Gedichte von Nicolaus Lenau. Stuttgart und Tuͤbingen, Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1832. Dem Dichter Gustav Schwab , meinem Freunde . Inhalt . Bilder aus dem Leben . Seite Der Gefangene 3 Fragmente 9 Der Juͤngling – Der falsche Freund 10 Die schlimme Jagd – Der feile Dichter 11 Der geldgierige Pfaffe – Auf einen Professor 12 Abschied von Galizien 13 In der Schenke 17 Abendheimkehr 19 Vanitas 20 Die Werbung 22 Der Schifferknecht 27 Marie und Wilhelm 29 Begraͤbniß einer alten Bettlerin 34 Lieder der Sehnsucht . An meine Rose 39 Reise-Empfindung 41 Nach Suͤden 44 Frage 46 Seite In der Wuͤste 47 Meine Braut 49 Dein Bild 51 Ghasel 53 Das Mondlicht 54 Naͤchtliche Wanderung 56 Das Posthorn 58 Bitte 61 An die Ersehnte 62 Herbstklage 64 Schilflieder 1 – 5 65 Winternacht 12 70 Lieder der Vergangenheit . Leichte Truͤbung 75 Das todte Gluͤck 76 Truͤber Gang 78 Unmuth 80 Zu spaͤt! 81 Vergangenheit 82 An Kleyle 83 Einst und Jezt 86 Die Jugendtraͤume 88 Erinnerung 89 Die Felsenplatte 91 Herbstgefuͤhl 94 Nebel 95 An meine Guitarre 96 Vermischte Gedichte . Die Thraͤnen 101 In der Krankheit 1 2 104 Seite An die Melancholie 106 Einem Freunde in's Stammbuch 107 Vergaͤnglichkeit 108 Trias harmonica 110 Zoͤgerung 111 An eine Dame in Trauer 112 An Mathilde 113 Einem Knaben 115 Abschied 117 Am Grabe eines Ministers 119 Der Lenz 121 Im Fruͤhling 123 Der Indifferentist 124 An die Hoffnung 125 In das Stammbuch einer Kuͤnstlerin 128 Unmoͤgliches 129 Einem Ehrsuͤchtigen 130 Mein Stern 131 Das Herz 133 Reiterlied 135 An I. Klemm 137 Zuflucht 138 Der Greis 139 Wanderung im Gebirge 1 – 10 142 Unbestaͤndigkeit 153 Die Wurmlinger Kapelle 155 Der Maskenball 158 Fantasieen . Die Zweifler 167 Glauben. Wissen. Handeln 172 Die Waldkapelle 1 – 5 179 Der Raubschuͤtz 185 Seite Heidebilder . Himmelstrauer 191 Robert und der Invalide 192 An die Wolke 197 Die Heideschenke 199 Oden . Abendbilder 1 – 3 209 Zuruf an meinen Geist 212 Sehnsucht nach Vergessen 213 An einen Tyrannen 214 Am Bette eines Kindes 216 Koͤnig und Dichter 217 An der Bahre der Geliebten 218 An Seneca 220 Am Grabe Hoͤlty's 222 In der Nacht 223 Klara Hebert. Ein Romanzenkranz . Cisteron 227 Der naͤchtliche Gang 231 Der selige Abend 235 Blumengruß 241 Die Gewitternacht 245 Der alte Marko 253 Die Botschaft 257 Die Heimkehr 261 Die Sehnsucht 266 Der Ring 270 Bilder aus dem Leben . Lenau's Gedichte. 1 Der Gefangene . Was trug er auch sein Haupt so frey, so stolz! Wollt' edler sich, als seine Treiber fuͤhlen! „Der Hirsch“ von Schleifer. D er Fruͤhling ist zu Berg und Thal gekommen, Sein Freudenruf ist durch die Luft erklungen; Kaum hat die Erd' im Schlafe ihn vernommen, Ist sie vom Wintertraum emporgesprungen, Der ihren Busen deckte bang und kalt. In alle Fernen ist der Ruf gedrungen Mit freundlicher, suͤßlockender Gewalt, Daß ihres Nest's die Schwalbe nun gedenket, Weit uͤber's Meer zur trauten Huͤtte wallt, Daß seinen Flug der Storch nun heimwaͤrts lenket, Verlassend schnell das Schilf im fernen Suͤden. Die Blume bluͤht, der bunte Falter senket Auf sie die Fluͤgel hin, die wonnemuͤden. Mit Bluͤthen haben sich geschmuͤckt die Baͤume, Daß sie zu Lieb' und Sang die Saͤnger luͤden. Schon singt und bringt uns Paradiesestraͤume Im Bluͤthenstrauche dort die Nachtigall; Melodisch zieht der Bach durch Waldesraͤume. Der Hirte floͤtet und der Wiederhall; Zur gruͤnen Alpe kehrt die Herde wieder, Weithin ertoͤnt der frohe Glockenschall. Der Wildbach stuͤrzt vom Klippenhange nieder, Ein Freudenthraͤnenstrom, dem Lenz entgegen; Es sonnen sich der Alpe Felsenglieder Im warmen Schein, der Fruͤhling klimmt verwegen Zum Schneeberg auf und ruft ihn jubelnd wach: Der schuͤttelt sich den Winter ab, den traͤgen, Und schleudert ihm Lawinendonner nach; Voll Sehnsucht harrt er schon der Alpenrose, Der holden Freundin, die der Lenz versprach, Die jaͤhrlich ihn beschleicht auf weichem Moose. — So zieht der Lenz herum in allen Gauen, Verschwendet rings die schoͤnen Freudenloose; Doch Einen weiß ich, der ihn darf nicht schauen, Und nicht, was Gott durch ihn gesandt, genießen, Weil oͤde Kerkerwaͤnde ihn umgrauen, Schmachvolle Fesseln ehern ihn umschließen. Nicht hoͤrt er Vogelsang im Walde toͤnen, Nicht sieht er, wie so schoͤn die Blumen sprießen. Er hoͤrt nur seinen eignen Jammer stoͤhnen, Fuͤr Nachtigallensang und Taubengirren Hoͤrt er die Wand sein Klagen wiederhoͤhnen, Und, regt er sich, die Eisenkette klirren. Kein Strahl des Fruͤhlings konnte mit Erbarmen, Ein suͤßer Troͤster, sich zu ihm verirren; Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen, Nur Nacht, nur Nacht, das schwarze Ungeheuer, Hat man mit eingesperrt zu diesem Armen. In seinem Herzen brennt ein wildes Feuer Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande, Von Sehnsucht nach so Manchem, das ihm theuer. Oft springt er auf, gejagt vom innern Brande, Er flucht, er sucht sein Schwert, er will hinaus: Doch Hohngelaͤchter rasseln seine Bande, Und felsenfest verschlossen bleibt das Haus. Ermattet sinkt er auf das faule Stroh, Und bittrer Wehmuth weicht des Zornes Braus; Dumpfschweigend sitzt er da, und starret so Das schwarze Ungeheuer an, die Nacht. Ob Stunde, Mond und Jahr voruͤberfloh, Er konnte dessen haben keine Acht; Ihm wird in seiner dunkeln Haft die Zeit, Die Gluͤcklichen enteilt mit Sturmesmacht, Zur gliederlosen, starren Ewigkeit. Soll zaͤhlen er sie wohl nach seinen Thraͤnen? Und messen, wie sie noch vom Grabe weit, Nach dem Unendlichen, nach seinem Sehnen? — Er wird sein hart Geschick nicht uͤberdauern, Und hofft er dies, es ist ein eitles Waͤhnen; Denn „sterben soll er in den Kerkermauern!“ So klangen seines Richters finstre Worte, Des Mannes ohne Mitleid und Bedauern. Sein Flehen schlaͤgt vergebens an die Pforte: „Gib mir, o Gott, bevor das Herz mir bricht, „Nur einen Schritt aus diesem Qualenorte, „Nur noch ein Auge voll von deinem Licht! „Dann laß mich sterben immerhin zur Stelle, „Ich klage meiner Todesstunde nicht! „Mag dann mein Leichnam auf der Kerkerschwelle, „O Herr, an deinem Lichte noch sich sonnen! „So wie der muͤde Wandrer an der Quelle „Schlaf' ich an deinem suͤßen Strahlenbronnen, „Und traͤume, was ich sterbend noch empfunden, „O Freiheit! Freiheit! alle deine Wonnen!“ — — Warum hat der ein solches Loos gefunden? — Er fleht umsonst, er hat zu viel verbrochen, Hat sich des Allzukuͤhnen unterwunden, Die Wahrheit dem Tyrannen laut gesprochen, Und ihm erzaͤhlt der Menschen bangen Fluch; Er hat geruͤttelt an den blut'gen Jochen. Darauf verhaͤnget der Gesetze Buch Den Tod, — der Zwingherr hat es selbst geschrieben — Ein jedes Blatt der Freiheit Leichentuch! Und daß der Kuͤhne lebend noch geblieben, Dankt er allein des Herrschers milder Gnade; Sie will zu schonen manchmal auch belieben, Sie toͤdtet ihn nicht ploͤtzlich und gerade. — Der Thor! er wollte Menschenliebe wagen, Und wußte doch, daß sie den Donner lade, Der in die Nacht sein Haupt nun hingeschlagen. — Unheimlich wird dem Moͤrder dann zu Muthe, Bringt ihm ein Mahner aus vergangnen Tagen Das Kleid des Todten mit der Spur vom Blute, Und haͤlt ihm vor das bleiche Angesicht, Was manches Jahr im Grabesdunkel ruhte: Also behagt' es dem Tyrannen nicht, Daß es gewagt der edle, kuͤhne Thor, Mit ihm zu gehen zuͤrnend ins Gericht, Die blut'ge Wahrheit ihm gehalten vor, Das Kleid, so einst die schoͤne Freiheit trug, Als sie gefuͤhrt den vollen Freudenchor, Eh' des Tyrannen Faust sie frech erschlug. — — Da weckt mich einer Quelle nahes Rauschen Zuruͤck vom naͤchtlichen Gedankenflug. Ich seh' das schlanke Reh im Dickicht lauschen, Nun schrickt es auf, und fort ist seine Spur. Suͤß mahnt mich, meinen Schmerz um Lust zu tauschen Mit Bluͤthen und Gesaͤngen die Natur; Doch kann ich's meiner Seele nimmer wehren, Daß sie verfolge Trauerscenen nur, Und sich fuͤr Blumen sammle bittre Zaͤhren; Und in den Kerker dort zu Jenem wandre, Dem Dulder, bis der Tod, sein heiß Begehren, Aus einer Nacht ihn senket in die andre. Fragmente . Der Juͤngling . D er Juͤngling stoßt vom Strand im leichten Kahne, Die Sehnsucht hat die Segel ihm gebreitet; Wie rasch im Fantasieenoceane, Von Westen fortgekost, dahin er gleitet! Schon weht auf neuen Welten seine Fahne, Wo selig er durch Paradiese schreitet, Und Blumen pfluͤckt, wie nimmer sie geboren Im reichsten Lenz die heimatlichen Horen. „Willkommen Juͤngling, von der fernen Reise!“ Begruͤßt ihn tuͤckisch wieder nun das Leben, Und kosend naht ein Weib, unmerklich leise Der Liebe Gaukelmacht um ihn zu weben. Sie haͤlt ihn festgebannt in ihrem Kreise Mit Seufzerformeln, heuchelndem Ergeben. Froh schmuͤckt er ihr mit seinen Traumes-Bluͤthen Die Brust, um welche Todes-Luͤfte bruͤten. Der falsche Freund . „O sey mein Freund!“ so schallt's vom Heuchelmunde Dem Falschen, der mit heimlichem Behagen Den Vortheil uͤberzaͤhlt von solchem Bunde. Du traust ihm, und — schon hast du eingeschlagen, Ein edler Thor! naht einst die Wetterstunde, So siehst den Schurken du mit bleichem Zagen In seines Ichs bequeme Huͤtte springen, Hinausgesperrt magst mit dem Sturm du ringen. Die schlimme Jagd . Das edle Wild der Freiheit scharf zu hetzen, Durchstoͤbert eine finstre Jaͤgerbande Mit Blutgewehren, stillen Meuchelnetzen Der Waͤlder Heiligthum im deutschen Lande. Das Wild mag uͤber Stroͤm' und Kluͤfte setzen, Und klettern mag's am steilen Klippenrande: Der Waidruf schallt durch Felsen, Stroͤm' und Kluͤfte, Empoͤrt verschleudern ihn die deutschen Luͤfte. Der feile Dichter . Die Muse muß zur Metze sich erniedern‚ Der Dichter sendet sie zum Maͤcenaten, Und, frechgeschuͤrzt, mit schaugestellten Gliedern, Der Goͤttlichkeit vergessend, tief entrathen‚ Umtanzt sie ihn mit schnoͤden Schmeichelliedern, Liebaͤugelnd mit den blinkenden Ducaten. Sie muß den Gott in ihm zum Schlaf bethoͤren, Das Thier zur wilden Gluth und Flamm' empoͤren. Der geldgierige Pfaffe . Der Pfaffe weiß mit Dampf‚ Gesang und Glocken‚ Mit Mummerei, Geberd' und schlauem Segen Den Poͤbel zum Guckkasten hinzulocken, Worin sich Hoͤll' und Himmel bunt bewegen. Derweil, entzuͤckt, der Poͤbel, und erschrocken Ans Wunderloch nun thut das Auge legen, Umschleichet ihn der Pfaffe, aus den Taschen Die schweißgetraͤnkten Kreuzer ihm zu haschen. Auf einen Professor . Seht ihr den Mann mit staͤubender Peruͤcke? Wie sprudelt ihm die hochgelahrte Kehle! Seht, an der morschen Syllogismen-Kruͤcke Hinkt Gott in seine Welt; die Menschenseele Ist ewig, denn sie ist aus einem Stuͤcke; Und daß der Argumente keines fehle, Hat er ein weises ergo noch gesprochen: Der Mensch ist frei, die Fesseln sind gebrochen! Abschied von Galizien. Nach dem Polnischen des N. Boloz von Antonievicz. L ebt wohl, lebt wohl, ihr trauten Lindenbaͤume, Die ihr an's stille Vaterhaus euch schmiegt! Ihr seyd die Zeugen meiner Jugendtraͤume, In die mich euer Fluͤstern oft gewiegt. Nahm auch dem Knaben einst auf Augenblicke Ein eingebildet Ungluͤck seine Ruh', Und kam er trostlos dann zu euch zuruͤcke, So rauschtet ihr ihm Trost und Freude zu. Von meinen frohen Spielen seyd ihr Zeugen, Von meinem raschen, leichten Jugendsinn, Nun saͤuselt Wehmuth mir aus euren Zweigen, Die Tage meiner Jugend sind dahin! Sie sind dahin! — Ein Knabe noch vor Jahren, Nehm' Abschied heute ich als Mann von euch; Ich ziehe fort zu Thaten und Gefahren, Es gilt der Tyrannei den Todesstreich. So lebet wohl! — Du Werkzeug meiner Spiele, Das einst ich trug, du kleines Schwert von Holz! Sey nun ein Blitz in der Gewitterschwuͤle, Du Ritterschwert, sey des Sarmaten Stolz! Lebt wohl, Geschwister! moͤg' euch Gott bewahren! Ich bin ein Pole bis zum letzten Hauch! Hurrah! ihr vaterlaͤnd'schen Heldenschaaren! Leb' wohl, du mein geliebtes Maͤdchen auch! — Schmach, Juͤngling, dir! haͤlt dich der Glanz von Thraͤnen Zuruͤck vom ewig hellen Waffenglanz! Dir, Jungfrau, Schmach! die du, bei Polens Sehnen Nach Freiheit, nun empfaͤngst den Myrtenkranz! Das Herz des Polenmaͤdchens darf nur schlagen Dem Edlen, dem vor Schlachten nimmer graut, Der gerne will die Todeswunde tragen, Wenn nur sein Schwert das Sklavenjoch zerhaut! Schmach, Mutter, dir! den du zur Schmach geboren, Umklammre deinen Sohn! entlass' ihn nicht! Der Freiheit Ruf schlug nicht an seine Ohren, Er fuͤhlt fuͤr Polen keine Kindespflicht! Dem Vater Schmach! — — doch dort, mit Silberhaaren, Wer ist der schwache Greis in Kriegertracht? Du Alter, laͤßt du Weib und Kinder fahren? Kehrst du vom Grabe um, und wankst zur Schlacht? „Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen! „Mein Haupt ist weiß, es zittert meine Hand; „Doch kaͤmpf' ich mit den heil'gen Kampf der Polen; „Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!“ „Und moͤge nicht mein Vaterland verschmaͤhen „Des schwachen Greises aͤrmlichen Tribut: „Dies treue Herz, das bald wird stille stehen, „Und, der es noch erwaͤrmt, den Tropfen Blut.“ So opfre ihn! komm, komm zu jenem Huͤgel, Den unsre Schaaren decken, eilen wir! Der weiße Adler luͤftet seine Fluͤgel, Bald wird sein Auge flammen fuͤr und fuͤr! Lebt wohl, Geschwister! moͤg' euch Gott bewahren! Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch! Hurrah! ihr vaterlaͤnd'schen Heldenschaaren! Leb' wohl, du mein geliebtes Maͤdchen auch! O weine nicht, bin ich dir nun entschwunden, Und theile mit der Freiheit du mein Herz; Sie sey Gespielin dir in bangen Stunden, Und sterb' ich, mag sie troͤsten deinen Schmerz! Mein Liebchen, ich empfehle dich dem Himmel! Hurrah! Sieg oder Tod im heil'gen Streit! Kanonendonner pocht im Schlachtgetuͤmmel Wild an die Pforten schon der Ewigkeit! — In der Schenke. Am Jahrestag der ungluͤcklichen Polenrevolution. U nsre Glaͤser klingen hell, Freudig singen unsre Lieder; Draußen schlaͤgt der Nachtgesell Sturm sein brausendes Gefieder, Draußen hat die rauhe Zeit Unsrer Schenke Thuͤr verschneit. Haut die Glaͤser an den Tisch! Bruͤder, mit den rauhen Sohlen Tanzt nun auch der Winter frisch Auf den Graͤbern edler Polen, Wo verscharrt in Eis und Frost Liegt der Menschheit letzter Trost. Um die Heldenleichen dort Rauft der Schnee sich mit den Raben, Will vom Tageslichte fort Tief die Schmach der Welt begraben. Wohl die Leichen huͤllt der Schnee, Nicht das ungeheure Weh. Lenau's Gedichte. 2 Wenn die Lerche wieder singt Im verwaisten Trauerthale, Wenn der Rose Knospe springt Aufgekuͤßt vom Sonnenstrahle, Reißt der Lenz das Leichentuch Auch vom eingescharrten Fluch. Rasch aus Schnee und Eis hervor Werden dann die Graͤber tauchen, Aus den Graͤbern wird empor Himmelwaͤrts die Schande rauchen, Und dem schwarzen Rauch der Schmach Spruͤht der Rache Flamme nach. Aber kommt die Rache nicht, Mag der Vogel mit dem Halme, Was da lebt im weiten Licht Sterben in des Fluches Qualme, Und die Sonn' ersticke drin, Daß die Erde scheide hin! — Abendheimkehr. S ein Buͤndel Holz am Ruͤcken bringt Der Arme heimgetragen; Der frohe Knecht die Geißel schwingt Am erndtevollen Wagen. Die milchbeladne Heerde wiegt Sich in die trauten Staͤlle; Mit Scherz und Kuß zur Dirne fliegt Der lustige Geselle. Von Feld und Walde pfeift nach Haus Der Jaͤger dort, der rasche, Und Has' und Wachtel guckt heraus, Zu prahlen, aus der Tasche. Den Dichter sieht man aus der Nacht Der Eichen selig schwanken; Er taumelt heim mit seiner Tracht Unsterblicher Gedanken. Vanitas . E itles Trachten, eitles Ringen Frißt dein bischen Leben auf, Bis die Abendglocken klingen, Still dann steht der tolle Lauf. Gastlich bot dir auf der Reise Die Natur ihr Heiligthum; Doch du staͤubtest fort im Gleise, Sahst nach ihr dich gar nicht um. Bluͤthenduft und Nachtigallen, Maͤdchenkuß und Freundeswort Riefen dich in ihre Hallen; Doch du jagtest fort und fort. Eine Thoͤrin dir zur Seite Trieb mit dir ein arges Spiel, Wies dir stets ins graue Weite: „Siehst du, Freund, dort glaͤnzt das Ziel!“ War es Gold, war's Macht und Ehre, Was sie schmeichelnd dir verhieß: Kunstgriff war's nur der Hetaͤre, Eitel Tand ist das und dieß. Sieh! noch winkt sie dir ins Weite, Und du wardst ein alter Knab! Nun entschluͤpft dir dein Geleite, Und du stehst allein — am Grab. Kannst nicht trocknen mehr die Stirne, Da du mit dem Tode ringst; Hoͤrst nur ferne noch der Dirne Hohngelaͤchter — und versinkst! Die Werbung . R ings im Kreise lauscht die Menge Baͤrtiger Magyaren froh; Aus dem Kreise rauschen Klaͤnge, Was ergreifen die mich so? — Tiefgebraͤunt vom Sonnenbrande, Rothgegluͤht von Weinesgluth, Spielt da die Zigeunerbande, Und empoͤrt das Heldenblut. „Laß die Geige wilder singen! „Wilder schlag' das Zimbal du!“ Ruft der Werber, und es klingen Seine Sporne hell dazu. Der Zigeuner hoͤrts, und voller Woͤlkt sein Mund der Pfeife Dampf; Lauter immer, immer toller Braust der Instrumente Kampf, Braust die alte Heldenweise, Die vor Zeiten wohl mit Macht Frische Knaben, welke Greise Hinzog in die Tuͤrkenschlacht. Wie des Werbers Augen gluͤh'n! Und wie all' die Saͤbelnarben, Ehrenroͤslein, purpurfarben, Ihm auf Wang' und Stirne bluͤh'n! Klirrend glaͤnzt das Schwert in Funken, Das sich oft im Blute wusch; Auf dem Csako, freudetrunken, Taumelt ihm der Federbusch. — Aus der bunten Menge ragen Einen Juͤngling, stark und hoch, Sieht der Werber mit Behagen; „Waͤrest du ein Reiter doch!“ Ruft er aus mit lichtren Augen; „Solcher Wuchs und solche Kraft „Wuͤrden dem Husaren taugen; „Komm und trinke Bruͤderschaft!“ Und es schwingt der freudigrasche Jenem zu die volle Flasche. Doch der Juͤngling hoͤrt es schweigend, In die Schatten der Gedanken, Die ihn bang und suͤß umranken, Still sein schoͤnes Antlitz neigend. Ihn bewegt das edle Sehnen, Wie der Ahn ein Held zu seyn; Doch berieseln warme Thraͤnen Seiner Wangen Rosenschein. Ausser denen, die da rauschen In Musik, in Werberswort, Scheint er Klaͤngen noch zu lauschen, Hergeweht aus fernem Ort: „Komm zuruͤck in meine Arme!“ Fleht sein Muͤtterlein so bang; Und die Braut in ihrem Harme Fleht: „O saͤume nimmer lang!“ Und er sieht das Huͤttchen trauern, Das ihn hegte mit den Seinen; Hoͤrt davor die Linde schauern, Und den Bach voruͤberweinen. — Pochst du lauter nach den Bahnen Kuͤhner Thaten, junges Herz? Oder zieht das suͤße Mahnen Dich der Liebe heimatwaͤrts? Also steht er unentschlossen, Waͤhrend dort Rekruten schon Zieh'n in's Feld auf flinken Rossen, Lustig mit Drommetenton. „Komm in unsre Reiterschaaren!