Johann Winckelmanns , Praͤsidentens der Alterthuͤmer zu Rom, und Scrittore der Vaticanischen Bibliothek, Mitglieds der Koͤnigl. Englischen Societaͤt der Alterthuͤmer zu London, der Maleracademie von St. Luca zu Rom, und der Hetrurischen zu Cortona, Geschichte der Kunst des Alterthums . Erster Theil . Mit Koͤnigl. Pohlnisch- und Churfuͤrstl. Saͤchs. allergnaͤdigsten Privilegio. Dresden , 1764 . In der Waltherischen Hof-Buchhandlung . Dem Durchlauchtigsten Fuͤrsten und Herrn, H E R R N Friedrich Christian, Koͤniglichen Prinzen in Pohlen und Litthauen ꝛc. ꝛc. Herzoge zu Sachsen, Juͤlich, Cleve, Berg, Engern und Westphalen, des Heil. Roͤm. Reichs Erzmarschallen und Churfuͤrsten, Landgrafen in Thuͤringen, Marggrafen zu Meißen, auch Ober- und Nieder-Lausitz, Burggrafen zu Magdeburg, Gefuͤrsteten Grafen zu Henneberg, Grafen zu der Mark, Ravensberg, Barby und Hanau, Herrn zu Ravenstein ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigsten Herrn. Durchlauchtigster Churfuͤrst, Gnaͤdigster Herr! N ach den Erstlingen meiner Roͤmischen Arbeiten in deutscher Sprache, welche Ew. Koͤnigl. Hoheit gnaͤdigst anzunehmen geruhet haben, erscheine ich mit reiferen Fruͤchten der Kunst, welche, als die Ersten in ih- rer Art, in dem Schooße der Alterthuͤmer und der Kuͤnste erwachsen, und unter diesem mir gluͤcklichen Himmel ge- naͤhret und vollendet sind. Diese Arbeit verspricht sich daher das Gluͤck, einiger Aufmerksamkeit gewuͤrdiget zu werden, da dieselbe einen gruͤnd- gruͤndlichen Kenner und Beurtheiler ihres Inhalts an Ew. Koͤnigl. Hoheit findet, vermoͤge der Kenntniß, welche Dieselben durch Betrachtung der Werke der alten und neuen Kunst ein ganzes Jahr zu Rom erlanget haben, und in Absicht Dero mir bezeigten hohen Huld und Gnade, welcher ich mich und diese Schrift in tiefster Verehrung em- pfehle, als Ew. Koͤnigl. Hoheit unterthaͤnigster Knecht, Johann Winckelmann. Vorrede . D ie Geschichte der Kunst des Alterthums, welche ich zu schreiben unternommen habe, ist keine bloße Erzaͤhlung der Zeitfolge und der Veraͤnderungen in derselben, son- dern ich nehme das Wort Geschichte in der weiteren Bedeu- tung, welche dasselbe in der Griechischen Sprache hat, und meine Absicht ist, einen Versuch eines Lehrgebaͤudes zu liefern. Dieses habe ich in dem Ersten Theile, in der Abhandlung von der Kunst der alten Voͤlker, von jedem insbesondere, vornehmlich aber in Absicht der Griechischen Kunst, auszufuͤhren gesuchet. Der Zwey- te Theil enthaͤlt die Geschichte der Kunst im engeren Verstande, b das Vorrede. das ist, in Absicht der aͤußeren Umstaͤnde, und zwar allein unter den Griechen und Roͤmern. Das Wesen der Kunst aber ist in diesem sowohl, als in jenem Theile, der vornehmste Entzweck, in welches die Geschichte der Kuͤnstler wenig Einfluß hat, und diese, welche von andern zusammengetragen worden, hat man also hier nicht zu suchen: es sind hingegen auch in dem zweyten Theile die- jenigen Denkmale der Kunst, welche irgend zur Erlaͤuterung die- nen koͤnnen, sorgfaͤltig angezeiget. Die Geschichte der Kunst soll den Ursprung, das Wachs- thum, die Veraͤnderung und den Fall derselben, nebst dem ver- schiedenen Stile der Voͤlker, Zeiten und Kuͤnstler, lehren, und die- ses aus den uͤbrig gebliebenen Werken des Alterthums, so viel moͤglich ist, beweisen. Es sind einige Schriften unter dem Namen einer Geschichte der Kunst an das Licht getreten; aber die Kunst hat einen ge- ringen Antheil an denselben: denn ihre Verfasser haben sich mit derselben nicht genug bekannt gemachet, und konnten also nichts geben, als was sie aus Buͤchern, oder von sagen hoͤren, hatten. In das Wesen und zu dem Innern der Kunst fuͤhret fast kein Scribent, und diejenigen, welche von Alterthuͤmern handeln, be- ruͤhren entweder nur dasjenige, wo Gelehrsamkeit anzubringen war, oder wenn sie von der Kunst reden, geschieht es theils mit allgemeinen Lobspruͤchen, oder ihr Urtheil ist auf fremde und fal- sche Gruͤnde gebauet. Von dieser Art ist des Monier Geschichte der Kunst, und des Duͤrand Uebersetzung und Erklaͤrung der letzten Buͤcher des Plinius, unter dem Titel: Geschichte der alten Malerey: auch Turnbull in seiner Abhandlung von der alten Malerey, gehoͤret in diese Classe. Aratus, welcher die Astronomie nicht verstand, wie Cicero sagt, konnte ein beruͤhmtes Gedicht uͤber dieselbe schreiben; ich weis aber nicht, ob auch ein Grieche Vorrede. Grieche ohne Kenntniß der Kunst etwas wuͤrdiges von derselben haͤtte sagen koͤnnen. Untersuchungen und Kenntnisse der Kunst wird man verge- bens suchen in den großen und kostbaren Werken von Beschreibung alter Statuen, die bis itzo bekannt gemachet worden sind. Die Beschreibung einer Statue soll die Ursache der Schoͤnheit derselben beweisen, und das besondere in dem Stile der Kunst angeben: es muͤssen also die Theile der Kunst beruͤhret werden, ehe man zu einem Urtheile von Werken derselben gelangen kann. Wo aber wird geleh- ret, worinnen die Schoͤnheit einer Statue besteht? welcher Seribent hat dieselbe mit Augen eines weisen Kuͤnstlers angesehen? Was zu unsern Zeiten in dieser Art geschrieben worden, ist nicht besser, als die Statuen des Callistratus; dieser magere Sophist haͤtte noch zehenmal so viel Statuen beschreiben koͤnnen, ohne jemals ei- ne einzige gesehen zu haben: unsere Begriffe schrunden bey den mehresten solcher Beschreibungen zusammen, und was groß gewe- sen, wird wie in einen Zoll gebracht. Eine Griechische und eine sogenannte Roͤmische Arbeit wird insgemein nach der Kleidung, oder nach deren Guͤte, angegeben: ein auf der linken Schulter einer Figur zusammengehefteter Man- tel soll beweisen, daß sie von Griechen, ja in Griechenland gear- beitet worden Fabret. Inser. p. 400. n. 293. . Man ist sogar darauf gefallen, das Vaterland des Kuͤnstlers der Statue des Marcus Aurelius, in dem Schopfe Haare auf dem Kopfe des Pferdes zu suchen; man hat einige Aehnlichkeit mit einer Eule an demselben gefunden, und dadurch soll der Kuͤnstler Athen haben anzeigen wollen Pinaroli Rom. ant. mod. P. I. p. 106. Spectat. Vol. 3. . So bald eine gute Figur nur nicht als ein Senator gekleidet ist, heißt sie Grie- b 2 chisch, Vorrede. chisch, da wir doch gleichwohl Senatorische Statuen von namhaf- ten Griechischen Meistern haben. Ein Gruppo in der Villa Borghese fuͤhret den Namen Marcus Coriolanus mit seiner Mut- ter: dieses wird vorausgesetzet, und daraus schließt man, daß die- ses Werk zur Zeit der Republik gemacht worden Ficoroni Rom. ant. p. 20. , und eben des- wegen findet man es schlechter, als es nicht ist. Und weil einer Statue von Marmor in eben der Villa der Name der Zigeune- rinn ( Egizzia ) gegeben worden, so findet man den wahren Ae- gyptischen Stil in dem Kopfe Maffei Stat. ant. n. 79. , welcher nichts weniger zeiget, und nebst den Haͤnden und Fuͤßen, gleichfalls von Erzt, vom Ber- nini gemachet ist. Das heißt, die Baukunst nach dem Gebaͤude einrichten. Eben so ungruͤndlich ist die von allen ohne aufmerksa- me Betrachtung angenommene Benennung des vermeynten Pa- pirius mit seiner Mutter, in der Villa Ludovisi Ibid. n. 63. , und duͤ Bos findet Refl. sur la Poes. T. I. p. 372. in dem Gesichte des jungen Menschen ein arglistiges Laͤ- cheln, wovon wahrhaftig keine Spur da ist. Dieses Gruppo stel- let vielmehr die Phaͤdra und den Hippolytus vor, dessen Figur Bestuͤrzung im Gesichte zeiget uͤber den Antrag der Liebe von einer Mutter: die Vorstellungen der Griechischen Kuͤnstler, (wie Me- nelaus der Meister dieses Werks ist,) waren aus ihrer eigenen Fabel und Heldengeschichte genommen. In Absicht der Vorzuͤglichkeit einer Statue ist es nicht ge- nug, so wie Bernini vielleicht aus unbedachtsamer Frechheit ge- than Baldinuc. Vit. di Bern. p. 72. Bern. Vit. del med. p. 13. , den Pasquin fuͤr die schoͤnste aller alten Statuen zu hal- ten; man soll auch seine Gruͤnde bringen: auf eben diese Art haͤt- te Vorrede. te er die Meta Sudante vor dem Coliseo als ein Muster der alten Baukunst anfuͤhren koͤnnen. Einige haben aus einem einzigen Buchstaben den Meister kuͤhnlich angegeben Capac. Antiq. Campon. p. 10. , und derjenige, welcher die Namen einiger Kuͤnstler an Statuen, wie bey dem gedachten Papirius, oder viel- mehr Hippolytus, und bey dem Germanicus geschehen, mit Still- schweigen uͤbergangen, giebt uns den Mars von Johann Bologna in der Villa Medicis fuͤr eine Statue aus dem Alterthume an Maffei Stat. ant. n. 30. ; dieses hat zugleich andere verfuͤhret Montfauc. Diar. Ital. p. 222. . Ein anderer, um eine schlechte alte Statue, den vermeynten Narcissus in dem Pallaste Barberini Tetii Aedes Barber. p. 185. , anstatt einer guten Figur, zu beschreiben, erzaͤhlet uns die Fabel desselben, und der Verfasser einer Abhandlung von drey Statuen im Campidoglio, der Roma, und zween Barbari- scher gefangener Koͤnige, giebt uns wider Vermuthen eine Ge- schichte von Numidien Braschius de trib. Stat. c. 13. p. 125. : das heißt, wie die Griechen sagen, Leu- con traͤgt ein Ding, und sein Esel ein ganz anderes. Aus Beschreibungen der uͤbrigen Alterthuͤmer, der Gallerien und Villen zu Rom, ist eben so wenig Unterricht fuͤr die Kunst zu ziehen; sie verfuͤhren mehr, als sie unterrichten. Zwo Statuen der Hersilia, der Frau des Romulus, und eine Venus vom Phi- dias beym Pinaroli Rom. ant. mod. T. 2. p. 316. p. 378. T. 3. p. 74. , gehoͤren zu den Koͤpfen der Lucretia und des Caͤsars nach dem Leben gemachet, in dem Verzeichnisse der Statuen des Grafen Pembroke, und des Cabinets des Car- dinals Polignac. Unter den Statuen Graf Pembrokes zu Wil- b 3 ton Vorrede. ton in Engeland, die von Carry Creed auf vierzig Blaͤtter in groß Quart schlecht genug geaͤtzet sind, sollen vier von einem Grie- chischen Meister Cleomenes seyn. Man muß sich wundern uͤber die Zuversicht auf die Leichtglaͤubigkeit der Menschen, wenn eben daselbst vorgegeben wird pl. 15. Curtius Bassorilievo. The Sculptor brought to Rome by Polybius from Corinth. , daß ein Marcus Curtius zu Pferde von einem Bildhauer gearbeitet worden, welchen Polybius, (ich vermuthe, der Feldherr des Achaͤischen Bundes und Geschicht- schreiber,) von Corinth mit nach Rom gebracht habe: es waͤre nicht viel unverschaͤmter gewesen, vorzugeben, daß er den Kuͤnst- ler nach Wilton geschicket habe. Richardson hat die Pallaͤste und Villen in Rom, und die Statuen in denselben, beschrieben, wie einer, dem sie nur im Traume erschienen sind: viele Pallaͤste hat er wegen seines kurzen Aufenthalts in Rom gar nicht gesehen, und einige, nach seinem eigenen Gestaͤndnisse, nur ein einzigesmal; und dennoch ist sein Buch bey vielen Maͤngeln und Fehlern das beste, was wir haben. Man muß es so genau nicht nehmen, wenn er eine neue Malerey, in Fresco und von Guido gemacht, fuͤr alt angesehen Trait. de Peint. T. 2. p. 275. . Keyß- lers Reisen sind in dem, was er von Werken der Kunst in Rom und an andern Orten anfuͤhret, nicht einmal in Betrachtung zu ziehen: denn er hat dazu die elendesten Buͤcher abgeschrieben. Manilli hat mit großem Fleiße ein besonderes Buch von der Villa Borghese gemacht, und dennoch hat er drey sehr merkwuͤr- dige Stuͤcke in derselben nicht angefuͤhret: das eine ist die Ankunft der Koͤniginn der Amazonen Penthesilea beym Priamus in Troja, dem sie sich erbiethet beyzustehen; das andere ist Hebe, welche ih- res Amts, die Ambrosia den Goͤttern zu reichen, war beraubet worden, Vorrede. worden, und die Goͤttinnen fußfaͤllig um Verzeihung bittet, da Jupiter schon den Ganymedes an ihre Stelle eingesetzet hatte; das dritte ist ein schoͤner Altar, an welchem Jupiter auf einem Centaur reutet conf. Winckelm. Pref. à la Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 15. , welcher weder von ihm, noch von sonst je- mand, bemerket worden ist, weil er in dem Keller unter dem Pallaste steht. Montfaucon hat sein Werk entfernet von den Schaͤtzen der alten Kunst zusammengetragen, und hat mit fremden Augen, und nach Kupfern und Zeichnungen geurtheilet, die ihn zu großen Vergehungen verleitet haben. Hercules und Antaͤus im Pallaste Pitti zu Florenz, eine Statue von niedrigem Range, und uͤber die Haͤlfte neu ergaͤnzet, ist beym Maffei Stat. ant. n. 43. und bey ihm Antiqu. expl. T. I. p. 361. Supplem, T. I. p. 215. nichts weniger, als eine Arbeit des Polycletus. Den Schlaf von schwar- zem Marmor in der Villa Borghese, vom Algardi, giebt er fuͤr alt aus Ant. expl. T. I. p. 365. : eine von den großen neuen Vasen aus eben dem Mar- mor, von Silvio von Veletri gearbeitet, die neben dem Schlafe gesetzet sind, und die er auf einem Kupfer dazu gesetzt gefunden Montelat. Vil. Borgh. p. 294. , soll ein Gefaͤß mit schlafmachendem Safte bedeuten. Wie viel merkwuͤrdige Dinge hat er uͤbergangen! Er bekennet Ant. expl. , er habe niemals einen Hercules in Marmor mit einem Horne des Ueber- flusses gesehen: in der Villa Ludovisi aber, ist er also in Lebens- groͤße vorgestellet, in Gestalt einer Herma, und das Horn ist wahr- haftig alt. Mit eben diesem Attribute steht Hercules auf einer zerbrochenen Begraͤbnißurne conf. Winckelm. Descr. des Pier. gr. etc. p. 273. , unter den Truͤmmern der Alter- thuͤmer Vorrede. thuͤmer des Hauses Barberini, welche vor einiger Zeit verkauft worden sind. Es faͤllt mir ein, daß ein anderer Franzos, Martin , ein Mensch, welcher sich erkuͤhnen koͤnnen zu sagen, Grotius habe die Siebenzig Dolmetscher nicht verstanden, entscheidend und kuͤhn vorgiebt Explic. des Monum. qui ont rapport à la relig. p. 36. , die beyden Genii an den alten Urnen koͤnnen nicht den Schlaf und den Tod bedeuten; und der Altar, an welchem sie in dieser Bedeutung mit der alten Ueberschrift des Schlafs und des Todes stehen, ist oͤffentlich in dem Hofe des Pallastes Albani auf- gestellet conf. Spanh. Obs. in Callim. Hymn. in Del. p. 459. . Ein anderer von seinen Landesleuten straft den Juͤn- geren Plinius Luͤgen, uͤber die Beschreibung seiner Villa conf. Lancis. Animadv. in Vil. Plin. p. 22. , von deren Wahrheit uns die Truͤmmer derselben uͤberzeugen. Gewisse Vergehungen der Scribenten uͤber die Alterthuͤmer, haben sich durch den Beyfall und durch die Laͤnge der Zeit gleich- sam sicher vor der Widerlegung gemacht. Ein rundes Werk von Marmor in der Villa Giustiniani, dem man durch Zusaͤtze die Form einer Vase gegeben, mit einem Bacchanale in erhobener Arbeit, ist, nachdem es Spon zuerst bekannt gemachet hat Miscell. ant. p. 28. , in vielen Buͤchern in Kupfer erschienen, und zu Erlaͤuterungen gebraucht worden. Ja man hat aus einer Eydexe, die an einem Baume hinauf kriechet, muthmaßen wollen, daß dieses Werk von der Hand des Sauros seyn koͤnne Stosch Pref. Pier. gr. p. 8. , welcher mit einem Ba- trachus den Portico des Metellus gebauet hat: gleichwohl ist es eine neue Arbeit. Man sehe, was ich in den Anmerkungen uͤber die Baukunst von diesen beyden Baumeistern gesagt habe. Vorrede. habe. Eben so muß diejenige Vase neu seyn, von welcher Spon in einer besondern Schrift handelt Discours sur une piece ant. du Cab. de Iac. Spon. , wie es der Augenschein den Kennern des Alterthums und des guten Geschmacks giebt. Die mehresten Vergehungen der Gelehrten in Sachen der Alterthuͤmer ruͤhren aus Unachtsamkeit der Ergaͤnzungen her: denn man hat die Zusaͤtze anstatt der verstuͤmmelten und verlohrnen Stuͤcke von dem wahren Alten nicht zu unterscheiden verstanden. Ueber dergleichen Vergehungen waͤre ein großes Buch zu schrei- ben: denn die gelehrtesten Antiquarii haben in diesem Stuͤcke ge- fehlet. Fabretti wollte aus einer erhobenen Arbeit im Palla- ste Mattei, welche eine Jagd des Kaisers Gallienus vorstellet Bartoli Admirand. ant. Tab. 24. , beweisen, daß damals schon Hufeisen, nach heutiger Art angena- gelt, in Gebrauch gekommen Fabret. de Column. Traj. c. 7. p. 225. conf. Montfauc. Antiqu. explic. T. 4. p. 79. ; und er hat nicht gekannt, daß das Bein des Pferdes von einem unerfahrnen Bildhauer ergaͤn- zet worden. Die Ergaͤnzungen haben zu laͤcherlichen Auslegun- gen Anlaß gegeben. Montfaucon, zum Exempel, deutet Idem Antiqu. expl. T. I. p. 297. ei- ne Rolle, oder einen Stab, welcher neu ist, in der Hand des Castors oder Pollux, in der Villa Borghese, auf die Gesetze der Spiele in Wettlaͤufen zu Pferde, und in einer aͤhnlichen neu an- gesetzten Rolle, welche der Mercurius in der Villa Ludovisi haͤlt, findet derselbe eine schwer zu erklaͤrende Allegorie; so wie Tri- stan auf dem beruͤhmten Agath zu St. Denis, einen Riem an einem Schilde, welchen der vermeynte Germanicus haͤlt, fuͤr Friedensartikel angesehen Comment. hist. T. I. p. 106. . Das heißt, St. Michael eine Ceres c Vorrede. Ceres getauft v. Hist. de l’Acad. des Inscr. T. 3. p. 300. . Wright haͤlt Observ. made in Travels through France Ital. p. 265. eine neue Violin, die man einem Apollo in der Villa Negroni in die Hand gegeben, fuͤr wahrhaftig alt, und berufet sich auf eine andere neue Violin, an einer kleinen Figur von Erzt, zu Florenz, die auch Addison anfuͤhret Remarks, p. 241. . Jener glaubet Raphaels Ehre zu vertheidigen, weil dieser große Kuͤnstler, nach seiner Meynung, die Form der Violin, welche er dem Apollo auf dem Parnasso im Vatican in die Hand gegeben, von besagter Statue werde genommen haben, die allererst uͤber anderthalb hundert Jahre nachher vom Bernini ist ergaͤnzet worden; man haͤtte mit eben so viel Grunde einen Orpheus mit einer Violin, auf einem geschnittenen Steine, anfuͤh- ren koͤnnen Maffei Gemme, T. 4. p. 96. . Eben so hat man an dem ehemaligen gemalten Gewoͤlbe in dem alten Tempel des Bacchus vor Rom, eine kleine Figur mit einer neuen Violin zu sehen vermeynet Ciampini vet. Monum. T. 2. tab. 1. p. 2. : hieruͤber aber hat sich Santes Bartoli, welcher dieselbe gezeichnet, nachher besser belehren lassen, und aus seiner Kupferplatte das Instrument weggenommen, wie ich aus dem Abdrucke desselben sehe, welchen er seinen ausgemalten Zeichnungen von alten Ge- maͤlden, in dem Museo des Herrn Cardinals Alexander Al- bani, beygefuͤget hat. Durch die Kugel in der Hand der Sta- tue des Caͤsars im Campidoglio Maffei Stat. ant. tav. 15. hat der alte Meister derselben, nach der Auslegung eines neuern Roͤmischen Dichters Concorso dell’Acad. di S. Luca, a. 1738. , die Begierde desselben nach einer unumschraͤnkten Herrschaft andeu- ten Vorrede. ten wollen: er hat nicht gesehen, daß beyde Arme und Haͤnde neu sind. Herr Spence haͤtte sich bey dem Zepter eines Jupi- ters nicht aufgehalten Polymet. Dial. 6. p. 46. not. 3. , wenn er wahrgenommen, daß der Arm neu, und folglich auch der Stab neu ist. Die Ergaͤnzungen sollten in den Kupfern, oder in ihren Erklaͤrungen, angezeiget werden: denn der Kopf des Ganyme- des in der Gallerie zu Florenz muß nach dem Kupfer einen schlechten Begriff machen Mus. Flor. T. 3. tav. 5. , und er ist noch schlechter im Ori- ginale. Wie viel andere Koͤpfe alter Statuen daselbst sind neu, die man nicht dafuͤr angesehen hat! wie der Kopf eines Apollo, dessen Lorbeerkranz vom Gori als etwas besonders angefuͤhret wird Ibid. alla tav. 10. . Neue Koͤpfe haben der Narcissus, der sogenannte Phrygische Priester, eine sitzende Matrone, die Venus Gene- trix Ibid. tav. 71. 80. 88. 33. : der Kopf der Diana, eines Bacchus mit dem Sa- tyr zu dessen Fuͤßen, und eines andern Bacchus, der eine Weintraube in die Hoͤhe haͤlt, sind abscheulich schlecht Ibid. tav. 19. 47. 50. . Die mehresten Statuen der Koͤniginn Christina von Schweden, wel- che zu St. Ildefonse in Spanien stehen, haben ebenfalls neue Koͤpfe, und die acht Musen daselbst auch die Arme. Viele Vergehungen der Scribenten ruͤhren auch aus un- richtigen Zeichnungen her, welches zum Exempel die Ursache davon in Cupers Erklaͤrung des Homerus ist. Der Zeichner hat die Tragoͤdie fuͤr eine Maͤnnliche Figur angesehen, und es ist der Cothurnus, welcher auf dem Marmor sehr deutlich ist, c 2 nicht Vorrede. nicht angemerket. Ferner ist der Muse, welche in der Hoͤhle steht, anstatt des Plectrum eine gerollete Schrift in die Hand gegeben. Aus einem heiligen Dreyfuße will der Er- klaͤrer ein Aegyptisches Tau machen, und an dem Mantel der Figur vor dem Dreyfuße behauptet derselbe drey Zipfel zu sehen, welches sich ebenfalls nicht findet. Es ist daher schwer, ja fast unmoͤglich, etwas gruͤndliches von der alten Kunst, und von nicht bekannten Alterthuͤmern, aus- ser Rom zu schreiben: es sind auch ein paar Jahre hiesiges Auf- enthalts dazu nicht hinlaͤnglich, wie ich an mir selbst nach einer muͤhsamen Vorbereitung erfahren. Man muß sich nicht wun- dern, wenn jemand sagt Chamillart Lettre 18. p. 101. , daß er in Italien keine unbekannte Inschriften entdecken koͤnnen: dieses ist wahr, und alle, welche uͤber der Erde, sonderlich an oͤffentlichen Orten, stehen, sind der Aufmerksamkeit der Gelehrten nicht entgangen. Wer aber Zeit und Gelegenheit hat, findet noch allezeit unbekannte Inschriften, welche lange Zeit entdecket gewesen, und diejenigen, welche ich in diesem Werke sowohl, als in der Beschreibung der geschnit- tenen Steine des Stoßischen Musei, angefuͤhret habe, sind von dieser Art: aber man muß dieselben zu suchen verstehen, und ein Reisender wird dieselben schwerlich finden. Noch viel schwerer aber ist die Kenntniß der Kunst in den Werken der Alten, in welchen man nach hundertmal wiederse- hen noch Entdeckungen machet. Aber die mehresten gedenken zu derselben zu gelangen, wie diejenigen, welche aus Monaths- schriften ihre Wissenschaften sammeln, und unterstehen sich vom Laocoon, wie diese vom Homerus, zu urtheilen, auch im An- gesichte desjenigen, der diesen und jenen viele Jahre studiret hat: sie Vorrede. sie reden aber hingegen von dem groͤßten Dichter, wie Lamo- the, und von der vollkommensten Statue, wie Arentino. Ueberhaupt sind die mehresten Scribenten in diesen Sachen, wie die Fluͤße, welche aufschwellen, wenn man ihr Wasser nicht noͤthig hat, und trocken bleiben, wenn es am Wasser fehlet. In dieser Geschichte der Kunst habe ich mich bemuͤhet, die Wahrheit zu entdecken, und da ich die Werke der alten Kunst mit Muße zu untersuchen alle erwuͤnschte Gelegenheit gehabt, und nichts ersparet habe, um zu den noͤthigen Kenntnissen zu gelan- gen, so glaubte ich, mich an diese Abhandlung machen zu koͤn- nen. Die Liebe zur Kunst ist von Jugend auf meine groͤßte Neigung gewesen, und ohnerachtet mich Erziehung und Um- staͤnde in ein ganz entferntes Gleis gefuͤhret hatten, so meldere sich dennoch allezeit mein innerer Beruf. Ich habe alles, was ich zum Beweis angefuͤhret habe, selbst und vielmal gesehen, und betrachten koͤnnen, so wohl Gemaͤlde und Statuen, als geschnittene Steine und Muͤnzen; um aber der Vorstellung des Lesers zu Huͤlfe zu kommen, habe ich sowohl Steine, als Muͤnzen, welche ertraͤglich in Kupfer gestochen sind, aus Buͤ- chern zugleich mit angefuͤhret. Man wundere sich aber nicht, wenn man einige Werke der alten Kunst mit dem Namen des Kuͤnstlers, oder andere, welche sich sonst merkwuͤrdig gemacht haben, nicht beruͤhret findet. Die- jenigen, welche ich mit Stillschweigen uͤbergangen habe, werden Sachen seyn, die entweder nicht dienen zur Bestimmung des Stils, oder einer Zeit in der Kunst, oder sie werden nicht mehr in Rom vorhanden, oder gar vernichtet seyn: denn dieses Un- gluͤck hat sehr viel herrliche Stuͤcke in neueren Zeiten betroffen, wie ich an verschiedenen Orten angemerket habe. Ich wuͤrde den Trunk einer Statue, mit dem Namen Apollonius des Ne- c 3 stors Vorrede. stors Sohn aus Athen Spon. Miscel. ant. p. 122. Dati Vite de’Pittori, p. 118. , welche ehemals in dem Palla- ste Massimi war, beschrieben haben; er hat sich aber verloh- ren. Ein Gemaͤlde der Goͤttinn Roma, (nicht das bekannte im Pallaste Barberini) welches Spon beybringet Recherch. d’ Antiq. Diss. 13. p. 195. , ist auch nicht mehr in Rom. Das Nymphaͤum, vom Holstein beschrieben Vet. pict. Nymph. referens, Rom. 1675. fol. , ist durch Nachlaͤßigkeit, wie man vorgiebt, verdorben, und wird nicht mehr gezeiget. Die erhobene Arbeit, wo die Malerey das Bild des Varro malete, welches dem bekannten Ciampini ge- hoͤrete in fronte alle Pitture ant. di Bartoli. , hat sich ebenfalls aus Rom verlohren, ohne die gering- ste weitere Nachricht. Die Herma von dem Kopfe des Speusip- pus Fulv. Vrsin. Imag. 137. conf. Montfauc. Palaeogr. Gr. L. 2. c. 6. p. 153. , der Kopf des Xenocrates Spon. Miscel. ant. p. 136. , und verschiedene andere mit dem Namen der Person, oder des Kuͤnstlers, haben gleiches Schicksal gehabt. Man kann nicht ohne Klagen die Nachrichten von so vielen alten Denkmalen der Kunst lesen, welche sowohl in Rom, als anderwerts, zu unserer Vaͤter Zeiten vernichtet wor- den, und von vielen hat sich nicht einmal die Anzeige erhalten. Ich erinnere mich einer Nachricht, in einem ungedruckten Schrei- ben des beruͤhmten Peiresc an den Commendator del Pozzo, von vielen erhobenen Arbeiten in den Baͤdern zu Pozzuolo bey Neapel, welche noch unter Pabst Paul III. daselbst standen, auf welchen Personen mit allerhand Krankheiten behaftet vorgestellet waren, die in diesen Baͤdern die Gesundheit erlanget hatten: die- ses ist die einzige Nachricht, welche sich von denselben findet. Wer sollte glauben, daß man noch zu unsern Zeiten aus dem Sturze einer Vorrede. einer Statue, von welcher der Kopf vorhanden ist, zwo andere Fi- guren gemachet? und dieses ist zu Parma in diesem Jahre, da ich dieses schreibe, geschehen, mit einem Colossalischen Sturze eines Jupiters, von welchem der schoͤne Kopf in der Maleracademie da- selbst aufgestellet ist. Die zwo neuen aus der alten gemeißelte Figu- ren, von der Art, wie man sich leicht vorstellen kann, stehen in dem Herzoglichen Garten. Dem Kopfe hat man die Nase auf die ungeschickteste Weise angesetzet, und der neue Bildhauer hat fuͤr gut gefunden, den Formen des alten Meisters an der Stirne, an den Backen und am Barte nachzuhelfen, und das, was ihm uͤberfluͤßig geschienen, hat er weggenommen. Ich habe vergessen zu sagen, daß dieser Jupiter in der neulich entdeckten verschuͤtteten Stadt Velleja, im Parmesanischen, gefunden worden. Aus- serdem sind bey Menschen Gedenken, ja seit meinem Aufenthalte in Rom, viel merkwuͤrdige Sachen nach Engeland gefuͤhret wor- den, wo sie, wie Plinius redet, in entlegenen Landhaͤusern ver- bannet stehen. Da die vornehmste Absicht dieser Geschichte auf die Kunst der Griechen geht, so habe ich auch in dem Capitel von derselben umstaͤndlicher seyn muͤssen, und ich haͤtte mehr sagen koͤnnen, wenn ich fuͤr Griechen, und nicht in einer neuern Sprache ge- schrieben, welche mir gewisse Behutsamkeiten aufgeleget; in die- ser Absicht habe ich ein Gespraͤch uͤber die Schoͤnheit, nach Art des Phaͤdrus des Plato, welches zur Erlaͤuterung der Theoreti- schen Abhandlung derselben haͤtte dienen koͤnnen, wiewohl unger- ne, weggelassen. Alle Denkmale der Kunst, sowohl von alten Gemaͤlden und Figuren in Stein, als in geschnittenen Steinen, Muͤnzen und Vasen, welche ich zu Anfang und zu Ende der Capitel, oder ih- rer Abtheilungen, zugleich zur Zierde und zum Beweise, angebracht habe, Vorrede. habe, sind niemals vorher oͤffentlich bekannt gemachet worden, und ich habe dieselben zuerst zeichnen und stechen lassen. Ich habe mich mit einigen Gedanken gewaget, welche nicht genug erwiesen scheinen koͤnnen: vielleicht aber koͤnnen sie andern, die in der Kunst der Alten forschen wollen, dienen, weiter zu ge- hen; und wie oft ist durch eine spaͤtere Entdeckung eine Muthmas- sung zur Wahrheit geworden. Muthmaßungen, aber solche, die sich wenigstens durch einen Faden an etwas Festen halten, sind aus einer Schrift dieser Art eben so wenig, als die Hypotheses aus der Naturlehre zu verbannen; sie sind wie das Geruͤste zu ei- nem Gebaͤude, ja sie werden unentbehrlich, wenn man, bey dem Mangel der Kenntniße von der Kunst der Alten, nicht große Spruͤnge uͤber viel leere Plaͤtze machen will. Unter einigen Gruͤnden, welche ich von Dingen, die nicht klar wie die Sonne sind, angebracht habe, geben sie einzeln genommen, nur Wahr- scheinlichkeit, aber gesammelt und einer mit dem andern verbun- den, einen Beweis. Das Verzeichniß der Buͤcher, welches vorangesetzet ist, be- greift nicht alle und jede, welche ich angefuͤhret habe; wie denn unter denselben von alten Dichtern nur der einzige Nonnus ist, weil in der ersten und seltenen Ausgabe, deren ich mich bedienet, nur die Verse einer jeden Seite, und nicht der Buͤcher in demsel- ben, wie in den uͤbrigen Dichtern, gezaͤhlet sind. Von den al- ten Griechischen Geschichtschreibern sind mehrentheils die Ausga- ben von Robert und von Heinrich Stephanus angefuͤhret, welche nicht in Capitel eingetheilet sind, und dieserwegen habe ich die Zeile einer jeden Seite angemerket. An Vollendung dieser Arbeit hat mein wuͤrdiger und gelehr- ter Freund, Herr Frank, sehr verdienter Aufseher der beruͤhmten und Vorrede. und praͤchtigen Buͤnauischen Bibliothek, einen großen Antheil, wofuͤr ich demselben oͤffentlich hoͤchst verbindlichen Dank zu sagen schuldig bin: denn dessen guͤtiges Herz haͤtte mir von unserer in langer gemeinschaftlicher Einsamkeit gepflogenen Freundschaft kein schaͤtzbareres Zeugniß geben koͤnnen. Ich kann auch nicht unterlassen, da die Dankbarkeit an je- dem Orte loͤblich ist, und nicht oft genug wiederholet werden kann, dieselbe meinen schaͤtzbaren Freunden, Herrn Fueßli, zu Zuͤrich, und Herrn Will, zu Paris, von neuem hier zu bezeugen. Ihnen haͤtte mit mehrerem Rechte, was ich von den Herculanischen Ent- deckungen bekannt gemachet habe, zugeschrieben werden sollen: denn unersucht, ohne mich zu kennen, und aus freyem gemein- schaftlichen Triebe, aus wahrer Liebe zur Kunst, und zur Erweite- rung unserer Kenntnisse, unterstuͤtzten sie mich auf meiner ersten Reise an jene Orte durch einen großmuͤthigen Beytrag. Men- schen von dieser Art sind, vermoͤge einer solchen That allein, ei- nes ewigen Gedaͤchtnisses wuͤrdig, welches Sie ihre eigenen Ver- dienste versichern. Ich kuͤndige zugleich dem Publico ein Werk an, welches in Welscher Sprache, auf meine eigene Kosten gedruckt, auf Regal- Folio, im kuͤnftigen Fruͤhlinge zu Rom erscheinen wird. Es ist dasselbe eine Erlaͤuterung niemals bekannt gemachter Denkmale des Alterthums von aller Art, sonderlich erhobener Arbeiten in Marmor, unter welchen sehr viele schwer zu erklaͤren waren, an- dere sind von erfahrnen Alterthumsverstaͤndigen, theils fuͤr unauf- loͤsliche Raͤtzel angegeben, theils voͤllig irrig erklaͤret worden. Durch diese Denkmale wird das Reich der Kunst mehr, als vor- her geschehen, erweitert; es erscheinen in denselben ganz unbe- kannte Begriffe und Bilder, die sich zum Theil auch in den Nach- richten der Alten verlohren haben, und ihre Schriften werden d an Vorrede. an vielen Orten, wo sie bisher nicht verstanden worden sind, auch ohne Huͤlfe dieser Werke nicht haben koͤnnen verstanden werden, erklaͤret, und in ihr Licht gesetzet. Es besteht dasselbe aus zwey- hundert und mehr Kupfern, welche von dem groͤßten Zeichner in Rom, Herrn Johann Casanova, Sr. Koͤnigl. Majestaͤt in Pohlen pensionirten Maler, ausgefuͤhret sind, so daß kein Werk der Alter- thuͤmer Zeichnungen aufzuweisen hat, welche mit so viel Richtigkeit, Geschmack und Kenntniß des Alterthums sich anpreißen koͤnnen. Ich habe an der uͤbrigen Auszierung desselben nichts ermangeln lassen, und es sind alle Anfangsbuchstaben in Kupfer gestochen. Diese Geschichte der Kunst weihe ich der Kunst, und der Zeit, und besonders meinem Freunde, Herrn Anton Raphael Mengs. Rom, im Julius, 1763. Inhalt Inhalt der Geschichte der Kunst des Alterthums. Erster Theil . Untersuchung der Kunst nach dem Wesen derselben. Erstes Capitel . Von dem Ursprunge der Kunst, und den Ursachen ihrer Verschiedenheit unter vielen Voͤlkern. Erstes Stuͤck. I. Allgemeiner Begriff dieser Geschichte. II. Anfang der Kunst mit der Bildhauerey. III. Aehnlicher Ursprung derselben bey verschiedenen Voͤlkern. IV. Alterthum derselben in Aegypten. V. Spaͤtere, aber urspruͤngliche Kunst bey den Griechen. VI. Anwachsende Bildung einer Figur durch den Kopf. VII. Durch Anzeige des Geschlechts. VIII. Durch Gestalt der Beine, von dem Daͤdalus. IX. Aehnlichkeit der ersten Figuren bey den Aegyptern, Hetruriern und Griechen. X. Groͤßere Wahrscheinlichkeit fuͤr die Mittheilung der Kunst von den Phoͤniciern, als von den Aegyptern, an die Griechen. XI. Aehnlicher Gebrauch bey gedachten drey Voͤlkern, die Figuren mit Schrift zu bezeichnen. XII. Erklaͤrung der Aehnlichkeit der Aegyptischen und Griechischen aͤltesten Figuren. XIII. Eigenschaft des aͤltesten Stils der Zeichnung. Zweytes Stuͤck. I. Erste Materie der Kuͤnstler, der Thon. II. Gemalte Gefaͤße von Thon. d 2 III. Die Inhalt III. Die zwote Art Figuren von Holz. IV. Ferner in Elfenbein. V. Hierauf in Stein, und erstlich in dem jedem Lande eigenen. VI. In Marmor, und anfaͤnglich die aͤußern Theile der Figur. Von uͤbermal- ten Statuen. VII. Von Figuren in Erzt. VIII. Von der Kunst in Stein zu schneiden. Drittes Stuͤck. I. Einfluß des Himmels in die Bildung. A. Ueberhaupt, B. und besonders in die Werkzeuge der Sprache. C. Bildung der Aegypter. D. Der Griechen und Italiener. E. Bildung der Schoͤnheit unter einem warmen Himmel. F. Vorzuͤgliche Schoͤnheiten unter den Griechen. G. Besonderer Beweis desselben. II. Einfluß des Himmels in die Denkungsart. A. Der Morgenlaͤndischen und Mittaͤgigen Voͤlker. B. Der Griechen. C. Verschiedenheit der Erziehung, Verfassung und Regierung der Voͤlker. D. Unter den Griechen. E. In Rom. F. Faͤhigkeit der Engelaͤnder zur Kunst. G. Naͤhere Bestimmung dieser Gedanken. Das zweyte Capitel. Erster Abschnitt. Von der Kunst der Aegypter. I. Ursachen der Kunst dieses Volks. A. In ihrer Bildung. B. In ihrer Gemuͤths- und Denkungsart, in ihren Gesetzen, Gebraͤuchen, und in ihrer Religion. C. In der Achtung ihrer Kuͤnstler. D. In der Wissenschaft der Kuͤnstler. II. Stil der Kunst der Aegypter. A. Von dem aͤltern Stile. a. In der Zeichnung des Nackenden. Deren Eigenschaften aa. All- des ersten Theils. aa. Allgemein. bb. Besonders in verschiedenen Theilen des Koͤrpers angezeiget. α. Der Kopf. β. Die Haͤnde. γ. Die Fuͤße. cc. Besondere Gestaltung ihrer goͤttlichen Figuren und beygelegten Zeichen. Insbesondere von Sphynxen. b. Von der Bekleidung der Figuren des aͤltern Stils. aa. Der Rock. bb. Andere Stuͤcke der Kleidung und des Schmucks. B. Von dem folgenden und spaͤteren Stile der Aegyptischen Kunst. a. In der Zeichnung des Nackenden. aa. Deren Eigenschaften. bb. Besondere allgemeine Anmerkungen. b. Von der Bekleidung der Figuren dieses Stils. C. Von Nachahmung Aegyptischer Werke unter dem Kaiser Hadrian. a. Allgemein. b. Beurtheilung besonderer Werke. aa. In Absicht der Zeichnung. bb. Der Bekleidung. III. Das Mechanische Theil der Aegyptischen Kunst. A. Von Ausarbeitung ihrer Werke. B. Von der Materie, in welcher die Aegyptischen Kuͤnstler gearbeitet. a. In Holz. Angezeigte Werke. b. In Erzt, und Werke in dieser Art. c. In Stein. aa. Granit. bb. Basalt. cc. Alabaster. dd. Porphyr. ee. Marmor. IV. Schluß dieses Abschnittes von einer Muͤnze. Zweyter Abschnitt. Von der Kunst der Phoͤnicier und Perser. I. Von der Kunst der Phoͤnicier. A. Von der Natur des Landes, der Bildung der Einwohner, von ihren Wis- senschaften, Pracht und Handel. B. Von Bildung ihrer Gottheiten. C. Von Werken ihrer Kunst. D. Von ihrer Kleidung. E. Von der Kunst unter den Juden. d 3 II. Von Inhalt II. Von der Kunst der Perser. A. Von Denkmalen ihrer Kunst. B. Von Bildung der Perser. C. Ursachen des geringen Wachsthums der Kunst unter ihnen. a. Aus ihrem Abscheu nackende Koͤrper zu sehen. b. Aus ihrer Kleidung. c. Aus ihrem Gottesdienste. D. Von der Kunst bey den Parthern. Allgemeine Erinnerungen uͤber die Kunst dieser drey Voͤlker. Das dritte Capitel. Von der Kunst der Hetrurier und benachbarten Voͤlker. Erstes Stuͤck. Von den Hetruriern. I. Die aͤußern Umstaͤnde der Kunst. A. Die Freyheit dieses Volks, welche der Kunst befoͤrderlich war. B. Die Gemuͤthsart der Hetrurier, in welcher die Eigenschaften der Werke ihrer Kunst koͤnnen gesuchet werden. C. Die ungluͤcklichen Kriege mit den Roͤmern, und der Fall ihrer Verfassung, wodurch der Lauf der Kunst bey ihnen gehemmet wurde. II. Die Art und Weise der Vorstellung ihrer Goͤtter und Helden. A. Einige hatten sie mit den Griechen gemein. B. Ihre eigenthuͤmlichen Vorstellungen derselben waren zum Theil seltsam, wie bey den aͤltesten Griechen. C. Bildung der Obern Goͤtter. a. Mit Fluͤgeln. b. Mit Donnerkeilen. D. Besondere Bildung einzelner Goͤtter. a. Maͤnnlichen Geschlechts. b. Weiblichen Geschlechts. E. Vorstellung der Helden auf Hetrurischen Denkmalen. III. Anzeige der vornehmsten Hetrurischen Werke. A. Kleine Figuren in Erzt und Thiere. B. Statuen von Erzt und Marmor. C. Erhobene Arbeiten. D. Geschnittene Steine. E. Muͤnzen. F. Zugabe. Von vermeynten Hetrurischen Urnen von Porphyr. Zweytes des ersten Theils. Zweytes Stuͤck. Von dem Stile der Hetrurischen Kuͤnstler. I. Allgemeine Erinnerung uͤber denselben. II. Verschiedene Stuffen und Zeiten desselben. A. Von dem aͤltern Stile und dessen Eigenschaften. B. Anzeige des Uebergangs aus diesem Stile in den folgenden. C. Von dem zweyten Stile der Hetrurier und dessen Eigenschaften. D. Erlaͤuterung desselben. E. Von dem spaͤtern Stile der Hetrurischen Kuͤnstler. F. Von der Bekleidung Hetrurischer Figuren. Drittes Stuͤck. Von der Kunst der mit den Hetruriern graͤnzenden Voͤlker. I. Der Samniter. II. Der Volsker. III. Der Campaner. A. Muͤnzen. B. Gemalte Gefaͤße. IV. Anzeige einiger Figuren aus der Insel Sardinien. Beschluß dieses Capitels. Das vierte Capitel. Von der Kunst unter den Griechen. Erstes Stuͤck. Von den Gruͤnden und Ursachen des Aufnehmens und des Vorzugs der Griechischen Kunst vor andern Voͤlkern. I. Von dem Einflusse des Himmels. II. Von der Verfassung und Regierung unter den Griechen, in welcher zu be- trachten ist A. Die Freyheit. B. Die Belohnung der Leibesuͤbungen und anderer Verdienste mit Statuen. C. Die aus der Freyheit gebildete Denkungsart. III. Von der Achtung der Kuͤnstler. IV. Von Anwendung der Kunst. V. Von dem verschiedenen Alter der Bildhauerey und Malerey. Zweytes Inhalt Zweytes Stuͤck. Von dem Wesentlichen der Kunst. I. Von der Zeichnung des Nackenden, welche sich gruͤndet auf die Schoͤnheit. A. Von der Schoͤnheit allgemein, und zwar a. Der verneinende Begriff derselben. b. Der bejahende Begriff, und zwar erstlich allgemein. aa. Die Bildung der Schoͤnheit in Werken der Kunst. α. Die Individuelle Schoͤnheit. β. Die Idealische Schoͤnheit. αα. Der Maͤnnlichen Jugendlichen Gottheiten. א. Die verschiedenen Stuffen der Jugend. אא. Der Faune. Unrichtiger Begriff eines Scriben- ten von deren Bildung. בב. Die Jugend und Bildung des Apollo, und eines schoͤnen Genius in der Villa Borghese. ננ. Die Jugend anderer Goͤtter, sonderlich des Mars. Unrichtiger Begriff eines Scribenten von dessen Bildung. דד. Die Jugend des Hercules. הה. Die Jugend verschnittener Naturen im Bac- chus. ββ. Schoͤnheit der Gottheiten Maͤnnlichen Alters, und der Unterschied eines Menschlichen und vergoͤtterten Hercules. γγ. Begriff der Schoͤnheit in Figuren der Helden. Irriger Begriff eines Scribenten von derselben. δδ. Begriff der Schoͤnheiten in Weiblichen Gottheiten. γ. Allgemeine Betrachtung uͤber die Idealische Schoͤnheit. bb. Von dem Ausdrucke in der Schoͤnheit, sowohl in Gebaͤhrden, als in der Handlung. α. Im Vaticanischen Apollo. β. Von dem Stande der Figuren Maͤnnlicher Gottheiten. γ. Ausdruck in Figuren aus der Heldenzeit; insbesondere an der Niobe und am Laocoon betrachtet. δ. Erinnerung uͤber den Ausdruck neuerer Kuͤnstler. cc. Von der Proportion. α. Allgemein. β. Genauere Bestimmung derselben. γ. Sonderlich in Absicht auf die Maaß des Fußes, wo die irrigen Einwendungen einiger Scribenten widerleget werden. δ. Bestimmung der Proportion des Gesichts fuͤr Zeichner. dd. Von des ersten Theils. dd. Von der Schoͤnheit einzelner Theile des Koͤrpers. α. Des Gesichts, und insbesondere αα. Des Profils desselben. ββ. Der Augenbranen. γγ. Der Augen. δδ. Der Stirn. εε. Des Mundes. ζζ. Des Kinns. β. Der uͤbrigen aͤußern Theile, als der Haͤnde und der Fuͤße. γ. Der Flaͤchen, als der Brust, des Unterleibes, ingleichen der Schaam und der Knie. ee. Allgemeine Erinnerung uͤber diese Abhandlung. ff. Von der Zeichnung der Figuren der Thiere von Griechischen Meistern. II. Von der Zeichnung bekleideter Griechischer Figuren Weibliches Geschlechts. A. Von dem Zeuge der Kleidung. a. Aus Leinewand und anderm leichten Zeuge. b. Aus Baumwolle. c. Aus Seide. d. Aus Tuche. B. Von den Arten und der Form Weiblicher Kleidung. a. Von dem Unterkleide. b. Von der Schnuͤrbrust. c. Von dem Rocke. aa. Der viereckigte Rock. bb. Mit engen genaͤheten Ermeln. cc. Mit andern Ermeln. dd. Von der Besetzung des Rocks. ee. Vom Aufschuͤrzen des Rocks, und insbesondere von dem Guͤrtel. ff. Von dem Guͤrtel der Venus. gg. Von Figuren ohne Guͤrtel. d. Von dem Weiblichen Mantel, und besonders von dessen Zirkelrunder Form. aa. Von dem großen Mantel. α. Von den Quaͤstgen an demselben. β. Die Art den Mantel umzuwerfen. γ. Von dem doppelten Mantel der Cyniker. δ. Fernere Anzeige des Wurfs Weiblicher Maͤntel. bb. Von den kurzen Maͤnteln der Griechischen Weiber. e. Von dem Zusammenlegen der Weiblichen Kleidung. e C. Von Inhalt C. Von der Zierlichkeit des Weiblichen Anzugs. a. An der Kleidung allgemein. b. Von dem Schmucke, insbesondere aa. Des Kopfs. bb. Der Fuͤße. cc. Der Arme. c. Allgemeine Betrachtung uͤber die Zierlichkeit an Griechischen Weiblichen Figuren. Drittes Stuͤck. Von dem Wachsthume und dem Falle der Griechischen Kunst, in welcher vier Zeiten und eben so viel Stile koͤnnen ge- setzet werden. I. Der aͤltere Stil. A. Denkmale desselben. a. Auf Muͤnzen. b. Auf einem geschnittenen Steine. c. Auf Werken von Marmor. B. Eigenschaften dieses aͤltern Stils. C. Vorbereitung dieses Stils zum hohen Stile. II. Der hohe Stil. A. Dessen Eigenschaften. B. Uebrige Werke aus demselben. III. Der schoͤne Stil. A. Dessen Eigenschaften, und sonderlich B. Der Gratie. C. Von der Kunst in Kindern. IV. Der Stil der Nachahmer, und die Abnahme und der Fall der Kunst, A. Durch die Nachahmung. B. Durch Fleiß in Nebendingen. C. Muthmaßung uͤber die Bemuͤhung einiger Kuͤnstler, aus dem eingerissenen Verderbnisse in der Kunst zuruͤck zu kehren. D. Von der Behutsamkeit in Urtheilen uͤber Originale, oder uͤber schon vor Al- ters nachgeahmte Werke. E. Von Kennzeichen des Stils in der Abnahme der Kunst. F. Von der großen Menge Portraitkoͤpfe gegen wenig Statuen aus dieser Zeit. G. Niedrige Begriffe von der Schoͤnheit in der letzten Zeit. H. Von Begraͤbnißurnen, welche beynahe alle aus spaͤtern Zeiten sind. I. Von dem guten Geschmacke, der sich auch in dem Verfalle der Kunst er- halten hat. K. Be- des ersten Theils. K. Beschluß dieses dritten Stuͤckes, von einem außerordentlichen Denkmale fremder und ungestallter Kunst, von Griechischen Kuͤnstlern verfertiget. L. Wiederholung des Inhalts dieses Stuͤcks. Viertes Stuͤck. Von dem Mechanischen Theile der Griechischen Bild- hauerey. I. Von der verschiedenen Materie, in welcher die Griechischen Bildhauer gearbei- tet, und insbesondere Von Marmor und desselben Arten. II. Von der Ausarbeitung der Bildhauer. A. Ueberhaupt. B. Insbesondere. a. Von der Arbeit in Elfenbein. b. Von der Arbeit in Stein. aa. In Marmor. bb. In Basalt. cc. In Porphyr. c. Von der Arbeit in Erzt. aa. An sich selbst. bb. Von dem Loͤthen. cc. Von den besten Statuen in Erzt. dd. Von der Vergoldung. α. Allgemein. β. Zwo Arten derselben. γ. Vergoldung auf Marmor. d. Von der Arbeit auf Muͤnzen. Fuͤnftes Stuͤck. Von der Malerey der alten Griechen. I. Von der Malerey auf der Mauer allgemein. II. Von uͤbriggebliebenen Gemaͤlden auf der Mauer. A. Die ehemals in Rom entdecket worden. B. Von den Herculanischen Gemaͤlden. C. Beschreibung von vier zuletzt gefundenen Gemaͤlden daselbst. D. Von den Gemaͤlden in den Graͤbern bey Corneto . E. Beschreibung der Gemaͤlde, welche neulich außer Rom an einem noch un- bekannten Orte gefunden worden. III. Von der Zeit, in welcher die mehresten von angezeigten Gemaͤlden ge- machet seyn. IV. Ob sie von Griechischen oder Roͤmischen Meistern seyn. V. Von der Art und Weise der Malerey auf der Mauer insbesondere. VI. Beschluß dieses Capitels. e 2 Das Inhalt des ersten Theils. Das fuͤnfte Capitel. Von der Kunst unter den Roͤmern. Erstes Stuͤck. Untersuchung des Roͤmischen Stils in der Kunst. I. Von Werken Roͤmischer Kuͤnstler. A. Mit Roͤmischen Inschriften. B. Wit dem Namen der Kuͤnstler selbst. II. Von der Nachahmung Hetrurischer und Griechischer Kuͤnstler, Insbesondere in Absicht der erstern aus einer Vase von Erzt gezeiget. III. Irrige Meynung von einem besondern Roͤmischen Stile in der Kunst. A. Aus falschen Erklaͤrungen. B. Aus uͤbel verstandener Ehrfurcht gegen die Griechischen Werke. C. Widerlegung der irrigen Meynung. IV. Geschichte der Kunst in Rom. A. Unter den Koͤnigen. B. In den ersten Zeiten der Republik. C. Bis zu der CXX. Olympias. D. Nach dem zweyten Punischen Kriege. E. Nach dem Kriege mit dem Koͤnige Antiochus. F. Nach Eroberung von Macedonien. Zweytes Stuͤck. Von der Roͤmischen Maͤnnerkleidung. I. Bekleidung des Leibes. A. Das Unterkleid. B. Die Toga. C. Zierrathen der Kleidung. II. Bekleidung der Theile des Koͤrpers. A. Des Haupts. B. Von Beinkleidern. C. Von Schuhen. D. Von Handschuhen. III. Bewafnung des Koͤrpers. A. Von dem Panzer. B. Von dem Helme. C. Von der Beinruͤstung. Der Der Geschichte der Kunst des Alterthums Zweyter Theil . Nach den aͤußern Umstaͤnden der Zeit unter den Griechen betrachtet. Vorbericht dieses zweyten Theils. I. Von der Kunst der aͤltesten Zeiten bis auf den Phidias. A. Verzeichniß der beruͤhmtesten Kuͤnstler dieser Zeit. B. Der Schulen der Kunst, insbesondere a. Zu Sicyon. b. Zu Corinth. c. In der Insel Aegina. C. Von den Umstaͤnden in Griechenland kurz vor dem Phidias. a. In Absicht der Verfassung. b. Von den uͤbrigen aͤltesten Werken der Kunst aus dieser Zeit. D. Vorbereitung und Veranlassung zu dem Flor der Kuͤnste und Wissenschaften in Griechenland durch Athen. a. Befreyung der Athenienser von ihren Tyrannen. b. Siege der Athenienser uͤber die Perser. c. Wachsthum der Macht und des Muths der Athenienser und anderer Griechen. d. Der hierdurch veranlassete Flor der Kuͤnste und Wissenschaften. e. Aufnehmen der Baukunst und der Bildhauerey durch Wiederaufbauung der verstoͤrten Stadt Athen. f. Kuͤnstler aus dieser Zeit. II. Von der Kunst, von den Zeiten des Phidias an, bis auf Alexander den Großen. A. Vor dem Peloponnesischen Kriege. a. Allgemeine Betrachtung uͤber die Kunst in dieser Zeit. b. Damalige Kuͤnstler. e 3 B. In Inhalt B. In dem Peloponnesischen Kriege. a. Vergleichung damaliger Umstaͤnde der Kunst und der Theatralischen Dichtkunst. b. Kuͤnstler dieser Zeit, und Anfuͤhrung einiger ihrer Werke. aa. Sonderlich der Niobe. bb. Widerlegung der Meynung, daß die Vergoͤtterung des Homerus aus dieser Zeit sey. C. Schicksale der Kunst, durch das Ungluͤck von Athen in diesem Kriege, und in der wiederhergestellten Freyheit derselben. Kuͤnstler aus dieser Zeit. D. Nach dem Peloponnesischen Kriege. Kuͤnstler dieser Zeit, und vornehmlich a. Praxiteles und dessen Werke. b. Lysippus und dessen faͤlschlich vermeynte Werke. E. Unter Alexander dem Großen. a. Von der Statue des Laocoon. b. Von vermeynten geschnittenen Steinen des Pyrgoteles aus dieser Zeit. c. Von Brustbildern des Demosthenes. d. Von einer Statue des Jupiter Urins . e. Von dem sogenannten Farnesischen Ochsen. III. Von der Kunst nach Alexanders Zeiten, und von der Abnahme derselben. A. Unter den naͤchsten Nachfolgern desselben. a. Umstaͤnde der Griechen und der Athenienser. b. Muͤnzen aus dieser Zeit. c. Folgende Umstaͤnde von Athen. B. Abnahme der Kunst in Griechenland, die hingegen anfieng zu bluͤhen a. Unter den Seleucidern. b. Unter den Ptolemaͤern. C. Muthmaßung uͤber den verderbten Geschmack in dieser Zeit auch in der Kunst. D. Von vermeynten Werken aus dieser Zeit. E. Fall der Kunst in Aegypten und in Großgriechenland. F. Und in Griechenland durch die innerlichen Kriege des Achaͤischen Bundes mit den Aetoliern, in welche sich die Roͤmer mischeten, und nach er- langtem Siege die Griechen fuͤr eine freye Nation erklaͤreten. G. Neuer Flor der Kunst in Griechenland durch die ertheilte Freyheit, aber von kurzer Dauer. H. Flor derselben in Sicilien. I. Beruͤhmte des zweyten Theils. I. Beruͤhmte Kuͤnstler und Werke dieser Zeit. K. Insbesondere die Beschreibung des verstuͤmmelten Hercules im Bel- vedere. L. Widerlegung uͤber vermeynte Statuen aus dieser Zeit. M. Der Roͤmer Raub der schoͤnsten Werke der Kunst aus Griechenland. N. Ende der Kunst unter den Seleucidern. O. Flor derselben unter den Koͤnigen von Bithynien und von Pergamus. P. Ende der Griechischen Kunst in Aegypten, und Widerlegung des Vaillant und anderer. Q. Wiederherstellung der Kunst in Griechenland. R. Nachtheil derselben durch die Mithridatischen Kriege und Verstoͤrung von Griechenland, und in Großgriechenland und Sicilien. IV. Von der Griechischen Kunst unter den Roͤmern und unter den Roͤmischen Kaisern. A. Unter dem Julius Caͤsar. a. Namhafte Kuͤnstler. b. Werke der Kunst aus dieser Zeit. B. Unter dem Augustus, und von Werken. a. Dessen Statuen und der Livia. b. Von vermeynten Statuen der Cleopatra. c. Von geschnittenen Steinen dieser Zeit. d. Von einer Caryatide des Diogenes von Athen. e. Von Werken der Baukunst unter dem Augustus. C. Unter dem Tiberius. D. Unter dem Caligula. E. Unter dem Claudius. F. Unter dem Nero. a. Umstaͤnde von Griechenland unter demselben. b. Weggefuͤhrte Statuen aus Griechenland, unter welchen vermuth- lich war aa. Der Vaticanische Apollo. Beschreibung desselben. bb. Der sogenannte Borghesische Fechter. Beschreibung desselben. c. Von Koͤpfen des Nero, und von Statuen der Agrippina, und andern. G. Unter dem Vespasianus, Titus und Domitianus. a. Umstaͤnde von Griechenland. b. Uebrige Werke von dieser Zeit. c. Von einer Statue des Domitianus, und von einem Kopfe des Nerva. H. Unter dem Trajanus. I. Unter Inhalt des zweyten Theils. I. Unter dem Hadrianus. a. Von dessen Reisen und Gebaͤuden. b. Von der Beschaffenheit und dem Stile der Kunst seiner Zeit. c. Beschreibung des faͤlschlich sogenannten Antinous im Belvedere. K. Unter den Antoninern. a. Allgemeine Betrachtung uͤber die Kunst. b. Von einem Colossalischen Kopfe der Faustina. c. Von andern Brustbildern dieser Kaiser. d. Von des Marcus Aurelius Statue zu Pferde von Erzt. e. Von der Statue des Aristides, und vom Herodes Atticus. f. Misbrauch der Statuen in Personen ohne Verdienste. L. Unter dem Commodus. V. Fall der Kunst unter dem Septimius Severus. A. Von Werken unter diesem Kaiser. B. Unter dem Heliogabalus. C. Unter dem Alexander Severus. D. Von einer Statue des Pupienus. E. Der gaͤnzliche Verfall der Kunst unter dem Gallienus. F. Von der Kunst unter dem Constantin. G. Erinnerung uͤber die Baukunst dieser Zeit. H. Von dem veruͤbten Unfuge an Statuen uͤberhaupt, und von erhaltenen Werken aus dieser Zeit. I. Von dem Verfalle der Stadt Athen, und von der Verstoͤrung von Rom. K. Von vermeynten Statuen des Justinianus und des Belisarius. L. Letztes Schicksal der Statuen in Rom, M. Und in Constantinopel. Beschluß dieses zweyten Theils. Ver- Verzeichniß angefuͤhrter Buͤcher . A. Achillis Tatii Erotica, cum not. Cl. Sal- masii, Lugd. Bat. 1640. 12. Achmetis Oneirocritica, c. not. Rigaltii. acc. Artemidori Oneirocrit. c. ejusd. not. Lutet. 1603. 4. Aeneae Commentarius Tacticus c. not. Casauboni. acc. Polybio Casaub. Leand. Alberti Descrizione di tutta l’Ita- lia, Bologna, 1550. 4. Uliss. Aldrovandi Statue di Roma, Vi- nez. 1558. 12. Hieron. Alexandri Explicatio antiquae tabulae marm. Solis effigie symbolis- que exsculptæ, Lutet. Par. 1617. 4. Prosp. Alpini Medicina Aegyptiorum, Lugd. Bat. 1718. 4. Ammianus Marcellinus, edit. Henr. Vale- sii, Paris. 1681. fol. Anastasius de Vitis Pontificum, Paris. 1649. fol. Anthologia Epigrammatum Græc. Venet. ap. Ald. 1521. 8. Carl. Antonioli antica Gemma Etrusca spiegata con due Dissertazioni, Pisa, 1757. 4. Apollodori Bibliotheca, Romæ, 1555. 8. Appiani Alexandrini Historiæ, Lutet. cura Car. Stephani, 1551. fol. John Arburnot’s Tables of antient Coins, Weights and Measures, Lond. 1727. 4. Aristidis Rhetoris Opera, edit. Wechel. 1604. 8. Vol. 2. Aristophanes, edit. Steph. Bergleri, Lug- dun. Bat. 1760. 4. Vol. 2. Aristotelis Opera, edit. Sylburgii, 4. Vol. 5. — Politica, edit. Wechel. Francof. 1577. 4. — Poetica, edit. D. Heinsii, Lugd. Bat. 1643. 12. Arnobius contra gentes, Lugdun. Bat. 1651. 4. Arrianus in Epictetum, edit. Vptoni, 4. Vol. 2. Io. Ant. Astorii Commentariolum in an- tiquam Alcmanis Poetæ Laconis mo- numentum allatum e Græcia, Venet. 1697. fol. B. Franc. Baconis de Verulamio Historia vitæ \& mortis, Lond. 1623. 4. Filip. Baldinucci Vite de’Pittori, Firenz. 1681. 4. Vol. 5. — Vita del Cav. Bernini, ib. 1682. 4. Anselm. Banduri Imperium Orientale, sive Antiquitates Constantinopolita- næ, Paris. 1711. fol. Tom. 2. Barthelemy Essai d’ une Paleographie Numismatique. v. dans les Mem. de l’Acad. des Inscr. T. 24. Santes Bartoli Admiranda, Rom. fol. oblong. Batteux Cours des belles Lettres, Paris, 12. Vol. 4. f Baudelot Verzeichniß Baudelot Dairval Vtilité des Voyages, 12. T. 2. — Epoque de la nudité des Athletes dans les Jeux de la Grece. v. dans les Mem. de l’Acad. des Inscr. T. 1. Theoph. Sigfr. Bayeri Historia Regni Graecor. Bactriani, Petropoli, 1738. 4. Laur. Begeri Spicilegium antiquitatis, Colon. Brand. 1692. fol. Pier. Belon Observations sur plusieurs fingularitez \& choses memorables trouvées en Grece, Asie \&c. Anvers, 1555. 8. — de Operum antiquorum præstantia, v. in Gronov. Thes. Ant. Græc. T. 8. p. 2529. Rich. Bentley’s Dissertation upon the Epistles of Phalaris, Lond. 1699. 8. Steph. Bergleri Notae in Aristophanem, v. Aristophanes. Domen. Bernini Vita del Cav. Bernini, Roma, 4. Franc. Bianchini Istoria Universale, Ro- ma, 1697. 4. — de Lapide Antiate. v. in Gorii Symb. Litt. T. 7. Bimard de la Bastie Notae ad Marmor scriptura græca antiquissima, quæ βομ- ςροφηδὸν vocabatur, insigne. præmiss. Tom. I. Inscript. Muratorii. ( Blackwall’s ) Enquiry of the Life and the Writings of Homer. Lond. 1736. 8. Alphons. Borelli de motu animalium, Romæ, 1680. 4. du Bos Reflexions sur la Poesie \& sur la Peinture, 4. edit. Paris, 1740. 12. Vol. 3. Io. Bapt. Braschius de tribus Statuis in Capitolio, Rom. 1724. 4. Io. Braunius de vestitu Sacerdotum He- bræorum, Amst. 1680. 4. T. 2. Iohn Breval’s Remarks on several Parts of Europe, Lond. 1726. fol. Io. Brodai Miscellaneorum Libri VI. v. in Gruteri Thes. Crit. T. I. p. 452. Corn. Bruyn Voyages au Levant, Paris, 1714. fol. C. Cabinet du Cardinal de Polignac, Paris, 1742. 8. Callimachus edit. Spanhemii, 8. Vol. 2. Gaetano Cambiagi Descrizione dell’Im- perial giardino di Boboli a Firenze, Firenz. 1757. 8. Petr. Mar. Canessarii de Atramentis cu- jusque generis, Roterod. 1718. 4. Guil. Canteri Novarum lectionum Libri IX. v. in Gruteri Thes. Crit. T. 2. p. 514. Iuvenel de Carlencas Essai sur l’hist. des belles lettres, Par. 12. Vol. 4. Franc. Carletti Viaggi nell’ Indie Occid. e Orientali, Firenze, 1701. 8. Is. Casauboni Notæ \& emendationes in Scriptores Historiæ Augustæ. acc. Sal- masii edit. horum Scriptor. Comte de Caylus Recueil d’Antiquités, Paris, 4. Vol. 3. — sur quelques passages de Pline, qui concernent les Arts. v. dans les Mem. de l’Acad. des Inscr. T. 19. — Dissertation sur la Sculpture. v. Ibid. T. 25. Cedreni Historiae , edit. Regia, Par. fol. Vol. 2. Chamillart Dissertations sur plusieurs Medailles \& Pierres gravées de son Cabinet, \& d’autres Monumens d’an- tiquité, Par. 1711. 4. Edm. Chishull Antiquitates Asiaticæ, Lond. 1728. fol. Mich. Choniatæ historiæ fragmentum. v. in Fabricii Bibl. Gr. T. 6. p. 406. du Choul della religione degli antichi Romani, in Lione, 1569. 4. Io. angefuͤhrter Buͤcher. Jo. Ciampini Vetera Monimenta, Romæ, 1747. fol. Vol. 3. Felice Ciatti Paradosso historico, Peru- gia, 1631. 4. Clementis Alexandrini Opera, edit. Pot- teri, Oxon. 1715. fol. Vol. 2. Geo. Codini delecta ex Originibus Con- stantinopolitanis, edit. Geo. Dousæ, Lugd. 1596. 8. Fabii Columnæ Purpura, Romæ, 1676. 4. Condivi Vita di Michel Angelo Buonar- roti, Roma, 1553. 4. Petr. Marcel. Corradini Vetus Latium profanum \& sacrum, Romæ, 1704. 4. T. 2. Eduard. Corsini Herculis quies \& expia- tio in Farnesiano marmore expressa, Romæ, fol. Cresolii Theatrum Rhetorum, Paris. 1620. 8. Gisb. Cuperi Observationum Libri III. Ultraj. 1670. 12. — Apotheosis Homeri, Amst. 1683. 4. — Dissert. de Elephantis. v. in Sal- lengre Thes. Antiq. T. 3. — Lettres, Amst. 1743. 4. D. Olivier Dapper Afrique, Amst. 1686. fol. Demetrius Phalereus de elocutione, Pa- ris. 1555. 8. Lud. Demontiosii Gallus Romæ hospes, Romæ, 1585. 4. Jean Bapt. Denis Recueil des Memoires \& Conferences qui ont été présentées au Dauphin, pendant l’an 1672. Pa- ris, 1672. 4. Descrizione delle Pitture, Statue, Busti e d’altre curiosità esistenti in Inghilter- ra a Wilton, nella Villa di Myl. Con- te di Pembroke, tradotta dall’ Ingle- se, Firenze, 1754. 8. Dicœarchi Geographia, edit. Hœschelii, Aug. Vind. 1600. 8. Edm. Dickinson Delphi phœnissantes. v. in Crenii Opusc. Fasc. I. Dio Cassius, edit. Hanov. 1606. fol. Dio Chrysostomus, edit. Paris. 1694. fol. Diodorus Siculus, edit. Wechel. Hanov. 1604. fol. Diogenes Laertius, edit. Menagii, Amst. 1692. 4. Vol. 2. Dionysii Halicarnass. Opera, edit. Hudso- nii, Oxon. 1704. fol. Dissertations sur diverses matieres de re- ligion \& de Philologie reeuillies par Tilladet, Par. 1712. 12. Vol. 2. Lodov. Dolce Dialogo della Pittura, inti- tolato l’Aretino, Vineg. 1557. 12. Alex. Donati Roma vetus \& recens, Amst. 1695. 4. ( Durand ) Histoire de la Peinture ancien- ne extraite de Pline, Londres, 1725. fol. E. Jac. Elsner Dissertation sur les Dieux Pa- taïques. v. dans les Mem. de l’Acad. des Scienc. de Berlin, l’an 1746. p. 379. Eusebii Præparatio Evangelica, edit. Rob. Steph. Lutet. 1544. fol. Eustathius in Homerum, edit. Romana, fol. Vol. 4. Excerpta Constantini Augusti Porphyro- genetæ ex Polybio, Diodoro Siculo \&c. cum vers. \& not. Henr. Valesii, Paris. 1634. 4. Explication d’une Inscription antique sur le retablissement de l’Odeum d’Athe- nes. v. dans les Mem. de l’Acad. des Inscr. T. 23. F. Raph. Fabretti Inscriptiones, Romæ, 1699. fol. Petr. Fabri Agonisticon, Lugd. 1595. 