achtet wird/ abhaͤlt/ ihr hingegen nur zu mehrern und schwehrern suͤnden an- laß geben wuͤrde. Da ist nun zwahr die regel/ daß man nichts boͤses thun doͤrffe/ daß gutes drauß folge/ aber man mag gleichwol zuweilen ein gutes unterlassen/ daß nicht mehr boͤses draus folge: Und ist die annehmung zur communion bey dem Prediger vielmehr eine unterlassung eines gnten/ nem- lich der abhaltung dessen/ der dasenige abnoͤthiget/ was ihm nicht gebuͤhret/ und ihm schaͤdlich ist/ als wirckliche begehung eines eigentlichen boͤsen: wie denn die zulassung eines unwuͤrdigen eben daraus erkant wird/ nicht in sich selbs/ sondern allein in gewissen umstaͤnden/ boͤse zu seyn/ weil unser Heyland nimmer etwas gethan haben wuͤrde/ was an sich selbs und innerlich boͤse waͤ- re. Hiemit hoffe ich/ solle ein christlicher Prediger sein gewissen vor GOtt noch erretten/ und hat mit gebet zu dem/ der die hertzen allein in seinen haͤn- den hat/ desto ernstlicher anzuhalten/ daß er so wol die seelen derer/ welche ihre suͤnden und dero gefahr so gering achten/ diese recht sehen und empfinden lassen/ als uns in unserm amt die wahre klugheit der gerechten/ um uns in die gegenwaͤrtige elende zeit ohne verletzung des gewissens zu schicken lehren/ so dann sich seiner kirchen auff eine solche art erbarmen wolle/ damit sie wie- der in eine ihm gefaͤlltge verfassung komme/ in dero es dergleichen scrupel nicht bedoͤrffte/ sondern alles leichter und ungehinderter nach der ordnung Christi geschehen koͤnne. So gebe er auch sonderlich in diesem fall sein liecht/ seinen willen recht zu erkennen/ und seine krafft ihn treulich zu vollbringen/ um seines liebsten Sohnes willen. Amen. 1692. SECTIO XV . Wegen einer vor der Obrigkeit geleugneten mißhandlung. W As die vorgelegte frage anlangt: Ob eine in ehren und amt ste- hende person/ so vor 20. jahren einige schwehre suͤnde began- gen/ aber in der Obrigkeit inquisition dieselbe/ sich bey ehren zu erhalten/ geleugnet/ nunmehr ihrem gewissen gnug zu thun schul- dig seye/ dieselbe wiederum vor der Obrigkeit zu bekennen/ oder ob sie die vergebung allein von GOtt erwarten/ und demselben allein oder doch ARTIC. II. SECTIO XV. doch nur einem beicht-vater beichten doͤrffte? finde ich dieselbe nicht ohne sch wehrigkeit. Jch will aber/ wie mir/ da sie in der furcht des HErren uͤber- leget/ die sache vorkomme/ auffs einfaͤltigste fassen. 1. Jch gestehe gern/ daß die regel eigentlich seye/ daß man GOtt in derjenigen ordnung seine suͤnde wiederum zu bekennen habe/ in dero er sie einmal gefordert/ und wir ihm da- mal solches mit unrecht vor enthalten haben/ daher dessen reparation billich thun sollen: es wird durch solches leugnen GOtt die ehre/ die man ihm geben soite Joh. 7/ 19. entzogen/ und sind wir also schuldig/ ihm solche wieder zu erstatten: es ist der buß art/ daß dieselbe die suͤnde also hassen muß/ daß man deswegen willig seye/ alles mit seiner suͤnde verschuldete gern uͤber sich ergehen zu lassen/ nur daß man derselben vergebung versichert seyn moͤchte/ hingegen machet die furcht vor einigem schimpff und schaden aus der bekaͤutnuͤß/ die wahrheit der buß zimlich verdaͤchtig: so scheinet auch/ daß mit solcher regel/ daß die suͤnde ohne wiederum der Obrigkeit solche zu bekennen nicht vergeben werden koͤnte/ deroselben autori taͤt in handhabung der gerech- tigkeit/ daran dem Christenthum/ so wol als der weltlichen ruhe/ hochgelegen/ stattlich vefestiget/ hingegen wo man solche nothwendigkeit remitti ret/ da- mit zu manchem leugnen und schwehrer verletzung des gewissens anlaß gege- ben werden koͤnte. 2. Jndessen sehe ich doch nicht/ wie solche unumsch r enckte und keine ausnahm leidende nothwendigkeit der gedachten bekaͤntnuͤß gnug erhaͤrtet werden koͤnte/ nachdem wir keinen so austruͤcklichen befehl in der schrifft davon auffweisen koͤnnen. Dann das bleibet wohl wahr/ daß mit dem leugnen schwehrlich an GOTT und der Obrigkeit gesuͤndiget w e rden/ und hingegen der reus schuldig gewesen waͤre/ damal die wahrheit zu sagen/ welche pflicht alles dasjenige/ was uns die schrifft von dem gehorsam gegen die Obrigkeit an mehr orten vorstellet/ mit sich bringet. Aber ob solch er un- gehorsam auff keinerley andere weise/ als daß die bekaͤntnuͤß auffs neue ge- schehe/ versoͤhnet werden koͤnte/ ist nicht eben gleicher massen in der schriff ausgemachet/ sondern moͤchte seine ausnahm leiden. Wie wir auch das et xempel an dem lieben Petro haben/ welcher auff befragen nicht zwahr unmit-- telbar der Obrigkeit/ jedennoch dero bediente/ und zwahr also/ daß diese auff sein bekaͤntnuͤß ihn ohne zweiffel wuͤrden bey der Obrigkeit angezeiget haben/ und da also dieser/ daß den ihrigen die wahrheit gesagt wuͤrde/ ange- legen war/ dasjenige geleugnet/ was er bekennen sollen/ und sich zwahr da- mit auch verschuldet hat/ indessen wird uns seine buß in der schrifft geruͤh- met/ nicht aber auch angezeiget/ daß er sich wiederum in des Hohenpriesters pallast angemeldet/ oder sein voriges leugnen formlich retracti ret/ sondern es war zu seiner buß gnug/ daß er seine suͤnde erkante/ durch Christi winck sich auffrichten liesse/ die fernere gefahr meidete/ und bereit waͤre/ wo er kuͤnff- G g 2 tig Das dritte Capitel. kuͤnfftig wiederum gefragt werden solte/ die wahrheit nicht ferner zu leug- nen: wie er auch darnach allezeit ein freudiger bekenner Christi gewesen. Al- so 3. achte ich nicht/ daß die n. 1. angefuͤhrte rationes eine solche starcke obliga- tion mit sich bringen; dann die sache ist zwahr in der Obrigkeit GOTT dem HErrn geleugnet worden/ so muß sie auchfreylich GOtt dem HErrn wie- derum bußfertig bekant werden/ es waͤre auch solches schlechter dings noͤthig/ dafern die Obrigkeit nochmal solche sachen vornehmen/ und auff ihn inquiri- ren wuͤrde: ohne dieses ist es nicht so noͤthig/ es komme dann solche nothwen- digkeit noch aus einer andern ursach: sondern da GOtt nicht auffs neue in solcher ordnung fraget/ so hat mans ihm auff andere art und in anderer ord- nung zu bekennen: wiederum ist zwahr die ehre/ die man GOtt zu erzeigen schuldig gewesen/ in jener sache ihm entzogen worden/ sie kan ihm aber nicht nur allein durch jene bekaͤntnuͤß/ sondern auch auff andere weise wiederum gegeben werden. Ferner muß die buß dieses nothwendig bey sich haben/ daß sie lieber alles leiden und uͤber sich ergehen lassen wolte/ als auffs neue zu suͤndigen/ oder in der vorigen suͤnde fortzufahren; wie aber solches leugnen eine einmalige suͤnde gewesen/ die darnach nicht weiter mehr conti- nui ret woꝛden/ so kan derjenige nicht eben in der suͤnde fortzufahren eigentlich gesagt werden/ der nur von einer nunmehr freywilligen und ungesuchten be- kaͤntnuͤß zuruͤcke bleibt/ es waͤre dann sache/ daß ein staͤter schade continui re- te/ welchen solcher mensch durch sein leugnen jemand verursacht haͤtte. Zum exempel/ daß jemand noch immer seinetwegen leiden muͤste/ deme sonsten sein leiden durch das bekennen gelindert oder weggenommen wuͤrde. Dann in solchem fall mag es freylich heissen/ daß man in der suͤnde fortfahre/ wo man mit seiner hinterhaltung noch immer fort einen andern gravi rte/ daher die buß alsdann nicht richtig seyn koͤnte/ dabey man dermassen dem nechsten zu schaden fortfuͤhre. So bin auch nicht in abrede/ daß die regel freylich stehen bleiben solle/ daß noͤthig seyn moͤge/ die bekaͤntnuͤß vor der Obrigkeit zu thun/ und wird in den meisten faͤllen solche nothwendigkeit indispensabel, welches dann gnug dazu ist/ daß sich niemand nochmal muthwillig auff ein solches leugnen legen/ und dabey sicher werden darff. Wo dann 4. auff die hypo- thesin selbs gesehen wird/ traue ich gleichwol nicht bloß categorice zu ant- worten: sondern die person/ um dero seele es zu thun ist/ muß in ihrer eignen pruͤfung vieles finden/ was ihr andere nicht sagen koͤnnen: sonderlich hat sie genau auff den bißherigen zustand ihrer seelen acht zu geben. Jst jene suͤnde um solche zeit von ihr geschehen/ da sie insgesamt wenig erkaͤntnuͤß GOttes gehabt/ und also auch diese suͤnde mehr aus anderer ruchlosigkeit als formli- chem mißbrauch goͤttlicher gnade begangen haͤtte/ und waͤre nachmal von GOtt erst/ da die sache eine weil vorbey gewesen/ zu der erkaͤntnuͤß und buß gebracht worden/ haͤtte auch biß daher eine geraume zeit/ ob schon diesen scru- pul ARTIC. II. SECTIO XV. pul des gewissens/ dannoch dabey andere kraͤfftige gnaden-wuͤrckungen des H. Geistes und zeugnuͤssen dessen einwohnung bey sich empfunden/ nun aber wolte sich dieser scrupul von einiger zeit her staͤrcker ereignen/ und sie beunru- higen: so wolte davor halten/ daß da ihr der HErr solche suͤnde schon laͤngst vergeben/ welches sie aus den gnaden-wuͤrckungen solcher zeit bey sich abzu- nehmen/ diese anfechtung zwahr sie zu so viel mehrer demuth und bestaͤndig- keit der buß leiten solle/ aber die nothwendigkeit der oͤffentlichen bekaͤntnuͤß nicht eben mit sich bringe. Gleichwol wuͤrde unterschiedliches dabey noͤthig seyn/ nemlich sich zeit lebens solcher suͤnde zu bußfertiger demuͤthigung vor dem HErrn zu erinnern/ und der vergebenen missethaten zu erhaltung der de- muth und vermehrung des dancks stets zu gedencken/ auch etwa eine abson- derliche zeit zu monat oder jahren sich vorzunehmen/ da sie daruͤber ihre buß- uͤbungen anstellte. Ferner der Obrigkeit in allen andern stuͤcken nunmehr desto sorgfaͤltigern gehorsam zu leisten/ da sie/ ob ihr wol unwissend/ die ihr schuldige ehr verletzet gehabt: dahin mag auch gehoͤren/ wo die miß- handlung mit einer gewissen geld-straff auch gebuͤsset zu werden pfle- get/ daß sie auch das quantum derselben/ oder ein mehrers/ auf eine verborgene art der Obrigkeit zuwende/ als die sie mit unrecht darum gebracht; ja sie solte rechtswegen eine sonderbare straffe/ die zum exempel vermuthlich/ wo voriges ihr leugnen offenbar worden/ ihr deswegen dicti rt wuͤrde worden seyn/ ihr selbs ansetzen/ und dieselbe auf eine unbekannte weise zu dem ærario bringen. Noch weiter/ wo jemand ihrent- wegen und um solches leugnens willen solte in ungluͤck oder schaden gekom- men seyn/ solle sie abermal denselben oder die seinige schadloß halten/ und ih- nen wiederum eine ergetzlichkeit davor/ ob sie schon nicht wissen/ woher es kom- met/ zukommen lassen. Wo dieses geschiehet/ achte ich/ koͤnne das gewissen sich damit zu ruhe geben/ ob wol die oͤffentliche bekaͤntnuͤß nicht erfolget/ son- derlich weil 1. zu sorgen/ daß das damit ausbrechende aͤrgernuͤß (vornehmlich wo es ein mann waͤre/ der etwa bißher einen feinen Christlichen nahmen ge- habt) moͤchte schwehrer seyn/ und mehr gutes schlagen/ daher die ehre GOt- tes mehr verletzen/ als die bekaͤntnuͤß dieselbe beforderte So dann 2. weil die person/ welche ich præsupponi ren will/ daß sie sonsten ihrem ehren-amt/ in welchem sie stehen mag/ mit nutzen vorstehe/ dardurch nach unsern jetzigen ver- fassungen zu solchen nuͤtzlichen diensten/ ja vielleicht zu meistens allem/ womit sie andern nutzen koͤnte/ untuͤchtig wuͤrde. Wo ich aber wiederum nicht sehe/ daß goͤttlicher ehr/ dem gemeinen wesen/ und also der Obrigkeit selbs/ an der administri rung der justiz in einer verborgenen sache mehr als an der erhal- tung des nuͤtzlichen gebrauchs eines mannes gelegen seyn mag: daher solche absicht abermal/ da sich dieselbe wahrhafftig in solches mannes hertzen findet/ G g 3 (dann Das dritte Capitel. (dann hingegen wo es ihm bloß um seine conservi rung/ als etwas seines eige- nen/ nicht aber um dasjenige/ womit er GOTT und dem nechsten dienen koͤnte/ zu thun waͤre/ wuͤste ich wenig fuͤr ihn zu reden/ dann es waͤre eine anzei- gung/ daß er ohne das nicht in wahrer buß stuͤnde/ als in welcher der mensch dazu kommt/ daß es ihm forthin voꝛ sein gantzes leben nicht mehr um seine ehꝛ/ nutzen/ lust oder dergleichen/ sondern lauterlich um seines GOttes ehr/ des nechsten nutzen und sein heil/ zu thun seye/ wo aber dasselbe nicht geschiehet/ die buß nicht auffrichtig ist/ in welchem stand er ohne das der goͤttlichen gnade unfaͤhig waͤre) ihn desjenigen dispensi ret/ was sonsten der ordnung gemaͤß waͤre/ in unterschiedlichem aber den zweck/ den auch die politische ordnung voꝛ sich hat/ in diesem fall mehr verletzte als befoͤrderte. Wobey wol in acht zu nehmen stehet/ daß unsere verordnungen/ die zwahr den lastern zu wehren ein- gefuͤhret/ und ihren nutzen/ dannoch dabey an den bußfertigen auch ihre in- commoda haben: indem wer etwa einmal ein gewisses fuͤr infam geachtetes laster begehet/ insgemein auf sein lebenlang damit zu oͤffentlichen ehren-aͤm- tern untuͤchtig gemachet wird/ er bessere sich auch wie er wolle; wordurch zwahr nicht ohn/ daß in dem rohen hauffen manche mehr durch diese als ande- re straffe von begehung grober laster zuruͤck gezogen werden/ daher so lang wir noch die meiste boͤse unter uns haben/ es nicht wol anders gehalten werden kan/ indessen die kirche und das gemeine wesen zuweilen dardurch eines man- nes/ der nach einer recht gruͤndlichen buß vollends sein lebtag etwa noch mehr als andere gutes schaffen koͤnnen/ und alles von ihm sonsten muͤglichen nu- tzens beraubet wird: da hingegen bey den ersten Christen/ da sonsten die kir- chen- disciplin in der hoͤchsten strenge geuͤbet wurde/ dannoch kein solches gesetz gewesen/ sondern diejenige/ welche der aͤrgernuͤß wegen mit der kirchen versoͤh- net worden/ (damit es zwahr nicht so leicht hergienge/ sondern der ernstlichen buß genugsamer zeugnuͤssen da seyn musten/ und etwa auf eine geraume zeit hinaus erfordert worden) wurden damit als bruͤder wiederum also auffge- nommen/ daß/ wie GOTT der vorigen suͤnden nicht gedencken wollen/ die bruͤder gleiches hertz gegen den bußfertigen bezeugten/ daß also dessen gaben und treue wiederum frucht zu schaffen bequem wurden. Jn solcher bewand- nuͤß wuͤrde es auch in diesem fall die difficul taͤten nicht geben/ die wir jetzo se- hen/ sondern moͤchte bey der gemeinen regel geblieben werden. Wann es aber bey uns nicht so stehet/ auch um anderer hindernuͤssen willen nicht wol noch also eingefuͤhret werden mag/ so muß uns dannoch desto weniger schwehr vorkommen/ daß um eines solchen noch nuͤtzlichen mannes willen/ dem aber und in ihm seinem nechsten unsere ordnungen schaden thun/ auch die andere ordnung etlicher massen beyseit gesetzt werde. Dieses waͤre meine meinung uͤber die vorgelegte sache in der supponi rten bewandnuͤß/ und hoffe ich/ die person/ ARTIC. II. SECTIO XV. person/ welche es antrifft/ wo sie das hier angefuͤhrte in der forcht des HErrn reifflich uͤberleget/ sich demjenigen/ was dabey erinnert worden/ gemaͤß bezeu- get/ und dabey hertzlich den HErrn um seine gnade und die versicherung in dem hertzen anruffet/ werde sich in ihrem gewissen endlich beruhigt finden. Solte es aber geschehen/ daß nach allem solchen sie noch immerfort in ihren aͤngsten bliebe/ und das hertz nicht befriedigen koͤnte/ so wuͤrde endlich kein an- der mittel als die bekaͤntnuͤß seyn/ dero ich sie sonsten gern befreyen moͤchte. Jch wolte auch glauben/ es geschehe solches nicht ohne GOttes heilige ver- haͤngnuͤß/ dessen gerichte und wege wir nicht erforschen/ aber ob wir die ursach nicht erkennen/ dannoch aus dem effect offt abnehmen moͤgen/ daß etwa der HERR aus heiligen/ ihm bekannten/ und so der person selbs/ als an- dern heilsamen ursachen/ die bekaͤntnuͤß heraus noͤthiget/ und daher alle andere mittel der beruhigung vergebens seyn laͤsset. Wann es heisset/ da ichs wolte verschweigen/ verschmachten mir meine gebeine durch mein taglich heulen/ dann deine hand war tag und nacht schwehr auf mir/ daß mein safft vertrocknet/ wie es im sommer duͤrre wird/ aus Ps. 32. so haben wir es als ein zeugnuͤß anzusehen/ daß der HErr die be- kaͤntnuͤß in derjenigen ordnung von uns haben wolle/ in dero wir sie ihm ver- sagt/ und damit solche aͤngsten uns zugezogen haben. Wo das geschwehr sich durch kein pflaster willzertheilen/ oder austrucknen lassen/ muß der Chirurgus die oͤffnung vornehmen. Und hat sich die person/ welche ich hier immer præ- supponi re/ daß es ihr mit der buß ein ernst seye/ hieruͤber nicht mehr weiter zu beschwehrẽ/ s o ndern diesem sich dardurch kantlicher bey ihr vorthuendem goͤtt- lichen befehl auch gehorsam zu unterwerffen/ und zu glauben/ es seye alles dasjenige/ was sie in der welt solcher bekaͤntnuͤß wegen zu sorgen und zu lei- den hat/ nichts gegen der stetswaͤhrenden seelen-angst/ so endlich gar den glau- ben ausl oͤ schen/ und sie um die goͤttliche gnade bringen moͤchte. Daher sie ja lieber alles/ als das ihr allein hoͤchstnoͤthige/ in die schantz schlagen muß. Wo aber 5. sich die umstaͤnde anders befinden/ nemlich daß die person vorhin in ei- ner wahren erkaͤntnuͤß gestanden/ die wahrheit aber freventlich/ und eben in der absicht mit der heimlichen bekaͤntnuͤß sich wieder zu helffen/ geleugnet/ und also auf die gnade trotziglich gesuͤndiget/ auch nach solcher zeit in ihrem leben in fleischlicher sicherheit fortgefahren/ und die gnader-wuͤrckungen GOttes nicht gespuͤhret/ nun aber erst wiederum durch dessen finger geruͤhret wird/ wuͤste ich fast schwehrlicher sie der mehrgedachten bekaͤntnuͤß zu dispensi ren/ oder es muͤsten zimlich mehrere und staͤrckere zeugnuͤssen seyn/ daß ihrer buß/ sie vor gruͤndlich und auffrichtig zu halten/ wahrhafftig zu trauen waͤre/ in welchem fall allein sie davon frey zu sprechen getraute/ hingegen bey dem ge- gentheil/ Das dritte Capitel. gentheil/ und da es nur eine uͤbertuͤnchte buß werden solte/ besser waͤre/ man liesse ihr den staͤten stachel in dem gewissen/ oder braͤchte sie zu der in dem eus- serlichen ihr schaͤdlichen/ aber zur demuth beforderlichen bekaͤntnuͤß/ als daß man mit einer loßsprechung von jener nothwendigkeit ihre sicherheit mehr haͤ- gete/ in dero ihr nachmal desto weniger zu helffen stehen wuͤrde: welches alles auch platz hat/ wo sonsten neben diesem gewissens-scrupel das leben nicht wahrhafftig nach GOTT zu fuͤhren/ von ihr getrachtet wird: welchen leuten insgesamt alles/ womit man sie troͤsten wolte/ mehr schaͤdlich als nuͤtzlich zu werden pflegt. Zu allem diesem 6. setze ich noch dieses/ daß meines werthen Bruders/ da er Beichtvater waͤre/ oder doch sonsten des mannes gewissen zu regieren hat/ oder desjenigen/ dem solches obligt/ christliche prudenz vieles in dieser sache thun/ und wie sich ein oder anderes von dem vorbesagten auf ihn applici ren laͤst/ oder ihm das heilsamste waͤre/ selbs erkennen/ daraus aber ihm/ was seiner seelen nuͤtzlich/ mit treue und vorsichtigkeit an hand geben muß. Derselbe haͤtte auch an die hand zu geben/ wo noch einige des orts waͤ- ren/ die sich an der sache vor dem geaͤrgert/ und noch aͤrgerten/ wie demselben gerathen und geholffen werden moͤchte. Daher ich 7. schließlich den himmli- schen Vater demuͤthig anruffe/ welcher auch sich dieser seelen in gnaden erbar- men/ selbs ihr bester rathgeber seyn/ deswegen diejenige/ die unter menschen ihr zu rathen haben/ mit seinem gnaden-liecht/ allemal dasjenige/ was ihr das vortraͤglichste/ zu erwehlen und vorzuschlagen/ erleuchten/ sie/ da sie noch von der buß entfernet/ kraͤfftig auf ihm bekannte art dazu fuͤhren/ und alle dero hindernuͤß hinweg raͤumen/ wo sie aber in der buß stehet/ sie darinnen erhalten/ das verunruhigte gewissen selbs befriedigen/ und nachdem sie seiner gnade voͤllig versichert/ die zeit ihres lebens in heiligem wandel erhalten: also das vorhin verschuldete mit desto besserem exempel wieder einbringen lassen wol- le/ um dessen/ der ihre suͤnde auch gebuͤsset hat/ JESU Christi willen. Amen. 1686. P. S. Mir faͤllt zuletzt noch ein/ daß bey den Juristen die begangene mißhandlungen sollen nach 20. jahren præscribi rt heissen/ und nicht mehr zur straff vorgebracht werden doͤrffen: da noch zu gedencken/ wie fern dieses sei- nem gewissen zu statten kommen moͤchte. SECTIO XVI. Von den tituln: Als eine hohe Stands-person in schrifften ohne die gewoͤhnliche titul angesprochen zu werden verlangt. Ob ARTIC. II. SECTIO XVI. O B wol scheinet/ daß dieser gewoͤhnliche anspruch nicht angenehm seyn mag/ da sie mehr verlanget/ ohne einige titul angesprochen zu werden/ versichere mich doch/ daß dieselbe mir dannoch also zu continui ren er- lauben werde. Jch weiß/ daß/ welche kinder GOttes sind/ wie ihnen alles wesen der welt/ so nach einiger pracht schmecket/ anstincket/ die zu unserer zeit eingefuͤhrte titul nicht achten/ und als viel an ihnen ist/ lieber verlangten/ mit einander in mehrer einfalt umzugehen. So wuͤrde mich auch an demjenigen/ was mir von Eu. Gn. guts geruͤhmet/ auch ich aus der wenigen correspon- denz mit deroselben darin bekraͤfftiget worden bin/ versuͤndigen/ wo ich dar- vor halten wolte/ daß sie sich mit einigen solchen tituln oder was dergleichen seyn mag/ kuͤtzeln/ oder sich darinnen wol gefallen werde. Hinwieder versi- chere meiner seits/ wo es bey mir stuͤnde/ daß vielleicht wenig von allem dem/ was den schein einiges gepraͤnges hat/ uͤberbleiben doͤrffte/ sondern alles viel- mehr allgemach auf die vertrauliche alte art (da wol der unterscheid der staͤn- de geblieben/ aber von allem/ was die eitelkeit ihrer selbs/ oder der andern schmeicheley/ den hoͤhern angeklecket/ rein behalten worden war) wiederum gebracht werden. Bey solcher bewandnuͤß mag Eu. Gn. vielleicht geden- cken/ warum man dann nicht thue/ was vor besser erkant wird? sie wird mir aber gern zu gute halten/ wo ich mich daruͤber erklaͤhre. Es ist derselben gnugsam bekant/ wie wir uns allezeit darnach zu richten haben/ nicht allein dasjenige zu thun/ was frey ist/ sondern allemal auch dabey erwegen/ daß wir andern nicht anstoͤßig werden; nach der regel des lieben Apostels 1. Cor. 10/ 13. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles. Jch habe es alles macht/ aber es bessert nicht alles. Daher wir nicht allezeit zu thun haben/ was an sich selbs/ und ohne erwogen gewisser umstaͤnde/ das beste waͤre/ sondern woran man am wenigsten andern anstoß setzet. Wenn es denn nun bey den bekanten Quaͤckern/ so sich ohne zweiffel an der damit ein- geflochtenen eitelkeit gestossen/ dahin gekommen/ daß sie alle titul bloß dahin verworffen/ und einem Christen suͤndlich gehalten haben/ worinnen gleichwol zu viel geschiehet/ und die leute deutlich gnug aus Luc. 1/ 3. Apost. Gesch. 26/ 27. widerleget/ und daß die titul an und vor sich selbs nicht suͤndlich seyen/ behauptet werden kan: hingegen zu dieser zeit/ nicht ohne schande anderer reli- gionen/ fast insgemein alle diejenige/ die nicht eben mit dem alamode- Chri- stenthum zu frieden seyn wollen/ sondern sich nach dem willen des HErrn mit fleiß zu wandeln angelegen seyn lassen/ mit dem Quaͤcker-nahmen bele- get/ und als solcher secte theilhafftig geachtet werden; welcher verdacht gleich- wol auch nicht wenig irrung und hindernuͤß bringen kan: so halte ichs vor rathsamer/ daß auch diejenigen/ welche an der eitelkeit der welt an sich selbs H h eineu Das dritte Capitel. einen eckel haben/ zwahr sich auch in den tituln so fern vorsehen/ daß sie sich durch dero uͤbermaaß solcher eitelkeit oder schmeicheley nicht theilhafftig ma- chen/ und auch wol zeigen/ daß sie dieses/ auffs wenigste unnoͤthigen wesens gern gar frey seyn moͤchten/ indessen sich noch derselben/ als einer unverbote- nen sache/ so lang mit gebrauchen/ als jemand sich an dero unterlassung stos- sen wuͤrde/ welches insgemein leicht geschehen moͤchte/ wo dergleichen unter von eusserlichem stand ungleichen personen vorgienge. Daher wird es Eu. Gn. zwahr nicht verdacht werden/ da sie sich gegen mich aller titul entbrechen/ so mir auch von hertzen lieb seyn wird: Wo ich mich aber/ ob zwahr nach dero erlaubnuͤß/ gleicher freyheit gegen dieselbe/ als eine hoͤhere/ bediente/ muͤste ich sorgen/ wie man niemal gewiß ist/ in wessen haͤnde die brieffe gerathen/ da der- gleichen ein ander/ der solche freyheit zu vertragen nicht vermoͤchte/ sehen sol- te/ daß es mir also ausgeleget werden moͤchte/ ob wolte ich den unterscheid der staͤnde auffheben/ und mich hierinnen den Quaͤckern mit fleiß gleich stellen. Ob ich dann schon auch solche leute ihrem richter stehen und fallen lasse/ ihre lehre gleich wol nicht billigen kan/ so wuͤrde mir dannoch solcher vorwurff an anderm guten nicht wenig hinderlich seyn koͤnnen: ich hingegen achte mich fuͤr schuldig/ auch diesen anstoß anderer schwachen zu vermeiden: dabey aber von grund der seelen verlangte/ daß es durch die gnade des HErrn in unserm gan- tzen Christenthum zu einer mehrern einfalt kaͤme/ und auch alle diese sonsten unnoͤthige dinge/ welche man alleine um anderer willen beybehalten muß/ ohngehindert ausgelassen werden koͤnten. Ehe aber dieses geschiehet/ und also in gegenwaͤrtigem zustand/ bequeme mich der zeit in demjenigen/ was das gewissen noch zugibet; und werden also Eu. Gn. mir auch dieses guͤtig zugeben/ ꝛc. 1692. SECTIO XVII. Vom geschenck-geben und nehmen in gerichtlichen haͤndeln. Die vorgelegte frage. Ob man an einem ort/ wo man zu negotii ren oder vielmehr recht- lichen ausspruch zu gewarten hat/ demjenigen Rath/ der in der sache vermuthlich referi ret/ und durch seine relation und vo- tum der parthey grossen schaden und vortheil thun kan/ mit gutem gewissen ein geschenck geben oder versprechen koͤnne/ ehe die sache ausgemachet ist? Wie ARTIC. II. SECTIO XVII. W Je diese frage an sich selbs sehr wichtig ist/ also wird sich in fleißtgem nachdencken zeigen/ daß sich mehr difficul taͤten darinnen finden/ als man erstlich gedencken moͤchte/ daß auch mit blossem unbedingten ja oder nein sich nicht antworten/ ja auch ohne gewisse præparatoria zu der ant- wort selbs nicht schreiten laͤsset. Daher ich in der furcht des HErrn die gan- tze materie uͤberlegende/ sie in etliche saͤtze abzutheilen noͤthig finde. 1. Denen Assessoribus, Raͤthen und Consulent en eines jeden/ sonderlich hohen/ gerichts/ als welche von solchem ihrem amt leben muͤssen/ sollen billich solche besoldungen/ oder auch maͤßige und durch die gesetze bestimmte acciden- tia, von den partheyen (wiewol das erste fuͤglicher/ und dasjenige/ was von den partheyen zu geben/ sicherer dahin zu lieffern waͤre/ wovon sie die besol- dung zu empfangen) assigni ret werden/ daß sie ihr leben nach ihrer condition (so aber nicht so wol nach ihrer ambition zu reguli ren/ als von andern recht- schaffenen verstaͤndigen leuten zu æstimi ren waͤre) fuͤhren moͤgen/ und bey ih- rer arbeit nicht mangel leiden doͤrffen. Dieses ist der billichkeit/ ja der ge- rechtigkeit gegen diejenige/ so zu dero handhabung gesetzet sind/ selbs gemaͤß. Damit sich solche leute nicht aus mangel des noͤthigen unterhalts nach an- dern unrechtmaͤßigen accidenti en umsehen/ und damit der gantze lauff der ge- rechtigkeit gefaͤhrlich gehemmet werde. Geschihet solches nicht/ und es wird nachmal von ihnen in solcher sache wider ihre pflicht gethan/ so sind sie zwahr damit vor GOTT und in dem gewissen nicht entschuldiget/ indessen faͤllet gleichwol ein grosser theil der schuld des daraus entstehenden geschenck- gebens und nehmens auf diejenige obere/ welche jenen ihre nothdurfft billich assigni ren/ und also die andere inconvenientia dadurch verhuͤten solten. 2. Welche zu administration der gerechtigkeit gesetzet sind/ es seyen nun selbs die richter und assessores, oder deroselben consulent en/ oder welche die relationen zu stellen haben/ koͤnnen nicht mit unverletztem gewissen/ ohne was etwa gewisse gebuͤhren moͤchten lege verordnet seyn/ von den partheyen eini- ge geschenck oder gaben suchen/ oder da sie ihnen offeri ret werden/ annehmen. Die ursachen sind. 1. Weil die gerechtigkeit/ als ein stuͤck des schutzes/ wel- chen man von der Obrigkeit geniesset/ nicht soll erst doͤrffen erkaufft werden/ sondern zu der pflicht der Obrigkeit gehoͤret/ da hingegen zu ihrer unterhalt und anstalten der dinge/ welche zu ihrem amt gehoͤren/ von den unterthanen schoß und andere gebuͤhren abgestattet werden muͤssen: weswegen sie auch verbunden ist/ alles dermassen anzurichten/ daß die unterthanen nicht noͤthig haben/ jedes in specie, wessen sie von der Obrigkeit beduͤrfftig sind/ auffs neue mit geld zu bezahlen. Deswegen diejenige/ welche von der Obrigkeit zu der administration der justiz verordnet/ und ihnen deswegen zu ihrer subsistenz die salaria gegeben werden oder gegeben werden sollen/ dasjenige in dem nah- H h 2 men Das dritte Capitel. men der Obrigkeit ohne entgeld wiederfahren lassen muͤssen/ was die unter- thanen von der Obrigkeit/ eben deswegen/ weil es ihre Obrigkeit ist/ mit recht fordern doͤrffen. Wo mir also einer mein gehoͤriges recht in dem gericht nicht ohne geschencke wiederfahren lassen will/ und mich also durch die sorge/ meine gerechte sache zu verliehren/ zu jenen noͤthiget/ der thut mir nicht viel ander unrecht/ als wo mich einer sonsten noͤthigen wolte/ ihm etwas des mei- nigen/ so er von mir in haͤnden haͤtte/ auffs neue wieder abzukauffen und zu redimi ren: welcher that unbillichkeit jeglichem leicht in die augen leuchtet. 3. Sind auch solche geschencke in den gesetzen und rechten ausdruͤcklich verboten: und zwahr nicht nur in den weltlichen und menschlichen/ sondern zumal auch in den goͤttlichen rechten: Da es heisset 2. Mos. 23/ 8. Du solt nicht geschenck nehmen/ denn geschenck machen die sehende blind/ und verkehren die sachen der gerechten. So wiederholet wird 5. Mos. 16/ 19. Zwahr gehoͤret solches bekantlich zu dem juͤdischen policey-recht/ so uns an und vor sich selbs nicht verbindet/ als so fern und welche satzungen auf dem grund der allgemeinen billich- und gerechtigkeit und liebe des nechsten beru- hen/ darunter wir aber dieses mit recht zehlen: auch dessen zeugnuͤß ist/ daß sich gleiche gesetze auch bey andern voͤlckern finden/ so ihnen von klugen und der ge- meinen wolfahrt kuͤndigern maͤnnern/ ohne absicht auf die juͤdische policey gegeben worden. Daher wir solches gesetz/ als einen sondern ausdruck des uns alle verbindenden moral- gesetzes/ und was dawider geschihet/ vor ei- gentliche und schwehre suͤnden zu achten haben. 4. Werden die meiste Assessores und Raͤthe bey denen gerichten gemei- niglich mit sonderbaren ordnungen versehen/ darinnen solcherley geschencke gewoͤhnlich ihnen blosserdings verboten werden/ auf solche werden sie ange- nommen/ und muͤssen meistentheils dieselbe mit leiblichem eyde besch wehren. Wo sie dann nun dawider thun/ machen sie sich noch uͤber die uͤbrige suͤnden auch eines meineyds schuldig/ dessen greuel vor GOTT nicht gnug ausge- druckt werden kan. 5. Stuͤrtzen sich solche/ welche geschenck annehmen/ in die gefahr eines ungerechten urtheils oder voti, so von ihnen gegeben/ und dadurch veranlasset werden kan: zwahr entschuldiget man sich damit gemeiniglich/ man nehme die geschencke/ aber spreche doch was recht ist. Aber es betriegen sich solche leute sehr/ und weil sie ihnen etwa einen vorsatz/ das recht nicht zu verletzen/ gefasset haben/ bilden sie sich vergebens ein/ als stuͤnde solches nachmal allerdings in ihrer macht/ nicht bedenckende/ wie das urtheil des menschlichen verstandes so viel auch von dem willen/ undwas demselben angenehm oder zu wider ist/ de- pendi re/ und darnach geaͤndert werde. Wir erfahren je alle taͤglich an uns/ wie ARTIC . II. SECTIO XVII. wie wir so leicht dasjenige glauben/ was wir gern wollen/ und uns so offt ei- ne sache dermassen vorkommet/ nicht so wol wie sie an sich selbsten ist/ als wir sie zu seyn gern sehen: Hingegen finden wir abermal auch bey uns/ daß die empfangene geschencke/ da sie uns angenehm sind/ eine sonderbare af- fection gegen denjenigen der sie gibet/ erwecken/ aus welcher man bald ver- langet/ daß derselbe recht haben moͤge: daraus ferner geschihet/ daß man ei- nes solchen mannes sachen lesend/ sie bald mit durch liebe verblendeten augen ansihet/ daß dasjenige was fuͤr ihn ist/ uns so klahr in die augen leuch- tet/ daß das andere was dagegen ist/ keinen platz mehr bey uns findet/ und wir freylich wie in eigenen also auch derjenigen sache/ die wir durch affection der parthey uns gleichsam eigen gemacht haben/ sehr blind werden. Wel- ches in vorangezogenem spruch 2. Mos. 23/ 8. GOtt selbs sagt/ daß auch die weisen durch geschencke blind werden. Welches Sirach auch sehr fein aus- trucket c. 20/ 31. Geschencke und gaben verblenden die weisen/ und le- gen ihnen einen zaum ins maul/ daß sie nicht straffen koͤnnen. Wer also sich diese einbildung machet/ er koͤnne wol geschenck nehmen/ und dannoch unverruͤckt und ohne die geringste partheylichkeit bey der gerechtigkeit blei- ben/ der trauet sich mehr zu als er soll. Einmal GOtt sagt/ daß auch die wei- sen/ welche sonsten guten verstand haben/ und ohne diese hindernuͤß das recht ohne fehl sehen wuͤrden/ welche auch sonsten einen vorsatz moͤgen gehabt ha- ben recht zu thun/ durch geschencke blind werden/ und also nicht nur gesche- hen kan/ daß sie wider besser wissen und gewissen das unrecht recht sprechen/ sondern daß sie auch wahrhafftig ihre affecten dermassen blenden und ein- nehmen/ daß sie schwartz vor weiß/ und alles was fuͤr die beliebte parthey streitet/ staͤrcker als es in der wahrheit ist/ ansehen. Wann dann ein mensch gedencket/ ich kan geschencke nehmen/ und soll mich solches doch nicht blenden: wolte ich nur fragen/ wem wol am billichsten zu glauben seye/ einem men- schen/ der sich vieles gutes zutrauet/ oder GOtt selbs/ der des menschlichen hertzens betruͤgliche boßheit von grund aus kennet? Jch hoffe niemand werde leicht so unverschaͤmt seyn/ jenem vor diesem lieber glauben zuzumessen. 6. Kommt noch diese ursach hinzu/ wo einer so starck solte seyn/ daß er sich durch die geschencke nicht von dem richtigen urtheil der gerechtigkeit ab- wenden liesse/ so ist doch noch eine ursach/ welche solche zu nehmen verbeut/ nemlich das boͤse exempel/ welches damit gegeben wird/ dadurch auch ande- re solche zu nehmen bewogen werden/ von denen diejenige/ welche sich etwa starck gnug zu seyn einbilden moͤgen/ selbs glauben werden/ daß sie kraͤfftig gnug seyn moͤgen/ deren sinn zu corrumpi ren/ und also zu offenbahrer unge- rechtigkeit mehr und mehr den weg zu bahnen. Jst also solches nehmen auch H h 3 des- Das dritte Capitel. desjenigen/ der sich nicht verblenden liesse/ nicht nur ein schein eines boͤsen denjenigen/ welche sein innerstes nicht gnugsam erkennen/ und von ihm dar- nach urtheilen/ wie die menschen insgesamt gesinnet zu seyn pflegen/ sondern/ es ist auch eine verleitung anderer/ sonderlich wo es von denen wahrgenom- men wird/ welche sonst ein gutes zeugnuͤß und ruff der gerechtigkeit haben/ daß die uͤbrige/ welche ohne das dem unrecht nicht so feind sind/ ihnen dasje- nige nicht weniger erlaubt achten/ was sie von denselben sehen: und faͤllet also die schuld solches staͤtswaͤhrenden uñ im̃er erneurenden/ ja zunehmenden aͤr- gernuͤsses im̃er wieder auf jenen/ der mit seinem exempel andere staͤrcket. Die- se gruͤnde hoffe ich/ sollen starck gnug seyn/ zu erweisen/ daß einmal solche ge- schencke mit gutem wissen nicht genom̃en weꝛden moͤgen/ sondeꝛn daß sie suͤnd- lich seyen. Es wird auch deroselben suͤndlichkeit damit nicht auffgehoben/ wo solche personen sagen wolten/ daß sie aus noth wegen mangel des Salarii der- gleichen thun muͤsten. Dann ob zwahr in solchem fall/ wie bereits erwehnet/ auff die jenige vieles zuruͤck faͤllet/ bey denen es stehet/ daß die billichkeit ih- nen nicht gedeyet/ so hebet dennoch solches ihre suͤnde nicht auff/ sondern sie muͤssen mit andern remonstrationen und ansuchungen ihrer noth zu helffen suchen/ und doͤrffen so wenig sich mit unrecht an andern zu erholen trachten/ als man den soldaten/ welche in dem krieg ihren sold nicht bekommen/ auch darin miserabel sind/ nicht billiget/ da sie sich auff das rauben und stehlen le- gen/ aber ohngeacht dessen daruͤber von der justiz abgestrafft werden. 3. Wo solches geschencknehmen anfangt einzureissen und bekant wird/ ist die hohe Obrigkeit uͤber jedes solches gericht verbunden/ ein scharffes ein- sehen zu haben/ die sache zu untersuchen/ und wen man darinn schuldig be- findet/ auffs nachtruͤcklichste und andern zum schrecken als einen corrupto- rem justitiæ, der sich an dem publico hefftig verschuldet/ zu straffen. Thut sie solches nicht/ so faͤllet abermal auff ihre verantwortung ein grosses theil der schuld der daher entstehenden ungemach/ und auch daruͤber zu seiner zeit ausbrechender goͤttlicher gerichte/ die auff alle ungerechtigkeit dermaleins folgen. 4. Jnsgemein und ordentlicher weise suͤndiget nicht nur derjenige/ wel- cher dergleichen geschencke nimmet oder suchet/ sondern auch derjenige wel- cher dieselbe gibet. Wenn nemlich 1. bey einigem gericht (so ich nicht weiß/ ob es aller orten uͤblich) herkommens/ daß die partheyen voran oder hernach/ daß sie nichts spendiret haͤtten/ bezeugen/ oder solches mit geluͤbd oder eyd bestaͤtigen muͤssen. Jn welchem fall so wenig dergleichen zu thun mehr er- laubt ist/ als ich sonsten wider die wahrheit oder eyd ohne suͤnden nichts thun kan. 2. Wo an einem gericht die gewohnheit noch nicht allzustarck eingeris- sen ist/ daß daher ihr noch auff allerley weise mit nachtruck resisti ret werden kan/ ARTIC. II. SECTIO XVII. kan/ und von jeglichem assessore mit dem man es zu thun hat/ sich noch die hoffnung schoͤpffen laͤsset/ daß er solcher art nicht seyn werde. Da hingegen diejenige/ welche entweder erstmals eine solche boͤse sache anfangen und auff- bringen/ oder da sie noch nicht uͤberhand genommen/ dazu mehr vorschub thun/ nicht nur auff oben ausgefuͤhrte art sich versuͤndigen/ sondern ihre suͤn- de damit schwehrer machen/ daß sie ein dergleichen ungluͤck einfuͤhren/ deme weder sie noch andere dermaleins zur gnuͤge zu steuren vermoͤgend sind/ und so zu reden einen brand anstecken/ welcher weiter um sich frisset/ als sie an- fangs selbs gedacht hatten; daß auff ihnen gleichsam eine solche schuld liget/ wie dorten dem Jerobeam so offt das schaͤndliche prædicat zugeleget wird/ der Jsrael suͤndigen machte. So lange also noch ein widerstand gegen diese ungerechtigkeit vorhanden ist/ kan man mit gutem gewissen derselben nicht weichen. 3. Also gehoͤret auch diese condition dazu/ daß es nicht erlaubt seye/ als lang einige hoffnung ist/ auff andere art/ durch anlangung der hoͤ- heren Obrigkeit/ oder was vor mittel sonsten seyn moͤgen/ zu seines rechts er- haltung zu gelangen. Also auch/ so lange annoch eine vernuͤnfftige hoffnung von dem referenten in specie uͤbrig bleibet/ daß er sein gewissen selbs in acht nehmen/ und ohne solche unzimliche mittel vor denselben zu der gerechtigkeit sich bewegen lassen werde. 4. So viel weniger ist es erlaubt/ da eine sache auch einigen scheinbaren zweiffel hat/ und die gerechtigkeit der einen parthey nicht so klahr vor augen liget/ daß jeder unpartheyischer dieselbe offenbarlich erkennen kan. Wie dann offt geschihet/ daß einer sich in seinem gewissen uͤ- berzeuget zu seyn achtet/ daß er eine gute sache habe/ da aber die eigene liebe zu sothaner uͤberredung offtmal vieles beytraͤget/ und es geschehen kan/ daß die andere parthey mehr recht habe/ so man dieser seits wegen seines affects nicht also wahrzunehmen vermag; doch leugne ich nicht/ es seyen zu weilen einige sachen so offenbaren rechts/ da sich auch unpartheyische des andern theils unverschaͤmter ungerechtigkeit verwundern muͤssen/ und klahr zu se- hen/ daß der gegentheil entweder durch gewalt die sach durchzutreiben/ oder auff andere der gerechtigkeit widrige weise und mittel seinen gegentheil zu untertrucken/ oder zu seinem vortheil die sache auff die lange banck zu schie- ben/ und zeit zu gewinnen suche. Jndessen sind gleichwol nicht alle sachen von sothaner offenbaren gerechtigkeit/ sondern sehr viele etwa dermassen in- tricat, daß ein verstaͤndiges und mit affecten auff keinerley art eingenomme- nes gemuͤth dannoch zu schaffen hat/ welcher theil recht habe/ zu erkennen. Wo dann eine sache dermassen bewandt/ wie vielleicht die meiste seyn moͤgen/ und wir unserm eigenen urtheil nicht trauen doͤrffen/ deswegen den richter- lichen uñ in demselben so viel als Gottes ausspruch mit gedult erwarten/ und dermaleins uns gefallen lassen sollen/ so ziemet sich nicht/ durch geschencke an dem Das dritte Capitel. dem gemuͤth des referenten etwas zu tenti ren/ daß es nicht mit gleicher un- partheylichkeit beyderley argumenten und momenta causæ ansehen koͤnnen/ und also ein gerechtes urtheil sprechen. Daß nun in diesen terminis geschenck zu nehmen unrecht seye/ meine ich/ werde unschwehr erwiesen. 1. Weil ein solcher der es thut/ mit willen zu des andern suͤnde (dann daß jener daran suͤndiget/ wird zur gnuͤge erhaͤrtet seyn) mit cooperi ret und hilft/ daher sich derselbigen theilhaftig machet/ folg- lich auch in die gemeinschafft des goͤttlichen gerichts dagegen faͤllet. 2. Nicht allein suͤndiget ein solcher durch die participation an des andern suͤnde des nehmens/ sondern da er hiedurch entweder solchen Gott mißfaͤlligen gebrauch der geschencke anfaͤngt/ wo er noch nicht gewesen/ oder weiter staͤrckt/ und im- mer durch jedesmal zu solchem verderben mehr hinzu thut/ daß desto schweh- rer zu helffen/ und das aͤrgernuͤß wiederum abzuthun wird: daher jeglicher/ welcher in den oben angedeuteten terminis geschencke gibet/ in gewisser maaß theil hat an andern corruptionen, die aus solcher boͤsen/ und doch auch mit seinem exempel bestaͤtigten/ gewohnheit her entstehen. 3. Kan wahrhafftig durch ein solch geschenck der Richter oder referent (welche so fern hie in glei- chem recht stehen moͤgen/ weil dieses relation zu jenes ausspruch das meiste zu contribui ren pfleget/ oder doch daß solches geschehen werde/ vernuͤnfftig zu dencken ist) corrumpi rt/ das ist/ zu einem dem gebenden (gesetzt/ er meine auch er habe recht/ wie man sich gern selbs flatti ret) favorabl ẽ aber in der that unrechten urtheil verleitet werden: da zwahr in dem leibl. etwas gewonnen/ aber gewißlich an goͤttlicher gnade ein viel groͤsserer verlust gelidten wird. 4. Hat auch solches unzulaͤßige mittel eine art eines unglaubens in sich. Das gericht wird dem HErrn und nicht den menschengehalten/ daher auch nicht zu zweiflen ist/ daß/ so lang noch seine ordnung nicht voͤllig uͤber einen hauffen geworffen/ er seine hand immer dabey habe/ und nachdem ja bekantlich alle hertzen in seiner gewalt und regierung stehen/ sie also zu leiten wisse/ es auch gegen diejenige/ so ihn fuͤrchten/ also thun und solchen ausspruch folgen las- sen werde/ welcher ihnen ersprießlich seye. Wer nun dessen nichts hoffen/ und weil er eine und andere ungerechtigkeit vorgehen sihet/ GOttes leitung gar aus den augen setzen will/ gleich haͤtte sie nichts mehr bey der sache zu thun/ der zeiget/ daß ihms auch an dem noͤthigen glauben und vertrauen an GOtt fehle. Hiezu mag 5. auch gesetzet werden das schwehre aͤrgernuͤß/ so daher entstehet/ sonderlich wo es geschaͤhe von solchem/ von dem man sonsten die opinion der gerechtigkeit oder froͤmmigkeit gehabt haͤtte. Jndem so offt rechtschaffene christliche hertzen dergleichen zu geschehen sehen/ sie daruͤber be- truͤbt werden/ und uͤber den greuel ihrer zeiten seuffzen (so allemal denen die es verursachen schwehr wird) die geschenckliebende Richter oder referenten wer- ARTIC. II. SECTIO XVII. werden je mehr und mehr in ihrer ungerechtigkeit gestaͤrcket/ und achten sich durch die mehꝛ und mehr einꝛeissende gewohnheit sicher: andere in recht ligen- de werden zur nachfolge verleitet oder gezwungen/ arme und unvermoͤgliche ausgeschlossen/ daß sie zu ihrem recht jemal zu gelangen keine hoffnung uͤbrig behalten/ und also vollends der zorn GOttes/ eines staats grund-festen um- zureissen/ mit gewalt herbey gezogen. 5. Wie nun indessen dieses die regel ist/ also will ich nicht leugnen/ daß gewisse faͤlle seyn moͤchten/ wo dergleichen geschencke ohne verletzung des ge- wissens koͤnten versprochen werden. Es wuͤrden aber folgende conditiones dabey seyn muͤssen. 1. Daß unsre sache nicht nur gerecht/ sondern so offenbar gerecht seye/ daß nicht nur wir selbs/ sondern auch andere unpartheyische/ die wir auff ihr gewissen deswegen befragt/ dasselbe ohne einigen anstand/ auch nachdem des gegentheils fundamenta wol erwogen/ erkennen/ und damit vor GOttes gericht zu erscheinen freudig getrauen. 2. Daß es auch etwas wichtiges antreffe/ dessen wir nicht ohne grossen schaden und hindernuͤß in un- serem leben entrathen koͤnten/ sonderlich wo es auch dinge sind/ daran durch uns andern vieles gelegen. 3. Daß an einem ort die gewohnheit so eingeris- sen/ daß sie allgemein/ dagegen keine huͤlffe der Oberen annoch zu erlangen/ und also sie zwahr nicht zu einem eigentlichen lege, so nicht geschehen kan/ worden/ aber vim tyrannidis gleichsam erlanget hat/ daß wir zu schwach sind/ derselben zu resisti ren. 4. Daß also nicht nur die sorge einer gefahr/ sondern so viel menschliche vorsichtigkeit sehen kan/ keine vernuͤnfftige hoff- nung mehr uͤbrig ist/ anderer art zu seinem recht zu kommen/ weßwegen auch das gemuͤth des assessoris oder referenten uns so bekant seyn muß/ daß wir ohne verletzung der liebe und aus unbetruͤglichen zeugnuͤssen ein solch schlech- tes vertrauen gegen ihn tragen muͤssen/ und nicht anders koͤnnen/ mit einer solchen gewißheit/ als in einem analogo casu, wo man das juramentum per- horrescentiæ schwehren solte/ erfordert wuͤrde. 5. Dazu gehoͤret endlich/ daß man ja bey dem verspruch nichts anders und keine sondere favor erbitte/ sondern allein projustitia causæ und dero beforderung ansuche: auch nach der sachen ausgang austruͤcklich bezeuge/ daß man zwahr ex promisso dasje- nige liefere/ aber seinem gewissen heim gebe/ ob er es von GOtt anzunehmen getraue/ auch wozu er es anwenden wolle; auff daß man also so viel an uns ist/ das aͤrgernuͤß abwende oder mindere. Wobey noch 6. aus dem vorigen zu wiederhohlen/ daß kein verspruch vielweniger eydliches geluͤbde ein sol- ches nicht zu thun dem judicio muß geschehen seyn/ oder noch ferner geleistet werden: als in welchem fall es auff keine weise geschehen koͤnte/ sondern alles lieber um der ehre GOttes willen in die schantz zu schlagen waͤre. Wo aber diese conditiones sich finden/ (ich wuͤnsche aber hertzlich/ daß J i sie Das dritte Capitel. sie sich nirgend finden moͤchten) achte ich/ daß man ein solches sonsten nach o- bigem ausgefuͤhrten unzulaͤßiges geschenck zusagen und geben moͤge. Die fundamenta sind diese. 1. Weil wir bey einem solchen gericht dessen zustand so ansehen muͤssen/ daß oͤffentlicher gewalt daselbs regiere/ und GOtt selbs fast gar davon gewichen seye: weßwegen was wir in solchem fall geben/ auch muß angesehen werden/ als mit gewalt uns abgezwungen. Wo eine rau- berey in einem land vorgehet/ und ich/ der ich das meinige bey mir fuͤhre/ das ungluͤck habe/ unter die raͤuber zu gerathen/ sie aber fordern eine reuter-zeh- rung von so und so viel von mir/ mit betrohung/ daß sie mir sonsten alles neh- men wolten/ odeꝛ auch/ wosie es nicht mit woꝛtensagen/ mir aber bekant ist aus allen exempeln/ daß sie auff den verweigerungs-fall solches zu thun pflegen/ da kan ich mit gutem gewissen dasjenige/ was jene mit unrecht von mir for- dern/ solte es auch schon nicht mit austruͤcklichen worten/ sondern andern an- zeigungen geschehen/ ihnen geben/ damit ich das andere erhalte/ und also mit einem geringern verlust den groͤssern abwenden. Es wird auch solches geben/ welches die rechtmaͤßige fuꝛcht mir ausgepꝛesset/ nicht als ein fꝛeywilliges ge- ben angesehen/ wie es auch in der that nicht ist/ sondern wo daruͤber zu urthei- len ist/ haͤlt man es vor einen zwang. Nicht ein anders urtheil kan von einem solchen præsupponi rten zustand eines gerichtes gefaͤllet werden/ als daß man so zu reden unter publicos prædones gerathe/ von denen wir die erhaltung unsers uͤbrigen mit einem verlust eines theils desselben redimi ren muͤssen. Man moͤchte zwahr einen unterscheid darinn suchen/ daß gleichwol bey einem solchen gericht keiner mit betrohung etwas fordere/ und formliche gewalt an uns uͤbe/ weßwegen das geben mehr freywillig als gezwungen seye. Nun ist nicht ohn/ daß freylich unter beyderley in dem eusserlichen und nach den umstaͤnden ein unterscheid seye/ aber es bleibet dannoch in der sache selbs ei- nerley; es ist die gewisse gefahr des verlusts/ dem ich sonsten nicht entgehen kan/ aber auff diese einige weise den groͤssern schaden abzuwenden muͤglich se- he: welches eine zwahr subtilere in dessen nicht weniger schaͤdliche gewalt ist. So bestehet zwahr das mittel dagegen dem ansehen und eusserlichen nach in einem geben/ es ist aber vielmehr ein nehmen und leiden als ein geben/ wo wo wir auff die innerliche bewandnuͤß gehen. Daher dasjenige argument, so sonsten mit recht ausser den angezeigten conditionen gegen das geschenck- geben gefuͤhret wird/ dahin faͤllet/ daß man sich damit der frembden schuld theilhafftig mache/ und anlaß zur suͤnde gebe. Dann ich kan mich nicht ei- gentlich der suͤnden theilhafftig machen/ mit einem leiden oder abgezwunge- nen geben/ sondern dazu gehoͤret ein freyer wille in dergleichen sachen: so gebe ich auch nicht anlaß zur suͤnde/ sondern die steckt ihrer wurtzel nach bereits in dem ARTIC. II. SECTIO XVII. dem gemuͤth des Raths/ und wo sie sich nicht an mir auslassen kan/ mit bekom- mung eines geschencks von mir/ so wird sie etwa die gelegenheit bekommen/ sich auszuuͤben in der erlangung von dem gegentheil und in ungerechtem ur- theil/ daher mir nicht muͤglich ist/ die suͤnde zu verhuͤten/ sondern nur noch in der wahl stehet/ in welchem objecto man ihm solches zu thun die gelegenheit lassen oder geben wolle. Gleichwie ich nicht hoffe/ daß jemand verstaͤndiger denjenigen/ welcher obiger massen von strassen-raͤubern/ sein uͤbriges mit ei- ner geringern summe redimi ret/ beschuldigen werde/ daß er damit die raͤuber in ihrer boßheit staͤrcke/ oder ihnen zur suͤnde anlaß gebe: daher ein gleiches von dem unter handen habenden casu zu æstimi ren ist. So ist bereits bey den ethicis bekant und ausgemacht/ daß solche handlungen nicht bloß pro voluntariis oder spontaneis erkant/ sondern mixtæ genennet werden/ welche die natur des wercks so fern aͤndern koͤnnen/ daß was aus solcher furcht und gewalt geschihet/ mag nicht unrecht seyn/ ob es wol unrecht waͤre ohne solche gewalt. Zwahr moͤchte man ein wenden/ wir sollen keine gewalt dem goͤttlichen befehl vorziehen/ sondern lieber alles leiden/ ehe wir wider densel- bigen suͤndigen wolten: welches ich auch gestehe/ und deßwegen nicht erlaubt achte/ um angethaner gewalt willen etwas desjenigen zu thun/ was eine suͤn- de ist. Zum exempel/ wo mich moͤrder zur verleugnung GOttes oder an- dern in sich unrechten dingen noͤthigen wolten/ habe ich auch mein leben nicht zu theuer zu achten/ daß ich es mit solcher suͤnde erkauffen wolte/ sondern da muß ich den nahmen des HErrn mit erwartung alles dessen/ was goͤttlicher rath ihnen ferner uͤber mir verhaͤngen will/ heiligen. Dahin gehoͤret auch in gegenwaͤrtigem casu, daß ich um keiner moral gewalt willen/ die wir darin- nen zu stecken achten/ einen meineyd oder eigentliche luͤgen begehen darff. A- ber es ist ein unterscheid unter den suͤndlichen handlungen/ deren einige eine solche innerliche boßheit in sich haben/ welche keinerley massen und nie recht sind. Zum exempel/ gotteslaͤsterung/ meineyd/ luͤgen/ verachtung GOttes/ haß des nechsten/ ehebruch und dergleichen/ andere aber bestehen in solchen handlungen/ die in sich keine innerliche boßheit oder turpitudinem haben/ sondern indifferente actiones sind/ aber aus andern ursachen boͤse werden: bey jenen also ist nie muͤglich daß sie erlaubt werden/ oder durch eine gewalt sich aͤndern koͤnten/ nicht aber mag von diesen gleiches gesagt werden. Da- her zum 2. zu mercken/ daß das geben eines geschencks an einen Richter/ oder mit dem gericht beschaͤfftigten person/ unter die erste art nicht gehoͤre/ indem das geben selbs eines geschenckes in andern umstaͤnden nichts boͤses/ sondern ein freywilliger gebrauch des meinigen seyn kan/ auch moͤchte ich einer solchen person ausser den gerichtlichen geschaͤfften/ auch nach geendigtem process aus einer blossen affection auff eine solche art/ da sie und andere sich nicht daran J i 2 aͤrgern Das dritte Capitel. aͤrgern koͤnten/ ohne suͤnde schencken: sondern es bestehet die malitia des actus in dem schaden/ welcher aus demselben entstehet/ weil nemlich damit er- und verkaufft wird/ was ohne entgeld solte erlangt werden/ weil damit leicht die gemuͤther verblendet/ und zur ungerechtigkeit verleitet werden koͤnnen/ auffs wenigste andere dadurch geaͤrgert/ und zu vieler ungerechtigkeit veranlasset werden/ und also das gemeine beste in vielen stuͤcken erfordert/ daß was sonst in andern faͤllen nicht verboten/ in diesem fall von GOtt jure positivo verbo- ten worden. Welche handlungen aber dieser art sind/ moͤgen durch eine ge- walt erlaubt/ und mehr vor leiden als thun geachtet werden: und damit faͤl- let jener einwurff dahin. Auch weil das verbot nicht geschenck zu geben zum grund dieses hat/ damit die gemeine wohlfarth befoͤrdert/ und die admini- stri rung der gerechtigkeit nicht gehemmet werde/ so macht 3. dieses ein neu argument vor diesen unsern satz/ daß eben zu der gemeinen wohlfarth und handhabung der gerechtigkeit auch gehoͤre/ daß in einem dergleichen verdor- benen zustand eines gerichtes denjenigen/ welche gleichwohl gewissenhafft verfahren wollen/ nicht alles versperret werde/ dadurch sie zu ihrem recht noch einigerley massen gelangen koͤnten. Massen dann sonsten der ungerechtigkeit/ dero zu wehren das verbotdes schenckens und nehmens die absicht hat/ da- durch mehr thuͤr und thor geoͤffnet/ alles dasjenige/ was ein ungerechter mensch vor ein gericht zu ziehen die macht bekommen/ lauter ungerechten in die rappuse gegeben/ und der gerechte und gewissenhaffte zum lohn seiner froͤmmigkeit deroselben muthwillen ohne uͤbriges mittel uͤberlassen wuͤrde. Nun wo ohne wahrhafftige suͤnde solcher gewalt nicht zuentgehen waͤre/ blei- bet wol dieses die condition der frommen/ daß sie von den ungerechten lei- den/ und mit dessen gedultiger ertragung den nahmen ihres GOttes preisen sollen/ welches sie auch nicht ungern thun muͤssen. Aber wie jenes verbot in dem leiblichen zum zweck und grund hat die gerechtigkeit und dero handha- bung/ folglich daß den gerechten moͤge wol seyn/ und sie darinnen dessen/ wo- zu ihnen die Obrigkeit gegeben ist (nemlich dir zu gut/ item daß sie nicht denguten sondern den boͤsen wercken zu fuͤrchten seye Rom. 13/ 3. 4 . ) auch in dengeꝛichtlichen dingẽ/ so viel in dem menschlichen leben geschehen kan/ geniessen/ nicht aber einer offenbahren oder verdeckten gewalt preiß gegeben werden/ so kan solches verbot sich nicht dahin und so weit erstrecken/ wodurch aller jener zweck umgestossen/ und der zustand derer welche eine gerechte sache haben/ nur elender und unheilbarer gemachet werden/ weil so GOttes/ der das gesetzgegeben/ als der menschen/ welche es auffs neue wiederhohlet ha- ben/ intention nimmer dieselbe gewesen seyn kan. Der HErr der GOtt der gerechtigkeit sehe auch in dieses verderben des gegenwaͤrtigen zustands/ welches forglich bey den gerichten sich hin und wie- der ARTIC. II. SECTIO XVIII. der finden mag/ regiere die oberhaͤupter/ alles ihrer seits zu thun/ was zu voͤl- liger abschaffung solches greuels noͤthig ist/ und damit die sonsten besorgliche zorn-gerichte abzuwenden; gebe denjenigen/ welche sich einigerley massen in solchen dingen mit geben und nehmen oder abdringen versuͤndiget haben/ ihre suͤnde bußfertig zu erkennen/ und auffs kuͤnfftige ihre hertzen von allem geitz und ungerechtigkeit/ ja auch schein des boͤsen/ zu reinigen; diejenige aber/ wel- che ihr recht an den staͤtten des gerichts zu suchen haben/ erfuͤlle er mit dem Geist der weißheit/ auch zu erkennen/ was sein heiliger will an sie in allen faͤl- len bey solchem werck seye/ mit muth und ernst demselben in allem nachzule- ben/ mit gedult die dabey befindliche beschwehrnuͤssen zu uͤberwinden/ mit glauben aus seiner regierung/ unter dero alle hertzen stehen/ ihr recht zu er- warten/ und endlich mit der freude/ daß sie in dem ausgang sehen/ daß GOtt noch richter auf erden/ und unter aller ungerechtigkeit der menschen selbs ge- recht/ auch der seinen schutz und Vater bleibe. 1685. SECTIO XVIII . An eine Christliche mutter/ deren soͤhne in boͤses leben gerathen. D Erselben gegen mich allezeit bezeugte christliche liebe/ und weil ich weiß/ daß es ihro um GOTT und seine gnade ein ernst ist/ erfordert von mir hinwiederum/ daß ich nicht nur ihro stets gedencke/ und auch ihren lieben nahmen in einem oͤfftern gebet vor den thron der gnaden bringe/ sondern daß auch zuweilen dieselbe solches meines christlichen angedenckens versichere/ und mich nachzufragen unterstehe/ wie es um ihre und der ihrigen seele stehe. Jch weiß/ daß ihre andere truͤbsalen/ so sie auf unterschiedliche art betroffen/ so sehr nicht in ihrer seele schmertzen/ als daß sie an mehrern der- jenigen/ welche ihr der HErr gegeben/ dasjenige bißher nicht hat sehen moͤ- gen/ wornach sie verlanget/ nehmlich/ daß sie ihnen auch das einige nothwen- dige vor allem liessen angelegen seyn/ da hingegen offenbar ist/ wie sie sich starck in die welt verliebt/ und fast mit solchen stricken derselben verbunden/ welche so leicht nicht wieder zu zerreissen sind: daher sie auch immer uͤber die- jenige anfechtung geklaget/ daß sie der guͤtige Vater auch in den stuͤcken nicht zu erhoͤren scheine/ worinnen sie doch nichts als der ihrigen seelen/ und also et- was/ welches ausdruͤcklich seiner ehr gemaͤß seye/ von ihm so flehentlich suche. Nun meine werthe Frau/ was ich mehrmal in gegenwart gemeldet/ wieder- hole nochmal zu desto hertzlicherm nachdencken/ und ruffe den HEꝛrn an/ daß er mit lebendiger erkaͤntnuͤß seines heiligen willens ihre liebe seele immer mehr und mehr beruhigen wolle. Daß sie wegen derjenigen/ welche ihr der HErr gegeben hat/ besorget ist/ thut sie nicht nur allein als eine christliche J i 3 mutter/ Das dritte Capitel. mutter/ welche die ihrige demjenigen/ dessen sie sind/ auf alle weise zuzufuͤhren verbunden ist/ sondern sie weist/ daß dieses gar die allgemeine Christen-pflicht seye/ daß uns nichts mehr angelegen solle seyn bey unserm nechsten/ als wie ihm ewig wol seyn moͤchte/ daher auch keine wichtigere ursach zur betruͤbnuͤß ist/ als wo wir einige sehen/ welche die gefahr ihrer seelen wenig behertzigen/ und also dieselbige immer schwehrer machen. Jch traue auch ihrem christli- chen gemuͤthe dieses zu/ daß sie es nicht werde haben ermangeln lassen/ ihre soͤhne treulich von jugend auf zu vermahnen/ daß sie sich dasjenige vor allen dingen liessen angelegen seyn/ davon ihnen ewig wol waͤre. Solte aber in mehrerm nachforschen das gewissen zeigen/ daß sie mit mehrer sorgfalt und ernst in den zarten jahren/ wo die gemuͤther noch am besten zu lencken sind/ haͤtten von der liebe der welt/ von dem trunck und vom freyen leben abgezogen werden koͤnnen/ als geschehen waͤre/ so waͤre dieses nothwendig/ sich auch deß- wegen vor dem angesicht GOttes zu demuͤthigen/ und dardurch seiner gnade sich zu versichern: welches von gantzem hertzen gethan/ nachmal einen treffli- chen grund leget einer mehrern seelen-beruhigung. Nechstdem ligt dersel- ben freylich ob/ nach allem dem vermoͤgen/ so ihr der HErr gibt/ noch jetzo fuͤr ihre seele zu wachen/ und da sie so fern in dem uͤbrigen ausser ihrer gewalt und in der frembde sind/ auffs wenigste tag und nacht zu demjenigen/ der ihr rech- ter Vater im himmel ist/ zu seuffzen/ daß er sich derer/ so in der irre eine gute weile gegangen sind/ in gnaden erbarmen/ und sie wiederum zuruͤckfuͤhrende/ ein zeugnuͤß seiner allmacht und guͤte erweisen wolte: wie es vor dem von des theuren Augustini mutter Monica, so ihren sohn von GOTT endlich erbeten hat/ heissen muste/ es seye nicht moͤglich gewesen/ daß ein sohn von so vielen thraͤnen solte haben koͤnnen verlohren gehen. Mit diesem gebet muß unauf- hoͤrlich angehalten werden/ als lang der HErꝛ die gnaden-thuͤr uͤber die unsri- ge noch offen/ und sie in dieser zeitlichkeit laͤsset/ ob seine guͤte endlich zu der letz- ten stunde dasjenige erfolgen liesse/ was wir laͤngsten zu geschehen gewuͤnschet hatten. Jndessen muß auch in diesem stuͤck unsre natuͤrliche/ ob wol an sich selbs rechte und billige liebe/ dem goͤttlichen willen und gerechtigkeit weichen/ und sich unterwerffen/ also daß wir der unsrigen heil nach aller krafft des Geistes/ die uns verliehen wird/ mit sorgfalt und gebet suchen/ aber unsern GOTT und dessen gerechtigkeit/ uns noch viel lieber als die unsrige seyn las- sen/ und deßwegen wider diese nicht murren/ wo GOTT an den unsrigen sei- ne ordnung nicht bricht/ nach dero er diejenige/ welche sich nicht mit seylen der liebe zu ihrem heil ziehen lassen wollen/ selten gleichsam mit gewalt dazu noͤthi- get. Also da ein dem HErrn treulich dienen der David an den seinigen nicht alles vergnuͤgen sihet/ und gar an einem Ammon und Absalon wenig hoff- nung behaͤlt/ sie ewig wiederum mit freuden zu haben/ muß er sich auch darin- nen ARTIC . II. SECTIO XVIII. nen unter GOttes hand mit gedult demuͤthigen/ und diejenige nicht mehr fuͤr die seinige erkennen/ welche sich selbs nun also von dem HErrn getrennet ha- ben/ daß sie unter die zahl der seinigen nicht wiederum kommen. Jch beken- ne/ es ist eine harte lection, und muß hierinnen der natur gleichsam gewalt thun/ aber wie an jenem tage/ da wir das fleisch gantz abgeleget haben/ eltern nicht mehr schwehr wird werden/ auch die ihrige von sich und GOTT ewig geschieden zu sehen/ weil ihr wille nunmehr von dem goͤttlichen gantz durch- drungen ist/ also will uns GOTT auch noch hier in der welt diese gnade thun/ daß wir in der krafft seines Geistes die natur uͤberwinden/ und seiner gerech- tigkeit diejenige/ welche wir geliebet/ wo es nicht mit freuden seyn kan/ dan- noch mit gedult/ demuth und verleugnung unser selbs/ uͤberlassen. Es ist die- ses ein solcher todt unserer natur/ dadurch und daran sie nicht gern will; sich aber auch wie in andern stuͤcken von der weisen hand des Vaters/ so uns durch manchen todt zum leben gefuͤhret/ fuͤhren lassen muß: in welcher schul ich mei- ne geliebte Frau von GOTT lang bereits geuͤbet zu seyn wol weiß/ und den- selben hertzlich anruffe/ daß er sie in diesem und allem uͤbrigen nach seinem rath treulich leite/ und mit ehren annehme. Hiezu wird auch gehoͤren/ da sie die- jenige/ die von ihr entfernet/ und die meiste bande ziemlich zerrissen haben/ nicht selbs regieren kan/ sondern sie GOttes regierung mit hertzlichem gebet lediglich uͤberlassen muß: daß sie an den uͤbrigen lieben ihrigen/ welche sie um sich hat/ desto mehr treue erzeige/ und sie desto angelegenlicher und weißlicher von aller welt-gemeinschafft zu dem HErrn fuͤhre. Ach der HErꝛ segne auch solchen fleiß/ und gebe ihren muͤtterlichen erinnerungen eine lebendige krafft in die hertzen/ und schencke ihr/ (welches ich wol inniglich wuͤnsche) auch derje- nigen seelen/ welche sich fast muthwillig verderben haben wollen/ oder troͤste sie uͤber diese so viel kraͤfftiger an den uͤbrigen. Von mir wolle sie versichert seyn/ daß nachdem ich zum zeugnuͤß einer danckbarkeit an ihr und ihrem hause nichts zu thun vermag/ auffs wenigste nicht unterlassen werde/ wie oben be- reits bezeuget/ ihre liebe person und anligen/ die ihrige insgesamt von dem HErrn zu ihrer erhaltung zu erbitten/ dessen vaͤterlichen guͤte vorzutragen. Nun derselbe staͤrcke sie mit seinem Geist/ versichere sie in allem uͤbrigen zu- stande seiner gnade innerlich/ und erfreue ihre seele also/ daß nach dem aͤngstli- chen ruffen auch freudiges dancken erfolge. Er weise ihr auch christliche freun- de zu/ deren gottseliger zuspruch auch ihre seele ermuntere/ wozu meines orts gern gelegenheit geben wolte. 1687. SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XIX. Als eine mutter einen ungerathenen sohn ins zucht- hauß bringen lassen wolte. J Ch habe in der furcht des HErrn der speciei facti und angehaͤngten ra- tionibus pro \& contra mit mehrerm nachgedacht/ sonderlich diese gegen einander erwogen/ da ich denn bekenne/ daß mir die sache nicht mehr so schwehr als bey dem ersten lesen (ohne zweiffel wegen damal schwacherer di- sposition des haupts) vorgekommen/ sondern ich getraue getrost zu sagen/ daß man mit einsperrung in ein zucht-hauß eines solchen menschen/ bey dem die boßheit beꝛeits dermassen erstaꝛcket/ daß sie andeꝛn gelindẽ mitteln nicht mehr weichet/ und kein scheinbarer grund einer guten hoffnung uͤbrig/ vielmehr eine gerechte sorge ist/ daß eine mehrere freyheit auch eine mehrere uͤbung der boß- heit mit sich bringen/ sich nicht versuͤndigen werde/ sondern dieses wol das ei- nige uͤbrige mittel seyn moͤchte/ dardurch er noch erhalten wuͤrde. Man muß rossen und maͤulern ein gebiß in das maul legen/ da sie nicht anders auf den rechten weg wollen. So sind die fuͤr solche affirmativam angefuͤgte gruͤnde so starck/ daß sie nicht viel weiter bedoͤrffen bekraͤfftiget zu werden. Was aber die gegen-gefuͤgte argumenta anlangt/ moͤgen sie die andern nicht auffhe- ben. 1. Daß der mensch nur 20. jahr alt. Dann dieses alter schon genug/ von der gleichen offenbaren lastern abzustehen/ welche nicht nur in einer jeweiligen jugendlichen uͤbereilung/ da man mit dem alter gedult tragen/ und von dem- selben nicht eben eine solche behutsamkeit in allem sich zu verwahren fordern kan/ bestehen/ sondern eine tieff-eingesessene und eingewurtzelte boßheit an- deuten: Dero zunehmung ordentlicher weiß mit den jahren eher zu sorgen/ als die abnehmung zu hoffen ist. 2. Daß er sich bessern koͤnne/ welches zwahr nicht zu leugnen/ aber dabey auch vernuͤnfftig zu bedencken/ ob man solches zu geschehen gegruͤndete hoffnung habe: Welche ich gleichwol betrachtet/ daß bißhero alle zuspruͤche vergebens gewesen/ noch nicht sehe/ es seye dann sache/ daß ein kraͤfftigeres mittel/ als das vorige gewesen/ gegen einen solchen har- ten kopff gebrauchet wuͤrde; desgleichen noch kein fuͤglichers/ als eben diese coercition in dem zucht-hauß absehe oder vorgeschlagen finde. Dahero die muͤglichkeit seiner besserung diesem mittel nicht entgegen gehalten werden soll/ sondern zu dessen ergreiffung anleitung geben mag. Um so vielmehr/ weil die Academi en jetzt durch und durch/ ob wol in unterschiedlichem grad/ dermassen bewandt/ daß eher zu sorgen/ daß durch die uneingeschren ckte frey- heit/ taͤglich vor augen schwebende aͤrgernuͤssen und boͤse gesellschafft/ auch bey noch feinen gemuͤthern/ und die sich zu hauß wol gehalten/ der boͤse saame/ so zu ARTIC. II. SECTIO XIX. zu der suͤnde und allerley weltlichen uͤppigkeit in aller hertzen stecket/ auffge- wecket/ und vorhin gut geweste verfuͤhret werden moͤchten/ als daß man mit grund hoffen solte/ daß ein mensch/ so bey weniger freyheit und unter fleißiger auffsicht der seinigen zu hauß in der boßheit so weit verfallen/ der mehreren Academi schen freyheit sich zur besserung gebrauchen werde; da diese vielmehr ihm die erwuͤnschteste gelegenheit seyn kan/ seinem muthwillen nun den ziegel voͤllig schiessen zu lassen/ davon ihn die auffsicht der Professorum, welche ohn das mehr zu thun/ als auf einen menschen stuͤndlichen zu sehen ha- ben/ noch eines hofmeisters nicht abzuhalten vermoͤgen wird. Ein anderes waͤre es/ wo unsere hohelschulen insgemein in solchem stand waͤren/ daß man an ihnen rechte werckstaͤte des H. Geistes und die meiste tugend-exempel saͤ- he/ wo vielleicht zu hoffen waͤre/ daß ein mensch/ der endlich gleichsam nichts anders als lauter gutes vor sich saͤhe/ dadurch gewonnen und zu anderm sinn gebracht wuͤrde. Jn bekantlicher ermangelung aber dessen/ und hingegen bewustem zustand der Academi en/ sehe ich nicht/ wie einer ihres sohns wahres beste suchender mutter verdacht werden koͤnne/ daß sie ein solches gefaͤhrli- ches mittel mit ihm nicht versuchen will/ davon sie kaum hoffnung haben kan- aber wol vernuͤnfftig foͤrchten muß/ daß dadurch der schade nur so viel unheil- samer werden/ alle hoffnung vollends verschwinden/ die boßheit voͤllig erstar- cken/ und er in solch ungluͤck gerathen moͤchte/ darinnen er zeitlich und ewig verlohren gienge; auch den seinigen endlich eine unausloͤschliche schande an- haͤngte. Darauf mans ja bey so gegruͤndeter sorge nicht kommen lassen sol- le. 3. Daß er dabey auf einmal ruinirt/ weil er hoffaͤrtiges und zorniges ge- muͤths/ daß ihn solche disciplin nur desto bitterer und desperat machen moͤch- te. Dieses solte scheinen von grossem nachtruck zu seyn/ und das zucht-hauß gantz abzurathen. Wo es aber recht eingesehen wird/ mags abermal solchem proposito nicht hinderlich seyn. Man redet entweder von dem ruin seiner seelen/ oder seiner zeitlichen fortun: jener kan bey vorsichtiger verfahrung in den anstalten nicht wol zu sorgen seyn: was diesen anlangt/ so ist die zeitliche fortun bey ungeaͤndertem gemuͤth ihm mehr schaͤdlich als nuͤtzlich/ weil sie al- lein ein schwerdt seyn wuͤrde/ damit er sich und andere verletzte. Wird er aber geaͤndert/ so ruinirt ihm solche zucht seine fortun nicht. Es sind etwa mehrere exempel solcher leute/ welche heimlich in zucht-haͤuser gethan/ und in sonderbaren deren gemaͤchern gehalten worden/ da sie aus angeschafften buͤ- chern proprio Marte studi ren muͤssen/ und dazu desto mehr/ an ihrem fleiß nichts ermangelen zu lassen/ angetrieben worden/ weil sie wissen/ daß keine befreyung daraus zu hoffen seye/ biß sie etwas rechtschaffenes præsti rt/ und ein examen ausstehen koͤnten/ auch sonsten genugsame proben ihres geaͤnder- ten gemuͤths von sich eine geraume zeit gegeben. Welches einsame leben/ da K k man Das dritte Capitel. man nichts als gutes vor sich hat/ keine gelegenheit/ seine vorige suͤnden wie- der zu uͤben/ erlangen kan/ und allgemach aus der noth und auch aus der hoff- nung der erloͤsung zur arbeit gewoͤhnet wird/ von trefflicher krafft seyn kan/ ein gemuͤth zimlich zu aͤndern/ und die vorige boͤse gewohnheit wieder zu bre- chen. Wird nun solches erhalten/ so ist seine fortun mehr befoͤrdert als ge- hindert/ und wo er zu einem rechtschaffenen mann worden/ mag ihm dasjeni- ge nicht schaden/ wo ers worden seye/ weil ohne das keine infamia in solcher sa- che stecket; wird es aber nicht erlangt/ so ist ihm obgedachter massen eine eus- serliche fortun sein mehreres ungluͤck/ und ist besser/ er erzuͤrne und betruͤbe sich an einem ort/ wo er niemand schaden kan uͤber elend/ das er sich selbsten macht/ alsdaß er bey anderen wichtigere ursache zur groͤsseren betruͤbnuͤß mache/ wo er seinem boͤsen willen nachzuleben gelassen wuͤrde. Daß er hoffaͤrtig und zornig/ erfordert vielmehr eine solche zucht/ die ihn mit nachtruck demuͤthige/ und den zorn allgemach vertreibe/ da er sihet/ mit demselben nichts auszurich- ten. So hoffe/ daß gleichwol auch an solchen orten der disciplin die vorge- setzte werden leute seyn/ so verstand haben/ und mit einem jeglichen also um- zugehen wissen werden/ wie sie finden/ daß jetzt haͤrters/ bald gelinderes tra- ctament ihm diensam seye/ so denn sie dermassen zu verwahren und zu versor- gen wissen/ daß sie sich selbs oder andern aus desperation schaden zu thun/ nicht vermoͤgen; da mir sonsten ein trauriges exempel einiger vornehmen soͤh- ne in demzucht-hauß zu Dantzig bekant/ wo aber die schuld auf die auffseher mag gefallen seyn. Uberlegt alles dessen finde also nichts/ was mit grund ge- dachtem vorschlag moͤchte entgegen gehalten werden. Der HErr/ dessen auch diese seele ist/ und er deroselben todt nicht wollen wird/ erbarme sich ihrer/ und gebe diejenige resolution, oder da sie bereits gefast/ denjenigen segen dazu/ welche und welcher zu erhaltung dieses armen menschen/ so sonsten in das ewi- ge verderben schnurstracks lauffen wolte/ und der beruhigung der angehoͤri- gen noͤthig ist. 1685. SECTIO XX. Q o vaͤterlicher wille im testament/ die soͤhne nach seinem tode verbinde? FACTI SPECIES . E S hat ein vater in seinem testament an seine soͤhne/ sie von dem unter- tehen des gold- und silber-machens abzuziehen/ diesen paß mit inseri ret: Gestalt sie dann sich auch aller unnuͤtzer betruͤglicher kuͤnsten/ insonderheit des gold-machens und vermeintlicher erforschung kuͤnff- tiger dinge/ auch anderer in die Magiam einlauffender sachen/ dar- durch ARTIC. II. SECTIO XX. durch viele/ auch hohe Standes-personen sich zum oͤfstern vergebens eingebildet/ groͤsser und reicher zu werden/ so lieb ihnen GOttes huld und gnade ist/ gaͤntzlich enthalten sollen. Ein sohn laͤst sich in die sache ein/ geraͤth aber auf sophistische wege/ daruͤber er seinem weib zu gefallen auch verspricht/ mit der sache nichts mehr zu thun zu haben. Daraus entstehet Die Frage: O B ein solcher sohn/ da er meint nunmehr durch GOttes gnade dem zweck zimlich nahe zu kommen/ und christliche intentiones hat/ nicht groͤsser oder reicher zu werden/ oder groͤssere unkosten anzuwenden/ sondern nur eintzig und allein GOTT zum ruhm die natur zu untersuchen/ zu erkennen/ was uns GOTT in die natur geleget/ wie das liecht von der finsternuͤß zu erkennen/ ja die schwehre dicta heiliger schrifft/ nicht was die seligkeit betrifft/ sondern in den Hieroglyphi schen worten/ uns solche dinge ein mehrers liecht gebẽ/ gegen das testament in solchem studio etwas ferner thun doͤrffte/ oder ob es besser seye/ darvon abzulassen und nur gehorsam zu leisten/ wie jene im Alten Testa- ment/ die Rechabiten/ gethan Jerem. 35. und es GOTT anheim zu stellen/ ob er durch andre dieses geheimnuͤß der natur wolle eroͤffnen? Also ob das verlangen GOttes wunder zu erkennen/ oder das testament/ und dem weib gethanes versprechen/ vorzuziehen seye/ sonderlich weil das weib nichts glau- bet/ den dingen sehr feind ist/ und sich nicht ehe zu frieden geben wollen/ biß der verspruch geschehen/ damit keine zwistigkeit entstehe/ hingegen durch fortse- tzung der arbeit/ wann GOTT die gnade geben wolte/ dieses hohe arcanum naturæ an den tag zu bringen/ etwa das weib selbs noch moͤchte zur erkaͤnt- nuͤß der wunder GOttes gebracht werden? Wann aber alles abgesprochen wuͤrde/ ob dann dieses endlich mit gutem gewissen koͤnte zugelassen werden/ daß man zum lobe GOttes und zur ergoͤ- tzung der sinne die Philosophische buͤcher lesen doͤrffe/ darmit der grund nicht gar uͤbern hauffen gienge/ und das lob GOttes dardurch immer erhalten wuͤrde/ ob gleich keine practica tracti rt wuͤrden? Hierauf in der forcht des HErrn zu antworten/ so solte fuͤr die freyheit des sohns in der arbeit fortzu- fahren vieles vorgestellet werden koͤnnen/ so nicht wenig bedencken ma- chen mag. 1. Was das vaͤterliche testament anlangt/ kan solches verstanden wer- den allein von betruͤglichen kuͤnsten/ nicht aber wo man der natur geheim- nuͤssen ohne betrug und mit gnugsamer vorsichtigkeit nicht betrogen zu wer- den/ nachforschet/ daher es auch den fleiß/ der in rechter ordnung und kluͤglich angewendet wird/ nicht verbeut. 2. Jst von eines christlichen vaters liebe gegen seine soͤhne nicht zu ver- K k 2 mu- Das dritte Capitel. muthen/ daß er seinen soͤhnen dasjenige/ was ihnen wahrhafftig nuͤtzlich waͤre/ und sie zum lobe GOttes antriebe/ werde haben verbieten wollen: Jst also das verbot des vaters in dem verstand zu erklaͤhren/ daß es auch seiner allge- meinen schuldigen vaͤterlichen liebe/ seiner soͤhne wahres bestes in allem gern zubefoͤrdern/ nicht entgegen seye. 3. Solte auch der vater aus irriger meinung/ daß dergleichen in der na- tur nicht zu finden/ und also aller an die arbeit wendender fleiß umsonst seye/ die disposition gemacht haben/ so wuͤrde dessen irrthum und was er daraus verordnet/ fast unbillich demjenigen zur hindernuͤß gemacht/ worinnen die soͤhne ihren nutzen auch in dem geistlichen machen koͤnten. 4. Liesse sich auch disputi ren/ ob eltern/ derer herrschafft uͤber die kinder mit ihrem tode auffhoͤrt/ mit ihren dispositio nen nach ihrem tode die kinder zu einigen ihnen nachtheiligen conditio nen obligi ren koͤnten. 5. Es moͤchte auch nicht ohne wichtigkeit angesehen werden/ wo man sagte/ die vaͤterliche dispositio schliesse austruͤcklich die absicht reicher und groͤsser zu werden mit ein/ wo also nicht diese/ sondern eine goͤttlichem willen gemaͤße absicht seye/ hoͤre jene verbindlichkeit auf. 6. Wie einer durch keine vaͤterliche disposition boͤses zu thun koͤnne ver- bunden werden/ also auch nicht ein mehrers gute zu unterlassen/ sondern wel- che disposition solches suche/ seye an sich selbs nulla. 7. Was dem weib versprochen worden/ scheinet auch nicht eben so buͤn- dig zu seyn/ wegen in der specie facti oder frage selbs einverleibter um- staͤnde. Diese ursachen solten scheinen so wichtig zu seyn/ daß man wider das te- stament und dem weib gethanen verspruch sprechen/ und des sohns gewissen freyheit die arbeit wiederum anzutreten geben moͤchte. Jch bekenne aber/ daß ich sie noch nicht vor gnugsam erkennen kan/ sondern meine gedancken in gewisse saͤtze eintheilen will. I. Die betrachtung und erforschung der natur ist eine sache/ so an sich selbs GOTT nicht entgegen/ sondern vielmehr dem zweck/ worzu er den men- schen in die welt gesetzet/ allerdings gemaͤß ist/ dann ob wir wol GOTT heil- samlich allein aus seiner offenbahrung in der schrifft erkennen lernen/ sonder- lich was unsre seligkeit angehet/ und nach den materien des andern und drit- ten articuls/ so will er doch auch in gewisser maaß erkant seyn in seinen fuß- stapffen/ welche er in die natur eingetrucket hat/ und wird dardurch der mensch auch zu goͤttlichem lob auffgemuntert und angefrischet. Von dieser unter- suchung der natur kan auch nicht bloß dahin ausgeschlossen werden/ daß man wegen verwandlung der metallen einen versuch thue/ ob solche muͤglich oder nicht: nur daß es auf solche weise geschehe/ daß man weder zu viel zeit noch kosten ARTIC. II. SECTIO XX. kosten anwende/ noͤthiges nicht daruͤber versaͤume/ und was GOTT auch zu noͤthigerm gebrauch gegeben/ damit durchbringe. II. Ob eine vorgegebene verwandlung der metallen in der natur muͤg- lich/ ist eine noch nicht gantz ausgemachte sache/ sondern ob wol nicht in abre- de bin/ daß mehr auff die affirmativam gehe/ und nicht alle exempel/ die man davor anzufuͤhren pfleget/ als betruͤglich/ zuverwerffen getraue/ so weiß doch/ daß leute/ die in dem uͤbrigen die natur fleißig erforschet/ stattliche ar- gumenta vorbringen/ daß sie einmal unmuͤglich seye: wie sie an allen exem- peln dergleichen umstaͤnde wahrzunehmen pflegen/ die auffs wenigste diesel- be nicht ohne schein in grossen zweiffel ziehen. III. Auffs wenigste sehen wir/ daßinsgemein fast diejenige/ so sich sol- cher kunst ausgegeben/ endlich betrieger erfunden worden/ und die meiste/ die sich von den leuten haben einnehmen lassen/ nach lang angewandter muͤhe und kosten haben bekennen muͤssen/ daß alles umsonst gewesen/ und sie daher zeit und kosten billich endlich gereuet hat. IV. Ein vater hat nicht nur die macht/ sondern in gewisser maaß die pflicht/ dergleichen dinge/ die ob sie wol in ihrer natur nicht boͤse/ dennoch ge- faͤhrlich und dem mißbrauch dermassen unterworffen sind/ daß man diesen mehr als den gebrauch/ ja diesen kaum jemal antrifft/ seinen kindern/ und so viel mehr als ihn die bewandnuͤß der zeiten/ standes oder auch der ihm bekan- ten gemuͤther der kinder/ dazu leitet oder veranlasset/ zu verbieten. Dann weil ihm die sorge fuͤr derjenigen/ welche ihm GOtt anvertrauet/ geist- und leibliches heil obliget/ so bringet diese mit sich/ daß er als viel an ihm ist/ sie von allem ihnen so gewiß als auch nur vermuthlich schaͤdlichem suche abzu- halten/ und sie auff gewisse weise zuverbinden. V. Was nun die befehl der eltern sind/ als lange sie nicht austruͤcklich wider GOttes gebot gehen/ verbinden sie die kinder zum gehorsam/ krafft des allgemeinen vierdten gebots: du solt deinen vater und deine mutter eh- ren/ auff daß du lange lebest im lande/ das dir der Herr dein Gott gibet. Massen diese ehre allerdings auch den gehorsam mit einschliesset/ und eben dieses die groͤste ehr der eltern ist/ daß die kinder nicht nach eignem willen le- ben doͤrffen/ sondern an der eltern willen verbunden sind/ und sich daran ver- bunden erkennen muͤssen: so lautet es auch klahr Eph. 6/ 1. Jhr kinder seyd gehorsam euren eltern in dem HErrn/ denn das ist billich: und Col. 8/ 20. Jhr kinder seyd gehorsam den eltern in allen dingen/ denn das ist dem HErrn gefaͤllig. Also auch Sir. 3/ 3. der HErr will den va- ter von den kindern geehret haben/ und was eine mutter die kinder heist/ will er gehalten haben. v. 7. 8. Wer seinen vater ehret/ der wird K k 3 desto Das dritte Capitel. desto laͤnger leben/ und wer um des HErrn willen gehorsam ist/ an dem hat die mutter einen trost. Wer den HErrn fuͤrchtet/ der eh- ret auch den vater und dienet seinen eltern/ und haͤlt sie fuͤr seine Herrẽ. Wo aller orten zu sehen/ daß die ehre also beschrieben werde/ wie sie gehorsam und unterthaͤnigkeit in sich fasse oder mit sich bringe. So haͤnget auch an sol- chem gehorsam/ gleichwieder eltern wohlgefallen/ also auch ihr segen/ wel- chen der HErr/ als der die ehre und gehorsam den eltern/ um seinet und des ihnen gleichsam angehengten bildes willen/ angethan/ als ihm selbs ange- than annimmet/ mit seinem segen erfuͤllet: wie es abermal bey Sirach lautet v. 10. des vaters segen bauet den kindern haͤuser/ aber der mutter fluch reisset sie nieder. VI. Diese gewalt der eltern/ die kinder mit ihrem befehl zu verbinden/ wird nicht voͤllig durch ihren todt auffgehaben/ sondern gehorsame kinder tragen ihren eltern denjenigen respect, daß sie auch/ was dieselbe von din- gen/ so nach ihrem todt geschehen sollen/ ihnen vorschreiben/ willig annehmen/ und derselben so treue als klugheit zutrauen/ daß sie nichts anders/ als was zu ihrem wahren besten gehoͤret/ ihnen vorschreiben wuͤrden/ daher sie ihnen zu folgen/ und von GOtt/ der in den eltern geehret werden will/ desto mehr segen zu erwarten haͤtten. Wir haben davon das exempel der Rechabiten/ welchen ihr vater Jonadab der sohn Rechab geboten/ und gesagt: Jhr und eure kinder solt nimmermehr keinen wein trincken/ und kein hauß bauen/ keinen saamen saͤen/ keinen weinberg pflantzen noch haben/ sondern sollet in huͤten wohnen euer lebenlang/ auff daß ihr lang lebet im lande darinnen ihr wallet. Jer. 35/ 6. 7. Dieses gebot war gewiß- lich eine fast schwehre last/ aber der mann hatte seine kluge absichten und ur- sachen/ daß er seinen nachkoͤmmlingen/ die als frembdlinge unter den Jsraeli- ten wohneten/ solche lebens-art vor ihren zustand am vortraͤglichsten zu seyn hielte: daher gehorchten sie ihm/ und wolten/ als sie durch den Propheten wein zu trincken versuchet worden/ nicht trincken: welcher gehorsam GOtt also gefiel/ daß er ihnen eine herrliche verheissung wiederfahren liesse: wie es heisset v. 19. darum spricht der HErrZebaoth/ der GOtt Jsrael also: Es soll dem Jonadab/ dem sohn Rechab/ nimmer fehlen/ es solle je- mand von den seinen allezeit vor mir stehen. Welches exempel allen kindern den gehorsam der vaͤterlichen verordnung auch nach deren eltern todt um des nahmens des HErrn willen angenehm machen solle. VII. Also sind der kinder gewissen an dergleichen dispositiones verbun- den/ es seye dann/ daß sie dem willen und disposition des himmlischen Va- ters zuwider waͤren/ und entweder den kindern boͤses befehlen/ oder sie von ei- ARTIC . II. SECTIO XX. einem wahren und noͤthigen gut abhalten wolten. Jn welchem fall/ da der irrdische und himmlische Vater einander entgegen stehen/ jener diesem ohne vieles bedencken weichen/ und die regel bedacht werden muß Matth. 10/ 37. Wer vater und mutter mehr liebet denn mich/ der ist mein nicht werth. Und Luc. 14/ 26. So jemand zu mir kommt/ und hasset nicht seinen vater/ mutter/ weib/ kind/ bruͤder/ schwester/ auch darzu sein eigen leben/ der kan nicht mein juͤnger seyn. VIII. Wo nun diese dinge zum grunde erstlich gesetzet sind/ wird meines erachtens so bald zu schliessen seyn/ daß die soͤhne der gedachten vaͤterlichen disposition billich zu folgen haben/ indem dieselbe zur ursach hat eine treue vorsorge deren unheil und gefahr abzuwenden/ nichts in sich fasset/ so goͤtt- lichem willen entgegen ist/ noch an einem hoͤhern noͤthigen gut hindert: also daß auch ein jeder ohne dergleichen obligation nach befinden aus andern ur- sachen die resolution vor sich fassen koͤnte. Wie auch dero viele tausend sind/ die mit grossem ernst GOtt dienen/ und ihme wol gewiß in hohem grad gefaͤl- lig leben/ die doch ihr lebenlang sich auff dieses studium nicht geleget haben/ noch zu legen verlangen: daraus wie so gar dasselbe zur erkaͤntnuͤß GOttes nicht noͤthig seye/ zur gnuͤge erhellet. IX. Wolte man einwenden/ daß der mensch gleichwol in solcher unter- suchung der natur auch in der erkaͤntnuͤß GOttes zunehmen/ und zu mehre- rem dessen lob auffgemuntert werden koͤnne/ an dem hingegen dieses vaͤterli- che testament die soͤhne hindere/ also sie von einigem guten abhalte/ welches je nicht anders als dem goͤttlichen willen zuwider seyn muͤste/ der die ehre des schoͤpffers auff alle weise/ und demnach reichlich/ ausgebreitet und befoͤrdert haben wolle: und wolte daraus folgern/ es koͤnne dergleichen ein verbot nicht verbinden: so waͤre zur antwort zu mercken/ daß freylich GOttes ehre mit sich bringe/ ihn auch in seinen fußstapffen/ welche er der natur eingetrucket/ erkennen zu lernen/ nach Rom. 1/ 20. und wuͤrde derjenige unrecht thun/ der solches jemand insgemein verbieten wolte: ich will auch nicht in abrede seyn/ wofern es mit der sache der verwandlung der metallen richtig/ weil in solchem geheimnuͤß der natur nothwendig auch etwas zum preiß des schoͤpf- fers sich finden muß/ daß derjenige/ so blosser dings solches studium allen/ auch die etwa vor andern sicherer damit umgehen/ zu verwehren/ und es gleichsam gantz austilgen wolte/ die goͤttliche ehr so fern schmaͤlern wuͤrde/ wie auch jeder anderer so eine nuͤtzliche wissenschafft untertruckte. Jndessen so wenig ein jeder zu allen kuͤnsten/ darinnen man GOttes wercke erkennen kan/ verbunden ist/ sondern damit gnug thut/ wo er alles/ was ihm vorkom- met/ zum preiß GOttes nach seiner faͤhigkeit richtet/ so wenig koͤnnen wir al- le/ Das dritte Capitel. le/ oder auch diesen oder jenen/ zu dieser absonderlichen untersuchung der na- tur verpflichtet achten/ daß ihm dero unterlassung zur suͤnde gereichen wuͤr- de: sondern jeglicher wandelt billich in dem/ dazu er beruffen ist/ gebrauchet sich also der gelegenheit/ die ihm sein beruff auch in beobachtung der natuͤrli- chen dinge an die hand gibet oder zulaͤsset/ und laͤsset die uͤbrige/ dazu er nicht gefuͤhret wird/ an seinem ort stehen: dabey er sich keiner suͤnde fuͤrchtet; ists nun/ daß einen dergleichen eine ursach/ als hie das vaͤterliche testament ist/ von einer gewissen untersuchung abhaͤlt/ so sihet ers als einen goͤttlichen be- ruff an/ seinen GOtt lieber in andern fußstapffen/ dero in der natur noch un- zaͤhlig sind/ zu suchen/ und zu loben. Zugeschweigen/ daß die vornehmste erkaͤntnuͤß Gottes/ und daraus das groͤste lob desselbigen her entstehen muß- nicht in einigem natuͤrlichen/ vielweniger absonderlich in der goldmacherey/ bestehet/ sondern aus der goͤttlichen offenbahrung in dem wort geschoͤpffet werden muß: da sehen wir GOttes angesicht/ obwol doch nur als durch ei- nen spiegel in einem dunckeln wort/ da in der gantzen natur hingegen nichts mehr als nur dessen fußstapffen zu schauen sind: Wo also derjenige/ dem das goldmachen oder dessen studium aus gewisser ursach verwehret ist/ denselbi- gen fleiß an die H. Schrifft wendet/ um in der seligmachenden erkaͤntnuͤß dar- aus gestaͤrcket zu werden/ bin ich gewiß/ daß das lob/ so aus seiner seelen dar- uͤber entstehet/ herrlicher als bey allem goldmachen auffsteigen werde. X. Wie nun das vaͤterliche testament alle soͤhne besagter massen verbin- det/ also kommt bey demjenigen/ davon die species facti lautet/ auch noch dieses dazu/ daß er solche arbeit zu unterlassen seinem weib zugesaget hat. Wann dann Christen sich sonderlich dessen befleissen/ und davon prosession machen sollen/ daß sie nach Ephes. 4/ 25. die wahrheit reden ein jeglicher mit seinem nechsten/ so wollen auch dergleichen verspruͤche/ ob sie auch schon nicht eydlich geschehen/ vor GOtt gehalten seyn/ welche nemlich also beschaffen sind/ daß sie an sich selbs wider GOtt nicht streiten. Und zwahr wird dieser verspruch billich so viel verbindlicher geachtet/ weil aus der spe- cie facti erhellen will/ ob haͤtte das weib den verspruch starck gesucht und er- halten/ um die zeit/ da der mann auff sophistischen wegen umgefuͤhret wor- den/ und etwa der haußhaltung schaden gethan/ vor dessen erhaltung das weib nach goͤttlicher ordnung auch zu sorgen gehalten ist/ und damal ihn von einem in der that so schaͤdlich befundenen beginnen abzuhalten guten fug ge- habt. Daher aber der mann den verspruch auch zu erfuͤllen/ destomehr ver- pflichtet ist/ und ihn zu retracti ren weniger vermag. XI. Solte also der mann/ unerachtet dessen/ auff solchem studio, darein er- sich mag verliebet haben (wie allezeit gehoͤret habe/ daß die so sich einmal daꝛ- ein lassen/ etwas schwehr wieder davon zu bringen seyen) beharren und fort- fah- ARTIC. II. SECTIO XX. fahren wollen/ getraute ihm wenig segen dabey zu versprechen: da doch die mit demselben umgehen/ es alles einem sonderbaren gnaden-segen GOt- tes selbs zuschreiben/ und deswegen nicht weniger zur ernstlichen gottselig- keit als arbeitsamen fleiß die ihrige anweisen. Also wuͤrde hingegen aus dieser ursach wegen ermanglenden segens alle arbeit vergebens werden/ und er das etwa darzu gehoͤrige liecht nicht bekommen. So mag auch leicht ge- schehen/ daß kuͤnfftig/ ob man jetzt das gewissen einigerley massen meinte zu stillen/ daß man wol in der arbeit fortfahren doͤrffte/ dasselbige unruhig wuͤr- de/ und viele aͤngsten verursachte/ vornemlich wo etwa einige unfaͤlle zustos- sen/ sonderlich aber nochmalige arbeit auch wieder fehl schlagen solte. Wel- ches etwa nicht unbillich zu sorgen ist/ daß der nun gewisser geglaubte weg sich in dem fortgang (wiewol er sich anfangs anders anlaͤsset) nicht besser zei- gen moͤchte/ als sich vorher die vorige sophistisch gewesen zu seyn erst durch die erfahrung verrathen haben. XII. Wie nun diese ausfuͤhrung also bewandt zu seyn glaube/ daß ein der erkaͤntnuͤß goͤttlichen willens begieriger mensch sich damit wol zu frieden geben kan/ so setze noch endlich/ wo jemand vorgeben moͤchte/ es waͤre die sa- che noch nicht zu einer unwidersprechlichen gewißheit dargethan/ dieses hin- zu/ weil niemand leugnen kan/ daß auffs wenigste die angezeigte gruͤnde nicht von geringer wichtigkeit/ und einmal staͤrcker als die widrige sind/ daß die ge- meine regel der moralisten seye/ wo uͤber eine sache die gegeneinander stehen- de meinungen beyde solche gruͤnde fuͤr sich haben/ daß es zu unterscheiden schwehr wird/ welche vortringen/ daß in solchem fall das gewissen/ welches GOtt nicht zu beleidigen gedencket/ sich an diejenige halte/ welche die sicher- ste/ und in welcher zu suͤndigen die wenigste gefahr ist. Nun sich des gold- machens zu enthalten/ ob auch kein vaͤterliches testament oder verspruch im weg stuͤnde/ stehet jedem frey/ und versuͤndiget sich keiner damit/ ob er auch aus blosser sorge zeit und kosten zu verspielen sich dessen enthielte: also suͤndi- get derjenige so viel weniger/ der sich davon durch diese sonderbare ursachen abhalten laͤst; ja er darff auch keine suͤnde dabey nur besorgen. Hingegen ge- gen das testament und verspruch zu thun/ ob man auch scheinbare ursachen anfuͤhren moͤchte/ ist auffs wenigste eine sache/ da man leichter sich darinnen versuͤndigen kan: daher solche seite weniger sicherheit dem gewissen zu ver- sprechen vermag/ und daher in zweiffelhafftem fall (wo wir diesen davor aus- geben wolten) nicht gewehlet werden solle. Was aber die anfangs vorgestellte rationes dubitandi anlanget/ lassen sich dieselbe/ wo sie recht beleuchtet werden/ noch wol beantworten. 1. Der verstand des testaments gibt sich deutlich gnug/ daß der vater das goldmachen/ wie es nemlich bißher insgemein bekant worden/ insge- L l samt Das dritte Capitel. samt den betruͤglichen kuͤnsten/ dadurch nemlich so viel zu allen zeiten schaͤndlich/ und zu ihrem grossen schaden betrogen worden sind/ zu rechnen/ und von seinen soͤhnen sich des gefaͤhrlichen wercks/ wo man sich nicht betro- gen zu werden/ so schwehr vorsehen kan/ allerdings zu enteussern/ fordere. Dann was oͤffentlichen und jedem kantlichen betrug anlangt/ bedarff keiner davor abgewarnt zu werden/ sondern jeder huͤtet sich selbs davor/ weil ja kein kluger sich mit willen und gern betriegen laͤsset. Jst also die meinung des va- ters/ seine soͤhne davon zuruͤck zu ziehen/ worinnen man sich gemeiniglich gros- se hoffnung macht/ und mit nicht geringem schein darein gefuͤhret wird/ aber sich endlich so offt bey dem ausgang vetrogen findet/ dessen gefahr die vaͤter- liche treue von den ihrigen gern abgewendet hat wissen wollen. 2. Es kan dem vaͤterlichen testament/ da es die soͤhne vom goldmachen abziehen wollen/ mit grund nicht beygemessen werden/ daß es die soͤhne von einem wahren nutzen und dem lobe GOttes abziehen habe wollen: dann das lob GOTTes je nicht in dieser kunst oder uͤbung allein gesucht werden darff/ sondern die sich dessen befleißigen wollen/ bey allen gelegenheiten dazu anlaß finden. So kan nicht gesagt werden/ daß dasjenige einen von seinem nutzen abhalte/ was einem dasjenige verwehrt/ dabey wann einer etwas gewonnen haben moͤchte/ gewiß mehr als hundert uͤber-grossen verlust ge- lidten haben/ und also was die gefahr grossen verlusts mehr/ als den so un- gewissen nutzen/ ansihet. 3. Ob auch der vater darinnen geirret haͤtte/ da er davor gehalten/ daß das goldmachen gar unmuͤglich/ so gruͤndet sich doch sein verbot bereits auff der kunst ungewißheit/ und die grosse gefahr betrogen zu werden/ welche so viele mit ihrem schaden erfahren haben: und sind diese gruͤnde bereits starck gnug/ daß die vaͤterliche treue ihre vaͤterliche vorsorge darauff bauen koͤnnen. 4. Es wird auch zugegeben/ daß wie in gewisser masse die elterliche ge- walt durch den todt der eltern auffhoͤret/ auch nicht alle derselben dispositio- nen nach dem todt verbinden/ die nemlich also bewandt sind/ daß sie zu der kinder wahrhafftigem schaden gereichten/ und deswegen zuvermuthen waͤre/ wo die eltern noch lebten/ daß sie nun selbs ihre meinung und verordnung aͤn- dern wuͤrden. Da aber in diesem fall mit keinem schein angefuͤhret wird/ die sache so bewandt zu seyn/ daß wo der vater noch lebte/ er seine soͤhne davon wuͤrde freysprechen wollen. 5. Die beygesetzte wort in der vaͤterlichen disposition von der absicht groͤsser und reicher zu werden/ sind nicht als solche determinationes an- zusehen/ daß nur unter denselben und nicht anders der vater seine verord- nung gehalten habe haben wollen: sondern sie sind allein eine anzeige/ wor- aus ARTIC. II. SECTIO XX. aus gemeiniglich die begierde gold zumachen herzukommen pflege/ nemlich aus dem verlangen groͤsser und reicher zu werden/ daher jenes selbs christlichen hertzen so viel verdaͤchtiger wird. Zudem stecket die begier- de groͤsser und reicher zu werden allen menschen von natur so tieff in den her- tzen/ daß sie sich schwehr bey der gelegenheit zuruͤck haͤlt: und haͤtte also einer/ der sich einbilden wolte/ daß er nach dieser kunst gold zu machen allein aus liebe goͤttlicher erkaͤntnuͤß und lobes trachte/ fleißig zu pruͤfen/ ob ihn sein eigen hertz nicht etwa selbs betriege/ welches allzuleicht und allzuofft ge- schihet. 6. Keine vaͤterliche disposition oder einiges menschen befehl kan mich darzu noͤthigen/ etwas boͤses zu thun/ oder das noͤthige gute zu unterlassen: dergleichen geschihet aber auch in dem testamento quæstionis nicht. Dann ob man sagen wolte/ es koͤnte auch durch solches mittel der untersuchung der geheimnuͤssen der natur die erkaͤntnuͤß Gottes und dessen lob vermehret wer- den: so wird was man einwenden moͤchte/ hiedurch zu unterbleiben/ durch die desto fleißigere untersuchung der schrifft auch desto herrlicher ersetzet/ in- dem das geringste/ so aus der goͤttlichen gnaden-offenbahrung von dem Ev- angelio erkant wird/ seinem werth und nutzen nach alle auch die hoͤchste er- kaͤntnuͤß aus natuͤrlichen dingen herkommende/ sehr weit uͤbertrifft/ daher auch das daraus zu GOtt auffsteigende lob das vornehmste ist. Jndessen wer auch sich des goldmachens oder dessen studii enthaͤlt oder enthalten muß/ wo er sich in natuͤrlichen dingen uͤben will/ hat ohne das goldmachen noch unzehlich viel andere materien aus der natur/ darinnen er sich uͤben/ und daraus staͤts neue ursach zum preiß GOTTes finden kan. Wie dann die Physic und Mathesis darzu so viel an hand geben/ daß wir/ ob wir an das goldmachen nimmer gedencken/ unser lebtag gnug dran zu studi ren haben. Daß also nicht zu sorgen stehet/ daß durch unterlassung dieses studii goͤttli- cher ehr etwas abgehen moͤchte. 7. Endlich kan der dem weib gethane verspruch aus denen in der specie facti angefuͤhrten ursachen nicht zuruͤck gezogen werden/ als die bey weitem der wichtigkeit nicht sind/ als die pflicht sich an seine zusage nach der wahr- heit zu halten/ und dieselbe zuerfuͤllen. Also bleibet es noch bey obigem/ daß einem also vinculi rten sohn nicht frey stehe/ an solche arbeit zu gehen/ sondern oblige/ goͤttlichen willen/ der ihn selbs davon abhalte/ zu erkennen. Was die noch angehaͤngte frage anlangt/ ob dann aufs wenigste dem ge- wissen nicht entgegen waͤre/ die Philosophische buͤcher (dadurch obwol mit ei- nem grossen mißbrauch des worts diejenige eigenlich werden verstanden werden/ die von solcher verwandlung der metallen handlen) zu lesen: so kan ich nicht sagen/ daß solches lesen vor sich verboten seye: nachdem es als ein L l 2 mit- Das dritte Capitel. mittelding an sich selbs nichts boͤses ist/ und auch weder das vaͤterliche testa- ment noch verspruch dahin gehet. Jndessen halte ich es doch einer person/ welche eine so grosse zuneigung zu der sache hat/ daß es ihr auch schwehr wird/ davon zuruͤck zu halten/ allerdings nicht rathsam/ ein solches zu thun. Dann wie einem hungrigen oder durstigen/ wo ihm essen und trincken vorgestellet wird/ das er aber nicht anruͤhren darff/ dieses ansehen seinen hunger und durst nur desto mehr entzuͤndet/ daß ihm sich zu enthalten desto schwehrer wird: So wird auch bey einem in diese sache verliebten das lesen die begierde der praxeos nur staͤts vermehren/ daß er sich entweder endlich uͤberwinden lasse/ dasjenige vorzunehmen/ wovon ihm doch sein gewissen selbs darinnen unrecht zu thun dicti rt/ oder er macht sich auffs wenigste sein enthalten selber desto saurer/ und wird bey sich offtmal verdruß gegen die hindernuͤssen/ die ihm solches verwehren/ dadurch nicht ohne suͤnde erwecken. Daher wie je- der/ der sein gewissen gern wol in acht nehmen will/ sich nach allem vermoͤgen auch der reitzung darzu entschlagen oder sie vermeiden solle/ hingegen daran unrecht thut/ wo er sich wissentlich in die gefahr/ dero er entuͤbriget seyn koͤn- te/ begibet/ so gilt solches auch in diesem stuͤck/ daß die verwahrung des ge- wissens erfordert/ wo uns etwas verboten/ der gelegenheit desselben/ um nicht starck gereitzet zu werden/ sich nach moͤgligkeit zu entziehen. Das vor- schuͤtzende lob GOttes will die sache auch nicht ausmachen/ denn wie etliche mal erinnert dieses studium weder das einige noch vornehmste ist/ wodurch der mensch zu solchem lob auffgemuntert wuͤrde; sondern wie gemeldet/ das vornehmste lob und preiß GOttes kommet wol her aus der lebendigen er- kaͤntnuͤß des andern und dritten articuls: ob dann nun auch die wolthaten des ersten articuls/ die wir an den geschoͤpffen sehen/ von uns nicht uͤbergan- gen/ noch dem Schoͤpffer und Regierer die ihrentwegen gebuͤhrende lob-opf- fer versagt werden sollen/ so sind dennoch ohne diese goldmacher arbeit so viel andere wissenschafften und kuͤnsten/ die es mit natuͤrlichen sachen zu thun ha- ben/ die kraͤfften der geschoͤpffe zu erforschen/ artzeney mittel zu suchen/ expe- rimenta physica zu machen und zu probi ren/ die mathematic, welche nun hochgebracht/ obzuligen/ und was dergleichen mehr ist/ deren ein jedes und eine jede darinnen erfindende/ vorhin unbekante/ wahrheit der stattlichste an- trieb und ursach zu einer verherrlichung goͤttlichen nahmens denjenigen see- len/ die diesen in allen dingen suchen/ werden kan/ daß man des einen studii ohne abgang gar wol entrathen mag. Der HErr HErr/ der es allein durch seine gnade thun kan/ mache die hertzen gewiß/ und gebe uns allen seinen willen/ so zu erkennen das gnugsame liecht/ als ihm zu gehorsamen die noͤthige krafft und bestaͤndigkeit/ um Christi willen. Amen. 1694. ARTIC. ARTIC. III. SECTIO ARTIC . III. Pflichten gegen den nechsten/ nach der andern taffel. SECTIO 1. F Ragen von der liebe des nechsten/ und beruffs-arbeit. 2. Ob christliche wehemuͤtter oder hebammen sich bey gebaͤhrenden Ju- dinnen doͤrffen gebrauchen lassen. 3. Gefahr unsrer zeiten. Joach. Betkii mensura Christianismi. Von be- straffung des nechsten. 4. Von begruͤssung der aͤrgerlichen personen. 5. Von ausziehung einer vermuthlich-todten frucht aus mutter-leib. 6. An einen Juristen/ der sich von seinem kost-herrn injurii ret zu seyn einbil- dete/ und daruͤber einen proceß mit demselben anheben wolte. 7. Von pflichten eines offendentis und offensi wegen der versoͤhnung. 8. Von der gebuͤhr christticher eheleute unter einander/ in gebrauch der ehe: da unterschiedliches aus 1. Cor. 7. erklaͤhrt wird. 9. Auf einen fall genauen umgangs eines ehemanns mit anderer ehefrauen/ da derselbe der ehegattin und andern ver daͤchtig wird. 10. Christlicher rath vor eine ledige weibs-person/ die sich von einem zum bey- schlaf betriegen lassen/ ohne darvon schwanger zu werden. 11. Ob zinsen von ausgeliehenem geld zu nehmen zulaͤßig. 12. Von eben solcher materie/ in hypothesi von des eheweibs geldern. 13. Von erstattung des durch spielen gewonnenen. Ob/ wo man sich an dem nechsten ihm unwissend versuͤndiget/ solches ihm zu bekennen schuldig? ob man in kosten/ die man in andrer nahmen zu verrechnen/ vortheil brauchen doͤrffe? was eine christliche weibs-person an orten zu thun/ da der pracht uͤberhand genommen? ob man gut geld/ gold und silber- schmieden zu verarbeiten geben doͤrffe? 14. Wie viel man an arme anzuwenden habe/ an eine vornehme Stands- person. 15. Ob assecuratio ns- contract e wider das Christenthum? ob es erlaubt/ menschliche coͤrper zu anatomi ren? 16. Uber das pactum eines Advocati mit seinem client en wegen seiner be- lohnung. 17. An einen gewesten Socinianer/ der zu der Evangelischen religion getre- ten/ ob und wie fern er seinen patronis, die ihn studi ren/ lassen/ verbun- den seye? L l 3 18. Von Das dritte Capitel. 18. Von boͤsem gebrauch von dem schneider-handwerck/ da die gesellen als ein recht prætendi ren/ von der zu verarbeiten gegebenen seyde vor sich einen theil zum verkauff zu behalten/ und die meister/ die solches nicht zulassen wollen/ deswegen verlassen. 19. Von den conversis aus dem Pabstthum. SECTIO I. Fragen von der liebe des nechsten/ und beruffs- arbeit. 1. Ob man seinen nechsten lieben solle mehr als sich selbs? H Jerauf dienet zur antwort/ daß die summe der andern taffel des unveraͤnderlichen goͤttlichen gesetzes von unserm Heyland selbs wiederholet werde Matth. 22/ 39. Du selt deinen nechsten lieben als dich selbs/ welches unsre ordentliche und des nechsten liebe gleich machet/ nicht aber diese jener an sich selbs vorgezogen haben will. Nun aber stehet uns so wenig frey/ dem goͤttlichen gesetz etwas beyzusetzen als davon zu thun. So ist kein grad der liebe oder dero werck/ welches ich dem nechsten schuldig bin/ nemlich dahin zu streben/ daß seine seel und leib als gute geschoͤpffe GOttes moͤgen zu ihrem wahren heil erhalten und befoͤrdert werden/ (denn dahin gehet alle liebe) welches ich auch nicht mir selbsten schuldig waͤre. Weilen auch GOTT und Christus in den allgemei- nen wolthaten alle menschen unter einander gleich gemachet/ als die nicht al- lein alle GOttes geschoͤpffe sind/ von Christo alle erloͤset worden/ und ihnen allen das recht an die seligkeit gegeben wird/ so bleibt auch die verbindung der liebe gleich. Jedoch wird damit nicht geleugnet/ daß zuweilen die liebe GOttes und des nechsten einige dinge vor diesen erfordern/ daraus scheinen moͤchte/ daß ich den nechsten mehr als mich selbs lieben muͤste/ so aber eigenlich zu reden sich nicht also verhaͤlt/ ob ich wol in gewissen stuͤcken mich hindansetzen und sein bestes befoͤrdern muß. Also gibts faͤlle/ daß wir nach 1. Joh. 3/ 16. unser leben fuͤr die bruͤder/ auch dem buchstaben nach/ lassen muͤssen/ und dannoch lieben wir sie deswegen nicht mehr/ sondern da ich mich so hertzlich als meinen bruder liebe/ kan ich finden/ daß dißmal meines bruders leben als das meinige zu erhalten zu GOttes ehre noͤthiger seye/ oder was vor ursachen kommen moͤgen/ die in der wahl den ausschlag aufjenes geben: da liebe ich mich nicht weniger als den nechsten/ weil aber die ordentliche liebe meiner selbs nicht schlech- ARTIC. III. SECTIO I. schlechterdings oder allezeit meine leibliche erhaltung/ sondern auch vielmehr zum werckzeug goͤttlicher gnaden/ wie diese mich anweiset/ gebrauchen zu las- sen/ mir befiehlet/ so tringet die leibliche erhaltung des nechsten der meinigen zuweilen vor/ abermal nicht aus mehrer liebe/ sondern aus der wahl goͤttlicher ordnung/ welche zeiget/ daß es dißmal auch mir besser seye/ mein leben fuͤr des nechsten seines hinzugeben/ als es zu erhalten. Denn daß nicht allezeit aus der hindansetzung des einen gegen den andern eine mehrere liebe geschlossen werden koͤnne/ zeiget sich an vielen exempeln: als wo wir setzen/ daß ich ihrer mehrere/ die mir alle gleich lieb sind/ und sie daher gern alle errettet haben wolte/ in wassers- oder feuers-gefahr sehe/ von welchen ich nicht mehr als einen einigen retten kan/ da rette ich denjenigen/ der mir entweder gleich der nechste vorkommt/ oder fuͤr den andern ursachen sich gleich darstellen/ warum ihm ein vorzug gebuͤhret/ ohne daß ich sonsten denselben mehr liebte. Also wo es auch so zu reden aufdie wahl kommt zwischen meiner und des nechsten liebe/ koͤn- nen ursachen aus der goͤttlichen liebe/ so die herrschafft uͤber die liebe der an- dern taffel behaͤlt/ vorkommen/ die bey gleichbleibender liebe dannoch was des nechsten ist/ dem meinigen vorzuziehen/ erfordern. Vielleicht moͤchte die antwort am deutlichsten seyn/ daß beyderley liebe/ die meinige und des nechsten/ an sich gleich bleiben/ aber wo dero wuͤrckungen gegen mich und den nechsten nicht gleich gehen koͤnnen/ sondern diß und jenes des meinigen oder was des nechsten ist/ dem andern weichen solle/ die erwe- gung goͤttlicher liebe den ausschlag gibet/ und man alsdann den himmlischen Vater anzuruffen hat/ uns darinnen nach seinem rath zu regiren. 2. Wie fern man bey dem Ch r istenthum seine beruffs-arbeit koͤnne abwarten? H Je ist zu mercken 1. es werde von wahrhafftig goͤttlichem beruff/ und also unsuͤndlichen arbeiten/ geredet. Jndem man vielleicht einige professio- nen finden mag/ dero verrichtungen wo nicht gar in ihrer natur suͤndlich sind/ doch einem Christen keine gelegenheit geben/ GOttes ehre und des nechsten bestes zu befoͤrdern/ oder dero verrichtungen ohne eigenliche mitwirckung zur suͤnde nicht oder kaum geschehen koͤnnen/ dann weil in jener einer mit autem gewissen nie stehen kan/ diese aber wegen der gefahr auch auffs foͤrderlichste zu verlassen schuldig ist/ bedarff man darvon nicht weiter zu reden/ sondern die frage ist von solchen lebens-arten/ welche an sich gut/ und darinnen man GOtt und dem nechsten nuͤtzliche dienste leisten kan. 2. Man muß die frage auch verstehen von arbeiten/ die nicht allein an sich selbs gut sind/ sondern auch nach goͤttlicher ordnung in dem glauben ge- than/ Das dritte Capitel. than/ und zu einem wahren Gottesdienst gemacht werden. Dann welche auch des besten berufs arbeiten mit verdruß/ und nur weil man muß/ mit gei- tzigem hertzen/ oder um ruhms/ oder anderer fleischlichen ursachen willen/ ge- schehen/ die sind vor GOTT suͤndlich/ und koͤnnen also nicht gebilliget wer- den. Hingegen ist es eine der vortrefflichsten lehren/ die unser theure Luthe- rus so offt getrieben hat/ wie auch alle eusserliche beruffs-geschaͤfften im glau- ben geschehen/ und zu einem eigentlichen Gottesdienst gemacht werden sollen: wann nemlich ein jeder/ er seye wer er wolle/ kauffmann/ handwercker/ tagloͤh- ner/ bauer/ knecht/ magd/ u. s. w. alle diejenige arbeit/ worzu er verordnet ist/ nicht allein mit gebet heiliget/ sondern auch mit solchen gedancken antrit und verrichtet/ daß er/ was er jetzt thut/ thun wolle/ nicht um sein selbs/ seines nu- tzens/ lust/ oder ehre willen/ sondern aus liebe und gehorsam zu GOTT/ der ihn zu solchem beruff und arbeit verordnet habe/ und er also darmit ihn gern preisen wolle/ willig seyende/ wo er ihn zu etwas noch geringers oder be- schwehrlichers verordnet haͤtte/ daß er auch darinnen seinen gehorsam erzei- gen wolle. Wer mit solchem hertzen und aus dem glauben sein werck thut/ ob es das allerweltlichste waͤre/ verrichtet wahrhafftig darinnen einen Got- tesdienst/ nicht weniger alswo er betet/ liset oder einige wercke der ersten taffel verrichtet: weil GOTT alles/ was geschihet/ nicht nach dem eusserlichen werck/ sondern dem glauben und hertzen dessen/ der es thut/ schaͤtzet/ und sich dasselbe wol oder nicht wol gefallen laͤsset. 3. Voraus gesetzt dessen/ so antworte ich also: (1. Es ist ein jeglicher Christ schuldig/ nicht allein seinen absonderlichen beruff/ sondern zum aller- fordersten auch seinen allgemeinen Christen-beruff treulich abzuwarten; ja dieser ist der vornehmste/ und muß den verrichtungen des absonderlichen be- ruffs ihre maaß geben und reglen vorschreiben/ nicht aber sich nach demselbi- gen erst beugen lassen. (2 Dieser allgemeine Christen-beruff erfordert nicht allein die treue auch in dem sonderbaren amts-beruff/ und fleiß/ alles/ wie erst erinnert/ zu ei- nem Gottesdienst zu machen/ sondern auch so wol die wercke der ersten taffel gegen GOTT/ als den fleiß an seiner seelen zu arbeiten/ und auch fuͤr den nechsten und sein heil nach gelegenheit zu sorgen. (3 Es muͤssen die berufs-arbeiten also eingerichtet werden/ daß sie diese jetztgedachte stuͤcke/ die wir GOTT/ uns und dem nechsten schuldig sind/ nicht auffheben. (4. Welche in anderer dienste/ und unter ihrem befehl stehen/ muͤssen darmit zu frieden seyn/ wo sie von ihren arbeiten nur so viel uͤbrig behalten/ als die eusserste nothdurfft erfordert/ sonderlich an dem darzu von GOTT gewidmeten sonntag: koͤnnen sie aber auch mehr zeit mit bitten und sonst desto ARTIC. III. SECTIO I. desto groͤsserem fleiß/ da sie es ein andermal wieder einbringen/ von den herr- schafften erlangen/ so haben sie sich nicht zu spahren: wirds ihnen aber ver- sagt/ so rechnets ihnen GOtt nicht zu/ und segnet das wenige uͤbrige und ih- re andacht unter der eusserlichen arbeit desto reichlicher. (5. Gleiche bewandnuͤß hat es mit denen/ welche die armuth trucket/ daß sie der eusserlichen arbeit so viel nachzugehen haben/ als ihnen vor sich und die ihrige zur unterhaltung noͤthig ist/ um andern nicht beschwehrlich zu fallen: ob ihnen wol zu absonderlichen geistlichen uͤbungen nicht mehr/ als gleichsam die eusserste nothdurfft/ uͤberbleibet. (6. Wer aber freyer uͤber seine zeit zu ordnen hat/ ist schuldig/ seinen eus- serlichen beruffs-arbeiten/ auch ausser des sonntags/ ein mehrers abzubre- chen/ und an den Gottesdienst/ so dann erbauung/ insgesamt an das geistli- che/ anzuwenden/ und darmit seine hochachtung des edelsten in der that zu bezeugen. (7. Welche sich unter dem vorwand der uͤbungen des Christenthums allen uͤbrigen beruffs-arbeiten gantz oder doch zu viel entziehen/ versuͤndigen sich darmit/ und kommen in allerley gefahr und versuchungen/ der faulheit/ des fuͤrwitzes/ der entziehung von der liebe des nechsten/ der beschwehrde an- derer/ und dergleichen. Jnsgesamt die sache kurtz zu fassen/ so wird ein Christ so fleißig sich in seiner arbeit bezeugen/ als ein welt-mensch/ nur daß er dem geistlichen auch so viel zeit/ als zu seiner staͤrckung in GOTT und dessen dienst noͤthig ist/ wid- met: so dann alles mit anderm hertzen und trieb als der andere thut. 3. Ob man schuldig seye/ sich um seines glaubigen bruders willen in armuth zu setzen? 1. D Je haupt-regul stehet 2. Cor. 8/ 9. es seye die gutthaͤtigkeit also zu uͤben/ nicht daß einige/ nemlich diejenige/ denen man gutes thun will/ ruhe haben/ und die andern truͤbsal/ die nemlich mildigkeit uͤben sollen. 2. Es koͤnnen solche truͤbselige zeiten kommen/ in hungers-krieges-noth/ verfolgung und dergleichen/ wo ein Christ um anderer bruͤder willen/ dieselbe von dem eussersten verderben zu retten/ sich dermassen an seinen mitteln an- greiffen muß/ daß er sich selbs in gefahr des mangels setzet. 3. Ausser solchen nothfaͤllen ists einem Christen gnug/ wo er seinem ar- men bruder/ und zwahr der ohne seine schuld in armuth gerathen/ (dann wer sich auf anderer gutthaͤtigkeit allein verlassende/ das seinige versaͤumete/ und darmit in mangel geriethe/ waͤre alsdann sehr weniger huͤlffe/ und vielmehr ihn seinen mangel fuͤhlen zu lassen/ wuͤrdig) so viel an die hand gehet/ daß er M m selbs Das dritte Capitel. selbs dabey sich und die seinige zur gnuͤge noch auffenthalten moͤge/ auch sich andern ferner zu helffen nicht auf einmal unfaͤhig mache. GOTT erfuͤlle aber selbs alle hertzen mit wahrer liebe/ so wird diese jedesmal am besten zeigen/ was man dem nechsten schuldig seye/ und die sicherste auslegerin des gesetzes werden. 1697. SECTIO II. Ob christliche hebammen oder wehemuͤtter sich bey gebaͤhrenden Judinnen gebrauchen lassen doͤrffen. O B ich wol sonsten auf die an mich ankom̃ende schꝛeiben selten andeꝛs/ als post aliquam moram antworten kan/ sonderlich aber in der meß deꝛsel- benso viel bekom̃e/ daß fast nicht weiß/ wie ich mich expedi ꝛen solle/ so ha- be gleich wohlen alsobald auf desselben gestriges hiemit antworten sollen/ auf daß der Herr Pfarrherr bey beharrung auf vorigen seinen gedancken nicht/ welches leicht geschehen koͤnte/ sich in ungelegenheit und gefahr braͤchte. Was dann die vorgelegte frage anlangt/ so haͤtte man zwahr sonsten nicht in allen stuͤcken wegen der Juden sich auf hiesiges exempel zu beruffen/ indem densel- ben unterschiedliches allhier gestattet wird/ so ich nicht zu entschuldigen ver- mag: Was aber diese sache anlangt/ so verhaͤlt sichs also. 1. Ratione facti. Daß zwahr/ als viel mir wissend ist/ die Juden in ihrer gasse ihre besondere hebamme oder wehemutter haben/ aber nicht/ daß man der Christen hebam- men ihnen versagte/ sondern weil der Juͤden eine solche anzahl ist/ daß es mit der Christen groͤssester beschwehrde geschaͤhe/ wo jene dieser hebammen/ deren ohne das wenig sind/ ordenlich immerfort gebrauchen/ sie sich auch selbs besor- gen muͤsten/ daß sie offt wuͤrden versaͤumet werden/ weil die Christen-hebam- men ihnen nicht allemal beyspringen/ und die ihrige verlassen wuͤrden. Also haben sie aus noth eine sondere hebamme/ die dazu von den Christlichen ange- fuͤhret und angewiesen worden. So bald aber es einigen harten stand gibet/ daß ihre hebamme nicht genug ist/ werden nicht nur die Christliche hebam- men/ sondern gar die Christliche geschwohrne weiber/ so der ammen vorgesetz- te und unter denselben auch patritiæ sind/ zu den Judinnen geholt/ welche im wenigsten kein bedencken machen/ ihnen so wol als den Christen huͤlff zu lei- sten. Wie auch die Christliche Doctores, ob schon die Juden auch ihre Me- dicos haben/ auf erfordern allemal bey den krancken unter den Juͤden erschei- nen. Was 2. ratione juris zu mercken: so habe kein bedencken zu sagen/ daß freylich eine Christen-hebamme/ nicht nur illæsa conscientia den Judinnen beyspringen/ und ihr amt an ihnen verrichten koͤnne/ sondern daß sie ihr gewis- sen schwehrlich verletzen wuͤrde/ wo sie es nicht thaͤte: 1. Jst uns Christen nicht ARTIC. III. SECTIO II. nicht nur befohlen die bruͤderliche liebe/ sondern wir sollen darreichen in der bruͤderlichen liebe gemeine liebe/ 2. Petr. 1/ 7. welche keinen unterscheid un- ter den menschen/ nationen/ religionen machet. Es gehoͤret aber dieser dienst/ so man den gebaͤhrenden erweiset/ unter die officia der gemeinen liebe. Wor- an aber nicht hindert/ daß die hebammen ihren lohn davon haben. Dann auch solche gemeine liebes-wercke von denjenigen/ die es zu thun vermoͤgen/ billich vergolten und belohnet werden sollen. Wo es nun erlaubet ist/ und von niemand vor unrecht gehalten wird/ einem Juden einiges zu seiner noth- durfft zu verkauffen/ so ists nicht weniger erlaubt/ in diesem wichtigen werck der geburt der mutter und kind beyzuspringen. 2. So ists nicht wol muͤg- lich/ daß die Juden an den orten/ wo ihrer weniger wohnen/ vermoͤchten alle- mal eine eigene hebamme zu halten: und kan solches also nicht von ihnen gefor- dert/ noch weniger ihre weiber ohne huͤlff gelassen werden. 3. Wuͤrde solches den Juden ein sehr schwehres aͤrgernuͤß seyn/ wo sie hoͤren solten/ daß wir Christen/ dero Meister und Heyland uns vor allen dingen das gebot der lie- be/ und solches gegen unsern naͤchsten/ das ist/ nach seiner eigenen auslegung alle menschen/ gegeben hat/ von solcher liebe sie/ die Juden/ ausschliessen wol- ten. Denn es waͤre eine anzeigung/ daß wir solches gebot unsers Heylands gering achten. 4. Sind wir den Juden zwahr nicht schuldig/ zu ihrem un- recht/ zu ihrem falschen Gottesdienst/ (daher wir billich gegen die Schabbas goyen, wie sie sie nennen/ eiffern/ aber hier doch nichts dargegen ausrichten) zu ihrem betrug und dergleichen suͤnden/ zu helffen/ vielmehr in solchen ihnen uns entgegen zu setzen; in den officiis humanitatis aber sind wir noch vor an- deꝛn allen den Juͤden verbunden. Sie sind einmal das voꝛnehmste geschlecht in dergantzen welt aus dem gesegneten saamen deꝛ heiligen Vaͤteꝛ. Und ob sie wol in gegenwaͤrtigem stand in GOttes gericht ligen/ so ist doch die gedaͤchtnuͤß ihrer extraction wuͤrdig/ ihnen die liebe vor andern zu erweisen/ ja wie unsers lieben Lutheri reden sollen gewesen seyn/ haben wir alle Juden um eines eini- gen willen zu lieben/ nemlich um unsers liebsten JEsu willen/ dessen angehoͤri- ge sie nach dem fleisch sind. So sind sie die natuͤrliche zweige/ die zwahr um ihres unglaubens willen ausgehauen/ und wir arme Heiden eingepropf- fet sind/ aber Paulus Rom. 11/ 20. erinnert ernstlich/ daß wir nicht selber stoltz seyn gegen sie/ und sie hart oder hochmuͤthig tractiren/ sondern geden- cken/ daß sie aus GOttes erstem bunde mehr recht zu dem reich gehabt/ als wir/ die wir erst aus barmhertzigkeit an ihre stelle angenommen worden seynd. Wie wolten also Christen ihnen diesen dienst versagen/ welchen so gar die na- tuͤrliche liebe erfordert/ und ein mensch auch einem vieh/ wo es dessen bedoͤrff- tig waͤre/ einige huͤlffe leisten solte? da sonderlich wir Christen gegen die Ju- den so wol zu erweisen haben/ daß wir dem befehl unsers Heylandes von der M m 2 liebe Das dritte Capitel. liebe nachkommen/ als auch ihre hertzen dardurch so vielmehr bereiten sollen/ allgemach zu einer liebe gegen uns/ so dann auch zu demjenigen/ was noch goͤttliche gnade kuͤnfftig an ihnen thun wird. 5. Findet sich keine wichtige ursach/ so entgegen angefuͤhret werden koͤnte/ wie es dann unbillich waͤre/ daß Christen einen eckel haben wolten an den personen/ die den Juden einen dienst geleistet/ welche an dem geld keinen eckel haben/ ob ein Jud dasselbe lange zeit bey sich getragen haͤtte; so sehe ich auch kein aͤrgernuͤß: Man wolte sich dann aͤrgern an demjenigen/ was goͤttlichem willen gantz gemaͤß ist/ und waͤren also vielmehr diejenige/ die hievon ein aͤrgernuͤß nehmen wolten/ besser zu unter- richten/ als den Juden damit den dienst zu entziehen/ welchen alle menschen unter einander schuldig sind. 6. Daß in dem gegentheil viele Theologi be- dencken haben werden/ daß sich ein Christ der Juden/ zum exempel der juͤdi- schen Doctorum (also moͤchten wir beysetzen/ der hebammen) gebrauchte/ hat es mit solchen gar eine andere bewandnuͤß: Theils weil es mit verachtung der Christlichen personen geschihet/ die man haben koͤnte/ theils weil man sich nicht unbillich von solchen leuten ein und andere aberglauben in den curen zu besorgen hat/ theils weil wir Christen das gebet vor goͤttlichen segen hoch ach- ten sollen/ welches aber auf goͤttliche und GOtt-gefaͤllige art ein juͤdischer Doctor nicht verrichten/ und also den segen zu seiner cur erbitten kan: weswe- gen nicht wol gethan ist/ sich derselben zu bedienen/ da man Christen haben mag/ welche wie in dem leiblichen behuͤlfflich seyn/ also auch von GOtt seine gnade zu ihrer bedienung erbitten koͤnnen. Nichts von dergleichen findet sich von der andern seiten/ da die Christen den Juͤden zur hand gehen/ und moͤchte man eher sagen/ daß die Juͤden einiges bedencken haben moͤchten/ der Christen huͤlffe sich zu gebrauchen/ als diese dergleichen liebes-dienste ihnen zu erweisen. Weswegen dann meinem Hochg. Herrn Pfarrherrn wolmei- nend rathe/ sich solcher sache nicht weiter zu widersetzen/ sondern die leute selbs von der pflicht der allgemeinen liebe/ daß sich kuͤnfftig niemand daran stosse/ zu unterrichten. Jndeme widrigen falls nicht nur die Juͤden bey der Obrig- keit durchtringen/ und meinem Hochg. Herrn Pfarrherrn/ wo ers folgends wider willen muͤste zulassen/ an dem respect etwas abgehen wuͤrde/ sondern die sache selbs wider das gebot der allgemeinen liebe stritte. 1678. SECTIO III. Befahr unsrer zeiten. Joach. Betkii mensura Christianismi. Von bestraffung des nechsten. D Je brieffe belangend/ so bezeuge hiemit hertzlich/ daß bey mir beyde eine sonderliche liebe gegen ihn erwecket/ und mir eine hoffnung gemacht haben/ ARTIC . III. SECTIO III. haben/ daß an ihm abermal eine solche person kennen lerne/ dero es redlich um GOTT und um ihr heil zu thun seye/ die auch die verderbnuͤß unsers Christenthums tieffer einzusehen angefangen habe/ als sonsten ins- gemein dasselbige zu geschehen pfleget. Nun so offt von jemand dergleichen einige kundschafft bekomme/ so habe ich mich billig daruͤber zu erfreuen/ dem HErren/ der durch seinen geist kraͤfftig in den hertzen wircket/ zu dancken/ und fuͤr dieselbige zu bitten/ daß der HErr das gute werck in ihnen angefangen/ ferner vollfuͤhren wolle auff den tag JEsu Christi. Wir sind ohne das in den jenigen zeiten/ da nicht nur die zahl derer/ welchen es um Gott redlich zu thun ist/ sehr nahe zusam̃en gehet/ sondeꝛn auch diese in staͤteꝛ gefahr wegen der vielẽ schreckl. aͤrgernuͤssen stehen/ von deroselben stꝛohm in das wuͤste wesen mit foꝛt gerissen zuwerden. So wird in den uns vorstehenden truͤbsaalen keiner stehen bleiben/ als dessen hauß auff einem guten und festen grunde steht/ die uͤbrige werden sorglich einen grossen fall thun. Wann uns dann an nichts mehr gele- gen/ als daß wir nur unsre seelen dermaleins zur ausbeute davon tragen moͤgen: hingegen wir nichts haben/ womit wir unsre seelen/ da wir sie ver- lohren haͤtten/ wieder loͤsen moͤchten; wie nothwendig will es dann seyn/ daß auch dieser erhaltung unser allermeiste sorge in diesem leben seye: welches ja nicht einig uns Predigern/ sondern eben so wol allen/ die eine seele zu versor- gen haben/ obliget. Wir haben aber/ wo wir durch die gnade GOttes ei- nen hertzlichen trieb zu dem guten und allein nothwendigen bey uns fuͤhlen/ nicht nur dem himmlischen Vater davor demuͤthigen danck zu sagen/ sondern weil auch eine christliche klugheit zu der sache gehoͤꝛet/ daß man das gute nicht selbs unvorsichtig verderbe/ ihn um diese/ und also seines Heil. Geistes bey- stand/ anzuruffen: weil sonsten dieses mit eine tuͤcke des satans ist/ wo er eine seele nicht mehr von dem eiffer zu dem guten abziehen/ noch in der welt eitel- keit einflechten kan/ daß er suchet/ ob er eine unordnung in solchen eiffer brin- gen/ und damit desselben fruͤchte zunicht machen moͤchte/ davor wir uns so viel fleißiger zu huͤten haben/ als gefaͤhrlicher diese list des feindes ist. Zur sache aber naͤher zu gehen/ so thut der HErr sonderlich zwo fragen/ insgemein uͤ- ber das buͤchlein Mensio Christianismi genennet/ und absonderlich wegen der bestraffung des nechsten. Die erste belangend/ so ist mir solches buͤch- lein bekant/ und habe es vor 12. oder mehr jahren gelesen. Der Autor ist gewesen Joachimus Betkius, vormaliger eifferiger Prediger zu Linum in der Marck Brandenburg/ welcher auch mehrere scripta edirt hat. Dessen gedaͤchtnuͤß billich in wuͤrden und segen behalten werden solle. Jch kan mich auch jetzo nicht so eigenlich des gantzen tractats mehr erinnern/ hatte aber mein bedencken davon/ so ich nach der verlesung gleich abgefaßt/ selbs in mein exemplar geschrieben: Dieses aber habe weggelehnet/ und weiß nicht wem/ M m 3 da- Das dritte Capitel. daher es von niemand fordern noch mich darinnen ersehen kan. So viel ich mich noch entsinne/ habe ich damals sehr viel herrliches gutes in dem buͤch- lein wahrgenommen/ und bey dem mann einen hertzlichen eiffer bemercket/ und daß er sonderlich die fehler des predigamts und der fleischlichen leute in demselbigen kraͤfftig geruͤhret. Jedoch wie es offt in dergleichen dingen zu geschehen pfleget/ daß eiffrige leute sich dadurch weiter treiben lassen/ als noͤthig gewesen waͤre/ ehe ihnen etwas in ihrer meinung geholffen wird/ duͤn- cket mich/ seye dieser liebe maun zuweilen zu weit gegangen/ und habe den zu- stand der kirchen vielmehr sich vorgestellt/ wie er zu wuͤnschen/ und nach sol- chem eussersten grad der vollkommenheit sich zu bestreben ist/ als wie wir in dieser gegenwaͤrtigen zeit/ da das weib noch in der wuͤsten ist/ und alles eus- serliche in grossem verfall steht/ dieselbige zu hoffen/ oder wir es dahin zu bringen/ von GOtt die verheissung haben. Daher wir zwahr uns dahin zu bemuͤhen haben/ allen aͤrgernuͤssen nach vermoͤgen zu wehren/ aber wir muͤs- sen deswegen nicht gedencken/ daß nichts ausgerichtet/ sondern daß alle ar- beit verlohren seye/ ob wirs wol bey weitem so weit nicht bringen: vielmehr muͤssen wir endlich damit zu frieden seyn/ wo wir noch so wol die gute staͤrckẽ/ als einige boͤse gewinnen/ oder einige nur etlicher massen in ihrer boßheit hin- dern/ daß sie dieselbige nicht so ungefcheut treiben doͤrffen: ja aber deswegen/ daß nicht alles erlangt werde/ was wir wuͤnschen/ amt und arbeit nicht fah- ren lassen/ so mich deucht des lieben mannes meinung zu seyn/ auffs we- nigste es eine versuchung ist/ welche manche gute hertzen offters aͤngstiget/ der satan aber dieses dabey suchet/ daß er durch solche desperation etwas auszurichten/ und durch die einbildung/ wo man es nicht alles dahin bringe/ wie wir die goͤttliche ordnung vor augen sehen (und freylich nach deroselben uns richten/ auch mehr und mehr darnach trachten sollen) daß GOtt nichts unsers wercks in gnaden auffnehmen werde/ diejenige von dem kirchen-dienst vollend abzuziehen/ welche auffs wenigste etwas durch ihre treue noch aus- zurichten vermocht haͤtten/ auch ausgerichtet haben wuͤrden. Daher ich sol- ches mannes und einiger anderer dergleichen buͤcher sonderlich christlichen verstaͤndigen predigern/ dazu gleichwol dienlich halte/ daraus die obschwe- bende fehler desto besser zu erkennen/ auch was dagegen versucht werden solle/ zu ersehen/ nicht aber sich nachmalen ein schwehres gewissen zu machen/ noch das amt fahren zu lassen/ wo wir vieles nicht zu werck richten koͤnnen/ sondern nach allem versuchen stecken bleiben: wo vielmehr dieses allein uns uͤbrig bleibt/ daß wir der huͤlffe des HErren/ da er seiner kirche huͤlffe schicken/ und sie selbs bessern wird/ mit seufftzen erwarten/ und uns indessen troͤsten/ der HErr sehe nicht so wol unsers fleisses frucht/ als unsers willens auffrichtig- keit an. Wie mich nun deucht/ es sey dieses wegen seiner haupt-absicht (wo mich ARTIC. III. SECTIO III. mich von deroselben nicht mein gedaͤchtnuͤß betreugt) zu bemercken/ so kommt mir auch vor/ ob erinnerte ich mich/ daß er ebenfals in solchem tractate/ so dann in einem andern/ welcher austruͤcklich von dem Geistlichen Priester- thum geschrieben/ dieses fast weiter als sichs geziehmen wolte extendi rte/ daher ich hingegen/ als mir eben damal solches in die haͤnde auch fiele/ Herren Vilitzen Geistliches Priesterthum lieber habe hier aufflegen lassen/ und also bey uns bekant machen wollen/ welches mir vorsichtiger zu gehen ge- schienen: nachdem ich auch selbs solche materie in einem kleinen scripto aus- gefuͤhret habe. Jch komme aber auch auff die andere besondere frage von der bestraffung: welche ich bekenne/ daß sie mir eine der schwehrsten mate- rien vorkomme/ und ich mir darinnen selbs in etlichem nicht/ vielweniger den andern/ allerdings gnug thue. Die meiste difficul taͤt in der gantzen sache kom- met her aus unserm verderben in der gantzen kirchen/ daß in deroselben so we- nig wahre Christen zu finden seynd/ und daher diejenige pflichten weder koͤn- nen noch sollen gegen alle dermassen in acht genommen oder geleistet werden/ welche uns gegen etliche bruͤder obligen/ und wo wir unter lauter solchen le- beten/ unaussetzlich muͤsten geuͤbet werden/ da sie auch nicht ohne frucht blie- ben: Nun aber wo dieselbe gegen diejenige/ so zwahr wegen des Christen nah- mens auch bruͤder heissen sollen/ dermassen in acht genommen werden wol- ten/ mehr confusion und schaden als nutzen erfolgen doͤrffte. Deswegen ich nicht leugne/ daß des Sel. Herr Doctor Muͤllers/ dessen freundschafft ich sonsten werth geachtet/ angezogener abhandelung solcher materie nie habe unterschreiben koͤnnen/ ob sie wol hertzlich gut wird gemeint gewesen seyn/ und in anderm unserm zustand sich solche dinge practici ren liessen. An die stel- le desselben aber wolte ich lieber zu lesen rathen Herren Doct. Huͤlsemanns austruͤcklichen lateinischen tractat von solcher materie/ de correptione fra- terna: solle etwa ein und anderes nicht undienliches darinn gefunden wer- den/ wie mich entsinne/ als ihn gelesen/ daß mir einiges wohl gefallen. Wo ich aber je auch etwas meiner gedancken von der sache geben solle: so meine/ daß wir 1. wohl in acht nehmen muͤssen die ursachen solcher bruͤderlichen be- straffung/ dero mich deucht sonderlich zwo zu seyn; die eine der eiffer vor GOttes ehr und die andere die liebe so wol des bruders/ so gesuͤndigt hat/ um ihn zu seiner suͤnden erkaͤntnuͤß zu bringen als anderer beywesenden/ daß sie sich nicht dran aͤrgern moͤgen: diese ursachen/ wo sie wohl eingesehen wer- den/ doͤrfften etwa diese sache zimlich erhellen und in vielen stuͤcken maaß ge- ben. 2. Der eiffer vor GOttes ehre erfordert eine bestraffung/ wo dieselbi- ge in unserer gegenwart von jemand sonderlich angegriffen worden/ und hoffnung ist/ dadurch etwas deroselben zu repari ren/ entweder bey jenen selbs/ Das dritte Capitel. selbs/ oder bey den anwesenden. Jch trauete sie nicht aber allezeit nothwen- dig zu achten/ wo man sorgen muß/ nur so viel hefftigere fortsetzung solcher suͤnde bey einem obstina ten kopff/ bey einem trunckenẽ und dergleichen/ zuver- ursachen/ daß er dasselbe/ oder wol aͤrgers/ eben deswegen zu trutz zu thun fortfahre. Jedoch wolte es nicht verdammen/ da ein mensch einen eiffer druͤ- ber bey sich verspuͤhret/ und aus dessen trieb eine solche bestraffung thaͤte/ den ich als von GOtt (wo nemlich keine andere fleischliche absichten dabey sind) erwecket/ gern ansehen wolte: aber in ermangelung der hoffnung etwas fruchtbarliches auszurichten nicht jeglichen/ sonderlich die schwache/ dazu verbunden achten wolle. 3. Wie nun also das meiste auff die liebe des nechsten ankommet/ so gibet solche diese regul: wo man seinem nechsten mit der bestraf- fung nutzen kan (und also dessen nur einige hoffnung hat) so erfordert die lie- be/ und also das gebot der bestraffung/ so eigentlich eine uͤbung der liebe seyn solle/ dieses von mir/ daß ich solche gelegenheit ihm gutes zu erzeigen nicht versaͤume. Hingegen wo gewiß ist/ als viel nemlich unter menschen von der- gleichen dingen eine gewißheit seyn kan/ daß ich nicht nur nichts gutes damit ausrichten/ sondern gar nicht so wol mir ungelegenheit damit zu ziehen/ als den nechsten nur mehr aͤrgern/ und ihm gelegenheit zu mehr suͤnden geben wuͤrde/ so bleibet die bestraffung billig zuruͤcke. 4. Also wolte ich nicht ra- then/ daß jemand einigen gantz unbekanten vorbey gehenden oder sonsten auffstossenden/ sonderlich publicè, straffen solle: indem menschlicher weise auch nicht eine hoffnung seyn wuͤrde/ bey solchem etwas gutes auszurichten/ sondern mehr sorge waͤre/ ihn zu weitern suͤnden zu reitzen/ und andere wegen eines solchen ungewohnten unternehmens damit zu aͤrgern. Es waͤre denn sache/ daß es von solcher person geschehe/ so einer dergleichen autoritaͤt/ da- vor derjenige/ der da suͤndiget/ sich so bald scheuen muͤste/ und also einiger bes- serung hoffnung waͤre. 5. Wo man mit offenbaren gottlosen leuten zu thun hat/ finde ich abermal nicht/ daß ein privat-mensch/ der sie solche zu seyn weiß/ und in dero actionen solches auch sihet/ sie bestraffte/ sondern es gehoͤret zu dem spruch Matth. 7/ 6. daß wir unser heiligthum nicht vor die hunde noch die perlen vor die schweine werffen sollen: (wie solches gebot unsers Heylandes austruͤcklich/ und sonderbarlich von solcher materie handelt/ wie das vorgehende zeiget) es waͤre dann sache/ und faͤnden sich solche um- staͤnde/ daß der eiffer vor GOttes ehr und die sorge/ daß andere beywesende sich nicht aͤrgern/ eine solche bestraffung erforderten. Sonsten muß man sol- che leute so wol der offenbarlichen straff der Obrigkeit/ als straff-amt der Pre- diger in den predigten uͤberlassen/ biß sie auch Christen werden/ und etwas der bruͤderlichen pflicht an ihnen mit nutzen geuͤbt werden koͤnte. Als lang sie aber offenbar ruchlose welt-leute sind/ so ist an ihnen das meiste particular- straf- ARTIC. III. SECTIO III. straffen verlohren/ biß gelegenheit sey/ vielmehr ihren gantzen zustand/ als diese und jene absonderliche suͤndliche handlung/ ihnen vorzustellen/ und einer rechten besserung anfang zu machen. Jedoch will es bey solchen leuten noͤ- thig seyn/ daß man auffs wenigste mit gebaͤrden/ gesicht und sonsten sein miß- fallen an ihrem thun bezeuge/ am sorgfaͤltigsten sich aber vor allem dem huͤte/ woraus sie oder andere gegenwaͤrtige abnehmen koͤnten/ ob liesse man sich die sache wohlgefallen: dann koͤnnen wir sie nicht bessern/ so muͤssen wir sie auffs wenigste auch nicht aͤrgern/ noch in ihrer boßheit staͤrcken. 6. Wo mans aber mit recht christlichen leuten zu thun hat/ so hat diese pflicht recht ihren platz: dann die sind eigenlich und von rechtswegen bruͤder/ so ist bey denselbigen auch hoffnung/ daß eine bruͤderliche bestraffung ihren rechten zweck erhalte/ und also einige frucht schaffe. Jedoch soll allezeit auch bey denselbigen wol acht auff alle umstaͤnde gegeben/ und diese nach muͤglichkeit also eingerichtet werden/ wie am besten dasjenige/ was man suchet/ nemlich des nechsten heil/ erhalten werde. Also ist auch eben nicht noͤthig/ jedes mal/ wann etwas ge- schehen ist/ noch an solcher stelle/ gleich zu anden/ sondern ist offt viel frucht- barer/ da man gelegene zeit und ort darzu erwartet/ dasselbige zu erinnern/ was noͤthig scheinet/ als daß zu unzeiten ein gemuͤth nur waͤre etwa unwilli- ger gemacht worden. Je genauer ich aber mit einem verbunden und bekant bin/ so viel mehr liget mir solche liebes-pflicht ob/ und hat mehr hoffnung vor sich. Ja es ist auch nuͤtzlich/ daß ihrer mehrere/ so einander als wahre Chri- sten kennen/ und sich austruͤcklich mit einander verbinden/ mit einer liebrei- chen freyheit/ sich untereinander zu bestraffen/ und was sonsten allgemeinen rechts ist um ihrer naͤhern verbindung willen desto freyer zu thun/ sich aber nimmer etwas uͤbel untereinander auffzunehmen. Zwahr solte solche freund- schafft und vertraulichkeit schon ohne das unter allen Christen seyn (und als solches in der ersten kirchen bey den bruͤdern/ daher aller ihr ein hertz und eine seele war/ diese straff-pflicht in ihrer stattlichsten vigore war/ und ihren vor- treflichsten nutzen hatte) nachdemsie aber leider nicht also anzutreffen/ son- dern auch die frommen sich offt aus vielen ursachen einander etwas frembd sind/ ists wol gethan/ wo ihrer viele unter sich dasjenige auffrichten/ was unter allen seyn solte/ und dero exempel auch andere zu dessen nachfolg reitzen mag. 7. Obwol die bestraffungen so amts halben geschehen/ gemeiniglich gegen die untergebene/ andere gemeine aber gegen die gleiche meistens gehen: so ist gleichwol nicht verboten/ daß nicht auch untere ihre obere erinnern moͤ- gen/ wobey gleichwol diese stuͤcke noͤthig. 1. Daß sie ihre erinnerung uͤber solche dinge thun/ welche sie gewiß verstehen/ daß sie unrecht sind. Sonsten thun manchmal voꝛgesetzte in den obern staͤnden mehꝛere dinge aus ihꝛem amt und solchen ursachen/ welche anderenicht begreiffen/ nochihnen gesagt werden N n doͤrf- Das dritte Capitel. sen/ daher diese aber bald leicht in die gedancken kommen moͤchten/ sie thaͤten damit unrecht/ und waͤren zu bestraffen/ da sie doch etwa gantz recht daran gethan haben: in solchem fall wuͤrde es den untergebenen nicht zukom- men/ sie deswegen zu bestraffen/ oder rechenschafft von ihnen zu fordern. Sondern es muͤssen dinge seyn/ die un disputi rlich unrecht. 2. Sollen solche erinnerungen der untern mit aller demuth und bescheidenheit geschehen/ daß sie ja die sonsten gegen die Obere geziemende ehrerbietung damit nicht verle- tzen/ und das ansehen gewinnen/ sie wolten uͤber ihre Obere die herrschafft suchen: damit die sache stracks verdorben wird. 3. Geziehmet sichs eben um der ursach willen/ daß dieselbige als viel muͤglich in geheim und ohne ih- re verkleinerung vor andern geschehe: ja so viel moͤglich/ daß es mehr scheine/ es suchen diese ihre eigene information und benehmung der uͤber sie gefaßten scrupel/ als daß sie sich so klug duͤncken zu seyn/ andere hoͤhere zu bestraffen. Wo es nun also geschihet/ koͤnnen sich die Obere nichts beschwehren. Ja es haben alle dieselbige/ sonderlich aber Prediger/ sich zu erfreuen/ wann ih- re anvertraute auch diese liebe an ihnen erzeigen/ und achte ich denjenigen des predig-amts nicht werth/ der einen bescheidenen und liebreichen zuspruch seines zuhoͤrers nicht mit hertzlichem danck annimmt/ sondern sich daruͤber beschwehrt/ indem wir ja dencken muͤssen/ wir seyen nicht nur der gemeinde vorsteher/ sondern auch glieder/ daher auch unter der bruͤderschafft/ und noch darzu menschen/ die fehlen und nicht alles so wol an sich in acht nehmen koͤn- nen/ als etwa andere gewahr werden. Ja ich achte/ daß es ein grosses stuͤck der verderbnuͤß unsers standes ist/ daß wenige das hertz nehmen/ uns diese treue/ so uns so nuͤtzlich und noͤthig waͤre/ zu erzeigen/ oder daß viele aus uns dergleichen uͤbel auffnehmen/ und christliche hertzen zu ihrem eigenen schaden hievon abschrecken. 8. Wie nun diese angedeutete art/ wie und wen man zu straffen hat/ wo sie dermassen angestellet wird/ ihre herrliche frucht brin- get; also wird hingegen der unbedachtsame gebrauch und die promiscua correptio cujuscunque mehr schaden bringen/ und kan von dem Heil. Geist nicht gemeinet seyn. 1. Es wuͤrde damit selten etwas ausgerichtet. 2. Mei- stens aber viele mehrere suͤnden bey den bestrafften veranlasset. 3. Wuͤrde eine grosse confusion und zerruͤttung entstehen/ solche aber dem Evangelio einen boͤsen nahmen machen. 4. Zugeschweigen der ungelegenheit/ welche solche liebe leut ihnen damit selbs zuzoͤgen. 5. Weil sich jeglicher gewissens halben darzu verbunden achtete/ wuͤrden sich eben diejenige/ die die noͤthige klugheit nicht haben/ desto oͤffter durch unzeitiges straffen versuͤndigen/ als groͤsser ihr eiffer waͤre. Anderer schaͤdlicher folgen nicht mit mehrerem zu gedencken/ daraus erhellet/ daß GOttes wille nicht koͤnne gewesen seyn/ das jenige zu verordnen/ daraus mehr boͤses als gutes entstehen wuͤrde. Was im ARTIC. III. SECTIO III. im uͤbrigen die davon angefuͤhrte spruͤche anlangt/ so handeln die ort Matth. 18/ 15. und Luc. 17/ 3. austruͤcklich allein von dem fall/ da unser bruder an uns suͤndiget/ und um des uns zugefuͤgten unrechts willen unserer vergebung bedarff/ auch wo denselben zu gewinnen einige hoffnung ist/ als welche der zweck der bestraffung seyn solle. Gehet also der daselbstige befehl nicht auff andere suͤnden/ wo der nechste sich sonsten versuͤndiget/ ohne das mich die sache absonderlich anginge: wie wol doch nicht leugne/ wo die hoff- nung der besserung sich zeiget/ daß ex analogia nachmal dieser befehl eben so wol weiter gezogen werden moͤchte. Jndessen ist offenbahr/ daß auch nicht blosser dings in jeglichem unrecht/ so uns von jemand geschihet/ solcher pro- ceß muͤsse noͤthig seyn/ sondern dabey/ mit wem wir es zu thun haben/ auch was vor hoffnung vorhanden mit in consideration gezogen werden. Chri- sto und den Apostein geschahe manches unrecht/ da sie sich zuweilen verthaͤdi- get/ und denjenigen/ welche es ihnen angethan/ ihr unrecht vorgestellet haben/ so wol etwa um ihrer selbs willen/ daß sie moͤchten gebessert werden/ als zur ehre GOttes und abwendung des aͤrgernuͤsses von andern; zuweilen aber liessen sie das unrecht voruͤber gehen/ trugens mit gedult/ und strafften die- jenige nicht/ welche es ihnen anthaten/ wann sie erkanten/ daß nun die zeit des schweigens/ und nichts auszurichten seye. Woraus wir abermal ein liecht in dieser materie bekom̃en/ und sehen/ daß die betrachtung der umstaͤnde zumal in dem gantzen werck hoͤchst noͤthig seye. 10. Der ort 3. Mos. 19/ 17. wird sich auch zimlich selbs erklaͤhren/ daß er mit dem befehl CHRJSTJ Matth. 18. uͤberein komme/ und also von denjenigen beleidigungen handele/ da der nechste uns unrecht gethan hat. Wie denn Moses verbittet man solle den nechsten nicht in seinem hertzen hassen: so muß also etwas vorgegan- gen seyn/ was solchen haß erregen moͤchte. Jst demnach die meinung eigen- lich diese: wo dir dein nechster leid zugefuͤget hat/ so trage es ihm nicht nach/ in einem heimlichen haß/ sondern sage es ihm und straffe ihn deswegen. Sirach. 20/ 2. daß er wisse/ wie er mit dir stehe/ und fernere suͤnden unter euch verhuͤtet werden. Wie dann solches straffen/ da es offenhertzig geschi- het/ entweder dem nechsten gelegenheit gibet/ sich also zuerkennen/ daß man sehe/ es seye etwa dasjenige/ was du uͤbel auffgenommen/ so boͤse nicht ge- meint gewesen/ oder es bringet ihn zur erkaͤntnuͤß und kuͤnfftiger besserung/ o- der machet einen anlaß/ daß sich andeꝛe darzwischen legen/ ferneꝛes ungluͤck zu verhuͤten: und wie etwa noch dergleichen arten seyn moͤgen/ worinnen solche bestraffung beyden theilen nutzen kan. Man sehe auch hieruͤber Sirach. 19/ v. 13. seq. Wo aber solches unterlassen und dem nechsten solche beleidigung nur nachgetragen und gelegenheit der rache gesucht wird/ so ladet man viele N n 2 schuld Das dritte Capitel. schuld auff sich. Jndessen lasse ich gern auch dieses allgemeine aus den wor- ten ziehen: wann der mensch die bestraffung also unterlaͤsset/ daß er damit des andern schuld auff sich ladet/ und also ursach ist/ daß er in seiner schuld stecken bleibet/ und weiter suͤnden begehet/ welche durch guten zuspruch haͤt- ten verhuͤtet werden koͤnnen/ so suͤndiget er wahrhafftig. Man moͤchte 11. den ort Epheser 5/ 11. habt nicht gemeinschafft mit den unfruchtbaren wer- cken der finsternuͤß/ straffet sie aber vielmehr/ ebenfals anziehen/ welcher meines erachtens die sache fast staͤrcker treiben solte/ als die andere. Aber er kan doch eben so wol nicht mehr ausrichten/ als dieses allgemeine/ daß die Christen sollen die wercke der finsternuͤß straffen: wer aber/ wen/ wie/ wo u. s. f. dieses thun sollen/ wird hie nicht ausgetruckt/ sondern/ wie es mit andern præceptis affirmativis ein bewandnuͤß gleicher massen hat/ muß solches aus beobachtung aller umstaͤnde/ wie es am meisten frucht schaffen kan/ mit christ- licher klugheit zu jedem mal ermessen werden. Dann dieses gebot so wol als andere sind uns von GOtt zu des neben menschen nutzen; nicht aber ihm zu mehrern suͤnden anlaß zu geben/ vorgeschrieben worden. Der gelehrte Matth. Flacius redet sehr wol hier uͤber diesen spruch: Observa pios non debere per- petuo dissimulare prava facta aut dicta, vel etiam tantum opiniones erro- resve ac malam mentem aliorum, præsertim sibi quoquomodo conjuncto- rum, etiam sola vicinia: sed potius arguenda esse, observato nihilominus quodam decoro loci, temporis ac personarum, ac communis eutaxiæ quietisque. Welches sehr fein die meinung des Apostels erklaͤhret/ wozu mir noch jener spruch Sirachs einfaͤlt. c. 20/ 1. Es straffet offt einer sei- nen nechsten zur unzeit/ und thaͤt weißlicher er schwiege. Wo wir se- hen/ daß der weise mann das straffen des nechsten nicht verwirfft/ vielmehr als etwas gutes billiget/ aber er will nicht haben/ daß es zur unzeit und also nicht mit gebuͤhrlicher beobachtung aller dienlichem umstaͤnde geschehe/ sonsten seye es wol besser/ man schweige gar/ als daß man mit gut gemeinten/ nicht aber genug bedachten reden/ schaden thue. Gleich wie eine artzeney koͤstlich und heilsam seyn kan/ welche doch/ da sie nicht recht gebraucht wird/ leicht so viel schaden mag als nutzen kan. Jch setze 12. zu mehrer erleuterung der sache noch dieses hinzu/ daß wir den nechsten auch straffen moͤgen durch andere. Wie ich dann dieses sehr rathsam achte/ daß zuweilen ein und an- dere suͤnden des nechsten/ welche wir zu straffen noͤthig achten/ und aber we- nig hoffnung haben/ daß wir dieses werck so vernuͤnfftig und vorsichtig ver- richten wuͤrden koͤnnẽ/ als es dienlich seye/ oder auch sorgen muͤssen/ daß es von uns nicht moͤchte wohl auff genommen werden/ von uns/ andern/ sonderlich den vorgesetzten in geheim angezeigt und solchen auffgetragen werde/ daß sie ihr ARTIC. III. SECTIO III. ihr amt an denjenigen zur besserung thun/ die solches bedoͤrffen. Also mag eltern/ herrschafften/ und dergleichen vorgesetzten dasjenige vertrauet wer- den/ was an den ihrigen straͤfflich beobachtet worden/ und sie es sonsten etwa nicht wissen moͤchten. Vornemlich sind die Prediger diejenige/ welchen amts- halben das straffen auch obligt und anbefohlen ist/ die etwa auch von GOtt die klugheit empfangen haben/ daß sie wissen/ mit nachtruck zu straffen/ zu dem auch das amt selbs ihnen eine mehrere autori taͤt/ folglich offt eine weitere krafft dem zuspruch/ gibt. Daher denjenigen/ welche ihnen selbs nicht trauen/ oder nichts auszurichten sorgen/ gantz rathsam ist/ daß sie solche dinge/ so eine andung und besserung noth haben/ den Predigern oder Beicht-vaͤtern anzei- gen/ welche nachmal weise und wege wissen/ wie sie am nuͤtzlichsten ihre zuspruͤ- che anstellen. Damit achte ich solcher leute gewissen genugsam exoneri rt/ und ist einerley/ ob ich eine sache durch mich selbs oder einen andern/ der es bes- ser zu thun vermag/ ausrichte: Ja dieses letztere manchmal nuͤtzlicher. Also erinnere ich mich selbs/ daß ich einer person/ welche zwahr einen eiffer hatte/ andere um sich in ihrem hause zu straffen/ aber gemeiniglich solches mit unver- stand und auf eine solche weise that/ daß sie damit mehr schaden als nutzen und erbauung schaffte/ gerathen habe/ sich alles solches straffens zu enthal- ten/ als wozu sie die gabe nicht empfangen habe/ hingegen mir/ weil ich amts halben sonderlich bey solchen leuten mehr zu sprechen/ dasjenige zu hinter- bringen/ was sie zu straffen werth achtete/ da alsdenn bey mir stuͤnde/ zu er- kennen/ ob es etwas wahrhafftig-straͤffliches/ oder der person einbildung al- lein/ waͤre/ (wie zuweilen einige etwas fuͤr unrecht ansehen koͤnnen/ was eben nicht unrecht ist) so denn gelegenheit zu suchen/ daß der zuspruch nicht ohne frucht geschehe. Dieses waͤren meine gedancken uͤber der vorgelegten mate- rie/ welche ich in der furcht des HErrn zu uͤberlegen/ und denselben inbruͤnstig anzuruffen bitte/ daß er demhertzen eine gewißheit geben/ und jedesmal zeigen wolle/ was seines willens seye. Er gebe uns allen zuforderst denjenigen fleiß in unsere seelen/ daß wir zu allererst uns selbsten taͤglich straffen und rich- ten/ mit sorgfaͤltiger forschung desjenigen/ wie es mit uns si ehet/ und also/ daß wir unser darinnen am wenigsten schonen/ als welches das trefflichste mittel ist zu unserm eigenen geistlichen wachsthum: Wo dieses mit trene und fleiß geschihet/ so dann eine wahre liebe zu des nechsten heil bey uns sich findet/ so wird uns nachmal der HErr diejenige weißheit verleihen/ welche uns noͤ- thig ist/ solche liebe des straffens nicht ohne frucht zu uͤben/ daß wir wissen zu reden und zu schweigen zu rechter zeit. 1683. N n 3 SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO IV. Von begruͤssung der aͤrgerlichen personen. Ob personen/ die in hoffaͤrtigen kleidern einher treten/ oder mehr als sich geziemet/ ihres leibes entbloͤssen/ die gebraͤuchliche reverenz oder begruͤssung zu thun seye? D Je frage ist nicht davon/ ob nicht solche leute mit ihrer kleider-pracht oder leichtfertigkeit schwehrlich suͤndigen/ sondern solches lasse ich als etwas ausgemachtes an seinem ort stehen/ und nehme die frage nur von denen an/ welche dieselbe gruͤssen/ und so fern ehren. Da hielte nun 1. welcher dergleichen personen/ die sonsten in einer condi- tion und stand stehen/ daß ihnen insgemein eine dergleichen ehr-bezeugung er- wiesen zu werden pfleget/ ob sie schon dergleichen suͤndliches an sich zeigen/ mit der gewoͤhnlichen eusserlichen reverenz ehret um ihres standes willen/ versuͤndiget sich damit nicht. Denn 1. der eusserliche und weltliche stand wird durch die suͤnde der person nicht auffgehoben/ und wie einer auch gottlosesten Obrigkeit ihr respect, den man mit unterthaͤnigkeit leisten muß/ ohnerachtet ihrer offenbaren boßheit bleibet/ so bleibet auch einem andern gottlosen men- schen derjenige respect, welchen ihm menschliche gesetze oder gewonheit gege- ben haben. 2. Jst solche eusserliche reverenz und so genanntes gruͤssen/ nach unserer Teutschen manier nichts anders als eine weltliche ehr-bezeugung/ dazu auch billich in dem hertzen die liebe/ die wir gegen alle zu tragen verbun- den sind/ sich finden/ und mit dadurch angezeiget werden soll. Wie aber durch des andern hoffart die ehr/ die ihm sonst seines standes wegen gebuͤhret/ nicht auffgehaben wird/ also denn auch von mir wol bezeuget werden kan/ so ist auch kein zweiffel/ daß ich einem solchen als meinem nechsten noch liebe schuldig bin/ ob wol dieselbe in dem hertzen nicht ein wolgefallen uͤber dero eitelkeit/ sondern vielmehr ein seuffzen nach sich ziehen solle. 2. Diesem mag nun nicht entgegen gesetzet werden/ was der Apostel 2. Joh. 10. 11. saget/ wie man diejenige/ welche die wahre lehr nicht mitbrin- gen/ nicht gruͤssen solle. Jndem daselbst nicht von einer solchen bey uns ge- gen alle vornehmere uͤblichen ceremonie der ehrerbietung/ sondern von einem solchen gruͤssen geredet wird/ dadurch man eine sonderliche freundschafft gegen den andern/ und also einen wolgefallen an ihm/ zeiget: Wie man denn sonsten sich seiner suͤnden/ wo allerdings kein wolgefallen dabey waͤre/ auch nicht theilhafftig machen koͤnte. Zu geschweigen/ daß daselbs nicht von solcherley in der eitelkeit stoltzirenden/ sondern die wahre lehre Christi nicht mitbringen- den geredet wird. 3. Es ARTIC . III. SECTIO V. 3. Es kan auch nicht gesaget werden/ daß solche leute/ durch die ihnen anthuende reverenz in ihrer hoffart oder leichtfertigkeit gestaͤrcket werden/ wo wir nemlich von denen reden/ welcher condition ohne das dergleichen ehr mit sich bringet. Daher sie es ihrem stand/ welchen sie haben wuͤrden/ sie gin- gen stattlich oder schlecht gekleidet/ nicht aber solchen ihren praͤchtigen kleidern zuschreiben: Vernuͤnfftig aber nicht dencken koͤnnen/ daß es um ihrer kleider willen geschehe. Ein anders waͤre es/ wo jemand dessen condition nicht eben eine solche ehrerbietung mit sich braͤchte/ sich praͤchtig eben deßwegen kleidete/ damit man den goͤtzen ehrte/ und sich also damit kuͤtzelte/ denn da hielte davor/ wer solches wuͤste/ haͤtte sich der ehrerbietung zu enthalten/ und solchen praͤcht- lingen ihren willen nicht zu erfuͤllen/ noch auch ein wolgefallen an ihrer bloͤsse mit einiger reverenz zu bezeugen. 4. Wo ferner jemand gegen solche personen/ gegen welche man die ehr- erbietung nicht blosserdings/ wie gegen regenten/ und die ihrige/ schuldig ist/ aus einem eiffer/ weil man aͤrgernuͤssen an ihnen sehe/ alle solche ehrerbietung ausliesse/ oder auch eben darinnen einiges mißfallen daruͤber zu verstehen ge- be/ den wolte ich deßwegen nicht schelten. Jndem diese eusserliche ehrerbie- tung durch dergleichen so genanntes gruͤssen/ gleichwol keine eigentliche oder gebotene schuldigkeit/ daher auch unter vielen nationen nicht gebraͤuchlich ist/ folglich sie so fern frey stehet/ und dero leistung oder enthaltung/ aus dem ge- muͤth des menschen/ der es thut oder laͤsset/ recht oder unrecht wird. 1688. SECTIO V. Von ausziehung einer vermuthlich-todten frucht aus mutter-leib. Ob ein Medicus, dem GOTT die wissenschafft verliehen/ extra- ctionem fœtus per instrumenta koͤnne illæsa conscientia, und auch erforderung muͤsse vornehmen/ und zwahr wegen die- ses einwurffs/ weilen die anzeigungen/ daß die frucht todt/ nur probabilia und nicht infallibilia seyen/ dahingegen wie- derum dieses beygebracht wird/ wenn man cuncti ren will/ offt periculum in mora seye/ und die mutter mit der schon vor todt gehaltenen frucht auch verderben muß? H Jerauf in der forcht des HErrn zu antworten/ muß zu erst erinnert werden/ und wird vielleicht ohne das bereits præsupponi ret. 1. Daß zu solchem gefaͤhrlichen mittel nicht eher geschritten werden muͤsse oder doͤrffe/ als biß so viel menschlicher verstand begreiffen kan/ die frucht vor todt gehalten werden muß: dann so lange noch einige zimliche vermuthung des uͤbri- Das dritte Capitel. uͤbrigen lebens seyn moͤchte/ koͤnte man die hand zu besorglicher ertoͤdtung ei- nes unschuldigen nicht anlegen. 2. Daß auch so lang gewartet werden solle/ als abermal nach allem menschlichem begriff hoffnung uͤbrig ist/ daß sich noch solche kraͤfften bey der gebaͤhrenden finden/ daß die natur einen neuen cona- tum, die frucht von sich zu treiben/ ausuͤben moͤchte/ wie bey den gebaͤhrenden zuweilen die wehen etwas wiederum einhalten und ruhen/ aber nach solcher ruhe die natur wieder mit neuer krafft an das werck gehet. Also hat man zu solchem gefaͤhrlichen mittel sich nicht eher zu resolvi ren/ biß diese hoffnung bey diesen dingen verstaͤndigen leuten allerdings verschwindet/ und eine gerechte sorge verhanden ist/ daß ein laͤnger verzug auch derjenigen todt nach sich zie- hen wuͤrde/ die noch haͤtte errettet werden koͤnnen: so nicht weniger das ge- wissen beschwehren wuͤrde. 3. Daß auch der HErr vorhin demuͤthigst dar- um angeruffen werde/ dafern das kind noch lebendig und zu retten waͤre/ und man etwa unwissend sich sonsten an ihm versuͤndigen moͤchte/ daß er solches durch einige kennzeichen/ wie in dergleichen faͤllen muͤglich/ offenbahren/ oder doch seinen willen in den hertzen zu erkennen geben wolle/ darmit man/ weil man ja sich gern bequemen wolle/ nicht unwissend wider denselbigen thun moͤchte. Vorausgesetzt dieser bedingungen/ und da alle menschliche vermu- thungen den todt des kindes und die nunmehr unauffschiebliche gefahr der mutter vor augen stellen/ achte ich/ daß ein solcher Medicus oder Chirurgus (der im uͤbrigen auch sonsten seiner sache in dieser an sich selbs mißlichen ope- ration gewiß seyn muß/ daß er nicht die gefahr noch mehr vergroͤssere) mit gu- tem gewissen koͤnne/ und nach derjenigen sorgfalt/ darzu wir gehalten sind/ nach muͤglichkeit des nechsten leben zu retten/ solle/ in dem nahmen des HErꝛn und mit dessen anruffung das werck vornehmen. Der grund dieses satzes ist dieser: Weil das vor todt gehaltene kind ent- weder in der wahrheit todt ist/ oder nicht. Jst das erste/ (wie bereits erin- nert worden/ daß man auch so lange warten muͤste/ als eine vernuͤnfftige hoff- nung uͤbrig waͤre/ daß es noch lebte/ und wo endlich die mutter verstuͤrbe/ ein partus cæsareus werden koͤnte) so ist keine ursach zu zweifflen da/ warum nicht dasjenige auch mit gewalt und etwa zerstuͤckt herausgerissen werden doͤrffte zu rettung der mutter/ was ohne das natuͤrlich nunmehr nichts anders als die verwesung vor sich hat/ und deme also darmit kein schade geschihet: so wenig als denjenigen/ welche nach ihrem todt um des menschlichen coͤrpers beschaf- fenheit und einiger kranckheiten ursachen zu erlernen/ auffgeschnitten und anatomi ret werden. Waͤre aber das andre (darinnen alle difficul taͤt stecket/ indem man kei- nen unschuldigen um des andern willen toͤdten/ noch daß gutes erfolge/ boͤses thun darff. Rom. 3/ 8. ) So halte doch einen solchen Medicum vor un- schul- ARTIC. III. SECTIO V. schuldig: Jndem er die frucht vor todt achtet/ und nach aller seiner kunst und einsicht nicht anders als todt halten kan/ also wuͤrde er vor GOTT in solchem fall nicht anders schuldig seyn/ als einer waͤre/ der ohne alle seine schuld einen anderen durch einen ungluͤcklichen fall getoͤdtet haͤtte/ da ihn GOTT unge- fehr in seine haͤnde haͤtte fallen lassen. 2. Mos. 21/ 13. Wo wir leicht erken- nen/ daß zwahr ein homicidium physicum, nicht aber morale, geschaͤhe; das ist/ daß wircklich ein mensch sein leben verliehret/ aber ohne eigenliche ver- schuldung des thaͤters vor GOTT / indem weder dolus noch culpa vorhan- den ist/ weder vorsatz noch straͤffliche schuld aus unvorsichtigkeit und der- gleichen. Man moͤchte zwahr sagen und einwenden/ es geschehe gleichwol mit zweifflendem gewissen/ da aber/ was also geschihet/ suͤndlich ist/ nach Rom. 14/ 23. Nun ists freylich an dem/ wo einer solches eigenlich mit zweifflendem gewissen thaͤte/ daß er nicht von der suͤnde frey gezehlet werden koͤnne: Wir haben aber dieses auch wiederum zu erfordern/ daß ein solcher Medicus sein gewissen erstlich fest setze/ und versichert seye/ daß in diesem fall sein amt und die liebe von ihm dasjenige erfordere/ was er thue/ so thut ers also nicht im zweiffel. Ja/ aber er ist doch nicht unfehlbar des todes des kindes ver sichert. Antwort: Dieses wird zugegeben/ indessen ists doch nichteigenlich ein zweif- fel/ indem bey einem scharff also genannten zweiffel sich dieses findet/ daß das gemuͤth sich auf keine seite mehr als auf die andre lencke/ da wir hingegen hier setzen/ daß der Medicus den todt nach allen menschlichen vermuthungen vor gewiß glaube/ und nur eine geringe formido oppositi, und sorge/ daß das ge- gentheil muͤglich seyn koͤnne/ so er aber doch nicht vermuthet/ vorhanden waͤre. Wo wir aber auch solches einen zweiffel nennen wollen/ muͤssen wir einen un- terscheid machen unter einem zweifflenden gewissen selbs/ und unter einem versicherten gewissen in einer sache/ in dero sonsten ein zweiffel seyn mag. Welche beyderley unterschieden sind: Dann es kan eine sache seyn/ worinnen sich ein zweiffel findet/ ob dieses und jenes sich also verhalte/ und indessen blei- bet doch das gewissen aus guten gruͤnden versichert/ daß es in dieser bewand- nuͤß nach goͤttlicher ordnung dieses oder jenes thun solle. Also absolvi ret ein auch gewissenhaffter Prediger denjenigen/ den er nach muͤglichkeit gepruͤf- fet/ und nichts/ so ihn unwuͤrdig zu seyn zeiget/ an ihm befunden haͤtte/ ob er wol weiß/ es seye muͤglich/ daß er durch heucheley betrogen wuͤrde/ ja ob er auch aus gewissen anzeigungen eine sorge derselben haͤtte/ darauf aber der an- dere ihm so fern gnuͤge gethan/ daß er nicht weiter/ wie es in diesem menschli- chen leben/ die wir in die hertzen nicht sehen koͤnnen/ stehet/ hat kommen koͤn- nen: Jndessen ist sein gewissen ohne zweiffel/ daß er dieses thun moͤge/ ob wol in der sach ein zweiffel noch uͤbrig seyn kan. Also kan ich von dem nechsten O o das- Das dritte Capitel. dasjenige/ was er mir schuldig ist/ mit versichertem gewissen annehmen/ ob ich wol nicht versichert bin/ daß ich nicht von ihm aus dergleichen mitteln bezah- let werde/ die ein fremdes gut bey ihm waͤren: und also auch in andern stuͤcken. Also muß eines diese wuͤrckung vornehmenden Medici gewissen versichert seyn/ daß er dieselbe aus sorge vor der mutter leben zu verrichten habe/ ob er wol nicht unfehlbar versichert ist/ daß das kind wahrhafftig todt seye. Wann auch sonsten die moralist en in den etwas zweiffelhafften faͤllen einen unter- schied machen/ unter dem was das sicherste oder das mit besten rationibus be- gruͤndete seye/ da sie bald dieses bald jenes vorziehen/ so moͤgen wir sagen/ daß hie die operatio, welche die mutter erhaͤlt/ beydes zugleich/ nemlich das sicher- ste und doch auch dabey bewehrteste seye/ das gegentheil aber so vielmehr ge- fahr als auch wichtigere gruͤnde gegen sich habe. Wolte man aber weiter instanz machen/ weil gleichwol noch einiger zweiffel uͤbrig waͤre/ muͤste man gantz still stehen/ und nichts thun/ als darmit man am wenigsten suͤndigte/ so ist nicht allein immer zu wiederholen/ daß be- reits angedeutet/ wie man/ als lang muͤglich ist/ warten muͤsse. Aber wo der eigenlich bedingte casus sich ereignet/ hat solches stillstehen nicht mehr platz/ dieweil dasselbe selbs eine suͤnde waͤre/ die mutter gewiß zu toͤdten (dann wen ich nicht rette/ da ich kan/ den toͤdte ich in dem gericht GOttes.) Also da es auf diese noth kommt/ entweder in gefahr zu seyn der toͤdtung einer frucht/ die man doch nicht anders als vor todt glaubet/ und wo sie lebte mit der mutter/ der groͤssesten wahrscheinlichkeit nach/ dannoch sterben muß/ oder wissentlich und ohne einigen zweiffel/ die noch zu retten nuͤtzliche dem todt uͤberlassen/ so muß einmal dieses letzte die andre forcht uͤberwiegen: und kan derjenige ver- sichert seyn/ der nach allen obgedachten bedingungen aus wahrer begierde die eine person dem gewissen todt zu entreissen/ moͤchte der frucht unwissend scha- den gethan haben/ daß ihm der HErr/ dessen willen er mit einfaͤltigem hertzen zu thun gesucht hat/ solches nicht zurechnen/ sondern ihm vielmehr/ was er ge- than/ gefallen lassen werde. Er mache uns aber in allen stuͤcken seines wil- lens gewiß/ nichts wider denselben zu thun/ oder sehe unsere unwissenheit/ da wir nicht weiter zu kommen vermoͤgen/ in gnaden an. SECTIO VI . An einen Juristen/ der sich von seinem kost-herrn injurii ret zu seyn einbildete/ und daruͤber einen proceß mit demselben anheben wolte. S O viel hertzlicher mir desselben geistlich- und leibliches wolwesen ange- legen/ so viel weher hat es mir biß daher gethan/ daß von guter zeit mer- cken muͤssen/ daß derselbe seine maaß gantz anders zu nehmen scheinet/ als ARTIC. III. SECTIO VI. als zu solchem zweck dienlich seyn mag. Welches ich so wol aus demjenigen wahrgenommen/ was wir in der bekanten sache selbs mit einander geredet/ als mir folglich durch unsern beyderseits freund/ Herrn N. unterschiedliches mal von dessen gefaster resolution hinterbracht/ nunmehr aber dieselbe mit communication des hiebey wieder zuruͤcke gehenden schrifftlich notifici ret worden. Jch habe weder dessen hertz in meinen haͤnden/ noch gewalt uͤber denselben von einer sache/ welche zwahr schaͤdlich erkenne/ wider eigenen wil- len abzuhalten: so achte es auch unthunlich/ nach mehrmaligen remonstratio- nen eine person/ so sich die sache fest vorgenommen/ ferner suchen zu diverti- ren. Bezeuge allein nochmal/ daß nach aller dieser schrifft uͤberlesen/ in mei- nem gewissen dasjenige noch nicht finden kan/ wessen sich mein Hochg. Herr L. versichert achtet/ und darauf alles gruͤndet. So habe auch billich zu erin- nern/ wo meiner in der historia meldung geschihet/ daß ich vom proceß abge- rathen/ daß es geschehen/ nicht aus der allgemeinen ursach/ wie wir auch in wahrhafftigen injuri en zu guͤte und frieden Christlich rathen sollen/ sondern wie derselbe sich freundl. erinnern wird/ daß ihm in dem geschehenen nur einen zimlichen schein eineꝛ injuri en/ geschweige eine wahrhaftige injuri e/ wiederfah- ren zu seyn/ nicht habe erkennen koͤnnen/ noch jetzo erkennen kan: Vielmehr ei- ne mir schwehrlich zufuͤgende injuri e achten wuͤrde/ wo einer meiner tisch und hauß-genossen mir ein und ander dergleichen wort oder action, als eine schimpffliche injuri e anziehen/ und mich druͤber angreiffen wolte. Wie ich nochmal bezeuge/ daß lieber wuͤnschte/ mir alles damal erzehlte begegnet zu seyn/ nicht daß ich etwa durch GOttes gnade gelernet/ wahrhafftige injuri en leicht zu ertragen/ sondern daß mirs in die gedancken nicht haͤtte steigen sollen/ daß mir eine injuri e dadurch zugefuͤget wuͤrde. Wie weit bey den Herren Juristen sich die processus injuriarum erstrecken/ und was sie unter den inju- ri en begriffen halten wollen/ verstehe ich nicht. Nach meinen Christlichen regeln haͤtte ich aber nimmermehr geglaubet/ daß mir erlaubt waͤre/ meinem neben-menschen gegen alle seine entschuldigung eine sache dermassen auffzu- mutzen: Und da mich Herr N. wegen des juramenti solle gefragt haben/ wuͤrde ich auffs hoͤchste solches zu thun mißrathen haben/ als eine entheiligung des nahmens GOttes/ alldieweil es eine sache/ welche weit der wichtigkeit nicht waͤre/ denselben daruͤber zu fuͤhren. Wird aber die Obrigkeit/ da die sache public wird/ und eine mehrere wichtigkeit bekommen mag/ ihm ein juramen- tum deferi ren/ so zweiffle nicht/ daß er solches mit freudigkeit des gewissens thun wird: Massen einer/ welcher sich vor seinem Beicht-vater dermassen purgi ret/ als Herr N. bey mir gethan/ nachmal nicht scheu traͤgt/ gleiches religioso juramento, wo es nunmehr von denen/ welche es in GOttes nahmen erfordern moͤgen/ aufferlegt wird/ zu bestaͤtigen. Mich betruͤbet O o 2 dieses/ Das dritte Capitel. dieses/ daß sorge/ es werde auf jetzige gemuͤths-unruhe noch einmal eine neue unruhe des gewissens folgen/ so dann doͤrffte dergleichen proceß/ wel- chen mein Hoch g. Herr Lic. intendi ret/ und sich damit von einem schimpff befreyen will/ ihn in einen solchen schimpff stuͤrtzen/ der so bald nicht repari rt werden kan/ mit welches vorhaltung/ um sich nicht zu prostitui ren/ und selbs eine ungelegenheit uͤber den halß zu ziehen/ so bald treulich anfangs abgerathen/ und damit nicht Herr N. (als den in allem solchem ausser gefahr zu seyn/ jedesmal geglaubet) sondern dessen eigenen glimpff gesuchet. Man wird sorglich allzuspaͤt dermaleins bereuen/ was geschihet/ und in der er- fahrung finden/ was fuͤr eine heilsame weißheit in den geboten Christi seye/ welche nicht nur eine liebe von uns fordern/ die nichts arges gedencke/ und deß wegen alles zum besten immer auffnehme/ sondern auch wahrhafftige injuri en mit gedult uͤberwinden/ und darinnen eine ruhe des gemuͤths zu suchen lehren. Der HERR regire nochmal die sache zu allerseits gewis- sen beruhigung. 1683. SECTIO VII. Pflichten eines offendentis und offensi wegen der versoͤhnung. D Je uͤbersendete speciem facti, was zwischen einem offendente und offenso, deren dieser/ da sie sich einmal gezweyet/ jenem gesagt/ das solte er an jenem tag verantworten/ bey dieses absterben vorgegangen/ und daraus gezogene fragen uͤber jenes aus der sachen geschoͤpffte scru- pul/ habe in der furcht des HErrn etlichemal durchgelesen/ und mit dessen auruffung/ was goͤttlichem wort und dem gewissen gemaͤß seye/ erwogen. Ob nun wol dieses bedencken dahin gemeinet ist/ auch wol in solcher absicht wird gesuchet worden seyn/ das verunruhigte gewissen des of- fendentis zu befriedigen/ so wird doch zuerst billich dieses voraus- gesetzt/ daß derselbe allerdings seine suͤnde vor schwehr zu achten ha- be. Dann ob wol/ wie schwehr die offension an sich selbs gewesen/ mir nicht wissend/ und in der specie facti nicht ausgetrucket ist/ so zeigt sich doch/ daß die person damal in keinem guten stand moͤge ge- standen seyn/ wann sie sich nicht allein ihre affect en zu dem vor- gegangenen streit hat uͤbernehmen/ sondern sich auf die worte/ daß er solches an jenem tage werde verantworten muͤssen/ nichts bewegen lassen/ vielmehr so lange/ als nemlich fuͤnff vierthel jahr in ei- nem hause mit dem offenso lebende/ sich nicht gruͤndlich mit ihm zuversoͤhnen getrach- ARTIC. III. SECTIO VII. getrachtet/ noch ehe dazu gethan/ als biß er durch die lebens-gefahr des an- dern geruͤhret worden: so eine anzeige ist eines menschen/ der eine gute weil in zimlicher sicherheit einher gegangen. Daher er bißher allerdings ursach gehabt hat/ solcher seiner suͤnde wegen mit erkaͤntnuͤß dero schwehre sich hertz- lich vor GOtt zu demuͤthigen. Ja daß der HErr die bißherigen anfechtun- gen in seiner seele/ diese sehr zu aͤngstigen/ solche gewalt/ auch sie so lange an- halten/ gelassen/ sehe ich billich an/ daß er solches ihm noͤthig befunden haben werde/ durch die schmertzliche empfindung dieser suͤnde/ und die dadurch be- forderte wahre buß/ das gewissen auff das gantze leben desto zarter zu ma- chen/ und vor aller sicherheit zu verwahren: daher er desto wichtigere ursach hat/ so viel weniger uͤber bißheriges leiden der seelen/ so er verschuldet/ zu murren/ hingegen vielmehr goͤttliche guͤte/ so auch dieses zu gutem ende ge- richtet hat/ zu preisen. Zur sache aber so bald zu schreiten/ ist/ ehe man die fragen selbs vornim- met/ noͤthig/ zuerst die gantze sache nach dero grund zu erwegen/ die wir dann in folgende saͤtze abtheilen wollen. 1. Unser liebste Heyland JEsus Christus/ wie er sich als das lamm GOttes die suͤnde der gantzen welt/ sie zu tragen/ aufflegen lassen Joh. 1/ 29. hat ohne ausnahm einer einigen fuͤr alle dieselbige gnug gethan und ge- buͤsset. Jesa. 53/ 7. der HErr warff unser aller suͤnde auff ihn. 1. Joh. 2/ 2. Er ist die versohnung fuͤr unsre suͤnde/ nicht allein aber fuͤr die unsrige/ sondern auch fuͤr der gantzen welt. Daher hin und wieder al- lein der suͤnde insgemein meldung gethan wird/ von dero begriff sich keine ausschliessen laͤsset. 1. Pet. 2/ 24. welcher unsre suͤnde selbs geopffert hat an seinem leibe auff dem holtz. Hebr. 9/ 26. Am ende der welt ist erein- mal erschienen durch sein eigen opffer/ die suͤnde auffzuheben. So ste- het austruͤcklich 1. Joh. 1/ 7. das blut JEsu CHristi seines Sohns ma- chet uns rein von aller suͤnde: so muß es als die versoͤhnung auch fuͤr alle gewesen seyn. Daher ist die goͤttliche gerechtigkeit bereits fuͤr alle suͤnden/ wie schwehr sie auch waͤren/ vergnuͤgt/ daß dieselbe vergeben werden koͤnnen. 2. Krafft solcher versoͤhnung Christi will nun GOtt alle suͤnde verge- ben/ dann weil gedachter massen alle versoͤhnet sind/ so kan auch keiner suͤnden vergebung/ welche auff jenem grund beruhet/ in zweiffel gezogen werden. Wir haben an Christo die erloͤsung durch sein blut/ nemlich die vergebung der suͤnden. Coloss. 1/ 14. Eph. 1/ 7. Er hat uns geschencket alle suͤnde. Col. 2/ 13. So seye es nun euch kund/ lieben bruͤder/ daß euch verkuͤn- O o 3 diget Das dritte Capitel. diget wird/ vergebung der suͤnden/ durch diesen und von dem allen/ durch welches ihr nicht kontet im gesetz Mosis gerecht werden. Ap. Ge- schicht 13/ 38. Ezech. 18/ 21. 22. Wo sich der gottlose bekehret von allen seinen suͤnden/ die er gethan hat/ und haͤlt alle meine rechte/ und thut recht und wol/ so soll er leben und nicht sterben. Es soll aller seiner uͤbertretung/ so er begangen hat/ nicht gedacht werden. Sonderlich ste- het deutlich Matth. 12/ 31. darum sage ich euch/ alle suͤnde und laͤsterung wird den menschen vergeben/ aber die laͤsterung wider den Geist wird den menschen nicht vergeben/ Marc. 3/ 28. 29. Warlich ich sage euch/ alle suͤnden werden vergeben den menschen-kindern/ auch die gottes- laͤsterung/ damit sie GOtt laͤstern. Wer aber den H. Geist laͤstert/ der hat keine vergebung ewiglich/ sondern ist schuldig des ewigen gerichts. Da wir von dieser ausnahm sagen moͤgen: exceptio a regula firmat regulam in casibus non exceptis. Daß aber die suͤnde in den H. Geist ausgenommen wird/ hat allein die ursach/ nicht gleich erstreckte sich sonsten GOttes barm- hertzigkeit und Christi versoͤhnung nicht auch daruͤber/ sondern weil die ver- achtung der gnaden-mittel und ordnung GOttes mit solcher suͤnde verknuͤpf- fet ist. 3. Jndessen hat GOtt gleichwol eine gewisse ordnung eingesetzt/ in wel- cher allein der mensch die vergebung erlangen kan/ diese erfordert nun nichts anders als wahre buß: daher Christus hat predigen lassen in seinen nah- men buß und vergebung der suͤnden unter allen voͤlckern Luc. 24/ 47. GOtt hat Jsrael gegeben buß und vergebung der suͤnden. Ap. Gesch. 5/ 31. Also sind diese beyde aus seinem rath also mit einander verknuͤpffet/ daß wo sich die wahre busse findet/ die vergebung der suͤnden nicht ausbleiben kan. Weil aber die busse in zweyen stuͤcken bestehet/ nemlich in reue uͤber die suͤnde und dem wahren glauben/ so ist dieses andre stuͤck der busse eigenlich dasjeni- ge/ dadurch wir die vergebung der suͤnden erlangen und ergreiffen: die reue aber bereitet das hertz/ daß es tuͤchtig werde/ aus wirckung des Heiligen Geistes den glauben zu bekommen/ und raͤumet die hindernuͤssen der verge- bung hinweg. 4. Die reue uͤber die suͤnde/ so auch insgemein buß im gegensatz gegen den glauben genennet wird/ fasset in sich nicht allein erkaͤntnuͤß der suͤnden und traurigkeit daruͤber/ sondern vornemlich hertzliches mißfallen daran/ haß dagegen/ und ernst dieselbe nach aller muͤglichkeit von sich abzulegen. Sind diese stuͤcke vorhanden/ so ist die busse redlich und GOtt gefaͤllig. 5. Was anlangt die suͤnde der beleidigung des nechsten/ so scheinet es/ daß der liebste Heyland etwas besonders zu dero vergebung/ nemlich die ver- ARTIC. III. SECTIO VII. versoͤhnungmit dem beleidigten erfordere. Matth. 5/ 23. u. f. Wann du dei- ne gabe auf dem altar opfferst/ uñ wirst allda eindencken/ daß dein bru- der etwas wider dich habe/ so laß allda vor dem altar deine gabe/ und gehe zuvor hin/ und versoͤhne dich mit deinem bruder/ und alsdenn komm und opffere deine gabe. Sey willfertig deinem widersacher bald/ dieweil du noch bey ihm auff dem wege bist/ auff daß dich der wi- dersacher nicht dermaleins uͤberantworte dem richter/ und der richter uͤberantworte dich dem diener/ und werdest in den kercker geworffen. Jch sage dir warlich/ du wirst nicht von dannen heraus kommen/ biß du auch den letzten heller bezahlest. Wo wir aber die sache recht erwe- gen/ so ist solches eigenlich nichts aosonderliches/ sondern es stecket solche versoͤhnung an sich selbs theils in der reue/ theils folget aus derselben/ wenn sie ernstlich ist. Dann wo der bußfertige in seinem gewissen befindet/ seinen nechsten beleidiget zu haben/ und ihm also satisfaction schuldig zu seyn/ so has- set er auch solche seine suͤnde dermassen/ daß er willig ist/ alles zu thun/ womit eꝛ dieselbe in gewisseꝛ maaß wieder tilgen koͤnte/ und also den nechsten um ver- zeihung zu bitten/ und ihm nach aller billigkeit gnug zu thun. Dieser haß der suͤnden/ und wille sich derselben zu entschuͤtten/ gehoͤret mit in die reue/ und aus derselben/ weil es einem bußfertigen ein ernst ist/ folget darnach/ daß ers auch wircklich thut/ wo es ihm moͤglich ist. Daher ist die ursach/ warum die versoͤhnung noͤthig ist/ nicht diese/ gleich ob koͤnte GOtt ohne den willen des beleidigten/ und daß derselbe sein recht an ihn fahren lassen muͤste/ dem belei- diger die suͤnde nicht vergeben/ indem er an keinen menschen verbunden ist/ son- dern dieweil in dem hertzen des beleidigers die wahre buß aus goͤttlicher ord- nung zur vergebung erfordert wird/ diese aber das obgedachte mit sich brin- get. 6. Daraus folget/ daß nicht so wol die wirckliche versoͤhnung von bey- den seiten/ sondern bey dem beleidiger das wahrhafftig nach der versoͤhnung sich sehnende hertz (welches daher auch an sich nichts muͤgliches ermanglen laͤsset) als ohne welches die buß nicht redlich waͤre/ erfordert werde. Wel- ches ich hoffe/ daß jeder leicht erkennen werde/ wo er bedencket/ daß es gesche- hen koͤnne/ daß einer einen andern beleidigt haͤtte/ und wircklich alles thaͤte/ was goͤttliche buß-ordnung von ihm gegen den beleidigten erforderte: dieser aber waͤre so hartnaͤckig und feindselig/ wie wir leider dergleichen exempel viele offtmal sehen/ und wolte jenem nach aller angebotenen satisfaction nicht vergeben. Wer wolte da sagen/ daß dieses beleidigt gewesten boßheit den andern nunmehr bußfertigen in die verdammnuͤß stuͤrtzen koͤnte: welches goͤttlicher gerechtigkeit und bar mhertzigkeit allzunahe getreten waͤre. Ja wir werden finden/ daß nicht so viel demjenigen/ der die versoͤhnung nicht suchete so Das dritte Capitel. so aus unwissenheit oder auch andern ursachen herkommen mag/ als immer vielmehr demjenigen/ welcher eine gesuchte versoͤhnung abweiset/ mit goͤttli- chem gericht getrohet werde: also daß auch die worte Christi: Sey willfer- tig deinem widersacher bald ꝛc. gemeiniglich nicht so wol auff den offen- dentem als offensum gezogen werden. Es wuͤrde ferner/ wo man auff der wircklichen geschehenen und erlangten versoͤhnung beruhen/ und sonst die ver- gebung absprechen wolte/ folgen/ daß einer/ der den andern ums leben ge- bracht/ auff alle seine buß nimmermehr vergebung in der welt erlangen koͤn- te/ weil er sich mit dem offenso nicht versoͤhnen kan: also auch/ daß keine suͤn- de vergeben werden moͤchte/ welche an einem begangen worden/ der darauff bald/ ehe eine versoͤhnung gesuchet worden/ verstorben/ ob er wol den andern vor GOttes gericht auff keinerley weise geladen haͤtte. Welches aber lau- ter solche dinge sind/ die ich nicht hoffe/ daß einer dieselbe zugeben werde/ der nur etlicher massen die goͤttliche heils-ordnung verstehet. Wie wir dann den lieben Apostel Paulum der vergebung unfaͤhig machen wuͤrden/ weil derselbe vor seiner bekehrung die Christen verfolgt/ einige zum tode verdammt/ ande- re gepeinigt/ und zu laͤstern gezwungen hatte/ wo ohne wircklich erlangte ver- soͤhnung des beleidigten jene keinen platz nicht haͤtte: und doch wird ihm Ap. Gesch. 22/ 16. von Anania gesagt: stehe auff/ und lasse dich tauffen und abwaschen deine suͤnde: daß also Paulus in seiner tauff so bald verge- bung der suͤnden erlangt/ nicht aber dieselbige auff so lange in suspenso geblie- ben ist/ biß er wuͤrde alle diejenige/ denen er so viel unrecht gethan/ versoͤhnt haben/ da es bey einigen/ die todt waren/ gar nicht mehr/ bey andern so leicht und bald nicht/ geschehen konte. Aber Pauli hertz war doch wie glaͤubig/ al- so wahrhafftig bußfertig/ es war ihm leid/ was er in unglauben gethan/ waͤ- re es ihm moͤglich gewesen/ diejenige/ zu dero todt er geholffen/ wieder dar- zustellen/ wuͤrde ers gern gethan haben/ er wird sich auch vorgenommen haben/ wo er einigen der geaͤrgerten und beleidig- ten wieder gnug thun koͤnte/ solches willig/ ja ihnen desto mehr liebe zu thun. Also war ein wahrhafftig versoͤhnliches hertz bey ihm verhanden/ und also seine busse richtig. Aus welchem allen erhellet/ daß die bloß-noͤthi- ge versoͤhnung/ weil sie als ein stuͤck der wahren buß (welche in lauter innerli- chem bestehet) erfordert wird/ vielmehr in dem hertzen des dieselbe begehren- den als ertheilung des beleidigten zu suchen seye. Daher unser trefliche Chemnitius Harm. Evang. c. 51. p. 443. 444. wol schreibet: Quia tempus \& locus sæpe non permittunt adire fratrem offensum, sæpe etiam fratri hoc non expedit, sensus est (nemlich Matth. 5/ 23. ) ut ex animo bonum conci- piamus \& habeamus cordis propositum placandi fratrem offensum, \& quantum in nobis est omnia faciamus, ut offensum fratrem nobis reconci- lie- ARTIC. III. SECTIO VII. liemus. Jst also diese regel von der versoͤhnung in dem verstand anzuneh- men/ wie eine andre/ daß die suͤnde nicht vergeben werde/ wo das mit unrecht entzogene nicht erstattetwerde: womit gleichwol denjenigen/ die das unrech- te gut nicht wieder zu erstatten vermoͤgen/ oder da diejenige nicht mehr ver- handen sind/ denen die erstattung sonsten geschehen solte/ die vergebung im fall sie sonsten wahrhafftig in der busse stehen/ und zur erstattung willig waͤ- ren/ nicht abgeschlagen wird. 7. Die vorladung vor GOttes gericht anlangend/ haben wir dero kein eigenliches exempel in der schrifft: dann Zachariaͤ wort 2. Chron. 24/ 22. sind nicht deꝛgleichen/ sondeꝛn prophetische ankuͤndigung deꝛ straffe: so ist auch was Paulus Ap. Gesch. 23/ 3. zu Anania gesprochen/ nicht vor dergleichen anzunehmen/ sondern der Apostel straffte den ungerechten richter/ und zei- gete ihm an/ was er vor GOtt verschuldet/ und wo nemlich nicht busse folge/ zuerwarten habe. Jn den historien aber finden sich mehrere exempel/ gemei- niglich solcher/ welche/ da sie ungerecht zum tode verurtheilet worden/ ihre richter citirt/ da auch der effect darauff erfolget. Von solchen vorladungen aber ist fast schwehr zu urtheilen/ noch traute ich dieselbe/ als die dem uns zur nachfolge vorgeschriebenen exempel Christi/ und dann auch Stephani/ so fuͤr ihre feinde gebeten haben/ gantz entgegen sind/ nicht zu vertheidigen; es seye dann sache/ daß solche aus sonderlichem und uns unbekantem goͤttlichem trieb hergekommen waͤren/ daher auch nachmal die goͤttliche gerechtigkeit sie vollstrecket werden lassen. So viel mir aber wissend/ haben die beschriebene citationes allezeit solche ungerechte leute betroffen/ die nicht allein ohnerach- tet derselben citation ihre ungerechte urtheil vollziehen lassen/ sondern ins- gemein entweder derselben gar gespottet haben/ oder doch die gantze zeit si- cher dahin gegangen sind/ biß bey erschienenem termino das gewissen auff ge- wacht/ und sie etwa mit schrecken dahin gefahren sind. Es ist aber aus obi- gem gewiß/ wo auch ein solcher citatus nachmal sich bekehret haͤtte/ und zu wahrer buß gekommen waͤre/ daß solcher auch seiner schwehren suͤnde verge- bung erhalten wuͤrde/ ob schon haͤtte geschehen moͤgen/ daß etwa GOttes ge- rechtigkeit auff die bestimte zeit zu rettung ihrer ehre den leiblichen todt erfol- gen haͤtte lassen: wie auch 2. Sam. 12/ 14. u. f. David nach versicherter vergebung der suͤnde sein kind verliehren mußte/ und dessen leben nicht erbit- ten konte. Nachdem nun diese puncten/ daraus die gantze sache zu decidi ren ste- het/ eroͤrtert sind/ laͤsset sich unschwehr auff die vorgelegte fragen antworten. Q. 1. Ob dasjenige/ was in casu præsenti zwischen dem beleidigten P p und Das dritte Capitel. und beleidigten paßiret/ fuͤr eine versoͤhnung zu ach- ten? H Jerauff antworte: 1. daß beyde/ nachdem sie den streit mit einander ge- habt/ darauff sich zu dem H. Abendmahl auffs wenigste zweymal verfuͤ- get/ und allezeit einer dem andern GOttes gnade zu seinem vorhaben ge- wuͤnschet/ koͤnte zwahr des beleidigers gewissen noch nicht voͤllig beruhigen/ weil seine weitere schuldigkeit gewesen/ sein unrecht zu erkennen/ und die aus- truͤckliche versoͤhnung zu suchen: es thut aber in der sache so viel/ daß der be- leidigte/ da er den andern zu dem tisch des HErrn gehen lassen/ und ihm goͤtt- lichen segen angewuͤnschet/ sein recht/ so er gegen ihn wegen der beleidigung gehabt/ in gewisser maaß erlassen; dann wo er sichs vorbehalten wollen d er ihn haͤtte vielmehr zu erinnern gehabt/ als zu seinem vorhaben den wunsch hinzuthun sollen. 2. Was die wahre versoͤhnung/ die vor GOtt noͤthig ist/ und angesehen wird/ davon n. 5. und 6. gehandelt/ anlangt/ die findet sich bey dem beleidiger allerdings/ indem er mit hertzlicher reue dem todt-krancken beleidigten das unrecht abgebeten/ und da ihm auch das absonderliche we- gen der von ihm gehoͤrten worte wiederum eingefallen/ versuchte er auch des- wegen neue abbitte zu thun/ ob man ihn wol/ bey dem andern eine unruhe des gemuͤths zu verhuͤten/ nicht zu ihm lassen wollen: also ist sein hertz so wol damal in der disposition gestanden/ wie es goͤttliche ordnung in solchem fall erfordert/ als auch bin versichert/ daß es noch also stehe/ und wo es moͤglich waͤre/ auffs neue itzo abbitte zu thun/ daß er sich derselben nicht weigern wuͤr- de. 3. Was aber die versoͤhnung anlangt/ daß auch der beleidigte von seiner seite das ihm angethane unrecht vergeben/ obwol nach obigem n. 6. derglei- chen nicht blosserdings nothwendig ist/ findet sich gleichwol auch diese in der specie facti: in dem nicht allein 1. nach bereits erinnertem die gratulation zu der H. communion/ ja auch da er selbs ebenfals darzu gegangen/ und also kein rachgiriges hertz hat haben sollen/ andeutet/ daß er ihm das vorige verge- ben: sondern auch 2. hat offensus nach dem zeugnuͤß der umstehenden/ so wol als offendens nicht zugegen gewesen/ denselben segnen wollen/ als nachmal/ da er bey dem bette gestanden/ seine liebe gegen ihn zu verstehen gegeben/ daß er ihn so lieb als einen andern seiner freunde haͤtte: welches der wahrhaffti- gen vergebung gnugsame anzeige geben kan/ ob wol der offendens keine sol- che worte gehoͤret. Daher er mit der andern zeugnuͤß sich wol befridigen kan/ sonderlich in der sache/ daran nicht eigenlich seine vergebung haͤnget/ als die vor GOtt fest bliebe/ ob ihm offensus auch nicht haͤtte vergeben wollen/ sondern allein die versicherung/ daß offensus selig abtrucken koͤnnen/ um sich nicht die sorgliche gedancken zu machen/ daß wegen unversoͤhnligkeit der an- dere um seinet willen an der seele moͤchte schaden gelidten haben: welches son- sten auffs neue sein gewissen beunruhigen moͤchte. Q. 2 ARTIC. III. SECTIO VII. Q. 2. Ob nicht offendens (der das welches zwischen ihm und dem belei- digten/ theils wenn sie zum tisch des HErrn gewesen/ und theils auff des offensi todt-bett vorgegangen/ fuͤr keine aussoͤhnung/ weil er die nachlassung der citation nicht austruͤcklich gebeten/ auch die vergebung nicht selbs gehoͤret/ achtet) wenn er gleich den offensum nach geschehener beleidigung und citation wieder ge- sprochen/ anjetzo aber nach des offensi todt seine suͤnden mit so viel heissen thraͤnen beweinet/ und wann offenius noch bey sei- nem leben waͤre/ auch hertzlich abbitte thun wolte/ wirckliche vergebung der suͤnden vermoͤge Matth. 12/ 31. Marc. 3/ 18. un- geachtet Arnds und Dillherrn meinung zuerwarten habe? 1. W Je viel sich aus der gnaden anwuͤnschung bey vorhabender commu- nion schliessen lasse/ oder nicht/ ist bey q. I. angefuͤhret. 2. Die nach- lassung der citation hat der beleidiger auch bitten wollen/ und ist ohn eigne schuld von andern/ ob wol auch nicht boͤser meinung/ davon abgehalten wor- den. 3. Es ist auch keine eigenliche citation vor jenes gericht/ sondern mag als eine trohung angesehen werden/ damit offensus ihn zu erkaͤntnuͤß seiner suͤnde habe bringen wollen. Wie dann offtmal dergleichen geschihet/ daß man/ sonderlich solchen leuten/ bey denen man eine sicherheit wahrnimmet/ mit solcher kuͤnfftigen rechenschafft zu ihrer besserung drohet. Daher man auch nicht sihet/ daß er nachmal derselben insisti ret/ ja vielleicht sich solcher wort kaum jemal mehr erinnert/ vielweniger dieselbe mit seinem todt bekraͤff- tiget/ wie sonsten in den exempeln der citationen zu sehen. 4. Jn solchen worten mag wol der beleidigte selbs sich uͤbereylet haben/ und hat sich wirck- lich uͤbereylet/ wo es die meinung gewesen/ solche sache vor jenes gericht zu verweisen/ weil es keine dinge kan betroffen haben/ die nicht wol in dieser zeit haͤtten ausgemacht werden koͤnnen. Da hingegen die mehrmal er- wehnte andre citationes immer von solchen/ und in solchen dingen/ vor- gefallen/ wo unrecht leidende nunmehr keinen richter mehr in der welt hat- ten/ zu dem sie zuflucht nehmen koͤnten: welches dieselbe etlicher massen justi- fici ret. 5. Daher haͤtte der beleidiger dem andern nicht so wol die citation, daran derselbe vielmehr selbs mag gefehlet haben/ als daß er mit seiner belei- digung ihn zu zorn und ausstossung derselben gereitzet und gebracht/ abzu- beten gehabt. Jndessen 6. ist eine solche aus uͤbereylung geschehene citation, wo wir sie also nennen wollen/ eben deswegen von desto weniger guͤltigleit vor GOtt/ noch ist zu sorgen/ daß sie so viel krafft haben solte/ dem die verge- bung zweifelhafft zu machen/ bey dem sich sonsten/ was nach goͤttlicher ord- P p 2 nung Das dritte Capitel. nung zur faͤhigkeit der vergebung gehoͤret/ alles findet. 7. Daß der belei- diger die vergebung und liebes-bezeugung nicht mit eignen ohren von dem beleidigten angehoͤret/ da er selbs bekennet/ daß dieser nicht laut reden koͤn- nen/ und er nicht immer so nahe bey ihm gestanden/ wird gnug durch zeugnuͤß anderer ehrlicher leute/ so es auch mit eyd bekraͤfftigen/ ersetzet. 8. Darzu noch kommt/ daß die frage auch an sich selbs zu bejahen ist; und wann obige dinge alle nicht vorgegangen waͤren/ des beleidigten hertzliche busse/ nach dem was sonderlich n 2. 3. 4. vorgestellet worden/ ihm die gewisse vergebung von GOtt zuwege gebracht haben wuͤrde. 9. Was Arndium und Dillherrn an- langt/ solle noch folgen. Q. 3. Ob nicht der offendens, da er seines begangenen unrechts und suͤn- den wegen vor GOttes gericht gefordert/ dieselbe aber anietzo nicht nur erkant und bekant/ sondern auch mit vergiessung so vieler thraͤnen hertzinniglich und von innerstem grund der see- len bereuet/ dem zorn-gericht GOttes durch wahre buß entge- hen/ und sich hingegen als ein recht bußfertiger suͤnder der un- fehlbaren vergebung seiner suͤnden/ und der gnaden GOttes fe- stiglich zu versichern habe? und was also von Arnds und Dill- herrn meinung zu halten? 1. W Je diese frage mit der vorigen nach dem ersten stuͤck fast einstimmig/ al- so wird sie auch mit derselben billich bejahet: welche bejahung auff allen oben ausgefuͤhrten gruͤnden beruhet: auch des lieben Pauli exempel vor sich hat/ welcher unmoͤglich sich mit allen vorhin von ihm beleidigten/ verfolgten/ und zur laͤsterung gebrachten/ nach seiner bekehrung kan versoͤh- net/ und dero vergebung austruͤcklich erlanget haben/ nachdem viele der- selben bereits werden gestorben seyn/ ja er zu unterschiedlicher todt geholffen hatte; Jndessen zweiffelt niemand an dessen erlangten vergebung und seligkeit. Also kan 2. sich auch dieser offendent, da seine buß hertzlich ist/ aus den angefuͤhrten stellen Matth. 12/ 31. Marc. 3/ 28. 29. der vergebung seiner suͤnden ohnfehlbarlich versehen: als der gewiß ist/ daß seine suͤnde zu der suͤnde in den H. Geist nicht gehoͤret/ als welche nothwendig eine laͤsterung in sich fassen muß: da hingegen des HErrn eigener mund allen uͤbrigen suͤnden/ nemlich in goͤttlicher ordnung/ die verge- bung zusaget. 3. Was anlangt die angefuͤhrte stellen Arndii und Dillherrens/ so ist derjenige/ so aus Wahr. Christenth. 1/ 19. in fin. (welchen ich in mei- ner ARTIC . III. SECTIO VII. ner edition nicht finde) angefuͤhret/ so dann des andern aus dem weg der se- ligkeit/ so bewandt/ daß sie beyde wol moͤgen verstanden werden. Jener er- ste solle lauten: Daß GOTT keine busse noch gebet annehmen wolle/ wo man sich nicht erstlich mit seinem nechsten versoͤhnet habe: Dieses ist also zu verstehen/ wo er nicht alles gethan/ was von seiner seite zu der ver- soͤhnung erfordert worden/ ob wol der wirckliche erfolg moͤchte gehindert seyn worden. Welcherley redens-art wir in der schrifft offt finden: als 1. Mos. 37/ 21. da es in unserm teutschen stehet: Da das Ruben hoͤrte/ wolt er ihn aus ihren haͤnden erretten: Jn seiner sprach/ er errettete ihn/ weil er nemlich seiner seits that/ was er zu thun vermochte. Ezech. 24/ 13. da es abermal in unserm teutschen gegeben wird: Daß ob ich dich gleich gern rei- nigen wolte/ dannoch du nicht wilt dich reinigen lassen: Da es abermal heisset/ ich habe dich gereiniget/ das ist/ alles gethan/ was ich darzu zu thun gehabt. 1. Cor. 10/ 33. Gleichwie ich auch jederman in allerley mich gefaͤllig mache/ das ist/ alles thue/ mich gefaͤllig zu machen: Dergleichen ort noch mehr angefuͤhret werden koͤnten. Dilherrens worte sollen diese seyn: Daß GOTT die vergnuͤgung Christi nicht annehmen wolle fuͤr die begangene suͤnden/ im fall man nicht seinem beleidigten nechsten ab- bitte gethan. Aber auch diese werden von dem autore also gemeinet seyn/ daß die vorige auslegung platz habe/ und von dem beleidiger nichts anders/ als daß er seiner seits alles noͤthige thue/ erfordert werde. 4. Allein die stel- le in des lieben Arndii postill/ Dn. VI. p. Trin. p. m. 1028. ist die haͤrteste/ wann er sagt: Was hie nicht ausgesohnet wird in diesem leben/ das muß vor das gestrenge gericht GOttes/ stirbet dein bruder/ und du bist nicht mit ihm ausgesoͤhnet/ so gehoͤret die sache nicht mehr in diß leben/ oder unter die versoͤhnung/ sondern vor das gestrenge gericht GOt- tes/ da muͤsset ihr beyde erscheinen/ und des urtheils erwarten/ denn nach dem todt ist nichts anders denn das gericht zu erwarten. Hiebey mercken wir 1. daß aller/ auch der besten/ lehrer/ nachdem sie gleichwol fehlba- re menschen vor sich selbs sind/ worte nach der schrifft muͤssen gerichtet/ und wo sie derselben entgegen waͤren/ nicht angenommen werden: Wo nun die mei- nung dieser worte dahin gehet/ daß auch dem bußfertigen beleidiger keine gna- de allhier nach des andern/ mit dem er nicht ausgesoͤhnet worden waͤre/ tode/ von GOTT wiederfahren koͤnte oder wuͤrde/ weil solches den obenangefuͤhr- ten gruͤnden der schrifft zu wider waͤre/ so kan weder ich/ der ich im uͤbrigen sol- chen lehrer vor ein schoͤnes liecht unsrer kirchen halte/ und was er bey derselbi- gen gethan/ hoch schaͤtze/ noch jemand anderer/ welchem die wahrheit angele- P p 3 gen Das dritte Capitel. gen ist/ demselben beypflichten/ sondern muͤssen solchen mißverstand als einen flecken in einem sonst schoͤnen angesicht mit christlicher liebe uͤbersehen. 2. Je- doch laͤsset sich vielleicht der sache also rathen/ daß wir es verstehen von dem tode des beleidigten/ der dem beleidiger seine schuld nicht vergeben wollen/ und also in der unversoͤhnlichkeit dahin gefahren ist/ mit dem freylich der beleidi- ger vor jenem gericht erscheinen muß/ nicht daß er vor sich in diesem leben nicht vergebung erlangen koͤnte/ sondern/ daß/ nachdem jener in unversoͤhnlichkeit dahin gegangen/ und also dorten ein schwehres urtheil zu erwarten hat/ seine sache ihn mit uͤberzeugen muß. Daß dieses die meinung des autoris seyn moͤchte/ solte sich abnehmen lassen/ wenn er eben diese worte/ seye willfertig/ u. s. w. in der andern predigt p. 1032. auch nicht vom beleidiger/ sondern belei- digten also erklaͤhret: Wer hie nicht vergibt/ dem kan dort nimmermehr vergeben werden. Denn wie des menschen hertz ist/ wenn der mensch stirbet/ und die seele abscheidet/ so wird sie ewig bleiben/ und also vor GOttes gericht erscheinen/ und den peinigern uͤberantwortet werden. Es folgen zwahr nachmal einige wort/ die das gegentheil solten scheinen mit sich zu bringen/ ich weiß aber nicht/ ob nicht daselbs ein druck-fehler zu vermu- then. Dann abermal in der 3. predigt p. 1037. nimmt er jene wort an von der pflicht des beleidigten/ wann er also sagt: Stirbstu im zorn/ so behaͤltestu ewig ein feindselig hertz/ und wirstu des zorns in diesem leben nicht loß/ so bleibestu ewig in deiner seelen mit dem zorn vereinigt/ ja mit dem teuffel selbs/ denn wer mit dem nechsten zuͤrnet/ und stirbet daruͤ- ber/ mit dem zuͤrnet GOTT ewiglich. Dieses schicket sich eigenlich auf den beleidigten/ der uͤber die beleidigung einen solchen zorn gefasset/ daß er ihn nicht fahren lassen will: Wollen wir aber die wort auch auf den beleidiger zie- hen/ so gehen sie ihn nicht anders an/ als wo er auch nach einmaliger beleidi- gung solchen zorn biß an sein ende behaͤlt/ da freylich kein zweiffel ist/ daß nicht dergleichen ein mensch zu einem schwehren gericht abscheidet. 3. Es seye ihm aber hiemit/ wie es wolle/ und habe der liebe mann in dieser oder jener stelle mehr auf den beleidiger oder beleidigten gesehen/ bleibt mir doch gewiß/ daß derselbe/ wo er solte gefraget worden seyn von einem solchen/ der sich das ge- thane haͤtte leid seyn lassen/ und von der eusserlichen versoͤhnung durch andere hindernuͤssen abgehalten worden waͤre/ nimmermehꝛ demselben die veꝛgebung deꝛ suͤnden in diesem leben abgespꝛochen/ sondern sein wort allezeit von demje- nigen/ welcher in dem hertzen unversoͤhnlich/ das ist/ mit dem zorn gegen den nechsten (darvon hingegen die buß den menschen reiniget) erfuͤllet geblieben waͤre/ erklaͤhret haben wuͤrde: ob er wol/ als dem etwa dergleichen casus damal nicht ARTIC. III. SECTIO VII. nicht eingefallen seyn mag/ seine wort generalius gesetzet/ daß sie etwa/ wie sie bloß dahin lauten/ auf denselben moͤchten gezogen werden koͤnnen. Also hoffe ich/ daß auch diese frage gnug beantwortet/ und samtlich ge- zeiget worden seye/ wie einmal wider die gantze allgemeine glaubens-regel keinem wahrhafftig-bußfertigen um einer ursach willen/ die zu aͤndern in sei- ner gewalt nicht stehet/ die vergebung der suͤnden zweiffelhafftig gemacht werden doͤrffte: Daher auch der offendens, von dem species facti redet/ seine sorge fahren zu lassen habe. Jndessen liget ihm ob/ gleichwol wegen auch dieses fehlers/ welchen ihn der heilige GOTT nicht ohne ursach mit solchen schmertzen hat fuͤhlen lassen/ immer vor dessen angesicht so viel demuͤthiger zu wandlen/ seine barmhertzigkeit/ welche ihm denselben vergeben/ danckbarlich zu preisen/ in dem gantzen leben desto mehr sich der liebe insgemein und der versoͤhnlichkeit absonderlich zu befleißigen/ auf sein gewissen in allen stuͤcken so viel sorgfaͤltiger acht zu geben/ darmit es nie in eine sicherheit uͤber einige suͤnde einschlaffe/ und den H. Geist mit unablaͤßigen seuffzen zu erbitten/ der so wol diesesmal der gnaden versicherung wieder in das hertz gebe (oder wie unser liebe Lutherus uͤber Ps. 51. T. I. Alt. f. 91. a. redet/ sein heimlich ein- ruͤnen/ dir sind vergeben deine suͤnde/ welches ein troͤstlich froͤlich ge- wissen macht/ hoͤren lasse.) als auch kuͤnfftig denselben in den wegen des HErrn leite. Der HErr/ der toͤdtet und lebendig machet/ in die hoͤlle und wieder her- aus fuͤhret/ setze solche person zum herrlichen zeugnuͤß seiner barmhertzigkeit/ und lasse seine absicht dieser verhaͤngten anfechtung in dessen bestaͤndiger hei- ligung/ sonderlich desto festerem glauben in dem gantzen leben/ biß zu dessen se- ligen schluß/ voͤllig und offenbarlich erhalten werden/ zu seinem ewigen preiß um Christi willen. Amen. 1693. Weitere sortsetzung voriger materie von der versoͤhn- lichkeit. N Achdem der in dem vorigen responso der goͤttlichen gnade versicherte of- fendens sich einiger massen befriediget findet (davor dem himmlischen Vater/ aus dessen Geistes wirckung alles in unsren seelen kommen muß/ dan- cke/) aber noch einige scrupel deswegen bey sich fuͤhlet: so habe auch in der forcht GOttes auf dieselbe zu antworten. Es bestehet aber der I. darinnen/ daß aus der Jurisprudenz citationis effectus sit comparitio, \& quod a citatione incipiat judicium, und daß ci- tans in citatum ein jus acquisitum per citationem bekomme/ dem in diesem fall derselbe als verstorben nicht mehr renunci ren koͤnte. Hierauf will nicht so wol Das dritte Capitel. so wol antworten/ daß die regeln der weltlichen gerichte dem goͤttlichen eben nicht seine maaß geben: sondern erinnere nur/ daß diejenige citatio, welche die comparitionem erfordert/ nicht von einer parte, sondern dem judice gesche- hen muͤsse. Wie ich noch in meiner jugend von meinem vettern und hospite Herrn D. Rebhan aus seinem Hodeg. juris gelernet/ da er ch. 2. clin. 4. §. 33. p. 648. diese definition setzt: Citatio (sc. judicialis) est solennis in jus vocatio, quæ fit ab eo, qui jurisdictioni præest, juris experiundi causa: est actus judi- cialis præparatorius, quo is, quem judicio sisti certa ex causa oportet, judi- cis mandato ad certum terminum præfixum juris experiundi causa voca- tur. Welches auch in taͤglicher erfahrung gesehen wird: da keine parthey die andere aus eigener macht cum effectu citi ren kan/ sondern die citation erst von dem judice zu geschehen erlangen muß. Nun ist gedachte citation, (wo wir sie also nennen sollen) welcher wegen sich offendens aͤngstet/ allein à parte, nicht von dem richter/ geschehen/ und also vielmehr allein ein imploratio judi- cis gewesen: Wann aber der richter versoͤhnet/ so hie durch wahre busse gesche- hen ist/ so verliehrt die citation ihre krafft/ und kan ohne das die parthey dem richter nicht vorschreiben. 2. Der andre scrupul kommt daher/ ob auch exempel verhanden/ daß/ wann in den faͤllen der citation vor GOttes gericht/ busse erfolget/ die verge- bung der suͤnden und die seligkeit erlanget worden seye. Nun bin ich nicht in abrede/ daß von dergleichen citatio nen in vallem Josaphat vor diesem in meiner jugend viele exempel gelesen habe/ sonderlich wo mir recht ist in des Drexelii Trib. Christi, welches aber nicht habe noch auffschlagen kan/ hinge- gen auch mich dergleichen particulari en nicht erinnere. Jch will auch nicht zweiffeln/ es werden dergleichen exempel geschehen seyn: solten sie bey den an- dern nicht auffgezeichnet gefunden werden/ moͤchte wol die ursach seyn/ daß man diejenige exempel allein auffzuschreiben wuͤrdig geachtet/ da sich goͤttli- che gerechtigkeit in vollstreckung ihres gerichts thaͤtig erwiesen/ (zu dero be- zeugung sie gemeiniglich pflegen angezogen zu werden) nicht aber/ wo dessen erfolg durch die buß gehemmet worden. Ob also auch kein exempel ange- fuͤhret werden koͤnte/ hebet solches gleichwol die goͤttliche regel nicht auf: nach welcher/ als vormal erwiesen/ unmuͤglich ist/ daß einiger suͤnden vergebung jemal einem wahrhafftigen bußfertigen entstehen koͤnte/ als welches wider goͤttliche gerechtigkeit/ barmhertzigkeit und wahrheit zugleich streitet. Da- her bedarff solche allgemeine regel/ dero die schrifft keine restriction oder ex- ception beyfuͤget/ zu ihrer bekraͤfftigung nicht eben von jeglichen faͤllen ihre sondere exempel/ sondern sie bestehet auf goͤttlicher ordnung fest gnug/ und kan ein geaͤngstetes gewissen viel sicherer sich auf dieselbe verlassen/ als auf exempel/ indem wo es scrupel suchen will/ auch in den exempeln immer dar zweiffel ARTIC. III. SECTIO VIII. zweiffel auffsteigen moͤchte/ woher daß es eine wahre und nicht nur eingebil- dete vergebung gewesen/ zu erhaͤrten waͤre. Also halten wir uns sichrer an gedachte regel/ die eine goͤttliche wahrheit ist/ und nicht triegen kan/ als uns um exempel lang umzusehen/ die doch unsrem gewifsen niemal anders einen grund geben/ als so fern sie auf der regel selbs bestehen: die also an sich fest gnug ist. Der HErr HErr aber beruhige selbs das verunruhigte gewissen mit versicherung seines Geistes/ und durch staͤrckung des glaubens: segne aber die bißherige buß-betruͤbnuͤß zu so viel mehrer heiligung des gantzen lebens/ biß dermaleins zu dessen seligem ende. Amen. SECTIO VIII. Von der gebuͤhr christlicher eheleute unter einan- der/ in gebrauch der ehe: da unterschiedliches aus 1. Cor. 7. erklaͤhrt wird. §. I. W Je eines jeglichen dings gebuͤhr fuͤrnemlich aus dessen einsetzung ab- zunehmen ist/ also haben wir auch/ wo wir von dem heiligen ehestand reden wollen/ desselben pflicht und gebuͤhr am besten zu erkennen/ wo wir erstlich dessen einsetzung/ oder vielmehr die goͤttliche absicht in derselben besehen/ als welche uns gleichsam den brunnen zeigen wird/ woraus wir her- zunehmen haben/ was wir von solchen pflichten goͤttlichem willen gemaͤß er- kennen sollen. §. II. Wo wir nun die historie der einsetzung 1. Mos. 2. ansehen/ so stehet 1. insgemein zum grund/ daß um des menschen besten willen/ die ehe einge- setzet seye/ welches nicht nur daraus folget/ weil es in dem stande der unschuld geschehen/ wo der mensch keine straff/ oder daß ihm in etwas uͤbel waͤre/ oder etwas zuꝛ last auferlegt waͤre/ annoch verschuldet hatte/ sondeꝛn weil es heißt/ es ist nicht gut/ daß der mensch allein seye/ also suchte GOTT des men- schen gutes darinnen/ ihm eine gesellin zu schaffen/ weil die einsamkeit ihm nicht gut waͤre. Daher alsobald folget/ daß die innerste natur des ehestan- des also bewandt seyn muß/ daß sie perfect dem menschen gut seye/ und nichts widriges sich drinnen finde. Was also jetzund an dem ehestand gefunden wird/ so dem menschen boͤse ist/ ist entweder unrecht oder eine straffe der suͤn- den/ hingegen was eigenlich in dem ehestand dem menschen gut seyn kan/ muß als goͤttlicher weißheit gemaͤß erkannt werden. §. III. Absonderlich aber muß solches gute 2. bestehen in der huͤlffe/ ich will ihm eine gehuͤlffin machen/ die um ihn seye. Man solte zwahr Qq sagen/ Das dritte Capitel. sagen/ es haͤtte der mensch keiner huͤlffe in dem stand der unschuld bedorfft/ da er noch in keiner noth gesteckt/ sondern in der vollkommensten gluͤckseligkeit geschwebet hat. Wir haben aber einen unterscheid zu machen unter einer huͤlffe/ die den menschen aus einem uͤbel und elend errettete/ und anderseits/ welche allein seine gluͤckseligkeit verbesserte. Der ersten art huͤlffe bedorffte der mensch in dem stand der unschuld nicht/ als von dem alles elend so fern als die suͤnde war/ der andern art huͤlffe aber ist nicht fremd auch von demselbigen stand des ersten menschen/ dessen gluͤckseligkeit groß und vollkommen war/ aber ohnwidersprechlich noch in unterschiedlichem ansehen wachsen/ und ver- mehret werden konte. Da nun der text nicht eben austruͤcklich gedencket/ worinnen solche huͤlffe bestanden/ so stehet uns frey/ solche in christlichem nach- sinnen zu suchen. Wir wissen/ daß der mensch erschaffen war/ daß ihm wohl waͤre/ und er nicht nur allein in sich selbs haͤtte/ was seiner natur zu ihrer voll- kommenheit gnug waͤre/ wie er dann deßwegen mit dem goͤttlichen ebenbild ausgeziehret gewesen/ sondern daß er auch dasjenige/ was er thun solte/ am bequemsten verrichten koͤnte. Es lag ihm aber nichts anders ob/ als GOtt zu dienen/ ihn zu erkennen/ zu preisen/ der creatur sich zu gebrauchen/ daß sie ihm lauter mittel waͤren/ goͤttliche guͤte und liebe darinnen zu schmecken/ und in denselben alle vergnuͤgung seines leibes und seiner seelen in allen dero kraͤff- ten zu finden/ und nachmal weiter auf GOTT solche zu richten. Daß also keine unter allen seinen kraͤfften seyn solte/ die nicht ihre vergnuͤgliche uͤbung haͤtte. Nun aber war hiezu nicht gantz bequem/ daß der mensch allein waͤre/ dann ob er wol jene obgedachte werck alle in gewisser maaß auch allein vor sich verrichten koͤnnen/ so sind sie doch insgesamt alle allezeit vergnuͤglicher in ge- sellschafft eines andern gleichen/ und geziehmete sich also goͤttlicher liebe und weißheit/ daß sie auch diese vermehrung seiner gluͤckseligkeit dem menschen gebe. Nullius boni sine socio jucunda possessio est. Dahero wir auch se- hen/ in dem allerseligsten wesen/ GOTT dem HErrn selbsten/ weil ausser demselben nichtes ihm gleiches hat koͤnnen oder sollen seyn/ daß auffs wenig- ste in demselben selbs unterschiedliche personen sind/ dero liebe und freude in und an einander die unmaͤßliche seligkeit solches in sich vergnuͤgtesten wesens am vollkommensten machet. Nicht weniger sehen wir auch/ daß die goͤttliche weißheit von andern creaturen keine gantz allein geschaffen/ sondern jeglicher allemal andere gleiche zu dero besten zugeordnet hat; da solte dann auch bey dem menschen es an solcher seligkeit nicht manglen/ sondern er eine gehuͤlffin haben/ die neben ihm gleicher herrlichkeit genoͤsse/ und dero gemeinschafft fer- ner seinen genuß vollkommen machte. Wuͤrde also das weib seine gehuͤlffin haben seyn sollen/ GOTT zu loben/ zu preisen/ zu dancken; welche wercke alle besser mit andern/ als darinnen neue auffmunterung und freude stecket/ als allemal ARTIC. III. SECTIO VIII. allemal allein verrichtet werden: Sie solte es seyn/ daß er etwas haͤtte/ wel- ches er vor andern creaturen liebte/ und seine gleichheit darinnen erkennete; daher andere thier ihm nicht bequem gefunden worden; aus solcher liebe aber hat die freude und vergnuͤgung des menschlichen gemuͤths ihren vornehmsten ursprung: also fanden alle die affect en der menschlichen seelen/ so viel derselben ihr annehmlich und nicht widerlich sind/ in einer solchen ihr gleichen creatur ihr bequemstes objectum, und bey jeglicher empfindung derselben einen trieb sich zu GOTT zu erschwingen/ und in dieser ihr nechsten creatur seine liebe zu schmecken: Weil aber auch der leib/ ob schon das geringere theil/ gleichwol mit zu dem menschen gehoͤrte/ und ihm also auch vollkommen wol seyn solte/ so sehe ich nicht/ wie wir zweifflen wolten/ daß nicht auch demselben alle die vergnuͤ- gung/ darinnen seine eusserliche sinne eine annehmlichkeit finden moͤgen/ von GOTT gegoͤnnet gewesen seye: Wie wir sehen/ daß er seinem appetit und ge- schmack alle fruͤchten/ dero lieblichkeit zu gemessen/ gegoͤnnet habe/ ausgenom- men allein den baum des erkaͤntnuͤsses gutes und boͤsen/ zur probe seines ge- horsams: Dahero nichts hindert/ daß wir nicht dafuͤr achten solten/ weil bey andern thieren deroselben vermischung/ (so ja ohne suͤnde ist) mit einer wollust ihres leibes und sinnen geschihet/ daß dann auch dergleichen empfindlichkeit der vollkommensten gluͤckseligkeit auch des menschlichen leibes gemaͤß gewe- sen: Und wir daher die wollust der ehlichen beywohnung/ auch nach dem fall/ nicht an sich selbs aus der suͤnden entsprossen zu seyn sorgen doͤrffen/ ob wol freylich die anklebende viehische brunst und unmaͤßigkeit/ welche/ wo sie recht erwogen wird/ dem leib mehr eine beschwehrde als lautere und reine lust ist/ von der suͤnde herkommet/ und jene verderbet/ billich aber die sache selbs von dem anklebenden boͤsen unterschieden werden solle. Also sehe ich die huͤlffe/ dazu das weib dem mann gegeben/ also an/ daß ihm am gemuͤth und leib in allem so wohl waͤre/ als solches standes vollkommenheit mit sich braͤchte/ und er dennoch zu desto mehrerem preiß seines GOttes/ dessen liebe und suͤßigkeit er in allem schmeckete/ an allen creaturen auf geziemliche art zu einer seinem stande gemaͤssen freude seine gelegenheit faͤnde. §. IV. Vornemlich aber solte sie eine gehuͤlffin seyn in erfuͤllung des se- gens/ welcher ihm darnach gegeben worden/ da es geheissen/ seyd fruchtbar/ und mehret euch/ und fuͤllet die erde. Jndem GOTT seiner weißheit und guͤte gemaͤß fand/ daß nicht nur ein einiger mensch solle dieser seligkeit ge- niessen/ sonderlich weil er denselben nicht eben ewig in dieser welt lassen/ son- dern zu seiner zeit/ ob wol ohne tod/ zu sich nehmen wolte/ da ja diese untere welt/ so um des menschen willen vornemlich geschaffen/ nicht ohne solchen be- herrscher bleiben solte/ hingegen auch aus ihm bekanten heiligen ursachen nicht rathsam gefunden/ die menschen zumal zu erschaffen/ gleich wie die schaar Q q 2 der Das dritte Capitel. der heiligen Engel/ sondern es also verlangt/ daß die menschen von einander fortgepflantzet werden solten: So war aber der mensch natuͤrlich/ wie er ihn erschaffen/ dazu untuͤchtig/ daß er sich selbs fortpflantzete/ sondern muste hier- zu eine gleiche gehuͤlffin haben: Die er daher erschaffen/ und ihm zugefuͤhret/ auch den oberwehnten segen daruͤber sprechende/ kund gethan hat/ wozu son- derlich dieser stand gemeint/ und von ihm eingesetzet seye: Bleibet also die fortpflantzung des menschlichen geschlechts wol eine vornehmste endursach dieses standes/ und finde ich keinen grund in der schrifft/ (ob wol einige ausser derselbigen/ da sie sich an goͤttlicher schoͤpffung/ sorglich aus uͤberwitziger ver- nunfft/ aͤrgeren/ etwas dergleichen vorgeben wollen/) warum wir davor hal- ten solten/ daß solche fortpflantzung in dem stande der unschuld auf andere art/ als jetzo geschihet/ haͤtte geschehen sollen. Ob wol leider freylich dasje- nige werck/ wodurch es geschihet/ nunmehr so wol als andere menschliche werck/ ja etwa mehr als andere/ durch die suͤnde verdorben worden/ daß/ was damal heilig/ rein und in einer unbefleckten freude/ seel und leibes wuͤrde ge- schehen seyn/ nunmehr dermassen verunreiniget worden/ daß sich der mensch darinnen schaͤmen muß/ und leib und seel neben der etwa noch uͤbrigen lust ihre beschwehrde und schaden davon empfinden. §. V. Gleich wie nun auff besagte art die ehe in dem stand der unschuld dem menschen gut gewesen/ so ist zwahr bereits angedeutet/ daß das eine ehe- liche werck/ durch die suͤnde so schrecklich verderbet worden/ daß es kaum mehr ist/ was es war. Jndessen muß dennoch die goͤttliche einsetzung dem men- schen auch noch in dem stande der suͤnden bleiben/ was sie an sich selbs ist/ nem- lich gut: deswegen muß auch der ehstand also eingerichtet und gefuͤhret wer- den/ wie er dem menschen gut/ und also dieser goͤttlichen absicht wahrhafftig gemaͤß ist. Koͤnnen also keiner der obigen zwecke/ welche auch dem stand der unschuld zugekommen waren/ nunmehr allerdings ausgeschlossen werden. Hingegen ist nunmehr nach dem fall eine neue nothwendigkeit und nutzen der ehe erfolgt/ daß dieselbe dem menschen gut waͤre/ nicht mehr allein in ver- mehrung seiner gluͤckseligkeit/ sondern auch in abwendung und milderung vieles seines durch die suͤnde zugezogenen elends; da nunmehr ein theil des andern gehuͤlffe ist/ die beschwehrde dieses lebens leichter zu tragen/ und da- von weniger schaden zu nehmen. Wohin billich dieses als das vornehmste gehoͤret/ nachdem die suͤnde selbs des menschlichen elends so aus dem fall kom- met/ vornehmstes stuͤck ist/ daß der ehstand unter andern mit ein mittel ist/ ei- niger suͤnde desto kraͤfftiger zu widerstehen oder zu entgehen. Nun lehret die erfahrung/ daß dem menschen unter andern suͤnden auch die unkeuschheit und eine boͤse lust und brunst/ sich mit dem andern geschlecht zu vermischen/ angebohren ist/ welche sich/ obzwahr nach unterschied der natuͤrlichen com- plexio- ARTIC. III. SECTIO VIII. plexionen mehr oder schwehrer bey allen menschen findet/ so bald dieselbe in das natuͤrliche alter kommen/ da sie dazu dem leibe nach geschickt sind/ und was die natur aus der nahrung dazu bequem bereitet/ seinen ausgang su- chet; deßwegen in der seelen untern kraͤfften die begierde darzu/ entweder wo eine eusserliche gelegenheit reitzet/ oder auch ohne dieselbe bloß aus dem innern trieb erwecket/ hingegen leicht die gantze seele damit eingenommen wird. So bleibet auch in jetzigem suͤndlichen stand solche lust nicht in ihren schrancken/ sondern wie alle andere verderbte geluͤsten uͤberschreitet sie diesel- be auff viele weise. Weilen aber der H. GOtt dem maͤnnlichen geschlecht den gebrauch des weiblichen/ und diesem des maͤnnlichen/ nicht ausser der von ihm eingesetzten ehe verordnet/ hingegen alle uͤbrige vermischung ernstlich/ als eine befleckung des eigenen und frembden leibes verboten hat: so dann solcher natuͤrlichen begierde zu dem andern geschlecht nicht bey allen und zu allen zeiten mit arbeit und fasten (und also verminderung desjenigen/ davon innerlich die reitzung der lust herruͤhren koͤnte/ dahingegen muͤßiggang und zaͤrtliche pflege des leibes denselben geil machet) mit vermeidung der gelegen- heit (und also abwendung der eusserlichen reitzungen) mit gebet und betrach- tung/ so zwahr alle kraͤfftige mittel sind zu creutzigung und toͤdtung auch die- ser unordenlichen luͤsten/ damit offt vieles in dieser sache auszurichten stehet/ und deswegen diejenige derselben sich so viel ernstlicher zu gebrauchen/ wel- che GOtt noch ausser dem ehstand haͤlt/ genugsam und dermassen widerstan- den werden kan/ daß nicht boͤse luͤste nicht nur auffsteigen/ sondern den men- schen allzusehr verunruhigen/ ja auch etwa den leib auff unterschiedliche art auch wider willen beflecken solten. So haben wir also die ehe auch hierin- nen in dem stand der verderbnuͤß als gut/ und diesen nutzen derselben/ zu er- kennen/ daß sie eine artzney seye wider solche unkeuschheit/ und alle aus der suͤnden gifft bey uns sonst entstehende fleischliche befleckung des fleisches und des Geistes. Und dieses ists/ was Paulus sagt: 1. Cor. 7/ 3. um der hu- rerey willen hab ein jeglicher sein eigen weib/ und eine jegliche haͤbe ih- ren eigenen mann. Wo wir unter dem nahmen der hurerey (um dero willen/ nemlich nicht solche zu begehen/ gleich ob waͤre der gebrauch der ehe nur hurerey/ sondern sie zu vermeiden/ der ehestand vielen zu rathen ist) nicht nur die eusserliche vermischung mit andern personen ausser der ehe zu verste- hen haben/ sondern alle verunreinigung unsers leibs und seele/ welche son- sten in mangel des eh-gebrauchs unsre unkeusche art wircken und zu wege bringen wuͤrde. Woraus also folget/ daß auch der jetzige ehstand also ver- standen und gefuͤhret werden muͤsse/ daß er eine genugsame verwahrung vor aller leichtfertigkeit und verunreinigung/ als viel in dieser schwachheit und natuͤrlichen unreinigkeit geschehen kan/ wahrhafftig seye. Q q 3 § VI. Das dritte Capitel. §. VI. Diesem zu folge/ so wuͤrde unter eheleuten in dem stand der un- schuld die bruͤnstige und reineste liebe gegen einander gewesen seyn/ da sie oh- ne einige unordnung jegliches an des andern seel und leib auff alle weise/ die nach goͤttlicher ordnung muͤglich waͤre/ eine freude und wollust gehabt und genossen haben wuͤrden/ aber also/ daß alle solche liebe/ freude und genuß des- sen/ daran ihnen wohl waͤre/ immer weiter auff GOtt den schencker solcher ihrer gluͤckseligkeit gegangen waͤre/ und sie stets zu mehrer seiner liebe/ freud an ihm und schmeckung seiner suͤßigkeit/ die sie in der creatur genoͤssen/ auff- gemuntert haͤtte. Hingegen wuͤrden sie in nichts von solcher ihrer ehe be- schwehrde/ unlust/ verunruhigung/ vielweniger aber eine abwendung von Gott gefuͤhlet haben: weilen sie in voͤlliger heiligkeit und reinigkeit von Gott erschaffen waren/ und also nichts an seel und leib zu finden war/ was nicht der ordnung GOttes gemaͤß gewesen/ und sie allemal in allen stuͤcken auff ihn ge- wiesen haͤtte. Nach solcher vollkommenen reinigkeit haben zwahr eheleut in diesem leben bereits mit allem eiffer und fleiß sich zu bestreben/ wie nahe sie derselben kommen koͤnnen/ aber sie werden gleichwol befinden/ daß solches der zweck seye/ nach welchem sie lauffen/ aber damit zu frieden seyn muͤssen/ ob sie ihn schon hie nicht erreichen koͤnnen/ daß sie dannoch demselben auffs nechste kommen moͤgen: dabey/ da sie Christen sind/ sich dessen zu getroͤsten/ daß der HErr die anklebende schwachheiten um seines verdienstes willen ih- nen nicht zurechnen wolle/ da sie im glauben und seiner furcht staͤts beharren: ja daß eben dieses schon eine grosse guͤte GOttes seye/ daß derselbe ihren eh- stand ihnen nunmehr zu einer artzney der suͤnden gemacht/ und also/ da sie ihn dazu gebrauchen/ solches ihm gefaͤllig seyn lassen werde. §. VII. So bestehet dann nun die pflicht eines jeglichen ehegatten gegen den andern/ was das innerliche anlangt/ darinnen/ daß jegliches das andere inbruͤnstig liebe/ welches die schrifft aller orten treibet/ als nicht nur insge- mein seinen nechsten/ sondern absonderlich als seinen von GOtt gegebenen gehuͤlffen/ und mittel eines zimlichen stuͤcks seiner gluͤckseligkeit. Und zwahr also/ daß es eine wahre liebe seye/ daß also jegliches nicht so viel des andern zu geniessen/ und seine freude daran zu haben/ als sich demselben zu geniessen zu geben/ und in sich ihm freude zu machen/ sich bestrebe: dann in jenem be- stehet mehr eigne liebe/ dieses aber ist die wahre liebe des anderen. Daher bringet solche liebe mit sich/ daß man dem andern so viel guts in geistlichem und leiblichem als sich selbsten goͤnne und wuͤnsche/ alles gutes thue/ und des- wegen worinnen man demselben/ ohne verletzung GOttes oder dessen mehre- rem besten/ gefallen erzeigen/ und freude erwecken kan/ dazu willig/ ja dessen begierig seye: daher des Apostels wort/ der mann sorge/ wie er dem weib/ und das weib/ wie es dem mann gefalle/ nicht also anzusehen sind/ ob ARTIC. III. SECTIO VIII. ob werde damit bloß der mißbrauch angedeutet/ sondern daß dieses in gewis- ser art mit ein stuͤck und pflicht des ehstandes seye/ daß jedes dem andern zu gefallen trachte. Nechst dieser eigenlichen liebe des ehegattens ist auch nicht dem goͤttlichen willen entgegen/ daß der mensch sich selbs in goͤttlicher ord- nung an seinem ehegatten liebe/ das ist/ seiner seele und leibes vergnuͤgen auf gewisse weise an seinem ehegatten habe/ und geniesse/ und sich also in der furcht des HErrn dessen gnaden-geschencks nach seiner regel gebrauche. Es muß aber wohl zugesehen werden/ daß solche liebe in rechten schrancken blei- be. 1. Daß sie nicht wider Gott gehe oder goͤttl. liebe eine eigenliche hindernuͤß setze/ vielmehr daß allezeit der ehgatte dasjenige mittel gleichsam seye/ indem und durch welches immer unsere liebe auff GOtt gehe/ und er in dem ehegat- ten geliebet werde/ welches die art ist aller liebe der creaturen/ wie dieselbe GOtt nicht entgegen seyn mag. So muß also der ehgatte nicht nur nicht uͤber und wider GOtt geliebet werden/ ihm in dingen/ welche goͤttlichem willen zuwider waͤren/ zu fuͤgen oder zu gefallen zu seyn/ sondern nicht ausser GOtt oder von ihm gesetzter ordnung/ die darinnen bestehet/ daß die liebe auff nichts hafften bleibe/ sondern immer durch alles wiederum hindurch auff GOtt tringe/ da sie allein beruhen solle. Also daß dannenhero jegliches ver- gnuͤgen/ so wir an dem ehgatten haben/ uns eine neue auffmunterung gebe/ GOtt so viel hertzlicher zu lieben/ seine guͤte zu preisen/ der uns auch diese freude und versuͤssung unsers menschlichen lebens gegoͤnnet/ und ihm davor zu dancken. Es solte zwahr scheinen/ daß der ehstand schon an sich selbs eine hindernuͤß der liebe GOttes seye/ weil die eheliche und ledige darinnen ein- ander entgegen gesetzet werden/ daß diese sorgen/ was dem HErren/ jene was dem ehgatten gefalle: es mag aber solches nicht so wol die liebe selbs angehen/ als vielmehr dessen eusserlichen oder auch innerlichen dienst/ so fern dieser von einiger weitern sorge gehindert werden kan. Daß demnach der eheliche seinen GOtt nicht weniger lieben darff und kan/ als der ledige auch thut/ aber dieser ist weniger verhindert/ solche seine liebe gegen GOtt durch mehrere innerliche und eusserliche austruͤcke zu erzeigen/ daran den andern nicht so viel der ehstand selbs als die anhaͤngenden mehrere sorgen und ge- schaͤfften hindern; wie dann ein auch sehr gutes werck ein anderes gutes etli- cher massen hindert/ so fern man nicht beyden mit gleichem fleiß/ gleich wie einem allein/ abwarten kan. Daher folget 2. daß die liebe auch darinnen nicht unordenlich seyn muͤsse/ daß sie allzuhefftig waͤre/ wodurch so wol die liebe GOttes als des nechsten gehindert wuͤrde/ wo der ehgatt sein gantzes hertz dermassen dem andern anhaͤngte/ daß er davor weder GOtt recht die- nen/ noch dem nechsten alle ihm schuldige sonst muͤgliche pflicht leisten koͤnne. 3. Muß sie auch also in der ordnung bleiben/ daß man an dem ehgatten das jenige/ und jegliches in der ordnung/ liebe/ als goͤttlichem willen gemaͤß ist/ daher Das dritte Capitel daher das geistliche des ehgatten vor seinem leiblichen bey uns den vorzug haben muß/ ja auch wir unser seits jenes mehr als dieses von ihm zu genies- sen trachten sollen. Allerdings aber ists solcher ordnung entgegen/ da man die liebe suchen will in der erfuͤllung seiner leiblichen und fleischlichen be- gierden/ und denselben den zaum lassen/ so keine wahre liebe ist. §. VIII. Wo also der Apostel sagt/ die da weiber haben/ daß sie seyen/ als haͤtten sie keine: so hats diejenige meinung/ daß ihr hertz an sie nicht al- so angehefftet seye/ daß sie meinten/ nicht ohne sie bleiben zu koͤnnen/ sondern sie zwahr hertzlich lieben/ und dessen was GOtt ihnen an denselben gibet/ al- so geniessen/ daß sie GOtt daran preisen/ aber immer bereit seyn/ wo sie Gott ihnen entweder sonsten entziehen/ oder sie durch verfolgung von ihnen geris- sen wolte werden lassen/ demselben sie gern zulassen/ oder um seiner wahrheit willen sich dero genusses zu begeben: also daß ob es wol in den verfolgungen leichter ist/ wo man unverheyrathet bleibe/ sie die ehliche sich doch auch also resolvi ren/ dafern der HErr dergleichen truͤbsaal uͤber sie verhaͤngen wuͤrde/ sich nicht anders darinn zu halten/ als sie auch wuͤrden gethan haben/ da sie ledig geblieben waͤren. Welcher verstand aus der gantzen rede des Apostels/ und wie er auff diese wort gekommen ist/ erhellet: Jedoch leiden so wol die allgemeine wort/ als sonderlich was noch weiter nachfolget/ daß man auch diesen dem andern nachsetze/ so in einander stecken; sie sollen seyn als haͤtten sie keine/ wie diejenige welche weinen seyn soltẽ/ alsweineten sie nicht/ die sich freuen als freueten sie sich nicht/ daß zwahr solche affecten bey ihnen seyn moͤ- gen/ aber doch also/ daß das gantze hertz niemal davon eingenommen werde/ sondern noch immer tuͤchtig seye/ dabey dasjenige zu thun/ was GOTT und die liebe des nechsten sonsten von uns erfordert: also auch daß sie ih- re weiber dermassen lieben/ und sich ihrer gebrauchen/ daß sie deswegen sich nichts hindern lassen/ an demjenigen was sie sonsten GOTT und dem nechsten schuldig sind/ welches geschihet/ wo man sein hertz voͤllig an etwas haͤngt/ und sich demselben blosserdings widmet. Also wie diejenige/ die der welt brauchen/ ihro nicht auch zugleich mißbrauchen sollen/ das ist/ sie nicht zu viel und mit versaͤumnuͤß des noͤthigen/ oder wider GOttes ordnung und mit anhaͤngigkeit des hertzens/ gebrauchen/ so sollen auch ehegatten sich einander gebrauchen/ aber nicht mißbrauchen/ zu viel ihr hertz darauf zuschlagen/ oder auch etwas der goͤttlichen ordnung entgegen an einander begehen. Weil ja das wesen dieser welt vergehet: Es seyen alle diese eusserliche dinge/ und also auch der genuß eines ehegehuͤlffen/ nicht unser hauptwerck oder auch haupt-gut/ so dann vergehen sie unter der hand/ und muͤssen wir uns alle augenblick deroselben verlusts versehen/ daher sie nicht ARTIC. III. SECTIO VIII. nicht wuͤrdig/ mit unserm hertzen zu starck darauff zu beruhen/ dadurch als- dann wo sie hinfallen und wir sie verliehren muͤssen/ das hertz nur desto schwehrer verunruhiget wuͤrde/ noch auch mit denselben uns so viel zu be- muͤhen/ daß dasjenige daruͤber versaͤumet wuͤrde/ woran GOTT und dem zweck/ darum wir in der welt sind/ das meiste gelegen ist. §. IX. Wo nun das hertz der ehgatten dermassen gegen einander recht stehet/ so werden die eusserliche begegnuͤssen gegen einander auch in ihre rech- te ordnung kommen: und wie man einander liebet unter GOtt/ und mit ab- sicht auff dessen ehre/ so wird man auch in allen stuͤcken also mit einander le- ben/ wie dieselbige erfordern. Also haben sich ehegatten unter einander zu gebrauchen/ daß sie in dem geistlichen suchen/ sich an und mit einander zu er- bauen/ daher ein ander mit gutem exempel vorgehen/ und zur nachfolge lo- cken/ mit einander beten und ihre hauß-kirchen halten/ auch die liebe/ die sie unter einander haben und uͤben/ ihnen staͤts eine erinnerung der liebe GOt- tes und ihres braͤutigams seyn lassen: daß sie nachmal im leiblichen eines fuͤr- des andern leben und gesundheit nach vermoͤgen sorge/ und dieselbe befordern helffe/ auch deßwegen/ wo es dem anderen freude erwecken/ oder einige be- truͤbnuͤß und unwillen abwenden kan/ solches willig thue: daß sie einander in dem uͤbrigen leben/ in haußhaltungs und andern zu dieser zeit gehoͤrigen geschaͤfften treulich beystehen/ huͤlffe leisten/ und alles ungemach nach muͤg- lichkeit abwenden/ folglich durch freundliche und liebreiche begehung die bit- terkeit dieses menschlichen elends versuͤssen. Welches lauter fruͤchte der lie- be sind/ dazu sie der erste zweck des ehstands selbs verbindet/ und welche lie- be nirgend redlich seyn kan/ wo sie nicht dergleichen wircket. Jedoch daß man wohl dabey erwege/ daß diese liebe nicht eine blosse schmeicheley seyn muͤsse/ des andern ehegatten (sonderlich bey dem mann seines weibs) boßheit zu he- gen und zu steiffen/ sondern es solle dieselbe seyn/ ein so wol gutmeinen mit dem nechsten/ als vernuͤnfftiges befordern dessen besten/ wo es zuweilen in solchen dingen geschehen mag/ die wol der andere theil/ biß man die sache gruͤndlicher erkennet/ nicht vor liebe achten moͤchte: daß es also eine liebe ist/ die ihre ernsthafftigkeit und eyffer/ doch mit staͤts untermischter sanfftmuth/ wol neben sich leidet ja offters erfordert. §. X. Weil aber wegen des also genannten ehelichen wercks oder bey- wohuung etwa eher als wegen anderer in der ehe vorgehenden faͤlle/ anstoͤsse und zweiffel bey zarten gewissen erwecket werden mag/ so haben wir auch von demselben etwa folgendes in der furcht des HErrn zu erwegen (1. daß solches eine an sich selbs heilige verordnung Gottes seye/ und gehalten werden solle: daß ich deßwegen die wort Pauli dahin verstehe/ da er sagt Hebr. 13/ 4. ὁι κόιτη ἀμίαντος, das ehebett und der gebrauch desselben sey unbefleckt: R r nicht Das dritte Capitel. nichtnur sollen Christen dasselbe unbefleckt behalten/ mit vermeidung hure- rey und ehbruchs/ sondern es seye auch an sich selbs die ehe etwas koͤstliches/ welches seinen werth vor GOtt habe/ und dero gebrauch eine unbefleckte sache. Ob also der vernunfft zuweilen diese art der vermischung der leiber garstig und als etwas an sich selbs schaͤndliches vorkommet/ ists doch nicht die schuld/ daß die sache also bewandt waͤre/ sondern daß Gott in vielen stuͤcken seine ordnung also einzurichten pfleget/ daß jene kluge mei- sterin etwas daran zu meistern finde/ wie wir das exempel an der von GOtt weißlich eingesetzten beschneidung sehen/ die kein vernuͤnfftiger anders als et- was garstiges und unzimliches achten koͤnte/ wo wir nicht die klahre einse- tzung GOttes vor uns haͤtten. Also zweifle nicht/ daß/ wie obgedacht auch in dem stand der unschuld die sache selbs wuͤrde gewesen seyn: So dazu son- derlich dienet/ daß wir ja die sache an sich nicht so eckelhafftig oder schaͤndlich halten/ wie ihrer viele offt ihnen die gedancken davon machen/ dasie nicht an die goͤttliche ordnung so wol selbs als an den schein des wercks gedencken. (2. Jst aber dabey zu wissen/ daß dieses werck so wol als alle andere des mensch- lichen lebens durch die suͤnde sehr verdorben und verunreiniget worden/ und sich also natuͤrlich allemal einige viehische unoꝛdnung dabey befinden/ und die rechte maaß darinnen nicht gehalten werden wuͤrde/ wo nicht der Heil. Geist uns lehret unser gefaß zu behalten in heiligung und in ehren/ nicht in der lust-seuch wie die Heyden die von GOtt nichts wissen. 1. Thess. 4/ 4. 5. Daher man solches wercks sich nunmehr zu schaͤmen hat/ nicht um sein selbs willen/ sondern von wegen solcher anklebenden unreinigkeit; da wir finden/ wie weder die glieder alle der vernunfft gehorsam seynd/ noch die unreine ge- luͤste von der gnade in uns gnugsam koͤnnen zuruͤck gehalten werden/ daß nicht eine fleißige pruͤfung viele gebrechen uns entdecke. (3. Daher mit solchem werck/ wie mit andern auch/ dermassen umgegangen werden muß/ daß wir nicht gedencken/ der nahmen der ehe und ehebettes mache schon alles gut/ ob auch allen viehischen luͤsten der zaum gelassen/ und in nichts getrachtet wuͤr- de/ dem natuͤrlichen trieb und auff reigenden geluͤsten abzubrechen. Wel- ches gleichwol zu unserer Christen pflicht auch gehoͤret/ und dieses werck da- von nicht ausgeschlossen werden mag/ wo es insgemein heisset/ daß wir sollen unser fleisch creutzigen samt den luͤsten und begierden/ und uns der luͤ- sten enthalten/ welche wider die seele streiten. Gal. 6/ 24. 1. Pet. 2/ 11. Hingegẽ daß auch von diesem werck muͤsse wahr seyn/ was Paulus 1. Cor. 10/ 31. insgemein sagt/ ihr esset oder trincket/ oder alles was ihr thut/ so thut alles zu GOttes ehre. Ob also wol christliche eheleut ihre eheliche bey- wohnung an sich selbs nicht suͤndlich oder unrecht zu achten/ so haben sie dan- ARTIC. III. SECTIO VIII. dannoch sich der mittel/ deren sich ausser des ehestands ledige leut und witt- wen gegen den trieb des fleisches nuͤtzlich gebrauchen/ nemlich arbeit/ fasten/ gebet und dergleichen/ nicht weniger dazu zu gebrauchen/ wo sie in dero na- tur eine unmaͤßige brunst fuͤhlen/ dieselbe zu mindern und zu loͤschen/ damit nicht auch in solcher beywohnung die maaß uͤberschritten werde: ja auch sich zuweilen mit fleiß/ da es sonsten ohne verletzung des gewissens geschehen koͤnte/ des erlaubten enthalten/ sich selbs damit zu gewoͤhnen/ daß nicht e- ben jegliche begierde muͤsse erfuͤllet werden. (4. Es sind auch unterschiedli- che absichten/ welche den gebrauch solches wercks maͤßigen sollen/ theils na- tuͤrliche/ damit man vor beyderseits gesundheit/ welche durch die unmaͤßigkeit in diesem werck so wol als durch andere/ leicht schwehrlich verletzet/ ja wol gar das leben abgekuͤrtzet werden mag/ vernuͤnfftiglich sorge/ theils geistliche/ darauff sonderlich Paulus ziehlet 1. Cor. 7/ 5. daß ihr zum fasten und beten musse habt. Woraus zu sehen/ wie um die zeit/ da man vor andern des gebets und der andacht/ noͤthig hat/ die enthaltung dieser beywohnung dienlich oder auch zuweilen noͤthig seyn koͤnne. Wie auch dorten 2. Mos. 19/ 15. zur vorvereitung auff die hoͤrung des gesetzes/ dieses angezeiget worden daß sich keiner zum weibe nahen solle. Wohin auch gehoͤret/ wann von einer allgemeinen buß und trauer-zeit gesagt wird Joel. 2/ 16. der braͤuti- gam gehe aus seiner kammer/ und die braut aus ihrem gemach. (5. Gleichwol lassen sich in solchen stuͤcken keine solche gesetze christlichen ehe- leuten geben oder vorschreiben/ wann und zu welcher zeit sie solche ihre bey- wohnung zu leisten haͤtten/ nach dem der Heil. Geist selbs keine besondere re- geln daruͤber gegeben/ daher uns nicht zukommen will/ daß wir den gewissen stricke anwerffen sollen: sondern haben allein zu bestehen bey den allgemei- nen regeln/ welche uns unser Christenthum und noͤthige creutzigung der geluͤ- sten/ so dann verehrung GOttes in dem ehstand/ an die hand gibet: ausser denen und von sonderbaren umstaͤnden/ laͤsset sich etwa zuweilen rathen/ nicht aber mit gesetzen eine sache einschrencken. Unser liebe Lutherus redet hievon sehr wohl uͤber die wort/ der mann leiste dem weibe die schuldige freundschafft Tom. II. Alt. f. 386. a. b. die wort S. Pauli sind klahr ge- nug/ und doͤrffen nicht viel glossen, so mag ich nicht so tieff hinein greif- fen/ und unsauber von der ehe-pflicht schreiben. Ein christlicher mensch wird sich selbs hierinnen wol wissen zu halten/ daß er maͤßig fahre. So ligt nichts dran/ wie ein unchristlicher mensch hierinnen tobet und wuͤtet. Und wiederum/ ich achte/ es moͤge von der sach nicht baß geredet werden/ dann hie S. Paulus redet/ daß der ehestand seye da/ R r 2 als Das dritte Capitel. als eine huͤlffe und mittel wider die unkeuschheit. Darum wer sein braucht/ der unkeuschheit zu wehren/ halte ich/ haben sie Paulum zum fuͤrsprecher und schutzherren. Und ferner: Also haben sie auch etliche tage ausgenommen/ als die heilige abend/ item schwangere leibe etc. Wohlan/ es ist fein und wohl gethan/ in allen sachen maͤs- sig fahren/ aber doch solt man kein gesetz hierinnen stellen: und diese wort Pauli lassen recht behalten/ der es dahin stellet/ daß keines seines eigenen leibes maͤchtig ist. GOtt gebe/ es seye dieser oder jener tag/ wie es GOtt gibt/ er sihet nur drauff/ daß der unkeuschheit geweh- ret/ und nicht raum noch ursach gegeben werde. O es hebt gar viel gesetz auff das kleine woͤrtlein Sanct Pauli: Keins ist seines lei- bes maͤchtig; ja es kan kein gesetz leiden/ dann wie solt mir je- mand den leib verbieten/ der mir von GOTTES recht und macht zugegeben ist? Er faͤhret ferner fort f. 387. a. Was das verkuͤrtzen sey unter ehelichen leuten/ und was fuͤr ursach sich begeben/ laß ich sie selbs deuten. Jch kan wol glauben/ daß sie mancherley seyen/ wie sichs dann auch ziehmet dem stand/ der zu boͤsen tagen und nicht zu gu- ten tagen geschaffen und eingesetzt ist. Zorn und uneinigkeit wird auch mitlauffen zuweilen/ es will auch uͤberfluͤßige geistlichkeit da re- giren. S. Paulus setzt nur eine/ mehr darff ich noch jemand setzen/ die ist/ daß beyde bewilligen/ sich etliche tage auf sonderliche weise haͤr- ter zu casteyen mit fasten/ und desto fleißiger zu beten/ sonderlich wo et- wa eine noth vorhanden. Dann zu starckem gebet gehoͤret auch ein starck fasten. Doch laͤßt es S. Paulus so frey bleiben/ und gibt kein gesetz daruͤber/ sondern stellets in beyder bewilligung. Darum kan niemand zu solchem fasten und beten mit geboten getr ungen werden/ wie man bißher gethan hat. (6. Diese sache aber laͤsset sich nicht wol gruͤnd- licher und eigenlicher ausmachen/ als wo wir betrachten die endursachen sol- cher ehlichen bey wohnung. Da ist nun zweiffels frey die erste und haupt-ur- sach die erziehlung der kinder. Jndessen koͤnnen wir gleichwol dieselbige nicht fuͤr die einige voꝛ Gott guͤltige ursach ansehen/ sondern wie wir gesehen haben/ daß derselbe stand selbs mehrere endursachen habe/ so haben wir gleiches von dieser beywohnung zu sagen. Daher es der Apostel mit bedacht eine schuldige freundschafft/ oder gutwilligkeit oder liebe nennet/ damit zeigen- de/ daß unter denen/ welche der HErr ehlich verbunden/ der liebe ein mehrers erlaubt seye/ als jenes einige seltene werck der noth in der erziehlung der kin- der. ARTIC. III. SECTIO VIII. der. Sonderlich aber muͤssen wir bedencken/ daß nach obig angedeutetem fall der ehestand eine artzney seye gegen die suͤnde/ welches sonderlich auf die- ses ehliche werck gehet/ und also zeiget/ daß dasselbige/ wo es zu abwendung und vermeidung anderer unzuͤchtiger/ nicht nur wercke/ sondern auch entbren- nender begierden/ und etwa folgender allerley verunreinigung/ geschihet/ so ist dieses unser elend/ daß wir eines solchen mittels bedoͤrffen/ ein stuͤck unserer suͤndlichen verderbnuͤß/ so dann die etwa dabey fuͤhlende geluͤste/ wiederum mit demuth vor GOTT zu erkennen/ das mittel aber an sich selbs ist alsdann um goͤttlicher ordnung willen gut und GOTT nicht mißfaͤllig. Hievon sagt abermal Lutherus Tom. I. Alt. f. 300. a. Derhalben ist der ehliche stand nun nicht vielmehr rein und ohne suͤnde/ (nemlich wie er vor dem fall gewesen waͤre) und die fleischliche anfechtung so groß und wuͤtend worden/ daß der ehliche stand nun hinfort gleich ein spital der siechen ist/ auf daß sie nicht in schwehrere suͤnde fallen. Jtem Kirchen post. W.T. f. 304. a. Wiewol auch im ehestand diß maaß solte gehalten werden unter den Christen/ daß es eine eheliche pflicht/ die aus noth/ zu mei- den unkeuschheit und unreinigkeit/ gefordert und geleistet werde. Sintemal hinfort das nicht viel geschehen kan/ daß man allein zur frucht sich zusammen finde/ welches das beste waͤr/ und wol recht seyn solte. Jn solchem siechen hauß/ wie Lutherus redet/ goͤnnet uns GOTT diese von ihm verordnete artzney/ und wer sie maͤßig brauchet/ suͤndiget darin- nen nicht. (7. Solches ist sonderlich zu mercken von dem stand der weibs- personen/ da dieselbe von GOTT gesegnet sind/ und also der haupt zweck der erzeugung nicht weiter um solche zeit platz hat. Als um welches zustandes willen die meiste frage und sorge der zarten gewissen entstehet. Wo wir aber des heiligen Apostels unbedingte wort und was unser Lutherus dabey be- mercket/ fleißig erwegen/ werden wir erkennen/ daß wir auch darinnen den ge- wissen keinen strick anzuwerffen haben: um so vielmehr/ weil in dem gegen- theil/ da in solcher zeit diese ehliche freundschafft niemal platz haͤtte/ nicht nur der ehestand denjenigen zweck der vermeidung aller unkeuschheit (um welcher willen er ihrer vielen noͤthig ist) nicht erreichen/ sondern vielmehr das gegen- theil erfolgen wuͤrde/ daß er eine gelegenheit werden koͤnte/ in viel schwehrer brunst (zu dero abwendung gleichwol GOTT diesen stand uns gegoͤnnet) die meiste zeit zubringen zu muͤssen/ indem der ehestand auffs wenigste einen viel staͤtigern umgang der eheleute bey tag und nacht in sich fassen/ und also eine offtmaligere reitzung und erweckung natuͤrlicher luͤste gegen einander veranlassen mag/ da ausser demselbigen/ weil weniger anlaß zu regung der luͤ- sten vorhauden/ noch eher solche brunst verhuͤter werden koͤnte. Nun hat R r 3 aber Das dritte Capitel. aber der heilige Apostel denjenigen/ welche brunst leiden wuͤrden/ das freyen/ als eine artzney vorgeschrieben/ dahero dann der gebrauch solcher artz- ney auch also gelassen werden muß/ daß er solchen zweck erreiche/ nicht aber vielmehr/ daß er eine gelegenheit seye/ in noch viel gefaͤhrlichere brunst/ und wegen dero zuruͤckhaltung/ schwehrere pein des leibes und unruhe der seelen gestuͤrtzet zu werden/ alsdann aber gegen dieselbe keine andere mittel zu ha- ben/ als diejenige/ mit denen er sich in dem ledigen stand behelffen muͤssen. Welches gewißlich des heiligen Apostels/ ja vielmehr GOttes/ willen und rath allerdings entgegen ist/ und aus der artzney eine gefaͤhrliche versuchung und steten zweiffels-strick machet. (8. So haben wir auch dieses stuͤck des ehestands anzusehen/ als daß bey und mit demselben die buß staͤts seyn und geuͤbet werden muß. Es muß das empfinden der dabey sich erregenden boͤ- sen geluͤste/ ja auch daß man dasjenige/ welches goͤttliche ordnung und einse- tzung ist/ nicht also in das werck richten koͤnne/ daß uns unser hertz nicht eini- gerley massen dabey beschuldige/ daß wir nicht das fleisch dabey mehr fuͤhlen/ als wir solten und wolten/ uns ein staͤtiges zeugnuͤß seyn/ unser aller tieffsten verderbnuͤß und unreinigkeit/ welche als ein aussatz die gantze natur also durchfressen habe/ daß sie sich in alles/ auch das gute selbs/ mit einmische/ und selbiges anstecke/ also eine taͤgliche erinnerung unsers elends und jammers/ in dem wir jetzt stehen/ die klage Pauli Rom. 7. immer zu wiederholen/ und mit schahm deßwegen vor GOTT zu demuͤthigen/ und um solcher ursache willen desto weniger des etwa sonsten von GOTT an uns habenden guten uns zu uͤberheben. Welches alles eine taͤgliche reue und demuth vor GOTT/ hin- gegen hochhaltung der goͤttlichen barmhertzigkeit/ auf die wir allein unsere hoffnung setzen muͤssen/ und damit in eigenem exempel den articul der recht- fertigung recht zu verstehen wuͤrcket. Es muß aber auch seyn eine taͤgliche uͤbung des glaubens/ daß wir lernen dabey erkennen die gnade unsers HErꝛn JEsu Christi/ wie er um seines verdienstes willen den glaubigen auch diese ihre unreinigkeit/ da sie die geluͤste zwahr toͤdten/ aber nie ertoͤdten koͤnnen/ daß sie nicht auch wider willen offt desto hefftiger/ als man ihnen widerstehet/ wuͤten/ gleichwol gnaͤdig verzeihen/ und seine gnade um solcher ursach willen nicht von ihnen nehmen/ sondern weil das werck an sich selbs seine ordnung/ und dazu als eine artzney unserer schwachheit uns angewiesen ist/ so dann sol- che glaubige selbs an der anklebenden unreinigkeit ein hertzliches mißfallen haben/ gegen sie kaͤmpffen/ vieles davon zuruͤck halten/ obwol nicht allemal voͤlligen sieg davon tragen/ in allem aber dieses daraus erkennen/ es seye die suͤnde/ welche sie plaget/ nicht aber annoch die herrschafft uͤber sie gewonnen habe/ die demselben anklebende maͤngel und gebrechen nicht zurechnen/ noch ihnen verdammlich seyn lassen werde/ weil sie an ihm/ Christo JEsu/ sind/ und ob ARTIC. III. SECTIO VIII. obwol das fleisch starck und hefftig bey sich fuͤhlen/ dennoch nicht nach demsel- ben und dem ungehinderten trieb seiner geluͤste wandlen. Welche glaubens- uͤbung dann so noͤthig als nuͤtzlich ist/ und fromme Christen solchen grund der gnaden/ mit was schohnen und barmhertzigkeit der Vater seiner kinder wider willen leidende schwachheit ansehe/ ja mit dem deckbett seiner ordnung/ der ehe/ dasjenige bedeckt bleiben lasse/ womit die natuͤrliche verderbnuͤß selbige beflecket/ tieff in ihren seelen zum trost zu legen; ja daß GOTT auch solche wahrheit in ihre hertzen schreiben wolle/ ihn eiffrig anzuruffen haben. Da- mit wird dann auch die taͤgliche uͤbung folgen/ daß sie denen luͤsten desto ernst- licher widerstehen/ und den zaum mehr zuruͤck halten/ als schiessen lassen/ man- chen sieg eines keuschen kampffs davon tragen/ zuweilen selbs bey sich fuͤhlen/ wie die gnade GOttes dasselbige ihnen leichter mache/ so dann desto inbruͤn- stiger immerdar zu GOTT um den Geist der heiligung und seinen beystand seuffzen/ endlichso viel hertzlicher sich sehnen nach der vollkommenheit/ und demjenigen leben/ wo sie aller unordentlichen luͤsten frey seyn werden/ ja da weder freyen noch sich freyen lassen seyn solle. Wird nun solcher massen die busse stets geuͤbet/ so gehets recht/ und werden wir auch die guͤte des HErrn zu preisen haben/ welcher die suͤndliche gebrechlichkeit der seinigen selbs ihnen zur gelegenheit und uͤbung vieles guten werden laͤsset. Er der HErr erhalte sei- ne ordnung auch in diesem stuͤck noch ferner unter uns unzerstoͤhrt/ er erfuͤlle unser aller/ die wir in dem ehstand oder ausser demselben leben/ hertzen/ mit wahrer erkaͤntnuͤß seines willens an uns/ auch in diesem stuͤck/ und heilige die- selbe mit seinem Geist immer mehr und mehr zu dessen vollbringung: Ja er schaffe/ daß wir unsere leiber und unsere glieder also gebrauchen/ daß wir ge- dencken/ sie seyen nicht unser sondern Christi glieder/ und theuer erkaufft/ da- mit sie des H. Geistes tempel unzerstoͤhrt bleiben: Ja daß wir GOTT prei- sen an unserm leib und in unserm geist/ welche sind GOttes. Amen. 1683. SECTIO IX. Auf einen fall genauen umgangs eines ehemanns mit anderer ehefrauen/ da derselbe der ehegattin und andern verdaͤchtig wird. 1. M Jr ist/ da ich in der furcht des HErrn auf die vorgeschriebene erzeh- lung meine gedancken geben solle/ dieses lieb/ daß mir personen/ und was erzehlet wird/ weiter nicht belant sind/ als was hie beschrieben stehet/ indem ich desto freyer ohne ansehung einiger person/ meine meinung von mir schreiben kan: Aber auch so bald bedingen muß/ daß die antwort auf die Das dritte Capitel. die blosse erzehlung gehe/ daher/ wo sich das factum in einigem anders ver- hielte/ dieselbe auch nicht dahin zu ziehen seyn wuͤrde. 2. An demjenigen/ was Sempronii frau gethan zu haben/ vorgestellet wird/ sehe ich nichts straͤffliches/ sondern alles fliesset aus der ihrem ehegatten schuldigen treue und liebe/ nemlich nach allem vermoͤgen zu wehren/ daß der- selbige sich selbs gefaͤhrlichen versuchungen nicht immer freyer darstelle/ und anderer nachrede stets mehr gelegenheit gebe/ welches sonst versaͤumt zu ha- ben/ selbs ihr gewissen beschwehren wuͤrde: Jch finde auch nicht/ daß etwas wider die schuldige ehrerbietung des ehemannes/ da sie ihn bey andern nicht beschaͤhmet/ begangen/ noch was zur demuth und vorsichtigkeit gehoͤrte/ un- terlassen worden seye. 3. Was aber Sempronium selbs anlanget: 1. So goͤnne ihm gern/ daß er nach gegebenem zeugnuͤß/ bey aller solcher sache ein rein hertz behalten/ und GOTT gefuͤrchtet habe. Jndessen 2. kan ich die so familiare conversation mit Titii haußfrau/ und das halten derselben hand/ auf keinerley weise billi- gen/ noch da es weiter geschehen solte/ entschuldigen. (1. Das offtere anfas- sen einer andern weibes-person/ gegen die man ohne das eine liebe zu tragen nicht in abrede ist/ an der hand/ auch langes halten und einschliessen wol gar beyder haͤnde in einander/ ist an sich selbs faͤhig/ unzuͤchtige geluͤste/ wo nicht erstlich/ doch nach und nach/ zu erwecken/ und sorge ich/ es gehoͤre ein sehr un- gemeiner grad der ersterbung fleischlicher luͤste bey mann- und weibs-per- sonen dazu/ wo sich in solchem fall nicht bey beyden/ auffs wenigste bey einem theil/ ungebuͤhrliche neigungen erregen solten. Daherauch das argument derjenigen/ welche aus dieser ursach gegen das tantzenmit weibes-personen eiffern/ nicht verwerffen kan. (2. Weil bereits in derstadt einige ungleiche nachrede entstanden/ die seinem amt/ davon meldung geschihet (sonderlich dafern es ein geistlich amt waͤre/ so die verantwortung schwehrer machte) nachtheil bringen koͤnte. Da hingegen nicht allein jedermann nach vermoͤ- gen sich vor dergleichen zu huͤten hat/ was solche veranlassete/ sondern vor al- len/ die andern in einem amt vorgesetzet/ eben deswegen schuldig sind/ nicht nur das boͤse/ sondern auch dessen schein/ zu meiden/ damit alles redlich zuge- he/ nicht allein vor dem HErrn/ sondern auch vor den menschen. 