“ Faͤllt der Werber jubelnd ein, — „Schoͤnes Leben des Husaren! „Das ist Leben, das allein!“ — Juͤnglings Augen flammen heller, Seine Pulse jagen schneller. — — Ploͤtzlich zeigt sich mir im Kreise Eine finstere Gestalt, Tiefen Ernstes, schreitet leise, Und beim Werber macht sie halt. Und sie fluͤstert ihm so dringend Ein geheimes Wort ins Ohr, Daß er, hoch den Saͤbel schwingend, Wie begeistert loht empor. Und der Daͤmon schwebt zur Bande, Facht den Eifer der Musik Maͤchtig an zum staͤrksten Brande Mit Geraun' und Geisterblick. Aus des Basses Sturmgewittern Mit unendlich suͤßem Sehnen, Mit der Stimmen weichem Zittern, Singen Geigen, Grabsirenen. Und der Finst're schwebt enteilend Durch der Lauscher dichte Reihe, Nur am Juͤngling noch verweilend, Wie mit einem Blick der Weihe. — Bald im ungestuͤmen Werben Wird der Liebe Klagelaut, Wird das Bild der Heimat sterben! Arme Mutter! arme Braut! — In des Juͤnglings letztes Wanken Bricht des Werbers rauhes Zanken, Lacht des Werbers bittrer Hohn: „Bist wohl auch kein Heldensohn! „Bist kein echter Ungarjunge! „Feiges Herz! so fahre hin!“ Seht, er stuͤrzt mit raschem Sprunge — Zorn und Scham der Wange Gluͤhn — Hin zum Werber, von der Rechten Schallt der Handschlag in den Luͤften, Und er guͤrtet, kuͤhn zum Fechten, Schnell das Schwert sich um die Huͤften. — Wie beim Sonnenuntergange Hier und dort vom Saatgefild Still waldeinwaͤrts schleicht das Wild: Also von der Ungarn Wange Fluͤchtet in den Bart herab Still die scheue Maͤnnerzaͤhre. Ahnen sie des Juͤnglings Ehre? Ahnen sie sein fruͤhes Grab? Der Schifferknecht. A m Boden auf dem Rohrgeflecht, Vom harten Gluͤck verstossen, Da ruht der arme Schifferknecht Mit seinen muͤden Rossen. Er haust bei Tag und Nacht am Strand, Der Herd- und Huͤttenlose, Und ihm gedeiht im Ufersand Wohl keine Freudenrose. Die Nacht ist kuͤhl, es braust der Wind, Still blickt der Mond hernieder; Die Donau murmelt ihrem Kind Gewohnte Schlummerlieder. Sein Schlaf ist suͤß, er schluͤrft ihn ein In starken, tiefen Zuͤgen, Berauschet ihn, ihr Fantasei'n, Aus euren Zauberkruͤgen. Laßt wandeln ihn am Wiesenhang Im goldnen Morgenscheine, Und ihm ertoͤne Vogelsang Im aufgebluͤhten Haine. Gebt ihm ein Haͤuschen still und traut, Umrankt von gruͤnen Baͤumen, Und eine schoͤne junge Braut, Gebt ihm in seinen Traͤumen! Beim Huͤttchen auf der Abendbank Da sitzen selig beide, Heimkehrt mit frohem Glockenklang Die Heerde von der Weide. Nun hoͤrt er nicht der Pferde Huf, Und nicht die Geißel knallen, Hoͤrt nicht der Schiffer langen Ruf Im fernen Wald verhallen. Er sieht nicht, wie vom Strand hinab Den armen Kameraden Sammt seinem Roß in's Wellengrab Fortreißt der arge Faden. Faden, das Hauptseil, an dem die Donauschiffe gezogen werden. Marie und Wilhelm. I m Abendschein am Fenster saß Allein mit ihrem Harme Marie, das Antlitz welk und blaß Gesenkt auf ihre Arme. So saß das Maͤdchen still und sann, Sann nach den alten Zeiten, Und manche heiße Thraͤne rann Den schoͤnen alten Zeiten: Als sie im trauten Huͤttlein noch Bei lieben Eltern wohnte, Und suͤßer Gottesfriede noch Der reinen Seele lohnte; Als sie so fromm zur Kirche ging, Und ihre Wange gluͤhte, Wenn jedes Aug' im Dorfe hing An ihrer Jugendbluͤthe. Als sie am lauten Erlenbach Dem Wilhelm, freudetrunken, Das erste Wort der Liebe sprach, Und ihm ans Herz gesunken; Und er sie nannte „suͤße Braut!“ — „Das Alles ist voruͤber!“ So dachte sie, und schluchzte laut, Ihr Herz ward immer truͤber. „Es kam der Feind im Sturmeslauf „Mit grimmen Todesstreichen; „Das Huͤttlein sank ein Aschenhauf, „Die Eltern — wunde Leichen. „Die Eltern todt! Er in die Welt! „Die Thraͤne rann vergebens! „Ich in die Nacht hinausgestellt „Des unbekannten Lebens! — „Da glaͤnzt' ein milder Strahl daher „Im hoffnunglosen Dunkel, „Ein boͤses Irrlicht, lockend sehr „Mit lieblichem Gefunkel:“ „„Laß ab zu klagen, Kind, laß ab! „„Komm, folge deinem Sterne! „„Die Eltern kuͤhlt und heilt das Grab, „„Den Braͤutigam die Ferne!““ „„Bald sollst du als begluͤckte Frau „„Genesen aller Leiden; „„Komm, folge mir zur Liebesau „„Voll ewig gruͤner Freuden!““ „Ich wischte mit treuloser Hand „Die Thraͤnen von der Wange, „Und ging — und ging — das Irrlicht schwand „Am furchtbar steilen Hange! „Nun ist mein Herz so grabesdumpf, „Verlassen wie die Wuͤste, „Seit in den bodenlosen Sumpf „Gesunken ich der Luͤste!“ — Marie blickt in die Nacht hinein Aus ihrem stillen Zimmer; Schon ist am Himmel Sternenschein Und sanfter Mondenschimmer. Im Garten ruft die Nachtigall, Sie scheint in bangen Weisen Zu klagen um des Maͤdchens Fall, Die Unschuld suͤß zu preisen. Und leise kommt der Abendwind, Der ihren Locken schmeichelt, Als wollt' er troͤsten, ihr gelind Die bleiche Wange streichelt. Geh fort, o West, vom Maͤdchen, geh! Laß ruhn den welken Flieder! Du thust ihr mit den Bluͤthen weh, Die du auf sie streust nieder! — — Da oͤffnet sich das Kaͤmmerlein: Es ruft ein Mann: „Maria!“ Die Freude stoßt ihn wild herein: „O meine Braut Maria!“ „Ich habe nun mein Gluͤck erjagt, „Mich durch die Welt getrieben; „Hab' viel gelitten, viel gewagt, „Und bin dir treu geblieben!“ „Wenn schier mein Herz vor Leide brach „An lieblos fremdem Orte, „So dacht' ich an den Erlenbach, „Ich dacht' an deine Worte!“ — Er preßt sie selig an das Herz; Sie aber muß sich wenden, Sie huͤllt, zerknickt von ihrem Schmerz, Das Antlitz mit den Haͤnden. Und leichenblaß und zitternd bricht, Sie hin zu seinen Fuͤßen; Er weint, er deckt ihr Angesicht Mit feurig bangen Kuͤssen. „Mir nicht den Kuß! bin sein nicht werth; „Tief sank ich ins Verderben! „Bin treulos, Wilhelm, und entehrt! „Zieh fort, und laß mich sterben!“ — Wie also sie zu Wilhelm sprach, Da schied er, schwer beklommen, Ging still hinaus zum Erlenbach, Der ihn mit fort genommen. Lenau's Gedichte. 3 Begräbniss einer alten Bettlerin. V ier Maͤnner dort, in schwarzem Kleid, Die tragen auf der Bahre, Lasttraͤger, ohne Lust und Leid, Des Todes kalte Waare. Sie eilen mit dem todten Leib Hinaus zum Ort der Ruhe. Schlaf wohl, du armes Bettelweib, In deiner morschen Truhe. Dir folgt kein Mensch zum Glockenklang Mit weinenden Geberden; Die Noth nur blieb dir treu, so lang Von dir noch was auf Erden. Dir gab der Menschen schnoͤder Geiz Ein Leichentuch, zerfetzet, Hat ein verstuͤmmelt Christuskreuz Dir auf den Sarg gesetzet; Doch kraͤnkt dich nicht der bittre Spott In deinem tiefen Frieden, Daß man selbst einen schlechtern Gott Dir auf den Weg beschieden. Einst bluͤhtest du im Jugendglanz, Vom ganzen Dorf gepriesen Die schoͤnste Maid am Erntetanz Dort unten auf der Wiesen. Folgt keiner dir der Bursche nach, Die dort mit dir gesprungen? Wohl laͤngst die muntre Fidel brach, Die dort so hell geklungen! Lieder der Sehnsucht . An meine Rose . F rohlocke, schoͤne junge Rose, Dein Bild wird nicht verschwinden, Wenn auch die Gluth, die dauerlose, Verweht in Abendwinden. So suͤßer Duft, so helle Flamme Kann nicht fuͤr irdisch gelten, Du prangst am stolzen Rosenstamme, Verpflanzt aus andern Welten; Aus Buͤschen, wo die Goͤtter gerne Sich in die Schatten senken, Wenn sie in heilig stiller Ferne Der Menschen Gluͤck bedenken. Darum mich ein Hinuͤbersehnen Stets inniger umschmieget, Je laͤnger sich in meinen Thraͤnen Dein holdes Antlitz wieget. O weilten wir in jenen Luͤften, Wo keine Schranke wehrte, Daß ich mit deinen Zauberduͤften Die Ewigkeiten naͤhrte! — Hier nah'n die Augenblicke, — schwinden An dir voruͤber immer, Ein jeder eilt dich noch zu finden In deinem Jugendschimmer; Und ich, wie sie, muß immer eilen Mit allem meinem Lieben An dir vorbei, darf nie verweilen, Von Stuͤrmen fortgetrieben. Doch hat, du holde Wunderblume, Mein Herz voll suͤßen Bebens Dich mir gemalt zum Eigenthume Ins Tiefste meines Lebens, Wohin der Tod, der Ruhebringer, Sich scheuen wird zu greifen, Wenn endlich seine sanften Finger Mein Welkes niederstreifen. Reise-Empfindung. I ch sah in bleicher Silbertracht Die Birkenstaͤmme prangen, Als waͤre d'ran aus heller Nacht Das Mondlicht blieben hangen; Und in dem zarten Birkenhain Sah ich ein Haͤuschen blinken, Das hob gleich an, zu sich hinein Holdfreundlich mich zu winken. Wie da im rothen Morgenstrahl Die Fensterlein erglaͤnzten; Und wie so freudig Berg und Thal Mit Rosen sich bekraͤnzten! Die Rebe auf zum Fenster klomm Mit ihren goldnen Trauben; Die Unschuld saß am Dache fromm In stillen weißen Tauben. Die Lerche sang und schwand dahin Auf morgenfrohen Schwingen, So daß der blaue Himmel schien Ins Thal herabzusingen. — Da meint' ich schon, das Fenster soll Sich freundlich mir erschließen, Und aus dem Rahmen liebevoll Die Theure mich begruͤßen. Du seligste der Fantasei'n! Ach, waͤr' es mir beschieden, Mit ihr zu leben hier allein Im suͤßen Waldesfrieden! Mit ihr im linden Fruͤhlingshauch Durch diesen Hain zu wallen, Zu lauschen hier im Bluͤthenstrauch Dem Lied der Nachtigallen. Mit ihr zu schau'n im Herbsteswehn Die welken Blaͤtter fliegen, Umrauscht vom schmerzlichen Vergehn, Mich fest an sie zu schmiegen. Wenn dann in rauher Winterzeit Ein Lied mein Liebchen saͤnge, Und aller Himmel Seligkeit Mir in die Stube draͤnge! — Ich wagt' es mich zu regen kaum In meinem stillen Sinnen, Besorgt, das Haͤuschen moͤcht', ein Traum, Vor meinem Blick zerrinnen. Doch, sieh, da oͤffnet sich die Thuͤr, Der Zauber war geschwunden, Es trat ein Jaͤgersmann herfuͤr Mit nachgesprengten Hunden. Er gruͤßte mich mit raschem Blick Und streift' waldein gar heiter, Ich gab ihm seinen Gruß zuruͤck, Und traurig ging ich weiter. Nach Süden . D ort nach Suͤden zieht der Regen, Winde brausen suͤdenwaͤrts, Nach des Donners fernen Schlaͤgen, Dort nach Suͤden will mein Herz. Dort im fernen Ungerlande Freundlich schmuck ein Doͤrfchen steht, Rings umrauscht von Waldesrande, Mild von Segen rings umweht. An des Doͤrfchens stillem Saume Ist ein Huͤttlein hingestellt, Das in seinem engen Raume Wahret meine Herzenswelt. Baͤume halten es umschlungen Mit den Zweigen inniglich, Baͤume, die dem Wald entsprungen, Sehnend nach dem Huͤttlein sich. Aus dem Fenster blickt nun schweigend Lilla nach dem Wald hinaus, Ihr Gesichtchen traurig neigend Blickt sie nach dem Laubgebraus. Und sie sieht's mit stillem Sinnen, Und sie sieht es bang geruͤhrt, Wie die Wasser niederrinnen, Wie der Wind das Laub entfuͤhrt. Lauter wogt der Bach und truͤber, Lauter wird der Luͤfte Streit, Hoͤrbar rauscht die Zeit voruͤber An des Maͤdchens Einsamkeit. Frage . M ir hat noch deine Stimme nicht geklungen, Ich sah nur erst dein holdes Angesicht; Doch hat der Strom der Schoͤnheit mich bezwungen, Der hell von dir in meine Seele bricht. In's Tiefste ist er maͤchtig mir gedrungen, Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht, Suͤß sterbend ward es von der Fluth verschlungen. Das ist der Liebe himmlisches Gericht! O daß mein kuͤhnes Hoffen, banges Zagen, Ein milder Spruch aus deinem Munde gruͤßte! Die Wellen, die so laut mein Herz durchschlagen, Wohin doch werden sie die Seele tragen? An der Erhoͤrung Paradieseskuͤste? — In der Verstoßung trauervolle Wuͤste? — In der Wüste . I st's nicht eitel und vergebens, Lieben Freunde, saget an! Durch den Wuͤstensand des Lebens Sich zu wuͤhlen eine Bahn? Streut auch unser Fuß im Staube Spuren aus von seinem Lauf, Gleich, wie Geier nach dem Raube, Kommt ein Sturm und frißt sie auf. Einsam und in Karavanen Treibt es nach dem Land der Ruh', Und es flattern tausend Fahnen Hier und dort der Ferne zu. Wir auch wandern vielverbuͤndet Nach der Raͤthselferne aus; Doch der Strahl der Wuͤste zuͤndet Sehnsucht nach dem kuͤhlen Haus; Zuͤndet heißer stets das Sehnen In die Gruft aus diesem Land, Wo, nie satt, nach unsern Thraͤnen Lechzt empor der duͤrre Sand. Meine Braut. A n der duftverlornen Graͤnze Jener Berge tanzen hold Abendwolken ihre Taͤnze, Leichtgeschuͤrzt im Strahlengold. Wenn ich nach den lichten Raͤumen Jener Berg' hinuͤberseh', Ueberschleicht mich's wie ein Traͤumen, Faßt mein Herz ein dunkles Weh. Und mir ist, als wohne druͤben Meine Braut und harre bang, Daß ich komme, sie zu lieben, Eh' verbluͤht ist Herz und Wang'. Ploͤtzlich treibt ein wildes Sehnen Nach den Bergen mich, zu ihr, Fluchtverstreute Wonnethraͤnen Stuͤrzen aus dem Auge mir. Lenau's Gedichte. 4 Doch die Berge sich verdunkeln, Und die Wolken werden Nacht; Nicht ein Sternlein seh' ich funkeln, Und der Sturm ist aufgewacht; Scheltend ruft er mir entgegen: Heißer Narr, wohin? verzeuch! Deine Braut heißt Qual, — den Segen Spricht das Ungluͤck uͤber euch! Dein Bild . D ie Sonne sinkt, die Berge gluͤh'n, Und aus des Abends Rosen Seh' ich so schoͤn dein Bild mir bluͤh'n, So fern dem Hoffnunglosen. Strahlt Hesperus dann hell und mild Am blauen Himmelsbogen, So hat mit ihm dein suͤßes Bild Die Sternenflur bezogen. Im mondbeglaͤnzten Laube spielt Der Abendwinde Saͤuseln; Wie freudig um dein zitternd Bild Des Baches Wellen kraͤuseln! — Es braust der Wald, am Himmel zieh'n Des Sturmes Donnerfluͤge, Da mal' ich in die Wetter hin, O Maͤdchen, deine Zuͤge. Ich seh' die Blitze trunkenhaft Um deine Zuͤge schwanken, Wie meiner tiefen Leidenschaft Aufflammende Gedanken. Vom Felsen stuͤrzt die Gemse dort, Enteilet mit den Winden, So sprang von mir die Freude fort, Und ist nicht mehr zu finden. Da bin ich, weiß nicht selber wie, An einen Abgrund kommen, Der noch das Kind der Sonne nie In seinen Schoos genommen. Ich aber seh' aus seiner Nacht Dein Bild so hold mir blinken, Wie mir dein Antlitz nie gelacht; — Will's mich hinunter winken? — Ghasel . D u, schoͤne Stunde, warst mir hold, so hold, wie keine noch, Ich seh' dein Angesicht ergluͤh'n im Rosenscheine noch; So sah den Engel Gottes einst mit Wangen freudenroth Im Paradiese laͤchelnd nah'n der Mensch, der reine noch. Du kamst mit ihr und flohst mit ihr, und seit ich euch verlor, Versehnt' ich manchen truͤben Tag in jenem Haine noch, Und fragte weinend mein Geschick: „bewahrst in deinem Schatz So holde Stunde du fuͤr mich nicht eine, eine noch?“ Dort mocht' ich lauschen spaͤt und fruͤh: wohl fluͤsterts im Gezweig', Doch immer schweigt noch mein Geschick — ich lausch' und weine noch. Das Mondlicht . D ein gedenkend irr' ich einsam Diesen Strom entlang; Koͤnnten lauschen wir gemeinsam Seinem Wellenklang! Koͤnnten wir zusammenschauen In den Mond empor, Der da druͤben aus den Auen Leise taucht hervor. Freundlich streut er meinem Blicke Aus dem Silberschein Stromhinuͤber eine Bruͤcke Bis zum stillen Hain. — Wo des Stromes frohe Wellen Durch den Schimmer zieh'n, Seh' ich, wie hinab die schnellen Unaufhaltsam flieh'n. Aber wo im schimmerlosen Dunkel geht die Fluth, Ist sie nur ein dumpfes Tosen, Das dem Auge ruht. — Daß doch mein Geschick mir braͤchte Einen Blick von dir! Suͤßes Mondlicht meiner Naͤchte, Maͤdchen, bist du mir! Wenn nach dir ich oft vergebens In die Nacht geseh'n, Scheint der dunkle Strom des Lebens Traurend still zu steh'n; Wenn du uͤber seinen Wogen Strahlest zauberhell, Seh ich sie dahingezogen, Ach, nur allzuschnell! Nächtliche Wanderung. D ie Nacht ist finster, schwuͤl und bang, Der Wind im Walde tost; Ich wandre fort die Nacht entlang, Und finde keinen Trost. Und mir zur Seite, engelmild, Und, ach, so schmerzlich traut, Zieht mein Geleite hin, das Bild Von meiner todten Braut. Ihr bleiches Antlitz bittet mich, Was mich ihr suͤßer Mund So zaͤrtlich bat und feierlich In ihrer Sterbestund': „Bezwinge fromm die Todeslust, „Die dir im Auge starrt, „Wenn man mich bald von deiner Brust „Fortreisset und verscharrt!“ Da unten braust der wilde Bach, Fuͤhrt reichen, frischen Tod, Die Wogen rufen laut mir nach: „Komm, komm, und trinke Tod!“ Das klingt so lieblich wie Musik. Wird wo ein Paar getraut; Doch zieht vom Sprunge mich zuruͤck Das Wort der todten Braut. Stets finstrer wird der Wolkendrang. Der Sturm im Walde bruͤllt, Und ferne hebt sich Donnerklang, Der immer staͤrker schwillt. O schlaͤngle dich, du Wetterstrahl, Herab, ein Faden mir, Der aus dem Labyrinth der Qual Hinaus mich fuͤhrt zu ihr! Das Posthorn. S till ist schon das ganze Dorf, Alles schlafen gangen, Auch die Voͤglein im Gezweig, Die so lieblich sangen. Dort in seiner Einsamkeit Kommt der Mond nun wieder, Und er laͤchelt still und bleich Seinen Gruß hernieder; Nur der Bach, der nimmer ruht, Hat ihn gleich vernommen, Laͤchelt ihm den Gruß zuruͤck, Fluͤstert ihm: „Willkommen!“ Mich auch findest du noch wach, Lieber Mond, wie diesen, Denn auf immer hat die Ruh' Mich auch fortgewiesen. Mich umschlingt kein holder Traum Mit den Zauberfaͤden, Hab' mit meinem Schmerze noch Manches Wort zu reden. Ferne, leise hoͤr' ich dort Eines Posthorns Klaͤnge, Ploͤtzlich wird mir um das Herz Nun noch eins so enge. Toͤne, Wandermelodei, Durch die oͤden Straßen, Wie so leicht einander doch Menschen sich verlassen! Lustig rollt der Wagen fort Ueber Stein' und Bruͤcken, Stand nicht wer an seinem Schlag Mit verweinten Blicken? Mag er stehn! die Thraͤne kann Nicht die Rosse halten; Mag der rauhe Geißelschlag Ihm die Seele spalten! Schon verhallt des Hornes Klang Ferne meinem Lauschen, Und ich hoͤre wieder nur Hier das Baͤchlein rauschen. Ich gedenke bang und schwer Aller meiner Lieben, Die in ferner Heimat mir Sind zuruͤckgeblieben; Diese schoͤne Sommernacht Muß voruͤbergehen, Und mein Leben ohne sie Einsamkeit verwehen. Mahnend ruft die Mitternacht Mir herab vom Thurme; Ferne! denket mein! die Zeit Eilt dahin im Sturme! Unsre Graͤber, denket mein! Sind schon ungeduldig! — Daß wir nicht beisammen sind, Bin ich selber schuldig. Bitte . W eil' auf mir, du dunkles Auge, Uebe deine ganze Macht, Ernste, milde, traͤumerische, Unergruͤndlich suͤße Nacht! Nimm mit deinem Zauberdunkel Diese Welt von hinnen mir, Daß du uͤber meinem Leben Einsam schwebest fuͤr und fuͤr. An die Ersehnte. U msonst! du bist auf immer mir verloren! Laut rufend in den dunkeln Wald des Lebens, Hat ohne Rast die Sehnsucht dich beschworen; Ihr Ruf durchklang die Einsamkeit vergebens. Tief ist mein Herz erkrankt an einer Ahnung, Von der ich nimmer wohl genesen werde, Es fluͤstert mir mein Herz die truͤbe Mahnung; „Noch ist sie nicht geboren dieser Erde!