4. f 2 Geo. Verzeichniß Geo. Fabricii Antiquitatum Libri III. ex aere, marmoribus, saxis, membranisve veteribus collecti. acc. Ejusd. Romæ, Basil. 1587. 8. Etien. Falconet Reflexions sur la Scul- pture lues à l’Academie de Peinture \& de Sculpture, le 7. Juin 1760. Par. 1761. 12. Lucii Fauni de Antiquitatibus Urbis Ro- mæ, Venet. 1549. 8. Felibien Histoire des Architectes, Paris, 1687. 4. Franc. Ficoroni Osservazioni sopra il Diario Italico del P. Montfaucon, Ro- ma, 1709. 4. — Roma antica, ib. 1744. 4. — Memorie dell’ antico Labico, 1745. 4. Tomas Fiortifiocca Tita di Cola di Rien- zo, Bracciano, 1624. 12. Fleury Histoire ecclesiastique, edit. de Paris, 4. Justi Fontanini Antiquitates Hortæ, Ro- mæ, 1708. 4. Nic. Franco Dialogo della bellezza, Ve- nez. 1542. 8. Charl. du Fresnoy Art de peinture enri- chi de remarques de M. de Piles, Pa- ris, 1673. 12. G. Galeni Opera, græce, edit. Basil. fol. Vol. 5. Gasp. Gevartii Electorum Libri III. Lu- tet. 1619. 4. Alex. Gordon’s Essay towards explaining the hieroglyphies of a Mumy, Lond. 1737. fol. Jo. Gori Museum Etruscum, Florent. 1737. fol. Vol. 2. — Dactyliotheca Zanettiana, Venez. 1750. fol. Gravelle Recueil des Pierres gravées an- tiqu. Paris, 1732. 4. T. 2. Vincenz. Gravina della ragion poetica, Libri II. Roma, 1708. 4. John Greave Description des Piramides, dans le I. Tome du Recueil des Vo- yag. de Thevenot. Marq. Gudii Inscriptiones antiquæ, Leo- ward. 1731. fol. H. Hardion Dissertation sur l’ origine de la Rhetorique. v. dans les Mem. de l’ Acad. des Inscr. T. 14. Dan. Heinsii Scholæ Theocriticæ. acc. Theocrit. edit. Oxon. 1699. 8. Heliodori Æthiopica, edit. Bourdelotii, Lutet. 1619. 8. Herodotus , edit. Henr. Steph. 1570. fol. S. Hieronymi Opera, ed. Veron. fol. Vol. 5. Historiae Augustæ Scriptores VI. Cl. Sal- masius recensuit, addit. notis \& emen- dat. Is. Casauboni, Paris. 1620. fol. Luc. Holstenii Notæ in Steph. Byzanti- num, Lugd. Bat. 1684. fol. — Commentariolus in veterem pi- cturam Nymphæum referentem, Ro- mæ, 1676. fol. — Idem. v. in Grævii Thes. ant. Rom. T. 4. p. 1799. John Horsley Britannia Romana, Lond. 1732. fol. Dan. Huetii Demonstratio Evangelica, Paris. 1690. fol. Dav. Hume Essays and Treatises on se- veral subjects, Lond. 1735. 8. Vol. 4. Thom. Hunt Dissert. on the Proverbs of Salomon, Oxford, 1743. 4. — de antiquitate, elegantia, utilitate linguæ Arabicæ, ib. 1739. 4. Thom. Hyde de religone vet. Persarum, Edit. secunda, Oxon. 1760. 4. I. Josephi Opera, edit. Havercamp. Amst. 1726. fol. Vol. 2. Isidori angefuͤhrter Buͤcher. Isidori Origines \& Etymologiæ. v. in Gothofr. Auct. Lat. ling. p. 818. Hadr. Junii Animadversionum Libri VI. Basil. 1556. 8. K. Engelbr. Kampfer Histoire du Japon, la Haye, 1729. fol. Vol. 2. Ant. Kerkoëtii (Petavii) Mastigophorus, sive Elenchus confutationis quam Cl. Salmasius sub Franci I. C. nomine Animadversis Kerkoëtianis opposuit, Partes III. Paris. 1623. 8. L. Jo. Mar. Lancisii Physiologicæ Animad- versiones in Plinianam Villam nuper in Laurentino detectam. acc. Marsi- lii Diss. de generatione fungorum, Rom. 1714. fol. Paul. Leopardi Emendationum \& Miscel- laneorum Libri XX. Antv. 1568. 4. Lettre sur une pretendue Medaille d’Ale- xandre le Grand, Paris, 1704. 12. — seconde Lettre sur le meme su- jet, ibid. Fortun. Liceti Responsa de quæfitis per epistolas, Bononiæ, 1640. 4. Just. Lipsii Variar. Lectionum Libri III. Antv. 1611. 4. Paolo Lomazzo Trattato della Pittura, Scoltura \& Architett. Milano, 1585. 4. Petr. Marchese Lucatelli Museum Capi- tolinum, Roma, 1750. 4. Luciani Opera, edit. Reizii, 4. Vol. 3. Ant. Mar. Lupi Diss. \& Animadv. ad nu- perrimam Severæ Martyris Epita- phium, Panormi, 1734. 4. M. Macrobius ed. Pontani, Lugd. Bat. 1597. 8. Scip. Maffei Verona illustrata, Veron. fol. Lorenzo Magalotti Lettere, Firenze, 1721. 4. Hier. Magii Miscellaneorum Libri VI. Venet. 1564. 8. Mangault Diss. sur les honneurs divins qui ont été rendues aux Gouverneurs des Provinces pendant que la Republi- que Romaine subsistoit. v. dans les Mem. de l’Acad. des Inscr. T. 1. Jac. Manilli Descr. della Villa Borghe- se, Rom. 1650. 8. Jer. Marklandi Lectiones Lysiacæ. acc. Lysiæ, Lond. 1739. 4. p. 673. Barthol. Marliani Urbis Romæ Topo- graphia, Rom. 1544. fol. Jac. Martorelli Commentarius de Regia Theca Calamaria, Neapoli, 4. * Huius operis absoluti \& impressi edi- tioni Regia auctoritate interdictum est. Alex. Symm. Mazocchii Commentarii in æneas tabulas Heracleenses, Neapoli, 1754. fol. Maximi Tyrii Dissertationes, edit. Mark- landi, Lond. 1740. 4. Memoires de l’Academie des Inscriptions \& des belles lettres, edit. de Paris, 4. Memoire di varj escavazioni vivente San- ti Bartoli, giunte all’ ult. ediz. della Rom. ant. e mod. Jo. Meursii Roma luxurians, Hafniæ, 1631. 4. — Miscell. Laconica, Amst. 1661. 4. Paolo Minucci Note al Malmantile riac- quistato, v. Zipoli. Miscellanea Manuscripta Bibliothecæ Collegii Romani, Romæ, 1760. 8. T. 2. Monconys Voyages, Lyon, 1665. 4. Vol. 2. Domen. Montelatici Villa Borghese, Rom. 1700. 8. Motraye Voyages en Europe, Asie \& Afrique, la Haye, 1727. fol. Vol. 3. Musœi de Herus \& Leandri amoribus, cum Comment. Dan. Parei, Francof. 1627. 4. f 3 N. Verzeichniß N. Famiano Nardini Roma antica, Roma, 1704. 4. Nicomachi Geraseni Arithmeticorum Li- bri II. Paris. 1538. 4. Nikon’s Essay on a sleeping Cupid, Lond. 1755. 4. Nonni Dionysiaca, edit. prima Falken- burgii, Antv. ex offic. Plantin. 1569. 8. Lewis Norden’s Drawings of some Ruins and Colossal Statues at Thebes in E- gypt, with an account of the same in a letter to the Royal Society, 1741. 4. — Travels in Egypt and Nubia, en- larged with observations from antient and modern Authors, that have writ- ten on the Antiquities of Egypt, by Dr. Pet. Templeman , Lond. 1757. fol. Vol. 2. Henr. Norris Lettere, nel Tomo IV. dell’Opere sue. Nouveau Traité de Diplomatique, Paris, 4. Vol. 4. Nummi Pembrokiani, 1746. 4. Numismata maximi moduli ex Museo Card. Alex. Albani in Vaticanam Bi- bliothecam translata, \& a Rodulph. Venuto notis illustrata, Romæ, 1739. fol. Vol. 2. Jo. Paul. Nurra Diss. de varia lectione adagii Tinctura Sardiniaca , Florent. 1708. 4. O. Annib. Olivieri Marmora Pisaurensia no- tis illustrata, Pisanri, 1738. fol. — Diss. sopra alc. Medaglie Sanni- tiche. v. nelle Dissert. dell’ Acad. di Cortona, T. 2. p. 24. Onosandri Strategicus, ex edit. Nic. Ri- galtii, Lutet. 1599. 4. Jac. Phil. d’ Orville Animadv. in Chari- tonem Aphrodisiensem, T. 2. 4. P. Paul. Paciaudi Monumenta Peloponne- sia, Romæ, 1761. 4. Vol. 2. Jac. Palmerii Exercitationes in Auctores Græcos, Traj. ad Rhen. 1694. 4. Jo. Bapt. Passeri Lettere Roncagliesi. v. negl’ Opusc. Scientif. T. 22. Pausanias , edit. Kuhnii, Lips. 1699. fol. Sam. Petiti Miscellaneorum Libri IX. Paris. 1630. 4. Philonis Judæi Opera, edit. Mangey, fol. Vol. 2. Philostratorum Opera, edit. Olearii, Lips. 1709. fol. Photii Bibliotheca, Rothomag. 1653. fol. Laur. Pignorii Tabula Isiaca, Amstel. 1669. 4. — Symbolæ epistolicæ, Patav. 1629. 8. Plato , edit. Serrani, fol. Vol. 3. Plutarchi Opera, edit. Henr. Steph. 1572. 8. Vol. 6. Polybius , edit. Casauboni, Par. 1609. fol. Franc. Mar. Pratilli della Via Appia, Li- bri IV. Napoli, 1745. fol. Procopii historiarum sui temporis Libri VIII. Paris. 1662. fol. Q. Quintiliani Institutiones Oratoriæ, edit. Lugd. Bat. 1665. 8. R. Nic. Cph. Radzivilii Ierosolymitana pe- regrinatio, Antv. 1614. fol. Thom. Reinesii Inscriptiones, 1682. fol. Jo. Reinoldi Historia Litterarum Græca- rum \& Latinarum, Etonæ, 1752. 8. Hadr. Relandi Antiquitates Hebræorum, Traj. Bat. 1712. 12. Renaudot Diss. sur l’origine des Lettres Grecques. v. dans les Mem. de l’A- cad. des Inscr. T. 2. Riccobaldi Apologia del Diario Italico del P. Montfaucon, Venez. 1710. 4. Car. angefuͤhrter Buͤcher. Car. Riccoboni Commentarius de Histo- ria, Venet. 1568. 8. Paolo Ant. Rolli Poesie, Londra, 1717. 8. de la Roque Voyage dans la Palestine, Amst. 1718. 8. le Roy Ruines des plus beaux Monumens de la Grece, Paris, 1758. fol. Alb. Rubenii de re vestiaria veterum Li- bri II. Antv. 1665. 4. Phil. Rubenii Electorum Libri II. ibid. 1608. 4. Just. Rycquii de Capitolio Commentarius, Gandavi, 1617. 4. S. Cl. Salmasii Exercitationes in Solinum, Paris. 1629. fol. Vol. 2. — Notæ in Tertullianum de Pallio. — Confutatio Animadversionum Ant. Cercotii. (Petavii) Rob. de Sarno Vita Jo. Joviani Pontani, Neapoli, 1761. 4. Jul. Cæs. Scaligeri Poëtices Libri VII. 1561. fol. Jos. Scaligeri Opuscula, Paris. 1610. 4. Gian Grisost. Scarfò Lettera nella quale vengono espreß in rami e dilucidati va- rj antichi Documenti, Venez. 1739. 4. Vincenz. Scamozzi Discorsi sopra l’Anti- chità di Roma, Venez. 1582. fol. Franc. Schotti Itinerarium Italiæ Libri III. Antverp. 1625. 12. Christ. Gottl. Schwarzii Miscellanea po- litioris humanitatis, Norimb. 1721. 4. Scylacis Periplus, cum not. Is. Vossii, Amst. 1639. 4. Car. Sigonii de antiquo Jure provincia- rum Italiæ, Lutet. 1576. fol. Jac. Sirmondi vetustissima Inscriptio, qua L. Corn. Scipionis elogium contine- tur, Romæ nuper reperta \& explica- ta, Romæ, 1617. 4. Spectator, Lond. 1724. 12. Voll. 10. John Spence’s Polymetis, or an Enquiry concerning the agreement between the works of the Roman Poets, and the remains of the antient Artists, in Ten Books, London, 1747. fol. Jacq. Spon Disc. sur une piece antique \& curieuse de son Cabinet, Lyon, 1674. 12. Henr. Stephani de abusu linguæ Græcæ, 8. Strabo cum Comment. Is. Casauboni, Pa- ris. 1620. fol. Jean Struys Voyages, Amst. 1681. 4. Suetonius cum Animadvers. Is. Casauboni, Paris. 1610. fol. T. Tableaux du Cabinet du Roi, Statues, Bustes antiques des Maisons Royales, Paris, 1677. fol. Joh. Taylor Comment. ad Marmor Sand- vicense, Cantabr. 1743. 4. Henr. Testelin Sentimens sur la pratique de la Peinture, Par. 1680. fol. oblong. Hier. Tetii Ædes Barberinæ, Rom. fol. Themistii Orationes, cum not. Petavii \& Harduini, Paris. 1684. fol. Theodori Prodromi Epistolæ gr. \& lat. v. in Miscell. MS. Bibl. Coll. Rom. T.I. Theophrasti Eresii Opera omnia, edit. Dan. Heinsii, Lugd. Bat. 1613. fol. — Characteres Ethici cum Comment. Casauboni \& Prælect. Duporti, ex edit. Needham, Cantabr. 1712. 8. Jean Thevenot Recueil de divers Voyages, Part. III. Paris, 1666. fol. Vol. 3. Jo. Aug. Thuani Historia sui temporis, edit. Londini, fol. Vol. 7. Thucydides edit. Henr. Stephani, 1564. fol. Jo. Phil. Tomasini de Donariis \& Tabulis votivis, Utini, 1639. 4. Dan. Wilh. Trilleri Observationes criti- cæ, Francof. 1742. 8. George Turnbull’s Treatise of antient painting, Lond. 1740. fol. Adr. Verzeichniß angefuͤhrter Buͤcher. Adr. Turnebi Adversaria triginta libris distincta, Argentorati, 1604. fol. V. Jo. Vaillant Selectiora Numismata in aere maximi moduli, e Museo Franc. de Camps, Paris. 1694. 4. Pietro della Valle Viaggi, Roma, 1663. 4. Vol. 2. Terent. Varro de re rustica, edit. Aldi- na, Venet. 1533. 8. — Opera \& in eum Conjectanea Jos. Scaligeri, exc. Henr. Stephanus, 1573. 8. Georgio Vasari Vite de’ Pittori, Firenz. 1568. 4. Vol. 3. Andr. Vesalii de humani corporis fabrica Libri VII. Basil. 1555. fol. Petri Victorii Variæ Lectiones, Florent. 1553. fol. Jo. Vignola Diss. de anno Imp. Severi Alexandri, quem præfert cathedra mar- morea S. Hippolyti Episc. in Bibliothe- ca Vaticana, Romæ, 1712. Virgilii Catalecta \& aliorum Poetarum Latinorum vett. poematia, cum Com- ment. Jos. Scaligeri, Lugd. Bat. 1617. 8. Vitruvii Architectura, edit. Philandri, Lugduni, 1552. 4. — Vitruvio tradotto dal March. Be- rardo Galiani, Napoli, 1758. fol. Vincenz. Vittoria Osserv. sopra il libro della Felsina pittrice, per difesa di Raf- faelle da Urbino, 1703. 8. Gerh. Jo. Vossii Poeticarum Institutionum Libri III. Amst. 1647. 4. Fulv. Ursini Illustrium Imagines, Antv. 1606. 4. Jos. Roc. Vulpii Tabula Antiana e ruinis veteris Antii effossa, Romæ, 1726. 4. W. Horace Walpole Catalogue of the Royal and noble Authors of England, with Lists of their Works, print. at Straw- berry-hill, 1758. 8. Warburthon Essai sur les Hieroglyphes des Egyptiens, Paris, 1744. 12. Vol. 2. Watelet l’Art de peindre, Poeme avec des reflexions sur les differentes parties de la Peinture, Paris, 1760. 12. Dan. Webb’s Inquiry in to the beauties of painting, and into the merits of the most celebrated Painters antient and modern, London, 1760. 8. George Wheler’s Journey into Greece, Lond. 1682. fol. Jac. de Wilde Gemmæ antiquæ, Amst. 1692. 4. Jean Winckelmann Description des Pier- res gravées du Cabinet de Stosch, Flo- rence, 1760. 4. Wise Nummi Bodlejani, Oxon. fol. Herin. Witsii Ægyptiaca, Amst. 1696. 4. Marc. Wœldicke Meletema de lingua Grœnlandica. v. in Script. Acad. Haf- niensis, T. 2. p. 137. Edw. Wright’s Observations made in travelling through France, Italy \&c. Lond. 1730. 4. X. Xenophontis Opera, e theatr. Sheld. 8. Vol. 5. Z. Gio. Pietr. Zanotti Lettere familiari in difesa di Malvasia, Bologna, 1705. 8. Apostolo Zeno Lettere, Venez. 8. Vol. 3. Perlone Zipoli Malmantile riacquistato con le note di Lamoni e di Minucci, Firenze, 4. Feder. Zuccaro Idea de’ Pittori, Sculto- ri ed Archit. in due Libri, Torino, 1607. 4. Verzeich- Verzeichniß und Erklaͤrung der angebrachten Kupfer von niemals bekannt gemachten Werken der Kunst. No. 1. Auf dem Titelblatte stehen die fuͤnf Helden von den beruͤhmten Sieben in dem Feldzuge wider Theben, nach einem Carniole des Stoßischen Musei p. 344. gezeichnet. Dieser Stein, welcher vielleicht der seltenste und schaͤtzbarste in der Welt ist, wird im Dritten Capitel erklaͤret. No. 2. Ueber der Zuschrift stehen die Koͤpfe des Diomedes und des Ulysses, von einer alten Base in eben dem Museo genommen, und haben hier, als Bildnisse des kluͤgsten und des tapfersten Helden unter den Griechen vor Troja, ihre Deutung. No. 3. Zu Ende der Zuschrift ist eine erhobene Arbeit von Figuren fast in Lebensgroͤße, und auf derselben Bellerophon nebst dem Pegasus vorgestellet, als eine Deutung auf einen Herrn, welcher die schoͤnen Kuͤnste befoͤrdert, liebet und kennet. Die- ses Werk steht nebst andern Sieben von gleicher Groͤße in dem Pallaste Spada zu Rom, und alle acht Stuͤcke waren in der Zeit der Blindheit, mit der gear- beiteten Seite unterwerts gekehret, als Stufen der Treppe zu der Kirche St. Agnese außer Rom geleget, wo dieselben bey Ausbesserung dieser Treppe im vorigen Jahrhunderte gefunden wurden. No. 4. Zu Anfang der Vorrede steht eine erhobene Arbeit in der Villa des Herrn Cardinals Alex. Albani, deren Figuren an zwo Spannen hoch sind: es ist das- selbe im Vierten Capitel angefuͤhret. Diese Vorstellung muß bey den Alten sehr beliebt gewesen seyn: denn es findet sich dieselbe mehrmals wiederholet, und in gedachter Villa sind drey andere jenem voͤllig aͤhnliche Stuͤcke. No. 5. Zum Schluße der Vorrede steht ein Carniol des Stoßischen Musei p. 315. n. 6. und stellet den Prometheus vor, wie er einen Menschen bildet, und zwar eine Weibliche Figur, wie Hesiodus , und aus demselben Lucianus sagt. Dieser Stein deutet auf den Anfang der Kunst, und ist in dieser Absicht vor dem Ersten Capitel vorher gesetzet. Theogon. v. 572. Dial. Prometh. et Iov. p. 204. No. 6. Das Kupfer uͤber den Anfang des Ersten Capitels ist kein altes Denkmal, sondern ein Entwurf von verschiedenen derselben zusammen gesetzet, weil sich keine Vorstellung fand, die zur Deutung auf dieses Capitel bequem war. Es sind hier die aͤltesten Stuͤcke der Bildhauerey und Baukunst angedeutet. Das Stuͤck Saͤule ist von dem einen Tempel zu Pesto genommen, von welchen Ge- baͤuden ich in der Vorrede zu den Anmerkungen uͤber die Baukunst der Alten die erste Nachricht gegeben habe. Diese Tempel sind vermuthlich nicht lange g nach Verzeichniß und Erklaͤrung nach der zwey und siebenzigsten Olympias gebauet, und allem Ansehen nach aͤl- ter, als alles, was in Griechenland selbst von Gebaͤuden uͤbrig ist. Die Saͤule sollte Kegelmaͤßiger gehen, welches der Zeichner nicht beobachtet hat. Die lie- gende Statue ist von dem aͤltesten Aegyptischen Stile, und der baͤrtige Maͤnn- liche Sphinx ist von einem erhabenen Werke von gebrannter Erde, im Pallaste Farnese, genommen, wovon ich in der Beschreibung der Stoßischen geschnitte- nen Steine geredet habe, Préf. p. XVII. Das Gefaͤß ist von den sogenann- ten Hetrurischen, und stellet zwo Personen bey einem Grabmale, oder bey ei- nem Aschengefaͤße vor, in dem Museo Herrn Anton Raphael Mengs. No. 7. Ist wiederum Prometheus, wie er die Glieder des Menschen, welchen er bil- det, zusammen setzet, als eine Deutung auf den Anfang der Kunst. Dieser Stein ist auch in der Stoßischen Sammlung. No. 8. Zu Anfang des Zweyten Capitels steht der Sphinx an der Spitze des Obelisks der Sonnen, welchen Augustus nach Rom bringen ließ. Es liegt derselbe zer- brochen und vom Feuer sehr beschaͤdigt an dem Orte, wo er gefunden worden. Dieser Sphinx ist hier als eins der aͤltesten Werke der Aegyptischen Kunst an- gebracht, und ist der einzige im ganzen Alterthume mit Menschenhaͤnden; er haͤlt einen Obelisk. No. 9. Zu Ende dieses Capitels steht ein Werk, welches eine Nachahmung der Ae- gypter aus der Roͤmer Zeiten ist. Das Werk selbst ist nicht mehr vorhanden, und ist von einer Zeichnung in dem Museo des Herrn Cardinals Alex. Albani genommen: es ist in diesem Capitel erklaͤret. No. 10. Zu Anfang des Dritten Capitels stehen drey erhabene Figuren, Apollo, Diana und Mercurius, um einen runden Altar herum, im Campidoglio, und dieses ist ein wahrhaftes Hetrurisches Denkmal, wie von demselben in diesem Capitel angezeiget worden ist. No. 11. Ist Tydeus, einer von den Sieben Helden in dem Feldzuge wider Theben, von einem Carniole des Stoßischen Musei p. 348. gezeichnet. So wie der Al- tar fuͤr eins der aͤltesten Hetrurischen Werke gehalten werden kann, so ist dieser Stein einer der allerschoͤnsten Arbeiten ihrer Kuͤnstler. No. 12. Zu Anfang des Dritten Stuͤcks dieses Capitels ist ein sehr seltenes Campani- sches Gefaͤß in dem Museo Herrn Anton Raphael Mengs, welches eine Paro- die der Liebe des Jupiters und der Alcmena vorstellet, und an seinem Orte er- klaͤret ist. No. 13. Stellet die Form dieses Gefaͤßes vor zum Schlusse dieses Capitels. No. 14. Dem Vierten Capitel ist ein geschnittener Stein, und zwar einer der schoͤnsten aus dem Alterthume, vorgesetzet, zu einem allgemeinen Begriffe von der Griechi- schen Kunst. Es stellet derselbe den Theseus vor, welcher die von ihm erschla- gene Laja oder Phaya mit Reue und Mitleiden betrachtet. Plutarchus in dessen Leben gedenket dieser That nur im Vorbeygehen, und sonst keiner von allen al- ten Scribenten. Dieser Carniol war in dem Farnesischen Museo zu Neapel, und ist seit zwanzig Jahren aus demselben entwendet worden. No. 14. der angebrachten Kupfer. No. 15. Zu Ende des Ersten Stuͤcks dieses Vierten Capitels, steht der im vorigen Capitel angefuͤhrte Carniol, welcher den Vater des Achilles Peleus vorstellet, wie er dem Fluße Sperchion in Thessalien ein Geluͤbde machet, die Haare seines Sohns demselben zu geben, wenn jener gesund von Troja zuruͤck kommen wuͤrde. Ich habe diesen Stein zum Schlusse dieses Stuͤcks, als ein Denkmal der aͤltesten Kunst der Griechen, gesetzt, obgleich die Arbeit Hetrurisch ist, weil der Stil der Kuͤnstler beyder Voͤlker in den aͤltesten Zeiten einander sehr aͤhnlich war. No. 16. Zu Anfang des Zweyten Stuͤcks des Vierten Capitels von der Zeichnung und insbesondere von der Schoͤnheit, steht ein erhaben geschnittener Stein, wel- cher ehemals in dem Farnesischen Museo zu Neapel war, und seit einiger Zeit aus demselben ist entwendet worden. Es stellet derselbe den Bacchus nebst der Ariadne vor, und ich hatte diese Koͤpfe als Muster der Schoͤnheit gewaͤh- let. Man hat aber in dem Kupfer die hohen Begriffe derselben in diesen Koͤ- pfen nicht voͤllig erreichet, ohngeachtet dieses das dritte Kupfer ist, worinnen ich dieselben habe stechen lassen. No. 17. Zu Anfang des Dritten Stuͤcks dieses Vierten Capitels, stehen zwo der aͤl- testen Syracusischen Muͤnzen in Silber, von denen die eine in dem Stoßischen Museo war; die andere besitzet der Verfasser. Es zeigen dieselben den aͤltesten Griechischen Stil, mit dessen Erklaͤrung dieses Stuͤck anfaͤngt. No. 18. und 19. Sind zwey alte Gemaͤlde, welche vor der Abhandlung von der Malerey der Griechen in dem Fuͤnften Stuͤcke dieses Capitels stehen, wo dieselben erklaͤrt sind. No. 20. Das Kupfer, welches dem Fuͤnften Capitel vorgesetzet ist, ist ein Stuͤck von der Arbeit auf dem angefuͤhrten Cylindrischen Gefaͤße mit dem Namen des Roͤ- mischen Kuͤnstlers, aus den aͤltern Zeiten der Republik. Auf diesem Gefaͤße ist der Zug der Argonauten nach Colchis eingegraben, unter welchen auch Ca- stor und Pollux war. Da diese Griechischen Helden in Bebrycien anlandeten, foderte der Koͤnig Amycus daselbst einen von ihnen zum Zweykampf auf mit Schlagriemen, wie er allen ankommenden Fremden zu thun pflegte. Pollux, der in dieser Art von Kampf vor andern geuͤbet war, nahm es auf mit dem Amycus, und uͤberwand ihn. Die mehresten Scribenten wollen , daß die- ser Koͤnig auf dem Platze geblieben sey; der einzige Theocritus sagt , Pol- lux habe ihm das Leben geschenket. Unser Kuͤnstler muß einer andern Nachricht gefolget seyn, die verlohren gegangen ist: denn Amycus wird hier vom Pollux an einen Baum gebunden. Es findet sich auch anderwerts nicht, daß Pallas hier zugegen gewesen. Die Figur, welche sitzet, ist Castor mit einem Armbande, und mit einem Kranze, welches derjenige seyn wird, der ihm eigen war, und Stroppus genennet wurde. Die stehende Figur ist einer von den Argo- nauten. Ein Knabe liegt an dem Baume, welcher des Pollux Kleider verwah- ret, und sich aus Entsetzen vor der Strafe des Amycus in den Mantel eingehuͤl- let hat. Man sieht auf keinem alten Denkmale die Schlagriemen so schoͤn und deutlich: man findet auch, was sonst nicht vorkommt, Schuhe mit Ledernen Riemen uͤbergeschnuͤret, welche am Knoͤchel vermoͤge derselben enger und weiter g 2 konnten Verzeichniß und Erklaͤr. der angebrachten Kupfer. konnten gezogen werden. An dem Fersenleder der Schuhe des Castors stehen Spitzen hervor, welches Sporne sind: denn es liebete derselbe zu reiten. — — — — puerosque Ledae, Hunc equis, illum superare pugnis Nobilem. Hor. L. I. Od. 12. Halbe Stiefeln, wie des Amycus, sind noch itzo von eben der Form bey denen, welche um Rom auf die Jagd gehen, im Gebrauche. Apollon. Argonaut. L. 2. v. 97. Valer. Flac. Argon. L. 4. Apollod. Bibl. L. I. p. 30. b. l. 25. edit. Rom. Idyl. 23. Fest. v. Stroppus. No. 21. Zu Ende des Ersten Theils, scheint auf einem Deckelgefaͤße die Begebenheit vorgestellt zu seyn, welche Homerus in der Ilias B. 18. v. 369-467. erzaͤhlt. Als die Thetis zum Vulcan ins Haus kam, ihn um Waffen fuͤr den Achill zu bitten, eilte Charis, ihren Gemahl herbey zu holen. Vulcanus legte sogleich die Werkzeuge weg, kleidete sich an, und gieng, von zwo goldenen Sclavinnen, welche er belebt hatte, und die ihm in seinen Arbeiten halfen, zu beyden Seiten gefuͤhrt, zur Thetis. Dieses erklaͤrt die drey obersten Deckelfiguren. Die drey untersten scheinen Vulcan zu seyn, wie er, in Gegenwart seiner Gemahlinn, von der Thetis gebeten und geliebkoset wird. No. 22. Auf dem Titel des Zweyten Theils, ist eine Vorstellung des Jupiters auf ei- nem vierspaͤnnigen Wagen, wie er zween Giganten, oder Riesen, mit seinem Blitze erschlaͤgt. Der eine liegt schon darnieder; der andere aber, mit einem Stammholze in der Hand, will sich noch wehren. Die Giganten, welche allemal anstatt der Schenkel und Beine mit Schlangen gebildet werden, wollten die Tita- nen an dem Jupiter raͤchen. ( Apollod. Bibl. L. I. c. 6. Claudian. Gigantomach. ) Sie setzten Berge auf Berge, und stuͤrmten mit brennenden Eichen den Himmel. ( Ovid. Fast. L. 5. v. 35. Virg. Aen. L. 6. v. 380.). Dieses Werk ist in Cameo, von dem Kuͤnstler Athenion, wie der Name unten zeigt, im Schatze der Farnesen. No. 23. Vor dem Anfange des Zweyten Theils, steht eine erhobene Arbeit, deren Er- klaͤrung meistens darunter steht, und ausfuͤhrlicher im Ersten Theile auf der 290. u. f. S. zu finden ist. No. 24. Zu Ende des Zweyten Theils, wird Mercurius Criophorus vorgestellt, mit der Chlamys uͤber der linken Achsel, den Caduceum in der rechten, und einen Widderkopf auf einer Schuͤssel in der linken Hand haltend. Pausanias in Bœot. macht eine Beschreibung seiner Bildsaͤule, und sagt die Ursache von diesem Beyna- men Chriophorus. Denn man habe auf eine Nachricht desselben von einer Pesti- lenz, welche die Schafe betroffen, ihm einen Widder geopfert, den man zuvor in einem Umgange um die Stadt zur Versohnung herumgetragen. Dieses Fest soll darauf ihm zu Ehren bestaͤndig geseyert worden seyn. Ist eine Sarda, oder Car- niol, dem Mylord Carlisle gehoͤrig, von dem Kuͤnstler Dioskorides gearbeitet, des- sen Name am Rande steht. Geschichte Geschichte der Kunst. Geschichte der Kunst des Alterthums . Erster Theil. Untersuchung der Kunst nach dem Wesen derselben. Erstes Capitel. Von dem Ursprunge der Kunst, und den Ursachen ihrer Verschiedenheit unter den Voͤlkern. D ie Kuͤnste, welche von der Zeichnung abhaͤngen, haben, wie alle Er- Erstes Stuͤck I. Allgemeiner Begriff dieser Geschichte. findungen, mit dem Nothwendigen angefangen; nachdem suchte man die Schoͤnheit, und zuletzt folgete das Ueberfluͤßige: dieses sind die drey vornehmsten Stuffen der Kunst. Die I Theil. Erstes Capitel. Die aͤltesten Nachrichten lehren uns, daß die ersten Figuren vorgestellet, was ein Mensch ist, nicht wie er uns erscheint, dessen Umkreis, nicht dessen Ansicht. Von der Einfalt der Gestalt gieng man zur Untersuchung der Verhaͤltnisse, welche Richtigkeit lehrete, und diese machete sicher, sich in das Große zu wagen, wodurch die Kunst zur Großheit, und endlich unter den Griechen stuffenweise zur hoͤchsten Schoͤnheit gelangete. Nachdem alle Theile derselben vereinigt waren, und ihre Ausschmuͤckung gesuchet wurde, gerieth man in das Ueberfluͤßige, wodurch sich die Großheit der Kunst ver- lor, und endlich erfolgete der voͤllige Untergang derselben. Dieses ist in wenig Worten die Absicht der Abhandlung dieser Ge- schichte der Kunst. In diesem Capitel wird zum ersten von der anfaͤng- lichen Gestalt der Kunst allgemein geredet, ferner von der verschiede- nen Materie, in welcher die Bildhauerey arbeitete, und drittens von dem Einflusse des Himmels in die Kunst. II. Anfang der Kunst mit der Bildhauerey. Die Kunst hat mit der einfaͤltigsten Gestaltung, und vermuthlich mit einer Art von Bildhauerey angefangen: denn auch ein Kind kann einer weichen Masse eine gewisse Form geben, aber es kann nichts auf einer Flaͤche zeichnen; weil zu jenem der bloße Begriff einer Sache hinlaͤnglich ist, zum Zeichnen aber viele andere Kenntnisse erfordert werden: aber die Malerey ist nachher die Ziererinn der Bildhauerey geworden. III. Aehnlicher Ur- sprung dersel- ben bey ver- schiedenen Voͤlkern. Die Kunst scheint unter allen Voͤlkern, welche dieselbe geuͤbet haben, auf gleiche Art entsprungen zu seyn, und man hat nicht Grund genug, ein besonderes Vaterland derselben anzugeben: denn den ersten Saamen zum Nothwendigen hat ein jedes Volk bey sich gefunden. Aber die Erfindung der Kunst ist verschieden nach dem Alter der Voͤlker, und in Absicht der fruͤheren oder spaͤteren Einfuͤhrung des Goͤtterdienstes, so daß sich die Chal- daͤer oder die Aegypter ihre eingebildeten hoͤheren Kraͤfte, zur Verehrung, zei- tiger als die Griechen, werden sinnlich vorgestellet haben. Denn hier ver- haͤlt es sich, wie mit andern Kuͤnsten und Erfindungen, dergleichen das Purpur- Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Purpurfaͤrben ist, welche in den Morgenlaͤndern eher bekannt und getrieben wurden. Die Nachrichten der H. Schrift von gemachten Bildnissen sind Conf. Gerh. Voss. Instit. Poet. L. I. p. 31. weit aͤlter, als alles, was wir von den Griechen wissen. Die Bilder, wel- che aufaͤnglich in Holz gearbeitet, und andere, welche gegossen wurden, haben in der hebraͤischen Sprache, jedes seine besondere Benennung: die er- steren wurden mit der Zeit Esa. 30, 22. vergoldet, oder mit goldenen Blechen beleget. Diejenigen aber, welche von dem Ursprunge eines Gebrauchs, oder einer Kunst, und deren Mittheilung von einem Volke auf das andere re- den, irren insgemein darinnen, daß sie sich an einzelne Stuͤcke, die eine Aehnlichkeit mit einander haben, halten, und daraus einen allgemeinen Schluß machen; so wie Antiquit. Rom. L. 7. p. 458. Dionysius aus der Schaͤrfe um den Unterleib der Ringer bey den Griechen, wie bey den Roͤmern, behaupten will, daß diese von jenen hergekommen. In Aegypten bluͤhete die Kunst bereits in den aͤltesten Zeiten, und IV. Alterthum derselben in Aegypten. wenn v. Not. ad Tacit. An. L. 2. c. 60. p. 251. edit. Gronov. Vales. Not. ad Ammian. L. 17. c. 4. \& Warburth. Essay sur les Hierogl. p. 608. Sesostris an vierhundert Jahre vor dem Trojanischen Kriege gelebet hat, so waren in diesem Reiche die groͤßten Obelisken, die sich in Rom befinden, und Werke gemeldeten Koͤnigs sind, nebst den groͤßten Gebaͤu- den zu Theben, bereits aufgefuͤhret, da uͤber die Kunst bey den Griechen annoch Dunkelheit und Finsterniß schwebeten. Bey den Griechen hat die Kunst, ob gleich viel spaͤter, als V. Spaͤtere aber urspruͤngliche Kunst bey den Griechen. Steine und Saͤulen die ersten Bilder. in den Morgenlaͤndern, mit einer Einfalt ihren Anfang genommen, daß sie, aus dem was sie selbst berichten, von keinem andern Volke den ersten Saamen zu ihrer Kunst geholet, sondern die ersten Erfinder schei- nen koͤnnen. Denn es waren schon dreyßig Gottheiten sichtbar verehret, da man sie noch nicht in menschlicher Gestalt gebildet hatte, und sich be- A 3 gnuͤgete, I Theil. Erstes Capitel. gnuͤgete, dieselben durch einen unbearbeiteten Klotz, oder durch viereckigt e Steine, wie die Maxim. Tyr. Diss. 8. §. 8. p. 87. Clem. Alex. Cohort. ad Gent. c. 4. p. 40. Araber und Apollon. Argon. L. 2. v. 1176. Amazonen thaten, anzudeuten. So war Pausan. L. 7. p. 579. l. 32. conf. L. 8. p. 665. l. 28. p. 666. l. 27. p. 671. l. 21. die Juno zu Thespis, und die Diana zu Icarus gestaltet. Diana Patroa, Id. L. 2. p. 132. l. 39. und Jupiter Milichus zu Corinth waren, wie Max. Tyr. \& Clem. Alex. ll. cc. die aͤlteste Venus zu Paphos, nichts anders, als eine Art Saͤulen. Bacchus wur- de in Gestalt Conf. Schwarz, Miscel. polit. humanit. p. 67. einer Saͤule verehret, und selbst Pausan. L. 9. p. 761. l. 31. die Liebe und Id. L. 9. p. 786. l. 16. die Gratien wurden bloß durch Steine vorgestellet. Daher bedeutete das Wort Saͤule (κιών) auch noch Epigr. ap. Codin. Orig. Constant. p. 19. in den besten Zeiten der Griechen eine Statue. Castor und Pollux hatten bey den Spartanern die Gestalt Plutarch. de amore fraterno, init. p. 849. edit. Steph. von zwey Parallel-Hoͤlzern, welche durch zwey Queer-Hoͤlzer verbunden waren; und diese uralte Bildung derselben erscheint in Conf. Palmer. Exercit. in Auct. Græc. p. 223. dem Zeichen II , wodurch diese Zwillinge in dem Thierkreise angedeutet werden. VI. Anwachsende Bildung einer Figur durch den Kopf. Auf besagte Steine wurden mit der Zeit Koͤpfe gesetzet; unter vielen andern war ein solcher Pausan. L. 8. p. 671. l. 22. Neptunus zu Tricoloni, und Ibid. p. 698. l. 2. ein Jupiter zu Tegea, beyde in Arcadien: denn in diesem Lande war man unter den Grie- chen mehr als anderswo Ibid. l. c. bey der aͤltesten Gestalt in der Kunst geblieben. Es offenbaret sich also in den ersten Bildnissen der Griechen eine urspruͤngli- che Erfindung und Zeugung einer Figur. Auf Goͤtzen der Heiden, die von Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. von der menschlichen Gestalt nur allein den Kopf gehabt haben, deutet auch Ps. 135. v. 16. die H. Schrift. Viereckigte Steine mit Koͤpfen, wurden bey den Grie- chen, wie bekannt ist, Hermaͤ , das ist, Scylac. Peripl. p. 52. l. 19. Suid. v. Ἕρμα. Der Name Hermes, Mercurius, dem der- gleichen Steine, wie man vorgiebt, zuerst sollen gesetzt worden seyn, wuͤrde auch nach dessen Herleitung beym Plato Cratyl. p. 408. B. jenem nichts angehen. große Steine genennet, und von ihren Kuͤnstlern bestaͤndig beybehalten Ἀνδριὰς Πανδίονος beym Aristoph. Pac. v. 1183. war eine solche Herma, und eine von zwoͤlf andern zu Athen, an welche die Verzeichnisse der Soldaten aufgehaͤnget wurden, und kann also keine Saͤule bedeuten, wie es die Uebersetzer gegeben haben. . Von diesem ersten Entwurfe und Anlage einer Figur koͤnnen wir der VII. Durch Anzei- ge des Ge- schlechtes. anwachsenden Bildung derselben, aus Anzeigen der Scribenten und aus al- ten Denkmaalen, nachforschen. An diese Steine mit einem Kopfe merkete man nur auf dem Mittel derselben den Unterschied des Geschlechts an, wel- ches ein ungeformtes Gesicht im Zweifel ließ. Wenn gesaget wird, daß Eumarus von Athen Plin. l. 35. c. 34. p. 690. den Unterschied des Geschlechts in der Malerey zu erst gezeiget habe, so ist dieses vermuthlich von der Bildung des Gesichts im jugendlichen Alter zu verstehen: dieser Kuͤnstler hat vor dem Romulus, und nicht lange nach Wiederherstellung der olympischen Spiele durch den Iphitus, gelebet. Endlich fieng Daͤdalus an, wie die gemeineste Meynung ist, die un- VIII. Durch Ge- staltung der Beine durch den Daͤdalus. terste Haͤlfte dieser Bildsaͤulen in Gestalt der Beine von einander zu sondern; und weil man nicht verstand, aus Stein eine ganze menschliche Figur hervor- zubringen, so arbeitete dieser Kuͤnstler in Holz, und von ihm sollen die ersten Statuen den Namen Daͤdali bekommen haben. Von den Werken dieses Kuͤnstlers giebt die Meynung der Bildhauer von Socrates Zeit, welche er anfuͤhret, einigen Begriff; wenn Daͤdalus, saget er, wieder aufstehen soll- te, und arbeiten wuͤrde, wie die Werke sind, die unter dessen Namen gehen, wuͤrde er, wie die Bildhauer sagen, laͤcherlich werden. Die I Theil. Erstes Capitel. IX. Aehnlichk. der ersten Figuren bey den Aegy ptern, Hetru- riern und Griechen. Die ersten Zuͤge dieser Gestalten bey den Griechen waren einfaͤltig und mehrentheils gerade Linien, und unter Aegyptern, Hetruriern und Griechen wird beym Ursprunge der Kunst unter jedem Volke kein Unterschied gewesen seyn; wie dieses auch Diodor. Sic. L. I. p. 87. l. 35. Strab. Geogr. L. 17. p. 806. die alten Scribenten bezeugen: und dieses sieht man Paciaudi Monum. Pelopon. T. 2. p. 51. an der aͤltesten griechischen Figur von Erzt in dem Museo Nani zu Vene- dig, mit der Schrift auf dessen Base: . Auch in dieser platten Art zu zeichnen lieget der Grund von der Aehnlichkeit der Augen an Koͤpfen, auf den aͤltern griechischen Muͤnzen, und an aͤgypti- schen Figuren; jene sind wie diese platt und laͤnglich gezogen Dergleichen Augen hat vermuthlich Diodorus Hist. L. 4. anzeigen wollen, wo er von den Figuren des Daͤdalus redet: er saget, dieser Kuͤnstler habe dieselben gebildet ὄμμασι μεμυκότα, welches die Uebersetzer gegeben haben; luminibus clausis, mit zu- geschlossenen Augen . Dieses ist nicht wahrscheinlich: denn wenn er hat Augen machen wollen, wird er sie offen gemachet haben. Es ist auch die Uebersetzung ganz und gar wider die eigentliche und bestaͤndige Bedeutung des Worts μεμυκὼς, welches mit den Augen blinzen, nictare, und im Ital. sbirciare heißt, und mit con- niventibus oculis muͤßte ausgedruͤcket werden. Μεμυκότα χάλεα beym Non. Dionys. I. 4. p. 75. v. 8. sind halb eroͤffnete Lippen. . Die ersten Ge- maͤlde hat man sich als Monogrammen, wie Epicurus die Goͤtter nennete, das ist, wie einlinichte Umschreibungen des Schattens eines Menschen vor- zustellen. X. Groͤßere Wahrschein- lichkeit fuͤr die Mittheilung der Kunst von den Phoͤni- ciern als von den Aegyptern an die Grie- chen. Es fuͤhreten also die ersten Linien und Formen in der Kunst selbst, zur Bildung einer Art Figuren, welche man insgemein Aegyptische nennet. Es haͤtten auch die Griechen nicht viel Gelegenheit gehabt, in der Kunst etwas von den Aegyptern zu erlernen: denn vor dem Koͤnige Psammeti- chus war allen Fremden der Zutritt in Aegypten versaget, und die Griechen uͤbeten die Kunst schon vor dieser Zeit. Die Absicht der Reisen, welche die Griechischen Weisen nach Aegypten thaten, gieng vornehmlich Strab. L. 10. p. 482. C. Plutarch. Solon. p. 146. l. 28. auf die Re- gierungsform dieses Landes. Es waͤre fuͤr diejenigen, welche alles aus den Morgenlaͤndern herfuͤhren, mehr Wahrscheinlichkeit auf Seiten der Phoͤ- nicier, Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. ciern, mit welchen die Griechen sehr zeitig Verkehr hatten, von welchen diese auch durch den Cadmus ihre ersten Buchstaben sollen bekommen haben. Mit den Phoͤniciern standen in den aͤltesten Zeiten, vor dem Cy- rus, auch die Hetrurier, welche Pausan. L. 10. p. 836. l. 2. maͤchtig waren zur See, in Buͤndniß, wovon unter andern die gemeinschaftliche Flotte, Herodot. L. 1. p. 43. l. 3. welche sie wider die Phocaͤer ausruͤsteten, ein Beweis ist. Es war unter den Kuͤnstlern dieser Voͤlker ein gemeiner Gebrauch, ihre XI. Aehnlicher Gebrauch bey gedachten drey Voͤlkern die Figuren mit Schrift zu bezeichnen. Werke mit Schrift zu bezeichnen: die Aegypter setzten dieselbe auf die Base und an die Saͤule an welcher die Figuren stehen, die aͤltesten Griechen aber, wie die Hetrurier, auf die Figur selbst. Auf Pausan. L. 5. p. 450. l. 12. dem Schenkel der Statue eines Olympischen Siegers zu Elis standen zween Griechische Verse, und Id. L. 5. p. 448. an der Seite eines Pferdes, an eben diesem Orte, von einem Dionysius aus Argos verfertiget, war eine Inschrift gesetzet; so gar Myron setzte noch seinen Namen Cic. Verr. 4. c. 43. auf dem Schenkel eines Apollo, mit eingelegten sil- bernen Buchstaben; und im fuͤnften Capitel werde ich von einer noch vor- handenen Statue in Erzt reden, welche ebenfalls auf dem Schenkel eine Roͤ- mische Inschrift hat. Die alleraͤlteste Gestalt der Figuren war bey den Griechen auch in XII. Erklaͤrung der Aehnlichkeit der Aegypti- schen und Griechischen aͤltesten Figu- ren. Stand und Handlung den Aegyptischen aͤhnlich, und Strabo bezeichnet das Gegentheil durch ein Wort, welches eigentlich Geogr. L. 15. p. 948. ‒ ἐν παραλίᾳ τῆς νήσου Σάμου ‒ ἐν μἐν ἀρχαίοις (τῶν αῶν) ἀρχαῖά ἐςι ξόανα, ἐν δὲ ταῖς ὕςερον Σκολιὰ ἔργα. verdrehet heißt, und bey ihm Figuren bedeutet, welche nicht mehr, wie in den aͤltesten Zeiten, voͤl- lig gerade, und ohne alle Bewegung waren, sondern in mancherley Stel- lungen Winckelm. Gesch. der Kunst. B I Theil. Erstes Capitel. lungen und Handlungen standen. In dieser Absicht werden Pausan. L. 8. p. 682. die Statue eines Ringers, mit Namen Arrachion, aus der 54. Olympias, und Caylus Rec. d’Ant. T. 2. pl. 39. eine andere im Campidoglio, aus schwarzem Marmor, angefuͤhret, weil an jener, so wie an dieser, die Arme laͤngst an den Huͤften herunter hiengen. An jener Statue aber kan dieser Stand, wie an einer, die dem beruͤhmten Milo von Croton gesetzet war, seine besondere Bedeutung gehabt haben; und uͤberdem war dieselbe in Arcadien gearbeitet, wo die Kunst nicht ge- bluͤhet hat. Die andere scheinet eine Isis vorzustellen, und ist eine von den Figuren, welche Kaiser Hadrian, in dessen Villa bey Tivoli dieselbe ge- funden worden, als eine Nachahmung Aegyptischer Werke machen lassen, und von welcher im folgenden Capitel geredet wird. XIII. Eigenschaft des aͤltesten Stils der Zeichnung. Aus den geraden Linien der ersten Bildungen, bey welchen die Aegypter blieben, lehrete die Wissenschaft die Hetrurischen und Griechischen Kuͤnstler herausgehen. Da aber die Wissenschaft in der Kunst vor der Schoͤnheit vorausgehet, und als auf richtige strenge Regeln gebauet, mit einer ge- nauen und nachdruͤcklichen Bestimmung zu lehren anfangen muß, so wurde die Zeichnung regelmaͤßig, aber eckigt, bedeutend, aber hart, und vielmahls uͤbertrieben; auf eben die Art, wie sich die Bildhauerey in neuern Zeiten durch Michael Angelo verbessert hat. Arbeiten in diesem Stil haben sich auf erhabenen Werken in Marmor, und auf geschnittenen Steinen erhal- ten, welche an ihrem Orte angezeiget werden; und dieses war der Stil, welchen Diod. Sic. \& Strabo ll. cc. die angefuͤhrten Scribenten mit dem Hetrurischen vergleichen, und welcher, wie es scheinet, der Aeginetischen Schule eigen blieb: denn die Kuͤnstler dieser Insel, welche Herodot. L. 8. p. 301. l. 39. von Doriern bewohnet war, scheinen bey dem aͤltesten Stil am laͤngsten geblieben zu seyn. Das Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Das zweyte Stuͤck dieses Capitels, die Materie, in welcher die Bild- Zweytes Stuͤck hauerey gearbeitet, zeiget die verschiedenen Stuffen derselben, so wie die Bildung und Zeichnung selbst. Die Kunst und die Bildhauerey fiengen an mit Thon, hierauf schnitzete man in Holz, hernach in Elfenbein, und endlich machte man sich an Steine und Metall. Die erste Materie der Kunst, den Thon, deuten selbst die alten Spra- I. Erste Materie der Kuͤnstler, der Thon. chen an: denn die Arbeit des Toͤpfers und des Bilders wird v. Gusset. Comment. L. Hebr. v. יזצד durch eben dasselbe Wort bezeichnet. Es waren noch zu Pausanias Zeiten in ver- schiedenen Tempeln Figuren der Gottheiten von Thon: als zu Pausan. L. 7. p. 580. l. 30. Tritia in Achaja, in dem Tempel der Ceres und Proserpina; in einem Tempel des Bacchus zu Athen war Id. L. 1. p. 7. l. 15. Amphictyon, wie er nebst andern Goͤttern den Bacchus bewirthete, ebenfalls von Thon; und eben daselbst auf der Halle, Ceramicus, von irrdenen Gefaͤßen oder Figuren also genannt, stand The- seus, wie er den Sciron ins Meer stuͤrzete, und die Morgenroͤthe, welche den Cephalus entfuͤhrete, beyde Werke Ibid. p. 8. l. 10. von Thon. Die Bilder aus Thon wurden mit Plin. L. 35. c. 45. rother Farbe bemalet, und zuweilen, wie sich an ei- nem alten Der Verfasser besitzet diesen Kopf, welcher in dem alten Tusculo gefunden worden ist. Kopfe von gebrannter Erde zeiget, ganz roth uͤberstrichen: von den Figuren Plin. L. 23. c. 3. des Jupiters wird es ins besondere gesaget, und in Arcadien war ein solcher zu Pausan. L. 8. p. 681. lin. ult. Phigalia auch Virg. Eclog. 19. v. 27. Pan wurde roth bemalet. Eben dieses geschiehet noch itzo Della Valle Viag. T. 1. p. 28. von den Indianern. Es scheinet, daß da- her der Beyname der Ceres Pind. Olymp. 6. v. 126. φοινιϰόπεζα, die Rothfuͤßige, gekommen sey. Der Thon blieb auch nachher so wohl unter, als nach dem Flor II. Gemalte Ge- faͤße von Thon. der Kunst ein Vorwurf derselben, theils in erhobenen Sachen, theils B 2 in I Theil. Erstes Capitel. in gemalten Gefaͤßen. Jene wurden nicht allein in die Friesen der Gebaͤude angebracht, sondern sie dieneten auch den Kuͤnstlern zu Modellen, und um sie zu vervielfaͤltigen, wurden sie in eine vorherzu- bereitete Form abgedrucket; wovon die haͤufigen Ueberbleibsel einer und eben derselben Vorstellung ein Beweis sind. Diese Abdruͤcke wurden von neuem mit dem Modellier-Stecken nachgearbeitet, wie man deutlich siehet, und der Verfasser besitzet selbst einige Stuͤcke dieser Art. Die Modelle wurden zuweilen auf ein Seil gezogen, und in den Werkstellen der Kuͤnst- ler aufgehaͤnget: denn einige haben ein dazu gemachtes Loch in der Mitten. Man findet unter diesen Modellen ganz besondere Vorstellungen. Die v. Montfauc. Ant. expl. T. 2. pl. 2. n. 1. vermeynte Pythische Priesterinn ist ein solches Werk in gebrannter Erde. An den feyerlichen Festen Dicaearch. Geogr. p. 168. l. 15. conf. Meurs. de Fest. Graec. , die zum Gedaͤchtnisse des Daͤdalus gehalten wurden, in Boeotien so wohl, als in den Staͤdten um Athen, und na- mentlich zu Plateaͤa, setzten die Kuͤnstler dergleichen Modelle oͤffent- lich aus. Von der andern Art Denkmale der Arbeit in Thon, nemlich von der Alten ihren bemalten Gefaͤßen, sind uns so wohl Hetrurische, als Griechi- sche uͤbrig, wie unten mit mehren wird gedacht werden. Der Gebrauch irrdener Gefaͤße blieb von den aͤltesten Zeiten her conf. Brodaei Miscel. L. 5. c. 19. in heiligen und Got- tesdienstlichen Verrichtungen, nachdem sie durch die Pracht im buͤrgerlichen Leben abgekommen waren. Jene gemalten Gefaͤße waren bey den Alten an statt des Porcellans, und dieneten zum Zierrath, nicht zum Gebrauch: III. Die zweyte Art Figuren in Holz. denn es finden sich einige, welche keinen Boden haben. Aus Holz wurden, so wie die Gebaͤude, also auch Pausan. L. 2. p. 152. l. 32. die Statuen, eher als aus Stein und Marmor, gemachet. In Aegypten werden noch itzo von ihren alten Figuren von Holz, welches Sycomorus ist, gefunden; es fin- den Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. den sich dergleichen in vielen Museis. Pausanias L. 8. p. 633. l. 32. machet die Arten von Holz namhaft, aus welchen die aͤltesten Bilder geschnitzet waren; und es waren noch zu dessen Zeiten an den beruͤhmtesten Orten in Griechenland Statuen von Holz. Unter andern war zu Megalopolis in Arcadien eine sol- che Ibid. 8. p. 665. Juno, Apollo und die Musen, ingleichen Id. L. 8. p. 665. l. 15. eine Venus, und ein Mercurius von Damophon, einem der aͤltesten Kuͤnstler. Es ist auch eine Statue von Holz aus einem Stuͤcke, in dem Tempel des Apollo zu De- los, davon Pyth. 5. v. 53. Pindarus gedenket, anzufuͤhren. Besonders sind zu merken Hilaira und Phoebe zu Theben, nebst den Pferden des Castor und Pollux Pausan. L. 2. p. 161. l. 34. aus Ebenholz und Elfenbein, vom Dipoenus und Scyllis, des Daͤdalus Schuͤlern, und Id. L. 8. p. 708. ad fin. eine solche Diana zu Tegea in Arcadien, aus der aͤltesten Zeit der Kunst, und ingleichen Idem L. 1. p. 85. l. 24. eine Statue des Ajax zu Salamis. Pausanias glaubet, daß schon vor dem Daͤdalus Sta- tuen von Holz Id. L. 9. p. 616. Daͤdala genennet worden. Zu Sais und zu Theben in Aegypten waren Herodot. L. 2. p. 95. l. 35. Colossalische Statuen von Holz. Wir finden, daß noch Siegern in der ein und sechzigsten Olympias Pausan. L. 6. p. 497. l. 15. hoͤlzerne Statuen aufgerichtet worden; ja der beruͤhmte Myron zur Zeit des Phidias, machte Pausan. L. 2. p. 180. l. 30. eine Hecate von Holz zu Aegina. Diagoras, welcher unter den Got- tesverlaͤugnern des Alterthums beruͤhmt ist, kochete sich sein Essen bey einer Figur des Hercules, da es ihm an Holze fehlete Schol. ad a ristoph. Nub. v. 828. . Mit der Zeit vergol- dete man die Figuren, wie Herodot. L. 2. p. 71. l. 28. unter den Aegyptern so wohl, als unter den Griechen geschahe; von Aegyptischen Figuren, welche vergoldet gewesen, hat v. Mus. Etr. T. I. p. 51. Gori zwo besessen. Zu Rom wurde eine Dionys. Halic. Ant. R. L. 4. p. 234. l. 31. Fortuna Virilis, B 3 die I Theil. Erstes Capitel. die von Zeiten Koͤnigs Servius Tullius, und vermuthlich von einem Hetru- rischen Kuͤnstler war, noch unter den ersten Roͤmischen Kaisern verehret. III. Ferner in Elfenbein. In Elfenbein wurde schon in den aͤltesten Zeiten der Griechen ge- schnitzet, und Homerus redet von Conf. Pausan. L. 1. p. 30. Casaub. ad Spartian. p. 20. E. Degengriffen, von Degenscheiden, ja von Betten, und von vielen andern Sachen, welche daraus gemacht waren. Die Dionys. Halic. Ant. R. L. 3. p. 187. l. 25. L. 4. p. 257. l. 29. Stuͤhle der ersten Koͤnige und Consuls in Rom waren gleichfalls von Elfenbein, und ein jeder Roͤmer, welcher zu derjenigen Wuͤr- de gelanget war, die diese Ehre genoß, hatte Liv. L. 5. c. 41. seinen eigenen Stuhl von Elfenbein; und auf solchen Stuͤhlen Polyb. L. 6. p. 495. lin. ult. saß der ganze Rath, wenn von den Rostris auf dem Markte zu Rom eine Leichenrede gehalten wurde. Es waren so gar Dionys. Hal. l. c. L. 7. p. 458. l. 39. die Leyern der Alten aus Elfenbein gemachet. In Grie- chenland waren an hundert Statuen von Elfenbein und Golde, die meh- resten aus der aͤlteren Zeit, und uͤber Lebensgroͤße: so gar in einem gerin- gen Flecken in Arcadien war Strab. Geogr. L. 8. p. 337. D. ein schoͤner Aesculapius, und Pausan. L. 7. p. 594. l. 29. auf der Landstraße selbst, nach Pellene, in Achaja, war in einem Tempel der Pal- las, ihr Bild, beyde von Elfenbein und Golde. In einem Tempel zu Cyzicum, an welchem die Fugen der Steine mit goldenen Leistgen gezieret waren, stand Plin. L. 36. c. 22. ein Jupiter von Elfenbein, den ein Apollo von Marmor kroͤnete; auch zu Propert. L. 4. el. 7. v. 82. Tivoli war ein solcher Hercules. Herodes Atticus, der beruͤhmte und reiche Redner zur Zeit der Antoniner, ließ zu Corinth in dem Tempel des Neptunus einen Wagen mit vier vergoldeten Pferden se- tzen, an welchen der Huf von Pansan. L. 2. p. 113. l. 1. Elfenbein war. Von Elfenbein von Statuen Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Statuen hat sich niemals, in so vielen Entdeckungen, die geringste Spur gefunden, einige ganz kleine Figuren ausgenommen, weil Elfenbein sich in der Erde calciniret, wie Zaͤhne von andern Thieren, nur die Wolfszaͤhne nicht Es hat jemand in Rom einen Wolfszahn, auf welchem die zwoͤlf Goͤtter gearbeitet sind. . Zu Tyrinthus in Arcadien war eine Cybele von Gold, das Ge- sicht aber war aus Zaͤhnen Pausan. L. 8. p. 694. l. 32. vom Hippopotamus zusammen gesetzet. Der erste Stein, aus welchem man Statuen machete, scheinet eben V. Hierauf in Stein, und erstlich in dem jedem Lande eigenen. derjenige gewesen zu seyn, wovon man die aͤltesten Gebaͤude in Griechen- land, wie Id. L. 5. p. 397. lin. ult. der Tempel des Jupiters zu Elis war, auffuͤhrete, nemlich eine Art Toff-Stein, welcher weißlicht war. Plutarchus gedenket Vit. Rhet. Andocid. p. 1535. l. 14. eines Silenus in diesem Steine. Zu Rom gebrauchete man auch den Travertin hierzu, und es findet sich eine Consularische Statue in der Villa des Hrn. Cardiuals Alex. Albani, eine andere in dem Pallaste Altieri, in Campi- telli, welche sitzet, und auf dem Knie eine Tafel haͤlt, und eine weibliche Figur, so wie jene in Lebensgroͤße, mit einem Ringe am Zeigefinger, in der Villa des Marchese Belloni. Dieses sind die drey Figuren aus diesem Steine in Rom. Figuren von solchen geringen Steinen pflegten um die Graͤber zu stehen. Aus Marmor machete man anfaͤnglich zu erst Kopf, Haͤnde und Fuͤße VI. In Marmor, und anfaͤng- lich die aͤußern Theile der Fi- gur. Von uͤbermalten Statuen. an Figuren von Holz, wie Pausan. L. 7. p. 582. l. 33. eine Juno, und Id. L 8. p. 665. l. 16. Venus von Damophon, einem der aͤltesten beruͤhmten Kuͤnstler, waren; und diese Art war noch zu des Phidias Zeiten in Gebrauch: denn Pausan. L. 8. p. 665. l. 16. seine Pallas zu Plateaͤa war also gearbeitet. Solche Statuen, an welchen nur die aͤussersten Theile von Stein waren, wurden Vitruv. L. 2. c. 8. p. 59. l. 19. Acrolithi genennet: dieses ist die Bedeutung dieses Worts, welche Not. ad Script. Hist. Aug. p. 322. E. Salmasius und Triller. Observ. Crit. L. 4. c. 6. Paciaud. Monum. Pelop. Vol. 2. p. 44. andere nicht gefunden haben. Plinius I Theil. Erstes Capitel. Plinius merket an, L. 36. c. 4. p. 724. l. 15. daß man allererst in der funfzigsten Olympias ange- fangen habe, in Marmor zu arbeiten, welches vermuthlich von ganzen Figuren zu verstehen ist. Zuweilen wurden auch marmorne Statuen mit wirklichem Zeuge bekleidet, wie eine Pausan. L. 7. p. 590. l. 15. Ceres war, zu Bura in Achaja; ein sehr alter Aesculapius Id. L. 2. p. 137. l. 4. zu Sicyon hatte gleichfalls ein Gewand. Dieses gab nachher Gelegenheit, daß man an Figuren von Marmor die Beklei- dung ausmalete, wie eine Diana zeiget, welche im Jahre 1760. im Her- culano gefunden worden. Es ist dieselbe vier Palme und dritthalb Zoll hoch, mit einem Kopfe, welcher nicht Idealisch ist, sondern eine bestimm- te Person vorstellet. Die Haare von derselben sind blond, die Veste weiß, so wie der Rock, an welchen unten drey Streifen umher laufen; der un- terste ist schmal und goldfarbig, der andere breiter, von Lack-Farbe, mit weißen Blumen und Schnirkeln auf demselben gemalet; der dritte Streif ist von eben der Farbe. Die Statue, welche Corydon beym Eclog. 7. v. 31. Vir- gilius der Diana gelobete, sollte von Marmor seyn, aber mit rothen Stiefeln. In schwarzen Steinen, es sey Marmor oder Basalt, arbeiteten bereits die aͤltesten Griechischen Bildhauer: eine Diana Id. L. 10. p. 891. l. 1. zu Ambryßus in der Land- schaft Phocis, von einem Aeginetischen Kuͤnstler, war aus solchem Steine. In wirklichen Basalt arbeiteten die Griechen so wohl, als die Aegypter; wovon unten wird gehandelt werden. VII. In Erzt. In Erzt muͤßte man in Italien weit eher, als in Griechenland, Sta- tuen gearbeitet haben, wenn man dem Pausanias folgen wllote. Dieser L. 8. p. 629. l. 2. L. 9. p. 796. l. 1. L. 10. p. 896. l. 19. machet die ersten Kuͤnstler in dieser Art Bildhauerey, einen Rhoecus und Theodorus aus Samos, namhaft. Dieser letzte hatte den beruͤhmten Stein des Polycrates geschnitten, welcher zur Zeit des Croesus, also etwa um Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. um die sechzigste Olympias, Herr von der Insel Samos war. Die Scribenten der Roͤmischen Geschichte aber berichten, daß bereits Dionys. Halic. Ant. R. L. 2. p. 112. l. 39. Romu- lus seine Statue, von dem Siege gekroͤnet, auf einem Wagen mit vier Pferden, alles von Erzt, setzen lassen: der Wagen mit den Pferden war eine Beute aus der Stadt Camerinum. Dieses soll nach dem Triumph uͤber die Fidenater, im siebenten Jahre dessen Regierung, und also in der achten Olympias, geschehen seyn. Die Inschrift dieses Werks war, wie In Romulo, p. 33. l. 8. Plutarchus angiebt, in Griechischen Buchstaben: da aber, wie L. 4. p. 221. l. 46. Dio- nysius bey anderer Gelegenheit meldet, die Roͤmische Schrift der aͤltesten Griechischen aͤhnlich gewesen, koͤnnte es eine Arbeit eines Hetrurischen Kuͤnst- lers seyn. Ferner wird von einer Statue von Erzt gemeldet, welche Dionys. Halic. Ant. R. L. 4. p. 221. l. 46. dem Horatius Cocles, und von einer andern zu Pferde, welche der be- ruͤhmten Id. L. 5. p. 284. l. 43. p. 291. l. 39. Plutarch. in Public. p. 195 l 6. Cloelia, zu Anfang der Roͤmischen Republic, aufgerichtet wor- den; und da Spurius Cassius wegen seiner Unternehmungen wider die Freyheit gestrafet wurde, so ließ man aus seinem eingezogenen Vermoͤgen Dionys. Halic. L. 8. p. 524. l. 38. der Ceres Statuen von Erzt setzen. Auf der andern Seite aber wissen wir aus andern Nachrichten, daß von den Griechen schon zur Zeit des Croesus in Lydien ungeheuer große Werke in allerhand Metalle gearbeitet wurden: die große Vase Herodor. L. 1. p. 12. l. 27. von Silber, die besagter Koͤnig in dem Tempel zu Delphos schenkete, enthielt sechshundert Eimer, und oben gedachter Theodorus war der Meister derselben. Die Spartaner ließen eine Vase von Metall, als ein Geschenk fuͤr den Croesus, machen, welche Ib. L. 18. l. 9. dreyhundert Eimer fassete, und dieselbe war mit allerhand Thieren gezieret. Eine Winckelm. Gesch. der Kunst. C I Theil. Erstes Capitel. Eine geraume Zeit zuvor waren Herodot. L. 4. p. 171. l. 26. conf. p. 174. l. 35. drey Colossalische Figuren zu Samos gemachet, jede von sechs Ellen hoch, welche auf einen Knie saßen, und eine große Vase trugen, die so, wie die Figuren, von Erzt war: es war der Zehente des Gewinns von der Schifffahrt der Samier nach Tartessus, jen- seits der Saͤulen des Hercules. Den ersten Wagen mit vier Pferden von Erzt, von welchem unter den Griechen Id. L. 5. p. 199. l. 6. Meldung geschiehet, ließen die Athenienser nach dem Tode des Pisistratus, das ist, nach der sieben und sechzigsten Olympias machen, und er wurde vor dem Tempel der Pallas aufgestellet. Die Statuen von Erzt hatten vielmals Pausan. L. 5. p. 445. l. 22. ihre Base auch aus Metall. Statuen von Gold wurden im Alterthum einigen Gottheiten, haͤufiger aber Conf. Rycq. de Capit. c. 26. p. 108. den Roͤmischen Kaisern gesetzet, wie, außer den Scriben- ten, einige Inschriften bezeugen. VIII. Von der Kunst in Stein zu schneiden. Die Kunst in Stein zu schneiden muß sehr alt seyn, und war auch unter sehr entlegenen Voͤlkern bekannt. Die Griechen, sagt man, sollen anfaͤnglich mit Hesych. v. Θριπόβρωτος. conf. Selden. ad Marm. Arund. 