2. Cor. 8/ 20. Wer hingegen auch unvorsichtig durch eine that/ die boͤsen schein gibet/ uͤbels geruͤcht erwecket/ suͤndiget damit/ und macht andere suͤndigen: welche suͤnde so viel schwehrer wird/ wo einer auff erinnerung dennoch dergleichen nicht un- terlassen wolte. (3. Weil die ehefrau daruͤber einige jalousie gefaßt/ und er ihr gemuͤth damit zum unwillen oder betruͤbnuͤß zu reitzen weiß und erfahren hat/ so streitet das bißherige verfahren wider die seiner ehefrauen schuldige liebe. Dann wenn die genaue liebe/ die zwischen ehegatten von GOtt er- for- ARTIC . III. SECTIO X. fordert/ wird/ haben will/ daß ein jedes auf alle muͤgliche weise des andern verunruhigung verhuͤten/ um der ursach willen auch wol unstraͤffliche dinge unterlassen solle/ so wird sie ja so viel schwehrer verletzt/ wo man sich aus liebe des andern/ auch der dinge nicht enthalten will/ die dem andern einen ver- nuͤnfftigen schein des boͤsen geben. (4. Weil er die treue warnung seiner ehegattin (wann auch schon der offt wiederholte schmertzen ihr auch einige haͤrtere wort ausgedrucket haͤtte) nicht allein so fern hindangesetzt/ daß er die sache nicht gantz unterlassen/ sondern gar ihr endlich mit hartem zorn begeg- net/ und zwahr bey ihrem schwangern zustand/ da ihr so vielmehr zu schoh- nen gewest/ indem in solcher bewandnuͤß die widrige gemuͤths-bewegungen wol so viel als eusserliche boͤse tractamenten schaden thun koͤnnen/ dessen schuld nicht gering ist. Aus allem solchen traue gnug zu erhellen/ daß Sempronius, bißherigen umgang mit der andern person zu aͤndern allerdings GOtt/ seinem eheweib/ seinem amt/ und denen sich sonst aͤrgernden nechsten verbunden seye/ auch seine ehegattin so viel hertzlicher zu lieben habe/ als treuer sie auch darinnen ihre eheliche pflicht durch warnen gegen ihn erwiesen hat. Der himmlische Vater/ der beyde durch so genaues band mit einander verknuͤpffet hat/ lasse auch ihre seelen in reiner liebe immer mehr verbunden werden/ hingegen raͤume er weg alle hindernuͤssen derselben/ und verwehre alles aͤrgernuͤß/ so sonst entstehen moͤchte/ um seines nahmens willen. Amen. 1697. SECTIO X. Christlicher rath vor eine ledige weibs-person/ die sich von einem ehemann zum beyschlaff betriegen lassen/ ohne darvon schwanger zu werden. J Hre pflichten bestehen in folgendem. 1. Daß sie ihre suͤnde hertzlich und also erkenne/ daß sie dero schwehre sich gebuͤhrend vorstelle/ nicht allein insgemein/ wie hurerey vor andern suͤnden ein solcher greuel vor GOttes angesicht seyn/ indem der mensch GOttes tempel schaͤndet/ und aus Christi gliedern huren-glieder machet (wie Paulus mit mehrerem die schaͤnd- lichkeit solches lasters 1. Cor. 6/ 15. u. f. beschreibet) sondern auch wie der fall so viel schwehrer seye/ da die uͤbelthat mit einem ehemann begangen/ und also dessen eheliche pflicht/ so auf einem bund GOttes beruhet/ gebrochen wor- den: Denn ob nach einigen weltlichen rechten dergleichen unzucht eines ehe- manns mit einer ledigen person nicht ein ehebruch heissen solle/ ist es doch der- gleichen nach goͤttlichem gesetz/ welches beyde personen in der ehe mit gleichem S s bande Das dritte Capitel. bande verknuͤpffet. Jst es auch sache/ daß die person eine seine erkaͤntnuͤß GOttes gehabt/ so macht solches dero suͤnde auch so viel schwehrer: ja noch so vielmehr/ wo sie/ als es an dem war/ die schand-that zu begehen/ von ihrem ge- wissen bestraffet worden waͤre/ und doch solche warnung GOttes nicht geach- tet haͤtte/ wuͤrde solches die suͤnde auffs neue vergroͤssern; am allermeisten aber/ da die suͤnde/ nachdem man sich einmal wieder bedencken koͤnnen/ ferner wiederholet worden waͤre. Uber diese betrachtung der suͤnden muß man nicht oben hinfahren/ sondern lang mit umgehen/ damit ja das hertz zu einem wahren abscheu uͤber die suͤnde geruͤhret werde/ und zwahr nicht uͤber einigen zeitlichen verlust der ehre/ wann GOTT die verborgene schande noch offen- bar solte werden lassen/ sondern allerdings uͤber die suͤnde selbs/ wormit man den heiligen augen GOttes verdruß gemacht/ und sich an statt der so vielen empfangenen wolthaten an demliebsten Vater so schwehrlich versuͤndigt hat. Waͤre auch die person von dem mann verfuͤhret worden/ also daß in verglei- chung beyder/ desselben schuld schwehrer waͤre/ muß sie doch sich solches nicht darzu dienen lassen/ sich deßwegen vor GOTT zu entschuldigen/ sondern zwahr dem verfuͤhrer seine noch schwehrere verantwortung uͤberlassen/ sich aber vor GOTT daruͤber nicht rechtfertigen. Denn wer zu suͤnden gereitzt/ derselben nicht widersteht/ wird bereits derselben knecht/ als der sich darvon uͤberwinden lassen. 1. Petr. 2/ 19. Joh. 8/ 34. Jnsgesamt muß sie daraus die schwehre ihrer verderbnuͤß erkennen/ nach dero sie auch zu allen lastern ge- neigt seye. Jndem der funcken des andern/ liebkosen der worte oder uͤberre- dung nichts angezuͤndet haben wuͤrde/ wo nicht der zum anbrennen bequeme zunder sich bey ihr bereits gefunden haͤtte. Ja sie hat zu gedencken/ daß sie noch biß dahin eusserlich unverunreinigt geblieben/ habe sie nicht ihre tugend und keuschheit zu ruͤhmen/ sondern allein der goͤttlichen barmhertzigkeit zu dancken/ die sie nicht eher in die gelegenheit einer solchen verfuͤhrung gerathen lassen/ indem sie in dieser gelegenheit gewahr worden/ wie solche suͤnde laͤngst in ihr gesteckt/ die also/ wann sie eher versucht worden/ bereits ausgebrochen seyn wuͤrde. Ja sie hat bey solchem fall allein nicht stehen zu bleiben/ sondern zu gedencken/ wie sie vorher ihr leben vor GOTT gefuͤhret/ ob sie nicht finden werde/ daß sie entweder noch niemal mit rechtem ernst GOTT ergeben ge- wesen/ oder wo in solchem stand jemal gewest/ sie doch schon vorher von ihm abzuweichen angefangen habe/ ehe es GOTT zu dieser groben suͤnde/ an dero der anfang nicht geschihet/ bey ihr kommen lassen. Jch bin versichert/ es wird eine jegliche solche person nach redlicher pruͤfung bey sich finden/ daß das hertz schon vorher nicht rechtschaffen vor GOTT gewesen. Jnsgemein hat man die welt und dero luͤsten bereits liebgewonnen/ und mit zwahr gefastem vorsatz/ ehrlich zu bleiben/ seine freude gemacht/ der gesellschafften zu geniessen/ jeder- ARTIC. III. SECTIO X. jederman wolzugefallen/ ein froͤliches leben zu fuͤhren/ u. s. f. in welcher etli- cher massen subtileren welt-liebe die seele doch bereits von GOTT entfernet worden/ daß sie diesen wahrhafftig nicht lieben koͤnnen/ ob sie ihn wol zu lieben gedacht: Da ists denn kein wunder/ wann GOTT in seinem gericht eine sol- che person endlich in eine so schwehre uͤbelthat gerathen laͤsset/ daraus sie mit haͤnden greifft/ und nun nicht mehr leugnen kan/ die liebe GOttes verlohre n zu haben: Jn welchem gericht doch noch diese barmhertzigkeit GOttes steckt daß er zuweilen dardurch denjenigen/ die bey ihrer eusserlichen ehrbarkeit ihre heucheley nicht erkennen konten/ sondern sich viel vor GOTT einbildeten/ erst die augen recht oͤffnet/ ihren zustand zu erkennen/ und dadurch zur wahren buß geleitet zu werden/ darzu sie in ihrer heucheley vorhin verstockt nimmer haͤtten kommen werden. Welches die barmhertzigkeit GOttes so viel hoͤher preiset/ ob wol des menschen suͤnde an sich/ aus dero gifft der HErr eine artze- ney bereitet/ nicht desto geringer wird/ oder von dem suͤnder gehalten werden solle. Auffs allerwenigste/ wo sich der mensch uͤberreden wolte/ biß auf sol- chen fall sein Christenthum zimlich unstraͤfflich gefuͤhret zu haben/ wird sich finden/ daß er sich mit dem staͤten gebet/ welches allezeit unsere schutzwehr seyn solle/ gegen den satan und seine versuchungen nicht sorgfaͤltig gnug verwahret haben muͤsse. Was nun diese person unter allem solchem findet/ das die suͤnde bey ihro veranlasset/ und GOTT zu der verhaͤngnuͤß gereitzet haben mag/ es heisse nun fleischliche sicherheit/ liebe der welt-lust/ vermessenheit sich in gefahr zu begeben/ geistlicher hochmuth und eitle einbildung/ muͤßiggang/ unmaͤßig- keit/ oder doch allzuzaͤrtliche haltung seines leibes/ welche geilheit verursacht/ kaltsinnigkeit in den geistlichen uͤbungen/ sonderlich im gebet/ und was derglei- chen ist/ und die pruͤfung des gewissens an die hand geben mag/ hat sie samt ih- rem fall selbs zugleich vor GOTT zu bringen/ sich allewege vor dessen gericht mit hertzlicher reue zu demuͤthigen/ und dessen vergebung zu suchen. 2. Nechst dem so komme auf die bekaͤntnuͤß: nicht zwahr die gegen GOtt geschehen muß/ und allerdings noͤthig ist/ dann diese steckt schon in der vorigen pflicht/ sondern die bekaͤntnuͤß vor menschen/ und zwahr sonderlich vor dem Beicht-vater/ da dann die frage entstehet/ ob solche in dergleichen fall noͤthig seye? Nun leugne nicht/ daß unser Catechismus Lutheri uns dahin weiset/ die suͤnde/ die man im gewissen fuͤhle/ auch vor dem diener GOttes zu bekennen: Auch treibe ich selbs auf gewisse weise darauf/ aber nicht schlechterdings oder insgemein. So ist nun in solcher sache wol auf die ursache acht zu geben/ warum solche bekaͤntnuͤß den gefallenen zugemuthet werde. Wo nun es die- se waͤre/ daß (nach der Paͤpstischen Kirchen-lehr) die absonderliche bekaͤntnuͤß aller suͤnden/ als ein wesentliches stuͤck der wahren buß und von GOTT be- fohlen/ zu halten waͤre/ also daß die nicht bekante suͤnde auch in die absolution S s 2 nicht Das dritte Capitel. nicht gehoͤrten/ so ist kein zweiffel/ daß die person ihrem Beicht-vater diesen fall bey verlust ihrer seligkeit beichten muͤste. Wie aber solcher paͤpstische satz in GOttes wort keinen grund nicht hat/ so sind gantz andere ursachen/ warum wir von wahrhafftig bußfertigen verlangen/ daß sie die bekaͤntnuͤß ih- rer schwehren faͤllen auch bey dem Beicht-vater ablegen sollen: nemlich allein diese/ darmit derselbige nicht allein mit zuspruch/ trost vorbitt und rath auffs kuͤnfftige ihre buß desto besser befordern/ sondern auch in seiner uͤbrigen seelen- sorge auf sie stets desto besser acht geben koͤnne/ um sie vor fernern faͤllen ver- wahren zu koͤnnen. Wo nun die person an einem solchen ort lebet/ da sie von ihrem Beicht-vater sich versehen mag/ nicht allein des geheimhaltens/ worzu zwahr alle amtswegen verbunden sind/ sondern auch daß er die weißheit habe/ auf solche ihre bekaͤntnuͤß mit ihr dermassen zu handeln/ daß es ihrer seelen heilsam seye/ so hat sie solches mittel ihrer erbauung/ das ihr GOTT goͤnnet/ danckbarlich zu gebrauchen. Waͤre es aber sache/ daß sie an einem ort lebte/ wo sie ein solch vertrauen zu ihrem Beicht-vater nicht haben kan/ sondern sor- gen muß (etwa auch exempel haͤtte) daß er nicht reinen mund zu halten wuͤste/ so dann aus anderem/ wie er sein amt insgemein fuͤhret/ keine hoffnung hat/ von ihm erbaulichen rath zu erlangen/ und also den zweck sothaner bekaͤntnuͤß zu erreichen/ stehet ihr nicht zu rathen/ (es waͤre dann/ so zwahr von dieser ge- heimen sache nicht zu vermuthen/ daß er etwas darvon wind bekommen/ und sie austruͤcklich befragte) solche geheime suͤnde absonderlich zu beichten/ dabey gleichwol versichert/ daß/ wo sie in der that bußfertig/ die allgemeine verge- bung der suͤnden/ die sie erlangt/ auch diese mit begreiffe. Kaͤme sie aber an- derwertlich hin/ oder bekaͤme kuͤnfftig einen andern Beicht-vater/ zu dem sie ein besser hertz haͤtte/ und sich sicher seiner seelen-sorg voͤllig anvertrauen koͤn- te/ haͤtte sie auch nach guter zeit fug/ ihr gewissen auch darinnen gegen densel- ben auszulaͤhren/ und ihm zu jener desto dessere anleitung zu geben. Wo sie auch einen andern christlichen freund haͤtte/ zu dem sie sich eines heilsamen raths versehen koͤnte/ waͤre es ihr dienlich/ sonderlich/ da es gedachter massen an dem Beicht-vater manglete/ demselben ihren schaden zu offenbahren/ um mit vorbitt/ trost und rath ihr beyzustehen. Jedoch ist sie zu warnen/ daß sie nicht damit zu weit gehe (worin zuweilen geaͤngstete gewissen fehlen/ da sie meinen/ sie muͤsten allen ihre suͤnde in ihrer angst beichten) und verursache/ daß die sache zu vieler hindernuͤß ihres kuͤnfftigen lebens/ und nur desto groͤs- serm aͤrgernuͤß/ kund wuͤrde: Welches nachmal eine reue daruͤber er- wecken/ und viele boͤse folgen nach sich ziehen wuͤrde/ dem darnach nicht mehr zu wehren. Zwahr wo wir unter lauter wahren und verstaͤndi- gen Christen lebten/ haͤtte keiner scheu zu tragen/ seine auch geheime suͤnden gar unter der gemeinde oͤffentlich zu bekennen/ als der da wuͤste/ ARTIC. III. SECTIO X. wuͤste/ daß er von allen heilsamlich bestrafft/ hertzlich gegen GOtt verbeten/ kraͤfftiglich getroͤstet/ und ohne abgang der bruͤderlichen liebe auff seine erkan- te buß mit freuden auffgenommen werden wuͤrde. Aber in jetzigem der leu- te zustand ist solches von wenigen zu hoffen/ sondern von wem ein fall bekant wird/ muß sein lebenlang bey den meisten ein geschaͤndeter bruder oder schwe- ster bleiben/ ohne daß er oder andre von seiner hertzlichen bekaͤntnuͤß nutzen schoͤpffeten. Daher bußfertige seelen/ wo sie auch zu einer solchen unzeitigen bekaͤntnuͤß selbs ausbrechen wolten/ mit allem fleiß von einem verstaͤndigen freund abzuhalten seynd. 3. Hingegen erfordert die christliche pflicht von der person/ daß sie auch vor die bekehrung ihres mitgenossen der suͤnden sorge. Zwahr geschihet offt/ wo die seele zur ernstlichen reue der suͤnde geruͤhret worden/ daß sich ein haß gegen den andern/ mit dem man gesuͤndiget/ sonderlich wo derselbe die meiste schuld hat/ bey ihr einschleichen will/ welches aber die wahrheit der buß mehr hindert als foͤrdert. Hingegen ist die rechte art/ daß der bußfertige allein seine suͤnde/ und seines hertzens boßheit/ ohne die sie nicht wuͤrde begangen seyn worden/ hasse/ den menschen aber/ mit dem er gesuͤndiget/ und zwahr sei- ne suͤnde so wol als die eigne hasset/ noch mit erbarmender liebe ansehe: ja je schwehrer desselben suͤnde/ und also auch seiner seelen gefahr sihet/ das erbar- men vielmehr als den zorn wachsen lasse: daher auch so bald er goͤttliche gna- de erlanget zu haben/ fuͤhlet/ zur danckbarkeit dieselbe auch dem mit genossen der suͤnden zu erlangen/ und diesen zur buß mit zu bringen/ trachte. Darzu wird nun vor allen dingen erfordert hertzliches gebet fuͤr denselben um wah- re buß/ nechst dem auch alles uͤbrige zu thun/ was der bußfertige den andern theil zu gewinnen muͤglich findet. Also hat auch diese person/ davon die re- de ist/ wo sie sich nun zu GOtt bekehret/ zum fordersten taͤglich auffs innig- lichste vor die bekehrung des andern zu bitten/ auch nicht auffzuhoͤren/ biß sie erhoͤret werde: nechst dem zu trachten (im fall sie sich in ihrer buß so befestigt findet/ daß sie nicht eher von demselben wieder verfuͤhrt werde/ als an ihm etwas ausrichten moͤchte/ auch sonsten glauben kan/ daß ihr GOtt/ ihm be- weglich zuzusprechen/ die gnade verleyhen werde) daß sie eine gelegenheit er- lange/ ohne anderer verdacht/ mit ihm allein zu sprechen. Wo sie dann sol- che erlangt/ alsdann ihm auffs beweglichste zuzusprechen/ mit bezeugen/ daß GOtt ihr buß und barmhertzigkeit erwiesen habe/ daher sie ihn auch zu hertz- licher buß vermahne. Sie hat aber wol zuzusehn/ daß ihr zuspruch nicht mit einer solchen bewegung des gemuͤths geschehe/ daß er daraus nun einen zorn und haß wegen ihr angethane schande abnehme/ sondern daß sie in we- hemuth uͤber ihre eigene suͤnde aus sorge fuͤr seine seele ihm auch die seinige vorstelle/ daher sie nicht darff die schuld alle von sich abweltzen/ sondern die S s 3 ihri- Das dritte Capitel. ihrige gern auch tragen/ und nur auch seine hertzliche buß suchen. Wo der- gleichen mit solchem hertzen und vorgegangenem gebet geschihet/ kans nicht wol ohne frucht und segen bleiben. Auffs wenigste rettet sie damit ihre see- le. Jst aber eine solche gelegenheit nicht muͤglich/ oder sich derselben zu ge- brauchen aus andern ursachen nicht rathsam/ so hat sie was sie muͤndlich nicht ausrichten kan/ schrifftlich zu versuchen/ dabey aber grosse behutsam- keit zu gebrauchen/ damit ein solches schreiben dem mann sicher und allein al- so zukomme/ daß niemand/ sonderlich seine ehegattin/ nichts davon erfahre/ und die sache auch sonsten so lang sie GOtt verborgen lassen will/ zu beyder schaden nicht ruchtbar werde. Waͤre es sache/ daß beyde personen einen beicht- vater haͤtten/ und dieser also bewandt waͤre/ daß man ihm diese heimlichkeit offenbahren doͤrffte/ so wuͤrde dieses der leichteste weg seyn/ den beicht-vater darzu zu brauchen/ der nach seinem amt alsdann so viel nachtruͤcklicher des mannes buß befordern koͤnte. Alles aber in der gantzen sache muß mit der groͤssesten behutsamkeit vorgenommen/ und die darzu noͤthige weißheit von GOtt erbeten werden/ um nicht an statt des verhofften guten etwas boͤses zu veranlassen. 4. Jst noch uͤbrig/ wie die person sich hin kuͤnfftig zu verhalten/ und die fruͤchten ihrer buß zu bringen habe. Dahin gehoͤret 1. daß sie ihr lebtag dran gedencke/ und sich/ auch da die suͤnde vergeben/ dennoch vor GOtt daruͤber demuͤthige/ nicht an der vergebung zu zweifeln/ sondern deroselben ruhm in offter betrachtung seiner schuld zu erhoͤhen. 2. Jch wolte auch nicht mißra- then/ zu desto bestaͤndiger erinnerung der sache sich ein gewisses merckmahl/ das andre gleichwol nicht wissen/ zu machen; solte es etwa ein wochentlicher fast-tag/ oder etwas dergleichen seyn. Doch wo man sich zu dergleichen ent- schliesset/ finde es nicht so rathsam/ es als ein formliches geluͤbde zu thun/ daß man darnach nicht wieder aͤndern koͤnte/ woraus manchmal nach einiger zeit schwehre gewissens-scrupel entstehn koͤnnen: sondern als einen solchen vor- satz/ von dem man ohne wichtige ursach nicht abweichen wolle/ jedennoch auff allerley faͤlle sich eine freyheit vorbehalte. Sonderlich sind weibs-personen wegen der geluͤbde gewisser fasten fleißig zu warnen/ daß sie keine andre thun/ als mit vorbehalt der aͤnderung/ wo es nicht ohne nachtheil der natur gehaltẽ werden koͤnte: dergleichen faͤlle sich bey ihnen manchmal/ wo sie geheyrathet werden/ zeit ihrer schwangerschafft oder saͤugens/ begeben. Wo alsdann/ da die geluͤbde unbedachtsam geschehen/ entweder schade der gesundheit er- folget/ oder anstoß des gewissens. 3. Jst ihr noͤthig/ ihr lebtag sich so viel fleißiger vor dieser suͤnde/ und aller dero schein und gelegenheit darzu/ zu mei- den; ja auch vor allem dem/ was sie findet/ den weg zu solchem fall bey ihr gebahnet zu haben. Weiter 4. bey aller gelegenheit andern solche suͤnde zu ARTIC. III. SECTIO X. zu verleiden/ und wie sie sich huͤten sollen/ zu zeigen: Und 5. insgesamt den vorsatz zu fassen/ daß sie nicht allein ihren ehestand/ wenn sie GOtt darzu be- ruffen wird/ ihm desto mehr heiligen/ als mit ihrem gantzen leben in eiffriger beobachtung aller Christen pflichten den himmlischen Vater bey allen so viel herrlicher preisen wolle/ als ihre suͤnde/ wo sie bekant haͤtte werden sollen/ dar- inne seine guͤte ihr geschohnet hat/ mit aͤrgernuͤß ihn geschaͤndet haben wuͤr- de: also daß ihr gantzer wandel in der that zu einer staͤten uͤbung der danck- barkeit vor die gnade der buß werde. Der liebste Heyland/ der gekommen ist/ die suͤnder zur busse zu ruffen/ und sie willig anzunehmen/ auch diese person von dem irrweg wieder zuruͤck gefuͤhret hat/ setze sein werck in ihr ferner kraͤfftig fort/ bewahre sie vor und in aller fernern versuchung/ reinige sie von aller befleckung des fleisches und des geistes/ fortzufahren mit der heiligung in der furcht GOttes/ erwecke so viel hertzlichere liebe in ihr als mehr ihr suͤnde vergeben/ und heilige sie durch und durch/ daß ihr Geist/ samt der seel und leib unstraͤflich erhalten werde/ auff seine zukunfft um seiner treue willen. Amen. 1699. SECTIO XI. Ob zinse von ausgeliehnem geld zu nehmen. Ob man unverletztes gewissens von ausgeliehenem geld jaͤhrliche zinse oder pension nehmen doͤrffe? W Ann ich diese frage von uns Christen in dem N. T. bejahen werde/ so muß ich voran melden/ daß/ ob ich wol die jaͤhrliche zinse an sich selbs nicht zu verwerffen vermag/ ich dannoch sie als eine sache ansehe/ in dero man sich auch leicht versuͤndigen koͤnne/ daher von demjenigen billich erst zu handeln ist/ welcherley zinse vor suͤndlich und verboten zu achten seyen/ de- ro anklebende suͤnden aber der uͤbrigen sache an sich selbs nicht præjudici ren/ oder sie unrecht machen koͤnnen. So sind nun 1. verboten die zinse/ da in dem quanto jedes orts uͤber dasjenige gefordert und genommen wird/ was die oͤffentliche gesetze verord- net haben: da doch in solchen dingen/ die unter obrigkeitlicher macht und re- gierung stehen/ der obern verordnung solche maaß gibet/ daß weil wir densel- ben auch um des gewissens willen sollen unterthan seyn/ der ungehorsam dagegen das gewissen verletzet; und wird also eine offenbahre ungerechtig- keit/ da man in solchem contract zu weit greiffet/ 1. Thess. 4/ 6. und von seinem bruder mehr nimmet/ als ihme derjenige/ der unser richter ist/ zu- sprichet. 2. Lassen sich auch nicht im gewissen verantworten diejenige zinse/ wel- che Das dritte Capitel che man von blutarmen leuten auspresset. Da man vielmehr derselben noth- duͤr fftigkeit mit allmosen zu huͤlffe kommen solte/ und also eine grosse unge- rechtigkeit und wider die liebe ist/ die jenige zu zinsen zu noͤthigen/ die/ was sie uns geben solten/ erst aus anderer liebe und gutthaͤtigkeit suchen muͤß- ten. 3. Koͤnnen auch die zinse unrecht werden/ wo sie in diesem stuͤck wider die liebe streiten/ daß man sie von denjenigen fordert/ welche mit dem gelehn- ten geld nicht mehr als ihre nothdurfft erhalten/ nichts aber gewinnen koͤn- nen. Dann weil der gantze grund der billigkeit der zinse darauff bestehet/ daß wer meines geldes also genossen/ daß er auch etwas damit gewonnen hat/ mich dessen gewinns mit theilhafftig mache/ so faͤllet diese dahin in dem fall/ da der andre damit nichts zu eruͤbrigen vermocht hat/ und folglich nichts un- ter uns zutheilen verhanden ist. Welches so viel mehꝛ statt hat/ wo deꝛ glaubi- ger ohne das zu leben mittel hat/ da er denn seinen bruder zu zinsen nicht trei- ben kan. Waͤre es aber sache/ daß derselbe selbs in gleicher duͤrfftigkeit stuͤn- de/ als zum exempel/ eine wittwe/ waͤysen/ krancke/ so aus mangel ihrer nah- rung ihr weniges um davon leben zu koͤnnen/ ausgethan haͤtten/ oder erst in dieselbe durch ungluͤck gerathen waͤren/ und also in entstehung dieser huͤlffe selbs in mangel stehen wuͤrden/ so wuͤrde abermal die liebe von dem/ so des andern wolthat genossen/ erfordern/ daß er nach muͤglichkeit dem andern auffs wenigste also an die hand gehe/ daß beyde an einer last leichter tragen. 4. Nicht weniger koͤnnen die zinse auch unbillich werden/ wo man sich des nechsten/ der dieselbe reichen solle/ zugestandenen unfalls nicht erbarmet/ sondern ob wol derselbe sonst mit unserm geld etwas zu gewinnen vermocht/ es aber geschehen ist/ daß er in grossen schaden durch krieg/ feuer/ wasser oder dergleichen gerathen/ ja wol um unser capital gekommen waͤre/ dannoch in eintreibung der zinse nach der strenge verfahren will; da wir vielmehr gleich- sam einen theil des schadens auff uns zu nehmen/ und thaͤtliches mitleiden zu bezeugen schuldig sind/ einem solchen einen billigen nachlaß entweder auff im- mer/ oder auff so lange zuthun/ biß er wieder zu kraͤfften kommen/ und wir sein wiederum ohne verletzung der liebe geniessen moͤgen. So allerdings der liebe gemaͤßist. 5. Ferner werden auch die zinse auff andre weise zur suͤnde/ wo sonsten andre ungerechtigkeit mit eingeflochten wird: als wo reiche leute von capi- tal/ die das ihrige nicht anders unterbringen koͤnnen/ andre/ so es sonsten nicht noͤthig haben wuͤrden/ daher es auch nicht so geniessen moͤgen/ dahin noͤthigen/ mit trohen/ oder versagung anderer sonsten von ihnen noͤthigen huͤlffe/ daß sie solche summen auffnehmen und verzinsen muͤssen/ dero sie son- sten nicht bedoͤrfftig; allein damit jene das ihrige alles nutzen moͤgen: item, wo ARTIC. III. SECTIO XI. wo man die gelder/ welche die andre nicht mehr noͤthig haben/ und gerne wie- der ablegen wolten/ nicht wieder annehmen/ sondern den andern als einen staͤten tributarium behalten will: dahin ich auch ziehe/ wo schuldner ein staͤr- ckeres capital nimmer auff einmal abzutragen vermoͤgen/ und also der ursach wegen zu ihrer grossen beschwehrde unter solcher last mit ihren nachkommen- den bleiben muͤsten/ aber durch eine particular solution befreyet zu werden/ vermoͤchten/ und man diese (gleichwol auch auff eine solche art angestellet/ daß man dieser seit nicht hinwieder nachtheil davon leide) nicht annehmen will. Alles dieses und was dergleichen seyn mag/ kan das zinse nehmen un- recht machen. Denn weil mein darleyhen ein liebes-werck und gutthat seyn/ und von dem andern hinwiederum liebreiche danckbarkeit erfordern solle/ so muß dabey nichts auffgezwungenes seyn/ noch einer so wenig zu diesem als anderem contract genoͤthigt werden. Also alles kurtz zu fassen/ so bald etwas bey dem zinse-nehmen mit ein- laufft/ welches der liebe und billichkeit zuwider ist/ und ich in meinem hertzen versichert bin/ daß ich in gleichem fall von dem andern ein solches vor un- recht halten wuͤrde ( Matth. 6/ 12. ) machet solches dasselbe zur suͤnde/ wie auch andre dinge/ so goͤttlicher ordnung an sich selbs gemaͤß sind/ durch miß- brauch dergleichen werden koͤnnen. Daher auch so bald in der materie zwei- felhaffte faͤlle entstehen/ will das gewissen haben/ daß wir allezeit lieber we- niger als zu viel nehmen: indem man sich mit diesem nicht aber jenen ver- suͤndigen kan. Wann aber nun diese fehler auszuschliessen die frage voͤlliger also for- mi ret wuͤrde/ ob in dem N. Test. von willig-auffgenommenen und zu verzinsen behaltenen geldern von denjenigen/ welche solche also ge- brauchen/ daß sie ihren vortheil davon zu machen vermoͤgen/ und in dem stande stehen/ daß sie dergleichen abtragen koͤnnen/ doͤrffen lan- desuͤbliche zinse genommen werden? So traue ich diese frage von uns in dem N. T. allerdings zu bejahen. Das haupt- fundament meiner bejahung ist dieses/ daß wir nun kein ander gesetz in dem N. T. was die pflichten gegen den nechsten anlangt/ haben/ als das gesetz der liebe: das unser Koͤnigli- ches gebot ist; und bleibet also allerdings wahr/ alle gebot seyen in diesem wort verfasset: Du solt deinen nechsten lieben als dich selbs: und/ so bleibet die liebe des gesetzes erfuͤllung/ und wer den andern liebet/ der hat das gesetz erfuͤllet. Rom. 13/ 8. 9. 10. Welches wir in dem N. T. in so viel mehrerm rigor ansehen koͤnnen/ weil was uͤber dieses gebot der liebe in dem A. T. zur regel der Juͤdischen policey weiter vorgeschrieben ist (davon T t nach- Das dritte Capitel. nachmal geredet werden solle) uns nicht mehr angehet/ sondern allein die lie- be uͤbrig bleibet. Daher ist mir dieses eine bestaͤndige regel/ alles was nicht wider die liebe streitet/ sondern vielmehr eine uͤbung derselben gibet/ ist uns Christen in dem N. T. erlaubt. Nun unter diesem Majori lassen sich die an- gefuͤhrte und auff obige art eingeschrenckte zinse mit allem recht begreiffen/ al- so sind sie uns nicht verboten/ sondern erlaubt. 1. Sind sie nicht wider die liebe/ indem kein schade jemand dadurch zugefuͤget wird/ sondern vielmehr was einigen schaden und unbilligkeit in sich fassen moͤchte/ durch obige ein- schrenckungen bereits abgelehnet ist. 2. Vielmehr ist auch dieser contract so wol als andere/ so in dem mensch- lichen leben ohne einigen scrupul gebrauchet werden/ eine uͤbung der liebe. Es ist demjenigen eine liebe/ welcher sonsten vor sich die mittel nicht hat/ zu einem fernern stuͤck brodt zu kommen/ als darzu gemeiniglich einiger verlag erfordert wird/ daß ihm solcher von andern/ die es vermoͤgen/ ertheilet/ und also zur nahrung geholffen wird. Es ist eine uͤbung der liebe/ daß derjeni- ge/ der des andern mittel genossen/ und damit seinen nutzen geschaffet hat/ hinwieder auch demselben einen theil seiner errungenschafft/ (welches die O- brigkeit/ um aller ungerechtigkeit und mißhelligkeit vorzukommen/ auff ein gewisses quantum hat determini ren koͤnnen) zukommen lasse/ damit auch solches stuͤck seines vermoͤgens ihm nicht unfruchtbahr bleibe; nicht zwahr nur reichthum vor sich zu sammlen/ sondern immer in dem stande zu seyn/ daß er auch moͤge an guten wercken desto reicher werden. Es ist eine uͤbung der liebe gegen das publicum, welchem an beforderung der commerci en ein grosses gelegen ist/ die aber menschlicher weise ohne dergleichen zinse nicht wol moͤchten zu stand gebracht oder erhalten werden. Was demnach dasje- nige/ von dessen nutzen so viele participi ren/ befordert/ gehoͤret allerdings un- ter die pflichten der liebe. Man moͤchte zwahr einwenden/ alles solches koͤn- te geschehen/ nemlich so wol des nechsten absonderliche wohlfahrt und nah- rung befordert/ als zum behuff des gemeinen besten die commerci en in gu- tem stand erhalten werden/ wo diejenige/ welche uͤbrige mittel haͤtten/ solche ohne entgeld andern/ welche damit nutzen schaffen koͤnten/ darliehen: aber ich will nicht nur dieses sagen/ daß wir schwehrlich zu hoffen haben/ es insge- mein bey vielen zu solcher vollkommenheit zu bringen/ daß sie das ihrige (und zwahr mit gefahr durch unterschiedliche ungluͤcke/ welche sonderlich die hand- lende vor andern betreffen/ gar um das ihrige zu kommen) andern ertheilen wuͤrden; dadurch das publicum und viele liebes-wercke unterbleiben muͤs- sen; sondern ich halte solche art selbs der gerechtigkeit/ und also der liebe/ weniger gemaͤß/ als jene art. Dann man forderte entweder von denselben/ welche ihre mittel andern austhun/ daß sie allerdings davon keine ergoͤtzlig- keit ARTIC . III. SECTIO XI. keit annehmen solten/ oder man wird haben wollen/ daß es nur als eine danck- barkeit von dem andern/ nicht als ein verglichener zins gegeben wuͤrde. Das erste waͤre allerdings wider die christliche billichkeit/ und wider die regel/ so sich auff die liebe gruͤndet/ und billich aller contracten richt- schnur seyn solle. 2. Cor. 8/ 13. Nicht geschicht das der meinung/ daß die andre ruhe haben/ undihr truͤbsaal/ sondern daß es gleich seye. Jn- dem es je nicht gleich ist/ wo der eine seiner mittel entrathen solle/ da auffs wenigste ploͤtzliche faͤlle seyn koͤnnen/ da er derselben benoͤthigt/ nicht ohne un- gelegenheit erst ihr wiederum habhafft zu werden trachten muß/ und doch nichts davon genoͤsse/ derandre hingegen allen nutzen von des darleyhens gel- dern zoͤge: sondern da ist nach des Apostels worten/ einer seits ruhe/ ander- seits truͤbsaal. Wolte man aber das andere/ so muß man gestehen/ daß auffs wenigste von seinem ausgeliehenen geld etwas wiederum zu nehmen nicht an sich selbs suͤndlich seye/ sondern alles kaͤme auff den modum an: hin- gegen der modus, da es in der willkuͤhr des schuldners stehet/ was er geben solle/ ist so lang wir in der welt unter auffs wenigste schwachen menschen/ die der versuchung des geitzes noch unterworffen sind/ leben/ (dann vollkomme- ne Christen wuͤrden auch in dieser sache unter sich keines gesetzes bedoͤrffen/ der liebe und christlichen prudenz so gemaͤß nicht/ als derjenige/ da die O- brigkeit/ die jedes orts beschaffenheit/ und was insgemein gegeben werden koͤnne/ am besten verstehet/ eine austruͤckliche regel setzet. Jndem jener mo- dus hingegen zu vieler suͤnde und zweiffel ursach geben koͤnte: indem da der schuldner nicht nach der liebe gesinnet/ er aus eigennutz die danckbarkeit ent- weder gar unterlassen/ oder weit unter der billichkeit bleiben wuͤrde/ damit er sich aber versuͤndigte: waͤre er christlich/ wuͤrde es ihm schwehrer zubestim- men/ wie viel jedesmal jetzt die danckbarkeit erforderte/ daß er nicht sein ge- wissen verletzte? staͤnde also leicht in zweiffel/ ob er gnug gethan haͤtte. Der darleyher selbs doͤrfte offt in die gedancken kommen/ des andern danckbarkeit waͤre zu gering/ und ob er mit dem andern nicht in streit geriethe/ wuͤrde doch in dem hertzen vieles auffsteigen/ so das vertrauen benaͤhme/ und die liebe verletzte. Allem diesem kommt die gemachte ordnung gewisser zinse zuvor/ daß wer darnach sich haͤlt/ sein gewissen ruhig behaͤlt/ um so vielmehr weil solche ordnung dannoch der uͤbrigen liebe keine schrancken setzet/ und zwahr wie viel man geben und nehmen moͤge/ bestimmet/ aber nicht verbeut / wo einer seits der schuldner zeigt/ daß er nichts oder allzuwenig vor sich ge- bracht/ daß der christliche darleyher (so wir oben ohne das von ihm erfordert haben) solche zinse deswegen gantz oder zum theil als ein geschenck nachlasse/ oder wo anderseits der andre einen sonderbahren segen von dem geliehenen T t 2 ver- Das dritte Capitel. verspuͤhret/ und sein gewissen ihm vorstellen wuͤrde/ daß er den andern es auch reichlicher geniessen lassen solte/ daß er seinem darleyher auch uͤber den zins ein freywilliges gratial verehre. Also sehen wir in allem/ daß wahrhafftig dieser modus der liebe gemaͤß seye/ und aller suͤnde am kraͤfftigsten wehre. Weil wir aber die zinse/ deroselben gebung und nehmung/ unter die wercke der liebe mit rechnen/ solle den obigen anmerckungen/ was dabey von Christen in acht zu nehmen ist/ noch diese beygefuͤget werden/ daß diejenige/ welche geld andern auff zinse ausleyhen/ von welchen sie es mit gutem gewis- sen nehmen koͤnnen/ auch willig seyen/ wo es die gelegenheit gibet/ daß solche leute/ von denen man keine zinse nehmen darff/ ihrer huͤlffe noͤthig haben/ den- selben gleichfals ohne zinse an hand zu gehen/ und also immer ein theil dessen/ was sie ausleyhen koͤnnen/ auch vor solche personen ausgesetzt bleiben lassen/ von welchen sie nichts als die haupt-summe wieder erwarten: um in gewis- ser maaß dadurch auch dasjenige zu heiligen/ was sie des ihrigen bey andern vermoͤglichen rentbar machen. Also muß was zur rechtfertigung der zinse hie mit gutem grund angefuͤhret wird/ diejenige/ welche auch zu ihrer blossen nothdurfft einiger huͤlffe bedoͤrfftig sind/ und nichts davor geben koͤnnen/ von der sonsten schuldigen liebe/ die andre ihnen zu erzeigen haͤtten/ nicht aus- schliessen/ als welches ein mißbrauch waͤr/ und zur suͤnde gereichte/ nicht als wañ zinse zu nehmen an sich suͤnde waͤre/ sondern weil die liebe zu eigenem nu- tzen die schuldige uͤbung der liebe gegen des andern duͤrfftigkeit aufhuͤbe. Der- gleichen entziehung von den armen/ die aus solcher art ursach geschihet/ wird 5. Mos. 15/ 9. ein Belials-tuͤcke genennt/ davon Christen frey seyn sollen. Dann wo die armen deswegen/ weil man von ihnen keine zinse nehmen darff/ gar ohne huͤlffe bleiben muͤsten/ waͤre solches noch schwehrer vor sie/ und ver- letzte die liebe noch mehr/ als wo sie endlich noch etwas dargeliehen bekom- men/ ob sie wol mit grosser beschwehrde etwas davon geben muͤsten. 3. Wie dann gezeiget ist/ daß die zinse an sich nicht wider die liebe strei- ten/ sondern vielmehr dero uͤbung befordern koͤnnen/ also ist ferner zu mer- cken/ daß sie/ wo man recht acht gibet/ mit andern contracten in der that uͤ- berein kommen/ die gleichwol niemand den Christen verboten zu seyn/ oder wider die liebe zu streiten achtet. Es wird niemand/ auch unter denen/ wel- che an der geld-zinse erlaubnuͤß zweiflen/ meines erachtens gefunden werden/ welcher leugnen solte/ wo ich ein hauß/ acker/ garten/ viehe oder dergleichen etwan habe/ so ich einem andern verleyhe/ daß ich vor den genuß/ welchen der- selbige von dem meinigen einnimmet ein jaͤhrliches geld/ zins oder miethe be- zahlt annehmen/ oder auch fordern doͤrffte: vielleicht wird man auch nicht leicht widersprechen/ daß es erlaubt seye/ wo einer in eine gemeinschafft mit einem andern in der handlung eintritt/ aber entweder andern beruffs-we- gen/ ARTIC. III. SECTIO XI. gen/ oder weil er der handlung nicht kuͤndig gnug ist/ mit den geschaͤfften nichts zu thun hat/ sondern allein sein capital mit einschiesset/ indessen davon einen theil des gewinns mit geneust. Nun aber/ was jenes erste/ nemlich das ver- leihen der haͤuser/ guͤter und dergleichen anlangt/ ists allerdings einerley contract/ wie mit den zinsen von geld/ ich gebe dem andern etwas des meinigen zu geniessen/ und ohne fernere meine arbeit nehme ich von dem- selben eine vergeltung davor/ oder einen theil seines genusses/ der- gleichen geschihet bey der interesse von gelehntem geld nicht weniger. Und also/ wo mir einer dieses zugestehet/ daß ich um mein geld ein hauß/ gar- ten oder anderes kauffen/ es meinem nechsten um gewisse miethe verleihen/ und diese davon empfangen darff/ kan er mit wenigem schein mir absprechen/ daß ich von eben dem geld etwas empfangen doͤrffe/ darum jener dergleichen zu seiner nutzung/ und mir das meinige davon zu reichen/ zu kauffen oder zu be- stehen vermag. Jndem es in der that auf eines hinaus laufft. Jn dem an- dern fall ist zwahr mehr unterscheid von dem unsrigen/ aber sie kommen doch beyde in dem hauptwerck uͤberein/ daß ich von meinem geld und dessen ge- brauch ohne fernere arbeit genuß empfange. Da dann diese andere/ und der- gleichen/ contracte/ dem Christenthum und der liebe nicht zu wider/ sondern dem menschlichen leben dienlich und noͤthig zu seyn/ erkannt werden/ so doͤrffen wir nicht anders auch von den zinsen von gelehntem geld urtheilen. Man moͤchte zwahr einen unterscheid in deme suchen/ daß andre dinge/ die ich auslei- he/ als gaͤrten/ aͤcker/ weinberg und dergleichen etwas tragen/ das geld aber an sich selbs seye etwas unfruchtbares/ und trage nichts. Es ist aber ein viel- mehr subtiler unterscheid/ als daß er zu der sache etwas thaͤte/ dann ob das geld an sich nichts traͤget/ ist es doch ein mittel/ dardurch menschlicher fleiß et- was erwerben kan: Man moͤchte sonst dergleichen auch von dem hause sagen/ so an sich nichts traͤget/ und doch vor dessen gebrauch billich etwas gegeben wird. Mit mehrerem scheinmag/ sonderlich dem andern angefuͤhrten/ ent- gegen gehalten werden/ daß/ indem da einer sein geld zur gemeinschafft in die handlung gibet/ er damit auch in die gemeinschafft des verlusts eintrete/ und also von dem gewinn hinwieder nicht unbillich participi re/ da hingegen bey geliehenem geld dessen gefahr aufdenjenigen ankommt/ der es abgeliehen hat. Und ist nicht ohn/ daß diese anmerckung zur sache viel thut/ aber es ist auch oben n. 4. gezeiget worden/ daß in solchem fall die zinse unrecht werden koͤn- nen/ wo der schuldner ohn seine schuld in schaden gekommen ist/ und so vielwe- niger etwas hat gewinnen koͤnnen: Wie freylich die liebe die meisterin in al- len dingen bleiben muß. 4. Diesem allem setze ich noch bey/ daß diese gantze materie/ so die dispo- sition uͤber irrdische guͤter angehet/ in der Obrigkeit gewalt und regirung ge- T t 3 hoͤret; Das dritte Capitel. hoͤret; daher sie auch jedes orts/ wie sie es dem gemeinen wesen am dienlichsten findet/ mit gesetzen und ordnung dieselbe hat determini ren koͤnnen: Wann dann durch die Obrigkeiten und unsre weltliche gesetze die zinse oder interesse nicht verboten/ sondern vielmehr eingefuͤhret/ und in gewisse ordnungen ver- fasset sind/ und im uͤbrigen alle solche weltliche gesetze die unterthanen auch in dem gewissen verbinden/ es seye dann/ daß sie klahr goͤttlichem wort entgegen waͤren/ so hebet also das Evangelium auch dieses stuͤck der policey/ so wider GOttes wort zu streiten nicht gezeiget werden kan/ nicht auf/ noch suͤndiget derjenige/ der sich nach solchen ordnungen haͤlt. Allem diesem wird nun mit groͤssestem schein entgegen gehalten das viel- faͤltige goͤttliche verbot des wuchers und uͤbersetzens/ so in heiliger schrifft offt wiederholet wird/ als 2. Mos. 22/ 25. 27. 3. Mos. 25/ 35. 36. 37. 38. 5. Mos. 23/ 19. Psalm 15/ 5. Spruͤch. 28/ 8. Ezech. 18/ 8. 22/ 12. 13. Da man also sagen moͤchte/ was GOTT so deutlich verboten habe/ doͤrfften wir durch keine ausgesonnene ursachen erlaubt machen/ sondern muͤsten bey solchem goͤttlichen ausspruch bleiben: Daher ich nicht in abrede bin/ daß so wol viele altvaͤter als auch christliche lehrer unsrerkirchen alle interesse, oder wo man von geld uͤber das capital etwas nimmet/ verworffen haben. Wir wis- sen aber/ daß in dem A. T. nicht nur einerley gesetze sich finden/ sondern nebens den sitten gesetzen/ deren summe in den zehen geboten stehet/ und welche alle menschen verbinden/ sind durch Mosen auch gegeben so wol die kirchen gesetze/ welche den juͤdischen Gottesdienst reguli rten/ als auch andre weltliche gesetze/ nach welchen die juͤdische policey gefuͤhret werden solte; da kommet nun alles darauf an/ weil allein die erste art uns Christen in dem N. T. verbindet/ die andre beyde aber mit der juͤdischen kirche und policey so fern auffgehoͤret ha- ben/ daß sonderlich die letzte betreffend keine Obrigkeit weiter verbunden ist/ davon einzufuͤhren/ als so viel sie ihrem land und unterthanen nach ihrer ver- fassung dienlich zu seynerkennet/ ob dieses verbot des wuchers unter die erste oder dritte art gehoͤre? Hie traue ich nun mit gutem grund zu antworten/ daß es allerdings nicht zu der ersten sondern dritten art/ nemlich den policey-gese- tzen/ zu rechnen seye. Die ursachen sind folgende. 1. Jst die materie etwas weltliches/ und also auffs wenigste vermuthlich/ daß die gesetze/ welche dieselbe angehen/ zu der classe derjenigen gehoͤren/ welche der policey gegeben worden; daher GOTT in solcher gebung nicht als GOTT insgemein/ sondern als derjenige/ der sich auch die weltliche gewalt uͤber sein volck/ ihr einiger HErr und Koͤnig zu seyn/ genommen hat/ gehandelt/ und deswegen dieselbe nicht weiter zu gelten gewolt hat/ als bey seinem volck. 2. Wird solches gebot nirgend in dem N. T. wiederholet/ noch damit gezeiget/ daß es noch auch un- ter ARTIC. III. SECTIO XI. ter den Christen gelten solle. 3. Jst wucher zu nehmen von gewissen leuten austruͤcklich zugelassen 5. Mos. 23/ 20. an den fremden magstu wuchern. Nun was in dem moral- gesetz verboten ist/ ist an sich selbs suͤnde/ und mag ge- gen niemand ohne verletzung des gewissens geschehen: Was hingegen gegen einigen menschen erlaubt ist/ solches muß zu einer andern art des gesetzes ge- hoͤren. So vielmehr weil sonsten die fremde mit den einheimischen ein recht haben solten 3. Mos. 24/ 22. So dann austruͤcklich befohlen worden 2. Mos. 22/ 21. daß man die fremdlinge nicht schinden solte/ noch sie un- terdrucken/ 2. Mos. 23/ 9. Daher GOTT den wucher oder zinse/ welche er aus gewissen ursachen an den fremden zuliesse/ nicht vor ein unterdruͤcken/ oder etwas an sich selbs unbilliches erkant haben muß. 4. So finden sich solche ursachen/ welche wir zimlich wol begreiffen koͤnnen/ daß sie GOTT be- wegt haben/ warum er in seinem volck diesen contract nicht leiden wollen. Es war GOttes wille bey seinem volck/ daß wie ers mit sonderbarem Gottes- dienst von allen andern abgesondert hatte/ es auch in der lebens-art von an- dern unterschieden bliebe/ und darmit es so vielweniger der Heiden abgoͤtte- rey und sitten lernete/ als viel muͤglich waͤre/ mit denselben nicht oder wenig umgienge/ und sich in seinen graͤntzen allein hielte: Darzu war nun am dien- samsten/ daß ihre lebens-art insgemein in ackerbau und viehezucht bestuͤnde/ und sich alle mit demselben naͤhreten; daher auch das land zum erbtheil unter die staͤmme ausgetheilet/ so dann mit gewissen gesetzen versehen worden/ daß die erbtheil oder guͤter nicht auf immer verkaufft werden dorfften/ sondern nach 3. Mos. 25. wiederum in dem halljahr andie vorigen eigenthums-herren kamen. Daher wird wenige handlung in dem land gewesen seyn/ auffs we- nigste mit auslaͤndischen. Und muß also der HErr solche lebens-art/ welche die einfaͤltigste ist/ am sonderbarsten von seinem volck beliebet haben: Daher er auch die gesetze darnach eingerichtet. Nun bey solcher lebens-art/ da das gantze land fast einerley profession hat/ und alles von dem viehe und acker lebt/ sind seltene casus, da man also zu leihen haͤtte/ daß man ohne verletzung der liebe zinse nehmen koͤnte/ denn es bedorfften keine etwas zu leihen/ als die verarmet waren/ sich wiederum zu erholen/ daher auch an zweyen orten aus- truͤcklich der armen meldung gethan wird: Von denen aber ist oben bekant worden/ daß man ihnen zinse nicht abfordern koͤnne: So solte keiner seiner bruͤder guͤter an sich bringen/ als darmit so bald die andre wider die liebe ge- truckt wurden. Hingegen wolte GOTT die grosse commercia mit den aus- laͤndischen Heiden vielmehr hindern als foͤrdern/ und also manglete es an den faͤllen/ welche die zinse erlaubt machen. Daß aber GOTT an den fremden die zinse erlaubte/ mag wiederum nicht so wol die ursach gewesen seyn/ sie ab- zuhal- Das dritte Capitel. zuhalten/ daß sich derselben nicht mehrere unter dem volck mit dessen be- schwehrde niederliessen/ als vielmehr weil dieselbe nicht wol anders als etwa von einigen handlungen lebeten/ und mit dem gelehnten geld etwas verdien- ten/ daher sie denn die darleiher auch solches mit geniessen lassen solten. Wie ich nun diese ursachen/ warum GOTT dieses gesetz gegen allen wucher oder zinse seinem volck gegeben habe/ wol begreifflich/ und dessen weißheit gemaͤß achte/ also haben wir uns nicht zu wundern/ daß sie GOTT dem volck vorge- schrieben habe. So wenig aber andere ordnungen/ welche GOTT abson- derlich seinem volck gemacht/ als zum exempel von ruͤckkehr der verkaufften guͤter nach gewisser zeit/ von freylassung der knechte u. s. f. uns in dem N. T. oder andre policeyen verbinden/ sondern jeglichen regenten freystehet/ wie sie ihres orts die ordnungen machen wollen/ nur daß sie nie die liebe verletzen/ so wenig verbindet uns auch diese ordnung/ die wir gesehen haben/ aus sonder- baren ursachen von GOTT seinem volck vorgeschrieben gewesen zu seyn: Die nun so vielweniger angehet/ nachdem in dem N. T. der unterscheid der voͤlcker so auffgehoben ist/ daß dessen natur mehr gemaͤß ist/ derselben vermi- schung und vereinigung auf allerley rechtmaͤßige weise zu befoͤrdern/ darzu die commercia auch nicht wenig thun/ dero lauff aber nicht wol ohne zins- geld bestehen kan. Daher daß GOTT so hefftige straffen denen trohet/ wel- che dieses verbot uͤbertreten/ macht noch nicht/ daß es ein moral- gebot seyn muͤste/ denn GOTT nicht weniger in dem A. T. uͤber die uͤbertretung der po- licey-gesetze als der sitten-gesetze eifferte/ wie wir Jerem. 34/ 9. u. f. sehen/ wo GOTT auch grausame straffen den Juden trohet uͤber das unrecht/ was gegen ein gesetz solcher art begangen worden. Ob dann auch bey dem Pro- pheten Ezechiel der wucher zu andern moral- lastern gesetzet wird/ wie nicht weniger in dem Psalmen/ machet solches deswegen so wenig/ daß die suͤnden einerley art an sich selbs seyen/ als es nicht folget aus Ap. Gesch. 15/ 20. daß das blut und ersticktes essen einerley art suͤnde mit abgoͤtterey und hure- rey seye. Jndessen wo einer in dem A. T. wider das Levitische und weltliche gesetz suͤndigte/ that er so wol suͤnde und verdiente nicht weniger goͤttlichen zorn/ als durch suͤnde wider das moral- gesetz/ dann eben in dem uͤbertrat er auch dieses durch ungehorsam gegen seinen GOTT. Der aber versuͤndigt sich nicht dargegen/ dem das gebot nicht gegeben ist. 2. Nechst dem wird auch eingeworffen der ort Luc. 6/ 35. thut wol/ und leihet/ da ihr nichts vor hoffet/ so wird euer lohn groß seyn/ und werdet kinder des Allerhoͤchsten seyn. Jch will da nicht schwehrigkeit machen wegen des worts μηδὲν ἀπελπίζοντες, so einige anders lieber geben wolten/ sondern lasse es gern in dem verstand stehen/ wie es insgemein genom- men ARTIC. III. SECTIO XI. men zu werden pfleget: aber darmit werden die zinse noch nicht unrecht ge- macht. Dann wir muͤssen wissen/ daß der HErr hier nicht handle von der uͤbung der gerechtigkeit in dem menschlichen leben/ sondern von den liebes- thaten gegen die duͤrfftigen: da befiehlet er nun/ man solle leihen/ da wir auch nichts davor hoffen/ nemlich nicht allein keine zinse/ sondern auch nicht einmal das haupt-geld/ noch einen andern dienst/ den der andre uns in gleichem fall ein andermal erzeigen moͤchte/ von ihm erwarten. So wenig aber daraus folget/ wo ich einem etwas geliehen habe/ daß ich/ wo ers wiederzugeben ver- mag/ solches wiederum anzunehmen nicht macht haben solte/ ja er selbs im ge- wissen wiedererstattung zu thun verbunden ist/ nach Ps. 37/ 21. eben so we- nig folget auch/ daß ich von denjenigen (welche es wol zu thun vermoͤgen/ und die von meinem dargeliehenen vortheil haben) nichts zu nehmen vermoͤchte. Ferner so wenig ich die worte/ v. 30. wer dich bittet/ dem gib/ also anzusehen habe/ als waͤre ich schuldig/ einem jeglichen/ der ohne noth/ ja zu treibung sei- nes muthwillens/ bitten moͤchte/ das meinige hinzugeben/ sondern alles so zu verstehen ist/ daß ich einem jeden/ der wahrhafftig von mir der huͤlffe bedoͤrff- tig ist/ nach vermoͤgen geben solle/ so wenig darff ich auch diese wort v. 35. ohne solche einschrenckung verstehen/ welche die materie selbs mit sich bringet. Jnsgesamt ist die gantze absicht unsers Heylandes/ gegen die Pharisaͤer/ so das gesetz der liebe unrecht deuteten/ zu erweisen/ daß wir nicht nur freunden (als welche sie allein unter dem nahmen der nechsten verstunden) sondern auch feinden liebe schuldig seyen/ und also mit demjenigen die pflicht der liebe noch nicht erfuͤlleten/ was wir an freunden thaͤten/ sondern das gebot der liebe/ und das exempel unsers lieben himmlischen Vaters fuͤhre uns noch weiter/ nem- lich ohne ansehen der person/ was ihre uͤbrige bewandnuͤß/ sonderlich ihren sinn gegen uns/ anlangt/ allen guts zu thun. Zu diesem zweck ist alles gerich- tet/ und uͤber denselben nicht auszudaͤhnen. Wie also wenn der HErr sagt/ so ihr liebet/ die euch lieben/ was dancks habt ihr davon? daraus nicht folgt/ daß wir unsre liebhaber nicht lieben doͤrfften: Jtem wie aus dem folgen- den auch nicht folget/ daß man seinem wolthaͤter nicht guts wiederum vergel- ten/ so dann denjenigen auch/ von denen wir gleiches hoffen koͤnnen/ nicht lei- hen doͤrfften/ sondern allein/ daß wir dergleichen thuende noch nicht unsre gan- tze christliche pflicht erfuͤllen/ als welche noch ein mehrers von uns fordere: Also folget eben so wenig aus den folgenden worten/ daß wir von dem ausge- liehenen nicht einige zinse nach bewandnuͤß der umstaͤnde nehmen doͤrfften/ sondern allein dieses/ daß wir mit solchem noch keine sonderliche that/ daraus wir uns GOttes kinder zu seyn erwiesen/ leisteten/ als wozu noch dergleichen liebes-thaten gehoͤrten/ darzu uns die natuͤrliche guͤtigkeit nicht treiben wuͤr- de/ sondern der Geist des Vaters solches in uns wuͤrcken muß. Ja was am U u eigen- Das dritte Capitel. eigenlichsten seye/ was wir nicht hoffen sollen bey dem leihen/ ist ein gleicher liebes-dienst/ wie aus dem unmittelbar vorhergehenden zu sehen ist. Da es heisset: Wann ihr leihet/ davon ihr hoffet zu nehmen/ nemlich daß euch die andre wiederum dergleichen dienste zur vergeltung thun/ was dancks habt ihr davon? dann die suͤnder leihen den suͤndern auch/ auf daß sie gleiches wieder nehmen/ das ist/ daß sie von ihrer freundschafft eben der- gleichen wieder hoffen moͤgen. Da befiehlet aber der HErr/ wir sollen auch alsdann leihen/ wo wir nichts dafuͤr hoffen/ obs auch so boßhafftige leute (doch aber jetzt der huͤlffe benoͤthigt) waͤren/ daß sie uns wenig danck dafuͤr er- statten wuͤrden/ weil der himmlische Vater auch den undanckbaren und boß- hafftigen guts thut. Ob ich wol darmit auch dasjenige so viel weniger will ausgeschlossen haben/ daß wir auch in der noth leihen sollen/ wo wir wegen der leute unvermoͤgen das geliehene gar zu verliehren in gefahr stehen. Wie unser Lutherus die wort fein paraphrasi rt T. 6. Witteb. f. 303. Jhr solt frey dahin leihen/ und wagen/ obs euch wieder wird oder nicht/ wirds wie- der/ daß mans nehme/ wirds nicht wieder/ daß geschenckt seye. Daß also geben und borgen kein unterscheid haben nach dem Evangelio/ denn diesen/ daß geben nichts wiedernimmt/ borgen aber wieder- nimmt/ wo es kommt/ und doch wagt/ daß es ein geben seye. Mehr als dieses laͤsset sich aus den worten Christi mit nichten erweisen/ und heben die gebotene wercke der barmhertzigkeit dasjenige nicht auf/ was in dem gemeinen leben nach der buͤrgerlichen gerechtigkeit ohnverletzt der liebe ge- schihet. 3. Mag auch entgegen gehalten werden/ wo man macht habe zinse zu nehmen/ werde solches manche leute faul machen/ daß sie allein ohne arbeit davon zu leben begehren/ es wird auch niemand denjenigen/ welche keine zinse zu geben vermoͤgen/ vorstrecken wollen/ und auch sonsten der geitz geheget wer- den. Aber alle diese einwuͤrffe gruͤnden sich nur auf den mißbrauch/ und koͤnnen nicht machen/ daß der rechte gebrauch suͤndlich werde. Dann ob einige auch von ihrer zinse leben koͤnten/ muͤsten sie doch erinnert werden/ daß sie zu arbeiten schuldig seyen/ ob wol nicht eben etwas zu ihrem unterhalt (den sie reichlich haben) zu verdienen/ sondern daß sie GOttes befehl nachkommen 1. Mos. 3/ 19. 2. Thess. 3/ 10. So haͤlt mans ja nicht vor suͤnde/ sonsten viel guͤter zu haben/ aus denen man ohne arbeit leben koͤnte/ dadurch sich einer nicht weniger zur faulheit verfuͤhren lassen moͤchte. Was das andre an- langt/ so ists oben bereits bemercket/ daß man auch schuldig seye/ bedoͤrfftigen aus blossem mitleiden ohne entgeld zu leihen/ wer es nun nicht thut/ suͤndiget/ nicht darinnen/ daß er von einigen vermoͤglichern zinse nimmet/ sondern daß er ARTIC . III. SECTIO XI. er die andre liebes-that/ darzu er gleichwol auch verbunden ist/ unterlaͤsset. Wer also sich nicht durch die liebe zu dieser art zu leihen bewegen laͤst/ wird sich auch nicht darzu bewegen lassen/ wo er sein geld schon nicht auf zinse auslegen doͤrffte/ sondern wird durch andre contractus, deren der geitz ihm doch gnug zeigen wird/ seinen nutzen lieber suchen. Also kan man zwahr sagen/ daß an dem ausleihen/ der geitz auch platz sich zu uͤben finde: aber wer geitzig ist/ und gern reich werden wolte/ wo ihm der weg der zinse versperret wuͤrde/ wird nichts desto weniger in andern stuͤcken seiner begierde nachhangen/ und ein hauß an das andre ziehen/ und einen acker zum andern bringen/ biß daß kein raum mehr da seye/ daß sie allein das land besitzen/ wie es bey den Juden hergienge/ die keine zinse nehmen dorfften Jes. 5/ 8. Also kan gedachter massen dergeitz sich wol in dem auf zinse leihen uͤben/ aber das zinse-nehmen an sich selbs ist des geitzes ursache nicht. Also hoffe ich/ seye zur gnuͤge und des gewissens uͤberzeugung erwiesen/ daß den Christen in dem N. T. unter den oben gezeigten conditio nen zinse zu geben und zu nehmen wol erlaubt/ und auch in solcher sache eine uͤbung der lie- be zu erkennen seye/ hingegen daß die gemachte einwuͤrffe jene gruͤnde nicht uͤberwiegen. Der HErr versichre alle hertzen seines willens mit dessen un- gezweiffelter erkaͤntnuͤß/ und erfuͤlle sie mit hertzlicher liebe des nechsten/ so wird weder der ausleihende jemal des andern schaden suchen/ sondern seinen nutzen willig befordern/ noch der ablehnende sich undanckbar bezeigen/ sondern jeder dem andern in wahren liebes-wercken es vorzuthun trachten/ und es al- ler orten wol stehen/ hingegen goͤttlicher segen sich uͤber alle reichlicher ergies- sen. Amen. SECTIO XII . Von eben gleicher materie in hypothesi von des eheweibs geldern. Ob ein Christ wol koͤnne mit gutem gewissen/ das wenige/ so er mit seinem weib erheyrathet und mitbekommen hat/ also schlechterdings nicht sein eigen ist/ den armen weggeben/ und nicht vielmehr schuldig ist/ dasselbe/ sonderlich da er von seinem amt nichts beylegen kan/ noch beyzulegen begehrt/ zu rath zu halten/ zu conservi ren/ und dardurch zu verhuͤten/ daß weib und kinder nach seinem todt/ mit welchem das amt und voriger lebens-unterhalt hinfaͤllet/ bey dieser lieb- losen zeit nicht einmal noth leiden doͤrfften? U u 2 Jn Das dritte Capitel. J N dieser frage achte ich/ seye ein unterscheid zu machen/ unter der orden- lichen und taͤglichen noth/ wo zwahr die arme allezeit nicht auf die art verpfleget werden/ wie es geschehen solte/ aber gleichwol nicht manglet/ so wol an oͤffentlichen einkuͤnfften/ als auch vielen solchen leuten/ die aus ihrem uͤberfluß gebende/ wann jene wol angewendet/ die arme zur gnuͤge erhalten koͤnten/ und unter einer ausserordenlichen und dermassen uͤberhand nehmen- den noth/ da nichts mehr von dem ordenlichen erklecken wolte. Wo von die- sem letzten fall geredet wird/ so tringet die eusserste noth der armen so weit/ daß man alle andre ursachen beyseits setze/ und was man angreiffen kan/ an- greiffe; es sind auch weib und kind drein zu willigen/ und die sorge ihrer kuͤnff- tigen noth der gegenwaͤrtigen des nechsten nachzusetzen verbunden. Wann aber auf das ordenliche gesehen wird/ achte ich einen solchen hauß- vater/ der in dem uͤbrigen von dem seinigen/ und was er verdienet/ an ar- me/ nach seines gewissens pflicht/ anwendet/ nicht verbunden/ das den seinigen zustehende an dieselbige zu wenden/ sondern befugt/ solches zum behuff der sei- nigen/ so wol was dero erziehung als auch unterhalt in erfolgendem witwen- stand anlangt/ auffzuhalten. Es bleibet 1. die allgemeine regel 2. Cor. 8/ 13. welche den allmosen ge- geben ist/ daß sie sollen ertheilet werden/ nicht also/ daß die andre/ die empfan- gende/ ruhe haben/ und der gebende truͤbsaal/ sondern daß es gleich seye: das ist/ daß man beyderseits neben einander bestehen koͤnne. Welches als- dann geschehen wird/ wo alle die uͤber ihre nothdurfft von GOTT empfan- gen haben/ von demjenigen der armen nothdurfft so viel mittheilen/ daß sie darvon die noͤthige unterhalt haben/ welches unschwehr seyn wird/ wo/ ich will nicht sagen alle/ sondern nur die meiste/ reiche von ihrem grossen uͤberfluß/ andre aber von demjenigen/ was sie ohne sich selbs zuziehenden mangel entra- then koͤnnen/ denselben mittheilen: Wo es aber darauf ankaͤme/ daß gutwilli- ge Christen nicht allein was von ihrem stets erwerbenden eruͤbriget werden kan/ dahin geben/ sondern auch alles/ was zu der ihrigen kuͤnfftigen unterhalt das einige menschlicher weise noch vor augen ist/ loßschlagen solten/ wuͤrden nicht allein die benoͤthigte/ sondern auch andre/ an welche diese mehr zu weisen waͤren/ damit aber verschohnet wuͤrden/ ruhe haben/ hingegen die fromme Christen in schwehre truͤbsaal fallen/ und es also nicht gleich hergehen. 2. Wie man den armen/ die uns absonderlich nicht angehen/ allein weil sie doch insgemein unter unsre nechste gehoͤren/ schuldig ist/ doch ohne andren schaden zu thun/ zu geben/ als worzu die liebe verbindet/ so ists eben auch die liebe/ welche einen Christen/ der weib und kind hat/ dieihm noch mit einem vor andern sonderbaren band verbunden sind/ und er auf eine solche art fuͤr sie sorgen muß/ als fuͤr sie kein anderer in der welt zu sorgen hat/ da hingegen andre ARTIC. III. SECTIO XII. andre arme zu allen/ die ihnen helffen koͤnnen/ gleiches recht/ und alle andre zu ihnen gleiche pflicht haben/ dahin anweiset/ sie dessen nicht zu berauben/ was ihnen noͤthig und ohne dasselbe sie von ihm selbs arm gemacht/ damit aber an andre verwiesen wuͤrden/ huͤlffe zu suchen/ zu denen sie kein anderes als allge- meines/ an ihren ehegatten und vater abeꝛ ein besonderes und staͤrckeres recht haben. Ob dann nun wol der allgemeine nahme des nechsten bereits gnug ist/ die liebes-thaten zu uͤben/ so muͤssen gleichwol den uͤbrigen diejenige vor- gezogen werden/ die auff absonderliche art naͤher als die uͤbrige/ und uns al- so zu einer noch genauern versorgung vor den andern anbefohlen sind. 3. Es ist ein ehemann uͤber das vermoͤgen seiner ehegattin wol so fern Herr/ daß er dasselbige verwaltet zum besten ihres ehestandes und haußhal- tung/ da sie so wol als er nur nutzen davon geniesset/ es ist ihm aber dasselbige nicht darzu uͤbergeben/ es ausser der eussersten noth/ so sie beyderseits betrifft/ also anzuwenden/ daß es damit verzehret wuͤrde/ auffs wenigste ohne dero einwilligung. Wofern sie aber auch selbs in solche vereusserung gehellen wolte/ weil er als ihr vormund und verwalter ihrer guͤter ist/ bringet die schuldige treue mit sich/ sie weißlich und zum besten der eigenthuͤmer zu ver- walten/ dem allerdings entgegen stehet/ wo er sie mercklich verringern oder gar verthun wolte/ so ich wider sein amt zu seyn davor halte/ als darzu sie ihm nicht anvertrauet sind/ und ihm also kein recht solches zu thun daruͤber zukommet. Jn solcher bewandnuͤß/ da es nicht darauff ankommet/ ob er den armen nach vermoͤgen gutes thun solle/ welche pflicht der liebe und Christi gebot al- lezeit stehen bleibet/ sondern ob mit solcher wohlthat an armen die ihm anver- traute auff das kuͤnfftige gewiß arm gemacht/ und in mangel gesetzt/ daher je- ne diesen in der gutthaͤtigkeit vorgezogen werden sollen/ achte ich allerdings den regeln der christlichen billichkeit gemaͤß/ daß ein solcher ehemann von dem genuß der unter haͤnden habenden guͤter und seinem verdienst allemal an ar- me/ wie ihm der HErr dieselbe auffstossen laͤßt/ oder seine liebe solche selbs aussuchet/ so viel anwende/ als es einerseits von noͤthen ist (dann wo es nicht solche noth ist/ mag er auch hievon mit gutem gewissen beylegen) anderseits seine und der seinigen ehrliche und gnugsame unterhaltung/ welche vorgehet/ zugeben kan. Wo er dieses thut/ verbindet ihn die ordenliche liebe nicht zu der hingebung des uͤbrigen ausser dem zuerst angedenteten fall einer eusserst allgemeinen einbrechenden noth/ welche uͤber die gemeine regeln noch ein meh- reres erforderte. Der HErr mache uns aber allezeit selbs in unsern seelen durch seinen Geist gewiß/ was in jedem sein heiliger wille an uns seye/ und gebe uns gnade demselben zu gehorsamen um Christi willen. Amen. 1695. U u 3 SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XIII. Von erstattung des durch spielen gewonnenen. Ob wo man sich an dem nechsten ihm unwissend versuͤndiget/ solches ihm zu bekennen schuldig. Ob man in kosten/ die man in an- derer nahmen zu verrechnen/ vortheil brauchen doͤrffe? Was eine christliche weibs-person an orten zu thun/ da der pracht uͤber- hand genommen. Ob man gut geld gold- und sil- ber-schmieden zu verarbeiten geben doͤrffe? Die erste Frage. Ob das durch spielen in der jugend gewonnene geld bey aufwachen- dem gewissen wiederum zu erstatten seye? J Ch achte noth zu seyn/ die antwort in unterschiedliche numeros einzu- theilen/ und die gantze sache/ so in der furcht des HErren erwogen/ in ordnung zu bringen. 1. Setze ich dieses als etwas ausgemachtes bereits zum voraus/ daß das eigenlich so genannte gewinnsuͤchtige spielen wahrhafftig suͤnde seye/ so hie nicht zu erweisen noͤthig ist: ich traute aber dabey nicht auff mich zu neh- men/ das uͤbrige spielen/ so um geld oder sonsten mit wuͤrffel/ karten und der- gleichen geschihet/ zu vertheidigen/ oder denenjenigen anstaͤndig zu glauben/ welche ihr Christenthum sich angelegen wollen seyn lassen. Es ist einmal un- sre zeit viel zu edel/ und der dinge/ die wir darinnen zu unsrer seelen besten/ zu unsers leibes nothdurfft/ und zu unsers nechsten dienst/ sonderlich aber zu GOttes ehren/ zu verrichten haben/ viel zu viele/ als daß wir einige stunden/ welche zu anderem dienlich angewendet werden koͤnten/ mit spielen verspie- len doͤrfften: jetzo nicht zu sagen von der vielen gelegenheit zu andern suͤnden/ die dabey vorkommet/ und selten vermeidet wird. Auffs wenigste weil ins- gemein bey dem spielen allerley vorgehet/ so dem Christenthum eben nicht gemaͤß/ hingegen nichts daraus zu erwarten/ so nicht eben so wol oder besser auff andere weise zu erlangen waͤre/ ob auch sonsten eine solche idea von dem spielen gemacht werden kan/ daß es eben nicht so verwerflich waͤre/ achtete ich/ solten sich Christen schlechterdings alles spielens eben deswegen entschla- gen; wie auch sonsten offt eine sache/ die zwahr an sich selbs eben nicht aller- dings boͤse/ aber auch nicht nothwendig ist/ wegen starck eingerissenen miß- brauchs pfleget gantz abgeschafft zu werden/ auch solches billich geschehen solle. 2. Wir haben solches gewinn-spielen in gewisser maaß im gewissen an- zuse- ARTIC. III. SECTIO XIII. zusehen als ein furtum oder diebstahl/ wie dieser alle diejenige arten in sich begreiffet/ wie man den nechsten um das seinige und solches an sich bringet/ und also findet sich solches in dem spielen/ wegen des dem nechsten thuenden schadens und seiner unbilligen bereicherung. Ob wol sonsten in andern um- staͤnden ein grosser unterscheid unter solcher und andern arten des auch in der welt davor erkanten diebstahls/ nicht zu leugnen stehet; wie dann bey dem spielen unter denen/ die da spielen/ eine gewisse convention ist/ daß jeder sein geld gegen den andern in gefahr auffzusetzen sich erklaͤhret/ dergleichen hinge- gensich bey andern arten des diebstahls nicht findet; anderer umstaͤnde und unterschiede jetzt zu geschweigen. 3. Jnsgemein bey dem diebstahl ist die schuldige buß-pflicht/ daß man das mit unrecht entzogene dem nechsten wiederum zuwende/ so aus doppelter ursach kommet: einmal weil der noͤthigen reue uͤber seine suͤnde dasjenige ent- gegen ist/ wo man behalten wolte/ was man mit der suͤnde/ die man hassen muß/ an sich gebracht hat; so dann weil auch die liebe des nechsten und der ge- rechtigkeit die der buß unabsonderl. frucht ist/ nothwendig mit sich bringet/ daß man seinem nechsten erstattung dessen thue/ worinnen man ihm mit un- recht schaden gethanhat. Daher weil dieses alles so genau mit der buß verknuͤ- pfet ist/ der alte spꝛuch in uͤbung gekommen und staͤts gebraucht wird: Non re- mittitur peccatum, nisi restituatur ablatum. Wie wir auch in der schrifft se- hen/ daß/ welche anderen schaden gethan/ zu der erstattung/ und meistens mit zusatz/ angewiesen/ auch die exempel solcher bußfertigen angefuͤhret werden. 4. Jndessen hat auch diese regel gleich wie andere ihre ausnahm auff vielerley art/ nicht nur wo das eusserste unvermoͤgen nunmehr ist/ und die er- stattung wahrhafftig unmuͤglich/ diese unmuͤglichkeit aber deswegen die buß nicht unkraͤfftig macht; item, wo wir sonsten auff andere weise durch dinge/ die ausser uns/ als obrigkeitliches verbot und dergleichen/ abgehalten wer- den/ sondern auch moͤgen andere ursachen seyn/ welche uns solcher schuldigkeit entledigen. 5. Diese aber gehet nicht so wol das eine stuͤck an/ das behalten des mit unrecht an sich gebrachten/ als vielmehr das erstatten an denjenigen/ von dem mans bekommen. Jn jenem sehe ich nicht leicht/ wie einer sich auswi- ckeln koͤnte/ daß er das unrecht erworbene behielte/ und aus seiner suͤnde vor- theil haͤtte/ welches der reue gerad entgegen stuͤnde: aber in dem andern/ weil die liebe gleichwol auch die gerechtigkeit neben sich hat/ so mags exempel ge- ben/ daß man solche erstattung an denjenigen/ welchem schade geschehen ist/ zu thun nicht verbunden waͤre. 6. Jn dem spielen halte ich/ daß dieses exempel ein liecht gebe. Daselbs gewinnet der eine mit unrecht/ und hat also nicht fug/ solches zu behalten: dem Das dritte Capitel dem andern aber geschihet nicht unrecht/ da ihm dieser abgewinnet/ indem er sich zu solchem schaden mit willen dargestellet/ und sich nicht uͤber unrecht be- schwehren darff/ daß ihm dasjenige geschihet/ was er/ so viel an ihm gewesen waͤre/ dem andern auch thun wollen. Wie er nun sich eben so wol in dem spielen als der gewinnende verschuldet/ hat er nicht nur vor der welt/ so diese art etwas an sich zu bringen durch die gewohnheit autorisi rt hat/ nicht macht solches zu fordern/ sondern auch vor GOtt kommt ihm solches recht nicht zu; alldieweil er wahrhafftig durch sein willkuͤhrliches spielen/ obwol auff suͤnd- liche art/ das verspielte so verlohren hat/ als er etwas verloͤhre/ was er ver- schencket/ oder sonsten verwarloset hat/ und es nicht mehr/ auch gewissens halben zu fordern befugt ist. Ja man mag sagẽ/ er habe sich durch solches suͤnd- liche verspielen unwuͤrdig gemacht/ daß ihm sein verlohrnes wiederum erstat- tet wuͤrde/ und solte also auch die gerechte straff seiner schuld seyn/ daß er des jenigen mangle/ was er auff solche weise mit suͤnden und des andern gefahr/ der eben so leicht verliehren koͤnnen/ ohn worden ist. Wie dann nun dieser mit recht nichts fordern kan/ so verbindet jenen die gerechtigkeit und liebe des nechsten/ so fern diese auff der gerechtigkeit beruhet/ auch nicht zu der restitu- tion an ihn. 7. Jedoch moͤchte dieses noch auch seine exceptiones haben. Zum e- xempel/ wo einer sich bewust waͤre/ den andern in dem spiel betrogen/ und damit abgewonnen zu haben/ wo die erstattungs-schuldigkeit nicht zu leug- nen waͤre: oder da man den andern sonderlich zu dem spielen verleitet/ da al- so wie dieses suͤnde geringer waͤre/ ich demselben erstattung zu geschehen nicht unbillich achtete: oder da derjenige/ so verlohren/ des geldes nicht Herr ge- wesen/ da er also es dem rechten Herren nicht verliehren hat koͤnnen/ sondern ihm fuͤr denjenigen/ dem es gehoͤret/ die erstattung gebuͤhret: aus welchem grund auffs wenigste der christlichen billigkeit erachte/ wo einige ihren wei- bern und kindern dasjenige/ so sie zu dero unterhalt schuldig waͤren/ verspie- len/ daß diesen die restitution dessen/ wozu sie nach dem gewissen recht haben/ von dem gewinner geschehe: nebens welchen faͤllen ich nicht zweifle/ daß in dem nachsinnen sich etwa noch mehr finden moͤgen/ wo das gewissen zu der er- stattung verbindet. 8. Hiezu setze ich noch dieses/ wo derjenige/ welchem ich abgewonnen/ nunmehr in zimlichem mangel steckte/ dazu seine spiel-sucht vieles geholffen/ ich aber auch mit dazu contribui ret (ob wol mit seiner eigenen schuld) daß er darein gerathen/ so will die liebe sonderlich hierinnen fordern/ weil ich ihn in dergleichen mangel fuͤhren helffen/ daß ich mich auch aus einer sonderbaren pflicht mit erstattung dessen/ so ich von ihm gewonnen/ obwol mit fleißiger er- innerung beyderseits suͤnde/ seiner noth annehme. 9. Aus- ARTIC. III. SECTIO XIII. 9. Ausser diesen und dergleichen faͤllen/ achte ich nicht/ daß der/ so ver- spielet hat/ etwas zu fordern in dem gewissen recht habe/ noch mans ihm zu- zu wenden verbunden seye. Weil aber gleichwol der andere gewinnende auch nicht macht hat/ das gewonnene zu behalten/ so gehoͤret dann solches billich dahin/ daß es dem HErrn in seinen armen/ so zu reden wie ein schuld-opffer/ von beyden uͤberlassen und zugestellet werde. 10. Was nun ferner diese restitution anlangt/ hielte ich/ daß solche nicht zu æstimi ren waͤre/ nach demjenigen/ was etwa singulis vicibus gewonnen oder verspielt worden waͤre/ sondern nachdem alles zusammen gerechnet wuͤrde/ so viel man uͤber andermaligen verlust noch gewonnen haͤtte. Dann weil die ratio der restitution eigenlich ist/ daß der gewinner von seinem suͤnd- lichen spielen keinen vortheil oder nutzen behalten solle/ obligi ret solche an- ders nicht/ als wann derselbe wahrhafftig einen nutzen davon haͤtte/ derjeni- ge aber hat je keinen nutzen/ welcher/ ob er einige mal von diesem und jenem gewonnen/ zu andern malen destomehr verlohren/ und also von dem gesamten spielen allein schaden hat. Da dann ein solcher sich zwahr vor GOtt hertz- lich zu demuͤthigen hat/ den er mit suͤndlicher und liederlicher verthuung des seinigen/ welches er treulicher zu GOttes ehren anwenden sollen/ und mit verleitung zur suͤnde anderer/ oder doch mitwirckung mit ihrer suͤnde/ belei- digt hat/ wozu auch alles uͤbrige/ was die buß sonsten erfordert/ gehoͤret/ aber einige restitution sehe ich nicht noͤthig/ dann wo er das seinige untersucht/ hat er von dem spielen keinen vortheil. 11. Jedoch wo sich dieser fall begebe/ bey einem der sonsten von mehrern mitteln waͤre/ wolte demselben rathen/ daß er eine solche summe/ welche der jenigen gemaͤß waͤre/ so viel er jemal gewonnen zu haben sich erinnerte/ ohn- abgezogen andermaligen verlustes/ dem HErrn heiligte/ und wie er vorhin gesuͤndiget/ mit in dem gewissen unrechtmaͤßiger an sich bringung durch das spielen einiges geldes/ ein andermal aber mit suͤndlichem verspielen/ also ihm selbs gleichsam diese straff und buß aufflegte/ daß er alles dem HErrn erstat- tete/ was er einigerley massen unrecht bekommen/ und hingegen den anderma- ligen verlust nicht zum abzug jenes gewinnes rechnete/ sondern eben so wol als suͤndlich ansehe/ weswegen er nun lieber so viel an GOtt gefaͤllige aus- gabe anwenden wolle/ als er vorher liederlich zu verthun kein bedenckens gehabt. 12. Wo es aber eine person waͤre/ welche nicht viel uͤbrig haͤtte/ und das zarte gewissen sich mit gedachter compensation doch nicht zu frieden geben wolte/ wie hierinnen GOttes/ so unser hertz und gewissen in seinen haͤnden hat/ regierung wunderbar und unterschiedlich ist/ also daß dasjenige/ was zu einem mal einem das hertz voͤllig zu frieden gestellt/ ein andeꝛmal bey einem X x an- Das dritte Capitel. andern keine ruhe zuwege bringen kan/ so wolte ich es also ansehen/ daß Gott einen solchen menschen dahin wiese/ daß er ihm selbs mit erstattung alles durch die erinnerung befundenen wehe thue/ und auff solche art endlichen das hertz befriedige. Daher er dann auch sich dessen nicht zubeschwehren/ sondern solches mittel nicht zu theuer zu achten haͤtte/ seinem gewisseneinige ruhe zu schaffen. Die andere Frage. Ob die bekaͤntnuͤß der suͤnden/ so wider den nechsten begangen/ bey allen faͤllen schlechterdings noͤthig/ auch sonder dieselbe der nech- ste (der von solcher suͤnde nichts weiß/ weil sie heimlich wider ihn mit worten begangen) vor unversohnt zu halten/ und daher der beleidiger/ so lange er solche dem læso nicht geoffenbaret und ab- gebeten/ deren keine vergebung bey GOtt sich zu getroͤsten habe? A Uf diese frage ist bereits solcher gruͤndliche entscheid in dem uͤberschickten befindlich/ daß kaum sehe/ was dazu zu thun noͤthig waͤre/ sonderlich da sie/ wie zuletzt geschihet/ noch deutlicher eingeschrencket wird; da es also lau- tet: Ob ein Christ/ der sich erinnert/ daß er ehemals/ bevorab in seiner ju- gend/ ein und andern fehler seines nechsten/ andern im vertrauen/ oder aus unbesonnenheit/ entdecket/ seine verbrechen und maͤngel durchgezogen/ von seinem thun unzeitig und unbefohlen geurtheilt/ oder auff andere weise und wege in worten seinen nechsten betreffend sich verlauffen/ da solches dem læso unwissend/ und dieser also keinen groll oder feindschafft deshalben heget/ das factum (die verleumbdung/ verspottung/ verkleinerung/ oder wie es nah- men haben mag) auch selbs denen/ so es zu ohren getragen/ oder die es ange- hoͤret/ wol laͤngst vergessen/ ob sage ich solcher bey seiner busse noͤthig habe/ solche seine suͤnden dem nechsten/ wider den sie begangen worden/ zu entde- cken/ und sie ihme abzubitten? oder ob zu wahrer buß und vergebung solcher heimlichen suͤnde gnug/ daß er sie GOtt dem HErrn beichte/ und in wahrem glauben abbitte/ auch sich bemuͤhe/ partis læsæ famam sonsten bey aller gele- genheit zu vertheidigen/ und da er erfahren solte/ daß seiner ehemals gefuͤhr- ter worte halben dessen guter nahme angefochten werden wolte/ so dann uͤber sein voriges factum ernstliches mißfallen bezeuge/ und also das gegebene aͤr- gernuͤß bey denen es erreget/ mit allem fleiß auffzuheben trachte/ und ob er factis his animoque firmiter destinatis sein gewissen befriedigen koͤnne/ und da ihm ferner hieruͤber gedancken zusetzen wolten/ solche ausschlagen/ und ih- nen nicht gehoͤr geben solle? Jn welcher frage formirung bereits die noͤthige li- mitationes, oder was gleichwol der schuldige zu thun verbunden seye/ dabey stehen/ die sonsten bemercken haͤtte wollen/ wie nemlich gleichwol die busse ge- gen ARTIC. III. SECTIO XIII. gen GOtt und die schadloßhaltung des nechsten wegen der wider ihn began- genen heimlichen suͤnde erfordert werde. Bey solchen umstaͤnden nun/ kan ohne sorge einen solchen von der schuldigkeit der bekaͤntnuͤß auch loßzehlen/ indem nirgend in der schrifft dergleichen erfordert/ oder wir dazu angewie- sen/ noch eine solche schuldigkeit aus derselben dargethan werden kan/ ausser dero aber uns nicht frey stehet den gewissen fernere (und also von GOtt ihnen nicht aufferlegte) lasten auffzubuͤrden. Jch will aber die pro negativa angefuͤhrte rationes nur wiederhohlen/ und etwa wie starck ich jegliche halte/ beyfuͤgen. So ist nun der ort Matth. 5/ 23. 24. von unser hypothesi frembd/ und redet deutlich von dem fall/ da ei- ner innen wird/ daß sein bruder etwas wider ihn habe/ das ist: daß er nicht mit ihm zu frieden seye/ sondern klage uͤber ihn fuͤhre/ daher er dasjeni- ge wissen muß/ woruͤber die klage ist. Wie wir sehen Offenbahr. 2/ 4. 14. 20. daß der Geist zu etlichen Engeln sagt: Jch habe ein kleines wider dich/ wo er dasjenige wuste/ was die sache seye: ist also einerley/ wie Coloss. 3/ 13. stehet/ so jemand klage wider den andern hat. Welche erklaͤhrung auch daraus mehr erhellet/ weil austruͤcklich einer versoͤhnung meldung geschihet/ welche aber niemals noͤthig ist/ wo die gemuͤther freundlich gegen einander stehen. So wird unter beyden partheyen eine der andern ἀντίδικος und ge- richtlicher widersacher genennet/ welches abermal nicht platz hat/ wo nicht beyderseits die gemuͤther von und wider einander zerfallen sind. Daher sol- cher ort zum erweiß der gegenmeinung so gar nicht gebraucht werden kan/ daß vielmehr darauß abzunehmen ist/ in welchem fall eine versoͤhnung noͤthig seye/ nemlich allein/ wo eine wirckliche klage und mißhelligkeit unter einan- der ist/ und also nicht bey der einen parthey verborgen gebliebener suͤnde. 2. Von dem ort Jac. 5/ 16. ist wol bemercket/ daß derselbe allzugemein gehe/ und dieser besondere casus noch nicht daraus koͤnne decidi ret werden. Haben wir also zwahr darinnen den befehl der bekaͤntnuͤß gegen den nechsten/ aber was ihm bekant werden muͤsse/ ist nicht gleichermassen ausgetruckt/ und muß also anderwertlich her gelernet werden/ welche suͤnden dahin gehoͤren/ nem- lich deren bekaͤntnuͤß entweder der trost/ welchen man fuͤr das beunruhigte gewissen von dem nechsten bedarff/ oder seine versoͤhnung/ damit durch seinen unwillen gegen uns/ wo er weiß/ daß wir ihn beleidiget/ sein gebet fuͤr uns nicht gehindert werde (wie wir dann ohne zorn und zweiffel die haͤnde auffzuheben angewiesen werden 1. Tim. 2/ 8. ) erfordert. 3. Von der angefuͤhrten gewohnheit der Juden ist wol bemercket/ daß sie uns keine regel geben/ oder zu unsers gewissens last werden moͤge. 4. Daß Christus weder die ehebrecherin noch grosse suͤnderin Luc. 7. X x 2 zur Das dritte Capitel zur besondern bekaͤntnuͤß gegen alle diejenige/ an welchen sie gesuͤndiget/ ver- bindet/ und der liebe Apostel Paulus auch bey seiner bekehrung solche ihm nicht noͤthig zu seyn geachtet/ zeiget gnugsam/ daß keine unbedingte noth- wendigkeit eben vorhanden seye. Doch liesse sich die folge nicht zu weit aus- dehnen/ gegen diejenige/ die sonsten den bußfertigen aus der art der buß selbs obligen/ und eben an solchen orten nicht ausgetrucket werden. 5. Aus 4. Mos. 5/ 6. kan mehr nicht gefolgert werden/ als daß die be- beleidigung an dem nechsten auch zugleich gegen GOtt gehe/ und also frey- lich die versoͤhnung/ wo eine noͤthig ist/ beysammen seyn muͤsse: daher solcher ort am kraͤfftigsten gebraucht wuͤrde gegen diejenige/ welche mit der versoͤh- nung des nechsten gnug zu seyn meinen/ und von GOtt dieselbe nicht eben so wol suchen wolten/ daß sie nemlich/ weil sie durch den nechsten sich an GOtt vergriffen/ unnachlaͤßig auch bey dem HErren die vergebung zu suchen ha- ben/ weswegen auch uͤber die restitution dessen/ womit man dem nechsten ge- schadet/ der widder der versoͤhnung gebracht werden muste. Jch will zwahr auch nicht in abrede seyn/ daß auch auff der andern seite die beyde arten der versoͤhnungen beysammen seyn muͤssen/ wo eigenlich eine wahrhafftige/ und daher auff der andern seiten zugemuͤth gezogene/ folglich bekante beleidigung vorgegangen ist/ daß deswegen derjenige/ welcher dermassen weiß/ seinen nechsten betruͤbt zu haben/ von GOtt vergeblich die erlassung der schuld ver- langte/ wo er den nechsten nicht auch versoͤhnete/ und ihm also satisfaction leistete: wie dann der ort austruͤcklich von dem exempel der erstattung redet/ folglich einen fall setzet/ da dem nechsten schaden geschehen/ und eine erstat- tung solches zugefuͤgten schadens platz hat/ massen auch gestanden worden/ daß derjenige/ so mit seinen worten die ehre des nechsten verletzet/ daß er wircklich in schaden dadurch gerathen und darinnen stehet/ solche ersetzung auff alle muͤgliche und suͤglichste weise thun muͤsse. Wo aber dem nechsten heimlich zuwider gethan worden/ doch kein schade geschehen/ oder derselbe selbs wiederum verschwunden/ und von dem beleidiger abgewendet und ein- gebracht worden/ also daß nichts mehr uͤbrig ist/ womit dem nechsten eine ei- genliche erstattung geschehen koͤnte/ ferner sein gemuͤth als des vorgegange- nen unwissend/ gegen ihn ohne widrigkeit gesinnet/ also auch keiner eigenli- chen versoͤhnung noͤthig ist/ da bleibet nur allein die nothwendigkeit der ver- soͤhnung mit GOtt/ dem unser unrecht bekant und deswegen seine gerechtig- keit gegen uns gereitzet ist: wo dieser versoͤhnet/ so ist die suͤnde/ nicht nur wie sie gegen GOtt/ sondern auch wie sie gegen den neben-menschen geschehen ist/ vergeben: ja dieser/ so offt er vor GOtt sein vater unser gebetet/ und sich er- boten seinen schuldigern zu vergeben/ hat auch diese schuld/ die ihm unbekant gewesen/ vor GOttes angesicht ihm vergeben: daß aber solche vergebung nicht ARTIC. III. SECTIO XIII. nicht austruͤcklich geschehen/ mag das gewissen noch nicht verunruhigen/ weil es eine vergebung ist/ die der art der suͤnde gemaͤß/ da nun diese dem an- dern unbekant/ und GOtt sie nur gesehen/ so ist gnug/ daß auch jene vor GOtt geschehe/ ob wol der sie thut/ die particular application nicht weiß/ in- dessen wo er ein rechtschaffener Christ ist/ wahrhafftig von grund der seelen alle schulden seinem nechsten erlassen hat/ oder da er jenes nicht ist/ erlassen hat sollen/ welches GOtt auch also annimmet/ daß es sich so weit erstrecke/ als er sihet/ die schulden zu gehen/ davon jener auch nicht wissenschafft gehabt hat/ nothwendig aber immer in der gemuͤths-bewandnuͤß hat seyn muͤssen/ daß wo er auch jegliche particularien gewust/ er sie auch/ wie er vor GOtt insgemein bezeuget/ zu vergeben willig gewesen waͤre. 6. Jst wolerinnert/ daß die bekaͤntnuͤß gegen den nechsten in dem be- schriebenen casu so gar nicht noͤthig/ daß sie vielmehr meistens unnuͤtz oder wol schaͤdlich seyn moͤchte. Traͤffe man an demselben einen harten mann an/ so ist zu sorgen/ daß wahrhafftig erst rechte offension, zorn und rach erreget/ daher zu suͤnden mehr anlaß gegeben wuͤrde/ so wir doch vielmehr zu verhuͤten/ und darinnen klugheit zu gebrauchen haben. Waͤre aber der andere von christlichem gemuͤth/ so sind doch unter solchen leuten die meiste noch so schwach/ daß sie dergleichen nicht ohne regung eines unwillens anhoͤren koͤn- nen; kommen wol in sorge/ daß ihnen solche nachrede noch vieles schaden moͤge/ obs wol nicht ist/ werden damit sehr in ihrem hertzen verunruhiget/ auffs we- nigste betruͤbt. Weil wir nun in allen stuͤcken/ worinnen wir es mit dem nechsten zu thun/ auf die liebe zu sehen/ und solche vor die allgemeine regel zu achten haben/ so ist ja dieser am gemaͤßesten/ daß man des nechsten auch in die- sem stuͤck schohne/ wo die bekaͤntnuͤß ihm keinen nutzen bringen/ aber leichtlich schaden/ auffs wenigste unruhe und betruͤbnuͤß ohne noth machen wuͤrde. Wie ich auch davor halte/ wo man uns fragen wuͤrde/ ob wir wuͤnscheten/ daß wir alle solche dinge/ die jemal von uns geredet worden/ ohne daß uns zu unserer rettung und fernern verhaltung solches noͤthig waͤre/ wissen moͤchten/ wir wuͤrden/ wo wir die sach christlich und vernuͤnfftig uͤberlegen/ lieber wuͤnschen/ daß es nicht geschehe/ und man uns in ruhe lasse. Was wir nun wollen/ oder christ-kluͤglich wollen solten/ daß gegen uns geschehe/ haben wir nach der allge- meinen regel des HErrn auch zu thun. Zwahr bekenne ich/ wo wir solche Christen haͤtten/ von denen man sich versehen koͤnte/ daß sie ohne verunruhi- gung/ unwillen und betruͤbnuͤß alles solches anhoͤren/ und nur zum lobe GOt- tes/ der die bußfertige erkaͤntnuͤß in dem andern gewuͤrcket/ zu so viel hertzli- cher liebe des bruders/ den der HErr angenommen/ und inbruͤnstiger fuͤrbitte fuͤr denselbigen/ auffgemuntert werden wuͤrden/ und also davon nutzen bekaͤ- men/ wolte ich solche bekaͤntnuͤß nicht mißrathen; ja da man dessen gantz ver- X x 3 sichert Das dritte Capitel. sichert waͤre/ ihm zu solchem guten anlaß zu geben/ noͤthig achten. Jch sorge aber/ wir werden dergleichen Christen wenig finden/ fast aber durch und durch solche/ bey denen die bekaͤntnuͤß ihnen mehr ungemach als vortheil schaffte; daher in gegenwaͤrtigem zustand unserer zeit dazu nicht leicht rathete. Wie insgesamt und offt bemercke/ daß selbs unterschiedliche der austruͤcklichen be- fehl unsers Heylands/ worinnen wir es mit dem nechsten zu thun haben/ wie es jetzt in der welt stehet/ und die leute bewandt sind/ nicht zwahr fuͤr abge- schafft oder wir frey davon geachtet werden koͤnnen/ indessen daß dannoch in uͤbung derselben viele christliche weißheit gebraucht zu werden noͤthig seye/ wie in diesen und jenen umstaͤnden sie so und so geuͤbet werden sollen/ daß man nicht allemal so gerade durchgehen/ und ohne fernern bedacht in die uͤbung bringen doͤrffe/ was man bey anders bewandten zeiten/ und besserer beschaf- fenheit des gemeinen Christenthums/ mit einer groͤssern einfalt verrichten koͤnte. Dann weil die liebe das haupt- und koͤnigliche gebot/ daher auch die regel aller befehl unsers Heylands von den pflichten gegen den nechsten anzu- sehen ist/ solche aber stets den mehrern nutzen des nechsten zum zweck hat/ so er- fordert zuweilen die erkaͤntnuͤß des schadens/ den der nechste aus einer sache/ so zu seinem besten gemeinet/ leiden wuͤrde/ daß solches unterlassen/ und viel- mehr der zweck des allgemeinen gebots/ als wo demselben dißmal die uͤbung des particular- gebots zu wider seyn wuͤrde/ dieses angesehen und demselben nachgelebet werde. Welche bemerckung vielleicht in vielem/ zum exempel in der materie von der bestraffung des nechsten/ ihren nutzen haben kan. 7. Nehme auch gern diese erinnerung an/ daß die bekaͤntnuͤß gegen die- jenige/ bey denen man wider den nechsten geredet/ meistentheils dem læso mehr schaͤdlich als nuͤtzlich seye (allezeit ausgenommen den fall/ wo bey jenen noch etwas von dem ausgesagten zu dieses præjudiz beklieben waͤre/ wo schon ausgemacht/ daß die besserung dessen nothwendig) indem alle dinge wieder erneuert wuͤrden/ zu niemands nutzen/ besorglich aber einigem schaden. Da- her abermal solche mehr mißrathen als erfordert wird. Jedoch nehme ich dieses dabey aus/ daß aus einer andern ursach solche bekaͤntnuͤß mag noͤthig werden/ wo man wuͤßte/ daß jene leute sich der sachen noch erinnerten/ und da sie derfalschheit dessen/ was man gegen sie geredet/ erfahrung haben/ sich an dem aͤrgerten/ der ihnen solche gesagt/ und sie ihn in unbußfertigkeit fortzu- fahren gedaͤchten: welches aͤrgernuͤß gleichwol jeglicher nach vermoͤgen zu ver- huͤten trachten solle. 8. Gegen die blosserdings erforderende bekaͤntnuͤß koͤnnen auch die ar- gumenta wol gebraucht werden/ die bey n. 9. stehen/ daß niemand die bekaͤnt- nuͤß der suͤndlichen gedancken oder eigene angebung bey der Obrigkeit uͤber die begangene mißhandlungen erfordere: Welcherley gleichwol auch noͤthig seyn wuͤr- ARTIC. III. SECTIO XIII. wuͤrde/ dafern ohne einige ausnahm keine suͤnde ohne die bekaͤntnuͤß gegen diejenige/ gegen welche sie begangen/ von GOTT vergebung erlangen koͤnte. 9. Das argument von gleichfoͤrmigkeit des verbrechens und der er- setzung ist auch wol abgeleinet/ daß es nemlich nicht zu weit gezogen werde/ nemlich wo man sich mit worten gegen den nechsten/ und daß ihm solches wis- send/ auch er daher eine klage gegen uns fuͤhret/ versuͤndigt hat/ daß auch die erstattung wiederum mit worten geschehe: Da es aber gegen einen tertium geschehen/ und entweder derselbe daraus aͤrgernuͤß gefasset/ oder der nechste bey ihm dadurch in uͤbelem vernehmen stehet/ so wird auch eine woͤrtliche er- stattung aber allein gegen ihn erfordert. Auf die autoritates einiger autorum zu antworten/ wird nicht noͤthig seyn/ da wir in gewissens-faͤllen wissen/ daß keine menschliche urtheil demsel- ben gnug thun/ sondern goͤttliches wort/ und daraus gefuͤhrte buͤndige ratio- nes, das einige fundament sind/ darauf jenes sicher ruhet/ hingegen niemand weder unser gewissen eigenmaͤchtig binden/ noch solches von deme/ was der HErr befohlen hat/ guͤltig loͤsen oder dispensi ren kan. Dieses einige setze ich noch endlich hinzu/ wie bey der ersten frag gleich- fals geschehen/ wo das gewissen auf alle solche remonstrationes sich noch nicht zu frieden geben wolte/ und immerfort der scrupul uͤbrig bliebe/ daß alsdann was sonsten an sich nicht noͤthig ist/ noͤthig werden wuͤrde/ nemlich die bekaͤnt- nuͤß lieber zu thun/ als mit steter unruhe sich zu martern; nur wuͤrde alsdeun auch fleißige sorge zu tragen seyn/ daß solche ins werck gestellet wuͤrde/ mit vermeidung als viel muͤglich ist/ der oben bey 11. 6. und 7. angeregter difficul taͤ- ten/ und sonsten bey dem læso besorgender offensæ, wo treuer rath eines christlichen seelsorgers viel anleitung geben koͤnte. Die dritte Frage. Ob derjenige/ so ein convivium publicum anzustellen/ von dem weinhaͤndler/ von dem er den wein dazu erkaufft/ anneh- men doͤrffe/ daß derselbe ihm zum profit denselben wolfeiler lasse/ als er ihn sonsten zu verkauffen pfleget/ damit dieser den gemeinen preiß in seine rechnung bringe? H Jerauf traue nicht wol anders als mit nein zu antworten. 1. Jst wi- der die auffrichtigkeit/ einen andern als den wahrhafftigen preiß/ wie viel nemlich bezahlet worden/ in die rechnung zu bringen. 2. Jst der kaͤuffer/ so sein honorarium vor die ausrichtung und bemuͤ- hung hat/ schuldig/ derjenigen/ fuͤr welche das convivium gehoͤret/ vortheil nach allem vermoͤgen zu suchen/ und also/ wo der wein unter dem sonsten ge- woͤhn Das dritte Capitel. woͤhnlichen pretio gelassen werden kan/ sothanen profit denselben zukommen zu lassen. 3. Obwol der verkaͤuffer uͤber das seinige macht hat/ und dem kaͤuffer aus freyem willen etwas nachlassen und schencken darff/ muß doch in anneh- mung desselben auch aller boͤse schein und exempel gemeidet werden. Nun ist ein boͤser schein/ ja gar ein boͤser anfang/ wo man anfaͤngt/ die kaͤuffer/ so in anderer nahmen zu kauffen haben/ mit verehrung an sich zu locken/ und ande- ren solches anzunehmen; indem wo solches boͤse exempel einmal anfaͤngt/ es geschwind uͤberhand nehmen kan/ und zu sorgen ist/ daß in kurtzem solches eine gemeine/ aber schaͤdliche/ gewohnheit werde/ die auch andere/ so dergleichen nicht gern thun/ oder etwa nicht ohne schaden thun koͤnten/ mit gewalt nach sich zoͤge/ daß sie dergleichen thun/ oder allen zugang denen/ die es thun koͤn- nen/ und sich wenig gewissen machen/ mit ihrer nachsetzung uͤberlassen muͤsten/ so alles beydes unbillich ist. Es wuͤrde auch daraus zu sorgen seyn/ daß der- gleichen noch weiter greiffe/ und sich bald die meiste/ so in Herren-diensten ste- hen/ und wegen derselben rechnungen zu fuͤhren haben/ auf allerhand weise dergleichen nachmachen/ und viele ungerechtigkeit begehen wuͤrden. Wo nun aus einer sache/ die noch in gewissen umstaͤnden paßiret werden koͤnte/ dergleichen boͤses zu sorgen/ ist solche auch zu unterlassen; wer es aber thut/ la- det in gewisser maaß die schuld auch derjenigen suͤnden auf sich/ die dadurch veranlasset werden. Wie um solcher ursach willen von richtern auch dieje- nige geschencke vermeidet werden sollen/ die sonsten noch in gewissen umstaͤn- den moͤchten nicht gantz verworffen werden/ weil alles auffs wenigste einen boͤsen schein hat/ und das exempel darnach immer weiter gehet/ als inner der schrancken und umstaͤnde/ wie es angefangen hat. 4. Sorge ich auch/ das gewissen des fragenden fuͤhle bereits einen scru- pul deswegen/ dessen billich so zu schohnen ist/ daß es nicht nur in dem gegen- waͤrtigen etlicher massen zu ruhe komme/ sondern auch auf kuͤnfftige zeit/ da sich wiederum anfechtungen einfinden moͤchten/ sicher gesetzet werde/ daß wo auch der andere theil mit zimlich probablen rationibus koͤnte bestaͤtiget wer- den/ bey solchen gewissen allezeit tutior sententia zu erwehlen ist. Die vierdte Frage. Ob ein gewisses collegium, so bey einigen publicis promotionibus seine verrichtungen hat/ dafuͤr auch ein gewisses zu fordern und zu geniessen pfleget/ ohne verletzung der liebe den vor- her gewoͤhnlichen sumtibus etwas beysetzen doͤrffe/ oder da solches geschehen/ ob eine restitutio denjenigen zu thun/ so damit gravi ret worden/ auch wie solche anzustellen? 1. Laͤsset ARTIC. III. SECTIO XIII. 1. L aͤsset sich auf das erste nicht wol gewiß antworten/ ohn betrachtung/ wie weit insgesamt die macht des collegii sich erstrecke. Jst ein col- legium, welches unter einem andern stehet/ so sehe ich nicht/ daß dasselbe von selbsten ihm seine intrad en mit anderer last erhoͤhen doͤrffte/ sondern solches haͤtte bey demjenigen schlechterdings zu bleiben/ was lege defini rt/ oder durch lange gewohnheit autorisi rt worden. Wo es aber ein collegium, daskeine sondere dependenz von einem andern hat/ sondern auch in andern dingen freyer disponi ret/ wolte ich nicht davor halten/ daß demselben verboten waͤre/ je nachdem die zeiten anders werden/ oder gewisse dinge in eine theurung ge- rathen/ die sumtus dessen/ was sie zu conferi ren haben/ in gewisser maaß zu vergroͤssern: es waͤre dann sache/ daß auch demselben von der hohen Obrigkeit allerdings gewisse ordnungen vorgeschrieben sind/ dadurch ihre macht auch restringi ret wird. 2. Wo ein collegium einige freyere macht hat/ so hat es auch die ratio- nes, warum man etwas desjenigen/ was seine muͤhe betrifft/ mit mehrern sumtibus beschwehren will/ fleißig zu examini ren/ ob sie christlicher billichkeit gemaͤß/ welche allezeit diese regel hat 2. Cor. 8. daß nicht einige ruhe/ die an- dere truͤbsaal haben/ das ist/ daß keine parthey zur ungebuͤhr beschwehret werde/ und weder der einigen bemuͤhung allzugering recompensi ret/ noch auch den andern solche zu hoch angerechnet werde. Worauf aber solche bil- lichkeit in specie in jeder sache zu gruͤnden/ laͤsset sich nicht so eigentlich austru- cken/ sondern kan vielerley in consideration kommen: unter andern halte nicht gantz unbillich/ daß zuweilen zu denen vor mehrern jahren/ sonderlich von einem seculo her/ determini rt gewesten summen heut zu tage etwas weiter gesetzt werde/ nachdem fast die pretia aller dinge gestiegen/ und daher die maaß der besoldungen und anderer zugaͤuge/ wo sie bleibet wie sie gewesen/ in ver- gleichung des uͤbrigen zustands in dem gemeinen leben bey weitem nicht mehr dasjenige zur vergnuͤglichkeit derer/ die es geniessen sollen/ austraͤgt/ was da- mal damit auszurichten war. Wo deswegen aus dieser consideration auch in solchen sumtibus etwas zur ergoͤtzlichkeit derjenigen/ die damit bemuͤhet sind/ beygesetzt wird/ kans nicht vor eine unbillichkeit geachtet werden. 3. Wo nun solche erhoͤhungen der sumtuum mit recht geschehen/ so faͤl- let die frage von der restitution; wann aber dieselben von einem collegio, so dazu die gnugsame macht nicht haͤtte/ geschehen waͤre/ wolte ich einen unter- scheid unter denjenigen machen/ welche solche steigerung introduci rt/ und wel- che dieselbe eingefuͤhrt gefunden/ diese da sie bona fide, als etwas ihnen aus der gewohnheit gebuͤhrendes/ angenommen/ hielte zu der restitution nicht ge- halten; wol aber daß sie/ was das kuͤnfftige anlangt/ sich bey den Superioribus anmelden/ und deroselben verordnung verlangen/ auch nachmal dabey bleiben: Y y Was Das dritte Capitel. Was aber diejenige betrifft/ so eigenmaͤchtig ihnen mehr accidentia gema- chet/ trane von der restitution nicht loßzusprechen. 4. Die art der restitution belangend/ glaube ich keinen weiter verbun- den/ als nach seinem quanto, was er empfangen/ daß er aber das augmentum vorgeschlagen/ vergroͤssert zwahr seine suͤnde/ jedoch sehe nicht/ daß es ihm die last der voͤlligen restitution auffbuͤrde/ sondern nur/ daß er/ wie er andere so viel an ihm war/ zur einfuͤhrung einer unbillichkeit verleitet/ also auch nun- mehr nechst seiner bußfertigen demuͤthigung vor GOTT ihnen sein und ihr unrecht zeige/ und so viel an ihm ist/ sie zu gleicher restitution zu disponi ren suche: Wollen sie dann nicht folgen/ so bleibet solches auf ihre verantwortung. Ferner wenn die personen/ von welchen ein mehrers gefordert worden/ zer- streuet/ und deroselben erkundigung gar schwehr werden wolte/ und das quantum, so von denselben genommen worden/ so bewandt/ daß nach allen vernuͤnfftigen vermuthungen sie ein solches geringes wenig achten/ noch sich durch dessen mangel incommodi rt finden wuͤrden/ wolte glauben/ daß nach mediocri diligentia, so zu ihrer erkundigung angewendet wuͤrde/ dasjenige/ was man den uͤbrigen gewuͤnschet haͤtte/ und sie nicht wol erfahren kan am rathsamsten an andere nothduͤrfftige treulich gewendet wuͤrde/ je nach der ge- legenheit/ die GOTT selbsten zeiget/ jedoch ohne davon das ansehen/ daß mans aus eigenem thue/ zu haben. Wo aber dem eigenthums-herrn selbs die restitution geschihet/ meine eben nicht nothwendig zu seyn/ daß er person und ursach wisse/ sondern allein das seinige quavis via wiederum bekomme/ als welches einige hierinnen dem gewissen gnug thun mag. Die fuͤnffte Frage. Wie sich eine christliche weibs-person an orten/ da der kleider- pracht groß/ zu verhalten habe? 1. W Egen der kleider selbs haben wir insgemein in acht zu nehmen/ daß eigenlich darinnen keine suͤnde oder tugend bestehe/ dann sie sind et- was ausser uns/ und koͤnnen uns nicht verunreinigen/ und moͤchte man darin- nen die wort Christi brauchen Matth. 15/ 11. Was zum munde eingehet (so vielmehr was gar ausser uns und unserm leibe bleibet) das verunreini- get den menschen nicht/ sondern was zum munde ausgehet (und also aus dem hertzen koͤmmt/ oder wie die seele gegen jegliches ding gesinnet ist) das verunreiniget den menschen. Also ist in allem solchem/ was auch die kleider anlangt/ am meisten auf das hertz und die seele zu sehen/ an dero de- wandnuͤß ligets/ wie an den kleidern suͤnde oder tugend geuͤbet werden kan. Jndessen wie die seele sich auch des eusserlichen recht- oder mißbrauchen kan/ so mag freylich auch an den kleidern suͤnde begangen werden. 2. Wie ARTIC . III. SECTIO XIII. 2. Wie bey jeglicher sache die ursach und der zweck derselben zum foͤr- dersten muß beobachtet werden/ also auch kan sich die seele bey den kleidern nicht recht bezeugen/ sie verstehe dann recht den zweck derselben/ und gebrau- che sich also derselben diesem gemaͤß. So wissen wir nun/ daß der ursprung der kleider von der suͤnde kommet/ indem die erste eltern in dem paradiß kei- ner kleider bedorfft haben/ nun aber da unser und anderer leiber mit suͤndli- chen luͤsten angefuͤllet/ auch schwach worden sind/ daß ihnen von der lufft und anderm eusserlichen leicht schaden zugefuͤget werden kan/ bedoͤrffen wir der kleider zum schutz unsrer leiber/ zur decke unsrer schande/ und zu schohnung der schwach heit unsers nechsten/ ja sie sind mit der daran hafftenden vielen be- schwehrde eine gewisse art einer uns auffgelegten straffe. Dieses sind die haupt- und gemeine absichten der kleidung/ dazu nachmal ferner kommet der unterscheid der geschlechte/ des maͤnnlichen und weiblichen/ so dann um eusser- licher und der policey dienlicher ordnung willen/ gewisser staͤnde und darin- nen lebenden personen. Wo also eine seele auf diese zwecke recht acht gibet/ sie neben einander wol ordnet/ und der kleider sich also gebrauchet/ wie es den- selben gemaͤß ist/ so dann die allgemeine/ daher alle theil des menschlichen lebens durchgehende/ regel der christlichen selbs-verleugnung/ demuth/ bescheidenheit und einfalt wahrnimmet/ so verfaͤhret sie recht. 3. Wo hingegen der mensch in den kleidern dasjenige thut/ oder sie also gebrauchet/ nicht wie es jener erkaͤntnuͤß des zwecks der kleider gemaͤß ist/ son- dern demselben wol gar entgegen streitet/ so dann die gemeine reglen verletzet/ so werden die kleider ihm zur suͤnde/ wegen des mißbrauchs/ und verunreini- get also die suͤnde in dem hertzen dasjenige/ was sonsten ein mittel-ding waͤre. 4. Die vornehmste suͤnden bey den kleidern nun finde ich/ so viel mich so bald erinnern kan/ diese. 1. Die kostbarkeit an sich selbs/ wo ich nemlich an kleider mehr unkosten anwende/ als es die noth erfordert. Wo zwahr die noth nicht so præcise zu nehmen ist fuͤr die eusserste nothwendigkeit/ sondern was nach gelegenheit/ zeit und ort auch von christlichen/ verstaͤndigen und der eitelkeit nicht ergebenen gemuͤthern fuͤr noͤthig geachtet wird/ daß man sei- nem nechsten eben auch nicht durch verdacht einer unziemlichen filtzigkeit oder sonderlichkeit unnoͤthigen anstoß mache. Was nun uͤber dieses ange- wendet wuͤrde/ haͤtte diese suͤnde bereits in sich/ daß ich mit demjenigen/ was mir GOTT beschehret/ oder vielmehr zu meiner verwaltung anvertrauet hat/ nicht gebuͤhrlich umgehe/ indem ich dasselbe allein zu seinen ehren/ meines neben-menschen nutzen und meiner redlichen nothdurfft/ anzuwenden/ oder das uͤbrige zu solchem gebrauch zu verwahren habe/ und also wo ich es un- nuͤtzlich verschwende/ GOTT seine guͤter in gewisser maaß umbringe. 5. Nechst diesem 2. kan auch gesuͤndiget werden mit uͤberfluͤßiger muͤ- Y y 2 he Das dritte Capitel. he und arbeit/ so daran gewendet wird/ sonderlich mit versaͤumnuͤß anderer noͤthiger geschaͤffte/ wie etwa sonn- und feyertags die fruͤhestund/ an statt der vorbereitung zu dem Gottesdienst mit muͤhesamen putzen und anthun uͤbel durch gebracht/ und insgesamt sonsten manche zu etwas bessers billich gewid- mete zeit mit kleider-sorge verdorben werden kan. Nun sind wir Christen unserm GOTT vor den gebrauch der zeit rechenschafft zu geben schuldig/ und haben sie nicht macht unnuͤtzlich zuzubringen/ sondern solle alle dieselbe zu GOttes ehre/ unsers nechsten geistlichen oder leiblichen nutzen/ unsrer eige- ne n nothdurfft oder wahrem nutzen/ in geistlichem oder leiblichem angewen- det werden/ was aufser diesem zugebracht wird/ paßiret in GOttes rechnung nicht/ und weiset eine seele/ die ihrem GOTT darinnen nicht treu ist/ noch vor seinem angesicht stets wandlet. 6. Es mag 3. auch gesuͤndiget werden mit aͤrgernuͤß/ welches sonder- lich platz hat bey den weibs-personen/ da dieselbe etwas ihres leibes mehr als jedes orts laͤngst gewohnet gewesen/ und daher niemand aͤrgert/ entbloͤsset tragen/ woran nicht nur ohne das unzuͤchtige gemuͤther mehr gereitzet wer- den/ die an solchem nachmal ihre verbotene lust haben/ und sich damit kuͤtzeln/ ja wol zu wuͤrcklichen actibus der unzucht offt verleitet werden/ sondern auch offtmals wird sonsten christlichen leuten/ die dannoch das fleisch noch an sich tragen/ und mit betruͤbnuͤß dessen luͤste in sich fuͤhlen muͤssen/ zu einigen un- zuͤchtigen gedancken und geluͤsten wider ihren willen anlaß gegeben. Wel- cher suͤnde schuld auf diejenige faͤllet/ die dergleichen mit einiger weiterer ent- bloͤßung veranlasset/ und entweder damit die eigne leichtfertigkeit/ ihren leib mit willen zu anderer unkeuschheit objecto darzustellen/ damit verraͤth/ oder wo es nicht mit fleiß geschihet/ alles muͤgliche mit vorsichtigkeit und mehrer bedeckung haͤtte verhuͤten sollen. 7. Sonderlich aber wird 4. gesuͤndiget mit innerlicher hoffart/ die darinnen bestehet/ wo der mensch an seiner kleidung/ die wir doch gehoͤret haben ein schanddeckel und schutz unsrer schwachheit/ und in gewisser maaß straffe der suͤnden/ zu seyn/ gefallen traͤget/ in dero kostbarkeit oder mode und zierlichkeit ihm selbs beliebet/ seinen madensack damit ziehret/ und andern zu ihrem mehrern wolgefallen/ verwunderung/ und verehrung darinnen vorstel- let/ andern es vorzuthun trachtet/ eine freude darinnen suchet/ und sein hertz daran einigerley massen haͤnget. Dann alles dieses ist gleichwie der absicht der kleidung also der selbs-verleugnung und christlicher demuth schnurstracks entgegen: und nachdem den Christen verboten/ an ihnen selbs gefallen zu ha- ben/ oder mit einigen der guͤter/ die ihnen GOTT verliehen hat/ und gleich- wol wahrhafftige guͤter sind/ zu prangen/ wie vielmehr ists unrecht/ wo sie an sich gefallen tragen/ und sich ostenti ren in dingen/ die in einer eitelkeit beste- hen/ ARTIC . III. SECTIO XIII. hen/ und keine wahre ehre in sich haben; wo neben dem hochmuth des hertzens auch grosse thorheit sich offenbahret/ daß eine solche seele nicht verstehet/ was die wahre guͤter sind/ und eine herrlichkeit oder ehre suchet in einer eiteln ein- bildung: Welcherley gemuͤther sich offenbahren/ daß sie die wahre guͤter/ wor- innen eine rechte ehr ist/ nicht verstehen/ und also die an diesem eusserlichen schmuck ein vergnuͤgen finden/ von dem wahren schmuck allerdings nichts wissen. Wie nicht weniger diejenige/ so nach der mode sich offt aͤndern/ eben- fals damit die eitelkeit ihres hertzens/ und daß sie ein sonderliches in der art und façon der kleider zu stehen achten/ verrathen: Welcherley abermal den Christen unanstaͤndig ist. 8. Voraus gesetzt nun dessen/ so komme endlich auff die hypothesin selbs/ und halte davor/ daß an einem ort/ da insgemein die kleider der weibs- personen gegen andere ort geachtet/ praͤchtiger im gebrauch sind/ eine christ- liche weibs-person/ die wahrhafftig in ihrer seelen die allergeringste tracht solches orts uͤblich zu seyn wuͤnschet/ nach redlicher pruͤfung des hertzens (so uns sonsten gar leicht betriegen kan/ deßwegen in der untersuchung nicht oben hin gefahren werden muß) sich vor GOtt rein befindet/ daß sie nichts dessen mit belieben ihres hertzens thue/ sondern staͤts vor dessen augen sich bey den kleidern ihrer suͤnden erinnere/ und in sich demuͤthige/ daher allen schmuck als ein unreines tuch achte/ und also in einer ungeheuchelten demuth stehet/ mit verlangen aller dieser noch uͤbriger dienstbarkeit/ dero sie wider willen noch unterworffen leben muß/ gantz befreyet zu werden/ nicht suͤndige/ da sie nach der daselbs uͤblichen tracht in ihrem stande gehet/ und in demselben noch alle- zeit bey dem geringsten zu bleiben sich mit fleiß bestrebet. Dann wie eine sol- che seele in ihrem inwendigen vor GOtt rechtschaffen stehet/ also ist der ge- brauch ihrer kleider ihr nicht suͤndlich; alldieweil unser Heyland/ wie eigen- lich jegliche kleider gestaltet seyn sollen/ uns nicht vorgeschrieben hat/ dero- wegen alles frey bleibet/ was nicht gegen die allgemeine regeln streitet; wie dann auch hie dasjenige præsupponi ret wird/ daß die vorhin angedeutete suͤnden vermieden werden. 9. Jndessen damit sich ja eine seele/ die sonsten dem HErrn hertzlich die- nen will/ hierinnen nicht verstosse/ noch dem fleisch bey sich zu einem betrug der suͤnden platz gebe/ muß fleißig auff die bereits angedeutete limitationes acht gegeben werden. Sonderlich daß man sich nicht in pruͤfung seines her- tzens betriege welches nicht ungemein ist) sondern daß wahr hafftig dasselbe in der rechten demuth stehe. Zu solcher versicherung/ und damit auch ande- re dessen proben an uns sehen/ gehoͤret/ daß wahrhafftig eine solche person in ihrer tracht immerdar das geringste erwehle/ was ohne mit zimlichem schein geschehende uͤbele nachrede kan erwehlet werden/ daß sie ob zwahr nicht allzuweit sich von allen andern entferne/ und damit sich zu einem son- Y y 3 dern Das dritte Capitel. dern Spectaculo andern darstelle/ doch immer noch unter andern ihres glei- chen/ als viel geschehen kan/ bleibe/ sonderlich aller nebens-zierathen/ die am wenigsten noͤthig/ sich enthaltend/ nachdem man mit beybehaltung desjeni- gen/ was das vornehmste in der art der tracht ist/ gezeiget/ daß man sich nicht in allem absondere/ und mit gewalt anderer zungen gegen sich reitzen wolle. Es gehoͤret ferner dazu/ daß eine solche person gern bey gelegenheit klage uͤber die dienstbarkeit/ darinn die verderbnuͤß der zeiten uns gesetzt habe/ und auf solche art/ daß man sehen koͤnne/ wie es ein ernst seye/ bezeuge/ wie gern man/ wo es blosser dings bey uns stuͤnde/ und man anderer schwachheit zu schohnen nicht aus liebe der allgemeinen art und gewohnheit sich accommodi ren muͤ- ste/ sehr vieles noch von uͤberfluͤßiger tracht ablegen wolte/ daher gern abbre- che so viel man koͤnne: Auf daß also andere welt-hertzen sich an ihrem exempel nicht aͤrgern/ und sie bey etwas gleicher tracht auch gleiches sinnes achten/ da- her dadurch in ihrer hoffart gestaͤrcket/ so dann auch gottselige von dem wie sie gesinnet seyen versichert/ und nicht auf der andern seite uͤblen verdacht auf sie zu schoͤpffen veranlasset werden. Solte es auch seyn/ daß eine solche per- son hoffen moͤchte/ daß durch ihr und anderer/ die sie dazu bewegte/ exempel zu ablegung einiges uͤberflusses etwas gutes oder doch guter anfang gemacht werden koͤnne/ waͤre sie auch zu solchem vor sich verbunden/ und folget gewiß/ wo sie selbs an nichts dergleichen lust/ sondern vielmehr mißfallen hat/ daß man sich jeglicher gelegenheit freuen wird/ auffs wenigste etwas seiner last abzulegen. Also auch gehoͤret dahin/ wo dasjenige/ was die art eines prachts hat/ wie insgemein geschihet/ in den kleidern bestehet/ die man ausser hause/ oder auch nur bey gewissen gelegenheiten traͤget/ daß man weder diese letztere sonderlich suche/ vielmehr zeige sie deswegen eher zu meiden/ noch auch insge- samt gern ohne noth solcher ursach halben ausgehe/ in dem hause aber/ wo man mehr sein eigen und weniger anderer gleichstellung unterworffen ist/ so viel schlechter sich aufffuͤhre als andere; zum zeugnuͤß was man auch in ande- rem bey voͤlliger freyheit am liebsten thaͤte. Jn summa/ es muß in allem ge- suchet werden/ daß jederman sehe/ was man uͤber dasjenige traͤgt/ was die blosse nothdurfft ist/ werde getragen bloß anderer schwachheit zu schohnen/ damit man andern nicht ursach gebe/ sich mit ungleichem urtheil und nachre- den zu versuͤndigen. Dann gleichwie wir zwahr um uͤbeln nachredens wil- len dasjenige nicht unterlassen sollen/ was schlechterdings GOTT erfordert/ noch auch dasjenige thun doͤrffen/ was austruͤcklich suͤnde und von GOTT verboten ist/ so sind wir doch schuldig/ in denjenigen dingen/ die allein aus ge- wissen umstaͤnden und nach der bewandnuͤß des hertzens zur suͤnde werden koͤnnen/ sonsten aber an sich mittel-dinge sind/ worunter diese und jene art der kleider gehoͤret/ uns also anzuschicken/ daß wir andern uns nicht zum anstoß setzen/ ARTIC . III. SECTIO XIII. setzen/ die wir billich sorgen muͤssen/ daß sie sich an uns/ weil sie die sache wie sie ist zu fassen nicht geschickt sind/ mit boͤsem urtheil versuͤndigen wuͤrden; so dann daß wir uns nicht durch eine unnoͤthige sonderlichkeit in den stand setzen/ da wir alsdenn mit erinnern oder exempel an andern wenig mehr nutzen schaffen koͤnten. 10. Alles dieses ist von demjenigen fall geredet/ wo die art der kleidung an einem ort insgesamt praͤchtiger als an andern orten ist/ da eine christliche person mit gantzer entziehung von demjenigen/ was allgemein ist/ sich zur eule unter die voͤgel stellen wuͤrde: Wo aber solche art zwahr die gemeinste ist/ aber doch auch andere exempel christlicher personen sich finden/ welche in geringe- rem habit einhergehen/ so achte ich die pflicht derjenigen/ welchen angelegen ist/ ihr gewissen rein zu bewahren/ daß sie vielmehr dem exempel der wenigen/ so ihre demuth auch eusserlich hervorleuchten lassen/ folgen/ als die andere parthey staͤrcken/ an denen der schein der hoffart sich findet. 11. Was endlich die besondere frage von gold/ perlen und edelgestein anlangt/ ob dieselbe schlechterdings und absolute christlichen personen verbo- ten geachtet werden sollen aus 1. Tim. 2/ 9. und 1. Petr. 3/ 3. wolte ich nicht davor halten/ daß mit ja darauf zu antworten. Jndem wir wissen/ daß gold/ perlen und edelgestein gute creaturen GOttes sind/ deren gebrauch goͤttlicher ordnung nicht entgegen ist/ vielmehr der HErr alles zu der men- schen gebrauch erschaffen hat/ und ihnen denselben in gewisser ordnung gern goͤnnet. So wird Hos. 2/ 8. 13. gesagt/ daß der HErr seye/ der Jsrael silber und gold/ stirn-spangen und halsband gegeben habe/ darinnen sie also einhergehen dorfften/ und wird nur geklagt/ daß sie solche dem Baal zu ehren angewandt. Ezech. 16/ 11. 12. 13. wird von GOTT auch gemeldet/ daß er seine geliebte Jerusalem geziehret mit kleinodien/ und ihr geschmei- de an die arm und kettlein an den halß gelegt/ er habe ihr haarband an die stirne gegeben/ und ohren-ringe an die ohren/ und eine schoͤne krone auf das haupt/ er habe sie geziehret mit eitel gold und silber/ u. s. f. Nicht weniger wird von des Koͤnigs tochter gesagt Ps. 45/ 14. sie ist mit guͤldenen stuͤcken gekleidet. Nun bin ich zwahr nicht in abrede/ daß an solchẽ orten figuͤrlich geredet werde von grossen geistlichen wolthaten/ damit der HErꝛ sein volck und kirche herrlich gemacht habe: Jch achte aber nicht/ daß der H. Geist die gleichnuͤssen davon genommen solte haben/ woran der HErr/ da es nach dem buchstaben sich faͤnde/ einen greuel haͤtte. So sehen wir auch/ wie der theure freund GOttes Abraham/ so dessen willen verstanden/ und so herrliche zeugnuͤssen seines glaubens und seines gehorsams von sich sehen las- sen/ durch seinen knecht die braut seines sohns Rebeccam 1. Mos. 24/ 53. mit silbern Das dritte Capitel. silbern und guͤldenen kleinodien/ item mit spangen an stirn und arm- ringe an die haͤnde beschencken lassen. Woraus sich abnehmen laͤst/ daß solcherley tragen dem HErrn an sich selbs nicht eben zu wider seyn koͤnne. Da- her ich die wort der Apostel vielmehr allein dahin annehme/ nicht was Chri- sten zu tragen erlaubt seyn solle/ wo einige andere weltliche ursachen es erfor- dern (wie ich dann die gesamte kleider-trachten vor ein stuͤck des weltlichen wesens und reichs achte/ deme das Christenthum nicht entgegen ist/ sondern nur desselben arten mit einigen regeln in gewissen schrancken behaͤlt/ daß wider seine allgemeine pflichten nichts geschehe) sondern worinnen christliche wei- ber ihren schmuck suchen sollen. Also ist einer solchen verboten/ daß sie in sil- ber/ gold/ perlen/ edelgesteinen ihre zierde suche/ darinnen ihre hertzens freude habe/ sich darinnen schoͤn duͤncke zu seyn/ und darinnen prange/ als welche von viel besserem wissen muß/ worinnen der wahre schmuck bestehe/ darinnen sie GOTT gefalle/ dem aber zu gefallen ihre einige sorge seyn solle. Daher setzet Petrus solchem eusserlichen schmuck entgegen den verborgenen men- schen des hertzens/ daß also die meinung ist/ sie solten nichts vor ihren wah- ren schmuck halten/ als diese innerliche zierde. Welcher innerliche mensche mensch gleichwol auch nicht nur den guͤldenen kleinodien und koͤstlichem gewand/ son- dern eben so wol allen kleidern entgegen gesetzt wird/ ohne die wir dannoch weder seyn koͤnnen/ noch der Apostel solches begehret: Daraus aber zu sehen/ daß nicht so wol die worte desselben dahin die absicht haben/ was man anha- ben doͤrffe/ als nur worinnen man seine zierde suchen und erkennen solle. Wo also jemand gold/ perlen und dergleichen traͤget aus innerlichem hochmuth/ gefaͤllet sich selbs darinnen/ und trachtet andern zu gefallen/ und was vor fleischliche absichten dabey seyn moͤgen/ da wird wider der Apostel verbote ge- suͤndigt/ und solches ist dem innern menschen entgegen/ und kan neben demsel- ben nicht stehen. Wo aber der verborgene mensch des hertzens unverruͤckt mit sanfftem und stillem geist sich findet/ und die person darinnen allein ihr vergnuͤgen suchet/ ob dann schon aus der weltlichen ordnung der staͤnde und solchen ursachen/ welche jenem nicht entgegen sind/ der eusserliche mensch in einem dergleichen schmuck (so in seinen augen ihm selbs kein schmuck/ sondern wie alle kleider selbs und dero nothwendigkeit eine last ist) einhergehet/ so wird nichts wider der theuren Apostel meinung gethan/ sondern ist der zweck/ den sie allein in allem suchen/ erhalten. Waͤre aber jemand/ welcher derglei- chen nicht ohne anhaͤngigkeit des hertzens tragen koͤnte/ sondern bey sich fuͤh- lete/ wie sich sein hochmuͤthiges fleisch damit kuͤtzelte/ und sichs doch immer wolgefallen liesse/ oder koͤnte sein gewissen mit dieser erklaͤhrung der Apostoli- schen meinung nicht beruhigen/ als welchem der eusserliche hall der wort/ und wie sie bey dem ersten ansehen ohne tieffere untersuchung in den verstand fal- len/ ARTIC. III. SECTIO XIII. len/ zu starck einleuchtete/ dem wuͤrde dasjenige aus diesen ursachen zur suͤn- de/ und darff derselbe bey seiner schwachheit sich der freyheit nicht gebrau- chen/ welche den staͤrckern zukommet. Die sechste Frage. Ob man wider die recessus imperii gute geld-sorten den gold- und silber-arbeitern zu verschmeltzen uͤberlassen koͤnne? 1. E S dependi ret diese frage von einer andern/ nemlich ob ein obrigkeitli- ches gebot/ so nicht expresse auffgehaben/ aber gantz oͤffentlich in ab- gang gekommen/ die gewissen der unterthanen weiter mehr verbinde? wel- che ich aber mit nein zu beantworten achte. Die krafft des gesetzes bestehet in dem willen des gesetzgebers/ wie er es will von den unter- thanen gehalten haben/ und sie dazu verbindet. Wie nun derselbe/ nachdem etwa die zeiten sich aͤndern/ auch geaͤndert werden kan/ daß er nemlich dasjenige auch oͤffentlich abrogire, was er vorhin verordnet/ welche art des gesetzgebers und der unterthanen gewissen am besten rathet/ so kan er eben so wol als geaͤndert erkant werden/ da der gesetzgeber oder die O- brigkeit nicht mehr daruͤber haͤlt/ und ohne einige andung oder widersetzung oͤffentlich vor dero augen dagegen thun laͤsset/ deswegen auch solches gesetz nicht weiter mehr wiederhohlet. Dann dieses der Obrigkeit verhalten zei- get ihren willen an/ daß sie dergleichen geschehen lassen wolle/ da sie es wohl hindern koͤnte/ aber doch nicht thut oder thun will; nemlich es seye derselbe/ daß dergleichen geschehen moͤge. Ob nun wol sicherer waͤre/ daß sie durch oͤffentliche abschaffung des vorigen gesetzes den gewissen rath schaffte/ so koͤn- nen doch zuweilen einige deroselben bekante ursachen seyn/ warum sie dassel- be allerdings auffzuheben bedenckens traͤget/ sondern dessen verbindung nur auff eine zeitlang gleichsam suspendi ret/ biß sie wiederum rathsam finde/ die- selbe zu erneuren; wo nemlich etwa die vorige rationes cessi ren/ welche sie be- wegen/ eine zeitlang nicht daruͤber zu halten. Jst also der Obrigkeit conni- venz in solcher sache/ da sie oͤffentlich und eine gute zeit gewaͤhret/ als ein ta- citus consensus, und nicht von weniger krafft/ als wo sie austruͤcklich gegen ein gesetz dispensi ret/ und also dessen verbindung in einer gewissen hypothesi auffhebet/ da man sich alsdenn kein gewissen mehr uͤber den gebrauch dersel- ben machet. 2. Vorausgesetzt dessen/ so bejahe die vorgelegte frage/ und glaube nicht/ daß derjenige/ welcher dergleichen sorten an die/ so sie verarbeiten wol- len/ verkaufft/ sein gewissen verletze. Dann 1. obwol die reichs-abschiede vor augen ligen/ und ihre gute ursachen haben/ so sind sie doch wo nicht abrogi rt jedoch suspendi ret durch die schon lang gewaͤhrte observanz: welche 2. oͤf- Z z fent- Das dritte Capitel. fentlich und vor den augen der Obrigkeit geschihet/ die nicht nur die in den recessibus imperii dagegen gesetzte pœnen nicht exsequi ret/ sondern mit nichts/ als viel mir bekant ist/ ihr mißfallen dagegen bezeuget. Daher 3. die contraria praxis nicht etwa nur an einem oder andern ort sich findet/ so einem zarten gewissen eher einen scrupul machen wuͤrde/ sondern als viel mich erkundigt habe/ durch und durch in dem Reich im schwang gehet. Also gar 4. daß den wenigsten gold- und silber-arbeitern das gesetz bekant ist/ sondern die meiste ihr lebtag davon nichts gehoͤret haben/ es auch ihren ordnungen/ wel- che sonsten an vielen orten ihnen vorgeschrieben sind/ und sie darauf verpflich- tet werden/ nicht einverleibet ist. Deswegen 5. fast nunmehr als ein ihnen nicht publici rtes gesetz geachtet werden kan/ welches sie demnach nicht verbin- det. So vielmehr weil 6. gestanden wird/ daß sie ausser diesem fall fast kein silber haben koͤnnen/ worinnen also auch eine vernuͤnfftige ursach sich finden liesse/ warum etwa die Obrigkeit tacito consensu das gesetz so lange suspen- di ret haben mag. Alles solches aber mag dazu gnug seyn/ daß die gold- und silber-schmiede sich mit solchem schmeltzen nicht versuͤndigen. 3. Daraus folget/ daß auch andere mit gutem gewissen denselben etwas zu verschmeltzen uͤberlassen koͤnnen/ indeme diese nicht anders suͤndigten/ als daß sie zu jener suͤnde vorschub thaͤten. Ja es haben diese so vielweniger sorge zu tragen/ weil die reichs-abschiede und muͤntz-ordnungen nicht so wol gegen andere als gegen diejenige selbs gerichtet werden seyn/ welche die gute geld-sorten zubrechen und zuschmeltzen: Wo dann die krafft der gesetze gegen diese nicht mehr gehet/ so betrifft sie so vielweniger andere/ so nur indirecte bey der sache concurri ren. Der HErr HErr/ dessen gnade allein unsre hertzen fest machen kan/ gebe in seines Geistes liecht uns seinen willen in allen faͤllen zu erkennen/ daß wir verstehen/ was ihme gefaͤllig seye/ unser gewissen bewahren/ und es weder mit unnoͤthigen scrupuln aͤngsten/ noch wider seinen spruch handlen/ in allen stuͤcken aber treulich thun moͤgen was ihm gefaͤllig ist. Amen. Dessen guͤte ruffe ich nochmal hertzlich an/ daß sie der person/ welche sie/ wie aus dem uͤbersandten vergnuͤglich zu sehen/ kraͤfftig zu einem hertzlichen ernst ihres Christenthums zu ziehen angefangen/ mit der gnade des Heil. Geistes beystehen/ und was in diesem meinem responso goͤttlichem willen gemaͤß/ wie ich es zwahr nach meinem be- griff alles demselben gemaͤß hoffe/ und zu dero gewissens bewahrung das vortraͤglichste ist/ in ihrer seelen versiglen/ so dann insgesamt zu dem frieden in Christo JEsu/ indem wir allein ruhe haben/ in erkaͤnt- nuͤß seiner vaͤterlichen gnade gegen die seines willens begierigen kin- der/ ARTIC . III. SECTIO XIV. der/ und mit wegraͤumung aller noch daran hinderlich gewesenen scrupul/ seliglichen bringen/ in wachsamkeit uͤber ihre seele und in- bruͤnstigem gebet immerdar erhalten/ und sein gutes werck in ihr biß an den tag JEsu Christi vollfuͤhren wolle. Ach er der treue Vater lasse uns alle je mehr und mehr reich werden in allerley erkaͤntnuͤß und erfahrung/ daß wir pruͤfen moͤgen/ was das beste seye/ auf daß wir seyen lauter und unanstoͤßig biß auf den tag Christi/ erfuͤllet mit fruͤchten der gerechtigkeit/ die durch JEsum Christum geschehen/ in uns zu ehre und lobe GOttes. 1686. SECTIO XIV. Wie viel man an arme anzuwenden habe/ an eine vornehme stands-person. E S laͤsset sich in der materie von der gutthaͤtigkeit gegen die arme nichts gewisses determini ren/ sondern es muß die liebe die antreiberin seyn/ und die noth die meiste maaß geben. Was jedem GOTT nach seiner guͤte bescheret/ darvon ist er wol befugt/ was zu sein und der seinigen nothdurfft erfordert wird/ zuerst anzuwenden. Es kan auch solche noth- durfft nicht gantz genau bestimmt werden/ wie weit sie sich erstrecken solle/ son- dern man mag auch dieselbe zu einer zeit etwas weiter extendi ren/ als zu einer andern/ da was die liebe fuͤr anderer noch tringendere nothdurfft for- dert/ der eigenen zu weilen abgebrochen/ oder dieselbe genauer eingeschrencket haben will. Jndem die beyder seits noͤthige ausgaben aus der absonderli- chen liebe der unsrigen und aus der allgemeinen unsres bedoͤrffenden neben- menschen also neben einander stehen sollen/ daß diese jene nicht auffheben doͤrffen/ sie aber wo die noth dieser seits zu starck antritt/ wol in mehrere enge zu bringen hat. Also kan eins orts die noth so groß werden/ daß man/ wo son- sten der huͤlffbeduͤrfftigen elend nicht anders gerathen werden koͤnte/ so wol dasjenige/ was man ordenlicher weise sonsten auffzuhalten wol befugt waͤre/ anzugreiffen haͤtte/ als auch was man sonsten fuͤr sich anzuwenden gewohnt gewesen/ enger einziehen muͤste/ also daß man nicht nur von seinem uͤberfluß/ und da mans gleichsam nicht empfindet/ sondern auch von demjenigen/ was man zu andern malen ohne suͤnde fuͤr sich selbs gebraucht haͤtte/ nothwendig geben muß. Was eigne kinder anlangt/ da deroselben beduͤrffnuͤß der an- dern beduͤrffnuͤß zimlich gleich kommet/ wird jene billich vorgezogen/ die vor andern gemeinen nechsten uns noch naͤher angehoͤren/ und zu absonderlicher fuͤrsorge von dem himmlischen Vater uns anbefohlen sind/ wo aber dieser Z z 2 letzteren Das dritte Capitel. letzteren noth groß/ so uͤberwieget die schuldige liebe und erbarmen der noth- leidenden die sonsten obgelegene leibliche versorgung der unsrigen/ und muͤs- sen diese um der andern willen entrathen/ nicht eben/ was sie selbs in schweh- ren mangel setzte/ aber was ihnen doch auch zubehalten/ sonsten wol kommen/ ja bey gewissen faͤllen kuͤnfftig auch noͤthig werden moͤchte/ indem die liebe in vergleichung des gegenwaͤrtigen und kuͤnfftigen allezeit jenes vorzuziehen pfleget. Was herrlichen geschmuck anlangt/ wie ohne das dessen gebrauch der eitelkeit am nechsten ist/ und selten ohne dieselbige geschihet/ also werden auch leute/ die gerne alles das ihre nach der liebe GOttes und des nechsten einrichten/ am wenigsten lust haben/ an dergleichen etwas anzuwenden/ dar- von niemand wahren nutzen hat/ und ein grosses capital ohne einige frucht daran haͤnget/ deswegen auch wo die liebe zu GOttes ehr oder der armen nothdurfft ein mehreres von uns fordern/ als unser darzu sonsten gewidme- tes austragen mag/ ist wol der geschmuck das erste/ das man anzugreiffen/ und da es sonsten als todt gelegen/ zu wahrem nutzen zu bringen hat. Dieses waͤren die reglen/ die mir in christlicher uͤberlegung vorgekommen sind/ und aus welchen sich nachmal die application auf die faͤlle unschwehr machen laͤs- set. Der HErr aber gebe selbs so christliche klugheit/ das anvertraute nach seinem willen am weißlichsten anzuwenden/ als bruͤnstige liebe gegen alle/ die unsrer huͤlffe bedoͤrfftig sind: Er nehme auch in gnaden auf/ und lasse ihm wol- gefallen/ was in glaͤubiger liebe zum opffer auch dieser art ihm von seinen kin- dern einfaͤltiglich gebracht wird. 1694. SECTIO XV. Ob assecuratio ns- contract e wider das Chri- stenthum? Ob es erlaubt/ menschliche coͤrper zu anatomi ren? W As die assecurationes anlangt/ vermeine ich/ daß ein Theologus nicht bloß dahin davon/ als einer weltlichen sache/ urtheilen koͤnne. Mei- nen gedancken nach wird alles darauf beruhen/ ob solche assecuratio- nes entweder ein dem publico nuͤtzliches und dem flor der kauffmannschafft noͤthiges mittel/ oder nur ein erfindung so geitziger als vermessener leute/ die grossen vortheil suchten/ oder als ein spiel alles wagen wolten/ seyn/ das pu- blicum aber ohne verlust derselben wol entrathen koͤnte. Waͤre dieses letz- tere/ so wuͤrden sie allerdings zu verwerffen seyn/ als die ohne das auffs we- nigste nicht den besten schein haben. Das erste aber justifici rte sie aller- dings. So will mir auch fast vorkommen/ als wann das erste eher platz ha- ben solte: nemlich daß an einem ort/ da grosse handlungen sind/ und nach dero erhal- ARTIC. III. SECTIO XV. erhaltung getrachtet wird/ dieselbe sehr befordern moͤge/ wo leute/ die von grossem capital sind/ sich finden/ an welche andere handels-leute/ dero gantzer ruin an einem oder anderem verlust haͤngen/ und wo dero nach einander meh- rere zu grunde giengen/ solches der kauffmannschafft einen stoß thun wuͤrde/ sich adressi ren/ und damit aus der gefahr des verderbens sich retten moͤgen. Jndem daraus geschehen wird/ daß die meiste grosse verlust alsdann nicht so wol solche treffen/ welche so bald ruiniret wuͤrden/ wo sie anders ihnen prospi- ci ren haben wollen/ als solche die bey groͤsserem vermoͤgen einige stoͤsse auszu- halten vermoͤgen. Aus dieser ursach kommet mirs vor/ daß die assecuratio- nes ein mittel des flors der handlung seyen/ ob ich wol bekenne/ daß als ich der handlung nicht kundig bin/ nicht wisse/ ob mich vielleicht in solchen gedancken betriegen moͤchte. Solte es aber also bewandt seyn/ so will ich nicht zweiff- len/ daß dieselbe so wol als andere weltliche und politische ordnungen dem Christenthum nicht zu wider seyen. Dann was die gemeine leibliche wol- fahrt und die mittel derselben/ unter denen die handlung ein nicht geringes ist/ erhaͤlt und befordert/ ist der liebe gemaͤß/ die hingegen die seele ist der uͤbung des Christenthums nach der andern taffel: ferner was der liebe gemaͤß ist/ ist auch dem Christenthum selbs nicht zu wider. Was dagegen eingewendet werden koͤnte/ meine ich nicht so wichtig zu seyn/ daß das gegentheil geschlossen werden solte. Es gehet aber solches theils diejenige an/ so das ihrige assecu- ri ren lassen/ theils die assecurant en. Was jene anlangt/ hat es den schein ei- nes mißtrauens gegen GOTT. Aber es ist allein der schein/ und schliesset das christliche vertrauen die menschliche klugheit/ so lang sie sich dergleichen mittel gebraucht/ die sonst GOTT nicht zu wider sind/ nicht aus. Wann es also GOTT und dem schuldigen vertrauen auf ihn nicht zu wider ist/ daß man in einer gefahr ein theil seines vermoͤgens auf kuͤnfftige faͤlle zuruͤck be- halte/ und nicht eben alles auf einmal in die schantz schlage/ wie Jacob 1. Mos. 32/ 7. 8. sein heer in solcher absicht abtheilte/ so ists auch nicht entge- gen/ wann ich einen andern in die gemeinschafft der gefahr nehme/ damit mich nicht dieselbe allerdings zu boden stosse. Was die assecurant en anlangt/ moͤchte denselben dreyerley entgegen gehalten werden/ einmal daß es nicht christlich waͤre/ das seinige dermassen in gefahr und hazard zu setzen/ da mans so leicht verliehren koͤnte/ weil man ja mit dem/ was goͤttliche guͤte einem jeg- lichen beschert hat/ also umzugehen habe/ daß man ihr auch davor rechen- schafft geben koͤnne: aber es wird dieser einwurff bald widerleget/ durch so viele exempel/ daran niemand zweifflen kan/ daß die sache erlaubt seye/ der faͤlle/ da man das seinige in grosse gefahr hingibet. Ja wo es wider das Christen thum waͤre/ sein leibliches vermoͤgen in gefahr verlusts zu geben/ so wuͤrde alle seefahrt unrecht seyn/ neben so vielen andern lebens-arten/ da das Z z 3 brodt Das dritte Capitel. brodt mit vieler gefahr erworben werden muß/ und deren doch das menschli- che geschlecht nicht wol entrathen kan. Das andere/ das entgegen gehalten werden moͤchte/ waͤre daß der assecurant ohne seine arbeit etwas gewinnen wolle. Es wird aber auch die schwachheit dieses einwurffs daraus erhellen/ wann wir bedencken/ daß zwahr jeglicher Christ seine zeit nicht mit muͤßig- gang zu bringen/ sondern etwas redliches arbeiten solle/ darinnen er GOTT und dem nechsten diene/ welches gebot die assecurant en so wol angehet/ als andere Christen/ jedoch daß dieses nicht nothwendig folge/ daß jedem seine nahrung und was dazu gehoͤret/ aus seiner eigenen arbeit kommen muͤsse: sondern es kan einer mit gutem gewissen von den mitteln leben/ die er durch anderer arbeit erwirbet/ dabey er aber seine zeit zu andern christlichen und nuͤtzlichen verrichtungen/ daß er nicht muͤßig seye/ anzuwenden verbunden ist. So wird niemand leicht daran zweifflen/ daß wider diese christliche regel nicht gesuͤndigt werde/ wo zwey eine compagnie machen/ da der eine die mittel da- zu schoͤsse/ ob er wol nicht mitarbeiten kan/ der andere hingegen seine arbeit da- bey leistete: da gleichwol jenem durch dieses arbeit von seinen mitteln gewinn kommet. Das schwehrste 3. moͤchte seyn/ daß der gewinn enorm und nicht nach den reichs-satzungen/ wie viel man von ausgelehntem geld zu nehmen habe/ eingerichtet seye. Nun ists nicht ohne/ daß es einen schein einer grossen unbillichkeit habe. Wann aber hingegen dieses vorausgesetzt wird/ daß die assecurationes dem gemeinen besten in beforderung der kauffmannschafft/ welche nachmal so viele menschen erhalten muß/ noͤthig/ und also den gesetzen nicht zu wider seyen/ daher auch die regenten dieselbe billigen/ so wird damit alles dasjenige/ was darzu noͤthig ist/ es waͤre dann offenbarlich GOttes wort zu wider (dieses aber defini ret nirgend die proportion des gewinns/ sondern uͤberlaͤßt solches den regenten/ wie sie dieselbe nach bewandnuͤß zeit/ ort und geschaͤffte der gerechtigkeit und billichkeit gemaͤß befinden) zugleich mit gut geheissen und erlaubt gemacht. Nun wird leicht begreifflich seyn/ daß ohne dergleichen grossen und gegen andere arten der handlung uͤbermaͤßi- gen vortheil nicht allein schwehrlich jemand zu der assecuration sich verstehen/ sondern auch niemand lang dabey bestehen koͤnte. Jndeme menschlicher wei- se nicht wol muͤglich ist/ daß ein assecurant nicht dann und wann ungluͤck habe: Da wuͤrde aber ein auch offtmaliger sonst gewoͤhnlicher gewinn von vielen schiffen/ die mit gluͤck uͤberkaͤmen/ etwa kaum in mehrern jahren einen einigen verlust wiederum ersetzen koͤnnen/ sondern ein mann fast nothwendig/ GOtt bewahre dann das seinige auf fast ausserordenliche und im gemeinen leben kaum gewoͤhnliche weise/ in kurtzem ruiniret seyn muͤssen. Deme aber auch dadurch vorgekommen werden muß/ daß ob GOTT auch einige ungluͤckliche fahrten geschehen liesse/ wo nur etzliche andere durch dessen gnade geriethen/ derselbe ARTIC. III. SECTIO XV. derselbe noch immer in dem stand bleiben koͤnte/ daß er dem nechsten und dar- innen dem publico ferner zu dienen vermoͤchte/ indem die groͤssere oͤfftere ge- winne den einmaligen schaden wiederum ersetzen. Jndessen wird ein solcher assecurant, im fall er wahrhafftig christlich ist/ gleichwol aus trieb seines ge- wissens seinen gewinn auch also zu moderi ren wissen/ daß die liebe nicht ver- letzet werde: Nemlich dafern ihm GOTT meistens gluͤck gibet/ und also sein reichthum ungemein zunehme/ daß er durch den starcken gewinn nicht leicht andern schaden wieder zu ergaͤntzen haͤtte/ daß er so wol sonsten desto mehr ge- legenheit suche/ an nothduͤrfftigen die werck der liebe so viel reichlicher zu er- weisen/ (als wohin aller uͤberfluß/ den GOTT gibet/ meistens von ihm ge- meint ist/ als auch da er unter denjenigen/ welchen er mit seiner assecuration gedienet/ und von ihnen ein ehrliches bekommen/ einige finden solte/ die das- jenige/ was sie ihm expacto haben geben muͤssen/ schwehr truckte/ er auch als- denn etwas seines rechts sich begebe/ und wie man bey benoͤthigten schulden der pension oder zinsen wegen zu thun schuldig ist/ ihnen wieder von demjeni- gen zuwende/ was ihm sonsten das recht an sich selbs unzweiffenlich zuspraͤche: Jn welcher bewandnuͤß die liebe allezeit billich meisterin bleiben solle. Der HErr aber gebe selbs seinen willen in allen stuͤcken zu erkennen/ und erfuͤlle die hertzen mit liebe/ so muß alles nothwendig wol und ihm gefaͤllig gehen. Was die frage des anatomi rens wegen anlangt/ waͤre meine meinung diese. 1. Dem menschlichen leib/ als welcher ein tempel des H. Geistes ge- wesen/ oder doch hat seyn koͤnnen/ gebuͤhret seine ehre noch in gewisser maaß nach dem todt/ daß er also nicht als ein aaß des viehes anzusehen und zu tra- etiren ist. 2. Daher wo man mit todten coͤrpern schimpfflich und mit einer eigenlichen grausamkeit umgehen wolte/ ich auch solches nicht koͤnte billigen/ sondern sehe es an/ daß es zu beschimpffung des schoͤpffers gereichen wuͤrde. 3. Wo aber solche zerschneidungen und durchwuͤhlungen der menschlichen coͤrper wahrhafftig zu diesem ende geschehen/ die innerliche bewandnuͤß der- selben zu erlernen/ und in der erkaͤntnuͤß derselben zuzunehmen/ damit man durch dieselbe nachmal so viel tuͤchtiger werde/ zu der lebendigen leiber gesund- heit so viel gewisser zu rathen: So halte ich alle diejenige mittel/ die zu einem solchen an sich selbs noͤthigen und nuͤtzlichen zweck nothwendig sind/ auch goͤtt- lichem willen/ der diesen will/ nicht entgegen/ und deßwegen mit gutem gewis- sen zu practici ren. 4. Also bleibet mir dieses argument, was dem todten coͤrper nicht schadet/ nicht nur weil er nichts fuͤhlet/ sondern ohne das der ver- wesung zuerkant ist/ und also demselben nichts dran gelegen ist/ ob er in seiner gestalt mit an einander haͤngenden gliedern oder zerstuͤcket in dieselbe einge- het/ hingegen vielen lebendigen leibern nuͤtzlich seyn kan/ solches ist nicht nur an sich nicht unrecht/ sondern auch nicht zu mißrathen. 5. Daher wo ich selbs zum Das dritte Capitel zum exempel nach GOttes willen einigen schaden oder kranckheit bekommen solte/ welche entweder ungemein oder doch vermuthung waͤre/ daß nach dem todt die inspection meines coͤrpers solte andern/ sonderlich medicis, zu ihrem unterricht/ davon kuͤnfftig auch andere in curen nutzen haben koͤnten/ diensam erachtet werden/ wuͤrde ich die oͤffnung eher selbs befehlen als verbieten/ und solte mir lieb seyn/ nachdem ich nach meinem todt sonst mit meinem leibe nie- mand nutzen kan/ wo auffs wenigste dessen untersuchung dem nechsten nutzete. Daß ich also davor halte/ wie den todten coͤrpern an sich selbs damit nichts unrechts oder schaden geschihet/ daß auch die lebende/ wo sie wissen solten/ daß mit ihren leibern etwas dergleichen vor waͤre/ sich dessen mit gutem fug nicht zu beschwehren: Worinnen ich niemand nichts auffbuͤrde/ welches ich nicht auch eben so wol selbs an mir zu geschehen zu frieden waͤre: Welcherley zumu- thungen am allerwenigsten verdaͤchtig zu achten sind. 6. Wie es also zwahr einen schein einer grausamkeit hat/ auch noch dazu nicht ohne grosse schmer- tzen abgehet/ daß man einem lebenden einen arm/ schenckel oder dergleichen glied abloͤset/ wo es schneidens und brennens gibet/ so aber alles gerechtferti- get wird durch die erhaltung des lebens bey demjenigen/ dem solches abgeloͤ- set wird: Also wird auch aller schein der grausamkeit/ so sich bey dem zerflei- schen der todten und unempfindlichen coͤrper findet/ meines erachtens gnug- sam damit purgi ret/ weil die erhaltung der gesundheit bey mehrern lebenden/ die dardurch gesucht wird/ dessen wol wuͤrdig ist. 7. Jndessen sollen doch diejenige/ so damit umgehen/ auch sich so darbey bezeugen/ daß sie gedencken/ es seyen coͤrper ihrer art/ kein gespoͤtt darmit treiben/ und insgesamt nichts anders darinnen suchen/ als was der wahre zweck ist. Welchen vor augen habende sie so gar auch bey solchem werck zu unterschiedlichen guten betrach- tungen gelegenheit finden koͤnnen/ und sie nicht zu versaͤumen haben. Die- ses waͤren meine gedancken uͤber diese fragen. Der HErr aber mache un s selbs in allem seines willens gewiß. 1691. SECTIO XVI. Uber das pactum eines Advocati mit seinem Clienten wegen seiner belohnung. J N der sache Sempronii, so Lucio in einer zweiffelhafftigen rechts-sa- che gedienet/ und noch mehr als Lucii hoffnung gewesen/ erhalten hat/ ist unterschiedliches zu mercken: 1. Das erste pactum, so mit Lucio, welcher denselben dazu bewogen/ fuͤr seine bemuͤhung eine gewisse summa von jeglichem tausend/ so er erhal- ten wuͤrde/ sich versprechen zu lassen/ gemacht worden/ ist unrecht und dem gewissen zuwider gewesen; weil es ein pactum de quota litis, welcherley in den ARTIC. III. SECTIO XVI. den Kaͤyserlichen rechten aus vernuͤnfftigen und billigen ursachen ernstlich verboten/ auch solches Sempronio bekant gewesen ist/ daher ihn billich abhal- ten sollen/ zu dergleichen pacto sich nicht disponi ren zu lassen: so vielmehr weil dergleichen obrigkeitliche gesetze in solcherley dingen/ welche unter der weltlichen gewalt stehen/ und diese also dieselbe/ wie sie es zu dem gemeinen besten am vortraͤglichsten erkennet/ zu ordnen von GOtt macht hat/ auch die gewissen selbs verbinden/ daher es heisset Rom. 13. daß wir aus noth un- terthan seyn sollen/ nicht nur um der straffe/ sondern auch um des ge- wissens willen. Wo also dergleichen gesetze wissentlich uͤbertreten werden/ so wird damit auch das goͤttliche gebot/ so uns derselben gehorsam anbefieh- let/ nicht weniger uͤberschritten/ und daher suͤnde begangen. Dem mag nun mit bestand nicht entgegen gehalten werden 1. daß es nicht ein pactum de quota litis, sondern de quota certæ ejus partis gewesen. Denn auch dieses ist de quota litis, und gleich wie unter der ratione legis, al- so auch unter derselben selbs mit begriffen/ folglich verboten. 2. Daß der andere theil solches nicht nur anerboten/ sondern Sempronium so viel als da- zu genoͤthiget habe/ da derselbe sonsten lieber ein ander Salarium determini rt zu werden verlangt haͤtte/ zu dem/ daß Lucius auch ihm selber damit besser prospici ret/ und seines vortheils wegen auff solches pactum gedrungen/ da- hero davon nichts wieder fordern koͤnne. Dann (1. dergleichen pacta unter privatis gelten nicht/ da lex publica dieselbe austruͤcklich verbeut/ sondern dieses hat den privatis aus ansehung des Boni publici diese macht benommẽ/ daß ob wol sonsten einer mit dem seinigen nach belieben umzugehen macht hat/ ihm in diesem fall die haͤnde gebunden sind: wohin die gantze krafft des gesetzes gehet/ hingegen keiner dasselbe auffheben oder begeben kan: dann ih- rer zwey moͤchten sich wol etwas begeben/ das sonsten lege publica verordnet waͤre/ wo dasselbe das commodum privatorum selbs angienge/ da jeder theil auff das commodum renuncii ren mag/ so er sonsten davon zu erwarten ge- habt haͤtte/ aber wo lex publica zum grund das allgemeine interesse der rei- publicæ hat/ kan niemand sich dessen verbindlichkeit entziehen. (2. Sem- pronius haͤtte vielmehr auff seiner ersten verweigerung beharren/ und Luci- um zu einer andern Satisfaction disponi ren/ als wider die gesetze zu einem solchen pacto sich endlich verstehen sollen. (3. Ob wol wenn das pactum waͤre exequi rt worden/ Lucius nichts wieder zu fordern macht gehabt ha- ben moͤchte/ als der sich selbs dazu verstanden/ und Sempronium dazu ver- mocht hat/ so bleibet dennoch das unrecht/ da an dem publico gesuͤndiget worden/ und haͤtte derselbe Satisfaction zu suchen gehabt. Ferner mag auch nicht 3. die sache damit entschuldiget werden 1. weil die ratio legis est, ne oc- A a a casio Das dritte Capitel. casio præbeatur calumniose litigandi variisq; artibus acstrophis veritatem oppugnandi, hie keinen platz habe/ da alles ohne verletzung der gerechtigkeit in dem gantzen geschaͤfft und handel gefuͤhret worden: denn ob wol ratio legis verursacht hat/ daß dasselbe gegeben worden/ verbindet doch lex auch als- denn/ wo auch die ratio cessi rt/ ja wir moͤgen sagen/ ratio legis habe auch noch hie platz/ denn die ratio legis bestehet nicht darinnen/ daß allezeit bey solchem pacto auch gewiß andere unrechtmaͤßige procedu ren sich finden: sondern darinnen/ daß auffs wenigste dergleichen offt geschehen mag und zu gesche- hen vermuthlich ist: solcherley incommodis aber kan das gesetz nicht anders kraͤfftig begenen/ als wo es dasjenige/ woraus sie entstehen koͤnten/ absolutè verbeut/ wie hie geschehen ist/ und also solche sanction beyderseits gewissen verbunden hat. 2. Nachdem aber als die sache zu ende gebracht/ ein neuer vergleich ge- macht/ und mit einem nachlaß von der summa/ die aus dem ersten pacto be- zahlet werden sollen/ alles auff eine donationem remuneratoriam gesetzt worden/ gibet es von solcher zeit dem geschaͤfft eine gantz andre gestalt/ indem solcherley donationes nichts unrechtes oder verbotenes in sich haben/ auch Lucius so wol damals als auch nach der zeit immer mit demjenigen/ was er zugesagt und gegeben hat/ wohl zu frieden gewest. Daher Sempronius auch das empfangene als etwas verdienliches (sonderlich nachdem auch nach die- sem vergleich ein neuer nachlaß/ bey dem es endlich geblieben/ gemacht wor- den) mit recht ordenlicher weise behalten kan: Ob dann auch solche remune- ration gegen das sonsten gewoͤhnliche moͤchte allzuhoch scheinen zu kommen/ so stunde doch Lucio frey/ auch etwas von dem seinigen zu verschencken/ und kommet dabey in Consideration, daß Sempronius eine gute zeit ohne einiges entgeld/ ja wol mit eigenen kosten/ Lucio hat dienen/ auch staͤts in zweiffel seyn muͤssen/ ob er etwas/ oder doch der arbeit gemaͤsses/ bekommen wuͤrde/ als welches ja allerdings/ auff den fall nichts zu erhalten gewesen waͤre/ wuͤrde zuruͤck geblieben/ und Sempronii muͤhe/ die er angewendet/ unbelohnt/ nicht vergolten worden seyn: daher ihm auch zu goͤnnen ist/ daß die summa hoͤher gekommen/ als etwa insgemein fuͤr advocaten gebuͤhren gegeben zu werden pfleget/ da diese allezeit ihrer belohnung gewiß sind/ es gehe die sache ab wie sie wolle. Wozu auch kommt/ daß er durch die empfangene summa sich hat dazu verbinden lassen/ was noch weiter an solchem geschaͤfft erfordert wuͤrde/ ohne ferner entgeld auszumachen/ woraus muͤglich war/ daß noch viel muͤhe haͤtte gemacht werden koͤnnen/ ob wol dergleichen eben nicht erfol- get ist. Wie dann diejenige/ so gewisse jahrs-bestallungen haben/ solche ohn bedencken und mit gutem gewissen nehmen/ wo sie schon des jahrs uͤber an sol- chen wenig verdienet haben/ dazu sie gleichwol allezeit bereit gewesen waren/ also ARTIC. III. SECTIO XVI. also mag auch Sempronio zu statten kommen/ daß wo jene summa vor das verdiente solte zu starck gewesen seyn/ ein theil desselben fuͤr eine besoldung auff das kuͤnfftige zu nehmen gewesen/ die er also wol geniessen koͤnnen/ ob die sache wol nicht erfordert hat/ viele muͤhe deßwegen anzuwenden/ dazu er gleichwol gefast haͤtte seyn muͤssen. 3. Ob nun wol nach jetzt angefuͤhrtem Sempronius das gereichte titulo non injusto hat/ so bleiben gleichwol noch einige wichtige bedencken dabey: 1. daß gleichwol das erste pactum vitiosum und suͤndlich gewesen. 2. Jn dem vergleich zwahr nachmals der terminus donationis remuneratoriæ gesetzt worden/ abeꝛ von Sempronio solches moͤchte scheinen allein deßwegen/ sich von dem in jure verbotenen pacto mit solchem andern nahmen loßzumachen/ ge- aͤndert seyn zu werden. Da 3. indessen in der that das vorige pactum de quo- ta litis reipsa noch darinnen gestecket/ ob es wol vor der welt einen andern ti- tul bekommen/ welches sonderlich die summa 1333. fl. so die sextam partem der erhaltenen summe ausmachet/ anzeigen moͤchte/ da vorher der fuͤnffte theil wird accordi rt seyn worden/ endlich ists auff den siebenden kommen: also ist allezeit noch eine reflexion gleichsam auff eine quotam gemacht/ dero quantum zwahr immer verringert/ die natur aber des ersten pacti vitiosi in gewisser maaß behalten worden: welches gleichwol dem gewissen einigen scrupul machen kan. Dazu 4. kommt/ daß als Sempronius von GOtt son- sten angegriffen/ und seines gewissens/ wie es um solche zeit zu geschehen pfle- get/ erinnert worden/ dieses so bald auff diese eine gute zeit vorher vorgegan- gene sache gefallen ist: daraus abzunehmen/ daß entweder dasselbe bereits als die sache vorgegangen/ einige erinnerung gethan haben werde/ und wi- der dessen warnung die sache geschehen waͤre: oder sehe ich dergleichen ruͤh- rung uͤber dinge/ die eine zimliche weile vorhergegangen sind/ insgemein nicht vergebens zu geschehen an/ sondern erkenne darinne lieber einen finger GOttes/ so uns das verborgene unsers hertzens zu unserm besten vorstellet. 5. Wo auch das quantum selbs angesehen wird/ verstehe ich mich nicht dar- auff/ wie nach gerechtigkeit und billigkeit die advocaten- gebuͤhren zu æstimi- ren seyen/ und also wie fern die summa der 1000. fl. dasjenige/ was sonsten gebraͤuchlich/ uͤbertreffe oder nicht. Jch erinnere mich aber allezeit billich der allgemeinen regel unsers Christenthums/ und der darinnen gebotenen liebe/ daß niemand seine arbeit zu hoch anschlagen oder sich bezahlt machen solle/ indem sonsten/ ob er wol eusserlich ein solches justo titulo und ohne vor- wurff hat/ dannoch das gewissen vor GOtt damit nicht beruhiget ist: nach- dem die uns allen angebotene regel/ daß wir dem nechsten dasjenige schuldig seyen/ was wir von demselben auch uns verlangen/ so bald weiset/ daß jeder von dem nechsten verlange/ ihm seine arbeit nicht zu hoch anzuschreiben/ son- A a a 2 dern Das dritte Capitel. dern die billichkeit zu beobachten/ daher er sich so bald auch gleicher schuldig- keit billich erinnert. 4. Alle diese vorgestellte bedencken bewegen mich dahin/ ob wol was bey N. 2. gemeldet worden/ zeiget/ daß vernuͤnfftige ursachen angefuͤhret wer- den moͤgen/ so Sempronio das empfangene dermassenzu erkeñen/ daß er zu kei- ner restitution schuldig waͤre/ daß ich dannoch das gewissen nicht so gar ohne sorge dabey finde/ sondern mehr zu rathen suchte/ wie in andern zweiffelhaff- tigen gewissens-faͤllen offtmal zu thun ist/ nicht so wol partem probabilio- rem als tutiorem zu wehlen. Diese partem tutiorem und sichersten weg hielte nun zu seyn/ daß Sempronius nochmal in der furcht des HErrn uͤber- legte/ was er wol fuͤr seine auslagen und verdienst/ und alle muͤhe/ die er so wircklich verrichtet/ als sich darzu bereit halten muͤssen/ zu rechnen befugt seye/ so als sein eigen gewissen bezeugen wird/ gerecht und billich zu seyn. Da- bey ich gern zulasse/ daß er solchen verdienst so hoch setze/ als sich noch auch in der welt von dieser dinge verstaͤndigen und die billichkeit liebenden personen/ bey den oben erwogenen umstaͤnden/ verantworten lasse/ mit staͤter erwe- gung/ wie er etwa/ wo er an des andern stelle gewesen waͤre/ urtheilen wuͤr- de. Findet er nun die billige æstimation auff solche summe endlich zu steigen/ so hielte davor/ daß er sein gewissen ferner allerdings beruhigen und zu frie- den geben koͤnte/ nur aber noͤthig habe/ sich vor GOtt desjenigen wegen/ so bey der ersten convention unordenlich vorgegangen/ zu demuͤthigen. Solte es sich aber nach angestellter uͤberlegung befinden/ daß die 1000. fl. dasjeni- ge/ so er fuͤr seine muͤhe prætendi ren koͤnnen/ nach dem urtheil des eignen ge- wissens etwa weit uͤbersteigen/ so sehe ich nicht/ wie man sich einiger restitu- tion, ohne dem gewissen eine staͤte ursach einer anklage zu lassen/ entbrechen koͤnte. Es waͤre aber solche restitution nicht Lucio zu thun/ der durch seine Convention sich seines rechts begeben/ und also nichts fordern kan/ sondern weil die ursach derselben herkommet aus verletzung des gewissens in solchen stuͤcken/ daraus in der welt keine forderung gemacht werden koͤnte/ aber GOtt uns deßwegen schuldiget/ geschihet sie am billichsten an GOtt/ und also an dessen statt an die arme. Waͤre also dem gewissen auff alle kuͤnfftige faͤlle am gewissesten gerathen/ daß Sempronius eine solche summe/ die der uͤbermaß/ so in dem gewissen befunden worden/ gleich kommet/ an arme kommen liesse/ und sich damit aller sorge entladete. Da es heissen moͤchte Luc. 11/ 41. doch gebet allmosen/ von dem das da ist/ sihe so ists euch alles rein. Es waͤ- re auch zu rathen/ daß sonderlich die wohlthat an solche arme geschehe/ die kinder GOttes sind/ welcherley wohlthaten allezeit wir vor andern doppel- te verheissungen haben/ also gewißlich die krafft haben werden/ von GOtt der seelen eine so viel bestaͤndigere ruhe zu erlangen. Der ARTIC. III. SECTIO XVII. Der HErr zeige aber auch hierinnen selbs seinen willen/ mache das hertz durch seine gnade gewiß/ undreinige das gewissen von allem/ das demselben jetzt anstoͤßig ist/ oder doch kuͤnfftig werden moͤchte/ um alsdenn einer so viel bestaͤndigern und vergnuͤglichern ruhe zu geniessen. Amen. 1688. SECTIO XVII. An einen gewesten Socinianer/ der zu der Evan- gelischen religion getreten/ ob und wie fern er seinen Patronis, die ihn studiren lassen/ verbunden seye. J Ch dancke billich dem Vater der barmhertzigkeit/ welcher gleichwie mein armes gebet an denselben/ so fuͤr ihn und bißherige seine mitbruͤder stets dahin gegangen/ damit er durch das liecht seines Heil. Geistes ih- nen sonderlich seines eingebohrnen Sohnes ewige Gottheit und theure gnugthuung in der wahrheit zu erkennen geben wolle/ gnaͤdiglich erhoͤret/ und sein liecht in seiner seelen weiter auffgehen hat lassen. Also zeiget er/ daß sei- ne wahrheit noch die krafft behalte/ die hertzen derer/ welche sein wort in schuldiger gelassenheit und mit auffmercksamkeit untersuchen/ zu ihrer erkaͤnt- nuͤß kraͤfftig zu ruͤhren: Dafuͤr wir ihn billich zu preisen haben werden in zeit und ewigkeit. Er wolle auch nicht nur allein denjenigen saͤmtlich/ welche auf gleichen irrwegen/ davon er seine liebe person jetzo auf die rechte strasse fuͤhret/ annoch einhergehen/ sein liecht kraͤfftig mehr und mehr zu vertreibung aller finsternuͤß lassen auffgehen/ sondern vornemlich nunmehr in ihm das ange- fangene gute werck weiter lassen zunehmen und vollfuͤhret werden auf den tag JEsu Christi/ damit er in die lebendige goͤttliche erkaͤntnuͤß stets tieffer ein- tringe/ mit fruͤchten der gerechtigkeit reichlich erfuͤllet/ und so wol ein angeneh- mes glied als loͤbliche zierde unserer Evangelischen Kirchen werden moͤge. Ja er erfuͤlle auch an ihm seine verheissung/ wie er ein vergelter derer seyn wolle/ die um seiner wahrheit willen etwas von zeitlichen bequemlichkeiten willig hindansetzen: Wie ich auch nicht zweiffle/ daß er solches an ihm thun/ und der- jenigen/ zu welchen er kommet/ hertzen mit liebe zu ihm neigen werde. Was die beyde mir vorgelegte fragen anlanget/ und zwahr die erste/ ob der Herr schuldig seye/ auf der Patronorum und Curatorum, welche denselben mit mitteln in der frembde verlegt/ abforderung sich nunmehr in Sie- benbuͤrgen zu stellen/ oder auch das auf ihn gewandte zu restitui ren? erklaͤhre meine meinung dahin: Daß nicht ohne sey/ daß derselbe seinen Patro- nis in gewisser maaß verbunden bleibe/ indem die aͤnderung der religion ande- re verbindlichkeiten in dem menschlichen leben nicht auffhebet; jedoch kan sol- ches verbinden nicht anders/ als so fern das gewissen dabey ohnverletzt blei- A a a 3 bet/ Das dritte Capitel. bet/ verstandenwerden. Achtete ich also davor/ daß derselbe seinen Patronis und Curatoribus auffs foͤrderlichste wissen zu machen habe/ was GOTT vor eine aͤnderung mit demselben vorgenommen/ und ihn zu einer bessern erkaͤnt- nuͤß gelangen habe lassen/ mit anzeige/ daß wie sie GOTT in die herrschafft der gewissen nicht eingr eiffen werden wollen/ er nicht sehe/ daß nunmehr seine hineinkunfft jetzo oder kuͤnfftig nach ihrem wunsch seyn wuͤrde. Zwahr/ wo sie ohnerachtet dessen ihm gleichwol die zugemuthete professionem Logices und Ethices aufftragen/ und ihm dabey versicherung thun wolten/ ihn nach seinem gewissen lehren und leben zu lassen/ wolte er seiner obligation nach- kommen/ und sich zu antretung der angetragenen stelle verstehen (wie ich denn in solchem fall selbs denselben dazu verbunden glaͤubte/ und die sache also an- saͤhe/ daß GOTT etwas mehres gutes/ als wir voran abmercken koͤnten/ mit ihm vorhaben muͤste/ weßwegen auch die etwa dabey sorgende gefahr nicht ge- scheuet werden doͤrffte.) Wenn er aber billich zu sorgen habe/ daß sie ihm in dieser seiner bewandnuͤß solchen dienst nicht anvertrauen wuͤrdẽ/ er hingegen auch wider sein gewissen nicht thun/ oder auf gleiche weise/ als ihre bekaͤntnuͤß erforderte/ kuͤnfftig lehren/ oder ihm jemand dergleichen zumuthen koͤnte/ so wuͤrde vermuthlich ihnen selbs etwa angenehmer odeꝛ rathsamer seyn/ da er in diesen landen hieraussen verbliebe/ und seiner gewissens-freyheit ruhig genoͤs- se. Was die vorgeschossene mittel anlangt/ nachdem dieselbe zu seinen Stu- diis gewidmet/ er sie auch treulich dazu angewendet/ nicht weniger bereit seye/ ihnen damit an der schule/ wozu sie ihn bestimmet/ so fern zu dienen/ als er sei- nem gewissen ein gnuͤge zu thun gelassen wuͤrde/ hoffte er/ sie wuͤrden ihm selbs dieselbe willig erlassen/ nachdem es nicht sein eigener wille/ sondern seines GOttes gnade gewesen/ die ihn in den stand setze/ daß er nach ihrem willen und absicht/ wie er sonsten gethan haben wuͤrde/ nun nicht mehr weiter ihnen zu dienen vermoͤchte. So waͤre auch denselben desten jetziges zeitliches un- vermoͤgen dermassen bekant/ daß sie wuͤsten/ die refusion diesesmal blosser- dinges unmuͤglich zu seyn. Solte es aber geschehen/ daß ihn GOTT nach seiner guͤtigen fuͤgung kuͤnfftig so weit in dem leiblichen segnete/ daß er ohne abbruch seiner nothdurfft nach und nach ihnen etwas abtragen koͤnte/ wolte derselbe/ dafern sie ihm nicht willig solches erliessen/ sich auch dazu verstehen/ damit er ihnen nicht einiges aͤrgernuͤß gebe. Auf diese weise hielte ich davor/ daß hinein zu schreiben waͤre/ und glaube/ daß damit die gerechtigkeit und christliche liebe nicht verletzet werde. Jndessen aber hielte wolgethan/ daß derselbe nicht eben in Breßlau der antwortlang erwartete/ sondern mit an- zeige an die Patronos, wo er anzutreffen seyn werde/ sich hieher verfuͤgte. Da ich versichere/ daß man ihm mit liebe begegnen/ und auf fernere versorgung nach moͤglichkeit bedacht seyn werde. Wohin ich denn auch die andre frage/ was ARTIC. III. SECTIO XVIII. was ins kuͤnfftige vorzunehmen/ verschieben will/ als davon ich nicht so wol dißmal schreiben kan/ sondern zu dero gruͤndlicher beantwortung unterschied- liches wird uͤberlegt werden muͤsseu/ welches nicht wol anders als in gegen- wart geschehen kan. Daher es dißmal hierbey beruhen lasse/ und nechst hertz- licher wiederhohlung obigen christlichen wunsches ihn insgesamt der himmli- schen gnaden-regierung und kraͤfftigen wuͤrckung des Heiligen Geistes uͤber- lasse. 1687. SECTIO XVIII. Vom boͤsen gebrauch bey dem Schneider-hand- werck/ da die gesellen als ein recht prætendi ren/ von der zu verarbeiten gegebenen seide vor sich einen theil zum verkauff zu be- halten/ und die meister/ die solches nicht zulassen wollen/ deswegen verlassen. A Uf das vor mir ausgeschuͤttete anliegen zu kommen/ ist auch dieses ein zeugnuͤß unsers eussersten verderbens/ daß neben den allgemeinen hin- dernuͤssen jegliche absonderliche profession auch ihre besondere steine des anstosses hat/ die denjenigen/ welche gern ihr Christenthum nach der regel GOttes fuͤhren wollen/ dasselbe schwehr machen/ daß sie dieselbe zu uͤberwin- den kaum muͤglich finden/ und manch tausend seuffzen deswegen zu GOTT schicken. Darzu noch kommet/ daß jeglicher seinen stand vor allen andern vor den verderbtesten und gefaͤhrlichsten achtet/ weil er nemlich dessen gefahr vor allen andern am meisten einsihet/ da ihm hingegen nicht gleicher massen bekant ist/ wo auch andere der schuh trucke/ und ihnen nicht weniger angst verursache. Daß ich aber so bald zur sache selbs schreite/ so fasse ich meine meinung in etliche saͤtze. 1. Aller eigenliche diebstahl ist einem Christen ver- boten/ und kan mit unverletztem gewissen nicht begangen werden: Es heisset aber diebstahl alles/ wo ich dem andern etwas des seinigen entziehe/ entweder mit gewalt/ oder heimlich und unvermerckt/ unter welche art denn eben dieses gehoͤret/ wo man bey dem schneider-handwerck zu den kleidern mehr seiden und anders fordert/ anrechnet/ und sich bezahlen laͤsset/ als man wircklich be- darff und verbrauchet. Daher ein solches zu thun allerdings unrecht ist. 2. Wie nun meister und geselleu/ die dergleichen thun/ sich allerdings hieran versuͤndigen/ so wird jenes schuld in so fern groͤsser/ daß er diesen zu ihrer boß- heit wissentlich hilfft. 3. Also kan dergleichen zu thun nicht recht oder er- laubt werden/ es waͤre dann/ daß diejenige/ mit denen man es zu thun hat/ auf vorstellung der sachen bewandnuͤß sich selbs darzu disponi ren liessen/ drein zu willigen/ daß etwas mehreres auffgenommen wuͤrde. 4. Ausser dem waͤre kein Das dritte Capitel. kein ander rath nicht/ als einmal sich dahin zu bestreben/ daß man gottsfuͤrch- tig gesind bekomme/ und dieselbe auff christliche weise durch verstattung meh- rer freyheit zu ihren geistlichen uͤbungen an sich ziehe: da ich ja nicht hoffen will/ daß unter einer grossen zahl schneider-gesellen nicht auffs wenigste eini- ge sich sinden solten/ denen es mit ihrem Christenthum ein ernst/ und also bey einem auch christlichen meister/ ob er schon dergleichen boͤse gewohnheit ihnen nicht verstattete/ vor andern zu arbeiten ein angenehmer dienst waͤre. Wie mich erinnere/ daß als in N. lebte/ etliche schneider-gesellen mich gesprochen/ aus dero gespraͤch gute hoffnung geschoͤpffet/ daß sie gern ein unverletzt gewissen behalten wolten. Wo nun solch gesinde vorhanden/ zweifle nicht/ daß es sich auch in diesem stuͤck seines Christenthums wohl bescheiden wer- de: da es hingegen auch um laͤnger zu bleiben mit aller liebe und freundlicher begaͤngnuͤß vermacht werden solle. 5. Waͤre aber solches nicht zu erlangen/ sondern man muß gesinde nehmen/ wie mans haben kan/ so muß denselben ihr lohn vergroͤssert/ oder bey jeder arbeit dasjenige/ so viel ihre boͤse gewohn- heit ihnen nunmehr von der seide zueignet/ auff ihre verantwortung verguͤ- tet werden. So koͤnte nachmal hinwieder auff den macherlohn etwas geschla- gen/ und den leuten/ wo sie sich beschwehreten/ freundlich gezeiget werden/ daß wo andere dem ansehen nach wolfeiler arbeiteten/ sie hingegen in anderm/ da sie mehr seiden fordern/ solches einbraͤchten/ da man hingegen in solchen stuͤcken redlich mit den leuten verfuͤhre/ indessen wegen solcher auffrichtigkeit/ nicht in schaden zu lassen seyn. Da ich das vertrauen habe/ was verstaͤndige und billige leute seyen/ werden alsdenn einige groschen nicht ansehen/ da- durch sie den verlust von etwa noch so vielem/ nur daß sie sonst desselben nicht so ge wahr werden/ vermeiden. 6. Solte man auch auff diese weise/ das an die gesellen mehr gebende nicht wieder erstattet bekommen/ sondern selbs tra- gen muͤssen/ hat man solches leiden/ indem man weniger vor sich bringt/ als man sonst gepfleget/ als ein leiden des HErrn auffzunehmen/ und mit gedult zu tragen/ ja aber sich dessen zu entschuͤtten/ nicht zu den verbotenen mitteln zu schreiten/ mit staͤter vorstellung/ wie kein verlust so groß seyn koͤnne/ daß wir unsre seele daruͤber zu verliehren in gefahr zu setzen ursach haͤtten/ so dann/ daß derjenige wahrhafftige GOtt/ welcher den seinigen zugesagt hat/ daß er sie nicht verlassen noch versaͤumen wolle/ Hebr. 13. noch so reich seye/ auff ihm bekante art/ dasjenige/ was wir um seinet willen weil wir mit unrecht wider seinen willen unsers vortheils halber nicht thun wollen/ hind- an setzen/ wiederum zu erstatten/ und uns unsre nothdurfft zu beschehren: da es ihm hingegen auch an macht nicht manglet/ dasjenige was mit boͤsen stuͤcken/ sonderlich da uns unser gewissen wircklich daruͤber bestraffet hat/ vor uns gebracht/ auff allerley art wieder zu verstaͤuben/ daß wir dessen doch nicht ARTIC . III . SECTIO XIX. nicht froh werden solten. Wie dann dergleichen sunde so bald bey einem men- schen schwehrer zu werden anfaͤngt/ als er von GOtt zur mehrern erkaͤntnuͤß gebracht wird. 7. Will aber eine ehegattin sotches nicht begreiffen/ ist ihr christlich und beweglich die gantze sache/ und wie kein segen bey diesem ver- meinten vortheil seyn koͤnne/ vorzustellen/ um sie damit auch zur ruhe zu bringen: allenfals aber/ wo sie sich dadurch nicht bedeuten liesse/ solches dem HErrn/ der die hertzen allein lencken kan/ wie er will/ zu befehlen/ und auch in solchem ungemach gedult zu uͤben. Dieses ist/ wie ich die sache vor GOtt ansehe/ welches alles in dessen furcht zu uͤberlegen bitte/ um alsdenn zu schliessen/ was das gewissen haben will. Der HErr mache uns selbs seines willens gewiß/ so allein durch gnade geschehen kan/ und gebe uns getrosten muth/ dem erkanten willen auch wircklich zu gehorsamen um Christi willen. Amen. 1698. SECTIO XIX. Von den Conversis aus dem Papstum. W Je ich mich schuldig erkenne/ also thue ich denen conversis gern gutes und muͤgliche treue. Jch halte aber diejenige vor keine conversos, welche zwahr mit dem munde zu unserer Lutherischen religion sich bekennen/ aber nicht wuͤrdiglich wandeln dem beruff dazu sie beruffen sind; und wuͤnschete ich lieber/ daß manche/ welche zu uns aus dem Papstum kommen/ darinnen blieben/ wo sie mit aͤrgernuͤß unsere kirche nur beflecken und schaden thun/ ihrer seelen wegen aber auch keinen nutzen davon haben. Dann das ist weit gefehlt/ wo sie meinen/ der Lutherische glaube/ das ist/ wo sie zu solcher religion sich bekennen/ und davon unterrichtet sind/ werde sie bey allem boͤsen leben selig machen. Jch weiß nur einen glauben der selig ma- chet/ welchen unser selige Lutherus in der vorred der Epistel an die Roͤmer und anderswo herrlich beschreibet/ wie er nicht eine menschliche meinung/ sondern goͤttliche krafft in dem hertzen seye/ so einen gantz andern menschen machet/ und ihn nicht im boͤsen leben ligen laͤsset. Wo ich diesen glauben nicht finde/ so halte ich keinen vor einen wahren conversum, ob er auch gleich mit tausend eyden/ die Lutherische religion beschworen haͤtte/ und dabey zu leben und zu sterben sich erklaͤhrte/ ja ich bin versichert/ daß einen solchen men- schen/ der dabey ein uͤbel leben fuͤhret/ die erkaͤntnuͤß der goͤttlichen wahrheit aus unserer wahren Lutherischen religion nur so viel schwehrer verdammt/ als wo er in dem paͤpstischen finsternuͤß geblieben waͤre. Es ist aber alles solches nachmal bey dergleichen menschen allein eine menschliche meinung von der goͤttlichen wahrheit/ und nicht der rechte glaube/ welcher ohne den H. Geist nicht ist/ dieser aber bey einem boßhafftigen menschen nicht wohnen B b b kan. Das dritte Capitel. kan. So hertzlich ich dann die wahre conversos liebe/ da ich sehe/ daß den- selben die goͤttliche wahrheit angelegen ist/ und sie also eines gantz exemplari- schen unstraͤfflichen wandels sich befleissen/ Gott vor seine erleuchtung danck- bar zu seyn/ (dergleichen ich aber bekenne etwas seltzames zu seyn) so gering achte ich hingegen diejenige/ welche die conversion nur in information des verstands/ nicht aber auch in aͤnderung des willens und gantzen menschen su- chen/ von denselben sorge billig/ daß sie zu uns nur gekommen aus liebe eines freyen lebens: gerade als ob unsere Lutherische religion dem fleisch mehrern zaum schiessen liesse. Da doch gleich wie unsere lehr vor die geaͤngstete und goͤttlichen zorn fuͤrchtende gewissen dergleichen trost hat/ davon das Papstum wenig weiß/ sie gleichwol den in suͤnden fortfahrenden/ viel ernstlichere re- geln vorschreibet/ als immermehr die Papisten von sich ruͤhmen moͤgen/ daß die ihrige thue. Jndem bey diesen das opus operatum der haltenden mes- sen und einiger eusserlicher wercke dem vorgeben nach vieles zur seligkeit thun mag: da wir hingegen zur seligkeit schlechterdings den wahren glau- ben requiri ren/ denselben aber bey keinem zu seyn erkennen/ als der mit allem eiffer und ernst ein gottseliges leben ihm laͤsset angelegen seyn. Gleich wie ich nun dieses mit recht erfordere von allen denen/ die sich Evangelisch und glieder unserer kirchen ausgeben/ also habe ichs noch mit so viel mehrerm recht zu fordern/ von denjenigen/ welche von andern religionen zu uns kom- men/ und so wol GOtt als unserer kirchen schuldig sind; gegen jenen ihre danckbarkeit vor die grosse gnade der erleuchtung zu erweisen/ diese aber/ welche dieselbe auffgenommen/ mit aͤrgernuͤß nicht zu besch wehren/ sondern mit gutem exempel zu erbauen/ die dieses nicht thun wollen/ die blieben besser von uns. Was N. N. trohet/ er werde muͤssen thun/ was er nicht gern thue/ und also etwa wieder zu dem Papstum kehren/ schrecket mich nicht/ dann haͤlt er die liebe der erkanten wahrheit nicht so hoch/ daß er auch das groͤßte elend um derselben willen zu leiden/ und wo es noͤthig waͤre/ auch mit genaue- stem behelff und eigner arbeit sein leben durchzubringen/ ja alles unrecht eher daruͤber auszustehen/ bereit waͤre/ als in die vorige finsternuͤß zu den fleisch- toͤpffen Egypti zu kehren/ so ist er solcher erkaͤntnuͤß nicht werth: sie ist auch mehr eine menschliche persuasion, als goͤttliche erkaͤntnuͤß bey ihm. Dann wo diese ist/ so ist so bald das propositum, Christo sein creutz williglich aller orten nachzutragen/ welches ich allezeit den proselytis ernstlich einbinde. Jch wuͤnsche von hertzen/ daß der grundguͤtige GOtt ihn mit seinem Geist er- leuchten wolle/ zu erkennen/ wie bißhero sein leben (wo nur das wenigste/ so von ihm berichtet/ und durch die obrigkeitliche straff bekraͤfftigt worden/ wahr ist) der Evangelischen profession nicht gemaͤß gewesen/ und also er erst einer rechten conversion, ein wahrer Lutherischer Christ zu werden/ bedoͤrff- te/ ARTIC. IV. SECTIO te/ so dann daß er solches Geistes wirckungen bey sich platz gebe/ hinkuͤnfftig sich anders anzuschicken/ daß GOttes nahme nicht seinetwegen gelaͤstert/ sondern gepriesen/ der nechste erbauet/ und er selbs erhalten werde. Groͤs- sere liebe weiß vor dißmal ihm nicht zu thun/ als mit solchem eiffrigem gebet. ARTICULUS IV. Pflichten eines Christen gegen sich selbs und seinen beruff. SECTIO 1. D Aß man die befindung seiner unvollkommenheit sich nicht nieder- schlagen lassen solle. Examina catechetica. Ob man etwas uͤ- brig haben koͤnne? Wie weit sich das maaß der gutthaͤtigkeit er- strecken solle? 2. Von der art des glaubens/ sonderlich aus welchem alle wercke herkommen muͤssen: Ob man simuli ren oder dissimuli ren duͤrffe? Ob man einen beruff anzunehmen/ dazu man sich untuͤchtig achtet? Vom innern be- ruff/ und insgesamt/ woran man den goͤttlichen beruff zu erkennen habe. 3. Verleugnung sein selbs und der welt: besuchung andrer religion kirchen/ und gebet darinnen. Transplantation der kranckheiten. Jacob Boͤhme. D. Carpzov. 4. Bereitung des hertzens zu williger verleugnung alles zeitlichen/ aus ge- legenheit der uͤbergab der stadt Straßburg. 5. Verlangen nach dem himmlischen vaterland. 6. JEsus den Christen alles. Art des rechten verlangens nach der auffloͤ- sung. Heiliger saame unter hohem stand. Geistliche stiffter. 7. An eine hohe standes-person uͤber gefuͤhlte ungemeine geistliche freude/ wie man sich darein zu schicken. 8. Schuldige danckbarkeit einer aus leib- und geistlicher noth befreyter stan- des-person. 9. Einsamkeit und stille ein gutes huͤlffsmittel zur heiligung. An eine vor- nehme Adeliche Fraͤulin. 10. Hertzens-angst. Verlangen nach stillem leben. 11. Einige lebens-regeln von den beruffs-wercken; sanfftmuth gegen boͤse; enthaltung des richtens. 12. Uber das verlangen eines politici die welt-geschaͤffte mit ruhigerem le- ben zu verwechseln. B b b 2 13. Ge- Das dritte Capitel. 13. Gefahr unser zeiten. Regeln eines christlichen kauffmanns: absonder- lich wegen zoll und accise. 14. Antwort auff einige scrupul betreffend die kauffmannschafft. 15. Von dem vornehmen die kauffmannschafft zu verlassen. 16. Ob man die handlung/ um sich der welt loßzureissen/ bey noch habenden schulden/ verlassen koͤnne. 17. Von dem vorhaben eine vornehme mit rechts-sachen umgehende stelle mit einer andern lebens-art zu verwechseln. Von der vereinigung der religionen. 18. Uber den casum, da jemand sein weltliches amt verlassen/ und um stille- res lebens willen sich in sein vaterland begeben hat. 19. Was ein soldat sich zu erinnern habe. 20. Wie man zu weilen etwas gutes/ so aber nicht nothwendig/ um der meh- rern gefahr willen zu unterlassen habe. Von dem so genanten H. Christ/ und den gaben/ die man den kindern gibet. 21. Ob man etwas gutes zu unterlassen/ woraus man sorget boͤses zu ent- stehen. 22. Ob man sein Christenthum ohne anstoß der welt fuͤhren koͤnne/ oder ihr weichen solle. 23. Wie man sich in getrucktem zustand zu verhalten. 24. Von dem fasten. 25. Von dem fleiß/ eine seine gestalt zu erhalten. 26. Von den perruquen, ob dero tragen ein mittelding? 27. Noch ein anders von tragen der perruquen, so sich auff das vorige be- ziehet. 28. Von der phrasi, Tres Creatores. Von gesundheit trincken. 29. Was vom tantzen zu halten seye/ und ob es mit dem Christenthum uͤber- ein komme. 30. Vom tantzen und der dazu brauchenden Music. 31. Von tantzen-lernen hoher standes-personen. SECTIO I. Daß man die befindung seiner unvollkommenheit sich nicht niederschlagen lassen solle. Examina Catechetica. Ob man etwas uͤbriges haben koͤnne. Wie weit sich das maaß der gutthaͤtlgkeit erstrecken solle? D Aß ich auf sein liebes schreiben naͤher komme/ ists freylich an deme/ daß derjenigen unter uns/ denen doch solches vor andern obliget/ wenige seyen/ ARTIC . IV. SECTIO I. seyen/ die es mit der ehre Christi recht und lauter meinen/ ja daß nicht auch dann und wann andere absichten bey denen/ die im uͤbrigen rechtschaffen sind/ mit untergemischet werden. Wann nun mein geliebter Bruder sich daruͤber aͤngstliche sorge machet/ weil er auch manchmal in den besten wercken gewahr werde/ wie sich das fleisch mit einmische/ und die absichten verunreini- ge: So bitte denselben/ daß er zwahr freylich solche pruͤfung nicht unterlassen/ sondern sich so offt er etwas dieser unart an sich findet/ vor dem HErrn des- halben hertzlich demuͤthigen wolle/ aber dabey sich nicht niederschlagen/ noch seine freudigkeit in seinem amt sich nehmen lasse/ womit er sonsten ihm/ und der in ihn gelegten gabe/ mehr schaden thun wuͤrde. Wir haben hierinnen billich einen grossen unterscheid zu machen unter denen/ welcher eigentliche absicht nach demjenigen/ was in ihrem hertzen den vornehmsten platz hat/ nicht rein auf GOTT gehet/ sondern bey ihnen die suchung eigener ehr/ nutzens und lust/ entweder auf eine gantz grobe art der absicht auf GOTT vorgezo- gen wird/ oder dannoch so viel in dem hertzen hat/ daß sie in der wahrheit und mit unserem willen demjenigen an die seite gesetzt wird/ worinnen wir GOtt suchen sollen; diese sind miedlinge und untreue diener vor GOTT: So dann unter denen/ welche nach dem eigenlichen und wahrhafftigen vorsatz ihrer seelen nichts anders verlangen/ als goͤttliche ehre auf alle muͤgliche weise zu befordern/ und sich auch darnach bestreben/ ob sie wol nachmal noch bey sich finden/ daß auch das fleisch sie zu seinen absichten reitze/ und unvermerckt et- was deroselben mit einmische/ dem sie aber/ so bald sie solches gewahr wor- den/ ernstlich widersprechen/ und es ihnen lassen leid seyn/ was nur einigerley massen ihre auffrichtige intention verunreiniget. Diese letztere bleiben da- bey wahre Christen und treue diener GOttes/ und koͤnnen versichert seyn/ es gehoͤren diese von dem fleisch ein werffende reitzungen/ und was sich davon in etwas hertzlich gut gemeintes einmischet/ unter die dinge/ welche ihr gutes zwahr so fern verunreinigen/ daß es vor den heiligen augen GOttes nicht als vollkommen gut angesehen werden kan/ nicht aber daß der HErr solches gantz verwerffe/ als der ihre schwachheit kennet/ damit gedult hat/ und um ih- res mittlers willen ihm gefallen laͤsset/ was an sich noch unrein ist/ aber stets mit dem blut JEsu und wahrhafftigen glauben an dasselbe vor seinem gericht gereiniget wird. Wie dann unsre geistliche opffer GOTT nicht anders angenehm sind/ als durch JEsum Christum 1. Petr. 2/ 5. und also in der krafft seiner versoͤhnung und reinigenden blutes. Es ist dieses der stand/ davon es heisset Rom. 7/ 19. 20. das gute das ich will/ das thue ich nicht/ das ist dasjenige/ was ich thue/ wo ich es recht examinire ist nicht eigenlich dasjenige/ was ich habe thun wollen/ dann ich wolte gern etwas gantz voll- kommenes und ohn einigen flecken bleibendes thun/ so finde ich hingegen an B b b 3 mei- Das dritte Capitel. meinem auch besten viel unreines: Hingegen was ich nicht will/ nemlich et- was ausser meinem GOTT zu suchen/ das thue ich/ und schleichet sich solches mir unwissend und wider meinen ernstlichen willen in das werck: Aber dar- aus erhellet/ daß ich es nicht bin/ der ich es thue/ weil stets ein wahrhafftiger wille anders zu seyn und zu thun/ und ein gruͤndlicher widerspruch in dem hertzen gegen solches unreines wesen/ sich bey mir findet: sondern die suͤnde thut es/ die in mir wohnet/ und dero ich zwahr die herrschafft nicht lasse/ daher immer/ wo ich kan/ derselben wehre/ aber nicht hindern kan/ daß sie mir bald da bald dort etwas meines guten verderbe. Es ist auch was Paulus lehret Gal. 5/ 17. daß aus dem streit des fleisches und geistes folge/ daß sie nicht thun/ nemlich in der reinigkeit und vollkommenheit/ was sie wollen: Jndessen stehet so bald der trost dabey/ wo sie sich gleich wol den Geist GOt- tes regieren lassen/ und dessen trieb gern folgen/ ob sie es wol nicht ausrichten koͤnnen was sie wollen/ und noch taͤglich gleichsam in allen ihren wercken et- was von dem fleisch finden/ das sie zu creutzigen haben/ so seyen sie doch nicht unter dem gesetz noch dessen fluch/ sondern unter der gnade/ und also handle der himmische Vater mit ihnen wahrhafftig nach dem Evangelio/ und gedencke ihrer schulden nicht. Mein werther Bruder seye versichert/ es lige an dieser sache ein sehr grosses/ daß wir uns dieses sehr tieff in die hertzen durch des H. Geistes krafft aus dem wort eintrucken lassen/ damit es uns stets darinnen seye/ und wir lernen niemal auf unsere wercke sehen/ daß nicht immer zugleich auch dieser gnaden-bund vor uns stehe. Dann wie gefaͤhr- lich es ist/ wo man sein wesen untersuchet/ und alles/ was nur einen schein des guten hat/ vor koͤstliches werck bey uns ansihet/ wodurch die bußfertige de- muͤthigung vor GOTT und viel anders bey uns gehindert/ hingegen eine gefaͤhrliche sicherheit verursachet wuͤrde/ so gefaͤhrlich ists hingegen/ wo wir dabey stehen blieben/ allein das unreine an unsern wercken wahrzunehmen/ und anderseits des gleich wol wahrhafftig dabey und aus des Geistes trieb gethanen guten/ so dann der gnade unsers JEsu/ die unsere flecken reiniget/ zu vergessen. Jndeme durch solches nicht nur GOTT um das schuldige danckbare lob vor das gute/ was er gleichwol in und durch uns gewuͤrcket/ ge- bracht/ sondern auch das gemuͤth so niedergeschlagen wird/ daß es zu dem meisten guten/ so mit und in einer freudigkeit am besten geschihet/ fast untuͤch- tig oder doch sehr traͤge wird. Daher wir den HErrn hertzlich anzuruffen/ daß er uns auch solches uns anklebende unreine also erkennen und einsehen lassen wolle/ damit solche erkaͤntnuͤß uns vielmehr foͤrderlich als hinderlich werde/ und uns die guͤte GOttes in beurtheilung unserer wercke mehr zu dero fleißiger uͤbung antreibe/ als die forcht der fehler dabey abschrecke. Koͤn- nen ARTIC . IV. SECTIO I. nen wir dann/ wo wir in den wegen des HErrn lauffen/ nicht anders als mit hincken solches zu werck richten/ so lasset uns doch lieber also fortfahren/ als aus schahm der unform des hinckens uns gar niedersetzen/ dann in jenem fall kommen wir gleichwol weiter/ wo wir nur auf der rechten strasse bleiben/ und nicht ausweichen. Ferner freuet mich meines werthen Bruders fleiß an die jugend gewendet hertzlich/ und versichere denselben/ daß dieser saame in die zarte hertzen ausgestreuet die groͤsseste hoffnung einer gesegneten ernde gebe. Was aber anlanget das anligen/ wie mit der jugend am besten zu verfahren/ daß sie alles in rechter ordnung begriffen/ und nachmal in die uͤbung braͤchten/ seye er gewiß/ daß es auch das meinige ist/ und wolte ich lieber von andern/ die der HErr weiter gefuͤhret/ hierinnen das noͤthige noch anhoͤren/ als mir ein- bilden/ daß ich andern die beste weise zeigen koͤnte. Sonderlich was das letz- te anlangt/ da mir mein lebenlang nicht aus den gedancken kommet/ was ein- mal ein verstaͤndiger mann/ da ihm die hiesige manier der kinder-lehr wol ge- fiel/ und er solches gegen mich bezeugte/ ferner zu mir sagte: Wie bringen wir aber den kopff (oder das darein gefaßte) in das hertz? und sehe ich lei- der selbs bey den meisten/ welche zu einer zimlich reichen buchstaͤblichen er- kaͤntnuͤß gekommen sind/ daß ihre hertzen noch wenig geruͤhret sind. Jndes- sen lasse ich mich doch solches von der fortsetzung der examinum nach der gna- de/ die der HErr beschehret/ nicht abschrecken/ thue gemeiniglich nach den fra- gen zuletzt einige vermahnung/ wie man die materie zur erbauung sich zu nutz zu machen habe/ ohne welches sonsten das wissen vergebens seyn wuͤrde/ ne- bens dem vermahne sie zu hertzlichem gebet/ damit was ich ihnen sage/ auch in das hertz kommen moͤge: uͤber dieses weiß nichts weiters zu thun/ als daß selbs den HErrn um seinen seegen anruffe/ und der zeit erwarte/ wann er sol- chen sehen wolle lassen. Wie ich dann versichert bin/ daß manche erkaͤntnuͤß oder wissenschafft erstlich eine lange zeit nichts/ als eine blosse buchstaͤbliche erkaͤntnuͤß bey einem menschen ist/ und wie ein todtes koͤrnlein in dem staub liget/ ohne einige frucht: aber zu seiner zeit/ da GOTT einen seegen und neue krafft in das hertz gibet/ gleichsam erst lebendig wird/ und in seine frucht ge- het. Wie auch die liebe Juͤnger/ da der HErr bey ihnen war/ vieles von ihm hoͤrten/ das sie nicht einmal buchstaͤblich recht verstunden/ und doch wars nicht vergebens/ sondern es kam zu seiner zeit der H. Geist dazu/ und machte lebendig/ was gleichsam todt war. Dieses ist einer meiner vornehmsten trost-gruͤnden/ was das amt anlangt/ bey alten und jungen. Der HErr wird einmal sein wort und unser in seinem nahmen verrichtendes werck nicht ungesegnet lassen/ solte auch der seegen spath kommen/ und der HErr uns nuͤtzlicher finden/ eine weil denselben uns zu verbergen. Daß mein buͤchlein von dem gebrauch und mißbrauch der klagen denselben gestaͤrcket/ sage ich mei- Das dritte Capitel. m e inem GOTT fuͤr seine gnade demuͤthigsten danck. Er gebe uns allen je l aͤ nger je mehr die bewandnuͤß unsrer zeiten/ und was nun in denselben sein wille an uns seye/ also zu erkennen/ daß wir ihn getrost thun/ arbeiten was durch seine gnad uns vorkommet/ und ihm endlich allen ausgang mit kindli- cher gelaͤssenheit empfehlen/ so dann unauffhoͤrlich bitten/ daß er die zeiten seines gerichts bald wolle lassen vorbey seyn/ und mit reicherem maaß seine gnade der kirche erscheinen lassen. Jch komme endlich auf die frage/ ob ein Cyrist mit gutem gewissen etwas uͤbriges/ und also auf einen noch nicht bewusten nothfall ligen habon koͤnne? Mich deucht aber/ die ent- scheidung solcher frage seye so uͤbrig schwehr nicht/ wo der status controversiæ wol macht genommen wird. Dann die frage ist nicht davon/ ob wegen eines noch nicht erscheinenden nothfalls denjenigen wercken der liebe/ welche mir GOTT vorkommen laͤsset/ und mich durch solche gelegenheit und regung meines gewissens dazu beruffet/ abgebrochen/ und sie darum unterlassen wer- den sollen/ welches ich bekenne nicht recht zu seyn/ sondern es muß die liebe des nechsten desselben noth mir so mit eigen machen/ als mir meine eigene ist/ wie ich nun meiner mittel/ dero ich wahrhafftig in dem gegenwaͤrtigen bedarff/ und sonsten schaden leiden wuͤrde/ nicht wegen des kuͤnfftigen falles schohne/ sondern sie anwende/ wie meine jetzige noth mit sich bringet/ also muß mich ebenfals die noth des nechsten/ damit der HErr meine liebe versucht/ bewe- gen/ daß ich das gegenwaͤrtige dem kuͤnfftigen vorziehe/ und die sorge dessen dem HErrn uͤberlasse. Wann aber sonsten weiter gefragt wird/ ob ausser dem fall einer solchen redlichen und zur huͤlffe mich verbindenden noth des nechsten/ ich einige mittel/ dero ich eben dieses mal nicht bedarff/ behalten und verwahren moͤge/ traue ich ohne bedencken mit ja zu antworten. Dann wir finden dessen nirgend einiges verbot/ vielmehr gibt Paulus 1. Tim. 6. den reichen dieser welt/ das ist/ die an weltlichen guͤtern reich sind/ ihre reglen der gutthaͤtigkeit nicht aber die weglegung alles ihres reichthums/ welches er doch thun muͤssen/ dafern alles uͤbrige blosserdings verboten waͤre. So ach- tet Christus den reichthum zwahr gefaͤhrlich (wie wir auch allen vornehmen stand vor gefaͤhrlich achten moͤgen) nicht aber vor suͤndlich/ und stehet die mei- nung des HErrn sonderlich erklaͤhret Marc. 10/ 24. daß der HErr sehe auf diejenige/ welche ihr vertrauen auf den reichthum setzen/ welches sich zwahr etwa meistentheils bey den reichen findet/ jedoch von dem reichthum nicht unabsonderlich ist. Des orts 1. Tim. 5/ 8. wer die seinige nicht ver- sorget/ mißbrauchen sich zwahr ihrer viel/ daͤhnen ihn zu weit aus/ und be- maͤnteln damit allen ihren geitz/ indessen wird doch die betrachtung des textes zeigen/ daß an solchem ort gleichwol auch nicht allein geredet werde von der geist- ARTIC . IV. SECTIO I. geistlichen versorgung in einer christlichen aufferziehung/ sondern daß das eusserliche so fern mit begriffen werde/ daß jeglicher die seinige/ nemlich mit sorgfaͤltiger arbeit und welches vor sich selbs bekant ohne abbrechung der noͤ- thigen werck der liebe/ also zu versorgen habe/ daß als viel an ihm ist seine wittwen und kinder (wiewol des textes absicht mehr auf die eltern gehet) nicht moͤgen andern und der gemeinde zur last werden/ wie auch v. 16. einige anzeige davon zusehen. Wird also eine maͤßige fuͤrsorge auch vor das kuͤnfftige/ nicht in einem aͤngstlichen suchen und sorgen/ dawider Matth. 6/ 31. geredet wird/ sondern in einer spaͤrlichen verwahrung seines uͤbrigen in dem wort προνοεῖν anbefohlen/ nicht aus einem mißtrauen gegen GOtt/ noch liebe des irrdi- schen/ sondern aus liebe gleichwie der seinigen/ also auch der gemeinde welcher man durch der seinigen von sich verursachte duͤrfftigkeit keine last muthwillig zu machen/ sondern derselben vielmehr nach vermoͤgen durch eigenen fleiß zu schohnen hat. Gegen diese meine meinung sehe ich nicht/ wie vieles moͤchte gebracht werden koͤnnen/ so in dem gewissen einen anstoß machen koͤnte. Was aber die maaß der gutthaͤtigkeit anlanget/ solte es wol groͤssere diffic ultaͤten setzen/ wie man darinnen zu verfahren habe. Zwahr wo wir unter meistens rechten Christen lebeten/ wuͤrde es so viel anstand und bedenckens nicht ha- ben/ sondern wir diese liebes-pflicht/ gleichwie andere des bruͤderlichen bestraf- fens und dergleichen/ in aller einfalt gegen alle ohne viele sorge uͤben koͤnnen/ so jetzt offt nicht gleichermassen geschehen kan/ und man an statt des guten offt mehr suͤnde und uͤbels zu veranlassen sorgen muß. Wie dann die betrach- tung der bey andern so erloschener liebe/ wo man bey bruͤdern diejenige huͤlffe nicht wiederum hoffen kan/ die sonsten der HErr so wol von andern als von uns erfordert/ und durch dieselbe uns helffen wolte/ so dann der menschen boß- heit/ die sich frommer hertzen gutthaͤtigkeit mißbrauchen/ nicht aus der acht zu lassen/ und uns in uͤbung der mildigkeit behutsam machen doͤrffen. Also will ich nicht zweiffeln/ daß wo es die noth eines rechtschaffenen kindes GOttes erfordert/ und bey ermanglung anderer beyhuͤlffe auf mich alles ankommen solte/ daß ich mich nicht nur meines uͤbrigen begeben/ sondern auch an meiner eignen nothdurfft mich angreiffen muß. Sinds aber andere/ gegen welche wir allein die gemeine liebe zu uͤben haben/ und kan auch von andern und meh- rern die last getragen werden/ so habe ich zwahr jenen die liebes-thaten auch nicht zu versagen/ bedarff mich aber auch nicht ihrentwegen allzuviel zu ent- bloͤssen/ noch dasjenige an solche allein zu wenden/ dessen nicht nur die meinige/ sondern auch andere wuͤrdigere bruͤder annoch von mir noͤthig haben werden/ so bin auch in dem letzten fall nicht eben schuldig/ die last auf mich allein wel- tzen zu lassen; dann es bleibt insgesamt auch diese liebes-regel 2. Cor. 8/ 13. daß nicht andere ruhe haben und ihr truͤbsaal. Aus besagtem hoffe/ C c c mein Das dritte Capitel. mein werther Bruder werde zur gnuͤge/ was meine gedancken von dieser sach seyen/ vernehmen/ und sie ferner in der forcht des HErrn uͤberlegen. Der HErr gebe uns in allem gewißheit und seinen willen so zu erkennen/ als auch willig zu thun/ dazu uns die liebe zu ihm und seiner ehr die beste handleiterin ist/ wie er wol erinnert. Lasset uns nur unablaͤßig jeglicher fuͤr sich und an- dere mitbruͤder desto eiffriger zu dem HErrn seuffzen/ daß er uns wuͤrdig ma- che/ in unserem dienst und sonsten seine ehr rechtschaffen zu befoͤrdern/ und gebe zu dem von ihm gewirckten wollen auch ein kraͤfftiges vollbringen. Es ist ja alles/ womit wir umgehen/ sein werck/ er forderts von uns/ er kennet unser unvermoͤgen/ und da wirs nicht wuͤrdig sind/ ist doch sein ehre werth/ von allen seinen geschoͤpffen befoͤrdert zu werden/ bereits jetzt so viel es die gegenwaͤrtige zeiten des gerichts zugeben/ biß sie in der zeit der besserung noch siegreicher und herrlicher voͤllig durchbreche. 1686. SECTIO II. Von der art des glaubens/ sonderlich aus welchem alle wercke herkommen muͤssen: Ob man simuli ren oder dissimuli ren doͤrffe? Ob man einen beruf anzunehmen/ dazu man sich untuͤchtig achtet? Vom innern beruf/ und insgesamt/ wor- an man den goͤttlichen beruf zu erkennen habe. Erste Frage. Q Uænam sit formalissima ratio fidei. Oder/ welcher seye der nothwendigste gedancken oder concept des glaubens im her- tzen: Dabey ein mensch bey der von Paulo erforderten pruͤf- fung 2. Cor. 13/ 5. versichert seyn kan/ daß sein thun und lassen aus glauben gehe. Da ich dann gern zugebe/ daß dieses formale nicht bestehe ( a ) in der empfindlichkeit/ dann GOttes unsichtbares wesen fuͤhlender weise zu finden/ halte ich mehr fuͤr eine eigenschafft der aus dem Heydenthum erst ausgehenden Ap. Gesch. 17/ 27. als in dem wachsthum des glaubens ste- henden Christen. Auch nicht ( b ) in der plerophoria noch dergleichen con- comitantibus \& subsequentibus fidei, welche citra fidei interitum esse vel abesse possunt: Aber da stehe ich an/ ob nicht derjenige/ der seiner meinung gewiß seyn will/ daß sein werck aus dem glauben geschehe/ nothwendig muͤsse eine hypostasin und zuversicht des hertzens bey sich verspuͤhren nach Hebr. 11/ 1. Jn ermanglung dessen aber/ alles eusserlichen respect s/ muth- massung und meinung anderer ungeachtet/ lieber das werck/ woran sonderlich vieler menschen heil und seligkeit hanget/ unterlassen solte/ weil ja ein jeder seines ARTIC. IV. SECTIO II. seines eigenen glaubens leben muß. Oder so ich hierinnen das rechte for- male nicht treffe/ moͤchte ich gern informi ret seyn/ welches es dann seye/ ge- wißlich kan ich es nicht anders/ als eine geistliche illusion halten/ wann man die uͤber ihren glauben angefochtene beredet/ daß sie den glauben haben/ dar- um weil sie ein verlangen nach demselben tragen. Antwort. 1. E S scheinet/ es werde in dieser frage zweyerley glaube/ oder zweyerley absicht des glaubens/ mit einander consundi ret/ auffs wenigste solle zum grunde des uͤbrigen/ was wir hievon zu reden haben/ eine distinction nothwendig gemacht werden/ unter dem seligmachenden glauben/ als fern derselbe seligmachend ist/ und unter dem glauben/ wie er das principium un se- rer werck ist. An sich selbs ists wol ein glaube/ oder einerley liecht in der sache selbs/ jedoch finden sich auch gewisse unterscheid unter diesen beyden conside- ratio nen: Der seligmachende glaube kan wol bey einem menschen wahrhafftig und also derselbe in goͤttlicher gnade seyn/ da hingegen es ihm in gewissen stuͤ- cken und handlungen/ wegen beywohnender scrupel und zweiffel/ an demjeni- gen glauben manglet/ aus welchem er etwas thun solte. 2. Scheinet es/ es werde vornemlich von der letzten art oder considera- tion des glaubens gefraget/ als worauf die meiste wort gerichtet sind/ indes- sen glaube ich doch/ daß auch insgesamt die frage die versicherung des selig- machenden glaubens mit meine/ und verlanget werde/ worinnen man sich des- sen am gewissesten versichern koͤnne/ daher wir auf denselben eben so wol un- sere reflexiones diesesmal machen wollen. 3. Wo ich nun von dem hindersten oder letzten in der frage anfange/ weil solches zu dem seligmachenden glauben gehoͤret/ so kan ich nicht dafuͤr halten/ daß es eine geistliche illusion seye/ wo man die angefochtene auf das veꝛlangen des glaubens weiset/ welches ich nicht nur allein mehrmal gethan zu haben/ sondern meine gewoͤhnliche art zu seyn/ gern bekenne. Jedoch muß es nicht so crudè angenommen werden/ daß man jedes verlangen des glaubens stracks vor einen glauben halte: Welches sonder zweiffel falsch seyn wuͤrde/ und also gewiß ist/ daß ein verlangen des glaubens seyn kan/ ja bey vielen sichern her- tzen/ die nach dem glauben auch verlangen tragen/ ob sie wol weder dessen fruͤchte wuͤrcklich haben/ noch auchsich resolvi ren koͤnnen/ dasjenige abzulegen/ was dem H. Geist/ von dessen wirckung der glaube herkommen muß/ bekant- lich entgegen ist/ sich wuͤrcklich befindet/ die doch sehr fern von dem glauben seynd und bleiben. Wo aber geredet wird von solchen hertzen/ 1. die bekant- lich in wahrer buß stehen/ ihre suͤnden erkennen und von grund der seelen has- sen/ auch wol offt schwehre aͤngsten und traurigkeit daruͤber ausstehen. 2. Bey C c c 2 denen Das dritte Capitel. denen auch sich nicht nur die fruͤchten der buß in einer hertzlichen begierde/ son- dern wircklichem eiffer und anfang eines solchen lebens/ darinnen man einig und allein GOTT in allen dingen zu gefallen trachtet/ antreffen lassen. 3. Die auch die gnade GOttes/ ob sie wol derselben nicht theilhafftig zu seyn aͤngstiglich sorgen/ hochschaͤtzen/ darinnen die seligkeit zu bestehen erkennen/ und ein sehnliches verlangen darnach tragen/ ja wann es moͤglich waͤre/ mit vergiessung ihres bluts derselben genuß gern erkauffen wolten (welcherley ich manche angefochtene angetroffen/ ja es vor die rechte characteres der kinder GOttes halte/ die er in diesem probier-offen uͤbet) so getraue ich kecklich zu sa- gen/ daß bey solchen lieben seelen der wahre glaube wahrhafftig seyn muß/ und annoch in solchem verlangen/ als welches unter allen uͤbrigen dingen/ die sich bey ihnen finden/ dem glauben am nechsten kommet/ bestehe. Der liebe Arnd fuͤhret uns dahin W. Christenth. 2/ 52. Es zeucht sich alle krafft des glaubens in einen punct und in ein unaussprechlich seuffzen/ darinnen noch der glaube ihnen unwissend verborgen ist. Und dieser verbor- gene glaube ist also dann sein unglaube/ und ist sein hoͤlle und marter: Und nachmal: Aber gleich wol laͤsset sich GOTT noch in dem verborge- nen unaussprechlichen seuffzen gleich als von ferne sehen/ und dadurch wird der mensch erhalten. Es sind aber solche unaussprechliche seuffzen nichts anders als solches bruͤnstige verlangen. 4. Daß aber solches verlangen von dem glauben ausgegeben/ oder viel- mehr als ein zengnuͤß des verborgenen glaubens angezeiget wird/ geschihet nicht ohne grund. Es sind einmal dergleichen leute/ wie sie n. 3. beschrieben sind/ wahrhafftig wiedergebohrne leute: Als die nun gantz anders geartet und gesinnet sind/ als sonsten menschen von natur zu seyn pflegen/ und sie etwa auch von sich selbs vor dem gewesen zu seyn/ sich erinnern/ welche aͤnderung zu dem guten/ und zwahr eine veraͤnderung der gantzen natur/ des menschen und seiner haupt- inclination, wie sie nicht aus der alten geburt herkommt/ viel- mehr deroselben art entgegen ist/ so muß sie aus einer andern und neuen ge- burt nothwendig herkommen/ diese aber kan wiederum nicht anders als vom H. Geist seyn/ dessen ohnzweiffelicher trieb derjenige ist/ aus dem solche leute gutes thun. Wo aber der Heilige Geist ist/ und einen neuen menschen ge- macht hat/ da ist unfehlbar bey demselben auch der glaube/ als gleichsam die seele des neuen menschen. Daher wahrhafftig nichts anders einem solchen menschen mangelt/ als die blosse empfindlichkeit/ da doch die frage selbs/ daß diese nicht eben bey dem glauben seyn muͤsse/ gestehet. So zeugen ja die fruͤch- ten des glaubens ohnfehlbarlich von gegenwart der wurtzel/ aus welcher die- selbe wachsen muͤssen. 5. Wo ARTIC. IV. SECTIO II. 5. Wo wir sagen/ daß bey dem glauben nicht eben nothwendig der sen- sus und empfindlichkeit seyn muͤsse/ so redet man nicht eben allein von der em- pfindlichkeit/ davon Ap. Gesch. 17/ 27. stehet/ da man aus den creaturen auff einigerley massen GOtt fuͤhle/ und so durch die sinne zu seiner erkaͤntnuͤß sich erheben moͤge/ als welches etwa den Heyden/ und welche goͤttliche offen- bahrung nicht haben/ mehr moͤchte eigen geachtet werden: sondern es heisset diese empfindlichkeit/ die reflexion, daß der mensch dasjenige bey sich finde/ was er suchet/ und wie der leib seine schmertzen oder wohlseyn empfindet/ also auch die seel auff ihre art in sich. Zum exempel/ davon wir hie reden/ den glauben bey sich gewahr werden/ daß sie unmittelbar in sich solchen zu seyn erkennen/ und nicht erst aus gewissen rationibus schliessen muß/ daß solches in ihr seye. Wie in dem leib einige dinge empfindlich sind/ die ich fuͤhle/ an- dere dinge/ die ich durch gute gruͤnde schliessen kan/ so und so muͤsse es mit die- sem oder jenem bey mir beschaffen seyn/ ob ichs wol nicht unmittelbar fuͤhle. Wo wir also sagen/ es moͤge der glaube wohl vorhanden seyn/ ohne sein ge- fuͤhl/ so ists so viel gesagt/ es koͤnne der glaube da seyn/ da derjenige/ welcher glaubet/ sich nichteben erinnert/ oder daran gedencket/ daß er glaube/ wie bey kleinen kindern/ schlaffenden/ verirrten und dergleichen geschihet/ sondern auch da der mensch daran gedencket/ und sich pruͤfen will/ daß er solches nicht bey sich unmittelbar erkennen kan/ sondern bedarff durch andere gruͤnde erst zu schliessen und zu colligi ren/ daß es bey ihm seye. Jch achte auch die ur- sach dessen seye etlicher massen zu begreiffen aus demjenigen/ was unser liebe Lutherus sagt T. I. Alt. f. 758. b. wie in dem menschen leib seel und geist seyen/ nicht daß geist und seel zwey sonderbare wesen seyen/ sondern daß die hoͤchste krafft der seelen/ oder die seel in ihrer hoͤchsten verrichtung/ da sie es mit goͤttlichen und ewigen dingen zu thun hat/ der geist heisse/ in andern din- gen aber den nahmen der seelen allein trage. Da sagt er/ jenes seye das hauß darinnen der glaube und GOttes wort innen wohnet: er nen- nets auch sanctum sanctorum, GOttes wohnung im finstern glauben ohne liecht/ dann er glaubet/ das er nicht sihet noch fuͤhlet/ noch be- greiffet. Zwahr gehen eigenlich diese letzte wort auff die unbegreiflichkeit des objecti, mit dem es der glaube zu thun hat. Aber die bewandnuͤß sol- cher obersten krafft der seelen/ meine ich/ auch in dem stuͤck also bewandt zu seyn/ daß unsere gedancken damit wir uns untersuchen/ die mehr zu den un- tern kraͤfften gehoͤren/ nicht allemal in solchem sancto sanctorum alles erken- nen koͤnnen/ was gutes GOtt darinnen gewircket habe/ sondern es bleibet ihnen verborgen/ was dannoch wahrhafftig da ist. Also uͤbertrifft der friede GOTTes/ und also diese wirckung GOttes in der seele/ alle vernunfft C c c 3 Phil. Das dritte Capitel. Phil. 4/ 7. daß die vernunfft nicht begreifft/ was und wie es in der seele hergehe: dahin ich auch die unaussprechliche seufftzen Rom. 8/ 26. rechne. Welches uns/ nachdem der glaube und dergleichen goͤttliche wir- ckungen aus einem hoͤhern principio und nicht einer art mit den habitibus oder wirckungen in der seele/ welche sie selbs in sich zu wege bringt/ zu achten sind/ so viel weniger wunder nehmen darff/ daß etwas dergleichen bey uns seye/ das wir doch nicht zu erkennen vermoͤgen/ weil wir ja einige dinge zu- weilen wissen/ und doch nach langem nachsinnen/ uns derselben nicht erinnern koͤnnen/ da sie hingegen ein andermal ohngesucht von selbsten wiederum ein- fallen. Kan nun einige verfinsterung der gedaͤchtnuͤß/ in solchen gantz na- tuͤrlichen dingen/ und die wir auff eine natuͤrliche weise gefasset/ dasjenige uns verbergen/ was doch wahrhafftig in der seele noch ist/ warum solte nicht in solchen wirckungen/ die gantz einer hoͤheren und unterschiedenen art sind/ etwas in uns seyn koͤnnen/ so wir nicht finden/ und wie wirs zu nennen pfle- gen/ empfinden koͤnten? daher damit zu frieden seyn sollen/ daß dessen da- seyn durch andere gewisse kantbare zeugnuͤssen erwiesen werden kan. Dieser observation fleißige betrachtung/ hoffe ich/ solle in ein und andern stuͤcken zimliche difficul taͤt auffheben. 6. Wo aber gleich von des seligmachenden glaubens art/ und was noth wendig dabey seyn muͤsse/ gefraget wird/ so kan ich nicht anders sagen/ als was insgemein von allen Evangelischen bekant wird/ nemlich daß zu dem glauben drey stuͤck (man moͤchte sie partes oder actus oder gradus nennen/ wuͤrde mir nicht viel daran gelegen seyn) gehoͤren/ erkaͤntnuͤß/ beyfall und vertrauen. Also ist unmuͤglich/ daß der glaube seye ohne erkaͤntnuͤß/ wohl aber daß solche erkaͤntnuͤß gering und schwach seye/ item daß der mensch nicht wircklich daran gedencket/ und also die idea gleichsam ihm allezeit vor augen stehe/ jedoch muß solches liecht/ obwol etwa in einem schwaͤchern grad/ in der seele seyn. 2. Muß auch ein beyfall da seyn/ ob wol solcher abermal schwach seyn/ und von allerhand scrupeln und zweiffeln verunruhiget wer- den kan: Es ist aber gleichwol ein beyfall/ als lang ich mich von solchen zweif- feln nicht uͤberwinden lasse/ sondern mich mit fleiß auff solche seite neige/ und nicht mehr verlange/ als daß ich ohne widrige gedancken moͤchte dabey acquiesci ren koͤnnen. Es gehoͤret auch 3. dazu eine zuversicht/ welche in sich fasset/ so wol/ daß man die guͤter des heils/ die wir aus goͤttlichem wort erkant/ in ihrem gebuͤhrenden hohen wehrt achte/ daß sie das einige funda- ment, aller unserer begierde/ verlangen/ hoffnung und vertrauens seyn sol- len/ in welchem allein wir uns gluͤckselig schaͤtzen/ und welche zuhaben und zu behalten wir leib und leben und alles was wir haben/ nicht zu theuer schaͤtzen/ son- ARTIC. IV. SECTIO II. sondern lieber alles verliehren als deroselben missen wolten (welches alles die art der zuversicht ist) als auch die gewisse versicherung/ daß wir solche guͤ- ter haben und geniessen sollen. Ohne jenes erste/ ist nimmer kein glaube/ und kan also derselbe mit dem gegentheil/ da der mensch sein datum, seine be- gierde und vertrauen auff das vergaͤngliche setzet/ und in diesem sein wohl- seyn suchet/ nicht bestehen: Was aber das andere anlangt/ so ist die empfin- dung desselben nicht allemal bey dem glauben/ sondern findet sich an statt der- selben allein eine empfindung eines bruͤnstigen verlangens/ davon wir oben geredet/ und stecket doch in derseben der krafft nach solche zuversicht/ die nur durch die auff steigende zweiffel unempfindlich gemacht wird. Es sind aber solche zweiffel nicht eigenlich unsere wirckungen. Dann solche angefochtene muͤssen sie wider willen leiden/ und wolten offt mit verlust alles was sie ha- ben sich davon loßkauffen/ sondern sie sind theils suggestiones und eingebun- gen des teuffels/ als die zu dessen feurigen pfeilen Ephes. 6. gehoͤren/ theils versuchungen des suͤndlichen und von natur unglaubigen fleisches/ deme wir selbsten feind sind: Daher dasjenige/ was dieselbe bestreiten/ nemlich die versicherung auff unsere eigene person/ vielmehr in dem hertzen obwol verbor- gen/ vorhanden seyn muß. Wie auch alles/ was in solcher unempfindlichkeit und angst geschihet/ das aͤngstliche seufftzen nach der gnade/ die sorgfaͤltige vermeidung alles dessen/ was dieselbe wegstossen koͤnte und dergleichen/ ein zeugnuͤß solcher zuversicht ist; dann wo diese gantz weg waͤre/ so wuͤrde sol- ches von selbsten auch hinfallen: als bey denen geschaͤhe/ die wircklich an goͤttlicher gnade verzweiflen. Wie nun die verzweiflung eigenlich das op- positum des glaubens und dessen zuversicht ist/ so kan noch so lang als jene nicht uͤberhand nimmet/ eine schwache zuversicht vorhanden seyn/ dero fuͤh- lung durch den kampff der zweiffel auffgehalten wird. 7. Wo wir aber davon reden/ wie der glaube das principium seyn muͤs- se/ daraus alle unsere wercke entspringen sollen/ und ausser demselben suͤnde seyn/ Rom. 14/ 23. so hat das obenbesagte meistens auch in dieser conside- ration platz. Sonderlich weil auch wahrhafftig eben der seligmachende glau- be zu einer christlichen handlung gehoͤret/ solle sie nicht zur suͤnde werden. Dann weil alle unsere auch beste wercke vor GOttes strengem gericht ihrer unvollkommenheit wegen nicht bestehen koͤnten/ so gehoͤret sichs bey allen/ daß was wir thun/ wir es auch so fern in Christi nahmen thun/ das ist in hertzlichem vertrauen/ daß GOtt alles solches so wir in einfalt unserer her- tzen zu seinen ehren vornehmen/ um Christi willen in gnaden annehmen/ und sich wohlgefallen lassen werde (das sind die geistliche opffer/ die GOtt an- genehm sind durch JEsum Christum 1. Pet. 2/ 5. ) sonsten wo es nicht auff diese weise sondern mit einbildung eigener vollkommenheit geschihet/ wuͤr- Das dritte Capitel wuͤrde es GOtt nicht gefaͤllig seyn. Ferner muß auch alles aus dem glau- ben/ nemlich aus dem seligmachenden glauben geschehen/ das ist/ aus einem solchen hertzen und von einem solchen menschen/ der wahrhafftig durch den glauben mit GOtt versoͤhnet ist/ und also den Heiligen Geist in sich wohnend hat/ welcher ihn regieret und durch ihn wircket. Dann was wercke sind der natur allein/ und nicht aus der gnade/ folglich aus dem glauben entspringen (von dero kennzeichen neulich etwas ausfuͤhrlicher gehandlet worden/ und nach belieben communici rt werden kan) sind GOtt nicht angenehm/ als der allein seine werck in uns liebet/ und dermaleins kroͤhnen wird. 8. Uber diese betrachtungen/ wie insgemein der glaube bey allen Gott- gefaͤlligen seyn solle/ so wird noch ferner der glaube in denselben in diesem ver- stand erfordert/ daß er ist eine versicherung des hertzens/ daß dieses und jenes werck/ was wir thun sollen oder wollen/ GOtt gefaͤllig/ von ihm geboten o- der sein wille seye. Da weiß ich nun dieser art des glaubens oder dem glau- ben in solcher consideration kein ander formale zu geben/ als eben solche ver- sicherung: Jedoch ist dabey ein und anderes ferner zu erwegen. 1. Muß das gewissen des menschen versichert seyn/ von der sache insgemein/ daß die- selbe goͤttlichem wort und gebote gemaͤß seye. Diese versicherung kommet her aus fleißiger betrachtung goͤttlichen worts/ und hat also alle diejenige mittel/ welche sonsten zum verstand der schrifft noͤthig sind: wie man dann aus derselben mit solchen gruͤnden/ welche dem gewissen ein genuͤge thun/ ei- ne sache/ die verboten oder geboten seyn solle/ erweisen kan: wie man auch et- wa in glaubens-artieuln zu thun pfleget/ und zu thun hat. Solte aber ein gewissen die sache nicht genug fassen koͤnnen/ und haͤtte noch seine scrupel da- bey/ so muͤste die sache unterlassen werden/ indem derselbige scrupel und sorge unrecht zu thun/ dem glauben entgegen stehet. Also wer nicht fassen kan/ daß die eydschwuͤre nicht an sich selbs verboten seyen/ koͤnte ohne suͤnde keinen thun/ dann es ginge nicht aus glauben. 9. Wie nun dieses/ wo es quæstiones in thesi sind/ nicht so gar schwehr ist/ zu einer gewißheit zu kommen/ so gehets hingegen 2. schwehr her/ wo in hypothesi nunmehr die frage ist/ ob eine sache von mir/ mit diesen und jenen umstaͤnden/ zu thun oder zu unterlassen seye/ in denjenigen dingen die nicht absolute boͤß oder schlechterdings nothwendig sind. Da bekenne ich selbs/ daß es offt nicht ohne vielen kampff hergehe zu einer gewißheit zu kommen. Ja dieses ist dasjenige/ was mir offt das allermeiste anligen und unruhe machet/ goͤttlichen willens in dieser und jener sache/ da die umstaͤnde/ so viele bedencken machen/ ob dieser oder jener fall unter diese regel gehoͤre/ versichert zu werden. Jch finde auch nicht wie die sache anders anzugreiffen/ als auff folgende art. 1. Daß man GOtt inbruͤnstig und eine gute zeit hertzlich an- ruf- ARTIC. IV. SECTIO II. ruffe/ daß er uns seinen H. Geist und die gnade geben wolle/ die allein das hertz fest machet Hebr. 13. und wie wir von grund der seelen begierig seyen/ seinen willen zu thun/ wir auch in erkaͤntnuͤß desselben nicht fehlen moͤchten: sonderlich daß er auch andere wolle dermassen regieren/ daß was sie in solcher sache thun/ und mit uns vorhaben/ dahin endlich gereichen moͤge/ daß sein wille in uns und von uns vollenbracht wuͤrde. 2. Daß man nechst dem die gantze sache auffs reiflichste aus GOttes wort und den gruͤnden unsers Chri- stenthums/ die wir aus demselben gefasset/ uͤberlege/ sehe ob man dergleichen regeln finde/ welche sich recht applici ren liessen/ und unterlasse also nichts/ was von unserm fleiß erfordert werden moͤchte. 3. Daß man auch andere christliche hertzen zu rath ziehe/ und nechst ihrer fuͤrbitte ihre meinung suche/ wie dann manchmal GOTT unsere bruͤder zum werckzeuge nicht nur guten trosts sondern auch raths gebraucht: nicht zwahr auff ihre autori taͤt den glauben zu gruͤnden/ sondern zu versuchen/ ob GOtt ihnen ein liecht gegeben haͤtte/ davon sie uns mit rath und zuspruch etwas mittheilen koͤnten. Kommt man auff solchem wege zu einer versicherung des hertzens/ daß dasselbe nun- mehr bey sich eine uͤberzeugung befindet/ dieses und jenes seye recht oder nicht recht/ so ist die sache richtig/ und wissen wir was wir thun sollen/ dann da ge- hets alsdann aus dem glauben. Bleibet aber die sache noch in starckem zweif- fel/ so ist 4. zu erwegen/ ob noͤthig seye/ eine resolution zu fassen oder nicht. Jsts ein geschaͤfft/ das gar auffgehoben werden kan/ und nicht nothwendig auff eine oder andere seite resolvi ret werden muß/ so ist solcher auffschub als- bald zu er wehlen/ dazu dienlich/ daß wir nach der zeit moͤchten gewisser wer- den/ was zu thun. Wo aber 5. nothwendig etwas resolvi rt werden muß/ so muͤssen wir endlich dasjenige erwehlen/ was dem gewissen am sichersten ist. Solches aber zu untersuchen bedarff wiederum seine vorsichtigkeit. 1. Zu- weilen sinds einige dinge/ da eigenlich nur auff einer seiten eine suͤnde zu sor- gen waͤre/ auff der andern seiten aber nicht/ oder doch keine andere als die in unterlassung eines guten/ von dessen nothwendigkeit und goͤttlichem willen daruͤber/ wir keine versicherung haben finden koͤnnen/ bestuͤnde. Da ist ge- trost solche seite und die unterlassung einer solchen sache zu erwehlen/ und ist keine suͤnde/ dann wer gutes zu thun weiß/ (nemlich mit gehoͤriger versiche- rung) und thuts nicht/ dem allein ists suͤnde. Jac. 4/ 17. 2. Zuweilen scheinets wohl beyderseits suͤnden-gefahr zu seyn/ wo da nothwendig etwas gethan werden muß (als wo nemlich die unterlassung selbs scheinbarlich eine suͤnde in sich fassete) da ist alsdann diejenige seite zu erwehlen/ worinnen we- niger gefahr der suͤnden ist/ worinnen weniger nachtheil goͤttlicher ehre und des nechsten wahren bestens zu sorgen ist. 3. Zu weilen sind die beyderley D d d ra- Das dritte Capitel. rationes sehr ungleich/ die eine offenbar und zimlich starck/ auff der andern seiten aber ist allein ein scrupel/ der jenem nicht gleich kommet/ ob wol das ge- muͤth doch verunruhiget wird/ wo dann nothwendig etwas zu thun/ so folget man billich den staͤrcksten ursachen. 4. Wolte ich auch nicht unrathsam achten/ wer sich selbs hierinnen nicht trauet/ und fuͤrchtet/ er moͤchte aus eigener lie- be/ vermessenheit/ unrechter absicht/ zaghafftigkeit/ oder ander seiner schwach- heit in der erwegung der sache und endlichen wahl/ leichter fehlen/ und sein fleisch ihm unvermercklich einige unzimliche fleischliche consideration bey- bringen/ die ihn an erkaͤntnuͤß der wahrheit in solcher sache hinderten/ wie das hertz sehr betruͤglich ist; daß man nach hertzlicher anruffung GOTTes/ und bekaͤntnuͤß seiner eigenen schwachheit/ die sache einigen christlichen freun- den uͤbergebe/ alle momenta und unsers hertzens bewandnuͤß dabey offen- hertzig ihnen vorlegte/ und also den mund des HErren in ihnen fragte/ was man alsdann von ihnen hoͤret/ als desselben willen und befehl anzunehmen. Hat man einige Superiores, so ist solches so viel lieber zu practisi rn/ indem uns GOtt ohnedas an dieselbe und ihren rath und willen (wo er seinem wil- len nicht entgegen ist) weiset. Allen diesen vorschlaͤgen solte scheinen entge- gen zu stehn/ daß ja in solchen dingen keine versicherung des hertzens/ und al- so kein glaube seye/ sondern es geschehe ja mit stetem zweiffel/ und koͤnne das gewissen nicht auff einer probabili taͤt beruhen. Hierauff dienet zur antwort: daß man zu diesen vorschlaͤgen nicht kommen solle/ man habe dann alle moͤgli- che mittel gebraucht zu eigener versicherung/ so dann wo wir in die enge kom- men/ daß beyderseits suͤnden-gefahr ist/ und thun und unterlassen/ deren gleichwol eines seyn muß/ sein starckes bedencken hat. 2. Wann also uns GOtt in solche nothwendigkeit nach seinem heiligen willen gerathen laͤsset/ daß es keine vermessenheit ist/ was wir resolvi rn/ so haben wir zwahr so fern unser suͤndliches elend auch darinnen zu erkennen/ daß wir aus unserer ver- derbnuͤß den goͤttlichen willen nicht klahr mehr erkennen/ ja uns vor GOtt zu demuͤthigen/ daß wir etwa auch biß dahin mit nachlaͤßiger verrichtung seines willens/ den wir etwa klahr genug erkant/ oder andern suͤnden/ verschuldet haben/ daß er uns seinen willen hierinnen nicht so deutlich offenbare/ wie nach mehrer abziehung von der gleichstellung der welt und fleißiger ver- neuerung unsers sinnes wuͤrde geschehen seyn (sihe Rom. 12/ 2. ) ja ihn um vergebung solcher unserer schuld zu beten/ aber nachmal dieses kindliche vertrauen zu dem HErrn zu schoͤpffen/ weil er ja sehe/ daß wir seinen vaͤterli- chen willen hertzlich gern erkennen und erfuͤllen wollen/ daß dann dasjenige/ was wir endlich resolvi rn werden/ wahrhafftig sein wille seyn/ und von uns gethan/ hingegen zur suͤnde nicht zugerechnet werden solle. Welches fun- dament auff goͤttlicher guͤte und treue bestehet/ und also dem gewissen eine sicher- ARTIC . IV. SECTIO II. sicherheit geben kan. 3. Also ist gleichwol eine versicherung des hertzens alsdann vorhanden/ welches zwahr sonsten in genere nicht sagen koͤnte/ ob dieses oder jenes der goͤttliche wille mehr waͤre/ aber weiß sich in specie ver- sichert/ der goͤttliche wille seye gleichwol/ dasjenige dißmal zu thun/ was end- lich in kindlicher einfalt nach eigner uͤberlegung oder uͤbergebung an andere/ am sichersten resolvi ret worden. 10. So verbleibet also allezeit das formale solches glaubens/ die versi- cherung des hertzens/ daß eine sache recht oder GOttes wille seye/ aber wor- aus solche versicherung herkomme/ ist nicht allezeit einerley. Jndem zuwei- len der mensch aus principiis goͤttlichen worts/ da er eigenlich ohne zweiffel die subsumtion auf sich und seinen fall machen kan/ gerade zu seine versiche- rung bekommet: Zuweilen kans auf die weise nicht erlanget werden/ sondern muß man etwa dieselbe in obigen vorschlaͤgen/ oder anderes dergleichen su- chen: Welche in dem grad der vorigen versicherung nicht gleich kommet/ aber doch dem gewissen gnug seyn kan/ weil denen auffsteigenden scrupulen allezeit die vaͤterliche treue unsers GOttes gegen seine kinder (unsere rede ist aber auch allein von denjenigen/ so aus andern zeugnuͤssen ihrer kindschafft versi- chert sind/) der sie nach allem angewandten fleiß nicht in der suͤnden-gefahr verlassen wuͤrde/ kraͤfftig entgegen gesetzet werden darff. Also ob wir schon solten auf andere und dero urtheil gegangen seyn/ so ruhete doch der glaube nicht auf ihnen/ weil freylich jeglicher seines glaubens leben muß/ sondern auf GOttes in seinem wort uns geruͤhmter treue. Die andere Frage. O B und wie fern ein Christ um seinen guten zweck und absicht zu erhalten/ wol simuli ren oder gar eine nothluͤgen begehen moͤge/ das ist/ mit worten/ gebaͤrden und wercken sich anders stellen als es ihm ums hertz ist. Antwort. J Ch mache hie einen unterscheid unter dem dissimuli ren und eigenlich so genanten simuli ren oder auch eigenlichen luͤgen. Was anlangt die luͤgen und das eigenliche simuli ren/ kan ich nicht glauben/ daß solches jema- len erlaubet seye/ sondern stehet mir immer entgegen das urtheil Pault Rom. 3/ 8. daß nichts boͤses zu thun/ daß gutes draus entstehe. Die dissimulation aber/ wie sie von der simulatione positiva unterschieden ist/ und die verschweigung der wahrheit/ ist nicht allemal unrecht. Also etwas das allerdings nicht wahr ist/ und wo also meine wort meinem conceptu von der sache/ und wol gar auch der sache selbs/ entgegen sind/ zu reden ist un- D d d 2 recht/ Das dritte Capitel. recht/ und offenbarlich dem zweck der rede/ wozu sie GOTT dem menschen ge- geben hat/ entgegen/ daher nicht ohne suͤnde. Wo aber etwas an sich selbs wahr/ obschon dabey so bewandt ist/ daß muͤglich ist/ daß der andere/ der es hoͤ- ret/ es in anderm verstand nehmen kan/ ja vermuthlich in anderm verstande nehmen wird/ so ist eine solche rede nicht anders suͤnde/ als so fern ich dem nech- sten/ die voͤllige wahrheit und dero verstand zu eroͤffnen schuldig gewesen bin/ und hingegen er von verhaltung derselben schaden haͤtte leiden muͤssen/ nicht aber alsdann/ wo ihm solches zu wissen moͤchte eher schaͤdlich gewesen/ oder doch nichts daran gelegen/ ja daher andern ein nachtheil zu besorgen seyn. Also mit einer æquivocation antworten/ ist nicht allezeit unrecht/ sondern al- lein alsdann/ wo man dem nechsten schuldig gewesen/ die sache also zu entde- cken/ daß er deroselben gruͤndliche beschaffenheit fassen koͤnte/ und ihm solches noͤthig gewesen. Nicht weniger mag man nur einen theil der wahrheit sa- gen/ das andere aber obwol wichtigste daneben verschweigen/ in gleichem fall und aus gleicher ursach. Wir haben das exempel dorten am Samuel 1. Sam. 16. der die wichtigste ursach/ warum er gen Bethlehem gekommen/ verschwiege/ und allein eine nebens-ursach anzeigte: Da jene zu wissen dem werck des HErrn hinderlich wuͤrde gewesen seyn. Dergleichen ist mehr zu sehen 1. Sam. 10/ 16. Esth. 5/ 8. 2. Koͤnig. 2/ 2. Jerem. 38/ 2. welche exempel alle solten scheinen simulationem in sich zu haben oder mendacia of- ficiosa, sie sind aber nichts anders als eine verhaͤhlung eines theils der wahr- heit/ dadurch zwahr der ander in andere gedancken gebracht wird/ daß er wol folgends meinen mag/ man habe ihn betrogen/ ist aber auch in der wahrheit kein betrug/ als welcher nicht anders seyn kan/ als wo einem dasjenige vor- enthalten oder entzogen wird/ was man ihm schuldig gewesen. Also auch eine zugestossene betruͤbnuͤß verhaͤhlen/ daß mans nicht am gesicht oder gebaͤr- den sehe/ oder sich in dem eusserlichen ein und anderes nicht mercken lassen/ was in dem hertzen/ aber dem andern zu offenbahren weder noͤthig noch nuͤtz- lich ist/ ist eine dissimulation, welche nicht eben verboten. Dann der mir ver- boten nichts falsches zu reden/ noch mit eusserlichem verstellen dem nechsten unrecht zu thun/ hat mich nicht zu gleich verbunden/ alles mein hertz zu jeder zeit und gegen jederman/ zu eroͤffnen/ als welches in dem menschlichen leben mehr schaden als nutzen bringen solte/ den die liebe vielmehr zu verhindern schuldig ist. Wolte man sagen/ in solcher dissimulation stecke allemal auch eine simulatio contrarii, so kan ichs nicht gar in abrede seyn/ aber eo sensu wolte auch nicht alle simulationem verboten achten/ sondern allein diejenige/ da etwas mehreres mit wuͤrcklicher verstellung geschihet zu des nechsten nach- theil. Wiewol das wort simulatio auch allgemeiner gebraucht wird/ da ich mich auch eben nicht wolte widersetzen/ daß es also geschehen moͤchte/ wie der S. D. ARTIC . IV. SECTIO II. S. D. Dannh. das wort auch gebraucht: Der insgesamt die sache sehr gruͤnd- lich ausfuͤhret/ Colleg. Decalog. Disp. 6. §. 4. p. 438. seq. daß mich lieber auf ihn beziehen/ als selbs mit mehrerem davon handlen will. Die dritte Frage. Q B dann ein Christ bey solcher un simuli rten pruͤffung des glau- bens schuldig seye/ da es ihm in beruffung zum predig-amt zuge- muthet wird/ mehr zu unternehmen/ als sein vermoͤgen/ und die von GOtt verliehene gaben (so von langen jahren genugsam explori ret) sich erstrecken: ja ob derselbige nicht vielmehr bey nicht erfolgetem un- moͤglichen succeß zur verzweifflung an GOttes guͤte und allmacht/ ja zu allem andern darauf erfolgten unrath/ und boßhafftiger zunoͤ- thigung der welt ursach gibet/ der aller demonstration ungeachtet/ um fleischlicher absicht willen die sache dannoch in solche wege richtet/ daß es einem goͤttlichen und ordenlichen beruff aͤhnlich sehen muß. Wozu dann heutiges tages man desto leichter kommen kan/ weilen unter den gelehrten vom goͤttlichen beruff der Prediger/ wie von dem verlohrnen Urim und Thummim des priesterlichen amts-schuͤldleins/ nach eines jeden fuͤhlen ehe zweiffelhafft disputi ret/ von etlichen aber interna vocatio nicht einmal beruͤhret wird/ der praxeos jetzo nicht zu gedencken. Der gemeine mann aber/ so nur auffs eusserliche des beruffs gaffet/ schleust flugs/ das muͤsse gewiß was goͤttliches seyn/ wann einer um einen dienst/ dem gemeinen brauch nach/ nicht lauffet/ kauffet/ freyet/ sondern fast genoͤthiget wird/ weiß aber nicht alle mal warum? Antwort. E S werden wiederum in dieser frage unterschiedliche stuͤcke zusammen ge- zogen/ die aber fuͤglicher in sonderbare fragen abzutheilen. Deren die 1. seye. Ob ein Christ/ so nach angestellter pruͤffung seines vermoͤgens in beruffs-sachen sein unvermoͤglichkeit findet/ nichts desto weniger gehalten waͤre/ solchen beruff anzunehmen? Hiebey achte ich. 1. Daß die pruͤffung erstlich recht anzustellen seye/ daß man versichert seye/ sich nicht eben selbsten zu betriegen. Wie dann gleichwie durch vermessenheit/ da man seinen kraͤfften ein mehreres trauet/ leicht kan suͤnde begangen werden/ also ist eben so wol muͤglich/ daß durch zagheit und forchtsamkeit/ dazu einige tempe- ramenta mehr geneigt seynd/ gesuͤndiget und goͤttlichem rath widerstrebet werde. 2. Damit nun solche pruͤffung recht angestellet werde/ gehoͤret nicht nur dazu ein eiffriges gebet zu GOTT/ der uns seinen willen zu erkennen ge- ben wolle/ sondern auch eine solche untersuchung unserer kraͤfften/ da wir im- D d d 3 mer Das dritte Capitel. mer mit einem auge auf GOttes gnade/ mit dem andern aber auf dasjenige- was er uns vertrauet hat/ sehen. Findet sich nun eine blosse natuͤrliche un- moͤglichkeit und ein offenbarer mangel/ daß auch andere die unmoͤglichkeit sehen/ so haben wir uns einer sachen nicht zu unternehmen/ die uns von GOtt nicht kan anbefohlen seyn/ als der keine tuͤchtigkeit dazu gegeben hat; indem wir auf eine miraculose ersetzung solches mangels ohne versuchung GOttes nicht warten doͤrffen/ er haͤtte uns dann durch eine gleiche wundersame art seines beruffs versichert: Also moͤchte kein blinder/ kein stummer/ keiner der nichts von goͤttlichen dingen verstuͤnde/ sich von andern uͤberreden lassen/ daß er sachen uͤbernehme/ dazu gesichte/ sprach/ studia erfordert werden. Finden wir aber ein solches unvermoͤgen/ daß uns nur gewisse umstaͤnde einer sachen unmuͤglich/ und uns unsere kraͤfften dazu zu schwach vorkommen/ als zum exempel/ nicht das predig-amt selbs/ oder einige dessen functio nen/ sondern deren menge und vielfaͤltigkeit/ und anders dergleichen: So haben wir die sache desto ernstlicher zu uͤberlegen/ ob nicht eine natuͤrliche forchtsamkeit/ ob nicht ein mißtrauen gegen GOTT/ mit darunter verborgen stecke; ob wir/ als wir vermeinet zu versuchen/ was unsere kraͤfften vermoͤchten/ den rechten fleiß angewendet/ nicht eine traͤgheit bey uns einnisten lassen/ oder durch die furcht der unmuͤglichkeit uns die sache wahrhafftig unmuͤglich gemachet; ob wir mit der probe eine weile angehalten/ oder gleich nachgelassen/ und was mehr dergleichen seyn mag: Jndem allerley also geschehen kan und mehrmal geschihet/ ja ich etwa selbs von den meisten exempeln/ daß geschehen ist/ wissen moͤchte. Es findet sich in der that bey einigen eine forchtsamkeit/ daß sie ihnen niemal nichts zutrauen/ sondern meinen/ es seye ihnen alles unmoͤglich/ wo sie aber dazu gleichsam genoͤthiget werden/ so gehets so von statten/ daß sie sich uͤber sich selbs verwundern/ woher ihnen solches vermoͤgen gekommen seye: Hingegen weiß ich/ daß einige tuͤchtigkeit gnug zu einer sache gehabt/ so sich durch proben gezeigt/ wo sie aber durch einigen zufall auf die impression der unmoͤglichkeit gekommen/ so haben sie es nachmal wahrhafftig nicht mehr ge- kont/ und ist die dadurch verursachte forcht eine staͤte hindernuͤß gewesen/ daß sie nicht mehr vermocht dasjenige zu thun/ was sie zu andern malen gekont. So gibts exempel/ daß einige im mißtrauen gegen GOTT sich auch dinge unmuͤglich gehalten/ zum exempel dieses und jenes gute zu thun/ oder gewisse suͤndliche gewohnheiten zu lassen/ versuchungen zu uͤberwinden/ u. s. f. die nach- mal/ wobey ihnen ein vertrauen gegen GOttes verheissung erwecket worden/ und sie in dem glauben die sache angegangen/ die muͤglichkeit/ ja daß es ihnen leicht worden/ erfahren haben. Es ist muͤglich und geschihet/ daß bey ein und andermaligem versuch einer sache unmuͤglich uns vorkommet und damal ist/ aber wo wir anhalten/ so thut die gewohnheit ein grosses/ und ersetzet den uns ange- ARTIC . IV. SECTIO II. angeschienenen mangel. So ists nichts seltzames/ daß durch eine natuͤrliche traͤgheit uns eine sache unmoͤglich wird. Weilen dann offenbar/ daß so vie- lerley ursachen seyn koͤnnen/ daß sich der mensch betriege/ und sich zu gewissen dingen unvermoͤglich halte/ dazu ers nicht ist/ so ist wol werth/ sich genau zu untersuchen. 3. Hielte vor nuͤtzlich/ allemal ihm nicht allein zu trauen/ son- dern christlicher und verstaͤndiger freunde rath mit zuzuziehen/ die uns ken- nen/ und etwa unpartheyischer von uns als wir selbs urtheilen moͤgen. 4. Finden wir nun/ daß unsere pruͤffung so ist/ daß wir zwahr eine sorge des un- vermoͤgens bey uns spuͤhren/ aber wahrhafftig nicht versichert desselben sind/ sondern wir sehen auffs wenigste etwas eine muͤglichkeit/ so wolte ich jene sorge vor eine versuchung des fleisches und frucht entweder einer natuͤrlichen forchtsamkeit oder mißtrauens lieber achten/ und trachten mit vorstellung goͤttlichen verheissenen beystandes/ in einer solchen sach/ die sonsten ohne das gut/ und ich/ daß sie goͤttlicher wille dißmal nicht seye/ keinen wichtigern er- weiß als sothane meine sorge haͤtte/ mich bestreben/ mein hertz zu einem ver- trauen auf GOTT zu disponi ren/ und in dessen nahmen die sache uͤberneh- men: Bevorab wo andere christliche freunde/ von dero fleischlichen absichten ich keine billige ursach zu argwohnen habe/ solches selbs davor hielten. 5. So viel eher waͤre solches in einem beruff zum predig-amt zu thun/ das ist/ der- selbe anzunehmen/ weil die gefahr desselben zwahr freylich groß/ aber solches nicht so wol aus unserem unvermoͤgen/ als andern ursachen kommet/ die mehr in dem willen stecken/ und was die treue betrifft: So sehe ich auch nicht/ wann es/ zum exempel/ solte betreffen stuͤcke einer eusseꝛlichen tuͤchtigkeit/ ob man die- se und jene arbeit zu verrichten kraͤfften leibes und gemuͤths habe/ und was dergleichen mehr seyn mag/ warum man so groß bedencken haben moͤchte/ weil es zwahr etwa nicht so gar gemein/ jedoch nicht eben aͤrgerlich seyn wuͤrde/ wo einer eine solche stelle/ mit sorge/ aber auch ausdruͤcklicher dero bezeugung vor der gemeinde/ antrete/ zu versuchen/ wie viel ihm GOTT gnade dazu geben wolte/ und wo ja endlich nach solchem eine zeitlang continui rtem versuch sich wahrhafftig hervor thaͤte/ daß man das vermoͤgen dazu nicht haͤtte/ solches amt wieder in der gemeinde hand resigni rete/ und eines anderwaͤrtigen be- ruffs zu einem solchen/ da wir uns tuͤchtiger finden/ zu erwarten. Man wuͤr- de etwa einige urtheil und verachtung deswegen uͤber sich ergehen muͤssen lassen/ aber ich hoffte/ es solte ein seinem GOTT gelassenes gemuͤth solches leicht uͤberwinden/ und als eine demuͤthigung von dessen seiner hand gehor- sam annehmen: Zu geschweigen daß was wahrhafftig christliche hertzen sind/ diese nicht uͤbel davon halten/ sondern an einer solchen person mehr zu loben als zu schelten finden wuͤrden. So kan man demnach nicht sagen/ daß die sache zu wichtig und zu grosser schad zu sorgen/ daher ein dergleichen beruff nicht Das dritte Capitel. nicht eher zu uͤbernehmen waͤre/ als wo man seiner tuͤchtigkeit gantz gewiß. Solte aber 6. nach aller solcher pruͤffung und versuch unser hertz darzu zu di- sponi ren ein staͤter und unuͤberwindlicher widerspruch des hertzens sich fin- den/ und dasselbe auf seiner sorgenden unvermoͤglichkeit verbleiben/ so ists freylich wahr/ daß ein solcher mensch in solcher gemuͤths-beschaffenheit einen beruff nicht annehmen koͤnte. Dann was uns schlechterdings unmoͤglich waͤre/ und GOTT uns zu geben nicht zusaget/ koͤnnen wir uns nicht auffla- den lassen/ solches aber haͤlt ein solcher mensch vor gewiß/ darff also wider sein/ obwol aus einer irrigen hypothesi widersprechendes/ gewissen nicht thun/ als welches werck nicht aus dem glauben gehen wuͤrde/ welcher etwaanderer freunde gutem urtheil (aus bewust seiner eigenen forchtsamkeit) uͤber sich de- feri ret/ und sich nachmal auf goͤttliche treue verlaͤsset. Jch wolte auch als- dann davor halten/ daß goͤttlicher rath sich eben hierinnen offenbahre/ der ei- nen solchen menschen nicht muͤsse darzu bestimmet/ sondern einiges zu dessen versuchung vorgehen lassen/ weil er bey ihm allerdings/ nachdem alles muͤgli- che in seiner ordnung treulich probiret worden/ keine anzeigung seiner wuͤr- ckung wiederfahren lassen. Wie wir dann freylich glauben muͤssen/ daß goͤtt- liche gedancken manchmal auch von unsern besten gedancken differi ren koͤn- nen: Und also nicht allemal dasjenige wahrhafftig sein wille uͤber uns gewe- sen/ was wir oder andere scheinbarlich davor gehalten haben. 2. Was von denjenigen zu halten/ die einen solchen bey sich zweif- felhafftigen menschen dazu fast noͤthigen/ daraus er nachmal unter- schiedliche incommoda leiden muß/ und welche aus fleischlichen ursa- chen und absichten es dahin richten/ daß es einem goͤttlichen beruff aͤhn- lich sehe/ was ihre anstalt effectui ret haͤtte? Dieses waͤre die andere fra- ge/ so in der dritten general- frage stecket. Meine gedancken gehen dahin. 1. Wer aus fleischlichen absichten von sich oder andern einen beruf practici ret/ versuͤndiget sich sehr schwehrlich/ sonderlich an einem solchen/ den er damit in gewissens-zweiffel oder andere ungemach stuͤrtzet/ ob er auch wol solches eben nicht intendi ret haͤtte; dann da wir in einer an sich selbs unrechten sache ste- hen/ kommet auf unsere verantwortung alles dasjenige/ was einigerley mas- sen daraus uͤbels entstehet. Ob aber dieser oder jener einen beruff aus fleisch- lichen ursachen er practici ret habe/ solte nachmal in discussione einer sache meines erachtens sehr schwehr werden/ und hielte auffs wenigste davor/ daß mit solchem verdacht aus zweiffelhafften/ obwol scheinbaren/ vermuthungen niemand beschwehret werden muͤste/ sondern solche beschuldigung gantz deut- liche und das gewissen zur gnuͤge uͤberzeugende gruͤnde haben muͤste. 3. Hin- gegen kan es wol geschehen/ daß christliche/ gewissenhaffte und verstaͤndige leute in hoc puncto vocationis von einander differi rende meinungen haben koͤnnen/ ARTIC. IV. SECTIO II. koͤnnen/ und also/ daß ein solcher mann/ dem etwa einer gemeinde zustand be- kant ist/ welcher auch eine person seiner meinung nach wol kennet/ und da- durch in die vermuthung kommet/ er schicke sich an einen solchen ort/ und wuͤr- de der gemeinde mit ihm gedienet seyn/ alsdann mit vorschlag oder recom- mendation und rath eine gelegenheit mache/ aus dero darnach eine wahl und vocation erfolget. Wo nun dergleichen geschehe/ so koͤnte zwahr seyn/ daß ein solcher sich in seinem urtheil von der person betrogen haͤtte/ auch daß nicht eben alles divina vocatio waͤre/ was auch die beste menschliche consilia davor gehalten/ und in der absicht befoͤrdert/ so dann daß ein solcher mann aus der habenden meinung/ daß goͤttlicher finger mit in dem werck zu erken- nen seye/ an eine solche person starck setze/ und sie einigerley massen noͤthige. Jch wuͤrde aber aus dergleichen bewegnuͤß noch nicht davor halten/ daß es aus fleischlichen absichten geschehe/ dann die liebe allezeit viel besseres hoffet; noch koͤnte sagen/ daß ein solcher mann darinnen suͤndigte/ indem wir nicht allemal voran (wie wir an David und Nathans exempel 2. Sam. 7. sehen) was der eigenliche wille GOttes uͤber den succeß jeder sache seye/ zu wissen gehalten sind/ und also mit gutem gewissen/ was wir zu befoͤrderung eines an sich selbs guten wercks unserm besten verstand nach dienlich zu seyn erkennen/ fleißig treiben/ und so viel an uns ist/ zu werck zu richten trachten moͤgen/ so lang und viel/ biß uns GOTT/ daß er ein anders beschlossen/ deutlicher zeiget/ alsdann freylich von der sache abzustehen ist. Wie dann darinnen fast allein in der- gleichen sache gesuͤndiget werden koͤnte/ wo sich ein solcher mann eine herr- schafft uͤber des andern gewissen nehmen/ und weiter gehen wolte/ als daß er seine meinung nach bestem gewissen dem andern vorlegt/ und mit vorstellung der motiv en ihn des goͤttlichen beruffs wegen/ so gut er es erkennet/ zu persua- di ren suchet/ damit er nicht unrecht thaͤte; wol aber da er seine meinung ohn- gepruͤffet als ein oraculum angenommen haben/ oder auch/ nachdem in dem succeß der sache der goͤttliche wille sich deutlicher hervor gethan/ noch immer auf seinem kopff bestehen wolte. 