“ „Die Stunden, die mit frohen Wandersaͤngen „Das Maͤdchen einst durchs Erdenthal geleiten, „Sie schlummern in der Zukunft Schattengaͤngen „Bei ihrer Buͤrde noch von Seligkeiten, „Von Seligkeiten, die mit leichten Haͤnden „Die wachen einst entgegenstreuen Allen, „An welche sie die schoͤne Gunst verschwenden, „Mit ihrer Koͤnigin vorbeizuwallen. „Die eine aber von den Schlaͤferinnen „Wird locken sie zur Kuͤhle von Cypressen, „Und fuͤhren sie, versenkt in stilles Sinnen, „An deinen Huͤgel, moosig und vergessen; „Dann irrt dein Geist um deine Asche bange, „Dann zittern Geist und Staub sich zu vereinen; „Das Maͤdchen aber wird am Grabeshange, „Geheim ergriffen, stille stehn — und weinen.“ Herbstklage . H older Lenz, du bist dahin! Nirgends, nirgends darfst du bleiben! Wo ich sah dein frohes Bluͤh'n, Rauscht des Herbstes banges Treiben. Wie der Wind so traurig fuhr Durch den Strauch, als ob er weine; Sterbeseufzer der Natur Schauern durch die welken Haine. Wieder ist, wie bald! wie bald! Mir ein Jahr dahingeschwunden! Fragend rauscht es aus dem Wald: Hast du sie noch nicht gefunden? — Schilflieder . 1. D ruͤben geht die Sonne scheiden, Und der muͤde Tag entschlief; Niederhangen hier die Weiden In den Teich, so still, so tief. Und ich muß mein Liebstes meiden! Quill, o Thraͤne, quill hervor! Traurig saͤuseln hier die Weiden, Und im Winde bebt das Rohr. In mein stilles, tiefes Leiden Strahlst du, Ferne! hell und mild, Wie durch Binsen hier und Weiden Strahlt des Abendsternes Bild. Lenau's Gedichte. 5 2. T ruͤbe wird's, die Wolken jagen, Und der Regen niederbricht, Und die lauten Winde klagen: „Teich, wo ist dein Sternenlicht?“ Suchen den erloschnen Schimmer Tief im aufgewuͤhlten See. Deine Liebe laͤchelt nimmer Nieder in mein tiefes Weh! 3. A uf geheimem Waldespfade Schleich' ich gern im Abendschein An das oͤde Schilfgestade, Maͤdchen, und gedenke dein! Wenn sich dann der Busch verduͤstert, Rauscht das Rohr geheimnißvoll, Und es klaget und es fluͤstert, Daß ich weinen, weinen soll. Und ich mein', ich hoͤre wehen Leise deiner Stimme Klang, Und im Weiher untergehen Deinen lieblichen Gesang. 4. S onnenuntergang; Schwarze Wolken zieh'n, O wie schwuͤl und bang Alle Winde flieh'n! Durch den Himmel wild Jagen Blitze, bleich; Ihr vergaͤnglich Bild Wandelt durch den Teich. Wie gewitterklar Mein' ich dich zu seh'n, Und dein langes Haar Frei im Sturme weh'n! 5 . A uf dem Teich, dem regungslosen, Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes gruͤnen Kranz. Hirsche wandeln dort am Huͤgel, Blicken in die Nacht empor; Manchmal regt sich das Gefluͤgel Traͤumerisch im tiefen Rohr. Weinend muß mein Blick sich senken; Durch die tiefste Seele geht Mir ein suͤßes Deingedenken, Wie ein stilles Nachtgebet! Winternacht . 1. V or Kaͤlte ist die Luft erstarrt‚ Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart; Nur fort, nur immer fort geschritten! Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt‚ Den Zweig zuruͤck zur Erde richten. Frost! friere mir in's Herz hinein! Tief in das heißbewegte, wilde! Daß einmal Ruh mag drinnen seyn‚ Wie hier im naͤchtlichen Gefilde! 2. D ort heult im tiefen Waldesraum Ein Wolf; — wie's Kind aufweckt die Mutter, Schreit er die Nacht aus ihrem Traum, Und heischt von ihr sein blutig Futter. Nun brausen uͤber Schnee und Eis Die Winde fort mit tollem Jagen, Als wollten sie sich rennen heiß: Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen! Laß deine Todten auferstehn, Und deiner Qualen dunkle Horden! Und laß sie mit den Stuͤrmen gehn, Die frischer immer wehn vom Norden! Lieder der Vergangenheit . Leichte Trübung . W oher dies ploͤtzliche Verstummen? Und diese Wolken, kummerschwer, Die mir dein Angesicht vermummen, Das erst so froh gestrahlt, woher? „Siehst du den blauen Berg dort ragen, Der Felsen in die Luͤfte hebt, An welchen selbst die Gemsen zagen, Und der erschrockne Jaͤger bebt? — Von seinem Gipfel schleudre du Ein Steinchen spielend in die Tiefen: Du stoͤrst der Luͤfte schwanke Ruh, Und Nebel steigen, die dort schliefen. So warfst du, seine Kraft nicht ahnend, Ein Woͤrtchen mir in meine Brust, Ein Woͤrtchen, leise, aber mahnend, Und sieh, nun stieg der truͤbe Wust Von Nebelbildern alter Kraͤnkung Aus ihrer stillen Nachtversenkung.“ Das todte Glück . L eis' umrauscht von Himmelsquellen, Suͤße Sehnsucht in der Brust Saß ich einst die mondeshellen Naͤchte da in stiller Lust. Jene Zeit wird nimmer kommen, Himmelsquellen sind versiegt, All mein Sehnen ist verglommen, Und mein Gluͤck im Grabe liegt. Weib, du riefst in boͤser Stunde Mit dem zauberischen Blick, Mit dem wonnevollen Munde Schmeichelnd hin zu dir mein Gluͤck. Und es kam ein Kind und schmiegte, Flehend sich in deinen Arm, Der es mild umschlang und wiegte, Als ein weicher Mutterarm. Nun das Kind in Traumeswonnen Hingeschlummert, sich verlor; Nahmst du still und kaltbesonnen Deinen Todesdolch hervor. Scharf geschliffen am Gesteine Deines Herzens war der Stahl, Und das Kind, um das ich weine, Athmete zum leztenmal. Und du stießest leicht und munter Wie ein Steinchen in den Bach, In das Grab mein Gluͤck hinunter, Sahst ihm ruhig, laͤchelnd nach. Trüber Gang. A m Strand des Lebens irr' ich, starre duͤster Ins Todesmeer, umhuͤllt von Nebelflor; Und immer wird der Strand des Lebens wuͤster, Und hoͤher schlaͤgt die Fluth an ihm empor. — O stroͤmt, ihr Thraͤnen, stroͤmt! — im Weiterirren Seh' ich die laͤngstverlornen Minnestunden, Ein neckend Schattenvolk, voruͤberschwirren, Und neuer Schmerz durchgluͤht die alten Wunden. Die Asche meiner Hoffnungen, die Kraͤnze Geliebter Todten flattern mir voruͤber, Gerissen in des Sturmes wilde Taͤnze, Und immer wird's in meiner Seele truͤber. — Das Christuskreuz, vor dem in schoͤnen Tagen Ein Kind ich, selig weinend, oft gekniet, Es haͤngt hinab vom Strande nun, zerschlagen, Daruͤber hin die Todeswelle zieht. — Seltsame Stimmen mein' ich nun zu hoͤren: Ein wirres Plaudern bald kommt's meinem Lauschen Meeruͤber her, bald toͤnt's in leisen Choͤren, Dann wieder schweigt's, und nur die Wellen rauschen. — Ein ernster Freund, mein einziges Geleite Weist stumm hinunter in die dunkle Fluth; Stets enger draͤngt er sich an meine Seite: Umarme mich, du stiller Todesmuth! Anmuth . D ie Hoffnung, eine arge Dirne, Verbuhlte mir den Augenblick, Bestahl mit frecher Luͤgenstirne Mein junges Leben um sein Gluͤck. Nun ist's voruͤber; in den Tagen, Als ihr Betrug ins Herz mir schnitt, Hab' ich das suͤße Kind erschlagen, Und mit dem Leben bin ich quitt. Nicht mehr zum Lustschloß umgelogen, Scheint mir die Erde, was sie ist: Ein schwankes Zelt, das wir bezogen — Gott habe Dank! — auf kurze Frist. Zu lange doch duͤnkt mir das Bruͤten Hier unter diesem schwanken Zelt; Ergreif' es, Sturm, in deinem Wuͤthen, Und streu die Lappen in die Welt! Zu spät ! S chon hat der Lenz verbluͤht und ausgesungen, Die holden Traͤume, seligen Gefuͤhle Erstarben in der bangen Sommerschwuͤle, Mit der das Thatenleben angedrungen. „Das Roß gespornt! die Wehre frisch geschwungen!“ So heißt es nun im heißen Kampfgewuͤhle, Bis mir der Sabbath faͤchelt seine Kuͤhle, Wann muͤden mich des Todes Arm umschlungen. — Mir war's versagt, in jenen Bluͤthentagen, O Maͤdchen meiner Sehnsucht, dich zu finden‚ Es suchten dich vergebens meine Klagen! — Noch taucht mir hier und dort aus Kampfeswogen Dein Bild herauf, doch muß es wieder schwinden‚ Bald hat die Brandung es hinabgezogen. Lenau's Gedichte. 6 Vergangenheit . H esperus, der blasse Funken, Winkt uns melancholisch zu. Wieder ist ein Tag gesunken In die stille Todesruh; Leichte Abendwoͤlkchen schweben Hin im sanften Mondenglanz, Und aus bleichen Rosen weben Sie dem Todten einen Kranz. Friedhof der entschlafnen Tage, Schweigende Vergangenheit! Du begraͤbst des Herzens Klage, Ach, und seine Seligkeit. An Kleyle . V ergib, vergib, Geliebter, dem Gesange, Der deines Schmerzes leisen Schlummer stoͤrt, Der dir Erinnerungen, suͤß und bange, Herauf aus ihrer stillen Gruft beschwoͤrt! Gedenkst du noch des Abends, den die Goͤtter Auf uns herabgestreut aus milder Hand, So bluͤhend, leicht, wie junge Rosenblaͤtter, Denkst du des Abends noch am Leithastrand? Im Haine sprang von Baum zu Baum die Roͤthe, Sie wiegte sich auf Wipfeln, mischte froh Sich in den Wellentanz, der zum Gefloͤte Der Nachtigallen rasch voruͤberfloh. Wir aber schritten traulich durch die Schatten, Und, suͤß geschwaͤtzig, uns zur Seite ging Die Hoffnung, sprach vom Himmel treuer Gatten, Wies dir von Lottchens Hand den guͤldnen Ring. Schon sah mein Blick, der in die Zukunft spaͤhte, In langen Reihen Wonnetage zieh'n; Schon baut' ich kuͤhn mit leichtem Traumgeraͤthe Mein fruͤh zerfallnes Gluͤck an deines hin. — Sanft senkten sich in feierliches Schweigen Die Zuͤge der Natur, kein Luͤftchen sprach, Sie schien ihr goͤttlich Angesicht zu neigen, Als saͤnne still sie einer Freude nach. Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere, Der Weste Hauch erwachte nun im Hain, Die Blume trank des Himmels leise Zaͤhre, Und selig irrten wir im Mondenschein. — — Doch kommt ein Sturm jezt uͤber meine Saiten, Reißt wild mir von der Leier jenen Tag, Den schoͤnen Tag mit allen Seligkeiten, — Pocht mir an's Herz mit rauhem Fluͤgelschlag. Herein! herein! du finsterer Geselle! Du bist in meiner Brust kein neuer Gast; Ich oͤffne dir die truͤmmervolle Zelle, In welcher dein Geschlecht schon oft gerast! Des Abends, Freund, gedenk' ich, jenes andern! Ich seh' im winterlichen Daͤmmerlicht Zur Kirche hin den langen Brautzug wandern, Wo die Geliebte Treu' und Herz dir bricht. Der Priester sprach den Segen ob dem Paare, Mir schien ein Mordgewoͤlb das Heiligthum, Ich sah die Hoffnung fallen am Altare, Wie ward die suͤße Schwaͤtzerinn so stumm! — Befluͤgle dich, mein Lied! denn immer truͤber‚ Und thraͤnenvoller stets wird deine Bahn; O fuͤhre schnell den Freund mir da voruͤber‚ Wo ihn der Schauer naͤchtlichste umfah'n! Voruͤber, Lied, am bretternen Geschirre, Darein der Tod gepflanzt die Rose bleich; Fort von der Stimmen klaͤglichem Gewirre, Da dumpf vernagelnd droͤhnt der Hammerstreich! — Wir sind vorbei. Der Sturm lenkt sein Gefieder Zum dunkeln Horste der Vergangenheit, Und Wehmuth sinkt an meinen Busen wieder, Die stille Freundin meiner Einsamkeit. Einst und Jezt . „ M oͤchte wieder in die Gegend, „Wo ich einst so selig war, „Wo ich lebte, wo ich traͤumte „Meiner Jugend schoͤnstes Jahr!“ Also sehnt' ich in der Ferne Nach der Heimat mich zuruͤck, Waͤhnend, in der alten Gegend Faͤnde sich das alte Gluͤck. Endlich war mir nun beschieden Wiederkehr ins traute Thal; Doch es ist dem Heimgekehrten Nicht zu Muth wie dazumal. Wie man gruͤßet alte Freunde, Gruͤß' ich manchen lieben Ort; Doch im Herzen wird so schwer mir, Denn mein Liebstes ist ja fort. Immer schleicht sich noch der Pfad hin Durch das dunkle Waldrevier: Doch er fuͤhrt die Mutter Abends Nimmermehr entgegen mir. Moͤgen deine Gruͤße rauschen Vom Gestein, du trauter Bach; Doch der Freund ist mir verloren, Der in dein Gemurmel sprach. Baum, wo sind die Nachtigallen, Die hier sangen einst so suͤß? Und wo, Wiese, deine Blumen, Die mir Rosa sinnend wies? — Blumen fort und Nachtigallen, Und das gute Maͤdchen auch! Meine Jugend fort mit ihnen, Alles wie ein Fruͤhlingshauch! Die Jugendträume . D er Juͤngling weilt in einem Bluͤthengarten, Und schaut mit Lust des Lebens Morgenroth; Auf seinem Antlitz ruht ein schoͤn Erwarten, Die Welt ist Himmel ihm, der Mensch ein Gott. Ein Morgenluͤftchen streut ihm duft'ge Rosen Mit leisem Finger in das Lockenhaar; Sein Haupt umflattert mit vertrautem Kosen Ein bunt Gevoͤgel singend wunderbar. Seyd stille, stille, daß die fluͤcht'gen Gaͤste Ihr nicht dem Juͤnglinge verscheucht; denn wißt: Die Jugendtraͤume sind es, wohl das Beste, Was ihm fuͤr diese Welt beschieden ist. Doch, weh! nun naht mit eisern schwerem Gange Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n Die Voͤgel, und dem Juͤngling wird so bange, Da er sie weiter sieht, und weiter zieh'n. Erinnerung . E rinn'rungsvoller Baum, du stehst in Trauer; Dein Laub ist welk, mein Leben ist es auch. Mein Herz durchziehen bange Wehmuthschauer, Wie dein Gezweig des Herbstes kuͤhler Hauch. Hier saßen wir in abendlicher Stille, Sanft bebte uͤber uns dein fluͤsternd Gruͤn, Auf jenen Hoͤh'n, die nun in Nebelhuͤlle, Verweilte noch der Sonne leztes Gluͤh'n. Wie selig hielt das Maͤdchen ich umfangen, Und horchte ihrem leisen Liebesschwur; Und holder lachten uns die Bluͤthenwangen Der auferwachten goͤttlichen Natur. Doch hatte kaum der Lenz die sanfte Seele Verhaucht, und seine Bluͤthen hingestreut, Kaum war verstummt im Hain die suͤße Kehle: War auch dahin der Liebe Seligkeit. O traure, Herz, voruͤber sind die Tage, Da liebend dir ein Herz entgegenschlug, Die andern schleichen hin in stiller Klage, Der todten Liebe finstrer Leichenzug. Die Felsenplatte . D ort am steilen Klippenhange, Wo der Wildbach niederschaͤumt, Lehnt beim Sonnenuntergange Einsam still ein Mann — und traͤumt. Hingesenkt das gramesmatte Angesicht, so fruͤh verbluͤht, Starrt er auf die Felsenplatte, Die vom Abendrothe gluͤht. Wie er also unabwendig Starret auf den hellen Stein, Werden ploͤtzlich d'rauf lebendig Seine lieben Fantasei'n. Seiner Kindheit Spielgenossen Tanzen lustig druͤber hin Mit der Unschuld suͤßen Possen, Laden ein zu Spielen ihn. Auch sein Muͤtterlein, die gute, Wandelt laͤchelnd auf dem Stein, Die so manches Jahr schon ruhte In dem oͤden Todtenschrein. Und nun sieht er unter ihnen Klar sein eignes Jugendbild, Mit den frohen Fremdlingsmienen Auf der Erde Schmerzgefild. Und er hoͤrt das laute Klopfen In des Juͤnglings heißer Brust, Sieht vom Aug' ihm niedertropfen Thraͤnen, selig, unbewußt; Moͤchte mit dem Juͤngling greinen, Daß er traut der holden Maͤhr; Und auch wieder bitter weinen, Daß er nicht der Juͤngling mehr. — Im Gebirge wird es dunkel, Im Gebirge wird es Nacht, Doch des Steines hell Gefunkel Hat sich heller angefacht. Aus dem Felsengrunde sprießen Blumen auf mit suͤßem Hauch, Und, die Stelle einzuschließen, Saͤuselt rings ein Bluͤthenstrauch; Aus dem schwanken Bluͤthengitter Strahlt ein Maͤdchenangesicht, Wie der Mond aus dem Gezitter Leiser Silberwellen bricht. Mit jungfraͤulichem Erroͤthen Fluͤstert sie: „bin ewig dein!“ Und von allen Zweigen floͤten Nachtigallen Lieder drein. — Doch die Blumen jezt verblassen, Traurig schweigt der duͤrre Strauch, Und der Juͤngling steht verlassen, Und der Juͤngling welket auch. — — Donner hallen in den Luͤften, Und im hellen Wetterstrahl Zu den Fuͤßen des Vertieften Zuckt der Stein jezt, bleich und kahl. Herbstgefühl . M uͤrrisch braust der Eichenwald, Aller Himmel ist umzogen, Und dem Wandrer, rauh und kalt, Kommt der Herbstwind nachgeflogen. Wie der Wind in Herbstes Zeit Mordend hinsaust in den Waͤldern, Weht mir die Vergangenheit Von des Gluͤckes Stoppelfeldern. An den Baͤumen, welk und matt, Schwebt des Laubes lezte Neige, Niedertaumelt Blatt fuͤr Blatt, Und verhuͤllt die Waldessteige; Immer dichter faͤllt es, will Mir den Reisepfad verderben, Daß ich lieber halte still, Gleich am Orte hier zu sterben. Nebel . Du truͤber Nebel, huͤllest mir Das Thal mit seinem Fluß, Den Berg mit seinem Waldrevier, Und jeden Sonnengruß. Nimm fort in deine graue Nacht Die Erde weit und breit! Nimm fort, was mich so traurig macht, Auch die Vergangenheit! An meine Guitarre. G uitarre, wie du haͤngst so traurig! Die Saiten toͤnen nimmermehr, Die laͤngst zerrissnen wanken schaurig Im Abendwinde hin und her. Auch deine Saiten sind zerrissen, Es schweigt dein suͤßer Liederklang, Seit in des Busens Finsternissen Mir jede frohe Saite sprang. Mir sank der Freund voll Jugendbluͤthe Hinunter in die Todesfluth; Die meiner Lieb' entgegengluͤhte, Nun bei den kalten Todten ruht. Doch will ich euch nun frisch besaiten, Dich, meine Leier, dich, mein Herz! Ruͤckbannen die entflohnen Zeiten, Die alte Lust, den alten Schmerz! Hinaus in's Dunkel jener Eichen! Dort findet sich der alte Lauf; Dort stoͤren wir die Liederleichen Aus ihren stillen Graͤbern auf! Wenn erst die Lieder nur erwachen, Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor Die Lieben all' in meinen Nachen Aus dunkler Todesfluth empor. Es klingt! — doch flieh'n im scheuen Fluge Die Toͤne auf von meiner Hand; So eilt, verspaͤtet, nach dem Zuge Das Voͤglein uͤber's Heideland. Nun bin ich meines Herzens Meister! Nun rauscht wie einst der Sturmakkord, Nun springen die versunknen Geister Herauf, herauf an meinen Bord! O du mein Freund, so treu und bieder! Wohl mir, du bist mir wieder nah! Dein suͤßes Wort auch hoͤr' ich wieder! Mein holdes Maͤdchen, bist du da? — Lenau's Gedichte. 7 Doch nein! mich hoͤhnten finstre Maͤchte! Wo ist der Freund? das blonde Kind? Der Nebel reicht mir keine Rechte; Durch blonde Disteln saust der Wind! Vermischte Gedichte . Die Thränen . T hraͤnen, euch, ihr trauten, lieben, Bring' ich diesen Dankgesang! Seyd ja auch nicht ausgeblieben, Wenn mein Herz im Liede klang; Schlichet die bekannten Gleise Still herab, als wolltet ihr Meinen Schmerz behorchen leise, Und das Lied quoll sanfter mir. Wenn der Dolch im Busen wuͤhlte, Tief vom Ungluͤck eingebohrt, Kam der Trost von euch, und spuͤlte Linde die Verzweiflung fort. O flieht keinen Wildumdrohten Von Orkan und Wetterschein! Naht ihm, naht ihm, Friedensboten, Laßt den Armen nicht allein! Ist die Nacht vorbei, so fehle Ihm doch eure Treue nicht, Und die Traufe seiner Seele, Netze mild sein Angesicht Mit der Wehmuth suͤßen Tropfen, Daß sein Herz, war's auch gequaͤlt, Nie verlerne doch zu klopfen Dieser schoͤnen Gotteswelt. Nicht nur, wo der Herzensnager Schmerz wuͤhlt, habt ihr euern Lauf, Auch wo Lust ihr Reiselager Schlaͤgt in einem Busen auf: Ha, wie wogt das Festgetuͤmmel In dem engen Kaͤmmerlein, Wenn der ganze reiche Himmel Ueberfuͤllend will hinein! Und die Thraͤnen seh' ich blinken Auf der Wang' im Freudenglast, Und sie zittern und sie winken Alle Welt herein zu Gast. — Als ich einst am Sterbebette Eines lieben Freundes stand, Und der Tod die Rosenkette Kalt uns aus den Haͤnden wand; Weint' ich ihm die lezte Oehlung, Und — schon lag er still und blaß, Und in seines Auges Hoͤhlung Mild noch eine Thraͤne saß, War so heilig anzuschauen, Wies die Sehnsucht himmelan, Wie der Engel, den die Frauen Einst am Grabe Jesu sahn. In der Krankheit. 