11. p. 177. Holz vom Wurm durchloͤchert gesiegelt haben, und es ist Descr. des pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 513. in dem Stoßischen Museo ein Stein, welcher nach Art der Gaͤnge eines solchen Holzes geschnitten ist, und zum siegeln scheinet gedie- net zu haben; wir wissen aber nicht, wie lange dieser Gebrauch gedauret hat. Die Aegypter sind in diesem Theile der Kunst zu einer großen Voll- kommenheit gelanget, wie die Isis im besagten Museo, von welcher im folgenden Capitel Meldung geschiehet, beweisen kann; auch Herodot. L. 7. p. 258. l. 25. die Aethio- pier hatten Siegel in Stein gearbeitet, welche sie mit einem andern harten Stein schnitten. Von dieser Art der Kunst aber wird unter jedem der fol- genden Capitel insbesondere gehandelt. Wie haͤufig bey den Alten die Arbeit Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Arbeit in kostbaren Steinen gewesen, siehet man nur allein, ohne andere dergleichen Nachrichten zu beruͤhren, aus den Appian. Mithridat. p. 159. l. 35. zwey tausend Trink- Geschirren, welche Pompejus in dem Schatze des Mithridates fand. Nach angezeigtem Ursprunge der Kunst und der Materie, worinn sie ge- Drittes Stuͤck. Von den Ursachen der Verschieden- heit der Kunst unter den Voͤlkern. I. Einfluß des Himmels in die Bildung. wirket, fuͤhret die Abhandlung von dem Einflusse des Himmels in die Kunst, als das dritte Stuͤck dieses Capitels, naͤher zu der Verschiedenheit der Kunst unter den Voͤlkern, welche dieselbe geuͤbet haben. Durch den Ein- fluß des Himmels bedeuten wir die Wirkung der verschiedenen Lage der Laͤnder, der besonderen Witterung und Nahrung in denselben, in die Bil- dung der Einwohner, wie nicht weniger in ihre Denkungs-Art. Das Clima, sagt Polybius L. 4. p. 290. E. , bildet die Sitten der Voͤlker, ihre Gestalt und Farbe. In Absicht des Erstern, nemlich der Bildung der Menschen uͤberzeu- A. Ueber-haupt. get uns unser Auge, daß in dem Gesichte allezeit, so wie die Seele, also auch vielmals der Character der Nation gebildet sey: und wie die Natur große Reiche und Laͤnder durch Berge und Fluͤsse von einander gesondert, so hat auch die Mannigfaltigkeit derselben die Einwohner solcher Laͤnder durch ihre eigene Zuͤge unterschieden; und in weit entlegenen Laͤndern ist die Verschiedenheit auch in anderen Theilen des Koͤrpers, und in der Statur. Die Thiere sind in ihren Arten, nach Beschaffenheit der Laͤnder, nicht ver- schiedener, als es die Menschen sind, und es haben einige bemerken wollen, B. Und in die Werkzeuge der Sprache. daß die Thiere die Eigenschaft der Einwohner ihrer Laͤnder haben. Die Bildung des Gesichts ist so verschieden, wie die Sprachen, ja wie die Mundarten derselben; und diese sind es vermoͤge der Werkzeuge der Rede selbst, so daß in kalten Laͤndern die Nerven der Zunge starrer und weniger schnell seyn muͤssen, als in waͤrmern Laͤndern; und wenn Wöldicke de ling. Groenl. p. 144. den Groͤnlaͤn- C 2 dern I Theil. Erstes Capitel. dern und verschiedenen Voͤlkern in America Buchstaben mangeln, muß dieses aus eben dem Grunde herruͤhren. Daher kommt es, daß alle Mitter- naͤchtige Sprachen mehr einsylbige Worte haben, und mehr mit Consonan- ten uͤberladen sind, deren Verbindung und Aussprache andern Nationen schwer, ja zum Theil unmoͤglich faͤllt. In dem verschiedenen Gewebe und Bildung der Werkzeuge der Rede suchet ein beruͤhmter Seribent Gravina ragion poet. L. 2. p. 148. so gar den Unterschied der Mundarten der Italienischen Sprache. Aus ange- fuͤhrtem Grunde, saget er, haben die Lombarder, welche in kaͤltern Laͤn- dern von Italien gebohren sind, eine rauhe und abgekuͤrzte Aussprache; die Toscaner und Roͤmer reden mit einem abgemessenern Tone; die Neapoli- taner, welche einen noch waͤrmern Himmel genießen, lassen die Vocale mehr als jene hoͤren, und sprechen mit einem voͤlligern Munde. Diejeuigen, welche viel Nationen kennen lernen, unterscheiden dieselbe eben so rich- tig und untruͤglich aus der Bildung des Gesichts, als aus der Sprache. Da nun der Mensch allezeit der vornehmste Vorwurf der Kunst und der Kuͤnstler gewesen ist, so haben diese in jedem Lande ihren Figuren die Ge- sichts-Bildung ihrer Nation gegeben; und daß die Kunst im Alterthume eine Gestalt nach der Bildung der Menschen angenommen, beweiset ein gleiches Verhaͤltniß einer zu der andern in neuern Zeiten. Deutsche, Hollaͤnder und Franzosen, wenn sie nicht aus ihrem Lande und aus ihrer Natur gehen, sind, wie die Sineser und Tatern, in ihren Gemaͤhlden kenntlich: Rubens hat nach einem vieljaͤhrigen Aufenthalt in Italien seine Figuren bestaͤndig gezeichnet, als wenn er niemals aus seinem Vaterlande gegangen waͤre. C. Bildung der Aegypter. Die Bildung der heutigen Aegypter wuͤrde sich noch itzo in Figuren ihrer ehemaligen Kunst zeigen: diese Aehnlichkeit aber zwischen der Natur und ihrem Bilde ist nicht mehr eben dieselbe, welche sie war. Denn wenn die mehresten Aegypter so dick und fett waͤren, als die Dapper Afriq. p. 94. Einwohner von Cairo Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Cairo beschrieben werden, wuͤrde man nicht von ihren alten Figuren auf die Beschaffenheit ihrer Koͤrper in alten Zeiten schließen koͤnnen, als welche das Gegentheil von der heutigen scheinet gewesen zu seyn: es ist aber zu merken, daß die Aegypter auch schon von den Alten als dicke fette Koͤrper beschrieben worden Achil. Tat. Erot. L. 3. p. 177. l. 8. . Der Himmel ist zwar allezeit derselbe, aber das Land und die Einwohner koͤnnen eine veraͤnderte Gestalt annehmen. Denn wenn man erweget, daß die heutigen Einwohner in Aegypten ein fremder Schlag von Menschen ist, welche auch ihre eigene Sprache eingefuͤhret ha- ben, daß ihr Gottesdienst, Negierungsform und Lebensart der ehemali- gen Verfassung ganz und gar entgegen stehet, so wird auch die verschiedene Beschaffenheit der Koͤrper begreiflich seyn. Die unglaubliche Bevoͤlkerung machte die alten Aegypter maͤßig und arbeitsam; ihre vornehmste Absicht gieng Lucian. Icaromenip. p. 771. auf den Ackerbau; ihre Speise bestand mehr in Fruͤchten, als in Fleisch, und es konnten also die Koͤrper sich nicht mit vielem Fleische behaͤn- gen. Die heutigen Einwohner in Aegypten aber sind in der Faulheit ein- geschlaͤfert, und suchen nur zu leben, nicht zu arbeiten, welches den starken Ansatz ihrer Koͤrper verursachet. Eben diese Betrachtung laͤßet sich uͤber die heutigen Griechen machen. D. Der Grie- chen und Ita- liener. Denn nicht zu gedenken, daß ihr Gebluͤt einige Jahrhunderte hindurch mit dem Saamen so vieler Voͤlker, die sich unter ihnen niedergelassen haben, vermischet worden, so ist leicht einzusehen, daß ihre itzige Verfassung, Er- ziehung, Unterricht und Art zu denken, auch in ihre Bildung einen Einfluß haben koͤnne. In allen diesen nachtheiligen Umstaͤnden ist noch itzo das heutige Griechische Gebluͤt wegen dessen Schoͤnheit beruͤhmt, und je mehr sich die Natur dem Griechischen Himmel naͤhert, desto schoͤner, erhabner und maͤchtiger ist dieselbe in Bildung der Menschenkinder. Es finden sich daher in den schoͤnsten Laͤndern von Italien wenig halb entworfene, unbe- C 3 stimmte I Theil. Erstes Capitel. stimmte und unbedeutende Zuͤge des Gesichts, wie haͤufig jenseits der Alpen, sondern sie sind theils erhaben, theils geistreich, und die Form des Gesichts ist mehrentheils groß und voͤllig, und die Theile derselben in Uebereinstim- mung. Diese vorzuͤgliche Bildung ist so augenscheinlich, daß der Kopf des geringsten Mannes unter dem Poͤbel in dem erhabensten historischen Gemaͤl- de koͤnnte angebracht werden, und unter den Weibern dieses Standes wuͤrde es nicht schwer seyn, auch an den geringsten Orten ein Bild zu einer Juno zu finden. Neapel, welches mehr, als andere Laͤnder von Italien, einen sanf- ten Himmel, und eine gleichere und gemaͤßigtere Witterung genießet, weil es dem Himmelsstriche, unter welchem das eigentliche Griechenland lieget, sehr nahe ist, hat haͤufig Formen und Bildungen, die zum Modell eines schoͤnen Ideals dienen koͤnnen, und welche in Absicht der Form des Ge- sichts, und sonderlich der stark bezeichneten und harmonischen Theile dessel- ben, gleichsam zur Bildhauerey erschaffen zu seyn scheinen. E. Bildung der Schoͤnheit unter einem waͤrmeren Himmel. Wer auch niemals diese Nation gesehen, kann aus der zunehmenden Feinheit derselben, je waͤrmer das Clima ist, von selbst und gruͤndlich auf die geistreiche Bildung derselben schließen: die Neapolitaner sind feiner und schlauer noch, als die Roͤmer, und die Sicilianer mehr, als jene; die Grie- chen aber uͤbertreffen selbst die Sicilianer. Je reiner und duͤnner die Luft ist, sagt Cicero De nat. deor. L. 2. c. 16. , desto feiner sind die Koͤpfe. Es findet sich also die hohe Schoͤnheit, die nicht bloß in einer sanften Haut, in einer bluͤhenden Farbe, in leichtfertigen oder schmachtenden Au- gen, sondern in der Bildung und in der Form bestehet, haͤufiger in Laͤn- dern, die einen gleichguͤtigen Himmel genießen. Wenn also nur die Italie- ner die Schoͤnheit malen und bilden koͤnnen, wie ein Englischer Scribent von Stande saget, so lieget in den schoͤnen Bildungen des Landes selbst zum Theil der Grund zu dieser Faͤhigkeit, welche durch eine anschauliche taͤgliche Erkennt- niß leichter erlanget werden kann. Unterdessen war die vollkommene Schoͤn- Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Schoͤnheit auch unter den Griechen selten, und Cotta beym Cicero De nat. deor. L. 1. c. 28. sagt, daß unter der Menge von jungen Leuten zu Athen nur einzelne zu seiner Zeit wahrhaftig schoͤn gewesen. Wie viel ein gluͤckliches Clima zu Bildung der Schoͤnheit beytrage, zeiget auch das weibliche Geschlecht zu Malta von besonderer Schoͤnheit: denn auf dieser Insel ist kein Winter. Das schoͤnste Gebluͤt der Griechen aber, sonderlich in Absicht der Far- F. Vorzuͤgliche Schoͤnheiten der Griechen. be, muß unter dem Jonischen Himmel in Klein-Asien, unter dem Himmel, welcher den Homerus erzeuget und begeistert hat, gewesen seyn. Dieses bezeuget Περὶ τόπων, p. 288. Hippocrates und Immag. p. 472. Lucianus; und ein aufmerksamer Belon Observat. L. 2. ch. 34. p. 350. b. Rei- sender des sechszehenden Jahrhunderts kann die Schoͤnheit des weiblichen Geschlechts daselbst, die sanfte und milchweiße Haut, und die frische und gesunde Roͤthe desselben, nicht genugsam erheben. Denn der Himmel ist in diesem Lande und in den Inseln des Archipelagi, wegen dessen Lage, viel heiterer, und die Witterung, welche zwischen Waͤrme und Kaͤlte abge- wogen ist, bestaͤndiger und gleicher, als selbst in Griechenland, sonderlich in den Gegenden am Meere, welche dem schwuͤlen Winde aus Africa, so wie die ganze mittaͤgige Kuͤste von Italien, und andere Laͤnder, welche dem heißen Striche von Africa gegen uͤber liegen, sehr ausgesetzet sind. Dieser Wind, welcher bey den Griechen λίψ, bey den Roͤmern Africus, und itzo Scirocco heißt, verdunkelt und verfinstert die Luft durch brennende schwere Duͤnste, machet dieselbe ungesund, und entkraͤftet die ganze Natur in Menschen, Thieren und Pflanzen. Die Verdauung wird gehemmet, wenn derselbe regieret, und der Geist sowol, als der Koͤrper, wird verdrossen und unkraͤftig zu wirken; daher es sehr begreiflich ist, wie viel Einfluß die- ser Wind in die Schoͤnheit der Haut und der Farbe habe. An den naͤch- sten Einwohnern der See-Kuͤste verursachet derselbe eine truͤbe und gelbliche Farbe, welche den Neapolitanern, sonderlich in der Hauptstadt, wegen der I Theil. Erstes Capitel. der engen Straßen und hohen Haͤuser, mehr gemein ist, als den Einwoh- nern auf dem Lande daselbst. Eben diese Farbe haben die Einwohner der Orte auf den Kuͤsten der Mittellaͤndischen See, im Kirchenstaate, zu Ter- racina, Nettuno, Ostia, u. s. w. Die Suͤmpfe aber, welche in Italien eine uͤble und toͤdliche Luft verursachen, muͤssen in Griechenland keine schaͤd- lichen Ausduͤnstungen gehabt haben: denn Ambracia, zum Exempel, wel- ches eine sehr wohlgebauete und beruͤhmte Stadt war, lag Polyb. L. 4. p. 326 B. mitten in Suͤmpfen, und hatte nur einen einzigen Zugang. G. Besonderer Beweis der- selben. Der begreiflichste Beweis von der vorzuͤglichen Form der Griechen und aller heutigen Levantiner ist, daß sich gar keine gepletschte Nasen unter ihnen finden, welches die groͤßte Verunstaltung des Gesichts ist. Sca- liger in Scaligeran. hat dieses von den Juden bemerket; ja die Juden in Portugall muͤssen mehrentheils Habichts-Nasen haben; daher dergleichen Nase da- selbst eine Juͤdische Nase genennet wird. Vesalius de corp. hum. fabr. L. 1. c. 5. p. 23. merket an, daß die Koͤpfe der Griechen und der Tuͤrken ein schoͤneres Oval haben, als der Deutschen und Niederlaͤnder. Es ist auch hier in Erwegung zu ziehen, daß die Blattern in allen warmen Laͤndern weniger gefaͤhrlich sind, als in kalten Laͤndern, wo es epidemische Seuchen sind, und wie die Pest wuͤten. Daher wird man in Italien unter tausend kaum zehen Personen, mit un- vermerklichen wenigen Spuren von Blattern bezeichnet finden; den alten Griechen aber war dieses Uebel unbekannt. Eben Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Eben so sinnlich und begreiflich, als der Einfluß des Himmels in die II. Einfluß des Himmels in die Denkungs- art Bildung, ist zum zweyten der Einfluß derselben in die Art zu denken, in welche die aͤußern Umstaͤnde, sonderlich die Erziehung, Verfassung und Regierung eines Volks mit wirken. Die Art zu denken so wohl der Mor- A. Der Mor- genlaͤndischen und Mittaͤgi- gen Voͤlker. genlaͤnder und Mittaͤgigen Voͤlker, als der Griechen, offenbaret sich in den Werken der Kunst. Bey jenen sind die figuͤrlichen Ausdruͤcke so warm und feurig, als das Clima, welches sie bewohnen, und der Flug ihrer Gedanken uͤbersteiget vielmals die Graͤnzen der Moͤglichkeit. In solchen Gehirnen bildeten sich die abentheuerlichen Figuren der Aegypter und der Perser, welche ganz verschiedene Naturen und Geschlechter der Geschoͤpfe in eine Gestalt vereinigten, und die Absicht ihrer Kuͤnstler gieng mehr auf das außerordentliche, als auf das Schoͤne. Die Griechen hingegen, welche unter einem gemaͤßigtern Himmel B. Der Gie- chen. und Regierung lebeten, und ein Land bewohneten, welches die Pallas, Plato Tim. p. 475. l. 43. sagt man, wegen der gemaͤßigten Jahreszeiten, vor allen Laͤndern, den Griechen zur Wohnung angewiesen, hatten, so wie ihre Sprache malerisch ist, auch malerische Begriffe und Bilder. Ihre Dichter vom Homerus an reden nicht allein durch Bilder, sondern sie geben und malen auch Bilder, die vielmals in einem einzigen Worte liegen, und durch den Klang desselben gezeichnet, und wie mit lebendigen Farben entworfen werden. Ihre Einbildung war nicht uͤbertrieben, wie bey jenen Voͤlkern, und ihre Sinne, welche durch schnelle und empfindliche Nerven in ein feingewebtes Gehirn wirketen, entdecketen mit einmal die verschiedenen Eigenschaften eines Vorwurfs, und beschaͤftigten sich vornehmlich mit Betrachtung des Schoͤnen in demselben. Unter Winckelm Gesch. der Kunst. D I Theil. Erstes Capitel. Unter den Griechen in Klein-Asien, deren Sprache, nach ihrer Wan- derung aus Griechenland hierher, reicher an Selbstlauten, (Vocalen,) sanf- ter und mehr Musicalisch wurde, weil sie daselbst einen gluͤcklichern Him- mel noch, als die uͤbrigen Griechen, genossen, erweckete und begeisterte eben dieser Himmel die ersten Dichter; die Griechische Weltweisheit bildete sich auf diesem Boden; ihre ersten Geschichtschreiber waren aus diesem Lande; ja Apelles, der Maler der Gratie, war unter diesem wolluͤstigen Himmel er- zeuget. Diese Griechen aber, welche ihre Freyheit vor der angraͤnzenden Macht der Perser nicht vertheidigen konnten, waren nicht im Stande, sich in maͤchtige freye Staaten, wie die Athenienser, zu erheben, und die Kuͤnste und Wissenschaften konnten daher in dem Jonischen Asien ihren vornehmsten Sitz nicht nehmen. In Athen aber, wo nach Verjagung der Tyrannen ein Democratisches Regiment eingefuͤhret wurde, an welchem das ganze Volk Antheil hatte, erhob sich der Geist eines jeden Buͤrgers, und die Stadt selbst uͤber alle Griechen. Da nun der gute Geschmack allgemein wurde, und bemittelte Buͤrger durch praͤchtige oͤffentliche Gebaͤu- de und Werke der Kunst sich Ansehen und Liebe unter ihren Buͤrgern er- wecketen, und den Weg zur Ehre bahneten, floß in dieser Stadt, bey ihrer Macht und Groͤße, wie ins Meer die Fluͤsse, alles zusammen. Mit den Wissenschaften ließen sich hier die Kuͤnste nieder; hier nahmen sie ihren vornehmsten Sitz, und von hier giengen sie in andere Laͤnder aus. Daß in angefuͤhrten Ursachen der Grund von dem Wachsthume der Kuͤn- ste in Athen liege, bezeugen aͤhnliche Umstaͤnde in Florenz, da die Wis- senschaften und Kuͤnste daselbst in neueren Zeiten nach einer langen Finster- sterniß anfiengen beleuchtet zu werden. Man Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Man muß also in Beurtheilung der natuͤrlichen Faͤhigkeit der Voͤlker, C. Verschieden- heit der Erzie- hung, Verfas- sung und Re- gierung der Boͤlker. und hier insbesondere der Griechen, nicht bloß allein den Einfluß des Himmels, sondern auch die Erziehung und Regierung in Betrachtung ziehen. Denn die aͤußeren Umstaͤnde wirken nicht weniger in uns, als die Luft, die uns umgiebt, und die Gewohnheit hat so viel Macht uͤber uns, daß sie so gar den Koͤrper und die Sinne selbst, von der Natur in uns ge- schaffen, auf eine besondere Art bildet; wie unter andern ein an Franzoͤsi- sche Music gewoͤhntes Ohr beweiset, welches durch die zaͤrtlichste Italieni- sche Music nicht geruͤhret wird. Eben daher ruͤhret die Verschiedenheit auch unter den Griechischen D. Der Gꝛiechen. Voͤlkern in Griechenland selbst, welche 1 ) Polybius in Absicht der Fuͤhrung des Krieges und der Tapferkeit anzeiget. Die Thessalier waren gute Krieger, wo sie mit kleinen Haufen angreifen konnten, aber in einer foͤrmlichen Schlacht-Ordnung hielten sie nicht lange Stand: bey den Aetoliern war das Gegentheil. Die Cretenser waren unvergleichlich im Hinterhalt, oder in Ausfuͤhrungen, wo es auf die List ankam, oder sonst dem Feinde Ab- bruch zu thun; sie waren aber nicht zu gebrauchen, wo die Tapferkeit al- lein entscheiden mußte: bey den Achajern hingegen und Macedoniern war es umgekehrt. Die Arcadier waren durch ihre aͤltesten Gesetze verbunden, alle die Music zu lernen, und dieselbe bis in das dreyßigste Jahr ihres Alters bestaͤndig zu treiben, um die Gemuͤther und Sitten, welche wegen des rauhen Himmels in ihrem gebuͤrgigten Lande, stoͤrrisch und wild ge- wesen seyn wuͤrden, sanft und liebreich zu machen; und sie waren daher die redlichsten und wohlgesittetsten Menschen unter allen Griechen. Die Cynaͤther allein unter ihnen, welche von dieser Verfassung abgiengen, und D 2 die I Theil. Erstes Capitel. die Music nicht lernen und uͤben wollten, verfielen wiederum in ihre natuͤr- liche Wildheit, und wurden von allen Griechen verabscheuet. E. Der Roͤ- mer. In Laͤndern, wo nebst dem Einflusse des Himmels einiger Schatten der ehemaligen Freyheit mit wirket, ist die gegenwaͤrtige Denkungsart der ehemaligen sehr aͤhnlich; dieses zeiget sich noch itzo in Rom, wo der Poͤbel unter der Priesterlichen Regierung eine ausgelassene Freyheit ge- nießet. Es wuͤrde noch itzo aus dem Mittel desselben ein Haufen der streitbarsten und unerschrockensten Krieger zu sammlen seyn, die, wie ihre Vorfahren, dem Tode trotzeten, und Weiber unter dem Poͤbel, deren Sit- ten weniger verderbt sind, zeigen noch itzo Herz und Muth, wie die alten Roͤmerinnen; welches mit ausnehmenden Zuͤgen zu beweisen waͤre, wenn es unser Vorhaben erlaubete. F. Faͤhigkeit der Engellaͤn- der zur Kunst. Das vorzuͤgliche Talent der Griechen zur Kunst zeiget sich noch itzo in dem großen fast allgemeinen Talente der Menschen in den waͤrmsten Laͤndern von Italien; und in dieser Faͤhigkeit herrschet die Einbildung, so wie bey den denkenden Britten die Vernunft uͤber die Einbildung. Es hat jemand nicht ohne Grund gesagt, daß die Dichter jenseits der Ge- buͤrge durch Bilder reden, aber wenig Bilder geben; man muß auch ge- stehen, daß die erstaunenden theils schrecklichen Bilder, in welchen Mil- tons Groͤße mit bestehet, kein Vorwurf eines edlen Pinsels, sondern ganz und gar ungeschickt zur Malerey sind. Die Miltonischen Beschreibungen sind, die einzige Liebe im Paradiese ausgenommen, wie schoͤn gemalte Gorgonen, die sich aͤhnlich und gleich fuͤrchterlich sind. Bilder vieler an- dern Dichter sind dem Gehoͤre groß, und klein dem Verstande. Im Homero Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst. Homero aber ist alles gemalet, und zur Malerey erdichtet und geschaffen. Je waͤrmer die Laͤnder in Italien sind, desto groͤßere Talente bringen sie hervor, und desto feuriger ist die Einbildung, und die Sicilianischen Dichter sind voll von seltenen, neuen und unerwarteten Bildern. Diese feurige Einbildung aber ist nicht aufgebracht und aufwallend, sondern wie das Temperament der Menschen, und wie die Witterung dieser Laͤnder ist, mehr gleich, als in kaͤlteren Laͤndern: denn ein gluͤckliches Phlegma wirket die Natur haͤufiger hier, als dort. Wenn ich von der natuͤrlichen Faͤhigkeit dieser Nation zur Kunst G. Naͤhere Bestimmung dieser Gedan- ken. rede, so schließe ich dadurch diese Faͤhigkeit in einzelnen oder vielen unter andern Voͤlkern nicht aus, als welches wider die offenbare Erfahrung seyn wuͤrde. Denn Holbein und Albrecht Duͤrrer, die Vaͤter der Kunst in Deutschland, haben ein erstaunendes Talent in derselben gezeiget, und wenn sie, wie Raphael, Correggio und Titian, aus den Werken der Alten haͤtten lernen koͤnnen, wuͤrden sie eben so groß, wie diese, geworden seyn, ja diese vielleicht uͤbertroffen haben. Denn auch Correggio ist nicht, wie es insgemein heißt, ohne Kenntniß des Alterthums zu seiner Groͤße gelan- get: dessen Meister Andreas Mantegna kannte dasselbe, und es finden sich von dessen Zeichnungen nach alten Statuen, in der großen Samm- lung des Herrn Cardinal Alexander Albani; daher ihm Pignor. Symbol. epist. p. 19. Felicianus eine Sammlung alter Inschriften zueignete. Mantegna war in dieser Nachricht Præf. ad Inser. Grut. p. 3. dem aͤlteren Burmann ganz und gar unbekannt. Ob der Mangel der Maler unter den Engellaͤndern, welche keinen einzigen beruͤhm- D 3 ten I Theil. Erstes Capitel. ten Mann aufzuweisen haben, und den Franzosen, ein Paar ausgenom- men, welche, nach vielen aufgewendeten Kosten, fast in gleichen Um- staͤnden sind, aus angezeigten Gruͤnden herruͤhren, lasse ich andere be- urtheilen. Ich glaube, den Leser durch allgemeine Kenntnisse der Kunst, und die Gruͤnde von der Verschiedenheit derselben in ihren Laͤndern, zur Abhandlung der Kunst unter besondern Voͤlkern, zubereitet zu haben. Das Das zweyte Capitel. Von der Kunst unter den Aegyptern, Phoeniciern und Persern. Erster Abschnitt. Von der Kunst unter den Aegyptern. D ie Aegypter haben sich nicht weit von ihrem aͤltesten Stil in der I. Ursachen der Kunst der Aegypter. Kunst entfernet, und dieselbe konnte unter ihnen nicht leicht zu der Hoͤhe steigen, zu welcher sie unter den Griechen gelanget ist; wovon die Ursache theils in der Bildung ihrer Koͤrper, theils in ihrer Art zu den- ken, und nicht weniger in ihren, sonderlich Gottesdienstlichen, Gebraͤuchen und Gesetzen, auch in der Achtung und in der Wissenschaft der Kuͤnstler, kann gesuchet werden. Dieses begreift das erste Stuͤck dieses Abschnitts in sich; das zweyte Stuͤck handelt von dem Stil ihrer Kunst, das ist, von I Theil. Zweytes Capitel. von der Zeichnung und Bekleidung ihrer Figuren; und in dem dritten Stuͤcke wird von der Ausarbeitung ihrer Werke geredet. A. In ihrer Bildung. Die erste von den Ursachen der Eigenschaft der Kunst unter den Aegyptern lieget in ihrer Bildung selbst, welche nicht diejenige Vorzuͤge hatte, die den Kuͤnstler durch Ideen hoher Schoͤnheit reizen konnten. Denn die Natur war ihnen weniger, als den Hetruriern und Griechen, guͤn- stig gewesen; welches eine Art Diese Bemerkung haͤtten diejenigen, welche neulich viel von Uebereinstimmung der Sinesen mit den alten Aegyptern geschrieben haben, anwenden koͤnnen. Sinesischer Gestaltung, als die ihnen eigenthuͤmliche Bildung, so wohl an Statuen, als auf Obelisken, und geschnittenen Steinen, beweiset Aus Kupfern kann man sich keinen bessern Vegriff machen, von Bildung der Aegyptischen Koͤpfe, als aus einer Mumie beym Beger Thes. Brand. T. 3. p. 402. und aus einer andern, welche Gordon beschreibet: Essay towards explaning the hieroglyphical figu- res on the Coffin of an antient Mummy, London, 1737. fol. : es konnten also ihre Kuͤnstler das Man- nigfaltige nicht suchen. Eben diese Bildung findet sich an Koͤpfen der auf Mumien gemalten Personen, welche, so wie bey Herodot. L. 3. p. 108. l. 20. den Aethiopiern, genau nach der Aehnlichkeit des verstorbenen werden gemachet seyn worden, da die Aegypter in Zurichtung der todten Koͤrper alles, was dieselben kenntlich machen konnte, so gar Diod. Sic. L. 1. p. 82. l. 26. die Haare der Augenlieder, zu erhalten sucheten. Vielleicht kam auch unter den Aethiopiern der Gebrauch, die Gestalt der Verstorbenen auf ihre Koͤrper zu malen, von den Aegyptern her: denn unter dem Koͤnige Psammetichus giengen 240,000. Einwohner aus Aegypten nach Aethiopien, welche hier Herodot. L. 2. p. 63. l. 25. ihre Sitten und Gebraͤuche ein- fuͤhreten. Es dienet auch hier zu bemerken, daß Aegypten Ibid. p. 79. l. 19. conf. Diod. Sic. L. 1. p. 41. l. 36. von acht- zehen Aethiopischen Koͤnigen beherrschet worden, deren Regierung in die aͤltesten Zeiten von Aegypten faͤllt. Die Aegypter waren außerdem Herodot. L. 2. p. 70. l. 31. von Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. von dunkelbrauner Farbe, so wie man dieselbe den Koͤpfen auf gemalten Mumien gegeben hat Eine von solchen Mumien wurde von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dem In- stituto zu Bologna geschenket; eine andere ist zu London; und beyde haben ihren alten Sarg von frisch jerhaltenem Sycomoro, welcher, so wie der Koͤrper, bemalet ist. Die dritte bemalte Mumie ist zu Dreßden unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern. Da also die Gesichter auf allen diesen Mumien einerley Farbe haben, so ist nicht zu behaupten, wie Gordon will, daß die Londonsche Mumie eine Person aus Nubien gewesen sey. . Man will auch aus einer Anmerkung Problem. Sect. 14. p. 113. l. 1. ed. Sylburg. des Aristoteles behaupten, daß die Aegypter Pignor. Tab. Is. p. 53. auswerts gebogene Schienbeine gehabt haben: die mit den Aethiopiern graͤnzeten, hatten vielleicht, wie diese Conf. Bochart. Hieroz. P. 1. p. 969. , eingebogene Na- sen. Ihre weiblichen Figuren haben, bey aller ihrer Duͤnnheit, die Bruͤste mit einem gar zu großen Ueberflusse behaͤnget; und da die Aegyptischen Kuͤnst- ler, nach dem Zeugnisse eines S. Theodoret. Serm. 3. Kirchen-Vaters, die Natur nachgeahmet haben, wie sie dieselbe fanden, so konnte man auch aus ihren Figuren auf das Geschoͤpfe des weiblichen Geschlechts daselbst schließen. Mit der Bil- dung der Aegypter kann eine große Gesundheit, welche sonderlich die Ein- wohner in Ober-Aegypten, nach dem L. 3. p. 74. l. 27. Herodotus, vor allen Voͤlkern genossen, sehr wohl bestehen, und dieses kann auch daraus geschlossen wer- den, daß an unzaͤhligen Koͤpfen Aegyptischer Mumien, welche Prinz Rad- zivil gesehen, kein Zahn gemangelt, ja nicht einmal angefressen gewesen Radzivil. Peregrin. p. 190. . Die angefuͤhrte Mumie in Bologna kann auch darthun, daß es außeror- dentliche große Gewaͤchse unter ihnen gegeben: denn dieser Koͤrper hat eilf Roͤmische Palmen in der Laͤnge. Was zum zweyten die Gemuͤths- und Denkungsart der Aegypter be- B. In ihrer Ge- muͤths- und Denkungsaꝛt; in ihren Ge- setzen, Ge- braͤuchen und Religion. trifft, so waren sie ein Volk, welches zur Lust und Freude Ammian. Marcel. L. 22. c. 16. p. 346. nicht er- schaffen Winckelm. Gesch. der Kunst. E I Theil. Zweytes Capitel. schaffen schien. Denn die Music, durch welche die aͤltesten Griechen Plutarch. Lycurg. p. 75. \& Pericl. p. 280. die Gesetze selbst annehmlicher zu machen suchten, und in welcher schon vor den Zeiten des Homerus Thucyd. L. 3. c. 104. conf. Taylor. ad Marm. Sandv. p. 13. Wettspiele angeordnet waren, wurde in Aegypten nicht geuͤbet; ja es wird vorgegeben, es sey dieselbe verbothen gewesen, wie man es auch Dio Chrysost. p. 162. von der Dichtkunst versichert. Weder in ihren Tempeln, noch bey ihren Opfern wurde, nach dem L. 17. p. 814. C. Strabo, ein Instrument ge- ruͤhret. Dieses aber schließet die Music uͤberhaupt, bey den Aegyptern, nicht aus, oder muͤßte nur von ihren aͤltesten Zeiten verstanden werden: denn wir wissen, daß die Weiber den Apis mit Music auf den Nil fuͤhre- ten, und es sind Aegypter auf Instrumenten spielend vorgestellet, so wohl auf dem Musaico des Tempels des Gluͤcks zu Palestrina, als Pitt. Erc. T. 2. tav. 59. 60. auf zwey Herculanischen Gemaͤlden. Diese Gemuͤthsart verursachete, daß sie sich Bont. de Medic. Aegypt. p. 6 durch heftige Mittel die Einbildung zu erhitzen, und den Geist zu ermuntern sucheten. Die Me- lancholie dieser Nation brachte daher die ersten Eremiten hervor, und Fleury Hist. Ecel. T. 5. l. 20. p. 29. ein neuerer Scribent will irgendwo gefunden haben, daß zu Ende des dierten Jahrhunderts in Unter-Aegypten allein uͤber siebenzig tausend Moͤnche gewesen. Die Aegypter wollten unter strengen Gesetzen gehalten seyn, und Herodot. L. 2. p. 93. l. 15. konnten gar nicht ohne Koͤnig leben, welches vielleicht Ursach ist, warum Aegypten vom Homerus Od. P. 448. conf. Blackwall’s Enquiry of the Life of Homer, p. 245. das bittere Aegypten genennet wird. Ihr Denken gieng das Natuͤrliche vorbey, und beschaͤfftigte sich mit dem Ge- heimnißvollen. In Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. In ihren Gebraͤuchen und Gottesdienste bestanden die Aegypter auf eine strenge Befolgung der uralten Anordnung derselben, Conf. Walton ad Polyglot. Proleg. 2. §. 18. noch unter den Roͤmischen Kaisern, und die Feindschaft einer Stadt gegen die andere uͤber ihre Goͤtter Plutarch. de Is. \& Osir. p. 677. l. 1. daurete noch damals. Was einige Neuere auf ein dem Herodotus und Diodorus angedichtetes Zeugniß vorgeben, daß Camby- ses den Goͤtterdienst der Aepypter, und ihre Art die Todten zu balsamiren, gaͤnzlich aufgehoben, ist so falsch, daß so gar die Griechen nach dieser Zeit ihre Todten auf Aegyptische Art zurichten lassen, wie Gedanken uͤber die Nachahmung der Griechischen Werke, p. 90. anderwerts ange- zeiget habe, aus derjenigen Mumie mit dem Worte εΥ+ΥΧΙ Das Griechische Tau hatte bey den Griechen in Aegypten die Form eines Kreuzes, wie man in einer sehr schaͤtzbaren alten Handschrift des Syrischen Neuen Testaments auf Pergamen, in der Bibliothek der Augustiner zu Rom, sieht. Diese Handschrift in Folio ist im Jahre 616. verfertiget, und hat Griechische Randglossen. Unter andern merke ich hier das Wort an statt HTAIPE an. auf der Brust, die ehemals in dem Hause Della Valle zu Rom war, und itzo unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern in Dreßden ist. Da sich die Aegypter unter dem Darius, des Cambyses Nachfolger Herodot. L. 6. p. 243. l. 2. \& 5. , empoͤreten, so wuͤrden sie auch schon damals, wenn auch obiges Vorgeben Grund haͤtte, zu diesem Gebrauche zuruͤck gekehret seyn. Daß die Aegypter noch unter den Kaisern uͤber ihren alten Gottes- dienst gehalten haben, kann auch Mus. Capit. T. 3. tab. 75. die Statue des Antinous im Campi- doglio bezeugen, welche nach Art Aegyptischer Statuen gebildet ist, und so, wie derselbe, in diesem Lande, sonderlich in der Stadt, die von demselben den Namen Pausan. L. 8. p. 617. l. 16. conf. Pococke’s Descr. of the East, T. 1. p. 73. Antinoea fuͤhrete, verehret worden. Eine aͤhnliche Figur von Marmor, so wie jene, etwas uͤber Lebensgroͤße, befindet sich in dem Garten des Pallastes Barbarini, und eine dritte, etwa von drey Palmen E 2 hoch, I Theil. Zweytes Capitel. hoch, ist in der Villa Borghese: diese haben den steifen Stand mit senkrecht haͤngenden Armen, nach Art der aͤltesten Aegyptischen Figuren. Man sieht also, Hadrian mußte dem Bilde des Antinous, sollte er den Aegyptern ein Vorwurf der Verehrung werden, eine ihnen annehmliche und allein beliebte Form geben; und so, wie dieser Antinous, welcher zu Tivoli ge- standen, gebildet ist, werden es auch die Statuen desselben in Aegypten gewesen seyn. Hierzu kam der Abscheu dieses Volks gegen alle fremde, sonderlich Herodot. L. 2. c. 78. 91. Griechische Gebraͤuche, vornehmlich ehe sie von den Griechen beherrschet wurden, und dieser Abscheu mußte ihre Kuͤnstler sehr gleichguͤltig gegen die Kunst unter andern Voͤlkern machen; dieses hemmete den Lauf der Wis- senschaft so wohl, als der Kunst. So wie ihre Aerzte keine andere Mittel, als die in den heiligen Buͤchern verzeichnet waren, vorschreiben durften, eben so war auch ihren Kuͤnstlern nicht erlaubt, von dem alten Stil abzu- gehen: denn ihre Gesetze schraͤnketen den Geist auf die bloße Nachfolge ih- rer Vorfahren ein, und untersagten ihnen alle Neuerungen. Daher be- richtet Leg. L. 2. p. 656. C. D. E. Plato, daß Statuen, die zu seiner Zeit in Aegypten gemalet wor- den, weder in der Gestalt, noch sonst, von denen, welche tausend und mehr Jahre aͤlter waren, verschieden gewesen Daß nur in einem Theile von Aegypten Menschliche Figuren gearbeitet worden, daher die Einwohner desselben Menschenbilder [Ἀνϑρωπόμορφοι] genennet worden, wie ein Griechischer Seribent der mittlern Zeit [ Codin. Orig. Constant. p. 48.] vorgiebt, hat keinen Grund. . Dieses ist zu verstehen von Werken, welche vor der Zeit der Griechischen Regierung in Aegypten von ihren eingebohrnen Kuͤnstlern gearbeitet worden. C. In der Ach- tung ihrer Kuͤnstler. Endlich lieget eine von den Ursachen der angezeigten Beschaffenheit der Kunst in Aegypten in der Achtung und in der Wissenschaft ihrer Kuͤnst- ler. Denn diese waren den Handwerkern gleich, und zu dem niedrigsten Stande Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Stande gerechnet. Es waͤhlete sich niemand die Kunst aus eingepflanzter Neigung, und aus besonderm Antriebe, sondern der Sohn folgete, wie in allen ihren Gewerken und Staͤnden, der Lebensart seines Vaters, und einer setzte den Fuß in die Spur des andern, so daß niemand scheinet einen Fußstapfen gelassen zu haben, welcher dessen eigener heißen konnte. Folg- lich kann es keine verschiedene Schulen der Kunst in Aegypten, wie unter den Griechen, gegeben haben. In solcher Verfassung konnten die Kuͤnstler weder Erziehung, noch Umstaͤnde haben, die faͤhig waren, ihren Geist zu erheben, sich in das Hohe der Kunst zu wagen; es waren auch weder Vor- zuͤge, noch Ehre fuͤr dieselben zu hoffen, wenn sie etwas außerordentliches hervorgebracht hatten. Den Meistern der Aegyptischen Statuen kommt daher das Wort Bildhauer in seiner eigentlichen ersten Bedeutung zu: sie meißelten ihre Figuren nach einer festgesetzten Maaß und Form aus, und das Gesetz, nicht davon abzugehen, wird ihnen also nicht hart gewesen seyn. Der Name eines einzigen Aegyptischen Bildhauers hat sich nach Griechischer Aussprache erhalten; er hieß Memnon Diod. Sic. L. 1. p. 44. l. 24. , und hatte drey Statuen am Eingange eines Tempels zu Theben gemachet, von welchen die eine die groͤßte in ganz Aegypten war. Was die Wissenschaft der Aegyptischeu Kuͤnstler betrifft, so muß es D. In der Wis- senschaft der Kuͤnstler. ihnen an einem der vornehmsten Stuͤcke der Kunst, nehmlich an Kenntniß in der Anatomie, gefehlet haben; einer Wissenschaft, welche in Aegypten, so wie in China, gar nicht geuͤbet wurde, auch nicht bekannt war: denn die Ehrfurcht gegen die Verstorbenen wuͤrde auf keine Weise erlaubet haben, eine Zergliederung todter Koͤrper anzustellen; ja es wurde, wie Diodorus berichtet, als ein Mord angesehen, nur einen Schnitt in dieselbe zu thun. Daher auch der Paraschistes , wie ihn die Griechen nennen, oder derjenige, welcher die Koͤrper zum Balsamiren durch einige Schnitte oͤffnete, unmit- E 3 telbar I Theil. Zweytes Capitel. telbar nach dieser Verrichtung ploͤtzlich davon laufen mußte, um sich zu ret- ten vor den Verwandten des Verstorbenen, und vor andern Umstehenden, welche jenen mit Fluͤchen und mit Steinen verfolgeten. Es zeiget sich auch in der That die wenige Kenntniß der Aegyptischen Bildhauer in der Ana- tomie, nicht allein in einigen unrichtig angegebenen Theilen, sondern man koͤnnte auch aus den wenig angezeigten Muskeln und Knochen, wovon ich unten reden werde, auf den Mangel der Kenntniß derselben schließen. Die Anatomie erstreckete sich in Aegypten nicht weiter, als auf die innern Theile, oder die Eingeweide; und auch diese eingeschraͤnkte Wissenschaft, welche in der Zunft dieser Leute vom Vater auf den Sohn fortgepflanzet wurde, blieb vermuthlich fuͤr andere ein Geheimniß: denn bey Zurichtung der todten Koͤrper war niemand außer ihnen zugegen. Man bemerket an Aegyptischen Figuren auch gewisse Abweichungen von den natuͤrlichen Verhaͤltnissen, wie die Ohren an einigen Koͤpfen sind, welche hoͤher, als die Nase, stehen, wie unter andern an den Sphinxen zu sehen ist: an einem unten angefuͤhrten Kopfe in der Villa Altieri mit eingesetzten Augen, ste- hen die Ohren mit den Augen gerade, das ist, das Ohrlaͤppgen stehet fast in gerader Linie mit den Augen. II. Von dem Stil der Kunst der Aegypter. Das zweyte Stuͤck dieses Abschnitts von dem Stil der Kunst unter den Aegyptern, welcher die Zeichnung des Nackenden, und die Bekleidung ihrer Figuren in sich begreift, ist in drey Absaͤtze zu fassen. In den zween ersten derselben wird gehandelt von dem aͤlteren, und nachher von dem folgenden und spaͤtern Stil der Aegyptischen Bildhauer, und in dem dritten Absatze von den Nachahmungen Aegyptischer Werke, durch Griechi- sche Kuͤnstler gemacht. Ich werde unten darzuthun suchen, daß die wahren alten Aegyptischen Werke von zweyfacher Art sind, und daß man in ihrer eigenen Kunst zwo verschiedene Zeiten setzen muͤsse: die erste hat vermuth- lich Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. lich gedauert, bis Aegypten durch den Cambyses erobert wurde, und die zweyte Zeit, so lange eingebohrne Aegypter, unter der Persischen, und nach- her unter der Griechischen Regierung, in der Bildhauerey arbeiteten; die Nachahmungen aber der Aegyptischen Werke sind vermuthlich alle unter dem Kaiser Hadrian gemachet. In einem jeden von diesen dreyen Absaͤtzen ist zum ersten von der Zeichnung des Nackenden, und zum zweyten von der Bekleidung ihrer Figuren zu reden. In dem aͤltern Stil hat die Zeichnung des Nackenden deutliche und A. Der aͤltere Stil. begreifliche Eigenschaften, welche dieselbe nicht allein von der Zeichnung anderer Voͤlker, sondern auch von dem spaͤtern Stil der Aegypter unter- scheiden; und diese finden sich und sind zu bestimmen so wohl in dem Um- kreise, oder in der Umschreibung und dem Conturn des Ganzen der Figur, als in der Zeichnung und Bildung eines jeden Theils insbesondere. Die a. in der Zeichnung des Nackenden. allgemeine und vornehmste Eigenschaft der Zeichnung in diesem Stil des Nackenden, ist das Gerade, oder die Umschreibung der Figur in wenig aa. dessen Eigenschaften allgemein. ausschweifenden und maͤßig gewoͤlbten Linien. Eben dieser Stil findet sich in ihrer Baukunst, und in ihren Verzierungen; daher fehlet ihren Figuren die Gratie (Gottheiten, die den Aegyptern Herodot. L. 2. p. 69. l. 12. unbekannt waren) und das Malerische, welches Strabo Geogr. L. 17. p. 806. A. von ihren Gebaͤuden saget. Der Stand der Figuren ist steif und gezwungen; aber parallel dichtzusammen stehende Fuͤße, wie sie einige alte Scribenten anzuzeigen scheinen, und wie die- selben an einigen Hetrurischen Figuren sind, hat keine einzige uͤbrig gebliebe- ne Aegyptische Figur, auch die zwo Colossalischen Statuen ohnweit den Ruinen von Theben nicht, wie die neuesten und beglaubten Berichte dar- thun. Die Fuͤße, welche wahrhaftig alt sind, stehen parallel, und nicht auswerts, aber wie ein geschobenes Parallel-Lineal; einer stehet voraus vor dem andern. An einer Maͤnnlichen Aegyptischen Figur von vierzehen Palmen I Theil. Zweytes Capitel. Palmen hoch in der Villa Albani, ist die Weite von einem Fuße zum an- dern uͤber drey Palme. Die Arme haͤngen gerade herunter laͤngst den Seiten, an welche sie, wie fest angedruͤcket, vereinigt liegen, und folglich haben dergleichen Figuren gar keine Handlung, welche durch Bewegung der Arme und der Haͤnde ausgedrucket wird. Diese Unbeweglichkeit der- selben ist ein Beweis, nicht der Ungeschicklichkeit ihrer Kuͤnstler, sondern von einer in Statuen gesetzten und angenommenen Regel, nach welcher sie, wie nach einem und eben demselben Muster, gearbeitet haben: denn die Handlung, welche sie ihren Figuren gegeben, zeiget sich an Obelisken, und auf andern Werken. Verschiedene Figuren sitzen auf untergeschlagenen Beinen, oder auf dem Knie, welche man daher Engonases Cic. de nat. deor. L. 2. c. 52. nennen koͤnnte, und in dieser Stellung waren die drey Dii Nixi, v. Fest. Dii Nixi. welche vor den drey Capellen des Olympischen Jupiters zu Rom standen. In der großen Einheit der Zeichnung ihrer Fuguren sind die Knochen und Muskeln wenig, Nerven und Adern aber gar nicht angedeutet: die Knie, die Knoͤchel des Fußes, und eine Anzeige vom Ellenbogen zeigen sich erhaben, wie in der Natur. Der Ruͤcken ist wegen der Saͤule, an welche ihre Statuen aus einem Stuͤcke mit derselben gestellet sind, nicht sichtbar. Der angefuͤhrte Antinous hat den Ruͤcken frey. Die wenig ausschweifende Umrisse ihrer Figuren sind zugleich eine Ursache der engen und zusammengezogenen Form derselben, durch welche Petronius Satyr. c. 2. p. 13. edit. Burm. den Aegyptischen Stil in der Kunst bedeutet. Es unterscheiden sich auch Aegyptische, sonderlich maͤnnliche Figuren, durch den ungewoͤhnlich schma- len Leib uͤber der Huͤfte. Diese angegebene Eigenschaften und Kennzeichen des Aegyptischen Stils, so wohl die Umschreibung und die Formen in fast geraden Linien, als die wenige Andeutung der Knochen und Muskeln, leiden eine Aus- nahme Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. nahme in den Thieren der Aegyptischen Kunst. Unter diesen sind sonder- lich anzufuͤhren Kircher. Oedip. Aeg. T. 3. p. 469 ein großer Syhinx von Basalt, in der Villa Borghese, ein anderer großer Sphinx von Granit unter den Koͤniglichen Alterthuͤ- mern zu Dreßden Dieses schaͤtzbare Werk der Aegyptischen Kunst war ehemals in dem Pallaste Chigi zu Rom. , zween Loͤwen am Aufgange zum Campidoglio, und Kircher. l. c. p. 463. zween andere an der Fontana Felice. Diese Thiere sind mit vielem Ver- staͤndnisse, mit einer zierlichen Mannigfaltigkeit sanft ablenkender Umrisse, und fluͤßig unterbrochener Theile gearbeitet. Die großen Umdreher, wel- che an den Menschlichen Figuren unbestimmt uͤbergangen sind, erscheinen an den Thieren, nebst der Roͤhre der Schenkel, und andern Gebeinen, mit nachdruͤcklicher Zierlichkeit ausgefuͤhret; und gleichwohl sind die Hiero- glyphen auf der Base des Sphinx zu Dreßden, und die Loͤwen an besag- ter Fontana deutliche Anzeigen Aegyptischer Werke. Die Sphinxe an dem Obelisko der Sonnen, welcher im Campo Marzo lieget, sind in eben dem Stil, und in den Koͤpfen ist eine große Kunst und Fleiß. Aus dieser Verschiedenheit des Stils zwischen den Figuren und Thieren ist zu schließen, daß, da jene Gottheiten, oder heilige Personen vorstellen, die Bildung der- felben allgemein bestimmet gewesen, und daß in Thieren die Kuͤnstler meh- rere Freyheit gehabt, sich zu zeigen. Man stelle sich das Systema der alten Kunst der Aegypter, in Absicht der Figuren, wie das Systema der Re- gierung zu Creta und zu Sparta vor, wo von den alten Verordnungen ihrer Gesetzgeber keinen Fingerbreit abzuweichen war; die Thiere waͤren in diesem vernuͤnftigen Zirkel nicht begriffen gewesen. Zum zweyten sind in der Zeichnung des Nackenden vornehmlich die bb. Beson- ders an ver- schiedenen Theilen des Koͤrpers an- gezeiget. α. der Kopf. aͤußern Theile Aegyptischer Figuren zu betrachten, das ist, der Kopf, die Haͤnde, und die Fuͤße. An dem Kopf sind die Augen platt und schraͤg ge- zogen, Winckelm. Gesch. der Kunst . F I Theil. Zweytes Capitel. zogen, welche insgemein nicht tief, wie an Griechischen Statuen, sondern mit der Stirne gleich liegen; daher auch der Augenknochen, auf welchem die Augenbranen mit einer erhobenen Schaͤrfe angedeutet sind, platt ist. Die Augenbranen, die Augenlieder, und der Rand der Lippen, sind meh- rentheils durch eingegrabene Linien angedeutet. An einem der aͤltesten Weiblichen Koͤpfe uͤber Lebensgroͤße, von gruͤnlichem Basalt, in der Villa Albani, welcher hohle Augen hat, sind die Augenbranen durch einen erho- benen platten Streif, in der Breite des Nagels am kleinen Finger, ge- zogen, und dieser erstrecket sich bis in die Schlaͤfe, wo derselbe eckigt ab- geschnitten ist; von dem untern Augenknochen gehet eben so ein Streif bis dahin, und endiget sich eben so abgeschnitten. Von dem sanften Profil an Griechischen Koͤpfen hatten die Aegypter keine Kenntniß, sondern es ist der Einbug der Nase, wie in der gemeinen Natur; der Backen-Knochen ist stark angedeutet und erhoben; das Kinn ist allezeit kleinlich, und das Oval des Gesichts ist dadurch unvollkommen. Der Schnitt des Mundes, oder der Schluß der Lippen, welcher sich in der Natur, wenigstens der Griechen und Europaͤer, gegen die Winkel des Mundes mehr unterwerts ziehet, ist an Aegyptischen Koͤpfen hingegen aufwerts gezogen. Von al- len Maͤnnlichen Figuren in Stein, hat nur eine einzige einen Bart. Die- ses ist ein Kopf uͤber Lebensgroͤße, mit der Brust von Basalt, in der Villa Ludovisi; es ist derselbe ziegelfoͤrmig und ganz platt gearbeitet, und die Locken desselben sind durch verschiedene gleichlaufende Bogen angedeutet. β die Haͤnde. Die Haͤnde haben eine Form, wie sie an Menschen sind, welche nicht uͤbelgebildete Haͤnde verdorben oder vernachlaͤßiget haben. Die Fuͤße un- terscheiden sich von Fuͤßen Griechischer Figuren dadurch, daß jene platter und ausgebreiteter sind, und daß die Zehen, welche voͤllig platt liegen, einen geringen Abfall in ihrer Laͤnge haben, und, wie die Finger, ohne An- deutung der Glieder sind. Es ist auch die kleine Zehe nicht gekruͤmmet, noch Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. noch einwerts gedruͤcket, wie an Griechischen Fuͤßen: also werden auch die Fuͤße des Memnons, so wie Pococke Deser. of the East, T. 1. p. 104. dieselben zeichnen lassen, nicht beschaffen und gebildet seyn. Die Kinder in Aegypten giengen zwar bar- fuß Diod. Sic. L. 1. p. 72. l. 40. , und ihre Zehen litten keinen Zwang; aber die angezeigte Form der Fuͤße entstehet nicht durch gehen mit bloßen Fuͤßen, sondern es muß auch dieselbe als eine von ihren ersten Figuren beybehaltene Bildung angesehen werden. Die Naͤgel sind nur durch eckigte Einschnitte angedeutet, ohne alle Rundung und Woͤlbung. An den Aegyptischen Statuen im Campidoglio, an welchen sich die γ die Fuͤße. Fuͤße erhalten haben, sind dieselben, wie selbst am Apollo im Belvedere, von ungleicher Laͤnge; der tragende und rechte Fuß ist an einer von jenen um drey Zolle eines Roͤmischen Palms laͤnger, als der andere. Diese Ungleichheit der Fuͤße aber ist nicht ohne Grund: denn man hat dem tra- genden und hinterwerts stehenden Fuße, so viel mehr geben wolten, als er in der Ansicht durch das Zuruͤckweichen verliehren koͤnnte. Der Nabel ist an Maͤnnern so wohl, als Weibern, ungewoͤhnlich tief und hohl gearbeitet. Ich wiederhole hier, was in der Vorrede allgemein erinnert worden, daß man nicht aus Kupfern urtheilen koͤnne: denn an den Aegyptischen Fi- guren beym Boißard, Kircher, Montfaucon und anderen, findet sich kein einziges von den angegebenen Kennzeichen des Aegyptischen Stils. Ferner ist genau zu beobachten, was an Aegyptischen Statuen wahrhaftig alt, und was ergaͤnzet ist. Das Untertheil des Gesichts an der vermeynten Isis Montfauc. Ant. expl. Suppl. 1. pl. 36. Mus. Capit. T. 3. tav. 76. im Campidoglio (welche die einzige unter den vier groͤßten Statuen da- selbst von schwarzem Granite ist) ist nicht alt, sondern ein neuer Ansatz; welches ich anzeige, weil es wenige wissen und finden koͤnnen: es sind auch an dieser, und an den zwo andern Statuen von rothem Granite, Arme und F 2 Beine I Theil. Zweytes Capitel. Beine ergaͤnzet. Eine sitzende Weibliche Statue in dem Pallaste Barberini, welche nach Art einer andern Maͤnnlichen Figur Oed. Aeg. T. 3. p. 496. 497. beym Kircher Diese kniende Statue von schwaͤrzlichem Granite stand zu Rignano auf der Straße von Rom nach Loreto, und befindet sich in der Villa Albani. Es ist dieselbe beym Kircher ganz falsch gezeichnet: denn man sieht bey ihm in dem Kasten nur eine Figur, und es sind deren drey neben einander. , einen kleinen Anubis in einem Kasten vor sich haͤlt, hat einen neuen Kopf. bb. besondere Gestaltung ihrer goͤttli- chen Figuren, und beygeleg- te Zeichen. An dieses Stuͤck von der Zeichnung des Nackenden wuͤrde am be- quemsten dasjenige anzuhaͤngen seyn, was zum Unterricht derer, welche die Kunst studiren, von der besondern Gestaltung Goͤttlicher Figuren bey den Aegyptern, und von den sinnlich gemachten Eigenschaften und Ver- richtungen derselben zu sagen waͤre. Weil hiervon aber zum Ueberfluß von andern gehandelt worden, so will ich mich auf einige Anmerkungen einschraͤnken. Von Gottheiten, welchen man einen Kopf der Thiere gegeben, in welchen die Aegypter jene verehreten, haben sich wenige in Statuen er- halten. Es sind dieselbe eine oben angefuͤhrte Statue in Lebensgroͤße Kirch. Oed. Aeg. T. 3. p. 501. Donati Roma, p. 60. mit einem Sperber-Kopfe, welche den Osiris vorstellet, im Pallaste Bar- berini; eine andere Statue von gleicher Groͤße mit einem Kopfe, welcher etwas von einem Loͤwen, von einer Katze, und vom Hunde hat, in der Villa Albani; und eine kleine sitzende Figur mit einem Hunds-Kopfe, in eben dieser Villa: alle dreye sind von schwaͤrzlichem Granite. Der Kopf der zweyten von diesen Figuren ist auf dessen Hintertheile mit der gewoͤhn- lichen Aegyptischen Haube bedecket, welche in viele Falten geleget, rundlich vorne, und hinten uͤber die Achseln an zween Palme lang herunter haͤngt. Auf dem Kopfe erhebet sich ein sogenannter Limbus senkrecht uͤber einen Palm in die Hoͤhe: mit einem Limbo wurden nachher die Bildnisse Pitt. Ercol. T. 2. tav. 10. der Goͤtter, Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Goͤtter, der Kaiser und der Heiligen vorgestellet. Denenjenigen, welche, wie Warburthon , unter den Goͤttlichen Figuren die von dieser Art fuͤr juͤnger, als die ganz Menschlichen Figuren, halten wollen, kann man versi- chern, daß die angefuͤhrten Figuren eben so alt, wo nicht aͤlter scheinen, als die aͤltesten Figuren im Campidoglio, an welchen die Menschliche Ge- stalt nicht geaͤndert ist. Der Anubis Mus. Capit. T. 3. tav. 85. von schwarzem Marmor, im Cam- pidoglio, ist kein Werk Aegyptischer Kunst, sondern zur Zeit des Kaiser Hadrianus gemachet. Strabo L. 17. p. 1158. 1159. ed. Amst. , nicht Diodorus, nach dem Pococke, berichtet von einem Tempel zu Theben, daß innerhalb demselben keine Menschlichen Figuren, sondern bloß Thiere gesetzet gewesen, und diese Bemerkung will Pococke Descr. of the East, T. 1. p. 95. auch bey andern daselbst erhaltenen Tempeln gemachet haben. Unterdessen finden sich itzo mehr Aegyptische Figuren, welche aus ihren beygelegten Zei- chen, Gottheiten scheinen, in voͤlliger Menschlichen Gestalt, als mit dem Kopfe eines Thieres vorgestellet, wie dieses unter andern die bekannte Isische Tafel, die in dem Museo des Koͤnigs von Sardinien, zu Turin, ist, beweisen kann. Isis Diod. L. 1. p. 11. l. 12. mit Hoͤrnern auf dem Kopfe findet sich auf keinem alten Denkmale dieses Volkes Es finden sich zween Koͤpfe der Isis mit Hoͤrnern auf geschnittenen Steinen in dem Stoßischen Museo, ( p. 11. no. 40. 41. ) aber diese sind von spaͤterer Zeit, und Roͤmische Arbeiten. . Die Weiblichen Figuren im Campidoglio aber koͤnnen am fuͤglichsten auf diese Goͤttinn gedeutet werden. Priesterin- nen derselben koͤnnen es nicht seyn, weil kein Weib Herodot. L. 2. p. 64. l. 42. dieses Amt in Aegy- pten fuͤhrete. Die Maͤnnlichen Figuren an eben dem Orte koͤnnen auch Statuen der Hohenpriester zu Theben seyn, welche alle daselbst standen. Von den Fluͤgeln der Aegyptischen Gottheiten wird in dem dritten Absatze dieses zweyten Stuͤckes geredet. Es kann auch hier bemerket werden, daß das Sistrum keiner Figur, auf irgend einem alten Aegyptischen Werke in F 3 Rom, I Theil. Zweytes Capitel. Rom, in die Hand gegeben ist, ja man sieht dieses Instrument auf den- selben, außer auf dem Rande der Isischen Tafel, gar nicht vorgestellet, und diejenigen irren sich, welche, wie Bianchini de Sistr. p. 17. , es auf mehr, als auf einem Obelisko, wollen gefunden haben. Hievon habe ich schon Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, Pref. p. XVII. an einem an- deren Orte geredet. Die Staͤbe der Gottheiten haben insgemein, an statt des Knopfs, einen Vogel-Kopf, nach der Art, wie die Aegypter und andere Voͤlker dieselben ziereten, wie die sitzenden Figuren auf beyden Seiten Pococke’s Descr. of the East, Vol. 2. pl. XCI. einer großen Tafel von rothem Granite in dem Garten des Pallastes Bar- berini, und nicht da, wo man dem Pococke schrieb. Dieser Vogel ist vermuthlich derjenige, welchen die Einwohner itzo Abukerdan Voy. de Monconys, T. I. p. 198. nennen, in der Groͤße eines kleinen Krannigs. Auch die Griechen Schol. Av. Aristoph. v. 510. conf. Bergler. not. ad h. l. trugen Staͤbe, oben mit Voͤgeln gezieret. Bey den Assyriern war, nach dem Herodotus, ein Apfel, Rose, Lilie, Adler, oder sonst etwas oben darauf geschnitzet. Es war also der Adler oben auf dem Stabe des Jupiters, welchen Pinda- rus Pyth. l. v. 10. beschreibet, und wie man ihn an einem schoͤnen Altare in der Villa Albani siehet, aus dem gemeinen Gebrauche genommen. Die Sphinxe der Aegypter haben beyderley Geschlecht, das ist, sie sind vorne Weiblich, und haben einen Weiblichen Kopf, und hinten Maͤnn- lich, wo sich die Hoden zeigen. Dieses ist noch von niemand angemerket. Ich gab dieses Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, Pref. p. 8. n. 31. conf. p. 4. n. 7. aus einem Steine des Stoßischen Musei an, und ich zeigete dadurch die Erklaͤrung der bisher nicht verstandenen Stelle ap. Athen. Deipnos. L. 14. p. 659. B. des Poeten Philemon, welcher von Maͤnnlichen Sphinxen redet, sonderlich da auch die Griechischen Kuͤnstler Pref. à la Descript. cit. p. XVII. Sphinxe mit einem Barte bildeten. Dieses Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Dieses fand ich auf einer Zeichnung in der großen Sammlung der Zeich- nungen des Herrn Card. Alex. Albani, und ich glaubete, das Stuͤck, wo- von diese Zeichnung genommen war, sey verlohren gegangen. Es kam dasselbe aber nachher in der Garderobe des Farnesischen Pallastes zum Vor- schein, und ist eine erhobene Arbeit von gebrannter Erde. Damals hatte ich die Hoden der Aegyptischen Sphinxe noch nicht bemerket. Herodotus, wenn er die Sphinxe L. 2. p. 100. l. 17. ἀνδρόσφιγγες nennet, hat nach meiner Mey- nung die beyden Geschlechter derselben andeuten wollen. Besonders zu merken sind die Sphinxe an den vier Seiten der Spitze des Obelisks der Sonnen, welche Menschen-Haͤnde haben, mit spitzigen einwerts gekruͤm- meten Naͤgeln reißender Thiere. Es ist derselbe zu Anfang des Capitels in Kup f er vorgestellet. In dem zweyten Absatze des aͤltern Aegyptischen Stils von der Be- b. Von der Bekleidung der Figuren des aͤltern Stils. kleidung ihrer Figuren, merke ich zuerst an, daß dieselbe vornehmlich Plutarch. de Is. \& Osir. p. 628. conf. Barnes. ad Eurip. Troad. v. 128. von Leinen war, welches in diesem Lande Salmasius ( Exercit. in Solin. p. 998. B. ) will aus einer Stelle des Dichters Gratius schließen, daß das Leinen in Aegypten kaum zugereichet habe, die Priester zu kleiden. Unterdessen gedenket Plinius vier Arten von Aegyptischen Leinen, und der Dichter scheinet nur die Menge der Priester haben anzeigen wollen. haͤufig gebauet wurde, und ihr Rock, Calasiris genannt, an welchem unten Herodot. L. 2. p. 75. l. 11. ein gekraͤuselter Streif aa. Der Rock. oder Rand mit vielen Falten genaͤhet war, gieng ihnen Bochart. Phal. \& Can. p. 416. l. 24. bis auf die Fuͤße, uͤber welchen die Maͤnner einen weißen Mantel von Tuch schlugen. Die Maͤnnlichen Figuren aber sind alle nackend, so wohl in Statuen, als an Obelisken, und auf andern Werken, bis auf einen Schurz, welcher uͤber die Huͤften angeleget ist, und den Unterleib bedecket. Dieser Schurz ist in ganz kleine Falten gebrochen. Da dieses aber vermuthlich Goͤttliche Figuren sind, so kann, wie bey den Griechen, dieselben nackend vorzustel- len, I Theil. Zweytes Capitel. len, angenommen seyn; oder es waͤre als eine Vorstellung der aͤltesten Tracht daselbst anzusehen, welche bey den Arabern noch lange hernach ge- blieben war: denn diese hatten nichts Strabo Geogr. L. 16. p. 784. A. conf. Vales. ad Ammian. L. 14. c. 4. p. 14. , als einen Schurz, um den Leib, und Schuhe an Fuͤßen. In diesem aͤltern Stil ist die Bekleidung sonderlich an Weiblichen Figuren nur durch einen hervorspringenden oder erhobenen Rand, an den Beinen und am Halse, angedeutet, wie an einer vermeynten Isis im Campidoglio, und an zwo andern Statuen daselbst zu sehen ist. Um den Mittelpunct der Bruͤste von der einen, wo die Warzen stehen wuͤrden, ist ein kleiner Zirkel eingegraben angedeutet, und von demselben gehen viel dicht neben einander liegende Einschnitte, wie Radii eines Zirkels, an zween Finger breit auf den Bruͤsten herum. Und dieses koͤnnte fuͤr einen ungereimten Zierrath angesehen werden. Ich bin aber der Meynung, daß hierdurch die Falten eines duͤnnen Schleyers, welcher die Bruͤste be- decket, angedeutet werden sollten. Denn an einer Aegyptischen Isis, aber vom spaͤteren und schoͤneren Stil, in der Villa Albani, sind auf den Bruͤ- sten derselben, welche dem ersten Anblicke entbloͤßet zu seyn scheinen, fast unmerkliche erhobene Falten gezogen, welche in eben der Richtung sich von dem Mittelpuncte der Bruͤste ausbreiten. An dem Leibe jener Figuren muß die Kleidung bloß gedacht werden. In eben dieser Form ist eine bekleidete Isis Gordon Essay \&c. l. c. auf einer Mumie gemalet, und die zwanzig Colossalische Statuen der Beyschlaͤferinnen Koͤnigs Mycerinus, von Holz, welche He- rodotus L. 2. p. 95. l. 36. fuͤr nackend angesehen, werden vielleicht eine aͤhnliche Anzei- gung der Kleidung gehabt haben; wenigstens findet sich itzo keine einzige voͤllig nackte Aegyptische Figur. Eben dieses bemerket Pococke l. c. p. 212. an einer sitzenden Isis, welche, ohne einen hervorspringenden Rand uͤber die Knoͤchel Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Knoͤchel des Fußes, fuͤr ganz nackend zu halten waͤre; daher er sich diese Bekleidung als ein feines Nesseltuch vorstellet, wovon noch itzo die Wei- ber im Orient, wegen der großen Hitze, Hemden tragen. In einer besondern Art ist die vorher angefuͤhrte sitzende Figur in der Gallerie Barberini gekleidet: es erweitert sich der Rock von oben bis un- ten, wie eine Glocke, ohne Falten. Man kann sich davon aus einer Fi- gur, welche Pococke l. c. p. 284. beybringet, einen Begriff machen. Eben auf diese Art ist der Rock einer sehr alten Weiblichen Figur, von schwaͤrzlichem Granite, drey Palme hoch, in dem Museo Hrn. Urbano Rolandi zu Rom gemachet; und weil sich derselbe unten nicht erweitert, sieht das Unter- theil dieser Figur einer Saͤule aͤhnlich. Es haͤlt dieselbe einen sitzenden Cynocephalus, auf einem Kaͤstgen, mit vier saͤulenweis gesetzten Reihen von Hieroglyphen, vor der Brust. Die Fuͤße an derselben sind nicht sichtbar. Die erhabenen uͤbermalten Figuren, welche sich zu Theben erhalten haben, sollen Plut. de Is. \& Osir. p. 680. , wie des Osiris Kleidung gemalet war, Norden’s Travels in Egypt, Pref. p. XX. XXII. T. 2. p. 51. ohne Abwei- chung, und ohne Licht und Schatten seyn. Dieses aber muß uns nicht so sehr, als dem, der es berichtet, befremden: denn alle erhobene Werke bekommen Licht und Schatten durch sich selbst, sie moͤgen in weißem Marmor, oder von einer andern einzigen Farbe seyn, und es wuͤrde alles an ihnen ver- worren werden, wenn man im Uebermalen derselben, mit dem Erhobenen und Vertieften es, wie in der Malerey, halten wollte. Es finden sich uͤbrigens in Aegypten auch Pococke’s Descr. of the East, T. 1. p. 77. andere Stuͤcke von uͤbermalten erhobenen Arbeiten. Es ist auch von den uͤbrigen Stuͤcken der Aegyptischen Kleidung bb. Andere Stuͤcke der Kleidung und des Schmucks. etwas zu reden. Die Maͤnner giengen insgemein mit unbedecktem Haupte, und Winckelm. Gesch. der Kunst . G I Theil. Zweytes Capitel. und waren hierinn das Gegentheil der Perser, wie Herodotus uͤber die ver- schiedene Haͤrte der Hirnschaͤdel der auf beyden Seiten in der Schlacht mit den Persern gebliebenen, anmerket. Die Maͤnnlichen Figuren der Ae- gypter haben den Kopf entweder mit einer Haube, oder Muͤtze bedecket, als Goͤtter oder Koͤnige. Die Haube haͤngt an etlichen in zwey breiten, oder auch auswerts rundlichen Streifen, uͤber die Achseln, sowohl gegen die Brust, als auf den