4. Weil nun in obbeschriebenen terminis ein solcher mann nicht suͤndigte/ obwol zufaͤlliger weise aus seinen consiliis dem andern einiges ungemach entstuͤnde/ hielte ich nicht davor/ daß solche schuld jenem zuzumessen waͤre/ sondern als eine andere verhaͤngnuͤß GOttes/ der dazu seine heilige ursachen habe/ angesehen werden solte. Wie wir dann in dingen/ die an sich selbs gut/ und darinnen wir nach bestem unserem gewis- sen gehandlet/ vor keine andere eventus rechenschafft zu geben schuldig sind/ als welche von selbsten daraus folgen/ und vernuͤnfftig haben vorgesehen werden koͤnnen. Es stecket endlich 3. diese allgemeine frage mit darinnen/ worinnen eine gewißheit des goͤttlichen beruffs insgemein zu finden/ und woran sie zu erkennen seye. Da leugne ich nicht/ daß es eine solche E e e frage/ Das dritte Capitel. frage/ sonderlich wo es zu der application und hypothesi jedesmal kommet/ die ihre zimliche difficul taͤten hat/ uñ nicht eben alles so leicht ausgemacht ist/ wie diejenige zuweilen vermuthen moͤchten/ welche die sachen nicht tieffer ein- sehen/ indessen ists keine unmuͤgliche sache/ auch hierinnen zu seines gewissens beruhigung eine versicherung zu erlangen. Die materie voͤllig auszufuͤhren ist allzuweitlaͤufftig/ und bekenne auch/ daß sie lieber von andern lesen/ als sie selbs uͤbernehmen wolte. Auffs kuͤrtzeste meine gedancken zu fassen/ so meine ich/ die vocation seye ein werck/ dero goͤttliche guͤltigkeit aus zusammen gesetz- ten mehrern umstaͤnden geschlossen werden muß/ nemlich wo dieselbe insge- samt richtig sind: Als nemlich wo 1. bey dem vocante kein mangel/ sondern der- selbe das recht dazu hat. 2. Da in der art kein fehler/ nichts erkaufft oder sonst auf unziemliche weise er practici ret ist. 3. Da an dem vocando sich das noͤthige findet. 1. Daß er eine freye und andern nicht mehr verbundene per- son/ oder doch von solchem bande auf rechtmaͤßige weise loß gemacht worden. 2. Daß so wol insgemein die tuͤchtigkeit zu dem heiligen amt sich bey ihm fin- de/ als absonderlich nichts an ihm zu sehen/ daß etwa derjenigen stelle/ davon geredet wird/ besonders unanstaͤndig seye. Diese requisita achte gantz noͤthig seyn/ und wuͤste nicht/ ob uͤber dieselbe wol andere noͤthig waͤren. Was die internam vocationem anlangt/ so fern dieselbe heissen solle einen empfindli- chen trieb in seinem hertzen/ und eine freudigkeit solches amt anzunehmen/ traute ich mir nicht dieselbe als ein nothwendiges requisitum zu erfordern: Bey Mose/ Jeremia und Jona/ war an statt desselben triebes und freudig- keit/ vielmehr eine widrigkeit dagegen/ und doch war der beruff unzweiffenlich goͤttlich. Wiewol wo solcher trieb vorhanden ist/ ich aus demselben/ da die andere requisita auch da sind/ auf die goͤttlichkeit des beruffs ein starckes ar- gument gezogen zu werden nicht leugne: Aber also daß deßwegen der mangel desselben das contrarium noch nicht mit sich braͤchte. Wo wir aber ja wol- len eine internam vocationem erfordern/ so ich nicht widerstreiten will/ ge- daͤchte ich/ wir haͤtten sie in nichts anders zu suchen/ als in der endlichen uͤber- zeugung des gewissens aus denjenigen andern gruͤnden/ daraus die richtig- keit des beruffs geschlossen wird/ und dasselbe nichts wichtiges und erhebli- ches dagegen auffzubringen weiß/ daß GOttes willen und werck seye/ was mit uns vorgegangen/ neben der allgemeinen inclination und neigung un- sers hertzens/ daß wir/ wie uns GOTT aus so eigener wahl als etwa der unsrigen ordenlichen anleitung zu seinem dienst einmal gewidmet/ wir auch noch unser pfund zu seiner kirchen besten gern anwenden wolten; dann diese zuneigung achtete ich gleichwol noͤthig/ und wolte nicht gern einen noͤthigen/ der immerfort wahrhafftig einen widerwillen und aversion gegen den dienst des worts bey sich haͤtte und bezeugete/ biß er durch GOttes gnade sein hertz aͤnderte. ARTIC. IV. SECTIO II. aͤnderte. Aber wo gleichwol die allgemeine zuneigung zu dem dienst GOt- tes sich findet/ und in hypothesi einer gewissen vocation das gewissen so fern uͤberzeuget ist/ daß es nichts entgegen halten kan/ als daß man keinen solchen innerlichen trieb bey sich fuͤhle/ hielte ich solches genugsam zu seyn zu einer in- nerlichen vocation. Weil aber unter den vorigen requisitis vielleicht der groͤsseste scrupel ist wegen der tuͤchtigkeit des vocandi und art zu dero gewiß- heit zu kommen/ so scheinet solches fast fuͤglicher zu der nechsten frag zu refe- ri ren seyn. Die vierdte Frage. W Eil aber ut plurimum vorgeworffen wird/ man muͤsse seiner ver- nunfft nicht trauen/ sondern dem gehorsam des glaubens unter- werffen/ so moͤchte ich gern von dieser materia etwas gewisses/ daß man der sache weder zu viel noch zu wenig thue/ lesen. Dann wie der ei- genduͤnckel ist der weg zu allerhand irrthum/ also die leichtglaubig- keit zu der verfuͤhrung. Antwort. M An kan freylich auf beyden seiten fehlen. Eines theils wo man seiner vernunfft (wodurch ich achte/ daß hie gemeinet werde/ sein eigen urtheil von sich selbs) trauen will. Jndem so bald vermessenheit und eigene einbil- dung/ als ander seits forchtsamkeit und zagheit/ verursachen koͤnnen/ daß wir uns zu viel oder zu wenig zutrauen/ und also nachmalen aus einem falschen præsupposito nicht anders als irrig schliessen koͤnnen: Andern theils wo man unter der unterwerffung der vernunfft unter den gehorsam des glaubens verstehen wolte/ eine blinde annehmung jeglichen dings/ was uns ein anderer unter dem vorwand goͤttlichen willens ohne dessen vergnuͤgliche erweißthuͤme vorsagen wolte/ indem die pruͤffung unser selbs goͤttlicher ordnung gemaͤß ist. Daher achte ich/ daß man das mittel und temperament treffe. 1. Sich fleißig mit hertzlicher anruffung GOttes und mit anwendung aller in einer solchen wichtigen sache noͤthiger sorgfalt selbs pruͤffe/ nach demjenigen talent, was in uns geleget. 2. Finden wir die capaci taͤt selbs etlicher massen/ auffs wenig- ste daß wir nicht die untuͤchtigkeit starck gewahr werden/ so koͤnnen wir in GOttes nahmen und mit fernerem vertrauen auf seinen beystand eine gute resolution fassen. 3. Deucht uns aber/ wir finden die untuͤchtigkeit sehr scheinbar/ so achte ich/ sonderlich bey den gemuͤthern/ die ohne das auch etwa aus einem natuͤrlichen temperamento etwas angsthaffter oder schuͤchtern sind/ durchaus noch nicht dabey zu beruhen/ und eine sache auszuschlagen zu seyn: sondern daß anderer christliches gutachten daruͤber gehoͤret werde. 4. Koͤnnen diese uns die sache so deutlich vorstellen/ daß uns unser scrupel be- E e e 2 nom- Das dritte Capitel. nommen wird/ so ist es abermal gut und dem gewissen schon gerathen. 5. Koͤn- nen aber dieselbe uns noch nicht genuͤge thun noch befriedigen/ so ist die unter- lassung der sache/ als hie der uͤbernehmung eines solchen beruffs entweder also bewandt/ daß von deroselben niemand schaden zu sorgen hat (zum exempel daß eine stelle so wol oder besser durch andere zu ersetzen/ daß die vocantes sich uͤber die ableinung nicht aͤrgern/ sondern unschwehr acquiesci ren werden und dergleichen) oder wir sehen/ daß solche unterlassung suͤnde oder schaden leicht nach sich ziehen moͤchte. Jn dem ersten fall/ wolte ich die sache in GOt- tes nahmen unterlassen/ indem solcher theil das sicherste ist/ aber in dem an- dern fall/ finde ich endlichen keinen andern rath/ als das gantze werck/ nicht nur wie vormal guter freunde rath/ sondern allerdings deroselben/ welche wir et- wa in der forcht GOttes dazu am tuͤchtigsten finden moͤchten/ (dahin sonder- lich die Superiores aus eigenem recht gehoͤren) ausspruch zu uͤberlassen/ und also in denselben den mund des HErrn zu fragen/ und seine antwort zu erwar- ten. Welches ein weg ist/ der aus oben angefuͤhrten gruͤnden mir der sicher- ste in entstehung anderer gewißheit/ vorkommet/ und von unterschiedlichen christlichen hertzen zu ihrer vergnuͤglichen beruhigung gebraucht worden ist. Mir ist ein neues exempel bekant eines gottseligen und beruͤhmten Theologi, welcher an einen andern ort beruffen/ da auf beyden seiten die allerwichtigste momenta zu bleiben oder zu aͤndern sich befunden haben/ sich nicht aus densel- ben finden/ oder etwas gewisses ohne verletzung seines gewissens/ welches von beyderley rationibus sehr bestrickt war/ wehlen koͤnnen; daher er 3. unter- schiedliche Theologos an unterschiedlichen orten/ zu dero gewissenhaffter und gottseliger uͤberlegung er ein sonderbar vertrauen hatte/ mit vorstellung aller beyderseits gewichte anlangte/ und deroselben antwort begehrte/ mit der resolution, denselben oder den majoribus unter ihnen zu folgen: Da nun zwey auf eine seite/ der dritte aber/ obwol mit einigen reservatis, auf die andere ging/ so kam er jener ausspruch nach/ und fande sich in seinem gewissen beruhi- get. Wo ich auch mein eigen exempel bey einem guten freunde darff anfuͤh- ren/ habe ich bey meiner hiesigen vocation einen nicht gar ungleichen weg er- wehlet. Jch sahe starcke rationes, warum ich die vocation vor goͤttlich solte erkennen/ die mir ohne meine gedancken angetragen worden/ und sich viele um- staͤnde dabey zeigten/ die ich wahrhafftig vor sonderbar achtete: Auf der an- dern seiten waren nicht geringere rationes, die mich an derselben zweiffelen und sie als eine tentationem divinam ansehen machten/ sonderlich daß mich zu dergleichen einem amt/ dazu viele erfahrung und praxis gehoͤrte/ da doch biß dahin wenig an diese gedacht/ untuͤchtig sorgte. Jch wußte mir nicht zu helffen: Bey mir selbs war kein rath/ wie ich insgemein in meinen eigenen sa- chen sehr schwehr zu einer resolution zu kommen weiß/ und immer zu viel oder zu ARTIC. IV. SECTIO II. zu wenig zu thun sorge. Guter freunde rath sorgte auch nicht genug zu seyn/ weil ich so viel erfahren/ daß derselben rath aus fleischlichen absichten eines theils geschaͤhe: Da ergriff ich dieses mittel/ und gabe die sach gantz aus haͤn- den/ daß beyderseits Obrigkeit/ die Straßburgische (sonderlich weil mich diese besser/ wozu ich geschickt oder nicht geschickt/ als ich mich selbs/ kennete/) und Franckfurtische sich meinetwegen vergliche/ wozu sie mich am bequem- sten achteten/ und also welche mich bey ihrer gemeinde haben solte; da ich mei- ner damaligen dieses zutrauete/ sie wuͤrde sich auch der Theologi schen Facul- taͤt raths daruͤber gebrauchen: So auch geschehen/ und also da ich mich bloß passive hielte/ der schluß erfolget ist/ daß ich nach Franckfurt solte: Welche antwort durch diejenige/ die meine vorgesetzte waren/ mir angezeiget ich als goͤttliches decret gehorsam angenommen/ mich bißher darauf gesteifft/ und michs niemal reuen habe lassen/ sonderlich da auch vieles erfolgete mich sol- cher goͤttlichen leitung versicherte. Welches mittel ich nun aus eigener er- fahrung nuͤtzlich befunden/ recommendi re ich andern auch so viel lieber: und bin versichert/ daß goͤttliche treue nicht lassen kan/ denen jenigen/ welche gern den goͤttlichen ihnen zu wissen noͤthigen willen erkennen moͤchten/ als welchen sie auch gern erfuͤllen wolten/ solchen zu offenbaren; daher sie/ wo sie bey sich selbs die versicherung noch zu finden nicht vermoͤgen/ sicher glauben duͤrffen/ daß der HErr andere ordenliche mittel/ deren ich nicht wol andere sehe/ als die vorgeschlagene/ so gewiß segnen werde/ daß ihr glaube sich darauf lassen koͤn- ne. Wo es nun sonsten von dem looß heisset/ daß dasselbe in den schooß ge- worffen werde/ aber falle wie der HErr wolle/ so will ich zwahr zu keinem looß rathen/ damit wir nicht den HErrn versuchen/ aber solche rathfragung der bruͤder und uͤberlassung unsers anligens an dieselbige/ ist mir an statt eines loosses/ so mir das gewissen genug beruhiget. Der HErr gebe uns in allem in dem liecht seines Geistes die wahrheit zu erkennen/ und seinen willen freudig zu thun um unsers JEsu willen. Amen. SECTIO III. Verleugnung sein selbs und der welt. Besuchung andrer religion kirchen/ und gebet darinnen. Transplantation der kranckheiten. Jacob Boͤh- me. D. Carpzov. V On voriger post ist mir dessen freundliches wohl zu handen gekommen/ und hat mich nicht wenig erfrenet/ theils wegen bezeugung christlichen vertrauens gegen mich/ theils aber und vornemlich/ weil aus demsel- ben verstanden habe/ daß der guͤtigste Vater seine seele kraͤfftig geruͤhret/ so E e e 3 wol Das dritte Capitel. wol zu erkennen die nichtigkeit des vertrauens derjenigen/ die auff dem brei- ten welt-wege gleich wol zu dem himmel zu kommen sich einbilden/ als hinge- gen in wahrer buß auff den rechten weg einzutreten/ auff welchem man sein heil allein durch den glauben an Christum JEsum ergreiffet/ und aus dem- selben in thaͤtiger liebe und gehorsam der goͤttlichen gebote eiffrig fortzufah- ren. Fuͤr welche demselben erzeigte gnade billich mit ihm dem Vater des liechts/ von dem alle gute und alle vollkommene gaben herkommen/ demuͤ- thigste dancke/ mit Paulo uͤber seine Philipper in guter zuversicht/ daß der in ihm angefangen hat das gute werck/ es auch vollfuͤhren werde biß an den tag JESU CHRJSTJ: aber auch des Apostels bitte wiederhole will/ daß er je mehr und mehr reich werde in allerley erkaͤntnuͤß und erfah- rung/ daß er pruͤfen moͤge/ was das beste seye/ auff daß er seye lauter und unanstoͤßig biß auff den tag Christi/ erfuͤllet mit fruͤchten der ge- rechtigkeit/ die durch JEsum CHristum geschehen in ihm zur ehre und lobe GOttes. Amen. Daß die verleugnung der welt und seiner selbs ihn am schwehrsten ankomme/ wundre mich nicht/ sondern bin versichert/ daß es die klage seye aller derer/ die noch in dem fleisch leben muͤssen. Ja alles was uns in den uͤbrigen pflichten schwehr wird/ hat seine schwehrigkeit dar- aus/ so viel der selbs-verleugnung drein fliessen muß. Dann weil die unor- denliche selbs-liebe recht das innerste hertz des alten Adams ist/ und wo es uns an der liebe GOttes und des nechsten manglet/ solcher mangel aus der selbs-liebe herkommet/ so bleidet unser kampff gegen die selbs-liebe unauff- hoͤrlich/ und so viel vermoͤgen wir GOtt und den nechsten zu lieben/ als wir diese selbs-liebe ablegen. Wie dann die selbs-verleugnung nichts anders ist/ als solcher selbs-liebe ablegung oder vielmehr toͤdtung. Welches toͤd- ten allerdings mit schmertzen geschihet/ nicht nur wo man das selbs in seinen groͤbern stuͤcken/ sondern auch in den subtilern/ die uns nicht weniger fest an- kleben/ angreiffen muß. Also muß der anfang der selbs-verleugnung bereits einiger massen in dem anfang der buß geschehen/ aber so lange in der erneue- rung fortgesetzt werden/ biß das selbs mit uns sterbe/ daß wir es der christli- chen uͤbung/ was das thun anlangt/ A. und D. nennen moͤgen. Doch ist die- ses der trost/ den redlichen vor- und ansatz an solchem werck lasse der himmli- sche Vater nicht stecken/ sondern gebe denjenigen/ die seine darzu ertheilte gnade treulich brauchen/ immer ein so viel reichlicher maaß/ daß sie durch je- den sieg wider solches selbs zu noch weitern/ mehr kraͤfften bekommen/ und in dem kampff nicht erligen sollen. Was die vorgelegte fragen anlangt/ ant- worte darauff/ als viel dieses mal die zeit zugibet. I. So ist nun die erste: ob ich meinemnechsten zu liebe/ so er das- selbe ARTIC. IV. SECTIO III. selbe von mir verlangt/ in seine kirche anderer religion gehen kan? und ob ich in derselben eben so wol als in meiner von GOtt kan erhoͤret wer- den. Hierauff antworte nun 1. daß nicht an sich selbs suͤndlich seye/ in eine versammlung auch der irrenden zu kommen. Aber 2. dasselbe wird unrecht und zur suͤnde: wo es geschihet (1. mit versaͤumnuͤß und verachtung der recht- glaubigen gemeinden/ da man sie haben kan. (2. Bey begehung eines sol- chen ausgebenden Gottesdiensts/ wobey etwas abgoͤttisches vorgehet: wie zum exempel/ eine paͤpstische predigt hoͤren ist an sich selbs nicht suͤndlich (ob es wol dergleichen auch werden kan) wol aber ist es suͤndlich der abgoͤttischen meß beyzu wohnen/ und sich durch seine gegenwart/ da man sein mißfallen nicht bezeugen darff/ derogreuel theilhafftig zu machen. (3. Wo es geschi- het mit gefahr entweder der seelen/ als wann nicht gnug gegruͤndete/ der irr- glaubigen predigten hoͤren/ dadurch sie leicht verfuͤhret werden moͤgen/ oder des leibes/ bey den widrigen/ welche gewalt haben/ diejenige/ so sich nicht al- lem accommodi ren/ zu verletzen oder niederzuschlagen/ welcherley leiden bey dergleichen personen kein Gottgefaͤlliges martyrium waͤre/ indem sie GOTT versucht mit muth williger begebung in gefahr. (4. Wo es geschi- het mit aͤrgernuͤß entweder der widrigen/ die sich dadurch staͤrcken/ daß wir ihren Gottesdienst nicht verwerffen koͤnten/ oder der glaubens-genossen/ die unsre freyheit nicht begreiffen koͤnnen/ und sich wol dadurch zu einer ihnen suͤndlichen nachfolge verleiten lassen moͤgen/ dero suͤnde auff einen solchen menschen ankommet. (5. Mit einer muͤndlichen oder thaͤtigen billigung des- sen/ was unrechtes in einer solchen versammlung vorgehet/ oder auch daß man solche versammlung eben zu dem ende besuchet/ sie damit davor zu erken- nen/ als eine solche/ wo der HErr mit seiner wahrheit wohne. Da doch irr- glaubige versammlungen/ ob wol GOtt unter den gliedern derselbigen/ so lang sein wort noch da bleibet/ seinen heiligen saamen erhaͤlt/ und bey den- selben ist/ sich gleiches recht mit den rechtglaubigen gemeinden nicht anmas- sen koͤnnen/ oder von uns ihnen beygeleget werden darff. Diese stuͤcke fallen mir jetzt bey (moͤgen aber etwa auch mehr seyn) um welcher willen solche be- suchung andrer kirchen kan unrecht werden/ ja meistens unrecht wird: und daher darinnen nichts anders als mit grossem bedacht und pruͤfung seines hertzens vor GOtt vorgenommen/ sonderlich verhuͤtet werden muß/ daß e- ben derjenige/ auff dessen bitte wir in seine kirche gehen/ es nicht als eine bil- ligung seiner religion annehmen koͤnne oder annehme. Daher es etwa ein seltener fall werden/ und nur zuweilen gewisse umstaͤnde solchen mit sich brin- gen moͤchten/ da man es ohne verletzung des gewissens thun koͤnte. 3. Was das gebet anlangt/ weil wir aller orten heilige haͤnde zu GOtt auffheben 1. Tim. 2/ 8. uñ ihn im geist uñ wahꝛheit anbeten Joh. 4/ 24. doͤꝛffen/ so gefaͤllet ihm Das dritte Capitel. ihm alles unser glaubiges andaͤchtiges gebet wol/ es geschehe wo es wolle: und solte einer gebunden in einen heidnischen goͤtzen-tempel gefuͤhret werden/ mag/ ja solle er/ zu seinem wahren GOtt um huͤlffe schreyen/ und sich der er- hoͤrung versichern. Es kan aber solches gebet GOtt mißfaͤllig werden/ wo 1.) aus einiger obiger ursache/ die besuchung solcher versammlung unrecht gewesen/ dann so kan das gebet auch nicht rein seyn. 2.) Wo zu dem gebet austruͤcklich solche kirchen gesucht werden/ aus dem aberglauben/ gleich ob GOtt an solchem ort das gebet kraͤfftiger als zu hause erhoͤrte: da doch alle ort seinem thron gleich angenehm und gleich nahe sind: das gebet hingegen in der kirchen keinen andern vorzug vor dem andern hat/ als wo es durch die mit einstimmung einer glaubigen gemeinde bestaͤrcket wird: sonderlich wuͤrde es unrecht seyn/ wo man widrige und irrende damit staͤrckete/ ihre kirchen um daselbs zu beten zu besuchen. Jnsgesamt haben wir den HErrn anzuruf- fen/ so in diesem als andern stuͤcken aus seiner gnade zu erkennen/ was sein wille an uns seye/ und alsdenn demselbigen zu folgen. II. Was die andre frage anlangt; ob ich meinem nechsten/ der mir was abborgen will/ dasselbe mit gutem gewissen abschlagen kan; oder so ich ihm geld oder sonst was darreiche/ ich dafuͤr einiges interesse oder un- terpfand nehmen kan? So ist solche materie zu weitlaͤufftig in diesem brieff/ und bey meiner wenigen zeit auszufuͤhren. Jch habe aber das meiste davon erwogen in meinen Evangel. lebens-pflichten auff den Sonntag Septuag. p. 289. 290. Kurtz sind zwo regeln/ die fast die graͤntz-steine sind: daß wir 1. lie- be bey aller gelegenheit zu uͤben bereit und von grund der seelen willig seyen. 2. daß die uͤbung derselben also eingerichtet werde/ damit nicht nach den wor- ten 2. Cor. 8/ 13. ein theil truͤbsaal/ das andre ruhe habe/ sondern daß es gleich seye. Daher alles/ was von der gantzen sache gesaget werden kan/ aus diesen reglen fliessen muß. Was aber die dritte frage betrifft: ob man eine kranckheit von einem menschen per curationem sympatheticam in eine andere creatur als einen hund transplantiren doͤrffe? so haͤnget dieselbe an einer vorhergehenden frag/ nemlich ob dergleichen trans- plantation allerdings wahrhafftig natuͤrlich hergehe/ und nichts aberglaͤu- bisches damit vorgenommen werden doͤrffe: ist jenes richtig/ und ob gleich das διότι nicht so offenbahr an dem ὅτι dannoch kein zweiffel waͤre/ welches ich den physicis und medicis uͤberlassen muß/ so ist die frage auch so bald mit ja beantwortet. Es ist uns das viehe und andre thiere also zu dienst uͤbergeben/ daß sie uns auch mit ihrem tod dienen muͤssen/ wie niemand es suͤndlich achtet/ daß so viel tausend thier wol gar taͤglich zu der menschen speisegeschlachtet werden: Es zweiffelt niemand dran/ daß man doͤrffe zum exem- ARTIC. IV. SECTIO III. exempel saugegel dem menschen applici ren/ das boͤse gebluͤt aus seinem leibe auszusaugen/ daran sie sterben/ daß man tauben in hitzigen schwach heiten aufflege/ die hitze zu des menschen erleichterung und ihrem tode an sich zu zie- hen und s. f. So hats dann gleiche bewandnuͤß/ wo auff natuͤrliche weise/ es seye nun auff grobe greifliche art/ oder auff einen verborgenen weg der sympathie, das uͤbel davon die kranckheit entstehet/ auff ein ander thier deri- vi ret/ und der mensch dadurch befreyet/ oder doch seine noth erleichtert wird. Was endlich Jacob Boͤhmen anlangt/ kan ich dessen fehler nicht zeigen/ als der so offt auch oͤffentlich mich erklaͤhret/ daß ihn niemal als incidenter da und dort ein stuͤcklein/ und einmal in einem tractat etwa die helffte/ gelesen habe. So finde auch weder zeit denselben zu lesen (als worzu eine weil eine freymachung des gemuͤths von allen andern arbeiten/ nur mit rechtem nach- sinnen uͤber ihm zu seyn/ erfordert wuͤrde) noch gnugsam frucht/ weil ich be- kenne/ das was gelesen nicht verstanden/ und also auch wo schon mehr fleiß anwendete/ ihn zu verstehen kein vertrauen habe. So viel bleibet/ wo das jenige in Boͤhmen und von ihm also gemeinet ist/ was aus ihm ausgezogen mir unterschiedlich mal bereits vorgehalten worden ist/ und wie die dermas- sen bloßstehende wort den verstand mit sich bringen/ muͤste er viel und schweh- re irrthum haben. Wann aber ein unbekanter liebhaber der wahrheit bey 2. jahren her zu zwey malen die erste 20. von Herr D. Hinckelmann aus Boͤh- men vorgelegte fragen also beantwortet/ daß die ihm zugemessene irrthume von ihm abgeleinet/ und seine wort mit unsrer orthodoxie in der sache selbs concilii ret worden/ welches ich zu thun mir nicht zugetrauet haͤtte/ so stehe ich noch so vielmehr an/ und mag hoffen/ daß etwa auch die uͤbrige stellen/ so irrig scheinen/ nicht weniger von irrthum liberi rt werden moͤchten. Also muß ich immer dabey bleiben/ daß den mann ungerichtet lasse/ und ihn we- der vor einen irrgeist noch rechten lehrer erklaͤhre: dabey GOtt bitte/ daß er auff seiner weißheit gemaͤsse art noch zeigen wolle/ was richtig oder unrich- tig in ihm seyn muͤsse. Von Herr D. Carpzovii disputation habe gehoͤret/ sie auch gesehen. Muß mit dem mann gedult tragen/ dem seine affecten nicht zulassen/ in solcher sache die wahrheit zu erkennen: dero macht aber wider al- len seinen und anderer danck doch zu seiner zeit in GOTTes krafft durchb re- chen muß. Der HErr sehe ihn und andre widersprecher in gnaden an/ sie zu andern leuten zu machen/ oder ihnen die haͤnde um nicht ferner zu schaden zu binden/ damit nicht sein gericht endlich uͤber sie schwehrer fallen und sie unter- trucken moͤge. Davon jenes in taͤglichem gebet vor Gott fuͤr sie suche. Schließ- lich aber zu vorhabender reise nicht allein zu dero sicherheit und abwendung aller gefahr das geleit und schutz der H. Engel/ sondern insgesamt GOttes gnade und seines Geistes beystand in reichlicher maaß anwuͤnsche/ damit F f f der- Das dritte Capitel. derselbe von solchem besten regirer sich auch zu hause/ und wo ihn goͤttliche providenz ferner hinfuͤhren mag/ aller orten also leiten lasse/ mit jederman unstraͤfflich/ christlich und vorsichtig umzugehen/ und so wol im fall er bereits sein pfund auch zu der krancken cur anwenden solle/ solches im segen zu thun/ als auch was er in dem geistlichen von der himmlischen guͤte empfangen/ gele- genlich zu seinen ehren/ anderer auffmunterung und eigenem wachsthum an- zuwenden/ damit er nicht ohne frucht bleibe. 1696. SECTIO IV. Bereitung des hertzens zu williger verleugnung alles zeitlichen/ aus gelegenheit der uͤbergab der stadt Straßburg. E S ist mir das neuliche recht angenehm und erfreulich gewesen/ gleich- wie in andern stuͤcken/ also vornemlich/ weil ich daraus ersehen/ wie der- selbe sich so christlich in goͤttliche ordnung und willen schicke. Ach daß wir solches alle und zu allen zeiten thun moͤgen! dann dieses ist gewißlich die allerbeste weise eine last zu tragen/ daß wir solche mit willen auffnehmen/ und an den guͤtigen weisen rath desjenigen gedencken/ der uns nichts als mit hertz- licher liebe auffleget/ wie er es uns nuͤtzlich befindet zu seyn. Da hingegen/ wo wir ungern an die sache kommen/ sie uns nur desto schwehrer/ ja gar un- traͤglich wird; wo wir nicht stets die gedancken und augen auf diejenige hand wenden/ ohne die uns nichts begegnen oder auffgelegt werden mag/ und die es in allem so gut meinet. Was sie unter der neuen regirung ins kuͤnfftige zu erwarten haben/ ob man suchen werde/ die stadt in flor zu bringen und zu er- halten/ oder sie mit fleiß zu truͤcken; ob ihre freyheit/ so viel davon noch uͤbrig ist/ gelassen/ oder mehr eingeschrencket werde werden; ob in dem geistlichen es in dem gegen waͤrtigen stande bleiben/ oder die widrige genannte geistlichen ein mehrers gegen uns auswuͤrcken werden; so dann was die liebe posteri taͤt auf die kuͤnfftige zeit sich zu versehen habe/ will mir nicht ziehmen/ muthmaß- lich zu untersuchen/ und dieses oder jenes vorzusagen/ da offt auf beyderley seit starcke rationes stehen moͤchten: Sondern mir stehet vielmehr zu/ zu wuͤn- schen und zu ermahnen/ daß wir trachten/ in den stand des gemuͤths zu kom- men/ daß uns alles solches endlich eineꝛley seye/ und daß wir jedes von solchem zu unserem nutzen lernen anwenden: Daß wir zwahr in kindlicher demuth den HErrn um abwendung desjenigen/ was uns auch in dem leiblichen be- schwehrlich faͤllet/ anruffen/ aber allemal diß dabey ausnehmen/ wo es sein heiliger will also seyn werde/ als dann bereit/ den unsrigen gern zu verleugnen/ da derselbige dem seinigen entgegen stehen solle. Auf die weise wird uns nun- ARTIC . IV. SECTIO IV. nunmehr alles zimlich indifferent werden/ wie es uns gehe/ da wir nun der goͤttlichen gnade/ die uns vergnuͤget/ versichert seyn/ werden auch nicht viel- mehr um das kuͤnfftige uns sorglich aͤngsten/ weil es in keines menschen son- dern allein in des guͤtigsten Vaters hand stehet. Ach daß wir recht solche kindliche gelassenheit begreiffen lernen/ so werden wir uns in derselben/ da wir ihre krafft einmal recht geschmeckt/ viel seliger preisen/ als alle eusserlich gluͤck- seligst gepreisene seyn moͤgen. Es ist auch dieses ein stuͤck der wolthat und erloͤsung/ die uns von unserem liebsten Erloͤser wiederfahren ist/ daß er dieje- nige erloͤsete/ so durch furcht des todes im gantzen leben und also in allerhand leiden/ gefahr kuͤnfftiger truͤbsaalen/ knechte/ und also elend und miserabel seyn muͤssen. Nun hat uns unser liebe Heyland alle auf solche art erloͤset/ oder uns das recht darzu verdienet/ aber in dem glauben werden wir allein desselben guten theilhafftig/ und kommen zu solcher ruhe thaͤtlich. Dann weil alle unruhe/ forcht/ und dahero entstehende ungluͤckseligkeit daraus ihren ursprung her gewinnet/ weil wir uns selbs lieben/ und zwahr in solchen din- gen/ darinnen nicht wahrhafftig unser wolstand bestehet/ sondern worinnen unsers fleisches sinn sein vergnuͤgen findet/ so kan unserem ungluͤck nicht besser gerathen werden/ als wo wir von unserer eigenen liebe abgewendet/ oder viel- mehr dieselbige gemaͤßiget/ oder auf diejenige wahre guͤter gerichtet werde/ worinnen wahrhafftig uns wol seyn mag. Wie es dann unmoͤglich ist/ die seele von der liebe der eusserlichen dingen/ dero hochhaltung unserer verderb- ten natur nunmehr angebohren ist/ abzuziehen/ es seye dann/ daß man uns et- was besseres und vortrefflichers zeige und gebe. Wie ich einen armen aber geitzigen bauren nicht anders darzu bringen wuͤrde/ daß er mit freuden all sein guͤtlein/ welches er hat/ seine etzliche heller/ hauß/ stroh-huͤttlein dahin geben moͤchte/ alswo ich ihm ein vortrefflichers gut/ hauß/ in summa dergleichen schaͤtze zeigen wuͤrde/ worinnen er alles verlassene hundertfaͤltig wieder haben wuͤrde/ wo er erst seine armuth verlassen wolle: Wo ich ihm aber dieses zeigte und ihn dessen versicherte/ also daß ers auch glaubte/ solches seye nunmehr al- les sein/ so ist kein zweiffel/ er wird mit grosser freude das vorige zuruͤck lassen. Diese kunst brauchet GOTT gegen uns/ daß er uns/ damit er uns von der thoͤrichten selbs-liebe/ worinnen wir mehr unser verderben als uns selbs wahrhafftig lieben/ abbringe/ in dem geistlichen alles tausendfaͤltig zeiget/ was wir in den wahren guͤtern/ in der wahren ehr seiner kindschafft/ und vor seinen augen geachtet zu seyn/ in denjenigen seelen-schaͤtzen/ darinn wir nebens allen andern guͤtern/ so die seele recht reich machen koͤnnen/ ihn selbs besitzen moͤgen/ in der innerlichen freude des H. Geistes und empfindung des himm- lischen trosts/ zeiget und anbietet; damit wir um dieser willen/ welche unsere seele recht beruhigen koͤnnen/ und darinnen wir zu unserem ersten ursprung F f f 2 und Das dritte Capitel und art/ wozu wir erschaffen gewesen/ wiederum kommen/ die andere/ dardurch wir nur mehr verderbt werden/ willig fahren lassen. Wo wir also darzu kom- men/ daß wir in dem wahren und lebendigen glauben/ nicht nur in einer einbil- dung/ die sich der mensch aus eigener krafft und seiner vernunfft macht/ solche rechte wahre guͤter/ die gerechtigkeit unsers Heylandes/ den innerlichen frie- den und freude des H. Geistes/ und dessen kraͤfftige wuͤrckung in wiederan- richtung des goͤttlichen bildes in uns/ wahrhafftig besitzẽ/ als welches die rech- te fruͤchten sind der erloͤsung unsers liebsten Heylandes/ so zeigt uns die leben- dige und wahre erkaͤntnuͤß deroselben den grossen unterscheid solches unsers wahren heils/ worinnen uns wol ist/ und der andern schein-guͤter dero begier- de/ liebe und anhaͤngigkeit uns so offt verunruhiget hat/ daß wir nun diese je laͤnger je weniger mehr achten/ und sie wahrhafftig also ansehen/ als dinge/ darinnen unser wolseyn nicht stehet/ wol aber die mit unordenlicher liebe be- sessen/ dasselbe maͤchtig hindern moͤgen. Haben wir dann einmal dieselbe recht erkennen gelernet/ so haben wir auch ihre liebe zimlich uͤberwunden/ und doͤrffen nun nicht mehr aus furcht des todes oder deroselben verlust mehr knechte seyn: Sondern hat uns GOTT etwas gegeben vom ehren-stand/ guͤ- tern/ und gemaͤchlichkeit dieses lebens/ so brauchen wir es mit danck/ aber auch grosser behutsamkeit/ so lang ers uns laͤsset; wir gehen damit um/ als mit koh- len/ daran man leicht die finger verbrennen kan. Gewinnets das ansehen/ daß uns GOTT solche dinge wolle lassen entzogen werden/ da sonsten wir von natur nichts anders als mit forcht und bangigkeit dessen erwarten koͤn- nen/ und uns die forcht vorher wol so viel leides thut/ als darnach der verlust an sich selbs/ so stehet eine seele/ die ihren schatz in sich weiß und besitzet/ in ei- ner hertzlichen ruhe/ oder wo sie ja die erste verunruhigung des fleisches auch foͤrchten muß/ beruhiget sie sich gleichwol bald selbs wiederum/ und uͤberlaͤsset dasjenige/ was sie verliehren soll/ mit kindlicher gelassenheit ihrem Vater/ von dessen weißheit sie sich versihet/ daß sie erkennen muͤsse/ daß der besitz sol- cher guͤter ihr nicht mehr werde nuͤtzlich seyn/ und mit dancksagung/ daß er sie ihr so lang gelassen/ und doch das hertz darvor bewahret habe/ nicht davon ein- genommen zu werden/ so dann gebet um vergebung aller suͤnden/ damit sie sich an denselben moͤchte versuͤndigt haben. Jn solcher bewandnuͤß ist der seelen wol/ foͤrchtet sich also vor der gefahr nicht/ als welche ihr nichts anders wuͤrck- lich nehmen kan/ als was sie schon mit kindlicher resolution ihr laͤngst uͤberlas- sen hatte. Da sehen wir recht den unterscheid derjenigen/ die noch in forcht des todes und ungluͤcks ihr lebtag knechte/ daher immer wegen solcher sorge bey ihrer vermeinten gluͤckseligkeit ungluͤckselig sind/ und den andern/ welche von jener forcht sich durch goͤttliche krafft loßgemacht/ und in ruhe und friede ihre seelen besitzen/ welche recht in der that dieses stuͤcks der erloͤsung Christi geniessen. ARTIC . IV. SECTIO V. geniessen. Nun der HErr/ der uns alle dazu erloͤset/ verleihe uns die gnade/ daß wir auch sothaner erloͤsung in solcher krafft moͤgen theilhafftig werden. Dazu ich aber kein besser mittel weiß nechst dem lieben gebet/ als die ohnab- laͤßige betrachtung der geistlichen wolthaten GOttes/ die wir in Christo ha- ben; damit solche/ da sie stets in dem sinn und gedancken schweben/ durch des H. Geistes krafft desto tieffer in das hertz getruckt moͤgen werden: Ohne wel- ches sonsten alle resolution sich in die beschwehrliche zeiten und allerhand verlust willig zu geben entweder eine luͤgenhaffte großsprecherey/ da es dem hertzen inwendig viel anders zumuth; oder eine tumme verzweifflung ist/ oder doch/ wo es zum treffen kommt/ bald dahin faͤllet/ und die kleinmuth sich nur desto staͤrcker weiset. Aber weiß ich wahrhafftig/ was/ wie reich und wie selig ich in Christo bin/ und glaube solches in meiner seelen/ nicht nur/ daß ich wort davon mache/ so ists leicht begreifflich/ daß mich das andere wenig affici re/ ja so wenig als etwa einen reichen mann/ der viele millionen haͤtte/ der verlust etlicher pfennige/ den er nicht achtet. Ach daß wir in dieser schul solche lection wol lernen/ so wirds uns in ewigkeit nicht gereuen/ auch fein taͤglich uns druͤ- ber examiniren/ wie wir ein und anderes gefaßt/ wie weit wir gekommen/ und was uns noch mangle/ damit wir recht zuzunehmen trachten. Es ist auch die kunst/ welche in gewisser maaß durch die erfahrung selbs endlichen von einigen gelernet werden muß/ und auch bey denselben ein nutzen der folgenden truͤb- saalen seyn wird/ wie es aber alsdann so viel schwehrer eingehet/ und das ler- nen saurer wird/ so haben wirs lieber vorher zu fassen/ da uns GOTT dazu frist gibet. 1681. SECTIO V. Verlangen nach dem himmlischen Vaterland. D Aß das verlangen nach dem himmlischen vaterland bey demselben groß und groͤsser seye/ als das verlangen nach dem irꝛdischen/ hoͤre hertz- lich gern. Der HErr lasse solches verlangen durch die gnade seines heiligen Geistes darzu kraͤfftig seyn/ so vielmehr allem demjenigen/ was dieses irrdischen ist/ abzusterben/ und hingegen sich also in dem gantzen leben anzuschicken/ wie es so wol die pflicht als die art derjenigen ist/ denen solches himmlische vaterland stets vor augen und in dem hertzen schwebet. Wie es nicht wol anders seyn kan/ als daß solche uns in dem gantzen lebẽ redlich vor- stellende regel ein nachtruͤcklicher antrieb seye/ willig hie in dieser walfahrt alles dasjenige zu verleugnen und abzulegen/ was uns nur einigerley mas- sen an der eiffrigen nachstrebung solches kleinods/ welches uns vorhaͤlt die himmlische beruffung/ hindern moͤchte/ hingegen aber in einem heiligen wan- del unsers GOttes nahmen zu preisen. Dann ob wirs wol in diesem leben F f f 3 da- Das dritte Capitel. dahin nicht bringen/ daß wir nicht das boͤse an uns haben und dessen reitzung fuͤhlen muͤssen/ welches jenes verlangen so viel bruͤnstiger macht/ so ist doch die gnade bey denjenigen/ die sich ihrer gehorsamlich und danckbarlich ge- brauchen/ dahin kraͤfftig/ daß wir uns so wol ernstlich resolvi ren/ als sotha- ner resolution in der that eiffrig nachsetzen/ uns aller gleichfoͤrmigkeit dieser welt thaͤtlich zu entschlagen/ und in nichts wissentlich zu vollbringung der suͤnden einzuwilligen/ noch auch anderer suͤnden uns theilhafftig zu machen. Vielmehr/ ob wir auch mitten unter dem verkehrten und unschlachtigen ge- schlecht leben muͤssen/ zu seyn ohne tadel und lauter/ und als GOttes kinder/ unstraͤflich/ auff daß wir unter ihnen seyn moͤgen als die liechter in der welt. Als welches alsdann uns und andern eine gewisse probe ist/ daß das verlan- gen nach dem ewigen bey uns aufrichtig und recht tieff in dem heꝛtzen gegruͤn- det seye: wo wir dann auch allen eusserlichen Gottesdienst nicht als einen grund unsers vertrauens/ auff dessen leistung/ sondern als ein kraͤfftiges mittel/ dadurch GOtt in uns das innerliche/ glaube/ hoffnung/ liebe/ und uͤbrige fruͤchte des glaubens/ worinnen der groͤsseste gottesdienst bestehet/ wuͤrcken/ und unser hertz dermassen reinigen will/ daß auch der uͤbrige gesam- te wandel von der welt unbefleckt bleibe. Welches dann in unserm gantzen Christenthum/ und taͤglicher dessen pruͤfung unsre einige absicht seyn/ und diesem zweck immer naͤher zu kommen/ mit eiffrigem gebet/ immer mehr und mehr goͤttliche gnade erbeten werden muß. Welche auch zu gesegne- ter verrichtung der vorhabenden liebes-wercke als uͤbriger noͤthiger staͤr- ckung anwuͤnsche. SECTIO VI. Jesus den Christen alles. Art des rechten verlan- gens nach der auffloͤsung. Heiliger saamen unter ho- hem stand. Geistliche stiffter. E S ist freylich also: JEsus soll uns alles seyn/ JEsus was durchs ohre bricht/ JEsus was das auge sicht/ JEsus was die zunge schmeckt/ und wornach die hand sich streckt. So solle hertz/ ge- muͤth/ gedancken/ wort und that voller JEsu seyn: Nicht mit eiteler wieder- holung der blossen buchstaben solches himmlischen nahmens/ sondern daß er selbs bey seinem nahmen seye: Daß wir nichts gedencken dann JEsum/ nem- lich was er ist und was er uns ist/ unsere weißheit/ gerechtigkeit/ heiligung und erloͤsung; wie alles was wir gutes haben/ nicht nur sein geschoͤpff und geschenck/ sondern zeugnuͤß seiner krafft/ herrligkeit und guͤtigkeit seye/ hin- gegen uns immer von sich ab auff ihn selbs weise; also beruhet unser verstand und ARTIC . IV. SECTIO VI. und willen auff nichts/ sondern ob er dieses und jenes erkennet und liebet/ so gehet er hiedurch auff denjenigen/ davon alles ist/ durch den wir alles genies- sen/ und der sich also in allem uns vorstellet/ mittelbar oder unmittelbar uns alles zu seyn. Also reden wir nichts als JEsum/ nicht wo wir solches wort allein sprechen/ sondern wo wir alles begehren zu seinen ehren zu richten/ was wir reden/ und also daß unsere wort uns und anderen ein finger seyen/ die uns zeigen auff JEsum/ oder auff dasjenige was unsers JEsu ist. Und da- hin weiset uns der liebe Apostel. Alles was ihr thut mit worten oder mit wercken/ das thut alles in dem nahmen des HErren JEsu/ und dancket GOtt und dem Vater durch ihn. Col. 3/ 17. So ists auch recht/ eine bruͤnstige begierde zu haben/ zu ihm zu kommen/ und mit ihm vollkoͤm̃lich vereinigt zu werden/ so wohl wann es ihm gefaͤllig seyn wird/ uns von die- sem irrdischen und aus der leimern huͤtten in den ort seiner herrlichkeit einzu- fuͤhren/ wo wir erst denjenigen recht sehen werden/ wie er ist/ den unsere seele vorher geliebet/ ehe sie ihn gesehen hat/ als auch als lang er uns hier lassen will/ und doch taͤglich sich in dem glauben mit uns vereinbaret/ oder uns de- ro vereinigung fruͤchten zu geniessen gibet. Wie wir dann hierauff mit sorg- samen fleiß acht zu geben haben/ daß unsere begierde auffgeloͤset zu werden sich nicht mit einiger eigenliebe und eigengesuch verunreinige/ sondern aus einer blossen lauteren liebe unsers Heylands/ dem wir gern mit gaͤntzl icher ausziehung des befleckten rocks des fleisches und alles dessen/ was ihm noch an uns eckeln moͤchte/ vollkommen gefallen/ und in ihn uns gantz versencken moͤchten/ entspringen. Wie wir dann in solcher sache so wohl als in allen an- dern genau auff uns selbs und auff unser von natur betruͤgliches hertz acht zu geben haben/ daß sich nicht an statt solcher reinen liebe/ eine zaͤrtlichkeit und flucht derer beschwehrden dieses lebens bey uns einschleiche/ und sich heim- lich verberge/ und damit unser verlangen nach dem vaterland beflecke. Las- set uns die liebe JEsu vor allem gehen/ und ihn also selbs mehr als uns und unsern genuß an ihm lieben: Geschihet dieses/ so wird uns nicht weniger hertzlich freuen/ ob uns auch der HErr noch eine lange zeit unter der truͤbsaa- len last und in dem leibe dieses todes lassen/ als ob er uns zeitlich in seine ru- he zu der freyheit seiner kinder beforderen wolte. Dann ob dieses uns selbs vor unser eigen vergnuͤgen das allerliebste waͤre/ da die wahl bey uns stuͤnde/ so werden wir doch aus dem/ da der HErr uns noch laͤnger hie laͤsset/ abneh- men koͤnnen/ daß er noch laͤnger an unserm leben und leiden wolle gepriesen werden/ da alsdann eine ihn liebende seele die ehre solches ihres Heylands/ weil derselbige mehr proben ihres glaubens/ gedult und hoffnung/ und da- durch seine ehre zu befordern/ von ihro fordert/ willig ihrer eigenen seligkeit vor- Das dritte Capitel. vorziehet/ als die ihn mehr als sich selbs und ihre freude liebet. Und so mag es seyn/ daß ein der welt leiden und jener erwartender freuden aus dem vor- schmack wohl erfahrner Paulus/ dannoch sich auch freuet und deßwegen an- derer Christen fuͤr sich thuendes gebet liebet/ da ihn GOtt noch laͤnger in dem kampff lassen will/ damit er an seinem fleisch erstatte/ was noch man- gelt an dem leiden und truͤbsaalen in Christo/ Col. 1/ 24. so dann auch mit verschiebung seiner seligkeit an andern frucht schaffe: Philip. 1/ 22. Ob wol/ da ihm der HErr zeiget/ daß die stunde seines abschieds vorhanden/ und er geopffert werden solle/ er solche post vor sich selbs die allererfreulichste achtet und dem HErren dancket. Jn solcher gemuͤths-bewandnuͤß lasset uns trachten allezeit zu seyn/ und unsers leibes erloͤsung mit getroster hoff- nung erwarten/ das verlangen aber nach derselben mit ansehung dessen/ wor- innen der HErr noch allhie von uns will bedienet seyn/ maͤßigen. So gehets alles in goͤttlicher ordnung: und so wollen wir mit nicht weniger angelegen- heit den trost unsers Heylands/ welchen er uns bereits hie geben will/ trach- ten zu schmecken/ und eben so willig an der heiligung und reinigung unserer seelen allhier arbeiten/ als nach demjenigen eilen/ was uns dorten verspro- chen ist. Der christlichen Fuͤrstinne Durchl. und den gottseligen Princeßinnen sage ich unterthaͤnigsten danck fuͤr dero gnaͤdigstes angedencken. Wie hertzlich erfreuet mich/ wo ich hoͤre/ daß in der allgemeinen verderbnuͤß aller staͤnde/ der HErr HErr ihm dennoch auch in demjenigen einen heiligen saamen erhaͤlt/ der in der welt eitelkeit so vielmehr geflochten zu werden/ vor andern anlaß hat. Jhm seye preiß vor seine heilige gerichte und wunderbare regierung/ der durch des weiblichen geschlechts auffrichtige und eiffrige gottseligkeit der maͤnner traͤgheit zu dem guten/ ja durch derer in dem so genannten weltlichen stande und in hohen wuͤrden stehender/ heiligen eiffer und liebes-exempel un- sers so genannten geistlichen aber meistens in dem tieffsten verderben stecken- den standes lauligkeit oder gar ungeistlichkeit beschaͤmet. Nun der HErr erbarme sich auch uͤber uns/ und reinige die kinder Levi von ihrer unreinig- keit/ ja laͤutere sie wie gold und silber zu ihrem alten glantz/ wie in der ersten kirchen: Er lasse aber auch ausser solchem unserem stande die liebe exempel der- jenigen/ so wir billich auffmuntern solten/ immer mehr gesegnet werden/ uns zu einem heiligen eiffer zu reitzen. Sonderlich giesse er noch ferner uͤber solche gesamte Fuͤrstlich- und nicht nur in der welt hoch-sondern auch aus ihme ge- bohrne seelen mildiglich aus den Geist der gnaden und des gebets samt allem segen/ der ihnen nothwendig ist/ damit sie liechter werden zu erleuchten mit ih- rem glantz der gotrseligkeit viele andere/ und der himmlische Vater an ihnen je mehr und mehr herrlich gepriesen werde. Wie hertzlich solte mich freuen/ wo jemal jemanden deroselben ansichtig werden solte/ und dem HErrn fuͤr die ARTIC . IV. SECTIO VI. die selbs an denselben wahrgenommene gnade danck zu sagen ursach finden. Doch setze alles auch in diesem stuͤck in den willen des Allerhoͤchsten. Der christlichen Princeßin N. N. bin sonderlichst verbunden fuͤr die so angenehme zeilen von dero gnaͤdigsten hand. Bitte vor diesesmal zuvoran meinen de- muͤthigen danck abzustatten/ biß die gelegenheit aussehe/ wo die erlaubnuͤß dessen haben solle/ selbs wieder mit einigem blaͤttlein unterthaͤnigst auffzu- warten. Was Fuͤrstliche stiffte anlangt/ weiß in Ober-Teutschland nicht ein eintziges von unserer religion: Wo aber auch einige waͤren/ so wuͤßte nicht/ ob ich einigen GOTT in auffrichtiger wahrheit suchenden seelen rathen wol- te/ sich in dergleichen zu begeben/ wann auch schon sich einige solche finden wuͤrden/ die den ledigen stand dem ehlichen leben vorziehen wolten. Mir ist zimlich viel bekant worden/ was es vor eine bewandnuͤß bey allen solchen stifftern insgemein hat/ und wie die weltliche eitelkeit so starck gemeiniglich solcher orten regiret/ als an einigen andern hoͤfen. Daher ich zu rath gezo- gen/ vor deme einigen Graͤflichen Fraͤulein/ welche aus begierde ungehinder- ter andacht auch in dergleichen stiffte sich zu reteriren verlangen trugen/ viel- mehr gerathen/ ein solches leben/ als sie sich einbildeten an solchem ort gefuͤh- ret werden zu koͤnnen/ und dergleichen zu verlangen bezeugten/ an ihres Herꝛn Vatern hofe (der im wittwen-stand lebte) oder mit dessen erlaubnuͤß in sei- nem lande/ wo er ihnen einigen platz assigni ren moͤchte/ zu fuͤhren/ und ohne sonderbar gebaͤu/ ohne sondere ceremonien/ ohne sondere kleidung/ reglen und dergleichen sich ein Closter zu machen: Da sie die freyheit haͤtte/ gleichgesinne- te Gottliebende seelen fuͤr auffwarterinne und gehuͤlffen sich zu wehlen/ und mit denselben alle diejenige uͤbungen in der stille und ohne vielen apparat oder weitlaͤufftiges wesen anzustellen/ die sie in einem wolbestellten stifft sonsten hoffen und wuͤnschen moͤchte: Wo sie auffs wenigste niemal die wahl haben derjenigen/ mit welchen sie sich zusammen thun/ sondern allemal diejenige um sich haben muͤssen/ die sie finden/ oder nach und nach zu sich bekommen/ da so leicht solche angetroffen werden/ die die einmalige gefaßte christliche inten- tion trefflich hindern als dieselbe foͤrdern moͤgen. Welches alles sich nicht sorgen laͤsset/ wo einige ohne vieler menschen auffsehen sich zusammen thun/ wo es auch waͤre/ und so vielweniger hindernuͤß des wahrhafftigen guten (da das reich GOttes nicht mit eusserlichen gebaͤrden kommet) finden werden/ als weniger weitlaͤufftigkeit man machet/ und sich seine freyheit am wenigsten binden laͤsset/ welches stracks geschihet/ wo man sich in solche anstalten/ wie die stiffter sind/ hinein begibet. Dieses war damal mein rath/ dem auch solche christliche Fraͤulein wuͤrde gefolget haben/ da sie nicht der HErr gantz kurtz nach solchem fruͤhzeitig von hie abgefordert haͤtte. Jn solcher meinung ste- he ich noch/ und meine dessen gute ursach zu haben. Die guͤtigste weißheit G g g des Das dritte Capitel. des himmlischen Vaters/ zeige hierinnen auch seine treue fuͤrsorge fuͤr diese auserwehlte Princeßinnen so wol als lange sie beysammen sind/ ihren christ- lichen wandel mit taͤglichem wachsthum weißlich fortzusetzen/ als auch einer jeglichen/ wozu er sie beruffen habe/ daß etwa viele haͤuser von ihrer gottselig- keit auffgemuntert/ und sie geheiligte kohlen andere zu entzuͤnden werden moͤ- gen. Solte er aber einige deroselben in ledigem stande behalten wollen/ so zeige er gleichfals ort und gelegenheit/ wo sie am fuͤglichsten sorgen moͤgen/ was dem HErrn angehoͤre/ ihm ohne hindernuͤß zu dienen. 1682. SECTIO VII . An eine hohe standes-person uͤber gefuͤhlte unge- meine geistliche freude/ wie man sich darein zu schicken. J Ch habe mich aus ihrem schreiben der christlichen resolution zu erfreuen gehabt/ daß dieselbe sich entschlossen bey ihren unterthanen alles nach muͤglichkeit mit guͤte zu versuchen/ ob sie damit endlich gewonnen/ und zu williger beobachtung ihrer schuldigkeit gebracht werden moͤchten: Auch wol gar in zweiffelhafften faͤllen lieber anderwerts her entscheid zu holen/ als nach eigenem gutduͤncken gegen dieselbe zu verfahren; nicht allein dadurch allen verdacht der partheylichkeit von sich abzuwenden/ sondern auch sich selbs zu verwahren/ damit eigne liebe in eigner sache nicht unwissend das gemuͤth uͤbervortheile. Zu diesem gottseligen entschluß gebe der himmlische Vater seine gnad/ und erfuͤlle dero hertz allezeit wie mit liebe/ also auch mit erkaͤntnuͤß seines willens/ was in allen faͤllen demselben am gemaͤßesten seye/ um an der- selben eine richtschnur alles thuns zu finden. Er lasse aber auch solche lieb- reiche begegnuͤß in den hertzen der unterthanen von solcher krafft seyn/ daß sie vielmehr auch zur billigkeit und gehorsam gelencket/ und also beyderseits see- len mit desto festerer liebe und vertrauen gegen einander verbunden/ eben da- mit aber auch das leben leichter gemacht/ und so viel mehrerem segen/ welcher bey liebe und frieden sich findet/ platz gegeben werde. Dieses ist dasjenige/ was noch immer fort mit meinem armen gebet von dem himmlischen Vater zu erbitten mir angelegen seyn lassen werde. Unsern lieben N. N. anlangend/ so freue ich mich so wol/ daß der HErr seinen umgang nicht ungesegnet laͤsset/ als ist mir sehr lieb/ daß allerseits gebuͤhrende vorsichtigkeit gebraucht werde/ die GOTT noch ferner geben/ hingegen alles dasjenige kraͤfftig abwenden wolle/ wodurch/ welche der gottseligkeit nicht eben hold sind/ etwas von der- selben zu laͤstern anlaß nehmen koͤnten. Wie nun dieses zur antwort des an mich gethanen dienet/ so habe nun ferner zu bezeugen/ die innigliche freude/ welche ich uͤber dasjenige schreiben/ so mir N. N. in freundlichem vertrauen com- ARTIC . IV. SECTIO VII . communici ret/ gefasset habe/ da ich gesehen/ mit was ungemeiner bewegung der HErr HErr deroselben seele nechstmal bey dem heiligen Abendmahl ge- ruͤhret/ und eines dergleichen empfindlichen geschmacks seiner suͤßigkeit ge- wuͤrdiget hat. Gelobet seye der guͤtigste Vater/ der ob er uns uͤbrige nicht alle mit gleichem geschmack erfuͤllet/ (wie ich mich leider dergleichen nicht ruͤh- men kan/ aber vielleicht mich vielmehr selbs daruͤber anzuklagen/ als uͤber sei- ne guͤte zu beschwehren habe) dannoch einige unserer bruͤder und schwestern mit derselbigen beseliget: Daruͤber wir uns inniglich zu erfreuen haben/ nicht allein aus liebe zu denselben/ und weil wir wegen der gemeinschafft des Gei- stes alles gute andern mitgliedern geschehen als uns selbs wiederfahren an- zusehen haben/ sondern auch weil es uns staͤrcket in dem glauben/ da wir sehen/ wie sich der HErr gegen unterschiedliche auch in diesem stuͤck nicht unbezeugt lasse/ sondern sich denselben empfindlich offenbare; ja auch da wir daraus die hoffnung schoͤpffen/ daß uns derselbe auch etwa zu seiner zeit/ wo es zu seiner ehre und unsrer seelen heil dienlich seyn werde/ etwas von solchem geschmack zu kosten geben werde. Wie ich mich daruͤber/ sonderlich aber auch uͤber dero werthesten Fraͤulein schwester kraͤfftigen zug/ inniglich erfreue/ und den ge- ber alles guten inbruͤnstig anruffe/ daß er seine gnade auch in diesem stuͤck des friedens und der freude in dem H. Geist/ durch fortsetzung solcher empfind- lichkeit/ da es seinem rath gefaͤllig/ noch lange seliglich fortsetzen/ auch weiß- heit verleihen wolle/ derselben als lang sie waͤhret/ zu eigner und anderer kraͤfftiger erbauung und auffmunterung sich beyderseits treulich zu gebrau- chen/ und also ihrem GOTT die frucht seiner gabe zu bringen: Also habe da- bey auch freundlich erinnern wollen/ sich an ihres himmlischen Vaters weise nicht zu stossen/ wenn derselbe bald solche freude und suͤssen geschmack wieder- um zuruͤcke ziehen/ ja wol gar an statt jener genossenen guͤter und liechts/ fin- sternuͤß/ duͤrre des geistes und mehrere unempfindlichkeit/ eine gute zeitlang fuͤhlen und erfahren lassen wolte. Denn ob ich wol nicht widersprechen will/ daß er nach seinem willen und weißheit einige seelen die meiste zeit in freudi- ger empfindlichkeit fuͤhren mag/ so ist doch das mehr gewoͤhnliche/ daß dieselbe nicht immer waͤhret/ sondern offt allein die bereitung einer seelen werden muß/ die der HErr nachmals in schwehrere sichtung/ anfechtung und verlas- sung will gefuͤhret/ und sie darinn mehr gelaͤutert werden lassen: Ja es ist zu- weilen ein zucker/ damit er die seinen zu seiner liebe locket/ aber solchẽ/ nachdem er sie zu sich gezogen/ wieder wegnimmt/ und sie folgend mit hartem und fast schwartzem brodt zu speisen anfaͤngt: Welches aber eine seele/ da sie an jenem geschenck so hertzlich vergnuͤgen empfunden/ zu begreiffen sehr schwehr ankom- met/ und offtmal viele klagen verursachet/ in der that aber gewißlich der vaͤ- terlichen weißheit allerdings gemaͤß ist. Also ists sehr nuͤtzlich/ daß man sich G g g 2 die Das dritte Capitel. die sache voran bereits nicht frembde seyn laͤsset/ noch die bestaͤndigkeit der freude/ so man einmal geschmecket/ einbildet/ sondern glaubet/ daß man solche leicht wiederum verliehren koͤnne/ und vermuthlich an desto schwehreren kampff gefuͤhret werde werden. Wo man also gedencket/ so bereitet man sich auch so viel hertzlicher auf das kuͤnfftige/ aͤrgert sich nicht/ wenn man dessen wiederum entbehren muß was man als ein nur auf eine gewisse zeit gelehntes gut anzusehen gelernet/ und gibet sich zu aller zeit desto williger in die hand seines Vaters/ ihm frey stellende/ ob er uns im liecht oder finsternuͤß fuͤhren wolle/ nur daß ers bleibe/ der uns wahrhafftig fuͤhre. So fuͤhre er uns denn alle stets nach seinem rath und wolgefallen/ daß er uns mit ehren annehme. 1690. SECTIO VIII. Schuldige danckbarkeit einer aus leib- und geistli- chen noth befreyten stands-person. J Ch habe mit freuden vernommen/ von der so mercklich an der christlichen Frau Graͤfin nach dero vorigem in dem eusserlichen betruͤbten zustand von GOtt gesandten besserung. Dem HErren HErren seye deßwegen danck/ der an ihro ein zeugnuͤß seiner wunder/ seiner macht und guͤte/ kraͤff- tig erzeiget/ erstlich in dieser pruͤfung/ daß er das in sie gelegte gute zu vieler dancksagung herrlich offenbahret/ und ohne zweiffel in einer solchen langwih- rigen uͤbung stattlich vermehret/ andere aber dadurch vielfaͤltig erbauet/ in allen diesen anfechtungen ihr mit genugsamen trost und krafft seines Geistes beygestanden und staͤten sieg gegeben/ nun aber auch in dem leiblichen seine huͤlffe zu leisten angefangen hat. Er vollfuͤhre auch noch ferner sein gutes werck in ihr/ so wol diese besserung bald lassen vollkommen zu werden/ als auch sie mit der krafft seines Geistes also zu staͤrcken/ daß das in so scharffem feuer gepruͤffte gold nun vor aller augen desto herrlicher glaͤntze/ und sie ihre wieder erlangte gesundheit dem HErren des lebens so viel geflissener heilige mit vermeidung aller/ auch diesem stand nunmehr aus vieler falscher einbildung gleichsam nothwendig geachteter/ welt-eitelkeit/ und hingegen eifferiger be- strebung den regeln unsers Heylandes ohne ausnahm mit auffrichtigem her- tzen nachzuleben. Es wird hierdurch der grosse GOtt so viel herrlicher ge- priesen werden durch das exempel einer person von einem erhobenen stand/ auf welchen andere desto fleißiger sehen/ und indem die exempel der wahrhaff- tig christlichen/ und also nach den regeln unsers Heylands eingerichteten/ tu- genden fast rar wollen angesehen werden/ da dieselbe/ wie es kindern GOttes zustehet/ sich ohne tadel/ lauter und unanstoͤßig bezeugen wird/ mitten unter dem un schlachtigen und verkehrten geschlecht/ unter welchen sie scheinen sol- le als ARTIC . IV. SECTIO VIII. le alsein liecht in der welt. Es fordert solches die schuldige dancksagung ge- gen GOtt den treuen helffer/ die nicht so viel in worten bestehet/ als in der treuen anwendung zu seinem preiß der neu empfangenen leibes und gemuͤths kraͤfften/ deꝛo continuation wir uns auch nicht gewisser versichern koͤnnen/ als durch solche heiligung des theuren geschenckes. Wie wir auch gewiß seyn muͤssen/ der HErr fordere von denen personen/ an welchen er sondere zeugnuͤs- sen seiner barmhertzigkeit erwiesen hat/ auch noch vor andern allen einen desto eiffrigeren fleiß/ nach seinem willen sich in allen stuͤcken einzurichten. Jn dem Papstum ist man gewohnet/ nach erhaltener errettung aus ungemeiner noth/ in ein kloster zu gehen/ oder einige ihren principiis gemaͤsse geluͤbde GOtt o- der den heiligen zu thun. Wir uͤberlassen aber denselben ihre aberglaͤubische dinge/ damit sie GOtt dienen wollen mit solcher lehr und diensten/ die nichts als menschen gebot/ ja dem HErren vielmehr ein greuel sind/ aber das allge- meine bleibt auch bey uns/ wir seyen dem HErren nicht eine nur in worten be- stehende/ sondern wurckliche danckbarkeit schuldig/ daß wir ihm unsere allge- meine geluͤbde/ daran wir genug haben koͤnnen/ (weil die absonderliche/ obwol nicht allemal/ nach betrachtung der umstaͤnde/ ohne nutzen sind/ doch zuwei- len ihre difficul taͤten haben) zu bezahlen/ uns noch vor andern muͤssen lassen angelegen seyn. Ja wir muͤssen glauben/ wo uns der HErr andern zum e- xempel/ wie mit sonderem leiden also nachmal kraͤfftiger huͤlffe gesetzet hat/ daß er uns damit allerdings von der welt wolle abziehen: wozu es eben keines einsperrens in ein kloster bedarff/ sondern allein eine absonderung und enthal- tung alles dessen/ was nach derjenigen welt schmecket/ welche in fleisches- lust/ augen-lust/ und hoffaͤrtigem leben bestehet/ ob auch solches schon durch die verderbliche gewohnheit fast aller orten als mit dem Christenthum wohlstehende solte auctorisi ret seyn worden. Ach wohl uns in solcher heili- gen resolution, annoch so viel besser aber in der aus seiner krafft/ daran es nicht mangeln wird/ folgender deroselben erfuͤllung. Jch werde auch nicht unterlassen/ fuͤr diese gnade dem geber alles guten demuͤthig zu dancken/ und um die folge dessen was er damit suchet/ zu bitten. SECTIO IX. Einsamkeit und stille ein gutes huͤlffs-mittel zur heiligung. An eine vornehme Adeliche Fraͤulein. J Ch zweifle auch nicht/ aus dero erkanter gottseliger begierde ihr leben wahrhafftig dem himmlischen Vater nach seinem wohlgefallen zu heili- gen/ es werde deroselben seele die jetzige entfernung von dem hoff und freyheit von mancher eitelkeit/ welcher derselbe sonderlich winterszeit unter- G g g 3 worffen Das dritte Capitel. worffen ist/ und uns wiederum jetzo vorstehen mag/ hertzlich angenehm seyn/ hingegen solche von dem HErrn HErrn gegoͤnnete mehrere einsamkeit und stille zu dem geistlichen wachsthum fleißig angewendet werden. Dann wie das heilige wort GOttes das einige wahre mittel der heiligung unsrer seelen ist/ so will zu dessen recht fruchtbarer und durchtringender wirckung fast erfor- dert werden/ daß man in eine mehrere stille des gemuͤths komme/ als gemei- niglich das leben derjenigen/ welche auch wider ihren willen unterschiedli- chem dienst der eitelkeit unterworffen sind/ die das hertz nicht anders als ver- unruhigen kan/ zugibet. Stehet man dann in einer solchen stille/ so sihet man je mehr und mehr in dem liecht des goͤttlichen worts/ das in uns daraus strah- lende liecht/ und kan aus dem wort des lebens an dem innern menschen und in dem leben des Geistes treflich gestaͤrcket werden und wachsen. Wie hingegen eine seele/ die durch die eusserliche zerstreuungen sonderlich allerley welt-eitel- keit zu einer stille zu kommen nicht vermag/ zu dergleichen sich wenig geschickt befindet/ denn obwol das goͤttliche wort allezeit seine krafft hat/ und ein feuer ist/ so die hertzen entzuͤndet/ so kan es doch ein solches unruhiges hertz so wenig entzuͤnden/ als ein feuer das holtz/ so man nuꝛ dann und wann an dasselbe haͤlt/ aber gleich wieder wegthut/ oder um das feuer damit herum faͤhret/ dahin- gegen einige zeit erfordert wuͤrde/ da das holtz stille gehalten/ von dessen krafft ergriffen werden koͤnte. Jch trage auch das gute vertrauen/ daß meine wer- theste in dem HErrn so wol diese gelegenheit eines solchen guten sorgfaͤltig wahrgenommen haben/ und noch ferner wahrnehmen/ als auch in der that den nutzen davon etwas empfunden haben/ und noch ferner durch GOttes wirckung empfinden werde: darum ich auch des himmlischen Vaters guͤte hertzlich anzuflehen nicht vergessen solle/ welche sie allezeit durch dessen Geist weißlich fuͤhren wolle/ daß sie von den aͤrgernuͤssen in der welt befreyet in kind- lichem gehorsam seiner gebote staͤts erfunden/ auch anderen selbs zu einem lob- und folg-wuͤrdigen exempel werde. Nun er/ der GOtt des friedens/ heilige sie durch und durch/ und ihr geist gantz/ samt der seele und leib muͤsse behalten werden unstraͤflich auff die zukunfft unsers HErrn JEsu Christi. Getreu ist der/ der sie ruffet/ welcher wirds auch thun. 1690. SECTIO X. Hertzens-angst. Verlangen nach stillem leben. E S erfreuet mich nicht wenig aus ihrem schreiben zu ersehen/ den zustand ihrer seelen/ daß ob zwahr sie uͤber hertzens-angst und dero fort- waͤhrung zu klagen noch ursach findet/ dieselbe doch ihrem Gott gelassen still halten will/ und so viel angelegenlicher zu dem GOtt ihrer huͤlffe seuff- tzet. Hiemit lasset uns fortfahren/ so werden wir gewißlich in der krafft des HEr- ARTIC. IV. SECTIO X. HErren/ weit uͤberwinden/ und keine gewalt weder des satans noch der welt/ noch die list unsers fleisches mehr uns niederzuwerffen als die gnade des lieb- reichsten Vaters auff unser instaͤndiges flehen uns kraͤfftig zu erhalten ver- moͤgen. Dann er hat uns heissen ruffen/ und uns weiter mit so vortreflichen verheissungen noch dazu gereitzet/ so kan er das verlangen und gebet seiner auserwehlten ja nicht verachten/ sondern wird sie erretten in einer kuͤrtze. Daß eine stillere lebens-art zu beruhigung der seelen/ und in einigen stuͤcken zum geistlichen wachsthum/ als viel wir vorsehen moͤgen ihr nuͤtzlich seyn doͤrffte/ halte ich selbs davor/ wolte auch/ wo GOtt selbs auff einige art mit seinem finger eine gelegenheit dazu zeigte/ nicht zweiffeln/ daß wohlgethan seyn wuͤr- de/ dergleichen zu ergreiffen/ aber goͤttlicher leitung auch nicht vorzugreiffen/ noch allzuernstlich dasjenige zu suchen/ darinnen wir noch nicht sehen/ ob der HERR uns befreyen/ oder noch laͤnger unsere gedult uͤben wolte. Mir faͤllet immer bey solcherley gelegenheit ein/ der spruch Pauli 1. Cor. 7/ 21. bistu ein knecht beruffen/ sorge dir nicht/ doch kanstu frey werden/ so brauche das viel lieber. Lasset uns indessen GOtt so viel angelegenli- cher anruffen/ daß er uns seinen rath und willen zu erkennen gebe/ um uns in denselben allemal gehorsamlich zu schicken. So wird er uns/ da wir ihm al- so die haͤnde reichen/ fuͤhren und leiten als ein vater seine kinder. 1681. SECTIO XI. Einige lebens-regeln von den beruffs-wercken; sanfftmuth gegen boͤse; enthaltung des richtens. L Asset uns/ meine Geliebte/ in allem unserm dienst nicht sehen/ so wol auf die art der wercke selbs/ welche wir thun muͤssen/ die manchmal gering und sehr weltlich seynd/ noch auf dasjenige/ wozu sie wol von den welt- leuten moͤchten mißbrauchet werden/ so doch ohne unsre schuld geschihet/ als vielmehr auf den willen unsers HErrn/ der uns nach seiner freyen macht/ wel- che er uͤber uns und alle creaturen hat/ zu gewissen verrichtungen und diensten verordnet/ und ihm der gehorsam in den allerverachtesten/ und uns wol selbs widrigsten verrichtungen so hertzlich gefaͤllet/ als er ihm in andern wichtigern/ wo er uns dazu verordnet gehabt/ haͤtte gefallen werden. Denn er siher das hertz an/ und urtheilet alles/ was wir thun/ allein nach demselben. Nechst dem wird uns auch eine noͤthige erinnerung seyn/ daß wir lernen die boͤse tra- gen mit aller sanfftmuth/ nach dem exempel der goͤttlichen langmuth gegen dieselbe. Daher wo ich jemand sehe/ oder um mich haben muͤßte/ den ich al- lerdings mit boßheit und bittrer galle verknuͤpffet erkennte/ so habe ich dan- noch nicht so wol auf solche boßheit/ mich dadurch zu einem widerwillen und heff- Das dritte Capitel. hefftigkeit bewegen zu lassen/ zu sehen/ als auf des HErrn heilige langmuth/ der solche leute traͤget/ und ihnen noch immerdar auch zu eigner besserung eine anlaß nach der andern zu verfuͤgen pfleget: Woraus alsdann so wol eine de- muͤthige unterwerffung unter goͤttliche regierung/ der uns zu solchen leuten fuͤhre/ als erbarmende liebe gegen diejenige/ die man sonsten des hasses werth achten solte/ entstehen wird/ daß man mitleiden mit ihnen trage/ und wo man noch etwas an ihnen zu bessern hoffen mag/ nicht muͤde werde/ oder wo man sorgen muß/ damit nur mehr boͤses zu machen/ auffs wenigste mit gutem exem- pel und fuͤrbitte seine liebe fortsetze. Wie wir nun gegen die offenbarlich boͤse uns also zu verhalten haben/ so ligt uns so wol auch ob/ da wir an einem unserm nechsten dergleichen boßheit meinen anzutreffen/ in dem urtheil sich nicht zu uͤbereilen/ da uns ohne das das richten verboten ist/ und uns auf eine verschlagene art unser fleisch darinn leicht betriegen kan/ daß wir unsers un- rechts/ das wir dem nechsten anthun/ nicht gewahr werden. Daher ich offt lieber meinen augen kaum glauben/ als was ich an dem nechsten sehe/ zu einem haͤrtern urtheil/ sonderlich in sachen/ die das innere betreffen/ mich bewegen lassen wolte. Der HErr gebe uns in allen solchen dingen die noͤthige weiß- heit und verstand/ daß wir in allen solchen begebenheiten erkennen/ was sein wille an uns ist/ weder andern ein anstoß zu werden/ noch auch von andern einen anstoß zu nehmen. 1681. SECTIO XII . Uber das verlangen eines Politici die welt- ge- schaͤffte mit ruhigerem leben zu verwechseln. D As anligen der starcken verwicklung in weitlaͤufftige dieser welt ge- schaͤffte/ und verlangen nach ruhigerem stande/ welches E. Excellenz bezeuget/ koͤnte leicht ohne das mir einbilden/ aus demjenigen/ wie ich alle diejenige gesinnet zu seyn weiß/ welche/ worinnen unser wahres wohl be- stehe/ mit andern als gemeinen augen einzusehen angefangen haben/ und sich von blossem schein nicht bethoͤren lassen: So entsinne mich auch wol/ daß be- reits mehrmal solche klagen gefuͤhret worden. Ob ich nun schon allen/ denen ich billich gutes goͤnne/ hertzlich wuͤnschen moͤchte/ wo nichts anders im weg stuͤnde/ immer in dem stande zu seyn/ wie ihrer seelen eigen bestes und ruhe er- fordert/ so erkenne ich doch auch dabey die nicht nur weise/ sondern auch guͤtige regierung des grossen GOttes/ welcher diejenige/ denen er vor andern ein mehrer pfund anvertrauet hat/ gemeiniglich nicht laͤsset ihnen selbs viel leben/ sondern in diejenige geschaͤffte meistens ziehet/ welche ein solches maaß erfor- dern/ und sie daher auch zu erkennen haben/ daß eben um derselben willen sie jenes ARTIC. IV. SECTIO XII. jenes empfangen/ und deswegen billich auch solches zu dem rechten zweck an- zuwenden/ so zu reden mit demjenigen/ worinnen ihnen vor sich besser seyn moͤ- gen/ zuruͤck zu stehen willig seyn sollen: Weil je immerdar dasjenige/ so vielen fruchtet/ dem eignen und privato, solte es auch in das geistliche einlauffen/ vorgezogen zu werden wuͤrdig ist. Daher ich die gute zuversicht habe/ E. Excellenz werde noch ferner mit der gnaͤdigsten disposition GOttes uͤber sich zu frieden seyn/ sich von derselben leiten lassen/ wie sie stets gelegenheit dem publico zu dienen an die hand gibet/ dieses wozu sie von dem/ welchem ja aller unser dienst gewidmet ist/ selbs jedesmal ohne einige wahl gefuͤhret wer- den/ den ihm gefaͤlligsten und dahero auch dem einigen heil nicht nachtheiligen dienst zu seyn sich versichert halten/ (denn wie kan ich besser dienen/ als nach dem willen dessen/ dem ich dienen solle?) sich uͤber ermangelung der sonst ange- nehmen ruhe nicht mit einiger weitern sorge mehr zu verunruhigen; Jndessen unter allem eusserlichen strepitu, so viel die geschaͤffte zugeben (wie sie dann allezeit etwas zur nothdurfft zugeben werden) der seele zu ihrer staͤrckung ihre nothdurfft wiederfahren lassen/ und in gelassenheit unter GOttes willen von demselben selbs erwarten/ ob und wenn er sie aus der unruhe ausfuͤhren und mehrere freyheit/ demjenigen/ wornach sich das gemuͤth itzo sehnet/ einig ab- zuwarten/ bescheren werde. Welches gewiß zu rechter stunde geschehen wird/ die hoffnung desselben aber bereits zuweilen die verdruͤßligkeit der arbeit versuͤssen mag. Nun der HErr fuͤhre sie auch hierinnen nach seinem rath/ so wird sichs niemand gereuen lassen sollen. 1687. SECTIO XIII . Befahr unsrer zeiten. Regeln eines christlichen kauffmanns: absonderlich wegen zoll und accise. G OTT erbarme sich seiner kirchen und verwahre sie so wol eusserlich vor der feinde gewalt/ die mit fleiß ihren untergang suchen/ als reinige sie vornemlich innerlich von aller in deroselben befindlichen mehr und mehr zunehmenden verderbnuͤß. Ach mein Geliebter/ weil wir ja die sache nicht aͤndern koͤnnen/ so lasset uns die betruͤbnuͤß/ welche wir uͤber solches an- sehen der aͤrgernuͤssen schoͤpffen/ zu so viel eiffrigerm gebet bewegen/ daß wir dem HErrn seine sache empfehlen/ und uns der verheissung unsers Heylands getroͤsten. Luc. 18/ 7. Solte GOTT nicht retten seine auserwehlten/ die zu ihm tag und nacht ruffen/ und solte gedult daruͤber haben? Jch sage euch/ er wird sie erretten in einer kuͤrtze. Diß ist ein wort des HErrn/ und muß also wahr bleiben/ ob uns wol solches nach GOttes uhr kur- tze/ nach der unserigen rechnung ein sehr langes deuchtet. Nechst dem lasset H h h uns Das dritte Capitel. uns so viel fleißiger auf uns acht geben/ und uͤber unsere seelen wachen/ daß wir uns nicht von dem welt-strom mit hinreissen lassen/ der suͤnden und straf- fen derselben mit theilhafftig zu werden. Das anligen wegen der kauff- mannschafft belangend/ ists ja freylich einer sorgfalt hochnoͤthig. Es ist der kauffmann-stand (obwol alle staͤnde insgesamt ihre beschwehrden und ge- fahr haben) einer von denjenigen/ welche grosse gefahr der seelen in sich haben/ weil so gar leichte ist/ sich darinnen zu versuͤndigen. Und haben also christliche kauffleute zwahr deßwegen ihren beruff nicht zu verlassen/ sondern an die wort Pauli zu gedencken/ bistu ein knecht (diese liebe leute waren damal vor die uͤbung ihres Christenthums in einem sehr gefaͤhrlichen zustande/ und mit vieler gefahr und hindernuͤß umgeben) beruffen/ sorge dir nicht/ doch kan- stu frey werden/ so brauche des viel lieber: Aber gleichwol auf ihr gewis- sen genau acht zu geben. Die regeln moͤchten vornemlich diese zwey seyn aus Syrach 27/ 1. 4. Erstlich/ daß er nicht begehre reich zu werden/ welche 1. Tim. 6/ 9. von S. Paulo wiederholet wird: Nachmal/ daß er sich die forcht GOttes regieren lasse. Die erste gehet auf den zweck seines lebens/ die an- dere auf die mittel. Solle also nicht bey einem christlichen kauffmann sein eigenlicher zweck seyn/ daß er reich werden wolle: Dann stehet dieses erstlich fest/ daß der mensch will nothwendig reich seyn/ so ists verlohren/ und kan diese begierde nimmermehr in den schrancken behalten werden/ daß er solchen seinen zweck nur allein auf GOtt-gefaͤllige art suchte zu erhalten. Sondern es sol- le eines kauffmanns haupt-absicht allemal seyn in seinem allgemeinen Chri- sten-stand zum fordristen seinem GOTT zu dienen/ dessen reich und gerech- tigkeit zu suchen/ nachmal aber was seinen absonderlichen stand und beruff anlangt/ denselben also zu fuͤhren/ daß er in demselben GOTT/ der ihn dazu beruffen habe/ mit gehorsam diene/ seinem nechsten in dem leiblichen nutzen schaffe/ indem man der kauffmannschafft in dem gemeinen leben bedarff/ und dieses ohne jene sehr schwehrlich ohne vieles ungemach stehen kan; so dann sei- ne nothdurfft vor sich und die seinige davon geniesse/ also des mittels/ dadurch ihm GOTT nach seiner ordnung sein noͤthiges stuͤck brodt bescheren wolle. Wo dieses die rechte absicht ist/ so ists bey einem kauffmann halb gewonnen/ und wird er alsdann nicht leicht sein gewissen verletzen/ sondern seine ver- gnuͤglichkeit wird ein starcker zaum seyn/ welcher ihn zuruͤck haͤlt. Damit ists so viel leichter auch die andere regel in acht zu nehmen/ die darinnen bestehet/ daß er in der forcht des HErrn bleibe/ und also alle seine handlungen in an- schlaͤgen/ reden/ schreiben/ kauffen/ verkauffen u. s. f. mit diesen gedancken fuͤh- re/ daß er gedencke/ er thue es vor GOTT/ und derselbe gebe auf alles acht/ so muͤsse er auch ihm vor alles solches rechenschafft geben: Seye es demnach mit ARTIC. IV. SECTIO XIII. mit dem zeitlichen nicht so bewandt/ wie ihrer viel offt gedencken/ und sich ver- lauten lassen/ an dem zeitlichen lige nicht so viel/ obs dieser oder jener habe/ seye daher keine sache/ da man sich vor GOTT grosser suͤnden zu sorgen habe/ wie man mit den guͤtern umgehe/ sondern da moͤge/ was der welt-brauch autorisi rt hat/ obs schon wider GOttes gebet und die liebe streiten solte/ wol paßirt werden. Diesen gedancken/ welche sonst so gemein sind/ widerstehet nichts kraͤfftiger/ als die furcht GOttes/ und also ist sie diejenige/ welche uns/ wie in andern sachen also auch in handlung/ regiren und vor allem unrecht verwahren muß. Zu diesen beyden regeln wolte ich die dritte setzen/ so zwahr mit in der zweyten stecken mag/ und freylich mit zu der forcht GOttes gehoͤ- ret/ nemlich die liebe/ und deroselben von unserem Heyland gefaßten aus- spruch/ was wir wollen/ daß uns die leute thun/ das sollen wir ihnen auch thun. Wo diese tieff in das hertz getruckt/ und in allen handlungs- geschaͤfften alles wol uͤberlegt wird/ was wir/ wo wir in des andern stelle waͤ- ren/ verlangen wuͤrden/ das uns geschehen solte/ so wird man sich nicht leicht versuͤndigen/ sondern unser gewissen in den meisten stuͤcken unser eigener leh- rer und richter seyn/ was uns zu thun oblige. Ohne diese allgemeine regeln weiß ich wenig andere denen handels-leuten zu geben. Jch weiß daß liebe freunde gesucht absonderlich zu determini ren/ was man vor eine regel des ge- winns wegen zu machen haͤtte/ daß man darinnen nicht sein gewissen verletze. Aber ich habe nachmal von christlichen handels-leuten gehoͤret/ und deuchtet mich/ sie haben mich uͤberzeugt/ daß solche regeln zu machen unmoͤglich seye/ oder man muͤste die gantze handelschafft ruiniren: Es lasse sich nicht eine allge- meine proportion, wie viel man auf eine wahr zu schlagen habe/ setzen/ indem der nachstand der einen offt durch mehrern gewinn an der andern/ soll anders die handlung bestehen koͤnnen/ ersetzet werden muͤste. Ja es wuͤrde offt ge- schehen/ daß ein und anderes/ so man meinen solte/ das der liebe gemaͤß waͤre/ wo es recht erwogen wuͤrde/ auf eine andere art der liebe viel gefaͤhrlicher ein- trag thaͤte. Daß daher davor gehalten habe/ und noch in solcher meinung bestehe/ ob zwahr vielleicht einige der kauffmannschafft besser verstaͤndige Theologi, da ich hingegen nichts davon verstehe/ solten moͤgen etzliche nuͤtzli- che regeln und erinnerungen geben koͤnnen/ wie diese und jene steine des an- stossens des gewissens in gewissen stuͤcken zu bemercken und zu vermeiden seyen/ daß doch das wenigste sich so eigenlich beschreiben lasse/ daß einer aus denselben solte allemal so bald seines gewissens genugsame information ha- ben koͤnnen/ sondern ich wuͤßte keinen andern rath/ als daß bey einem handels- mann endlich ein gutes Christenthum insgemein gepflantzet/ und also in sein gemuͤth eine wahre ungefaͤrbte furcht GOttes und auffrichtige liebe des nechsten/ so dann geringachtung des zeitlichen (welches lauter dinge sind/ so H h h 2 jegli- Das dritte Capitel. jeglichen Christen obligen/ und von ihnen erfordert werden) eingetruckt wer- den muͤsse: Sind dieselbe wahrhafftig in dem hertzen/ so traue ich gewiß/ daß ein mann/ der nachmal seiner handelschafft kuͤndig ist/ in jeglichen faͤllen/ die sich begeben/ leicht erkennen wird/ was dißmal die forcht seines GOttes und liebe des nechsten von ihm erfordere: Und solches viel besser/ als mit vorge- schriebenen regeln geschehen koͤnte. Also bedarff es zu einem christlichen kauffmann nicht vielmehr/ als daß er erstlich ein wahrhaffter Christ seye/ so wird sich nachmal die applici rung seiner christlichen regeln auf die handels- faͤlle leicht von selbsten ergeben/ wo man sonderlich welches hochnoͤthig ist/ GOTT um seinen H. Geist und dessen regierung in erkaͤntnuͤß seines heili- gen willens hertzlich anruffet. Weil mich aber deucht/ daß mein geliebter Herr sonderlich ein bedencken und scrupel bekommen uͤber zoll und accis/ wo die einnehmer solche nicht genau observi ren/ ob man nemlich/ weil diese durch die finger sehen/ doͤrffte auch einigen vortheil gebrauchen/ indem es scheinet/ ob wolte die Obrigkeit selbs darinnen die sache nicht so scharff gehalten ha- ben/ wie etwa die worte der edict en mit sich bringen: So habe gleichwol auch hierinnen meine meinung dahin zu erklaͤhren/ daß aller solcher vortheil/ ver- schweigung und dergleichen nicht ohne suͤnde geschehen koͤnte/ sondern ist eine untreu gegen die Obrigkeit/ welche uͤber dieses eusserliche zu disponi ren hat/ dero disposition aber uns wahrhafftig verbindet: So gar wo auch die auffla- gen solten zu hart und unbillich seyn/ versuͤndigt sich zwahr die Obrigkeit/ und muß ihrer suͤnde wegen/ da sie die unterthanen aussauget/ vor GOTT schwehre rechnung geben/ aber die unterthanen sind gebunden/ und wo sie die Obrigkeit betriegen/ werden sie ihre schuld tragen/ als die ihre pflicht nicht ab- ftatten/ mit ihrem exempel andere aͤrgern/ damit/ wo es gemeiner wird/ zu mehrer schaͤrffe die Obrigkeit reitzen/ auch die einnehmer mit sich in suͤnde fuͤh- ren: Daher alle diese suͤnde/ ohne die uͤbrige ungnade GOttes/ auch in dem zeitlichen manchen fluch uͤber eine handlung ziehen/ und den vortheil zehenfach wieder wegnehmen kan. Der HErr erfuͤlle uns alle mit seiner forcht und liebe/ so wirds wol seyn. 1682. SECTIO XIV. Antwort auff einige scrupul betreffend die kauffmannschafft. B Edancke mich foͤrdeꝛst des freundlichen vertrauens/ uñ wuͤnsche heꝛtzlich/ daß GOtt meine gedancken und feder also regieren wolle/ daß solches/ was jetzo schreibe/ des unbekanten guten freundes gewissen beruhigen moͤge. Jch bin mir sonsten meiner wenigkeit und schwachheit wol bewust/ je- doch ARTIC. IV. SECTIO XIV. doch segnet der HErr auch der einfaͤltigenworte/ so sie zu ihres nechsten er- bauung aus hertzlicher liebe in seiner furcht thun. Die angelegenheit aber selbs belangend/ ist mir erstlich dieses ein liebes und gewisses zeugnuͤß einer auffrichtigen seele und rechtschaffener meinung bey diesem lieben freund/ daß er in sich selbs gehet/ auff sein thun und lassen/ auch die beschaffenheit seines hertzens/ dabey fleißig acht gibet/ da leider die wenigste nur dahin gebracht werden koͤnnen/ auff sich selbs zu achten/ und wie ihrer seele bey jeglicher ver- richtung zu muth seye/ vorzunehmen/ am wenigsten aber zu zweiflen/ ob et- was auch vor GOtt guͤltig seye/ was in der welt gaͤng und gebe ist. So gar daß die welt und in derselben auch so viele/ welche doch den nahmen guter Christen tragen wollen/ wo sie von dergleichen scrupuln hoͤreten/ einen solchen freund vor einen simpel oder thoren halten wuͤrden. Und gleichwol ist solche allgemeine unachtsamkeit recht der grund alles verderbens und ein unfehlbar zeugnuͤß unseres so schrecklichen verfalles. Mir ist lieb/ daß ich sehe/ daß der liebe freund/ was die kauffmannschafft selbs anlanget/ keinen scrupul hat/ sondern sie vor eine lebens-art erkennet/ wie sie auch ist/ damit dem menschli- chen geschlecht vieles genutzet/ und also nach GOttes willen die liebe geuͤbet werde. Jch sehe aber seine scrupul vornemlich uͤber zweyerley dinge. 1. wegen der allzuvielen geschaͤfften und sorgen/ so dem gemuͤth niemal die rechte ruhe/ so es in GOtt haben solte/ vergoͤnnten. 2. wegen der waaren/ mit denen er umzugehen habe/ so aber mehr zur suͤnde als GOttes ehre ge- brauchet wuͤrden. Was den ersten scrupul anlangt/ ist solcher erheblich. Jn- dem ja freylich/ so wenig als unser leib seiner leiblichen speise und ruhe entra- then kan/ sondern uns zeit muß gegoͤnnet werden/ desselben nach nothdurfft zu pflegen/ so wenig koͤnnen wir unsre seele versorgen/ daß nicht auch sie ihre nah- rung in GOtt und seinem wort suche/ wozu aber einige freyheit des gemuͤths noͤthig ist. Wer also findet/ daß er mit so viel geschaͤfften beladen/ welche staͤ- tig das gemuͤth mit sorgen erfuͤllen/ dem will ich rathen/ daß er nicht nur zum fordristen den lieben sonntag einig und allein dahin anwende/ daß er von sei- nem thun lasse ab/ damit GOtt sein werck in ihm hab; wie wir dann den sab- bath als eine goͤttliche wolthat anzusehen haben/ daß da wir sonsten zur straff unseres falles zu der arbeit/ die auch eine beaͤngstigung und verunruhigung des gemuͤths/ so wol als bemuͤhung des leibes ist/ verdammet sind/ der guͤtig- ste Vater einen tag aus der woche ausgenommen/ da wir von solchem urtheil frey seyn/ das ist/ das recht haben solten/ daß wir nicht eben arbeiten/ sondern unserer seele die ruhe in ihm goͤnnen solten: worbey wir stattlichen geistlichen segen zu hoffen haben. Sondern daß er auch suche sich mit gewalt des tages einige zeit von seinen uͤbrigen sorgen abzureissen/ und an seine seele zu geden- cken. Worzu sonderlich dienlich/ wo man etwan morgens eine halbe s t unde H h h 3 seiner Das dritte Capitel. seiner sonst gewoͤhnlichen ruhe abbricht/ und solche zeit/ die man damit gewin- net/ und da das gemuͤth noch nicht in die sorgen vertieffet ist/ seinem GOtt hei- liget: Jm uͤbrigen die andere hindernuͤssen/ so uns abhalten/ daß wir nicht mehr unsere seelen zur ruhe bringen koͤnnen/ also ansihet/ als an denen wir nicht wegen des nutzens/ so wir davon haben/ groß gefallen tragen/ sondern jhrer/ wo es GOttes wille waͤre/ lieber frey seyn wolten/ aber nachdem wir mit der uͤbrigen creatur auch in diesem stuͤck in gewisser maaß der eitelkeit un- terworffen sind/ wider unsern willen/ GOtt in solchem stande gedultig still halten/ und seinem rath uns gehorsam untergeben/ allein trachtende/ wie wir ihm treulich dienen moͤchten in dem stand und auff die art/ wie es dißmal ge- schehen kan. Gewißlich wer in solchem recht auff sich acht geben/ und den goͤtt- lichen rath uͤber sich wahrnehmen wird/ der wird erfahren/ daß das jenige/ so gantz unserm geistlichen wachsthum solte scheinen entgegen zu seyn/ zu demsel- ben in ertoͤdtung des eigenen willens diensam seyn mag. Solte aber der lie- be freund finden/ daß die geschaͤfften das gemuͤth wegen dero menge allzu- sehr einnehmen/ daß einige ruhe nicht zu erlangen/ so wolte rathen/ daß er ei- nen guten freund zu sich ziehe/ oder einen diener weiter annehme/ mit deme er ein stuͤck seiner last theilen/ und einige ruhe seiner seelen gewinnen moͤchte: da der unkosten/ so auff solche anstalten gehet/ sich mit dem geistlichen vortheil gnugsam ersetzen wird. So weiß ich auch einige gute leut/ so sich bey solchem mittel sehr wol befunden. Was aber anlangt den andern scrupul/ ist dersel- be nicht weniger erheblich/ und fast schwehr zu beantworten. Jch verstehe die art der handlung nicht/ sonsten wo es practicabel waͤre/ weil der gute freund einen anstoß in seinem gewissen hat/ wolte ich rathen/ ob er etwa seine commissiones restringi ren koͤnte/ daß sie allein in waaren bestuͤnden/ die er oh- ne dessen verletzung und unruhe behandelte. Moͤchte zwahr et was eine schwaͤ- chung der handlung nach sich ziehen/ aber vielleicht also/ daß man noch dabey bestehen koͤnte. Als wie gemeldt/ ob solches muͤglich oder nicht muͤglich/ ver- stehe ich nicht. Jm uͤbrigen ists freylich schwehr/ mit dergleichen waaren um- zugehen/ deren aller gebrauch im mißbrauch bestehet. Daher ich gern geste- he/ daß wuͤrffel und karten/ deren ich nicht wol einigen rechten gebrauch sehe/ nicht gern verhandlen wolte. Was aber lampen/ rauchfaͤsser/ und weihe- kessel anlangt/ so ists zwahr an dem/ daß dieselbe zu einem solchen dienst in dem Papstum gebraucht werden/ bey deme viel abgoͤttisches vorgehet/ aber solche stuͤcke meine ich doch nicht/ daß sie selbs ein stuͤck der abgoͤtterey sind/ als die theils auch in der noch zimlich reinen alten kirchen gebraucht worden/ obwol ohne die jetzige dabey befindliche aberglauben. Daher ich hoffe/ daß ein frommes hertz/ so im jetzigen verwirreten stand seinen dienst muß darley- hen/ zu der herbeyschaffung desjenigen/ was die andere nachmal mit aber- glau- ARTIC. IV. SECTIO XIV. glauben beflecken werden/ jedoch an sich selbs nichts unrechtes ist/ sondern zu einigen indifferen ten zierathen des gottesdiensts gehoͤret/ dessen vor GOtt nicht schuld tragen werde/ so wenig als dem Naaman solte schaͤdlich seyn/ daß er seinem Herren seinen dienst leisten muͤsse/ wo er in das abgoͤttische hauß Rimmon ginge. Ein anders wuͤrde es seyn/ mit eigenlichen goͤtzen-bildern/ so selbs verehret und angebetet werden/ wo ich nicht sehe/ daß ein seinen Gott hertzlich foͤrchtender Christ damit einige gemeinschafft haben moͤchte. Was die grosse trinck-glaͤser anlangt/ ists freylich leyder auch also/ daß ich wenig nu- tzen davon sehe/ indem sie/ wo sie noch am besten gebraucht werden/ ein stuͤck des weltlichen pomps und prachtes sind/ meistens aber der voͤllerey. Wann aber jenes erste noch ein stuͤck von dem reich dieser welt ist/ welches GOtt an- noch stehen laͤsset/ so wol als etwa andere zierathen/ geschmuck und derglei- chen/ so thun wir zwahr unsern dienst dabey so fern mit betruͤbnuͤß/ da wir lieber mit dingen/ so zu der ehre GOttes und des nechsten nutzen mehreres fruchteten/ umgingen/ indessen uns damit nicht beflecken/ was andere erst mit ihrem mißbrauch beflecken. Wir sehen ja/ wie auch in andern stuͤcken derglei- chen geschehe: Es bauet der bauer sein korn/ weitzen/ wein und dergleichen/ er ziehet sein viehe/ gefluͤgel u. s. f. versuͤndigt sich nicht/ ob ers wol verkaufft den jenigen/ die er weiß/ daß sie es mehr zu voͤllerey/ zu uͤberfluß und anderen suͤn- den mißbrauchen/ davon dannoch seine haͤnde frey bleiben. Daher wo man in der furcht GOttes der sache nachdencket/ hoffe ich/ ein christliches gemuͤth solle dabey sich beruhigen koͤnnen/ daß ob einer wol lieber mit nuͤtzlichern sa- chen begehrte umzugehen/ er sich benoͤthiget sihet/ seinen dienst zum theil an solche dinge anzuwenden/ die ihm selbs wegen des mißbrauchs ein e- ckel sind/ biß ihm GOtt selbs etwa mittel und wege zeige/ wie er etwas nuͤtz- lichers zu thun bekommen moͤchte. Massen ich beynebens davor achte/ wo GOtt gelegenheit wiese/ seine handlung auff etwas nuͤtzlichers zu wenden/ man solches zu thun verbunden waͤre. Jndessen hat der gute freund wol acht auf sich zu geben/ ob und wie er mit angedeutetem sein gewissen beruhige/ auff daß er nichts wider das vor wahr haltende zeugnuͤß seines gewissens thue. Jndeme wo etwas auch sonsten nicht unrecht waͤre/ geschihet aber wider das gewissen/ so ists suͤnde/ als das nicht aus dem glauben gehet nach Pauli lehr. Rom. 14/ 23. Was die erwehlung einer andern lebens-art anlangt/ sehe ich dazu keinen rath oder vorschlag: muͤste auch sorgen/ daß wir damit GOtt dem HErren/ ohne dessen regierung wir nicht in einen gewissen stand kommen/ aus seiner ordnung schritten/ und indem wir vor suͤnde uns huͤten wolten/ eine schwehrere begingen/ oder in derogefahr uns stuͤrtzeten. Daher achtete ich diß vor das beste/ dieser liebe freund uͤbe sich foͤrderst in seinem all- gemeinen Christen-stand und beruff also/ daß er nach Christi befehl sich lerne selbs Das dritte Capitel. selbs verleugnen/ in nichts auff seine ehre/ nutzen oder erfuͤllung des fleisches- lust zu sehen/ sondern sein hertz von der liebe der welt und des irrdischen aus- zulaͤhren/ hingegen mit liebe des goͤttlichen/ mit sanfftmuth/ demuth/ gedult/ nuͤchterkeit anzufuͤllen/ und solche tugenden bey aller gelegenheit zu uͤben/ son- derlich sich aller muͤglicher liebes-thaten gegen den nechsten zu befleissen. Da- bey bete er hertzlich/ und in dem geist/ daß ihn GOtt leite und fuͤhre nach sei- nem wohlgefallen. Jn seinem beruff handele er auffrichtig und fleißig/ und sehe ihn doch nicht an/ als dasjenige/ in dessen gewinn oder anders/ womit er in der welt ein ansehen hat/ er sich verliebte/ sondern als einen gehorsam ge- gen GOTT/ so ihn darein gesetzet/ eine uͤbung der liebe gegen den nechsten/ und eine dienstbarkeit/ in dero er sein stuͤck brodt gewinnen muß. Wird er auff diese weise sein hertz reinigen/ und recht vor GOtt stellen/ so wird ihm dessen guͤte gewißlich entweder zeigen/ wie er sein hertz auch hierinnen besser beruhige/ oder einen weg weisen/ auff dem er hinkuͤnfftig mit mehrer freude ihm diene. Wie ich auch denselben darum hertzlich anruffe/ er wolle ihm und uns allen mehr und mehr in allen stuͤcken zu erkennen geben/ was er von uns gethan haben wolle/ und ihm gefaͤllig seye. Bitte diese meine einfaͤltige mei- nung solchem christl. freunde samt diesem hertzlichen wunsch zu hinterbringen und anzudeuten/ daß mirs eine hertzliche freude seyn wuͤrde/ wo ich in gegen- wart dermaleins demselben annehmlichkeit erzeigen solte koͤnnen. SECTIO XV. Von dem vorhaben die kauffmannschafft zu verlassen. J Ch komme so bald auff die sache selbs/ da ich dem himmlischen Vater zum allerfoͤrdersten demuͤthigsten danck sage/ welcher den guten trieb/ so er in desselben seele zu verleugnung des welt-wesens und hingegen fuͤh- rung eines recht gottseligen lebens einmal erwecket/ biß daher bestaͤndig er- halten und vermehret hat/ den auch hertzlich anruffe/ daß er das angefange- ne werck vollfuͤhren wolle auff den tag JESU CHRJSTJ. Den vorschlag die handlung gantz zu verlassen anlangend/ so 1. versichere mich gern aus erkaͤntnuͤß seines christlichen gemuͤths/ daß solches vorhaben aus keinen an- dern fleischlichen ursachen/ sondern aus zartigkeit des gewissens herkomme/ und es ihm mit ernst angelegen seye/ seinem GOtt also zu dienen/ wie es ihm am gefaͤlligsten waͤre: da es nicht ohne ist/ daß die handlung vor vielen andern Professio nen gefaͤhrlich/ und es schwehr ist in derselbigen sich vor suͤnden zu be- wahren: also daß der liebe Sirach aus der wahrheit geschrieben hat. c. 27. v. 28. u. f. Ein kauffmann kan sich schwehrlich huͤten vor unrecht/ und ein ARTIC . IV. SECTIO XV. ein kraͤmer vor suͤnden: uñ wie ein nagel in der maueꝛ zwischen zweyen steinen stecket/ also stecket auch suͤnde zwischen kaͤuffer und verkaͤuffer. Daher wer zuerst einen stand zu wehlen haͤtte/ wohl mehrer bedencken bey der wahl sich machen koͤnte. So ist mir also der scrupel/ welcher demselben bey dieser sache vorkommet ein gutes zeichen und zeugnuͤß/ daß der Herr auch willig seye/ etwas seiner sonst in der welt hoffenden fortun gern hindan zu se- tzen/ ehe er seine seele in gefahr geben wolte. Daher ich auch nicht zweiffle/ daß dieser vorsatz/ ob er wol aus wichtigen bedencken nicht zu werck gerichtet werden mag/ weil er dannoch aus gutem hertzen und sorgfalt/ in weniger ge- fahr der suͤnden GOtt so viel williger und unanstoͤßiger zu dienen/ hergekom- men/ dem himmlischen Vater nicht werde mißfaͤllig seyn; Gleichwie 2. Sam. 7. GOtt sich des Davids vorsatz/ den er aus guter meinung/ GOtt ein hauß zu bauen/ gefasset hatte/ nicht hat lassen mißfallen/ ob er ihm wol dabey sa- gen liesse/ daß er derjenige nicht seye/ durch welchen er solches hauß bauen lassen wolte/ hingegen ihm andere herrlichere verheissungen gab. Also ver- sehe mich zu seiner guͤte/ ob wol der Herr nunmehr ursachen/ dergleichen vor- satz nicht werckstellig zu machen/ finden/ und vielmehr den goͤttlichen finger/ bey seiner einmaligen profession stehen zu bleiben/ wahrnehmen moͤchte/ daß sie dannoch auch jene gute meinung vergelten/ und da er bey der kauffmann- schafft aus gehorsam gegen seine ordnung bleiben mag/ in deroselben ohne anstoß zu leben/ desto kraͤfftigere gnade ertheilen werde. 2. Bin ich auch nicht eben in der meinung/ als wann in keinem fall er- laubt waͤre/ seine profession zu aͤndern/ oder zu einer andern zu schreiten: son- dern es kan solches geschehen/ nicht allein wo man in einer lebens-art gestan- den/ die gantz keinen goͤttlichen grund hat/ als da sind gauckler/ seiltaͤntzer/ comoͤdianten und dergleichen/ wo man von solchem fuͤrwitz tꝛeiben. 2. Thess. 2/ 11. nothwendig sich zu einer redlichen arbeit wenden muß/ sondern auch wo man aus noth eine lebens-art zu verlassen getrungen/ oder durch einen kantlichen winck zu einem andern beruff sich zu begeben eingeladen wird: und insgesamt da man von solcher aͤnderung kein aͤrgernuͤß zu sorgen hat oder vorsihet. 3. Hingegen bekenne/ daß ich diese aͤnderung zu bewerckstelligen weder nothwendig halte/ noch rathen koͤnte. Dessen ich die folgende gruͤnde habe/ welche ich in der furcht des HErrn zu erwegen bitte. 1. Es ist die handlung zwahr ein gefaͤhrlicher/ aber dennoch nicht an sich selbs GOtt mißfaͤlliger/ noch von der suͤnde unabsonderlicher stand: So bedarff das menschliche le- ben allerdings der handlung/ daß sie daher eine goͤttliche ordnung/ so wohl als alle uͤbrige zu des menschlichen geschlechts bestem abziehlende lebens-ar- J i i ten/ Das dritte Capitel. ten/ zu erkennen ist. Daher liget auch daran/ daß dann ebenfals diese pro- fession nicht gleichsam an lauter solche leute uͤberlassen werde/ welche des ge- wissens nicht achten/ sondern es muͤssen auch solche leute in derselben leben/ die in wahrem gehorsam gegen GOtt und in auffrichtiger liebe des nechsten dieselbe fuͤhren. Wuͤrde es also nicht ohne schaden geschehen/ wo dieser stand von allen/ bey denen noch die gottseligkeit ist/ verlassen/ und hingegen ande- rer boßheit und geitz desto mehr platz gegeben wuͤrde. Ob es denn wohl schwehr ist in solchem stand sich der suͤnden zu enthal- ten/ ist es doch nicht unmuͤglich/ und zeiget Sirach an gedachtem ort das dop- pelte mittel: wenn er spricht v. 1. um geldes willen thun viele unrecht/ und die reich werden wollen/ wenden die augen ab. So dann v. 4. Haͤlt er sich nicht mit fleiß in der furcht des HErren/ so wird sein hauß bald zerstoͤhret werden. Da sehen wir 1. das allgemeine mittel ist die furcht des HErren: Es muß nemlich ein kauffmann/ wo er seine handlung GOtt gefaͤllig fuͤhren solle/ zum allerersten ein guter Christ seyn/ GOtt hertzlich fuͤrchten/ und also/ was er so wol in seiner handlung als uͤbrigem leben vor- nimmt/ trachten nach der regel dessen gebote einzurichten/ und sich stets vor- stellen/ wie er von seiner handlung und allem dem geringsten/ was er in der- selben vornimmt/ GOtt dem HErrn eine genaue rechnung werde thun muͤs- sen. Diese furcht des HErrn wird ihn verwahren/ daß er nicht nur keine offenbahre grobe laster in seiner handlung begehe/ sondern sich auch von an- derer welt-hertzen boͤsem exempel nicht verfuͤhren lasse zu dergleichen griffen und practiquen, welche wider die gerechtigkeit und liebe streiten/ ob sie wohl in der welt als stuͤcke der noͤthigen handlungs-klugheit insgemein paßiret werden/ also daß nichts als die furcht GOttes einen davon abhalten kan. Weil aber die begierde reich zu werden nicht allein auch sonsten der gefaͤhr- lichste fallstrick ist/ welcher so viele menschen in das verderben hinreisset. 1. Timoth. 6/ 9. sondern vornemlich die groͤsseste gefahr derselben sich bey der handelschafft findet/ also daß einige vor das groͤsseste absurdum halten wer- den/ wo man nur sagen will/ daß eines kauffmanns eigenliche absicht nicht solle seyn reich zu werden/ so wird von Sirach 2. auch das absonderliche mit- tel gezeiget/ daß nemlich ein kauffmann/ die begierde reich zu werden ablegen muͤsse. Also muß es freylich seyn/ wer ein christlicher handelsmann seyn und heissen will/ der muß sich zum zweck allein setzen/ seinem himmlischen Vater/ der ihn durch seine fuͤrsorge zu solcher lebens-art beruffen habe/ gehorsamlich darinnen zu dienen/ das gemeine beste und des nechsten wohlfahrt nach ver- moͤgen zu befordern/ und seine nothdurfft davon aus dem segen GOttes zu erwarten: nicht aber grosse schaͤtze fuͤr sich und die seinige zu sammlen/ denn es ARTIC . IV. SECTIO XV. es ist ihm so wol/ als andern Christen gesagt/ 1. Tim. 6/ 8. wenn wir nah- rung und kleider haben/ so lasset uns begnuͤgen. Daher wird er allezeit diejenige billigkeit in acht nehmen/ daß er diejenige/ mit welchen er umzuge- hen hat/ nicht uͤbersetze noch vervortheile 1. Thess. 4/ 6. hingegen allein mit den seinigen nothduͤrfftig leben moͤge. Wirfft ihm denn GOtt durch sonder- bahres gluͤck mehreren segen zu/ wird er auch denselben zu GOttes ehren und wercken der liebe gern reichlicher anwenden/ um auch an guten wercken reich zu werden. Wann also bey einem kauffmann diese beyde stuͤcke die furcht GOttes und verleugnung der liebe des reichthums/ sich finden/ so wird ihm seine handlung nicht zur suͤnde werden. Und gilt nicht sagen/ auff diese wei- se koͤnte kein kauffmann fortkommen/ noch sein stuͤck brodt haben: dann ich wolte das gegentheil nicht allein mit exempeln solcher handels-leute erwei- sen koͤnnen/ die sich darneben ihr Christenthum zu anderer gutem exempel ha- ben lassen angelegen seyn/ sondern ich traue es also zu zeigen/ daß niemand widersprechen koͤnne. Die meiste suͤnden der handels-leute bestehen wohl in ungerechtigkeit/ falschheit/ uͤbersetzung des preises und unrechten vortheilen/ da ich nun nicht leugne/ wer sich dero befleisset/ wo ers heimlich thut/ da mans nicht gewahr wird/ und da andere an ihn gebunden sind/ kan wol (es seye denn daß Gottes fluch auch da entgegen stehet) zu so grossen mitteln baͤlder kom̃en/ als diejenige ordenlicher weise nicht hoffen koͤnnen/ die sich aller solcher pra- ctiquen entschlagen. Es ist aber bereits von einem christlichen kauffmann dieses erfordert worden/ daß er nicht solle begehren reich zu werden/ sondern allein seine nothdurfft zu erwerben. Da gedencke ein jeder/ wenn in der handlung unchristliche leute durch ungerechtigkeit so viel gewinnen/ da sie doch manchmal unfleißig gnug sind/ daß sie grossen reichthum zusammen bringen/ und koͤstlich sich dabey halten/ ob es begreiflich seye/ daß ein ander/ der die sache auch recht verstehet/ und in dem beruff fleißig ist/ so dann sich ge- wehnet hat/ nicht stattlich sich auffzufuͤhren/ sondern sparsam haußzuhal- ten/ mit seiner handlung nicht solte so viel erwerben/ als er zur nothdurfft ha- ben muß/ so vielmehr/ da es ja nach diesem weniger als jenem an goͤttlichem segen mangeln kan. Also sehe man die handels-leute an/ so von religion Meni- sten oder auch Quacker sind/ bey dero handlung sich alles in zimlichem grad findet/ was das Christenthum von einem gewissenhafften kauffmann erfor- dert/ ob ihnen dasjenige/ daß sie sich der ungerechtigkeit in der handlung nicht wollen nach anderer exempel theilhafftig machen/ hinderlich daran seye/ daß sie nicht davon leben koͤnten/ da gleichwol manchen unter ihnen ein grosser se- gen zufleußt. Man bedencke auch/ ob nicht/ wo von einem handelsmann allgemach bekant wird/ daß er gewissenhafft in allem verfahre/ daß er keine J i i 2 waa- Das dritte Capitel. waaren verfaͤlsche/ uͤbersetze oder andere unzimliche vortheil gebrauche/ sol- ches ihm viel eher vor andern einen zugang zuwege bringen solte/ als daß ihm sein Christenthum darinnen hinderlich waͤre. Denn die auch selbs nicht gern wollen Christen zu seyn resolvi ren/ haben es doch gemeiniglich mit rechten Christen am liebsten zu thun/ als von denen sie sich keines schadens besorgen doͤrffen. Wo aber moͤchte eingewendet werden/ daß ein handelsmann/ so seine eigene handlung fuͤhret/ wohl moͤchte mit gutem gewissen solches thun/ nachdem er alles selbs nach seinem gewissen einrichten kan. Aber ein handels- diener seye uͤbel dran/ und werde sein dienst zur suͤnde mißbraucht/ daher man mit gutem gewissen darinnen nicht stehen koͤnne. So achte ich aber auch die- ses noch nicht gnugsam/ daß man deswegen die lebens-art aͤndern muͤste: nicht allein weil es nicht wol muͤglich solte scheinen zu seyn/ daß ein gottseli- ger kauff-diener unter den vielen handels-herren nicht solte endlich auch ei- nen gottseligen/ oder auffs wenigste einen so fern moral frommen Herrn an- treffen/ der das gewissen des dieners nicht beschwehrte. Faͤnde sich derglei- chen nicht unter den reichsten/ so waͤre es etwa bey mittelmaͤßigen/ waͤre es nicht in den groͤssesten handels-staͤdten/ so moͤchte es in den kleinern seyn. Da aber einem christlichen diener gnug ist/ wo er nur so viel lernen und erfahren moͤge als ihm noͤthig ist/ biß ihm GOtt zu eigenem heerd die gelegenheit ge- be. Waͤre abeꝛ eineꝛ bey einem ungerechten Herꝛen/ und koͤnte nicht anders un- terkommen/ so ists wohl ein betruͤbtes thun/ aber doch auch muͤglich dem ge- wissen zu rathen/ wo man wahrnimmet/ daß nicht allezeit derjenige suͤndiget/ dessen dienst ein anderer zur suͤnde mißbraucht. Daher darff kein bedienter auch auff ungerechter herrschafft befehl etwas/ das an sich selbs und offen- bahr boͤses ist/ thun. Zum exempel/ er darff die waaren nicht verfaͤlschen/ mit maaß und gewicht keinen betrug brauchen/ nicht luͤgen/ falsch schwehren und dergleichen/ denn da ist allezeit das boͤse sein eigen werck/ und macht er sich dessen theilhafftig. Hingegen kan er sich wohl in dingen seines dienstes gebrauchen lassen/ in denen er selbs nicht suͤndiget/ wohl aber der/ welcher es durch ihn thut. Er gibt etwa die waaren theurer als gerechtigkeit und billig- keit erforderte/ wie ihm aber sein Herr solchen tax vorschreibet. Da geschi- hets/ daß dieser sich mit solcher uͤbersetzung versuͤndiget/ als der weiß/ wie ers geben koͤnne/ und diesesmal nach der regel der gerechtigkeit und liebe solle/ und doch dagegen thut: der diener aber versuͤndiget sich nicht/ ob er auch schon den preiß des einkauffs und anders/ davon sonsten das maaß des preisses des verkauffs dependi ret/ weiß/ wann er alsdenn nach seines Herren befehl alles verkauffet: Nachdem gleichwol muͤglich ist/ daß zuweilen ursachen seyn koͤnnen/ die einem handels-mann etwas uͤber das sonsten billige hoͤher an- zuschlagen auch im gewissen erlaubt machen/ die der diener nicht weiß/ daher sich ARTIC . IV. SECTIO XV. sich insgesamt des urtheils uͤber seinen herrn in solchen sachen nothwendig enthalten muß. Also meine ich/ sind unzehlige dinge/ da sich ein diener ohne der schuld theilhafftig zu werden/ zu einem werckzeug einer suͤnde seines herrn muß machen lassen: Nur daß er sich alles dessen enthalte/ wo in der sache selbs die suͤnde stecket/ und die nie als boͤse seyn kan; denn in solchen kan er sich mit des herrn befehl nicht entschuldigen; wol aber in denen/ die erst aus gewissen umstaͤnden und ursachen zur suͤnde werden. Man gedencke daran/ wie es denen Christen gegangen/ so in der ersten zeit bey heydnischen herren knechte waren/ welche die Apostel gleichwol stets zum gehorsam gegen sie vermahne- ten/ und sie also versicherten/ daß sie in solchem dienst GOTT gefielen/ ja ihm selbs darinne dienen koͤnten: Nun aber waren nicht allein die herren alle abgoͤttisch/ sondern meistens geitzige/ ehrgeitzige/ wolluͤstige leute/ die sich also ihrer knechte dienstes werden zur ungerechtigkeit/ hegung ihres geitzes und hochmuths/ pracht/ schwelgen/ und andern dergleichen mißbrauchet haben. Wenn aber die knechte selbs sich der abgoͤtterey/ und anderer suͤnden vor ihre person enthielten/ wurde ihnen der mißbrauch ihres dienstes und arbeit von GOTT nicht zugerechnet. Jndem sonsten unmuͤglich ein christlicher knecht in eines heydnischen herrn dienst lang haͤtte stehen koͤnnen. Zwahr ists wol an dem/ daß solche bediente/ welche sich uͤber dergleichen/ worinnen sie denen herrschafften zu ihrem geitz/ pracht und wollust muͤssen behuͤlfflich seyn/ ein ge- wissen machen/ eben dardurch/ wo sie es dannoch thun/ suͤndigen. Sie haben a- ber ihnen billich diesen scrupel benehmen zu lassen/ und sich zu versichern/ daß Gott bey ihnen nicht ansehe/ worzu die ungewißhaffte herrschafften sie mißbrauchen/ sondern was sie selbs thun (so ich nochmal præsupponi re/ daß es nichtsan sich selbs boͤses seyn muͤsse) und mit was vor einem hertzen sie es thun. Jch kan zwahr hiebey auch leicht erachten/ daß es einem frommen ge- muͤth sehr wehe thue/ wo es sehen muß/ daß seine muͤhe und arbeit anderer suͤnden dienen solle/ und also so fern vergebens ist/ daher ich einem solchen auch nicht verdencke/ wo er sich auf gezihmliche art loßmachen/ und in einen andern dienst treten kan/ daß er solches thut: Jst aber dieses nicht muͤglich/ und er kan keine herrschafft finden/ da er auch mehrere wahre frucht seiner muͤhe sehen oder hoffen koͤnte/ (so mir fast unmuͤglich scheinet) so traͤget er sein leiden mit gedult/ wie die creatur Rom. 8/ 20. die wider ihren willen der eitelkeit unterworffen ist/ und mit seuffzen ihren dienst mißbrauchen lassen muß/ sich aber nach der erloͤsung sehnet/ und ist dabey versichert/ seine auch von andern zur suͤnde mißbrauchte arbeit mit einfaͤltigem hertzen und aus gehorsam ge- gen GOTT gethan/ verliehre bey diesem nicht allen lohn: Ja diese verleug- nung des eigenen/ obwol auch sonsten an sich guten/ willens/ dero uͤbung in dergleichen diensten stets waͤhret/ koͤnne zu dem innern wachsthum vieles J i i 3 thun/ Das dritte Capitel. thun/ sonderlich aber werde GOTT selbs eine solche offt beaͤngstigte seele zu rechter stund nach ihrer gedult-zeit in freyheit setzen. Also meine ich gruͤnd- lich gnug gezeiget zu haben/ daß so wol handels-leute selbs/ als ihre diener/ ih- ren stand ohne verletzung ihres gewissens behalten und fuͤhren koͤnnen/ obwol bey beyden viele vorsichtigkeit und wachsamkeit/ sich auf dem gefaͤhrlichen weg nicht zustossen/ noͤthig ist/ so dann auch viele gedult erfordert wird: Also faͤl- let das haupt- fundament dahin/ so zu der nothwendigen verlassung der hand- lung wollen geleget werden. 2. Hierzu setze billich/ daß es zu diesen zeiten nicht allein schwehr werde aus einer profession zu einer andern uͤberzugehen/ und gute gelegenheit zu finden: Wie ich bekenne/ da auch der schluß zu aͤndern fest bliebe/ daß ich zu einer dergleichen versorgung/ wie etwa gehoffet und verlanget wuͤrde/ keinen rath zu geben wuͤste/ nachdem alle biß auf die geringste dienste so bewandt sind/ daß immer deren/ die darauf warten/ sich eine solche anzahl findet/ daß die wenigste darvon ihren zweck erreichen/ und zwahr nicht allezeit die froͤmmeste denen andern vorgezogen werden. Sondern wir sehen die lebens-arten alle an/ wie wir wollen/ so ist keine einige/ die nicht eben so wol ihre beschwehrden ha- be/ und das gewissen dabey seine stricke sehe/ vor denen es sich nicht eben alle- mal gnug vorzusehen weiß. Also daß keine einige noch weniger anstoͤsse und gelegenheit zu suͤnden haben/ als die bloß dahin in eusserlichen hand-arbei- ten bestehen/ wiewol sie doch auch nicht gar ohne gefahr sind. Was sonder- lich anlanget die dienste/ so kan nimmermehr die handlung mehr klippen ha- ben/ daran man sich stossen kan/ als die meiste dienste; theils wann meistens die besoldungen so bewandt/ daß der auch vergnuͤglichste davon nicht nach nothdurfft leben kan/ die accidentia aber gemeiniglich die gefaͤhrlichste stricke sind; theils daß so offt geschihet/ daß solche leute anderer ungerechtigkeit werckzeuge werden muͤssen/ mit mehrerer beaͤngstigung der gewissen als kein handels-diener bey einem auch geitzigen und ungerechten herrn. Da stecken eben so wol solche gute leute in der klemme/ wenn ihnen befehl kommen/ wor- nach sie sich achten muͤssen/ und hingegen das gewissen einige in der sache vor- gehende ungerechtigkeit oder unbarmhertzigkeit zeiget/ die man doch exequi- ren solle. Jn summa jeder sihet wol die beschwehrde und gefahr seines stan- des/ als die er aus der erfahrung einsihet/ es bleiben ihm aber die beschwehr- den und lasten anderer staͤnde grossen theils verborgen: Und wuͤrden manche/ wo sie die andere auch eben also einsaͤhen/ sich gern bey den ihrigen gedulden/ oder wieder lieber auffs neue nach denselben greiffen. Das macht/ das ver- derben ist so allgemein worden/ und hat alle lebens-arten durchgetrungen/ daß eigen-liebe/ ungerechtigkeit und insgesamt was Johannes 1. Joh. 2/ 16. welt nennet/ uͤberall/ nur in einem stand groͤber und offenbarer/ in dem an- dern ARTIC. IV. SECTIO XV. dern subtiler und geheimer/ aber nicht weniger gefaͤhrlich/ herrschen/ und also keine art gantz frey von dem feind gelassen worden ist/ darinn er nicht etwas des verderbens mit eingesaͤet haͤtte: So sehe ich es menschlicher weise unmuͤg- lich/ solche staͤnde voͤllig zu reinigen/ biß der HErr selbs kommen/ und mit sei- ner allmaͤchtigen krafft/ was uns unmuͤglich ist/ ausrichten wird; daher muß jeder allein trachten/ seine person und wercke in jedem stand recht zu reinigen/ und das uͤbrige GOTT befehlen. Es sind aber diejenige noch am gluͤckse- ligsten/ die ausser eigenlichen diensten oder mit zu vielen ordnungen um- schraͤnckten professio nen leben/ daß sie auffs wenigste vor sich/ was sie thun/ nach ihrem gewissen einrichten doͤrffen/ vor denenjenigen/ welcher aͤmter und dienste ihnen offt solche regeln vorschreiben/ die ihnen in der seelen manche un- ruhe machen. 3. Jch erkenne auch dieses vor ein wichtiges moment, so in dem vorha- ben einer aͤnderung wol in acht zu nehmen/ daß dergleichen lebens-arten/ dar- zu ein mensch in seiner jugend von eltern/ oder die an eltern statt sind/ ange- wiesen worden/ oder auch zu dero man selbs einen trieb gehabt/ auch dasjeni- ge/ was darzu gehoͤret/ durch goͤttliche gnade also erlernet hat/ daß man dar- mit dem nechsten dienen kan/ weil wir wissen/ daß alle unsere dinge unter der goͤttlichen guͤtigen providenz und verordnung stehen/ auch in gewisser maaß (wo nemlich sonst nichts wichtiges entgegen stehet) als goͤttliche beruffungen billich angesehen werden; daher man aus denselben ohne wichtigste ursach oder noth nicht auszuschreiten hat/ und sonsten aus dem goͤttlichen gehorsam zu gehen/ das ansehen gewinnen wuͤrde. Wie ich nun weiß/ daß derselbe von den geliebten eltern/ die auch auf seine faͤhigkeit und zuneigung gesehen haben werden/ zu der handlung gethan worden/ und er sich in deroselben/ wie ich nicht zweiffele/ eine ruͤhmliche und nuͤtzliche erfahrung wird bereits zu we- ge gebracht haben/ nechstdem auch sehr anstehe/ ob den lieben eltern derglei- chen aͤnderung wuͤrde angenehm seyn/ so traute ich/ an dessen stelle stehende/ nicht dieselbige vorzunehmen/ als lange sie GOTT nicht auf eine offenbarere art seinem rath gemaͤß zu seyn zeigen wuͤrde. 4. Hiezu kommet/ daß leider die uͤbung der wahren gottseligkeit unter dem nahmen des Pietismi zu einer sonderbaren secte gemachet werden will/ und denenjenigen/ so sich jener befleißigen/ allerley unerfindliche irrthume/ unter andern/ daß sie allerley staͤnde und goͤttliche ordnungen verwuͤrffen/ auffgedichtet werden. Weil nun der Herr/ nachdem er durch die fuͤhrung Gottes sich auch sein Christenthum vor einigen jahren ernstlicher als vor de- me hat angelegen seyn lassen/ nicht weniger mag unter die Pietist en gezehlet worden seyn/ trage ich billich sorge/ da derselbe seine erlernte handlung gantz angeben/ und eine andere lebens-art ohne noth/ mit beruffung auf das gewis- sen/ Das dritte Capitel. sen/ erwehlen wolte/ daß auch dieses exempel mit einem zimlichen schein moͤch- te angefuͤhret werden/ daß auch dieses ein irrthum der Pietist en waͤre/ daß sie die kauffmannschafft verwuͤrffen/ und meineten/ man koͤnte nicht mit gutem gewissen in solchem stande leben: So auffs neue wiederum einen lermen ma- chen/ mehreren haß gegen unschuldige erwecken/ dem laͤsterer aber gelegenheit zu neuen fabeln geben wuͤrde. Nun weiß ich zwahr wol/ daß wir mit auch dem vorsichtigsten wandel es nicht gnug werden hindern koͤnnen/ daß nicht der luͤgen-geist immer etwas neues auf die bahn bringe/ aber ich meine doch/ wir seyen verbunden/ so viel muͤglich ist/ daß wir ihm keine scheinbare gelegen- heit selbs geben/ als auf die sonsten nachmal ein stuͤck der schuld und verant- wortung vor GOTT fallen/ und andere schwache gewissen desto mehr anstoß leiden moͤchten/ welches zu vermeiden gleichwol eine pflicht der christlichen klugheit und liebe ist. Aus diesen ursachen sihet mein werther Herr/ daß ich zu dieser aͤnde- rung/ nachdem wie ich die sache vor GOTT ansehe/ nicht rathen koͤnte. Da- her hielte ich dem gewissen am sichersten/ derselbe setzte entweder seine dienste in gegenwaͤrtiger condition, wo es seyn kan/ ferner fort/ oder bewuͤrbe sich bey andern christlichen handels-leuten um gelegenheit/ biß ihm der guͤtigste Vater etwa selbs eine stelle anwiese/ da er sein eigen thun anrichten/ und in der stille sein Christenthum ungehinderter treiben moͤchte: Jndessen waͤren diejenige anstoͤsse/ welche dem gewissen in diesem stande wollen unruhe ma- chen/ mit besserer dessen unterrichtung/ was unrecht oder nicht seye/ mit ge- dult/ mit vorsichtigkeit und mit unablaͤßigem gebet um die regierung des H. Geistes/ auch glaubiger hoffnung kuͤnfftiger besserung/ zu uͤberwinden/ wie ich denn auch an goͤttlichem beystand dazu nicht zweiffeln will. Dieses sind al- so meine christliche gedancken/ uͤber das mir vorgetragene anligen/ so ich in der forcht des HErrn habe uͤberschreiben wollen/ dabey freundlich bitte/ dieselbe auch mit anruffung GOttes zu uͤberlegen/ ob er sich auch zu gleichem uͤber- zeuget besinden werde/ und alsdann das vorgeschlagene annehmen koͤnte. Wie ich denn mit meiner meinung keines gewissen binden/ noch jemand wei- ter dran weisen will/ als so fern er selbs sich durch die angefuͤhrte gruͤnde vor GOTT bewogen fuͤhlet: sondern uͤberlasse nachmal/ wo meine gedancken vorgestellet/ einen jeglichen der regierung dessen/ der allein der gewissen HErr ist. 1692. SECTIO XVI . Ob man die handlung/ um sich der welt loßzu- reissen/ bey noch habenden schulden/ verlassen koͤnne. Antonius ARTIC. IV. SECTIO XVI. A Ntonius ein kauff- und welt-mann erlanget die gnade von GOtt/ daß er die eitelkeit der welt als auch der seelen gefaͤhrlichkeit erken- nende/ ihm aus grund seines hertzens sich vornimmt/ alles weltliche hinten an zu setzen/ und einen ort zu suchen/ wo er etliche recht fromme und wahre Christen meinet zu finden oder zum wenigsten gelegen- heit/ unverhindert von weltlichen geschaͤfften in ruhe und GOTT alleine gelassen/ ihm die uͤbrige zeit seines lebens zu dienen. Daß aber Antonius zu diesem verlangten Gottesdienst nicht kommen kan/ schei- net ihm im wege zu stehen/ weil er in fortbringung seines lebens und wandels von witwen/ waͤysen und anderen leuten ansehnliche gelder auffgenommen/ und dieselbe hertzlich gerne bezahlen wolte/ auch nicht zweiffelt/ wo er bey den weltlichen geschaͤfften bliebe/ uͤber kurtz oder lang dazu zu kommen/ allein wie ihn dieses auffhalten wird zu seiner intention zu gelangen/ also fuͤrchtet er auch/ daß er vom tode uͤbereilet/ GOTT in der welt so nicht gedienet haͤtte/ wie er gesollt/ welches ihm gar gefaͤhrlich ausschlagen moͤchte! Fraget sich also/ ob Antonius mit gutem gewissen aus seinem handel treten koͤnne/ alles das seinige angeben/ und dazu seine schulden unbezahlt lassen/ und wenn er GOTT an einem andern orte redlich und christ-moͤglich dienet/ sich keine beschwehrnuͤß zu machen habe/ daß er um in gottesfurcht zu leben/ und dazu zu gelangen/ seinem nech- sten das seinige nicht wiedergegeben. Woruͤber als einer sachen/ an dem jemand das allerhoͤchste gelegen/ bit- tet man ein Christ- Theologi sches consilium \& decisum. Antwort. W O man die vorgelegte frage oben hin ansihet/ solte dem ersten ansehen naches scheinen/ daß man ohne viel bedencken/ die affirmativam schlies- sen und Antonio zu seiner intention rathen solte/ angesehen 1. dem goͤttlichen nichts vorzuzie he n ist/ und der dienst der ersten taffel der pflicht der andern also gar vorgehet/ daß wo diese jenen hindern wolte/ man das einig-nothwen- dige allem andern vorz ieh en solte. 2. Scheinet es eine ungleiche compara- tion zu seyn/ zwischen einerseits einem zeitlichen verlust/ welchen seine credi- tores an ihm leiden wuͤrden/ und der ewigen gefahr/ in welcher Antonius sich befindet/ da aber allezeit die groͤssere gefahr/ und was dieselbe erfordert/ der geringern vorzuziehen ist. 3. Solte man gedencken/ wo die creditores christlich sind/ daß sie selbs den verlust des ihrigen der hesorgenden schwehren K k k gefahr Das dritte Capitel. gefahr der verdammnuͤß ihres debitoris nachsetzen/ und wo er die resolution faßte/ ihm solche schuld selbs nachlassen/ und also sein gewissen ferner entladen solten. Sonderlich 4. weil sein Antonii leben gleichwol ungewiß/ und sie nicht sicher sind/ daß er/ ob er wol in seinem handel bleibet/ und ihnen satisfaction zu thun sich bemuͤhet/ so lang leben bleiben/ oder aber von GOt- tes gericht eher hingeraffet werden moͤchte/ und also ihnen die erstattung doch nicht geschehen/ hingegen von GOTT einiger fluch auf sie fallen moͤchte/ wel- che oder doch ihre consideration den mann von seinen heiligen vorsaͤtzen abge- halten haͤtten. Daher 5. solche intention als ein goͤttlicher finger und beruff anzusehen waͤre/ dem er deswegen ohngesaͤumet/ als der stimme des HErrn zu folgen haͤtte. Diese und andere dergleichen dubia moͤgen vorkommen/ welche die be- werckstelligung der intention rathen und noͤthig machen moͤchten. Wo aber gleichwol die sache in der forcht des HErrn reifflich erwogen wird/ so zweiffle ich nicht/ daß der ausschlag endlich auf die negativam ausfallen muͤste/ und also Antonio sein vornehmen nicht gerathen werden kan. Dessen wir fol- gende gruͤnde anfuͤhren. 1. Weil die verbindung/ damit ein debitor seinem creditori verhafft ist/ nicht nur aus weltlichen rechten herkommet/ welche gleichwol auch das gewis- sen verbinden/ sondern sie ist selbs goͤttlichen rechts. Dann weil GOTT die zeitliche guͤter nach seinem willen unter die menschen ausgetheilet/ und je- den uͤber das ihme zugeworffene theil zum haußhalter bestellet hat/ so kan ih- nen wider seinen willen niemand mit recht das seinige entziehen/ oder dieser versuͤndiget sich damit an goͤttlicher ordnung/ welche einem jeden das seine vor des andern gewalt oder betrug mit dem siebenden gebot als gleichsam einem zaun verwahret/ und ernstlich verboten hat/ daß keiner dem andern ent- ziehe/ was GOTT demselben anvertrauet. Daher es mit schwehrer ver- letzung des gewissens geschihet/ wo einer dem andern hierinnen eintrag thut/ ihm das seinige zu nehmen/ oder welches eben so viel ist/ vorzuenthalten. Es heissen vor GOTT gottlose/ welche borgen und nicht bezahlen Psalm 37. so vielmehr/ weil in solchem fall auch der mit mund und etwa ha nd gethane verspruch/ so bey auffnehmung des gelds geschehen/ gebroche n und neben dem siebenden das achte gebot zugleich uͤbertreten wird: W aͤr aber ob gleich nicht ein foͤrmlicher eid/ doch welches gleichwol oͤffters zu geschehen pfleget/ andere betheurung bey GOttes nahmen dazu gekommen/ wuͤrde solches die suͤnde noch so viel schwehrer machen. Wird etwa noch hinzu gethan die betruͤbnuͤß der wittwen und waͤysen/ welche GOTT sonsten vor andern jederman zur versorgung und schutz anbefohlen/ deroselben damit auspressende seuffzen/ so demjenigen/ der sie mit unrecht verursachet/ sehr schwehr werden; allerhand elend/ ARTIC. IV. SECTIO XVI. elend/ in welches dieselbe/ wo sie darinnen all ihr vermoͤgen oder ein grosses theil dessen gehabt haben moͤgen/ dadurch gestuͤrtzet/ ja auch zu allerhand suͤn- den gebracht werden moͤgen/ und was sonsten noch anders aus solcher defrau- dation entstehen koͤnte: So aggravi ren alle solche stuͤcke die suͤnde so vielmehr. Und mag von demjenigen/ deme die umstaͤnde der person bekant/ etwa noch vielerley gefunden werden/ welches die schwehre der suͤnden zeigte. 2. Wo dann nun solches ausgemacht/ daß aus unterschiedlichen consi- deratio nen diese gefaͤhrung der creditorum in sich selbs unrecht ist/ so stehet die regel Pauli Rom. 3/ 8. fest/ daß wir nicht boͤses thun doͤrffen/ daß gu- tes daraus kommen solle. Welcherley leute verdammnuͤß er gantz recht achtet. Kan also nimmermehr ein GOtt-gefaͤlliges werck seyn/ zu welchem man sich mit vorsetzlicher suͤnde den weg gemachet. Und hasset GOtt raͤuberische brand-opffer Esa. 61/ 8. so mag ihm auch der dienst nicht an- genehm seyn/ welcher mit solcher beraubung unschuldiger/ und vielleicht be- doͤrfftiger personen/ geschihet. Man kan auch sich keines goͤttlichen segens und kraͤfftiger wirckung/ ohne welche sothane intention ohne das vergebens/ nicht dabey getroͤsten/ noch bey ankommender anfechtung das unruhige ge- wissen alsdann zu frieden geben/ deme die wissentlich und vorsetzlich begange- ne suͤnde staͤtig vor augen stehen wird. 3. Scheinet diese intention dasjenige principium zu præsupponi ren/ daß dem menschen schlechter dings frey stehe/ in allen dingen diejenige art des lebens zu erwehlen/ welche ihm am fuͤglichsten zu seines GOttes dienst vor- kommet. Nun ists zwahr an dem/ daß dergleichen angehet/ bey denenjeni- gen/ welche frey sind/ und nicht ohne das schon von GOTT zu einem gewis- sen stand gesetzet und beruffen/ nicht aber gilt es denjenigen/ wo es nicht mehr um die wahl zu thun ist/ was man selbs wehlen solle/ sondern von der auffloͤ- sung eines bereits gemachten bundes gehandelt wird. Jn jenem fall ist die- ses freylich die fuͤrnehmste consideration, woraus ich diese oder jene lebens- art zu wehlen habe/ wie ich nach hertzlicher anruffung GOttes und in seiner forcht geschehener erwegung aller umstaͤnde finde/ daß ich GOTT am besten dienen kan. Ob wol das exempel Pauli 1. Cor. 7/ 38. zu lehren scheint/ daß auch in solchem fall wir einen noch nicht also anstrengen koͤnnen/ daß wir ihn schlechter dings verbinden wolten/ nothwendig diejenige lebens-art zu er- greiffen/ die er insgemein vor dienlicher zu goͤttlichem dienst achtet/ sondern ihm annoch die freyheit dabey gelassen ist/ zu erwegen/ ob eben diesem zu dieser zeit dergleichen auch dienlicher seye. Wo aber bereits ein goͤttlicher beruff vorgegangen/ und wir also mit gewissen stricken verbunden sind/ so gewinnet die sache eine gantz andere bewandnuͤß/ und stehets damit nicht mehr in freyer wahl/ oder ist aus solcher consideration allein zu decidi ren/ so lange das vo- K k k 2 rige Das dritte Capitel. rige band waͤhret/ und nicht auffgeloͤset ist. Zum exempel/ es ist nicht zu zweifflen/ daß einer christlichen person/ wo sie in ihrem gewissen sich sonsten zwahr zu einem heyrath resolvi rt hat/ oblige/ allein in einen solchen heyrath zu gehelln/ in dem sie mit weniger verhindernuͤß GOTT dienen moͤge/ und also mit einem glaubens-genossen: Hingegen wuͤrde es nicht ohne unver- antwortliche suͤnde und versuchung GOttes geschehen/ wo sich eine an eine unglaubige oder auch sonsten gottlose person/ verheyrathen wolte/ da sie so of- fenbare hinderungen aller uͤbung der gottseligkeit erkennete. Jndessen/ wo der mensch in solchem ehelichen bande stehet/ so laͤsset ihm Paulus nicht zu/ daß er mehr das sonsten an sich bessere und zu dem gottesdienst dienlichere mittel der freyheit ergreiffe/ sondern wofern der unglaubige nicht selbsten weichet und die trennung machet/ will der Apostel 1. Cor. 7/ 12. 13. daß der glaubige bleibe/ ob wol in einem solchen stand/ da man leicht erachten kan/ wie sonder- lich zu solcher zeit/ denselben lieben leuten ihre uͤbungen der gottseligkeit von den unglaubigen ehegatten so schwehr gemachet worden. Aber das zwischen ihnen befindliche band/ so ohne suͤnde nicht getrennet werden kan/ ist hievor- zuziehen demjenigen/ was man sonst vor sich selbs wehlen wuͤrde/ und weh- len solte. Nun erkenne ich zwahr gern/ daß es einen nicht geringen unter- scheid habe/ unter dem ehestand/ dessen band von Gottes wegen unauffloͤß- lich gesetzet wird/ und einer dergleichen lebens-art/ die ohne solche suͤnde wie- derum geaͤndert werden kan. Jndessen aber ist nicht nur gewisen/ daß also das zum grunde ligende principium, wo es ohne fernere consideration oder restriction angenommen wird/ so gewiß nicht seye/ vielmehr seine excepti- ones leide/ sondern es stehet hie ein anderes band der schulden/ damit Anto- nius seinem nechsten also verbunden ist/ daß er sich nicht/ weil es mit suͤnden geschaͤhe/ davon loßreissen darff/ oder solche loßreissung mit dem schaden der andern verletzete sein gewissen/ und haͤlt ihn deswegen so lang in der that verbunden/ als er jene nicht nach vermoͤgen befriediget. 4. Daraus abzunehmen/ daß also nicht unser eigen belieben/ sondern einig und allein goͤttlicher beruff in solchem fall die regel seye/ nach welcher wir uns zu richten haben/ und solches nicht allein in ehe-sachen/ sondern wie Paulus deutlich in folgenden worten zeiget/ auch in andern weltlichen obli- gatio nen/ da nicht so viel heiliges und goͤttliches erkant wird/ als in dem ehe- stand. Jndem er auch von den knechten saget/ daß sie bleiben sollen/ wie sie beruffen seyen. Nun die arten/ wie sie knechte wurden/ waren vielerley/ und nicht eben alle GOtt gefaͤllig/ indem nicht nur einige in solchem stande gebohren wurden/ sondern andere durch krieg und ander ungluͤck in selbigen gerathen sind/ wo man denselben nicht anders vor einen goͤttlichen beruff bey ihnen halten koͤnte/ als wie GOtt solches uͤber sie verhaͤnget hatte. So waren ARTIC. IV. SECTIO XVI. waren solche knechte als leibeigne sclaven/ nicht nur allein sonsten in sehr mi- serab lem zustand/ sondern vornemlich was das geistliche anlanget/ koͤnte man sich kaum eine groͤssere hindernuͤß aller uͤbungen der gottseeligkeit und got- tesdienstes vorstellen/ als der zustand solcher leibeignen war. Jndessen sagt Paulus nicht zu solchen armen leuten/ sie solten/ damit sie in der freyheit ih- rem GOtt so viel ungehinderter dienen koͤnten/ davon lauffen/ und ihre Her- ren verlassen/ sondern sie solten in ihrem beruff bleiben/ es waͤre dann sache/ daß sie/ nemlich mit ihrer Herren willen/ frey werden koͤnten/ so solten sie sich dessen lieber gebrauchen. Wo wir klahr sehen/ daß die grosse hinderungen die sie bey ihrer condition hatten/ GOtt rechtschaffen zu dienen/ Paulo noch keine gnugsame ursachen gewesen/ daß er ihnen erlauben wollen/ ihrer Her- ren diensten sich zu entziehen/ sondern er will/ sie sollen bleiben/ und GOTT also dienen/ wie sothaner ihr zustand solches zuliesse. Ob nun wol Antoni- us nicht ein knecht ist/ so ist er doch denjenigen deren gelder er auffgenommen/ mit eben dergleichen verbindlichkeit zugethan/ daß er gleichsam als ihr diener in verwaltung ihrer gelder und zu conservi rung derselben ihnen alsolang verpflichtet ist/ biß sie abgeleget sind. Daher mag er so wenig sich ihnen ent- ziehen/ und sie in dem schaden stecken lassen/ als solches den alten knechten nicht zugestanden ward. 5. Scheinet fast diese intention diejenige meinung zu involvi ren/ gleich ob koͤnte GOtt nicht anders rechtschaffen und gefaͤllig gedienet werden/ als mit gaͤntzlicher ablegung aller weltlichen geschaͤfften und verrichtungen. Wel- che meinung gleichwol gantz irrig waͤre; dann obwol es erwuͤnschlich/ mit weltlichen geschaͤfften weniger beladen zu seyn/ und mit so viel weniger unru- he dem HErren auch nach der ersten taffel zu dienen. So wissen wir doch/ daß GOtt eben so wol auch die zweyte taffel vorgeschrieben/ und den dienst/ der ihm in den weltlichen geschaͤfften mit absicht auff seine ehre geleistet wird/ als einen ihme geschehenen ansihet: wie unser theure Lutherus zum oͤfftern herrlich erinnert/ daß wir/ was heilig und goͤttlich nicht bloß aus der sache selbs/ sondern dem beruff und goͤttlicher ordnung zu achten haben. Daher welchen GOtt zu einem Fuͤrsten und Regenten/ zu einem hauß-vater/ zu ei- nem knecht gesetzet und beruffen/ wo derselbe solches seines beruffes geschaͤff- te verrichtet/ mit der absicht auff GOttes ehre/ und aus trieb der liebe gegen seinen GOtt und seinen neben-menschen/ so werden solche an sich weltlichst scheinende geschaͤfften wahrhafftig ein heiliger und geistlicher gottesdie nst/ nicht anders als wo ein Prediger solte studiren/ predigen und sein amt ver- richten. Daher wer GOtt dienen will/ nicht weit da oder dorthin sich ver- fuͤgen darff/ sondern er findet einen dienst seines GOttes in allem/ was er in seinen geschaͤfften zu thun hat/ wo er ein gottliebendes hertz dazu bringet K k k 3 6. Wozu Das dritte Capitel. 6. Wozu auch kommet/ daß absonderlich der kauff-handel/ obwol wie zu sehen Sirach c. 27. und 28. viele gelegenheit zu suͤndigen dabey ist/ die nicht wenig gefahr nach sich ziehen/ an sich selbs gleichwol recht/ erlaubt/ und gut ist: als eine sache/ die dem menschlichen geschlecht gantz nuͤtzlich und in ge- wisser maaß nothwendig ist. Daher was vor fehler demselben anhangen/ sol- che nicht desselben/ sondern der menschen schuld ist. Daher Antonius, da er sich GOtt zu dienen hertzlich entschlossen/ es eben so wol in gegenwaͤrtigem seinem stande zu thun vermag/ und ihm noͤthig ist. Und die gnade/ welche ihn zu dem guten antreibet/ wird ihn so wol in fuͤhrung seines kauff-handels also regieren/ daß er sein gewissen mit willen nicht beschwehre/ als er von ihr erwartete/ daß sie in solchem intendi renden secessu ihn zu dem rechten zweck fuͤhrete. 7. Aus allem solchen sehe ich noch nicht/ was Antonius zu sehen ver- meint/ daß ihn GOtt von bißheriger lebens-art ab/ zu einer ruhigern und stillern fuͤhren wolle: sondern ich erkenne vielmehr seinen weisesten finger/ daß derselbe ihn bey seinem kauff-handel noch haben und wissen wolle/ da er ihm alle wege/ durch die er derselben sich entbrechen moͤchte/ verleget. Woraus er aber versichert ist/ weil es GOtt also haben wolle/ in solchem stand zu blei- ben/ daß er dann auch in demselben alle verrichtungen dermassen werde se- gnen/ daß wo er sich GOttes hand leiten laͤsset/ er in solchem stande sein heil wol wircken moͤge. Und laͤsset sich hiemit gar unschwehr antworten auff die erst movi rte scrupulos. Jndeme 1. wir gern gestehen/ daß dem goͤttlichen alles nachgesetzet werden/ und dem gottesdienst das zeitliche weichen muͤsse. Dann was huͤlffe es wo der mensch die gantze welt gewinne/ und lidte schaden an seiner seele/ oder was koͤnt er geben/ wann er seine einmal verlohrne seele loͤse. Matth. 16/ 26. Aber es laͤsset sich auff gegenwaͤrti- gen casum nicht applici ren/ dann seine weltliche profession gantz angeben/ und nur allein nach der ersten taffel vornemlich GOtt dienen wollen/ ist nicht das einige nothwendige/ vielweniger ein goͤttlicher dienst zu achten; wo man be- tꝛachtet/ daß er die von Gott so hoch gebotene liebe des nechsten/ wo eꝛ denselbẽ um einiger seiner bessern ruhe und bequemlichkeit willen in grossen schaden uñ verlust auch etwa dadurch fernere gefahr stuͤrtzen wolte/ verletzte. Also bleibet es freylich wahr/ daß man lieber alles hindan setzen/ als muthwillig suͤndigen wolte/ ja daß/ wo wir finden solten/ daß unsere geschaͤffte uns unvermeidlich in suͤnde fuͤhren wuͤrden/ wir sie lieber abschaffeten/ als daß wir durch diesel- be nach grossem gut und reichthum in der welt trachten wolten/ welches ohne das dem Christenthum unanstaͤndig: da heißt es recht/ das goͤttliche/ worin- nen wir allein unser heil erhalten moͤgen/ und hingegen mit der suͤnde gewiß verschertzeten/ dem weltlichen vorziehen/ welches nothwendig ist: in jenem exem- ARTIC. IV. SECTIO XVI. exempel wuͤrde es heissen/ das wahrhafftig goͤttliche/ nemlich nach erforde- rung der liebe des nechsten leben/ und mit mehrerer sorgfalt auff der hut sei- nes heiles stehen muͤssen/ einem eingebildeten goͤttlichen/ nemlich einer sol- chen lebens-art/ zu dero uns GOtt nicht beruffen/ unbesonnener weise nach- setzen wollen. 2. Was das andere anlanget/ so ist freylich eine ungleiche comparation zwischen dem verlust des zeitlichen und einer seelen verlust/ aber es stringi- ret solches in gegenwaͤrtigem fall nicht anders/ als wo wir præsupponi rten/ daß Antonio an solcher aͤnderung blosser ding sein heil gelegen waͤre: da aber das gegentheil gewiesen zu haben getraue/ und mehr den verlust desselbigen als befoͤrderung aus solchem entschluß sorgen muͤste. Womit auch das drit- te faͤllet/ daß die creditores lieber ihr recht fahren lassen solten/ als Antoni- um in solcher gefahr stecken lassen. Dann solches alsdann platz haben moͤch- te/ wo Antonii seele nicht anders gerettet werden koͤnte/ welches sich aber an- ders haͤlt. Daher auch was sie wollen/ vielmehr aus deme/ was sie sich selbs erklaͤhren/ abzunehmen/ als bloß dahin aus deme/ so uns deuchtet von ihnen ruͤhmlicher zu seyn/ zu vermuthen ist. 4. Ob wol Antonii leben/ und also ob er die erstattung wuͤrcklich leisten werde/ ungewiß ist/ so mag solches sein gewissen nicht beschwehren (es waͤre dann sache/ daß er mit solchen geldern unverstaͤndig/ unbedachtsam oder lie- derlicher weise umgegangen/ und sich also verstecket/ daß es aus seiner schuld geschehe/ daß wo er bald von GOtt weggenommen wuͤrde/ seine creditores nicht bezahlet wuͤrden/ in welchem fall er seine suͤnde inniglich zu erkennen/ und GOtt und denjenigen/ welche er beleidiget/ hertzlich abzubeten hat/ als in einer sach/ die er anders zu bessern nicht vermag) aber das wuͤrde sein ge- wissen beschwehren/ wo er aus eigner willkuͤhr sich ausser dem stande setzen wolte/ in dem er menschlicher hoffnung nach seinen creditorn satisfaction zu thun vermoͤchte. Dann ihm ligt blosser dings ob/ nicht so wohl ohnfehl- bar seine glaubiger zu bezahlen/ welches durch allerhand ungluͤck ohne seine schuld ihm unmuͤglich werden mag/ als eussersten fleiß anzuwenden/ daß er solches zu thun vermoͤge/ und also/ als viel an ihm ist/ es wircklich thue. Und haben deswegen die creditores sich keines fluchs zu besorgen/ welche Antoni- um nicht von seinem heil/ sondern einer gewissen lebens-art/ welche dazu nicht bloß noͤthig/ abgehalten. Daraus dann 5. zu sehen/ daß solche gedancken Antonii zwahr wohlgemeint seyn moͤgen/ auch eine anzeige seines guten ge- muͤthes geben/ aber nicht vor einen goͤttlichen beruff/ dazu einige bewegung des hertzens nicht eben gnug ist/ geachtet werden moͤgen. Wie wir an dem: beruͤhmten exempel Davids sehen/ der zwahr auch sich guter meinung vorge- nommen/ dem HErren seinem GOtt aus danckbarkeit ein hauß zu bauen/ wel- Das dritte Capitel. welches einen solchen guten schein hatte/ daß der gute Nathan/ ehe er abson- derliche goͤttliche offenbahrung hieruͤber bekam/ solchen vorsatz selbs billigte/ auch kein zweiffel ist/ daß GOtt die gute meinung nicht mißfallen habe/ in- dessen war es doch von GOtt verordnet/ daß ein anderer/ nemlich sein sohn solches thun solte/ er aber muste von seinem vornehmen abstehen. Wie nun dorten dem David durch Nathan goͤttlicher entgegen stehender wille ange- deutet wurde/ also haben wir hie denselben aus denen seinem wort gemaͤssen oben angedeuteten gruͤnden abzunehmen. Auf solches alles wuͤrde mein christlicher rath seyn/ 1. Antonius stelle eine genaue untersuchung seines lebens/ wie es bißher gefuͤhret worden/ an/ pruͤffe sich/ wie weit er in seinem Christenthum gekommen/ oder wo er noch stehe; was er bißher in solchem unterlassen und zuruͤcke geblieben; mit was ge- muͤth er in die handlung getreten; wie er solche biß daher gefuͤhret; und in summa/ was es vor eine bewandnuͤß mit seinem gantzen thun und lassen ge- habt; nicht anders ob solte er solche stunde dem strengen richter seines lebens rechenschafft geben/ und solches ohne schmeicheley/ die ihm nichts nutzet/ und er wol weiß/ GOTT sehe noch tieffer in sein hertz als er dasselbe erforschet/ daß also so viel weniger ihm das wenigste verhaͤlet/ oder anders als es in der that ist/ vorgestellet werden mag. Er stelle sich ferner vor/ was er vor goͤtt- liche gnade zeit lebens empfangen/ sonderlich wo ihm etwa die stim- me des HERRN geruffen habe/ und er solcher nicht gehoͤr gege- ben/ die gefahr worinnen er etwa gestanden/ die gnade der goͤtt- lichen langmuth/ so ihm die frist bißher erlaͤngert; um durch alle solche betrachtung vermittels goͤttlicher wuͤrckung und mit dero anruf- fung eine rechte goͤttliche traurigkeit bey sich zu erwecken/ und das hertz in wahrer buß zu fernerm neuen gehorsam zu disponi ren. 2. Worinnen er findet/ daß er biß dahin an seiner christlichen pflicht es ermangeln gelassen/ oder des teuffels/ der welt und eignen fleisches verfuͤhrung/ gefolget/ so mache er den festen bund/ gegen solche suͤnde sich so vielmehr in goͤttlicher krafft zu wapnen/ und sich zu ersetzung voriger saͤumigkeit zu ermuntern. Und da se- he er die bey ihm erweckte bewegung seines hertzen s dahin an/ daß obwol das- selbige auf ein mittel gefallen/ so sich dißmal noch nicht thun lasse/ gleichwol goͤttlicher finger so fern dabey seye/ daß GOTT ein ander leben von ihm er- fordere/ deswegen er demselben darinnen nicht ungehorsam seyn muͤßte/ wolte er anders nicht eine schwehre verantwortung auf sich laden. 3. Findet er/ wie ers vielleicht finden wird/ daß die heutige handlungs-art dermassen be- wandt seye/ daß es sehr schwehr/ ja wie Christus dorthin von den reichenre- det/ unmuͤglich seye bey den menschen Matth. 19/ 26. in solcher sein gewissen unverletzt zu erhalten/ so untersuche er vornemlich/ aus was intention er in solche ARTIC. IV. SECTIO XVI. solche lebens-art getreten/ ob nicht solches allein aus fleischlichen suͤndlichen absichten zeitlichen reichthums/ und in der welt ansehnlichen lebens/ gesche- hen seye/ auch er vielleicht mit solchem gemuͤth sich in der handlung bißher al- so vertieffet/ daß er jetzo so schwehr sich heraus wickeln kan. Uberzeuget ihn hierinnen sein gewissen/ daß er solche schuld bey sich habe/ so sehe er solchen sei- nen stand/ als eine dienstbarkeit und gefaͤngnuͤß an/ in welches er sich selbs geschlossen/ nicht anders ob haͤtte er sich in eine muthwillige tuͤrckische und an- dere sclaverey begeben/ und ihm damit die sorge seines heils schwehrer ge- macht. Solches verbindet ihn aber/ daß er dann die beschwehrligkeit/ wel- che er daruͤber ausstehen muß/ so viel gedultiger trage/ und daß er nicht mit weniger unruhe seinem heil abwarten koͤnne/ nicht wider GOtt/ sondern sich selbs murre. 4. Auff solches hat er die handlung selbs genau zu untersu- chen/ worinn er findet/ in derselben einiges zu seyn/ das an sich selbs in dem gewissen nicht verantwortlich und christlicher liebe entgegen waͤre. Dann der sonsten die resolution gefaßt/ die handlung gar anzugeben/ ist so vielmehr verbunden/ weil er dazu nicht gelangen kan/ in derselben alles abzuschaffen/ was in dem gewissen nicht verantwortlich ist/ solte auch in demselben dem an- sehen nach der meiste profit bestehen. Dann wie ihm sein zustand die hand- lung zu verlassen um anderer willen nicht zulaͤsset/ also vergoͤnnet ihm hinge- gen keine ursach dieselbe anders als nach goͤttlicher und der liebe regel zu fuͤhren. Zwahr ist kein zweiffel/ es werde ihm solches viel schwehrer werden/ als das werck allerdings zu quittiren/ wo er eine viel mehrere ruhe finden moͤchte; er muß aber dabey gedencken/ es stehe jetzo nicht mehr in freyer wahl/ was er wuͤnschete/ sondern muͤsse es dabey bleiben lassen/ wie es stehet/ und etwa wie oben gemeldet/ daß er selbs dessen einige schuld bey sich antreffen mag: oder wo er solche nicht findet/ sich der goͤttlichen gnade und beystandes so viel ohnzweiffenlich versehen darff. 5. Weil er ohne zweiffel bey sich be- findet/ daß nicht nur andere dinge ihm die handlung schwehr machen/ sondern die viele dabey habende sorgen und muͤhe das gemuͤth also embarassi ren/ und die zeit wegnehmen/ daß er wenig zeit dazu uͤbrig findet/ die er zu seines Got- tes dienst/ und seiner seelen erbauung anwenden mag/ welches wol etwa die haupt-ursach seyn mag/ so ihm die handlung verleidet/ so gedencke er freylich/ daß nachdem er um anderer ursach willen/ gleichwol sich solcher stricke nicht befreyen/ oder sie mit macht loßreissen kan/ er doch schuldig seye/ nach allem vermoͤgen/ sie allgemach auffzuloͤsen: daß er nemlich genau achtung gebe/ worinnen er ohne verletzung der pflicht/ damit er andern verbunden/ seine handlung einziehen moͤge; worinnen er etwa andere treue leute annehmen/ und denselben ein theil der last aufflegen/ und ihm mehrere zeit mit abbre- chung an seiner leiblichen ruhe/ gewoͤhnlicher ergoͤtzlichkeit und anderm zeit- L l l ver- Das dritte Capitel. verlust/ so sonsten bey gewissen kauffleuten sehr gemein/ gewinnen koͤnne/ da- mit an solchen ersetzet werde/ was er an andern nicht voͤllig abziehen darff. Es lassen sich auch vielleicht die kosten/ so auff diejenige gewandt werden muͤssen/ die er zu gehuͤlffen gebraucht/ an haußhaltung/ tractamenten/ kleidung und anderm dergleichen ersparn. Was er dann nun vor zeit erobern kan/ die er noch zu dem gottesdienst und seiner seelen erbauung anwenden mag/ wozu er sonderlich seinen sonntag ohn abbruch heiligen wolle/ solches ist er mit so viel mehrerm fleiß dahin zu verwenden gehalten; wie wir allezeit spar- samer mit demjenigen umgehen/ dessen wir nicht viel uͤbrig wissen. 6. Solte ihn GOtt auff diese weise bald segnen/ daß er seinen creditoribus sa- tisfaction thaͤte/ und annoch finden wuͤrde/ daß die handlung ihm zu schwehr fiele/ und sein gemuͤth nicht capabel waͤre/ solchen sorgen also abzuwarten/ daß er auch seiner seelen recht abwartete/ so ists alsdenn zeit/ daß er das werck nochmal mit GOtt in eiffrigem gebet und etwa mit christlichen gemuͤthern/ welche sonderlich seiner person und thuns particular kundschafft haben/ (in- dem manchmal in ein und anderm umstand ein grosses ligt/ welches derjenige dem die person und uͤbriges nicht bekant/ nicht also vorsehen oder errathen/ und also in seinem rath attendi ren kan) uͤberlege/ ob alsdann die resolution zu fassen/ die sorgen/ denen man sich nicht gewachsen befindet/ gaͤntzlich abzu- legen/ und folglich nicht zwahr in muͤßiggang/ sondern dergleichen arbeit/ die das gemuͤth ruhiger liessen/ seine uͤbrige tage mit weniger gefahr zuzubrin- gen. Wo ich nach befindung der umstaͤnde ein solches thunlich seyn zu koͤn- nen/ nicht in abrede seyn will. Da heißt es aldenn/ kanstu aber frey werden/ nemlich ohne suͤnde/ so gebrauche dich dessen viel lieber. 7. Endlich ist das vornehmste/ daß er eiffrig und stuͤndlich seinen Gott um seines H. Geistes leitung anruffen muß: Daß derselbe ihn in so gefaͤhrlichem leben/ als er es et- wa erkennet/ und tausend versuchungen/ denen er noch nicht entfliehen koͤnne/ erhalten und geben wolle/ daß er/ wie er mit furcht und zittern sein heil wir- cket/ es davon tragen moͤge: der gewissen zuversicht/ der seye getreu/ der ihm ruffet/ der werde es auch thun/ 1. Thess. 5/ 24. Er der anfaͤnger und vollender unsers heils/ gebe solchem seines heils begierigen den weg zu erkennen/ den er wandlen solle/ fuͤhre ihn bey seiner rechten hand/ und letzlich lasse er ihn in der that erkennen/ wie wunderbar- lich zwahr/ aber auch weißlich/ seine leitung seye/ daß er ihm ewig dafuͤr dancke. Amen! 167-- SECTIO ARTIC. IV. SECTIO XVII. SECTIO XVII. Von dem vorhaben eine mit rechts-sachen umge- hende stelle mit einer andern lebens-art zu verwechseln. Von der vereinigung der religionen. D Je mir entdeckte gedancken und vorhaben E. Excellenz sich nach einer solchen lebens-art umzusehen/ da neben den juridicis, darinnen sie GOTT und dem nechsten noch zu ehren und nutzen das anvertraute pfund anzuwenden sich nicht wegern/ die Theologica und sonderlich practi- ca das vornehmste und eigenliche ἔργον waͤren/ kan ich an sich selbs mir nicht anders als gefallen lassen. Denn wie das geistliche und ewige wahrhafftig der einige hauptzweck ist/ warum wir alle in dieser welt sind/ daher auch was dahin ausgerichtet wird/ das vornehmste operæ pretium unsers gantzen le- bens bleibet/ so kan die begierde nicht unrecht seyn/ welche nach einer solchen lebens-art sich strecket/ worinnen man mehr unmittelbar mit solchen dingen umzugehen hat. Wie aber auch eben dieses eine der ersten haupt-regeln un- sers Christenthums ist/ mit auffrichtigem hertzen allezeit den willen unsers himmlischen Vaters zu lieben/ und wo wir denselben erkennen/ ihn unsern auch bestgemeinten gedancken vorzuziehen/ vornemlich aber unsre gantze le- bens-art insgemein/ an dero bestimmung nachmal alle uͤbrige verrichtungen hangen/ nicht so wol selbs wehlen/ als wohin uns goͤttlicher finger weise/ sorgfaͤltig acht geben/ als versichert/ unserm GOtt gefallen keine werck mehr und hertzlicher/ als diejenigen/ welche wir uns nicht so wol selbs vorgenom- men/ als von seiner regierung auffgetragen bekommen haben/ und er nach sei- ner weißheit verstehe besser/ wo/ wann und in was vor dingen das uns anver- traute zu seiner ehr/ des nechsten nutzen und unserm eignenen heil/ am besten angewendet werde (worinnen manchmal seine gedancken von den unsrigen zimlich entfernet seyn koͤnnen/ und also viel hoͤher sind) also trage ich das gute vertrauen/ daß solches E. Excellenz meinung seye/ nemlich bey sich selbs ei- ne dergleichen lebens-art eben deßwegen/ weil die seele damit immer naͤher mit goͤttlichen dingen umzugehen gelegenheit haͤtte/ zu lieben/ verlangen dar- nach zu tragen/ solches verlangen auch nicht heimlich zu halten/ und nechst hertzlichem gebet/ darinnen die gantze sache der vaͤterlichen disposition Got- tes lediglich zu uͤberlassen ist/ auf goͤttlichen winck genaue acht zu geben/ nicht aber sich eigenmaͤchtig auff einigerley weise von gegenwaͤrtigen banden selbs loßzumachen. Denn wie eine person/ welche noch zu einer gewissen lebens- art von GOTT nicht beruffen ist/ in deroselben wahl eine zimliche freyheit hat/ zu dieser oder jener/ welche in vorschein kommen/ zu greiffen/ in dero er L l l 2 sei- Das dritte Capitel. seine gaben am besten getrauet anzuwenden/ also ist hingegen bey einem mann/ welchem der HErr bereits seinen willen uͤber ihn durch erkanten und angenommenen beruff gezeiget hat/ solche freyheit zimlicher massen einge- schrencket/ und er nicht befugt/ die angewiesene poste auch aus gutscheinen- den ursachen zu verlassen/ es seyen dann diese so bewandt/ daß aus denselben zu einer uͤberzeugung des gewissens der geaͤnderte goͤttliche wille erkant wer- den koͤnne/ in welchem werck ich weiß und selbs erfahren habe/ wie schwehr es mit gedachter erkaͤntnuͤß zugehe/ hingegen auch nicht wol ein sicherer mittel verstehe/ oder durch die erfahrung befunden habe/ als sich allerdings mehr passive zu halten/ und sich von GOtt mehr anders wohin ziehen zu lassen/ als einigerley massen vorzulauffen. Wo also E. Exc. meine einfaͤltige meinung in gantzem solchem geschaͤfft zu vernehmen sich nicht zuwider seyn lassen/ be- stuͤnde sie darinnen: daß dieselbe/ wofern GOtt selbs dergleichen eine gele- genheit zeigen und anweisen solte/ die der gefaßten ideæ in einer mehrern ab- ziehung von dem zeitlichen die uͤbrige jahr (die der HErr des lebens noch ver- mehren wolle) zuzubringen gemaͤß waͤre/ alsdann dieselbe/ wann nicht um solche zeit andere umstaͤnde solchen willen GOttes zweiffelhafftig machen/ mit freudigem gemuͤth anzunehmen/ und die befreyung von dem strepitu fo- rensi, als eine goͤttliche wolthat anzusehen: indessen aber sich um solche nicht angelegenlich zu bemuͤhen/ sondern in gegenwaͤrtiger function mit derjeni- gen treue und sorgfalt/ biß auff obgedachte art der HErr HErr selbs davon abruffet/ fortzufahren/ als ob gewiß die gantze lebens-zeit dabey zugebracht werden muͤste. Dieses halte das sicherste zu seyn/ daß also das gemuͤth in ei- ner staͤten gelassenheit unter GOttes willen bleibet/ und sich allein angele- gen seyn laͤsset in dem gegenwaͤrtigen mit gehorsam demjenigen abzuwarten/ von dem man an goͤttlichem willen nicht zweiffeln darff/ und dennoch auch be- reit ist/ auff jeden winck von oben das mit angelegenheit so lang getriebene mit demjenigen zu verwechseln/ was man in eigner willkuͤhr stehende laͤng- sten gerne ergriffen/ und seine freude davon gemacht haͤtte. GOtt aber/ in dessen hand unser thun und lassen stehet/ fuͤhre sie selbs nach seinem weisen und guͤtigsten rath/ so wirds in allem wohl seyn/ wie auch ferner darum den- selben anzuruffen nicht ermangeln werde. Was in dem uͤbrigen in den gedan- cken lang fovi rte geistliche verein- oder friedens-werck anlanget/ kan ich davon nicht sagen/ nachdem mir/ auff was vor zulaͤngliche mittel die absicht gerichtet seye/ nicht bekant ist. Jnsgemein bin ich biß daher allezeit in der meinung gestanden/ die ich auch/ wie hertzlich ich selbs den frieden liebe/ so gar/ daß auch meine natuͤrliche gemuͤths-beschaffen- heit mehr dahin geneigt ist/ als zu etwas anders/ noch zu aͤndern nicht vermag. 1. Mit dem Papstum seye absolute keine vereinigung zu hoffen/ ja nicht ARTIC. IV. SECTIO XVII. nicht einmal ein versuch dessen zu thun/ als der niemal ohne præjudiz unsrer kirchen geschihet. So ist bey mir dieses gewiß vorausgesetzt/ Babel muß nach GOttes wort in dessen gericht fallen/ nicht aber mit uns vereiniget wer- den/ als die wir immer lieber weiter aus demselben ausgehen/ als uns ihm naͤhern solten. 2. Mit den Reformirten und Arminianern waͤre die sache nicht absolutè und in sich unmuͤglich: Aber betrachtet die bewandnuͤß der ge- muͤther aller seiten/ sonderlich des so genannten geistlichen standes bey den partheyen/ und wie dieselbe gegen einander stehen/ so halte ich sie gleichfals moraliter unmoͤglich. Ja ich stehe in billiger sorge/ wo mit einigem ernst das werck angegriffen werden solte/ entweder GOTT gleichsam ein wunder- werck thun muͤsse/ oder wir solten/ zum exempel von uns und den Reformir- ten zu reden/ viel eher an statt der 2. partheyen/ in die wir jetzt getheilet sind/ drey oder viere bekommen/ und also der riß nur aͤrger werden/ als daß eine wahre vereinigung werckstellig gemacht werden doͤrffte. Daher mir das gantze werck uͤber menschliches vermoͤgen zu seyn vorkommet/ weil solche hin- dernuͤssen im weg stehen/ welche wegzuraͤumen jenes zu schwach ist/ und moͤch- te deßwegen bloß demjenigen uͤberlassen werden muͤssen/ der unmoͤgliche din- ge zum zeugnuͤß seiner allmacht moͤglich machen kan. Jch foͤrchte aber/ er habe in seinem rath gar andre dinge uͤber unsre kirche beschlossen/ die wir nach nicht so langer zeit erfahren doͤrfften: Und werde wol endlich eine einigkeit stifften/ aber daß alle theile erstlich in ein scharffes feuer werden muͤssen/ da die- jenige gleichsam werden zusammen geschmoltzen werden/ die sich nicht zusam- men haben loͤten lassen. Es wird aber auch dafuͤr allein derjenige sorgen/ dessen ehre und sache es hauptsaͤchlich betrifft. 1689. SECTIO XVIII . Uber einen casum, da jemand sein weltliches amt verlassen/ und um stilleres lebens willen sich in sein vaterland begeben hat. V On dessen mutation, daß er seinen dienst in N. verlassen/ und in sein va- terland wieder gezogen seye/ zu urtheilen/ wolte mir nicht geziehmen; wann aber mein werther Herr selbs meine gedancken davon erfordert/ und seine scrupulos mir vorleget/ erkuͤhne gleichwol meine einfaͤltige mei- nung offenhertzig hinwieder vorzustellen/ als der ich mich versichere/ daß auch solche in liebe werde auffgenommen werden. 1. Finde ich wegen der veraͤn- derung nicht wenig bedencken/ (1. stunde derselbe in N. in einer ordenlichen und solchen vocation, da er gleichwol zu GOttes ehren bey dem gemeinen wesen etwas auszurichten vermochte/ wie dann (2. die oppositiones der uͤbel- L l l 3 ge- Das dritte Capitel. gesinneten zwahr einen christlichen mann sehr betruͤben/ und viele gute vorha- ben sehr verhindern/ nimmermehr aber ausrichten koͤnnen/ daß was in der furcht des HErrn und mit redlicher absicht auf seine ehre vorgenommen/ und mit einer bestaͤndigkeit und gedult fortgesetzet wird/ gantz ohne frucht abge- hen solte/ da vielmehr goͤttliche treue mit sich bringet/ daß sie treugemeinte arbeit nie gantz ohne segen laͤsset. Weßwegen (3. ob wir auch meineten/ daß keine fruͤchten erlanget wuͤrden/ wol seyn kan/ daß sie GOTT uns verbirget (dazu er seine heilige ursachen haben kan) oder daß noch die zeit nicht vorhan- den ist/ daß sie ausbrechen/ wie nicht allemal ein jedes gesaͤetes korn stracks auffgehet/ daher von unserem nicht-sehen/ sich nicht gewiß auf das nicht-seyn schliessen laͤsset. Folglich (4. goͤttliche ordnung etwa mehr solte erfordert ha- ben/ in gedult der zeit zu erwarten/ die der HErr bestimmet haben moͤchte/ nach gnugsamer pruͤffung unsrer gedult uns mehrern segen und sieg wiederfahren zu lassen/ als muͤde zu werden/ und den widerwaͤrtigen/ so das gute gerne hin- dern wollen/ eben durch weichen ihren willen zu erfuͤllen: Da hingegen der lie- be Paulus 1. Cor. 16/ 9. es fuͤr eine ursach seines bleibens anfuͤhret/ weil viel widerwaͤrtige da seyen. Sonderlich (5. weil als viel ich sehe/ kein ab- sonderlicher beruff denselben aus solchem amt zu einem andern weggezogen/ worinnen man sich des goͤttlichen ruffs eher versichern koͤnte/ sondern allein ein hauß-leben nach eigener wahl vorgenommen worden: Darinnen (6. nicht wol menschlicher weise zu hoffen/ daß so viel/ als in jenem amt/ gutes auszu- richten moͤglich. Denn ob wol zu der eignen seelen-erbauung in solcher stil- ligkeit mehr gelegenheit gehoffet werden mag/ so sehe ich doch nicht so viel hoff- nung zu anderes guten ausrichtung. Nun wissen wir/ daß zwahr die sorge fuͤr unsre seele unsre haupt-sorge ist/ aber daß gleichwol wir dem nechsten so wol als uns verbunden/ und von GOTT je nicht darzu gesetzet sind/ allein mit versaͤumung anderer/ unser heil zu schaffen/ sondern dasjenige in liebe zu thun und unserm nechsten zu helffen/ was und wie uns der HErr durch seine verordnung gesetzet hat: Also daß wir auch aus liebe des nechsten und gehor- sam gegen GOTT eher etwas der sonsten muͤglichen mehrern vollkommen- heit unsrer seelen nachzulassen/ oder vielmehr zu glauben haben/ es werde da- mit auch an uns nichts versaͤumet/ da unsere arbeit im gehorsam gegen GOtt und liebe des nechsten geschihet/ da wir sonsten meinten/ nuͤtzlicher zu seyn/ al- lein an uns selbs zu arbeiten. (7. So vielmehr weil auch unser hertz sich leichtlich selbs betriegen kan/ wo es uns die begierde unsrer eignen mehrern erbauung vorstellet/ und es doch moͤglich ist/ daß ohne unser wahrnehmen/ die eigenliche ursach vielmehr ein verdruß der widerwaͤrtigkeit und mißvergnuͤ- gen gegen goͤttlichen willen gewesen waͤre/ welche die resolution am meisten durchgetrieben/ so uns doch aus der andern ursach gefasset zu seyn vorkom- met. ARTIC . IV. SECTIO XVIII. met. Hierzu moͤchte auch (8. aus betrachtung gegenwaͤrtiger zeit setzen/ daß ich diejenige vor so viel gluͤcklicher schaͤtze/ welche GOTT weiter gegen Nor- den gesetzet hat/ als groͤsser unsre gefahr ist/ die den Paͤbstlichen laͤndern naͤher sind/ und besorglich die ersten seyn werden/ die der HErr in die gewalt Babels fallen moͤchte lassen/ da ich hingegen hoffe/ daß diese nicht so weit gegen Mit- ternacht reichen/ oder je langsamer die wuth dahin erstrecken werde. Weß- wegen es vielmehr vor eine goͤttliche wolthat geachtet werden moͤgen/ eine stelle GOTT zu dienen an solchen orten gefunden zu haben. Daher (9. die verunruhigung des gemuͤths das ansehen gewinnen mag/ ein zeugnuͤß zu seyn/ daß solche aͤnderung nicht eben so eigenlich aus goͤttlichem willen ge- schehen. Jndessen 2. kan ich noch nicht mit einer versicherung den entschluß sol- cher aͤnderung und dieselbe selbsten straffen/ oder die obige ursachen vor gnug darzu achten/ indem GOttes wege wunderbarlich und unerforschlich sind: Daher er offt die seinige so fuͤhret/ daß es andere schier nicht wol ohne anstoß ansehen koͤnnen/ und gleichwol ist ers wahrhafftig/ der sie also gefuͤhret hat. Ja er fuͤhret uns offt widersinnisch/ zu uͤbung unsrer gedult und glaubens: Er fuͤhret uns an ort/ da er uns in dem kuͤnfftigen gewisse arbeit bestimmet hat/ die weder wir noch andre lang vorsehen koͤnnen/ und die dennoch unsern gehorsam wol belohnen wird/ ja manchmal diejenige weit uͤbertreffen solle/ die wir vorher verlassen: Er fuͤhret uns unwissend aus einer gefahr/ die einem ort nach seiner allwissenheit bevorstehet/ und er aber unser schonen will/ oder in eine gefahr/ in dero er durch unsre gedult und bestaͤndigkeit will gepriesen werden: Und was dergleichen unzehliche arten der goͤttlichen weisen und guͤti- gen regierung bemercket werden moͤgen. Weil ich nun meinen werthen Herꝛn als ein rechtschaffen kind GOttes ansehe/ so diese aͤnderung nicht ohne hertzli- che anruffung GOttes um seine regierung wird angetreten/ und also zum fordersten den mund GOttes rathgefraget haben/ so dann/ daß er auch werde alles reifflich uͤberleget/ und zum grund der resolution solche ursachen geleget haben/ welche in dem gewissen unanstoͤßig/ so stehe ich in dem guten vertrauen/ es werde diese aͤnderung nicht so wol ein fleischlicher rath/ als eine regierung GOttes seyn. Auffs wenigste bin ich dessen gewiß/ der HErr habe wahr- hafftig/ daß dieses endlich geschehen und erfolgen solle/ beschlossen. Jndessen 3. wird es zu meines werthen freundes eigner pruffung vor- nemlich stehen/ wie er die sache anzusehen/ und wie er sich darinne zu beschuldi- gen oder zu entschuldigen habe. Solche pruͤffung aber gehet vornemlich da- hin/ sein hertz vor GOTT nach dem eigenlichen grunde zu untersuchen/ was die eigenliche motiva des abzugs und veraͤnderung gewesen/ ob es eine folche/ welche vor dem angesicht GOttes wahrhafftig bestehen mag/ und die nicht nach Das dritte Capitel. nach dem fleisch schmecke/ oder wie viel fleischliches in derselben die redliche untersuchung entdecken und antreffen werde. Waͤre nun das erste/ wie ichs von hertzen wuͤnschen mag/ so sihet man goͤttliche regierung mit so viel ver- gnuͤglicher freude/ dancksagung und verehrung an/ fasset auch diese getroste zuversicht/ der HErr koͤnne nicht anders/ als dasjenige kraͤfftig segnen/ was wir aus seinem gehorsam lauterlich gethan zu haben in redlicher forschung finden/ und erwartet alles kuͤnfftige ohne die geringste furcht. Solte es aber sache seyn/ daß nach fleißiger untersuchung des gewissens/ dieses vor GOTT fleischliche absichten/ es seye nun/ was das haupt-werck betrifft/ oder in den nebens- motiv en/ antraͤffe/ so wird erfordert 1.) solches hertzlich vor GOTT zu erkennen/ und sich/ daß man ihm entfliehen wollen/ vor ihm zu demuͤthigen/ mit redlicher und bußfertiger erkaͤntnuͤß und abbitte unsers fehlers/ und al- lem demjenigen/ was uͤber unsere suͤnden in der buß erfordert wird. 2.) Nach- dem solcher fehler nicht wieder zurecht gebracht werden kan/ oder sich nicht wieder also zuruͤckgehen laͤsset/ daß man das vorige wiedeꝛ einbꝛinge/ so gehoͤrt ferner dazu/ daß man die gegenwaͤrtige lebens-art/ darein uns GOTT durch unsern willen/ ob zwahr unter seiner regierung/ kommen lassen/ ihme desto sorgfaͤltiger heilige/ und in derselbigen/ oder was uns der HErr sonsten vor gelegenheit vorkommen liesse/ so viel treulicher dienende/ die andere versaͤum- nuͤß nach vermoͤgen ersetze: Und zwahr 3.) wo die ursach/ so uns unser hertz als die wahre ursach vorgestellet/ und uns damit uͤberredet/ gewesen ist/ die hoff- nung unsrer mehrern erbauung/ soll denn zwahr diese deßwegen nicht unter- lassen oder verabsaͤumet werden: Wir haben aber dabey/ so viel uns moͤglich/ auch nach gelegenheit zu trachten/ wie wir so vielmehr gelegenheit finden moͤ- gen/ dem nechsten auch nachtruͤcklich zu dienen/ wo wir uns durch die aͤnde- rung vieler solcher gelegenheiten verlustig gemacht haͤtten: Auf daß unserm fleisch sein wille nicht gelassen werde/ wo dasselbe in seiner bestgeschienenen intention uns betrogen/ und wir uns also nicht begehren dem nechsten zu ent- ziehen/ wo etwa dergleichen in der aͤnderung das ansehen gewinnet/ dahero eber mit mehrerm fleiß gelegenheiten/ zu des nechsten nutzen etwas zu thun/ zu suchen/ als die wenigste zu versaͤumen seyn wuͤrden. 3.) Solte GOTT eini- ges leiden oder widerwaͤrtigkeit begegnen lassen/ waͤre dasselbe mit so viel hertzlicherer gedult und gelassenheit zu ertragen/ als wodurch uns der HErr unsers fehlers wegen erinnern und zu unserm besten zuͤchtigen wolte; liesse ers aber uͤber wunsch oder vermuthen gluͤcklicher gerathen/ gaͤbe es abermal eine ursach/ die unaussprechliche guͤte des himmlischen Vaters mit verwun- dern zu preisen/ welcher aus schohnender liebe seiner kinder fehler zuweilen an statt der verschuldeten zuͤchtigung mit wolthaten ansihet/ und sie auf diese guͤtigste art suchet zurecht zu bringen. 4.) Endlich wo GOTT einige ge- legen- ARTIC . IV. SECTIO XIX. legenheit zeigte/ oder wir mit fleiß einige solche finden koͤnten/ denjenigen/ welchen wir unsern dienst entzogen/ auch in abwesen nicht nur mit gebet/ son- dern auch mit rath und auf andere weise/ liebe und wolthaten zu erweisen/ waͤre abermal eine sonderbare schuldigkeit/ auch dieselbe nicht zu versaͤumen. Wo dieses geschihet/ wie ich versichert bin/ daß der himmlische Vater einen mißtritt seinen kindern auf dero erkaͤntnuͤß um Christi willen gnaͤdig ver- gibet/ also versehe mich auch gewiß/ daß sich das gewissen zu ruhe geben/ und wo einige zweiffelhafftige gedancken zuweilen auffsteigen wolten/ denselben zu begegnen gnade finden werde. Den HErrn ruffe ich dabey hertzlich an/ daß er meinen werthen freund seines willens in allem voͤllig versichern/ und die augen also oͤffnen wolle/ die sache/ wie sie vor seinen heiligsten augen ist/ gruͤndlich einzusehen/ und entweder bey befundener voͤlliger reinigkeit des hertzens ihm fuͤr seine theure gnade/ so ihn vor allem anstoß bewahret/ desto geflissener zu dancken/ oder bey erkanter schwachheit sich vor seinen augen zu demuͤthigen/ und seiner gnade auffs neue zu versichern/ in beyderley aber/ was endlichen erfolget ist/ als seinen rath zu erkennen/ und sich demselben kuͤnfftig ohn alles murren gehorsam zu unterwerffen. Er segne auch den jetzigen zustand und stilleres leben zu vieler frucht seiner eignen seelen/ mit be- scherung vieler gelegenheit auch an dem nechsten die liebe zu uͤben/ und je laͤn- ger je mehr die verborgene weißheit GOttes in solcher leitung einzusehen. Er wolle auch insgesamt sein gutes werck in ihm kuͤnfftig staͤrcken/ bestaͤndig erhalten und seliglich vollfuͤhren biß auf den tag JEsu Christi/ daß er an dem- selben erfuͤllet mit vielen fruͤchten der gerechtigkeit erscheinen moͤge. 1686. SECTIO XIX . Was ein soldat sich zu erinnern habe. E Rstl. hat er zu bedencken/ ob er auch in rechtmaͤßigem beruff stehe? Nun ist zwahr der soldaten-stand nicht vor sich selbs boͤse/ sondern es kan ein Christ mit gutem gewissen in demselben leben. Aber weil es ein aus- serordenlicher und nothstand ist/ der zu dem gebrauch des schwerdts/ welches GOTT der Obrigkeit anbefohlen hat/ gehoͤret/ so hat jeglicher so viel fleißi- ger sich zu pruͤffen/ ob er rechtmaͤßigen beruff darzu habe. Das ist gewiß/ weil Rom. 13. der Obrigkeit das schwerdt befohlen ist/ welches sie brauchen solle/ nicht nur die eintzele uͤbelthaͤter abzustraffen/ sondern auch damit die ihr von GOTT anbefohlne unterthanen wider unrechtmaͤßigen gewalt zu schuͤtzen/ und also diejenige abzuhalten/ welche denselben gewalt thun wollen/ so kan sie also mit gutem gewissen krieg fuͤhren zu ihrem schutz und handhabung der ge- rechtigkeit/ so muͤssen dann auch diejenige/ die ihr dazu bedient sind/ nemlich M m m die Das dritte Capitel. die kriegs-leut/ mit gutem gewissen solchen dienst leisten koͤnnen/ welches ge- wiß folget. Wann dann eine Obrigkeit ihre unterthanen auffbietet/ und zum kriegs-wesen berufft/ so haben sie darinnen so wol einen rechtmaͤßigen beruff/ als sie in einigem andern stand haben moͤgen. Weil aber in dem krieg so vieles vorgehet/ mit toͤdten/ rauben/ verdeꝛben des landes/ und anderem der- gleichen/ welches sonst verboten/ und wider die christliche liebe ist/ so kan kein anderer/ als welcher den beruff von GOTT dazu hat/ der ihm als dann die erlaubnuͤß dazu gibet/ sich in kriegs-diensten gebrauchen lassen: Vornemlich weil/ ob ein krieg auf einer oder der andern seiten rechtmaͤßig oder nicht ist/ nicht wol von einem privat- menschen judici rt werden kan. Ob dann nun schon ein unterthan/ der nach goͤttlicher ordnung seiner Obrigkeit gehorchen muß/ wo dieselbe ihn zu dem krieg auffbietet/ ihr folgen muß/ und alsdann nicht vor die ursach des krieges rechenschafft geben darff/ weil er in dem von GOTT gebotenen gehorsam einhergehet/ und die ursach auf der verantwor- tung seiner Obrigkeit ligen laͤsset/ es seye dann sache/ daß die ursach gantz of- fentlich unrecht/ und wider GOTT waͤre/ wo auch kein unterthan wissentlich alsdann seiner Obrigkeit doͤrffte mit kriegs-dienst in unrechter sache an die hand gehen. Hingegen wer aus freyem willen sich werben laͤsset von demje- nigen/ dem er nicht von GOttes wegen zu gehorchen schuldig ist/ der muß vor GOTT rechenschafft geben/ fuͤr die ursache des krieges; ist solche unrecht/ wie sie meistens ist/ so ist alles/ was er aus kriegs-erlaubnuͤß meinet doͤrffen zu thun/ vor GOTT lauter suͤnde/ unrechtmaͤßiger mord und diebstahl/ und ste- het ein solcher mensch vor GOTT in verdammlichem stand. Daher insge- mein zu mercken/ daß alle diejenige/ welche sich von frembden herrschafften/ ohne daß sie die gerechtigkeit der sache ohnfehlbar verstehen koͤnnen/ werben lassen/ nur damit sie ihre fortun machen/ reichthum oder ehre erwerben moͤ- gen/ vor GOTT in verdammlichem stand und ausser seiner gnade stehen/ sie halten sich auch wie sie wollen; dann gleichwie die Obrigkeit allein zu verthaͤ- digung der gerechtigkeit/ nicht aber um ehre willen/ oder ihr land zu erweitern/ mit gutem gewissen krieg fuͤhren kan/ also hat auch keiner rechtmaͤßigen beruff dazu/ als welchen der gehorsam/ dazu er seiner Obrigkeit verbunden ist/ und die liebe der gerechtigkeit/ dieselbe helffen zu vertheidigen/ dazu treibet. Die aber aus solchen ursachen in dem krieg sind/ dieselbe stehen in einem GOTT nicht mißfaͤlligen stande. Zum andern sollen sie aber gedencken/ ob sie auch solchen stand also fuͤh- ren/ daß sie GOTT gefallen koͤnnen: Jndem es nicht gnug ist/ einen rechtmaͤs- sigen beruff zu haben/ sondern man muß auch in demselbigen nach der regel GOttes leben. Da muͤssen soldaten sich erstlich derjenigen regel Luc. 3/ 14. die Johannes den kriegs-leuten gab/ erinnern/ daß sie niemand unrecht thun/ ARTIC. IV. SECTIO XIX. thun/ sondern sich an ihrem sold genuͤgen lassen. Sie muͤssen wissen/ sie seyen schuldig/ so wol als andere menschen/ daß sie alle ihre neben-menschen lieben sollen: Dann der krieg hebet die zehen gebot nicht auf. Und also/ weil sie auch diejenige/ wider welche als feinde sie angefuͤhret werden/ zu lieben/ uñ zwahr hertzlich zu lieben schuldig sind/ so muͤssen sie zwahr/ wo sie von ihren Obern gegen dieselbe zum angriff ausgeschickt werden/ denselben schaden thun/ aber daß es ihnen selbs leid seye/ und sie es lieber anders wolten. Eben wie ein barbirer einem einen schenckel/ arm oder dergleichen abloͤsen/ und ihm damit schmertzen machen muß/ nicht daß er ihm feind waͤre/ sondern weil es sein schaden so erfordert/ um den uͤbrigen leib zu erhalten; ja er kommt ungern dran/ und unterliesse es lieber/ wo es muͤglich waͤre. Also auch wuͤnschte ich lieber/ daß diejenige feinde/ wider welche mein vorgesetzter sich schuͤtzen/ und ich ihm darinnen meine kriegs-dienst leisten muß/ dergleichen boͤses nicht an- gefangen haͤtten/ oder noch nachliessen und sich ergeben. Da aber solches nicht geschicht/ und also meine Obrigkeit sie deswegen straffen und abhalten zu las- sen getrungen ist/ so thue ich solches mit betruͤbnuͤß/ was ich gegen sie thun muß/ nicht daß mirs wolgefiel/ sie zu toͤdten/ zu berauben/ sondern weil es die sicherheit meines vaterlands erfordert/ daß so zu reden diese schaͤdliche glie- der von dem gantzen leib des menschlichen geschlechts abgesondert werden. Weil ich aber allein wegen schutzes der gerechtigkeit ihnen schaden thun darf/ und hingegen im uͤbrigen sie lieben muß: So muß ich in allen stuͤcken ihrer noch so viel schohnen/ als es moͤglich ist: Und laͤsset hie das Christenthum einem soldaten nicht so viel freyheit gegen seinen feind/ als die gemeine kriegs-gewohnheit; dann was ich dem feind mehr schade/ als die noth erfor- dert/ solches ist schon suͤnde. Wie nun gegen den feind solche liebe und daraus fliessendes schohnen muß gebraucht werden/ also vielmehr gegen andere/ bey welchen man im quartier liget/ erfordert die allen schuldige liebe/ daß ihnen im geringsten kein schade geschehe: Dann da will das siebende gebot von mir so wol als von andern/ daß ich jeglichem suche sein gut zu bessern und behalten/ als von andern ausser dem krieg. Thue ich aber jemand schaden/ so bin ich bey verlust meiner seligkeit solchen nach muͤglichkeit wieder zu ersetzen schul- dig/ dann es ist vor GOTT nicht weniger ein diebstal als ausser dem krieg. Zum 3. wie soldaten sich dessen wol zu besinnen haben/ daß sie nichts wi- der die liebe des nechsten/ so fern dieselbe gegen feinde und freunde gehet/ thun: Also sollen sie auch immerfort gedencken/ wie in gefaͤhrlichem stand sie stehen/ nicht nur leiblicher weise/ sondern auch in dem geistlichen/ wie sie vor andern so viel gelegenheit haben zu suͤndigen/ und also um ihre seligkeit zu kommen; daher hoch vonnoͤthen ist/ GOTT taͤglich ernstlich darum anzuruf- fen/ daß er sie nicht nur wolle in leiblicher gefahr leiblich erhalten/ sondern M m m 2 vor- Das dritte Capitel. vornemlich daß er sie wolle mit seinem H. Geist regieren/ damit sie in so vieler anreitzung zu suͤndigen/ sich aus seiner gnade also verhalten moͤchten/ daß sie nicht mit der welt mitmachen/ und ihr heil verschertzen moͤchten. Wo dieses gebet taͤglich eiffrig gethan/ und der hertzliche vorsatz immer wiederholet wird/ wissentlich nichts wider GOTT zu suͤndigen/ so wird gewiß GOTT eine solche fromme seel/ die auch in dem krieg ihm begehret zu dienen/ also erhalten/ daß sie in den gewoͤhnlichen aͤrgernuͤssen/ nicht auch mit hingerissen werde/ son- dern dabey selig leben und sterben koͤnne. Kan mans haben/ so gehoͤret auch dazu fleißige besuchung des gottesdiensts. So dann wie Paulus 1. Cor. 7/ 21. zu den knechten sagt/ kanstu frey werden/ so brauche des viel lieber/ soll billich jeglicher soldat/ so vielmehr er gefahr der seelen bey dem insgemein heut zu tag aͤrgerlichen soldaten-leben sihet/ wuͤnschen und verlangen tragen/ aus solchem leben zu kommen/ und also/ wo er ohne verletzung eydes und sei- nem obren schuldigen gehorsams/ wider die er ohne suͤnde nicht austreten kan/ mag von kriegs-diensten loß werden/ soll er solche gelegenheit gern annehmen/ und seinem GOTT dancken/ daß er auf andere sichere weise in anderem stan- de ihm dienen koͤnne. SECTIO XX . Wie man zuweilen etwas gutes/ so aber nicht noth- wendig/ um der mehrern gefahr willen zu unterlassen habe. Von dem so genanten H. Christ/ und den gaben/ die man den kindern gibet. J Ch versichere/ daß mir alle seine brieffe eine sonderbare freude erwecket/ daß sagen kan/ von keinem ort eine zeitlang dergleichen bekommen zu haben/ die mich so hertzlich erquicket/ als von ihrer gesegneten stadt. Dem HErrn HErrn seye danck/ der uns auch auf diese art hertzlich staͤrcket/ und un- ter mancherley dingen/ so da menschlicher weise niederschlagen solten/ auffrich- tet/ indem er zeiget/ ob aus seinem gericht durch der menschen boßheit oder saͤumigkeit an den meisten orten seinem wort/ wo es mit krafft durchbrechen will/ rigel vorgeschoben werden/ und sein lauff wuͤrcklich gehemmet wird/ daß es doch der fuͤrst dieser welt nicht an allen orten dahin bringen solle/ sondern er noch da und dort/ so viel die zeiten seines gerichts solches noch zugeben/ mehrmal zeiget/ daß er noch HErr bleibe/ und dem menschlichen muthwillen mit seiner krafft zu widerstehen vermoͤge. Jch bleibe deswegen auch zu freund- lichem danck verbunden vor die offtmalige communication dergleichen er- freulichen nachrichts/ so miꝛ und andern vertrauten freunden/ die den fortgang des reiches GOttes lieben/ allezeit freude erwecket haben. Jch versichere auch/ ARTIC. IV. SECTIO XX. auch/ daß ich derjenigen/ welcher nahmen mir bekant gemacht worden/ oder auffs wenigste der allermeisten/ gedencke/ mich also in dem geist/ als viel an mir ist/ mit ihren seelen vereinige/ und sie mehrmal vor Gott bringe. Ach daß die zahl so groß werden moͤchte/ daß sie keine gedaͤchtnuͤß mehr fassen koͤnte! wann ich aber nun vernehme von der gefahr/ so sich nach dessen brieff und auch anderer nachricht bey ihnen gegen das biß daher nach wunsch von stat- ten gegangene gute erhebet/ wundere mich uͤber die sache nicht/ dann ich wohl weiß/ wo mit krafft durchgetrungen wird/ daß der fuͤrst dieser welt sei- ne gantze natur umkehren muͤste/ oder man hat sich widerstands gewiß von ihm zu versehen/ nur daß der HERR einiger orten laͤngere ruhe davor goͤnnet/ an andern aber die proben der gedult eher fordert. Jch sehe auch die gefahr vor menschlichen augen groß/ sonderlich wo man von Roͤmischer seiten im geringsten gewahr werden solte/ daß einigem ihrer ge- meinde waͤre auch etwas beygebracht worden: und ist je bey ihnen die widrig- keit so groß gegen die praxin des rechtschaffenen Christenthums/ als sie im- mermehr bey uns seyn kan/ (wiewol sie ihnen auch besser als uns anstehet/ und ihren als den unsrigen principiis gemaͤsser ist) wie nicht allein das exem- pel des Molinos gezeigt hat/ sondern zwey bruͤder und Canonici in N. N. so noch beyde leben werden/ dessen zeugnuͤß seyn koͤnnen/ als welche von ihren leuten/ um des christlichen eiffers willen vieles/ ja gefaͤngnuͤß leiden muͤssen/ also daß ich nechst hoͤrte/ daß sie als nichts ausrichtende sich fast bloß zu ei- nenr meisten stillen leben nunmehr begeben. Daher ich mir von N. nicht viel gutes versehen kan: aber G. B. thut wohl/ daß er sein vertrauen allein auff den HErrn HErrn setzet/ dessen die sache ist: und hat mich sonderlich erfreu- et/ als sahe/ daß er seinen trost aus dem 46. Ps. nimmet/ welchen auch ich auff nechsten Neuenjahrs tag offenlich den gottseligen seelen zum grunde ih- rer hoffnung auff die mehr und mehr einbrechende gerichte gegeben oder an- gewiesen habe. Also haben wir uns gewiß zu versichern/ daß wir an ihm ei- nen solchen HErrn haben/ dessen macht nichts unmuͤglich/ dessen guͤte uͤber- schwenglich/ und dessen wahrheit uns unbetruͤglich ist. Jndessen wird der- selbe nicht anders als in liebe auffnehmen/ daß ich aus liebreicher fuͤrsorge fuͤr denselben und die beforderung des durch ihn von GOTT angefangenen guten freundlich erinnere/ in allen dingen nach muͤglicher vorsichtigkeit also zu gehen/ daß nicht der maleins das gewissen einen vorwurff machen/ und dadurch angst erwecken moͤchte/ wo man sehen muͤste/ daß eine selbs gemach- te hoffnung mehrers auszurichten/ dasjenige gute/ dessen man mit mehr freyheit laͤnger geniessen koͤnnen/ wo man jener zu starck inhæri rte/ allerdings niederschluͤge/ oder uns mit gewalt aller freyheit entsetzte. Wie nicht in ab- rede bin/ daß in allen dingen die christliche erbauung angehende/ einen unter- M m m 3 schied Das dritte Capitel. schied mache unter denjenigen/ welche bloß nothwendig und die nicht noth- wendig sind/ aber diese in gewisser maaß nuͤtzlich geachtet wuͤrden. Wie uns nun zu keiner zeit erlaubt ist/ etwas an sich selbsten boͤses zu thun/ also auch nicht/ das blosser dings nothwendige zu unterlassen/ sondern ehe man sich hiezu resolvi rte/ muͤste man eher alles dran setzen. Was aber die dinge an- langet/ die an sich selbs betracht/ sehr nuͤtzlich/ aber nicht bloß nothwendig sind/ wie ich davor halte/ daß man in denselben/ wo uns nichts im weg stehet/ welches mehr schaden sonsten dem guten thun wuͤrde/ eben so wol verbunden seye/ alle gelegenheit/ und zwahr wie sie nach allen umstaͤnden am nuͤtzlichsten angestellt werden kan/ zu ergreiffen/ um mit willen nichts gutes zu versaͤu- men: also kan doch hinwieder nicht anders als glauben/ daß in dem fall/ wo wir zu solchen zeiten und an solchen orten leben/ da dem guten mit grosser heff- tigkeit widerstanden werden wird/ so wir aus betrachtung der personen und anderer umstaͤnde etwa leicht vorsehen koͤnnen/ die regel der christlichen klug- heit/ wie sie auff die liebe GOttes und des nechsten gegruͤndet ist/ mit sich bringe/ daß wir alle anstalten einrichten/ nicht so wol wie sie sonsten/ wo man gantz frey waͤre/ am nuͤtzlichsten und erbaulichsten scheinen moͤchten/ als wie man hoffnung haben kan/ dieselbe laͤnger und mit wenigerem widerstand zu continui ren/ und also allgemach und successu temporis ungehindert dasje- nige auszurichten/ was man lieber bald ausrichten moͤchte/ aber sich dessen unterstehende leicht gar um die gelegenheit fernerer erbauung bringen wuͤr- de. Jndem wo wir durch unsren an sich guten eiffer/ der ohne fernere erwe- gung alle gelegenheit des guten/ auch auff die nachtruͤcklichste art/ ergreiffen wolte/ uns und andere in den stand setzten/ wo wir alsdann weder diesen mehr mit unsrem pfund dienen/ noch sie unser geniessen koͤnten/ goͤttliche ehr und des nechsten heil/ dero beforderung wir uns gleichwol zum zweck vorgesetzt hatten/ mehr dadurch gehindert/ am kraͤfftigsten aber also befordert wuͤrden/ wo wir in allen dingen/ wie fern mit auszulangen/ in der furcht GOttes reiff- lich uͤberlegen/ und alsdann alles also anstellen/ daß dem ansehen nach zwahr etwas zuweilen versaͤumet schiene/ so wir aber auff andere art und gleichsam durch einen umschweiff wieder einzubringen suchen: und also den widersa- chern/ da sie von der macht sind/ uns die haͤnde gar zu binden/ so lange wei- chen/ biß sie uns auch das bloß nothwendige zu unterlassen oder boͤses zu thun noͤthigen wolten: Dann wann es dahin kommet/ so ists zeit/ daß wir den HErrn auch mit unsrem leiden preisen. G. B. wird dieses alles nicht so an- sehen/ oder auffnehmen/ als beschuldigte seine bißherige actiones, so ich auch nicht thun kan/ als deme die umstaͤnde alles dessen/ was bißher von demsel- ben vorgenommen worden/ wenig weiter/ als derselbe selbs mir nachricht ge- geben/ bekant sind/ daher ohne vermessenheit solche nicht beurtheilen koͤnte/ son- ARTIC. IV. SECTIO XX. sondern ich melde dieses allein aus liebreicher fuͤrsorge und erfahrung/ wie es denen zu muth zu seyn pflege/ bey denen der HErr einen hertzlichen eiffer er- wecket hat/ daß nemlich derselbige sich sehr schwehr halten lasse/ um die sache in der furcht des HErrn desto fleißiger zu uͤberlegen/ was zu thun seyn moͤch- te/ je nachdem von NN. etwas kommen solte/ auch nach demselben das bißhe- rige zu uͤberdencken. Er aber der die weißheit selbsten ist/ gebe die weißheit/ die vor ihm ist/ in allem solchen staͤts seinen willen an uns/ und die uns anver- traute also einzusehen/ daß wir weder zur rechten noch zur lincken davon ab- gehen. Nechst dem treibet mich auch eben solches bruͤderliche vertrauen da- hin/ daß wegen des sogenanten H. Christs meine meinung zu ferner gottse- liger pruͤfung vorstelle. So bin nun mit demselben allerdings einig/ daß es unzimlich und dem Christenthum so schimpfflich als schaͤdlich seye/ was mit den vermumten Christkindlein vor spiel getrieben/ und dadurch den kin- dern (zugeschweigen der abgoͤtterey/ da die arme kinder einen solchen goͤtzen und offt liederlichen gesellen den sie aber vor Christum halten sollen/ anbeten/ und mißbrauchs goͤttlichen worts) gantz ungleiche und auff viele zeit schaͤdli- che gedancken von Christo gemacht werden: daher ich so hier als in Franck- furt fast jaͤhrlich dawider geprediget habe/ daß auch unterschiedliche solches unterlassen: wo aber G. B. alle die den kindern um solche zeit gebende leibli- che gaben bloß dahin verwerffen wolte/ koͤnte ich nicht beypflichten: indem nicht allein in solcher sache an sich nichts boͤses ist/ sondern junge kinder ver- mittels der leiblichen freude auch zu der geistlichen freude zu leiten/ dessen el- tern auch nicht vergessen sollen/ vielmehr der art GOttes/ wie er mit uns handelt/ gemaͤß/ als zuwider zu seyn erkant werden wird/ wann wir sonder- lich bedencken/ wie derselbe mit den Juden in dem A. T. die er als noch weni- ger verstaͤndige kinder hielte/ umgegangen ist/ und sie immer durch leibliche gaben zu was hoͤhers gefuͤhret hat. Auffs wenigste wuͤrde/ wo man ja eini- ges ungemach dabey finde/ die sache lieber mit solcher vorstellung zu mißra- then/ als bloß dahin vor eine schwehre suͤnde zu verdammen seyn. Hingegen wo einige sache/ dero suͤndlichkeit man nachmal nicht gnugsam zu uͤberfuͤh- rung der gewissen erweisen kan/ allzuhoch getrieben wird/ ist nicht zu sagen/ wie viel solches auch bey noch guten gemuͤthern verderbe und niederschlage. Lasset uns aber in allem solchem unauffhoͤrlich zu dem liebsten Vater seuff- tzen/ daß er uns durch seinen Geist in allen stuͤcken der lehre und des le- bens regiere. Ach er thue es doch um seiner eh- re willen. 1691. SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XXI. Ob man alles gute zu unterlassen/ woraus man sorget boͤses zu entstehen? J Ch erklaͤhre meine gedancken dahin. 1. Wo wir von einer an sich selbs guten sache gewiß vorsehen/ daß entweder nichts anders als gelegen- heit des boͤsen/ oder doch das boͤse also/ daß es den vortheil des guten/ so wir intendi ren/ uͤbertrifft/ daraus entstehen werde/ so haben wir solche zu unterlassen/ als die wir darinnen keinerley massen unsern wahren zweck erlangen wuͤrden. 2. Wo wir aber sehen/ daß dasgute/ so an und vor sich selbs aus der sache entstehen kan/ und als viel christliche fuͤrsichtigkeit zu erkennen vermag/ erfolgen wird/ dabey aber gewahr werden/ daß zufaͤlliger weise auch einiges ungleiches und mißfaͤlliges daraus entstehen mag/ und sich vermuthlich anhaͤngen wird/ aber doch jenes das andere an wichtigkeit und nutzen uͤbertrifft/ so hat man um dessen willen dasjenige/ was uns son- sten in befoͤrderung des guten obliget/ nicht zu unterlassen. So viel mehr 3. wo das gute offenbar und gewiß/ das boͤse aber ungewiß/ und sonderlich desselben erfolge auff ein und andere art verhoffentlich vorgebeuget werden kan. Dieses deuchten mich die saͤtze zu seyn/ dero application nachmal auff jedes geschaͤfft gemacht werden muͤste. So halte ich dieselbe/ sonderlich die beyde letztere/ darauff etwa die frage meistens gehet/ vor gantz gewiß. Dann 1. wo wir nichts zu thun macht haͤtten/ wovon wir sorgen muͤsten/ daß sich auch einiges boͤse mit anhaͤngen/ und daraus entstehen moͤchte/ so doͤrfften wir gleichsam gar nichts thun/ indem auch aus den besten dingen/ ungleiche folgen entstehen/ und davon auch des weisesten GOttes so wohl als seiner kinder fuͤrsichtig thuende wercke zum oͤffteren/ ja fast allezeit/ auch zu einigem boͤsen gelegenheiten und anlaß geben: also daß auch des frieden-fuͤrsten zu- kunfft in die welt schwerdt und zwietracht mitbringet/ Matth. 10/ 34. 35. das wort des lebens vielen ein geruch des todes zum tode wird/ 2. Cor. 2/ 16. durch das Evangelium viel unruhe/ laͤsterung/ verfolgungen und also grau- same suͤnden veranlasset werden: und zwahr also/ daß wir allezeit vorher wissen koͤnnen/ daß solches gewiß erfolgen werde/ und in gegenwaͤrtiger be- schaffenheit der welt und der menschen nichts anders zu hoffen stehet. Da uns aber alles solches so wenig von demjenigen guten/ was wir vorhaben/ ab- schrecken muß/ als wenig GOtt um des schaͤndlichen mißbrauchs willen des weins/ golds/ silbers/ edelgestein und uͤbriger seiner creaturen (die alle in der menschen suͤnde einem dienst der eitelkeit wider ihren willen unterworffen sind Rom. 8. ) von dero erhaltung und hervorbringung sich abhalten laͤßt; o- der ARTIC. IV. SECTIO XXI. oder seinem willen gemaͤß waͤre/ daß alle arbeit der menschen an solchen ge- schoͤpffen unterlassen wuͤrde. Daher 2. wo wir in redlicher intention das gute/ so wir vernuͤnfftig vor augen sehen/ bewerckstelligen koͤnnen/ wir gewiß seyn/ daß der HErr/ so ohnedas auff das hertz sihet/ unsere auffrichtigkeit in gnaden ansihet/ und sich gefallen laͤsset/ auch entweder/ da das uͤbel/ wel- ches wir besorget/ schwehrer moͤchte seyn/ als wir vorsehen koͤnnen/ selbs auff ihm bekante weise das werck wieder zuruͤcke treibet/ und uns doch nicht an- ders/ als ob es zu werck voͤllig gerichtet worden waͤre/ zuschreibet; oder sol- ches besorgte boͤse (darum wir ihn sonderlich zu bitten haben) durch seine kraͤfftige hand/ daß es nicht oder doch vielweniger folgen muß (da er sonder- lich unsere christliche vorsichtigkeit/ worinnen wir getrachtet zu verwehren/ was unzimliches besorgt werden moͤge) zuruͤck haͤlt/ das gute aber mit gu- tem succeß segnet/ insgesamt nichts der schuld uns/ vielmehr allein denenje- nigen/ welche unseres guten mißbrauchet haben/ und da sie so gesinnet sind/ leicht in allen dingen etwas zu mißbrauchen/ ob nicht allemal in einem doch in anderem stuͤck/ finden werden/ zurechnet. Daher auch/ wo wider unser ver- hoffen der mißbrauch groͤsser folgte/ wir alsdann zwahr uͤber die suͤnde derer/ die als spinnen aus guten blumen gifft saugen/ (wie uͤber andere suͤnden) uns allezeit zu betruͤben haben/ aber deswegen die sache selbs/ die in einfalt des hertzens/ doch auch mit vorsichtigkeit/ gethan/ uns nicht gereuen lassen doͤrf- fen: als die wir nicht nur allein wissen/ daß auch in solchem fall unser obwol bey anderen uͤbel gerathenes gutes vor dem HErren seinen gnaden-lohn ha- be/ sondern GOtt dem HErrn frey stehe/ nach seiner unerforschlichen regie- rung so wohl unsere wercke als sonsten etwa anders in der welt denjenigen zum anstoß werden zu lassen/ die sich seiner regierung entziehen: welche be- trachtung/ wo dieselbe reiflich angestellet wird/ unser gewissen alsdann treff- lich beruhigen/ und uns hingegen vorher freudig machen kan/ dasjenige zu thun/ was unser christliches gewissen in beforderung des guten von uns for- dert/ nachmal aber mit ruhigem hertzen allen ausgang/ auch in diesem stuͤck/ wie es von andern wohl oder nicht gebraucht werde werden/ dem HErren HErren zu uͤberlassen. Dessen guͤte ruffe auch hertzlich an/ daß sie derselben gemuͤth auch in dieser sache recht beruhige/ dem geschaͤfft den fortgang gebe/ welchen sie allen/ so damit zu thun/ vortraͤglich erkennet/ und endlich dasje- nige daraus folgen lasse/ wofuͤr man sie noch kuͤnfftig ja gar ewig zu preisen ursach habe. 1686. SECTIO XXII. Ob man sein Christenthum ohne anstoß der welt fuͤhren koͤnne/ oder ihr weichen solle. N n n Jch Das dritte Capitel. J Ch haͤtte auff den ersten brieff bald antworten sollen/ nachdem einiges mein bedencken und rath in demselben von mir verlanget worden. Jch habe aber davor gehalten/ es seye eine solche materie/ darinnen dieselbe mit andern guten freunden sich leicht selbs werde helffen koͤnnen. Damit a- ber ja mit einigem wenigen meine gedancken/ dieselbe etwa in ihrem vorsatz zu staͤrcken/ mittheilen moͤge/ bestehen sie darinnen/ daß 1. unmuͤglich seye/ sein Christenthum also zu fuͤhren/ daß nicht die welt eckel dran finden solte: denn ihr ist die sache selbs zuwider/ ob sie sich wol solches zu bekennen scheuet/ und deswegen sich stellet/ als faͤnde sie nur an denen umstaͤnden mangel: hin- gegen wo man schon solche aͤnderte/ wuͤrde sie doch immer wieder etwas her- vor suchen. 2. Daher doͤrffen wir ihr nicht zu willen werden/ dasjenige um ihres verlangens willen zu unterlassen/ was sie gern unterlassen sehe/ dafern es etwa dinge sind/ die blosser dings zu GOttes ehre/ und unserer erbauung noͤthig/ oder von solchem nutzen/ daß anderer besorgender anstoß demselben nicht gleich zu achten waͤre. Wie also Daniel c. 6. sein gebet um des verboths willen nicht unterlassen wolte/ sondern lieber alle gefahr druͤber ausstehet. 3. Wo es aber solche dinge sind/ da sich einige an uns zu stossen vorgeben/ wel- che nicht blosser dings nothwendig sind/ noch dero unterlassung uns ei- nen nachtheil an der seelen bringt/ vielmehr die beharrung dabey entweder einen schein einer blossen hartnaͤckigkeit gewinnen/ oder denenjenigen/ so dem guten zuwider sind/ einige anlaß zur laͤsterung geben moͤchten/ halte ich da- vor/ allerdings billig zu seyn/ daß wir aus liebe uns auch unserer freyheit in etwas begeben/ als welches die liebe erfordert/ und zwahr die liebe gegen GOtt/ nach muͤglichkeit alle gelegenheit der laͤsterung seines nahmens abzu- schneiden/ die liebe gegen den nechsten/ ihn zur suͤnde nicht zu veranlassen/ und hingegen mit liebreichem weichen zu erbauen/ und die liebe gegen uns selbs/ uns nicht ohne noth/ unruhe/ nachrede und widerwillen zu verursachen/ wie dann/ da wir die eigenliche leyden um des HErrn willen nicht zu fliehen/ oder uns derselben zu beschwehren haben/ hingegen diejenige leyden/ dero wir ohne verletzung der goͤttlichen ehre und wahrheit uͤberhoben bleiben koͤnnen/ solchen nahmen mit recht nicht tragen. 4. Wie nun diese reguln zu allen zei- ten uns verbinden/ und unter unsere gemeine Christen-pflichten gehoͤren/ al- so sind wir zu dieser gegenwaͤrtigen zeit destomehr daran verbunden/ weil nun die welt sich mehr als zu andern malen an allem/ was diejenige thun/ welche sich nicht oͤffenlich zu ihr bekennen/ aͤrgern will/ und was sie an denen ihrigen nicht nur duldet/ sondern zuweilen gar lobet/ an andern auff das heff- tigste richtet/ ja auch bey einer person nicht bleibet/ sondern es zugleich allen uͤbrigen/ welche sie in gleicher gemeinschafft zu stehen davor haͤlt/ auffs ge- haͤßigste zumisset/ und alle daruͤber verurtheilet. Welches verhaͤngnuͤß/ so der HErr ARTIC . IV. SECTIO XXII. HErr nach seinem heiligen rath der welt nun gibet/ ob es wohl nicht wenig leyden uns mehr und mehr verursachen wird/ dennoch darinnen uns heilsam seyn kan/ daß es uns zu so vielmehr vorsichtigkeit und behutsamkeit bringen solle/ daß uns stets die worte des Apostels vor den ohren schallen/ 1. Cor. 10/ 23. 24. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es bessert nicht alles; ich habe es alles macht/ aber es frommet nicht alles: Niemand suche was sein ist/ sondern ein jeglicher was des andern ist. Dieses sind meine ge- dancken von der gantzen sache. Ob ich nun wohl die application auf das abson- derlich angefragte nicht wohl machen kan/ nachdem an einem einigen umstand viel gelegen seyn/ und derselbe das urtheil aͤndern mag/ bin ich doch versi- chert/ daß meine werthe Fr. selbs aus diesen regeln die application machen/ uñ was meine meinung sey/ daraus werde erkennen koͤnnen: der HErr aber/ ohne dessen hertzliche anruffung sie nichts zu thun sich gewehnet haben wird/ gebe selbs liecht und weißheit in allen stuͤcken seinen willen recht einzusehen und ihn zu vollbringen. Jm uͤbrigen stehe auch in dem guten vertrauen/ wie sie zwahr ohne zweifel von allen orten hoͤren wird/ wie diejenige/ so sich der ernstlichen gottseligkeit befleissen/ von andern theils bereits hart tractiret werden/ und manches haben leyden muͤssen/ oder noch leyden/ theils dasselbe vor augen und ihnen immer naͤher kommend sehen/ daß sie sich solches nicht werde be- frembden/ oder in dem angefangenen lauff muͤde machen lassen. Wir wissen/ wir leyden nicht als ketzer/ die wir uns allein an das unbetruͤgliche wort der wahrheit halten/ und auch von der erkaͤntnuͤß/ welche unsere kirche aus dem- selben bißher geschoͤpffet/ im geringsten nicht abgewichen sind/ noch abzuwei- chen gedencken. So leyden wir auch nicht um missethaten willen/ sondern ob wir wol unserer schwachheit uns bewust sind/ auch mit seufftzen bekennen/ wie weit wir noch von der vollkommenheit zuruͤcke bleiben/ gibet uns doch unser gewissen zeugnuͤß/ daß wir mit redlichem hertzen trachten/ uns taͤglich zu rei- nigen von aller befleckung des fleisches und des geistes/ und in der heiligung fortzufahren; daher uns von der welt (obwol nicht dero eusserlichen ge- meinschafft/ doch enthaltung aller ihrer eitelkeit) mehr und mehr loßzu- machen suchen. Ob sie dann ihres hasses und widrigkeit andere ursache vor- wendet/ so ist doch gewiß dieses die wahre ursach/ daß wir nicht in das unor- dige leben mit fortlauffen wollen. 1. Petr. 4/ 4. dafuͤr uns ja der liebste Hey- land behuͤte. Also haben wir uns des leydens nicht zu schaͤmen/ sondern unsere seelen dem treuen Schoͤpffer in guten wercken zu empfehlen; er wird den seinen helffen/ uñ sie retten/ wo mans am wenigsten gedencken wird. Es heist einmal: Darum spricht GOTT/ ich muß auf seyn/ die arme sind zerstoͤhret/ N n n 2 ihr Das dritte Capitel. ihr seuffzen tringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret: Mein heil- sam wort soll auf dem plan/ getrost und frisch sie greiffen an/ und seyn das heil der armen. Amen: Es wird geschehen! ꝛc. 1692. SECTIO XXIII. Wie man sich in getrucktem zust and zu ver- halten? D Essen geliebtes ist mir zurecht worden/ und hat mich dessen iñhalt theils erfreuet/ theils betruͤbet; jenes/ wenn ich daraus die demselben und an- dern christlichen mitbruͤdern erzeigte gnade erkant/ dieses/ wo ich erwe- ge/ wie es auch ihres orts nicht an leuten mangele/ welche/ als viel an ihnen ist/ das gute lieber hindern oder untertrucken als foͤrdern. Jch preise also billich den himmlischen Vater mit demuͤthigstem danck/ der sein wort durch meinen als seines armen knechtes mund an demselbigen (wie die bekaͤntnuͤß lautet/ da ich von denen uͤbrigen guten freunden gleiches vermuthe) darzu ge- segnet/ daß ob wol nicht erst das gute in demselben angefangen/ jedoch der fun- cken/ welchen ich nicht zweiffele lange bey ihm/ aber etwa mit vieler asche der sicherheit und vertrauen auf das eusserliche zimlich uͤberzogen/ gewesen zu seyn/ recht angeblasen/ und bey ihm eine hertzliche begierde erwecket/ seiner see- len zustand fleißiger zu untersuchen/ und sich so wol nach goͤttlichem wort in allem zu pruͤffen/ als selbiges zu der einigen regel seines glaubens und lebens zu setzen. Welches allein der rechte grund ist/ welcher durch keine anfechtung kan umgestossen werden. Jch erkenne hiebey meine so unwuͤrdigkeit/ als auch daß alle krafft/ wo etwas ausgerichtet worden/ nicht meine/ sondern bloß des himmlischen Vaters und seines Geistes seye: Jedoch dancke ich auch dessen vaͤterlicher guͤte/ welche mich/ da mir offt die anfechtung kommet/ ob ich nicht gar unfruchtbar in meinem amte bleibe/ so dann andere mich zum ketzer und verwirrer der kirchen machen wollen/ zuweilen durch dergleichen zeug- nuͤssen einiger seelen/ daß der HErr meinen geringen dienst an ihnen gesegnet habe/ getroͤstet und auffgerichtet werden laͤsset; auch weiset/ daß sein wort/ ob es wol ohne praͤchtige anfuͤhrung vieler gelehrtheit getrieben wird/ seine krafft in den jetzigen zeiten des gerichts noch nicht verlohren habe. Ach! er lasse es auch aller orten mit solchem nachtruck getrieben werden/ daß immer viele seelen zu der lebendigen erkaͤntnuͤß und genuß ihres heils kommen/ und aus dem gemeinen verderben gerissen werden moͤgen. Sonderlich in ihrer lieben stadt/ ruͤste er/ ob je einige Prediger sich mit fleischlichen affect en einneh- men liessen/ und dadurch der krafft ihres amts nicht wenig hindernuͤß selbs machten/ immer andere mit desto mehr liecht und geist aus/ sein wort nicht in die ARTIC . IV. SECTIO XXIII. die ohren/ sondern in die hertzen zu predigen. Er erfuͤlle aber auch alle seelen/ denen ihr heil noch angelegen ist/ mit heiliger sorgfalt in dem guten zuzuneh- men/ mit vorsichtigkeit ohne anstoß zu bleiben/ und mit eiffer das wort GOt- tes unter sich und in sich reichlich wohnen zu lassen/ mit aller weißheit/ damit sie wuͤrdig seyn moͤgen/ lehrer zu haben nach GOttes hertzen/ oder wo es je- mal an diesen mangeln moͤchte/ daß er selbst der unbetruͤglichste lehrer ihrer hertzen werde und seye. Was nun dessen und anderer christlicher hertzen vor forderung anlanget/ sehe und verehre ich darinnen sonderlich GOttes seine heilige fuͤgung/ der alles/ auch derjenigen/ die sich dem guten widersetzen wol- len/ dahingerichtete anschlaͤge zu seiner wahrheit mehrern offenbahrung wider ihre eigene gedancken richtet. Von der harten gehaltenen predigt habe ich auch gehoͤret/ und bedaure hertzlich den eiffer/ der mit mehr nutzen auf anders gerichtet werden koͤnte/ sonderlich wenn ich einiger voriger jahr gedencke/ da wol die worte Davids wie derholen moͤchte aus Ps. 55/ 14. 15. Der HERR wolle das hertz zu rechter zeit ruͤhren/ wie ich zu geschehen hoffen will/ daß man erkenne/ was man gethan/ und selbs kuͤnfftig noch baue/ was man jetzt am liebsten verstoͤrete. Wie es aber darmit nicht wol gemeinet gewesen/ so er- kennen wir doch gedachter massen die wunderbare regierung des weisesten Vaters/ die durch diese predigt eine dergleichen inquisition veranlasset/ welche nur zu desto mehrerer offenbahrung der wahrheit/ und ob man geliebten freunden damit einen schimpff zuzufuͤgen gedacht/ zu dero mehrern ehren ge- richtet hat. Zwahr zweiffle ich nicht/ ihre vorforderung wird sie bey vielen unverstaͤndigen in einigen schimpff gesetzet/ und ihnen also einiges leides zu- gefuͤget haben/ so sie aber um des HErrn willen willig zu leyden seyn werden. Aber es wird alles dasselbe gnugsam ersetzt durch das zeugnuͤß ihrer unschuld/ welches um so viel herrlicher hervor leuchtet/ nachdem auch durch obrigkeit- liche untersuchung nichts ungeschicktes von ihnen begangen zu seyn gefunden worden/ da sonsten noch lange allerhand verdacht auf ihnen ligen koͤnnen/ und die laͤsterungen mehr wuͤrden fortgesetzet seyn worden. Dem regierer der hertzen hat man auch zu dancken/ der wie dorten GOTT dem Laban 1. Mos. 31/ 24. 29. auch diesen HErrn/ vor welchen sie zu erscheinen gehabt/ gesagt ha- ben wird/ daß sie mit Jacob nicht anders als freundlich reden solten; ja nun- mehr auch Prediger ruͤhret/ offentlich dasjenige zu treiben/ und dazu zu ver- mahnen/ was dannoch die erste haupt-ursache alles erregten lermens gewe- sen/ daß christliche seelen sich unter einander doͤrffen erbauen. Also sehen wir zu stattlicher staͤrckung unsers glaubens/ wie GOtt sein werck noch alle- zeit nach seiner alten weißheit/ macht und guͤte fuͤhre/ und der seinigen un- schuld an den tag zu bringen/ die widrige aber/ wo sie nicht finden/ was sie gesucht/ zu schanden zu machen vermoͤge. Lasset uns so viel hertzlicher ihm ver- N n n 3 trauen/ Das dritte Capitel. trauen/ und in allen stuͤcken nicht so wol auf uns oder menschen/ als auf ihn sehen/ nachdem er uns immer mit neuen exempeln/ wie er alles wol mache/ zeiget. Daher mein hertzliches verlangen an denselben/ wie auch alle mitbe- nahmte vier christliche freunde/ ja auch alle uͤbrige/ mit welchen sie etwa in einer sondern liebe und freundschafft stehen/ und auch meine bitte ist/ 1. daß sie feste bleiben allein an dem wort des HErrn/ so sie in der schrifft finden/ und da- her dieselbe nach dem ihnen gegebenen maaß immer fleißig zu forschen fort- fahren: Sich von keinem menschen etwas lassen auffbuͤrden/ zu glauben/ was sie nicht in solchem wort finden/ hingegen wessen sie aus demselben uͤberzeuget sind/ um keines menschen willen verleugnen. Gruͤnden sie nun ihren glau- ben und leben auf diesen grund/ so kan ihnen weder der teuffel noch einiger irr- geist oder anderer verfuͤhrer denselben umstossen. 2. Was sie von mir moͤ- gen gehoͤret haben/ oder etwa lesen/ nehmon sie nicht um meinetwillen an/ son- dern pruͤffen alles nach GOttes wort/ wie ich sie auch dahin allezeit verwie- sen/ und pflichten alsdenn bey/ oder lassen es an seinem ort beruhen/ je nach- dem sie finden/ daß sie solches auch in der schrifft zu eigener uͤberzeugung an- treffen. Also beruffen sie sich nicht auf mich anders/ als daß ich dasjenige auch bezenge/ was sie in der schrifft (bey dero ich nach bestem gewissen zu blei- ben versichert bin) finden: Denn ich begehre mir keine juͤnger zu machen/ son- dern meinem Heyland Christo. Mit unnoͤthiger vertheidigung meiner per- son machen sie ihnen keinen haß/ sondern wo gegen mich gesprochen wird/ moͤ- gen sie wol/ was sie bessers von mir wissen/ bescheidenlich bezeugen/ aber mir ferner die verant wortung dessen/ was ich thaͤte/ uͤberlassen. 3. Was die Prediger anlangt/ wann auch/ das doch GOTT immer in gnaden verhuͤte/ einige sich der wahrheit und lehre der gottseligkeit oder dero uͤbung entweder in predigten oder sonsten widersetzten/ oder auch so ihnen als andern gleichge- sinnten allerley leiden anthaͤten/ lassen sie sich ja gegen sie zu keiner bitterkeit/ vielweniger ihr amt zu verachten/ bewegen; sondern brauchen sich deren/ die ihnen der HErr angewiesen hat/ hoͤren sie/ nehmen von ihnen an/ was sie Got- tes wort zu seyn befinden/ was sie aber aus menschlichen affect en herzukom- men sorgen muͤssen/ uͤberlassen sie zur verantwortung ihnen selbs/ machen kei- ne deutungen uͤber die predigten/ worauf mit diesem oder jenem gestochen werde/ die sache lige denn klahr vor augen; wo sie also selbs geschmaͤhet wer- den solten/ tragen sie es mit gedult/ huͤten sich vornemlich vor allem richten uͤber sie/ und insgesamt beten sie ja tag und nacht/ daß sie der HErr auf rich- tigen wegen erhalten/ und mit seinem liecht und geist regieren/ hingegen dem satan/ der welt und ihrem fleisch keine herrschafft uͤber sie/ sie zu ihren werck- zeugen zu gebrauchen/ lassen wolle. Also ehren sie das amt mit gehorsam/ und tragen die personẽ/ wo es noͤthig ist/ mit gedult. 4. An ihren regenten/ von dem hoͤchsten ARTIC. IV. SECTIO XXIII. hoͤchsten biß auf die uͤbrige/ verehren sie das ihnen angehengte goͤttliche bild/ von grund der seelen/ und hoͤren auch nicht auf fuͤr sie zu flehen und zu seuff- tzen/ sehen auch nicht so wol ihr leben/ als ihre von GOtt verliehene wuͤrde an/ und huͤten sich vor allen so ungehorsam als verachtung. Wo selbige auch solten durch andere einblaͤser sich bewegen lassen/ (davor sie zwahr der aller- hoͤchste bewahre) ihnen oder andern christl. hertzen unrecht zuthun/ so tragen sie auch solches mit großer gedult/ und messen es nicht ihnen/ sondern denen/ welche sich ihrer gewalt gern gegen die ihnen verhaßte mißbrauchen/ und die- se gleichsam ihrem gericht uͤberantworten/ zu/ oder vielmehr sehen sie in al- lem allein auf den Vater/ ohne dessen verhaͤngnuͤß ihnen nichts wiederfahren koͤnne/ und der es gut mit ihnen meinet: Lassen sich aber ja nie reitzen/ wi- der dieselbe/ sondern vielmehr fuͤr sie/ zu beten. 5. Jhre haͤuser trachten sie gottseelig zu regieren/ und also die ihrige mit sich zu GOtt zu fuͤhren/ damit sie andern gutes exempel geben/ uñ ja nicht dem laͤsterer in sein gericht fallen/ wie sie sich dann auch um solcher ursache willen/ da so viele augen auf sie lau- ren/ in allen stuͤcken ihres lebens vor andern vorsichtiglich zu halten/ und al- len schein des boͤsen zu verhuͤten haben. 6. Sie haben auch die erbauung un- ter einander/ (wie vernehme/ daß sie solche biß dahin angestellet haben/) so dann wo auch noch andere gleichgesinnete sich mit ihnen in christliche freund- schafft einließen/ mit denselbigen ferner fort zusetzen/ aber so viel muͤglich ist/ mit dem wenigsten auffsehen/ um die widrige nicht gleichsam mit fleiß zu rei- tzen/ da es den schein eines trotzes gewinnen moͤchte. 7. Jn dem umgang mit andern/ an denen sie klahr sehen/ daß sie noch der welt gantz anhangẽ/ hal- ten sie sich vorsichtig/ daß sie sich weder ihrer suͤnden mit theilhafftig machen/ noch etwas von christlicher pflicht versaͤumen; sie muͤßen aber sie trachten vielmehr mit gutem exempel und freundlichem zuspruch zu beßern/ als mit bestraffung/ welche je seltzamer sie heut zu tage worden ist/ so viel schwehrer wird sie angenommen/ und hat man einen boͤsen menschen ohne euserste noth zu bestraffen so vielmehr bedencken zu haben/ daß man nicht wider die regel CHristi Matth. 7/ 6. dieses heiligthum und perle der bestraffung den thieren gebe/ die sie zutreten/ und sich wenden und uns zu reißen. Dabey man zwahr den himmlischen Vater hertzlich um seine weißheit anzuruffen hat/ auch in diesem stuͤck allemal zu erkennen/ was seines willens seye/ daß man auf keiner seite zu viel oder zu wenig thue; nach diesen regeln hoffe ich zu leben/ werde ihnen insgesamt sonderlich zu dieser zeit das vortraͤglichste seyn. Also lasset uns leben in allen stuͤcken als solche/ die nu der welt mehr und mehr begehren abzusterben/ und unserm Herrn der uns erkauffet/ uns gantz zu eigen zu geben entschlossen sind; wir wissen ja/ er ist es werth/ und wir sinds schuldig/ auch haben wir eine große herrlich keit annoch von ihm zu ge- Das dritte Capitel. gewarten: Ob dann nun uns noch schwehre truͤbsaalen zu erst vorstehen/ die wir uns nicht schrecken lassen sollen/ so wissen wir doch/ der HErr wird uns beystehen/ und seine huͤlffe ist uns villeicht naͤher/ als wir ietzt noch geden- cken/ daß sein reich mit macht durchbreche/ so uns trosts gnug ist. ꝛc. SECTIO XXIV. Von dem fasten. D As fasten betreffend/ halte ich es bey den meisten naturen vor eine sehr nuͤtzliche uͤbung/ bey einigen mag es zu weilen gar noͤthig seyn: Je- doch nicht als ein Gottesdienst an sich selbst/ dann GOtt dem HErrn weder an essen noch fasten liget/ daher in diesem keine besondere heiligkeit stecket/ sondern als ein befoͤrderungs-mittel der betrachtung/ gebets/ zaͤh- mung seines eigenen fleisches und dessen begierden. Deßwegen auch jegli- cher seine natur hierinnen am fleißigsten zu pruͤfen hat/ wie fern ihm diese uͤ- bung zu vorgesetztem zweck/ mehr oder weniger dienlich und noͤthig seye/ dar- aus zu schließen/ wie fern er sich derselben zu gebrauchen habe oder nicht. Es werden sich einige naturen finden/ welchen das fasten nicht nur in dem leib- lichen schaͤdlich/ (wie mich ein gelehrter Medicus, so meine natur fleißig er- forschet/ uͤberreden wollen/ daß ich fast mein gantzes temperament damit in unordnung gebracht/ und mich beschaͤdigt haͤtte/ als einmal in meinen stu- dir jahren ein jahr durch wochentlich einen tag mit uͤbergehung der mittags- mahlzeit gefastet/ dadurch aber der magen aus mangel dessen/ was er con- sumi rte/ alle natuͤrliche feuchtigkeit der innern viscerum an sich gezogen/ und diese ausgetrocknet haͤtte) sondern auch in dem geistlichen nicht vortraͤglich ist: Maßen sie durch das fasten zu gebet und andacht nicht geschickter/ son- dern wegen der aus nuͤchterem magen aufsteigender duͤnste und uͤbelkeit un- tuͤchtiger und in den gedancken mehr zerstreuet werden. Jedoch insgemein/ ists freylich eine nuͤtzliche sache/ uñ kan bey den meisten naturen daduꝛch gros- se beforderung geschehen/ ja auch die gewohnheit eine natur offt mehr dazu geschickt machen. Hat man also das fasten meines erachtens anzusehen: Alß 1. eine nicht bloßer dings oder allezeit noͤthige sache. Sihe Matth. 9/ 15. wie es auch nirgends austruͤcklich befohlen ist. 2. gehoͤrets hingegen un- ter die mittel-dinge/ welche einige eußerliche befoͤrderungs-mittel seyn koͤn- nen. 3. Bey diesen aber hat man zeit/ ort/ und die natuͤrliche eines jegli- chen bewandnuͤß/ wohl zuerwegen/ wann/ wo/ wem dieselbige dienlich seynd. 4. Wo man dero nothwendigkeit oder nutzen erkennet/ so sollen wir uns de- roselben gern gebraucheu/ als die wir dazu verbunden sind/ in allen stuͤcken das ARTIC. IV. SECTIO XXIV. das werck des HErrn in uns nicht nur allein nicht zu hindern/ sondern nach vermoͤgen zu befoͤrdern. 5. Jn der untersuchung muͤssen wir uns selbs nicht schmeicheln/ und etwa aus jeglicher natuͤrlichen beschwehrde so bald eine der- gleichen ursach machen/ daß wir uns des nutzens/ den wir aus dieser uͤbung haben koͤnten/ beraubten. 6. Welcher zu einer zeit sich zu dieser uͤbung nicht geschickt befindet/ mags zu andernmalen besser thun koͤnnen. Wie auch an meinem eigenen exempel erfahren/ daß zu andernmalen auf unsere fast- und bet-tage mir das fasten nichts gethan/ aber mich einmal ohn mein vermuthen so angegriffen/ daß ich nachmittag in verrichtung der kinder lehr (obs wol zu ende des Augusti war) mit einem solchen frost befallen worden/ daß mich deuchte/ ich fuͤhlte das marck in meinen beinen frieren/ und gleich/ als von ei- nem fieber angegriffen/ mich zu bette legen mußte, damit es aber auch vorbey gieng: Hingegen zu andernmalen habe nichts dergleichen gefuͤhlet. 7. Jns- gesamt muß kein aberglauben damit getrieben/ sondern es zu dem zweck ge- richtet werden/ warum es eigenlich zu thun ist. So mag und wird es ein herrlich und nuͤtzliches mittel/ welches so gar nicht vor papistisch zu achten/ daß vielmehr zu bejammern/ daß es nicht oͤffter und fleißiger von uns practi- ci ret wird: Wiewol ich dessen gegen meine zuhoͤrer unterschiedlich publice ge- dencke. So gedencket ja auch unser gemeine Catechismus Lutheri des fastens als einer seinen eusserlichen zucht. Auch hat unser liebe Lutherus viel schoͤ- ne ort von solcher materie. Jndessen ist es zu bejammern/ daß es damit er- gangen wie mit andern dingen in dem Papstum/ daß mit dem mißbrauch auch der rechte gebrauch bey uns insgemein auffgehoben/ damit aber nicht wenig aͤrgernuͤß gegeben worden. GOTT lehre uns auch darinnen jeglichen sei- nes orts an sich selbs erkennen/ was ihm zu seiner aufferbauung vor huͤlffs- mittel und uͤbungen am dienlichsten seyen/ und dieselbe kluͤglich und mit sei- nem segen zu gebrauchen. 1681. SECTIO XXV . Von dem fleiß/ eine seine gestalt zu erhalten. J Ch komme so bald auf die vorgelegte fragen: Da ich insgemein voraus setze/ daß ein Christ mit allen eusserlichen und leiblichen dingen also um- gehen/ und dagegen gesinnet seyn muͤsse/ daß er weder einerseits diesel- bige versaͤume/ verachte/ verderbe/ noch anderseits auf einige weise einen ab- gott draus mache/ oder sie mißbrauche. Wann nun die eusserliche leibes- gestalt eine eusserliche und leibliche/ gleichwol gute/ gabe GOttes ist/ zwahr nicht von solchem werth oder nothwendigkeit als die gesundheit/ dannoch auch zur ehre des Schoͤpffers gegeben/ (daher der H. Geist auch einiger perso- O o o nen Das dritte Capitel. nen schoͤne gestalt zu ruͤhmen wuͤrdiget/ als Saraͤ 1. Mos. 12/ 11. Rebeccaͤ 1. Mos. 26/ 7. Rahel/ 1. Mos. 29/ 27. Josephs. 1. Mos. 39/ 6. Sauls. 1. Sam. 9/ 2. Esther. c. 2/ 7. Jobs toͤchter. c. 42/ 15. ) so bleiben die all- gemeine regeln/ daß man also auch dieselbe an sich selbs durch natuͤrliche mit- tel erhalten/ bewahren/ was zu solcher behaltung dienet/ gebrauchen/ und die- ses geschoͤpff des HErrn zu seinen ehren richten moͤge: Hingegen sich huͤten muͤsse/ weder sich selbs darinn zum kuͤtzel des hochmuths wol zu gefallen (wie solches wolgefallen auch in andern irrdischen guͤtern unrecht ist) noch andere deswegen zu verachten/ noch allzuviel sorge an dasselbige zu wenden/ noch et- was anders (massen die schoͤnheit unter den leiblichen gaben die allergeringste achte/ weswegen sie auch den letzten rang behalten muß) um derselben willen zu versaͤumen oder hindanzusetzen/ noch vielweniger anderer augen zu unzim- lichem zweck auf sich zu ziehen. Als welche stuͤcke alle unter die mißbraͤuche dieser gabe GOttes gehoͤren: Wo nun das hertz also gesinnet ist gegen seine schoͤnheit/ und auf solche art damit umgehet/ so wird alle daran wendende sor- ge zur suͤnde. Hingegen tragen christliche seelen/ was ihnen der HErr ihr Schoͤpffer auch in leiblicher schoͤnheit gegeben/ in wahrer demuth an sich/ zu seinem preiß/ wie er in aller schoͤnheit der creaturen die seinige erkant und ge- ehret zu werden begehret/ dancken ihm dafuͤr/ und sind willig/ welche stunde/ und auf was art/ er dieselbige durch kranckheit/ alter/ zufaͤlle/ und dergleichen/ wiederum von ihnen nehmen wolte/ sie ihm ohne murren und so willig als sie sie vorhin getragen/ wiederum zu uͤberlassen: Welcherley sinn allerdings in einer seelen seyn muß/ da sie ohne suͤnde so dieses als andere leibliche guͤter be- sitzen und gebrauchen sollen/ nachdem GOTT allerdings erfordert/ daß das hertz an keinem derselben hange oder beruhe. Vorausgesetzt dessen/ wird die antwort auf die 3. absonderliche fragen gar leicht von selbsten folgen. 1. Ob ein Christ/ wenn er in seinem gesicht etwas bekommet/ als fle- cken/ es sey nun von der sonnen oder andern zufaͤllen oder aus- fahren/ mit gutem gewissen etwas gebrauchen kan/ selbiges wieder zu vertreiben? Hierauf dienet nun/ daß wo ein Christ also in seinem gemuͤth gesinnet ist/ wie bereits zum grunde voraus gesetzet worden/ er dergleichen/ was sein ge- sicht ausser der natuͤrlichen gestalt/ die es haben solle/ die an andern sich zeiget/ und bey ihm vorher gewesen ist/ setzet/ mit gutem gewissen durch natuͤrliche mittel vertreiben koͤnne. Jndem er darinn nichts anders thut/ als daß er das geschoͤpff GOttes von demjenigen befreyet/ was ihm ausser der ordnung zu gestossen war. So wenig also unrecht ist/ eine zustossende unpaͤßlichkeit/ oder ARTIC. IV. SECTIO XXV. oder da einem glied etwas wiederfuͤhre/ dadurch dessen gebrauch etlicher mas- sen gehindert wuͤrde/ solchem durch artzney zu begegnen/ und wieder nach der natuͤrlichen ordnung zu trachten/ so wenig ists auch unrecht/ dasjenige zu ver- treiben/ was ob es der glieder gebrauch nicht hindert/ gleichwol einen mißstand in der gestalt gibet/ gegen dem als diese sonst von GOTT gebildet war. 2. Ob man etwas/ das man zwahr mit auf die welt bracht/ doch aber nicht zu der natuͤrlichen gestalt des menschen gehoͤret/ sondern mehr verstellet/ als mutter-mahl und dergleichen/ mit gutem gewissen vertreiben koͤnne? Auch diese frage beantwortet sich gleich der vorigen mit ja aus gleichen gruͤnden. Denn was den einwurff anlangt/ den man machen koͤnte/ und auf den wol vielleicht gesehen werden mag: Weil GOTT in der natur einem menschen solche zeichen habe lassen eingetrucket werden/ so muͤste sein wille seyn/ daß er dieselbe auch stets an sich behielte: Jst solches falsch/ oder folget nicht. Wie ja hoffentlich niemand leugnen wird/ wo ein kind eine kranckheit mit auf die welt braͤchte/ oder auch ein solches gewaͤchs/ so ihm an dem leben koͤnte schaͤdlich seyn/ oder seiner glieder natuͤrlichen gebrauch hemmete/ daß man durch menschliche haͤnde/ rath und huͤlffe solchem gebrechen wol helffen duͤrffe/ und damit nicht wider GOttes willen thue. So ist denn gleiches von andern gebrechen zu sagen/ welche ob wol nicht der glieder wercke hindern/ dannoch eine mißstellung/ der natuͤrlichen ordnung entgegen/ verursachen. So sind alle schwehrere oder geringere gebrechen und abweichungen von der natuͤrlichen ordnung nicht als eigene wercke goͤttlicher schoͤpffung/ sondern als folgen der in dem menschlichen geschlecht eingefuͤhrten suͤnden/ dadurch alles in unordnung gerathen ist/ und einigen fluch leiden muß/ anzusehen: Darvon wir uns aber durch GOTT nicht widrige mittel nach muͤglichkeit zu befreyen wol befugt sind. 3. Ob ein Christ/ dem GOTT eine gute gestalt gegeben/ zu selbiger mit gutem gewissen etwas brauchen koͤnne/ das ohne anstrei- chen und schmincke ist/ sondern nur die haut glatt und sauber erhaͤlt? Was das schmincken anlangt/ hat es in der schrifft einen boͤsen nah- men/ und wird huͤrischen gemuͤthern allein zugeschrieben/ als Ezech. 23/ 40. Jerem. 4/ 30. 2. Koͤn. 9/ 30. wiewol es in dem leiblichen und in der natur so bald seine straffe hat/ daß es die haut mehr verderbet/ und endlich an statt der schoͤnheit nur so viel garstiger ansehen verursachet. Es bestchet aber O o o 2 das Das dritte Capitel. das schmincken darinn/ der haut ein ander ansehen zu machen als sie selbs hat/ daß man nicht so wol dieselbe selbs als eine auffgestrichene frembde farb sehe. Wo aber die frage von dergleichen redet/ was gebrauchet wuͤr- de/ der menschlichen haut natuͤrliche glaͤtte und reinigkeit allein zu erhalten/ und derselben nicht eine frembde gestalt und glantz zu geben/ sondern den eigenen zu staͤrcken/ welches auch durch das taͤg- liche waschen und reinigen geschihet/ sehe ich nicht/ wie solches einer seele/ die in dem uͤbrigen in dem oben erforderten sinne stehet/ und keine unrechte ab- sicht hat/ suͤnde werden koͤnne. Gleichwol ist zum beschluß zu mercken/ daß in allen diesen und gleicher art dingen eine seele/ dero es ein redlicher ernst vor GOTT ist/ nicht allein auff dasjenige sehe/ was an sich selbs und nach der schaͤrffe examini ret/ nicht eben verboten zu seyn gezeiget werden kan/ sondern bey allen mitteldingen stets erwege/ was ihro selbs und andern das vortraͤglichste/ folglich der ehre GOttes am gemaͤssesten seye. Daher sie insgemein lieber einige schritte gleichsam zuruͤcke von dem/ was noch er- laubt werden koͤnte/ bleibet/ als daß sie sich auch nur in die gefahr zu viel zu thun begaͤbe: sie meidet gerne boͤsen schein/ in dem zweifelhafften wehlet sie lieber das sicherste; wo sie sorgen muß/ daß einige sonsten sich dran stossen/ und aus vertrauen auff solches exempel (sonderlich da sie weiß/ daß um eini- ges guten willen andere ihre augen viel auff sie gerichtet haben) ihre freyheit noch weiter ziehen/ und daruͤber sicher werden moͤchten/ braucht sie sich lieber ihrer freyheit am wenigsten; und wo sie auch ihres hertzens tuͤcke wahrnim- met/ daß dasselbe an seiner schoͤnheit ein suͤndliches und eiteles wohlgefallen zu haben/ und sich dero zu uͤberheben beginnet/ unterlaͤsset sie am liebsten/ was an sich nicht unrecht seyende/ ihr doch aus einer dieser ursachen suͤndlich werden wuͤrde. Daher rufft sie auch GOtt stets hertzlich an/ der ihr seinen willen nicht allein insgemein/ sondern was er auch uͤber sie und dieses ihr ver- halten seye/ zu erkennen geben wolle/ und laͤsset sich alsdenn davon leiten. Wie auch mit diesem wunsch schliesse/ daß der HErr alle seine kinder durch seine gnade gewiß mache/ zu erkennen/ wie sie ihm allezeit am besten gefallen/ und sie in allem anligen durch seinen Geist regiere um unsers JEsu willen. A- men. 1696. SECTIO XXVI. Von den Perruquen, ob derotragen ein mit- telding. D Je frage: Ob die perruquen ein freyes mittelding/ und worin- nen solches zu erkennen? beantworte ich zwahr mit einem blossen ja/ jedoch ARTIC. IV. SECTIO XXVI. jedoch achte zu der sache besserem verstand unterschiedliches zu bemercken noͤthig. 1. Es kan mit perruquen auch suͤndlicher pracht getrieben werden/ wie mit allen andern stuͤcken/ die zu des menschen kleidung und habit gehoͤren/ so wol durch dero kostbarkeit als unzimlichen fleiß und sorgfalt/ so man daran wendet/ so dann eigenem wohlgefallen/ das man daran hat/ und seinem al- ten Adam/ der gern pranget/ damit krauet. Es ist aber alsdenn nicht die perruque an sich selbs schuldig/ sondern die suͤnde stecket in dem hertzen/ kan auch nicht weniger mit eigenen haaren begangen werden; ja wo das eigne wohlgefallen in dem hertzen stecket/ und man bey andern gesehen seyn will/ kan im gegentheil gleichwie ein abgeschaben muͤnchs-kleid in der opinion der mehrern heiligkeit/ also auch die aus gleicher ursach herkommende nachlaͤßig- keit in den haaren zum suͤndlichen pracht werden. 2. An sich selbs a- ber sind perruquen, sofern sie nichts anders sind/ als gebrauch frembder an statt eigner haar/ zu dem ende/ dazu uns die haare natuͤrlich gegeben sind/ ei- genliche freye mitteldinge/ indem sie von GOtt nirgends verboten sind. Aus dem A. T. kan nicht das geringste dagegen angefuͤhret werden/ da doch sonsten Gott den Jsraeliten in eusserlichen dingen allerhand ordnungen vorgeschrie- ben/ also gewiß nichts auszutrucken vergessen hat/ was ihm im eusser lichen schlechterdings zuwider waͤre. So vielweniger kan es dann in dem N. T. verboten seyn/ da wir ohne das von allen eusserlichen satzungen befreyet/ nun- mehr kein ander gesetz haben/ als das gesetz der liebe: also gar daß uns nichts verboten ist/ was nicht der liebe (nemlich GOttes/ des nechsten und unser selbs) entgegen stehet: dahingegen mit keinem zimlichen schein gezeiget wer- den kan/ wie die perruquen einiger art der liebe entgegen waͤren: ja zu erhal- tung der gesundheit/ kommen sie vielmehr bey denen/ welche ihr bedoͤrffen/ mit der liebe seiner selbs uͤberein/ und werden von derselben erfordert. 3. Dem moͤchte allein entgegen gehalten werden/ was 1. Cor. 11/ 14. 15. stehet/ daß auch die natur lehre/ daß es einem mann eine unehr seye/ so er lange haar zeuge/ dem weib aber eine ehre/ wo sie dergleichen zeuge. Es folget aber nichts mehr daraus/ als daß die natur und natuͤrliche beschaffen- heit beyderley geschlechter/ da das weibliche ordenlich nach seiner natur mehr und laͤngere haar hat/ anzeige/ daß jegliches geschlecht in seiner ordnung/ da- zu es GOtt geschaffen hat/ bleiben/ und demselben sich gern bequemen solle: Dahingegen wo manns-personen auff weibische art ihre haar lang wachsen lassen/ und darinnen prangen wollen/ solches den schein gibet/ daß sie sich des vorzugs aus der natur wider goͤttliche ordnung begeben wolten: hingegen welches weib die haar verschneidet/ und die zierde ihrer natur ableget/ einent mann gleich zu werden/ schaͤmet sich goͤttlicher ordnung/ als die mit ihrem ge- schlecht nicht zu frieden ist. Dieses aber gehet die perruquen, welche der na- O o o 3 tuͤrli- Das dritte Capitel. tuͤrlichen gestalt der maͤnnlichen haare gleich kommen/ und keine weibische zierde vorstellen/ nicht an. 4. Weil dann gedachter massen perruquen an sich selbs mitteldinge sind/ so werden sie gut oder suͤndlich aus dem hertzen derje- nigen/ die sie anlegen/ und den ursachen/ warum sie angenommen werden. Unter allen solchen ursachen aber sehe ich keine unstraͤflicher als diejenige/ wo man sie aus offenbahrer nothdurfft der gesundheit traͤget/ da nemlich entwe- der das haupt allerdings der haare entbloͤsset ist/ oder doch dessen beschaffen- heit eine mehrere decke/ als das natuͤrliche haar gibet/ erfordert. Jn solchem fall halte ich dieselbe nicht nur vor erlaubt/ sondern daß sie ohne andere gleichwichtige hindernuͤssen nicht unterlassen werden koͤnten. 5. Wie nun/ was uns gesund oder nicht seye/ vornemlich von den Medicis solle verstanden werden/ achte ich davor/ daß derjenige seinem gewissen auch am sichersten ra- the/ der deroselben ausspruch/ ob ihm eine perruque noͤthig/ wo er nicht ande- re wichtige ursachen hat/ daß er derselben rath nicht beypflichten kan/ folget. Jch meines orts bekenne/ daß ob mir wol von mehrern jahren einige Medici einer perruque meldung gethan haben/ daß mich doch darzu nicht entschliessen koͤnnen/ aus der ursach/ weil ich das gegentheil sorge/ nemlich daß dieselbe meinem kopff mehr schaͤdlich als dienlich seyn moͤchte: indem meine gesund- heit meines ermessens sonderlich in der staͤten transspiration des gantzen lei- bes/ so an dem haupt sonderlich durch die haar geschihet/ bestehet/ die ich ge- hemmet zu werden fuͤrchte/ wo eine perruque auffsetzte; dessen grund daher nehme/ weil die haar unter der perruque bald grau werden/ und gleichsam absterben/ da ich alsdann glaube/ die transspiration dadurch nicht mehr so be- quem zu geschehen. Also suche ich die erhaltung meines haupts darinne/ oh- ne perruque zu bleiben/ dabey mich bißher durch GOttes gnade wohl befun- den habe/ und mich vor aͤnderung foͤrchte. Wie mich auch entsinne/ daß es einige gereuet/ perruquen zugelegt zu haben/ und davor gehalten/ sie seyen darnach den fluͤssen mehr unterworffen worden. Also wolle mein werther Herr GOtt hertzlich anruffen/ seinem Medico und ihm wohl zu erkennen zu geben/ ob ihm dergleichen gesund seye oder nicht/ so ich auch selbs denselben wuͤnsche/ dessen gewißheit zu haben: Jst aber solche frage richtig/ bedarffs nicht/ sich weiter gewissen zu machen eine solche auffzusetzen. Der HErr a- ber seye selbs dessen artzt und leben/ und erhalte sowol als staͤrcke seine leibs- kraͤfften/ die ich weiß/ daß er willig seye/ mit aller treue zum dienst seines Got- tes anzuwenden. 1696. SECTIO XXVII. Noch ein anders von tragen der Perruquen, so sich auff das vorige beziehet. Weil ARTIC . IV. SECTIO XXVII. W Eil beliebet/ einer vornehmen Adl. person und hohen Ministri anli- gen wegen gebrauch einer perruquen an mich mit gelangen zu lassen/ als habe meiner schuldigkeit erachtet/ so bald die zeit gewinnen koͤn- nen/ meine gedancken uͤber dasselbe hiemit in der furcht des HErrn zu uͤber- schreiben/ und zwahr 1. sende hiebey mein vor einem jahr bereits an andern ort gestelltes bedencken/ wo von den perruquen, ob man sie in absicht der ge- sundheit zu tragen befugt seye/ gehandlet worden: weil die Momenta der sa- chen selbs/ so viel ich davon begreiffe/ allerdings mit darinnen enthalten sind; und bleiben insgemein die beyden saͤtze fest/ einstheils/ daß die perruquen ei- ne an sich selbs unstraͤffliche decke/ so wol als muͤtzen/ calotten, huͤte und der- gleichen/ zuachten/ daher allein aus andern umstaͤnden/ und sonderlich aus der antreibenden ursach des gebrauchs/ suͤndlich oder unsuͤndlich werden (wie fast zwahr insgemein die morali taͤt einer handlung meistens an dem gemuͤth des menschen/ der sie thut/ haͤnget/ und das eußerliche darnach geurtheilet wird) andern theils aber/ daß auch im tragen derselben koͤnne/ ja pflege/ offt gesuͤndigt zu werden: maßen die meisten ursachen/ welche andere auch an sich selbs unstraͤfflichekleidung suͤndlich machen/ auch dergleichen schuld auf die perruquen bringen moͤgen. Jch sehe aber/ daß die person ohne das hiermit einig ist. 2. Also kommet es hier vornemlich darauf an/ ob das- jenige wegen der umstaͤnde des hoff-lebens vor recht gehalten werden koͤn- te/ was aus ursachen der gesundheit ohne widerspruch unstraͤfflich ist. Da ich es denn zu bejahen keinen zweiffel nicht habe/ nicht allein weil die ur- sach der gesundheit mit darinnen stecket/ und nachdem solche leute bey hoff al- lezeit ohne andere decke seyn muͤßen/ der mangel der perruque, wegen des stets blossen hauptes/ natuͤrlich der gesundheit schaden bringen wuͤrde/ son- dern auch weil gleichwie bey den kleidern/ ob diese oder jene mode, was das eußerliche anlangt/ (es seye denn sache/ daß eine leichtfertigkeit/ als bey ent- bloͤßung der weibs-personen geschehen kan/ allzugroße kostbarkeit oder dergleichen etwan/ sie selbs verwerfflich machte) erlaubt oder nicht erlaubt/ loͤblich oder straͤfflich seye/ daran hanget/ was zeit und landes-sitte mit sich bringet/ also gleiches auch bey den perruquen gilt/ die dem kopff dasjenige sind/ was anderes gewand bey dem uͤbrigen leib zu thun hat. Daher/ wie ich demjenigen das wort nicht reden wolte/ welcher zu erst/ so schwehrlich ohne suͤndliche vani taͤt mag geschehen seyn/ die perruquen in solchen allgemeinen schwang gebracht/ daß auch andern damit fast eine dienstbarkeit aufge- buͤrdet worden ist/ so ist hingegen derjenige ohne schuld/ der sich nun durch die/ so fern was die hoͤfe und vornehmer personen con- dition anlangt/ eingefuͤhrte allgemeine gewohnheit mit nachziehen laͤsset/ und was nunmehr νόμος und χώρα mitbringet/ nachahmet. Wie dann ins ge- Das dritte Capitel. gemein die einfuͤhrung neuer moden suͤndlich ist/ und derjenigen/ die sie an- fangen und leicht nachfolgen/ gewißen auf unterschiedliche art beschwehret/ hingegen aber wo dieselbe nunmehr gantz allgemein und lange verjaͤhret/ denjenigen etzlichen/ welche nunmehr also allein bey der aͤltisten der großvaͤ- ter tracht bleiben wolten/ und also mit so großem unterschied von allen an- dern ihrer zeit/ ohne dessen sonderbahre und wichtigste ursachen/ aufgezogen andern zum schauspiel einhergiengen/ dasselbig? mehr zum eigensinn als tu- gend/ auch von verstaͤndigen Christen angerechnet werden wuͤrde. Weil denn hier außsetze/ daß dergleichen perruqven an den hoͤfen/ sonderlich bey der- gleichen Standes personen/ allgemein/ und ob ein solcher vornehmer mini- ster an seinem hoff durch seine autori taͤt sich also zuschuͤtzen wuͤßte/ daß ihm/ daß er sich dem gemeinen lauff nicht beqvemete/ ohnschaͤdlich waͤre/ aufswe- nigste bey verschickung an andere hohe ort/ ihm und seinen verrichtungen die gedachte entziehung nachtheilig seyn wuͤrde/ so finde nicht allein den ge- brauch der perruqven, demjenigen/ dessen hertz dabey in rechter ordnung vor GOtt stehet/ erlaubt/ sondern daß er ihm allerdings zu rathen seye. Jn dem aller der vortheil/ den man von der enthaltung hoffen moͤchte/ dem dar- aus entstehenden ungemach nicht gleich zusetzen waͤre. Da hingegen in sol- chen dingen/ welche an sich selbs frey sind/ der dabey befindliche nutze oder schade/ auff diese oder jene seite das staͤrckste gewicht geben muͤßen. 3. Was den scrupel der zoͤpffe aulangt/ als welche allein eine zierde gehalten wuͤrde/ und deßwegen einem Christen verboten geachtet werden solten/ bekenne gern meine unwissenheit/ daß ich nicht wisse/ ob denn solche lange zoͤpffe bey allen hoff- perruquen gewoͤhnlich/ oder nur allein von denjenigen gebraucht wuͤr- den/ welche vor andern sich mehr galant auf zufuͤhren profession machen. Waͤre dieses letztere/ so koͤnnte ich einem/ dem es ein ernst/ sein Christenthum unstraͤfflich zu fuͤhren/ und niemand zu einem ziemlichen scrupel uͤber ihn ur- sach zu geben/ nimmer rathen/ daß er denjenigen/ welche vor andern der welt zu gefallen sich lassen angelegen seyn/ nachaͤffe/ sondern vielmehr/ da er von dem allgemeinen gebrauch eigensinnig sich nicht entziehet/ daß er hinge- gen anderer stoͤltzlinge sonderligkeit/ in dem er ihnen nicht nachgefolget/ mit solchem seinem zuruͤckbleiben lieber bestraffe. Wie ich mich entsinne/ daß große und angesehene hoffleute/ sonderlich/ da sie von jahren gewesen/ sich in ihrer autori taͤt mehr befestiget/ als diese dadurch verletzet/ wenn sie zwahr der hoff mode sich nicht gantz entzogen/ aber in allen stuͤcken/ auch perruquen, von anderer juͤngerer leute eitelkeit und uͤbermaß zuruͤck gehalten haben. Solten aber solche zoͤpffe nun ein gleichsam wesentliches stuͤck der hoff- perru- quen seyn/ so gilt von jenen auch/ nach dem sie die gewohnheit autorisi ret/ dasjenige/ was fuͤr die perruquen insgemein gesprochen worden: Und hin- dert ARTIC. IV. SECTIO XXVII. dert nicht/ daß sie eine bloße zierde seyn sollen; denn obwol insgemein die kleider nicht zur zierde/ sondern erinnerung unser schande/ gegeben/ bringet solches nicht mit sich/ daß nicht einige zierlichkeit dabey in acht genommen werden duͤrfte: Vielmehr enthaͤlt sich S. Paulus 1. Tim. 2/ 9. dessen nicht eines zierlichen kleides zu gedencken: Ja ich zweifele/ ob leicht einige klei- dung so gar biß auf die bauren/ sich finden werde/ da alles an dem gantzen kleid zur bloßen nothdurfft gerichtet/ und nicht auch etwas daran sich finde/ wie gering es auch seyn moͤchte/ das nur auf zierde/ oder wohlstand/ wie mans nennet/ angesehen waͤre: Da gleichwol auch solche Christen/ die gern auf alles genau acht geben/ sich kein gewißen daruͤber machen werden. Daher auch diese ursache der zierlichkeit die zoͤpffe der perruquen, dafern sonst nicht uͤbermaaß getrieben wird/ nicht an sich selbs verwerfflich machen kan. 4. Den locum des lieben Pauli anlangend 1. Cor. 11. habe davon meine ge- dancken in dem mitgesandten vorgestellet: So meldet der Apostel austruͤck- lich/ daß er von demjenigen mithandele/ nicht allein was eigenlich zu dem goͤttlichen geboth gehoͤret/ wohin zu ziehen derjenige unterscheid der beyden geschlechte/ daß sich in allem des mannes vorzug und des weibes unterthaͤ- nigkeit an den tag lege/ sondern auch was die natur lehre/ (worvon wir die unter menschen und gewißen voͤlckern eingefuͤhrte gebraͤuche/ so doch alle in der natuͤrlichen vernunfft einigen grund haben/ und zu der natur im gegen- satz goͤttlicher offenbahrung gezogen werden/ nicht ausschliessen duͤrffen.) Daher die Apostoli sche absicht so fern in diesem stuͤck uns nicht weiter weiset/ als daß auch in dem gottesdienst nichts wider die natuͤrliche und nach jeden orts davoꝛ geachtete ehꝛbarkeit oder πρέπον, daran sich deßwegen andere sonst stoßen wuͤrden/ vorgehen moͤge. Sind denn nun in solchen stuͤcken die sit- ten der menschen und voͤlcker unterschieden/ ja wohl einander gar entgegen/ (wie dann allerdings einige die langen haare auch vor maͤnnliche zierden ge- halten haben/ denen zwahr die meiste sich nicht beqvemet) so bleibet die re- gel des Apostels an sich einerley/ aber dero anwendung richtet sich nach zeit und ort/ daß nicht einerley schluß folget. Wo man aber sonderlich darauf sehen wolte/ daß Paulus verbiete/ mit bedecktem haupt zu beten/ wuͤrde sol- ches doch nicht kraͤfftig gegen die perruquen getrieben werden: Denn wie solches nicht gehet gegen eines mannes natuͤrliche haardecke/ so halte auch nicht/ daß es gegen die angenommene haardecke gezogen werden koͤnne; wie denn auch nach unsern sitten derjenige mit bloßem haupt bey geist- und welt- lichen actibus zuerscheinen gehalten wird/ der ohne hut oder andere decke in bloßer perruque erscheinet. 5. Jch komme endlich auch auf die anfrage we- gen des soͤhnleins: Wo es eine bald ausgemachte sache waͤre/ wenn die er- P p p hal- Das dritteCapitel. haltung der gesundheit dieses mittel erforderte/ daß man zu derselben ohne bedencken gleich zu schreiten haͤtte: Wie aber darvon zu urtheilen vielmehr Medicis zukommt/ bekenne doch meines orts/ daß ich der jugend die perru- quen zur gesundheit nicht zutraͤglich glaube/ sondeꝛn daß ihren haͤupteꝛn viel beßer seye der freyen lufft/ der man in dem gantzen leben viel exponi rt ist/ bald zu gewohnen; dahero auch wol hohe personen die ihrige nicht nur ohne perruque, sondern gar bloßes haupts in freyer lufft offt stehen lassen/ und dadurch dero gesundheit nicht zu verderben/ sondern sie zu staͤrcken/ achten. Auffs wenigste kan ich mir nimmer einbilden/ daß es sonderlich in jungen jahren ersprießlich seye/ die haare/ durch welche vieles aus dem kopff evapo- ri ren solle/ mit einer perruque gleichsam zu ersticken/ und solche transspirati- on, wo nicht gar zu verstopffen/ doch sehr zu hindern. Waͤre es aber/ daß dem soͤhnlein der gesundheit wegen die perruque nicht noͤthig/ wuͤrde auch sonsten keine gnugsame ursach seyn/ die darzu noͤthigte/ vielmehr solle die sor- ge/ daß nicht das gemuͤthe allzufruͤhe zur belustigung an der eitelkeit/ und sich gern sehen zu lassen/ dadurch gereitzet/ oder vielmehr die dazu bey allen natuͤr- lich befindliche lust gestaͤrcket werde/ die eltern von dergleichen vorhaben ab- halten: darzu auch nicht wenig dienet/ wo diese offt in der kinder gegenwart uͤber die beschwehrliche dienstbarkeit dergleichen frembdes haar aus noth zu tragen sich beklagen/ damit denselben zeitlich ein eckel dran gemacht werde/ um sie auch dermaleins nicht anders als aus noth zu tragen/ dadurch vielem suͤndlichen wesen auff das kuͤnfftige vorgebeuget werden kan. Dieses ists/ wie ich die gantze sache angesehen/ und solche meine gedancken hiemit auff ver- langen zu eigner der vornehmen person christlicher pruͤfung vorstellen wol- len/ aus denselben alsdenn dasjenige zu wehlen/ oder zu folgen/ wovon sich das gewissen nach gottseliger uͤberlegung und andaͤchtigem gebet uͤberzeuget finden wird. Der himmlische Vater mache uns selbs in allen stuͤcken seines willens gewiß/ und lasse diejenige/ welche denselben zu erkennen begierig sind/ daran nicht fehlen/ er wolle auch seingutes werck (davon die sorgfalt der anfrag uͤber diese materie zeugnuͤß gibet) in der mir unbekanten person fort setzen/ vermehren und vollenden auff den tag JEsu Christi. 1697. SECTIO XXVIII. Von der phrasi, tres creatores. Von ge- sundheit trincken. W As anlanget die Controversiam mit D. Sempronio, ist mir leyd/ daß geliebter bruder mit darein gewickelt worden/ so vielleicht unterblie- ben zu seyn besser gewesen waͤre. Was das erste anlanget: an dici pos- ARTIC. IV. SECTIO XXVIII. possit, esse tres creatores? wuͤste ich nicht/ ob gantz simpliciter mit ja oder nein sich antworten lasse. Jch wolte die phrasin nicht gebrauchen; indessen kan sie doch auch von jemanden in solchem verstand gebraucht werdẽ/ der nichtirrig/ daß es also an dem verstand gelegen ist: werden tres creatores gemeinet/ tres essentiæ creatrices, so ists gewiß falsch: heissen sie aber tres personæ creantes wie tres testes, so wird der Orthodoxiæ nicht zu nahe getreten. Jndessen wie gedacht/ wolte ich nicht so reden/ sondern mich einer phraseos saltem ambiguæ lieber enthalten/ wie auch solches den worten des Symboli Athanasiani ge- maͤsser kommet. Wo aber D. Sempronius sich nicht sonsten verdaͤchtig ge- macht hat/ oder in der Explicatione phraseos weiter gegangen ist/ wolte lie- ber gesehen haben/ daß mit ihme nicht waͤre angebunden worden; wie wir verlangen/ daß jeder auch unsere redens arten am guͤtigsten und nach dem be- sten verstand annehme/ so thun wir billig auch gegen andere/ und was sich commode explici ren laͤsset/ nehmen wir auch also auff. Was die frage: Ob ein Christ ohne verletzt des gewissens koͤnne auff eines gesundheit trincken? betrifft/ leugne nicht/ daß ich auch mir daruͤber kein gewissen ma- che/ ob wol hoffe/ nicht eben in verdacht zu seyn/ daß ich den trunck liebe. Jch habe vor etwa 2. jahren oder druͤber einmal eines sonsten christlichen Juri- sten ausfuͤhrung dieser frage auch in partem negativam gesehen: bekenne a- ber/ daß ich mich dadurch nicht convinci ret finde. 