1. N acht umschweigt mein Krankenlager, An der morschen Diele nur Reget sich der kleine Nager, Und es pickt die Pendeluhr, Die eintoͤnig mir bedeutet, Daß das Leben weiter schreitet. Ueber truͤbe, heitre Stellen Schreitet's unaufhaltsam hin, Wie des Stromes rasche Wellen Blum' und Dorn voruͤberzieh'n. Immer senkt die Bahn sich jaͤher, Kommt der Schritt dem Orkus naͤher. Mir auch senkt sie sich, und schaurig Weht es aus der Niederung; Und, noch Juͤngling, hoͤr' ich traurig, Wie aus banger Daͤmmerung Meines Herzens matten Schlaͤgen Der Cocytus rauscht entgegen. 2. E insamkeit! mein stilles Weinen Rinnt so heiß in deinen Schoos; Doch du schweigst, und hast nicht einen Seufzer fuͤr mein truͤbes Loos! Legen schon die Jugendjahre Abgebluͤht mich auf die Bahre, Wird kein Auge feuchten sich? Wenn sie mich zu Grabe tragen, Wird kein Busen baͤnger schlagen? Liebt kein Herz auf Erden mich? — Heißer stroͤmt es von der Wange: Keines, keines! fuͤhl' ich bange. An die Melancholie. D u geleitest mich durch's Leben, Sinnende Melancholie! Mag mein Stern sich strahlend heben, Mag er sinken — weichest nie! Fuͤhrst mich oft in Felsenkluͤfte, Wo der Adler einsam haust, Tannen ragen in die Luͤfte, Und der Waldstrom donnernd braust. Meiner Todten dann gedenk' ich, Wild hervor die Thraͤne bricht, Und an deinen Busen senk' ich Mein umnachtet Angesicht. Einem Freunde in's Stammbuch. R uͤstig wandelst du fort die Alpenpfade der Edlen, Wo die reinere Luft Busen und Stirne bekuͤhlt, Pfluͤckest vom Felsengeklipp', vom schmalen Rande des Abgrunds Duftende Blumen und schlingst sie zum harmonischen Kranz, Ihn zu tragen, ein Opfer, zum Hochaltare der Menschheit, Ach, um welchen es stets stiller und einsamer wird; Traurig fluͤstern auf ihm die Kraͤnze der wenigen Edlen, Todtenkraͤnze nunmehr schoͤner, verblichener Zeit. Aber du wandle hinan getrost, und waͤre dein Leben Auch nur Feier des Tod's schoͤner, verblichener Zeit. Kommt auf deinen Pfaden dir einst der Donner entgegen, Draͤuend im naͤchtlichen Flug, fahren Orkane dich an: Freund, dann flattre dies Blatt vor deinen Blicken im Sturme, Und es rausche dir zu: „denke des liebenden Freunds!“ Vergänglichkeit. V om Berge schaut hinaus ins tiefe Schweigen Der mondbeseelten, schoͤnen Sommernacht Die Burgruine; und in Tannenzweigen Verseufzt ein Luͤftchen, das allein bewacht Die truͤmmervolle Einsamkeit, Den bangen Laut: „Vergaͤnglichkeit!“ „Vergaͤnglichkeit!“ mahnt mich im stillen Thale Die ernste Schaar bekreuzter Huͤgel dort, Wo dauernder der Schmerz in Todtenmahle, Als in verlassne Herzen sich gebohrt; Bei Sterbetages Wiederkehr Befeuchtet sich kein Auge mehr. Der wechselnden Gefuͤhle Traumgestalten Durchrauschen aͤffend unser Herz, es sucht Vergebens seinen Himmel festzuhalten, Und fortgerissen in die rasche Flucht Wird selbst der Jammer, und der Hauch Der sanften Wehmuth schwindet auch. Horch' ich hinab in meines Busens Tiefen, „Vergaͤnglichkeit!“ klagt's hier auch meinem Ohr, Wo laͤngst der Kindheit Freudenklaͤng' entschliefen, Der Liebe Zauberlied sich still verlor; Wo bald in jenen Seufzer bang Hinstirbt der lezte frohe Klang. Vergaͤnglichkeit! dein Hauch, als Sturmeswuͤthen, Wirft hingeschmettert Eichen in den Staub; Dein Hauch, als linder West, entfuͤhrt die Bluͤthen Dem Rosenstrauch in schmeichlerischem Raub. Wie Bluͤthen hier, so faͤchelt dort Dein Hauch die welken Sterne fort! Trias harmonica. D rei Seelen hab' ich offenbar‚ Denn eine kann drei Dinge nicht Zugleich vollbringen, wie sogar Der weise Psychologe spricht. Die eine haͤngt voll Liebesgluth An schoͤnen Munds Korallenrand; Die andre schwimmt auf Weinesfluth Hinuͤber an den Goͤtterstrand; Die dritt' in freudigem Tumult Braust ihre Dithyramben laut, Und schleudert ihren Katapult Ans kalte Herz, metallverbaut. So geht's, bis an den Bettelstab Sie ihren Wirth, den Leib, gezehrt; Bis jubilirend dann hinab Die tolle Drei zur Hoͤlle faͤhrt. Zögerung . B eschritten schon von seinem Reiter Rafft auf der Weide noch das Roß Die lezten Halme, will nicht weiter, Bis ihm der Sporen scharfer Stoß Gewaltig in die Seiten dringt, Und es im Sturm von dannen zwingt. Und fuͤhlt der Mensch mit bleichem Beben Den Tod ihm sitzen am Genick, So klammert sich sein Fuß an's Leben, Er bettelt um den Augenblick, Bis wild der Tod die Geißel schwingt, Und ihn mit Macht von dannen zwingt. An eine Dame in Trauer. V om Grabe deines treuen Mannes Ist noch die Schaufel feucht; O Weib, o nichts von einem Weibe! Dein Aug' ist nicht mehr feucht? Hinab! zuchtloses Blut der Wangen! Ins Herz, du Schandeborn! Kann dich des Gatten Tod nicht jagen, So jage dich mein Zorn! Das Thraͤnenschild, den Flor herunter! Mit dem du dich behaͤngt; In dieser Kneipe wird die Thraͤne, Die Edle, nicht geschenkt. An Mathilde . S chon verrauscht der Tag, und des Abends sanftere Seele Fließt wie suͤße Musik saͤnftigend uns in die Brust. Horch, Mathilde, wie leise der West durch Bluͤthen da¬ hinseufzt, Leiser noch weht sein Hauch, kost er um deine Gestalt. Sieh, die Biene, sie wandelt von Blume zu Blume geschaͤftig, Suͤße Bereicherung lockt weiter die Summende stets; Also wandelt die Seele dereinst von Blume zu Blume, Welche zum strahlenden Kranz sich der Unendliche wand, Wandelt die Seele dereinst von Welten weiter zu Welten, Naͤher dem liebenden Gott, liebender, goͤttlicher stets. Aber die Wechselgestalten des Lebens, sie theilen nicht alle Gleich der Unsterblichkeit Loos, wenn uns der Ewige winkt; Nur das Schoͤnste des Lebens, worin der Himmel uns kund wird, Nimmt die Seele mit fort, schwingt sie den Sternen sich zu. Doch die truͤben Gestalten verhuͤllt Nacht, ewige Nacht dann. Lenau's Gedichte. 8 Heil der Stunde, die selbst dann noch uns wonnig umstrahlt! O Mathilde, dein Auge voll himmlischer, tiefer Bedeutung, Blickt mir ins Auge so ernst, und so entzuͤckend zugleich, Daß die Seele mir bebt, o Geliebte! ahnet dir etwa, Daß auch diesen Moment huͤllen nicht werde die Nacht? Einem Knaben . W as trauerst du, mein schoͤner Junge? Du Armer, sprich, was weinst du so? Daß treulos dir im raschen Schwunge Dein liebes Voͤgelein entfloh? Du blickest bald in deiner Trauer Hinuͤber dort nach jenem Baum, Bald wieder nach dem leeren Bauer Blickst du in deinem Kindestraum. Du legst so schlaff die kleinen Haͤnde An deines Lieblings oͤdes Haus; Und pruͤfest rings die Sprossenwaͤnde, Und fragst: „wie kam er nur hinaus?“ An jenem Baume hoͤrst du singen Den Fernen, den dein Herz verlor, Und unaufhaltsam eilig dringen Die heißen Thraͤnen dir hervor. Gib acht, gib acht, o lieber Knabe, Daß du nicht dastehst traurend einst, Und um die beste, schoͤnste Habe Des Menschenlebens bitter weinst! Daß du die Hand, die sturmerprobte, Nicht legst, ein Mann an deine Brust, Darin so mancher Schmerz dir tobte, Dir saͤuselte so manche Lust; Daß du die Hand in wildem Krampfe Nicht druͤckst in deinen Busen ein, Aus dem die Unschuld dir im Kampfe Entflohn, das scheue Voͤgelein. Dann hoͤrst du fluͤstern ihre leisen Gesaͤnge aus der Ferne her; Neigst hin dich nach den suͤßen Weisen; Das Voͤglein aber kehrt nicht mehr! — Abschied . Lied eines auswandernden Portugiesen . S ey mir zum leztenmal gegruͤßt, Mein Vaterland, das feige dumm, Die Ferse dem Despoten kuͤßt, Und seinem Wink gehorchet stumm. Wohl schlief das Kind in deinem Arm, Du gabst, was Knaben freuen kann, Der Juͤngling fand ein Liebchen warm; Doch keine Freiheit fand der Mann. Im Hochland streckt der Jaͤger sich Zu Boden schnell, wenn Wildesschaar Heran sich stuͤrzet fuͤrchterlich, Dann schnaubt voruͤber die Gefahr: Mein Vaterland, so sinkst du hin, Rauscht deines Herrschers Tritt heran, Und laͤssest ihn voruͤberzieh'n, Und haͤltst den bangen Athem an. — Fleug, Schiff, wie Wolken durch die Luft, Hin, wo die Goͤtterflamme brennt! Spuͤl' mir hinweg, o Meer, die Kluft, Die von der Freiheit noch mich trennt! Du neue Welt, du freie Welt, An deren bluͤthenreichem Strand Die Fluth der Tyrannei zerschellt, Ich gruͤße dich, mein Vaterland! Am Grabe eines Ministers. Du fuhrst im goldnen Gluͤckeswagen Dahin den raschen Trott, Von keuchenden Luͤsten fortgetragen, Und duͤnktest dir ein Gott! Wie flogen des Poͤbels Rabenschwaͤrme Dir aus dem Weg' so bang, Da sie hoͤrten der Geißel wild Gelaͤrme, Der Raͤder Donnerklang! Ein weinender Bettler, stand am Wege Das arme Vaterland, Und flehte dich an um milde Pflege Mit aufgehobner Hand; Doch wie auch klagte die bittre Klage, Wie auch die Thraͤne rann: Du triebst mit gellendem Geißelschlage Voruͤber dein Gespann! — „Halt!“ schlug nun eine grause Stimme An dein entseztes Ohr, Es stuͤrzt', ein Raͤuber, mit Hohn und Grimme Der Tod vom Wald hervor; Und hieb die Straͤnge mit scharfem Schwerde Vom Wagen, rieß mit Macht Dich fort, trotz Flehen und Angstgeberde, In seine finstre Nacht. — Das Vaterland mit Lachen und Singen Haͤlt Wacht an deinem Grab; Scheucht Thraͤnen und Seufzer und Haͤnderingen Fort mit dem Bettelstab! Der Lenz . D a kommt der Lenz, der schoͤne Junge, Den Alles lieben muß, Herein mit einem Freudensprunge, Und laͤchelt seinen Gruß; Und schickt sich gleich mit frohem Necken Zu all' den Streichen an, Die er auch sonst dem alten Recken, Dem Winter, angethan. Er gibt sie frei die Baͤchlein alle, Wie auch der Alte schilt, Die der in seiner Eisesfalle So streng gefangen hielt. Schon zieh'n die Wellen flink von dannen Mit Taͤnzen und Geschwaͤtz, Und spoͤtteln uͤber des Tyrannen Zerronnenes Gesetz. Den Juͤngling freut es, wie die raschen Hinlaͤrmen durchs Gefild, Und sich aus leichten Fingern haschen Sein aufgebluͤhtes Bild. Froh laͤchelt seine Mutter Erde Nach ihrem langen Harm; Sie schlingt mit jubelnder Geberde Das Soͤhnlein in den Arm. In ihren Busen greift der Lose Und zieht ihr schmeichelnd keck Das sanfte Veilchen und die Rose Hervor aus dem Versteck. Und sein geschmeidiges Gesinde Schickt er zu Berg und Thal: „Sagt, daß ich da bin, meine Winde, Den Freunden allzumal!“ Er zieht das Herz an Liebesketten Rasch uͤber manche Kluft, Und schleudert seine Singraketen, Die Lerchen, in die Luft. Im Frühling. A n ihren bunten Liedern klettert Die Lerche selig in die Luft; Ein Jubelchor von Saͤngern schmettert Im Walde, voller Bluͤth' und Duft. Da sind, so weit die Blicke gleiten Altaͤre festlich aufgebaut, Und all' die tausend Herzen laͤuten Zur Liebesfeier dringend laut. Der Lenz hat Rosen angezuͤndet An Leuchtern von Smaragd im Dom, Und jede Seele schwillt und muͤndet Hinuͤber in den Opferstrom. Der Indifferentist . O b du, ein Sokrates, den Schirlingsbecher Auf's Wohl des Vaterlandes laͤchelnd trinkst; Ob du, ein schnoͤder, teuflischer Verbrecher, Vom Henkerbeil getroffen, fluchend sinkst; Ob dein Genie sein Werk den raschen Zeiten Geschleudert, ein Gebirg, in ihre Bahn, Daß sie an seinem Fuß voruͤberschreiten, Und grauend seine Gipfel starren an; Ob nichts dein langes Leben war hienieden, Als fuͤr's Gewuͤrm des Grabes eine Mast; Ob du, der Menschheit Fesseln anzuschmieden, Ein toller Held die bange Welt durchrast: Ist just so wichtig, als: ob nur im Kreise Einfoͤrmig stets das Aufgußthierchen schwimmt, Ob es vielleicht nach rechts die große Reise, Vielleicht nach links im Tropfen unternimmt. An die Hoffnung. H offnung! laß allein mich wallen, Gaukle nicht um meine Bahn! Deine Sterne sind gefallen, Und mich taͤuscht kein holder Wahn! Dieser streckt nach einer Krone Seine Hand verwegen aus; Doch ihn stoßt der Tod mit Hohne In sein enges, kuͤhles Haus. Und ein Andrer hat errungen, Was der Erste nur gewollt; Hat die hoͤchste Hoͤh' erschwungen: Throne wanken, wenn er grollt. Hoffnung! o warum entzuͤndest Du sein Herz zum stolzen Plan, Da du schmeichelnd ihm verkuͤndest Einen Welttheil unterthan?! Ueber Voͤlkern klirrt die Kette, Da sein Schritt nach Osten stuͤrmt; Bang ruft eins dem andern: rette! Von der Schreckensmacht umthuͤrmt. Nun ergreift ihn sein Verhaͤngniß, Reißt ihm Kron' und Purpur ab, Schleudert ihn ins Meergefaͤngniß, Bald verschlingt ihn dort sein Grab. — In der Naͤchte stiller Feier Hebt der heiligen Natur Kuͤhn ein Forscher ihre Schleier, Und verfolget Gottes Spur. Denn du laͤssest schoͤn erglaͤnzen Ihm ein Mahl der Ewigkeit, Enkel seine Gruft bekraͤnzen; — Und ihn lohnt — Vergessenheit! Nach der Liebe treuem Gluͤcke Das er nirgends finden soll, Kehrt ein Andrer seine Blicke, Dir vertrauend, sehnsuchtsvoll. Ach, sie liebt ihn, der Entgluͤhte Haͤlt sie wonnevoll umstrickt; Doch der Liebe zarte Bluͤthe Wird im Rausche bald zerknickt! — All' dein Wort ist Windesfaͤcheln; Hoffnung! dann nur trau' ich dir, Weisest du mit Trosteslaͤcheln Mir des Todes Nachtrevier! In das Stammbuch einer Künstlerinn. Erinnerung an einen Spaziergang . N ach langem Wege durch die Sommerschwuͤle Rauscht' uns ein Wald entgegen seinen Gruß; Uns uͤbergoß die Luft mit suͤßer Kuͤhle, Die Blaͤtternacht mit ihrem Labekuß. Und wie wir aus den heißen, hellen Triften, Wo muͤhend sich der Mensch dem Leben weiht, In's Waldgeheimniß weiter uns vertieften, Und in den Schatten Gottes: Einsamkeit; — So flohen deine heiteren Gespraͤche Fort von des Lebens wuͤstem, steilem Hang Waldein, und wanden sich als klare Baͤche Durch's Labyrinth der Kunst mit leisem Klang; Auf ihren Wellen bebten die Gestalten Von all' den Blumen, die ihr Lauf beruͤhrt; Ich aber sah, nachhaͤngend ihrem Walten, Die froherstaunte Seele mir entfuͤhrt. Unmögliches . B evor mein Blick den Zauber noch getrunken, Der, wie die Farbenpracht am Demant gluͤht, Dich tausendfach, doch immer neu, umbluͤht; Horcht' ich dem Freund, in Ahnungen versunken. Wir seh'n des Berges Haupt in Purpur prangen, Wenn schon die Sonne sank und Daͤmmerung Den Hain umflort: so strahlt' Erinnerung An dich, Geliebte, von des Freundes Wangen; Begeistert taucht' er in des Busens Tiefen Den Pinsel, und er malte warm und mild Dem sel'gen Horcher dein entzuͤckend Bild, Gefuͤhle weckend, die seit lange schliefen. Doch wie's dem Dichter nimmer will gelingen, Des Busens Drang ins enge Wort zu zwingen, Hinuͤber uns in seine Welt zu singen: So hat der Freund vergebens dich gemalt, Sie nicht erreicht, die goͤttliche Gestalt, Und deiner Seele stille Allgewalt. Lenau's Gedichte. 9 Einem Ehrsüchtigen. L aß das Ringen nach der Ehre; Lieber all' dein heißes Streben In den eignen Busen kehre, Und du lebst ein schoͤn'res Leben. Mein Stern. U m meine wunde Brust geschlagen Den Mantel der Melancholei, Flog ich, vom Lebenssturm getragen, An dir, du Herrliche, vorbei. Vom Himmel deiner Augen stiegen Wie Engel Thraͤnen niederwaͤrts An deinen holdgeruͤhrten Zuͤgen, Und priesen mir dein gutes Herz. Und alle Welten um mich schwanden, Mein Leben starrt' in seinem Lauf, Im suͤßempoͤrten Busen standen Die alten Goͤtter wieder auf. Da riß der Sturm von dir mich wieder Hinaus in seine wuͤste Nacht, Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder Ein Stern mit ewig heller Pracht. Denn wie, vom Tode schon umfangen, Der Juͤngling nach der holden Braut Die Arme streckt mit Glutverlangen, Und sterbend ihr ins Auge schaut: So griff nach deinem holden Bilde Die Seele, schaut es ewig an, Sieht nichts vom truͤben Erdgefilde, Fuͤhlt nicht die Dornen ihrer Bahn. Entriss' auch einst der Tod mir strenge, Was mir das Leben Liebes gab; Er nehm' es hin! doch Eines raͤnge — Ich raͤnge kuͤhn dein Bild ihm ab. Das Herz . S cheitert unsre Brust an Klippen, Hingeschellt von Sturmeswuth, Trinkt mit aufgerissnen Lippen Unsre Wunde Schmerzensfluth; Schoͤpft das Herz dann hastig bange Aus der Brust den Thraͤnenguß, Weil es sonst vom Wellendrange Ueberfluthet sterben muß; Dann wird auch der Sturm beschworen, Helle wird die Finsterniß, Es vertuͤnchen milde Horen An der Brust den Wundenriß. Aber ist das Herz ein zages, Wenn die Brust die Woge trinkt; Starrt es ob des Klippenschlages Stoͤrrisch, muͤßig — und versinkt. Ist's ein wildes ungezaͤumtes, Wird es im Tumulte scheu, Todestrunken gluͤht und schaͤumt es, Und zertruͤmmert sein Gebaͤu. Wenn dann auch der Himmel heiter Und mit lindem Hauche weht, Und der Strom sanft wiegt die Scheiter; Fuͤr die Todten ist's zu spaͤt. Doch ihr Schifflein, hoͤrt, ihr andern! Seyd ihr auch dem Sturm entwischt, Ruhig moͤgt ihr weiter wandern, Aber nicht gehoͤhnt, gezischt: „Wie der Nachen ward zertruͤmmert! „Wie das Herz im Strom ersoff! „Warst wohl auch zu leicht gezimmert! „Warst wohl auch aus schlechtem Stoff!“ Huͤtet euch, ihr andern, huͤtet! Denkt an eurer Fahrten Rest; Denn der Zukunft Nacht bebruͤtet Manchen Sturm im dunkeln Nest. Reiterlied . W ir streifen durchs Leben im schnellen Zug, Ohne Rast wie die stuͤrmische Welle, Wir haschen die Frucht im Voruͤberflug, Und schlummern nicht ein an der Quelle; Wir pfluͤcken die Rose, wir saugen den Duft, Und streuen sie dann in die flatternde Luft. Der Friedliche sitzet und lauert bang, Bis das Gluͤck ihm poch' an die Thuͤre, Noch spaͤht er beim Sterbegloͤckleinklang, Ob das Gluͤck an der Klinke nicht ruͤhre; Wohl ruͤhrt sich die Klink', und es tritt herein, Erschrick nicht, du Armer, — es ist Freund Hein! Der Reiter verfolgt das entlaufende Gluͤck, Er faßt's an den fliegenden Locken, Und zwingt es zu sich auf den Sattel zuruͤck, Und umschlingt es mit wildem Frohlocken: „Mußt reiten mit mir durch Nacht und Graus, „Durch Strom und Gekluͤft zum blutigen Strauß!“ Wir reiten hinein in die laute Schlacht, Es tanzen die wiehernden Rosse Dahin, wo der Donner am staͤrksten kracht, Weit voran dem trippelnden Trosse; Dem Reiter kredenzt auf sein stuͤrmisch Gebot Den ersten, den feurigsten Trunk der Tod! An D. Klemm . O saͤume nicht, mit Wein, Gesang und Kosen Dein Herz zu frischen! sieh, die Jugend flicht In deinen Strauß schon ihre lezten Rosen, Bald wendet sie das holde Angesicht, Und flieht und schwindet tief und tiefer immer Im Hain Vergangenheit — und kehret nimmer. Dann gilt's, empor zur Lebenshoͤh' zu dringen, Dann hoͤrst du hinter dir im Bluͤthenthal Das: „ gaudeamus igitur !