Ruͤcken herunter. Die Muͤtze gleichet theils einer Bi- schofs-Muͤtze, (Mitra) theils ist sie oben platt, nach der Art, wie man sie vor zweyhundert Jahren trug, wie z. E. die Muͤtze des aͤlteren Aldus ge- staltet ist. Die Haube nebst der Mitra haben auch Thiere; jene sieht man am Sphinxe, und diese am Sperber. Ein großer Sperber von Basalt, mit einer Mitra, ohngefehr drey Palme hoch, befindet sich in dem Museo gedachten Rolandi. Die oben platte Muͤtze wurde mit zwey Baͤndern unter dem Kinne gebunden, wie man an einer einzigen sitzenden Figur von vier Palmen, in schwarzem Granite, in eben diesem Museo sieht. Auf dieser Muͤtze erhebet sich, einen Palm in die Hoͤhe, derjenige Zierrath, welcher unter andern auf der Muͤtze einer Figur an der Spitze des Barberinischen Obelisci stehet. Man will diesen Zierrath fuͤr das Gestraͤuch Warburthon Essay des Hierogl. des Dio- dorus halten, welches ein Haupt-Schmuck der Koͤnige war. Einige Fi- guren, sowohl Maͤnnliche als Weibliche, haben vier Reihen, welche Stei- ne, Perlen und dergleichen vorstellen, als eine Mantille, uͤber die Brust haͤngen, welcher Zierrath sich sonderlich an Canopen und Mumien findet. Weibliche Figuren haben allezeit den Kopf mit einer Haube bedecket, und dieselbe ist zuweilen in fast unzaͤhliche kleine Falten geleget, wie sie der angefuͤhrte Kopf von gruͤnem Basalt in der Villa Albani hat. An dieser Haube ist auf der Stirn ein laͤnglich eingefasseter Stein vorgestellet, und an diesem Kopfe allein ist der Anfang von Haaren uͤber der Stirn angedeutet. Von Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Von besonderem Haupt-Putze will ich hier nur dasjenige beruͤhren, was von andern nicht bemerket ist. Es finden sich Aufsaͤtze von fremden Haaren, wie ich an einem der aͤltesten Weiblichen Aegyptischen Koͤpfe in der Villa Altieri zu sehen glaube. Diese Haare sind in unzaͤhlige ganz kleine geringelte Locken geleget, und haͤngen vorwerts von der Achsel her- unter: es sind, glaube ich, an tausend kleine Loͤckgen, welche jedesmal an eignen Haaren zu machen, zu muͤhsam gewesen waͤre. Umher gehet da, wo der Haarwachs auf der Stirne anfaͤngt, ein Band, oder Diadema, welches vorne auf dem Kopfe gebunden ist. Mit diesem Haar-Putze kann ein Weiblicher Kopf im Profil von erhobener Arbeit verglichen werden, welcher auf dem Campidoglio, außen an der Wohnung des Senators von Rom, unter andern Koͤpfen und erhobenen Arbeiten, eingemauert ist. Die Haare desselben sind in viel hundert Locken geleget, vorgestellet. Die- ser Kopf wird auch unten im dritten Stuͤcke beruͤhret. Ein aͤhnlicher Auf- satz l. c. p. 212. beym Pococke, dessen innere Seite glatt ist, bestaͤtiget meine Mey- nung; hier zeiget sich, was wir itzo nennen, das Netz, worauf die Haare genaͤhet sind. Ich weis also nicht, ob ein solcher Aufsatz an einer Aegy- ptischen Statue im Campidoglio aus Federn gemachet ist, wie Mus. Capit. T. 3. alla Tav. 76. in der Beschreibung derselben angegeben wird. Da es gewiß ist, daß den Car- thaginensen Aufsaͤtze von fremden Haaren bekannt waren, welche Hannibal Polyb. L. 3. p. 229. D. Liv. L. 22. c. 1. auf seinem Zuge durch das Land der Ligurier trug, so wird der Gebrauch derselben bey Aegyptern auch dadurch wahrscheinlich. Eine andere beson- dere Tracht war die einzige Locke, welche man an dem beschornen Kopfe einer Statue von schwarzem Marmor Mus. Capit. T. 3. tav. 87. im Campidoglio, auf der rechten Seite, an dem Ohr, haͤngen siehet: es ist eine Aegyptische Nachahmung, und wird unten angefuͤhret. Diese Locke ist weder in dem Kupfer, noch in der Beschreibung derselben, angezeiget. Von einer solchen einzigen Locke G 2 an I Theil. Zweytes Capitel. an dem beschornen Kopfe eines Harpocrates habe ich in der Beschreibung der Stoßischen geschnittenen Steine geredet, wo auch eine solche Locke an einer Figur eben dieser Gottheit, welche Herr Graf Caylus Recueil d’Ant. T. 2. pl. 4. n. 1. bekannt ge- machet, angezeiget habe. Hierdurch wird Macrobius Saturn. L. 1. c. 21. p. 248. erklaͤret, welcher berichtet, daß die Aegypter die Sonne mit beschornem Haupte vorstelleten, außer den Locken auf der rechten Seite. Cuper Harpocr. p. 32. , welcher, ohne dieses be- merket zu haben, will, daß die Aegypter unter dem Harpocrates auch die Sonne verehreten, irret also nicht, wie ihm ein neuerer Scribent Pluche Hist. du Ciel, T. 1. p. 95. vor- wirft. In dem Museo des Collegii S. Ignatii zu Rom findet sich ein klei- ner Harpocrates, nebst zwo andern kleinen wahrhaftig Aegyptischen Figuren von Erzt, mit dieser Locke. Schuhe und Sohlen hat keine einzige Aegyptische Figur, außer daß man an der vorher beruͤhrten Statue beym Pococke unter dem Knoͤchel des Fußes einen eckigten Ring angeleget sieht, von welchem wie ein Riem zwischen der großen und der folgenden Zehe herunter gehet, wie zu Be- festigung der Sohlen, welche aber nicht sichtbar ist. Dieses ist, was ich uͤber den aͤltern Stil der Aegypter zu betrachten gefunden habe. B. Von dem folgenden und spaͤteren Stil der Aegypti- schen Kunst Der zweyte Absatz des zweyten Stuͤcks dieses Abschnitts, welcher von dem folgenden und spaͤteren Stil der Kuͤnstler dieses Volks handelt, hat, wie in dem vorigen Absatze, zuerst die Zeichnung des Nackenden, und zum zweyten die Bekleidung der Figuren zum Vorwurfe. Beydes laͤßt sich a. in der Zeichnung des Nackenden. an zwo Figuren von Basalt, und, was den Stand und die Bekleidung be- trifft, an einer Figur in der Villa Albani, aus eben dem Steine, zeigen. aa deren Eigenschaft. (Diese hat nicht ihren alten Kopf, Arme und Beine.) Das Gesicht Mus. Capit. l. c. tav. 79. der einen von den ersteren hat eine der Griechischen aͤhnliche Form, bis auf den Mund, welcher aufwerts gezogen ist, und das Kinn Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Kinn ist zu kurz; zwey Kennzeichen, welche die aͤlteren Aegyptischen Koͤpfe haben. Die Augen sind ausgehoͤhlt, welche vor Alters von anderer Ma- terie eingesetzet gewesen. Das Gesicht Mus. Capit. l. c. tav. 80. der anderen kommt der Griechi- schen Form noch naͤher; das Ganze der Figur aber ist schlecht gezeichnet, und die Proportion ist zu kurz. Die Haͤnde sind zierlicher, als an den aͤl- testen Aegyptischen Figuren; die Fuͤße aber sind geformet, wie an jenen, nur daß sie etwas auswerts stehen. Der Stand und die Handlung der ersteren Figur sowohl, als der dritten, ist wie an den aͤltesten Aegyptischen: sie haben senkrecht haͤngende Arme, welche, außer einer durchbohrten Oef- nung an der erstern, fast an der Seite anliegen, und hinten stehen sie an eine eckigte Saͤule, wie jene alten Figuren. Die zweyte hat freyere Arme, und mit der einen Hand haͤlt sie ein Horn des Ueberflusses mit Fruͤchten: diese hat den Ruͤcken frey und ohne Saͤule. Diese Figuren koͤnnen von Aegyptischen Meistern, aber unter der Re- bb. Besondere algemeine An- merkungen. gierung der Griechen, gemacht seyn, die ihre Goͤtter, und also auch ihre Kunst in Aegypten einfuͤhreten, so wie sie wiederum Aegyptische Gebraͤuche annahmen. Denn da die Aegypter zur Zeit des Plato, das ist, da sie von den Persern beherrschet wurden, Statuen machen lassen, wie die oben angefuͤhrte Nachricht desselben bezeuget, so wird auch unter den Ptolemaͤern die Kunst von ihren eigenen Meistern geuͤbet worden seyn, welches die fort- daurende Beobachtung ihres Goͤtterdienstes um so viel wahrscheinlicher machet. Die Figuren dieses letztern Stils unterscheiden sich auch dadurch, daß sie keine Hieroglyphen haben, welche sich an den mehresten aͤltesten Aegyptischen Figuren, theils an deren Base, theils an der Saͤule, an wel- cher sie stehen, finden. Der Stil aber ist hier allein das Kennzeichen, nicht die Hieroglyphen: denn ob sich gleich dieselben auf keiner Nachahmung Aegyptischer Figuren, von welchen in dem naͤchsten dritten Absatze zu reden G 3 ist, I Theil. Zweytes Capitel. ist, finden, so sind hingegen auch wahrhaftig alte Aegyptische Figuren ohne das geringste von solchen Zeichen; unter denselben sind zween Obelisken, der vor St. Peter, und der bey St. Maria Maggiore, und Plinius L. 36. p. 293. ed. Hard. in 4. merket dieses von zween andern an. An den Loͤwen am Aufgange zum Campidoglio, und an zween andern von Granit, unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern zu Dreßden, sind keine Hieroglyphen, auch an zwo Figu- ren in der Gallerie Barberini nicht, von welchen die eine einen Sperber- Kopf hat, und oben angefuͤhret ist. Eben dieses ist von einer kleinen Aegyptischen Figur im aͤltern Stil in der Villa Altieri zu merken. b. von der Bekleidung der Figuren. Was die Bekleidung anbetrifft, so bemerket man an allen drey oben angefuͤhrten Weiblichen Statuen zwey Unterkleider, einen Rock, und einen Mantel. Dieses aber widerspricht dem Herodotus nicht, welcher saget L. 2. p. 65. l. 11. , daß die Weiber nur ein einziges Kleid haben: denn dieses ist vermuthlich von dem Rocke, oder dem Oberkleide derselben, zu verstehen. Das eine Unterkleid ist an den zwo Statuen im Campidoglio in kleine Falten gele- get, und haͤnget vorwerts bis auf die Zehen, und seitwerts auf die Base derselben herunter; an der dritten Statue in der Villa Albani ist es, weil die alten Beine fehlen, nicht zu sehen. Dieses Unterkleid, welches, allem Ansehen nach, von Leinewand scheinet gewesen zu seyn, war etwa uͤber die Huͤfte angeleget. Das andere Unterkleid, welches offenbar eine sehr feine Leinewand vorstellet, war wie ein Oberhemde; es bedeckete die Weibliche Brust bis an den Hals, und war mit kurzen Ermeln, welche nur bis an das Mittel des Obertheils des Armes reichen. An diesen Ermeln, welche durch einen erhabenen Rand und Vorsprung angezeiget sind, ist dieses Un- terkleid an den zwo ersteren Statuen nur allein sichtbar; die Bruͤste schei- nen voͤllig bloß zu seyn, so durchsichtig und fein muß man sich dieses Zeug vorstellen. Auf der dritten Statue aber erscheinet es deutlicher auf den Bruͤsten, Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Bruͤsten, durch ganz sanfte und fast unmerkliche Faͤltgen, welche sich von der Warze derselben sehr gelinde nach allen Seiten ziehen, wie auch oben bereits bemerket ist. Der Rock ist an der ersten und an der dritten Statue sehr aͤhnlich, und lieget dicht am Fleische, außer einigen sehr flachen Falten, welche sich ziehen. Der Rock gehet allen dreyen bis unter die Bruͤste, und bis dahin wird derselbe durch den Mantel hinaufgezogen und gehalten. Der Mantel ist an zween seiner Zipfel uͤber beyde Achseln gezogen, und durch diese Zipfel ist der Rock unter die Bruͤste gebunden; das uͤbrige von den Enden haͤngt unter den gebundenen Knoten von der Brust herunter; auf eben die Art, wie der Rock mit den Enden des Mantels geknuͤpfet ist an der schoͤnen Isis in Lebensgroͤße im Campidoglio, und an einer groͤßeren Isis im Pallaste Barberini, welche beyde von Marmor, und Griechische Arbeiten sind. Hierdurch wird der Rock in die Hoͤhe gezogen, und die sanften Falten, welche sich auf den Schenkeln der Beine werfen, gehen alle zugleich mit aufwerts, und von der Brust haͤnget zwischen den Beinen bis auf die Fuͤße herunter, eine einzige gerade Falte. An der dritten Statue in der Villa Albani ist ein kleiner Unterschied: es gehet nur einer von den Zipfeln des Mantels uͤber die Achsel heruͤber, der andere ist unter der lin- ken Brust herumgenommen, und beyde Zipfel sind zwischen den Bruͤsten mit dem Rocke geknuͤpfet. Weiter ist der Mantel nicht sichtbar, und da derselbe hinten haͤngen sollte, ist er gleichsam durch die Saͤule bedecket, an welche die erste und die dritte stehen: die zweyte hat den Ruͤcken frey, und ohne Saͤule, und hat dem Mantel vor dem Unterleib herumgenommen. Der dritte Absatz dieses zweyten Stuͤcks handelt von Figuren, welche C. Von der Nachahmung Aegyptischer Werke unter dem Kaiser Hadriano. a. allgemein. den alten Aegyptischen Figuren aͤhnlicher, als jene, kommen, und weder in Aegypten, noch von Kuͤnstlern dieses Landes, gearbeitet worden, sondern Nachahmungen Aegyptischer Werke sind, welche Kaiser Hadrian machen lassen, I Theil. Zweytes Capitel. lassen, und, fo viel mir wissend ist, sind dieselben alle in dessen Villa zu Tivoli gefunden. An einigen ließ er die aͤltesten Aegyptischen Figuren ge- nau nachahmen; an andern vereinigte er die Aegyptische Kunst mit der Griechischen. In beyden Arten finden sich einige, welche in Stand und Richtung den aͤltesten Aegyptischen Figuren voͤllig aͤhnlich sind, das ist, sie stehen voͤllig gerade, und ohne Handlung, mit senkrecht haͤngenden, und an der Seite und den Huͤften fest anliegenden Armen; ihre Fuͤße gehen parallel, und sie stehen, wie die Aegyptischen, an einer eckigten Saͤule. Andere haben zwar eben denselben Stand, aber nicht die Arme unbeweglich, sondern sie tragen oder zeigen mit derselben. Diese Figuren haben nicht alle ihre alten Koͤpfe, so wie auch die im vorigen Capitel angefuͤhrte Isis einen neuen Kopf hat. Dieses ist wohl zu merken, weil es denen, die uͤber diese Sta- tuen geschrieben haben, nicht allezeit bekannt gewesen, und Bottari Mus. Capit. T. 3. Fig. 81. p. 152. haͤlt sich bey dem Kopfe gedachter Isis viel auf. Die Haarflechten, welche auf der Achsel liegen, hatten sich erhalten, und nach Anweisung derselben sind die Locken an dem neuen Kopfe gearbeitet. Nach der Ergaͤnzung die- ser Statue fand sich der alte wahre Kopf derselben, welchen der Cardinal Polignac kaufte, dessen Museum der Koͤnig in Preußen erstanden Dieser Kopf wurde in der Villa Hadriani bey Tivoli, nebst verschiedenen andern Koͤpfen, welche gedachter Cardinal ebenfalls an sich brachte, unter vielen mit der Hacke zerschla- genen Statuen, in einem mit Marmor ausgemauerten und belegten Teiche gefunden. . Ich will hier die verschiedenen Gattungen der Werke in dieser Art, und unter denselben die betraͤchtlichsten Stuͤcke, mit einer Beurtheilung ihrer Zeich- nung und Form anzeigen, und hernach die Bekleidung in diesem Absatze beruͤhren. b. Beurthei- lung besonde- rer Werke aa. in Ab- sicht der Zeichnung. Von Statuen sind insbesondere Maffei Raccolta di Statue Fol. 148. zwo von roͤthlichem Granite, welche an der Wohnung des Bischoffs zu Tivoli stehen, und der angefuͤhrte Aegy- ptischen Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. ptische Antinous von Marmor im Campidoglio, zu merken. Jene sind bey- nahe noch einmal so groß, als die Natur, und diese ist ebenfalls uͤber Lebeus- groͤße. Jene haben den Stand, wie die aͤltesten Aegyptischen Figuren, und stehen, wie diese, an einer eckigten Saͤule, aber ohne Hieroglyphen. Die Huͤften und der Unterleib sind mit einem Schurze bedecket, und der Kopf hat seine Haube mit zween herunter haͤngenden Streifen. Diese Aehn- lichkeit verursachet, daß sie von allen unter die aͤltesten Werke der Aegypter gerechnet werden. Auf dem Kopfe tragen sie einen Korb nach Art der Caryatiden, aus einem Stuͤcke mit der Figur. Das Ganze hat eine Aegyptische Gestalt, aber die Theile haben nicht die Aegyptische Form. Die Brust, welche an den aͤltesten Maͤnnlichen Figuren platt lieget, ist hier maͤchtig und heldenmaͤßig erhaben: die Rippen unter der Brust, wel- che an jenen gar nicht sichtbar sind, erscheinen hier voͤllig angegeben: der Leib uͤber den Huͤften, welcher dort sehr enge ist, hat hier seine rechte Fuͤlle: die Glieder und Knorpel der Knie sind hier deutlicher, als dort, gearbeitet: die Muskeln an den Armen, und an andern Theilen, liegen voͤllig vor Augen: die Schulterblaͤtter, welche dort wie ohne Anzeige sind, erheben sich hier mit einer starken Rundung, und die Fuͤße kommen der Griechi- schen Form naͤher. Die groͤßte Verschiedenheit aber lieget in dem Gesichte: welches weder auf Aegyptische Art gearbeitet, noch sonst ihren Koͤpfen aͤhnlich ist. Die Augen liegen nicht, wie in der Natur, und wie an den aͤltesten Aegyptischen Koͤpfen, fast in gleicher Flaͤche mit dem Augen-Kno- chen, sondern sie sind nach dem Systema der Griechischen Kunst tief gesen- ket, um den Augen-Knochen zu erheben, und Licht und Schatten zu er- halten. Die Form des Gesichts ist vielmehr Griechisch, und es ist dem Aegyptischen Antinous voͤllig aͤhnlich. Daher muthmaße ich, daß auch diese Statuen eine Vorstellung desselben auf Aegyptische Art seyn koͤnnen. An besagtem Aegyptischen Antinous von Marmor, ist der Griechische Stil noch deutlicher; es stehet auch derselbe frey, und an keine Saͤule. Winckelm. Gesch der Kunst . H Zu I Theil. Zweytes Capitel. Zu den Statuen koͤnnen die Sphinxe gerechnet werden, und es sind viere derselben von schwarzem Granite in der Villa Albani, deren Koͤpfe eine Bildung haben, die muthmaßlich in Aegypten nicht kann entworfen und gearbeitet seyn. Die Statuen der Isis in Marmor gehoͤren nicht hierher: sie sind von der Kaiser Zeiten; denn zu des Cicero Zeiten De nat. deor. L. 3. c. 19. war der Got- tesdienst der Isis in Rom noch nicht angenommen. Von erhobenen Arbeiten, welche zu diesen Nachahmungen gehoͤren, ist vornehmlich diejenige von gruͤnem Basalt anzufuͤhren, welche in dem Hofe des Pallastes Maltei stehet Bartoli Admir. , und eine Procession eines Aegyptischen Opfers vorstellet. Ein anderes Werk von dieser Art ist zu Ende dieses Capitels in Kupfer vorgestellet, und ist bereits anderwerts von mir beruͤhret. Die Isis auf demselben ist gefluͤgelt, und die Fluͤgel sind von hinten vorwerts herunter geschlagen, und bedecken den ganzen Unterleib. Die Isis auf der Isischen Tafel hat ebenfalls große Fluͤgel, welche aber uͤber den Huͤften stehen, und vorwerts ausgestrecket sind, um gleichsam die Figur zu beschatten, nach Art der Cherubinen. Eben so sieht man Motraye Voy. T. 1. pl. 14. n. 13. Gronov. Præf. ad T. 6. Antiq. Graec. p. 8. Num. Pembrock. P. 2. tab. 96. auf einer Muͤnze der Insel Maltha zwo Figuren, wie Cherubine, und welches zu merken ist, mit Ochsen-Fuͤßen, wie jene gestaltet, welche gegen einan- der stehen, und die Fluͤgel von den Huͤften herunter eine gegen die andere ausdehnen. Auch auf einer Mumie Gordon. l. c. findet sich eine Figur mit Fluͤgeln an den Huͤften, welche sich erheben, um eine andere sitzende Gottheit zu beschatten. Ich kann nicht unberuͤhret lassen, daß die Isische oder Bembische Tafel von Erzt mit eingelegten Figuren von Silber, von Warburthon Essay sur les Hierogl. p. 294. fuͤr Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. fuͤr eine Arbeit gehalten wird, welche zu Rom gemacht worden. Dieses Vorgeben aber scheinet keinen Grund zu haben, und ist nur zum Behuf seiner Meynung angenommen. Ich habe die Tafel selbst nicht untersuchen koͤnnen; die Hieroglyphen aber auf derselben, die sich an keinen von den Roͤmern nachgemachten Werken finden, geben einen Grund zur Behaup- tung des Alterthums derselben, und zur Widerlegung jener Meynung. Nebst den angefuͤhrten Statuen und erhobenen Werken gehoͤren hier- her die Canopi in Stein, welche sich erhalten haben, und geschnittene Steine mit Aegyptischen Figuren und Zeichen. Von den Canopen spaͤte- rer Zeiten, besitzet der Herr Card. Alex. Albani die zween schoͤnsten, in gruͤ- nem Basalt, von welchen der beste Monum. a Borion. collect. n. 3. bereits bekannt gemacht ist; ein an- derer aͤhnlicher Canopus aus eben dem Steine, stehet im Campidoglio, und ist, wie jene, in der Villa Hadriani zu Tivoli gefunden. Die Zeichnung und Form der Figuren auf denselben, und sonderlich des Kopfs, lassen kei- nen Zweifel uͤber die Zeit, in welcher sie gemachet worden. Unter den geschnittenen Steinen sind alle diejenigen Scarabei , deren erhobene runde Seite einen Kaͤfer, die flache aber eine Aegyptische Gottheit vorstellet, von spaͤteren Zeiten. Die Scribenten, welche dergleichen Steine Natter Pier. grav. fig. 3. fuͤr sehr alt halten, haben kein anderes Kennzeichen vom hohen Alterthume, als die Ungeschicklichkeit, und von Aegyptischer Arbeit gar keins. Ferner sind alle geschnittene Steine mit Figuren oder Koͤpfen des Serapis und Anu- bis von der Roͤmer Zeit. Serapis hat nichs Aegyptisches, und man sagt auch, daß der Dienst dieser Gottheit aus Thracien gekommen, und aller- erst Macrob. Saturn. L. 1. c. 7. p. 179. conf. Huet. Dem. Evang. Prop. 4. c. 7. p. 100. durch den ersten Ptolemaͤus in Aegypten eingefuͤhret worden. Von Steinen mit dem Anubis sind funfzehen in dem Stoßischen Museo, und alle von spaͤterer Zeit. Die geschnittenen Steine, welche man Abraxas H 2 nennet, I Theil. Zweytes Capitel. nennet, sind itzo durchgehends fuͤr Gemaͤchte der Gnostiker und Basilidianer aus den ersten Christlichen Zeiten erklaͤret, und sind nicht wuͤrdig, in Ab- sicht der Kunst, in Betrachtung gezogen zu werden. b. in Absicht der Beklei- dung. In der Bekleidung der Figuren, welche Nachahmungen der aͤltesten Aegyptischen sind, verhaͤlt es sich allgemein, wie mit der Zeichnung und der Form derselben. Einige Maͤnnliche Figuren sind, wie die wahren Aegy- ptischen, nur mit einem Schurze angethan, und diejenige, welche, wie ich gedacht habe, an dem befchornen Kopfe eine Locke auf der rechten Seite haͤngen hat, ist ganz nackend, wie sich keine alte Maͤnnliche Figur der Aegypter findet. Die Weiblichen sind, wie jene, ganz bekleidet, auch ei- nige nach der im ersten Absatze dieses Stuͤcks angezeigten aͤltesten Art, so daß die Bekleidung durch einen kleinen Vorsprung an den Beinen, und durch einen Rand am Halse, und oben auf den Armen angedeutet worden. Von dem Unterleibe haͤnget an einigen dieser Figuren eine einzige Falte zwischen den Beinen herunter; an dem Leibe muß die Bekleidung nur ge- dacht worden. Ueber eine solche Bekleidung haben die Weiblichen Figu- ren einen Mantel, welcher von den Schultern herunter vorne auf der Brust zusammen gebunden ist, so wie ihn auch die Griechische Isis insgemein hat; weiter aber ist nichts von dem Mantel zu sehen. Als etwas beson- ders ist eine Maͤnnliche Figur von schwarzem Marmor, in der Villa Albani, von welcher der Kopf verlohren gegangen ist, anzumerken, welche eben auf die Art, wie die Weiber, gekleidet ist; das Geschlecht aber ist durch die unter dem Gewande erhobene Anzeige desselben kenntlich. Eine Isis in Marmor Maffei Raccolt. di Stat. n. 95. , in der Gallerie Barberini, um welche sich eine Schlange ge- wickelt hat, traͤgt eine Haube, wie Aegyptische Figuren, und ein Gehaͤng von einigen Schnuͤren Der Zierrath, welcher unter dem Halse uͤber die Brust herunter hieng, hieß bey den Grie- chen ῞Ορμος; was um den Hals gieng, περιτραχήλιος. v. Schol. ad Odyss. Σ, 299. uͤber der Brust Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 10. , nach Art der Canopen. Dieses Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. Dieses sind die drey Absaͤtze dieses zweyten Stuͤcks von dem Stil der Aegyptischen Kunst: der erste von dem aͤltesten Stil, der andere von dem folgenden und spaͤtern Stil, und der dritte von den Nachahmungen Aegyptischer Werke. Das dritte Stuͤck des zweyten Abschnittes dieses Capitels, betrifft III. Das Mecha- nische Theil der Aegypti- schen Kunst. das Mechanische Theil derselben, und zwar erstlich die Ausarbeitung ihrer Werke, und zweytens die Materie, in welcher sie gearbeitet sind. In Absicht der Ausarbeitung berichtet Diodorus Lib. 1. ad fin. , daß die Aegy- A. Von Ausar- beitung ihrer Werke. ptischen Bildhauer den noch unbearbeiteten Stein, nach dem sie ihre fest- gesetzte Maaß auf denselben getragen, auf dessen Mittel von einander ge- saͤget, und daß sich zween Meister in die Arbeit einer Figur getheilet. Nach eben der Art sollen Telecles und Theodorus aus Samos, eine Sta- tue des Apollo von Holz, zu Samos in Griechenland, gemachet haben; Telecles die eine Haͤlfte zu Ephesus, Theodorus die andere Haͤlfte zu Samos. Diese Statue war unter der Huͤfte bis an die Schaam herunter, auf ihr Mittel getheilet, und hernach wiederum an diesem Orte zusammengesetzet, so daß beyde Stuͤcke vollkommen aufeinander passeten Man lese an statt κατὰ τὴν ὀροφὴν, κκτὰ τὴν ὀσφὺν, und bedenke, daß κατὰ nie- mals von einer Bewegung von etwas an, sondern vom Verhaͤltnisse und von Folge gebrauchet wird. Rhodomanus und Wesselings Muthmassung auf κερυφὴν kann gar nicht statt finden; die alte Lesart ὀροφὴν kommt der wahrscheinlichen Richtigkeit naͤher. Aristot. Hist. Anim. L. 1. p. 19. l. 4. ed. Sylburg. Άχόμενα τούτων γαςὴρ καϳ ὀσφὺς, καϳ αἰδοῖον καϳ ἰσχίον. conf. Herodot. L. 2. p. 66. l. 14. . So und nicht anders kann der Geschichtschreiber verstanden werden. Denn ist es glaub- lich, wie es alle Uebersetzer nehmen, daß die Statue von dem Wirbel bis auf die Schaam getheilet gewesen, so wie Jupiter Plato Conviv. p. 190. D. , nach der Fabel, das erste Geschlecht doppelter Menschen von oben mitten durch geschnitten? H 3 Die I Theil. Zweytes Capitel. Die Aegypter wuͤrden ein solches Werk eben so wenig, als den Menschen, den ihnen der erste Ptolemaͤus sehen ließ, welcher auf diese Art Lucian. Prometh. c. 4. §. 28. halb weiß und halb schwarz war, geschaͤtzet haben. Zum Beweis meiner Erklaͤ- rung kann ich eine auf Aegyptische Art, ohne Zweifel von einem Griechischen Kuͤnstler, gearbeitete Statue, von Marmor, anfuͤhren. Es ist mehrmal erwehnter Antinous, wie er in Aegypten verehret worden, welches die Aehnlichkeit desselben mit den wahren Koͤpfen dieses Lieblings beweisen kann: es stand derselbe vermuthlich unter den Aegyptischen Gottheiten in dem so genannten Canopo in der Villa des Kaisers Hadrianus zu Tivoli, wo er gefunden worden. Nichts desto weniger hat diese Statue nicht die Aegyptische Form: denn der Leib ist kuͤrzer und breiter, und außer dem Stande ist dieselbe voͤllig nach den Regeln der Griechischen Kunst gearbeitet. Es bestehet dieselbe aus zwo Haͤlften, welche unter der Huͤfte, und unter dem Rande des Schurzes zusammengesetzet sind: sie waͤre also als eine Nachahmung der Aegypter auch in diesem Stuͤcke anzusehen. Dieser Weg zu arbeiten aber, welchen Diodorus angiebt, muͤßte nur bey einigen Colos- salischen Statuen gebrauchet worden seyn, weil alle andere Aegyptische Statuen aus einem Stuͤcke sind. Eben dieser Scribent redet unterdessen von vielen Aegyptischen Colossen L. 1. p. 44. l. 37. p. 44. l. 17. p. 45. l. 20. p. 33. l. 6. aus einem Stuͤcke, von denen sich noch bis itzo Pococke’s Deser. of the East, T. 1. p. 106. einige erhalten haben: unter jenen war die Statue Koͤnigs Osymanthya, deren Fuͤße sieben Ellen in der Laͤnge hatten. Alle uͤbrig gebliebene Aegyptische Figuren sind mit unendlichem Fleiße geendiget, geglaͤttet und geschliffen, und es ist keine einzige mit dem bloßen Eisen voͤllig geendiget, wie einige der besten Griechischen Statuen in Mar- mor; weil auf diesem Wege dem Granite und dem Basalte keine glatte Flaͤche zu geben war. Die Figuren an der Spitze der hohen Obelisken sind Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. sind wie Bilder, die in der Naͤhe muͤssen betrachtet werden, ausgefuͤhret; welches an dem Barberinischen, und sonderlich an dem Obelisko der Son- nen, welche beyde liegen, zu sehen ist. An diesem ist sonderlich das Ohr eines Sphinx mit so großem Verstaͤndnisse und Feinheit ausgearbeitet, daß sich an Griechischen erhobenen Arheiten in Marmor kein so vollkommen geendigtes Ohr findet. Eben diesen Fleiß sieht man an einem wirklich alten Aegyptischen geschnittenen Steine des Deser. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 13. Stoßischen Musei, welcher in der Ausarbeitung den besten Griechischen geschnittenen Steinen nichts nachgiebt. Es stellet dieser Stein, welches ein außerordentlich schoͤner Onyx ist, eine sitzende Isis vor; es ist derselbe hohl, nach Art der Arbeit auf den Obelisken, geschnitten, und da unter der oberen sehr duͤnnen Lage von braͤunlicher und eigener Farbe des Steins, ein weißes Blaͤdgen lieget, so sind bis dahin Gesicht, Arme und Haͤnde, nebst dem Stuhle, tiefer ge- arbeitet, um dieses weiß zu haben. Die Augen hoͤhleten die Aegyptischen Kuͤnstler zuweilen aus, um einen Augapfel von besonderer Materie hineinzusetzen, wie man an einem angefuͤhrten Kopfe von gruͤnlichem Basalte in der Villa Albani, und an einem anderen abgebrochenen Kopfe in der Villa Altieri sieht. An einem anderen Kopfe nebst der Brust in dieser letzten Villa sind die Augen aus einem Steine so genau eingepasset, daß sie hineingegossen scheinen. Was zum zweyten die Materie betrifft, in welcher die Aegyptischen B. Von der Ma- terie, in welche die Aegypti- schen Kuͤnstler gearbeitet. Werke gearbeitet sind, so finden sich Figuren in Holz, in Erzt, und in Stein. Holzerne Figuren, nach Art der Mumien gestaltet, von Cedern, sind drey in dem Museo des Collegii St. Ignatii zu Rom, von welchen die eine uͤbermalet ist. Der Granit, welches Pococke l. c. p. 45. der Aethiopische Marmor des I Theil. Zweytes Capitel. des Herodotus, oder der Pococke l. c. p. 117. Thebanische Stein seyn soll Es ist uͤberfluͤßig anzumerken, daß ein großer Gelehrter, und ein neuerer Rei- sender sich haben traͤumen lassen, daß der Granit durch Kunst gemacht sey. In Spanien ist ein Ueberfluß von allerhand Art Granite, und es ist der gemeinste Stein daselbst. Scalig. in Scaligeran. Motraye Voy. T. 2. p. 224. , ist von zwie- facher Art, schwaͤrzlicher und roͤthlicher; und von dieser letzten Art Stein sind drey der groͤßten Statuen im Campidoglio. Aus schwaͤrzlichem Granite ist die große Isis an eben dem Orte, und nebst dieser ist die groͤßte Figur ein angefuͤhrter vermeynter Anubis, groß wie die Natur, in der Villa Albani. Jene Art von groͤberen Koͤrnern dienete zu Saͤulen. Von Basalt sind ebenfalls zwo Arten, der schwarze und der gruͤnli- che: aus jenen sind sonderlich Thiere gearbeitet, als die Loͤwen am Auf- gange zum Campidoglio, und die Sphinxe in der Villa Borghese. Die zween groͤßten Sphinxe aber, einer im Vaticano, der andere in der Villa Giulia, beyde von zehen Palme lang, sind von roͤthlichem Granite. Der Kopf derselben ist zween Palme lang. Aus schwarzem Basalte sind unter andern die zwo angefuͤhrten Statuen des folgenden und spaͤtern Aegyptischen Stils im Campidoglio, und einige kleinere Figuren. Von Figuren aus gruͤnlichem Basalte, finden sich Schenkel und die untergeschlagene Beine in der Villa Altieri, nebst einer schoͤnen Base mit Hieroglyphen, und den Fuͤßen einer Weiblichen Figur auf derselben, in dem Museo des Collegii St. Ignatii zu Rom. Aus eben diesem Steine sind Nachahmungen Aegyptischer Werke in spaͤtern Zeiten gemachet, wie die Canopi sind, und ein kleiner sitzender Anubis im Campidoglio. Außer diesen gewoͤhnlichen Steinen finden sich auch Figuren in Ala- baster, Porphir, Marmor, und Plasma von Smaragd. Der Alabaster wurde Theophrast. Eres. de Lapid. p. 392. l. 24. bey Theben in großen Stuͤcken gebrochen, und es findet sich eine sitzende Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. sitzende Isis, mit dem Osiris auf ihrem Schooße, von etwa zween Palmen hoch, nebst einer andern kleineren sitzenden Figur, in dem Museo des Col- legii St. Ignatii. Von Statuen aus Alabaster ist nur die einzige angefuͤhr- te uͤbrig, die sich in der Villa Albani befindet Diese Statue wurde vor ohngefehr vierzig Jahren gefunden, da man den Grund zu dem Seminario Romano der Jesuiten grub, in welcher Gegend vor Alters der Tempel der Isis im Campo Martio war, und eben daseibst , aber auf einem den Dominica- nern zustehenden Boden, wurde der oben angefuͤhrte Osiris mit einem Sperber-Kopfe, im Pallaste Barberini, gefunden. Der Alabaster jener Statue ist heller und weißer, als insgemein der andere Orientalische, wie Plinius von dem Aegyptischen Alabaster anzeiget. Der Verfasser einer Abhandlung von kostbaren Steinen hat diese Nach- richt nicht gehabt, weil er glaubet, daß sich keine Aegyptische Statue in Alabaster finde. Es wird außer dem dessen Meynung, daß, wenn irgend die Aegypter Statuen aus Ala- baster gemacht haͤtten, muͤßten sie sehr schmal und in Gestalt der Mumien gewesen seyn, durch die Statue eingeschraͤnket. Die Base derselben hat vier und einen halben Roͤmi- schen Palm in der Laͤnge, und eben so viel betraͤgt die Hoͤhe des Stuhls, auf welcher die Figur sitzet, die Base mit begriffen, bis an die Huͤften dieser sitzenden Figur. Wer da weis, daß der Alabaster sich aus einer versteinerten Feuchtigkeit erzeuget, und von den großen Vasen in der Villa Albani von zehen Palmen im Durchmesser gehoͤret hat, kann sich noch groͤßere Stuͤcke vorstellen. Es wird auch Alabaster in alten Wasserleitungen zu Rom gebildet, und da man vor einigen Jahren einen derselben ausbesserte, welcher vor einigen Jahrhunderten durch einen Pabst nach St. Peter war gefuͤhret worden, fand sich ein angesetzter Tarter in demselben, welcher ein wahrer Alabaster ist, und der Hr. Cardi- nal Girolamo Colonna hat Tisch-Blaͤtter aus demselben saͤgen lassen. Diese Erzeugung des Alabasters kann man auch in den Gewoͤlbern der Baͤder des Titus sehen. Donati Roma, p. 60. L. 36. c. 12. Ioan. de S. Laurent Diss. sopra le pietre pref. digl’ant. P. 2. c. 2. p. 29. . Das Obertheil dersel- ben, welches fehlete, ist aus einem kostbaren Alabaster ergaͤnzet worden. Von Porphir finden sich zwo Arten, der rothe und der gruͤnliche, welches der seltenste, und zuweilen wie mit Gold bespritzet ist, welches Plinius L. 36. c. 12. von dem Thebanischen Steine saget. Von dieser Art sind keine Figuren, aber Saͤulen uͤbrig, welches die allerkostbarsten sind; viere wa- ren in dem Pallaste Farnese, welche nach Neapel gefuͤhret worden, und in der Gallerie zu Portici dienen sollen. Zwo stehen vor der Porta St. Paolo Winckelm. Gesch. der Kunst . J I Theil. Zweytes Capitel. Paolo in der Kirche Alle Tre Fontane genannt, und zwo andere in der Kirche St. Lorenzo außer der Stadt, eingemauert, so daß nur eine Spur von denselben sichtbar ist. Zwo große neugearbeitete Vasen aus diesem Steine sind in dem Pallaste Verospi, und eine kleinere, aber alte, in der Villa Albani. Aus rothem Porphir, welcher, wie Aristides v. Greave Descr. des Pyram. berichtet, in Arabien gebrochen wird, (und von welchem Steine große Gebuͤrge sind, zwischen dem rothen Meere und dem Berge Sinai, wie Herr Assemanni, Custos der Vaticanischen Bibliothec, versichert) finden sich Statuen, aber sie sind nicht Aegyptisch, und die mehresten sind zu der Kaiser Zeit gemacht: einige stellen gefangene Koͤnige vor, von welchen zween in der Villa Borg- hese, und zween andere in der Villa Medicis sind. Aus eben dieser Zeit ist eine sitzende Weibliche Figur in dem Pallaste Farnese, deren Kopf und Haͤnde, welche sehr schlecht sind, aus Erzt von Guil. Della Porta gemacht zu seyn scheinen. Das Obertheil einer geharnischten Statue im Pallaste Farnese, ist in Rom gearbeitet: denn es wurde, wie es itzo ist, nicht voͤl- lig geendiget, im Campo Marzo gefunden, wie Pirro Ligorio in seinen Handschriften der Vaticanischen Bibliothec berichtet. Von hoͤherer Zeit und Kunst sind eine Pallas in der Villa Medicis; die schoͤne sogenannte Juno in der Villa Borghese mit dem unnachahmlichen Gewande, welche beyde Kopf, Haͤnde und Fuͤße von Marmor haben; und ein Sturz von einer bekleideten Goͤttinn am Aufgange zum Campidoglio; und diese koͤn- nen vielleicht Werke Griechischer Kuͤnstler in Aegypten seyn, wie ich im zweyten Theile dieser Geschichte anfuͤhren werde. Von den aͤltesten Aegy- ptischen Figuren aus Porphir, ist zu unsern Zeiten nur eine einzige mit dem Kopfe eines Chimaͤrischen Thieres bekannt, welche aber aus Rom nach Sicilien gegangen ist. In dem Labyrinthe zu Theben waren Statuen Geave Descr. des Pyram. d’ Egypte. aus diesem Steine. In Von der Kunst unter den Aegyptern ꝛc. In Marmor finden sich, außer einem einzigen Kopfe, auf dem Cam- pidoglio eingemauert, welcher oben angefuͤhret ist, keine alten Aegyptischen Werke in Rom; von weißem Marmor aber waren in Aegypten große Ge- baͤude aufgefuͤhret, wie die langen Gaͤnge und Saͤle Greave Descr. des Pyram. d’ Egypte. in der großen Py- ramide sind Der beruͤhmte Peiresc gedenket in einem seiner ungedruckten Briefe an Menetrier von 1632. welche sich in der Bibliothee des Hrn. Card. Alhani befinden, zweyer wie Mu- mien gestalteter Werke, von welchen das eine von Probierstein war, das andere von einem weißen und etwas weicheren Steine, als der Marmor. Diese waren hinterwerts hohl, so daß es Deckel auf Saͤrge balsamirter Koͤrper gewesen zu seyn schienen. Beyde Stuͤcke waren voller Hieroglyphen. Es waren dieselben aus Aegypten nach Marseille gebracht, und der Kaufmann, dem sie gehoͤreten, forderte tausend fuͤnfhundert Pistolen dafuͤr. . Man sieht noch itzo daselbst von einem gelblichen Marmor Stuͤcke von Obelisken Pococke’s Descr. of the East, T. 1. p. 15. , von Statuen Ibid. p. 21. , und Sphinxe, von welchen der eine zwey und zwanzig Fuß in der Laͤnge hat, ja Colossalische Statuen, von weißem Marmor Ibid. p. 93. . Man hat auch ein Stuͤck von einem Obelisko in schwarzem Marmor Ibid. p. 33. gefunden. Aus Rosso antico ist in der Villa Albani der Obertheil einer großen Statue; dieselbe aber ist, wie der Stil giebt, vermuthlich unter dem Kaiser Hadrian gemacht, in dessen Villa zu Tivoli dieses Stuͤck entdecket worden. Aus Plasma von Smaragd befindet sich eine einzige kleine sitzende Figur, in Gestalt der Statue von Alabaster, in eben dieser Villa. Ich schließe diese Abhandlung uͤber die Kunst der Aegypter mit der Anmerkung, daß niemals Muͤnzen dieses Volks entdecket worden, aus welchen die Kentniß ihrer Kunst haͤtte koͤnnen erweitert werden, und man koͤnnte daher zweifeln, ob die alten Aegypter gepraͤgte Muͤnzen gehabt haͤtten, wenn sich nicht einige Anzeige bey den Scribenten faͤnde, wie der sogenannte Obolus ist, welcher den Todten in den Mund geleget wurde; und dieserwegen ist an Mumien, sonderlich den uͤbermalten, wie die zu Bo- J 2 logna I Theil. Zweytes Capitel. logna ist, der Mund verdorben, weil man in demselben nach Muͤnzen gesuchet. Pococke Deser. of the East, T. 1. p. 92. redet von drey Muͤnzen, deren Alter er nicht anzeiget; das Ge- praͤge derselben aber scheinet nicht vor der Persischen Eroberung von Aegypten gemacht zu feyn. Vor einiger Zeit ist eine silberne Muͤnze in Rom zum Vorschein gekommen, welche auf der einen Seite in einem vertieften viereckig- ten Felde einen Adler im Fluge vorstellet; auf der andern Seite ist ein Ochse, uͤber welchen ein gewoͤhnliches heiliges Zeichen der Aegypter stehet, nemlich eine Kugel mit zween langen Fluͤgeln, und Schlangen, die aus der Kugel her- ausgehen. Vor den Vorderfuͤßen stehet das sogenannte Aegyptische Tau, aber etwas verschieden von dem sonst bekannten . Unter dem Ochsen ist ein Donnerkeil. Das besonderste ist ein Werk auf dem linken hinteren Schenkel des Ochsen, und dieses ist ein Griechisches a der aͤltesten Form Λ. Diese Muͤnze befindet sich in dem Museo Hrn. Joh. Casanova, Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen Pensionarii in Rom, und wird hier in Kupfer bekannt gema- chet. Ich lasse dem Leser daruͤber urtheilen; meine Meynung uͤber dieselbe werde ich an einem andern Orte geben. Diese Muͤnze ist unterdessen nie- manden vorher zu Gesicht bekommen. Die Geschichte der Kunst der Aegypter ist, nach Art des Landes derselben, wie eine große veroͤdete Ebene, welche man aber von zween oder drey hohen Thuͤrmen uͤbersehen kann. Der ganze Umfang der alten Aegyptischen Kunst hat zween Perioden, und aus beyden sind uns schoͤne Stuͤcke uͤbrig, von wel- chen wir mit Grunde uͤber die Kunst ihrer Zeit urtheilen koͤnnen. Mit der Griechischen und Hetrurischen Kunst hingegen verhaͤlt es sich, wie mit ihrem Lande, welches voller Gebuͤrge ist, und also nicht kann uͤbersehen werden. Und daher glaube ich, daß in gegenwaͤrtiger Abhandlung von der Aegyptischen Kunst, derselben das noͤthige Licht gegeben worden. Der Von der Kunst unter den Phoͤniciern ꝛc. Der Zweyte Abschnitt. Von der Kunst unter den Phoͤniciern und Persern. V on der Kunst dieser beyden Voͤlker ist, außer historischen Nachrichten, und einigen allgemeinen Anzeigen, nichts bestimmtes nach allen ein- zelnen Theilen ihrer Zeichnung und Figuren zu sagen; es ist auch wenig Hoffnung zu Entdeckungen großer und betraͤchtlicher Werke der Bildhaue- rey, aus welchen mehr Licht und Kenntniß zu schoͤpfen waͤre. Da sich aber von den Phoͤniciern Muͤnzen, und von den Persischen Kuͤnstlern er- hobene Arbeiten erhalten haben, so konnten diese Voͤlker in dieser Geschich- te nicht gaͤnzlich mit Stillschweigen uͤbergangen werden. Die Phoͤnicier bewohneten die schoͤnsten Kuͤsten von Asien und Africa I. Von der Kunst der Phoͤnieier. am Mittellaͤndischen Meere, außer andern eroberten Laͤndern, und Carthago, ihre Pflanzstadt, welche, wie Appian. Libye. p. 13. l. 3. einige wollen, schon funfzig Jahre vor der Eroberung von Troja gebauet gewesen, lag unter einem so immer gleichen A. Von der Na- tur des Lan- des, Bildung der Einwoh- ner, von ihren Wissenschaf- ten, Pracht und Handel. Himmel, daß, nach dem Berichte Shaw. Voy. T. I. der neuern Reisenden, zu Tunis, wo ehemals jene beruͤhmte Stadt lag, der Thermometer allezeit auf den neun und zwanzigsten oder dreyßigsten Grad stehet. Daher muß die Bildung dieses Volks, welches, wie Herodotus L. 4. p. 178. l. 30. saget, die gesuͤndesten unter allen Menschen waren, sehr regelmaͤßig, und folglich die Zeichnung ihrer Figu- ren dieser Bildung gemaͤß gewesen seyn. Livius L. 27. c. 19. redet von einem aus- serordentlich schoͤnen jungen Numidier, welchen Scipio in der Schlacht mit dem Asdrubal bey Baͤcula in Spanien gefangen nahm, und die be- ruͤhmte Punische Schoͤnheit, Sophonisba, des Asdrubals Tochter, welche zu erst mit dem Syphax, und nachher mit dem Masinissa vermaͤhlet war, ist in allen Geschichten bekannt. J 3 Dieses I Theil. Zweytes Capitel. Dieses Volk war, wie Mela L. 1. c. 12. saget, arbeitsam, und hatte sich in Kriegs- und Friedens-Geschaͤften so wohl, als in Wissenschaften und in Schriften uͤber dieselben, hervorgethan. Die Wissenschaften bluͤheten schon bey ihnen, da die Griechen noch ohne Unterricht waren, und Moschus Strab. Geogr. L. 16. p. 757. D. aus Sidon soll schon vor dem Trojanischen Kriege die Atomen gelehret ha- ben. Die Astronomie und Rechenkunst wurde bey ihnen, wo nicht erfun- den, doch hoͤher, als anderwerts, gebracht. Vornehmlich aber sind die Phoͤnicier wegen vieler Erfindungen in den Kuͤnsten conf. Bochart. Phal. \& Can. L. 4. c. 35. beruͤhmt, und Ho- merus Il. ψ̛, 743. nennet daher die Sidonier große Kuͤnstler. Wir wissen, daß Salomon Phoͤnicische Meister kommen ließ, den Tempel des Herrn und das Haus des Koͤnigs zu bauen, und noch bey den Roͤmern wurden die besten Geraͤthe von Holz, von Punischen Arbeitern gemachet; daher sich bey ihren alten Scribenten von conf. Scal. in Varron. de re rust. p. 261. 262. Punischen Betten, Fenstern, Pressen und Fugen Meldung findet. Der Ueberfluß naͤhrete die Kuͤnste: denn es ist bekannt, was die Pro- pheten von dem Pracht zu Tyrus reden: es waren daselbst, wie Strabo an angefuͤhrtem Orte berichtet, noch zu seiner Zeit hoͤhere Haͤuser, als selbst in Rom; und Appianus Libyc. p. 58. l. 2. saget, daß in der Byrsa, dem inneren Theile der Stadt Carthago, die Haͤuser von sechs Gestock gewesen. In ihren Tempeln waren vergoldete Statuen, wie ein Ibid. p. 57. l. 40. Apollo zu Carthago war; ja man redet von goldenen Saͤulen, und von Statuen von Smaragd. Livius L. 25. c. 39. meldet von einem silbernen Schilde von hundert und dreyßig Pfund, auf welchem das Bildniß des Asdrubals, eines Bruders des Hannibals, gearbeitet war. Es war derselbe im Capitolio aufgehaͤnget. Ihr Von der Kunst unter den Phoͤniciern ꝛc. Ihr Handel gieng durch alle Welt, und es werden die Arbeiten ihrer Kuͤnstler allenthalben umher gefuͤhret worden seyn. Selbst in Griechenland auf den Inseln, welche die Phoͤnicier in den aͤltesten Zeiten besaßen, hatten sie Tempel gebauet: auf der Insel Thasos Herodot. L. 2. p. 67. l. 34. den Tempel des Hercules, welcher noch aͤlter war, als der Griechische Hercules. Es waͤre daher wahrschein- lich, daß die Phoͤnicier, welche unter die Griechen Ibid. L. 5. p. 194. l. 22. die Wissenschaften eingefuͤhret, auch die Kuͤnste, die bey ihnen zeitiger mußten gebluͤhet haben, in Griechenland gepflanzet haͤtten, wenn andere oben gegebene Nachrichten damit bestehen koͤnnten. Besonders zu merken ist, daß Appianus von Libyc. p. 45. l. 8. Jonischen Saͤulen am Arsenale im Hafen zu Carthago Meldung thut. Mit den Hetruriern hatten die Phoͤnicier noch groͤßere Herodot. L. 6. p. 214. l. 22. Gemeinschaft, und jene waren unter andern mit den Carthaginensern verbunden, da diese zur See vom Koͤnige Hiero zu Syracus geschlagen wurden. Bey jenem so wohl als diesem Volke sind die gefluͤgelten Gottheiten ge- B. Von Bildung ihrer Gott- heiten. mein, doch sind die Phoͤnicischen Gottheiten vielmehr nach Aegyptischer Art gefluͤgelt, das ist, mit Fluͤgeln unter den Huͤften, welche von da bis auf die Fuͤße die Figuren uͤberschatten, wie wir auf Muͤnzen der Insel Maltha v. Descript. des pier. grav. du Cab. de Stosch, Pref. p. XVIII. sehen, welche die Carthaginenser Liv. L. 21. c. 51. besaßen: so daß es scheinen koͤnnte, die Phoͤnicier haͤtten von den Aegyptern gelernet. Die Carthaginensischen Kuͤnstler aber koͤnnen auch durch die Griechischen Werke der Kunst, welche sie aus Sicilien wegfuͤhreten, erleuchtet seyn; diese ließ Scipio Appian. Libyc. p. 59. l. 38. nach der Eroberung von Carthago wiederum zuruͤck schicken. Von Werken der Phoͤnicischen Kunst aber ist uns nichts uͤbrig geblie- C. Von Werken ihrer Kunst. ben, als Carthaginensische Muͤnzen, welche in Spanien, Maltha und Si- cilien gepraͤget worden. Von den ersten Muͤnzen befinden sich zehen Stuͤcke von I Theil. Zweytes Capitel. von der Stadt Valentia im Großherzoglichen Museo zu Florenz, die mit den schoͤnsten Muͤnzen von Groß-Griechenland verglichen werden Norris Lett. 68. p. 213. . Ihre Muͤnzen in Sicilien gepraͤget, sind so auserlesen, daß sie sich von den be- sten Griechischen Muͤnzen dieser Art, nur durch die Punische Schrift unter- scheiden. Einige Golz. Magn. Graec. tab. 12. n. 56. in Silber haben den Kopf der Proserpina, und einen Pferde-Kopf, nebst einem Palmbaum auf der Ruͤckseite: auf andern Von dieser letztern Art, welche sich im Kaiserl. Museo zu Florenz, und im Koͤniglichen Farnesischen zu Neapel befunden, sind keine im Golzius. stehet ein ganzes Pferd an einer Palme. Es findet sich ein Carthaginensischer Kuͤnstler mit Namen Boethus Pausan. L. 5. p. 419. l. 29. , welcher in dem Tempel der Juno zu Elis Figuren von Elfenbein gearbeitet hat. Von geschnittenen Steinen sind mir nur zween Koͤpfe bekannt, mit dem Namen der Person in Phoͤnicischer Schrift, uͤber welche ich in der Beschreibung der Stoßischen geschnittenen Steine Deser. des pier. gr. de Stosch, p. 415. Pref. p. XXVI. geredet habe. D. Von ihrer Kleidung. Von der besondern Kleidung ihrer Figuren geben uns die Muͤnzen so wenig, als die Scribenten von der Kleidung der Nation, Nachricht. Ich entsinne mich nicht, daß man viel mehr wisse, als daß die Phoͤnicische Kleidung Ennius ap. Gell. Noct. Att. L. 7. c. 12. besonders lange Ermel hatte; daher die Person eines Africa- ners in den Comoͤdien zu Rom conf. Scalig. Poet. L. 1. c. 13. p. 21. C. mit solchem Rocke vorgestellet wurde: und man glaubet, daß die Carthaginenser Salmas. ad Tertull. de Pallio, p. 53. keine Maͤntel getragen. Gestreiftes Zeug muß bey ihnen, wie bey den Galliern, sehr uͤblich gewesen seyn, wie der Phoͤnicische Kaufmann unter den gemalten Figuren des Vaticanischen Terentius zeiget. E. Von der Kunst unter den Juden. Von der Kunst unter den Juden, als Nachbarn der Phoͤnicier, wis- sen wir noch weniger, als von diesen, und da die Kuͤnstler dieses letztern Volks Von der Kunst unter den Persern ꝛc. Volks von den Juden auch in ihren bluͤhenden Zeiten gerufen wurden, so koͤnnte es scheinen, daß die schoͤnen Kuͤnste, welche uͤberfluͤßig im Menschli- chen Leben sind, bey ihnen nicht geuͤbet worden. Es war auch die Bild- hauerey durch die Mosaischen Gesetze, wenigstens in Absicht der Bildung der Gottheit in Menschlicher Gestalt, den Juden untersaget. Ihre Bildung wuͤrde unterdessen, wie bey den Phoͤniciern, zu schoͤnen Ideen geschickt gewesen seyn; und Scaliger In Scaligeran. merket von ihren Nachkom- men unter uns an, daß sich kein Jude mit einer gepletschten Nase finde, und ich habe diese Anmerkung richtig befunden. Bey dem gemeinen schlech- ten Begriffe von der Kunst unter diesem Volke, muß dieselbe gleichwohl, ich will nicht sagen in der Bildhauerey, sondern in der Zeichnung und in kuͤnst- licher Arbeit, zu einem gewissen hohen Grade gestiegen seyn. Denn Nebucad- nezar fuͤhrete, unter andern Kuͤnstlern, tausend 2 Reg. c. 24. v. 16. , welche eingelegte Arbeit macheten, nur allein aus Jerusalem mit sich weg: eine so große Menge wird sich schwerlich in den groͤßten Staͤdten heut zu Tage finden. Das hebraͤische Wort, welches besagte Kuͤnstler bedeutet, ist insgemein nicht ver- standen, und von den Auslegern sowohl, als in den Woͤrterbuͤchern, unge- reimt uͤbersetzet und erklaͤret, auch theils gar uͤbergangen. Die Kunst unter den Persern verdienet einige Aufmerksamkeit, da II. Von der Kunst der Perser. sich Denkmale in Marmor und auf geschnittenen Steinen erhalten haben. Diese letzteren sind walzenfoͤrmige Magnetsteine, auch Chalcedonier, und A. Von Denk- malen ihrer Kunst. auf ihrer Axe durchboret. Unter andern, welche ich in verschiedenen Samm- lungen geschnittener Steine gesehen habe, finden sich zween Caylus Rec. d’Antiq. T. 3. pl. 12. n. 2. pl. 35. n. 4. in dem Mu- seo des Hrn. Grafen Caylus zu Paris, welcher dieselben bekannt gemachet hat: auf dem einen sind fuͤnf Figuren geschnitten, auf dem andern aber zwo, und Winckelm. Gesch. der Kunst . K I Theil. Zweytes Capitel. und mit alter Persischer Schrift, Saͤulenweis untereinander gesetzet. Drey dergleichen Steine besitzet der Herr Duca Caraffa Noya zu Neapel, welche ehemahls in dem Stoßischen Museo waren, und auf dem einem ist eben- falls Saͤulenweis gesetzte alte Schrift. Diese Buchstaben sind denen, wel- che an den Truͤmmern von Persepolis stehen, voͤllig aͤhnlich. Von andern Persischen Steinen habe ich in der Beschreibung des Stoßischen Musei ge- redet, und denjenigen angefuͤhret, welchen Bianchini Ist. Vniv. p. 537. bekannt gemacht hat. Aus Unwissenheit des Stils der Persischen Kunst, sind einige Steine ohne Schrift fuͤr alte Griechische Steine angesehen worden; und Wilde Gem. ant. n. 66. 