1. Allen uͤberfluͤßigen/ und entweder den leib oder das gemuͤth beschwehrenden trunck halte ich vor suͤndlich und zwahr nicht mit der welt vor ein geringes peccatillum/ sondern vor eine haupt-suͤnde/ welche sowol als einige andere aus der gnade Gottes setzet. Dahero 2. mit gesundheit zu trincken einen zu solchem uͤberfluß noͤ- thigen/ oder bereden/ so denn selbst mit dem bescheid thun uͤberladen/ ist frey- lich suͤnde/ und hat keiner macht/ um der gewohnheit willen/ daß man eine ge- sundheit ohne unhoͤfflichkeit nicht abschlagen doͤrffe/ mehr als sich geziehmet/ zu sich zunehmen. Jch hoffe auch/ daß exempel zeigen koͤnne/ wo ich mei- ne portion, die ich mir gesetzt/ getruncken/ und meinen durst gestillet hatte/ daß nicht nur fuͤrstlicher/ sondern gekroͤhnter haͤupter gesundheiten mit modest er eutschuldigung decliniret habe; bereit wo man in mich setzen haͤtte wollen/ eher alles daruͤber zu leyden. Jch leugne 3. nicht/ daß das gesundheit trin- cken manchmal eine gelegenheit werde zu uͤbrigem trincken; daher es auch an einem bekanten christlichen hof abgestellet worden; moͤchte deßwegen wol leyden/ daß es superiori autoritate verboten wuͤrde/ wie denn die obere nicht nur dinge/ so an sich boͤse sind/ sondern auch andere indifferen te sachen/ so aber leicht gelegenheit zu boͤsem geben/ zu verbieten macht/ ja offt wichtige ursachen haben in welchem fall es mit gutem gewissen nicht mehr geschehen P p p 2 koͤn- Das dritte Capitel. koͤnnte. Jndessen 4. wie es in der schrifft nirgend verboten ist/ so habe auch noch keine einige ursache angefuͤhrt gesehen/ welche das gewissen convincir- te/ daß man solche ceremonie selbst vor unrecht halten muͤste; sondern wie einen guten wunsch zuthun/ zu allen zeiten und bey jeder gelegenheit/ nicht unrecht ist/ so achte auch diese von langem gewaͤhrte gewohnheit/ daß solches bey einem trunck geschehe/ vor unsuͤndlich/ und traute mir keinen daruͤber zu bestraffen/ noch machte mir ein gewissen/ einen mir noch dißmal noͤthi- gen trunck auf eine gesundheit/ ohne andere darbey vorgehende eitel- keit/ zu mir zunehmen? Jch sorgte auch/ wo ich das gegentheil behaupten wolte/ ich nehme mir eine nicht zustehende macht/ etwas zur suͤnde zu ma- chen/ welches Gottes wort nicht darzu macht/ und wuͤrffe dem gewißen ei- nen strick ohne noth an. Nun wie es unverantwortlich ist/ in einem dinge/ wo GOtt etwas verbeut/ sich die macht der dispensation zu nehmen/ nicht nur in groben sachen/ sondern auch in denjenigen/ die die welt vor wohl er- laubet haͤlt/ so halte hingegen auch nicht nuͤtzlich/ die goͤttliche befehl und ge- bote weiter/ als sie GOtt selbst gegeben/ zu extendi ren. Versichere auch/ daß eher anstoß als erbauung daraus entstehet. Jn dem wo einige von uns solche dinge bloß verboten zu werden sehen/ deren suͤndligkeit wir nicht zur gnuͤge/ und mit uͤberzeugung des gewissens erweisen koͤnnen/ sie daraus gele- genheit nehmẽ/ gleiches von allen andern zu uꝛtheilen/ die auch mit mehrerem grund wahrhafftig suͤndlich zu seyn erwiesen werden koͤñen. Dieses waͤre mei- ne meinung in dieser sache/ die ich hoffe/ dem gewißen nicht anstoͤßig zu seyn/ will aber gerne vernehmen/ was dagegen gebracht werden koͤnte. Der HErr HErr mache durch seine gnade unsere hertzen in allen dingen gewiß. Hatte sonst bey dieser gelegenheit freundlich zu bitten/ weil ohne das mein werther bruder vielen ein dorn in den augen ist/ und deroselben hand wider sich sehen muß/ daß er zwahr in der sache GOttes nicht weiche/ welches wir auch nie macht haben/ in dessen gleichwol sich mit aller sorgfalt vorsehe/ in keinen un- noͤthigen zwist zu gerathen. SECTIO XXIX . Was von dem tantzen zu halten seye und obes mit dem Christenthum uͤberein komme? W O man von dem tantzen in abstracto, und gleichsam als in einer idea redet/ so kan man von demselben nicht sagen/ daß es an sich selbs und bloß dahin verboten sey/ indem an sich eine bewegung des leibes/ nach einer gewissen melodie oder numeris nicht vor sundlich geachtet werden kan/ sondern bleibet vor sich eine indifferente sache. So war es nicht suͤnd- lich/ ARTIC . IV. SECTIO XXIX. lich/ wenn 2. Sam. 6/ 14. David mit aller macht vor der lade des HErrn hertantzete: Und Salomo Pred. 3/ 4. gibt dem tantzen seine zeit. Also be- kennet unter den Reformirten/ welche sonsten vor andern einen greuel an dem tantzen allezeit bezeuget. Aretius L. 169. p. 961. per se non esse damnabi- les saltationes jam dixim us, nam Davidem, Mariam, mulieres apud Samue- lem non reprehendimus: Wiederum Perkins. L. 3. cas. consc. Diximus qui- dem saltare per se non esse peccatum. Und Danæus Eth. Christ. L. 2. f. 222. Non omnis saltatio damnata est. Weil wir aber nicht bloß von jeglicher sache/ wie dieselbe etwa in abstra- cto consideri ret werden koͤnte/ sondern wie wir sie in praxi finden/ das ur- theil abfassen muͤssen/ so achte ich/ daß nun in dieser materia es nicht so wol zu thun seye um die theoriam und die ideam einer sache/ die wir in dem gebrauch nicht finden sondern um dasjenige/ was wir antreffen/ und insgemein zu ge- schehen sehen/ auch nicht wol hoffen koͤnnen/ daß sich die leute werden so leicht in den schrancken halten lassen: Wenn denn nun geredet wird von den taͤntzen/ wie sie insgemein zu unserer zeit gebraͤuchlich sind/ so finde ich nicht/ wie sie wol entschuldiget werden koͤnnen/ sondern sehe sie vielmehr an/ als eine sache/ da viel suͤndliches meistens mit unterlauffe. I. Sind sie gemeiniglich gelegenheiten zu allerhand leichtfertigkeit/ und anderer uͤppigkeit: Und laͤsset sich etwa in den gedancken dieselbe einigerley massen von den taͤntzen wol absondern/ in der praxi aber wirds schwehr wer- den/ diese dermassen einzuschrencken/ daß alle solche unfugen vermieden blei- ben; ja es kan nicht geleugner werden/ daß dergleichen sehr offters darbey vorgehe/ woruͤber geklaget wird/ und es also nicht eine zweiffelhafftige sorge ist/ desjenigen/ was etwa geschehen moͤchte/ sondern ein kraͤfftiges argument von dem/ was insgemein geschihet. Einer von den alten Franckfurtischen Evangelischen Predigern M. Melch. Ambach hat 1543. von dem tantzen sein urtheil trucken lassen/ aus dem wir allein einige stuͤcke hieher setzen: Lieber warum tantzet die welt/ jung und alt? des fleisches lust und kuͤ- tzel zu buͤssen/ und zu erfuͤllen/ einer dem andern nach dem fleisch zu dienen/ die augen (wo es ja nicht mehr seyn mag) an andern leuten auffs boͤse zu ersaͤttigen. Wo beweiset man groͤssern pracht mit klei- dern/ unmaͤßigem leichtfertigem geschmuck/ denn eben am tantz? Lieber was ist doch tantzen anders/ denn eine bewegung zur geilheit/ gefallens der laster/ bewegung zur unkeuschheit/ und ein spiel/ das al- len frommen uͤbel anstehet. Wie offt hat ein frommes weib/ (spricht Franc. Petrarcha ) ihr lang behaltene ehr am tantz verlohren? die jung- frau erlernet/ daß ihr besser/ sie haͤtte es nie erfahren. Wie viel gu- P p p 3 ter Das dritte Capitel. ter leumden und scham ist am tantz umkommen? Wie viel gehen vom tantz unzuͤchtiger und wanckelmuͤthiger? keine aber keuscher. Durch tantzen ist scham und keuschheit offtmals bestritten/ gestuͤrmet und ge- stuͤrtzet worden. Und wer kan alles uͤbel/ das augen und ohren bey dem tantz schoͤpffen/ unzuͤchtig gespraͤch und greiffen mit sich bringen/ erzehlen? Leichtfertige hurische gebaͤrden uͤbet man nach suͤssem saͤiten- spiel und unkeuschen liedern. Da begreifft man frauen und jung- fern mit unkeuschen haͤnden; man kuͤsset einander mit hurischem um- fahen: Und die glieder/ welche die natur verborgen/ und scham bede- cket hat/ entbloͤsset offtmals geilheit/ und unter dem maͤntlein einer kurtzweile und spieles wird schand und laster bedecket. Wo beschieht mehr uͤbermuth/ trutzes/ mordens/ verachtung anderer/ erhebung und fuͤrtragung seiner selbs/ denn eben am tantz? Wie kan nun dieses ein guter baum seyn/ der solche schaͤndliche/ aͤrgerliche/ ehrlose und hoͤl- lische fruͤchte/ traͤget. Zeig mir aber einen welt-tantz je beschehen/ der nicht diese fruͤchte zum theil/ oder alle mit sich bringet. So nun nie keine gute frucht aus der welt tantzen entsprossen ist/ sondern allewege boͤses erwaͤchset/ kan ja der baum nicht gut seyn/ und deßhalben auch nicht aus GOTT. Er gehet nachmal noch weiter/ cap. 2. Alle werck/ darinnen man GOttes ordnung/ wort und befehl nicht hat/ sind suͤn- de und boͤß. Tantzen hat nicht GOttes ordnung/ wort noch befehl/ darum ist tantzen boͤß und suͤnde. Es soll ja aller Christen thun und leben aus GOttes ordnung und wort herfliessen/ und also aus glau- ben gehen/ sonsten ists alles suͤnde/ was wir leben und thun. Nun zeige mir einen buchstaben aus GOttes wort/ daß tantzen GOttes ordnung/ wort und befehl habe. Denn die gruͤnde aus der H. schrifft mit den haaren gezogen/ damit tantzen/ daß es nicht suͤnde seye/ ver- meinet wird zu erhalten/ helffen nicht/ werden auch nicht nach dem sinn und meinung des Geistes GOttes/ sondern fleischlich und gar nicht mit wahrer auslegung angezogen und vorgetragen. Biß hie- her M. Ambach/ dessen worte/ so ferne sie auf die praxin des bey uns uͤblichen tantzens gezogen werden/ nicht aber das tantzen abstrahi rt von aller dieser begleitenden und folgenden unordnung gemeinet wird/ wol paßiren moͤgen. II. Stehet das herumlauffen und springen/ (welches/ wo es einer von weitem sihet/ der etwa das spielen nicht hoͤret/ sondern allein das untereinan- der-lauffen und uͤbrige gestus gewahr wird/ nicht wol anders ansehen kan/ als ob ARTIC. IV. SECTIO XXIX. ob die leute nicht bey gutem verstand waͤren) derjenigen ehrbarkeit/ und gra- vi taͤt/ die den Christen insgesamt anstaͤndig ist/ nicht wolan. Daher auch einige unser christlichen Theolog en die taͤntze auf die jugend restringi ren/ hin- gegen alten und erwachsenen leuten vor unanstaͤndig achten. Also schreibet Herr D. Dannhauer Hodom. Calv. ph. 6. p. 1296. Si viri adulti ac matronæ saltando tripudient, perinde absurdum videtur, ac si equis ligneis inter pue- ros inequitent: Habet quævis ætas sua ἤθη καὶ πάθη. Juvenes decet verecun- dia, juvat saltatio honesta: quæ viros senesque dedecent. Wie er derglei- chen auch geprediget und geschrieben Catech. Milch. P. 2. p. 450. Geistlichen personen/ alten leuten/ und die sonsten in autori taͤt und ehren-stand schweben/ stehen solche jugend-freuden eben so wenig wol an/ als wenn sie unter den kindern auf dem stecken herum reiten wolten. Nun wird nicht nur dieses bey unsern taͤntzen nicht observi ret/ als darinnen alte und junge mit einander herum springen/ sondern man solte lieber sagen/ unser Christenthum insgesamt/ solle alle Christen nicht weniger von dem gewoͤhn- lichen tantzen abhalten/ als die ihrem alter vor anstaͤndig geachtete gravi taͤt die etwas aͤltere davon ab solle halten: Und wuͤste ich nicht/ ob diejenige/ wel- che in allen stuͤcken den regeln ihres heiligen beruffs nachleben wollen/ finden werden/ daß ihnen dieselbige mehrere freyheit lassen/ als die absonderliche conditio nen gewisser staͤnde oder alter/ die man vor gnugsam haͤlt/ das tantzen ihnen zu ver wehren. Weil einmal alle Christen/ als derer stand der wuͤrdig- ste ist/ eine gravi taͤt an sich haben sollen/ mit deren solche eitelkeit nicht uͤber- ein kommt. Worbey auch der worte D. Meisneri mich erinnere bey Dedek. Consil. volum. 2. p. 372. Da er bekennet. Diffiteri non possumus, istas cir- cumagitationes pedumque motiones levitatis cujusdam \& non virilis gra- vitatis esse indicium, si suscipiantur à personis provectioris ætatis. III. Wir wissen/ daß uns Christen durchaus oblige/ auf unser thun und lassen/ reden/ gebaͤrden und wercke/ also acht zu geben/ daß wir gedencken/ wir muͤssen vor alles rechenschafft dem strengen richter geben; dahero wir nichts thun sollen/ wir sehen dann/ daß es zu GOttes ehren dienlich/ oder dem nech- sten im geist oder leiblichen nuͤtzlich/ oder uns selbs noͤthig/ oder zu unsrem scheinbaren nutzen vortraͤglich seye. Was nicht einige dergleichen bewegen- de ursachen hat/ mag vor GOttes gericht nicht bestehen. Nun weiß ich nicht/ wie das tantzen unter einige derer rubricquen referi ret werden moͤge/ sondern ist eine bloß vergebliche/ und weder in leiblichem noch geistlichem nuͤtzliche sa- che/ damit alleine einer eitelkeit des sinnes und fleisches wollust nachgehenget wird. Welcherley dinge/ mit der den Christen so ernstlich anbefohlenen selbs-verlengnung nicht uͤbereinkommen. Ja wo nur von der unnuͤtzen zeit- verderbnuͤß solte gedacht werden/ moͤchte auch dieselbe ein nicht geringes mo- men- Das dritte Capitel. mentum zu der verwerffung der sache geben; indem ja der HErr von jeglicher zeit und stunde rechenschafft fordern wird/ wie wir sie entweder in dem geistli- chen/ zu seinem dienst/ des nechsten oder unserer eigenen erbauung/ oder in dem leiblichen/ abermal zu des nechsten huͤlff und dienst/ oder unserer nothdurfft/ leibes gesundheit und dero noͤthiger pflege angewendet haben. Jch weiß zwahr/ daß in diesem examine nicht nur allein das tantzen zimlich noth leidet/ sondern auch manche andere in der welt vor erlaubet geachtete ergetzlichkeiten nicht wol bestehen koͤnnen: Jndessen bin ich versichert/ die regel sey gewiß. So reden wir auch nicht von dem alamode- Christenthum/ indem sich die regeln Christi/ nunmehro nach unserm wolgefallen/ und der welt gebraͤuchen/ beugen lassen sollen/ sondern was ein Christ/ der wahrhafftig seinem GOTT sein leben heiligen will/ in seinem gewissen werde verantworten koͤnnen oder nicht: Worzu ferner kommt/ weil auffs wenigste die meisten taͤntze/ wie sie insge- mein getrieben werden/ viel uͤppiges und straͤffliches an sich haben/ und ein grosser theil sind der uͤppigen freude der welt/ daß rechtschaffenen Christen anstehen wolle/ sich auch der welt nicht gleich zu stellen/ in demjenigen/ worinn sie so sehr excedi ret/ und obs wol auf einige art restringi ret werden koͤnte (so doch schwehr gnug fallen moͤchte/ daß nicht eben andere suͤnden das tantzen selbs/ so freylich sonsten an sich ein mittel-ding ist/ begleiteten/ oder aus dem- selben entspruͤngen) sie/ die welt/ von diesem exempel sich in ihrem uͤbrigen welt-wesen sehr besteiffet. Wir sehen sonst/ wie etwa dinge/ welche mittel-din- ge gewesen/ und auch noch ihren zimlichen nutzen gehabt haben/ wo sie haben angefangen sehr mißbrauchet zu werden/ sind gar abgestellet worden/ da man entweder gesorget/ man werde es nicht zu dem rechten gebrauch bringen/ oder doch dem mißbrauch nicht so kraͤfftig widerstehen/ wenn derselbe noch immer einige exempel vor sich anziehen koͤnne. Wie viel mehr haben wir solche dinge/ die gar nichts von sonderbahrem nutzen haben/ hingegen gar leicht zu aller- hand uͤbel gelegenheit geben/ in solchem stande auch um der ursach willen zu unterlassen/ damit wir uns denenjenigen nicht gleich stellen/ die eine solche sache durch den mißbrauch gleichsam ihnen zu eigen gemacht haben/ und sich darnach in ihrer uͤppigkeit bestaͤrcken/ wenn sie die sache selbs bey denjenigen noch sehen/ die den nahmen guter Christen tragen/ damit sich nachmalen auch das ihrige als mit einem deckmantel zu zimlichem schein muß behaupten lassen/ dadurch aber andere schwache gar leicht zur nachahmung jener uͤppig- keit verfuͤhret werden/ so doch allerdings zu verhuͤten ist. IV. Daher wir sehen/ daß von anfang der christlichen kirchen zu allen zei- ten diejenige/ welche uͤber ein gottseliges leben geeiffert/ auch von dem tantzen schlecht gehalten haben. Jn dem so alten und in dem dritten Seculo gehalte- nen Concilio zu Laodicea lautet der 53. canon. ὅτι οὐ δεῖ χριστιανοὺς εἰς γάμους ἐπερχο- ARTIC. IV. SECTIO XXIX. ἐπερχομένους βαλλίζειν ἢ ὀρχεῖσθαι, ἀλλὰ σεμνῶς δειπνεῖν ἢ ἀριστᾶν, ὡς πρέπει χριστιανοῖς Welches von Isidoro Mercatore also gegeben wird: non opor- tet Christianos ad nuptias euntes vel ballare vel saltare sed caste cœnare. vel prandere, sicuti competit Christianis. Welche fast gantz gleiche worte aus dem Concilio Ilerdensi angezogen werden; finden sich aber in den heuti- gen Canonibus nicht mehr also. Wie hart die Patres gegen das tantzen schrei- ben/ liget vor dem tag/ und sind die worte Arnolii, Ambrosii, Augustini, Chry- sostomi hin und wieder zu lesen. Wolte man aber sagen/ sie redeten von dem mißbrauch/ oder dem damal uͤblichen heydnischen tantzen/ so sind gleichwol ih- re reden dermassen abgefasset/ daß sie keines bessern gebrauchs darbey geden- cken; und moͤgen wir also wol sagen/ wie wir jetzo von den taͤntzen reden/ nicht wie sie etwa seyn koͤnten/ sondern wie sie in praxi seyn/ also haben solche liebe leute gegen solche greuel geeiffert/ und daher die gantze sache den leuten ver- leiden wollen/ von dero so schwehrlich ein rechter gebrauch zu finden ist. Denn daß sie allein von demjenigen tantzen/ da etwas der heydnischen abgoͤtterey dabey gewesen (wie auch solche unter den Heyden sich gefunden haben) gere- det solten haben/ wird sich mit nichts erweisen lassen/ sondern wider die un- eingeschrenckte generali taͤt ihrer worte streiten. So war zu den zeiten Am- brosii, Augustini, und Chrysostomi der zustand schon also/ daß die eusserliche macht des Christenthums die eusserliche abgoͤttereyen abgeschaffet/ und nicht so wol von denselbigen als andern aͤrgernuͤssen/ die sonsten freylich auch aus dem Heydenthum hergekommen sind/ in ihren klagen und straffen muß ge- redet seyn. Nach solcher zeit auch unter den Christen haben sich allezeit leu- te gefunden/ die gegen diese eitelkeit geeiffert. Was das verbot an die Geist- liche anlanget/ so finden sich davon unterschiedliche constitutiones. Aber auch haben mehrmal andere christliche maͤnner insgesamt diejenige/ welche GOTT recht dienen wolten/ von dem tantzen abgemahnet. Ludov. Vives, ein mann/ der zu seiner zeit ein zimlich liecht vor andern gehabt/ haͤlt sehr nuͤtz- lich libr. de instit. fœmin. Christ. Ut virgo ad saltationes non assuefiat. Unter den unsrigen schreibet Joh. Brent, in cap. 3. Luc. hom. 30. f. 215. Ubi citius dediscitur atque amittitur verecundia, quam in publicis saltationibus \& inverecundis choreis? quare honestæ puellæ interest, ut inverecundas ac promiscuas illas chorearum saltationes non aliter quam scholam invere- cundiæ \& impudicitiæ fugiat; und wiederum: Cui enim arrident indeco- ræ, fractæ ac molles chorearum saltationes, mirum sinon ei arrideat ipsa mollities \& turpitudo: Wiederum: Quantum igitur peccant saltatrices suis mollibus gestibus, tantum peccant spectatores approbando \& concupi- scendo. Und obwol unsere mehrere Theologi, wo sie von der frage handeln gegen Reformirte/ diejenige thesin behaupten/ daß das tantzen nicht an und Q q q vor Das dritte Capitel. vor sich selbs suͤnde seye/ so setzen sie doch dergleichen limitationes darzu/ die es genau einschrencken/ und wo es sich nicht also einschrencken lassen wolle (wie wir dergleichen von der heut zu tage gantz ausgelassenen boßheit der jungen leute nicht wol hoffen koͤnnen) verlangen sie lieber dessen abstellung. Der S. D. Dannhauer Catech. Milch. P. 2. f. 449. saget also: Wir wollen deß- wegen gewisse conditiones, maaß und weise voꝛgeschrieben haben/ und im fall dieselbe nicht erscheinen/ oder nicht zu erhalten waͤren/ wolten wir auch lieber/ das tantzen bliebe gantz unterwegen: Darinnen er auch dem alten rechtschaffenen Theologo Sarcerio zu folgen gestehet P. 3. vom hei- ligen ehestand p. 113. So zeigen sie auch fast insgemein/ daß es ihnen nicht so wol darum hoch zu thun sey/ daß die praxis viel geuͤbet werde/ die so leicht boͤ- ses nach sich zihet/ als daß die christliche freyheit nicht mit dem allgemeinen satz/ ob waͤre alles tantzen an sich selbs suͤnde und verboten/ geschwaͤchet werde. Stellet man aber das tantzen wie andere mittel-dinge/ die man nicht nuͤtzlich/ sondern so bewandt findet/ daß man leicht darinnen anstoͤsset/ aus solchen ur- sachen ab/ so moͤgen sie es wol geschehen lassen/ und werden es etwa lieber ra- then. Also schreibet der Daͤnische beruͤhmte Bischoff D. Brochmann. System. T. 2. art. 18. p. 62. nachdem er zwo assertiones erstlich gesetzet hatte. 1. Quæ- vis choreæ improbari non possunt. 2. Choreas hodiernas nihil habere commune cum priscis sanctorum choreis notius est, quam ut probatione sit opus: So schliesset er mit dieser tertia thesi: quanquam res indifferens sit saltatio, ut quæ natura sua nec bona nec mala sit: quanquam etiam cujus- que loci conditioni plusculum dandum sit: quanquam denique omnes choreæ non sint æque periculosæ, sed quædam sua simplicitate se commen- dent, ut nostratium: tamen quia choreæ, in quibus viri fœminis mixti salti- tant, non faciunt quicquam ad salutarem ædificationem, tutius omittuntur quam fervidius exercentur: tum quia hujusmodi choreæ à gentibus ortum duxere: tum quia rarius nisi à potis \& bene pastis aguntur, tum denique ab ejusmodi choreis non parum absterrere nos debet monitio prophetæ Esaiæ, ita nos alloquentis cap. 5, 11. 12. addatur Amos 6, 5. 6. So ist ohne das die- ses eine allgemeine/ und wie in der schrifft uns vorgestabte/ also von allen Theologis erkante regel/ daß in allen dingen nicht nur absolute, ob etwas in sich eꝛlaubet sey/ gesehen werden solle/ sondern was voꝛ nutzen oder schaden da- von zu erwarten seye. 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles/ ich habe es alles macht/ aber es bessert nicht alles. V. Es koͤmmt auch heut zu tage billich in consideration die bewandnuͤß unserer zeit/ und zeiget/ wo auch sonsten das tantzen zu anderer zeit wol paßi- ret ARTIC. IV. SECTIO XXIX. ret moͤchte werden/ so gewinne es nun ein ander ansehen. Der bereits etliche mal angezogene Straßburgische Theologus D. Dannhauer Catech. Milch. l. c. schreibet deutlich also: Sonderlich sind verboten insgemein alle taͤn- tze/ wann offentliche land-straffen/ krieg/ pestilentz/ und hungers-noth graßiren: wenn dem braͤutigam aus seiner kammer/ der braut aus ih- rem gemach zugehengeboten ist/ wenn die christliche kirche ihren Char- freytag haͤlt/ und das haupt Johannis des Taͤuffers im blut schwim̃et. Wenn Ninive den buß-sack anzihen/ und fasten begehen/ wenn man um den schaden Josephs sich bekuͤmmern solle/ und demnach ists ein- mal unrecht/ wenn zu gegenwaͤrtigen zeiten/ da Teutschland und die Christenheit im blut badet/ taͤntz angestellet/ und erlaubet werden. Was sonst ein mittel-ding ist/ das wird von dem umstand der zeit in suͤnd und unrecht verwandelt. Tantzen hat seine zeit/ sagt Salomon. Daraus folget/ daß das tantzen nicht allezeit erlaubet seye. Darauf er sich auf die schreckliche trau-wort bey dem Amos 6/ 3. bezeucht. Derglei- chen lehrt auch der gleichfals beruͤhmte Ulmische Doctor Dietrich uͤber Eccl. 3. p. 428. Da er sonsten das tantzen vertheidiget und erlaubet: Aber wenn es nicht zu klag-zeiten geschihet/ zu solcher zeit/ wenn etwa gemeine stadt- und land-betruͤbnuͤß vorgehe/ oder der eine oder der andere sein hauß-leid oder klage hat in seinem hauß oder in seinem geschlecht/ unter seinen nechsten bluts- freunden oder verwandten. Denn da soll der braͤutigam aus seiner kammer gehen/ und die braut aus ihrem gemach Joel 2/ 16. Denn weil ohne das der tantz eine anzeigung ist/ nicht allein der froͤlichkeit/ sondern auch dieselbige erwecket/ so ist es ja eine grosse schande/ und ein unchristlich wesen/ daß einer alsdann/ wenn er klagen/ leide tragen und trauren soll/ tantzen und froͤlich seyn wolle. Denn das klagen und weinen hat seine zeit/ und mit den weinenden soll man weinen/ mit den traurigen soll man traurig seyn Rom. 12/ 15. Andere fuͤhren wir nicht weiter an. Wo wir aber die ge- genwaͤrtige zeit ansehen/ so bedarff es kaum halbes auffthun der augen/ zu er- kennen/ daß wir wahrhafftig in einer schwehren trauer-zeit stehen. Sehen wir das geistliche an/ so hat nicht nur allein (die innere bewandnuͤß unsers kirchen-wesens betreffend) der feind in dem heiligthum so gar alles verderbet/ daß der mißbrauch und aͤrgernuͤß dermassen uͤberhand genommen/ daß uns kaum etwas anders zum ruhm uͤberbleibet/ als die einige reinigkeit der lehre/ und wir/ ob wir schon die goͤttliche gerichte noch nicht vor augen sehen/ uns versichern koͤnnen/ es muͤssen dieselbe bald ausbrechen/ und sein heiligthum (ach daß es nicht mit einer schwehren verstoͤhrung geschehe!) reinigen. Da- Q q q 2 her Das dritte Capitel. her welche mit erleuchteten augen die sache ansehen/ zur traurigkeit/ jammer und klag ursach gnug antreffen. Sondern auch das in die augen eusserlich fallende belangend/ so stehen die gerichte GOttes vor der thuͤr/ und schweben uns uͤber den haͤuptern. Wie unsere glaubens-bruͤder in Ungarn biß daher tractiret worden/ und wie lange nunmehro viele derselben ihrer Prediger und exercitii religionis entrathen muͤssen/ wissen wir alle. Jn Schlesien sehen sie ein nicht viel geringer wetter allgemach herbey nahen. Was den Refor- mirten in Franckreich begegnet/ ist ein spiegel dessen/ was uns vorstehet/ die wir obwol in andern stuͤcken von denselben unterschieden/ zu Rom dennoch in gleicher verdammnuͤß sind: Zu dem die lieben leute die meiste nicht wegen der articul/ darinnen sie irren/ sondern wegen der noch mit uns bekennender wahrheit/ leiden muͤssen. Und insgesamt sehen wir/ daß der trotz und die gewalt des Roͤmischen Babels also zunimmt/ daß wir nicht wol anders dencken koͤnnen/ als GOtt habe demselben die macht gegeben/ seinen letzten grimm gegen uns auszuuͤben/ und das verdorbene Jerusalem zu verstoͤhren/ ehe sein gericht folge/ und ihm selbs auff den halß falle. Jn dem weltlichen sehen wir ja auch das groͤsseste elend theils auff uns ligen/ theils noch bevorstehen; zu geschwei- gen der leidigen seuche die anderwertlich unsere glaubens-bruͤder jetzo so heff- tig trucket/ und wir nicht wissen/ wie weit die von GOtt bestimmete reige sich noch erstrecken werde/ sondern uns alle auff solche auch gefaßt machen muͤssen. Nun in solchem stand will sich gar nicht ziemen/ dergleichen offentli- chen freuden-bezeugungen nachzuhengen/ sondern viel mehr im sack und in der aschen busse zu thun/ und uns zu bereiten zu dem bevorstehenden. Aus allem obbesagten achte ich von selbs zu fliessen/ weil das tantzen auffs wenigste (wie niemand sich auch nur zu sagen unterstehen wird) von GOtt nicht geboten ist/ nechst dem keinen nutzen in dem geistlichen hat/ der vorgebende nutze in dem weltlichen auch ja gering oder gaꝛ wol nichts ist: der schade/ der daraus entstehen kan/ und gemeiniglich entstehet/ wichtig ist/ und viel aͤrgernuͤß nach sich ziehet: wo einigerley massen solches solte erlaubet seyn/ so viele restrictionen dabey seyn solten/ die kaum erhalten werden koͤn- nen/ und bey denen die taͤntzer selbs der so eingeschrenckten lust kaum mehr begehren werden: die zeiten auch uns zur traur nicht aber zur freude an- weisen: I. Daß denn/ was christliche hertzen sind/ die verstehen/ warum sie in der welt leben/ daher nichts begehren zu thun/ als wodurch die ehre GOttes und des nechsten bestes/ so dann ihr eigen heil/ befordert werden mag/ und da- von sie dermaleinst rechenschafft geben muͤssen/ hingegen gedencken/ daß ihnen alles suͤnde seye/ was nicht aus dem glauben und also aus der versicherung ihres ARTIC . IV. SECTIO XXIX. ihres gewissens/ daß es GOtt gefalle/ herkommet/ sich auch mehr und mehr gewehnen/ die liebe dieser welt/ darunter 1. Joh. 2/ 16. augen-lust/ fleisches- lust und hoffaͤrtiges leben (welcherley sich in dem tantzen insgemein zeiget) gehoͤret/ samt allem deme/ worinnen solche vornemlich geuͤbet/ und der boͤse natuͤrliche zunder leicht angesteckt und geheget wird/ abzulegen und sich zu verwahren/ so denn in allen stuͤcken nicht nur anzusehen/ ob etwas bloß dahin erlaubet/ sondern auch ob es ihnen selbs und andern nuͤtze und besser: daß sa- ge ich/ alle solche/ wo sie die sache recht erwegen/ so sie allezeit thun sollen/ von selsten an dieser in der welt gebraͤuchlichen eitelkeit einen eckel fassen/ und aus eigenem trieb davon abstehen werden. Welches bey uns Predigern so viel noͤthiger ist/ als uns geziemet/ andern mit guten exempeln vorzugehen/ auch unser exempel in gutem und boͤsem viel nachtruck hat; daher ich dafuͤr halte/ ein Prediger thue seinem amt und unserem gantzen Ordini einen schimpff an/ welcher sich jemal dieser welt-eitelkeit theilhafftig macht/ wie schon oben ge- hoͤret/ daß so gar bey allen denenjenigen/ von welchen einige gravi taͤt erfor- dert wird/ das tantzen durch und durch vor unanstaͤndig anzusehen seye. Da- her auch bey wolbestellten Ministeriis man meister orten nichts dergleichen hoͤren wird/ nur gleichsam tenti ret zu werden: So vielmehr/ weil uns noch vor andern geziemen will/ von allem boͤsen schein zuruͤcke zu bleiben. II. Daß auch christliche Obrigkeiten/ welche wissen/ daß ihnen oblige/ nach vermoͤgen den suͤnden und dero gelegenheit zu steuren/ wollen sie nicht ein stuͤck der verantwortung derselben ihnen selbs auffladen/ ursach gnug ha- ben/ ihren unterthanen/ sonderlich in dieser betruͤbten zeit/ dieses zu verbie- ten. Damit also diejenige/ welche aus eigenem trieb des gewissens sich des- sen gern enthalten/ aber nicht starck gnug sind/ die deswegen ihnen zustossen- de anfechtungen/ widerrede und schimpff zu uͤberwinden/ in sicherheit gese- tzet werden/ daß sie nicht etwa aus schwachheit sich nachmal wider ihr gewis- sen lassen verfuͤhren: Ferner daß andere gute gemuͤther/ die es noch nicht al- so begreiffen/ wie viel unzimliches in dem tantz vorgehe/ und in unwissenheit sich offt mit versuͤndigen/ durch das obrigkeitliche gebot abgehalten werden: endlich daß auch das freche und boͤse volck/ die doch nichts besser werden wer- den/ auffs wenigste nicht nur von dem tantzen selbs/ sondern fuͤrnemlich de- nen uͤbrigen uͤppigkeiten/ die an sich selbs suͤnde sind/ und die bey ihnen un- ausbleiblich daraus folgen/ und von dem aͤrgernuͤß/ welches sie andern ge- ben/ mit gewalt und straffe abgehalten werden/ wie dergleichen auch insge- mein practici ret zu werden pflegt: Sihe Bened. Carpzov. Jurispr. Consist. L. 2. Defin. 159. und 262. Jch schliesse billig mit demjenigen/ womit der liebe Gerhardus seine Tractation beschleust/ nemlich mit den worten des alten va- ters Ambrosii, welcher/ damit wir uns nicht beschwehren moͤgen/ daß uns Q q q 3 mit Das dritte Capitel. mit dem tantze alle froͤligkeit benommen werde/ uns auff ein geistlich tantzen verweiset L. 6. in Luc. c. 7. Docuit nos scriptura saltare sapienter, dicente Domino ad Ezech. cap. 21. Plaude manu \& percute pede. Neque enim histrio- nicos fluxu corporis motus Deus morum censor exigeret, aut indecoros strepitus viris plaususque fœmineos imperaret, ut tantum prophetam de- duceret ad ludibria scenicorum, \& mollia fœminarum. Non congruunt, resurrectionis revelata mysteria \& opprobria saltationis exacta. Est ho- nesta quædam saltatio, qua tripudiat animus \& bonis corpus operibus re- velatur, quando in salicibus organa nostra suspendimus. Jubetur ergo propheta plaudere manu \& percutere pede, jubetur psallere, quia sponsi nuptias jam videbat, in quibus desponsatur ecclesia, Christus adamatur. Et bonæ nuptiæ, quando verbo anima spiritui caro nubit. \&c. Quemadmo- dum ab ebrietate corporali ad spiritualem nos revocat Eph. 5, 18. ita a sal- tatione illa corporali ad spiritualem exultationem â virgine Deipara. Luc. 1, 17. nos revocari statuamus. So dann mit den worten unsers alten M. Melch. Ambachii gewesenen Predigers hie in Franckfurt am Mayn vom tantzen c. 3. welche/ weil das tractaͤtlein rar ist/ gerne hieher abschreibe: Nun wolan/ wolte GOtt die feinde Christi und seines volcks bekehr- ten sich zu CHristo/ oder ersoͤffen mit denen Egyptiern im rothen meer/ wir wolten alle mit Miriam paucken/ pfeiffen/ springen und tantzen: aber nicht bloß und schlecht mit einander/ sondern Miriam mit den Frauen und Jungfrauen etc. O daß GOtt den kasten sei- nes heiligen worts/ welche die Philister und Antichristische hauffe lange zeit gefangen halten/ und neben ihren Dagon stellen/ seinem armen volck wieder zugestellet/ und gen Jerusalem unter seine gan- tze christliche gemeine kommen liesse. O wie wolten wir mit David huͤpffen/ springen und tantzen/ paucken/ pfeiffen und allerley sei- ten-spiel herfuͤr suchen/ GOttes guͤte und barmhertzigkeit mit geist/ leib und seele groß zu machen? Wie sollen wir aber in solchem zwang und elend jetzt vorhanden/ unser fleisch am tantz umher fuͤhren und seinen kuͤtzel buͤssen/ das uns ohne das in alle wege von GOTT und seinem worte auff sich selbs und zu allem boͤsen abfuͤhret? Wie kan ein Christ tantzen/ so ihn taͤglich die welt von Christo abschrecket/ der teuffel wie ein bruͤllender loͤwe mit aller macht und boßheit ohne unterlaß anlaufft/ stuͤrmet und stuͤrtzt? Wie moͤcht ein Christ/ die- weil er noch in der feinde haͤnde ist/ tantzen? Miriam tantzet nicht/ alldie- ARTIC. IV. SECTIO XXIX. alldieweil Jsrael noch in Egypten war/ sondern da ihre feinde im rothen Meer ersoffen waren. David auch nicht/ alldieweil die la- de GOttes unter den feinden und nicht an ihrem gebraͤuchlichen or- te war. Auch hat David nicht eine schoͤne Venus (wie die welt-taͤn- tzer) an der hand gefuͤhret; so hat auch kein Adonis oder Cupido Mi- riam vorgetantzet; Wie solte ein Christ tantzen/ dieweil Pharao und Egyptus/ die feinde des Evangelii Christi/ das volck GOttes je laͤnger und haͤrter betraͤngen und aͤngstigen? Ja daß die Ebreer/ das ist/ die Christen/ den Propheten GOttes nicht glauben noch folgen/ und daß die/ so jetzt aus Egypten gefuͤhret/ wieder zuruͤck nach den Egyptischen fleisch-haͤfen sehen. Darzu die jetzt des verheissenen landes guͤter geschmeckt/ und an den graͤntzenhinein zu kommen wohneten/ mit den abgoͤttischen Moabitern und mit der huͤpschen huren Casbi eingehen/ heyrath machen und huren. Ja jetzt ist die zeit zu klagen und weinen/ nicht zu tantzen. Wenn aber GOTT wird wiederbringen/ daß er sein volck aus gefaͤngnuͤß (des antichri- stischen reichs) fuͤhret. Denn sich Jsrael erfreuen wird/ und Jacob sich erspringen. Denn wird das volck GOttes froͤlich paucken/ und heraus gehen/ an der reigen/ denn wird sich der braͤutigam Christus freuen mit seiner gesponß der christlichen gemeine: Die aber diesen spruch Esaiaͤ Cap. 62. auff das welt-tantzen ziehen/ solten vor geler- net haben/ daß der Prophet Jesaias vom 40. cap. biß ans ende/ dar- zu auch Jeremias von CHristo/ seiner gemein und reich (welches nicht von dieser welt/ sondern frommkeit/ fried/ freud in dem Heil. Geist/ nicht im fleisch ist) weissagende. Man wolte denn der Juͤden und Chiliasten fleischlich und falsche Opinion annehmen. Denn die- se spruͤche der Propheten/ also auff das fleischlich/ unzuͤchtig/ leicht- fertig und epicurisch tantzen anziehen/ reimet sich gar nichts/ ob sie schon auch von dieser zeit freude (welche GOtt seinen kindern auch etwa gibet) geredet haͤtten/ wuͤrden sie dennoch der jetzigen welt-uͤp- pigs/ sardanapalisch tantzen in keinen weg billigen? Wie moͤcht der Geist aller Heiligkeit des fleisches geilheit und kuͤtzel/ das er toͤd- tet und ihm gehorsam macht/ billigen? Nun der HErr gebe uns in al- lem seinen willen und die heiligkeit unsers beruffs also einzusehen/ daß wir darinn nach seines Geistes trieb wandeln/ und in die freude unsers HErrn zu seiner zeit eingehen. Amen. 1680. SECTIO Das dritte Capitel. SECTIO XXX. Von tantzen und der darzu brauchenden music. G Leich wie derselbige sich noch wohl zueriñern weiß/ als wegen des NN. Vice- Capellmeisters mit mir geredet wurde/ daß ich demselben seine uͤber das tantzen und den gebrauch der music dabeyauffgestiegene scru- pel, welche ich vor gute regungen des Heil. Geistes erkenne/ ihm nicht be- nehmen koͤnte/ sondern ihn vielmehr darinnen bestaͤrcken muͤste/ also ist mir lieb gewesen/ daß mein hochgeehrter Herr kuͤrtzlich mir mit vorzeigung des christlichen mannes eigener brieffe/ seine gedancken und meynung deutli- cher zu erkennen geben wollen/ wie ich denn nicht in abrede bin/ aus denselben eine hertzliche freude uͤber die gottseelige resolution, und eine liebe gegen dessen wehrte person/ gefasset zu haben. So kan auch numehr so viel gruͤnd- licher auff alles antworten/ welches ich dann in der furchtdes HErrn in das folgende zusammen fasse 1. Wo ein scrupul des tantzens wegen in ein ge- muͤth kommet/ so ist ein solcher mensch bald gewissens halber verbunden/ sich dessen zu enthalten/ ob auch schon das tantzen an sich nicht suͤnde waͤre. Dann dieses ist die krafft des gewißens/ wann es auch schon irret/ daß ein jeder/ wer dagegen thut/ sich damit versuͤndiget/ dann er thuts mit zweiffel/ Rom. 14/ 23. und weil er thut/ was er GOTT zu wider zu seyn glaubet/ so ist schon bereits dieses suͤnde/ wider Gottes willen thun wollen. 2. Jn dessen sehe ich diesen scrupul nicht an/ als eine schwachheit eines irrenden ge- wissens/ sondern der eckel/ welchen der ehrliche mann an dem tantzen hat/ ist gegruͤndet auff den allgemeinen regeln des rechtschaffenen Christenthums/ deren nothwendige folgen/ unter welche diese auch gehoͤret/ leyder viel weni- ger menschen/ die sich doch mit dem munde zu jenen bekennen/ recht einsehen oder denselben folgen/ daher ich GOtt hertzlich dancke/ wo er einige tieffer in solche materie eintringen laͤßet/ und ihre hertzen zu allem haß der welt-liebe ruͤhret. Doch bin ich nicht in abrede/ daß ich zu der zeit dieser verderbnuͤß nicht eben allen diesen scrupel mache/ bey denen er sich nicht selbs findet/ son- dern vielmehr auf diejenige principia und grund-lehren der verleugnung sein selbs/ der ablegung der weltliebe/ der absagung aller eitelkeit/ der nach- folge CHristi/ und dergleichen/ treibe/ welche in der krafft schon dasjenige in sich fassen/ das uns das tantzen verbietet/ und wo jene recht ins hertze trin- gen/ dieses von selbs fallen muß. Die ursach ist diese/ einestheils weil die unterlassung des tantzens/ wo sonsten das hertz mit liebe der welt und dero eitelen wesens annoch erfuͤllet bleibet/ wenig zum wahren Christenthum/ o- der GOtt zugefallen/ thun moͤchte. Wie also ein medicus bey einem gantz ver- ARTIC . IV . SECTIO XXX . verdorbnen leib nicht gern die eußerliche schaͤden/ graͤtze oder dergleichen/ an- greifft/ sondern nur gnug hat/ daß dieselbe nicht eben allzugefaͤhrlich uͤber- hand nehmen/ und allzu arg werden/ indessen seine hauptsorge darauff ge- het/ innerlich den leib zu reinigen von allen verdorbnen und ungesunden feuchtigkeiten/ als versichert/ wann dieses geschehen/ daß jene eußerliche un- reinigkeit an der haut/ geschwaͤhre und dergleichen selbs wegfallen und von innen geheilet werden werden; so achte ich auch das rathsamste und beste zu seyn/ daß wir die liebe der welt und dero gepraͤngs aus dem hertzen innerlich ausfegen/ hingegen eine heilige liebe GOttes und der geistlichen guͤter in dieselbe pflantzen/ als den anfang davon machen/ den leuten allein etliche eu- serliche ausbruͤche der weltliebe mit zwang zuverbiethen/ welche von sich selbst fallen werden/ wann es innen erstlich recht stehet: andern theils weil ich die wenigste noch in diesem stande finde/ auff einer seyt des tantzens unrecht/ weil es eben in der schrifft nicht austruͤcklich verboten stehet/ zu erkennen/ an- dern theils/ wo sie es erkenneten/ mit der rechtschaffenen resolution durchzu- brechen/ und der welt schmach daruͤber nicht zu achten: Bey welchen also mit mehrerer verbietung des tantzens dannoch nichts anders ausgerichtet wuͤr- de/ als daß sie kuͤnfftig nur desto schwehrer sich versuͤndigten/ da sie/ was sie jetzt in mehrer unwissenheit und also mit weniger suͤnde thun/ nachmal we- gen staͤrckeren widerspruchs des gewissens mit mehrer schuld thun wuͤrden. Daher mache ich solchen leuten von freyem keine unruhe ins gewissen/ son- dern fahre staͤts fort/ offentlich und absonderlich bey begebender gelegenheit dasjenige zu treiben/ was die allgemeine pflichten unsers Christenthums seyen/ und wie eine seele/ so wiedergebohren ist/ und GOtt gefallen solle/ ge- sinnet seyn muͤße: welche pflichten alle/ wie sie dem buchstaben nach in der schrifft stehen/ von niemand widersprochen werden koͤnnen: hingegen wo sie nicht ins hertz kommen/ obgedachter massen eine eußerliche enthaltung ge- wisser dinge wenig nutzte/ daher mit diesen/ biß jenes folge/ gedult getragen werden muß/ wo sie aber die seele lebendig ruͤhren/ so bald einen solchen eckel dergleichen einer uͤbung der eitelkeit wuͤrcken werden/ daß es nicht weniger gewalt gebrauchte/ sie zum taͤntzen zubringen/ als man vorhin noͤthig ge- habt haͤtte/ sie davon abzuhalten. Doch unterlasse ich nicht/ mehrmal un- ser heutiges tantzen auch in offentlichen predigten unter die dinge/ die zu der weltliebe gehoͤren/ zu referir en/ denen die acht geben/ zu mehrerem nachden- cken anleitung zu geben. Wo mich aber jemand fragt/ erfordert Christen- thum und amt/ meine meynung offenhertzig zu sagen/ und es eines solchen gewißen ferner zu uͤberlassen. Also nicht weniger/ wo mich jemand der sei- nigen wegen rath fraget/ rathe ich nach meinem gewißen/ und schmeichele kei- R r r nem. Das dritte Capitel. nem. So viel mehr aber kommet mir dann zu/ daß ich diejenige seelen/ die der HErr selbs geruͤhret/ nicht sicher machen solle/ sondern vielmehr zeigen/ wie recht sie daran sind/ solcher weltfoͤrmigkeit sich abzuthun/ und sie also in den vermeinten scrupuln staͤrcken: wie ich mich hingegen eines schwehren ge- richts Gottes schuldig achtete/ wo ich ein kind GOttes/ so des Vaters Geist einiger bande der eitelkeit zu befreyen angefangen hat/ auffs neue wiederum mit denselben zu bestricken helffen wolte. 3. Die frage selbs anlangend/ so formiret sie NN. also/ was zu halten seye von dem heutigen ordinari tan- tzen/ da ein mannsbild mit einer weibs-person auff hochzeiten oder sonst nach dem schall und klang der instrumenten oder geschrey/ so toll und daͤmisch herum springt/ oder da man mit poßirlichen verkleidun- gen und seltzamen geberden in balletten sich so zieret/ und den leib ver- stellet/ und dabey die edle music/ so zu GOttes ehre gewidmet/ miß- brauchet. Woraus also zu sehen/ daß nicht von dem tantzen in abstracto, und wie man sich eine gewisse ideam davon formi ren koͤnte/ sondern von dem- selben/ wie es in der gemeinen praxi uͤblich/ und wo es fast am besten herge- het/ nicht leicht ohne dergleichen dinge bleibet/ welche auch diejenige vor miß- braͤuche achten/ die es sonsten in seinem allgemeinen concept vor erlaubet halten/ gehandelt werde. Nun auff diese frage getraue ich mit getrostem her- tzen zu sprechen/ daß solches tantzen eine weltliche eitelkeit/ suͤndlich und da- her rechtschaffenen kindern GOtt es unanstaͤndig seye. Weil ich aber vor meh- rern jahren ungefehr anno 1680 oder 1681. diese materie in einem responso ge- handlet/ so habe ich lieber dasselbe von wort zu wort mitschicken/ als ein neu- es machen wollen/ zum zeugnuͤß daß ich solche sache sobedaͤchtig uͤbeꝛleget/ daß im geringsten nicht ursach finde davon zu weichen: meyne auch es seye dieser mein ausspruch mit solchen gruͤnden des Christenthums befestiget/ daß einer seele/ dero es ein ernst ist/ ihres GOttes willen recht zu erkennen/ genug dar- innen geschehe/ desselben uͤberzeuget zu werden/ ob wol welt-hertzen niemal und mit nichts genug geschehen kan/ denen es allein darum zu thun ist/ nicht mit gehorsam den willen des Vaters zu lernen/ sondern seine luͤste/ von denen man niemal zu lassen sich fest vorgesetzt/ mit allerhand vorwand zu bemaͤnteln und zu vertheidigen. 4. Jch bin zwahr nicht in abrede/ daß auch christliche lehrer unsrer kirchen von solcher frage zuweilen anders geredet haben/ so we- nig aber meine meinung jemand auffzutringen verlange/ oder begehre/ daß sie weiter angenommen werde/ als sich das gewissen durch die krafft der gruͤn- de goͤttlichen worts uͤberzeuget finde/ so wenig werden auch andere christliche lehrer (indem es wider die art unserer religion/ die nicht auf menschen autori- taͤt ARTIC . IV. SECTIO XXX. taͤt bestehet/ streiten wuͤrde) verlanget haben/ daß ihre meinung anderer ge- wissen eine regel bleibe; zumalen auch dero antworten gemeiniglich also lau- ten/ daß man sie vielmehr auff das tantzen in seinem general concept ge- richtet annehmen muß/ und keiner ein dergleichen tantzen/ wie es mit etlichen epithetis oben characterisi rt worden/ zu billigen sich unterstehen wird. Was die spruͤche aus der schrifft anlanget/ handeln sie durchaus von einem derglei- chen tantzen/ davon die frage lautet/ nicht/ und erweisen also mehr nicht/ als daß einiges gewisses tantzen koͤnne erlaubt gehalten werden/ davon keine fra- ge nicht ist. Wann auch theils einige aus voreingenommenem gemuͤth/ theils andere vielleicht aus boßheit/ allerley zu behauptung oder entschuldigung des in frag gezogenen tantzens vorbringen/ so achte ich/ man doͤrffe nur diese reglen in acht nehmen/ so werde sich bald antwort auff alles geben. 1. Ein Christ darff nichts thun/ das nicht aus glauben gehet Rom. 14/ 23. und al- so davon er in seiner seele eine gewisse uͤberzeugung hat/ daß es GOtt gefalle. 2. Ein Christ darff nichts thun/ davon er nicht sagen kan/ daß ers thue zu GOttes ehre 1. Cor. 10/ 31. So dann 3. in dem nahmen JEsu Chri- sti Col. 3/ 17. Daher 4. wird ein Christ nichts zu thun macht haben/ da nicht der zweck seye/ entweder die ehre GOttes unmittelbar und nach der ersten taffel/ oder das wahre beste des nechsten im geistlichen oder leiblichen/ oder unsere geistliche oder leibliche nothdurfft: wie ich dann ausser diesen stuͤcken nichts weiter dem zweck/ warum uns GOtt in die welt gesetzet hat/ gemaͤß finde. 5. Er ist auch verbunden/ alle seine zeit also anzuwenden/ daß er GOtt davor rechenschafft zu geben wisse/ und also keine stunden liederlich mit willen zuzubringen. 6. So dann sich vor allem/ auch schein des boͤsen zu huͤten/ und 7. sein leben zu einer staͤtigen uͤbung zu machen der bestreitung der liebe der welt/ die in augen-lust/ fleisches-lust/ und hoffaͤrtigem le- ben bestehet. 1. Joh. 2/ 15. 16. Wie mir nun diese reglen fest stehen/ so wirds schwehr werden/ daß einer/ bey dem noch einige scham vor GOtt ist/ sich zu sagen unterstehe/ daß er aus versichertem glauben/ zu GOttes ehre und in dem nahmen JESU CHRJSTJ tantze. Es wird schwehr wer- den zu zeigen/ wie goͤttlicher dienst/ des nechsten wahrer nutze/ und auch un- ser geistlich oder leibliches wahre beste durch das tantzen befordert werde. Es wird schwehr werden/ den zeit-verlust abzuleinen/ oder GOtt vor solche ver- derbnuͤß rechenschafft zu geben. Will man davor halten/ der leib bedoͤrffe zu seiner gesundheit eine bewegung/ das gemuͤth eine erfrischung/ welches ich nicht leugnen will/ so erfordert abermal die regel/ daß solche gesucht wer- den in dergleichen dingen/ da der wenigste schein des boͤsen ist/ da hingegen R r r 2 der- Das dritte Capitel. derselbe bey dem tantzen am allerstaͤrcksten ist/ auffs wenigste/ weil auch die staͤrckste verfechter des tantzens nicht leugnen koͤnnen/ daß die allermeiste taͤntze voller suͤndlichen uͤppigkeit stecken/ welches dem gesamten tantzen bey rechtschaffenen seelen einen uͤblen nachruhm gibet/ daher man ja lieber die bewegung des leibes und erquickung des gemuͤthes in andern dingen suchen solle/ welche mit solchem boͤsem schein nicht dermassen erfuͤllet sind. Und letzlich/ wer traut sich wol zu widersprechen/ daß nicht/ was der Apostel der lie- be der welt zu schreibet/ bey unserm tantzen sich allezeit finde/ ja gleichsam gantz unabsonderlich davon seye? dann bey den gemeinsten taͤntzen und groͤb- sten volck ist die fleisches-lust grob genug zu sehen: wo es ehrbarer hergehet/ regieret auffs wenigste augen-lust und hoffart: Ja was ist fast das kuͤnst- lichste tantzen anders/ als die aufffuͤhrung eines goͤtzen/ der sich selbs in seinen zierlichen praͤchtigen bewegungen wohlgefaͤllet/ und anderer augen zur ver- wunderung und belieben darstellet/ auch solches recht zum zweck setzet? da wissen wir aber/ daß es laͤngst geheissen/ wo die liebe der welt seye/ da habe die liebe des Vaters nicht statt. Wobey es wol bleiben wird. Wo also die obgedachte reglen wohl in acht genommen werden/ bin ich versichert/ daß eine gottsfuͤrchtige seele so wol einen eckel an dem tantzen fassen/ als auch materie genug finden werde/ aus denselben auff alles zu antworten/ was zum behuff der tantz-lust angefuͤhret werden moͤchte. 5. Wann es nun mit dem tantzen eine solche bewandnuͤß/ wie ich mich dann dessen gewiß versichert halte/ so folget von selbsten gantz leicht die antwort auff die andre frage: Ob ein rechtschaffener christlicher Musicus, dem seiner seelen seligkeit ein recht- schaffener ernst ist/ sich mit gutem gewissen bey dergleichen koͤnne gebrauchen lassen/ oder auch mit verlust seiner zeitlichen wohlfahrt/ um GOTT nicht zu beleidigen und sein gewissen nicht zu beschwehren/ dasselbe zu meiden habe? Nemlich daß das erste verneinet/ das andere bejahet werde. Jndem es eine in dem Christenthum ausgemachte sache ist/ daß man nicht nur das boͤse nicht selbs thun/ sondern auch sich anderer suͤnde nicht theilhafftig machen/ und da- zu behuͤlflich seyn doͤrffe. Weil dann die taͤntzer bekantlich suͤndigen/ und unsre taͤntze uͤbungen einer weltlichen uͤppigkeit sind/ so kan keiner ohne verletzung seines gewissens dazu helffen: sondern muß es auch auff alle gefahr von un- gunst/ haß und hindernuͤß seines eusserlichen gluͤcks ankommen lassen. Da- her ich mich uͤber die christliche resolution NN. von grund der seelenerfreue/ und ihn nicht anders als zur bestaͤndigkeit darinnen staͤrcken kan. Zwahr so viel man menschlicher weise vorsehen kan/ solte man sagen/ daß er eben nicht sondere gefahr davon zu erwarten habe: in dem nicht allein der Hochloͤbli- che Koͤnig und die gottselige Koͤnigin/ (so ich nunmehr von dem wuͤrdigen Cron- ARTIC . IV. SECTIO XXX . Cron-Printzen auch verstanden zu haben mich freue/) von sich selbs zu dieser und anderer weltlichen eitelkeit keinen lust nicht haben/ sondern auch viel zu christlich sind/ als daß zu sorgen waͤre/ daß sie eine person/ so ihrem gewissen nach eine sache zu thun nicht vermag/ deßwegen ungnaͤdig ansehen solten. Daher ich mich versichere/ da er in dem nahmen des HERRN nicht nur sich aller solcher gemeinschafft des tan- tzes entschlagen wird/ sondern auch gar so viel er koͤnte sein mißfallen daran gegen andere bezeugte/ oder wol gar seine bitte/ der music mit dem auffwartẽ bey den taͤntzen zuschonen/ damit nicht diejenige/ welche etwa morgens mit ihren stimmen und instrumenten den Gottesdienst ziehren sollen/ mit eben denselben abends solcher dem Herrn mißfaͤiligen eitelkeit aufwarten doͤrff- ten/ an die Koͤnigliche Majest. richtete/ daß solches nicht ohne frucht abge- hen wuͤrde. Dann entweder wird GOtt/ so die hertzen in seinen haͤnden hat/ so viel seegen geben/ daß das theure koͤnigliche hertz so vielmehr von dem unrecht des tantzens uͤberzeuget/ und vielleicht bewogen werde/ an dem hoff und sonsten solches uͤppige wesen gar abzustellen/ oder doch ja in die enge zu spannen. (was solte nun dieses dem christlichen mann vor eine freude seyn/ wann der Allerhoͤchste seine gute intention zu abwendung so vieles boͤsen kraͤfftig segnete/ und wie viel seegen wuͤrde solches auf ihn ziehen!) oder auffs wenigste wird derselbe unfehlbar vor seine person und hoffentlich auch ande- re/ deꝛen gemuͤther der Herr auch ruͤhren moͤchte/ eine mehrere und autorisi rte freyheit/ wider sein gewissen zu nichts angestrenget zu werden/ erhalten. Zwahr muß er sich gewiß dieses dabey vorbilden/ daß es der boͤse feind/ dem er in solcher sache keinen guten dienst leistet/ ihm nicht schencken/ sondern er desselben zorn wider sich fuͤhlen muͤssen werde. Dann ob ich ihn wol in al- lem fall der koͤniglichen ungnade frey zusprechen getraue/ so wirds doch nicht an solchen leuten manglen/ welche entweder selbs an dieser eitelkeit wolge- fallen haben/ oder dero interesse darunter stecket/ die deßwegen ihn neiden/ anfeinden/ und wo sie ihm schaden koͤnnen an ihrem boͤsen willen es nicht manglen werden lassen. Jndessen weiß derselbe/ daß diese ohne den willen des himmlischen vaters und desselben verhaͤngnuͤß nichts vermoͤgen/ er sich hingegen dessen gnaͤdigen beystandes/ so dann daß es seelig seye/ um des gu- ten willen zu leyden/ zu getroͤsten hat. Der HERR bekraͤfftige ihn immer mehr und mehr/ gebe ihm seinen willen mit vollkommener uͤberzeugung zuer- kennen/ verleyhe weißheit alles kluͤglich zu beforderung des guten anzu- greiffen/ und regiere die hertzen aller hohen zu treuer anwendung ihrer ge- walt in bestreitung der welt-eitelkeit/ und insgesamt richte er die gantze sache dahin/ daß seine ehre dardurch befordert/ manchem boͤsen gewehret/ und in R r r 3 vie- Das dritte Capitel. vielen seelen destomehr eckel gegen die uͤppigkeit erwecket werde. Dieses waͤ- re dasjenige/ so ich in der forcht des HERRN auff das vorgestellte anli- gen zu antworten noͤthiggefunden/ so ich NN. zu communici ren/ und ihn/ daß seines lieben nahmens und intention vor GOTT zu geden- cken nicht saͤumig seyn werde/ in meinem nahmen freundiich zuversichern bitte. 1690. SECTIO XXXI. Vom tantzen-lernen hoher Standes-personen. D Je frage betreffend wegen des lernen des tantzens bey vornehmen standes-personen/ ist meine meinung. 1. Das tantzen an sich selbs/ so fern es eine bewegung des leibes nach einer gewissen regel und tact ist/ kan nicht suͤndlich seyn/ sondern bleibet unter den mittel dingen. 2. Hin- gegen was das tantzen/ wie es insgemein jetzo practici ret wird/ anlangt/ halte ich solches/ theils wegen der demselben nunmehr fast unabsonderlich anhen- gender uͤppigkeit und eitelkeit/ theils des daher entstehenden aͤrgernuͤsses/ al- lerdings vor suͤndlich/ und einem Christen zu vermeiden. Wie solches zu Go- tha in einer doppelten schrifft/ darzu Herr Prof. Franck eine vorrede gemacht/ gnug erwiesen worden. 3. Wie die manierlichkeit in gebaͤrden/ gang und stellung des leibes an sich nicht suͤndlich/ sondern einem menschen vielmehr an- staͤndlich ist/ als hingegen eine baͤurische anstellung eine hindernuͤß machen kan/ also kan auch das tantzen-lernen/ welches allein zu jenem zweck gerichtet ist/ den leib gelenck und geschickt zu machen/ an sich nicht unrecht seyn. 4. Doch ist dabey wol zubemercken/ daß man hingegẽ die jugend auch von der eitelkeit/ die insgemein in dem tantzen geuͤbet wird/ treulich abwarne/ und es ihnen aus- ser obgedachtem nutzen/ mehr verleide/ als/ wozu sie sonsten ohne das geneigt/ die lust darzu bey ihnen dadurch vermehre: Jndem sonderlich bey dem frauen- zimmer die lust zum tantzen sonsten/ wo nicht gewehret wird/ gar leicht der- massen uͤberhand nimmet/ daß sie die thuͤr aller andern eitelkeit am weitsten oͤffnet/ und die gemuͤther in ein wildes wesen versetzt/ hingegen zu aller stillig- keit und wahren andacht unbequem machet: wie mir dergleichen exem- pel bekant sind. Also muß ihnen viel eingebunden werden/ daß sie ja die ab- sicht des lernens nicht weiter ausdaͤhnen/ sonderlich daß sie durch die geschick- lichkeit in demselben nicht sich gut zu duͤncken/ und an sich selbs gefallen zu ha- ben/ verleiten lassen. 5. Wolte man aber daraus schliessen/ daß mans denn zu vermeidung solches mißbrauchs gar nicht lernen solte/ bekenne/ daß ich die folge nicht sehe: Jndem die lust zum tantzen/ und allerley unordnung dabey/ sich nicht weniger auch bey denjenigen findet/ die nie tantzen gelernet/ welches sich ARTIC. IV. SECTIO XXXI . sich an bauren-knechten und maͤgden/ und dero wie unordenlichem also nur de- sto uͤppigerm herumspringen/ gnugsam an tag leget: Daher wo der jugend durch die rechtschaffene gruͤnde des Christenthums ein eckelan aller uͤppigen welt-freude gemacht und stets unterhalten wird/ so wird ihnen das lernen des tantzens/ so weit es ihnen zur zierlichkeit der gebaͤrden dienlich/ nichts schaden/ sondern gleich seyn dem lernen anderer dinge/ die sie aus noth lernen. Wird aber dieser allen von natur anklebenden lust nicht durch die wahre furcht GOttes gesteuret/ und sie aus dem hertzen gebracht/ so wird sie sich bey jeder gelegenheit des tantzens und sonsten heraus lassen/ man habe es nun aus der kunst gelernet/ oder springe ohne kunst herum. Der HErr aber reinige selbs alle hertzen derer/ die sich noch reinigen lassen wollen/ von aller welt- liebe/ die mit der seinigen nicht stehen kan. 1698. Das Das IV. Capitel Von Ehe-Sachen. SECTIO 1. V On einem casu, da einer eine person lang bestaͤndig liebet/ sie aber ihr hertz nicht zu ihm neiget. 2. Als eine Adeliche Fraͤulein sich mit dem ehe-verspruch an eine per- son uͤbereilet/ gegen welche sie darnach keine liebe bey sich zu wege brin- gen zu koͤnnen meinete. 3. Als einer die sponsalia mit einer person rescindi ren wolte. 4. Als ein bedencken von dem Franckfurtischen Ministerio erfordert wurde/ wegen einer braut/ bey dero gegen den braͤutigam eine eusserste aversio animi entstanden/ und sie mit der epilepsia befallen worden. 5. Von der ehe eines/ der eine andere mit einem verspruch der ehe vor dem ge- schwaͤngert hatte. 6. Ob ein stieff-vater seines stieff-sohns wittwe heyrathen koͤnne. 7. Ob einer seines verstorbenen weibes brudern wittwe salvo jure divino heyrathen koͤnne. 8. Als eine hohe standes-person ihrer vorigen gemahlin leibliche schwester zu heyrathen vorhatte/ unterschiedliche brieffe und bedencken. 9. Von der ehe mit des vorigen weibes tochter. 10. Ob einer seines brudern frauen schwester heyrathen moͤge/ oder doch eine solche heyrath zu mißrathen sey. 11. Ob einer verlassenen/ die zeit ihres mannes verlassung in ehebruch ver- fallen/ nach dessen todt den ehebrecher zu heyrathen erlaubet. 12. Retractatio eines falsi vor der Obrigkeit. Von einem casu, da wey per- sonen zwantzig jahr unter dem schein eheleut zu seyn/ mit einander gele- bet/ da sie aber nie copuli ret worden. Was darinne zu thun. Von der eusserlichen kirchen- disciplin. 13. Von heimlicher verlobung einer Herrn-standes Fraͤulein mit einer buͤr- gerlichen person/ und daher entstehenden fragen. 14. Gewisser ehe casus. 15. Uber einen casum einer/ die von ihrem braͤutigam ablassen wolte/ weil sie sich mit einem andern/ den sie den teuffel zu seyn vermuthet/ verspro- chen haͤtte. 16. Uber SECTIO I. 16. Uber einen casum, da von einer weibes-person drey ehemaͤnner noch im leben waren. 17. Von dissolutione sponsalium. 18. Casus inhabilitatis uxoris ad consuetudinem conjugalem. 19. Von straff eines ehebruchs mit einer ledigen person begangen. SECTIO I. Von einem casu, da einer eine personlang bestaͤn- dig liebet/ sie aber ihr hertz nicht zu ihm neiget. Facti species. E S gehet nunmehr ins siebende jahr/ daß Mevius Cajam mit unbeweglicher treue lie- bet/ auch wie Caja aus vielen umstaͤndlichen proben und seinen hoͤchst kleinmuͤthigen be- zeugungen selbs schliessen muß/ sein gemuͤ- the schwehrlich aͤndern/ wol aber/ da seine treue nicht belohnet wird/ einmal in den al- lergefaͤhrlichsten und ungluͤckseligsten zu- stand gesetzet werden duͤrffte/ welches dahero zu befuͤrchten/ weil er mit GOTT bezeuget/ daß wenn er zum oͤfftern mit der allerhefftigsten traurigkeit uͤberfal- len wird/ ungeachtet seines fleißigen gebetes auch allem anwenden nur ersinnlichen mittel sich derselben zu entschlagen/ der verzweiffelung sehr nahe koͤmmt; wann nun aber Mevius in solchem stande und con- dition stehet/ daß Caja dargegen mit recht nichts einzuwenden hat/ er auch mit ihr einen glauben bekennet/ und nicht anders bekant ist/ als daß er jederzeit eines christlichen lebens und wandels sich beflissen/ Caja aber diesem ungeachtet vorschuͤtzet/ daß sie zu ihm keine neigung finde/ sich mit ihm in die ehe einzulassen/ so ist hier die gewissens-frage/ ob die- se entschuldigung vor GOTT gelten/ und sie bey allen besorglich ent- stehenden faͤllen ein gut gewissen haben koͤnne. Denuͤbersandten casum, betreffend Mevium und Cajam, habe in der furcht des HErrn erwogen/ und achte dieses als etwas vorausgesetztes/ daß beyde in eigner gewalt seyen; dann wo sonderlich Caja noch eltern oder vormuͤnder haͤtte/ wuͤrde jener autori taͤt und zuspruch ein nicht geringes ge- S s s wicht Das vierdte Capitel. wicht zu dem gantzen werck auff eine oder andre seyte geben. Da ich sie aber beyde als freye personen ansehen will/ lege ich erst in thesi einige gruͤnde/ auff welche nachmal zu bauen ist. 1. Es ist die begebung in die ehe an sich selbs ein freywilliges werck/ so wol was den entschluß sich zu verehlichen oder le- dig zu bleiben ( 1. Cor. 7/ 37. 39. ) als die wahl der person anlangt; und wie es der mannsperson frey stehet/ sich eine ehegattin auszusuchen/ um die er sich bewerben wolle/ so ist eine weibsperson nicht weniger frey/ die anwer- bung/ die gegen sie geschihet/ entweder anzunehmen/ oder abzuweisen/ je nach dem sie es ihrer wolfahrt vortraͤglich erachtet. Der grund dessen ist un- ter andern die wichtigkeit des wercks/ an deme einer person gantze wolfahrt/ in gewisser maaß in geistlichem und leiblichem haͤnget/ daher die hoͤchste bil- ligkeit ist/ daß sie zu nichts angestrenget werde/ worzu sich ihr gemuͤth nicht selbs nach hertzlicher anruffung GOttes neiget/ und es ihr vortraͤglich zu seyn erkennet. 2. Die zuneigung des hertzens aber/ darvon hier die rede ist/ bestehet nicht in einer gleichsam blinden und insgemein fleischlichen nei- gung/ die bey einem entstehet/ entweder von blossem ansehen einer seinen gestalt/ oder aus einer solchen art begebenen gelegenheit/ da die person/ wo sie befragt wird/ oder sich selbs auffrichtig forschet/ keine wahre und gruͤnd- liche ursach anzeigen kan/ entweder der zuneigung zu der andern/ oder aber auch der abwendung von derselben (ob wol dieses leider das principium ist/ daraus bey jungen und ihrer affecten noch nicht maͤchtigen leuten mei- stens die neigung entspringet/ oder aussen bleibet/ da alsdenn solche neigung durchaus kein zeugnuͤß goͤttlichen willens ist) sondern wie auch ein bloß ver- nuͤnfftiger mensch/ wo er nach der leitung der vernunfft die wahl einer hey- rath vornehmen solle/ auff diejenige eigenschafften einer person vornehmlich sihet/ an denen es/ als viel menschen vorsehen koͤnnen/ hanget/ daß eine vergnuͤgliche und sonderlich zur ruhe des gemuͤths dienliche ehe gehoffet werden moͤge/ also wird diejenige zuneigung des hertzens billich allein vor christlich und goͤttlich erkant/ die sich auff solche ursachen gruͤndet/ aus denen man sich eine solche ehe versprechen kan/ in dero man Gottgefaͤllig leben/ und ihm desto treulicher zu dienen hoffnung haben moͤge. 3. Wie das goͤttliche gesetz die liebe des nechsten der liebe unser selbs gleichsetzet/ so wird von ei- nem wahren Christen erfordert/ was auch die ehe betrifft/ daß er in dero und einer person wahl nicht auf sein wohlseyn allein sehe/ sondern eben soviel auch absicht auff der andern bestes habe/ obwol auch kein theil ohne das an- dre recht gluͤckselig seyn kan. Dahero diejenige zuneigung das zeugnuͤß von GOTT zu seyn nicht haben kan/ die gegen eine person gienge/ welche sich dar- durch in ungluͤcklichen stand ohne noth setzen muͤste/ als welche die liebe des nechsten verletzete/ nach dero keiner dem andern zumuthen solle/ woraus die- ser SECTIO I. ser schade/ er aber allein nutzen haͤtte 2. Cor. 8/ 13. 4. Jedoch weil die wah- re liebe um des nechsten und seines mercklichen nutzens willen/ sonderlich des- sen geistlichen heils/ auch einiges seines vortheils zuruͤck zu setzen uns anwei- set/ so muß auch diese pflicht in der berathschlagung uͤber die ehe nicht aus den augen gesetzet werden. Vorausgesetzt nun dieser allgemeinen gruͤnde/ so erklaͤhre mich dahin. 1. Die zuneigung Mevii gegen Cajam ist noch an sich selbs kein gnugsames zeugnuͤß gewissen goͤttlichen willens/ noch kan er mit vorhaltung derselben/ und zwahr auch der bestaͤndigkeit in derselben/ sie verbinden/ dieselbe auch darvor zu erkennen/ und sich schuldig zu halten/ ihn zu heyrathen: Hingegen ob ihm wol erlaubt ist/ auf alle christliche weise ihr gemuͤth zu gewinnen/ und wo ihm bekant/ was etwa seine person ihr mißfaͤllig machte/ solches so viel muͤglich waͤre/ zu aͤndern/ oder ihr die scrupel zu benehmen/ so muß er doch ge- gen sie von keiner nothwendigkeit gedencken. Neben dem hat er den grund seiner zuneigung fleißig zu forschen/ worauf dieselbe beruhe/ ob er nicht finden wird/ daß sie auf etwas fleischliches gerichtet seye/ wo dann er seiner zunei- gung so vielmehr zu widerstehen hat: Waͤre es aber sache/ daß er sich dessen frey wuͤßte/ und bey sich befuͤnde/ in der wahrheit auf anders nichts zu sehen (wie zwahr das eigen hertz uns leicht betriegen kan als weil er mit solcher per- son in leiblichem und geistlichem eine beyden gleich nuͤtzliche ehe zu fuͤhren glaubte/ solle ihn doch die von allen Christen erforderte gelassenheit und ver- leugnung eigenen willens dahin anweisen/ daß er auch solches an sich selbs un- suͤndliche und gute verlangen nach dieser person dem goͤttlichen willen dermas- sen unterwerffe/ daß er/ wo dieser sich nicht auch in der ruͤhrung jener hertzens zeige/ auch darvon abzustehen zu frieden seye: Jndem alles begehren einer auch im uͤbrigen nicht boͤsen sache ohne ausnahm goͤttlichen willens suͤndlich wuͤr- de; also daß ich sehr sorge/ das allzueiffrige verlangen nach erfuͤllung des ein- mal in sinn gefaßten seye bißher nicht ohne suͤnde abgegangen. Es pfleget aber GOTT vielmal eben deswegen/ wo wir ihm etwas gleichsam abzwin- gen wollen/ dasselbe uns so vielweniger zu gewaͤhren/ hingegen wo man das hertzlich verlangte ihm gleichsam selbs auffopffert/ und auf den fall/ daß es ihm nicht gefaͤllig/ willig selbs von demselben abstehen will/ ist solches zuwei- len die anlaß/ daß uns GOTT dasselbige erst gibet. 2. Was aber Cajam anlanget/ wird an sich selbs ihre freyheit nicht in zweiffel gezogen/ indessen wissen Christen auch wol/ daß sie in allen stuͤcken ihre freyheit also allein gebrauchen sollen/ wie es goͤttlichem willen/ und sonderlich der liebe des nechsten/ gemaͤß ist. Da hat denn nun dieselbe die ursach/ welche die wieder-zuneigung gegen Mevium, der darum so bestaͤndig ansuchet/ bey ihr zuruͤck haͤlt/ bey sich zu untersuchen/ ob sie auf fleischlichem grund beruhe. S s s 2 Waͤre Das vierdte Capitel. Waͤre es nun/ daß sie dergleichen in redlicher pruͤffung sich uͤberzeugt befuͤn- de/ so haͤtte sie sich eben deswegen/ daß ihr hertz noch also gesinnet seye/ vor GOTT zu demuͤthigen/ diesen um dessen aͤnderung anzuflehen/ und desto eher/ wo nichts anders wichtiges entgegen stehet/ ihren eignen willen mit ent- schluß des widrigen zu brechen/ der versicherung/ daß GOTT/ was aus die- ser ursach resolvi ret werde/ sich selbs zu verleugnen/ nicht ungesegnet las- sen werde. 3. Meinet sie aber in dem gewissen guͤltige ursachen zu haben/ warum sie zu Mevio keine eheliche gegen-liebe bey sich gewinnen koͤnne/ welche keine an- dre seyn koͤnnen/ als daß die von jenem verlangte ehe zu beyder ihrem leibli- chen und geistlichen nutzen/ als viel vorzusehen ist/ nicht gereichen/ sondern ei- nes von ihnen/ oder gar beyde/ in gefahr der seelen/ oder ander elendes leben/ damit uns GOTT sonsten verschonte/ stuͤrtzen wuͤrde/ so hat sie gleichwol sol- che ursachen auch wol vor GOTT zu pruͤffen/ einmal ob es die wahre ursa- chen seyen/ und nicht etwa in der wahrheit die abneigung aus einem fleischli- chen eckel/ den man nicht sagen mag/ entstehe/ hingegen das betruͤgliche hertz jene nur zum vorwand sich vorstelle; nechst dem ob sie auch wahrhafftig/ und nicht nur eingebildet seyen. Zu welcher untersuchung hertzliches gebet um wahre pruͤffung und erkaͤntnuͤß unsers grundes/ auch zu rathfragung anderer christlicher verstaͤndiger leute/ und freunde/ gehoͤret. Ja ich halte dieses/ wo in dem entschluß man nicht bald zu einer gewißheit kommen kan/ am sicher- sten/ daß man dergleichen leute darzu ziehe/ von denen man versichert ist/ daß sie so wol die weißheit haben/ in so wichtigen materien das beste zu erkennen/ als die liebe vor die intereßirte personen/ auf nichts anders als auf dero wah- re wolfahrt/ die absichten zu nehmen/ darauf denselben das gantze hertz/ auff- steigende bedencken und scrupel vortrage/ und den schluß in ihre haͤnde stelle. Finden nun solche die ursachen/ die die zuneigung zuruͤcke halten/ so wichtig/ daß sie Cajæ die ehe zu ihrem geistlichen und leiblichen wol nicht dienlich son- dern schaͤdlich finden/ kan diese mit so viel ruhigerem gewissen/ darauf behar- ren/ daß sie weder Mevio in sein begehren zu gehellen schuldig seye/ noch auch dessen rathsame ursachen habe. Solten jene aber nach erwegung des gantzen geschaͤffts/ Mevii ansuchen nicht allein nicht unbillich/ sondern allerdings Cajæ vortraͤglich/ achten/ haͤtte Caja nicht ursach/ ihrer freyheit sich gegen ih- ren eigenen vortheil zu mißbrauchen/ sondern es vielmehr anzusehen/ daß GOTT Mevii hertz zu ihr so bestaͤndig neige/ ihr durch ihn gutes zu erzeigen. Dabey sie sich versichern kan/ daß alsdann in solchem fall/ da sie sich in den so fern erkanten willen GOttes gibet/ und die ehe ihr vortraͤglich erkennet/ weil ja ihr hertz allezeit geneiget seyn wird und solle/ den willen GOttes und sein eigen gutes zu wollen/ solches schon eine zur ehe gnugsame neigung des her- tzens SECTIO I. tzens seye/ so dann diese auch weiter zunehmen und zu einiger fuͤhlung kom- men werde. 4. Solte aber aus der uͤberlegung aller umstaͤnde kein gewisser schluß sich machen lassen/ fuͤr oder wider den vorgeschlagenen heyrath/ so achte ich/ daß Caja die bestaͤndigkeit der liebe des Mevii nicht aus den augen zu setzen/ sondern wol zu gemuͤth zu ziehen habe/ nicht allein daß insgemein/ wo nicht wichtige hindernuͤß ist/ eine liebe der gegen-liebe wol wuͤrdig seye/ sondern auch was die pflicht der liebe des nechsten mit sich bringe/ nemlich wo man die- sen in schwehrer gefahr/ sonderlich da es auf die seele ankommen moͤchte/ sehe/ die man aber abwenden koͤnte/ daß man alsdann verbunden waͤre/ solches auch so gar mit seinem ungemach zu thun. Wann dann Caja mercken oder versi- chert werden solte/ daß bey Mevio seine auf sie gerichtete liebe das gemuͤth so eingenommen haͤtte/ daß endlich nach der facti specie ein trauriger fall vor ihn zu sorgen seyn moͤchte/ so solte billich die erwegung derselben/ wo sie beden- cket/ was die pflicht der liebe des nechsten (vornemlich da es auf das geistliche die absicht hat) mit sich bringe/ sie dahin zu bewegen (vorausgesetzt nach vori- gem/ daß die ehe ihrer seits sie nicht auch in gefahr stuͤrtze) zu einer solchen ehe sich zu entschliessen/ zu dero sie eben auch keine so tringende ursachen ausser der- selben faͤnde/ und den mangel einer natuͤrlichen zuneigung bey sich durch diese betrachtung ersetzet zu achten. Wie mir gar exempel solcher christlichen leute bekant worden sind/ die sich zu ehegatten gewehlet solche personen/ an denen sie andre keine motiv hatten/ als deroselben verlassenen und elenden stand: Wie selbs einen guten freund gehabt/ welcher noch als ein Studiosus eine christliche jungfrau kennen lernende/ die auffs hefftigste mit der schwehren noth behaff- tet/ und daher von ihrer eigenen freundschafft so wol verachtet/ als verlassen/ auch ohne mittel war/ aus erbarmen dieselbe geheyrathet/ damit er stets ein mittel haͤtte/ barmhertzigkeit an ihr zu uͤben/ wie er auch biß an seinen todt ge- than/ und ohnerachtet ihres elendes vergnuͤgt mit ihr gelebet hat. Ob ich nun wol diesen fast heroischen grad der liebe nicht jedem zumuthe/ so meine ich doch/ dessen ansehen solle ein christliches gemuͤth bewegen/ in die ehe eines sol- chen menschen desto eher zu willigen/ der aus liebe zu ihr in schwehre gefahr gerathen/ und gegen den und die naͤhere vereinigung mit ihm/ sie nichts an- ders/ als daß sie ihr hertz nicht selbs zu ihm neige/ einzuwenden/ daher ver- nuͤnfftig so grosse beschwehrde darvon nicht zu befahren hat. Hingegen moͤch- te sie wol uͤberlegen/ ob nicht auf den muͤglichen fall/ daß GOTT uͤber Me- vium aus diesem seinem affect ein ungluͤck verhengen moͤchte/ ihr solches eine schwehre last auf dem gewissen/ und dieses wiederum zu beruhigen so leicht nicht werden doͤrffte. Welches alles ich Cajæ, von denjenigen/ die einen zu- gang zu ihr haben/ beweglich vorgehalten zu werden noͤthig achte: Wo aber S s s 3 solches Das vierdte Capitel. solches geschehen/ ist nichts weiter uͤbrig/ als daß mans ihr zu ihrer verant- wortung/ indem kein zwang platz hat/ uͤberlasse/ und die gantze sache GOTT dem Allerhoͤchsten befehle: Den auch hiemit hertzlich anruffe/ daß er nach sei- ner weißheit/ guͤte und krafft die hertzen so der Cajæ und Mevii, als aller/ die et- was dabey zu thun haben/ dahin regire/ seinen willen an sich und andre zu er- kennen/ und demselben mit hindansetzung aller fleischlichen affect en getreu- lich nachzukommen/ auch den segen/ den er allem gehorsam versprochen/ uͤber sich zu erfahren. 1700. SECTIO II. Als eine Adeliche Fraͤulein sich mit dem ehe-ver- spruch an eine person uͤbereilet/ gegen welche sie darnach keine liebe bey sich zuwege bringen zu koͤnnen meinete. D Er vornehmste innhalt ist dieser/ daß von der werthen Fraͤulein von N. deroselbenhertzens anligen/ und verlangen mein christliches gutach- ten daruͤber zu vernehmen/ verstanden habe/ weßwegen denn nach der gnade GOttes meine einfaͤltige gedancken entdecken solle/ auch mit derjeni- gen freyheit/ als einem gewesten Beichtvater zukommen will/ und ich nicht zweiffele/ daß auch nicht anders von mir begehrt werde/ nachdem es um die ruhe des gewissens zu thun ist/ zu welcher kein anderer weg ist/ als ohne schmeicheley die dinge/ davon unruhe entstanden ist/ recht nach der wahrheit einzusehen/ und sie also vorzustellen. So ist nun das erste/ so zum grunde gelegt werden muß/ weil es aller bißheriger unruhe ursach gegeben hat/ daß in der geschehenen versprechung eine uͤbereilung vorgegangen zu seyn/ finde. Es ist der wille und gutachten christlicher eltern uͤber die verheyrathung ih- rer kinder einer der vornehmsten gruͤnde einer folgenden ehe/ und wie der kin- der auch sonsten festgeknuͤpffter verspruch/ so er jenem entgegen waͤre/ unguͤl- tig ist/ so machet jener ohne der kinder einwilligung zwahr noch keine verbin- dung/ es ist aber auch ein stuͤck des kindlichen respects, daß kinder aus ver- trauen gegen ihrer eltern treue/ weißheit und erfahrung diejenigen personen/ welche dieselbe ihnen zu ehegatten auserlesen/ ihnen selbs auch vor die an- staͤndigsten achten/ und deswegen lieben/ wofern nicht andere wichtige ursa- chen sind/ welche sie davon abhalten. Jndessen macht doch die eigene ein- willigung der person selbs/ nicht aber dero eltern/ das eigenliche eheband; Und weil die ehe eine sache ist/ an dero so ein grosses zu dem wohlseyn des gantzen lebens gelegen/ so hat jede person/ welche in dieselbe treten solle/ ne- ben der gehorsamen absicht auff der eltern gutachten gleichwohl auch sorg- faͤl- SECTIO II. faͤltig und in der furcht des HERRN sich zu pruͤfen/ mit welcher andern person sie eine dem HERRN wohlgefaͤllige ehe fuͤhren koͤnte/ und nach dieser befindung entweder der eltern/ auffs wenigste gutgemeintem vorschlag sich zu bequemen/ oder mit schuldiger ehrerbietung/ was sie davon abhalte/ und warum sie damit verschonet zu werden verlangen/ denselben vorzustel- len. Weilen sich nun begibet/ daß zuweilen ein natuͤrlicher widerwillen o- der aversion gegen eine person empfunden wird/ daß ob man wol dieselbe ei- genlich nicht hasset/ so allerdings ohne suͤnde gegen niemand geschehen kan/ man doch mit derselben in genauer gemeinschafft ohne steten zwang zu leben sich nicht getraute (welches affects natuͤrliche ursachen etwa zur genuͤge nicht erforschet werden koͤnnen) so geziemet sich/ daß eine person/ so sich verehlichen solle/ auffs wenigste ihrer seits sich so fern pruͤfe/ da sie die andere zu sehen und zu kennen die gelegenheit hat (denn in ermanglung dessen/ und wo der verspruch allerdings unter frembden und abwesenden geschihet/ weil dieses mittel nicht muͤglich ist/ so laͤsset mans billich allein auff GOttes eigne dire- ction ankommen) ob sie keinen dergleichen natuͤrlichen eckel gegen eine solche person bey sich fuͤhle/ um da sie ihn finden moͤchte/ daraus zu schliessen/ daß es goͤttlicher wille nicht seyn muͤste/ mit derselben ihr leben zu zubringen/ weil jener die liebe allzusehr schwaͤchen/ oder so viel schwehrer machen wuͤrde/ da hingegen diese die vornehmste beforderung einer gluͤckseligen ehe ist/ und da- hero bey dero stifftung alles dahin gerichtet werden solle/ wie diese erleichtert werde. Wenn deswegen meine werthe Fraͤulein so bald bey erstem ansehen und anspruch des Herrn von N. wie ich berichtet werde/ einen horrorem und natuͤrliche widrigkeit bey sich gefuͤhlet hat/ so haͤtte sie billich daraus vermuthen koͤnnen/ daß es schwehrlich goͤttlicher wille seyn moͤchte/ denjeni- gen ihr zum gehuͤlffen ihres lebens zu verordnen/ dessen gegenwart ihr immer eher zu einer uͤbung der gedult und eines kampffs mit ihr selber dienen/ als eine liebe bey ihr erwecken moͤchte/ und daher dero werthesten Fr. Mutter solche bewandnuͤß offenhertzig und beweglich vorstellende/ sie von diesem vor- schlag ohne verletzung kindlichen respects abzuwenden trachten sollen. Wenn aber solches nicht geschehen ist/ sondern dieselbe sich darzu hat persuadi ren lassen/ ihren willen mit zugeben/ und einen wuͤrcklichen verspruch zu thun/ aus welcher uͤbereilung die bißherige anfechtung und unruhe ihrer seelen/ al- ler die es angehet/ nicht geringe betruͤbnuͤß/ auch von seiten des Herrn von N. neben dem verdruß die gefahr einiges ihm daher entspringenden schimpffs erfolget ist/ so muß solche billich auch vor dem angesicht GOttes als eine suͤn- de erkant/ demuͤthigst abgebeten/ und damit der weg zur ruhe wiederum zu kommen gemachet werden. Jndessen weil gleichwol ein solcher oͤffentlicher mit einstimmung der werthen angehoͤrigen geschehener verspruch nicht leicht zu tren- Das vierdte Capitel. trennen/ sondern ordenlicher weise bereits als eine ehe vor GOtt anzusehen ist/ so traue nicht/ meine werthe Fraͤulein ohne versuch alles vorher muͤgli- chen davon loßzusprechen/ sondern gehet mein christlicher rath dahin/ daß die- selbe zum allerfordristen ihren himmlischen Vater taͤglich ja stuͤndlich/ darum anruffe/ daß er ihr doch seinen willen zu erkennen geben/ und ihr hertz mit lie- be zu demjenigen/ welchen sie noch nicht anders/ als von seiner guͤte ihr be- stimmet/ ansehen duͤrffte/ erfuͤllen/ hingegen diese versuchung und widrig- keit ihres gemuͤths von ihr abwenden wolte: welches gebet denn mit grossem ernst/ und wahrhafftiger begierde darinnen erhoͤret zu werden/ und also ih- ren eignen willen brechen zu koͤnnen geschehen/ auch damit lang angehalten werden solle. Nechst dem will ihr auch obligen/ so viel muͤglich ist/ ihr hertz selbs zu ihrem vertrauten zu lencken/ mit vorstellung/ da sie von des mannes christlichem und tugendhafftem gemuͤth (als er mir geruͤhmet wird) versichert ist/ daß ein solches gemuͤth der vornehmste grund einer rechten christlichen liebe seye/ und billich allem eckel/ so aus einigen eusserlichen dingen entstehen moͤchte/ prævali ren solle/ und daß es rechtschaffenen Christen anstehe/ einen jeglichen nicht so wol nach dem eusserlichen/ was denselben anmuthig oder mißfaͤllig oder veraͤchtlich in den augen derer/ die nicht weiter zu sehen ver- moͤgen/ machen moͤchte/ als nach dem innerlichen und dessen gottseligkeit oder tugend/ zu urtheilen und daruͤber zu lieben/ ja zu glauben/ wie denen die Christum angehoͤren/ zukomme/ ihr fleisch samt den luͤsten und begierden zu creutzigen und zu toͤdten/ Gal. 5/ 24. daß zu diesem creutzigen auch ge- hoͤre seine affecten also zu regieren/ daßliebe und anders sich nicht richte nach dem/ was den augen lieblich vorkommet/ sondern was uns die tugend und goͤttliche ordnung als liebwuͤrdig vorstellet. Wie ich nun bey ihr mit freu- den ein solches hertz wahrgenommen/ welches gern seines Christenthums pflichten abstatten will/ so erfordert aberdieses auch/ seine inclination auff den rechten zweck zu richten/ und wo die natuͤrliche begierde anders wohin sich neigte/ dieselbe mit kraͤfftiger vorhaltung goͤttlichen willens in die ord- nung zu bringen. Diese offtmalige betrachtung mit darbeyfuͤgendem ernst- lichem gebet/ vermag sehr viel ein gemuͤth zu aͤndern. Sonderlich hat meine in dem HErrn werthe sich vor GOtt hertzlich zu pruͤfen/ ob der bezeugende horror und entsetzen vor ihm so wol wahrhafftig aus einer eigenlichen natuͤr- lichen antipathie und widrigkeit herkomme/ oder ob er etwa entstehe aus ei- ner angewohnten beliebung und wohlgefallen an eusserlicher hoͤflichkeit und manierlichkeit. Denn waͤre dieses letztere/ so bekenne ich/ daß solche belie- bung noch zu derjenigen weltlichen eitelkeit gehoͤret/ dero wahre Christen al- le wahrhafftig absterben muͤssen/ und ich deroselben lieber zugetrauet haͤtte/ daß SECTIO II. daß sie in solchem absterben bereits weiter gekommen waͤre: auffs wenigste haͤtte sie so viel ernstlicher deßwegen wider sich selbs/ und was noch von zu- neigung zu der eitelkeit sich bey ihr eben durch dieses offenbahrte/ zu streiten/ und sich mit ernst davon mehr und mehr zu reinigen/ ja eben darauß zu schlies- sen/ daß der guͤtigste GOtt/ welcher alles zu unserer seelen leuterung und be- sten richtet/ dieses mittel brauchen wolle/ daß sie die auch subtilere eitelkeit lerne verachten/ uñ ihr gemuͤth zwingen/ dadurch aber zu so vielmehꝛern goͤttl. wirckungen bequeme machen. Wie denn dieses mit zu der verleugnung seiner selbs und seines eignen willens gehoͤret/ daß wir uns gewehnen zu lieben und wohlgefallen zu haben/ nicht nach dem die augen sehen/ sondern nachdem uns GOttes ordnung anweiset: die gedachte verleugnung aber unser selbs weiß meine geliebte Fraͤulein/ daß sie so wohl die erste regul unse- rer christlichen uͤbungen ist/ als die seelen so viel mehr bereitet/ goͤttlicher gna- den eintrucks ferner faͤhig zu werden. Wo nun nach angezeigtem meine wer- the sich mit ernst wird angelegen seyn lassen/ in goͤttlichen willen sich zu geben/ und also so wol selbs an ihrem gemuͤth zu dessen aͤnderung arbeiten/ als ihren liebsten Vater/ daß er es thue/ unauffhoͤrlich anruffen/ sich hingegen seinen wirckungen darstellen/ so will ich das vertrauen zu ihm tragen/ daß er auch seine krafft an ihr zeigen/ ihr seinen willen mehr und mehr zu erkennen geben/ das gemuͤthe lencken/ und einen erwuͤnschten anfang einer wahren liebe bey ihr wircken werde. So bald sie nun dessen/ auffs wenigste/ daß die vorige aversion etwas gebrochen worden/ bey sich gewahr werden wuͤrde/ so riethe/ daß sie/ als viel es muͤglich waͤre/ ihren verspruch zu vollziehen eilen/ und sich also demjenigen/ dem sie sich zugesagt/ uͤbergeben solte/ der gewissen versiche- rung/ daß der HErr alsdenn/ nachdem sie ihm in dieser versuchung treu ge- blieben/ solchen anfang der liebe in der ehe immer zunehmen lassen/ und so viel weniger sie auff wohlgefallen der augen/ sondern auff seinen gehorsam/ gerichtet gewesen/ sie desto mehr heiligen/ befestigen und segnen werde/ daß sie seine guͤte dermaleins preise/ die zwahr es ihr erstlich sauer werden lassen/ aber alles zu ihrem wahren besten gerichtet habe. Wenn aber nach allem versuch dessen/ was hier erinnert habe/ sich zeigen solte/ daß solcher eckel und widrigkeit nicht aus ihrer schuld und belieben an eusserlichen dingen herkom- me/ sondern in der natur bloß dahin stecke/ so wuͤrde es auff solchen unverhoff- ten fall endlich anzusehen seyn/ daß GOtt selbs damit weise/ daß er sie beyde nicht beysammen haben wolte: und wie denn sonsten wegen toͤdtlicher feind- schafft ( propter inimicitias capitales, wie man zu reden pflegt) die verspruͤ- che auffgehaben werden/ achte ich dergleichen natuͤrliche antipathie von nicht geringerer wichtigkeit/ und also kraͤfftig/ daß auch dieser verspruch daruͤber zunichtet werde. Wie es zwahr alsdenn anzugreiffen seye/ und ob in ihren T t t lan- Das vierdte Capitel. landen auch ihrer condition personen dahin (wie es in diesen landen geschi- het) gewiesen/ bey dem Consistorio die auffloͤsung des verspruchs zu suchen/ oder wie es sonsten gehalten werde/ ist mir nicht wissend. Jhrer christlichen schuldigkeit aber finde alsdann zu seyn/ obgedachter massen so viel hertzlicher die erste uͤbereilung vor GOTT zu erkennen/ denjenigen gegen welchen ihre natuͤrliche schwachheit die eheliche liebe nicht zugibet/ dannoch ihr leben- lang mit so viel hertzlicher christlicher liebe zu lieben/ und fuͤr ihn zu beten/ auch wie sie sonsten vermag ihm gutes zu erzeigen/ und alles was in der sache geschehen/ die gantze zeit ihres lebens zu ihrer so viel mehrern vorsichtigkeit/ demuͤthigung/ heiligung und antrieb nach GOttes willen in allem zu thun/ auch von seiner hand alles so viel williger anzunehmen/ sich dienen zu lassen. Den HErrn HErrn/ dessen stifftung die ehe ist/ und der ja aller hertzen in sei- nen haͤnden hat/ sie zu leiten als die wasserbaͤche/ ruffe ich hiemit im nahmen JEsu Christi demuͤthigst an/ daß er durch seines Heil. Geistes krafft dieses gantze werck regieren/ ihr seinen willen mit einer gewißheit zu erkennen ge- ben/ ihr hertz zu dessen gehorsam neigen/ und es insgesamt also lencken wolle/ wie er es zur verwahrung der gewissen/ und beyderseits zeitlichem/ geistli- chem/ und ewigem heyl am dienlichsten zu seyn weißlichst erkennet. Er ver- gebe auch alles gnaͤdiglich/ was bißher hierinn gefehlet worden/ fuͤhre aber meine geliebte immer mehr und mehr auff den weg seiner gebote/ und lasse die vereinigung mit ihrem seelen-braͤutigam stets desto inniger und fester wer- den/ dero suͤßigkeit empfindlich zu schmecken/ und ihre fruͤchte reichlich zu brin- gen. Meiner seits versichere ich/ gleichwie insgemein ihres lieben nahmens/ also auch besonders dieses anligens vor dem HErrn zu gedencken. 1691. SECTIO III. Als einer die sponsalia mit einer person wieder rescindi ren wolte. D Er vornehmste innhalt des brieffs hat nicht anders gekont/ als mich in betruͤbnuͤß und sorge zu setzen. Nach dem aber daruͤber freundlich zu rath gezogen werde/ so will meines hertzens grund als vor GOtt/ mit dessen anruffung auch schreibe/ hie gantz ausschuͤtten. 1. Jsts gantz recht gethan gewesen/ daß dieser vorsatz ernstlich gefasset worden/ sich keine andere person zu einer ehegehuͤlffin zu erkiesen/ als eine solche/ an dero man gute proben eines wahren und solchen Christenthums sehe/ daß man ge- trauete/ mit und an ihr selbs sich auch erbauen zu koͤnnen. Massen dann ob solches nicht der zweck des ehestands insgemein von allen erkant und so angesehen wird/ auch diejenige ehen/ da er eben nicht erhalten wird/ nichts desto SECTIO III . destoweniger wahre ehen sind/ (massen dann solche tugenden nicht ad esse, son- dern ad melius esse matrimonii gehoͤren/) so ziehmet sich dannoch den jeni- gen/ die ihr Christenthum vor ihr einig nothwendiges in der welt halten/ (wie es bey uns allen seyn sollte) daß sie wie in andern stuͤcken/ also auch hier- innen auff dessen befoͤrderung sehen/ und wie die ehe dazu eingesetzt/ daß dem menschen wohl seye/ so gehoͤret das wohlseyn in dem geistlichen nicht weni- ger mit zu demselben zweck/ daß ein Christ aus der guͤte seines GOTTES auch hierinnen suchen solte. 2. Bey solcher resolution muß man auch verblei- ben/ als lang wir nostri juris sind/ also daß uns keine in andern stuͤcken son- sten prositable conditiones einer heyrath die augen verblenden sollen/ wo wir an diesem haupt-zweck mangel haͤtten. 3. Ein anders aber ists/ da wir bereits mit einer person ordentlicher weise verknuͤpffet/ und folglich nicht mehr in einer voͤlligen freyheit sind. Da fraget sich alsdann nicht mehr/ was man wehlen wolle/ sondern was man behalten muͤsse. 4. Dergleichen sponsalia, als derselbe in seinem schreiben bedeutet mit bewuster person ein- gegangen zuhaben/ da nichts eben mit einem mal uͤbereylet/ sondern mit be- dachter deliberation und anruffung GOttes geschehen seyn wird/ und wohl einige zeit/ ehe der unwille sich erhoben/ dabey geblieben worden/ achte und sorge ich/ staͤrcker zuseyn/ als daß sie so leicht solvirt werden koͤnten. 5. Jch erkenne zwahr/ daß die sponsalia und die vollzogene ehe nicht so durch und durch uͤbereinkommen/ daß nicht etwas unterscheid unter beyden gefunden werde; aber in der hauptsache traute ich sie nicht zu weit von einander zu unterscheiden. Jn dem der consensus und nicht die benedictio sacerdotalis (die nur eine solennitas confirmatoria ist) die ehe machet/ und also wo der- selbe ist/ auch eine wahre ehe zu seyn erkannt werden muß (wie unsere Theo- logi einmuͤthig zu lehren pflegen) so koͤnnen andere als die wichtigste ursa- chen/ so wenig geringer/ als die eine voͤllige ehescheidung verdienen/ dieselbe nicht wieder aufheben. 6. Wie eine nullitas sponsaliorum aus dem ange- fuͤhrten zu erweisen waͤre/ sehe ich gar nicht/ sondern es wuͤrde eher eine re- scissio muͤssen geschehen. Dann solte eine nullitas demonstri rt werden/ so muͤßte gezeigt werden/ daß sie nie valida gewesen waͤren/ und es also an den substantialibus gemangelt haͤtte/ als zum exempel an elterlichem consensu, eigenem consensu (wo nemlich ein zwang und boͤßlicher betrug vorgegangen waͤre) an der capacitate subjecti ad matrimonium und was dergleichen mehr ist. Da ich aber an nichts dergleichen aus dem communicir ten (wie ich dann ausser demselben von der gantzen sachen nichts weiß) gedencken kan/ sondern alle die angefuͤhrte gravamina gehen allein gewisser tugenden man- gel an/ so zu der sachen der ehe selbst nicht gehoͤren. Aufs wenigste verstuͤn- de ich es nicht/ wie eine nullitas zu erweisen waͤre/ obwohl gern bekenne/ daß T t t 2 was Das vierdte Capitel. was etwa bey den Juristen hievon gelehret werde/ mir nicht so allerdings be- kant ist. 7. Zu einer rescissione sehe ich auch keine genugsame/ und/ die vor dem richter gelten solte/ nachtruͤckliche ursach/ und traute ich/ da ich rich- ter waͤre/ darauff nicht zusprechen. Das meiste wuͤrde wohl seyn/ daß ab- nehme/ wie nun die gemuͤther sehr von einander gewendet/ und daher eine unvergnuͤgliche ehe zusorgen waͤre. Diese ursach/ bekenne ich/ liget mir vielmahl in dem sinn/ aber ich glaube schwehrlich/ daß leicht in einem gericht auf solches allein zur trennung wird gesprochen werden. Daher wo ich in der- gleichen judicio saͤsse (dann hie haben die prediger damit nichts zuthun) wuͤr- de mir alle mahl bang seyn/ ein suffragium zu geben/ weil ich einerseits mit betruͤbnuͤß und sorge ansehe die vermuthete ungluͤckseligkeit der ehe und de- ro boͤse consequenzen, so ich lieber/ als viel an mir ist/ vermeiden helffen wol- te; anderseits traute ich nicht die trennung zu autorisi ren/ weil ich sorge/ ich muͤste solche leute also ansehen/ als die GOtt bereits zusammen gefuͤget ha- be/ und weder ich noch ein ander sie trennen doͤrffte. Worinnen ich beken- ne/ daß ich nicht eben solche versicherung/ aber des gegentheils noch so viel weniger habe. 8. Daher wo ich rathen solte/ so wuͤrde vielmehr rathen/ nechst hertzlichem gebet zu goͤttlicher guͤte/ daß sie alle hertzen in solcher sache nach dero weisen rath regieren wolte/ das gemuͤth wiederum zu einer liebe zu disponi ren/ uñ damit alle kuͤnfftige scrupel des gewissens zu præcavi ren. Ein mal ists gewiß/ daß ohne goͤttliche fuͤgung denjenigen/ sonderlich die GOtt in einer sache mehrmal hertzlich angeruffen/ und seine ehre zum zweck in dem geschaͤfft sich vorgesetzt haben/ nichts begegnen kan: Daher ich alsdann/ was mir also begegnet/ als des goͤttlichen willens versichert ansehe/ und ob ich selbs bey mir eine straͤffliche uͤbereylung faͤnde/ nichts destoweniger/ daß der HErr sich auch derselben darzu gebraucht/ seinen zweck bey mir zuerhalten/ glauben wolte. Und ob dann in solcher sache viele gefahr des kuͤnfftigen sich præsentir te/ welche ich/ da res integra, unteꝛ den rationibus deliberandi fleis- sig erwegen und wohl zu einer widrigen resolution mich bewegen lassen wuͤrde/ ja ohne vermessenheit mich selbs in solche gefahr nicht geben doͤrffte/ so achte ich mich doch aus des himmlischen Vaters weißheit und liebe ver- sichert/ daß er solches nicht anders als zu meinem besten also habe geschehen lassen/ der etwa mich in der gedult uͤben/ uñ doch auff eine mir jetzt unbegreiff- liche art/ worinnen ich jetzo meine veꝛnunfft uñ willen unteꝛ den gehorsamsei- ner ordnung gefangen nehme/ alles zum besten richten werde. So vielmehr weil in dergleichen faͤllen nichts ungewoͤhnliches daß personen auff ein ver- nuͤnfftiges und sanfftmuͤthiges begegnen sich aͤndern. Welche hoffnung zwahr nicht macht/ daß ich ohne habende verbindung mich in eine gefahr stuͤr- tzen SECTIO III . tzen solle/ aber wohl dieses ausrichtet/ daß ich wo ich goͤttlicher ordnung ge- horsame/ solchen gehorsam aus derselben mir desto leichter machte/ und an des, Apostels wort 1. Cor. 7/ 16. gedaͤchte/ was weißest du mann/ ob du das weib werdestseelig machen? Dieses waͤre mein christlicher rath/ so wohl den sichersten weg zeigen mag. 9. Waͤre aber das gemuͤth zu solcher resolution von selbsten nicht zu uͤberwinden/ sondern bleibet man bey der rescissione, so sehe gleichwohl nicht/ daß diese eigenmaͤchtig aus beyder belie- ben/ sonderlich da der eine theil etwa so gern nicht daran kommt/ privatim vorgenommen werden koͤnte/ sondern es wird/ alß viel ich verstehe/ nothwen- dig cognitio und autoritas judicis erfordert/ weil je niemand in eigener sa- che richter seyn kan/ auch das interesse der polic ey und kirchen nicht zugeben/ daß ein solches werck/ welches/ da es esclatti ret/ zimlich aͤrgernuͤß nach sich ziehen moͤchte/ anders als durch diejenige decidi ret werde/ welche GOttes statthalter hier auf erden/ in denjenigen dingen sind/ die in das weltliche und moral- leben so starck einlauffen. Aufs wenigste wo wir prediger bey uns alhier ein dergleichen exempel vorzugehen erfuͤhren/ und die personen die sa- che von selbsten anhaͤngig zumachen nicht bewogen werden koͤnten/ wuͤrden wir solches bey der obrigkeit als ein aͤrgernuͤß angeben/ und sie ihre partes ex officio zu interponi rn beweglich anlangen. Dieses sind meine gedancken in dem vorgelegten casu, welche ich in der furcht des HErrn reifflich zu uͤber- legen freundlich bitte/ hingegen auch dieselbe nicht also auftringe/ daß mir uͤber die gewissen eine unziehmliche herrschafft annehme/ sondern meine mey- nung in einfalt meines hertzens vorgetragen zu haben mir gnug seyn lasse: Dabey aber GOtt/ der alles in haͤnden hat/ demuͤthig anflehe/ der denselben beyderseits seinen rath und willen mit verleugnung alles eigenen willens zu erkennen/ und zufolgen/ offenbahrn und alles dahin richten wolle/ wie er beyderseits/ zusammen zukommen oder getrennet zuwerden/ am seeligsten erkennet. 1684. SECTIO IV . Als ein bedencken von dem Franckfurtischen Mi- nisterio erfordert wurde/ wegen einer braut/ bey dero ge- gen den braͤutigam eine eusserste aversio animi entstanden/ und sie mit der epilepsia befallen worden. D Esselben an mich gethanes habe von der post wol erhalten/ und den vor- gelegten casum wegen einer personæ miseræ daraus verstanden/ so dann das schreiben in nechstem conventu, als nemlich vorgestern/ mei- nen Herren Collegis verlesen. Wir haben aber alsobalden befunden/ daß T t t 3 wir Das vierdte Capitel. wir eigenlich auf diesen vortrag ein responsum zu geben nicht vermoͤgen; nicht zwahr/ weil wir pro labore nichts zu erwarten haͤtten/ sondern als ein allmosen thun solten/ indem wir ohne das fuͤr unsere responsa auch von den vermoͤglichsten/ so gar hohen standes personen/ nichts zu nehmen/ weniger zu erfordern pflegen; noch daß wir nicht geneigt waͤren/ das elend einer mise- rablen person zu hertzen zu ziehen/ welches wir gleichwol nicht nur thun/ son- dern was zu wuͤrcklicher huͤlffe die liebe forderte zu leisten/ willig sind/ als viel ohne eingriff in anderes amt geschehen kan: Sondern weil wir nicht wissen/ wie oder von wem wir requiri rt werden/ indem es nicht gemeldet wird/ daß die misera selbs von uns fordere/ mein hochgeehrter Herr auch nicht als etwa advocatus causæ oder den sonsten speciali nomine die sach angienge/ solches responsum erfordert/ vielweniger anderwertlich her eine belehrung einzuho- len/ von den Obern eine absonderliche erlaubnuͤß erlanget worden: Wo es fast ein ansehen gewinnen solte/ ob arrogir ten wir uns eine gewalt uͤber ande- re/ die unser inspection nicht unterworffen/ uns gleichwol ultro in ihre dinge einmischende. So dann weil wir aus der facti specie vernehmen/ daß die sach vor dero loͤblichem Consistorio schwebet/ welchem wir billich nicht allein alles zutrauen/ daß sie von selbsten in einer wichtigen sache behutsam und ge- wissenhafft weiter verfahren/ und bißher verfahren haben werden: Sondern auch aus dem uͤberschriebenen nicht das wenigste sehe/ was an deroselben biß- heriger conduite in solcher sache von uns mit recht gestrafft werden koͤnte/ sondern wir selbs nicht anders zu verfahren wuͤrden vermocht haben/ als daß in dieser hypothesi gantz richtiger sponsaliorum, dero vollstreckung sponsa selbs coram consistorio vorhin gebeten/ und das decretum daruͤber so erhal- ten als angenommen/ nachdem sponsus ob wol nach langer verschiebung (die zwahr wol straͤfflich/ aber den statum causæ nicht aͤndert) solchem pariren will/ ohnerachtet der darzwischen gekommenen strittigkeiten/ welche durch christ- liche versoͤhnung billich auffzuheben/ und sponsæ ihr ehre in salvo zu erhalten gewesen/ die sache zur richtigkeit zu bringen/ und endlich den widersetzenden theil mit obrigkeitlichem zwang dazu zu noͤthigen seye: Wie auch solche die gewoͤhnliche procedur in solchen faͤllen zu seyn pfleget. Es kommt auch noch ferner dazu/ daß in ipsa hypothesi nicht wol jemand mit gnugsamem grund urtheilen kan/ dem nicht alle umstaͤnde derer vorschuͤtzenden capitalium ini- micitiarum, so dann des der verlobten zugestossenen ungluͤcks der epilepsiæ, bekant sind/ daß also solche sache eigenlich denjenigen allein zustehet/ welche in gegenwart alles vor augen haben/ in einem fall/ wo offt die geringste beschaf- fenheit eines umstandes/ den etwa nicht jeder bemercket/ noch zu noti ren noͤ- thig achtet/ vieles varii ren kan/ auf daß weder der boßheit raum gegeben/ noch hingegen einer natuͤrlichen schwachheit oder sonsten justo, und nach dem ge- wissen SECTIO IV. wissen guͤltige fundament e seiner waͤhrung habenden/ dolori etwas allzu- schwehres auffgebuͤrdet werde. Dahero wir nichts anders zu rathen wissen/ als daß die misera dahin angewiesen werde/ ihre nothdurfft vor ihrem Con- sistorio ferner mit gebuͤhrender demuth und bescheidenheit vorzutragen. Wo ihr eines und anders mag zu behuff kommen/ daß zum exempel die aversio animi, dazu gleichwol sponsus mit seiner boßheit ursach gegeben/ ob sie sich wol zur reconciliation selbs noͤthigen wolte/ in der natur so tieff zu einer an- tipathi e eingesessen/ daß sie nicht mehr bloß in ihrer gewalt waͤre/ sondern wie das erste exempel schon zeigte/ traurige und mit hoͤchster gefahr ihres lebens verknuͤpffte symptomata bey ihr wircken wuͤrde/ daher es nicht viel anders waͤre/ als sie zu dem tode zu verurtheilen/ welches je eine allzuharte straffe ihres elendes und ungluͤckseliger versprechung waͤre. Dabey derjenigen autorum, als D. Gerh. in LL. de conjug. Carpzovii, Cypræi, suffragia de ini- micitiis capitalibus justa repudii causa, ihro zu statten kommen moͤchten; welches so vielmehr platz bey ihr haͤtte/ da es nicht um ihre staͤrckung in vor- setzlicher boßheit (warum andere solcher ursach des repudii zu widersprechen pflegen) sondern ihrer rettung aus einem elend/ das nicht mehr in ihrer macht stehe/ zu thun seye. Welche ursachen (wofern nicht andere vorhanden sind/ so derselben krafft infringi ren/ und wir sie allhier nicht/ wol aber die dorten ge- genwaͤrtige/ solche wissen und urtheilen koͤnnen) hoffentlich das loͤbliche Con- sistorium zu einer commiseration, und nachdem die sache jetzo in alio statu, auch zu einer andern sentenz bringen moͤchten. So vielmehr weil dahin ste- het/ ob nicht sponsus nunmehr selbs von einer solchen sponsæ, die ein derglei- chen malum an sich bekommen/ so ebenfals mehrmal zu einem repudio gnug- sam geachtet zu werden pfleget/ abzustehen verlangen / und von ihr befreyet zu werden/ begehren wird. Wo alsdann so viel leichter die sache zur consola- tion der miseræ ausgemacht werden moͤchte. Dieses ist das einige/ was wir deroselben an hand zu geben wissen/ sie da benebens treulich erinnerende/ daß sie den HErrn demuͤthig anruffe/ welcher durch seine goͤttliche krafft ihr und derjenigen/ welche mit der sache zu thun haben/ hertzen dahin kraͤfftig lencken wolle/ zu thun und anzunehmen/ was sein heiliger wille ist. So dann daß sie daraus erkenne/ wie wenig sie noch in der schul ihres Heylandes gelernet ha- be/ welcher von uns die verleugnung unser selbs/ und also des eigenen wil- lens/ so dann eine hertzliche vergebung auch der schwehrsten beleidigung/ nicht weniger einen demuͤthigen gehorsam unter alles/ was er in seiner ordnung uns anbefihlet/ erfordert. Da sie hingegen den eigenen willen/ affect des zorns/ und unversoͤhnlichkeit/ und andere dergleichen stuͤcke der natuͤrlichen verderbnuͤß so starck in sich spuͤhre/ daß sie nicht nur denselben zu widerstreben sich nicht beflissen/ sondern fast ihres lebens daruͤber verlustiget worden: Da- hero Das vierdte Capitel. hero sie gleichwie sich vor ihrem GOTT deswegen/ daß sie ihr selbs solches ungluͤck gemacht/ zu demuͤthigen/ also ins kuͤnfftige so viel fleißiger sich selbs zu dem gehorsam ihres GOttes zu gewehnen/ auch ihn vornemlich um solche gnade/ ja vielmehr als um alles zeitliche/ anzuruffen hat. Der HErr verleihe ihr auch solche gnade. 1680. SECTIO V. Von der ehe eines/ der eine andere mit einem ver- spruch der ehe vor dem geschwaͤngert hatte. Species facti. T Itius beschlaͤfft Semproniam (eine ungleichen standesperson/ aber nach ihrem vorgeben mit verspruch der ehe) und zeuget ein kind mit ihr: Er heyrathet darauff Sciam, da Sempronia daruͤber stillschweiget: nach Sciæ todt heyrathet er Titiam: diese bekommt daruͤber einen scrupel/ ob sie mit ihm in Gottgefaͤlliger ehe lebe/ oder ob es wegen der Semproniæ nicht ein ehebruch zu achten? Es ist mir 1. dieser scrupel der Titiæ ein zeugnuͤß/ daß solche person ih- ren GOtt hertzlich lieben muͤsse/ da sie ihr in derjenigen sache sorge machet/ woruͤber andere ihnen die wenigste gedancken machen/ vielmehr aber sicher fortleben wuͤrden. Aber eine seele/ dero es um GOtt redlich zu thun ist/ ist in allem ihꝛem thun sorgfaͤltig/ damit sie nicht auch unvorsichtig ihm zuwider thun moͤge/ als dem sie zu gefallen ihr eintziges verlangen seyn laͤsset. Die sache aber selbs betreffend 2. ist billich auch zu erinnern/ wie der ehemann Titius anzusehen seye. So hat nun derselbe seine begangene suͤnde so viel hertzlicher eben deßwegen zu erkennen/ weil er auch seiner ehegattin durch vo- rigen fall jetzo diese gewissens-angst verursachet hat/ und insgesamt seinen Christen- und ehestand desto heiliger zu fuͤhren. Jst es nun an dem/ wie er sich verschwohren/ daß er die ehe der Semproniæ niemaln zugesaget/ wie ihm auch billich zutrauen solle/ so stehet sein gewissen auch so viel sicherer/ und hat er so viel weniger hindernuͤß der goͤttlichen gnade bey sich. Solle es aber ja seyn/ daß jenes geschehen waͤre/ so waͤre abermal diese neue suͤnde des falschen schwehrens/ die nicht geringer als die vorige/ vor GOtt mit geziemender de- muth zu erkennen; und liesse sich damit nicht entschuldigen/ daß man der ehe- gattin gemuͤth allein dadurch beruhigen/ und ihrem zweiffel zu huͤlffe kom- men wollen/ indem wir wissen/ daß wir boͤses zu thun nicht befugt sind/ aus der hoffnung des guten/ so daraus kommen solte. Jndessen gesetzt auch sol- chen fall/ so wird gleichwol solcher ehestand/ welchen er jetzo besitzet/ deßwe- gen nicht unrecht/ noch hater/ wofern er im uͤbrigen in wahrer buß bestehet/ dessen SECTIO V. dessen gebrauch sich suͤndlich zu achten/ wie aus dem folgenden erhellen wird. Wenn wir 3. den zustand der Titiæ selbs/ daruͤber die frage eigenlich ist/ er- wegen/ dero wol die versicherung zu ihrem trost geben darff/ daß derselbe vor GOtt ohne einige gefahr seye. Denn (1. wird billich der hohen betheurung ihres ehemanns getrauet/ und dessen wort mehr als der Semproniæ anschul- digung glauben zugestellet. (2. Jst Titiæ von allem solchem nichts wissend gewesen/ und wie von ihr bezeuget wird/ daß sie bey der antretung ihres ehe- stands GOtt um seine regierung und offenbahrung seines willens angeruf- fen habe/ so kan sie sich versichern/ sie seye in dessen nahmen und also nach des- sen vaͤterlichen fuͤhrung/ in denselben getreten/ daher sie auch in demselben ohnverletzt ihres gewissens ferner leben kan. (3. Ob denn auch gedachter massen ein heimlicher ehe-verspruch mit der Sempronia vorgegangen waͤre/ welcher zwahr Titium in seinem gewissen beschwehrete/ und er solches nicht leicht auffzunehmen haͤtte/ macht doch solches den itzigen ehestand noch nicht unguͤltig oder zu einem ehebruch. Denn erstlich noch nicht ausge- macht/ ob jener ehe-verspruch jemalen guͤltig gewesen seye: Dazu kommt/ daß jeder verspruch zwahr ein starcker anfang des ehestands ist/ und denjeni- gen/ welcher denselben gethan hat/ in seinem gewissen verbindet/ da nicht auff der gegenseiten andre eben so wol gewissens-bande sich finden/ welche ihn da- von zuruͤcke ziehen/ so viel an ihm ist/ den verspruch zu vollstrecken: aber dan- noch ruhet solche verbindlichkeit nicht so wol auf dem grunde/ daß so bald da- durch eine unaufloͤßliche ehe gemacht worden waͤre/ und daher dieselbe nicht ohne ehebruch zuruͤck gezogen werden koͤnte/ sondern vielmehr allein auff der verpflichtung zur wahrheit/ daß wir Christen/ was wir versprechen/ auch so viel als an uns ist/ unverbruͤchlich halten/ mit einer so wichtigen und heili- gen sache/ als die ehe ist/ nicht spielen/ und eine person/ welche auff derglei- chen zusage sich zu falle bringen lassen/ nicht in schimpff und schaden sitzen las- sen sollen/ welches die pflicht der liebe und der gerechtigkeit ist. Daher die hindansetzung solches verspruchs auf unterschiedliche art schwehre suͤnde/ a- ber gleichwol kein eigenlicher ehebruch ist/ welcher verursachte/ daß einer sol- chen person darauff gefolgter ordentlicher ehestand vor unguͤltig/ und selbs einen ehebruch zu halten waͤre. Wann dann nun ein solcher ehe-verspruch/ an dem weniger zu desideri ren/ und der ohne schwehre suͤnde nicht gebrochen werden kan/ dennoch keine voͤllige ehe macht/ dahero auch offtmals aus wich- tigen ursachen dieselbe ehe-verspruͤche/ durch richterlichen ausspruch pflegen wieder auffgehoben zu werden/ ob schon solche ursachen zur eigenlichen ehe- scheidung zwischen wahrhafftigen eheleuten nicht gnugsam waͤren/ so hat man sich so viel weniger zu fuͤrchten/ daß ein vorhergegangener eheverspruch/ an dessen richtigkeit noch starck zu zweiffeln/ eine gefolgte richtige ehe zum ehe- bruch machen koͤnte/ da doch auff richterliche erkaͤntnuͤß derselbe nicht erst U u u auff- Das vierdte Capitel. auffgeloͤset/ sondern nur als null und nicht guͤltig erklaͤhret zu werdeu bedoͤrff- te. Auffs wenigste mangelts so bald solchem verspruch an dem haupt- requisito, da ehe-verspruͤche/ als uͤber eine so wichtige sache und zu ehren der goͤttlichen ordnung/ nicht heimlich/ sondern oͤffentlich/ und mit wissen andrer personen/ die es angehet/ geschehen sollen. Ob Titius damal noch seine eltern oder vormuͤnder gehabt/ dero consens gleichfals noͤthig/ ist mir nicht ange- deutet/ so aber sonsten auch ein momentum zur sache geben wuͤrde. Zum andern/ wo man dierichtigkeit des verspruchs nicht anfechten wolte/ und da- vor halten/ das die auff denselben gefolgte fleischliche beywohnung die uͤbri- ge fehler ersetze/ und die verbindlichkeit staͤrcke/ da auch nicht ohne ist/ daß die- se der dadurch zu fall gebrachten person ein starckes gegen den/ welcher sich mit ihr verbunden hat/ gebe/ daß sie auch gebuͤhrlich zu suchen gehabt/ so faͤl- let dennoch auch solches dahin/ nachdem dieselbe sich dessen durch ihr still- schweigen um die zeit/ da die erste heyrath mit Scia vorstunde/ und sie doch solches falles wegen von ihren principalen zimlich hart angesehen worden/ verlustig gemacht hat. Wann dann nun ihr recht an ihm nicht so wol darin- nen bestanden/ daß sie schon wahrhafftig eheleut gewest waren/ sondern sie die vollziehung ohne das von ihm nur suchen moͤgen/ und sie aber dieses nicht gethan/ so hat sie so viel an ihr war/ von ihrem recht abgestanden/ und was zwischen ihnen vorgegangen/ hat nicht hindern moͤgen/ daß die erste ehe Titii nicht solte guͤltig gewesen seyn. Drittens nachdem die erste heyrath aus besagten ursachen ihre richtigkeit hat/ so ist an der andern gefolgten noch so viel weniger zweiffel/ nachdem Titius durch seinen ehestand vollends von allem/ was nur ein band geachtet werden koͤnte/ geloͤset worden/ und bleibet Semproniæ der allergeringste anspruch der ehe halben nicht uͤbrig. Vierd- tens wird alles so viel klaͤhrer/ wo wir kuͤrtzlich den gegensatz machen/ daß auf einer seiten ein ungewisser und sonderlich/ wenn ja etwas vorgegangen/ sei- ner guͤltigkeit wegen nicht erweißlicher/ von der person auch selbs zu der zeit/ da etwas zu urgi ren gewesen waͤre/ verlassener verspruch/ auff der andern seiten ein oͤffentlicher/ in christlicher ordnung vollzogener/ und mit goͤttlichem seegen von der kirchen bekraͤfftigter ehebund stehet/ da ich hoffe/ daß nach gottseliger uͤberlegung ein christliches gewissen gantz wol auff der richtigkeit dieses letzten bestehen moͤge/ und sich durch jenen nicht irre machen lassen doͤrf- fe. Der HErr aber/ der die hertzen allein fest und gewiß machen kan/ wolle der in einen zweiffel gebrachten Titiæ auch wiedrum die ihr troͤstliche ruhe ih- res gewissens verleyhen/ daß sie auch diese anfechtung uͤberwinde/ und sie als eine goͤttliche verhaͤngnuͤß ansehe/ mit welcher ihr himmlischer Vater dieses suche/ damit beyderseits ehegatten ihren stand in so viel hertzlicher seiner furcht immer vor ihm fuͤhren/ und ihm heiligen. 1687. SECTIO SECTIO VI. SECTIO VI. Ob ein stieff-vater des stieff-sohns wittwe hey- rathen koͤnne. Bedencken. Auf die vorgelegte frage: Ob in casu, da ein stieff-vater seines stieff-sohns wittib heyrathen wolle/ die dispensation statt finde. zu antworten/ habe die sache in der forcht des HErrn erwogen/ und finde am bequemsten und deutlichsten/ meine meinung in gewisse saͤtze einzutheilen. 1. Jst diese heyrath in goͤttlichen rechten nicht verboten: weder mit klahren worten/ noch durch eine nothwendige folge. Daß mit klahren wor- ten der casus nicht ausgetrucket seye/ davon kan kein zweiffel seyn. Denn wenn 3. Mos. 18/ 8. stehet/ du solt deines vaters weibs schaam nicht bloͤssẽ/ wird ohne allen zweiffel der rechte vater/ und also die eigenliche stieff-mutter verstanden. Auffs wenigste laͤßt sich ein mehrers aus dem wort nicht zwin- gen. Was die folge anlangt/ kan auch keine gezeiget werden/ indem unter den verbotenen graden kein einiger ist/ der mit diesem uͤbereinkaͤme/ oder in das secundum genus affinitatis einlieffe/ da man nach der angenommenen regel/ non personas sed gradus prohiberi, auch auf diesen gradum schliessen moͤchte. Vielmehr wo wir auf die allgemeine regel v. 6. gehen/ da es heisset/ niemand solle sich zu seiner nechsten bluts-freundin thun/ eigenlich ad carnem (s. reliquias) carnis suæ: So ist das secundum genus affinitatis al- lerdings zugelassen: Dann es werden nicht mehr als diejenige personen ein- ander verboten/ da eine das fleisch der andern fleisches ist; oder deutlicher/ mir wird niemand weiter verboten als mein fleisch/ und also meine eltern/ und vor-eltern/ kinder und nachkoͤmlinge/ und geschwistern/ so dann deroselben fleisch/ entweder nach der bluts-freundschafft oder schwaͤgerschafft/ nemlich derselbigen geschwistern und ehegatten. Was aber weiter gehet/ und muͤste heissen/ caro carnis carnis meæ, und eine doppelte ehe dazwischen kommet/ wie das secundum genus affinitatis mit sich bringt/ (indem des stieff-vaters fleisch ist seine verstorbene hauß frau/ dero fleisch ihr auch verstorbener sohn/ da hingegen dessen wittwe nunmehr des fleisches fleisches fleisch seyn wuͤrde) stecket nicht mehr in diesem allgemeinen verbot GOttes durch Mosen/ und kan also auch nicht von GOttes seiten vor verboten geachtet werden. Da- bey wol zu mercken ist/ weil GOTT sein sonderbares mißfallen an den ehen bezeuget / welche zu nahe in das gebluͤt gehen/ also gar/ daß er auch trohet/ daß U u u 2 das Das vierdte Capitel. das land solche leute ausspeyen solte/ welche sich mit denselben verunreinig- ten/ daß er dann/ welche ehen er billiche oder nicht billiche/ klahr und deutlich genug in dem gesetz muͤsse ausgetrucket haben: Folglich daß keine person ver- boten geachtet werden koͤnne/ davon das verbot nicht einem jeglichen/ der nur mit einem fleiß das gesetz ansihet/ klahr genug in die augen leuchtete. Hin- gegen sind mir billich alle diejenige folgen verdaͤchtig/ welche allzuweit herge- zogen werden/ und derer nothwendigkeit nicht kraͤfftig gnug auch den einfaͤl- tigen/ erwiesen werden kan. Wohin denn das gantze secundum genus affi- nitatis gehoͤret. Daher vor noch nicht langer zeit kein Theologus der unsri- gen sich jemal unterstanden hat/ einiges gradus desselben verbot aus Mose zu zeigen/ ob sie wol aus andern ursachen solche nicht zugelassen zu werden ver- langet haben / so je zum zeugnuͤß dienet/ wie so gar die sache in Mose mit derje- nigen klahrheit nicht stecken muͤsse/ welcherley die goͤttliche weißheit/ guͤte und gerechtigkeit erforderte in dem verbot einer sache/ die schwehre straffe nach sich ziehen solte/ und also das verbot deutlich seyn muͤste. 2. Ob nun wol die ehe in diesem grad und casu von GOTT nicht ver- boten/ so hat doch die sorgfalt die goͤttliche verbote so vielmehr zu befestigen/ und gleichsam einigen zaun um dieselbe zu machen/ (von welcher ob zwahr wolgemeinten sorgfalt sich vielleicht noch fragen liesse/ ob sie mehr schaden als nutzen gebracht haͤtte) einige in der christlichen kirche dahin bewogen/ gleich- wie andere in goͤttlichem gesetz nicht verbotene grade/ also auch das secun- dum genus affinitatis, und folglich diesen desselben casum, zu verbieten. Al- so wie diese heyrath ohne das in jure civili verboten gewesen nach l. uxorem. ff. de ritu nuptiarum, so haben auch die alte canones in secundo affinitatis genere das verbot biß auf den vierdten gradum extendi ret. So ist auch nechst andern mehrern kirchen-ordnungen in der Chur-Saͤchs. lands-ord- nung 1555. p. 122. austruͤcklich des stieff-sohns weib dem stieff-vater verbo- ten. Also haben ferner unterschiedliche Theologi, nach Th. Beza im vorigen seculo ihr mißfallen gegen solche heyrath in dem jetzigen seculo bezeuget/ als D. Menzerus de conjug. p. 1182. wo er sich vornemlich auf das argument be- zeucht/ weil des stieff-vaters kinder aus des stieff-sohns mutter nicht heyra- then koͤnten die kinder solches stieff-sohns/ die er gezeuget/ daher auch dero mutter/ die wittwe/ den vater nicht heyrathen koͤnne/ er berufft sich aufden re- spectum paternitatis, und publicam honestatem, nach der regel: in contra- hendis nuptiis non solum quod liceat, sed quod deceat \& honestum sit, spe- ctandum esse. Diesem folget Herr D. Gerhardus und Herr D. Brochmand/ so dann wie es pfleget zu geschehen/ mehrere andere nach ihnen. 3. Jndessen mag auch dieser gradus, wo einige christliche treibende ur- sachen vorhanden sind/ wol auch durch eine dispensation zugegeben werden. Dann SECTIO VI . Dann weil kein goͤttliches verbot in dem weg stehet (dann dieses liesse sich von menschen nicht auffheben) auch die alte canones auffgehoben sind/ daß nun- mehr jure canonum das secundum genus affinitatis allerdings frey ist/ so kan das obstaculum juris civilis (so ohne das in matrimonialibus wenig zu at- tendi ren) und provincialis von demjenigen/ der den legem gegeben/ auch wol auffgehoben/ und also dispensi ret werden: So vielmehr weil die prohibitio fast auf dem blossen argumento so genannter publicæ honestatis (dann das argument, daß deren kinder sich nicht unter einander heyrathen koͤnten/ ein- ander auch selbs verboten seyn muͤsten/ hat gar keine krafft/ und ist gnugsam von dem stattlichen Juristen Herrn Stryken refuti rt worden/ so ist auch der prætendi rte respectus paternitatis zu schwach) beruhet/ welche publica hone- stas gleichwol nichts anders ist/ als die sorgfalt anderer aͤrgernuͤß zu verhuͤ- ten. Nun bin nicht in abrede/ daß die versaͤumung derselben wol so wichtig ist/ daß man sich seiner freyheit um anderer zu schohnen bißweilen zu begeben habe. Jch sehe aber nicht/ wie dieses aͤrgernuͤß/ so zum grunde hat des gemei- nen volcks unverstand/ so sich durch die nahmen vater und sohns frau bestaͤr- cket/ allerdings alle die ratio nen/ welche eine person zu einer solchen heyrath bewegen moͤchten/ uͤberwiegen solte: Nachdem so wol sonsten auch mittel seynd/ und gesucht werden moͤgen/ dem gemeinen volck solche unrechte mei- nung/ als die ursach des aͤrgernuͤsses/ zu benehmen/ als auch eben durch die di- spensation der hohen Obrigkeit dieselbe wircklich benommen wird. Jndem das vertrauen der unterthanen/ daß dero hohe Obrigkeit nichts ungebuͤhrli- ches sua autoritate confirmi ren wuͤrde/ billich ihren eigenen gedancken præva- li ren solle. Weswegen dann bey Dedek. vol. 3. p. 396. 397. die berathschla- gung des Chur-S. Consistorii zu Wittenberg befindlich/ da verlangt wor- den/ weil die canones à civili discrepi ren/ daß der sache durch eine constitution und gewisse ordnung zu helffen/ so dann wiro vor gewiß gesetzt/ daß solche pro- hibitio, welche ratione honestatis publicæ geschehen/ per dispensationem koͤnne erlassen werden. Also fuͤhret eben solcher Dedekennus an p. 399. ein responsum der Theolog. Fac. zu Rostock 1570. so zwahr eine solche ehe/ weil sie wider die Kaͤyserliche rechte und die kirchen-ordnung streite/ nicht billichet/ aber nicht nur bekant/ daß sie nicht in goͤttlichem gesetz eigenlich verboten seye/ sondern auch rathet/ daß man bey dem Landes-Fuͤrsten oder General-Super- intendent en um dispensation ansuchen moͤchte. So dann von Jena 1599. in casu analogo, wo auch der hohen Obrigkeit die dispensation zugestanden wird. Er fuͤhret ferner an/ die responsa der Consistoriorum zu Dreßden und Wittenberg/ welche einem seiner frauen stieff-tochter (so auch ein analo- gon ) zugeben. Weswegen auch Herr D. Carpzov. Jur. Cons. L. 2. def. 119. die dispensation zugibet/ und ein præjudicium des Ober- Consistorii anfuͤh- U u u 3 ret/ Das vierdte Capitel. ret/ welches zwahr 1616. eine solche ehe unterlassen haben wolte/ aber beyse- tzet/ daß eine dispensation, wo die sache fortgehen solte/ erhalten werden muͤ- ste. Daher es auch an christlichen Theologis nicht manglet/ welche/ ob sie solche ehe nicht gern sehen/ sie dannoch auch nicht verboten wissen wollen. Herr D. Joh. Adam Osiand. Theol. Cas. P. V. p. 138. schliesset die frage also: Nos censemus absolute \& intrinsecè tale conjugium in foro poli \& con- scientiæ illicitum non esse: interim ubi lege prohibetur, \& dispensatio obti- neri nequit, abstinendum est: aut si rationes alicujus omnio ferant, ut tale conjugium ineat, \& si forte res non est in integro, eo se conferat, ubi per le- ges licitum est. Wie aber das dispensi ret werden koͤnne/ wir bereits die zeugnuͤssen gesehen/ so sind der exempel der wuͤrcklich erfolgeten dispensatio- nen nicht wenige; wie mich selbs zweyer besinne/ da in zwo vornehmen Reichs-Staͤdten/ unter welchen sonderlich die eine eine beruͤhmte Theologi- sche Facul taͤt und ansehnliches Ministerium hat/ bey zweyen personen di- spensi ret worden/ daß jede ihres stieff-vaters wittwe heyrathen moͤgen/ so in der that einer mit unserm casu ist/ ja noch schwehrer seyn moͤchte/ dieselbe zum ehegatten zu nehmen/ sich zu unterwerffen/ welche man vorhin vor mutter geehret/ als diejenige zum gehuͤlffen annehmen/ die ohne das in gewisser maaß als tochter unterthan gewesen war. Daher schließlich den casum nicht anders ansehen kan/ als so wol daß die dispensatio muͤglich/ als daß man sich auch/ wo christliche ursachen angefuͤh- ret werden/ bey hoher Obrigkeit derselben billich hoffnung machen moͤge. Der HErr regiere alles/ wie es zu seinen ehren/ der gewissen beruhigung und aller personen zeitlich und ewigem heil dienlich ist. 1691. Mitgesandtes schreiben an den Requirenten. W As derselbe von dem 25. pass. an mich gelangen lassen/ habe empfangen/ den casum in der furcht des HErrn erwogen/ und darauff meine hoffent- lich wohlgegruͤndete meinung abgefasset: welche ich hiebey uͤbersende. Koͤn- te es ohne beyder personen mercklichen nachtheil und verletzung ihrer gewis- sen geschehen/ daß die sache unterbliebe/ und derselbige sich eine andere ge- huͤlffin erwehlte/ so wuͤrde es so fern zu rathen seyn/ damit unberichteten nicht ein anstoß und aͤrgernuͤß gesetzet wuͤrde. Wo aber beyde ihrer resolution einander zu heyrathen gnugsame christliche ursachen/ wie in dem schreiben angefuͤhret worden/ zu haben glauben/ so haben sie in GOttes nahmen sich gehoͤrigen orts anzumelden/ und zu versuchen/ ob sie die dispensation zu er- halten vermoͤchten. Der stiffter der ehe und der alles in seinen haͤnden hat/ regiere auch diese gantze sache auff eine oder andre weise/ wie er zu seinen eh- ren/ und der interessenten zeitlich und ewiger wohlfarth solches ersprießlich zu seyn erkennet. Hiemit GOtt treulich empfohlen. SECTIO SECTIO VII . SECTIO VII. Ob einer seines verstorbenen weibes brudern witt- we salvo jure divino heyrathen koͤnne/ oder ob solcher casus jure divino verboten und indispensab el seye? J Ch halte diesen casum ex numero dispensabilium 1. Kan ich in goͤtt- lichem wort keinen ort finden/ da dieser grad entweder in terminis, oder durch eine offenbare und unwidersprechliche folge/ verboten waͤre: Da aber bekant ist/ daß wo goͤttliches wort nicht entgegen stehet/ uͤbrige gra- dus alle so bewandt seyen/ daß nach bewandnuͤß der sache sich dispensi ren las- se. Daß sich nun jemahl vor diesem einer nur unterwunden haben solte/ das verbot solcher ehe aus der schrifft darzuthun/ treffe ich nirgend an/ (wie dann diejenige Theologi, welche solchen grad lieber verboten gesehen/ sich anderer ursachen beholffen/ nicht aber auf einigen spruch austruͤcklich sich/ als viel mir wissend ist/ beruffen haben) ohne das von einigen zeiten her/ etz- liche Theologi dergleichen ehe ipso jure divino verboten zu seyn behaup- ten/ und sich sonderlich des loci 3. Mos. 18/ 6. brauchen/ da es heißt: Niemand solle sich zu seiner nechsten blutsfreundin thun/ oder ne- mo ad carnem carnis suæ accedat. Die krafft des schlusses moͤchte darauff ankommen/ wo wir das exempel nehmen: Daß Paulus nach seines weibes Mariæ tod/ dero brudern Petri wittbe Annam heyrathen wolte/ so seye Ma- ria Pauli fleisch/ hingegen weil Anna mit Petro auch ein fleisch worden/ seye dieselbe auch Mariæ fleisch/ und deßwegen Pauli fleisches fleisch/ und ihm al- so verboten. Dieser schluß aber ist sehr schwach/ am wenigsten aber gnug- sam so viel auszurichten/ daß man sothane ehe/ vor von GOtt selbst verbo- ten achten solte. Vielmehr sorge/ es GOttes weißheit und guͤte fast unge- maͤß zu seyn/ da er seinen willen in einer sache/ wo gleichwol die gefahr einer schwehꝛen suͤnde uñ blutschande versir te/ nur so dunckel offenbahꝛet haben sol- te; da gleichwol zu jeglichen gesetzes tugend dieses gehoͤret/ daß es deutlich was es haben wolle/ zu verstehen gebe/ und demnach jeglicher weiser gesetzge- ber der deutlichkeit sich vor allen andern dingen befleisset/ und wir also uns zu GOtt solcher nicht weniger zu versehen haben. Zu dem schluß aber selbst zu schreiten/ wird 1. gestanden/ daß Maria Pauli fleisch seye/ und worden seye: Es wird auch 2. nicht geleugnet/ daß Maria Petri fleisch seye/ als von einem fleisch mit ihm gebohren/ daher wo wir an statt Petri eine schwester E- lisabetham setzen wolten/ diese von Paulo nicht geheyrathet werden koͤnte/ weil sie waͤre caro carnis ipsius / das fleisch seines fleisches. 3. Wird auch eingeraͤumet/ daß Anna mit Petro ein fleisch worden/ und also sein fleisch seye. Aber 4. wird nicht zugegeben/ daß sie der Mariæ fleisch seye/ wie Petrus, mit dem Das vierdte Capitel. dem sie ein fleisch worden ist/ nicht aber mit seiner schwester Maria. Daher wann wir jetzund Annam und Paulum mit einander vergleichen wollen/ so waͤre Anna caro carnis (Petri) carnis (Mariæ) Pauli: nun ist mir verbo- then nicht caro carnis carnis meæ, sondern nur caro carnis meæ. Wird 5. eingewendet/ Anna sey mit Petro ein fleisch worden/ und nicht anderst als gleichsam eine person zu rechnen/ und der Elisabethæ gleich zu achten/ die ohn zweiffel dem Paulo verboten ist/ als caro carnis ejus; so antworte/ daß sie mit ihm Petro ein fleisch worden/ aber nicht eine person/ sondern sie heis- set sein fleisch/ wie Maria Pauli fleisch ist/ nicht aber Paulus selbs; wie ich dann Mariam Pauli carnem heisse/ so muß auch Anna Petri caro seyn/ der wiederum Mariæ caro ist/ da kommet/ wie mans auch machen will/ zwischen Paulo und Anna herauß/ nicht caro carnis sondern caro carnis carnis, davon nicht dieses sondern jenes von GOtt verboten ist. Also 6. ist Maria keiner- ley weise weder copula carnali noch ortu ex eadem carne der Annæ caro ge- wesen/ und deßwegen dem Paulo unverboten/ welcher sich allein von dem fleisch der Mariæ, die mit ihm ein fleisch worden/ zu enthalten hat. Also wer- den eheleute ein fleisch/ unter sich nicht aber mit beiderseits freunden/ wes- wegen sie auch/ so bald von diesen gehandelt wird/ nicht vor eine person ge- halten werden/ sondern eines ist des andern fleisch. So ist mir auch ein starckes præjudicium wider solche erklaͤhrung/ daß vormalige Theologi al- le in fleißigster erwegung des orts aus Levitico nichts dergleichen darinnen gesucht oder gefunden haben. Welches aufs wenigste ein zeugnuͤß seyn mag/ daß es gar nicht klahr in dem text stehe/ wie doch von solchen wichtigen verboten nothwendig waͤre. So wird auch von solcher neuen und von den alten abgehenden explication auffs wenigste dieses erfordert/ daß sie mit klaͤhrern gruͤnden dargethan/ und nicht nur daß etlicher massen es also heissen koͤnte/ sondern nothwendig also heissen muͤßte/ erwiesen werden. Ohne wel- ches die billigkeit erfordert/ bey der gemeinen erklaͤhrung zubleiben. So vielmehr weil ohne daß die prohibitio als odiosior nicht zu præsumi ren/ son- dern favor permissionis, wo jene nicht deutlich dargethan/ billich prævali ret. 2. Hiezu setze/ daß biß dahin dieses die einmuͤthige meinung der Theologo- rum und JCtorum unserer confession (also auch der Reformirten ) gewe- sen/ daß dergleichen heyrathen mit des weibes bruders wittwe/ entweder schlechterdings erlaubt/ oder doch nicht dem goͤttlichen gesetz zu wider/ und also ohnzweiffenlich dispensabel seyen. Unser Lutherus T. 2. Alt. da er die verbotene grad setzet/ erlaubt noch vielmehr/ so wir an seinem ort gestellt seyn lassen. Melanchthon, setzet nicht nur diesen grad nicht unter die ver- botene/ sondern erlaubt ihn austruͤcklich/ weil er in dem secundo genere af- fini- SECTIO VII. finitatis kein verbot erkennet. Deßgleichen D. G. Major bey Sarcerio p. 22. b. Also auch findet sich dieser casus nicht unter den verbotenen bey Joh. Bren- tio. Henr. Bullingero, D. Melch. Clingio, dero orte Sarcerius in Corp. Jur. Matrim. anfuͤhrẽt. Nechst denselben approbi ret unser in solcher materie son- sten so fleißige und sorgfaͤltige D. Chemnitius. LL. CC. P. 3. p. 215. diese e- he/ eben damit/ da er das gantze genus secundum affinitatis vor erlaubt er- kennet. Jn diesem Seculo leugne ich nicht/ daß einige Theologi nachdem zuvor Beza (den ich zwahr nachzuschlagen nicht gehabt) angestanden/ ange- fangen an solcher ehe zu zweifeln/ aber gleichwol nimmer zu asseri ren/ daß sie contra legem divinam waͤre. Die erste finde ich D. Menzerum und D. Gerhardum. Jener handelt hievon in Tr. de conjug. T. 2. Opp. p. 1111. 1112. Da er erstlich anfuͤhret den Juristen Joach. Beustium, der solche ehe zulasse/ (wie auch zusehen bey Dedekenn. in Consil. Volum. 3. p. 407. ) jedoch wo noch res integra verlange/ daß man davon abstehe/ um aͤrgernuͤsses willen. Er aber sagt: Mihi (salvo aliorum judicio) ejusmodi nuptiæ, propter. quandam turbationem cognationis probari nonpossunt So saget er noch ferner/ nach dem er jene ursach ausgefuͤhret. Etsi proprie loquendo uxor fratris uxoris meæ mihi non sit affinis in primo genere: tamen existimo, eam affinitatem quam proxime accedere ad naturam illius propter unita- tem illam carnis. Et nescio quid singularis propinquitatis esse videatur. in hac affinitate. Bald. Quod si præfracte urgere quis velit, esse eam affi- nitatem proprie non primi sed secundi generis: proinde ob eam nuptias non impediri: respondebo, honestatis saItem publicæ rationem in hoc ca- su tantam esse debere, ut a tali conjugio homines absterreantur. Quæ qui- dem ita disputo, ut tamen aliorum sicut dixi cordatorum judicium nolim aspernari, \& loquor de matrimonio non jam contracto sed contrahendo. Aus welchen worten wir sehen/ ob wohl solche heyrath ihm nicht gefalle/ wie modeste dennoch der beruͤhmte Theologus redet/ seine meinung nur sagt/ niemand sie auftringet/ und sich auff solche ursachen berufft/ welche so- thane ehe mehr mißrathen als verbieten: Durchauß aber unterstehet er sich nicht zu sagen/ daß sie austruͤcklich von GOtt verboten waͤre. D. Gerhard folget auch hierinnen Menzero; nechst dem er auch D. Majorem, und aus den Juristen Albericum Gentilem fuͤr sich anzeucht: Davor haltende/ daß das verbot solcher ehe/ so in decretis zu finden/ billig noch statt haben solle. Jndessen ttauet er sich nicht zu sagen/ daß sie jure divino verboten seye. Viel- mehr da er arg. 2. also schliesset/ daß diejenige sich untereinander nicht vereh- ligen koͤnnen/ deren kindern solches verboten ist: Gestehet er in diesem fall/ daß das verbot der ehe unter den kindern/ daher auch dieses/ nur ex jure ca- nonis seye. So sagt er auch arg. 4. eadem non impediri matrimonium, est X x x ad- Das vierdte Capitel. admodum improbabile; trauet also das gegentheil nicht præcise zubehaup- ten. Wie auch insgesammt auf seine argumenta sich gruͤndlich antworten laͤsset/ da gewiß allein das letzte de honestate das staͤrckste ist. Nach diesem hat D. Brochmand diesen gefolgt L. de conjugio c. 4. q. 47. aber auch so/ daß er solche sententiam tutissimam halte/ ut tales nuptiæ non probentur, welches noch nicht so viel gesagt ist/ daß man sie vor bloß und zwahr aus goͤttlichem gesetz verboten halten muͤste. Was vor Theologi nach solchem von dieser sache geschrieben/ weil dieselbe nicht in meiner bibliothec habe/ kan nicht nachschlagen; versichre mich aber/ welche sich diesen gradum nicht eben so groß gefallen lassen/ werden dannoch nimmermehr goͤttliches verbot und also die indispensabili taͤt allegi ren. Mein Præceptor Herr D. Dannhau. Theol. Consc. p. 784. sagt austruͤcklich: Fas ac divina lege improhibitum, ducere uxoris meæ fratris viduam. Da er auch Gerhardi meinung also an- sihet/ daß sie nur darauff gehe/ daß solche ehe humana lege zu verbieten. Un- ter den aͤltern fuͤhret Dedekenn. Consil. T. 3. p. 409. des Consistorii zu Wit- tenberg/ in welchem auch die Theologi mit begriffen/ ausspruch an: Auff eure an uns gethane frage/ ob eine wittwe ihres verstorbenen mannes schwester-mann zu ehligen befugt seye/ und euch des rechten daruͤber zu berichten gebeten habet/ demnach unterrichten wir die ver- ordnete \&c. Darauff vor recht/ daß diese ehe in secundo genere affi- nitatis unverboten/ jedoch sind diese personen der gemeinen ehrbar- keit zu erinnern. Ja Beustius bezeuget von ihnen/ daß sie/ wo bereits ein verspruch geschehen/ auch nicht einmal eine abmahnung von dem vorhaben noͤthig geachtet. Von dieser seiner vorgaͤngere erkaͤntnuͤß ist zwahr nach- mal abgegangen Herr D. Calovius in seinem Systemate L. de conjug. p. 543. gleichwol also/ daß er bloß sagt/ die frage werde à Menzero und andern re- ctius negi rt/ er fuͤhret aber allein das argument, weil der personen kinder nicht mit einander sich verheyrathen koͤnten; so dann vornemlich/ daß in ehe- sachen zu sehen seye/ non solum quod liceat, sed etiam quod deceat \& hone- stum sit. Daß er also auch noch nicht dahin zu gehen getruet/ ob waͤre der casus ipso jure divino verboten/ wie wir auch gehoͤret haben/ daß D. Menze- rus dergleichen vorzunehmen sich nicht unternommen habe. Aus allem sol- chem meine zur gnuͤge zu erhellen/ daß biß dahin unsere Theologi und lehrer solche ehe gebilliget/ oder auffs wenigste nicht in goͤttlichem recht verboten o- der indispensabel gehalten haben. 3. Hiezu kommt/ daß insgemein biß dahin das secundum genus affi- nitatis vor unverboten gehalten worden: Wie wir aus dem obigen von Me- lanchthone, G. Majore, D. Clingio, Chemnitio gehoͤret haben/ deren letzte- rer SECTIO VII . rer austruͤcklich sagt: Antiquiores quidem Pontifices ad omnia illa genera affinitatum prohibitiones suas extend erunt, unde multæ secutæ sunt tur- bationes conscientiarum. Sed quia nec divinum nec humanum jus pro- hibitiones illas tam latè extendit, abrogata fuerunt tandem secundum \& tertium genus affinitatis, ut non constituant talem affinitatem, quæ impe- diat matrimonium. vide caus. 35. q. 3. de consang. \& affinitat. Zu diesem kan noch ferner setzen den beruͤhmten Juristen Joach. a Beust, der sich eben in deci- siõ dieser frage auff solche concession des gantzen generis secundi affinitatis gruͤndet/ uñ zugleich als einstim̃ig einfuͤhret die Juristen Joh. Schneidewinum und Matth. Wesenbecium, so dann aus den Theologis Hem̃ingium, und von den Papisten Didacum. Da also insgemein/ so gar auch von den Papisten/ so doch sonsten die prohibitiones lieber weiter erstrecket haben/ das gantze secundum genus affinitatis angesehen wird/ als an der ehe unhinderlich/ so muͤssen allzuwichtige ursachen/ die ich hie nicht finde/ seyn/ welche diesen ca- sum von dem gantzen genere excipir ten. Welches so vielmehr bestaͤrcket wird/ wann wir bedencken/ daß solches secundum genus weder unter der definitione consangvinitatis noch affinitatis (welche beyde gleichwohl allein ein verbot machen koͤnnen) eigentlich begriffen seye: von dem ersten ist die sache un dispu tirlich: Was das andre anlangt/ so wird affinitas defini rt bey Carpzov. Jur. Consist. L. 2. T. 6. n. 2. daß sie seye vinculum ex conjunctio- ne maris \& fœminæ in uno conjuge \& alterius cognatis. Daher es vor gantz richtig gehalten wird/ daß beider eheleute verwandte unter sich nicht affines sind: Die ursach zeigt Chemnitius an/ quod solus maritus ad cognatorum uxoris fines accessionem fecerit, ac similiter uxor ad cognatos mariti \& u- xoris inter se. Nun ist offenbahr/ daß die wittwe meines weibes bruders/ ist keine cognata meines weibes/ sondern ihre affi n is, so ist sie also auch mir nicht eigentlich affinis: Weil die affinitas allein ist unter dem ehegatten/ und des andern blutsfreunden. Daher die andere beyde genera gantz abusive affinitates genant werden. Von unsern Saͤchsischen Theologen setze ich billig auch Hr. D. Kromeyerum hieher/ der in Theologia posit. polem. p. 903. austruͤcklich und ohne außnahm spricht: In secundo \& tertio genere, affinitatis matrimonia non sunt prohibita, præterquam quod jure territo- riali casus quidam in hisce prouinciis sint excepti. 4. Nechst bißher ange- fuͤhrtem ist eines der staͤrcksten momentorum wo die frage in absicht auff die Saͤchsische lande gehandelt wird/ daß gleichwol deꝛselben kirchen-ordnungen/ wo darinnen die regul vorgeschrieben ist/ wie weit die ehe soll erlaubt oder verboten seyn/ dieser gradus mit keinem wort als verboten angefuͤhret wird. Wie wir sehen so wol in der kirchen-ordnung Churf. Augusti Corp. jur. Sax. X x x 2 p. 275. Das vierdte Capitel. p. 275. als Churf. Joh. Georgen eheordnung p. 464. daß daselbs das ver- bot der grad der blutsfreundschafft zwahr auch auff die schwaͤgerschafft ex- tendir et wird/ aber austruͤcklich auff diejenige/ welche des ehegatten bluts- freunde/ nicht aber wiederum dessen schwaͤger sind/ daß also nur das pri- mum, nicht aber das secundum, genus affinitatis in dem verbot attendi ret wird. Diese ehe-ordnung wird jaͤhrlich verlesen/ und daher billig von je- dermann also verstanden/ daß was nicht in deroselben verboten ist/ vorer- laubt zu achten seye/ folglich welche sich in den graden, so daselbs nicht ge- meldet sind/ mit einander verloben/ thun solches bona fide, daher ich nicht se- he/ wie zu ihrem schaden solche verloͤbnuͤß rescindi ret/ oder die vollstreckung gehindert werden koͤnne. So vielmehr weil da ein casus, der in das secun- dum genus affinitatis gehoͤret/ nehmlich mit des stiefvaters wittwe/ wo ohne zweiffel allein auff den respectum paternitatis gesehen wird/ austruͤck- lich unter die verbotene gesetzet wird/ in der der landes-ordnung einverleib- ten designation der personen so nicht ehelich werden sollen. p. 123. Da denn gewißlich/ wo Legislator auch in linea transversali etwas zu verbie- ten gewillt gewesen/ dieser casus mit des weibes brudern wittwe/ auch nicht haͤtte vergessen werden sollen. Zwahr nachdeme sehen wir bey Carpz. Ju- rispr. Consist. L. 2. T. 6. def. 102. daß solcher fall etlicher massen verboten zu- achten/ wo wir aber die rescripta aus dem Ober- consistorio, die er angefuͤh- ret/ besehen/ so finden wir nur/ daß erfordert wird/ daß solcher fall daselbs hinzuberichten gewesen waͤre/ auff daß in dergleichen dessen erkaͤntnuͤß alle- zeit dazu kaͤme/ daher auch sonderlich und meistens auff vermeidung der aͤr- gernuͤsse in denselben getrieben/ gar aber weder ein goͤttliches noch obrigkeit- liches gebot allegi ret wird: Um welcher ursach willen auch defin. 120. die dispensation zugelassen wird. 5. Bey dieser ist nun ferner wohl zu bedencken/ daß auch das Churfuͤrst- liche Ober- Consistorium in Dreßden diese nicht abgeschlagen/ sondern er- theilt haben: wie bey Carpzov. d. defin. 120. de annis 1614. 1618. 1620. zu se- hen/ dazu auch das exempel de anno 1627. bey defin. 102. zu ziehen/ wo zwahr daß ohne vorwissen des Ober- Consistorii solche nachlassung geschehen/ gean- det/ aber gleichwol das gethane verloͤbnuͤß zu vollziehen verstattet worden. Dazu noch kommt/ das ohne jahr aus Dedekenno bey Carpz. defin. 120. an- gezogene rescript des Ober- Consistorii: wo zwahr wann noch kein verbuͤnd- licher verspruch geschehen/ die personen abzumahnen verordnet/ aber aus- truͤcklich dazu gesetzet wird: Wofern sie aber sich mit einander allbereit verbunden/ so wuͤrde ihnen die vollziehung auff vorhergehendes der kirchen auffgebot durch christlichen kirchgang und eheliche beywoh- nung billich erlaubet/ gestattet und nachgelassen. So sind auch der e- xem- SECTIO VII. xempel gnugsam bekant/ derjenigen/ so auff dergleichen weise in Sachsen ge- heyrathet/ welche deßwegen entweder dispensation gehabt haben muͤssen/ o- der man wohl gar dieselbe nicht noͤthig geachtet. 6. Es kom̃t ferner zubedencken/ daß wo man diesen casum als jure di- vino verboten achten wolte/ solches nicht allein so viele Theologos und gan- tze. Collegia einer ziemlichen ignorantiæ juris divini unverdient beschuldi- gen/ als die contra jus divinum dispensi ret haͤtten/ sondern auch denjenigen/ die aus dergleichen ehen erzeuget/ einen nicht geringen vorwurff machen wuͤrde/ ob waͤren sie ex conjugio incestuoso erzeuget/ welches noch mehrere weltliche folgen nachsich zoͤge. 7. Ferner wuͤrde das vorgeben/ ob waͤren diese ehen in goͤttlichem recht verboten/ die uͤbrige evangelische kirchen/ sonderlich Ober-Teutschlan- des (wie mir dergleichen exempel bekant) nicht wenig gravi ren/ in dem bey denselben solche ehen ohne oder auch mit cognition der obrigkeit verstattet werden: Ja es moͤchten daher die Papisten eine stattliche/ uns aber sehr schaͤdliche gelegenheit nehmen/ unser zu spotten/ und sowol die uneinigkeit untereinander/ als auch unsre unbestaͤndigkeit/ weil man an einem ort vor goͤttliches verbot erkenne/ was man anderswo vor erlaubt achte/ auch selbs in so wichtiger sache de jure divino von einer meinung auff die andre springe/ folglich die ungewißheit unferer religion/ wo man kein gewisses fundament fest setzen koͤnne/ da man nicht zu andern malen wiederum davon abweiche/ uns mit nachtruck und aͤrgernuͤß der schwachen vorzuwerffen/ hingegen den vorzug ihrer kirchen/ wo alle solche dinge von einem tribunali geurtheilet/ und solchen dissensionen kein raum gegeben werde/ wider uns zu ruͤhmen. SECTIO VIII. Als eine hohe Standes-person ihrer vorigen ge- mahlin leibliche schwester zu heyrathen vorhatte. 1. Antwort auf das requisition s- schreiben/ mit dem das folgende re- sponsum uͤberschickt. J Ch leugne nicht/ daß bey unterschiedlichen monathen/ wiewol allein aus dem geruͤcht/ von einem/ zweyer hoher personen vorhaben gehoͤret/ mich aber auffs wenigste so fern uͤber dieses schreiben erfreuet/ daß dar- aus ersehen habe/ daß solches noch nicht vollenzogen/ wovon ich/ offenhertzig heraus zu gehen/ nicht wenig aͤrgernuͤß in unserer Christlichen Evangelischen Kirchen besorge: Der getrosten hoffnung lebende/ daß dieselbe die sache je laͤnger je reifflicher uͤberlegende/ diejenige resolution endlich nehmen werden/ welche der goͤttlichen ordnung unzweiffenlich gewiß/ dem gewissen zur beru- higung dienlich/ und unserer Kirchen ohne vorwurff seyn moͤge. Jch habe X x x 3 auff Das vierdte Capitel. auf begehren meine meinung uͤber die sache/ jedoch mit fleiß/ als in thesi, nicht aber hypothesi (die doch von selbsten aus jener fliesset) in der furcht des HErrn/ und mit dessen anruffung/ auffs einfaͤltigste abgefasset/ dabey ich den HErrn/ so aller menschen hertzen in seinen haͤnden hat/ und sie als die wasser- baͤche leitet/ demuͤthig anruffe/ daß er durch seines Heiligen Geistes krafft/ die gemuͤther allerseits dahin lencken wolle/ das gantze werck mit andern/ als von einigen affect en eingenommenen/ augen/ vielmehr in seinem liecht anzu- sehen/ seinen heiligen und guten willen darinn zu erkennen/ und demselben sich willig zu bequemen/ folglich allerhand aͤrgernuͤssen damit vorzukommen. Jch hoffe/ wie die hohe personen solches nicht in ungnaden vernehmen/ also auch derselbe großguͤnstig sich belieben lassen werde. 1681. 2. Auf angeregten casum ertheiltes erstes responsum, das mit dem vorigen brieff uͤbersandt. O B alle prohibitiones matrimoniales 3. Mos. 18. adjus naturale s. legem divinam moralem, und also auch die/ daß ein mann seines verstorbenen weibs schwester nicht heyrathen solle/ gehoͤre. Resp. Zu dem jure naturali kan ich diesen legem gar nicht ziehen/ indem die na- tur von sothaner propinquitate sanguinis nicht weiß/ oder sich doch das ver- bot uͤber die gradus ascendentes und descendentes nicht erstrecket. Weil aber ohne die legem moralem naturalem auch noch lex moralis positiva ist/ wie der S. D. Dannhauer Hodos. Ph. VI. zeigt/ so habe bißher mit ihm diese prohibitiones inter fratres \& sorores u. s. f. solchem legi morali positivæ zugeschrieben. 2. Ob die prohibitiones matrim. 3. Mos. 18. nur von denen daselbs aus- truͤcklich genannten personen/ oder von allen gleichen faͤllen/ qui in eodem pa- ri, seu æquali gradu propinquitatis s. consanguinitatis s. affinitatis sunt, es seye weib oder mann zu verstehen? und die haupt-ursach des verbots à nimia propinquitate sanguinis hergenommen bey allen gleichen graden gelte? Resp. Jch habe bißher allezeit versum 6. pro fundamento prohibitionis ge- halten/ finde auch noch nicht gnugsame convinci rende ursachen/ davon abzu- gehen/ daß daher nicht traute/ eine solche ehe auf mein gewissen zu nehmen/ ob ich wol nicht leugne/ daß in den folgenden mir schwehre difficul taͤten vor- kommen/ da ich mich nicht nach gnuͤgen extrici re. 3. Ob wann lege divina morali 3. Mos. 18/ 8. austruͤcklich verboten/ du SECTIO VIII . du solt deines bruders weibs schaam nicht bloͤssen/ denn sie ist ꝛc. des weibes schwester schaam aber in gleichem grad stehet/ es auch heisse: Du solt deiner schwester manns schaam nicht bloͤssen/ denn es ist dei- ner schwester schaam/ der bruder oder die schwester lebe oder seye todt. Resp. So lang das obige fundament stehet aus v. 6. so ich der uͤbrigen gantzen abhandlung solcher materie in selbigem capitel gemaͤß finde/ und daher noch keine gnugsame ursach habe/ davon abzutreten/ kan ichs nicht anders als vor einerley recht und ursach halten. Dann es wird austruͤcklich v. 16. die ur- sach angezogen/ daß sie seines bruders schaam seye. Da wird weder von uneinigen ehen noch anderer sorge eines inconvenientis, so der ehe wegen entstehen moͤchte/ meldung gethan/ sondern daß sie des bruders schaam/ und ihm also zu nahe zugehoͤrig seye. Wann wir noch weiter sehen in diesem ca- pitel/ wo diese art zu reden stehet v. 8. 10. so folget dieses draus/ diejenige/ welche mein oder derjenigen/ welche mein fleisch und blut sind/ schaam sind/ sind mir zu ehelichen verboten. Denn v. 8. du solt deines vaters weibes schaam nicht bloͤssen/ dann sie ist deines vaters schaam/ also alle die deines vaters schaam ist/ darffstu nicht nehmen. v. 10. Du solt deines sohns oder deiner tochter schaam nicht bloͤssen/ denn es ist deine schaam. Also darff ich meine schaam nicht bloͤssen. Hie v. 16. darff ich auch meines bruders weibs schaam nicht bloͤssen/ dann sie ist meines bruders schaam. Von den er- sten exempeln ist kein zweiffel/ daß sie verboten seyen wegen der nahen anver- wandschafft/ das eine in der affini taͤt/ das andere in der consanguini taͤt/ so lei- det sich nicht/ daß das dritte exempel einen andern verstand habe: Sondern kommt vielmehr diese regel heraus/ alle diejenige personen/ welche entweder meine nechste bluts-freundin/ mein wuͤrcklich fleisch und blut ist/ oder mit mei- nem fleisch und blut ein fleisch worden ist/ die ist mir verboten: Denn sie ist meine oder meines nechsten bluts-freundes schaam. Und ist nicht erdencklich/ wie in dieser redens-art/ daß die person verboten seye/ weil sie dessen und des- sen schaam seye/ etwas anders als eine propinqui taͤt koͤnte gemeinet seyn. Nun wo diese regel stehet/ so ist meines weibes schwester zwahr nicht meine/ aber derjenigen/ die mit mir ein fleisch gewesen ist/ schaame: oder auffs wenig- ste/ ist der mann die schaam seines weibes/ und also deroselben schwester ihm verboten. 4. Ob die wort ( ihr zu wider/ weil sie noch lebet ) zu der substanz des verbots oder nur zu der dem verbot angehengten ursach ( nempe, ihr zu wider/ oder sie zu aͤngstigen in ihrem leben) gehoͤren? und also zwo ursachen dieses ver- Das vierdte Capitel. verbots v. 18. seyen. Eine/ welche schlechthin ohne zusatz des weibes schwe- ster bey allen/ sie seyen hoch oder niedern standes/ zu ehelichen verbiete/ wegen des nahen gebluͤts v. 6. und 16. Die andere/ daß du sie nicht aͤngstigest/ da- mit daß du ihre schaame neben ihr bloͤssest; in diesem verstand/ du solt deines weibes schwester nicht nehmen weder vor noch nach ihrem todt: nicht nur we- gen der nahen freundschafft/ sondern auch darum/ daß du sie nicht/ weil sie noch l ebet/ betruͤbest: Ob daher die consequenz guͤltig seye/ du solt deines weibs schwester nicht nehmen/ so lang sie lebet. Ergo darffstu sie nehmen/ wann dein weib todt ist. 5. Ob der zusatz ( neben ihr/ so lang sie lebet ) eine restriction und exce- ption à regula (prohibito gradu prohibentur omnes casus, qui ad istum gra- dum congruunt) mache/ und als ein casus ejusdem quidem primi gradus affinitatis sed exceptus, wie der 5. Mos. 25/ 5. zu halten? Also die ehe mit 2. schwestern zugleich/ nicht aber nach der ersten todt/ verbinde. Weil ja die worte/ so lange sie lebet/ nicht vergebens hinzugesetzet. Resp. Auf diese beyde fragen weiß ich nichts vergnuͤgliches zu antworten: Sondern so klahr mir die vorige stuͤcke alle vorkommen/ daß ich darinnen die wenigste wichtige difficul taͤt nicht finde/ so wenig finde ich noch uͤber diesen knoten in allen antworten/ welche ich bißher bey einigem autore gefunden/ dergleichen vergnuͤgen/ daß ich darauf beruhen koͤnte. Sondern ich sehe die- sen versicul also an/ daß zwahr er mir noch das vorige umzustossen nicht gnug ist/ da sein verstand selbs dunckel und zweiffelhafft seyn mag/ aber dennoch daß er mir die sache mehr und mehr schwehr mache. 6. Ob Johannes Herodem gestrafft nur wegen des ehebruchs/ und weil sein bruder noch im leben war/ oder aber ob nimiam propinquitatem sangui- nis, daß er seines bruders weib und schwaͤgerin im ersten verbotenen grad habe. Resp. Das letzte zeigen vielmehr die wort des Evangelisten an/ daß Johannes ihn gestrafft nicht nur wegen des nehmens/ sondern wegen des behaltens/ nun nach Josephi zeugnuͤß hat zwahr Herodes die Herodiadem geheyrathet als Philippus noch lebte/ aber dieser starb bald drauf/ und wird als dieses gesche- hen/ schon todt gewesen seyn. 7. Ob der S. Herr Lutherus in dieser frag: Ob ein mann seines todten weibs SECTIO VIII . weibs schwester ehelichen moͤge/ auf seiner ersten meinung geblieben/ oder sol- che nachgehends in letzteren schrifften geaͤndert. Resp. Dieses letzteren finde keinen gnugsamen grund/ und sehe ich nicht/ wie die dazu anfuͤhrende erweißthuͤme einem widersacher gnug thun moͤchten. 1681. 3. Das andre responsum. E S wird diese frag vorgeleget/ ob ein wittiber mit gutem gewissen sei- nes abgestorbenen ehegemahls leibliche schwester zu heyrathen vermoͤge? Hierauff in der furcht des HErren und mit dessen hertzlicher an- ruffung zu antworten/ so bekenne/ daß ich sonsten in der materie dieser ehesa- chen nicht pflege so streng zu seyn/ wie zuweilen einige aus guter meinung zu seyn pflegen/ und also was diejenige grade anlangt/ welche nicht von GOtt verboten sind/ nicht nur allein zu den dispensationen mich unschwehr bewe- gen liesse/ sondern wo es in meiner macht gestanden waͤre/ lieber gesehen haͤt- te/ daß wir Evangelische alle diejenige weitere verbote/ als das goͤttliche ge- setz gehet/ auffgehaben/ und es dabey gelassen haͤtten/ was der einige hoͤchste gesetzgeber in solcher materie fuͤr alle menschen am weißlichsten verordnet; Massen ich davor halte/ daß obwol einige scheinbare ursachen angefuͤhret werden/ warum die christliche kirche noch weiter gegangen seye/ und dem ge- setz gleichsam von aussen noch einen zaun umgeben habe/ solche gleichwohl so kraͤfftig nicht seyen/ daß nicht die daraus entstehende incommoda, wie es ge- meiniglich mit allen menschlichen zusaͤtzen/ welche zu dem goͤttlichen gesetz hin- zugethan werden/ ergehet/ jenem vorgebenden nutzen gleich streichen/ und es also rathsamer bey der von GOtt gegebenen freyheit gelassen worden waͤre. Daher ich/ wo ich an einem solchen ort wohnete/ da sothane kirchliche und o- brigkeitliche verbote nicht sind/ (dann wo sie sind/ so beruhet ihre obligation auff einem andern fundament ) selbs in meinem gewissen kein bedencken finde/ warum ich nicht dergleichen personen/ als zum exempel geschwister kind hey- rathen moͤchte. So wenig ich nun von denen menschlichen verordnungen in solcher sache halte/ so schwehr wuͤrde mirs seyn von dem goͤttlichen verbot in etwas abzuweichen/ ja unmuͤglich selbsten in etwas zu gehellen/ dessen verbot durch eine rechtschaffene folge aus solchem goͤttlichen gesetz gezogen wird. Vorausgesetzt also dessen/ so kan auff diese gegenwaͤrtige frage nicht anders als mit nein antworten. Welche meine antwort ich nicht gruͤnde auff das weltliche und Canoni sche recht/ deren dieses uns an sich selbs nicht verbin- det/ als so viel jede Obrigkeit aus demselben selbs angenommen haͤtte/ jenes verbote aber durch die autori taͤt der hoͤchsten weltlichen Obrigkeit/ von dero Y y y solche Das vierdte Capitel. solche gesetze urspruͤnglich herkommen/ durch dero dispensation auffgehoben werden koͤnten/ sondern ich gruͤnde solche auff die folgende ursachen/ welche eigenlich das gewissen betreffen/ davon auch allein die frage gestellet ist. So ist nun das erste fundament meiner negativæ, der goͤttliche allge- meine befehl aus dem 3. Mos. 18/ 6. Niemand solle sich zu seiner nech- sten bluts-freundin thun/ ihꝛe schaam zu bloͤssen/ dann ich bin der Herr. Welcher zusatz insgemein zu denjenigen gesetzen pfleget gethan zu werden/ in dero uͤbertretungen die goͤttliche Majestaͤt sich sonderlich beleidiget achtet. Was aber hie nechste bluts-freundin gegeben wird/ heisset eigenlich in der grund-sprach des gesetzes niemand solle sich thun zu dem fleisch seines fleisches/ oder zu dem uͤbrigen fleisch oder reliquiis seines fleisches; und also verbietet mir der Herr darinen diejenige/ welche meinem fleisch die nech- ste/ folglich die so aus meinem fleisch gebohꝛen sind/ oder von dero fleisch ich ge- bohren bin/ oder die mit mir aus einem fleisch gebohren sind; welches wir se- hen werden/ daß es gantz mit denen absonderlich in dem goͤttlichen gesetz be- namßten graden uͤberein kommen wird; daß also verboten sind die obere und untere/ so dann geschwistere und der eltern geschwistere/ welche unsers fleisches fleisch sind: Nicht aber gehet solcher verbot weiter auff diejenige/ welche unsers fleisches fleisches fleisch sind. Wie nun solches rich- tig/ und so fern etwa nicht disputi ret wird in der blut-freundschafft selbs/ so hat es nicht weniger platz in der schwaͤgerschafft/ alldieweil eheleute ein fleisch sind Matth. 19/ 5. aus 1. Mos. 2/ 24. Daher in allen rechten diese all- gemeine regel/ daß mir meines weibes bluts-freunde eben in dem grad durch schwaͤgerschafft angehoͤren/ gleich wie meine eigene/ angenommen wird/ und auff solchem grund fest beruhet. Wie dann abermal die exempla der abson- derlichen goͤttlichen verbote erweisen. Massen verboten werden in dem er- sten grad in auff und absteigender linie des vaters weib/ die schnur/ des wei- bes tochter und enckelin/ und in der nebens-linie des bruders weib und des weibes schwester/ so dann in dem zweyten grad nemlich ungleicher linie des vettern weib: daß also eben dadurch erhellet/ daß die goͤttliche verbote in der so blut-freundschafft als schwaͤgerschafft gantz gleichstimmig sind/ und in kei- ner weder mehrere noch weniger grade verboten seyen: auff daß wir also se- hen/ daß der heilige GOtt beyde arten gleich gehalten haben will. Voraus- gesetzt dieses gewissen satzes/ so ist nicht unklahr/ was von dem gegenwaͤrti- gen fall zu halten ist. Jn dem bekantlich meines weibes schwester meines fleisches fleisch und derjenigen/ mit dero ich ein fleisch gewesen bin/ nechste bluts-freundin ist. Daß wir also ein unzweiffenlich goͤttliches gesetz wider diese art der heyrath auffzuzeigen haben/ indem ob diese nahmen nicht aus- getru- SECTIO VIII. getrucket sind/ es eben gleicher krafft ist/ weil der fall aus der allgemeinen re- gel folget/ oder darinn begriffen ist. Hinzu kommet noch ferner/ daß biß da- her unsere Evangelische Theologi mit gutem bestand gegen die Papisten die- se regel verfochten haben/ daß in dem goͤttlichen ehe-verbot 3. Mos. 18. nicht die personen sondern die graden verboten seyen: wie nach andern (massen er selbs die beruͤhmte Lehrer Chemnitium, Brentium, Selneccerum, Osian- drum, und Bidenbachium anzeucht) solchen satz mit mehreren bißher unum- gestossenen gruͤnden behauptet hat der beruͤhmte D. Gerhard. loc. de conjug. n. 275. p. 40. und f. Mit welchem es biß daher nicht weniger die nachgefolg- te beruͤhmte lehrer biß auff diese zeit gehalten haben/ und noch halten: deren allein etliche hie anziehe/ D. Brochmand. System. T. 2. art. 43. p. 566. D. Kö- nig Cas. Consc. p. 779. D. B. Menzerus T. 2. de Conj. p. 1092. D. Calov. Sy- stem. art. de Conj. p. 358. Also auch die gantze Theologi sche Facul taͤt zu Wittenberg Consil. T. 4. p. 66. Wo nun dieses richtig ist/ wie es richtig ist/ so mag so wenig dergleichen ehe mit der leiblichen schwaͤgerin bestehen/ so we- nig als sie mit des bruders weib bestehen mag/ so deutlich zweymal 3. Mos. 18/ 16. 20. 21. verboten wird/ womit dieser fall in dem grad gleich ist. Son- derlich haben wir dieses wohl zu erwegen/ daß austruͤcklich verboten werde des vatern brudern weib/ welche auch nur verschwaͤgert und einen halben grad, so zu reden/ weiter ist. Da dann nun dieselbige/ welche noch mehr ent- fernet ist/ gleichwol von GOtt mit ausgetruckten worten verboten/ und da- mit als zu dem heyrathen allzunahe erklaͤhret wird/ wie solte dann eine un- widersprechlich naͤhere person erlaubt zu achten seyn? Es mag auch die ge- ringste nur scheinbare ursach nicht erfunden werden/ warum GOtt solte we- niger mißfallen haben in der heyrath derjenigen person/ die selbs mit mei- ner schwester ein fleisch worden ist/ als die solches mit meinem vater gewesen ist. Da aber der allerweiseste Gesetzgeber/ nachdem er zuerst das allgemeine fundament seines verbots v. 6. gegeben/ auch nicht nur vermuthlich denje- nigen fall mag ausgeschlossen haben/ welcher der haupt-regel noch naͤher kommt/ da er auch denjenigen nicht zugibet/ wo noch eher haͤtte dubiti ret werden moͤgen/ ob solcher unter der regel begriffen seye/ das ist/ ob des vaters bruders weib vor ein fleisch meines fleisches gehalten solle werden. Wor- aus einer seelen/ welche nicht nur etwa eine ausflucht und decke ihrer unor- denlichen begierde suchet/ sondern welche auffrichtig allein dieses verlanget/ zu verstehen/ was der gewisseste wille des himmlischen Vaters seye/ um dem- selben willig zu gehorchen/ verhoffentlich zur genuͤge und uͤberzeugung ihres gewissens klahr werden wird/ daß der HErr solche ehe verboten habe. Nun moͤchte zwahr solcher erklaͤhrung und ausspruch entgegen stehen/ daß 3. Mos. Y y y 2 18/ 18. Das vierdte Capitel. 18/ 18. zwahr die schwaͤgerin mit deutlichen worten/ aber mit dem zusatz ver- boten werde/ neben ihr/ ihr zuwider weil sie noch lebet: woraus nicht zu leugnen/ daß unterschiedliche gelehrte leute solcherley ehen/ da zwo schwe- stern nach einander geehliget worden seynd/ nicht verboten haben/ sondern sich vielmehr dieser ausflucht gebraucht: daß wo die ursach des verbots auff- hoͤre/ so werde damit auch das gebot selbs auffgehoben. Jch leugne auch nicht/ daß solcher einwurff nicht von geringem schein ist/ so dann daß die ursachen/ welche angezogen werden/ warum GOTT zu dem allgemeinen verbot eine solche special- ursach/ die jenes enger einzuziehen scheinet/ angehenget habe/ nicht alle von gleicher wuͤrde/ und so bewandt/ daß sie einem harten wider- sprecher ein voͤllig genuͤge allemal geben. Daher wo nicht die vorige ange- fuͤhrte gruͤnde der allgemeinen regel und der in noch weitere grade erstreckter verbietung mich in dem gewissen zur genuͤge uͤberzeugten/ ich solche restricti- on glaublich achten wuͤrde. Jch finde aber jene so starck/ daß ob ich wol keine genugsame ursach solches besondern zusatzes finden solte koͤnnen/ wie dennoch unterschiedliche der unsrigen anziehende auch so bewandt/ daß sie nicht zu ver- achten sind/ mir schon genugsam seyn solte/ aus jenen kraͤfftigen rationen, die wahrheit also zu erkennen/ daß der andere zweiffel die sach nicht auffhebe. So ists nicht eben ungemein/ daß einige dinge zuweilen in goͤttlichem wort sich finden/ die ihre difficul taͤten haben/ da wir aber/ wo wir aus andern unzweiffelichen orten der wahrheit einer sache uͤberzeugt seynd/ uns an andere duncklere oder in zweiffel gezogene wort nicht also halten/ daß wir jene wahrheit druͤber fahren lassen wolten/ sondern diese gilt dermassen bey uns/ daß wir alsdann lieber jene mit einer commoda in- terpretatione damit zu vereinbaren suchen. Daß deßwegen jene regel Basi- lii M. wol statt hat: Ex eo quod scriptum est, non temere colligendum, quod scriptum non est. So dann der Juristen axioma: Argumentum à con- trario sensu non procedere, cum inde sequitur absurdum (sihe D. Menzer. l. c. p. 1096. ) Jetzo zu geschweigen/ daß unterschiedliche vornehme und gelehrte Theologi dieses in dem 18. vers stehende verbot gar in einem andern verstand annehmen/ daß nichts anders damit gemeinet seye/ als daß man neben seinem weib kein anders eheweib/ so hie nach der gemeinen hebraͤischen redens-art ih- re schwester (das ist/ ihres gleichen) genennet werde/ heyrathen solte. Jn welchem verstand der ort allein der viel-weiberey oder polygamiæ entgegen gesetzt waͤre/ nicht aber von den verbotenen graden der freundschafft handelte. So wir an seinen ort gestellt seyn lassen. Wie nun dieses das erste fundament ist/ so folget nechst demselben das andere/ daß wo auch die sache einigerley massen zweiffelhafftig waͤre/ das ge- wissen erfordert/ daß man allezeit den sichersten weg erwehlen muͤsse/ worin- nen SECTIO VIII. nen gewiß ist/ daß man nicht suͤndige. Es lautet die allgemeine regel des Apostels Pauli Rom. 14/ 23. Was nicht aus glauben gehet/ ist suͤnde: Jn welchem haupt-spruch (so zwahr noch weiter gehet) ohnzweiffentlich diese meinung mit darinn stecket/ welche durch die gantze disputation des Apostels erwiesen wird/ daß alles dasjenige suͤnde sey/ wo der mensch nicht eine solche versicherung seines gewissens habe/ die glauben genennet werden mag/ daß dasjenige/ was er thut/ nicht unrecht seye. Weßwegen nicht genug ist/ eine action zu justisici ren/ wo der mensch nicht eben versichert ist/ daß es unrecht seye/ was er vorhat/ indessen doch zweiffeln muß/ es moͤchte unrecht seyn. Mas- sen es schon an sich suͤnde ist/ sich in die gefahr zu suͤndigen selbs stecken. Hin- gegen ist einmal vonnoͤthen/ wo ich etwas nach geschehener berathschlagung resolvi ren will zu thun/ daß ich in meiner seelen eine gewißheit habe/ daß ich recht daran thue. Wie der angezogene Apostel an dem bedeuteten ort von dem geniessen der an sich nicht verbotenen speisen lehret/ daß wer auch nur mit einem zweiffel aͤsse/ der sey verdammt. Daher in solchem fall entweder ge- trachtet werden muß/ daß man zu einer voͤlligen beruhigung des gewissens komme/ und des goͤttlichen willens versichert werde/ oder man muß den sicher- sten theil erwehlen/ wo man an goͤttlichem willen nicht zweiffeln darff: Als zum exempel in dieser sach/ diese disputi rliche ehe unterlassen/ wo wir alsdann gewiß wissen/ daß wir mit solcher unterlassung nicht s uͤ ndigen. Nun in der vorhabenden materie/ sihe ich nicht/ wie derjenige/ so eine solche heyrath vor- haͤtte/ so weit kommen koͤnte/ daß er mit einer versicherung seines gewissens sich darauf verlassen moͤchte/ sondern alles was er zu seinem behuff brauchen koͤnte/ moͤchte auffs hoͤchste die sach so weit bringen/ daß er darvor hielte/ das verbot seye ihm noch nicht deutlich genug dargethan; indessen werden ihn die oben angefuͤhrte fundamenta nimmermehr zu einer ruhe lassen/ ohngezweif- felt und ohne scrupel zu glauben/ daß er recht thue. Die 3. Mos. 18. zu dem gebot angehengte wort/ aufdie man sich insgemein bezeucht/ machen denẽ die das verbot behaupten etwas zu schaffen/ aber sie geben doch dem andern theil noch nicht eine solche versicherung/ worauf das gewissen beruhete: Daß eini- ge so Juristen als Theologi, sonderlich als aus einer gelegenheit zu ende des vorigen jahrhunderts uͤber eines Juden heyrath der streit entstanden/ fuͤr die erlaubnuͤß gestanden/ und noch etzliche dafuͤr stehen moͤgen/ mag als eine menschliche autori taͤt abermal dem gewissen nicht genug thun/ so vielmehr/ weil hingegen die fast allgemeinste uͤbriger vornehmster unserer Theologo- rum lehr fuͤr das verbot stehet/ und wo das gewissen in jenen suffragiis ruhe suchen wolte/ solche ruhe ihm nicht lassen wuͤrde. Also daß ich nach allem er- messen nicht sehen kan/ wie eine person von gutem verstand/ welche die mo- menta controversiæ zu erwegen vermag/ und auch mit gehoͤrigem fleiß solche Y y y 3 un- Das vierdte Capitel. untersuchung thut/ aus allen fundament en/ welche vom gegentheil moͤgen ge- braucht werden/ weiter kommen moͤchte/ als in einigen zweiffel/ obs dann ge- wiß verboten seye/ wo er nemlich aus einer præoccupation die krafft der ar- gument en nicht voͤllig bey sich eintringen laͤsset: Nimmermehr aber so weit/ daß er in der seelen der gerechtigkeit der sache uͤberzeuget waͤre: Ohne welche versicherung aber das gewissen nicht zugibet/ daß man die sache unternehme/ wo der mensch auffs gelindeste von der sache zu reden/ foͤrchten muß/ daß er wider GOttes willen thun moͤchte. Daher in solchem zustand freylich kein ander mittel ist/ als den sichersten theil zu wehlen/ und also diese zweiffelhaffte sache zu unterlassen/ dann darinnen ist er gewiß/ daß er nicht suͤndige/ obs auch schon sonsten keine verbotene sache waͤre. Zu diesen beyden gruͤnden moͤgen wir auch noch den dritten setzen. Wir wissen/ daß allen Christen durch und durch nicht nur das boͤse/ sondern auch der schein des boͤsen verboten ist/ daher sie solchen zu meiden schuldig seynd. 1. Thessal. 5/ 12. daher auch der Apostel sagt 1. Cor. 10/ 28. Jch habe zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles: Jch habe es alles macht/ aber es bessert nicht alles. Wie er auch daselbst und Rom. 14. so dann 1. Cor. 8. mit mehrerem zeigt/ daß wo eine sache auch sonsten an und vor sich selbst erlaubt seye/ dieses ansehen/ daß ein ander sich daran stos- sen und aͤrgern werde/ schon zu wege bringen solle/ daß ein Christ dasselbe unterlasse/ so gar/ daß er derjenigen suͤnde hart straffet/ welche hingegen/ und also der liebe zuwider/ handelten. Wie er dann von ailen fordert: Seyd nicht aͤrgerlich/ weder den Juden noch den Griechen noch der gemeinde GOTTES. Welches er von seinem Heyland selbst gelernet/ der seinen Juͤngern die suͤnde des aͤrgernuͤsses kaum weiß schrecklich genug vorzumahlen/ um sie darvon abzuwenden Matth. 18. Also daß er bezeu- get/ daß wer nur einen der geringsten seiner glaͤubigen aͤrgere/ sich so schwehr- lich veꝛgreiffe/ daß ihm besser waͤre mit an den halß gehengtem stein in dem meer/ da es am tieffsten ist/ ersaͤuffet zu werden. Vorausgesetzt dieser gewiß gegruͤndeter lehr/ weil auch gewiß ist/ daß eine solche heyrath nicht nur ein und andre person/ sondern alle/ die davon hoͤren/ auffs hefftig- ste aͤrgern wuͤrde/ so solte auch dieses einige argument schon genug seyn/ ob man sonst mit einigen subtilen ration en/ die die gemeinde nicht zu fassen ver- mag/ die sach zu behaupten vermoͤchte/ daß etzliche gelehrte damit zu frieden seyn sollten (dergleichen buͤndige rationes gleichwohl noch nie gesehen ha- be) daß dannoch/ daß uͤber einer solchen ungewohnten und insgemein bißher verdam̃ten sache ohnfehlbarlich entstehende aͤrgernuͤß jeglichen von einer sol- chen heyrath abziehen solte/ welcher betrachtet/ daß wir in allen dingen nicht nur SECTIO VIII. nur auff GOTT/ sondern eben so wol auf den neben-menschen/ welchem wir keinen anstoß setzen doͤrffen/ ja offters in sachen/ die gewiß erlaubt waͤren/ der schwachheit der andern schonen sollen/ zu sehen verbunden seyn/ ja daß wir nicht recht auf GOtt mit dem einen aug sehen koͤnnen/ das andre seye dann eben so wol auff die liebe des nechsten gerichtet. Wozu auch diese be- trachtung kommet/ daß wo dergleichen aͤrgernuͤß von einer hohen standes- personen gegeben wird/ solches so viel schwehrer seye. GOtt fordert ein- mal von solchen seines reichs auff erden statthaltern/ daß sie in allen arten der tugenden andern vorleuchten sollen/ daher so gar nicht davor halten/ daß ihnen mehr als andern erlaubet seye/ daß vielmehr sie ihrem stand und von GOtt habender wuͤrde nicht genug thun/ wo sie es nicht andern gemeinen vorthun. Geschihet nun solches nicht/ sondern sie nehmen sich noch gar die freyheit dergleichen zu thun/ was alle uͤbrige nicht wohl anders koͤnnen als von GOtt verboten zuseyn achten/ und wissen/ daß sie es nicht thun doͤrff- ten/ so ist solches aͤrgernuͤß so viel groͤsser und schaͤdlicher/ als weiter es sich erstrecket/ und von denjenigen gegeben wird/ von denen GOtt vielmehr lau- ter gute exempel erfordert haͤtte. Jch weiß zwahr wohl/ daß dieses jetzt ge- sagte nicht nur frembde sondern gantz ungereimt denjenigen vorkommen wird/ die allein auf dasjenige zusehen pflegen/ was geschihet/ und also nicht nach den gesetzen sondern exempeln urtheilen/ daher fast die gemeine einbil- dung/ so bey den grossen in der welt selbs tieff eingewurtzelt/ daß ihnen von GOTT gar viel erlaubt seye/ was derselbe andern verboten haͤtte/ als auch andere mehrere eingenommen hat/ gleich ob waͤre der hohe stand in gewisser maaß auch von den goͤttlichen gesetzen ausgenommen/ wie zuweilen theils einige aus unwissenheit/ und weil sie es nie anders gesehen/ in den gedan- cken stehen/ daher auch jene damit entschuldigen/ theils andre schmeichler/ mit solchem gefaͤhrlichen wahn der großen gedancken zuerfuͤllen gewohnt seynd. Wo aber deroselben stand/ das H. bild GOttes/ das derselbe ihnen anhaͤngt/ und sie eines theils seiner gewalt theilhafftig gemachet hat/ die so vieler men- schen auf sie gerichtete augen/ und daher mehrere gefahr des aͤrgernuͤsses/ folglich auch der von ihrem exempel groͤsser entstehende so nutzen als schaden/ reifflich erwogen wird/ so wird leicht erkant werden/ daß ich die wahrheit re- de/ daß solchen personen/ so viel naͤher sie GOtt dem HErrn sind/ ihnen so viel weniger vor andern zukomme/ daß sie desselben seine gebot aus den au- gen setzen/ ob sie wohl in denjenigen gesetzen eine freyere hand haben/ welche sie ihren unterthanen nach ihrem gutbefinden selbst geben; zugeschweigen/ daß auch in diesem manche loͤbliche Regenten den eigenen gesetzen durch eige- ne folge und inachtnehmung lieber haben einen mehrern nachtruck geben wollen/ als daß sie selbst andern/ durch ihr exempel zur ungescheuten uͤber- tretung vorgegangen waͤren. Es Das vierdte Capitel. Es moͤchte endlich noch zum vierdten in consideration kommen/ daß unsere evangelische kirche biß daher allezeit einen abscheu gehabt habe an de- nen von dem paͤpstlichen stuhl geschehenen dispensation en in diesen verbote- nen faͤllen/ wie sich dann derselbe solche macht nimmt; daher auch unter an- dern eben dieses argument offtmal gefuͤhret worden/ daß sich der Papst eine goͤttliche gewalt zumesse/ weil er seine erlaubnuͤß dem goͤttlichen verbot vor- gezogen wissen will. Solte nun bey uns Evangelischen etwas dergleichen vorgehen/ wuͤrde man paͤpstischer seiten darvor halten/ gute ursachen gegen uns zu glorii ren zu haben/ als die wir entweder auch uns eine solche macht uͤber goͤttliche gebot und in denselben zu dispensi ren arrogirt en/ oder muͤsten erkennen/ daß wir ihrem Papst mit der aufflage zu viel unrecht gethan haͤtten. Gewißlich nicht mit geringem aͤrgernuͤß so wol ihrer parthey selbs/ die desto mehr verhaͤrtet/ und gegen das erkaͤntnuͤß des Evangelii ver- stockt wuͤrden/ als auch der schwachen unter uns/ die sich in die sache nicht fin- den koͤnten/ und auffs wenigste davor halten wuͤrden/ daß bey jenen ver- nuͤnfftiger damit verfahren wuͤrde/ wo gleichwol das gantze werck desjeni- gen/ den sie vor das haupt der kirchen halten/ uͤberlegung auffgetragen/ und die dispensation gesucht werden muͤste: dahingegen bey uns der personen ei- genem belieben und affect, selbe uͤberlassen wuͤrde. Welches uns einen zimli- chen anstoß machen/ und hingegen die ehre unserer Evangelischen kirchen nicht wenig schmaͤlern solte/ an dero mehrere auffrichtige Papisten bißher dieses zu loben sich offt nicht haben entbrechen koͤnnen/ daß es in diesem werck der ehe bey uns ehrlicher und besser als bey ihnen hergehe. Wie dann derer nicht wenige sich zum oͤfftern uͤber die in dergleichen faͤllen geschehene dispen- satio nen geaͤrgert/ und ob sie wol den principiis ihrer religion gemaͤß sind/ sich fast ihrer selbs gegen uns geschaͤmet haben. Dergleichen ich etwas selbs aus dem munde eines in vornehmen wuͤrden stehenden und gelehrten Papi- sten gehoͤret zu haben mich erinnere: Und auch in offentlichen schrifften vor augen ligt/ wie sehr sich die Polen/ und zwahr selbs der paͤpstischen lehr anhaͤn- gige/ was die rechtschaffenste gemuͤther unter ihnen waren/ daran gestossen/ als dergleichen dispensatio nen zwo schwestern nach einander zu heyrathen ihrem Koͤnige wiederfahren: Wie sonderlich der so gelehrte als in thaten tapffere Reichs-Cantzler Zamoisky bey dem Paͤpstischen hof solch aͤrgernuͤß zu hintertreiben gesucht/ ob zwahr nicht durchgetrungen hat. Wir haben aber heut zu tag ja keine ursach/ uns des GOtt-verhaßten Babels auch in dieser nachfolge theilhafftig zu machen/ noch mit unserem exempel auch diese schande ihrer bloͤsse zu bedecken/ sondern wie in andern/ also auch in diesem stuͤck unserer kirchen reinigkeit vielmehr mit aussauberung dessen/ was sich von altem sauerteig auffs neue wiederum mit der zeit eingeschlichen hat/ zu befoͤr- SECTIO VIII. befoͤrdern/ als dieselbe mit dergleichen aͤrgernuͤß zu besudlen: Auf daß wir nicht uͤber uns den zorn des HErrn reitzen/ und ursach geben/ daß er jenem Babel/ zu erfuͤllung des maaßes seiner suͤnden/ so viel eher eine mehrere macht gebe/ sein gericht an uns/ seinem hauß/ anzufangen und auszuuͤben: Wozu es ohne das leider ein zimliches ansehen hat. Daher ein solches aͤr- gernuͤß/ welches nachmal in gewisser maaß einer gantzen kirchen beygemessen wird/ und daher den nahmen des HErrn bey den widersachern laͤstern macht/ vor so viel schwehrer zu achten ist/ und denjenigen/ von welchen es herkommt/ ein schwehres gericht uͤber den halß ziehen mag. Der HErr steure vielmehr allen aͤrgernuͤssen/ reinige seine kirch von denselben/ und gebe allen denjeni- gen/ hohen und niedern/ so in die ehe zu treten gedencken/ zu erkennen die hei- ligkeit solches standes/ auf daß sie in solchem eingang und wahl der personen nicht nach eigenen affect en gehen/ sondern in allem vornemlich darauf sehen/ was goͤttlicher ordnung gemaͤß/ ihrem gewissen sicher/ dem nechsten ohnaͤrger- lich/ und dem Evangelio ehrlich seye/ damit sie sich auch bey ihrer ehe alles so leiblich als geistlichen segens von dem treuen himmlischen Vater zuversicht- lich getroͤsten moͤgen. Amen. 1681. 4. Das dritte responsum, als die vorige meinung zu aͤndern zu- gemuthet worden. J Ch habe dessen beyde beliebte samt beygeschlossenen schrifften wol erhal- ten; es liesse sich auf das erste nicht so bald antworten/ weil eine vertroͤ- stung weiterer communication so gleich mit dabey gewesen. Nachdem nun zwahr auch diese erfolgt/ fande ich doch nicht muͤglich/ stracks zu antworten/ weilen die mitgesandte schrifft zu durchgehen vorerst nothwendig war/ und aber die von der amts-arbeit uͤbrige und zu einer bedaͤchtlichen durchlesung noͤthige zeit bey mir zimlich nahe zusammen gehet. Jedoch hoffe/ es werde auch dieser geringe verzug nicht ungleich auffgenommen werden. Die sache selbs belangend/ so ist mir allezeit lieber/ wo es seyn kan/ denen requirentibus hohen und niedern/ nach deroselben verlangen zu antworten/ und ihnen mit meiner antwort eher etwa freude als betruͤbnuͤß zu erwecken. Wie gern ich aber meine meinung zu aͤndern verlangen moͤchte/ so vermag es gleichwol jetzo ohne verletzung meines gewissens nicht zu thun/ als welches durch die com- munici rte fuͤr die erlaubnuͤß streitende schrifften nicht/ welches zu der aͤnde- rung noͤthig waͤre/ gnugsam convinci ret/ wol aber durch die mit beygelegte gegen dieselbe eingerichtete eine schrifft etwa mehr confirmi ret worden. Wo- zu noch dieses kommt/ daß ich eine der parti negativæ zimlich verursachte dif- ficul taͤt/ ob dergleichen der legi naturali zugegen seye/ nicht noͤthig achte/ als der ich allezeit mit meinem S. Præceptore D. Dannhauero legem moralem Z z z und Das vierdte Capitel. und naturalem nicht pro iisdem, sondern jenes sich weiter erstreckend/ geach- tet habe/ und noch achte. Also ist Iex moralis die Iex catholica omnes homi- nes obstringens und perpetua regula honesti \& turpis, dessen summa in den zehen geboten stehet/ und alles durch und durch zu demselben referi ret werden muß. Diese Iex moralis aber ist entweder moralis naturalis oder moralis positiva (wie unter andern Hodosoph. Ph. VI. p. 464. 468. zu sehen ist) je- nes begreifft diejenige gebot/ (so zwahr die meiste sind) die es zu thun haben mit den dingen/ welche naturâ honesta und turpia, und auch grossen theils (jedoch nicht gar alle) noch jetzo in der obschon verderbten natur bekant seynd/ daß sie recht oder unrecht seyen: Aber moralis positiva ist/ welche diejenige dinge in sich fasset/ in welchen GOTT seinen willen sonsten geoffenbaret hat/ wie ers in diesem und jenem wolle von allen menschen gehalten haben/ wohin erwehnter Doctor austruͤcklich zehlet nechst dem præcepto de sabbatho die interdicta conjugii inter fratres \& sorores, inter f r atrem \& fratriam. Wo nun solche distinction beobachtet wird/ faͤllet unterschiedliches dahin/ worin- nen sonsten die autores affirmativæ die andere scheinen etwas hart zu halten. Jm uͤbrigen finde ich nicht noͤthig/ auf alle die angefuͤhrte exceptiones weit- laͤufftig zu antworten/ da in der einen grossen schrifft ohne das fast alles ange- zogen/ jedoch mit beobachtung des jetzt angefuͤhrten vieles so viel leichter wer- den wird: So dann weil nicht sehe/ was vor frucht dergleichen weitlaͤufftige disceptationes endlich bringen wuͤrden: Zu dem auch mein zustand derglei- chen operosam tractationem nicht zugibet. Dahero allein zu bedeuten ha- be/ daß von einmal in der furcht des HErrn abgefassetem bedencken zu weichen nicht sehe oder vermoͤge/ im uͤbrigen jeglicher anderer lehrer gewissen uͤberlas- sende/ wie sie eine oder andere sache zu ihrer verantwortung fassen oder be- greiffen/ oder jemand es auf deroselben gutachten wagen moͤge. Was die angefuͤhrte der hohen gemuͤther bereits allzueng geschehene liebes-ver- bindung/ daher erfolgende gefahr der gesundheit oder des lebens/ und schweh- ren zustand des hohen hauses anbetrifft/ moͤgen auch solche als gantz eusserli- che und accidental- umstaͤnde/ in der sache nichts aͤndern/ oder thun/ zumal sie daraus allerdings nicht nothwendig fliessen. In perpetuo cœlibatu zu bleiben/ ist weder noͤthig noch zu rathen/ und fallen damit die schwehreste in- convenientia von selbsten. Wolte eingewendet werden/ daß sie sich etwa zu hart mit verspruch und betheurung mit einander verknuͤpffet haͤtten/ so obli- gi ret ein solcher verspruch nicht in re illicita, und obwol solche personen billich ihre suͤnde vor GOTT zu erkennen haben/ daß sie so zu reden ohne vorher-be- fragung seines mundes/ das ist/ ehe sie des goͤttlichen willens und rechts ver- sichert gewesen/ e ine so wichtige sache unternommen/ und ihnen selbs in das gewissen einen scrupel gemacht haben/ daruͤber sie etwa GOTT auch viele dessel- SECTIO VIII. desselben schmertzen moͤchte leiden lassen/ so bleibt doch die verbindlichkeit des verspruchs nicht/ sondern wo fernere ursachen sind/ die die ehe rathen/ als pe- riculum incontinentiæ oder valetudinis, publica utilitas und dergleichen/ moͤgen solche auf unbuͤndige weise unter sich verlobte personen/ sie seyen hohes oder niedern standes/ davon zuruͤck und dahin gehen/ wohin sie goͤttlicher fin- ger weiset. Was anlangt die hefftigkeit des affect s/ so hebet sie abermal die goͤttliche ordnung und angefuͤhrte ursachen nicht auf. Dann ist solche liebe (wie ich meine genugsam erwiesen zu haben) wider goͤttlichen willen/ wider die versicherung des gewissens und liebe des nechsten/ so ist sie keine ordenliche/ sondern wahrhafftig eine unordenliche liebe und geluͤst des fleisches/ als deme alles/ was bey uns dem willen GOttes zu wider ist/ zugemessen werden muß. So ist sie also unter der zahl derjenigen begierden/ wo gleichwol so hohe als andere personen/ welche Christum angehoͤren/ darvon profession machen muͤs- sen/ daß sie ihr fleisch creutzigen samt den luͤsten und begierden. Heyden reden viel von der gewalt der liebe/ und sind deroselben sonderlich der Poët en schrifften/ auch die neuere Romans (derer lesung manchmal nicht viel gutes in den gemuͤthern laͤsset) voll von den exempeln der liebe/ wie sich diese und jene mit solchem affect uͤbernehmen lassen/ und manches thoͤrichtes und boͤses daraus begangen haben/ welcher in denselben zuweilen wol gelobet/ oder doch entschuldiget/ auffs wenigste solcher affect vor fast unuͤberwindlich gehalten wird/ daß auch offters Christen aus dergleichen in die irrige gedancken kommen/ es seye so/ reden und glauben auch etwa dermassen. Nun leugne ich nicht/ einem heiden und bloß na- tuͤrlichen menschen ist solcher affect der liebe so wenig zu baͤndigen und zu uͤ- berwinden muͤglich als andre seine affecten des zorns/ neids/ hasses/ hoffart und dergleichen. Aber wir Christen sollen nicht nur anders gesinnet seyn/ sondern muͤssen wissen/ daß uns unser liebe Heyland gleich wie die selbst ver- leugnung geboten/ also auch die krafft erworben hat/ daß wir solche suͤndliche affecten zu zaͤhmen vermoͤgen und vermoͤgen sollen. Wie wir ihm diese schande nicht anthun muͤssen/ ob waͤre er ein solcher unkraͤfftiger Heyland/ der in denjenigen/ mit denen er im glauben vereinigt ist/ nicht vermoͤchte die- sen ihren und seinen feind zu uͤberwinden. Es ist einmal eine allgemeine re- gel und pflicht aller Christen/ sie seyn/ wes standes sie wollen/ daß sie sich selbst verleugnen/ und nicht nach dem fleisch und dessen wohlgefallen wan- deln sollen. Zu dieser selbs-verleugnung gehoͤret aber ohne allen zweiffel auch eben dieses/ daß wir muͤssen willig seyn/ in nichts nach unserem eigenen be- lieben/ worinnen wir finden/ daß es dem rath GOttes entgegen stehe/ zule- ben/ und alles wie lieb uns etwas sonsten waͤre/ wo wir sehen/ daß goͤttli- cher will dagegen seye/ dem HErrn zugefallen und nach seinem befehl unver- Z z z 2 zuͤg- Das vierdte Capitel. zuͤglich fahren zu lassen. Wozu gewißlich ein hertz/ so seines GOttes gnade und dero wichtigkeit erkennet/ dahero in dem rechten wahren glauben stehet/ allezeit bereit seyn wird/ ja seyn muß/ soll anders der wahre glaube erkannt werden. Also muͤssen wir ja nicht unser eigen leben begehren zu erhalten/ sondern freudig dahin geben/ wo es der wille des HErrn erfordert: Viel mehr dann etwas ausser uns/ so wir hertzlich und zu einem gewissen zweck ge- liebet hatten/ wo sich der wille des HErrn dagegen weiset/ willig fahren lassen: Und das unleugbar ist/ wie hertzlich jemand eine person geliebet/ muß er sie aufs wenigste fahren lassen/ wo sie ihm GOtt durch den tod ent- zeucht/ diejenige gnade GOttes nun/ durch welche in solchem fall das uͤber- lebende seine liebe besaͤnfftigen muß/ daß es deßwegen nicht wider GOTT murre/ oder seiner gesundheit schaden geschehe/ ist eben die gnade/ mit wel- cher eine christliche person/ wo sie sihet/ daß ihre aus unrechter meinung/ als waͤre solche wohl erlaubt/ hergekommene liebe gegen eine andere der goͤttli- chen ordnung entgegen stehe/ das gewissen aufs wenigste in dem gantzen le- ben verunruhigen/ und ihm also dasjenige/ was ihm in dem gantzen leben das liebste seyn sollte/ und weit alle vergnuͤgung an jener geliebten person uͤber- trifft/ verstoͤhren und durch aͤrgernuͤß (welches zuverhuͤten der liebe Paulus eher sein lebtag kein fleisch essen/ und ihm also wehe thun wolte) wider die lie- be streiten wuͤrde/ solchen sonsten natuͤrlicher weyse so starcken affect der liebe uͤberwinden kan und soll. Wir finden etwa exempel bey den Papisten/ da einige verlobte/ so einander hertzlich geliebet/ aus der blossen superstition, GOtt in einem muͤnchenstand gefaͤlliger zudienen/ ihre untersich habende lie- be uͤberwunden/ und sich in Cloͤster begeben: Was nun bey diesen leuten die einbildung einer GOtt gefaͤlligern sach gewuͤrcket/ solte nicht gleiches und noch mehr bey uns Evangelischen/ da uns der HErr die wahrheit klaͤhrer er- kennen hat lassen/ ausrichten die erkaͤntnuͤß des goͤttlichen willens an uns/ das ist/ daß wir dem HErrn gern dasjenige uͤberlassen/ dessen genuß er uns nicht bestimmet/ dabey aber unsere seel in eine zufriedenheit unter seinen willen stellen? Daher ich/ nechst deme ich selbst bey den vorigen gedancken blei- ben muß/ auch nicht sehe/ wie alle solche auffs schaͤrffste gefuͤhrte rationes leicht weiter bey jemand durchtringen werden/ als aufs hoͤchste die sache in dem nachdencken etwas zweiffelhafft zu machen/ nicht aber das gewissen voͤl- lig zu beruhigen/ und goͤttlichen willens zu versichern. Weßwegen nicht bessern rath wuͤste/ als daß beyderseits hohe personen sich ehistens von ein- ander begeben/ in dem die gegenwart und taͤglicher umgang sothanes feuers taͤglicher blaßbalg ist/ den HErren um seine gnade demuͤthig und eyffrig an- ruffen/ welcher ihre hertzen regieren/ und zum gehorsam seines willens len- cken wolle/ so dann froͤlich/ ihnen andere ehgatten zuwehlen und wehlen zu- las- SECTIO VIII. lassen geruhen. Damit so wohl durch vorstellung eines andern liebwuͤrdi- gen objecti auch natuͤrlicher weise die gewalt jener affection gebrochen/ und auff anders geleitet/ als auch sonsten die besorgende leibliche schwachheiten vermittels goͤttlicher gnade/ so darum hertzlich anzuruffen/ vorgebeuget werde. Wie auch nicht zuzweiffeln ist; wo solche hohe personen aus hertz- lichem gehorsam gegen denjenigen/ der dem Abraham auch seinen einigen und also liebsten sohn selbs zu schlachten befohlen/ und von seinem glauben und liebe gehorsam gefunden/ es ihm aber mit hertzlicher gnade belohnet hat/ jetzo aber von ihnen fordert/ daß sie sich desjenigen begeben solten/ was sie seiner ordnung nicht gemaͤß zuseyn mehr und mehr sehen/ aufs wenigste die gefahr einer staͤten verunruhigung ihres gewissens/ so sich gewißlich/ wo man einmal einen wichtigen scrupul gefasset/ nicht also befriedigen laͤst/ daß es nicht bey gelegenheit wiederum zunagen anfangen solte/ beynebens die unnothwendigkeit der sache/ und das entstehende aͤrgernuͤß vor augen ha- ben/ dieses zuthun/ und sich also hierinnen selbs zuverleugnen/ die christ liche und loͤbliche resolution fassen werden/ daß der HErr/ welcher aller menschen hertzen in seinen haͤnden hat/ und in dessen krafft wir alles vermoͤgen/ durch seines H. Geistes gnade ihnen so kraͤfftig werde beystehen/ daß sie auch die- sen ihren affect uͤberwinden/ sich kuͤnfftig der ruhe ihres gewissens und zeug- nuͤß ihres hertzlichen gehorsams (so einen groͤssern trost und ver sicherung gi- bet/ als manche gedencken moͤchten) zeit lebens getroͤsten/ mit andern ehegat- ten/ die ihnen der liebste himmlische Vater nach seiner weißheit ordenlich zu- fuͤgen wird/ ein so viel vergnuͤglicher leben fuͤhren/ und ihme zeitlich und ewig fuͤr seine gnade zu dancken ursach finden werden. Welches alles beyden ho- hen personen von dem geber alles guten hertzlich zu wuͤnschen habe und wuͤnsche ꝛc. P. S. Jch habe nach nochmaliger erwegung der sache freundlich zu bitten/ daß nicht nur mein erstes/ sondern auch die uͤbrige beyde fundamenten in reifli- che consideration gezogen moͤgen werden. Dann wo alle die sache von der explication des Loci 3. Mos. 18. auffs aller scrupuloseste untersuchet wird/ finde ich nicht/ daß die argumẽta derer/ welche die erlaubnuͤß behaupten/ mehr ausrichten/ als daß sie das verbot einigerley massen zweiffelhafftig machen/ nimmermehr aber das gewissen voͤllig zum gegentheile beruhigen: hingegen die vor die negativam stehen/ ob sie nicht alle zur genuͤge convinci ren/ werf- fen gleichwol solche scrupulos ein/ die ich nicht sehe/ wie einer/ der ihm nicht gern selbs sch meicheln will/ sie ihm selbs aus dem gemuͤth bringen koͤnne. Jn solchem fall aber gehet darnach der schluß des gewissens gewißlich nicht sicher auff das jenige/ was auch noch eine zimliche probabili taͤt haͤtte/ sondern auff Z z z 3 das Das vierdte Capitel. dasjenige/ worinnen man gewiß nicht fehlen kan/ nemlich die sache zu unter- lassen darinnen man auffs wenigste nicht zu einer genugsamen beruhigung kommen kan. Und wo Paulus spricht 1. Cor. 6/ 12. 10/ 23. Jch habe es alles macht/ aber es frommet nicht alles; gibt er uns diese regel/ daß es bey Christen zu justification einer sache nicht genug sey/ wo sie einigerley massen an sich selbs erlaubt zu seyn gezeiget werden koͤnte/ dafern sie sonsten wider die liebe streitet. Ja ich achte davor/ daß ein gottliebender Christ sich lieber einer sach/ die nicht noͤthig ist (nun ist dergleichen heyrath nicht noͤthig/ und wie erwiesen zu seyn hoffe/ kan seel und leib ohne dieses mittel gerettet werden) enthalten/ als unternehmen werde/ wo es nur viele muͤhe und be- denckens verursachen solte/ ob sie erlaubt sey oder nicht: indem ja in allen un- seren actionen, wo es recht nach christlicher ordnung hergehet/ diese ursach/ daß diß oder jenes die ehre GOttes befoͤrdere/ uns zu uͤbernehmung dersel- ben bewegen/ nicht aber wo eine sache schon vorgenommen/ erst/ ob sie GOt- tes willen gemaͤß seye/ untersucht werden solle. Dann gehets auff diese wei- se her/ so ist schon die sache ausser der rechten ordnung/ und mehr nach eigenem willen/ als aus den motiven, die unsere einige motiven seyn solten/ angefan- gen/ daran aber alsobald GOtt keinen gefallen hat. Wie ich nun also in der hauptsache davor achte/ fest genug auff dem v. 6. 3. Mos. 18. zu stehen/ dar- innen aber mir die macht nicht nehme/ uͤber aller anderer gewissen zu herr- schen/ sondern andern ihre verantwortung uͤberlasse/ so achte ich doch/ wo die fuͤr die erlaubnuͤß sonsten stehende die sache reiflicher erwegen/ und sonder- lich auff die in einer auffs wenigste so gar frembden und (wo man nicht wei- ter gehen will) zweiffelhafften/ auch mit so vielen bedencklichen ursachen be- strittenen frage nothwendig erfolgende (auffs wenigste befahrende) gewis- sens-unruhe reflecti ren werden/ werden sie selbs finden/ daß diejenige/ wel- che eine solche heyrath zu verhuͤten suchen/ sich um solche personen besser ver- dient machen/ und gewisser ihr zeitlich und geistliches heil befoͤrdern/ als die dero willen diese freyheit nachgeben/ und damit ihnen gutes zu erzeigen ge- dencken. Der HErr HErr regiere alle hertzen zur erkaͤntnuͤß seines willens/ und was in jeglichem das beste/ seiner ehr und der liebe das gemaͤsseste seye/ um solches allein die regel alles unsers thuns seyn zu lassen. 1681. 5. Von eben solcher materie an einen Theologum. W As anlangt die jetzige angelegenheit uͤber den vor getragenen ehfall und frag/ so berge nicht/ daß vor ungefehr 3. monaten ich uͤber solche materie consuli ret worden/ darauff mein bedencken eingeschickt/ es sind mir aber nach der zeit/ nochmalen unterschiedliche von beyden seiten/ in sothaner sache auff- SECTIO VIII. auffgesetzte schrifften communici ret/ und nachgesendet worden/ ob ich draus in der sache besser informi ret/ meine vorige mit unserer gemeinen lehr uͤber- ein kommende gedancken aͤndern moͤchte. Nun leugne nicht/ daß mir die pro parte affirmativa angefuͤhrte gruͤnde/ und auff unsere argumenta beybrin- gende exceptiones dermassen vorgekommen sind/ nicht zwahr/ daß sie einen auff die andere seite leicht bringen/ weniger in dem gewissen zur versicherung und beruhigung ein solches zu thun bewegen moͤgen/ aber doch daß die festig- keit des behauptenden goͤttlichen verbots etwas wancken moͤchte. Jch habe auch wiederum geantwortet/ und bin bey voriger meinung geblieben/ als von dero ich nicht durch genugsam convinci rende rationes getrieben waͤre; sonderlich aber wie auch das vorige darauff starck getrieben/ daß wir geden- cken solten/ weil doch die sache auffs wenigste sehr streitig und ungewiß/ daß das gewissen in einem solchen werck/ wo ohne das keine tringende noth ist/ das sicherste und also dasjenige theil/ wo gewiß ist/ daß keine suͤnde seye/ folglich in diesem fall die unterlassung einer solchen sache/ erwehlen muͤsse/ wolle es zu einer ruhe kommen/ die ihm die anfuͤhrende rationes partis affirmativæ nicht zu allem vergnuͤgen geben koͤnne/ dabey auch auff das schwehreste aͤrgernuͤß/ so bey uns als bey den Papisten/ zu reflecti ren seye/ nachdem die negativa bißher nicht viel anders als die allgemeine lehr unserer Lehrer erkant worden ist; nun wissen wir/ was wir in solchen faͤllen aus der liebe schuldig sind 1. Corinth. 8. v. ult. und hebet in solcher sach der hohe stand das aͤrgernuͤß nicht auff/ sondern machet es nur so viel schwehrer und gefaͤhrlicher. Dieses ist die summa desjenigen/ was ich ungefehr geantwortet. Jch waͤre auch co- piam davon zu ertheilen nicht ungeneigt/ wo ich es nicht davor hielte/ daß es gegen die hergebrachte uͤbung seye/ abschrifft des der einem parti ertheileten consilii der andern/ oder die davor gehalten wird/ ohne jener vorwissen zu kommen zu lassen. Jedennoch moͤchte E. Hoch Ehr. ohnmaßgeblich selbs ihr verlangen bezeugen und begehren/ daß mein responsum deroselben von ih- nen moͤchte communici rt werden. Jndessen antworte auff das kuͤrtzeste auff die mir vorgelegte fragen/ wie diese beylage mitbringet. Wobey ich im ver- trauen nicht verhalte/ daß nach fortgesandter meiner zweyten antwort von einem guten freund mir seine gedancken communici ret worden/ welche in af- firmativam inclini ren/ und sich meistens in hoͤchster einfalt auff die literam des terts/ des gesetzgebers weißheit/ guͤte und gerechtigkeit gruͤnden/ dero lesung mich fast perplex er gemacht/ daß ich schier nicht weiß/ was ich drauff antworten moͤge: also daß/ wo ich vorhin solche momenta dermassen zu pon- deri ren anleitung gehabt/ ich fast schwehrer mich uͤberwinden haͤtte koͤnnen/ die prohibitionem rigidissime zu urgi ren/ auffs wenigste trauete schwehr- lich die dissolutionem talis matrimonii jam contracti, wo die frage darzu kom- Das vierdte Capitel. kommen wuͤrde/ hinfuͤrder zu behaupten/ sondern wuͤrde es/ ob wol nicht pro recto (auffs wenigste weil die kirchliche verordnungen/ bißheriger gemeine consens der Theolog orum und ansehung des aͤrgernuͤsses dagegen streiten) jedoch pro rato halten. Daher auch in dieser antwort nicht anders als reti- rader habe zugehen vermocht. Dabey den HErren/ so die hertzen alle in seinen haͤnden hat/ demuͤthig anflehe/ auch dieses mal die darinnen inter- essi rte dahin zu lencken/ was ihren gewissen am rathsamsten zu dero beruhi- gung und der kirchen in abwendung alles aͤrgernuͤsses am vortraͤglichsten seyn moͤge: welches auch ferner/ sonderlich aber E. Hoch Ehrw. die kraͤfftige gnade des H. Geistes und weißheit von oben herab/ in einer solchen schweh- ren sach fuͤr die ehre des HErren und der seelen wohlfarth kluͤglich und nach- truͤcklich zu sorgen/ von dem geber alles guten erbitten zu helffen nicht verges- sen werde. 6. Nachdem der heyrath gleichwol fortgegangen. E S ist desselben letztes mir von der postwol worden/ und habe ich aus demselben die jetzige bewandnuͤß und nunmehr gefaßte der Hoch-Fuͤrst- lichen personen resolution abwesend verstanden. Wie ich nun uͤber die ge- wissen keinen Dominat zu uͤben habe/ noch einiger Prediger etwas dergleichen prætendi ren solle/ denen auch ihre gewalt zu bessern und nicht zu verderben von dem HErrn gegeben ist/ also lasse es nunmehr auch dabey verbleiben/ nur daß ich den guͤtigsten himmlischen Vater/ der alles in seiner hand hat/ und auf uns unbegreiffliche art auch unsere fehler zurecht und gutem ende zu bringen vermag/ demuͤthig anruffe/ auch fuͤrterhin anzuruffen nicht unterlassen wer- de/ daß er alles besorgliche so wol von solchen Hoch-Fuͤrstlichen personen gnaͤ- digst abwenden/ als gnade verleihen wolle/ daß deroselben ehestand/ nachdem er/ so viel ich habe verstehen koͤnnen/ nicht nach dessen ordnung angefangen worden/ hingegen in seiner furcht christlich und so viel heiliger gefuͤhret/ damit aber das entstehende aͤrgernuͤß wiederum verbessert werde. Wie ich dann solches impedimentum, so ex lege positiva morali herkommet/ pro impedi- mento matrimonii ineundi, nicht aber causa rescindendi initum achte/ der- gleichen einige andere sich noch finden moͤgen. Er erfuͤlle sie also so viel reich- licher mit seinem H. Geist/ in desselben gnade recht zu erkennen/ wie sie nun auch solchen ihren stand/ und in demselben seel und leib/ dem HErrn zum opf- fer darbringen/ daß er ihn an ihnen selbs heilige/ damit er ihm wolgefaͤllig seye/ und da etwa ihr hoͤherer stand ein starckes motiv mag gewesen seyn/ die sache zu werck zu richten/ sie hingegen ins kuͤnfftige in allen andern stuͤcken des menschlichen lebens thaͤtig zeigen/ daß sie die allgemeine pflichten des Chri- stenthums denen von der welt autorisi rten freyheiten des hoͤhern standes geziem- SECTIO VIII. geziemlich vorziehen/ und den gehorsam gegen jene so scheinbarlich zeigen/ daß dero christliches exempel alsdann zu erbauung unserer Evangelischen kirche so viel mehr contribui re/ als hoͤher dero condition und stand ist. So erfuͤlle er auch nachmal solchen ihren ehestand mit uͤbriger aller art gesegne- ten wohlwesens/ sonderlich da etwa das gewissen einmal einige unruhe moͤch- te fuͤhlen/ verwahre er ihren glauben/ davon keinen gefaͤhrlichen anstoß zu leyden. Was im uͤbrigen die communici rte contenta anderer responso- rum anlanget/ so mir zu vernehmen gleichwol lieb gewesen/ so ist nicht noͤthig weiter dagegen zu excipi ren/ ohne allein was das aͤrgernuͤß anlanget/ das mich sonderlich beweget hat/ und ich bekenne/ daß ich nicht sehe/ wie solches vor ein bloß genommenes zu achten waͤre: indem nicht allein dasjenige scandalum datum ist/ so mit einer sache/ welche sua natura boͤse ist/ gegeben wird/ sondern eben so wol mit dem gebrauch der christlichen freyheit in sonsten erlaubten dingen/ welche wider die liebe geschi- het/ und man den anstoß des schwachen bruders vorsihet. Davon Paulus Rom. 14. und 1. Cor. 8. schreibet. Jn dem uͤbrigen wird nicht noͤthig seyn/ noch habe nunmehr zu verlangen/ daß meine wenige bedencken/ so ich uͤber- schicket/ Jhro Hochfuͤrstlichen Durchl. zum vorschein kommen moͤchten; dann nachdem die sache richtig/ und dieselbe also den zweck/ welchen sie suchten/ nicht erlanget/ so wird es ohne frucht/ ja wol eher schaͤdlich seyn/ daß das ge- wissen nur damit mehr verunruhigt wuͤrde/ vielweniger solle einige erkaͤnt- nuͤß der arbeit von mir erwartet werden/ als da solche arbeit nicht nur wenig ist/ sondern ich mich biß daher ohne entgeld allen zu antworten verbunden erkant und also zuantworten gepfleget habe Wird also das beste seyn/ daß Jhro Hochfuͤrstliche Durchlaucht. nichtsvon meinen dingen wissen moͤgen. Jch aber werde auch nicht unterlassen/ wo nur gelegenheit gegeben werden solte/ mit schuldigen diensten an hand zu gehẽ/ solche meine schuldigkeit wahr- zunehmen. 1681. 7. Was dem Beicht-vater in solcher sache zu thun. A Uff das neuliche freundliche antwort-schreiben habe zum fordersten bezeugen sollen/ wie mich hertzlich erfreuet/ daß mein neuliches einfaͤlti- ges bedencken liebreich auffgenommen worden. Jch wuͤste aber in der sache zu dem vorigen nichts weiters zu thun/ oder beyzusetzen/ ohne allein/ welches vielleicht auch in dem neulichen mag mit enthalten gewesen seyn/ daß ich das scandalum nicht pro accepto sondern dato halten koͤnne/ indem ein scanda- lum datum nicht nur sich in denjenigen actionibus findet/ die an sich selbs boͤ- se seynd/ sondern auch in dem unzimlichen gebrauch der christlichen freyheit/ nun aber ist nach 1. Cor. 8. Rom. 14. ein unzimlicher gebrauch derselben/ wo wir uns desjenigen gebrauchen/ was zwahr an sich selbs erlaubt ist/ aber A a a a wir Das vierdte Capitel. wir vorsehen/ daß sich die schwache/ ob schon darinnen irrende/ daran stossen werden/ dero man aus liebe zu schonen/ und also seine freyheit (ein anders ists/ wo es um GOttes ehre und solche dinge/ die der HErr befohlen hat/ zu thun ist/ in denen wir nach Matth. 15/ 12. 13. 14. das aͤrgernuͤß der andern/ die sich an dem guten stossen wollen/ nicht zu achten haben) des andern besten nicht vorzuziehen hat: oder man wandelt nicht in der liebe. Was aber die bey- gelegte frage anlangt/ so achte ich in meiner einfalt/ daß ein Beicht-vater/ nachdem er alles gethan/ was er nach seinem besten wißẽ zu abwendung des- jenigen/ was er in seinem gewissen unrecht zu seyn sorget/ dienlich erkant/ sol- ches aber in die hertzen nicht tringet/ sondern dasjenige/ was dieselbe vor ih- re meinung gefasset/ bey ihnen die obhand behaͤlt/ wohl moͤge die absoluti- on ertheilen. Dann wir sind nicht Herren uͤber unserer anvertrauten seelen glauben/ sondern dero gehuͤlffen: wie ich nun in andern stuͤcken die in facto bestehen/ woruͤber ich mit dem beicht-kind handle/ ob ich schon starcke præ- sumtiones auff das gegentheil habe/ da sich dieses auff sein gewissen beruffet/ dabey auch beruhen und es dem HErren uͤberlassen muß/ so gilt dieses nicht weniger/ da es eine quæstio juris ist/ daß nemlich wo wir nicht das unhinder- treibliche und klahrste wort GOttes/ so die gewissen allein mit genugsamer krafft uͤberzeuget/ denselben vor augen legen koͤnnen/ sondern es dahin kom̃et/ daß man der consequentien und zwahr solcher consequentien, welche star- cken exceptionibus unterworffen/ bedarff/ wir sie nicht weiter zu noͤthigen vermoͤgen/ als wie viel sie sich von dem goͤttlichen willen uͤberzeugt zu seyn finden. Da sie also/ daß dieses GOttes gebot seye/ nicht bey sich erkennen koͤnnen/ und solches nicht aus einer blossen hartnaͤckigkeit/ und ohne vorle- gung starcker motiven, sondern mit dergleichen motiven, welche wir selbsten nicht so gar unerheblich/ ob wol die gegenseitige staͤrcker achten/ geschihet/ so gehet unsere gewalt nicht weiter/ und muͤssen wirs dem HErren befehlen/ der allein die hertzen in haͤnden hat/ und dieselben fest machen kan. Jch erinnere mich dabey gern der wort Pauli 1. Cor. 7/ 6. 8. 10. 25. 40. wo er eine solche meinung fuͤhret/ welche mit der gleichen gruͤnden befestiget wird/ die dem wil- len des HErren allerdings gemaͤß sind/ indessen weil er keinen austruͤcklichen befehl des HErren auffzuweisen hatte/ so will er den gewissen keinen weitern strick anwerffen. So vielweniger haͤtten wir/ da wir alle ein geringeres maaß des Geistes empfangen haben/ als der theure Apostel/ unsere gewalt weiter zu extendi ren/ als daß wir/ wo das gebot des HErren nicht gantz un- leugbar vor augen stehet/ unse re meinung geben/ und dieselbe so gut wir ver- moͤgen/ bestaͤtigen/ nechst dem aber den gewissen selbs die sache uͤberlassen/ welche sonsten/ wo wir weiter gehen wolten/ angestrenget wuͤrden/ sich nicht nach goͤttlichem gebot/ dann solches erkennen sie in der sache nicht/ sondern nach unserem besin den zu richten. So ists kein peccatum proæreticum oder obstina- SECTIO IX. obstinatum, da wir selbs nicht anders als einen irrthum bey ihnen erkennen/ und diejenigen ursachen vor augen sehen/ die gleichwol nicht gering/ sondern capabel sind/ einem vieles bedencken in der sache zu machen. Dieses ist meine wenige meinung in dieser sache/ welche ich hiemit freundlich berichten sollen/ dabey den grundguͤtigẽ Gott demuͤthig anflehe/ der so wol die gantze sach also dirigi ren wolle/ daß sie mit wenigstem anstoß der gewissen oder aͤrgernuͤß der gemeinde zu ende gehe/ auch unsere unwissenheit vergebe/ und die hertzen fest mache/ welches koͤstlich ist und durch die gnade geschihet. Er wolle auch mei- nen werthesten amts-bruder in solchem besondern anligen mit dem liecht sei- nes Heiligen Geistes und krafft desselben erfuͤllen/ zu thun und auszurich- ten/ was den gewissen zu ihrer reinigung und beruhigung das diensamste ist. SECTIO IX. Von der ehe mit des vorigen weibes tochter. D En vorgelegten casum von Andrea, der Annam Sophiam seines vori- gen weibes leibliche tochter geheyrathet hat/ anlangend/ bin ich recht daruͤber erschrocken/ daß eine solche that dieser lande vorgegangen seyn solle. Weilen nun gedachter grad nicht nur austruͤcklich in GOttes wort verboten/ und gar die auff und absteigende linie in der schwaͤgerschafft be- trifft/ hat nicht nur die Obrigkeit solches zu geschehen nicht zulassen oder di- spensi ren koͤnnen/ sondern sie koͤnnen auch nicht beysammen leben; denn ob wol unsere Lehrer zimlichen theils davor halten/ wo eine ehe in denen im goͤttlichen recht verbotenen graden gleichwol vollzogen/ und mit der ein- segnung bekraͤfftiget worden/ daß man sie darnach beysammen lassen muͤsse/ und quod rectum non fuit, ratum tamen fiat (wo ich nicht leugne/ daß gleich- wol andere wieder anderer meinung sind/ und also solche wiederum dissolvi- ret haben wollen) werden doch stets diejenige/ welche in die absteigende linie geheyrathet; darvon ausgeschlossen/ und dero separation vor nothwendig gehalten/ wie zu sehen bey Carpzov. Jurispr. Consist. 2. 6. 99. 12. Daher die- se beyde elende leute wahrhafftig ausser der ehe/ indem ihre ehe niemal guͤl- tig gewesen/ oder werden koͤnnen/ leben/ folglich in lauter suͤnde/ dero sie oh- ne von einander wiederum abzulassen/ nicht loß werden moͤgen. Weswegen ihnen die sacra nicht administri ret oder zugelassen werden koͤnnen/ sondern es muß ihnen vielmehr ihr gefaͤhrlicher stand gewiesen/ und ihren gewissen auff andere art geholffen werden. So hat eine christliche Obrigkeit billig hierauff auch einsehen zu haben/ und ihr amt/ zu abthuung solches aͤrgernuͤsses/ nach- truͤcklich/ damit sie wieder abgesondert werden/ anzuwenden. 1688. A a a a 2 SECTIO Das vierdte Capitel. SECTIO X. Ob einer seines brudern frauen schwester heyra- then doͤrffe/ oder doch eine solche ehe zu mißra- then seye? Aus der uͤbersandten specie facti also lautend: N Achdem Titius sich mit seines leiblichen bruders Sempronii hauß-frauen schwester ehlichen verlobet/ ist solches von einigen/ daferne solche verloͤbnuͤß solte werckstellig gemacht werden/ fuͤr eine blut-schande ausgeschriehen worden. Weil nun Titius hierinn gerne sicher gehen/ und sein gewissen nicht gerne beschwehren will/ als hat er sich deßwegen raths erhohlen/ und fragen wollen/ ob derglei- chen/ wie oben gedacht/ fuͤr eine blut-schande zu halten/ oder nicht? und sich christlich resolvi ret/ daß/ wo es eine blut-schande/ er viel lie- ber solches verloͤbnuͤß fahren lassen/ als sein gewissen damit beschweh- ren/ wo aber solche verloͤbnuͤß goͤttlicher und menschlicher ordnung nicht zuwider/ er in solcher verloͤbnuͤß in GOttes nahmen fortfahren wolle ꝛc. Moͤgen zu besserer beruhigung des gewissens Titii zwo fragen formi ret werden. I. Ob die vorhabende heyrath vor eine blut-schande zu achten? A Uf diese frage moͤgen wir nicht anders als absolute mit nein/ daß auf keinerley weise und wege eine blut-schande oder nur einiger schein dersel- ben in solcher heyrath anzutreffen sey/ antworten. 1. Wo diß wort blut-schande in seiner eigenlichen bedeutung genom- men wird/ so heisset es diejenige unziemliche vermischung/ worinn wider die von GOTT verbotene grade gesuͤndiget wird: Da hingegen diejenige/ wel- che allein wider menschliche verordnung gehet/ sonderbar verboten und un- ordenliche vermischung genannt zu werden pfleget/ wie davon der gelehrte Jurist Ben. Carpzov. L. 2. Jur. Cons. T. 5. def. 87. n. 2. 3. wol anmercket/ und bezeugt/ daß solcher dieser wort unterscheid in dem schoͤpffen-stul gewoͤhnlich pflege observi ret zu werden/ welchem auch Herr D. Dannhauer beypflichtet Theol. Conscient. T. 1. Part. 2. dial. 3. p. 784. Nec proprie incestus com- mittitur, ubi interdictum provinciale est, non immediate divinum. Glei- chermassen macht der beruͤhmte Jurist Joachim von Beust zu Planitz p. 2. de matrim. n. 57. zweyerley nuptias illicitas, quædam enim dicuntur. incestæ \& nefariæ, quædam vero inutiles. Ja auch in den nefariis \& ince- stis SECTIO X. stis findet er in dem eigenlichen gebrauch unterscheid/ daß incestæ eigenlich seyen nur inter collaterales in primo \& secundo gradu inæquali consangui nitatis \& affinitatis. Hingegen werden inutiles genennet/ quæ tantum jure civili vel canonico prohibentur, \& non natura vel jure divino repugnante contrahuntur. Wie er auch weiset/ wie unterschiedliche straffe auf beyder- ley arten gesetzet seye. Welches auf gleiche art auch also lehret der geuͤbte Theol. Erasm. Sarcerius Corp. Jur. matrim. P. 3. p. 145. b. 147. a. Und nennet die eine art blut-schaͤndliche und laͤsterliche/ die andere art unnuͤtze und nicht zulaͤßige hochzeiten: Nun wird hoffentlich niemand seyn/ der nur die gedancken fassen werde/ daß in diesem casu einiges goͤttliches verbot zu finden seye; indem goͤttliches gesetz unter eigenlichen blut-verwandten und schwaͤ- gern seine verbot gar nicht weit extendi ret/ und die in demselben verbotene gradus bald gezehlet sind. 2. Wenn aber auch zuweilen generaliori sensu eine blut-schande genennet werden mag alle verbotene vermischung/ die nicht nur aus goͤttli- chen sondern auch menschlichen gesetzen und ordnungen unerlaubet sind/ so mag aber diese heyrath/ daß zwey bruͤder zwey schwestern heyrathen/ auch in solchem weitern verstande vor keine blut-schande geachtet werden/ indem kein verbot vorhanden ist; von goͤttlichem gesetz wird nicht eine einige vermu- thung dessen seyn. Was denn die Kaͤyserliche/ weltliche und canoni sche geistliche rechte anlanget/ so kommen solche/ ob sie wol sonsten in so vielen stuͤ- cken different sind/ in dieser regel alle uͤberein/ daß zweyer eheleute bluts- freunde keine schwaͤgerschafft unter sich haben/ und also Sempronii bruder und seiner frauen schwester keine schwaͤgerschafft unter sich haben. Wenn denn nun alles verbot ordenlicher weise entweder wegen des gebluͤts selbs/ oder wegen der schwaͤgerschafft geschihet/ und aber diese beyde verlobte weder mit einander verwandt sind nach dem gebluͤte/ noch in einer eigenlichen schwaͤ- gerschafft stehen/ so folgt so bald/ daß zwischen selbigen kein verbot seyn koͤnne. 3. Werden alle Theologi hierinn gantz einstimmig seyn/ und inspecie diese heyrath aus vorgedachten regeln nicht verboten achten/ daher sie alle annehmen und behaupten; als (1) Philipp. Melanchthon, dessen diese wor- te sind: Non late vagatur affinitas. Nam consanguinei mei non sunt af- fines consangvineis uxoris meæ. E. â consangvinea uxoris meæ abstinere debeo, mei consangvinei abstinere debent à mea uxore, non à consangvi- neis meæ uxoris. Quare duo fratres cum duabus sororibus contrahere pos- sunt. Non enim impediuntur affinitate. Wiederum (2) D. G. Major. consan- gvinei uxoris non fiunt affines consangvineis mariti, nec consangvinei mariti fiunt affines consangvineis uxoris, ita ut inter ipsos consangvineos mariti \& uxoris matrimonium contrahi non possit; welche beyde loca alle- A a a a 3 gi rt Das vierdte Capitel. gi/ rt und approbi ret auch (3) Erasm. Sarcerius. Corp. jur. matrim. P. 2. p. 12. a. 21. b. 141. b. Ferner (4) D. Nic. Henning. de conjug. p. 116. Duo viri qui sunt fratres cum duabus fœminis quæ sunt sorores, licite contrahunt (5) Dav. Chytræus in Levit. c. 18. p. 342. duo fratres cum duabus sororibus contrahere possunt. (6) D. Joh. Wigandus de conjug. duo fratres non pro- hibentur duas sorores ducere (7) Mich. Havemann. Gamolog. L. 2. T. 5. Quamvis in more positum sit, quod consangvinei mariti \& consangvinei uxoris inter se dicantur \& salutentur affines, tamen vero affines non sunt, quia cognati mariti \& uxoris non fiunt una caro, hinc dictitia illa affinitas matrimonium inter illos non sufflaminat. Hinc etiam tres fratres ducere possunt tres sorores absque ullo impedimento, quod notandum est contra Duarenum. (8) D. Balthas. Menzer. l. c. p. 1110. b. duo fratres ducere pos- sunt duas sorores (8) D. Dannhauer Theol. Consc. T. 1. P. 2. dial. 3. p. 784. Fas ducere fratris mei uxoris sororem (10) D. Mart. Chemnit. LL. Theol. T. 3. de conjug. c. 4. traditur vera \& certa regula, quod inter cognatos mariti\&in- ter cognatos uxoris nõ sit talis affinitas, quæ impediat matrimoniũ. Possunt lgitur legitime absq; impedimento \& prohibitione interse matrimoniũ con- trahere. Dessen ursache solcher beruͤhmter Theologus anzeigt/ cur necju- re divino nec humano talis affinitas matrimonium impediat, so wol aus den Juristen/ quod solus maritus ad cognatorum uxoris fines accessionem fe- cerit, als aus der schrifft/ quia maritus \& uxor fiunt per copulam carnalem una caro, non autem cognati fiunt inter se una caro. Darauß er austruͤcklich inferi ret/ duo fratres possunt ducere duas sorores (11) D. Felix Biedenbach. Promt. connub. append. c. 3. p. 539. Hinc absque dispensatione licet ma- trimonium contrahere sequentibus personis: duo fratres possunt ducere duas sorores vel alter matrem, filiam alter. (12) D. Casp. Eras. Brochmand. Theol. system. L. de conjugio 449. laͤsset zu/ daß vater und sohn 2. schwe- stern heyrathen moͤgen/ welches so vielmehr von zwey bruͤdern geschehen kan/ aber daraus abzunehmen/ daß er solchen fall als allzuklahr in einige frage zu- setzen nicht noͤthig geachtet: also auch (13) D. Joh. Gerh. LL. de conjug. n. 358. ob er wol dergleichen mißrathet/ bekennet doch darbey; quod nulla hic exstet juris vel divini vel humani prohibitio, sed plena ac plana ubique. concessio. 4. Jst solches nicht weniger die einmuͤthige meinung christlicher Juri- sten D. Bened. Carpzov. L. 2. Jurispr. Consist. T. 6. def. 106. da bereit die rubric also lautet: Nec pater \& filius matrem \& filiam vel duas sorores: nec duo fratres personas illas ducere uxores prohibentur. Wo auch ein præ- judicium des Saͤchsischen Ober- Consistorii angezogen wird/ auf einen sol- chen fall mit diesen terminis. So mag dahero zwischen vorbeniemten Ost- SECTIO X. Ostwalden und der Annæ Mariæ L. das eheverloͤbnuͤß nicht verbo- ten werden/ sondern es wirdihnen solches nicht unbillig nachgelassen/ undnachmals die ehe durch die priesterliche Copulation vollzogen/ von rechts wegen. Dergleichen er auch lehret tr. de usu arb. Consangvin. C. 4. n. 129. seq. quod sit plana ac plena ubique concessio Dn. Conr. Mauser. Prof. Witteberg. Explic. tit. inst. de Nupt. §. sacrum quoque p. 368. Quare sequitur, quod frater meus uxoris meæ sororem potest ducere uxorem, mit anzihung aus dem jure Canonico c. quod super his. X. de consang vin. \& af- fin. Wo deutlich enthalten: Quod licet omnes consangvinei viri sint af- fines uxoris, \& omnes consangvinei uxoris sint viri affines, inter consan- gvineos tamen uxoris \& viri ex eorundem, sc. viri \& uxoris, conjugio nulla prorsus affinitas est contracta, propter quam inter eos matrimonium de- beat impediri. Ferner Basil. Monner. de matrimon. P. 4. c. 2. n. 9. p. 85. Unde duo fratres licite contrahere poterunt cum duabus sororibus. Wie- derum mit anzihung des angehoͤrten Capituli Melch. Kling. a Steinau de caus. matrimonial. p. 278. duo fratres ducere possunt duas sorores, welchen locum Dedekennus auch seinen Consiliis Theologicis inseriret. Hier. Treutler. select. disp. vol. 2. disp. 6. de nupt. n. 3. Unde duo fratres duas sorores in matrimonio habere possunt. D. Joh. Rebhan. Hodeg. Juris. Chart. 2. clim. 1. paral. 3. n. 25. Duo fratres matrem \& filiam, aut duas soro- res, in uxores ducere possunt. D. Joh. Harprecht. ad instit. Tit. de nupt. T. I. p. 378. Unde est, ut pater \& filius matrem \& filiam \& tantomagis pater \& filius duas sorores, item duo fratres matrem \& filiam, vel duas etiam soro- res ducere uxores possunt. Wo er auch das mehr gedachte capitulum, (woruͤber Panormitanus den er auch dabey allegi ret/ austruͤcklich saget: absque omni peccato licite inter se contrahunt matrimonium) anzeucht/ mit vielen anderen Juristen Joh. Kizel. Synops. matrim. c. 3. theor. 12. p. 52. duo fratres matrem \& filiam vel duas etiam sorores ducere possunt. 5. So gedencken alle Theologi und Juristen bey dieser frage nicht/ daß einige dispensation noͤthig seye/ wie sonsten zuweilen bey einigen gradibus noͤthig ist/ welche etlicher massen verboten/ daß nicht ohne sonderbare verguͤn- stigung der Obrigkeit die zulaßung geschehen kan. Daraus abzunehmen/ daß auch nicht die wenigste verhindernuͤß und verbot bey solchem fall sich fin- den muͤsse ꝛc. 6. Sind die exempel unter nicht nur hohen/ sondern auch gemeinen stan- des personen/ geist- und weltlichen unzehlich/ daß zwey oder drey bruͤder wol so viel schwestern/ oder bruder und schwester wiederum schwester und bruder/ genommen/ ohne einige contradiction oder aͤrgernuͤß/ wie dann solches auch so vielweniger platz hat/ als gemeiner die sache ist. II. Ob Das vierdte Capitel. II. Ob gleichwol Titio zu rathen waͤre/ daß er die verloͤbnuͤß fahren lassen solte? E S melden die Theologi gewoͤhnlich/ wo von dieser materia der verbote- nen oder erlaubten grade/ gehandelt wird/ daß zu sehen seye/ non tantum quid liceat, sed etiam quid honestum sit, welcher ursachen wegen offters/ wo die sache noch integra, und von heyrathen/ die etwas nahe in das gebluͤte ge- hen/ geredet wird/ auch in den graden/ die sonsten eben nicht verboten/ eine ehe zu mißrathen/ und als viel muͤglich/ auf guͤtliche mittel zu hindern seye. Da moͤchte also dieses ortes gleiche frage entstehen/ ob nicht eben wol diese ehe lieber zu mißrathen/ und Titio an die hand zu geben seye/ daß er sich solches ehelichen verloͤbnuͤßes lieber entschlage als damit fortfahre? Aber auch bey dieser frage vermoͤgẽ wir Titio nicht abzurathen/ von vollstreckung seiner ehe- verloͤbnuͤß/ sondern achten ihn vielmehr verbunden/ alldieweil die verloͤbnuͤß bereits geschehen/ dieselbe fortzusetzen. Gleichwie auch D. Joh. Gerhard LL. de Conjug. n. 358. ob er schon sonsten von dergleichen hochzeiten die leu- te abzumahnen lehret/ austruͤcklich die condition darzusetzt/ quando res ad- huc integra est, hoc est, si nondum efficax promissio vel desponsatio interces- sit, nec dum arctissimo amoris vinculo ejusmodi personarum animi conglu- tinati sunt. Wie hoch hingegen ein rechtmaͤßiges verloͤbnuͤß das gewissen binde/ daß kein theil/ ja auch nicht beyde zugleich/ sich unter einander dessen wiederum loßmachen/ ja auch die Obrigkeit solche ohne die wichtigste und rechtmaͤßigste ursache nicht wieder trennen koͤnne/ wird bey allen der ehe - rech- te kuͤndigen eine ausgemachte sache seyn: Wie solten wir denn Titio rathen koͤnnen/ einen solchen verspruch/ der nach allen goͤttlich- und menschlichen rech- ten guͤltig/ zu brechen/ und aus menschlichen consideratio nen/ so noch darzu auf schwachem grunde und sorgen stehen/ ein goͤttliches band zu trennen/ folg- lich sein lebelang ihm und seiner verlobten/ ja auch denenjenigen/ welche bey- derseits kuͤnfftig heyrathen moͤchten/ ein schwehres gewissen/ auffs wenigste einen stachel in demselben zu verursochen. Also daß man Titio dergleichen nicht nur nicht rathen darff/ sondern ihm die nothwendigkeit der vollstre- ckung nachtruͤcklich zeigen muß. Darzu kommet/ daß in solchem fall die vor- nehmsten rationes, welche Gerhardus und einige andere fuͤhren/ dergleichen unverbotene heyrath doch zu widerrathen/ in diesem fall nicht platz haben. Denn solche sind wol die beyde/ cognationis confusio und liberorum ex tali- bus matrimoniis cognatio. Wie nicht ohne ist/ daß sich dergleichen bege- be/ wo vater und sohn zwey schwestern/ oder mutter und tochter zwey bruͤder/ heyrathen/ wo vater und sohn schwaͤger/ und da natuͤrlicher weise eine un- gleichheit unter ihnen ist/ sie hierinn einander gleich werden; so wider den re- spect, welchen dieser jenem zu tragen verbunden/ zu streiten scheinet: Also auch SECTIO X. auch unter den kindern gibts zimliche confusion der nahmen; die kinder des sohns haben ihrer mutter schwester zur großmutter; die geschwistrig-kind mit ihnen sind/ sind auch vaters geschwistern. Um welcher umstaͤnde willen etwa dergleichen heyrathen moͤchten mißrathen werden; welches alles aber bey diesem exempel sich nicht findet. Denn was die uͤbrige allgemeine ursa- chen anlanget/ so angefuͤhret werden moͤchten/ doͤrffen wol insgesamt wenig concludi ren/ als die sorge des aͤrgernuͤsses/ welche zwahr von grosser wich- tigkeit waͤre/ dero gefahr aber leicht und besser/ daß niemand seine freyheit damit gekraͤncket werde/ geholffen werden kan/ daß diejenige/ so sich dran stossen moͤchten/ auch wol die gemeinde/ publice, wie allerdings in sol- chem verloͤbnuͤß keine suͤnde noch unrecht seye/ unterrichtet werden. So mag auch die honest aͤt nicht vorgeschuͤtzet werden/ es werde denn erstlich erwie- sen/ daß dieser fall wider dieselbe streite. Wo wir aber nicht gedencken wol- len/ daß goͤttliche und menschliche rechte eine sache/ so der honest aͤt entge- gen/ so bestaͤndig autorisi ret haben solten. Wo nun ein und ander derglei- chen ehen ungluͤckliche ausgaͤnge zum grunde anfuͤhren wolte/ wuͤrde es ein mißliches urtheil seyn/ GOtt in seiner geheimen gerichts-cancelley eingriff zu thun/ warum er diesem oder jenem einen unfall begegnen lassen; zumalen andere unzaͤhliche ehen unter gantz land-frembden personen/ offt nicht weni- ger ungluͤck unterworffen/ hingegen der exempel nicht wenige sich finden wer- den/ dieser art begluͤckter ehen. Jedoch moͤchte geschehen/ daß wo schwache gewissen derjenigen so also heyrathen/ von unzeitigen eifferern irre ge- macht werden/ an ihrer ehe selbs zu zweiffeln anfangen/ und gleichwol dersel- ben sich nicht wieder loßzumachen wissen/ daher in zweiffel und also suͤnde le- ben/ und damit GOttes straff auff sich ziehen moͤgen/ dessen aber diejenige grosse ursach sind/ so ihnen solche unnoͤthige scrupel gemacht haͤtten. Nicht von mehr erheblichkeit sind auch andere einwuͤrffe/ welche dagegen geschehen moͤchten. Daher wir nicht anders koͤnnen/ als dahin endlich zu schliessen/ daß Titius in dem nahmen Gottes und dessen fernerer anruffung/ seinen ehe- verspruch fortzusetzen nicht nur vermoͤge/ sondern gantz verbunden seye/ auch sich und seiner verlobten gewissen aus angefuͤhrten gruͤnden wol tranquilli- ren moͤge/ daß sie in eine Gott wohlgefaͤllige ehe treten: hingegen sich von niemand darinn turbi ren lassen solle/ auch jedem/ der rechenschafft seiner ehe fordert/ bescheidentlich solche zugeben habe; damit auch solches so viel nach- truͤcklicher geschehe/ wolthun werde/ das Ministerium seines orts freund- lich zu ersuchen/ daß sie gleichfals krafft ihres amts/ wie sie es vermoͤgen und dar zu gelegenheit haben/ andern davon unterricht geben/ und das etwa sonsten bey unberichteten besorgte aͤrgernuͤß nach muͤglichkeit abwenden wollen. B b b b Der Das vierdte Capitel. Der HERR gebe darzu gnade und lasse kein gewissen zu unnoͤthigem scrupel und in demselben in mehrer suͤnden gefahr verleitet werden. Amen! 1678. SECTIO XI. Ob einer verlassenen/ die zeit ihres mannes verlas- sung in ehebruch verfallen/ nach dessen todt den ehebre- cher zu heyrathen erlaubet. Ob einer eine person/ mit welcher er vormals ehebruch getrieben/ nach absterben des ehegatten/ oder auch wenn solche person von dem ehegatten wegen boͤßlicher verlassung richterlich geschieden/ heyrathen moͤge? E Rstlich finde einige wichtige rationes dubitandi, so fast das ansehen ha- ben solten/ daß mit nein auff diese frage zu antworten waͤre. 1. Stehet vor augen das exempel des Koͤnigs Davids/ der die Bathsebam/ so er vorhin durch ehbruch erkant/ nach Uriaͤ todt zur ehe genom- men: daruͤber aber der Heil. Geist das urtheil gibt 2. Samuel. 11/ 27. die that gefiel dem HErrn uͤbel die David thaͤt: daher c. 12/ 9. der Pro- phet dem Koͤnig nicht nur vorruͤckt/ Uriam den Hethiter hast du erschlagẽ mit dem schwerdt/ sondern auch noch als unrecht zusetzet: sein weib hast du dir zum weibe genommen. Da Procopius davon sagt: Significatur Deum plus conjugio offensum fuisse quàm adulterio: Adulterium enim cu- piditate victus commisit, conjugium autem deliberationis assensum habet. Wie auch Theodoretus es nennet matrimonium nefarium \& contra leges initum. Wie auch der gelehrte D. Dannhauer/ mein werther Præceptor in Theol. Consc. Part. 2. spec. Dial. 3. q. 32. p. 825. von solcher des Davids action sagt/ non licitè fecisse. 2. Wissen wir daß in goͤttlichem gesetz der ehebruch mit dem leben ge- strafft wird 3. Mos. 22/ 10. 5. Mos. 22/ 22. Wie nun/ wann darinnen die Obrigkeit ihr amt thut/ die frage von sich selbs faͤllt/ so solte man ferner sa- gen/ daß es unbillich seye/ daß solche lasterhaffte personen/ die in leichtferti- ger liebe zusammen gekommen/ eben durch ihre uͤbelthat/ damit sie den todt verwircket/ solten die erlaubnuͤß gewinnen sich zu heyrathen/ und dessen fer- ner zu geniessen/ warum sie gesuͤndiget haben. 3. So moͤchte auch in consideration kommen/ daß derogleichen nicht zu- gestatten/ weil sonsten damit nicht nur insgemein der leichtfertigkeit und boßheit eine thuͤr geoͤffnet wird/ sondern zu sorgen stehet/ es moͤchte solches ge- SECTIO XI . gelegenheit geben/ daß leichtfertige leute/ die eine unzuͤchtige liebe zusammen tragen/ ihren ehegatten nach dem leben desto lieber stehen doͤrfften/ weil sie wissen/ daß sie damit zusammen kommen koͤnten. 4. Jn den weltlichen rechten wird solche ehe deutlich verworffen. L. Claudius 13. ff. de his quæ ut indigna. L. 27. C. ad leg. Jul. de adult. Ja auch finden sich Canones die derselben entgegen seynd. Als C. nullus 31. q. 1. aus Leone: Nullus ducat in matrimonium, quam prius polluit per adulteri- um. Wiederum C. illud. eod. ex concilio ap. Alphesum habito: Non con- venit Christianæ religioni, ut ullus ducat in conjugium quam prius polluit adulterio. 5. Darzu kommt/ daß mehrere Theologi die frage verneinen. Als der beruͤhmte D. Gerhard LL. CC. T. 7. de conjugio p. 1048. setzet austruͤcklich unter die conditiones, wie fern dem adultero moͤchte die erlaubnuͤß zu hey- rathen gegeben werden: ne cum illa contrahere permittatur matrimonium cum qua commisit adulterium. So findet sich auch von solchem Theolo- go ein gantzes Consilium bey Dedekenn. volum. 3. s. 9. n. 9. p. 228. da der schluß dahin gehet: Sanè si quis nuptias jam dum contraxit cum eà, quam prius per adulterium polluit, eas non esse solvendas existimamus; interim idem esse impedimentum contrahendum matrimonium impediens asseri- mus. Nach diesem so bleibet auch bey der negativa und beharret auff dem Koͤniglichen Daͤnischen verbot/ welches bey solcher kirche im gebrauch und diese ehe nicht zugibt/ D. Brochmandus Syst. T. 2. de conj. quæst. 26. p. 573. Der werthe Heßische Theologus, der alte D. Menzerus T. 2. p. 1125. 1126. tra- cti rt diese frag auch/ schliesset aber: ægrè adducor ut concedam hujusmodi nuptias: So er zwahr in dem folgenden einigerley massen mildert und ein- schraͤncket. Jndessen finde ich nicht/ warum ich nicht lieber mit den uͤbrigen es halten solte/ welche sothane ehe nicht vor bloß verboten halten. (1) Haben wir in GOttes wort keinen grund eines solchen verbots. Was aber von GOTT nicht verboten ist/ mag an sich selbs nicht suͤnde seyn/ und solle auch nicht von andern ohne wichtigste ursachen verboten werden/ sonderlich in dieser sach/ da das verbot besorglich zu mehreren aͤrgernuͤssen und heimlicher schande ursach oder gelegenheit geben moͤchte/ welche lieber ab- zuschneiden/ als auf derer andern rigore zu bestehen ist. (2) Wird auch damit dem gewissen der personen mehr gerathen/ da son- sten/ wo sie zu dem ledig-bleiben angestrenget werden/ sie vielmehr gefahr und suͤndlicher brunst unterworffen werden: Hingegen wo sie je wieder doͤrffen heyrathen/ billicher ist/ daß sie beysammen bleiben/ als daß jegliches mit seiner beywohnung eine andere person in einige gemeinschafft seiner schande mit B b b b 2 ein- Das vierdte Capitel. einflechte/ wo sie sich an andere verehlichten. Dazu auch kommt/ daß die kinder/ so etwa aus solchem ehbruch gebohren/ wieder zu einigen ehren kommen. (3) Jst solches auch in den alten Canonibus zugegeben worden. Also lauten die wort Augustini C. denique 31. q. 1. mortuo eo, cum quo verum fuit connubium, fieri potest conjugium cum qua præcessit adulterium. Wie auch der gantze titulus in decretalibus sich findet de eo qui duxit in matrimo- nium quam polluit per adulterium. Nun aber pflegen wir in ehe-sachen mehr nach dem canonico als civili jure zu gehen. (4) So haben wir auch einige von den vornehmsten Theologis, welche solche ehe zugeben. Unser theure Lutherus, da er solches bey den Paͤpstischen vorgebende hindernuͤß der ehe angefuͤhret ( Tom. 6. Altenb. f. 1408. b ) sagt also davon: Jch bitte dich/ wo kommt doch her dieses strenge recht der menschen gegen die menschen/ welches doch GOTT niemals erfor- dert hat? wissen sie nicht oder wollen sie nicht wissen/ daß Bathseba eine hauß-frau Uriaͤ beyde laster begangen hat/ das ist/ sie war be- fleckt mit dem ehbruch/ und nach ermordung ihres mannes ward sie dannoch geehlichet von David dem heiligsten mann. Hat nun das goͤttliche gesetz dieses zugelassen/ was thun dann die tyrannische men- schen wider ihre mitknechte. So sagt er auch T. 2. Alt. f. 211. b. von sol- chem fall: Lafter und suͤnde soll man straffen/ aber mit anderer straff/ nicht mit ehe-verbieten. Nicht weniger stimmet damit uͤberein Phil. Me- lanchthon in Loc. Com. de Conj. wo er also nach anziehung des exempels Da- vids sagt: In hoc casu conjugium potest concedi, \& hac ἐπιεικείᾳ judex nunc quoque uti potest, præsertim cùm Politici Magistratus adulteria non pu- niunt, \& Deo valdè displicent vagabundæ commixtiones. Nach welchem biß daher auch andere Theologi eben solcherley ehen gebillichet. Wie denn D. Gerhardus anziehet Chytræum in Levit. Bidenbach. de caus. matrim. Tarnov. l. de conjug. c. 50. Die Reformirten/ so gleiches behaupten/ jetzo nicht anzuziehen. (5) So geben auch christliche Juristen eben dieser meinung beyfall/ wie sonderlich zu sehen bey dem bekanten und beruͤhmten D. Carpzov. L. 2. Ju- risp. Consist. Tit. I. def. 14. da er noch ferner anzeucht Lud. Schraderum, Molradum, D. Greg. Tholos. Besoldum, Clingium, Finckelth. Speckhan, Nebelkräe. So dann die præjudicia, daß dergleichen spruch in dem Schoͤp- pen stuhl zu Leipzig/ so dann von den Juristen zu Giessen und Tuͤbingen ge- schehen/ wie nicht weniger die Consistoria zu Meissen und Wittenberg (wie bey Dedekenno derselben wort zu sehen) so dann zu Leipzig und Dreßden (wie Carpzovius auch bezeuget) auf gleiche weise ausgesprochen. 6.) So SECTIO XI. (6) So sind auch die obangefuͤhrte rationes dubitandi nicht so bewandt/ daß nicht wol darauf zu antworten waͤre. 1) Was anbelanget Davids exempel/ laͤsset sich aus solchen angezoge- nen orten nichts anders auffs eusserste schliessen/ als daß desselben that die Bathsebam zu heyrathen GOTT dem HErrn mißfallen habe/ welches aber daher gekommen/ nicht als ob schlechterdinges dergleichen heyrathen unrecht waͤren/ sondern weil David eben darum den Uriam erschlagen lassen/ daß er sein weib nehmen moͤchte/ daß also Nathan der Prophet mit solchen worten dem David seine vor menschen verborgene boͤse intention habe wollen vor- ruͤcken/ oder worinnen er sonsten absonderlich in solcher sich versuͤndiget hat. Dann daß der heyrath selbs nicht bloß dahin kan unrecht gewesen seyn/ sehen wir daraus/ weil ja der Koͤnig auch noch nach seiner buß sie bey sich behalten/ auch niemand dem Salomoni/ daß er nicht aus rechter ehe gebohren waͤre/ vorgeworffen/ noch selbsten sein widersacher und bruder Adonia deswegen/ sondern weil er juͤnger als er waͤre/ das reich disputi ret hat. Solte aber die ehe an sich selbs unrecht gewesen seyn/ so wuͤrde David die uͤbrige gantze zeit seines lebens in einer staͤten schwehren suͤnde gestanden seyn/ so wir von dem theuren mann nicht sagen sollen. 2) Waͤre zwahr zu wuͤnschen/ daß die Obrigkeit mit rechtschaffenem ernst diese schwehre suͤnde straffte/ die frag aber gehet eigenlich denjenigen fall an/ wo sie ihr amt nicht nach der schaͤrffe thut. Wo aber diese gegenwaͤrtige hypothesis erwogen wird/ so ist auch zu beobachten/ daß der ehbruch des wei- bes so schwehr nicht wie sonsten zu achten sey/ als die fuͤr sich dieses anziehen kan/ daß die schuld ihres mannes/ so sie verlassen/ dazu anlaß gegeben habe. Womit auffs wenigste etlicher massen die straffe gemildert wird. 3) Die ursachen/ die dagegen gefuͤhret werden/ sind von nicht geringem gewicht: So gar daß auch deswegen Carpz. l. c. def. 15. selbs die ehe nicht zu- geben will/ wo dem verstorbenen ehegatten nach dem leben gestanden worden. Aber in diesem fall ist solches nicht geschehen/ sondern es ist der mann selbs von dem weib weggezogen/ und da er indessen gestorben/ weder ihre noch ihres adulteri schuld darbey gewesen. 4) und 5) Den weltlichen rechten/ wie auch einigen alten Canonibus, so dann angezogener Theologorum autori taͤt/ moͤgen wir die auch angefuͤhrte und in affirmativam gehende autoritates und suffragia nicht unkraͤfftig ent- gegen setzen. Also bleibt die affirmativa dieser frage genugsam gegruͤndet und fest ste- hen/ und mag der richter/ wo er sonsten in puncto desertionis die sache richtig findet/ das weib zu scheiden/ deroselben heyrath mit ihrem adultero auch zugeben. B b b b 3 SECTIO Das vierdte Capitel. SECTIO XII. Retractatio eines falsi vor der Obrigkeit. Von einem casu, da zwey personen zwantzig jahr unter dem schein cheleut zu seyn/ mit einander gelebet/ da sie aber nie copuli ret worden. Was darinne zu thun. Von der eusserlichen kirchen- disciplin. W Aß die neulich uͤberschriebene sache betrifft/ so bekenne ich/ daß ich noch am liebsten bey meinen gedancken bleibe/ daß die retractatio des vor der Obrigkeit ausgesagten/ niemand schaͤdlichen falsi nicht blos- ser dings nothwendig waͤre/ ausser dem fall/ da sie nochmal vorgefordert wuͤrde/ und alsdann freylich nicht wiederum liegen doͤrffte; ein anders waͤre es/ wo sie ihre eigene suͤnde geleugnet/ und sich damit loßgemachet/ wo ich ihr gewissen nicht anders zu beruhigen wuͤste/ als durch ultroneam confessio- nem. Jetzt aber ist es zuthun um eine suͤnde/ so gleichsam der Obrigkeit un- bekant/ da sie nicht wohl mehr dazu verbunden ist/ solche von freyen stuͤcken anzugeben/ als in andern faͤllen/ welche der Obrigkeit nicht bekant/ ein reus nicht eben schuldig ohnerfordert sich selbs anzugeben/ und die straffe uͤber sich zufordern. Also wird keine schuld auf die Obrigkeit geladen/ welche zustraf- fen bereit/ was ihr bekant waͤre; so entstehet auch kein weiter aͤrgernuͤß/ als viel ich sehen kan. Sonderlich deucht mich/ daß um der selbs angefuͤhrten ursach willen wir eben diejenige nicht seyn sollen/ welche die suͤnden zur welt- lichen straff angeben muͤsten/ als derer amt ist/ die suͤnder zu der buß suchen zu fuͤhren/ und die obrigkeit zu verrichtung ihres amts anzumahnen: Daß sie aber zu noͤthiger wissenschafft vorgegangener laster kommen moͤge/ solle sie andere personen dazu billich brauchen/ und hingegen unser amt mit sol- cher nothwendigkeit verschonet bleiben. Jedoch lasse es ferner/ wie vormals meines geliebten bruders eigener beurtheilung/ als der ich nicht anders als meine unvorgreiffliche meinung sage. Was den andern casum betrifft/ ist derselbe sehr schwehr und intricat, ich will aber gleichwohl meine meinung aufs einfaͤltigste fassen 1. Zum grunde lege ich dieses voraus/ daß die be- nedictio sacerdotalis weder de essentia conjugii noch auch simpliciter ne- cessaria seye. Wie ich dann weder aus heiliger schrifft ein gnugsam buͤndi- ges argument vor solche nothwendigkeit/ noch vielweniger deutlichen spruch davon finde/ noch sehe/ daß einiges dergleichen von so Theologis als Juri- sten/ die diese materie tracti ret/ aufgebracht werden koͤnne. Wie etwa die reiffliche und unpartheyische betrachtung der anfuͤhrenden rationum selb- sten endlich zeigen wird/ wie viel krafft und nachtruck darinnen seye. Daher nicht SECTIO XII. nicht nur der unglaͤubigen ehe vor wahrhafftig/ und so fern an ihren perso- nen etwas seyn kan/ GOttgefaͤllig achte/ sondern auch darvor halte/ da in Holland einige/ wie es geschihet/ allein auf dem rathhauß ihrer ehe erlaub- nuͤß bekommen/ so an statt der copulation guͤltig ist/ daß einer solchen ehe nichts mangle. Wie ich auch sehe/ daß die Theolog. Facult. zu Witten- berg 1612 gedencket/ so jemand an solchem ort lebete/ da er die benedictionem sacerdotalem nicht haben/ noch in benachbarten kirchen erlangen koͤnte/ moͤch- te ihn derselbe mangel in seinem gewissen nicht irren. 2. Erkenne ich doch gern/ daß ich deßwegen dieselbe nicht verachte/ sondern als einen so wohl al- ten als sehr weißlich eingefuͤhrten christlichen gebrauch schaͤtze/ der noch dazu an allen orten durch die kirchen-ordnungen und christlichen gesetze bekraͤffti- get ist/ daß jedermans gewissen daran verbunden/ und also ohne suͤnde solche nicht auslassen kan. Dessen haupt-ursachen wohl sonderlich stehen werden in verhuͤtung aller mißbraͤuche und unordnungen/ welche in antretung der ehe vorgehen moͤchten/ wo nicht eine gewisse so zu reden solennisi rung dazu kaͤme/ die zwahr auch auf eine andere weise per cognitionem und curam ma- gistratus geschehen koͤnte/ wie wir das exempel der Hollaͤnder haben/ aber so wohl von altem her durch solche benedictionem ecclesiasticam zu gesche- hen gepfleget/ als auch solcher modus desto billicher ist/ damit/ weil die ehe gleichwol auch ihre gewisse in goͤttlichem wort vorgeschriebene regel hat/ der stand der lehrer durch solche benedictionem und was etwa vor derselben hergehet/ mit zu demjenigen werck gezogen werde/ so neben dem politico con- tractu auch einiges geistliches in sich hat/ dabey zu vigili rn/ so viel ihres orts geschehen kan/ daß nichts wider solche goͤttliche ordnung in der sache vor- gehe. Daher Obrigkeit und kirche uͤber diese sache fleißig zu halten/ und so viel an ihnen ist nicht zuzugeben haben/ daß jemand ohne diesen ritum in die ehe trette. Jn welcher sache ich mich allen denen decisis, so bey Dedekenno anzutreffen sind/ conformi re/ wo es allemal die frage wird gewesen seyn de matrimonio ineundo, und ob uͤber solche benedictionem zu dispensi rn/ o- der uͤber dieselbe zuhalten seye? 3. Halte ich deßwegen/ daß diejenige beywohnung/ da animo matri- monii Seja mit einem Mann 20 jahr gelebet/ aber die benedictio sacerdotalis aus bedeuteter ursache ausgelassen worden/ eine wahre und buͤndige ehe so wohl seye/ als da jene dazu gekommen waͤre: Jedoch wie sie in andern stuͤ- cken nach der communicirten specie facti unziemlich und wider goͤttliche ordnung angefangen worden/ so ist eben auchdieses ein schaͤndlicher fehler da- ran/ daß dieser so loͤblich von der kirchen (und zwahr eben zu verhuͤtung der- gleichen exorbitanti en welche hie vorgegangen) eingefuͤhrte ritus mit willen unterlassen und geflohen worden ist. Daher sich beyde groͤblich versuͤndiget/ und Das vierdte Capitel. und auf so viele art und weisen diese H. ordnung GOttes unverantwort- lich an sich selbs profanir et haben. Bleibet also matrimonium ratum, non rectum, wie mein S. Præceptor D. Dannhauerus in dergleichen materi en zu distinguir en pflegete. 4. Darff deßwegen nicht davon disputi ret werden/ ob sie beysammen zubleiben haben/ oder das matrimonium als nullum zu dirimi rn waͤre/ son- dern ob sie schon wolten/ koͤnten sie so wenig als andere rechtmaͤßig copulir te von einander sich widerum trennen/ noch auch von einer Obrigkeit wider die goͤttliche ordnung getrennet werden. 5. Jndessen ist noͤthig/ daß sie sowol selbs ihre suͤnden bußfertig erken- nen/ als auch/ so viel an ihnen ist/ trachten/ daß dieses vitium ihrer ehe moͤch- te auffgehaben und ersetzet werden. Zwahr solte scheinen/ es waͤre nun nach so langer zeit/ da die sache nicht bekant/ und sie von jederman vor rechte eigen- liche ehleute geachtet worden/ die benedictio nicht erst noͤthig. Es stehet auch dahin/ ob nicht von einem Beicht-vater die unterlassung solcher benedi- ction nunmehr nachgesehen werden koͤnte/ wo es solche personen waͤren/ die die sache gnugsam verstehen/ oder sie ihnen dermassen beygebracht werden moͤchte/ wie fern und warum solcher ritus noͤthig oder nicht noͤthig/ daß sie die schwehre ihrer suͤnden wahrhafftig erkennten/ und doch auch begreiffen moͤchten/ wie nunmehr die nachholung solcher ceremonie nicht bloß noͤthig waͤre. Wie ich aber aus allem andern vermuthe/ daß es zimlich rohe leute seyn werden/ die die sache nicht so gruͤndlich zu fassen vermoͤgen/ und also ent- weder ihre suͤnde nicht recht erkennen/ oder da sie sie erkennen/ ihre gewissen niemal genug beruhigen wuͤrden/ ohne dieser benediction erfolg: So laͤsset sich solches mittel/ so bey einigen staͤrckern vielleicht practici rlich/ bey ihnen nicht versuchen/ und wird vielmehr ihnen einmal die nachholung der verab- saͤumten einsegnung noͤthig seyn. 1. Wegen ihres eigenen gewissens-scrupels/ sonderlich bey Seja/ ob schon der mann den seinigen nicht bekennet/ da aber er entweder kein gewissen haben muß/ oder wol davor zu halten/ daß sie beyde/ als welche die distin- ction, quo jure jegliches noͤthig/ nicht verstanden/ ob schon in ihrem ehestand doch stets als in unzucht und mit widerspruch ihres gewissens mit einander gelebet/ wo ich nicht wol absehe/ wie sie das gewissen zu ruhe bringen werden/ als mit ersetzung dessen/ dessen ermangelung sie biß dahin geaͤngstiget. 2. Wegen ihrer kinder. Dann obwol nach dem bericht solche vor ehr- lich von jederman/ da sie sind/ gehalten worden/ moͤchte doch einmal die zeit kommen/ da sie ihren geburts-schein bedoͤrfften/ wo aber eines der ehegatten vorher versterben solte/ allerdings desselben ihr lebtag entrathen muͤsten/ wo nicht vorher auffs wenigste durch die erfolgte solennisi rung der benediction der SECTIO XII. der ehe guͤltigkeit bestaͤtiget wuͤrde/ unter andern zu eben dem effectu, daß die kinder als legitimi paßiret werden koͤnten. 3. Wegen der kirchen-verordnung selbsten. Dann ob wol ich erkenne/ daß nicht eben simpliciter noͤthig waͤre/ daß dasjenige/ was ante matrimo- nium consummatum von der kirchen verordnet worden/ und eigenlich dessen vornehmste zweck solche dinge angehen/ welche vor den antritt der ehe gehoͤ- ren/ wo es damal unterlassen worden/ muͤste nachmal erst vor die hand genom- men werden/ wo solche meiste fines cessi ret (massen auch sonsten viele fehler/ die begangen worden/ nicht eben allemal mit einbringung oder nachholung dessen/ was vor geschehen sollen/ als das oͤffters gar unmuͤglich ist/ sondern auf eine andere bequeme art zuweilen corrigi ret werden muͤssen.) So finde ich doch in diesem fall billicher/ weil es eine gantz muͤgliche sache/ daß die ein- segnung noch gesucht werde/ und damit der gewoͤhnlichen ordnung ein genuͤge geschehe. Welches so vielmehr in diesem fall geschehen solle/ wann die ehe so gar in allen stuͤcken ausser goͤttlicher und kirchlicher ordnung angehoben wor- den/ daß dann nun kein moͤgliches mittel zu versaͤumen/ womit man sich wie- der in solche ordnung schicken kan: Wie dann ja dasjenige/ was sonsten noch mehr fluch auf sich gehabt/ eines neuen segens und in gewoͤhnlicher ordnung mit gebet geheiliget zu werden bedarff/ daß GOTT seinen gerechten zorn uͤber diejenigen fallen lassen moͤchte/ die denselben mit verachtung aller guten ordnungen sehr gereitzet. 6. Nur bleibet die frage/ wie solches am besten in das werck zu richten? Nun solte wol das beste scheinen/ wo man bey der ordnung bliebe/ und bey dem Consistorio die copulation gesuchet wuͤrde. Es moͤchte solches zu ra- then angefuͤhret werden. 1. Daß billich seye/ daß dieser leute begangene suͤnden und laster zu gebuͤhrender wissenschafft des Consistorii kaͤmen/ und mit straff angesehen wuͤrden. 2. Daß sie sonderlich zur kirchen-buß/ als in einem solchen verbrechen/ da sie so lange auffs wenigste wider ihr gewissen und mit dessen widerspruch mit einander gelebet/ angehalten wuͤrden: Welche ver- soͤhnung mit der kirchen ihnen nachmal vor ihr gantzes leben einẽ so viel gewis- sern trost geben moͤchte. Jch finde aber unerachtet dessen solches mittel nicht wol vorzuschlagen. 1. Weil der mann ein dergleichen harter mann/ der/ wo ihm nur dieses zugemuthet wuͤrde/ auf desperata consilia fallen doͤrffte/ wie sie ohne das sich ihres lebens besorget/ wo er der sache zu fruͤhe gewahr wuͤrde. 2. Die suͤnde oder dero anfang ist nicht dieses orts vorgegangen/ daß also nothwendig das Consistorium zu dero bestraffung wissenschafft haben muͤste. 3. Die kirche bey ihnen ist nicht geaͤrgert worden/ indem bey ihnen niemand anders weiß/ als daß sie allezeit ehrlich zusammen gekommene ehelente gewe- sen: Daher keine versoͤhnung uͤber das aͤrgernuͤß noͤthig/ ja fast die offenba- C c c c rung Das vierdte Capitel. rung solches aͤrgernuͤsses bedencklicher zu achten ist. 4. Die kinder/ so gleich- wol unschuldig sind/ wuͤrden ihr lebtag zu groͤsserem ihrem hindernuͤß der el- tern offenbarte schande tragen muͤssen/ daraus auch noch viel boͤses zu sor- gen waͤre. 7. Der andere vorschlag war/ wegen eines paͤpstischen pfassen/ ob es bey solchen zu suchen waͤre; ich finde aber auch denselben nicht dermassen/ daß ich ihn rathen wolte. 