“ verklingen, Und deine Bahn wird gluͤhend, schroff und kahl: Am Strauße, den die Jugend dir gewunden, Ist bald so Duft wie Farbenpracht verschwunden. Und wallst du einst zur Abendherberg nieder, Traͤnkt kuͤhler Thau den welken Blumenstrauß, Dann bluͤht er neu mit Duft und Farbe wieder; Du setzest muͤde dich vor's stille Haus, Spielst mit dem Strauß, dem Kinde schoͤner Zeiten, Und schlummerst ein, — die Blumen dir entgleiten. Zuflucht . T hut man Kindern was zu Leide, Flieh'n zur Mutter sie voll Schrecken, Sich in ihrem Faltenkleide Vor dem Quaͤler zu verstecken. Weiche Herzen bleiben Kinder All' ihr Leben lang, d'rum falle Ihnen auch das Loos gelinder, Als den Herzen von Metalle. Jagt sie Ungluͤck, wie zum Fluche, Flieh'n sie bang und immer baͤnger, Bis sie hinter'm Leichentuche Sich verbergen ihrem Draͤnger. Der Greis . D urch Bluͤthen winket der Abendstern, Ein Luͤftchen spielt im Gezweige; Der Greis genießt im Garten so gern Des Tages suͤße Neige. Dort seine Enkel, sie jagen frisch Im Grase hin und wieder; Die Voͤglein singen im Gebuͤsch Nun ihre Schlummerlieder. Es lieben Kinder und Voͤgelein, — Die Gluͤcklichsten auf Erden! — Bevor sie Abends schlafen ein, Noch einmal laut zu werden. Da schlaͤngelt der schnelle Kinderkreis Sich bluͤhend durch bluͤhende Baͤume, Sie gaukeln um den stillen Greis Wie selige Jugendtraͤume. Sein Auge folgt am Wiesenplan Der Unschuld froͤhlichen Streichen; Da jauchzt ein Knabe zu ihm heran, Ihm eine Blume zu reichen. Der Alte nimmt sie laͤchelnd hin, Und streichelt den schoͤnen Jungen, Und will liebkosend ihn naͤher ziehn; Der aber ist wieder entsprungen. Und wie der Greis nun die Blume haͤlt, Und ansieht immer genauer, Ein ernstes Sinnen ihn uͤberfaͤllt, Halb Freud', und milde Trauer. Er haͤlt die Blume so inniglich, Die ihm das Kind erkoren, Als haͤtte seine Seele sich Ganz in die Blume verloren. Als fuͤhlt' er sich gar nah verwandt Der Blume, erdentsprossen, Als haͤtte die Blum' ihn leise genannt Ihren lieben, trauten Genossen. Schon spuͤrt er im Innern keimen wohl Das stille Pflanzenleben, Das bald aus seinem Huͤgel soll In Blumen sich erheben. Wanderung im Gebirge. 1. D u warst mir ein gar trauter, lieber Geselle; komm, du schoͤner Tag, Zieh noch einmal an mir voruͤber, Daß ich mich dein erfreuen mag! 2. D es Himmels frohes Antlitz brannte Schon von des Tages erstem Kuß, Und durch das Morgensternlein sandte Die Nacht mir ihren Scheidegruß: Da griff ich nach dem Wanderstabe, Sprach meinem Wirthe: „Gott vergelt' Die Ruhestatt, die milde Labe!“ Zog lustig weiter in die Welt. 3. F roh summte nach der suͤßen Beute Die Biene hin am Wiesensteg; Die Lerche aus den Luͤften streute Mir ihre Lieder auf den Weg. 4. I ch trat in einen heilig duͤstern Eichwald, da hoͤrt' ich leis' und lind Ein Baͤchlein unter Blumen fluͤstern, Wie das Gebet von einem Kind; Und mich ergriff ein suͤßes Grauen, Es rauscht' der Wald geheimnißvoll, Als moͤcht' er mir was anvertrauen, Das noch mein Herz nicht wissen soll; Als moͤcht' er heimlich mir entdecken, Was Gottes Liebe sinnt, und will; Doch schien er ploͤtzlich zu erschrecken Vor Gottes Naͤh' — und wurde still. Lenau's Gedichte. 10 5. S chon zog vom Wald' ich ferne wieder Auf einer steilen Alpenwand; Doch blickt' ich oft zu ihm hinnieder, Bis mir sein lezter Wipfel schwand. — Da irrten Kuͤh' am Wiesenhange; Der Hirte unterm Kieferdach Hing still bei ihrem Glockenklange Dem Bilde seines Liebchens nach. 6. S chon seh' ich Hirt' und Herde nimmer Die Zirbel nur ist mein Geleit; Der steile Pfad wird steiler immer, Es waͤchst die wilde Einsamkeit. Dort stuͤrzt aus dunkler Felsenpforte Der Quell mit einem bangen Schrei, Enteilt dem grauenvollen Orte, Hinab zum freundlich gruͤnen Mai. Verschwunden ist das lezte Leben, Hier gruͤnt kein Blatt, kein Vogel ruft, Und selbst der Pfad scheint hier zu beben, So zwischen Wand und Todeskluft. Komm, Gotteslaͤugner, Gott zu fuͤhlen, Dein Frevel wird auf diesem Rand Den Todesabgrund tiefer wuͤhlen, Dir steiler thuͤrmen diese Wand! — 7. D es Berges Gipfel war erschwungen, Der trotzig in die Tiefe schaut. Natur, von deinem Reiz durchdrungen, Wie schlug mein Herz so frei, so laut! Behaglich streckte dort das Land sich In Ebnen aus, weit, endlos weit, Mit Thuͤrmen, Wald und Flur, und wand sich Der Stroͤme Zier ums bunte Kleid; Hier stieg es ploͤtzlich und entschlossen Empor, stets kuͤhner himmelan, Mit Eis und Schnee das Haupt umgossen, Vertrat den Wolken ihre Bahn. Bald hing mein Auge freudetrunken Hier an den Felsen, schroff und wild; Bald war die Seele still versunken Dort in der Ferne Raͤthselbild. Die dunkle Ferne sandte leise Die Sehnsucht, ihre Schwester, mir, Und rasch verfolgt' ich meine Reise Den Berg hinab, zu ihr, zu ihr: „Wie manchen Zauber mag es geben, „Den die Natur auch dort ersann; „Wie mancher Biedre mag dort leben, „Dem ich die Hand noch druͤcken kann!“ 8. N och immer lag ein tiefes Schweigen Rings auf den Hoͤh'n; doch ploͤtzlich fuhr Der Wind nun auf zum wilden Reigen, Die sausende Gewitterspur. Am Himmel eilt mit dumpfem Klange Herauf der finstre Wolkenzug: So nimmt der Zorn im heißen Drange Den naͤchtlichen Gedankenflug. — Der Himmel donnert seinen Hader; Auf seiner dunklen Stirne gluͤht Der Blitz hervor, die Zornesader, Die Schrecken auf die Erde spruͤht. Der Regen stuͤrzt in lauten Guͤssen; Mit Baͤumen, die der Sturm zerbrach, Erbraust der Strom zu meinen Fuͤßen; — Doch schweigt der Donner allgemach. Der Sturm laͤßt seine Fluͤgel sinken, Der Regen saͤuselt milde Ruh: Da sah ich froh ein Huͤttlein winken, Und eilte seiner Pforte zu. 9. E in Greis trat laͤchelnd mir entgegen, Bot mir die Hand gedankenvoll, Und hob sie dann empor zum Segen, Der sanft vom Himmel niederquoll; Und ich empfand es tief im Herzen, Daß Zorn der Donner Gottes nicht; Daß aus der Weste leichten Scherzen, Wie aus Gewittern Liebe spricht. Und einen Labebecher trank ich, Und schlich, wohin die Ruh' mich rief, Hinaus zur Scheune, muͤde sank ich Hier in des Heues Duft — und schlief. Was mich erfreut auf meinen Wegen, Das traͤumt' ich nun im Schlafe nach, Und traͤumend hoͤrt' ich, wie der Regen Sanft niedertraͤufelt' auf das Dach. Suͤß traͤumt es sich in einer Scheune, Wenn drauf der Regen leise klopft; So mag sich's ruh'n im Todtenschreine, Auf den die Freundeszaͤhre tropft. 10. D ie Wolken waren fortgezogen, Die Sonne strahlt' im Untergang, Und am Gebirg der Regenbogen, Als ich von meinem Lager sprang. Da griff ich nach dem Wanderstabe, Sprach meinem Wirth' ein herzlich Wort Fuͤr Ruhestatt und milde Labe, Und zog in stiller Daͤmm'rung fort. Unbeständigkeit . D aß ich dies und das beginne, Heute g'rad und morgen quer, Gegen das, was heut' ich minne, Morgen richte Spieß und Speer: Sollte das so sehr dich wundern, Du mein consequenter Mann?! Keiner von den Erdenplundern Lange mich behalten kann! Heute bin ich zum Exempel Ganz ein Metaphysikus; Morgen schallt in Themis Tempel Mein unsteter Menschenfuß. Heute steh' ich Nachts am Giebel, Suche Jungfrau, Stier und Baͤr; Morgen les' ich in der Bibel, Uebermorgen im Homer. Blickt mein Geist im Wissensdrange Durch ein Fenster in die Welt; O dann paßt er auch nicht lange, Sieht er drinnen nichts erhellt; Und er guckt zu einem andern In die finstre Welt hinein; Muß von hier auch weiter wandern, Nirgends auch nur Lampenschein! Freilich, wenn du unabwendig Starrest in dasselbe Loch, Wird's vor deinem Blick lebendig, Dein Ausharren lohnt sich doch; Denn die Augen dir erlahmen, Und Gespenster malen sich In des Fensters leeren Rahmen: Und man nennt den Weisen dich! Die Wurmlinger Kapelle. In Wuͤrtemberg bei Tuͤbingen. L uftig, wie ein leichter Kahn, Auf des Huͤgels gruͤner Welle, Schwebt sie laͤchelnd himmelan, Dort die friedliche Kapelle. Einst bei Sonnenuntergang Schritt ich durch die oͤden Raͤume, Priesterwort und Festgesang Saͤuselten um mich wie Traͤume. Und Maria's schoͤnes Bild Schien vom Altar sich zu senken, Schien in Trauer, heilig mild, Alter Tage zu gedenken. Roͤthlich kommt der Morgenschein, Und es kehrt der Abendschimmer Treulich bei dem Bilde ein; Doch die Menschen kommen nimmer. Leise werd' ich hier umweht Von geheimen, frohen Schauern, Gleich als haͤtt' ein fromm Gebet Sich verspaͤtet in den Mauern. Scheidend gruͤßet hell und klar Noch die Sonn' in die Kapelle, Und der Graͤber stille Schaar Liegt so traulich vor der Schwelle. Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh Sich an die verlassnen Gruͤfte; Dort, dem fernen Suͤden zu, Wandern Voͤgel durch die Luͤfte. Alles schlummert, Alles schweigt, Mancher Huͤgel ist versunken, Und die Kreuze stehn geneigt Auf den Graͤbern — schlafestrunken. Und der Baum im Abendwind Laͤßt sein Laub zu Boden wallen, Wie ein schlafergriffnes Kind Laͤßt sein buntes Spielzeug fallen. — Hier ist all' mein Erdenleid Wie ein truͤber Duft zerflossen; Suͤße Todesmuͤdigkeit Haͤlt die Seele hier umschlossen. Der Maskenball . W irres Durcheinanderwallen In den lichten Saͤulenhallen. Der Drommeten hell Gedroͤhne, Und der Geigen tolle Lieder Stuͤrzen vom Geruͤste nieder, Als ein Wildbach froher Toͤne; Von dem Strome leicht bezwungen Wird der Gaͤste bunte Menge, Wird vom seligen Gedraͤnge Rascher Taͤnze schnell verschlungen. Blumen und Orangenbaͤume Bluͤhen, duften rings im Saale, Mahnen, holde Fruͤhlingstraͤume, Mich an ferne Bluͤthenthale, Wecken mit dem stillen Gruß Mir ein banges Hinverlangen, Hauchen ihren leisen Kuß Schoͤnen Maͤdchen an die Wangen; Doch den Frohen, Ruhelosen, Weht nicht Sehnsucht in dem Hauche, Sind ja selber junge Rosen, Die entflogen ihrem Strauche; Flatternd in geliebten Taͤnzen, Dem Gewinde bald entbunden, Bald zu anmuthvollen Kraͤnzen Von der Freude frisch gewunden; Koͤnnen sinnend nicht verweilen, Muͤssen im Vergnuͤgen eilen, Denn des Welkens Klage naht. Nie zu suͤhnender Verrath An der Bluͤthe Augenblicken Waͤre jede truͤbe Saͤumniß. Seht, da schwebt mit trautem Nicken, Ein suͤß neckendes Geheimniß, Eine holde Maske her. Ach, wer bist du? sage, wer? — Lind und weich von heller Seide Ist dein schlanker Leib umfangen, Und vom amarantnen Kleide Leicht und luftig uͤberhangen, Und du strahlst im Glanz des Goldes, Polenmaͤdchen! wunderholdes! Schalkhaft kuͤhn dein Kaͤppchen sizt, Trotzend auf so schoͤne Stelle; Wie der Demantstern dir blizt Aus der Nacht der Lockenwelle! Wie die Perlen dich umschmiegen, Die dir froh am Halse liegen! Deine Reize still zu ehren, Haben sie sich dort vereinet. Hat ein Gott dir Freudezaͤhren An den schoͤnen Hals geweinet? — Doch betracht' ich dich genauer, Weiß ich nicht, wie mir geschieht, Ruͤhrst du mir das Herz zur Trauer, Und die heitre Deutung flieht. Maͤdchen, willst du in Symbolen: Weißem Nacken, Perlenschnuͤren, Uns das Trauerloos der Polen Mahnend vor die Seele fuͤhren? Zeigen uns im schoͤnen Bilde Thraͤnenvolle Schneegefilde? Ja, du kamst in dieses Haus, Leise strafend uns zu tragen In den schmerzvergessnen Braus Polens Gluͤck aus alten Tagen, Daß wir seinen Fall bedenken, Und in Wehmuth uns versenken. — Abgewendet nun mit Schweigen, Schwindest du im dichten Reigen, Wie Polonia's Herrlichkeit Schwand im wilden Tanz der Zeit. — Masken kommen, immer neue: Hier ein Ritter mit der Dame, Spricht von seinem Liebesgrame, Und gelobt ihr seine Treue. Dort im haͤrenen Gewande, Mit Sandal' und Muschelhut, Wie entruͤckt in ferne Lande, Ueber Berg' und Meeresfluth — Steht ein Pilger; seine Traͤume Saͤuseln ihm wie Palmenbaͤume, Zaubern ihn zum heil'gen Grabe, Seines Glaubens liebster Habe. — Seyd willkommen mir, Matrosen! Nehmt mich auf in eurem Schiffe! Frisch hinaus ins Meerestosen, Durch die fluthbeschaͤumten Riffe! Ha! schon seh' ich Moͤwen ziehn, Wetterwolken seh' ich jagen, Und die Stuͤrme hoͤr' ich schlagen. Suͤße Heimat, fahre hin! Lenau's Gedichte. 11 Nach der Freiheit Paradiesen Nehmen wir den raschen Zug, Wo in heil'gen Waldverliesen Kein Tyrann sich Throne schlug. Weihend mich mit stillem Beten, Will den Urwald ich betreten, Wandeln will ich durch die Hallen, Wo die Schauer Gottes wallen; Wo in wunderbarer Pracht Himmelwaͤrts die Baͤume dringen, Brausend um die keusche Nacht Ihre Riesenarme schlingen. Wo Leuchtkaͤfer, Miriaden, Um die Schlingeblumen fliegen, Die sich an die Baͤume schmiegen, Auf des Bluͤhens dunklen Pfaden Leuchten sie den Duftgewinden, Lehren sie den Wipfel finden. — Dort will ich fuͤr meinen Kummer Finden den ersehnten Schlummer, Will vom Schicksal Kunde werben, Daß es mir mag anvertrauen In der Waͤlder tiefem Grauen, Warum Polen mußte sterben. Und der Antwort will ich lauschen In der Voͤgel Melodeien, In des Raubthiers wildem Schreien, Und im Niagararauschen. Fantasieen . Die Zweifler. Z wei Freunde traten schweigend ein In einen bluͤthenvollen Hain. Die Sonne ließ den Strahl im Neigen Erzittern auf den Erlenzweigen; Und Leben, Lieben uͤberall Schien schwellend sich hervorzudraͤngen; Aus Buͤschen ruft die Nachtigall Hervor in schmerzlich suͤßen Klaͤngen, Als ob die Saͤngerin aus Eden Den Tod sanft moͤchte uͤberreden Mit ihrem Liede zaubervoll, Daß er den Lenz nicht rauben soll. Die Freunde schwiegen, nur der Bach In das Gefloͤte murmelnd sprach; Viel Blumen standen bunt herum Und wiegten ihre Haͤupter stumm, In das geschwaͤtzig muntre Rauschen Des Baches froh hinabzulauschen, Wie Kinder lauschen, frohgespannt, Dem Wandrer, der von fernem Land, Von schoͤnen Wundern viel erzaͤhlt Auf seiner Irrfahrt durch die Welt. — O Nachtigall! du rufst vergebens Um Dauer dieses Wonnelebens! Bald gluͤht dein leztes Abendroth, In seinem Durste wird der Tod Hinweg die suͤßen Lieder trinken, Du wirst vom stillen Aste sinken! Ihr lieben Bluͤmlein! trauet nicht Dem Maͤhrchen, das der Wandrer spricht; Seht, seht, schon schwillt er brausend an, Im Walde schon die Stuͤrme nah'n; Der Donner kommt, und voller schwillt Der Bach, der immer lauter bruͤllt; Er faßt euch an, er reißt euch los Aus eurer Mutter gruͤnem Schoos! Wie dort die Rosenstaude bebt! Nun sich zu ihr der Wilde hebt; Sie schwankt in ihrem Bluͤthenkleid, Da sie der Strom frohlockend wiegt; So wiegt der Bursche seine Maid', Bevor mit ihr zum Tanz er fliegt.— Der eine von den Freunden sann Hinunter in den Wogendrang, Und seine Stimme nun begann Zu toͤnen, ernst, wie Grabgesang: Vergaͤnglichkeit! wie rauschen deine Wellen Durch's weite Labyrinth des Lebens fort! In deine Wirbel fluͤchten alle Quellen, Dir baut kein Damm entgegen sich, kein Hort! Es waͤchst dein Strom mit jeglicher Minute, Stets lauter klagt der dumpfe Wellenschlag; Doch wie die Fluth auch unaufhaltsam fluthe, Ist Mancher doch, der sie nicht hoͤren mag. Wenn auch die Wellen ihre Ufer fressen, Und du zum Meer hinwucherst, unermessen; Doch steh'n an deinem Ufer frohe Thoren, In ihren Traum „Unsterblichkeit“ verloren. Am Ufer? — nein! es ist von deinem Bronnen Tiefinnerst jede Creatur durchronnen; Es braust in meines Herzens wildem Takt, Vergaͤnglichkeit, dein lauter Katarakt! Wenn ich dem Strome zu entfliehen meine, Aufblickend zu der Sterne hellem Scheine, Aufsehnend mich mit zitterndem Verlangen, Daß rettend meinen Geist sie einst empfangen: Ich habe mich getaͤuscht! ich seh' erbleichen Die Sterne selbst, und zitternd ruͤckwaͤrts weichen; Sie hoͤren, wie die Woge braust, sie ahnen, Daß sie nicht sicher sind auf ihren Bahnen; Sie sehen, wie es waͤchst, das grause Meer, Und ahnen wohl: — mir sagt's ihr banges Blinken — Einst wird vom raschen Flug ihr strahlend Heer Ein muͤdes Schwalbenvolk heruntersinken. Dann bruͤtet auf dem Ocean die Nacht, Dann ist des Todes großes Werk vollbracht; Dann stockt und starrt zu Eis die grause Fluth, Worin der Wunsch des finstern Gottes ruht; Er wandelt auf der Flaͤche und ermißt, Wie alles nun so still, so dunkel ist; Er laͤchelt dann voll selbstzufriedner Freude In seine Welt, in seine Nacht hinein, Und es erglaͤnzt des Eises stille Haide Nur noch von seines Laͤchelns Wiederschein! — Der Andre sprach: mir gilt es gleich, Ob Leben, — Tod — im Schattenreich! Strahlt jenseits auch ein mildes Licht, So fehlt gewiß der Donner nicht, Der, was das Licht in Liebe hegt, Mit seinem Zorne niederschlaͤgt; Denn glauben kann ich nimmermehr, Es habe sich das ganze Heer Von Qualen, die gebar Natur, Gelagert auf die Erde nur; Daß sie von dieser Welt nicht wandern Mit uns hinuͤber in die andern, Da sie in unsrer Brust voll Wunden So traute Herberg stets gefunden. — So lang dies Herz auf Erden schlug! Hab' ich erlebt, genug, genug, Um ein Vergehen, ein Verschwinden, Ein Loos der Sehnsucht werth zu finden. Und schlaf' ich einst im Grab so tief, Und tiefer, denn als Kind ich schlief, So mag der Tod sich immerhin Davor als Waͤchter stellen hin, Er steht am stillen Grabverlies, Ein Engel vor dem Paradies. — Doch ist es anders mir beschlossen, Wird druͤben neu mein Leben sprossen; Werd' ich gelassen, ohne Zagen, Auch meine Ewigkeit ertragen. Glauben. Wissen. Handeln. Ein allegorischer Traum . S chon ist der Berge Purpurgluth verglommen, Und zitternd flieht des Tages lezter Strahl Der Nacht schon aus dem Wege. Sey willkommen, O Dunkelheit, im ernsten Eichenthal! — Hier zuͤnd' ich Nachts mein Herz zum hellen Feuer Des Schmerzes an, und starre stumm hinein; Und schwillt die Flamme, wird sie ungeheuer, Ich steh' dabei, und starre stumm hinein; Gelockt vom Scheine, schwirren dann in Schaaren, Wie Muͤcken auf der Luͤfte lauer Fluth, Erinnerungen her aus fernen Jahren, Und werfen duͤrre Reiser in die Glut. Sie singen mir, um's Feuer dicht gekauert, Viel laͤngst verklungne Melodieen vor, Wie einst gejubelt ich, und wie getrauert, Und wie der Seele Frieden ich verlor. Sie singen mir von meinen Jugendtraͤumen, Wie mir das Leben einst so hold, so traut, Umsaͤuselt von Hesperiens Bluͤthenbaͤumen, Entgegentrat als eine schoͤne Braut: Ein Schleier hielt das Liebchen mir umschlungen, Der geizig zwar mit meinen Blicken rang; Doch mancher Reiz, der leichten Haft entsprungen, Flog mir an's Herz, das ihm entgegendrang. Die schoͤne Braut gab mir die Hand zur Reise, Und selig schritten wir und rasch dahin. Wir sahn am Himmel goldne Woͤlkchen zieh'n, Voreilend trat die Freude uns die Gleise. Wir wallten durch des Glaubens Paradiese, Wo jedes Luͤftchen uns von Gott erzaͤhlt, Wo uns von ihm jed' Bluͤmchen auf der Wiese Ein Liebeszeichen froh entgegenhaͤlt; Wo die beschwingte Sehnsucht: Filomele Laut ruft und innig in die Mondennacht, Daß ihre Schwester, die verwandte Seele, Von ihrem Ruf in unsrer Brust erwacht, Erwacht und Gottes suͤßen Namen singt, Und aus der Brust zu ihm hinuͤberdringt. Wo der Sturm, ein trunkener Saͤnger Gottes, dahinbraust, Mit fliegender Locke, mit rauschendem Nachtgewand, Die Harfe schlagend im feurigen Fluge dahinbraust Durch Thal und Gebirg', durch Meer und Wuͤstensand. Wie zwingt er die Donnerakkorde hervor aus den Saiten! Wie sucht sein strahlender Blick nach Gott durch die Weiten! Ihn hoͤren die Wogen des Meeres, berauscht, und springen Vom schaukelnden Schooße des Schlummers zu Gott empor, Und taumeln entzuͤckt in die Arme sich, und singen: „Allmaͤchtiger Gott!