67. hat auf einem die Fabel des Aristeas, und auf einem andern einen Thraci- schen Koͤnig zu sehen vermeynet. B. Von der Bildung der Perser. Daß die Perser, wie die aͤltesten Griechischen Scribenten bezeugen, wohlgebildete Menschen gewesen, beweiset auch ein Kopf mit einem Helme, erhaben geschnitten, und von ziemlicher Groͤße, mit alter Persischer Schrift umher, auf einer Paste im Stoßischen Muso p 28. . Dieser Kopf hat eine regelmaͤßige und den Abendlaͤndern aͤhnliche Bildung, so wie die vom Bruyn Voyag. gezeichneten Koͤpfe der erhoben gearbeiteten Figuren zu Perse- polis Greave Deser. des ant. de Persep. , welche uͤber Lebensgroͤße sind; folglich hatte die Kunst von Sei- ten der Natur alle Vortheile. Die Parther, welche ein großes Land des ehemaligen Persischen Reichs bewohneten, sahen besonders auf die Schoͤn- heit in Personen, welche uͤber andere gesetzet waren, und Surenas Appian. Parth. p. 96. l. 9. , der Feldherr des Koͤnigs Orodes, wird, außer andern Vorzuͤgen, wegen seiner schoͤnen Gestalt geruͤhmet, und dem ohngeachtet Appian. Parth. p. 97. l. 39. schminkte er sich. C. Ursachen des geringen Wachsthums der Kunst unter ihnen. Da aber unbekleidete Figuren zu bilden, wie es scheinet, wider die Begriffe des Wohlstandes der Perser war, und die Entbloͤßung bey ihnen eine Achmet Oneirocr. L. 1. c. 117. uͤble Bedeutung hatte, wie denn uͤberhaupt kein Perser Herodot. L. 1. p. 3. l. 33. L. 9. p. 329. l. 30. Xenoph. Agesil. p. 655. D. ohne Klei- Von der Kunst unter den Persern ꝛc. Kleidung gesehen wurde, (welches auch von den Arabern La Roque Moeurs des Arab. p. 177. kann gesaget a. Aus ihrem Abscheu, nack- te Koͤrper zu sehen. werden) und also von ihren Kuͤnstlern der hoͤchste Vorwurf der Kunst, die Bildung des Nackenden, nicht gesuchet wurde, folglich der Wurf der Gewaͤnder nicht die Form des Nackenden unter denselben, wie bey den Griechen, mit zur Absicht hatte, so war es genug, eine bekleidete Figur vorzustellen. Die Perser werden vermuthlich in der Kleidung von ande- b. aus ihrer Kleidung. ren Morgenlaͤndischen Voͤlkern, nicht viel verschieden gewesen seyn: diese trugen Herodot. L. 1. p. 50. l. 41. ein Unterkleid von Leinen, und uͤber dasselbe einen Rock von wol- lenem Zeuge; uͤber den Rock warfen sie einen weißen Mantel. Der Rock der Perser, welcher Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 3. p. 187. l. 28. viereckt geschnitten war, wird wie der sogenannte viereckigte Rock der Griechischen Weiber gewesen seyn: es hatte derselbe, wie Strabo L. 15. p. 734. C. sagt, lange Ermel, welche bis an die Finger reicheten, in welche sie Xenoph. Hist. Graec. L. 2. c. 6. die Haͤnde hinein stecketen. Die Maͤnnlichen Figuren auf ih- ren geschnittenen Steinen haben entweder ganz enge Ermel, oder garkeine. Da aber ihren Figuren keine Maͤntel, welche nach Belieben geworfen wer- den koͤnnen, gegeben sind, welche etwa in Persien nicht uͤblich gewesen scheinen, so sind die Figuren wie nach einem und eben demselben Modelle gebildet: diejenigen, welche man auf geschnittenen Steinen sieht, sind de- nen an ihren Gebaͤuden voͤllig aͤhnlich. Der Persische Maͤnner-Rock, (Weibliche Figuren finden sich nicht auf ihren Denkmalen) ist vielmahls stuffenweis in kleine Falten geleget, und auf einem angefuͤhrten Steine in dem Museo des Duca Noya zaͤhlet man acht dergleichen Absaͤtze von Falten, von der Schulter an bis auf die Fuͤße: auch der Ueberzug des Gesaͤßes eines Stuhls auf einem andern Steine in diesem Museo haͤnget in solche Absaͤtze von Falten, oder Frangen, auf das Gestell des Stuhls herunter. Ein Kleid mit großen Falten wurde von den alten Persern Plutarch. Apophth. p. 301. l. 24. edit. H. Steph. fuͤr Wei- bisch gehalten. K 2 Die I Theil. Zweytes Capitel. Die Perser ließen Herod. L. 6. p. 214. l. 37. conf. Id. L. 9. p. 329. l. 23. Appian. Parth. p. 97. l. 40. ihre Haare wachsen, welche an einigen Maͤnn- lichen Figuren, wie an den Hetrurischen, in Strippe oder in Flechten Greave Descr. des antiq. de Persepol. uͤber die Achseln vorwerts herunter haͤngen, und sie banden insgemein ein feines Tuch Strabo. L. 15. p. 734. C. um dem Kopf. Im Kriege trugen sie gewoͤhnlich einen Hut Ibid. , wie ein Cylinder oder Thurm gestaltet; auf geschnittenen Steinen finden sich auch Muͤtzen mit einem hinaufgeschlagenen Rande, wie an Pelz-Muͤtzen. c. aus ihrem Gottesdienste. Eine andere Ursache von dem geringen Wachsthume der Kunst unter den Persern, ist ihr Gottesdienst, welcher der Kunst ganz und gar nicht vor- theilhaft war: denn die Goͤtter, glaubeten sie, koͤnnten oder muͤßten Herodot. L. 1. c. 131. nicht in Menschlicher Gestalt gebildet werden; der sichtbare Himmel nebst dem Feuer waren die groͤßten Gegenstaͤnde ihrer Verehrung; und die aͤltesten Griechischen Scribenten behaupten so gar, daß sie weder Tempel, noch Altaͤre gehabt. Man findet zwar den Persischen Gott Mithras an verschiedenen Orten in Rom, als in der Villa Borghese, Albani, und am Pallaste Della Valle, aber es findet sich keine Nachricht, daß die Perser denselben also vor- gestellet haben. Es ist vielmehr zu glauben, daß die angezeigten und ihnen aͤhnlichen Vorstellungen des Mithras von der Kaiser Zeiten sind, wie der Stil der Arbeit zeiget, und daß die Verehrung dieser Gottheit etwa von den Par- thern hergenommen sey, als welche conf. Hyde de relig. Pers. c. 4. p. 111. nicht bey der Reinigkeit ihrer Vorfah- ren blieben, und sich etwa Symbolische Bilder von demjenigen macheten, was die Perser nicht sinnlich verehreten. Man sieht unterdessen aus ihren Arbeiten, daß das Dichten und Bilder der Einbildung hervorbringen, auch unter einem Volke, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat, den- noch auch daselbst der Kunst eigen gewesen ist. Denn es finden sich auf Persischen geschnittenen Steinen Thiere mit Fluͤgeln und Menschlichen Koͤ- pfen, welche zuweilen zackigte Kronen haben, und andere erdichtete Geschoͤpfe und Von der Kunst unter den Parthern ꝛc. und Gestalten. Aus der Baukunst der Perser sieht man, daß sie haͤufige Zierrathen liebeten, wodurch die an sich praͤchtigen Stuͤcke an ihren Gebaͤuden viel von ihrer Groͤße verliehren. Die großen Saͤulen zu Persepolis haben vierzig hohle Reifen, aber nur von drey Zoll breit, da die Griechischen Saͤu- len nur vier und zwanzig haben, welche aber zuweilen mehr, als eine starke Spanne, halten. Die Reifen schienen ihren Saͤulen nicht Zierlichkeit genug zu geben; sie arbeiteten uͤber dem noch erhobene Figuren an dem Obertheile derselben. Aus dem wenigen, was von der Kunst der alten Perser beyge- bracht und gesaget worden, kann so viel geschlossen werden, daß fuͤr die Kunst uͤberhaupt nicht viel unterrichtendes wuͤrde gelehret werden koͤnnen, wenn sich auch mehrere Denkmale erhalten haͤtten. In folgenden Zeiten, da in Parthien, einem Theile des ehemaligen Per- D. Von der Kunst bey den Parthern. sischen Reichs, sich Koͤnige aufwarfen, und ein besonderes maͤchtiges Reich stifteten, hatte auch die Kunst unter ihnen eine andere Gestalt bekommen. Die Griechen, welche schon von Alexanders Zeiten so gar in Cappadocien Appian. Mithridat. p. 116. l. 16. ganze Staͤdte bewohneten, und sich in den aͤltesten Zeiten Ibid. p. 139. l. 25. p. 153. l. 26. in Colchis nie- dergelassen hatten, wo sie Scythische Achaͤer hießen, breiteten sich auch in Parthien aus, und fuͤhreten ihre Sprache ein, so daß die Koͤnige daselbst, wie Orosdes, an ihrem Hofe Id. Parth. p. 194. l. 17. seq. Griechische Schauspiele auffuͤhren ließen. Artabazes, Koͤnig in Armenien, mit dessen Tochter Pacorus, des Orodes Sohn, vermaͤhlt war, hatte so gar Griechische Trauerspiele, Geschichte und Reden hinterlassen. Diese Neigung der Parthischen Koͤnige gegen die Grie- chen und gegen ihre Sprache, erstreckete sich auch auf Griechische Kuͤnstler, und die Muͤnzen dieser Koͤnige mit Griechischer Schrift muͤssen von Kuͤnst- lern dieser Nation gearbeitet seyn. Diese aber sind vermuthlich in diesen Laͤndern erzogen und gelehret worden: denn das Gepraͤge dieser Muͤnzen hat etwas fremdes, und man kann sagen, barbarisches. K 3 Ueber I Theil. Zweytes Capitel. Allgemeine Erinnerun- gen uͤber die Kunst dieser drey Voͤlker. Ueber die Kunst dieser Mittaͤgigen und Morgenlaͤndischen Voͤlker zu- sammen genommen, koͤnnen noch ein paar allgemeine Anmerkungen beyge- fuͤget werden. Wenn wir die Monarchische Verfassung in Aegypten so wohl, als bey den Phoͤniciern und Persern, erwegen, in welcher der unum- schraͤnkte Herr die hoͤchste Ehre mit niemanden im Volke theilete, so kann man sich vorstellen, daß das Verdienst keiner andern Person um sein Vaterland, mit Statuen belohnet worden, wie in freyen, so wohl alten als neuen, Staa- ten geschehen. Es findet sich auch keine Nachricht von dieser einem Unter- than dieser Reiche wiederfahrnen Dankbarkeit. Carthago war zwar in dem Lande der Phoͤnicier ein freyer Staat, und regierete sich nach seinen eigenen Gesetzen, aber die Eifersucht zwoer maͤchtigen Partheyen gegen einander wuͤrde die Ehre der Unsterblichkeit einem jeden Buͤrger streitig gemacht haben. Ein Heerfuͤhrer stand in Gefahr, ein jedes Versehen mit seinem Kopfe zu be- zahlen; von großen Ehren-Bezeugungen bey ihnen meldet die Geschichte nichts. Folglich bestand die Kunst bey diesen Voͤlkern mehrentheils bloß auf die Religion, und konnte aus dem buͤrgerlichen Leben wenig Nutzen und Wachsthum empfangen. Die Begriffe der Kuͤnstler waren also weit ein- geschraͤnkter, als bey den Griechen, und ihr Geist war durch den Aberglau- ben an angenommene Gestalten gebunden. Diese drey Voͤlker hatten in ihren bluͤhenden Zeiten vermuthlich wenig Gemeinschaft unter einander: von den Aegyptern wissen wir es, und die Perser, welche spaͤt einen Fuß an den Kuͤsten des Mittellaͤndischen Meers er- langeten, konnten vorher mit den Phoͤniciern wenig Verkehr haben. Die Sprachen dieser beyden Voͤlker waren auch in Buchstaben gaͤnzlich von einan- der verschieden. Die Kunst muß also unter ihnen in jedem Lande eigen- thuͤmlich gewesen seyn. Unter den Persern scheinet die Bildung den gering- sten Wachsthum erlanget zu haben; in Aegypten gieng dieselbe auf die Groß- heit; und bey den Phoͤniciern wird man mehr die Zierlichkeit und Einheit der Von der Kunst unter den Aegypt. Phoͤniciern ꝛc. der Arbeit gesuchet haben, welches aus ihren Muͤnzen zu schließen ist. Denn ihr Handel wird auch mit Werken der Kunst in andere Laͤnder gegangen seyn, welches bey den Aegyptern nicht geschah; und daher ist zu glauben, daß die Phoͤnicischen Kuͤnstler sonderlich in Metall, und Werke von der Art gearbeitet haben, welche allenthalben gefallen konnten. Daher kann es ge- schehen, daß wir einige kleine Figuren in Erzt, fuͤr Griechisch halten, wel- che Phoͤnicisch sind. Es sind keine Statuen aus dem Alterthume mehr zertruͤmmert, als die Aegyptischen, und zwar von schwarzen Steinen. Von Griechischen Sta- tuen hat die Wuth der Menschen sich begnuͤget, den Kopf und die Arme ab- zuschlagen, und das uͤbrige von der Base herunter zu werfen, welches im umstuͤr- zen zerbrochen ist. Die Aegyptischen Statuen aber, welche im umwerfen nichts wuͤrden gelitten haben, sind mit großer Gewalt zerschlagen, und die Koͤpfe, die durch abwerfen und im wegschlaͤudern unversehrt geblieben seyn wuͤrden, werden in viele Stuͤcken zertruͤmmert gefunden. Diese Wuth veranlassete vermuthlich die schwarze Farbe dieser Statuen, und der daraus erwachsene Begriff von Werken des Fuͤrsten der Finsterniß, und von Bildern boͤser Gei- ster, die man sich in schwarzer Gestalt einbildete. Zuweilen, sonderlich an Gebaͤuden, ist es geschehen, daß dasjenige zerstoͤhret worden, was die Zeit nicht haͤtte verwuͤsten koͤnnen, und dasjenige, was leichter durch allerhand Zufaͤlle Schaden nehmen koͤnnen, ist stehen blieben, wie Scamozzi Antich. di Rom. alla Tav. 7. bey dem sogenannten Tempel des Nerva anmerket. Zuletzt sind, als etwas besonders, einige kleine Figuren in Erzt anzuzei- gen, welche auf Aegyptische Art geformet, aber mit Arabischer Schrift be- zeichnet sind. Es sind mir von denselben zwo bekannt: die eine besitzet Hr. Aßemanni, Custos der Vaticanischen Bibliothec, und die andere ist in der Gallerie des Collegii S. Ignatii zu Rom: beyde sind etwa einen Palm hoch, und sitzend, und die letztere hat Schrift auf beyden Schenkeln, auf dem Ruͤ- cken, und oben auf der platten Muͤtze. Es sind dieselben bey den Drusen, Voͤlkern I Theil. Zweytes Capitel. Voͤlkern, welche auf dem Gebirge Libanon wohnen, gefunden. Diese Drusen, welche man fuͤr Nachkoͤmmlinge der Franken haͤlt, die in den Creuz-Zuͤgen dahin gefluͤchtet sind, wollen Christen heißen, verehren aber ganz insgeheim, aus Furcht vor den Tuͤrken, gewisse Goͤtzenbilder, der- gleichen die angezeigten sind, und da sie dieselben schwerlich zum Vorschein kommen lassen, so sind diese Figuren fuͤr eine Seltenheit in Europa zu halten. Das Das dritte Capitel. Von der Kunst unter den Hetruriern, und unter ihren Nachbarn. D ie Abhandlung uͤber die Kunst der Hetrurier ist in drey Stuͤcke zu Inhalt dieses Capitels. fassen: das erste und vorlaͤufige begreift diejenige Kenntnisse, welche das Verstaͤndniß des zweyten und wesentlichen Stuͤcks erlaͤutern und er- leichtern; und dieses zweyte Stuͤck handelt von der Kunst selbst, von den Eigenschaften, Kennzeichen, und von den verschiedenen Zeiten derselben; das dritte Stuͤck ist eine Betrachtung uͤber die Kunst unter den Nachbarn der Hetrurier. Winckelm. Gesch. der Kunst . L In I Theil. Drittes Capitel. Erstes Stuͤck . Von den Hetruriern. In dem ersten Stuͤcke sind drey Saͤtze begriffen: der erste enthaͤlt eine Betrachtung uͤber die aͤußern Umstaͤnde, und Ursachen von den Eigen- schaften der Hetrurischen Kunst; der zweyte handelt von der Abbildung ihrer Goͤtter und Helden; und im dritten Satze ist eine Anzeige der vor- nehmsten Werke der Hetrurischen Kunst. I. Die aͤußeren Umstaͤnde der Kunst bey den Hetruriern. Der erste Satz beruͤhret vorher die der Kunst vortheilhaften Umstaͤnde unter diesem Volke, und suchet hernach eine wahrscheinliche Ursache von der Beschaffenheit ihrer Kunst zu geben. Was die Umstaͤnde betrifft, in A. Die Freyheit dieses Volks, welche der Kunst befoͤr- derlich war. welchen sich die Kunst unter den Hetruriern befunden, so ist gewiß, da die Verfassung und Regierung in allen Laͤndern einen großen Einfluß in die- selbe gehabt hat, daß in der Freyheit, welche dieses Volk unter ihren Koͤ- nigen genoß, die Kunst, so wie ihre Kuͤnstler, das Haupt erheben, und zu einem großen Wachsthume gelangen koͤnnen. Die Koͤnigliche Wuͤrde deutete bey ihnen keinen eigenmaͤchtigen Herrn, sondern ein Haupt und ei- nen Heerfuͤhrer an, deren zwoͤlfe waren Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 6. p. 384. l. 27. , nach der Anzahl der Provinzen dieses Volks, und diese wurden von den zwoͤlf Staͤnden Liv. L. 1. c. 7. conf. L. 7. c. 21. gemeinschaft- lich gewaͤhlet. Diese zwoͤlf Regenten erkannten ein besonderes Oberhaupt uͤber sich, welchen, wie jene, nur die Wahl zur hoͤchsten Wuͤrde erhoben hatte. Die Hetrurier waren so eifersuͤchtig uͤber die Freyheit, und so große Feinde der Koͤniglichen Macht, daß diese ihnen auch unter Voͤlkern, die nur mit ihnen in Buͤndniß standen, verhaßt und unertraͤglich war. Daher waren sie hoͤchst empfindlich uͤber die Vejenter, welche unter sich eine Aenderung in der Regierung machten, und an statt der Haͤupter derselben, welche bisher bey diesen Id. L. 5. c. 1. alle Jahre gewechselt waren, sich einen Koͤnig waͤhleten. Dieses geschah im vierhunderten Jahre der Stadt Rom. Die Hetrurier hatten noch zur Zeit des Marsischen Krieges ihre Freyheit nicht vergessen: denn Appian. Bel. Civ. L. 1. p. 179. l. 26. \& 32. sie traten nebst andern Voͤlkern in Italien wider die Von der Kunst unter den Hetruriern. die Roͤmer in Buͤndniß, und sie befriedigten sich, da ihnen das Roͤmische Buͤrgerrecht ertheilet wurde. Diese Freyheit, die Pflegerinn der Kuͤnste, und der große Handel der Hetrurier zu Wasser und zu Lande, welcher jene beschaͤftigte und naͤhrete, muß unter ihnen eine Nacheiferung mit Kuͤnstlern anderer Voͤlker erwecket haben, sonderlich da der Kuͤnstler in allen freyen Staaten mehr wahre Ehre zu hoffen und zu erlangen hat. Da aber die Kunst unter diesem Volke die Hoͤhe der Griechi- B. Die Gemuͤths- Art der Hetru- rier in welcher die Eigenschaf- ten der Werke ihrer Kunst koͤnnen gesu- chet werden. schen Kunst nicht erreichet hat, und da in den Werken aus ihrer besten Zeit das Uebertriebene herrschet, so muͤßte die Ursache hiervon in der Faͤ- higkeit dieses Volks selbst zu suchen seyn. Einige Wahrscheinlichkeit giebt uns die Gemuͤthsart der Hetrurier, welche mehr, als das Griechische Ge- bluͤt, mit Melancholie scheinet vermischt gewesen zu seyn, wie wir aus ihrem Gottesdienste, und aus ihren Gebraͤuchen schließen koͤnnen. Ein solches Temperament, wovon die groͤßten Leute, wie Aristoteles sagt, ihr Theil gehabt haben, ist zu tiefen Untersuchungen geschickt, aber es wirket zu hef- tige Empfindungen, und die Sinne werden nicht mit derjenigen sanften Regung geruͤhret, welche den Geist gegen das Schoͤne vollkommen em- pfindlich macht. Diese Muthmaßung gruͤndet sich zum ersten auf die Wahrsagerey, welche in den Abendlaͤndern unter diesem Volke zuerst er- dacht wurde; daher heißt Hetrurien, die Mutter und Gebaͤhrerinn des Aberglaubens Arnob. contr. gent. L. 7. p. 232. , und die Schriften dieser Wahrsagung erfuͤlleten diejenigen, welche sich in denselben Raths erholeten, mit Furcht und Schrecken Cic. de divinat. L. 1. c. 12. p. 25. ed. Davis. ; in so fuͤrchterlichen Bildern und Worten waren sie abgefasset. Von ihren Priestern koͤnnen diejenigen ein Bild geben, welche im 399. Jahre der Stadt Rom, an der Spitze der Tarquinier Liv. L. 7. c. 17. , mit brennenden Fackeln und Schlangen die Roͤmer anfielen. Auf diese Gemuͤthsart koͤnnte man ferner L 2 schließen I Theil. Drittes Capitel. schließen aus den blutigen Gefechten bey Begraͤbnissen und auf Schauplaͤ- tzen, welche bey ihnen Dempst. Etrur. T. 1. L. 3. c. 42. p. 340. zuerst uͤblich waren, und nachher auch von den Roͤmern eingefuͤhret wurden; diese waren den gesitteten Griechen Plato Politico, p. 315. B. ein Abscheu. Auch in neuern Zeiten wurden die eigenen Geißelungen Minuc. Not. al Malmant. riacquist. (ex Sigonio) p. 497. in Toscana zuerst erdacht. Man sieht daher auf Hetrurischen Begraͤbniß- Urnen insgemein blutige Gefechte uͤber ihre Todten vorgestellet, die unter den Griechen niemals geschehen sind. Die Roͤmischen Begraͤbniß-Urnen, weil sie mehrentheils von Griechen werden gearbeitet seyn, haben vielmehr angenehme Bilder: die mehresten sind Fabeln, welche auf das menschliche Leben deuten; liebliche Vorstellungen des Todes, wie der schlafende En- dymion auf sehr vielen Urnen ist; Najaden Fabret. Inscript. c. 6. p. 432. Eben dieses Bild befindet sich aus vielfarbigen Steinen zusam- mengesetzet ( Commesso genannt in dem Pallaste Albani. Hierauf deutet auch eine noch nicht bekannt gemachte Inschrift, welche auf der Flaͤche der einen Haͤlfte einer von einander gesaͤgten Saͤule, im Hause Capponi zu Rom, stehet, aus welcher ich nur den Vers, der diese Vorstellung betrift, anfuͤhren will: ΗΡΠΑϹΑΝ ωϹ ΤϵΡΠΝΗΝ ΝΑΙΑΔϵϹ ΟΥ ΘΑΝΑΤΟϹ Dulcem hanc rapuerunt Nymphae, non mors. Ciampini vet. Monum. T. 1. tab. 24. , die den Hyllus entfuͤhren; Taͤnze der Bacchanten, und Hochzeiten, wie die schoͤne Vermaͤhlung Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 51. p. 123. welcher, wie andere, die wahre Vorstellung dieser Urne nicht gefunden hat. des Peleus und der Thetis in der Villa Albani ist. Scipio Africanus verlangete Plutarch. Apophth. p. 346. , daß man bey seinem Grabe trinken sollte; und man tanzete Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 7. p. 460. l. 14. bey den Roͤmern vor der Leiche her Auf einem großen erhobenen Werke, von einer Begraͤbniß-Urne abgesaͤget, in der Villa Albani, ist eine sitzende Frau und ein stehendes Maͤdgen in einer Speise-Kammer, neben aufgehaͤngten ausgeweideten Thieren und Eßwaaren, vorgestellet, demjenigen aͤhnlich, welches in der Gallerie Giustiniani gestochen ist, und oben daruͤber liest man aus dem Virgilius: In . Die Von der Kunst unter den Hetruriern. Die Natur aber und ihren Einfluß in die Kunst zu uͤberwinden, wa- C. Die ungluͤck- lichen Kriege mit den Roͤ- mern, und der Verfall ihrer Verfassung, wodurch der Lauf der Kunst bey ihnen ge- hemmet wur- de. ren die Hetrurier nicht lange genug gluͤcklich: denn es erhoben sich bald nach Einrichtung der Republic zu Rom blutige, und fuͤr die Hetrurier un- gluͤckliche Kriege mit den Roͤmern, und einige Jahre nach Alexanders des Großen Tode wurde das ganze Land von ihren Feinden uͤberwaͤltiget, und so gar ihre Sprache, nachdem sich dieselbe nach und nach in die Roͤmi- sche verkleidet hatte, verlohr sich. Hetrurien wurde in eine Roͤmische Pro- vinz verwandelt, nachdem der letzte Koͤnig Aelius Volturrinus in der Schlacht bey dem See Lucumo geblieben war; dieses geschah im 474. Jahre nach Erbauung der Stadt Rom, und in der 124. Olympias. Bald nachher, nemlich im 489. Jahre der Roͤmischen Zeitrechnung, und in der 129. Olympias, wurde Volsinium , itzo Bolsena, „eine Stadt der Kuͤnstler„ , nach der Bedeutung des Namens, welchen einige Hist. Vniv. des Anglois, T. 14. p. 218. Traduct. Franc. aus dem Phoͤnicischen herleiten, vom Marcus Flavius Flaccus erobert, und es wurden aus dieser Stadt alleine zweytausend Statuen Plin. L. 34. p. 646. l. 3. nach Rom gefuͤh- ret; und eben so werden auch andere Staͤdte ausgeleeret worden seyn. Unter- dessen wurde die Kunst unter den Hetruriern noch damals, als sie den Roͤ- mern unterthaͤnig waren, wie unter den Griechen, da diese einerley Schick- saal mit jenen hatten, geuͤbet, wie im folgenden wird angefuͤhret werden. Von Hetrurischen Kuͤnstlern finden wir namentlich keine Nachricht, den einzigen Mnesarchus, des Pythagoras Vater, ausgenommen, welcher in Stein gegraben hat, und aus Thuscien oder Hetrurien gewesen seyn soll. L 3 Der In freta dum fluvii current, dum montibus umbrae Lustrabunt convexa, polus dum sidera pascet: Semper honos, nomenque tuum, laudesque manebunt. Ehemals war eine Begraͤbniß-Urne in Rom, auf welcher so gar eine sogenannte unzuͤchti- ge Spintrische Vorstellung war, und von der Inschrift auf derselben hatten sich die Worte erhalten: ΟΥ ΜΕΛΕΙ ΜΟΙ, „ es liegt mir nichts daran .„ I Theil. Drittes Capitel. II. Die Art und Weise der Voꝛ- stellung ihrer Goͤtter und Helden. Der zweyte Satz dieses Stuͤcks von der Vorstellung der Hetrurischen Goͤtter und Helden begreift nicht den ganzen Umfang aller Nachrichten, sondern nur das Nuͤtzliche, und Anmerkungen, welche zum Theil nicht ge- macht sind, und naͤher zu meinem Zwecke dienen. A. Einige hatten sie mit den Griechen ge- mein. Es finden sich unter den Bildern der Goͤtter einige diesem Volke allein eigene Vorstellungen; die mehresten aber hat dasselbe mit den Griechen ge- mein: welches zugleich anzeiget, daß die Hetrurier und Griechen einerley Ursprung haben, und zwar von den Pelasgern, wie die alten Scribenten berichten, und die Neueren Conf. Scalig. Not. in Varr. de re rust. p. 218. in gelehrten Untersuchungen bestaͤtigen, und daß diese Voͤlker bestaͤndig in einer gewissen Gemeinschaft gestanden seyn. B. Ihre eigen- thumlichen Vorstellungen waren zum Theil seltsam, wie bey den aͤltesten Grie- chen. Die Abbildung verschiedener Hetrurischen Gottheiten scheinet uns seltsam; es waren aber auch unter den Griechen fremde und ausserordent- liche Gestalten, wie die Bilder auf dem Kasten des Cypselus, bezeugen, welche Pausanias beschreibet. Denn so wie die erhitzte und ungebundenen Einbildung der ersten Dichter, theils zu Erweckung der Aufmerksamkeit und Verwunderung, theils zu Erregung der Leidenschaften, fremde Bilder sucheten, und die den damals ungesitteten Menschen, mehr Eindruck als zaͤrtliche Bilder, machen konnten, eben so und aus einerley Gruͤnden bil- dete auch die Kunst dergleichen Gestalten. Der Jupiter in Pferdemist ein- gehuͤllet, welchen sich der Dichter Pampho ap. Philostr. Heroic. p. 693. , vor dem Homerus, einbildete, ist nicht fremder vorgestellet, als in der Kunst der Griechen, Jupiter Apomyos , oder Muscarius , in Gestalt einer Fliege, deren Fluͤgel den Bart bilden, der Leib das Gesicht, und auf dem Kopfe ist an der Stelle der Haare, der Kopf der Fliege: so findet sich derselbe auf geschnittenen Steinen Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 45. . Die Von der Kunst unter den Hetruriern. Die obern Goͤtter haben sich die Hetrurier mit Wuͤrdigkeit vorgestel- C. Bildung der obern Goͤtter. a. mit Fluͤ- geln. let und gebildet, und es ist von den ihnen beygelegten Eigenschaften erstlich allgemein, und hernach insbesondere zu reden. Jupiter Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 54. 55. auf einer alten Paste; und auf einem Carniole des Stoßischen Musei, wie er in seiner Herrlichkeit der Semele erscheinet, ist mit Fluͤgeln vorgestellet. Diana ist, wie bey den aͤltesten Griechen Pausan. L. 5. p. 424. l. 27. , also auch bey den Hetruriern gefluͤgelt, und die Fluͤgel, welche man den Nymphen der Diana auf einer Begraͤb- niß-Urne, im Campidoglio, gegeben, sind vermuthlich von den aͤltesten Bildern derselben genommen. Minerva hat bey den Hetruriern nicht allein Fluͤgel auf den Achseln Dempst. Etrur. tab. 6. , sondern auch an den Fuͤßen Cic. de Nat. deor. L. 3. c. 33. ; und ein Brittischer Scribent Horsley Brit. Rom. p. 353. irret sehr, wenn er vorgiebt, es finde sich keine ge- fluͤgelte Minerva, auch nicht einmal von Scribenten angefuͤhret. Venus findet sich ebenfalls mit Fluͤgeln Gori Mus. Etr. tab. 83. . Andern Gottheiten setzten die He- trurier Fluͤgel an dem Kopfe, wie der Liebe, der Proserpina, und den Furien. Es finden sich so gar Wagen mit Fluͤgeln Dempst. Etr. tab. 47. ; aber auch dieses hatten sie mit den Griechen gemein: denn auf Eleusinischen Muͤnzen Haym Tes. Brit. T. 2. p. 219. sitzet Ceres auf einem solchen Wagen von zwo Schlangen gezogen. Es gaben auch die Hetrurier neun Gottheiten den Donnerkeil, wie b. mit Don- nerkeilen. Plinius H. N. L. 2. c. 53. lehret; er saget aber nicht, welche dieselben sind, und nie- mand nach ihm. Wenn wir die bey den Griechen also bewaffnete Goͤtter sammlen, finden sich eben so viel. Unter den Goͤttern war, außer dem Ju- piter, dem Apollo Macrob. Saturn. L. 1. c. 24. p. 254. zu Heliopolis in Assyrien verehret, der Donnerkeil beygeleget, auch auf einer Muͤnze Golz. Graec. tab. 61. der Stadt Thyrria in Arcadien; Mars I Theil. Drittes Capitel. Mars im Streite wider die Titanen hat denselben Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 51. n. 116. auf einer alten Paste, und Bacchus Ibid. p. 234. n. 1459. auf einem geschnittenen Steine, beyde im Stoßischen Museo, und dieser auch auf einer Hetrurischen Patera Dempst. Etr. tab. 3. . Ferner Vul- canus Serv. ad Aen. 1. p. 177. H. ; Pan in zwo kleinen Figuren von Erzt, im Collegio St. Ignatii zu Rom, und Hercules auf einer Muͤnze von Naxus. Von Goͤttinnen hatte den Donnerkeil Cybele Bellori Imag. \& du Choul della relig. de Rom. p. 92. , und Pallas l. c. , nach dem Servius , und auf den Muͤnzen des Pyrrhus Golz. Graec. tab. 36. n. 5. conf. Spanh. de praest. Num. T. 1. p. 432. , auch auf andern Muͤnzen, und an einer kleinen Figur derselben in Marmor, in der Villa Negroni. Ich koͤnnte auch der Liebe Athen. Deipn. L. 12. p. 534. auf dem Schilde des Alcibiades gedenken, welche den Donnerkeil hielt. D. Bildung ein- zelner Goͤtter. a. Maͤnnlichen Geschlechts. Von besondern Vorstellungen einzelner Gottheiten ist unter den Maͤnnlichen zu merken Apollo Dempst. Etr. tab. 32. conf. Buonar. expl. p. 12. §. 6. , mit einem Hute von dem Kopfe herunter auf die Schulter geworfen, so wie Zethus Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 97. , der Bruder des Amphion, auf zwo erhobenen Arbeiten in Rom, vorgestellet ist; vermuthlich auf dessen Schaͤfer-Stand bey dem Koͤnige Admetus zu deuten: denn die das Feld baueten Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 10. p. 615. l. 14. , oder Land-Leute waren, trugen Huͤte. Und so wuͤrden die Griechen den Aristeas, des Apollo und der Cyrene Sohn, welcher die Bienen-Zucht Iustin. L. 13. c. 7. gelehret, gebildet haben: denn Hesiodus nennet ihn den Feld-Apollo conf. Serv. in Virg. Georg. L. 1. v. 14. \& Schol. Apoll. Rhod. L. 2. v. 500. . Die Huͤte waren weiß Dempst. Etrur. tab. 32. . Mercurius hat auf einigen Hetrurischen Werken einen spitzigen und vorwerts gekruͤmmeten Bart, welches die aͤlteste Form ihrer Baͤrte ist; und so sieht man diesen Gott auf Von der Kunst unter den Hetruriern. auf dem zu Anfang dieses Capitels in Kupfer gestochenen Altare, im Cam- pidoglio, und auf einem großen dreyeckigten Altare, in der Villa Borghese. Eben so werden auch die aͤltesten Griechischen Mercurii gestaltet gewesen seyn: denn es blieb dergleichen Bart, aber keilfoͤrmig, das ist, breit und spitz, wie ein Keil, an ihren Hermen. Es findet sich auch Mercurius, auf ungezweifelten Hetrurischen Steinen, mit einem Helme auf dem Kopfe, und unter andern ihm beygelegten Zeichen ist auch ein sichelfoͤrmiges kurzes Schwert, so wie dasjenige ist, welches Saturnus insgemein haͤlt, wo- mit dieser seinen Vater Uranus entmannete; und so war das Schwert, womit die Lycier und Carier Herodot. L. 7. p. 261. l. 26. \& l. 30. in dem Heere des Xerxes bewafnet waren. Dieses Schwert des Mercurius deutete auf das dem Argus abgeschnittene Haupt: denn auf einem Steine Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 93. des Stoßischen Musei, mit Hetruri- scher Schrift, haͤlt er, nebst dem Schwerte in der rechten Hand, das Haupt des Argus in der linken, aus welchem Blutstropfen herunter fal- len. Ferner ist ein Mercurius mit einer ganzen Schildkroͤte an statt des Huts Ibid. p. 97. auf einem Hetrurischen Scarabaͤo besagten Musei zu merken; ich habe in der Beschreibung desselben einen Kopf dieser Gottheit in Mar- mor angefuͤhret, mit der Schaale einer Schildkroͤte auf dem Kopfe, und nachher habe ich gefunden, daß auch zu Theben Pococke’s Descr. of the East, T. 1. p. 108. in Aegypten eine Figur mit solcher Bedeckung des Haupts vorgestellet ist. Unter den Goͤttinnen ist besonders eine Juno, auf dem angefuͤhrten b. Weiblichen Geschlechts. Hetrurischen Altare in der Villa Borghese, zu merken, welche mit beyden Haͤnden eine große Zange haͤlt, und so wurde dieselbe auch von den Grie- chen Codin. de Orig Constantinop. p. 44. conf. Pref. à la Descr. des Pier. gr. \&c. p. XIV. vorgestellet. Dieses war eine Juno Martialis , und die Zange deutete Winckelm. Gesch. der Kunst . M I Theil. Drittes Capitel. deutete vermuthlich auf eine besondere Art von Schlacht-Ordnung im An- griffe, welche eine Zange ( Forceps ) hieß, und man sagte, nach Art einer Zange fechten Fest. v. Serra proeliari. Vales. Not. in Ammian. L. 16. c. 12. p. 135. a. , ( Forcipe \& Serra proeliari ) wenn ein Heer im fechten sich also theilete, daß es den Feind in die Mitten fassete, und eben diese Oeffnung machen konnte, wenn es vorwerts im Gefechte begriffen, im Ruͤcken sollte angefallen werden. Venus wurde mit einer Taube in der Hand Gori Mus. Etr. tab. 15. gebildet, und eben so stehet sie bekleidet auf vorerwehntem Altare. Auf eben diesem Werke stehet eine andere bekleidete Goͤttinn, mit einer Blume in der Hand, welches eine andere Venus bedeuten koͤnnte: denn sie haͤlt eine Blume auf einem unten beschriebenen runden Werke, im Campidoglio; auch auf einem der zween schoͤnen dreyseitigen Leuchter von Marmor, im Pallaste Barberini, ist unter den sechs Gottheiten auf beyden Venus also vorgestellet: diese sind aber von Griechischer Arbeit. Eine Statue aber, welche Herr Spence Polymet. p. 244. nicht lange vor meiner Zeit will in Rom gesehen haben, mit einer Taube, ist itzo wenigstens nicht mehr vor- handen: er ist geneigt, dieselbe fuͤr einen Genius von Neapel zu halten, und fuͤhret ein paar Stellen eines Dichters hieruͤber an. Man bringet auch eine kleine vermeynte Hetrurische Venus, in der Gallerie zu Florenz, bey, mit einem Apfel in der Hand; wo es nicht etwa mit dem Apfel be- schaffen ist, wie mit der Violin des einen kleinen Apollo daselbst von Erzt, uͤber deren Alter Addison nicht haͤtte zweifelhaft seyn duͤrfen: denn es ist dieselbe ein offenbarer neuer Zusatz. Die drey Gratien sieht man beklei- det, wie bey den aͤltesten Griechen, auf mehrmal erwehntem Borghesischen Altare; sie haben sich angefasset, und sind wie im Tanze: Gori vermeynet, dieselben entkleidet auf einer Patera Mus. Flor. tab. 92. zu finden. Ich Von der Kunst unter den Hetruriern. Ich wiederhole, wie ich mich vorher erklaͤret habe, daß ich keine Ge- E. Der Helden auf Hetruri- schen Denk- maalen. schichte der Hetrurischen Goͤtter geben will: die von ihren Kuͤnstlern vor- gestelleten Helden aber, finden sich bis itzo in geringer Anzahl, und dieselben sind nicht von ihrem Volke, sondern von den Griechen genommen. Die bekannten sind fuͤnf von den sieben Helden, welche vor Theben zogen; ferner Tydeus , einer unter denselben, besonders vorgestellet; Peleus , des Achilles Vater, und Achilles: diese Figuren haben ihre Namen in Hetru- rischer Sprache beygesetzet, und die Steine selbst sind im folgenden Satze beschrieben. Diese Abbildung der Helden von einem andern Volke genom- men, giebt Anlaß zu muthmaßen, daß es sich, in Absicht der Heldengeschich- te, mit den Griechen und Hetruriern verhalten habe, wie mit den Proven- zalen und Italienern. So wie in der Provenza in Frankreich die ersten Romane, oder Helden- und Liebes-Gedichte, in der mittlern Zeit gemacht wurden, aus welchen andere Voͤlker, auch selbst die Italiener, die ihrigen zogen, eben so scheinen die Hetrurier dieses Theil der Dichtkunst nicht vor- zuͤglich geuͤbet zu haben; daher die Helden der Griechen vorzuͤglich vor den ihrigen, Vorwuͤrfe der Hetrurischen Kuͤnstler wurden. Ihre Goͤtter ha- ben ihre eigenen Hetrurischen Namen, die Helden aber ihre Griechischen Namen behalten, welche nach ihrer Aussprache dieser Worte in etwas ge- aͤndert sind. Der dritte Satz dieses ersten vorlaͤufigen Stuͤcks giebt eine Anzeige III. Anzeige der vornehmsten Hetrurischen Werke der Kunst. der vornehmsten Werke der Hetrurischen Kunst, und ihrer Ausarbeitung, welche Historisch ist, das ist, die Werke werden nach ihrer Beschaffenheit und den Figuren beschrieben; die besondere Untersuchung und Beurtheilung derselben aber in Absicht der Kunst, gehoͤret zu dem folgenden zweyten Stuͤcke. Ich muß aber hier unsere mangelhafte Kenutniß beklagen, die sich nicht allezeit wagen kann, das Hetrurische von dem aͤltesten Griechischen zu unterscheiden. Denn auf der einen Seite machet uns die Aehnlichkeit der Hetrurischen Werke mit den Griechischen, von welcher im ersten Capitel M 2 gehan- I Theil. Drittes Capitel. gehandelt worden, ungewiß; auf der andern Seite sind es einige Werke, welche in Toscana entdecket worden, und den Griechischen von guten Zei- ten aͤhnlich sehen. Die Werke, welche anzuzeigen sind, bestehen in Figuren und Statuen, in erhobenen Arbeiten, in geschnittenen Steinen, Muͤnzen, und irrdenen gemalten Gefaͤßen; und von diesen wird in dem dritten und letzten Stuͤ- cke dieses Capitels geredet. A. Kleine Figuren in Erzt, und Thiere. Unter dem Worte Figur begreife ich die kleinern in Erzt, und die Thiere. Jene sind in den Museis nicht selten, und der Verfasser selbst besitzet ver- schiedene. Unter denselben finden sich Stuͤcke von der aͤltesten Zeit der He- trurischen Kunst, wie aus deren Gestalt und Bildung im folgenden Stuͤcke angezeiget wird. Von Thieren ist das betraͤchtlichste und groͤßte eine Chi- maͤra Gori Mus. Etr. tab. 155. von Erzt, in der Gallerie zu Florenz, welche aus einem Loͤwen in natuͤrlicher Groͤße, und aus einer Ziege zusammen gesetzet ist; die Hetruri- sche Schrift an derselben ist der Beweis von dem Kuͤnstler dieses Volks. B. Statuen von Erzt und Marmor. Die Statuen, das ist, Figuren unter oder in Lebensgroͤße, sind theils von Erzt, theils von Marmor. Von Erzt finden sich zwo Statuen, welche Hetrurisch sind, und zwo werden dafuͤr gehalten. Jene haben hier- von ungezweifelte Kennzeichen; eine ist in dem Pallaste Barberini, etwa vier Palme hoch, und vermuthlich ein Genius: denn er haͤlt in dem linken Arme ein Horn des Ueberflusses, und wenn eine Maͤnnliche nackte Figur, mit oder ohne Bart, dieses und kein anderes Attribut hat, ist dieselbe auch in Griechischen Werken allezeit ein Genius. Die andere ist ein vermeynter Haruspex Dempst. Etrur. tab. 40. , wie ein Roͤmischer Senator gekleidet, in der Gallerie zu Florenz, und auf dem Saume des Mantels stehet Hetrurische Schrift ein- gegraben. Jene Figur ist ohne Zweifel aus ihren ersten Zeiten; diese aber aus der spaͤtern Zeit, welches ich aus dem glatten Kinne derselben muth- maße: Von der Kunst unter den Hetruriern. maße: denn da diese Statue, wie man sieht, nach dem Leben gebildet ist, und eine bestimmte Person vorstellet, wuͤrde dieselbe in aͤltern Zeiten einen Bart haben, da die Baͤrte damals unter den Hetruriern, so wie unter den ersten Roͤmern Liv. L. 5. c. 41. , eine allgemeine Tracht gewesen. Die andern zwo Statuen in Erzt, uͤber welche das Urtheil zwischen der Griechischen und Hetrurischen Kunst zweifelhaft seyn koͤnnte, sind eine Minerva, und ein ver- meynter Genius, beyde in Lebensgroͤße. Die Minerva Gori l. c. tab. 28. ist an der untern Haͤlfte sehr beschaͤdiget, der Kopf aber hat sich nebst der Brust voll- kommen erhalten, und die Gestalt desselben ist der Griechischen voͤllig aͤhn- lich. Der Ort, wo diese Statue gefunden ist, nemlich Arezzo in Toscana, ist der einzige Grund zur Muthmaßung, daß dieselbe von einem Hetruri- schen Kuͤnstler sey. Der Genius Olivieri Marm. Pisaur. p. 4. Gori Mus. Etr. tab. 87. stellet einen jungen Menschen in Le- bensgroͤße vor, und wurde im Jahre 1530. zu Pesaro am Hadriatischen Meere gefunden. Man vermuthet aber daselbst eher Hetrurische, als Grie- chische Statuen, ohngeachtet diese Stadt eine Colonie der Griechen war. Gori vermeynet, in der Arbeit der Haare einen Hetrurischen Kuͤnstler zu er- kennen, und er vergleichet die Lage derselben etwas unbequem mit Fisch- schuppen; es sind aber auf eben die Art die Haare an einigen Koͤpfen in hartem Steine und in Erzt zu Rom, und an einigen Herculanischen Brust- bildern, gearbeitet. Diese Statue ist unterdessen eine der schoͤnsten in Erzt, welche sich aus dem Alterthume erhalten haben. Die vornehmsten Hetrurischen Statuen in Marmor sind, meines Er- achtens, die sogenannte Vestale Gall. Giustin. T. 1. tav. 17. , im Pallaste Giustiniani, ein vermeynter Priester, in der Villa Albani, eine Statue, welche eine hoch schwangere Frau vorstellet, in der Villa Mattei, zwo Statuen des Apollo, die eine M 3 im I Theil. Drittes Capitel. im Campidoglio Mus. Capit. T. 3. tav. 14. , die andere im Pallaste Conti, und eine Hetrurische Diana, in dem Herculanischen Museo zu Portici. Was die erste betrifft, so ist nicht glaublich, daß man eine solche Fi- gur, an welcher nicht einmal die Fuͤße sichtbar sind, aus Griechenland nach Rom gefuͤhret habe, da aus Nachrichten des Pausanias erhellet, daß in Griechenland die alleraͤltesten Werke unberuͤhrt geblieben seyn. Die Fal- ten ihres Rocks sind in senkrechter Linie gezogen. Die zwote Statue ist uͤber Lebensgroͤße, und zehen Palme hoch; die Falten des Rocks ohne Er- mel gehen alle parallel, und liegen wie geplaͤttet auf einander; die Ermel des Unterkleides sind in kreppigte gepressete Falten geleget, wie ich zu Ende des folgenden Stuͤcks, und im folgenden Capitel, bey der Weiblichen Klei- dung anzeige. Die Haare uͤber der Stirne liegen in kleinen geringelten Locken, nach Art der Schneckenhaͤuser, so wie sie mehrentheils an den Koͤ- pfen der Herme gearbeitet sind, und vorne uͤber den Achseln herunter haͤn- gen, auf jeder Seite, vier lange geschlaͤngelte Strippen Haare; hinten haͤn- gen dieselben, ganz gerade abgestutzt, lang von dem Kopfe gebunden, unter dem Bande, in fuͤnf langen Locken herunter, welche zusammen liegen, und einigermaßen die Form eines Haarbeutels machen, von anderthalb Palme lang. Die Stellung dieser Statue ist voͤllig gerade, wie an Aegyptischen Figuren. Die dritte Statue stellet vielleicht eine Vorsteherinn der Schwangern und Gebaͤhrerinnen vor, wie auch Juno war. Sie stehet mit parallel geschlossenen Fuͤßen in gerader Linie, und haͤlt mit beyden uͤber- einander gelegten Haͤnden ihren Leib; die Falten ihrer Kleidung gehen schnurgerade, und sind nicht hohl gearbeitet, wie an der ersteren, sondern nur durch Einschnitte angedeutet. Die beyden Apollo sind etwas uͤber Lebensgroͤße, mit einem Koͤcher, welcher an dem Stamme des Baums haͤnget, woran die Statuen stehen: sie sind beyde in einerley Stile gear- beitet, nur mit dem Unterscheide, daß die erste aͤlter scheinet, wenigstens sind Von der Kunst unter den Hetruriern. sind die Haare uͤber der Stirne, welche an diesem klein geringelt sind, an dem andern freyer gearbeitet. Der Apollo im Pallaste Conti wurde vor etwa vierzig Jahren, unter dem Pabste dieses Hauses, auf dem Vorgebuͤrge Circeo , itzo Monte Circello genannt, zwischen Rettuno und Terracina gelegen, entdecket Diese Statue wurde in einem kleinen Tempel, an dem Ufer eines Sees, Lago di Soressa genannt, gefunden. Dieser See, welcher dem Hause der Prinzen Gaetani gehoͤrete, war ehemals ins Meer abgeflossen, durch einen Canal, welcher sich verstopfet hatte, wo- durch das Wasser in dem See seit langer Zeit sehr hoch angewachsen war. Um denselben zur Fischerey bequem zu machen, war es noͤthig, das Wasser ablaufen zu lassen. Der alte Canal wurde geraͤumet. In demselben fanden sich einige verschlemmete Schiffgen der Alten, die mit Naͤgeln von Metall zusammen geschlagen waren, und da das Wasser in dem See selbst gesunken war, kam gedachter Tempel zum Vorschein, worinn sich der Apollo fand. Man sieht noch itzo die Nische von Marmor, mit sehr fein gearbeiteten Zierrathen, in welcher die Statue ehemals gestanden. . Dieses Vorgebuͤrge besaßen die Roͤmer bereits un- ter den Koͤnigen: denn Tarquinius Superbus schickte eine Colonie Liv. L. 1. c. 56. da- hin: und in dem ersten Buͤndnisse zwischen Rom und Carthago, welches unter den ersten Consuls, L. Junius Brutus, und Marcus Horatius, ge- schloßen wurde, sind die Circejer Polyb. L. 3. p. 177. D. unter den vier Staͤdten der Roͤmer am Meere benennet, welche sie von den Carthaginensern nicht beunruhiget ha- ben wollten: dieses ist Polyb. L. 3. p. 180. B. mit eben denselben Worten in einem naͤchstfol- genden Buͤndnisse zwischen beyden Theilen wiederholet. Cluverius, Cel- larius, und andere haben dieses unberuͤhrt gelassen. Das erste Buͤndniß wurde acht und zwanzig Jahre vor dem Feldzuge des Xerxes wider die Griechen geschlossen, und besagte Statue muͤßte, wenn sie Griechisch seyn koͤnnte, vermoͤge der Kenntniß der Griechischen Kunst, vor dieser Zeit ge- macht seyn. Das Vorgebuͤrge Circeum aber, welches die Volsker Conf. Liv. L. 2. c. 39. be- wohneten, hatte mit den Griechen, sonderlich zu derselben Zeit, keine Ge- meinschaft, noch Verkehr, wohl aber mit den Hetruriern, ihren Nachbarn; so daß auch in Absicht der Zeit und des Orts dieser Apollo fuͤr ein Hetru- risches I Theil. Drittes Capitel. risches Werk zu halten ist. Die sechste angezeigte Statue in Marmor, die Diana, im Laufen vorgestellet, ist halb Lebensgroͤße, das ist, an fuͤnf Palme hoch, bekleidet und bemalet. Die Winkel des Mundes sind auf- werts gezogen, und das Kinn ist kleinlich; aber man sieht sehr wohl, daß es kein Portrait oder bestimmte Person seyn soll, sondern es ist eine unvoll- kommene Bildung der Schoͤnheit. Ihre Haare haͤngen uͤber der Stirn in kleinen Locken, und die Seiten-Haare in langen Strippen auf den Achseln herunter; hinten sind dieselben lang vom Kopfe gebunden. Um die Haare liegt ein Diadema, wie ein Ring, auf welchem acht erhobene rothe Rosen stehen. Ihre Kleidung ist weiß angestrichen. Das Hembde, oder Unter- kleid, hat weite Ermel, welche in gekreppte oder gekniffene Falten geleget sind, und die Weste, oder der kurze Mantel, in geplattete parallel Falten, so wie der Rock. Der Saum derselben ist an dem aͤußeren Rande mit ei- nem kleinen goldgelben Streifen eingefasset, und unmittelbar uͤber demsel- ben gehet ein breiter Streifen von Lack-Farbe, mit weißem Blumenwerke, Stickerey anzudeuten; uͤber diesem gehet ein dritter Streifen, gleichfalls von Lack; eben so ist der Saum des Rocks gemalet. Der Riem des Koͤ- chers auf der Schulter ist roth, wie die Riemen der Sohlen. Es ist auch im ersten Capitel dieser Statue Meldung geschehen. Es stand dieselbe in einem kleinen Tempel, oder Capelle, welche zu einer Villa der alten ver- schuͤtteten Stadt Pompeji gehoͤrete. C. Erhobene Arbeiten. Von erhoben gearbeiteten Werken will ich mich begnuͤgen, drey zu waͤhlen, und zu beschreiben. Das eine und das aͤlteste nicht allein von He- trurischen, sondern auch uͤberhaupt von allen erhobenen Arbeiten in Rom, stehet in der Villa Albani, und stellet etwa die Juno Lucina , oder die Goͤttinn Rumilia vor, die uͤber saͤugende Kinder die Obsicht hatte: denn der Schemmel ihrer Fuͤße zeiget an, daß diese Figur uͤber den gemeinen Stand der Menschen erhaben seyn soll. Sie haͤlt ein kleines angezogenes Kind, welches auf ihrem Schooße stehet, an dessen Gaͤngel-Bande, an welches Von der Kunst unter den Hetruriern. welches die Mutter desselben fasset, welche vor ihr stehet, und neben dieser ihre zwo Toͤchter von ungleichem Alter und Groͤße. Das andere ist ein rundes Werk im Campidoglio, in Gestalt eines Altars, mit den Figuren der zwoͤlf obern Goͤtter, welche auch auf einem Altare zu Athen Pausan. L. 1. p. 23. in erhobener Arbeit waren. Unter denselben ist ein jugendlicher Vulcanus ohne Bart, in Begriff, dem Jupiter, gegen welchen er eine Axt aufhebet, die Stirn zu oͤffnen, aus welcher Minerva hervor springen soll. Vulca- nus wurde in den aͤltesten Zeiten, so wie Jupiter und Aesculapius Idem. L. 8. p. 658. l. 20. , ohne Bart vorgestellet, so wohl auf Hetrurischen Opfer-Schaalen Dempst. Etrur. T. 2. tab. 1. Montfaue. Ant. expl. T. 3. p. 62. n. 1. und Steinen Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 123. , als auf Griechischen Muͤnzen der Stadt Lipari , in dem Museo des Hrn. Duca Noja-Caraffa zu Neapel, ingleichen auf Roͤmischen Muͤnzen Vaillant T. 1. tab. 25. n. 8. Num. Pembroch. P. 2. tab. 3. , und Lampen Passeri Lucern. tab. 52. . Die Muthmaßung, auf welche sich die He- trurische Kunst in diesem Werke zum Theil mit gruͤndet, ist die Form und der ehemalige Gebrauch dieses Werks: denn es ist hohl, (welches itzo durch die oben darauf gesetzte Vase von Marmor nicht sichtbar ist) und kann also kein Altar seyn, sondern muß zu Einfassung oder zur Muͤndung eines Brun- nens ( Bocca di pozzo ) gedienet haben, wie dergleichen verschiedene in Rom sind, und im Herculano gefunden worden, sonderlich da an dem in- neren Rande desselben, wie an jenen, hohle Einschnitte sind, welche das Seil des Eimers gemacht hat: folglich wird dieses Werk schwerlich in Griechenland gearbeitet seyn. Ich muß aber hier erinnern, daß Cicero Einfassungen von Brunnen mit erhobener Arbeit fuͤr sich in Athen arbeiten lassen, wenn wir der angenommenen Lesart ad Attic. L. 1. ep. 10. putealia sigillata . in einem Briefe an seinen Freund den Atticus folgen. Andere alte Einfassungen der Brunnen, von welchen zwo in der Villa Albani stehen, sind mit zierlich gearbeiteten Blu- men- Winckelm. Gesch. der Kunst . N I Theil. Drittes Capitel. men-Kraͤnzen, mit irrendem Epheu, und mit Gefaͤßen, woraus Wasser laͤuft, gezieret. Pausanias L. 1. p. 94. l. 2. redet von einer Ceres, welche auf einem Brunnen sitzend, wie nach Entfuͤhrung der Proserpina, ihrer Tochter, von Pam- phus , einem der aͤltestèn Kuͤnstler, vorgestellet war: dieses war vermuthlich eine erhobene Arbeit auf der Einfassung des Brunnens In dem Museo Capitolino des Marchese Lucatelli p. 23. wird irrig vorgegeben, daß dieses Werk zu Nettuno an der See gefunden worden: dieses hat der Herr Cardinal Alex. Albani in einer eigenhaͤndigen Anmerkung zu dieser Schrift widerleget. Es stand ehe- mals in einer Villa vor der Porta del Popolo , die dem Hause Medicis gehoͤrete, und der Großherzog Cosmus III. beschenkte gedachten Herrn Cardinal damit, durch welchen es mit dessen ehemals gemachter Sammlung von Alterthuͤmern in das Campidoglio ge- setzet worden. . Das dritte erhobene Werk, ist ein runder Altar im Campidoglio, welcher zu Anfang dieses Capitels vorgestellet ist. Auf demselben sind drey Gottheiten, Apollo mit seinem Bogen, und mit einem Pfeile in der rechten Hand, ein baͤrtiger Mercurius mit dem Caduceo, und Diana mit Bogen und Koͤcher, und mit einer Fackel in der Hand. Man beobachte hier beylaͤufig die Form des Bogens, welcher sich nur an den Enden kruͤmmet, und im uͤbrigen fast ganz gerade gehet. So ist derselbe auch auf Griechischen Werken gestaltet, und wo sich Apollo und Hercules, jeder mit einem Bogen, beysammen finden, wie da Pauciaudi Monum. Pelopon. Vol. 1. p. 114. , wo dieser jenem den Dreyfuß zu Delphos wegtraͤgt, zeiget sich der Unterscheid: denn Hercules hatte einen Seythischen Bogen, welcher stark gekruͤmmet oder geschlaͤngelt war, wie das conf. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch. aͤlteste Griechische Sigma Vielleicht hieß ein solcher Bogen patulus: Imposita patulus calamo sinuaverat arcus. Ovid. L. 1. Metam. v. 30. Der andere Sinuosus : Lunavitque genu sinuosum fortiter arcum. Id. L. 1. Amor. eleg. 1. . Das vierte erhobene Werk, ist ein viereckigter Altar, welcher ehemals auf dem Von der Kunst unter den Hetruriern. dem Markte zu Albano stand, und itzo im Campidoglio ist, mit den zwoͤlf Arbeiten des Hercules. Man koͤnnte einwenden, daß an diesem Hercules die Theile vielleicht nicht empfindlicher und schwuͤlstiger, als an dem Far- nesischen Hercules, vorgestellet sind, und daß hieraus auf die Hetrurische Arbeit desselben nicht zu schließen sey: ich muß dieses eingestehen, und habe kein anderes Kennzeichen, als dessen Bart, welcher spitzig ist, und wor- an die Locken durch kleine Ringeln, oder vielmehr Kuͤgelchen, Reihenweis angedeutet sind. Dieses war die aͤlteste Art der Form und der Arbeit der Baͤrte, aber sie war es nicht mehr, da die Griechischen Kuͤnste in Rom ein- gefuͤhret wurden, und an Werken dieser Kuͤnstler wurde der Bart nicht spitzig, sondern freyer gekraͤuselt, und so, wie derselbe dem Griechischen Hercules eigen ist. Unter den geschnittenen Steinen habe ich theils die aͤltesten, theils D. Geschnittene Steine. die schoͤnsten gewaͤhlet, damit das Urtheil aus denselben richtiger und ge- gruͤndeter seyn koͤnne. Wenn der Leser augenscheinlich Arbeiten von der hoͤchsten Hetrurischen Kunst vor Augen hat, und die bey aller ihrer Schoͤn- heit Unvollkommenheiten haben, so wird dasjenige, was ich im folgenden Stuͤcke uͤber dieselbe anmerken werde, um so vielmehr von geringeren Wer- ken gelten koͤnnen. Die drey Steine, welche ich zum Grunde des folgenden Beweises setzen werde, sind, wie die mehresten Hetrurischen geschnittenen Steine, Scarabei , das ist, auf der erhobenen und gewoͤlbten Seite der- selben ist ein Kaͤfer gearbeitet; sie sind durchboret, weil dieselben vermuth- lich, als ein Amulet , am Halse getragen wurden. Einer der aͤltesten ge- schnittenen Steine, nicht allein unter den Hetrurischen, sondern uͤberhaupt unter allen, die bekannt sind, ist ohne Zweifel derjenige Carniol im Stoßischen Museo, welcher eine Berathschlagung von fuͤnf Griechischen Helden zu dem Zuge wider Theben vorstellet, und welcher auf dem Titel-Blatte dieses er- sten Theils in Kupfer stehet. Die zu den Figuren gesetzte Namen zeigen den Polynices, Parthenopaͤus, Adrastus, Tydeus , und Amphiaraus ; N 2 und I Theil. Drittes Capitel. und von dem hohen Alterthume desselben zeiget so wohl die Zeichnung, als die Schrift. Denn bey einem unendlichen Fleiße, und einer großen Fein- heit der Arbeit, nebst der zierlichen Form einiger Theile, als der Fuͤße, Beweise von einem geschickten Meister, deuten die Figuren auf eine Zeit, wo der Kopf kaum der sechste Theil derselben gewesen seyn wird, und die Schrift kommt ihrem Pelasgischen Ursprunge, und der aͤltesten Griechischen Schrift naͤher, als auf andern Hetrurischen Werken. Durch diesen Stein kann unter andern das ungegruͤndete Vorgeben eines Scribenten wider- leget werden, daß die Hetrurischen Denkmaale der Kunst aus ihren spaͤ- tern Zeiten sind Diesen Stein hat der P. Carl Antonioli , Professor zu Pisa, in zwo Abhandlungen beschrieben, das ist, er erzehlet uns von neuem die ganze Geschichte dieser und anderer Helden aus dieser Zeit, mit allen Stellen der alten Scribenten, außer derjenigen, welche ich aus dem Statius anfuͤhren werde. Von der Kunst hatte er nichts zu sagen. . Die andern zween Steine sind die schoͤnsten unter allen Hetrurischen Steinen: der eine in Carniol befindet sich auch im Stos- sischen Museo Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 348. ; den andern in Agat besitzet Herr Christian Dehn in Rom. Jener stellet den Tydeus mit dessen Namen vor, wie er, in einem Hinterhalte von funfzig angefallen, sie bis auf einen erlegte, aber ver- wundet wurde, und sich einen Wurfspieß aus dem Beine ziehet. Es giebt diese Figur ein Zeugniß von dem richtigen Verstaͤndnisse des Kuͤnst- lers Von der Kunst unter den Hetruriern. lers in der Anatomie, an den genau angegebenen Knochen und Muskeln, aber auch zugleich von der Haͤrte des Hetrurischen Stils. Es ist derselbe zu Anfang des zweyten Theils dieser Schrift vorgestellet Es koͤnnte fast scheinen, Statius habe diesen Stein gesehen, oder alle Figuren des Ty- deus muͤssen eben so gezeichnet gewesen seyn, das ist, mit starken und sichtbaren Knochen, und mit knotenmaͤßigen Muskeln: denn die Beschreibung des Dichters scheinet den Stein zu malen, und zu erklaͤren, so wie der Stein wiederum den Dichter erlaͤutern kann: — — — — quamquam ipse videri Exiguus, gravia ossa tamen, nodisque lacerti Difficiles: numquam hunc animum natura minori Corpore, nec tantas ausa est includere vires. Theb. L. 6. v. 840. . Der andere Stein bildet den Peleus , des Achilles Vater, mit dessen Namen, ab, wie er sich die Haare an einem Brunnen waͤscht, welcher den Fluß Sper- chion in Thessalien vorstellen soll Il. ψ᾽, 144. Pausan. L. 1. p. 90. l. 8. , dem er die Haare seines Sohns Achilles abzuschneiden und zu weihen gelobete, wenn er gesund von Troja zuruͤck kommen wuͤrde. So schnitten sich die Knaben zu Phigala Id. L. 8. p. 683. l. 32. die Haare ab, und weiheten dieselben dem Flusse daselbst, und Leucippus Ibid. p. 638. l. 21. conf. Victor. Var. Lect. L. 6. c. 22. ließ seine Haare fuͤr den Fluß Alpheus wachsen. Man merke hier, in Ab- sicht der Griechischen Helden auf Hetrurischen Werken, was Pindarus insbesondere vom Peleus sagt Nem. 6. v. 34. seq. , daß kein so entlegenes Land, und von so ver- schiedener Sprache sey, wohin nicht der Ruhm dieses Helden, des Schwie- gersohns der Goͤtter gekommen. Unter den Muͤnzen sind einige die alleraͤltesten Denkmaale der Hetru- E. Muͤnzen. rischen Kunst, und ich habe zwo derselben vor Augen, welche ein Kuͤnst- ler in Rom, in einem Museo von ausgesuchten seltenen Griechischen Muͤn- zen, besitzet. Sie sind von einem zusammengesetzten weißlichen Metalle, und sehr wohl erhalten; die eine hat auf einer Seite ein Thier, welches ein Hirsch zu seyn scheinet, und auf der andern sind zwo vorwerts gestellete Figu- ren, welche einander gleich sind, und einen Stab halten. Dieses muͤssen die ersten Versuche ihrer Kunst seyn. Die Beine sind zwo Linien, welche sich N 3 in I Theil. Drittes Capitel. in einem runden Punct endigen, wodurch die Fuͤße bezeichnet sind; der linke Arm, welcher nichts haͤlt, ist eine von der Schulter ab wenig ge- kruͤmmete gerade gesenkte Linie, und reichet fast bis auf die Fuͤße; ein we- nig kuͤrzer ist das Gemaͤchte, welches auch an Thieren auf den aͤltesten Muͤnzen und Steinen ungewoͤhnlich lang ist; das Gesicht ist wie ein Fie- gen-Kopf gestaltet. Die andere Muͤnze hat auf einer Seite einen Kopf, auf der andern ein Pferd. Diese Anzeige Hetrurischer Werke ist nach ihren Arten gegeben, welches das leichteste, und an kein Systema gebundenes Verzeichniß ist; in Absicht der Kunst aber, und der Zeit ihrer Arbeit, nach welcher dieselben im folgenden Stuͤcke betrachtet werden, ist folgende Ordnung zu setzen. Aus der aͤltesten Zeit, und in dem ersten Stile, sind die kurz zuvor ange- zeigten Muͤnzen, die erhobene Arbeit, nebst der Statue, in der Villa Albani, der Genius von Erzt, im Pallaste Barberini, und die schwangere Frau, in der Villa Mattei. Aus der folgenden Zeit, die beyden Apollo, im Cam- pidoglio, und im Palaste Conti, der Brunnen mit den zwoͤlf Gottheiten, im Campidoglio, der runde Altar mit drey Gottheiten, nebst dem viereckigten Altare mit den Arbeiten des Hercules, eben daselbst, und der große drey- eckigte Altar in der Villa Borghese, ingleichen die beschriebenen geschnit- tenen Steine. Aus der letzten Zeit der Hetrurischen Kunst, scheinen die Statuen von Erzt, in der Gallerie zu Florenz, zu seyn. Das Gegentheil von diesem Range, und von dieser Ordnung, ist schwerlich darzuthun, ob ich mich gleich geirret haben koͤnnte: aber so viel ist gewiß, das diejenigen Werke, welche ich in die erste Classe gesetzet, Kennzeichen von einem aͤl- tern Von der Kunst unter den Hetruriern. tern und einfaͤltigern Stile, als die in der zwoten Classe, haben, und die von der dritten Classe, uͤbertreffen jene. Eine Zugabe dieses Satzes mag eine Untersuchung seyn uͤber eine F. Zugabe von vorgegebenen Hetrurischen Urnen von Porphir. Nachricht von zwoͤlf Urnen von Porphir, welche zu Chiusi , in Tosca- na, sollen gewesen seyn, die aber itzo weder an diesem Orte, noch sonst in ganz Toscana und Italien, befindlich sind. Es waͤre besonders merk- wuͤrdig, wenn man darthun koͤnnte, daß die Hetrurier in Porphir ge- arbeitet haͤtten; es koͤnnte ein demselben aͤhnlicher Stein seyn, wie Le- ander Alberti einen solchen Stein Porphir nennet Descr. d’Ital. p. 50. a. , welcher bey Volterra gefunden wird. Gori , welcher dieses aus einer Handschrift der Bibliothec des Hauses Strozzi zu Florenz anfuͤhret Mus. Etrur. Praef. p. 20. , theilet auch eine Inschrift auf einer dieser Urnen mit: da mir aber diese Nachricht verdaͤchtig schien, habe ich dieselbe aus dem Originale vollstaͤndig abschrei- ben lassen. Den Verdacht giebt die Sache selbst, und das Alter der Handschrift. Denn es ist nicht glaublich, daß die Großherzoge von Toscana, welche alle sehr aufmerksam gewesen auf das, was die Kuͤnste und das Alterthum betrifft, solche seltene Stuͤcke aus dem Lande gehen lassen, zumal da die Urnen etwa um die Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts wuͤrden gefunden worden seyn. Denn die Briefe, aus welchen die Strozzische Handschrift bestehet, sind alle zwischen 1653. und 1660. geschrieben, und derjenige, welcher diese Nachricht enthaͤlt, ist von 1657. von einem Moͤn- che an einen andern Moͤnch geschrieben, und ich halte daher dieselbe fuͤr eine Moͤnchs-Legende. Gori selbst hat hier Aenderungen gemacht: er hat I Theil. Drittes Capitel. hat erstlich das angezeigte Maas derselben nicht richtig angegeben: der Brief redet von zwo Braccia in der Hoͤhe, (eine Florentinische Brac- cia haͤlt drittehalb Roͤmische Palme) und von eben so viel in der Laͤnge; Gori aber giebt nur drey Palme an. Ferner sieht die Inschrift in dem Originale nicht sehr Hetrurisch aus, welche Form und Gestalt ihr im Drucke gegeben worden. Zweytes Stuͤck. Von dem Stile Hetrurischer Kuͤnstler. Zweytes Stuͤck. N ach den gegebenen vorlaͤufigen Kenntnissen des ersten Stuͤcks dieses Ca- Von dem Stile Hetru- rischer Kuͤnst- ler. pitels von den aͤußeren Umstaͤnden und Ursachen der Hetrurischen Kunst, von der Abbildung ihrer Goͤtter und Helden, und nach der Anzeige I. Allgemeine Erinnerung uͤber densel- ben. der Werke der Kunst, fuͤhre ich die Betrachtungen des Lesers zu den Ei- genschaften und Kennzeichen der Kunst dieses Volks und ihrer Werke, das ist, zu den Stil der Hetrurischen Kuͤnstler, wovon dieses zweyte Stuͤck handelt. Hier ist allgemein zu erinnern, daß die Kennzeichen zum Ueterschiede des Hetrurischen, und des aͤltesten Griechischen Stils, welche außer der Zeichnung von zufaͤlligen Dingen, als von Gebraͤuchen, und von der Klei- dung moͤchten genommen werden, trieglich seyn koͤnnen. Die Athenien- ser, sagt Aristides Panathen. p. 107. l. 4. , machten die Waffen der Pallas in eben der Form, wie ihnen die Goͤttin dieselbe angegeben hatte: man kann aber von einem Griechischen Helme der Pallas, oder anderer Figuren, auf keine Griechische Arbeit schließen. Denn sogenannte Griechische Helme finden sich auch auf unstreitigen Hetrurischen Werken, wie ihn eine Minerva hat auf dem mehr- mal angefuͤhrten dreyeckigten Altare der Villa Borghese, und auf einer Schaa- Von der Kunst unter den Hetruriern. Schaale Dempst. Etrur. tab. 4. , mit Hetrurischer Schrift, in dem Museo des Collegii St. Igna- tii zu Rom. Der Stil der Hetrurischen Kuͤnstler ist sich selbst nicht bestaͤndig gleich II. Von den verschiedenen Stuffen und Zeiten daselbst. geblieben, sondern hat, wie der Aegyptische und Griechische, verschiedene Stuffen und Zeiten, von den einfaͤltigen Gestaltungen ihrer ersten Zeiten an, bis zu dem Flor ihrer Kunst, welche sich endlich nachher durch Nach- ahmung Griechischer Werke, wie sehr wahrscheinlich ist, verbessert, und eine von den aͤltern Zeiten verschiedene Gestalt angenommen hat. Diese verschiedene Stuffen der Hetrurischen Kunst sind wohl zu merken, und ge- nau zu unterscheiden, um zu einem Systema in derselben zu gelangen. Endlich nachdem die Hetrurier eine geraume Zeit den Roͤmern unterthaͤnig gewesen, fiel ihre Kunst, welches sich an neun und zwanzig Schaalen von Erzt, in dem Museo des Collegii St. Ignatii zu Rom, zeiget, unter wel- chen diejenigen, deren Schrift sich der Roͤmischen Schrift und Sprache naͤ- hert, schlechter, als die aͤlteren, gezeichnet und gearbeitet sind. Aus diesen kleinen Stuͤcken aber ist weiter nicht viel bestimmtes anzugeben, und da der Fall der Kunst kein Stil in derselben ist, so bleibe ich bey den vorher ge- setzten drey Zeiten. Wir koͤnnen also drey verschiedene Stile der Hetrurischen Kunst, wie bey den Aegyptern, setzen, den Aeltern, den Nachfolgenden, und drittens denjenigen, welcher sich durch Nachahmung der Griechen verbessert hat. In allen drey Stilen waͤre zuerst von der Zeichnung des Nackenden, und zum zweyten von Bekleideten Figuren zu reden: da aber die Bekleidung in ihren Arten von der Griechischen nicht sehr verschieden ist, so koͤnnen einige wenige Anmerkungen, welche besonders uͤber dieselben, und uͤber ihren Schmuck zu machen waͤren, zu Ende dieses zweyten Stuͤcks zusam- mengenommen werden. Die Winckelm Gesch. der Kunst . O I Theil. Drittes Capitel. A. Von dem aͤlteren Stile, und dessen Ei- genschaften. Die Eigenschaften des aͤltern und ersten Stils der Hetrurischen Kuͤnst- ler, sind erstlich die geraden Linien ihrer Zeichnung, nebst der steifen Stel- lung und der gezwungenen Handlung ihrer Figuren, und zweytens der unvollkommene Begriff der Schoͤnheit des Gesichts. Die erste Eigenschaft bestehet darinn, daß der Umriß der Figuren sich wenig senket und erhebet, und dieses verursachet, daß dieselben duͤnne und spillenmaͤßig aussehen, (ob gleich Catullus sagt, der dicke Hetrurier 1 ,) weil die Muskeln wenig angedeutet sind; es fehlet also in diesem Stile die Mannigfaltigkeit. In dieser Zeichnung lieget zum Theil die Ursache von der steifen Stellung, vor- nehmlich aber in der Unwissenheit der ersten Zeiten: denn die Mannigfal- tigkeit in Stellung und Handlung kann ohne hinlaͤngliche Kenntniß des Koͤrpers, und ohne Freyheit in der Zeichnung, nicht ausgedruckt und ge- bildet werden; die Kunst faͤngt, wie die Weisheit, mit Erkenntniß unser selbst an. Die zweyte Eigenschaft, nemlich der unvollkommene Begriff der Schoͤnheit des Gesichts, war, wie in der aͤltesten Kunst der Griechen, auch bey den Hetruriern. Die Form der Koͤpfe ist ein laͤnglich gezogenes Oval, welches durch ein spitziges Kinn kleinlich scheinet; die Augen sind entweder platt, oder schraͤg aufwerts gezogen, und liegen mit dem Augen- knochen gleich. Diese Eigenschaften sind eben dieselben, welche wir bey den aͤltesten Aegyptischen Figuren bestimmet haben, und hierdurch wird Stuͤckweis deut- licher, was im ersten Capitel aus alten Scribenten von der Aehnlichkeit der Aegyptischen und der Hetrurischen Figuren angezeiget worden. Man hat sich die Figuren dieses Stils als einen einfaͤltig geschnittenen Rock aus geraden Theilen vorzustellen, bey welchem, die ihn machten und trugen, eine Zeitlang blieben; jene kuͤnstelten nicht, und diesen war es zur Bede- ckung genug; der erste hatte eine Figur so gezeichnet, und andere zeichneten ihm nach. Es war auch ein gewisser Schlag von Gesichtern angenommen, wovon Von der Kunst unter den Hetruriern. wovon man um so weniger abgieng, da die ersten Bilder Gottheiten wa- ren, von denen eine jede der andern aͤhnlich sehen sollte. Die Kunst war damals wie ein schlechtes Lehrgebaͤude, welches blinde Nachfolger macht, und nicht zweifeln, noch untersuchen laͤßt; und die Zeichnung, wie des Anaxa- goras Sonne, welche die Schuͤler, wie ihr Meister, fuͤr einen Stein hiel- ten, wider alle empfindliche Augenscheinlichkeit. Die Natur haͤtte die Kuͤnstler lehren sollen, aber die Gewohnheit war ihnen zur Natur gewor- den, und daher war von dieser die Kunst verschieden. Dieser erste Stil findet sich in vielen kleinen Figuren von Erzt, und einige sind den Aegyptischen vollkommen aͤhnlich, durch die an den Seiten dicht anliegende herunter haͤngenden Arme, und durch die parallel stehenden Fuͤße. Die Statue in der Villa Mattei, nebst der erhobenen Arbeit in der Villa Albani, haben alle Eigenschaften dieses Stils. Die Zeichnung des Genius im Pallaste Barberini ist sehr platt, und ohne besondere Andeutung der Theile. Die Fuͤße stehen in gleicher Linie, und die hohlen Augen sind platt geoͤffnet, und etwas aufwerts gezogen. Das Gewand an der Statue in der Villa Mattei, und an den Figuren des erhobenen Werks, kann nicht einfaͤltiger gedacht werden, und die nur eingeschnittenen Falten sind wie mit einem Kamme gezogen. Ein aufmerksamer Beobachter des wesentlichen in den Alterthuͤmern, wird diesen ersten Stil auch an einigen andern Werken finden, die nicht an gleich beruͤhmten und gewoͤhnlich besuchten Orten in Rom stehen; z. E. an einer Maͤnnlichen Figur, welche auf einem Stuhle sitzet, auf einer kleinen erhobenen Arbeit, in dem Hofe des Hauses Capponi. Diesen Stil aber verließen die Hetrurischen Kuͤnstler, da sie zu groͤße- B. Anzeige des Uebergangs aus diesem Stile