1. Wir haben nicht noth zu anderer kirchen zu gehen/ was wir bey der unsrigen finden/ und wo es recht angegriffen wird/ eben so wol ha- ben koͤnnen. 2. Stehet dahin/ ob nicht ein solcher pfaff sich der sachen wegen difficulti ren/ und weil er mit nichts zum stillschweigen verbunden ist/ zu der in- teressent en groͤsserem nachtheil/ das bey ihm gesuchte propali ren moͤchte. 3. Weil es sonderlich auch darum zu thun ist/ daß dem gewissen gerathen werde/ und es also bey der copulation eines ernstlichen zuspruchs bedoͤrffen wird/ so gehoͤret solches dem paͤpstischen priester nicht/ sondern es muß solche einige disciplin von einem diener unserer kirchen verrichtet werden. 8. Was den dritten anlangt wegen der heimlichen copulation bey den unsrigen (nach dem ertheilten und angefuͤhrten rath D. Gerhardi, in einer solchen hypothesi, aus dero die analogia auch etlicher massen auf den unsri- gen gezogen werden koͤnte) so liesse mir denselben nicht mißfallen/ wann es nicht eine sache waͤre/ welche kein pfarrer ohne vorbewust seiner obern uͤber- nehmen und verrichten doͤrffte/ daher es selbsten endlich auf den 4. vorschlag kommet/ daß der casus suppressis nominibus durch den Beicht-vater dem Consistorio proponi ret/ und dessen verguͤnstigung erlanget wuͤrde/ die copu- lation privatissime in zweyer dazu requiri rten verschwiegener zeugen gegen- wart zu verrichten. Dabey wolte ich auch acquiesci ren. 1. Weil wie wir gesehen/ alle andere vorschlaͤge nicht wol thunlich. 2. Zu hoffen/ es werde das Consistorium, auf gethane remonstration der motiv en/ sonderlich davon n. 6. meldung gethan/ und welche etwa ferner mit beygefuͤget werden koͤnten/ sich zu einer solchen dispensation verstehen/ womit niemand nichts abgehet/ hingegen dieser leute gewissen und der kinder kuͤnfftiger fortun gerathen wird. 3. Moͤchte auch dazu gethan werden/ daß die personen einiges ihrem vermoͤgen gemaͤsses in das Consistorium an statt entweder einer mulctæ oder pro dispensatione ad pias causas zu geben/ angewiesen wuͤrden. 4. Wo auch zu sorgen waͤre/ daß da der Beicht-vater solches selbs vortragen laͤsset/ einige spur gegeben wuͤrde/ daß man auf die personen kommen koͤnte/ indem an einem auch volckreichen ort derjenigen fremden eheleut nicht so viel seyn werden/ daß nicht allaemach dieselben zu erkundigen einer/ der zu forschen curioͤs seyn wol- te/ wege finden moͤchte: So waͤre mir dieses expediens vorgekommen/ ob der Beicht-vater mit deroselben erlaubnuͤß einem andern Prediger solcher herr- schafft SECTIO XII. schafft im vertrauen die sache communici rte/ welcher den actum alsdann sei- nes orts halten solte/ und also es vor dem Consistorio anbraͤchte/ daß es eini- ge fremde/ so an seinen ort sich zu solchem ende begeben wuͤrden/ betraͤffe/ und er also diese erlaubnuͤß fuͤr sich suchte/ damit also selbs bey dem Consistorio der ort verborgen bliebe/ wo solche personen sich haͤußlich auffhalten/ und da- mit das verlangte und in dieser sache so noͤthige secretum erhalten werden koͤnte: Dieses sind meine einfaͤltige gedancken/ wie ich sie unter mehrern di- stractio nen dißmal abfassen koͤnnen/ welche ich aber meines hochgeehrten Herrn eigener christlicher weiterer ermessung wiederum uͤberlasse/ jedoch mit eigener meinung/ so viel solche aus den fragen absehen koͤnnen/ einstimmig zu seyn achte. Der HErr gebe auch darinnen weißheit/ dasjenige zu wehlen und zu thun/ was zu der verirrten zurechtbringung/ ihres gewissens heilung/ und aller fernerer aͤrgernuͤssen verhuͤtung/ das vortraͤglichste und zulaͤnglich- ste seyn mag. Letzlich hat mich recht affici ret dessen angehengte klage/ daß wir Prediger mit so vielen haͤndeln und dero untersuchung oͤffters beschaͤffti- get seyn muͤssen/ welche nur zu etwelcher disciplina externa und derer erhal- tung dienlich seyn moͤgen: Jndeme eben dergleichen bekuͤmmernuͤß offt mich und andere gute hertzen beunruhiget/ wann man sihet/ wie schlecht noch die frucht vieler solcher muͤhe seye/ ob man schon den zweck endlichen erreichet/ und wie solches alles noch bey weitem dem haupt-werck/ wozu wir gesetzet sind/ nemlich der seelen geistlichem und ewigem heil/ nicht zukomme/ und uns doch so manche zeit wegnimmet. Jedoch troͤste mich damit/ daß es gleichwol nicht eben gar umsonst seye/ sondern so wol einige schwehrere aͤrgernuͤssen manchmal also abgewendet/ und die gemuͤther durch solche eusserliche disciplin etlicher massen vorbereiter koͤnnen werden/ zu den rechten wahren guͤtern und geistlicher erbauung/ welche freylich in viel tieffern dingen und einer gaͤntzli- chen aͤnderung der gemuͤther bestehet/ und zu suchen ist. Ach daß der HErr solche unsere wenige arbeit also allgemach segnete/ daß nachmal wir solche leu- te vor uns haben koͤnten/ vor denen mit rechtem nachtruck die rechtschaffene und den grund des hertzens beruͤhrende materien gehandelt wuͤrden/ und die erwuͤnschte frucht braͤchten/ da wir jetzo schier mehr arbeit anwenden muͤssen/ die leute dazu zu bringen/ daß sie erstlich recht vernuͤnfftige menschen und er- bare Heyden werden und seyn moͤchten/ um aus denselben folglich wahre Christen zu machen. Nun der HErr wird solche gnade auch noch geben/ und nachdem die zeiten der gerichte der finsternuͤß/ in welche uns der undanck gegen die offenbarung der goͤttlichen Evangelischen wahrheit gerechter weise gestuͤr- tzet/ vollendet seyn werden/ sein liecht wieder herrlicher hervor brechen/ und in die hertzen leuchten lassen. Ach daß sich dann der HErr bald seiner armen erbarme. 1682. C c c c 2 SECTIO Das vierdte Capitel. SECTIO XIII. Von heimlicher verlobung einer Herrn-stands Fraͤulein mit einer buͤrgerlichen person/ und daher ent- stehenden fragen. Die erste Frage. Ob ein Herren-stands Fraͤulein/ so sich mit Titio einer qualifici r- ten aber buͤrgerlichen standesperson heimlich verlobet/ dem- selben mit gutem gewissen die heimliche nachfolge und vollzie- hung dero beschwornen ehegeloͤbnuͤsses versagen koͤnne/ und sie gnug thue/ wann sie unverehliget in gebet und wahrer buß ihr uͤbriges leben hinzubringen geflissen ist? A Uff diese frage gruͤndlich zu antworten/ ist eine andere frage vorher in der furcht des HErrn auszumachen/ an dero diese haͤnget/ und daher ohne daß richtig seye/ was von derselben zu halten/ unmuͤglich mit sat- tem grund dieser ein gnuͤge geschehen kan. Es ist aber dieselbige/ ob die eh- liche verbindung/ so zwischen Titio und der Fraͤulein vorgegangen ist/ vor GOTT und in dem gewissen richtig und buͤndig seye oder nicht? Hier ist anfangs die frage nicht von dem ersten heimlichen verspruch/ welcher zwischen beyden bey lebzeiten der hohen eltern geschehen/ als die Fraͤulein nach der specie facti etwa 17. jahr alt gewesen war; als welchen ich vor unguͤltig erkenne/ nicht so wol wegen der jugend der Fraͤulein/ indem gleichwol das alter zu dem ehestand und einwilligung gnug gewesen/ sondern wegen ermangelung des nothwendigen elterlichen consensus, denn weil der kindliche gehorsam goͤttlichen und natuͤrlichen rechtens ist/ zu demselben aber auch als ein zimliches hauptstuͤck gehoͤret/ daß kinder in dem wichtigsten werck ihres lebens/ daran ihnen und den eltern das meiste gelegen ist/ als de- ro freud oder kummer uͤber die kinder fast auf ihr lebtag an dem gerathen des- selben haͤnget/ nichts ohne oder wider deroselben willen vornehmen: so kan kein verspruch/ welcher die verbindlichkeit jenes gehorsams auffhuͤbe oder verletzte/ nach goͤttlichen rechten bestehen/ sondern es hat sich Titius schwehr- lich versuͤndiget/ die Fraͤulein zur liebe gegen sich zu verleiten/ und einen ver- spruch von ihr heraus zubringen/ dadurch aber so viel an ihm war/ den eltern/ von denen er ohne zweiffel wohl vermuthen kunte/ daß sie ihren consens nicht geben wuͤrden/ ihr kind abzustehlen: sie aber hat sich auch an dem schuldigen gehor- SECTIO XIII. gehorsam gegen ihre eltern damit schwehrlich versuͤndiget/ da sie/ was nicht ihr war/ ihre eigene person/ ohne vorwissen deren/ welcher von GOtt uͤber sich habende gewalt sie billich in ehren halten sollen/ an einen andern uͤberge- ben wollen. Wie sie also beyderseits darinnen unrecht gethan/ hatten sie vielmehr ursach/ solche ihre schuld bußfertig zu erkennen/ und GOtt abzubit- ten/ als daß sie der verspruch zur vollstreckung haͤtte verbinden koͤnnen. Wes- wegen denn auch die Fraͤulein nach ihrer eltern todt die freye hand hatte/ wo siesonsten die heyrath zu der ruhe ihres lebens nicht dienlich erachtete/ an sol- chen verspruch sich nicht zu binden/ wie sie auch gethan/ und befordert hat/ daß Titius sich anderwertlich hin verfuͤgte. Waͤre die sache auch in diesem stande geblieben/ wuͤrde es keiner frage beduͤrffen/ sondern die Fraͤulein in voͤlliger freyheit uͤber sich in dergleichen zu disponi ren stehen. Nach dem es sich aber nach der specie facti begeben/ daß solches Fraͤu- lein sich an einem papistischen ort auffgehalten/ man sie auch von der Evan- gelischen religion ab/ und zu der papistischen in ein closter schaffen wollen/ be- meldter Titius aber sie von der obschwebenden gefahr errettet/ und dadurch die vorige liebe bey derselben dermassen wiederum erwecket und vermehret/ daß sie sich mit ihm auffs neue und hefftigste mit theuren eydschwuͤren ver- lobet/ und zu unauffhoͤrlicher ehelicher liebe verbunden hat/ so gewinnet es wegen dieses letzten verspruchs eine gantz andere bewandnuͤß/ und getraue ich nicht anders zu sprechen/ als daß sothane verloͤbnuͤß vor GOtt und dem gewissen zufoͤrderst/ zu nechst aber auch vor der ehrbaren welt und nach den rechten/ voͤllig bestaͤndig seye. Solches zu erkennen/ werden folgende momenta zu erwegen seyn. Wir ha- ben 1. solche personen/ welche bey dem alter waren/ da sie nicht nur sich ehelich zu verbinden macht hatten/ sondern sie auch diejenige jahr erreichet/ wo sie mit reiffer vernunfft/ was sie thaͤten/ und ihnen nuͤtzlich oder schaͤdlich waͤre/ uͤberlegen koͤnnen. 2. Wo nicht von seiten Titii, so ich nicht weiß/ eine hindernuͤß ist/ daß derselbe noch eltern haͤtte/ und dieselbe mit ihrem dissensu ihres sohns ver- bindnuͤß auff in rechten bestaͤndige art zernichteten/ so sinds abermal perso- nen/ welche sich guͤltig und bestaͤndig mit einander zu verknuͤpffen vermocht haben: indem diese Fraͤulein nach dem tode ihrer eltern in ihrer eignen ge- walt stunde/ und also ohne anderer einrede ihre treue jemand zusagen konte. 3. Hat auch diese verloͤbnuͤß von beyden seiten eine ehrliche ursach/ nemlich Titii treue und der Fraͤulein danckbarkeit gegen denjenigen/ welcher sie aus augenscheinlicher leibes und seelen gefahr errettet/ daher sie nicht ohne grund diese begebnuͤß als einen finger GOttes ansehen koͤnnen/ welcher sie auff diesen Titium wiese/ daß solcher die person waͤre/ mit dero sie ihr leben in C c c c 3 sei- Das vierdte Capitel. seiner furcht zuzubringen haͤtte/ nachdem er als die erste liebe ausser seiner ordnung gewesen/ und wiederum zergangen/ es also gefuͤget/ daß sie billige ursach bekaͤme/ ihn nun mit mehrerm recht zu lieben/ und ihm ihre person zu- zueignen/ zu welcher errettung ihn GOtt zu einem werckzeug gemachet hatte. So viel wichtiger also die ursach war/ welche die Fraͤulein zu erneuerung ih- rer liebe bewogen/ und welche bey GOtt und menschen favor hat/ so viel we- niger ist auch an der verbindlichkeit zu zweiffeln/ ja ist gar zu erkennen/ daß solches promissum nicht nur ratum und guͤltig/ sondern auch rectum, und goͤttlichem willen allerdings gemaͤß seye. 4. Was die form der verlobung anlangt/ mangelts auch an derselben nicht/ sondern es war eine zusage un- auffloͤßlicher ehelicher liebe von beyden seiten. Und zwahr 5. mit hefftigen und verbindlichen eydschwuͤren bestaͤrcket. Daher so viel weniger eines un- ter denselben weiter sich die sache reuen zu lassen/ oder davon abzuspringen befugt ist. Vielmehr/ welches davon zuruͤck gehen wolte/ wuͤrde damit ei- nen schwehren meineyd begehen/ den nahmen GOttes unnuͤtzlich fuͤhren/ und sich damit der schwehren goͤttlichen straffe schuldig machen 2. Mos. 20/ 7. So lautetes nachtruͤcklich 4. Mos. 30/ 2. 3. das ists/ das der HErr ge- boten hat/ wenn jemand dem HErrn eine geluͤbde thut/ oder einen end schwehret/ daß er seine seele verbindet/ der soll sein wort nicht schwaͤchen/ sondern alles ( NB. ) thun/ wie es zu seinem munde ist aus- gangen. Darauff zwahr die fernere verordnungen folgen/ wie es mit ei- nem geluͤbd zu halten/ so von einer person gethan wird/ welche unter andrer gewalt stehet/ da dann einem vater/ mann und hauß-herrn/ die macht gege- ben/ der seinigen geluͤbde auffzuheben/ und dabey zugesagt wird/ daß der HErr einer solchen person wolle gnaͤdig seyn/ die an der erfuͤllung des geluͤb- des durch die vorgesetzte gehindert wird/ aber eben damit wird angedeutet/ daß der HErr nicht gnaͤdig seyn wuͤrde denjenigen/ welche die erfuͤllung ih- res geluͤbdes und eydes aus eigner willkuͤhr unterlassen/ und damit den nah- men des HErrn/ den sie daruͤber gefuͤhret/ entheiligen. Also stehet auch son- derlich von den geluͤbden (so also auff die eydschwuͤre nicht weniger gehet) 5. Mos. 23/ 21. u. f. Wann du dem HErrn deinem GOTT ein ge- luͤbde thust/ so solt du es nicht verziehen zu halten/ dann der HERR dein GOtt wirds von dir fordern/ und wird dir suͤnde seyn. Wann du das geloben unterwegen laͤssest/ so ist dirs keine suͤnde. Aber was zu deinen lippen ausgegangen ist/ das solst du halten/ und darnach thun/ wie du dem HERRN deinem GOTT freywillig gelobet hast/ das du mit deinem munde geredet hast. Wo wir also bedencken die ehre der goͤetlichen Majestaͤt/ welche durch jeden meineyd vor so vielen andern suͤn- den am unmittelbarsten geschmaͤhet und gelaͤstert wird (woruͤber dann GOtt SECTIO XIII. GOtt auch nicht anders als zu hefftigerem zorn vor andern suͤnden gereitzet wird/) so werden wir leicht finden/ daß wie sauer uns dasjenige ankommet/ was wir mit einem eyd versprochen haben/ wir dennoch verbunden seyn/ lieber durch des eydes haltung uns in grosses elend in dieser welt zu stuͤr- tzen oder stuͤrtzen zu lassen/ als daß wir den nahmen des grossen GOTTES mit dessen brechung zu entheiligen/ uns unternehmen wolten. Welches bey uns Christen so viel eine ausgemachtere sache solle seyn/ da wir aus goͤttlicher offenbahrung der schrifft die hohe Majestaͤt GOttes und des- sen willen/ deutlicher haben erkennen lernen/ nachdem auch die Heyden aus dem liecht der natur/ was sie darinnen von GOtt erkant/ die verbindlichkeit der eydschwuͤre scharff gehalten haben. Wie der gelehrte Grotius die ort anfuͤhret de I. B. \& P. 2. 13. 1. Es wird daher Psal. 15/ 4. derjenige allein als ein genoß des reichs GOttes angefuͤhret/ Wer seinem nechsten schweret und haͤlts / so nach etlicher erklaͤhrung des grund-texts noch nachtruͤckli- cher lautet/ wer da schweret zu schaden (das ist/ also/ daß er schaden da- von zu erwarten hat) und aͤnderts dennoch nicht. Wie denn derjenige GOtt den HErrn noch nicht recht erkennet/ welcher an mehrer beqvemlig- keit dieses lebens/ so er durch hindansetzung des eydes suchet/ mehr als an der goͤttlichen ehre/ die er schaͤndet/ gelegen zu seyn achtet/ ja der davor haͤlt/ daß einiges ungemach/ so ihn von wegen haltung des eydes in diesem leben treffen moͤchte/ schwerer seyn koͤnte/ als der feuerbrennende zorn GOTTes/ welchen er damit auff sich ladet. Wer hierauff fleißig acht gibt/ wird gern erkennen/ daß keine ursach guͤltig gnug seyn koͤnne/ einen ernstlich gethanen eyd zu brechen/ es waͤre denn sache/ daß derselbe uͤber etwas geleistet wor- den waͤre/ welches selbs nicht ohne suͤnde gehalten werden koͤnte/ womit die verbindlichkeit von selbsten hinfaͤllet. Wohl erwogen dieses angefuͤhrten hoffe ich/ werde in dem gewissen al- ler/ welche allein auf das/ was GOttes wort erfordert/ sehen/ oder doch sol- ches allen andern absichten/ wie es auch seyn solle/ vorziehen/ gnugsam erhel- len/ daß das eheverloͤbnuͤß zwischen Titio und dem fraͤulein so buͤndig/ daß weder sie beyderseits selbs sich dessen wiedrum einigerley massen befreyen/ und einander freywillig loßgeben koͤnnen/ noch jemand anders dazu helffen doͤrffte/ er wolte dann auch auff sich den schwehren zorn GOttes/ welcher den meineyd trohet/ durch gemeinschafft solcher suͤnde ziehen. Dieser verbindlichkeit will zwahr zweyerley in der facti specie entgegen gesetzet werden/ so aber die krafft nicht hat/ dieselbe zu vernichten. Das er- ste ist/ daß diejenige verheissungen/ welche eine verbindlichkeit wuͤrcken sollen/ goͤttlichem wort/ loͤblichen gesetzen und guten sitten nicht muͤssen ent- gegen seyn. Das Das vierdte Capitel. Das 2. ist/ daß ein solcher eyd/ welcher ohne suͤnde und offentliche aͤr- gernuͤß nicht kan gehalten werden/ nicht zu halten: massen zwahr eine suͤn- de ist/ eine suͤndliche that eydlich zu verheissen/ jedoch eine groͤssere suͤnde ist/ in solchem versprechen zu verharren/ und die angefangene mißhandlung zu voilziehen. Diese beyde regeln nehme ich gern an/ und bekenne/ wo unser fall unter dieselbe gezogen werden koͤnte/ daß ich auch die verbindlichkeit leugnen wolte/ aber es ist mit keinem wort gewiesen. Kan auch vermuth- lich nicht dargethan werden/ daß diese verloͤbnuͤß goͤttlichem wort/ loͤblichen gesetzen und guten sitten entgegen seye/ oder ohne suͤnde und oͤffentliche aͤr- gernuͤß nicht koͤnte gehalten werden. Denn es wird die ursach hergenom- men/ entweder von der ungleichheit der personen/ oder widerspruch der vor- nehmen anverwandten/ oder sorge/ daß diese sich an Titio vergreiffen moͤch- ten/ oder von der clandestini taͤt der verloͤbnuͤß: Wie ich denn meines orts keine andere hindernuͤß ausdencken koͤnte. Keine aber der angefuͤhrten ist alhier zulaͤnglich. 1. Die ungleichheit der personen/ was dero stand betrifft/ ist keine hindernuͤß der ehe weder nach goͤttlichem/ noch geistlichen/ noch oͤf- fentlichen gemeinen weltlichen rechten: sondern ob man wol/ wo die sache noch zu thun/ billich lieber dazu raͤth/ daß man so viel muͤglich auch in dem stand gleich heyrathen solle/ damit nicht die ungleichheit des standes in der ehe zuweilen einige beschwehrde und mißhelligkeiten verursachen moͤchte: So ist doch solche ungleichheit nicht von der wichtigkeit/ daß deßwegen ein son- sten zu recht bestaͤndiges verloͤbnuͤß koͤnte auffgeloͤset werden. Also ist bey den Consistori en solches ausgemachten rechtens/ daß obwol adeliche billich sich der buͤrgerlichen heyrathen um allerley ungelegenheit willen enthalten solten/ ihnen gleichwol solche macht nicht abgesprochen/ oder ein verspruch deßwegen unbuͤndig geachtet wird. Wie zu sehen Carpz. Jurispr. Consist. II, 1. 9. \& 10. So gar/ daß auch das Consistorium zu Wittenberg bey Dedek. Consil. Vol. 3. S. 4. n. 37. p. 167. einer mutter einer adelichen wittbe/ so zu de- roselben verloͤbnuͤß mit einem handwercksmann ihren consens bloß uͤm sol- cher ungleichheit willen nicht geben wolte/ widerspruch von keinen kraͤfften zu seyn erkante. Es moͤgen aber unter den Adelichen auch hoͤhere Standes- personen billich mit begriffen werden/ und ist von deroselben heyrath mit an- dern geringeren nicht anders nach den gesetzen zu urtheilen. Findet sich al- so hierinne nichts wider GOttes wort/ wider loͤbliche gesetze oder gute sitten. Sondern alles was man sagen moͤchte/ wuͤrde seyn/ daß solcherley verloͤbnuͤs- sen etwas seltzamer seyn/ und deßwegen allerley auffsehen und reden verur- sachen: Welches aber zu der sache nicht vieles thut. So mangelts auch zu unseren zeiten an dergleichen exempeln nicht/ nicht nur aus dem Ritterstand/ so SECTIO XIII. so sich an buͤrgerliche/ ja gar von der geringsten condition, verheyrathet ha- ben/ ohne daß jemand solches zu hindern fug gehabt/ sondern auch nicht we- niger von graͤfflichen personen. Mir sind selbs dem nahmen nach noch heut zu tag bekant zwey exempel aus alten graͤfflichen haͤusern/ da eine graͤffliche Fraͤulein von Wied/ ob wol wie mir erzehlet worden/ durch eine art einer entfuͤhrung einen buͤrgerlichen geheyrathet/ sonderlich aber die geweste Fraͤu- lein Charlotte von Falckenstein Broich/ des letzten Graffen tochter/ de- ro beyde schwestern an Graffen von Leiningen geheyrathet gewesen/ und sie von jugend auff die reputation einer gottseeligen und ohnstraͤfflichen person gehabt/ sich an einen reformir ten prediger vermaͤhlet. Jetzo nach andern nicht zu forschen/ daran sonsten es etwa nicht mangeln wuͤrde. Ja wir fin- den/ da sonsten bey den heyrathen der Fuͤrsten und Graffen/ wann sie buͤr- gerstands toͤchter heyrathen wolten/ mehr bedenckens seyn moͤchte/ weil ob ihren also erzeugten kindern zwahr die succession gebuͤhret/ gleichwol daruͤ- ber offt mißliche und gefaͤhrliche streitigkeiten/ die man lieber zu verhuͤten hat/ entstehen koͤnnen/ daß dennoch auch solche heyrathen nach den rechten nicht verworffen werden: Wie der Wirtenbergische ICtus Nicol. Mylerus ab Ehrenbach Gamol. pers. Illustr. c. 5. §. 51. p. 137. solches darthut/ und er- weiset es nicht nur aus jure civili, sondern vornehmlich Canonico, deme man in den ehesachen gemeiniglich zu folgen pfleget/ durch den text cap. recurrat. 2. caus. 32. q. 4. quod licitum sit nobili aliive illustri viro, quamlibet igno- bilem, imo etiam vilem uxorem ducere: Welches er auch noch ferner mit guten rationibus bestaͤrcket. So nun nicht einmal die heyrathen eines Graf- fen oder hohen standes person mit einer buͤrgerlichen ehrlichen tochter/ nicht zu sagen von goͤttlichem wort/ den loͤblichen gesetzen und guten sitten nicht zu wider zu lauffen gehalten werden/ von welchen man wegen gedachter strei- tigkeiten in der succession noch eher solches vermuthen moͤgen/ so kan so viel weniger die heyrath einer herrn-stands Fraͤulein mit einem buͤrgerlichen standesmann vor unzulaͤßg oder verboten geachtet werden. Was 2. anlangt den widerspruch der nahen anverwandten/ welcher zwahr wohl vermuthlich ist/ verursachet gleich wol derselbe auch nicht/ daß eine solche heyrath deßwegen den goͤttlichen oder auch gemeinen rechten und guten sitten widrig solte gehalten werden. Denn wo nicht einmal der dis- sensus der vormuͤnde mag ein richtiges eheverloͤbnuͤß zu nicht machen/ wie a- bermal Carpzov. Jurisprud. Consist. 2. 3. 46. erweiset: Vielweniger mag das mißfallen andrer anverwandten/ so nicht vormuͤnder sind/ noch also uͤ- ber der Fraͤulein freyheit macht haben/ den an sich guͤltigen verspruch zernich- ten/ noch wuͤrde bey ordentlichem gericht dasselbe attendi ret werden. Wie D d d d denn Das vierdte Capitel. denn noch erst 1679. bey hiesigem Churfuͤrstl. S. Ober- Consistorio nachdem sich Fraͤulein Eva Susanna/ Herrn Wolffgang Heinrich Herrn von Schoͤnburg/ und Fr. Judith Even/ Graͤffin Reußin tochter/ sich an Gottfried Christian Lieben/ buͤrgerlichen standes versprochen/ und deroselben bruder Herr Samuel Heinrich solcher verehlichung sich widersetzte/ ohnerachtet dessen widerspruchs den 27. Aug. der verspruch be- kraͤfftiget/ und durch priesterl. Copulation bestaͤtiget zuwerden verordnet worden. Eben so wenig mag 3. dargegen angefuͤhret werden die sorge und gefahr von den hohen anverwandten/ welche Titius daruͤber auszustehen haͤtte. Denn wie diese keine rechtmaͤßige ursach haben/ sich deßwegen an denselben zu machen/ oder sich an ihm zu vergreiffen/ sondern solches wider rechtliche anmassungen seyn wuͤrden/ so sind solche so viel nicht zu achten/ daß man deßwegen einen vor GOtt guͤltigen verspruch zuruͤckziehen doͤrffte/ vielweniger machen sie/ daß dieser als goͤttlichem wort/ guten gesetzen und sitten widrig angesehen werden muͤßte. Also hat Titius in dem vertrauen seiner guten sache solche gefahr nicht also zu scheuen/ daß er deßwegen sein recht fahren liesse/ sondern sich dessen zugebrauchen/ und dabey sich und seine sache GOttes schutz zu empfehlen: Dabey ihm auch unverwehrt seyn wuͤr- de/ da ers nothwendig finden solte/ sich hoͤhern orts um noͤthige protection umzuthun/ welche ihm die hoͤchste Justiz wider unrecht und gewalt nicht ab- zu schlagen vermag. Jch hoffe aber/ es werde auch alle solche sorge verge- bens seyn/ und vielmehr die hohe anverwandte/ wann sie das werck in der forcht des HErrn reifflicher uͤberlegen/ sich eines gantz andern bescheiden/ und ob sie es zu befoͤrdern bedenckens tragen/ auffs wenigste sich keinerley massen an ihm vergreiffen: wie sie solches auch vor GOTT und der welt schuldig sind. Die schwehrste hindernuͤß moͤchte scheinen die 4. nemlich die clandesti- ni taͤt/ weil nemlich es allein ein heimlich verloͤbnuͤß seye/ da hingegen die wuͤrde der ehe zu erfordern scheinet/ und auch nach der regel erfordert/ daß solches wichtige werck eine stifftung der ehe nicht heimlich sondern zur ehren dessen heiligkeit tracti ret und angefangen werde. Daher auch in unsern Saͤchsischen Kirchen-ordnungen solche heimliche verloͤbnuͤssen vor unbuͤndig erkant werden. Wovonabermal Carpzov. Jurispr. Consist. 2, 3, 32. und folg. handelt/ auch taͤglich bey begebenden faͤllen/ also darauff gesprochen zu wer- den pfleget. Jch finde aber auch diese hindernuͤß nicht der wichtigkeit/ was ich oben von der guͤltigkeit des verspruchs angefuͤhret habe/ umzustoßen. Zwahr ist freylich eine art der heimlichen verloͤbnuͤssen/ welche wider Gottes wort/ ge- meine gesetze und gute sitten streiten/ nehmlich wo der elterliche consensus er- mangelt: Davon unser liebe Luther o von ehesachen T. 5. Alt. f. 372. b. also redet: Jch SECTIO XIII. Jch heisse das heimliche verloͤbnuͤß/ das da geschihet hinter wissen und willen derjenigen/ so die oberhand haben/ und die ehe zu stissten recht und macht haben/ als vater/ mutter/ und was an ihrer statt seyn mag. Denn ob gleich tausend zeugen bey einem heimlichen verloͤbnuͤß waͤ- ren/ so es doch hinter wissen und willen der eltern geschehe/ sollen sie alle tausend nur fuͤr einen mund gerechnet seyn/ als die ohne zuthun ordentlicher und offentlicher macht solches meuchlings und im finstern helffen anfahen/ und nicht im liecht handeln. Dieser fehler war nun freylich an Titii erster verloͤbnuͤß/ welcher ich auch deswegen oben die buͤn- digkeit selbs abgesprochen habe. Dergleichen aber moͤgen wir von der an- dern verloͤbnuͤß/ so erst nach der eltern todt erfolget ist/ nicht sagen/ weil da- mal die Fraͤulein nunmehr ihrer eigenen gewalt gewesen. Was aber die blosse eigentliche clandestini taͤt anlangt/ so darinnen bestehet/ wann zwo per- sonen/ so beyde ihrer selbs maͤchtig sind/ sich ohne beyseyn anderer zeugen mit einander heimlich verloben/ welche bewandnuͤß es mit gegenwaͤrtigem fall hat/ so ist dieselbe keine solche hindernuͤß/ die aus goͤttlichen oder allgemeinen rechten herkaͤme/ sondern wo ein eheverloͤbnuͤß deswegen vernichtet werden solle/ muß es krafft der absonderlichen kirchen- constitution und gesetze gesche- hen: und also die personen solcher sondern kirchen-ordnung unterworffen seyn. Da ich aber nicht weiß/ auch schwehrlich vermuthe/ daß Titius und die Fraͤulein an unsrer Saͤchsischen oder dergleichen kirchen-ordnung/ worin- nen dergleichen verloͤbnuͤssen vor unbuͤndig erkant werden/ verbunden seyen. Jch wolte anbey sehr zweiffeln/ ob leicht einiges Consistorium dergleichen heimliche verloͤbnuͤß/ so mit eyd bestaͤrcket worden/ um der clandestini taͤt willen wieder auffheben wuͤrde/ indem die heiligkeit des eydes billich vor- tringet/ der sonsten ob wol aus billigen und wichtigen ursachen gemachten verordnung/ daß nothwendig zeugen erfordert werden. Denn was anlangt diejenige verspruͤche/ so wider der noch lebenden eltern willen geschehen/ daß dieselbe/ ob sie auch mit eyd bekraͤfftiget sind/ cassi rt und unbuͤndig erklaͤhrt werden/ wie bey Carpz. Jurisprud. Consist. 2, 3, 58. zu sehen/ kommt aus der besondern ursach her/ weil sie wider die von GOtt selbs bekraͤfftigte autori- taͤt der eltern streiten/ daher ohne krafft sind/ welches wir eben nicht so wol sagen moͤgen von denen eyden/ welche bey einem solchen actu geschehen/ denn es nur an einiger formali taͤt und solenni taͤt/ nemlich der zeugen/ manglet/ und der sonsten in seiner natur richtig ist. Hieraus hoffe klahr zu erhellen/ daß einmal das verloͤbnuͤß Titii mit der Fraͤulein vor GOtt und der rechtliebenden welt guͤltig und buͤndig zu er- kennen seye/ nachdem was solcher guͤltigkeit einigerley massen haͤtte moͤgen D d d d 2 schei- Das vierdte Capitel. scheinen entgegen zu stehen/ hoffentlich zur gnuͤge wird abgeleinet seyn. Vor- ausgesetzt nun dessen wende ich mich zu der frage selbs/ welche aber nun gantz leicht ihre abhelffliche maaß finden wird. Es stecket aber wiederum in dersel- ben zweyerley: 1. Ob die Fraͤulein die vollziehung der ehe Titio versagen koͤnne/ oder ihr gewissen damit rette/ wenn sie sich anderer heyrath enthaͤlt. Hierauff getraue getrost mit nein zu antworten. Es folget aber solches aus dem verspruch an und vor sich selbs. Denn weil es geheissen/ daß sie sich Titio zu unauffloͤßlicher ehelicher liebe verbunden/ und solches verbuͤndnuͤß mit hefftigen eydschwuͤren bekraͤfftiget hat/ so muß solches cum effectu ver- standen werden/ nemlich wahrhafftig in einen solchen bund mit ihm einzutre- ten/ da er in seinem gantzen leben nicht nur sich ihrer abwesenden gunst als ei- ner andern freundin getroͤsten/ sondern wahrhafftig ihrer treue und ehelicher liebe geniessen koͤnte. Denn sonsten/ wo solche meinung nicht gewesen/ sie den- selben ludifici ret haben muͤfte/ so in einer solchen wichtigen sache und bey ei- nem eydschwur sich auch nicht vermuthen laͤsset. Wie dann nun/ wenn son- sten sich eine mit einem mann verlobet/ sie das verloͤbnuͤß zur wircklichen voll- ziehung der ehe gelangen lassen muß/ auch zu dero erfolg nichts weiter erfor- dert wird/ als daß es nur mit dem verloͤbnuͤß selbs richtig seye/ daher sie/ wo sie sich wegert/ und immer auffschub nehmen wolte/ auch deswegen durch o- brigkeitlichen zwang zu erfuͤllung dessen/ was der verloͤbnuͤß eigenlicher zweck ist/ genoͤthigt werden mag/ also muß diese Fraͤulein auch dieses mal/ wo nie- mand anders sie noͤthiget/ ihr eigen gewissen dahin treiben/ daß sie ihren worten/ als viel an ihr ist/ voͤllige krafft gebe. Thaͤte sie aber solches nicht/ so muß sie gewiß seyn/ daß sie vor GOtt ihren eyd breche/ und dessen schweh- re ungnad auff sich lade/ davon sie sich auch nicht anders als mit wahrer buß loßmachen kan/ welche aber nothwendig die abstellung ihrer suͤnde/ und also die erfuͤllung ihrer schuldigen pflicht nach sich ziehen muß. 2. Was aber den special- umstand anlangt/ ob sie ihm die heimliche nachfolge schuldig seye/ so moͤchte darauff also geantwortet werden/ sie seye ihm alles dasjenige schuldig/ ohne welches die vollstreckung der ehe nicht ge- schehen kan/ denn so weit gehet die verbuͤndnuͤß/ die mit nachtruck zu verste- hen ist. Wann dann nun die ehe vollzogen werden kan an dem ort/ wo sie sich itzt auffhaͤlt/ oder an einem benachbarten ort/ so bedarff es keiner heimlichen nachfolge: und ist nicht eben so gegruͤndet/ was sie sich eingebildet/ ob wuͤr- den sie nirgend in Teutschland mit gewoͤhnlichen ceremoni en koͤnnen getrau- et/ oder als eheleuten beysammen zu leben verstattet werden: indem durch GOTTES gnade es in Teutschland noch nicht so weit gekommen/ daß an- verwandte einem/ dem sie eine ihres geschlechts nicht eben goͤnnen wolten/ sol- SECTIO XIII. solten die vollziehung seines rechten und wohnung aller orten in dem Reich verwehren koͤnnen/ ob sie wol dergleichen in ihren eignen gebieten nicht zulas- sen wolten. Wann es aber je auch dazu kaͤme/ daß sie nicht auff andre weise- zusam̃en kommen koͤnten/ als durch eine der Fraͤulein heimliche nachfolge und flucht/ wuͤrde sie eben so wol dazu gehalten seyn/ eines theils/ weil dieses die allgemeine krafft des verspruchs ist/ daß sie denselben zu erfuͤllen alles thun muß/ was in ihren kraͤfften stehet/ und sonsten nicht wider GOtt und die ehr- barkeit streitet: darunter wir denn solche nachfolge/ da sie wegen anderer un- billiger widersetzung um ihr gewissen zu retten dazu genoͤthiget wuͤrde/ so we- nig zu zehlen haͤtten/ als wenig wir eine heimliche flucht aus einer gefahr/ de- ro man sonsten nicht entgehen koͤnte/ vor unehrbar achten wuͤrden: andern theils ist aus der facti specie auch noch zu mercken/ daß die Fraͤulein selbs/ die difficul taͤten der vollstreckung sehende/ in eine solche heimliche nachfolge bereits gewilliget/ und sich also deutlich zu demjenigen verstanden/ was der krafft nach schon ohne das in dem allgemeinen verspruch stack: nur daß die austruͤckliche einwilligung ihr destoweniger ausflucht laͤsset/ sich dessen zu entbrechen/ was sie auch absonderlich zugesaget hatte. Die andere Frage. Ob nicht Titius, im fall er die eheliche beywohnung annoch verlan- get/ gehalten seye/ bey des Fraͤuleins nahen anverwandten zu suchen/ daß ihr moͤchte vergoͤnnet werden/ demselben in frem- de lande nachzufolgen/ und daselbs das ehe-verloͤbnuͤß zu voll- ziehen? Z U dieser frage resolution ist zu wiederholen/ was bey der vorigen vorge- kommen/ daß nemlich die anverwandte anzusehen/ als solche an dero ein- willigung oder verweigerung die guͤltigkeit des heyraths nicht haͤnget/ nach- dem die Fraͤulein eine person ist/ welche ihrer selbs maͤchtig ist. Jndessen will der wolstand und vermeidung fernern boͤsen scheins erfordern/ daß sie gleich- wol auch auf ziemliche art ersuchet werden/ dasjenige/ was deroselben ange- hoͤrige verbindlich zugesagt/ auch mit dero williger einstimmung zu bekraͤffti- gen. Wo aber zu foͤrchten seyn moͤchte/ da gleichwol ihnen bessers zutrauen will/ daß sie mit zuruͤckhaltung der Fraͤulein die sache zu hintertreiben sich un- terstehen moͤchten/ lasse mir den selbs in den bey dieser frag angefuͤgten ra- tionibus dubitandi gethanen vorschlag nicht mißfallen (wenn es heist: Jn diesem und dergleichen casu ist nicht ungewoͤhnlich/ daß eine per- son weiblichen geschlechts sich an einen andern ort/ allwo sie honeft und ohne gefahr leben kan/ begebe m. f. w.) nemlich/ daß die Fraͤnlein/ D d d d 3 wenn Das vierdte Capitel. wenn Titius die sache ihren hohen anverwandten anbringen will/ dabey sie dergleichen auch zu thun/ und die ursachen/ warum sie die verloͤbnuͤß gethan/ und was sie solche zu vollziehen antreibe/ auch weßwegen sie so lange solches geheim zu halten bey sich noͤthig befunden/ bescheidenlich vorzustellen/ und dessen/ wozu sie die noth jetzo gebracht/ vergebung zu bitten hat/ sich an einen andern sichern ort begebe/ und daselbs so wol sie als Titius einige zeit einer antwort erwarte. Jedoch hielte ich nicht noͤthig/ was ferner in dem vor- schlag folget/ daß er sich erst bey der hohen Obrigkeit solcher verwandten zum recht anbiete/ als der nichts erst mit recht von ihnen zu suchen hat/ sondern sich vornimmet dasjenige/ dazu er allerdings befugt zu seyn sich ver sichert haͤlt/ ins werck zu richten/ da denn gnug ist bereit zu seyn/ wo man anderseits daruͤ- ber angefochten werden solte/ zu recht zu stehen. Auf solche gethane ansu- chung folgt nun entweder eine antwort oder nicht. Folget keine inner einer solchen zeit/ welche nach vernuͤnfftigem ermessen zur erwartung gnug gewe- sen/ so wird solches stillschweigen billich also angenommen/ daß zum wenigsten die anverwandte sich dawider zu regen nicht gesonnen/ welches so wol/ als da sie ihren consens einschicken/ Titio und der Fraͤulein dazu gnug seyn kan/ ihre intention zu bewerckstelligen. Solte aber eine widrige antwort folgen/ und sie die sache bloß dahin zerrissen haben wollen/ und deßwegen an die hoͤhere Obrigkeit provoci ren/ so hat alsdann Titius seine rechtmaͤßige sache zu trei- ben/ und den ausgang zu erwarten. Wiewol dieser letztere fall nicht wol zu vermuthen/ sondern eher zu gedencken ist/ daß die anverwandten keine ant- wort geben werden/ nicht nur/ weil sie hoffentlich selbs in ihrem gewissen der guͤltigkeit der verloͤbnuͤß sich nach eingenommenen allen umstaͤnden uͤberzeugt befinden/ und also dasselbe nicht werden mit verhindernuͤß und trennung des- sen/ was nunmehr goͤttliche ordnung beysammen haben will/ verletzen wollen/ sondern weil sie vernuͤnfftig selbs sehen koͤnnen/ daß ihre widersetzung bey ei- nem gerechten gericht nichts ausrichten/ oder etwas erhalten werde. Jn welchem fall man lieber eine sache in der stille geschehen laͤsset/ als sie durch vergebens bestreiten nur desto kundbarer macht/ und zu allerley reden ursach gibet. Jch bekenne aber/ daß hierinnen ein christlicher Jurist/ welcher/ was die art der processe erfordert/ verstehet/ kluͤglicher als von mir geschehen/ zu ra- then vermoͤgen wird. Dieses bemercke allein noch/ daß ich gestehe/ was auch in der ratione dubitandi stehet/ daß jeder und also auch Titius, da er ihm eine zusage will gehalten wissen/ an seiner seite dahin trachten muß/ daß solche voll- ziehung derselben ohne suͤnde und aͤrgernuͤß geschehen moͤge. Es ist aber in dem von mir einfaͤltig gethanen vorschlag nichts suͤndliches noch aͤrgerliches/ man wolte denn dasjenige vor aͤrgerlich halten/ woruͤber leute unterschiedli- che urtheil faͤllen: So aber von dem/ welcher sich seines rechtens braucht/ nur aber SECTIO XIII. aber/ wegen rechtmaͤßiger forcht nicht bloß den gemeinen weg gehen darff/ kein gegebenes/ sondern auffs hoͤchste/ nur ein genommenes aͤrgernuͤß seyn wuͤrde. Was zuletzt angehenget wird/ wo einer dasjenige/ ohne welches die verheissung nicht erfuͤllet werden kan/ sich zu thun wegert/ daß alsdenn der versprecher von seinem geloͤbnuͤß frey werde/ laͤsset man auch in seiner maaß gelten. Wo aber in der application es dahin wolte gezogen werden/ wenn Titius es nicht gerade auf vorgeschriebene weise suchte/ oder erhielte/ daß deß- wegen die Fraͤulein gantz ihres geloͤbnuͤsses frey werden koͤnte/ waͤre solches mißbrauchet: Dann der verspruch ist nicht geschehen mit gewisser condition, wo Titius die nahe anverwandte zu williger uͤberlassung disponi ren wuͤrde/ sondern es ist ein blosser verspruch einer person/ die sich selbs zu verbinden macht hatte: Ja solte sie auch mit gewalt hinterhalten werden/ und sie Titius nicht loßmachen koͤnnen/ bliebe sie doch immerfort in ihrer obligation, davon sie nicht anders loß werden kan/ es wuͤrde dann Titius selbs an ihr bruͤchig. Die dritte Frage. Jm fall Titius solches zu thun sich wegern/ oder der Fraͤulein an- verwandte (ohngeachtet dieselbe dero vormuͤnder nicht wor- den) solche heyrath nicht einwilligen wolten/ und so dann der Titius sich in ungluͤck stuͤrtzen wuͤrde/ ob solches dem Fraͤulein beygelegt werden koͤnne/ und sie darob ursach habe/ sich im ge- wissen zu beaͤngstigen? H Jezu wird/ um dieselbe zu verneinen/ angefuͤhret: Es ist wol an dem/ daß bemeldtes Fraͤulein nicht ausser aller schuld seye/ daß sie in des Titii un- besonnene liebe gehaͤhlet/ und die heimliche liebe viele jahr continui rt gehabt/ so verdienet doch die gewoͤhnliche weibliche schwachheit ein mitleiden/ und kan keiner zu etwas genoͤthiget werden/ das er ohne leib- und seelen-gefahr nicht leisten kan: Zumalen wenn eine verlobte person sich gegen die andre erbietet/ die versprochene ehe zu vollziehen/ wann die andre person/ welche die vollzie- hung verlanget/ es dahin bringen kan/ daß die ehe-vollziehung nach goͤttlichen und weltlichen rechten verrichtet werde. Weil nun auf diese frage auch antworten solle/ kan ich mich durch das angefuͤhrte noch nicht bewegen lassen/ daß ich die Fraͤulein von der schuld loß- zehlen koͤnte. Titius hat zwahr auf bey q. 2. gedachte art die anverwandte an- zugehen/ und zu trachten/ ob er sie zu gutwilliger uͤberlassung dessen/ was von GOttes wegen nunmehr sein ist/ disponi ren koͤnne: Es hat aber auch die Fraͤulein alles mit beyzutragen/ daß sie ihren verspruch halten moͤge/ und also willig sich an einen andern sichern ort vorher zu verfuͤgen/ da sie von den ihri- gen Das vierdte Capitel. gen nicht gewaltsam abgehalten werden moͤge. Es erfolge aber nachmalen der anverwandten einwilligung oder nicht/ weil solche dem ehe-verspruch nicht seine verbindlichkeit erst gibet/ sondern allein zu dessen mehrern wolstand zu verlangen ist/ wird sie damit ihrer zusage und eydes nicht frey: Sondern wie dorten 1. Mos. 2. der mann vater und mutter verlassen wird/ und an dem weib hangen / so muß sie/ ob sie wol noch nicht durch Predigers hand Titio eingelieffert worden/ dannoch bereits sich in GOttes nahmen demselbi- gen versprochen hat/ auch ihre anverwandte lassen/ und an dem verlobten hangen/ daher auch einigen unwillen und ungemach uͤber sich ergehen lassen. Wo dann von denselben ihre ehe auch ohne erhaltenen consens der angehoͤri- gen vollzogen wuͤrde/ kan man nicht anders sagen/ als wo man vergebens ge- than/ was die gemuͤther zur billichkeit zu lencken erfordert gewesen/ daß die ehe nach goͤttlich und weltlichen rechten/ welche eine freye person an die anver- wandte so strenge nicht verbinden/ vollzogen worden seye. Wann dann nun die Fraͤulein auf alle muͤgliche unsuͤndliche weise zu der vollziehung der ehe mitzuwircken/ und was sie vor ungleiche urtheil derer/ so der sachen wahren grund nicht recht einsehen/ daruͤber leiden muͤste/ diese ih- rem gewissen/ so sie von GOttes wegen aufden verspruch weiset/ nachzusetzen verbunden ist/ so folget selbs/ wo daruͤber Titius sich in einiges ungluͤck stuͤr- tzen/ und sich wider sein gewissen zu thun verleiten lassen wuͤrde/ daß solches auf der Fraͤulein verantwortung vor GOTT fallen/ und sie dadurch ihr ge- wissen dermassen verletzen wuͤrde/ daß ich nicht versprechen koͤnte/ wie leicht dasselbe sich wiederum stillen lassen moͤchte. Der grund dieses aus spruchs ist fest/ weil sie durch unterlassung dessen/ wozu sie ihre schuldigkeit und ihr ge- loͤbnuͤß verbunden haͤtte/ solches ungluͤck veranlasset/ und zwahr also veran- lasset/ daß sie vorher verwarnet worden/ wie dergleichen leicht geschehen moͤch- te: Welche verwarnung dann freylich auch ihr gewissen so viel hefftiger tru- cken/ und weniger entschuldigung zugeben wuͤrde. Daher solche gefahr/ so lieb die seelen-ruhe ist/ zu vermeiden stehet. Die vierdte Frage. Ob das Fraͤulein bey lebzeiten des Titii, und so lange er unvereh- licht bleibet/ ihre meinung aͤndern/ und sich standmaͤßig verhey- rathen koͤnne? H Jezu wird beygefuͤgt um solche frage zu bejahen/ es seye zu erwegen/ ob die geschehene heimliche verlobung nach allen ihren umstaͤnden zurecht bestaͤndig/ indem solche heimlichen geschehen/ und gleichsam auf eine entfuͤh- rung angesehen/ und ob die verheissung stets erhaltender iungfrauschafft zu recht SECTIO XIII. recht bestaͤndig seye/ zumalen wenn eine person weiblichen geschlechts noch jung/ und nicht aus wanckelmuth/ sondern aus wichtigen ursachen/ denjeni- gen/ welchen ihre seele liebet/ verlassen muß. Ob nun wol dieses jetzt angefuͤhrte moͤchte einen schein haben/ versehe ich mich doch/ daß aus dem sonderlich quæst. 1. mit mehrerm erwogenen gnug- sam erhelle/ wie gewissenhafft nicht anders als mit nein auf die frage zu ant- worten seye. 1. Jst oben die richtigkeit der verlobung hoffenlich zur gnuͤge darge- than. 2. Hingegen ist auch gewiesen/ daß die prætendi rte clandestini taͤt keine hindernuͤß nicht seye bey einer eigenmaͤchtigen person/ sonderlich wo das ver- loͤbnuͤß mit einem eyd bekraͤfftiget ist/ so die Fraͤulein verbindet/ wo etwas an solchem mangel gelegen seyn solte/ bey zeugen ihr versprechen zu wiederholen/ und damit solch vermeintes hindernuͤß auffzuheben. 3. Ob die weise einer entfuͤhrung aͤhnlich scheinet/ ist es dennoch nicht wahrhafftig eine solche/ indem sie nicht nur nicht geschihet wider willen der person selbs/ sondern auch nicht wider den willen jemand anders/ welcher ein wahrhafftiges recht uͤber die Fraͤulein haͤtte/ deroselben freyheit sich nach be- lieben zu heyrathen einzuschrencken. 4. Nachdem die verlobung in ihren umstaͤnden nach goͤttlichen und weltlichen gemeinen rechten ihre richtigkeit hat/ stehet der Fraͤulein durchaus nicht frey/ ihr gemuͤth zu aͤndern/ oder sich anders zu verheyrathen: sondern wo sie sich solches unternehmen wolte/ beginge sie einen ehebruch und mein- eyd/ zoͤge auff sich GOttes schrecklichen zorn/ ja so lange sie auch in solchem unzulaͤßigem heyrath lebte/ und Titius sie alsdann nicht selbs wegen ihrer untreu loßgebe/ bliebe sie immerfort eine ehebrecherin und meineydige/ daher unbußfertig/ und stuͤrtzte sich also in das ewige verderben: Diejenige auch/ welche sie dahin verleiteten/ oder welche dazu huͤlffen/ sonderlich aber die per- son/ welche dieselbe wissentlich dieser vorigen verbindung heyrathete/ mach- ten sich aller solcher suͤnden zu ihrer seelen verderben theilhafftig/ als die/ was in GOttes nahmen/ und also so fern von ihm/ zusammen gefuͤget worden/ unbillich trenneten. 5. Was die gewissens-gefahr bey der Fraͤulein anlangt/ da sie sich zur staͤten jungfrauschafft verbinden wolte/ bringet solche nicht zuwegen/ daß sie denn anders und in gleichem stande heyrathen muͤste/ sondern vielmehr/ daß sie die goͤttliche ordnung wider solche gefahr brauche/ und sich an denjenigen halte/ dem sie eheliche treue zugesagt/ welche nach oben q. 1. ausgefuͤhrt/ nicht die staͤte jungfrauschafft/ sondern die vollziehung des verspruchs er- fordert. E e e e Aus Das vierdte Capitel. Aus allem diesen erhellet nunmehr/ was aller intereßirten personen schuldigkeit vor GOTT (dessen ordnung/ nicht aber einige welt- und staats- maximen/ aus denen man eingebildeter weise einer familie eine heyrath mit einem andern zum schimpff faͤlschlich ziehen will/ dem gantzen werck die regel geben muß) seye. Nemlich 1. Titius ist auf alle weise und wege verbunden zu thun/ was goͤttlichen und gemeinen weltlichen rechten nicht zu wider ist/ damit die unter beyden gethane zusage moͤge erfuͤllet werden: Also gar/ daß ihm nicht freyste- het/ die Fraͤulein ihres verspruchs loßzugeben/ denn da man sagen moͤchte/ daß er auf sein eigen interesse an ihr verzeihen koͤnte/ so kan er doch das interesse, so GOttes ehr/ nahme und ordnung daran haben/ nicht auffheben/ sondern wo ers thaͤte/ machte er sich der suͤnden mit schuldig: Es stehet ihm auch nicht frey/ so viel an ihm ist/ den verspruch also gleichsam in suspenso zu lassen/ da- mit er sich abermal samt der Fraͤulein in gefahr der suͤnden laͤsset/ sondern ge- dachter massen auffs eheste die vollziehung zu suchen/ und die etwa daher sor- gende eusserliche gefahr der rettung des gewissens nachzusetzen. 2. Der Fraͤulein ligt gleichfals ob/ daß sie ihr verloͤbnuͤß auf alle thuli- che weise/ die goͤttlicher ordnung nicht entgegen/ ehestes zu vollziehen sich re- solvi re/ und sich davon durch niemand abhalten lasse/ auch gedencke/ daß die rettung ihres gewissens und ihrer seele/ ja die ehre des nahmens GOttes bey dem eyd/ wol so viel werth seye/ daß sie einige verachtung und ungelegenheit/ so sie daruͤber leiden muͤste/ uͤber sich als ein creutz/ so sie dazu wol vorhersehen koͤnnen/ auf sich nehme; sich aber ja vor allem huͤte/ was ihr gewissen also ver- letzte/ daß sie sich in der letzten noth und in der ewigkeit dessen reuen lassen muͤ- ste. Jch trage auch die hoffnung zu ihr/ da sie in der facti specie eines christ- lichen tugendliebenden gemuͤths zeugnuͤß hat/ auch bereits ihrer gewissens- unruhe meldung gethan wird/ daß sie ihr Christenthum und verleugnung ih- rer selbs und der welt hierinnen zeigen/ auch GOttes finger in ihrem hertzen lieber als menschen folgen werde. 3. Den vornehmen anverwandten liget ob/ zu keiner suͤnde anlaß und ursach zu geben/ noch sich derselben theilhafftig zu machen/ sondern ob sie die heyrath zu befoͤrdern bedenckens tragen moͤgen/ dannoch dieselbe nicht zu hin- dern/ noch an Titio, so schwaͤcher/ aber fuͤr dessen sache das recht und also GOttes ordnung stehet/ sich vergreiffen/ vielmehr in der that zeigen/ daß sie ihrer und derihrigen gewissen schohnen. 4. Allen andern liget gleichfals ob/ so sie in der sache etwas mit rathen oder sonsten zu thun haben/ nichts zu hindern/ sondern vielmehr zu foͤrdern/ was goͤttliche ordnung hierinnen erfordert/ folglich sich keiner fremden schulo theilhafftig zu machen. Jch SECTIO XIV. Jch ruffe zuletzt den himmlischen Vater/ in dessen hand alle hertzen ste- hen/ und er sie leiten kan/ wie die wasser-baͤche/ demuͤthigst an/ daß er auch in diesem werck allen personen/ die unmittelbar oder mittelbar dabey intereßi- ret sind/ seinen willen kraͤfftig zu erkennen/ auch die resolution, demselben in allen stuͤcken nachzugehen/ geben/ was sonsten sich widersetzen moͤchte/ samt al- ler aͤrgernuͤß abwenden/ und alles insgesamt dahin richten wolle/ daß sich nie- mand darinnen versuͤndige/ sondern in allen stuͤcken seiner ordnung platz gege- ben werde/ zu befoͤrderung seiner ehre/ der gewissen verwahrung/ und aller/ die es angehet/ zeitlich und ewigem heil/ um JEsu Christiwillen. Amen. 1688. SECTIO XIV. Gewisser ehe- casus. J Ch bekenne/ daß niemand schuldig/ ja nicht einmal zuzulassen waͤre/ sich in ein solches monstroses conjugium einzulassen/ darinnen das weib dem mann keine ehliche liebe und affection erzeigen/ ihn vor ihren scla- ven halten und tractiren/ und wider ihn und das seinige alle untugenden und muthwillen ausuͤben doͤrffte/ welches so wol dem goͤttlichen wort als weltli- cher ehrbarkeit entgegen; sondern esstehet eheleuten nicht wol frey/ die condi- tiones ihrer ehe anders zu machen/ als sie GOTT selbs gemacht/ und die in ihrer natur bereits mit dem heil des menschlichen geschlechts uͤbereinstimmen. Aber davon waͤre die frage/ wo ein ehe-verspruch geschehen/ und zwahr mit solchen umstaͤnden/ daß sonsten an dessen validi taͤt kein mangel waͤre/ und die sponsa nachmal/ durch einige bezeugung schiene/ etwas so wider die goͤttliche verordnung waͤre/ zu intendi ren/ ob alsdann sponsus damit zuruͤck gehen doͤrffe/ und nicht vielmehr der sponsæ boßheit einen rigel vorschieben/ und sie in die rechte ehe-ordnung durch alle muͤgliche christliche mittel bringen muͤsse. Wo ich nicht leugne/ ehe dieser letzten seiten beyzutreten. Jch leugne aber auch nicht/ daß ich an diese materie so ungern komme/ als an eine in der welt/ und mir selbs darinnen nicht allezeit alle satisfaction thue/ daher nicht gern in die gefahr mich gebe/ einigerley massen jemand unrecht zu thun; also sehe ich nichts anders/ was ich weiter sagen moͤge/ als daß nochmal wiederhole/ daß die sache moͤge einigem richter/ wer der auch waͤꝛe/ damit beyde partheyen zu frieden/ und welcher alle beyde theil voͤllig anhoͤre/ vorgetragen und dessen spruch vernommen werden: Und gestehe/ daß abermal mir kein genuͤgen ge- schehe/ wo ich allein auf mein einseitiges anbringen von einigem Mini- sterio, welches es auch waͤre/ fuͤr mich ein responsum erlanget haͤtte. Wann aber ich so stets auff das anhoͤren beyder parten treibe/ wolle mein großguͤnst. hochgeehrt. Herr nicht gedencken/ daß in desselben auffrichtigkeit E e e e 2 einen Das vierdte Capitel. einen zweiffel setze/ oder glaube daß er mit vorsatz falschen bericht geben/ von der wahrheit ab- oder zusetzen werde/ dazu ich ihn viel zu redlich achte. Aber ich bin auch hinwieder gewohnt/ in causa propria mir niemal selbs zutrauen/ und weiß voran/ daß ich gegen mich selbs partheyisch bin. Also ists muͤglich/ daß ich in facto einiges auslasse/ als meiner meinung nach nichts dazu thu- ende/ so hingegen die gegenparthey als etwas wichtiges ansehen kan/ und in sententia ferenda ein starckes momentum haben mag: so mag ich auch eine that anders ansehen/ als sie von andern angesehen werden kan/ ob ich sie wol vor mich als præoccupi ret nicht anders ansehen koͤnte/ und also/ da ich sie als so und so bewandt einem andern proponi re/ nichts mit willen wider die wahrheit thue/ und doch wo der richter die sache nicht auch von einem andern hoͤret/ der sie so zu reden durch ein ander farbglaß angesehen hat/ denselben einnehmen koͤnte/ daß seine sentenz darnach der wahrheit fehlen moͤchte: ich kan des andern seine wort und actiones interpreti ren/ wie sie mir vorgekom- men und von mir auffgenommen/ und kan doch eben darinnen mich betrogen haben/ welches derjenige erst erkennen wird/ welcher auch die gegenparthey anhoͤret/ wie sich selbs/ ihre wort und thaten interpreti re und gemeinet ge- wesen zu seyn bezeuge. u. s. f. Daß daher nicht nur den sichersten/ sondern fast einig noͤthigen weg/ in dergleichen streitsachen zu ende zu kommen/ fin- de/ daß durch solche leut der entscheid geschehe/ welche eine genugsame cogni- tionem causæ eingenommen haben/ womit alsdann die gewissen besser tran- quilli rt/ und alles sonsten befahrende aͤrgernuͤß abgewendet werden mag. ꝛc. 1684. SECTIO XV. Uber einen casum einer/ die von ihrem braͤutigam ablassen wolte/ weil sie sich mit einem andern/ den sie den teuffel zu seyn vermuthet/ versprochen haͤtte. S Empronia eine Jungfer/ scheinenden eusserlichen seinen wandels/ versprach sich auff ihrer eltern und freunde belieben mit Titio, ce- lebri rte auch vor pfingsten sponsalia domestica, ließ sich nicht weni- ger dreymal ordentlich proclami ren/ an statt daß der gesetzte hochzeit- tag seinen fortgang gewinnen solte/ kommet ein schreiben von dem ab- wesenden braͤutigam/ welches berichtet/ daß das gewaͤsser so starck an- gelauffen auff seinen guͤtern/ daß ohne verlust grossen unkostens er von den arbeitern die es abwenden sollen/ nicht abweichen/ sondern die hochzeit auff eine andere zeit verlegen muͤsse. Nach diesem kam der braͤuti- SECTIO XV. braͤutigam/ der sach ein end zu machen/ fand aber seine braut bettlaͤ- gerig/ und mit solchen melancholischen und verwirreten gedancken be- leget/ daß er nach einem kirchen-diener geschicket/ sie zu troͤsten. Nach langem anhalten/ brachte dieser endlich aus ihr/ die ursach solcher me- lancholie/ nemlich sie spuͤre nur etlich wochen einen solchen eckel ob ih- rem braͤutigam/ daß sie ihn nicht mehr sehen/ hoͤren/ oder nehmen moͤchte/ und wie es die eusserliche zeichen gaben/ so fande sich ein hor- ror des gantzen leibes bey ihr/ wo nur sein nahme genennet wurde. Als er nun wissen wolte/ was sie zu solchem widerwillen bewogen/ und doch nicht erfahren kunte/ procedi rte er zimlich starck und scharff mit der patientin/ als waͤre es blosse halsstarrigkeit/ daruͤber sie in noch groͤssere melancholie gerathen/ daß auch die domestici sich grossen leides besorget. Abends um sieben uhr/ als morgen die hocyzeit ih- ren fortgang gewinnen solte/ hat die angst diese elende person aus dem bett zu einem andern pfarrer getrieben/ dem sie auff versprochenes si- lentium, und daß keine zeitliche schand daraus ihr erwachsen solte/ er- oͤffnet/ wie sie vor drey wochen aus allerhand melancholie einem frembden kerl/ den sie ihr lebtag nie gesehen/ nie zeither erfahren wer er ist/ der auch keinen nahmen von sich geben/ oder gesagt wo er her sey/ sondern ihr nur vorgetragen/ daß ihr liebster ein ehebrecher/ trunckenbolt ꝛc. sey/ bey dem sie uͤbel/ besser und gluͤcklicher aber bey ihm versorget seyn werde/ auff der heid die ehe versprochen habe/ mit der condition, wann er die erste versprechung cassi ren oder sie heim- lich wegholen koͤnte/ welches er innerhalb 4. wochen zu thun verspro- chen/ sich darauff von ihme hertzen und betasten lassen. Darauff sey gleich ihr hertz verhartet worden/ und die liebe gegen den ersten braͤu- tigam allerdings ausgeloschen. Nun aber fuͤrchte sie/ es sey der teuf- fel gewesen/ und moͤchte sie in gesetzter zeit heimlich abholen. E He zu beantwortung der vorgelegten fragen geschritten wird/ ist noth- wendig zu erinnern/ daß erstlich de veritate depositionis, welche Sem- pronia vor ihrem Beicht-vater von einem gethanen zweyten verspruch abge- legt/ sorgfaͤltig zu untersuchen und zu erforschen sey: indem muͤglich ist/ daß es entweder lauter melancholie bey Sempronia seye/ was sie von solchem anderwertlichen gethanem verspruch klaget/ oder auch daß aus einem anderswo herruͤhrendem tædio Titii dergleichen/ nur etwa seiner loßzukom- men/ vorgegeben werde. Die melancholie belangend/ ist nichts neues/ daß E e e e 3 per- Das vierdte Capitel. personen/ welche von natur darzu geneiget/ wodurch eine eusserliche ursache/ und betruͤbnuͤß (welche hier seyn kan/ die schwehrmuth uͤber das ausbleiben ihres braͤutigams und verdruß der zuruͤck gestellten hochzeit) der affect wei- ter erreget wird/ ihnen sachen einbilden/ auch so umstaͤndlich zu erzehlen wis- sen/ ja solches so offt wiederholen/ daß man nicht anders als es gewiß zu seyn vermeinen moͤchte/ wo nicht die sache anderwert her gnug bekant waͤre; zu- weilen aber die absurdi taͤt oder auch variation der patienten/ die sich doch auch nicht allemal befindet/ der erzehlung eitelkeit entdeckte. Wie der exem- pel unzaͤhlig vorhanden/ auch noch auff diese stunde allhier bey einer Melan- cholica uns vor augen liget/ welche die seltzsamste begebenheiten/ was sie ge- than/ und mit ihr vorgegangen/ deren theils an sich nicht eben so unglaublich waͤren/ andere aber primo intuitu gleich sich vor traͤume verrathen/ erzeh- let/ und fest darauff bleibet. Gelegenheit unter andern gibet zu solcher ver- muthung/ daß in der specie facti stehet/ daß sie/ als die versprechung ge- schehen seyn solle/ aus allerhand melancholie hinaus auff die heydege- gangen seye. Bey solchen schwermuͤthigen aber ist die phantasie schon so maͤchtig/ daß sie spectra in ihnen selbs aufffuͤhret/ die sie viel fester als ein traumender seine traͤume vor wahr glaubet. Andern theils/ wiewol nicht wissend/ ob dergleichen verdacht auff Semproniam fallen koͤnne/ (daher sie damit nicht oneri ren will/) so sind gleichwol auch der exempel unterschiedlich/ derjenigen/ welche eins/ den sie nicht liebten/ loßzukommen/ die seltzamsten dinge angefangen/ sich dieses und jenes angenommen/ auch neben andere af- fectation et wa lieber andere dinge von sich selbs bekennet/ die doch falsch/ wo- mit sie sich nur frey zu machen hofften/ eher sie sich zu der ehe noͤthigen liessen. Und sind da die artes muliebres, sonderlichwo sie einige instigatores oder in- stigatrices finden/ die ihnen mit rath an die hand gehen/ fast nicht alle zu er- sinnen. Ob nun zwahr besagter massen/ weil mir die person und viele um- staͤnde nicht bekant/ ich sie damit zu gravi ren oder solcher boßheit zu beschul- digen nicht gedencke/ so wird doch von denen/ die præsentes sind/ sonderlich da die sache vor einen Judicem kommen solte/ sorgfaͤltig auff alles was nur muͤg- lich seyn koͤnte/ achtung zu geben seyn/ daß man zuerst versichert seye/ ob das jenige wahr/ was zum fundament aller uͤbrigen deliberation gesetzet wird. Hierinn ist nun der prudentiæ Judicis oder/ wer hiemit zu thun hat/ nichts vorzuschreiben/ jedoch scheinet nicht unnuͤtzlich zu seyn auff folgende puncten acht zu geben. 1. Ob Sempronia sonsten natura melancholica sey/ und ei- nige mal bereits effectus solches zustandes sich bey ihr gezeiget? 2. Ob sie Titium mit willen/ oder aber vielmehr ex autoritate parentum oder derglei- chen zuspruch als eigener affection genommen? 3. Wie sie den aus noth geschehenen auffschub angenommen? Ob ihr solcher lieb gewesen/ oder sie sich SECTIO XV. sich daruͤber gegraͤmet und geaͤngstet? 4. Ob etwa seither hoffnung zu ei- nem andern vertraͤglichern heyrath angeschienen/ so ihr ein tædium prioris sponsi machen koͤnnen. 5. Ob sie nicht anders her bereits als von demselben ignoto gehoͤret/ oder hoͤren koͤnnen/ daß Titius ein ehebrecher/ trunckenbold ꝛc. sey? 6. Ob sie vielleicht vorher bey jemand sich etwas klagend haͤtte ver- lauten lassen? 7. Wie die eltern in jetzigem zustand der sache gesinnet sind? 8. Ob die aversatio bey ihr continui rlich/ oder anders/ nachdem leute bey ihr seyn? 9. Ob sie/ wo die sache zu weiterer inquisition kommen moͤchte/ sonder- lich daeinige bedrohung gebrauchet wuͤrden/ in der erzehlung und dero um- staͤnden variabel befunden wuͤrde? und was dergleichen dinge mehr sind/ daraus judex sagax oder wer damit zu thun hat/ eine starcke verwirte melan- choliam oder hingegen boßheit abnehmen oder hingegen von glaubwuͤrdig- keit ihrer deposition bekraͤfftigt werden moͤchte? Præsupposito aber/ daß sich die sache/ wie sie vorgibt/ verhalte/ so folgen die vorgelegte fragen: 1. Ob aus denen argumentis eines fremden kerls/ den man niemal gesehen/ gekennet/ der keinen nahmen von sich gegeben/ keines herkommens gedacht/ und ausgesaget/ daß er Titium kenne/ und wisse/ daß er ein ehebrecher/ und Semproniam heimlicher weise abholen wolle/ zu schliessen/ daß der teuffel in angenomme- ner menschlichen gestalt/ der gewesen/ deme Sempronia das an- dre mal die ehe zugesaget? H Jerauf antworte mit nein. Ob zwahr kein zweiffel nicht ist/ daß der satan zu weilen in menschlicher gestalt erscheine/ und wir nicht alle davon hin und wieder anfindliche exempel vor falsch und fabelhafft achten wollen/ so bleibet doch dieses gewiß/ daß solche erscheinungen seltzamer/ als der ge- meine hauffe gedencket; auch deßwegen ob dieses oder jenes eine teufflische erscheinung gewesen/ ad affirmativam nicht wird zu gehen seyn/ so lange nicht durch argumenta stringentia solches erwiesen wird/ und also so lange noch muͤglich gewesen/ daß dieses und jenes daraus mans schließen will auch ohne solche erscheinung moͤglicher weise hat geschehen koͤnnen. Gleichwie wir billig so lange auch kein miraculum glauben/ als die noth solches nicht erfordert/ wo nemlich die sache nicht natuͤrlich geschehen hatkoͤnnen. Nun ist nichts leichters/ als daß ein arger gesell/ der entweder Semproniam (ob sie wohl ihn nicht) gekant/ vielleicht Titio feind gewesen/ und ihm eines an- zu machen begehret/ oder auch der nichtes von ihnen gewust/ sondern aus lauter muthwillen/ da Sempronia allein auf der heide war/ gelegenheit zu ihr Das vierdte Capitel. ihr genommen/ mit ihr angefangen zu sprechen (wo das erste waͤre) bald be- dauren an sie geleget/ daß sie einen solchen menschen/ als Titius waͤre/ haben solte/ ihn dabey verlaͤumdet/ und damit sie der sachen glauben bey messen moͤchte/ sie selbst zu nehmen sich erklaͤhret/ oder (wo das andere solte seyn) in ein indifferent gespraͤch sich mit ihr eingelassen/ angefangen eine liebe gegen sie zu bezeugen/ und wo sie denn des verspruchs mit Titio meldung gethan/ simulir et ihn zu kennen/ und dergleichen von ihm ausgesagt etwa wie solche boͤse leute sind/ deren freude ist/ jemanden einen possen (wie sie es nennen/ solte er auch noch von so gefaͤhrlicher consequenz seyn) anzumachen/ sie damit zu qvaͤlen/ oder aber sie zu pflegung seines willens zu bringen. Weil nun solches nicht nur muͤglich/ sondern gantz leicht hat geschehen koͤnnen: Al- so ist ja nicht noth/ erst zu vermuthen/ daß der teuffel es gewesen sey/ wohl aber einiger seiner werckzeuge. Weilen aber/ obschon aus denen uͤberschrie- benen vermuthungen es gar nicht folget/ vielleicht doch muͤglich seyn koͤnte/ oder auch andere gewissere anzeigungen gefunden wuͤrden/ die solches glaub- lich machten/ daß der teuffel solcher gewesen (daher etliche fragen auch ex hac hypothesi beantwortet werden werden) waͤre doch ferner zu mercken; daß daraus nicht davor zu halten/ daß Sempronia sich damit dem teuffel ergeben/ und also unter der zauberinnen zahl gerathen seye. Jn dem ihr verspruch an- zusehen/ wie er von ihr geschehen waͤre/ nicht als dem teuffel sondern als ei- nem menschen mit deme eine ehe zu schliessen waͤre: Und sie aber damal we- der ehe sie ihm versprochen/ an den teuffel wird gedacht haben/ noch nach- dem der verpruch geschehen ist/ etwa von ihm mit schrecken/ daß er sich kund gegeben haͤtte/ darzu gebracht worden waͤre. Welches mich so bald einer neu- en ration erinnert/ nicht vermuthlich zu seyn/ daß es der teuffel gewesen: Jn dem man in der hexen depositionen zwahr offtmahls liset/ daß der teuffel zuerst einige unter menschlicher gestalt/ und da sie nicht anders meineten/ als mit menschen zu thun zu haben/ uͤberredet ihme einigen verspruch zu thun; a- ber allezeit wird darbey seyn/ daß er sie auch ad concubitum gleich begehret/ solchen erhalten/ und so bald darauff/ da er die arme zu solcher stunde verfuͤhr- te gefangen gehabt/ sich ihnen/ wer er seye/ geoffenbahret/ daß also der ver- spruch gleich auch gegen ihn als teuffel erneuert wurde/ darzu er die erschro- ckene bald bringet. Hingegen erhellet aus der specie facti nicht/ daß er/ wel- ches doch sonst das allergemeineste bey seiner procedur, concubitum bey ihr gesuchet und erhalten/ noch nachmal sich ihr/ wer er sey/ zu erkennnen ge- geben: Welche gelegenhett gleichwol der arge feind nicht zu versaͤumen pfle- get/ und nicht zu frieden ist oder ablaͤsset/ wo er den menschen daferne er an- ders kan/ noch nicht voͤllig in seine stricke gebracht hat: Da denn/ daß er solches hie nicht gethan/ keine ursache/ welche ihn davon abgehalten/ gezeiget wer- den SECTIO XV. den koͤnte. Zu geschweigen daß er/ wo er eine person gefangen zu haben ver- meinet/ auch nicht so viel wochen ausgeblieben/ sondern lieber aufs baͤldeste wiedergekommen seyn wuͤrde/ die sache fester zu verknuͤpffen; hingegen wird von keiner fernern erscheinung in der specie facti gedacht. 2. Ob ein Pfarr solche schwehre sache subsigillo confessionis anhoͤ- ren und behalten habe koͤnnen? H Jerauf antworte mit ja. 1. Hat der Pfarr aus ihren reden/ als etwa von mir geschihet/ vermuthen oder doch besorgen koͤnnen/ daß eine me- lancholie mit unter lauffen moͤchte. 2. Befinde ich keine erhebliche ursache/ die ihm das sigillum confessionis zuerbrechen/ die erlaubnuͤß gegeben haͤtte. Es war nicht frage von einer suͤnde/ welche sie begehen wolte/ und vorhaͤtte: welcherley beichten nicht zu hinterhalten sind/ sondern der Pfarrer schuldig ist/ solches zu offenbahren und die suͤnde zu hindern: Sondern von einer suͤn- de/ welche sie begangen habe/ auch noch niemand kund war; so dann besser daß sie niemand kund wuͤrde. Daher der pfarrer/ woer seinem amt ein gnuͤ- gen thun wollen/ erstlich zwahr gnug von ihr zu sondi ren gehabt/ so oben er- innert/ ob einbildung oder boßheit mit unterlauffe: Da er aber gefunden/ daß sichs so verhielte/ wie sie sagte/ 2. ihr remonstri ren sollen/ wie die priora sponsalia allerdings wichtig und vor GOtt guͤltig/ daher sie durch keine an- dere davon sich haͤtte selbs loß wircken koͤnnen. 3. Jhr ihre leichtfertigkeit beweglich zu gemuͤthe fuͤhren/ daß sie ihrer aussage nach einem solchen unbe- kanten menschen so bald glauben habe beymessen koͤnnen (wider die regel Sirachs. 19/ 16. Glaube nicht alles was du hoͤrest/ denn man leugt gerne auff die leute und v. 4. Wer bald glaubet der ist leichtfertig/ und thut ihm/ wenn er sich so verfuͤhren laͤsset/ selbs schaden ) sonderlich wi- der denjenigen/ den sie vor andern nunmehr als ihren braͤutigam lieben/ und deswegen so vielweniger etwas wider ihn glauben sollen. So vielmehr noch/ daß sie nicht nur glauben beygelegt/ sondern um einer solchen liederlichen ursach/ nemlich einer unerwiesenen calumnie willen/ gleich treuloß an ihrem braͤutigam werden wollen/ daß sie dem andern versprochen/ mit hindansetzung der eltern willens und aller goͤttlicher ordnung; ja daß sie auch mit sich hertzen und betasten lassen/ alle vorige leichtfertigkeit vermeh- ret/ und GOttes gnade allein seye/ daß er nicht zu gelassen/ daß sie nicht et- wa noch weiter und tieffer gefallen. 4. Wo ihr nun solche ihre suͤnde recht- schaffen vorgehalten/ und derer erkaͤntnuͤß bey ihr zu wege gebracht worden/ hat er sollen ihr ihre schuldigkeit zeigen/ die da erfordere/ daß sie ihrem braͤu- tigam die versprechung treu halte/ und sich der copulation nicht entziehe/ um so vielmehr/ so viel schwehrlicher sie sich an ihrem braͤutigam versuͤndiget ha- F f f f be. Das vierdte Capitel. be. So koͤnnen ihr ihre suͤnden nicht rechtschaffen leyd seyn/ folglich sie kei- ner gnade sich von GOtt getroͤsten/ es seye denn sache/ daß sie in denselben nicht begehre mit solcher hartnaͤckigkeit fort zu fahren/ sondern vielmehr kuͤnfftig mit liebe dasjenige wieder einzubringen/ was sie mit mangel dersel- ben biß dahin gesuͤndiget. Haͤtte sie die unmuͤglichkeit und den horrorem vor ihm vorgeschuͤtzet/ so haͤtte er ihr moͤgen vorhalten/ daß solches eine frucht ihrer boßheit und leichtfertigkeit seye/ und GOtt gerechter weise dem teuffel als dem stoͤhrer ehelicher liebe zu gelassen/ weil sie ihm in ihrem hertzen mit sol- cher leichtfertigkeit platz gegeben/ ihre affecten ferner zu solchem widerwil- len erregen/ und vollends alle liebe auszuloͤschen: Gleich wie sie aber solchem eingeben des boͤsen feindes/ wolle sie nicht allerdings in seine gewalt gera- then/ mit ernst sich widersetzen muͤste/ also solle sie gedencken/ daß wie dersel- be widerwillen bey ihr entstanden/ da sie aus GOttes ordnung getreten/ so koͤnne er nicht besser wiederum gesteuret werden/ als wo sie hingegen nechst hertzlichem gebet zu GOTT wieder anfange in die ordnung zu treten und sich anfangs auch dazu zu zwingen: So wuͤrde der guͤtige GOTT/ der ihr hertz auch in seiner hand habe/ gnade geben/ daß dieser horror auch nachlassen/ und das gemuͤth/ wo sie sich einmal uͤberwinde/ ihm und seiner ordnung die ehre zu geben/ wiederum allgemach mit liebe gegen den rechtmaͤßigen braͤuti- gam erfuͤllet/ hingegen fernerem eingeben des gehaͤßigen teuffels gewehret werden. Dann solle ihr die suͤnde/ so sie begangen/ verziehen werden/ so muͤsse wahre busse da seyn/ zu dero aber wuͤrde nothwendig erfordert/ daß man nicht begehre in dem boͤsen fortzufahren/ sondern gleich davon zuruͤck zu gehen; so lange sie aber sich wegere/ ihren verspruch zu erfuͤllen/ so continui- re sie immer die vorige suͤnde/ und mache sie je laͤnger je schwehrer/ werde auch ein schrecklich gericht GOttes auf sich ziehen. Also solte sie/ ob sie es wol noch nicht aus eigenlicher liebe zu dem braͤutigam thun koͤnte/ gleich- wol aus bußfertiger willfertigkeit Gottes ordnung zu folgen/ sich beqvemen/ was von ihr erfordert werde: Da werde alsdenn jene auch wiederum entzuͤn- det werden. Erlangte er solches/ daß sie erst recht anfienge betruͤbt uͤber ih- re suͤnde zu werden/ so wuͤrde das gemuͤth auch damit so vielmehr von dem haß des braͤutigams abgezogen; wie die geistliche traurigkeit/ wo sie recht erweckt wird/ andere boͤse affecten, eher als einig anders mittel verzehret. Er haͤtte auch dabey anzufuͤhren gehabt/ wie sie nicht allein/ so zwahr das groͤsseste/ GOttes fluch mit solcher widersetzlichkeit auff sich laden/ sondern daß sie auch damit in der welt nicht durchtringen wuͤrde: Denn es lasse sich die ehe nicht leichtlich trennen/ auf dem fall der beharrlichen widerstrebung werde die sache an die Obrigkeit gelangen/ die werde was sie ihm bekant/ von ihr auch heraus zwingen/ dadurch sie sich denn viel schimpff machen/ und doch nicht SECTIO XV. nicht frey werden wuͤrde. Daher sie lieber GOtt zu ehren willig thun wol- te/ als daß sie sich mit gewalt endlich muͤste darzu zwingen lassen. Haͤtte denn Sempronia sich durch solchen zuspruch bewegen lassen/ in die copulation zu willigen/ so waͤre der sache gerathen gewesen/ und haͤtte nicht bedorfft/ daß ein mensch davon wuͤste/ was sie ihm geoffenbahret. Waͤre sie aber halsstar- rig von ihm gegangen/ so haͤtte er ohne den ernstlichen zuspruch/ wie schwehr sie sich versuͤndigte/ und GOttes zorn weiter reitzete/ nichts zu thun ver- mocht/ sondern zu erwarten gehabt/ was erfolgete: Sonsten versir te hierinn kein præjudicium tertii, daß ihn etwa zur offenbahrung obligi ret. Denn folgte sie seinem rath/ so bedorfft es ohne das nicht/ daß es geoffenbahret wuͤr- de. Folgte sie nicht/ so nuͤtzte es nicht/ daß er ohn erfordert die sache offenbahrete. Dem Titio hatte ers zumahlen nicht zu offenbahren/ daß er das uͤbel nicht aͤrger machte. Bey der Obrigkeit oder Consistorio war/ ohne daß es erfordert wuͤrde/ nicht noth anzuzeigen/ weil Titius von selbsten bey fortwaͤhrender widersetzlichkeit der braut die- selbe wuͤrde anlangen/ oder es sich ex officio die sache annehmen muͤssen/ da dieselbe schon wuͤrde dasjenige heraus bringen/ was von noͤthen seye? da- her es dabey bleibet/ wo der Pfarrer solche sache bey sich behalten/ daß er nicht unrecht gethan habe. Jn dem uͤbrigen wird verhofft/ er werde auch auf vor gemeldete oder dergleichen weise mit ihr verfahren seyn/ und nicht etwa mit unzimlichem rath ihre halsstarrigkeit gestaͤrcket haben. 3. Wenn der Pfarrer solches zu thun vermocht/ wie zu verhuͤtung des schimpffes/ und daß die sache nicht offenbahr wuͤrde/ mit der hochzeit/ so auff folgenden tag gesetzet/ und Titio dem ersten braͤutigam zu verfahren? D Je frage ist etwas dunckel gesetzt/ indem nicht exprimi ret/ von wem ge- redet werde/ was derselbe zu thun gehabt. Jch nehme es aber/ es sey zu verstehen/ von der braut freunden oder dem vorigen Pfarrer/ der ihr zuge- sprochen. Da waͤre denn meine meinung diese/ die ihrige und Titius haben gewust oder nicht gewust/ daß sie bey dem andern Pfarrer gewesen/ haben sie es gewust/ so haben sie sich bey demselben zu erkundigen gehabt/ was gehan- delt worden. Da zwahr/ nach oben ausgemachtem er ihnen solches nicht zu offenbahren gehabt/ aber mit gutem rath beystehen koͤnnen. Nemlich in dem fall/ da sie mit verspruch zu gehorchen von ihm gegangen/ sie alles guten ihrentwegen versichern: Jn dem fall aber/ daß sie sich nicht bequemen wollen/ ihnen anzudeuten/ daß eine hinderung vorhanden seye/ die zwahr die ehe nicht auffheben wuͤrde/ aber die braut etwas wendig gemacht/ er sie auch noch nicht allerdings zu leistung ihrer schuldigkeit gebracht habe: daher er ihrem F f f f 2 eige- Das vierdte Capitel. eigenen ermessen heimstellete/ ob sie noch solche nacht obrigkeitlicher huͤlffe ge- brauchen/ und die braut durch einige furcht zum gehorsam noͤthigen/ oder welches sicherer/ die hochzeit/ unter anderem vorwand/ weil die braut ohne das etliche tage bettlaͤgerig gewesen/ auffschieben wolten/ damit unterdessen versuchet wuͤrde/ was in kurtzen stunden nicht geschehen koͤnte. Haben sie a- ber nicht davon gewust/ daß sie bey dem Pfarrer gewesen/ so wuͤrden sie von selbsten einen der beyden wege/ welche er ihnen vorschlagen werde/ vor die hand nehmen sollen/ darunter der ander nemlich der auffschub der sicherste; indem der schimpff mit anderm vorwand leicht moͤchte abgewandt/ oder doch gelindert werden/ auffs wenigste war kein ander mittel da. Titio aber waͤ- re zuzusprechen gewesen/ gedult mit der hochzeiterin schwachheit zu tragen/ weil er ihre melancholiam selbsten sehe/ und so vielmehr/ weil er/ obschon oh- ne seine schuld mit vorigem auffschub der hochzeit etlicher massen gelegenheit zu solchem zustand gegeben/ sich jetzo auch nicht verdriessen zu lassen/ daß um der braut gegenwaͤrtiger beschaffenheit sie wiederum auff andere tage aus- gestellet solte bleiben. Anders sehe ich nicht/ wie in solcher zeit zu verfahren gewesen. Nach erhaltenem oder aus noth erfolgtem solchen auffschub waͤre alles zu persuasion der braut taugliches wieder zu versuchen gewest: so dann wo nichts fruchten wollen/ haͤtte Titio muͤssen/ zwahr mit verschweigung dessen/ so sie in confessione gesagt/ die sache vorgestellet werden/ daß seine braut gantz von ihm wendig geworden/ daß er sich obrigkeitlicher huͤlffe ge- brauchem muͤste. Jndem bey fortfahrender solcher hartnaͤckigkeit des schimpf- fes nicht mehr zu schonen. 4. Ob Titio zu rathen/ diese braut zu heyrathen/ da schon sie die e- he gebrochen/ auch unausbleibendes ungluͤck darauff erfolgen wird? J N dieser frage scheinet ein falsum præsuppositum zu seyn/ daß Sempro- nia die ehe gebrochen habe. Nun finde ich davon in specie facti nichts/ vermuthe also/ es werde damit verstanden der ander verspruch: Aber ob wol solcher verspruch gleichwie andere dinge mehr in foro poli \& quoad con- scientiæ læsionem ein ehebruch ist/ so ist es doch dergleichen nicht in foro soli \& quoad effectum solutionis matrimonii. Denn solte jeglicher ehebruch/ der solches in goͤttlichem gericht ist/ zur ehescheidung guͤltig seyn/ so wuͤrde jeg- liches unzuͤchtiges ansehen und begierde die ehe scheiden/ weil solches vor GOtt ein ehebruch ist nach CHristi ausspruch Matth. 5. Wie aber dieses niemand sagen wird/ so mag also nicht jeder vor GOttes gericht straͤffli- cher ehebruch eine ehe scheidung verursachen. Was aber einen andern ver- spruch einer verlobten anlanget/ wird solcher niemalen unter die ursachen der auf- SECTIO XV. aufhebung der ehe gezehlet/ sondern die bina sponsalia sonsten auf andere weise gestrafft. Also daß ich mich nicht eines einigen/ der de causis matri- monii geschrieben/ zu entsinnen wuͤste/ welcher durch die posteriora sponsa- lia als eine dem adulterio gleichmaͤßige ursache die priora aufgehoben zu- seyn lehrete. Dazu auch noch dieses kommt/ daß diese misera durch andere ver- fuͤhrung uñ verblendung zu solchem verspruch gekom̃en/ so dann derselbe auf gewisse condition, wo nemlich die priora sponsalia cassi rt werden moͤchten/ gegruͤndet. Da also non extante conditione das daꝛauf geschlossene hinfaͤllet. Wolte man aber die dissolutionem suchen ex capite veneficii, daß sich Sem- pronia durch solches versprechen dẽ teuffel ergeben/ so ist droben gezeiget/ ein- mal daßnicht veꝛmuthlich/ daß der teuffel gewesẽ/ ferner wo eꝛs gewesen seyn solte/ daß sie sich doch nicht andeꝛs mit ihm als mit einẽ menschen verspꝛochen/ uñ also damit zu keiner zauberinworden seye. Wenn nun dieses richtig/ daß keine hebruch vorgegangẽ/ so wird die frage nicht mehr wol formi ret/ ob Titio zu rathen seye/ diese braut zu heyrathen/ indem die sache nicht mehr in termi- nis consilii stehet/ sondern er/ so wenig als sie sich durch anderwertliches ver- sprechen von ihm loßwircken koͤnnen/ eben so wenig sich der schuldigkeit ent- schuͤtten mag/ seinen verspruch zu vollenziehen/ ja alle gehoͤrige mittel/ daß solches werckstellig gemacht werde/ darunter die imploratio potestatis civi- lis oder des Consistorii zu gebrauchen: um von seiten seiner alles zu thun/ was an ihm waͤre. Denn hie zu verbindet ihn seine pflicht. Was aber die andere ursach anlanget/ nemlich die sorge vieles erfolgenden ungluͤcks/ so ist dieselbe vielmehr eine ratio dissuasoria, wo die sache noch integra ist/ nicht a- ber/ daß blosser dings um der selben willen/ die ehe zernichtet werden koͤnte. Gleichwol moͤchte die frage bey andeꝛn umstaͤnden platz auf diese weise finden: Wo bey beharrlicher widersetzlichkeit (denn sonsten wird kein zweiffel seyn/ das matrimonium zu consummi ren/ wo Sempronia sich selbs gibet) Titius den Magistrat oder das Consistorium angeruffen/ dieselbe auch ihre autorita- tem interponi ret/ guͤtlich nichts ausgerichtet wuͤrde/ und nunmehro zu den zwangs-mitteln zu schreiten waͤre/ also daß sich endlich zeigte/ daß die wider- setzlichkeit entweder so boßhafft oder nunmehr gleichsam in die natur verwan- delt/ daß Sempronia ihn Titium hinkuͤnfftig nicht wuͤrde noch wolte lieben; da denn solches nunmehr inimicitia capitalis waͤre/ welche zu dem repudio gnugsam erkant wird ( D. Carpzov. Jur. Consist. L. 2. t. 10. d. 176. ) doch gleich- wol/ wo Titius auf seinen rechten beharren wuͤrde/ so viel schwehrer darzu ge- schritten werden wuͤrde; so haͤtte denn die frage platz: Ob Titius illo casu selbs den judicem um dissolutionem bitten/ und also sententiam faciliti ren/ oder auf die consummationem, sie mit zwang zu erhalten/ tringen solle/ und welches alsdenn das rathsamste waͤre? wo ich alsdenn wegen der besorglichen F f f f 3 trau- Das vierdte Capitel. traurigen zufaͤlle das erste erwehlte/ und Titio rathen wolte. Es wird aber in solcher beschaffenheit der judex von selbsten diese prudenz adhibi ren/ eine solche sententiam dissolutoriam nicht zugeben/ es seye denn mit zimlicher mora versucht/ ob successu alicujus temporis das gemuͤth sich aͤnderte. Wel- ches auch bey dieser person wegen der beybefindenden melancholia so viel noͤ- thiger/ um zu erkennen/ ob vielleicht der affectus sich bessern/ und damit der widerwillen auch vergehen moͤchte. 5. Wie ein pfarrer mit der braut in so kuͤrtzer zeit umgehen solle? Jst ad quæstionem secundam zugleich beantwortet: 6. Ob die auffloͤsung des letzteren versprechens noͤthig/ und pri- vatim zwischen seelsorger und beicht-kind allein geschehen koͤnne? 1. Dieses letzte habe ich kein bedencken zu bejahen. Und solches weil das zweyte versprechen an sich nichtig/ unbuͤndig und niemalen guͤltig gewe- sen. Welches also erweise. 1. Jst derselbe verspruch conditionatè gesche- hen/ wo die erste sponsalia cassi rt moͤchten werden. Non ex tante conditione aber faͤllet auch conditionatum, und bedarff keine dissolution. 2. War Sempronia keine person/ die sich zu versprechen macht gehabt/ als die unter der eltern gewalt und mit dero willen publica sponsalia bereits mit Titio ce- lebri ret/ dahero sie uͤber sich zu disponi ren keine gewalt hatte/ und deßwegen solcher verspruch so wenig buͤndig waͤre/ als wenig ein kauff wuͤrde anders als null von jedem geachtet werden/ so einer eine sache/ die offenbarlich nicht sein/ sondern einem andern verkaufft waͤre/ jemanden wiederum verkauffen wolte. 3. Haben die letzte sponsalia vitium clandestinitatis, so wol proprie, weil sie allerdinges ohne einiges zeugen beywesen geschehen: Als auch/ welches auch sponsalia clandestina machet/ wegen ermangelnden consensus parentum,. Nun aber sind auch clandestina ipso jure nulla. Es ist zwahr an dem/ daß zuweilen/ was an sich selbs null ist/ dannoch einer declarationis nullitatis noͤ- thig hat/ nemlich wo die sache noch dubia ist/ wo die verhuͤtung des aͤrgernuͤß es erfordert/ und anderer interesse darinn versi rt. Hier aber ist die sache in- dubia, nemlich/ daß die erste sponsalia, nemine contradicente, gewiß valida gewesen/ daß deßwegen in denselben GOTT/ und demnach unauffloͤßlich/ sie zusammen gefuͤhret/ und also was dergleichen clandestinum subsequens pro- missum gewest seyn mag/ jene nicht habe koͤnnen auffheben. So erfordert auch evitatio scandali solches nicht/ indem wir in casu præsenti darvon han- deln/ da niemand als Sempronia und der pfarrer davon wissen; denn waͤre die sache offenbar/ so moͤchte die declaratio judicis erfordert werden/ wenn Titius um SECTIO XV. um seiner versicherung willen ihm dieselbe noͤthig hielte: So dann daß Sem- pronia zu gebuͤhrender straffe ihrer leichtsinnigkeit gezogen wuͤrde. So versi ret auch darinnen niemandens interesse: Nicht der Obrigkeit/ als welche keine andere verbrechen zu straffen hat/ als die ihr kund werden/ es ist aber Sempronia noch der pfarrer solches anzugeben nicht schuldig. So bleibt ihr ihr recht/ wo die sache folgends herauskaͤme/ Semproniam noch deßwegen zu straffen; oder hat sie vielmehr sich dessen in honorem matrimonii und zu ver- huͤtung mißhelligkeiten zu begeben: Also auch nicht Titii, der durch anbrin- gung bey dem richter untersuchung der dissolution kein jus petendi repudii erlanget/ wie oben erwiesen/ und also keinen vortheil dessen haͤtte/ hingegen diesen nachtheil/ daß derjenigen/ die er doch haben muͤste/ fehler oͤffentlich be- kant und gelegenheit zu uneiniger ehe gegeben wuͤrde. Moͤchte man aber vorwenden/ daß noch zu sorgen stuͤnde/ daß der zweyte sponsus kommen/ und einen einspruch thun moͤchte/ ist erstlich solches schwehrlich zu befahren/ indem wo er nur etwas verstand hat/ wol gedencken kan/ daß er nichts ausrichte/ sondern noch schimpff und straffe davon haben werde. Gesetzt aber/ er thaͤte es/ so ist keine weitere gefahr oder schaden davon zu sorgen/ als damit Titius moͤchte damit alienio r von seinem eheweib werden; dieses war aber vorher eben so wol zu besehen/ bey begehrung der dissolutoriæ oder declaratoriæ; und zwahr solches so viel gefaͤhrlicher/ weil etwa post cœptum matrimonium die liebe mehr bestaͤtiget/ daß sie sich nicht so bald wieder ausleschen liesse; da hingegen wo die feindschafft noch vor der consummation gestaͤrckt wird/ und doch die personen zusammen muͤssen/ es so viel schwehrer ist/ wieder zu ei- niger liebe zu kommen. Daher weil die sponsalia posteriora ipso jure nulla sind/ auch die declaratio judicis in diesen umstaͤnden nicht noͤthig; so hat der pfarre macht/ solche zu dissolvi ren/ oder daß ich eigenlicher davon rede/ das gewissen Semproniæ allein zu informi ren/ daß sie an den zweyten nicht/ aller- dings aber an den ersten gebunden seye: Auch wo sie bußfertig der begange- nen suͤnde absolution begehret/ zu ihrer tranquilli rung solche zu ertheilen. Damit greifft er dem judici, vor den die sache noch nicht gehoͤret/ nicht ein/ und thut doch dasjenige/ was zu beforderung der Semproniæ angst/ so dann zu beforderung der vollziehung der buͤndigen sponsaliorum noͤthig ist. 7. Ob die von dem letzten werber abholungs-zeit zu fuͤrchten? D Jese frage faͤllet aus beantwortung der ersten dahin. Wolte aber Sem- pronia noch nicht damit zu frieden seyn/ und waͤre also ihr ex sua hypo- thesi zu antworten/ so wird meistentheils die zeit der vier wochen auch hinge- strichen seyn: Andern theils ist ihr fleißig zu inculci ren/ daß wo sie sich in buß- Das vierdte Capitel. bußfertige ordnung stelle/ der leidige teuffel die macht nicht haben werde/ sie wegzuholen; aus denen allgemeinen gruͤnden/ wie der teuffel allerdings keine gewalt habe uͤber die/ so sich mit glauben an ihren Heyland halten/ und sich der anbefohlenen wehre gegen ihn/ des glaubens/ gebet und wortes GOttes/ gebrauchen. Welches ihr aus der schrifft und dero bekanten spruͤ- chen mit mehrerem vorzuhalten waͤre. Absonderlich ist auch dieses zu trei- ben: Daß weil der ihm vermeintlich geschehene verspruch allerdings un- guͤltig/ ob es wol scheinen moͤchte/ dardurch ein recht uͤber sie erlanget zu ha- ben/ (so aber auch durch wahre buß und glauben an den/ welcher gekommen/ die wercke des teuffels zu zerstoͤhren/ wiederum auffgehoben) damit gleich- wol kein recht erlanget habe/ gleichwie GOTT dem HERRN die seinige/ nachdem sie solche wiederum worden/ also Titio seine verlobte/ und den el- tern ihre tochter/ zu entfuͤhren; welche alle potius jus haͤtten/ als er der satan vorwenden moͤchte. Hierzu dienen auch ein und andere historien/ wie die- jenige/ welche sich dem teuffel ergeben gehabt/ wiederum von ihm befreyet worden/ daß ob er sie zu bestimmter zeit wegzuholen sich unterstanden/ er doch solches wiederum unterlassen muͤssen. 8. Wie die angefochtene zu verwahren. Da sonderlich des er- sten braͤutigams condition es nicht leidet/ anderswo als im wald zu wohnen? K An ihr ihre meinung benommen werden/ daß sie endlich erkennet/ es seye nicht der teuffel/ sondern sonsten ein betrieger gewesen/ der sie genarret/ so ist damit auch der kuͤnfftigen forcht begegnet. Jst aber solche impression zu starck bey ihr/ so moͤchte darzu dienlich seyn/ zu urgi ren/ einmal/ daß die von ihm selbs gesetzte zeit nicht gehalten/ welche er zu halten nicht wuͤrde er- mangelt haben/ wo ihm GOTT solches verhenget haͤtte; daß dieses dann nicht geschehen/ sey ein zeugnuͤß/ wie sich GOTT in gnaden ihrer erbarmet habe/ und also kuͤnfftig/ als der sich nicht aͤndere/ eben so barmhertzig und gnaͤ- dig gegen sie bleiben/ und deßwegen dem teuffel nicht mehr gewalt uͤber sie zulassen werde/ als es ihr nuͤtzlich seye; nachmal sie zu unterrichten/ daß sie fleißig ihr vorstelle die ohnmaͤchtigkeit des teuffels/ der ohne goͤttliche er- laubnuͤß auch nicht Matth. 8/ 31. in die schwein fahren doͤrffte; die uͤber- schwenckliche barmhertzigkeit des himmlischen Vaters/ welcher die seinige viel zu zart liebe/ als sie dem feind in seine klauen zu uͤberlassen/ welcher auch mit der suͤnde die straffe zugleich erlasse; die krafft des gebets und glaubigen widerstandes/ davor der teuffel fliehen muͤsse 1. Pet. 5/ 9. Jac. 4/ 7. Die allguͤtige gegenwart Gottes/ die in der einoͤde so wol uͤber uns walte/ als unter SECTIO XV. unter vieleu leutẽ; auch die wache der heiligen Engel verdoppele/ wo die gefahr groͤsser ist; des wald-lebens bequemlichkeit/ da ob sie ihrer melancholischen einbildung nach der leiblichen erscheinung des teuffels sich ohnnoͤthig besor- ge/ und dagegen mit glaubigem gebet zu verwahren habe/ sie bekantlich/ so vielweniger teuffel/ die bey vielen leuten geschaͤfftiger zu seyn pflegen (wie an den lastern) die solcher orten im schwange gehen/ von vielen geitz-pracht- zanck-neid-luͤgen-ꝛc. teuffeln zu sehen/ so unsichtbahr unter dem groͤssesten hauffen der menschen sich finden) um sich haben/ und allerhand aͤrgernuͤsses und verfuͤhrung sicher seyn werde; so dann den trost ihres beruffs/ daß/ da sie ordentlich Titio gegeben und goͤttlichen finger darinn erkennen muͤsse/ je- ner aber auch von Gott zu dergleichen leben gesetzet/ sie sich gewiß versichern koͤnne/ GOtt habe sie nicht zu ihrem schaden und gefahr beruffen/ sondern wo sie in solchem beruff in gefahr gerathen oder zu gerathen vermeine/ vermoͤge er sie eins so wol als anders orts kraͤfftig zu erhalten/ und zu beschirmen; und weil sie zu schuldigem gehorsam seiner ordnung sich darzu bequeme/ werde ers auch gewißlich thun. Dieses moͤchten ohngefehr die vornehmsten trost- gruͤnde seyn/ damit sie zu verwahren/ und dieselbe ihr aus goͤttlicher schrifft mit mehrerem auszufuͤhren; nebst fleißiger vermahnung zum gebet/ gottseli- gem wandel und verhuͤtung aller vorsetzlichen verletzung des gewissens/ da- durch dem teuffel neue macht gegeben werde. Titio waͤre auch zuzusprechen/ fleißig acht auf sie zu geben/ sie freundlich und sanfftmuͤthig zu beleben/ daß die melancholie nicht vermehret werde/ oder wiederkomme/ ihr fleißig zuzu- sprechen/ und insgesamt vernuͤnfftig allerhand gefahr abzuwenden. Der gnaͤdige GOTT fuͤhre auch diese sache also aus/ daß seine ehre dadurch gepriesen/ und der beyden personen heil befordert/ allerhand aͤrger- nuͤß und gefahr aber verhuͤtet werde. 1673. SECTIO XVI. Uber einen casum, da von einer weibs-person drey ehemaͤnner noch im leben waren. D En uͤbersandten casum habe ich ablesend mit mehrerm verstanden/ auch was Silani gewisses anligen sey/ daraus ersehen/ aber fuͤglicher gefunden/ die vorgelegte fragen/ theils anders zu disponi ren/ theils in mehrere abzutheilen. Und ist nach reifflicher erwegung/ forderst aber hertzlicher anruffung GOttes/ um sein liecht und gnade/ meine einfaͤltige er- klaͤhrung solcher fragen/ wie folget. G g g g 1. Was Das vierdte Capitel. 1. Was der rechte verstand seye der beyden spruͤche/ Matth. 5/ 32. Rom. 7/ 3. W Eil aus diesen beyden spruͤchen der vornehmste scrupel Silano entstan- den/ also muͤssen dieselbe zum allerfordersten nothwendig erklaͤret wer- den: Nicht zwahr/ daß eine vollkommene ausfuͤhrung alles desjenigen/ was bey solchen spruͤchen vorkommen moͤchte/ noͤthig erachte/ sondern allein davon zu handeln/ ob aus solchen folge/ daß schlechterdings/ und aus keiner ursach einiger ehegatt/ absonderlich ein weib/ deren mann noch im leben ist/ wiederum heyrathen moͤge/ sondern bloß dahin alle solche zweyte ehe/ die bey leben des vorigen ehegemahls geschihet/ als ein verdammlicher ehebruch von seiten solcher person/ und derjenigen/ welche sich mit ihr einlaͤsset/ zu halten seye. Denn diesen verstand schei- net Silanus in solchen spruͤchen zu besorgen/ und hat daher seine scrupu- los bekommen. Nun ist nicht ohne/ daß die von Roͤmisch-Paͤpstischer seiten in solcher meinung sind/ daß auch nicht einmal durch den ehebruch das eheliche band auffgeloͤset/ und also zu anderwaͤrtiger verheyrathung erlaubnuͤß gegeben werde. Es ist aber biß daher solcher Roͤmischer par- they ihre meinung von unsern Theologis mit mehrerm widerleget/ und gezeiget worden/ daß solche spruͤche Christi und Pauli diesen nicht mit sich bringen/ wozu sie von ihnen angefuͤhret werden. Wir haben uns allein hie der kuͤrtze zu befleißigen. Was nun den ersten spruch Matth. 5/ 32. mit dem der gleichlau- tende Matth. 19/ 9. zu vergleichen/ anlanget: So ist 1. zu mercken/ aus was gelegenheit unser Heyland solche worte geredet/ nemlich uͤber die theils von Mose um der haͤrtigkeit der hertzen willen erlaubte/ und durch viele ihrer lehrer zusaͤtze weiter ausgedaͤhnte scheidung der ehe durch gebenden scheid-brieff. Welches Christus weiset entgegen zu stehen der ersten einsetzung der ehe/ daß es nemlich von anbegin nicht also gewesen. War also der casus, ob auf einige weise ein mann von seinem weibe/ welches er einmal genommen/ frey werden koͤnne; da antwortet Chri- stus/ es koͤnne solches nicht geschehen auf die art/ wie von juͤdischer sei- ten geglaubet wurde/ daß auch um geringer ursache willen/ ein scheide- brieff gegeben werden koͤnte. Stehet demnach diese rede Christi entgegen der/ die erlaubnuͤß der scheidung allzuweit ausdaͤhnender juͤdischen mei- nung: Und weiset hingegen/ wie fest das band der ehe sey. 2. So ist wol zu mercken/ die austruͤckliche limitiaton unsers Heylandes/ es sey denn SECTIO XVI. denn um ehebruch willen. Daß also Christus austruͤcklich hiemit weiset/ er wolle sein wort/ daß ein solcher die ehe breche/ oder zu ehe- bruch ursach gebe/ nicht verstanden haben/ von demjenigen/ welcher um ehebruch willen sein ehegemahl verstossen. Sondern daß hingegen folge/ welcher denn sein gemahl um hurerey willen von sich scheidet und laͤsset/ der breche die ehe nicht/ noch sey schuldig an dem ehebruch. Wie derjeni- ge/ der da sagt: Es mag ein ehegemahl nicht wieder heyrathen/ sein voriges ehegemahl sey dann todt/ eben damit sagt: Wann dann das vo- rige ehegemahl todt ist/ so mag er wieder heyrathen. Also auch hie fol- get richtig/ weil der ehebruch ausgenommen ist/ so gelte dann bey dem- selben das gegentheil desjenigen/ was Christus/ ausser der hurerey von andern ursachen gesagt/ daß um derselben willen die scheidung die schuld des ehebruchs nach sich ziehe. Um so vielmehr/ weil Christus von kei- ner art der scheidung/ etwa nur zu tische und bette reden koͤnte/ von de- ro damal niemand nichts wuste/ sondern seine worte nothwendig muͤssen verstanden werden/ von einer solchen scheidung/ die damal bey den Ju- den uͤblich/ daß dieselbe so bald das recht eine andere hingegen zu heyra- then mit sich braͤchte. Was von einigen Paͤpstischen Scribent en eingewen- der wird/ daß gleichwol Marcus und Lucas diesen beysatz/ es sey denn um ehebruch willen/ nicht haben/ ist von keiner erheblichkeit/ dann bekant/ daß der H. Geist aus sonderbarem weisen rath die feder der hei- ligen Scribent en also gefuͤhret/ daß sie einerley nicht mit gantz einerley worten vorgetragen/ und je einer aus dem andern zu erklaͤren seye. Wel- ches mit vielen exempeln sich erweisen laͤsset. So sind auch die wort Marci und Lucaͤ/ wie sie bey denselben stehen/ ob zwahr so deutlich nicht/ daß unsre intention daraus erwiesen werden koͤnte/ aber sie sind auch derselben nicht entgegen. Denn sie sind nach unserer ersten anmerckung zu verstehen/ daß sie als eine antwort sich schicken auf der versucher Christi frage. Da war aber derselben frage nicht so wol daruͤber/ ob einige ursach/ nemlich der ehebruch/ genug seye zur ehe-scheidung/ als welches bey allen zeiten damal bekandt war/ sondern ob auch um sonst einiger andern ursach willen/ solche scheidung geschehen koͤnte/ welches die meinung der beruͤhmten schul Hillelis damal war/ und folgends von Rabbi Akiba weiter behauptet und auf die nachkoͤmlinge gebracht ist. Jn solcher absicht antwortet Christus/ daß weil die scheidung um des ehe- bruchs willen bey allen ohn disputi rlich erkant wuͤrde/ was die uͤbrige sa- chen anlangte/ darvon zwischen den Juden und den beyden secten Sam- mæana und Hilleliana streit war/ seye es goͤttlicher wahrheit gemaͤß/ G g g g 2 wer Das vierdte Capitel. wer von seinem weib sich scheide/ daß der davor erkant werde/ er breche die ehe. Daher da Matthaͤus die wort gesetzt/ wie sie Christus mit seinem munde geredet/ so haben Marcus und Lucas, der kuͤrtze wegen/ die wor t : es seye denn um ehebruch/ ausgelassen/ weil solche ausnahm/ ohne das bey den Juden bekant und ohnstreitig war. Vorausgesetzt nun dieser an- merckungen/ so sehen wir 3) daß die rede CHristi nicht in sich fasse/ daß den- jenigen welche ehebruchs wegen von ihrem vorigen ehegemahl loßwerden/ und sich wiederum anderwertlich verheyrathen/ moͤchte rechtmaͤßigen scru- pel machen/ sondern er saget allein: Wer ohne ursach des ehebruchs/ und al- so so lang der andere theil durch seine mißhandlung das auf die gantze le- benszeit geknuͤpffte band nicht zerrissen/ sondern dasselbe beyderseits fest noch stehet/ von seinem weib sich scheidet/ und eine andre nimmet/ brichet die ehe/ und gibt ursach die ehe zu brechen/ jenes/ in dem er das noch biß dahin rechtswegen unverbrochene eheliche band allererst durch solche neue unrecht- maͤßige ehe zerreisset/ dieses/ in dem er solcher abgeschiedenen ursach und gelegenheit gibet/ so wol ausser dem ehestand/ da sie sonderlich dessen hoff- nung verlohren/ mit leicht fertigkeit sich zu versuͤndigen/ als auch/ da sie/ so lang nemlich er ledig bleibet/ (denn wo er bereits geheyrathet/ so ist nun- mehr von seiner seyten hurerey begangen/ und also der casus des ehebruchs/ der excipir et worden) wiederum anderwertlich heyrathet/ bricht auch die e- he/ in dem sie bey nochstehendem band der vorigen ehe/ welche vor GOTT durch den scheidbrieff noch nicht getrennet/ einem andern sich und den leib/ uͤ- ber den sie noch nicht maͤchtig worden/ noch der vorige ehemann ihr solche macht durch den scheidebrieff guͤltig hat geben koͤnnen/ uͤbergibet/ und ein neues band/ damit also das vorige aufgeloͤset wird/ knuͤpffet. Womit ich meine/ die worte CHristi seyen einfaͤltig und deutlich erklaͤhret. Was den ort Pauli Rom. 7. anlanget/ ist davon zu mercken/ daß solches hergenom- men aus einer solchen stelle/ wo nicht ex professo die materie tracti ret wird/ sondern allein die verbindung des weibes an den mann angezogen wird/ zum gleichnuͤß der herrschafft des gesetzes uͤber den menschen; in welchem gleich- nuͤß gnug ist/ daß Paulus davon handlet/ was GOttes wille und rath uͤber den ehestand seye/ nemlich daß die herr schafft des mannes uͤber das weib solle bleiben/ so lange er lebet/ und sie sich ihm und seiner herrschafft deßwegen nicht entziehen mag/ und es gehen soll nach goͤttlicher ordnung. Worinnen es heisset/ daß was GOtt zu sammen gefuͤget/ der mensch nicht scheiden sol- le. Damit aber nicht ausgeschlossen wird/ wenn solche goͤttliche ordnung durch den ehebruch geschwaͤchet/ daß alsdann dasjenige statt habe/ was GOtt ordentlich von dem ehestand hat lassen verordnen/ daß nemlich der un- schul- SECTIO XVI. schuldige theil von dem schuldigen durch ehebruch loß werde. Daher Pau- lus (wie unser Sel. D. Chemnitius Ex. Conc. Trid. p. m. 434. fein bemer- cket) vorhersetzet/ er rede mit ihnen/ als die das gesetz wissen. Daß aber nach rechtmaͤßiger ehescheidung wieder ander wertliche heyrath vergoͤnnet wor- den/ ist aus der schrifft bekaͤntlich. Anders koͤnnen wir Paulum nicht ver- stehen/ als der ihm sonsten selbst widerspraͤche. Denn solte Paulus dieses orts lehren/ daß bloß dahin kein fall waͤre/ wenn das weib von des noch le- benden mannes herrschafft befreyet wuͤrde. Wie sagte er denn 1. Cor. 7/ 15. Es sey der bruder oder schwester nicht gefangen in solchen faͤl- len. Damit er klahr zeiget/ daß er an jenem ort/ rede von dem/ was ordentli- cher weise nach GOttes ordnung in der ehe seyn solle/ nemlich daß sie unauf- geloͤßt bleibe/ so lange der ehegatte lebt: Ob er wol nicht leugnet/ daß menschliche boßheit solch band zerreissen/ und so zerreissen koͤnne/ daß der glaͤubige und unschuldige theil nicht mehr gefangen und gebunden seye. Wie Paulus dieses orts saget/ ob er schon in eben solchem Cap. v. 39. eben dasje- nige saget/ was er auch Rom. 7. gesagt hatte. Woraus aber eben zu schliessen/ daß mit einiger ausnahm die ohnbedingt da ligende worte zuver- stehen seyen. 2. Ob Livia von dem ehlichen band mit Verre loß wor- den? A Uf diese frage zweifle ich nicht mit ja zu antworten; Nicht zwahr wegen 1. des uͤbeln tractamen ts/ so sie von Verre empfangen/ noch 2. weil der- selbe sie zu der ehe durch betrug und vorgeben desjenigen so sich inder that nicht gefunden/ gebracht. Deren beyde ursachen ungnugsam sind. Noch 3. we- gen des Verre auf sich geladenen verdachts des ehebruchs/ in dẽ nichts erwie- sen werden koͤnnen. Noch 4. wegendes gegebenen scheidebrieffs/ welcher al- lerdings wichtig/ alldieweil consensus zwahr das matrimonium, machen/ nicht aber wiederum dissolvi ren kan; Noch 5. die darauf gefolgte wuͤrckli- che von einanderziehung/ die zwahr eine desertionem anfienge zu machen/ a- ber solche ist noch nicht zum bruch des bandes in solchen terminis gnug gewe- sen. Sondern das eheliche band/ zwischen Verre und Livia ist gebrochen worden/ durch Verris ander wertlichen heyrath/ welcher einen freventlichen ehebruch in sich gefasset/ und damit Livia ihrer pflicht loß worden. Weil wir im vorigen gesehen/ daß der ehebruch nach CHristi worten scheide/ und auch solches gantz klahr ist/ weil dieses verbrechen der ehelichen gemeinschafft schnur stracks entgegen. Wie dieser lehr-satz bißher von vielen Theologis zur gnuͤge gegen die von Roͤmischer seyten behauptet worden. G g g g 3 3. Ob Das vierdte Capitel. 3. Ob Livia dadurch wiederum macht bekommen zu hey- rathen? H Jerauf antworte ich mit nein. Denn obwol das eheliche band durch Verris heyrath gebrochen worden/ so gehoͤrete doch/ daß Livia freyheit wieder zu heyrathen bekaͤme/ mehr dazu. 1. Reden wir von dem gesetz und foro exteriori, so wird die ehe nicht vor geschieden geachtet/ biß der richter- liche ausspruch druͤber geschehen/ welches nicht nur recht/ sondern gantz bil- lig/ ja in menschlicher gesellschafft deswegen noͤthig ist/ damit niemand ihm selbs recht spreche/ welches wo es erlaubt waͤre/ daß jemand in sei- ner eignen sache richter zu seyn vermoͤchte/ viel ungelegenheit nach sich zie- hen wuͤrde. Um so viel mehr/ weil auch die rechten nicht allezeit wegen des ehebruchs (wo der andre theil auch gleiche schuld auff sich ligen hat) die ehescheidung ergehen lassen/ sondern in gewissen faͤllen das zerrissene band wieder auffs neue zu ergaͤntzen noͤthigen. Daher auch hie noͤthig ge- wesen einer richterlichen untersuchung der sachen und ausspruchs. Re- den wir aber 2. auch von dem gewissen und foro interiori ist eben wol solche declaration von noͤthen/ weil uns das gewissen aus- truͤcklich dahin verbindet/ allen verordnungen der rechten/ die son- derlich also billich sind/ zu gehorsamen/ und was also wider dieselbe ge- schihet/ geschihet nicht ohne suͤnde. Weil also der richterliche ausspruch Liviam nicht von Verre loßgesprochen/ halte davor daß Livia weder vor der welt habe rechtmaͤßige freyheit zu heyrathen gehabt/ noch auch daß sie vor GOTT ohne schwehre verletzung des gewissens habe wieder heyrathen koͤnnen. 4. Ob Liviæ ehe mit Sulpitio rechtmaͤßig und guͤltig gewe- sen? H Jevon haͤtte man ursach zu zweifeln: 1. weil in voriger frage erwiesen/ daß sie/ obwol Verres einen ehebruch begangen/ noch nicht macht mit gutem gewissen zu heyrathen bekommen. 2. Weil sie damals paͤpstischer religion zugethan gewesen/ nach dero principiis, daran sie gehalten/ auch durch den ehebruch das eheliche band nicht zerrissen/ oder einigem theil zu ander waͤrtiger heyrath erlaubnuͤß gegeben wird. Aber ohneracht solcher ursachen zweifle nicht zu behaupten/ daß solche ehe zwahr nicht rechtmaͤßig/ aber doch guͤltig gewesen. Non rectum, sed tamen ratum. Es ist aber sol- che distinction wol zu mercken. Rechtmaͤßig rectum ) heißt/ was ich oh- ne suͤnde mit gutem gewissen thun habe koͤnnen. Guͤltig aber ( ratum ) daß wo SECTIO XVI. wo es geschehen/ sich nicht wieder retracti ren lasse. Nun koͤnnen exempel gefunden werden/ daß eine ehe nicht rechtmaͤßig seye/ sondern mit suͤnden an- gefangen worden/ die aber nachmal guͤltig ist. Zum exempel: Eine unglau- bige person zu heyrathen ist nicht recht/ aber wo sie geheyrathet/ so ist die ehe guͤltig/ und hat die person/ welche mit verletzung des gewissens die andre ge- heyrathet/ gleichwol nicht macht noch fug von solcher ehe wieder zuruͤck zu gehen. Ferner aus anderer absicht/ als GOttes ordnung mit sich bringt/ und bey gottseligen hertzen die ursach ihrer ehe ist/ in den ehestand treten/ ist nicht recht/ aber der dadurch auf unrechtmaͤßige weise angefangene ehestand/ ist nichts destoweniger guͤltig. Wir haben ein denckwuͤrdiges exempel in der schrifft: Daß David die vorhin mit ehebruch befleckte Bathsebam nach dem todtschlag ihres mannes Uriaͤ nahm/ war nicht recht/ sondern GOTT laͤßt durch den Propheten Nathan dem David nicht weniger vorhalten/ daß er Bathsebam zum weibe genommen hab:/ als seine uͤbrige suͤnde. 2. Sam. 12/ 9. 10. Hat also derselbe sich mit dieser nehmung schwehrlich versuͤndiget. Wie auch sonst dem ehebrecher nicht erlaubt ist/ die person/ mit dero er gesuͤn- diget/ zum weibe zu bekommen/ und damit gleichsam seiner uͤbelthat vortheil zu haben. Wie nun solcher heyrath unrechtmaͤßig war/ so war er gleichwol guͤltig: Wie dann David dem die Bathsebam zu verlassen nirgend befohlen worden/ auch er bey seiner hertzlichen busse nichts destoweniger dieselbe be- halten hat: welches nicht wuͤrde geschehen seyn/ wo er deswegen solche per- son zu behalten nicht fug gehabt/ weil er sie zu nehmen nicht macht hatte. Vorausgesetzt dieser distinction, halte ich davor/ daß zwahr freylich Liviæ heyrath an Sulpitium unrecht gewesen/ dazu sie mit gutem gewissen nicht hat schreiten koͤnnen/ wie die erste ratio dubitandi zeiget aus der vorigen fra- ge. Aber daraus folget noch nicht/ daß deswegen die ehe nicht guͤltig gewe- sen waͤre. Dann die ursach weswegen Livia nicht zu heyrathen macht hat- te/ ist nicht daher gekommen/ daß das eheliche band mit Verre noch gewaͤh- ret/ dann solches war durch den ehebruch zerrissen: Wie denn keine sententia Judicis das band zerreissen kan/ sondern nur zeigen muß/ daß durch mensch- liche boßheit dasselbe zerrissen worden. Sondern die ursach haben wir ge- zeiget darinnen zu stehen/ weil der richterliche ausspruch um der ordnung willen (weil tausend incommoda sonsten folgen wuͤrden/ wo jeglicher ohne solchen ausspruch macht haͤtte in eigner sache recht zu sprechen.) von noͤthen ist/ nicht aber bloß dahin und absolutè; daher an solchen orten/ wo man kei- ne Obrigkeit haͤtte der unschuldige theil sich seines rechtes/ von der ehebruͤ- chigen frey zu bleiben/ ohne solchen ausspruch gebrauchen doͤrffte: Und Pau- lus auch solchen ausspruch nicht wuͤrde erfordert haben/ zu befreyung der glau- Das vierdte Capitel. glaubigen person (sihe 1. Cor. 7. ) die von der unglaubigen verlassen/ und damit die ehe gebrochen worden/ da bey der Heydnischen Obrigkeit der aus- spruch vergebens wuͤrde gesucht worden seyn. Was nun zuweilen kan un- terbleiben/ ist nicht bloß dahin vonnoͤthen. Womit die oben behauptete nothwendigkeit nicht auffgehoben/ sondern dahin/ wo man den spruch haben kan/ restringi ret wird. Nun haͤtte man hie den richterlichen ausspruch for- dern koͤnnen/ daß deswegen die unterlassung solchen zu suchen unrecht ist; Weil aber das factum so bewandt/ daß solcher ohne zweiffel wuͤrde dahin gefallen seyn/ daß Livia von Verre frey/ so war sie nunmehr eine an sich freye person/ und machte die unterlassung zwahr bey ihr eine suͤndliche schuld/ nicht aber eine solche unmoͤglichkeit/ die die auch folgende ehe zunicht machte. Was die andere rationem dubitandi anlangt/ gehet sie auch nicht weiter/ als daß sie zeiget/ daß Livia sich schwehrlich versuͤndiget/ wider ihrer eigenen Con- fession principia, mit einem sich einzulassen/ da sie nunmehr zu staͤtigem cœ- libat, als lang Verres lebte/ gehalten war: nicht aber daß die vor GOtt an sich selbs guͤltige ehe/ nichtig wuͤrde: indem eines menschen habender irr- thum von einer sache deroselben beschaffenheit und wesen nicht auffhebet. A- ber so viel brachte solcher der Liviæ damaliger irrthum mit sich/ (wie es mehr- mal bey der conscientia erronea zu geschehen pfleget) daß sie auff keiner seit von suͤnden frey war/ bliebe sie bey dem mann/ so koͤnte sie die ehe nach ihrer religion hypothesibus nicht vor eine wahre ehe halten/ und wurde ihr also al- ler derselben gebrauch wegen widersprechenden gewissens/ nach Pauli regul Rom. 14/ 23. zur suͤnde. Verließ sie ihn aber/ wie sie auch gethan/ so ver- suͤndigte sie sich wiederum/ daß sie das band zerreissen wolte/ so doch obwol mit suͤnden gebunden/ gleichwol buͤndig war. Stehet also nichts im weg/ die ehe vor wahrhafftig guͤltig anzusehen. Q. 5. Ob Livia wiederum dieses bandes mit Sulpitio frey worden? J Ch antworte wiederum mit ja: nicht zwahr daß ich solche befreyung such- te 1. in ihrer uͤbereilung/ daß so viel aus der Relation sehe/ zwahr auff sie getrungen worden/ aber doch nichts erscheinet/ das zeigte/ daß es nicht ein wahrer Consensus gewesen/ der die ehe machet. Noch 2. in der de- sertion auff seiten Liviæ, denn ob schon solche ein anfang zu einem ehe- bruch gewesen/ und sich Livia damit schwehrer als an dem ersten versuͤn- diget/ war doch die desertio noch nicht so pertinax, als erfordert wird/ daß sie vor einen ehebruch erkant werde. Sondern meine bejahung moͤch- te SECTIO XVI. te gegruͤndet werden/ einstheils zwahr auff die gefolgte discussion der sache/ da/ wie ich aus der relation ersehe/ Livia von Sulpitio gerichtlich loßgesprochen/ also daß auch diesem die macht wieder zu heyrathen ver- boten wurde. Womit die sache in foro exteriori ausgemacht/ doch ge- stehe gern/ daß ich auff diesem fundament nicht allein genug zu beruhen weiß: indem mir nicht vollkommen wissend/ auff was weise solche loßzeh- lung geschehen/ und aus was ursache also gesprochen worden: daher an- dern theils diese ursach nur vornemlich die sache ausmachet/ daß Sulpiti- us wieder geheyrathet/ damit also das eheliche band abermal zerrissen worden. Q. 6. Ob Livia nach Sulpitii anderwaͤrtigem heyrathen auch macht gehabt/ sich zu verheyrathen? H Jerauff finde ich/ daß eben/ als oben q. 3. mit nein zu antworten seye/ ob zwahr ein richterlicher ausspruch geschehen/ wird doch solches nicht also beschrieben/ daß ihr die macht des heyrathens dadurch zugestanden worden; vielmehr scheinet es allein dahin gegangen zu seyn/ daß Livia von Sulpitio zur ungebuͤhr persvadi ret woꝛden/ die doch wegen des lebens des vo- rigen Verris nach den principiis der Roͤmischen kirchen nicht heyrathen kon- te/ daruͤber solcher verspruch rescindi ret worden/ aber ohne gebende erlaub- nuͤß zu heyrathen/ vielmehr implicite, daß ihr dieses verboten worden. Und solches ex hypothesi ihrer religion/ und so lang sie dabey war. Von dersel- ben aber abzugehen/ und die sache wie sie in der wahrheit ist anzusehen/ ha- ben wir erkant/ daß deren ehe mit Sulpitio guͤltig gewesen: Ob sie nun schon von diesem durch die folgende ehe gebrochen worden; war gleichwol Livia an solchem bruch durch ihre desertion selbs ursach/ und bleibt ihr also zu rechtmaͤßiger straffe ihrer leichtsinnigkeit das beneficium wieder zu heyra- then billich versaget. Q. 7. Ob Liviæ gefolgter heyrath mit Silano rechtmaͤßig und guͤltig? W Je diese frage/ gleichwie die vierdte/ doppelt ist/ also antworten wir auff derselben ersten theil mit nein/ aus eben dem fundament, weil Li- via die macht nicht gehabt zu heyrathen/ wie wir q. 6. gesehen/ so viel mehr weil ihre damalige Roͤmische religion dergleichen schlechterdings verboten: zugeschweigen/ daß solche ehe noch dazu mit leichtfertigkeit angefangen/ und ferner an denjenigen gesucht worden/ welcher selbs nicht seiner maͤchtig/ son- dern einer andern mit eydlichem verspruch zugethan gewesen: dazu noch kommt/ daß sie mit betruͤglicher verschweigung (abermal wider ihre religi- H h h h ons Das vierdte Capitel. ons principia ) der hinderungen die Copulation von ihrem geistlichen erhal- ten. Daß also solche ehe/ wir sehen sie an/ wie wir immer wollen/ gantz un- rechtmaͤßig/ und mit vielfaͤltiger verletzung des gewissens angefangen wor- den. Was aber das andere stuͤck der frage anlangt/ halte ich gleich wol diese so suͤndlich angefangene ehe vor guͤltig und buͤndig. Dann die hinderung von seiten Silani ist auffgehoben/ durch den heyrath der vorhin von ihm be- trogenen person. Ferner/ Liviæ gebuͤhrte zwahr die straff ohne ferners hey- rathen zu bleiben/ nach dem aber die Obrigkeit solche zu exsequi ren/ oder sie von der heyrath abzuhalten unterlassen/ oder vielmehr des orts/ da die ehe vorgegangen/ nichts davon gewust/ so ist zwahr solche verheyrathung wie wir gehoͤret haben/ suͤndlich/ aber doch das damit gebundene band buͤndig. Die ursachen sind in obiger frage beantwortung mit enthalten. Q. 8. Was dann Silanus und Livia nunmehr zu thun ha- ben? D As erste/ was von denselben erfordert wird/ ist hertzliche erkaͤntnuͤß ihrer ungemeinen/ schwehren und uͤberhaͤufften suͤnden-faͤllen/ welche ihnen ihr gewissen/ wo sie solches redlich pruͤfen wollen/ selbs vor augen stellen wird. Damit aber auch in diesem stuͤck ihnen an die hand gehe/ als will al- lein hier auffzeichnen diejenige/ welche ich aus der relation finde. Silanus hat zu erkennen. I. Seine mit Fulvia (obschon/ so viel ich abnehme/ ohne wis- sen einiges andern menschen) begangene unzucht/ und solches ja nicht als eine geringe suͤnde und peccatillum juventutis anzusehen/ sondern als eine solche suͤnde/ mit welcher er den H. Geist (wofern derselbe nicht ohne das schon mit liebe zu der welt ausgetrieben gewesen) aus seinem hertzen verjaget/ und aus einem tempel GOttes (welcher es seyn solte/ und von seiner tauff an gewe- sen) eine wohnung des boͤsen feindes gemacht/ und also damal schon solchem schandgeist die herrschafft uͤber sich gegeben/ der ihn nach mal in so viel andere suͤnden gestuͤrtzet/ welche alle aus der macht hergekommen/ die er einmal dem satan uͤber sich gegeben. Wie ich dann von solcher zeit an nicht davor halte/ daß Silanus biß auff endlich erfolgte busse den Geist GOttes bey sich gehabt/ sondern immerfort in der suͤnden und des satans gewalt gewesen seye/ ob er wol mag dem gottesdienst beygewohnet/ und des heiligen abendmahls sich gebraucht/ auch dabey ihm betruͤglich/ daß er ein guter Christ seye/ eingebil- det haben. Die ursach/ warum ich also davor halte/ ist diese/ weil er diesen fall nicht mit ernst und auffrichtigkeit bereuet/ sondern so bald/ um ohne zweiffel Fulviam nur zu schweigen/ damit die schande nicht offenbar wuͤrde/ densel- ben mit der andern schwehren todtsuͤnde vermehret/ da er Fulviæ mit einem eyd die ehe auff das kuͤnfftige zugesaget/ und gleichwol/ wie er selbs gestehet/ zu SECTIO XVI. zu halten nie in willens gehabt. Welcher greuliche mißbrauch goͤttlichen nahmens/ und entheiligung des heiligsten bluts unserer erloͤsung/ in derglei- chen meineyd/ so an sich selbs eine schwehre todtsuͤnde ist/ welche den menschen aus goͤttlichem gnaden-stand setzte: zugeschweigen/ daß er noch zu boͤsem en- de/ die eigene schande ungeziemlich zudecken/ und Fulviam zu betriegen/ an- gewendet worden. Und ist gleichwol Silanus immerfort in solcher ohnbereue- ten suͤnde fortgegangen. Denn die entschuldigung vor GOtt nicht gilt/ er habe sich verschworen/ keine andere als sie zu heyrathen/ aber deswegen habe er wollen ledig blei- ben; dann Silanus wissen wird/ oder ja wissen solte/ daß sich mit den eyd- sch wuͤren nicht schertzen/ oder æquivoci ren lasse/ und daß dieselbe in dem ver- stand wie derjenige/ welchem geschworen wird/ die deutliche worte auff- nimmt/ zu verstehen seyen. Da er aber leicht erachtet/ daß Fulvia nicht mit seinem ledig bleiben wuͤrde zu frieden gewesen seyn/ sondern aus solchem schwur den verspruch sie zu nehmen verstanden haben. Und dazu war er vor GOtt gehalten. Daher dieses ein offenbarer meineyd/ daß er deswegen das blut Christi und dessen heilsamen genuß verschwohren in einer sache/ die er niemal begehret zu halten/ sondern leichtfertig allein die andre etwa von ihm verfuͤhrte person zu betriegen/ des eyds gemißbrauchet. Es gilt auch nicht einwenden/ daß wenn er unterdessen zum tisch des HErren gegangen/ oder seinem GOtt gebeichtet/ daß er auch solche suͤnde hertzlich erkant und be- reuet. Denn diejenige reue halte ich billich vor eine heuchel-reue/ da man dasjenige/ womit man sich versuͤndiget/ noch immer will fortsetzen; nun wol- te Silanus noch immerfort seinen meineyd continui ren/ und Fulviam nicht heyrathen/ noch ihr solche schuldige satisfaction leisten. Also daß dieses recht eine nicht nur herrschende/ sondern lang continui rte suͤnde ist. Hiebey sind mir die weitere umstaͤnde nicht bekant/ die aber Silanus bey sich zu erwe- gen/ ob/ wie nicht zweifle/ von ihr/ der Fulvia, auch ein verspruch gegen ihn vorgegangen/ und sie also beyde ein ander verbunden wahrhafftig vor Gott als eheleut gestanden/ er aber durch sein unterlassendes zuschreiben/ (neben dem im hertzen gehabten proposito, sie nur zu eludi ren) sie zu anderwertiger heyrath bewogen/ damit bey ihr eine art des ehebruchs verursachet: J- tem/ ob vielleicht deroselben ehe/ nachdem sie in das ehebett keinen unbe- fleckten leib gebracht/ uͤbel gerathen/ und uneinigkeit entstanden waͤre/ o- der was ihr Fulviæ moͤchte begegnet seyn/ daran er/ Silanus, wo die ursach recht untersuchet wird/ schuldig waͤre. Hierauff folget 3. seine unzuͤchtige liebe/ mit der er aus trieb des schon/ wie bereits an- gemercket/ bey ihm herschenden schandgeistes/ gegen Liviam entbrant/ die eine frucht voriger suͤnden und gleichfals schwehre suͤnde ist/ sonderlich daer H h h h 2 der- Das vierdte Capitel. derselbigen nachgehenget/ und nicht eher nachgelassen/ biß er seine boͤse luͤste ins werck gesetzet. Welche (und zwahr/ so viel ich sehe/ oͤffters wiederholte) schand-that/ nicht nur bloß dahin als eine gemeine hurerey/ die doch schon den menschen aus dem reich GOttes ausschliesset/ sondern fuͤr einen ehe- bruch zu halten/ von beyden theilen. Jn dem Silanus von sich selbs/ wie er Fulviæ verknuͤpfft seye/ und hingegen auch der Liviæ Condition, (die wir droben gesehen/ daß sie nicht habe heyrathen sollen) aus ihrer relation wohl gewust. Und dieses ist abermal eine suͤnde/ die nicht etwa aus einer mensch- lichen uͤbereilung und einmaliger uͤbernehmung des starcken affec ts herge- kommen/ sondern so vielmehr boßheit in sich fasset/ als laͤnger sie continui- ret worden/ und also zeit genug war/ sich daruͤber zu besinnen: Ja auch weil alles solches vor den leuten unter dem falschen schein/ ob waͤren sie eheleute/ verdecket worden. Welche simulation auch nicht geringe suͤnde ist. Zu allem vorigen kom̃t noch 5. daß/ nach dem Silanus, innhalts der re- lation, von GOtt zur busse gebracht worden/ und also diese frucht auch drauf folgen solte/ in allen dingen so viel sorgfaͤltiger zu verfahren/ und immer das gewisseste und sicherste zu erwehlen/ um alle gelegenheit der suͤnden zu ver- meiden/ ich gleichwol sehe/ daß Silanus auch hierinnen solche frucht der busse noch nicht also habe bey sich spuͤhren und sehen lassen/ als die vorige ausge- standene gewissens-angst/ und destomehr schuldige danckbarkeit/ erfordert haͤtte. Jn dem/ da von einem Theologo ihm eine vorhergehende gerichtli- che scheidung Liviæ von Verre; und deßwegen die Citation dieses gerathen worden/ ob wol derselbe mit gewisser condition solche vor nicht nothwendig erachtet (so ich an seinen ort gestellt seyn lasse/ weil ich die formalia nicht ge- sehen/ und also nicht weiß/ ob er das matrimonium so ohne jene scheidung geschehen war/ pro recto oder nur rato gehalten) jener rath/ als aufs we- nigste der sicherste/ zu ergreiffen gewesen waͤre. Jn dem die tranquilli taͤt des gewissens sonderlich von einem/ der mit solcher angst so empfindlich ein- mal bereits behafftet gewesen/ und sich all sein lebtag billig vor solcher be- betruͤbnuͤß seiner seelen mit Hißkia Esa. 38/ 15. haͤtte scheuen sollen/ allen andern/ auff der andern seiten sonsten besorgenden beschwehrden waͤre vor- zu ziehen gewesen. Wie sich auch itzo zeiget/ daß wuͤrcklich das gewissen nicht gnugsam hat befriediget werden koͤnnen/ so aber wuͤrde geschehen seyn/ dafern jenem rath folge geleistet worden. Daher auch dieses/ wie in glei- chen/ daß er zugegeben/ mit einigem betrug des beichtvaters Liviæ die Co- pulation zu erlangen/ nicht ohne suͤnde geschehen koͤnte/ noch geschehen ist. Dieses sind diejenige stuͤcke/ in denen Silanus vornehmlich seine suͤnde bußfer- tig zu erkennen hat. Li- SECTIO XVI. Livia wird ihres orts nicht weniger/ sondern noch vielmehr finden/ als die ich biß auff ihre letzte bekehrung finde/ auf lauter irwegen gegangen zu seyn/ daß ich sie nicht anders an zusehen/ als eine person/ welche bald dem welt-geist/ und also dem boͤsen feind/ macht uͤber ihr hertz gegeben/ und daher auch von demselben an einem strick immer aus einer suͤnde in die andere ge- fuͤhret worden. Wie aber die suͤnde gemeiniglich von einem vor menschen gering scheinenden anfang herkommet/ also finde ich/ daß sie der teuffel zuerst gewonnen/ durch die leider bey der ersten jugend befindliche/ aber um sol- cher ursach willen nicht weniger suͤndliche liebe der welt/ eigener ehr und weltlichen wohlergehens. Jn dem sie an statt/ daß eine christliche jungfrau nach allgemeiner christlicher regul nach nichtes hohes trachten/ sondern so viel ihr muͤglich ist im niedrigen stande zu bleiben trachten/ und ihre einige sorge/ wie sie dem HErrn gefallen moͤge/ und was ihm angehoͤret 1. Cor. 7/ 32. seyn lassen solte/ von solchem sinn gewesen/ daß sie nach vornehmerem stande und ansehen ihre begierde gehabt/ und deßwegen einen Capitain und Werber geheyrathet/ da sie billig haͤtte wissen sollen/ wie bey jetziger krieges- art/ der von fremden geworbenen soldaten/ vielmehr aber solcher werber/ (welche die leute manch mal zu gleich dem boͤsen feind zu fuͤhren als sie sie wer- ben) zustand/ ob zwahr in der welt zimlich angesehen/ doch vor GOTT ein greuel/ und dem Christenthum zu wider seye. Dazu noch kommen/ daß solches ihr ehrsuͤchtiges gemuͤth/ sie eben darinnen zu weiterer suͤnde verfuͤh- ret/ da sie diesem menschen wider ihrer mutter willen (welche aus christlichem gemuͤthe scheinet ein abscheu vor solcher lebensart gehabt zu haben/ dero sie deßwegen auch zu folgen schuldig gewesen waͤre) angehangen/ und dero consens fast endlich erzwungen/ welches abermal eine schwehre suͤnde ist/ und machet/ daß sie der ursach halber alles dasjenige/ was ihr darnach von Ver- re unrecht angethan worden/ nicht als ein von GOtt geschicktes creutz/ son- dern rechtmaͤßige straff ihres weltgesinneten hertzens und ungehorsams an- zusehen hat; hierauff kommet/ daß sie/ als Verres mit ihr nach hause gekom- men/ und sie die sache anders befunden/ als ihr Verres betruͤglich vorgesagt/ sich in solches elend nicht also gedultig geschickt/ wie es einer Christinn/ wel- che erkennet dergleichen verschuldet zu haben/ gebuͤhret haͤtte. Dahero sie nicht ursach gehabt/ Verrem von seinem handwerck/ wie gering auch dasselbe mag gewesen seyn/ abzuhalten/ und hinge- gen zu weitern krieges-diensten anzutreiben. Dann ein handwerck ist je noch christlich; andere aber zu suͤnden zu werden/ und ausser erforderung seiner obrigkeit/ und also rechtmaͤßigem beruff/ nur wie man pflegt zu sagen/ seine fortun zu machen/ dem krieg nach zuziehen/ ist suͤndlich/ und wider das Christenthum; Haͤtte also/ weilen der betrug des Verris, als ein error accidentalis die guͤltigkeit der ehe nicht aufhub/ Livia was standes H h h h 3 sie Das vierdte Capitel. sie auch von ankunfft mag seyn/ eher in solchem geringen handwercksstand verbleiben/ und mit gedult denselben also ansehen sollen/ daß GOTT ihr weltgesinntes/ und nach digni taͤten mit ungehorsam strebendes hertz billig gestraffet habe/ und zur demuth zu ziehen suche/ ansehen sollen/ als daß sie ihn/ zu verlassung seines rechtmaͤßigen berufs/ zu einem unrechtmaͤßigen an- triebe. Ferner fliesset aus eben diesem brunnen/ daß sie nachmal Verrem ihren ehemann verlassen/ wo sie recht ihr gewissen pruͤfen will/ nicht so wol wegen andern uͤbelen tractamen ts/ als vielmehr aus verdruß dieses gerin- gen standes/ in den sie aus gerechter straff GOttes gerathen/ und weilen Verres, der zwahr mit seinem betrug und uͤbriger boßheit nicht entschuldiget wird/ ihr in ihrem begehren nicht folgen wollen; deßwegen sie in ihrem gewis- sen/ als die ursaͤcherinn der gefolgten ehescheidung um ihrer desertion willen sich anzusehen hat. Hierauff folget/ die unter Christen straffbare eigene e- hescheidung/ dadurch sie und Verres sich von einander durch aufgerichteten scheidbrieff wider goͤttliche ordnung/ die keinem menschen solches zu laͤsset/ Matth. 19/ 6. getrennet. Jn solcher scheidung mag sie zwahr vor der welt einige entschuldigung finden/ daß sie so gar unrecht nicht gehabt/ weil sie laut des instrumenti die scheidung nicht begehret; aber wo sie ihr hertz vor GOTT stellet/ wird sie er- kennen die schwehre ihres verbrechens/ indem sie 1. durch ihre desertion. 2. verwegerte ruͤckkehrung in Verris vaterland/ ursach gegeben. 3. Nicht nur gefallen gehabt an dieser scheidung (sihe Rom. 1/ 37. ) sondern 4. dieselbe ac- cepti ret/ nicht aber 5. der Obrigkeit huͤlff dawider angeruffen hat. Deßwe- gen ob schon Verres nachmal an ihr sich mit ehebruch vergriffen/ sie doch sich selbsten also ansehen muß/ daß sie ihn zu solchem ehebruch gereitzet/ und deß- wegen mit schuld daran traͤget/ dazu noch kommet/ daß sie mit dem hinweg- ziehen/ und hinwegbleiben von Verre, solche ihre suͤnde immer weiter conti- nui ret; daher ihr gemuͤth/ wo es recht untersucht wird/ damals also beschaf- fen gewesen/ daß sie eher alle ehliche ordnung GOttes brechen/ und brechen lassen hat wollen/ als in einem niedrigen stande leben/ worein sie aus GOt- tes gerechter verhaͤngnuͤß/ durch eigene schuld gerathen war. Wie nun/ wann ein gemuͤth sich an die welt gehaͤnget/ und angefangen hat/ in der that seines GOttes ordnung/ seinem weltlichen verlangen nachzusetzen/ ja mit unrecht sich seiner straff zu entschuldigen/ GOttes gnade vollends von einem menschen weicht; also ist daraus geschehen/ daß da sie erstlich GOTT verlas- sen/ er sie wiederum verlassen/ daraus sie in die betruͤbliche apostasie gefallen ist/ und damit auch die bekaͤntnuͤß verlohren hat desjenigen glaubens/ den sie durch boͤses leben/ da sie noch bey unserer gemeine war/ bereits aus dem her- tzen verlohren hatte. Auf SECTIO XVI. Auf dieses folgt der schwehre fall/ daß sie wider recht (wie droben q. 3. erwiesen) zu Sulpitii heyrath sich uͤberreden lassen/ solche suͤnde aber fer- ner vermehret/ mit boßhaff t iger des Sulpitii desertion; nach diesem folgen die suͤnden/ die mit Silano begangen/ so wol daß sie demselben eine zeitlang ausser der ehe/ doch unter dem vorwand derselbigen/ unziemlich beygewohnet/ und endlich/ wozu sie wiederum keine macht gehabt (wie q. 6. dargethan) ihn geheyrathet/ auch noch dazu ihren Beicht vater mit betrieglicher general- antwort zu der copulation uͤberredet/ welches alles je nicht vor geringe menschliche fehler/ sondern meistens grobe und schmehre suͤnden-faͤlle zu achten sind/ und ein trauriges exempel geben/ wohin endlich/ wo man das hertz an die welt gehaͤngt/ der satan es bey einem menschen bringen koͤnne. Nun bey allem diesem liget Silano und Liviæ ob/ daß sie beyderseits ihre/ so wol von jeglichem selbs/ als beyden mit einander/ begangenen suͤnden/ und dero schwehre hertzlichen erkennen/ schmertzlichen bereuen/ und mit de- muth GOTT abbitten. Dabey sich danckbarlich erinnerende/ wie groß solche goͤttliche ihnen erwiesene gnade seye/ daß er sie nicht in ihren suͤnden im zorn hingeraffet/ sondern noch zeit und frist zur buß gegeben/ ja von noch schwehrern ferneren suͤnden/ darem sie der teuffel leicht wuͤrde gefuͤhret ha- ben/ wo ihm volle gewalt gegeben gewesen/ noch abgehalten/ auch in ihrem hertzen ein und andermal durch das gewissen/ und krafft seines worts/ ange- klopffet habe. Alle diese so unverdiente gnade/ da GOTT sich mitten in ihren suͤnden ihrer erbarmet/ soll ihnen derselben schwehre so viel beweglicher vor augen stellen/ und ins hertze trucken. Und zwahr ist nicht genug/ daß sie nur einmal ihre suͤnden erkennen/ son- dern da sie schon derselben vergebung erlanget/ ist auch ein stuͤck der nothwen- digen danckbarkeit/ daß sie sich zeitlebens/ derselben mit betruͤbnuͤß erinnern/ und allemal die gnade ihres GOttes uͤber sich so viel hoͤher preisen/ als sie be- finden/ daß dieselbe groß an ihnen gewesen seye: Haben sie also ursach noch vor andern ihr gantzes leben eine staͤtige und taͤgliche busse seyn zu lassen. Zum 2. solte einigen scheinen/ daß ihnen vorzuschlagen waͤre/ ins kuͤnff- tige sich der ehelichen beywohnung gegen einander zu enthalten/ gleichwie zu gewisser zeit eine sonderbare buß betruͤbnuͤß/ und andere vorbereitung zum bußfertigen dienst GOttes/ wir lesen/ daß die eheleute sich einander enthal- ten haben. (Sihe das 2. Buch Mosis 19/ 15. Joel. 2/ 16. ) Daß also auch sie/ als welche ihre busse ihre gantze lebens-zeit durch/ mit so viel mehrerer de- muͤthigung zu continui ren haben/ deßwegen auch solche abstinenz von einan- der/ als ein eusserliches mittel und erinnerung unter ihnen selbsten/ ihrer buß- traurigkeit/ und mißfallens an vorigen/ in hoc genere begangenen suͤnden (wie Das vierdte Capitel. (wie einer/ der sich mit trunckenheit versuͤndiget/ und darinnen einmal sonder- lich GOTT beleidiget/ zu staͤ rcke r erinnerung etwa den wein allerdings oder auf gewisse zeit verschweret) zu gebrauchen haͤtten. Wenn ich aber droben q. 7. erwiesen/ daß ihre ehe gleichwol guͤltig/ so getraue ich ihnen diese buͤrde nicht auffzulegen/ weil sorgen muß/ daß etwa bey einmaliger uͤberschreitung solches vorsatzes mehrere gewissens-scrupel entstehen/ und dem teuffel gelegenheit gegeben werden moͤchte/ sie zu schweh- rern suͤnden zu versuchen. Davon zu sehen Pauli lehr 1. Cor. 7/ 5. bleibe also vielmehr dabey/ daß wo sie sonst mit hertzlicher busse ihres GOttes gnade erlangt/ und ihr ge- wissen gereiniget/ folgends wie ihre ehe guͤltig ist/ also auch der gebrauch der- selben nicht unrein seyn werde/ weil sie rein worden sind/ Tit. 1/ 15. Zum 3. muͤssen sie erkennen/ daß sie schuldig seyen/ nicht nur allein ins kuͤnfftige vor allen suͤnden sorgfaͤltig sich zu huͤten/ sondern mit so viel meh- rerm ernst ins kuͤnfftige GOTT zu dienen/ als sie denselben mit so vielerley suͤnden groͤblich beleidiget. Dann dieses ist aller recht bußfertigen art; da- hin gehoͤret auch/ daß sie den vorsatz nehmen/ wofern bey der Obrigkeit end- lich dasjenige/ was mit ihnen vorgegangen/ bekant werden/ und diese sie deß- wegen zu rede setzen/ auch zur straffe ziehen wolte/ daß sie GOTT die ehre geben/ nichts leugnen/ noch vertuschen/ sondern gedultig ihre straffe ausstehen wolten. So dann weil jeglicher/ der mit andern gesuͤndiget/ wo ihn GOTT wieder bekehrt/ verbunden ist/ darnach zu trachten/ daß auch solcher sein nech- ster wiederum bekehret werde/ so halte ich vonnoͤthen/ daß zum foͤrdersten Livia, wo sie weiß/ daß Verres noch im leben/ und ihm sicher ein brieff zuge- bracht werden kan/ an ihn schreibe/ ihm sein unrecht und ehebruch/ doch auch mit erkaͤntnuͤß ihres eigenen dabey begangenen unrechts/ vorhalte/ und erin- nere/ busse zu thun/ wie ihr dergleichen gnade von GOTT wiederfahren seye. Hiedurch wird Livia finden/ wie mercklich ihr gewissen erleichtert wird wer- den/ das nicht anders als unruhig seyn kan/ wo sie sich erinnert/ wie sie gleich- wol Verri zu seinen suͤnden viel ursache gegeben habe/ und aber nichts hinge- gen wieder gethan/ von ihrer seiten ihn zu bessern. Gleichesfals halte ich Silanum vor verbunden/ wo es ihme muͤglich ist/ durch brieffe Fulviam/ auch der mit ihr begangenen suͤnden zu erinnern/ und zur busse zu vermahnen. Hie- bey aber muß grosse vorsichtigkeit gebraucht werden/ daß wo Fulviæ mann noch lebet/ solcher dessen nicht gewahr/ und sonsten zu gefaͤhrlicher uneinigkeit dadurch anlaß gegeben werde. Dieses waͤren diejenige reguln/ welche ich/ ihnen beyden zu tranquillir ung ihres gewissens nuͤtzlich zu seyn achte/ die auch ich ihnen von hertzen von goͤttlicher gnade durch dessen Geistes krafft/ zusamt vielen fruͤchten ihrer buß/ hertzlichen anwuͤnsche. Q. 9. SECTIO XVI. Q. 9. Ob eine schwehre todt-suͤnde/ heimlich begangen/ nothwen- dig seye/ dem Beicht-vater absonderlich gebeichtet zu werden? Oder/ obs genug/ GOTT dem HErrn alleine solche zu beken- nen und abzubitten? G OTT dem HErrn sind wir schuldig/ unsere suͤnden nicht nur allein ins- gemein/ sondern auch diejenige absonderliche schwehre faͤlle/ die unser ge- wissen aͤngstigen/ zu bekennen/ und bußfertig abzubitten. Sihe Psalm. 32/ 3. 4. 5. Was aber den Prediger anlangt/ wo derselbige uns absolvi ren soll/ muß er wissen/ daß wir auch bußfertig seyen/ das ist/ unsere suͤnden erkennen und bereuen/ welches er nicht anders her/ als aus der beicht und bekaͤntnuͤß/ haben kan. Jst deßwegen freylich auch vor dem Prediger einige bekaͤntnuͤß vonnoͤthen. Daß auch ein beicht-kind/ da es von seinem Beicht-vater/ uͤber eine gewisse sache und that/ die es begangen haben solle/ in GOttes nahmen befragt wuͤrde/ schuldig seye/ GOTT die ehre zu geben/ und mit der beicht frey herauszugehen/ ist gantz richtig; also/ daß im gegenfall/ dasjenige/ was also dem Beicht-vater/ was demselbigen zu wissen noͤthig gewesen/ und er nicht aus fuͤrwitz oder andern fleischlichen ursachen gefragt/ geleugnet wuͤrde/ nicht anders angesehen werden koͤnte/ als waͤre es GOTT selbsten geleug- net/ und wuͤrde also nicht verziehen. Spruͤch. Salomonis 28/ 13. So wuͤr- de auch billich denenjenigen/ welche einig schwehres anligen auf ihrem hertzen haben/ das sie trucket/ gerathen/ daß sie solches ihrem Beicht-vater entdecken moͤgen/ welcher eins theils ihnen mit so viel besserem trost und rath an handen gehen; als auch andern theils folgends so viel sorgfaͤltiger auf sie acht geben/ und fuͤr ihre seele wachen kan. Wie deßwegen auch unser seliger Lutherus in den Catechismum dieses gesetzt/ solche suͤnden absonderlich zu beichten. Wo wir aber von nothwendiger verbindung reden/ sehe ich nicht/ wie wir jemanden blosserdings dahin verbinden koͤnten/ eine suͤnde/ davon dem Beicht-vater allerdings nichts wissend/ und von dero man nicht gefragt wird/ zu beichten. Judem wir hievon in der schrifft keinen austruͤcklichen befehl nicht haben/ ausser welchem aber ich niemanden einige last auffzulegen/ mich unternehmen darff. SECTIO XVII. Von dissolutione sponsalium. D Aß ich auf das erste desselben an mich abgegebene und mir wol gelie- ferte nicht baͤlder geantwortet/ will ich nicht nur meinen geschaͤfften zu- schreiben/ sondern leugne nicht/ daß auch mit fleiß eine weile geschwie- J i i i gen. Das vierdte Capitel. gen. Welches ich in dergleichen faͤllen zu thun pflege/ wo eine sache vor ist/ daruͤber ich meine scrupel habe/ und sie nicht bloß approbi ren kan/ hingegen eines theils die umstaͤnde und gemuͤther dermassen bewandt sehe/ daß ich nach dem was meine meinung ist/ nichts ausrichte/ andern theils mich in meinem gewissen nachmal der sache nicht theilhafftig machen wolte. Wie ich dann diese regel vor die sicherste in denen faͤllen achte/ wo ich nicht durch absonderli- chen meinen beruff mich in ein geschaͤfft noch mehr einzuflechten/ und nicht ausser demselben zu halten/ mich verbunden befinde. Nun ist die damal vor- getragene heyraths-sache also bewandt/ daß 1. ich nicht durch meinen eigenli- chen besondern beruff zu deroselben entscheidung gehalten bin/ da hingegen in den faͤllen/ wo wir nur aus freundlichem vertrauen consuli rt werden/ gnug ist seine hertzens-meinung einmal auffrichtig vorgestellet zu haben. 2. sorge ich einige verletzung des gewissens dabey/ weil mir die sache schwehrer vor- kommet/ und beyden theilen ein nicht geringes daran mag gelegen seyn/ da ich also mit weiterer einmischung/ sonderlich condescendi rung in die mir bedeu- tete resolution (die nicht ohne condemnation der andern parthey approbi ret werden kan/ da aber diese von mir nicht gehoͤret worden) mich leicht mit versuͤndigen koͤnte. 3. Sahe aus der an mich gethanen antwort/ daß man sich von der gefaßten resolution nicht wuͤrde abbringen lassen/ daher weitere remonstration wol einige scrupul machen/ ihren zweck aber doch nicht errei- chen/ und also ohne nutzen seyn wuͤrde. Deßwegen 4. nachdem ich einmal meine gedancken eroͤffnet/ und dadurch eines erbetenen freundes pflicht abge- stattet hatte/ fande das sicherste/ mich aus der sache ferner zu halten/ und GOTT und allerseits gewissen alles zu uͤberlassen/ jenen dabey hertzlich an- ruffende/ daß er alles zu seinen ehren und abwendung so aͤrgernuͤsses als kuͤnfftigen verunruhigung der gewissen selbsten einrichten und regiren wolle/ welches ich dann abzuwarten haͤtte. Jm uͤbrigen bekenne ich/ daß mir mit demjenigen/ was antwortlich regeri ret worden/ nicht eben alle meine scrupel benommen. Jch erklaͤhre mich allein kuͤrtzlich. 1. Einen unterscheid unter sponsalibus und nuptiis bekenne/ aber keine so geringe verbindung der spon- saliorum, daß sie ohne wichtigste ursache sich dissolvi ren liessen. 2. Die con- junctionem corporum halte ich nicht pro forma matrimonii, sondern usu und effectu: Die forma bestehet in dem goͤttlichen fœdere zwischen eheleuten. 3. Was nun solchen bund fest mache/ daß er vollkommen seye/ will ich lieber anderen zu dijudici ren lassen/ als solches selbs auf mich nehmen: Bin auch deßwegen frohe/ daß officii ratione nicht viel mit matrimonialibus zu thun habe/ massen alle solche streit-sachen hie eigenlich vor den magistratum politi- cum gehoͤren/ und wuͤnsche ich in unterschiedenen sachen vielmehr/ daß einige von einander bleiben doͤrften/ alsdaß bey anstehendem gewissen sie von einan- der SECTIO XVIII. der zu sprechen getrauete. Jndessen haͤtte 4. einen ordenlichen richterlichen entscheid vor nothwendig oder je sicherst gehalten: Glaube auch nicht/ daß hie dieses orts ohne denselben die sache fortgegangen waͤre. Jndessen wie die- ses meine meinung waͤre/ arrogi re ich mir doch deßwegen keine herrschafft uͤber die gewissen/ sondern lasse andern frey/ wie sie in ihrem heitzen die sache befinden/ nach solchem liecht zu thun. Wie auch meinen werthen Herrn die- ser sache wegen nicht weiter zu beurtheilen/ aber hinwieder zu fordern habe/ daß mir auch nicht uͤbel genommen werde/ worinnen mich nicht gleicher mei- nung bequemen kan/ sondern hinwieder mein gewissen frey behalten muß. Zu neuer wahl wuͤnsche gleichfals goͤttliche weise und liebreiche fuͤhrung. 1684 . SECTIO XVIII. Casus inhabilitatis uxoris ad consuetudinem conjugalem. A Uf den uͤbersandten casum und darauf gerichtete frage richtig zu ant- worten/ finde ich vonnoͤthen ein und anderes vorher auszusetzen/ oder auszumachen/ so nachmal zu so viel kuͤrtzerer und gruͤndlicher antwort dienlich seyn mag. I. Verstehe ich die facti speciem dahin/ daß bey uxore einena- tuͤrliche inhabili taͤt und unvermoͤgen/ ihrem ehemann die eheliche bey- wohnung zu leisten/ sich befinde. Daß der ehemann sie dessen beschuldi- ge/ stehet klahr in dem uͤberschriebenen. Von ihrer seiten aber scheinet es zwahr noch nicht von ihr bekant zu seyn/ indem sie saget: Jhr voriger mann haͤtte dergleichen und solche dinge/ wie dieser anjetzo exigi re/ und sie nicht præsti ren koͤnne/ nicht an sie gesuchet/ sondern allezeit mit ihrer zucht und schamhafftigkeit sich contenti ret: Und abermal: Daß sie sol- che eheliche satisfaction ihrem manne/ wie er begehre/ nicht geben koͤn- ne/ noch zu geben wisse: Aber in solchem ist noch keine deutliche bekaͤnt- nuͤß ihrer gaͤntzlichen untuͤchtigkeit: Sondern solte vielmehr scheinen/ ob beschuldigte sie den mann/ daß er ihr mehr/ als eheliche zucht und scham- hafftigkeit zuliesse/ zumuthete/ und also sie zwahr einem solchen/ wel- cher sich mit demjenigen/ so ein ehegatte dem andern schuldig/ conten- ti rte/ wol/ diesem aber/ der mehr an sie suche/ dergleichen satisfaction nicht zu geben wisse. Woraus nur zu fliessen scheinete/ daß sie sich nicht zu aller/ aber wol unmaͤßiger/ satisfaction untuͤchtig erkenne. Dabey J i i i 2 ich Das vierdte Capitel. ich mich erinnere/ was bey Thuan. Lib. 41. p. 544. von einem beruͤhmten Fuͤrsten gelesen: Ipsum tam in exhausti ad venereos vsus succi fuisse, ut, cum vxore sola uteretur, \& illa toties eum admittere non posset, vir aliqui castus, quique vagis libidinibus minimè oblectabatur, ex ejus permissu ne- gotio cum pastoribus communicato concubinam unam superinduxerir, cu- jus consvetudine ardore aliquantum perdomito parcius ac moderatius cum uxore versaretur. Wo nun dergleichen solte seyn/ daß sie zu dem ehe- lichen werck nicht untuͤchtig waͤre/ der mann aber ihr uͤber ihr vermoͤgen zu- muthete: wuͤrde gantz anders zu urtheilen seyn/ als vorausgesetzt des ge- gentheils anitzo die sache eroͤrtert wird. Jn deme hingegen diese vermu- thung aufgehoben zu werden/ und daß bey der frauen eine gaͤntzliche unge- schicklichkeit zu dem ehelichen werck sich finde/ dadurch mich versichert halte/ weil dem vorgeben mariti nach die consummatio matrimonii durch eheliche beywohnung noch gar nie erfolget/ woraus zu erkennen/ daß ihr unvermoͤ- gen nicht nur dem immoderato, sondern auch moderato \& casto conjugii u- sui entgegen stehe. II. Wo also diese des weibes inhabili taͤt zu der ehelichen pflicht lei- stung bekant/ so folget so bald/ daß deßwegen diese ehe nicht guͤltig oder jemal eine wahre ehe gewesen/ deßwegen nicht an ein divortium oder eigenliche ehe- scheidung (die da statt hat/ wo die ehe voꝛhin wahꝛhafftig und guͤltig gewesen) gedacht werden darff/ sondern es bestehet solche scheidung allein in der decla- ration des ehe richters/ daß die ehe allezeit null und nichtig gewesen. Wie der seelge Straßburgische Theologus D. Dannhauer. wol saget Hodos. Phæn. 2. p. 136. (94) declaratio ου᾽δενότητος in casu inhabilitatis proprie non est di- vortium, cum privatio supponat habitum, nec dicitur separari, quod nun- quam fuit conjugium. Die sache selbst belangend/ daß nemlich/ wo sich bey ei- nem ehegatten vor der verheyrathung ein solches unvermoͤgen befunden/ deß- wegen es eheliche beywohnung zu leisten nicht tuͤchtig/ auch solchem mangel natuͤrlicher weise nicht geholffen werden kan/ solche ehe vor nichtig geachtet werde/ (in deme der zweck des H. ehestandes mit sich bringet/ daß beyde ein fleisch werden 1. Mos. 2/ 24. Matth. 19/ 6. Und aber solches von sey- ten der untuͤchtigen person mangelt: Weswegen auch dem gesunden theil/ auf sein begehren/ weil er betruͤglich von dem andern hintergangen worden/ und so er solcher inhabili taͤt des andern wissend gewest/ nicht wuͤrde den hey- rath einzugehen begehret haben/ die macht von solchem vermeinten ehe- gatten gesondert zuwerden/ uñ wiederum anderwertlich um nicht gefaͤhrliche brunst zu leyden sich zu verehelichen/ gegeben werden solle) ist dieses eineleh- re/ die bey unserer kirchen durch gehends erkant/ auch darauff allemal gespro- chen wird. Und ist hierinn kein unterscheid unter der impotenz des man- nes SECTIO XVIII. nes und inhabili taͤt des weibes/ sondern die ursachen/ die bey einem sich fin- den/ sind bey dem andern gleichfalß guͤltig. Hiervon moͤgen nach gelesen werden/ die dieses einmuͤthiglich lehren/ und mit schrifftmaͤßigen gruͤnden be- haupten/ von beruͤhmten Theologis Philip. Melanchthon L. de conjug. E- rasmus Sarcerius vom Heil. ehestand P. 3. p. 161. P. 4. p. 262. D. Johan. Ger- hard LL. de conjug. n. 660. Mich. Havemann. Gamolog. L. 3. T. 8. p. 687. D. Casp. Brochmand. system. L. de conjug. c. 4. q. 61. Wo die ehe- consti- tution Koͤnig Friedrichs des II. darzu angezogen wird. D. Balth. Menzer. de conjug. T. Il. oper. 1084. b. D. Hulsemann. Breviar. c. 21. n. 9. ferner von vortrefflichen Juristen Melch. Kling. de caus. matrimon. p. 32. seq. P. Cy- præus de jur. connub. cap. 9. §. 13. n. 39. seq. und D. Bened. Carpzov. Ju- rispr. consist. L. 2. T, II. def. 200. 201. welcher auch exempel angefuͤhret/ da auf diese ursache gesprochen worden. Wobey ich mich eines erinnere/ so we- gen hoheit der personen so viel bekanter/ ob zwahr in der papistischen religion vorgegangen; davon Thuan. L. 104. p. 1118. Margaretha (Alexandri Far- nesiii Ducis Parmensis) filia cum Vincentio Mantuæ Principi nupsisset, quod arctior esset, \& ob id matrimonio inhabilis, solutis nuptiis, in cœno- bium Placentiæ ultro migravit. III. Ob zwahr wegen angezogener inhabili taͤt eine solche vermeinte ehe an sich selbs null und nichtig/ so mag gleichwol um deꝛselben willen/ weder ein theil von dem andern/ wider den willen desselben/ noch auch mit beyderseits bewilligung/ sie beyde wiederum von einander gehen: denn weil die ehe oͤf- fentlich bestaͤtiget/ und von jedermann vor eine wahrhafftige ehe gehalten wird/ hingegen die nullitaͤt derselben anderen nicht kuntbar ist/ so erfordert nicht allein die vermeidung des aͤrgernuͤsses/ daß dergleichen separation, wo sie begehret wird/ durch oberer erkaͤntnuͤß/ die auch in anderer wissenschafft kommet/ geschehe: sondern es koͤnnen beyde in eigener sache nicht richter seyn; um so vielmehr/ weil die ursache nemlich die inhabili taͤt/ gantz gewiß (auff art und weise/ die prudentiæ Judicis uͤberlassen wird/ ob einig juramentum platz habe/ oder ad inspectionem obstetricum zu schreiten seye) erwiesen muß seyn; damit nicht gelegenheit gegeben wuͤrde/ wo ehegatten ein ander aus anderen ursachen muͤde worden waͤren/ unter diesem vorwandt sich selber zu trennen/ und das also an sich guͤltige band einer rechtmaͤßigen ehe wider GOttes ordnung zu zerreissen. Jst also gantz nothwendig/ daß die richter- liche erkaͤntnuͤß und auff dieselbe sich gruͤndender ausspruch vorhergehe/ und dasjenige/ so vorhin von andern billich nicht anders als buͤndig gewe- sen zu seyn erkant werden koͤnte/ unguͤltig declari ret werde. Damit alsdenn solche leute/ dieweil sie nicht als eheleute koͤnnen/ aber auff andere weise nicht wollen/ bey ein ander leben/ ohne boͤsen schein ebebruͤchliger treulosig- J i i i 3 keit Das vierdte Capitel. keit von ein ander bleiben/ und das gesunde theil/ wo es ledig zu bleiben nicht gedencket/ die freyheit anderwertlichen verehlichung geniessen moͤge. So lange aber solche declaratio judicis nicht geschihet/ wird die ehe aͤusserlich als guͤltig erkant/ sie muͤssen auch gegen ein ander sich nicht anders halten/ als waͤren sie wahrhafftige eheleute. Also wo sie gerichtlich die sache nicht be- gehren auszumachen/ sie von ein ander sich nicht trennen doͤrffen/ sondern ausser dem ehebette/ weil es da nicht muͤglich/ doch im uͤbrigen als eheleute/ oder bruͤder und schwestern und vertrauteste freunde/ beysammen zu leben verbunden sind. IV. Was nun mehr den ersten vorschlag betrifft/ ob die beyden eheleu- te ad vitandum majus malum mit der freunde præscitu auff eine zeitlang zur prob sich selbs von ein ander thaͤten/ der mann im absonderlichen zimmer/ als auch die fraue im hauß ihre mahlzeit hielten/ und schlaffstelle suchten/ al- so ein ander nur die staͤtige præsentiam entzoͤgen/ so finde in demselben nichts unrechts oder unzulaͤßiges; nicht zwahr aus diesem fundament, weil ohne das keine buͤndige ehe zwischen ihnen seye/ und also die verpflichtung zu aller art cohabitation sich nicht bey ihnen finde; denn ich anitzo gestanden/ daß biß auff die declarationem judicis sie nicht anders als vor eheleute von an- dern angesehen werden/ und sich auch dem gemaͤß halten muͤssen. Sondern auff diesem in der schrifft befindlichen principio, weil 1. Cor. 7/ 5. der Apo- stel die schuldige beywohnung/ darzu eins dem andern verbunden/ dahin re- stringi ret/ daß er saget: Entziehe sich nicht eins dem andern/ es sey denn aus beyder bewilligung eine zeitlang/ daß ihr zum fasten und beten musse habet/ und kommt wiederum zusammen/ auff daß euch der sa- tan nicht versuche um euer unkeuschheit willen. Woraus wir sehen/ daß auff einige art/ auch bey denen/ die natuͤrlicher weise einander beyzu- wohnen vermoͤgen/ erlaubet seye/ sich einander zu entziehen. Doch 1. daß es geschehe nicht auff immer/ sondern nur eine gewisse zeit/ um wiederum fol- gendes zusammen zu kommen. 2. Mit beyder bewilligung. 3. Zu ehrlicher ursach/ wie daselbs gedacht wird/ um zum fasten und beten musse zu haben. Daher weil in gethanem vorschlag die beyde erste conditiones befindlich/ zweiffele ich nicht/ obschon in dem dritten nicht eben jene ursach sich befindet/ daß doch derselben diese æquivalent seye/ die man hier suchet/ daß durch ei- niger zeit verfliessung/ wo die taͤgliche widrige præsenz, und daher taͤgliche occasion zu zancken und mehrerer verbitterung eine weile verhindert wuͤrde/ die sache dahin gebracht werden moͤchte/ daß nach dem die affecten sich etwas geleget/ die gemuͤther besaͤnfftiget wuͤrden/ daraus/ wo man folgends wie- derum zu sammen kaͤme/ ein friedlicher leben gehofft werden moͤchte. So ist es SECTIO XVIII. es auch eben dasjenige/ was ohne viel bedencken/ oder daß sich jemand dar- an aͤrgere/ taͤglich geschihet/ daß ein ehegatte seiner geschaͤffte wegen/ eine zeitlang verreiset/ und solche zeit kein theil dem andern weder zu tische noch bette beywohnet. Wie nun solches wider die eheliche pflicht nicht streitet/ so sehe ich nicht/ warum nicht eben dergleichen in einem hause solte geschehen koͤnnen/ sonderlich bey denen/ bey welchen der gebrauch des ehebettes oh- ne das unmuͤglich. Dieses einige mag entgegen gehalten werden/ daß sol- ches nicht ohne aͤrgernuͤß geschehen koͤnte/ wo andern kund wuͤrde/ daß dieje- nigen/ die vor eheleute gehalten werden/ von ein ander abgesondert lebeten. Aber solchen einwurff achte nicht mehrers auszurichten/ als daß einstheils solche absonderung nicht auff immer oder etwa gar lange zeit angesehen seyn muͤste/ andern theils solche separation also anzustellen/ wie etwa darzu wol gelegenheit gemacht werden kan/ daß ausser hauses/ und die davon nicht gnugsam wissenschafft haben/ andere dessen nicht gewahr werden: So denn daß in dem uͤbrigen/ ohne was beyder person anlanget/ einer dem andern/ durch die seinige alle treue und pflege inzwischen leisten lasse. Wie nun in diesem vorschlag nichts finde/ das wider das gewissen oder goͤttliche ordnung streitet/ also stehet hingegen zu bedencken/ ob aus diesem vorschlag viel nu- tzen zu erwarten/ und es also ein zulaͤngliches medium seye/ dem malo abzu- helffen. Denn wir haben gehoͤret/ daß die absonderung nicht anders als auff einige zeit angestellet werden koͤnte/ so ist die durch entziehung der præ- sentz verhoffende besaͤnfftigung der gemuͤther sehr zweiffelhafftig/ sonderlich bey der verbitterung/die aus einer ursach koͤmmt/ welche durch solche absen- ti rung nicht auff gehoben wird/ sondern nach als vor bleibet. Hingegen wo man je vor die Obrigkeit kommen muß/ (denn zu der gaͤntzlichen separation ist dero autori taͤt bloß dahin von noͤthen) sehe ich abermal nicht/ was man vor nutzen von solchem interim s-mittel haͤtte oder wie bey jener die sache hie- durch facili tirt werden moͤchte. V. Den andern vorschlag belangende/ daß beyderseits freunde mit den uneinigen eheleuten zusammen traͤten/ die vorige heyraths- pacta cassi rten und quoad temporalia zwischen beyden partheyen auff leben und sterben ei- nen andern vergleich traͤffen/ darauff quoad thorum \& mensam von ein ander blieben/ und alsdenn erst sothaner dissolutionem einem Evangelischen ehegericht mit allen circumstanti en vortruͤgen und um ratification beteten: finden sich in demselben unterschiedliche sachen zu mercken. Von den hey- raths- pacten kan nichts gewisses sagen/ indem solche nicht gesehen: sind aber in denselben diejenige formuln (welche offt mit eingeruͤckt werden/ und aber nicht eigenlich darzu gehoͤren) anzutreffen/ daß sie einander zur ehe nehmen/ alle eheliche liebe und treue einander erweisen sollen ꝛc. so koͤnnen sie solche pacta Das vierdte Capitel. pacta nicht cassi ren/ weil ihnen die dissolutio matrimonii publice confirma- ti nicht zustehet. Begreiffen sie aber bloß dahin gewisse dispositiones uͤber die beyderseits guͤter/ ist mir zwahr so eigentlich nicht wissend/ ob etwa die weltliche rechten einige sonderbare hinderungen setzen moͤchten. Doch finde ich meines orts dergleichen keine/ wie ja offt aus andern ursachen/ zwischen gantz einigen eheleuten/ mit beyder bewilligung die pacta auffgehoben/ und andere dispositiones gemacht werden. Auffs wenigste sehe ich darinnen keine verletzung des gewissens oder einige hinderung auff seiten desselbigen: sondern moͤchte vielleicht gantz gerecht seyn/ daß das weib/ so den mann er- faͤhrt und angesetzt/ diejenige beneficia verliehre/ die sie sonst ex pactis dota- libus haͤtte prætendi ren koͤnnen/ hingegen daß sich denn maritus wiederum derjenigen begebe/ welche ihm von dem weib sonsten gebuͤhret/ da er ihre per- son selbs nicht zu behalten gedencket. Wobey noch dieses zu erinnern/ wo dergleichen neue pacta gemacht wuͤrden/ daß damit gar vorsichtig verfahren werden muͤste: indem man leicht dadurch der folgends suchenden richterli- chen separation eine hinderung setzen moͤchte/ daß eine solche transaction, ex causa impotentiæ dahin gedeutet wuͤrde/ ob waͤre das sonsten dar- aus habende recht nachgelassen/ und agnosci re nach cassi rung der er- sten durch die andere pacta der mann solch sein weib/ deren mangel er weiß/ aufs neue wiederum vor sein eheweib/ wie er ja sie in solchen pactis vor eige- ner separation nicht anders als mit solchem nahmen nennen koͤnte. Was a- ber anlanget/ die darauff von stlbsten vornehmende/ und also ohne vorhaben wiederum zusammen zu kommen anfangende/ separationem quoad tho- rum \& mensam; halte ich dieselbe gantz vor unzulaͤßig und unnuͤtzlich. Unzulaͤßig/ weil damit die eheleute selbs und die freunde in das richter- liche amt greiffen/ und dasjenige decidi ren/ was die Obrigkeit alleine zu decidi ren/ hat/ auch solches wircklich exequiren ante latam sententiam: Unnuͤtzlich/ weil ohneracht dessen alles dasjenige/ was zur gruͤndlichen un- tersuchung der sache gehoͤret/ eben so wol von der Obrigkeit muß erkant/ exa- mini ret und erwogen werden/ was dieselbe zusuchen hat/ wo die sache ihr noch integra uͤbergeben wird. Deßwegen wo man je etwas/ weitlaͤufftigkeit zu vermeiden/ die sache znsammen ziehen wolte/ nicht so wol solches mittel rath- sam scheinet/ als dieses/ daß/ wo einige neue pacta, welches in der eheleute macht allezeit stehen wird/ aufgerichtet/ man so bald die sache einem Evangeli- schen ehe-gerichte mit alsobald geschehender daꝛlegung aller momentorum ex utraque parte und andeutung der erweißthuͤmer/ uͤbergebe/ daß dasselbe nichts anders dabey thue/ als das vorgebrachte/ dessen gewißheit und wich- tigkeit erwege/ und so bald daruͤber spreche. VI. Da- SECTIO XVIII. VI. Daher aus bißher ausgefuͤhrtem die antwort (dero ursach aus obigen erhellet) auff vorgelegte frage dahin faͤllt/ daß ein privatus salva conscientia in diesem casu zwahr zu einiger obbesch riebenen separatione ad tempus und dissolutione pactorum dotalium, nicht aber eventual- tren- nung ehelicher conversatio n und cohabitation, ohne formlichen proceß co- ram judice und genaue ventili rung der motiven, ad evitandum majus ma- lum und weilen mann und weib in petitione divortii einstimmig/ cooperi- ren und sich gebrauchen lassen koͤnnen. Wie aber hierbey dem petito nach meinem vermoͤgen ein genuͤgen ge- than zu haben/ verhoffe: also kan doch nicht umhin/ dabey wegen der perso- nen selbs eine erinnerung zu thun/ wie sie gegenwaͤrtig ihren stand vor GOtt anzusehen haben/ um seiner gnade und segens sich getroͤsten zu koͤnnen. Von seiten des mannes finden sich maͤngel gnug: Er wird beschrieben als ein mann von bekanter morosi taͤt und unertraͤglichkeit/ und also dem es an der gelindigkeit/ sanfftmuth und freundlichkeit/ welche sich bey allen Christen als eigenschafften der liebe/ des glaubens erster frucht/ finden solte/ aller- dings gemangelt. Daher/ was ich mich jetzo zu seinem Christenthum son- sten gutes zu versichern habe/ nicht sehen kan: wol aber mag ich christlich ver- muthen/ daß GOTT in eine dergleichen seinem willen gar nicht gemaͤsse ehe zu gerathen uͤber ihn verhenget habe/ damit er zur erkaͤntnuͤß seiner unart/ und zur brechung seines eigenen willens/ daher zur besserung/ gelangen moͤchte. Solchen goͤttlichen rath solte er billich in acht genommen/ und was derselbe gesucht/ auch platz bey sich gelassen haben/ daß er/ mit so viel mehrer gedult seines weibes so gemuͤths-als leibes-schwachheit tragende/ seinen willen zu brechen (darinnen ein so vornehmes stuͤck unsers Christen- thums bestehet) gelernet/ auch erkant haͤtte/ seine unart bedoͤrffe einer sol- chen artzeney/ und solte er also GOTT gedultig darinnen stille halten. Daß aber an statt solcher gedultiger zu hertzensziehung desjenigen/ was GOTT wolmeinend hiemit bey ihmsuche/ nur taͤgliches zancken/ staͤtiges laͤstern und schmaͤhen/ auch endlich gefaͤhrliche thaͤtlichkeit leyder erfolget/ ist eine an- zeige/ daß solche wolmeinende zuͤchtigung des HErrn an ihme noch biß itzt vergebens abgegangen/ und GOTT den zweck an ihm nicht erhalten habe/ den er gesucht. Bey der frauen findet sich eben dergleichen: indem nicht allein von ihrer auch in voriger ehe gezeigter/ aber von solchem mann gedul- deter und anitzo reassumi rter verdrießlicher unart/ meldung gethan wird: sondern es kommt noch schwehrer schuld darzu auff sie/ daß sie den mann ge- faͤhrlich hintergangen; als die gewust/ oder je wissen koͤnnen und sollen/ daß sie zu ehlicher beywohnung untuͤchtig/ und deswegen mit verschweigung K k k k sol- Das vierdte Capitel. solches mangels keinen mann nehmen sollen. Weswegen/ nachdem sie sich also an demselben schwehrlich versuͤndiget/ sie solche ihres mannes morosi taͤt/ auch excedi rende haͤrtigkeit/ (als zu leyden wohl verdie- net) so viel gedultiger haͤtte tragen/ und mit so viel freundlicher an handgehung in allen uͤbrigen muͤglichen dingen ihres mannes ge- muͤth zu gewinnen haͤtte suchen sollen/ als schwehrer ihr verbrechen war/ damit sie den mann desjenigen beneficii, so er nach goͤttlicher ver- goͤnstigung in der ehe gesucht/ aus ihrer schuld frustri ret hatte: Ob durch ihr gebet und bußfertige demuͤthigung aus GOTTES seegen erfolget waͤre/ daß der mann besaͤnfftiget/ und endlich/ wo sie alle in andern din- gen muͤgliche satisfaction leistete/ mit ihrem natuͤrlichen gebrechen gedult zu haben bewogen worden waͤre: An statt dessen aber vermuthe ich vielmehr/ daß die unlust zur haußhaltung und sonst fast nie erhoͤrte unform nur im- mer bey ihr zu genommen/ und da sie mit erkaͤntnuͤß ihres unrechts ihm entge- gen zu gehen/ und demuͤthig ihn zu beguͤtigen schuldig gewesen/ sie mit wi- der wertigkeit seinen zorn mehr gereitzt/ mit traduci rung und gehaͤßiger her- ausstreichung seiner impetuosi taͤt seiner nicht geschohnet/ und also viele schuld auff sich gehauffet: Hingegen schnur stracks gegen dasjenige/ was ihre christliche pflicht von ihr erforderte/ gethan/ und also auch ihrer seits den goͤttlichen rath in dieser sache bey sich zu nichte gemacht habe. Jn solcher be- wandnuͤß/ die einmal bey wahren Christen sich nicht finden solle noch findet/ stehen beyde gemuͤther/ so viel aus der specie facti zu sehen. Deßwegen auch vor aͤnderung derselben und bußfertiger erkaͤntnuͤß/ solcher beyderseits be- gangener suͤnden ich ihnen/ sie greiffen die sache an/ wie sie wollen/ (ob zwahr oben gewiesen/ wie sich sonderlich der mann seines rechts gegen dem weibe gebrauchen koͤnte/) doch wenig goͤttlichen seegen zu versprechen getraue- Solten aber die gemuͤther erstlich von den freunden/ (die hierauf aus christ- licher liebe vor allen zu sehen/ und das geistliche beste derselben nicht weniger als dero leiblichen wohlstand zu befordern haben) oder wer solches zu thun vermoͤchte/ dahin gebracht werden/ daß sie rechtschaffen bußfertig beyder- seits ihre fehle und unrecht erkenneten/ und gedaͤchten/ daß bißheriges ihr verdrießliches leben sie ihnen selbs/ und eins dem andern/ gemacht/ hinge- gen daß GOtt dabey gleichwol/ um sie beyderseits zu bessern/ seine hand ge- habt habe/ und noch habe; auch deßwegen daß sich keines alleine uͤber den andern/ sondern vornehmlich uͤber sich/ zu beklagen habe: so waͤre der aller- beste grund geleget. Denn dadurch wuͤrde jedes theil bey erkuͤntnuͤß seines mangels/ die bey dem andern befindliche gebrechen so viel geringer schaͤtzen/ und so viel leichter vergeben. Da hoffe ich solte ferner bey dem weibe diese er- SECTIO XVIII. erkaͤntnuͤß zu wege bringen/ (ohne welches zu thun/ ich auch nicht sehe/ wie sie goͤttlicher gnade faͤhig oder eine wahre Christin seye.) daß sie solche ihre schwehre beleydigung dem mann de muͤthig abbittete/ und sich darzu erboͤte/ so viel gehorsamer ins kuͤnfftige/ in demjenigen/ wo es ihr muͤglich ist/ allen seinen willen zu erfuͤllen/ damit er bewogen wuͤrde/ mit ihrer natuͤrlichen schwachheit gedult zu tragen. Dieses will durchaus die christliche pflicht von dem weibe erfordern; so denn daß sie/ wo der mann auf die separation zu tringen fortfuͤhre/ sie dem obrigkeitlichen spruch sich gedultig submitti re. Was aber den mann anlanget/ stehe ich im guten vertrauen/ wenn auch nur solche erkaͤntnuͤß recht bey ihme zu wegen gebracht/ und das hertz darzu be- wogen werden solte (welches abermal sein Christenthum von ihm haben will) daß gleichfals die resolution en sich ziemlich aͤndern solten. Er ist ein mann von den jahren/ bey welchen nicht so leicht periculum ustionis zu sor- gen/ sondern der mit gebrauch der ordentlichen mittel/ gebets/ fastens/ und dergleichen/ wol in staͤtiger continentia sein uͤbriges leben zubringen koͤnte. Wo sie nun sich erstlich gegen ihm anders als bißher anstellete/ waͤre ihm christlich zu rathen/ er verzeihete ihr ihren mangel/ nicht nur wie er als ein Christ nothwendig thun muß/ anund vor sich selbst/ sondern auch (zu wel- chem er nicht bloß dahin verbunden ist/ und ich in dem fall sie sich nicht anders einstellete/ auch nicht riethe) mit dem effect, daß er ohnerachtet ihres natuͤr- lichen gebrauchs mit ihr seine uͤbrige lebens zeit zu zubringen sich resolvir te/ und sie also behielte non ut conjugem sed ut sororem, wie dorten die geist- lichen rechte davon reden. Hiermit wuͤrde er viel guts auf sein und ihrer seyten stifften/ zu staͤtiger uͤbung vieler christlicher tugenden taͤgliche gelegen- heit haben/ hingegen unterschiedlichem aͤrgernuͤß vorkommen. So wuͤrde auch die liebe/ die er aufs neue gegen diejenige/ die ihn beleidiget hatte/ ge- schoͤpffet/ solch leben/ welches ihm anitzo vor gar zu unertraͤglich vorkommen moͤchte/ viel erleichtern/ dabey er auch an goͤttlicher gnade und seegen/ ver- mittels derer ihme diese continuation nicht schaͤdlich seyn wird/ nicht zu zweiffeln haͤtte. Solte aber das weib auf ihrem hartnaͤckigem kopffe blei- ben/ selbst aus verdruß des mannes (darzu sie gar nicht ursach hat) die sepa- ration urgir en/ und also sorge seyn/ daß kuͤnfftiges leben nicht ruhiger wuͤrde werden/ als das vorige gewesen/ oder der mann bey sich befinden/ daß er dieses von GOtt gegoͤnneten mittels sein leben keusch zu fuͤhren allerdings bedoͤrffte/ so ist er in seinem gewissen nicht gebunden/ sondern nach dem er seiner seits dasjenige/ worinn er gefehlet/ hertzlich erkant und so viel an ihm ist/ gethan hat/ mag er in GOttes nahmen die obrigkeitliche huͤlffe suchen/ die separationem ex declaratione nullitatis begehren und erhalten/ und er K k k k 2 blei- Das vierdte Capitel. bleibe ferner ledig/ oder wo er anders wiederum heyrathen solte/ im uͤbrigen gantzen leben an sich sehen lassen/ daß er in dieser schul/ darein ihn GOTT kommen lassen/ ob schon nicht bald/ doch zu letzt gelernet habe/ die affecten und sich selbst zu zaͤhmen/ und ein gantz ander mensch zu werden. Der ge- treue GOtt regiere alle hertzen/ und schicke es in aller dieser sache/ also wie er es zu seinen heiligen ehren/ abwendung alles aͤrgernuͤsses von der kirchen/ und befoͤrderung dieser leute/ auch der ihrigen/ zeitlich und ewigen heils befoͤrderlich zu seyn erkennet. SECTIO XIX. Von straff eines ehebruchs mit einer ledigen per- son begangen. E S laͤsset sich vorgelegte frage nicht wol decidi ren/ es seyen dann zum foͤrdristen diese zwo fragen vorher ausgemacht. 1. Ob die straffe der ehebrecher/ so 3. Mos. 20/ 10. 5. Mos. 22/ 22. in der juͤdischen policey von GOTT angeordnet worden/ uns noch heut zu tage verbinde/ daß nothwendig nach der- selben geurtheilt werden muͤsse? B Ey dieser frag meine einfaͤltige meinung/ dabey verstaͤndigern nicht vorzugreiffen gedencke/ vorzulegen/ so gestehe ich gern/ 1. daß ich solche lebens-straff/ die in dem gesetz Mosis ehebrechern und ehebreche- rinnen gesetzt/ an sich nicht allzuscharff/ oder der in dem Neuen Testa- ment von uns erforderenden lindigkeit/ entgegen zu seyn achte/ worin- nen gern Herrn D. Brochmann Syst. Theol. T. 2. de Lege cap. 13. q. 4. da er dieses erweiset und die einwuͤrffe beantwortet/ beypflichte. Da- her 2. eine christliche Obrigkeit wol befugt ist/ solches gesetz auch ihres orts einzufuͤhren/ wie aus christlicher freyheit auch etwan andere Mo- saische gesetze anzunehmen erlaubt ist. Aber 3. halte ich nicht davor/ daß eine christliche Obrigkeit gehalten seye/ nothwendig den ehebruch nach solchem rigore abzustraffen/ und darinnen von denjenigen straffen/ die sonsten in weltlichen rechten auf dieses laster gesetzt/ abzugehen. Die ursach meiner meinung bestehet darinnen/ weil dieses gesetz zu dem lege forensi oder weltlichen juͤdischen gesetz gehoͤret/ welches gleichwie es von GOTT allein dem juͤdischen volck gegeben ist/ also auch andere ohne frey- SECTIO XIX. freywillige annehmung nicht verbindet/ und nunmehr durch Christi zu- kunfft/ endlich auch des juͤdischen gemeinen wesens untergang/ auch auff- gehoben worden. Und ob zwahr moͤchte angefuͤhret werden/ daß ein unterscheid zu machen/ unter denjenigen Mosaischen gesetzen/ welche bloß dahin auf die juͤdische republic ihre absicht gehabt/ und dann den- jenigen/ welche sich auf das zucht-gesetz der zehen gebot beziehen/ zum exempel dieses von straff der ehebrecher/ welches laster das sechste gebot verdammet: So finde ich doch solchen unterscheid/ der in dem uͤbrigen an seinem ort beruhet/ und sonsten seinen nutzen haben mag/ nicht so bewandt/ daß derentwegen die straffe eines solchen lasters muͤste noth- tringlich nach der satzung Mosis gerichtet seyn. Weilen insgesamt die zehen gebot einige weltliche straffen der suͤnden/ so sie verbieten/ nicht bestimmen/ vielmehr denen menschen allein den goͤttlichen zorn und dar- aus fliessende straffen nur insgemein antrohen. Daher die bestimmung der straffen aus anderwertlichen satzungen herzunehmen ist. Warum ich auch nicht sehe/ daß wir einiges lasters straff also von GOTT bestimmt haben/ daß davon nicht abgetreten/ oder dieselbe geaͤndert werden moͤch- te/ als die straffe des todtschlags/ welche daß sie capital seyn solle/ ich nicht so wol aus dem Mosaischen policey-gesetz herziehe/ noch auch weil das laster in dem fuͤnfften gebot verboten seye/ als daraus/ weil GOtt solche straffe selbs dicti rt/ 1. Mos. 9. und solches gesetz allen nachkoͤmlin- gen Noaͤ/ unter die wir alle gehoͤren/ gegeben. Weswegen auch in kei- nes menschen macht und hand stehet/ einen schuldigen todtschlaͤger an- ders zu straffen. Alle uͤbrige laster haben ihre absonderliche straffen nir- gend auf solche weise ausgetruckt/ daß wir schliessen koͤnten/ daß nach denselben nothwendig muͤste gerichtet werden. Unterdessen dienen solche Mosaische straffen dazu/ daß wo zum exempel GOTT lebens-straff hat dicti ren lassen/ wir daraus erkennen/ daß solches laster so schwehr seye/ daß demjenigen/ der es begangen/ nicht unrecht geschehe/ wo er an dem leben abgestrafft wuͤrde: So dann daß christliche Obrigkeiten/ in dero macht stehet/ selds gesetze zu machen/ und sie nicht allein von einem hoͤ- hern annehmen muͤssen/ nicht unrecht thun/ daß sie gegen dergleichen laster/ sonderlich wo sie etwa mehr uͤberhand nehmen/ solche Mosaische straffen einfuͤhren/ und vornemlich wo sonderbare umstaͤnde dazu kom- men/ dieselbe also exequiren lassen. Weiter sehe ich nicht/ wie man mit bestand die Mosaische straffen extendi ren oder andern auffbuͤrden wolte. K k k k 3 2. Ob Das vierdte Capitel. 2. Ob die straffe/ welche in besagten orten den ehebrechern ge- setzt/ allein den fall betreffe/ da das laster mit einer verhey- ratheten weibs-person veruͤbet wird/ oder auch mit einer ledigen/ von einem verheyratheten? H Je ist wiederum die frage nicht/ ob die fleischliche unehliche vermi- schung/ eines verheyratheten mit einer ledigen weibs-person/ wahr- hafftig ein ehebruch zu nennen und zu halten seye. Welches wir gern mit gesamten unsern Theologis bejahen/ und also den ehemann seinem weib aus 1. Cor. 7. so wol zu haltung schuldiger treue/ als sie ihme/ verpflichtet/ daher die verletzung derselben vor einen eigenlichen und schwehren ehebruch erkennen. Aber die frage ist/ ob solcher ehebruch mit einer ledigen person in dem Mosaischen gesetz auch mit dem todt gestrafft worden seye. Darauf halte mit nein zu antworten. Denn 1. die worte 3. Mos. 20/ 10. 5. Mos. 22/ 22. stehen klahr. Und 2. in der repetition werden sie nichts geaͤndert. 3. 2. Mos. 22/ 16. 5. Mos. 22/ 28. wird die todes-straff nicht auffgesetzt demjenigen/ der eine jungfrau deschlaffen/ ohne restriction, ob er seiner seits verehelicht oder ledig gewesen. (Man sehe auch 3. Mos. 19/ 20. ) 4. Laͤßt sich nicht bloß à paritate argumen- ti ren/ weil viele ursachen sind/ warum dem weisesten gesetz-geber beliebt hat/ den ehebruch mit einer verehlichten haͤrter als einen andern zu straf- fen. Wie wir sehen/ daß GOTT in dem Alten Testament wol zugese- hen/ daß ein mann mehrere weiber haͤtte/ niemal aber/ daß einem weib mehrere maͤnner zugelassen worden waͤren/ ob wol sein gesetz von beyden seiten/ daß ein weib so wol ihren eigenen mann/ als ein mann sein eigen weib habe/ erfordert. Vorausgesetzt dessen sehe ich nicht/ wie des ehebruchs wegen noth- wendig um des Mosaischen gesetzes willen diesem reo die lebens-straff angethan werden muͤste/ sondern lasse es gern dabey bewenden/ was aus den weltlichen gesetzen/ welche das Evangelium mit der gantzen policey nicht auffhebet/ die Herren Juristen werden decerni ren/ oder bereits de- cerni rt haben. 1. Weil auch nicht lege Mosaica diesem casui die lebens- straff auffgesetzt gewest. 2. Wo schon solches waͤre/ es uns nicht bloß dahin obligi rte. 3. So kommt dazu die versoͤhnlichkeit und fuͤrbitte sei- nes SECTIO XIX. nes eheweibs/ welche auch bey denen/ da speciali lege der ehebruch ca- pital ist/ die ordentliche straff mildert. Welches Carpz. Jurispr. Con- sist. L. 2. T. 12. d. 221. n. 7. jus notissimum nennet/ und mehrere auto- res anzeucht. Weil aber uͤber den ehebruch noch dazu kommt digamia, mit wel- cher sich reus, so viel an ihm ist/ vergriffen/ so waͤre auch von derselbi- gen zu gedencken/ daß etwa deswegen reus capitali pœna zu belegen. Gleichwie wir aber in diesem paß kein gewisse ausgetruckte legem divi- nam finden/ ohne daß solches laster zu dem ehebruch zu ziehen/ und demselben gleich zu schaͤtzen ist/ also lasse ich es auch wieder hierinn da- bey beruhen/ was gewissenhaffte Juristen aus den weltlichen gesetzen/ welche hierinn die norma bleiben und seyn sollen/ vor eine straffe dicti- ren werden. Vernehme zwahr/ daß gemeiniglich ex constit. Carolina die todes-straff zuerkant werde/ die ich auch/ wo sie ex lege supremæ potestatis kommt/ wie bey dem ehebruch/ nicht unbillich achte: gleichwol halte bey diesem casu wohl zu erwegen/ daß die digamia zwahr von reo gesucht/ auch so viel an ihm war/ sonderlich mit erfolgter sleischlicher vermischung/ ad- impli ret, aber weil jedoch wider seinen willen aus andern hindernuͤssen die ehe nicht allerdings vollzogen/ sondern die solennia zuruͤck gehalten worden; so halte davor/ daß er damit in foro conscientiæ und vor GOtt nicht entschuldigt/ sondern seine suͤnde nicht wol geringer seye/ als wo alles nach sonst gewoͤhnlicher ordnung waͤre vollstrecket worden; was a- ber forum externum, dahin die straffen gehoͤren/ betrifft/ so stehe sehre an/ ob in demselben der conatus auch ad extremum usque so hoch pœna ordinaria gestrafft werden moͤge/ als scelus perpetratum, bey dem uͤber an- dre schuld durch die priesterliche copulation auch der nahme Gottes so straff- bar mißbraucht uñ profani rt worden waͤre/ gleich wie auch in andern lastern/ bey todtschlag/ diebstahl und dergleichen das vornehmen/ und unterstehen derselben zwahr hoͤchlich/ aber doch nicht mit der ordenlichen des vollbrach- ten lasters straff/ pfleget abgestraffet zu werden. Jnsgesamt zweiffle nicht/ daß in allen diesen dingen das urtheil/ welche straffe diesem und jenem Das vierdte Capitel. jenem laster gebuͤhre/ denen Juristen/ als aus derer principio domestico sie hergefuͤhret werden/ nicht aber den Theologis (ohne was die straffe des todtschlags betrifft/ und daß sie bey zunehmenden suͤnden deroselben ernstere abstraffung/ auch daß solche straffen seyn moͤgen/ die gnugsam seyen/ die laster zu cohibi ren/ wol treiben moͤgen) gehoͤre: daher auch ge- stehe/ daß mit der decision einiger straffe als einer frembden sache mich nicht gern beladen liesse. Hingegen mag ein christlicher Herr und Obrig- keit mit gutem gewissen dabey bleiben/ was von Juristen aus den weltlichen rechten in dieser sache geschlossen und gespro- chen wird. 167... Das Das Fuͤnffte Capitel. PARÆNETICA und PA- RACLETICA: Auffmunterung- und trost-schreiben. ARTICUL . I. Auffmunterung- und vermahnungs-schreiben. SECTIO . 1. Auffmunterung an eine standes-person. 2. An einen Fuͤrsten bey antritt seiner regierung. 3. Auffmunterung an eine Fuͤrstliche person/ zu abreissung von der welt-lust und darzu erforderte gewalt. 4. Auffmunterung an eine hohe standes-person. 5. Auffmunterung an eine Fuͤrstliche person/ sonderlich zu betrachtung der guͤter der seeligkeit im reich der gnaden. 6. An eine Fuͤrstinn: Das vornehmste mittel einen menschen von der welt eitelkeit und dero liebe abzuziehen aus dem Evangelio die betrachtung goͤttlicher wohlthaten. 7. An die vorige Fuͤrstinn. Von dem zustand derer/ welchen es an erbaulichem um- gang mangelt; ihre pflicht und trost. 8. Als obige Fuͤrstinn oder Princeßin auch Fuͤrstlich verheyrathet wurde zur auff- munterung. 9. Auffmunterung an eine Christliche Princeßin. 10. Auffmunterung an einige Graͤfliche Fraͤulein. 11. An eine Fuͤrstliche person bey antritt eines recommendirten Hof-Predigers. 12. Auffmunterung an eine schwehr gefallene standes-person. 13. Auffmunterungs-schreiben. 14. Christliche auffmunterung. 15. Christliche auffmunterung an eine Adeliche Jungfrau. 16. Auffmunterungs-schreiben zu ernstlicher fortsetzung des Christenthums. 17. Auffmunterung an eine Adeliche Frau/ die GOtt samt ihrem Herrn aus der welt zu sich gezogen hatte. Gefahr und pflicht unserer zeit. 18. Aufmunterung an eine Christliche Frau. Der H. Geist der rechte lehrer. Hand- lung Goͤttl. Worts. Wachen. Beten; auch fuͤr andere. L l l l 19. Auff- Das fuͤnffte Capitel. 19. Aufmunterung an eine Jungfrau/ die GOtt kraͤfftig zur busse ruffete. 20. Summa des Christenthums/ bußfertige erkaͤntnuͤß der suͤnden/ glaͤubige er- greiffung der seeligkeit/ und daraus entstehende kindliche gehorsam. 21. Vermahnung vornemlich auf dem weg des Evangelii einherzugehen. Wie man sich gegen die reformirte zubezeugen. 22. Auffmunterung an einen im ledigen stand und ausser amts lebenden: was der- selbe zu thun habe. 23. Auffmunterung an eine unter schwehrer haußhaltung stehende wittwe. 24. Auffmunterung an zwey in Franckfurth hinterlassene adeliche eheleute/ zur be- staͤndigkeit im guten und verwahrung vor anstoß. 25. Vermahnung-schreiben an eine frau/ die zum papstum getreten/ aber mit der ruͤckkehr wieder umgieng. 26. An eben dieselbe von gleicher materie. 27. Treuhertzige vermahnung an einen aus dem papstum bekehrten/ der lang un- ordig gewandelt. SECTIO I. Aufmunterung an eine stands-person. E. Gn. gottseliges schreiben habe mit hertzlicher freude empfangen und gelesen. Jch dancke dem Vater des liechts und geber aller guten gaben/ der seine gnade in so reicher maaß uͤber sie hat ausgeschuͤttet/ daß sie erkennet ihre unvollkommenheit/ des creutzes vortrefflichen nutzen/ und den vorzug des einig nothwendigen vor allem zeitlichen: dessen allen neues zeugniß aus E. Gn. schreiben erkannt habe. Es ist freylich an deme/ daß ob wir wol das wollen aus goͤttlicher gnade aufeichtig und hertzlich haben/ sich gleichwol unsere gebrechen und unvollkommenheit niemand mehr als uns selbsten offenbahret/ also/ daß da wir unser liecht vor den menschen in einfalt des hertzens leuchten lassen/ wir dabey immer noch diese und jene schwach- heit/ welche andere an uns nicht wahrnehmen/ erkennen lernen. Dann wo es dunckel ist/ sihet man nichts/ was nicht gar groß und grob ist/ also auch ehe wit durch das wahre und helle liecht des Geistes erleuchtet werden/ werden wir keiner andern suͤnden an uns gewahr/ als derjenigen/ welche gantz handgreifflich sind; je mehr aber das goͤttliche liecht bey uns aufgehet/ und dessen schein zunimmet/ je mehr lernen wir auch diejenigen unvollkommenheiten an uns beobachten/ die wir vorhin nicht gemercket/ vielweniger andere an uns haben sehen koͤnnen; ja oͤffters dieselbe vor lob-wuͤrdig geachtet. Jst also ein stattliches zeugniß der redlichen aufrichtigkeit und zunahm in der gnade GOttes/ wann wir/ ob wir wol nach der vollkommenheit streben/ auch einigen grad derselbigen erreichet haben/ gleichwol mit ARTIC . I. SECTIO I. mit Paulo erkennen/ nicht daß wir schon vollkommen seyn/ sondern dem- selben nachjagen/ und bestreben/ daß wirs ergreiffen moͤgen: sehen also nicht sowohl auf dasjenige was wir bereits erlanget und zuruͤck gelegt haben; (ohne allein daß wir unserm lieben Vater auch vor solche seine gnade dancken;) als auf dasjenige/ was uns noch mangelt/ umb uns je mehr und mehr mit hertzlichem eiffer zu bemuͤhen/ immer weiter fortzufahren und dem vorgesteckten ziel naͤher zu wer- den. Nicht weniger gutes zeugniß einer bereits reichlich erlangten gnade ist die wahrhafftige erkaͤntnuͤß des grossen nutzens des lieben creutzes/ wo wir anfangen dasselbe nicht nur allein als eine nothwendige plage anzusehen/ sondern vor eine grosse wohlthat zuerkennen/ und dem lieben Vater dafuͤr zu dancken: da spuͤren wir die friedsame frucht der gerechtigkeit/ ( Hebr. 12, II. ) wo wir dadurch geuͤbet seyn/ ob wol erstlich die zuͤchtigung nicht freude sondern trau- rigkeit zu seyn geschienen hatte. Und doch wol deme/ welcher das cr eu tz nunmehr mit solchen augen anzusehen vermag/ die nicht mehr fleischlich sondern geistlich sind! Es ist in unserm gantzen Christenthum ein staͤter kam pff zwischen geist und fleisch/ die meiste krafft aber des fleisches/ damit solch es den geist bestrei- tet/ bestehet in dem eigenen willen/ welchen zu daͤmpffen und unter den gehorsam des goͤttlichen willens zu bringen/ unsere meiste arbeit ist. Nun hat unser eigne wille keine trefflichere nahrung/ als wo es ihm nach seinem belieben ergehet/ da- mit erstarcket er immmer mehr/ und mochte leicht dem schwachen geist bey uns zu starck werden. Auf daß nun solches nicht geschehe/ nimmet GOtt solchem eignen willen gleichsam sein futter hinweg/ und mortifici ret ihn mit allerhand wider- waͤrtigkeiten/ damit aber hilffet er uns/ damit uns darnach leichter werde/ einen solchen geschwaͤchten feind so viel gewisser zu uͤberwinden. Weiln dann nun E. Gn. selbs in eigener erfahrung solches bey sich finden/ daß sie ursach haben fuͤr das creutz ihrem allerguͤtigsten GOtt demuͤthigst zu dancken/ und seinen trost mit- ten in dem truͤbsaal empfunden zu ruͤhmen/ so hat sie daran ein unfehlbar kennzei- chen der kraͤfftigen gnade ihres GOttes/ welcher sie schon so viel geuͤbet/ und in solcher uͤbung so vieles lernen lassen. Eben solches kennzeichen leuchtet ferner heraus aus der hochhaltung des einigen nothwendigen/ da E. Gn. bezeuget/ daß ihre einige sorge/ daß sie samt ihrem hochgeliebten HErrn dem grossen GOTT wohlgefaͤllig moͤgen einhergehen/ und der seelen heil erhalten/ in dem uͤbrigen alles andere/ als das gering geachtete/ dessen heiligen rath und freyer disposition, uͤberlassende. Und so soll es auch seyn. Jndem die welt mit allem/ was darin- nen ist/ und also was wir in zeitlichem haben oder verlangen moͤgen/ vergehet/ oder auch wir dieselbe verlassen muͤssen/ mit allem dem/ was wir darinnen genossen/ al- lein aber derjenige bleibet in ewigkeit/ der den willen GOttes thut. Welche be- trachtung uns gantz andere gedancken von allem demjenigen macht/ wornach doch L l l l 2 die Das fuͤnffte Capitel. die gantze welt mit sorgen/ lauffen/ und rennen sich bemuͤhet/ und damit sie nur solchen schein erhalte/ die wahre guͤter thoͤrlicht fahren laͤsset. Daher freylich auch die- ses ein liebes zeugniß ist/ der andern geburt aus GOtt/ da wir nunmehr/ was die wahre oder falsch-genannte guͤter seyn/ was die seele vergnuͤge/ oder nur dero unruhe vermehren moͤge/ was unserer sorge werth oder nicht werth sey/ wahrhaff- tig/ und zwahr mit solchem nachtruck erkennen/ daß wir sobald auch die einig wahre guͤter anfangen zu lieben/ und nicht mehr durch jene eingebildete uns bethoͤ- ren lassen wollen. Jn allem solchem siehet E. Gn. daß sie ihr liebreichster Va- ter mit seinem Geist bißhero auf den rechten weg geleitet/ und darauf weit sortge- suͤhret hat/ dessen treuester handleitung sie sich auch willig ferner uͤberlassen wird/ umb taͤglich fortzufahren und dem vorgesteckten ziel naͤher zutreten/ in mehr und mehr fortsetzendem kampff gegen die noch uͤbrige und verborgene luͤsten des alten A te ms/ und eiffrigem wachsthum in erkaͤntnuͤß und liebe des so guͤtigsten GOt- tes/ wo lzu uns nichts kraͤfftiger und inniglicher antreiben kan/ als die betrachtung der so unzehl bar en wohlthaten unsers himmlischen Vaters/ die er uns in seinem liebsten Sohn erw iese n/ und noch taͤglich erweiset/ aus welcher freudigen liebe vielmehr als aus des gesetz e s zwang aller gehorsam bey uns/ soll er anders als kindlich dem Vater gefallen/ h er ommen muß. Dabey E. Gn. ungezweiffelt sich versichern kan/ daß derjenige getreu sey/ der sie beruffen hat zu der ge- meinschafft seines Sohns JEsu Christi. Er werde sie daher in nichts verlassen oder versaͤumen/ sondern allezeit das maaß des Geistes verleihen/ so ihnen noͤthig ist: ja auch die freude geben/ daß sie sehen neben sich die hoch-geliebte ihrige in der erkaͤntnuͤß ihres GOttes und wahren gottseligkeit zunehmen: welches ie die allergroͤsseste freude ist/ so einem frommen Christen begegnen kan/ andere neben sich in der seligen gemeinschafft der himmlischen guͤter zu sehen/ sonderlich diejenigen/ die uns auch dem fleisch nach naͤher zugethan sind/ und da also eine natuͤrliche zartere liebe gegen sie uns angebohren ist. Dann da seynd wir ver- sichert/ daß solches band der gemeinschafft und liebe gegen solche seelen ewig waͤh- ret/ da hingegen alles andere/ wie genau es gewesen/ dermaleins zerbrechen muß. wie vergnuͤglich ist es dann/ an solchen lieben leuten dasjenige sehen/ daran wir versichert seynd/ daß wir in ihrer gemeinschafft immer bleiben/ und mit ihnen eine herrliche erbschafft und glorie ewig geniessen sollen. SECTIO II . An einen Fuͤrsten bey antritt seiner regierung. N Achdem nunmehr dureh diesen todes-fall die schwehre regierungs-last auf E. Hochfuͤrstl. Durchl. in Goͤttl. ordnung gefallen/ und Sie dazu beruffen ist/ so gehet noch ferner mein inbruͤnstiges gebet zu dem grossen Herrscher uͤber alles dahin: daß/ wie durch seine weißheit die Fuͤrsten und ARTIC . I. SECTIO II . und alle regenten auff erden herrschen/ er auch dieselbe in reicher maaß von seinem hohen himmels-thron uͤber sie ausgiessen wolle. Er gebe in sie den Geist der gnaden und des gebets/ darinn sie taͤglich Jhro selbsten von dem thron der gnaden erbitten und erlangen moͤge/ was dorten Salomo Weißheit c. 9. ihme erbeten hat. Er trucke deroselben tieff in die seele ein/ daß er alle die grosse in der welt dazu verordnet habe/ daß sie glauben/ es sey die bef oͤrderung goͤttlicher ehre und der unterthanen geistl. und leibl. wohlfarth/ der wahre zweck ihres regi- ments/ ja ihres gantzen lebens/ und dahero alle eigene ehre/ nutzen/ lust und be- quemlichkeit ihres lebens demselben haupt-zweck weit nachzusetzen: daß sie weißlich verstehen/ wie durch dero treue sorgfalt der grosse Nahme GOttes in ihrem lande und sonsten durch reine lehr und dero fruͤchten zum foͤrdersten moͤge geheiliget/ ruhe und friede geheget/ die gerechtigkeit ohne fehl administrir et/ und in allen stuͤcken dasjenige ausgerichtet werden/ was Christl. unterthanen von einem loͤbl. regen- ten verlangen moͤgen: Er beschehre E. Hochfuͤrstl. Durchl. allezeit treue/ kluge/ gottsfuͤrchtige und gewissenhaffte raͤthe und bediente/ und die er gegeben/ erhalte er lange/ und regier sie mit seinem geist der weißheit; Er gebe aber E. Hochfuͤrstl. Durchl. auch selbst diejenige sorgfalt in das hertz/ in der regierung auf alles selbst mit zusehen/ und zu glauben/ daß der grosse GOtt von denjenigen dermaleins die rechnung fordere/ welche er zu seines reichs amtleuten gemacht hat: Er regiere auch E. Hochfuͤrstl. Durchl. in ihrem gantzen leben mit seinem H. Geist/ daß dasselbe in allen Christl. und Fuͤrstl. tugenden ihren wehrten unterthanen zum muster und exempel dienen moͤge/ sie auch ihren Fuͤrstl. hoff dermassen einrichten/ daß an statt der den meisten hoͤffen leider angewoͤhnten eitelkeiten an demselben die praxis des wahren Christenthums zum grunde geleget/ und die hoheit nicht in einigem welt-gepraͤnge/ sondern darinn gesuchet werde/ dem Allerhoͤchsten zu gefallen zu leben/ welches je billich die hoͤchste ehre zu achten ist: Er gebe ihr allezeit gehor- same unterthanen/ daß sie sich immerdar aller derselbigen treue zuversichtlich getroͤ- sten moͤge: Er beschehre ihrer regierung friedl. und gluͤckselige zeiten/ und wo es von seinem rath zuerbitten ist/ wende er von dero anvertrauten landen zu ihrer zeit/ dasje- nige ungewitter ab/ welches sonst allem ansehen nach unserm reich und gesamter kirchen auf eine weile vorstehen mag/ oder mildere doch alle seine gerichte mit gros- ser barmhertzigkeit und vielem schonen: Er erstrecke auch ihre jahre auf lange zeit/ und lasse taͤglich seine guͤte reichlich uͤber sie neu aufgehen: Jn summa/ er setze sie zur seule seiner kirche/ zum trost des reichs/ zur zierde des hohen hauses/ zum ruhm der beruͤhmten eltern und vor-eltern/ zur freude der hohen anverwandten/ zur zu- flucht/ schutz und wohlfart der unterthanen/ endlich zum gefaͤß seines seegens/ zum werckzeug seiner ehren/ und dermaleins nach lang hie genossener goͤttlichen gnade/ zum erben jener glorie. Dieses ist die summa dessen/ so aus einfaͤltigem hertzen L l l l 3 dißmal Das fuͤnffte Capitel. dißmal E. Hochfuͤrstl. Durchl. anwuͤnsche/ und auch nicht unterlassen werde/ zeit meines lebens deroselben theurer person und regierung vor dem thron der gnaden zugedencken/ und in solchem auch ein stuͤck meiner unterthaͤnigsten pflicht/ auch danck- barkeit fuͤr die aus dero hohen hause genossene wohlthaten/ trachten nach vermoͤ- gen abzustatten. 1686. SECTIO III. Aufmunterung an eine Fuͤrstliche person zu abreis- sung von der welt-lust und darzu erforderter gewalt. D Aß E. Hochfuͤrstl. Durchl. sich ihrer schwachheit erinnern/ und davor halten/ dasjenige nicht bey sich zu finden/ was andere von dero ruͤhme- ten/ ist ein gutes zeugniß. Jn dem uns dasjenige/ was an uns noch mangelt/ allezeit mehr zu unserer demuͤthigung vor augen stehen/ als uns in demjenigen zubespiegeln/ was wir von GOtt bereits empfangen ha- ben/ und ihm schon damit undanckbar wuͤrden erfunden werden/ wofern wir etwas desjenigen anders ansehen/ als so fern wir seine guͤte preisen fuͤr die wohlthat/ welche er uns darinnen erzeigt/ da er uns zu gefaͤssen seiner gnade und werckzeu- gen seiner ehre zumachen gewuͤrdiget hat. Um so viel mehr/ weil wir nicht nur allein zuerkennen haben/ daß wir solcher gnade/ wenn GOtt gutes in uns gewuͤr- cket hat/ nicht wuͤrdig sind/ vielmehr seine barmhertzigkeit ist/ dero wir es zuschrei- ben muͤssen/ sondern in fleißiger untersuchung unser selbst immer finden werden/ daß/ wie viel gutes sich auch bey uns finden moͤchte/ hingegen allezeit noch so viel mehr mangele/ was sowol der HErr von uns fordert/ als auch thaͤtlich in uns wuͤrde gewuͤrcket haben/ dafern wir ihm fuͤr die vorige gnade recht danckbar wor- den waͤren: welches guten mangeluns freylich ein kraͤfftiger antrieb zur gruͤndli- chen demuth ist/ und alsdann nicht zulaͤsset/ daß wir uns des guten einigerley massen uͤberheben. Wo nun das hertz also gestellet/ und die goͤttliche uns erzeigte wohl- thaten mit dergleichen augen anzusehen gewohnet ist/ da wird freylich/ wenn GOtt uns einiges gutes an uns selbst gewahr werden/ oder durch andere an uns loben laͤsset/ solches nicht anders angesehen und angenommen werden/ als daß der HErr uns auch auf diese weise aufmuntern wolle/ ihm fuͤr das gute hertzlich zu dancken/ und uns so viel mehr vor ihm/ unserer eigenen unwuͤrdigkeit wegen/ zu demuͤthi- gen/ sodann wo wir dasjenige/ welches andere an uns zuerkennen meynen/ in sol- cher maaß durch uͤberzeugung unsers gewissens nicht dermassen befinden/ unserer schuldigkeit/ wie wir seyn sollten/ und durch goͤttliche gnade/ dafern wir dieselbe sorgfaͤltig gebraucht/ bereits haͤtten werden koͤnnen/ uns zu erinnern/ hingegen so viel ernstlicher uns dahin zubestreben/ damit solches gute in uns auch dahin wach- sen moͤge/ wie uns anderer liebe angesehen hat. Nebens dem ists freylich also/ wie E. Hoch- ARTIC . I. SECTIO III. E. Hochfuͤrstl. Durchl. Christlich erkennen/ daß man grosse ursach zu bitten habe/ daß uns GOtt mehr und mehr von der welt-lust abreissen moͤge/ indem nach der weltlichen freude sich nichts als angst und schrecken findet in dem gewissen. Es ist aber eben dieses eine grosse gnade GOttes/ daß Er uns nicht unempfindlich dahin gehen laͤsset/ welches sonsten eine anzeigung derjenigen ist/ die Er in seinem gericht bereits dahin gegeben hat/ sondern da wir uns entweder aus eigenem wohl- gefallen in die welt-lust verliebet/ oder doch andern zugefallen und aus fleischlichen respect en uns darein haben flechten lassen/ so bald darauff seine straffende gnade fuͤhlen laͤsset/ die uns dasjenige/ was uns vorher in dem genuß desselben so wohl geschmecket/ aufs wenigste so arg nicht vorgekommen ist/ in dem gewissen auff eine gantz andere weise/ nemlich wie die sache wahrhafftig vor GOtt lautet/ vorstellet/ damit uns die lust darzu in das kuͤnfftige so viel mehr verbittert werde. Wir haben aber auch alsdann solcher gnade hinwieder desto sorgfaͤltiger zuge- brauchen/ daß wir ihr ihre krafft und frucht bey uns lassen/ und uns nachmaln unser lebenlang scheuen vor der angst unserer seelen/ welche wir in sothaner be- straffung unsers gewissens gefuͤhlet haben. Wo wir uns aber scheuen/ so wer- den wir hinkuͤnfftig desto fleißiger auf unserer hut seyn/ nicht wiederum dasjenige mit willen zuthun/ oder uns so leicht dazu bereden zulassen/ woruͤber wir goͤttliche ungnade bey uns gefuͤhlet haben. Dann geschihet solches nicht/ sondern wann uns GOtt zu unserer pruͤffung nachmals eine gleiche gelegenheit aufftossen laͤs- set/ und uns also versuchet/ ob wir seine zuͤchtigung haben bey uns lassen frucht bringen/ wir uns doch immer wiederum in vorige suͤnde und liebe der eitelkeit ein- flechten lassen/ so ist nicht nur diese so viel schwehrer/ sondern geschihet wol offt/ daß uns GOtt derselben seiner straffenden gnade in unserm gewissen nicht mehr also wuͤrdiget/ sondern zugibt/ daß aus seinem gericht unsere hertzen mehr verhaͤr- tet werden/ und anfangen allgemach dasjenige/ so uns vorhin ein rechter abscheu gewesen/ mit wenigerem eckel anzusehen/ ja wol gar mit rechtem belieben zu thun: damit endlich auch diejenige/ welche vorhin entflohen waren dem unflath dieser welt durch die erkaͤntnuͤß des HErrn und Heylandes JEsu CHristi/ wiederumb moͤgen in dieselbe eingeflochten/ uͤberwunden/ und das letzte mit ihnen aͤrger werden/ als das erste gewesen war. Da alsdann der traurige ausspruch des Apostels platz findet: Es waͤre ihnen besser/ daß sie den weg der gerechtigkeit nicht erkennet haͤtten/ denn daß sie ihn erkennen/ und sich kehren von dem heiligen gebot/ das ihnen gegeben ist. Solchen grossen schaden kan es endlich nach sich ziehen/ wofern wir nicht sorgfaͤltig sind/ nachdem wir einigemal aus GOttes wuͤrckung die angst und schrecken der welt-freude und eitelkeit in dem ge- wissen gefuͤhlet haben/ uns vor sothaner versuchung kuͤnfftig zuhuͤten/ oder in der- selben ritterlich dagegen zu kaͤmpffen/ und GOtt umb seinen gnaͤdigsten beystand anzu- Das fuͤnffte Capitel. anzuruffen. Hingegen wo wir uns gewehnen/ solche gnade danckbarlich zube- trachten/ wird uns dasselbe dahin treiben/ fleißig auff unserer hut zu seyn/ und auff unser hertz rechtschaffen acht zu geben/ wohin dasselbe geneigt ist. Wie dann offtmahls geschihet/ daß wir nicht gewahr werden/ wie noch so viel von eigener liebe der welt und dero eitelkeit sich bey uns finde/ sondern wol in die gedancken kommen moͤchten/ sie seyn fast gantz getoͤdtet/ wir koͤnnen aber das gegentheil dar- aus erkennen/ wenn wir uns in einigen gelegenheiten von den eusserlichen reitzun- gen leicht haben uͤberwinden lassen/ und nachmal den stachel der suͤnden in dem gewissen gefuͤhlet/ der uns aber dabey offenbahret/ daß die schuld nicht nur an der eusserlichen gelegenheit gewesen/ sondern der boͤse funcke einen leicht-brennenden zunder bey uns angetroffen habe. Da nun solches rechtschaffen erkannt worden/ ist es alsdann das rechte mittel uns zur Christlichen vorsichtigkeit und wachsam- keit zubringen/ nachdem wir die betruͤgliche art des hertzens besser haben lernen er- kennen. So ists freylich gebets und ringens von noͤthen/ und gehet nicht mit la- chendem munde zu in unsers Christenthums rechtschaffener uͤbung/ sondern es er- fordert eine gewalt/ welche wir uns anthun muͤssen/ sollen wir das reich Got- tes zu uns reissen. Hingegen ists ja wol werth/ was wir auch druͤber thun und leiden muͤssen/ wo wir die herrliche gnade des friedens/ der freude/ des trosts/ des suͤssen geschmacks der himmlischen guͤter/ und die versprochene kuͤnfftige erone uns vor augen stellen: auch dabey in dem glauben dessen uns der goͤttlichen ver- heissung versicheren/ daß es der HErr an der uns noͤthigen gnade nicht mangeln lassen/ sondern unser glaube/ wo wir glauben/ daß unser JEsus/ welcher fuͤr un- ser suͤnde gestorben/ und in seine herrlichkeit eingegangen ist/ uns aber seine juͤnger vorhin zur verschmaͤhung der welt/ verleugnung unser selbs/ aufnehmung des creu- tzes und seiner nachfolge/ nachmal aber zur gemeinschafft seiner glorie/ beruffen hat/ der wahrhafftige Sohn GOttes unser heil/ unsere krafft/ unser leben/ seye/ die welt gewißlich in uns und durch uns uͤberwinden werde/ alldieweil er uns zu seinen kindern wiedergebohren und seines siegs theilhafftig gemacht hat/ welcher glaube gantz noͤthig/ und ohne denselben einen wahrhafftigen sieg uͤber die welt davon zu- tragen gantz unmoͤglich ist. Aber wo komme ich hin? E. Hochfl. Durchl. werden in anaden annehmen/ wohin mich deroselben Christliche bezeugung gefuͤhret hat. 1680. SECTIO IV . Aufmunterung an eine hohe standes-person. J Ch habe juͤngst-hin von N. N. verstanden/ daß E. G. ein gnaͤdiges be- lieben uͤber meine neulichst herausgegebene predigten von der verleide- ten liebe der welt bezeuget; so mich nicht nur in deroselben auffrich- tigem ARTIC . I. SECTIO IV. tigem Christenthum gefaßten zuversicht gestaͤrcket/ sondern auch meine freude darob vermehret hat: Jndem niemand ein wahrhafftiges vergnuͤgen uͤber die handlung solcher materie schoͤpffen kan/ in dessen seele nicht der Geist aus GOTT selbs bereits das jenige/ woran fast die gantze welt ihre ergoͤtzung sucht/ verleidet hat. So dancken wir billich so viel hertzlicher dem grossen GOTT/ wann er durch seine krafft auch viele seelen derer/ welche er in dieser zeit vor andern hoͤher gesetzet hat/ von derjenigen liebe der welt reiniget/ die sonsten fast alle/ auch in den geringern staͤnden/ welche doch zu deroselben ge- nuß weniger gelegenheit haben/ erbaͤrmlich bezaubert hat/ aber eben damit zu allem rechten wahrhafftigen und GOTT gefaͤlligen dienst untuͤchtig machet. Also bleibe sie gesegnet vor ihrem himmlischen Vater/ aus dessen gnade es kommt/ daß er ihre seele von guter zeit naͤher zu sich gezogen/ und dieselbe mit einem eckel vieles dessen/ woran andere gleiches standes allzustarck haͤngen/ erfuͤllet/ dadurch aber zu fernern seinen wirckungen bereitet hat/ an denen ers auch nicht manglen lassen wird. Er setze also sein gutes werck in dero inne- rem menschen kraͤfftig fort/ und heilige sie durch und durch/ daß dero geist gantz/ samt der seel und leib/ muͤsse unstraͤfflich erfunden werden auf den tag JEsu Christi. Er segne aber auch dero wuͤrdiges exempel zu vieler frucht bey andern/ so gleichem als geringern standes/ und zu einer neuen wuͤrde der wahren gottseligkeit/ die sonsten leider je mehr und mehr so gar in die eusserste verachtung kommt/ daß auch deroselben fleiß an meisten orten sich von laͤste- rung und verdacht einiges irrthums nicht retten kan. Wie ich dann gewiß- lich unter den schwehren trangsalen/ welche leider fast alle ort/ sonderlich unser armes Teutschland/ empfindlich trucken/ dieses wol vor das schwehrste gericht GOttes achte/ daß derselbe seinem feind/ dem satan/ gestattet hat/ es dahin zu bringen/ daß die wahre gottseligkeit nunmehr vor heucheley/ scheinheiligkeit/ aberglauben und wol gar Quackerey/ dero nuͤtzliche uͤbungen aber vor die ge- faͤhrlichste neuerungen/ denen sich alles mit macht entgegen setzen muͤsse/ ange- sehen und ausgegeben werden: Wolte GOTT/ es geschehe aber solches nicht offt von denjenigen/ welche dieselbe vor allem andern/ auch amtswegen/ zu be- fordern verbunden sind! Jch versichere mich/ daß E. Gnaden so viel liechts von GOTT empfangen haben/ solches verderben unserer zeit tieff einzuse- hen/ hingegen aber auch so viel liebe zu dem guten/ dasselbe inniglich zu bejam- mern/ und desto sorgfaͤltiger auch an sich dasjenige leuchten zu lassen/ was die welt nicht gern sihet/ aber noch am meisten daruͤber schweigen muß/ wo sie es wahrnimmet an denen/ dero stand sie noch ehren muß. Wiewol ich weiß/ daß dieser auch dieselbe/ da sie die liberey ihres Heylands in seiner nachfolge annehmen/ nicht befreyet/ daß sie nicht auch des creutzes desselben und einige verachtung von denjenigen/ denen jene so gar zu wider ist/ etwas theilhafftig M m m m wuͤrden. Das fuͤnffte Capitel. wuͤrden. Es wird aber E. Gnaden sich dardurch nicht lassen muͤde machen/ sondern auf demjenigen wege/ auf welchen sie aus liebe ihres JEsu einmal mit redlichem hertzen eingetreten ist/ stets getrost fortfahren/ und sich gewiß versichern/ daß wir darinn einem HErrn/ der alles solches gehorsams wol wuͤrdig ist/ dienen. Er aber selbs der HERR der krafft wirds auch an sich nicht manglen lassen/ dieselbe vollzubereiten/ zu staͤrcken/ zu kraͤfftigen/ und zu gruͤnden/ zu einem vollkommenen sieg: Er wird ihrem guten exempel auch an- derer nachfolge schencken/ zu desto groͤsserer freude/ und in der that zeigen/ daß dero liecht nicht vergebens geleuchtet habe. Nun er thue es/ und erfuͤlle sie taͤglich mit neuer himmlischen krafft und allerley GOttes fuͤlle: Er setze auch dero Herrn gemahl zum zeugnuͤß seiner guͤte/ und beselige dessen hohe person so wol mit allem geistlichen segen in himmlischen guͤtern/ als auch mit allem/ was zu dieses lebens wahrer gluͤckseligkeit gehoͤret: Sonderlich aber erfuͤlle er denselben mit der weißheit von oben/ in welcher allein die regenten recht regi- ren/ die gantze regirung in derselben zu fuͤhren/ und dadurch das gantze anver- traute land durch seinen goͤttlichen segen dahin zu bringen/ daß seine himmli- sche wahrheit und die ungefaͤrbte gottseligkeit in der kirchen bluͤhe/ auch dero uͤbung gegen alle/ die sie unter einigem vorwand hindern wollen/ maͤchtiglich geschuͤtzet werde/ so dann gerechtigkeit und friede in schwang komme/ und alle der vorigen zeiten maͤngel und ungemach stattlich ersetze/ auch bestaͤndig blei- be. 1690. SECTIO V. Auffmunterung an eine Fuͤrstliche person/ son- derlich zu betrachtung der guͤter der seligkeit in dem reich der gnaden. E S ist wahrhafftig nicht unser menschen-werck/ sondern goͤttliche wir- ckung/ wo wir unsere seele dahin disponi ren koͤnnen/ daß sie mit solchem vaͤterlichen willen allemal zu frieden seye/ und ihr denselben recht wol- gefallen lasse/ sonderlich wo wir nun ein ernstliches verlangen bey uns empfin- den/ so E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. von sich christlich bezeuget/ die eitele nichtig- keit mehr zu erkennen und verachten zu lernen; so ist auch dazu das rechte mit- tel/ die fleißige betrachtung der guͤter der kuͤnfftigen herrlichkeit/ die der HErr den seinigen/ so ihm biß an das ende bestaͤndig anhangen/ treulich zugesaget hat; weßwegen der dahin anwendende fleiß/ offt davon zu hoͤren/ zu lesen/ zu betrachten/ wann es in rechter ordnung geschihet/ wol angeleget zu achten ist. Jch hielte aber dabey auch sehr dienlich/ nicht weniger an die schon bereits in dieser gnaden-zeit geschenckte guͤter offt und andaͤchtig zu gedencken/ dero gruͤnd- ARTIC . I. SECTIO V. gruͤndliche erkaͤntnuͤß und erwegung nicht geringern nachtruck haben wird/ eine seele zu verachtung der eitelkeit dieser welt zu bewegen/ als das nachsin- nen der kuͤnfftigen glori. Wir finden in der erfahrung/ daß uns die hoffnung eines auf das kuͤnfftige versprochenen gutes wol auch das gemuͤth kraͤfftig be- wegt/ aber wo uns gegenwaͤrtige guͤter gezeiget werden/ so meine ich/ die bewe- gung seye viel kraͤfftiger; daher ich davor halte/ daß der liebste Apostel Roͤmer am 8/ 18. nicht vergebens allem leiden dieser welt/ so uns sonsten zur ungedult bewegen moͤchte/ entgegen setzet/ die herrlichkeit/ nicht so wol die dermaleins uns erst geschencket/ sondern die an uns solle offenbahret werden/ das ist/ die wir bereits haben/ aber nur deroselben offenbahrung und vollkommenen gebrauch erwarten. Damit lernen wir/ daß es ja wol werth seye/ um der ehre unsers GOttes willen etwas/ und zwahr vieles/ wil- lig zu leiden/ weil er uns bereits eine so grosse herrlichkeit wircklich geschencket habe; welche wie unser leben in GOTT/ zwahr annoch verborgen ist/ aber offenbahret werden solle/ wann Christus selbs wird offenbahret werden in der herrlichkeit Col. 3/ 3. 4. Es bestehet aber solche herrlich- keit in der goͤttlichen vaͤterlichen liebe/ in der seligen kindschafft GOttes/ in dessen treuer vorsorge fuͤr uns/ in der gerechtigkeit JEsu Christi und dessen vollkommensten verdienstes gnadenreicher zurechnung/ daraus eines glaubi- gen seele krafft solches theuersten geschenckes und ihres glaubens vor GOt- tes augen auffs hellste und klaͤhreste leuchtet/ in der beywohnung und kraͤffti- gen wirckung des H. Geistes/ so an unserer heiligung und erneurung taͤglich arbeitet/ in dessen innerlichen zeugnuͤß/ in seinem friede und freude/ und was mehrere schaͤtze der seligkeit sind/ welche wir bereits allhier aus der himmli- schen gnade wircklich besitzen/ und deßwegen wol wuͤrdig sind/ taͤglich davon zu dencken/ und mit dero betrachtung unsern glauben zu staͤrcken: Wie sie ja eine solche herrlichkeit und adel in sich fassen/ daß gegen demselben aller hoher stand dieser welt/ so aus natuͤrlicher geburt herkommt/ gering zu achten ist. Weßwe- gen die betrachtung/ daß er uns so hoch gewuͤrdiget/ (wann durch die gottseli- ge erwegung solche unsere hoheit uns recht in das hertz getrucket wird) nicht anders kan als den glauben und alle dessen fruͤchten bey uns vortrefflich staͤr- cken: Und ich zu solchem zweck/ sothane beschauung der bereits besitzenden schaͤ- tze und guͤter/ so nuͤtzlich achte/ als immermehr die betrachtung der kuͤnfftigen herrlichkeit seyn mag. Wie auch/ deswegen so wol Statii schatz-kammer der glaubigen/ als Andr. Crameri tractaͤtlein/ welcher von solcher materie noch behutsamer und mit weniger gelegenheit eines anstosses als jener han- delt/ so auch beyde vermuthlich E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. werden bekant seyn/ mich allzeit sehr vergnuͤgt/ und zu reicher gottseliger auffmunterung mir an- laß gegeben haben. M m m m 2 SECTIO Das fuͤnffte Capitel. SECTIO VI. Das vornehmste mittel/ einen menschen von der welt eitelkeit und derer liebe abzuziehen/ aus dem Evangelio/ die betrachtung goͤttlicher wol- thaten. Durchlauchtigste Fuͤrstin/ Gnaͤdigste Fuͤrstin und Fraͤulein. E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. gnaͤdigstes hand-schreiben habe vor etlichen tagen wol empfangen/ und gleichwie mich solcher unverdienten ehre unterthaͤnigst bedancke/ also erkenne auch hieraus deroselben gottseliges gemuͤth/ daß solche dergleichen gnaͤdigste zuneigung gegen mich bezeugen/ bey deme sie mehrers nicht/ das beliebig seyn koͤnte/ ange- troffen haben/ als daß ich mich erfreue/ wo ich von GOTT recht von in- nerstem grund suchenden seelen hoͤre oder solche kennen lerne/ so dann nach gleichem zweck in der maaß der gegebenen goͤttlichen gnade mich zu be- streben suche. Solches sind aber dinge/ welche wie der welt zu wider/ also denen seelen allein angenehm sind/ die allein hoch achten/ worinnen sie goͤttliche gnade/ in grosser oder weniger maaß/ antreffen. Dann gleichwie sie in demselben/ so viel sie dero an sich haben/ ihr hoͤchstes vergnuͤgen suchen/ also schaͤtzen sie solche allein hoch auch bey andern. Jn dem uͤbrigen haben E. Hochfuͤrstl. Durchlaucht. ein groͤsseres vertrauen zu meiner wenigkeit/ daß sie sonderbahre erbauung von meiner gegenwart hoffeten/ als ich mei- nes orts erkennen koͤnte/ daß von mir zu hoffen waͤre. Dann ob ich zwahr freylich die von dem grundguͤtigen Vater in dem himmel mir unwuͤrdigsten verliehene gnade nicht zu leugnen/ sondern mit demuͤthigstem danck ihn des- wegen zu verehren habe; auch nach vermoͤgen so wol aus pflicht meines bey hiesiger gemeinde aus goͤttlichem beruff tragenden amts/ als anweisung des uns allgemeinen priesterthums/ dieselbe dazu sorgfaͤltigst anwenden solle/ damit einige meiner mitchristen/ mit denen umzugehen mir GOTT die gelegenheit gibt/ durch mich mit erbauet und ent- weder erst zu dem erkaͤntnuͤß ihres heyls gefuͤhret/ oder/ wo sie auch von dem getreuen himmlischen Vater schon weiter gebracht sind/ und mir vieles vorgehen/ dannoch durch eines ob wol mit schwachen schritten ihnen nachfolgenden etlicher massen in dem guten gestaͤrcket/ werden moͤgen. So wird sich gleichwol an mir nichtes finden/ wodurch eine Gotternstliche dienende seele erbauet werden moͤchte/ welches sich nicht auch bey andern CHristi dienern allen/ (gegen denen ich billich meine geringe faͤ- hig- ARTIC. I. SECTIO VI. higkeit erkenne) mit gleichem nachtruck und etwa weniger beygemischter schwachheit antreffen wuͤrde. Massen auch E. Hochfuͤrstl. Durchl. an solchem ort leben/ da ich mich versichert halte/ daß sie gleichwie begabtere al- so solche diener goͤttlichen worts um sich haben/ und dero nach belieben zu ih- rer ferneren erbauung geniessen moͤgen/ von welchen sie alles dasjenige aufs reichlichste erlangen koͤnnen/ was sie etwa/ da sie nach GOttes willen jemal alhier haͤtte leben sollen/ bey meiner wenigkeit gesucht haben wuͤrden. Dahe- ro ich nicht zweiffele/ daß E. Hochfuͤrstl. Durchl. sich der gegenwaͤrtigen ge- legenheit zu bedienen/ und unter denen predigern/ dero offentlichen dienstes sie sich gebrauchen/ mit demjenigen vornemlich/ von welchem und seiner leh- re sie etwa vor andern sich erbauet zu werden/ und also hierinnen goͤttlichen finger der sie anweise empfinden/ mehrere kundschafft zu machen/ und sich in dem gu ten immer weiter gestaͤrcket zu werden/ seiner beyhuͤlffe und anwei- sung zu bedienen gnaͤdigst geruhen werden. Weil aber E. Hochfuͤrstl. Durchl. auch meiner so guͤtigst zu gedencken gelieben/ und einiges guten vertrauen gegen mich bezeugen/ als habe ich nicht nur allein so viel mehrere ursach/ E. Hochfuͤrstl. Durchl. wolfarth dem grossen GOTT in meinem andaͤchtigen gebet demuͤthigst vorzutragen/ und darum flehentlich ihn anzu- ruffen/ sondern auch alle gelegenheit zu ergreiffen/ wo ich nach meinem ar- men vermoͤgen/ etwas zu deroselben geistlichen wachsthum oder bekraͤffti- gung bey zu tragen wuͤste. Welches aus einfalt meines hertzens geschehen- de/ von E. Hochfl. Durchl. wol auffgenommen zu werden nicht zweifflen will/ daher mich bereits dieses erstemal erkuͤhne/ weil E. Hochfl. Durchl. sorgfaͤltig angelegen ist/ wie sie moͤge von der welt eitelkeit unter denen vie- len versuchungen/ mit denen sie sich sonder zweiffel taͤglich umgeben sihet/ unbefleckt erhalten werden/ ein kraͤfftiges mittel vorzuschlagen/ damit sie durch GOttes gnade gegen alles/ was sie zu lust der eitelkeit jemal reitzen moͤchte/ sich stattlich besteiffen und bewahren kan/ solches ist nun taͤgliche betrachtung der goͤttlichen wolthaten. Die goͤttliche gebot und in der schrifft enthaltene lebens-regeln weisen uns wol/ wie wir uns halten/ wovor wir uns huͤten/ und wessen wir uns befleissen sollen/ aber sie geben uns keine geist- liche kraͤfften/ dasjenige zu thun/ was sie von uns erfordern: sondern jemehr sie fordern/ und wir aber unser unvermoͤgen dagegen sehen/ so vielmehr un- willen entstehet gemeiniglich in unserm hertzen. Es ist aber der glaub allein dasjenige gut/ welches uns nicht nur allein einen trieb/ unserm GOtt gefaͤl- lig zu dienen/ gibet/ sondern welches auch neue kraͤfften wuͤrcket/ dasjenige in unserer schwachheit anfangen zu leisten/ was von uns erfordert wird. Da- her uns die staͤrckung des glaubens am allermeisten angelegen seyn muß/ als welches die oͤffnung einer reichen qvell ist/ dero es nachmal an wasser nicht M m m m 3 manglen Das fuͤnffte Capitel. manglen wird. Nun mag der glaube nicht herrlicher gestaͤrcket werden/ als mit taͤglicher andaͤchtiger betrachtung der von GOTT empfangender wol- thaten. Es sind aber die goͤttliche wolthaten nicht einer art/ sondern moͤ- gen nach einfaͤltiger abtheilung unsers Catechismi in 3. articul/ oder die wol- thaten der schoͤpffung/ erloͤsung und heiligung beqvem eingetheilet werden. Und zwahr sind alle solche wolthaten/ welche wir in den 3. articuln beken- nen/ billich zum offtern/ von uns zu erwegen; in dem wir ja auch in der schoͤpffung und dero anhaͤngiger erhaltung erkennen/ was vor einen liebrei- chen guͤtigen vater wir an GOtt dem HErrn haben/ welcher so vieles in sol- chem leiblichen an uns gethan/ nicht nur ohn unser verdienst/ sondern auch oh- ne unser gebet/ weil ihn je niemand um sein leben/ ehe ers empfangen/ bitten konte; ja daß der mildreiche Vater/ in diesen dingen so sorgfaͤltig sich unser annehme/ an welchen es doch scheinen solte/ daß seiner ehre weniger gelegen waͤre; je doch ists nicht sowol solche gutthat des ersten articuls als vielmehr des andern und dritten diejenige/ dadurch unser glaube kraͤfftig gestaͤrcket wird/ als in denen so wol die erwerbung unsers heils durch JEsum CHri- stum geschehen/ als auch die schenckung derer uns erworbenen guͤter/ die wir aus des H. Geistes gnade haben/ antrifft/ und darinnen alles hat/ worauff er sich gruͤndet und an was er sich haͤlt. Da werden diese wolthaten/ oder auch nur eine derselben niemal mit hertzlicher andacht erwogen/ daß nicht al- so balden dem glauben eine neue krafft zu gehe. Und wo dann der glaube ge- staͤrcket ist/ so sind so bald auch neue kraͤffte vorhanden/ zu seinen fruͤchten/ in eiffriger verfolgung des guten/ und sorgfaͤltiger vermeidung alles GOtt- mißfaͤlligen. Zu dieser betrachtung aber der goͤttlichen wolthaten/ bedarff es nicht grosser kunst oder geschicklichkeit/ sondern die hoͤchste einfalt ist hie das allerkraͤfftigste. Daher diese vorgeschlagene uͤbung einer frommen see- len nicht schwehr ist. Dann was ist leichter/ als daß sie taͤglichen/ sonderlich den zweyten und dritten articul/ vornehmlich/ wie in des seligen Lutheri auslegung dieselbe erklaͤhret sind/ vornehme und gedencke/ was vor eine un- aussprechliche wolthat es sey/ daß mein lieber JEsus/ der gleichwol wah- rer wesentlicher GOtt vom Vater von ewigkeit gebohren/ habe ohne eignen daher habenden nutzen/ allein um meiner und uͤbrigen menschen willen/ wol- len auf erden kommen/ fleisch und blut annehmen/ mein bruder werden/ und sich eine zeitlang des gebrauchs seiner so grossen ewigen herrlichkeit enteu- sern/ hingegen in ein schmertzen und jammer volles leben begeben wollen? Wo ich ferner bedencke/ wie mein JEsus in seiner kindheit/ in seiner jugend/ in seinem maͤnnlichen alter/ einerseits ein gantz tugendhafftes leben gefuͤh- ret/ daß nichts als demuth/ sanffmuth/ verachtung der welt/ liebe/ freund- lichkeit/ andacht/ gleichfoͤrmigkeit mit goͤttlichem willen/ an ihm erkant wer- den ARTIC . I. SECTIO VI. den mag/ und hervor leuchtet/ anderseits wie eben solch sein tugendli- ches leben in lauter leiden/ innerlich und eusserlich/ so er aber mit hoͤch- ster gedult getragen/ gefuͤhret worden/ und damit mir das heyl so wol erworben/ als auch ein vorbild gelassen worden. Wo ich beden- cke/ was edle fruͤchten solcher gehorsam und leiden meines JESU mir zuwegen gebracht habe/ nemlich die vollkommene erloͤsung/ von suͤn- de/ todt und teuffel: Wie hoch diese wolthat zu achten seye/ wo wir erwe- gen das unaussprechliche elend derjenigen/ welche unter der suͤnden und des teuffels gewalt ligen/ wie wir alle gelegen sind: da ja diese wolthat nicht gering ist/ die uns von solchem grossen jammer befreyet: wo wir erwegen die vortreflichkeit des bezahlten loͤsegelds/ indem unser Heyland nichts anders sondern sich selbs fuͤr uns gegeben: wo wir erwegen die himmlische freyheit/ in die wir durch solche erloͤsung gesetzt seyn/ daß wir nicht nur die vergebung der suͤnden erhalten haben/ sondern auch der suͤnde die herrschafft genommen worden/ daß sie jetzo wider unsern willen nicht uͤber uns zu herrschen ver- mag/ sondern wir/ ob zwahr sie noch an uns leiden muͤssen/ gleichwol durch den von Christo uns verdienten geist die fleischliche luͤste toͤdten koͤnnen: daß der teuffel mit seinen werckzeugen uns zwahr wol anfechten und bestreiten koͤnne/ aber daß er als ein uͤberwundener feind/ wo wir an den sieg unsers Heylands uns halten/ uns nicht weiter zu schaden vermoͤge; sondern in un- serer groͤssesten schwachheit von uns/ krafft der erloͤsung/ besieget werde: Ja daß wir als die erloͤsete des HErrn/ nunmehr sein eigen seyen/ und in seinem reich unter ihm leben und ihm dienen sollẽ und koͤnnen/ in ewiger gerech- tigkeit/ unschuld und seligkeit: und daß er zur befoͤrderung solches genus- ses seines verdiensts in der herrlichkeit regiere/ und auff alles/ was mit uns vor gehet/ sorgfaͤltig acht gebe. Die betrachtung solcher theuren woltha- ten staͤrcket den glauben herrlich/ weil wir darinnen sehen/ wie theuer wir vor den augen unsers GOttes seyn muͤssen/ an welche er ein so grosses gewendet hat: daraus entstehet neuer antrieb/ uns ja nicht so tieff zu erniedrigen/ daß wir der suͤnde/ der welt/ und dero eitelkeit/ dienen wolten/ von dero dienst- barkeit wir so kostbar erloͤset worden sind. Reitzet mich also die welt mit vor- haltung ihrer eingebildeten ehre/ respect s/ nutzens und lust: und ich sehe hin- gegen/ wie hoch die ehre seye/ zu dero ich durch die erloͤsung gebracht bin; so kan ich großmuͤthig verachten alles/ was die welt hoch schaͤtzet/ und in solcher verachtung mich so viel leichter dessen enthalten/ wozu mich jene mit vorhal- tung ihrer vermeinten guͤter locket. Jch bin ja nicht zu dergleichen eiteln/ sondern recht wahren/ ewigen und himmlischen guͤtern/ ehre/ herrlichkeit und freude/ von meinem Heyland erloͤset. Warum solte ich mich dann also ver- ringern/ und um einen schatten das wahre gut fahren lassen? Hie moͤgen wir recht Das fuͤnffte Capitel. recht großmuͤthig werden/ und solcher hochmuth/ der uns selbs nichts zu- schreibet/ sondern GOTTES gnaden-geschenck hochschaͤtzet/ gefaͤllet dem HErrn wol/ und haͤlt uns am allermeisten ab von demjenigen/ damit wir se- hen/ daß wir unsere hohe wuͤrde sonst schmaͤlern wuͤrden. Wie wir ja in der welt an denjenigen/ welche GOtt in einigen vornehmern stand gesetzet/ wahr- nehmen/ daß die betrachtung ihres stands sie von vielem abhaͤlt/ so sie demsel- ben verkleinerlich zu seyn manchmal nur die einbildung gefasset haben/ un- terdessen aber aus solcher absicht ihnen nichts schwehr lassen vorkommen/ zu thun und zu leiden/ nur ihrem stand gemaͤß zu thun. Jst nun solche krafft in solcher einbildung/ dergleichen bey menschen zu wege zu bringen/ daß sie sich vieles enthalten/ so sie sonst thaͤten/ und vieles mit muͤhe verrichten/ dazu sie ohne solche absicht sich schwehrlich bringen lassen: Wie solte dann nicht auch die ansehung der grossen ehr und hohen stands/ dazu wir durch die er- loͤsung Christi gesetzet sind/ nachtruͤckliche krafft haben/ uns von allem dero- selben unanstaͤndigem abzuhalten? Also auch das ansehen des heiligen le- bens JEsu/ staͤrcket denjenigen herrlich/ der da gedencket/ wie er dadurch nicht nur erloͤset/ sondern ihm auch ein vorbild der nachfolge darinnen gegeben/ und demselben obwol schwaͤchlich nachzufolgen das vermoͤgen erlangt wor- den seye: wie solte ich in diesem oder jenem stuͤck/ dazu ich gereitzet werde/ be- gehren/ der welt mich gleichfoͤrmig zu stellen/ da ich an meinem Heyland das gegentheil dessen sehe/ und mich zu seiner nicht der welt nachfolge verpflich- tet habe? Ja weil ich den zu lieben und vor mein allerhoͤchstes gut zu achten mich ruͤhme/ welcher es sich so sauer hat werden lassen/ mich in die freyheit zu setzen? Wie solte ich dann muthwillig sein eigen werck an mir wollen verder- ben/ und deme dienen/ davon er aus liebe mich erloͤset? dergleichen und tau- send andere gute gedancken/ aus denen lauter antrieb und neue kraͤffte ent- stehen/ von der welt eitelkeit uns abzuhalten/ es gibet. Die einige betrach- tungen der in dem andern articul bekennenden erloͤsung/ daß wir jetzo nicht auff den dritten und das theuerste werck unser heiligung/ durch welches wir in den genuß der verdienten guͤter gesetzet sind/ kommen/ oder davon wort machen. Wo aber auch/ aus erwegung unsers gnaden-beruffs/ des heili- gen worts Gottes und dessen lebendig machender krafft/ der heiligen und nie- mal gnug gepriesenen tauff/ des wuͤrdigsten und liebreichsten abendmahls/ der genauen vereinigung mit GOtt in seiner gnaden-einwohnung/ und mit allen glaubigen in der gemeinschafft der heiligen/ der gnaͤdigen vergebung der suͤnden/ und zurechnung der gerechtigkeit JESU/ der aus des Geistes krafft taͤglich fortsetzenden erneuerung/ und goͤttlichen beystandes zu der endsbeharrlichkeit/ so dann der kraͤfftigen noch bevorstehenden herrlichkeit jenes lebens/ dergleichen herrliche antrieb erfolgen/ daß wir damit viel kraͤff- tiger ARTIC . I. SECTIO VI. tiger von/ als von der welt zu ihrer eitelkeit gezogen werden. Daher keine heili- gere uͤbung/ als solche offtere und taͤgliche betrachtung seyn mag; ohne daß auch selbs in derselben das vornehmste stuͤck des lobes GOttes/ umb dessenwillen wir in der welt sind/ bestehet. Jch bin aber durch diese materie zu mehrer weitlaͤuff- tigkeit gefuͤhret worden/ als sonsten geziemet haͤtte/ E. Hochfl. Durchl. aufzuhal- ten; indem dieselbe alles dieses so viel besser und ausfuͤhrlicher in andern gott- seligen buͤchern/ daran sie keinen mangel hat/ antreffen koͤnnen: doch bin ich der guten zuversicht/ daß dieselbe solche liebe materi dermassen werth halten/ daß sie uͤber ohne das habenden gnugsamen bericht von derselben/ und anweisung zu fer- nerer betrachtung derselben/ auch diese einfaͤltige zeilen gelesen zu haben sich nicht verdriessen lasse: Jndem/ was uns angenehm/ auch oͤffters und auff allerhand weise zu hoͤren oder zu lesen/ uns nicht beschwehrlich zu fallen pfleget. Schließ- lich ruffe ich den getreuen GOtt und Vater unsers HErrn JEsu CHristi demuͤthigst an/ daß seine goͤttliche Majestaͤt E. Hochfuͤrstl. Durchl. nicht nur allein mit allem uͤbrigen so zu hiesigem leben und stands ziemlichem wolseyn gehoͤ- ret/ mildigst beschencken/ sondern vornemlich sein herrliches in ihr angefangenes werck kraͤfftig fortfuͤhren/ das liecht seiner gnade und erkaͤntnuͤß in ihr taͤglich zu- nehmen lassen/ das gemuͤth in dem guten staͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤnden und voll- bereiten/ zu uͤberwindung aller versuchung muth und weißheit verleihen/ und ins- gesamt sie durch seinen Heiligen Geist also regieren wolle/ daß sie zu seinem preiß als ein liecht mit gutem exempel andern vorleuchte/ in ihrer seelen immer mehr und mehr/ wie freundlich der HErr denjenigen seye/ die ihn hertzlich lieben/ und seine suͤsse troͤstungen/ vergnuͤglichst empfinde/ und endlich zu der grossen herrlichkeit/ dazu wir von unserm Heylande beruffen seynd/ zu seiner zeit seelig eingehe. Wel- chen wunsch dem sinn nach/ in einfalt meines hertzens immer wiederholende/ und also sie solches unsers grossen Gottes theuren gnade und segen empfehlende/ verbleibe. ꝛc. 1672. SECTIO VII. An die vorige Fuͤrstin. Von dem zustand derer/ welchen es an erbaulichem umgang mangelt/ ihrer pflicht und trost. Durchlauchtigste Fuͤrstin. Gnaͤdigste Fuͤrstin und Fraͤulein. E. Hochfl. Durchl. gnaͤdigstes schreiben ist mir wol worden/ und habe aus solchem mit hertzlicher freude ersehen/ daß mein voriges gantz gnaͤdigst aufgenommen worden seye/ und das vor dem gnaͤdigst be- N n n n zeugte Das fuͤnffte Capitel. zeugte vertrauen gegen mich annoch unverschmaͤlert verbleibe. Die groͤste freude ist mir billig diese/ daß sowol aus E. Hochfl. Durchl. an mich geschriebenen zeilen abnehmen kan/ als mit mehrerem von N. N. berichtet bin worden/ wie daß von des grundguͤtigen GOttes him̃lische gnade in E. Hochfl. Durchl. angefangene gute werck nicht nur kraͤfftig bißher gestaͤrcket/ sondern mit vielem wachsthum herr- lich vermehret worden seye/ und sie in taͤglicher uͤbung aus goͤttlichem seegen stetig zunehmen. Jch dancke billig deswegen unserm him̃lischen Vater/ als dem geber aller guten und vollkommenen gaben/ welcher sie immerdar weiter segnet mit aller- ley geistlichem segen in himmlischen guͤtern durch Christum/ nicht nur in allen stuͤ- cken reicher zu werden/ in aller lehr und in aller erkaͤntnuͤß/ sondern ihn auch mit den fruͤchten solcher erkaͤntnuͤß danckbarlich zu preisen/ fuͤr solche auch ihro erwie- sene gnade: und solches umb so vielmehr/ weil dero exempel bey mehrern andern an hohen orten viele frucht und nutzen zuschaffen hoffe: seine goͤttliche guͤte dabey flehentlich anruffende/ sie noch immer weiter zu staͤrcken/ und die suͤßigkeit seiner gnade sie mehr und mehr kraͤfftig spuͤren zulassen/ zu mehrerem seines heiligen nahmens preiß und eigener seeligkeit empfindlicherem genuß. Ob E. Hochfl. Durchl. stetig ihrer mehrere umb sich haben/ mit denen und an dero Christlichen gemeinschafft und gespraͤch sie sich ersreuen und ergoͤtzen koͤnten/ ist mir nicht wis- send: doch zweifle ich nicht/ daß ihr nirgend manglen werde an solcher gelegen- heit/ auffs wenigste wird dero geliebte N. N. durch offteres zu schreiben dasjenige ersetzen/ woferne etwa in gegenwart derjenigen weniger seyn werden/ mit denen sie taͤglich vertraulich umbgehen/ und bey ihnen gelegenheit des taͤglichen wachsthums suchen moͤchte. Es ist zwahr vergnuͤglich/ und ein vorgeschmack des ewigen lebens/ wo man schon hier auff der welt solche fromme seelen/ die der welt abgestorben/ das ewige allein lassen ihre freude seyn/ umb sich hat/ und von den- selben taͤglich erbauet werden kan: indem auch diejenige/ welche mit denen umb- gehen/ die GOtt schon weiter gefuͤhret/ und ihnen mehreres zu schmecken gegeben hat/ nicht nur von dero exempel und der an ihnen erkennender gnade vieles zuneh- men/ sondern nicht anders koͤnnen/ als sich hertzlich erfreuen uͤber die gnade und dero wuͤrckungen/ die sie zwahr in mehrerem grad an solchen ihren mit-Christen und freunden sehen/ aber versichert sind/ es seye eben die gnade/ die sie auch em- pfangen haben/ und werde sie GOtt/ wo es zu ihrem besten/ vornemlich aber seiner ehre/ ersprießlich seye/ auch noch zu gleichem grad und empfindlichkeit zu seiner zeit gelangen lassen. Die liebe die sie an den andern gegen ihren GOtt so inbruͤnstig entbrennen sehen/ blaͤset allezeit auch den funcken in ihren hertzen auf; und was jene von sich bezeugen/ wie sie ihres GOttes vergnuͤgliche freude bey sich fuͤhlen/ machet/ daß auch sie etwas mehrers von solcher suͤßigkeit bey sich schme- cken. Daher wo man meistens oder ja viele solcher art leute umb sich haͤtte/ so ARTIC . I. SECTIO VII. so moͤchten wir einen himmel auff erden gefunden zu haben uns ruͤhmen/ und wuͤrden damit die allermeisten beschwehrden dieses lebens so viel leichter uͤberwin- den und versuͤssen koͤnnen. Unterdessen ist doch solches nicht bloß dahin zu un- serer seeligkeit noͤthig/ und muͤssen wir auch darinnen goͤttlichem willen den unsri- gen gehorsam unterwerffen/ wo er uns wenig gewahr werden laͤsset solcher leu- te/ bey denen wir die unzweiffliche zeugnuͤssen seiner gnaden-wuͤrckungen und ei- nen auffrichtigen eiffer des Christenthums antreffen/ meistentheils aber etwa leu- te umb uns haben/ die entweder gar der goͤttlichen wahrheit unwissend und mit schwehren irrthumern beladen/ oder wo sie der bekaͤntnuͤß nach sich zu der wahr- heit halten/ hingegen die krafft der wahrheit mit dem leben verleugnen/ und da- mit bezeugen/ daß bey ihnen allein buchstaͤbliches wissen/ nicht aber der wahre lebendige glaube/ und das kraͤfftige reich GOttes befindlich seye. Jndem ob zwahr ein solcher glaubiger mensch/ wo er auff sich selbst sihet/ in grosser gefahr stehet/ von der welt aͤrgernuͤß angesteckt zu werden/ auch deswegen so viel eiffri- ger zu seinem GOtt zu beten hat/ so ist doch goͤttliche gnade in ihm staͤrcker/ sie zuerhalten/ als ihre eusserliche feinde sie zu faͤllen; sie haben so viel kraͤfftigern beystand des Heiligen Geistes/ als ihr GOtt/ welcher getreu ist/ erkennet/ daß sie desselben beduͤrffen; sie muͤssen in der that erfahren/ daß nach GOttes wort/ weil sie ihn lieben/ auch solches ihnen zum besten dienen muͤsse. Sie haben daraus einen steten antrieb zur wachsamkeit/ auff ihrer hut sich zu halten/ und die augen von der eitelkeit abzuwenden/ so viel weniger aber etwa in sicherheit zufallen: sie haben vor sich einen taͤglichen spiegel ihrer eignen suͤndlichen ver- derbnuͤß; dann an denenjenigen/ welche allein nach dem fleisch leben/ sehen wir/ was wir ohne GOttes gnade seyen; weil wir dann keine andere natur als an- dere auch haben/ so zeiget sich an der andern spiegel/ was/ weil es nicht eben bey uns ausbricht/ nichts destoweniger in unsern hertzen tieff verborgen stecket/ und auch ausbrechen wuͤrde/ wo goͤttliche gnade es nicht zuruͤck hielte: umb uns taͤglich so viel besser durch solche an andern findende erinnerung kennen zu lernen/ und vor GOtt zu demuͤthigen: sie haben auch vor sich eine taͤgliche gelegenheit/ fuͤr andere zu bitten/ daß sie doch GOtt aus solchem ihrem suͤnden-elend heraus- reissen/ und zur wahren erkaͤntnuͤß bringen wolte/ in welchem gebet sie ihre hertz- liche lieb und gedult taͤglich uͤben: sie haben auch vor sich eine gelegenheit/ die ihnen erzeigte goͤttliche gnade so viel hoͤher zu schaͤtzen/ als sie dero vortreflichkeit aus betrachtung und gegenhaltung ihrer seeligkeit gegen jener elende/ eigentlicher erkennen: zugeschweigen daß ihr glaube und dessen fruͤchten so vielmehr hervor- leuchten/ weil sie als die liechter scheinen mitten unter dem unschlachtigen und ver- kehrten geschlecht/ und was dann die vergnuͤgung und freude anlangt/ deren sie wegen ermangelung solcher gewuͤnschten und gleich-gesinnten gesellschafft entra- N n n n 2 then Das fuͤnffte Capitel. then muͤssen/ ersetzet GOtt auff andere weise dieselbe bey ihnen: Er redet so viel offter und nachtruͤcklicher selbs mit ihnen in seinem wort/ daß sie in ihrer einsam- keit (indem sie mitten unter den leuten dienicht gleiche begierde GOtt eiffrig zu dienen haben/ ihnen einsam zuseyn deuchten) so viel kraͤfftiger desselben wuͤrckung fuͤhlen/ weil sie an statt dessen/ daß sie sonsten verlangten mit andern gottseeligen hertzen sich offters von ihren geistlichen guͤtern und pflichten zubesprachen/ der zeit/ die sie ihren leiblichen verrichtungen abbrechen koͤnnen/ so viel angelegenlicher zu lesung und betrachtung anwenden/ und also an statt anderer sichtbahrer freun- de ihren Heyland/ und alle heilige Propheten/ Apostel und Evangelisten/ in dem Geist umb sich haben/ mit denen sie sich in ihren schrifften besprachen. Jch ruffe deswegen den grundguͤtigen GOtt demuͤthigst an/ daß dessen vaͤterliche guͤte uͤber E. Hochfuͤrstl. Durchl. allezeit mit solcher gnade walten wolle/ daß/ er fuͤhre sie auch da oder dort hin/ sie komme an ort wo sie erbauliche gesellschafft umb sich hat/ und deroselben geniessen kan/ oder sie muͤsse mit David unter Mesech und den huͤtten Kedar leben/ das ist/ meistentheils lauter leute umb sich sehen/ dero aͤrgernuͤß und unchristlicher wandel ihre Gott-liebende seele betruͤbete/ sie doch ohn- geaͤndert und mit gleicher krafft seine goͤttliche wuͤrckung bey sich spuͤre/ und an gut und boͤsem exempel/ welches sie vor sich sehen muß/ zu ihrem geistlichen wachs- thum anlaß finde: welches auch derjenige wunsch ist/ mit deme immerfort die- selbe des himmlischen Vaters getreuester obhut empfehle/ und so Jhro als allen hohen angehoͤrigen alles/ was zu seel und leib hier und dort selig ist/ mit hertzli- chem eiffer einsaͤltig anwuͤnsche ꝛc. 1673. SECTIO VIII. Als obige Fuͤrstin oder Princeßin auch Fuͤrstlich ver- heyrathet wurde/ zur aufmunterung. W As der allerweiseste GOtt mit E. Hochfuͤrstl. Durchl. vor eine aͤnde- rung vorgenommen/ ist mir eine sonderbahre freude gewesen zuerfah- ren; wie auch solche freude mir zuerst vor andern vermittels Jungfl. Muͤllerin/ daß dergleichen vor seyn sollte/ wissend worden/ biß end- lich durch deroselben eigen gnaͤdiges in Jungfl. Merlauin uns sam- mentlich solcher sache gewißheit zugekommen. Wie nun ich biß daher nebens E. Hochfuͤrstl. Durchl. hohem stande vor allem billich die noch viel hoͤhere von goͤttlicher guͤte deroselben ertheilte geistliche gnade hochgehalten/ und dem geber alles guten demuͤthigen danck dafuͤr gesagt/ also sage auch nochmal seiner weisesten goͤtt- ARTIC . I. SECTIO VIII. goͤttlichen regierung/ welche in dieser sache hervorleuchtet/ inbruͤnstigen danck/ ungezweiffelt/ daß in solcher sache GOtt noch ein mehrers und weiters angese- hen/ als wir jetzo sehen koͤnnen/ wiewol auch unterschiedlicher nutzen offenbahrlich vor augen liget: Wann ich erwege/ daß nicht allein E. Hochfuͤrstl. Durchl. hiedurch unterschiedlicher nicht nur beschwehrlicher/ sondern auch/ obwol nicht zu hemmung/ iedoch unterbrechung dero uͤbungen der gottseligkeit/ gefaͤhrlicher conversation allerdings befreyet/ sondern in den stand gesetzet wird/ in wel- chem sie hinkuͤnfftig dasjenige/ wornach ihre seele biß dahin verlanget/ viel unge- hinderter thun und uͤben moͤge. Also daß da sonsten gewoͤhnlich der ledige stand diesen vortheil vor dem verheyratheten hat/ daß in jenem Gott freyer gedienet wer- den moͤge/ gleichwol die betrachtung bißheriger unterschiedlicher dem gefuͤhrten ledigen stand angehengter beschwehrde/ mich hoffen macht/ daß vorstehender hey- rath mit einem solchen Fuͤrsten/ dessen lob der gottseeligkeit sowol sonsten mir an- dertwertlich bekant gewesen/ als dißmal von E. Hochfl. Durchl. selbs zur gnuͤge erkant worden/ unvergleichlich mehr gelegenheit geben wird/ GOtt ungehinder- ter zu dienen/ und sowol sich selbs als andere offters/ ja taͤglich/ zuerbauen. Es hat der liebste Heyland austruͤcklich so viel gewissere erhoͤrung zugesagt/ wo zwey oder drey in seinem nahmen versamlet sind/ wie nun solches von allen sich bey- sammen findenden gottseligen hertzen zuverstehen/ also ist nicht zweiffel/ daß die zusammensetzende andacht zweyer von GOtt und in seiner ordnung zusammen- gegatteter Christlicher personen dem guͤtigsten Vater im himmel so viel unzweif- fentlicher gefalle und erhoͤret werde; auch der ehestand selbs/ wegen genauest mit einander fuͤhrenden lebens/ zu uͤbung solcher andacht so viel offtere gelegenheit gebe. Und weilen E. Hochfl. Durchl. dero Frauenzimmer nach dem eigen gutbefin- den anzuordnen haben werden/ so wird vermittels goͤttlichen segens deroselben nicht schwehr werden/ es sowol also zubesetzen/ als auch unter denselben dergleichen uͤ- bungen anzustellen/ daß sie selbs in ihrem stand gleich als eine vorsteherin eines auserwehlten jungfraͤulichen klosters an ihrem hoff werden und seyn moͤge. Wie vor dem die so gepriesene Pulcheria, des jungen Kaͤysers Theodosii schwester/ es dahin gebracht/ daß der kaͤyserliche hoff einem kloster aͤhnlich geach- tet wurde. Welches so viel leichter seyn mag/ weil auch die wohlseelige vorige Fuͤrstin den stattlichen ruhm der gottseligkeit getragen/ und daher/ was auch die- selbe ausgesaͤet noch reiche erndte hoffen machet/ welche E. Hochfl. Durchl. samt demjenigen was sie selbs ausstreuet/ zugleich einerndten und samlen mag. Wie aber das exempel derjenigen/ welche uͤber andere zubesehlen haben/ sehr vieles/ andere zuerbauen oder andere auch zuverderben/ vermag/ also stehe in der guten zuversicht/ daß E. Hochfl. Durchl. Christlicher eyffer/ den sie an sich selbs und die regierung der absonderlich ihro anbefohlenen zeigen mag/ solglich durch goͤtt- N n n n 3 liche Das fuͤnffte Capitel. liche gnade/ vielen andern zu gottseliger nachsolge anlaß und ursach geben werde. Damit also/ was E. Hochfl. Durchl. geliebtester Hr. auff ihm von GOtt/ der ihn in die regierung gesetzet/ anbefohlene weise mit handhabung reiner lehr/ guter kirchen-versassungen/ allgemeiner zucht und befoͤrderung aller geistlichen erbauung/ sowol selbs mit anordnung/ auffsicht und redlichem exempel/ als durch die seini- ge dazu verordnete vermittels goͤttlichen segens in der regierung zu GOttes heili- gen ehren bißher ausgerichtet/ und ferners ausrichten wird/ auff E. Hochfuͤrstl. Durchl. anstaͤndige und geziemliche weise von deroselben mit gottseligem vorgang und an sich selbs zeigendem exempel so viel kraͤfftiger und nachtruͤcklicher befoͤr- dert werde. Wie dann der grundguͤtige GOtt die hertzliche intention, mit dero E. Hochfuͤrstl. Durchl. zu solcher aͤnderung sich verstanden/ nicht ohnge- segnet/ noch die mehrere gelegenheit gutes zu stifften/ als sie bißher nicht gehabt/ auch nicht vergebens seyn lassen wird. So stehe ich auch in dem vertrauen/ daß dieselbe solcher goͤttlichen weisen absicht nicht aus handen gehen/ sondern sich der an hand gebenden gelegenheit zu verherrlichung des goͤttlichen nahmens ange- legenlich gebrauchen werde. Wie ich auch letzlichen solche himmlische guͤte de- muͤthig anflehe/ auch stetig zu beten nicht unterlassen werde/ daß dieselbe nicht nur solche angehende ehe mit aller art zeitlichen und zu dem wolwesen des gegenwaͤrti- gen lebens in erreichung beyderseits hohen alters/ gesundheit/ friede/ eintracht/ leibes-frucht und anderen gehoͤrigen segens mildiglichst erfuͤllen/ sondern E. Hochfl. Durchl. auch den vor allem uͤbrigen mehr liebenden zweck dem grossen GOtt so viel besser dienen zu koͤnnen/ nach wunsch erlangen lassen wolle. Er der GOtt al- ler goͤtter erhalte so wohl E. Hochfl. Durchl. jetzo Jhro zufuͤgenden theuren Fuͤrsten und sie selbs in bißheriger Christlicher intention, ihn vor allem angelegenlichst zudienen/ und lasse in vermehrung seines goͤttlichen liechtes/ auch staͤrckung des gu- ten willens dieselbe immer weiter wachsen und bekraͤfftiget werden/ auch einander unter sich selbs/ so eines Christlichen ehestandes erste frucht ist/ hertzlich und taͤg- lich zuerbauen/ so dann bey andern gleiches zubefoͤrdern. Er regiere aller so in geist-als weltlichem stand an solchem hoff vornehmer bedienter/ zu denen/ ob wol niemand davon kenne/ billich ein gutes vertrauen tragen will/ hertzen und gemuͤther zu gleicher absicht staͤtig zu zwecken und alles dahin helffen anzuordnen; und steure hingegen allen hinderungen/ die der teufel in den weg aller orten zuwerffen pfleget/ wo man zeiget mit ernst sich ihm zuwider setzen; Auch wo sein heiliger rath ist/ daß ne- bens anderm creutz E. Hochfl. Durchl. um dero guter intention und eines von der welt manier abgehenden lebens willen/ einige widerwertigkeit/ laͤsterung und ver- drießlichkeit ausstehen solten/ (deren bey einem rechschaffenen Christenthum auch der hohe stand die nachfolger und nachfolgerinnen C Hristl nicht befreyet/ sondern vielmehr zu mehrern leyden/ vor andern geringen anlaß gibet) so wolle der grund- guͤtige ARTIC . I. SECTIO VIII. guͤtige Vater in dem himmel sie mit so viel kraͤfftiger gnade seines heiligen Geistes ausruͤsten/ sich dadurch nicht weich oder abwendig machen zu lassen/ sondern die schmach CHristi vor einen herrlichen schmuck zu achten/ desto eiffriger und vor- sichtiger auff dem weg des HErrn einherzugehen/ allen die sich widersetzen moͤch- ten/ mit liebreicher sanfftmuth zubegegnen/ und sie also zugewinnen/ auch solche pruͤffung/ von der hand des liebsten GOttes/ ohne dessen verhaͤngnuͤs uns niemand widrig seyn mag/ mit demuͤthigem danck anzunehmen/ und die ehre der auffrichti- gen gottesforcht nicht von der welt/ sondern allererst an jenem tag von ihrem aller- liebsten seelen-braͤutigam JEsu CHristo/ mit gedult zuerwarten: Jn allem aber aus ansehen der bey uns allen sich befindlichen unvermoͤgenheit den Vater der gnaden stuͤndlich ja augenblicklich um seine gnade anzuruffen/ die sie auch geschi- cket mache/ zuwandeln wuͤrdiglich ihrem Christen-Fuͤrsten- und numehr ehe- beruff/ hingegen ihre augen abzuwenden/ daß sie nicht bey mehrerer gelegenheit und versuchung/ (daran es vielweniger als an gelegenheit zu dem guten manglen wird) zu einiger der welt eitelkeit zuruͤck kehre/ oder diese lieb gewinne/ und da- mit goͤttlichen guten rath uͤber sich zu nicht mache/ sondern das gute in ihr angesan- gene werck in sich vollfuͤhren/ auff den tag JEsu Christi: So wollen wir alle mit deroselben beten mit Paulo Phil. 1. daß eure liebe je mehrund mehr reich werde in aller erkaͤntnuͤs und erfahrung/ daß ihr pruͤfen moͤget/ was das beste sey/ auff daß ihr seyd lauter und unanstoͤßig biß auff den tag Christi erfuͤllet mit fruͤchten der gerechtigkeit die durch JEsum Christum geschehen in euch zur ehre und lobe GOttes. Amen. 1676. SE- Das fuͤnffte Capitel. SECTIO IX. Aufmunterung an eine Christliche Princeßin. W Je mich freuet/ das sowol vormal als noch in letzterem gnaͤdigsten be- zeugte E. Hochfl. Durchl. gnaͤdigste vertrauen und zuneigung gegen meine wenigkeit: so erfreuet mich noch so vielmehr die an deroselben hervorleuchtende goͤttliche gnade/ welche das in Jhro angefangene werck ferner fortzusetzen nicht muͤßig ist. Es ist je freylich eine theure wolthat/ welche E. Hochfl. Durchl. von der himmlischen guͤtigkeit ruͤhmen/ so sie in der jugend kraͤfftig zu sich gezogen/ und zu ihrer erkaͤntnuͤß gebracht/ auch biß daher die begierde Christo nachzufolgen und danckbar zu werden erhalten hat. Wertheste Fuͤrstin/ ob Jhr hoher stand und geburt auch eine nicht geringe wol- that ist/ sonderlich wo solche zu so viel mehrer gelegenheit das gute nachtruͤcklicher zubefoͤrdern/ ja zu dessen instrument/ wie es dann seyn solle/ gebrauchet wird/ so ist doch die hoheit jener wolthat zur erkaͤntnuͤß GOttes gefuͤhret und in seiner huld zu seyn/ unvergleichlich hoͤher und groͤsser: dann es wird die zeit kommen/ da mit dem abschied aus dieser zeit jener hoheit auffhoͤret/ und die seele nichts da- von/ sondern allein was sie aus dieser geistlichen wuͤrde und liecht in sich gefasset hat/ behalten oder vor GOtt bringen wird. Also lasset uns das theure gut sol- cher erkaͤntnuͤß und das geschmeckte liecht recht danckbarlich annehmen und ge- brauchen/ so wissen wir gewiß/ daß wer da hat/ demselben mehr gegeben werde werden/ Matth. 