“ im tausendstimmigen Chor; Ihn hoͤren die Berg', und seine gewaltigen Lieder, Sie toͤnen von ihrem erschuͤtterten Busen wieder; Tief seufzen die Waͤlder und neigen ihr Angesicht, Die Ufer fassen den Jubel der Stroͤme nicht, Sehnsuchtergriffen, stuͤrzen vom Fels sich herab Die Tannen und suchen im Wonnetumult ihr Grab. Des Sturmes Gesang durchtoͤnt die gluͤhende Wuͤste, Der grimmige Loͤwe, vom heiligen Klang umweht, Laͤßt fahren die Beut', es schweigt sein blutig Geluͤste, Er flieht zur Hoͤhl', und zittert sein Gebet. Dem Menschen entstuͤrzt der Thraͤnen seliger Schwall, Und lauter ruft im Busen die Nachtigall. — Doch zogen wir fort aus dem Paradiese, Wo jedes Luͤftchen uns von Gott erzaͤhlt, Wo uns von ihm jed' Bluͤmchen auf der Wiese Ein Liebeszeichen froh entgegenhaͤlt; Wo eine Blum', aus allen Blumen ragend, Prangt, holdumstrahlt vom ew'gen Morgenlicht, Die schoͤnste Liebesbluͤthe Gottes tragend, Des todten Heilands laͤchelnd Angesicht. Und in der Forschung Waͤlder trat, ein Thor, ich Aus jenem gottbeseelten Paradies, Und all' des Herzens fromme Lust verlor ich, Seit ich des Glaubens treue Spur verließ. Im Labyrinthe floß in leisen Tropfen Durchs Laubgewoͤlb' das Licht, Staubregen kaum; Mich aber trieb mein Herz mit starkem Klopfen, Zu suchen der Erkenntniß hohen Baum. Scheu floh der Pfad die ungeweihten Tritte, Entschluͤpfend in des Dickichts wirre Nacht, Doch hascht' ich ihn, bis in des Waldes Mitte Vor mir aufragt' in wunderbarer Pracht Der Baum, nach dem mein lautes Herz sich sehnte, Deß Gliederbau sich rings im stolzen Drang Unuͤbersehbar in die Luͤfte dehnte; — Ich stand, entzuͤckt, und lauscht', erwartungbang: Da hoͤrt' ich leise raͤthselhaftes Fluͤstern Im dunkeln Laub, rasch flog von Ast zu Ast Mein Blick empor und fragte jeden luͤstern: Traͤgst du vielleicht der Fruͤchte suͤße Last? Nun sah ich sie an hohen Zweigen blinken, Und meine Seele seufzte heiß empor, Der goldnen Frucht erquickend Suͤß zu trinken; Da sprach es aus der Blaͤtternacht hervor: „Wohl siehst du hier die goldnen Fruͤchte ragen, „Doch zarte, schwanke Zweige halten sie, „Die deines Leibes Schwere nicht ertragen, „D'rum klimme nicht, du pfluͤckst die Fruͤchte nie!“ Und trauernd wandt' ich meinen Schritt von dannen, Nun fiel mein Blick auf meine liebe Braut, Und meines Schmerzes erste Thraͤnen rannen, Als ich in's bleiche Antlitz ihr geschaut; Am Fußgestraͤuch des Baumes blieb er hangen Der Schleier, der so lieblich sie umfangen, Und ihr entsanken alle Reize, todt, Wie, frostverhaucht, der Ros' ihr welkes Roth. „Zuruͤck, zuruͤck, mein Liebchen, laß uns fliehen,“ — So rief ich, — „wo die Wunderblume bluͤht, „Wir wollen fromm vor ihr im Staube knieen, „Vielleicht, daß dort dein Auge wieder gluͤht, „Daß, auferweckt von ihrem Wunderhauche, „Die Schoͤnheit frisch auf deiner Wange keimt, „Die du verlorst am unheilvollen Strauche!“ Doch all' der Trost war leider nur getraͤumt; Denn wie wir auch im Labyrinthe suchten, Wir fanden nimmermehr den Weg zuruͤck. — — Als wir entronnen endlich jenen Schluchten, Hob sich ein stolzer Bau vor unserm Blick. Wir traten ein in eine weite Halle, Da trieb in lautem Wirbel ohne Rast Ein Menschenschwarm herum, Wettkaͤmpfer alle, Bewaffnet bunt, umflirrt von eitlem Glast. Da saß erhoͤht in einer Nische, schweigend, Ein Weib ehrwuͤrdiger Gestalt, und schien, Ihr Haupt herab zur lauten Buͤhne neigend, Zu lauschen dem entbrannten Kampfesmuͤhn. Nun lief durch's wirre Volk ein Jubelklang, Und, sieh! ein Mann der Schlachten trat hervor, Vom Leichendunst hoch aufgeblaͤht, und schwang, Zur Nische seinen Eichenkranz empor: „Fuͤr dich, o Mutter, hab' ich ihn gebrochen, „Und blutig bist, Germania, du gerochen!“ Doch hoͤrte man die Frau kein Woͤrtchen sagen, Als naͤhm' sie's hin mit ruhigem Behagen. Dann trat begeistert auf und feierlich Ein Saͤngerchor und sang zum Harfenspiele „Wie lieben wir, erhabne Mutter, dich!“ Doch diese schwieg, ob solches ihr gefiele. Zur Nische streckten Viele noch die Arme, Frohlockend: „Heil der großen Mutter, Heil!“ Lenau's Gedichte. 12 Und Zepter taucht', und Juful aus dem Schwarme, Und klirrend tauchten Ketten auf und Beil . Noch immer saß das Weib ein stummer Spaͤher, Da trat ich forschend ihrem Sitze naͤher: Todt war sie, todt! — In ihrer Zuͤge Schatten Stand noch des Grames stille Siedelei, Fort war die Seele zu den dunkeln Matten Der Vorzeit, wo der Seelen heil'ge Drei Nun irrt: die hohe Roma, stumm und duͤster, Die schoͤne Hellas, bang, mit Klaggefluͤster, Und, ihren Schwestern traulich sich vereinend, Germania, die gute, leise weinend. — — Das Schicksal ging nun finster mir voruͤber, Mit Majestaͤt und Schrecken angethan, Und winkte mir, zu wandern meine Bahn Durch Heideland, verlass'ner stets und truͤber. Und dir, mein Leben, warf zur stillen Feier Den Gram das Schicksal um dein Angesicht, Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier, Der fester sich um deine Zuͤge flicht: Erst wenn wir uns zu seligem Vergessen Hinlegen in das traute, liebe Grab, Loͤst er von deinem Angesicht sich ab, Und haͤngt sich an die saͤuselnden Cypressen. Die Waldkapelle. 1. D er dunkle Wald umrauscht den Wiesengrund, Gar duͤster liegt der graue Berg dahinter, Das duͤrre Laub, der Windhauch gibt es kund, Geschritten kommt allmaͤhlig schon der Winter. Die Sonne ging, umhuͤllt von Wolken dicht, Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen, Und die Natur verstummt, im Daͤmmerlicht Schwermuͤthig ihrem Tode nachzusinnen. Dort, wo die Eiche rauscht am Bergesfuß, Wo bang voruͤberklagt des Baches Welle, Dort winket, wie aus alter Zeit ein Gruß, Die laͤngst verlassne, stille Waldkapelle. Wo sind sie, deren Lied aus deinem Schooß, O Kirchlein, einst zu Gott emporgeflogen, Vergessend all' ihr truͤbes Erdenloos? — Wo sind sie? — ihrem Liede nachgezogen! 2. H orch! ploͤtzlich stoͤrt ein Ruf die Einsamkeit: Klang's nicht aus der Kapelle oͤden Mauern? Wer ist es, der so wunderlich dort schreit, Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?! „Herr Gott! wir loben dich — ha, ha, ha, ha!“ Nun schweigt er still, der grause Gottveraͤchter; Und donnernd ruft er nun: „Alleluiah!“ Und uͤberdonnernd folgt sein Hohngelaͤchter. Da stuͤrzt er sich vorbei voll scheuer Hast, Das wirre Haar von bleicher Wange streifend, Die Augen wild bewegt und ohne Rast, Irrlichter, in der Nacht des Wahnsinns schweifend. Er eilt waldein, von seinem Tritte rauscht Das duͤrre Laub im dunkeln Eichenhaine; Wie sinnend bleibt er ploͤtzlich stehn und lauscht, Und leise hoͤr' ich's nun, als ob er weine. Mitleidig rauscht ihr ihm, — o rauschet nur! — Den Trost: „Vergaͤnglichkeit!“ ihr welken Blaͤtter! O locket seine Seele auf die Spur Des milden Todes, nennt ihm seinen Retter! — Zur sanften Wehmuth lichtet sich das Thal, Dort kommt der Mond zum stillen Abschiedsfeste, Es will sein Silberschimmer noch einmal Sich schmiegen an des Sommers karge Reste. Wie schwach ist schon der Eiche fahles Laub! Den leichten Mondstrahl kann es nicht mehr tragen; Es bricht und zittert unter ihm in Staub, Und laͤßt die kahlen Aeste traurig ragen. — Da steht der Irre, bleich und stumm, den Blick, Das bittre Laͤcheln auf den Mond gerichtet, Es prallt das Mondlicht scheu von ihm zuruͤck, Und scheu der Wind an ihm voruͤberfluͤchtet. Starrt so des Wahnsinns Auge wild hinauf Zum stillen, klaren, ewiggleichen Frieden, Mit dem die Sterne wandeln ihren Lauf: Ein Anblick ist's der traurigsten hienieden. — Was hat, o Schicksal, dieser Mensch gethan, Daß mit des Wahnsinns bangen Finsternissen Du ihm verschuͤttet hast die Lebensbahn, Aus seiner Seele seinen Gott gerissen? 3. E r hat geliebt! — vor langer, truͤber Zeit, Da ging er einst, ein froͤhlicher Geselle, Mit seinem Lieb durch diese Einsamkeit, Und kam mit ihr zur stillen Waldkapelle. Sie traten ein, sie knieten hin; da glomm Durch's Fenster hell herein die Abendroͤthe, Er betete mit ihr so selig fromm, Und draußen sang des Hirten weiche Floͤte. Da hob die Hand sie schnell und feierlich, Und sprach, so schien's, mit tiefbewegter Stimme: „Lieb ich nicht warm, und treu, und ewig dich, „So strafe mich der Herr mit seinem Grimme!“ Und hoͤher glomm der helle Abendstrahl, So wie sein Herz, sich ewig ihr zu weihen, Und draußen klang im stillen Waldesthal Des Hirten Lied wie Himmelsmelodeien. — Wie bald, wie bald, daß ihn ihr Herz vergißt! Daß ihr ein Andrer schon des falschen Eides Das lezte Wort von falscher Lippe kuͤßt, Sie mit dem Glanze schmuͤckt des Brautgeschmeides! Und all' ihr Leben, Freudentaumel nur, Den noch kein fluͤchtig Leid ihr jemals stoͤrte, Zieht, unverfolgt von ihrem falschen Schwur, Und frech am Gott voruͤber, der ihn hoͤrte. — Das war's, o Schicksal, was der Mensch gethan, Daß mit des Wahnsinns bangen Finsternissen Du ihm verschuͤttet hast die Lebensbahn, Aus seiner Seele seinen Gott gerissen! D'rum flucht er nun empor mit wildem Spott, Gequaͤlt von seinem Schmerz, an jener Stelle, Wo er so selig einst gekniet vor Gott; D'rum irrt er, wie gebannt, um die Kapelle. Der Raubschütz . Nach einer Sage . D er alte Muͤller Jakob sizt Allein beim Glase Wein; Schwarzmitternacht, nur manchmal blizt Ein Wetterstrahl herein; Das Muͤhlrad saust, es braust der Wind; Doch schlafen ruhig Weib und Kind. Der Alte thut manch raschen Zug, Er denkt an Zeit und Tod. Wie draußen jagt des Sturmes Flug, So jagen Lust und Noth, Die laͤngst begrabnen, neuerwacht, Ihm durch die Brust in dieser Nacht. Die Thuͤr geht auf, er faͤhrt empor: Wer kommt zu solcher Stund? Ein Weidmann mit dem Feuerrohr, Mit seinem Stoͤberhund, Hahnfeder, Gemsbart auf dem Hut, Das gruͤne Wamms befleckt mit Blut. Der Muͤller starrt, zuruͤckgebeugt, Dem Jaͤger in's Gesicht, Sein Haar entsezt zu Berge fleugt, Sein Blut zum Herzen kriecht: Der Raubschuͤtz ist's, der wilde Kurd, Der juͤngst im Wald erschossen wurd. Der finstre Jaͤger an die Wand, Auf Jakobs Buͤchse winkt; Der preßt sein Glas in zager Hand, Daß es in Scherben springt; Gehorchend nimmt er sein Gewehr, Und schleicht dem Grausen hinterher. Sie streifen in den Wald hinaus, Nach suͤßem Wildesraub; Stets lauter wird der Winde Braus, Der Pfade duͤrres Laub. Der Jaͤger ruft voll heißer Gier: „Komm, Bruder, jagen, jagen wir!“ Sie zieh'n fort, fort im finstern Wald Durch Strupp und Strom gar frisch, Das Wild schrickt auf, die Buͤchse knallt, Der Stoͤbrer im Gebuͤsch Rauscht mit arbeitendem Geruch, Der Jaͤger ruft: such, Hundel, such! Doch an des Walds geheimstem Ort‚ Auf seinem liebsten Stand‚ Wo juͤngst die Kugel ihn durchbohrt‚ Aus meuchlerischer Hand, Da bleibt er stehn, und donnert: „schau! Hier schoß er mich wie eine Sau!“ Es aͤchzt der Wald im Sturm, verzagt‚ Vom Monde jezt erhellt; Der kuͤhn gewordne Muͤller fragt: Was ist's in jener Welt? Da murmelt truͤben Angesichts Der Jaͤgersmann: „es ist halt nichts!“ Heidebilder . Himmelstrauer. A m Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke, Die duͤstre Wolke dort, so bang, so schwer; Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke, Wirft sich der Strauch im Winde hin und her. Vom Himmel toͤnt ein schwermuthmattes Grollen, Die dunkle Wimper blinzet manches Mal, — So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen, — Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. — Nun schleichen aus dem Moore kuͤhle Schauer, Und leise Nebel uͤber's Heideland; Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer, Die Sonne laͤßig fallen aus der Hand. Robert und der Invalide. Robert . S iehst unser Huͤttlein du im Abend schimmern? — Es lacht hinaus in's oͤde Heideland, Als wohnt' in ihm das Gluͤck, das uns entschwand, Und nicht ein finstres Paar von Menschentruͤmmern. Aus einer andern Zeit, der guten, alten, Als noch das Gluͤck geruht in Huͤttleins Schooß, Und reicher Segen das Gefild umfloß, Hat es die heitre Miene sich erhalten. Hier sah man einst in schoͤnen Sommertagen Die frohen Laͤmmer auf der Weide springen, Hier hoͤrte man die Hirtenfloͤte klingen Und im Getreide hell die Wachtel schlagen. Hier zog der Pfad durch frische Wiesengruͤnde, Daß Abends er dem froͤhlichen Gesellen Den schnellsten Weg zu seinem Liebchen kuͤnde; Nun wiegt kein Saatfeld seine goldnen Wellen, Und Alles schlaͤft in tiefer Heideruh. Der Pfad, der nichts der Liebe mehr zu kuͤnden, Schloß trauernd seine gruͤnen Lippen zu; Und rings umher Vergessen und Verschwinden. Das Huͤttlein nur mit seinem Lindenbaume Ist nicht erwacht aus seinem holden Traume. — Ihm gleicht die Erde jenseits uns'rer Heide, Ob laͤngst das Gluͤck aus ihren Armen floh, Die Erde thut, wie einst, noch immer froh, Und schmuͤckt sich gerne mit dem Bluͤthenkleide; Getreu der alten, schon gedankenlosen Gewohnheit, traͤgt sie jaͤhrlich ihre Rosen. — Hab' meine Lust, im Huͤttlein dort zu hausen, Es ist so leicht gezimmert, leicht bedacht, Da hoͤren recht wir's, wenn die Winde brausen, Und unser Schaͤtzel kommt, die Wetternacht. Bin gerne dort in heitern Abendstunden, Wenn schon der lezte Sonnenstrahl geschwunden, Wenn hell zu Sternen Sterne sich gesellen, Und unsre Hunde auf zum Monde bellen, Wenn sich der stille, blasse schleicht heran, Als wollt' er diebisch unsrer Huͤtte nah'n, Und uns mit seinen leisen Silberhaͤnden Den leichten Schlaf durch's Fensterlein entwenden. — Freund! hoͤre doch! wo wandert deine Seele, Derweil ich hier von Huͤtt' und Mond erzaͤhle? Lenau's Gedichte. 15 Der Invalide . Es bellen — sagtest du — zum Mondenschein Die Hunde; — ja — den Hunden haͤtt' ich sollen, Als einst der laute Ruf zur Schlacht erschollen, Zum Futter werfen lieber vor mein Bein, Als daß ich's im berauschten Sturmesflug Zum blutgetraͤnkten Opferherde trug. Zum Opferherde trug ich's? — Herd der Kuͤche War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch! Zerrissne Glieder, Leichen, Donnerfluͤche, Gebrochne Waisen-, Mutterherzen auch, Das Schlachtgefluͤgel auch, — vom boͤsen Wetter Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: — Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter In ein Gericht zusammen dort gehauen, Woran das Gluͤck nun der Aristokraten Sich schwelgend maͤstet, da zu ihrer Schmach Im Lande zieh'n verstuͤmmelte Soldaten, Und betteln muͤssen um ein mildes Dach. Man hat ein Glied vom Leibe mir gerissen, Den schlechten Rest dem Hunger vorgeschmissen. Das sind die Menschen ohne Dank nicht werth, Daß ich fuͤr sie gezogen einst mein Schwert, Daß ich ein Bettelkruͤppel auf der Heide, Umhinke, deinen Bissen trag' im Magen, Und decke meinen Leib mit deinem Kleide, Bis diese dumpfe Trommel ausgeschlagen Den Trauermarsch: das Herz da stille steht, Und den vergessnen Staub der Wind verweht! — Robert . Dich troͤsten wollen mag ein bittrer Spoͤtter! Was einmal tief und wahrhaft dich gekraͤnkt, Das bleibt auf ewig dir ins Mark gesenkt: Hier steht das Ungluͤck hoͤher als die Goͤtter! Der Himmel mag vor deinen Gram sich lagern, All' seine Goͤtterkraͤfte laß ergluͤh'n, Daß er die Seele dir von ihren Nagern Rein schaffe und sie wieder mache bluͤh'n: Wird er den Seelenwurm hinausbeschwoͤren, Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerstoͤren?! — Daß einen treuen Freund an mir du hast, Bis sie mir einst im Dorfe druͤben laͤuten, Wenn sie mich tragen zur ersehnten Rast, Das ist wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. — Die Sonn' ist unter; — wie die Nebel flattern, Vom Herbstwind aufgejagt, aus dunklem Moor! — So war der Abend, als mir Laura schwor! — Hoͤrst du die Wildgans in den Luͤften schnattern? Das kuͤndet Frost, mein Freund, und truͤbe Zeit! — Schon wieder gaukelt da die boͤse Sippe Von Nachtgestalten der Vergangenheit; Nun mag ich flieh'n durch Graͤser und Gestruͤppe, Sie folgt mir stets, sie spottet stets mir nach: „Du Thor, mit deinem fabelhaften Sehnen! „Hast du's noch nicht ersaͤuft in deinen Thraͤnen?“ Und alle meine Wunden werden wach. Wie Buben einen Narren durch die Straßen Nicht ungeneckt hingeh'n und traͤumen lassen, So folgt es hoͤhnend mir durch diese Heide, Und laͤßt nicht rasten mich von meinem Leide. An die Wolke . Z ieh nicht so schnell voruͤber An dieser stillen Heide; Zieh nicht so scheu voruͤber An meinem tiefen Leide; Du Wolke in der Hoͤh', Steh still bei meinem Weh! Und nimm auf deine Reise Mit fort zu ihr die Kunde: Mein Herz, die arme Waise, Verblutet an der Wunde, Die mir durch ihren Trug Die Ungetreue schlug. Und kommst auf deinen Wegen Du an vor ihrem Hause, So stuͤrze dich als Regen Herunter mit Gebrause, Daß sie bei dunkler Nacht Aus ihrem Traum erwacht. Schlag' an die Fensterscheibe, Und schlag' an ihre Thuͤre, Und sey dem falschen Weibe Ein Mahner an die Schwuͤre, Die sie mir weinend sprach, Und die sie laͤchelnd brach. Und will sie das nicht hoͤren So magst von deinem Sitze Du, Donner, dich empoͤren, Dann ruͤttelt all' ihr Blitze, Wenn ihr voruͤberzieht, An ihrem Augenlied! Die Heideschenke . I ch zog durch's weite Ungerland; Mein Herz fand seine Freude, Als Dorf und Busch und Baum verschwand Auf einer stillen Heide. Die Heide war so still, so leer, Am Abendhimmel zogen Die Wolken hin, gewitterschwer, Und leise Blitze flogen. Da hoͤrt' ich in der Ferne was, In dunkler, meilenweiter; Ich legte's Ohr an's knappe Gras, Mir war als kaͤmen Reiter. Und als sie kamen naͤherwaͤrts, Begann der Grund zu zittern, Stets baͤnger, wie ein zages Herz Bei nahenden Gewittern. Hertobte nun ein Pferdehauf, Von Hirten angetrieben Zu rastlos wildem Sturmeslauf Mit lauten Geißelhieben. Der Rappe peischt den Grund geschwind Zuruͤck mit starken Hufen, Wirft aus dem Wege sich den Wind, Hoͤrt nicht sein scheltend Rufen. Gezwungen ist in strenge Haft Des Wildfangs tolles Jagen, Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft, Um seinen Bauch geschlagen. Sie flogen hin, woher mit Macht Das Wetter kam gedrungen; Verschwanden — ob die Wolkennacht Mit einmal sie verschlungen. Doch meint' ich nun und immer noch Zu hoͤren und zu sehen Der Hufe donnerndes Gepoch, Der Maͤhnen schwarzes Wehen. Die Wolken schienen Rosse mir, Die eilend sich vermengten, Des Himmels hallendes Revier Im Donnerlauf durchsprengten. Der Sturm ein wackrer Rosseknecht, Sein muntres Liedel singend, Daß sich die Heerde tummle recht, Des Blitzes Geißel schwingend. Schon rannten sich die Rosse heiß, Matt ward der Hufe Klopfen, Und auf die Heide sank ihr Schweiß In schweren Regentropfen. Die Daͤmmerung brach nun herein, Mir winkt' von fernen Huͤgeln Heruͤber weißer Waͤnde Schein, Die Schritte zu befluͤgeln. Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand; Froh, daß es fortgezogen, Sprang uͤber's ganze Heideland Der junge Regenbogen. Die Huͤgel nahten allgemach; Die Sonne wies im Sinken Mir noch von Rohr das braune Dach, Ließ hell die Fenster blinken. Am Giebel tanzte, wie berauscht, Des Weines gruͤner Zeiger, Und als ich freudig hingelauscht, Hoͤrt' ich Gesang und Geiger. Bald kehrt' ich ein, und sezte mich Allein mit meinem Kruge; An mir voruͤber drehte sich Der Tanz in raschem Fluge. Die Dirnen waren frisch und jung, Und hatten schlanke Leiber, Gar flink im Drehen, leicht im Sprung, Die Bursche — waren Raͤuber. Die Haͤnde klatschten und im Takt Hell klirrt des Spornes Eisen; Das Lied frohlocket und es klagt Schwermuͤthig kuͤhne Weisen. Ein Raͤuber singt: „Wir sind so frey, „So selig, meine Bruͤder!“ Am Jubeln seines Munds vorbei Schleicht eine Thraͤne nieder. Der Hauptmann sizt, auf seinen Arm Das braune Antlitz senkend, Er scheint entruͤckt dem lauten Schwarm, Wie an sein Schicksal denkend. Das Feuer seiner Augen bricht Hindurch die finstern Brauen, Wie Nachts im Wald der Flamme Licht Durch Buͤsche ist zu schauen. Waͤchst aber Sang und Sporngeklirr Nun kuͤhner den Genossen, Seh' ich das leere Weingeschirr Ihn kraͤftig niederstoßen. Ein Maͤdel sizt an seiner Seit', Scheint ihn als Kind zu ehren, Und gerne hier der Froͤhlichkeit Des Tanzes zu entbehren. Auf ihren Reizen ruht sein Blick Mit innigem Behagen, Zugleich auf seines Kind's Geschick Mit heimlichem Beklagen. — Stets wilder in die Seelen geigt Nun die Zigeunerbande, Der Freude suͤßes Rasen steigt Laut auf zum hoͤchsten Brande. Und selbst des Hauptmanns Angesicht Hat Freude uͤberkommen; — Da dacht' ich an das Hochgericht, Und ging hinaus, beklommen. Die Heide war so still, so leer, Am Himmel nur war Leben, Ich sah der Sterne strahlend Heer, Des Mondes Voͤlle schweben. Der Hauptmann auch entschlich dem Haus; Mit wachsamer Geberde Rings horcht' er in die Nacht hinaus, Dann horcht' er in die Erde, Ob er nicht hoͤre schon den Tritt Ereilender Gefahren, Ob leise nicht der Grund verrieth' Ansprengende Husaren: Er hoͤrte nichts, da blieb er steh'n, Um in die hellen Sterne, Um in den hellen Mond zu seh'n, Als moͤcht' er sagen gerne: „O Mond im weißen Unschuldskleid! „Ihr Sterne dort, unzaͤhlig! „In eurer stillen Sicherheit, „Wie wandert ihr so selig!“ Er lauschte wieder — und er sprang Und rief hinein zum Hause, Und seiner Stimme Macht verschlang Urploͤtzlich das Gebrause. Und eh' das Herz mir dreimal schlug So saßen sie zu Pferde, Und auf und davon im schnellen Flug, Daß rings erbebte die Erde. Doch die Zigeuner blieben hier, Die feurigen Gesellen, Und spielten alte Lieder mir Rakoczy's, des Rebellen. Oden . Abendbilder . 1. F riedlicher Abend senkt sich auf's Gefilde, Sanft entschlummert Natur, um ihre Zuͤge Schwebt der Daͤmm'rung zarte Verhuͤllung, und sie Laͤchelt, die holde, Laͤchelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen, Der voll Liebe zu ihr sich neigt, sein goͤttlich Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem Ueber ihr Antlitz. Lenau's Gedichte. 14 2. S chon zerfließt das ferne Gebirg mit Wolken In ein Meer; den Wogen entsteigt der Mond, er Gruͤßt die Flur, entgegen ihm gruͤßt das schoͤnste Lied Filomelens Aus dem Bluͤthenstrauche, der um das Plaͤtzchen Zarter Liebe heimlichend sich verschlinget, Mirzi horcht am Busen des Juͤnglings ihrem Zaubergefloͤte. Dort am Huͤgel weiden die Schafe Beider Traulichen Gemenges in einer Heerde, Ihre Gloͤcklein stimmen so lieblich ein zu Frohen Akkorden. 3. S tille wird's im Walde, die lieben, kleinen Saͤnger pruͤfen schaukelnd den Ast, der durch die Nacht dem neuen Fluge sie traͤgt, den neuen Liedern entgegen. Bald versinkt die Sonne; des Waldes Riesen Heben hoͤher sich in die Luͤfte, um noch Mit des Abends fluͤchtigen Rosen sich ihr Haupt zu bekraͤnzen. Schon verstummt die Matte, den satten Rindern Selten nur enthallt das Geglock am Halse, Und es pfluͤckt der waͤhlende Zahn nur laͤßig Dunklere Graͤser. Und dort blickt der schuldlose Hirt der Sonne Sinnend nach, dem Sinnenden jezt entfallen Floͤt' und Stab, es falten die Haͤnde sich zum Stillen Gebete. Zuruf an meinen Geist. A uf schwingt der Aar sich uͤber dem Schlachtgefild, Senkt bald herab sein Aug' auf die Leichen, bald, Zerreissend kuͤhn den Wolkenvorhang, Blickt er hinauf in die goldne Sonne; So schwing' empor dich Geist, und verweile jezt Beim Tode, jezt durchdringe die Wolke, die Den Sonnenstrahl der Auferstehung Fallen nicht laͤßt in die offnen Graͤber! Sehnsucht nach Vergessen. L ethe! brich die Fesseln des Ufers, gieße Aus der Schattenwelt mir heruͤber deine Welle, daß den Wunden der bangen Seel' ich Trinke Genesung. Fruͤhling kommt mit Duft und Gesang und Liebe, Will wie sonst mir sinken ans Herz, doch schlaͤgt ihm Nicht das Herz entgegen wie sonst; — o Lethe! Sende die Welle! An einen Tyrannen. T yrann! des Blutes, welches in Schlachten du Vergossen kalt, das rauchte vom Henkerbeil, Das, deinen Qualen zu entrinnen, Stroͤmte dein Sklave mit eigner Hand hin: Des Blutes soll ein jeglicher Tropfen einst Vor deinem Aug' in strafender Ewigkeit Aufschaͤumen, schwellen zum Vulkane, Der von den Seligen streng dich scheidet! Erwacht dann Sehnsucht heiß in der Seele dir Hinuͤber in die Thaͤler Elysiums, Willst uͤberklimmen du die Hoͤh'n, dann Schleudren sie dich in die Tiefe donnernd! Entgegen gleiße deinem entsezten Blick Ein Schneegebirg von Menschengebeinen, hoch; Daruͤber bleich und unbeweglich Starre des Mondes bekuͤmmert Antlitz. Dann stocke, schweige jenes Gebirg des Bluts, Heruͤberklinge deinem verlass'nen Ohr Das Wonnelied der Auserwaͤhlten, Saͤuselnd, unendliche Sehnsucht weckend. Doch ploͤtzlich stoͤre Kettengerassel dich, Und Sterbgewinsel, das durch die Luͤfte klagt, Und heulend rolle dir die Windsbraut Schaͤdellawinen vor deine Fuͤße! Am Bette eines Kindes. W iege sie sanft, o Schlaf, die holde Kleine! Durch die zarte Verhuͤllung deines Schleiers Laͤchelt sie; so laͤchelt die Rose still durch Abendgeduͤfte. Wiege sie sanft, und lege deinem Bruder Sie, dem ernsteren, leise in die Arme, Ihm, durch dessen dichteren Schleier uns kein Laͤcheln mehr schimmert! Denn mit gezuͤcktem Dolche harrt der Kummer An der seligen Kindheit Pforte meines Lieblings, wo der Friede sie scheidend kuͤßt, und Schwindet auf immer. König und Dichter. S tolz flammt ein Koͤnig dort auf erhabnem Thron, Befehl den Voͤlkern winkt in die Fernen er, Denn scheu vor ihm zuruͤck stets weiter Weichen die Graͤnzen des Reichs, und weiter. Zum nahen Flug jezt luͤftet der schnelle Tod Den Fittig, und — was flammte, das glimmt nur mehr; Er rauscht heran — sein starker Fluͤgel Faͤchelt vom Throne herab die Asche. — Dort singt ein Saͤnger hohe Begeisterung: Die Welle horcht, Wald, Thaͤler und Berge, selbst Die Goͤtter horchen, seliger, und Sehnen vom hohen Olymp herab sich; — Du winkst, o Tod; — er schweigt; der erstarrten Hand Entsinkt die Leier; doch im Triumfe fuͤhrt Die Ewigkeit sein Lied davon, das Zuͤrnend die Staͤrkere dir entrissen. An der Bahre der Geliebten. B laß und auf immer stumm, auf immer! liegst du Hingestreckt, o Geliebte, auf der Bahre! Deine Reize lockten den Tod, er kam, er Haͤlt dich umarmet! Einst in der Kuͤhlung leiser Abendwinde Saßen wir am Gemurmel eines Baches, Und ich sprach aus zitternder Seele dir: „ich „Liebe dich ewig!“ Aber du neigtest sinnend nach den Wellen, Nach den fluͤchtigen, tief dein schoͤnes Antlitz, Wie ergriffen von dem Gefluͤster dunkler Stimmen der Zukunft. Schmerzlich beruͤhrt von deinem Schweigen, frug ich, Ob vernommen das Wort du meiner Seele, Und du nicktest hold; doch es duͤnkte mir dein Nicken zu wenig. — Gluͤhende Thraͤnen stuͤrzen mir vom Auge, Und sie pochen an deine kalte Stirne, Ach, von der geflohen dahin das stille Sinnen der Liebe. Meine gebrochne Stimme ruft dir bange. Nach: „ich liebe dich ewig!“ o wie selig Waͤr' ich nun, antwortete meinem Schmerz dein Leisestes Nicken! An Seneca . D urch's enge Thal Nachts irret ein Wanderer, Dumpf braust der Waldstrom, draͤngt an die Klippenwand Den Pfad, der muͤhsam durch Gestraͤuch und Bodenentragende Wurzeln fortkriecht. Der laute Sturmwind kaͤmpft mit dem Foͤhrenwald; Der Felsensohn trozt seiner Gewalt; nun stuͤrzt Zornschnaubend sich der Ruͤckgeworfne In das Getuͤmmel des Wogenkampfes. Erstorben sind am Himmel die Lichter rings, Der Sturm entfacht auf seltne Momente nur Der Asche des Gewoͤlkes einen Funken, der spaͤrlich herunterdaͤmmert. Die Nacht ist wild, mit wachsender Macht empoͤrt Sturm sich und Strom; der Wanderer bebt, und weilt, Und zaget vorwaͤrts, zu verschlingen Droht ihn der schwellenden Wogen Andrang. Wie sehnt in's Heimatland sich die Seele dir! Wie sucht dein Aug', o Wandrer, den lieben Mond! Er bricht hervor dort und beleuchtet Freundlich dir, eile! des Thales Ausgang! So leuchte mir, wenn Stuͤrme den Lebenspfad Begraben einst in finstere Nacht, dein Strahl, O Seneca, geleite freundlich Mich in's elysische Feld hinuͤber! Am Grabe Hölty's. H oͤlty! dein Freund, der Fruͤhling ist gekommen! Klagend irrt er im Haine, dich zu finden; Doch umsonst! sein klagender Ruf verhallt in Einsamen Schatten! Nimmer entgegen toͤnen ihm die Lieder Deiner zaͤrtlichen, schoͤnen Seele, nimmer Freust des ersten Veilchens du dich, des ersten Taubengegirres! Ach, an den Huͤgel sinkt er deines Grabes, Und umarmet ihn sehnsuchtsvoll: „mein Saͤnger Todt!“ So klagt sein fluͤsternder Hauch dahin durch Saͤuselnde Blumen. In der Nacht . A lles schlaͤft, und uͤber's Gefild der Ruhe Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens Genius; sanft schimmert vom Weltendom die Lampe des Mondes. Sieh! den ernsten Zuͤgen des Gott's entringet Holdes Laͤcheln sich, denn er sieht die Lieben In des Schlafes suͤßer Umarmung ihrer Qualen vergessen. Huͤll' in deine Schatten mich tief, geliebte Linde, daß die kummergebleichte Wange, Und die bange Thraͤne sein holdes Laͤcheln Nimmer verscheuche! Ach, schon dreimal sank dir die Bluͤth', o Linde, Seit der Stunde, wo das Gespraͤch der Freunde Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein Sanftes Gesaͤusel Durch dein mondversilbertes Laub uns Hoffnung In die Seele goß, daß wir einst uns wieder Finden; — dreimal welkte der Halm am Grabe Meines Geliebten! Klara Hebert , ein Romanzenkranz . Lenau's Gedichte. 15 I . Cisteron . W elche Freude fuͤhlt der Wandrer, Zieht er so im Fruͤhlingsstrahle Durch die schoͤnen, liedervollen, Wonnigen Provencerthale! Heißer gluͤht der Kuß der Sonne Auf den blumenreichen Matten; Suͤß're Labung rauscht die Quelle, Kuͤhler saͤuseln hier die Schatten. Voller toͤnt des Donners Stimme, Und die Sterne blinken heller, Rascher bluͤht die Frucht und reifet, Und die Liebe zuͤndet schneller. Unbesiegbar und unendlich Ist der Liebe banges Sehnen, Und es nagen in die Herzen Tiefer ihre Spur die Thraͤnen. Aber fuͤhrt der Weg den Wandrer An den Ort, den ich besinge, Kann er nicht dem Schauder wehren, Daß er ihm das Herz durchdringe. Am Gestade der Durance Sieht er eines Staͤdtchens Mauern, Grauberaͤuchert, hin und wieder Seine stillen Haͤuser trauern. Grausenhafte Felsenschluͤnde Sieht der Wandrer dicht daneben, Selten auf granitnem Blocke Einen Strauch im Winde beben. In dem naͤchtlichen Reviere Scheint der Tod sich zu ergehen, Und den Leben nachzusinnen, Die sein Odem wird verwehen. Von den Klippen, wie verzweifelnd, Stuͤrzt der Wildbach in die Tiefe, Und er brauset in den Schluchten, Ob er bang nach Huͤlfe riefe. Furchtsam ruht am Fuß des Berges Staͤdtchen Cisteron geschmieget, Wie zu des Gebieters Fuͤßen Weinend eine Sklavin lieget. Auf dem Berge ragt Gemaͤuer, Und in laͤngstverblichnem Glanze Herrschten hier von ihrem Schlosse Einst die Grafen der Provence. Wie so traurig da dem Wandrer Die verfallnen Thuͤrme winken: Alles Edle hier auf Erden, Alles muß am Ende sinken! An den Thuͤrmen, steil und ploͤtzlich, Hebt sich eine Felsenmasse, Eine Herberg fuͤr die Wolken, Auszuruh'n auf ihrer Straße. Und zuhoͤchst am Felsenhaupte Steht ein Haͤuschen, einsam, wuͤste, Wo der Heide mit dem Opfer Seine Goͤtter einst begruͤßte. Doch in unsern schlimmen Tagen Ward der Tempel zum Gefaͤngniß, Wo die Tyrannei ihr Opfer Quaͤlt in heimlicher Bedraͤngniß. Ludewig, du boͤser Koͤnig! Richelieu, du arger Priester! Wagt der Koͤnig nicht den Frevel, Schon vollbringt ihn der Minister. Zu beklagen ist die Menschheit, Will ein Priester ihr gebieten, Statt den Himmel ihr zu geben, Raubt er ihr die Erdenbluͤthen. II. Der nächtliche Gang. T iefe Nacht; — der stille Vollmond Hebt sich jenseits von den Auen, Und die Wellen der Durance Sind ein Silberstrom zu schauen: Fluͤchtig eilen sie voruͤber An den mondbeglaͤnzten Riffen, Und von raͤthselhafter Wehmuth Fuͤhlt der Wandrer sich ergriffen; Denn er hoͤrt im ruhelosen, Immergleichen Wellenschlage Ewig an die Sterne toͤnen Seines Herzens bange Frage: Ein Verrauschen, ein Verschwinden Alles Leben! — doch von wannen? — Doch wohin? — die Sterne schweigen, Und die Welle rauscht von dannen. Cisteron, das Staͤdtchen, schlummert; Nur im Schloße lassen Worte Dumpf und eilig sich vernehmen, Und es droͤhnt die Eisenpforte. Maͤnner schreiten still und langsam Dort hinauf zum Felsenhause: Waffenknechte sind es, fuͤhren Den Gefangnen in die Klause. Johann Kasimir von Polen! Heiß durchrollt von Koͤnigsblute, Edler Sproß vom Stamme Wasa, Ach, wie mag dir seyn zu Muthe! Heldenjuͤngling, der du kaͤmpftest, Ruhmbekraͤnzt in manchen Schlachten, In verraͤtherischer Fremde Mußt du als Gefangner schmachten! Spricht man so im feinen Frankreich Hohn des Gastes heil'gem Rechte, Daß den freundgesinnten Fuͤrsten Zwingen die Tyrannenknechte?! In des Mondes hellem Scheine Glaͤnzen ihre Mordgewehre; Aber nicht des Polenfuͤrsten Stolz und schnell verwischte Zaͤhre. Auf dem steilen Stufenpfade, Eingehauen dem Granite, Heben sich in scheuer Windung Nach dem Gipfel ihre Schritte. Wagt es wer im schwanken Mondlicht Da den Pfad hinaufzuwallen, Bebend sieht er seinen Schatten In den grausen Abgrund fallen. Sinnend bleibt Johannes stehen, Und er hoͤrt im Niederlauschen Immer leiser dort die Schluchten, Leiser die Durance rauschen. Horch! ein Luͤftchen aus den Auen, Wo die Nachtigallen singen, Kommt dem Armen nachgeflogen, Ihm noch einen Laut zu bringen. Weither kam das gute Luͤftchen, Wie ein Kind, das frohbehende Einem Bettler, wenn er scheidet, Nacheilt mit der milden Spende. Und sie klimmen immer hoͤher‚ Nur noch ihre Tritte schallen‚ Still ist nun der Wasser Rauschen, Still das Lied der Nachtigallen. Todesruhe deckt die Hoͤhen, Die verlassnen Felsenklippen, Kein Gestraͤuch und keine Blume Auf des Abgrunds bleichen Lippen. III . Der selige Abend. Schnell versammelt um die Felsen Haben Wolken sich und Winde, Um den neuen Gast zu gruͤßen, Seines Kummers Spielgesinde; Ausgeloschen ist das Mondlicht Und der Sterne helles Flimmern, Durch die enge Fensterspalte Hoͤrt der Prinz die Luͤfte wimmern. Traurig sinnend blickt Johannes In die dunkle Ferne nieder, Und es flattern seine Locken Windgeschaukelt hin und wieder, Flattern um die blasse Stirne, Wie das Laub der Trauerweiden Um die bleiche Marmortafel Ueber den begrabnen Freuden. Er gedenket eines Abends, Eines seligen vor allen, Als in Martigues er gelandet Mit den Freunden und Vasallen. Ruhig lag die sturmerprobte Genuesische Galeere, Lustig flogen ihre Wimpel, Und der Tag versank im Meere; Scheidend warf er seine Strahlen In der Wellen bunt Gedraͤnge, Wie ein Koͤnig, goldverstreuend, Scheidet von der frohen Menge. Nach dem Sturme lag die See nun Schoͤn in ihrer stillen Groͤße, Nur noch manchmal an das Ufer Toͤnten bange Wellenstoͤße: Ist auch schon das Auge heiter, Und verstummt des Mundes Klage; Doch es zuckt nach starkem Weinen Noch das Herz im bangen Schlage. Lieblich war der Luͤfte Saͤuseln Nach dem rauhen Sturmestosen, Auf der Meeresruhe schwebten Die Gesaͤnge der Matrosen. — — Dicht am Strande, schmuck und wirthlich, Winkt der Gasthof mit dem Schilde Dreier Lilien, einzukehren Zu dem schoͤnen Engelbilde: Klara Hebert, weit gepriesen Rings im Lande ob der Bluͤthe Ihrer Schoͤnheit, weit im Lande Ob des Herzens Wunderguͤte. Laut mit ungestuͤmer Freude Tritt der Seemann in das Zimmer, Dringend heischt er nach dem Becher; Doch sein Muth wird stiller immer: Ihm kredenzt der Wirthin Tochter Freundlich mit den zarten Haͤnden, Und er laͤßt den Becher stehen, Kann sein Auge nimmer wenden; Nun sie seinem Blick entschwunden, Trinkt er aus mit raschem Zuge, Daß sie ihn noch einmal fuͤlle, Klopft er sachte mit dem Kruge. Seine Seele wird ergriffen Schmerzlich von der Liebe Ahnen, Die fuͤr immer er verloren Auf den sturmbewegten Bahnen. Und er eilt hinaus zum Strande, Fort treibt ihn sein wild Verlangen, Daß die Stuͤrme ihm entschlagen Dieses ungewohnte Bangen. — Mit dem glaͤnzenden Gefolge War der Prinz nun angekommen. Ihn empfing die Wirthin rauschend, Ihre Tochter still beklommen. Schuͤchtern vor dem fremden Fuͤrsten Steht sie, harrend der Befehle, Kaum zu ihm hinanzublicken Wagt ihr Auge, voller Seele. Tiefen Ernst und suͤße Schwermuth Sprechen seine schoͤnen Zuͤge, Und des Auges Blitz verkuͤndet Hell des Muthes hohe Fluͤge. Froh erschrecken ihre Blicke, Und sie koͤnnen nicht verweilen, Muͤssen mit dem lieben Bilde Schnell zuruͤck zum Herzen eilen. — Ueberwaͤltigt von der Liebe Selig dringendem Erwarten, Treten beide unwillkuͤhrlich, Stumm und bebend, in den Garten. Also wandeln sie noch lange Mit verschwiegenem Gefuͤhle; Gastlich bieten hier die Baͤume Suͤße Frucht und Schattentkuͤhle. Nachtigallen, immer lauter, Singen auf den gruͤnen Zweigen, Gleich als wollten sie verrathen, Was die beiden sich verschweigen. Freudig gruͤßen schon die Sterne Sie auf ihrem schoͤnsten Gange; Endlich wird die Liebe Sprache, Und sie fluͤstern viel und lange. Klaͤrchen hoͤrt die Zauberworte, Daß sie ihm auf weiter Erde Die alleinzige Geliebte Sey und ewig bleiben werde. In der Jungfrau Busen ploͤtzlich Ist der Himmel aufgegangen, Seines Lenzes Purpurbluͤthen Treibt das Herz ihr auf die Wangen. IV . Blumengruss . J ener Abend war entschwunden; Doch mit jedem Morgenlichte Fand Johannes im Gefaͤngniß Frische Blumen, suͤße Fruͤchte. Sind es Fruͤchte nicht von Baͤumen, Die er sah auf seinen Wegen? Hauchten diese Blumen nie noch Ihre Duͤfte ihm entgegen? — Gleich als haͤtte heimlich jemand Abgeschmeichelt jeder Stelle Eine freundlichere Miene, Heitert sich die Kerkerzelle. Dieses ewig wache Sorgen, Ob ein Geist es heimlich uͤbe, Allgewaͤrtig, ungesehen, Kann es jemand als die Liebe? — Lenau's Gedichte. 