in den folgenden. rer Wissenschaft gelangeten, und an statt daß sie, wie die aͤltesten Griechen, in den ersten Zeiten mehr bekleidete, als nackte Figuren, scheinen gemacht zu haben, so fiengen sie an, das Nackte mehr vorzustellen. Denn es scheinet aus einigen kleinen Figuren in Erzt, welche nackend sind bis auf die O 2 Schaam, I Theil. Drittes Capitel. Schaam, die in einem Beutel stecket, welcher mit Baͤndern um die Huͤften gebunden ist, daß man es wider den Wohlstand gehalten habe, ganz nackte Figuren vorzustellen. Wenn man aus den aͤltesten geschnittenen Steinen der Hetrurier ur- theilen wollte, so wuͤrde man glauben, der erste Stil sey nicht allgemein, wenigstens nicht unter Steinschneidern, gewesen. Denn an den Figuren auf Steinen ist alles knolligt und Kugelmaͤßig, welches das Gegentheil von den angegebenen Kennzeichen des ersten Stils waͤre: eins aber wi- derspricht dem andern nicht. Denn wenn ihre Steine, wie itzo, mit dem Rade geschnitten worden, wie der Anblick selbst zu geben scheinet, so war der leichteste Weg, im Drehen durch Rundungen eine Figur auszuarbeiten, und hervor zu bringen, und vermuthlich verstanden die aͤltesten Steinschnei- der nicht, mit sehr spitzigen Eisen zu arbeiten: die kugelichten Formen waͤ- ren also kein Grundsatz der Kunst, sondern ein Mechanischer Weg in der Arbeit. Die geschnittenen Steine ihrer ersten Zeiten aber sind das Gegen- theil ihrer ersten und aͤltesten Figuren in Marmor und in Erzt, und es wird aus jenen offenbar, daß sich die Verbesserung der Kunst mit einem starken Ausdrucke, und mit einer empfindlichen Andeutung der Theile an ihren Figuren angefangen habe, welches sich auch an einigen Werken in Marmor zeiget; und dieses ist das Kennzeichen der besten Zeiten ihrer Kunst. Um welche Zeit sich dieser Stil voͤllig gebildet, laͤßt sich nicht bestim- men, es ist aber wahrscheinlich, daß es mit der Verbesserung der Griechi- schen Kunst zu gleicher Zeit eingetroffen sey. Denn man kann sich die Zeit vor und unter dem Phidias, wie die Wiederherstellung der Kuͤnste und Wissenschaften in neueren Zeiten, vorstellen, welche nicht in einem einzigen Lande allein anfieng, und sich in andere Laͤnder ausbreitete, sondern die ganze Natur der Menschenkinder schien damals in allen Laͤndern rege zu werden, und die großen Erfindungen thaten sich mit einmal hervor. In Grie- Von der Kunst unter den Hetruriern. Griechenland ist dieses von besagter Zeit in allerley Arten von Wissenschaf- ten gewiß, und es scheinet, daß sich damals auch uͤber andere gesittete Voͤl- ker ein allgemeiner Geist ergossen, welcher sonderlich in die Kunst gewirket, dieselbe begeistert und belebet habe. Wir gehen also von dem ersten und aͤlteren Hetrurischen Stile zu C. Von dem zweyten Stile der Hetruri- schen Kuͤnstler, und von dessen Eigenschaften. dem nachfolgenden und zweyten, dessen Eigenschaften und Kennzeichen sind theils eine empfindliche Andeutung der Figur und deren Theile, theils eine gezwungene Stellung und Handlung, die in einigen Figuren gewaltsam und uͤbetrieben ist. In der ersten Eigenschaft sind die Muskeln schwuͤlstig erhoben, und liegen wie Huͤgel, die Knochen sind schneidend gezogen, und allzu sichtbar angegeben, wodurch dieser Stil hart und peinlich wird. Es ist aber zu merken, daß die beyden Arten dieser Eigenschaft, nemlich die starke Andeutung der Muskeln und der Knochen, sich nicht bestaͤndig bey- sammen in allerhand Werken dieses Stils finden. In Marmor, weil sich nur goͤttliche Figuren erhalten haben, sind die Muskeln nicht allezeit sehr gesucht; aber der strenge und harte Schnitt der Muskeln der Wade ist an allen. Ueberhaupt aber kann man als eine Regel festsetzen, daß die Griechen mehr den Ausdruck und die Andeutung der Muskeln, die He- trurier aber der Knochen gesucht; und wenn ich nach dieser Kenntniß einen seltenen und schoͤn geschnittenen Stein beurtheile, und einige Knochen zu stark angegeben sehe, so waͤre ich geneigt, denselben fuͤr Hetrurisch zu halten, da er im uͤbrigen einem Griechischen Kuͤnstler Ehre machen koͤnnte. Es ist derselbe zu Anfange des dritten Stuͤcks des folgenden Capitels gesetzt, und stellet den Theseus vor, wie er die Phaͤa erschlagen hat, wovon Plutar- chus In Theseo, p. 9. l. 4. meldet. Dieser Carniol befand sich noch vor zwanzig Jahren in dem Koͤniglichen Farnesischen Museo zu Capo di Monte in Neapel, ist aber seit der Zeit entwendet worden, wie es vor und nachher mit andern O 3 schoͤnen I Theil. Drittes Capitel. schoͤnen Steinen daselbst ergangen ist. In dem Stoßischen Museo Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 329. ist eben diese Vorstellung in Carniol geschnitten. Jener Stein kan dem Le- ser zugleich als ein Exempel dienen, von der Zweifelhaftigkeit in Entschei- dung zwischen Hetrurischen und zwischen Griechischen Arbeiten des aͤl- tern Stils. Die zweyte Eigenschaft kann nicht unter einen einzigen Be- griff gefasset werden: denn gezwungen und gewaltsam ist nicht einerley. Dieses gehet nicht allein auf die Stellung, die Handlung, und auf den Ausdruck, sondern auch die Bewegung aller Theile; jenes kann zwar von der Handlung gesagt werden, ist aber auch in der rauhesten Stellung. Gezwungen, ist das Gegentheil von der Natur, und gewaltsam, von der Sittsamkeit und von dem Wohlstande. Das erste ist eine Eigenschaft auch des ersten Stils, das zweyte aber dieses Stils insbesondere. Das ge- waltsame der Stellung fließet aus der ersten Eigenschaft: denn um den gesuchten starken Ausdruck und die empfindliche Andeutung zu erhalten, setzte man die Figuren in Staͤnde und Handlungen, worinn sich jenes am sichtbarsten aͤußern konnte, und man waͤhlete das Gewaltsame an statt der Ruhe und der Stille, und die Empfindung wurde gleichsam aufgebla- sen, und bis an ihre aͤußersten Grenzen getrieben. Man koͤnnte auf die Figuren dieses Stils so wohl, als des ersten, in gewisser Maaße deuten, was Pindarus vom Vulcanus sagt ap. Plutarch. Ερωτ. p. 1338. l. 2. ed. H. Steph. , daß er ohne Gratie gebohren sey. Ueberhaupt wuͤrde dieser zweyte Stil, vergli- chen mit dem Griechischen von guter Zeit, anzusehen seyn, wie ein junger Mensch, welcher das Gluͤck einer aufmerksamen Erziehung nicht gehabt, und dem man den Zuͤgel in seinen Begierden und Aufwallung der Geister schießen lassen, die ihn zu aufgebrachten Handlungen treiben, wie dieser, sage ich, gegen einen schoͤnen Juͤngling seyn wuͤrde, bey welchem eine weise Erziehung und ein gelehrter Unterricht das Feuer einschraͤnken, und der vor- zuͤglichen Von der Kunst unter den Hetruriern. zuͤglichen Bildung der Natur selbst, durch ein gesittetes Wesen, eine groͤ- ßere Erhobenheit geben wird. Dieser zweyte Stil ist auch, wie man itzo redet, manierirt zu nennen, welches nichts anders ist, als ein bestaͤndi- ger Character in allerley Figuren: denn Apollo, Mars, Hercules und Vulcanus sind auf ihren Werken in der Zeichnung nicht verschieden. Da nun einerley Character kein Character ist, so koͤnnte man auf Hetrurische Kuͤnstler das, was Aristoteles Poet. c. 6. p. 249. an Zeuxis tadelt, deuten, nemlich, daß sie keinen Character gehabt haben; und dieses erklaͤret zugleich das bisher nicht verstandene Urtheil des Weltweisen von den Kuͤnstlern. Die angegebenen Eigenschaften dieses Stils sind noch itzo in gewis- D. Erlaͤuterung desselben. ser Maaße dieser Nation uͤberhaupt eigen, welche auf Kleinigkeiten gehet; und dieses zeiget sich in ihrer Schreibart, welche sehr gesucht und gekuͤn- stelt ist, und trocken und duͤrre erscheinet gegen die reine Klarheit der Roͤ- mischen; sonderlich aber offenbaret es sich in der Kunst./ Der Stil ihrer alten Kuͤnstler blicket noch itzo hervor in den Werken ihrer Nachkommen, und entdecket sich unpartheyischen Augen der Kenner in der Zeichnung des Michael Angelo , des groͤßten unter ihnen: daher saget jemand nicht ohne Grund Dolce Dial. della Pittur. p. 48. a. , daß wer eine Figur dieses Kuͤnstlers gesehen habe, habe sie alle gesehen./ Es ist auch dieser Character unwidersprechlich eine von den Unvollkommenheiten eines Daniel von Volterra, Pietro von Cor- tona , und anderer./ Die besten Roͤmischen Kuͤnstler hingegen, Raphael und dessen Schule, welche mit jenen aus einer Quelle geschoͤpft haben, kommen in der Leichtigkeit ihrer Figuren den Griechen allezeit naͤher./ Das, was ich uͤber diesen Stil gesagt habe, kann deutlicher zum Beweis in ihren Werken gezeiget werden, an einem baͤrtigen Mercurius auf I Theil. Drittes Capitel. auf dem Borghesischen Altare, welcher wie ein gewaltiger Hercules muscu- lirt ist, sonderlich aber am Tydeus und Peleus . Die Schluͤsselbeine am Halse, die Rippen, die Knorpel des Ellenbogens und der Knie, die Knoͤchel der Haͤnde und der Fuͤße, sind so hervorliegend angegeben, als die Roͤhren der Arme und der Schienbeine; ja es ist die Spitze des Brust- knochens am Tydeus sichtbar gemacht. Die Muskeln sind alle in der hef- tigsten Bewegung auch am Peleus, wo sich weniger Grund, als in jenem, dazu findet; am Tydeus sind auch die Muskeln unter dem Arme nicht ver- gessen. Die gezwungene Stellung zeiget sich auf dem hier in Kupfer ge- stochenen runden Altare im Campidoglio, und in mehr Figuren, auf dem in der Villa Borghese. Die Fuͤße der vorwerts gestelleten Goͤtter sind paral- lel geschlossen, und derjenigen, die im Profil sind, in gerader Linie einer hinter dem andern. Die Haͤnde sind uͤberhaupt ungelehrt und gezwungen, und wenn eine Figur mit den zween vordern Fingern etwas haͤlt, so stehen die andern gerade und steif voraus. Die gewaltsame Stellung des Ty- deus hat mehr Grund, als des Peleus; aber in diesem ist sie, um zu dem starken Ausdrucke der Theile zu gelangen. Bey einer so großen Wissen- schaft, und Kunst der Ausarbeitung, welche sich in diesen Steinen zeiget, sollte es diesen Kuͤnstlern nicht an hoͤheren Begriffen der Schoͤnheit in den Koͤpfen gefehlet haben, und gleichwohl ist hier das Gegentheil: der Kopf des Tydeus ist nach der gemeinsten Natur genommen, und die Augen sind ungewoͤhnlich groß; der Kopf des Peleus aber ist verdreheter, als dessen Koͤrper, und hat nicht einmal eine ertraͤgliche Bildung. E. Von dem spaͤteren Stile der Hetruri- schen Kuͤnstler. Von dem dritten Stile wuͤrde in einer abgesonderten Abhandlung von der Hetrurischen Kunst mehr zu sagen seyn, und dasjenige, was der Grie- Von der Kunst unter den Hetruriern. Griechischen Kunst eigen ist, welche in diesem Stile nachgeahmet worden, wuͤrde zu besserem Verstaͤndnisse auf die Figuren in demselben angewendet werden koͤnnen: dieses aber waͤre in einer allgemeinen Untersuchung der Kunst aller Voͤlker, welche diese Schrift begreift, uͤberfluͤßig. Einige der vornehmsten Werke der Kunst dieses Volks, welche ich aus ihrer letzten Zeit glaube, sind oben angezeiget worden; nemlich die drey Statuen von Erzt in der Gallerie zu Florenz. Es scheinen auch, unter andern Br- graͤbniß-Urnen, vier aus Alabaster von Volterra, bey dieser Stadt im Jahre 1761. gefunden, welche in der Villa Albani stehen, aus dieser Zeit zu seyn. Es sind dieselben nur drey Palme lang, und einen Palm breit; daher dieselben nur zur Verwahrung der Asche koͤnnen gedienet haben. Auf dem Deckel derselben liegt die verstorbene Person, halb Lebensgroͤße, mit aufgerichtetem Leibe, welcher sich auf einen Arm stuͤtzet, vorgestellet: drey von denselben halten eine Schaale, und eine ein Trink-Horn. Die Fuͤße dieser Figuren sind wie abgesaͤget, weil sie auf dem Deckel nicht Raum hatten. Von der Hetrurischen Kleidung habe ich nichts, als dieses, zu erin- F. Von der Be- kleidung He- trurischer Fi- guren. nern. An Figuren in Marmor ist der Mantel niemals frey geworfen, sondern allezeit in parallel Falten geleget, die entweder senkrecht, oder in die Quere gehen; einen freyen Wurf der Maͤntel aber sieht man an zween unter den fuͤnf Griechischen Helden: folglich kann aus jenen Wer- ken nicht allgemein geschlossen werden. Die Ermel des Weiblichen Unter- kleides sind oft in ganz kleine gekniffene Falten gebrochen, nach Art der Italienischen Chor-Hembden ( Rocchetti ) der Cardinaͤle, und der Ca- nonici einiger Kirchen; oder in Deutschland kann man sich von dem, was ich Winckelm. Gesch. der Kunst . P bedeu- I Theil. Drittes Capitel. bedeuten will, einen Begriff machen, an den runden Laternen von Pa- pier, die in solche Bruͤche geleget sind, um dieselben aufziehen und zusam- men druͤcken zu koͤnnen. Eben dergleichen Ermel hat auch eine Maͤnnli- che Figur, nemlich die angezeigte Statue in der Villa Albani. Die Haare sind an den mehresten Maͤnnlichen Figuren so wohl, als Weiblichen, dergestalt getheilet, daß die, welche von dem Scheitel herunter gehen, hinten gebunden sind, die andern fallen in Strippen uͤber die Achseln vorne herab, nach dem Gebrauche der aͤltern Zeiten auch bey andern Voͤlkern. Dieses ist im vorigen Capitel bey den Aegyptern angezeiget, und wird auch im folgenden von den Griechen bemerket. Drittes Drittes Stuͤck. Von der Kunst der mit den Hetruriern graͤnzenden Voͤlker. D as dritte Stuͤck dieses Capitels enthaͤlt eine Betrachtung uͤber die Drittes Stuͤck . Kunst der mit den Hetruriern graͤnzenden Voͤlker, welche ich hier Von der Kunst der mit den Hetrurieꝛn graͤnzenden Voͤlker. in eins zusammen fasse, nemlich der Samniter, Volsker , und Cam- paner , und sonderlich dieser letztern, bey welchen die Kunst nicht weniger, als bey den Hetruriern, bluͤhete. Den Schluß dieses Stuͤcks macht eine Nachricht von Figuren aus der Insel Sardinien. P 2 Von I Theil. Drittes Capitel. I. Der Samni- ter. Von den Werken der Kunst der Samniter und Volsker hat sich, außer ein paar Muͤnzen, so viel uns kenntlich ist, nichts erhalten; von den Campanern aber, Muͤnzen und irrdene gemalte Gefaͤße: ich kann also von jenen nur allgemeine Nachrichten von ihrer Verfassung und Lebensart geben, woraus auf die Kunst unter ihnen koͤnnte geschlossen werden, wel- ches der erste Satz dieses Stuͤcks ist; der zweyte handelt von den Werken der Kunst der Campaner. Es wird sich mit der Kunst jener beyden Voͤlker, wie mit ihrer Sprache, verhalten, welches die Oscische Liv. L. 10. c. 20. war, die, wo sie nicht als ein Dia- lect der Hetrurischen anzusehen ist, von dieser wenigstens nicht sehr ver- schieden gewesen seyn wird. So wie wir aber den Unterschied der Mund- art dieser Voͤlker nicht wissen, so mangelt es uns auch an Unterricht, wenn sich etwa von ihren Muͤnzen oder geschnittenen Steinen etwas erhalten hat, die Kennzeichen davon anzugeben. Die Samniter liebeten die Pracht, und waren als kriegerische Voͤl- ker dennoch den Wolluͤsten des Lebens conf. Casaub. in Capitol. p. 106. F. sehr ergeben: im Kriege waren ihre Schilder Liv. L. 9. c. 40. einige mit Golde, andere mit Silber ausgelegt, und zu der Zeit, da die Roͤmer von Leinenzeuge nicht viel scheinen gewust zu haben, trug die auserlesene Mannschaft der Samniter, so gar im Felde, Roͤcke Ibid. c. 4. \& L. 10. c. 38. von Leinewand, so wie die Spanier Id. L. 22. c. 46. in dem Heere des Hannibals, die dieselben mit Purpur besetzet hatten; und Livius berichtet Id. L. 10. c. 38. , daß das ganze Lager der Samniter in dem Kriege der Roͤmer unter dem Consul L. Papirius Cursor, welches ins gevierte sich auf allen Seiten an zwey hundert Schritte erstreckete, mit leinen Tuͤchern umzogen gewesen. Ca- pua, welches von den Hetruriern Mela, L. 2. c. 4. erbauet worden, und, nach dem Li- vius Liv. L. 4. c. 52. , Von der Kunst der Samniter, Volsker u. Campaner. vius Liv. L. 4. c. 52. , eine Stadt der Samniter war, das ist, wie er Liv. L. 10. c. 38. anderswo be- richtet, von diesen jenen abgenommen worden, war wegen der Wollust und Weichlichkeit beruͤhmt. Die Volsker hatten, so wie die Hetrurier, und andere benachbarte Voͤl- II. Der Volsker. ker, ein Aristocratisches Regiment Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 6. p. 374. l. 45. : sie waͤhleten daher nur bey entste- hendem Kriege Strabo L. 6. p. 254. einen Koͤnig, oder Heerfuͤhrer, und die Einrichtung der Samniter war der zu Sparta und in Creta aͤhnlich. Von der großen Bevoͤlkerung dieser Nation zeugen noch itzo die haͤufigen Truͤmmer vertil- geter Staͤdte auf nahe gelegenen Huͤgeln, und von ihrer Macht die Ge- schichte von so viel blutigen Kriegen mit den Roͤmern, welche jene nicht eher, als nach vier und zwanzig Triumphen, bezwingen konnten. Die große Bevoͤlkerung und die Pracht erweckete das Gehirn und den Fleiß, und die Freyheit erhob den Geist; Umstaͤnde welche der Kunst sehr vortheil- haft sind. Die Roͤmer bedienten sich in den aͤltesten Zeiten Kuͤnstler aus beyden Voͤlkern; Tarquinius Priscus ließ von Fregellaͤ, aus dem Lande der Volsker, einen Kuͤnstler, mit Namen Turrianus , kommen, welcher eine Statue des Jupiters von gebrannter Erde machte, und man will aus der großen Aehnlichkeit einer Muͤnze des Servilischen Geschlechts zu Rom, mit einer Samnitischen, muthmaßen Olivieri Diss. sopra alc. Med. Sannit. p. 136. , daß jene von Kuͤnstlern dieser Nation gepraͤget worden. Eine sehr alte Muͤnze Beger. Thes. Brand. T. 1. p. 357. von Anxur, einer Stadt der Volsker, itzo Terracina, hat einen schoͤnen Kopf der Pallas. Die Campaner waren ein Volk , denen ein sanfter Himmel, III. Der Campa- ner. welchen sie genossen, und der reiche Boden, welchen sie baueten, die Wol- lust einfloͤßeten. Dieses Land so wohl, als der Samniter ihres, war in den aͤlte- P 3 sten I Theil. Drittes Capitel. sten Zeiten unter Hetrurien begriffen; das Volk aber gehoͤrete nicht zu dem Koͤrper des Hetrurischen Staats, sondern bestand fuͤr sich. Die Griechen kamen nachher, ließen sich in diesem Lande nieder, und fuͤhreten auch ihre Kuͤnste ein, welches noch itzo, außer den Griechischen Muͤnzen von Neapel, die von Cuma Beger. Thes. Brand. T. 1. p. 188. , welche noch aͤlter sind, beweisen koͤnnen. A. Ihre Muͤnzen. Was zum zweyten die Campanischen Werke der Kunst betrift, so sind erstlich ihre Muͤnzen von Capua und Tiano bekannt, mit Schrift in ihrer eigenen Sprache Die Schrift auf diesen Muͤnzen ist noch nicht gar lange auf die Namen dieser Staͤdte gedeutet worden. Die von Capua haͤlt, unter anderen Gelehrten, Bianchini fuͤr Punisch, und Maffei weis nicht, was dieselbe bedeutet. Die von Tiano hat man noch itzo in dem Werke der Pembrockischen Muͤnzen fuͤr Punisch gehalten. Istor. Univ. p. 168. Veron. illustr. P. 3. p. 259. n. 5. P. 2. tab. 88. . Der Kopf eines jungen Hercules auf Muͤn- zen beyder Staͤdte, und der Kopf eines Jupiters auf denen von Capua, sind in der schoͤnsten Idee: eine Victoria auf einem vierspaͤnnigen Wagen, auf Muͤnzen dieser Stadt, ist in dem schoͤnsten Gepraͤnge. B. Ihre gemal- ten Gefaͤße. Unter den Campanischen gemalten Gefaͤßen begreife ich hier zugleich alle sogenannte Hetrurische, weil die mehresten in Campanien, und sonderlich zu Nola, ausgegraben sind. Die Hetrurier waren zwar in den aͤltesten Zeiten Herren von Italien, von den Alpen an, bis zu der Meerenge von Sicilien, wie Livius bezeuget, aber man kann aus diesem Grunde diese Gefaͤße nicht Hetrurisch nennen: denn die besten derselben muͤßen aus spaͤtern und aus guten Zeiten der Kunst seyn. Es waren aber die Hetrurischen Gefaͤße Gudii Inscr. p. 209. n. 3. von Arezzo beruͤhmt, wie es itzo die von Perugia sind. Es ist auch nicht zu laͤugnen, daß auf manchen Gefaͤßen, sonderlich auf kleinen Schaa- len, die Zeichnung der Hetrurischen sehr aͤhnlich: es sind manche Ideen, wie die Faune mit langen Pferdeschwaͤnzen, in Hetrurischen Figuren von Erzt, Von der Kunst der Samniter, Volsker und Campaner. Erzt, auch mit diesen Gefaͤßen, welche aber auch den Campanern eigen gewesen seyn koͤnnen. Gewiß ist, daß alle große Sammlungen solcher Gefaͤße aus dem Koͤnigreiche Neapel kommen, und daselbst zusammenge- bracht sind; wie die Sammlung des Grafen von Mastrilli zu Neapel, welche aus einigen hundert Stuͤcken bestehet. Ein anderer aus eben die- sem Hause, welcher zu Nola wohnet, hat an eben dem Orte eine auser- lesene Sammlung gemacht, und auf einem seiner Gefaͤße, welches zwo Figuren vorstellet, die sich mit einander schlagen wollen, liest man: ΚΑ ΙΚ Ε ΚΑ ο . „ Der schoͤne Kallikles .„ Diejenigen, welche in der Bibliothec der Theatiner zu S. Apostoli, in gedachter Stadt, stehen, besaß ein bekannter Neapolitanischer Rechtsgelehrter, Joseph Valetta , wel- cher auch der Besitzer war der großen und schoͤnen Sammlung solcher Ge- faͤße in der Vaticanischen Bibliothec, von dessen Erben der Cardinal Gualtieri dieselben kaufte, und von diesem kamen sie an den Ort, wo sie itzo stehen. Unter diesen Sammlungen verdienet auch diejenige bekannt ge- macht zu werden, welche Herr Anton Raphael Mengs gemacht, und in Neapel zusammen gesuchet hat, welche an dreyhundert Stuͤcke enthaͤlt. Unter den Mistrillischen Gefaͤßen befinden sich drey, und in dem Koͤniglichen Museo zu Neapel, eine Schaale, mit Griechischer Inschrift, von welchen im folgenden Capitel geredet wird; daß also auch hieraus er- hellet, wie wenig Grund der allgemeine Name Hetrurischer Gefaͤße habe, unter welchem man dieselben bisher begriffen hat. Man will so gar vorge- ben, daß sich noch in neueren Zeiten Stuͤcke von irrdenen gemalten Gefaͤßen mit dem Namen ΑΓΑΘΟΚΛΕΟϒΣ gefunden haben, welche von diesem beruͤhmten Koͤnige, der eines Toͤpfers Sohn war, seyn sollen. Es finden sich unter diesen Gefaͤßen von allerhand Art und Form, von den kleinsten an, welche zum Spielzeuge der Kinder muͤssen gedienet ha- ben, bis auf Gefaͤße von drey bis vier Palme hoch; die mancherley Form der I Theil. Drittes Capitel. der groͤßeren zeiget sich in Buͤchern, wo dieselben in Kupfer gestochen sind. Der Gebrauch derselben war verschieden. Bey Opfern, und sonderlich Brodaei Miscel. L. 5. c. 19. der Vesta, blieben irrdene Gefaͤße beybehalten: einige dieneten zur Bewah- rung der Asche der Todten, wie denn die mehresten in verschuͤtteten Grab- maͤlern, sonderlich bey der Stadt Nola, nicht weit von Neapel, gefunden worden. Es zeiget dieses auch ein schoͤnes Gefaͤß in dem Museo Herrn Mengs, welches im alten Capua, in ein anderes Gefaͤß gesetzt, verwah- ret gewesen: das Gefaͤß ist in eben der Form auf demselben gemalet, und stehet wie auf einem kleinen Huͤgel, welcher vermuthlich ein Grab vorstel- len soll, so wie die Graͤber Paus. L. 6. p. 507. l. 38. L. 8. p. 624. l. 33. \&c. der aͤltesten Zeiten waren. Man merke hier- bey die Gelegenheit, daß neben den Toden ein Gefaͤß mit Oel gesetzet wur- de, und daß solche Gefaͤße auch auf Grabmaͤlern Schol. Aristoph. Eccles. v. 988. gemalet wurden. Auf der einen und auf der andern Seite des gemalten Gefaͤßes stehet eine junge Maͤnnliche Figur, welche, außer einem auf der Schulter haͤngenden Ge- wande, und einem Degen unter dem Arme hinauf, nach Art heroischer Figuren, (welches alsdenn ὑπωλένιος Schol. Pind. Olymp. 2. v. 149. heißt) nackend ist. Es sind die Gesichter derselben nicht Idealisch, sondern scheinen bestimmte Personen vorzustellen: sie unterreden sich mit einander voller Betruͤbniß. Wir wis- sen auch, daß in den ersten Zeiten der Griechen Hom. Il. ψ᾽. v. 259. Athen. Deipn. L. 11. p. 468. C. ein bloßes Gefaͤß der Preiß des Sieges in ihren Spielen war, und dieses zeiget ein Gefaͤß auf Muͤnzen der Stadt Tralles Spanh. de praest. Num. T. 1. p. 134. an, und auf vielen geschnittenen Steinen Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 460. . Der Preiß in den Panathenaischen Spielen zu Athen waren gemalte Ge- faͤße von gebrannter Erde, mit Oel angefuͤllet, und hierauf deuten die Ge- faͤße Callimach. Fragm. 122. p. 366. an dem Gipfel eines Tempels zu Athen. Viele Gefaͤße aber waren Von der Kunst der Samniter, Volsker und Campaner. waren vermuthlich bey den Alten, was itzo unser Porcellan ist, nur zum Zierrathe, welches sonderlich daraus zu schließen ist, daß sich einige finden, welche keinen Boden haben, noch gehabt haben. Aus den haͤufigen Figu- ren, welche ein Schabezeug ( Strigilis ) halten, koͤnnte es scheinen, daß viele derselben in Baͤdern aufzustellen gemacht worden. Die Figuren sind auf den mehresten nur mit einer einzigen Farbe ge- malet, oder besser zu reden, die Farbe der Figuren ist der eigentliche Grund der Gefaͤße, oder die natuͤrliche Farbe des gebrannten sehr feinen Thons selbst; das Feld aber des Gemaͤldes, oder die Farbe zwischen den Figuren, ist eine schwaͤrzliche Glaͤtte, und mit eben derselben sind die Um- risse der Figuren auf demselben Grunde gemalet. Von Gefaͤßen mit mehr Farben gemalet befinden sich, außer denen in der Vaticanischen Bibliothec Dempst. Etrur. tab. 28. 92. , zwey in der Gallerie zu Florenz, und zwey andere in dem Museo Herrn Mengs . Das eine von diesen, und man sagt das gelehrteste unter allen Gefaͤßen, ist eine Parodie der Liebe des Jupiters und der Alcmena, das ist, es ist dieselbe ins laͤcherliche gekehret, und auf eine Comische Art vorgestellet; oder man koͤnnte sagen, es sey hier der vornehmste Auftritt einer Comoͤdie, wie der Amphitruo des Plautus ist, gemalet. Alcmena sieht aus einem Fenster, wie diejenigen Heins. Lect. Theocrit. c. 7. p. 83. thaten, welche ihre Gunst feil hatten, oder sproͤde thun, und sich kostbar machen wollten: das Fenster stehet hoch, nach Art der Alten. Jupiter ist verkleidet mit einer baͤrtigen weißen Maske, den Scheffel ( Modius ) auf dem Kopfe, wie Serapis, welcher mit der Maske aus einem Stuͤcke ist. Es traͤgt derselbe eine Leiter, zwischen deren Sprossen er den Kopf hindurch stecket, wie im Begriffe, das Zimmer der Geliebten zu ersteigen. Auf der andern Seite ist Mercurius mit einem dicken Bauche, wie ein Knecht gestaltet, und wie Sosia beym Plautus verkleidet; er haͤlt in der linken Hand seinen Stab gesenkt, als wenn er denselben Winckelm. Gesch. der Kunst . Q I Theil. Drittes Capitel. denselben verbergen wollte, um nicht erkannt zu werden, und in der an- dern Hand traͤgt er eine Lampe, welche er gegen das Fenster erhebet, ent- weder dem Jupiter zu leuchten, oder es zu machen, wie Delphis beym Theocritus zur Simaͤtha sagt, mit der Axt und mit der Lampe Idyl. a. v. 127. , auch mit Feuer Gewalt zu gebrauchen, wenn ihn seine Geliebte nicht einlassen wuͤrde. Er hat einen großen Priapus, welcher auch hier seine Deutung hat, und in den Comoͤdien der Alten band man sich ein großes Glied Aristoph. Nub. v. 539. conf. Eiusd. Lysistr. v. 110. von rothem Leder vor. Beyde Figuren haben weißliche Hosen und Struͤm- pfe aus einem Stuͤcke, welche bis auf die Knoͤchel der Fuͤße reichen, wie der sitzende Comicus mit einer Maske vor dem Gesicht, in der Villa Matei: denn die Personen in den Comoͤdien der Alten durften nicht ohne Hosen Pitt. Erc. T. I. p. 267. n. 9. erscheinen. Das Nackende der Figuren ist Fleischfarbe, bis auf den Pria- pus, welcher dunkel roth ist, so wie die Kleidung der Figuren, und das Kleid der Alcmena ist, mit weißen Sternchen bezeichnet Mit Sternen ge- wuͤrkte Kleider, waren schon unter den Griechen der aͤltesten Zeiten bekannt; ein solches hatte der Held Sosipolis Pausan. L. 6. p. 517. l. 8. auf einem uralten Gemaͤlde, und Demetrius Poliorcetes Athen. Deipn. L. 12. p. 535. F. trug dergleichen. Dieses Gefaͤß ist zu Anfang dieses dritten Stuͤcks in Kupfer gestochen beygebracht. Die Zeichnung auf den mehresten Gefaͤßen ist so beschaffen, daß die Figuren in einer Zeichnung des Raphaels einen wuͤrdigen Platz haben koͤnnten, und es ist merkwuͤrdig, daß sich nicht zwey mit voͤllig einerley Bildern finden, und unter so viel hunderten, welche ich gesehen habe, hat jedes Gefaͤß seine besondere Vorstellung. Wer die meisterhafte und zierli- che Zeichnung auf denselben betrachtet, und einsehen kann, und die Art zu verfahren weiß, in Auftragung der Farben auf dergleichen gebrannte Ar- beit, Von der Kunst der Samniter, Volsker und Campaner. beit, findet in dieser Art Malerey den groͤßten Beweis von der allgemeinen Richtigkeit und Fertigkeit auch dieser Kuͤnstler in der Zeichnung. / Denn diese Gefaͤße sind nicht anders, als unsere Toͤpferarbeit, gemalet, oder wie das gemeine Porcellan, wenn, nachdem es geroͤstet ist, wie man spricht, die blaue Farbe aufgetragen wird. Dieses Gemalte will fertig und ge- schwinde gemacht seyn: denn aller gebrannter Thon ziehet, wie ein duͤrres lechzendes Erdreich den Thau, unverzuͤglich die Feuchtigkeit aus den Farben und aus dem Pinsel, daß also, wenn die Umrisse nicht schnell mit einem ein- zigen Striche gezogen werden, im Pinsel nichts, als die Erde, zuruͤck bleibet. Folglich da man insgemein keine Absaͤtze, oder angehaͤngte und von neuem angesetzte Linien findet, so muß eine jede Linie des Umrisses einer Figur unabgesetzt gezogen seyn, welches in der Eigenschaft dieser Figuren beynahe wunderbar scheinen muß. Man muß auch bedenken, daß in dieser Arbeit keine Aenderung oder Verbesserung statt findet, sondern wie die Umrisse ge- zogen sind, muͤssen sie bleiben. / Diese Gefaͤße sind, wie die kleinesten gering- sten Insecten die Wunder in der Natur, das Wunderbare in der Kunst der Alten, und so wie in Raphaels ersten Entwuͤrfen seiner Gedanken der Umriß eines Kopfs, ja ganze Figuren, mit einem einzigen unabgesetzten Federstri- che gezogen, dem Kenner hier den Meister nicht weniger, als in des- sen ausgefuͤhrten Zeichnungen, zeigen, eben so erscheinet in den Gefaͤßen mehr die große Fertigkeit und Zuversicht der alten Kuͤnstler, als in andern Werken. Eine Sammlung derselben ist ein Schatz von Zeichnungen Es war einem Betruͤger, Namens Pietro Fondi , gelungen, diese Gefaͤße nachzumachen. Es hat sich derselbe sonderlich zu Venedig und zu Corfu aufgehalten, und von seiner Arbeit ist manches Stuͤck in Italien geblieben, die mehresten aber sind auswerts gegangen. Es ist eben derselbe, von welchem Apostolo Zeno in einem seiner Briefe redet. Diese Be- truͤgerey aber ist auch von denen, die von der Zeichnung keine große Kenntniß haben, leicht zu entdecken: denn die Erde zu denselben ist grob, und die Gefaͤße sind also schwer; da hingegen die alten Gefaͤße aus einer ungemein verfeinerten Erde gemacht sind, und die Glaͤtte ist wie uͤber dieselben geblasen, welches an jenen das Gegentheil ist. Lettere, Vol. 3. p. 197. . Q 2 Hier I Theil. Drittes Capitel. IV. Anzeige eini- ger Figuren aus der Insel Sardinien. Hier scheinet mir der bequemste Ort, zum Beschlusse dieses Capitels, ein paar Worte zu melden von einigen in der Insel Sardinien entdeckten Figuren in Erzt, welche, in Absicht ihrer Bildung und ihres hohen Alter- thums, einige Aufmerksamkeit verdienen. Es sind vor kurzer Zeit Caylus Rec. d’Antiq. T. 3. ein paar andere aͤhnliche Figuren aus dieser Insel bekannt gemacht worden; diejenigen aber, von welchen ich rede, befinden sich in dem Museo des Collegii St. Igna- tii, von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dahin geschenkt. Es sind vier derselben von verschiedener Groͤße, von einem halben bis an zween Palme. Die Form und Bildung derselben ist ganz barbarisch, und hat zugleich die deutlichsten Kennzeichen des hoͤchsten Alterthums in einem Lande, wo die Kuͤnste niemals gebluͤhet haben. Der Kopf derselben ist lang gezogen, mit ungewoͤhnlich großen Augen und ungestalten Theilen, und mit langen storchs- maͤßigen Haͤlsen, nach der Art, wie einige der haͤßlichsten kleinen Hetrurischen Figuren in Erzt gebildet sind. Zwo von den drey kleineren Figuren scheinen Soldaten, aber ohne Helme; beyde haben einen kurzen Degen an ein Gehenk uͤber den Kopf ge- worfen, auf der Brust selbst haͤngen, und zwar von der rechten zur linken. Auf der linken Schulter haͤngt ein kurzer und schmaler Mantel, welcher ein schmaler Streifen ist, und reichet bis an die Haͤlfte der Schenkel. Es schei- net ein viereckt Tuch, welches kann zusammengelegt seyn; auf der einen und innern Seite ist dasselbe mit einem schmalen erhobenen Rande eingefasset. Diese besondere Art Kleidung kann vielleicht die den alten Sardiniern allein eigene seyn, welche Mastruca Plaut. Poen. Act. 5. Sc. 5. v. 34. Isid. L. 19. c. 3. ex Cicerone. hieß. Die eine Figur haͤlt einen Teller mit Fruͤchten, wie es scheinet, in der Hand. Die merkwuͤrdigste unter diesen Figuren, fast zween Palme hoch, ist ein Soldat mit einer kurzen Weste, wie jene, mit Hosen und Beinruͤstungen bis unter die Waden, welche das Gegentheil von andern Beinruͤstungen sind: denn an statt daß der Griechen ihre das Schienbein bedeckten, liegen diese uͤber die Wade, und sind vorne offen. Eben so sieht man die Beine bewaf- net an dem Castor und Pollux, auf einem Steine des Stoßischen Musei Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 201. , wo Von der Kunst der Samniter, Volsker und Campaner. wo ich jene Figur zur Erklaͤrung angefuͤhret habe. Dieser Soldat haͤlt mit der linken Hand einen runden Schild vor dem Leib, aber etwas entfernt, und unter demselben drey Pfeile, deren Fittige uͤber den Schild hervorgehen; in der linken Hand haͤlt er den Bogen. Die Brust ist mit einem kurzen Panzer verwahret, wie auch die Achseln mit Kappen, welche Achselruͤ- stung man auch auf einem Gefaͤße der Mastrillischen Sammlung zu Nola sieht, und diese Kappen sind wie die an der Montur unserer Trommelschlaͤ- ger gestaltet. Der Kopf ist mit einer platten Muͤtze bedeckt, an welcher von den Seiten zwey lange Hoͤrner, wie Zaͤhne, vorwerts und aufwerts stehen. Auf dem Kopfe liegt ein Korb mit zwo Trage-Stangen, wel- cher auf den Hoͤrnern ruhet, und abgenommen werden kann. Auf dem Ruͤ- cken traͤgt er ein Gestelle eines Wagens mit zwey kleinen Raͤdern, dessen Deichsel in einen Ring auf dem Ruͤcken gesteckt ist, so daß die Raͤder uͤber den Kopf reichen. Dieses lehret uns einen unbekannten Gebrauch der alten Voͤlker im Kriege. Der Soldat in Sardinien mußte seine Mund-Provision selbst mit sich fuͤhren; er trug dieselbe aber nicht auf der Schulter, wie die Roͤmischen Soldaten, sondern er zog sie hinter sich auf einem Gestelle, worauf der Korb stand. Nach vollendetem Zuge, wo dieses nicht mehr noͤthig war, steckte der Soldat sein leichtes Gestelle in den Ring, welcher auf dem Ruͤcken befestiget war, und legte seinen Korb auf den Kopf uͤber die zwey Hoͤrner. Vemuthlich gieng man mit allen diesem Geraͤthe, wie man sieht, auch in die Schlacht, und der Soldat war bestaͤndig mit allem Zubehoͤr versehen. Zum Beschlusse dieses Capitels gebe ich dem Leser, welcher in manchen Beschluß die- ses Capitels. Stuͤcken mehr Licht verlangen moͤchte, zu bedenken, daß es uns in der Verglei- chung dieser alten Voͤlker in Italien mit den Aegyptern gehet, wie einigen Personen, welche in ihrer Muttersprache weniger, als in einer auswaͤrtigen Sprache, gelehrt sind. Von der Kunst der Aegypter koͤnnen wir mit mehr Gewißheit reden, die uns von jenen Voͤlkern, deren Laͤnder wir bereisen und umgraben, fehlet. Wir haben eine Menge kleiner Hetrurischer Figuren, aber nicht Statuen genug, zu einem voͤllig richtigen Systema ihrer Kunst zu Q 3 gelan- I Theil. Drittes Capitel. gelangen, und nach einem Schiffbruche laͤßt sich aus wenig Bretern kein sicheres Fahrzeug bauen. Das mehreste bestehet in geschnittenen Steinen, welche wie das kleine Gestruͤppe sind von einem ausgehauenen Walde, von welchem nur noch einzelne Baͤume stehen, znm Zeichen der Verwuͤstung. Zum Ungluͤck ist zur Entdeckung von Werken aus den bluͤhenden Zeiten dieser Voͤlker wenig Hoffnung. Die Hetrurier hatten in ihrem Lande die Mar- mor-Bruͤche bey Luna, (itzo Carrara) welches eine von ihren zwoͤlf Haupt- Staͤdten war; aber die Samniter, Volsker und Campaner fanden keinen weißen Marmor bey sich, und werden folglich ihre Werke mehrentheils von gebrannter Erde, oder von Erzt, gemacht haben. Jene sind zerbrochen, und diese geschmolzen; und dieses ist die Ursache von der Seltenheit der Kunst-Werke dieser Voͤlker. Unterdessen da der Hetrurische Stil dem aͤlteren Griechischen aͤhnlich gewesen, so kann diese Abhandlung als eine Vorbereitung zum fol- genden Capitel angesehen, und der Leser hieher verwiesen werden. Das Das vierte Capitel. Von der Kunst unter den Griechen. Erstes Stuͤck. Von den Gruͤnden und Ursachen des Aufnehmens und des Vor- zugs der Griechischen Kunst vor andern Voͤlkern. D ie Kunst der Griechen ist die vornehmste Absicht dieser Geschichte, Erstes Stuͤck . Von den Gruͤnden und Ursachen des Aufnehmens und des Vor- zugs der Grie- chischen Kunst vor andern Voͤlkern. und es erfordert dieselbe, als der wuͤrdigste Vorwurf zur Betrach- tung und Nachahmung, da sie sich in unzaͤhlich schoͤnen Denkmaalen erhal- ten hat, eine umstaͤndliche Untersuchung, die nicht in Anzeigen unvoll- kommener Eigenschaften, und in Erklaͤrungen des eingebildeten, sondern in I Theil. Viertes Capitel. in Unterricht des Wesentlichen bestaͤnde, und in welcher nicht blos Kennt- nisse zum Wissen, sondern auch Lehren zum Ausuͤben vorgetragen wuͤrden. Die Abhandlung von der Kunst der Aegypter, der Hetrurier, und anderer Voͤlker, kann unsere Begriffe erweitern, und zur Richtigkeit im Urtheil fuͤh- ren; die von den Griechen aber soll suchen, dieselben auf Eins und auf das Wahre zu bestimmen, zur Regel im Urtheilen und im Wirken. Diese Abhandlung uͤber die Kunst der Griechen bestehet aus vier Stuͤcken: Das erste und vorlaͤufige handelt von den Gruͤnden und Ursa- chen des Aufnehmens und des Vorzugs der Griechischen Kunst vor ande- ren Voͤlkern; das zweyte von dem Wesentlichen der Kunst; das dritte von dem Wachsthume, und von dem Falle derselben; und das vierte von dem Mechanischen Theile der Kunst. Den Beschluß dieses Capitels macht eine Betrachtung uͤber die Malereyen aus dem Alterthume. Die Ursache und der Grund von dem Vorzuge, welchen die Kunst unter den Griechen erlanget hat, ist theils dem Einflusse des Himmels, theils der Verfassung und Regierung, und der dadurch gebildeten Den- kungsart, wie nicht weniger der Achtung der Kuͤnstler, und dem Gebrau- che und der Anwendung der Kunst unter den Griechen, zuzuschreiben. I. Von dem Einflusse des Himmels. Der Einfluß des Himmels muß den Saamen beleben, aus welchem die Kunst soll getrieben werden, und zu diesem Saamen war Griechenland der auserwaͤhlte Boden; und das Talent zur Philosophie, welches Epi- curus den Griechen Clem. Alex. Strom. L. 1. p. 355. l. 12. allein beylegen wollen, koͤnnte mit mehrerm Rechte von der Kunst gelten. Vieles, was wir uns als Idealisch vorstellen moͤch- ten, war die Natur bey ihnen. Die Natur, nach dem sie stuffenweis durch Kaͤlte und Hitze gegangen, hat sich in Griechenland, wo eine zwi- schen Winter und Sommer abgewogene Witterung Herodot. L. 3. p. 127. l. 11. Plat. Tim. p. 475. l. 43. ed. Bas. 1534. ist, wie in ihrem Mittel- Von der Kunst unter den Griechen. Mittelpuncte gesetzt, und je mehr sie sich demselben naͤhert, desto heiterer und froͤhlicher wird sie, und desto allgemeiner ist ihr Wirken in geistreichen witzigen Bildungen, und in entschiedenen und vielversprechenden Zuͤgen. Wo die Natur weniger in Nebeln und in schweren Duͤnsten eingehuͤllet ist, giebt sie dem Koͤrper zeitiger eine reifere Form; sie erhebet sich in maͤchtigen, sonderlich Weiblichen Gewaͤchsen, und in Griechenland wird sie ihre Men- schen auf das feinste vollendet haben. Die Griechen waren sich dieses, und uͤberhaupt, wie Polybius L. 5. p. 431. A. sagt, ihres Vorzugs vor andern Voͤlkern be- wußt, und unter keinem Volke ist die Schoͤnheit so hoch, als bey ihnen, ge- achtet worden Der Priester eines jugendlichen Jupiters zu Aegaͤ , des Ismenischen Apollo , und derjenige, welcher zu Tanagra die Procession des Mercurius mit einem Lamme auf der Schulter fuͤhrete, waren allemal Juͤnglinge, denen der Preis in der Schoͤnheit war zuerkannt worden. Die Stadt Egesta in Sicilien richtete einem Philippus, wel- cher nicht ihr Buͤrger, sondern aus Croton war, bloß wegen seiner vorzuͤglichen Schoͤn- heit , ein Grabmaal, wie einem vergoͤtterten Helden, auf, und man opferte ihm bey demselben. Pausan. L. 7. p. 585. l. 2. Id. L. 9. p. 730. l. 25. Id. L. 9. p. 752. l. 28. Herodot. L. 5. c. 47. ; deswegen blieb nichts verborgen, was dieselbe erheben konnte, und die Kuͤnstler sahen die Schoͤnheit taͤglich vor Augen. Ja es war dieselbe gleichsam ein Verdienst zum Ruhme, und wir finden in den Griechischen Geschichten conf. Pausan. L. 6. p. 457. l. 27. die schoͤnsten Leute angemerket: gewisse Perso- nen wurden von einem einzigen schoͤnen Theile der Bildung, wie Demetrius Phalereus von seinen schoͤnen Augenbranen χαριτοβλέφαρος. Diog. Laert. in eius Vit. p. 307. , mit einem besonderen Namen bezeichnet. Daher wurden Wettspiele der Schoͤnheit bereits in den aller- aͤltesten Zeiten, vom Cypselus Eustath. ad Il. τ΄. p. 1185. l. 16. conf. Palmer. Exerc. in Auct. Gr. p. 448. , Koͤnige in Arcadien, zur Zeit der Heracli- der, bey dem Flusse Alpheus, in der Landschaft Elis, angeordnet; und an dem Winckelm. Gesch. der Kunst . R I Theil. Viertes Capitel. dem Feste des Philesischen Apollo war Lutat. ad Stat. Theb. L. 8. v. 198. conf. Barth. T. 3. p. 828. auf den gelehrtesten Kuß unter jungen Leuten ein Preis gesetzet. Eben dieses geschah unter Entscheidung eines Richters, wie vermuthlich auch dort zu Megara Theocrit. Idyl. 12. v. 29. ‒‒ 34. bey dem Grabe des Diocles. Zu Sparta Mus. de Her. \& Leand. amor. v. 75. , und zu Lesbus καλλιςεῖα genannt. v. Athen. Deipn. L. 13. p. 610. B. , in dem Tempel der Juno, und bey den Parrhasiern Athen. l. c. p. 609. E. waren Wettstreite der Schoͤnheit unter dem Weiblichen Geschlechte. II. Von der Ver- fassung u. Re- gierung unter den Griechen, unter welcher betrachtet wird In Absicht der Verfassung und Regierung von Griechenland ist die Freyheit die vornehmste Ursache des Vorzugs der Kunst. Die Freyheit hat in Griechenland allezeit den Sitz gehabt, auch neben dem Throne Aristot. Polit. L. 3. c. 10. p. 87. ed. Sylburg. der Koͤnige, welche vaͤterlich Thucyd. L. 1. p. 5. l. 25. regiereten, ehe die Aufklaͤrung der Ver- A. Die Freyheit. nunft ihnen die Suͤßigkeit einer voͤlligen Freyheit schmecken ließ, und Ho- merus nennet den Agamemnon Aristot. Eth. Nicom. L. 8. c. 11. p. 148. Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 5. p. 322. l. 45. einen Hirten der Voͤlker, dessen Liebe fuͤr dieselben, und Sorge fuͤr ihr Bestes, anzudeuten. Ob sich gleich nachher Tyrannen aufwarfen, so waren sie es nur in ihrem Vaterlande, und die ganze Nation hat niemals ein einziges Oberhaupt erkannt. Daher ruhete nicht auf einer Person allein das Recht, groß in seinem Volke zu seyn, und sich mit Ausschließung anderer verewigen zu koͤnnen. B. Die Beloh- nung der Lei- bes-Uebungen und anderer Verdienste mit Statuen. Die Kunst wurde schon sehr zeitig gebraucht, das Andenken einer Person auch durch seine Figur zu erhalten, und hierzu stand einem jeden Griechen der Weg offen. Da nun die aͤltesten Griechen Pind. Olymp. 9. v. 152. das Gelernete dem, wo sich die Natur vornemlich aͤußerte, weit nachsetzten, so wur- den auch die ersten Belohnungen auf Leibes-Uebungen gesetzt, und wir finden Von der Kunst unter den Griechen. finden von einer Statue Nachricht, welche zu Elis Pausan. L. 6. p. 490. l. 15. einem Spartanischen Ringer, Eutelides, schon in der acht und dreyßigsten Olympias aufgerichtet worden; und vermuthlich ist dieselbe nicht die erste gewesen. In kleineren Spielen, wie zu Megara, wurde ein Stein Pind. Olymp. 7. v. 157. mit dem Namen des Siegers aufgerichtet. Daher suchten sich die groͤßten Maͤnner unter den Griechen in der Jugend in den Spielen hervorzuthun; Chrysippus und Cleanthes wurden hier eher, als durch ihre Weltweisheit, bekannt; ja Plato selbst er- schien unter den Ringern in den Isthmischen Spielen zu Corinth, und in den Pythischen zu Sicyon. Pythagoras Bentley Diss. upon Phalar. p. 53. trug zu Elis den Preis da- von, und unterrichtete den Eurymenes, daß er an eben dem Orte den Sieg, erhielt. Auch unter den Roͤmern waren die Leibes-Uebungen der Weg einen Namen zu erhalten, und Papirius, welcher die Schande der Roͤmer ad Furculas Caudinas an den Samnitern raͤchete, ist uns we- niger durch diesen Sieg, als durch seinen Beynamen, der Laͤufer Liv. L. 9. c. 16. , wel- chen auch Achilles beym Homerus fuͤhret, bekannt. Eine Statue des Siegers Lucian. pro Imag. p. 490. , in dessen Gleichheit und Aehnlichkeit, an dem heiligsten Orte in Griechenland gesetzet, und von dem ganzen Vol- ke gesehen und verehret, war ein maͤchtiger Antrieb, nicht weniger dieselbe zu machen, als zu erlangen, und niemals ist fuͤr Kuͤnstler, unter irgend einem Volke von ie an, eine so haͤufige Gelegenheit gewesen, sich zu zeigen; der Statuen in den Tempeln so wohl der Goͤtter Die Einwohner der Liparischen Inseln ließen dem Apollo so viel Statuen in Delphos setzen, als Schiffe sie von den Hetruriern genommen hatten. Pausan. L. 10. p. 836. l. 7. , als ihrer Priester und Priesterinnen Pausan. L. 2. p. 148. l. 4. p. 195. l. 32. L. 7. p. 589. l. 36. , nicht zu gedenken. Den Siegern in den großen Spielen wurden nicht allein an dem Orte der Spiele, und vielen nach der R 2 Anzahl 8 ) I Theil. Viertes Capitel. Anzahl Pausan. L. 6. p. 459. l. 12 der Siege, Statuen gesetzet, sondern auch zugleich in ihrem Vaterlande Plutarch. Apophth. p. 314. ed. H. Steph. Pausan. L. 7. p. 595. l. 27. , und diese Ehre wiederfuhr auch andern verdienten Buͤr- gern. Dionysius Ant. Rom. L. 7. p. 408. l. 24. redet von den Statuen der Buͤrger zu Cuma in Italien, welche Aristodemus, der Tyrann dieser Stadt, in der zwey und siebenzigsten Olympias, aus dem Tempel, wo sie standen, wegnehmen und an unsaubere Orte werfen ließ. Einigen Siegern der Olympischen Spiele aus den ersten Zeiten, da die Kuͤnste noch nicht bluͤheten, wurden lange nach ihrem Tode, ihr Andenken zu erhalten, Statuen aufgerichtet, wie einem Oibotas Id. L. 6. p. 458. l. 5. , aus der Sechsten Olympias, diese Ehre allererst in der Achtzigsten wiederfuhr. Es ist besonders, daß sich jemand seine Sta- tue machen lassen, ehe er den Sieg erhielt Ibid. p. 471. l. 29. ; so gewiß war derselbe. Ja zu Aegium, in Achaja, war einem Sieger Pausan. L. 7. p. 582. l. 25. eine besondere Halle, oder verdeckter Gang, von seiner Stadt gebauet, um sich daselbst im Rin- gen zu uͤben. C. Die aus der Freyheit ge- bildete Den- kungsart. Durch die Freyheit erhob sich, wie ein edler Zweig aus einem ge- sunden Stamme, das Denken des ganzen Volks. Denn wie der Geist eines zum Denken gewoͤhnten Menschen sich hoͤher zu erheben pflegt im weiten Felde, oder auf einem offenen Gange, auf der Hoͤhe eines Ge- baͤudes, als in einer niedrigen Kammer, und in jedem eingeschraͤnkten Orte, so muß auch die Art zu denken unter den freyen Griechen gegen die Begrif- fe beherrschter Voͤlker sehr verschieden gewesen seyn. Herodotus zeiget L. 5. p. 199. l. 13. , daß die Freyheit allein der Grund gewesen von der Macht und Hoheit, zu welcher Athen gelanget ist, da diese Stadt vorher, wenn sie einen Herrn uͤber sich erkennen muͤssen, ihren Nachbarn nicht gewachsen seyn koͤnnen. Von der Kunst unter den Griechen. koͤnnen. Die Redekunst fieng an aus eben dem Grunde allererst in dem Genusse der voͤlligen Freyheit unter den Griechen zu bluͤhen; daher legten die Sicilianer conf. Hardion Diss. sur l’orig. de la Rhet. p. 160. dem Gorgias die Erfindung der Redekunst bey. Die Griechen waren in ihrer besten Zeit denkende Wesen, welche zwanzig und mehr Jahre schon gedacht hatten, ehe wir insgemein aus uns selbst zu denken anfangen, und die den Geist in seinem groͤßten Feuer, von der Munterkeit des Koͤrpers unterstuͤtzet, beschaͤftigten, welcher bey uns, bis er abnimmt, unedel genaͤhret wird. Der unmuͤndige Verstand, welcher, wie eine zarte Rinde, den Einschnitt behaͤlt und erweitert, wurde nicht mit bloßen Toͤnen ohne Begriffe unterhalten, und das Gehirn, gleich einer Wachstafel, die nur eine gewisse Anzahl Worte oder Bilder fassen kann, war nicht mit Traͤumen erfuͤllet, wenn die Wahrheit Platz nehmen will. Gelehrt seyn, das ist, zu wissen, was andere gewußt haben, wurde spaͤt gesucht: gelehrt, im heutigen Verstande, zu seyn, war in ih- rer besten Zeit leicht, und weise konnte ein jeder werden. Denn es war eine Eitelkeit weniger in der Welt, nemlich viel Buͤcher zu kennen, da allererst nach der ein und sechzigsten Olympias die zerstreueten Glieder des groͤßten Dichters gesammlet wurden. Diesen lernete das Kind Xenoph. Conviv. c. 3. §. 5. ; der Juͤngling dachte wie der Dichter, und wenn er etwas wuͤrdiges hervorge- bracht hatte, so war er unter die ersten seines Volks gerechnet. Ein weiser Mann war der geehrteste, und dieser war in jeder Stadt, III. Von der Achtung der Kuͤnstler. wie bey uns der reichste, bekannt; so wie es der junge Scipio Liv. L. 29. c. 14. war, welcher die Cybele nach Rom fuͤhrete. Zu dieser Achtung konnte der Kuͤnstler auch gelangen; ja Socrates erklaͤrete die Kuͤnstler Plat. Apolog. p. 9. ed. Bas. allein fuͤr weise, als diejenigen, welche es sind, und nicht scheinen; und vielleicht in R 3 dieser I Theil. Viertes Capitel. dieser Ueberzeugung gieng Aesopus bestaͤndig unter den Bildhauern und Baumeistern umher. In viel spaͤterer Zeit war der Maler Diognetus einer von denen, welche den Marcus Aurelius die Weisheit lehreten. Dieser Kaiser bekennet, daß er von demselben gelernet habe, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden, und nicht Thorheiten fuͤr wuͤrdige Sachen anzunehmen. Der Kuͤnstler konnte ein Gesetzgeber werden: denn alle Gesetzgeber waren gemeine Buͤrger, wie Aristoteles Polit. L. 4. c. 11. p 115. l. 20. ed. 1577, 4. bezeuget. Er konnte Kriegsheere fuͤhren, wie Lamachus, einer der duͤrfdigsten Buͤrger zu Athen, und seine Statue neben dem Militiades und Themistocles, ja neben den Goͤttern selbst, gesetzet sehen: so stelleten Xenophilus Pausan. L. 2. p. 163. l. 36. und Strato ihre sitzenden Figuren bey ihrer Statue des Aesculapius und der Hygiea zu Argus. Chirisophus Pausan. L. 8. p. 708. l. 9. , der Meister des Apollo zu Tegea, stand in Marmor neben seinem Werke, und Alcamenes Pausan. L. 5. p. 399. l. 37. war erhaben gearbeitet an dem Gipfel des Eleusinischen Tempels; Parrhasius und Silanion Plutarch. Thes. p. 5. l. 22. wurden in ihrem Ge- maͤlde des Theseus zugleich mit diesem verehret. Andere Kuͤnstler setzten ihren Namen auf ihr Werk, und Phidias den seinigen Pausan. L. 5. p. 397. l. 41. zu den Fuͤßen des Olympischen Jupiters. Es stand auch an verschiedenen Statuen der Sieger zu Elis conf. Id. L. 6. p. 456. l. 36. der Name der Kuͤnstler, und an dem Wagen mit vier Pferden von Erzt, welchen der Sohn des Koͤnigs Hiero zu Syracus, Di- nomenes, seinem Vater setzen ließ, war in zween Versen Id. L. 8. p. 688. l. 1. angezeiget, daß Onatas der Meister dieses Werks sey. Dieser Gebrauch aber war dennoch nicht so allgemein, daß man aus dem Mangel des Namens des Kuͤnstlers an vorzuͤglichen Statuen schließen koͤnnte, daß es Werke aus spaͤtern Von der Kunst unter den Griechen. spaͤtern Zeiten seyn Gedoyn glaubet sich durch diese Meynung von dem großen Haufen abzusondern, und ein seichter Brittischer Scribent , welcher gleichwohl Rom gesehen, betet jenem nach. Hist. de Phidias, p. 199. Nixon’s Essay on a Sleeping Cupid, p. 22. . Dieses war nur zu erwarten von Leuten, die Rom im Traume, oder, wie junge Reisende, in einem Monate, gesehen. Die Ehre und das Gluͤck des Kuͤnstlers hiengen nicht von dem Ei- gensinne eines unwissenden Stolzes ab, und ihre Werke waren nicht nach dem elenden Geschmacke, oder nach dem uͤbel geschaffenen Auge eines durch die Schmeicheley und Knechtschaft aufgeworfenen Richters, gebildet, son- dern die weisesten des ganzen Volks urtheileten und belohneten sie, und ihre Werke, in der Versammlung aller Griechen, und zu Delphos Plin. L. 35. c. 35. und zu Corinth waren Wettspiele der Malerey unter besondern dazu bestellten Rich- tern, welche zur Zeit des Phidias angeordnet wurden. Hier wurde zuerst Panaͤus, der Bruder, oder, wie andere wollen Strab. L. 8. p. 354. A. , der Schwester Sohn des Phidias, mit dem Timagoras von Chalcis, gerichtet, und der letzte er- hielt den Preis. Vor solchen Richtern erschien Aetion Lucian. Herod. c. 5. mit seiner Ver- maͤhlung Alexanders und der Roxane: derjenige Vorsitzer, welcher den Ausspruch that, hieß Proxenides, und er gab dem Kuͤnstler seine Tochter zur Ehe. Man sieht, daß ein allgemeiner Ruf auch an andern Orten die Richter nicht geblendet, dem Verdienste das Recht abzusprechen: denn zu Samos wurde Parrhasius, in dem Gemaͤlde des Urtheils uͤber die Waffen des Achilles, dem Timanthes nachgesetzet. Aber die Richter waren nicht fremde in der Kunst: denn es war eine Zeit in Griechenland, wo die Ju- gend in den Schulen der Weisheit so wohl, als der Kunst, unterrichtet wur- de. Daher arbeiteten die Kuͤnstler fuͤr die Ewigkeit, und die Belohnun- gen ihrer Werke setzten sie in Stand, ihre Kunst uͤber alle Absichten des Gewinns und der Vergeltung zu erheben. So malete Polygnotus das Poecile zu Athen, und, wie es scheinet, auch ein oͤffentlich Gebaͤude Plin. L. 35. c. 35. zu Delphos. I Theil. Viertes Capitel. Delphos, ohne Entgelt aus, und die Erkenntlichkeit gegen diese letzte Ar- beit scheinet der Grund zu seyn, welcher die Amphictiones, oder den allge- meinen Rath der Griechen, bewogen, diesem großmuͤthigen Kuͤnstler eine freye Bewirthung durch ganz Griechenland auszumachen Die Gemaͤlde zu Delphos stelleten die Eroberung von Troja vor, wie ich in einem alten geschriebenen Schalio uͤber den Gorgias des Plato finde, und eben daselbst hat sich die Ueberschrift dieses Werks erhalten, welche folgende ist: Γράψε Πολύγνωτος, Θάσιος γένος, Ἀγλαόφωντος ῾ϒιὸς, περϑομένην Ἰλίον ἀκρόπολιν. . Ueberhaupt wurde alles vorzuͤgliche in allerley Kunst und Arbeit be- sonders geschaͤtzet, und der beste Arbeiter in der geringsten Sache konnte zur Verewigung seines Namens gelangen. Wir wissen noch itzo den Na- men des Baumeisters Herodot. L. 3. p. 119. l. 32. 36. einer Wasserleitung auf der Insel Samos, und desjenigen, der daselbst das groͤßte Schiff gebauet hat; ingleichen den Na- men eines beruͤhmten Steinmetzen, welcher in Arbeit an Saͤulen sich her- vorthat; er hieß Architeles Theodor. Prodrom. ep. 2. p. 22. . Es sind die Namen zweyer Weber, oder Stuͤcker Athen. Deipn. L. 2. c. 9. , bekannt, die einen Mantel der Pallas Polias zu Athen arbei- reten. Wir wissen den Namen eines Arbeiters von sehr richtigen Wagen, oder Waage-Schaalen; er hieß Parthenius Juvenal. Sat. 12. v. 43. . Ja es hat sich der Name des Sattlers Vit. Hom. p. 359. l. 22. , wie wir ihn nennen wuͤrden, erhalten, der den Schild des Ajax von Leder machte. In dieser Absicht scheinen die Griechen vieles, was besonders war, nach dem Namen des Meisters, der es gemacht hatte, benennet zu haben Athen. Deipn. L. 11. p. 470. F. 471. B. 486. C. , und unter dergleichen Namen blieben die Sa- chen immer bekannt. Zu Samos wurden hoͤlzerne Leuchter gemacht, die in großem Werthe gehalten wurden; Cicero arbeitete auf seines Bruders Landhause des Abends bey dergleichen Leuchter Cic. ad Q. Fratr. L. 3. ep. 7. . Auf der Insel Naxus waren jemanden, welcher zu erst den Pentelischen Marmor in der Form von Von der Kunst unter den Griechen. von Ziegeln gearbeitet hatte, um Gebaͤude damit zu decken, bloß wegen dieser Entdeckung, Statuen gesetzet Pausan. L. 5. p. 398. l. 8. . Vorzuͤgliche Kuͤnstler hatten den Namen Goͤttliche, wie Alcimedon beym Virgilius Eclog. 