25/ 29. Der grosse GOtt hat dieselbe in einen stand gesetzet/ daß das liecht/ welches sie von sich aus seiner gnaden-krafft leuchten lassen solle/ sich so viel weiter zu GOttes preiß und vieler frucht ausbreiten kan/ als auf einem hoͤhern leuchter sie stehet/ und mehrere augen auff sie gerichtet werden werden. So hoffe ich E. Hochfl. Durchl. werde zu desselben preiß allzeit nicht weniger eine Christin zu seyn/ als des Fuͤrstlichen angeerbten tituls sich erinnern/ aber dabey glauben/ es seye ein nahme/ welcher wahrhafftig nicht weniges in sich fasset/ und die ehre haben will/ daß er des Fuͤrstlichen/ nicht aber dieser titul des Christlichen/ regel seye. Theure Fuͤrstin/ ich rede mit deroselben hertzlich/ wozu mich ihr gnaͤ- diges vertrauen locket/ und der HErr mich in meinem gemuͤth durch die liebe/ so zu ihrer liebsten seele trage/ treibet. Sie weiß die reguln ihres Heylandes und seiner diener von verleugnung seiner selbst/ aufnehmung seines ereutzes und seiner nach- solge/ also auch von verfchmaͤhung und entschlagung der liebe der welt und ihrer eitelkeit: Sie hat auch die versicherung/ daß dieselbe ohne unterscheid/ person und stan- ARTIC. I. SECT. IX. standes alle seelen/ die der HErr zu seinem eigenthum erkauffet hat/ angehen/ daß deßwegen mich auch dessen gewiß halte/ sie werde sich willig erklaͤhren/ nach denselben ihrem theur verdienten Heylande zu gehorsamen. Es wird sich aber zeigen/ daß ob wohl der unterschied hohen standes und dieser wahr- hafftig eine goͤttliche ordnung bleibet/ dannoch leyder durch die jetzige welt- maximen demselben insgemein so viele eitelkeit angeklecket worden seye/ so gleichwol allen regelen CHristi entgegen ist/ daß man kaum mehr densel- ben von dem ihme zur ungebuͤhr angeklebten recht unterscheiden kan. E. Hochfl. Durchl. nehmen aber Jhrem Herrn zum preiß die tapffere resolution in allem solchem durch zu brechen/ und zwahr ihren stand/ darein nicht sie sich selbst/ sondern der HErr gesetzet hat/ gezimlich zu bewahren/ als ein ihr auch anvertrautes gut/ aber alles dabey christlich und sorgfaͤltig zu un- tersuchen/ was in demjenigen/ so sie bey ihres standes gleichen insgemein sihet/ der vorschrifft ihres Heylandes gemaͤß oder ungemaͤß zu seyn sich finden laͤsset/ festiglich glaubende/ daß alles dasjenige was den re- gelen des grossen HErren entgegen ist/ koͤnne unmuͤglich ein stuͤck seiner ord- nung seyn/ und also dem stande selbst zu gehoͤren/ sondern/ es muͤsse als ein mißbrauch der welt/ damit wir uns nicht beflecken sollen/ angesehen und bey verlust unsers Christenstandes unterlassen/ ja in demselben alles verleugnet werden/ was die welt eigenmaͤchtig ihr vor exceptiones und vorzuͤge gewis- ser personen machet/ darinnen die groͤsseste herrlichkeit suchende. Wo wir a- ber kurtz gleichsam den probir stein ansehen wollen/ an und nach welchem alles zu pruͤffen/ solte es wol etwa dieser seyn/ daß wir zu glauben haben/ wir sey- en von dem grossen GOtt durchaus zu keinem andern ende/ als seiner ehre/ des nechsten nutzen und erhaltung unserer seelen/ in die welt gesetzet: Daher dieses richtig folget/ daß keinem menschen/ wer der auch seyn mag/ etwas desjenigen erlaubet seye/ welches nicht mittelbar oder unmittelbar zu die- sem haupt-zweck gerichtet ist/ sondern allein zu eigener ehre/ nutzen und lust/ und also aus unordentlicher selbst-liebe gethan wird. Wie diese regul eine unverneinliche goͤttliche wahrheit ist/ also werden E. Hochfl. Durchl. nach dero erleuchtetem verstand unschwehr ermessen/ wie ein starcker strich hiem it durch das meiste/ was man in der welt añoch vor unstraͤffliche zeitvertreiben und lustigkeit haͤlt/ welche aber vor jenem gericht und in der rechnung/ welche von uns gefordert werden solle/ nicht passir en werden: und wie nothwendig also einer seele/ die als ein brand aus dem feuer des allgemeinen verderbens auch letzter verdamnuͤß sich retten lassen will/ dieses seye/ daß sie ihrem eige- nen fleischlichen willen/ und dem angebohrnen wolgefallen der welt gewalt thue/ biß zu dessen kraͤfftigem loßreissen. Jch kan zwahr so bald vorsehen und vorsagen/ daß bey solcher werckstelligung dieser christlichen resolution, O o o o es Das fuͤnffte Capitel. es nicht ermanglen werde/ an dem erfolg dessen/ was unser Heyland zusam- men setzet/ sich selbst verleugnen und sein creutz auff sich nehmen/ das ist/ es werde an creutz und widrigkeit eben um solcher ursach willen (wel- che art allein des tituls des creutzes wuͤrdig ist) nicht ermanglen/ und sonder- lich die unbeliebige und veraͤchtliche urtheile der weltgesinnten/ aber auch in der welt geachtesten/ nicht aussen bleiben/ so vielmehr weil die praxis der christlichen reglen unter uns leider so rar worden/ daß man vornemlich unter denen/ die der HErr hoͤher gesetzet/ auch die wahrheit derselben in zweiffel ziehet/ ja wo nicht als eine ketzerey/ doch vor aberglauben und abgeschmack- te einfalt/ ausruffet: auff daß man ja sagen koͤnne/ CHristus und sein rechtschaffenes wesen seye uns sehr fremde worden. Er aber und die wuͤrde dazu er uns beruffen/ ist so viel wehrt/ daß wir um derselben willen solche kleinigkeiten/ die wir daruͤber leiden muͤßten/ ja solten es noch viel schwehre- re proben seyn/ nicht uns abschrecken lassen/ vielmehr dem HErrn durch gu- te und boͤse geruͤchte in seine herrlichkeit und zu gemeinschafft seines reichs zu folgen/ so uns gethan zu haben auch niemalen reuen wird. Jch bin gewiß/ daß E. Hochfl. Durchl. alle diese wahrheiten erkenne/ und sich insgemein zu derselben uͤbung mit redlichem hertzen verstehen werde/ welches bereits eine grosse goͤttliche gnade ist/ und demuͤthigen danck verdienet: so hoffe ich/ Sie werde auch je mehr und mehr eyfferanwenden/ in solcher uͤbung zu zu- nehmen/ und alles/ was sie vorhat nach solcher heiligen regel ihres CHristi pruͤffen/ wie fern es deroselben gemaͤß ist/ oder davon abgehen moͤchte. Dann wie zum allerfordersten die allgemeine resolution, sein gantzes lebem dem HErrn auffrichtig auffzuopffern/ nothwendig ist/ und zum grunde des uͤbri- gen also liget/ daß ohne solche in den theilen des lebens nichts rechtschaffenes gebessert werden kan/ so muͤssen wir doch nach derselben fortfahren/ und jede stuͤcke nach einander examinir en/ was sich in unserm thun befinde/ wie es mit jener allgemeinen resolution uͤbereinkommet/ oder davon abweichet. Jch weiß und bekenne hiebey die allgemeine menschliche schwachheit/ und wie un- terschiedliches in unsrem Christenthum/ was nemlich dessen vollkommenheit angehet/ mehr in einem wuͤnschen als thaͤtlichen erreichen bestehe/ je dannoch so der HErr uns das Wollen gegeben hat/ und in seiner hand das thun nicht weniger stehet uns zu geben/ so lasset uns ohne zweiffel und versichert seyn/ der jenes gewuͤrcket hat/ werde wo wir uns seiner guͤtigen regierung uͤber- lassen/ eben so wol mit dem vollbringen es weit bey uns kommen lassen/ und geben/ daß wir immer einen sieg nach dem andern uͤber uns selbs und unsre luͤste/ uͤber die welt und von derselben uns in den weg geworffene hindernuͤsse davon tragen/ dorten aber so vielmehr palmen und krohnen zu erwarten ha- ben. ARTIC. I. SECTIO IX. ben. Was vor eine hertzlichere freude solte auch mir armen/ welchen gleich- wol E. Hochfl. Durchl. dero Fuͤrstlichen guade gewuͤrdiget/ dasjenige seyn/ da ich von staͤtem deroselben wachsthum in dem rechtschaffenen guten/ so nicht nur in gedancken und worten/ sondern ernstlicher that bestehet/ ver- mittels goͤttlichen seegens hoͤren/ und die himmlische guͤte daruͤber zu preisen offters materie finden werde: so vielmehr da ich in dieser troͤstlichen hoffnung stehe/ daß alsdenn Jhr geheiligtes exempel/ jemehr sie von der welt sich loß- reisset/ ob es wol denen/ die sich darein so tieff verliebet/ ein anstoß bleiben/ gleichwol allen denen seelen/ die der HErr HErr auch noch in ihrem stand ih- me uͤbrig behalten hat/ dermassen einleuchten werde/ daß sie als eine freu- dige vorgaͤngerin in seiner krafft mehrere nachfolger gewinne/ und also so viel fruchtbarer in solchem guten werde/ wie dann die unmuͤglichkeit/ in hoͤ- herem stande dannoch alles nach der ordnung CHristi einzurichten/ welche viele vorschuͤtzen/ nicht kraͤfftiger als durch thaͤtiges exempel widerleget/ und damit solche entschuldigung benommen werden kan/ mit dero sonsten ihrer so viele zu ihrem verderben sich in der sicherheit bestaͤrcken. Jch meines orts vermag zu solchem guten nichts weiter zu contribui ren/ massen E. Hochfl. Durchl. dessen auch nicht bedoͤrffen/ die an dem wort GOttes und der hand- leitung ihrer gegenwaͤrtigen treuen prediger ohne das genug haben/ als daß ich mit meinem armen aber treugemeinten gebet den vater der barmhertzig- keit anzuruffen nicht unterlassen werde/ welcher sie noch ferner zu einem aus- erwehlten gefaͤß seiner ehre um CHristi willen bereiten/ auch sie durch und durch heiligen wolle/ daß ihr geist gantz samt der seel und leib behalten wer- de unstraͤfflich auff die zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi. Nun er ist ge- treu/ der uns ruffet/ in allem ihm getreu zu bleiben/ das wir sonst nicht ver- moͤchten/ welcher wirds auch thun. Amen. 1684. SECTIO X. Auffmunterung an einige Braͤfliche Fraͤu- linnen. A Ls ich vor acht tagen zu N. N. gewesen/ so war mir nicht wenig vergnuͤg- lich/ zufoͤrderst die von dem geehrten Herrn vaters Hoch-Graͤfl. Gn. zur zierde des gottesdienstes erbauete kirche/ nechstdem auch gemaͤhlde/ gaͤrten und grotten-werck/ anzusehen/ was ich aber am wenigsten gehofft/ ist dasjenige gewest/ welches zuletzt meine reise begluͤckt gemacht/ daß da indeme wieder auf die ruͤckkehr gedachte/ E. E. E. Hoch Graͤfl. Gn. Gn. Gn. selbs ansichtig/ uñ zu dero unterthaͤnigstem hand kuß gelassen zu werden/ die gnade gehabt habe. Wo ich dann billich allen auffs herrlichste und zierlichste ge- O o o o 2 bau- Das fuͤnffte Capitel. bauten kirchen die lebendige tempel des H. Geistes/ um dero und ihrer er- bauung wegen jene eusserliche Gotteshaͤuser auffgerichtet werden/ sehr weit vorziehe: Ferner auch erkenne/ daß gegen dem bilde GOttes/ welches der H. Geist in gottseligen seelen wiederum erneuert und taͤglich daran arbeitet/ alle die kuͤnstliche von mahler-pinseln gemachte stuͤcke vor gantz nichts zu achten; so dann was solcher finger GOttes in dem gnaden werck in denjenigen/ so ihn bey sich lassen kraͤfftig seyn/ wircket/ unvergleichlich vortrefflicher ist/ als was sonsten er zwahr selbs/ der grosse GOTT/ in dem werck der natur an gewaͤch- sen und andern dergleichen hervorwachsen laͤst/ oder eines kuͤnstlers hand der natur etwas nachzuahmen sich unterstehet. So hat mich so viel hertzlicher ver- gnuͤget/ daß da mir E. E. E. Hoch-Graͤfl. Gn. Gn. Gn. hohe geburt und an- dere stands ziemliche quali taͤten bereits bekant waren/ von dero Herrn Hof- Predigern so bald berichtet sey worden/ wie dieselbe bißher durch dero gelieb- ten Herrn vaters hochpreißliche sorgfalt nicht weniger in der wahren und rechtschaffenen gottseligkeit/ als andern alter und stande anstaͤndigen tugen- den aufferzogen worden/ und in jener als aller uͤbrigen vortrefflichsten sich mit eigenem triebe loͤblichst uͤbeten. Nun bekenne ich gern/ daß mir groͤssere freude in der welt schwehrlichen wiederfahren kan/ als wo ich erfahre/ oder sehe/ dergleichen personen/ die ihren GOTT an sich zu verherrlichen (als wo- zu alles allein erschaffen) mit allem eiffer und fleiß trachten: Welche billich al- lem andern/ was aus anderer ursach in der welthochgeachtet wird/ weit vor- zuziehen ist. So viel mehre freude aber soll es billich seyn/ wo wir unter der zahl derselbigen auch solche personen antreffen/ welche ohne das der grosse GOTT und HErr aller HErren in hohen stand gesetzet/ und ihnen in dem- selben als einem vortrefflichen kleinod etwas von dem bild seiner macht ange- haͤnget/ aber sie auch dadurch mit nener pflicht zu danckbarem dienst verbun- den hat: Deswegen er hinwieder deroselben dienst ihm auch so viel angeneh- mer seyn laͤsset. Wann dann nun E. E. E. Hoch-Graͤfl. Gn. Gn. Gn. unter denselben sich auch befinden/ so habe mich erkuͤhnet/ mit diesen geringfuͤgigen zeilen so wol meine daher geschoͤpffte christliche freude/ in dero auch dem grundguͤtigen GOTT/ so solches gute zu seinem preiß in sie geleget/ muͤglich gedancket habe/ zu bezeugen/ als von desselben unermeßlichen guͤte noch ferner seine heiligste gnade inbruͤnstig anzuwuͤnschen. Es ist zwahr dieses aller menschen allgemeine pflicht/ die sorge ihrem GOTT ernstlich zu dienen ihre einige und bestaͤndigste sorge seyn zu lassen/ es gedencket aber darvon derApo- stel/ 1. Cor. 7/ 33. 34. daß unter andern dieses des jungfraͤulichen standes vorzug seye/ daß solche/ die noch an niemand verbunden/ durchaus nicht sor- gen/ wie sie der welt/ sondern allein wie sie dem HErrn/ gefallen moͤgen; ist also so viel ruͤhmlicher/ daß E. E. E. Hoch-Graͤfl. Gn. Gn. Gn. solcher goͤtt- lichen ARTIC . I. SECTIO X. lichen intention gemaͤß diese ihre freyheits jahre zu gruͤndung der wahrẽn gottseligkeit/ so doch des gantzen lebens (in welchen stand man auch treten mag) regentin seyn muß/ ohnversaͤumlich anwenden/ und so viel angelegenli- cher jetzo bey mehrerer musse den saamen ausstreuen/ welcher hin kuͤnfftig un- auffhoͤrliche fruͤchten bringen soll/ die auch so viel reichlicher gemeiniglich sind/ als etwa fruͤher damit angefangen worden. So ist auch unter andern tugenden die ernstliche gottseligkeit diejenige/ welche/ wie zwahr auch dem ge- ringen noͤthig/ als welche sie auch bey GOTT hoch setzet/ also doch denen ohne das von GOTT hoͤher gesetzten eine neue und die allervornehmste zierde ist. Alldieweil die aus GOTT geschehende wiedergeburt/ die in der welt von hohen eltern empfangene geburt um so viel erhoͤhet/ als GOTT hoͤher ist/ vor allem/ was in der welt alle cronen und scepter traͤget; und deswegen wel- che von dergleichen ursprung hier entsprossen sind/ mit unablaͤßigem fleiß zu trachten haben/ in einer noch hoͤheren GOttes-geburt immerfort stehen zu bleiben/ und an dero guͤtern zu wachsen. Wie dann nun dieses biß daher ihre angelegenliche sorge gewesen/ also wolle die hoͤchste goͤttliche Majestaͤt in denselben das gute werck/ so sie angefangen/ staͤrcken/ gruͤnden und vollfuͤhren biß auf den tag JESU Christi. Der Vater des liechts vermehre in ihnen sein liecht des Geistes je mehr und mehr/ daß sie aus fleißiger lesung und for- schung der heiligen schrifft/ so dann anhoͤrung goͤttlichen worts/ und allen gottseligen uͤbungen/ dazu dero geliebter Herr Hof-Prediger gnugsam anlaß geben wird/ zunehmen moͤgen in der heilsamen erkaͤntnuͤß GOttes/ und in der- selben ihres heils/ und daß also in ihren hertzen mehr und mehr der tag anbre- che/ und der morgenstern auffgehe: Gegen welcher goͤttlichen erkaͤntnuͤß vor- trefflichkeit sie nachmal finden werden/ daß alles andere wissen und weißheit lauter finsternuͤß und thorheit seye. Er gebe ihnen krafft nach dem reich- thum seiner herrlichkeit/ starck zu werden durch seinen Geist an dem inwendi- gen menschen/ und Christum zu wohnen durch den glanben in ihrem hertzen/ und durch die liebe eingewurtzelt und gegruͤndet werden/ zu begreiffen mit al- len heiligen/ welches da seye die breite und die laͤnge/ und die tieffe und die hoͤ- he/ auch erkennen/ daß Christum lieb haben viel besser seye als alles wissen/ auf daß sie erfuͤllet werden mit allerley GOttes fuͤlle. Er lasse sie schmecken/ wie freundlich er seye/ und was vor eine suͤßigkeit an ihm die seelen empfin- den/ welche deswegen alle welt-luͤsten verleugnen/ jener lieblichkeit vergnuͤg- licher zu geniessen. Er staͤrcke sie gegen alle anfechtungen des sataͤns/ der welt und eigen fleisches/ um in dem angefangenen eiffrig fortzufahren/ der welt mehr und mehr abzusterben/ und auch von denen/ welche anders gesin- net sind/ die schmach Christi willig anzunehmen. Jn summa/ er schencke sich ihnen gantz mit allen seinen goͤttlichen guͤtern/ daß sie sich auch ihm zum opffer O o o o 3 und Das fuͤnffte Capitel. und eigenthum gantz uͤbergeben/ hie allein die seinigen zu seyn/ biß er ihnen dorten in jener glori alles in allem werde/ und sich alsdann thaͤtig herfuͤrthue/ wie gut es diejenige haben/ die ihren GOTT bereits hie alles haben wollen seyn lassen. 1675. SECTIO XI. An eine Fuͤrstliche person bey antritt eines recom- mendi rten Hoffpredigers. J Ch habe gerne vernommen/ daß das beruffs-geschaͤfft wegen NN. zur richtigkeit gelanget/ dabey ich den himmlischen Vater nicht weniger de- muͤthigst anruffe/ daß er auch auff solches das siegel seines ruffs in rei- chem segen trucken/ den mann den er sendet/ mit dem geist der weißheit und des verstandes/ mit dem geist des raths und der staͤrcke/ mit dem geist der er- kaͤntnuͤß und der furcht des HErrn herrlich ausruͤsten/ die worte des lebens/ so zu E. Hochfuͤrstl. Durchl. und aller so hoher als uͤbriger anvertrauten per- sonen leben kraͤfftig seyn moͤgen/ in seinen mund legen/ also durch ihn mit ih- rem hertzen reden/ und dieselbe allezeit zu seinem gehorsam lencken/ insgesamt aber und in allen stuͤcken seinem amt denjenigen nachtruck selbs geben wolle/ daß keine der seelen/ fuͤr die er zu sorgen hat/ verlohren gehe. Wann aber zur frucht solches geistlichen amts nicht allein die treue des Predigers/ son- dern auch deren die ihn hoͤren folgsame auffnehmung des goͤttlichen worts er- fordert wird/ indem daswort der Prediger nichts hilfft/ wo nicht glau- ben die so es hoͤren/ (Hebr. 4/ 2. ) oder wie es nachtruͤcklich in seiner sprach lautet/ wo es nicht durch den glauben mit denjenigen vermenget wird/ und also tieff in die seele derselben eintringet/ die es hoͤren: so sehe ich bereits aus demjenigen/ daß E. Hochfuͤrstl. Durchl. so angelegenlich einen rechtschaffe- nen und von GOtt zu seinem wahren dienst ausgeruͤsteten Hoffprediger ver- langet/ und daher so viel lieber eine weile/ biß der HErr einen solchen zeigte/ warten wollen/ indem unterthaͤnigsten hertzlichen vertrauen/ daß E. Hoch- fuͤrstl. Durchl. solchem angehenden Hoffprediger nicht allein im uͤbrigen mit gnaden zugethan bleiben/ sondern auch allezeit dem amt des Heil. Geistes/ der unsre seelen durch das wort der himmlischen wahrheit/ so dieselbe von der welt/ und aller derselben befleckung bekehret/ selig machen will/ bey sich selbs den ziemenden raum geben werde. Es muß nach goͤttlicher ordnung das wort/ so die seelen selig machen solle/ in dieselbe allerdings gepflantzet wer- den/ daher will erfordert werden/ es nicht nur allemal mit andacht anzuhoͤ- ren/ sondern auch/ wenn es zuweilen unser fleisch und blut zu unsrer heilsa- men gesundheit mit einigen schmertzen und goͤttlicher traurigkeit angreiffen solte ARTIC . I. SECTIO XI. solte/ mit sanfftmuth anzunehmen/ und staͤts dem Heil. Geist/ der dadurch wircken will/ durch gottselige betrachtung desselben/ platz bey sich zu lassen/ damit er es immer tieffer eintrucke/ nicht nur in den verstand und gedaͤcht- nuͤß/ sondern selbs in das hertz hinein. Denn wo seinen wirckungen dermas- sen raum gegeben wird/ so macht er unsre seelen mehr und mehr goͤttlich gesin- net/ daß die wahrheit des Evangelii in dieselbe mit himmlischem glauben ein- getrucket/ und das gesetz des HErrn selbs mit lebendigen buchstaben in einer liebe gegen dessen heiligkeit und sorgsamen fleiß nach demselben das gantze leben aus danckbarkeit vor die empfangene gnade der seligkeit anzustellen/ eingeschrieben wird: da bleibet der saame GOttes in der seele/ bewahret uns vor aller herrschafft der suͤnden/ und machet/ daß wir nicht nurhoͤrer/ sondern auch thaͤter des worts/ und also nicht zwahr durch/ jedoch in der that selig werden. Daß nun solches die loͤbliche absicht E. Hochfuͤrstl. Durchl. fuͤr sich und alle hohe ihrige gewesen/ lebe ich der troͤstlichen zuversicht/ und versehe mich/ daß auch die christliche resolution laͤngst gefasset seyn werde/ das werck des HErrn in sich durch diesen seinen diener kraͤfftig fortsetzen zu lassen/ und allezeit dessen/ der in dem wort von oben her mit uns redet/ willen freudig an- zunehmen. Welches ich auch aus dem unterthaͤnigsten vertrauen/ das E. Hochfuͤrstl. Durchl. durch dero gnaͤdigstes bezeugen gegen mich verursacht/ demuͤthigst erinnert und gebeten haben will. Jch ruffe endlich den himmli- schen Vater/ der zu allem pflantzen und begiessen selbs das gedeyen geben muß/ flehentlichst an/ daß seine allmaͤchtige und staͤrckeste gnade E. Hoch- fuͤrstl. Durchl. theure seele durch die krafft seines heilsamen worts mehr und mehr demselben in der that gleichgesinnet machen/ sie mehr und mehr von al- lem/ was ihm mißfaͤllig ist/ und den suͤssen geschmack des goͤttlichen trostes hindert/ reinigen/ hingegen in der krafft des blutes JEsu Christi der verge- bung aller suͤnde versichert mit liebe der taͤglichen ernstlichen heiligung/ ohne welche wir den HErrn nicht sehen koͤnnen/ erfuͤllen/ solchen vorsatz niemal wiederum unterbrochen werden lassen/ zu dessen erfuͤllung aber und bestaͤn- digkeit taͤglich von oben herab neue gnade mittheilen/ und also insgesamt den paulinischen wunsch an deroselben und gantzem Hochfuͤrstl. hauß erfuͤllen wolle/ welchen ich dem theuren Apostel nachspreche und uͤbrige wuͤnsche (da- bey es auch an meinem taͤglichen gebet nicht mangeln solle) dieses mal damit beschliesse. 1. Thess. 5/ 23. 24. Er/ der GOtt des friedens heilige euch durch und durch/ und euer geist gantz samt der seele und leib muͤsse be- halten werden unstraͤfllich auff die zukunfft unsers HErrn JESU Christi. Getreu ist er/ der euch ruffet/ welcher wirds auch thun. Erthue es dann! Amen. 1690. SECTIO Das fuͤnffte Capitel. SECTIO XII. Erinnerung an eine schwehr gefallene Stands- person. J Ch zweiffele nicht/ daß dieselbe nachdem sie von GOtt zur buß gerich- tet/ alles in der rechten ordnung thun und anfangen werde/ nemlich die vornehmste sorge dahin zu richten/ wie sie staͤts vor dem HErrenin sol- cher wahrer buß stehen/ sich unter seine gewaltige hand demuͤthigen/ und also von derselben alles mit williger gedult auffnehmen moͤge. Die schwehre ih- res begangenen falls ist nicht eben noth hie vor augen zu stellen; ich hoffe a- ber und nehme es auch aus dem gethanen schreiben ab/ daß sie solchen fall nicht vor den ersten anfang dero geistlichen ungluͤcks achten/ sondern erkennen werde/ daß das vorhin/ obwol nicht in dergleichen dingen/ die in der welt vor unzimlich gehalten werden/ aber doch besorglich in gleichfoͤrmigkeit der welt und liebe deroselben eitelkeit/ gefuͤhrte leben bereits die gnade GOttes von deroselben abgewendet/ und solchen eußerlichen fall ausGOTTes ver- haͤngnuͤß verursachet haben doͤrffe. Wie es leider in dem gemeinen hoffle- ben unter denjenigen/ welche GOtt in einen hoͤhern stand gesetzet hat/ auch fast bey denen welche vor die beste gehalten werden/ und wahrhafftig ihre eh- re vor der welt mit nichtes grobes verletzen/ also hergehet/ daß man sorgen uñ bejammern muß/ daß die edele seelen fast von kindes beinen an in die liebe der welt (welche bestehet in augen-lust/ fleisches-lust/ und hoffaͤrtigem leben/ also eingeflochten werden/ daß sie kuͤmmerlich mehr gerettet werden koͤnnen/ und etwa der meiste theil bey dem zwahr ehrlichsten leben/ dabey aber des rechten Christenthums nichts ist/ verlohren gehet. Mit solchen augen sihet einer der regelen Christi kundiger mensch den zustand der meisten/ welche in der welt in ansehen sind/ an/ und kan nicht genug daruͤber seufftzen. So zweiffele nicht/ daß E. Gn. dieses etwa selbs bekennen werden/ daß sie/ bevor die augen durch diese zwahr betruͤbte gelegenheit deroselben auff- gegangen/ vielleicht wenig von der verleugnung seiner selbs/ creu- tzigung des fleisches/ absterben der welt/ gruͤndlicher inner- und eusserlicher demuth/ und dergleichen Christen-pflichten mag erkant oder geglaubet/ sondern wol gar/ daß solche auch in hoͤherem stand er- fordert werden solten/ vor ungereimet gehalten haben: Welches ich mit gu- tem fug besorge/ als deme wissend ist/ wie man von solchen dingen an diesen orten zu reden und zu halten pfleget/ ja esvor eine ungeschmackt pfafferey achtet/ wo man einanders nur gedencken wolte; wo nun dieselbe ihren vo- rigen zustand also vor GOtt gewesen zu seyn in ihrem gewissen befinden sol- te/ ARTIC. I. SECTIO XII. te/ so ich ihrer redlichen pruͤffung uͤberlasse/ so wird sie so vielweniger sich ver- wundern/ daß GOtt endlich in seinem gericht ein solches von ihr geschehen lassen/ damit sie sich selbst auch gar in dergleichen weltlichen schimpff gestuͤr- tzet. Ja wo sie/ wie ich nicht anders hoffen will/ in gegenwaͤrtigen buß-stand sich christlich schicket/ wird sich die goͤttliche guͤte auch also offenbahren/ daß der begangene groͤßere fall/ oder/ daß ich recht rede/ die goͤttliche verhaͤngnuͤß dazu/ ein anlaß einer viel groͤssern wolthat werden koͤnne und solle/ nemlich daß deroselben liebe person/ welche besorglich sonsten in unerkanter eitelkeit derwelt haͤtte moͤgen ewig verlohren gehen/ durch einen solchen fall/ dessen unrecht auch die vernunfft begreiffet/ zu einer bußfertigen erkaͤntnuͤß ihrer selbst gebracht/ aus der welt verfuͤhrischen gesellschafft mehr herausgerissen/ davon kuͤnfftig abgehalten/ und damit durch eine offenbarere wunde eine ge- legenheit zu der heilung einer heimlichern aber nicht weniger gefaͤhrlichern/ gemacht wuͤrde. Welches zwahr nicht verursachen muß/ daß dieselbe ihre begangene grobe suͤnde/ desto geringer achten wolte/ weil GOtt etwas gutes daraus mache/ aber dennoch ein zeugnuͤß der weisesten wunder-guͤte dessel- ben/ und so viel gruͤndlicherer buß einen steten antrieb geben solle. Wie ich dann versichern kan/ daß kein besserer rath in gegenwaͤrtigem zustand zu voͤl- liger zurechtbringung gefunden werden moͤge/ als eine staͤte erinnerung zu einer gruͤndlichen und hertzlichen buß/ um recht voͤllig wieder- um in die goͤttliche gnade zu kommen/ und alsdann desto versicherter und getroster von deroselben alle dero fernere fuͤgung zu erwarten. Wobey a- ber genau acht gegeben werden muß/ daß die busse nicht oben hin und nur auf das aͤußerliche sehe/ sondern tieff in dem hertzen wurtzel fasse/ das ist/ dasselbe recht angreiffe/ und mit den fruͤchten/ welche endlich hervor gebrochen/ den innerlichen boͤsen baum selbst suche in goͤttlicher krafft umzuhauen/ und also alle liebe der weltlichen uͤppigkeit/ auch in den stuͤcken/ welche man sonsten fast ungern davor erkennen oder lassen will/ gruͤndlich aus sich aus zu tilgen: ja auch hat sie wol zu zusehen/ daß die bußtraurigkeit bey ihr nicht seye eine traurigkeit der welt wegen verlustes ihrer zeitlichen gluͤckseeligkeit/ gefahr vieler verachtung und anderer sie ihr lebtag truckenden erniedrigung in der welt/ auch sorge kuͤnfftiger allerhand ungemach/ die sie noch treffen moͤgen/ sondern eine wahre goͤttliche traurigkeit wegen der beleidigung des grossen GOttes/ und des gantzen vorigen in weltlicher eitelkeit gefuͤhrten lebens. Wo diese recht tieff das hertz wird eingenommen haben/ so stehet es gantz wol und wird alles leiden leicht werden/ welches man verschuldet zu haben in der seelen gruͤndlich erkennet/ auch wird eine mehrere sorge darvor seyn/ in seiner buß-bestaͤndigkeit zu beharren/ und mit dero zeugnuͤssen auch andere neben sich zu erbauen/ als in deme zeitlichen sich zu retten. Es wird aber auch der P p p p Herr Das fuͤnffte Capitel. HErr/ der alle hertzen in seinen haͤnden hat/ hinwieder bey solcher gruͤndli- chen buß desto eher segen verleihen zu deroselben eigenen und anderer fuͤr sie fuͤhrenden anschlaͤgen/ wie auch in dem eusserlichen der elende zustand wie- der erleichtert wuͤrde: da hingegen alle diese ohne sonderliche gnade GOttes (dero versicherung aber allein bey gruͤndlicher und beharrlicher buß gefun- den wird) wenig von statten gehen/ oder was man meinte zuwege gebracht zu haben/ von keinem bestand seyn moͤchte. Jch will zwahr hoffen/ es werde diese erinnerung nicht eben bloß nothwendig gewesen seyn/ indem von dero wahrer buß so wol angenehmen bericht erhalten/ als auch hinwieder zu dero besten andern gegeben habe: jedoch hoffe ich auch/ es werde einer recht buß- fertigen seelen nicht zuwider seyn/ von demjenigen selbs zu hoͤren/ und dazu ferner angefrischet zu werden/ womit sie ohne das umgehet. So wird sie auch daraus erkennen/ weil ich mich versichere/ daß sie eben dergleichen mehr- mal von ihrem getreuen seelsorger biß dahero gehoͤret haben wird/ wie die busse nicht in einer aus noth herkommenden eusserlichen demuͤthigung/ son- dern wahrer zerknirschung des hertzens/ bestehe/ daß wir beyde in einem geist stehen/ und aus einem geist lehren. Jch ruffe zuletzt den HErrn HErrn/ der alles in seinen haͤnden hat/ demuͤthig an/ daß derselbe nicht nur in dem leibli- chen nach dem truͤben wetter und geendigten jetzigen proben ihrer gedult die sonne wieder scheinen lassen/ und eine kuͤnfftig vergnuͤglichere lebens-art zei- gen/ auch alle dahin in seiner furcht abzweckende anschlaͤge mildigliche segnen/ sondern vornemlich das in ihr angefangene gute werck der christlichen buß vollfuͤhren wolle auff den tag JEsu Christi: Ach er der GOtt des friedens heilige euch durch und durch/ und euer geist gantz samt der seele und leib muͤsse behalten werden unstraͤflich auff die zukunfft JEsu Christi unsers HErren. 1684. SECTIO XIII. Auffmunterungs-schreiben. J Ch zweifle nicht die an wesenheit solches lieben freundes werde eine gu- te anlaß seyn zu einer christlichen conversation und auffmunterung/ die der HErr nicht ungesegnet lassen wird/ so ich auch von ihm zuver- sichtlich bitte. Ach daß dergleichen heilige intention aller orten wuͤrckte/ und die dazu weißlich erkennende mittel selbsten zeigte und fuͤgte/ daß wir doch einander aus dem schlaff kraͤfftig erwecket/ woran es uns mangle in sei- nem liecht und in bruͤderlicher erinnerung der mitglieder gruͤndlich einsehen/ und es alsdann zu bessern/ mit so viel bruͤnstigerem eyfer angezuͤndet wuͤrden. So wuͤrden wir vermittels des bey solchen fleiß unausbleiblichen goͤttlichen segens ARTIC. I. SECTIO XIV. segens immer mehr und mehr an dem inneꝛn wachsen/ und immer ein liechtlein von dem andern neu angezuͤndet oder zu einem staͤrckern und reinerem glast gebracht werden. Wie auch dergleichen zu geschehen nicht ermanglen wird/ wo die von dem HErren bestimmte zeit der erfuͤllung seiner theuersten ver- heissungen vorhanden wird seyn/ welche auch nach der langen zeit der gedult und verhengter macht der finsternuͤß der boßheit so weit nicht weg seyn kan/ daß wir nicht solten der naͤhesten hoffnung derselben uns doͤrffen erfreuen/ und gleich wie desto sorgfaͤltiger uns zu dero genuß zu bereiten/ also auch de- sto angelegenlicher und flehentlicher darum zu dem HErren zu ruffen haben. Da mich die lieben wort unsers Heylandes offt auffrichten: Solte aber Gott auch nicht retten seine auserwehlte/ die zu ihm tag und nacht ruf- fen/ und solte gedult daruͤber haben. Jch sage euch/ er wird sie retten in einer kuͤrtze. Ach ja/ er thue es/ und lasse das reich seines sohns immer mit mehrerer krafft kommen/ daß allein sein nahme hoch seye in aller welt/ und sein liecht alle die finsternuͤß vertreibe/ welche die erde und dunckelheit die voͤlcker bedecket hat zum preiß seiner herrlichen macht. 1680. SECTIO XIV. Christliche auffmunterung. W Jr haben billich dem grundguͤtigen GOtt zu dancken/ wo er unser ins- gesamt/ die wir an dem werck und dienst des HErren arbeiten/ ver- richtungen und fleiß dermassen segnet/ daß sich einige frucht weiset/ und da die unsrige/ so wir taͤglich um uns haben/ uns etwa weniger freude machen/ sondern wir uͤber dero ungehorsam offt mehr mit seufftzen klagen muͤs- sen/ uns fremde schicket/ welche nicht ohne frucht bey uns gewesen zu seyn zeugnuͤß geben/ und uns damit versichern/ der HErr habe eben noch nicht al- len segen oder alle krafft von uns oder unserem amt entzogen/ sondern es fin- den noch zuweilen einige koͤrnlein einen guten acker. Jndessen bleibe aller dessen ruhm allein der guͤte solches himmlischen Vaters/ so bey uns als bey allen denen/ welche meinen/ daß derselbe sich an ihnen unsers armen dienstes zu ihrer befoͤrderung gebraucht habe/ aber deswegen nicht uns sondern seiner himmlischen krafft sich verbunden achten sollen. Wie wir aber hie unsers orts/ bey welchen der HErr etwas gutes angefangen hat/ desto mehr schul- dig sind/ zusehen/ daß wir in dem guten wachsen/ und nicht nur nicht zuruͤck fallen/ sondern auch nicht stille stehen/ so haben wir auch eben gleiches neben uns von guten freunden/ welche davor halten/ daß GOtt auch an ihnen hie gutes gewircket habe/ zu verlangen/ daß sie nicht weniger beflissen seyen/ sol- chen anfang eiffrig fortzusetzen und nach einer schoͤnen gruͤnenden saat auch eine reiffe erndte zu bringen. Wie wir dann wissen/ daß der HErr uns seine P p p p 2 gna- Das fuͤnffte Capitel. gnadenguͤter der erkaͤntnuͤß und guten triebes zu keinem andern zweck gibet/ als daß wir immer mehr reich werden in aller erkaͤntnuͤß und erfahrung/ auff daß wir immer genauer pruͤfen/ was das beste seye/ und werden lauter und unanstoͤßig biß auff den tag Christi/ erfuͤllet mit fruͤchten der gerechtig- keit/ welche durch JEsum Christum geschehen in uns zur ehre und lobe Got- tes. Von allen solchen haben wir uns nicht abhalten zu lassen/ durch die men- ge der vielen boͤsen exempel/ die wir um uns haben/ ja fast den allgemeinen lauff sehen/ wie der grosse hauff/ auch unter den der bekaͤntnuͤß nach Evange- lischen/ die keinen irrthum in den lehrsaͤtzen selbs haben/ in den grausamsten irrthumen in der praxi stehen/ daß sie nicht nur in alleꝛhand suͤnden und gleich- foͤrmigkeit der welt leben/ sondern/ welches der gefaͤhrlichste irrthum/ eine menschliche (oder vielmehr teufflische) einbildung bey allen fortsetzenden suͤn- den dannoch Christi verdienstes sich zu getroͤsten vor den wahren seligmachen- den glauben faͤlschlich halten: in welchem irrthum die meisten um ihre selig- keit kommen. Aber wo wir solche greuel sehen/ soll bey uns solches eine so viel hertzlichere danckbarkeit gegen GOtt erwecken/ welcher uns zu einer gruͤndli- chen und lebendigen erkaͤntnuͤß und erfahrung des glaubens in uns selbs ge- bracht/ daher auff den weg des heyls/nicht nur den worten nach davon etwas reden zu koͤnnen/ sondern recht mit erleuchteten augen ihn anzusehen/ und darauff zu wandlen/ gestellet habe: daß wir uns alsdann nicht irren lassen/ wie unbekant solcher weg der meisten welt (dahin auch manche gehoͤren/ wel- che amts halben von der welt solten erwehlet seyn/ und die leut von derselben abfuͤhren) seye/ noch gedencken/ wir muͤsten gleichwol also leben/ wie wir an- dere/ die auch vor Christen paßirten/ vor uns sehen/ sondern daß wir unsere augen nicht verwenden von unserm anfaͤnger und vollender unsers heyls/ sei- nen heiligsten worten und liebreichstem exempel/ zu dessen nachfolge wir so wol als genuß seines verdienstes beruffen sind/ ja eben dieses eine frucht sei- nes verdienstes ist/ daß wir den Heil. Geist empfangen/ in dessen krafft wir vermoͤgen/ obwol in schwachheit doch auffrichtigkeit des hertzens/ zu wandeln/ gleich wie er gewandelt hat. Jsts dann/ daß uns GOTT einige christliche freunde unsers orts bescheret/ die wir mit uns in dem HErren gleich gesin- net finden/ so moͤgen wir uns und sollen uns deroselben conversation zu allerseits auffmunterung gern gebrauchen/ und immer eines an des andern exempel sich erbauen: sollen wir aber einiges orts gar keine fin- den (so ich zwahr nicht leicht sorge/ wo man dergleichen suchen will/ und sich dieses angelegen seyn laͤsset) so waͤre uns bereits das liebe exempel un- sers HErrn und vorgaͤngers gnug/ und haͤtten wir dasselbe so viel sorgfaͤl- tiger vor augen zu stellen. Jch will aber nicht zweiffeln/ wie mein hochgeehr- ter Herr vor seine person werde allezeit unverdrossen auf den wegen des HErrn ARTIC. I. SECTIO XV . HErrn in seiner krafft fortfahren: So werde ihm GOtt auch andere gott- selige freunde bescheret haben/ mit denen er sich erbauen/ und sie sich unter- einander so viel hertzlicher aufmuntern werden: So gewiß eines von unse- ren vornehmsten vergnuͤgen in der welt/ und wo mans also haben kan/ hoch- zu achten ist/ da gleichsam dasjenige/ so wir in absonderlichem lesen und be- trachten gefasset/ so viel als lebendig wird. Nun der HErr gebe so in die- sem als allem andern jeglichem von uns alles dasjenige/ was zu unserem wachsthum noͤthig und nuͤtzlich ist/ lasse uns in dem glauben zunehmen/ und in der liebe gestaͤrcket werden/ zu vieler frucht und seiner ehre. 1681. SECTIO XV. Christliche auffmunterung an eine Adeliche jungfrau. D Eroselben geliebtes briefflein ist mir wol worden/ und hat mich billich nicht wenig erfreuet/ weil ich aus der gegen mich unbekanten bezeugten liebe/ die auf nichts anders als die liebe goͤttlichen worts/ dessen diener ich bin/ sich gruͤnden kan/ erkenne/ daß der himmlische Vater sie kraͤfftig zu sich zu ziehen angefangen habe/ und also auch nach seiner verheissung sein werck nicht stecken bleiben lassen wird. Hat es nun dessen guͤte gefallen/ wie aus deroselben zeilen abzunehmen meine/ meine wenige schrifften an ihr zu einiger erbauung zu segnen/ so preise ich billich auffs demuͤthigste den geber alles gu- ten/ und lege die ehre dessen einig und allein seinem heiligsten nahmen bey/ der zu werckzeugen seiner gnade brauchet/ welche er will: Jch will auch nicht zweif- feln/ meine werthe werde den grund ihres glaubens recht aus dem allein un- betruͤglichen goͤttlichen wort geleget haben/ und noch ferner darauf bauen/ wie wir denn zu diesen zeiten/ da der irrthuͤme so viele/ und solche manchmal so scheinbar sind/ keinen andern meister sicher annehmen/ dem wir unsere seele und heil lediglich anvertrauen moͤchten/ als Christum/ den uns der Vater zu hoͤren selbs anbefohlen hat. Folgen wir diesem allein/ und pruͤffen hinge- gen nach seinem wort alles/ was wir von andern hoͤren/ so stehen wir recht sicher/ und werden von keinem winde gefaͤhrlich umgetrieben werden. Jch stehe auch in gutem vertrauen/ daß gleichwie sie ihren liebsten Heyland allein zum lehrmeister erkohren/ daß sie ihn auch allein zum grund ihres heils gele- get habe/ wie sie nemlich in der heiligen tauff in seinen todt getaufft/ alles sei- nes todes und aufferstehung/ alles seines verdienstes/ gnugthuung und ge- rechtigkeit/ theilhafftig worden/ und in den bund getreten seye/ indem sie um solches ihres JEsu willen von dem himmlischen Vater eine taͤgliche und ewi- ge gnade/ vergebung der suͤnden und freyheit empfangen habe: Und also als P p p p 3 dessen Das fuͤnffte Capitel. dessen wiedergebohrne tochter in das geistliche leben gesetzet der vollkomme- nen gerechtigkeit ihres Erloͤsers in dem glauben geniesse/ und wo sie es nur er- kennen/ und sich dessen annehmen will/ wahrhafftig selig seyn. Welche selig- keit auch noch hier in diesem leben mit der versicherung des k uͤ nfftigen voͤlli- gen genusses mit keiner welt-herrlichkeit und gluͤckseligkeit zu vergleichen ist/ die ich auch wuͤnsche/ daß sie sie taͤglichen erwege/ darinnen ihre freude und ih- res glaubens speise suche/ auch dadurch immer an dem innern menschen zu- nehme/ deßwegen aber auch das heilige wort GOttes und die sacramenten/ so uns diese theure schaͤtze vortragen/ in desto hoͤherem werth halten werde. Dieser glaube ist nachmal allein/ gleichwie dasjenige/ darmit sie stets vor dem thron und gericht GOttes/ wo unsere heiligkeit niemal zulaͤnglich waͤre/ er- scheinenkan/ also auch dasjenige/ daraus sie krafft empfangen wird/ mehr und mehr der welt/ und ihr selbs/ der ehre/ reichthum/ lust/ und was irrdisch ist/ ab- zusterben/ und dem HErrn allein zu leben/ nicht nach dem fleisch/ sondern nach dem Geist. Wie denn der treueste Heyland/ der uns so theuer zu seinem ei- genthum erkauffet hat/ nichts anders zur danckbarkeit von uns erfordert/ als daß wir ihm unser leib und seel hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen opffer dargeben/ taͤglich ablegen den alten menschen/ der durch luͤste in irrthum sich verfuͤhret/ uns erneuren im geist unsers gemuͤths/ auch den neuen men- schen anzuziehen/ der nach GOTT geschaffen ist/ in rechtschaffener gerechtig- keit und heiligkeit/ um also zu wachsen zu einer goͤttlichen groͤsse. Nun was ich hoffe/ das wuͤnsche ich auch/ daß der GOTT des friedens sie heilige durch und durch/ und ihr geist gantz samt seel und leib muͤsse behalten werden un- straͤfflich auf die zukunfft unsers HErrn JEsu Christi. Getreu ist der sie ruffet/ welcher wirds auch thun. Dieses werde auch ferner zu erbitten nicht ermangeln. 1692. SECTIO XVI . Auffmunterungs-schreiben zu ernstlicher fortse- tzung des Christenthums. Goͤttliche gnade/ friede und segen in unserem geliebtesten HErrn und Heylande JESU! Jn demselben vielgeliebte jungfrau und freundin. D Aß dieselbe/ ob ich wol auf das vorigenach gantzer jahre verfluß nicht geantwortet hatte/ dennoch sich nicht hat abschrecken lassen/ mich ihres noch gegen mich behaltenden gedaͤchtnuͤsses zu versichern/ erkenne ich als ein sonderbares zeugnuͤß ihrer christlichen liebe/ und bedancke mich dessen freundlichen: So vielmehr aber erfreuet mich solches/ daß sie bezeuget/ noch fleißig ARTIC. I. SECTIO XVI. fleißig an das gute zu dencken/ so sie zu ihrer erbauung gehoͤret habe: Ob ich nun wol nicht sagen kan/ ob GOTT eben vornemlich meinen dienst an ihrer seelen zu wuͤrckung vieles guten gebraucht habe/ oder wie viel etwa davon demjenigen zuzuschreiben seye/ was sie aus anderer unterricht/ eigenem lesen und betrachten/ so dann christlicher freunde und ihrer herrschafft treuer an- weisung und exempel gelernet habe/ so nehme ich doch solches mit freuden an/ daß der HErr gleichwol mein weniges auch an ihr nicht gar ohne frucht nach ihrer bekaͤntnuͤß gelassen habe. Dessen preiß und danck aber nicht mir/ son- dern demjenigen/ dessen wort es ist/ das ich fuͤhre/ und er die krafft darein legt/ die wir ihm nicht geben koͤnten/ billich allein heimzuweisen seyn wird. So sie aber mir einige danckbarkeit zu erzeigen beliebet/ so bestehe dieselbe in diesen beyden stuͤcken. Erstlich daß sie so viel hertzlicher und andaͤchtiger fortfahre/ vor ihrem GOTT auch f uͤ r mich zu beten/ daß mir der HErr in allen dingen seinen willen zu erkennen/ und denselben getrost allezeit zu vollbringen/ muth/ weißheit und vermoͤgen geben wolle/ damit ich mein so schwehr/ und vor so vie- len andern gefaͤhrlichers amt recht mit frucht fuͤhren moͤge zu seinem preiß und vieler seelen heil/ aber auch daß ich dabey meine arme seele erhalte. Wer dieses in glaͤubiger andacht fuͤr mich bittet/ erzeigt mir die groͤste wolthat/ welche mir in der welt von einigem menschen moͤchte erwiesen werden: Und da ich allezeit ursach habe/ alle diejenige/ welche einige liebe gegen mich tragen/ zu bitten/ daß sie dieselbe vornemlich darinnen gegen mich erzeigen wolten/ und damit ersetzeten/ was der inbruͤnstigkeit meines gebets manglet. Zum andern/ daß sie ihrem GOTT die fruͤchten der ihr erzeigten wolthaten treulich bringe/ und also nicht nur in dem angefangenen lauff fortfahre/ sich huͤtende/ nicht wieder in einiges welt wesen eingeflochten zu werden/ sondern auch trachte in solchem guten staͤtig zuzunehmen. Wie dann derjenige zuruͤckgehet auf dem wege der gottseligkeit/ welcher darauf nicht immer weiter trachtet fortzufahren/ und von einem schritt zu dem andern zu schreiten. Wo zu ein fleißiges achtgeben auf sich selbst/ welches unser liebe Heyland das wachen heißt/ und es neben dem gebet mehrmal er- fordert/ noͤthig ist/ nemlich sich offters/ und so viel es geschehen kan/ taͤglich zu untersuchen/ wie man stehe/ ob man hinder sich oder vor sich gehe/ zu- oder abnehme/ um alsdann jedes wohl zu wissen/ was man in solchem stande zu thun habe: ferner auff seine seele stets acht zu geben/ so wol was die regun- gen des fleisches anlanget/ denselben ehe sie staͤrcker werden/ kraͤfftig zu begeg- nen/ als auch die gute bewegungen des H. Geistes/ da man sie bey sich fuͤh- let/ nicht zu versaͤumen/ sondern ihnen so bald in gehorsam platz zu geben: insgesamt auch in allem/ was man thut/ genau auf die absicht des hertzens zu sehen/ warum wir jegliches thun/ und was unsere rechte eigenliche treiben- de Das fuͤnffte Capitel. de ursache seye/ wo sich mancher betrug unsers hertzens bey fleißigem nach- forschen offenbahren wird/ daß wir uns sonsten selbst nicht sollen zu getrauet haben/ aber die erkaͤntnuͤß dessen uns viel nutzen bringen/ und wo man der- gleichen einmal in eine gewohnheit gekommen ist/ eine der vortreflichsten be- forderungen zu einem rechtschaffenen wesen werden kan: neben solchem wahr- nehmen seiner selbst aber nicht weniger auch immer stets auf alles dasjenige zu sehen/ was um uns ist/ in dem nichts unter allem ist/ das uns nicht entwe- der eine foͤrderung oder hindernuͤß in unserm Christenthum geben kan/ nach dem man sichdagegen anschicket. Dieses gesamtliche achtgeben ist einmal ein so kraͤfftiges mittel des geistl. wachsthums/ als die unachtsamkeit fast die al- gemeinste ursach des verderbens der menschẽ zu seyn pfleget/ von dero gemei- niglich der anfang auch bey denen geschihet/ welche gar endlich in boßheit verfallen/ daher wir uns davor als einem fast verborgenen gifft nicht weni- ger als vor dem offenbaren zu huͤten haben. GOtt hat/ meine geliebte/ noch vor andern vielen trefflichere gelegenheit gegeben/ da sie gleich wie in dem oͤffentlichen alle noͤthige erbauung hat/ also absonderlich bey einer so christ- lichen Fuͤrstin ist/ so die ihrige so gar nicht zu diensten der eitelkeit mißbrau- chet/ daß sie vielmehr vor dero erbauung sorget/ und sie nach allem vermoͤgen zu befoͤrdern trachtet. Welches gleich wie gegen sie selbs mit so vielmehr treue/ fleiß und gehorsam/ also gegen GOtt/ der es also gefuͤget/ mit desto hertzlicherem eyffer/ sich solches gutes zu seinem dienst danckbarlich und de- muͤthig zu gebrauchen/ zu erkennen ist. So versaͤume sie also ja die gele- genheit nicht/ welche ihro GOtt goͤnnet/ und gedencke/ der HErr fordere so vielmehr von ihr als vielen andern/ so viel eine mehrere gnade er schon in solchem/ wie er bißher uͤber sie gewaltet/ ihro erzeigt hat: wie hingegen alle saͤumigkeit eine so viel schwehrere suͤnde ihro seyn wuͤrde. Davor sie aber der Herr durch seines H. Geistes kraͤfftige gnade verwahren und abhalten wolle. Nun dieses deroselben aus GOttes gnade hoffendes wachsthum in dem gu- ten/ solle das vornehmste stuͤck der danckbarkeit seyn/ welches ich von ihro und andern lieben seelen/ die da meinen/ daß der HErr an ihnen durch mei- nen armen dienst einige frucht geschaffet habe/ vor lange/ daß sie nemlich den in sie ausgestreuten saamen also lasse bey sich fruchtbar seyn/ daß er zu einer vollkommenen zeitigung und reicher erndte/ in dem kuͤnfftigen tage des HERRN zu dessen ehre/ ihrer eigenen mehrern herrlichkeit und meiner see- len freude auswachse. So offt ich auch/ daß es ihrer seelen wohl ergehe/ vernehmen werde/ wird mirs allezeit eine ursach seyn dem HErrn HErrn mit ihr und fuͤr sie zu dancken. 1681. SECTIO ARTIC . I. SECTIO XVII. SECTIO XVII. Auffmunterung an eine Adeliche Frau/ die GOtt samt ihrem Herrn aus der welt zu sich gezogen hatte. Gefahr und pflicht unserer zeit. E S hat mich inniglich ergoͤtzet die guͤtige fuͤhrung des himmlischen Va- ters/ wie derselbe meine werthe frau so weißlich nach und nach zu sich gezogen/ und immer ein band nach dem andern auffgeloͤset/ welches sie zwahr nicht gantz von ihrem Heyland (mit deme ich schon bereits von guter zeit den grund ihrer seelen vereiniget/ aber nur den voͤlligen durchbruch gehindert worden zu seyn/ glaube/ und aus der erzehlung abnehme) wol aber von ernstlicher und eiffriger nachfolge/ durch vieles zuruͤckziehen abge- halten hatte. Daher auch mit ihr solche ewige liebe und weißheit preise/ welche ihr werck/ auch denen selbs/ in denen es geschiehet/ unvermerckt fuͤhret/ also daß sie dessen offt kaum eher/ als wo es nunmehr in einer voͤlligkeit darstehet/ gewahr werden. Jch bin auch versichert/ daß was dermassen nach und nach bey ihr ge- wircket worden/ so viel bestaͤndiger bleiben/ und mit desto herrlichern fruͤchten be- seliget werde werden/ da hingegen mehrmaln die pflantzen/ welche schnell und gleichsam auff einmal auffschiessen/ da offt der grund sehr seicht ist/ nicht so bestaͤn- dig bleiben/ sondern wo nicht gar verdorren/ Luc. 8/ 13. doch langsamer/ ja auch etwa weniger/ reiffe und recht geschmackte fruͤchte bringen. Jch kan hiebey nichts anders thun/ als mich mit derselben in unserm liebsten Vater hertzlich freuen/ mit ihr und vor sie dessen guͤte danckbarlich ruͤhmen/ und mein armes gebet mit dem ihrigen hinfort vereinigen/ zu dem der sie ferner durch und durch heiligen wolle/ daß ihr geist gantz/ samt seel und leib/ unstraͤflich erhalten werde auff die zukunfft JEsu Christi/ nach der treue dessen/ der sie darzu beruffen hat/ und es auch thun wird/ 1. Thess. 5/ 23. Jch schaͤtze dieselbe auch so viel gluͤcklicher/ und dancke dem HErrn mit ihr auch dafuͤr/ daß er ihren geliebten ehe-herrn mit ihr gleicher maassen zu sich gezogen; daher sie mit der beschwehrlichsten hindernuͤß/ welche sonsten manche gute seele/ von ungleich-gesinneten ehegatten mit grossen schmertzen be- seuffzen muͤsten/ befreyet hat. Sonderlich ist mir ein so viel rechtschaffeners zeugniß seiner auffrichkeit vor GOtt/ daß er/ nachdem er das rechtschaffene wesen in Chri- sto JEsu erkant/ auch umb dessen willen zu leiden sich nicht geschaͤmet/ sondern auch verachtung/ ungnad und verlust auff sich williglich genommen hat. Wel- ches leiden ich denn vor eine gesegnete duͤnge halte/ davon was der HErr auf sei- nen acker gesaͤet hat/ so viel reichere fruͤchte bringen werde. Ob ich nun wol theils aus gethaner erzehlung/ theils was mir auch sonst von ihrer gegend bekant wor- den/ bedaure/ daß sie beyde vielleicht wenig auffmunterung und staͤrckung ihres Q q q q orts Das fuͤnffte Capitel. orts haben werden/ so ihnen wol in ihren hertzen viele wehmuth offt erwecken wird/ so zweifle doch nicht/ daß der HErr ihrer beyder umgang unter sich so viel herrlicher segnen/ und dero gedult/ langmuth und gutem exempel nach und nach auch andere/ etwa von denen/ welche jetzo noch entgegen sind/ schencken werde: darumb mit flehen helffen will. Wie wir denn freylich alle/ die der HErr zu sich zuziehen kraͤfftig angefangen hat/ wol ursach haben/ unser gebet tag und nacht zu- sammen zusetzen: dann da der HErr hin und wieder seinem wort krafft giebet/ daß es in mehrere hertzen starck eintringet/ und durchbricht/ weiset der satan da- gegen nicht allein seinen zorn/ sondern weil er sihet/ daß es seinem reich mit ernst gelten solle/ wird er immer grimmiger werden/ und nichts unversucht las- sen/ sich sester zusetzen/ umb seinen pallast in frieden zubewahren/ und was ihm entrissen worden/ entweder zuuntertrucken/ oder wieder znruͤck zuziehen. Es wird ihm darzu an weltlicher macht nicht mangeln/ auch eusserliche gewalt zu uͤben/ sondern es laͤsset sich darnach an/ daß er an meisten hoͤffen alles/ vielleicht nicht ohne succes/ versuchen werde/ den regenten allerley gefahr vorzubilden/ welche nicht nur der gantzen kirchen/ sondern auch ihrem weltlichen staat/ bevorstehe/ wo man nicht den neuerungen und scheinheiligkeit/ (dann mit diesen nahmen muß sich alle wahre Gottseligkeit von denenjenigen beschimpffen lassen/ die gern auff ihren alten hefen liegen bleiben/ und von dem rechtschaffenen wesen selbst nichts wis- sen) bey zeiten steure/ und sich der verdrießlichen leute/ die alles nach ihrem kopff eingerichtet haben wolten/ und alle andere verdam̃ten/ loßmache. Gewiß duͤrffte dieses das erste seyn/ worauff/ wann GOtt den eusserlichen frieden dem reich be- schehren sollte/ mancher feinde der gottseligkeit anschlaͤge werden gerichtet wer- den/ sie auch zu dero vollstreckung ohnschwehr die meiste grosse bringen/ auch aus derselben zahl diejenige/ die sonsten nicht boͤse sind/ aber in einen unwissenden eif- fer bald gejagt werden koͤnnen/ ihre gewalt/ in den gedancken/ die reine lehr und kirch in sicherheit zusetzen/ in der that gegen dieselbe zu mißbrauchen: worzu sie zubringen es denjenigen/ welche sie anhetzen/ auch an scheinbaren vorwaͤnden nicht mangeln wird/ von den mißtritten/ die etwa hier und dar von auch gutmei- nenden seelen geschehen sind. Dieses stehet mir dermassen vor/ daß ich mich nicht sicher gnug glaube/ sondern sorge/ es moͤgen auch diejenige/ auff die man jetzo das meiste vertrauen noch setzet/ gar leicht auch umgestimmet werden/ und uns nichts von weltlichem arm uͤbrig bleiben/ worauff wir uns verlassen koͤnten: damit ja unser hertz nichts finde/ darauff es nur einiger maaßen ruhen moͤchte/ sondern zu dem HErrn allein fliehen muͤsse. Jch sorge aber/ es seye/ was von eusserlicher gewalt uns bevorstehet/ noch nicht das vornehmste zufuͤrchten/ sondern der arge feind/ wie er zwahr bereits scheinet solches anzufangen/ werde es auch auff andere wege angreiffen/ und darmit das gute theils spoͤhren/ theils verdaͤch- tig ARTIC . I. SECTIO XVII. tig machen/ durch theils irrige und gefaͤhrliche meinungen/ dadurch man von der einfalt der goͤttlichen wahrheit abgeleitet werde/ theils anstoͤßige absonderungen/ theils andere aͤrgernuͤssen/ damit wo es ihm zur lincken nicht angehen will/ ers zur rechten gluͤcklicher versuche: wie es dann leicht geschehen kan/ daß er auff solche weise dem fortgang des guten mehrern einhalt thue. Wie wir nun aber bey allen dem unsere zuflucht allein zu unserm Heyland/ dessen reich und sache es ist/ nehmen/ und uns versichern wollen/ des satans angemaßte gewalt und list komme seiner allmacht bey weiten nicht bey/ und er werde/ wann die rechte stun- de da ist/ sein reich lassen durchbrechen/ und indessen deren hertz redlich an ihm haͤnget/ in allen tagen der versuchung maͤchtig erhalten: also will es uns gleich- wol auch gebuͤhren/ nicht allein desto angelegenlicher tag und nacht zu dem HErrn zuruffen/ daß er sich nach seiner verheissung auffmache/ und eine huͤlffe schaffe/ daß man getrost lehren moͤge/ auch uns untereinander darzu auffzumuntern/ son- dern insgesamt auff solche vorstehende pruͤfe-zeit uns recht zuschicken/ eins theils mit glaubiger ruͤstung gegen alle gewalt und gefahr/ andern theils mit Christli- cher klugheit und vorsichtigkeit/ die wir aber auch nicht von uns herhaben koͤn- nen/ sondern abermal von dem liebsten Vater erbitten muͤssen/ daß er doch seine salbung in solcher maaß stets uͤber uns ausgiesse/ die uns allein recht lehren kan/ daß wir weder zur rechten noch zur lincken abweichen: Erlangen wir diese/ wie sie dann der Vater seinen kindern nicht versagen kan/ so wollen wir in unserer einfalt bestehen/ wohingegen der welt weise zu thoren werden. Es troͤstet uns auch billich/ daß es unmuͤglich lange in diesem stande waͤhren koͤnne: sondern weil wir so augenscheinlich sehen/ daß sowol einige feigenbaͤume anfangen starck auszuschlagen/ als auch die dornen und schaͤdliche baͤume je laͤnger je staͤrcker her- vor brechen/ ists uns eine gewisse anzeige/ der HErr habe etwas vor/ und ob noch sehr raue winter-wetter auszustehen sind/ solle doch ein angenehmer fruͤhling oder sommer/ dessen jenes ein vorbote ist/ bald darauff folgen/ und wir unsere hoffnung herrlich erfuͤllet sehen. 1696. SECTIO XVIII. Aufmunterung an eine Christliche frau. Der H. Geist der rechte lehrer. Handlung goͤttlichen worts. Wachen/ Beten: auch fuͤr andere. E S ist dieses eine meiner groͤsten freude/ nachdem wir sonsten zu einer zeit leben/ wo das rechtschaffene wesen in CHristo JEsu sehr unbekant worden ist/ und sich bey wenigen findet/ (welches elend mit blutigen thraͤnen nicht gnug beweinet werden kan/) wann der himmlische Vater mich bald da bald dort her einige personen sehen/ oder von denselben Q q q q 2 hoͤren Das fuͤnffte Capitel. hoͤren laͤsset/ welche sowol das verderbnuͤß unserer zeit mit andern augen/ als die sichere welt-kinder thun/ ansehen/ als auch sich je mehr von der welt/ die in dem argen liget/ und derselben theils offenbarer boßheit/ theils heimlicher/ wiewol Christ-klugen seelen ziemlich kanntlicher/ heucheley/ abzusondern und zu reinigen beflissen sind. Denn weil an diesen allein warhafftig der nahme GOttes gehei- liget wird/ weil in ihnen das reich GOttes allein bestehet/ und von ihnen der goͤttliche wille allein geschiehet/ so gleichwol der zweck aller dinge/ und also auch unser einig verlangen seyn solle/ so finden wir denn billich auch in deren erfuͤllung unser einiges vergnuͤgen: Sonderlich aber weil Christliche seelen vornemlich die- ses aͤngstiget/ wenn sie aus der erfahrung zu sehen meinen/ gleich haͤtte Gott alle seine gnade bereits von der welt zuruͤckgezogen/ und hingegen seinem feind/ dem satan/ voͤllige macht uͤber die arme seelen der menschen gegeben/ (wie er freylich leider die meisten in seinen stricken fuͤhret/) so sind die exempel derjenigen/ welche sie noch an dem HErrn fest zuhalten gewahr werden/ ihnen so fern auch troͤstlich/ daß sie abnehmen/ ob freylich ein schwehrer goͤttlicher zorn wegen vorhergegan- genen langwierigen undancks und verachtung der gnade/ auf unserer zeit lieget/ daß dennoch die gnade noch nicht aus/ sondern der HErr vielmehr willig seye/ eben sowol heut zu tage sie denenjenigen seelen/ welche ein verlangen darnach bey sich erwecken lassen/ in gnugsamer maaß widerfahren zu lassen/ und seinen geist in sie zugeben. Also ist dieses dasjenige/ welches auch mich neben andern Chri- sten am allermeisten troͤstet/ und uns ein thaͤtliches zeugnuͤß wird der noch nicht geschlossenen goͤttlichen gnaden-thuͤr/ zu desto mehr auffmunterung der gelegen- heit/ welche annoch zu dem guten gegeben wird/ sich nach vermoͤgen und treulich zu gebrauchen. Jch dancke auch billich meinem GOtt vor die mir hierinnen er- zeigende gnade/ nachdem derselbe nicht nur meinen unwuͤrdigen nahmen durch die stelle/ worein er mich gesetzt/ ihrer so viel mehrern hat lassen bekannt werden/ sondern auch meine einfaͤltige schrifften vielen guten seelen in die haͤnde kommen lassen/ daß er dadurch unzehlich viel hertzen seiner kinder mit einer sondern liebe gegen mich erfuͤllet hat/ die aus einem Christlichen vertrauen sich mir kund geben/ ja immer auch noch von andern bruͤdern und schwestern/ die hin und wieder vor dem himmlischen Vater in kindlicher einfalt wandeln/ erfreuliche anzeige thun: daß also durch desselben hertzliche gnade eine ziemliche anzahl derjenigen weiß/ die mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten geschlecht als die leuchten zu ihres Vaters preiß leuchten/ daraus ich die troͤstliche hoffnung schoͤpffe/ daß so viel mehrere derselben noch meinen augen verborgen sich hin und wieder finden werden/ die mit uns und allen uͤ brigen kindern Gottes in einer einigkeit des Gei- stes stehen/ und ob wol dem fleisch nach unbekant/ dennoch eines leibes glieder sind. Wie mich nun gedachter maassen diese freude unter meiner schwehren last ARTIC . I. SECTIO XVIII. last am meisten auffrichtet und erhaͤlt/ ich sie auch deswegen billich als eine theure goͤttliche wolthat ansehe/ damit der HErr meiner schwachheit zu huͤlffe komme/ daher auch zu demuͤthigsten danck deswegen verbunden bin/ also trachte ich/ als viel moͤglich ist/ mit denjenigen/ die mir der HErr kund giebet/ immer in desto genauere freundschafft zu kommen/ sonderlich aber da ich kein ander mittel habe mit ihnen umbzugehen/ auffs wenigste vor dem thron unsers GOttes mit ihm und vor sie oͤffters zuerscheinen/ und also auch hinwieder von der gemeinschafft ihres gebets einige weitere gnade von oben herab zuerlangen. Diese meine freu- de kan ich meine werthe frau versichern/ daß auch durch sie vermehret worden/ nachdem wir/ ob zwahr vor noch nicht so langer zeit/ dero redliches hertz zu dem treuen dienst ihres JEsu von solchen freuden geruͤhret worden/ von denen ich auch versichere/ daß ihnen GOtt so viel liecht gegeben habe/ was rechtschaffen seye oder nicht/ in demselben zuerkennen; daher auch sie versichern kan/ ehe mir ihr liebes schreiben vor einigen tagen behaͤndiget worden/ daß bereits ihren lieben nahmen nicht nur in meine gedaͤchtnuͤß eingeschrieben/ sondern auch vor den HErrn gebracht habe: daraus sie leicht erachten kan/ wie mir ihre an mich ge- thane schrifft/ nicht anders als hertzlich habe angenehm seyn koͤnnen. Dem Va- ter des liechts/ von dem alle gute und alle vollkommene gaben kommen/ seye hertzlicher danck/ der auch ihr gegeben hat erleuchtete augen ihres verstaͤndnuͤsses/ zuerkennen die hoffnung unsers beruffs/ und wie gut es die kinder GOttes in ver- gleichung gegen die kinder der welt und ihre elende gluͤckseligkeit haben/ so dann aus solcher erkaͤntnuͤß getrosten muth solchem beruff wuͤrdiglich zu wandeln/ und sich desto mehr vor aller befleckung des fleisches und des geistes zu reinigen/ folglich sich dieser welt nicht gleichzustellen/ sondern sich zu veraͤndern durch ver- neuerung ihres sinnes/ auff daß sie pruͤffen und immer tieffer einsehen moͤge/ wel- ches da seye der gute/ der wolgefaͤllige und der vollkommene Gottes wille. Er wolle also seine krafft in ihr ferner staͤrcken und zunehmen lassen/ daß ihre liebe je mehr und mehr reich werde in allerley erkaͤntnuͤß und erfahrung/ daß sie noch weiter pruͤffen moͤge/ was das beste seye/ auff daß sie seye lauter und unanstoͤßig biß auff den tag JEsu CHristi/ erfuͤllet mit fruͤchten der gerechtigkeit/ die durch JEsum CHristum geschehen in ihr zur ehre GOttes. Nechst denselben dancke auch deroselben Christlichen liebe und vertrauen zu mir/ welches sie in ihrem schreiben zu meiner sondern freude bezeuget: Der HErr lasse auch solche lie- be/ die seines geistes frucht ist/ bey uns beyderseits dazu kraͤfftig seyn uns unter- und aneinander zuerbauen und zu staͤrcken. Wenn sie nun zum zeugnuͤß ihrer zuversicht zu mir einigen Christlichen rath zu ihrem wachsthum verlanget/ so wuͤnschte ich wol hertzlich/ so bald darinnen meine willigkeit zu zeigen/ wo ich nur wuͤste/ worinnen eigentlich deroselben rath noͤthig waͤre. Nachdem mir aber sol- Qqqq 3 ches Das fuͤnffte Capitel. ches insonderheit noch nicht bekant/ so habe allein diesen rath insgemein zuerthei- len/ daß sie sich allein ferner demjenigen lehr-meister uͤberlasse/ der sie bereits da- hin/ wo sie jetzo stehet/ gebracht hat/ und am gewissesten weiter fuͤhren wird: Dieses ist nun der heilige Geist/ als der Geist ihres Heylands und eigen- thums-herrn JEsu/ den er denen seelen/ die sich ihm gern wiedmen wollen/ wil- lig giebet/ und sie durch denselbigen auff richtigem wege leitet. Wir wissen aber/ daß derselbige in uns kraͤfftiger seyn wolle durch das wort/ welches uns die Pro- pheten und Apostel von ihm getrieben auffgeschrieben haben/ und dessen seele er gleichsam bleibet/ durch dasselbe in uns zu wuͤrcken. Also lasse sie sich das wort des HErrn ihr anbefohlen seyn als ihre regel/ ihr liecht/ ihre speiß/ ihre artzney. Sie lese dasselbe fleißig/ sie hoͤre es auch gerne/ und zwahr daß sie immer so zu reden mit zweyen augen drauff schauende/ das eine richte auff die theure ver- heissungen und wolthaten des Evangelii und der gnaden ihres liebsten Vaters in Christo JEsu/ das andere aber auff dessen gebote und befehl/ was derselbe wie- derumb von ihr fordere: damit durch jene betrachtung zum allerfoͤrdersten der wahre goͤttliche glaube in ihr mehr entzuͤndet und gestaͤrcket/ die seele stets mit den gnaden-schaͤtzen/ die er erweget und begreiffet/ erfuͤlle/ und sie denmach ihren treuesten Vater immer mit mehr kindlichem vertrauen anzusehen/ und sich alles zu ihm zuversehen lerne; durch die gebote ihres GOttes aber auch auffgemun- tert werde/ der liebe desselben nach allem vermoͤgen mit thaͤtiger gegen-liebe gleich- sam wiederum zu antworten. Welches unter beyden alleine bleibet/ giebet al- lein ein halbes und nicht richtiges Christenthum; wolte man suchen sich allein an den gnaden-guͤtern und dero trost zu ergoͤtzen ohne einigen willen des recht- schaffenen gehorsams/ wuͤrde solches kein wahrer glaube sondern betruͤgliche ein- bildung seyn/ und sich eben durch das ausbleiben und versaͤumung der frucht verrathen. Foͤrchtet man sich hingegen vor der annehmung der guͤter des Evan- gelii aus erkaͤntnuͤß der eigenen unwuͤrdigkeit/ und meinet/ es gehen uns noch allein der gehorsam der goͤttlichen gebote an/ dadurch erst zu jener tuͤchtig zu wer- den/ so giebets ein gesetzliches wesen/ so die seele nur aͤngsteten und ihr die rechte krafft gutes zu thun nie giebet/ als welche vor dem Heiligen Geist allein kommen muß/ der den kindlichen gehorsam nicht eher in die seelen bringet/ biß er sie auch der kindschafft versichert/ und sie zu glaͤubiger ergreiffung der liebe ihres treuesten Vaters gebracht hat. Also muͤssen diese beyde stuͤcke/ die der Geist unsers Got- tes in dem wort zusammen gesetzet hat/ in der uͤbung auch unzutrennet beysam- men bleiben. Weil sie aber mit goͤttlichem wort nicht umbzugehen verlanget/ allein ein unfruchtbares wissen davon zu haben/ sondern daß auch dasselbe war- hafftig in ihr hertz eingepflantzt werde/ so des Heiligen Geistes werck ist/ so wird sie immer eingedenck seyn/ mit was andacht/ ehrerbietung/ gebet und auffmerck- samkeit ARTIC . I. SECTIO XVIII. samkeit sie damit umzugehen habe/ damit solcher gute Geist nicht gehindert wer- de in ihrer seelen zu wircken/ was ihre erbauung erfordert/ sonderlich/ daß sie sich mehr und mehr gewehne/ alles als viel moͤglich ist/ mit gottseliger zueignung auff sich selbst zu lesen/ und es also als eine stimme ihres Vaters nicht nur an andere/ sondern auch sie selbst/ anzuhoͤren/ dabey auch wol acht zugeben/ wo aus dem wort gute bewegungen und gedancken erwecket werden/ dieselbe so bald anzuneh- men/ ferner ihnen nachzuhaͤngen/ und so viel moͤglich gleich zu gehorsamen. Da- zu wir uns auch ausser der zeit/ da wir eben unmittelbar mit dem goͤttlichen wort umbzugehen/ es zu hoͤren/ zu lesen oder zubetrachten/ aber gleichwol vorher be- reits vieles daraus in das hertz gefasset haben/ gewehnen muͤssen/ nemlich alle auffsteigende gute gedancken vor die wirckungen des Heiligen Geistes aus dem schon in uns gepflantzten wort/ und demnach die stimme GOttes in uns anzuse- hen/ und sie also niemal mit willen zuverachten/ als womit wir uns schwehr ver- suͤndigen/ auffs wenigste vieler gnade verlustig machen. Da sie nun dermassen mit goͤttlichem wort umbgehet/ so kan sie versichert seyn/ daß sie keinen lehrmei- ster haben/ als nebenst ihrem Heyland seinen Geist der wahrheit. Wie sie dann dieses vor eine grund-regel ihres Christenthums halten muß/ weder in dingen die den glauben noch das leben angehen/ einem einigen menschen auch prediger/ wie er nahmen haben moͤge/ umb sein selbst willen/ oder etwas weiters zu glauben/ oder vor goͤttlich anzunehmen/ als sie aus seinen reden in ihrer seel und gewissen versichert ist/ es seye solches nicht menschen-sondern GOttes wort/ nachdem der prediger solches in der heiligen schrifft weiset/ und sie in ihrer seelen die uͤberzeu- gung und versiegelung davon hat. Dieses ist die sicherste verwahrung vor aller verfuͤhrung/ und daß wir gewiß seyen/ unser glaube stehe auff goͤttlichem grunde. Da sie nun meine werthe frau/ diesen lehrer folget/ wird er sie immer weiter fuͤh- ren/ und ihr auch/ was sie von andern Christen oder menschlichen lehrern hoͤret/ unschaͤdlich und nuͤtzlich machen. Da ich sie denn einem solchen/ nemlich dem besten lehrer empfohlen habe/ bedarff so viel weniger/ daß ich vielmehr von den meinigen hinzuthue: nur daß ich noch zwey stuͤcke/ wohin zwahr jener sie selbst weisen und bißher gewiesen haben wird/ wolmeinend recommendir e/ nemlich wachen und beten. Wachen zwahr/ daß sie sich gewehne/ allezeit nicht nur auff alles ausser und umb sich/ nemlich die gelegenheiten gutes zu thun/ und die gefahr der suͤnden/ acht zugeben/ jene nicht zuversaͤumen/ von diesen aber nicht be- ruͤcket zu werden/ sondern vornemlich stets auff ihr hertz/ dessen absicht in allen dingen/ was sie thut/ seine bewegungen in gutem und boͤsen/ und seinen gantzen grund acht zugeben/ der gewissen versicherung/ wer stets also uͤber seine seele wache/ der stehe am festesten/ und wachse am kraͤfftigsten. Zu dem wachen aber muß auch beten kommen/ so ich aber ohne das ihre taͤglich und stuͤndliche arbeit zu Das fuͤnffte Capitel. zu seyn nicht zweiffele/ daher sie so viel weniger wird meiner anleitung beduͤrffen: Nur daß ich dieses einige auch hierbey hertzlich recommendir en will/ mit nicht wenigerm fleiß und angelegenheit vor andere/ sonderlich Christliche mit-bruͤder und mit-schwestern/ und also wahre kinder Gottes/ zu beten/ als sie vor sich selbst be- tet/ auch zu glauben/ die hertzliche andacht in dem gebet vor anderer anliegen/ wegen der darinnen uͤbender und gottgefaͤlligen liebe/ erlange ihr eine so viel reich- lichere erhoͤrung auch aller vor sich selbst thuender bitten. Sonderlich weil der- jenige/ der mit steter angelegenheit/ vor alle wahre glaubige/ sonderlich die ihm GOtt hat lassen bekant werden/ zu GOtt ruffet/ taͤglich gleichsam so viel tieffer in die gemeinschafft der heiligen eintringt/ und mit denselben vor GOtt genauer verbunden wird/ daher auch aller derselben gebet/ vor welche er bittet/ nicht weni- ger vor dem thron der gnaden vor ihm angesehen wird/ und sein schwaches ge- bet vor seine nothdurfft desto mehr bestaͤrcket. Hiemit empfehle ich sie samt ih- rem gantzen hause GOtt und dem wort seiner gnade/ der da maͤchtig und nicht weniger willig ist/ euch zuerbauen/ und zu geben das erbe unter allen die geheili- get werden. 1689. SECTIO XIX. Vermahnung an eine Jungfrau/ die GOtt kraͤfftig zur busse ruffte. N Ach derjenigen liebe/ mit welcher mich GOtt allen denjenigen/ die ich in ihrer lieben statt habe kennen lernen/ verbunden hat/ habe durch dero betruͤbten und klaͤglichen brieff nicht anders als sonderlich geruͤhret wer- den koͤnnen. Die kranckheit ihrer seelen/ die sie mir vorgestellet/ erwe- cket billich ein wehemuͤtiges mitleiden/ aber da sie erkant/ und so nach- truͤcklich vorgestellet wird/ erfuͤllet sie mich zugleich mit getroster hoffnung der ge- nesung. Zwahr ists nicht ohn/ daß mir biß daher ihren zustand nicht also ein- gebildet/ sondern wie in dero juͤngern jahren mehrmal nicht ohne betruͤbnuͤß das gemuͤth zur eitelkeit und pracht geneigt gesehen/ auch nicht nur einmal daruͤber vermahnungen gethan/ dabey aber gehoffet/ daß mit den jahren solche/ der jugend vor andern altern meist anklebende suͤnde/ durch goͤttliche gnade wuͤrde abgeleget werden/ also habe mir keine gedancken des geitzes von ihr gemacht/ noch deswegen sorge getragen: aber ich erfahre auch wieder an diesem exempel/ wie die suͤnden/ die auch einander gar scheinen entgegen zustehen/ gleichwol aneinander haͤngen/ und forcht und liebe nicht grund in dem hertzen gefaßt/ dieses gar leicht von ei- nem ARTIC . I. SECTIO XIX. nem in das andere laster falle. Aber gelobet seye die unendliche goͤtt- liche barmhertzigkeit/ die alle suͤnder so hertzlich zu sich ruffet/ sich anerbeu- tet sie wieder anzunehmen/ und darinnen keinen unterscheid machet/ wie schwehr die suͤnde gewesen/ und wie lang man derselbigen gedienet. Ja sie preiset sich so viel hoͤher/ als mehr suͤnde sie zuvergeben findet. Daher sehe ich diese ihre erkaͤntnuͤß/ da sie ihren greuel recht einsihet/ und an sich selbs einen abscheu fasset/ auch GOttes zorn und gericht uͤber sich fuͤhlet/ bereits als einen verborgenen gnaden-zug an/ daß ihr liebster himmlischer Vater/ ob sie sich auch sein kind zu heissen unwuͤrdig gemacht/ sie wiederum durch eine redliche busse zu sich ziehen wolle. Jch will daher ihre suͤnden nicht gering machen/ sondern glauben/ sie seye eine solche/ wie sie sich in dem spie- gel ihres gewissens findet: ja ich erinnere sie/ daß sie alle ihre suͤnden so viel schwehrer zu halten habe/ nachdem der treue GOtt es ihro an mitteln zu seiner lebendigen erkaͤntnuͤß und forcht zugelangen nicht ermangeln las- sen/ sondern vielmehr vor vielen hunderten dieselbe reichlich zugetheilet hat: Daher sie auch zu einer ziemlichen wissenschafft/ als mich erinnere/ gekom- men ist/ und sie nur selbs des guten Geistes wirckung/ wo es nicht tieff in die seele eingetrungen/ gehindert haben muß: Daher aber sind die suͤnden/ wo man goͤttlichen willen weiß/ und gleichwol nicht thut/ allezeit so viel schwehrer gegen andern unwissenden/ mit denen der HErr mehr gedult traͤget. Also erschrickt sie billich uͤber ihre gestalt vor GOtt/ und uͤber die grosse gefahr/ in dero ihre arme seele bißher/ da sie vielleicht in sicherheit in gutem stande zu seyn sich eingebildet/ gestecket ist: Sie muß aber auch be- reits dieses/ daß der heilige GOtt ihr hertz ihr auffgedecket/ als eine grosse gnade/ und geoͤffnete thuͤr zu einem mehrern/ ansehen. Nun dencke sie/ der HErr ruffe ihr jetzo zu/ wie dorten durch Jeremiam: Kehre wieder du abtruͤnnige Jsrael/ spricht der HErr/ so will ich mein antlitz nicht gegen euch verstellen/ dann ich bin barmhertzig/ spricht der HErr/ und will nicht ewiglich zuͤrnen. Allein erkenne deine mis- sethat/ daß du wider den HErrn deinen GOTT gesuͤndiget hast. Dieser stimme lasse sie auch in ihrer seelen platz/ und seye versichert/ wo sie solches thut/ so werde dieselbe sie wiederum aus dem todt in das leben fuͤh- ren. Nur wie sie ihre anklebende laster/ und zwahr auff eine solche art/ wie R r r r die- Das fuͤnffte Capitel. dieselbe sie wahrhafftig gantz ungluͤckselig machen/ erkennet/ daher nicht an- ders kan/ als mißfallen daran haben/ so trachte sie allein darnach/ wie sie denselben oder vielmehr ihren ausbruͤchen mit goͤttlicher huͤlffe ernstlich wi- derstehen und steuren moͤge/ ja aber ihnen nicht mit fleiß nachhaͤnge. Und weiln sie luͤgen und heucheley sonderlich an sich erkennet/ welche sie in den uͤbrigen suͤnden desto mehr unterhalten/ und hingegen die busse gehindert haben werden/ so lege sie zum allerfordersten diese ab/ und suche nicht mehr mit fleiß anders als sie ist angesehen zu werden. Zwahr kanich nicht rathen/ die bewandnuͤß ihrer seelen jederman/ so etwa vielen eher zum an- stoß gereichen moͤchte/ zu offenbahren/ sondern nechst ihrem beicht-vater/ dessen vertrauliches raths sie hieruͤber zupflegen hat/ erwehle sie etzliche ver- traute Christliche personen/ welchen sie mit gleicher auffrichtigkeit als mir ihr hertz entdecke/ und denselben eine zeitlang die gantze auffsicht uͤber sich gebe/ ja ihnen gleichsam uͤber alles ihr thun rechenschafft abstatte/ auch so viel es an ihr ist/ ihnen folge/ biß sie vermittels goͤttlicher gnade in eine bessere ordnung wieder komme. Jndessen lasse sie vor sich ihre einige sorge und anligen seyn (1) in stetem flehenlichem gebet vor dem Allerhoͤchsten anzuhalten/ der doch selbs ihr hertz aͤndern/ und ihren feind/ welchem sie so lange allzuviel macht uͤber sich gelassen/ in ihr daͤmpffen wolle. (2) Sich offters den elenden zustand vorzustellen/ in welchem sie so lange gestanden/ und gleichsam nur einen schritt von der hoͤlle gewesen. (3) Sich zuverwun- dern und danckbarlich zuerfreuen uͤber die langmuth ihres himmlischen Va- ters/ welche so lange gedult mit ihr getragen/ und ihr nun ihr elend offen- bahre. (4) Mit grossem ernst ihren vorweilen mit GOTT gemachten tauff-bund/ (wie sie weiß/ daß ich jederman allezeit darauff gewiesen habe) ihr immer vor augen zustellen/ aber nicht nur/ wie er von ihrer seit viel- faͤltig gebrochen worden/ sondern auch wie er von GOttes seite immer fest bleibet/ und der liebste Vater bereit ist/ alle augenblick sein auch abtruͤnni- ges und treu-loß gewordenes kind wiederum anzunehmen/ da es nur nach seiner gnade aus fuͤhlung seiner bedoͤrffnuͤß solches verlanget. Jn dieser betrachtung wolle sie offt und lang beharren/ daß sie allezeit ihre undanck- barkeit gegen goͤttliche liebe/ dero ruffen sie lange mit tauben ohren ange- hoͤret/ und hinwiederum die bestaͤndigkeit dieser liebe/ die unermuͤdet im- mer ARTIC . I. SECTIO XIX. mer wiederum/ sonderlich jetzt da sie ihre suͤnde ihr laͤßt in der seele auff- wachen/ bey ihr anklopffe: Darmit also ihr vorhin hartes hertz durch das feuer dieser liebe/ wo sie immer sich derselben in sich selbs naͤhert/ voͤllig erweichet/ und allgemach wiederum ein glaubiges vertrauen in ihr gewir- cket werde: Daraus alsdann erst eine rechte goͤttliche reue in erkaͤntnuͤs ihrer unwuͤrdigkeit und goͤttlicher guͤtigkeit entstehen/ und ihre seele mit einer liebe gegen GOtt/ folglich auch mit krafft sich mehr und mehr zu rei- nigen/ und in der heiligung zuzunehmen/ erfuͤllet werden wird. Hiermit (5) muß sie immer/ ob sie auch von allem keinen geschmack in langer zeit empfinden sollte/ trachten fortzufahren und nicht nachzulassen: sonderlich aber ihre meiste gedancken auff goͤttliche inbruͤnstige Vaters-liebe gegen alle auch schwehrste suͤnder/ auff das vollkommenste verdienst und unend- liche gerechtigkeit ihres JEsu/ welches alle suͤnde weit uͤberwieget/ daher auch auff das aus lauter liebe fuͤr uns uͤbernommene leiden und sterben des theursten Heylandes/ in dessen betrachtung die kirche ohne das zu die- ser zeit ihren trost suchet/ auff die krafft des heiligen Geistes/ dessen an- k l opffen sie offt gefuͤhlet/ obwol ihm nicht gnugsam raum gegeben/ auff die unveraͤnderliche gewißheit der goͤttlichen verheissung/ dero genusses wir zwahr eine zeit ang durch unbußfertigkeit uns verlustigt machen/ sie aber noch fest stehen/ auff die viele exempel der auch schwehrsten aber zur buß wieder geleiteten suͤnder/ und auff diejenige materien richten/ welche wie- derumb ein vertrauen zu GOtt machen. Dann dieses kan mir alles mein eigen werck und bemuͤhen nicht geben oder zuwege bringen/ daher auch die wahre heiligung nicht einmal recht anfangen/ sondern es muß alles eine wirckung des heiligen Geistes seyn durchs Evangelium/ dieses aber eben deswegen offt in seinen haupt-materien/ die mit wenigem angefuͤh- ret/ fleißig betrachtet werden. Wird meine geliebte jungfrau/ so ja alle sorge ihres heils nicht abgeleget/ nach der wenigen krafft/ die ihr der HErr verleihen wird/ auff diesen weg sich begeben und darauff anhal- ten/ so versichere sie an GOttes statt/ daß dessen erbarmen/ welches ohne des bereits uͤber ihr schwebt/ sich kraͤfftig an ihr offenbahren/ und erstlich ein vertrauen zu ihrem Vater wiederumb erwecket/ aus demsel- ben ihre reue gantz anderer art als bißher werden/ darauff die liebe GOt- R r r r 2 tes Das fuͤnffte Capitel. tes in ihr wachsen/ und alsdann glaube und liebe der maͤchtige antrieb werden werde/ sich nunmehr von allem zu reinigen und an allen kraͤff- ten des innern menschen zu wachsen. Da wird sie alsdann die guͤte des liebsten Vaters preisen/ der sie aus dem tod ins leben gefuͤhret/ oder jetzo getoͤdtet/ daß sie wieder lebendig werde. Nur huͤte sie sich vor allen din- gen vor dem/ was zu erst bemercket/ daß sie keine heucheley weiter bey sich einnisten lasse/ noch anders vor menschen zu scheinen sich befleißige/ als sie ist/ hingegen bemuͤhe sie sich einer solchen demuth/ daß sie gerne nichts vor GOtt und menschen zu seyn verlange: versichert/ daß sie durch nichts mehr als hochmuth und heucheley die gute hand GOttes an sich hindern koͤnne: sodann halte sie mit seuffzen und flehen tag und nacht so lange an/ biß ihr der HErr sein angesicht zeige. Jch an meinem weni- gen ort will auch nicht unterlassen/ ihres nahmens und anligens vor dem gnaden-thron taͤglich/ so viel GOtt gnade gibet/ zugedencken/ und also mit kaͤmpffen helffen. Er der Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trostes/ thue ferner was er thut/ nemlich ziehe sie auff ihm weißlichst-be- kante wege zu sich/ erfuͤlle sie mit busse und glauben/ reinige sie von allem schlangen-saamen/ und was derselbe vor fruͤchten bey ihr gebracht hat/ hin- gegen lasse er auffs neue seinen saamen/ aus dem sie einmal wiedergeboh- ren/ und er gleichsam in ihr ersticket worden/ wiederum lebendig und kraͤff- tig in ihr werden/ und heilige sie durch und durch/ daß ihr geist gantz/ samt seel und leib/ unstraͤfflich behalten werde auff den tag JESU CHristi: 1. Thess. 5/ 23. 24. Getreu ist der/ der euch wiederrufft/ der wirds auch thun umb unsers suͤnden-tilgers willen/ Amen. Wormit dessen der maͤchtig/ guͤtig und weise ist/ schutz/ liebe und regierung sie treulich empfehle. 1694. SE- ARTIC . I. SECTIO XX. SECTIO XX. Summa des Christenthums/ bußfertige erkaͤntnuͤs der suͤnden/ glaͤubige ergreiffung der seeligkeit/ und dar- aus entstehende kindliche gehorsam. J Ch antworte zwahr meiner gewohnheit nach/ so dann aus noth der geschaͤfften etwas spatt/ aber bezeuge nichts destoweniger hertzlich/ daß mir sein neuliches schreiben sehr angenehm gewe- sen/ als ein liebes zeugnuͤß sowol seines gottseeligen hertzens/ und wie er sich mit solcher glaͤubigen demuth in die gnade und liebe sei- nes Heylandes gibet/ als auch absonderlich seiner gegen mich tragenden liebe und zuneigung. Dieses freuet mich deswegen hertzlich/ weiln er be- zeuget/ daß GOtt meinen armen und aus mir unmoͤgenden dienst gleich- wol auch bey ihm habe lassen zu einer geistlichen staͤrckung und auffmun- terung einigmal gedeyen/ auch dafuͤr seinem GOTT hertzlich dancket: Nun was kan uns mehr erfreuen/ als wo uns GOTT die gnade thut/ zusehen/ daß auch umb unsert willen/ ihme von andern bruͤdern danck ge- bracht werde? Jenes zeugnuͤß aber des guten selbs/ so der HErr in ihm gewircket hat/ freuet mich so vielmehr/ und sage auch ich mit ihm dem HErrn dafuͤr demuͤthigen danck. Es ist freylich also/ wie er schrei- bet/ und bestehet darinn die gantze summa des Christenthums/ daß wir uns erstlich unserer suͤnden wegen rechtschaffen vor dem HErrn demuͤthi- gen/ und dieser abscheulichkeit wahrhafftig erkennen/ worzu unsere pruͤ- fung und erforschung des gewissens/ so dann eine fleißige erwegung goͤtt- lichen gesetzes/ samt vorstellung der goͤttlichen wolthaten/ so uns unserer undanckbarkeit uͤberzeugen/ folglich die demuth so viel befoͤrdern/ die kraͤff- R r r r 3 tige Das fuͤnffte Capitel. tige mittel sind: Es muß aber zu denselbigen kommen die kraͤfftige wir- ckung des heiligen Geistes/ daß ers in unsern hertzen empfindlich mache: als ohn welchen alle solche betrachtungen das hertz noch nicht exweichen/ noch in eine seelige reue zerfliessen machen wuͤrden. Bey welcher sache wir gleich dieses auch wol zuerwegen haben/ daß der HErr sowol in der- selben als in andern stuͤcken nicht nach unserm gutduͤncken und wolgefal- len/ sondern nach seinem weisesten und guͤtigsten rath/ mit uns verfahre/ dahero auch nicht mit allen einerley wege gehe. Wie sich dann die Erfah- rung zeigen wird/ daß er zuweiln bey einigen solches fuͤhlen der suͤnden/ laͤsset sehr schmertzlich/ auch wol langwierig seyn/ daß rechte hoͤllen-aͤngsten sich zeigen/ und gleichsam alle die zorns-fluthen uͤber eine seele gehen: Anderer schonet der HErr mit solchen empfindlichen aͤngsten/ und ob er wol die noͤthige reue und haß der suͤnden auch wircket/ so laͤsset ers doch gehen/ wie bey etzlichen weibern/ welche zwahr nicht ohne einigen/ dennoch mit gegen andern verglichen geringern/ und fast solches worts kaum wuͤr- digen/ schmertzen ihre frucht zur welt gebaͤhren: So laͤsset er auch die so bald erblickte gnade ihres Erloͤsers/ die sonst ansetzende angst der suͤnden/ da sie kaum gefuͤhlet worden/ kraͤfftig vertrieben werden. Jst umb der ursach willen zu mercken/ damit weder diejenige/ welche der HERR in solche aͤngsten gerathen laͤsset/ daraus schliessen/ ob waͤren sie nicht in ihres himmlischen Vaters gnade/ weiln sie dessen zorn so starck empfunden: noch hingegen andere mit welchen GOtt auff eine gelindere art verfahren/ und sie der suͤnden bitterkeit nicht also schmecken laͤsset/ dadurch in anfech- tung und zweiffel gebracht werden uͤber die wahrheit ihrer busse/ wel- che gleichwol nicht sowol aus der hefftigkeit der schmertzen als auffrichtig- keit der erkaͤntnuͤß und hasses gegen die suͤnde abzunehmen und zu urthei- len ist. Nechst solchem der suͤnden-erkaͤntnuͤß ist freylich das wichtigste/ die vorstellung und ergreiffung der theuren gnaden GOttes/ in dem ver- dienst ARTIC . I. SECTIO XX. dienst JEsu CHristi: Dann dieses allein bringet das hertz zur ruhe/ und heilet seine wunden/ sonderlich wo wir uns recht gewoͤhnen/ wie es denn seyn solte/ daß wir alle die guͤter solches theuren verdienstes ansehen/ als solche zu denen wir nicht erst durch unsern fleiß und gehorsam gelangen/ und die eine belohnung unserer wercke werden muͤsten/ sondern daß wir sie wahrhafftig erkennen/ daß sie uns pur-lauter aus gnaden/ so bald in dem ersten augenblick/ da uns GOtt in der heiligen tauff in seinen bund auff- genommen hat/ geschencket/ und wir also in demselben/ nach S. Pauli wor- ten bereits seelig gemacht worden seyen/ obwol in der hoffnung/ nemlich daß wir dermaleins in den voͤlligen und offenbahren genuß solcher heils- guͤter/ deren eigenthum uns einmal geschencket/ gesetzet werden sollen. Welche erkaͤntnuͤß des wahrhafftigen bereits geschenckten heyls recht der kern des wahren glaubens ist/ und GOtt vortrefflich preiset: Hingegen die glaubige seele/ recht mit inniglichster freude/ uͤber solche ihre seeligkeit erfuͤllet. Welches ich gemeinet haben will/ von dem stand ausser der an- fechtung/ in welcher zwahr nicht der glaube/ wie es scheinet/ jedennoch dessen empfindlichkeit/ und daher entstehende vergnuͤgliche freude/ zuruͤcke bleibet. Es ist auch nicht zugedencken/ daß die erkaͤntnuͤß und ergreif- fung sothanes heils in CHristo den menschen sicher machen werde/ sondern wo das hertz wahrhafftig solche guͤter anfaͤnget zu schmecken/ kan es nicht anders/ als gegen dieselbe alles dasjenige verachten/ was diese welt uns zu locken/ uns vorstellen mag/ und insgemein alle diejenige dadurch zu ihrer liebe verzaubert/ die nicht die wahre guͤter besser zuerkennen gelernet haben/ und umb desselben willen die andere gering oder vor nichts achten. Daß also freylich dieses gewiß folget/ als das dritte auff die beyde vorige/ wie der HErr sagt/ daß das hertz nicht kan anders als seinen so theuer verdienten freund wiederumb lieben/ und getreulich nachfolgen/ daß also in demjenigen/ worinn er gegen mich sein hertz und die summa seines Chri- Das fuͤnffte Capitel. Christenthums ausgeschuͤttet/ ich nichts zu aͤndern oder hinzu zusetzen weiß. Vielmehr unsern allerliebsten Heyland demuͤthig anflehe/ daß er solches sowol ferner noch in seinem hertzen versiegeln/ als auch eben solche erkaͤntnuͤß/ in allen seelen wircken wolle/ die ihr heyl sonst in anderer unrechter ordnung suchen. Findet sich aber jene erkaͤntnuͤß recht lebendig in uns/ so doͤrffen wir nicht mehr mit zwang auff die praxin treiben/ son- dern dieselbige waͤchset herrlich hervor/ aus der so gesegneten wurtzel. Und das ist alsdann der so grosse unterscheid/ unter den wercken des blossen gesetzes/ und die in dem geist der knechtschafft geschehen/ und unter dem kindlichen gehorsam/ wo die von dem gesetz erforderte aus glauben in liebe geleistet werden. Welchen unterscheid wo wir recht erkennen/ ein gewis- ses zeugnuͤß ist/ daß wir durch goͤttliche gnade weit gekommen seynd. Jch will aber demselben nicht mit allzuvieler weitleufftigkeit beschwehrlich fallen/ als der ohne daß meines unterrichts nicht bedarf/ sondern aus dem wort des lebens und von den theuren maͤnnern Gottes in heiliger schrifft alles noͤthige zu lernen sich gewehnet/ so dann mehrere Christliche freunde umb sich hat/ derer unterweisung und handleitung/ so er einiger beduͤrff- tig ist/ ihm taͤglich nach verlangen ge- deyen kan. 1681. SE- ARTIC. I. SECTIO XXI. SECTIO XXI. Vermahnung vornemlich auff dem weg des Ev- angelii einherzu gehen. Wie man sich gegen die Refor- mirte zu bezeigen. W Je es billich unsre groͤßte freude seyn solte/ wo wir gewahr werden/ wie die himmlische guͤte da und dort bald diesen bald jenen ergreifft/ und aus der welt gemeinschafft maͤchtiglich zu sich reißt/ als darin- nen ein grosses stuͤck goͤttlicher ehr bestehet/ und wir uns an einem jeden sol- chen menschen eines brudern versichern koͤñen/ mit dem wir deꝛmaleins ewig- lich uns freuen sollen: also kan versichern/ daß dessen/ ob wol mir so nahmen als person nach unbekant gewesten/ liebes schreiben mich inniglich eꝛgoͤtzet hat. Dahero mit demselben unsers himmlischen Vaters ewiger guͤte demuͤthigsten danck sage/ der auch dessen seele von der Obrigkeit der finsternuͤß errettet/ und in das reich seines lieben Sohnes versetzet/ auch tuͤchtig gemacht hat zu dem erbtheil der Heiligen in dem liecht. Sie wolle aber noch fortfahren sol- ches gute werck fortzusetzen und zu vollfuͤhren auff den tag JEsu CHristi: dessen mich auch zu derselben treue gewiß/ zu ihme aber/ daß er dem gnaden- zug auch kuͤnfftig gehorsam bleiben/ und dessen wirckung niemal selbs unter- brechen/ oder an sich vergebens machen werde/ in christlicher liebe versehe. Dabey solte mir aber sehr angenehm seyn/ wo mein wehrter Herr geruhen wolte/ die art und weise ausfuͤhrlicher zu beschreiben/ wie der guͤtigste Vater das wahre und helle liecht der gerechtigkeit/ davon das schreiben gedencket/ in seiner seelen auffgehen lassen/ ob es ploͤtzlich oder allgemach/ bey gelegen- heit des lesens/ hoͤrens oder betrachtung goͤttlichen worts/ oder ausser dem- selben aus der krafft des vor dem gefaßten worts/ geschehen seye. Wie dann manchmal einige grund-wahrheiten aus dem goͤttlichen wort in in das hertz also gefaßt werden/ daß weil durch anderes dero krafft/ welche sie sonsten bey uns haben solten/ gehindert wird/ sie gleichwol lang als waͤren sie unkraͤfftig bey uns ligen bleiben/ biß sie so zu reden durch gewisse gelegen- heit rege gemacht werden/ und in goͤttlicher krafft durchtringen: so ich zu vergleichen pflege mit einem saamkoͤrnlein/ das in ein gantz trockenes land faͤllet/ welches seine lebendige krafft zum auffgehen nicht ereignen kan/ biß et- wa einmal ein gesegneter regen darauff faͤllet/ so die erde anfeuchtet/ daß das koͤrnlein zu kaͤumen und hervor zubrechen verursachet/ weil nunmehr die er- de darzu beqvem worden. Wie nun aber der weiseste GOTT nach seiner weißheit nicht nur eine/ sondern vielerley arten und wege bey seinen kindern gebraucht/ solte michs sehr freuen/ vielleicht auch zu einigem nuͤtzlich seyn/ S s s s wo Das fuͤnffte Capitel. wo umstaͤndlicher den weg/ welchen der HErr ihn gefuͤhret/ und wie er auff solchem fortgefahren/ erfahren koͤnte. Dabey versichre ich/ daß auch seines lieben nahmens vor dem angesicht des HErrn unvergessen bleiben werde. Den fleiß in denen von Petro in der 2. epistel am 1. capitel erzehlten tugenden kan nicht anders als loben: nur will hoffen/ derselbe werde trachten/ ihn vielmehr aus dem Evangelio als aus dem gesetz herzu ziehen und fortzuse- tzen. Davon ich um der ursach willen meldung thue/ weil mir bekant/ daß zuweilen einige gute seelen sich damit mehr hindern als fordern/ wann sie fast ihr einiges werck daraus machen/ sich allein ihre obligende pflichten stets vor augen zu stellen/ auch in lesung der H. Schrifft fast allein auff dieselbige acht zu geben/ und sich um die uͤbung derselben offters fast angsthafft zu be- muͤhen/ dabey sie sich vielen zwang anzuthun meistens noͤthig befinden. Da hingegen der evangelische weg viel herrlicher kraͤfftiger und gesegneter ist worauff der liebe Apostel selbs an solchem ort weiset/ wann er saget/ daß allerley goͤttliche krafft/ was zum leben und goͤttlichen wandel dienet/ uns durch die erkaͤntnuͤß des der uns beruffen habe durch seine herr- lichkeit und tugend/ geschencket werde. Daher wo ein Christ sein haupt- werck sein laͤsset/ am meisten seinen glauben an JEsum zu staͤrcken/ und in dessen lebendiger erkaͤntnuͤß durch taͤgliche/ ja gleichsam stuͤndliche betrach- tung desselben herrlichkeit und unaussprechlicher wolthaten/ ja gegen uns brennender liebe/ so dann der theuren schaͤtze der seeligkeit/ die wir bereits in denselben haben (dann alles solches gehoͤret zu seiner wahren erkaͤntnuͤß) zu wachsen/ so wird dardurch am gluͤcklichsten auch aller wachsthum in den uͤ- brigen tugenden des lebens ohne eusserliche viele muͤhe von innen ausbefoͤr- dert. Jn dem da der glaube die gesegnete wurtzel alles uͤbrigen guten ist/ fehlet sich nicht./ daß nicht dessen vermehrung auch desto mehrere fruͤcht eu bringen muͤßte: und wo die seele das feuer der liebe ihres JEsu durch staͤte glaubige betrachtung gleichsam in sich zeucht/ so zuͤndet dasselbe aus dem glauben sie hinwiderum mit derjenigen liebe an/ die durch alle andere tugen- den wuͤrcket/ und nicht anders als gutes thun kan/ ja solches auch thut/ da sie kaum daran gedencket. Daher solcher gehorsam das wenigste erzwun- gene oder angsthaffte bey sich hat/ weil alles aus dem wahren innern grund des glaubens gehet. Dieses wuͤnsche nun/ daß auch bißher meines wehrten Herrn meiste uͤbung gewesen sey/ er auch in derselben stets fortfahre/ und taͤglich neue fruͤchten daraus in goͤttlichem seegen seliglich genieße/ so dann mit seinem exempel auch andre neben sich darzu auffmuntere. Was im uͤ- brigen das freundliche begehren wegen der Reformirten von den unsrigen unterschiedenen lehrsaͤtzen anlangt/ wuͤrde es vor einen brieff zu groß seyn/ auch ARTIC. I. SECTIO XXI. auch meine sehr enge zeit/ da auff einen jeden christlichen freund/ weil deren/ die sich an mich adressir en/ eine zimliche anzahl ist/ sehr wenig kommen kan/ solches nicht zulassen/ etwas schrifftliches darvon auffzusetzen/ sondern wol- te mich hiemit bezogen haben auff mein buch/ genannt die evangelische glau- bens-lehr (so von Franckfurt wol zu haben seyn wird) in dero gleichwie alle glaubens-articul ob wol einfaͤltig doch gruͤndlich ausgefuͤhret/ also auch die materien/ welche zwischen uns und den Reformirten streitig befindlich sind. Wie dann der punct von der gnaden-wahl und was dahin gehoͤret/ vornem- lich bey dem Sonntag Septuagesim. von dem H. abendmahl auf den Gruͤnen Donnerstag/ andre anders wo zu lesen sind. Wie ich nun hoffe/ wo demselben belieben solte/ sich solcher meiner arbeit zu bedienen/ daß es ihm zu fernerer gruͤndung der erkaͤntnuͤß der wahrheit in diesen und andern articuln durch GOttes gnade gesegnet werden wuͤrde/ so wolte doch an ihrem ort nicht rathen/ daß derselbe sich mit den Reformirten in viele disputat einlassen sol- te/ sondern gnugsam mag seyn/ die wahrheit/ die man erkennet/ deutlich zu- bekennen/ und nach seinem begriff dero gruͤnde zu zeigen/ wo solches aber ge- schehen ist/ andre hinwiederum ihrem gewissen zu uͤberlassen/ Gott den Herrn der seine wahrheit immer mehr und mehr allen/ auch noch jetzo irrenden/ ein- leuchten lassen wolle/ hertzlich anzuruffen/ und die mit uns in der erkaͤntnuͤß nicht eins sind/ zum allerfordersten dem HErrn die wahre fruͤchten der un- streitig noch bey behaltener stuͤcke der wahrheit zu bringen/ anzumahnen: als welches ein stuͤck des weges ist/ worauff die irrende zu ferner erkaͤntnuͤß der goͤttlichen wahrheit kommen koͤnnen/ wo sie erst fuͤr dasjenige/ was ihnen GOtt von denselben bereits gegeben und gelassen hat/ sich danckbarlich er- weisen/ und dessen thaͤtliche fruͤchten bringen. Ach daß der HErr uns alle dahin regiere/ daß wir/ welchen er so vielmehr seiner wahren lehr anvertrau- et/ nach dessen maaß ihm auch destomehr gehorsam braͤchten: andre aber die weniger empfangen haben/ doch auch mit nicht weniger treue sich solches ge- horsams beflissen. Geschaͤhe dieses/ wie bald wuͤrde der HERR seine gnade bey allen vermehren/ ja uns mehr und mehr in die wahre einigkeit des geistes einfuͤhren. ꝛc. 1695. SECTIO XXII. Auffmunterung an einen in ledigem stande und ausser amts lebenden/ was derselbe zu thun habe. J Ch erinnere auch denselben nochmal hertzlich nach der pflicht eines gu- ten freundes und gewesenen Beicht-vaters/ daß er auch das von mir die gantze zeit uͤber angehoͤrte wort GOttes noch ferner wolle in seiner S s s s 2 see- Das fuͤnffte Capitel. seelen fleißig bewahren/ und trachten/ daß es je laͤnger je mehr in derselben tieff eingetruckt und lebendig gepflantzet werde/ zu vieler frucht goͤttlichen preises. GOTT lasse dasjenige wort/ so er noch auch taͤglich hoͤret/ gleicher- massen zu solcher reichen frucht stets gesegnet werden/ und verleihe die gnade/ die stattliche gelegenheit/ die man jetzt noch hat/ recht treulich zu GOttes ehre anzuwenden. Unser liebe Apostel Paulus ruͤhmet 1. Cor. 7. die bequem- lichkeit/ da man in dem ledigen stande bleibet/ vornemlich darinn/ daß man von der hauß-sorge freyer desto ungehinderter GOTT zu dienen vermoͤge. Weil nun der H oͤ chste meinem werthsten HErꝛn solche gnade gethan/ und ihm bißher im ledigen stand zu bleiben den sinn gegeben hat/ wuͤnsche ich/ daß der- selbe auch so viel treulicher und sorgfaͤltiger zu dem rechten zweck angewendet werde. Wo dann die frage ist/ was man bey entstehung eines absonderli- chen ordenlichen beruffs zu thun/ und seine zeit nuͤtzlich zu gebrauchen habe/ hoffe ich/ werde ein gemuͤth/ dem es wahrhafftig ernst ist/ seiner zeit wegen GOTT dermaleins rechenschafft geben zu koͤnnen/ gnug finden/ was man thun moͤge/ sich des muͤßiggangs zu entschlagen. Wir sind alle beruffen/ daß unsere haupt-sorge nechst der goͤttlichen ehre seye/ daß wir an unserer seele sol- len arbeiten/ sie mehr und mehr GOTT gefaͤllig zu machen/ also in der leben- digen erkaͤntnuͤß GOttes und goͤttlicher dinge zuzunehmen/ wie nicht weni- ger durch allerhand christliche uͤbungen auch an den uͤbrigen kraͤfften unserer seelen nach mehrer vollkommenheit in der liebe GOttes/ in verschmaͤhung der welt/ in andern dergleichen geistlichen tugenden zu streben: Wem denn GOTT so viel mehr zeit goͤnnet von absonderlichen andern geschaͤfften/ der hat taͤglich ein so viel mehrers dahin zu heiligen/ da andere ungluͤcklicher sind/ daß sie nicht so viel zeit gewinnen koͤnnen/ nachdem sie etwan aus GOttes verordnung ihre meiste zeit zu dem dienst an andern/ je nachdem sie beruffen/ anzuwenden gehalten sind. Solche uͤbungen im lesen/ betrachtung und an- derer andacht sollen billich bey denen/ die frey uͤber ihre stunden zu disponi ren haben/ einen guten theil der bequemsten unter denselben wegnehmen. Da- hin gehoͤret auch das gebet/ dazu abermal zwahr alle Christen verpflichtet sind/ aber noch so vielmehr diejenige/ welchen GOTT mehr freye zeit bescheh- ret/ damit sie auch so viel mehrere ihm in dem dienst widmen/ worinn sie ihr eigen anligen und anderer noth seiner guͤte vortragen. Wie denn auch die schuldige liebe diejen i ge/ so in mangel absonderlichen beruffs nicht so viel gele- genheit haben/ dem nechsten sonsten zu dienen/ antreiben solle/ daß sie so viel angelegenlicher abermal taͤglich nicht nur die gemeine noth/ sondern auch die absonderliche noth anderer nechsten/ so viel ihnen jedesmal bekant wird/ dem HErrn vortragen/ und da sie es auf andere weise wenig vermoͤgen/ ein theil der pflicht/ so ihnen gegen den nechsten obliget/ dadurch abstatten. Welche darne- ARTIC. I. SECT. XXIII. darneben sich der studiorum kundig gemacht/ und nicht wissen/ wenn sie der HErr etwa auch nach seinem willen zu andern functio nen bey einem gemei- nen wesen beruffen moͤchte/ haben auch einen theil ihrer freyheit dazu zu wid- men/ sich durch lesen und studiren immer tuͤchtiger zu machen/ daß wo ihnen GOTT einige stellen anvertrauen wuͤrde/ sie in denselben das gemeine beste und die gerechtigkeit desto besser zu befoͤrdern/ alsdenn bereits verstehen moͤ- gen: Zu dem daß ohne das das studiren bey denen/ welche seine suͤßigkeit recht erschmecket/ die anmuthigste zeit-vertreib ist/ darinnen sich das gemuͤth ergoͤ- tzen kan. Wer ferner darnach trachtet/ seinem nechsten sonst auf allerley art liebe zu erzeigen/ dem wirds auch an gelegenheit dazu selten mangeln/ und mau also immer einige stunden dazu zu gebrauchen finden. Wie ich auch schließlichen den himmlischen Vater darum demuͤthig anruffe/ welcher ihn im- mer mehr und mehr mit seinem heiligen Geist erfuͤllen/ was an ihm seiner hei- ligkeit nach mißfaͤllig seyn mag/ kraͤfftig wegnehmen/ und ihn davon reinigen/ hingegen alles/ wodurch er ihm und dem nechsten am kraͤfftigsten dienen/ auch selbs an dem innern menschen gestaͤrcket werden moͤge/ in ihm taͤglich wircken/ in austheilung seiner zeit und dero anwendung weißheit und treue verleihen/ und ihn immer mehr und mehr zu einem angenehmen gefaͤß seiner gnaden und durch gutes exempel bey andern/ erbauliches werckzeug seiner ehre bereiten/ ja mit allem himmlischen segen in geistlichen guͤtern zeitlich und ewiglich bese- ligen wolle. 1686. SECTIO XXIII. Auffmunterung an eine unter schwehrer hauß- haltung stehende wittibe. J Ch zweiffle nicht/ sie werde noch immer auf dem wege/ auf welchen sie der HErr gefuͤhret hat/ treulich fortzuwandeln beflissen seyn: Zum foͤr- dersten zwahr trachten nach dem reich GOttes/ und nach seiner gerech- tigkeit/ und also sich in dem geistlichen am eiffrigsten dahin zu bestreben/ wie sie an dem innern menschen/ an glauben/ und dessen fruͤchten stets wachsen/ und sich darinnen durch das goͤttliche wort in oͤffentlicher und absonderlicher handlung desselbigen/ durch christlichen umgang mit andern guten seelen/ durch hertzliches geber/ und durch uͤbung allezeit desjenigen/ wozu sie der HErr bereits gefuͤhret hat/ und dadurch ihre treue pruͤfet/ staͤrcken moͤge. Jch weiß zwahr/ daß sie eine schwehre last der haußhaltung/ handlung und daher kommenden sorgen auf sich hat/ und uͤber dieselbe offt als uͤber eine schwehre hindernuͤß klaget/ sie thue aber auch darinnen ihrem GOTT und Vater im glauben diese ehre/ daß sie sich versichere/ es seye gleichwol eine guͤtige und S s s s 3 weise Das fuͤnffte Capitel. weise regierung desselben/ der sie und ihr bestes wol kennet/ und sie selbs unter diese last gestellet hat/ daher sichs nicht fehlet/ wo sie treulich auf seinen rath sihet/ daß nicht auch solches alles/ so sie beseuffzet/ zu ihrem besten dienenmuͤ- ste. Es muß gewiß denen/ die sich dem HErrn hertzlich uͤberlassen/ diese ver- wesung des eusserlichen menschens/ das leiden des leibes und des gemuͤths/ so sich bey dergleichen zustand findet/ auch ein mittel der erneuerung des innern menschen/ deme es sonsten gantz entgegen zu stehen/ und ihn zu hindern schei- net/ werden. Sie sehe durch alle ihre sonsten beschwehrliche geschaͤffte und sorgen hindurch/ und sehe sie an/ nicht wie sie der vernunfft vorkommen/ son- dern wie sie der glaube und dessen auge mehr und mehr einsihet. Sie sehe sie an/ als ein stuͤck des goͤttlicheu beruffs und willens/ der sie dazu gesetzet hat/ und sie sich ja allezeit zu seinem gehorsam schuldig erkennet/ auch weiß/ daß solches das nuͤtzlichste ist; sie sehe sie an/ als einen dienst GOttes/ und verrichte alles/ was sie in solchem eusserlichen thun muß/ mit einem solchen hertzen/ wel- ches verlanget/ seinem GOTT damit zu dienen/ welche absicht und betrach- tung alle andere auch sonsten weltliche geschaͤffte zu einem wahrhafftigen got- tesdienst machet/ der nicht geringer zu halten/ als derjenige/ welcher in der kir- chen verrichtet wird; sie sehe sie an/ als einen beruff der liebe/ da sie auch in ge- wisser maaß ihrer eignen seelen erbauung/ so ihr sonsten unmittelbar zu suchen lieber waͤre/ demjenigen nachsetzet/ darinnen sie nach GOttes willen den ihri- gen und andern jetzo in liebe dienen muß/ und GOTT dem HErrn eben deß- wegen/ weil es nicht aus bloß eigner wahl/ sondern aus seiner ordnung geschi- het/ am angenehmsten ist; sie sehe es an/ als einen dienst/ darinnen GOTT ih- re gedult uͤbet/ und eine solche uͤbung ihro nuͤtzlich zu seyn/ erkannt haben muß: Ob sie dann vornemlich beklaget die hindernuͤß des jenigen/ damit sie zu meh- rer vergnuͤgung ihrer seele lieber stets umgehẽ wolte/ so gedencke sie/ in solcher absicht/ da uns das eusserliche wahrhafftig offt an dem geistlichen nicht wenig hindert/ gehoͤre dieses mit unter die dienstbarkeit/ wie auch alle creatur der eitelkeit in gewisser maaß wider ihren willen unterworffen ist/ um des- sen willen der sie unterworffen hat/ und damit ihre seuffzen um die erloͤ- sung so vielmehr befoͤrdert; ja unter die dienstbarkeit/ die unter menschen auch diejenige betrifft/ so andere regieren sollen. Haben nun diejenige knechte und maͤgde/ so zu der Apostel zeiten heydnischen herrschafften mußten als leibeigene dienen/ da leicht zu erachten ist/ wie wenig zeit und gelegen- heit sie zu ihrer andacht und erbauung werden gehabt haben/ dannoch dabey ihr Christenthum auf GOtt-gefaͤllige art uͤben koͤnnen/ daß die Apostel sie dabey hertzlich troͤsten/ wie sie nicht weniger als die freyen ihr gutes von dem HERRN empfahen wuͤrden/ so gedencke sie/ da sie zwahr uͤber ARTIC . I. SECTIO XXIV. uͤber andere die frau ist und die regierung fuͤhret/ daß sie ihres GOttes magd in solchem dienst seye/ durch die regierung vielmehr ihm an andern/ ja andern selbs/ zu dienen/ und daß ihr nichts dadurch abgehen solle/ ob wol solcher ihr dienst manche stunden und kraͤfften wegnimmt/ so sie nach eigener wahl lieber an das geistliche wendete/ wie es dannoch heisset/ ein jeglicher wandle/ wie ihnder HErr beruffen hat. Sie sehe es an als eine last/ dero schwehre der HErr auch erkenne/ und also gewißlich sie nicht schwehrer werde werden lassen/ als er zu tragen die kraͤffte gegeben/ und noch ferner geben wird. Wie auch dieses mein einiger wunsch solle seyn/ daß der HErr ihr ihre augen auff diese weise oͤffnen wollen/ solche ihre last auff dergleichen art anzusehen/ da- mit sie nicht wenig wird erleichtert werden; er helffe ihr aber auch selbsten tragen/ und fuͤhre ihr allezeit auch treue freunde zu/ die ihr mit rath und huͤlf- fe in seinem nahmen beystehen/ sonderlich mache er die ihrige zu dieser liebes- pflicht geschickt/ er lasse sie auch an denselben und gantzem hause in dessen geist- lichem wachsthum und uͤbrigem wohlwesen taͤglich freud und trost sehen/ er erzeige auch in dem uͤbrigen seine treue an ihr in erfuͤllung alles dessen/ was er denen auf ihn hoffenden wittiben zugesaget/ sonderlich besuche er sie taͤglich mit neuer krafft seines H. Geistes/ mit seinem liecht zu lebendiger erkaͤntnuͤß/ zu getrostem vertrauen auf seine guͤte/ zu eiffrigem gehorsam seiner gebote/ zu suͤssem trost und schmeckung seiner suͤßigkeit/ und insgesamt mit allem geistli- chen segen in himmlischen guͤtern in CHristo JEsu/ damit sie/ die zu der ge- meinschafft des HErrn auch beruffen ist/ darinnen staͤts erhalten untadelich erfunden werde auff den tag ihres erloͤsers/ und mit samt den ihrigen zu der herrligkeit eingehe. 1686. SECTIO XXIV. Auffmunterung an zwey in Franckfurt hinterlas- sene adeliche eheleute/ zur bestaͤndigkeit im guten und verwahrung vor anstoß. A Uff das jenige zu kommen/ was die hauptsache dieses zuschreibens ist/ und der inhalt meines muͤndlichen abschieds haͤtte seyn sollen/ bestehet solcher in zweyen stuͤcken/ in freundlicher erinnerung und hertzlichem wunsch. Was jene betrifft/ haͤtte hertzlich wuͤnschen moͤgen/ daß meines ge- liebten Herrn leibes-bewandnuͤß und etwa andere ursachen zeit meines an- wesens in Franckfurt zugegeben haͤtten/ sich meines einfaͤltigen dienstes mehr zu gebrauchen/ so zwahr nicht wol anders als durch oͤfftere besuchung der oͤf- fentlichen predigten/ als geschehen zu seyn vernehmen muͤssen/ geschehen haͤt- te koͤnnen/ da ich mit so viel mehrerem recht und nachtruck auch demselben das wort/ Das fuͤnffte Capitel. wort/ welches ich vor der gemeinde allezeit nach dem maaß der gnade/ wel- ches mir jedes mal der HErr mitgetheilet/ vorgetragen habe/ noch bey dem abschied zu fernerer fleißiger bewahrung und fruchtbringung zu recommen- di ren vermoͤchte. Weil aber nichts destoweniger/ mich gleichwol versichere/ daß demselben meine allezeit gefuͤhrte lehre dannoch bekant/ so getraue mich darauff zu beziehen/ daß keine andere von mir werde je gehoͤret worden seyn (das absonderlich die wertheste Fr. Eheliebste/ so mich oͤffters gehoͤret/ zeu- gen wird) als diejenige/ welche mich GOtt aus seinem heilgen wort erken- nen/ und andern wiederum vorzutragen begreiffen hat lassen: weswegen auch keinen scheu zu tragen habe/ solche lehr noch allezeit treulich anzubefeh- len/ als die nicht mein/ sondern des HErren ist. Wo aber einige sorge ist/ daß auff menschen nicht sicher zu trauen/ wie ich auch mich von keinem zum grund des glaubens legen lassen wolte; so ist mir auch gnug/ alle mir bekan- te liebe seelen an das einige ungezweiffelte wort GOttes selbs unmittelbar zu weisen/ als der auch nie von jemand etwas weiter aus meinem munde an- genommen zu werden verlangt habe/ als so viel jeder in seinem gewissen sich uͤberzeugt befinde/ daß es nicht mein eigen/ sondern aus des HErren offen- bahrung hergenommenes wort seye: also hertzlich mit deme zu frieden bin/ welcher unmittelbar aus dem brunnen schoͤpffet/ was darinnen nothwendig am reinesten ist. So wird mich also absonderlich allezeit vergnuͤgen und er- freuen/ wo ich von desselben werther person und Fr. Eheliebsten immer hoͤren werde/ daß sie fest an der goͤttlichen in der schrifft geoffenbahrten wahrheit/ was die wort und dero rechten verstand betrifft/ bestaͤndig verharren/ und sich durch nichts davon abwendig machen lassen werden/ hingegen sich auch befleissen deroselben wahrhafftige und lebendige fruͤchten wahrhafftig zu bringen. Darinnen meine einige erinnerung und vermahnung bestehen sol- le. Hienechst aber ruffe den lieben GOtt inbruͤnstig an (wie sich auch bey- derseits gewiß versichern koͤnnen/ daß ich ihrer mir angenehmer personen/ denn auff andere weise zu dienen keine gelegenheit weiter sehe/ vor dem ange- sicht GOttes mehrmal nahmentlich zu gedencken nicht unterlasse) welcher mit seiner gnade allezeit uͤber ihnen kraͤfftig walten wolle. Er gebe zum foͤr- dersten dem eusserlichen menschen/ so viel ihm von gesundheit und kraͤfften noͤ- thig ist/ mit linderung mehrmal beklagter beschwehrden: nechst dem aber staͤrcke er vornemlich an ihnen den innern menschen. Er lasse sie allezeit in seinem liecht aus dem wort die ihnen noͤthige wahrheit erkennen/ und erhalte ihre seelen in der wahren einfalt in Christo/ mit danckbarkeit dasjenige/ was ihnen die guͤtige vaters-regierung von jugend auff/ in der evangelischen lauteren lehr vortragen lassen/ stetsrein zu behalten/ und sich durch nichts/ wie scheinbar es waͤre/ davon gefaͤhrlich abziehen zu lassen/ und also in ietzi- ger ARTIC . I. SECTIO XXIV. tziger wegen mancherley art der verleitungen so mißlichen zeit von allen irr- thumen sich rein zu bewahren: zum fundament der seligkeit allein das theu- re versoͤhn-opffer ihres Heylandes/ das ihrem glauben geschencket wird/ zule- gen/ und hierauff nachmal allen fleiß der heiligung als ein stuͤck der geschenck- ten seligkeit zu bauen/ sich weder auff einer seit in die welt/ in dero offenbare eitelkeit/ einflechten/ noch anderseits durch einigen falschen liecht-schein be- thoͤren zu lassen: sich also sorgfaͤltig und fleißig von allem/ was zu jener wahr- hafftig gehoͤret/ und an sich boͤse ist/ abzusondern/ aber sich auch vor allem de- me zu huͤten/ da man aus furcht des boͤsen sich auch des guten selbs entzie- hen wolte: daher mit der suͤnder boͤsen wercken keine gemeinschafft zu haben/ aber sie mit grosser gedult neben sich zu tragen/ und vor vermessenem urtheil uͤber sie/ auch allem/ was denselben sonsten anstoͤßig seyn moͤchte/ vorsichtig- lich zu huͤten/ hingegen sich auch wol eines und andern zu begeben/ da sie ge- dencken koͤnten/ ihnen vor sich selbs besser rath zu schaffen/ wo dieliebe und das beste des nechsten ein anders fordert: Endlich die liebe/ so aber auff der wahrheit gegruͤndet seye/ und diese nicht gering achte/ zur meisterin ihres gan- tzen lebens zu machen/ und zu behalten. Ach der HErr HErr vermehre das in sie gelegte gute immer mehr/ er reinige es von allen anklebenden schwach- heiten/ und mache es zu vieler anderer erbauung fruchtbar/ daher bewahre er es vor allem eigensinn/ und allem demjenigen/ das dessen gebrauch bey an- dern schlagen/ oder doch schmaͤlern wuͤrde: er vollfuͤhre es endlich nach vieler gebrachter frucht auff den tag JEsu CHristi: und gebe uns also die freude/ nachdeme menschlicher vermuthung nach wir wol schwehrlich einander in die- sem fleisch sehen werden/ beyderseits vor seinem angesicht/ in der seligen ewig- keit einander zu finden/ und uns uͤber einander/ wann nun keines an dem an- dern mehr einige schwachheiten sehen wird/ nun recht vollkommen zu freuen (daran es hie immer gemanglet) solcher freude auch ewiglich zu geniessen. 1686 . SECTIO XXV. Vermahnung an eine frau die zu dem Papstum abgetreten/ aber mit der ruͤckkehr wieder umginge. W Je mir auch ihrer seelen heyl hertzlich anligt/ ob wol in gegenwaͤrti- gem zustande dazu nicht weiter zu thun vermag/ als daß ich sie versi- chern kan/ daß ich derselben vor GOttes angesicht treulich gedencke/ also hat mich gefreuet/ so wol muͤnd-als schrifftlich auch von deroselben zu- stand wiederum vertrauliche nachricht zu erlangen. Und zwahr ist mir lieb gewesen/ aus dero brieff zu ersehen/ wie goͤttliche wirckung in ihr biß daher T t t t nicht Das fuͤnffte Capitel. nicht nachgelassen/ sondern sich in ihr noch kraͤfftig weise/ zu erkennen den un- grund desjenigen/ worauff sie bey der kirchen/ zu dero sie sich so unbedacht- sam und gefaͤhrlich verleiten lassen/ gewiesen wird/ und aber in allem demsel- ben/ was solche von der unsrigen besonders hat/ vor ihr heyl keine krafft noch staͤrcke/ sondern mehr hindernuͤß/ antrifft und antreffen muß: dahero sie wohl thut/ in ihrem Evangelischen gesangbuch/ da sie nechst der heiligen Bi- bel von unsern buͤchern etwa weniges mehr haben moͤchte/ sich zu ergoͤtzen/ auffzumuntern und zu staͤrcken. Nur ist mir dabey leid/ daß dero vorhaben/ ihrem gewissen wiederum recht ruhe zu schaffen/ und sich von den stricken/ da- mit sie sich hat binden lassen/ loßzureissen/ scheinet weiter hinaus gesetzt zu werden. Da ich aber hertzlich bitte/ ihre gefahr fleißig wahrzunehmen/ und wo GOtt die wenigste thuͤr auszugehen oͤffnet/ ihm mit allzulangen ver zie- hen nicht ferner gefaͤhrlich zu versuchen. Jndem ob sie wol mit den groͤbsten greueln nicht eben mitmachet/ sondern wol gar einigen widersprechen mag/ sorge ich dannoch/ daß sie etwa mit manchen dingen sich beflecken muß/ da ihr gewissen nicht wol mit zu frieden seyn wird/ auffs wenigste noch kuͤnfftig so viel unruhiger werden moͤchte. Sonderlich gedencke sie/ dasie der HErr wie- derum gefaͤhrlich niederlegen moͤchte/ dessen sie so wenig/ als jemand von an- dern leuten/ versichert seyn kan/ wie mancher staͤrckung ihre seele an solchem ort entrathen muͤsse/ welcher sie unter ihren wahren glaubens-genossen ge- niessen koͤnte/ ja wie sie etwa gleichen anstoß/ von denen sie trost zu verlangen haͤtte/ leiden doͤrffte/ als ihr schon voriges mal begegnet ist. Nun ist zwahr wahr/ daß der HErr den seinigen aller orten mit seiner krafft und geist beyste- hen kan/ und an keinen menschen nicht gebunden ist/ worauff wir uns auch mit freudigem muth verlassen koͤnnen/ wo wir von GOtt selbs an solche ort gefuͤhret worden/ da er unsre gedult und glauben uͤben und pruͤfen will: daß ich aber jemand/ deme GOtt auszugehen eine thuͤr oͤffnet/ und er dannoch in der gefaͤngnuͤß bleiben will/ aus dem vertrauen/ starck gnug zu seyn allen feinden/ die uns unsern schatz rauben wolten/ zu widerstehen/ solche sonder- bare krafft von Gotteswegen versprechen solte/ getraue ich nicht/ vielmehr warne ich jedermann/ den HErrn nicht zu versuchen. Sie gedencke also fleis- sig an dasjenige/ was ihr zu thun ist/ und versaͤume nicht mit willen allzu- lang/ was sie nicht weiß/ ob nach mehrmaligem versaͤumen sie es allezeit wie- derum haben werde: sonderlich ruffe sie GOtt/ wie ichs auch thue/ hertzlich an/ daß er sie selbs ausfuͤhre/ und nach seinem rath leite. Jhrer zeitlichen nothdurfft und leibes-versorgung halber mache sie sich keine sorge/ sondern se- tze zwahr ihr vertrauen auff keinen menschen/ viel mehr auff die fuͤrsorge ih- res himmlischen Vaters allein: indessen glaube sie doch/ daß derselbe bereits menschen darzu geruͤhret/ daß sie ihr auch gern mit einiger liebe begegnen wer- ARTIC. I. SECTIO XXVI. werden. Daß NN. solte papistisch worden seyn/ ist so wol auch anderwerts her berichtet worden/ als wird nun in ihrem brieff auffs neue versichert: gleichwol hat er vor etwa 2. monaten austruͤcklich nach Leipzig geschrieben/ und in die zeitung setzen lassen/ daß solches falsch seye/ und ihm damit zu viel geschehe. Was ich davon sagen solle/ weiß ich nicht: auffs wenigste muß ein schlechter eiffer zu derjenigen religion seyn/ die man angenommen zu ha- ben sich ruͤhmet/ da sonsten/ wer glaͤubte/ daß er zu der erkaͤntnuͤß der wahr- heit gekommen waͤre/ vielmehr solche ihm geschehene gnade GOttes danck- barlich ruͤhmen/ als solche verhaͤlen oder verleugnen wuͤrde. Nun der HERR erbarme sich aller verirrten/ und bringe sie zurecht und zu seiner wahrheit. 1687. SECTIO XXVI. An eben dieselbe von gleicher materie. Goͤttliche gnade/ friede und liecht zur erkaͤntnuͤß der wahrheit von unserem gecreutzigten Heylande JEsu Christo! Jnsonders vielgeehrte und geliebte frau. W Je ich schwehrlich jemal andere briefe als die beyde letzte von ihr mit gleicher wehmuth und verwunderung empfangen habe/ also versiche- re/ daß mit gleichem mitleydigen gemuͤth dieses mal die feder ansetze. Als dieselbe vormalen von unserer Evangelischen kirchen (darinnen gebohren und erzogen zu werden/ der HERR ihr die gnade gegeben hatte) sich zu der paͤpstischen begeben/ war mirs zwahr wie billich von hertzen leid/ jedoch habe ich noch etlicher massen denselben fall entschuldiget/ daß sie theils aus leiblicher verlassung/ und hingegen hoffnung auff ihre baaß sich verleiten/ theils aber durch unterschiedliche aͤrgernuͤssen/ so sie bey unseren kirchen ge- sehen/ hingegen was in der Roͤmischen seye/ noch wenig erkant/ zu solcher vor ihre seeleso gefaͤhrlichẽ resolution sich habe bringen lassen. Nachdem aber die- selbige die paͤpstische kirche tieffer eingesehen/ und kurtz nach ihrem abfall in ih- rer kranckheit/ wie sie mir selbs erzehlet/ erfahren/ wie man von seiten ihrer geistlichen den verspruch ihrer mit allerley abeꝛglaubischen dingen zuschonen/ nicht gehaltẽ/ sondeꝛn so bald ihrem gewissen neue last aufgebuͤꝛdet habe: nach- dem sie auch bekeñen muß/ durch solchen umtritt nicht allein zukeiner ruhe ge- langet/ sondern in schwehrere des hertzens unruhe gestuͤrtzet worden zu seyn/ daruͤber denn der guͤtigste Vater wiederum in ihrer seele ein verlangen nach unserer gemeinschafft erwecket hat: wovon sie weiß/ daß sie etliche mal mit mir in Dreßden geredet/ und unsere kirche wiederum zusuchen keine andere hinder- nuͤß gehabt/ als daß sie in dem zeitlichen sich in die gefahr mangel zu leiden zu T t t t 2 stuͤr- Das fuͤnffte Capitel. stuͤrtzen gesorget: Weßwegen ichsie zwahr hauptsaͤchlich auf die goͤttl. vorsor- gende gnade verwiesen/ aber auch dabey/ wo es ihr ein ernst seye/ uñ sie sich ge- buͤhrlich bezeugen werde/ versichert habe/ daß es auch in unserer kirche nicht an liebe mangeln solte/ einer verlassenen person ihre nothdurfft zu verschaf- fen. Nachdem sie auch wircklichen deßwegen nach Dreßden sich verfuͤ- get/ und einiger liebe genossen/ damit aber daß sie sich zu der ruͤckkehr zu uns uͤberzeugt gefunden/ in der that gewiesen hat: so sehe ich alles solches billich an als einen starcken anfang einer goͤttlichen gnaden-wuͤrckung/ sie wieder zu recht zubringen/ weil ich ja nicht dencken solle/ daß sie sonsten aus fleischlichen ursachen ihꝛes an einem papistischen hoffe/ da es ihr ja in dem eusseꝛlichen nich uͤbel gegangen/ obgelegenen dienstes sich eine weil haͤtte unter solchem vor- wand entziehen wollen. Daher aber nicht nur die unmehrige neue ent- schliessung/ sondern auch die gepflogene conversation ihres papistischen geist- lichen in Dreßden/ nicht anders von mir angesehen werden kan/ als eine un- terbrechung des wercks des HErrn/ so er wiederum in ihrer seelen angefangen hatte/ und eine anzeige eines allerdings unbestaͤndigen gemuͤths/ da sie sich in der that bezeuget/ als ein rohr/ so sich von allem winde herum treiben laͤs- set. An welcherley leuten der HErr keinen wolgefallen hat/ und gemeinig- lich/ wo man seinen gnadenzug/ vornemlich da er uns aus einer verirrung wiederum zu ruͤcke fuͤhren will/ widerstehet/ schwehre gerichte ergehen laͤsset/ sonderlich aber offt sein gnadenliecht vollends zuruͤcke zeucht. Weßwegen ich ihren zustand vor GOtt nicht anders als erbarmungs-wuͤrdig ansehe/ und hertzlich daruͤber seuftzen muß. Sie weiß/ als die mich lange kennet/ zur gnuͤge/ daß ich uͤber kein gewissen zu herschen verlange/ sondern andere ihrem Herrn stehen und fallen lasse/ als dessen eigenthum sie alleine sind. Jndessen kan sie mir und andern christlichen hertzen nicht verdencken/ wo wir uͤber eine seele leyd tragen/ die sich in die euserste gefahr selbst begibet. Jn dem sie wis- sen muß/ daß es vor GOtt ein grosser unterschied seye unter denen/ so in der Roͤmischen kirchen erzogen sind/ daher niemal klaͤhrers liecht haben gehabt/ und unter denen/ welche solches licht der wahren lehr mit der finsternuͤß vie- ler irrigen lehren/ dero man sich durch die eintretung in ihre kirche theilhaff- tig macht/ verwechselen/ und dem sich wieder zur ruͤckkehr regenden gewis- senstrieb sich widersetzen. Denn gleichwie bey jenen eher eine solche unwis- senheit seyn kan/ die bey GOTT barmhertzigkeit findet/ also ist hingegen die- ser fall und schuld schwehrer/ folglich auch unentschuldbarer/ weil sie goͤttli- cheꝛ wahrheit selbst widerstreben. Daher ich sie nochmal vor den augen des Heil. GOttes hertzlich erinnere/ ihrer seelen wahrzunehmen/ und sich dem gnadenzug des Vaters/ von dem sie nicht weiß/ ob er in diesem stuͤck der letzte seyn ARTIC. I. SECTIO XXVI. seyn moͤchte/ nicht zu entziehen/ sondern vielmehr demselben zu gehorsamen/ solte sie auch wegen ihrer leiblichen versorgung nicht eben versichert seyn/ daß nicht mit einigem mangel ihre gedult geuͤbet werden moͤchte. Folget sie nicht so wohl mir als der stimme der wahrheit/ welche sie zu sich ruffet/ so wird sie davon allein den nutzen hier und dort haben/ mir aber kom̃t davon nichts zu/ als daß mich druͤber freuen/ und dem liebsten Vater darvor dancken wuͤrde. Jst aber die sorge des zeitlichen so tieff bey ihr eingesessen/ oder hat sie sich von dem/ so ihre seele wiederum zu bestricken suchet/ schon also einnehmen lassen/ daß sie zuruͤcke tritt/ und ihren ersten abfall ferner fortsetzet/ so seufftze ich zwahr billich hieruͤber/ bin aber gewiß/ daß der HErr ihre seele dermaleins von mir nicht fordern werde/ als der sie noch dißmahl erinnert habe. Was nun das aus einer Tuͤrckin zur Christin gewordene maͤgdlein anlangt/ wun- dere mich/ wie dieselbe an mich nur dieses gesinnen koͤnne/ darzu zu helffen/ daß solches ihr wieder abgefolget werde. Sie weiß/ daß sie aus freyen stuͤ- cken dasselbe nach Dreyßden gebracht/ ich auch/ daß sie es ohne vorwissen der herrschafft gethan nicht gebilliget/ aber von ihr verstanden habe/ daß man dasselbe am hoff ohne das nicht achte/ sondern wohl zu frieden seyn wuͤrde/ als einer last seiner loß zuwerden. Also wurde es aufgenommen/ als ein verlassenes kind/ so in das waͤysenhauß zu bringen waͤre: Alß aber gleich er- hellete/ daß es sich dah in nicht schicken wuͤrde/ wuste ich nicht/ wo mit demsel- ben hinsolte/ und war als eine guͤtigkeit/ von damahligem Fraͤulein von Frie- sen nachmalen Graͤfin zu Solms/ daß sie sich eines solchen kindes/ mit dem man nirgends hinwuste/ annahm. Ob man nun es wohl zu der religion nicht gezwungen/ nachdem es aber durch treuen unterricht darzu gekommen ist/ daß es nach seinem maaß die wahrheit erkennet/ hingegen auch wie es in dem Papstum so gefaͤhrlich stehen wuͤrde/ begreiffet/ daher nicht mehr dahin verlanget/ so waͤre es nunmehr von der Fr. Graͤfin/ so mutterstelle bey dem- felben uͤbernommen und vertreten/ in dem gewissen nicht verantwortlich/ da sie es wider seinen willen dahin uͤberlassen wolte/ wo es zu derjenigen re- ligion gerissen wuͤrde/ dero seelen gefahr es nunmehr erkennet. Ob also wohl/ was sie erstlich gethan/ nemlich das maͤgdlein weg zu bringen/ unrecht gewe- sen/ so hat doch GOTT nach seiner guͤte und weißheit gutes aus boͤsem ge- macht/ und das maͤgdlein zu meh rerem liecht gebracht/ welches wir ihm nicht mißgoͤnnen doͤrffen/ und also auch niemand es darum zubringen helffen kan. Ob also die Fuͤrstliche Herrschafft erstlich recht uͤber dasselbige gehabt hat/ so weichet doch dieses der goͤttlichen wolthat/ die dem kind wiederfahren ist/ es zu mehrerer erkaͤntnuͤß zu bringen: Zumalen da unter Christen die eigenliche sclaverey laͤngst auffgehoben/ und das maͤgdlein durch die tauffe auffs wenig- T t t t 3 ste Das fuͤnffte Capitel. ste in diejenige freyheit gesetzet ist/ daß es zu einem dienst/ dabey es sich einer gefahr seiner seelen zu besorgen haͤtte/ nicht genoͤthiget oder ausgelieffert wer- den mag. Hat also dieselbe unrecht erstlich gethan/ so leidet sie zwahr nun- mehr billich ihren verweiß/ aber es sind manche dinge/ deren anfang unrecht war/ die folge aber nichts mehr von dem unrechten annimmet/ sondern vielmehr dessen unterlassung hingegen unrecht werden wuͤrde. Also hat die- selbe mit keinem recht wieder von der Graͤfin zu fordern/ daß sie thue/ was ihr gewissen ihr verbeut/ noch von mir/ sie dazu zu vermoͤgen/ woruͤber mein eigen gewissen mich auch beschuldigen wuͤrde. Vielmehr wo sie je die mißliche resolution gefasset/ dahin wieder ungluͤcklich einzugehen/ wovon auszugehen sie angefangen hatte/ so gehe sie auf ihre gefahr allein/ und beschwehre ihr ge- wissen nicht weiter/ noch andere mit sich zu fuͤhren. Der HErr aber fuͤhre sie doch selbs nicht nach ihrem/ s ondern nach seinem rath/ damit er sie auch der- maleins mit ehren annehmen moͤge. Jndessen erbarmende und die hertzen lenckende liebe schließlich sie empfehle. 1692. NB. Es hatte diese frau/ als sie in Papistischer herrschafft diensten ste- hende/ da sie wieder zu unsrer religion zu treten gedachte/ ein geweßtes tuͤrcki- sches maͤgdlein/ so getaufft und an dem papistischen hof gehalten worden/ weil man daselbs seiner gantz uͤberdruͤßig waͤre/ mit sich nach Dreßden gebracht/ da es sich zu unserer religion begeben: Als sie aber zuruͤcke gekommen/ wurde sie von der herrschafft/ dasselbe wieder herbey zu bringen/ angehalten.) SECTIO XXVII . Treuhertzige vermahnung an einen aus dem Papstum bekehrten/ der lang unordig gewandelt. W As derselbige einige tage vor meiner abreise aus N. N. geschrieben/ und in mein hauß gelieffert/ habe ich zwahr damal nicht alsobald lesen koͤnnen/ weil bekanter massen mir meine zeit viel zu enge zusammen gegangen: Jch habe es aber hier in der furcht des HErrn durchgelesen/ und zwahr schon eine gute weile zu beantworten mir vorgenommen gehabt/ aber immer biß daher wiederum zu verschieben verursacht worden/ nunmehr aber nicht laͤnger verschieben sollen/ weil ihres orts ein buß-tag bevorstehet/ ob auch zu ferner heilsamen buß diese meine antwort in goͤttlicher krafft etwas beytragen moͤchte. Zum allerfoͤrdersten dancke ich von ihm und mit ihm dem himmlischen Vater/ welcher denselben aus der paͤpstischen finsternuͤß treulich herausgefuͤhret/ und zu der seligen erkaͤntnuͤß seines heils gebracht hat: Jch dancke ihm auch/ daß er seinem heiligen wort so viel krafft bey ihm gegeben/ daß er weiß/ was seines GOttes wille gegen ihn und an ihn seye/ also der weg ARTIC. I. SECTIO XXVII. weg des heils ihm nicht unbekant ist/ wie ich unter andern auch aus der mit- gegebenen schrifft der darinnen stehenden gesaͤngen und wiederholung dessen/ was er aus meinen predigten gefasset/ zur gnuͤge absehe/ daß es also auffs we- nigste an der buchstaͤblichen erkaͤntnuͤß nicht mangelt: Jch dancke ihm auch/ daß so wol aus diesem sehe/ als auch aus allem demjenigen gesehen/ was mit demselben amtshalben zu thun gehabt habe/ wie auch sein Geist ihn wahrhaff- tig in seiner seele offt geruͤhret/ und also auch sein wort in das hertz zu bringen sich bemuͤhet/ davon auch vieles hineingekommen zu seyn nicht zweiffle: Jch dancke auch seiner vaͤterlichen langmuth/ welche/ da er eine geraume zeit gar nicht auf der richtigen bahn gewandelt/ sondern sich ziemlich in die welt ver- wickelt/ und auf solche wege begeben hatte/ wo er an seiner seelen haͤtte verder- ben sollen/ seiner barmhertziglich geschonet/ seiner busse gewartet/ und ihn in suͤnden noch nicht verlohren hat gehen lassen: Jch dancke GOTT/ welcher ihn sonderlich vor solchem meinem abschied durch seinen Geist kraͤfftig geruͤhret/ und worinnen er gesuͤndiget/ empfindlich erkennen hat lassen/ daraus auch sol- che gegen mich gethane schrifftliche bekaͤntnuͤß gefolget/ welche mich nicht nur deßwegen erfreuet/ weil ich auffs neue draus sehe/ daß der HErr seinem wor- te in meinem munde krafft gegeben/ sondern auch um seinetwillen/ weil es mir die hoffnung gibet/ es werde auffs neue ein guter grund einer rechtschaffenen besserung geleget seyn. So seye vor solches alles dem himmlischen Vater ewiger danck gesaget/ welcher zeiget/ daß er sich seiner seelen auffs kraͤfftigste noch annehme. Nechst deme versichere denselben hiermit auch vor GOttes angesicht/ daß ihm willig vergebe/ worinnen er sich gegen mir in meinem amt versuͤndiget/ da er einige mal auf mein erfordern nicht willig erschienen/ noch mit demjenigen gehorsam/ wie es sich billich geziemet haͤtte/ die treugemeinte erinnerung angenommen hat. Ob nun wol es mich damal geschmertzet/ nicht um meinet willen/ deme vor sich so groß nicht daran gelegen waͤre/ sondern um seiner eigenen seele willen/ dero heil mir von hertzen angelegen ist/ so ist mir schon genug/ daß derselbe nunmehro in sich gegangen/ und versichere also von meiner seiten williger vergebung/ die auch GOTT nicht weniger wiederfah- ren lassen wird. Ferner habe ich noch zu guter letzt und gleichsam zu meinem abschied/ hiermit zu vermahnen/ und um Christi und seiner seligkeit willen fle- hentlich zu bitten/ daß er das uͤbrige seines lebens/ welches ich noch vieles zu seyn gerne wuͤnsche/ wolle so viel treulicher in der furcht GOttes und nach sei- nen geboten zubringen: So wol in allen uͤbrigen stuͤcken insgesamt gegen GOTT und den nechsten sich genau nach seinen christlichen regeln anzuschi- cken/ hingegen mit willen nimmermehr wider dieselbe oder seines eignen ge- wissens erinnerung zu thun/ als auch absonderlich vor allem demjenigen zu huͤ- ten/ worinnen er findet/ meistens biß dahin straͤfflich sich gehalten zu haben. Ob Das fuͤnffte Capitel. Ob nun wol etwa moͤchte scheinen/ nicht noͤthig zu seyn/ daß solche stuͤcke hier austrucke/ als welche sein eigen hertz ihm selbsten sagen wird/ so wird er mir gleich wol auch nicht uͤbelnehmen/ daß ich noch solche letzte erinnerung aus treuem hertzen/ wie mir mein gewissen vor GOTT dessen zeugnuͤß gibet/ und ich je keine andere ursach dieses schreibens habe/ an ihn thue. So viel ich nun mich aus dem vorigen besinne/ so koͤmmet der ursprung aller vormals vorge- gangenen unordnungen urspruͤnglich her von dem unfleiß in der arbeit/ und dahero gekommenen liebe zur gesellschafft/ daraus ist entstanden spielen und unmaͤßiges trincken/ aus solchem aber uneinige ehe und streit mit seiner sein bestes suchenden hauß-frauen. Wie nun alle solche dergleichen suͤnden sind/ die ihn gleichwol in wahrhaffter uͤbung seines Christen thums sehr zuruͤck ge- worffen haben/ allermassen man bey deroselben nachhaͤngung GOTT nicht gefallen hat koͤnnen/ so sinds dabey auch solche dinge/ welche zulassen/ wo man nur dem guten Geist bey sich platz lassen will/ weder unmoͤglich noch schwehr sind. Jch will zwahr hoffen/ daß auf den hertzlichen vorsatz/ welchen seine schrifft gegen mich bezeuget/ allerdings alle solche dinge werden unterlassen worden seyn/ da alsdann meine christliche vermahnung allein dahin gehet/ auf solchem guten weg immer fortzufahren/ und sich nicht wiederum auffs neue davon durch den satan oder dessen werckzeuge jemals abwendig machen zu las- sen. Waͤre aber unverhofft das vorige leben biß daher in einem oder dem andern stuͤck wieder angehoben worden/ so vermahne und erinnere nochmal/ um GOttes willen bey zeiten von dem irrwege wiederum zuruͤckzukehren/ und solchen suͤnden wahrhafftig und voͤllig durch goͤttliche gnade abzusterben. Es soll denselben so vielmehr darzu antreiben/ wenn er bedenckt die grosse wolthat/ die ihm der HErr erwiesen/ da er denselben aus dem finsternuͤß des Papstums zu dem liecht des Evangelii gebracht hat/ aber eben deßwegen von ihm desto ernstlicher fordert/ daß er auch wuͤrdiglich dem beruff des Evange- lii wandeln solle: Da sonsten seine suͤnde jetzo schwehrer wuͤrde seyn/ als wo er derselben in der unwissenheit des Papstums nachgehaͤnget haͤtte/ auch weiln jetzo das aͤrgernuͤß an ihm schwehrer ist/ da Papisten an ihm sehen solten/ daß er nicht besser als andre lebte. Es soll auch denselben darzu bewegen/ weil er gleichwol durch GOttes gnade eine gnugsame erkaͤntnuͤß dessen willens hat/ die ihn zu so viel ernstlicherer beobachtung desselben verbindet/ indem sonsten der knecht/ der seines HErrn willen weiß/ und ihn nicht thut/ doppelte streiche zu erwarten haben wuͤrde: Um so vielmehr/ weil derselbe nicht leugnen kan/ daß er nicht nur mehrmal daruͤber erinnert worden/ sondern auch sein eigen hertz ihn unterschiedlich darob bestraffet habe: Da wir aber allezeit vor GOtt schwehrere rechenschafft zu geben haben/ wo wir in unserm gewissen die goͤtt- liche bestraffung fuͤhlen. Hierzu kommet auch/ daß er nicht in abrede seyn wird ARTIC. I. SECTIO XXVII. wird/ GOTT und mir auf gethanen treuhertzigen zuspruch die besserung und abstellung des vorgehaltenen zugesaget zu haben/ welcher verspruch ge- wißlich auf GOttes buch auffgezeichnet stehet/ und eine fleißige haltung er- fordert/ hingegen die dagegen begehende suͤnden so viel schwehrer seyn wuͤr- den/ als offter sie wiederholet/ und besserung gelobet worden. Jch setze uͤber alles noch billich hinzu/ daß die mir zugestellte schrifft/ so er selbs begehret/ daß sie mein lebetage zur gedaͤchtnuͤß behalten solte/ vor GOttes gericht denselben so vielmehr verbindet/ in den wegen des HErrn nach darinnen enthaltener zusage/ woruͤber er auch dabey goͤttlichen nahmen angeruffen hat/ einherzu- gehen/ und vorige irrwege zu meiden: weil sie sonsten vor GOttes stuhl der- maleins gegen ihm zeugen/ und ein hartes urtheil nach sich ziehen wuͤrde. Welches alles denselben zu dieser gebuͤhr so viel sonderlicher uͤber dasjenige/ was ohne das alle Chꝛisten zum gehorsam goͤttlicher gebote antreiben solte/ zu bewegentuͤchtig ist: und mir das recht gibet/ so viel angelegenlicher densel- ben zu leistung christlicher gebuͤhr zu vermahnen. Hingegen bitte ich ihn/ er lasse sich ja keine einrede des satans/ der welt oder seines eignen betruͤgli- chen fleisches hierinnen irr machen. Jch erinnere mich zwahr wohl/ wie es bey handwercksmeistern offt vor eine ausgemachte sache gehalten wird/ daß sie selbs zu arbeiten nicht verbunden/ sondern gnug seye/ wo sie allein dem gesinde die arbeit an die hand geben: Aber ich finde diese freyheit in GOt- tes ordnung nicht/ als welche von allem erfordert/ daß er im schweiß seines angesichts/ nemlich mit der arbeit/ welche seinem beruff gemaͤß ist/ sein brodt essen solte: so muß ein meister/ so wol als ein anderer/ GOtt dem HErrn dermaleinst davor schwehre rechenschafft geben/ wie er seine zeit zugebracht/ und hingegen diejenige in der rechnung vor ihm nicht passi ret werden/ welche mit muͤßiggang zugebracht wird. Und ob etwa ein meister sich endlich so wehe dabey nicht thun/ oder sich so strenge angreiffen darff/ so hat er gleich- wol auch die uͤbrige zeit nicht muͤßig/ sondern mit andern christlichen verrich- tungen zuzubringen. Mir faͤllet auch dabey ein/ daß sich zuweilen einige wegen des spielens entschuldiget/ weil es ihr geld waͤre/ haͤtten sie damit nach belieben zu thun; aber auch dieses gilt vor GOtt nicht/ denn was wir haben ist nicht also unser/ daß wir damit umbgehen doͤrfften wie wir wolten/ sondern wir muͤssen GOtt davon rechnung thun/ wie wirs recht oder nuͤtzlich angewendet; wie ich nun in dem spielen/ wenn ich dem andern abgewinne/ ihn damit auff von GOtt unrechte weise um das seinige bringe/ also/ wo ich verspiele/ bringe ich gleichfals mich/ samt weib und kind um dasjenige/ so ich zu nuͤtzlichem gebrauch anzuwenden von GOtt empfangen habe/ da es also ein wider das 7. gebot streitende suͤnde ist. Bey dem trincken wird viel- U u u u mal Das fuͤnffte Capitel. maldieses zur entschuldigung gebraucht/ man thue es eben nicht taͤglich/ o- der man trincke sich nicht eben gleich tolle und voll/ oder man gehe nicht mit liederlichen lumpen-sondern mit rechtschaffenen leuten um/ aber alle solche feigenblaͤtter moͤgen die bloͤsse dieses lasters nicht bedecken: denn offenbare suͤnde thun ist unverantwortlich/ wenns auch schon selten geschehe/ so hat uns auch CHristus nicht nur den eusersten grad der trunckenheit/ da man von seinen sinnen nicht mehr weiß/ verboten/ sondern eben so wol denjenigen/ wo man sein hertz mit dem trunck beschwehret/ uñ sich zu andaͤchtigem dienst Got- tes und nuͤtzlichen verrichtungen solche zeit untuͤchtig machet: auch heisset vor GOtt boͤse gesellschafft alle diejenige/ womit man suͤndiget/ solten es auch in der welt vor die ehrlichsten gehalten werden. Ferner ist mir auch bekant/ daß viel rohe ehemaͤnner meinen/ (wie ich auch sorge/ daß einige ihm derglei- chen moͤgen zuweilen eingeblasen haben) es waͤre wider ihre ehre/ wo sie sich von ihren weibern etwas liessen einreden/ sondern wenn diese ihnen aus christlichem gemuͤth zusprechen/ thun sie ihnen zu trutz gerade das gegentheil/ und halten sie uͤbel daruͤber/ gedencken auch/ daß darinnen vornemlich ihre reputation bestehe/ aber es ist auch dieses wider goͤttliche ordnung/ denn ob wol GOtt dem manne die herrschafft uͤber das weib gegeben/ so hat er sie ihm doch zu einer gehuͤlffin zu geordnet: Daher hat ein christlich eheweib fug/ ja sie ist darzu verbunden/ wenn ihr ehemann nicht in der ordnung bleibet/ ihm liebreich und beweglich zu zusprechen/ er aber hat in solchem fall ihre stimme als GOttes stimme anzuhoͤren und willig zu folgen/ ja derjenigen/ die ihm freundlich zugesprochen/ dafuͤr als fuͤr eine sonderbahre treue danck zu sagen: Wo aber ein mann sich widersetzet/ und solches wider sein mann- liches recht zu streiten einbildet/ verraͤth er sich/ daß er goͤttliche ordnung noch nicht verstehe/ und versuͤndiget sich hefftig. An alles solches wolle er fleißig gedencken/ und glauben/ daß diejenige alle des satans werckzeuge/ auch unwissend gewesen seyn/ die ihn darzu angefrischet/ seiner lieben hauß- frauen dasjenige zu leid zu thun/ welches abzusteilen sie ihn gebeten/ da er sie vielmehr fuͤr solche treue sorgfalt desto hertzlicher lieben sollen. Nun mein ge- liebter freund/ dieses waͤren diejenigen dinge/ welche ich auff veꝛanlassung sei- ner mir zugestellten schrifft noch zu seiner seelen besten aus treuem hertzen uͤ- berschreiben/ und ihr erinnern sollen. Damit ich also an ihm voͤllig meine seele gerettet haben/ und keine weitere rechenschafft fuͤr dieselbe geben will; aber bitte/ er erwege diese meine antwort fleißig in der furcht des HErrn/ le- ge sie bey uñ uͤberlese sie mehrmal/ sonderlich so offt er sein hertz zur bußuͤbung schicken will. Jch ruffe schließlichen GOtt an/ und werde ihn noch ferner an- ruffen/ der nicht nur diesem seinem wort/ itzt aus meiner feder geflossen/ in seine seele zu dero ruͤhrung einen kraͤfftigen eintruck geben/ sondern insgesamt ihn ARTIC. II. SECTIO. ihn mit seinem heiligen Geist dahin regieren wolle/ daß er sein gantzes leben nach goͤttlichem wolgefallen fuͤhre mit andaͤchtigem Gottesdienst in der kiꝛche und zu hause mit hertzlichem gebet/ mit fleißiger arbeit/ mit liebreicher tracti- rung seiner hausfrauen/ mit treulicher aufferziehung seiner lieben kinder/ durch lehr/ vermahnung und gute exempel/ mit enthaltungaller zu unor- dentlichem leben veranlassender gesellschafft/ mit nuͤchterkeit und maͤßigkeit/ mit sorgfaͤltiger zurathaltung desjenigen/ was ihm GOtt bescheret/ mit vermeidung aller bißherigen stein des anstossens/ und insgesamt mit uͤbung aller christlichen tugenden. Endlich wolle er auch das gute werck in ihm an- gefangen vollfuͤhren auf den tag JEsu CHristi/ damit er an jenem tag die versprochene cron der ehren wircklich empfangen und ewig behalten moͤge. Dieses erfuͤlle an ihm der getreue himmlische Vater durch JEsum Christum seinen sohn in krafft des heiligen Geistes. Amen. ARTICULUS II . Trost-schreiben in allerley materien und faͤllen. SECTIO 1. A Uffmunterung zu troͤstlicher freudigkeit. 2. Trost-schreiben an einen in schwehrer anfechtung stehenden vorneh- men Theologum. 3. Trost-brieff an einen schwehr angefochtenen und der suͤnden wegen betruͤb- ten Prediger. 4. Trost-schreiben an einen schwehr angefochtenen Prediger/ da er zum hei- ligen abendmahl gehen wollen. Erweisung des glaubens bey mangel der fuͤhlung. Ein gebet im stand der anfechtung. 5. Trost an einen so schwehrmuͤthigen als angefochtenen Prediger/ der we- gen seines leiblich und geistlichen elendes/ die erlassung von seinem amt gesuchet/ und erhalten/ aber solches als ein zeichen goͤttlichen zorns ansehe. 6. An einen lang angefochtenen/ aber wieder befreyten Prediger/ vom nutzen der anfechtung. 7. Trost-schreiben an einen sonderlich seines amts wegen bekuͤmmerten Pre- diger. Wegen des Evangelii. Statii und Crameri schrifften. Sonn- tags-tantzen. Wie fern man etwas gutes unterlassen doͤrffe. 8. Trost und rath an einen von amts wegen geaͤngsteten Prediger. 9. Trost und rath an einen des beichtstuls wegen geaͤngsteten Prediger. U u u u 2 10. Trost Das fuͤnffte Capitel. 10. Trost und rath an einen Prediger/ der um des guten willen getruckt zu werden sorgte. 11. Trost an einen christlichen Prediger in der angst wegen des beichtstuls und wenigem ausrichten in dem amt. 12. Trost an einen Prediger/ der keine frucht seiner arbeit zu sehen meinete. 13. An einen Prediger/ der zu wissen verlangte/ ob sein gutes aus GOTT oder nur aus der natur sey. 14. Trost und ermunterung an eine hohe standes-person. Erziehung der jugend vornehmen standes. 15. An eine hohe standes-person/ welche uͤber die hindernuͤß der uͤbung ihres Christenthums klagte/ herkommende aus anhaltendem kopff-wehe/ und mangel der andacht im gebet. 16. Trost an eine standes-person/ die sorgte/ ihre gemuͤths-kraͤfften wuͤrden geschwaͤcht/ und sie zum geistlichen untuͤchtig werden/ 2. Cor. 4/ 16. 17. An einen Fuͤrstlichen Minister/ der uͤber die zerstreuung und hindernuͤß an dem geistlichen wegen seiner vielen verrichtungen geklaget. 18. Wegen eines Predigers/ der die versuchung Christi nur innerlich gewe- sen zu seyn gepredigt/ und eine angefochtene uͤberreden wollen/ daß es keine teufflische anfechtungen waͤren. 19. Trost uͤber die klage des mangels der empfindung goͤttlichen suͤssen trostes. 20. Vom zuspruch an einen schwehr angefochtenen. Bey der anfechtung auch meistens schwachheit der natur. 21. Christlicher rath uͤber eine vom teuffel schwehr angefochtene weibes- person. 22. Trost an eine angefochtene jungfrau. 23. An einen/ der in geistlichen hochmuth/ daraus aber in ein schwehres an- fechtung-leiden/ gefallen war/ zum unterricht und trost. 24. An eben denselben fernerer rath. Von den Quackern. 25. An eine in schwehrer anfechtung und unempfindlichkeit des glaubens stehende person/ sie ihres glaubens zu versichern. ( Spieræ exempel examinirt.) 26. Trost der angefochtenen/ daß sie ohnerachtet ihres kampffs mit dem un- glauben dennoch glaubig seyen. 27. Trost eines angefochtenen wegen manglender fuͤhlung. Bestraffung des nechsten. 28. Trost-schreiben an eine hart angefochtene jungfrau/ die von GOTT verlassen zu seyn sorgte. 29. Rath ARTIC . II. SECTIO . 29. Rath uͤber eine angefochtene person/ die durch unversoͤhnlichkeit ihr die anfechtung zugezogen hatte. 30. Trost-schreiben an eine christliche jungfrau uͤber die fuͤhlung fleischlicher geluͤste/ weniger frucht des empfangenen heiligen abendmahls/ eigenem mißfallen an ihrem Christenthum/ aͤrgernuͤß anderer unwuͤrdiger mit- communicanten. Ob man das abendmahl allein zu vermeidung aͤrger- nuͤß gebrauchen solle. 31. Rath und trost an einen/ der sich von seiner herrschafft unrecht zu leiden davor hielte/ und daruͤber auch in geistliche anfechtung geriethe. 32. Trost uͤber die klage der schwachheit. Je mehr man im geistlichen waͤch- set/ je demuͤthiger wird man. 33. Von einem angefochtenen knaben/ auch offterer communion. 34. Trost an einen/ der durch ungluͤcklichen fall eine zeitlang zu seinen amts- geschaͤfften untuͤchtig worden. 35. Trost an eine christliche frau/ die neben leibes-schwachheit durch vielerley sorgen niedergeschlagen wurde. 36. Trost-schreiben an einen/ der in langwieriger kranckheit sein leben fuͤhren muͤssen. Was aus GOttes rath dergleichen leben nuͤtze. Krafft de- rer ohne viele erudition gefaßter vieler schrifften. 37. Auffmunterung und trost gegen den todt/ an eine in langwieriger kranck- heit gelegene christliche frau. 38. Vorbitte fuͤr mich. Jahrgang von den gnaden-schaͤtzen. Fleißige handlung der heiligen schrifft. Trost gegen die furcht des todes/ wegen der gefahr/ wo man an dem letzten ende aus mangel gehoͤrs und gesichts GOttes wort nicht mehr hoͤren und lesen koͤnte. 39. Die wenigste behalten die erste gnade. Anfechtung in der letzten todes- gefahr uͤberwunden zu werden. 40. Trost-schreiben an eine Fuͤrstin uͤber den todt ihres ehegemahls. 41. Trost wegen abgestorbener ehegattin/ und von dem vorsatz im wittwen- stand zu bleiben. 42. Trost uͤber den todt einer gottseligen ehefrauen. 43. Anfechtung eines/ der aus leiblichem uͤbelergehen GOTTes ungnade schliessen wolte. 44. Rath vor einen uͤber die goͤttliche lehr mit vielen zweifflen angefochtenen. 45. Trost an jemand/ der sich uͤber meinen abschied von Dreßden betruͤbte. U u u u 3 SECTIO Das fuͤnffte Capitel. SECTIO I. Auffmunterung zu troͤstlicher freudigkeit. J Ch wuͤnsche von hertzen/ daß diese zeilen/ meine in dem HErrn werth geachte frau und freundin/ in so erwuͤnschlicher leibes-beschaffenheit als sonderlich dergleichen zustand ihrer seelen antreffen moͤgen/ wie sie selbs/ und ich mit ihr/ verlange: Daß ich dermaleins vernehmen moͤchte/ daß die liebliche strahlen der empfindlichen goͤttlichen trost- gnade die mehrmal beklagte dicke finstere wolcken durchtrungen/ und das hertz in eine rechtschaffene ruhe gesetzt haͤtte. Ach daß ich einmal aus dem brieff erkennen solte/ daß die gedaͤchtnuͤß der von dem Hoͤchsten ihr gnaͤdigst be- schehrter/ aber wieder nach seinem weisen rath fruͤher zu sich geforderter/ freunde/ bey ihr vielmehr eine zufriedenheit und dancksagung gegen GOTT/ welcher sie auffs wenigste einige/ kurtze oder laͤngere/ zeit gelassen/ und damit uns gutes gethan hat/ als eine sorgsame angst und wehmuth uͤber solchen verlust wirckete/ wodurch freylich die ruhe der seelen nicht wenig gestoͤhret wiꝛd/ ohne welche wir aber auch sonsten in andern stuͤcken die goͤttliche gnaden- wuͤrckungen nicht so empfindlich spuͤhren koͤnnen. Jch zweiffele nicht/ die natuͤrliche leibs- disposition bey derselben thue zu der sache viel/ gleichwie also derselben durch die in die natur von GOTT gelegte mittel zu begeg- nen billich getrachtet wird/ so solle doch auch nicht unterlassen werden/ das gemuͤth selbs mit der vorstellung goͤttlicher gnaden-wolthaten zu ermuͤntern. Wo ich dann kein kraͤfftiger mittel weiß/ so wol zu befoͤrderung eines heiligen eiffers und uͤbung der gottseligkeit/ als auch auffmunterung eines nieder- geschlagenen gemuͤths und angsthafften hertzens/ als die taͤgliche betꝛachtung der ewigen liebe unsers GOttes/ und unzaͤhliche aus derselben auff uns ge- flossener/ ja noch taͤglich fliessender/ theuren gutthaten/ damit wir an seel und leib der himmlischen gnade versichert werden. Wie nun deroselben die gantze schrifft voll ist/ und billich die besten buͤcher mit solcher betrachtung grossen theils sollen erfuͤllet werden/ so soll es auch unsere taͤgliche sorge seyn/ in lesung und anhoͤrung goͤttlichen worts auff solche materien acht zu geben/ und in eigenem nachdencken/ wie und was ausderselben/ wir an unserer ei- genen person empfangen haben/ uns zu erinnern. Dieses ist die herrlichste so uͤbung als mehrung und staͤrckung des glaubens/ aus dem darnach weiter das uͤbrige gute entspringet/ und obs nicht allezeit wegen entgegen stehender leibes- complexion, oder da uns sonsten der HErr solches fuͤhlen nicht so nuͤtz- lich findet/ eine empfindliche freudigkeit wuͤrcket/ so wehrets doch der nieder- geschlagenen angsthafftigkeit/ uͤber welche sie am meisten klaget. Gewiß ists/ jenes ARTIC . II . SECTIO II. jenes feuer der goͤttlichen liebe gegen uns kan nicht in unsere hertzen in dessen rechter lebendigen erkaͤntnuͤß kommen/ daß nicht auch diese dadurch entzuͤn- det werden/ also thun wir nicht besser/ als solches durch staͤtige vorstellung der kraͤfftigen wuͤrckungen staͤts gleichsaman die hertzen zu halten/ biß sie des- sen krafft fuͤhlen. Welche derselben aus treuem hertzen anwuͤnsche. 1680. SECTIO II . Trostschreiben an einen in schwehrer anfechtung stehenden vornehmen Theologum. D Esselben in grosser hertzensangst und wehmuth/ darauff es sich selbs bezoge/ geschriebenes ist mir wohl worden/ und leugne nicht/ daß es un- terschiedlicherley gemuͤths-bewegungen erreget: einstheils zwahr war und ist es mir eine innigliche freude/ eines so theuren Theologi treuer gewogenheit/ deren versicherung mir durch andere liebe und von dem HEr- ren in seine ruh bereits versetzte Gottesdiener zu mehrmalen sehr angenehm gewesen ist/ durch eigenes handschreiben auffs neue vergewissert zu werden/ welche wolthat ich in ihrem geziemlichen werth zu halten weiß: andern theils aber wolte mich fast niederschlagen/ da ich die beklagte hertzensangst erwoge/ und dabey gedachte/ wo dergleichen am gruͤnen holtz geschehe/ was an dem duͤrren werden wolte/ und da der HErr diejenige/ welche er mit groͤsserem maaß des Geistes ausgeruͤstet/ und ihre arbeit kraͤfftig gesegnet hat/ derglei- chen schwehren kampff versuchen lasse/ was ich armer schwacher und andere meines gleichen uns zuvorstehen/ und noch zu erwarten haͤtten. Daher fast eine geraume zeit nicht wuste/ was ich antworten solte: so vielmehr weil die besondere ursach sothaner wehmuth nicht wuͤste oder verstuͤnde. Jedoch ha- be mich endlich erkuͤhnet/ in gegenwaͤrtigem mich mit demselben als einem Vater zu besprechen/ und meine kindliche einfalt vor demselben zu offenbah- ren. Es kommt mir dabey vor/ wie wir von dem theuren Apostel Paulo/ dem grossen glaubens-helden/ lesen/ daß er sich nicht entbloͤdet/ von sich und andern seinen reichlichst begabten mitarbeitern zu bekennen/ daß er schreibe in grosser truͤbsaal und angst seines hertzens/ ob sie wol nicht verzagten/ so sey ihnen doch bange/ sie kommen in eine grosse ἀπορίαν, sie seyn allenthalben in truͤbsaal/ auswendig streit und inwendig furcht/ 2. Cor. 2/ 4. 4/ 8. 7/ 4. 5. und was dergleichen mehr in seinen briefen anzuse- hen ist. Dabey erkenne ich/ daß der HErr/ so gantz weißlich die seine fuͤhret/ die hertzliche freudigkeit seiner glaubigen/ die zuweilen fast heldenmaͤßig sich erweiset/ und vor der empfindlichkeit der goͤttlichen theuren gnade die zustos- sende widerwaͤrtigkeit wenig fuͤhlet/ mehrmal lasse mit einer empfindlichen angst Das fuͤnffte Capitel. angst vermischet werden/ damit sie in der noͤthigen demuth verbleiben/ und andern ein exempel so wol menschlicher schwachheit/ als goͤttlicher krafft zu herrlicher auffmunterung und erbauung werden muͤssen. Jch finde im wei- teren nachsinnen/ daß solches nicht nur allein von dem HErren laͤngst vorge- sagt/ und also ein theil der von ihm weißlich eingesetzten ordnung seye/ daß sie in der welt angst (eine solche ϑλίψιν, da das gemuͤth so viel leidet als et- was anders den leib klemmet) auch alsdann erfahren muͤssen/ da sie in ihm friede haben. Joh. 16/ 33. sondern daß auch eben dergleichen zu al- len zeiten durch die exempel der dem HErren lieben heiligen in der erfahrung gezeigt worden. Jch weiß mich zu erinnern/ von unserem unvergleichl. glau- bens-lehrer und freudigem mann Gottes Luthero mehrmal gelesen zu haben/ in was vor angst des hertzens ihn sein Heyland zu weilen habe lassen gerathen/ daß er auch durch den zuspruch anderer weit weniger begabter personen ge- staͤrckt zuwerden bedoͤrffte/ aber auch dessen kraft bey sich gespuͤret habe. Son- deꝛlich abeꝛ wie sein tꝛeuer mithelffer Hieron, Wellerus in diesem kampf vieles nach Gottes willen lernen muͤssen. Und weil ich von unserem gemeldten lieben Luthero wahrgenommen/ daß er ein grosses dessen/ wozu ihn Gott gebracht/ durch den alten und von ihm so werth geachtetem Taulerum (dessen sprach/ welcher ihr gewohnt ist/ gar offters in des vortreflichen mannes/ sonderl. er- sten schrifften/ zu bemercken stehet) gelernet worden seye: so entsinne mich auch/ daß die voꝛnehmste schul/ woduꝛch der weise him̃lische Vater solchẽ seinen aus- erwehlten ruͤstzeug in dem sonsten finsteꝛn Papstum zu einer hoͤhern eꝛkaͤntnuͤß gebracht/ seye in einer aͤngstlichen und langwierigen anfechtung bestanden/ darinnen er fast jedermann veraͤchtlich worden/ die des HErren wege nicht erkennen konten. So ist mir noch das neulichere und zu unser zeit gehoͤrige exempel des S. D. Johann Schmidii zu Straßburg/ im gedaͤchtnuͤß/ der einmal von Gott in solche hertzens-angst und jammerstand gefuͤhret worden/ daß er eine gute zeitlang zu verrichtung seines amts untuͤchtig/ aber dadurch insolcher verwesung dieses eusserlichen menschen/ der iñere bey ihm dermassen kraͤfftig erneuert worden/ daß er nachmal mit so viel nachtruͤcklicher krafft sein amt wieder angetreten/ und mit vieler frucht gefuͤhret hat. So erkenne ich also billich/ daß es der goͤttlichen weißheit gantz gemaͤß seyn muͤsse/ die ihrige/ sonderlich die vor andern zu auserwehlten werckzeugen erkohrne/ um ihr selbs und anderer willen die dinge erfahren zu lassen/ welche der welt seltzam vorkommen/ aber selbs ein mittel der verherrlichung GOttes sind/ und die diener Christi ihrem haupt so viel aͤhnlicher machen. Mein GOtt hat mich von solcher sache so viel noch nicht empfinden lassen/ als der etwa meine schwachheit kennet/ die zu der haͤrtern probe nicht tuͤchtig waͤre/ jedoch sind auch zuweilen einige tropffen aus diesem kelche mir zugetheilet worden/ und weiß ARTIC . II. SECTIO II. weiß ich nicht/ wie viel mir der HErr bestimmet haben moͤchte: Jedoch der gewis- sen zuversicht lebende/ daß er so getreu sey/ daß er entweder keine versuchungen/ welche uͤber die gegenwaͤrtige kraͤfften waͤren/ mir zusenden/ oder so bald mit neuer krafft aus der hoͤhe zu dero uͤberwindung mich auch anthun und ausruͤsten werde. Jch suche mich auch bey zeiten auff alle die jenigen arten gefaßt zumachen/ die mich betreffen koͤnten: wo ich in der theoria finde und leicht begreiffen kan/ daß keine einige ursach so wichtig seyn koͤnne/ uns von der vergnuͤglichen ruhe in GOtt und der freudigkeit des glaubens in ihm abzutreiben: aber ich weiß auch dieses wohl/ daß wo der HErr uns in die probe und in den ofen wirfft/ es in unserer macht nicht stehe/ die krafft auch des kraͤfftigsten trostes/ der uns sonsten mit hertzlicher suͤßigkeit erqvicket hat/ zuschmecken/ sondern daß ob wohl nicht dem goͤttlichen wort seine krafft entzogen jedoch unser geschmack gehemmet werde/ dieselbe vergnuͤglich zuempfinden/ biß die stunde der versuchung und das wetter vorbeyist. Daß also die praxis von der theoria noch zimlich entfernet ist/ und nicht also bald das jenige in dem hertzen gefuͤhlet wird/ wessen der verstand gnugsam und ohne widerspruch uͤberzeuget ist. Jedoch ist nicht zuleugnen/ daß die gruͤnde/ die wir zu guter zeit fassen/ auffs wenigste gute waffen sind/ damit wir gegen die einstuͤrmende anfechtungen kaͤmpffen. Da ist mir gegen die so vormalige als noch in der schwachheit des fleisches uͤbrig-habende suͤnde/ die vorstellung der unendlichen gnade des Vaters und vollkommensten verdienstes unsers liebsten Heylandes eine unuͤberwindliche sestung. Jedoch weiß ich/ wie auch da in der zueignung die krafft der anfechtung so starck seyn mag/ zuweilen die empfindung deß daher sonsten fliessenden trostes allerdings zuhemmen. Nicht anders gehets bey andern ursachen der hertzens aͤngsten: plaget mich das ansehen des eussersten verderbens/ daß ich durch und durch an allen orten/ und vor menschen augen keine huͤlffe/ sondern vielmehr die noch weiter zunehmende gefahr sehe/ und billich das schreckliche gericht/ in welchem so viel tausend seelen verlohren gehen/ bedaure/ so weiß ich zwahr wohl/ daß ich mit goͤttlichem willen zufrieden seyn solle/ ja daß/ so fern auff solche art GOtt in der offenbahrung seiner gerechtigkeit will verherrlichet seyn/ dasselbe/ obs wohl mit zulassung vieles boͤsen geschehe/ dennoch das allerbeste seye/ daß GOTT der die barmhertzigkeit selbsten ist/ deswegen viel barmhertziger seye/ als ich oder einiger mensch seyn mag/ und der ursach halber/ wo er etwas geschehen lasse/ mein un- maͤßiges erbarmen eben so wohl unordentlich werden moͤchte: ferner daß denen/ die uͤber solche greuel seuffzen und ihre seelen zuretten trachten/ diese zur ausbeute gegeben/ Jerem. 45/ 3. 5. und sie als ein brandt aus dem feuer errettet werden sollen: und was andere dergleichen betrachtungen mehr sind. Aber ich finde in der erfah- rung/ wie diese an sich selbst unbetruͤgliche staͤrckeste gruͤnde/ da sie durch unsere X x x x schwach- Das fuͤnffte Capitel. schwachheit geschwaͤchet werden/ nicht alles in solchem stande bey mir ausrichten/ was sie ausrichten solten. Sehe ich die hindernuͤsse meines eigenen amts an/ und wie so gar ich die sache so weit nicht bringe/ als ich solte und selbst verlangte/ ja offt kaum von einiger frucht der arbeit das wenigste sehe/ so kan mich zwahr wohl erin- neren/ wie der HErr allein von seinen dienern die treue/ nicht aber den succes/ wel- cher in ihren haͤnden nicht stehet/ fordere/ und mit derselben vaͤterlich zu- frieden seye/ ja wohl eines Davids wohlgemeinte intention ihm zu ehren den tempel zubauen/ ob er wohl solche selbst zuruͤck gehalten und gehindert/ in gnaden belohne. Da sind die theses allerdings richtig. Kommts aber wieder in hy- pothesi auff mich/ und stuͤrmet die anfechtung her/ so fuͤhlet man wohl/ was vor starcke exceptiones sich dem gemuͤth selbst vorstellen/ und uns unsere eigene treue/ ob wir in derselben alles muͤgliche geleistet/ dermassen in zweiffel ziehen/ daß die aͤngsten schwehr gnug werden. Also finde ichs in allen uͤbrigen stuͤcken/ daher ei- nigehertzens-angst entstehen mag/ auff gleiche weise bewandt. Daß also mein einiger grund bleibet/ meines GOttes weißheit/ macht/ guͤte und wahrheit/ mich deroselben pur lauter allein zu uͤberlassen und gleichsam in dero arme zuwerffen: Solches gibt endlich/ ob wohl nicht alsobald/ die verlangte freude/ gleichwohl ei- nige ruhe. Jch lebe der getrosten zuversicht/ mein werthester vater werde mir nicht in uͤbelem nehmen/ daß vor demselben von dergleichen dingen/ wie sie bey mir gefunden/ und noch finde/ zureden mich erkuͤhne/ nicht denselben damit auffzurichten/ der ja einesso viel schwaͤchern huͤlffe nicht bedarff/ sondern ihm meine schwachheit vor augen zulegen/ der ich an desselben exempel zu lernen und gestaͤrcket zu wer- den verlange. Wann aber das einige/ womit auch der geringste unter den glaͤu- bigen dem staͤrcksten eine huͤlffe thun kan/ das gebet ist/ welches deswegen auch die hoͤchsterleuchtete Apostel von ihren eigenen schuͤlern begehret haben/ so ist sol- ches auch das einige/ welches ich demselben zusagen kan/ und zusage: daß ich nemlich den HErrn der krafft und Vater des liechts/ von dem alle gute und voll- kommene gaben herkommen/ demuͤthig anruffe/ und noch ferner anzuruffen nicht ermangeln werde/ welcher an meinem geliebten Vater seiner kirchen noch lange/ nach seinem allein guten rath einen theuren lehrer und vorsteher erhalten/ und seine arbeit/ zu seines heiligen nahmens preiß und vieler tausend seelen erbauung/ kraͤfftigst segnen/ so dann wircklichem und scheinbarem erfolg der zu solchem ende abzweckender anschlaͤge und arbeiten erfreuen wolle: Sonderlich aber wolle er die beklagte hertzens-aͤngsten also heiligen/ daß derselbe dadurch immer ein so viel reiner gefaͤß der himmlischen gnade und tuͤchtigerer werckzeug dero ehren werde/ ja daß solche aͤngsten selige geburts-schmertzen seyen/ sowol bey ihm selbst vieler gesegneten geistes-fruͤchten/ als vieler seelen/ so dem HErrn und zu jener lebendi- gen ARTIC . II. SECTIO III. gen hoffnung wiedergebohren werden moͤchten. Er maͤßige aber solche schmer- tzen mit offterem und so viel empfindlicherm trost von oben herab/ daß der des leidens Christi viel empfunden/ so viel reichlicher getroͤstet/ und mit mancher/ denen andern in der welt befindlichen/ oder auch durch leiden weniger geuͤbten/ unbe- kandten/ aus dem suͤssen vorgeschmack der kraͤfften der zukuͤnfftigen welt entste- hender freude uͤberschuͤttet/ dadurch aber des vorigen jammers ergoͤtzet werde. Ach er lasse dermaleins/ und wo es sein heiliger rath ist/ bald die zeit der verlangten erqvickung kommen vor dem angesicht des HErrn/ und nehme von uns und von unsern augen hinweg die ursachen/ dadurch solche aͤngsten entstehen/ und so lange jene verhanden sind/ nicht allerdings moͤgen abgethan werden. Jndessen wapne er uns mit der zu dieser zeit uns noͤthigsten gedult/ weißheit und glauben. Mit welchem hertzlichen wunsch dessen meinung auch ein theil meines armen gebets seyn solle (der hingegen auch dero andaͤchtiger fuͤrbitte theilhafftig zuwerden bitte) und dieses maliger erlassung in die gnade unsers himmlischen Vaters. m. f. w. 1681. SECTIO III. Trost-brieff an einen schwehr angefochtenen und der suͤnden wegen betruͤbten prediger. Gnade/ trost und segen von dem Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trosts in JEsu Christo! Chrwuͤrdig/ Großachtbar und Wohlgelahrter/ Jnsonders Hochgeehrter Herr Schwager/ und in Christo vielgeliebter Bruder. D Esselben wehmuͤthiges von dem 9. Oct. des verwichenen jahrs ist mir vor etlichen wochen/ und also nach verfliessung fast 4. mona- ten/ allererst zu haͤnden gekommen/ deswegen ich bitte den ver- zug der antwort nicht uͤbel zunehmen/ als daran nicht so wohl ich als diejenige bey welchen das schreiben so lange ligen geblieben/ schuld haben/ so hat auch ein und andere amts-verrichtung die mir nicht allemal viele X x x x 2 zeit Das fuͤnffte Capitel. zeit uͤbrig lassen/ verursachet/ daß jetzo auch einige wochen nach dem em- pfang habe muͤssen vorbey streichen lassen. Die sache selbs belangend/ sehe ich daß der Herr schwager sonderliche confidenz gegen meine wenige person traͤget/ ob moͤchte ich eine sonderbahre gabe von GOtt empfangen haben/ be- truͤbten und geaͤngsteten gewissen mit kraͤfftigem trost an die hand zugehen und sie auffzurichten. Nun ob ich wohl hierinnen vor andern etwas sonderes empfangen zuhaben nicht/ wol aber meiner eigenen schwachheit mir bewust bin/ so bin ich doch so schuldig als willig/ das pfand so mir mein GOtt verlie- hen/ und was durch seine gnade in eigener erfahrung auch an mir selbst er- lernet/ zu angefochtener Christlicher mitbruͤder trost anzuwenden. Daher ich auch nicht in abrede bin/ daß ich vor andern meinen amts-verrichtun- gen sonderlich gern mit angefochtenen umgehe und in solcher schul mit und an andern lerne. Jedoch sind die meisten mit denen ich bißher zuthun gehabt ha- be/ vielmehr mit andern und/ wie ich erachte schwehrern arten der anfechtung heimgesuchet gewesen/ doch habe auch vor etzlichen jahren einige conferen- z en gehabt mit einem seiner suͤnden und angst des gewissens wegen schwehr angefochtenen. Was dann nun den von dem Herrn schwager mir eroͤffneten seinen betruͤbten stand belanget/ so ist mir zufoͤrderst nicht wissend/ ob die natuͤrliche constitution, temperament und insgesamt jetziger zustand des leibes etwas zu demselben contribuir e/ in dem mir solche nicht zur gnuͤge bekant/ und aber auch in dergleichen eigenlichen geistlichen anfechtungen woriñen zwahr die seele der vornehmlich leidende theil ist/ nichts destoweniger die leibes-beschaffenheit vieles auff ein und andere seite thun kan. Dann zum exempel/ wo dieselbe constitution vor sich selbs ad melancholiam incli- ni ret oder aus einigem affectu hypochondriaco dahin degeneri rt/ so thun die aus solcher natuͤrlichen leibes-beschaffenheit entstehende bangigkeiten/ welche offters fast keine ursach wissen/ sehr vieles zur beunruhigung des gemuͤ- thes/ indem sie theils hindern/ daß man den der anfechtung entgegen halten- den trost nicht so wol oder je so empfindlich und vergnuͤglich fassen kann/ theils dem menschen selbs unvermerckter weise anleitung geben/ uͤber dinge/ da es ohne noth ist/ zu scrupulir en Da wir gemeiniglich finden werden/ gleichwie andere/ die ihnen sonsten gewisse weltliche und zeitliche dinge/ damit sie offters umgegangen/ sonderlich haben angelegen lassen seyn/ wo sie mit eini- ARTIC . II. SECTIO III. einiger melancholie befallen werden/ in solchen dingen ihnen selbs tausend sorgen und damit das leben sauer machen: Also faͤllet gemeiniglich bey den jenigen/ welche das geistliche ihre haupt-sorge haben seyn lassen der affectus melancholicus auff solches objectum, das ihnen jederzeit am hoͤchsten angelegen gewesen/ und findet dann in aͤngstlicher sorge uͤber demselbigen sein pabulum. Weßwegen aber bereits auch aus solcher ursach es mir bey dergleichen leuten eine gute anzeige ihres auffrichtigen Christenthums/ und daß dasselbe ihr vornehmstes anligen allezeit gewesen seye/ gi- bet/ daß sich ihre betruͤbnuͤß/ wo sie auff etwas sich schlagen muß/ auff das geistliche leget/ ob wol mit so viel empfindl icheren schmertzen als wegen der wichtigkeit die geistliche gefahr und angst vor aller weltlichen tieffer einschnei- det. Jch erinnere dieses zum foͤrdristen deswegen wofern der Herr schwa- ger finden solte/ oder verstaͤndige medici mit ihren gedancken dahin gingen/ daß die constitutio corporis mit theil an dieser seelen-kranckheit habe/ darzu ursach gegeben oder sie doch fomentir te/ als dann in dem nahmen GOttes auch solchem leiblichen affectui, der so viel tieffer stecket/ so vielwe- niger der patient desselben gewahr wird/ noch an dem leib mangel zuhaben meinet/ mit artzneyen begegnet/ und die geistliche cur durch GOttes segen so vielmehr facilitir et wuͤrde/ wozu der Herr schwager gelegenheit gnugsam hat/ mit denen nahe angehoͤrigen und verschwaͤgerten Hn. medicis in vertrauen zu conferir en/ und was dann noͤthig seyn wuͤrde/ auff ihr einrathen vorzu- nehmen. Nechst deme so versichere ich den Herrn schwager und bruder hiemit/ daß derjenige zustand/ in deme er liget/ und uͤber den er sich also bekla- get/ ihm eine grosse wohlthat des lieben GOttes seye. Es ist zwahr dieses ein sehr hartes postulatum solches zuglauben/ ja fast das groͤsseste absur- dum, in demjenigen/ was uns alle gnade GOttes entziehen will/ auch offters alle empfindlichkeit derselben entzeucht/ und unserm beduͤncken nach uns zu dem genuß anderer goͤttlicher wohlthaten gleich als gantz untuͤchtig machet/ eine gnade und wohlthat zuerkennen; ich gruͤnde mich aber in meinem satz nicht nur darauff/ daß nach aussage der schrifft denen die GOtt lieben alles/ und also auch diese anfechtungen/ zum besten dienen Rom. 8. so dañ die anfechtungen erst recht einen Theologum, ja Christen/ machen muͤs- sen. Non tentatus qualia scit? Sondern verhoffe auch absonderlich X x x x 3 zu Das fuͤnffte Capitel. zu zeigen/ wie eben diese anfechtung so gar heilsam/ und daher von GOtt aus hertzlicher liebe und wolmeinen zugesandt seye. Wie dann alle die ursa- chen/ welche ich in der zweyten gedruckten predigt von der anfechtung laͤsterli- cher gedancken/ angefuͤhret/ und wie heilsam die anfechtungen seyen/ gewie- sen habe/ sonderlich in dieser gegenwaͤrtigen des Hl. schwagern anfechtung platz haben. Er gedencke der sache nur selbs nach: wird er nicht finden/ daß er die tage seines lebens die suͤndliche verderbnuͤß an sich und andern nicht so nachtruͤcklich erkant/ wie er sie jetzt erkennet/ und fuͤhlet? So viel noͤthiger uns nun solche erkaͤntnuͤß ist/ um unserer selbst und unsers heils/ so dann was uns prediger anlanget/ auch um unserer zuhoͤrer willen: so viel nuͤtzlicher ist diese schul zuhalten/ da wir obwol mit fuͤhlung so scharffer ruth und unter so strengem zuchtmeister in dieser materie studiren. Also will GOTT ihm auch erst recht in dieser schul den articul der rechtfertigung/ den wir aus seinem wort muͤssen unserer gemeinde vortragen/ zu verstehen geben: daß er lerne/ wie wir vor GOtt gerecht werden muͤssen/ auch um die zeit/ da wir bey uns nichts anders als lauter greuel finden/ wo uns GOTT die abscheuligkeit der suͤnden recht laͤsset gewahr werden/ und deswegen dem teuffel zulaͤßt/ uns dieselbe groß zumachen; weil es dieser zwahr zu dem en- de thut/ daß er uns zur verzweiffelung treibe/ da hingegen GOtt gar eine andere absicht darunter hat/ nemlich wo die suͤnde uͤberaus suͤndig und gantz maͤchtig worden seye/ in unsern gewissen/ daß dann die gnade auch noch maͤchtiger werde: Und wir damit auffs neue die hohe wichtigkeit der gnaden erkennen/ welche nicht nur kleine/ sondern solche suͤnden/ die uns centner schwehr in dem gewissen gelegen sind/ vergeben habe. Damit ob wol der glaube scheinet gantz untertrucket zuwerden/ so wird er doch in dieser uͤbung durch die verborgene krafft GOttes gestaͤrcket/ auch sich die staͤrckung desselben zu seiner zeit dermaleins zeigen. Wie viel andaͤch- tige und aͤngstliche seuffzen er in dieser noth zu seinem GOTT geschicket/ die wol ohne dieselbe wuͤrden ausgeblieben seyn/ wird sich in dem nachden- cken leicht finden. Und ob ihm wol deucht/ es habe diese unruhe des her- tzens ihn so vielmehr an seinem etwa sonsten gewoͤhnlichen gebet/ gehin- dert/ dasselbige nicht mehr mit solcher freudigkeit/ wie er vor deme ge- pfleget/ vor GOTT zuthun/ so mag er doch gewiß seyn/ daß solches vor sei- ARTIC . II. SECTIO III. seinen und anderer unversuchter augen unscheinbare gebet/ da er nicht mei- net/ die andacht wie vorhin dabey zuhaben/ sondern mit lauter unruhe zu- verrichten/ GOTT viel angenehmer seye/ als alles vorige gebet mag gewe- sen seyn. Hat jenes mehr wort und ordentlicher gefaßte conceptus men- tis gehabt/ so hat dieses mehr krafft/ mehr hertz/ mehr himmel durchdrin- genden nachtruck/ weil es in lauter aͤngsten und bangigkeit geschihet; Es ist dem davidischen aͤhnlicher/ wie der herr pfarherr aus fleißiger lesung der psalmen selbs mercken wird/ aber daraus erkeñen soll/ daß er dann auch eben die gnade und erhoͤrung erlange/ die David erhalten hat. Da ist keine heuche- ley mehr bey dem gebet/ welche sich uns unvermerckt sonsten gemeiniglich ausser der noth in das gebet mit einschleichet/ sondern da redet nichts als das hertz/ oder die noth desselben/ daß man kaum mercket/ daß auch das hertz rede. Jndessen ist die aͤngstliche begierde nach goͤttlicher gnade vor GOttes oh- ren das lauteste und ihm annehmlichste gebet. Solte nun der Herr schwager nicht diese anfechtung vor nuͤtzlich achten/ die so viel gutes ihm unvermercket bey ihm gewircket? wo er ferner will in sich gehen/ wird er solcher fruͤchten noch mehr finden. Solte er wol sein lebenlang mit solcher demuth vor GOTT gestanden seyn/ als er jetzo bißher sich vor desselben stuhl so offt mit furcht und zittern niedexgeworffen? Jch zweiffele nicht/ das hertz wirds selber finden/ daß ihm in solchem stand nicht moͤglich waͤre/ gegen GOTT sich einiges zuerheben/ wozu sonsten unser fleisch uns so listig verleitet/ und damit in die groͤsseste gefahr stuͤrtzet. Vor solche gefaͤhrliche kranckheit ist dieses eine zwahr bittere und unbarmhertzige aber heilsame und nuͤtzliche artzney. Ja mit was sanfftmuth/ mitleiden und gedult lernet man gegen andere gebrechliche suͤnder sich zustellen/ da man in dieser anfechtung erst sich selbs beßer hat erkennen lernen? Daß der Herr pfarherr viel zarter von ge- wissen gemacht worden/ als sonsten die welt pflegt zu seyn bekennet er selbsten: und was gilts/ solte ihn GOTT mit anderm creutz nach seinem willen belegen/ er wuͤrde finden/ wie viel leichter es ihm wuͤrde zutragen werden. Daß er so vielmehr verlangen zu dem abschied aus der welt bey sich spuͤre/ gestehet er auch in seinem schreiben ultro, ob zwahr also/ daß viel suͤndliches und ungedultiges mit in das sonsten nicht unrechte verlan- gen mit einfleust und es verderbet. Aus diesem wenigen aber wird er/ ge- liebter Das fuͤnffte Capitel. liebter Herr schwager und bruder/ bereits sehen/ wie GOtt nicht ungefehr/ noch auch aus andern als ihm selbs nuͤtzlichen ursachen/ diese anfechtung ihm zugeschicket und uͤber ihn verhenget: auch die angst und schmertzen die das hertz daruͤber ausstehen muß/ wol angeleget achten/ da sie mit so vielem nutz ersetzet werden. Ach wie viel tausend menschen sind/ denen GOTT schwehrlich groͤssere gnade thun koͤnte/ als wo er sie fuͤhlen liesse/ dasjenige was derselbe bißher gefuͤhlet/ damit sie in empfindlichkeit der suͤnden-schmer- tzen/ von den suͤnden und dero gefahr abgefuͤhret/ und damit von der ewi- gen qvaal befreyet wuͤrden? Jn dem uͤbrigen/ wo ich meinen einfaͤltigen und wenigen rath geben solte/ wie der Herr schwager sich in die anfechtung zuschi- cken habe/ wuͤrde solches in folgendem bestehen. Wo er wegen dieser und jener suͤnde von dem boͤsen feind geplaget und geaͤngstiget wird/ und derselbe findet den geringsten fehler/ so von seiner seiten begangen worden/ warhaff- tig dazu seyn/ ob er wol davor haͤlt/ er waͤre etwa so groß nicht gewesen/ als ihm der teuffel denselben machen will. So lasse er sich mit dem teuffel nicht in den disputat/ ob die suͤnde so groß seye oder nicht/ und suche also seinen trost nicht darinnen/ daß die suͤnde eben nicht so schwehr geweßt/ dann so lange er noch mit dem listigen sophist en wird daruͤber disputi ren/ so verunruhiget er nur das gewissen mehr damit/ und gewinnethingegen dem widersacher nichts damit ab. Sondern er lasse den teuffel darinnen gewonnen haben/ ja es seye eine schwehrere suͤnde als menschen davor halten koͤnnen. Welches ja wahr ist/ dann wo ist eine einige suͤnde/ solte es auch nur ein boͤser gedancke/ eine unterlassung des guten/ so wir thun sollen/ oder unvollkommene ver- richtung desselben seyn/ die nicht die hoͤllische verdamnuͤß vor sich verschulde- te? Also gesetzt/ mein begangener fehler mag vielleicht nicht so schwehr seyn/ wie man nemlich die suͤnde gegen einander vergleicht/ als der satan mir vor- bilden will: ists gnug/ daß eran sich selbsten so schwehr ist/ daß er die verdam- nuͤß verdienet. Also irre ich nicht/ ob ich schon nicht so wol um sein selbs willen/ als weil die schrifft es selbst sagt/ dem luͤgen-geist glaube/ meine suͤnde sey schwehr und groß. Aber also muͤssen wir dem teuffel begegnen: wo er aus dieser ihm gestandenen conclusion, wir haben eine schwehre verdamliche suͤnde be- gangen/ ferner schleust: wer eine verdamliche suͤnde begangen/ der ligt denn nun unter GOTTES zorn/ und hat sich keine gnade zugetroͤsten. du ARTIC. II. SECTIO III. du hast dergleichen begangen. E. daß wir ihm den majorem negi ren/ oder exceptionem fori brauchen. Der major seye zwahr wahr nach dem ge- setz: Aber Christus habe uns von dem gesetz befreyet/ und uns in ein solches gnadenreich versetzet/ indem diese major nunmehr falsch ist/ als die wir den GOtt haben/ der den gottlosen (nicht in seinem zorn strafft/ sondern) gerecht machet. Rom. 4/ 5. daher nunmehr das urtheil nicht mehr heisse/ wer das gesetz haͤlt wird selig/ wer es nicht haͤlt der wird verdammt: sondern Joh. 3/ 36. wer an den Sohn glaubet/ der hat das ewige leben/ wer aber dem Sohn nicht glaubet/ der wird das leben nicht sehen/ sondern der zorn GOttes bleibet uͤber ihm: dann solcher/ ob er wol auch von Chri- sto von dem gesetz und seinem fluch erloͤset/ faͤllet durch unglauben wieder un- ter das gesetz aus dem gnadenreich Christi/ darinnen uns der glaube alleine erhaͤlt. Hie kan der teuffel nicht antworten/ er muß entweder Christi ver- dienst und goͤttliches wort gar in zweiffel ziehen/ zu welcher impudenz er bey dem Herrn Schwager noch nicht gekommen ist/ oder er muß wollen distingui- ren unter den suͤnden: Es seye wol wahr/ wo wir nur gemeine menschliche ge- brechen haͤtten/ so moͤchten wir uns wol Christi getroͤsten/ aber das gehe uns nicht an wegen dieser oder jener schwehren suͤnde. Das ist so viel/ Christus habe wol fuͤr die geringe suͤnden gnug gethan/ aber die groͤssere seyen nicht mit gemeinet. Kommt der teuffel damit auffgezogen/ so haben wir ihm die herrliche Evangelische spruͤch vorzuhalten. 1. Joh. 1. von allen suͤnden. Joh. 1. der welt (die aber ligt im argen 1. Joh. 5.) suͤnden. 1. Tim. 1. die suͤnder/ nicht die geringe/ sondern die es grob gnug gemacht haben. Rom. 5. wo die suͤnde maͤchtig worden ist/ und dergleichen. Auff solche vermag er nicht mit aller seiner sophistic zu antworten. Dann die lassen nicht eine eini- ge suͤnde uͤbrig/ dero vergebung der HErr nicht verdienet/ und in dero staͤter vergebung wir dann in dem reich der gnaden stehen/ als lang wir dessen ge- nossen sind. Wir sind aber solches reichs genossen/ nicht durch die eigne hei- ligkeit/ sondern den glauben CHristi. Also klagt mich der teuffel an; mit dieser und jener suͤnde habe ich die hoͤlle verdienet. So antworte ich ihm: daß ichs gestehe: aber weise ihm/ daß mich GOtt von dem tribunali oder gerichts- stul des gesetzes befreyet/ und privilegi ret hat/ nicht vor demselben/ sondern vor dem tribunali gratiæ dem gericht der gnaden nach dem Evangelio gerich- tet zu werden. Hie ist nun noͤthig/ daß ich das fœdus gratiæ oder gnaden- bund recht verstehe/ und also in meine tauff zuruͤck gehe/ wie weit und was mir mein GOtt in derselben versprochen. Dann so viel ich davon empfan- gen habe/ so viel habe ich/ nicht mehr noch minder. Jch lerne aber aus der schrifft/ daß die tauffe seye eine tauffe in dem nahmen JEsul Christi zur Y y y y ver- Das fuͤnffte Capitel. vergebung der suͤnden. Ap. Gesch. 2/ 38. darinnen ich CHristum JE- sum angezogen habe. Gal. 3/ 27. und darinnen mich mein GOtt nicht um einiger werck der gerechtigkeit willen/ sondern nach seiner barmher- tzigkeit selig gemachet habe. Tit. 3/ 5. Die vergebung der suͤnden muß ich recht verstehen/ daß solche seye universalis, der vergangenen/ gegenwaͤrtigen/ kuͤnfftigen: der grossen und kleinen/ und wie sie nahmen haben moͤgen. Alle solche hat mir mein GOtt in der tauff vergeben/ das ist/ er hat mich in das gnadenreich gesetzet/ in welchem mir krafft solches bundes alle suͤnden auff einmal verziehen seyen/ und von GOtt zugesaget/ daß auch inskuͤnfftige/ als lange ich in dem glauben und also dem gnadenreich stehe/ oder so bald ich wie- der in den glauben und solchen bund und reich eintrete/ meiner suͤnden nim- mermehr solle gedacht/ sondern sie vor seinem gericht abgethan und getoͤdtet seyn/ daß daher nichts als der glaube/ und wo ich davon gefallen/ eine buß- fertige wiederkehr/ zu demselben vonnoͤthen ist/ so stehe ich in wircklichem ge- nuß solcher vergebung/ die GOtt in seinem reich/ und als lang ich in demsel- ben bin/ nicht zuruͤcke zeucht. Also da ich Christum angezogen/ so bin ich da- mit seiner gerechtigkeit also theilhafftig worden/ daß GOtt nun und hinfort an mir nicht weiter ansehe/ was ich an mir selbs bin/ sondern sein/ meines Heylandes/ gerechtigkeit. Daher von solcher stunde an und hinfort/ als lang ich in dem glauben Christi stehe/ so kan ich voꝛgoͤttlichem gericht nicht geurtheilt werdẽ/ nach dem jenigen/ was ich gethan oder an mir selbs habe/ sondern was sich an Christo findet/ und mir von ihm geschencket ist. Dann da ist der selige wechsel gesche- hen/ gleich wie in dem leiden Christi/ daß Christus an unsre stelle getreten ist/ und nunmehr von seinem himmlischen Vater tracti ret worden ist/ nicht nach dem/ was er selbs vor sich war/ nemlich ein heiliger uñ geliebtester Sohn Got- tes/ sondern was wir gewesen sind/ nemlich verfluchte suͤnder und feinde Got- tes/ massen das gantze leiden Christi und Paulus 2. Cor. 5/ 21. solches be- zeugen/ daß also hingegen in der tauffe wir an Christi stelle getreten sind/ daß nunmehr wiederum goͤttliches gericht an uns nicht ansehe/ was wir sind/ son- dern was derjenige ist/ in dessen platz wir auffgenommen sind/ nemlich nicht ein suͤnder sondern heiliger und gerechter GOttes Sohn/ ja wie der Apostel zu reden sich nicht entbloͤdet/ selbs die gerechtigkeit die vor GOTT gilt. Also hat mich mein GOTT in der tauff selig gemacht/ so ist solches eine ewige seligkeit/ die ich nicht anders/ als wo ich sie selbs von mir stosse/ verliehren kan: und doch auch alsdann wo ich dieselbe verlohren/ wiederum zu derselben zuruͤck zu kehren freyen platz habe. Diese be- trachtung solches mit uns von GOTT gemachten und seiner guͤl- tig- ARTIC. II. SECTIO III. guͤltigkeit nach von GOttes seyten ewigen gnadenbundes/ nimmet dem sa- tan allen seinen anspruch/ so er der suͤnden wegen an uns gehabt: Und wird das allerkraͤfftigste seyn/ damit ein der suͤnden wegen angefochtener sich durch Gottes gnade auffrichten mag. Damit aber der Hr. Schwager ihm sol- ches so viel tieffer zu hertzen ziehen mag/ wolte ich ihm vor andern recom- mendi ren unsers S. Hrn. Lutheri schrifften/ sonderlich seine predigten von der tauff so in dem 6. Jenischen und Altenburgischen/ oder 4. Wittenbergi- schen theil stehen. Weil auch der Herr Schwager ohne anstoß diejenige schrifften/ darinnen etwas zweiffelhafftiges stehen mag/ lesen kan/ so wuͤste ich ihm kaum etwas kraͤfftigers vorzuschlagen/ durch dessen lesung er sich troͤ- sten/ und gegen solche suͤnden-anfechtung staͤrcken mag/ als Martini Statii geistliche schatz-kammer der glaubigen/ so er aus Stephani Prætorii schriff- ten gezogen. Jch gestehe zwahr/ daß in Prætorii schrifften selbs einige din- ge sich finden/ die der analogiæ fidei nicht gemaͤß/ wie er auch uͤber einiges schrifftlich revoci rt/ worinnen der fromme mann sich verstossen hatte. Es hat aber Statius die vorsichtigkeit gebraucht/ daß er in sein benanntes buch keine andere stellen gesetzet/ als die entweder gantz wahr und recht/ oder doch wo sie cum benigna interpretatione angenommen werden/ commode verstanden werden koͤnnen/ daher ich auch zu weilen nicht dawider bin/ son- dern es selbs rathe/ daß einige/ die ich dazu tichtig finde/ von einfaͤltigen solches buͤchlein lesen moͤgen. Ein christlicher Theologus weiß es mit so viel mehrer discretion zu lesen. Daher ich rathen wolte/ wo fern es nicht schon vorhin bekannt/ der Herr Schwager saͤume nicht/ es zur hand zuschaffen/ und fleißig zu lesen/ mit gewißer hoffnung es werde mit sonderer erleichterung des hertzens geschehen: dann ich kaum iemahl gelernet/ die gnade GOttes hoͤher zu achten/ und die tauffe herrlicher zu preisen/ als eben aus solchem lieben und einfaͤltigen buͤchlein: deme ich auch daher/ wo einige nævi darin- nen befindlich/ solche gern zu gut halte. Die hauptsache ist aus der Schrifft und Luthero so kraͤfftig erwiesen/ daß ichs nie anders als mit vergnuͤglicher freude ansehe. Solte es vielleicht nicht in Straßburg zukauffen seyn/ wie wol ichs doch vermuthe/ so wuͤrde bey N. N. auff so lang sein exemplar ge- lehnet werden koͤnnen/ ich wolte gern mein eignes zu solchem nutzen schicken/ aber es manglet an sicherer gelegenheit. Neben dem mag auch nicht un- dienlich seyn/ zu lesen/ M. Andr. Crameri der glaubigen kinder GOttes ehrenstand und pflicht/ so ich zusamt einer vorgesetzten præfation alhier habe trucken lassen/ und so vielmehr wuͤnschte unter from̃en hertzen bekant zu seyn/ weil die hauptstuͤcke/ so Statius aus Prætorio urgir et/ hierinnen auch herrlich getrieben/ und hingegen die dinge/ so in jenem verdaͤchtig moͤchten Y y y y 2 seyn Das fuͤnffte Capitel. seyn/ hier ausgelassen worden sind. Daß ich aber meinem hochgeehrten Hr. Schwager diese autores recommendi re/ geschihet deßwegen/ daß ich keinen methodum weiß/ wie wir der anfechtung der suͤnden kuͤrtzer und nachtruͤckli- cher zu begegnen vermoͤgen/ als wo wir recht lernen die krafft goͤttlicher gna- de und die schaͤtze der tauff verstehen und betrachten. Die sind das appro- bir te antidotum wider jenes gifft. Zweiffle auch nicht daran/ wo der Hr. Schwager wird anfangen seine gedancken hierauff zu schlagen/ daß er selbs wuͤrde die krafft desselben bey sich empfinden. Jm uͤbrigen auff die auch ab- sonderliche petita zu antworten. 1. Ob/ posito, derselbe haͤtte dem wein jenesmal zu viel gethan/ und das kind nicht recht getaufft/ solche suͤnde ihm noch vergeben werden koͤnte? So meyne ich/ daß schwehrlich eine einige nur scheinbare ratio dubitandi vorgebracht werden moͤge/ warum nicht ohne lang bedencken sie bald mit ja beantwortet werden solte. Wir muͤssen die schande dem blut CHristi nicht anthun/ daß wir einige suͤnde davon ausneh- men wolten/ von dero uns dasselbe nicht reinigte. 1. Joh. 1. Jn dem auch so gar die suͤnde in den heiligen Geist und boßhafftigste beharrliche verleug- nung der wahrheit/ nicht deßwegen ohne vergebung bleibet/ daß CHristi blut sich nicht soweit erstreckte/ sondern weil solche personen behaꝛꝛlich den be- kehrungs-mittlen sich widersetzen/ und keine beßre begehren. Zwahr wo eini- ge sorge waͤre/ das kind waͤre nicht recht getaufft/ und kein wasser gebraucht worden/ so haͤtte der Hr. Schwager solchen fehler zu reparir en mit rechter administri rung der tauff/ dann ohne wasser waͤre das vorige keine tauff ge- wesen. Jch vernehme aber ex literis, daß testimonio parentum und aller umstaͤnde diese einbildung widerleget werde/ und also auch des Hrn. Schwa- gers conscienz gewiß und sicher stehe. Wann aber jenes geschehen waͤre/ wie begehrt wird solchen fall zu setzen/ so bestuͤnde die suͤnde in profanatione sacramenti, und daß derselbige so viel an ihm gewesen waͤre ( aliud est si de, re ipsa loquamur in dem der blosse mangel das unschuldige kind nicht verdammen kan.) das kind um seine seeligkeit gebracht haͤtte. Nun sind zwahr beydes schwehre suͤnden/ aber auch trosts gnug gegen dieselbe. 2. Wieviel sind derer/ welche unwuͤrdig des heiligen abendmahls/ und also zu ihrem gericht/ geniessen? Solten wir aber sagen/ daß deren keiner nachmal wieder zu wahrer buß gelange/ und dannoch die vergebung bekomme? Niemand wird solches nur sa- gen. Wie offt wird etwa unwuͤrdigen unwissend oder aus nicht gnug- samer/ ja an einigen orten zu solchem grad/ unmuͤglicher/ pruͤffung der communicanten/ das heilige abendmahl gereicht/ und der Prediger wird nachmal der sache gewahr? Solte derselbe denn keinen trost weiter haben? Nun ARTIC. II. SECTIO. III. Nun ist in solchem eine nicht geringere profanatio Sacramenti, als in dem fall der hier gesetzet wird. Was das andere betrifft/ so ists zwahr freylich er- schroͤcklich zu gedencken/ wo einer ursach an dem ewigen verlust einer seelen wuͤrcklich solte seyn/ ja wo er auch nur/ wie in hoc casu gesetzt wird/ vor GOt- tes gericht/ ob wol das kind nicht wuͤrcklich verdammt worden/ solche suͤn- den tragen muͤste. Aber auch hie hoͤret der trost nicht auff. Lasset uns A- dam und Evam ansehen: die haben auff ihrer seelen ligen alle die schuld der verdammnuͤß so vieler millionen ihrer nachkoͤmmlinge/ nemlich aller die ver- lohren werden/ jedoch versichert uns die schrifft ihrer seligkeit. Hatte nicht Manasse mit seinen suͤnden und aͤrgernuͤssen viele nicht nur um zeitlich leben/ sondern auch ihr heyl gebracht; jedoch war GOttes gnade maͤchtiger als sei- ne suͤnde. Solte nicht David in seinem gewissen sich schuldig haben geben muͤssen/ daß er unter den vielen/ die seinet und seiner suͤnde wegen sterben musten/ unter denen manche verlohren gangen sind/ vieler derselben ver- dammnuͤß befoͤrdert? Jedoch war ihm die pforte des heyls nicht verschlos- sen. Also ob wol nicht zu zweiffeln/ daß Paulus in dem stand seines un- glaubens nicht nur die haͤnde mit blut beflecket/ sondern auch seine seele ver- schuldet/ daß er ein und andern etwa mag zum abfall und also zur hoͤllen ge- bracht/ bey vielen aber ihre bekehrung gehindert haben/ so ruͤhmet er nichts destoweniger/ daß ihm barmhertzigkeit wiederfahren/ und zwahr andern zum exempel. 1. Tim. 1. 2. Was einen autorem betrifft/ der das ver- dienst CHristi herrlich preise/ bleibe ich bey oben ernenneten/ darinnen auch die kraͤfftigsten stellen Lutheri befindlich und auffgezeichnet sind/ daß sie hier- aus beschrieben zu werden nicht bedoͤrffen. 3. Uber den locum 1. Joh. 3/ 19. 20. 21. ist mir nichts bekant/ so mir besser gefiele zu diesem zweck als Pau- li Egardi guͤlden Christenthum des himmlischen adlers S. Johan- nis uͤber diesen ort. Gleichwol bricht er auch fast zu kurtz ab. Jst wunder daß uͤber solche Epistel sich noch weniger lehrer gemacht haben/ als derosel- ben vortreflichkeit werth ist. 4. Uber den ort Ephes. 6. laͤst sich am fuͤg- lichsten lesen die stattliche auslegung unsers Sel. Herrn Lutheri/ so in dem 8. Jen. und Altorff. oder 1. Wittenb. theil stehet. Gleichwie ich aber in obigem einfaͤltig gezeiget/ wie der Herr Schwager seiner anfechtung/ und der darin- nen ihm vorstellenden suͤnden/ die unaussprechliche gnade und vortrefflichkeit des tauff-bundes entgegen zu halten habe/ und was zu befoͤrderung solcher betrachtung zu lesen tuͤchtig seyn moͤchte: Also habe ferner denselben zu dem gebet zu verweisen/ als dem nicht nur allgemeinen mittel in allen noͤthen/ sondern auch demjenigen/ welches in dieser art nemlich der anfechtung unser staͤrckester schutz und huͤlffe ist. Wiewol ich nun dem Herrn Schwager nicht Y y y y 3 erst Das fuͤnffte Capitel. erst zu zeigen habe/ wie er beten solle/ so wird derselbe gleichwol auch nicht uͤbelnehmen/ daß dannoch einiges dabey bemercke. Wie nemlich das gebet/ gleichwie in allen andern arten des creutzes/ also eingerichtet werden muͤsse/ daß wir zwahr unseren jammer dem Vater der barmhertzigkeit wehemuͤthig klagen/ und von ihm huͤlffe suchen/ aber mit gaͤntzlicher unterwerffung unter seinen willen/ wie oder wann er uns helffen wolle. Dann weil zwahr de r teuffel sein geschaͤfft in solcher anfechtung hat/ aber uͤber demselben der grund- guͤtige GOTT darinnen auch sein werck fuͤhret/ und dadurch der angefochte- nen heil kraͤfftig befoͤrdert/ so wills uns nicht geziemen/ daß wir bloß dahin von solchem creutz befreyet zu werden begehren solten/ sondern es muß solche bitte geschehen aus einem solchen hertzen/ welches bereit seye/ wo es dem heili- gen GOTT gefallen solte/ es noch laͤnger/ ja biß in den todt in solcher betruͤb- nuͤß und schmertzlichem kampff zu lassen/ auf diese art des creutzes willig von seiner hand anzunehmen/ und sich allein/ wohin er dorten Paulum verwiesen/ an seiner gnade zu vergnuͤgen. Jst eine harte lection, aber gantz nothwen- dig; und die huͤlffe gemeiniglich alsdann zum nechsten/ wo nunmehr das fleisch so weit uͤberwunden/ daß man solche resolution von hertzen gefasset hat/ sein creutz ihm selbs wolgefallen zu lassen/ weil es GOTT also gefalle/ biß ihm auch wiederum gefallen werde/ dasselbe abzunehmen. Ja einem solchen ist schon mehr als halb geholffen/ welcher nunmehr mit seinem creutz zu frieden ist/ und es wider GOttes willen auch nicht anders begehrte. Daß aber solche gedult und resolution (an dero wol so viel als an dem trost selbs gele- gen ist) befordert werde/ ist nuͤtzlich nicht nur zu betrachten/ die freye macht unsers GOttes/ uns mit einer art creutzes/ als es ihm beliebig seye/ heim- zusuchen/ sondern auch ihm fleißig einzubilden/ wie unwuͤrdig wir des goͤtt- lichen trosts seyen. Dann wer hertzlich bey sich erweget/ daß er eben um seiner suͤnden willen wol verdienet haͤtte/ alles trostes ewig beraubet zu seyn/ und der suͤnden schmertzliche stachel unauffhoͤrlich zu fuͤhlen/ derselbe murret nicht nur nicht wider GOTT/ daß er ihn solchen jetzt fuͤhlen lassen/ sondern erkennet es noch vor ein grosses schonen/ daß GOTT solche ewige suͤnden-angst in eine kurtze zeitlich verwandle/ traͤget sie also desto williger. Dazu auch noch zusetzen der herrliche nutzen der anfechtung/ davon bald an- fangs geredet; und dessen betrachtung machet/ daß wir in solchem jammer- stand endlich lernen/ mehr acht geben auf dasjenige/ was dem geist heil- sam/ als dem fleisch bitter und zuwider seye: Und nachdem wir um jenes willen es muͤssen vor eine wolthat erkennen/ daß wir um dieses willen uns nicht zu sehr beschwehren. Ob dann nun wol die ausstehende aͤngsten/ see- len-betruͤbnuͤß und unruhige bangigkeiten kein geringes leiden sind/ son- dern von dem/ der sie leiden muß/ wol gefuͤhlet werden/ so sind hingegen die ARTIC. II . SECTIO III. die fruͤchten/ welche dadurch GOTT wircket/ auch kein geringes gut/ son- dern endlich wol werth/ so theuer uns angekommen zu seyn. Mit solcher und dergleichen betrachtungen das gemuͤth zu beruhigen/ und zu wege zu bringen/ daß man mit willen sich unter die schwehr truckende hand GOttes demuͤthige/ ist eben so noͤthig/ als der anfechtung selbs mit trost zu begegnen/ und das gebet/ welches alsdann aus einem solchen hertzen gehet/ so bereit ist/ so lang es GOTT gefaͤllig ist/ die last/ wider welche es bittet/ willig zu tragen/ hat die staͤrckeste krafft/ GOttes mitleidiges hertz zu bewegen. Da hinge- gen wo wir uns allzu angelegenlich dem creutz widersetzen/ und kurtzum davon wollen befreyet seyn/ solches gebet viel eigenes willens und also GOTT mißfaͤlliges in sich hat/ und die huͤlffe nur mehr verzeucht. GOTT will uns lehren/ auch ohne trost eine weile zu seyn/ und ihn doch zu lieben; wollen wir dann den trost mit gewalt erzwingen/ so hat GOTT seinen zweck an uns nicht erhalten/ und haͤlt uns nur etwa so viel laͤnger in der probe: Ergeben wir uns aber willig darein/ weil es ihm so gefaͤllig seye/ eine weil in fuͤhlung sol- cher suͤnden-angst ohne trost zu seyn/ so hat GOTT an uns erhalten/ was er sucht/ und laͤsset uns so viel eher wieder frey. Jst eine sehr nothwendige bemerckung/ auf die ich gern bey allen angefochtenen treibe. Auch bitte/ der Herr Schwager wolle fleißig hieran gedencken: Und ja so eiffrig wider die sich anmeldende ungedult als wider die suͤnden-anfechtung selbs kaͤmpf- fen. Dann injener wuͤrde er sonsten suͤndigen/ da ihm hingegen diese angst/ die er leiden muß/ von GOTT nicht zur suͤnde zugerechnet wird. Sonder- lich huͤte er sich/ das tædium vitæ, und verdruß des lebens nicht bey sich wur- tzeln zu lassen/ sondern so offt dasselbe sich anmeldet/ es so bald als eine suͤnde zu erkennen/ und GOTT um dero vergebung zu bitten. Es soll uns kein creutz/ und also auch dieses nicht/ dazu bewegen/ daß wir auch nur mit wuͤn- schen GOTT aus seinem gehorsam begehrten auszutreten/ sondern kommen wir eben nicht aufdiesen grad der gedult/ aus dem juͤngsthin eine christliche person an mich schriebe/ daß sie/ obwol sonsten begierig bey ihrem Erloͤser zu seyn/ dannoch wo sie GOTT noch laͤnger in dieser jammer-vollen welt zu lassen beschlossen/ mit voͤlliger gelassenheit sich ihme unterwerffe/ vornemlich um des lieben creutzes willen/ dessen zu uͤbung ihrer gedult mehrers noch zu erfahren; so sollen wir doch auffs wenigste uns erinnern/ daß wir des creu- tzes nicht uͤberdruͤßig werden/ sondern in der stille die angenehme zeit des HErrn und des tags der huͤlffe erwarten. Daß nun derselbige durch kraͤff- tige goͤttliche gnade gestaͤrcket/ so wol gedultig in dem kampff/ der ihm zu sei- ner pruͤffung gesetzet ist/ streiten/ einen sieg nach dem andern davon tragen/ und dadurch an dem innerlichen menschen zu eigner und anderer erbauung zu- neh- Das fuͤnffte Capitel. nehmen moͤge/ ist noch derjenige einfaͤltige wunsch/ den ich schließlich mit an- haͤnge/ dabey aber denselben versichern mag/ daß GOTT nach seiner treue nicht anders koͤnne/ als die versuchung also lindern und mildern/ daß sie er- traͤglich und heilsam seye/ ja daß sein Heyland/ als der zuseher des kampffs/ mit hertzlichem mitleiden/ als der an frembden suͤnden gefuͤhlet/ was der suͤn- den stachel und quaal seye/ ihm zu nechst zur seiten stehe/ ihn unvermerckt staͤr- cke/ und zu rechter zeit wiederum erfreuen werde. Womit meines fernern anhaltenden und mit ihm zugleich kaͤmpffenden gebets ihn bruͤderlich ver- sichrende/ und um gleiche hertzliche fuͤrbitte freundlich bittende/ zu weiterer conferenz, wo er solche ihm nuͤtzlich erachtet/ in solcher materie mich willig erbiete/ und ihn goͤttlicher gnade wolmeinend erlasse. 1674. SECTIO IV . Trost-schreiben an einen schwehr angefochtenen Prediger/ da er zum heiligen abendmahl gehen wollen. Erweisung des glaubens bey mangel der fuͤhlung. Ein gebet im stand der anfechtung. Aus unsers liebsten Heylands JEsu wunden/ heil/ krafft/ trost/ friede/ leben und segen! Ehrwuͤrdiger und in solchem unserm theuren Erloͤser hertzlich geliebter Herr und Bruder. J Ch habe zwahr mit betruͤbnuͤß dessen anhaltende schwehrmuth/ aber auch mit freuden verstanden/ daß sich solcher so weit uͤberwunden und resolvi ret habe/ juͤngsthin mit empfangung des heiligen abendmahls den todt des HErrn zu verkuͤndigen/ und seinen glauben zu staͤrcken. Ach ja werther Bruder/ er gehe mit getroster zuversicht/ oder wo er diese nicht fuͤhlen kan/ mit kindlichem gehorsam/ zu solchem theuren mahl der gnaden/ und lasse sich ja durch nichts von solchem lieben vorsatz abhalten. Und ob ihn der satan solte mit furcht der unwuͤrdigkeit aͤngsten/ so halte er ihm entgegen die wuͤr- digkeit seines lieben Heylands/ der je werth ist/ daß wir ihm den gebotenen gehorsam leisten/ und uns auf sein einladen einfinden/ ob wir schon nicht wuͤr- dig waͤren/ solche theure schaͤtze zu begehren oder anzunehmen; da wird gewiß- lich diese wuͤrdigkeit des liebsten Heylands unsere unwuͤrdigkeit gleichsam gantz verschlingen. Und wo er nur acht auf sich geben will/ wird er gleichwol diejenige wuͤrdigkeit/ welche der HErr von seinen gnaden-gaͤsten erfordert/ ohne zweiffel bey sich finden. Wir wissen es werde erfordert eine hertzliche reue und leyd uͤber die suͤnden. Wolte er zweiffeln/ daß solche bey ihme waͤ- ARTIC . II. SECTIO IV. waͤre? oder uͤberzeuget ihn nicht seine staͤtige wehmuth uͤber seine suͤnde/ daß wahrhafftig dieses stuͤck der buß bey ihm seye? es wird auch erfordert der wahre glaub an Christum. Hie wird er vielleicht klagen/ das seye eben das- jenige/ daran es ihme mangele/ und dieses verursache ihm seine aͤngsten. Aber geliebter Bruder/ laßt uns die sache recht untersuchen/ so hoffe/ daß er unwi- dersprechlich der krafft des glaubens werde bey sich gewahr werden; nur las- set uns lernen/ daß der glaube nicht in der empfindlichen fuͤhlung der zuver- sicht allein bestehe/ sondern in derjenigen goͤttlichen wirckung des heiligen Geistes/ welche uns so verborgen seyn kan/ daß wir gar meinen/ lauter das ge- gentheil und verzweiffelung bey uns zu fuͤhlen. Jndem nicht nur allein eine solche schwehrmuͤthige leibes- constitution seyn kan/ welche wie sie dem men- schen in andern stuͤcken alle freudigkeit benimmet/ also auch selbs in dem geist- lichen diejenige freude/ die wir sonsten aus GOttes wirckung fuͤhlen wuͤrden/ niederschlaͤgt/ und uns unempfindlich machet: Sondern/ es hat GOTT selbs seine heilige ursachen/ warum er uns den empfindlichen trost des glaubens entzeucht/ oder vielmehr zuruͤckhaͤlt/ da er den glauben so viel herrlicher und edler machen will/ daß wir lernen zu glauben wider den glauben/ und auch an GOttes gnaden-verheissung gleichwol hangen bleiben/ ob wir schon nichts fuͤhlen. Vorausgesetzt dessen/ mag ich ihm getrost sagen/ er glaube wahr- hafftig/ ob er schon solches goͤttlichen liechts in sich nicht gewahr wird. Da- mit er aber nicht auf meinem sagen beruhen muͤsse/ als welches seinem gewis- sen kein genuͤgen thaͤte/ so weise ich ihn darauf/ daß er sich nur redlich vor GOTT pruͤffe/ was er in sich finde. Jch bin versichert/ er wird finden 1. eine innigliche betruͤbnuͤß uͤber seine suͤnde/ damit er die gnade des HErrn versaͤumet und verlohren zu haben sorget/ und traue ich ihm zu/ daß/ wo ers mit seinem todt erkauffen koͤnte/ daß er die gnade nicht verlohren haͤt- te/ er wuͤrde sein leben dazu nicht zu theuer achten. 2. Ein inbruͤnstiges verlangen nach der goͤttlichen gnade/ wie ich abermal mich dessen zu ihm versehe/ daß wo ihm einerseits ein grosses/ was die welt ihm geben moͤchte/ solte offeri ret werden/ auf der andern seiten aber die empfindliche versiche- rung der goͤttlichen gnade stuͤnde/ und ihm die wahl unter beyden gegeben wuͤrde/ er wuͤrde mit begierde vielmehr nach dieser als jener greiffen. Und was ist die grosse angst/ die er fuͤhlet/ das staͤte seuffzen und winseln/ anders als eine frucht/ und also auch ein gewisses zeugnuͤß/ eines solchen unverfaͤlsch- ten verlangens. 3. Eine sorgfaͤltige verwahrung seines gewissens/ daß er ja nicht mit willen begehrte/ seinen GOTT zu beleidigen/ sondern viel- mehr ihm treulich nach seinem vermoͤgen zu dienen. Diese stuͤcke zweiffele ich nicht/ daß sie gewiß bey ihm seyn und sich finden werden. Nun dencke er selbs/ da er so verdorben ist/ als einiger anderer mensch von natur seyn kan/ ja Z z z z wol Das fuͤnffte Capitel. wol gar seine verderbnuͤß schwehrer als bey andern achtet/ ob alle diese ding/ die gleichwol gut seynd/ sich bey ihm also finden koͤnten/ daß er sie aus sich selbs haͤtte/ oder aber ob nicht vielmehr dieselbe unwidersprechliche zeugnuͤs- sen seynd/ daß der Geist GOttes/ welchen er von sich gewichen zu seyn sorget/ wahrhafftig in ihm wohne/ weil er solche theure fruͤchten in ihm bringet. Wie kan aber derjenige ohne glauben seyn/ bey welchem diese liebe fruͤchten des glaubens und des Geistes sich finden? Also/ auserwehlter Bruder/ erkenne er die ihm verborgene wurtzel/ daß sie gleichwol bey ihm lebendig annoch seyn muͤsse/ da er deroselben werthe fruͤchten sihet/ welche einmal ohne solche wur- tzel durchaus nicht koͤnten da seyn. Wenn also auf einer seiten sein hertz/ welches wie alles menschliche hertz von natur ein luͤgenhafftes hertz ist/ aus seinem betrieglichen empfinden ihm saget/ er habe keinen glauben/ auf der an- dern seiten saget GOttes wort/ der mensch seye von sich selbs zu allem guten untuͤchtig/ daher wo sich geistliches gutes befinde/ so muͤsse dasselbige goͤttliche wirckung/ und ein solcher mensch des heiligen Geistes werckstatt seyn/ wo der glaube sich nothwendig befinden muß: Welchem unter beyden meinet er nun mit recht glauben zuzustellen? die vernunfft selbs wird ihn lehren/ daß nicht sein luͤgenhafftes hertz/ und dessen betriegliches fuͤhlen/ sondern das wort der wahrheit allein/ wuͤrdig seye/ ihm glauben beyzulegen. Also erkenne er wi- der allen seines hertzens widerspruch gleichwol/ daß er glaubig seye. Es wird ferner zu dem heiligen abendmahl erfordert ein hertzlicher vorsatz/ sein leben in der that und wahrheit nach aller gnade/ die einem GOTT darzu verleihen werde/ zu bessern. Hie hoffe ich auch nicht/ daß es ihm mangeln/ sondern sich derselbe so viel auffrichtiger bey ihm finden werde/ als weniger der zustand der angefochtenen einiger heucheley bey ihnen platz laͤsset. So gehe er dem- nach mit hertzlicher demuth und gehorsam zu solchem tisch der gnaden/ und speise und traͤncke seine seele mit solchen himmlischen guͤtern/ die ihm anerbo- ten werden. Er versichere sich auch darbey/ daß er nicht nur allein wahrhaff- tig den leib und blut seines liebsten Heylands daselbs empfangen/ sondern zu- gleich der darinnen versprochenen gnaden unfehlbarlich theilhafftig werde werden. Jm uͤbrigen kaͤmpffe er noch fort in der krafft des HErrn HErrn/ in dem kampff/ welchen dessen heilige wahrheit ihm bestimmet hat/ als gewiß/ welcher biß dahero beygestanden ist/ daß er uͤberwunden hat/ wird auch ferner nicht weniger beystehen/ und ihm helffen den voͤlligen sieg davon tragen. Es wird ihm zwahr auch dieses seltzam vorkommen/ daß er biß dahero uͤberwun- den haben solte/ da ihn doch deucht/ er seye immerfort vielmehr uͤberwunden worden/ und habe in sich keine krafft zu streiten. Aber liebster Bruder/ es ist dieses bereits ein herrlicher sieg und uͤberwindung/ daß ihn der HErr biß da- her annoch erhalten hat/ daß er auf diese stund noch stehet/ und ob wol seinem fuͤhlen ARTIC. II. SECTIO IV. fuͤhlen nach schwaͤchlich/ gleichwol wahrhafftig/ annoch kaͤmpffet. Dann solte es nach dem willen seines feindes/ des leidigen satans/ der ihn sichtet wie den weitzen/ gegangen seyn/ so haͤtte er laͤngsten allen glauben verliehren und unterligen muͤssen. Daß also solcher sein feind seinen willen an ihm noch nicht hat haben oder erhalten sollen/ ist gewißlich ein nicht geringer sieg/ so uns die noch fernere versicherung gibet/ daß wir immer einen sieg nach dem andern erhalten sollen und werden. Lasset uns nur fortfahren in dem kampff/ wie schwach wir sind/ uns auf den kraͤfftigen beystand des HErrn HErrn verlas- sende/ sonderlich aber in dem gebet/ so unsere vortrefflichste wehre seyn wird: Und ob es uns scheinet/ der HErr hoͤre nicht/ noch wolle hoͤren/ ja unser gebet pralle alles zuruͤck/ oder werde uns gleichsam von GOTT vor die fuͤsse ge- worffen/ als ihm mißfaͤllig/ so wollen wir doch nicht nachlassen/ vielmehr mit dem Cananaͤischen weiblein immer desto staͤrcker anzuhalten/ biß der HErr sein liebreiches hertz uns in wircklicher huͤlffe offenbahre. Damit wir aber recht nach dem willen GOttes und desto erhoͤrlicher beten/ so wollen wir nicht so wol blosserdings um die hinwegnehmung der anfechtung und um den em- pfindlichen trost/ sondern meistens und vornemlich darum bitten/ daß er in den anfechtungen selbs seinen willen uns erkennen lassen/ uns mehr und mehr von allem eigenen willen und was ihm an uns mißfaͤllig seyn moͤchte/ reini- gen/ und uns auf diejenige art/ welche er seiner weißheit und ehre am gemaͤsse- sten erkennet/ bey seiner gnade erhalten/ daher so zu reden in der that/ wie dor- ten Paulo/ zusprechen wolle: Laß dir an meiner gnade genuͤgen. Thun wir dieses von grund unserer seelen/ und werffen uns vor dem angesicht un- sers lieben Vaters also darnieder/ daß es uns wahrhafftig nicht so wol um unseren trost und unsere vergnuͤgung/ als um die vollbringung seines wil- lens an uns/ zu thun seyn solle/ so werden wir nicht nur der gnade solches himmlischen Vaters gewiß gewahr werden/ sondern der HErr etwa mehr hinzuthun/ als wir zu bitten uns unterstanden haben wuͤrden. Dieses ist der weg/ liebster Bruder/ auf welchem er sich der huͤlffe unfehlbarlich versehen darff. Es will in dem uͤbrigen die zeit nicht zugeben/ mehreres hinzuzuthun/ wie es ihm auch ohne das an dem noͤthigen unterricht in nichts mangeln wird. Jndessen wirds auch noͤthig seyn/ vor den schwachen leib zu sorgen/ als dessen constitution die innerliche und geistliche noth vermehret/ wie etwa demselben auch in dem nahmen des HErrn einiger rath geschaffet werde/ dazu vielleicht auf eines verstaͤndigen Medici befragen eine sauerbrunnen-cur moͤchte dien- lich seyn: Dahin wird auch gehoͤren/ weil durch den wein die hitz und also die verstopffung der adern sehr vermehret werden mag/ sich alles dessen unzeiti- gen und uberfluͤßigen gebrauchs zu entschlagen/ und sich vor demselben als vor gifft zu huͤten. Nun der HErr regire ihn auch in dieser prob durch seinen hei- Z z z z 2 ligen Das fuͤnffte Capitel. ligen Geist/ und lehre ihn recht seine wege erkennen/ zeige ihm auch noch in der that/ daß er ein Vater der barmhertzigkeit und GOTT alles trostes zu seyn/ noch nicht auffgehoͤret habe. Jch werde auch noch ferner nicht vergessen/ den HErrn fuͤr seine noth anzuruffen/ mich hinwieder auch fuͤr mich und mein schwehres amt seiner bruͤderlichen fuͤrbitte versehende. 1682. P. S. Weil auch eines gebets formul von mir verlanget worden/ so schi- cke auch hiemit eine/ nach belieben sich derselben/ oder einer andern/ welche ihn die eigene noth lehren moͤchte/ sich zu bedienen. Der HErr giesse selbs uͤber ihn aus den Geist der gnaden und des gebets. A Ch heiliger gerechter GOtt/ barmhertziger himmlischer Vater/ dessen gedancken wunderbarlich/ und deine wege/ auff welchen du uns fuͤhrest/ unserer vernunfft unbegreiflich/ aber alle deiner weiß- heit und guͤte gemaͤß find: du fuͤhrest mich auch nach deinem rath/ a- ber daß ich noch deine art nicht fassen oder verstehen kan: so verleyhe mir doch das liecht deines H. Geistes/ in dem ich deinen willen und wie gut derselbige seye/ erkennen koͤnne. Du sihest selbs die angst meines hertzens und mein elend/ so mir allzuschwehr werden will/ und es mir an krafft dieses weiter auszustehen ermangelt: Ach so sihe es dann mit barmhertzigen augen an/ und laß es dir selbs zu hertzen gehen. Zwahr wo du woltest mit deinem knechte ins gericht gehen/ so habe ich nicht al- lein diesen jammer sondern alle zeitliche und ewige straffen/ daher auch dieses/ wohl verschuldet/ daß du dich in meiner noth meiner nicht an- nehmest/ sondern dein angesicht von mir wendest/ und mich allerdings verstiessest/ dann HErr ich bin nicht nur allein in suͤnden empfangen und gebohren/ sondern ich habe auch mit vielen unzaͤhlichen suͤnden/ in gedancken/ worten und wercken/ mich an dir groͤblich und schwehr- lich versuͤndiget. Wie viel gnade hastu mir gegeben/ wie reichlich habe ich dein wort von jugend auff gehabt/ wie offt hat dein Heil. Geist kꝛaͤftig an meinem hertzen angeklopffet? ich armer habe aber solche gna- de nicht so danckbarlich angewendet/ die krafft deines worts nicht so fleißig in mein hertz gefasset/ noch deinem Heil. Geist so willig auffge- macht/ sondern leider seinen wuͤrckungen offt widerstanden/ oder sie doch versaͤumet/ daher ists kein wunder/ daß das gute allgemach in mir erloschen/ und ich kaum etwas goͤttliches bey mir/ sondern allein meine verderbnuͤß und die hoͤlle/ die ich verdienet habe/ bey mir fuͤhle. Diese meine suͤnde erkenne ich/ gerechter GOtt/ und ach daß ich sie recht gruͤnd- ARTIC . II. SECTIO IV. gruͤndlich erkennen/ und dero schwehre wie es sich gebuͤhret/ beweinen koͤnte! lasse sie mir aber in dieser meiner angst nachtruͤcklich vor augen stehen/ und dieses eine frucht derselben seyn/ daß ich mich vor dir desto besser demuͤthigen und sie hassen lerne/ welche uns mit solchen aͤngsten lohnet. Lasse aber auch alle solche meine suͤnde durch das blut deines allerliebsten Sohns/ meines treuen Heylands/ getilget und vergeben seyn/ weil ja solches auch fuͤr dieselbe vergossen worden ist. Laß sol- chen trost in meinem hertzen lebendig und meinen glauben durch die versiegelung deines H. Geistes gestaͤrcket werden/ wie du mir in mei- ner heiligen tauff eine ewige erloͤsung und vergebung meiner suͤnden zugesaget und geschencket/ solche so offt in dem gnaden-wort des Ev- angelii wiederholet/ und mit dem leib und blut deines liebsten Sohns als einem theuren pfand versiegelt hast. Diesen glauben laß ja nim- mermehr von mir genommen/ noch von der gewalt der anfechtung umgestossen werden. Lehre mich aber nicht auff das betruͤgliche fuͤh- len meines luͤgenhafften hertzens sehen/ noch daraus meinen glauben schaͤtzen/ sondern daß ich mich blosser dings an deine gnaden-verheis- sungen in deinem wort halte/ auch daß ich diesem die ehre gebe/ daß es wahr seye/ ob auch mein fleisch/ meine vernunfft und das fuͤhlen mei- nes hertzens/ lauter nein darzu spreche/ und mir meinen glauben in zweiffel ziehen wolte. Wircke in mir staͤts eine demuͤthige erkaͤnt- nuͤß meiner suͤnden/ einen ernstlichen haß gegen dieselbe/ und wahre traurigkeit daruͤber/ daß ich dich meinen liebsten Vater beleidiget habe/ erhalte das sehnliche verlangen nach deiner gnade/ und daß ich dieselbige uͤber alles andere in der gantzen welt schaͤtze und achte; staͤr- cke den heiligen vorsatz/ mein gantzes leben allein zu deinen ehren treulich anzuwenden/ giesse in mein hertze aus eine bruͤnstige liebe gegen dich/ eine wahrhafftige verschmaͤhung der welt und alles des- sen/ was ausser dir mein hertz in liebe gefangen nehmen wolte/ eine auffrichtige liebe meines nechsten/ ohne unterscheid derer die mir gu- tes oder boͤses erzeiget haͤtten/ eine bestaͤndige hoͤffnung auff deine huͤlffe in aller noth/ eine gedultige gelassenheit in allem leiden/ mei- nen willen dir auffzuopffern/ eine feurige andacht zu dem gebet und heiligen uͤbungen/ eine wahre sanfftmuth/ demuth/ eintracht uñ freundlichkeit in dem umgang mit meinem nechsten/ und alle an- Z z z z 3 dere Das fuͤnffte Capitel. dere dir gefaͤllige tugenden/ damit ich aus diesen fruͤchten und guten wirckungen deines Geistes uͤberzeuget werde/ daß ich den glauben noch habe/ welchen du mir so tieff verborgen hast. Du sihest auch/ liebster Vater/ wie der satan/ weil du dein gnaden-antlitz vor mir verdecket hast/ sich der gelegenheit gebrauchet/ und trachtet mich mit seinen feurigen pfeilen vollends zu verderben/ in verzweiffelung/ mißglauben und andere schand und laster zu verfuͤhren. HErr ich bin viel zu schwach/ diesem boͤsewicht und seinen versuchungen zu wi- derstehen/ aber ach sihe du selbs mit erbarmenden augen auff mich/ und hilff mir ritterlich ringen; gib ihm nicht zur beute die seele/ wel- che dein Sohn so theuer erkauffet und erloͤset hat/ sondern staͤrcke mich also/ daß ich ritterlich kaͤmpffe/ alles wohl ausrichte und das feld behalte. Ach laß dieses feuer der anfechtung dazu gesegnet werden/ daß dadurch meines glaubens gold rechtschaffen gelaͤutert/ von den schlacken und aller unreinigkeit gesaͤubert/ und insgesamt alles/ was von liebe dieser welt bey mir uͤbrig seyn moͤchte/ ausgebrandt werde. Gib mir nur gedult und standhafftigkeit in solcher schweh- ren prob dir gehorsamlich auszuhalten. Ach wie verlanget mich nach deiner suͤssen gnade/ dieselbe in ihrem trost wiederum empfind- lich in meinem hertzen zu schmecken/ und mit freudigem Geist dich zu loben: Wie ich aber dieser wolthat mich unwuͤrdig achte/ so bitte ich nur vielmehr allein/ daß du deine gnade nicht von mir wendest/ so solle mir daran genuͤgen/ daß deine krafft in den schwachen maͤchtig seye. Lehre mich nur wandeln wuͤrdiglich desjenigen creutzes-be- ruffs/ darein du mich jetzo gesetzet hast/ daß ich darinnen nicht wider dich suͤndige/ sondern mich unter deine gewaltige hand demuͤthige/ und nichts mehrers verlange/ als was dein wille uͤber mich ist. Soll ich also aller freude und trostes ermangeln/ und in dieser finsternuͤß und hoͤllen-angst aushalten: Hie bin ich HErr/ der ich es verschul- det/ ja ewiglich nicht daraus erloͤset zu werden wohl verdienet habe/ mache mit deinem knecht/ was du wilt: Jch weiß doch und glaube fe- stiglich/ daß dein liebreiches Vater-hertz mich nicht immerdar ver- stossen kan/ sondern/ ob du mir schrecklich worden bist/ daß ich noch dein gnaden-antlitz wiederum schauen werde/ dann das werck dei- ner hand und den du so hertzlich geliebet hast/ kanstu nicht verlassen/ weil ARTIC . II. SECTIO IV. weil du ein wahrer und guͤtiger GOtt bist/ der sich nicht verleugnen wird. So geschehe mir wie du wilt/ gib mir nur/ daß ich thue was du wilt. Sihe aber auch auff diesen meinen schwachen leib/ und theile demselbigen diejenige kraͤfften mit/ dero ich bedarff/ diejenige geschaͤffte damit zu verrichten/ wozu du mich gesetzet hast/ und weise du selbs diejenige mittel/ welche du dazu segnen wilt. Regiere auch alle die um mich sind/ mit noͤthiger weißheit und liebe/ daß sie mit meiner schwachheit gedult tragen/ mich also zu regieren/ und mir zu begegnen wissen/ wie es mir dienlich ist/ und vergilt ihnen die treue/ welche sie an mir erweisen. Sonderlich lasse ja niemand an mir ge- aͤrgert werden/ noch einigen anstoß nehmen/ sondern wo es dein hei- liger wille ist/ so lasse mich vielmehr ein werckzeug deiner ehre an den jenigen seyn/ die du mir anvertrauet hast. Ach daß dann diejenige/ so dein wort aus meinem munde hoͤren/ deine gnade ausdemselbi- gen in ihrem hertzen fuͤhlen/ da ich von solchem geschmack noch eine weile solle ausgeschlossen bleiben/ ja daß alle/ denen mein elend be- kant wird/ an mir vieles lernen/ und sich an meiner demuth/ gedult/ und kampff erbauen/ die auch endlich/ wo die stunde der huͤlffe vor- handen seyn wird/ mit miꝛfuͤr dieselbe dancken moͤgen. Ach ja HErr/ helffe mir dann also kaͤmpffen in der zeit/ daß ich in deiner krafft end- lich noch voͤllig uͤberwinde/ und dich auch dieses sieges wegen preise in jener ewigkeit. Erhoͤre mich Vater um deines liebsten Sohns JE- su willen/ welcher auch uͤberwunden und mir die gemeinschafft sei- nes sieges verheissen hat. Amen. SECTIO V. Trost an einen so schwehrmuͤthigen als angefochte- nen Prediger/ der wegen seines leiblichen und geistlichen elen- den zustandes die erlassung von seinem amt gesucht und erhal- ten/ aber solches als ein zeugnuͤß goͤttlichen zorns ansehe. J Ch sehe sonderlich aus dem an mich gelangtem zwey neue anstoͤsse/ wel- che er davor halte/ daß sein jammerstand dadurch vermehret worden seye: 1. in dem derselbe sich die gedancken macht/ es sey auch dieses ein zeugnuͤß des goͤttlichen zorns/ daß der HErr ihm seinen geist und dessen ga- ben entzogen/ damit aber ihn zu seinem dienst untuͤchtig gemacht/ er hingegen ein Das fuͤnffte Capitel. ein solches von seiner gerechtigkeit mit uͤbermachten suͤnden wol verschuldet/ und also dieses gericht auff sich selbs gezogen habe. 2. Weil er sich erinne- re/ daß von S. Hr. D. Schmieden gehoͤrt habe/ der verspruch bey der ordination geschehe an eydesstatt/ solchen aber habe er mehrmalen gebro- chen/ und demnach einen meineyd begangen. Was dann nun diese beyde stuͤcke anlangt/ will ich je demselben nicht schmeicheln/ noch so viel an mir ist/ dazu helffen oder rathen/ daß einiges unflaͤtiges oder eyterhafftiges in der wunden bleibe/ und nur destomehr die heilung derselben hindere: und also ob mir wol 1. sein leben nicht so genau in allem bekant/ was in demselben mit verletzung der allgemeinen christlichen oder amtspflicht moͤchte gesuͤndiget seyn worden/ ja ich gar 2. dasselbe etwa eher habe in vergleichung anderer ruͤhmen hoͤren/ so dann 3. bey seiner gemuͤths-beschaffenheit sorgen muß/ daß man sich etwa aus unterschiedlichen dingen suͤnde machen moͤchte/ die vor GOtt und in sich selbs nicht suͤnde sind/ will ich doch lieber mit ihm alles das- jenige vor suͤnde passir en lassen/ was ihm sein gewissen in seine anklag vor suͤn- de darstellet: in dem wo wir die art der suͤnden erkennen/ jegliche derselben schon vor sich selbs groß genug und in dem goͤttlichen zeitlich und ewigen ge- richts schuldig ist/ da wir sie nicht nur mit anderen groͤssern vergleichen/ son- dern wie sie eine beleidigung des grossen GOttes seye/ ansehen: Es sind auch alle suͤnden desto schwehrer und groͤsser zu halten/ als mehr jeglicher un- ter uns von GOtt seine gnade und gabe seines geistes empfangen hat: Dann weil jede solche wolthat eine neue verbindlichkeit ist zur goͤttlichen danckbar- keit/ so macht sie auch eine jede suͤnde desto schwehrer wegen des darinnen enthaltenen undancks. Also bleibets wahr/ daß jegliche solenne verspruͤ- che/ so wir GOtt thun/ sonderlich in dergleichen wichtigen dingen/ als bey der ordination, sind der krafft nach als eyde vor GOtt/ und derwegen der- selbigen uͤbertretung haben etwas von dem meineyd. Also will ich in allem diesem meinem wehrten bruder weder heissen noch rathen/ daß er seine suͤnde gering achte/ sondern sie vielmehr uͤberaus suͤndig mache/ daß wo die suͤnde maͤchtig und deroselben krafft erkannt worden ist/ die gnade so viel maͤchti- ger werde. Aber das lasset uns dabey thun/ daß wo wir der suͤnden tieffe erkennet/ wir auch nachmal der gnade hoheit erkennen/ und vor dieser suͤnde uns sonderlich huͤten/ daß wir sie ja nicht mit Cain muthwillig wolten groͤsser achten/ als daß sie moͤchten vergeben werden/ und also GOtt diesen schimpff anthun/ daß seine gnade nicht alles in der welt/ und also auch die suͤnde/ uͤ- bertreffe/ welches goͤttlicher ehre am nechsten gehen/ und sie verletzen wuͤrde. Vielmehr da der teuffel uns solche feurige pfeil in das hertz schiesset/ und un- ser fleisch und blut sich davon zum unglauben und verzweifflung anzuͤnden will/ so lasset uns gegen die suͤnde am ernstlichsten streiten/ und die goͤttliche barm- ARTIC . II. SECTIO . V. barmhertzigkeit uͤber alles preisen. Weil mirs aber vorkommt/ als wuͤchse bey meinem geliebten bruder diese seine hertzens-angst vornemlich desto staͤr- cker/ weil er wegen seines gemuͤths und leibeszustands sich nicht mehr zu dem amt des kirchen-diensts tuͤchtig befunden hat/ und also bewogen worden/ die erlassung desselben zu suchen/ und zu erlangen/ so bitte die sache in der furcht des HErren ferner zu uͤbeꝛlegen/ da er gewißlich finden wird/ daß er solches nicht fuͤr ein zeugnuͤß goͤttlichen zorns/ vielweniger eines solchen zorns/ daß ihn der HErr gar von seinem angesicht weggeworffen/ zu halten habe. Es war kein zorn uͤber unsren alten S. D. Schmieden/ der eine so geraume zeit an leib und gemuͤth zur verrichtung seines amts untuͤchtig worden/ biß der HErr zum zeugnuͤß seiner wunder-guͤte/ und etwa nicht um seinet willen (ohne daß er ihm noch ein groͤsser maaß des leidens verordnet hatte/ das er noch bey laͤngerem leben ausstehen solle) als um der kirchen willen/ die seiner beduͤrfftig war/ ihn wieder in sein amt eingesetzet und tuͤchtig gemacht. Was nun auch GOtt uͤber todt und leben uͤber meinen geliebten bruder mag be- schlossen haben/ wissen wir nicht; koͤnnen aber eben deßwegen nicht sagen/ ob er nicht etwa auch ihn wiederum zu gleichem zeugnuͤß seiner wunderguͤte wieder auffrichten/ und ihn etwa auch darinnen zu einem wuͤrcklichen trost- exempel andern seinen glaubigen angefochtenen machen moͤchte. Gleichwol haben wir des HErren macht zu glauben/ und wann/ wie und an wem er der- gleichen zeugnuͤssen ferner erweisen wolle/ seiner willkuͤhr und weißheit zu uͤ- berlassen. Gesetzt aber/ er habe bestimmt/ daß er in dieser vacanz sein uͤbri- ges leben zubringen/ und zu dem dienst der kirchen nicht wiederkehren solte/ so ist doch dieses eben so wenig ein uͤberzeugendes zeichen der goͤttlichen un- gnade. Es werden demselben etwa unterschiedliche exempel bekant seyn christlicher und nicht uͤbel verdienter maͤnner/ welche in ihrem alter/ oder noch ehe dasselbe so hoch gekommen/ durch abnehmung der gedaͤchtnuͤß oder ande- rer gemuͤths-kraͤffte oder leibes schwachheit von podagra, laͤhme und der- gleichen/ dermassen nach dem euserlichen menschen ruiniret worden sind/ daß sie ihr amt nicht mehr verrichten koͤnnen/ sondern solches entweder durch Ad- junctos und Substitutos hat muͤssen verrichtet/ oder sie gar erlassen uñ zur ru- he gesetzet werden. Und solche waren gleichwol christliche und Gott angeneh- me uñ liebe maͤnner. So ist ja diese meinem werthen Bruder zu gestossene noth an sich kein zeugnuͤß goͤttlichen zorn-gerichts/ sondern sind dem HErrn die ursachen seiner heiligen verfuͤgung am besten bekant/ wir aber koͤnnen auffs wenigste wissen/ daß sie seiner ehre gemaͤß/ und zu meines geliebten Bruders eigenem besten/ wo er sich in die goͤttliche ordnung recht schicken will/ gemeinet seyn muͤssen. Ja solte nicht vielmehr eine wolthat in solcher sache seyn/ die ihm zu begreiffen so schwehr werden will? Jch kenne christ- A a a a a liche Das fuͤnffte Capitel. liche hertzen/ die die gefahr des predigamts haben recht angefangen einzuse- hen/ welche es vor eine grosse wolthat und gnade GOTTes achteten/ wo sie Gott durch dergleichen oder andere in dem gewissen verantwortliche art wol- te des dienstes erlassen/ und eine frist goͤnnen/ vor ihrem ende in einer stille zu leben/ da sie hingegen von selbsten aus dem beruff zu gehen/ und eine va- canz zu machen/ uͤber ihr gewissen nicht bringen koͤnnen/ und wissen/ daß wir so wenig von unserer schildwach ohne ordre abziehen/ als uns dazu verfuͤgen doͤrffen. Wo uns aber der HErr selbs beurlaubet/ da moͤgen wir mit freu- den die uns goͤnnende ruhe annehmen. So ist also ihm ja nichts wiederfah- ren/ daß nicht auch eine wolthat darinnen seyn kan/ und wo er sich recht darinn schicken will/ gewißlich seyn wird. Es ist je der zustand unserer kirchen so be- wandt/ daß wir/ so in derselben dienste leben/ immerfort in eusserster seelen- gefahr schweben/ und offt vor angst des geistes kaum was zu thun seye/ wis- sen. Ach so soll uns ja nicht so sauer ankommen/ da der HErr eine so schwehr- truckende und gefaͤhrliche last von unsern schultern wegnimmt/ und uns eine weile vor unserm tode die zeit gibet/ an uns selbs zu gedencken/ GOtt und unserer seele in einer stille zu leben? Jch meine ja/ mein geliebter Bruder ha- be die zeit seiner bedienung selbs erfahren und gefuͤhlet/ wie es denjenigen zu muth seye/ die vor GOTT ihr amt fuͤhren/ also daß die bey ihm entstandene schwaͤchung der kraͤfften nicht wol anders als eine wirckung der in dem amt gehabter und daher gekommener seelen-angst kan gewesen seyn. So glaube denn derselbige/ daß sein himmlischer Vater aus erbarmender und schonender liebe es dahin habe kommen lassen/ daß weil nicht nur das predigamt eine sol- che schwehre last an sich selbs/ sondern auch darinnen ihm noch schwehrer wor- den ist/ da seine schwehrmuͤthige leibes- constitution die gewissens-aͤngsten fast unertraͤglich gemacht hat/ er aus solcher schrecklichen beschwehrde befrey- et die uͤbrige tage in einer mehreren ruhe zubringen/ auffs wenigste nicht taͤg- lich solche neue gelegenheit und ursachen der aͤngsten/ wie in dem predigamt geschihet/ ihm auffstossen moͤchten. So ist es ja ein hertzliches schohnen und nicht ein zorn. Er hat jetzo fuͤr keine andere seele als die seinige und seines ei- genen hauses zu sorgen/ und ist eines grossen theils der verantwortung entho- ben. Hingegen kan er gleichwol auch noch der gemeine nach gegenwaͤrtigem zustande dienen/ wo er desto eiffriger tag und nacht zu dem HErren fuͤr diesel- be/ und daß seine guͤte/ die von den uͤbrigen Predigern taͤglich thuende arbeit desto mildiglicher segnen/ ja aus der selbs von ihm vor dem ausgestreuten saat annoch bey vielen eine so viel reichlichere erndte erwachsen lassen wolle/ seufftzen wird. Gewißlich dasjenige/ was ein gottseliger Prediger mit sei- nem gebet thut/ muß nicht vielweniger geachtet werden/ als was man mit den menschen handelt/ indem an jenem ein grosses stuͤck des seegens/ welcher zu solchen ARTIC. II. SECTIO V. solchen verrichtungen gehoͤrt/ haͤnget: daß ich auch offt davor halte/ es man- gle uns manchmal mehr an eiffrigen betern als fleißigen arbeitern. Nun mit solchem gebet fuͤr die gemeine tag und nacht anzuhalten/ hindert meinen gel. Bruder jetzt nichts/ und also ob seine arbeit vor den menschen nicht scheinbar ist/ so kan sie doch vor GOtt kraͤfftig seyn. Nechstdem daß er mit kindlicher gedult die zuͤchtigung seines himmlischen Vaters ferner traͤgt/ so erachte ich die erbauung solches exempels/ welches andere an ihm wahrnehmen werden/ auch nicht von geringem werth. Daß also obwol derselbe seiner gewoͤhnli- chen oͤffentlichen verrichtungen erlassen/ ihm dennoch nicht zugleich alle gele- genheit dem nechsten zur erbauung zu dienen zugleich entzogen ist: zwahr hat sein jetziger zustand vor unsern augen kein solches ansehen/ gleich wie vorher/ wird deswegen auch wenig vortheils in der welt davon zu erwarten seyn: Jch traue aber meinem werthen Bruder dieses zu/ daß er dieses laͤngst gelernet haben werde/ nicht auff dasjenige zu sehen/ was in der menschen augen hoch geachtet wird/ sondern worinnen des HErren wille geschehe. So hoffe auch nicht/ daß ihn der abgang des zeitlichen so sehr betruͤben solle/ indem ich nicht nur hoͤre/ daß noch etwas von einem subsidio nach billigkeit gereicht werde/ sondern auch weiß/ daß derselbe von dem lieben GOtt also mit zeitlichen mit- teln gesegnet/ daß was bey so enger haußhaltung/ da ohne das die einige toch- ter wohl versorget/ noͤthig seyn mag/ nicht mangeln wird; nun haben wir uͤber unsere nothdurfft nicht eben vieles zu verlangen. Gleich wie nun diese vor- stellung hoffentlich zu gnuͤge ihm darthun wird/ daß er nicht ursach habe/ die- se seines zustands aͤnderung einem sonderlichen zorn-gericht GOttes zuzu- schreiben/ da er vielmehr dessen schonende guͤte darinnen erkennen kan. So finde ich auch die suͤnden/ als viel mir offenbaret sind/ so das gewissen trucken/ nicht dermassen/ daß sie eine solche zaghaffte angst nach sich ziehen solten. Jch wiederhole noch mal das obige/ daß ich keine suͤnde gering machen wolle/ aber ich bitte hingegen/ daß auch die goͤttliche gnade nicht gering gemacht/ sondern derselben ihre obhand uͤber die suͤnde gegoͤnnet werde. Unser liebe Heyland ist wahrhafftig nicht fuͤr eingebildete/ auch nicht fuͤr geringe/ kleine und kin- der-suͤnden allein gestorben/ sondern fuͤr die allergroͤsseste der gantzen welt/ und welche so zu reden werth waͤren/ daß der Sohn GOTTES fuͤr sie zur versoͤhnung stuͤrbe. So hat demnach GOtt seinen gnaden-bund auch mit ihm nicht darauff gemacht/ daß ihm/ wo er gantz geringe suͤnde/ die dem menschli- chen ansehen nach solten kaum scheinen einer vergebung bedoͤrfftig zu seyn/ an sich haben wuͤrde/ solche solten vergeben werden; sondern er stehet in demjeni- gen gnaden-bund/ da ihn das blut Jesu Christi von allen suͤnden reiniget. So weiß derselbe aus unserer reinen Evangelischen lehre zur gnuͤge/ daß der unterscheid der laͤßigen und todtsuͤnden nicht von der geringigkeit oder groͤsse A a a a a 2 der Das fuͤnffte Capitel. der materien oder der that selbs hergenommen werde/ sondern daß alle suͤn- de/ wie sie nahmen haben moͤgen/ bey denen/ wo annoch glaube/ busse und vor- satz GOtt hertzlich zu dienen stehen bleiben/ und demnach die aus unwissen- heit/ uͤbereilung und schwachheit geschehen/ vor GOttes gericht solchen buß- fertigen und glaubigen nicht zugerechnet werden/ sondern sie in krafft ihres glaubens in staͤtem genuß der vergebung stehen. Solte nun nach fleißiger pruͤfung seiner selbs/ mein werther Bruder nicht finden/ daß er die meiste zeit seines kirchen-dienstes/ auffs wenigste von guter zeit her/ wahrhafftig in ei- nem solchen stand gestanden/ wo es ihm redlich allein um seinen Gott zu thun gewesen/ daß er sich seine suͤnde stets lassen leyd seyn/ und er in vertrauen auff Christum und sein verdienst (auffs wenigste wo es an dessen empfindlichkeit gemanglet/ in verlangen solches vertrauens/ in welchem es gleichwol schon ei- niger massen selbsten verborgen stecket) taͤglich seinen neuen vorsatz vor GOtt hertzlich erneuert habe? Jst nun solches/ so sind seine suͤnden solcher zeit/ wie schwehr sie an sich selbs scheinen/ wahrhafftig lauter laͤßige suͤnden/ und er in steter gnade seines lieben Vaters gewesen. Solte er aber finden/ daß er wahrhafftig einige mal trotziglich und muthwillig gegen seinen GOTT gesuͤndigt/ und deswegen den seelen-todt ihm zugezogen habe/ so will ich auffs wenigste auch nicht zweifflen an hertzlicher und auffrichtiger buß/ davon mich sein mir beschriebener jetziger zustand seiner seelen gnug- sam versichert. Wie solte aber an ihm allein goͤttliche ordnung triegen/ die darinnen bestehet/ daß GOtt allen bußfertigen alle suͤnde alsobald solchen augenblick vergebe/ und seine barmhertzigkeit daran preise/ daß die groͤsseste suͤnden eben so wol in solcher vergebung mit begriffen seyen? Hier muß wahrhafftig die goͤttliche gnade mit ihrer hoheit uns nicht weniger als die tieffe unsrer suͤnden vor augen stehen. Die gebrochene eydes-pflicht/ so in der ordination geleistet worden/ mache ich abermal an sich selbs nicht gering/ nur daß die goͤttliche gnade groͤsser bleibe. Und meinet mein liebster Bru- der/ daß der verspruch bey der ordination heiliger seye/ als der erste ver- spruch in der tauffe abgeleget? Zu folge dessen/ so sind alle unsre suͤnden/ wo wir nach absagung des teuffels und seiner wercke und der weltlichen uͤppig- keit jemalen in unsermleben darnach gesuͤndiget haben/ nicht weniger vor GOtt lauter meineyde. So muß denn entweder keine einige suͤnde uns nach der tauffe jemalen vergeben werden koͤnnen (wer wolte aber dieses sagen/ was die gantze gnade GOttes uͤber ein hauffen werffen wuͤrde? Und wird hoffentlich mein geliebter Bruder/ daß in der Christenheit noch vor die ge- tauffte/ so gesuͤndiget haben/ eine vergebung uͤbrig seye/ nicht zweiffeln) o- der er muß erkennen/ daß eine brechung der GOtt geleisteten pflicht/ also ein so genannter meineyd/ mit unter diejenigen suͤnden gehoͤre/ welche so wol als andre ARTIC. II. SECTIO. V. andre von der barmhertzigkeit GOttes um Christi verdienstes willen verzie- hen werden. Jst es denn nun also/ wie es denn wahrhafftig ist/ daß er ei- nen solchen gnaͤdigen GOtt hat/ und seine schonende gnade auch in diesem seinem betruͤbtesten stande waltet/ auch weder seine noch einige andere suͤn- den der welt so groß sind/ daß sie nicht das theure verdienst unsres liebsten Erloͤsers weit/ weit uͤberwiege/ ja daß alle seine angsthafftigkeit und begier- de nach goͤttlicher gnade ein unbetriegliches zeichen seines bußstandes seynd/ so bitte ich um des HErrn willen/ er thue dessen gnade die ehre/ und lasse sie in sich so viel vermoͤgen/ daß er sich auffrichte/ und sich zu seinem himmlischen Vater guts versehe. So viel weiß ich wol/ daß ich von ihm nicht fordern kan/ daß er in freudigkeit des geistes andern mehrern etwa gleichkomme/ dann solches maaß mag ihm nicht gegeben/ noch diese seiner natur und tem- peramen ts beschaffenheit dazu jetzo geschickt seyn: Nun ist zwahr GOTT nicht an natur und constitution gebunden/ aber wie er auch diese nicht ohne weise austheilung unterschiedlich diesem und jenem zugeordnet/ also richtet er sich in seinen gnaden wuͤrckungen zimlich darnach. Da nun auch jeglicher sonsten in dem leiblichen damit zufrieden seyn muß/ was vor eine natur kraͤncklich oder starck/ der Herr ihm zu gemessen/ und derjenige sich nicht dar- uͤber zu beschwehren fug hat/ welcher auch wenige gesunde stunden sein leb- tag haͤtte: So wolle er sich auch unter die gewaltige hand GOttes demuͤ- thigen/ da dieselbe ihn vielmehr in aͤngsten als trost/ in finsternuͤß als liecht/ in unempfindlichkeit der gnaden als dero suͤssen geschmack/ durch dieses jam- merthal fuͤhren will/ und daher in der natur bereits ein solch temperament bekommen/ daß hiezu und zu diesen wegen geneigt ist. Es bleibet doch da- bey/ der HErr gedencket unser/ wo wir uns vor die verlassenste achten/ und haͤnget unser heil nicht an unserm fuͤhlen/ sondernGOttes geoffenbahrtem gnaden-urtheil. Dieses nun versichert ihn seines heyls/ ist aber deßwegenwuͤꝛ- dig/ daß ihme vielmehr als demjenigen/ was uns selbs vor uns selbs deuch- tet/ glauben zugestellet werde. Die vier regeln so dessen jetzigen zustand am noͤthigsten achte/ fuͤge mit so viel worten noch letzlich an: solche heissen/ lei- den/ beten/ hoffen und glauben. Er leide sich als ein guter streiter JEsu CHristi/ und gedencke/ da er vorhin zu thun und arbeiten beruffen ge- wesen/ so habe ihn jetzund der HErr in den leidensstand versetzet/ in welchem er ihm mit geduldigem leiden so gefaͤllig dienen kan/ als vorhin im arbeiten. Er bete hertzlich und unablaͤßig/ und lasse sich ja den satan und sein fleisch nicht dadurch abhalten/ ob waͤre sein gebet zu unwuͤrdig und mangelhafft/ vor GOtt zu erscheinen: in dem ja unser gebet niemal aus seiner wuͤrdigkeit/ sondern um des verdienstes und fuͤrbitte unsres lieben Heylandes willen/ GOtt angenehm und erhoͤrt ist. Deucht ihn auch/ er koͤnne nicht beten/ so A a a a a 3 seuff- Das fuͤnffte Capitel. seuffze er/ und verlange nach dem heil des HERREN/ und wisse daß der HErr das verlangen der elenden hoͤre/ und sein ohre mercke auff ihr schreyen. Er hoffe/ die huͤlffe werde zu rechter zeit und auff die beste art kommen/ entweder den HErren noch in diesem fleisch mit froͤlichem hertzen und mun- de wiederum zu loben/ oder doch aus dieser unruhe zu seiner zeit in die seeli- ge ewigkeit versetzt zu werden. Er glaube/ nicht aber seinen eigen betruͤg- lichen gedancken/ sondern dem pur lautern goͤttlichen wort/ welches ihm und allen gnadhungrigen ohnfehlbar die gnade zusagt/ daher auch vor allem meinem und seinem duͤncken und fuͤhlen darauff zu beharren wuͤrdig ist. Jn solchem glauben werffe er sich getrost und gleichsam blindlings in die arme der goͤttlichen barmhertzigkeit; er wird gewiß nicht uͤbel fallen noch ligen; ich werde meines theils auch nicht unterlassen/ seiner vor GOtt zu gedencken/ wie auch die anstalt gemacht habe/ daß fuͤr ihn hie in oͤffentlicher gemeinde unter andern nothleidenden absonderlich (ob wol ohne noch eine person/ Hr. N N. als seinen alten freund/ niemand weiß/ wer der mann seye.) gebetet wird. Nun der HErr HErr erfuͤlle alle seine begierde und verlangen/ und erhoͤre alle fuͤr ihn thuende gebet nach seinem heiligen rath/ wie es zu seines h eiligen nahmens ehre/ seiner seelen besten/ und anderer erbauung am dien- samsten seyn mag. Er seye sein trost und heil in zeit und ewigkeit. 