16 Juͤngling, mit den edlen Freunden, Die getreu dir auch im Leide, Ist noch eine treue Seele Dir gefolgt in fremdem Kleide. Ihre Sehnsucht will die Jungfrau Deinem Blick verborgen halten, In die Pflicht des Pagen huͤllen Ihrer Liebe stilles Walten. Und es deckt die Rosenwangen Gelbe, angetuͤnchte Farbe, Und es fluͤchtet ihre Stirne Unter die gemalte Narbe. — Kaum erwacht der Tag im Osten, Und der Schwalbe fruͤhes Rufen, Eilt auch schon das gute Klaͤrchen Nieder die granitnen Stufen. Ueber Felsen, Thal und Wiesen Wandert sie wohl eine Meile Nach dem Garten ihrer Mutter Fort in rastlos froher Eile. Was an schoͤnen, frischen Blumen In den Beeten ist zu finden, Pfluͤcket sie, mit klugem Finger Ihm den Morgengruß zu winden. Und sie blicket, Fruͤchte suchend Nach den Baͤumen in der Runde, Sinnend haͤlt sie manchmal inne, Eingedenk der suͤßen Stunde. Und die Wonne jener Stunde, Und das mitleidvolle Bangen Um den Theuren mengen ihre Thraͤnen auf des Maͤdchens Wangen. — Nun erwacht der Prinz vom Traume, Der ihn ließ sein Klaͤrchen schauen, Der ihn wandeln, frei und selig, Ließ in heimatlichen Auen. Des Erwachten Blicke schweifen Finster an den Kerkerwaͤnden; Doch sie werden ploͤtzlich heiter, Treffen sie die Morgenspenden. Still und schuͤchtern in der Ferne Steht der Page, wills kaum wagen, Daß sie nicht Verraͤther wuͤrden, Seine Augen aufzuschlagen. Klara sieht es freudebebend, Wie der Liebe stumme Gaben Ihm das Angesicht erheitern, Und die kranke Seele laben. V . Die Gewitternacht. M it dem Grafen Konopacki, Seinem Freunde, treubewaͤhret, Spricht Johannes angelegen, Als der Abend wiederkehret. Eben hat der Graf des Trostes Mildberedtes Wort geendet, Und des Prinzen duͤstre Seele Froher Hoffnung zugewendet; Leise laͤchelt dem die Freude Auf den kummerbleichen Wangen, Und er haͤlt die Hand des Freundes Mit des Dankes Druck umfangen. — Draussen sind die Waffenknechte Rundgelagert in der Halle, Und es droͤhnt der Marmorboden Vom Pokal und Wuͤrfelfalle. Weiche Provencalenlieder Toͤnen aus den rauhen Kehlen, Und sie schweben durch die Runde Schwankend, wie verirrte Seelen. Doch den Einen von den Wachen Seine Kameraden schelten, Denn er schweigt bei ihrem Jubel, Hebt auch seinen Becher selten. Klaͤrchens Vetter Heinrich ist es, Den des Maͤdchens Flehn bewogen, Daß der Krieger auf des Kerkers Prevotalwacht ist gezogen. — Schweigend blicken nun die Freunde Durch des Kerkers Fenstergitter, Naͤchtlich kommt heraufgezogen Dort vom Westen ein Gewitter. Und die freien Wetterwolken Ziehen rasch vorbei und schneiden Finstre, hoͤhnische Gesichter In den Kerker auf die beiden. Brausend fliegt des Todes Jagdhund Sturm bergan in wilder Eile, Seinen Herrn zu suchen, irrt er Durch die Felsen mit Geheule. Immer wird der Himmel dunkler‚ Und schon ist die Nacht vollkommen‚ Wie von einer finstern Ahnung Wird der Freunde Herz beklommen. Donnernd hallt des Todes Waidruf Ringsum in Gebirg und Thalen, Ploͤtzlich zuͤndet er die Nacht an Mit den hingeschossnen Strahlen. Immer lauter schreit der Donner Durch die grausen Finsternisse, Aus gebrochnen Wolken stuͤrzen Rauschend sich die Regenguͤsse. Hart am Kerker Blitze zucken Sehn die beiden mit Entsetzen, An den Felsen scheint der Tod hier Seinen Flammenpfeil zu wetzen. — Doch wer sind die zwei Gestalten, Die, umraset von den Wettern, Es in solcher Stunde wagen, Zum Gefaͤngniß aufzuklettern? Richelieu's geheimes, sichres Werkzeug in verruchten Thaten: Chantereine, der Hauptmann ist es Von des Schlosses Wachsoldaten. Dieser weiß zu des Gebieters Schlau verderblichem Befehle Immer noch ein Gift zu fuͤgen Aus der eignen boͤsen Seele. Und mit ihm der Knechte kuͤhnster, Dem er alles mag vertrauen, Der ihm durch die Nacht der Suͤnde Folgt wie durch Gewittergrauen. — Rastend halten sie nun inne Auf bequemer Felsenflaͤche, Daß des Graͤuels nahen Ausgang Noch das finstre Paar bespreche. Wildfrohlockend ruft der Hauptmann: „Heute muß das Werk vollbracht seyn, „Und zur Freude des Ministers „Dies des Polen lezte Nacht seyn! „Reich an Hasse ist der Priester, „Dessen mag manch Grab ihn loben; „Doch des Hasses herbste Fuͤlle „Kocht sein Herz fuͤr den da oben. „Denn der hat sich kuͤhn vermessen, „Einst in hoher Fuͤrsten Kreise „Dem Gefuͤrchteten zu nahen „Auf veraͤchtlich kalte Weise. „Und er waͤre laͤngst verblichen; „Doch der Koͤnig selbst, der schwache, „Hat Gewalt verboten, fuͤrchtend „Oesterreichs und Polens Rache. „Heute will mit eigner Faust ich „Nach der rechten Stunde haschen, „Und mit dem, was wir vollbringen, „Selbst den Teufel uͤberraschen. „Doch daß unsrer That Geheimniß „Kein Verraͤtherohr belausche, „Liegt der Wache ganze Rotte „Eingezecht im tiefsten Rausche. „Hurtig schleudern in den Kerker „Wir die lohen Schwefelbraͤnde, „Daß der Fuͤrst im schweren Qualme „Sein erlauchtes Leben ende! „Und sein guter, treuer Landsmann, „Der da schlaͤft an seiner Seiten, „Wird den Freund wohl mit Vergnuͤgen „In die andre Welt begleiten! „Lustig vorwaͤrts, Kamerade! „Vorwaͤrts, Bruder, ohne Zagen! „Morgen heißt es: in den Kerker „Hat der Donner eingeschlagen. „Ja dem Himmel aufgebuͤrdet „Sey die Mordthat unsrer Haͤnde, „Und der wuͤthet heut' so naͤrrisch, „Daß er's selber glaubt am Ende!“ Hastig schreiten sie nun aufwaͤrts, Kommen zu den Kerkerthoren; Doch es ging von dem Gespraͤche Nicht ein Woͤrtchen auch verloren. Denn des Prinzen treuer Page, Dem ein Unheil mochte ahnen, Folgte ihnen Schritt fuͤr Schritte Nach auf ihren dunklen Bahnen. Sachte sind sie nun getreten In das Haus, die Schwefelbraͤnde Aus dem Dunkel still zu holen, Und entzuͤnden sie behende. Klaͤrchen weckt den Vetter schleunig, Der in leichtem Schlummer nicket, Haͤlt die Hand ihm, daß er schweige, Zitternd auf den Mund gedruͤcket. Chantereine ist schnell und leise Schon zum Fenster angeklommen, Hat nun aus der Hand des Knechtes Schon den Brand hinaufgenommen: Ploͤtzlich mit dem Feuerrohre Bricht der Page vor, entschlossen, In den bodenlosen Abgrund Stuͤrzt der Boͤsewicht, erschossen. Wuͤthend mit gezuͤcktem Dolche Faßt den Pagen nun der Scherge; Doch, von Heinrichs Schwert getroffen, Taumelt er hinab vom Berge. VI. Der alte Marko. „ K lara lebst du?“ ruft Johannes Bang mit lautem Herzenspochen; Klara liegt am Kerkerlager, Eine Lilje, sturmgebrochen. Stumm, mit trostberaubter Miene Steht des Fuͤrsten Arzt daneben, Ohne Rast mit Blick und Haͤnden Spuͤrend nach dem theuren Leben. Abgewaschen ihrem Antlitz Ist die jungfraͤuliche Luͤge, Und in bleicher Todesschoͤnheit Zeigen sich die holden Zuͤge. Lose sind die wirren Haare, Blutig sind die zarten Haͤnde, Die im Sturme sich geklammert An die rauhen Felsenwaͤnde. In die weiche Brust gedrungen Ist der Dolch des Mordgesellen, Und der treue, warme Purpur Quillt hervor in raschen Wellen. Und ein stilles, starres Laͤcheln Ruht so hold auf ihrem Munde, Gleich als fuͤhlte sie mit Wonne Bluten ihre tiefe Wunde. — Wer die Liebe hat im Herzen Mit dem vollen Goͤttertriebe, Fuͤhlt wohl auch die suͤße Sehnsucht, Hinzusterben fuͤr die Liebe, Hinzuschuͤtten alles Leben Mit dem einen suͤßen Worte, Ha, wie stuͤrzt das Blut so selig Durch die aufgerissne Pforte! — Doch der alte, treue Marko Waltet ohne Rast noch immer; Sieht vielleicht sein scharfes Auge Noch wo daͤmmern einen Schimmer? Kraͤuter, die der fernste Suͤden, Die der hoͤchste Nord geboren, Seiner Kunst geheimste Kraͤfte Werden jezt von ihm beschworen. Wonnebebend, und verzweifelnd Reicht Johannes ihr die Labe; Seine Seele zittert zwischen Klara's Lieb' und ihrem Grabe. — Endlich hebt sich ihre Wimper: O du Seligster von allen! Freudeschluchzend zum Gebete Mußt du auf die Kniee fallen! Und der alte, treue Marko Blickt empor zu Gott, und betet: „Meine Kunst ist deine Liebe, „Die vom Tode sie gerettet!“ Klara hebt die matten Augen Auf zu dem in Freudezaͤhren, Dem zu Liebe bald auf ewig Sie geschlossen blieben waͤren. Und lebendig wird das Laͤcheln, Das vom Tode war befangen, Und jungfraͤuliches Erroͤthen Daͤmmert auf den bleichen Wangen. VII . Die Botschaft . N ach Saint-Germain zum Verkaufe Traͤgt ein Haͤuflein Bauersleute, Was der Herbst mit vollen Haͤnden Ihm auf Flur und Garten streute. Neben schwer beladnem Wagen Laͤßt der Mann die Geißel knallen, In der Baͤurin feinem Korbe Wird das schmucke Obst gefallen. Mit Geschichten, frohen Possen, Und nun wieder mit Gesaͤngen Suchen sie sich wegzustehlen Ueber ihres Weges Laͤngen. Hinter ihnen Pferdgetrappel: Und sie stehen, und sie schweigen, Und neugierig nach den Reitern Aug' und Ohr sie ruͤckwaͤrts neigen. Lenau's Gedichte. 17 In noch nie gesehner Eile, Brausend gleich empoͤrten Wogen, In noch nie gesehnen Trachten Kommt die Schaar herangeflogen. Wer? wohin? woher des Weges? Rufen die erstaunten Bauern; Doch mit Staub die Rosseshufe Ihnen schnell den Mund vermauern. — Es ist Christoph Gonsiewski Von Smolensk der Wojewode, Der mit seinen Weggefaͤhrten Manches Roß gejagt zu Tode. Nimmer laͤnger soll Johannes Schmachten in den Kerkermauern; Wladyslaw, sein treuer Bruder, Fuͤhlt herzinniges Bedauern. Wladyslaw, der Polenkoͤnig, Koͤnig auch im Schwedenlande, Ist empoͤrt in tiefster Seele Ueber Frankreichs freche Schande. Und er ließ zu seinen Boten Zuͤrnend seine Stimme tosen, Und das Wort das er gesendet An den Koͤnig der Franzosen, Ist ein Blitz in sie gefahren, Der sie nun fortreißt geschwinde, Unaufhaltsam nach dem Orte, Wo er, freigelassen, zuͤnde. — In dem Schlosse zu Saint-Germain Schnauben schon die muͤden Renner, Vor den argbetroffnen Koͤnig Treten die sarmat'schen Maͤnner. Schweiß entrollt den kuͤhnen Stirnen, Und ihr Auge gluͤht im Zorne, Drohend klirren ihre Saͤbel, Ihre blutgetraͤnkten Sporne. Und zum Koͤnig nun beginnet Gonsiewski so zu reden: „Wladyslaw hat uns gesendet, Herr der Polen und der Schweden: Habt Ihr nicht noch diese Stunde Seinen Bruder freigesprochen, Soll an Euch und Eurem Lande Blutig seyn die Schmach gerochen! Daß der Prinz das Land durchspaͤhte, Euch an Spanien zu verrathen, Ist nur eine schnoͤde Luͤge Eures tuͤckischen Praͤlaten, Eine Luͤge, ausgebruͤtet, Von der Kirche grimmstem Geier; Und in Eurer faulen Krone Nistet dieses Ungeheuer! — Oestreich, Spanien und Italien Werden sich an Polen halten, Eure Macht und Johanns Kerker Schnell mit einem Hiebe spalten!“ Zornesbleich und furchtergriffen, Tiefbeschaͤmet, starrt zur Erde Koͤnig Ludwig, — und gebietet, Daß der Prinz befreiet werde. VIII . Die Heimkehr. Z u Paris am Koͤnigsschlosse, Das der Prinz nunmehr bezogen, Harrt der Wagen lange Reihe, Draͤngen sich des Volkes Wogen. Auf der kunstgeschmuͤckten Treppe Stehn die koͤniglichen Garden, Dem Andrang des Volks zu wehren Mit dem Stoß der Hellebarden. Johann Kasimir, gebleichet Von des Kummers langem Drucke, Stieg herab, seit lange wieder In dem vollen Fuͤrstenschmucke. Auf dem Haupt die sammtne Muͤtze, Um den Busch des Reihers brannten, In vielfache Schnur gewunden, Große helle Diamanten. An dem sammtnen Oberkleide Weite Aermel niederhangen, Drauf das goldne Fell des Widders, Und die Demantkette prangen. Der kostbare Perserguͤrtel Traͤgt des Saͤbels Eisenbogen Mit rubinbeseztem Griffe, Den der Juͤngling oft gezogen. — Ihn umrauschen die Begleiter: Sully, Angouleme, nebst andern, Sagen ihm viel suͤße Worte, Wuͤnschen ihm ein gluͤcklich Wandern. Doch der Zug, die Treppe nieder, Muß auf jeder Stufe stocken, Unaufhaltsam stroͤmt das Volk zu, Mit gutmuͤthigem Frohlocken. In der Treppe tiefster Ecke, Hinter des Hartschirers Ruͤcken, Hat ein Maͤdchen sich geschmieget, Auf den Zug hervorzublicken. Eingebettelt in die Stelle Hat sie sich mit bangem Flehen, Daß sie duͤrfe nur noch einmal Unbemerkt den Prinzen sehen. Also hat in scheuer Demuth Klara Hebert sich verborgen, Nimmer braucht ja ihre Liebe Fuͤr den Theuren mehr zu sorgen. Nicht gewahrt der rauhe Wachmann Ihres Herzens lautes Pochen, Und wie manche heiße Thraͤne Aus den Augen ihr gebrochen. Ploͤtzlich haͤlt Johannes inne, Forschend blickt er ins Gedraͤnge; Doch nicht sieht er, die er suchet In des Volkes bunter Menge. Und der Liebe bange Zweifel Ihm die Seele jezt erfassen: „Klara!“ ruft er laut und schmerzlich, „Klara! willst du mich verlassen?“ — Wie sie so ihn hoͤret rufen, Stuͤrzt sie hin mit lautem Weinen, Und ohnmaͤchtig liegt das Maͤdchen Auf der Treppe Marmorsteinen. Festgedruͤckt an seinen Busen, Haͤlt Johannes sie umfangen, Mit unendlich suͤßer Wehmuth Kuͤßt er ihre bleichen Wangen. Lange noch auf ihrem Antlitz Ruht sein seliges Betrachten, Und es zittert seine Stimme: „Lebewohl!“ der Auferwachten. Zu Graf Angouleme nun spricht er: „Eurem Schutz sey sie befohlen; „Ehret sie, wie es der Freundin „Ziemen mag Johanns von Polen! „Meines Lebens kuͤhne Rettung „Dank' ich diesen zarten Haͤnden; „Und daß ich zur lieben Heimat „Wieder kann die Schritte wenden!“ Rasch besteigt er seinen Wagen‚ Und den Prinzen segnet Jeder. Jezt verliert sich in der Ferne Schon das Rollen auch der Raͤder. Lenau's Gedichte. 18 IX . Die Sehnsucht . H aben wir auch schoͤn getraͤumet Von des Gluͤckes Zauberlanden, Wo sich ew'ge Freudenkraͤnze Um die trunknen Schlaͤfe wanden, Und wir wachen auf am Morgen, Kehren zu des Lebens Muͤhen Ohne Klagen wir zuruͤcke; Traͤume muͤssen ja verbluͤhen. Also waltet in dem Gasthof Klara nach der alten Weise, Nur ein seliges Erinnern An den Traum umschwebt sie leise. Mit gewohnter holder Miene Gruͤßet sie die frohen Zecher; Doch am freundlichsten vor allen, Fuͤllet Einem sie den Becher. Oft auch sah man, wie die Jungfrau Und der Krieger lange sprachen; Heinrich ist es, der gestanden Bei des Prinzen Kerkerwachen; Und er weiß gar viel zu ruͤhmen, Von dem schoͤnen Fuͤrstenjungen, Wie dem Stolzen nie das Ungluͤck Einen Klagelaut erzwungen. Eines aber hoch zu preisen, Seine Worte nie vergaßen, Wie der Prinz den boͤsen Hauptmann Chantereine einst angelassen. Dieser trat mit plumpem Trotze Vor den Stillen, scheinbar Zahmen, Ihm den Saͤbel abzufordern Frech in Koͤnig Ludwigs Namen. Doch wie donnerte der Juͤngling: „Ich bin Johann Prinz von Polen! „Luͤstet ihn nach meinem Schwerte, „Mags dein Koͤnig selber holen!“ Feig verzagend vor dem Kuͤhnen Sucht der Hauptmann seine Rotte Zur Gewaltthat aufzustacheln Mit Befehl und scharfem Spotte. Ha! wie hat der Polenjuͤngling Jezt sein tapfres Schwert geschwungen! Ha! wie ist er auf den Hauptmann, Auf die Knechte eingedrungen! Und die Rotte feiler Schergen Taumelte zuruͤck, erschrocken, Wie der Sturmwind auseinander Jagt der Spreu geringe Flocken. — Schwellend hat bei solchen Reden Klara's Busen sich erhoben, Suͤßer Klang ist's fuͤr die Jungfrau, Hoͤrt sie den Geliebten loben. — — War nun Klara gegen jeden Froh und freundlich tagesuͤber, Wenn sie endlich kann allein seyn, Ist sie Abends um so truͤber. Ist ihr auch das Gluͤck der Liebe Wie ein Traum voruͤbergangen, Werden doch in stiller Sehnsucht Taͤglich blaͤsser ihre Wangen. Oft in heitern, schoͤnen Naͤchten, Wenn der Mond, die Sterne scheinen, Wandelt Klara, sein gedenkend, An dem Strand mit leisem Weinen; Horchet in die Meeresweiten, In die stummen, regungslosen: Keine fernen Ruderschlaͤge? — Keine Lieder der Matrosen? — Wirft das Meer in truͤben Naͤchten Seine Wellen an's Gestade, Wandelt Klara still und einsam Ihres Grams geheime Pfade. Aber nicht vom stillen Meere, Nicht vom Meere, sturmgeschlagen, Harret sie auch manche Jahre, Wird der Theure hergetragen. X. Der Ring. J ubelnd ist der Tag erschienen, Schwingt den Goldpokal der Sonne, Gießt auf Berg und Thal berauschend Nieder seine Strahlenwonne. In den Luͤften aufzutauchen Darf kein Woͤlkchen sich getrauen, Auf das Gluͤck der treuen Liebe Will der ganze Himmel schauen. Nur die Lerchen, Freude singend, Steigen auf im Morgenglanze, Trunken von den Strahlenguͤssen, Jauchzt die Welle der Duranze. — In dem Garten, wo vor Jahren Gingen in der Schattenkuͤhle Klara Hebert und Johannes Mit verschwiegenem Gefuͤhle, Wo die lauten Nachtigallen Suͤß verraͤtherische Lieder Sangen auf den gruͤnen Zweigen: — Wandeln sie auch heute wieder. Und in seliger Verschlingung Kehren sie zum trauten Orte, Wo vor Jahren ihre Liebe Fand die ersten, leisen Worte. Klara bluͤht in neuer Schoͤne, Rosen, Fremdlinge seit lange, Kehren schuͤchtern heute wieder Auf die freudenhelle Wange. — Nach dem hohen Felsenhause, Das nun wieder wuͤst und einsam, Wandeln Klara, ihre Mutter, Und Johannes froh gemeinsam. Selbst die rauhen, oͤden Klippen Haͤlt die Freude jezt umschlungen; Nur wie leichte Nebel schleichen Durch's Gestein Erinnerungen. Als sie treten in das duͤstre, Und verhaͤngnißvolle Zimmer, Sehen die erstaunten Frauen Krucifix und Kerzenschimmer. Und dem Priester, der sie gruͤßet, Harrt am Munde schon der Segen, Auch der alte treue Marko Eilt der Jungfrau froh entgegen. — Klara trug das goldne Ringlein, Auf der stillen Herzenswunde, Das ihr scheidend einst gegeben Johann in der bangen Stunde. Den Smaragd am Ringe damals Sah das Volk gar hell erglaͤnzen, Mit profetischem Gemahnen An das Gruͤn von Myrtenkraͤnzen. Druck der J. G. Cotta 'schen Offizin in Stuttgart.