3. v. 37. . Der Gebrauch und die Anwendung der Kunst erhielt dieselbe in ihrer IV. Von der Anwendung der Kunst. Großheit. Denn da sie nur den Goͤttern geweihet, und fuͤr das heiligste und nuͤtzlichste im Vaterlande bestimmet war, und in den Haͤusern der Buͤrger Maͤßigkeit und Einfalt wohnete, so wurde der Kuͤnstler nicht auf Kleinigkeiten, oder auf Spielwerke, durch Einschraͤnkung des Orts, oder durch die Luͤsternheit des Eigenthuͤmers herunter gesetzet, sondern was er machete, war den stolzen Begriffen des ganzen Volks gemaͤß. Miltiades, Themistocles, Aristides und Cimon, die Haͤupter und Erretter von Grie- chenland, wohneten nicht besser, als ihr Nachbar Demosth. Orat. περὶ συντάξ p. 71. b. . Grabmale aber wur- den als heilige Gebaͤude angesehen; daher es nicht befremden muß, wenn sich Nicias, der beruͤhmte Maler, gebrauchen lassen, ein Grabmal Pausan. L. 7. p. 580. l. 11. vor der Stadt Tritia in Achaja auszumalen. Man muß auch erwaͤgen, wie sehr es die Nacheiferung in der Kunst besoͤrdert habe, wenn ganze Staͤd- te Plin. L. 35. c. 37. , eine vor der andern, eine vorzuͤgliche Statue zu haben suchten, und wenn ein ganzes Volk Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 4. p. 220. l. 47. die Kosten zu einer Statue so wohl von Goͤttern, als von Siegern Pausan. L. 6. p. 465. l. 35. p. 487. l. 25. p. 488. l. 34. p. 489. l. 2. p. 493. l. 16. in den oͤffentlichen Spielen, aufbrachten. Einige Staͤdte waren, auch im Alterthume selbst, bloß durch eine schoͤne Statue bekannt, wie Aliphera Polyb. L. 4. p. 340. D. wegen einer Pallas von Erzt, vom Hecatodo- rus und Sostratus gemacht. Die Bildhauerey und Malerey sind unter den Griechen eher, als die Baukunst, zu einer gewissen Vollkommenheit gelanget: denn diese hat mehr Idea- Winckelm. Gesch. der Kunst. S I Theil. Viertes Capitel. Idealisches, als jene, weil sie keine Nachahmung von etwas wirklichem hat seyn koͤnnen, und, nach der Nothwendigkeit, auf allgemeine Regeln und Gesetze der Verhaͤltnisse gegruͤndet worden. Jene beyden Kuͤnste, welche mit der bloßen Nachahmung ihren Anfang genommen haben, fanden alle noͤthige Regeln am Menschen bestimmt, da die Baukunst die ihrige durch viele Schluͤsse finden, und durch den Beyfall festsetzen mußte. Die Bild- hauerey aber ist vor der Malerey voraus gegangen, und hat, als die aͤltere Schwester, diese, als die juͤngere, gefuͤhret; ja Plinius ist der Meynung, daß zur Zeit des Trojanischen Krieges die Malerey noch nicht gewesen sey. Der Jupiter des Phidias, und die Juno des Polycletus, die vollkom- mensten Statuen, welche das Alterthum gekannt hat, waren schon, ehe Licht und Schatten in Griechischen Gemaͤlden erschien. Denn Apollo- dorus Er wurde der Schatten-Maler genannt. (σκιαγράφος. Hesych. σκιά) Man sieht also die Ursache solcher Benennung, und Hesychius, welcher σπιόγραφος fuͤr σκηνόγραφος, d. i. der Zelt-Maler, genommen, ist zu verbessern. , und sonderlich nach ihm Zeuxis, der Meister und der Schuͤler, welche in der Neunzigsten Olympias beruͤhmt waren, sind die ersten Quintil. Inst. Orat. L. 12. c. 10. , welche hierinn sich zeigeten; da man sich die Gemaͤlde vor ihrer Zeit als neben einander gesetzte Statuen vorzustellen hat, die außer der Handlung, in welcher sie gegen einander standen, als einzelne Figuren kein ganzes zu machen schienen, nach eben der Art, wie die Gemaͤlde auf den sogenannten Hetrurischen Gefaͤßen sind. Euphranor, welcher mit dem Praxiteles zu gleicher Zeit, und also spaͤter noch, als Zeuxis, lebete, hat, wie Plinius sagt, die Symmetrie in die Malerey gebracht. Der Von der Kunst unter den Griechen. Der Grund von dem spaͤteren Wachsthume der Malerey liegt theils V. Von dem verschiedenen Alter der Ma- lerey und Bildhauerey. in der Kunst selbst, theils in dem Gebrauche und in der Anwendung der- selben: denn da die Bildhauerey den Goͤtterdienst erweitert hat, so ist sie wiederum durch diesen gewachsen. Die Malerey aber hatte nicht glei- chen Vortheil: sie war den Goͤttern und den Tempeln gewidmet, und einige Tempel, wie der Juno zu Samos Strab. L. 14. p. 944. , waren Pinacothecaͤ , d. i. Gallerien von Gemaͤlden; auch zu Rom waren in dem Tempel des Frie- dens, nemlich in den obern Zimmern oder Gewoͤlbern desselben, die Gemaͤlde der besten Meister aufgehaͤnget. Aber die Werke der Maler scheinen bey den Griechen kein Vorwurf heiliger zuversichtlicher Verehrung und Anbe- tung gewesen zu seyn; wenigstens findet sich unter allen vom Plinius und Pausanias angefuͤhrten Gemaͤlden kein einziges, welches diese Ehre erhal- ten haͤtte; wo nicht etwa jemand in unten gesetzter Stelle des Philo De Virtut. \& Legat. ad Caj. p. 567. μηδὲν ν προσευχαῖς ὑπὲρ αὐτȣ̃ [Καίσαρος] μὴ ἄγαλμα, μὴ ξόε νον, μ δὲ γραφὴν ἱδρυσάμενοι. ein solches Gemaͤlde finden wollte. Pausanias L. 8. p. 695. l. 23. gedenket schlechthin eines Gemaͤldes der Pallas in ihrem Tempel zu Tegea, welches ein Lecti- sternium Conf. Casaub. Animadv. in Sueton. p. 39. D. derselben war. Die Malerey und Bildhauerey verhalten sich, wie die Beredsamkeit und Dichtkunst: diese, weil sie mehr, als jene, heilig gehalten, zu heiligen Handlungen gebrauchet, und besonders belohnet wurde, gelangete zeitiger zu ihrer Vollkommenheit; und dieses ist zum Theil die Ursache, daß, wie Cicero de Orat. L. 1. c. 3. sagt, mehr gute Dichter, als Red- S 2 ner, I Theil. Viertes Capitel. ner, gewesen. Wir finden aber, daß Maler zugleich Bildhauer waren: ein Atheniensischer Maler, Mico Pausan. L. 6. p. 465. l. 22. conf. p. 480. l. 20. , machte die Statue des Callias von Athen; so gar vom Apelles Id. L. 6. p. 453. l. 26. war die Statue der Tochter des Spartanischen Koͤ- nigs Archidamus, Cynica, gearbeitet. Solche Vortheile hatte die Kunst der Griechen vor andern Voͤlkern, und auf einem solchen Boden konnten so herrliche Fruͤchte wachsen. Zweytes Zweytes Stuͤck. Von dem Wesentlichen der Kunst. V on diesem ersten vorlaͤufigen Stuͤcke gehen wir zum zweyten, von dem Zweytes Stuͤck Von dem Wesentlichen der Kunst. Wesentlichen der Kunst , welches zween Theile hat; der erste han- delt von der Zeichnung des Nackenden, welcher auch die Thiere mit begreift; I. Von der Zeichnung des Nackenden, welche sich gruͤndet auf die Schoͤnheit. der zweyte von der Zeichnung bekleideter Figuren, und insbesondere von der Weiblichen Kleidung. Die Zeichnung des Nackenden gruͤndet sich auf die Kenntniß und auf Begriffe der Schoͤnheit, und diese Begriffe bestehen theils in Maaße und Verhaͤltnissen, theils in Formen, deren Schoͤnheit der ersten Griechischen Kuͤnstler Absicht war, wie Cicero de Fin. L. 2. c. 34. sagt: diese bilden die Gestalt, und jene bestimmen die Proportion. Von der Schoͤnheit ist zuerst uͤberhaupt zu reden, und zum zweyten A. Von der Schoͤnheit all- gemein, und zwar von der Proportion, und alsdenn von der Schoͤnheit einzelner Theile des S 3 Mensch- I Theil. Viertes Capitel. a. der Ver- neinende Be- griff derselben. Menschlichen Koͤrpers. In der allgemeinen Betrachtung uͤber die Schoͤn- heit ist vorlaͤufig der verschiedene Begriff des Schoͤnen zu beruͤhren, wel- ches der verneinende Begriff derselben ist, und alsdenn ist einiger bestimm- ter Begriff der Schoͤnheit zu geben; es kann aber leichter, wie Cotta beym Cicero de Nat. deor. L. 1. c. 21. von Gott meynet, von der Schoͤnheit gesaget werden, was sie nicht ist, als was sie ist. Die Schoͤnheit, als der hoͤchste Entzweck, und als der Mittelpunct der Kunst, erfordert vorlaͤufig eine allgemeine Abhandlung, in welcher ich mir und dem Leser ein Genuͤge zu thun wuͤnschte; aber dieses ist auf bey- den Seiten ein schwer zu erfuͤllender Wunsch. Denn die Schoͤnheit ist eins von den großen Geheimnissen der Natur, deren Wirkung wir sehen, und alle empfinden, von deren Wesen aber ein allgemeiner deutlicher Be- griff unter die unerfundenen Wahrheiten gehoͤret. Waͤre dieser Begriff Geometrisch deutlich, so wuͤrde das Urtheil der Menschen uͤber das Schoͤne nicht verschieden seyn, und es wuͤrde die Ueberzeugung von der wahren Schoͤnheit leicht werden; noch weniger wuͤrde es Menschen entweder von so ungluͤcklicher Empfindung, oder von so widersprechendem Duͤnkel geben koͤnnen, daß sie auf der einen Seite sich eine falsche Schoͤnheit bilden, auf der andern keinen richtigen Begriff von derselben annehmen, und mit dem Ennius sagen wuͤrden: Sed mihi neutiquam cor consentit cum oculorum adspectu. ap. Cic. Lucull. c. 17. Diese letztern sind schwerer zu uͤberzeugen, als jene zu belehren; ihre Zweifel aber sind mehr ihren Witz zu offenbaren erdacht, als zur Vernei- nung des wirklichen Schoͤnen behauptet; es haben auch dieselben in der Kunst keinen Einfluß. Jene sollte der Augenschein, sonderlich im Ange- sichte von tausend und mehr erhaltenen Werken des Alterthums erleuchten: aber Von der Kunst unter den Griechen. aber wider die Unempfindlichkeit ist kein Mittel, und es fehlet uns die Re- gel und der Canon des Schoͤnen, nach welchem, wie Euripides sagt Hecub. v. 602. , das garstige beurtheilet wird; und aus dieser Ursache sind wir, so wie uͤber das, was wahrhaftig gut ist, also auch uͤber das, was schoͤn ist, verschieden. Diese Verschiedenheit der Meynungen zeiget sich noch mehr in dem Ur- theile uͤber abgebildete Schoͤnheiten in der Kunst, als in der Natur selbst. Denn weil jene weniger, als diese, reizen, so werden auch jene, wenn sie nach Begriffen hoher Schoͤnheit gebildet, und mehr ernsthaft als leichtfer- tig sind, dem unerleuchteten Sinne weniger gefallen, als eine gemeine huͤbsche Bildung, die reden und handeln kann. Die Ursache liegt in unseren Luͤsten, welche bey den mehresten Menschen durch den ersten Blick erreget werden, und die Sinnlichkeit ist schon angefuͤllet, wenn der Verstand suchen wollte, das Schoͤne zu genießen: alsdenn ist es nicht die Schoͤn- heit, die uns einnimmt, sondern die Wollust. Dieser Erfahrung zufolge werden jungen Leuten, bey welchen die Luͤste in Wallung und Gaͤhrung sind, mit schmachtenden und bruͤnstigen Reizungen bezeichnete Gesichter, wann sie auch nicht wahrhaftig schoͤn sind, Goͤttinnen erscheinen, und sie werden weniger geruͤhret werden uͤber eine solche schoͤne Frau, die Zucht und Wohlstand in Gebehrden und Handlungen zeiget, welche die Bildung und die Majestaͤt der Juno haͤtte. Die Begriffe der Schoͤnheit bilden sich bey den mehresten Kuͤnstlern aus solchen unreifen ersten Eindruͤcken, welche selten durch hoͤhere Schoͤnhei- ten geschwaͤchet oder vertilget werden, zumal wenn sie, entfernt von den Schoͤn- heiten der Alten, ihre Sinne nicht verbessern koͤnnen. Denn es ist mit dem Zeichnen, wie mit dem Schreiben: wenig Knaben, welche schreiben lernen, werden mit Gruͤnden von Beschaffenheit der Zuͤge, und des Lichts und Schat- tens an denselben, worinn die Schoͤnheit der Buchstaben bestehet, ange- fuͤhret, I Theil. Viertes Capitel. fuͤhret, sondern man giebt ihnen die Vorschrift ohne weiteren Unterricht nachzumachen, und die Hand bildet sich im schreiben, ehe der Knabe auf die Gruͤnde von der Schoͤnheit der Buchstaben achten wuͤrde. Eben so ler- nen die mehresten jungen Leute zeichnen, und so wie die Zuͤge im schrei- ben in vernuͤnftigen Jahren bleiben, wie sie sich in der Jugend gefor- met haben, so malen sich insgemein die Begriffe der Zeichner von der Schoͤnheit in ihrem Verstande, wie das Auge gewoͤhnet worden, dieselbe zu betrachten und nachzuahmen, welche unrichtig werden, da die mehre- sten nach unvollkommenen Mustern zeichnen. In andern hat der Himmel das sanfte Gefuͤhl der reinen Schoͤnheit nicht zur Reife kommen lassen, und es ist ihnen entweder durch die Kunst, das ist, durch die Bemuͤhung, ihr Wissen allenthalben anzuwenden, in Bildung jugendlicher Schoͤnheiten erhaͤrtet worden, wie im Michael An- gelo , oder es hat sich dieses Gefuͤhl durch eine poͤbelhafte Schmeicheley des groben Sinnes, um demselben alles greiflicher vor Augen zu legen, mit der Zeit gaͤnzlich verderbet, wie im Bernini geschehen ist. Jener hat sich mit Betrachtung der hohen Schoͤnheit beschaͤftiget, wie man aus seinen, theils gedruckten, theils ungedruckten Gedichten sieht, wo er in wuͤrdi- gen und erhabenen Ausdruͤcken uͤber dieselbe denket, und er ist wunderbar in starken Leibern; aber aus angefuͤhrtem Grunde hat derselbe aus seinen Weiblichen Figuren Geschoͤpfe einer andern Welt, im Gebaͤude, in der Handlung und in den Gebehrden gemacht: Michael Angelo ist gegen den Ra- phael, was Thucydides gegen den Xenophon ist. Bernini ergrif eben den Weg, welcher jenen wie in unwegsame Orte und zu steilen Klippen brachte, und diesen hingegen in Suͤmpfe und Lachen verfuͤhrete: denn er suchte For- men, aus der niedrigsten Natur genommen, gleichsam durch das Uebertriebene zu veredlen, und seine Figuren sind wie der zu ploͤtzlichem Gluͤcke gelangete Poͤbel; sein Ausdruck ist oft der Handlung widersprechend, so wie Han- nibal im aͤußersten Kummer lachete. Dem ohngeachtet hat dieser Kuͤnst- ler Von der Kunst unter den Griechen. ler lange auf dem Throne gesessen, und ihm wird noch itzo gehuldiget. Es ist auch das Auge in vielen Kuͤnstlern eben so wenig, wie in Ungelehrten, richtig, und sie sind nicht verschiedener in Nachahmung der wahren Farbe der Vorwuͤrfe, als in Bildung des Schoͤnen. Barocci , einer der beruͤhm- testen Maler, welcher nach dem Raphael studiret hat, ist an seinen Gewaͤn- dern, noch mehr aber an seinen Profilen, kenntlich, an welchen die Nase ins- gemein sehr eingedruckt ist. Pietro von Cortona ist es durch das klein- liche und unterwerts platte Kinn seiner Koͤpfe, und dieses sind gleichwohl Maler der Roͤmischen Schule: in andern Schulen von Italien finden sich noch unvollkommenere Begriffe. Die von der zwoten Art, nemlich die Zweifeler wider die Richtig- keit der Begriffe der Schoͤnheit, gruͤnden sich vornehmlich auf die Begriffe des Schoͤnen unter entlegenen Voͤlkern, die ihrer verschiedenen Gesichts- bildung zufolge, auch verschieden von den unsrigen seyn muͤssen. Denn so wie viele Voͤlker die Farbe ihrer Schoͤnen mit Ebenholz (welche so, wie dieses, glaͤnzender, als anderes Holz, und als eine weiße Haut ist) verglei- chen wuͤrden, da wir dieselbe mit Elfenbein vergleichen, eben so, sagen sie, werden vielleicht bey jenen die Vergleichungen der Formen des Gesichts mit Thieren gemacht werden, an welchen uns eben die Theile ungestalt und haͤßlich scheinen. Ich gestehe, daß man auch in den Europaͤischen Bil- dungen aͤhnliche Formen mit der Bildung der Thiere finden kann, und Otto van Veen , der Meister des Rubens, hat dieses in einer besondern Schrift gezeiget: man wird aber auch zugeben muͤssen, daß, je staͤrker diese Aehnlichkeit an einigen Theilen ist, desto mehr weichet die Forme von den Eigenschaften unsers Geschlechts ab, und es wird dieselbe theils ausschwei- fend, theils uͤbertrieben, wodurch die Harmonie unterbrochen, und die Einheit und Einfalt gestoͤret wird, als worinn die Schoͤnheit bestehet, wie ich unten zeige. Winckelm. Gesch. der Kunst. T Je I Theil. Viertes Capitel. Je schraͤger z. E. die Augen stehen, wie an Katzen, desto mehr faͤllt diese Richtung von der Base und der Grundlage des Gesichts ab, welche das Creutz ist, wodurch dasselbe von dem Wirbel an in die Laͤnge und in die Breite gleich getheilet wird, indem die senkrechte Linie die Nase durch- schneidet, die horizontal Linie aber den Augenknochen. Liegt das Auge schraͤg, so durchschneidet es eine Linie, welche mit jener parallel, durch den Mittelpunct des Auges gezogen, zu setzen ist. Wenigstens muß hier eben die Ursache seyn, die den Uebelstand eines schief gezogenen Mundes macht; denn wenn unter zwo Linien die eine von der andern ohne Grund abwei- chet, thut es dem Auge wehe. Also sind dergleichen Augen, wo sie sich unter uns finden, und an Sinesen und Japonesen seyn sollen, wie man an einigen Aegyptischen Koͤpfen in Profil sieht, eine Abweichung. Die gepletschte Nase der Calmucken, der Sinesen, und anderer entlegenen Voͤl- ker, ist ebenfalls eine Abweichung: denn sie unterbricht die Einheit der Formen, nach welcher der uͤbrige Bau des Koͤrpers gebildet worden, und es ist kein Grund, warum die Nase so tief gesenkt liegt, und nicht viel- mehr der Richtung der Stirne folgen soll; so wie hingegen die Stirn und Nase aus einem geraden Knochen, wie an Thieren, wider die Mannigfal- tigkeit in unserer Natur seyn wuͤrde. Der aufgeworfene schwuͤlstige Mund, welchen die Mohren mit den Affen in ihrem Lande gemein haben, ist ein uͤberfluͤßiges Gewaͤchs und ein Schwulst, welchen die Hitze ihres Clima verursachet, so wie uns die Lippen von Hitze, oder von scharfen salzigen Feuchtigkeiten, auch einigen Menschen im heftigen Zorne, aufschwellen. Die kleinen Augen der entlegenen Nordlichen und Ostlichen Laͤnder sind in der Unvollkommenheit ihres Gewaͤchses mit begriffen, welches kurz und klein ist. Solche Bildungen wirket die Natur allgemeiner, je mehr sie sich ih- ren aͤußersten Enden naͤhert, und entweder mit der Hitze, oder mit der Kaͤlte streitet, wo sie dort uͤbertriebene und zu fruͤhzeitige, hier aber un- reife Von der Kunst unter den Griechen. reife Gewaͤchse von aller Art hervorbringet. Denn eine Blume verwelket in unleidlicher Hitze, und in einem Gewoͤlbe ohne Sonne bleibet sie ohne Farbe; ja die Pflanzen arten aus in einem verschlossenen finstern Orte. Regelmaͤßiger aber bildet die Natur, je naͤher sie nach und nach wie zu ih- rem Mittelpunct gehet, unter einem gemaͤßigten Himmel, wie im ersten Capitel angezeiget worden. Folglich sind unsere und der Griechen Begriffe von der Schoͤnheit, welche von der regelmaͤßigsten Bildung genommen sind, richtiger, als welche sich Voͤlker bilden koͤnnen, die, um mich eines Gedankens eines neuern Dichters zu bedienen, von dem Ebenbilde ihres Schoͤpfers halb verstellet sind. In diesen Begriffen aber sind wir selbst verschieden, und vielleicht verschiedener, als selbst im Geschmacke und Ge- ruche, wo es uns an deutlichen Begriffen fehlet, und es werden nicht leicht hundert Menschen uͤber alle Theile der Schoͤnheit eines Gesichts ein- stimmig seyn. Der schoͤnste Mensch, welchen ich in Italien gesehen, war es nicht in aller Augen, auch derjenigen nicht, die sich ruͤhmeten, auch auf die Schoͤnheit unsers Geschlechts aufmerksam zu seyn; und diejenigen hin- gegen, welche die Schoͤnheit in den vollkommenen Bildern der Alten un- tersuchet haben, finden in den Weblichen Schoͤnheiten einer stolzen und klugen Nation, die insgemein so sehr gepriesene Vorzuͤge nicht, weil sie nicht von der weißen Haut geblendet werden./ Die Schoͤnheit wird durch den Sinn empfunden, aber durch den Verstand erkannt und begriffen, wodurch jener mehrentheils weniger empfindlicher auf alles, aber richtiger gemacht wird und werden soll. In der allgemeinen Form aber sind be- staͤndig die mehresten und die gesittetesten Voͤlker in Europa so wohl, als in Asien und Africa, uͤbereingekommen; daher die Begriffe derselben nicht fuͤr willkuͤhrlich angenommen zu halten sind, ob wir gleich nicht von allen Grund angeben koͤnnen. Die Farbe traͤgt zur Schoͤnheit bey, aber sie ist nicht die Schoͤnheit selbst, sondern sie erhebet dieselbe uͤberhaupt und ihre Formen. Da nun T 2 die I Theil. Viertes Capitel. die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zuruͤckschi- cket, folglich sich empfindlicher macht, so wird auch ein schoͤner Koͤrper de- sto schoͤner seyn, je weißer er ist, ja er wird nackend dadurch groͤßer, als er in der That ist, erscheinen, so wie wir sehen, daß alle neu in Gips geform- te Figuren groͤßer, als die Statuen, von welchen jene genommen sind, sich vorstellen. Ein Mohr koͤnnte schoͤn heißen, wenn seine Gesichtsbildung schoͤn ist, und ein Reisender versichert Carlet. Viag. v. 7. , daß der taͤgliche Umgang mit Mohren das widrige der Farbe benimmt, und was schoͤn an ihnen ist, offenbaret; so wie die Farbe des Metalls, und des schwarzen oder gruͤnli- chen Basalts, der Schoͤnheit alter Koͤpfe nicht nachtheilig ist. Der schoͤne Weibliche Kopf in der letzten Art Stein, in der Villa Albani, wuͤrde in weißem Marmor nicht schoͤner erscheinen; der Kopf des aͤltern Scipio im Pallaste Rospigliosi, in einem dunklern Basalte, ist schoͤner, als drey andere Koͤpfe desselben in Marmor. Diesen Beyfall werden besagte Koͤpfe, nebst andern Statuen in schwarzem Steine, auch bey Ungelehrten erlangen, welche dieselben als Statuen ansehen. Es offenbaret sich also in uns eine Kenntniß des Schoͤnen auch in einer ungewoͤhnlichen Einkleidung dessel- ben, und in einer der Natur unangenehmen Farbe: es ist also die Schoͤn- heit verschieden von der Gefaͤlligkeit. b. Der beja- hende Begriff derselben. Dieses ist also, wie gesagt, verneinend von der Schoͤnheit gehan- delt, das ist, es sind die Eigenschaften, welche sie nicht hat, von derselben abgesondert, durch Anzeige unrichtiger Begriffe von derselben; ein beja- hender Begriff aber erfordert die Kenntniß des Wesens selbst, in welches wir in wenig Dingen hineinzuschauen vermoͤgend sind. Denn wir koͤnnen hier, wie in den mehresten Philosophischen Betrachtungen, nicht nach Art der Geometrie verfahren, welche vom allgemeinen auf das besondere und einzelne, und von dem Wesen der Dinge auf ihre Eigenschaften gehet und schließet, Von der Kunst unter den Griechen. schließet, sondern wir muͤßen uns begnuͤgen, aus lauter einzelnen Stuͤcken wahrscheinliche Schluͤsse zu ziehen. Die Weisen, welche den Ursachen des allgemeinen Schoͤnen nachge- dacht haben, da sie dasselbe in erschaffenen Dingen erforschet, und bis zur Quelle des hoͤchsten Schoͤnen zu gelangen gesuchet, haben dasselbe in der vollkommenen Uebereinstimmung des Geschoͤpfes mit dessen Absichten, und der Theile unter sich, und mit dem Ganzen desselben, gesetzet. Da dieses aber gleichbedeutend ist mit der Vollkommenheit, fuͤr welche die Mensch- heit kein faͤhiges Gefaͤß seyn kann, so bleibet unser Begriff von der allge- meinen Schoͤnheit unbestimmt, und bildet sich in uns durch einzelne Kennt- nisse, die, wenn sie richtig sind, gesammlet und verbunden, uns die hoͤch- ste Idee Menschlicher Schoͤnheit geben, welche wir erhoͤhen, je mehr wir uns uͤber die Materie erheben koͤnnen. Da ferner diese Vollkommenheit durch den Schoͤpfer allen Creaturen in dem ihnen zukommenden Grade ge- geben worden, und ein jeder Begriff auf einer Ursache bestehet, die außer diesem Begriffe in etwas andern gesuchet werden muß, so kann die Ursache der Schoͤnheit nicht außer ihr, da sie in allen erschaffenen Dingen ist, ge- funden werden. Eben daher, und weil unsere Kenntnisse Vergleichungs- begriffe sind, die Schoͤnheit aber mit nichts hoͤherm kann verglichen wer- den, ruͤhret die Schwierigkeit einer allgemeinen und deutlichen Erklaͤrung derselben. Die hoͤchste Schoͤnheit ist in Gott, und der Begriff der Menschlichen Schoͤnheit wird vollkommen, je gemaͤßer und uͤbereinstimmender derselbe mit dem hoͤchsten Wesen kann gedacht werden, welches uns der Begriff der Einheit und der Untheilbarkeit von der Materie unterscheidet. Dieser Begriff der Schoͤnheit ist wie ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich suchet ein Geschoͤpf zu zeugen nach dem Ebenbilde der in dem Verstande der Gottheit entworfenen ersten vernuͤnftigen Creatur. T 3 Die I Theil. Viertes Capitel. Die Formen eines solchen Bildes sind einfach und ununterbrochen, und in dieser Einheit mannigfaltig, und dadurch sind sie harmonisch; eben so wie ein suͤßer und angenehmer Ton durch Koͤrper hervorgebracht wird, deren Theile gleichfoͤrmig sind. Durch die Einheit und Einfalt wird alle Schoͤnheit erhaben, so wie es durch dieselbe alles wird, was wir wirken und reden: denn was in sich groß ist, wird, mit Einfalt ausgefuͤhret und vorgebracht, erhaben. Es wird nicht enger eingeschraͤnkt, oder verliehret von seiner Groͤße, wenn es unser Geist wie mit einem Blicke uͤbersehen und messen, und in einem einzigen Begriffe einschließen und fassen kann, sondern eben durch diese Begreiflichkeit stellet es uns sich in seiner voͤlligen Groͤße vor, und unser Geist wird durch die Fassung desselben erweitert, und zugleich mit erhaben. Denn alles, was wir getheilt betrachten muͤssen, oder durch die Menge der zusammengesetzten Theile nicht mit einmal uͤber- sehen koͤnnen, verliehret dadurch von seiner Groͤße, so wie uns ein langer Weg kurz wird durch mancherley Vorwuͤrfe, welche sich uns auf demselben darbiethen, oder durch viele Herbergen, in welchen wir anhalten koͤnnen. Diejenige Harmonie, welche unsern Geist entzuͤcket, bestehet nicht in un- endlich gebrochenen, gekettelten und geschleiften Toͤnen, sondern in einfa- chen lang anhaltenden Zuͤgen. Aus diesem Grunde erscheinet ein großer Pallast klein, wenn derselbe mit Zierrathen uͤberladen ist, und ein Haus groß, wenn es schoͤn und einfaͤltig aufgefuͤhret worden. Aus der Einheit folget eine andere Eigenschaft der hohen Schoͤnheit, die Unbezeichnung derselben, das ist, deren Formen weder durch Puncte, noch durch Linien, beschrieben werden, als die allein die Schoͤnheit bilden; folglich eine Ge- stalt, die weder dieser oder jener bestimmten Person eigen sey, noch irgend einen Zustand des Gemuͤths oder eine Empfindung der Leidenschaft aus- druͤcke, als welche fremde Zuͤge in die Schoͤnheit mischen, und die Ein- heit unterbrechen. Nach diesem Begriff soll die Schoͤnheit seyn, wie das vollkommenste Wasser aus dem Schooße der Quelle geschoͤpfet, welches, je weniger Von der Kunst unter den Griechen. weniger Geschmack es hat, desto gesunder geachtet wird, weil es von allen fremden Theilen gelaͤutert ist. So wie nun der Zustand der Gluͤckseelig- keit, das ist, die Entfernung vom Schmerze, und der Genuß der Zufrie- denheit in der Natur der allerleichteste ist, und der Weg zu derselben der geradeste, und ohne Muͤhe und Kosten kann erhalten werden, so scheinet auch die Idee der hoͤchsten Schoͤnheit am einfaͤltigsten und am leichtesten, und es ist zu derselben keine philosophische Kenntniß des Menschen, keine Untersuchung der Leidenschaften der Seele, und deren Ausdruck noͤthig. Da aber in der Menschlichen Natur zwischen dem Schmerze und dem Ver- gnuͤgen, auch nach dem Epicurus, kein mittlerer Stand ist, und die Lei- denschaften die Winde sind, die in dem Meere des Lebens unser Schiff trei- ben, mit welchen der Dichter seegelt, und der Kuͤnstler sich erhebet, so kann die reine Schoͤnheit allein nicht der einzige Vorwurf unserer Betrach- tung seyn, sondern wir muͤssen dieselbe auch in den Stand der Handlung und Leidenschaft setzen, welches wir in der Kunst in dem Worte Ausdruck begreifen. Es ist also zum ersten von der Bildung der Schoͤnheit, und zum zweyten von dem Ausdrucke zu handeln. Die Bildung der Schoͤnheit ist entweder Individuel , das ist, auf aa. Die Bil- dung der Schoͤnheit in Werken der Kunst. das einzelne gerichtet, oder sie ist eine Wahl schoͤner Theile aus vielen ein- zelnen, und Verbindung in eins, welche wir Idealisch nennen. Die Bildung der Schoͤnheit hat angefangen mit dem einzelnen Schoͤnen, in α. die In- dividuelle Schoͤnheit. Nachahmung eines schoͤnen Vorwurfs, auch in Vorstellung der Goͤtter, und es wurden auch noch in dem Flore der Kunst Goͤttinnen nach dem Ebenbilde schoͤner Weiber, so gar die ihre Gunst gemein und feil hatten, gemacht. Die Gymnasia und die Orte, wo sich die Jugend im Ringen und in andern Spielen nackend uͤbte, und wohin man gieng Aristoph. Pac. v. 761. , die schoͤne Jugend zu sehen, waren die Schulen, wo die Kuͤnstler die Schoͤnheit des Gebaͤu- I Theil. Viertes Capitel. Gebaͤudes sahen, und durch die taͤgliche Gelegenheit das schoͤnste Nackende zu sehen, wurde ihre Einbildung erhitzt, und die Schoͤnheit der Formen wurde ihnen eigen und gegenwaͤrtig. In Sparta uͤbeten sich so gar junge Maͤdgen entkleidet Aristoph. Lysistr. v. 82. Polluc. Onom. L. 4. Sect. 102. , oder fast ganz entbloͤßt Eurip. Androm. v. 598. , im Ringen. Es waren auch den Griechischen Kuͤnstlern, da sie sich mit Betrachtung des Schoͤnen anfiengen zu beschaͤftigen, die aus beyden Geschlechtern gleichsam vermischte Natur Maͤnnlicher Jugend bereits bekannt, welche die Wollust der Asia- tischen Voͤlker in wohlgebildeten Knaben, durch Benehmung der Saamen- gefaͤße hervorbrachte, um dadurch den schnellen Lauf der fluͤchtigen Jugend einzuhalten. Unter den Jonischen Griechen in Klein-Asien wurde die Schaffung solcher zweydeutigen Schoͤnheiten ein heiliger und Gottesdienst- licher Gebrauch in den verschnittenen Priestern der Cybele. In der schoͤnen Jugend fanden die Kuͤnstler die Ursache der Schoͤnheit in der Einheit, in der Mannigfaltigkeit, und in der Uebereinstimmung. Denn die Formen eines schoͤnen Koͤrpers sind durch Linien bestimmt, welche bestaͤndig ihren Mittelpunct veraͤndern, und fortgefuͤhrt niemals einen Cir- kel beschreiben, folglich einfacher, aber auch mannigfaltiger, als ein Cirkel, welcher, so groß und so klein derselbe immer ist, eben den Mittelpunct hat, und andere in sich schließet, oder eingeschlossen wird. Diese Mannigfaltig- keit wurde von den Griechen in Werken von aller Art Nicomach. Geras. Arithm. L. 2. p. 28. gesuchet, und dieses Systema ihrer Einsicht zeiget sich auch in der Form ihrer Gefaͤße und Vasen, deren svelter und zierlicher Conturn nach eben der Regel, das ist, durch eine Linie gezogen ist, die durch mehr Cirkel muß gefunden werden: denn diese Werke haben alle eine Elliptische Figur, und hierinn bestehet die Schoͤnheit derselben. Je mehr Einheit aber in der Verbindung der For- men, und in der Ausfließung einer aus der andern ist, desto groͤßer ist das Schoͤne des Ganzen. Ein schoͤnes jugendliches Gewaͤchs aus solchen For- men Von der Kunst unter den Griechen. men gebildet ist, wie die Einheit der Flaͤche des Meers, welche in einiger Weite eben und stille, wie ein Spiegel, erscheinet, ob es gleich allezeit in Be- wegung ist, und Wogen waͤlzet. Da aber in dieser großen Einheit der jugendlichen Formen die Graͤn- zen derselben unmerklich eine in die andere fließen, und von vielen der ei- gentliche Punct der Hoͤhe, und die Linie, welche dieselbe umschreibet, nicht genau kann bestimmet werden, so ist aus diesem Grunde die Zeichnung eines jugendlichen Koͤrpers, in welchem alles ist und seyn, und nicht er- scheinet und erscheinen soll, schwerer, als einer Maͤnnlichen oder betagten Figur, weil in jener die Natur die Ausfuͤhrung ihrer Bildung geendiget, folglich bestimmet hat, in dieser aber anfaͤngt, ihr Gebaͤude wiederum auf- zuloͤsen, und also in beyden die Verbindung der Theile deutlicher vor Au- gen lieget. Es ist auch kein so großer Fehler, in stark musculirten Koͤrpern aus dem Umrisse heraus zu gehen, oder die Andeutung der Muskeln und anderer Theile zu verstaͤrken, oder zu uͤbertreiben, als es die geringste Ab- weichung in einem jugendlichen Gewaͤchse ist, wo auch der geringste Schat- ten, wie man zu reden pfleget, zum Koͤrper wird; und wer nur im ge- ringsten vor der Scheibe vorbey schießt, ist eben so gut, als wenn er nicht hinan getroffen haͤtte. Diese Betrachtung kann unser Urtheil richtig und gruͤndlich machen, und die Ungelehrten, welche nur insgemein in einer Figur, wo alle Mus- keln und Knochen angedeutet sind, die Kunst mehr, als in der Einfalt der Jugend, bewundern, besser unterrichten. Einen augenscheinlichen Beweis von dem, was ich sage, kann man in geschnittenen Steinen und deren Ab- druͤcken geben, in welchen sich zeiget, daß alte Koͤpfe viel genauer und besser, als junge schoͤne Koͤpfe, von neuern Kuͤnstlern nachgemacht sind: ein Kenner koͤnnte vielleicht bey dem ersten Bilde anstehen, uͤber das Alterthum eines betagten Kopfs in geschnittenen Steinen zu urtheilen; uͤber einen Winckelm. Gesch. der Kunst . U nach- I Theil. Viertes Capitel. nachgemachten jugendlichen Idealischen Kopf wird er sicherer entscheiden koͤnnen. Ob gleich die beruͤhmte Mcdusa, welche dennoch kein Bild der hoͤchsten Schoͤnheit ist, von den besten neuern Kuͤnstlern, auch in eben der Groͤße auszudrucken gesuchet worden, so wird dennoch das Original alle- zeit kenntlich seyn; und eben dieses gilt von den Copien der Pallas des Aspasius, welche Natter in gleicher Groͤße mit dem Originale, und an- dere geschnitten haben. Man merke aber, daß ich hier bloß von Empfin- dung und Bildung der Schoͤnheit in engerem Verstande rede, nicht von der Wissenschaft im Zeichnen und im Ausarbeiten: denn in Absicht des letztern kann mehr Wissenschaft liegen, und angebracht werden in starken, als in zaͤrtlichen Figuren, und Laocoon ist ein viel gelehrteres Werk, als Apollo; Agesander, der Meister der Hauptfigur des Laocoons, mußte auch ein weit erfahrnerer und gruͤndlicherer Kuͤnstler seyn, als es der Meister des Apollo noͤthig hatte. Aber dieser mußte mit einem erhabenern Geiste, und mit einer zaͤrtlichern Seele begabet seyn: Apollo hat das Erhabene, welches im Laocoon nicht statt fand. β Die Idea- lische Schoͤn- heit. Die Natur aber und das Gebaͤude der schoͤnsten Koͤrper ist selten ohne Maͤngel, und hat Formen oder Theile, die sich in andern Koͤrpern voll- kommener finden oder denken lassen, und dieser Erfahrung gemaͤß verfuh- ren diese weise Kuͤnstler, wie ein geschickter Gaͤrtner, welcher verschiedene Absenker von edlen Arten auf einen Stamm pfropfet; und wie eine Biene aus vielen Blumen sammlet, so blieben die Begriffe der Schoͤnheit nicht auf das Individuelle einzelne Schoͤne eingeschraͤnkt, wie es zuweilen die Begriffe der alten und neuern Dichter, und der mehresten heutigen Kuͤnstler sind, sondern sie suchten das Schoͤne aus vielen schoͤnen Koͤrpern zu verei- nigen. Sie reinigten ihre Bilder von aller persoͤnlichen Neigung, welche unsern Geist von dem wahren Schoͤnen abziehet. So sind die Augenbra- nen der Liebste des Anacreons, welche unmerklich von einander getheilet seyn sollten, eine eingebildete Schoͤnheit persoͤnlicher Neigung, so wie die- j e n Von der Kunst unter den Griechen. jenige, welche Daphnis beym Theocritus Idyl. 8. v. 72. liebte, mit zusammenlausen- den Augenbranen Die Uebersetzer geben das Wort σύνοφρυς, junctis superciliis, wie es die Zusammen- setzung desselben erfordert; man koͤnnte es aber nach der Auslegung des Hesychius Stolz uͤbersetzen: Unterdessen sagt man , daß die Araber solche Augenbranen, welche zu- sammenlaufen, schoͤn finden. La Roque Moeurs \& Cout. des Arab. p. 217. . Ein spaͤterer Griechischer Dichter Coluth. hat in dem Urtheile des Paris diese Form der Augenbranen, welche er der schoͤnsten unter den drey Goͤttinnen giebt, vermuthlich aus angefuͤhrten Stellen ge- zogen. Die Begriffe unserer Bildhauer, und zwar derjenigen, die das Alte nachzuahmen vorgeben, sind im Schoͤnen einzeln und eingeschraͤnkt, wenn sie zum Muster einer großen Schoͤnheit den Kopf des Antinous waͤhlen, welcher die Augenbranen gesenkt hat, die ihm etwas herbes und melancholisches geben. Es faͤllete Bernini ein sehr ungegruͤndetes Urtheil Boldinuc. Vit. di Bernin. p. 70. , wenn er die Wahl der schoͤnsten Theile, welche Zeuxis an fuͤnf Schoͤnheiten zu Croton machete, da er eine Juno daselbst zu malen hatte, fuͤr ungereimt und fuͤr erdichtet ansah, weil er sich einbildete, ein bestimmtes Theil oder Glied reime sich zu keinem andern Koͤrper, als dem es eigen ist. Andere haben keine als Individuelle Schoͤnheiten denken koͤnnen, und ihr Lehrsatz ist: die alten Statuen sind schoͤn, weil sie der schoͤnen Natur aͤhnlich sind, und die Natur wird allezeit schoͤn seyn, wenn sie den schoͤnen Statuen aͤhnlich ist des Piles Rem. sur l’ Art de peint. de Fresnoy, p. 107. . Der vordere Satz ist wahr, aber nicht einzeln, sondern gesammlet; ( collective ) der zweyte Satz aber ist falsch: denn es ist schwer, ja fast unmoͤglich, ein Gewaͤchs zu finden, wie der Vaticanische Apollo ist. Der Geist vernuͤnftig denkender Wesen hat eine eingepflanzte Nei- gung und Begierde, sich uͤber die Materie in die geistige Sphaͤre der Be- U 2 griffe I Theil. Viertes Capitel. griffe zu erheben, und dessen wahre Zufriedenheit ist die Hervorbringung neuer und verfeinerter Ideen. Die großen Kuͤnstler der Griechen, die sich gleichsam als neue Schoͤpfer anzusehen hatten, ob sie gleich weniger fuͤr den Verstand, als fuͤr die Sinne, arbeiteten, suchten den harten Gegenstand der Materie zu uͤberwinden, und, wenn es moͤglich gewesen waͤre, dieselbe zu begeistern: dieses edle Bestreben derselben auch in fruͤheren Zeiten der Kunst gab Gelegenheit zu der Fabel von Pygmalions Statue. Denn durch ihre Haͤnde wurden die Gegenstaͤnde heiliger Verehrung hervorgebracht, welche, um Ehrfurcht zu erwecken, Bilder von hoͤheren Naturen genommen zu seyn scheinen mußten. Zu diesen Bildern gaben die ersten Stifter der Religion, welches Dichter waren, die hohen Begriffe, und diese gaben der Einbil- dung Fluͤgel, ihr Werk uͤber sich selbst und uͤber das Sinnliche zu erheben. Was konnte Menschlichen Begriffen von sinnlichen Gottheiten wuͤrdiger, und fuͤr die Einbildung reizender seyn, als der Zustand einer ewigen Jugend, und des Fruͤhlings des Lebens, wovon uns selbst das Andenken in spaͤtern Jahren froͤlich machen kann? Dieses war dem Begriffe von der Unver- aͤnderlichkeit des goͤttlichen Wesens gemaͤß, und ein schoͤnes jugendliches Gewaͤchs der Gottheit erweckte Zaͤrtlichkeit und Liebe, welche die Seele in einen suͤßen Traum der Entzuͤckung versetzen koͤnnen, worinn die menschli- che Seeligkeit bestehet, die in allen Religionen, gut oder uͤbel verstanden, gesuchet worden. Unter den Weiblichen Gottheiten wurde der Diana und der Pallas eine bestaͤndige Jungferschaft beygelegt, und die andern Goͤttinnen sollten dieselbe eingebuͤßet, wiederum erlangen koͤnnen; Juno, so oft sie sich in dem Brunnen Canathus badete. Daher sind die Bruͤste der Goͤttinnen und der Amazonen, wie an jungen Maͤdgens, denen Lucina den Guͤrtel noch nicht aufgeloͤset hat, und welche die Frucht der Liebe noch nicht empfangen haben; ich will sagen, die Warze ist auf den Bruͤsten nicht sichtbar. Es sey Von der Kunst unter den Griechen. sey denn, daß Goͤttinnen wirklich im Saͤugen vorgestellet wuͤrden, wie Isis Deser. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 17. n. 70. , welche dem Apis die Brust giebt: die Fabel aber saget Plutarch. de Is. \& Os. p. 636. l. 21. , sie habe dem Orus, an statt der Brust, den Finger in den Mund geleget, wie dieses auch auf einem geschnittenen Steine Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 16. n. 63. des Stoßischen Musei vorgestellet ist, und vermuthlich dem oben gegebenen Begriffe zu folge. Auf einem alten Gemaͤlde in dem Pallaste Barberini, welches eine Venus in Lebensgroͤße vorstellen soll, sind Warzen auf ihren Bruͤsten, und aus eben diesem Grun- de koͤnnte es keine Venus seyn. Die geistige Natur ist zugleich in ihrem leichten Gange abgebildet, und Homerus vergleichet die Geschwindigkeit der Juno im Gehen, mit dem Gedanken eines Menschen, mit welchem er durch viele entlegene Laͤnder, die er bereiset hat, durchfaͤhrt, und in einem Augenblicke saget: „Hier bin ich gewesen, und dort war ich.„ Ein Bild hiervon ist das Laufen der Atalanta, die so schnell uͤber den Sand hinflog, daß sie keinen Ein- druck der Fuͤße zuruͤck ließ; und so leicht scheinet die Atalanta auf einem Amathyste Ibid. p. 337. des Stoßischen Musei. Der Schritt des Vaticanischen Apollo schwebet gleichsam, ohne die Erde mit den Fußsohlen zu beruͤhren. Die Jugend der Goͤtter hat in beyderley Geschlecht ihre verschiedene αα. In maͤnn- lichen jugend- lichen Gott- heiten Stuffen und Alter, in deren Vorstellung die Kunst alle ihre Schoͤnheiten zu zeigen gesucht hat. Es ist dieselbe ein Ideal, theils von Maͤnnlichen schoͤnen Koͤrpern, theils von der Natur schoͤner Verschnittenen genommen, א die verschie- denen Stufen der Jugend in denselben. und durch ein uͤber die Menschheit erhabenes Gewaͤchs erhoͤhet: daher sagt Plato Sophist. p. 153. l. 26. ed Bas. , daß Goͤttlichen Bildern nicht die wirklichen Verhaͤltnisse, son- dern welche der Einbildung die schoͤnsten schienen, gegeben worden. Das בב die Faune. Unrichtiger Begriff eines Scribenten von deren Bildung. erstere Maͤnnliche Ideal hat seine verschiedenen Stuffen, und faͤngt an U 3 bey I Theil. Viertes Capitel. bey den Faunen, als niedrigen Begriffen von Goͤttern. Die schoͤnsten Sta- tuen der Faune sind ein Bild reifer schoͤner Jugend, in vollkommener Proportion, und es unterscheidet sich ihre Jugend von jungen Helden durch eine gewisse Unschuld und Einfalt: dieses war der gemeine Begriff der Griechen von diesen Gottheiten. Zuweilen aber gaben sie denselben eine ins Lachen gekehrte Mine, mit haͤngenden Warzen unter den Kinnbacken, wie an Ziegen; und von dieser Art ist einer der schoͤnsten Koͤpfe aus dem Alterthume, in Absicht der Ausarbeitung, welchen der beruͤhmte Graf Marsigli besaß; itzo stehet derselbe in der Villa Albani Es befand sich derselbe in dem Instituto zu Bologna, wo ihn Breval und Keyßler sahen, die von demselben Meldung thun. . Der schoͤne Barberinische schlafende Faun ist kein Ideal, sondern ein Bild der sich selbst gelassenen einfaͤltigen Natur. Ein neuer Scribent, welcher gebun- den und ungebunden uͤber die Malerey singet und spricht, muß niemals eine alte Figur eines Fauns gesehen haben, und von andern uͤbel berichtet seyn, wenn er als etwas bekanntes angiebt Watelet Refl. sur la Peint. p. 69. , daß der Griechische Kuͤnstler die Natur der Faune gewaͤhlet, zur Abbildung einer schweren und unbehenden Proportion, und daß man sie kenne an den großen Koͤpfen, an den kurzen Haͤlsen, an den hohen Schultern, an der kleinen und engen Brust, und an den dicken Schenkeln und Knien, und ungestalten Fuͤßen. Ist es moͤglich, sich so niedrige und falsche Begriffe von den Kuͤnstlern des Alterthums zu machen! Dieses ist eine Ketzerey in der Kunst, die sich zuerst in dem Ge- hirne des Verfassers erzenget hat. Ich weis nicht, haͤtte er mit dem Cotta beym Cicero de Nat. deor. L. 3. c. 6. sagen sollen, was ein Faun ist. בב Die Ju- gend und Bil- dung des Apol- lo: eines schoͤ- nen Genius in der Villa Borghese. Der hoͤchste Begriff Idealischer Maͤnnlicher Jugend ist sonderlich im Apollo gebildet, in welchem sich die Staͤrke vollkommener Jahre mit den sanften Formen des schoͤnsten Fruͤhlings der Jugend vereinigt findet. Diese Von der Kunst unter den Griechen. Diese Formen sind in ihrer jugendlichen Einheit groß, und nicht wie an einem in kuͤhlen Schatten gehenden Lieblinge, und welchen die Venus, wie Ibycus sagt, auf Rosen erzogen, sondern einem edlen, und zu großen Ab- sichten gebornen Juͤnglinge gemaͤß: daher war Apollo der schoͤnste unter den Goͤttern. Auf dieser Jugend bluͤhet die Gesundheit, und die Staͤrke mel- det sich, wie die Morgenroͤthe zu einem schoͤnen Tage. Ich behaupte aber nicht, daß alle Statuen des Apollo diese hohe Schoͤnheit haben: denn selbst der von unsern Kuͤnstlern so hoch geschaͤtzte und vielmals auch in Mar- mor copirte Apollo in der Villa Medicis ist, wenn ich es ohne Verbrechen sagen darf, schoͤn von Gewaͤchs, aber in einzelnen Theilen, als an Knien und Beinen, unter dem Vorzuͤglichen. Hier wuͤnschte ich eine Schoͤnheit be- schreiben zu koͤnnen, dergleichen schwerlich aus Menschlichem Gebluͤte erzeu- get worden: es ist ein gefluͤgelter Genius in der Villa Borghese, in der Groͤße eines wohlgemachten Juͤnglings. Wenn die Einbildung mit dem einzelnen Schoͤnen in der Natur angefuͤllet, und mit Betrachtung der von Gott ausfließenden und zu Gott fuͤhrenden Schoͤnheit beschaͤftiget, sich im Schlafe die Erscheinung eines Engels bildete, dessen Angesicht von Goͤtt- lichem Lichte erleuchtet waͤre, mit einer Bildung, die ein Ausfluß der Quelle der hoͤchsten Uebereinstimmung schien, in solcher Gestalt stelle sich der Leser dieses schoͤne Bild vor. Man koͤnnte sagen, die Natur habe diese Schoͤn- heit, mit Genehmhaltung Gottes, nach der Schoͤnheit der Engel gebildet Dieses ist diejenige Figur, von welcher Flaminio Vacca redet: er glaubt, es sey ein Apollo, aber mit Fluͤgeln. Montfaucon hat denselben nach einer abscheuli- lichen Zeichnung stechen lassen. Montfauc. Diar. Ital. p. 193. Antiq. expl. T. I. pl. 115. n. 6. . Die schoͤne Jugend im Apollo gehet nachdem in andern Goͤttern גג Die Ju- gend anderer Goͤtter, son- derlich des Mars Unrich- tiger Begriff eines Seriben- ten von dessen Bildung. stuffenweis zu ausgefuͤhrtern Jahren, und ist Maͤnnlicher im Mercurius, und im Mars; aber nimmermehr ist es einem Kuͤnstler des Alterthums einge- fallen, den Mars, wie ihn der vorher getadelte Scribent haben wollte, vorzu- I Theil. Viertes Capitel. vorzustellen, das ist, an welchem das geringste Faͤserchen die Staͤrke, die Kuͤhnheit, und das Feuer, welches ihn erreget, ausdruͤcke Watelet de la Peint. Chant. 1. p. 13. : ein solcher Mars findet sich nicht im ganzen Alterthume. Die drey schoͤnsten Figuren desselben sind in der Villa Ludovisi Maffei Stat. n. 66. in Lebensgroͤße, welcher sitzet, und die Liebe zu den Fuͤßen stehen hat: an demselben ist, wie in allen goͤttlichen Figuren, keine Nerve noch Ader sichtbar; auf einem der zween schoͤnen Leuch- ter von Marmor im Pallaste Barberini, und auf dem im vorigen Capitel beschriebenen runden Werke im Campidoglio, ist er stehend. Alle drey aber sind im Juͤnglingsalter, und im ruhigen Stande und Handlung vorgestel- let: als ein solcher junger Held findet er sich auf Muͤnzen, und auf geschnit- tenen Steinen. Wenn sich aber ein baͤrtiger Mars auf andern Muͤnzen, und auf geschnittenen Steinen Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 159. seq. findet, so waͤre ich fast der Meynung, daß dieser denjenigen Mars vorstelle, welchen die Griechen Ενυάλιος nen- nen, der von jenem, dem Obern Mars Sophoc. Aj. v. 179. , verschieden, und dessen Gehuͤl- דד Die Ju- gend des Her- cules. fe Bergler. Not. in Aristoph. Pac. v. 456. war. Hercules findet sich ebenfalls in der schoͤnsten Jugend vorge- stellet, mit Zuͤgen, welche den Unterscheid des Geschlechts fast zweydeutig lassen, wie nach der Meynung der mit ihrer Gunst willfaͤhrigen Glycera Athen. Deipn. L. 13. p. 605. D. die Schoͤnheit eines jungen Menschen seyn sollte; und also ist er auf einem Carniole Descr. \&c. p. 337. des Stoßischen Musei geschnitten. Mehrentheils aber waͤch- set dessen Stirn an mit einer ruͤndlichen feisten Voͤlligkeit, welche den Au- genknochen woͤlbet und gleichsam aufblaͤhet, zu Andeutung seiner Staͤrke und bestaͤndigen Arbeit in Unmuth, welche, wie der Dichter sagt Il. έ. v. 550. 642. , das Herz aufschwellet. הה Die Ju- gend veꝛschnit- tener Naturen im Bacchus. Die zwote Art Idealischer Jugend von verschnittenen Naturen ge- nommen, ist mit der Maͤnnlichen Jugend vermischt im Bacchus gebildet, und Von der Kunst unter den Griechen. und in dieser Gestalt erscheinet derselbe in verschiedenem Alter bis zu einem vollkommenen Gewaͤchse, und in den schoͤnsten Figuren allezeit mit feinen und rundlichen Gliedern, und mit voͤlligen und ausschweifenden Huͤften des Weiblichen Geschlechts. Die Formen sind sanft und fluͤßig wie mit ei- nem gelinden Hauche geblasen, fast ohne Andeutung der Knoͤchel und der Knorpel an den Knien, so wie diese in der schoͤnsten Natur eines Knabens und in Verschnittenen gebildet sind. Das Bild des Bacchus ist ein schoͤner Knabe, welcher die Graͤnzen des Fruͤhlings des Lebens und der Juͤng- lingschaft betritt, bey welchem die Regung der Wollust wie die zarte Spitze einer Pflanze zu keimen anfaͤngt, und welcher wie zwischen Schlummer und Wachen, in einem entzuͤckenden Traume halb versenkt, die Bilder dessel- ben zu sammlen, und sich wahr zu machen anfaͤngt: seine Zuͤge sind voller Suͤßigkeit, aber die froͤliche Seele tritt nicht ganz ins Gesicht. In eini- gen Statuen des Apollo ist die Bildung desselben einem Bacchus sehr aͤhn- lich, und von dieser Art ist der Apollo, welcher sich nachlaͤßig wie an einen Baum lehnet, mit einem Schwane unter sich, im Campidoglio, und in drey aͤhnlichen gleich schoͤnen Figuren in der Villa Medicis: denn in einer von diesen Gottheiten wurden zuweilen beyde verehret Macrob. Saturn. L. 1. c. 18. 19. \& 21. , und einer wurde an statt des andern genommen. Ich kann fast nicht ohne Thraͤnen einen verstuͤmmelten Bacchus, welcher neun Palme hoch seyn wuͤrde, in der Villa Albani, betrachten, an welchem der Kopf und die Brust, nebst den Armen, fehlen. Es ist derselbe von dem Mittel des Koͤrpers an bis auf die Fuͤße bekleidet, oder besser zu reden, es ist sein Gewand oder Mantel bis unter die Natur herab gesunken, und dieses weitlaͤuftige und von Fal- ten reiche Gewand ist zusammengefasset, und dasjenige, was auf die Erde herunter haͤngen wuͤrde, ist uͤber den Zweig eines Baums geworfen, an welchen die Figur gelehnet stehet; um den Baum hat sich Ephen geschlun- Winckelm. Gesch. der Kunst . X gen, I Theil. Viertes Capitel. gen, und eine Schlange herum geleget. Keine einzige Figur giebt einen so hohen Begriff von dem, was Anacreon einen Bauch des Bacchus nennet. ββ Schoͤn- heit der Gott- heiten maͤnnl. Alters, und der Unterschied ei- nes menschl. und vergoͤtter- ten Hercules gezeiget. Die Schoͤnheit der Gottheiten im maͤnnlichen Alter bestehet in einem Inbegriffe der Staͤrke gesetzter Jahre, und der Froͤlichkeit der Jugend, und diese bestehet hier in dem Mangel der Nerven und Sehnen, welche sich in der Bluͤthe der Jahre wenig aͤußern. Hierinn aber liegt zugleich ein Ausdruck der goͤttlichen Genugsamkeit, welche die zur Nahrung unsers Koͤrpers bestimmte Theile nicht von noͤthen hat; und dieses erlaͤutert des Epi- curus Meynung von der Gestalt der Goͤtter, denen er einen Koͤrper, aber gleich- sam einen Koͤrper, und Blut, aber gleichsam Blut, giebt, welches Cicero De Nat. deor. L. 1. c. 18. \& 25. dunkel und unbegreiflich gesagt findet. Das Daseyn und der Mangel dieser Theile unterscheiden einen Hercules, welcher wider ungeheure und gewaltsame Menschen zu streiten hatte, und noch nicht an das Ziel seiner Arbeiten ge- langet war, von dem mit Feuer gereinigten, und zu dem Genuß der See- ligkeit des Olympus erhabenen Koͤrper desselben; jener ist in dem Farne- sischen Hercules, und dieser in dem verstuͤmmelten Sturze desselben im Belvedere vorgestellet. Hieraus offenbaret sich an Statuen, die durch den Verlust des Kopfs und anderer Zeichen zweydeutig seyn koͤnnten, ob dieselbe einen Gott, oder einen Menschen vorstellen, und diese Betrachtung haͤtte lehren koͤnnen, daß man eine Herculanische sitzende Statue uͤber Le- bensgroͤße, durch einen neuen Kopf und durch beygelegte Zeichen nicht haͤtte in einen Jupiter verwandeln sollen. Mit solchen Begriffen wurde die Natur vom Sinnlichen bis zum Unerschaffenen erhoben, und die Hand der Kuͤnstler brachte Geschoͤpfe hervor, die von der Menschlichen Noth- durft gereiniget waren; Figuren, welche die Menschheit in einer hoͤheren Wuͤrdigkeit vorstellen, die Huͤllen und Einkleidungen bloß denkender Gei- ster und himmlischer Kraͤfte zu seyn scheinen. So Von der Kunst unter den Griechen. So wie nun die Alten stuffenweis von der Menschlichen Schoͤnheit γγ Begriff der Schoͤnheit in den Figuren der Helden, und irriger Begriff eines Scribenten von denselben. bis an die Goͤttliche hinauf gestiegen waren, so blieb diese Staffel der Schoͤnheit. In ihren Helden, das ist, in Menschen, denen das Alter- thum die hoͤchste Wuͤrdigkeit unserer Natur gab, naͤherten sie sich bis an die Graͤnzen der Gottheit, ohne dieselben zu uͤberschreiten, und den sehr fei- nen Unterschied zu vermischen. Battus auf Muͤnzen von Cyrene wuͤrde durch einen einzigen Blick zaͤrtlicher Lust einen Bacchus, und durch einen Zug von Goͤttlicher Großheit einen Apollo abbilden koͤnnen: Minos auf Muͤnzen von Gnossus wuͤrde ohne einen stolzen koͤniglichen Blick einem Jupiter voll Huld und Gnade aͤhnlich sehen. Die Formen bildeten sie an Helden heldenmaͤßig, und gaben gewissen Theilen eine mehr große als natuͤrl. Erhobenheit; in den Muskeln legten sie eine schnelle Wirkung und Re- gung, und in heftigen Handlungen setzten sie alle Triebfedern der Natur in Bewegung. Die Absicht hiervon war die moͤgliche Mannigfaltigkeit, welche sie suchten, und in derselben soll Myron alle seine Vorgaͤnger uͤber- troffen haben. Dieses zeiget sich auch sogar an dem sogenannten Fechter des Agasias von Ephesus, in der Villa Borghese, dessen Gesicht offenbar nach der Aehnlichkeit einer bestimmten Person gebildet worden: die saͤgfoͤr- migen Muskeln in den Seiten sind unter andern erhabener, ruͤhrender, und elastischer, als in der Natur. Noch deutlicher aber laͤßt sich dieses zeigen an eben diesen Muskeln am Laocoon, welcher eine durch das Ideal erhoͤ- hete Natur ist, verglichen mit diesem Theile des Koͤrpers an vergoͤtterten und Goͤttlichen Figuren, wie der Hercules und Apollo im Belvedere sind. Die Regung dieser Muskeln ist am Laocoon uͤber die Wahrheit bis zur Moͤglichkeit getrieben, und sie liegen wie Huͤgel, welche sich in einander schließen, um die hoͤchste Anstrengung der Kraͤfte im Leiden und Wider- streben auszudruͤcken. In dem Rumpfe des vergoͤtterten Hercules ist in eben diesen Muskeln eine hohe Idealische Form und Schoͤnheit; aber sie sind wie das Wallen des ruhigen Meers, fließend erhaben, und in einer X 2 sanften I Theil. Viertes Capitel. sanften abwechselnden Schwebung. Im Apollo, dem Bilde der schoͤnsten Gottheit, sind diese Muskeln gelinde, und wie ein geschmolzen Glas in kaum sichtbare Wellen geblasen, und werden mehr dem Gefuͤhle, als dem Gesichte, offenbar. Der Leser verzeihe mir, wenn ich wiederum jenem Dichter von der Malerey, sein falsches Vorurtheil zeigen muß. Es setzet derselbe unter vielen ungegruͤndeten Eigenschaften der Natur der vor ihm sogenannten Halbgoͤtter und Helden, in Werken der alten Kunst, von Fleische abge- fallene Glieder, duͤrre Beine, einen kleinen Kopf, kleine Huͤften, einen kleinen Bauch, kleinliche Fuͤße, und eine hohle Fußsohle Watelet Refl. sur la peint. p. 69. . Woher in der Welt sind demselben diese Erscheinungen kommen! Haͤtte er doch schrei- ben moͤgen, was er besser verstanden! δ δ Begriff der Schoͤnheit in Weiblichen Gottheiten. Unter den Weiblichen Gottheiten sind, wie an den Maͤnnlichen, ver- schiedene Alter, und auch verschiedene Begriffe der Schoͤnheit, wenigstens in den Koͤpfen, zu bemerken, weil nur allein die Venus ganz unbekleidet ist: diese findet sich haͤufiger, als andere Goͤttinnen, vorgestellet, und in ver- schiedenem Alter. Die Mediceische Venus zu Florenz ist einer Rose gleich, die nach einer schoͤnen Morgenroͤthe, beym Aufgang der Sonnen, aufbricht, und die aus dem Alter tritt, welches, wie Fruͤchte vor der voͤlligen Reife, hart und herblich ist, wie selbst ihr Busen meldet, welcher schon ausgebrei- teter ist, als an zarten Maͤdgens. Bey dem Stande derselben stelle ich mir diejenige Lais vor, die Apelles im Lieben unterrichtete, und ich bilde mir dieselbe so, wie sie sich das erstemal vor den Augen des Kuͤnstlers ent- kleiden muͤssen. Die Venus im Campidoglio Mus. Capit. T. 3. tav. 19. , welche besser, als alle an- dere, erhalten ist, (denn es fehlen nur einige Finger, und es ist nichts an derselben gebrochen) eine andere in der Villa Albani, und die Venus von Meno- Von der Kunst unter den Griechen. Menophantus nach der, welche zu Troas stand, copiret Dieses saget folgende Inschrift auf einem Wuͤrfel zu den Fuͤßen der Venus, auf wel- chem das Gewand, welches sie vor dem Unterleib haͤlt, herunter faͤllt. Α ΟΤΗϹ ΕΝΤΡω Α ΔΙ Α ΦΡΟΔΙΤΗϹ ΜΗΝΟΦ Α ΝΤΟϹ ΕΠΟΙΕΙ Von diesem Kuͤnstler aber haben wir so wenig, als von seinem Originale, Nachrich Troas lag in der Trojanischen Landschaft, sonst auch Alexandria und Antigone ge- nannt, und wir finden einen Sieger angefuͤhret, welcher in den großen Spielen in Griechenland den ersten Preis erhalten. Ueber die Form der Buchstaben sehe man, was ich im folgenden Stuͤcke dieses Capitels bey der ohnlaͤngst gefundenen Statue mit dem Namen Sardanapalus erinnert habe. conf. Scalig. Poet. L. 1. c. 24. p. 40. , haben eben den Stand; diese mit dem Unterschiede, daß die rechte Hand dem Busen naͤher ist, von welcher der mittlere Finger das Mittel der Bruͤste beruͤhrete, und die linke Hand haͤlt ein Gewand. Diese aber sind schon in einem rei- feren Alter gebildet, auch groͤßer, als die Mediceische. Ein Gewaͤchs in schoͤnen Jahren hat die Thetis in Lebensgroͤße, in der Villa Albani, die hier in dem Alter, da sie mit dem Peleus vermaͤhlet wurde, erscheinet. Pallas hingegen ist allezeit Jungfrau, von vollendetem Wachsthume, und in reifem Alter; und Juno zeiget sich als Frau und Goͤttinn uͤber andere erhaben, im Gewaͤchse so wohl, als koͤniglichem Stolze. Die Schoͤnheit in dem Blicke der großen rundgewoͤlbten Augen der Juno ist gebieterisch, wie in einer Koͤniginn, die herrschen will, verehrt seyn, und Liebe erwecken muß: der schoͤnste Kopf derselben ist Colossalisch, in der Villa Ludovisi. Pallas, ein Bild jungfraͤulicher Zuͤchtigkeit, welche alle Weibliche Schwaͤ- che ausgezogen, ja die Liebe selbst besieget, hat die Augen maͤßiger gewoͤl- bet, und weniger offen; ihr Haupt erhebet sich nicht stolz, und ihr Blick ist etwas gesenkt, wie in stiller Betrachtung: die schoͤnste Figur derselben X 3 ist I Theil. Viertes Capitel. ist in der Villa Albani. Venus aber hat einen von beyden Goͤttinnen derschiedenen Blick, welchen sonderlich das untere in etwas erhobene Au- genlied verursachet, wodurch das Liebaͤugelnde und das Schmachtende in den sanft geoͤffneten Augen gebildet wird, welches die Griechen τὸ ὑγρὸν nennen: sie ist aber ferne von allen geilen Gebaͤhrden der Neueren, weil die Liebe als ein Beysitzer der Weisheit Eurip. Med. v. 843. auch von den besten Kuͤnstlern der Alten angesehen wurde. Diana ist mit allen Reizungen ihres Ge- schlechts begabt, ohne sich derselben bewußt zu scheinen: denn da sie im Laufen oder im Gehen vorgestellet ist, so gehet ihr Blick gerade vorwerts, und in die Weite uͤber alle nahe Vorwuͤrfe hinweg. Sie erscheinet alle- zeit als Jungfrau, wie diese, mit Haaren auf dem Wirbel gebunden conf. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 75. 