1682. SECTIO VI. An einen lang angefochtenen/ aber wieder befrey- ten Prediger/ vom nutzen der anfechtung. E S ist freylich so/ wie derselbe klaget/ daß die anfechtungen/ sonderlich der wahrhafftigen oder eingebildeten suͤnden/ schwehrer und untraͤglicher sind/ als niemand/ der nichts davon geschmecket/ gedencken oder glauben kan: Und will freylich fleisch und blut unmuͤglich fallen/ den guͤtigen rath GOttes in dem ihm so widrigen recht zu erkennen und anzubeten. Aber wie dem allen/ so bleibets gleichwol dabey/ wie jener Jude zu sagen pflegte: . Das ist/ auch dieses muß zum besten dienen. Es wuͤrde ja der so guͤtigste Vater in dem himmel/ welcher uns hertzlicher/ als wirs uns selbs einzubilden vermoͤgen/ liebet/ nimmermehr dergleichen seinen geliebten kindern wiederfahren lassen/ wofern er nicht den nutzen solcher zu- lassung so groß finden wuͤrde/ daß er nicht besser an ihnen verherrlichet werde/ noch ihr heil kraͤfftiger befoͤrdern koͤnte/ als auf diese so widersinnliche art. Daß eusserliches leiden uns nuͤtzlich seye zu mortifici rung unsers alten men- schen/ ist eine sache/ die etlicher massen auch die vernunfft noch begreiffen kan/ weildieselbe etwas darvon erkennet/ wie die groͤsseste krafft des alten men- schen ARTIC. II. SECTIO VI. schen in dem eigenen willen stehe/ derselbe aber/ wo es uns nach seinem eigenen wunsch gehet/ sehr gestaͤrcket wird/ und nicht anders als durch widriges ge- schwaͤchet werden kan. Daher man den nutzen des eusserlichen creutzes handgreifflich spuͤret. Wann aber zu unserem alten menschen gehoͤret nicht nur dasjenige/ was an uns unordenliche begierden zu der welt erreget/ und dem GOTT durch das eusserliche creutz begegnet/ sondern auch die verderb- nuͤß tieffer gehet/ daß sie sich auch findet in deme/ worinnen wirs mit GOTT und dem geistlichen zu thun haben/ da eben so wol allerhand unordnung ange- troffen wird/ daß wir in dem geistlichen uns selbs/ GOttes gaben nicht um sein sondern unsertwillen/ ja dieselbe vielmehr als ihn/ den geber/ suchen/ und was dergleichen mehr seyn mag/ so erfordert GOttes weisester rath/ daß er auch dieser tieffer verborgenen/ und von uns sonst fast nicht erkantlichen kranckheit/ eine artzeney verschaffe/ vermittels dergleichen innerlichen und geistlichen creutzes/ entweder uns fuͤr jener gefahr/ ehe wir darein kommen/ heilsamlich zu verwahren/ oder aber aus deroselben wiederum kraͤfftiglich heraus zu ruͤcken: Hingegen den innersten grund des hertzens auffs genaueste zu reinigen/ uns in unser nicht/ und also zu der innersten und tieffsten demuͤ- thigung zu fuͤhren/ hingegen dadurch erst zu der hoͤchsten gnade recht tuͤchtig und deroselben empfaͤnglich zu machen. Also wunderbarlich ist der grosse/ heilige und guͤtige GOTT/ daß nach seinem weisesten rath selbs der teuffel (dann daß solcher sein werck mit dabey habe/ ist kein zweiffel) dazu helffen muß/ daß der seinen geistliches bestes befoͤrdert/ vornemlich aber sein glor- wuͤrdigster nahme gepriesen werde; daher wir nicht so wol auf die sache selbs/ welche scheinet allerdings seiner ehre entgegen zu seyn/ als auf die heilige ab- sicht und nutzen zu sehen haben/ und aus erkaͤntnuͤß derselben die goͤttliche weißheit zu preisen anlaß nehmen sollen. Schwehrmuth ist freylich an sich selbs nicht von dem GOTT der freuden/ aber daß diejenige/ welchen solche cur vonnoͤthen ist/ sich damit eine zeitlang schleppen/ gepantzerfeget werden muͤssen/ ist ein stuͤck seiner heiligen verordnung/ und ein theures gnaden- werck. Wie viel solten jetzo nicht in der verdammnuͤß ligen/ wo ihnen GOtt nicht die grosse gnade gethan/ daß da sie das gelindere anklopffen zur reue nicht annehmen wollen/ er ihnen recht empfindlicher weise in ihrem hertzen die suͤnde haͤtte lassen auffwachen/ daß sie durch solche hoͤllen-aͤngsten in der zeit der gnaden dem endlich unwandelbaren ewigen gericht entrissen worden waͤ- ren? Wie viel solten nimmermehr zu dem hohen grad der gnaden gelanget seyn/ mit welchem sie GOTT endlich beseliget hat/ wo sie nicht erstlich durch einen etwa andern/ welche so weit nicht kommen sollen/ ungewoͤhnlichen brand weiter gereiniget worden waͤren? Wie viele muͤssen sich mit andern anfech- tungen/ der gottlosen und gotteslaͤsterlichen gedancken/ ja der unempfindlich- keit Das fuͤnffte Capitel. keit uͤber ihre suͤnden/ plagen/ daß wo es in ihrer willkuͤhr stuͤnde/ sie die aller- schmertzlichste suͤnden-aͤngsten und den daruͤber brennenden zorn GOttes zu leiden eher wehlen wuͤrden. Jndem sie in diesem mehr schmertzen/ in jenem aber unvergleichlich groͤssere gefahr wahrnehmen. Aber allweise ist derjeni- ge/ der einem jeglichen zutheilet/ wie und was ihm am seligsten ist/ und wie er will an ihm gepriesen werden? Wir aber wollen glauben/ und uns solches am festesten einbilden/ er habe nicht nur macht/ mit uns nmzugehen/ nach seinem wolgefallen/ sonderner fuͤhre auch diejenige/ so sich ohne ausnahm ihm lassen/ ob etwa durch die hoͤlle/ doch in seinen himmel/ und dasselbe am allergewisse- sten/ ja so viel gewisser/ als unbekanter und durch verborgene wege. Dessen seiner himmlischen guͤte seye auch ewig danckgesagt/ der denselben zwahr ge- demuͤthiget/ damit er seine rechte lerne/ aber auch wieder hertzlich erfreuet/ und aus den pforten der hoͤllen ausgefuͤhret hat. Den ruffe ich demuͤthig an/ er wolle nunmehr auch lassen seine suͤßigkeit so viel empfindlicher schmecken/ und ihn auch hinkuͤnfftig fuͤhren nach seinem rath/ in allem zum zeugnuͤß sei- ner himmlischen weisen guͤte/ ihn selbs andern zu setzen. Gegenwaͤrtiges hatte bereits (und zwahr in Schwalbach/ da ich auf des Medici verordnung einige wochen der sauerbrunnen-cur wegen etwas angesetzter dispositionis hecticæ zu wenden muste/ und also unterschiedlicher guter freunde schreiben zu beant worten/ mit mir genommen hatte) geschrieben/ als mir mein Collega, N. dessen anderes schreiben eingehaͤndigt. Jst mir auch aus solchem die con- tinuation goͤttlicher gnade und trostes/ so dann die von GOTT gnaͤdiglich gefuͤgte vocation in die stadt/ zu vernehmen sehr erfreulich gewesen. Der HErr lasse ihn noch immerfort sich seiner guͤte freuen/ und taͤglich ursach fin- den/ deroselben neue lob- und danck-opffer zu bringen. So dann wolle er auch die nunmehr in der stadt verrichtende amts-geschaͤffte kraͤfftiglich der- massen gesegnen/ daß sein heiliger nahme herrlich durch ihn gepriesen/ und vie- le seelen zu ihrem heil befoͤrdert werden. Es wird nunmehr so viel weniger an gelegenheit manglen/ durch gottseliger mit-bruͤder und Christen freundli- che und trostreiche conversation sich so vielmehr von aller schwehrmuth zu verwahren/ und sich immer weiter in dem HErrn zu erbauen. Wie dann eben dieses ein voenehmes stuͤck unserer danckbarkeit ist/ daß wir nicht nur die grosse thaten GOttes an uns geschehen/ andern ruͤhmen und sie damit auff- richten/ sondern auch selbs uns zeit lebens der aͤngsten/ aus denen wir gefuͤh- ret/ erinnern/ und in allen dingen zeigen/ wie wir uns in allem ohne unterscheid ewig unserm GOTT gewidmet haben/ der sich uns durch so viel wiederholte wolthaten zu eigen gemacht hat: Ja eben damit die rechte gruͤndliche ver- leugnung seiner selbs/ (welche GOTT durch die anfechtung zum foͤrdersten sucht) bey uns befoͤrdern/ und in dem so vornehmen aber leider so wenig bekan- ten ARTIC. II. SECTIO VII. ten stuͤck unsers Christenthums/ je laͤnger je fleißiger uns uͤben/ und sie bey andern treiben: Auch uns dardurch/ wofern GOTT noch andere kaͤmpffe uns vorbehalten/ daran wir ins kuͤnfftige gefuͤhret werden sollen/ so viel besser darauf ruͤsten. Dann je weiter wir uns selbs verleugnen/ je mehr ist alle macht der anfechtung gebrochen/ welche uns nirgend angreiffen kan/ als wo wir noch eigenes an uns haben und behalten wollen. Goͤttlicher weisesten regierung/ schuͤtzen den allmacht/ und segnenden guͤte treulichst empfehlend/ verbleibe schließlichen. m. f. w. SECTIO VII . Trost-schreiben an einen sonderlich seines amts wegen bekuͤmmerten Prediger. Wegen des Evangelii. Statii und Crameri schrifften. Sonntags-tantzen. Wie fern man etwas gutes unterlassen doͤrffe. W As geliebter Bruder von seiner eigenen seelen zustand mir wissend machen wollen/ war mir angenehm zu vernehmen/ finde aber demsel- ben das ersprießlichste zu befoͤrderung mehreren wachsthums in der heiligung/ nicht so wol dem gesetz mehr platz bey sich zu geben/ als vielmehr/ daß das Evangelium dasjenige seye/ das man trachte je laͤnger je tieffer in das hertz einzutrucken/ darmit dessen krafft je laͤnger je mehr alles lebendig mache; welches auch das vornehmste mittel ist/ der natuͤrlichen angsthafftig- keit am kraͤfftigsten zu widerstehen. Wie auch ein Prediger/ in dessen hertzen das Evangelium nunmehr die herrschafft hat/ auch durch dessen krafft in die seelen am besten eintringt/ und insgemein dasjenige aus richtet/ was das ge- setz nimmer aus zurichten vermoͤchte. Daher ich wie andere Christen also sonderlich Prediger/ des frommen Statii schatz-kammer aus Stephano Præ- torio sehr dienlich achte: Dann obwol einiges darinnen/ das guter erklaͤrung bedarff/ und nicht so bloß dahin angenommen werden kan/ so ist doch die mei- nung des Autoris, wo sie nach der liebe verstanden wird/ nicht allein gut/ son- dern es hat der himmlische Vater das buch an vielen seelen/ auch noch vor kurtzen zeiten/ also gesegnet/ daß sie seine guͤte daruͤber ewig preisen werden/ wegen des freudigen glaubens/ welchen er durch dessen fleißige lesung in ih- nen gewircket hat. Wo aber jemand anstoß an den redens-arten Prætorii haben moͤchte/ recommendi re ich gern Andr. Crameri unterschiedliche tra- ctaͤtlein/ welche ich deßwegen unter dem nahmen ehren-stand der kinder GOttes in Franckfurt am Mayn und nachmal Dreßden/ habe trucken las- sen; darinnen solcher evangelische methodus auch stattlich gezeiget worden ist/ und durch GOttes gnade biß daher manchen lesern eingeleuchtet hat. B b b b b Dann Das fuͤnffte Capitel. Dann nachdem wir wissen/ daß uns alles an dem glauben lige/ der uns nicht allein vor GOttes gericht gerecht macht/ sondern uns auch alle krafft der he i- ligung geben muß/ so ist uns nichts dienlicher/ als daß wir so wol selbs un- sern glauben stets staͤrcken/ als auch aus eigener erfahrung so viel tuͤchtiger werden/ andere auf dem glaubens-wege zu fuͤhren/ dessen pfade wir selbs durchgangen. Ja gegen die schwehrigkeit unsers amtes/ und daher besorg- ter gefahr unserer seligkeit/ ist kein kraͤfftiger mittel/ als daß uns aus dem Evangelio die treue und guͤte unsers himmlischen Vaters stets vor augen stehe/ die uns von jener anfechtung nicht gantz niedergeschlagen werden laͤs- set. Wo mir also mein gewissen zeugnuͤß gibet/ daß ich es redlich vor GOtt/ wie sonsten in meinem Christenthum/ also auch in meinem amt/ meine/ und daher nichts anders verlange/ als goͤttliche ehre zu befoͤrdern/ alle seelen/ die mir anvertrauet sind/ nach dem vermoͤgen/ das GOTT darreichet/ zu dem wahren heil zu fuͤhren/ und die meinige zur ausbeute davon zu tragen/ des we- gen auch keine arbeit zu scheuen/ ja auch druͤber was noͤthig ist zu leiden/ diesem vorsatz aber auch nachzukommen trachte/ so zeuget diese hertzliche liebe GOt- tes und des nechsten in mir/ daß ich durch den glauben/ dessen fruͤchten jene sind/ in goͤttlicher gnade stehe. Ob mir dann nun hingegen auch vor augen stehet/ wie so gar ich weit zuruͤck bleibe/ und weder ausrichte noch ausrichten kan/ was ich verlange/ und darnach arbeite/ auch GOTT solches von mir fordert/ weil ich gleichwol die meiste glieder der gemeinde in solchem stande sehe/ der entweder gewiß boͤse/ oder mir billich sehr verdaͤchtig ist/ so ists zwahr nicht ohn/ daß solches nicht anders als das gewissen aͤngsten/ und mit der ver- antwortung der verlohren gehenden seelen schrecken kan/ aber es bleibet doch der einige trost des Evangelii/ der uns/ nicht in stetem kampff mit der ver- zweiffelung endlich unterzugehen/ auffrichten kan. Wo wir erwegen/ daß der gnaͤdigste Vater/ der ja aus liebe der seligkeit der menschen das predig-amt eingesetzet/ und uns selbs zu demselben beruffen habe/ dasjenige/ wozu es geordnet/ nicht werde die ursach unserer verdamm- nuͤß werden lassen/ um anderer willen/ an denen wir nach vermoͤgen ar- beiten/ unsere eigene seele zu verlieren/ welches wider seine hochberuͤhm- te treue streiten wuͤrde: So kenne er auch die elende jetzige verfassung un- serer kirchen/ aus dero schuld auch die fleißigste und kluͤgste dennoch nicht/ was sie solten und wolten/ ausrichten koͤnnen/ nicht weniger kenne er unsere schwachheit/ neben den so vielen hindernuͤssen/ und trage also vielmehr er- barmen mit seinen armen dienern/ als daß er mit ihnen zuͤrnen/ und was sie um anderer seelen heils willen uͤbernehmen/ zu ihrem nachtheil gereichen las- sen solte. Ja die liebe/ da sie auch solche gefahr ihrer seelen um anderer wil- len uͤbernehmen/ wird statt bey seiner guͤte finden/ nicht mit ihnen zu verfah- ren ARTIC. II. SECTIO VII. ren nach dem es sonst scheinet/ daß die schaͤrffe der ihnen obligenden pflicht/ die ihrer seelen heil starck an der anvertrauten ihres bindet/ mit sich braͤchte/ sondern mit vielem schonen/ mit ihnen zu handeln. Dieses vertrauen aber recht zu gruͤnden/ und sich fest darinnen zu setzen ist noͤthig/ nicht allein daß man in dem articul der rechtfertigung wol gegruͤndet seye/ sondern insge- samt getrachtet habe/ in einer lebendigen erkaͤnntnuͤß des evangelii zustehen/ und mit demselben immer umzugehen/ damit es tieffe wurtzel in dem hertzen fasse. Da wird sich auch der scrupel, daruͤber derselbe klaget/ bald heben lassen/ wann er sorget/ er habe nicht die gaben in demjenigen maaß/ als etwa einige geistreiche Theologi haͤtten: Dann daß ich nicht sage/ daß er selbs von dem maaß seiner gaben nicht wol zu urtheilen vermoͤge/ in dem insgemein der HErr seinen kindern solches maaß also verbirget/ daß was in anderer au- gen groß ist/ in den ihrigen ihnen klein vorkom̃et/ so lehret uns das Evange- lium/ wo wir es uns recht eingetruckt/ also bald daß GOtt nicht nach dem maaß unserer gaben/ oder auch was wir damit ausrichten/ vor seinem ge- richt mit uns handele/ sondern nach seiner gnade in CHristo JEsu/ daran sich unser glaube haͤlt; daß aber dieser ein wahrer lebendiger glaube seye/ ist uns zum zeugnuͤß genug/ daß wirs in unserm amt treulich meinen/ und die- ses/ ob wol in schwachheit/ doch in aufrichtiger liebe CHristi und der seelen verwalten. Wie nun das maaß der gaben nicht in unserer hand stehet/ son- dern der HErr dasselbe nach seinem wolgefallen austheilet/ so fordert der HErr von nns mehr nicht/ als er uns gegeben hat/ und wieweit solches hin- reichet. Daß das sontags-tantzen eine schwere last auf dem hertzen seye/ kan ich leicht ermessen/ so vielmehr weil keine muͤglichkeit zu sehen durch menschliche huͤlffe solchem unwesen zu steuren. Wie denn leicht erachte/ daß bey dem Abt nichts zu erhalten/ in dem man in der Roͤmischen kirchen insge- mein uͤber der sontags-feyr/ wo nur der meß ihre zeit gegoͤnnet ist/ wenig ge- halten/ oder sie sehr nothwendig geachtet wird. Ja wie so viele noch bey uns im schwang gehende suͤnden aus dem Papstum ihren ursprung herha- ben/ also sonderlich entstehet auch daher die vermeinte freyheit allerley welt- liche ergoͤtzlichkeiten auff den sontag anzustellen/ damit ihrer viele wol gar gedencken dem heiligen tage eine ehre zu erweisen. Was aber den Hr. von N N. anlanget/ wo ich an seiner stelle waͤre (da ich gleich wol im uͤbrigen nechst geliebten Bruders ihm zu getheilten ruhm auch ander gutes zeugnuͤß von ihm gehoͤret) hielte ich mich verbunden/ daß ich aufs wenigste an mei- nem ort nach vermoͤgen solcher uͤppigkeit steurete/ denn ob es wol an dem/ daß man den leuten nicht gnug verwehren kan/ anderwertlich hinzulauffen/ wo sie es etwa aͤrger als zu hause machen/ so hielte doch 1. daß ich aufs wenigste B b b b b 2 mein Das fuͤnffte Capitel. mein gewissen so ferne gerettet/ die suͤnde von meinem ort abzuwenden. 2. So bleiben diejenigen/ die kein wolgefallen an solchem unwesen haben/ und deswegen zuruͤcke bleiben/ in mehr ruhe/ da hingegen wo in dem flecken selbs solche uͤppigkeit vorgehet/ manche fast wider ihren willen mit darzu hinge- rissen werden/ oder sich doch eher verleiten lassen/ die nicht eben an andere ort der sache nachlauffen/ also werden immer etliche abgehalten/ daß sie nicht in die gemeinschafft der suͤnden kommen. Zu geschweigen daß bey allerhand wetter wiederum aus noth viele daheim bleiben/ und gleichwol den sontag besser anwenden/ die sonsten/ wo sie die schnoͤde lust an dem ort selbs gehabt/ sich mit verfuͤhren haͤtten lassen. 3. Daher zu hoffen/ daß allgemach einige von dem unfug/ darzu sie die reitzung nicht vor augen haben und ihnen auch der Obrigkeit mißfallen an der sache einleuchtet/ gantz abgezogen/ und immer eines exempel an dem an- dern fruchtbar werden moͤchte/ biß endlich durch GOttes seegen die meisten gewonnen wuͤrden/ so bey fortwaͤhrenden remonstrationen zu hoffen waͤre. Jndessen ist dieses und so vieles anders ein offenbares zeugnuͤß des schreckli- chen verderbens in der kirchen/ da wir solche aͤrgernuͤß vor augen sehen muͤssen und ihnen doch nicht abhelffen koͤnnen: Hingegen ohne voͤllige zerrittung der gantzen gemeinde diejenigen mittel dargegen/ die nuͤtzlich/ ja in besserer verfassung unserer kirchen allerdings noͤthig waͤren/ nicht brauchen doͤrffen/ wollen wirs nicht noch aͤrger machen. Wie ich denn mit denenjenigen nicht einstimmen kan/ welche lieber gar nicht in dem amte seyn wollen/ als daß sie etwas desjenigen zuruͤck lassen wolten/ was sie ihres amts zu seyn achten/ a- ber darzu nicht gelangen koͤnnen. Welche meinung und entschluß ich sehr gefaͤhrlich achte/ und wo sie bey vielen platz finden/ der gantzen kirchen ruin nach sich ziehen/ das ist/ sie treuer diener berauben/ und vollends in die haͤnde von lauter miedlingen uͤberantworten wuͤrde. Hingegen bleiben bey mir die- se reglen. 1. Was an und vor sich selbst unrecht ist/ darff nie aus keiner absicht ei- nes nutzes gethan werden. 2. Was schlechterdings nothwendig ist/ habe ich nicht macht/ aus scheu des draus entstehenden ungemachs zu unterlassen. 3. Was nuͤtzlich ist/ GOttes ehre und der menschen heil befoͤrdern kan/ darff ich um meines leidens willen/ dafern ich gleichwol jenes ausrichten koͤnte/ nicht unterlassen. 4. Wo aber etwas gut und nuͤtzlich waͤre/ ich sehe aber/ daß ich nichts mit ausrichten/ sondern mehr suͤnden dadurch veranlassen/ hingegen ander gu- tes/ so von mir oder andern geschehen wuͤrde koͤnnen/ hindern werde/ so habe ich es macht zu unterlassen/ und suͤndige dar mit nicht. 5. Wo ARTIC . II. SECTIO VIII. 5. Wo mir einkaͤme/ mein amt eher niederzulegen/ als etwas dessen aus gedachter ursach und in der noth zu unterlassen/ wuͤrde mich fuͤr dem urtheil dessen Matth. 25/ 26. fuͤrchten/ der lieber sein pfund im schweiß-tuch bewah- ren wolte/ weil er sorgte/ er koͤnte nicht gnug damit wuchern/ hingegen seye der HErr strenge/ und moͤchte zu viel fordern. Der HErr gebe uns aber selbs in allem seinen willen mit versicherung unsers gewissens zu erkennen/ regiere uns mit seinem heiligen Geist/ trage gedult mit unserer schwachheit/ raͤume die viele hindernuͤssen auf eine seite/ und erfuͤlle endlich an seiner kirchen/ wo die zeit der gerichte wird vorbey seyn/ seine herrliche verheissungen/ daß er sich auffmachen und eine huͤlffe schaffen wolle/ daß man getrost lehren koͤnne. Amen. 1699. SECTIO VIII. Trost und rath an einen von amts-sorgen geaͤngste- ten Prediger. E S ist mir aus geliebten Bruders briefe dieses vornemlich unangenehm gewesen/ zu hoͤren/ daß dessen kraͤffte sehr abgemattet waͤren/ und er sich einer ehen den auffloͤsung getroͤste. Dann ob ich wol geliebtem Bruder/ dessen hertzens-kummer offt in meinem schooß ausgeschuͤttet worden/ gern glaube/ daß derselbe sich nach der ruhe sehne/ ihm auch alles billich in liebe goͤnnen solle/ worinn ihm wohl seyn kan/ so wird derselbe mir gleich wol nicht verdencken/ daß ich hierinnen seine privat- liebe der liebe der kirchen nachsetze/ und die erfuͤllung seines eigenen verlangens/ was die auffloͤsung betrifft/ lie- ber weit hinaus verschoben zu werden GOtt bitte. Und wie unser liebe Lu- therus an Fr. Myconium geschrieben/ der HErr lasse mich ja nicht hoͤren/ so lang ich lebe/ daß ihr gestorben seyd/ so mag und soll ich Gott auch nicht anders uͤber geliebten Bruder als auch auff diese art anruffen/ ob ich schon mit solcher krafft des Geistes solches jenem theuren Gottes mann nicht gleich zu thun vermag: Mich aber dessen getroͤste/ GOtt werde den gebrauch der in ihn gelegten gaben/ und sein auffrichtiges hertz/ mit welchem er dieselbe an- zuwenden beflissen ist/ sich selbs bewegen lassen/ daß er denselben noch zu vie- ler frucht lange zeit erhalte/ und wenn er mich uͤber kurtz oder lang/ welches in seinem heiligen rath stehet/ abfordern wird/ mir meinen abschied auch dar- inn leicht machen/ daß ich mich an ihm und einigen andern christlichen mitbruͤ- bern/ dergleichen leute zu hinterlassen getroͤsten mag/ durch die alles/ wo an mir ja etwas zu entgehen schiene/ gnugsam ersetzt bliebe. Jndessen will ge- liebten Bruder hertzlich erinnert und gebeten haben/ so viel gleichwol natuͤr- licher weise geschehen kan/ daß er sich nach vermoͤgen conservi re. Jch habe B b b b b 3 die Das fuͤnffte Capitel. die ihm von GOtt verliehene kraͤfften des leibes bißher allezeit mit freuden also angesehen/ daß die arbeit des leibes demselben nicht eben so sehr abbruch thun solte. Wuͤrde er aber dennoch finden/ daß die arbeit zu viel waͤre/ und ihn zu starck truckte/ so ersuche hertzlich/ den nutzen der kirchen und GOttes ehre auff mehrere jahr hinaus zu befoͤrdern/ dem eyffer des geistes in dem ge- gen waͤrtigen gleich alles zu thun vorzusetzen/ und also von der arbeit ein zu- ziehen/ was muͤglich waͤre. Weil ich aber mehr sorge den kraͤfften bey ihm zu- gesetzt zu werden durch die gemuͤths-unruhe/ sorge und aͤngsten; erachte ich zwahr leicht/ daß geliebter Bruder zu denselben ursach uͤberfluͤßig habe/ sage auch nicht/ daß die dinge/ uͤber welche ich davor halte/ daß er sich herme/ des- sen nicht werth seyen/ jedoch fordere ich billich/ daß derselbe nach allem ver- moͤgen sich darinn maͤßige. Es ist abermal hierbey meine meinung nicht/ daß geliebter Bruder nicht solte seine amts-sorge sich lassen treulich angele- gen seyn/ tag und nacht hertzlich beten/ nach vermoͤgen gelegenheit seine ge- meinde zu erbauen suchen/ und immer was er publice und privatim vornim- met/ sorgfaͤltig vor dem HErrn uͤberlegen/ wie es am rathsamsten und nuͤtz- lichsten angegriffen werden koͤnne. Diese sorgen sind noͤthig und gesegnet/ sie werden aber am wenigsten den leib schwaͤchen. Wo er aber alles vor dem HErrn uͤberleget/ und in seiner furcht geschlossen und gethan/ was ihm GOtt hat vorkommen lassen/ da bitte ich alsdann uͤber den eventum nicht mehr weiter zu sorgen/ sondern ihn dem HErrn lediglich heimzustellen/ und wo er denn sihet/ daß der zweck nicht erhalten worden/ sondern die sache wol gar wi- drig ausgeschlagen/ sich im geringsten nicht mehr weiter zu aͤngsten/ sondern dem alsdenn alles getrost zu uͤberlassen/ dessen mehr als unser/ alles solches ist/ und der seine heilige ursachen hat/ warum er diß oder ein ander mal eine sache von statten gehen oder nicht gehen lassen wolle. Ja gar ob er auch sehen solte/ daß von ihm gefehlt worden/ und solchem fehler der nicht gefolgte fort- gang zu geschrieben werden koͤnte/ sage ich zwahr nicht/ daß man sich nicht deswegen vor GOtt bußfertig zu demuͤthigen habe; ich achte aber dennoch auch alsdann wohlgethan zu seyn/ zugleich auff die goͤttliche fuͤgung/ so un- sern fehler zugelassen/ so wol als auff denselben selbs/ zu sehen/ und zu glau- ben/ daß auch diese nicht ohne goͤttlichen rath vorgehen/ und der erfolg von derselben bestimmet seye. Damit wird das gemuͤth nie beaͤngstiget/ da oh- ne das die angst niemal nutzet/ wol aber das hertz abnagen kan. Jch wei- se sonsten andere christliche mitbruͤder nicht leicht auff mein exempel/ weil ich weiß/ wie viel mir noch mangelt: Jn diesem aber traue ich darauff zu provo- ci ren/ wie nemlich ich dieses das mittel gefunden/ dadurch mich GOtt unter den vielen obligenheiten/ sorgen und anstoͤssen dannoch meistens in einer fei- nen ruhe des gemuͤths erhaͤlt/ weil ich es damit lasse gnug seyn/ in der furcht des ARTIC . II. SECTIO IX. des HErrn uñ mit seiner anruffung alles sorgfaͤltig zwahr zu uͤberlegen/ was zuthun seye/ wañ ich aber einmal geschlossen/ und die sach verrichtet/ mich nicht weiter zu aͤngsten/ es schlage aus wie es wolle/ sondern mich unter die gewal- tige hand GOttes hinzu werffen/ die macht habe alles gerathen oder mißra- then zu lassen/ nach ihrem wolgefallen/ ja auch meinẽ verstand in der wahl zu erleuchten oder finster zu lassen/ wie jedesmal zu ausfuͤhrung ihres raths am diensamsten ist. So viel nun sonsten die aͤngstliche sorgen uͤber den ausgang und betruͤbnuͤß uͤber dessen widrigkeit die lebens-kraͤfften schwaͤchen/ so viel thut hingegen zu der erhaltung/ wo man sich auff gedachte art in seines Va- ters hand hingibet/ und nicht nur thun/ sondern auch erfolgen lassen will/ was derselbe will. Eine dergleichen ruhe wuͤnsche ich nicht allein geliebtem Bruder von grund der seelen von dem treusten Vater/ sondern auch bitte so viel an mir ist/ er wolle so viel wiederum an ihm ist nach deroselben streben/ und sich auch damit GOtt und seiner kirche so viel laͤnger erhalten. Der HErr aber regiere uns allesamt/ wie es vor ihm gefaͤllig und dem zweck darzu er uns gesetzt/ am gemaͤssesten ist. 1689. SECTIO IX. Trost und rath an einen des beichtstuls wegen ge- aͤngsteten Prediger. W As die sorge und betruͤbnuͤß anlangt/ die noch des beichtstuls wegen denselben aͤngstiget/ befrembdet mich solche nicht/ weil ich weiß/ daß es die klage ist/ welche alle treue diener GOttes fuͤhren/ und ich auch die zeit uͤber/ als den beichtstul noch zu besitzen hatte/ meine last davon gnug gefuͤhlet habe. Jndessen womit ich mich damal getroͤstet und auffgerichtet/ damit troͤste gern auch andre meine Bruͤder. 1. Wo wir dem suͤnder die gefahr seiner suͤnden nachtruͤcklich gezeiget/ auch zur gnuͤge gewiesen haben/ daß alle absolution von menschen gesprochen in ihrer natur dem verstand nach condi- tionata, daher das vertrauen/ das ein unbußfertiger drauff setzet/ aus seiner eigenen schuld ein blosser betrug seye/ so haben wir unsre seelen errettet. Dic \& salvasti animam. Dazu kommt 2. daß wir sonderlich in einem ritu, der nicht goͤttlicher einsetzung/ sondern nur eine kirchen-anstalt ist/ nicht weiter zu gehen befugt sind/ als die kirche/ die uns dar zu beruffen/ macht gibet. 3. Da- her GOtt auch nicht mehr von uns fodern wird/ als daß wir in dem was uns anbefohlen ist/ nach der ertheilten macht treu erfunden werden/ da er unsre hertzen willig sihet/ mehr zu thun/ wo es in unsrer gewalt stuͤnde. 4. Ob see- len durch das vertrauen auff unsre absolution verlohren gehen/ kommt die schuld nicht auff uns/ die wir ihnen die gefahr treulich gezeiget/ und sie ge- warnet/ sondern auff sie selbs/ die sich wider unsre warnung muthwillig selbs betrie- Das fuͤnffte Capitel. betriegen/ und auf die uͤble verfassung unserer kirchen/ die wir zu aͤndern nicht vermoͤgen/ wie hertzlich wir auch daruͤber seufftzen. 5. Wo wir uns hefftiger widersetzen/ oder des wegendem kirchen-dienst gar entziehen wolten/ wuͤrden wir damit der sachen nicht rathen/ keine seelen weiter gewinnen/ sondern nur zu mehrern suͤnden ursach und anlaß geben/ und also sorglich noch mehrere in tieffere verdammnuͤß stuͤrtzen. Daher ist kein ander rath/ als thun/ was wir durch GOttes gnade noch vermoͤgen/ todt und leben allen deutlich vorlegen/ was wir nicht aͤndern koͤnnen mit gedult tragen/ und unablaͤßig zu GOTT seufftzen/ der sich unser/ und seiner kirche erbarme/ uns mit seiner gnade regie- re/ und endlich selbs/ was menschen nicht auszurichten vermoͤgen/ seine kir- che in bessern stand zu setzen/ sich auffmache/ welches er auch zu seiner zeit noch gewißlich thun wird. 1699. SECTIO X. Trost und rath an einen Prediger/ der um des guten willen getruckt zu werden sorgte. D Aß demselben versprechen solte/ daß er immer in ruhe bleiben/ und nicht starck an ihn gesetzet werde werden/ koͤnte ich nicht: Vielmehr ists etwas ungemeines zu dieser zeit/ wo einer/ der es mit dem reich Christi treu- lich meinet/ ohne starcken widerspruch und anfechtung bleibet. Lasset uns aber/ die wir wissen/ daß wir bey der reinen Evangelischen lehre (trotz aller verleumdung!) fest halten/ und nicht was das unsrige/ sondern was JESU Christi ist/ von hertzen suchen/ uns fuͤr der gewalt und macht der widersprecher nicht fuͤrchten. Dann der bey uns ist/ bleibet einmal viel maͤchtiger als sie bey gantzem hauffen sind/ und wird uns endlich sieg geben. Gibts etwas druͤber zu leiden/ so ists uns in der that mehr ehre als schande/ mehr nutzen als schade/ auch die sache wol wuͤrdig/ etwas dran zu wagen/ ja auch zu verliehren: Geschweige/ daß die widrige bereits ein starckes gericht GOttes an sich sehen lassen/ aus deme sie vieles ihrer sonst gewohnten weißheit vet lohren/ und da- her auf unterschiedliche aꝛt sich beꝛeits mehrmal deꝛmassen prostitui ret haben/ daß ich auch leute/ die eben meine freunde nicht sind/ weiß/ die auf sie/ als welche die sache gegen mich verderbet/ ungehalten worden sind/ und sich ihr geschaͤmet haben. Sie werden sich aber/ wo sich der HErr ihrer nicht erbarmet/ und zur erkaͤntnuͤß der lauteren wahrheit ihnen die augen oͤffnet/ so zwahr ihnen hertzlich goͤnne/ und GOTT drum anruffe/ immer noch weiter prostitui ren/ biß die zeit komme/ daß der HErr anders drein sehe. Doch wird der liebste Vater geliebtem Bruder die weißheit geben/ die widrige nicht zu reitzen/ viel- mehr von ihnen alles/ so lang man ihm nichts wider gewissen und wahrheit zumuthet/ mit gedult uͤber sich gehen zu lassen (wie wir dann offt durch leiden und ARTIC . II . SECTIO XI. und weichen den so gewissesten als herrlichsten sieg darvon tragen.) Wo aber jene noth leiden wollen/ alsdann mit freudigkeit ihnen den kopff zu biethen/ der gewissen ver sicherung/ sie koͤnnen nicht anders/ als daß sie endlich anlauf- fen und fallen muͤssen. 1696. SECTIO XI. Trost an einen christlichen Vrediger in der angst wegen des beicht-stuls und wenigem ausrichten in dem amt. Z U den lieben brieffen selbs zu kommen/ wie mir solche schon bereits um der hand willen angenehm gewesen/ so fassen sie auch meistens solchen inhalt in sich/ der mich auffrichtete und troͤstete/ indem ich neues zeug- nuͤß sahe/ wie der HErr seiner treuen diener arbeit nach seiner verheissung nicht ungesegnet lasse/ ob es wol sonsten so offt das ansehen gewinnen will/ ob waͤre er uns ein born worden/ der nicht mehr quellen wolle. Zwahr klagt werther Bruder annoch/ und kan sich an der frucht seiner arbeit nicht vergnuͤ- gen/ wie zwahr freylich nicht ohn ist/ daß weiln/ wie weit wir es bringen/ es dannoch sehr fern davon zuruͤckbleibet/ als wirs bringen solten/ wir also in nichts dessen/ was ausgerichtet worden/ zu beruhen/ sondern immer weiter fortzufahren haben: Jndessen ist dennoch/ wo der HErr so viele gnade bereits ertheilet/ diese auch wuͤrdig/ erkant zu werden/ und es billich/ sich und andere dadurch zu einem freudigen lobe GOttes auffzumuntern. Nun ists gewiß- lich schon sehr weit gebracht/ da derselbe seine schaafe/ auch nach dem innern/ auffs wenigste dem maaß ihrer erkaͤntnuͤß/ kennet/ wohin es wegen solcher hindernuͤssen/ denen auch die treueste nicht gnugsam gewachsen sind/ sie von sich abzulehnen/ der zwantzigste Prediger nicht bringen kan. Dann nach solcher erkaͤntnuͤß ists nachmal so viel leichter/ so wol die allgemeine reden und predigten nach erforderung dero erbauung einzurichten/ als auch die abson- derliche zuspruͤche und vermahnungen bey der beicht desto besser zu ihrer meh- rern frucht zu fassen. Daß man aber bey allem solchem noch nicht allemal gantz gewiß seye/ ob die confiten ten wuͤrdig seyen/ ist freylich wahr/ aber be- kenne dabey/ daß ich mich den kummer daruͤber nicht eben niederschlagen wolte lassen. Es ist die pruͤffung sein selbs einem jeglichen communicanten befoh- len/ nicht hauptsaͤchlich dem Prediger: Sondern dieses amt bestehet/ was sol- chen punct anlangt/ darinnen/ daß er seinem confitent en insgemein und ab- sonderlich anzeiget und anleitung gibet/ wie er sich selbs zu pruͤffen: Hat er dieses gethan/ so stehets allein zu jenes verantwortung/ wo er in der pruͤffung seiner selbs aus eigner schuld zuruͤcke bleibet/ an dem Prediger aber kans nicht gesuchet werden. Ferner/ weil die absolution so wol als das heilige abend- C c c c c mahl Das fuͤnffte Capitel. mahl ein all gemeines gut der kirchen ist/ dazu also alle deroselben glieder recht haben/ w eiß und bescheide ich mich wol/ daß ich solche evangelische guͤter eigen- maͤchtig keinem versagen kan/ welcher sie von mir fordert/ und sich als einen solchen darstellet/ der sich der goͤttlichen buß-ordnung zu bequemen zusaget. Zwahr kans geschehen/ daß einige kommen/ an dero redlichkeit der buß ich starcke ursach zu zweifflen habe/ da ich ihnen dann auch desto hertzlicher zuzu- sprechen/ und ihnen die gefahr/ wo sie sich GOTT zu betriegen unterstehen wolten/ zu zeigen/ sie auch vor dem gebrauch dessen/ was ihnen nicht nuͤtzlich seyn moͤchte/ zu warnen habe. Wollen sie aber dabey nicht beruhen/ sondern sich vor bußfertig halten/ stehet alsdann nicht mehr in meiner macht/ ihnen zu versagen/ was nicht mein gut ist/ sondern der kirchen/ von dero ich zu der aus- theilung gesetzt bin/ und sie also keinem derer vorenthalten darff/ welche sie noch fuͤr ihre bruͤder und schwestern erkennet. Auffs hoͤchste/ doͤrffte ich nicht weiter gehen/ als die sache an die gemeinde oder diejenige/ so dieselbe re- præsenti ren/ bringen/ und von derselben den entscheid erwarten/ wofuͤr sie einen solchen erkenne. Und ach daß nur solche rechte kirchen-gerichte/ dazu die gemeinden von GOttes wegen recht haben/ aller orten waͤren/ so wuͤrden unsere/ der Prediger/ gewissen grossen theils sehr erleichtert werden: Hinge- gen beseuffze ich kaum etwas hertzlicher/ als diesen mangel/ und glaube/ daß es einer von denen seye/ so uns das meiste andere verderben und einen fluch uͤber den halß gezogen hat. Jndessen stehets so gar nicht in eines oder andern un- ter uns haͤnden/ dergleichen in die ordnung zu bringen/ daß ich alle unsere ver- fassungen also ansehe/ daß ohne goͤttliches wunderwerck keine huͤlffe zu hoffen/ und es nunmehr menschlicher weise eine blosse unmoͤglichkeit worden seye: Ja ich sehe/ was das aͤrgste ist/ daß auch meistens die gemeinden so bewandt/ daß sie zu uͤbung ihrer rechten nicht tuͤchtig/ und noch zu zweiffeln waͤre/ ob ih- nen dieselbe in solcher bewandnuͤß zu uͤberantworten. Jndessen stecken wir freylich/ und wissen nicht/ wie zu rathen. Zwahr ob auch solche ordnung in dem rechten schwang waͤre/ wuͤrde dennoch damit nicht aller unwuͤrdigen admission gnugsam gewehret werden/ denn es traͤffe dennoch solches kirchen- gericht nichts anders als die ausbrechenden aͤrgernuͤssen: Wie auch in der ersten kirchen keine andere von den heiligen guͤtern ausgeschlossen wurden/ als dero suͤnde in ziemlich grobe aͤrgernuͤssen ausgebrochen war. Ob ich aber wol solche leute vor den beicht-stul bekomme/ die also keiner solchen censur vor einem kirchen-gericht/ wo dasselbe in guter ordnung vorhanden waͤre/ schuldig waͤren/ dahero an ihrer zulassung kein zweiffel seyn kan/ bin ich dannoch in der seele nicht gantz gewiß versichert/ daß sie bußfertig/ und die absolution an ih- nen kraͤfftig seye: Deßwegen bleibet mein vornehmster grund/ darauf ich baue/ daß uͤber dergleichen mich nicht zu aͤngstigen ursach habe/ dieser/ weil nemlich alle ARTIC. II. SECTIO XI. alle unsere/ der Prediger/ die in die hertzen nicht sehen koͤnnen/ absolution, mit was formali en sie auch immermehr abgefasset werden moͤchte/ nicht anders als conditionata, und also von uns gemeinet seye/ wofern nemlich das hertz des confi ent en wahrhafftig auch bußfertig/ und also so bewandt seye/ wie er sich in der beicht bekennet. Damit nun der andere sich nicht vergeblich troͤste/ oder sich der absolution, die ihm nicht zukommet/ weil sie ihm gleichwol ge- sprochen worden/ annehmende sich selbs betriege/ so halte ichs fuͤr gantz noth- wendig/ wie es auch selbs offt thue/ denen zuhoͤrern manchmal duͤrre und klahr vorzustellen/ daß keiner den geringsten nutzen von der absolution schoͤpffen koͤnne/ ob sie ihm auch hundertmal gesprochen wuͤrde/ er seye dann in seiner seele wahrhafftig bußfertig und glaͤubig. Wo dieses den leuten so offt und deutlich vorgestellet wird/ daß sie davon in ihrem gewissen uͤberzeuget sind/ so faͤllet damit die staͤrckung ihrer sicherheit/ welche sie sonsten aus dem opere operato der beicht und absolution nehmen/ und wir nicht ohne schwehre schuld seyn wuͤrden/ wenn wir ihnen solchen irrthum nicht benaͤhmen. Jm uͤbrigen/ weiln das beicht - wesen die groͤste last unsers amts ist/ und die meiste gewissens-aͤngsten macht/ so erfahren wir aus solchem exempel/ wie die beste menschliche anstalten/ so aus wichtigen und nuͤtzlichen ursachen gemacht wor- den sind/ endlich eben so viel uͤbels als gutes nach sich ziehen koͤnnen. Denn ob es wol an dem ist/ daß die absolution selbs nicht eine menschliche erfin- dung/ sondern goͤttliche einsetzung ist/ dahero allezeit in der kirche hat sollen seyn und gewest ist/ daß so wol die gefallene suͤnder durch die vergebung wie- derum mit GOTT und der gemeinde versoͤhnet/ als auch jeder Christ/ der in seinem hertzen der suͤnden wegen gewissens-aͤngste empfindet/ dadurch gestaͤr- cket und auffgerichtet wuͤrde/ so ist gleichwol unser jetziges beicht-wesen/ daß ein jeder zu gewissen zeiten seine beicht ablegen/ und die absolution suchen/ keiner hingegen/ ohne/ daß dergleichen vorgegangen waͤre/ zur heiligen com- munion gelassen werden solte/ nichts anders als eine kirchen ceremonie/ die bekantlich weder von Christo selbs eingesetzt/ noch in den ersten kirchen uͤblich gewesen/ sondern etwas spaͤter eingefuͤhret worden ist: Jch leugne zwahr nicht/ daß es seinen nutzen hat/ so gar/ daß ob es auch in meiner hand stuͤnde/ alles abzuschaffen/ ich sehr anstehe/ ob mich noch derzeit dazu resolvi ren wol- te/ indessen wo ich auch die viele incommoda dabey wahrnehme/ und was un- ser gewissen daruͤber leiden muß/ betrachte/ weiß ich fast nicht/ ob ich den nutzen oder schaden groͤsser halten solle. Es bleibet mir aber dabey kaum etwas an- ders uͤber/ als daß ich es mit andern stuͤcken unsrer verderbnuͤß demjenigen vortrage/ welcher allein helffen kan/ wo aller menschen huͤlffe nicht mehr zu- langen mag. Daß im uͤbrigen geliebter Bruder in seiner klage die meiste schuld endlich denjenigen gibt/ welche in unserem stande leben/ aber mehr sich C c c c c 2 als Das fuͤnffte Capitel. als den HErrn suchen/ unterschreibe so bald mit/ und erfahre solches zu allen zeiten/ wie wahrhafftig die groͤsseste hindernuͤssen des reichs Christi von denen kommen/ welche zu dessen dienern beruffen sind. Jedoch wirds nicht immer al- so bleiben/ sondern sich der HErr dermaleins auffmachen/ und die kinder Levi reinigen und laͤutern/ besorglich zwahr mit einer nicht wenig schmertzlichen probe/ und da vieles von den schlacken daruͤber verbrennen doͤrffte: Aber gnug/ wo nur der ehre des HErrn und seiner kirchen gerathen wird. Ehe aber jenes geschihet/ so besorglich fast kaum anders als durch eine voͤllige umkehrung un- sers gantzen eusserlichen wesens geschehen mag/ fuͤrchte ich sehr/ daß wir/ ob wir da und dort nach allem vermoͤgen in der gnade GOttes zu arbeiten uns befleissen/ dennoch schwehrlich etwas/ so der rede werth waͤre/ und in die augen fiele/ ausrichten/ oder eine gemeine reformation ausrichten werden/ sondern wir werdens uns muͤssen daran lassen gnug seyn/ daß wir ein und andere le- bendige steine itzo noch bereiten/ ob wir sie schon in die rechte ordnung noch nicht zu setzen vermoͤgen/ die der HErr aber alsdenn gebrauchen und ordnen wird/ wenn die stunde vorhanden ist/ daß er sein zerfallenes Zion wiederum baue. Bleibet also itzund eine zeit allein der vorbereitung/ nicht aber der oͤf- fentlichen und durchgehenden besserung/ ob wir zwahr freylich auch an dieser nach allen kraͤfften zu arbeiten/ und allen versuch zu thun/ und alsdenn dem HErrn den fort- und ausgang zu empfehlen haben. Die betrachtung die- ses zustandes unsrer zeit und gleichsam dessen characteris in der forcht des HErrn angestellet/ hoffe daß sie nicht wenig manchen unsern kummer stillen/ und uns zu der arbeit/ ob wir auch in der gegenwaͤrtigen nichts auszurichten sehen/ weil wir aufhoffnung des kuͤnfftigen meistentheils arbeiten/ freudiger machen solle. Es sind aber dinge/ die sich nicht so wol schrifftlich austrucken lassen/ als zu einer muͤndlichen unterredung eine bequeme materi geben koͤnte. Daß im uͤbrigen ich aus dem/ da geliebter Bruder mir in dem letzten davon einige vertroͤstung thut/ nun mehr hoffen kan/ die freude zu haben uns einmal selbs zu sehen/ und in dem HErrn uns zu erbauen/ ist mir bereits vorher eine grosse freude/ und warte ich mit verlangen/ wenn die goͤttliche guͤte denselben dieser orte herbringen/ und meine hoffnung erfuͤllen wolle/ so vielmehr da wir beyderseits keine fleischliche absichten dabey haben/ noch irrdische lust bey- sammen suchen wollen/ sondern begierde tragen/ von dem was des HErrn ist/ uns in seiner furcht zu unterreden/ untereinander zu staͤrcken/ und die hertzen so viel genauer zu verbinden. Nun ich lebe so viel gewisser zuversicht/ daß es der HErr dann nach seiner guͤte und weißheit also fuͤgen werde: indessen sind wir taͤglich vor dem HErrn und seinem angesicht in gebet beysammen/ undvergnuͤgen uns so lange mit jener art der gegenwart/ biß uns der liebste Vater auch die andre goͤnnet. 1688. SECTIO ARTIC. II. SECTIO XII. SECTIO XII . Trost an einen Prediger der keine frucht seiner ar- beit zu sehen meinete. W As die klage anlanget uͤber die unwissenheit seiner gemeinde/ und das rohe wesen/ dem man kaum steuren koͤnne/ so dann/ daß er der recht- schaffenen fruͤchte seiner arbeit nicht gewahr werde/ seye derselbe ver- sichert/ es seyen die klagen/ welche mit uns auch anderer orten unsre bruͤder fuͤhren/ ja wo wir uns hinwenden/ solche hoͤren/ und die ursachen darzu sehen muͤssen. Jch hoͤre auch hier in denen Saͤchsischen landen so viel gottselige leh- rer seufftzen uͤber die grausame unwissenheit der leute/ und wie bey so vielen kaum einige erkaͤntnuͤß von den noͤthigsten glaubens-puncten sich finde/ ja oh- ne den nahmen Christi fast das geringste nicht von einigem christlichen anzu- treffen seye. Jch sehe auch so viel hindernuͤssen in dem wege stehen/ daß mit den vorschlaͤgen/ wie die leute zu einer gruͤndlichen erkaͤntnuͤß GOttes gebracht werden koͤnten/ sehr schwehr ist durch zubrechen/ und wol eine goͤttliche krafft noͤthig seyn wird. Wo aber auch endlich einige wissenschafft der glaubens- materien den leuten in den kopff gebracht wird/ wie man etwa an einigen or- ten sich noch zimlicher buchstaͤblicher erkaͤntnuͤß ruͤhmen moͤchte/ ist das be- truͤbteste/ daß dennoch auch bey denen noch zimlich unterrichteten leuten we- nig besseres Christenthum sich zeiget/ als bey andern unwissenden/ zum zeug- nuͤß/ daß was bey denselben mit fleiß endlich in den kopff gebracht worden/ dannoch nicht so bald in das hertz gebracht oder darinnen lebendig werde. Da gleichwol wo dieses nicht geschihet/ die buchstaͤbliche erkaͤntnuͤß leicht so viel schaden mag/ wegen desto schwehrerer verantwortung/ als sie nicht nutzet vor dem gericht dessen/ der uns nicht nach unserm wissen/ sondern des hertzens be- wandnuͤß urtheilet. Also sehen wir/ wohin wir auch die augen wenden/ wenig was uns erfreuet/ mehr aber/ was uns so betruͤbet als aͤngstet. Jndessen aber/ geliebter Bruder/ lasset uns dadurch nicht so niedergeschlagen werden/ daß wir die haͤnde sincken/ und alle hoffnung schwinden lassen wolten/ sondern ernstlich fortfahren in dem werck/ dazu uns der HErr setzet/ hertzlich beten/ und die so zeit als maaß des segens zu unserer arbeit lediglich dem HErrn uͤ- berlassen: mit dieser staͤten vorstellung/ wir leben itzo wegen der vorherge- gangenen schrecklichen undanckbarkeit/ in denjenigen zeiten des gerichts/ da uns GOtt gleichsam worden ist/ wie ein brunn/ der nicht mehr quellen will/ und wir gantz wenig frucht einiger unsrer arbeit gewahr werden. Wir muͤs- sen aber auch in solchem stande dem HErrn aushalten/ und mit demuͤthiger zufriedenheit seine heilige verfuͤgung verehren: dabey gleichwol versichert/ die arbeit mit redlichem hertzen in der furcht des HErrn gethan/ koͤnne nie- C c c c c 3 mal Das fuͤnffte Capitel. mal gantz ohne frucht bleiben/ als welches der goͤttlichen verheissung entge- gen waͤre. Ob wir also wol meinen/ es seye gantz keine frucht geschaffet wor- den/ auffs wenigste keine rechte geistes-frucht/ wo uns aber unser gewissen dabey gleichwol zeugnuͤß gibt/ wir haben das lautere wort Gottes nach dem vermoͤgen/ das uns der HErr ertheilet/ getrieben/ und gerne treu erfunden wollen werden/ so bleibets gewiß dabey/ es ist dannoch die arbeit nicht gar vergebens: nicht nur so ferne/ als der HErr unsere arbeit und dienst selbsten in gnaden ansihet/ und denselben ihren gnaden-lohn nicht versaget/ sondern auch/ daß allezeit bey einigen die krafft des Geistes durchdringet. Daher/ ob wir auch schon noch nicht sehen/ was wir verlangen/ so folgt noch nicht/ daß davon nichts geschehen sey. Der HErr verbirgt uns vieles/ daß er uns vor hoch muth bewahre/ zu fleißigerm gebet und fleiß antreibe/ und unsern glau- ben und gedult uͤbe; Es ist offt ein koͤrnlein noch lebendig/ so in den hertzen li- get/ ob es wol noch nicht auffgegangen/ aber der HErr durch einen gesegneten regen es einmal wird anfeuchten und auffgehen lassen. Es ist offt allein eine gruͤne saat auffgegangen/ die wir nur vor unfruchtbar graß achten/ weil sich die aͤhren noch nicht weisen/ indessen ist doch eine fruchtbare krafft darinnen/ die zu seiner zeit sich weiter vorthun wird nach Marc. 4/ 28. Also stehet nns zu/ zu thun/ was der HErr uns befohlen hat/ und ihm die sache zu befeh- len: in seiner hand aber bleibet zu wuͤrcken/ wie viel er will/ zu jegliches men- schen bekehrung/ zu segnen wen er will/ die zeit zu ordnen/ wie er will. Ja sol- te er auch vieles/ und das meiste unsers amts/ darzu lassen ausschlagen/ daß es nur zum zeugnuͤß uͤber die zuhoͤrer dienete/ und ein geruch des todes zum tode wuͤrde/ haben wir doch nicht zu murren. Er ist der HErr, und wir seine diener/ wo er uns dann/ da wir verlangten werckzeuge seiner barmhertzigkeit zu seyn/ bey vielen laͤsset diener seiner gerechtigkeit werden/ an denen/ die dem verderben zueylen/ so hat ers macht/ wir aber muͤssen sagen: dein wille ist al- lezeit gut/ wo er auch unserm besten willen zuwider ist/ er geschehe also von uns/ in uns/ durch uns/ in zeit und ewigkeit. Nun er lasse uns allen diese Lection recht lernen/ daß wir nicht nur den worten davon beypflichten/ son- dern auch unser hertz damit erfuͤllet werde. 1686. SECTIO XIII. An einen Prediger/ der zu wissen verlangte/ ob sein gutes aus GOtt oder nur aus der natur seye. J Eh preise billich die guͤte des himmlischen Vaters/ der nach dessen eige- ner bekaͤntnuͤß derselben dahin gefuͤhret/ so wol die gemeine als auch eigne unwissenheit des rechtschaffenen wesens in CHristo/ in welcher so ARTIC . II. SECTIO . XIII. so viele auch amtspersonen leider stehen/ zu erkennen/ und auf richtigeren weg zu treten/ sondern auch mich duꝛch diese kundmachung und also neues exempel bekraͤfftiget hat: Da mir sonst von meinen widersachern so offt widerspro- chen/ und als eine laͤsterung ausgedeutet wird/ daß ich von diesem auch in unsern ordinem eingeschlichenen verderben je zu weilen meine klage ausge- schuͤttet habe/ auch noch etwa bey gelegenheit ausschuͤtte. Und wie solte man sich so wol solcher wehmuͤthigen klagen entbrechen koͤnnen/ wenn man erwe- get die grosse gefahr/ die daher den gemeinden entstehet? Dann lasse gelten/ ein prediger handelt die uͤbrigen glaubens-articul der goͤttlichen wahrheit conform, was nuͤtzet es seinen zuhoͤrern/ wo sie an statt eines wahren glau- bens/ von denen ihnen die seeligkeit versprochen wird/ sich mit einem eingebil- deten wahnglauben betriegen? Daher wie ja der articul der rechtfertigung das hertz der evangelischen religion ist/ und billich dessen erkaͤntnuͤß vor allen andern auff den universi taͤten den studiosis eingetruckt werden solle/ so solte auch billich die art und bewandnuͤß des wahren glaubens mit grosser sorgfalt allen vorgebildet werden: Darzu unser liebe Lutherus an so vielen orten die herrlichste anweisung gibet. Wie er denn nicht allein in der be- kannten vorrede uͤber die Roͤmer (welche stelle auch in die Form. Concordiæ gesetzt/ und von den unsrigen damit besonders auctorisi rt worden ist) son- dern auch anderswo die art des glaubens stattlich zeiget: ja gar die sicher- heit/ die aus einem erdichteten glauben herkommt/ aͤrger haͤlt/ als alle irr- thumer/ die vor dem gewesen sind T. 2. Alt. f. 11. a. Sehe also gewiß nicht/ wie es verantwortlich/ wo es Professores an sich ermanglen lassen/ daß sie nicht allen studiosis auch diese wahrheit deutlich und nachtruͤcklich vorstel- len. Geliebter Brnder aber wird billich dem grossen GOtt dancken/ der ihm auch in diesem stuͤck das liecht seiner wahrheit aufgehen lassen/ so wol zu sei- nem eigenen heil/ als auch andre ohne fehl fuͤhren zu koͤnnen. Der HErr gebe gnade daß durch seinen dienst vielen/ die noch jetzo in sicherheit stehen/ die augen gleichfals seeliglich geoͤffnet/ ja alle zu der wahren erkaͤntnuͤß ge- bracht werden. Daß denselben ihrer mehrere an mir haben irre machen wol- len/ wundere mich nicht/ nach dem ich von mehreren jahren das objectum ge- wesen/ an dem sich mit urtheilen fast jederman uͤben wollen/ ein grosser theil aber/ theils aus boßheit/ theils von andern eingenommen/ und aus blindem eyffer der wahrheit und liebe darinnen vergessen haben/ welches ihnen aber der HErr zu erkennen geben/ und nicht zurechnen wolle: wie ichs ihnen/ als der menschlichen schwachheit wol kuͤndig/ von hertzen vergebe/ von GOtt aber auch die freude unterschiedlich bekommen/ daß einige der letzten art/ die doch hefftig eine weil gegen mich durch andere erbittert gewesen waren/ nicht allein von demselben zur erkaͤntnuͤß ihres unrechts gebracht worden/ son- Das fuͤnffte Capitel. sondern auch solches schrifftlich gegen mich bezeuget haben. Sonderlich a- ber ist, mir lieb gewesen/ nachdem es Gott gefallen (dem auch schlechterdings alle dessen ehre einig gebuͤhret/ und mir nichts zuzumessen habe) meine schrifften dazu zu segnen/ daß sie eine gelegenheit wuͤrden/ der ordnung des heils besser nachzudencken/ und in der wahrheit befestiget zu werden/ daß der- selbe bezeuget solche gewesen zu seyn/ theils die allzu grobe und greiffliche Calumnien, theils die streitschrifften zwischen Hrn. D. Pfeiffern und mir. Weil erkenne/ aus jenem/ daß der HErr nach seiner weißheit und guͤte aus dem boͤsen gutes und die luͤgen zur anleitung der wahrheit machen kan/ aus diesem aber/ daß auch die streit-schrifften/ darmit viele gesorget/ die zeit gantz vergeblich angewendet zu werden/ nicht gantz ohne frucht geblieben sind. Wie dann ob wol sonsten zu streit wenig belieben trage/ auch darinnen goͤttliche regirung danckbarlich erkannt/ daß mir durch meine gegner anlaßgegeben/ ja ich gleichsam genoͤthiget worden/ einige materien vorzunehmen und aus- zufuͤhren/ darzu ich sonsten ausser solcher veranlassung kaum wuͤrde gekom- men seyn. Jch komme aber so bald auff die haupt-absicht des lieben schrei- bens/ da mein werther Herr vor sich und andere wegen daruͤber auffgestie- gener und beywohnender scrupel, ein unbetriegliches kennzeichen verlangt/ ob seine jetzige begierde guts zu thun und die welt zu verleugnen aus GOtt oder aus der natur seye. Nun bin ich nicht ungeneigt/ christli- chen freunden auff ihre begehren nach vermoͤgen zu antworten/ ich sehe aber diese anfrage also an/ daß zu dero voͤlligen beantwortung die maaß eines brieffs nicht zu langen sondern ein gantzes buch erfordert werden wuͤrde. Denn zwahr die antwort kurtz gefast werden kan/ es seye solches kennzeichen der wahre lebendige glaube/ der durch die wahre liebe Gottes und des nech- sten thaͤtig ist. Es wird aber ohne zweiffel auch die meinung seyn/ woraus man ferner/ daß unser glaube so dann liebe GOttes und des nechsten rechter art seye/ kennen/ also das richtige vom falschen schein unterscheiden koͤnne und solle. Diese materie aber nach nothdurfft vorzustellen/ wuͤrden etliche predigten nicht zureichen/ vielweniger in einem brieff dieselbe nach nothdurfft koͤnnen erleutert werden; und zwahr amaller wenigsten von mir/ dem ohne das die gabe nicht gegeben/ etwas kurtz zu fassen. Daher ich nothwendig diejenige/ welche meine gedancken hieruͤber verlangen/ an die schon gethane arbeit entweder in den predigten von der wiedergeburth/ oder in den tractat von natur und gnade/ der doch nicht allzu weitlaͤufftig und leicht zu haben ist/ verweisen muß: wiewol als denn bereit bin/ ob jemand der dieselbe gelesen oder lieset/ an diesem oder jenen absonderlichen puncten anstoß haͤtte/ und weitere erklaͤhrung/ die ich noch nicht gegeben/ verlangte/ damit nach meinem maaß ARTIC. II. SECTIO XIII. maaß zu dienen. Jnsgemein moͤgen nur diese haupt-regeln der pruͤfung we- gen in acht genommen werden: einstheils daß man nicht so oben hin daruͤber fahre/ und eitele einbildungen/ von denen man gar keine wircklichkeit zeigen kaͤn/ vor goͤttliche gewisse wirckungen achte/ anderntheils daß man dasjenige/ was wegen glaubens und liebe erfordeꝛt wiꝛd/ nicht nach dem gesetz und dessen strenge examini re/ sondern sich der Evangelischen guͤte (oder wie GOtt sei- ner kinder hertzen und wercke urtheilet) erinnere/ und also mit ungeheuchel- ter auffrichtigkeit zu frieden seye/ nicht aber alle augen auff die vollkommen- heit richte. Sonst wo gegen das erste gesuͤndiget wird/ gibets sicherheit/ aus dem andern fehler entstehet lauter angst und zagen/ ja ringen mit der ver- zweiffelung. Der HErr aber gebe uns nicht allein allen seinen uns noͤthigen willen/ sondern nicht weniger unsern zustand vor seinem angesicht/ zu erken- nen/ daß wir in dem liecht seines Geistes 1. Cor. 2/ 12. was er uns geschen- cket hat/ mit gewißheit sehen/ woran es noch manglet/ wahrnehmen/ und auch solche maͤngel stets zu bessern in seiner krafft beflissen seyen. Jm uͤbrigen ge- liebten Bruders eigenen zustand anlangend/ ob mir wol ausser dem brieff sonsten von ihm nichts bekant/ kan doch versichern/ daß nicht nur ich/ sondern auch zwey meiner vertrauten Collegen/ welchen des wegen den brieff gezeiget/ aus solchem schreiben keinen zweiffel gefunden/ die gnade GOttes in dem- selben kraͤfftig zu erkennen: die der himmlische Vater nicht allein erhalten/ sondern auch vermehren wolle. Jch komme nun auff die vorgestellte beschrei- bung des glaubens/ welche mir gefallen lasse/ nur daß die erlangung der ewi- gen seligkeit/ die durch den glauben geschicht/ nicht erst dereinst hinaus nach diesem leben verschieben lassen wolte/ der mit Christo/ Paulo und Luthero unsre seligkeit und ewiges leben bereits/ weil wir noch in dem fleisch sind/ an- zufangen und wahrhafftig besessen zu werden. Joh. 3/ 16. 36. Rom. 8/ 24. Tit. 3/ 5. 1. Joh. 5/ 11. 12. mich versichert halte: so dann in der erleuterung aus- gefuͤhret zu werden noͤthig achte/ daß die aͤnderung unsres sinnes nicht zu der form des glaubens/ sondern dessen wirckung gehoͤre: auch was vor ein unter- scheid seye/ unter den beyden fruͤchten des glaubens/ die da sind die gerecht- und heiligmachung/ und veraͤnderung des menschen: indem jene nicht eigen- lich eine wirckung ist/ indem der glaube die seligkeit nicht wuͤrcket/ sondern als ein geschenck annimmet ( non activè, sed passivè, recipiendo donum ) aber in der veraͤnderung des menschen und wirckung der wercke und fruͤchten der gerechtigkeit/ concurri ret er durch eigenliche wirckung/ oder ist doch dasjeni- ge/ wodurch der H. Geist wircket. Ob im uͤbrigen mein tractat, den ich von art des seligmachenden glaubens vor etlichen jahren heraus gegeben/ und noch eine kleine folge der glaubens-gerechtigkeit ist/ zu der materie ausfuͤh- D d d d d rung Das fuͤnffte Capitel. rung dienlich seyn moͤchte/ kan nicht sagen/ doch habe die sache daselbs etwa deutlicher/ als sonsten ausgefuͤhret. Endlich sage hertzlichen danck fuͤr den nachtruͤcklichen wunsch/ mit wel- chem das liebe schreiben zu versiegeln beliebig gewesen/ und bleibe so viel- mehr dafuͤr verbunden/ als mein zustand/ darinnen ich stehe/ vor andern/ weil mir nicht wenig anbefohlen/ auch so viele tausend auff mich sehen/ daher wo etwas gutes thaͤte/ solches von so vielmehr frucht seyn wuͤrde/ jegliches mein versehen aber mehreren schaden veranlassete/ gefaͤhrlicher ist/ daher ich christlicher mitbruͤder vor so vielen andern hochbeduͤrfftig bin/ und mir des- wegen niemand groͤssere liebe erzeigenkan/ als da er die fuͤr mich und mein amt noͤthige gnade mir erbitten hilfft: damit denn auch noch kuͤnfftig fortzu- fahren freundlich bitte/ und hinwieder dessen vor dem HErrn zu gedencken mich erbiete. ꝛc. 1699. SECTIO XIV. Trost und ermunterung an eine hohe Stands-per- son. Erziehung der jugend vornehmen standes. J M uͤbrigen/ wie E.... sich dessen allezeit versichern koͤnnen/ daß derosel- ben person und anligens vor dem thron der gnaden gedencke/ und darin- nen meine treue zu erzeigen nicht saͤumig werden solle: so ist mir auch sonderbar angenehm/ mehrmal der heiligen leitung GOttes an deroselben nachricht zu haben/ damit ich mit danck und gebet vor GOtt deroselben we- gen so viel nachtruͤcklicher erscheinen moͤge. Jch kan aber aus allem/ was je- mal hoͤre und erfahre/ E.... nicht anders ansehen/ als eine person/ an dero der himmlische Vater ein sonderbares zeugnuͤß seiner guͤte/ krafft/ weißheit und barmhertzigkeit bißher erwiesen hat/ und noch ferner zu erweisen gewiß- lich nicht unterlassen wird. Jn ihrer theuren seele versichre ich mich mehr von kraͤfftigen wirckungen GOTTes/ als dieselbe bey sich selbs gewahr werden mag/ nachdem der HErr aus guͤtigem rath ihro die fuͤhlung dessen zuruͤcke zeucht/ was er in ihr hat. Zwahr solte es scheinen/ unmoͤglich zu seyn/ daß der seele das in sie von GOtt gelegte und in ihr gewuͤrckte solte verborgen bleiben koͤnnen/ weil ja der geist des menschen weiß/ dasjenige/ was in dem men- schẽ ist. 1. Cor. 2. Aber solches besser zu begreiffen/ wuͤste ich E..... fast nichts deutlichers vorzuschlagen/ als was unser liebe Lutherus uͤber Luc. 1/ 47. von dem geist und seele des menschen schreibet/ und solches in der erklaͤhrung des Magnificat, diese aber T. 1. Altenb. f. 758. oder T. 1. Jen. f. 478. 479. oder auch T. 6. Witteberg. stehet: da sie geruhen wolten mit bedacht nachzule- sen/ indem man nachmal gar wol begreiffen kan/ wie in der hoͤchsten krafft der seele/ dem geist/ wo GOtt allein seinen wohnplatz hat/ von derselben glauben und ARTIC . II. SECTIO XIV. und viel herrliches kan gewircket werden/ dessen fuͤhlung in der seelen weitere und gleichsam eussere kraͤffte/ dahin die besinnung gehoͤret/ nicht ausbrechen kan. Daher die beklagte kaltsinnigkeit in dem Christenthum und uͤbungen der gottseligkeit mir kein boͤses zeichen ist/ sondern ich sehe solche vielmehr an nur als eine schwachheit der eusserlichen natur/ in dero nicht nur der leib selbs/ sondern auch die natuͤrliche kraͤfften des gemuͤths/ und dessen lebendige freu- digkeit durch viele leiden niedergeschlagen und geschwaͤchet worden. Daß a- ber bey der verwesung alles solches einigerley massen zu dem eussern menschen gehoͤrigen/ der rechte innerliche mensch bey deroselben immer mehr und mehr erneuertworden/ halte ich mich gantz versichert/ nicht nur aus dem/ da sie offt die groͤste ruhe ihrer seelen in dem eusserlichen leiden gefuͤhlet/ sondern in aller ihrer schwachheit dergleichen starcke puͤffe ausgestanden: so gewißlich eine nicht gemeine/ ob wol vielleicht verborgene bleibende krafft des geistes an- zeiget/ zugleich aber auch eine erfuͤllung dessen bleibet/ was des HErrn treue zugesaget hat/ wie seine krafft in den schwachen sich maͤchtig weisen wolle. Fuͤr die auch in dem eusserlichen so wunderbar und fast ploͤtzlich erzeigte huͤlffe/ ruͤhme ich auch billich die goͤttliche wunderhand und guͤte/ welche an derselben dermassen auff unterschiedliche art sich zu staͤrckung auch anderer glaubens darstellet/ und gewißlich ihr eigen werck an deroselben zu seiner zeit/ dero die- selbe auch in kindlicheꝛ gedult und gelassenheit zu erwarten hat/ herrlich zu ih- rem preiß/ vieler anderer auffmunterung und ihrem eigenen heyl hinaus fuͤh- ren wird. Jm uͤbrigen/ daß Jhro sonderlich die christliche erziehung ihrer geliebtesten Herren soͤhne angelegen/ ist ein stuͤck muͤtterlicher treue und schuldigen fuͤrsorge/ und erfordert zweyerley/ einerseits nichts zu unterlassen/ was dazu diensam seyn moͤchte/ anderseits sich auch nicht zu viel daruͤber zu hermen/ sondern alles demjenigen/ der das kuͤnfftige in seinen haͤnden allein hat/ auch ohne den so wenig/ als wider ihn/ wir in einigen dingen jemal etwas aus zurichten vermoͤchten/ mit kindlichem gehorsam zu uͤberlassen. Er ist je unsrer kinder vater mehr/ als wir leibliche eltern uns davor zu halten haben/ daher ihm ihre wohlfarth gewißlich mehr als uns selbsten angelegen ist/ auch der succeß alles unsers vornehmens an ihnen an seinem segen und dessen maaß hanget: daher wir uns auch gewiß versichern koͤnnen/ je mit gelas- senerem gemuͤth/ und also thaͤtlicher erkaͤntnuͤß/ daß es eigenlich nicht an uns lige/ wir ihm die unsrige taͤglich empfehlen/ so viel weniger laͤsset er etwas an seiner Vater-treue ermangeln/ welches wir sonderlich derjenigen anfechtung entgegen zu halten haben/ die uns auffsteiget/ wo wir vor unserer kinder rechter erziehung zu sterben sorgen/ daß wir wissen/ es sterbe ihnen derjenige niemal ab/ an dessen gnade allein das gera- D d d d d 2 then Das fuͤnffte Capitel. then der kinder hanget. Jn dessen bleibet gleichwol der eltern in allen staͤnden angelegene pflicht/ so viel sorge an ihrer kinder aufferziehung zu wenden/ als GOTT weißheit/ mittel und gnade beschehret. Das vornehmste aber/ welches an ihnen gethan werden kan/ und ich nicht zweiffele/ daß E...... auch an dero geliebten jungen Herrschafft sich werden angelegen seyn lassen/ ist/ daß man den rechtschaffenen grund des wahren Christenthums von zar- ten kindes-beinen an bey ihnen lege/ damit sie ihren tauff-bund verstehen/ und zu dessen sorgfaͤltiger beobachtung stets angetrieben werden. Massen auch die zarte gemuͤther/ in denen die welt noch nicht so starcke wurtzeln gefas- set/ fast noch bequemer als die alte sind/ etwas rechtes gutes in sie zu pflan- tzen/ so zu seiner zeit frucht bringe. Und wo ein gemuͤth so bald in den ersten jahren zu einer forcht und liebe GOttes/ zu einer bewahrung des gewissens/ zu einer verachtung der welt/ gewehnet worden/ ehe man so recht in die welt kommet/ so waͤhret der nutze davon das gantze leben durch. Jch glaube fer- ner/ daß bey hohen standes-personen auch deroselben jugend am rathsamsten auf eine wenig von andern geringern leuten unterschiedene art erzogen wer- de/ und sie gleichsam nicht wissen solle/ wer sie seyn/ also/ daß sie sich geweh- nen/ in einem steten gehorsam zu leben/ und sich keiner/ als austruͤcklich ver- goͤnneter/ freyheit zu gebrauchen. Denn wo auf diese weise/ und in solcher richtigen ordnung erstlich der grund des gantzen lebens geleget ist/ so geweh- net man sich nachmal/ wo nun die jahre vorhanden/ und man seine person auf- fuͤhren solle/ gar bald zu denjenigen dingen/ welche etwa der besondere stand erfordert. Da hingegen/ wo gleichsam von der mutter-milch an so bald der jugend/ wer und was sie vor andern seyen/ vorgemahlet wird/ nicht nur eitel- keit/ hochmuth und freyheit sich geschwind in die gemuͤther nur allzufruͤhe ein- schleichet/ sondern was man lernen und studi ren solle/ geschihet nicht mit sol- chem fleiß und grund/ wie sichs geziehmet. Es bedarff aber dieselbe solches nicht erst von mir zu vernehmen/ von dero mich ohne das versehe/ wie sie der HErr HErr das einig nothwendige allem andern vorzuziehen selbs gelehret/ daß sie auch zu solchem besten theil die ihrige anweisen/ der himmlische Vater aber seinen kraͤfftigen segen dazu verleihen werde: Wie auch desselben ewige guͤte darum/ und insgesamt um alles dasjenige/ woran sie an ihro/ an dero geliebten gemahl und jugend dauckbarlich gepriesen werden moͤge/ stets anzu- ruffen fortfahren werde. 1689. SECTIO ARTIC. II. SECTIO XV. SECTIO XV. An eine hohe standes-person/ welche uͤber die hin- dernuͤß der uͤbung ihres Christenthums klagte/ herkommen- de aus anhaltendem kopff-wehe/ und mangel der andacht im gebet. J N E. Gn. gnaͤdigem an mich abgegebenen habe mit freuden gesehen die bestaͤndige hertzliche resolution sich ihrem GOTT allerdings auffzu- opffern/ und aus liebe zu ihm allem welt-wesen abzusagen. Fuͤr welche goͤttliche bereits in wirckung sothanen heiligen vorsatzes erzeigte gnade dem geber aller guten gaben demuͤthigster danck gesaget seye/ welchen auch hertz- lich anruffe/ und anzuruffen nicht unterlassen werde/ daß er solches gute werck immer mehr bekraͤfftigen/ befestigen/ vollbereiten und endlichen vollfuͤhren wolle auf den tag JEsu Christi. Es gedencken aber dieselbige zwo hinder- nuͤssen/ deren eine an dem leib/ die andere an der seele sich finde. Jene belan- gend/ als nemlich das kopff-wehe und den zahn-schmertzen/ so scheinet solches vielmehr eine hindernuͤß zu seyn/ als daß es wahrhafftig fuͤr eine zu halten waͤre. Dann ob zwahr selbiges das eusserliche lesen/ reden/ singen/ schreiben und andre geschaͤfften des eusserlichen menschen hindert/ so wissen wir doch/ daß der dienst GOttes in solchen eusserlichen wercken hauptsaͤchlich nicht be- stehet/ sondern in dem hertzen allein/ am reinesten und dem HErrn am gefaͤl- ligsten verrichtet wird: Ja es ist offters dieses des lieben GOttes heiliger und weiser rath/ daß er die seele/ wo er ihr die verrichtungen/ welche sie durch eusserliche sinne und dero wirckungen ausuͤben muß/ hemmet/ und sie zu ver- richtung derselben untuͤchtig machet/ in eine mehrere stille bringen will/ ihm in ihrem innersten heiligthum zu dienen/ und wo wir auch zu der betrachtung wegen abhaltung der schmertzen untuͤchtig scheinen/ auffs wenigste uns ihme in blosser gedult also darzustellen/ daß er darauf selbs in unserer seele wircke/ als worzu wir nie geschickter/ als zu der zeit/ wo wir gantz von unserem eige- nen werck abstehen/ und ruhen. Daher wuͤßte ich keinen dessern rath/ als wo wir uns in sothanen schmertzen befinden/ auch spuͤren/ daß die gedancken nicht wollen geschickt seyn/ etwas formlich nachzusinnen/ GOTT zu loben/ oder ei- nig sonderbar gebet zu thun/ daß wir dann allein diese uͤbung vornehmen/ ge- dultig solche schmertzen anzunehmen/ und unsern willen dem lieben Vater in dem himmel auffzuopffern/ daß wir wollen mit seinem willen gantz zu frieden seyn/ und seine zuchtigung annehmen/ auch glauben/ daß sie unserm geist viel nuͤtzlicher und seliger seye/ als sie dem fleisch moͤchte beschwehrlicher fallen. Wo wir unsere hertzen dahin bringen zu solcher stillen gelassenheit und gedult/ daß wir allein an unsere schuldigkeit das creutz willig zu tragen/ an das exem- D d d d d 3 pel Das fuͤnffte Capitel. pel unsers JEsu/ und an den herrlichen nutzen solches leidens gedencken/ nur bedacht/ allen zur ungedult reitzenden bewegungen zu widerstreben/ und solche zu hintertreiben/ so ist gewißlich solche uͤbung/ etwas gutes in die seele zu brin- gen/ und das gute/ so in ihr ist/ daselbs zu vermehren/ und zu staͤrcken/ viel nuͤtz- licher und kraͤfftiger/ als bey gesunden tagen/ viele betrachtungen/ lesen/ beten und singen/ so alle ihren vortrefflichen nutzen/ aber auch ihre zeit haben/ da hingegen der weise GOTT zuweilen andere uͤbungen von uns fordert. Wer auch seine seele vermittels solches leidens in diese stille gebracht/ solcher wird folgends auch bey gesunden tagen sie eher in solche stilligkeit bringen und er- halten. Jch habe von GOTT auch nunmehr bey sechzehen jahren und druͤ- ber ein dergleichen kopff-wehe/ so zu zeiten mich angreifft/ dafuͤr ihm aber bil- lich zu dancken/ und die andere vorschreibende regul zu practici ren habe; er- kenne mich aber darinn selbs noch ein schuͤler allein zu seyn. Es greifft mich aber nicht allzustarck an/ und waͤhret nicht lange: vielleicht weilen GOTT sich annoch meines armen dienstes gegen andere gebrauchet/ welcher ohne sol- che mitwirckung des eusserlichen nicht wol verrichtet werden koͤnte. Da aber zu meiner eigenen seelen reinigung und geistlichen wachsthum vielleicht wol dienlicher seyn moͤchte/ ein laͤnger und starck anhalten der schmertze. Aber es seye dem HErrn und seiner vaͤterlichen weisesten guͤte alles saͤmtlich befohlen. Was die andere hindernuͤß anlangt/ daruͤber E. Gn. klagen/ die manglende andacht und kaltsinnigkeit im gebet/ ist wol dieselbe eine der groͤsten be- schwehrden/ uͤber welche nicht wenige kinder GOttes klagen und seuffzen/ ja solche vor eines ihrer vornehmsten creutze achten. Doͤrffte ich mein armes exempel anziehen/ so bestehet alle meine andacht meistens mehr in einem ver- langen darnach/ als in der inbruͤnstigkeit selber: Wiewol mich dessen so viel- mehr zu schaͤmẽ habe/ weil leyder finde/ die ursach ziemlich an mir selbs zuhaff- ten/ wegen der vielen verhindernuͤssen/ welche die andacht bey mir stoͤhren/ und mein gemuͤth meistens in vieler zerstreuung haltẽ: deren hindernuͤssen viele we- gen der staͤtigen geschaͤfften nicht von mir ablegen zu koͤnnen/ betruͤblich sehe/ die uͤbrige aber belangend/ nach veꝛmoͤgen abzuschaffen trachten will und solle. Deßwegen abeꝛ auch offters diejenige leute/ deꝛen beꝛuf sie nicht in so mancheꝛ- ley uñ lauteꝛ solche geschaͤffte einflicht/ die da das gemuͤth einnehmen/ und mit staͤten gedancken erfuͤllẽ/ fuͤr gluͤckselige leut achte/ als die in solchem stande die seele eher in eine der andacht noͤthige ruhe und stilligkeit zu bringen vermoͤgen. Der HErr helffe mir auch solche steine des anstossens zu uͤberwinden. Jndes- sen habe allen denjenigen/ welche in solchem spittal auch kranck ligen/ in diesem ihrem anligen zu rathen/ zu forderst erstlich nach zu suchen/ ob sie et- wa selbst an solcher zerstreuung und kaltsinnigkeit ursach seyen: Und also sich zu forschen/ ob etwa noch einige starcke anhaͤngigkeit an der welt in gewissen din- ARTIC. II. SECTIO. XV. dingen seye/ ob wir noch an uns etwas finden/ so wir erkennen wider GOt- tes liebe zu seyn/ oder auch ob wir in dem gebet die andacht vielmehr begeh- ren/ als eine vergnuͤgung unserer seelen/ wegen der etwa dabey befindlichen suͤßigkeit und freude/ oder obs uns lauterlich darum zu thun seye/ den gros- sen GOtt in uns zu verherrlichen/ ihn mit unserm gebet und erkaͤntnuͤß/ daß wir alles von ihm allein haben und haben muͤssen/ zu ehren/ und ihm naͤher vereinigt zu werden. Jn dem es auch zu weilen geschiht/ daß wir die geist- liche suͤßigkeit im gebet und betrachtungen hoͤher und mehr als ihn selber und seine gnade achten/ daher er uns dasjenige entzeucht/ was wir gegen seine ehre mißbrauchen/ oder wo wirs erlangten/ mißbrauchen wuͤrden. Finden wir nun hierinnen keinen mangel/ oder suchen dasjenige/ welches wir finden/ nach vermoͤgen abzulegen/ so haben wir ferner zu erwegen/ daß nicht nur dasjenige ein wahres gebet ist/ welches entweder mit dem munde in gewissen worten gethan wird/ oder aber in ordentlichen gedancken des hertzens/ so sich gleichwol auf einige gewisse worte vorbildet/ bestehe/ als wozu wir offters die geringste andacht nicht finden werden/ sondern daß eben so wol dieses ein gebet seye/ welches in einem blossen verlangen der seele bestehet. Zum ex- empel E. Gn. wollen von ihrem GOtt einige wolthat bitten/ so ist das erste und vornehmste gebet/ bereits das verlangen ihrer seelen/ daß sie von GOtt solches hertzlich wuͤnschet und verlanget. Dieweil ein gebet nichts anders ist als die begierde unsers hertzens zu GOtt/ von ihm etwas zuerlan- gen/ so redet solche begierde des hertzens zu GOtt ehe der mund spricht/ ja ehe sie gewisse gedancken macht/ wie sie solches von GOtt bitten will. Da heissets Ps. 10/ 17. Das verlangen der elenden hoͤrest du HErr/ nicht nur das sonsten insgemein also nennende gebet/ da die wort mit dem munde oder in den gedancken formir et werden/ sondern die qvelle desselben das verlangen. Ob es also wol dahin kom̃et/ daß wir etwa nicht in dem eusserlichen gebet o- der dem innerlichen wort-gebet die erwuͤnschte andacht finden/ haben wir zu- sehen/ ob nicht uns unvermerckt eine mehrere/ ob wol verborgene andacht in dem hertzen und dem grund der seelen sich gefunden. Ob nicht das verlan- gen diese gnade von GOtt zuhaben aufrichtig gewesen/ daß wir inbruͤnstig dieselbe von GOtt verlangen und wuͤnschen: Ob schon in ausdruͤckung sol- ches verlangens die gedancken nicht in eine staͤtigkeit oder ruhige austru- ckung desselben kommen/ wie wir wolten . Ja daß wir uns eben daruͤber be- truͤben/ daß wir nicht mehrere andacht haben koͤnnen/ ist eine gewisse anzei- gung daß also in solchem verlangen und der qvelle des gebets wahrhafftige andacht gewesen. Damit moͤgen wir unsere uͤber unsere kaltsinnigkeit sich aͤngstende seele stillen/ ob wir wol in der folgenden austruckung nicht haben/ was Das fuͤnffte Capitel. was wir gern wolten. So koͤnnen wir auch eben solches empfinden des man- gels der andacht/ wo wir wollen/ heilsamlich gebrauchen/ nicht nur zur er- kaͤntnuͤß/ wie wir so gar nichts von uns selber vermoͤgen/ sondern alles eine blosse gabe GOttes seye/ sondern eben zur uͤbung der wahren demuth gegen GOtt. Daher einem frommen hertzen/ welches solche kaͤlte bey sich empfindet/ nichts besseꝛ zu rathen weiß/ als wo es sich vor seinen GOtt gestellt/ und seine heiligste Majestaͤt vorgebildet hat/ vor welche es jetzt trete/ auch versucht/ eine andacht bey sich zu erwecken/ es aber findet/ daß es nicht von statten ge- hen wolle/ daß es alsdann eine weil von dem gebet ablasse/ und sobald sich an- fange sein elend vor augen zustellen/ und zu erkennen/ wie verderbt es seye/ als welches auch nicht seine eigene noth vor GOtt auszuschuͤtten das ver- moͤgen habe/ daraus gewißlich so bald eine hertzliche traurigkeit entstehen/ diese aber wircken wird/ daß es damit sich aufs tieffste vor GOtt demuͤthige/ und ein inniglich verlangen trage/ mit bruͤnstigem hertzen seinen lieben Va- ter anruffen zu koͤnnen: Nun solche demuͤthigung vor GOtt ist einer der hei- ligsten dienste/ die wir GOtt leisten/ und solches verlangen nach der andacht ist ein inbruͤnstig gebet um die andacht/ da wir nicht gedencken/ daß wir beten. Also daß indem wir von derjenigen materie haben abgelassen zu beten/ wel- che wir zu bitten uns vorhin vorgenommen hatten/ wir damit auf ein ander gebet unvermuthet kommen/ wohin uns der finger GOttes selbst durch die versagung der verlangten andacht gewiesen hat. Und in solchem gebet bit- ten wir so vielmehr nach GOttes willen/ 1. Joh. 5/ 14. Und ist ihm also ein vielangenehmer opffer/ als mehr dasselbe eine wuͤrckung des H. Geistes in unsrer seelen ist/ daran wir dißmal nicht vorher gedacht hatten/ sondern durch die erkaͤntnuͤß unsers elends dahin gebracht worden. Nechst deme mag auch dienlich seyn/ in dem vorgehabten gebet gleichwol fortzufahren/ und ob wir wol selbst davon gleichsam keinen geschmack bey uns fuͤhlen/ dannoch den gehorsam dem HERNN so fern erweisen/ als wir finden diesesmal uns nuͤtz- lich zu seyn. Wie dann zuweilen ein anfangs kaltes aber anhaltendes gebet erst in dem anhalten ein feuer erlanget. Noch mehrere mittel sind hin und wieder bey gottseligen lehrern zu finden/ als daß man/ ehe man beten will/ sich etwa uͤber die heilige schrifft mache/ und einig viertel stuͤndlein lese/ und uͤber einen spruch seine gottselige gedancken habe/ damit sich also mit vorbereitetem hertzen zu dem gebet verfuͤge/ und was dergleichen mehr sind/ so aber hie zu weitlaͤufftig auszufuͤhren/ und ohne das E. Gn. so wol in buͤ- chern als von gottseligen hertzen/ so um sie seyn moͤgen/ anleitung genug finden wird. Jch schliesse mit diesem einfaͤltigen wunsch/ daß GOTT der Vater aller guten gaben uͤber dieselbe/ dero hertzlich geliebten Herrn und jugend/ so dann alle/ die um sie sind/ und ihn zu suchen begehren/ ausgiesse den Geist der gnaden ARTIC . II . SECTIO XVI . gnaden und des gebets/ der in kindlicher einfalt in ihrem hertzen ruffe/ Abba lieber Vater/ der sie selbs/ weil wir nicht bitten koͤnnen/ wie wir solten/ vertre- te mit unaussprechlichen seuffzen: Der allezeit so viel feuer der andacht in ihrem hertzen entzuͤnde/ als zu dem erforderenden opffer ihrer hertzen und lip- pen noͤthig ist: Der ihro in den sinn und mund gebe die gedancken und worte/ die zu verherrlichung seines nahmens und vortragung ihrer angelegenheiten noͤthig sind/ der sie auch in ihrer seelen versichere der erhoͤrung ihrer seuffzer/ und also in denselben auf goͤttliche art antworte/ biß jedesmal zu der zeit/ da er selbs findet nuͤtzlich zu seyn/ der eusserliche erfolg des gebetenen sie der vori- gen erhoͤrung auffs neue vergewissere. Er stehe ihro auch bey mit trost in der anfechtung der ermanglenden andacht/ und lehre sie auf die wuͤrdigkeit der theuersten fuͤrbitte Christi sehen/ wo sie ihres eigenen gebets unwuͤrdig- keit schrecket. Er setze endlich auch zu dieser gabe alles andere/ wodurch de- roselben zeitlich und ewig nach seinem weisesten willen wol seyn mag/ um JE- su Christi willen. Amen. 1677. SECTIO XVI. Trost an eine standes-person/ die sorgte/ ihre ge- muͤths-kraͤfften wuͤrden geschwaͤcht/ und sie zum geist- lichen untuͤchtig werden. 2. Cor. 4/ 16. A Us deroselben letzterm ersehe mit christlichem mitleiden/ daß dieselbe noch von ihrem himmlischen Vater in einer fast strengen gedult-schu- len gehalten werde/ indessen aber daß es gleichwol/ so ich aus allem da- bey erkenne/ an dessen nothwendigem trost und krafft auch nicht ermangle. Daher es meines trostes und zuspruches nicht noͤthig ist/ aber ich dabey ver- sichere/ daß dero werthen nahmens und besondern anligens vor dem HErrn zu gedencken unvergessen bin/ und da ichs in nichts anders zu thun vermag/ auffs wenigste mit solchem gebet meine christliche schuldigkeit zu beobachten nie unterlassen werde. Wenn sie im uͤbrigen sonderlich sich darinnen be- schwehret befindet/ daß die anhaltende schmertzliche leibes-zustaͤnde das ge- muͤth und dessen kraͤfften auch sehr angreiffen wollen/ daruͤber sie zu dero be- ruffs-geschaͤfften/ auch etwas geistliches zu fassen/ sich schwaͤcher fuͤhle/ versi- chere ich mich/ daß dieselbe solches so wenig als alles uͤbrige/ was sie von der hand ihres Vaters empfunden/ anders als vor liebes-schlaͤge und heilsame heimsuchungen zu erkennen ursach habe/ und der HErr sie auch in dem liecht seines heiligen Geistes solches immer tieffer einsehen und erkennen lassen werde. Es gehoͤren auch die kraͤfften unsers gemuͤths und der innern sinnen E e e e e dan- Das fuͤnffte Capitel. dannoch mit zu dem eusserlichen menschen/ bey dessen verwesung/ wo sol- che allmaͤhlich ansetzet/ dem innerlichen so gar nichts abgehet/ daß er immer mehr und mehr erneuert wird 2. Cor. 4/ 16. Es solte zwahr solches zu be- greiffen fast schwehr werden/ wenn man bedencket/ daß gleichwol zu dem geist- lichen auch die voͤllige kraͤfften des verstandes und der innern sinne/ gedaͤcht- nuͤß und dergleichen/ gehoͤren/ daher wo diese etwas geschwaͤchet werden/ wie man zuweilen in schmertzen/ kranckheit und wodurch jene etwas noth leiden/ gewahr wird/ geschehe ja/ daß man nicht also beten/ sich nicht so auffrichten/ zu seinem trost dieses und jenes nicht erinnern koͤnne/ also/ daß man meinet/ man seye damit zu dem geistlichen gantz untuͤchtig. Wie dann nicht ohne ist/ daß so fern wir das geistliche ansehen/ als unsre seele und verstand darinnen ver- nuͤnfftig wircket/ diese wirckungen durch sothane schwaͤchung sehr gehemmet werden/ und wo unser geistliches allein in demselben bestuͤnde/ waͤren wir uͤbel dran. Aber wir haben uns billich zu erinnern/ daß das goͤttliche und geist- liche bey uns sehr viel tieffer lige/ und in uns wohne/ als die eusserliche aus- bruͤche der kraͤfften unsrer seelen zeigen; massen GOTT und sein liecht und krafft in dem grund der seelen selbs seinen sitz hat. Daher unser liebe Lu- therus an einem ort uͤber das Magnificat sehr trefflich von dem unterscheid des geistes und der seelen redet/ welchen ort mich entsinne in ein und ander leichen-predigt uͤber Psalm 73/ 26. angefuͤhret zu haben. Er lehret aber also: Die schrifft und der Geist GOttes in derselben theile den menschen in drey theil/ leib/ seel und geist/ was der leib seye/ begreiffe jeder leicht: Die seele seye diejenige/ welche verstand/ willen/ affect en/ gedaͤchtnuͤß und dergleichen kraͤfften hat/ wie dieselbe in den dingen diese zeit ange- hende gebraucht werden und wircken: Der geist sey dem wesen nach eben die seele/ aber in einer hoͤhern verrichtung/ wie sie es mit GOtt/ ewigkeit und geistlichen dingen zu thun hat/ auch dero wirckungen in sich leidet: Dahero da in der seele/ wie in dem heiligen des tempels oder der huͤtten des stiffts der leuchter mit den sieben lampen war/ auch vieles natuͤrli- ches liecht und erkaͤntnuͤß ist/ seye hingegen in dem geist als in dem allerheilig- sten kein liecht als GOTT selbsten. Dieses wende ich billich in gegenwaͤrti- gem anligen dahin an/ daß was von kranckheiten und sonsten/ so eusserlich als innerlichen zufaͤllen/ an dem gemuͤth/ verstand und dessen kraͤfften abgehet/ be- treffe nach angedeuteter redens-art nur die seele/ nicht aber den geist: Jn jener mag das gedaͤchtnuͤß schwach werden/ die schaͤrffe des verstaͤndnuͤsses stumpff werden/ der begriff der dinge/ die uns zu bedencken vorkommen/ uns schwehr werden/ ja gar es dahin kommen/ daß wir uns dessen/ was in uns ist/ schwehr- lich ARTIC. II. SECTIO XVI. lich erinnern/ daher des glaubens nicht gewahr werden/ damit gehet dann dasjenige/ was in dem eusserlichen menschen so zu reden noch das innerste ist/ mehr und mehr in seine verwesung/ aber den geist und dessen grund/ so dann die guͤter/ welche mit GOTT in demselben sind/ beruͤhret solcher abgang nicht/ noch mag dessen etwas hineintringen/ was uns schaden kan. Wir sehen et- was dessen/ wann wir bedencken/ daß GOTT und dessen liecht in einer glaͤu- bigen seelen ist/ auch alsdann/ da der mensch schlaͤffet/ da er in ohnmacht liget/ oder sonsten in einer kranckheit sich nicht besinnen kan/ und also alle uns be- kante und erinnerliche vernuͤnfftige wirckungen der seelen gantz ruhen: Nicht weniger bleibet jenes innere/ so in dem geist ist/ ungehindert/ ob auch durch ei- nige zufaͤlle die kraͤfften des gemuͤths in dero eusserlichen ausfluͤssen auffs hefftigste angegriffen und geschwaͤchet wuͤrden. Also ob ich wol von grund der seelen wuͤnsche/ daß die vaͤterliche guͤte unsers GOttes dermaleins an dem dero theuersten person bißher zugeschickten und aufferlegten ein gnuͤge haben/ und also nachdem das maaß der bestimmten pruͤffung erfuͤllet seyn wird/ sie auch in dem eusserlichen wiederum der bißherigen last befreyen/ damit aber zu einem neuen zeugnuͤß seiner so allgewaltigen als guͤtigen krafft/ ja zu einem exempel seiner wunder-huͤlffe/ machen oder doch die last immer erleichtern/ hingegen die kraͤfften des gemuͤths allerdings unangetastet erhalten/ und da- durch die erbauung derer/ die um sie sind/ desto mehr noch ferner befoͤrdern wolle/ welches auch gewiß geschehen solle/ wo der himmlische Vater solches zu seiner ehre und dero wahrem geistlichen besten nuͤtzlich zu seyn erkennen wird: So koͤnnen gleichwol dieselbe sich versichern/ im fall die goͤttliche weißheit/ dero gedancken nicht allezeit mit den unsrigen einstimmen/ sondern solche off- ters fuͤr nuͤtzlich achtet/ was wir schaden zu seyn glauben/ es anders beschlossen haben moͤchte/ nemlich solche einen mercklichen abgang der gemuͤths-kraͤfften/ gedaͤchtnuͤß und anders dergleichen fuͤhlen zu lassen/ daß damit wahrhafftig dero werthen seelen und innern schatz nichts abgehen koͤnne/ sondern solcher verlust vielmehr diejenige allein betreffe/ so sonsten von dero gottseligen bezeugung in ihrem leiden erbauung und auffmunterung genossen haben/ so sie aber in solchem stande weniger mehr finden wuͤrden. Wir wollen es aber alles insgesamt lediglich dem lieben Vater uͤberlassen und empfehlen/ der wirds alles wol/ ja mehr als wol und am besten/ machen/ und uns ob er uns auch so an sich truckte (wie zu weilen eine mutter aus bruͤnstiger liebe an ihrem kinde thut) daß uns die augen darob uͤbergingen/ gleichwol seiner liebe getroͤ- sten/ die gewiß so groß als er selbsten und folglich unmaͤßlich und unendlich ist. Meinen wir also/ daß wir alles verliehren/ oder alles uns verlassen wolle/ so bleibet er uns selbs gnug/ wenn wir ihn in unsrer seele besitzen/ und dessen wir- E e e e e 2 ckun- Das fuͤnffte Capitel. wirckungen auch um die zeit bey uns gewahr werden koͤnnen/ wenn die em- pfindlichkeit am meisten noth leidet. Es bedarff aber nichts weiter hinzuzuse- tzen/ nachdem ich weiß/ an eine person zu schreiben/ die von dem HErrn selbs in unterschiedlicher seiner schul bißher mehr gelehret worden ist/ als ich zu lehren vermoͤchte. Er walte noch ferner uͤber dieselbe mit ewiger huld/ und setze sie zum zeugnuͤß seiner herrlichen gnade: ja er heilige sie durch und durch/ und ihr geist gantz samt seel und leib muͤsse untadelich behalten werden biß auff den tag JEsu Christi ꝛc. 1687. SECTIO XVII. An einen Fuͤrstlichen Minister, der uͤber die zer- streuung und hindernuͤß an dem geistlichen wegen seiner vielen verrichtungen geklaget. D En eigenen zustand E. Exc. anlangend/ begreiffe ich leicht/ daß einer seelen/ die nun was bessers geschmecket/ davon sie aber durch allzuvie- le einflechtung in weitlaͤufftige geschaͤfften mehr abgezogen wird/ sehr beschwehrlich wird/ wo ihre verstreuungen vermehret/ und hingegen die gele- genheit kraͤfftigen wachsthums gehindert wird: sie ergibet sich aber auch willig in den gehorsam ihres GOttes und dessen regierung: verrichtet ihre weltliche geschaͤffte so gut sie kan/ als stuͤcke ihrer noch waͤhrenden dienstbar- keit (wie die leibeigene knechte zu allen zeiten/ von denen Paulus fordert/ daß sie mit gedult in ihrem beruff beharren 1. Cor. 7/ 21. biß ihnen GOtt frey zu werden/ selbs eine thuͤr oͤffnet) und richtet sie noch so viel als muͤglich ist zu ei- nigem nutzen des nechsten: vermeidet die ihr gefaͤhrliche steine des anstosses/ in entziehung von unnoͤthiger gesellschafft/ als viel in ihrer macht stehet/ oder wo sie an die gefahr muß/ wapnet sie sich desto staͤrcker mit gebet und hertzli- chem vorsatz/ auch unter unschlachtigem geschlecht zu leuchten: und wo sie endlich gewahr wird/ daß durch alle ihre arbeit wenig oder nichts gutes aus- gerichtet worden/ demuͤthigt sie sich vor GOtt/ vor dem sie etwa nicht wuͤr- dig gewesen/ daß er viel durch sie ausgerichtet werden liesse/ auch sorget an ihrem fleiß etwas ermangelt zu haben/ troͤstet sich aber damit/ daß GOtt ih- re treue und auffrichtigkeit ansehe/ und sich eines Davids guten vorsatz den tempel zu bauen gefallen lasse/ ob wol die sache nicht zu wercke gerichtet wer- den solle. Jch trage daher das gute vertrauen/ daß E. Exc. ihre seele in e- ben solchemstand befinden/ aber sich auch damit auffrichten werde/ biß der liebste Vater im himmel selbs seinen willen anders zeigen/ und da man in dem frembden Luc. 16/ 12. sich treu erwiesen/ das eigene in so viel reicherer maaß ARTIC . II. SECTIO . XVIII. maaß ertheilen/ und demselben ungehinderter abzuwarten gelegenheit be- schehren wird. Zu welchem allem das liecht und krafft von oben von grund der seelen anwuͤnsche. 1700. SECTIO XVIII. Wegen eines Predigers/ der die versuchung Christi nur innerlich gewesen zu seyn gepredigt/ und eine ange- fochtene uͤberreden wollen/ daß es keine teufflische anfechtungen waͤren. D As mir großguͤnst. communici rte/ betreffende einige beschwehrden von NN. gegen Titium, habe mit fleiß durchlesen/ und in der furcht Got- tes erwogen: Jst mir zum allerfoͤrdersten leid/ daß ich vernehme/ daß auch in solcher kirchen/ so mitten unter allerhand glaubens-genossen sich be- findet/ einige zwist entstehen wollen/ woraus gemeiniglich vielerley aͤrgernuͤß nach zu folgen pflegen. Hienechst bekenne/ daß mit voͤlligem grund von der sa- che nicht reden noch urtheilen kan. Als der ich nicht nur allein Titium und dessen erklaͤhrung/ wie er sich verstanden haben wolte/ nicht daruͤber gehoͤret/ sondern auch nicht ausfuͤhrlich in dem geschehenen bericht befinde/ wie seine wort gelautet/ derer er sich in der predigt solte gebrauchet haben; Nun ist be- kant/ wie offt ein und ander wort/ nachdem es gesetzet/ gebraucht/ und etwa mit andern limiti ret worden/ ein grosses was den verstand anlangt/ importi - ren/ und eine rede gravi ren/ oder entschuldigen kan. Daher ich mit gegenwaͤr- tigen meinen nach begehren communici renden gedancken weder Titium noch jemanden præjudici ren mag. Was in dem uͤbrigen die sache selbs/ und zwahr erstlich die materie von der versuchung Christi anlangt/ so gestehe/ daß ich selbs nicht deꝛ meinung bin/ welche wie berichtet von Titio behauptet sey woꝛ- den/ als der ich dafuͤr achte/ daß der boͤse feind auch eusserlich zu dem HErrn JEsu seye getreten/ seine versuchung etwa unter anderer gestalt vorgebracht/ auch den HErren in der that auff die zinne des tempels und den berg gefuͤh- ret/ also dieses alles/ wie es der buchstabe mit sich bringet/ in der wahrheit ge- schehen/ nicht aber nur in einem gesicht/ ob geschehe dergleichen/ dem HErren vorgekommen seye. So pflege ich zu lehren oͤffentlich/ ist auch meine meinung/ daß ich mich darinn nicht zu irren versichert halte/ als wohin uns der einfaͤlti- ge buchstabe der schrifft fuͤhret/ von dem ich niemal/ und also auch hierinnen nicht/ ohne die hoͤchste ursachen abzuweichen noͤthig erachte. Jndessen ist die meinung/ welche ich aus geschehener communication vernehme/ von Titio gelehret sey worden/ also bewandt/ daß sie nicht von ihm zuerst auff die bahn gebracht/ sondern auch von einigen der alten beliebet/ von den unserigen aber/ E e e e e 3 als Das fuͤnffte Capitel. als viel mir wissend ist/ niemal mit sonderbarer hefftigkeit/ oder harter be- straffung verworffen worden. Wie mich darinn die modestia unsers wohl- verdienten Chemnitii sehr vergnuͤget/ wann er schreibet. Harm. Evang. c. 19. p. 188. Accessus tentatoris ad Christum post 40. dies, non intelligendus, quod invisibiliter \& interius suis præstigiis phantasias animo Christi objecerit, \& tales interiores cogitationes contra Spiritum, qualia verba hic describun- tur, in cor Christi immiserit: sicut de Juda scribitur. Licet enim magna fuit exinatitio Christi, judicio tamen simplicius esse minus habere disputatio- num, si recipiatur illa veterum sententia, quod omnes hæ tentationes foris per externas suggestiones factæ fuerint, quodque diabolus visibili aliqua \& corporali specie Christo apparuerit. Verba enim Evangelistarum hoc videntur velle. \&c. Voraus gesetzt dessen/ so wuͤnschete zwahr/ daß Titius eine solche meinung/ welche insgemein nicht angenommen wird/ und doch auch wenig zur erbauung scheinet dienlich zu seyn/ nicht auff den oͤffentlichen predigtstul gebracht haͤtte: sonderlich waͤre mir es nicht lieb/ wo es etwa mit sonderbarem ernst waͤre defendi ret und behauptet worden/ welches ich aber nicht geschehen zu seyn/ lieber hoffen will/ und die gedancken haben/ daß er aus vortrag solcher meinung/ die er moͤchte der sachen gemaͤsser zu seyn vor sich geachtet haben/ nicht vermuthet/ daß eine weiterung entstehen wuͤrde. Wie es dann auch wohlmeinenden lehrern begegnen kan/ daß sie guter mei- nung etwas so sie vor wahrheit achten/ vortragen/ und nicht absehen/ daß an- dere etwa sich eher daran stossen moͤchten/ auch wo sie solches vorher gesehen haͤtten/ gewißlich wuͤrden damit zuruͤck gehalten haben. Hingegen wuͤrde ich auch nicht gern gesehen haben/ daß von andern Collegis die sach wiederum in widerspruch auff die cantzel gebracht worden/ sonderlich wo es mit einiger hefftigkeit solte geschehen seyn. Es waͤre dann sach/ daß man gemercket/ daß die gemeinde sich sehr an solcher meinung gestossen/ und also etwan nicht un- rathsam gewesen waͤre/ wo Titius selbs seine meinung wieder auff der cantzel also modestè wiederholet/ daß er gezeigt/ wie er niemand darzu verbinde/ son- dern nach der freyheit in solchen dingen/ die das fundament des glaubens nicht eigenlich beruͤhren/ sein gutachten gesaget/ dessen er solche und solche gruͤnde habe/ so er zu der zuhoͤrer/ welche solchen dingen nachzudencken faͤ- hig (indem andere lieber von dergleichen dingen sich gar abziehen solten) gottseliger betrachtung und beurtheilung uͤberlasse/ und mit niemand sich deswegen zweyen wolte: sonderlich aber wo einige boͤse consequenzen von andern daraus gemacht/ bescheidentlich zeigte/ daß solches seine gedancken/ oder meinung weder seye noch gewesen seye. Oder wo es rathsamer gefunden/ daß ein anderer der Hochgeehrt. Herrn Collegen der gemeinde die sache nach- mal ARTIC. II. SECTIO XVIII. mal mit den argumenten vorgetragen/ womit unsere gemeine meinung mag bekraͤfftiget werden/ mit vermelden/ daß sie eine widrige auslegung von einem lieben bruder wuͤrden gehoͤret haben/ die aber mit den an- gefuͤhrten gruͤnden wuͤrde abgeleinet werden koͤnnen/ gleichwol also/ daß sie alle wissen solten/ es waͤre solche materie nicht eben zu dem grund des glaubens gehoͤrig/ in dero den lehrern und andern Christen eine mehrere freyheit gelassen seye/ dasjenige zu halten/ so man nach erwe- gung der sachen der schrifft wahrheit am nechsten zuseyn finden wuͤrde: Wes- wegen niemand an solchen unterschied der meinung sich stossen/ sondern alle einander in liebe tragen solten. Dazu billich auch gehoͤrete die ungleiche consequentias, so aus uͤbel gefasteter jener meinung gemacht wuͤrden/ so bald den leuten zu benehmen/ und den Collegam deroselben bey den zuhoͤrern zu befreyen. Eine unter diesen arten haͤtte darvor gehalten/ daß erbaulich solte gewesen seyn/ die sonsten daraus sorgliche zwiste und der gemeinde tren- nung zu verhuͤten. Sonst wuͤrde mit einander lieber gesehen haben/ daß nichts weiter auf die cantzel gekommen waͤre. Sonderlich aber achte vor gantz noͤthig/ daß der boͤse argwohn/ daß Titius nicht glauben muͤsse/ daß ein teuffel seye/ allen gemuͤthern benommen werde/ dann wie ich solchen irrthum auf keinerley weise nur von einigem christlichen Theologo vermuthe/ also folgt derselbe auch nicht mit einigem schein aus dem was Titius geprediget haben solte. Nach meiner einfaͤltigen meinung aber wuͤrde solcher sachen auch damit geholffen seyn/ wo so wohl Titius mit bescheidenheit in predig- ten sich solches argwohns entschuͤttete/ und dergleichen von ihm nicht zu- schoͤpffen erinnerte/ als auch die hochgeehrten Hrn. Collegen bey aller gele- genheit seine unschuld behaupteten; Auff daß also fried und eintracht er- halten werde/ an denen so grosses gelegen; was die relation von der ange- fochtenen person anlanget/ so ist mir auch nicht wohl muͤglich darvon zu ur- theilen/ in dem mir deren umstaͤnde nicht so viel als etwa noͤthig waͤre/ bekant seynd. Weswegen wann nun auch hiervon meine meinung ertheilen solle/ solches nicht anders als in vermuthung bestehen kan. Was es vor eine be- schaffenheit mit der angefochtenen habe/ ist mir nicht wissend/ und moͤchte villeicht seyn/ daß Titius so sie etwa gekant/ aus guten ursachen abgenom- men/ daß es wahrhafftig mehr phantasien einer mit leiblicher melancholie behaffteter person/ als eigentliche suggestiones immediatæ des teuffels sey- en. Wie dann zwahr bey den allermeisten eingebungen und reitzungen unsers suͤndlichen fleisches zu dem boͤsen/ und also auch dergleichen in der melancho- lie aufsteigenden boͤsen gedancken/ der teuffel sein werck mit darbey hat/ und wo er kohlen findet/ dieselbige gern auffblaͤset/ indessen koͤnnen wir nicht schlecht Das fuͤnffte Capitel. schlechterdings alles solches vor eigentliche eingebungen des teuffels achten; Jch habe auch einen gottseligen Theologum, so nunmehr in GOTT ruhet/ gekant/ der als ich von dieser materie einmal mit ihm handelte/ darvor achte- te/ daß man bey melancholi schen personen/ wo man die natuͤrlichen ursachen der leiblichen kranckheit sehe/ nicht ohne sondere ursachen/ dergleichen ge- dancken/ des teuffels eingeben zuschreiben solte/ als woruͤber solche ohne das angsthaffte leute/ wo sie hoͤren/ daß der satan solche gewalt uͤber sie haͤtte/ ih- nen dergleichen einzugeben/ noch so vielmehr erschrecken und sich aͤngstigten/ damit aber ihr zustand mehr zunehmen/ und vermehret werden mag. Daß also dieses von einem gutgemeint seyn mag/ welcher ihnen nicht noch schweh- rere forcht zu machen/ es lieber einer kranckheit als solches hoͤllischen geistes einblasen zuschreiben wolte. Nur daß sie dabey treulich erinnert wuͤrden/ auch solchen aufsteigenden boͤsen gedancken in der krafft GOttes ernstlich zu widerstehen/ als woriñen sich der satan selbst sonst leicht mische. Solte dem gebet alle krafft abgeschnitten seyn worden/ so wuͤste ich solches mit nichts zu entschuldigen: Will aber dergleichen von einem Prediger nimmer vermu- then/ sondern ehe darvor halten/ daß die frau die sache nicht recht gefasset. Wo aber der rath dahin gegangen/ daß sie nicht allein beten/ sondern neben dem gebet auch den gedancken mit vernuͤnfftigen uͤberlegungen und wider- spruch begegnen solte/ so halte ich in dergleichen materie/ wo die abscheulich- keiten der gedancken auch von dem natuͤrlichen verstand wohl begriffen wer- den kan/ einen solchen rath gantz christlich und nuͤtzlich. Aber wie oben ge- meldt veꝛmag ich nicht mit der nothwendigen gewißheit von der gantzen sache zureden/ aus mangelung bessern und voͤlligern berichts. Vielmehr ruffe ich allein den Vater in dem himmel hertzlich an/ welcher die hertzen der Predi- ger/ Collegen und zuhoͤrer mit dem geist der liebe und des friedens also erfuͤl- len wolle/ daß sie in liebe alles vertragen/ in liebe auffnehmen/ in liebe jedes/ was etwa einiger massen gefehlet seyn worden/ zu rechtbringen/ und damit allen besorgenden aͤrgernuͤssen/ vermittelst seines segens/ kraͤfftig begegnen. Welches nach angedeutetem verlangen/ und zwahr wie gewuͤnschet worden/ schrifftlich habe antworten wollen/ in meines hochgeehrten großguͤnstigen Herrn belieben stellende/ wie und was derselbe hiervon denjenigen guten freunden/ so solches begehret/ zu communicir en beliebe. ꝛc. SECTIO ARTIC . II. SECTIO XIX. SECTIO XIX . Trost uͤber die klage des mangels der empfindung goͤttlichen suͤssen trostes. D Aß E. Wohl-Ehrw. Frau liebste noch offtermals in grosser hertzens- unruhe sich befinde/ ist mir leyd: schreibe aber dasselbige einstheils dem zu/ daß so viel mich deucht/ die leibes- constitution ad melancho- liam etwas inclini ret: bey welcherley personen/ wo sie ihres Chri- stenthums sich fleißig annehmen/ desselben anligen insgemein der natuͤrlich bey ihnen aus der leibes- disposition entstehenden schwehrmuth objectum eben sowol werden/ als bey andern etwa zeitliche und weltliche sorgen oder kuͤmmer- nuͤssen. Und haben wir auch unterschiedliche exempla dergleichen recht gott- seliger personen/ denen aber umb solcher ursach willen ihr Christenthum so viel saͤurer wird. Aber auch solches nicht ohne heilsamen und heiligen rath ihres him̃- lischen Vaters/ der sie damit so viel mehr vor aller sicherheit verwahret/ als leich- ter wir sonst in dieselbe zufallen pflegen/ wo wir unserer meynung nach alles gu- tes und einen erwuͤnschten succeß der taͤglichen andacht bey uns fuͤhlen. Des- wegen E. Wohl-Ehrw. sie von selbsten gnug werden auffzurichten wissen/ wie die suͤsse troͤstungen des Geistes/ welche etwa einige gottselige hertzen danckbarlich ruͤhmen/ zwahr eine theure gnade GOttes seyn/ damit er diejenige begabet/ wel- chen er solches nuͤtzlich zu seyn erkennet. Es seye aber keine solche gabe/ die uns schlechter dings/ auffs wenigste in dem grad/ welchen wir von andern vernehmen/ noͤthig waͤre/ und aus derer ermangelung wir zu schliessen haͤtten/ daß unser GOtt unser wenig achtete. Wie oft geschihets/ daß auch selbs die empfindlich keit des glau- bens/ und zwahr auff eine nicht geringe zeit verlohren wird/ und wir/ da wir un- serem empfinden nach uns nicht anders als vor unglaubige achten koͤnten/ dessel- ben beywohnung allein aus einigen/ und etwa gantz schwaͤchlichen fruͤchten abneh- men und schliessen muͤssen/ und gleichwol sind wir in solchem stande nicht weniger unserm GOtt angenehm/ als bey dem auch fuͤhlenden glauben. Wie viel leich- ter moͤgen wir uns dann zufrieden geben/ da wir noch den glauben fuͤhlen/ und in demselben der Geist GOttes unserm geist noch zeugnuͤß gibet/ daß wir GOttes kinder seyen/ ob wol die eine frucht des glaubens/ so in der suͤßigkeit und empfindli- chen geschmack bestehet des goͤttlichen trosts sich nicht zeigen will. Da ja Gott als ein allweiser medicus am besten verstehet/ welcherley speiß und artzney uns in dem geistlichen am ersprießlichsten/ und nach solchem es auch mit uns haͤlt und schicket. Es haben die gedachte suͤsse troͤstungen des Geistes zwahr grosse und unaussprech- liche frende/ aber gemeiniglich muͤssen diejenige/ welchen GOtt dieselbe in groͤsserer F f f f f maaß Das fuͤnffte Capitel. maaß gibet/ zu andernmalen auch so vielmehr aus den baͤchen Belials bescheid thun/ und nicht weniger den hoͤllen-geschmack einnehmen/ als sich zu andernma- len mit dem Manna des paradieses erquicken/ so stehen sie auch in so viel groͤsserer gefahr vor andern ( conf. Ebr. 6, 4. 5. 6. ) wegen der mehr empfangenen guͤter/ und also erforderender danckbarkeit/ daß ihre suͤnden so viel schwehrer in goͤttlichem gericht angesehen/ und da sie derselben anfangen muthwilliglich nachzuhaͤngen/ sie auch eher von GOtt dem gericht der verstockung uͤberlassen werden. Da hinge- gen bey andern/ welche mit mehr furcht und zittern ihre seeligkeit schaffen muͤssen/ ob sie schon vieler freude/ welche jene beseliget/ entrathen muͤssen/ geschihet/ daß auch ihrer schwachheit in andren stuͤcken von GOtt mehr geschonet/ und doch zu- weilen etwas/ ob zwahr in geringem grad/ von goͤttlichem suͤssem trost zu schme- cken gegeben/ das uͤbrige aber in jene ewigkeit versparet wird. Der grundguͤtige GOtt helffe deroselben das auffgelegte creutz also tragen/ daß sie seine guͤte und weisen rath darinnen erkenne/ und eben aus solchem sich troͤste: er erqvicke sie aber auch zu weilen nach seinem heiligen wolgefallen mit einigem geschmack derselben suͤßigkeit/ dero ermanglung ihr sonsten so schwehr werden will/ daß sie ihm auch hier dafuͤr dancke/ und der uͤbrigen zeit trostlose duͤrrigkeit mit deren wieder gedaͤcht- nuͤß so vielleichter ertragen koͤnne. SECTIO XX . Von zuspruch an einen schwehr angefochtenen. Bey der anfechtung auch meistens schwachheit der natur. J Ch habe den HErrn anzuruffen/ der seine gnade und seegen zu solchem zuspruch verleihen wolle/ daß der zugeschriebene trost in das hertz trin- ge/ und darinnen lebendig versiegelt werde. Zu voͤlliger befreyung habe ich natuͤrlicher weise (dann der HErr kan durch seine wunder-krafft und guͤte manches thun/ uͤber das was wir bitten und verstehen) wenig hoffnung/ als der ich den gantzen zustand nicht bloß vor eine geistliche anfechtung halte/ sondern glaube/ der grund derselben seye erstlich eine natuͤrliche leibliche schwachheit eines nicht nur melancholi schen temperaments, sondern auch lang gesamleten mali hypochondriaci, so ihn nicht nur zu den amts-verrich- tungen/ sondern ohne zweiffel zu allem andern/ wo ein freyes gemuͤth und nach- sinnen erfordert wird/ ungeschickt gemacht haben wird. Daher weil auch das geistliche gleichwol in der seele und dero natuͤrlichen kraͤfften/ verstand/ willen u. s. f. wircken muß/ diese kraͤfften aber eben sowol je nachdem die innere glieder des lei- bes/ sonderlich gebluͤt und geisterlein in demselben beqvem oder nicht beqvem sind/ ent- ARTIC . II. SECTIO XX. entweder wohl oder uͤbel ihre verrichtung thun koͤnnen/ so kans nicht fehlen/ daß nicht dergleichen leuten nachmal schwehr werden solte/ auch dasjenige/ was in dem geistlichen deroselben natuͤrlichen inclination entgegen ist/ (zum exempel/ ein schwehrmuͤthiger den trost und dasjenige/ was ihn zur freude auffmuntern solte) zu fassen. Ja bey solchen leuten/ wo nun die natur dahin gekommen/ daß sie voller angsthafftigkeit/ zagen und schwehrmuth stecket/ da muß solche ihre inclination gemeiniglich etwas haben/ darinnen sie sich martere. Also sehen wir/ daß bey solchen/ die ihr Christenthum ihnen nicht sonderlich haben lassen angelegen seyn/ gemeiniglich sich die aͤngsten zeigen werden in bauch-sorge/ angst und furcht we- gen des zeitlichen/ daher sie leicht gar verzweiffeln/ oder doch solche ihre suͤndliche zuneigung und habitus des geistes ihre stete marter und qvaal ist. Hingegen bey gottseligen hertzen ergreifft die natuͤrl. schwehrmuth so bald dasjenige objectum, damit sie sonsten meistens umbgangen oder es ihnen vor andern angelegen gewesen war/ nemlich die geistliche/ da will kein trost also mehr hafften/ daß man nemlich denselben fuͤhlen koͤnte. Daß demnach solche zustaͤnde vermischt sind/ und etwas geist- und uͤbriges leibliches in sich haben. Weil aber solche geistliche an- fechtung gewiß sehr viel gutes in den seelen wircket/ wo man goͤttlichem rath dabey platz gibt/ so zweiffle nicht/ daß GOtt/ der uns schaffet in mutterleib/ einer seele/ wel- cher er nach seiner heiligen vorsehung ein solches leiden vor noͤthig erkennet/ eben auch einen solchen leib und temperament gibet/ darinnen sie zu solchem creutz bereits die disposition muͤssen auff die welt bringen. Jndessen ist nachmal eine ziem- liche vermuthung/ wo das leibliche zum grunde liget/ welches sich natuͤrlicher weise/ sonderlich wo das uͤbel so tieff eingesessen/ nicht leicht mehr aͤndert oder gar weg- gehet/ daß GOtt einem solchen menschen die plage auf sein lebetag zu tragen noͤ- thig besunden/ und dermassen zugeschickt habe/ wiewol ichs nur eine vermuthung nenne/ den GOtt zuweilen zeiget/ wie er auch wider und uͤber die natur seine all- maͤchtige krafft erweisen koͤnne/ und sich an die natur/ die seine ordnung und ge- schoͤpff ist/ nicht selbst gebunden habe. Daher wir an solchen geaͤngsteten nicht nachlassen sollen nach vermoͤgen zu arbeiten/ ob wir wol der gaͤntzlichen befreyung keine versicherte hoffnung haben/ ob der HErr vielleicht etwas sonderbares an ihnen thun/ und unser werck dazu segnen wolte; aufs wenigste/ daß doch solchen lieben leuten einige erleichterung erlangt/ und sie stets zur gedult unter Gottes zucht-hand und kindlicher gelassenheit (die die vornehmste erleichterung der last ist) gebracht und darinnen erhalten werden moͤchten. Wird also der HErr sehr wol und Christ- lich thun/ wo er continuir en wird/ mit gleicher liebe sich dieses betruͤbten bru- ders anzunehmen/ und nach der empfangenen goͤttlichen gnade und eigener creu- tzes-erfahrung ihm zu weilen zu zusprechen. Ja es wird auch dieses ein stuͤck der F f f f f 2 schul- Das fuͤnffte Capitel. schuldigen danckbarkeit seyn/ weil der GOtt des trostes denselben in seinem schweh- ren creutz/ so ich auch vor dem mit inniglichem mitleiden verstanden/ mit seinem kraͤfftigen trost dennoch erhalten/ aufgerichtet und gestaͤrcket hat/ daß er desto wil- liger auch der betruͤbten sich annehme/ und ihnen mit dem trost/ damit ihn GOtt getroͤstet/ und er dessen vornehmste krafft in dem schwehrsten leiden und aͤngsten gefuͤhlet hat/ hinwiederum zu statten komme. Wie dann die auch einfaͤltigste trost- zuspruͤche/ so aus den hertzen kommen/ welche aus eigener erfahrung reden/ wol gemeiniglich am tieffsten durchtringen und ihre krafft erzeigen. 1682. SECTIO XXI. Christlicher rath uͤber eine vom teuffel schwehr an- gefochtene weibs-person. D En uͤbersandten casum einer unbekanten und jetzo eine zeither in schweh- ren anfechtungen ligender weibs-person habe sowol mit hertzlichem mit- leiden verstanden/ als vergnuͤglich daraus des getreuen himmlischen Vaters uͤber sie kraͤfftig waltende gnade erkennet. Jch halte sie in al- lem diesem vor ihren und aller unser augen elendesten zustand/ vor eine person/ an dero die goͤttliche guͤte bißhero ein grosses gethan/ auch noch grosses zu thun vor- hat/ und wo sie sich in die rechte ordnung schicken will/ ohn zweiffentlich viele zeug- nuͤssen grosser gnade erweisen wird. Jch will aber meine einfaͤltige gedancken in gewisse numeros abfassen. 1. Halte ich sie nicht vor besessen/ wie sie von sich besorget/ indeme die kenn- zeichen der leiblichen besitzung/ ja auch einiger vernuͤnfftiger schein derselbigen/ sich an ihr nicht finden. Dann die fuͤhlende angst und zittern an dem leib bringet sol- chen argwohn nicht mit sich/ sondern mag gar wol eine natuͤrliche wuͤrckung der traurigkeit und daraus entstehender hertzens-bangigkeit seyn. 2. Weil mir ihr voriges leben nicht bekant/ so kan daher nichts vermuthen/ so viel ich aber vernehme/ daß verdruß bey ihr gewesen/ bey einem seltzamen mann zu leben/ so habe solchen vor den ursprung dieses uͤbels zu achten: nicht nur weil solcher verdruß und betruͤbnuͤß den melancholi schen affect bey ihr verursacht oder vermehret: sondern auch weil sie darinnen GOtt dem HErrn mag ursach gegeben haben/ da derselbe ihre gedult durch einen widerlichen ehegatten zu uͤben/ dergleichen ihr begegnen hatte lassen/ und diese sich aber wider solchen rath ge- streubet/ auffs wenigste nicht mit geziemender willigkeit solchen creutz-brecher aus seiner hand angenommen/ noch ihm dafuͤr gedancket/ ihr neben demselben einen noch andern viel herbern und beschwehrlichern einzuschencken/ und damit das- jenige ARTIC . II. SECTIO XXI. jenige bey ihr auszurichten/ was durch das vorige noch nicht erhalten war wor- den. Dann also pflegets GOtt gewoͤhnlich zu machen/ daß er statt des hoͤltzern jochs/ so er auffgeleget/ wo man dasselbe zerbrechen will/ ein eisernes aufleget. 3. Darauff vermuthe/ daß der in seinen wegen so wunderbahre und verbor- gene GOtt sie auff gar seltzame weise von anderer seelen-gefahr durch die vor augen ligende groͤsseste gefahr zu ihrem heil zu fuͤhren angefangen: halte also davor/ daß einstheils der melancholische zustand aus GOttes willen bey ihr zugenommen/ und also die natur solche teufflische impressiones zu leiden bequem gemacht worden: andern theils mag der goͤttliche rath dem leidigen satan macht uͤber sie gegeben ha- ben/ so grausamlich sie anzugreiffen: daher was nachmal gefolget/ nicht sowol ihre eigene handlungen als lauter satanische versuchungen gewesen. 4. Demenach achte ich/ daß alle die gefolgte abscheulichste gedancken/ fluͤche und machinationen lauter feurige pfeile des teuffels gewesen/ welche nicht von ihro selbst hergekommen/ sondern ausser ihr in ihre seele geschossen worden. Wel- ches sonderlich damit zu zeigen/ weiln selbs das votum, des teuffels mit den sei- nigen also zu seyn/ wie sie gewuͤnschet/ ein solch verlangen ist/ so selbst der boßhaff- tigsten natur entgegen ist: Massen alles der gottlosen menschen begehren kommet aus der eigenen liebe/ als dem grund unserer verderbnuͤß/ und suchet also der mensch in demselben einiges/ so er ihm aufs wenigste etlicher maaßen nuͤtzlich zu seyn/ und davon nutzen/ lust oder dergleichen zu haben glaubet; wie die hexen/ entweder umb schaͤndlicher fleisches-lust/ umb gelds oder anderer ursachen willen/ da sie meynen/ daß ihnen auffs wenigste eine weile wohl seyn werde/ dem satan sich ergeben. Nullum sine autoramento vitium est. Dieses verlangen aber der unbekanten person ist gantz wider natuͤrlich/ nemlich so bald von dem teuffel weggefuͤhret und zurissen zu werden. Dann wo man sagen wolte/ sie haͤtte da- mit gehoffet ihres lebens loß zu werden/ so waͤre dazu/ geschweige der damit an- gefangenen ewigen marter/ diese art/ von dem teuffel zerrissen zu werden/ nicht noͤ- thig gewesen/ als die auff andere weiß ihres lebens abkommen moͤgen: bleibe also dabey/ es seyen lauter teufflische suggestiones gewesen/ da der feind erstlich den verstand durch den affectum melancholicum turbir et/ daß sie sich in solchen suggestionibus dessen nicht gebrauchen koͤnnen/ sondern in diesen gedancken wenig von einer wahnsinnigen person unterschieden geweßt/ und alsdann solche grausame dinge und vota ihr imprimi ret; Sind sie also der art/ welche Gerson solle peccata passiva nennen/ darinnen der mensch mehr leidet als thut. 5. Gleichwol hatsie deswegen nicht zu meynen/ daß sie sich mit solchen ihr ge- waltsam eingetruckten teufflischen gedancken/ bald dieses bald jenes laster zubege- hen/ nicht versuͤndigt haͤtte/ sondern auff den leidigen feind/ wie die vornehmste/ F f f f f 3 also Das fuͤnffte Capitel. also gar alle schuld schieben doͤrffte/ vielmehr wird sie ursach gnug finden/ wes- wegen sie sich vor GOtt zu demuͤthigen/ und ihr eigen suͤnden-elend zubejammern hat. (1) Jst die gewalt/ die der teuffel uͤber uns hat/ und zu uͤbung derselben an ihr von GOtt/ sondere verhaͤngnuͤß bekommen/ eine frucht unserer erb-schulde: und muß sie sich selbst erkennen/ unter der zahl derjenigen zu seyn/ welche uͤber sich in Adam durch die suͤnde dem teuffel gewalt gegeben haben/ und also deswegen schuld haben an allem/ wozu sie nachmal dieser mißbrauchet. (2) Wo sie schon nicht durch vorher gegangene suͤnden goͤttliches gericht uͤber sich gezogen/ als da- von ich nichts weiß/ und also auch nicht temere argwohnen solle/ ist gleichwol der verdruß und ungedult in der ihr mißfaͤlligen ehe bereits eine solche suͤnde/ wel- che/ wie sie vermuthlich GOtt zu dieser zulassung ursach gegeben/ die schuld des darauff gesolgten auff die person selbsten zeucht. (3) Ob wol seinen glaubigen der getreue himmlische Vater die von ihnen ohne willen und aus schwachheit begangene suͤnden nicht zurechnen will/ geschihets doch nicht daher/ gleich ob ver- dienten dieselbe nicht goͤttlichen zorn/ weil ja freylich der fluch des gesetzes uͤber alles gehet/ wo das hertz aus eignen oder anders her angeflognen gedancken nicht in der ordnung vor GOTT stehet/ wie es stehen solle; weswegen glaubige auch solcher ihrer schwachheit-suͤnden wegen sich in taͤglicher buß vor GOtt demuͤthigen/ und die nicht zurechnung derselben allein ihres GOttes vaͤter- licher liebe und Christi verdienst/ ja aber nicht deme zuschreiben/ daß die suͤnde an sich selbst geringe waͤre: So dann nun bekantlich glaubige ihre suͤnde/ die sie aus schwachheit in dem stand der gnaden begangen/ ob sie wol ihnen niemal zugerech- net worden/ nicht gering schaͤtzen/ sondern schmertzlich bereuen/ so hat diese person so vielmehr ursach/ bey dero/ wie weit sie mit gewircket oder nicht/ und ob sie in solcher zeit allerdings den glauben und heiligen Geist verlohren gehabt/ oder als eine ihres verstands allerdings damal in diesen dingen beraubte (die deßwegen wuͤrcklicher boßheit nicht faͤhig gewesen) vor GOtt in dem stand geblieben/ in wel- chem sie mit dergleichen betreten worden/ noch den heiligen Geist behalten/ (ob zwahr derselbe seine wirckung nicht weiter spuͤren lassen/ als daß er sie vor dem eussersten verderben bewahret) ungewiß seyn mag/ alle ihre suͤnde/ so damal vor- gegangen/ als schwehre greuel anzusehen/ und schmertzlich sie zubereuen. Jm uͤbrigen meyne ich nicht nothwendig zu seyn/ daß die angedeutete zweiffelhaffte frage decidir et werde; das sicherste wohin auch die meiste rationes gehen moͤchten/ wuͤrde seyn/ sie halte solche ihre suͤnde vielmehr schwehrer als leichter/ und suche sie in nichts zuentschuldigen. (4) Sonderlich weil solche teufflische impressiones bey ihr keinen widerstand gefunden/ vielmehr sie denselben nach- gehaͤnget/ darein gewilliget/ zum oͤfftern solch votum wiederholet/ andere suͤn- den zubegehen/ als mit gifft zuvergeben/ ehebruch zutreiben ꝛc. getrachtet/ und ohne ARTIC . II. SECTIO XXI. ohne zweiffel dazu gelegenheit gesucht. Welche stuͤck alle ein starcke cooperation von ihrer seiten mit sich bringen/ indeme noch nicht genugsam erhellet/ daß sie damal in dem melancholischen zustand also ihres verstands auch hierinnen zuge- brauchen beraubt gewesen/ daß zu keiner resistentz muͤglichkeit geweßt waͤre: in welchem fall allein ihr solches uͤbel/ dem sie nicht widerstehen moͤgen/ nicht wuͤrde zugerechnet worden seyn. 6. Aus allem wird verhoffentlich klahr erkant werden/ daß sie hohe ursach habe die grausamkeit solcher suͤnde/ die der satan zwahr hauptsaͤchlich bey ihr gewircket/ aber sie solcher schuld sich darnach theilhafftig gemacht/ und ein gantzes jahr ohne einiges wahres gebet oder wahrhafftigen actum pietatis gegen ihren GOTT zugebracht/ zuerkennen/ und wie sie freylich damit ewig der gnade GOttes ver- lustig zu seyn/ wol verdienet haͤtte/ zu glauben. Aber darneben solle sie auch er- kennen/ daß die teufflische boßheit gegen sie sich so groß nicht gezeiget/ als goͤtt- liche guͤtigkeit uͤber ihr gewaltet. 1. Jndem sie dem teuffel eine gantz gemessene macht uͤber sie gegeben/ uͤber welche er nicht gehen/ und also wie er wol bey meh- rer macht wuͤrde gethan haben/ ihr verlangen ihre kinder an dem leib/ sie an leib und seel zu verderben/ nicht erfuͤllen doͤrffte. Dann nicht zugedencken/ daß der teuffel zu faul oder so barmhertzig gewesen/ ihre so offt wiederholte vota zu erhoͤ- ren/ und sie also zu sich allerdings zureissen/ wo nicht hoͤhere hand ihn zuruͤck ge- halten haͤtte. 2. Hat auch goͤttliche gnade darinne sich erwiesen/ daß er ihr alle gelegenheit benommen/ die von dem satan eingegeben/ und von ihr verwilligte suͤn- den in das werck zu setzen/ dazu sie ohne zweiffel selbst gelegenheit gefunden/ und auffs wenigste der teuffel selbs solche ihr leicht gemacht wuͤrde haben: zum exem- pel/ da sie ehbruch gesucht/ haͤtte er in ermangelung eines andern ehebrechers selbs in gewisser angenommener gestalt schande mit ihr treiben moͤgen. Daß aber alles solches unterblieben/ ist ein kraͤfftiges zeugnuͤß der uͤber ihr geschwebter goͤtt- licher guͤte/ der sie zwahr sincken/ doch nicht versincken lassen wollte. Dahin son- derlich gehoͤret/ daß 3. wuͤrcklich kein pactum mit dem teuffel gemacht/ woran doch diesem es an gelegenheit ja nicht kan gemanglet haben. Aber GOTT wolte diese seele zwahr des feindes grausamkeit ersahren lassen/ aber sie ihm nicht gar uͤbergeben. Hiezu setze noch 4. daß GOTT sie in solchem greulichen stand nicht sterben hat lassen oder zugegeben/ daß der verdruß des lebens sie zu dem selbs-mord braͤchte/ dazu sie der moͤrder ohne zweiffel gereitzet/ und gebracht haben wuͤrde/ wo er gedoͤrfft 5. Kom̃t hieher dieses zeugnuͤß der gnade/ daß sie der barmhertzige Vater zur erkaͤntnuͤß ihres elendes und schwehren suͤnden gebracht/ daß das gewissen (so viel ich sehe nicht aus sonderbahrer eusserlichen gelegenheit oder zuspruch/ son- dern eigenen erinnerung desjenigen/ so sie vorhin aus GOttes wort gehoͤret) bey ihr auffgewachet/ sie darauff ihre uͤbelthaten schmertzlich detestir et/ und nach Das fuͤnffte Capitel. nach goͤttlicher gnade verlangen bekommen/ auch einigen trost eine weil wieder gespuͤret/ welche aus dem irrweg sie wiederruffende gnade ein klahres zeugnuͤß ist/ daß die vorige gewalt/ so dem satan uͤber sie verhaͤnget/ nicht zu ihrem verder- ben/ sondern zu ihrem besten gemeynt gewesen: und daß GOtt aus ihr ein seli- ges exempel seiner unbegreifflichen weißheit und guͤte machen wollen. 6. Jch ziehe auch dahin/ daß GOtt ihr ihre buß nicht so leicht ankommen lassen/ sondern somol die gewissens-aͤngsten uͤber alle maassen hefftig bey ihr sich gezeiget/ als auch der trost ihr sauer wird: auff daß/ was GOtt jetzt gutes bey ihr wircken will/ desto tieffer wurtzel setze: und sie nicht aus vorigem anfechtungs-stand in noch ge- faͤhrlichern stand der sicherheit gerathe/ welches leider bey einigen angefochtenen zuweilen zu geschehen pfleget. 7. Was dann anlanget/ was nunmehr bey ihr zu thun/ so wuͤrde sie erstlich zuerinnern seyn/ daß sie ihre suͤnde hertzlich zuerkennen fort fahre/ und ob zwahr dieselbe nicht ihr allein/ sondern vornemlich des teuffels/ sind/ sie doch nicht ent- schuldige. Nechstdem daß sie deswegen ins kuͤnfftige mit goͤtlicher gnade zu frie- den seye/ in was grosser oder geringer maaß er ihr dieselbe erzeige/ und gedencke/ wo ihr GOtt entweder anderes creutz noch zusenden solte/ oder eben diesen ihr empfindlichsten jammer der anhaltenden teufflischen versuchungen bey ihr fort waͤh- ren lassen wolte/ daß er ihr nicht unrecht thue/ undsie nicht zu fragen habe/ womit sie es von ihm verschuldet. Wolte GOtt mit ihr verfahren nach ihrem ver- dienst/ so ist ja iegliche suͤnde des ewigen todes/ und also so vielmehr anderer straffen werth/ daher sie sich uͤber GOtt ja nicht beschwehren/ sondern nachdem sie gnad erlanget/ alles vor ein vaͤterliches schonen achten solle/ was sie tragen muß/ gegen den verdienten ewigen straffen. 3. Solte sie einige fernere grobe suͤnde auff dem gewissen ligen haben/ so thue sie GOtt die ehre/ und bekenne sie vor ihm und seinem diener/ umb auch daruͤber trost zu empfangen. 4. Hoͤre und lese sie fleißig Gottes wort/ auch wo sie schon nicht den geschmack und trost/ den sie wuͤnschte/ daraus empfindet; empfindet sie zwahr etwas/ so dancke sie ihrem GOtt dafuͤr hertzlich/ und erkenne sich desselben unwuͤrdig/ fuͤhlet sie aber mehr schrecken und angst als trost/ so demuͤthige sie sich auch deswegen vor GOtt/ ge- dencke sie seye der freude und trosts/ den andere kinder GOttes aus seinem wort fuͤhlen/ nicht werth/ und GOtt thue ihr nicht unrecht/ daß er ihr solchen hinter- halten/ mit dem steten willen/ dahin sie sich am meisten zu gewehnen/ wo GOtt nach seinem heiligen rath sie die tage ihres lebens mit solcher plage wolte behaff- tet seyn/ und von dem teuffel ohnauff hoͤrlich mit dergleichen faͤusten geschlagen werden lassen/ habe sie es nicht nur verschuldet/ sondern wolle es/ ob zwahr sol- ches schwehrer als uͤbrige aller welt plagen seyn wuͤrde/ gern leiden/ GOtt wolle nur nicht zugeben/ daß sie dem teuffel/ dessen pfeile sie leiden muͤste/ nicht selbs raum ARTIC . II. SECTIO XXI. raum gebe/ und mit willen ihren Vater weiter erzuͤrne/ sondern daß seine ehre auf ihm bewußte weise auch hierinnen an ihr moͤge befoͤrdert/ und die krafft des fuͤr sie vergossenen blutes JEsu/ als des uͤberwinders des satans/ an ihr nicht moͤge verlohren werden. Wo nun also seine ehr an ihr wieder gepriesen werde/ wolle sie sich gern der freude und trost/ die sie sonst aus ihm auch noch hier in der welt zugeniessen sehnlich verlangte/ umb seines willens willen verzeihen. Dieses ist wol die fast schwehrste lection, indem die verleugnung sein selbs darzu in ziemlich hohem/ ja fast hoͤchsten grad/ gehoͤret. Aber GOtt will sie hiedurch auf dieselbe stuffe fuͤhren/ wo sie sich will leiten lassen. Kommt sie nun dahin/ daß das hertz endlich sich resolvir et/ seinen GOtt mit sich machen zu lassen/ die pfeile des teuf- fels/ und daher entstehende schmertzen gedultig zu leiden/ daruͤber nicht wider GOtt zu murren/ indeß auch der mittheilenden gnade dazu zugebrauchen/ daß sie dem feind nicht selbs zu willen werde/ sondern auff ihrer hut in jedem kampff bleibe; so ist das schwehrste der anfechtung vorbey/ und nachdem der eigne wille dem goͤttlichen gewichen/ wird der verlangte empfindliche trost/ auff den sie gleich- sam verzieg gethan/ so viel baͤlder wieder kommen. 5. Damit sie aber in die- sem kampff moͤge bestehen/ ist der bey ihr schwache glaube fleißig zu staͤrcken/ und sie dahin zu weisen/ daß der glaube nicht aus dem empfindlichen trost in dem hertzen/ sondern in dem stande der anfechtung aus goͤttlichen worts außage/ welche allezeit der einige feste grund ist/ zu urtheilen seye. GOTT weiset uns nicht auff unser fuͤhlen/ sondern auff seine zusage. Nun hat ihr GOtt in der heiligen tauffe eine ewige gnade zugesagt/ einen ewigen bund mit ihr gemacht/ auch den glauben bey ihr/ biß sie zu dem schauen versetzt werde/ zuerhalten ver- sprochen. Diese zusage wird gewiß an ihr erfuͤllet/ wo sie solcher gnad und wuͤrckung GOttes sich nicht muthwillig widersetzet/ sondern in der ordnung Got- tes und gebrauch seiner gnaden-mittel bleibet. Nun aber daß sie solcher heili- ligen wuͤrckung GOttes in ihrem hertzen sich nicht zuwidersetzen begehre/ gibt ihr gewissen zeugnuͤß/ ja ist ohnfehlbahr daraus zuerkennen/ daß sie alle ihre suͤnden/ die sie in sich leiden muß/ so ernstlich hasset/ sich daruͤber graͤmet/ nach dem trost und goͤttlicher gnade so sehnlich verlangen traͤget/ und anders dergleichen; dann weil solches eines wahren glaubens und je nicht des fleisches/ (sonderlich zeit- waͤhrender solcher satanischen anfechtung) fruͤchten sind/ so hat sie aus denselben auch eben sowol des glaubens sich zuversichern/ als aus empfindlichem desselben trost: gleichwie ich aus dem vorhergehenden rauch sowol/ daß verborgenes feuer da seye/ also aus der flamme schliessen und abnehmen kan. Sie mag auff den schoͤnen spruch gewiesen werden/ 2. Tim. 2/ 13. Glaͤuben wir nicht/ so blei- bet er treu/ er kan sich selbst nicht verleugnen. Es ist auch dieses eine schwehre uͤbung/ den glauben bey sich zu glaͤuben/ wo man mit lauter unglau- G g g g g ben Das fuͤnffte Capitel. ben bey sich zu kaͤmpffen hat/ und daher die groͤsseste marter empfindet/ aber wo wir uns unserm Heyland uͤberlassen/ solle auch solche lection nicht zu schwehr werden. Der jenigen anfechtung aber/ da sie in sorgen stehen mag/ daß die etwa ferner continui rende teuflische versuchungen sie aus goͤttlicher gnade heraus se- tzen moͤchten/ und sie GOttes kind je nicht seyn koͤnne/ bey solchem elenden bewand- nuͤß ihrer seelen/ ist kraͤfftig dieses entgegen zu halten/ daß an den glaͤubigen nichts verdamliches mehr seye/ und also die an sich selbs verdamliche suͤnde ver- liehre an ihnen ihre krafft/ und werde ihnen nicht zugerechnet; in dem das blut JEsu CHristi/ dessen krafft wegen des glaubens hey ihnen immer bleibet/ solche an ihnen decket und tilget. Ja in solchem stand/ und bey ihrem hertzlichen miß- fallen/ habe es mit solchen teuflischen suggestionibus nicht mehr die jenige be- wandnuͤß/ die es vorhin gehabt/ als sie noch gefallen daran hatte. Sondern ob wohl damal solche des teuffels eingebung auch ihre eigene suͤnde worden/ welcher sie nicht widerstanden; so werden sie doch jetzt nicht mehr fuͤr ihre suͤnden vor GOTT angesehen. Zwahr abermal nicht aus dem gesetz/ dann sie muß allemal wissen/ daß ihr hertz dergleichen teuflischen suggestion en unterworffen/ und von dem feind dazu mißbraucht werde/ seye nicht nur allein eine frucht der suͤndlichen verderbnuͤß/ sondern es gehe nie lehr ab/ daß sie nicht selbs daran participi re/ indem wir niemal solchen ernst/ fleiß/ eiffer/ mißfallen dagegen be- zeugen/ als die sache erfordert. Dahero sie immer materie hat ihre taͤgliche buß zuûben/ aber aus gnaden JEsu CHristi wird ihr solches nicht zugerechnet/ weil dieselbe uͤber sie waltet/ als lang sie nicht durch unglauben/ und boßhafftige ein- willigung/ die gnade von sich stosset. Einige pflegen solche gifftige pfeile/ die die glaͤubige seele wider willen schmertzlich leiden muß/ zuvergleichen mit andern leibes-schmertzen/ und achten sie vor eine gewisse art eines martyrii, so sie um CHristi willen/ oder doch aus seinem H. rath leiden muß. Wie nun aus die- sem trost vermeine/ daß sie sich gnug auffrichten/ und in ihren stand sich schicken lernen koͤnne/ so mag auch noch bey gesetzt werden/ wie GOTT durch solches jetzo ihr auffligendes schmertzliches creutz viel gutes bey ihr wircken wolle/ sie in steter demuth zuhalten/ aller sicherheit zuwehren/ zumachen daß sie ihre seeligkeit mit furcht und zittern schaffe/ sie von der welt abzuziehen/ dero suͤßigkeit ihr bitter zumachen/ an ihr ein exempel seiner kraͤfftigen und wunderbahren guͤte zuzeigen. u. s. f. Welches alles weiset/ aus was heilsamen rath GOTT solches gleich an- sangs zugeschicket habe: und deswegen weil er jetzt dasjenige/ da sie in erkaͤntnuͤß solches goͤttlichen raths und in stetem kampff wider das eingebende boͤse stehe/ noch auff ihr ligen laͤsset/ solches kein zorn-sondern gnaden-zeichen sey. 6. Vor- aus gesetzt dieses goͤttlichen trosts gebrauche sie sich nicht nur/ wie oberwehnet/ des heiligen worts Gottes/ sondern auch des H. Abendmahls mit der vorbereitung als jetzige ARTIC . II. SECTIO XXI. jetzige ihres hertzens beschaffenheit solches zulaͤsset: sonderlich aber des lieben ge- bets/ damit sie immerfort anhalten soll; und ob sie schon alle andacht mei- net weg und erloschen zu leyn/ so muß sie sich nicht schrecken lassen/ sondern fort- fahren: aber also/ damit sie nicht wider/ sondern nach GOttes willen bete/ und also zwahr mit inbruͤnstigem verlangen/ daß ihr GOTT den freudigen geist geben wolle/ damit sie ohne dergleichen furchtsame gedancken ihm wieder freyer dienen moͤchte; aber gleich dabey willigster uͤberlassung/ wann GOtt auch zu ihr wie Pau- lo sprechen wolte/ laß dir an meiner gnade genuͤgen/ auch damit zufrie- den zuseyn/ und uͤber diese seelen-marter nicht zumurren; der gewissen zuversicht/ GOtt werde es zu seiner zeit wol wissen zu machen/ wie seine ehr und ihr heil es erfordere; und gesalle sie ihm mehr in dem stand/ darein er sie gesetzt/ als wo sie sich desselben mit gewalt/ so doch vergebens/ und ungedultig entbrechen wolte. 7. Dann ist sie zuvermahnen/ in allen stuͤcken sorgfaͤltig ihr gewissen wahrzunehmen/ und es ja nicht mit einig wissentlicher suͤnden willig zubeflecken: als wodurch sie dem satan leicht mehr gewalt geben werde: da hingegen Gott unter andern eben die- ses mit dergleichen verhaͤngnuͤß suchet/ das gewissen zart zu machen/ und so viel- mehr sorgfalt vor wissentlichen suͤnden zu wircken/ weil sie so viel anderes bey sich leiden muß. Diesen goͤttlichen rath muß sie bey sich lassen kraͤfftig seyn. 8. Sonderlich weil ihr hertz gegen ihren wunderlichen ehmann mit unwillen lang muß erfuͤllet gewesen seyn; (so zu allem diesem unheil ursach gegeben/) so solle sie dieser suͤnde bey sich so viel ernstlicher steuren/ ihrem ehmann/ dafern derselbe noch lebet/ so viel fleißiger unter augen zugehen/ und immer zugedencken/ da er je sollte seltzam seyn/ so koͤnne er sie dadurch nimmer so beleidigen/ als sie ihm solche zeit uͤber/ obwol vielleicht ihr unwissend/ unrecht gethan/ daher sie nun so viel gedultiger alles von ihm leyden/ und ihn inbruͤnstig lieben/ ja sich auch alles harten tractamen ts/ so sie von ihm empfangen moͤchte/ vor GOtt wuͤrdig er- kennen/ indessen mit liebe und sanfftmuth ihn suchen zu gewinnen. Dieses ist ein gantz nothwendigs stuͤck/ so bey ihr ernstlich zu treiben: Also auch ist sie schuldig/ ihren kindern darinn satisfaction zu thun/ daß sie so viel eiffriger kuͤnfftig fuͤr sie bete/ und so viel sorgfaͤltiger nach GOttes willen sie zuerziehen trachte/ als vielmehrmal sie dieselbe verfluchet. Endlich und 9. halte ich sie auch dahin zu- erinnern/ daß sie ja/ wo sie goͤttlichen trost in ihrem hertzen nicht nach wunsch fuͤhlen moͤchte/ und hingegen dieser ihr jammer-stand continuir te/ sich fleißig huͤte/ den trost nicht in der welt nach weltlicher freude zu suchen: wie dann den angesochtenen nichts gefaͤhrlicher gerathen werden kan/ als daß sie in der welt allerhand freud und lust suchen sollen; damit sie aber entweder ihre schwehrmuth nur vermehren/ oder aus gerechtem gericht Gottes gar in sicherheit verfallen/ und nachmal eine sichere freude fuͤr den wahren goͤttlichen trost betruͤglich halten. G g g g g 2 GOtt Das fuͤnffte Capitel. GOtt will einmal haben/ daß die er in solchen trauer-stand gesetzt hat/ in solchem stehen bleiben/ biß er sie selbst erfreuen will/ versagt er ihnen nun die geistliche freude/ so muͤssen sie nicht gleichsam ihm zu trutz dasselbe in der welt suchen/ sondern gleichwie die von dem lieben GOTT in den leiblichen trauer-stand ge- setzte witwen schuldig sind/ ihrem trauer-stand gemaͤß zu leben/ also vielmehr die- jenigen/ die er in dem gestlichen/ in die trostlosigkeit gesetzt/ sollen sich dare in schi- cken/ und so lang auch keine welt-freude suchen/ als ihnen GOtt die geistliche freude noch versaget: hat der Vater ihr ins angesicht gespeyet/ 4. Mos. 12/ 14. sollte sie sich nicht so lang schaͤmen? daher sie nebenst dem Gottesdienst/ dessen sie sich vor allen zubefleissen hat/ ihrer haushaltung und anderer gottseliger wercke sich einig und allein zubefleissen/ und darinn/ nicht aber in weltlicher ergoͤtzlichkeit/ ihr vergnuͤgen zu suchen/ deswegen sich auch anderer als gottseliger leute/ von dero exempel und zuspruch sie auffgerichtet werden mag/ gesellschafft mehr zu ent- schlagen/ als etwa in vieler gesellschafft eine diversion des gemuͤths zu suchen hat: wie dann so wenig die viele leute als die gantze einsamkeit solchen leuten nuͤtzlich ist. Sind meine einfaͤltige gedancken hievon: zweiffle aber nicht/ wo die per- son gegenwaͤrtigem rath solgen wird/ daß sie in dem geist wird mehr gestaͤrckt werden/ als sie immermehr gedacht/ und daß auffs kraͤfftigste GOtt sie ein son- bares instrument seiner ehr und gnade wolle werden lassen/ daß sie fuͤr solche ihre demuͤthigung/ als eine theure wolthat/ ihm selbs noch ewig dancksagen wird. GOtt erfuͤlle es in ihr/ und trete den teuffel unter unsere fuͤsse. Amen. SECTIO XXII. Trost an eine angefochtene Jungfrau. Goͤttliche gnade/ liecht/ fried und trost in CHristo JEsu unserm HErrn! Jn demselben vielgeliebte Jungfrau. W Je ich von mehrern jahren deroselben hertzliche begierde nach der wah- ren erkaͤntnuͤß GOttes und dahin angewandten fleiß stets mit freuden erkant und geliebet/ auch die fruͤchte dessen in dero leben wahrgenom- men habe/ so ist mir zwahr meines entsinnens als lange ich ihres orts gewesen/ davon nicht wissend worden/ daß sie der HErr auch nach seinem ARTIC . II. SECTIO XXII. seinem willen in die anfechtungs-schule und an solchen kampff gefuͤhret habe: Jch habe mich aber dasselbe nicht befrembden lassen/ als ich durch N. N. dessen benachrichtiget worden/ ja ob mir schon das leiden guter freunde an sich selbs keine freude ist/ sondern so fern mit deroselben und andern in gleichem leiden ste- henden billich ein hertzliches mitleiden trage/ bekenne dannoch/ daß ich ursach be- sunden/ auch wegen dieses guͤtigen raths des himmlischen Vaters/ dessen lieb- reiche weißheit an ihr danckbarlich zu preisen. Jch habe zwahr auch seither noch- mal verstanden/ daß der HErr HErr sie einen theil solches kampffs siegreich uͤberwinden lassen/ und die last etwas erleichtert habe/ darinnen abermal seine himmlische schonende gnade erkenne/ welche nach ihrer verheissung uns nicht uͤber vermoͤgen laͤsset versuchet werden. Nun habe von der zeit/ als ich von die- sem ihrem zustand gehoͤret/ mir so bald vorgesetzt/ nach der pflicht der liebe zu- versuchen/ ob mit einigem Christlichen zuspruch ihr beyzustehen und zu staͤrcken GOTT mir die gnade geben wolte/ wozu aber bey gegenwaͤrtiger bewandnuͤß keine andere gelegenheit ist/ als solches durch brieffe zu thun: jedoch hat mir indessen fast keine zeit darzu werden wollen/ und hab ich es also von einem tage zum andern auffschieben muͤssen. Gleichwol kan sie versichern/ wie ich auch vorhin ihres lieben hauses/ und also darinnen auch ihr/ vor dem angesicht des HErrn nicht vergessen/ daß biß daher auch absonderlich getrachtet habe/ mit mei- nem gebet ihr/ obwol dem leibe nach abwesend/ dennoch nach dem geist gegen- waͤrtig kaͤmpffen zu helffen. Weil mir denn nun einige stunde frey wird/ habe nicht laͤnger verschieben sollen/ an dieselbe zu schreiben/ und also mein hertz vor ihr uͤber die bewandnuͤß ihrer seelen/ so viel die zeit zugibet/ auszuschuͤtten. Das erste/ das dieselbe zuerinnern und von ihr zu bitten habe/ ist dieses/ daß sie sich ja den kampff/ darein sie der HErr gefuͤhret werden lassen/ nicht befrembden lasse. Jch moͤchte hier die wort des lieben Petri auch gegen sie gebrauchen: Lasset euch die hitze/ so euch begegnet/ nicht befrembden (die euch wieder- faͤhret/ daß ihr versuchet werdet/) als wiederfuͤhre euch etwas seltza- mes: und nochmal: wisset/ daß eben dieselbige leiden uͤber eure bruͤ- der in der welt gehen. Meine geliebte/ freylich ists so/ wo sie in die her- tzen aller ihrer bruͤder und schwestern sehen solte/ wuͤrde sie gewißlich mehr lei- dens-genossen finden/ als sie ihr lebenlang sich nicht einbilden koͤnnen. Es ist zwahr der glaube ein liecht und feste zuversicht/ auch thut sich dasselbe zuweilen in der seelen hervor/ und fuͤhlen wir diese nicht ohne vergnuͤgung: aber ach wie offt verbirget sich jenes liecht und sonnen-glantz unter dergleichen schwartzen und dicken wolcken des natuͤrlichen unglaubens/ daß wir uns selbs mehr vor unglau- big als glaͤubig halten/ auch kaum uns einbilden koͤnnen/ daß wir jemal recht glaͤubig gewesen waͤren. Da wir etwa auch zu andernmalen uns gegen alle G g g g g 3 auff- Das fuͤnffte Capitel. auffsteigende zweiffel zur gnuͤge erwehren haben koͤnnen/ und unsers sieges ge- wahr worden sind/ so deucht uns zu andernmalen/ daß diese die obhand wider unsern willen gewonnen/ und was von einiger sestigkeit iemal vorhanden gewe- sen/ allerdinges niedergeschlagen seye. Jetzo nicht zu gedencken des kampffs der gotteslaͤsterlichen gedancken/ so die seele nicht nur grausamlich aͤngstet/ son- dern gar sorge macht/ der satan muͤsse sich allzufest bey uns eingesetzt haben/ daß er nach seinem belieben alle seine feurige pfeile in uns schiessen koͤnne. Also wird sie den geringsten umstand alles ihres leidens und kampffes nicht finden/ da sie nicht dergleichen und noch schwehrers in den seelen anderer bruͤder und schwe- stern antreffen sollte/ wo ihr der HErr die augen oͤffnete/ in dieselbe hinein zuse- hen. Ja sie sey versichert/ daß sie mir nicht leicht einen gedancken/ der bey ihr auffgestiegen/ oder einen zweiffel/ welcher sie geaͤngstet/ sagen wuͤrde/ da ich/ wo wir beysammen waͤren/ nicht getrauete/ ihr so bald ein und anders weiter zu sa- gen/ wie es in ihrer seele seye/ da ich entweder gleiches empfunden/ wie ich denn zur noth noch schrifftlich zeigen kan/ was ich vor 34. jahren in meinem unglau- bens-kampff auffgeschrieben/ oder bey mir die personen weiß/ so ihre hertzen bey mir ausgeschuͤttet/ und gleiches gefuͤhlet haben. Jndessen weiß ich gantz wol/ daß alle solche liebe seelen/ und jede von sich selbst/ meinen/ sie seyen die einige in der welt/ und scheuen sich wol gar/ ihre wunden zu weisen/ als die sie sorgen/ allzu abscheulich zu seyn/ daß sie sie niemand ohne dessen aͤrgernuͤß weisen doͤrffen. Jst also bereits etwas eine erleichterung/ da sie sehen oder hoͤren/ daß sie ihres gleichen so viel/ auch unter denjenigen haben/ welche unter die kinder GOttes zugehoͤren sie selbs nicht zweiffeln. Daraus folget alsobald 2. das andere/ daß sie dieses/ weil sie ihr himmlischer Vater in solchen kampff gefuͤhret hat/ nicht als eine anzeigung seines zorns oder verstockung/ sondern vielmehr seiner liebe ansehe/ daß er sie durch diese uͤbung wolle immer staͤrcker machen/ wie man ei- nen noch jungen baum offt mit fleiß hin und her reisset/ nicht daß man ihn ausreissen/ sondern nur machen wolle/ daß die wurtzeln in der erde so viel fester anschlagen und tieffer eindringen. Er will sie durch viele zweiffel so viel gewisser machen/ und dar- neben ihre schwach heit ihr mehr zuerkennen geben/ damit sie so viel hertzlicher zu ihm um seine krafft seuffze/ und sich zu staͤrcken trachte. Ja er will sie verwahren fuͤr aller sicherheit und innerlichen gefahr. Jch weiß zwahr/ daß der HErr be- reits von guter zeit in ihr die liebe der welt und dero eusserlicher eitelkeit ziemlich getilget hat/ wozu die Christliche aufferziehung ihrer lieben eltern viel gethan/ da- her ich nicht eben dafuͤr halte/ daß die gefahr bey ihr so groß gewesen/ auch eusser- lich dahin zu verfallen/ daß sie mit der welt in ihrer groben eitelkeit mit machte/ sie gedencke aber/ daß sie gleichwol dasjenige fleisch an sich traͤget/ das sie nicht nur auch zu dem guten stets traͤge machet/ und in deme immerdar eine heimliche liebe ARTIC . II. SECTIO XXII. liebe der welt verborgen stecket: auffs wenigste wie leicht es seyn moͤgen/ daß sie an dem guten/ was der HErr in sie geleget/ haͤtte moͤgen anfangen wolgefallen ha- ben/ es als ihr eigenes ansehen/ und sich also dessen uͤberheben/ welche befleckung des geistes wol so gefaͤhrlich ist/ als die befleckung des fleisches/ 2. Cor. 7/ 1. so vielmehr weil sie weniger und schwehrer als diese erkant wird/ und gleichwol alles gute in uns zu nicht/ ja GOtt dem HErrn zum greul/ machen kan. Wo sie aber nun in ihr hertz gehet/ hoffe ich/ werde sie finden/ wie kraͤfftig sie darinne uͤberzeuget seye/ daß sie ohne die gnade GOttes nichts/ ja etwa das gute in ihr noch in dem grad nicht seye/ wie sie wol ausser solchem stande sich einbilden moͤgen. Das ist nun die rechte nicht angemaste sondern wirckliche demuth/ wo wir uns nun in unsrer bloͤsse/ in unserm unvermoͤgen und elend aus eigner erfahrung anse- hen/ und wahrhafftig erkennen/ daß GOtt nur ein wenig sein liecht mit einer wol- cke uͤberzogen werden lassen/ und den empfindlichen einfluß seiner gnade zuruͤck ziehen doͤrffe/ so offenbahre sich unsre finsternuͤß und boßheit unsers hertzens/ der- gleichen wir bey uns zu seyn/ ohne solche eigne erfahrung/ nimmermehr geglau- bet haͤtten. Wie sie ohne zweiffel diese zeit uͤber so viel greuel und auffteigende luͤsten in haß und murren gegen GOtt/ der sich nicht nach unserm willen offen- bahren wolle/ in zweiffel an alle dem/ was wir von ihm gehoͤret/ und in andern dergleichen regungen des fleisches/ wird bey sich gefuͤhlet haben/ da sie sich son- sten von andern schwehrlich wuͤrde haben uͤberreden lassen/ daß das hertz aus sei- ner natur ein solcher garstiger pful voll stinckenden wassers seye/ so bald es sich selbs etlicher maassen uͤberlassen wird. Diese recht gruͤndliche demuth aber/ so aus der eignen erfahrung koͤmmt/ ist nun ein grund vieles guten in ihrem kuͤnff- tigen gantzen leben/ in dem/ wo sie auch nach GOttes gnade wiederum zu ziem- licher ruhe wird gekommen seyn/ sie dennoch stets sich dessen erinnern wird/ was sie an sich befunden/ damit aber wird auch alles uͤbrige an ihr desto mehr gehei- liget und GOtt gefaͤllig gemacht werden. Es wird sie auch dieses desto sorg- faͤltiger machen/ sich vor aller vorsetzlichen beleidigung ihres GOttes und vor aller sicherheit vorzusehen/ wenn sie bedencket/ wie vieles sie noch GOtt mißfaͤlli- ges wider ihren willen in sich leiden muͤsse/ und wie leicht sie von solchem einwoh- nenden uͤbel/ wo sie nicht in steter wachsamkeit bleibe/ koͤnte uͤberworffen/ und in fernere gefahr ihrer seelen gestuͤrtzet werden/ damit sie nebst aller kindlicher zuver- sicht auff die vaͤterliche gnade ihres beruffers auch recht mit forcht und zittern schaffe/ daß sie selig werde. So ist ja dergleichen leiden heilsam/ was uns vor mehrer gefahr bewahret. Sie wird hoffentlich bey sich fuͤhlen/ daß in dieser zeit ihrer anfechtung die liebe der welt und alles irdische mehr als vorher abgenom- men haben/ und hingegen die begierde von dem leibe dieses todes erloͤset zu wer- den/ nicht wenig gewachsen seyn wird. Sonderlich gedencke sie/ wie so viel sehnlicher und Das fuͤnffte Capitel. und hertzlicher sie zu ihrem Gott bißher als vorhin wird geseuffzet und gebeten haben. Vieleicht aber mag sie sagen/ sie habe ja nicht beten koͤnnen vor solchem zweiffel und unruhe ihrer seelen/ so ihr allen glauben und dessen freudigkeit benommen habe/ ohne die ja das gebet todt seye. Sie wird sich aber auch noch erinnern/ von mir viel- mal gehoͤret zu haben/ daß das rechte und bruͤnstige gebet bestehe in dem feurigen verlangen nach goͤttlicher gnade/ nicht aber blosser dinges in den mit ruhigem her- tzen und empfindlicher andacht sprechenden worten/ oder in dergleichen ruhigen nach einander folgenden gedancken: so ich zwahr freylich vor eine gnade in dem gebet/ aber dasselbe auch ausser jenem muͤglich zu seyn/ erkenne. Wo sie nun in sich gehet/ wird sie finden/ daß ihr hertz in solchem kampff fast unauff hoͤrlich mit dem verlangen und begierde erfuͤllet gewesen/ daß der HErr sich ihrer erbarmen/ ih- ren kampff und schwachheit ansehen/ ihre zweiffel ihr benehmen/ sich ihr offenbah- ren/ und ihr hertz gewiß machen wolle. Diese begierde und seuffzen darnach ist ja tag und nacht in ihrer seele geblieben/ auch da sie so zureden nicht daran ge- dacht/ und wenn sie denn austruͤcklich umb solche gnade gebeten/ so ist ja alles solches schon vorher in ihrem hertzen gewesen/ und also da sie gemeinet/ wegen der verstreueten gedancken/ sie koͤnne nicht beten/ und sey keine andacht in ihr/ sind solche seuffzen und etwa stoß-gebete immerfort die allerkraͤfftigste gebet/ und wol inbruͤnstiger gewesen/ als etwa/ wenn sie zu andernmalen gebetet/ da dasje- nige/ was sie gebetet/ erst gleichsam bey dem gebet der seele vorgestellt/ und die andacht und begierde darnach hat muͤssen erwecket werden. Jch hoffe auch/ diese uͤbung solle sie nun desto geschickter gemacht haben/ ihr lebtag so viel kraͤfftiger aus ihrer seele zu beten und zu GOtt zu ruffen. Weil sie denn nun in hertzli- cher uͤberlegung ihres bißherigen zustandes in diesen und etwa andern stuͤcken wahr- hafftig finden wird/ wie viel gutes der HErr in diesem kampff an ihr erwiesen/ so hoffe ich/ es solle ihr eine unwidersprechliche uͤberzeugung seyn/ daß GOTT in dieser verhaͤngnuͤß uͤber sie gewißlich keine gedancken des zorns/ sondern der gnaden/ und sie sich vielmehr daraus in seiner gnade zu stehen zu getroͤsten/ als von ihm verstossen zu werden/ zu sorgen habe. Also meine geliebte/ sey sie ge- trost in dem HErrn/ bleibe ihm treu/ und halte vollends in demjenigen aus/ wie viel von solchem kampff uͤbrig ist. Sie ruffe eiffrig zu ihrem GOtt/ aber/ wel- ches sie wol in acht zunehmen hat/ nicht sowol umb voͤllige hinwegnehmung ih- rer last/ und endigung ihres kampffs/ als welche wir noch nicht eben gewiß goͤtt- lichen willens zu seyn vorwissen/ als vielmehr umb seine gnade/ seinen kuͤnfftigen beystand/ linderung der versuchung/ damit sie ihr nicht zu schwehr werde/ und vollbringung seines willens in ihr/ dabey versichert/ daß sie nicht ehender zu voͤlliger uͤberwindung ihrer anfechtung gelangen werde/ als wo sie sich von grund der seelen resolvir en koͤnte/ die befreyung davon wider goͤttl, willen auch nicht ein- mal ARTIC . II. SECTIO XXII. mal zuverlangen/ hingegen so willig unter derselben zu bleiben/ als davon erloͤ- set zu werden: dann kaͤme ihre seele zu solcher uͤberlassung/ daß sie sich bloß ihrem vater in seinen schooß wuͤrffe/ mit ihr nach belieben umzugehen/ es seye nun/ daß er sie in liecht oder finsternuͤß/ in oder ohne geschmack seiner gnaden/ in ruhe oder unruhe haben wolte/ mit ihm gantz zufrieden zuseyn/ so haͤtte derselbe allen zweck wohin die anfechtung gemeinet sind/ bey ihr erhalten/ und koͤnte der voͤllige sieg nicht lange aussenbleiben. Weil ich aber weiß/ daß dieses eine hohe lection ist/ und ein ziemlicher grad der goͤttlichen gnaden-wirckung/ so kan ich ihr wol zeigen/ wornach sie sich bestreben solle/ aber nicht versprechen/ ob und wie bald sie darzu gelangen werde. Jndessen gewoͤhne sie sich doch ihr gebet destomehr dahin zurichten/ daß der HErr ihren willen dem seinigen mehr und mehr unterwerffen wolle. Ob sie denn auch mehrmal meinen moͤchte/ zu dem gebet untuͤchtig zu seyen/ und es auch nicht ohne ist/ daß ihr uͤbriges gebet/ mit viel zerstreuung der gedan- cken geschihet/ lasse sie sich doch solches von dem gebet nicht abschrecken/ aus sor- ge/ GOtt moͤchte solches aus mangel der andacht mißfaͤllig seyn/ vielmehr brin- ge sie ihm mehrmal ihr opffer/ wie sie es jegliches mal in ihrer schwachheit ver- mag/ allezeit mit der kindlichen demuͤthigung vor ihm/ daß sie dessen unvoll- kommenheit erkenne/ und wisse wie ihr gebet/ nicht um ihr sondern CHristi ver- dienst willen vor ihm gebracht zu werden wuͤrdig/ dahero auch der vergebung aus derselben bedoͤrfftig seye/ wie sie ihm aber hertzlich gern ein vollkommener opffer bringen wolte/ wo sie es vermoͤchte: gleichfalls lasse sie sich auch von fleißigem ge- hoͤr und lesung goͤttliches worts nicht abschrecken/ ob sie schon meinet/ sie waͤre da- zu wenig geschickt/ sondern vermehrete nur damit ihren zweiffel. Denn sie blei- bet mit recht auff dem ordentlichen weg/ darauff sie der HErr gesetzet hat/ und uͤberlaͤsset ihm/ wie viel empfindlichen seegen zu jedemmal er seinen gnaden-mitteln an ihr geben wolle. Aus gleicher ursach halte sie sich von dem heiligen abend- mahl nicht ab/ noch sorge/ daß dieser zustand sie dazu ungeschickt mache/ vielmehr glaͤube sie die krancken seyn der artzney am benoͤthigsten/ und die sich muͤhselig und beladen fuͤhlen/ haben das vornehmste recht zu CHristo zukommen. Jn ihrem leben gebe sie auff alle bewegungen ihres hertzens und gesamtes thun desto fleißiger acht/ damit sie niemal unbedachtes thue/ und damit ihr gewissen beschwehre. Dann wie zwahr zu allen zeiten solches gefaͤhrlich/ so ists doch in dem stande der anfechtung so viel schaͤdlicher/ und kan eine geringe verletzung des gewissens die anfechtung gleichsam auffs neue anzuͤnden/ und so viel hefftiger machen: also wan- dele sie vor GOtt in steter demuth/ ehrerbietigen furcht/ kindlichem danck fuͤr biß- herige empfangene wohlthaten/ sehnlichem verlangen nach seiner gnade und bereit- willigen gedult/ gegen den nechsten aber in so viel hertzlicher liebe/ sanfftmuth/ gedult demuth/ auch stetem gebet fuͤr andre/ damit sie/ weil sie anderer bruͤder und schwe- H h h h h stern Das fuͤnffte Capitel. ster fuͤrbitte auch jetzo destomehr bedarff/ in ihrer fuͤrbitte fuͤr sie auch destomehr recht an der gemeinschfft der heiligen/ und dessen trost in ihrer seelen habe. Sie offen- bahre auch ihre seele und dero anligen nicht jederman/ der sich etwa daran stossen koͤn- te/ sondern solchen seelen die sie weiß/ daß sie GOtt hertzlich lieben/ und eine erkaͤnt- nuͤß dessen art mit den seinigen umzugehen haben: deroselben raths und trosts ge- brauche sie sich vertraulich: weil aber die sorge/ daß sie ausser dem glauben/ und al- so gantz ausser der gnaden seye/ sie am meisten an allem hindern moͤchte/ so lerne sie an dieser kunst am meisten ihren glauben/ den sie nicht fuͤhlet/ an den fruͤchten zu kennen. Sie erinnert sich wol/ wie offt ich darauff getrieben/ daß wir nicht auff unser fuͤhlen bloß dahin gewiesen seyn/ sonderlich aber daß der glaube und trost auch bey denen/ da er ist/ nach GOttes rath/ tieff verborgen/ und dessen em- pfindung verlohren werden koͤnne. Aber wie wir alsdenn aus dessen fruͤchten die verborgene wurtzel/ und aus dem rauch/ das unter der aschen noch glimmen- de feuer erkennen muͤssen. Also schmeichle sie ihr selbs zwahr nicht/ sich derglei- chen gutes zuzuschreiben/ das nicht in ihr waͤre/ sie verleugne aber auch die gnade GOttes/ welche in ihr ist/ eben so wenig. Also erwege sie/ was sie vor liebe gegen GOtt/ und gegen den nechsten/ demuth/ gedult/ und anders dergleichen/ an ihr finde/ und examini re solche dinge/ ob sie nicht wahrhafftige fruͤchten der gna- den in ihr seyen/ darinnen vielleicht mein neuliches tractaͤtl. von natur und gnade einige anleitung geben kan. Sonderlich gedencke sie/ warumb es ihr gleichwol am meisten in ihrem gantzen leben/ umb GOTT und ihre seeligkeit/ oder umb fleischliches und weltliches/ zu thun seye/ da ich hoffe/ daß eben diejenige angst/ in dero sie solchen kampff fuͤhren muͤssen/ ein herrliches zeugnuͤß werden koͤnne/ wie ihr gewiß das erste mehr als das andere angelegen seye. Wo sie dann/ wie es ihr daran aus eigner pruͤffung und gottseliger freunde mithuͤlffe nicht mangeln wird/ dergleichen zeugnuͤssen der gnade bey sich antreffen wird/ da seye sie gewiß/ ihr aͤngstliches verlangen und seuffzen nach dem glauben/ an dero sie sichs zu mangeln meinet/ seye der rechte wahre glaube/ oder stecke doch in demselben/ daher seye dieses himmlische liecht in dem grund der seelen und allerheiligsten/ obwol nach GOttes heiligen rath dessen liecht in die empfindliche kraͤffte und gleichsam das heilige auszubrechen zuruͤck gehalten wird/ und sich nur durch uͤbrige wirckungen offenbahret. Nun ich uͤberlasse sie hiermit dem HErrn/ und dem kraͤfftigen wort seiner gnade. Jhr seelen-braͤutigam JEsus/ der ihre seele lie- bet/ und sie gewiß bewohnet/ stehe ihr kraͤfftig bey in ihrem kampff/ und ob er sich nicht sehen laͤsset/ so lasse er sie doch seines beystandes gewahr werden/ er ruͤste sie immer von der hoͤhe mit neuem vermoͤgen aus/ wo sie meinet/ daß sie nun keine krafft zu streiten mehr habe/ er lasse durch diese anfechtung/ alles was schlacken an ihr sind/ alle heimliche eigen-liebe/ oder liebe der welt/ ausgebrannt/ und ARTIC . II. SECTIO XXIII. und sie desto besser gelaͤutert werden/ er offenbahre aber auch zu rechter zeit ihr sein eigenes liebreiches angesicht/ und erscheine in ihrer finsternuͤß mit hellem liecht/ daß ihre seele genese/ und da sie die anfechtung uͤberwunden/ seine guͤte samt allen denen/ welche ihres kampffes kundig worden sind/ danckbarlich preise/ biß sie end- lich alles uͤberwinde/ und die krohn der ehren aus der hand dessen/ in dessen krafft sie gekaͤmpffet/ dorten empfange zu ewigem triumpff. Jch werde nicht unterlassen noch ferner auch treulichen fuͤr sie zu seuffzen. 1687. SECTIO XXIII. An einen der in geistlichen hochmuth/ daraus aber in ein schwehres anfechtungs-leiden gefallen war/ zum unterricht und trost. Jn unserm Gnaden-Koͤnig JEsu/ der uns am creutz versoͤhnet hat/ geliebter Herr und Freund. J Ch preise billig die heilige/ weise und guͤtige fuͤhrung des himmlischen Vaters uͤber seine kinder wie er sie nicht allein/ da sie ihm in einfalt und demuth ihre haͤnde bieten/ und sich fuͤhren lassen/ auffs beste leitet/ daß sie nicht irren/ sondern wo sie aus vorwitz/ hochmuth/ vermessenheit/ oder anderm antrieb des fleisches/ ja auch anderer verleitung/ von der richtigen hahn abweichen/ dieselbe freundlich wiederum zuruͤck fuͤhret aber wenn sie ja solchem liebreichen zug nicht folgen wollen/ zuweilen gleichsam mit unsanfften griffen bey den armen nimmet/ und aus dem verderben/ in welches sie sich stuͤrtzen wuͤrden/ mit einer gnaͤdigen gewalt heraus reisset. Mein geliebter/ wo er sich und sein gan- tzes leben erweget/ wird seinem himmlischen Vater zu ehren bekennen/ alles dieses selbst an eigener person erfahre zu haben. Er erinnert sich daß der HErr ihn vor mehrern jahren bereits in seiner seelen geruͤhret/ und zu erkennen gegeben hat/ wie der weg/ auff welchem gemeiniglich die welt ihre seeligkeit ausser der ordnung CHristi und dennoch in einem eingebildeten vertrauen auff ihn suchet/ der rechte weg nicht seye/ sondern wir in dem lebendigen glauben dem HErrn naͤher treten muͤß- ten: Jch zweifle auch nicht/ daß des HErrn wruͤckung in seiner seelen eine gute zeit kraͤfftig gewesen/ und dasjenige liecht in ihm entzuͤndet haben werde/ darinn er seinen erloͤser als seine gerechtigkeit und seine heiligung wahrhafftig erkant habe/ und in seiner wahren gemeinschafft gestanden sey; welches ich daraus schliesse/ daß auch andere von seinem liecht und brunst wahrhafftig entzuͤndet worden. Es gibet ihm aber nun sein guͤtigster Vater zuerkennen/ wie er von solchem richtigen weg sich abfuͤhren lassen/ da er besorglich sich in der gabe/ die ihm derselbeertheilet/ H h h h h 2 zu- Das fuͤnffte Capitel. zuspigeln und wol zugefallen angefangen/ damit uͤber andere sich erhoben/ oder er- hoben seyn wollen/ und also aus der demuth/ so die gewisse sichere bewahrerin der empfangenen gaben/ ausgeschritten ist/ daraus gekommen/ daß man an dem ein- faͤltigen weg der seeligkeit/ der uns auff eine solche art der gerechtigkeit/ die uns keinen ruhm zuleget/ sondern denselben allen unserm Heyland der uns sein ver- dienst schencket/ uͤberlaͤsset/ einig weiset/ einen eckel bekommen/ und in eigener ge- rechtigkeit der heiligung sein heil suchen wollen: daher ferner entstanden/ daß goͤttliche gnade nachdem sie nicht mehr der einige grund des vertrauens seyn sollen/ sich zuruͤckgezogen/ und ihn eine zeitlang ihme selbst gelassen hat/ welcher zustand nichts anders nach sich ziehen koͤnnen/ als daß man nun alles goͤttlichen ungewiß bald da bald dorther allerley meinungen aus buͤchern und andere reden ergriffen/ sich auffdieselbe fest gesetzet/ mit von einbildung der eigenen gerechtigkeit ver- blendeten augen den greuel der eigenen verderbnuͤß nicht mehr erkant/ also in eine pharisaͤische einbildung der auch gesetzlichen vollkommenheit und unsuͤndlichkeit eingetreten/ andere gegen sich verachtet/ und sich gegen goͤttliches gericht/ mit ab- legung aller uns noch hier noͤthigen furcht/ verhaͤrtet/ indessen doch wol gar in solche suͤnden (weil GOtt seine hand zuruͤckgezogen) gefallen ist/ vor welchen sich auch offenbahre welt-leute zu huͤten nicht nur vermoͤgen/ sondern wuͤrcklich huͤ- ten. Es wuͤrde vielleicht vor einer noch kurtzen zeit nicht moͤglich gewesen seyn/ meinen geliebten dahin zubringen/ daß er diesen seinen zustand erkant haͤtte/ als der sich auff sich selbst zu feste gesetzet. Daher ichs fuͤr eine sonderliche schickung GOttes gehalten/ nachdem mir bey einem jahr her unterschiedliches betruͤbtes von verwirr- und verirrung in ihrer gegend wehmuͤthig hinterbracht worden/ aber ob ich wol immer darnach verlangt/ umstaͤndlichen bericht der gantzen sache/ nur daß dessen person fuͤrnehmlich dabey zu seyn verstanden/ nicht erlangen koͤnnen/ also daß es ohne etwas weiter dabey thun zu koͤnnen dem HErrn allein im gebet vorzutragen mich vergnuͤgen muͤssen/ da gleichwol von einiger zeit/ sonderlich nach dem er das letzte mal an mich geschrieben gehabt/ mir vorgenommen an densel- ben zuschreiben/ und meinen kummer uͤber ihn bey ihm auszuschuͤtten/ daß dersel- be weise GOtt mich gleichwol bißher immer durch allerhand hindernuͤssen auffge- halten daß solches verschoben habe/ nunmehr aber die hand des HErrn erkenne die mich zuruͤckgezogen von meinem unterstehen/ so bey demselben ohne frucht ge- wesen seyn/ und etwa mehr suͤnden verursachet haben wuͤrde/ nachdem sie beschlos- sen hatte/ selbst allein die ehre zu haben/ ohne menschliches zuthun den verirrten zuruͤckzuholen. Ach guͤtigste weißheit eines so lieben Vaters! sie ist ja wuͤrdig/ daß wir sie in tieffster demuth aber mit froͤlichem munde preisen: Und wird mein Geliebter uns nicht verdencken/ ob wir schon mit seinem schwehren leiden/ so wol von den schwehrsten/ die in der welt gefunden werden moͤgen/ seyn wird/ hertzliches mit- ARTIC . II. SECTIO XXIII. mitleiden tragen/ und uns seiner schmertzen nicht freuen/ daß wir uns gleichwol freuen uͤber die guͤte unsers Vaters und unsers JEsu/ so deñ uͤber den heylsamen zweck seiner leiden/ den auch in gewisser frucht erhalten zu werden nicht zweifle. Ja ich will ihm die- ses zutrauen/ wie schwehr es dem eussern menschen wird/ dieses feuer/ in welches ihn der HErr geworffen/ von den hart anklebenden schlacken ihn zu laͤutern/ er werde gleichwol auch in allem solchen leiden (ob es ihm wol jetzo/ da es empfunden wird/ keine freude ist) die liebe seines Vaters und dieses gnaden-gericht uͤber ihn also er- kennen/ daß er aus gegenhaltung des so viel schrecklichern feuers/ in welches man endlich durch geistlichen hochmuth stuͤrtzen moͤgen/ vor diese gelindere heimsuchung und ob wol schmertzlichste cur einer sonst gefaͤhrlichsten kranckheit/ die hand mit de- muͤthigem danck kuͤssen/ die ihn noch schlaͤget; ja sich gedultig dazu resolvi ren/ ob ihn der HErr noch eine weil eusserl. seinen zorn (da ihme hingegen der glaube die gnade innerlich vorstellet und gewiß machet) fuͤhlen lassen wolte/ sich in solchem feuer noch ferner reinigen zulassen: dann gewiß die errettung der seelen aus voriger gefahr ist so viel werth/ auch etwas zu leiden. Er lasse nur diese beyde stuͤcken seine einige uͤbung seyn/ und verlange von denen/ die mit ihm umgehen nechst der leiblichen pflege/ welche er auch in goͤttlicher ordnung mit danck anzunehmen hat/ keine andere liebe als ihn in derselben mit zuspruch und gebet zu staͤrcken: Eines theils sich stets noch vor dem HErrn zu demuͤthigen uͤber dasjenige/ was ihm derselbe in seinem gewissen nunmehr vorgestellet/ auch wo ihm das fleisch/ da es wieder etwas in ruhe kaͤme/ einiges auffs neue davon wolte verkleistern/ weder demselben noch auch andern/ die sichs unterstehen wuͤrden/ gehoͤr zugeben: Sonderlich bey allem zuerwegen/ wie die suͤnde dadurch so viel groͤsser worden/ da auch andern zu suͤndigen gelegenheit gegeben/ und sie mit worten und exempel verleitet worden sind. Diese demuth wird die glaubens-freudigkeit nicht aufheben/ sondern das hertz im̃er dazu desto tuͤchtiger erhalten/ wie er deñ andeꝛn theils dahin zutrachten hat/ nunmehr die gnade seines JEsu/ welche er mit beysetzung eigener gerechtigkeit beschimpffet hatte/ destomehr nun zu ehren/ daß er glaube/ sie sey unendlich groͤsser/ als alle seine und uͤbriger menschen suͤnde/ daher ihr ja die schande nicht anzuthun/ daß wir nur eine stunde gedencken wolten/ daß einige unsere suͤnde dieselbe uͤberwi- get. Er gedencke offt an die wort des heiligen Pauli 1. Tim. 1. das ist je ge- wißlich ꝛc. die ich ihm zum gruß und anspruch voran geschrieben hab/ und lasse sie auch nun den festen grund werden seines vertrauens/ itzo und im kuͤnfftigen gan- tzen leben. Er behertzige seinen tauff-bund/ als einen ewigen bund/ ob nun wol derselbe ihn/ als der allein auff der gerechtigkeit des todes JEsu CHristi/ so uns zugerechnet wird beruhet/ mit der suchung eigener gerechtigkeit/ so fern verleugnet/ so seye doch serne daß der himmlische Vater denselben oder sich in dem- selben verleugnen/ und ihn auch auffgehoben haben solte; sondern bey dem stehet er H h h h h 3 him- Das fuͤnffte Capitel. himmel-feste/ und tritt er nicht gewisser von seiner seite wiederum ein/ als da er nun von grund der seelen/ alle eigene gerechtigkeit hinwiederum verleugnet und wegwirffet/ hingegen seine suͤndliche befleckte kleider/ in dem blut des lammes waͤschet. Also wisse er nun/ und sein gantzes leben/ von nichts mehr weiter vor GOttes thron/ als von der gerechtigkeit der versoͤhnung seines lieben Heylandes/ die eine ewige vergebung der suͤnden bringet/ und in dero allein er vor dem stren- gen gericht GOttes bestehen mag/ daran gedencke er/ davon rede er/ dero freue er sich/ davon begehre er/ daß andere stets mit ihm handeln/ und huͤte sich zeit lebens vor nichts sorgfaͤltiger als vor dem stein des anstosses/ an welchen er sich so ge- saͤhrlich gestossen hat/ nemlich vor vertrauen auf eigene heiligkeit/ einbildung der fal- schen vollkommenheit und verachtung anderer. Damit sage ich nicht/ daß er nicht solte der heiligung kuͤnfftig mit allem ernste nachjagen/ sondern solcher fleiß muß und wird sich destomehr gewiß verdoppeln/ als er von dem unflat der eigenen einbil- dung/ so ihn biß daher beflecket/ wird gereiniget seyn: also bestrebe er sich immer mehr und mehr in dem gehorsam goͤttlicher gebote und in der reinigung von aller befleckung des fleisches und des geistes/ und solches nicht mit wenigerem ernst/ als ob er es hie in dem fleisch es so weit haͤtte bringen koͤnnen/ gantz ohne suͤnde zu seyn; Wie weit ihn aber die krafft GOttes auf solchem wege suͤhren werde/ er- kenne er doch noch immer/ daß ihm noch so viel mehr mangele. Und also lerne er das gute thun/ nicht als ein tagloͤhner um lohn/ noch als ein stoltzer/ sich selbst darinn wolzugefallen und zu erheben/ sondern als ein kind aus liebe und gehor- sam gegen seinen vater in rechter einfalt: Hingegen halte er allezeit das gute an einem andern/ ob es den augen gering vorkommt/ so hoch/ daß es vor GOttes gericht wol das seinige uͤbertreffen moͤge: hierauff richte er auch alles sein gebet/ daß doch GOtt diese beyde fruͤchte seiner schwehren zuͤchtigung/ innigliche demuth und reinen glauben/ so tieff in seine seele trucken wolle/ daß sie die beyde qvellen seyn/ aus denen kuͤnfftig hin alles sein leben fliesse. Waͤre es sache/ daß er sich noch bewußt waͤre/ einiger eingesogener irriger und unserer Evangelischen wahrheit widrigen meinung/ so wolle er ja uͤber dieselbe mit Christlichen freunden communicir en/ und trachten auff einem festen grund/ der kein anderer als das Prophetische und Apostolische wort seyn kan/ in allem zu bestehen. Da er auch gefunden haͤtte/ daß einige buͤcher ihm schaͤdlich/ und seine kraͤffte zu dero pruͤffung nicht zulaͤnglich gewesen/ so wolle er sich auch vor solchen kuͤnfftig huͤten/ und sich in seiner schwachheit bescheiden/ wie ich dergleichen in vielem thun muß. Was anlanget den an mich gesandten aufffatz/ in dem er sein gewissen gegen mich und andere ausgelaͤhret/ auch darinn wolgethan daß er nach Ps. 32/ dem trieb GOttes gefolget hat/ so werde ich denen darinnen benahmten perso- nen theils alles/ theils nachdem ich es nuͤtzlich befinde/ gewisses/ und ihnen ange- hen- ARTIC . II. SECTIO XXIII. hendes/ communici ren/ undkan derselbe solcher bekaͤntnuͤß wegen vor dißmal nur zu frieden seyn: Nachdem aber da einige durch denselben bißher irre gemacht worden waͤren/ sonderlich an ihrem ort/ die wahre liebe vor allem erfordert/ daß denselben auch gerathen werde/ so wird ihm auff seinem gewissen ligen/ alles zu thun/ was zu der zurechtbringung noͤthig ist/ und zu glauben/ der HErr habe ihn deswegen sofort heimgesuchet/ daß er zum exempel und schreckung anderer diene/ daher allen muͤglichen fleiß auff seiner seite anzuwenden/ umb auch solchen seelen (die ich nicht weiß/ wer sie sind) auffs beste zu helffen/ damit nicht auch dieselbe einer schwehren hand GOttes noͤthig haben. Wenn aber derselbige solle in den gedancken gehabt haben/ dergleichen gar oͤffentlich zu bekennen/ und an den tag zu geben/ so bitte nicht allein darinn selbst sich nicht zu uͤbereilen/ sondern sich auch von niemand dazu treiben zu lassen/ wie ich denn versichere/ daß eine unvorsichtige be- kaͤntnuͤß und offenbahrung der sache mehr schaden thun/ und zur hindernuͤß des guten ausschlagen wuͤrde/ als erbauung davon zu hoffen waͤre. Wo aber GOTT/ den wir ferner hertzlich anruffen wollen/ gnade zur wiedergenesung beschehren wird/ hoffe ich/ durch dessen gnade ein mittel vorzuschlagen/ was meinem geliebten schreiben und publicir en koͤnte/ daß alles aͤrgernuͤß/ so aus der oͤffentlichen be- kaͤntnuͤß zubesorgen/ vermieden/ und dennoch das gute/ was man in dieser moͤchte suchen/ voͤllig/ ja kraͤfftiger erhalten wuͤrde. Davon also kuͤnfftig unter uns mag gehandelt werden. Jch verspreche nicht allein treulich zu unterschiedlichen malen seinen lieben nahmen und anligen/ (als lang es damit anhalten wird) vor den gnaden-thron unsers JEsu zu bringen/ sondern auch/ worinn ich mit rath und sonsten das werck des HErrn an ihm befoͤrdern kan/ dergleichen willig zu thun/ wie ihn denn hiemit von grund der seelen der barmhertzigen liebe unsers theursten Vaters/ der versoͤhnenden und reinigenden gnade des liebsten JEsu/ und kraͤfftigen wir- ckung des werthesten heiligen Geistes befehle. SECTIO XXIV. An eben denselben fernerer rath. Von den Qvackern. V On der zeit an als ich voriges jahr von dessen schwehren heimsuchung verstanden/ versichere/ daß nicht abgelassen habe/ taͤglich/ und zwahr auch des tages nicht nur einmal/ dessen lieber person und anligens vor dem thron der gnaden zugedencken: daß der guͤtige Vater sich seiner erbarme/ die last erleichtere und zu rechter zeit voͤllig wegnehme/ in- dessen in solchem scharffen feuer seinen glauben so reinige als erhalte/ und sein exempel an andern zur erbauung segne. So ich auch alles/ mit heimgebung zeit und art an seine goͤttliche weißheit/ noch zu geschehen mich versichere. So habe auch Das fuͤnffte Capitel. auch mit billiger dancksagung zu GOtt verstanden/ daß obwol der schwehre zu- stand noch nicht vorbey/ sondern annoch an leib und gemuͤth starck zusetzet/ dan- noch jetziger kampff gegen den vorigen gerechnet ziemlich gelindert seye: welche wolthat wir gleichwol auch zuerkennen/ und aus angefangener solcher huͤlffe/ daß der HErr noch ferner dieselbe fortsetzen und vollkommen machen werde/ zu staͤrckung unseres glaubens zuschliessen haben. Nechst dem will gedult von noͤ- then seyn/ die frucht der verheissung zu seiner zeit wircklich zuerlangen/ und der HErr wird auch darzu das vermoͤgen beschehren. Daruͤber freue mich sonderlich/ daß derselbe auff unsers theuren Lutheri schrifften gefuͤhret worden und sich in sol- chen fleißig uͤbet. Denn ich halte/ wir haben kaum von der Apostel zeiten an eini- gen lehrer gehabt/ welcher die krafft der goͤttlichen gnade zu unsrer rechtfertigung und auch des lebendigen glaubens besser erklaͤhret/ und seye dieses das eigenliche ihm von GOtt anvertraute pfund gewesen/ das wir dann auch billich bey uns wu- chern lassen sollen/ und so viel wir koͤnnen/ uns desselben gebrauchen. Er treibet auch dasjenige offt/ was ich darvor halte/ dessen jetzt noͤthigste lection zu seyn/ allein an goͤttlichem wort zu hangen und vielmehr demselben als eigener empfindung die auff beyden seiten betrieglich seyn kan/ zutrauen. Wie nun die sache selbs/ nemlich daß das goͤttliche wort allein unfehlbar/ unser hertz aber luͤgenhafft seye/ so gewiß ist/ daß wirs auch nicht widersprechen koͤnnen; also weiß ich doch wol/ daß wahrheit recht ins hertz zubringen/ eine sache von mehrer schwehrigkeit seye/ und man darzu goͤttlicher kraͤfftiger gnade/ und von unserer seite gebets und gedult noͤthig ha- be: Ergreiffen wir aber einmal solche wahrheit recht in unsern hertzen/ so ist die meiste krafft der anfechtung uͤberwunden. Also gewehne er sich auch/ je mehr und mehr seine augen von sich ab/ und pur allein auff seinen JEsum zurichten/ der keine unsre wuͤrdigkeit erfordere/ sondern den muͤhseligen und beladenen seine ge- rechtigkeit schencke/ und nach Mal. 4/ 2. als die sonne der gerechtigkeit aufgehe/ nicht denen/ welche GOttes gebot gehalten haͤtten/ sondern die seinen nahmen fuͤrchten/ wie der prophet auch anderswo sagt (Jes. 66/ 2.) er se- he an den elenden der zubrochenes geistes ist/ und der sich foͤrchte vor seinem wort: ja die auch nur ernstlich hungern und duͤrsten nach der ge- rechtigkeit/ sollen/ nemlich mit demjenigen/ wornach sie hungert und duͤrstet/ also gesaͤttiget werden/ daß sie auch zu seiner zeit satt zu seyn fuͤhlen sollen. Unter alle diese sich zuzehlen/ treibet ihn sein empfindliches elend/ so kans auch nicht fehlen/ recht zuhaben an dem jenigen/ was solchen von GOtt verheissen ist. So lasset uns vollends aushalten in dem kampff der uns verordnet ist/ und glau- ben/ es habe weder die macht GOttes abgenommen/ noch seye seine guͤte im wenig- sten erkaltet/ daher da dieselbige das vorige zu uͤberwinden kraͤffte gegeben/ werde sie ARTIC . II. SECTIO XXIV. sie es auch an dem noch uͤbrigen nicht manglen lassen. Dann er ist allezeit einer/ und derjenige/ der da spricht . Mit meinem armen gebet will nicht ablassen/ sondern fortfahren zu dem zu flehen/ der uns befohlen hat fuͤr einander zu beten. Daß einige das an ihm geschehene nicht so viel zu ihrer besserung/ als unterlassung des fleisses in dem guten/ sich haben dienen lassen/ ist eine muͤgliche und glaub- liche sache/ daran aber weder GOtt/ noch er selbs (von diesem stuͤck absonder- lich zureden) schuld hat/ sondern es ist die eigen menschliche verderbnuͤß/ welche alles/ auch das beste/ zu mißbrauchen pfleget. Hiemit bekenne zwahr/ daß denselben von der schuld des aͤrgernuͤsses nicht bloß loßzehle/ so aber nicht durch diese begegnuͤß/ sondern vorige irrwege/ die man gegangen/ gegeben worden/ GOtt aber solches eben durch das bißher zugesandte zu bessern wiederum gesucht/ auch hoffentlich eini- ge seelen/ die es noͤthig hatten/ von einigem wahn abgezogen haben wird/ daß die- ses eben nicht ohne frucht geblieben. Wie nun derselbe/ um diese zuerhalten/ sich aus goͤttlichem trieb von grund der seelen gedemuͤthiget/ und darmit sein gewissen gereiniget/ so kommts weiter nicht mehr auff seine rechnung/ wann nun andre sich dessen so wol mißbrauchen/ als viele vor deme sich die lehr des evangelii Pauli sich darzu dienen liessen/ daß sie ihnen und andern daraus frey heit zusuͤndigen hernah- men: denen sich der Apostel mit eiffer widersetzet. So viel ist zwahr wahr/ daß den mißbrauch abzulehnen nun schwehrer wird/ wegen gegenwaͤrtiger zeiten be- wandnuͤß/ da auff einer seit falsch evangelische freyheit oder vielmehr sicherheit/ auff der andern seiten einbildung eigener gerechtigkeit/ einander also entgegen ste- hen/ daß man schwehr mit nachtruck dem einen uͤbel widerstehen kan/ daß nicht so bald das andre sich dasselbe zu seinem vortheil und der wahrheit schaden sehr miß- brauchte. Jedoch hielte nicht vor undiensam/ sondern ein solches mittel/ darvon ich mir in GOttes seegen nicht wenig versprechen wolte: wo derselbe eine treuher- tzige warnung auffsetzte an alle/ die dem HErrn dienen wolten/ sich vor diesen beyden extremis zuhuͤten/ mit anzeige/ wie man so leicht aus einem in das an- dere verfallen koͤnne. Da zum foͤrdersten zu zeigen waͤre/ wie grosse gefahr da- bey seye/ wann man der menschlichen auch noch in der wiedergeburt uͤber- bleibenden schwachheit vergesse/ und nicht allein nach der vollkommenheit stre- be (als welchesallen zukomme) sondern sich einbilde/ dieselbe in hoͤchstem grad zuerreichen/ in dem daraus die eigenliebe so bald anfaͤnget/ das wenige gute/ wel- ches etwa vorhanden ist/ sich so groß vorzustellen/ daß man wahrhafftig glaubet/ jenem grad nahe gnug gekommen zu seyn/ oder ihn wol gar bereits erreichet zuha- ben. Dieses ist nun der gefaͤhrlichste zustand/ darein ein mensch gerathen kan/ ja in gewisser maaß gefaͤhrlicher als roher weltleute/ dann weil Gott dem HErrn nichts mehr zuwider ist/ als der menschen sonderlich geistlicher/ hochmuth/ hingegen ein grosses stuͤck seiner ehre darinnen bestehet/ daß wir an seiner blossen barmhertzig- J i i i i keit Das fuͤnffte Capitel. keit hengen/ und von keiner eigenen gerechtigkeit wissen/ daher die augen nicht we- niger auff die unsrem guten annoch anklebende unvollkommenheit und gebrechen als dasselbige selbs richten/ also stets von dem schoͤnen pfauen-schwantz auff die garstige suͤsse sehen/ so ists GOttes gerechtes gericht/ wo der mensch sich anfaͤnget vor ihm zu uͤberheben/ und etwas des seinigen vor ihn zubringen/ daß er seine gna- de von einem solchen mehr und mehr abziehet/ und ihn seinem betruͤglichen fleisch uͤberlaͤsset/ dardurch nicht allein der hochmuth waͤchset/ sondern weil die wahre gnaden-wuͤrckungen allgemach erloͤschen/ zwahr der schein der heiligung und grosser einbildung bleibet/ der arme mensch aber eben deßwegen in eine so grobe heucheley verfaͤllt/ daß er auch/ wo es nur verborgen bleibet/ einige groͤbere suͤnden ohne scheu begehet/ und sich doch noch dabey gerecht zu seyn glaͤubet/ hingegen alles was seine heiligkeit nicht erkennet/ oder er darvon hindernuͤß sorget/ von hertzen neidet und hasset/ ja wo er kan solches etlicher massen zu untertrucken su- chet/ indessen mit seinem urtheil alles und alle die um ihn sind vermessen richtet/ und gegen sich verachtet. Jn solchem stande kennet er sich nun gar nicht mehr/ und ist aufgeblasen gegen GOtt und menschen/ deßwegen ihm aber auch schwehrer/ als einigen andern zu helffen ist/ weil er sich uͤber alle andere duͤncket/ ja wo ihn GOtt aus sonderbahrer gnade wieder heraus reissen solle/ bedarffs grosse gewalt/ und muß derselbe ihn gleichsam erst gantz zu boden schlagen/ ehe er anderer besserung faͤhig ist: ja ihn in die hoͤlle fuͤhren/ da er sich laͤngst in dem himmel zu seyn ver- messen/ um wiederum auff den rechten weg zukommen. Wie nun solches ein grosses gnaden-werck GOttes ist/ so haben wir auch zuglauben/ daß desselben ge- rechtigkeit und guͤte nuͤtzlich findet/ einige auch seiner kinder in solchen stand gera- then und fallen zulassen/ so wol daß sie nachmalen also gedemuͤthigt werden/ damit sie folglich in ihrem gantzen leben desto mehr vor hoffart verwahret bleiben moͤgen/ als auch andern ein exempel zuweiln vorzustellen/ an deme sie in der demuth zu blei- ben lernen moͤchten. Hie koͤnte derselbe seine gantze historie (nicht aber als ihm geschehen/ in dem die feinde der gottseligkeit sich dessen sehr wider dieselbe wuͤrden mißbrauchen koͤnnen/ sondern wie dergleichen hergehen koͤnne/ und zuweilen an ei- nigen vorgegangen seye) beweglich vorstellen/ und wie nachmal der HErr solche/ die in ihres hertzens sinn hochmuͤthig sind/ zu demuͤthigen/ ja gleichsam zu staub zu- zermalmen/ vermoͤge. Wie man sich nun auff der einen seiten hiervor zuhuͤten habe/ waͤre ferner zuzeigen/ daß man hingegen sich auch auff der andern seiten von der sicherheit nicht verfuͤhren lassen muͤsse: entweder zuverleugnen die nothwen- digkeit oder muͤglichkeit eines wahrhafftig gottseligen und nach GOttes geboten eingerichteten lebens/ oder den fleiß nach der vollkommenheit mehr und mehr zutrachten/ aus vorwand sie nicht zuerreichen/ bey sich selbs oder andern niderzu- schlag en/ oder damit man nicht in hoffarth fallen/ sondern in demuth bleiben moͤge/ sein ARTIC . II. SECTIO XXIV. fein sich nichts gutes mit ernst zubefleissen/ sondern immer gern in solchen sunden fortzufahren/ daruͤber man sich augenblicklich vor GOtt zu demuͤthigen handgreifli- che ursach bey sich fuͤhle/ oder kein heuchler zu werden oder zu heissen/ sich der welt tapffer gleich zustellen/ und alles was derselben alamode froͤmmigkeit nicht ge- maͤß ist/ selbs verdaͤchtig zu halten oder zumachen/ oder auch andre/ die noch in den wegen des HErrn mit eiffer wandlen/ der heucheley und hochmuths zube- schuldigen/ oder insgesamt die zur ehre GOttes und versicherung unsers heils noͤ- tigste lehr der rechtfertigung gegen goͤttlichen willen wider die heiligung und de- ro ernst zu mißbrauchen/ und was dergleichen mehr seyn mag/ und vorgestellet werden koͤnte. Hingegen waͤre zuletzt die rechte mittel-straß zuweisen/ wie das vertrauen unsrer gerechtigkeit/ auff Christi gerechtigkeit auch bey dem besten leben allein und nicht anders als in der ersten bekehrung von der welt dienst/ unser eini- ger auffenthalt bleiben muͤsse/ ferner/ daß alle heiligung schlechter dings goͤttlicher gnade in uns/ ohne den eignen kraͤfften das geringste zuzumessen/ zuzuschreiben/ und von dem guten ihm selbs nicht mehr als nur die anklebende fehler zuzueignen seye/ und dennoch an die uͤbung der gottseligkeit nicht weniger fleiß/ als wann wir dardurch selig werden muͤßten/ angewandt/ und gleichwol alles in tieffster demuth dem/ der in uns kraͤfftig gewesen heim gegeben/ so dann alles richten mehr an uns selbs als an andern geuͤbet werden solle. Eine dergleichẽ schrifft hielte ich sehr dienlich/ daß von demselben mit hertzlichem gebet zu GOtt zwahr aus eigenem hertzen/ aber doch mit anderer Christlichen freunde einrathen/ auffgesetzet wuͤrde/ welche ich als- denn an orten/ da es noͤthig/ communicir en wolte/ oder auch getruckt werden koͤnte. Hieran mag in der furcht des HErrn gedacht/ und die sache ferner uͤberle- getwerden. Jch komme nun auff den punct von den Qvackern: da ich nicht bergen kan/ daßeiniger freunde zuneigung zu ihnen/ und die lesung Barclaji schrifften/ eine grosse ursach vieler zerruͤttung unter uns/ und vieles guten hinde- rung worden zu seyn sorge. Man haͤtte sich also solcher leute/ so nie unsrer kirchen glieder gewesen/ entschlagen/ und sie ihres orts lassen sollen: hingegen da von ei- nigen solches nicht geschehen/ sondern eine mehrere gemeinschafft mit ihnetz gesucht seyn worden mag/ hat solches den widersachern des guten treflich geholffen/ ihren beschuldigungen/ als waͤren alle/ welche die gottseligkeit treiben/ wahrhafftig in dem hertzen solcher secte zugethan/ einen schein zugeben/ und manche/ die auff gutem wege gewesen/ darvon abzuschrecken/ deswegen welche solches gethan/ das aͤrger- nuͤß und veranlasseten schaden vor GOtt hertzlich zuerkennen haben. An sich selbs wissen wir/ daß sie ein von allen andern theilen der Christenheit abgesonderten hauffen machen/ und aus andern kirchen ausgegangen sind. Auff Barclaji schrifft haben bereits unterschldliche unsre Theolog en geantwortet/ wiewol et- wa mit ungleichem succeß, je nach dem einige mehr oder weniger fleiß angewandt/ J i i i i 2 am Das fuͤnffte Capitel. am letzten aber und erst neulich Herr D. Beyer zu Jena in collatione doctri- næ Quackerorum \& Protestantium, welche die Qvacker in Holland selbs æstimir en sollen. So wenig also andere religio nen sich beklagen koͤnnen ge- gen unsre kirche/ ob wuͤrden sie ohne grund verworffen/ und waͤren noch nicht uͤber- zeuget/ so wenig koͤnnen es auch die Qvacker thun: noch thut unsre kirche unrecht daß sie derjenigen irrthume verwirfft/ die ihrer aus GOttes gnade erkanten wahr- heit entgegen stehen. Was aber die singula membra der kirchen anlangt/ wel- che mit dem kirchen-dienst nichts zuthun haben/ wie ihnen gnug ist/ die wahrheit daran der seeligmachende glaube sich haͤlt/ zuerkennen/ haben sie nicht noͤthig we- der uͤber diese noch andre religion das urtheil zufaͤllen/ wo sie nicht klahre uͤber- zeugung der irrthumer haben/ sonsten lassen sie sieihrem HErrn stehen und fallen. Wie sie aber sich ihrer wahrheit in der seelen uͤberzeuget halten/ entschlagen sie sich bil- lich/ als ihrer schwachheit sich wol bewust/ der gemeinschafft deren/ die mit ihnen nicht einerley bekennen/ und geben sich nicht in gefahr ihrer irrthuͤme. Von N N. zu urtheilen vermag ich nicht/ als der ihn nicht kenne. Das rechtschaffene wesen in CHristo JEsu zu lieben und zu suchen/ ist recht/ und wird billich von jederman erfordert: hingegen singularit aͤten sich wehlen/ oder von andern ausser unsrer kirchen entlehnen/ und damit nicht nur offenbahre welt-leut zur laͤsterung alles gu- ten reitzen/ sondern auch andren schwachen/ oder die das gute damit weiterem ver- dacht unterworffen zu werden/ mit betruͤbnuͤs anschauen/ kan ich mit der liebe nicht reimen. Ob aber dergleichen von ihm geschehe/ weiß ichnicht: Geschaͤhe es/ so koͤnte es nicht billigen/ dann da der glaube eine grosse freyheit hat/ so weichet die liebe bey denen/ die die staͤrckeste seyn wollen/ andern gern/ in allem dem was nicht dem gewissen entgegen ist. Und da ich keinen wider sein gewissen noͤthigen kan/ die Qvacker zuverurtheilen/ ist doch derjenige welcher noch in unsrer kirchen ge- meinschafft stehet/ und sie also nicht vor falsch in der lehre haͤlt (denn wo dieses waͤre/ und er die Qvacker vor die wahre kirche achtete/ wuͤrde ersich ja zu derselben begeben muͤssen) verbunden/ sich auch der vertheidigung derjenigen/ welche offenbahr unserer kirchen entgegen sind/ was ihre lehr anlanget/ bey denen die davon anstoß nehmen koͤnnen und wuͤrcklichen anstoß nehmen/ zu enthalten/ und es nur bey dem erinnern zulassen/ daß man in dem urtheil uͤber fremde knechte sich mit vermessenheit nicht versuͤndige. Nun der HErr wehre doch allen zerruͤttungen/ und reinige diejenige welche sonsten guten willen haben ihm treulich zu dienen/ von allem bekannt und unbekanten/ was den wachsthum und die vereinigung in ihm hindert/ fuͤhre auch sein werck selbs herrlich nicht nach un- frem/ sondern seinem rath hinaus/ / so er auch thun wird. Uns wird son- derlich obligen/ die grosse gnade welche er unsrer kirchen in anvertrauung seiner wangelischen wahrheit erzeiget hat/ mit dero ernstlichen und unvermischten bey- be- ARTIC . II. SECTIO XXV. behaltung zuerkennen/ und ihm mit reichen fruͤchten derselben danckbar zu wer- den: mit andern die ausser unser gemeinde sind/ keine andere als der allgemeinen liebe/ welche auch hertzliches gebet fuͤr sie/ vorleuchtung gutes exempels/ und von denen/ welche dazu das vermoͤgen haben/ vorstellung der von ihnen noch nicht er- kanten wahrheit ersordert/ gemeinschafft zuhalten/ und sie dem HErrn zuem- pfehlen: auch nicht auffzuhoͤren zu dem HErrn zu flehen/ daß er doch sein liecht der wahrheit so kraͤfftig durchtringen lasse/ damit alle irrthuͤme/ und anders so zu der finsternuͤß gehoͤret/ vertrieben werde/ und endlich der HErr nur einer seye/ und sein nahme nur einer. Nach dieser regel einhergehende werden wir unter der fuͤhrung der guten hand GOttes nicht irren/ sondern das selige ziel erreichen. 1694. SECTIO XXV. An eine in schwehrer anfechtung und unempfind- lichkeit des glaubens stehende person/ so ihres glaubens zu versichern. ( Spieræ exempel examini rt.) J Ch will in meiner antwort seinen lieben brieff gleichsam auf dem fuß nach- gehen/ auff jegliches nach der gnade/ die mir der HErr geben wird/ und geben wolle/ also zu antworten/ wie es seiner seelen zustand dienlich seyn wird. Daß mein voriges bereits angenehm gewesen/ war mir lieb zu vernehmen/ hingegen sind solche zeilen dergleichen vielen dancks nicht wuͤrdig gewesen. Wir sind als bruͤder allerdings verbunden/ mit der gabe/ die der HErr uns nicht umb unsert willen/ sondern anderer willen/ verliehen hat/ treu- lich und bey jeder begebender gelegenheit zu dienen. Es wird sich auch N. N.. willig zu allem verstehen/ wo er seiner seelen eine liebe zu erzeigen vermoͤgen wird. Beliebet deswegen ein brieflein an ihn abgehen zu lassen/ so will ich dasselbe selbs bestellen. Die kundschafft mit N. N. ist mir auch sehr lieb/ und zweifle nicht/ sie als eine fuͤgung vom HErrn zu erkennen/ der sie vielleicht deswegen zusammen gefuͤhret/ daß einer an dem andern erbauet wuͤrde. Daß nun an ihm/ wie auch N. N. und einigen andern/ welche mit mir umgegangen/ eine gottselige freudig- keit verspuͤret worden/ dancke ich zwahr dem HErrn/ der solchen lieben freunden auch solche wolthat erzeiget hat. Jedoch hoffe ich nicht/ daß dieselbe andern bruͤdern/ und sonderlich seiner werthen seelen/ solle ein anstoß seyn/ oder dero be- truͤbniß vermehren. Jch dancke meinem GOtt/ der mir in seinem heiligen wort und unser allgemeinen kirchen-lehr das trostreiche Evangelium von Christo/ seinergerech- tigkeit und in ihm habende und besitzende heyl zuerkennen gegeben hat/ das ich auch/ wo ich nur kan/ als das hauptstuͤck unserer Christlichen religion/ die ja nicht im gesetz sondern im Evangelio bestehet/ nach der gnade und geist/ so mir der HErr alle- J i i i i 3 mal Das fuͤnffte Capitel. mal dazu gibet/ zu treiben und der gemeine GOTTES vorzutragen mich befleißige. Solche lehre aber ist an sich so bewandt/ daß sie trost und freude in sich fasset/ und aus ihrer natur an sich selbs sie zu wircken tuͤchtig ist. Jn- dessen findet sich nicht bey allen/ daß diese empfindliche freudigkeit auff solcher lehre anhoͤrung und betrachtung folge/ als wozu mehr als die lehre selbs kommen muß. Die sache nun etwa gruͤndlicher zuerwegen/ haben wir wol in acht zuneh- men/ daß zwahr ein einiger weg zur seeligkeit seye/ nemlich der glaube an Chri- stum JEsum und sein theuers verdienst/ darinnen wir der gnade GOttes und al- les heyls theilhafftig werden. Aber es sind so zu reden einige besondere pfaͤde auff diesem einigen wege/ das ist/ die arten GOTTES/ wie er die seinigen auff solchen wegen zu dem glauben und in dem glauben fuͤhret/ sind nicht gantz einerley/ sondern GOTT nach seiner weißheit fuͤhret jeglichen auf die art/ welche er an ihm zu seinen ehren und des menschen heyl jedesmal am dienstlich- sten erkennet/ dessen unterscheids wir vielleicht bißweilen bey etzlichen die ursachen erkennen koͤnnen/ bey andern aber/ oder in andern stuͤcken/ mags uns wol verbor- gen/ und unter den schaͤtzen der goͤttlichen weißheit/ die wir erst in jenem leben er- sehen/ und darinnen ein grosses stuͤck unserer seligkeit erkennen sollen/ verdecket bleiben. Dahin gehoͤret/ daß er einige in vielen freuden und empfindlichem trost fuͤhret/ so gleichsam immerfort in einem liechte wandeln; andere aber fuͤhret er gleichsam in lauter finsternuͤß/ traurigkeit und aͤngsten; gleichwol beyde an sei- ner hand/ und endlich zu einem zweck. Daß beyderley die wege Gottes seyen/ sehen wir offenbahrlich an sehr vielen exempeln/ da ein mensch zuweilen in der tieffsten angst-hoͤlen ligen/ und uͤber nichts als unglauben und verlassung klagen muß/ der etwa zu andern zeiten und malen auch eine him̃lische suͤßigkeit geschme- cket hat/ oder schmecken wird. Wo kein zweiffel ist/ daß beydes wercke und wege des guͤtigsten Vaters sind. Wie nun in solcher abwechselung die sache so viel offenbahrer ist/ so sehe ich nicht/ wie vor unmuͤglich zu halten seye/ daß GOTT nicht sollte einige auff dem einen pfad allein immerfort suͤhren/ sonderlich auff dem pfade der angst und finsternis: indem auff dem pfad des staͤtigen liechts und freude allhier immerfort zu wandeln/ moͤchte fast vor den stand der erniederung/ darinnen wir noch hier in diesem leben stehen/ zu viel seyn/ und mit der goͤttlichen ordnung/ darinnen ein unterscheid unter dem weg und vaterland bleiben muß/ nicht am besten uͤberein kommen. Was aber die fuͤhrung auff dem staͤten angst- wege anlanget/ sehe noch nicht/ wie dieselbe der goͤttlichen ordnung zuwider waͤre. Jndessen bleibet freylich die vermischte und abwechselende art der goͤttlichen fuͤh- rung wol die gemeinste. Hie stehet nun aber der goͤttlichen weißheit frey/ auff welchem sie mich oder einen andern zu dem heyl leiten wolle; wir glauben aber billich/ daß sie allezeit dessen heilige/ ob schon uns gemeiniglich unerforschliche/ ursachen habe. Wie wir sonsten in dem leiblichen finden/ daß GOTT einem eine ARTIC . II. SECTIO XXV. eine gesunde/ einem andern eine staͤts kraͤnckliche natur und beyderley nicht ohne wichtige ursachen gegeben/ wie er auch die temperamenta des menschen/ so sich nicht nur in dem leibe zeigen/ sondern vieles auch in dem gemuͤth wuͤrcken/ unterschieden geschaffen hat: da wir auch finden werden/ daß eben in dieser sache das menschliche temperament sehr vieles hiebey mit dazu thue: wie dann bey denen/ welche mit geistlichen anfechtungen und mangel der empfindlichkelt geplagt werden/ sich grossen theils ein solches temperament finden wird/ welches na- tuͤrlicher weise zu einer schwehrmuth und sorgsamen oder zweiffelhaffter uͤberlegung alles anligens geneigt ist. Welches ich gar nicht dahin meyne/ als wann das temperament die einige vornehmste ursache und alle dergleichen ansechtungen in sich nichts anders als miltz-schwachheiten und dero aussteigende duͤnste waͤren. Sondern dieses allein sage ich/ daß sich GOtt der natur dabey gebrauche; wie zum exempel der heilige Geist auch bey denen unmitelbahr von ihm erleuchteten maͤnnern vieles ihres natuͤrlichen/ stylum, phrasin und solche einige characte- res animi naturales, gelassen/ und in seiner inspiration sich nach denselben accommodi ret hat/ aber also/ daß nichts destoweniger seine erleuchtung das haupt-werck und meisterin der natur waͤre. Ja weil GOtt auch nicht ungefehr laͤsset solche temperament en unterschieden seyn/ diesem dieses/ einem andern ein anders/ gibet/ sondern auch solche austheilung nach seinem rath anstellet/ so glauben wir billich/ daß also je nachdem er auf einem oder andern pfad jeden zu fuͤhren weißlich bestimmet/ er ihm auch nachmal ein solches temperament er- theilet habe/ welches dazu das beqvemste ist. Alsdann handelt er auch mit ihnen nach demselben/ daß wir offt alles vor blosse wirckung des temperamen ts achten solten/ und ist doch wahrhafftig GOttes gnaden-werck in demselben. Es kan aber zuweilen auch geschehen/ daß der mensch aus eigener schuld einiges an seinem temperament verderbet/ als wo man aus ungedult eusserlicher truͤbsa- len sich erstlich/ da mans wol lassen koͤnnen/ in eine schwehrmuth gibet/ und nach- mal die natur dermassen niedergeschlagen wird/ daß das gantze temperament sich gleichsam aͤndert. Wo alsdann solche leute zwahr ihre eigene schuld erken- nen muͤssen/ daß sie sich selbst dadurch zu einiger goͤttlichen trost-wirckung unge- schickter gemacht/ daher auch desto gedultiger und ohne murren als gegen sich selbst tragen sollen/ aber wiederum dabey zu erkennen/ es sey auch solcher ihr sehler nicht ohne goͤttlichen rath geschehen/ der sie hinkuͤnfftig in einem zwahr beschwehrlichern zustand ihr leben zubringen lassen wolle/ indessen aber doch die gnade/ die ihnen in demselben noͤthig/ nicht versagen werde. Weil also die wege GOttes so unter- schiedlich sind/ so werden wir auch bey der hellesten vortragung des Evangelii fin- den/ daß zwahr einige dadurch zu einem solchen empfindlichen glauben kommen/ der Das fuͤnffte Capitel. der einen suͤssen trost bey sich hat/ (nemlich welchender HErr diesen nuͤtzlich findet/ u. ihnen gemeiniglich einige beqvemheit auch in demnatuͤrlichen dazu gegeben.) An- dere aber ob sie wol wahrhafftig zu dem glauben kommen/ werden von dieser em- pfindlichkeit abgehalten. Daher ob mein werther bruder einige derjenigen/ welche hier gewesen und in denen der freudige geist/ dasjenige was er an ihnen wahrge- nommen/ gewircket/ wo ich nicht leugnen will/ daß es eine frucht der lehre des Evangelii seye; so sey er hingegen versichert/ daß unter denjenigen/ welche von mir und meinen Hn. Collegis einerley Evangelische wahrheit hoͤren/ derer abermal nicht wenige seyen/ welche mit ihm in gleichem spittal ligen/ und dero hertzens-be- wandnuͤß er an dem seinigen so abgemahlet hat/ als sie es mit eigenen worten nicht voͤlliger haͤtten zu thun vermoͤcht. Zu der sache nun selber zu gehen/ so sehe/ daß sein einiges anligen seye/ weil er an seinem glauben zu zweiffeln ursach zu ha- ben vermeinet. Nun dieses ist die gemeinste klage der auch GOtt liebster see- len/ und weiß ich nicht/ ob ich nicht den zustand solcher leute als anderer/ bey wel- chen sich die empfindlichkeit mehr offenbahret/ nicht zwahr vergnuͤglicher (denn frey- lich ists ihnen eine harte probe) aber der endlichen seeligkeit versicherter achten solle; indem ihre daher entstehende demuth und aͤngstliche sorge/ sie vor der groͤsten gefahr der sicherheit stattlich verwahret. Als viel ich aber aus seinem schreiben seine liebe per- son und dero innern zustand sehen kan/ weiß ich nicht anders vor GOtt zu urtheilen/ als daß er wahrhafftig in einem glaubigen stande stehe: finde auch dessen so viele kennzeichen/ die sich bey so vielen nicht in solcher anzahl finden/ von denen doch eben sowol nicht zweifle. Es ist fast ungemein ein solches gemuͤth zu finden/ wel- ches so bald von jugend auf eine solche begierde/ und also erkaͤntnuͤß goͤttlicher gnade/ in sich gehabt/ und auf sein heil acht gegeben/ welches seines gewissens anklage umb die zeit/ da sonsten meistens wenig daran gedacht wird/ nicht nur gefuͤhlet/ sondern solche bey sich fruchten lassen; welches seines glaubens schwachheit erkant/ aber dagegen zu streiten sich beflissen/ und immer eine so staͤtige begierde gehabt/ sei- nes GOttes wort fester anhangen zu koͤnnen: ja bey welchem die begierde nach dem wahren glauben so bestaͤndig und eifferig geblieben/ daß die vermeinte aus- bleibung der erhoͤrung auff so lang anhaltendes seufftzen und beten/ es dennoch weder von der fortsetzung des gebets noch uͤbrigem gebrauch der glaubens-mittel abgezogen/ oder weil es doch verlohrne sache waͤre/ den eiffer der gottseligkeit ausgeloͤschet/ vielmehr dazu so viel ernstlicher angespohret hat/ daß er deswegen seine allermeiste sorge seines lebens noch hierauff schlaͤget/ und ihm sein gewissen/ obs ihm die wahrheit des glaubens selbs will in zweiffel ziehen/ auffs we- nigste die auffrichtigkeit seiner begierde nicht mit einigem schein in zweiffel zie- hen kan. Alles dieses zusammen genommen (ein anders ists wo man aus einer einmaligen angeflogener andacht eines verlangen nach goͤttlicher gnade und ARTIC. II. SECTIO XXV. und versicherung derselben urtheilen wolte.) ist ein unhintertreibliches zeugnuͤß des heiligen Geistes/ welcher bey ihm nicht nur angeklopffet/ son- dern sein staͤtiges werck in ihm gehabt habe/ ja daß nicht ein geringer sondern ein starcker glaube in ihm sich befinde/ und wahrhafftig nicht ohne solche goͤtt- liche staͤrcke in dergleichen duͤrrigkeit des gemuͤths als in der wuͤste haͤtte aus- halten koͤnnen. Und mag etwa dieses die meinung des ungenanten beicht- vaters gewesen seyn/ daß er den glauben in ihm erkant/ und nur solche erin- nerung noͤthig erachtet/ daß wir auch das geringere maaß der ertheilten glau- bens-gnade mit danck erkennen/ und damit verlieb nehmen sollten. Daß ihm daruͤber sowol weil es mit den studiis nicht nach wunsch habe gehen wollen als andere truͤbsaal denselben betroffen haben/ die gedancken wegen goͤttli- cher zorn-gerichte auffgestiegen seynd/ ist nichts neues/ sondern dasjenige/ wozu unser fleisch/ wenn nicht ein noch aͤrgerer atheismus starck eingenistet hat/ von sich selbs natuͤrlich geneigt ist/ und die exempel sonderlich in den psalmen sich finden lassen. So ists keine sache/ welche ihn allein betrifft/ sondern jenes zwahr ein fast allgemeines ungluͤck aller oder doch meisten stu- diren der/ denen es leyder an gehoͤrigen handleitung mangelt/ und es fast durch und durch auff den eignen fleiß und gerathwol ankommen muß; dieses aber/ andere zeitliche unfaͤlle/ sehen wir auch taͤglich vor augen. Hingegen daß solche angstgedancken wegen goͤttlichen zorns sich gezeiget/ ob sie wol aus dem natuͤrlichen unglauben herkommen/ ist mir ein mehr gutes als boͤ- ses anzeigen. Jndem bey den verruchten gemuͤthern sonsten das fleisch sie auff das blosse gluͤck weiset/ daß sie nur ihre ungluͤckseligkeit beklagen/ oder andern die schuld geben/ und mit denselbigen zoͤrnen/ und auff unziemliche weise ihnen selbs helffen wollen. Welcherley leuten sehr uͤbel zu helffen ist: Wo hingegen dergleichen leiden so bald uns GOttes zorn vorleget/ zeigets ein noch zartes gewissen/ und ist bereits dessen regung eine ruͤhrung der gna- de/ die aber den dabey noch befindlichen unglauben/ in dem man vor dem fuͤh- len des zorns der gnade nicht gewahr werden kan/ selbs uͤberwinden will/ und endlich uͤberwindet. Also ist einmal dasselbe auch kein so arges zeichen/ als es etwa von ihm angesehen wird. Jedoch ist wol dabey bemercket/ daß es auch ihm dieselbe unart unsers hertzens offenbahret habe/ wie wir so gern einen weltlichen Meßiam haben und von ihm die gluͤckseligkeit dieses lebens erwarten wollen. Welche unart/ wo sie nun erkant wird/ so vielweniger gefahr mehr in sich hat. Daß alle die motiva fidei wie sie pflegen genant zu werden/ allein einen menschlichen glauben wuͤrcken/ ist wahr/ aber recht zu- verstehen. Jn dem damit nicht gesagt wird/ daß aller der glaube/ der bey uns aus gelegenheit solcher ursachen und motiven gefasset wird/ nicht goͤtt- lich sondern allein menschlich seye (dann wer die heilige schrifft mit einem von K k k k k sol- Das fuͤnffte Capitel. solchen ursachen und motiven erstlich bewegtem gemuͤth liset/ mag den wah- ren goͤttlichen glauben empfangen aus der krafft der schrifft selbs) sondern dieses wird allein damit gemeint/ daß aus deroselben krafft in sich selbs/ wie sie ein vernuͤnfftiger schluß sind/ die wahrheit des glaubens nicht herkom- men kan/ sondern aus der wahrheit selbs/ die uns solchen schluß vorleget. Al- so sind sie an sich selbs diejenige dinge/ welche das gemuͤth etlicher massen be- reiten/ und sonderlich die natuͤrliche widersetzung und etwa uͤbel gegen die schrifft gefaßte concepta, wegnehmen/ hingegen eine gute opinion von sol- chem wort machen/ damit der mensch also geschickter und beqvemer wird/ daß alsdenn/ wo wir die schrifft lesen/ hoͤren/ oder einige stuͤcke und spruͤche derselben unserm gemuͤth vorstellen/ durch goͤttliche wuͤrckung der glaube entstehet. Jm uͤbrigen daß eine goͤttliche gewißheit und doch auch nieder- schlagung des gemuͤths beysammen seyn koͤnnen/ achte ich keine ungereimte oder auch ungemeine sache zuseyn. Denn warum solte nicht in diesem stuͤck des unglaubens sowol als in andern stuͤcken das fleisch wider den geist geluͤ- sten? indem der unglaube sowol gleichsam das hertz des fleisches/ wie der glaube des geistes ist. Was anlanget/ ob der wille des glaubens der wah- re glaube seye/ oder denselben vielmehr præsupponi re/ meine ich zwahr nicht/ daß man so bloß dahin dergleichen zu sagen haͤtte/ aber doch will ich kein bedencken machen/ zusagen/ daß unmuͤglich seye/ daß ein auffrichtiger wille und verlangen nach dem glauben und goͤttlicher gnade in einer seele/ die ihr elend erkennet/ dero es auch redlich und allein um ihre seeligkeit zuthun ist/ sich auch in allen stuͤcken willig der goͤttlichen ordnung zu untergeben begeh- ret/ ja mit der gnade/ wie gering sie seye/ wo es nur die wahre gnade seye/ gern zu frieden seyn will/ und sich sowol sehnet GOtt gefaͤllig in allem wand- len zu koͤnnen/ als sich stracks dessen befleisset/ gefunden weꝛden moͤge/ die nicht schon zum grunde in dem grund der seelen den wahren/ ob zwahr ihr verbor- genen glauben habe. Dann es sind jene fruͤchten viel zu edel/ als daß sie aus natuͤrlichen kraͤfften kom̃en koͤnten/ sondern gewisse wuͤrckungen des heili- gen Geistes/ welcher wo er wohnet/ ein Geist des glaubens ist. So muͤsten wir die haupt- fundamenta unserer Theologiæ von den natuͤrlichen kraͤfften und des heiligen Geistes gnade uͤberhauffen stossen/ wo wir anders halten wolten. Zu dem wie solte muͤglich seyn/ daß goͤttliche so sehr in der schrifft ge- priesene barmhertzigkeit/ welche so viele tausend mitten aus ihrem boßhaffti- gen lauff herausreisset/ und zu dem glauben bekehret/ eine seele verlassen und ihr den glauben versagen solte/ dero inbruͤnstiges verlangen nach nichts an- ders als nach derselben gehet/ und dasjenige allein begehret/ wozu sie GOtt erschaffen/ beruffen und erloͤset hat. Mir ists gewiß unbegreifflich/ wie ein sol- ARTIC. II. SECTIO XXV. solches nur muͤglich seyn koͤnte. Was das exempel Franc. Spieræ anlanget/ bleibe ich dabey/ daß wir nicht nach den exempeln/ in denen uns so viele unbe- kante dinge sich finden moͤgen/ sondern nach GOttes eigenem wort zu urthei- len haben. Daher ich lieber das verlangen nach dem glauben bey ihm/ ob es redlich vor GOtt gewesen/ als die goͤttliche barmhertzigkeit und wahrheit in zweiffel ziehen will. So meldet Sleidanus austruͤcklich von ihm/ daß er be- kant/ Deum se amare non posse, verum horribiliter odisse. Wir reden a- ber von einer seele/ die eine sehnliche begierde nach GOtt und seiner gnade hat/ wo dann nothwendig die liebe der inneꝛste grund solcher begierde ist/ mas- sen niemand ein sehnliches verlangen nach etwas haben kan/ welches er nicht liebet/ und so viel ernstlicher liebet/ als seine begierde bruͤnstiger darnach ist. Und wo endlich etwas aus Spieræ exempel sich ziehen liesse/ wuͤrde es nichts anders seyn/ als daß ein mensch mit seiner boßhafftigen verstossung der er- kanten goͤttlichen wahrheit in ein solches gericht und verstockung fallen koͤnte/ daß er gleichsam schon hie in der verdamnuͤß lige/ wie auch Spiera solches fuͤhlen geklaget hat/ und daher gantz keine goͤttliche wirckung mehr in ihm platz habe. Aber aus solchem allem laͤst sich mit keinem schein schliessen/ daß nicht GOtt seine gnade demjenigen zu geben willig seye/ bey welchem verlan- gen und liebe/ die bereits seiner gnade wuͤrckungen sind/ sich finden. So hat auch unser S. D. Dannhauer/ und mit ihm andere Theologi, aus der histo- rie zur gnuͤge dargethan/ daß bey Spiera die opinion von der blossen verwerf- fung der menscheu den haͤrtesten stoß seiner verzweiffelung gegeben/ und alle krafft des trostes gehindert. Da aber gleichwie der glaube selbs durch einen solchen irrthum zunicht gemacht werden kan/ warum nicht das verlangen nach demselben/ als ein dessen schwaͤcherer oder doch verborgenerer grad? Hingegen wo wir reden von dem verlangen des glaubens/ welches vor einen wahren glauben zu halten/ so reden wir davon mit den uͤbrigen requisitis, so zu dem glauben gehoͤren. So haͤtte auch dafuͤr gehalten/ daß dem armen mann noch auff andere art/ als man findet/ zuzusprechen gewesen waͤre/ ihn von dem fuͤhlen/ welches in solchem stande das allergefaͤhrlichste ist/ ab- und auff andere gewissere fundamenta zu fuͤhren. Jetzo eben nicht zu sagen/ daß einige wol in den gedancken seyn/ Spieræ verdammnuͤß sey eben nicht so ge- wiß/ sondern moͤge zwahr das schreckliche leiden und hoͤllen-angst/ mit dero er kaͤmpffen muͤssen/ und allem ansehen nach untergelegen/ ein heilig gericht GOttes uͤber ihn gewesen seyn/ so wol zur straffe seiner suͤnden/ als anderen zum abscheu und schrecken vor dem abfall: es moͤge aber der HErr doch noch/ anderen unvermercket/ in seinem letzten in dem grund seiner seelen einige troͤpfflein haben kommen lassen/ davon er erhalten worden/ daß ja sein verlan- gen nicht vergebens waͤre. Wie denn/ wo solches recht auffrichtig und nicht K k k k k 2 viel- Das fuͤnffte Capitel. vielmehr aus einer blossen furcht des gerichts als begierde der gnade herge- kommen/ dasselbe mehr von GOtt erlangen mag/ als wir etwa begreiffen moͤ- gen. Davon ich aber mein urtheil gern suspendi re: allein aber diese dinge hier bemercke/ zu zeigen/ wie es eine fast ungewisse sache ist/ aus exempeln et- was dermassen zu schliessen/ in denen/ wo es auff solche tieffe in dem hertzen verborgene dinge ankommt/ so vieles uͤber unsern nicht nur sinn sondern verstand sich erstrecket. Was die versieglung anlanget/ achte ich auch sol- che/ als die nichtes anders ist als die versicherung selbs/ moͤge von der em- pfindlichkeit abgesondert werden: Oder wir muͤssen sagen/ wo der mensch nicht immer in wuͤrcklicher reflexion seines glaubens bestehet/ so seye so lang auch die versieglung aus/ und geschehe allezeit auffs neue/ wenn er wieder dran gedencket/ so ich nicht leicht von jemand dafuͤr gehalten zu werden hoffe. Daß das goͤttliche zeugnuͤß nach der schrifft zu pruͤfen seye/ wird etwa diesen verstand haben sollen/ nicht daß das zeugnuͤß selbs oder die bezeugung in sol- che pruͤfung komme (es waͤre denn sache/ daß von der art derselben/ wie sie geschehe/ die frage waͤre) sondern daß das bezeugte solcher pruͤfung beduͤrffe: das ist/ wo wir etwas mit einem goͤttlichen zeugnuͤß und versieglung zu er- kennen gedencken/ haben wir solche thesin gegen die schrifft zu halten/ finden wir daß solche unsrem satz widerspreche/ so ist uns solches ein gewisses zeug- nuͤß/ es seye dasjenige kein zeugnuͤß des Heil. Geistes/ sondern unser eigener gedancken gewesen/ den wir jener art erachtet haben: kommt er aber mit der schrifft uͤberein/ so bleibets ein wahres zeugnuͤß GOttes/ wo nicht ander- werts her demselben etwas ermangelt. Mit denen/ die die beyde proposi- tiones, ich glaube / oder ich bin mir dessen und dessen bewußt/ was ich began- gen habe/ eines schlages in der versicherung des hertzens achten wollen/ koͤnte ichs nicht halten/ wo nicht etwa eine andere meinung und erklaͤhrung/ die ich itzt nicht vorsehe/ darunter oder dabey seyn moͤchte. Es ist freylich das eine eine sache/ welche der natuͤrlichen erkaͤntnuͤß unterworffen/ die andre a- ber nicht. Und dieses ist die ursach/ weswegen ich mit meinem Sel. Præce- ptore D. Dannhauern mich versichere/ daß nach unsern Evangelischen prin- cipiis ein glaͤubiger seines glaubens gewiß seyn moͤge/ nicht aber ein Refor- mirter nach den seinigen/ wo er bey dem absoluto decreto bestehet. Dann bey einem Reformirten kommets auff nichts anders an/ als auff die empfind- lichkeit und fuͤhlung des glaubens/ die so wol mangeln als dem menschen zweiffelhafftig seyn kan/ ob ihn nicht sein fuͤhlen betriege; dann es gehet mit einem uͤbernatuͤrlichen objecto um/ nemlich dem glauben selbs. Aber bey ei- nem Lutherisch-Evangelischen gruͤndet sich die versicherung des glaubens auff die unzweiffenliche guͤte GOttes/ welche allen denjenigen/ welche sich dem wort und gnaden-wuͤrckung GOttes nicht boßhafftig widersetzen wol- len/ ARTIC. II. SECTIO. XXV. len/ gnade und glauben zu geben willig ist: damit so kommts auff den mino- rem allein an. Nun bin ich ein solcher/ der nicht muthwillig widerstreben will/ oder widerstrebet. Dieses ist nun eine sach/ die noch von uns mit einer unfehl- baren gewißheit erkant werden kan/ und da heists nun recht/ 1. Cor. 2/ 11. der geist des menschen weiß was in ihm ist (und zwahr mit einer unbetriegli- chen wissenschafft/ nicht aber dasjenige/ was in sich GOttes und goͤttliche wirckung ist) daher sind solche dinge einer pruͤfung recht unterworffen. So schreibet besagter Herr D. Dannhauer. Sal. Ref. und macht diesen Syllogismum p. 495. 496. Aller derjenige unwiderstrebende mensch/ dem GOtt den glauben nicht allein wahrhafftig geben will/ sondern auch wircklich und verschiedentlich durch wort und Sacrament darreicht/ ist glau- big. Jch bin ein solcher unwiderstrebender GOtt gelassener mensch (davon mein geist in mir/ als einem ding/ so demselben zu wissen ohn ein uͤbernatuͤrlich liecht wol muͤglich/ zeuget) dem GOtt der HErr den glau- ben geben will/ denn hat er mir den baum schencken wollen/ seinen Sohn Christum/ so hat er mir auch ja dessen edle frucht den glauben schencken wollen/ (wie solte er uns mit ihm nicht alles schencken?) so ist sein Evangelium/ sein Sacrament ein mittel/ dadurch der glaube in un- serm hertzen erwecket und versieglet wird ꝛc. Neben diesem wird mein werther Bruder ferner erkennen/ daß auch ein grosser unterscheid sey unter der erkaͤntnuͤß des glaubens selbs und dessen fruͤchten/ und ob wol bey- de keine dinge sind/ so unserer vernunfft unterworffen/ indeme so wol die fruͤchte als dero wurtzel der glaube der goͤttlichen wirckung zugehoͤren/ daß dennoch die fruͤchte sich nicht gleicher massen/ auffs wenigste alle/ und zwahr die haupt-fruͤchte verbergen lassen/ wie der glaube sich verborgen halten kan/ und daß sich also jene dermassen zeigen koͤnnen/ daß unsere vernunfft wol bey sich dieses begreiffet/ es seye in uns und in unserer seelen etwas mehr als na- tuͤrliches oder aus dergleichen kraͤfften herkommendes; so nichts anders als goͤttliches seyn kan/ ob sie wol/ wie es goͤttlich seye/ aus sich nicht gnugsam begreiffet. Wo wir nun solche goͤttliche wirckungen in den glaubens-fruͤch- ten dermassen bey uns antreffen/ daß auch unsere vernunfft uͤberzeuget ist/ daß sie nicht unser werck seyn/ so schliesset sie selbs unwidersprechlich/ wo GOTTES wort wahr ist/ wie wirs wahr zu seyn wissen/ so muͤsse denn auch der heilige Geist und glaube bey uns seyn/ an dessen empfindung es uns sonst mangelt. Es sind aber solche versicherte glaubens-fruͤchte/ die von de- nen sonsten aus einer guͤte der natur und moral-institution herkommenden tugenden unterschieden sind/ vornemlich das hertzliche mißfallen an allem dem/ was GOTT zu wider seye/ so wol in specie gegen dieses und jenes/ so K k k k k 3 wir Das fuͤnffte Capitel. wir erkennen/ ihm zu wider zu seyn/ (sonderlich dazu wir etwa sonsten mehrere natuͤrliche inclination bey uns fuͤhlen/ aber auch einen nicht nur widerspruch des gewissens/ sondern auch einen eckel daran und mißfallen/ ob wir wol noch in dem fleisch ein wolgefallen und geneigtheit dazu fuͤhlen) als insgemein/ daß uns alles ein abscheu solle seyn/ wo wir auch noch weiter etwas erkennen solten/ daß GOTT verboten haͤtte/ wie lieb es uns sonsten waͤre/ und folg- lich die innigliche begierde in allen stuͤcken den HErrn in gehorsam zu lieben; die freude die wir haben/ so wir etwas zu GOttes ehre gutes zu geschehen se- hen; sonderlich aber die ungefaͤrbte liebe des nechsten/ auch desjenigen/ und aus denjenigen ursachen/ da sonsten natuͤrlicher welse wir keine liebe zu haben wuͤrden/ sondern eher ein widerwillen und haß dagegen entstehen koͤnte; die vorziehung des goͤttlichen gnaden-stands vor aller weltlichen gluͤckseligkeit; die in ihrer rechten ordnung eingeschrenckte begierde des leibs dieses todes und einwohnender suͤnden loß zu werden/ und in die selige ewigkeit gern ein- zugehen/ und deswegen auch das gluͤcklichste welt leben zu verlassen; die staͤte erhebung zu GOTT und heimliches seuffzen zu ihm/ nicht nur alsdann/ wo wir gleichsam mit fleiß und ex consilio beten wollen/ sondern daß bey aller gelegenheit von selbsten als von innen herausgehet/ und also das habitual- verlangen nach GOTT in der seelen verborgen zu seyn zeiget; sonderlich aber die hochhaltung der gnade Christi/ und einige beruhigung in seinem ver- dienst/ mit williger verleugnung aller eignen und frembden gerechtigkeit/ hin- gegen eiffrige begierde/ ihm wiederum in allem danckbar zu werden/ und sich in der that sein eigenthum zu erweisen: So dann die bruͤnstige liebe gegen GOTT und Christum/ so entweder selbs gefuͤhlet wird/ oder aus den obigen stuͤcken/ da es auch an jener fuͤhlung manglete/ unfehlbar abgenommen werden mag/ indem sie alle gleichsam lauter besondere austruͤcke und wirckungen der goͤttlichen liebe seynd. Alle diese dinge/ welche sich meistens bey den ange- fochtenen und uͤber die unempfindlichkeit ihres glaubens geaͤngsteten in ziem- lichem grade finden/ sind unfehlbar zeugnuͤsse des wahren glaubens/ so gar/ daß auch ein anderer aus denselben bey denjenigen/ wo er sie findet/ ohnfehl- bar/ daß sie glaͤubig seyn/ schliessen koͤnte/ wo er in dero hertz/ daß solche stuͤcke wahrhafftig bey ihnen sich befinden/ koͤnte gewahr werden. Was aber andere nicht koͤnnen/ dasselbige kan jeglicher bey sich selbs nemlich mit unfehlbarer gewißheit versichert seyn/ daß es ihm in allem solchem ein gruͤndlicher ernst/ nicht aber angenommene heucheley sey. Und so sehen wir/ daß der liebe Apo- stel Johannes 1/ 3/ 18. 19. aus der liebe der bruͤder/ die da in der that und in der wahrheit ist/ schliesset/ daß wir aus der wahrheit (das ist/ aus GOTT ge- bohren und demnach glaͤubig) seyen: Und dazu mit einem solchen schluß/ den wir ARTIC. II. SECTIO XXV. wir unserm hertzen/ wo es uns verdammen/ und auf GOttes tieffer sehendes aug/ welches in uns dasjenige/ was wir noch nicht gewahr werden/ bemercken moͤchte/ weisen will/ daß wir dennoch unser hertz damit stillen koͤnnen/ das ist/ daß unser hertz ursach habe/ sich davon zu stillen/ obwol der effect in der an- fechtung nicht allemal folget. Daß die wirckung des glaubens/ was anlan- get die individual application, einiger massen moͤchte immediata genennet werden/ will ich nicht eben sehr widersprechen. Wird aber nichts damit an- ders gemeint werden/ als daß/ nachdem ich aus den gruͤnden goͤttlichen worts/ da der vorsatz selbs gemeiniglich in den worten des heiligen Geistes bestehet/ der nachsatz in der eigenen entweder fuͤhlung oder neuer collection aus einer andern fuͤhlung beruhet/ dasjenige geschlossen habe/ worauf mein glaube be- ruhet/ endlich die conclusion auch bekraͤfftiget wird in dem hertzen durch goͤtt- liche versiglung: Die aber nicht allemal empfindlich/ sondern aus GOttes wort offt/ daß sie da seyn muͤsse/ zu schliessen ist/ wider die eigene unempfind- lichkeit. Weil aber mein geliebter Bruder sich sonderlich daruͤber so hertz- lich aͤngstet/ wo er von anderer empfindung liset/ und wie solche in der schrifft auch den glaͤubigen zugeschrieben werde/ gewahr wird: So meine ich daß die- se beyde/ so er einander unmittelbar entgegen setzt/ entweder muͤsse lauter pra- lerey und erdichtetes wesen seyn/ was andere von der empfindung ruͤhmeten/ und sich auff ihre oder anderer erfahrung berufften/ oder muͤste bekennen/ daß es ihme gar an dem glauben mangle/ weil er solches nicht bey sich haben solte/ nicht so unmittelbare opposita, sondern dieses mittel dazwischen seye/ daß er zwahr den glauben habe/ aber entweder in schwaͤcherem grad/ oder doch mit zuruͤckhaltung dieses bey andern sich offt befindenden ausflusses. Gleich wie ein mensch/ welcher von kindheit an niemal anders als kraͤncklich und mit al- lerhand schmertzen behafftet gewesen/ nicht sagen kan/ entweder muß es pra- lerey seyn/ was andere davon ruͤhmen/ daß ihnen nie kein finger wehe gethan habe/ oder ich bin nicht eben so wol ein wahrer mensch als jene sind/ sondern allein/ daß er nicht so gesund wie dieselbe seye. So bin ich auch versichert/ daß es auch allen glaͤubigen nicht gar an aller empfindung/ geschmack/ erfah- rung ꝛc. mangle: Ja ich bin versichert/ daß mein geliebter Bruder/ ob ers wol nicht meinet wahrzunehmen/ manchen geschmack und empfindung der goͤttli- chen liebe und begierde nach GOTT gehabt habe: An diesem aber wird eben so wol dasjenige wahr gemacht/ was die schrifft von solchen dingen sagt/ als an der freundlichen und trostreichen empfindung/ und ist also derjenige/ der zwahr nicht diese art aber jene hat/ nicht aller empfindung und geschmacks ent- ohnicht. Daß im uͤbrigen derselbe sehnlich verlange/ so offt er liset und hoͤret/ wann andere von der gnade GOttes ihnen in solchen stuͤcken wiederfahren ruͤhmen/ eben derselben auch theilhafftig zu werden/ ist nicht unrecht/ dann wir nach Das fuͤnffte Capitel. nach den geistlichen gaben zu trachten haben/ auf daß der HErr so vielmehr an uns und von uns moͤge gepriesen werden. Doch will ich hoffen/ es werde dabey eine kindliche zufriedenheit und gelassenheit sich finden/ sich mit demje- nigen maaß der gnaden zu vergnuͤgen/ welches der liebste Vater zugemessen habe/ und ihm/ wo er ihn in dem finstern fuͤhren wolle/ die hand auch willig zu reichen/ und ihn mit sich machen zu lassen/ wie es ihm wolgefaͤllig seye. Wie auch dieses ein hoher grad der verleugnung seiner selbs ist/ nach der wir eben so wol zu trachten haben/ daß wo der HErr auch zeiget/ daß einiges auch christliches unser verlangen seinem rath nicht eben gemaͤß seye/ wir auch lie- ber/ daß sein uns hart-scheinender als unser zu unserer geistlichen vergnuͤ- gung zielender wille geschehen moͤge/ uns resolvi ren/ und daher auch unser sehnliches verlangen ihm gleichsam wieder auffopffern. Es geschihet ja noch/ daß in der that der HErr zu einigen seinen kindern spricht/ laß dir an meiner gnade genuͤgen/ da sollen wir unser Amen willig dazu sprechen; wo es hingegen an demjenigen/ der uns die gnade versprochen hat/ nicht mangeln kan/ daß nicht dieselbe solte uns kraͤfftig genug ertheilet werden. So ist doch das beste/ wie mein geliebter Bruder in seinem brieff fast schliesset/ daß er nichts verlange/ als daß ihm GOTT um seines liebsten Sohnes/ als des ei- nigen/ vollguͤltigsten und allgemeinen seligmachers willen/ gnaͤdig seye/ und in solchem glauben selig zu leben und zu sterben geben wolle. Hie ist goͤttliche verheissung/ daß weil er darinnen betet nach GOttes willen/ und sich demsel- ben blosserdings zu ergeben verlangt/ die erhoͤrung unzweiffentlich erfolgen muß. Dieses sind meine einfaͤltige gedancken bey der vorgetragenen mate- rie/ dabey es dißmal bewenden lasse/ mich aber nicht entziehen will/ wo auf die- ses einige weitere erlaͤuterung durch vorstellung/ wie er solches recht bey sich thunlich oder nicht thunlich finde/ und was etwa fuͤr wichtige exceptiones da- gegen moͤchten gebracht werden/ verlanget werden solte/ auf dasjenige nach goͤttlicher gnade wiederum zu antworten/ was an mich gelangen wird. Jn- dessen um das obige gleichsam in ein compendium zu bringen/ so bitte dienst- lich/ sich vornemlich dahin zu bestreben/ und dazu goͤttliche gnade anzuruffen/ daß er lernen moͤge/ 1. seine gedancken abzuziehen von der empfindlichkeit auf das blosse wort. 2. in der empfindlichkeit mehr acht zu geben auf die em- pfindlichkeit der fruͤchten des glaubens/ als desselben unmittelbare actus. 3. zu glauben/ daß der HErr/ wie er seine heilige auf unterschiedene pfaͤde fuͤhre/ solches unterscheids heilige und seiner wahrheit gemaͤsse ursachen habe. 4. versichert zu seyn/ dieser dunckele und dem fleisch so viel saurere weg gehe so wol zu dem ewigen liecht/ als derjenige/ auf welchem man bereits mehr liecht gewahr wird. 5. den grund seines heils auf die blosse barmhertzigkeit und treue seines GOttes zu setzen/ und sich ohne andere versicherung in dero arm/ ja ARTIC . II. SECTIO XXVI. ja abgrund/ hinzuwerffen/ weil sie nicht koͤnne jemand verlassen/ so nicht von ihr wegfliehe/ sondern auffrichtig allein nach ihrem genuß verlange. 6. zu glauben/ er stehe in einer gemeinschafft vieler tausend bruͤder und schwestern/ welche in gleichem leiden stecken/ fuͤr die er nicht weniger inbruͤnstig als fuͤr seine eigene noth zu beten hat/ damit hinwieder ihr seuffzen auch fuͤr ihn/ da er an deroselben communion seine liebes-pflicht selbs wahrnimmt/ desto kraͤfftiger gehen und guͤltig seyn moͤgen. 7. endlich sich so viel fleißiger vor aller verletzung des gewissens zu huͤten/ als gefaͤhrlicher dieselbe in solchem stande seynd/ hingegen der entweder verlangten empfindlichen gnade annoch allhier/ oder der endlichen erloͤsung und versetzung in das schauen/ mit williger gedult zu erwarten. Der HErr wircke es in ihm und uns allen zu ritterli- cher uͤberwindung und seinem ewigen preiß. 1682. SECTIO XXVI . Trost der angefochtenen/ daß sie ohnerachtet ihres kampffs mit dem unglauben/ dennoch glaubig seyen. D En verlegten locum Mucschelii betreffend/ vermag ich darauf nicht gruͤndlich zu antworten/ weil das buch nicht bey handen habe/ und also die antecedentia und consequentia, den rechten verstand zu fassen/ mit conferi ren kan. Gleichwol erinnere mich nicht/ als solches scriptum gelesen/ daß ich etwas darinnen wider die wahrheit gefunden oder bemercket haͤtte: Hoffe also/ wo die sache recht erwogen wird/ werde auch solche stelle mit der wahrheit uͤbereinkommen. Jndessen will von der materie selbs etwas ge- dencken. So ist nun der glaube freylich unser sieg/ damit wir die welt/ und auch dero fuͤrsten den teuffel mit seinen feurigen pfeilen/ uͤberwinden. Da- her einem angefochtenen daran das meiste gelegen/ daß er seines glaubens versichert seye. Aber da ist mit grosser sorgfalt zu verfahren/ daß wir wissen/ woraus wir den wahren glauben in der anfechtung pruͤffen sollen. Zwahr ausser derselben so ist das empfindliche zeugnuͤß des heiligen Geistes/ welcher unserem geist bezeuget/ daß wir GOttes kinder sind/ und das fuͤhlen der hertz- lichen und bestaͤndigen zuversicht ein kantliches kennzeichen/ dabey der mensch/ neben den uͤbrigen von den fruͤchten hernehmenden zeugnuͤssen/ sich in seiner seele des beywohnenden glaubens versichert. Aber es kommt zuwei- len bey gottseligen hertzen in den stand/ davon der geistreiche Arnd W. Chri- stenth. 2/ 52. redet/ und ich wuͤrcklich jetzt eine gottselige person in derselben uͤbung und kampff weiß: Daß der mensch in der noth so tieffin den un- glauben gestuͤrtzet wird/ daß er seines glaubens nicht kan gewiß wer- L l l l l den. Das fuͤnffte Capitel. den. Es zeucht sich alle krafft des glaubens in ein punct und in ein unaussprechlich seuffzen/ darinnen noch der glaube ihm unwis- send verborgen ist/ und dieser verborgene glaube ist dem sein unglau- be und ist sein hoͤlle und marter. m. f. w. Da laͤsset sich denn solches in- wendige zeugnuͤß des geistes nicht mehr fuͤhlen/ da ist zuversicht und alles hinweg/ und weiß der mensch keinen zusprechenden trost sich zuzueignen. Wol ein betruͤbter/ und gleichwol hochnuͤtzlicher stand! Aber da haben wir die pruͤffung des glaubens gantz anders anzustellen/ als bey ruhigem gemuͤth/ in solchem ungestuͤm muͤssen wir die segel gantz anders spannen/ als bey lieb- lichem sonnenschein und stillem wetter. Nemlich weil wir a priori den glau- ben nicht mehr fuͤhlen/ a posteriori, ihn zu schliessen: weil wir keine flamme noch funcken/ nachdem alles mit aschen bedecket ist/ sehen/ aus dem rauch das verborgene feuer abzunehmen. Nemlich/ daß wir die angefochtene anwei- sen/ daß sie aus der hertzlichen betruͤbnuͤß uͤber ihre suͤnde/ sehnlichen verlan- gen nach goͤttlicher gnade/ bestrebung nach derselben/ reinen vorsatz seinen GOtt nicht mit willen zu beleidigen/ und was dergleichen ist/ schliessen/ wo diese fruͤchte seyen/ da muͤsse nothwendig die edle wurtzel des glaubens/ ob schon tieff verborgen/ vorhanden seyn. Jnmassen jene ohn diese zu seyn nicht vermoͤchten. Jst also bey solchen lieben leuten ein GOtt allein sichtbarer/ so dann an dem eußerlichen kantlicher/ ihnen selbs aber unempfindlicher glaube vorhanden/ der sie erhaͤlt/ biß die zeit der probe aus ist. Solcher glaube in ihnen uͤberwindet immer fort/ auch wenn sie meinen/ sie ligen staͤtig unter: denn der sieg muß so verborgen seyn/ als der glaube selbs ist. Jndessen so ist freylich auch unglaube dabey/ den sie gnugsam bey sich fuͤhlen/ und eben um desselben willen den glauben nicht empfinden koͤnnen. Solches nun recht zu verstehen: so muͤssen wir wissen/ daß der unglaube sowol als alle andre suͤn- den uns angebohren/ und ein stuͤck unserer natuͤrlichen verderbnuͤß seye: auch daß wir deswegen die wurtzel des unglaubens in uns behalten/ so lang wir fleisch und blut an uns tragen/ und also dieses gantze leben durch. Solcher uns angebohrner unglaube (der freylich auch bey den glaubigen noch uͤbrig ist) reget sich auch/ und bringet allerhand boͤse fruͤchten/ also daß wir wol sa- gen muͤssen: wie die fruͤchte des geistes lauter fruͤchten des glaubens sind/ so seynd hinwieder alle wercke des fleisches/ und also alle suͤnden/ lauter boͤse fruͤchten des unglaubens. Wo dann nun der mensch glaubig worden aus des heiligen Geistes gnade/ und in solchem glauben bleibet/ so ist kein herschen- der unglaube bey ihm/ aber von dem kaͤmpffenden unglauben wird er sich nicht freysprechen koͤnnen: Sonsten muͤste er aller suͤnden bereits befreyet seyn/ wenn solche boͤse wurtzel gantz aus gerissen waͤre. Also was ich vor boͤ- se ge- ARTIC . II. SECTIO XXVI. se gedancken und begierden bey mir fuͤhle/ und mit grossem meinem mißsallen dannoch leiden muß/ sind sie fruͤchten des noch uͤbrigen und sich thaͤtlich her- vorthuenden unglaubens: denn so der glaube mich nunmehr gantz gereiniget haͤtte/ so wuͤrde solche sonne alle dieselbe nebel verzehret haben. Weil aber solcher unglaube nicht herrschet/ sondern der noch beywohnende glaube die o- berhand behaltet/ wie ichs daraus erkenne/ daß ich an solchen gedancken miß- fallen habe und sehnlich verlange davon befreyet zu werden/ so ist auch solcher unglaube/ wie alle andere suͤnde/ die in mir wohnet/ und ich mich derselben nicht entschuͤtten kan/ nicht mehr verdamlich/ sondern ist vergeben. Rom. 8/ 1. und wird der men sch von GOTT von dem uͤberwindenden glauben glau- big/ nicht aber von dem kaͤmpffenden und unterligenden unglauben vor un- glaubig geachtet. Jndessen bleibets doch dabey/ wie der glaube bey dem men- schen die officin ist/ in dero der heilige Geist so viel liebe gute gedancken wir- cket/ so ist solcher noch bey uns wohnende unglaube derjenige/ in dem und aus dem der leidige satan boͤse gedancken herausbruͤtet. Dann wo der unglau- be und beywohnende suͤnde nicht waͤren/ so vermoͤchte er wol uns anfechten/ aber er koͤnte wircklich keine boͤse gedancken auffsteigend machen/ und also bleiben alle propositiones, so der herr machet/ wahr/ streiten aber nicht wi- der einander. 1. Angefochtene sind nichtunglaubige sondern glaubige. 2. Wo der glaube ist/ da sind seelige gedancken/ (aber nicht allein/ ob wol so fern der glaube da ist/ und in demselben keine andere als heilige gedancken sind/ dann die unheilige gedancken/ so dabey auffsteigen/ sind nicht aus dem glau- ben) 3. Wo der unglaube ist/ da sind laͤsterliche und boͤse gedancken. Weil sol- che allezeit aus dem unglauben entstehen: Aber nicht nur allein aus dem her- schenden unglauben/ sondern/ eben sowol demjenigen/ bey dem der wahre glaube noch bleibet. Ja bey diesem werden sie noch haͤuffiger entstehen/ son- derlich was die gotteslaͤsterliche gedanckenanlangt. Mit denen der teuffel die- jenige wenig geplagt werden laͤßt/ bey welchen der unglaube uͤberhand ge- nommen/ oder sie sind doch bey ihnenkeine anfechtungen/sondern/ mit lust hegende gedancken. 4. Wo laͤsterliche gedancken seyn/ da ist unglaube/ nicht aber allemal ein herrschender unglaube/ sondern wie oben erklaͤhret/ die letzte proposition oder conclusion ist allein falsch: Wo dann laͤsterliche gedaucken seyn/ da seye kein glaube/ keine gnade/ kein GOtt/ kein heiliger Geist. Es be- darff aber die folge dieses letzteren nicht viel widerlegt zu werden/ sondern erhellet von sich selbs wie falsch sie seye. Es bleibet dabey/ wie Paulus sagt. Rom. 8/ 10. (welches ein mir sonderlicher lieber spruchist) der leib ist tod um der suͤnden willen (in dem eusserlichen menschen ist tod/ unglauben/ boͤse gedancken ꝛc.) aber der geist ist doch das leben um der gerechtigkeit L l l l l 2 wil- Das fuͤnffte Capitel. len (der neue mensch hat leben/ gerechtigkeit/ glauben/ gute gedancken.) Was ferner gemeldet wird/ wie der unglaube sich halte bey den angefochtenen nicht nur negative, expulsive, subtractive sondern auch contradictorie: weiß diß- mal nicht zu beantworten/ weil ich den autorem nicht bey haͤnden habe/ uñ al- so nicht so gewiß/ als solte/ bin/ wie er solches orts diese terminos gebraucht. Mein vielgeliebter Bruder in Christo seye getꝛost in seinem Gott/ und lasse sich auch solche versuchung nicht zu viel betruͤben. Der HErr ist getreu/ und kan sich nicht verleugnen/ daß er nicht solte seine verheissung 1. Cor. 10/ 13. an allen angefochtenen/ die bey ihm bleiben wollen/ erfuͤllen. Er lasse sich al- lein diese tentationes zu dem ende dienen/ wozu sie ihm von GOTT gegeben sind/ nemlich ein befoͤrderungs-mittel zu seyn/ zu der von ihm so sehr uns an- befohlenen selbs-verleugnung/ hochschaͤtzung seiner gnade/ resigni rung in goͤttlichen willen/ und fleißiger nachfolge JEsu; so wird gewißlich nicht nur die versuchung allezeit ertraͤglich seyn/ und er/ so offt es scheinet/ nunmehr muͤsse man untenligen/ wiederum mit einer krafft aus der hoͤhe angethan wer- den/ sondern er wird auch seinem guͤtigen GOTT fuͤr solche bittere aber heil- same artzney noch hie zeitlich/ sonderlich aber dort ewig/ dancksagen/ und nach- dem er einen sieg nach dem andern davon getragen/ seinem Siegs-fuͤrsten/ der in ihm uͤberwunden/ das ewige triumph-lied singen. Der GOTT aller gna- den/ der uns beruffen hat zu seiner ewigen herrlichkeit in Christo JEsu/ der- selbe wolle ihn und alle in gleichem kampff stehende mit-bruͤder und schwe- stern/ die wir hie eine kleine zeit leiden/ vollbereiten/ staͤrcken/ kraͤfftigen/ gruͤn- den. Demselben seye von uns allen ehre und macht von ewigkeit zu ewig- keit. Amen. 1675. SECTIO XXVII. Trost eines angefochtenen wegen manglender fuͤh- lung. Bestraffung des nechsten. J Ch gehe aber zu dem schreiben selbs/ da ich bekenne/ mir leid gewesen zu seyn/ daß derselbe vergangen jahr Herrn N. N. nicht gesprochen/ von deme als einem mann/ welchem GOTT ein mehrers maaß des Gei- stes/ als ihm angesehen wird/ ertheilet hat/ demselben durch gegenwaͤrtigen zuspruch zu seiner staͤrckung nicht wenig huͤlffe gehoffet haͤtte. Nachdem aber solche gelegenheit meistens aus bloͤdigkeit verabsaͤumet/ und sonst nicht ver- achtet worden/ erkenne ich daraus oder darinnen vielmehr eine goͤttliche re- gierung/ und bin damit zu frieden. Weil manchmal der HErr einer seele mehr den weg zu andern/ von welchen sie erbauet zu werden/ die hoffnung seyn solte/ gleichsam selbs verleget/ da er sie etwa mehr von allen creaturen entbloͤs- sen/ ARTIC . II. SECTIO XXVII. sen/ und zu sich allein ziehen will. Ob nun solches die art des HErrn mit ihm umzugehen gewesen seye/ wird er verhoffentlich selbs bißher besser erkant haben. Auffs wenigste laͤsset der HErr den seinigen niemal nichts begeg- nen/ ohne seinen weisen und guͤtigen rath/ ja auch ihre versaͤumnuͤssen muͤssen durch seine gnade ordenlicher weise ein anlaß werden/ dadurch er bey ihnen et- was gutes ausrichtet. Was aber anlangt die wehmuͤthige klage uͤber die fuͤhlung seiner schwachheit/ und zweiffelhaffte gedancken wegen des beywoh- nenden glaubens/ trage ich zwahr so fern christliches mitleiden mit solchem elend/ welches ich wol verstehe/ wie schwehr und empfindlich es seye/ und also es nicht geringe achte/ indessen ist mir doch uͤber ihn nicht bange dabey/ als der ich an eigenem und andern mehr exempeln erfahren/ wie viel guͤtiger rath GOttes in solcher verhaͤngnuͤß seye: Wie nemlich die seelen/ welche er in so- thanes schweiß-bad gefuͤhret werden laͤsset/ wahrhafftig in der rechten schulen sind der gruͤndlichen erkaͤntnuͤß ihrer selbs und ihrer suͤndlichen nichtigkeit/ der verleugnung und absterbung der welt/ des hasses gegen die suͤnde/ der hertzlichen demuth gegen GOTT und den nechsten/ gegen welche alle man sich sehr unwuͤrdig haͤlt/ des gebets zu GOTT/ welches so viel auffrichtiger vor GOTT ist/ so viel ein inniglicheres verlangen und aͤngstlichere begierde nach seiner gnade unauffhoͤrlich in dem hertzen ist/ das doch vor unruhe kaum ein andaͤchtiges gebet herausbringen/ oder die gedancken zu der ordnung eines formlichen gebets bringen kan/ und daher sich eben daruͤber aͤngstet/ daß es meinet/ es bete nicht/ und koͤnne nicht beten/ der vorsichtigkeit in seinem gan- tzen leben/ um nicht mit willen zu suͤndigen/ und also einer wachsamkeit uͤber die seele/ ja auch des glaubens selbs. Dann gewißlich der wahre krafft-glau- be waͤchset und wurtzelt am tieffsten in sich/ wo man sich fast unglaubig achtet. Nur bitte ich/ er uͤberlasse sich seinem GOTT/ seye mit gegenwaͤrtiger gnade zu frieden/ bete zwahr/ ob ihm GOTT sein angesicht wiederum klaͤhrer zeigen und seine gnade in sich empfinden lassen wolle/ aber immer mit wahrhafftiger ausnahm seines willens/ und mit zufriedenheit/ auch in diesem stand gern aus- zuharren/ ob ihn der HErr auch immer darinne lassen wolte; wie denn zur ruhe der seelen in aller solcher unruhe nichts noch kraͤfftiger ist/ als die in der forcht GOttes gefaßte resolution, man wolle sich an goͤttlicher gnade genuͤ- gen lassen/ und gesinnet seyn/ wie Paulus/ da ihm solches von oben herab an- gezeiget/ und hingegen die wegnehmung seines pfahls austruͤcklich abgeschla- gen war worden. Jn solchem stande und zufriedenheit kan es ihm wahrhaff- tig an gnaͤdiger erhaltung nicht mangeln/ und stehet er in der that sicherer/ als die meiste bey aller empfindlichkeit. So dann lasse er sich dieses nimmermehr aus dem hertzen nehmen/ daß uns GOTT nicht auf unser fuͤhlen/ sondern aufden glauben und hoffnung/ wo nichts zu hoffen ist/ oder gefuͤhlet wird/ L l l l l 3 sondern Das fuͤnffte Capitel. sondern das hertz selbs lauter nein sprechen und verdammen will/ gewiesen haben wolle. Da mags wol von andern heissen/ weil sie gesehen haben/ das ist/ weil sie bey sich in einem klahren liecht fuͤhlen/ so glauben sie/ aber seliger sind noch diejenige/ die nicht sehen / die in sich dasjenige/ das sie gern wol- ten/ nicht sehen/ und dannoch glauben/ Joh. 20. die ihres GOttes guͤte zutrauen/ er werde die seele/ die ihn suchet/ nicht vergebens seyn/ sondern sich von ihr finden lassen/ er werde diejenige nicht vergebens lassen duͤrsten/ welche duͤrsten nach der gerechtigkeit/ sondern sie auf ihm gefaͤllige weise noch saͤtti- gen. Sagt er aber/ ja was habe ich fuͤr einen grund/ daß ich mich fuͤr glaͤu- big/ und in der gnade wahrhafftig zu stehen halten solle/ da ich das gegentheil in mir augenscheinlich zu erkennen meine/ damit ich mich nicht selbs betriege? Antwort. Der grund ist GOttes treue in Christo JEsu selbs/ welche uns in der schrifft so theuer und hoch geruͤhmet wird/ und nicht zulaͤsset/ daß moͤglich seye/ daß er eine seele verliesse/ die sich aͤngstlich nach ihm und ihres JESU heyl sehnet; diese treue ist eine ewige wahrheit GOTTES/ und wer sich auch ohn alles fuͤhlen darauff verlaͤsset/ sich also dem HERRN und seiner hand dargibet/ daß er ihn auch in der finsternuͤß fuͤhren moͤge/ kan un- moͤglich betrogen werden/ denn GOTT kan sich nicht leugnen/ und wer mit diesem glauben abschiede/ ob ihm auch sonsten sein hertz von lauter ver- dammnuͤß predigen solte/ faͤhret gewiß nicht anders hin/ als in die hand des lieben Vaters/ dessen treue er sich lediglich uͤberlassen hat. Zu weiterer versicherung aber moͤgen ihm auch diejenige pruͤfungen die- nen/ in denen er die fruͤchte seines glaubens/ da ihm derselbe selbs ver- borgen wird/ untersuchen kan. Denn weil er gewiß ist/ daß nicht eine wahrhafftige frucht/ und wahrhafftige tugend in einer unwieder- gebohrnen und in der that unglaubigen seele seye/ so wirds ihm nicht so schwehr werden/ deren etwa mehrere bey sich zu finden/ dagegen er hoffent- lich nichts als auch einigen mangel der fuͤhlung vorwenden kan. Hierzu mag demselben nicht etwa undienlich seyn/ mein neulich uͤbersandtes tractaͤtlein von Natur und Gnade; dann wie ich sorge/ ja verlange/ daß solches man- chen/ die in heucheley gestanden/ sich vor gute Christen gehalten/ aber damit betrogen haben/ auffwecken und in zweiffel seiner seligkeit bringen/ aber eben dadurch zur wahren buß und seligkeit den weg bahnen mag/ so hoffe da- bey/ daß er undandere GOTT treulich suchende seelen vieles darinnen fin- den werden/ daraus sie sich ihres gnaden-stands und glaubens zur uͤber- zeugung versichern koͤnnen/ sonderlich wo sie was §. 91. u. f. zu ihrer ver- wahrung bemercket worden/ in der furcht des HERRN und mit dessen anruf- ARTIC . II. SECTIO XXVII. anruffung treulich erwegen. Daher auch dieses mal nichts weiter hievon gedencken will/ biß vernehmen werde/ ob und wie fern der HERR solche einfaͤltige arbeit auch an ihm gesegnet haben mag. Dieses einige meine doch noch noͤthig zu erinnern/ weil ich weiß/ daß es schwachen offters die sache sehr schwehr machet/ nemlich/ daß er dieses sich nicht zu einem ge- faͤhrlichen anstoß mache/ es muͤsse nicht mehr wol mit seiner seelen stehen/ weil er bey dem anfang seiner bekehrung so viel selige stunden gehabt/ und so manche suͤßigkeit von seinem GOTT empfunden/ davon er jetzt nichts mehr fuͤhle/ aber eben deswegen sorge/ GOtt habe ihm um einiger undanckbarkeit willen seine vorige gnade entzogen. Denn es ist dieses GOttes des HErrn offtmalige art mit den seinigen umzugehen/ daß er zuerst grosse freude und trost in die seelen gibet/ biß sie ihn haben kennen und lieben lernen: aber nach dem entziehet er gemeiniglich solche empfindlichkeit/ und laͤsset es wol gar zu grosser traurigkeit und trostlosigkeit gerathen/ damit er solche liebe pruͤfe/ reinige/ und fest mache/ auff daß nicht etwa bey fortwaͤhrender staͤter freude unsre liebe mehr gegen die suͤßigkeit unsers Vaters als gegen ihn selbs gehe/ welches eine gantz unordentliche liebe machen wuͤrde: also lehret uns GOtt/ ihn auch ohne jenen trost lieben/ und uͤbet uns in solcher lection. Er ma- chets/ wie mans etwa mit den kindern machet/ die man mit zucker zuerst in die schule locket/ wo sie aber derselben nunmehr gewohnet sind/ damit inhaͤlt/ und sie gleichwol darnach nicht weniger als zuvor liebet/ und ihr bestes su- chet. Hierinn lerne er sich schicken/ und erinnere sich zwahr offt des suͤssen geschmacks/ den er vor dem gefuͤhlet/ nicht aber entweder denselben wieder- um unmaͤßig GOtt abzwingen zu wollen/ oder aus dem mangel seinen gna- denstand in zweiffel zu ziehen/ sondern allein in solcher erinnerung sich zu staͤr- cken wie wahrhafftig seye/ was die schrifft von der suͤßigkeit GOttes zeuget/ welches er selbs geschmecket habe/ und ihm der HErr solches auch wieder als- dann zu schmecken geben werde/ wenn ers seiner seele nuͤtzlich befinden wird. Jch sehe auch ferner/ daß die scrupuli wegen der bestraffung des nechsten noch nicht gantz weg sind/ wie ich aber aus dem brieff wahrnehme/ daß er die rechte fundamenta, worauff er seine ruhe in solcher sache gruͤnden solle/ wol einsihet/ so achte ich auch diese angst vielmehr zugleich mit vor einen effect des leiblichen mali hypochondriaci, welches bey allen das nechste objectum, so uns etwa einmal einen zweiffel gemacht/ ergreifft/ und uns damit quaͤlet/ als vor einen blossen gewissens-scrupul: also will es nur dagegen gebetet/ und dann noͤthig seyn/ so off ein neuer sturm davon koͤmmt/ die fundamenta auch auffs neue wieder anzusehen/ und sich damit zu beruhigen. Was ich vor diesem geschrieben/ ist mir nicht eben annoch in frischer gedaͤchtnuͤß. Dißmal bitte Das fuͤnffte Capitel. bitte nur diese stuͤcke wol zu behertzigen: die ursachen solcher bestraffung seyen hauptsaͤchlich zwo/ erstlich der eiffer fuͤr GOTT es ehre/ daß man dieselbe nicht lasse schaͤnden/ und dann die liebe des nechsten/ daß man seine seele/ so viel an uns ist/ auch nicht lasse in suͤnden verlohren gehen. Diese beyde ursa- chen geben zimliche maaß/ wie wir die sache anzugreiffen. Daher wo hoff- nung ist/ daß wir damit die ehre GOttes entweder bey dem/ der sie geschaͤn- det/ oder bey andern/ so dabey sind/ und von unserm stillschweigen wuͤrden aͤrgernuͤß nehmen/ zu retten/ oder auch des nechsten seele zu bessern vermoͤgen/ so sind wir freylich zu solcher sache verbunden; wo aber grade das gegentheil sich vorher weiset/ daß man nur das wort des HErrn dadurch zu spott ma- chen/ mehrere schaͤndung goͤttlicher ehre/ und fernere suͤnden verursachen/ folglich des nechsten secle nur tieffer verdammen helffen werde/ so solle uns die ursach des goͤttlichen gebots mehr von demjenigen abhalten/ was dasselbe von uns zu fordern geschienen hat. Und dahin weiset uns unser Heyland austruͤcklich Matth. 7/ 6. mit den bekanten worten: Jhr solt das heilig- thum nicht den hunden geben/ und eure perlen solt ihr nicht vor die schweine werffen/ auff daß sie dieselbige nicht zutreten mit ihren fuͤs- sen/ und sich wenden/ und euch zerreissen. Wo unser Heyland/ wie aus den vorhergehenden worten abzunehmen/ sonderlich auff die bestraffung des nechsten die absicht hat/ und mit derselben also umgegangen haben will/ daß wir nicht mit unvorsichtigkeit/ das wort GOttes/ so wir in solcher bestraf- fung fuͤhren/ zum spott machen/ und uns unnoͤthige gefahr/ ohne damit we- der GOtt noch dem nechsten zu nutzen/ zu ziehen. Nun der HErr mache durch seine gnade unsre hertzen gewiß/ und gebe uns in allen stuͤcken mit einer sol- chen versicherung/ als uns noͤthig ist/ nur uns nicht zu versuͤndigen/ seinen willen zu erkennen/ damit wir ihn auch getrost vollbringen. Er troͤste auch seine seele/ und da sie nach seinem heiligen rath zu ihrem besten von der leibes- constitution einige beschwehrde tragen solle/ mildere er dennoch solche last/ wie ers selig zu seyn erkennet/ und lasse sie niemal zu schwehr werden/ hinge- gen immer nach schwehrem gewitter so viel sonnenschein erfolgen/ als die er- haltung seines glaubens erfordert/ biß der kampff gantz verrichtet/ und ein froͤlicher sieg erfolge/ noch/ so lang es GOttes rath gut befindet/ allhier in der zeit/ vornemlich aber in dem mit keiner finsternuͤß vermischten liecht der ewigkeit. Jch werde nicht unterlassen/ ihm auch noch mit helffen zu kaͤmpf- fen/ da ich ferner fortfahren will seiner vor dem HErrn zu gedencken/ mich hingegen auch seiner christlichen fuͤrbitte von grund der seelen freuende/ und um dero fortsetzung betende. 1687. SECTIO ARTIC. II. SECTIO XXVIII. SECTIO XXVIII. Trost-schreiben an eine hart angefochtene jungfrau/ die von GOtt verlassen zu seyn sorgte. Selig ist der mensch/ der die anfechtung erduldet/ denn nachdem er bewaͤhret ist/ wird er die crone des lebens empfangen/ welche GOtt verheissen hat/ denen die ihn lieb haben. Jn unserm lebens-fuͤrsten und erstgebohrnen bruder geliebte jung- frau und freundinn. W Je sie unser guͤtigster Vater an einen schwehren kampff gefuͤhret/ und derselbe nun eine gute weile gewaͤhret habe/ ist mir von christli- chen freunden berichtet worden: nun ist mirs zwahr betruͤblich/ und trage mitleiden/ wegen dessen/ was sie daruͤber an ihrem eusserlichen men- schen leiden muß/ welcher recht als in einem feuer der leuterung/ dessen/ ihm unertraͤglich scheinende hitz und flammen jetzt ausstehen muß/ aber mich be- frembdet es nicht/ noch aͤngstiget mich. Dann wie solle ich mich dessen be- frembden/ was ein leiden ist/ welches so viele bruͤder und schwestern in der welt betrifft/ und an welches der guͤtigste Vater gemeiniglich diejenigen vor andern fuͤhret/ welche er vor andern in solchem ofen auserwehlet machen/ und zu manchem andern guten bereiten will? So habe ich mich daruͤber nicht zu aͤngstigen/ als der ich weiß/ daß GOtt getreu seye/ und weder andere noch sie werde lassen versucht werden uͤber vermoͤgen/ so dann dergleichen kampff manchmal bereits gesehen/ allezeit aber erfahren/ daß er gluͤcklich und selig/ ob wol nicht auff einerley art noch zu einerley zeit/ in der gnade GOttes ab- gegangen/ und der gewisse sieg in unserm sieges-fuͤrsten unfehlbarlich erhal- ten werden wird ja muß. Also da ich jetzt ihr nicht zuruffen darff/ daß sie freudig und getrost seyn soll/ welches ich wol weiß/ daß sie es nicht vermag/ so ruffe ich ihr nur dieses zu/ daß sie in diesem kampff nur gedultig leide/ und stille seye/ als versichert/ daß sie nicht kaͤmpffen doͤrffe/ sondern ihr JESUS kaͤmpffet fuͤr sie/ sie aber lasse ihm nur sein werck in sich; so dann setze sie die- ses zum grunde/ diese gedancken/ welche sie aͤngstigen und plagen/ ob seye sie von GOtt verstossen/ seyen nicht ihre eigne gedancken/ sondern (wie Paulus Rom. 7. saget/ ich thue dasselbe nicht/ sondern die suͤnde so in mir woh- net/ ) es seyen theils feurige pfeile des boͤsewichts/ der so viel es an ihm waͤ- re/ gern das gute des HErrn in ihr wieder ausloͤschen wolte (so er aber wol wird bleiben muͤssen lassen) und ihr also mit lauter schrecken zusetzet/ theils der in ihrem fleisch noch uͤbrige unglaube/ welcher als ein zunder jene funcken M m m m m der Das fuͤnffte Capitel. der anfechtung fertig annimmt. Da gedencke sie nun/ wie der liebreichste Vater darzu kommen solle/ daß er solche ihre zweiffel-gedancken ihr vor sei- nem gericht zurechnen/ und sie etwa erst um derselben willen verstossen wolte/ da er sihet/ daß es von seinem feinde herkommet/ welcher solche schuld tragen solle. Daß es aber ihre gedancken und rechte hertzens-meinung nicht seye/ findet sie ja genug daraus/ theils weil sie gar anders von goͤttlicher uͤber sie waltender gnade gedacht/ ehe sie von solchen feinden angegriffen worden/ theils weil sie selbs anjetzo gern anders gedencken/ und einen trost in ihrer see- len fuͤhlen wolte/ welches verlangen wahrhafftig in ihr/ und eine wirckung GOttes ist. Jndessen ob wol angezeigter massen/ neben ihrem fleisch auch der fuͤrst der finsternuͤß dabey sein werck hat/ und darinn gegen sie streitet/ dencke sie des wegen ja nicht/ daß sie ihm in seine gewalt uͤberlassen seye/ wel- ches zu thun GOttes art nicht ist/ und sie sich versichern wolle/ daß welche der satan in seine gewalt bekommt/ daß er sie lieber in den schlaff der sicher- heit einzuwiegen und damit zu faͤllen/ ja mit falscher einbildung der goͤttli- chen gnade/ bey allem weltwesen unvermerckt zu bethoͤren/ aber desto gewisser in die hoͤlle zu stuͤrtzen pflege/ als daß er sie dermassen anfechten solte/ da er weiß/ daß solche anfechtung sie mehr von der sicherheit auffwecken wuͤrde. Also hat GOtt eben so wol sein werck dabey/ einmal daß er dem satan gewalt gelassen hat/ sie zu ihrem besten eine zeitlang zu aͤngstigen/ da ihm hingegen bereits sein ziel gesetzt ist/ uͤber welches er so wenig bey ihr als bey andern schreiten darff: so dann daß ihr Heyland selbs sich so fern in den kampff mit ihr begebe/ dieweil sie mit ihrem feind streiten muß/ gleichsam die haͤnde/ mit denen sie sich wehren solte/ haͤlt/ indem er ihr die empfindlichkeit ihres glau- bens zuruͤck zeucht/ aber alles zu ihrem besten. Wie denn gewiß der aus- gang zu seiner zeit weisen muß/ daß auch dieses ein heylsamer rath ihres Va- ters und Heylandes JEsu uͤber sie gewesen/ das gute/ was er in sie geleget/ wofern biß daher sich etwas von eigner einbildung/ eignerehr/ eigen gesuch/ eigen wolgefallen und geistliche hoffarth mit eingemischet haͤtte/ und sie es bißher nicht gewahr worden waͤre/ von allem solchen zu reinigen/ also wird nichts an ihr verbrennen als die schlacken/ (die sind ohne das zum feuer be- stimmet) aber das gold wird so viel reiner und glaͤntzender werden: und wie demuͤthig wird sie ihr lebenlang die gnade ihres GOTT es an sich erkennen/ und sich keinem menschen vorziehen/ weil sie nun jetzt in dieser schul lernet/ was wir in und vor uns selbs seyn/ so wir ohne dergleichen probe und kampff schwehrlich dermassen einsehen: und wie wird diese dadurch gestaͤrckte de- muth auch ihre uͤbrige dadurch gereinigte gaben dermassen heiligen/ daß sie ihꝛ lebtag desto fruchtbarer werden/ und sie auch ihr lebenlang desto vorsichti- ger sich halte. Jndessen da sie nicht zu glauben meinet/ als worinnen die groͤs- ARTIC. II. SECTIO XXVIII. groͤsseste krafft ihrer anfechtung stecket/ erinnere sie sich nur/ was sie offt in dem examine nicht nur gehoͤret/ sondern selbs bekant/ daß der glaube auch wol ohne empfindlichkeit bleibe/ daß GOtt das fuͤhlen offt aus heiligen ur- sachen bey seinen kindern zuruͤck ziehe/ und daß er alles solches in und aus gnaden thue. Jndessen kan ich ihr ihren glauben/ ob ich wol nicht bey ihr bin/ zeigen aus denjenigen fruͤchten/ die davon unabsonderlich sind. Fuͤh- let sie nicht ein grosses mißfallen an allem ihrem thun/ so gar daß sie auch das gute davor kaum erkennet/ sondern nur die demselben anklebende unreinigkeit sihet? Hat sie nicht einen inniglichen haß gegen das boͤse in sich/ so viel mehr als sie dessen aͤngsten fuͤhlet? Jch bin versichert/ es mangle an solchem miß- fallen und haß nicht/ ja sie seyen ihr selbs zur quaal worden. Ferner hat sie nicht ein inniges verlangen nach goͤttlicher gnade und dero versicherung/ daß sie gern alles in der welt um solchen trost und gnade geben wolte? Gewiß ih- re angst und jammerklage uͤber den mangel solcher empfindlichen gnade/ sind ungeheuchelte zeugen solches bruͤnstigen verlangens. Wolte sie nicht wil- lig/ wo ihr der himmlische Vater nur seine gnade wieder schencken wolte/ ihr gantzes leben nach allen kraͤfften zu seinen ehren anwenden/ und alle des vori- gen lebens gebrechen wiederum nach vermoͤgen einbringen? Jch bin versi- chert/ es mangle auch an diesem wollen und verlangen bey ihr nicht/ wie sie selbs bekennet/ sie habe das wollen/ aber an dem vollbringen mangle es/ wo- mit sie aber bezeuget/ daß sie in GOttes gnade stehe/ da sie ausser derselben zu stehen klaget/ denn eben solches ist der zustand Pauli Rom. 7. Nun alle diese dinge insgesamt sind unfehlbare zeugnuͤssen/ daß der wahre glaube/ auch ohne empfindlichkeit/ bey ihr seye. Und will sie das rechte contrafait ihres jetzigen innerlichen zustandes sehen/ so lese sie in Arnds Wahr. Christ. in dem andern buch das 52. cap. Es wird ein mensch in dieser noth so tieff in den unglauben gestuͤrtzet/ daß er seines glaubens nicht kan gewahr wer- den. Es zeucht sich alle krafft des glaubens in ein punt/ und in ein un- aussprechliches seufftzen/ darinnen noch der glaube ihm unwissend verborgen ist. Und dieser verborgene glaube ist denn sein unglau- be/ und ist seine hoͤlle und marter. Er kan in dieser hoͤlle nicht glau- ben/ daß ihm GOTT gnaͤdig seye/ und spricht: ach wie gern wolt ich glauben/ wenn mir GOTT die gnade gebe/ mit folgenden worten: welches sie alles fleißig lesen/ und ihr bild darinnen recht beschauen wolle. Jhre scrupel zu beantworten hat sie ja 1. an ihrer heiligen tauffe im geringsten nicht zu zweiffeln; ihr vater mag dabey andaͤchtig gebetet haben/ (so ich am liebsten hoffen will) oder nicht: Denn obwol das gebet der umste- henden bey der tauffe dem taͤuffling ein so viel reichlicher gnaden-maaß er- M m m m m 2 lan- Das fuͤnffte Capitel. langen mag/ so ich nicht widerspreche/ und deßwegen selbst immer erinnere/ solches werck heiliglich zu verrichten: in dessen ob auch niemand mit recht- schaffener andacht darbey beten solte/ so hat die tauffe die krafft in sich selbst aus der ordnung und einsetzung GOttes/ und erlanget das getauffte kind die ihm versprochene gnade und seeligkeit. 2. Solte es seyn/ daß sie/ wie sie sorget/ vormalen unterschiedlich das heilige abendmahl aus mangel un- terrichts ohne pruͤffung empfangen haͤtte/ so seye sie beynebens gewiß/ daß der HERR auch gedult trage mit seiner einfaͤltigen kinder unwissenheit/ und hoffe ich auch/ sie werde biß daher den mehrern unterricht zu desto fleis- siger pruͤfung sich haben dienen lassen. 3. Daß sie ihren GOtt nie recht ge- liebet/ gefoͤrchtet uñ ihm vertrauet habe/ veꝛstehet sie nach dem gesetz oder nach dem Evangelio. Verstehet sie es nach jenem und dessen strenge/ so hat sie freylich die vollkommenheit so wenig des ersten als anderer gebote in ihrem leben erreichet/ und muß sich vor GOtt schuldig geben: Sie weiß aber auch aus dem Evangelio/ daß der HErr JEsus das gesetz fuͤr sie gehalten/ und solche vollkommene haltung seinen glaubigen zu eigen geschencket/ sie auch von dem gesetz freygemacht habe. Redet sie aber davon nach dem urtheil des Evangelii/ nach welchem der himmlische Vater mit seiner kinder unvollkom- menem aber redlichem gehorsam/ um CHristi willen gedult tragen/ und ihm solche gefaͤllig seynlassen will/ so meine ich an deroselben selbst zeugnuͤß gesehen zu haben/ daß obschon nicht eine vollkommene/ dannoch redliche/ lie- be ihres GOttes bey ihr gefunden habe. Und solte sie noch jetzt finden/ wie sie saget/ daß auch dieselbe mit einiger heucheley und scheinheiligkeit verun- reinigt gewest waͤre/ so erkenne sie goͤttliche wolthat/ der sie durch diesen stand zu derselben erkaͤntnuͤß um der besserung willen gebracht habe/ demuͤthige sich vor ihrem GOtt deßwegen hertzlich/ und liebeihn inskuͤnfftig nach dem maaß der gnaden/ als ihr wird gegeben werden. 4. Was anlangt die ewige ver- sehung und wahl GOttes/ versteige sie sich ja nicht in derselben materie und hohen geheimnuͤß/ und gedencke wie ich allzeit auff die einfalt in dessen vor- trag getrieben habe. Will sie ihre wahl sehen/ so sehe sie in die wunden ih- res JEsu/ daraus sein blut fuͤr ihre suͤnde geflossen ist/ darmit sind alle in das buch des lebens geschrieben/ welche dasselbe mit glauben annehmen. Daß aber der wahrhafftige glaube/ obwol verborgen ligend/ bey ihr seye/ habe ihr bereits vo rgethan. So hat GOtt das gute/ was sie gehabt/ nicht von ihr genommen/ sondern er hats in ein solches feuer geleget/ in dem nichts als was von unreinigkeit anklebet/ verbrennen soll/ und nachdem sie beken- net/ das wollen noch zu haben/ so weiß sie ja/ daß auch das wollen GOttes wuͤrckung/ und also ein zeugnuͤß des beywohnenden geistes GOttes seye. 5. Hat sie GOtt fuͤr die gnade/ die derselbe ihr/ wie durch andere seine die- ner ARTIC. II. SECTIO XXVIII. ner also auch mich im vortrag der heils-lehr erzeiget hat/ nicht hertzlich genug gedancket/ so thue sie es noch/ und zwahr in der that/ daß sie nun/ was sie von mir gehoͤret/ sonderlich wie wir nicht auff das gefuͤhl unsers hertzens/ als welches auff beyderley seit uns betriegen kan/ sondern auff sein wort und gnaden anerbietung gehen sollen/ in der that practisi re/ und damit zeige/ daß sie es gehorsam annehme. Hingegen bilde sie sich nicht ein/ daß weder sie noch andere gute seelen verschuldet haben/ daß mich GOtt von ihnen weggenom̃en habe. Dann mein beruff hieher ist nicht ein straff-gericht/ sondern ein gna- denrath GOttes gewesen/ der mich/ nach dem ich in Sachsen mein tagwerck/ so viel er mir mag bestimmt gehabt haben/ verrichtet/ auch an andern ort sen- den hat wollen/ daselbst das Evangelium zu verkuͤndigen. Also sihet sie/ daß alle ihre scrupel nicht so bewandt sind/ daß sie uꝛsach haͤtte/ darvor zuhal- ten/ ob haͤtte sie GOtt verstoßen/ da sie doch in seinem gnadenschooß unwis- send ruhet. Daher ermahne ich sie endlich in dem HErrn/ sie lauffe ferner in gedult in dem kampff des leidens/ welcher ihr verordnet ist/ und gedencke sie stehe jetzt in der probe ihres GOttes/ und muͤsse nun aushalten biß auf die stunde der guͤtigen huͤlffe: Sie werde nicht muͤde zu seuffzen und zu flehen vor dem angesicht ihres Vaters/ und zwahr nicht gleich so viel um errettung als um seinen beystand gedultig auszuhalten. Will es mit dem gebet nicht fort/ so seuffze und weine sie dafuͤr; deucht sie das gebet wolle nicht vor GOtt kommen/ sondern pralle zuruͤck/ so fahre sie dannoch fort/ biß sich der HErr ihrer erbarme: Jhre klage schuͤtte sie aus vor denen/ die ihr etwa moͤ- gen trost zusprechen/ so viel es aber muͤglich ist/ so halte sie dieselbe zuruͤcke vor denen/ die sich in die wege des HErrn nicht zurichten verstehen/ und sich daran stossen moͤchten: Wo ihr Prediger oder andere christliche personen zu- sprechen; so nehme sie es an mit gehorsam/ und ohne widerspruch/ wills nicht ins hertz/ so lasse sie solang genug seyn/ daß es in dem verlangen bleibe; Nur huͤte sie sich vor murrengegen GOtt oder menschen/ und wehre vornem- lich/ wo das fleisch darzu solte reitzen. Der HErr aber der himmlische Va- ter/ und unser liebste Heyland JESUS CHRJSTUS stehe ihr kraͤfftig bey/ und lasse sie nimmer fallen/ sondern durch jenes liebe/ und dessen fuͤr sie erhaltenen sieg/ selbst zu rechter zeit siegen: Der heilige Geist mit dem sie versiegelt ist auff den tag ihrer erloͤsung gebe auch ihrem geist zeugnuͤß der goͤttlichen kindschafft/ und wo sie in der gewalt der anfechtung keinen trost fuͤhlen kan/ erhalte er sie ohne empfindlichen trost/ biß das wetter voruͤber seye/ und seine gnadensonne wiederum ihr fast ver finstertes hertz auffs neue herrlich erleuchte und erfreue. Amen. Es wird und soll geschehen nach goͤtt- licher treue/ zu seiner zeit. Amen um unsers mittlers fuͤrbitters und ho- henpriesters JESU/ auch seines kampffs und sieges willen. Amen. Jch M m m m m 3 un- Das fuͤnffte Capitel. unterlasse nicht auch seloͤst in meiner schwachheit ihr kaͤmpffen zuhelffen taͤg- lich. 1691. SECTIO XXIX. Rath uͤber eine angefochtene person/ die durch un- versoͤhnlichkeit ihr die anfechtung zugezogen hatte. M Eine einfaͤltige gedancken uͤber die aus dem vorgelegten casu, vorge- legte fragen sind diese. I. Ob der zweiffel an Christo/ seinem leiden und aufferstehung/ so der tentatæ bey dem altar einge- kommen/ ein straff-gericht GOttes wegen gebrauchten abendmahls in unversoͤhnlichkeit; oder eine liebes-zuͤchtigung/ ihr natuͤrlich un- vermoͤgen zu erkennen/ wie wir so gar nicht aus natuͤrlicher krafft an JEsum Christum glauben und zu ihm kommen koͤnnen/ sondern der heilige Geist denselben glauben im hertzen wircken muͤsse? Hierauf ant- worte 1) daß es freylich an sich selbs ein straff-gericht seye: Jndem ich nicht nur nicht weiß/ ob solche person vorher in lebendiger erkaͤntnuͤß GOttes je- mal recht gestanden/ sondern auffs wenigste aus der relation nehme/ daß sie wahrhafftig eine geraume zeit in einer unversoͤhnlichkeit und bitterkeit gele- bet/ auch dabey das abendmahl des HErrn gebraucht/ bey solcher bitterkeit und haß spricht ihr aber die schrifft alle goͤttliche gnade/ glauben/ vergebung der suͤnden und das leben ab/ Matth. 5/ 24. 25. 26. 6/ 15. 18/ 35. 1. Joh. 3/ 15. Daher sie in solchem stand ausser der gnade gewesen/ keine vergebung der suͤn- den haben koͤnnen/ folglich die sigel derselben sich nicht anmassen sollen/ mit solcher anmassung aber des leibes und bluts des HErrn schuldig worden ist. Was nun auf solche suͤnde und selbs in dero begehung gefolget ist/ sehe ich des- wegen billich an als ein gerechtes straff-gericht GOttes 1. Cor. 11/ 29. 30. 31. Jndessen 2) wie GOttes guͤte so groß ist/ daß er immer hier in diesem leben der suͤnder bekehrung suchet/ und wir daher nicht leicht ein einiges gericht GOttes hier in dieser gnaden-zeit antreffen werden/ daß nicht/ indem der ge- rechte richter die boͤse straffet/ er zugleich solche straff zu einem mittel nach sei- ner mit untermischten guͤtigen absicht gebrauchet/ die suͤnder zur buß zu brin- gen (wie wir das exempel an Manasse sehen) also/ daß wir auch die straffen der sunder unter die zaͤume und gebiß zehlen muͤssen/ die GOTT den rossen und maͤulern/ wenn sie anders nicht zu ihm wollen/ anleget; also sehe auch die- ses gericht/ so die tentatam betroffen/ also an/ daß es zwahr in seiner natur eine wolverdiente straffe seye/ aber der HErr auch seine barmhertzigkeit mit untermischet habe/ durch solche straffen/ wo sie seinem ferneren gnaͤdigen rath an sich platz lassen/ und seine schlaͤge fuͤhlen wolte/ Jer. 5/ 3. sie zu wahrer buß und ARTIC. II. SECTIO XXIX. und erkaͤntnuͤß ihres gefaͤhrlichen und verdammlichen zustands zu bringen. Wie uns Paulus an gedachtem ort v. 32. auch dazu anleitung gibt. Also 3) will ich hoffen/ sie solle nicht nur zu der erkaͤntnuͤß ihrer natuͤrlichen verderb- nuͤß dadurch kommen/ sondern insgesamt goͤttliche guͤte/ sie aus der verdamm- lichen sicherheit/ darinnen ich foͤrchte/ daß sie bey ihrer vorigen einbildung von Christo (indem bey solchem feindseligen hertzen das liecht des glaubens nicht hat bey ihr seyn koͤnnen) gestecket war/ herausreissen/ und das wahre liecht/ ob etwa mit vielem und langem kampff/ in ihr anzuͤnden/ damit sie auch an ihrem exempel dermaleins erfahre/ wie goͤttliche gerichte allezeit mit guͤ- tigkeit vermischet seyen. II. Ob bey solchem zweiffel sie unrecht gethan/ zum tisch des HErrn zu gehen/ und der gebrauch desselben eine ursach mehrer un- gewißheit gegeben/ oder ob sie dem zweiffel abzukommen/ solches zur glaubens-staͤrckung brauchen koͤnnen und sollen? Hierauf antworte/ wo sich solche zweiffel bey einer person befaͤnden/ welche sonsten vorhin in goͤtt- licher gnade gestanden/ wolte ich sagen/ daß das gehen zum heiligen abend- mahl derselben nicht suͤndlich oder schaͤdlich gewesen waͤre/ indem dasselbe sei- ner einsetzung nach wahrhafftig eine staͤrckung des glaubens bey denjenigen ist/ bey welchen dieser sich obwol schwach findet. Wann ich aber diese person nach vorangedeutetem nicht anders ansehen kan/ als eine solche/ die sich be- reits durch haß und unversoͤhnlichkeit ausser GOttes gnade gesetzt/ und schon vor solchem gefuͤhl des zweiffels das himmlische liecht des glaubens ver- lohren hatte/ so bringet solches mit sich/ daß sie dann zu solchem sacrament un- tuͤchtig gewesen/ und durch dessen gebrauch das gericht uͤber sie immer ver- mehret habe/ und sie also sich dessen bey solcher ihrer bewandnuͤß besser enthal- ten haben wuͤrde. III. Ob der darauf erfolgte horror von dem gebrauch aus teuf- felischem eingeben oder bloß aus forcht der unwuͤrdigen niessung ent- standen? Hievon wolte eher das erste erwehlen/ aber auf diese weise/ daß zwahr der satan bey einer seelen uͤber die er eine ziemliche gewalt erlanget/ die- sen abscheu vor dem heiligen sacrament erreget/ nach seiner gewohnheit/ wie er von selbsten geneigt ist/ alle goͤttliche einsetzungen uns zu wider zu machen: Aber daß GOTT ihm solches aus heiligem rath verhenget habe/ damit er die seele/ welche in fortsetzendem unbußfertigem gebrauch leichter haͤtte ver- lohrengehen koͤnnen/ durch solche angst auffgewecket und huͤlff zu suchen ange- reget werden lassen moͤchte. IV. Ob die darauf/ als sie aufihres Beicht-vaters/ der es fuͤr eine gemeine versuchung gehalten/ einrathen/ mit dem gebrauch des hei- Das fuͤnffte Capitel. heiligen abendmahls fortgefahren/ erfolgte laͤsterung oder laͤsterliche gedancken bey dem genuß desselben ein zeichen der goͤttlichen gaͤntzli- chen verlassung und teufflischen besitzung oder sorglichen wircklichen verdammung/ oder weitere pruͤffung und uͤbung ihrer buß/ glau- bens/ gebets ꝛc. seye? Hierauf antworte also/ daß ich solche laͤsterungen an- sehe/ nicht als eine eigenliche besitzung des teuffels/ vielweniger wirckliche ver- dammnuͤß/ sondern als ein goͤttliches gericht/ der dem satan uͤber ihre seele/ sie mit solchen laͤsterungen anzugreiffen/ gewalt gegeben habe/ da sie die dabey ausstehende aͤngsten als etwas wol verschuldetes billich leidet/ GOTT aber hat dabey seine gnaͤdige absicht/ sie eben aus desjenigen klauen herauszureis- sen/ dem er zu einer aͤngstigung derselben macht gegeben hat. Wie sich hof- fentlich die sache selbs zeiget/ daß vermuthlich sie kaum jemal etwas zu aͤngstlicherer sorge fuͤr ihre seele als die quaal dieser laͤsterung getrieben haben mag. V. Ob die angst und forcht vor der verdammung noch ein kennzeichen des glaubens/ oder nur eine knechtische forcht des unglau- bens seye? Diese frage zu beantworten/ will fast schwehr werden/ indem zu dero entscheidung wolte zu wissen noͤthig seyn/ ob und wie viel biß daher GOttes Geist in dieser geistlichen noth bey ihr gewircket/ und sie aus den vo- rigen suͤnden-stricken loßzumachen angefangen habe. Daher ich lieber von dem goͤttlichen rath/ so zu beobachten ist/ die antwort fassen will/ nemlich daß diese angst nicht eben gewiß ein zeugnuͤß seye des wahren glaubens/ wol aber/ daß GOTT noch gnaden-gedancken uͤber sie/ nicht aber sie in die verstockung uͤbergeben habe: Also ist entweder der glaube in ihr/ wovon zu urtheilen eini- ges mehrers von der person und ihrem zustand zu wissen noͤthig waͤre/ oder doch zeigt sich wiederum ein saͤmlein desselben/ so GOTT in die seele kommen lassen/ welches auch wiederum/ dafern sie GOTT an sich arbeiten laͤst/ zu- nehmen/ und ein seliger anfang einer rechtschaffenen bekehrung werden solle. VI. Wie solcher armen seel zu helffen/ bey solcher laͤsterung der gnaden-mittel? Diese frage achte unter allen die noͤthigste/ und erklaͤhre mich dahin. 1. Wird der anfang zu machen seyn von demjenigen/ was des jammers der anfang gewesen ist: Nemlich es muß die tentata dazu gebracht werden/ daß sie ihr voriges suͤndliches leben/ in dero unbußfertigkeit/ unver- soͤhnlichkeit/ oder wo sie auch sonsten mit der welt sich beflecket haͤtte/ in allem dem/ was bey ihr dem goͤttlichen willen zu wider waͤre/ wahrhafftig erkenne/ bereue/ und von grund der seelen zu hassen anfange: Wobey sie billich allezeit gedencken solle/ daß solches ihr voriges leben wahrhafftig die ursach alles sol- ches goͤttlichen gerichts/ und sie daher sich vor GOTT deßwegen hertzlichst zu demu- ARTIC. II. SECTIO XXIX. demuͤthigen verbunden seye. Je zu einer schmertzlicheren erkaͤntnuͤß ihres suͤnden-wesens/ und also eigner gutheissung der goͤttlichen gerechtigkeit in verhaͤngung dieser versuchung/ sie gebracht wird werden/ so viel festerer grund zu allem uͤbrigen wird bey ihr geleget seyn/ und nachmal der wunde koͤnnen das heil-pflaster auffgeleget werden/ wo sie erstlich von demjenigen unflath wird recht gereiniget seyn. Jch wolte deswegen zu ihrem besten rathen/ daß sie einem gottseligen vertrauten freund und Prediger ihr gantzes leben/ und was ihr gewissen sie in einigem beschuldigen moͤchte/ anvertraute/ damit der- selbe genau acht gebe/ durch was etwa ohne die bekante unversoͤhnlichkeit noch ferner bey ihr solches goͤttliche gericht gereitzet worden seyn moͤchte. Wie dann gewiß ist/ daß je auffrichtiger sie ihre buß anstellet/ so viel besser auch alles uͤbrige zu ihrer beruhigung gemeinte anschlagen werde. 2. Wo sie nun erstlich ihr hertz dermassen gereiniget haben wird von demjenigen/ was alle uͤbrige goͤttliche wirckungen sonsten hindern wuͤrde/ haͤt- te sie zu trachten/ wie sie durch christliche freunde und Prediger von allem dem/ wodurch die historia von Christo dem buchstaben nach bekraͤfftiget werden kan/ wie man etwa einen Heyden erstmals unterrichten wuͤrde/ ja insgemein auch von der goͤttlichkeit der heiligen schrifft/ in dem verstande uͤberzeuget/ und hingegen was ihr von scrupeln beywohnet/ mit grund benommen wuͤrde. 3. Hiebey hat sie staͤtig GOTT hertzlich zu beten/ und auch anderer christlichen fuͤrbitte zu gebrauchen/ daß sich derselbe ihr erbarmen und sein liecht in ihr anzuͤnden/ also dasjenige/ worvon sie mehr und mehr nach dem buchstaben bekraͤfftiget wird/ auch bey ihr lebendig machen wolle: Mit staͤter demuͤthiger bekaͤntnuͤß/ wie sie sein liecht vorher in sich durch nachlaͤßigkeit und suͤndliches leben zwahr ausgeloͤschet habe/ daher es wiederum zu erlangen nicht wuͤrdig waͤre/ hingegen solche gnade allein von seiner barmhertzigkeit verlange: Auch vielmehr bitte/ daß der HErr sie nicht gar von seinem ange- sicht verstossen/ sondern sein liechtlein wiederum in sie geben/ also die andere angst von ihr nehmen/ und sie mit empfindlichem trost erquicken wolle/ ja sich willig darzu resolvi re/ wenn sie der HErꝛ ihr lebtag in solchem kampff und mit zweiffel angefochten werden lassen wolte/ solches ohne murren wider ihn/ als von dem sie es verschuldet/ zu tragen/ und sich allein an seiner gnade/ wenn er derselben nur einige zeugnuͤssen ihr gebe/ zu vergnuͤgen. Wie denn solche de- muͤthige unterwerffung unter goͤttlichen willen/ wenn derselbe uns auch in dem geistlichen/ dasjenige/ was wir gern haͤtten/ versaget/ und uns nur mit der eussersten nothdurfft zu frieden seyn heisset/ wo sie recht von grund der see- len gehet/ das kraͤfftigste mittel ist/ alles von dem HErrn zu erlangen/ nach dem exempel des Cananaͤischen weibes/ so mit den geringsten brosamen sich nach hundes-art begnuͤgen wolte/ aber desto mehr von ihrem Heyland erlan- N n n n n get. Das fuͤnffte Capitel. get. Jch weiß/ daß es solchen lieben leuten sauer wird/ sich dazu zu resolvi- ren/ aber damit kommen sie am ersten davon. 4. Nebens solchem gebet hat sie auch fleißig GOttes wort/ sonderlich das Evangelium zu lesen und zu betrachten/ auch sich die dabey auffsteigende zweiffel nicht abhalten zu lassen/ vielmehr dem heiligen Geist platz zu geben/ daß er durch dasselbe in ihr zu ihm gefaͤlliger zeit wircke/ auch dabey ein solches leben zu fuͤhren/ daß von dem groͤsten biß auf das geringste mit aller sorgfalt nach den regeln Christi eingerichtet/ so dann dem zustand derer/ welche unter einer so schwehren zuͤchtigung liget/ gemaͤß seye/ daher sie sich so vielmehr in allen stuͤcken der demuth gegen jederman/ der sanfftmuth/ der liebe/ der gedult befleißigen/ und hingegen aller welt-freuden/ weil sie der HErr in einen trauer-stand gesetzt/ entschlagen solle/ auf diese weise der zeit des goͤttlichen trosts erharrende. 5. Wenn sie nun in solcher rechtschaffenen buß stehet/ und sich dersel- ben redliche fruͤchten bey ihr/ als goͤttliche wirckungen/ zeigen/ samt dem hertz- lichen verlangen nach der empfindlichkeit des glaubens/ in welcher derselbe bey denen der goͤttlichen krafft nicht vorsetzlich widerstehenden sich gewiß selbs findet/ so kan sie mit treuem rath ihres Predigers/ welcher auch seines orts ihre vorbereitung sorgfaͤltig befoͤrdern wird/ wiederum zu dem heiligen abendmahl gehen/ und darff sich nicht mehr den vorigen horrorem oder ein- fallende zweiffel/ mit denen es nun bey geaͤndertem zustand ihrer seelen gantz eine andere bewandnuͤß hat/ abhalten lassen/ sondern ohnerachtet dessen durchbrechen/ und sich versichern/ daß der HErr sie in gnaden ansehen werde. Dessen erleuchtenden/ troͤstenden/ staͤrckenden und regierenden gnade ich sie auch empfehle/ und ferner ihn demuͤthig anruffen werde/ daß er so wol denen/ die mit ihr zu handeln haben/ die goͤttliche weißheit verleihen/ als auch diese ihre/ obwol aus eigner verschuldung ihr selbs zugezogene versuchungen dazu segnen wolle/ daß welche vielleicht in voriger sicherheit haͤtte moͤgen verlohren gehen/ nun durch die zweiffel auffgewecket erst recht zur wahren sorgfalt ihres heils und der goͤttlichen gewißheit kommen/ also ein neues exempel der goͤttli- chen guͤte/ so auch der ihrigen suͤnden zu ihrem geistlichen besten zu verwenden/ und aus dem gifft einen theriac zu machen verstehe und vermoͤge/ zu dero herr- lichen preiß werden/ und also das ende des glaubens endlich erlangen moͤge durch JEsum Christum. Amen. 1688 . SECTIO ARTIC . II . SECTIO XXX. SECTIO XXX. Trost-schreiben an eine christliche jungfrau/ uͤber die fuͤhlung fleischlicher geluͤste/ weniger frucht des em- pfangenden heiligen abendmahls/ eigenem mißfallen an seinem Christenthum/ aͤrgernuͤß anderer unwuͤrdiger mit-communican- ten. Ob man das abendmahl allein aͤrgernuͤß zu vermeiden gebrauchen solle. Goͤttliche gnade/ liecht und trost in unserem liebsten Heiland! Jn demselben unserm erstgebohrnen bruder geliebte Schwester. J Ch habe deroselben wehemuͤthige klage/ so sie in meinen schooß ausge- schuͤttet/ wol verstanden/ und ach daß ich recht tuͤchtig seyn moͤge/ alles ihrer seelen noͤthige bey ihr auszurichten. Sie traͤget das gute ver- trauen zu mir/ daß in goͤttlichem liecht die bewandnuͤß ihrer seelen mit allen umstaͤnden erkenne. Aber ach daß ich solches bey mir finden koͤnte/ und nicht vielmehr klagen muͤßte/ daß mein GOTT mir zwahr/ mehr als ich wuͤrdig bin/ die gnade gegeben habe/ seinen willen und wahrheit insgemein andern vorzutragen/ aber wo es auf die application und urtheil kommt/ absonderlich wie sich dieser und jener person zustand befinde/ so manglet mirs leider an sol- chem liecht allzusehr. Doch trage dieses vertrauen zu GOTT/ er werde mir dasjenige/ was ich weder selbs habe/ noch vor mich wuͤrdig bin/ diesesmal um ihrentwillen geben/ da er ihr hertz zu mir geneiget/ in seiner ordnung von mir/ als seinem diener/ rath und zuspruch zu suchen/ daher ers auch nicht wird lassen vergebens seyn. Jn solcher zuversicht/ so will suchen/ deroselben bey- wohnende scrupul und sorgen nach der gnade GOttes/ die er mir verleihen wird/ auffzuloͤsen/ und zu beantworten. Jch sehe nun 1. ihr erstes anligen uͤber die boͤse fleisches-geluͤsten/ mit denen sie zu kaͤmpffen habe/ und sorget/ es haben dieselbe den platz eingenommen/ da GOttes liebe wohnen solte. Liebe Schwester/ ich will diese suͤnde nicht geringe machen/ sondern erkenne freylich/ daß auch solche unreinigkeit uns vor den augen des reinen GOttes/ da er uns an uns selbs ansehen will/ zu einem greuel machen/ und von seinem anschauen uns ausschliessen muͤßten: Jch will auch nicht eben entschuldigen ihre in vori- gen jahren gehabte belustigung in denselben und gethane nachhaͤngung/ da- durch solche versuchung erstarcket seyn mag/ und sie jetzo nach GOttes heili- gem willen zu ihrer so viel mehrer und staͤtiger demuͤthigung desto oͤffter mit diesem feind kaͤmpffen muß/ und keinen voͤlligen sieg noch davon tragen kan; weil sie einmal demselben mehr platz gelassen: Wie auch einer/ der etwa durch N n n n n 2 unmaͤßig- Das fuͤnffte Capitel. unmaͤßigkeit oder sonsten seine gesundheit verdorben/ nachmals/ da er nun in GOttes gnaden stehet/ dannoch solches ungemach zu staͤter erinnerung seiner suͤnden leiden muß: Ja ich will auch nicht entschuldigen/ wo sie seither nicht so ernstlich gegen solchen ihren feind gestritten/ oder so vorsichtig desselben list und angriff wahrgenommen/ und ihnen zu entgehen sich bemuͤhet hat: Vielmehr vermahne ich sie in dem nahmen des HErrn/ sich fleißig zu untersuchen/ aus was gelegenheit und anlaß einige mal solches fener in der aschen wieder anzuglimmen beginnet/ damit sie sich so wol vor dem HErrn deswegen demuͤthige/ als auch in dem neuen gehorsam desto vorsichtiger alle die steine des anstosses suche zu vermeiden. Jn- dessen sehe ich gleichwol auch solche ihre fleischliche luͤsten nicht an als eine suͤnde/ die sie aus der gnade GOttes setze. Sie erkennet ja diese fleisches- lust als ihren hauptfeind/ und kaͤmpffet gegen ihn/ so dienet sie ihm also nicht. Nun nicht diejenige/ die das fleisch an sich haben/ fuͤhlen/ und von seinen luͤ- sten angefallen werden/ sind deswegen ausser Christo/ sondern allein die nach demselben wandlen/ und also trachten dieselbe zu erfuͤllen. Vor welchem grad sie aber ihr guͤtiger Vater noch bißher durch seinen Geist bewahret ha- be/ vielmehr bezeuget sie ja eine sehnliche angst ihres gewissens auch uͤber die- se suͤnde: und hat schon deren ein zeugnuͤß der gnade GOttes/ weil sie solche natuͤrliche verderbnuͤß/ und dero auch in ihr bleibende geluͤste/ so schmertzlich erkennet/ da hingegen/ welche ausser der gnade stehen/ dieselbe gantz geringe/ ja kaum vor suͤnde achten/ geschweige daß sie sich deswegen vor GOtt demuͤ- thigen solten: also ists schon ein zeugnuͤß des guten beywohnenden Geistes/ der sie die art des geistlichen gesetzes hat einsehen/ und diejenige suͤnden/ wel- che fleisch und blut oder die vernunfft nicht erkennet/ recht erkennen lassen. Wie Paulus Rom. 7. nicht eher die lust/ wie suͤndlich sie seye/ erkante/ biß er das gesetz mit gantz andern augen/ als vorher einzusehen lernete. Jedoch seye sie fleißig auff ihrer hut/ und da sie diesen brunn nicht auslaͤhren kan/ befleißige sie sich destomehr die ausbruͤche zu verstopffen/ und betaͤube ihren leib auff alle thunliche und nuͤtzliche weise. Jch bemercke noch ferner/ daß sie ihr und der goͤttlichen gnade selbs unrecht thut/ wo sie meinet/ die fleischliche lust habe in ihr den platz genommen/ wo die liebe und gnade GOttes sonsten wohnen solte. Nun ist zwahr wahr/ die liebe GOttes solle unsre gantze seel und leib einnehmen/ und also wo die fleischliche lust sich findet/ gehoͤrte der platz eigenlich der liebe GOttes. Aber der hauptsitz der gnade ist in der ober- sten und innersten krafft der seele/ da hingegen ihre fleischliche lust in den an- dern und mit dem leib am nechsten verknuͤpffeten kraͤfften ist. Jene obere krafft aber beherrschet diese/ und also da in derselben die liebe GOttes vorhanden ist/ auch sich eben darinnen zeiget/ daß sie staͤtes mißfallen an den suͤnden und ver- ARTIC. II. SECTIO. XXX. verlangen eines bessern wircket/ so sihet sie ja/ daß solcher vornehmste platz noch demjenigen eigen bleibet/ dem alles aus allem recht gebuͤhret. Sie ge- dencke fleißig und erwege fleißig den spruch Rom. 7/ 25. mit vor und nach- gehenden: so wird sie sich in die sache fein schicken koͤnnen. 2. Den andern scrupul sehe ich diesen/ daß sie nach mehrmaligem gebrauch des heiligen abendmahls so wenig besserung bey sich spuͤhre/ und deswegen in die gedancken gerathe/ obs nicht besser waͤre/ sich gar desselben zu enthalten/ und nicht ein schwehrer gericht sich beyzuziehen. Hie will ich sie abermal nicht sicher machen/ wo sie bey sich findet/ daß aus ihrer versaͤumnuͤß/ traͤgheit und unachtsamkeit vieles von der frucht/ so sonsten bey ihr folgen soll/ ausgeblie- ben waͤre: sondern auch diese suͤnden gehoͤren mit unter diejenige/ welcher wegen sie immer auffs neue wiederum gnade suchet: Aber gleichwol bey al- lem dem/ meine geliebte/ lasset uns gedencken/ was die rechte art unsers Christenthums/ so lang wir noch in dem fleisch leben/ seye/ und wozu das heilige abendmahl eingesetzet worden. Was jenes anlangt/ so laßt uns ja nicht gedencken/ daß unser Christenthum jetzo schon bestehe in einem eigenli- chen fromm seyn/ sondern in einem taͤglichen fromm werden/ das ist/ daß wir wo wir auch unserm GOtt treu zu seyn uns befleissen/ dannoch noch taͤglich an uns dergleichen antreffen/ das zu bessern noͤthig ist. Wes wegen unser Christenthum schon in gutem stand zu seyn erkant werden muß/ so lang ein ernstlicher und redlicher wille des guten und fleiß in demselben sich findet. Ja derjenige hat schon eine wahre frucht der besserung/ der in solchem fleiß und willen fortfaͤhret. Sonderlich aber ist das heilige abendmahl eine art der artzeney/ welche nicht den gesunden sondern den krancken gebuͤhret: ja auch welche uns nicht eben so bald gantz gesund machet/ sondern allein wehret/ daß die kranckheit nicht uͤberhand nehme/ und toͤdtlich werde. Wie denn wo die frucht des heiligen abendmahls diese waͤre/ daß damit alle gewalt der suͤnden gebrochen/ und inskuͤnfftige der mensch so davon frey wuͤrde/ daß er keines weitern ernstlichen kampffs mehr bedoͤrffte/ so wuͤrden wir desselben nicht mehr als etwa ein oder etliche mal zu gebrauchen habẽ/ uñ nachmal unser leb- tag nicht mehr sein benoͤthigt seyn: dahingegen unseꝛ Heyland solches gnaden- mahl eingesetzet/ daß wir immer in demselben seinen todt verkuͤndigen sollen/ welches anzeiget/ daß wir noch immer dasjenige an uns haben/ zu dessen ver- soͤhnung wir staͤts auffs neue der krafft des todes CHristi bedoͤrfften. Da- her derjenige nicht klagen darff/ daß das mehrmal genossene abendmahl oh- ne frucht geblieben seye/ welcher noch in der begierde in dem guten zuzuneh- men/ und in dem fleiß zu derselben geblieben ist/ und sich darinnen findet. Dann auch diese erhaltung in solchem guten ist eine selige wirckung dieser himmlischen speise. Dahero wir ja diesen gedancken nicht bey uns platz lassen N n n n n 3 muͤs- Das fuͤnffte Capitel. muͤssen/ wir wolten des heiligen abendmahls uns enthalten/ weil wir keine frucht davon biß dahin gespuͤhret/ nemlich weil wir noch nicht zu demjenigen grad der vollkommenheit gekommen/ nach welchem wir streben/ da doch die- ses schon eine herrliche krafft ist/ wo es uns gestaͤrcket/ daß wir noch bißher bestanden sind. Laßt uns ein exempel nehmen: Es hat einer eine gewisse kranckheit vom stein/ kopffschmertzen oder dergleichen siechen/ mit welcher er sich sein lebtag schleppen muß/ wie etwa mehrere dergleichen sind/ von denen man selten eine voͤllige befreyung in diesem leben hoffen kan: Er hat hingegen auch eine gewisse artzeney/ die er dagegen braucht. Da wuͤrde nicht weißlich gethan seyn/ wo er solche artzeney/ nachdem er sie unterschiedliche mal ge- braucht/ und fuͤhlet/ daß er darum seiner kranckheit nicht gantz frey wird/ des- wegen gar unterlassen wolte/ als die denn unnuͤtz waͤre. Da er doch erken- nen solte/ daß auch dieses schon ein nutze der artzeney seye/ daß sie wehret/ daß der zustand nicht allzuarg werde/ und uͤberhand nehmen/ sondern daß man noch dabey ausdauren koͤnne/ so vielleicht ohne solche artzeney nicht geschehen wuͤrde. Also ob wir von dem heiligen abendmahl noch die krafft nicht ha- ben empfangen/ daß wir die macht der suͤnden nicht mehr fuͤhleten/ oder dawi- der zu streiten haͤtten/ so ists gnug/ daß wir diese frucht davon geniessen/ daß wir solchen suͤndlichen anlaͤuffen desto besser widerstehen moͤgen. Dann weil ja der glaube das kraͤfftigste mittel ist/ alle geistliche feinde zu uͤberwinden/ so ist die verkuͤndigung des todes CHRJsti in dem heiligen abendmahl ein kraͤfftiges mittel der staͤrckung des glaubens/ und folglich des kampffs wider die suͤnde. Solte ich also nicht mehrmal mit dieser himmlischen speise und tranck gestaͤrcket seyn worden/ so moͤchte ich bißher in dem kampff gegen die suͤnde untergelegen und uͤberwunden seyn worden. Es bleibet einmal ge- wiß/ der leib und blut unsers Heylands/ die er uns gleichwol unzweiffentlich gibt/ koͤnnen uns nicht ohne nutzen bleiben; spuͤhren wir keinen absonderli- chen nutzen/ welchen ich gerad zeigen kan/ so habe ich billich meine bißherige erhaltung so demselben als uͤbrigen gnaden-mitteln/ ohne genaue untersu- chung (die etwa unmuͤglich) wie viel ein jegliches besonders zu der sache ge- than habe/ insgemein zuzuschreiben/ und irre daran nicht. Daher will unsre christliche einfalt dieses von uns haben/ daß wir/ weil es der HErr be- fohlen/ auch in diesem mahl seinen todt verkuͤndigen/ und uns versichern/ es seye niemal ohne nutzen/ ob wir auch denselben nicht so eigenlich fuͤhlten/ wie ich auch in dem natuͤrlichen nicht eben zeigen kan/ von welcher mahlzeit/ die ich gethan/ diese oder jene krafft mir hergekommen seye/ bin aber versichert/ jegliche thue das ihrige zu erhaltung des lebens und dessen kraͤfften. Zwahr dafuͤr muß ich mich freylich huͤten/ daß ich solche theure speise nicht zum ge- richt empfange/ niemand aber empfaͤngt sie zum gericht/ wer sich selbs pruͤ- ARTIC . II. SECTIO XXX. pruͤfet und richtet/ und eben gegen das gericht/ dessen er sich schuldig fin- det/ seinen trost in diesem theuren pfande seiner erloͤsung suchet. 3. Der dritte scrupel ist/ ihr Christenthum wolle ihr selbs nicht gefallen/ wie viel weniger solte es denn GOTT gefallen/ vor dessen augen nichts an- ders als heiliges und reines bestehen kan. Hie lasset uns aber gedencken/ es seye dieses schon ein Gott gefaͤlliges thun/ daß uns unser Christenthum/ das ist/ unsere eigene gerechtigkeit/ die in uns sich finde/ nicht gefalle: hingegen wo wir an uns selbs anfangen gefallen zu tragen/ und uns vor uns selbs ge- recht zu schaͤtzen/ so werden wir dem HErrn ein greuel/ und mißfallen ihm eus- serst: aber die opfer/ die Gott gefallen/ sind ein geaͤngster geist: Woruͤber aber geaͤngstet: Gewißlich uͤber nichts anders/ als uͤber die erkaͤntnuͤß seiner suͤn- den und unvollkommenheit. Weil aber unser Christenthum nicht allein/ ja nicht hauptsaͤchlich/ bestehet in demjenigen was an uns ist/ wieweit wir in der heiligung zugenommen haben/ sondern bestehet vornemlich in CHristo selbs und in seinem verdienst/ wie uns derselbe zur ver gebung unser suͤnde ge- schencket ist/ so durch den glauben allein ergriffen wird/ so muß uns solch un- ser Christenthum auch wolgefallen/ weil solche gnadenguͤter GOtt gefallen/ die uns von ihm geschencket sind; und da muͤssen wir lernen in der frage/ wie wir vor GOtt bestehen/ unsere augen von dem articul der heiligung/ wie weit wir schon in derselben gekommen seyn/ abziehen/ und hingegen auff den articul von der erloͤsung und gnugthuung Christi wenden. Denn in denselben allein finden wir unsere seelen-ruhe. So ists zwahr in gewisser maaß wahr/ daß GOtt nicht gefallen koͤnne/ was nicht heilig und rein ist. Es gilt aber solches allein nach dem gesetz. Denn nach dem gnadenbund hat GOtt zuge- sagt/ daß er in gnaden bey uns annehmen wolle/ was noch sehr mangelhafft ist/ wann wir nur durch den glauben in Christo seyen: Ja dieser ist allein der- jenige/ welchen GOtt von uns/ da wir seiner in dem glauben theilhafftig werd en/ ansehen will/ und an demselben/ folglich auch an uns/ da wir in ihm sind/ ein wolgefallen hat. Und so ists wiederum wahr/ daß GOtt nichts ge- falle/ was nicht heilig und rein ist/ dann CHristus ist ja heilig und rein/ und in seiner heiligkeit sind wirs vor Gott/ die wir noch so viel unheiligkeit in und an uns haben. Aber so ist unsere wahre gerechtigkeit viel eine andere/ als die des gesetzes ist/ sondern die gemeldete gerechtigkeit CHristi. Ach daß der HErr uns diese lebendig zu erkennen gebe/ daß wir dasjenige/ was wir in CHristo haben/ vielmehr als was in uns ist/ anzusehen lernen! So wird uns recht wol und unser gewissen mit dem blut JESU recht gereinigt wer- den. 4. Den vierdten scrupel halte denselben zu seyn/ daß sie allein anderer aͤrgernuͤß zu vermeiden/ hinzugehen wolle. Aber geliebte Schwester/ die- ses ist nicht die rechte wahre ursach. Wir sind aͤrgernuͤß zu vermeiden die dinge zuthun schuldig/ welche sonsten nicht eben nothwendig noch von GOtt aus- Das fuͤnffte Capitel. austruͤcklich geboten waͤren: Da fordert die liebe von uns/ was wir sonsten unterlassen koͤnten. Hie aber von dem heiligen abendmahl haben wir den unwidersprechlichen befehl unsers liebsten Heylandes/ thut solches zu mei- nem gedaͤchtnuͤß/ und ihr sollt den tod des HERRN verkuͤndigen. Diesen befehl sehe sie recht an/ so wird sie glauben/ sie seye schuldig/ solche art der verkuͤndigung des todes des HErrn zu begehen/ ob sich auch niemand daran aͤrgerte/ da sie es unterließe. Sie glaubt ja/ daß von dem tode des HErrn ihr alle krafft der vergebung der suͤnden und auch des neuen lebens komme/ und daß der HErr dieselbe mit seinem leib und blut gebe/ da solle sie der glaube selbs dahin treiben/ solcher guͤter sich suchen theilhafftig zu- machen. Sie weiß/ wie hochnoͤthig sie der staͤrckung in dem geistlichen noͤ- thig habe/ da solle sie der hunger selbs zu dieser mahlzeit treiben. Also ist der befehl des HErrn/ der nutzen der uns versprochen wird/ und unsre eigne noth schon wichtige ursachen/ um welcher willen wir uns bey diesem tisch ein- finden sollen/ ob wol endlich auch die liebe nicht ausgeschlossen wird/ die das aͤrgernuͤß des nechsten gern verhuͤten will. Jch komme endlich auff den 5. scrupel der von andern/ die das heilige abendmahl nicht mithalten/ und mit allerhand meinungen/ auch richten des nechsten/ sich versuͤndigen/ genomme- ner aͤrgernuͤsse. Aber geliebte schwester/ laßt uns solche aͤrgernuͤssen mit hertz- lichem mitleiden und gebet zu GOtt ansehen/ nicht aber durch dieselbige im geringsten uns von unserem guten weg abhalten lassen. Anderer irrthum und fall wird uns so wenig schaden/ als uns anderer wahrheit und recht- schaffenheit nutzen wird/ ohne deroselben selbsten theilhafftig zu seyn. Es ist dieses ein betrug des satans/ und verhengnuͤß des goͤttlichen gerichts/ daß einige an der einfalt des Evangelii/ so wir von jugend auff aus GOTTES wort gelernet haben/ und fuͤr solche dem HErrn stets danckbar seyn solten/ auff allerhand sonderliche neue meinungen verfallen/ und weil sie andere unrein achten/ sich ihres abendmahls enthalten wollen/ aber sich damit an GOtt und an den bruͤdern versuͤndigen. Lasset uns hingegen bey GOt- tes wort allein bleiben/ und dem HErrn dancken/ daß er uns in eine solche kirche gesetzet hat/ welche ob sie in andern stuͤcken auch viele verderbnuͤß in sich hat/ gleichwol die lehr noch rein behalten. Lasset uns unsere nechsten nicht richten/ noch sie so boͤse achten/ daß wir auch von derselben gemeinschafft in den guten wercken uns verunreinigt zu werden sorgen wolten. Vielmehr lasset uns glauben/ wir sind selbs schwehre suͤnder/ die nicht anders als aus der barmhertzigkeit unsers GOttes das heil zu erwarten haben/ und darinn solches bey Christo suchen wollen: geschihet nun solches in gesellschafft an- derer/ deren suͤnden uns mehr in die augen leuchten/ so lasset uns glaubeu/ wir seyn wuͤrdig/ unter diesen zustehen/ wollen aber zufrieden seyn/ da uns un- ARTIC . II. SECTIO XXX. unter denselben gnade von unserm Heyland widerfaͤhret. Diese demuth wird uns nicht schaden sondern nutzen/ und der glaube bey derselben erhaͤlt fuͤr uns gewiß die uns noͤthige gaben. Und so wenig den Judam genutzet/ daß er unter 11. wuͤrdigen juͤngern zuerst dieses sacrament genossen/ so wenig wirds einem frommen und wuͤrdigen Petro schaden/ ob ers unter 11. die Judaͤ gleich waͤren/ empfinge. Dann der gerechte lebet nicht eines andern/ sondern sei- nes/ glaubens. Lasset uns auch nicht darob aͤrgern/ wo unter denen/ wel- che einen guten anfang der wahrheit gehabt haben/ trennungen vorgehen. Dann es war die kirche zu Corintho von dem Apostel selbs mit goͤttlicher weißheit gepflantzet/ und dannoch in der selben fanden sich noch in lebzeiten desselben spaltungen und schwehre aͤrgernuͤssen: daß er selbs saget: Es muͤßen rotten unter euch seyn/ auff daß die so rechtschaffen sind un- ter euch offenbar werden. 1. Cor. 11. Was wollen wir dann nicht von un- sern zeiten und bewandnuͤß unserer kirche sagen? Doch hoͤren wir hie/ solche aͤrgernuͤssen und trennungen sollen noch einen nutzen haben in pruͤfung und offenbahrung derjenigen/ die rechtschaffen sind/ unter welchen zu seyn wir uns allein befleissen muͤssen. Also lasset uns staͤts allein sehen auff unsern GOtt und Heyland JEsum/ und nicht auff menschen: haben wir sein gebot vor uns/ so lasset uns thun/ was solches fordert/ und nicht gedencken/ ob und was andere thun. Sehen wir an andern gutes/ so lasset uns GOtt dancken/ und dem exempel folgen/ sehen wir boͤses oder aͤrgernuͤß/ so lasset uns daruͤber feufftzen/ aber ja nicht folgen/ sondern die sache GOtt befehlen/ so stehen wir fest/ dann der HErr ist allein der unbewegliche grund. Sonderlich lasset uns die rechte lehr der gnadẽ/ wie wir nicht aus unsrer gerechtigkeit/ oder aus den fruͤchten des glaubens/ sondern aus pur lauter gnade und zurechnung des verdiensts unsers Heylands selig werden muͤssen/ fest halten: daher die gewiß- heit unsers heils nicht an der vollkommenheit unser heiligung sondern an der gnade und dero versicherung in dem glauben/ dessen gewißheit aber wieder- um nicht an der vollkommenheit/ wie weit wir schon zugenommen/ sondern an der auffrichtigkeit unsers hertzens vor GOtt/ lige. Haben wir dieses fest in dem hertzen/ liebe schwester/ so sind wir zimlich verwahret gegen die meiste aͤrgernuͤssen/ welche aus der nicht recht eingenommenen gnaden-lehr herkom- men: und aus solcher wahren lehr wird unser hertz sich lernen recht freuen in seinem GOtt. Der HErr JEsus segne auch dazu ihr christliches vorhaben/ und gebe ihr nicht nur mit dem munde seinen wahren leib und blut zu em- pfangen/ sondern auch in der seele die krafft solcher himmlischen speise zu ko- sten/ und neue staͤrcke zu erlangen gegen alle aͤrgernuͤssen des fleisches/ der welt und dero fuͤrsten selbs/ ja je mehr und mehr himmlisch zu werden/ wie er ist/ der sie zu seiner wohnung und braut auserkohren hat. O o o o o P. S. Das fuͤnffte Capitel. P. S. Liebe Schwester. Ach fahret fort/ wie ihr euch erklaͤhret/ den elenden zustand seiner Chri- stenheit unserm liebsten Heyland treulich und unablaͤßig (wozu ihr vor an- dern mehrere gelegenheit habt) vorzutragen. Er ist ja so bewandt/ daß er kaum elender seyn koͤnte. Also ists wachens und betens zeit. Aber der HERR wird drein sehen/ und die tag und nacht zu ihm ruffen/ retten in kur- tzem. 168... SECTIO XXXI. Kath und trost aneinen/ der sich von seiner herr- schafft unrecht zu leiden davor hielte/ und daruͤber auch in geistliche anfechtungen geriethe. J Ch habe mit nicht weniger bestuͤrtzung und betruͤbnuͤß desselben schrei- ben in Franckfurt kurtz vor meiner abreise hieher nach Schwalbach empfangen und gelesen/ und zwahr nicht also bald daselbsten antwor- ten moͤgen/ aber einen theil der hiesigen ruhe zu dieser beantwortung anwen- den sollen. Zum allerfordersten versichere ich mich aus mir von langem be- kanter alter redlichkeit/ daß in facto, wie derselbe erzehlet/ sich also alles ver- halte/ und er demnach in seinem hertzen und gewissen seiner voͤlligen un- schuld versichert seyn werde. Dann wozu wuͤrde es nutzen/ einem als ich bin/ der zu der hauptsache nichts zuthun vermag/ die unschuld persvadi ren wollen/ die sich nicht also verhielte/ und es etwa dermaleins geschehen moͤch- te/ daß ich selbst ein widriges andersther vernehmen/ und denjenigen/ welcher mich auch mit angemaster unschuld zu betriegen gesuchet haͤtte/ so viel schul- diger achten muͤste? So hafftet auch kein trost zu heilung der seelen-wun- den/ als lang wo die angemaßte unschuld nicht auch in der that ist/ man sich auf dieselbige bezeucht/ und nicht vielmehr mit redlicher bekaͤntnuͤß seines verbrechens dem gewissen rath schaffet: Jn dem dieses/ ob es die gantze welt zu betriegen wuͤßte/ doch vor GOtt nicht hoffen kan/ denselbigen zu be- triegen/ sondern dessen straffende stimme so viel staͤrcker in sich fuͤhlen muß/ je weniger man ihm die ehre der bekaͤntnuͤß auch vor menschen geben will. Da- her/ wofern dieses mein præsuppositum der unschuld/ auf welche sich mein hochgeehrter Herr berufft/ sich nicht also verhalten solte (daran ich aber mei- nes orts zu zweiffeln keine vernuͤnfftige ursachen sehe/ und ohne das wohl weiß/ wie es etwa offt auch mit treuen bedienten bey hoͤffen und an hohen orten zuzugehen pfleget) wuͤrde sonsten alles andere/ was ich schreiben wuͤr- de/ mit da hinfallen/ und nichts hafften. Ja wo auch bey der unschuld in der ARTIC . II . SECTIO XXXI. der haupt-sache das gewissen uns doch in andern stuͤcken nicht rein spricht/ so muß auch in solchem fall/ soll anders diesem recht gerathen werden/ erkaͤnt- nuͤß und bekaͤntnuͤß vorhergehen. Waͤrens nun solche fehler/ die gleichwol die hauptsache nicht angiengen/ und also auch in derselben die unschuld nicht voͤllig/ sondern allein aus einem geringern/ jedoch wahrhafftigem verbrechen ein groͤsseres gemacht worden waͤre/ so wird das gewissen/ sonderlich wo der HErr nunmehr seine schrecken in dasselbe schiesset/ sich nicht befriedigen las- sen/ man gehe dann auch darinnen redlich und auffrichtig herauß/ auch vor denjenigen/ an denen man sich versuͤndiget/ und wir ihnen also satisfaction, schuldig sind. Sinds aber solche suͤnden/ die sich zwahr in die sache/ deßwe- gen wir angegriffen werden/ mit einflechten/ aber allein in dingen bestehen/ welche vor GOttes gericht gehoͤren (als mit was hertzen und absicht wir in eines herrn dienste getreten; wie wir etwa des herrn gunst jemahl der geist- lichen vorgezogen haͤtten; mit was gedult und gehorsam wir auch das un- recht ertragen/ und alle widrigkeit nicht so wol als von den causis secundis als vielmehr von der verhaͤngnuͤß GOttes angenommen/ oder wider beyde gemurret haben/ und was dergleichen ist) die wird uns unser gewissen in sei- ner pruͤffung nicht weniger vor augen stellen/ ja auch durch vorstellung der ge- rechtigkeit goͤttlichen gerichts uns zu so viel gehorsamer niederwerffung disponi ren. Es ermangelt auch das gewissen nicht zu solcher zeit/ ob wir uns wol nicht in der haupt-sache vor der welt einer voͤlligen unschuld getroͤ- sten/ sondern (welches schwehr wird werden dahin zukommen/ wo es gleich- wol bey einigen moͤchte vor muͤglich gehalten werden) vor GOTT auch in solcher sach uns/ das gewissen gantz rein behalten zu haben/ ruͤhmen koͤnten/ daß es uns nicht unser uͤbriges gantzes leben vorstellete/ und darinnen/ wie wir von jugend an vor GOtt gewandelt/ vorhielte: Wo wir uns in so vielen stuͤcken vor GOttes gericht schuldig zu geben ursach finden/ als wir niemal vorher gedacht haͤtten/ auch eben dieses die erste vorbereitung zum rechten trost ist/ sein hertz von ansehung deß ihm von menschen geschehenden unrechts (welche immer fort so viel mehrere verunruhigung des gemuͤths und unge- dultigen widerwillen gegen die beleidiger nach sich zeucht/ damit aber die see- le des rechten trosts gantz unfaͤhig macht) gantz abzuziehen/ und allein auf GOtt zusehen/ und zu glauben/ er thue uns nicht unrecht/ ob er auch die un- gerechteste werckzeuge gegen uns gebrauchen solte/ sondern wir seyn vor ihm aller straffen/ und also wo noch so viel mehrere waͤren/ als wir bereits leyden/ so gantz schuldig/ daß wir uns daruͤber nicht zubeschwehren fug haͤtten/ son- dern auch unsers GOTTES guͤte preisen muͤsten/ der in allem solchem das eusserste gegen uns nach verdienst nicht gehen lasse/ und noch darzu so guͤtig seye/ daß da wir uns unter seine vaͤterliche hand bußfertig demuͤthigen/ er die O o o o o 2 ver- Das fuͤnffte Capitel. verdiente straff zu einer heilsamen zuͤchtigung mache. Damit ist eine herrli- che frucht des leydens erhalten/ wo GOTT auch durch unrecht uns angetha- nes leyden uns dessen kraͤfftig erinnert/ was er gerechter weise gegen uns zu thun vermoͤchte/ eine heylsame reue und buß/ so dann ernstlichen haß gegen die suͤnde/ dadurch bey uns zu wuͤrcken. Diese betrachtung wuͤrcket auch ei- ne so viel gehorsamere gedult/ daß wir sagen moͤgen: Jch will des HErrn zorn tragen/ dann ich habe wider ihn gesuͤndigt. Mich. 7/ 9. Ja solche betrachtung machet uns so viel faͤhiger des goͤttlichen trosts/ als williger desselben verzug zu tragen/ und damit zu frieden zu seyn/ daß der HErr uns denselben entziehe. Jm uͤbrigen was die schwehre versuchungen und seelen- anfechtungen anlanget/ uͤber welche derselbe so wehmuͤthig klagt/ so ists eine schule/ in der der weise himmlische lehrmeister sehr viele derjenigen fuͤhret/ die er zur seligkeit verordnet hat/ aber sie durch eine so herbe artzeney von dem jenigen/ was ihnen an solchem zweck waͤre hinderlich gewesen/ gereiniget wer- den muͤssen. Und zwahr laͤsset GOtt nicht nur diejenige offters in solche ver- suchung fallen/ bey welchen die leibliche ungluͤck das gemuͤth ohne das nieder- geschlagen haben/ uñ je fester etwa das hertz an einigen weltlichen dingen han- get/ der verlust derselben ihnen zu ertragen so viel schwehrer worden ist/ und wo das zeitliche elend und leyden als ein taͤglich zeugnuͤß goͤttlichen zorns angesehen wird/ und endlich die betrachtung dessen uns mehr als das vorige zeitliche ungluͤck martert und quaͤlet; sondern es laͤsset GOTT nach seinem weisen rath offters auch einige mit dergleichen anfechtungen heimgesuchet werden/ denen es in allem uͤbrigen wol und nach des natuͤrlichen willens eige- nem belieben ergehet/ aber in solchem stande der anfechtung alle ihre eusserli- che gluͤckseligkeit sie nicht im wenigsten auffrichten und erfreuen kan/ sondern wol so beschwehrlich wird/ als andern ihre zeitliche ungluͤckseligkeit seyn moͤchte. Ja bey diesen wird gemeiniglich die gewalt solcher anfechtung so viel staͤrcker seyn/ weil sie allezeit bloß in geistlichen dingen bestehet/ die einer seelen am empfindlichsten sind/ als bey den andern/ wo die geistlichen versu- chungen aus weltlicher traurigkeit den anfang genommen haben/ und daher auch unvermerckt mit einigen von derselben noch vermischet sind/ welche die seele zwahr auch martert/ aber so empfindlich nicht peinigen kan/ als wo die gantze versuchung lauterlich in geistlicher noth bestehet. Jndessen gleich wie sich GOTT gemeiniglich dieser anfechtung darzu gebraucht/ damit die hertzen in ihrem gluͤcklichen stand/ welches zu unterlassen so schwehr hergehet/ sich nicht in denselben/ in ihre ehre/ reichthum und dergleichen/ gefaͤhrlich ver- lieben/ und damit verlohrn gehn/ weswegen sie der HErr/ nach seinem wei- sen rath durch ein solch gewaltsames und schmertzliches mittel von solcher lie- be abzeucht/ da er ihnen alle solche gluͤckseligkeit bitter/ und damit unange- nehm ARTIC. II. SECTIO XXXI. nehm machet: also gebraucht er sich offters bey denjenigen/ die er in weltli- ches elend gerathen lassen/ eben solcher geistlichen anfechtungen/ damit die weltliche daher entstehende traurigkeit nicht den geistlichen todt bey ihnẽ wir- cke/ so auff unterschiedliche weise geschehen/ auffs wenigste der nutze/ welchen GOtt durch jene auch zeitliche zuͤchtigung intendi ret/ verhindert/ und also goͤttlicher rath unkraͤfftig gemacht werden wuͤrde; sondern daß die dazu kom- mende geistliche versuchungen ein neues huͤlffs-mittel seyn/ der seelen ihre ausgestandene truͤbsaalen/ nach GOttes rath erst recht nuͤtzlich zu machen. So sind ohne das auch die allgemeine ursachen/ warum GOtt geistliche ver- suchungen uͤber die seinige verhenget/ wo denselben in der furcht Gottes nach- gedacht wird/ also bewandt/ daß sie wol eine grosse weißheit/ und in dem so harten tractament, gleichwol eine guͤtige barmhertzigkeit des himmlischen Vaters gegen die seinige/ bezeugen. Wir lernen nicht nur alles weltliche so vielmehr verachten/ und die liebe desselben recht aus dem hertzen reissen/ wo wir uns in einem solchen stande finden/ da entweder alle weltliche herrlichkeit/ ehre/ reichthum und wollust/ wo wir sie in allem uͤberfluß haben/ die angst unserer seelen nicht ein augenblick stillen oder mindern koͤnnen/ also daß man auch solche anzusehen einen eckel bey sich spuͤret/ oder wo man solche nicht hat/ bey sich gleich wol empfindet/ daß in solcher seelen-angst/ ob wir sie auch nach verlangen haben moͤchten/ weder dero hoffnung/ noch besitz/ noch verheissung/ nicht zum trost der seelen genugsam seyn. Welche eigene erfahrung des un- vermoͤgens/ so in allem zeitlichen sich findet/ einer seelen wol zu thun/ mehr als einiges anderes/ den werth desselben bey uns verringert/ und also die seele von solchem bande befreyet. Wir lernen allgemach unsern grund und trost/ nicht auff das fuͤhlen uñ em- pfinden/ dabey noch die vernunfft sich so viel einmischet/ und dasselbe betruͤg- lich machet/ sondern auff den blossen glauben goͤttlichen worts gruͤnden: und dem HErrn gleichsam blindlings auf sein wort uns verlassen/ ohne daß wir unserm fuͤhlen nach/ bey uns das wenigste finden/ darauf wir einige zuver- sicht setzen moͤchten. Wo es dahin kommet/ daß nicht nur sich an statt des glaubens lauter unglauben unserm fuͤhlen præsenti ret/ sondern auch unser gebet/ wie wirs bey uns finden/ mehr suͤnde scheinet/ als daß wir darvon ei- nige ruhe der seelen erlangten. Wie viel solches nutze/ ist etwa nicht so leicht mit worten ausgetruckt/ als die erfahrung diejenige lehret/ die es selbst empfunden. Daher kan ich meinen hochgeehrten Herrn in GOTT es nah- men versichern/ wo er die gnade/ welche ihm GOTT auch in dieser anfech- tung erzeigen und beweisen will/ gehorsamlich anzunehmen/ und zu gebrauchen beflissen seyn wird/ so werde er an derselben eine der groͤßten wolthaten/ so ihm die tage seines lebens erwiesen worden/ O o o o o 3 zuerken- Das fuͤnffte Capitel. zu erkennen ursach haben/ und nach GOTTES willen solches der- maleins wircklich erkennen/ und den HErrn daruͤber preisen. Jetzo lautet dieses gantz ungereimt und widersinnisch/ ist aber eine goͤttliche wahrheit/ wo wir von dem goͤttlichen rath/ und was derselbe hierinnen suchen wolte/ reden; deme aber/ daß derselbe sich gemaͤß bezeugen werde/ ich hoffe und also den gu- ten ausgang erwarte. Wie aber derselbe sich darein zu schicken habe/ wird meiner anweisung nicht eben viel vonnoͤthen seyn; solte doch derselbe aus freundlichem vertrauen auch meine einfaͤltige gedancken und rath verlangen/ so habe nicht nur allein in den getruckten predigten von den versuchungen/ die- selbe mit etwas mehrers ausgefuͤhret (welche predigten vielleicht zu andern- malen gesehen worden/ oder doch bey ihnen werden befindlich seyn) sondern will ich mit wenigem die in dieser seiner hypothesi mir vorkommende gedan- cken willig nach der gnade GOttes/ die er geben wird/ hieher setzen. Das erste achte ich eine taͤgliche und stuͤndliche erwegung/ wie GOTT so heilig und gerecht in seinen wegen seye/ auch da er uns wider unsern willen alles wiederfahren laͤsset/ und wie hingegen es von uns mit hertzlicher demuth auff- genommen werden solle. Dieses wird uns unsers gantzen lebens/ und wie dasselbe vor GOTT gefuͤhret worden/ erinnern. Und solten uns nicht bald diejenige gedancken dabey auffsteigen/ und unser gewissen uns zusprechen? Wie so gar ist mein GOTT nicht ungerecht gegen mich/ der jetzo mein gebet/ so viel ich spuͤren kan/ nicht hoͤret/ nachdem ich so offt seine stimme/ da er mich zu seinem gehorsam hat geruffen/ nicht/ oder je nicht mit geziemender sorgfalt/ angehoͤret habe. Solte ich mich wol zu beschwehren haben/ daß ich jetzo die gnade zu beten nicht also habe und fuͤhle/ wie ich wolte/ sondern ist alles kalt und gleichsam wie erstorben? Nachdem ich zu andernmalen so offt ohne an- dacht vor GOTT erschienen bin/ da er mir/ so ich seine gnade annehmen wol- len/ dieselbe in gnugsamem maaß zu geben wuͤrde bereit gewesen seyn? Jsts wol wunder/ daß ich jetzo aus goͤttlicher schrifft und dero trost-spruͤchen nicht diejenige krafft empfinde/ wie ich verlange? Der ich so offt in gutem stande dem gehoͤrten und gelesenen wort/ sonderlich da mich mein GOTT von der liebe der welt zu sich gefordert/ nicht platz in meiner seelen gelassen/ oder seine wirckung/ wie sichs geziemet angenommen habe. Solte ich GOTT einer unbillichkeit beschuldigen koͤnnen/ daß er mir den trost seiner gnaden und also eines versoͤhnten gewissens jetzo nicht/ vielmehr aber lauter zweiffel-aͤngsten fuͤhlen laͤsset? Da ich bey guten tagen die sorge ein reines und unbeflecktes ge- wissen zu behalten/ nicht so eiffrig habe bey mir seyn lassen/ ja da ich etwa so offt ohne hertzliche untersuchung in sicherheit/ dero uns jetzt unser gewissen/ nachdem wir dasselbe fleißiger forschen/ uͤberzeuget/ mich der gnade getroͤstet/ darauf getrotzet/ die gute bewegungen des heiligen Geistes/ so mich aus der sicher- ARTIC. II. SECTIO XXXI. sicherheit auffwecken wollen/ ausgeschlagen/ wol gar vor gefaͤhrliche anfech- tungen des satans gehalten/ und der gnaden-verheissung mißbraucht habe. Gewißlich die redliche forschung unsers gewissens wird uns alle in unserm vorigen leben vieles dessen uͤberzeugen/ und die vor GOTT schuldige demuth fordert solche erkaͤntnuͤß. Hie moͤchte aber ein angefochtener sagen/ so wird mir nicht geholffen/ die angst meiner suͤnden quaͤlet mich ohne das/ und nimmt mir allen trost/ wie soll ich dieselbe mit noch mehrer vorstellung schwehrer ma- chen/ und noch tieffer hinab trucken/ da ich ohne das in dem tieffen schlamm versincke? Aber hierauf ist zu antworten/ daß das allererste und noͤthigste mittel zu rechtem trost zu kommen/ seye die reinigung seines gewissens; und je sorgfaͤltiger sie angestellet wird/ je gruͤndlicher wird geholffen. Und gilts nicht zu sagen/ wo eine wunde schmertzet/ man doͤrffte dieselbe mit reinigung und wegnehmung des faulen fleisches und dergleichen nicht angreiffen/ noch zu den vorigen schmertzen neue machen/ als die ohne das weh genug thun/ son- dern man suche linderung. Da aber ein verstaͤndiger wund-artzt und patient wol wissen/ es seyen solche schmertzen recht die vorbereitung zu den heil-pfla- stern/ und wo es inwendig eytericht bleibet/ so muͤsse die wunde wieder auff- brechen/ die zu eilig zugeheilet worden. Und woher kommts/ daß der vorige trost/ da ich bey guten tagen mich so gantz leicht troͤsten und goͤttlicher gnade versichern konte/ so bald als eine zeitliche truͤbsaal mich uͤberfallen/ dahingehet und verschwindet? Als daß gemeiniglich unsere vorige gewissens-curen pal- liativæ seynd/ und nicht so wol den schaden zu reinigen/ als gleich zuzuheilen gemeint gewesen: Daher das geringste symptoma macht den schaden neu und viel aͤrger. Und lasset uns in unsere hertzen gehen/ wie wir uns etwa insge- mein uns unserer suͤnden erinnert haben: Jsts nicht obenhin geschehen? Haben wir auch die macht und greuel derselben jemal also erkant/ biß uns der HErr einen funcken seines zorns hat in die hertzen fallen lassen? Haben wir geglaubet/ daß wir so boͤse seyen/ als uns jetzo der zorn GOttes zu fuͤhlen gi- bet? Haben wir nicht insgemein pflegen unser leben mehr aus gegenhaltung anderer/ gegen welche zu rechnen wir so viel gutes an uns zu haben gedacht/ zu rechtfertigen/ als aus der einigen regel goͤttlichen gebots und pruͤffung nach derselbigen zu beschuldigen? Ja haben wir noch biß daher GOttes heilige gerechtigkeit gepriesen/ daß wir wahrhafftig erkant/ wir haben alles dieses und noch die ewige straffen gantz wol verdienet/ und daß wir nicht laͤngst dar- ein gestuͤrtzet/ seye ein grosses schonen seiner barmhertzigkeit? Wo solche er- kaͤntnuͤß nicht nur in den gedancken/ sondern wahrhafftig in dem hertzen ist/ daß wir uns allein der straffe wuͤrdig/ nicht aber der gnade werth achten/ und geben GOttes gericht uͤber uns recht/ lieber wollende/ daß wir leiden als sei- ne gerechtigkeit zuruͤck bleiben solte/ so wird damit am kraͤfftigsten das mur- ren Das fuͤnffte Capitel. ren in unsern seelen gestillet/ welches die grosse hindernuͤß des trosts ist/ und doch auf eine subtile und sehr verborgene weise sich gemeiniglich bey uns fin- det: Daß ob wir wol mit dem munde bekennen/ wir haben GOttes ungnade verdienet/ auch einigerley massen solches gedencken/ jedennoch in dem hertzen wir die goͤttliche gerechtigkeit wegen unordenlicher selbs-liebe nicht auf gehoͤ- rige weise erkennen/ und uns deroselben demuͤthig unterwerffen: Sondern es ist uns nur immer um uns selbs zu thun/ mit goͤttlicher gerechtigkeit gehe es wie es wolle. Daher ist uns allemal die straffe der suͤnden eher zu wider/ als der greuel derselben selbs. Und wie viel harte gedancken steigen gegen GOtt in einem solchen unruhigen hertzen auf? Denen aber nicht besser widerstanden werden kan/ als wo wir von grund der seelen glauben/ wir habens verdienet/ und ob wir in solchen suͤnden nun ohne gnade solten untergehen muͤssen/ so waͤ- re solches besser/ als daß etwas an goͤttlicher gerechtigkeit manglen solte. Wol eine harte lection, aber gewiß der nechste weg/ wer denselben gehet/ zu dem wahren trost zu gelangen! auffs wenigste so weit wir auf demselben zu- kommen/ die gnade empfangen/ lasset uns denselben eintretten. Es ist auch dieses ein hauptstuͤck der demuth / die wir von unserm Heiland lernen muͤs- sen/ sollen wir anders ruhe finden fuͤr unsere seelen Matth. 11. So wird alsdann die auch offt unordenliche und uns nur desto mehr aͤngstigende und verunruhigende begierde nach der fuͤhlung des trosts um die zeit/ da der HErr dieselbe uns zu geben noch nicht seinem heiligen rath gemaͤß erkennet/ gemaͤßi- get/ und an die rechte ordnung gebracht werden. Wo nun erstlich getrachtet worden zu solcher wahren demuth vor GOTT und erkaͤntnuͤß des gerechten verdiensts unserer suͤnden zu kommen/ in welcher GOTT ein grosses stuͤck seines raths an uns erhalten hat/ als welcher dahin gehet/ daß wir nichts/ und er alles/ wir suͤnder und er allein gerecht seye: So gehoͤret zu und nach dersel- ben demuth/ als das nechste mittel/ ein hertzliches gebet. Hie aber wirfft die anfechtung gleich ein/ daran mangelt mirs eben/ daß ich nicht beten kan/ son- dern lauter kaͤlte in meiner seelen fuͤhle/ und eben dessen zeugnuͤß daran habe/ daß GOTT ja mein seuffzen nicht erhoͤret. Aber auch dieser einwurff ist nicht starck genug/ daß deswegen das gebet unterlassen und vor besser geachtet werde/ gar nicht/ als auf die art zu beten/ wie gegenwaͤrtiger unserzustand uns zulaͤsset. Von diesem letztern anzufangen/ so ists offt gantz eine betruͤgliche folge/ von der erhoͤrung auf das gebet selbs. Du haͤltest darvor/ dein gebet sey bißher nie erhoͤret worden. Warum? weil das gebetene noch nicht er- folget. Aber so laͤsts sichs nicht blosserdings dahin schliessen/ sondern wol so fern/ daß du erkennest/ du werdest in deinem gebet ein und anderes mit einge- mischet haben/ darinn du goͤttlicher gnade vorgeschrieben hast: Da du doch bloß nach goͤttlichem willen beten soltest. Dann ob man wol insgemein den unter- ARTIC . II. SECTIO XXXI . unterschied machet/ daß man um die geistliche guͤter ohne bedingung/ um die leibliche mit bedingung des goͤttlichen willens/ beten moͤge: So ist jenes wahr/ von den geistlichen guͤtern/ die uns schlechterdings zur verherrlichung der ehre GOttes und unserer seligkeit noͤthig sind/ davon ist uns goͤttlicher wille zur gnuͤge offenbahret; Es sind aber auch geistliche guͤter/ von denen wir eben solches nicht sagen/ und daher nicht unfehlbar wissen koͤnnen/ ob dißmal dieses gut oder hingegen dessen versagung dem willen GOttes gemaͤsser seye. Zum exempel/ ob zu GOttes ehren mehr dienlich seyn werde/ daß ich seines trosts empfindlich gewahr werde/ oder aber in lauter aͤngsten und pruͤffung der gedult stehen solle? Daher wo wir recht beten/ so muß allezeit unser gebet und verlangen des trosts mit der condition verstanden werden/ wo es nem- lich goͤttlichem willen also gemaͤß seyn werde. Folget nun auf das gebet der empfindliche trost nicht/ so kan ich noch nicht sagen/ daß das gebet nicht erhoͤ- ret seye/ sondern ists mit kindlichem hertzen gethan/ so ists gewiß durch eine neue staͤrckung in seiner gnade erhoͤret/ ob wol nicht nach unserem willen/ jedennoch nach dem weisen rath des Vaters. Und laͤßt sich also nicht schlies- sen/ GOTT hat dasjenige/ was ich von ihm verlangt/ nicht erfolgen lassen/ deswegen so stehe ich in seiner ungnade/ als welchem er die erhoͤrung versagt. Was aber die kaͤlte und untuͤchtigkeit zum gebet anlanget/ so findet sich die- selbe gemeiniglich/ wo wir das gebet allein erkennen in dem muͤndlichen oder doch durch ordenliche conceptus nach einander thuenden hertzens-gebet/ dazu man offt in solchen aͤngsten am wenigsten tuͤchtig ist. Wo wir aber verste- hen/ was eigenlich das gebet seye/ und wie mit GOTT in dem geist gehandelt werde/ so ist das verlangen einer solchen ringenden seelen/ welche unablaͤßig/ auch da sie meinet/ sie koͤnne und doͤrffte nicht beten/ nur nach der goͤttlichen gnade sich sehnet/ das allerkraͤfftigste/ und fast unauffhoͤrliche/ gebet vor GOttes ohren; ja viel inniglicher und feuriger/ weil es ohne mittel der zunge/ oder auch nur der reflecti renden gedancken/ selbs aus dem hertzen entsprin- get/ und darinnen geschihet/ ja nichts als lauter hertz ist. Da heissets einmal/ das verlangen der elenden hoͤret der HErr/ Psalm 10/ 17. und also nicht nur das uͤbrige muͤndliche und gebet der gedancken. Daher solche liebe leute mehr beten als sie selbsten glauben. Der wichtigste einwurff aber ist fast dieser/ wie man beten oder sich einer erhoͤrung getroͤsten koͤnne/ weil man ohne glauben seye/ ohne welchen nichts GOTT dem HErrn gefallen koͤnne/ und also alles gebet vielmehr suͤnde seye? Hie ist aber nichts mehr noͤthig/ als daß wir recht lernen den glauben erkennen/ und dieses zu unterscheiden wis- sen/ daß derselbe nicht allemal durch das fuͤhlen erkant werden muͤsse/ sondern solches in dem stande der anfechtung gemeiniglich das erste ist/ welches dem menschen entgehet/ ja keine anfechtung sonderlich starck zusetzen koͤnte/ wo die P p p p p fuͤh- Das fuͤnffte Capitel. fuͤhlung des glaubens nicht entweder gantz entgangen/ oder doch schwach worden waͤre. Vielmehr gehen wir viel sicherer/ denselben an seinen uͤbri- gen kennzeichen und fruͤchten zu erkennen/ und solchen vielmehr als unserem reflecti renden gefuͤhl zutrauen. Da bleibet dieses fest stehen/ bey wem ein hertzliches mißfallen und haß gegen seine suͤnde/ verlangen nach goͤttlicher gnade/ liebe zu GOTT/ eiffer fuͤr seine ehre/ und begierde auf sein lebenlang alles dasjenige zu unterlassen womit wir GOTT erzuͤrnen moͤchten/ sonder- lich auch ein williges hertz/ alles leiden von der hand des HErrn mit gedult auffzunehmen/ sich findet/ da ist goͤttliche gnade kraͤfftig/ und wohnet der heili- ge Geist/ der aber nirgend ohne den glauben ist/ und diesen zu allererst in den hertzen wircket. Ob also schon der actus reflexus, (daß wir spuͤren/ wir glau- ben) sich nicht bey uns findet/ sondern von GOTT aus heiligen ursachen sol- che anfechtungen gesandt worden/ welche solche fuͤhlung hemmen/ so laͤsset sich doch aus den uͤbrigen kennzeichen und fruͤchten desselben so wol seine gegen- wart schliessen/ als aus dem auffsteigenden rauch des in der asche verborgenen feuers. Da lehret uns Johannes 1. Joh. 3/ 19. aus deme/ daß wir in der wahren liebe stehen/ schliessen/ daß wir aus der wahrheit/ und also in dem glauben/ seyen/ obwol unser hertz uns selbsten verdammet/ von welcher mate- rie etwa mehrmal gehandelt wird/ aber wol den angefochtenen die allernoth- wendigste ist/ daß sie lernen von der fuͤhlung zu abstrahi ren/ und ihren glauben aus den fruͤchten zu urtheilen. Also da wir wissen/ daß wir GOTT foͤrch- ten und seinen willen zu thun von grund der seelen bereit seyn/ so lasset uns ge- trost vor GOTT treten/ wir fuͤhlen den glauben oder nicht/ und uns unsern vermeinten unglauben und ringenden zweiffel nicht abschrecken: Gewiß es wird bey fortsetzung solches gebets/ indem die erhoͤrung GOttes je wuͤrdig ist/ daß wir dieselbe mit laͤngerem anhalten suchen/ endlich sich zeigen/ daß wir nicht vergebens gebeten haben/ sondern die verlangte gnade wird erhalten werden: Ja GOTT wird uns endlich den glauben fuͤhlen lassen/ wo wir auch noch vor fuͤhlung desselben nicht unterlassen haben/ ihm auffrichtig zu gehor- samen/ und uns vor ihm zu demuͤthigen. Zu dem gebet setze ich billich auch das hoͤren und lesen goͤttlichen worts/ sonderlich in der heiligen schrifft selbs/ so dann nechst deroselben in andern gottseligen buͤchern/ unter denen in diesem zustand/ ich Arnds wahres Christenthum und Th. à Kempis nachfolge Chri- sti sonderlich recommendi ren wolte: Aber noͤthig achte/ daß man nicht so wol gleich aus solchen oder andern buͤchern trost suchen wolte/ als sie vielmehr da- zu brauchen/ sein hertz zum fordersten daraus recht zu erkennen lernen/ und das- selbe von allem GOtt mißfaͤlligem zu reinigen trachten/ auf welches wo wir darinn GOtt treu worden sind/ der trost von selbs kraͤfftiger folgt/ als ob wir mit noch so grosser angelegenheit nur allein in den buͤchern den trost suchẽ wol- ten/ ARTIC. II . SECTIO XXXI. ten/ der aber so wenig hafftet/ als die staͤrckende artzneyen/ ehe die purgantia zur gnuͤge vorhergegangen sind. So mag auch andaͤchtiger gebrauch des heiligen abendmahls mit darzu gezogen und recommendi ret werden. Das dritte mittel wolte ich vorschlagen/ welches aus dem vorigen fliesset/ nem- lich eine sorgfaͤltige untersuchung/ wie inskuͤnfftige in allen stuͤcken unser le- ben moͤge und solle vor GOtt gefuͤhret werden/ mit heiligem und kraͤfftigem so vorsatz als geluͤbde/ der gnade GOttes kuͤnfftig hin so viel sorgfaͤltiger zu gebrauchen/ sich von aller befleckung des fleisches und des geistes zureinigen/ und in der heiligung und furcht Gottes zuzunehmen. Auch so bald zum zeug- nuͤß/ daß solches von hertzen gehe/ und redlich gemeinet seye/ alles abzulegen/ was an uns suͤndlich zuseyn unser gewissen uns uͤberzeuget/ ja nicht nur al- lein den eusserlichen ausbruͤchen der suͤnde zu wehren/ sondern das hertz selbst ernstlich anzugreiffen/ daß wir wahrhafftig die tugenden/ die uns befohlen/ in uns bekommen und haben moͤgen. Stehn wir nun in solchem stande/ und lassen uns von dem teuffel oder der welt von einem solchen weg eines rechten christlichen lebens/ welches in einer rechtschaffenen verleugnung sein selbst und alles irdischen/ so dann hertzlichem gehorsam gegen die goͤttliche gebote/ und einem fleiß alle unsere wercke niemal mehr anders/ als in einer reinen absicht auf GOttes ehre/ und aus liebe des nechsten/ und also ohne eigenes gesuch zu verrichten (wozu auch bey denen/ welche von andern mit unrecht beleidiget zu seyn/ meinen/ eine hertzliche vergebung/ und liebe der feinde ge- hoͤret) nicht abziehen/ so stehn wir ohnfehlbar in goͤttlicher gnade/ und ob wir meinten/ in dem augenblick wuͤrde uns die versuchung uͤber einen hauffen werffen/ so ist gleichwol kein zweiffel so starck/ der bey solcher bewandnuͤß un- serer seelen/ wie von ihrem GOtt verlassen sie sich fuͤhlete/ uns von der liebe GOttes gegen uns/ und also der seligkeit/ abreissen koͤnte: Dann GOtt kann eine solche seele nicht lassen/ sondern wie er getreu ist/ also gibt er ihr den sieg zu seiner zeit/ oder sieget vielmehr schon in derselben/ als lang sie solche anfechtungen ertraͤgt/ und der dem ansehen nach so schwache glaube nichts destoweniger gegen alle anlaͤuffe und anstoͤsse fest stehet. Zu diesem allen achte ich 4. nuͤtzlich zuseyn/ wo wir nach allem maaß der gnaden/ welches uns gegeben ist/ uns beflissen haben/ unsere seele so wohl mit untersuchung des vorigen lebens als einem grund des kuͤnfftigen zu reinigen/ daß wir alsdann ohne ferneres aͤngstliches verunruhigen unsern zustand dem HERRN mit hertzlicher gelassenheit empfehlen/ und den trost nicht mit gewalt erzwingen wollen/ sondern uns willig resolvi ren/ da es also der wille unsers Vaters seyn solte/ ohne trost und empfindlichkeit seiner gnade unser leben zuzubrin- gen/ daß wir damit zufrieden seyn wollen. Dann 1. haben wir von grund der seelen erkannt/ daß wir alles trosts unwuͤrdig seyen. 2. Haben wir auch P p p p p 2 ge- Das fuͤnffte Capitel. gelernet zuglauben/ daß es besser seye/ wir leyden/ als daß goͤttliche gerech- tigkeit/ da dieselbe uns unserer vorigen unachtsamkeit und mißbrauchs sei- ner gnade durch solche hinterhaltung erinnern will/ zuruͤckbleiben muͤste. Ja wir haben 3. gelernet/ daß unser heyl nicht an unserem fuͤhlenden glauben/ sondern goͤttlicher gnade allein gelegen seye/ dero wir aus den obigen erzehl- ten kennzeichen des glaubens versichert koͤnnen werden. 4. Wir werden hieraus schon ferner gefasset haben/ wie eine solche entziehung sowol goͤttli- cher ehre als unserem heyl gantz gemaͤß/ und einer von den wegen seye/ auff welchem uns die unerforschliche weißheit unsers GOttes gantz heilsamlich und gewiß fuͤhret/ dahin wir uns seiner je nicht zu beschwehren haͤtten. 5. Wir werden/ wo es eine zeitlang gewaͤhret/ in dero erfahrung finden/ wie viel unser sonsten elende zustand uns nutze in abziehung von der welt/ in sorg- faͤltiger warnehmung unser selbst/ und in dem fleiß des guten; also gar/ daß wir wol niemal so weit in anderm stand wuͤrden gekommen seyn. Diese be- trachtungen sollen und werden uns endlich dahin bringen/ daß wir mit dem willen unsers GOttes zufrieden seyn/ und an jene wort gedencken/ ob waͤre uns gleiches mit dem lieben Paulo gesagt: Laß dir an meiner gnade be- gnuͤgen. 2. Cor. 12/ 9. Jsts dahin gebracht/ daß wir aus gehorsam ge- gen GOTT uns willig resolvi ren/ auch ohne trost dem HErr dennoch gehor- samlich zu dienen/ und auch in dem geistlichen nichts anders von ihm/ als was seinem heiligen rath gemaͤß ist/ zu verlangen: So hat GOTT bey uns seinen zweck erreichet/ und wird gewiß eine solche gnade folgen/ zu welcher wir nimmermehr sonsten gekommen waͤren. Dieses sind meine einfaͤltige gedancken/ die ich zu desselben gottseliger uͤberlegung hiemit uͤberschreiben wollen/ dabey den hoͤchsten und lieben himmlischen Vater/ als den Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trostes/ inbruͤnstig anruffe/ daß er die- ses oder anderes/ was zu seiner beruhigung und geistlichem besten gereichen mag/ kraͤfftig bey ihm segne/ zu erkaͤntnuͤß seines gnaͤdigen willens/ und wuͤr- ckung aller noͤthigen gnade/ in seinem geaͤngsteten hertzen/ biß die liebe stunde des empfindlichen trosts auch kommen moͤge/ welche er zu rechter zeit schicken/ und es also fuͤgen wolle/ daß er noch hie in dieser zeit die fruͤchten solcher vaͤ- terlichen zuͤchtigung selbs mit dancksagung erkenne/ so dann hier und dort der so weisen/ obwol wunderbahren/ regierung des himmlischen Vaters ewigen preiß und danck sage. Welches ich samt einigen lieben freunden auch fuͤr sein anligen zu dem lieben GOTT gebeten hab/ auch noch ferner zu beten nicht unterlassen werde. Der HERR HERR seye seine staͤrcke in der schwachheit/ sein schutz gegen seine feinde/ sein trost in aller anfechtung/ sein sieg in allem streit. 1679. SECTIO ARTIC . II. SECTIO XXXII. SECTIO XXXII. Trost uͤber die klage der schwachheit. Je mehr man im geistlichen waͤchset/ je demuͤthiger wird man. D Aß meine geliebte mir auch den liebreichen vaters-nahmen beyleget/ haͤtte ich wol mit fug zu declini ren/ nachdem er mir mit recht nicht zu- kommt/ als den der himmlische Vater an ihrer wiedergeburt oder er- neuerung mit zu arbeiten/ und also diesen titul zu verdienen/ nicht gebrauchet hat/ ich will mich aber auch dessen nicht weigern/ da mir deroselben liebe ihn zugedacht/ und vielleicht auf mein amt/ darinnen mich der HErr auffs wenig- ste einigen in gewissem verstand zum vater verordnet hat/ oder auf mein an- wachsendes alter sihet. Derjenige aber/ der der rechte Vater ist uͤber alles/ was kinder heißt im himmel und auf erden/ verleihe mir die gnade/ daß dann inskuͤnfftige in und aus seiner krafft etwas zu staͤrckung ihres inwendigen menschens mit beytragen moͤchte/ so mich freuen und alsdann solchen nahmen mir so viel angenehmer machen solte. Auffs wenigste werde nicht unterlas- sen/ wie es auch bißher geschehen zu seyn vor GOTT bezeugen kan/ den lieb- sten Vater demuͤthig anzuruffen/ daß/ der sein gutes werck in ihr angefangen/ und so weit fortgesetzet/ es noch weiter in tieffer eintringung in die wahrheit goͤttlichen worts/ in gewisser erkaͤntnuͤß seines heiligen willens/ in krafft der heiligung und in trost der hoffnung vollfuͤhret werden lasse biß auf den tag JEsu Christi. Dieses gebet ist das einige/ so ich noch in gegenwaͤrtigem zu- stande fuͤr dieselbe zu thun weiß/ ob mich wol auch nicht entziehen wuͤrde/ wo mir noch andere gelegenheit des guten gegeben werden solte. Die klage uͤber ihre schwachheit und traͤgheit in dem guten hat mich nicht so wol betruͤbet/ ob- wol alle kinder GOttes starck und auffgemuntert verlangte/ als erfreuet: Dann/ ich sehe solche an als eine wirckung der demuth/ welche der beste und recht geduͤngte acker ist/ auf dem die besten fꝛuͤchte des Geistes in goͤttlichem se- gen wachsen. So erfahre in der that/ daß es sich mit dem Christenthum in diesem stuͤck nicht viel anders als mit den studiis verhaͤlt. Wer zu studi ren anfaͤngt/ und durch fleiß bald zu einigen wissenschafften gelanget/ bildet sich gemeiniglich zu erst das meiste ein/ wie gelehrt er sey: Je laͤnger er aber in dem studi ren fortfaͤhret/ und immer sihet/ wie viel noch zu lernen seye/ je mehr laͤs- set er die einbildung seiner gelahrtheit fahren/ daß ich nicht zweiffle/ wo er das hoͤchste/ so er erreichen koͤnnen/ erreicht/ er werde sich vielweniger gelehrt hal- ten/ alsbald nach dem ersten anfang; die ursache ist diese/ weil alle erste einbil- dung daher gekommen/ daß man noch nicht verstanden/ was zur erudition P p p p p 3 gehoͤre/ Das fuͤnffte Capitel. gehoͤre/ sondern nur wie einer/ der in einem thal stehet/ einen engen umgriff sihet/ den er bald auszu studi ren gedencket/ je weiter aber der mensch kommt/ steiget er gleichsam immer den berg hinauf/ es entdecket sich aber immer ein weiterer horizont, daß er je laͤnger je weniger mehr denselben zu begreiffen trauet. Also erkennet ein solcher nicht allein/ wie vielerley dinge ihm zu wissen seyn/ daran er vormalen nicht gedacht/ sondern/ was auch zu ei- nem wahren wissen gehoͤre/ da er findet/ daß vieles vor dem nur meinung ge- wesen/ so er vor wissen gehalten haͤtte/ ehe er jeglicher dinge grund tieffer ein- zusehen gelernet. Daher mir dieses das beste zeugnuͤß eines recht grundge- lehrten und weisen mannes ist/ wo er nunmehro wahrhafftig glaubet/ daß er noch nicht viel wisse/ und daß alles itzige wissen/ ein recht elendes stuͤckwerck seye. So verhaͤlt sichs auch mit dem Christenthum/ da sind fast gemeinig- lich die anfaͤnglinge/ wo sie anfangen einigen glast eines liechts der erkaͤnt- nuͤß bey sich gewahr zu werden/ einige krafft des Geistes zu fuͤhlen/ und die verleugnung ihrer selbs anzutreten/ in den besten gedancken von sich selbs/ und meinen weit gekommen zu seyn. Je mehr aber das liecht zunimmt/ so dann auch die krafft waͤchset/ so vielmehr werden sie gewahr/ was ihnen noch mangelt/ und was erfordert wird/ hingegen wie ihr voriges und jetziges noch so gar gering seye/ gegen dem/ was sie mehr und mehr erkennen/ wohin sie kommen solten. Sie hatten erst allein das groͤbere der welt abgeleget/ und daruͤber sehr gute gedancken von sich gehabt/ denn die augen trangen noch nicht so tieff hinein/ je tieffer sie aber hinein tringen/ so vielmehr finden sie von der subtilern welt/ und werden gewahr/ daß sich manches davon auch unter dem schein des guten verborgen habe. Sie mercken auch in der ausuͤbung der tugenden/ wie viel stuffen in denselben noch seyen/ die sie steigen solten/ da sie etwa auff der ersten stuffe sich eingebildet/ sie haben das meiste alles be- reits erstiegen. So finden sie auch der schrifft verstand immer tieffer/ und werden gewahr/ wie noch so viel schaͤtze in diesem bergwerck stecken/ davon sie nur erstlich etwas von dem ertz/ so sich an den tag leget/ gesehen hatten und sol- ches vor viel gehalten. Damit kommen sie endlich dahin/ wahrhafftig zu be- greiffen/ wie alle unsere erkaͤntnuͤß und heiligung noch stuͤckwerck seye/ und wie weit sie nicht allein noch von dem zweck/ den sie hier erreichen konten/ zu- ruͤcke seyen/ daher sich ferner darnach bestreben muͤßten/ sondern wie weit auch noch jener zu erreichen muͤgliche hoͤchste grad von der vollkommenheit entfernet bleibe. Dieses ist alsdann die gruͤndliche demuth/ neben dem/ daß sie auch alles was sie haben/ dessen geber allein zuschreiben/ und alle ehre auff ihn weisen/ und diese bleibet alsdann feste stehen: sie ist auch nichts erdichte- tes oder angenommenes/ sondern kommt aus der klahren uͤberzeugung ihres hertzens. Nun aus dieser demuth hoffe ich dero klagen zu kommen/ und ruf- fe ARTIC. II. SECTIO XXXIII. fe noch schließlich den himmlischen Vater an/ er wolle solche ihre klage/ ihr ei- nen staͤten antrieb werden lassen/ in seiner krafft staͤts zu wachsen/ worinnen sie sich schwach findet/ und ihre traͤgheit selbs auffzumuntern/ er lasse aber auch die demuth immer zunehmen/ so vielmehr als uͤbriges alles waͤchset/ und also je groͤsser sie in des HErrn und der glaubigen augen werden moͤchte/ je kleiner in den ihrigen zu seyn; insgemein aber nichts von sich zu wissen/ als daß sie ein durch JEsu blut erkaufftes und durch seinen Geist gesalbtes kind GOttes seye/ das der Vater aus gnaden liebe/ das blut des Sohnes immer mehr reinigen/ und der Geist an dessen heiligung arbeiten wolle/ sich also dem zu uͤberlassen/ der es alles vollend ausmache/ und sie in den genuß des ewigen erbes endlich setze. 1692. SECTIO XXXIII. Von einem angefochtenen knaben/ auch offte- rer communion. W As den schwehrmuͤthigen und angefochtenen knaben anlanget/ schei- net wol das meiste ein natuͤrlicher affect zu seyn/ der entweder allezeit oder meistens die phantasie verunruhiget/ doch mag sich der boͤse geist/ wie er keine gelegenheit uns zu schaden versaͤumet/ etwas zu weilen mit einmischen. Am aller meisten wundert mich/ und habe dergleichen sonst we- niger wahrgenommen/ daß er zu der arbeit nicht gebracht werden kan. Den zustand nun an sich selbsten/ halte ich davor/ muͤsse man verstaͤndigen leibli- chen Medicis (ob zwahr vielleicht nicht alle unter denselben dergleichen unge- meine kranckheiten verstehen) uͤberlassen: von geistlichen mitteln aber/ um so wol der gelegenheit zur besserung des menschen sich recht zu gebrauchen/ als auch dem satan zu wehren/ daß derselbe sich nicht dieses zustandes zu gefahr der seelen mißbrauche/ weiß ich keine andere als das goͤttliche wort und gebet: jenes daß der knabe/ so fern anders von ihm keine verunruhigung in der ver- sammlung zu sorgen ist/ so wol fleißig zu dem gottesdienst und der predigt ge- bracht/ als auch zu hauß fleißig unterrichtet/ und sonderlich ihm die erkaͤnt- nuͤß der gnaden-schaͤtze der heiligen tauff zu begruͤndung des glaubens und trostes aus GOttes wort beyzubringen getrachtet werde: indem wo er son- derlich der kindschafft des himmlischen Vaters und der daraus habender rech- te in seiner seele uͤberzeuget wuͤrde/ die schwehrmuth hinfallen oder doch sehr gemindert werden muͤste: dieses aber/ das gedet anlangende/ achte ich es vor wuͤrdig/ daß oͤffentlich in der gemeinde diese noth dem HErrn vorgetragen werde: so dann wird dienlich seyn/ daß man ihn nicht allein fleißig zum gebet/ wiewol ohn eigenlichen zwang/ anweise und vermahne/ sondern so wol die el- tern als andre gute freunde/ wo sie zu ihm kommen/ mit ihm beten: sonderlich aber Das fuͤnffte Capitel. aber wird geliebter bruder/ als sein seelsorger/ diese sorge mit gebet und zu- spruch an ihmuͤben. Der HErr aber selbs gebe darzu noͤthige weißheit und krafft. Jch komme nun auff den punct von der offtern communion/ und er- klaͤhre mich auff folgende art 1. die offtere communion der Christen/ welche ei- nen hertzlichen hunger und durst darnach empfinden/ kan ich nicht unbilligen/ sondern loben: jedoch/ daß verhuͤtet werde/ daß eben solches offtere nicht et- wa allgemach eine verachtung/ geringschaͤtzung oder wol endlich eckel verur- sache. Jch weiß mich zu erinnern/ daß der alte Sel. D. Johann Schmid in Straßburg alle monaten zu communiciren pflegte: dergleichen ich auch einen kauffmann in Franckfurt am Mayn zum beicht-kind gehabt/ dessen mehrma- ligere communion aber nicht eben grosse fruͤchte gebracht hat. So hatte noch eine andere beicht-tochter/ so auch sehr vielmal communicirte/ die ich aber des wegen/ damit es eine gemeinde nicht so leicht gewahr wuͤrde/ und sich dar- an ob wol unbillich stiesse/ in zwey kirchen/ weil ich in beyden mit administrir- te/ darzu gehen liesse. 2. Wo einer einen scrupel bekaͤm/ als uͤber unwuͤrdig genommenes Sacrament/ und er verlangte so bald drauff ihm solches noch- mal zu reichen/ koͤnte sich auch auff die geistliche niessung nicht bloß verweisen lassen/ haͤtte man ihm auch unschwehr zufuͤgen. Wie mich auch erinnere/ daß zu meiner zeit Herr D. Tabor, da er ein mal in eine schwehrmuth geriethe/ in etlichen tagen zwey mal das heilige abendmahl genossen. 3. Wo jemand sehr offt das heilige abendmahl zu gebrauchen sich vornehme/ haͤtte der beicht- vater seine ursachen zu forschen/ und zu pruͤfen/ ob sie wichtig/ oder nur in ei- ner singulari taͤt und eigensinn bestuͤnden: waͤre dieses/ o waͤre er fleißig zu er- iñern/ sich nicht an einer heiligen sache/ wo man unbedachtsam damit umgien- ge/ nicht nur desto mehr zu versuͤndigen: faͤnde man aber die ursachen richtig/ und das verlangen nach geistlicher staͤrckung zum grund wahrhafftig geleget/ so haben wir Prediger einem solchen unser amt nicht zu versagen/ sondern auch mehrmals dasselbe Sacrament ihm willig zu reichen: indem uns solche mehr- malige communion weder in GOttes wort noch auch nur in kirchen-ordnun- gen verboten ist. 4. Weil aber in allem dahin zu sehen ist/ daß andern kein anstoß gesetzet werde/ so gar daß wir diesen zu vermeiden nach der Apostoli- schen lehr wol gar auch unsre eigne freyheit aussetzen sollen/ so muß auch ver- huͤtet werden/ daß dieses mehrmalige brauchen des Sacraments niemand anstoͤßig werde. Daher wo die personen nicht so gar als sonst insgemein an eine gemeinde gebunden/ wie etwa Studiosi mehr freyheit haben/ moͤchte viel- leicht solchen zu rathen seyn/ daß sie solche geistliche speise in etlichen gemein- den/ zu einer zeit in einer/ zu einer andern zeit in der andern/ geniessen/ so aber mit vorwissen und belieben beyder Prediger geschehen muͤste. Sinds aber leute/ so durch die ordnung an eine gemeinde verwiesen/ haͤtte ich kein beden- cken/ ARTIC. II. SECTIO. XXXIII. cken/ da ich einmal des redlichen hertzens derselben versichert waͤre/ sie so offt als die heilige handlung meines orts oͤffentlich gehalten wuͤrde/ auch mit zu admitti ren: wuͤrde aber die gelegenheit nehmen/ in predigten einige mal da- von unterricht zu geben/ daß niemand seinen bruder/ der seine freyheit zu sei- ner seelen mehrern erbauung gebrauchte/ daruͤber urtheilen/ oder sich daran stossen solte: Wie ich dann in Franckfurth dergleichen mehrmal auff der can- tzel erinnert habe. 5. So lange man aber solche oͤffentliche cbmmunion haben kan/ liesse ichs nicht darzu kommen/ die handlung ausser dem nothfall/ wo man zur gemeinde nicht zu kommen vermag/ zu hause anzustellen. Jndem ein- mal die Sacramenten/ als die bande der gemeinde/ rechtswegen in die oͤffent- liche versammlungen/ und daß also alle glieder davon wissen moͤgen/ gehoͤren/ daher auch davon nicht abzuziehen sind. 6. Wo sich aber bey einer seelen ein so inbruͤnstiges verlangen nach dieser staͤrckung faͤnde an einem ort/ da man diese handlung seltener oͤffentlich haben kan/ oder auch sonst ausser der zeit/ die darzu verordnet ist/ wolte ich zwahr ihr zumuthen/ ob sie es nicht lieber auff die zeit der versammlung verschieben wolte/ liesse ihr aber ihr verlangen solches nicht zu/ wuͤrde es ihr entweder zu hause oder in der sacristey allein zu reichen mich nicht entziehen. 7. Wie nun dieses alles geredet ist von einem Prediger/ und wie derselbe sich gegen seiner gemeinde glieder/ oder doch die sich seines diensts gebrauchen wollen/ zu verhalten habe: also koͤnte hingegen durchaus nicht billigen/ wo sich einige/ ob wol sonsten glaubige hertzen/ die freyheit nehmen wolten/ (wie eines orts dergleichen exempel vorgegangen/ aber insgemein mehr schaden gethan hat/ als solche gute leute vor sich nutzen davon gehabt zu haben/ gedencken moͤgen) unter sich privatim die heilige com- munion zu halten. Dann nachdem aus goͤttlicher verordnung in der kirchen das amt der aͤltisten verordnet ist/ so ist denselben die auffsicht auf alles in der kirchen anbefohlen/ und kan also nichts/ was die gemeinde angehet/ dahin dann die handlung der Sacramenten gehoͤret/ als welche die bande der gan- tzen gemeinde sind/ von jemand ohne derselben vorwissen und einstimmung vorgenommen werden/ wie ich solches in einem eigenen bedencken ausgefuͤh- ret habe/ sondern wer sich dergleichen/ ausser dem wahren nothfall/ unterneh- me/ wuͤrde sich damit versuͤndigen/ auch in einer sonsten an sich selbs heiligen sache: zu geschweigen was aus solcher licenz der eigenmaͤchtigen communion vor aͤrgernuͤß und zerruͤttung entstehen wuͤrde/ also daß unsrer gantzen kir- chen eusserster ruin und oͤffentliche trennung daraus nothwendig erfolgen muͤsse/ zu allzuschwehrer verantwortung derjenigen/ welche dergleichen ver- anlaßten/ nachdem das gewiß daher erwartende unheil so groß ist/ daß wo auch einigerley massen eine mehrere freyheit goͤttlichem wort nicht gantz zu- wider zu seyn gezeiget werden koͤnte/ glaubige sich lieber ihrer eigenen frey- Q q q q q heit Das fuͤnffte Capitel. heit und daraus hoffenden trostes aus liebe enthalten/ und die ersetzung die- ses mangels von dem/ der die liebe gnaͤdig ansihet/ erwarten/ als einen solchen jammer/ an den ich nicht gedencken kan/ daß mir nicht die haare zu berge ste- hen/ und dessen erfolg nachmal ihnen selbs sehr schwehr auff das gewissen fal- len wuͤrde/ veranlassen solten. Jn allem diesem bitte ich die sache in der furcht des HErrn und mit dessen anruffung hertzlich zu uͤberlegen/ und der eigenen staͤrckung sich also zu gebrauchen/ daß sie nicht zu so vieler anderer schwachen und starcken niederstossung gereiche: auch in dieser gantzen materie die folgen- de spruͤche immer vor augen zu haben/ einstheils Hebr. 5/ 4. Niemand nim- met ihm selbs die ehre/ sondern der auch beruffen seye von GOTT/ gleich wie der Aharon: andern theils 1. Cor. 10/ 23. Jch habe es zwahr alles macht/ aber es frommet nicht alles. Jch habe es alles macht/ a- ber es bessert nicht alles: und Philip. 2/ 4. ein jeglicher sehe nicht auff das seine/ sondern auf das/ das des andern ist. Der HErr aber gebe uns selbs die weißheit/ die vor ihm ist/ seinen willen in allen stuͤcken zu erkennen/ und demselben nachzufolgen/ in dem was er austruͤcklich befohlen hat/ men- schen nicht zu fuͤrchten/ in andern dingen aber anderer aus sein und des nechsten liebe zu schonen: Er bewahre auch selbs seine kirche vor allem anstoß/ und diejenige steine/ die wir ohne mehrern schaden noch nicht heben koͤnnen/ hebe er bald durch seine herrliche zukunfft/ dero wir die ehre der voͤlligen zu- rechtbringung werden muͤssen uͤberlassen und empfehlen. 1693. SECTIO XXXIV. Trost an einen/ der durch ungluͤcklichen fall eine zeit- lang zu seinen amts-geschaͤfften untuͤchtig worden. E S wird in rechter seelen-ruhe zu bleiben/ sehr nuͤtzlich seyn/ alle die ge- dancken von menschen/ was sie in diesem geschaͤfft gethan oder gelassen/ und anders sich haͤtten bezeugen sollen/ schlechterdings abzuziehen/ und auf GOtt lauterlich zu richten/ als ohne dessen willen uns nicht ein haar von unserm haupt fallen/ weniger ein schwehreres ungluͤck uns betreffen/ o- der uns von menschen etwas begegnen kan. Was wir nun mit solchem her- tzen ansehen/ als von GOtt kommende/ solches laͤsset uns in unsrer ruhe: und finden wir leicht selbs/ daß wir mit GOtt nicht zuͤrnen koͤnnen/ noch dessen ursach haben: jenes/ weil er nach unserm zorn nichts zu fragen hat; dieses/ weil sein rath/ auch da er unsern gedancken entgegen/ gewiß weise und guͤtig/ daher zu unserm wahren besten gerichtet ist. Ginge es nun nach meinem und etwa auch anderer menschen gutachten/ hielten wir es vor das beste/ wie wir auch wuͤnschen/ daß derselbe durch goͤttliche gnade wiederum dermassen zu- recht ARTIC . II . SECTIO XXXIV. zurecht kommen moͤge/ ohne einige hindernuͤß immerfort alle seine vorige ver- richtungen wieder so anzutreten/ als lange zeit annoch zu verwalten: solle es aber dem HErrn HErrn gefallen/ denselben laͤngere zeit in dieser gedult-schu- le auffzuhalten/ oder sein lebtage an dieser last tragen zu lassen/ so muͤsten wir gleichwol auch sagen/ der HErr thue alles wohl/ auch wo er wider diese un- sre gedancken thut/ und bleibe demnach sein wille allezeit der beste. Wir wis- sen/ der gantze zweck dieses unsers zeitlichen lebens ist derjenige/ damit unsre seele zu jener kuͤnfftigen herrlichkeit recht bereitet werde/ und wir hier in die- ser zeit vielen guten saamen ausstreuen/ davon wir dort in der ewigkeit eine reiche erndte sammlen moͤgen. Hierzu ist nun wol das ordentlichste mittel/ daß man lange vieles gutes in seinem so allgemeinen Christen-als absonderlichen stand und beruff zu GOttes ehren und des nechsten bestem auszurichten/ zeit/ gelegenheit und kraͤfften habe/ darzu langes leben und gute gesundheit er- fordert wird/ daher aus jenem rechten zweck auch nach diesen verlangen zu tragen nicht unrecht/ sondern goͤttlicher ordnung gemaͤß ist. Wem auch Gott solche beschehret/ ist man dieselbe treulich darzu anzuwenden allerdings ver- bunden. Es kan aber geschehen/ daß goͤttlicher rath zuweilen ein anders uͤ- ber uns beschlossen hat/ daß er nemlich/ da wir noch mitten in dem lauff mit allerley arbeit ihm zu dienen begriffen sind/ denselben durch entziehung der gesundheit hemmet/ und uns also ausser dem stande setzet/ mit vorigen verrichtungen ihm ferner zu dienen. Geschihet nun solches/ so thut uns ins- gemein nicht allein das leyden unsers leibes wehe/ sondern die fleischliche vernunfft/ die sich nicht in GOttes ordnung zu schicken weiß/ fichtet uns da- mit an/ daß wir damit zu allem dienst Gottes unnuͤtz wuͤrden/ woraus nichts anders als schwehrer zorn desselben zu schliessen seye. Nun ist nicht ohne/ daß man freylich die sache auch also anzusehen habe/ GOtt weise uns auff die pruͤ- fung unsers vorigen lebens/ wie fleißig wir alle unsere wercke lauterlich zu GOttes ehre und des nechsten besten gerichtet/ oder eigengesuch mit einge- mischet/ und ihn zu entziehung des nicht treulich angewandten verursacht haben moͤchten/ um nachdem wir uns befinden/ deswegen vor GOtt bußfer- tig zu demuͤthigen. Jndessen haben wir sonderlich darauff zu sehen/ daß der- gleichen schwaͤchung unserer natuͤrlichen kraͤfften/ gleich wie die verbindung zu dem dienst unsers GOttts/ also auch das vermoͤgen darzu/ nicht auffhebe/ sondern nur aͤndere. Jndem man demselben nicht allein mit emsiger arbeit und verrichtung vieler eusserlichen geschaͤfften/ so zwahr auch bey gesunden tagen nach habendem beruff geschehen muß/ sondern nicht weniger mit gedul- tiger tragung der aufferlegten last/ und taͤglicher auffopfferung oder erge- bung seines willens in den goͤttlichen/ geschehen kan: ja dieser dienst in gedult aus glaubigem hertzen geleistet/ ist so heilig vor GOtt/ als derjenige/ der et- Q q q q q 2 wa Das fuͤnffte Capitel. wa zu andern malen mit vieler arbeit/ als man sie zu thun vermochte/ gelei- stet worden war. Sehen wir aber uns selbsten an/ so ist kaum einiger zustand tuͤchtiger an unsrer seelen ungehindert zu arbeiten/ darzu sonsten bey der ver- richtung vieler geschaͤfften man so offt kaum zeit und kraͤfften/ die an anders gewendet werden muͤssen/ findet. Also daß man auch wahrhafftig darinnen Gottes heilige liebe gegen uns abzunehmen/ und wann man sie erkant/ danck- barlich zu preisen hat/ wenn er uns einen theil unsers lebens/ nachdem wir das uͤbrige fast allein an andern anwenden muͤssen/ uns lediglich zu unsrer eignen seelen sorge/ und mit ihm selbs mehr umzugehen/ uͤberlaͤsset. Hat nun dorten Carolus V. um eine zeit zu haben/ da er auch ihm selbs in gesundem verstand lebte/ sich seiner reiche entschlagen; Geschihet es auch jetzt zuweilen von einigen (dero thun zwahr nicht vermessentlich beurtheilen will/ aber goͤtt- lichen willen darinnen auch nicht sehen kan/ noch auff mich die verantwor- tung zu nehmen getraute) die bey noch gesunden tagen sich aller geschaͤfften und aͤmter entschlagen/ in einer stille GOtt an ihren seelen arbeiten zu lassen: so solle uns so viel leichter ankommen/ in demjenigen stand/ darinn uns GOtt selbs setzet/ und wir daher an dem beruff darzu keinen zweifel haben koͤnnen/ ihm willig auszuhalten/ nach welchem andere gestrebet/ und darein zu kom- men mit einer gewalt sich loßzureissen wuͤrdig geachtet haben. Jchzweifle aber nicht/ derselbe werde seither selbs alles dieses vor GOtt hertzlich uͤberle- get/ darinnen trost gefunden/ und sich desto williger in die hand des HErrn/ darinnen uns nicht anders als wohl seyn kan/ gegeben haben. Der liebste Vater/ der zwahr auch dem eusserlichen menschen noch so viel kraͤffte als sei- ne ehre mit sich bringet/ beschehren wolle/ lasse sonderlich alle bißherige jenes verwesung mit so viel kraͤftigerm wachsthum des innerlichen ersetzet werden/ und schicke es also/ daß auch um diese guͤtige fuͤhrung wir ihm von grund der seelen dancken in zeit und ewigkeit: so er auch gewiß thun wird. ꝛc. 1698. SECTIO XXXV. Trost an eine christliche frau/ die neben leibes- schwachheit durch vielerley sorgen niedergeschlagen wurde. O B ich wol daran nicht zweiffele/ daß dieselbe mit ihrem GOTT hertz- lich zu frieden/ an denjenigen guͤtern/ mit welchen der liebste Vater ihre seele begnadet/ sich vornemlich vergnuͤget/ aber darvon auch manche hertzliche freude des Geistes bey sich fuͤhlen wird/ kan doch auch leicht erach- ten/ daß so wol die leibes-schwachheit/ damit dem liebsten Vater nechst an- dern proben ihre gedult offt zu pruͤffen beliebet hat/ als auch dasjenige/ was man ARTIC . II. SECTIO XXXV. man in geistlichem und leiblichem zu geschehen ansehen muß/ ihre seele manch- mal aͤngste/ daß derselben offt lang werden wird/ unter Mesech und in den huͤt- ten Kedar zu wohnen. Wie aber die vaͤterliche guͤte das leiden des leibes so wol allezeit ertraͤglich machen und mit ihrem trost erleichtern/ also auch durch solche verwesung des eussern menschen des innern wachsthum und erneue- rung herrlich befoͤrdern wird/ so wir von derselben uns gewiß versehen moͤ- gen: Also wird auch dieselbe sie uͤber alles dasjenige/ wo sie sich auch die allge- meine uͤbel zu hertzen zeucht/ als welches wahrer Christen art ist/ kraͤfftig troͤ- sten. Lasset uns glauben/ es moͤge so arg und boͤse immer hergehen/ so muͤsse es also gehen; seye uns laͤngsten vorgesagt/ und werde zu derjenigen besten ausschlagen/ welche JEsum hertzlich lieben. Solten auch falsche lehren uͤberhand nehmen/ und die verfuͤhrungen groß werden/ welches allerdings und schrecklicher/ als wirs uns noch einbilden/ geschehen wird: So wird Chri- stus seine auser wehlten/ die ihn vor ihren einigen meister erkennen/ und sich an seine wort halten/ vor kraͤfftigen irrthuͤmen bewahren/ und die salbung in derjenigen maaß ertheilen/ die ihnen gnug seye/ vor allen verfuͤhrungen sicher zu bleiben. Solle die gottseligkeit noch ferner verspottet/ und welche sie trei- ben/ eben deswegen vor verdaͤchtig/ ja vor verfuͤhrer/ gehalten werden: So wird der HErr gleichwol die seelen/ die in ihrer einfalt ihm glaubig anhangen/ auch bewahren/ daß sie weder an andern unschuldigen sich mit versuͤndigen/ noch dardurch von dem wege der gottseligkeit abwendig machen/ sondern desto ernstlicher drauf fortfahren/ und etwas der schmach Christi auch willig mit auffnehmen. Sollen auch eusserliche harte verfolgungen bald ausbrechen/ davon man vielleicht die wetter schon von weitem auffgehen sihet/ so solle doch auch solche versuchung nach der treue GOttes seinen kindern nicht zu schwehr werden/ sondern das maaß des Geistes wachsen/ nachdem die leiden zunehmen. Sollen auch stunden kommen/ daß sich das vaͤterliche angesicht verbirget/ und die fuͤhlung des trostes eine zeitlang entstehet/ so wird der HErr den glauben/ den wir verlohren zu haben meinen/ uns unwissend in dem tieffsten grund der seelen und in dem allerheiligsten/ uns aber durch denselben/ erhalten. Solle die ungerechtigkeit mehr und mehr uͤberhand nehmen/ also gar/ daß auch diejenige/ so die versorger und beschuͤtzer des volcks seyn sollen/ demselben zu lauter plag und straffe wuͤrden/ also daß leib/ leben/ ehr/ haab und gut zu verliehren augenblickliche gefahr obschwebte: So bleibet Christus un- ser so guͤtiger als gerechter Koͤnig/ der/ wo er der seinigen glauben durch die ungerechtigkeit seiner amtleute obwol mit harten proben uͤberlaͤsset/ sie dan- noch maͤchtiglich erhaͤlt/ den abbruch der irrdischen guͤter mit so vielmehr geist- lichem und innerlichem ersetzet/ das verlangen des ewigen dardurch bey ihnen schaͤrffet/ und zu rechter zeit allen gefahren entreisset. Sollen die zeiten kom- Q q q q q 3 men Das fuͤnffte Capitel. men der truͤbsaalen/ dergleichen noch nie gewesen sind/ wie sie dann kommen muͤssen: So muß auch seine krafft in den seinigen so viel staͤrcker werden/ und sehen sie da hindurch auf die verheissene erquickung vor dem angesicht des HErrn/ und uͤberwinden damit alles weit in dem/ der sie geliebet hat und lie- bet/ so wol in dem reich des creutzes/ als in dem reich des liechtes/ und endlich jener ewigkeit. An allem diesem trost weiß ich/ wirds meiner geliebten/ der- jenige nicht manglen lassen/ den sie auch liebet/ und der ihr schon so viel zu uͤber- winden geholffen hat. 1696. SECTIO XXXVI. Trost-schreiben an einen/ der in langwieriger kranckheit sein leben fuͤhren muͤssen. Was aus GOttes rath dergleichen leben nutze. Krafft deren ohne vieler erudition gefaßter schrifften. E S hat mich erfreuet/ daß der grosse GOTT meine wenige arbeit/ so er von mir verrichten lassen/ nachdem theils deroselben durch den truck pu- blici ret worden/ sonderlich aber meine postill/ auch ihres orts und nah- menlich bey meinem geliebten freunde gesegnet habe/ da derselbe einige er- bauung daraus geschoͤpfft zu haben freundlich bezeuget. Jch weiß zwahr und erkenne/ daß der lieben und von GOTT mit mehreren gaben ausgeruͤste- ten maͤnnern ausgefertigten buͤcher gnug vorhanden sind/ daß wir/ da ohne das die heilige schrifft unser haupt- und vornehmstes buch bleibet/ anderer weiter nicht bedoͤrffen/ weil aber durch unterschiedliche gelegenheit/ guter freunde begehren und also vermutheter goͤttlichen fingers anzeige/ veranlas- set worden bin/ mehrere von meinen einfaͤltigen predigten herauszugeben/ so ist mirs billich eine freude/ wo mich GOTT hoͤren laͤsset/ daß er solche arbeit bey einigen guten hertzen segne/ und sie also nicht vergebens angewendet seye: Jndem ich dadurch/ nach art der menschlichen natur/ welche offters etwa eini- ge auffmunterung/ in dem guten nicht traͤge zu werden/ noͤthig hat/ zur arbeit desto mehr auffgemuntert/ gegen die anfechtung/ welche dasselbe offters ver- ursachet/ wo man sihet/ (wie ich leider auch erfahren muͤssen!) daß wolgemein- te dinge und schrifften von andern widrig-gesinneten und unbedachtsamen in verdacht gezogen und fast unnuͤtz gemacht werden wollen/ bekraͤfftiget/ und dem geber aller guten gaben und alles segens desto hertzlicher danckzusagen in dem gemuͤth/ so sonsten offters niedergeschlagen ist/ erhoben werde. Und zwahr solches so vielmehr/ weil jedes solches zeugnuͤß eines christlichen menschen/ der sich durch solche erbaut zu seyn bekennet/ mir eine neue probe ist/ wie GOTT auch die einfaͤltigste und ohne apparat der erudition ausgefertigte schrifften wie ARTIC . II. SECTIO XXXVI. (wie ichdann nicht nur allein mir meiner schwachheit wol bewußt bin/ sondern nicht leugne/ daß ich in predigten und schreiben geistlicher materien mich aller einfalt vor allen dingen befleisse/ und den gebrauch der wenigen erudition, die ich haben mag/ lieber suche dabey zu unterlassen/ als dieselbe darinnen anzu- wenden) nicht weniger ja offters mehr segne/ als diejenige/ wo alles nach den reguln der kunst ausgearbeitet wird. Da bekenne nun/ daß mich solches so viel hertzlicher erfreuet/ weil es eine bekraͤfftigung der wahrheit ist/ so ich offt treibe/ und desto hoͤher die erfahrung derselben halte/ daß die krafft des goͤtt- lichen worts nicht haͤnge an dem kuͤnstlichen vortrag/ und hinzugesetzter menschlicher erudition, sondern dieselbe in sich habe/ und sie gemeiniglich am kraͤfftigsten erzeige/ wo man es ohne vielen zusatz menschlicher kuͤnste laͤsset. Wie der Apostel sagt: Er habe das Evangelium nicht predigen sollen mit klugen worten/ auf daß nicht das creutz Christi zu nichte werde; und wiederum sein wort und predigt seye nicht gewesen in vernuͤnffti- gen reden menschlicher weißheit/ sondern in beweisung des Geistes und der krafft/ auf daß ihr glaube bestehe nicht auf menschen-weißheit/ sondern auf GOttes krafft. 1. Cor. 1/ 17. 2/ 4. Da ich deswegen immer gesorget/ wo allzuviel erudition und menschliche kunst mit eingemischet werde (welche sonsten ihres orts wol auch paßiren mag) so moͤge es leicht geschehen/ daß die gemuͤther sich in diesen dingen vergaffen/ und an menschlichen bewe- gungen haͤngen bleiben/ die krafft des worts selbs wenig achtende. Also preise ich billich den himmlischen Vater/ der hingegen auch an meinem weni- gen exempel zeiget/ daß sein wort ohne dergleichen gesuchte zierrathen nichts weniger kraͤfftig seye/ sondern in die hertzen tringe: Bitte ihn auch/ daß er mich immer mehr und mehr zu der rechten einfalt in Christo fuͤhre/ und darinnen befestige/ daß ich nicht suche/ sein wort zu verkuͤnstlen/ sondern wisse/ wozu die menschliche erudition zu brauchen seye/ worinnen sie ihren nutzen habe oder nicht habe. Was im uͤbrigen anlangt das verlangen meiner wenigen schriff- ten indiculum zu sehen/ so lege denselben hiebey. Ferners ist mir auch dieses liebe schreiben darinnen erfreulich gewesen/ daß dadurch Herrn N. N. nahm und geruͤhmte treue mir bekant worden ist. Wie ich dann nicht leugne/ daß/ nachdem ich leider an den meisten orten/ wo ich meine augen offtmals in unse- rer Evangelischen kirchen hinwende/ vielmehr miedlinge und untreue/ als wahre und ihres Ertz-hirten exempel nachahmende hirten ansehe/ und dieses vor eines der schwehrsten gerichte und elend unserer zeiten achte/ desto hertzli- cher erfreuet werde/ wo ich bald da bald dorther von treuen bruͤdern hoͤre/ wel- che nach Pauli worten nicht das ihre/ sondern was JEsu Christi ist/ mit auff- richtigem hertzen suchen/ weder ehre/ noch reichthum/ noch wollust in dieser welt/ Das fuͤnffte Capitel. welt/ noch auch ihre gunst angelegenlich verlangen/ sondern allein begehren/ vor dem HErrn in seinem dienst treu erfunden zu werden; welches geschihet/ da sie das wort der wahrheit/ offentlich und absonderlich/ wie es seyn mag/ lauter/ eiffrig und in goͤttlicher weißheit vortragen/ und dadurch/ wie nicht weniger mit heiligem wandel/ an ihren gemeinden arbeiten. Dergleichen nun zu seyn ruͤhmet mein werthester freund seinen treuen Beicht-vater: Da ich auch deswegen den grossen GOTT danckbarlich preise/ welcher auch an demselben einen treuen arbeiter in seine erndte gesendet/ er wolle auch solchen/ samt allen andern ihres und anderes orts gleich-gesinneten/ gnaͤdiglich staͤr- cken und erhalten/ ja dero zahl immer groͤsser/ die menge aber der sich selbs suchenden und weidenden hirten/ auf ihm bekante und seiner so weißheit als guͤte/ und gerechtigkeit gemaͤsse art/ geringer werden lassen/ auch deroselben hindernuͤssen/ die sie dem guten in den weg werffen/ kraͤfftiglich widerstehen. Neben dem bitte freundlich/ bey gelegenheit ihm meinen bruͤderlichen gruß samt hertzlichem vergnuͤgen so ich von seiner angeruͤhmten amts-treue ge- schoͤpffet zu hinterbringen. Wie ich auch nicht unterlassen will den HErrn fuͤr ihn anzuflehen. Hinwieder mich auch in desselben fuͤrbitte hertzlichem- pfehle. Wie nun alles dieses in seinem werthen schreiben mich sehr erfreuet/ so ist noch eines darinnen gewesen/ so zwahr eine ursach einer betruͤbnuͤß/ so- bald aber auch dabey neuer freude gegeben/ da mein geliebter Herr und freund seines von 9. jahren her ausgestandenen creutzes meldung thut. Na- tuͤrlich ists seine schmertzen und leyden fuͤhlen/ und gestehet auch der liebe A- postel Hebr. 12. daß die truͤbsaal/ wo sie da ist/ uns nicht duͤncke freude zu seyn sondern traurigkeit. So bringt die freundschafft-liebe auch die- ses mit sich/ daß man derjenigen/ welche man werth haͤlt/ schmertzen/ in einer gemeinschafft des gemuͤths auch damit empfindet/ und also nicht ohne wah- res mitleiden davon angehoͤret werden kan. Wie mich dieses dann auch so vielmehr verbinden wird/ den HERRN HErrn hertzlich anzuruffen/ daß er auch diese last so tragen helffen/ auch mindern undzu rechter zeit wiederhin wegnehmen wolle. Jndessen leugne nicht/ daß mich zugleich inniglich ver- gnuͤget und erfreuet hat/ aus eben solchem geliebten brieffe zu vernehmen/ wie christlich und gelassen derselbe solches sein creutz annimmet/ und also wie viel nutzen es bereits in GOttes seegen an seiner seelen gebracht haben muß/ daß also nach Pauli worten duꝛch die verwesung des eussern der innere mensch zimlich muß erneuert worden seyn. Er nennet es ein leidliches/ heilwer- thes creutzlein. So wuͤrde etwa die vernunfft/ fleisch und blut darvon nicht reden/ in dem wir die gesundheit vor das theuerste gut unter allem zeit- lichen achten; wie es auch in der that gegen andere zeitliche gerechnet diesel- be ARTIC. II. SECTIO XXXVI. be weit uͤbertrifft. So kan also eine solche anhaltende schmertzliche unpaͤß- lichkeit unserm alten menschen nicht anders als untraͤglich vorkommen; schei- net auch/ er habe scheinbare ursach/ sich derselben zu beschwehren/ wo man si- het/ daß man dadurch gehindert und gleichsam umuͤchtig wird/ unserer mei- nung und gedancken nach GOTT zu dienen. Ja es ist unmoͤglich/ daß wir anders davor halten koͤnnen/ als lang wir nicht blosser dings die augen schliessen/ und nur auff GOttes rath und willen sehende wahrhafftig glau- ben/ GOtt werde niemalen von uns besser gedienet/ als auf die art und wei- se/ nicht welche wir nach eigener weißheit uns erwehlen/ sondern wie er uns berufft/ es seye zuthun oder zuleiden. Also sind es worte/ die wie ich mich versichere/ daß sie von hertzen gehen/ also aus der wuͤrckung des heiligen Gei- stes herkommen muͤssen: Da heisset uns leidlich/ was uns sonsten untraͤglich schiene/ weil wir die goͤttliche krafft spuͤhren/ welche uns in dem gegenwaͤrti- gen das leyden uͤbertragen hilfft/ und auf das kuͤnfftige die goͤttliche verheis- sungvor augen haben/ die uns versichert/ daß uns nichts zuschwehr wer- den solle. Da heisset uns heilwertig/ worinnen der natuͤrliche mensch nichts als unheil schaden und hindernuͤß des vorgehabten guten zu erkennen meinet. Da heissets ein creutzlein/ welches sonsten die empfindlichkeit des fleisches uns nicht groß genug zumachen weiß. Und erinnerten mich solche wort der gleichfoͤrmigen beurtheilung des in dem creutz wohlgeuͤbten Pauli: Unsere truͤbsaal (da er doch von den schwehrsten redet/ welche moͤg en gefun- den werden) die zeitlich und leicht ist/ schaffet eine ewige und uͤber alle maaß wichtige herrlichkeit/ uns die wir nicht sehen auff das sichtbare/ sondern auff das unsichtbare. Denn was sichtbar ist/ das ist zeit- lich/ was aber unsichtbar ist das ist ewig. 2. Cor. 4/ 17. 18. Also ist mir dieses ein liebes und angenehmes zeugnuͤß/ daß der HErr so viel durch solches creutz und dessen erfahrung bereits in meinem werthen freunde gewircket/ daß er gelernet/ von allen dingen nicht zu urtheilen nach der em- pfindlichkeit der natur/ sondern nach der wahrheit des geistes. Welches wahrhafftig viel ein herrlicher gut ist/ als alle vergnuͤgung/ welche der mensch von seiner leiblichen gesundheit/ und was dieselbige dem menschen nutzen kan/ fchoͤpffen moͤchte. Wie nun die goͤttliche wuͤrckung seinen verstand erleuch- tet hat/ in dem creutz dasjenige zu erkennen/ was das natuͤrliche liecht daselbs nicht entdecket/ also sehe ich auch/ daß das liebe gemuͤth und wille dadurch nicht weniger kraͤfftig geruͤhret seye/ da er seinem himmlischen Vater fuͤr sol- che heimsuchung hertzlich dancket/ und damit allerdings zufrieden ist. Wo ich nun diese unterwerffung des willens unter den goͤttlichen oder diese kindliche gelassenheit bey einer seelen finde/ so preise ich sie billich vor so vielen andern/ R r r r r auch Das fuͤnffte Capitel. auch in der welt gluͤckseligsten/ hochselig/ dann dieselbe ist GOttes beqveme so wohnung als werckstaͤtte/ darinnen er immer mehr und mehrers wircket/ an dem sonsten der eigene wille ihn leider bey uns meistens hindert. Ja ein solcher ist fast entflohen allem elend/ so uns sonsten trifft/ in dem er nichts mehr vor elend haͤlt/ sondern mit froͤlicher zufriedenheit und dancksagung von dem himmlischen Vater dasjenige aufnimmet/ dessen leiden und em- pfindlichkeit andere elend und betruͤbt machet. Ob nun auch sein also ein- sam fuͤhrendes leben andern sehr ungluͤckselig scheinen moͤchte/ so ists wahr- hafftig ein seliges leben/ bey einem solchen gemuͤth/ das es auf eine derglei- chen art aufnimmet: und ob wir/ die wir nach des HErrn heiligem rath und willen stets unter andern leuten leben muͤssen/ und dazu von der amts- und liebe pflicht verbunden werden/ billich GOTT dem HErrn auch fuͤr solche gnade dancken/ wo er uns durch dieses mittel zu einigen werckzeugen seiner gnaden macht/ daß wir anderen gutes zuthun die gelegenheit offters bekom- men/ so fuͤhlen wir doch auch dabey/ wo wir acht geben/ unsere schwehre last/ und wie manchmal der auch noͤthige umgang mit andern uns so vieles un- gleiches und unreines anklecket/ daß wir offt schier nicht genug absehen/ ob wir dem nechsten mehr nutzen oder uns schaden gethan. Es gehet uns fast wie dem geld/ in je mehrere haͤnde es kommet/ so viel unsauberer wird es. Da- her diejenige/ welche nicht ihre eigene zaͤrtigkeit oder eigensinn/ da man des nechsten/ und was wir demselben verbunden seyen/ nicht achtet/ sondern GOt- tes heilige regierung und also die von ihm zusendende leibes schwachheit von der meisten anderer leute conversation abhaͤlt/ sich nicht sonderlich daruͤber zu betruͤben/ weniger zu beschwehren/ sondern es vielmehr vor eine sonderbare goͤttliche wolthat zu achten haben/ welche ihrer schonet/ und ob wir solches so eigenlich bey uns nicht abnehmen koͤnnen/ aber aus der goͤttlichen guͤtigen re- gierung billich davor zu halten haben/ vorgesehen haben muß/ daß wir unter den leuten unseren seelen weniger frucht wuͤrden geschafft haben/ noch starck genug gewesen seyn/ allen denen in dergleichen umgang uns betreffenden ver- suchungen dermassen zu widerstehen/ daß wir nicht schaden darvon genommen haͤtten. Nun was liget uns an allem andern als an erhaltung unsers theuersten kleinods der seelen? zu dero besserung/ reinigung und heiligung gi- bet aber dergleichen ein auch aus noth abgesondertes leben/ bey denen/ so den rath des himmlischen Vaters in solcher sache recht einsehen/ und sich demsel- ben gemaͤß zu bezeugen trachten/ viel trefflichere und leichtere gelegenheit/ als dasjenige/ welches unter andern gefuͤhret wird. Und wo es etwa darum zu thun ist/ oder dieses guten seelen eine anfechtung und betruͤbnuͤß machet/ daß sie sorgen/ sie seyen nichts nutz in der welt/ und koͤnten mit ihrem pfund GOTT und dem nechsten nicht rechtschaffen dienen: So wird sich doch in gott- ARTIC. II. SECTIO XXXVI. gottseliger uͤberlegung die sache gantz anders finden: Dann diejenige sind schon nutz genug/ welche ihr leben fuͤhren nach dem willen dessen/ der sie in die welt gesetzet hat/ und sie also haben will/ als er sie selbs gemacht: Wie ich nun nicht sagen kan von einiger andern creatur/ dero nutzen mir nicht scheinbar ist/ daß sie in der welt unnuͤtz seye/ als welches die weißheit des Schoͤpffers in zweiffel ziehen wuͤrde/ welche etwas unnuͤtzliches gemacht haͤtte/ daher mir dieses bereits dazu genug ist/ daß ein ding nuͤtzlich seye/ weil und wann es das- jenige ist und bleibet/ wozu es der Schoͤpffer gesetzet hat: So kan ich auch kei- nen einigen menschen vor unnuͤtz halten/ als lang er in der ordnung stehet/ wie ihn sein Schoͤpffer geordnet hat/ welcher besser verstehet/ wie seine ehr an jeg- lichem/ an einem so an einem andern anders/ am besten befoͤrdert werde. Nun bestehet aber der vornehmste nutzen unserer selbs und aller creaturen darin- nen/ wann wir werckzeuge der ehre unsers GOttes nach seinem willen sind/ und moͤchte uns dasselbe schon genug seyn/ wo es moͤglich waͤre/ daß wir auch nichts zu unsers neben-menschen dienst zu thun vermoͤchtẽ/ daß gleichwol der/ um deßwillen alles ist/ an uns seinen zweck erreichete. Zu dem noch ferner kommt/ daß die fernere heiligung unserer seelen/ dazu ein solches leben so statt- liche anlaß gibet/ wahrhafftig ein grosser nutzen ist/ nicht nur vor uns/ sondern zur befoͤrderung des allgemeinen zwecks unsers grossen GOttes/ bey dem al- les dahin gehet/ derjenigen seelen viele zu haben/ die ihn wahrhafftig erkennen/ und danckbarlich preisen/ und in denen sein bild mehr und mehr erneuert wird. Jsts also un disputi rlich/ daß diejenige nutz in der welt sind/ welche anderer seelen zu GOTT fuͤhren/ wie solte dasjenige unnuͤtz seyn/ was unsere seelen dem HErrn zu gefallen so vielmehr bereitet? Jndessen moͤgen wir ja nicht sa- gen/ daß solche liebe leute/ welche der weise Vater auf diese oder andere weise in einer mehrern einsamkeit enthaͤlt/ andern ihren nechsten unnuͤtz seyen/ wie sie offters sorgen: Aber das sey ferne! Es gibt ihnen ja auch solches ihr leben/ so sie zwahr in mehrer einsamkeit fuͤhren/ anlaß genug/ ihrem nechsten mit er- innerung/ rath und dergleichen an die hand zu gehen/ und solches meistens in allen denjenigen stuͤcken/ worinnen der verstand und gemuͤths-kraͤfften mehr als die bemuͤhung des leibs zu thun vermoͤgen: Wie viele von unterschiedli- chen professio nen arbeiten zu hauß so viel vor ihren nechsten/ und werden des- wegen zu hause gesucht/ als immer andere thun koͤnnen/ die stets unter den leuten herum gehen? Zu geschweigen der regierung seiner hauß-genossen und pflichten/ so man in geistlich- und leiblichem ihnen thun/ daher die liebe kraͤfftig erweisen kan: Auch jetzo nicht zu sagen/ daß so gar diejenige/ welche dermassen unvermoͤgliches leibes und durch kranckheiten zu andern verrichtungen un- vermoͤgend gemacht sind/ daß sie solten ihnen selbs und andern nur eine un- nuͤtze last scheinen/ wo sie wahre gottselige Christen sind/ mit dem gebet allein/ R r r r r 2 so Das fuͤnffte Capitel. so sie fuͤr sich und andere zu GOTT auffschicken/ etwa mehr nutzen/ als viele andere/ an denen offt alles geschaͤfftig zu seyn scheinet: Wie ich nicht zweiffele/ daß nicht nur einmal nicht so wol die sorge und klugheit so dann arbeitsamkeit und fleiß derjenigen/ welche in geistlich-weltlichem und gemeinem stand alles allein zu thun das ansehen haben/ eine stadt erhalten/ viel segen erlan- get/ und ungluͤck abgewendet habe/ als das inbruͤnstige und unauffhoͤrliche seuffzen und flehen etzlicher armer verachteter aber gottseliger leutlein/ die in einem winckel gelegen/ und doch ihnen selbs unvermerckt in der gemeinen wol- fahrt herrlich und kraͤfftig gearbeitet haben: Welches sich dermaleins/ wo wir dorten die uns verborgene regierung GOttes besser einsehen werden/ deutlicher und klaͤhrlicher offenbahren wird. Wo komme ich aber hin? Mein geliebter freund sihet auffs wenigste hieraus/ wie mir sein ob- wol sonsten dem eusserlichen nach betruͤbt scheinender zustand vorkom- me/ daß ich neben dem christlichen mitleiden nicht unbillich mit dem- selben eben so wol anbey mich erfreuen und ihm gratuli ren koͤnne/ daß der HERR von einer thraͤnen-saat eine so fruchtbare erndte vie- les guten bereits habe bey ihm erwachsen lassen/ zu so viel gewisser versicherung der dermaleins uͤberaus grossen herrlichkeit. Jch ruffe zuletzt/ nach dem fast allzulange denselben mit meinem schreiben auffgehalten/ den Vater der barmhertzigkeit und GOTT alles trostes flehentlich an/ welcher noch ferner uͤber ihn seine gnade kraͤfftig walten lassen/ wo die zeit verhanden seyn wird/ bißheriges leyden wenden oder mildern/ und solche leibes-kraͤffte/ die auff andere art auch seine ehre und des nechsten bestes befoͤrdern moͤchten/ verleyhen/ so lang aber solche last noch ligen bleiben solle/ oder wo er ja die- selbe die zeit dieses lebens zu waͤhren bestimmet haͤtte/ noch ferner mit derje- nigen krafft und gnade des Heil. Geistes dermassen beystehen wolle/ daß er immerdar fortfahre/ alles leyden nicht mit fleisches-sondern mit glaubens- augen anzusehen/ GOtt in solchem zu preisen/ und mit dancksagung zu erken- nen/ wie guͤtig der rath seye/ welcher durch verlust an dem eusserlichen men- schen und dessen kraͤfften den innerlichen so kraͤfftig staͤrcket/ die seele durch die- ses feuer so viel mehr von aller anhaͤngigkeit dieser welt und eigenen willen befreyet und zu der seligen ewigkeit herrlichen bereitet. 1682. SECTIO XXXVII . Auffmunterung und trost gegen den todt an eine in langwieriger kranckheit gelegene christliche frau. D A ich das gute vertrauen gehabt/ die von uns in einer gesellschafft zu NN. gebrauchten wasser-cur werde auch durch goͤttlichen segen und nachwirckung ihrer werthen person zur erleichterung ihrer leibes-be- schwehr- ARTIC. II. SECTIO XXXVII. schwehrde und einiger gesundheit gereichen/ sie auch folglich solche kꝛaͤffte wie- derum so viel treulicher zu dem preiß ihres GOttes anwenden: so habe gleich- wol von lieber hand berichtet werden muͤssen/ daß dero zustand je laͤnger je schwaͤcher und gefaͤhrlicher zu werden beginne. Wann ich dann/ was meine schuldigkeit und christliche pflicht gewesen waͤre/ dißmal gegenwaͤrtig nicht leisten/ oder ihr zusprechen kan/ da des HErrn wille dem ort nach uns von einander geschieden/ so habe durch schreiben ersetzen wollen/ was durch die zunge nicht geschehen kan. Jch weiß/ daß ichs mit einer Christinn/ und die ihres himmlischen Vaters willen wohl erkant hat/ zu thun habe/ und sie also nicht bedarff/ daß ich sie lehre/ sondern nur erinnere/ was sie in ihrem hertzen bereits erkennet. Jch will auch die hoffnung haben/ der HErr werde sie so viel empfindlicher die erneuerung des innerlichen menschen bey sich spuͤren lassen/ als sie den eusserlichen in seiner verwesung taͤglich fuͤhlet. Sie wird nunmehr gewahr/ was vor ein unterscheid seye unter dem trost GOttes an seinen glaͤubigen/ und unter dem trost/ den die vernunfft und dero lehren uns geben. Diese geben wol dem gemuͤth einen auffenthalt/ so lang es noch nicht hart widergehet: wo uns aber alles in der welt verlassen will/ und wir auch selbs aus derselben scheiden sollen/ hat jene nichts mehr uͤbrig/ als das harte wort/ es kan doch nicht anders seyn/ sondern/ da muͤssen wir durch/ welches endlich bey einigen gemuͤthern noch eine verzweiffelte hartnaͤckigkeit erwe- cken/ sie aber nimmermehr zu einer vergnuͤgenden zufriedenheit bringen kan: aber je weiter es mit uns dahin koͤmmt/ daß aller andere trost auffhoͤret/ so vielmehr offenbaret sich die vortreflichkeit des trostes goͤttlichen worts/ weil derselbige uns einen mit fingern zeiget/ der/ ob uns unser leib und seel ver- schmachtet/ dennoch unsers hertzens trost und theil bleibe; ja wo dieses ge- brechliche hauß dieser huͤtten eingehet/ uns auff eine behausung im himmel weiset/ die nicht mit haͤnden gemacht ist/ und ewig bleibet/ davon unsre ver- nunfft uns sonsten nichts gewisses sagen kan. Jch weiß also/ nachdem ohne das/ ob ich auch zugegen waͤre/ meines vermoͤgens nicht waͤre/ ihrem schwa- chen leib rath zu schaffen/ zu staͤrckung ihrer seel sie auff nichts anders zu wei- sen/ als auff den bund/ welchen unser himmlischer Vater mit ihr/ wie mit uns allen/ gemacht/ da er uns nicht hauptsaͤchlich zu diesem leben/ und was wir dabey geniessen/ sondern zu viel hoͤhern/ verordnet hat. Sehen wir an unsre schoͤpffung/ so weiset sie schon/ weil uns der HErr eine seel/ und gleichsam seinen athem/ eingeblasen hat/ welche ein ewiger geist ist/ daß unser haupt- werck nicht in dieser zeit stehen kan/ sondern nach derselben sich weiter hinaus erstrecken muß. So viel mehr hat uns unser allerliebster Heyland mit seinem heiligen opffer gewißlich nicht zu diesem sondern einem unvergaͤnglichen le- ben erloͤset und erkaufft/ welches einigerley massen wuͤrdig waͤre/ daß dafuͤr R r r r r 3 so Das fuͤnffte Capitel. so ein theures und ewiges rantzion-geld bezahlet wuͤrde. Da wir auch in der tauffe in den bund GOttes eingetreten/ so hat uns der Vater unsers HErrn JEsu CHristi wiedergebohren durch die aufferstehung unsers Heylandes/ nicht zu diesem leben/ darzu wir bereits durch die fleischliche geburth einge- gangen waren/ sondern zu einer lebendigen hoffnung/ zu einem unver- gaͤnglichen und unbefleckten/ unverwelcklichen erbe/ das auffgehal- ten wird in dem himmel/ und also zu dessen vollkommenem und offenba- rem gebrauch wir zeit dieser unser pilgramschafft nicht gelangen moͤgen. Wir wissen/ daß es aus solcher wiedergeburth/ die von oben herkoͤmmet/ geschehen ist/ daß unser buͤrger-recht nicht hie auff erden/ sondern in dem himmel ist/ und daß das leben/ so wir aus der aufferstehung JEsu Christi empfangen haben/ uns auff dasjenige weiset/ in welches Christus durch seine aufferstehung ein- getreten ist/ und uns zu demselben beruffet. Daher/ wenn er uns auch in dem heiligen abendmahl mit seinem leib und blut speiset und traͤncket/ und uns so zu reden aus der herrlichen ewigkeit/ da er wohnet/ solche speise sendet/ so zie- het er so bald unsere gemuͤther und seelen von dem ansehen dieses/ was wir hier in diesem leben haben/ zu dem verlangen der dinge/ die unser bey ihm warten/ und zu dero versicherung er uns seinen Heil. Geist/ als das pfand des erbes gegeben hat. Also moͤgen wir ansehen unter den dingen/ die GOtt mit uns vor hat/ was wir wollen/ so weiset uns solches alles aus der zeit hinaus zu jener ewigkeit. Daher ja freylich der trost/ der uns der seeligkeit in derselben versichert/ der allerwertheste und kraͤfftigste zu achten. Jst es also/ meine werthe/ daß der HErr solte nunmehr allgemach mit der- selben wegeilen/ und solches durch diese schwachheit andeuten lassen wollen/ weiß ich fast nicht/ ob ich mehr wegen ihres eusserlichen menschen/ und was derselbe dabey auszustehen hat/ so auch/ weil ich eine angenehme freundin nicht gern verliehre/ condoli ren/ oder wegen solches seeligen wechsels gratu- li ren solle. Sie weiß/ sie verliehret oder verlaͤsset nichts/ als einen schwaͤch- lichen leib/ der auf allerley weise und letzther mit vielen leyden/ den geist et- wa mehr gehindert als gefoͤrdert hat/ ein fleisch/ das noch immer die suͤnde in sich wohnend hat/ und das abermal dem geist/ welcher gerne ungehindert und in vollkommener heiligkeit GOTT dienen wolte/ viele seuffzen ausge- truckt/ eine welt voller falschheit/ und welche an stat einmaliger geringen vergnuͤgung mit hundertfacher beleidigung (sonderlich/ wo wir/ wie wir sollen/ die gelegenheit und reitzung zur suͤnden vor die groͤste beleidigung ach- ten) uns qvaͤlet/ daß einer seelen unter Mesech zuwohnen lang wird/ ein le- ben voller leyden/ und wo nicht taͤglichen ungluͤcks/ doch taͤglicher furcht vor dem was koͤm̃t oder kommen moͤchte/ eine zeit die ohne dem von GOTT zu schreck- ARTIC . II. SECTIO XXXVII. schrecklichen gerichten bestimmet ist/ die nun nach einander ausbrechen sollen/ und besorglich die vorige weit uͤbertreffen moͤgen/ und letzlich einen kampff- platz/ da mans mit teuffel/ welt und fleisch/ daher mit maͤchtigen feinden/ die mit gewalt/ vielmehr aber mit lockungen und verfuͤhrungen/ zusetzen/ zu- thun hat/ von denen auch/ welche uͤberwinden/ nicht ohne manche wunden schlaͤge und schmertzen davon kommen. Dieses sind die dinge/ die wir hier verlassen/ und also gewißlich nicht wuͤrdig viel betrauret zu werden. Ver- lassen wir zwahr auch etwa liebe blut- und muths-freunde/ so ists nicht ohne/ daß deroselben liebe/ so viel tieffer sie in die seele eingetrungen/ den schmertzen dessen verlusts empfindlicher macht; aber auch dieser schmertz wird zur gnuͤ- ge gemildert durch die betrachtung des kuͤnfftigen seeligen wiedersehens/ des vertrauens/ wie auch solche goͤttlichen willen uͤber uns sich wolgefallen las- sen werden/ und des einigen habenden vortheils/ wo endlich die liebe von sich selbst anfaͤngt. Von dem verlust der zeitlichen und irrdischen guͤter will ich nicht sagen/ als der ich ihrem Christenthum mehr zutraue/ als daß sie de- ro liebe in ihr hertz solte haben lassen eintringen/ oder sie anders/ als solche dinge/ angesehen haͤtte/ die man allein aus noth und duͤrfftigkeit gebrauchen muß/ und also so gern mit andern vergnuͤglichern vertauschet/ als diejenige/ die ihre art nicht kennen/ sie immer zu behalten und zu vermehren verlangen. Jch versehe mich auch/ daß sie ihren Heyland und seelen-braͤutigam aus seinem wort und eigner erfahrung also habe lernen kennen/ wie er sey der rechte sieges-fuͤrst und uͤberwinder des todes/ der demselben seinen stachel gebrochen habe/ daß wirs nun mit einem entwaffneten tode zuthun haben/ wo wir noch in unserm abschied an seinem siege hangen/ so uns dessen wahr- hafftige gemeinschafft gibet. Also/ da uns der HErr durch seine krafft taͤglich aus einem und andern tod errettet/ ja in dem wir taͤglich unserm alten menschen sterben und an ihm toͤdten/ daher des sterbens bereits gewohnt sind/ in allem solchen toͤdten und sterben taͤglich beystehet/ und sein leben in uns kraͤfftig seyn laͤsset/ so sind wir gewiß/ wo es an diesen letzten feind kommet/ solle es uns an dem sieg nicht mangeln/ um dessen willen/ der uns in allen uͤ- brigen kaͤmpffen deßwegen siegreich beygestanden/ damit wir in diesem letz- ten auch unfehlbarlich uͤberwinden/ und die versprochene krohne erlangen. Wie denn nach solchem siegreichen abschied nichts anders solcher seelen er- wartet/ die nunmehr nach ihrem wunsch und gebet wahrhafftig von allem uͤbel erloͤset sind/ als die erfuͤllung alles dessen/ was ihnen als seinen kindern der himmlische Vater versprochen/ und sie unter allen ihren leyden darauff vertroͤstet hat. Sie sollen sehen/ was kein sterbliches auge sehen kan/ GOtt in seiner majestaͤt und glorie und von solchem glantz durchtrungen/ und durchleuchtet leuchten in einem uͤbermenschlichen liecht nach dem nunmehr das Das fuͤnffte Capitel. das goͤttliche ebenbild wiederum in ihnen voͤllig erneuert faͤhig ist/ alle solche strahlen gleichsam auffzufassen und selbst anzunehmen/ daher der Apostel sich nicht entbloͤdet zu sagen/ sie werden ihm gleich seyn/ denn sie werden ihn sehen wie erist. 1. Joh. 3/ 2. daß es also je kein unfruchtbares uñ unkraͤfftiges sehen seyn kan/ sondern ein solches seyn muß/ dadurch das sehende alle des an- dern herrlichkeit selbst in sich ziehet. Sie werden sehen ihren hoͤchstverdienten Heyland/ welchen sie/ ehe sie ihn gesehen/ bereits alhier hertzlich geliebet/ und daß sie ihn nicht gnugsam lieben koͤntẽ/ schmeꝛtzlich bedauꝛet habẽ. Wie sie ihn aber jetzo sehen in seiner herrlichkeit und selbst alle ihre schwachheit/ und was sie an ihrer vollkommenen liebe und faͤhigkeit gehindert hatte/ abgeleget ha- ben/ also wird nun die liebe also durchtringend seyn/ daß wie der HERR sich ihrer liebe gantz uͤberlaͤsset/ also auch diese ihn allerdings in sich fasse/ und mit aller seiner herrlichkeit besitze/ viel genauer als der mond das liecht der sonnen aufffaßet/ und darinn leuchtet. Sie werden in GOtt sehen alle sei- ne guͤte und weißheit/ welche er ihnen in ihrem gantzen leben erzeiget/ sonder- lich mit welcher er ihr heil geschaffet hat; wie viele gaben er uͤber sieausge- gossen; wie manche gefahr er von ihnen abgewendet habe/ von welchem allem sie den hundersten theil kaum hier erkennet/ und was sie erkant/ gleichwol nicht tieff genung eingesehen haben: hingegen in jeglicher erkaͤntnuͤß der be- reits hier empfangerer goͤttlichen wolthaten eine so viel inniglichere wonne finden werden/ als tieffer sie nun in die verborgene guͤte und weißheit/ dero sie ihr heyl schuldig sind/ einschauen/ und sich mit lauter dancksagung daruͤ- ber verwundern. Sie werden nun bey ihrem Heyland seyn allezeit/ und mit ihrem erstgebohrnen bruder unverletzt der goͤttlichen ehre und anbetung/ damit sie ihn zum demuͤthigsten verehren/ auffs vertraulichste umgehen/ als eine juͤngere schwester mit ihrem aͤltern bruder/ oder eine braut mit ihrem ge- liebten braͤutigam. Und wie er denn nichts/ als liebe und freundlichkeit ist/ so ist auch ihr gantzes leben nichts anders/ als der suͤsseste genuß einer in die- ser unvollkommenheit noch unbegreiflichen liebe. Sie werden sehen die lie- ben Engel und himmlische Fuͤrsten/ mit denen sie nun unter einem haupt und HErrn JEsu vereiniget/ und nicht geringerer herrlichkeit theilhafftig sind/ ja derselben gesellschafft sich so viel mehr freuen werden/ weil sie diejenige sind/ welche sie auch hier auff ihres HErrn befehl in so mancher gefahr be- schuͤtzet haben. Sie werden sehen nicht nur diejenige/ welche sie hier im fleisch gekant und geliebet haben/ so viele derselben in wahrem glauben ihnen vorge- gangen oder nachgefolget sind/ an dem seligen ort der herrlichen zusammen- kunfft/ wo auch die erinneꝛung der vorigen liebe die freude vermehꝛet/ sondern alle kinder GOttes/ die von anbegin der welt gelebet/ und sie unterschiedli- cher davon nahmen gehoͤret/ auch dieselben geliebet/ ja vor eine grosse gluͤck- selig- ARTIC . II. SECTIO XXXVII . seligkeit geachtet haͤtten/ nur einige von solchen heiligen Vaͤtern/ Propheten/ Aposteln/ beruͤhmten Lehrern/ Maͤrtyrern/ beyderley geschlechts/ von weiten zu sehen: welches ihnen nicht nur jetzo gewaͤhret wird/ sondern sie in die ge- meinde eintreten mit allen denselben kuͤnfftig als mit ihren geliebtesten bruͤ- dern und schwestern in einer viel genauern vereinigung der hertzen zu leben/ als unter den alleriñigst mit einander verbundenen hier in diesem fleisch nicht geschehen kan. Also wenn wir die sache mit einander vergleichen/ verlassen wir nichts als boͤses/ finden aber nichts als gutes/ und das allerbeste. Jch zweiffele nicht/ meine werthe Frau/ werde allezeit mit solchen augen das ende dieser ihrer walfarth/ wo es sich nun naͤhert/ anschauen. Da wirds nicht wol fehlen koͤnnen/ daß sich nicht ihre seele erhebe/ und es in derselben heisse: Eya waͤren wir da/ eya waͤren wir da. Wodurch alles dasjenige kraͤff- tig uͤberwunden werden kan/ womit sonsten die natur uns schrecket/ wo wir an den abschied gedencken. Jsts aber/ daß dieselbe vornemlich in ihrer seele eini- ge schwachheit fuͤhlen solte/ nicht so wol vor dem tode als vorhergehenden be- schwehrlichen leiden/ und daß sothanes ende und erloͤsung so nahe noch nicht seye/ als sie verlangte/ so wird sie sich dabey christlich bescheiden/ daß auch die- ser veꝛzug der seligen auffloͤsung ein theil des willens und guͤtigen raths ihres himmlischen Vaters seye/ welcher wie er von ewigkeit den augenblick ihres eingangs in dieses jammerthal/ also eben so wol auch die stunde ihres aus- tritts bestimmet hat. Gedencket sie dann/ es seye der rath ihres Vaters/ so weiß sie/ daß er gegen sie so guͤtig und auch allweise seye/ daß nothwendig das augenblick/ welches er darzu bestimmet/ das zu seiner ehr und ihrer seligkeit bequemste seye. So ist gewiß das leiden/ welches indessen zu tragen seyn mag/ nicht uͤbel angewendet/ sondern ein feuer/ welches die seele/ so itzo vor ihrem GOtt erscheinen soll/ in krafft des blutes Christi reiniget. Wo wir eine geraume zeit unsern abschied vorsehen/ haben wir frist/ und wird auch wol solches die absicht des himmlischen Vaters seyn/ solche zeit dem HErrn meistens zu heiligen/ gleich wie in nachsinnung alles des guten/ so er uns auf tausenderley art in unserm leben erwiesen/ und wir manche wenig beobachtet haben/ also auch sonderlich in untersuchung unsers gantzen lebens/ wie dassel- be vor dem HErrn zu allen zeitẽ/ vornemlich/ wo wir eine zeitlang/ ehe die guͤ- tige hand GOttes uns wieder zuruͤck gezogen/ in die welt uns auch mit ver- tieffet haben/ gefuͤhret worden ist. Da werden wir manches finden/ so etwa niemand als GOtt und unserm gewissen bekant worden/ weswegen wir uns schuldig bekennen werden/ uns nachmal vor GOtt zu demuͤthigen. Denn ob die seele/ die nunmehr sich aus dem verdienst ihres Heylandes/ der gnade des Vaters und vollkommenen vergebung ihrer suͤnden versichert/ kein beissen mehr in sich empfindet/ daß solche suͤnden nicht solten laͤngst mit dem blut ih- S s s s s res Das fuͤnffte Capitel. res erloͤsers getilget seyn/ so wirfft sie sich doch gern in kindlicher schaam zu seinen fuͤssen nieder/ klagt ihm die auch vergebene schulden/ entbrennet so viel mehr in dem haß gegen die suͤnde/ und liebet den HErrn so viel inbruͤnstiger/ je oͤffter sie bey sich gewahr wird/ wie vieles der HErr ihr nachgelassen habe. Diese uͤbung der busse/ glaubens/ liebe und demuth sind dem noch uͤbrigen fleisch am hefftigsten zu wider/ und reinigen die seele immer mehr von der sonst ankledenden verderbnuͤß. Wie viel und wie lange es nun der seelen noͤhtig seye/ erkennet derjenige am besten/ welcher sie innerst kennet/ und als ihr treuester Medicus ihre cur so lange oder kurtz verordnet/ als er ihr noth- wendig und nuͤtzlich zu seyn weiß. Schiebet also der HErr die stunde unserer letzten erloͤsung noch eine weile auff/ so wollen wirs nicht anders ansehen/ als daß noch einiges uͤbrig an uns seye/ davon uns der HErr reinigen/ und sich des leidens als einer gesegneten purgation gebrauchen wolle. Wobey wir so viel mehr zu frieden seyn koͤnnen/ weil wir wissen/ daß diese unsere cur von kei- nem Medico verordnet ist/ der uns entweder gehaͤßig waͤre/ und mit fleiß lan- ge quaͤlete/ oder aus unwissenheit/ unbedachtsamkeit und verseben uns eine allzuschwehre und langwierige cur/ die wir nicht auszudauren vermoͤchten (welcherley in der welt nicht nur den ungeschickten/ sondern auch wol den be- sten Medicis zuweilen begegnen kan/ da ihnen etwas in der natur verborgen geblieben/ so sich nachmals erst offenbaret/ und den schaden der cur gezeiget) sondern daß unser Medicus uns unsere kraͤffte und alles kuͤnfftige genau ein- und vorsihet/ hingegen uns so hertzlich liebet/ daß er uns nicht einen augen- blick laͤnger unter dem leyden lassen wuͤrde/ wo nicht auch solches uns gantz nothwendig waͤre. Und solte esdahin kommen/ daß wirs nun nicht weiter auszustehen und ihm dabey getreu zu bleiben vermoͤchten/ ist er derjenige/ der auch noch in solchem augenblick die noͤthige gnade uns zu ertheilen willig ist. Wie es dabey bleibet: Er ist getreu/ und wird euch nicht lassen versucht werden uͤber euer vermoͤgen/ sondern schaffen/ daß die versuchung so ein ende gewinne/ daß ihrs moͤget ertragen. 1. Cor. 10/ 13. Diese treue ist in seinem wort gegruͤndet/ und seine eigene natur/ die er nicht verleugnen kan noch wird. Der auch solches in unserm gantzen leben gezeiget/ und diese wahrheit durch unsere eigene erfahrung bekraͤfftiget werden lassen/ wird sei- ne treue so viel mehr an uns erzeigen/ da wir dero am meisten beduͤrffen/ da uns mehr und mehr alle eigene kraͤffte und huͤlffe/ die wir von den creaturen nehmen koͤnten/ entgehen/ und es auff die einige allein ankoͤmmet. So wird sich insgesamt die frucht des leidens zeigen/ eine friedsame frucht der ge- rechtigkeit/ da wir uns in den zuͤchtigungen des Vaters uͤberlassen. Wie sich denn wahrhafftig in mehr und mehr verachtung der welt/ begierde nach der ewig- ARTIC. II. SECTIO XXXVII. ewigkeit/ bruͤnstigen gebet/ sehnlicher hoffnung/ und andern gaben des Gei- stes/ solche frucht noch hier in der zeit etwa weiset: aber die rechte zeit/ da sichs weisen solle/ ist jenes leben/ und wird die reiche erndte darstellen/ was vor eine fruchtbare saat mit seufftzen und thraͤnen ausgestreuet worden/ da gleichsam jegliches koͤrnlein das seine bringen wird. Also wird meine werthe freundinn sich auch nicht beschwehren/ ob die zeit ihrer pruͤfung noch eine wei- le anhalten/ und der HErr also fernere probe ihrer gedult und glaubens for- dern wolte. Jch ruffe schließlichen den Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trostes demuͤthigst an/ welcher mit seiner gnade biß in die ewigkeit kraͤff- tig uͤber ihr walten wolle. Er gebe ihr seinen H. Geist in reichlicher maaß/ als den Geist der offenbahrung und erleuchtete augen ihres verstaͤndnuͤs- ses/ daß sie erkennen moͤge/ welches sey die hoffnung ihres beruffs/ und welches seye der reichthum seines herrlichen erbes an seinen heiligen/ Eph. 1. damit siein lebendiger erkaͤntnuͤß solcherdinge gestaͤrcke/ so viel wil- liger vergesse/ alles was dahinden ist/ und sich strecke nach dem kleinod/ welches vorhaͤlt die himmlische beruffung. Er reinige noch taͤglich mit dem blut JEsu in der krafft des Heil. Geistes ihr leib und seele von aller un- reinigkeit/ in versicherung der gnaͤdigen vergebung in ihrem glauben/ und in staͤter abwaschung der uͤbrigen flecken/ wozu der HErr auch das leiden ver- ordnet hat. Er lasse seine liebe immer staͤrcker in ihrer seele werden/ daß sol- ches feuer alle eigne und noch uͤbrige welt-liebe verzehre/ und sie hinauff trei- be/ sich vollends in ihren geliebten einzutringen. Er heilige je mehr und mehr ihr hertz/ daß ihre gedancken/ worte und wercke diese letzte zeit ihres lebens die beste/ und in goͤttlicher krafft gethan bey andern fruchtbar seyn moͤgen/ daß sie mit glauben/ andacht/ gedult/ sanfftmuth und zufriedenheit/ alle wel- che um sie sind/ in gutem exempel staͤrcken und erbauen/ auch ihr segen an de- nen/ welche sie segnen wird/ kraͤfftig bekleiben moͤge. Er erfuͤlle auch hinge- gen/ die um sie sind/ mit weißheit/ liebe und gedult/ ihr alle noͤthige treue zu er- zeigen/ und sich gegen sie also zu verhalten/ wie es ihrer seelen am besten ist. Er wolle auch die leibliche last erleichtern/ und dem beschwehrten coͤrper nicht all- zuviel aufflegen/ sondern wo es je ohne laͤngere schmertzen nicht abgehen solte/ auffs wenigste allezeit dazwischen wiederum ruhe beschehren/ daß sie sich er- quicke/ und zu dem etwa neubestimmten kampff mit neuer krafft ausgeruͤstet werde. Er seye der artzt/ wie ihrer seele also auchihres leibes/ und regiere den rath der leiblichen aͤrtzte allezeit dahin/ wie es zu milderung ihrer beschwehrde dienlich seyn mag. Solte es aber seinem rath nicht entgegen seyn/ daß sie aufs neue wiederum mit leben und gesundheit ausgeruͤstet werde/ ihm noch im lan- de der lebendigen allhier auffs neue zu dienen/ so bitte ich auch/ daß er solches S s s s s 2 zeug- Das fuͤnffte Capitel. zeugnuͤß seiner allmacht und seiner guͤte an ihr erzeigen/ und sie zum wunder/ denen die ihn lieben/ stellen wolle/ damit auch ihrentwegen ihm viel dancks moͤ- ge gebracht werden. Nahet sich aber die zeit des seligen abschiedes/ so lasse er vorher einen blick aus jener ewigkeit in ihre seele schiessen zu ihrer auffmunte- rung/ staͤrcke sie in dem glauben auf den letzten kampff/ mache sie des sieges ih- res treuen Heylandes vollkommen theilhafftig/ und fuͤhre ihre seele in seine heilige wohnung zu seiner seligen schaue und unserer ewigen wieder-vereini- gung. Wie dieser wunsch aus glaͤubigem und treuem hertzen gehet/ also ver- sehe ich mich gegen meinen himmlischen Vater/ daß er auch denselben nicht werde unerhoͤrt lassen/ und werde auch damit nicht nachlassen/ so lange sie noch in dieser pilgramschafft zu seyn wissen werde/ nach dero abschied aber mich freuen des sehens droben/ da keines mehr an dem andern anders als lauter vergnuͤgliches ohne einige schwachheit sehen wird. 1686. SECTIO XXXVIII. Vorbitte fuͤr mich. Jahrgang von den gnaden- schaͤtzen. Fleißige handlung der heiligen schrifft. Trost gegen die forcht des todes/ wegen der gefahr/ wo man an dem letz- ten ende aus mangel gehoͤrs und gesichts goͤttliches wort nicht mehr hoͤren noch lesen koͤnte. J Ch bedancke mich fuͤr die so hertzlich gegen mich bezeugende liebe/ vor- nemlich in dem eiffrigen und gottseligen wuͤnschen/ an dero krafft ich nicht zweiffle/ sondern vielmehr/ daß sie von GOTT um seines liebsten Sohns willen gnaͤdig auf art und weise/ wie es seiner ehre gemaͤß seyn wird/ erhoͤret werden werden/ mich zuversichtlich getroͤste. Ach wie bedarff ich so hoͤchlich lieber christlicher mit-bruͤder bruͤderlichen gebets/ der ich nicht nur als ein Prediger (da doch unser stand insgemein vor allen der allergefaͤhrlichste ist) sondern unter und vor andern Predigern in unterschiedlichen umstaͤnden stets in solcher gefahr schwebe/ darinnen ich ohne anderer frommer mit-Chri- sten gebet je nicht bestehen und erhalten werden koͤnte; wo ich bedencke/ wie viel mir anvertrauet/ und was vor eine weißheit darzu noͤthig seye/ die ich aber bey mir nicht finde: Wie dann dem HErrn HErrn meine noth und anli- ligen bekant ist/ und er treuer bruͤder vorbitte um seines liebsten Sohns wil- len auch fuͤr mich in gnaden ansehen wird. Sonderlich hat mich erfreuet die christliche anwuͤnschung des goͤttlichen segens zu dem damal vorgestandenen kirchen-jahr/ und zweiffle auch an desselben erfolg nicht. Jch erkenne aber die goͤttliche gnade/ darzu mir so viel noͤthiger als wichtiger die materie ist/ welche ich mir in dem nahmen des HErrn vor solches jahrs methodum erwehlet habe/ nemlichen zu tracti ren die theure wolthaten und schaͤtze der seligkeit/ wel- che ARTIC. II. SECTIO. XXXVIII. che wir in Christo JEsu haben/ je nachdem ich in jedem Evangelio dazu gele- genheit finde. Wie nun solche materien guͤter sind/ so uͤber allen unsern ver- stand gehen/ also bedarff ich ja sonderbare gnade und liechts des heiligen Gei- stes/ zu dero eigner erkaͤntnuͤß und erbaulichen vortrage/ und also dasjenige/ was dorten der hocherleuchte Apostel Paulus seinen Ephesern c. I, 17. 18. 19. und ich aus dessen munde meiner geliebten gemeinde gleichfals auf den ersten Advent/ einfaͤltig angewuͤnschet habe. Ach daß wir solche guͤter recht leben- dig in unsern seelen erkennen lernen/ so haben wir genug in zeit und ewigkeit: Dann darinnen wird unser glaube gestaͤrckt/ und wir immer mehr mit solcher GOttes-fuͤlle erfuͤllet/ darinnen wir alles haben/ und jenes leben nichts an- ders als dero offenbarung seyn kan. Und so wird es uns weder an krafft noch an antrieb manglen/ alles gute zu thun/ wodurch der HErr an uns gepriesen werden solte: Dann der allerkraͤfftigste antrieb zu dem wahren GOtt-gefaͤlli- gen guten ist gewißlich nicht so wol aus dem gesetz oder der furcht/ sondern aus der theuren gnade unsers heils in unserm JESU uns geschenckt: Aus jenem kommen knechtische/ aus dieser recht kindliche und also dem allerliebsten Va- ter angenehme wercke. Je fleißiger wir also sind/ die uns geschenckte guͤter zu erkennen/ und also wahrhafftig eine lebendige deroselben erkaͤntnuͤß in un- sre seele bringen/ so viel staͤrcker wird auch der innerliche trieb werden/ solcher seligkeit uns gemaͤß zu bezeugen/ dem theuerst verdienten Heyland fuͤr seine liebe recht danckbar zu werden. Es wird uns aber auch allezeit eine neue krafft von oben/ solches gute zu thun/ aus solchem glauben zukommen/ indem ja al- les/ was wir zu thun haben/ thaͤtlich lauter glaubens-fruͤchte seyn sollen/ daher der gestaͤrckte glaube diese auch so vie l reichlicher bringen wird. Und dieses war meine absicht in erwehlung solches methodi. Ach daß der HERR von oben mir das noͤthige liecht und krafft dazu verleihen wol- le/ nicht nur um meinetwillen/ massen ich gern mich eines mehrern unwuͤrdig erkenne/ sondern um derer willen/ denen er mich vorgestel- let hat/ sein wort und guͤter ihnen vorzulegen. Fahret also fort/ geliebter bruder; fuͤr mich also zu dem HErrn zuseuffzen/ daß er mir in sol- chem gantzen kirchen-jahr dasjenige maaß ertheilen wolle/ nicht dessen ich wuͤrdig bin/ dann da wuͤrde es schlecht hergehen/ sondern dessen seine ehre und der seelen heil wuͤrdig ist/ auf daß ich nichts versaͤumen moͤge/ was er durch seinen liebsten Sohn so theuer hat erkauffen lassen. Jch werde mich auch seiner gern erinnern/ und vor sein anligen den HErrn demuͤthig anruf- fen. Ferner hat mich erfreuet/ daß ich sehe/ wie mein werther bruder so recht dran seye/ in der heiligen schrifft/ als dem einigen unfehlbaren wort GOttes seine einige vergnuͤgung und trost zu suchen. So ists freylich: kein menschliches wort oder spruch mag unserer seelen die in noth und tod beste- S s s s s 3 hen- Das fuͤnffte Capitel. hende krafft geben/ sondern allein das lebendige wort dessen/ der selbst allein liecht und leben ist. Und was wir aus anderer gottseliger leute schrifften lernen/ und erbauet werden/ geschihet allein krafft der entweder darinnen formaliter enthaltenen und erklaͤhrter oder zum grund der folge gesetzter spruͤche/ oder derjenigen in den spruͤchen gegruͤndeter wahrheiten/ welche ein christlicher lehrer/ offtmals ohne anzeige der ort oder eigenlichen worte der schrifft/ ausfuͤhret/ da aber ein geuͤbter Christ sich bald derjenigen stellen erinnert/ wo dieselbe gegruͤndet stehen/ die jener anzufuͤhren etwa deßwegen nicht noͤthig erachtet/ weil er sie allerdings bekant zu seyn geglaubet hatte. Und so kan freylich kein mensch/ wie erleuchtet er seye/ mich ein mehrers leh- ren/ als was die schriff/ uns lehret. Sein gantzer dienst aber bestehet darin- nen/ wo er nach der gabe/ die ihm GOtt gegeben/ in solchen spruͤchen/ es seye nun aus den grund-sprachen/ aus erwegung der umstaͤnde/ und was die me- dia bonæ interpretationis sonsten seynd/ ein und andere dinge zeiget/ oder daraus folget/ die wir sonsten ohne einen solchen anzeiger schwehrlich oder gar nicht wuͤrden erkant haben. So schmecket uns alsdann der zucker aus solchen roͤhren/ wo er uns nach unserer faͤhigkeit ausgesotten und beqvem gemacht ist: da diejenige/ so uns denselben vortragen/ nichts anders dabey gethan/ als daß sie das darinnen verborgene gewesene uns gezeigt/ und zum gebrauch fuͤglich bereitet haben. Welches gleichwol wiederum nicht dahin gemeinet haben will/ ob waͤre dergleichen bereitung und dienst einer christli- chen seelen allerdings noͤthig/ und vermoͤchte sie ohne dieselbe gar nicht/ das ihr noͤthige darinnen zu finden/ welches ferne seye. Jn dem das himmli- sche manna auch in derjenigen art/ wie es gefallen ist/ bereits zu unserer christlichen nothdurfft von GOtt genugsam bereitet ist; obwol nachmal ei- ne fernere zuruͤstung nach jegliches menschen geschmack demselben nicht aller- dings entgegen ist. Bleibet also dabey/ daß solche menschliche beyhuͤlffe nicht blosser dings noͤthig/ aber eben auch nicht gantz und gar zu verachten/ sondern wo wir sie haben/ vor eine goͤttliche wolthat zu erkennen seye. So werden wir auch finden/ daß uns solche menschliche erklaͤhrungen gemeinig- lich etwa erstlich am dienlichsten sind/ biß wir dadurch und vermittels ihrer in die schrifft tieffer hinein gefuͤhret/ alsdann in ihr selbsten alles mit mehrer vergnuͤgung finden. Daß ich dieses vor ein zeugnuͤß nunmehr zu einer voll- kommenheit gelangt zu seyn/ achten wolte: wann einem nun nicht leicht mehr etwas anders schmecket/ als die schrifft selbs und man den unterscheid aller auch bester menschlicher schrifften gegen solche goͤttliche deutlich bey sich erkennet. Die christliche uͤbung/ gewisse spruͤche zu einem gewissen zweck aus der schrifft auszulesen und zusammen zuschreiben/ ist sehr nuͤtzlich/ und trucket sich dasjenige/ was man selbs auffschreibet/ durch das schreiben desto tieffer ARTIC . II . SECTIO XXXVIII. tieffer ins gedaͤchtnuͤß und hertz. Wo zu ich auch diejenige/ so von der berei- tung zu dem tod gesamlet worden/ gesegnet zu werden hertzlich wuͤnsche. Wo meine einfaͤltige buß- und leichpredigten etwas zur aufferbauung und auff- munterung dienen/ dancke ich dem HErrnfuͤr solche frucht. Jch habe noch einige weitere leichpredigten seither gehalten so à part getruckt/ aber zu einem fasciculo noch nicht genug sind: Wo ich weiß/ daß solche nicht unangenehm/ will sie in der nechsten meß geliebt es GOtt senden/ dann ich noch von jegli- cher wohl unterschiedliche exemplaria uͤbrig habe. Jm uͤbrigen hoffe ich/ es werde mein geliebter bruder jemehr und mehr die vorgefaßte forcht wegen der gefahr des letzten stuͤndleins/ bey sich haben fallen lassen/ und sich die treue seines himmlischen Vaters dermassen vorstellen/ wie es deroselben unmuͤg- lich seye/ diejenige/ so ihm biß dahin/ als lang sie die von ihm verordnete mit- tel ihres heyls zubrauchen vermocht/ in schwachheit aber doch einfaͤltiger aufrichtigkeit gedienet/ um die zeit zu verlassen/ und einer allzuschwehren versuchung zu uͤberlieffern. Wie ich dann weniges wuͤßte/ was der so hoch gepriesenen vaͤterlichen guͤte mehr entgegen waͤre als eben dieses: Daher wir es auch nicht gedencken sollen. Wir wissen je/ daß alle unsere seeligkeit/ und was dazu gehoͤret/ nicht henge an den eusserlichen gnaden-mitteln/ sondern an der gnade des HErrn selbs und dero innerlicher wirckender krafft. Da- her wir zwahr/ weil der HERR ordentlich durch solche eusserliche mittel des gehoͤrs oder lesens des worts/ heilige abendmahl uñ deꝛgleichen/ in uns kraͤff- tig seyn will/ derselbigen uns/ als lang wir derselben habhafft werden koͤn- nen/ ja nicht enthalten/ oder sie verachten sollen/ als womit wir aus eigener schuld die goͤttliche wuͤrckung hindern wuͤrden: wir muͤssen aber die goͤttliche gnade auch nicht dermassen dran binden/ daß wir gedencken wolten/ ohne die- selbe wuͤrde der HErr auch nicht sein werck in uns verrichten/ sondern viel- mehr uns versichern/ seine gnade ersetze alsdann unmittelbar in den hertzen der seinigen was an den eusserlichen mittelen ohne dero schuld abgehet. Der saame GOTTes/ das wort/ bleibet in den widergebohrenen 1. Joh. 3/ 9. und erhaͤlt also in ihnen den glauben/ nicht nur so lange sie dasselbe mit ohren hoͤren/ oder mit den augen sehen/ sondern wo auch solche sinne manglen/ da dasjenige noch in dem tieffsten hertzen-grund uͤbrig ist/ was darinnen gepflan- tzet worden. Wir haben auff das goͤttliche wort als auf ein liecht acht zu ge- ben/ als lang uns solches vor augen stehet/ werden aber unsere augen geschlos- sen solches anzusehen/ so haben wir genug an dem tag/ der aus jenem liecht in unsern hertzen angebrochen/ an dem morgenstern/ welcher darinn aufgegan- gen ist. Also muß es den kindern GOttes niemal manglen/ und sie nichts von der liebe GOTTES scheiden/ weder gegenwaͤrtiges noch zu- kuͤnfftiges. SECTIO Das fuͤnffte Capitel. SECTIO XXXIX. Die wenigste behalten die erste gnade. Anfech- tung in der letzten todes-gefahr uͤberwunden zu werden. D Aß in hohem stande gemeiniglich von jugend auf mehr die liebe der welt und dero eitelkeit denen/ welche gleichwol in der tauffe denselben ein vor allemal/ und auf das gantze leben/ abgesaget haben/ eingepflantzet wer- de/ ist zwahr hertzlich zu betauren/ aber so vielweniger zu verwundern/ weil wir leider dergleichen auch in dem gemeinen stande und leben gewahr werden: daß es vielleicht eine seltene sache ist/ daß einige in ihrer durch die tauff empfange- nen wiedergeburt beharren/ sondern die meiste erst wiederum in dem zuge- nommenen alter einer neuen wiedergeburt durch das goͤttliche wort vonnoͤ- then haben. Hingegen preisen wir billich die guͤtigkeit und treue unsers himmlischen Vaters/ welcher nicht nur die jahre der unwissenheit mit grosser langmuth uͤbersihet/ sondern aus den seelen/ die sich in der jugend durch den allgemeinen strohm der exempel in die welt mit hinreissen lassen/ diejenige/ welche er noch findet/ daß sie seiner gnade platz geben werden, jede zu der be- quemsten zeit/ wiederum so kraͤfftig ziehet/ daß sie sich auffs neue von der welt entreissen lassen/ und der neue mensch nachmal in ihnen durch goͤttliche krafft gebohren wird; obs wol gemeiniglich nicht ohne schwehrere geburts-schmer- tzen abgehet/ ja der treue Vater offt eusserliches creutz zu der ersten bereitung der hertzen gebraucht. Wie aber die seelen/ welche auf solche art in hertzlicher buß wiederum zu ihrer ersten tauff-gnade und bund sich zuruͤck begeben/ ver- sichert sind/ daß ihnen auch die vorige suͤnden und eitelkeit ihrer unwissenheit vor GOTT um Christi willen nicht mehr zugerechnet werden/ also lassen sie die ihnen wiederfahrne gnade sich so wol zum grunde eines ewigen trosts auf ihr gantzes leben/ als kraͤfftigem antrieb einer so viel ernstlichern uͤbung der gottseligkeit/ gereichen/ und machen von nichts mehreres werck/ als wie sie fuͤr solche uͤberschwengliche guͤte sich nur wiederum dem allerliebsten Vater danck- bar gnug erzeigen moͤchten. Weil sie auch aus voriger erfahrung an sich selbs gelernet/ welches die vornehmste hindernuͤssen ihres Christenthums bey ihnen gewesen/ oder welche versuchungen und gelegenheiten ihnen am gefaͤhrlichsten gefallen sind/ und sich also solche erfahrung in dem uͤbrigen leben zu desto meh- rer vorsichtigkeit dienen lassen/ so preisen sie wiederum die liebe dessen/ der ih- nen auch einige vorige irrwege auffs neue zu ihrem besten (nemlich desto sorg- faͤltiger bewahrung ihrer selbs) gereichen laͤsset: So zwahr ihnen auch aller- dings noͤthig seyn will. Was im uͤbrigen E. Hoch-Fuͤrstl. Durchl. anligen anlanget/ daß an dem letzten ende der satan den kindern GOttes am gefaͤhr- lich- ARTIC . II. SECTIO XXXIX. lichsten zusetzen moͤchte/ daraus die forcht entstehet/ ob man in solcher schwach- heit ihm zu widerstehen vermoͤgen werde/ oder nicht vielmehr zu sorgen habe/ alsdann erst uͤberwunden zu werden und sein heil zu verliehren/ so ist eben sol- ches anligen vieler anderer kinder GOttes/ dabey ich aber folgendes zu beob- achten noͤthig halte. Erstlich zwahr/ daß unsre meiste sorge diese muͤsse seyn/ annoch bey guten und gesunden tagen in den stand uns zu setzen/ da wir unsers gnaden-stands undkindschafft/ folglich des glaubens/ an welchem jene han- gen/ eine wahre versicherung in unfern seelen haben moͤgen: Worzu gehoͤret/ daß uns unser hertz/ ob es wol uns unsre schwachheit weiset/ dannoch dasjeni- ge zeugnuͤß nach redlicher pruͤffung gebe/ daß wir einen auffrichtigen vorsatz/ unserm GOTT und Erloͤser nach seinen geboten treulich zu dienen/ immer in unsrer seelen behalten/ denselben taͤglich vor seinem angesicht erneuen/ so offt wir dessen erkaltung/ oder dawider aus uͤbereilung gesuͤndiget zu haben/ bey uns gewahr werden/ uns so bald nicht allein mit glauben in dem blut JESU Christi waschen/ sondern den vorsatz auffs neue befestigen/ und nach allem vermoͤgen aus demselben unser leben zu fuͤhren beflissen seyen. Dann wo die- ser ungeheuchelte und thaͤtliche vorsatz/ und also die dardurch sich ereignende kindliche liebe unsers Vaters/ dero uͤberzeugung wir wol bey uns erlangen koͤnnen (obs auch schon an der empfindung des glaubens manglet) sich findet/ da haben wir aus solchem die unfehlbare versicherung/ daß wir in dem stand der kindschafft/ und also in dem glauben/ stehen/ wo uns folglich aller Evange- lische trost/ den der treueste Vater seinen kindern so reichlich in seinem wort mitgetheilet hat/ mit allem recht gebuͤhret. Jst nun eine seele ihres gnaden-stands versichert in ihrem leben/ so ist sie gewiß auch versichert/ daß ihr letzter kampff nicht anders als selig und siegreich seyn koͤnne. Dieses ist eine unwidersprechliche folge der 1. Cor. 10/ 13. so hoch geruͤhmten treue/ aus dero GOTT uns nicht uͤber unser vermoͤgen versuchet will werden las- sen/ dero hingegen schnurstracks entgegen waͤre/ wo er eine seele/ die ihm nach ihrem maaß biß dahin treulich zu dienen bemuͤhet gewesen war/ und er ihr so lang/ als sie gleichsam noch selbs einige kraͤfften gehabt/ beygestanden haͤtte/ um diejenige zeit/ da sie am schwaͤchsten wird/ uͤber sie dergleichen anfechtun- gen kommen lassen wolte/ denen zu widerstehen/ und sie zu uͤberwinden/ sie nicht kraͤfften gnug bey sich finde. Welches so wahr unmuͤglich ist/ als GOtt sich und seine treue nicht verleugnen kan: Daher ichs auch so wol sonsten hin und wieder als sonderlich in der getruckten predigt von der seligkeit der Chri- sten an und in ihrem tode getrieben/ und behauptet habe/ daß solcher letzte kampff bey den kindern GOttes nicht so wol mehr ein kampff/ als ein blosser sieg/ seye. Weswegen dann GOTT um solche zeit entweder dem satan keine weitere macht gestattet/ ihnen mit anfechtungen zuzusetzen/ oder doch sie als- dann mit seiner krafft also staͤrcket/ daß ihr sie am letzten desto herrlicher wer- T t t t t de. Das fuͤnffte Capitel. de. Wo aber noch ein solcher kampff bevorstehen solte/ so geziehmet sich vorhin bey gesunden tagen die vorbereitung dazu zu machen/ nicht allein nichts mit willen zu thun/ was wir sorgen muͤsten/ daß uns solches um dieselbe zeit angst machen moͤchte/ sondern vornemlich uns in dem bund des Evangelii und dessen wahrer erkaͤntnuͤß recht zu gruͤnden: daß wir nemlich wissen/ unsre seligkeit be- stehe durchaus nicht in der vollkommenheit unsrer heiligung/ und werde uns also auch durch dero mangel nicht entzogen/ sondern sie seye das blosse gnaden- geschenck unsers himmlischen Vaters/ welches er unserm glauben an Chri- stum JEsum lauter und umsonst geschencket hat/ daher es bey denen/ die in dem glauben stehen/ nicht heissen wird/ was sie eigenlich gutes oder boͤses ge- than haben/ daß daran das urtheil uͤber sie hangen solte/ sondern was sie von dem Vater geschencket empfangen/ und ob sie solches in Christo JEsu und mit demselben behalten haben: haben sie dann nun diesen/ so sind alle ihre suͤnde als ein nebel von der sonne augenblicklich verzehret/ und beruffen sie sich auf die zusage ihres Vaters/ daß an denen/ die in Christo JEsu sind/ nichts verdamm- liches und keine verdammung seyn solle/ da sie hingegen wissen/ daß die versi- cherung ihres glaubens/ und daß sie in Christo JEsu seyn/ nicht an dem lige/ daß sie nicht das fleisch an sich haͤtten/ oder dessen schwachheiten an sich fuͤhlen muͤsten/ sondern allein daran/ daß sie nicht nach dem fleisch wandeln/ sondern nach dem geist/ und also nicht unter jenes/ sondern dieses regiment gestanden sind. Wolte also der teuffel um solche zeit diese oder jene suͤnde/ oder wol gar dero ziemliches register/ vorhalten/ provoci ren wir mit allem recht/ daß wir nicht nach dem gesetz gerichtet werden sollen/ sondern nach der gnade JEsu Christi/ der das gesetz erfuͤllet hat/ denn wir seyen nicht unter dem gesetz/ son- dern unter der gnade: Dessen unbetruͤgliches zeugnuͤß wir aus unserm glau- ben/ dessen aber aus der auffrichtigkeit unsers vorsatzes/ nach allem vermoͤgen unserm HErrn zu dienen/ der durch die fehler der unwissenheit und schwach- heit nicht auffgehoben wird/ haben/ und es daher ziehen koͤnnen. Also haben wir uns nur allein lassen angelegen zu seyn/ daß wir die krafft des Evangelii/ sonderlich aber des gnaden-bunds in der tauff/ je laͤnger je mehr gruͤndlich ver- stehen lernen/ daher uns auch die davon handlende buͤcher nechst der heiligen schrifft angenehm seyn sollen. Wo solches Evangelium recht lebendig in un- sern seelen wird/ da ist alsdann der glaube derjenige schild/ mit welchem wir alle feurige pfeile des boͤsewichts auszuloͤschen vermoͤgen/ da hingegen die meiste macht der anfechtungen daraus kommet/ wo wir uns gegen des gesetzes anspruͤche nicht mit der gnaden-lehr zu wapnen gelernet haben. Nun der HErꝛ/ der tren ist/ wird an allen seinen kindern/ wie in ihrem gantzen leben also auch in dero letzten kampff es an nichts dessen ermanglen lassen/ was zu dero erhaltung und vollkommenem sieg noͤthig ist. Er lasse es auch ferne von uns seyn/ daß wir anders von ihm gedencken wolten. 1690. SECTIO ARTIC . II. SECTIO XL. SECTIO XL. Trost-schreiben an eine Fuͤrstin uͤber den todt ihres ehegemals. Von dem Vater der barmhertzigkeit und GOtt alles trosts/ gnade/ liecht/ trost und friede in Christo JEsu unserm theuren Heylande und Ad- vents-Koͤnige! Durchlauchtigste Fuͤrstin/ Gnaͤdigste Fuͤrstin und Frau. N Ach dem ich dieser tagen/ mit so vielmehr bestuͤrtzung als unvermuthet mir die post gewesen ist/ von dem ploͤtzlichen ableiben E. Hochfl. Durchl. seligen Ehe-Herrn vernommen/ habe ich meiner unterthaͤnigsten schul- digkeit erachtet/ nicht nur mein hertzliches leidwesen uͤber den verlust eines theuersten Fuͤrsten und zierde seines hauses zu bezeugen/ sondern auch meinen hertzlichen trosts-wunsch von grund meiner seelen abzulegen; dann dieses ist doch das einige/ womit meine unterthaͤnigste pflicht dißmal einigerley massen abstatten mag. Es bestehet aber aller solcher mein wunsch/ und was ich von der himmlischen guͤtigkeit E. Hochfl. Durchl. zu erbitten verlange/ darinnen/ daß dieselbe ihre augen oͤffnen/ und auch diesen fall nicht also/ wie er vor men- schen-augen scheinet/ und dem fleisch vorkommt/ sondern wie er in seinem wei- sesten rath beschlossen worden/ anzusehen/ seinen heiligen Geist in gnugsamem maaß verleihen wolle. Es gebe der allerliebste Vater ihto recht kraͤfftig und le- bendig zu erkennen sein habendes recht uͤber uns und alle die unsrige/ oder die wir lieben; wie alle unsre seelen in seiner hand seyen/ und er also eine freye macht habe/ das seinige/ was nicht nur sein geschoͤpff/ sondern auch sonsten aus vielen ursachen sein ist/ welchen augenblick er will/ zu sich wiederum zu neh- men. Dann wo wir dieses erstlich recht lebendig in unserm hertzen erkennen/ so wird der tieffste grund geleget/ daß wir allerdings mit zu frieden seyn/ was der HErr uͤber uns verordnet/ und alle murrende gedancken/ welche uns auffstei- gen wolten/ so bald zuruͤck treiben; als dero ungerechtigkeit wir erkennen/ daß wir dem HErrn dardurch gleichsam sein recht disputi ren wolten/ ob haͤtte er mit dem seinigen nicht macht zu handeln nach seinem wolgefallen. Er gebe E. Hochfl. Durchl. zu erkennen/ wie viel billicher es seye/ seine guͤte darum danckbarlich zu preisen/ welche eine solche werthe person und treuen ehe-herrn so lang/ und durch seine vergnuͤglichste beywohnung so viele wolthat geniessen/ habe gelassen/ als nur im wenigsten sich daruͤber zu beschwehren/ daß er eine liebreiche ehe nunmehr getrennet/ dessen er den ersten augenblick bereits macht und recht gehabt haͤtte/ und daher aller solcher zeit erfolgter genuß als sein gnaden-geschenck anzusehen ist. Gewiß ists/ daß auch solche betrachtung in der forcht des HErrn angestellet/ trefflich unsere seelen beruhigen mag/ da die T t t t t 2 danck- Das fuͤnffte Capitel. danckbare gedaͤchtnuͤß der liebe Gottes/ so sich auch in dem erfreulichen genuß einer gesegneten ehe so wol als anderen wolthatẽ geoffenbahret hat/ uns noch um die zeit vergnuͤget/ wann er schon nach seinem heiligen willen uns das jeni- ge hinweg aus den augen geruͤcket/ so er uns vor eine zeitlang zum pfand dero- selben geliehen hatte. Er lehre ferner E. Hochfl. Durchl. ihre augen von dem betruͤbten und schmertzlichen abschied hinweg/ und auf dieselige ruhe/ darein dero werthester ehegemahl eingegangen/ zu wenden: Jndem gewiß ist/ daß ein einiger blick in solche herrlichkeit/ in dem liecht des Heil. Geistes gethan/ aber- mal kraͤfftiger ist/ eine seele zu erfreuen/ als alles ansehen des dabey gelitte- nen verlustes dieselbe zu betruͤben. Und je hertzlicher die liebe gegen die un- srige gewesen/ so viel williger werden wir/ da wir ihre gegenwaͤrtige glorie uns recht eingetruckt/ diese unserer eigen begierde/ welche sonsten an sich selbs waͤre/ ihrer laͤnger zugeniessen/ weit vorzuziehen und dem HErrn viel- mehr demuͤthigst zu dancken/ welcher solche unsere liebste nicht weniger hertz- lich geliebet/ und sie also zu sich versetzet/ als uns zu beschwehren/ daß es ih- nen eher so gut habe werden sollen/ als wir ihnen doch endlich nach laͤngerem genuß zu wiederfahren selbs gewuͤnschet haͤtten. Welches abermal uns so vielmehr bewegen soll und wird/ daß bereits auch in der welt offters ein ehe- gemahl des andern eine zeitlang willig/ obwol mit seiner beschwehrde/ entra- thet/ wo es demselben anderswo wolgehet/ oder dessen wolfahrt eine abwe- senheit erfodert. Weil allezeit die wahre liebe ihr wohlseyn vielmehr in dem wohlseyn des geliebten/ als ihrer eigenen empfindung suchet/ und jenes die- sem weit vorziehet. Er lehre sie ferner die augenwenden auff die kuͤnfftige wie- der zusam̃enkunft/ dero freude auch nur in der hoffnung angesehen den schmer- tzen der treñung stattlich lindert. Welche ewig sich geschieden zuseyn wissen/ uñ wo eine christliche person einen solchen ehegatten verlohren/ den sie wahrhaff- tigverlohren seyn weiß/ mag man sagen/ daß es recht einer schmertzlichen traur wuͤrdig seye/ und da sich eine seele erstlich kaum drein zufinden wuͤßte/ solte es uns nicht so verwunderlich vorkommen/ weil die gegen sie getragene liebe kei- ne hoffnung mehr vor das ihm werth geweßte uͤbrig sehe. Wo aber ein ehe- gemahl dahin vorangeschickt ist/ welchen wir in glaubiger zuversicht daselbs unser zuwarten wissen/ wohin wir uns selbst sehnen/ so lindert solches treff- lich den schmertzen deꝛ abwesenheit: Und lernen wiꝛ die sachen also ansehen/ wie etwa ein ehegatt sich nicht so aͤngstet/ als freuet/ da er selbs an einem gefaͤhr- lichen ort sich befindende seinen geliebten irgend hin in die sicherheit verschi- cket/ wo er seiner eine weil warten soll. Und wie ists anders/ wo wir diese zeit ansehen/ darum die goͤttliche gerichte mit gewalt auszubrechen trohen/ als daß der abschied der unsrigen/ so in dem glauben abtrucken/ wahrhafftig genennt werden mag eine versetzung in das friedens-land von der unruh die- ser ARTIC . II. SECTIO XL . ser unserer erden/ auf dero wir keinen wahren frieden finden werden oder er- warten doͤrffen/ und also nur denselben bald nach zufolgen verlangen? Weil aber eben dieses offtmals am allermeisten die betruͤbte qvaͤlet/ daß sie er- kennen/ den ihrigen wohlzu seyn/ ihnen aber gar uͤbel geschehen zu seyn gnug- sam fuͤhlen/ so wolle die himmlische guͤte E. Hochfl. Durchl. noch ferner erkennen lassen/ daß ob sie wohl vieles nach des fleisches meinung/ jedoch nach des geistes urtheil auch nichts/ verlohren habe. Dann ob sie wohl ih- res geliebten HErrn leiblichen gegenwart nun wissen solle/ so wird nicht nur die gedaͤchtnuͤß seiner gegen sie getragener liebe und seiner ruhmwuͤrdigen tu- genden ihrem gemuͤth zu dessen vergnuͤgung stets gegenwaͤrtig seyn/ sondern der HErr wird ihro selbs durch seine gnade unmittelbar dasjenige werden/ was sie/ wo es nach menschlichem willen ergangen waͤre/ gewinschet haͤtte/ daß er noch laͤnger durch solche seine gabe menschlich ihren seeligsten ehe-herrn ihro geblieben waͤre. So verliehret man nichts/ wo man alles solches so wir in den menschen selbs verlohren zuhaben gedacht/ in dem HErrn findet und behaͤlt/ und dieser unser trost/ schutz/ huͤlffe/ versorger und freude seyn will/ was er vorhin durch die unsrige uns eine zeitlang gewesen war. Jn dem wir diese alle/ wo wir sie recht ansehen wollen/ nicht anders ansehen koͤnnen/ mit unserm lieben Luthero, als vor larven GOttes/ hinter denen derselbe im- mer zustehen gepfleget/ und derjenige gewesen seye/ der uns durch sie gutes gethan/ aber wo er die larve abzeucht/ noch immer einer gegen uns bleibet/ und nichts weder seiner krafft noch guͤte gegen uns verlohren hat. Und ob es seyn mag/ daß in den dingen die dieser welt sind/ etwa ein nicht geringes ab- gegangen zuseyn scheinen mag/ so wird sich nach fleißiger erwegung zeigen/ daß wo goͤttlichem rath platz gegeben wird/ alles in den geistlichen guͤtern von dem HErrn ersetzet werde werden. Wir wissen daß unserer seelen huͤlffe da- rinn bestehe/ mit dem hoͤchsten gut in lieb und glauben am inniglichsten und genauesten vereiniget zu seyn/ wir finden aber offt sehr viele hindernuͤssen solcher vereinigung/ dazu zugelangen oder in derselben ohnverruckt zuver- bleiben; unter solchen hindernuͤssen ist nun sehr offt die anhaͤngigkeit unsers hertzens an einige creatur; dann so viel sich von dieser bey uns findet/ so viel stehet uns im weg/ unsers heils recht vollkommenlich zu geniessen. Nun ist zwahr nicht alle liebe/ vertrauen und freude uͤber dasjenige/ was uns GOtt hie in dieser welt gibet/ unter denen treue ehegemale von den vornehmsteu sind/ an und vor sich selbs unrecht/ sondern bleiben in ihrer ordnung gut/ a- ber unsere verderbnuͤß ist so groß/ daß sich fast immer fort und fort eine unor- dentliche anhaͤngigkeit mit beyschlaͤget/ und sie uns also an dem genuß des hoͤhern gutes eine hindernuͤß werden/ daher entziehet uns der HERR off- ters dasjenige/ da entweder unser hertz mit allzuvieler angelegenheit darauff T t t t t 3 zu Das fuͤnffte Capitel. zu ruhen angefangen/ oder er vorher sihet/ daß ein solches leicht geschehen moͤchte. Ja er entbloͤsset uns insgesamt von allem trost und freude dieseꝛ welt/ oder der creaturen/ nach seinem guͤtigen rath/ auf daß wir mehr und mehr ler- nen/ alles blosser dings allein in ihm zu suchen/ wo wirs auch so viel gewisser finden werden/ als weniger mehr des uͤbrigen uͤbergeblieben. Welchen nu- tzen ich vor einen der vornehmsten achte/ der sich bey dem sonsten betruͤbten wittwen-stand findet/ daß der HErr die seelen desto naͤher zu sich zeucht/ mit ihm allein sich zu vergnuͤgen. Wie ich mich nun dessen versichere/ daß E. Hoch- fuͤrstl. Durchl. sich bißher mit fleiß angelegen hat seyn lassen/ in ihrem GOtt allein sich zu vergnuͤgen/ so zweifle ich nicht/ daß sie durch seine gnade in we- niger zeit erfahren werde/ wie ein vortreffliches huͤlffs-mittel solchen zweck desto besser zu erhalten/ und ihm naͤher zu kommen/ dieser stand seye: da sie nun so vielmehr abgesondert von denjenigen gelegenheiten/ in denen man mit der welt eitelkeit zu verletzung seiner seele leicht eingeflochten werden kan/ (auffs wenigste da solches nicht geschehen solle/ einer grossen fuͤrsichtigkeit uñ kampffs noͤthig ist) ein solches leben und hoffhaltung vor sich mit den ihrigen anstellen mag/ darinnen alles ohne jemands eintrag und hindernuͤß zu dem einigen nothwendigen und der seelen erbauung eingerichtet werde. Daraus ich solchen wachsthum des innern menschen und wahren seelen-guͤter hoffe/ mit denen sich alle die uͤbrige bequemlichkeiten/ welche unsere natuͤrliche be- gierde verlangen moͤchte/ nicht vergleichen lassen. Nun solchen guͤtigsten rath ihres himmlischen Vaters/ welcher also ihre liebste seele desto naͤher zu sichzie- hen/ und ungehindeꝛt sie mit so viel reichlichern schaͤtzen/ daran sie bißher durch vieles gehindert worden/ erfuͤllen will/ recht innerst einzusehen und zu erken- nen/ ist eines der vornehmsten stuͤcke/ welche ich E. Hochfuͤrstl. Durchlaucht. von ihm anwuͤnsche: Aber also daß sie alles dieses nicht in vernuͤnfftigen uͤ- berlegungen betrachten/ sondern dessen trostes krafft durch die gnade des H. Geistes in der seele lebendig empfinden moͤge: so dann daß der HErr/ welcher aller hertzen in seinen haͤnden hat/ auch derjenigen insgesamt/ dero treue sie inskuͤnfftige/ was die dinge dieses lebens anlangt/ bedoͤrffen wird/ hertzen und gemuͤther dermassen lencken wolle/ daß sie der billichkeit/ und wie werth sie ihr seligster Herr gehalten/ daher auch nach seinem ableiben ihr mit liebe begegnet zu werden/ nicht anders als eiffrigst verlanget haben kan/ sich staͤtig erinnern/ und alle/ jeglicher an seinem ort/ und wie es ihm zukommen mag/ sich also gegen sie anschicken moͤgen daß man sehe/ sie ergeben sich zu werckzeu- gen/ durch die Gott nach seiner uͤberschwenglichen gnade an ihro erfuͤllen wol- te/ was er sonderlich denen ihn fuͤrchtenden und auff ihn trauenden wittwen verheissen hat. Darnebens aber wolle er auch/ weil bey hohen und niedern solcher stand gleichwol auch ein creutz-stand ist/ die gedult in derjenigen maaß verleihen/ als auch noͤthig seyn moͤchte/ die von ihm bestimmete beschwehrlich- keiten ARTIC . II. SECTIO XLI. keiten willig aus seiner hand anzunehmen/ undderoselben sich nach seinem rath also zu gebrauchen/ daß es lauter mittel werden/ das hertz so vielmehr von der welt und aller dero betruͤglichen anhaͤngigkeit abzuwenden/ und zu den ewigen guͤtern immer tuͤchtiger zu machen/ welches endlich der einige zweck unsers lebens/ und alles was dahin fuͤhret/ vor lauter nutzen und ge- winn zu achten ist. Dieses ists/ theurste Fuͤrstin/ was bey solcher empfange- nen traur-post dero werthesten seele sonderlich von dem Gott alles trosts und geber alles guten wuͤnsche/ worinnen sie die tage ihrer walfahrt ihm gefaͤllig und ihro selbs vergnuͤglich zubringen mag/ biß sie nach vollendetem lauff die- ser zeit selbs auch in die ewigkeit mit freuden uͤbergehe/ und in erfreulichster/ ob wol nicht mehr ehlichster/ doch noch genauerer/ gemeinschafft mit ihrem nun vorangeschickten Herrn der versprochenen glorie geniesse/ und sie beyde mit einander nun denjenigen/ welchen sie hie billich uͤber alles/ auch sich selb- sten/ geliebet/ ehe sie ihn gesehen/ mit unaussprechlicher freude sehen/ und sei- ner herrlichkeit ohn ende mit geniessen. Nun der HErr spreche auch also wie wir bitten. 1681. SECTIO XLI Trost wegen abgestorbener ehegattin und von dem vorsatz im wittwen-stand zubleiben. D As einige/ so mir in desselben brieff betruͤblich moͤgen vorkommen/ war die anzeige der wegnehmung der gottseligen ehegattin. Wann ich aber bedencke den seligen wechsel deroselben/ und die geruͤhmte proben ihres glaubens und gedult/ damit der HErr ihren wandel gezieret hat/ so dann den trost/ welchen ich sehe/ daß auch der GOtt des trostes in dessen liebe seele ein- gefloͤsset hat: so will ieber mit demselben sagen: der HErr hat gegeben/ der HErr hat genommen/ der nahme des HErrn seye gelobet in ewigkeit. Er seye gelobet fuͤr alles/ so er der seligen je in der zeit erzeiget/ und nun in der ewig- keit auch erzeiget: er sey gelobet fuͤr das gute/ so derselbe an ihr in der ehe ge- nossen: er seye gelobet/ daß sich der HErr mit seiner krafft und trost in seinem hertzen bereits anstatt der seligen abgeleibten darstellet/ und ihm anfaͤnget selbs dasjenige zu seyn/ was er ihm vorhin durch diese geliebte seele gewe- sen war/ dero er hingegen ihr gutes/ so sonsten als an demselben gethan/ in jener ewigkeit herrlich vergelten/ und ihr verlangen und bitte fuͤr denjeni- gen/ in dessen liebe sie abgeschieden ist/ und solche liebe als die nichts fleisch- liches ist/ dorten nicht allerdings abgeleget haben kan/ in vollkommener des- sen wolfarth/ und dero so vermehrung als erhaltung/ so lang biß auff den froͤ- lichen tag der ewigen vereinigung erfuͤllen wolle. Das urtheil derjenigen/ so die schuld des todes dem werck der liebe an dem verwundeten erzeiget/ zu- schreiben/ ist denjenigen leicht zu uͤberwinden/ welche/ wann wahr hafftig sol- che Das fuͤnffte Capitel. ches liebes-werck die ursach gewesen waͤre/ gedencken/ daß wir auch fuͤr die bruͤder zuweilen das leben lassen sollen: daß aber die welt solches nicht ver- stehet/ haben wir uns nicht zu verwundern/ weil es nothwendig uͤber ihren be- griff ist/ als die nichts von derjenigen krafft je gespuͤhret oder gefuͤhlet hat/ wovon dieses alles allein kommen muß. Was nun anlangt den vorsatz/ aus angedeuteten ursachen und liebe gegen seine gemeinde ferner in einsamkeit uñ ausser der ehe das leben zu fuͤhren/ weil ich nicht zweifle/ daß derselbe nach fleißiger pruͤfung seiner selbs und aller umstaͤnde/ auch eiffrigem gebet werde gefasset seyn worden/ kan ich denselben nicht unbilligen/ als der ich offt ge- wuͤnschet/ daß mehrere unter uns/ welchen GOtt die gabe gegeben/ sich der- selben zu der kirchen bestem gebrauchen solten/ wo nur an allen orten derglei- chen gelegenheit sich finden moͤchte/ in solchem stande das leben so wol ohne anderer anstoß/ als auch mit nichts zu grosser und an verrichtung des guten selbs hinderlicher unbequemlichkeit/ zu fuͤhren. Jedoch wolte bitten und er- innern/ solchen vorsatz weder mit allzugewisser und verbindlicher betheurung/ noch viel weniger mit einigem/ allerwenigsten solennen geluͤbde zubestaͤrcken/ und sich also die freyheit auffs kuͤnftige nicht allerdings abzuschneiden. Dann weil wir der kuͤnfftigen dinge nicht wissend sind/ so moͤgen sich solche faͤlle be- geben/ da einmal die aͤnderung des standes wahrhafftig zu unserem geistli- chen oder leiblichen besten/ ja auch unsers amts fruchtbarlicher verwaltung/ moͤchte nuͤtzlicher seyn. Wo man nun alsdann solches vor augen/ sich aber sei- ne freyheit also benom̃en hat/ daß man ohne scrupel des gewissens/ oder auch anderer anstoß/ davon nicht abtreten darff/ woran man sich einmal verbun- den/ gehets nicht ohne schwehre gedancken/ ja manchmal gewissens-aͤngsten/ ab. Daher am besten ist/ in solchen dingen in der furcht des HErrn dasjenige wehlen/ was wir der ehre GOttes und erhaltung des zwecks/ dazu wir gese- tzet sind/ das vortraͤglichste nach der gottseligen uͤberlegung und gebet befun- den haben: aber solche wahl allemal auff das gegen waͤrtige allein zu setzen/ so dann so lange uns GOtt nicht solche ursachen/ welche die vorige uͤberwiegen/ auffstossen lassen wuͤrde: und deswegen allezeit eine freye hand vor Gott und menschen/ den vorsatz aus guten bewegnuͤssen zu aͤndern/ zu behalten. So lebt man mit weniger sorge oder furcht des kuͤnfftigen/ und gehet allezeit einher wie jedesmal der HErr uns selbsten fuͤhret. Dessen guͤte ich auch hertzlich an- ruffe/ daß wie ich diesen vorsatz von deroselben hergekommen nicht zweifflen will/ sie denselben staͤts also mit dero hand leite/ dabey zu blelben/ und sich dessen zu der erhaltung des guten vor augen habenden zwecks zu gebrauchen/ wo abereine aͤnderung vortraͤglicher seyn wuͤrde/ ihm auch dero willen deut- lich zu verstehen gebe. 1690. SECTIO ARTIC. II. SECTIO XLII. SECTIO XLII. Trost uͤber den todt einer gottseligen ehefrauen. V On der zeit an als ich vor etlichen jahren denselben und zugleich dessen wertheste ehegemahlin kennen zu lernen die freude genossen/ kan versi- chern/ daß nimmer dero angenehmstes gedaͤchtnuͤß mir aus dem sinne gekommen/ noch ich auch dasselbige vor denthron des allerhoͤchsten zu bringen unterlassen habe: nimmer aber gedencken koͤnnen und sollen/ daß bey diesem meinem abgaͤngigen alter betruͤbte nachricht eines ehendern abschieds eines unter denselben hoͤren wuͤrde. Daher mich gestern so viel weniger erst begreif- fen koͤnnen/ als von dessen hand eine so klaͤgliche post einnehmen muͤssen. Aber es muß dabey bleiben/ daß GOtt ein verborgener GOtt seye/ und seine ge- dancken von den unsrigen/ ob wir sie auch vor die beste und weiseste achteten/ himmelweit unterschieden bleiben. Jndessen kan aus demjenigen/ wie mirs vorgekommen/ so viel leichter denjenigen schmertzen abnehmen/ welchen dero- selben seele von diesem harten riß fuͤhlen muͤssen. Zwahr ists nicht ohne/ daß wir/ wie derselbe auch christlich thut/ der sel. frauen ihre zeitliche erloͤsung aus dieser welt/ dero verderben auch anzusehen ihr so lang ein eckel und last gewe- sen/ nachdem sie der himmlische Vater damit beseliget/ nicht zu mißgoͤnnen haben/ so vielmehr weil wir zu einer zeit leben/ da die schwehreste gerichte GOttes uns uͤber den haupten schweben/ und die sich uͤber uns in geist- und weltlichem zusammenziehende wetter ihren ausbruch bald nehmen/ auch nicht vor aus gewuͤtetem zorn desselben sich wieder legen werden: welcherley truͤbsaalen zu verschlaffen eine so viel groͤssere seligkeit ist. So ist auch nicht ein geringes zum trost/ wenn der alles gut machet/ ein vor seinem angesicht ge- fuͤhrtes leben noch zu ende mit glaubiger freudigkeit zieret/ und bey dem letz- ten sieg zu der uͤberbleibenden erbauung seine sonderbare krafft auch von an- dern sehen laͤsset. Daher wir bey aller wehemuth des hertzens dennoch billich zum fordersten dem HERRN HERRN demuͤthigsten danck abstatten fuͤr alles unzaͤhliche in geist- und leiblichem derseligen und duꝛch sie an andern/ wie jedes derselben auff unterschiedliche art/ in ehelicher treue/ muͤtterlichen fuͤr- sorge/ gutthaten/ freundschafft/ fuͤrbitte/ gutem exempel und dergleichen an deroselben genossen/ erzeigte guͤte/ auch endlich so gnaͤdige einfuͤhrung in jene herrliche ewigkeit/ um so wol daselbs bereits der seelen nach der himmlischen freude zu geniessen/ als auch des herrlichsten offenbahren kroͤnungs-tags nach seiner verheissung zu erwarten: da sie nun selbs ihren danck und lob auffs voͤlligste abstattet/ dessen all unser danck gleichsam nur ein geringer wie- derhall ist. Jndessen bedaure nicht allein ich/ sondern wie ich mich versichert halte/ alle welche denselben und dessen wol hochschaͤtzen/ den von seiner seiten in diesem abschied eꝛlittenen veꝛlust/ deꝛ soviel groͤsser ist/ als das zuruͤckg ezogene U u u u u reso- Das fuͤnffte Capitel. gut theurer gewesen ist: erachte auch leicht/ daß keine auch mannlichste reso- lution die empfindlichkeit des schmertzens hinwegnehmen koͤnne; ja es wird auch dem glauben zimlich schwehr/ auffs erste den vaͤterlichen rath also zu fassen/ daß wir so bald die ob zwahr liebe hand/ die uns geschlagen/ mit voͤlli- ger zufriedenheit kuͤsseten. Was zwahr zu solcher gelassenheit/ in dero allein ruhe zu finden/ nicht allein die vernunfft vorstellen kan/ sondern vornemlich der reiche schatz des goͤttlichen worts an die hand gibet/ ist nicht noͤthig dem- selben vorzuhalten/ als ihm selbs gnugsam bekant: niemand aber kan dessen krafft in das hertz eintrucken/ als der H. Geist und dessen finger. Daher hie- mit den treusten Vater in dem himmel demuͤthigst anflehe/ welcher solchen Geist des trostes nach dem maaß jetzigen leidens in seine theure seele mildig- lichst eingiessen wolle/ in seinem liecht nicht allein sein unwider sprechliches recht uͤber unser und der unsrigen leben/ sondern auch seine heilige weißheit und guͤte/ nach welcher er sich desselben also braucht/ daß wie es auch vor men- schen augen das ansehen gewinnet/ in der wahrheit eines jeglichen seiner kin- der abschied/ nach art und zeit/ immer sich also angeordnet findet/ wie es am besten ist/ ferner die seligkeit des herrlichen wechsels/ auch freudige hoffnung der kuͤnfftigen wiederzusammenkunfft/ dermassen einzusehen/ und in solches goͤttliche einen blick zu thun/ daß damit das hertz durch eine lebendige empfin- dung des trostes/ dessen gruͤnde also recht eingesehen werden/ auffs kraͤfftig- ste beruhigt werde: worzu alle bloß-menschliche krafft unzulaͤnglich ist. Nach- dem er aber als ein guͤtiger GOtt mit den seinigen in gnaden also verfaͤhret/ daß er ihnen niemal nichts entzeucht/ daß er nicht hinwieder ihnen an sich selbs oder andern auff allerley wiese hinwiederum ersetzte/ so ist auch dieses/ was von seiner guͤte wuͤnsche und bitte/ daß eine so viel staͤrckere krafft seines Geistes den abgang der von ihr in dem geistlichen genossenen auffmunterung und erbaulichen begehung ersetze/ die leibes-gesundheit desto mehr staͤrcke/ als sonsten vieles in treuer pflege abgegangen ist; zu denen dieses lebens sorgen/ daran vorhin zwey leichter getragen/ gedoppelte kraͤfften/ um nicht unterzu- ligen/ zugeben; zu der werthesten jugend ihm gefaͤlliger aufferziehung selbs mit beyzutreten/ und denselbigen alles dasjenige selbsten zu seyn/ was er biß- her denselben in einer treuen mutter gewesen; und also in der that zu zeigen/ ob er ein und zwahr edles geschenck seiner gnade zu sich wieder genommen/ daß er dennoch seine gnade in nichts gemindert habe/ vielmehr denjenigen se- gen/ mit welchem sie noch vor ihrem ende die ihrige beschencket haben wird/ in allen stuͤcken und unaussetzlich so lange an samt und sonders erfuͤllen/ und sie nach ihrem wunsch fuͤhren wolle/ biß die jetzo getrennete in einer herrlichkeit sich wieder umfassen und alsdann ewig vereinigt bleiben. Er lasse auch ihr ge- daͤchtnuͤß wie in dem preiß ihrer tugenden und gottseligkeit/ also auch in ein- truckung gleiches ihres bildes in die seelen der geliebtestẽ kinder/ an denselben staͤts ARTIC. II. SECTIO XLIII. staͤts zu leuchten/ immer bluͤhen und auff die nackkommende erhalten werden. Nun der HErr unser GOtt/ ein HErr der zeit und ewigkeit/ erfuͤlle/ was wir bitten/ ihm allerdings auch gefaͤllig zu seyn in zeit und ewigkeit um JESU Christi willen ꝛc. 1697. SECTIO XLIII. Anfechtung eines/ der aus leiblichem uͤbelergehen GOttes ungnade schliessen wolte. J Ch bitte hertzlich in dem HErrn und in seiner kraff sich zu staͤrcken/ und den anfechtungen des tꝛauergeists nicht zueigeneꝛ quaͤlung bey sich platz zu geben. Dabey habe sonderlich zu erinnern/ daß die meiste krafft der- selben aͤngstigendẽ anfechtungen auf einigem falschem præsupposito beruhet/ nemlich/ daß wir von der gnade oder ungnade GOttes gegen uns/ aus dem jenigen zu urtheilen haͤtten/ wie derselbige uns in dem leiblichen es ergehen lasse/ sonderlich aber/ daß ein gewiß zeichen seye/ daß der HErr uͤber uns son- derbar erzuͤrnet seyn muͤsse/ da er uns in dem irrdischen nicht nur nicht glei- chen segen mit andern ertheilet/ sondern vor andern sich hart erweiset/ ja wol gar mit ungemeinen truͤbsaalen auff uns zutringet/ welches schlechter dinges ungegruͤndet ist/ und dahin derjenige spruch/ welcher uns zuweilen wider die versicherung der goͤttlichen gnade von den Papisten vorgeruͤcket zu werden pfleget/ mehr gehoͤren mag Pred. Sal. 9/ 1. doch kennet kein mensch weder die liebe noch den haß irgend eines/ den er vor sich hat. Jch sage/ es seye solche meynung allerdings ungegruͤndet/ wie wir bereits in dem A. T. sehen: indem eben hierinnen der fehler der freunde Jobs bestunde/ daß sie dafuͤr hielten/ es seyeaus dem leiden Jobs offenbahr/ daß Gott uͤber ihn wahrhaff- tig erzuͤrnet seyn muͤsse/ uͤber welchen er so viel jammer / zusammen schlagen liesse/ und gleichsam allen fluch auf ihn ausschuͤttete/ daraus denn folgte/ daß seine froͤm̃igkeit heucheley gewesen seye. Wie grossen schein nun diesemeinung hatte/ uñ sie sich staͤts einbildeten/ sie eifferten treflich vor Gottes ehre/ so wer- den sie gleichwol daruͤber von Gott hart gestraft/ daß sie Jobs fuͤrbitte bedorf- ten/ weil sie nicht recht von Gott und dessen art/ wie er mit den seinigen umzu- gehen pflegte/ geredet hatten. Jn dem Levitischen gesetz uñ bundwurden denẽ welche das gesetz zu halten sich befleißigen wuͤrdẽ/ sonderlich stattliche verheis- sungen leiblicher gluͤckseligkeit gegeben/ dero sie auf erden in dem lande Ca- naan geniessensolten/ aber auch diese verheissung schloß die pruͤffung Gottes/ die er mit zeitlichem leiden einiger seiner kinder noͤthig hielte/ nicht aus. Daß wir hin und wieder sehen/ daß sich auch gottselige/ wenn sie ihrer und der uͤber- treter zustand gegen einander betrachteten/ nicht wenig aͤrgerten/ wie sonder- lich Assaph Ps. 73. bezeuget/ da nemlich die gottlose gluͤckselig in der welt U u u u u 2 waͤ- Das fuͤnffte Capitel. waͤren/ und reich wuͤrden/ er hingegen taͤglich geplagt wuͤrde/ und seine plage alle morgen da waͤre; daruͤber er dann schier auch davor gehalten ha- be/ es waͤre umsonst/ wo man gottselig lebte; sagt aber dabey/ damit haͤt- te er verdammt alle GOttes-kinder/ die je gewesen seyen/ weil nemlich GOtt gemeiniglich an denselbigen mehr andere als leibliche verheissungen zu erfuͤllen gepfleget haͤtte. Kommen wir aber auf das N. T. so finden wir durch und durch keine sonderbare verheissungen von leiblicher gluͤckseligkeit und reichthum/ die den glaͤubigen kindern von dem him̃lischen Vater als ein stuͤck des bundes gegeben worden waͤren/ vielmehꝛ so verkuͤndiget er insgemein den seinigen vieles von allerley truͤbsaalen; ja er haͤlt reichthum und anders/ so in dem alten gesetz bey den Juden als ein sonderbarster segen geachtet wurde/ vor eine gefaͤhrliche sache/ und will also nicht leiden/ daß die seinige auch nur eine ernstliche begierde 1. Tim. 6/ 9. 10. darnach haben sollen. Denn nachdem er die geistliche guͤter in reichlicher maaß den seinigen nunmehr bestim̃et/ zu wel- chen aber tuͤchtig zu werden eine mehrere toͤdtung der eignen luͤste und natuͤr- lichen willens gehoͤret/ so findet er hierzu ein solches leben/ in welchem es un- serm fleisch durchaus nicht nach willen gehet/ viel geschickter/ als das gluͤckseli- gere/ und gebraucht allerley arten leidens/ nicht nur/ die man austruͤcklich um der gerechtigkeit willen ausstehen muß/ die zwahr so viel gesegneter sind/ son- dern zuweilen auch anderer/ armuth/ zuruͤckgehung allerley vorhabens/ ver- achtung und anders dergleichen/ als eines solchen feuers/ dadurch viele schla- cken der liebe der welt/ und dero groͤbern/ oder auch subtilern/ anhaͤngigkeit ausgebrandt/ und das gold der in den seinigen gewirckten geistlichen gaben mehr und mehr gereiniget werden sollen. Daher in dem gantzen N. T. wir im- mer mehr vom leiden als eusserlicher gluͤckseligkeit lesen/ ja nicht zeigen koͤn- nen/ daß uns von dem irrdischen etwas mehr als unser taͤgliches brodt/ und zwahr nach der ermessung nicht unser selbs/ sondern des guͤtigen und weisen Vaters/ der es zuweilen sparsamer uns zuzutheilen seine wolgemeinte/ obwol uns gantz verborgene/ ursachen haben mag/ zugesagt seye: Daher auch ein kind GOttes sich mehr und mehr bestrebet/ sich die wahre und geistliche guͤter so angenehm zu machen/ daß es wahrhafftig willig seye/ wo es seinem Vater ge- faͤllig/ ihn auch mit ermangelung alles uͤbrigen und gedultiger uͤbernehmung dessen ihn zu preisen: Huͤtet sich aber sonderlich auch aus dieser art leidens ihm die gnade desselben nicht in zweiffel ziehen zu lassen. Allem diesem bitte ich fer- ner in der forcht des HErrn/ und mit dessen hertzlicher anruffung nachzuden- cken/ da ich versichere/ mein hochgeehrter Herr werde finden/ daß was ich hier schreibe/ eine goͤttliche wahrheit seye/ ob sie wol von vielen nicht erkant wird. Liget dieses zum grund fest in seiner seele/ so ist die meiste krafft der ihn plagen- den anfechtung gebrochen: Es wird auch alsdenn dessen verlangen und gebet viel inbruͤnstiger dahin gehen/ daß ihm der Herr/ in allem seinem willen gedul- tig ARTIC . II. SECTIO XLIV. tig auszuhalten/ glauben und muth verleihen/ auch solches zu sein und der sei- nigen seelen besten richten wolle/ als auf die errettung aus leiblicher noth. Kommet aber die seele auch dahin/ daß auch ihr verlangen nach dem irꝛdischen meistens gebrochen/ und sie sich in diesem lediglich ihres GOttes willen/ et- was oder nichts zu haben/ uͤbergibet/ so ist gewoͤhnlich auch die leibliche huͤlffe naͤher/ als sie gewesen/ so lange sie mit mehrer begierde gesucht worden. Der HErr HErr gebe solche lebendige erkaͤntnuͤß in dem liecht seines heiligen Geistes in seine seele/ fuͤhre ihn nach seinem rath/ und nehme ihn mit ehren an. Womit in die troͤstende liebe des treuesten Vaters samt gantzem hause hertz- lich empfehle. 1688. SECTIO XLIV. Rath vor einen mit schwehren zweiffeln uͤber die goͤttliche lehr angefochtenen. G Leichwie ich von der in demselben von guter zeit her kraͤfftig erkanten goͤttlichen gnade bey etzlichen jahren durch unterschiedliche freunde nicht nur einmal vergnuͤglichen bericht empfangen/ und mich daruͤber hertzlich erfreuet habe/ so hat es bey mir so viel hertzlichers mitleiden verursa- chet/ als von noch nicht langer zeit nicht weniger verstanden/ wie es dem himm- lischen Vater gefallen hat/ ihn in seine zucht-schule zu fuͤhren/ und zwahr am empfindlichsten ort anzugreiffen/ nemlich an der seele selbs/ mit entziehung de- ro ruhe/ und empfindlicher gewißheit/ welchen zustand ich wol weiß einer see- len den schmertzlichsten zu seyn/ an dessen statt sie gemeiniglich alle andere lei- den dieser welt lieber erwehlen wuͤrde. Jndessen sind wir gewiß/ daß dessen vaͤ- terliche guͤte weder in dem leiden selbs/ noch in der wahl desselben/ welches er uns bestimmet/ anders verfahre/ als wie ers seinen kindern zu ihrem wahren besten ersprießlich zu seyn weißlich erkennet. Daher ob mir wol eines christli- chen geliebten freundes leiden billich zu hertzen gehet/ bekenne/ daß mir den- noch daruͤber nicht angst weꝛden lasse/ sondeꝛn mich an demselben eines solchen feuers versichere/ dadurch sein gold nicht verdorben/ vielmehr aber gelaͤntert und herrlicher gemacht werden solle; wie auch nicht unterlasse/ so viel als taͤg- lich dieses anligen der guͤte unsers getreuen Vaters demuͤthigst zu befehlen. Jch wende mich auch so bald zu einfaͤltiger beantwortung der mir vorgeleg- ten fragen mit hertzlicher anruffung GOttes/ mir darinnen dasjenige liecht zu geben/ so zu dessen wahrer beruhigung mir noͤthig seyn wird. Es ist aber die erste frage/ ob er in seinem gegenwaͤrtigen zustand/ darinnen er auch an den nothwendigsten glaubens-articuln zweiffle/ doch aber nichts ver- werffe/ sondern gern glauben wolte/ wenn er die wahrheit erkeñete/ in der gnade GOttes stehe/ und wenn er in solchem stand stuͤrbe/ die selig- U u u u u 3 keit Das fuͤnffte Capitel. keit ererben koͤnte? Hier auf fuͤge an zum foͤrdersten eine antwort eines an- dern gottseligen freundes/ deme die fragen communici ret/ und von ihm die- ses erhalten habe: Der angefochtene klaget uͤber zweiffel in den nothwendig- sten glaubens-articuln (die/ indem sie nicht haben koͤnnen specifici ret werden/ die generalius einzurichtende antwort schwehrer machen) und verwirfft doch nichts/ sondern will glauben. Er laͤst denn die schrifft GOttes wort/ vermuthe ich/ seyn/ und verwirfft es nicht/ oder suchet doch auch wider dieselbe sich erre- gende zweiffel zu uͤberwinden. Nun das wollen (glauben wollen/ allen zweiffel uͤberwinden wollen) von wem kommets? von GOtt gewiß Phil. 2/ 13. Und ists freylich besser suchen und forschen. Joh. 5/ 39. (solts auch mit furcht und zittern geschehen) als den zweiffel nicht achten oder zu uͤberwinden nicht trach- ten. Jch præsupponi re/ daß tentatus sich weisen lassen wird/ wie nach Lutheri heroischen worten/ nicht glauben koͤnnen/ und doch glauben wollen/ vor Gott ein angenehmer glaube seye. Welches aus den buͤchern deren/ so von der schwachheit des glaubens geschrieben/ zur gnuͤge dargethan wird. Nun will er aber glauben. Welches wollen gewiß ein fuͤncklein ist/ so von Gottes Geist be- reits gewircket ist/ der dann diesem scrutanti zu der ihm beliebigen stunde (wo und wie ers gut befinden wird) das fuͤncklein des glaubens weiter wird anzu- blasen wissen. Und gesetzt/ Gott liesse ihn in deꝛ schwachglaͤubigkeit noch etwas umzappeln/ so hat er in Gott-gelassenheit sich der worte Pauli zu erinnern/ laß dir an meiner gnade gnuͤgen/ denn meine krafft ist in den schwachen maͤchtig 2. Cor. 12. Sagt doch GOtt selbs/ er wolle das zustossene rohr nicht zubrechen. Welches weiset/ daß auch solche leute in gnaden stehen. Und auf die frage/ ob sie in solchem zustand selig werden? soll auch JEsus antworten im anfang der so schoͤnen berg-predigt/ Matth. 5. Selig sind/ die geistlich arm sind/ das himmelreich ist ihr. Das staͤrcker glauben wollen ist ein liebes- strick/ wodurch uns GOtt naͤher zu sich ziehet. Wir lernen besser verstehen/ was liecht ist/ wenn es in unserm hertzen vorher recht dunckel gewesen. Wir sehen mehrmal aus erfahrung/ daß diese leute/ die durch allerley scrupel Gott hat lassen exerci ret werden/ nachmal die gegruͤndesten und festesten im glau- ben werden. Und mag seyn/ daß auch bey dieser werthen person der weiseste Gott/ der gewohnt ist/ das kleine groß und aus nichts alles zu machen/ es vor- hat/ sie felsen-fest zu machen/ daß sie sagen koͤnne aus erfahrung/ wenn du mich demuͤthigest/ machest du mich groß: Mein HErr und mein GOtt! Wie der erst un-hernach starck-glaubige Thomas sagte: Und wie Paulus/ wenn ich schwach bin/ bin ich starck. GOtt wolle mein hoffen lassen amen seyn. Jch muß hierbey was erzehlen: Jch habe eine frau gekant/ die in der lehr von Chri- sti Gottheit zu scrupuln kommen ist/ daß sie und niemand ihr zu helffen ge- wust. Diese (sonst ein weib von maͤnnlichem geist und muth) ist hernach fleißig nechst ARTIC . II. SECTIO XLIV. nechst andaͤchtigem gebet uͤber der bibel gelegen/ die sie fleißig durchgangen/ und alle von Christo handlende weissagungen und spruͤche ihr aus- und unter- gezeichnet/ daß sie die krafft-kern-spruͤche/ auch in andern materien/ zu vielma- liger meiner verwunderung so apposite und mit nachtruck angefuͤhret/ als viel Prediger nicht solten thun koͤnnen. Und weiß ich nicht/ ob ich mein tag jemand von staͤrckerm glauben fast gehoͤrt als sie. Jch bekenne / daß mit ihr offt ein paar stunden in dem HErrn zu conversi ren mir so viel genutzt als vieles lesen. Das kan GOtt! darum nur auf ihn gehofft! Jch kenne einen menschen in Christo/ der in suͤnden-zweiffel gesteckt/ aber durch GOttes guͤte ihm selbs und andern zum trost 2. Cor. 1/ 3. 4. so erquickt worden/ daß da ihm vorher die erde fuͤr angst zu enge war/ nachmal sein hertz zu enge war den trost zu fas- sen. Ein dergleichen angefochtenes hertz muß dencken: Dem GOtt wilstu dich lassen gantz und gar/ und indessen mit samt dem schwachen glauben dich in sei- ne haͤnde und wunden werffen. Dieses ist die antwort des gedachten christli- chen mit-bruders/ zu welcher ich in der sache selbs nichts zu setzen habe/ sondern gleichsam jene nur mit andern expressio nen wiederhole. So ist nun gewiß/ daß allein der glaube das mittel unsrer seligkeit seye/ und wir uns also derselben gewiß versichern koͤnnen/ wo jener verhanden ist. Es ist auch eine ausgemach- te sache/ daß der seligmachende glaube nicht eine menschliche wissenschafft und uͤberzeugung seye/ sondern ein liecht von GOtt/ und solche wirckung in dero wir seine gnade in CHristo JESU ergreiffen/ daher sie nicht andern wissen- schafften und menschlichen habitibus zu vergleichen ist. Daß ich aber naͤher zur sache komme/ halte ich/ daß wol in acht zu nehmen seye/ wie unser liebe Lu- therus uͤber das Magnificat T. 1. Alt. (welchen ort auch D. Dannhauer seiner Hodosophiæ einzuverleiben/ wuͤrdig gehalten hat Ph. 5. p. 420. ) den menschen in 3. theile theile aus 1. Thess. 5/ 23. geist/ seel und leib/ gleichwol daß die erste beyde dem wesen nach eins seyen: wo er sagt/ es seye der geist das tieff- ste/ edelste/ hoͤchste theil des menschen/ darinn er geschickt ist unbe- greiflich unsichtig ewige dinge zu fassen/ und ist kuͤrtzlich das hauß/ da der glaube und GOTTES wort inne wohnet. Die see- le ist eben der geist/ aber in einem andern werck/ und ist dessen art zu fassen/ was die vernunfft kennen und erkennen kan. Da sage ich nun es muͤsse zum grunde ligen/ daß der glaube ein werck GOttes in dem geist seye/ da der mensch der goͤttlichen gnade versichert ist/ wo zwahr freylich auch erkaͤntnuͤß/ beyfall und zuversicht seyn muß/ aber nicht mit der voͤlligen reflexion. Wo nun solcher glaube in dem grund der seelen oder in dem geist ist/ da bricht er ordentlicher weise auch aus in die seele/ daß nemlich der verstand/ womit der mensch sonsten andre dinge verstehet/ mit seinem liecht auch die dinge/ so der glaube vor sich hat/ ansihet/ beurtheilet und an- nim- Das fuͤnffte Capitel. nimmet/ sonderlich mit den folgen umgehet/ wie eines aus dem andern folge. Damit ist alsdenn der glaube in dem geist und in der seele/ hie nimmt dieselbe die wahrheit an/ die sie sihet/ aus diesem und jenem spruch goͤttlichen worts zu folgen/ oder wie eine wahrheit die andere erweiset/ dorten geschihet es mit mehrer einfalt und ohne discurs. Hingegen kan geschehen/ daß der aus- bruch aus dem geist in die seele gehindert wird. Wie wir bekennen/ daß die kleine kinder wahrhafftig glauben/ so muß also in ihrem geist das himmlische liecht seyn/ so sich dannoch wegen unfaͤhigkeit der seelen damaligen kraͤfften no ch nicht darein ausgiesset. Ja wenn auch wir erwachsene schlaffen/ leuch- tet das liecht des glaubens noch immer wuͤrcklich in dem geist/ in dem wir nie- mal ohne wircklichen glauben in GOttes gnade stehen koͤnten/ und wenn es nicht gedachter massen sich verhielte/ keiner in dem schlaff sterbender selig seyn wuͤrde/ und dennoch ergeust sich solcher glaube um solche zeit nicht in die seele oder dero kraͤfften/ die der reflexion faͤhig sind: Welches wir auch von denjenigen glaͤubigen sagen moͤgen/ die in ohnmacht/ sonderlich vor ihrem ab- schied manchmal mehrere stunden ja tage ohne gebrauch der sinnen und ver- standes ligen/ da gleichwol kein zweiffel ist/ daß der wirckliche glaube ( fides actualis ) auch uͤm solche zeit bey ihnen sich finde/ ja wohl vermuthlich/ daß solches liecht bey kindern GOttes um die zeit/ da sie der ewigkeit naͤher sind/ gleichsam mit neuen strahlen aus der ewigkeit in ihnen gestaͤrcket wird. Wie denn nun aus diesen exempeln erhellet/ daß der glaube in dem geist seyn koͤn- ne/ da sich nichts davon in der seele und dero kraͤfften bey uns eussert: so ist nicht weniger muͤglich/ daß der glaube in dem geist bleibe/ wenn etwas des- selben in die eusserliche kraͤfften der seelen ausgehet/ aber so daß die vernunfft oder natur sich widersetzet. Welches die art der angefochtenen ist/ dero glau- be nicht bloß in dem geist bleibet/ sondern die kraͤffte der seelen gehen mit uͤm/ der verstand betrachtet die vorgestellte wahrheiten/ und gibt ihnen einigen beyfall/ und der wille will mit vertrauen dieselbe ergreiffen/ aber der ver- stand/ in dem die goͤttliche krafft aus dem innersten solchen eintruck thut/ hat noch seine natuͤrliche finsternuͤß/ diese mischet sich in die betrachtung der him̃- lischen wahrheiten/ daher er sie sehr tunckel erkennet/ sie gibet auch so viel widrige einwuͤrffe/ und bereitet einen nebel vor die augen/ daß an statt des unzweiffentlichen beyfalls/ der ohne diese hindernuͤß wuͤrde da seyn/ ein gantz schwaͤchlicher beyfall allein bleibet/ den die zweiffel so verunruhigen/ wie der nebel/ der sich beweget/ machet/ daß man was dahinden ist/ bald etwas klahr/ bald dunckler bald gar nicht/ sihet: Daher das ergreiffen des willens auch nicht anders als sehr schwach seyn kan. Dieses ist die bewandnuͤß des glau- bens bey einem schwachen oder angefochtenen/ wie er sich nemlich in der seele und dero kraͤfften/ wo die reflexion und entsinnung dabey ist/ hervorthut. Jndessenbleibet in dem geist dannoch der wahre und unbewegliche goͤttliche glau- ARTIC. II. SECTIO XLIV. glaube/ der uns seelig machet. Man moͤchte aber fragen: Woher wir denn wuͤsten/ daß der glaube annoch innerst in dem geist seye/ da doch in den kraͤfften der seelen sich fast mehr widriges zeiget? Es wird aber die ant- wort unschwehr seyn. Wo der heilige Geist ist/ da seye/ wie er ein liecht ist/ ausbleiblich auch sein liecht/ wie erstlich in dem glauben/ also auch nach- mal in dessen fruͤchten. 1. Cor. 2/ 12. 2. Cor. 4/ 13. Daß aber an solchen personen/ die in anfechtungen wider den teuffel streiten/ der heil. Geist kraͤff- tig seye und wohne/ solches sehen wir unwidersprechlich aus allen andern sei- nen wuͤrckungen in ihnen/ die sich in die seele durch die fruͤchten empfindlicher ergiessen/ alsdurch die empfindlichkeit des glaubens selbst. Also die angst/ die eine solche seele/ da sich der glaube verborgen/ daruͤber hat/ das mißfallen an den zweiffeln/ die begierde nach empfindlicher gewißheit/ die liebe zu Gott/ die sorgfaͤltige verwahrung des gewissens/ und was dergleichen stuͤcke der heiligung sind/ dero auffrichtigkeit der angefochtene sich gewiß versichern kan/ sind lauter solche wuͤrckungen/ die von keiner geringern ursach als dem heiligen Geist selbs herzukommen vermoͤgen/ daß also dergleichen leute sich seiner einwohnung aus den kraͤfftigen wirckungen versichern/ daraus aber unfehlbarlich schliessen koͤnnen/ daß in dem geist/ wo derselbe wohnet/ und woheraus alle diese wuͤrckungen kom̃en/ der wahre und goͤttliche glaube seye/ dessen sie so viel/ als sie verlangten/ in der seelen kraͤfften nicht gewahr wer- den. Da hingegen die muͤglichkeit dessen aus obbesagten hoffentlich ziemlich erhellen kan. Daraus sihet man also/ wie wahꝛ es seye/ daß glauben wollen ein wahrer glaube seye/ oder vielmehr jener austruck in dem willen der seele das zeugnuͤß seye/ daß der wahre glaube in dem geist verborgen seye. Die II. frage lautet nun: Worinnen die goͤttliche gewißheit in den nothwendigsten glaubens-articuln bestehe/ und was sie seye? Da zugleich hinzugesetzt wird/ es werde solche seyn eine aus der erleuchtung des geistes GOttes entstandene kraͤfftige uͤberzeugung des hertzens. Welches auch freylich also/ aber dennoch auch zu mercken ist/ daß solche gewißheit ih- re gewisse grade und stuffen habe. Zwahr von seiten der goͤttlichen wahr- heiten selbs ist kein unterscheid/ sondern alle goͤttliche wahrheiten sind einer gleich unbetruͤglichen gewißheit: es ist auch kein unterscheid/ was anlangt die goͤttliche offenbahrung selbs insgemein/ weil sie wiederum alle von einer goͤttlichen offenbahrung herkommen muͤssen/ massen wiꝛ von dem verborgenen GOtt/ sonderlich wo wir reden/ davon eigentlich hier geredet zu werden mich versichere/ von dem geheimnuͤß des Evangelii/ nichts anders oder weiter er- kennen und wissen moͤgen/ als was der HErr geoffenbahret hat. Was aber die offenbahrung selbs anlangt/ gibts in der art/ wie diese uns kund wird/ einigen unterscheid. 1. Jst eine art die unmittelbare offenbahrung/ wie Gott den Pro- X x x x x phe- Das fuͤnffte Capitel. pheten/ Aposteln/ und dergleichen die wahrheiten/ welche ihnen zu wissen noͤ- thig waren/ sonderlich davon sie muͤndlich oder schrifftlich zeugen solten/ also vorgestellet/ uñ in die hertzen eingetrucket hat/ daß sie so bald so wol dieselbe in dem mitgetheilten liecht stracks voͤllig/ oder so viel ihnen davon entdecket hat werden sollen/ erkanten/ als auch der gewißheit derselben alsobald so versi- chert wurden/ daß ihnen so unmuͤglich gewesen waͤre/ an solchen zu zweiffeln/ als einer der sich recht besinnet/ und bey hellem mittag die sonne sihet/ daß er sie sehe/ zu zweiffeln nicht vermag. Diese gewißheit ist wol die hoͤchste/ aber nicht allen Christen gemein. 2. Jst eine art der gewißheit/ so aber nur gewisse dinge angehet/ nemlich die zu der heiligung/ und theils zur rechtfertigung ge- hoͤren/ da der mensch die sache nicht nur weiß und glaubet aus der goͤttlichen offenbahrung in dem wort/ sondern hat auch die eꝛfahrung davon in seiner see- len/ welche gewahr wird dessen/ was in ihr geschihet: wo dann die erfahrung eine bekraͤfftigung der offenbahrung/ ja gleichsam eine wiederholte offenbah- rung ist. Bey dieser/ so weit die erfahrung selbs gehet/ hat auch kein zweiffel platz/ oder ist doch alsobald uͤberwunden. 3. Was aber diejenigen materien anlangt/ davon keine erfahrung seyn kan/ geschihet einigen die gnade/ daß auch die wahrheiten von denselben in ih- rer seelen also versieglet werden/ daß sie die gewißheit derselben in sich selbs so wol in dem himmlischen liecht sehen/ als sie die wahrheit der axiomatum, wel- che die vernunfft klahr sihet/ also erkennen/ daß sie dero gewißheit nicht erst durch vielen erweiß sich einzutrucken noͤthig haben. Diese versieglung und of- fenbahrung ist nun so feꝛn nicht unmittelbaꝛ/ indem sie aus der kraft des goͤtt- lichen worts/ so man gelesen oder gehoͤret hat/ herkommet/ ich moͤchte sie aber so fern unmittelbar nennen/ weil der glaube sie ergreifft nicht nur als gewisse conclusiones aus dem goͤttlichen und davor erkanten wort/ sondern als solche wahrheiten/ da ihm eine jegliche derselben selbs von dem H. Geist in der seelen versieglet und zu erkennen gegeben wird (sihe Eph. 1/ 17. 18. ) daher abermal bey dieser erkaͤntnuͤß kein zweiffel seyn/ oder doch nicht starck eintringen kan. 4. Endl. ist diejenige erkaͤntnuͤß/ und zwahr die gemeinste/ da eine glaͤubige seele zwahr von der goͤttlichkeit des worts und der schrifft durch den H. Geist und spuͤhrung dero krafft uͤberzeuget ist/ aber aller oder der meisten theologi- schen wahrheiten (wovon nemlich keine erfahrung seyn kan) absonderlicher of- fenbahrung oder versieglung sich nicht ruͤhmen darff: sondern allein vergnuͤgt ist/ daß sie dieselbe entweder mit klahren worten in der schrifft enthalten/ oder auf eine solche buͤndige artdaraus gezogen sihet/ daß sie der guͤltigkeit der fol- ge uͤberzeuget ist/ und alsdenn solche theses fest ergꝛeifft/ als goͤttl. wahrheiten aus der allgemeinen uͤberzeugung/ daß die H. schrifft das wahre wort GOt- tes seye. Wie nun dieser grad gegen die vorige etwas geringer ist/ so mangelts ihm doch nicht an der zur seligkeit noͤthigen gewißheit: indessen ist er mehrern zweif- ARTIC . II. SECTIO XLIV. feln unterworffen/ nicht nur denjenigen/ womit auch bey den rechtglaͤubigen das unglaͤubige fleisch zuweilen einige einwuͤrffe gegen die goͤttlichkeit des worts thut/ oder doch das gefuͤhl der uͤberzeugung davon schwaͤchet/ sondern auch denjenigen/ welche uͤber die richtigkeit der folgen aus der schrifft entste- hen koͤnnen. Judessen ists gleichwol eine goͤttliche gewißheit/ nach dem sie sich gruͤndet auf die goͤttl. uͤberzeugung von der wahrheit des worts Gottes/ dar- innen diejenige dinge stehen/ uñ daraus gezogen werden/ welche wir mit glau- ben um der wahrheit willen dessen/ der uns das wort gegeben hat/ annehmen. Wo nun III. gefraget wird/ welches die unfehlbare kennzeichen sol- cher gewißheit seyen? So wird nicht wol von den drey ersten arten gefraget werden/ indem in denselben was die erste und dritte anlangt/ das goͤttliche liecht sich so wol selbs offenbahret/ daß anderwerts nicht eben kennzeichen her- zunehmen sind/ als die sonne gesehen keines andern liechts/ zur versicherung sie gesehen zu haben noͤthig hat. Was aber die vierdte betrifft/ weil in dersel- ben wiederum zweyerley sich sindet/ in der seele die uͤberzeugung von der ge- wissen folge aus GOttes wort/ oder von dem rechten verstand der worte der schrifft selbs/ dazu ein discursus und operatio mentis gehoͤret/ und in dem geist das goͤttliche liecht des glaubens insgemein: So wird jene gewißheit erkant an der pruͤffung/ ob solche folge den regeln einer wahrhafftigen folge/ und die erklaͤhrung der wahren erklaͤhrung oder hermenevtic gemaͤß seye/ also/ daß nichts erhebliches dagegen gebracht werden kan. Was aber die andre gewiß- heit anlangt/ ob insgesamt das liecht in unsrem geist/ mit dem wir insgemein die goͤttliche seligmachende wahrheit und lehre annehmen/ das wahre goͤttli- che liecht seye/ weiß ich kein gewisser und unfehlbarer kennzeichen zu geben/ als der Apostel gibt 1. Joh. 2/ 3. daran mercken wir/ daß wir ihn kennen/ und also/ daß unser erkaͤntnuͤß und glaube von ihm nicht luͤgen oder menschli- cher gedancken/ sondern wahrheit/ eine wahrheit GOttes seye/ so wir seine gebot halten. Also wo ich in meiner seele finde/ daß mein glaube mich kraͤff- tig zu der heiligung nach allen geboten Christi stets antreibe/ und solche thaͤt- lich bey mir wircke/ so bin ich unfehlbar versichert/ daß solcher nicht von fleisch und blut/ sondern von GOttes Geist/ herkomme/ und also ob schon in begreif- fung dieser und jener thesium in der seele ein menschlicher irrthum mit einge- lauffen seyn moͤchte/ und ich also der veritatis objectivæ von allem nicht un- fehlbar gewiß bin/ daß dennoch der glaube in dem geist das rechte und selig- machende liecht in mir seye. Welches sich sonderlich mit dem exempel der juͤn- ger Christi vor seinem todt erweisen laͤst/ in derer seele viel schwehre irrthuͤme/ in dem geist aber deñoch ohneracht jener/ der wahre goͤttliche glaube sich fand. Die IV. frage ist/ ob derselbe sich dessen/ davon er keine goͤttliche ge- wißheit habe/ im beten annehmen/ es andeꝛn pꝛedigen und lehren/ auch X x x x x 2 als Das fuͤnffte Capitel. als eine wahrheit unterschreiben koͤnne? Weil nun hievon der christliche Theologus, so auch uͤber die 1. frage seine gedancken eroͤffnet/ gleichfals etwas geantwortet/ setze ich zu erst seine beantwortung gantz hieher/ die also lautet: Jch liesse in diesem fall mein ernstes gebet stets seyn: O GOtt/ was ich dir/ un- srer kirchen confession und deiner schrifft/ wie ich es indessen einfaͤltig/ obwol schwaͤchlich glaube/ gemaͤß vortrage/ das laß dir gefallen. Jch sehe es einmal an als deine wahrheit. Soltestu befinden/ daß ich etwas wider dich oder dein wort betete (welches ich gleichwol zu thun nicht willens/ wie du allwissender weitß) so moͤchtestu es als nicht gebetet halten. Jch will alle mein gebet deinem uns vorgeschriebenen Vater unser conform eingerichtet wissen. Damit betete ich in GOttes nahmen alle denen in unsern kirchen uͤblichen glaubens-arti- culn gemaͤsse gebete: Mit bedingung/ GOtt wolle meinen schwachen glauben nicht verachten/ sondern staͤrcken/ ja als seine wirckung ihm ein angenehmes opffer um Christi willen seyn lassen. So auch mit dem predigen. Jch befliesse mich auffs einfaͤltigste die goͤttliche wolthaten vorzuhalten/ und wie sie uns zur danckbarkeit und einem heiligen leben erwecken/ zu zeigen/ damit legte ich trost und buß in die heꝛtzen. Kaͤme mir etwas in dem text oder sonsten vor/ dar- ob ich stutzte: So fuͤhrte ich indessen an der kirchen meinung/ und sagte: Unsre kirche lehret hievon so und so. Mit dem mich kuͤmmernden zweiffel machte ich andre nicht irre. Mit dem unterschreiben saͤhe ich auf das maaß der gewiß- heit/ so starck mir es GOtt gegeben: hoffende der HErr werde mich darinnen staͤrcken. Jch unterschriebe es mit solch einem hertzen/ daß ich es doch nicht ver- werffe/ und noch begierig seye/ durch gebet/ lesen und forschen in der gewißheit gestaͤrcket zu werden. Dieses sind des lieben freundes christl. und gegruͤndete gedancken. Jch wiederhole sie theils/ theils richte sie ein nach meinem begriff. 1. Was das gebet anlangt/ so mache ich einen unterscheid unter den gebeten/ die oͤffentl. uñ mit andern geschehen/ uñ unter denjenigen / welche ichallein vor meinem Gott thue. Was die erste art betrifft/ vergnuͤgte ich mich damit/ was der christl. bruder vorgeschlagen hat/ und aͤnderte nichts in den gebeten/ ob mir wol zweiffel gegen die wahrheit eines uñ andern stuͤckes auffstiegen/ wie mirs auch nicht frey stehet etwas zu aͤndern in demjenigen gebet/ was nicht mein/ sondern der gantzen kiꝛchen/ gebet ist/ die ich um meines zweiffels willen nichts desjenigen gleichsam berauben darf/ wovon andere eine gewißheit haben moͤ- gen. Damit ich aber mein gebet nicht selbs als wider die wahrheit vor GOtt streitend ansehen doͤrffe/ so huͤlffe ich mir in meiner seele mit demjenigen vor- schlag der bedingung/ wo solches der wahrheit Gottes nicht gemaͤß seyn solte/ da ich mich noch eines andern versaͤhe/ es nicht gebetet zu haben. Da ohne das wer auf der cantzel das gebet verlieset/ nur auch als ein diener der gemeinde in solchem stuͤck angesehen werden kan/ welches amt er also verrichtet/ ob er wol in seinem hertzen dasjenige so zu reden nicht mit betet/ woran er zweiffelt. Jn den ARTIC. II. SECTIO XLIV. den gebeten aber/ die ich allein fuͤr mich thaͤte/ wolte ich so weit nicht gehen/ sondern neben dem gebet des HErrn/ an dem ich nichts zu zweiffeln habe/ alle meine gebet also einrichten/ wie sie derjenigen erkaͤntnuͤß gemaͤß sind/ welche mir GOtt annoch gegeben oder gelassen hat/ und ihn sonderl. immer anruffen um die festigkeit und gewißheit in denjenigen puncten/ die ich noch nicht der- massen/ wie ich wolte/ zu fassen vermag/ am alleꝛmeisten/ da mir dieselbe zu dem vertrauen in dem gebet noͤthig achte. 2. Jn dem predigen/ wo mir freye texte bleiben/ erwehle ich allein diejenige/ in welchen solche materien enthalten sind/ von denen ich mit gnugsamer gewißheit reden kan/ und fuͤhrte alsdenn diesel- be aus nach dem geschenckten maaß der gnaden. Waͤre ich aber an gewisse tex- te/ zum exempel/ Evangelia/ Episteln oder dergl. gebunden/ so nehme ich auch aus denselden diejenige puncten/ von welchen ich mit wenigstem zweiffel re- den kan: wie man ja ohne das nicht allezeit an voͤllige abhandlung solcher tex- te verbunden ist. Wo aber ent weder wegen der kuͤrtze des texts selbs/ oder aus anderer ursach eine materie nothwendig von mir beruͤhret werden muͤste: so achtete noͤthig/ die angegebene veꝛwahꝛung in acht zunehmen/ daß nemlich un- ser kirchen lehr/ mit austruͤcklicher dero meldung/ auffs treulichste erklaͤhrte/ und was zu dero bestaͤtigung angefuͤhrt zu werden pfleget/ mit fleiß anfuͤhr- te/ ohne daß weder meinen consensum austruͤcklich bejahete/ noch hingegen einigerley massen den zuhoͤrerneine sorge meines dissensus odeꝛ zweifel mach- te. Hingegen nachmal auff diejenige dinge in solchem articul am staͤrckesten triebe/ was mir noch darinnen am gewissesten ist. 3. Mit der unter schrifft a- ber hat es eine andere art/ denn weil derselben eigenlicher zweck ist/ meine ge- muͤths-meinung zu entdecken/ und also die kirche oder andere/ deren interesse dabey versi ret/ zu versichern/ daß sie von mir keine widrige lehr zu erwarten habe: so bin ich schuldig/ entweder die unterschrifft gar auff beste weise zu de- clini ren/ oder doch denjenigen/ welche sie mir zumuthen/ deutlich vorzustellen/ wie ich wider solche mir vorgeschꝛiebene lehr nichts voꝛtragen wolte/ auch von dero wahrheit eine vollkommene uͤberzeugung zu haben hertzlich verlangte/ wie ich aber noch mit gewissen scrupuln dagegen zu kaͤmpffen haͤtte/ und also mich in meinem hertzen dazu noch nicht voͤllig zu bekennen vermoͤchte. Womit sie aber billich zu frieden seyn solten: auff den austruͤcklichen verspruch/ nichts widriges andern beyzubringen/ und wo ich solte wider vermuthen des gegen- theils mich uͤberzeugt befinden/ da ich solcher lehr eher widersprechen muͤste/ als dazu mich bekennen doͤrffte/ ihnen solches auffrichtig auch zu hinterbrin- gen/ und also die auf gewisse art geschehene unterschrifft zu wiederruffen. Wo die sache nun auff diese weise eingerichtet wird/ sehe ich nicht/ daß die gethane einwuͤrffe mehr krafft haben. 1. Wird nichts wider die wahrheit oder auffrich- tigkeit gethan/ wann wir nur dieses dabey bemercken/ daß allein wider diesel- be streite/ wo man wider dasjenige redet/ was man in dem hertzen hat/ nicht X x x x x 3 aber/ Das fuͤnffte Capitel. aber/ wo man etwas dessen aus wichtigen ursachen verschweiget und verhaͤ- let/ womit man andere vielmehr irre machen/ als ihnen nutzen schaffen wuͤrde. 2. Werde ich mir damit auch nicht wider die schuldige gelassenheit aus eignem willen einen glauben machen/ den ich behalten/ und damit GOttes wirckung zuvor kommen wolte. Sondern was ich thue in solcher sache/ gehet nicht wei- ter/ als daß ich nach vermoͤgen bey derjenigen lehr und bekaͤntnuͤß zu bleiben mich bemuͤhe/ zu dero mich vorher goͤttliche guͤtige fuͤrsorge durch meine ge- burth und auffer ziehung gefuͤhret hat/ von welcher ich also mit gutem gewis- sen nicht eher zu weichen vermag/ als biß ich des gegentheils mit einer voͤlli- gen versicherung uͤberzeuget waͤre: so lange aber mein vorhin gefaßtes mir nur duꝛch aufsteigende zweiffel bestritten wird/ kan ich es noch nicht wegweꝛf- fen/ sondern es behaͤlt das andere noch so lang den ihm zukommenden vorzug/ daß ob ich wol nicht mehr fest drauff stehe/ ich gleichwol auch nichts dagegen thue/ und wo ich auff eine seite etwas thun muß/ wie in den predigten/ da eine der contradictoriarum austruͤcklich muß gebraucht weꝛden/ dasjenige behal- te und treibe/ was solcher gemeinde gesetz und ordnungen ohne das mit sich bringen. Wie auch sonsten in zweiffelhafften faͤllen/ wo nothwendig etwas ge- than werden muß/ der sicherste theil zu erwehlen ist: welcher in diesem fall ist die behaltung der gemeinen lehr/ durch die niemand/ durch das gegentheil a- ber gewiß viele/ irre gemacht und geaͤrgert wuͤrden. Deswegen ich so gar meine uͤber die gemeine lehr habende scrupel in der oͤffentlichen rede vorzustel- len durch die schuldigkeit der auffrichtigkeit nicht verbunden werde/ daß ich vielmehr aus der schuldigen sorge/ die ich haben muß/ niemand anders in ge- fahr des irrthums zu fuͤhren/ verpflichtet bin/ wo ich eines reden muß/ bey der gemeinen lehr zu bleiben/ und zu trachten/ daß ich vielmehr aus anderer als meinem munde auf obengezeigte weise rede. 3. Wird also damit auch nicht wi- der Rom. 14/ 24. gesuͤndiget/ sondern ich kan alsdenn aus dem glauben (in diesem verstand) thun/ was itzt vorgeschlagen: Dann ob ich wol in dem glau- ben nicht versichert bin/ ob diese lehr die unzweiffentliche wahrheit seye/ so bin ich doch in dem glauben versichert/ daß bey dieser bewandtnuͤß die liebe und das gebot des HErrn dergleichen von mir fordere. V. Jst noch uͤbrig die letzte frage/ was bey gegenwaͤrtigem zustand noch zu thun? Hier will ich abermal/ weil der beruͤhrte freund auch uͤber dieselbe seinen rath gegeben/ wie bey den vorigen beyden seine wort/ wie sie lauten/ hersetzen. Die bekante mittel/ so hierinn zur hand zu neh- men/ waͤren 1. fuͤr sich selbs fleißig beten um goͤttliche staͤrckung/ mit gaͤntzlicher submission in GOt- tes weißheit und willen. 2. Gute getreue mit-bruͤder à part um fuͤrbitte anzusprechen O das gebet des gerechten vermag auch in diesem stuͤck viel/ wanns ernstlich ist. Meines wenigen gebets ver- sichere solche liebe seele in dem HErrn HErrn. Ach der HErr wolle auch zu diesem liebes-dienst an- dere mit-bruͤder und mich ermuntern/ und um JEsus willen erhoͤren. Amen Amen. 3. Fleißig die bibel/ unsre symbolische buͤcher/ und etwa eines geistreichen mannes wol eingerichtetes systema zu lesen. 4. Die am meisten truckende scrupul auffzuzeichnen/ wie sie offt einfallen/ auch wenn es nicht in einer so genauen ordnung waͤre. Doch von den penetrant sten/ die den tentatum am meisten tru- cken/ ARTIC. II. SECTIO XLIV. cken/ den anfang zu machen. 5. Buͤcher wider die kleinglaͤubigkeit als Mülleri uͤber Psal. 143. Sche- rerzeri Fuga Melanch. Lanckischii seelen-artzney/ Scriverii seelen-schatz u. s. f. zu lesen. Diese vor- schlaͤge lasse ich mir nun auch wolgefallen/ setze aber noch ferner bey/ nachdem das anligen auch son- derlich angefuͤhret wird/ ob die zweiffel so fort als versuchuugen des teuffels aus dem sinn zu schla- gen/ und sich bloß an das/ was vorhin geglaubet worden/ zu halten waͤre/ oder/ ob es besser/ die din- ge/ daruͤber die zweiffel entstanden/ desto gruͤndlicher zu untersuchen/ und nechst demuͤthiger einfaͤl- tiger nachforschung es GOtt in demuͤthigem gebet vorzustellen und zu uͤbergeben/ daß er durch die versigelung des heiligen Geistes den ausschlag geben wolle: Daß nemlich unter diesen beyden das erste weder practica bel noch nuͤtzlich achte/ massen nie keine bestaͤndige ruhe daraus folgen wuͤrde/ hingegen das andre zu ergreiffen rathe: Nicht zwahr also/ daß man sich befleissen wolte/ wie ich weiß/ daß zuweilen einige solchen vorschlag thun/ alle vorhin gefaßte ideas von solchen materien blosserdinges/ so viel muͤglich/ aus dem sinn wegzuthun/ und sich als einen solchen darzustellen/ der nie nichts von allem gewußt haͤtte/ welches eines theils nicht nur schwehr/ sondern vielleicht zu pra- ctici ren unmoͤglich/ anders theils eine und anckbarkeit gegen GOtt seyn moͤchte/ was wir bereits einmal empfangen/ selbs wieder wegzuwerffen: ja es waͤre wenig anders/ als sich eben damit gleich voran zu der einen seite/ nemlich der verleugnung solcher dinge/ determini ren: sondern auf diese wei- se/ daß man so bald dasjenige behalte/ was uns noch nicht angegriffen worden (obwol auch in sol- chem nicht mißrathen wolte/ um sich auffs kuͤnfftige so viel fester zu setzen/ daß man auch den grund solcher wahrheiten untersuche/ um desto gewisser zu seyn) was uns aber in zweiffel gezogen zu wer- den angefangen/ nicht zwahr so bald hingebe/ aber auch sich nicht mit gewalt solches zu glauben vergebens bemuͤhe/ sondern in der forcht des HErrn dergleichen theses mit grosser sorgfalt exami- nire/ ob und wie fern sie in GOttes wort gegruͤndet seyen: Zwahr wegen dessen/ daß GOtt sie uns von jugend auf einbilden lassen/ eine zuneigung gegen dieselbe allezeit behalte/ und darinnen befe- stiget zu werden verlange (als welches immer zu der schuldigen danckbarkeit gegen goͤttliche un- srer kirchen erzeigte gnade gehoͤret) hingegen auch stets bereit bleibe/ wo man den ungrund einer meinung gnugsam erkennen wuͤrde/ gern alles zu verlassen/ was wir sonsten vor gewiß gehalten hatten/ ohnerachtet alles zeitlichen ungemachs/ so uns daraus entstehen doͤrffte. Eine mit derglei- chen gemuͤth und vorsatz/ auch in solcher art anstellende untersuchung kan unmuͤglich uͤbel ablauf- fen/ sondern der HErr wird einer seiner wahrheit begierigen/ und in seine ordnung sich schickenden/ seelen dieselbe auffs wenigste in noͤthiger maaß und zu seiner zeit offenbahren/ dessen man sich aus seiner hochberuͤhmten treue gewiß versichern kan. Weil noch zuletzt auch des vorschlages zu ihrem zucht-hause meldung gethan/ und meine gedancken daruͤber verlangt worden/ so erklaͤhre mich auch offenhertzig. 1. Daß ich da- fuͤr halte/ daß er so lange declini ret worden/ koͤnne nicht gestrafft werden/ denn nachdem derselbe sich biß daher ein gewissen gemacht/ zeit beywohnender scrupul etwas der wahrheiten/ die ihm in zweiffel gezogen worden sind/ zu lehren und andern vorzutragen/ so konte denn auch ohne suͤnde sol- ches damal nicht geschehen. 2. Nachdem aber verhoffentlich derselbe aus unterschiedlichem christ- licher freunde rath/ was in solcher sache thunlich oder nicht thunlich seye/ nunmehr verstanden ha- ben/ und sich daruͤber uͤberzeuget finden wird/ so wuͤrde nunmehr/ wo die sache noch nicht vergeben/ und der antrag nochmal geschehen solte/ rathen/ die sache als aus dem HErrn so viel getroster an- zunehmen/ als eine dergleichen stelle/ welche vor andern einem mit zweiffel angegriffenen bequem seyn moͤchte/ indem die bewandnuͤß der zuhoͤrer nicht erfordern wird/ mit ihnen anders zu handeln/ als die allergemeineste wahrheiten/ von denen hoffentlich kein zweiffel seyn wird: Also dienete diese gelegenheit dazu die von GOtt verliehene gaben zu einiger frucht nach jetziger dero bewandnuͤß so bald anzuwenden/ und hingegen bey solcher stelle/ die der arbeit nicht zu viel gleich erstlich auffleg- te/ raum zu haben/ auch das uͤbrige/ mit gnugsamem fleiß zu untersuchen/ und damit zu einer meh- rern festigkeit zu gelangen/ in deroselben folgends Gott an wichtigeren stellen hinkuͤnfftig zu dienen. Dieses waͤren meine gedancken uͤber das mir freundlich vorgelegte/ so ich nun dessen eigner pruͤffung uͤberlasse/ wie alles/ oder was seinem gewissen (uͤber welches ich mir bey keinem menschen eine Das fuͤnffte Capitel. ART. II. SECTIO XLV. eine herrschafft nehme) einleuchten werde oder nicht: schließlich den himmlischen Vater demuͤthigst anflehende/ der sein liecht und Geistes krafft in seiner lieben seelen immer heller auffgehen/ und sich staͤrcker in ihr erweisen lassen wolle/ damit er nach seinem hertzlichen verlangen die wahrheit stets tieffer einsehe/ davon eine voͤllige uͤberzeugung in sich fuͤhle/ dadurch alle anfechtung und zweiffel uͤberwinde/ aber nach diesem sieg sich so viel kraͤfftiger und geschickter finde/ die mit solchem ernst ge- pruͤffte wahrheit der gemeinde des Herrn/ wie mit mehrer gewißheit/ also auch mit staͤrckerem nach- truck vorzutragen/ und also viel seelen neben sich zur lebendigen und seligmachenden erkaͤntnuͤß der wahrheit zu fuͤhren. Der HErr spreche auch also/ wie wir bitten/ und gebe auch mir gnade/ sein werck an seiner werthen seele einiger massen mit befoͤrdern zu helffen. 1689. SECTIO XLV. Trost an jemand/ so sich uͤber meinen abzug von Dreßden betruͤbte. D Jeses einige haͤtte von lieben freunden zu verlangen/ daß der an meiner entziehung geschehe- ne verlust nicht so hoch geachtet wuͤrde: dann ob mir mein getreuer GOtt einige geistliche ga- ben verliehen haben mag/ deren mich zwahr auch nicht wuͤrdig achte/ so ist doch das maaß dersel- ben nicht so groß/ daß man viel verlohren zu haben/ billich klagen koͤnte. Und wie ich zu geschehen wuͤnsche und bitte/ wird der HErr HErr/ der mich von ihrem ort selbs hat heissen ausgehen/ seinen uͤbrigen dienern/ welche er denselben gelassen hat/ oder ferner senden wird/ so viele gaben und segen geben/ daß keiner seelẽ/ welche ihn wahrhafftig suchet/ das geringste abgehen soll oder wird/ wo- durch sie auffgemuntert oder erbauet zu werden bedarff: und ob es seyn solte/ daß einige biß dahin gewohnte uͤbungen unterbleiben/ wie etwa das examen, von dem ich eben nicht gewisse hoffnung machen kan/ ob es wieder angestellet werde werden/ so kan der daraus vorhin geschoͤpffte nutzen ohnschwehr auf andre weise ersetzet werden/ wo eine christliche person entweder allein in der heili- gen bibel/ oder andern gottseligen buͤchern/ zu lesen solche zeit anwendet/ oder mit einigen andern auch christlichen vertrauten freunden zugleich liset/ sich unter emander besprachet/ oder man mit einander betet und singet: welche uͤbung/ wie ich aus der erfahrung selbs habe/ einen ungemeinen nutzen schaffet/ und hingegen/ daß sie weniger im gebrauch ist/ vieles gutes zuruͤck haͤlt. Jn summa unser treueste Heyland liebet die seelen/ die in seiner vereinigung zuzunehmen verlangen/ viel zu hertzlich/ als daß ihnen etwas dessen/ was wahrhafftig solche gemeinschafft befoͤrdern koͤnte/ man- glen solte/ sondern der anscheinende mangel muß nur ihr verlangen desto mehr schaͤrffen und bruͤn- stig machen; je inbruͤnstiger aber dasselbe wird/ je mehr nahe sich der HErr selbs zu denselben/ und vereiniget sich immer inniglicher/ daß man nachmal erbauliche uͤbungen nicht verachtet/ son- dern wo man sie haben kan/ mit freuden und fleißig gebrauchet/ aber wo man ihr entrathen solle/ sich hertzlich zu frieden gibt/ und in demjenigen/ so viel uns der HErr zu jedenmalen annoch laͤsset/ allezeit seine gnuͤge findet. Dieses wuͤnsche wol von grund des hertzens allen denen/ welchen mein abschied noch biß daher moͤchte etwas schwehr worden seyn; sonderlich aber/ daß ich/ gleichwie von uͤbrigen deroselben wolstand/ also auch vornemlich/ daß das werck des HErrn in dero innern men- schen stets wachse und zunehme/ offtmal erfreuliche nachricht/ und also ursach denselben zu preisen/ bekommen moͤge. Daß im uͤbrigen einige christliche freunde sichmeineꝛ her ausgegebenen wercke ge- brauchen/ und aus denselbigen sich zu erbauen suchen/ habe ich auch der goͤttlichen guͤte in schuldi- ger demuth zu dancken/ die mir also gelegenheit machet/ auch abwesend an einigen frucht zu schaf- fen/ dardurch aber anfrischet/ so sie mir einiges/ so erbaulich halte/ beschehret/ dasselbe so viel lieber auch durch den truck gemein zu machen/ weil mir von dem segen/ den der HErr nach seiner barmhertzigkeit hin und wieder dazu gegeben/ oͤffters da und dort her zeugnuͤß eingelauffen sind. 1691.