76. , oder auch lang vom Kopfe; ihr Gewaͤchs ist daher leichter und geschlanker, als der Juno, und auch als der Pallas: es wuͤrde eine verstuͤmmelte Dia- na unter andern Goͤttinnen eben so kenntlich seyn, als sie es ist beym Ho- merus, unter allen ihren schoͤnen Oreaden. γ Allgemeine Betrachtung uͤber die Idea- lische Schoͤn- heit. Von den hohen Begriffen in Koͤpfen der Gottheiten kann alle Welt sich einen Begriff machen, aus Muͤnzen und geschnittenen Steinen, oder deren Abdruͤcken, welche in Laͤndern zu haben sind, wohin niemals ein vorzuͤgliches Werk eines Griechischen Meißels gekommen ist. Kaum reicht ein Jupiter in Marmor an die Majestaͤt desjenigen, welcher auf Muͤnzen Koͤnigs Philippus, Ptolemaͤus des ersten, und des Pyrrhus zu Thasus, gepraͤget ist: der Kopf der Proserpina auf zwo verschiedenen sil- bernen Muͤnzen des koͤniglichen Farnesischen Musei zu Neapel, uͤbersteiget alle Einbildung. Die Bildung der Goͤtter war unter allen Griechischen Kuͤnstlern so allgemein bestimmet, daß dieselbe scheinet durch ein Gesetz vor- geschrieben zu seyn: ein Kopf eines Jupiters auf Muͤnzen in Jonien, oder von Dorischen Griechen gepraͤget, ist einem Jupiter auf Sicilianischen Muͤnzen Von der Kunst unter den Griechen. Muͤnzen vollkommen aͤhnlich; der Kopf des Apollo, des Mercurius, des Bacchus, und eines Liber Pater , eines jugendlichen und alten Hercules, sind auf Muͤnzen und Steinen so wohl, als an Statuen, nach einer und eben derselben Idee. Das Gesetz waren die schoͤnsten Bilder der Goͤtter, von den groͤßten Kuͤnstlern hervorgebracht, die ihnen durch besondere Er- scheinungen geoffenbaret zu seyn geglaubet wurden, so wie sich Parrhasius ruͤhmete, daß ihm Bacchus erschienen sey, in der Gestalt, in welcher er ihn gemalet. Der Jupiter des Phidias, die Juno des Polycletus, eine Venus des Alcamenes, und nachher des Praxiteles, werden allen ihren Nachfolgern die wuͤrdigsten Urbilder gewesen, und in dieser Gestalt von allen Griechen angenommen und verehret worden seyn. Unterdessen kann die hoͤchste Schoͤnheit, wie Cotta beym Cicero de Nat. dcor. L. 1. c. 29. sagt, auch den Goͤttern nicht in gleichem Grade gegeben werden, und in dem allervollkommensten Gemaͤlde von viel Figuren, sind nicht lauter Schoͤnheiten zu bilden, so wenig als in einem Trauerspiele alle Personen Helden seyn koͤnnen. Nach der Betrachtung uͤber die Bildung der Schoͤnheit ist zum zwey- bb. Von dem Ausdrucke in der Schoͤnheit sowohl in Ge baͤhrden, als in der Hand lung. ten von dem Ausdrucke zu reden. Der Ausdruck ist eine Nachahmung des wirkenden und leidenden Zustandes unserer Seele, und unsers Koͤrpers, und der Leidenschaften so wohl, als der Handlungen. In beyden Zustaͤn- den veraͤndern sich die Zuͤge des Gesichts, und die Haltung des Koͤrpers, folglich die Formen, welche die Schoͤnheit bilden, und je groͤßer diese Ver- aͤnderung ist, desto nachtheiliger ist dieselbe der Schoͤnheit. Die Stille ist derjenige Zustand, welcher der Schoͤnheit, so wie dem Meere, der eigent- lichste ist, und die Erfahrung zeiget, daß die schoͤnsten Menschen von stil- lem gesitteten Wesen sind. Es kann auch der Begriff einer hohen Schoͤn- heit nicht anders erzeuget werden, als in einer stillen und von allen ein- zelnen Bildungen abgerufenen Betrachtung der Seele. In solcher Stille bildet I Theil. Viertes Capitel. bildet uns der große Dichter den Vater der Goͤtter, welcher allein durch das Winken seiner Augenbranen, und durch das Schuͤtteln seiner Haare, den Himmel bewegte; und so ungeruͤhrt von Empfindungen sind die meh- resten Bilder der Goͤtter; daher die hohe Schoͤnheit dem angefuͤhrten Ge- nius in der Villa Borghese nur in diesem Zustande zu geben war. Da aber im Handeln und Wirken die hoͤchste Gleichguͤltigkeit nicht statt findet, und Goͤttliche Figuren Menschlich vorzustellen sind, so konnte auch in die- sen der erhabenste Begriff der Schoͤnheit nicht bestaͤndig gesuchet und er- halten werden. Aber der Ausdruck wurde derselben gleichsam zugewaͤget, und die Schoͤnheit war bey den alten Kuͤnstlern die Zunge an der Waage des Ausdrucks, und als die vornehmste Absicht derselben, wie das Cimbal in einer Music, welches alle andere Instrumente, die jenes zu uͤbertaͤuben scheinen, regieret. α Im Va- ticanischen Apollo. Der Vaticanische Apollo sollte diese Gottheit vorstellen, in Unmuth uͤber den Drachen Python, welchen er mit seinem Pfeile erlegte, und zu- gleich in Verachtung dieses fuͤr einen Gott geringen Sieges. Der weise Kuͤnstler, welcher den schoͤnsten der Goͤtter bilden wollte, setzte nur den Zorn in der Nase, wo der Sitz derselben, nach den alten Dichtern, ist, die Verachtung auf den Lippen: diese hat er ausgedruͤcket, durch die hin- aufgezogene Unterlippe, wodurch sich zugleich das Kinn erhebet, und jener aͤußert sich in den aufgeblaͤheten Nuͤsten der Nase. β Von dem Stande der Figuren Maͤnnlicher Gottheiten. Stand und Handlungen sind allezeit der Wuͤrdigkeit der Goͤtter ge- maͤß, und man findet keine Gottheit, als etwa den Bacchus, und einen gefluͤgelten Genius in der Villa Albani, mit uͤbereinander geschlagenen Beinen stehen, welcher Stand bey jenem ein Ausdruck der Weichlichkeit ist. Ich glaube also nicht, daß diejenige Statue zu Elis, welche mit uͤbereinandergeschlagenen Beinen stand, und sich mit beyden Haͤnden an einen Spieß lehnete, einen Neptunus vorgestellet, wie man den Pau- sanias Von der Kunst unter den Griechen. sanias L. 6. p. 517. l. 13. glauben machte Die Uebersetzer haben die Redensart, τὸν ἕτερον τῶν ποδῶν ἐπιπλέκων τῷ ἑτέρῳ, nicht recht verstanden; es heißt nicht pedem pede premere, einen Fuß auf den andern setzen , sondern ist im Latein mit decussatis pedibus, und im italieni- schen mit gambe incrociate zu geben. . Ein Mercurius in Lebensgroͤße von Erzt, im Pallaste Farnese, stehet also; man muß aber auch wissen, daß es ein Werk neuerer Zeiten ist. Die Faune, unter welchen zween der schoͤnsten im Pallaste Ruspoli sind, haben den einen Fuß ungelehrt, und gleichsam baͤurisch, hinter dem andern gesetzt, zu Andeutung ihrer Natur; und eben so stehet der junge Apollo Sauroctonos zweymal von Marmor in der Villa Borghese, und von Erzt in der Villa Albani; dieser stellet ihn ver- muthlich vor, wie er bey dem Koͤnige Admetus als Hirt dienete. Mit eben dieser Weisheit verfuhren die alten Kuͤnstler in Vorstellung γ Von dem Ausdrucke in Figuren aus der Heldenzeit, insbesondere an der Niobe und am Laoco- on betrachtet. der Figuren aus der Heldenzeit, und bloß Menschlicher Leidenschaften, die allezeit der Fassung eines weisen Mannes gemaͤß sind, welcher die Auf- wallung der Leidenschaften unterdruͤcket, und von dem Feuer nur die Funken sehen laͤßt; das verborgene in ihm suchet, der ihn verehret, oder entdecken will, zu erforschen. Eben dieser Fassung ist auch dessen Rede gemaͤß; daher Homerus die Worte des Ulysses mit Schnee-Flocken ver- gleichet, welche haͤufig, aber sanft, auf die Erde fallen. In Vorstellung der Helden ist dem Kuͤnstler weniger, als dem Dich- ter, erlaubet: dieser kann sie malen nach ihren Zeiten, wo die Leidenschaften nicht durch die Regierung, oder durch den gekuͤnstelten Wohlstand des Le- bens, geschwaͤchet waren, weil die angedichteten Eigenschaften zum Alter und zum Stande des Menschen, zur Figur desselben aber keine nothwen- dige Verhaͤltniß haben. Jener aber, da er das schoͤnste in den schoͤnsten Bildungen waͤhlen muß, ist auf einen gewissen Grad des Ausdrucks der Leidenschaften eingeschraͤnkt, die der Bildung nicht nachtheilig werden soll. Winckelm. Gesch. der Kunst. Y Von I Theil. Viertes Capitel. Von dieser Betrachtung kann man sich in zweyen der schoͤnsten Werke des Alterthums uͤberzeugen, von welchen das eine ein Bild der Todes- furcht, das andere des hoͤchsten Leidens und Schmerzens ist. Die Toͤch- ter der Niobe, auf welche Diana ihre toͤdtlichen Pfeile gerichtet, sind in dieser unbeschreiblichen Angst, mit uͤbertaͤubter und erstarreter Empfindung vorgestellet, wenn der gegenwaͤrtige Tod der Seele alles Vermoͤgen zu denken nimmt; und von solcher entseelten Angst giebt die Fabel ein Bild durch die Verwandlung der Niobe in einen Felsen: daher fuͤhrete Aeschylus die Niobe stillschweigend auf in seinem Trauerspiele Schol. ad Aesch. Prom. v. 435. . Ein solcher Zu- stand, wo Empfindung und Ueberlegung aufhoͤret, und welcher der Gleich- guͤltigkeit aͤhnlich ist, veraͤndert keine Zuͤge der Gestalt und der Bildung, und der große Kuͤnstler konnte hier die hoͤchste Schoͤnheit bilden, so wie er sie gebildet hat: denn Niobe und ihre Toͤchter sind und bleiben die hoͤchsten Ideen derselben. Laocoon ist ein Bild des empfindlichsten Schmerzens, welcher hier in allen Muskeln, Nerven und Adern wirket; das Gebluͤt ist in hoͤchster Wallung durch den toͤdtlichen Biß der Schlangen, und alle Theile des Koͤrpers sind leidend und angestrenget ausgedruͤckt, wodurch der Kuͤnstler alle Triebfedern der Natur sichtbar gemachet, und seine hohe Wissenschaft und Kunst gezeiget hat. In Vorstellung dieses aͤußersten Leidens aber erscheinet der gepruͤfete Geist eines großen Mannes, der mit der Noth ringet, und den Ausbruch der Empfindung einhalten und unter- druͤcken will, wie ich in Beschreibung dieser Statue im zweyten Theile dem Leser habe suchen vor Augen zu stellen. Auch den Philoctetes, Quod ejulatu, questu, gemitu, fremitibus Resonando multum, flebiles voces refert, Ennius ap. Clc. de Fin. L. 2. c. 29. werden die weisen Kuͤnstler mehr nach den Grundsaͤtzen der Weisheit, als nach dem Bilde der Dichter, vorgestellet haben. Der rasende Ajax des be- ruͤhmten Von der Kunst unter den Griechen. ruͤhmten Malers Timomachus war nicht im Schlachten der Widder vorge- stellet, die er fuͤr Heerfuͤhrer der Griechen ansah, sondern nach geschehe- ner That Philostr. Vit. Apollon. L. 2. c. 10. , und da er zu sich selbst kam, und voller Verzweifelung und niedergeschlagen sitzend, sein Vergehen uͤberdachte; und so ist er auf dem Trojanischen Marmor conf. Defcr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 384. im Campidoglio gebildet. Die Kinder der Me- dea in dem Gemaͤlde gedachten Kuͤnstlers laͤchelten unter dem Dolche ihrer Mutter, deren Wuth mit Mitleiden uͤber ihre Unschuld vermischet war. Beruͤhmte Maͤnner und regierende Personen sind in einer wuͤrdigen Fassung vorgestellet, und wie dieselben vor den Augen aller Welt erscheinen wuͤrden; die Statuen Roͤmischer Kaiserinnen gleichen Heldinnen, entfernt von aller gekuͤnstelten Artigkeit in Gebaͤhrden, Stande und Handlungen: wir sehen in ihnen gleichsam die sichtliche Weisheit, welche Plato fuͤr kei- nen Vorwurf der Sinne haͤlt. So wie die zwo beruͤhmten Schulen der alten Weltweisen, in einem der Natur gemaͤßen Leben, die Stoiker in dem Wohlstande, das hoͤchste Gut setzeten, so war auch hier ihrer Kuͤnstler Beobachtung auf die Wirkungen der sich selbst gelassenen Natur, und auf die Wohlanstaͤndigkeit gerichtet. Die Weisheit der alten Kuͤnstler im Ausdrucke zeiget sich in mehre- δ Erinnerung uͤber den Aus- druck neuerer Kuͤnstler. rem Lichte durch das Gegentheil in den Werken des groͤßten Theils der Kuͤnstler neuerer Zeiten, welche nicht viel mit wenigen, sondern wenig mit viel angedeutet haben. Ihre Figuren sind in Handlungen, wie die Co- mici auf den Schauplaͤtzen der Alten, welche, um sich bey hellem Tage auch dem geringsten vom Poͤbel an dem aͤußersten Ende verstaͤndlich zu machen, die Wahrheit uͤber ihre Graͤnzen aufblaͤhen muͤssen, und der Aus- druck des Gesichts gleichet den Masken der Alten, die aus eben dem Grun- de ungestaltet waren. Dieser uͤbertriebene Ausdruck wird selbst in einer Schrift, die in den Haͤnden junger Anfaͤnger in der Kunst ist, gelchret, Y 2 nemlich I Theil. Viertes Capitel. nemlich in Carls le Bruͤn Abhandlung von den Leidenschaften. In den Zeichnungen zu denselben ist nicht allein der aͤußerste Grad der Leidenschaf- ten in den Gesichtern geleget, sondern in etlichen sind dieselben bis zur Ra- serey vorgestellet. Man glaubet den Ausdruck zu lehren auf die Art, wie Diogenes lebete; ich mache es, sagte er, wie die Musici, welche, um in den rechten Ton zu kommen, im Anstimmen hoch angeben. Aber da die feurige Jugend geneigter ist, die aͤußersten Enden, als das Mittel zu er- greifen, so wird sie auf diesem Wege schwerlich in den wahren Ton kom- men, da es schwer ist, dieselbe darinn zu erhalten. cc Von der Proportion. Nach der allgemeinen Betrachtung der Schoͤnheit ist zum ersten von α Allgemein. der Proportion, und zum zweyten von der Schoͤnheit einzelner Theile des Menschlichen Koͤrpers, zu reden. Der Bau des Menschlichen Koͤrpers be- stehet aus der dritten, als der ersten ungleichen Zahl, welches die erste Verhaͤltnißzahl ist: denn sie enthaͤlt die erste gerade Zahl und eine andere in sich, welche beyde mit einander verbindet. Zwey Dinge koͤnnen, wie Plato sagt in Timaco, p. 477. lin. ult. ed. Bas. , ohne ein drittes nicht bestehen; das beste Band ist dasjenige, welches sich selbst und das verbundene auf das beste zu eins machet, so daß sich das erste zu dem zweyten verhaͤlt, wie dieses zu dem Mittlern. Daher ist in dieser Zahl Anfang, Mittel und Ende, und durch die Zahl drey sind, wie die Pythagoraͤer lehren Aristot. de cael. \& mund. L. 1. , alle Dinge bestimmet. Der Koͤrper so wohl, als die vornehmsten Glieder, haben drey Theile: an jenem sind es der Leib, die Schenkel, und die Beine; das Untertheil sind die Schenkel, die Beine und Fuͤße; und so verhaͤlt es sich mit den Armen, Haͤnden und Fuͤßen. Eben dieses ließe sich von einigen andern Theilen, welche nicht so deutlich aus dreyen zusammengesetzet sind, zeigen. Das Verhaͤltniß unter diesen drey Theilen ist im Ganzen wie in dessen Theilen, Von der Kunst unter den Griechen. Theilen, und es wird sich an wohlgebaueten Menschen der Leib, nebst dem Kopfe, zu den Schenkeln und Beinen mit den Fuͤßen verhalten, wie sich die Schenkel zu den Beinen und Fuͤßen, und wie sich der obere Arm zu dem Ellenbogen, und zu der Hand verhaͤlt. Eben so hat das Gesicht drey Theile, nemlich dreymal die Laͤnge der Nase; aber der Kopf hat nicht vier Nasen, wie einige sehr irrig lehren wollen Watelet Refl. sur la peint. p. 65. n. 4. . Der obere Theil des Kopfs, naͤm- lich die Hoͤhe von dem Haarwachse an, bis auf den Wirbel, senkrecht ge- nommen, hat nur drey Viertheile von der Laͤnge der Nase, das ist, es ver- haͤlt sich dieses Theil zu der Nase, wie Neun zu Zwoͤlf. Es ist glaublich, daß die Griechischen Kuͤnstler, nach Art der Aegy- β Genauere Bestimmung derselben. ptischen, so wie die groͤßeren Verhaͤltnisse, also auch die kleineren, durch genau bestimmte Regeln festgesetzt gehabt, und daß in jedem Alter und Stande die Maaße der Laͤngen so wohl, als der Breiten, wie die Umkreise, genau bestimmt gewesen, welches alles in den Schriften der alten Kuͤnstler, die von der Symmetrie handelten Philostr. jun. Prooem. Icon. , wird gelehret worden seyn. Diese genaue Bestimmung ist zugleich der Grund von dem aͤhnlichen Systema der Kunst, welches sich auch in den mittelmaͤßigen Figuren der Alten findet. Denn ohngeachtet der Verschiedenheit in der Art der Ausarbeitung, welche auch die Alten bereits in den Werken des Myron, des Polycletus, und des Lysippus bemerket haben, scheinen die alten Werke dennoch wie von einer Schule gearbeitet zu seyn. Und so wie in verschiedenen Violinspie- lern, die unter einem Meister gelernet haben, dieser in jedem von jenen durch Kunstverstaͤndige wuͤrde erkannt werden, eben so sieht man in der Zeichnung der alten Bildhauer von dem groͤßten bis auf die geringere, eben dieselben allgemeinen Grundsaͤtze. Finden sich aber zuweilen Abweichungen in dem Verhaͤltnisse, wie an einem kleinen schoͤnen Torso einer nackten Weiblichen Figur, bey dem Bildhauer Cavacepi in Rom, an welcher der Leib vom Nabel bis an die Schaam ungewoͤhnlich lang ist, so ist zu Y 3 ver- I Theil. Viertes Capitel. vermuthen, daß diese Figur nach der Natur gearbeitet worden, wo dieses Theil also beschaffen gewesen seyn wuͤrde. Ich will aber auf diese Art die wirklichen Vergehungen nicht bemaͤnteln: denn wenn das Ohr nicht mit der Nase gleich stehet, wie es seyn sollte, sondern ist, wie an dem Brust- bilde eines Indischen Bacchus des Herrn Cardinals Alexander Albani, so ist dieses ein Fehler, welcher nicht zu entschuldigen ist. γ sonderlich in Absicht auf das Maaß des Fußes, wo die irrigen Ein- wendungen einiger Scri- benten wider- leget werden. Die Regeln der Proportion, so wie sie in der Kunst von dem Ver- haͤltnisse des Menschlichen Koͤrpers genommen worden, sind wahrscheinlich von den Bildhauern zuerst bestimmet, und nachher auch Regeln in der Baukunst geworden. Der Fuß war bey den Alten die Regel in allen großen Ausmessungen, und die Bildhauer setzten nach der Laͤnge desselben das Maaß ihrer Statuen, und gaben denselben Sechs Laͤngen des Fußes, wie Vitruvius bezeuget L. 3. c. 1. : den der Fuß hat ein bestimmteres Maaß, als der Kopf, oder das Gesicht, wonach die neueren Maler und Bildhauer ins- gemein rechnen. Pythagoras gab daher die Laͤnge des Hercules an Aul. Gel. Noct. Att. L. 1. c. 1. , nach dem Maaße des Fußes, mit welchem er das Olympische Stadium zu Elis ausgemessen. Hieraus aber ist mit dem Lomazzo Tratt. della Pit. L. 1. c. 10. auf keine Weise zu schließen, daß der Fuß desselben das siebente Theil seiner Laͤnge gehalten; und was eben dieser Scribent gleichsam als ein Augenzeuge ver- sichert Ibid. L. 6. c. 3. p. 287. von den bestimmten Proportionen der alten Kuͤnstler an verschie- denen Gottheiten, wie zehen Gesichter fuͤr eine Venus, neun Gesichter fuͤr eine Juno, acht Gesichter fuͤr einen Neptunus, und sieben fuͤr einen Hercules, ist mit Zuversicht auf guten Glauben der Leser hingeschrieben, und ist erdichtet und falsch. Dieses Verhaͤltniß des Fußes zu dem Koͤrper, welches einem Gelehr- ten seltsam und unbegreiflich scheinet Huet. in Huetian. , und vom Perrault platterdings ver- Von der Kunst unter den Griechen. verworfen wird Vitruv. L. 3. ch. 1. p. 57. n. 3. , gruͤndet sich auf die Erfahrung in der Natur, auch in geschlanken Gewaͤchsen, und dieses Verhaͤltniß findet nicht allein an Aegyptischen Figuren, nach genauer Ausmessung derselben, sondern auch an den Griechischen, wie sich an den mehresten Statuen zeigen wuͤrde, wenn sich die Fuͤße an denselben erhalten haͤtten. Man kann sich davon uͤberzeugen an Goͤttlichen Figuren, an deren Laͤnge man einige Theile uͤber das natuͤrliche Maaß hat anwachsen lassen; am Apollo, welcher etwas uͤber sieben Koͤpfe hoch ist, hat der stehende Fuß drey Zolle eines Roͤmi- schen Palms mehr in der Laͤnge, als der Kopf; und eben dieses Verhaͤltniß hat Albrecht Duͤrer seinen Figuren von acht Koͤpfen gegeben, an welchen der Fuß das sechste Theil ihrer Hoͤhe ist. Das Gewaͤchs der Mediceischen Venus ist ungemein geschlank, und ohngeachtet der Kopf sehr klein ist, haͤlt dennoch die Laͤnge derselben nicht mehr, als sieben Koͤpfe und einen hal- ben: der Fuß derselben ist einen Palm und einen halben Zoll lang, und die ganze Hoͤhe der Figur betraͤgt sechs und einen halben Palm. Es lehren unsere Kuͤnstler insgemein ihre Schuͤler bemerken, daß die alten Bildhauer, sonderlich in Goͤttlichen Figuren, das Theil des Lei- bes von der Herzgrube bis an den Nabel, welches gewoͤhnlich nur eine Gesichtslaͤnge, wie sie sagen, haͤlt, um einen halben Theil des Gesichts laͤnger gehalten, als es sich in der Natur findet. Dieses aber ist ebenfalls irrig: denn wer die Natur an schoͤnen geschlanken Menschen zu sehen Ge- legenheit hat, wird besagtes Theil wie an den Statuen finden. Eine umstaͤndliche Anzeige der Verhaͤltnisse des Menschlichen Koͤrpers wuͤrde das leichteste in dieser Abhandlung von der Griechischen Zeichnung des Nackenden gewesen seyn, aber es wuͤrde diese bloße Theorie ohne practische Anfuͤhrung hier eben so wenig unterrichtend werden, als in an- deren Schriften, wo man sich weitlaͤuftig, auch ohne Figuren beyzufuͤgen, hinein- I Theil. Viertes Capitel. hineingelassen hat. Es ist auch aus den Versuchen, die Verhaͤltnisse des Koͤrpers unter die Regeln der allgemeinen Harmonie und der Music zu brin- gen, wenig Erleuchtung zu hoffen fuͤr Zeichner, und fuͤr diejenigen, welche die Kenntniß des Schoͤnen suchen: die Arithmetische Untersuchung wuͤrde hier weniger, als die Schule des Fechtbodens in einer Feldschlacht, helfen. δ Bestim- mung der Pro- portion des Gesichts fuͤr Zeichner. Um aber dieses Stuͤck von der Proportion fuͤr Anfaͤnger im Zeichnen nicht ohne practischen Unterricht zu lassen, will ich wenigstens die Verhaͤlt- nisse des Gesichts von den schoͤnsten Koͤpfen der Alten, und zugleich von der schoͤnen Natur genommen, anzeigen, als eine untriegliche Regel im Pruͤfen und im Arbeiten. Dieses ist die Regel, welche mein Freund, Herr Anton Raphael Mengs , der groͤßte Lehrer in seiner Kunst, richtiger und genauer, als bisher geschehen, bestimmet hat, und er ist vermuthlich auf die wahre Spur der Alten gekommen. Man ziehet eine senkrechte Linie, welche in fuͤnf Abschnitte getheilet wird: das fuͤnfte Theil bleibt fuͤr die Haare; das uͤbrige von der Linie wird wiederum in drey gleiche Stuͤcke getheilet. Durch die erste Abtheilung von diesen dreyen wird eine Horizontallinie gezogen, welche mit der senkrechten Linie ein Creuz macht; jene muß zwey Theile, von den drey Theilen der Laͤnge des Gesichts, in der Breite haben. Von den aͤußersten Puncten dieser Linie werden bis zum aͤußersten Punct des obigen fuͤnften Theils krumme Linien gezogen, welche von der Eyfoͤrmigen Gestalt des Gesichts das spitze Ende desselben bilden. Eins von den drey Theilen der Laͤnge des Gesichts wird in zwoͤlf Theile getheilet: drey von diesen Theilen, oder das vierte Theil des Dritt- theils des Gesichts, wird auf beyden Seiten des Puncts getragen, wo sich beyde Linien durchschneiden, und beyde Theile zeigen den Raum zwischen beyden Augen an. Eben dieses Theil wird auf beyde aͤußere Enden dieser Horizontallinie getragen, und alsdenn bleiben zwey von diesen Theilen zwischen dem Theil auf dem aͤußeren Ende der Linie, und zwischen dem Theil auf dem Puncte des Durchschnitts der Linien, und diese zwey Theile geben die Von der Kunst unter den Griechen. die Laͤnge eines Auges an; wiederum ein Theil ist fuͤr die Hoͤhe der Augen. Eben das Maaß ist von der Spitze der Nase bis zu dem Schnitt des Mun- des, und von diesem bis an den Einbug des Kinns, und von da bis an die Spitze des Kinns: die Breite der Nase bis an die Lappen der Nuͤsten haͤlt eben ein solches Theil; die Laͤnge des Mundes aber zwey Theile, und diese ist also gleich der Laͤnge der Augen, und der Hoͤhe des Kinns bis zur Oeff- nung des Mundes. Nimmt man die Haͤlfte des Gesichts bis zu den Haa- ren, so findet sich die Laͤnge von dem Kinne an bis zu der Halsgrube. Dieser Weg zu zeichnen kann, glaube ich, ohne Figur, deutlich seyn, und wer ihm folget, kann in der wahren und schoͤnen Proportion des Gesichts nicht fehlen. Was endlich die Schoͤnheit einzelner Theile des Menschlichen Koͤr- dd Von der Schoͤnheit einzelner Theile des Koͤrpers. pers betrift, so ist hier die Natur der beste Lehrer: denn im Einzelnen ist dieselbe uͤber die Kunst, so wie diese im Ganzen sich uͤber jene erheben kann. Dieses gehet vornehmlich auf die Bildhauerey, welche unfaͤhig ist, das Leben zu erreichen in denjenigen Theilen, wo die Malerey im Stande ist, demselben sehr nahe zu kommen. Da aber einige vollkommen gebildete Theile, als ein sanftes Profil, in den groͤßten Staͤdten kaum einigemal gefunden werden, so muͤssen wir auch aus dieser Ursache (von dem Nacken- den nicht zu reden) einige Theile an den Bildnissen der Alten betrachten. Die Beschreibung des Einzelnen aber ist in allen Dingen, also auch hier schwer. In der Bildung des Gesichts ist das sogenannte Griechische Profil α Des Ge- sichts; ins be- sondere die vornehmste Eigenschaft einer hohen Schoͤnheit. Dieses Profil ist eine fast gerade oder sanft gesenkte Linie, welche die Stirn mit der Nase an αα des Pro- fils desselben. jugendlichen, sonderlich Weiblichen Koͤpfen, beschreibet. Die Natur bildet dasselbe weniger unter einem rauhen, als sanften Himmel, aber wo es sich findet, kann die Form des Gesichts schoͤn seyn: denn durch das Ge- Winckelm. Gesch. der Kunst. Z rade I Theil. Viertes Capitel. rade und Voͤllige wird die Großheit gebildet, und durch sanft gesenkte For- men das Zaͤrtliche. Daß in diesem Profile eine Ursache der Schoͤnheit liege, beweiset dessen Gegentheil: denn je staͤrker der Einbug der Nase ist, je mehr weicht jenes ab von der schoͤnen Form; und wenn sich an einem Gesichte, welches man von der Seite sieht, ein schlechtes Profil zeiget, kann man ersparen, sich nach demselben, etwas schoͤnes zu finden, umzu- sehen. Daß es aber in Werken der Kunst keine Form ist, welche ohne Grund aus den geraden Linien des aͤltesten Stils geblieben ist, beweiset die starkgesenkte Nase an Aegyptischen Figuren, bey allen geraden Umrissen derselben. Das, was die alten Scribenten eine viereckigte Nase nennen Philostr. Heroic. p. 673. l. 22. p. 715. l. 27. , ist vermuthlich nicht dasjenige, was Junius von einer voͤlligen Nase de Pict. vet. L. 3. c. 9. p. 157, ausleget, als welches keinen Begriff giebt, sondern es wird dieses Wort von besagtem wenig gesenkten Profile zu verstehen seyn. Man koͤnnte eine andere Auslegung des Worts viereckigt geben, und eine Nase verstehen, deren Flaͤche breit, und mit scharfen Ecken gearbeitet ist, wie die Giustinia- nische Pallas, und die sogenannte Vestale in eben diesem Pallaste haben; aber diese Form findet sich nur an Statuen des aͤltesten Stils, wie diese sind, und an diesen allein. ββ Der An- genbranen. Die Schoͤnheit der Augenbranen bestehet in einem duͤnnen Faden von Haͤrchen, wie sich dieselbe in der schoͤnsten Natur also findet conf. Struys Voy. T. 2. p. 75. , welches in den schoͤnsten Koͤpfen in der Kunst die fast schneidende Schaͤrfe derselben vorstellet: bey den Griechen hießen dieselben, Augenbranen der Gratien Reines. Inscr. 126. Class. 1. Fabret. Inscr. c. 4. p. 322. n. 438. . Wenn sie aber sehr gewoͤlbet waren, wurden sie mit einem gespannten Bo- gen, oder mit Schnecken verglichen Aristoph. Lysistr. v. 8. , und sind niemals fuͤr schoͤn ge- halten worden In Toscana werden Personen mit solchen Augenbranen Stupori genannt. . Eine Von der Kunst unter den Griechen. Eine von den Schoͤnheiten der Augen ist die Groͤße, so wie ein gros- γγ Der Au- gen. ses Licht schoͤner, als ein kleines ist; die Groͤße aber ist dem Augenknochen, oder dessen Kasten gemaͤß, und aͤußert sich in dem Schnitte, und in der Oeffnung der Augenlieder, von denen das obere gegen den inneren Win- kel einen rundern Bogen, als das untere, an schoͤnen Augen beschreibet; doch sind nicht alle große Augen schoͤn, und niemals die hervorliegenden. An Loͤwen, wenigstens an den Aegyptischen von Basalt, in Rom, beschrei- bet die Oeffnung des obern Augenliedes einen voͤlligen halben Cirkel. Die Augen formen an Koͤpfen, im Profil gestellet, auf erhobenen Arbeiten, sonderlich auf den schoͤnsten Muͤnzen, einen Winkel, dessen Oeffnung gegen die Nase stehet: in solcher Richtung der Koͤpfe faͤllt der Winkel der Augen gegen die Nase tief, und der Conturn des Auges endiget sich auf der Hoͤhe seines Bogens oder Woͤlbung, das ist, der Augapfel selbst stehet im Profil. Diese gleichsam abgeschnittene Oeffnung der Augen giebt den Koͤpfen eine Großheit, und einen offenen und erhabenen Blick, dessen Licht zugleich auf Muͤnzen durch einen erhabenen Punct auf dem Augapfel sichtbar gemacht ist. Die Augen liegen an Idealischen Koͤpfen allezeit tiefer, als insgemein in der Natur, und der Augenknochen scheinet dadurch erhabener. Tieflie- gende Augen sind zwar keine Eigenschaft der Schoͤnheit, und machen keine sehr offene Mine; aber hier konnte die Kunst der Natur nicht allezeit fol- gen, sondern sie blieb bey den Begriffen der Großheit des hohen Stils. Denn an großen Figuren, welche mehr, als die kleineren, entfernt von dem Gesichte standen, wuͤrden das Auge und die Augenbranen in der Ferne we- nig scheinbar gewesen seyn, da der Augapfel nicht wie in der Malerey be- zeichnet, sondern mehrentheils ganz glatt ist, wenn derselbe, wie in der Natur, erhaben gelegen, und wenn der Augenknochen eben dadurch nicht erhaben gewesen. Auf diesem Wege brachte man an diesem Theile des Ge- sichts mehr Licht und Schatten hervor, wodurch das Auge, welches sonst Z 2 wie I Theil. Viertes Capitel. wie ohne Bedeutung und gleichsam erstorben gewesen waͤre, lebhafter und wirksamer gemacht wurde. Dieses wuͤrde auch die Koͤniginn Elisabeth von Engeland, welche durchaus ohne Schatten gemalet seyn wollte Walpole’s Catal. of the noble Authors \&c. p. 125. , zugestanden haben. Die Kunst, welche sich hier mit Grunde uͤber die Na- tur erhob, machte aus dieser Bildung eine fast allgemeine Regel, auch im Kleinen: denn man sieht an Koͤpfen auf Muͤnzen aus den besten Zeiten, die Augen eben so tief liegen, und der Augenknochen ist auf denselben er- habener, als in spaͤtern Zeiten; man betrachte die Muͤnzen Alexanders des Großen, und seiner Nachfolger. In Metall deutete man gewisse Dinge an, welche in dem Flore der Kunst in Marmor uͤbergangen wurden; das Licht z. E. wie es die Kuͤnstler nennen, oder der Stern, findet sich schon vor den Zeiten des Phidias auf Muͤnzen, an den Koͤpfen des Gero und des Hiero, durch einen erhabenen Punct angezeiget. Dieses Licht aber wurde in Marmor, so viel wir wissen, allererst den Koͤpfen in dem ersten Jahr- hunderte der Kaiser gegeben, und es sind nur wenige, welche dasselbe ha- ben; einer von denselben ist der Kopf des Marcellus, Enkels des Augu- stus, im Campidoglio. Viele Koͤpfe in Erzt haben ausgehoͤhlte, und von anderer Materie eingesetzte Augen: die Pallas des Phidias, deren Kopf von Elfenbein war, hatte den Stern im Auge von Stein Plato Hipp. maj. p. 349. l. 7. ed. Basil. . δδ Der Stirn. Eine schoͤne Stirn soll nach den Anzeigen einiger alten Scribenten kurz seyn, und gleichwohl ist eine freye große Stirn nicht so haͤßlich, son- dern vielmehr das Gegentheil. Die Erklaͤrung dieses scheinbaren Wider- spruchs ist leicht zu geben: kurz soll sie seyn an der Jugend, wie sie ist in der Bluͤte der Jahre, ehe der kurze Haarwachs auf der Stirn ausgehet, und dieselbe bloß laͤßt. Es wuͤrde also wider die Eigenschaft der Jugend seyn, ihr eine freye hohe Stirn zu geben, welche aber dem Maͤnnlichen Alter eigen ist. Das Von der Kunst unter den Griechen. Das Maaß des Mundes ist, wie angezeiget worden, gleich der Oeff- εε Des Mun- des. nung der Nase; ist der Schnitt desselben laͤnger, so wuͤrde es wider das Verhaͤltniß des Ovals seyn, worinn die in demselben enthaltenen Theile in eben der Abweichung gegen das Kinn zu gehen muͤssen, in welcher das Oval selbst sich zuschließet. Die Lippen sollen noͤthig seyn, um mehr schoͤne Roͤthe zu zeigen, und die untere Lippe voͤlliger, als die obere, wo- durch zugleich unter derselben in dem Kinne die eingedruckte Rundung, eine Bildung der Mannigfaltigkeit, entstehet. Das Kinn wurde nicht durch Gruͤbchen unterbrochen: denn dessen ζζ Des Kinns. Schoͤnheit bestehet in der rundlichen Voͤlligkeit seiner gewoͤlbten Form, und da das Gruͤbchen nur einzeln in der Natur, und etwas zufaͤlliges ist, so ist es von Griechischen Kuͤnstlern nicht, wie von neuern Scribenten Franco Dial. della bellez. P. 1. p. 24. Auch Paul Anton Rolli in folgenden Versen: Molle pozzetta gli divide il mento, Che la beltà compisce, e il riso, e il gioco Volan gl’ intorno, e cento grazie e cento. , als eine Eigenschaft der allgemeinen und reinen Schoͤnheit geachtet worden. Daher findet sich das Gruͤbgen nicht an der Niobe und an ihren Toͤchtern, noch an der Albanischen Pallas, den Bildern der hoͤchsten Weiblichen Schoͤnheit, und weder Apollo im Belvedere, noch Bacchus in der Villa Medicis, haben es, noch was sonst von schoͤnen Idealischen Figuren ist. Die Venus in Florenz hat es, als einen besondern Liebreiz, nicht als etwas zur schoͤnen Form gehoͤriges. Varro nennet dieses Gruͤbgen einen Ein- druck des Fingers der Liebe. Die Schoͤnheit der Form der uͤbrigen Theile wurde eben so allge- β Der uͤbri- gen aͤußern Theile, als d er Haͤnde und Fuͤße. mein bestimmet; die aͤußersten Theile, Haͤnde, und Fuͤße so wohl, als die Flaͤchen. Es scheinet Plutarchus, wie uͤberhaupt, also auch hier, sich sehr wenig auf die Kunst verstanden zu haben, wenn er vorgiebt, daß die alten Meister nur auf das Gesicht aufmerksam gewesen In Alexand. , und uͤber die Z 3 andern I Theil. Viertes Capitel. andern Theile des Koͤrpers uͤberhin gegangen. Die aͤußersten Theile sind nicht schwerer in der Moral, wo die aͤußerste Tugend mit dem Laster graͤn- zet, als in der Kunst, wo sich in denselben das Verstaͤndniß des Schoͤnen des Kuͤnstlers zeiget. Aber die Zeit und die Wuth der Menschen hat uns von schoͤnen Fuͤßen wenige, von schoͤnen Haͤnden in Marmor keine einzige uͤbrig gelassen. Diese sind an der Mediceischen Venus voͤllig neu, woraus das ungelehrte Urtheil derjenigen erhellet, die in den Haͤnden, welche sie fuͤr alt angesehen, Fehler gefunden. Eben diese Beschaffenheit hat es mit den Armen unter dem Ellenbogen des Apollo in Belvedere. Die Schoͤnheit einer jugendlichen Hand bestehet in einer sehr maͤßigen Voͤlligkeit, mit kaum merklich gesenkten Spuren, nach Art sanfter Be- schattungen, uͤber die Knoͤchel der Finger, wo auf voͤlligen Haͤnden Gruͤb- gen sind. Die Finger sind mit einer lieblichen Verjuͤngung, wie wohlge- stallte Saͤulen gezogen, und in der Kunst, ohne Anzeige der Gelenke der Glieder; das aͤußerste Glied ist nicht, wie bey den neuern Kuͤnstlern, vorne uͤbergebogen. Ein schoͤner Fuß war mehr sichtbar, als bey uns, und je weniger der- selbe gepresset war, desto wohlgebildeter war dessen Form, welche bey den Alten genau beobachtet wurde; wie aus den besondern Bemerkungen der alten Weisen uͤber die Fuͤße, und aus ihren Schluͤssen auf die Gemuͤthsnei- gung erhellet Aristot. Φυσιογνωμ. L. 1. p. 147. l. 8. L. 2. p. 187. l. 26. ed. Sylb. . Es werden daher in Beschreibungen schoͤner Personen, wie der Polyxena Dares Phryg. c. 13. , und der Aspasia Aelian. Var. hist. L. 12. c. 1. , auch ihre schoͤne Fuͤße angefuͤh- ret, und die schlechten Fuͤße Kaisers Domitianus Sueton. Domit. sind auch in der Ge- schichte bemerket. Die Naͤgel sind an den Fuͤßen der Alten platter, als an neuern Statuen. Eine Von der Kunst unter den Griechen. Eine praͤchtig gewoͤlbete Erhobenheit der Brust wurde an Maͤnnli- γ Der Flaͤchen, als der Brust und des Unter- leibes; ingl. der Schaam und der Knie. chen Figuren fuͤr eine allgemeine Eigenschaft der Schoͤnheit gehalten, und mit solcher Brust bildet sich der Vater der Dichter den Neptunus Die Brust war dem Neptunus gewidmet, und wir finden die Koͤpfe desselben auf allen geschnittenen Steinen bis unter die Brust, welches bey andern Gottheiten nicht so gewoͤhnlich ist. conf. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 102. , und nach demselben den Agamemnon; so wuͤnschte Anacreon conf. Casaub. ad Athen. Deipn. L. 15. p. 972. l. 40. dieselbe an dem Bilde dessen, den er liebte, zu sehen. Die Brust oder der Busen Weiblicher Figuren ist niemals uͤberfluͤßig begabet: denn uͤberhaupt wurde die Schoͤn- heit in dem maͤßigen Wachsthume der Bruͤste gesetzet, und man gebrauchte einen Stein aus der Insel Naxus Dioscor. L. 5. c. 168. , welcher fein geschabet und aufgelegt, den aufschwellenden Wachsthum derselben verhindern sollte. Eine jung- fraͤuliche Brust wird von Dichtern Theocrit. Idyl. 11. v. 1. Nonn. Dionys. L. 1. p. 4. l. 4. p. 15. l. 9. mit unreifen Trauben verglichen, und an einigen Figuren der Venus unter Lebensgroͤße, sind die Bruͤste ge- drungen und Huͤgeln aͤhnlich, die sich zuspitzen, welches fuͤr die schoͤnste Form derselben scheinet gehalten worden zu seyn. Der Unterleib ist auch an Maͤnnlichen Figuren, wie derselbe an einem Menschen nach einem suͤßen Schlaf, und nach einer gesunden Verdauung seyn wuͤrde, das ist, ohne Bauch, und so wie ihn die Naturkuͤndiger Baco Verul. Hist. vit. \& mort. p. 174. zum Zeichen eines langen Lebens setzen. Der Nabel ist nachdruͤcklich ver- tieft, sonderlich an Weiblichen Figuren conf. Achil. Tat. Erot. L. 1. p. 9. l. 7. , an welchen er in einen Bogen, und zuweilen in einen kleinen halben Cirkel gezogen ist, der theils nieder- werts, theils aufwerts gehet, und es findet sich dieses Theil an einigen Figuren schoͤner, als an der Mediceischen Venus, gearbeitet, an welcher der Nabel ungewoͤhnlich tief und groß ist. Auch I Theil. Viertes Capitel. Auch die Theile der Schaam haben ihre besondere Schoͤnheit; unter den Hoden ist allezeit der linke groͤßer, wie es sich in der Natur findet: so wie man bemerket hat, daß das linke Auge schaͤrfer sieht, als das rechte Philosoph. Transact. Vol. 3. p. 730. Denis memoir. p. 213. . Die Knie sind an jugendlichen Figuren nach der Wahrheit der schoͤ- nen Natur gebildet, welche dieselben nicht mit sichtbaren Knorpeln zerglie- dert, sondern sanft und einfach platt gewoͤlbet, und ohne Regung der Muskeln zeiget. Dem Leser und dem Untersucher der Schoͤnheit uͤberlasse ich, die Muͤnze umzukehren, und besondere Betrachtungen zu machen uͤber die Theile, welche der Maler dem Anacreon an seinem Geliebten nicht vor- stellen konnte. Der Inbegriff aller beschriebenen Schoͤnheiten in den Figuren der Alten, findet sich in den unsterblichen Werken Herrn Anton Raphael Mengs , ersten Hofmalers der Koͤnige von Spanien und von Pohlen, des groͤßten Kuͤnstlers seiner, und vielleicht auch der folgenden Zeit. Er ist als ein Phoenix gleichsam aus der Asche des ersten Raphaels erwecket wor- den, um der Welt in der Kunst die Schoͤnheit zu lehren, und den hoͤchsten Flug Menschlicher Kraͤfte in derselben zu erreichen. Nachdem die Deutsche Nation stolz seyn konnte uͤber einen Mann, der zu unserer Vaͤter Zeiten die Weisen erleuchtet, und Saamen von allgemeiner Wissenschaft unter allen Voͤlkern ausgestreuet, so fehlete noch an dem Ruhme der Deutschen, einen Wiederhersteller der Kunst aus ihrem Mittel aufzuzeigen, und den deutschen Raphael in Rom selbst, dem Sitze der Kuͤnste, dafuͤr erkannt und bewundert zu sehen. ee Allgemei- ne Erinnerung uͤber diese Ab- handlung. Ich fuͤge dieser Betrachtung uͤber die Schoͤnheit eine Erinnerung bey, welche jungen Anfaͤngern und Reisenden die erste und vornehmste Lehre in Betrachtung Griechischer Figuren seyn kann. Suche nicht die Maͤngel und Von der Kunst unter den Griechen. und Unvollkommenheiten in Werken der Kunst zu entdecken, bevor du das Schoͤne erkennen und finden gelernet. Diese Erinnerung gruͤndet sich auf eine taͤgliche Erfahrung, und den mehresten, weil sie den Censor ma- chen wollen, ehe sie Schuͤler zu werden angefangen, ist das Schoͤne uner- kannt geblieben: denn sie machen es wie die Schulknaben, die alle Witz genug haben, die Schwaͤche des Lehrmeisters zu entdecken. Unsere Eitel- keit wollte nicht gerne mit muͤßiger Anschauung vorbey gehen, und unsere eigene Genugthuung will geschmeichelt seyn; daher wir suchen ein Urtheil zu faͤllen. So wie aber ein verneinender Satz eher, als ein bejahender, gefunden wird, eben so ist das Unvollkommene viel leichter, als das Voll- kommene, zu bemerken und zu finden, und es kostet weniger Muͤhe, andere zu beurtheilen, als selbst zu lehren. Man wird insgemein, wenn man sich einer schoͤnen Statue naͤhert, die Schoͤnheit derselben in allgemeinen Aus- druͤcken ruͤhmen, weil dieses nichts kostet, und wenn das Auge ungewiß und flatternd auf derselben herum geirret, und das Gute in den Theilen, mit dessen Gruͤnden, nicht entdecket hat, bleibet es an dem Fehlerhaften haͤngen. Am Apollo bemerket es das einwerts geruͤckte Knie, welches mehr ein Fehler des zusammengesetzten Bruchs, als des Meisters ist; am vermeynten Antinous im Belvedere die auswerts gebogenen Beine; am Farnesischen Hercules den Kopf, von welchem man gelesen hat, daß er ziemlich klein sey. Die noch mehr wissen wollen, erzaͤhlen hierbey, daß der Kopf eine Meile weit von der Statue in einem Brunnen, und die Beine zehen Meilen weit von der Statue gefunden worden, welche Fabel auf guten Glauben in mehr als einem Buche vorgebracht ist; daher ge- schieht es alsdenn, daß man nur die neuen Zusaͤtze bemerket. Von die- ser Art sind die Anmerkungen, welche die blinden Fuͤhrer der Reisenden in Rom, und die Reisebeschreiber von Italien machen. Einige irren, wie jene, aus Vorsicht, wenn sie in Betrachtung der Werke der Alten alle Vorurtheile zum Vortheile derselben, bey Seite setzen wollen; sie sollen Winckelm Gesch. der Kunst. A a aber I Theil. Viertes Capitel. aber vielmehr vorher eingenommen sich denselben naͤhern: denn in der Versicherung, viel schoͤnes zu finden, werden sie dasselbe suchen, und eini- ges wird sich ihnen entdecken. Man kehre so oft zuruͤck, bis man es ge- funden hat: denn es ist vorhanden. ff Von der Zeichnung der Figuren der Thiere von Griechischen Meistern. In diesem zweyten Stuͤcke von dem Wesentlichen der Griechischen Kunst ist, nach der Zeichnung der Menschlichen Figuren, mit wenigen die Abbildung der Thiere, so wie im zweyten Capitel geschehen, zu beruͤhren. Die Untersuchung und Kenntniß der Natur der Thiere ist nicht weniger ein Vorwurf der Kuͤnstler der alten Griechen, als ihrer Weisen, gewesen: verschiedene Kuͤnstler haben sich vornehmlich in Thieren zu zeigen gesuchet; Calamis in Pferden, und Nicias in Hunden; ja die Kuh des Myron ist beruͤhmter, als seine andern Werke, und ist durch viel Dichter besungen, deren Inschriften sich erhalten haben; auch ein Hund dieses Kuͤnstlers war beruͤhmt, so wie ein Kalb des Menaͤchmus Plin. L. 34. c. 19. . Wir finden, daß die alten Kuͤnstler wilde Thiere nach dem Leben gearbeitet, und Pasite- les Id. L. 36. c. 5. hatte einen lebendigen Loͤwen in Abbildung desselben vor Augen. Von Loͤwen und von Pferden haben sich ungemein schoͤne Stuͤcke, theils freystehende, theils erhobene, und auf Muͤnzen und geschnittenen Steinen, erhalten. Der uͤber die Natur große sitzende Loͤwe in weißem Marmor, welcher an dem Pireaͤischen Hafen zu Athen stand, und itzo vor dem Ein- gange des Arsenals zu Venedig stehet, ist billig unter die vorzuͤglichen Werke der Kunst zu zaͤhlen, und der stehende Loͤwe im Pallaste Barberini, ebenfalls uͤber Lebensgroͤße, welcher von einem Grabmale weggenommen ist, zeiget diesen Koͤnig der Thiere in seiner fuͤrchterlichen Großheit. Wie schoͤn sind die Loͤwen auf Muͤnzen der Stadt Velia gezeichnet und gepraͤget! In Pferden sind die alten Kuͤnstler von den Neueren vielleicht nicht uͤbertroffen, wie Duͤ Bos behauptet Refl. sur la poesie \& sur la peint. , weil er annimmt, daß die Pferde in Von der Kunst unter den Griechen. in Griechenland und Italien nicht so schoͤn, als die Englischen sind. Es ist nicht zu laͤugnen, daß im Koͤnigreiche Neapel und in Engeland die da- sigen Stuten von Spanischen Hengsten begangen, eine edlere Art durch diese Begattung geworfen haben, wodurch die Pferdezucht in diesen Laͤn- dern verbessert worden. Dieses gilt auch von andern Laͤndern; in einigen aber ist das Gegentheil geschehen: die Deutschen Pferde, welche Caͤsar sehr schlecht gefunden, sind itzo sehr gut, und die Pferde in Gallien, welche zu dessen Zeit geschaͤtzt waren, sind die schlechtesten in ganz Europa. Die Alten kannten den schoͤnen Schlag der Daͤnischen Pferde nicht, auch die Englischen sind ihnen nicht bekannt gewesen; aber sie hatten Cappadocische und Epirische, die edelsten Arten unter allen, die Persischen, die Achaͤi- schen und Thessalischen, die Sicilianischen und Tyrrhenischen, und die Celtischen oder Spanischen Pferde. Hippias beym Plato sagt Hipp. maj. p. 348. l. 21. ed. Bas. : „Es faͤllt die schoͤnste Art Pferde bey uns.„ Es ist auch ein sehr uͤberhinflatterndes Urtheil jenes Scribenten, wenn er sein obiges Vorgeben aus einigen Maͤngeln des Pferdes des Marcus Aurelius zu behaupten suchet: diese Statue hat natuͤrlicher Weise gelitten, wo dieselbe umgeworfen und verschuͤttet gelegen; an den Pferden auf Monte Cavallo muß man ihm gerade zu widersprechen, und es ist das, was alt ist, nicht fehlerhaft. Wenn wir auch keine andern Pferde in der Kunst haͤtten, so kann man voraus setzen, da vor Alters tausend Statuen auf und mit Pferden gegen eine einzige in neuern Zeiten gemacht worden, daß die Kuͤnstler des Alterthums die Eigenschaften eines schoͤnen Pferdes, so wie ihre Scriben- ten und Dichter, gekannt haben, und daß Calamis eben so viel Einsicht, als Horatius und Virgilius, gehabt, die uns alle Tugenden und Schoͤnheiten eines Pferdes anzeigen. Mich deucht, die vier alten Pferde von Erzt uͤber A a 2 dem I Theil. Viertes Capitel. dem Portale der St. Marcus Kirche zu Venedig sind, was man in dieser Art schoͤnes finden mag; der Kopf des Pferdes Kaisers Marcus Aurelius kann in der Natur nicht wohlgebildeter und geistreicher seyn. Die vier Pferde von Erzt an den Wagen, welcher auf dem Herculanischen Theater stand, waren schoͤn, aber von leichtem Schlage, wie die Pferde aus der Barbarey sind: aus diesen Pferden ist ein ganzes zusammengesetzet auf dem Hofe des Koͤniglichen Musei zu Portici zu sehen. Zwey andere Pferde von Erzt in eben diesem Museo sind unter die seltensten Stuͤcke desselben zu zaͤhlen. Das erste mit dessen Reuter wurde im May 1761. im Herculano gefunden, aber es mangelten an demselben alle vier Beine, wie auch an der Figur, nebst dem rechten Arme: die Base desselben aber ist vorhanden, und mit Silber ausgelegt. Das Pferd ist zween Neapelsche Palmen lang, hat die Augen, wie auch eine Rose an den Zuͤgeln auf der Stirne, und einen Kopf der Medusa auf den Brustriemen, von Silber: die Zuͤgel selbst sind von Kupfer. Die zu Pferde sitzende Figur hat ebenfalls die Augen von Silber, und der Mantel ist mit einem silbernen Hefte auf der rechten Schulter zusammengehaͤnget. In der linken Hand haͤlt dieselbe die Degen- scheide, daß also in der mangelnden rechten Hand der Degen muß gewesen seyn. Die Bildung ist einem Alexander in allem sehr aͤhnlich, und um die Haare ist ein Diadema geleget. Diese Figur ist, von dem Gefaͤße an, einen Roͤ- mischen Palm und zehen Zolle hoch. Das andere Pferd ist ebenfalls ver- stuͤmmelt, und ohne Figur; aber alle beyde sind von der schoͤnsten Form, und auf das feinste ausgearbeitet. Schoͤn gezeichnet sind die Pferde auf eini- gen Syracusischen und andern Muͤnzen, und der Kuͤnstler, welcher die drey ersten Buchstaben ΜΙΘ seines Namens unter einem Pferdekopfe Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 543. auf einem Carniole des Stoßischen Musei gesetzet, war seines Verstaͤnd- nisses und des Beyfalls der Kenner gewiß. Es Von der Kunst unter den Griechen. Es ist hier bey Gelegenheit zu merken, wie ich an einem andern Orte angezeiget Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 170. , daß die alten Kuͤnstler uͤber die Bewegung der Pferde, das ist, uͤber die Art und Folge der Beine im Aufheben, nicht einig waren, eben so wenig, wie es einige neuere Scribenten sind, welche diesen Punct beruͤhret haben. Einige behaupten Borel. de motu animal. P. I. c. 20. Baldinuc. Vite de Pitt. T. 2. p. 59. , daß die Pferde die Beine an jeder Seite zugleich aufheben, und so ist der Gang der vier alten Pferde zu Ve- nedig, der Pferde des Castor und des Pollux auf dem Campidoglio, und der Pferde des Nonius Balbus und seines Sohns zu Portici vorgestellet. Andere halten sich uͤberzeugt, daß die Pferde sich Diagonalisch, oder im Creuz, bewegen Magalotti Lettere. , das ist, sie heben nach dem rechten Vorderfuße den linken Hinterfuß auf, und dieses ist auf die Erfahrung, und auf die Gesetze der Mechanic gegruͤndet. Also heben die Fuͤße das Pferd des Marcus Aurelius, die vier Pferde an dessen Wagen in erhobner Arbeit, und die an den Bogen des Titus stehen. Es finden sich auch verschiedene andere Thiere Griechischer Kuͤnstler von harten Steinen und von Marmor in Rom. In der Villa Negroni stehet ein schoͤner Tiger von Basalt, auf welchem eins der schoͤnsten Kinder in Marmor reitet; ein Bildhauer besitzet einen großen schoͤnen Hund von Marmor. An dem bekannten Bocke in dem Pallaste Giustiniani ist der Kopf, als das schoͤnste Theil, neu. Diese Abhandlung von der Zeichnung des Nackenden Griechischer Kuͤnst- ler, ist hier nicht erschoͤpft, wie ich sehr wohl einsehe; aber ich glaube, es sey der Faden gegeben, den man fassen, und dem man richtig nachgehen kann. Rom ist der Ort, wo diese Betrachtungen reichlicher, als anderswo, gepruͤfet und an- gewendet werden koͤnnen; das richtige Urtheil aber uͤber dieselben, und der voͤllige Nutzen, ist nicht im Durchlaufen zu machen, noch zu schoͤpfen: denn was anfaͤnglich dem Sinne des Verfassers nicht gemaͤß scheinen moͤchte, wird demselben durch oͤftere Betrachtung aͤhnlicher werden, und wird die vieljaͤhrige Erfahrung desselben, und die reife Ueberlegung dieser Abhand- lung bestaͤtigen. A a 3 Von I Theil. Viertes Capitel. II. Von der Zeich- nung bekleide- ter Griechi- scher Figuren Weiblichen Geschlechts. Von diesem ersten Theile des zweyten Stuͤcks dieses Capitels, das ist, von Betrachtung der Zeichnung des Nackenden in der Griechischen Kunst, gehe ich zu dem zweyten Theile, welcher von der Zeichnung bekleideter Fi- guren handelt. Die Untersuchung dieses Theils des Kunst ist in einer Lehrgeschichte derselben um so viel noͤthiger, da die bisherigen Abhandlun- gen von der Kleidung der Alten mehr gelehrt, als unterrichtend und be- stimmt sind, und ein Kuͤnstler wuͤrde, wenn er dieselbe gelesen haͤtte, viel- mals unwissender seyn, als vorher: denn dergleichen Schriften sind von Leu- ten zusammen getragen, die nur wußten aus Buͤchern, nicht aus anschau- licher Kenntniß der Werke der Kunst. Unterdessen muß ich bekennen, daß es schwer ist, alles genau zu bestimmen. Eine umstaͤndliche Untersuchung uͤber die Bekleidung der Alten, kann ich hier nicht geben, sondern ich will mich auf Weibliche Figuren ein- schraͤnken, weil die mehresten Maͤnnlichen Figuren Griechischer Kunst, auch nach dem Zeugnisse der Alten, unbekleidet sind. Was von der Maͤnnli- chen Griechischen Bekleidung besonders anzumerken ist, wird im folgenden Capitel bey der Roͤmischen Tracht mit anzubringen seyn, wo ich von der Maͤnnlichen Kleidung handele, so wie die Weibliche Kleidung unter den Roͤmern zugleich bey der Griechischen beruͤhret wird. Es ist erstlich von dem Zeuge, zweytens von den verschiedenen Stuͤ- cken, Arten, und von der Form der Weiblichen Kleidung, und zum drit- ten von der Zierlichkeit derselben, und von dem uͤbrigen Weiblichen An- zuge und Schmucke, zu reden. A. Von dem Zeuge der Kleidung. In Absicht des ersten Puncts war die Weibliche Kleidung theils von Leinewand, oder von anderm leichten Zeuge, theils von Tuche, und son- a Aus Leine- wand und aus anderem leich- ten Zeuge. derlich unter den Roͤmern in spaͤtern Zeiten auch von Seide. Die Leine- wand ist in Werken der Bidhauerey sowohl, als in Gemaͤlden, an der Durch- sichtigkeit, Von der Kunst unter den Griechen. sichtigkeit, und an den flachen kleinen Faͤltgen kenntlich, und diese Art der Bekleidung ist den Figuren gegeben, nicht sowohl weil die Kuͤnstler die nasse Leinewand, mit welcher sie ihr Modell bekleideten, nachgemacht, son- dern weil die aͤltesten Einwohner von Athen, wie Thucydides schreibet L. 1. p. 3. l. 1. , und auch andere Griechen, sich in Leinewand kleideten Aeschyl. Sept. contr. Theb. v. 1047. Theocrit. Idyl. 2. v. 72. , welches nach dem Herodotus nur von dem Unterkleide der Weiber zu verstehen waͤre L. 5. p. 201. l. 16. . Leinewand war noch die Tracht zu Athen nicht lange vor den Zeiten besag- ter Scribenten, und war den Weibern eigen Eurip. Baccli. v. 819. . Will jemand an Weib- lichen Figuren das, was Leinewand scheinen koͤnnte, fuͤr leichtes Zeug hal- ten, so aͤndert sich dadurch die Sache nicht: unterdessen muß die Leinewand eine haͤufige Tracht unter den Griechen geblieben seyn, da in der Gegend um Elis der schoͤnste und feinste Flachs gebauet und gearbeitet wurde Pausan. L. 5. p. 384. l. 31. . Das leichte Zeug war vornehmlich Baumwolle, welche in der Insel b Aus Baum- wolle. Cos gebauet und gewirket wurde Salmas. Exerc. in Solin. p. 296. A. , und es war sowohl unter den Grie- chen, als unter den Roͤmern, eine Kleidung des Weiblichen Geschlechts; wer sich aber von Maͤnnern in Baumwolle kleidete, war wegen der Weich- lichkeit beschrien: dieses Zeug war zuweilen gestreift Ruben. de re vest. L. 1. c. 2. p. 15. , wie es Chaͤrea, der sich als ein Verschnittener verkleidet hatte, in dem Vaticanischen Te- rentius traͤgt. Es wurden auch leichte Zeuge fuͤr das Weibliche Geschlecht aus der Wolle gewebet Salmas. Not. in Tertul. de Pallio, p. 172. 175. , welche an gewissen Muscheln waͤchst, aus wel- cher noch itzo, sonderlich zu Taranto, sehr feine Handschuhe und Struͤmpfe fuͤr den Winter gearbeitet werden. Man hatte dermaßen durchsichtige Zeuge, daß man sie daher einen Nebel nennete Turneb. Advers. L. 1. c. 15. p. 15. , und Euripides be- schreibet den Mantel, welchen Iphigenia uͤber ihr Gesicht hergeschlagen, so duͤnne, daß sie durch denselben sehen koͤnnen Iphig. Taur. v. 372. . Die I Theil. Viertes Capitel. c Aus Seide. Die Kleidung von Seide erkennet man auf alten Gemaͤlden an der verschiedenen Farbe auf eben demseben Gewande, welches man eine sich aͤndernde Farbe ( Colore cangiante ) nennet, wie dieses deutlich auf der sogenannten Aldrovandinischen Hochzeit, und an den Copien von an- dern in Rom gefundenen und vernichteten Gemaͤlden, welche der Herr Cardinal Alexander Albani besitzet, zu sehen ist; noch haͤufiger aber auf vielen Herculanischen Gemaͤlden erscheinet, wie in dem Verzeichnisse und in der Beschreibung derselben an einigen Orten angemerket worden Bayardi Catal. Ercol. p. 47. n. 244. p. 117. n. 593. Pilt. Ercol. T. 2. tav. 5. p. 27. . Diese verschiedene Farbe auf den Gewaͤndern verursachet die glatte Flaͤche der Seide und der krelle Widerschein, und diese Wirkung macht weder Tuch, noch Baumwolle, aus Ursache des wolligten Fadens und der rauchli- chen Flaͤche. Dieses will Philostratus anzeigen, wenn er von dem Man- tel des Amphion saget, daß derselbe nicht von einer Farbe gewesen, son- dern sich geaͤndert Icon. L. 1. n. 10. p. 779. . Daß das Griechische Frauenzimmer in den besten Zeiten von Griechenland, seidene Kleider getragen, ist aus Schriften nicht bekannt; aber wir sehen es in den Werken ihrer Kuͤnstler, unter wel- chen vier zuletzt im Herculano entdeckte Gemaͤlde, welche unten beschrie- ben sind, vor der Kaiser Zeiten gemalt seyn koͤnnen: man koͤnnte sagen, es haͤtten die Maler ein seidenes Gewand gehabt, ihre Modelle damit zu bekleiden. In Rom wußte man bis unter den Kaisern nichts von dieser Tracht; da aber die Pracht einriß, ließ man seidene Zeuge aus Indien kommen, und es kleideten sich auch Maͤnner in Seide Tacit. Annal. L. 2. c. 33. , woruͤber unter dem Tiberius ein Verboth gemacht wurde. Eine besondere sich aͤndernde Farbe sieht man auf vielen Gewaͤndern alter Gemaͤlde, nemlich roth und violet, oder Himmelblau zugleich, oder roth in den Tiefen, und gruͤn auf den Hoͤhen, oder violet in den Tiefen, und gelb auf den Hoͤhen; welches ebenfalls seidene Zeuge andeutet, aber solche, an welchen der Faden des Von der Kunst unter den Griechen. des Einschlags und des Aufschlags, jeder besonders eine von beyden Far- ben muß gehabt haben, welche an geworfenen Gewaͤndern, nach der verschiedenen Richtung der Falten, eine vor der andern erleuchtet worden. Der Purpur war insgemein Tuch; man wird aber vermuthlich auch der Seide diese Farbe gegeben haben. Da nun der Purpur von zweyfacher Art war, nemlich Violet oder Himmelblauer Corn. Nep. Fragm. p. 158. ed. in us. Delph. Column. de Purp. p. 6. , welche Art Farbe die Grie- chen durch ein Wort andeuten, welches eigentlich Meerfarbe heißt Excerpt. Polyb. L. 31. p. 177. l. 5. conf. Hadr. Iun. Animadv. L. 2. c. 2. , und der andere und kostbare Purpur, nemlich der Tyrische, welcher un- serm Lacke aͤhnlich war Daß der Tyrische Purpur diese Farbe gehabt, sieht man auf einem Herculanischen Ge- maͤlde, wo ein Feldherr, welches Titus scheinet, nebst einer Victoria, bey einem Siegeszeichen vorgestellet ist. Der Mantel des Heerfuͤhrers des besiegten Volks an dem Siegszeichen ist Ponsoroth, der Mantel des Feldherrn aber Lackroth. Der Pur- pur war die Tracht der Kaiser, und den Purpur oder das Kaisertuch nehmen, sind geleichbedeutende Redensarten. , so scheinet es, daß man seidene Zeuge aus die- sen zwo Arten von Purpurfarbe gewebet habe. Das Gewand von Tuch unterscheidet sich an Figuren augenscheinlich d Aus Tuche. vor der Leinewand, und von andern leichten Zeugen; und ein franzoͤsischer Kuͤnstler Falconet Refl. sur la Sculpt. p. 52. 58. , welcher keine andern als sehr feine und durchsichtige Zeuge in Marmor bemerket, hat nur an die Farnesische Flora gedacht, und an Fi- guren, welche auf aͤhnliche Art gekleidet sind. Man kann hingegen be- haupten, daß sich in Weiblichen Statuen wenigstens eben so viel Gewaͤn- der, welche Tuch, als welche feine Zeuge vorstellen, erhalten haben. Tuch ist kenntlich an großen Falten, auch an den Bruͤchen, in welche das Tuch im Zusammenlegen geschlagen wurde; von diesen Bruͤchen wird unten geredet. Was den zweyten Punct der Weiblichen Kleidung, nemlich ihre ver- B. Von den Aꝛten und der Form. schiedene Stuͤcke, Arten, und die Form derselben betrifft, so sind zu erst drey Winckelm. Gesch. der Kunst . B b I Theil. Viertes Capitel. drey Stuͤcke, das Unterkleid, der Rock und der Mantel zu merken, deren Form die allernatuͤrlichste ist, die sich gedenken laͤßt. In den aͤltesten Zei- ten war die Weibliche Tracht unter allen Griechen eben dieselbe, das ist, die Dorische Herodot. L. 1. p. 3. l. 18. ; in folgenden Zeiten unterschieden sich die Jonier von den uͤbrigen; die Kuͤnstler aber scheinen sich in Goͤttlichen und Heroischen Fi- guren an die aͤlteste Tracht vornehmlich gehalten zu haben. a Von dem Unterkleide. Das Unterkleid, welches statt unsers Hemdes war, sieht man an entkleideten oder schlafenden Figuren, wie an der Farnesischen Flora, an den Statuen der Amazonen im Campidoglio und in der Villa Mattei, an der faͤlschlich sogenannten Cleopatra in der Villa Medicis, und an einem schoͤnen Hermaphroditen im Pallaste Farnese. Auch die juͤngste Tochter der Niobe, die sich in den Schooß der Mutter wirft, hat nur das Unter- kleid; und dieses hieß bey den Griechen Χιτών Achil. Tat. Erot. L. 1. p. 9. l. 3. , und die allein im Un- terkleide waren, hießen μονόπεπλοι Eurip. Hecub. v. 933. . Es war, wie an angefuͤhrten Figu- ren erscheinet, von Leinewand, oder von sehr leichtem Zeuge, ohne Ermel, so daß es auf den Achseln vermittelst eines Knopfs zusammenhieng, und bedeckete die ganze Brust, wenn es nicht von der Achsel abgeloͤset war. Oben am Halse scheinet zuweilen ein gekraͤuselter Streifen von feinerem Zeuge angenaͤhet gewesen zu seyn, welches aus Lycophrons Beschreibung des Maͤnnerhemdes Alex. v. 1100, conf. Casaub. Anim. in Suet. p. 28. D. , worein Clytemnestra den Agamemnon verwickelt, um so viel mehr auf Unterkleider der Weiber kann geschlossen werden. b Von der Schnuͤrbrust. Die Maͤdgens scheinen uͤber ihr Unterkleid sich unter der Brust mit einer Binde fest geschnuͤret zu haben, um ihr Gewaͤchs geschlang zu machen, zu erhalten, und sichtbarer zu zeigen, und diese Art von Schnuͤrbrust hieß bey den Griechen ςηϑόδεσμος Salmas. Not. in Achil. Tat. Erot. p. 543. , und bey den Roͤmern Castula Non. Marcel. c. 16. n. 5. . Man Von der Kunst unter den Griechen. Man findet auch, daß das Griechische Frauenzimmer, die Fehler des Ge- waͤchses zu verbergen, den Leib mit duͤnnen Brettergen von Lindenholz gepresset habe Casaub. Not. in Spartian. p. 55. D. Petit. Miscel. L. 5. c. 9. p. 174. . Der Gebrauch sich zu schnuͤren muß auch bey den He- truriern gewesen seyn, wie sich auf einer alten Paste an einer Scylla zei- get Descr. de Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 174. , deren Leib gegen die Huͤften wie eine Schnuͤrbrust enger zulaͤuft. An entkleideten Personen bis auf das Unterkleid, ist dieses mit einem Guͤr- tel gebunden, welches im voͤlligen Anzuge, wie es scheinet, nicht geschah. Der Weibliche Rock war gewoͤhnlich nichts anders, als zwey lange c Von dem Rocke. aa der vier- eckigte Rock. Stuͤcke Tuch, ohne Schnitt und ohne andere Form, welche nur in der Laͤnge zusammen genaͤhet waren, und auf den Achseln durch einen oder mehr Knoͤpfe zusammenhiengen: zuweilen war an statt des Knopfs ein spitziger Heft, und die Weiber zu Argos und Aegina trugen dergleichen Hefte groͤßer, als zu Athen Herodot. L. 5. p. 201. l. 24. . Dieses war der sogenannte viereckigte Rock, welcher auf keine Weise rund geschnitten seyn kann, wie Salmasius glaubet Not. in Script. Hist. Aug. p. 389. D. , (er giebt die Form des Mantels dem Rocke, und des Rocks dem Mantel) und es ist die gemeinste Tracht Goͤttlicher Figuren, oder aus der Heldenzeit. Dieser Rock wurde uͤber den Kopf geworfen. Die Roͤcke der Spartanischen Jungfrauen waren unten auf den Seiten offen Plutarch. in Numa, p. 140. l. 19. , und flogen frey von einander, wie man es an einigen Taͤnzerinnen in er- hobener Arbeit sieht. Andere Roͤcke sind mit engen genaͤheten Ermeln, bb mit en- gen genaͤheten Ermeln. welche bis an die Knoͤchel der Hand reichen, und die daher καρπωτοί, von κάρπος, der Knoͤchel, genennet wurden Salmas. in Tertul. de Pal. p. 44. . So ist die aͤltere von den zwo schoͤnsten Toͤchtern der Niobe gekleidet; die vermeynte Dido un- ter den Hetrurischen Gemaͤlden, wie auch die mehresten Weiblichen Figuren der aͤltesten erhobenen Arbeiten, haben eben dergleichen Ermel. Vielmals cc mit an- dern Ermeln. gehen die Ermel nur uͤber das Obertheil des Arms, welche Kleidung da- B b 2 her I Theil. Viertes Capitel. her παράπηχυς Scalig. Poet. L. 1. c. 13. p. 21. C. genannt wird: sie haben Knoͤpfe von der Achsel her- unter, und am Maͤnnlichen Unterkleide waren sie noch kuͤrzer. Wenn die Ermel sehr weit sind, wie an der schoͤnen Pallas in der Villa Albani, sind sie nicht besonders geschnitten, sondern aus dem viereckigten Rocke, wel- cher von der Achsel auf den Arm herunter gefallen, vermittelst des Guͤrtels in Gestalt der Ermel gezogen und geleget. Wenn solcher Rock sehr weit ist, und die Theile dessen oben nicht zusammengenaͤhet sind, sondern durch Knoͤpfe zusammenhaͤngen, so fallen alsdenn die Knoͤpfe auf den Arm herunter: weitlaͤuftige Roͤcke trug das Weibliche Geschlecht an feyerlichen Tagen Liv. L. 27. c. ult. Amplissima vestis. . Man findet im ganzen Alterthume keine weite und nach heutiger Art an Hemden aufgerollete Ermel, wie Bernini der H. Veronica in S. Peter zu Rom gegeben. dd Von der Besetzung des Rocks. Die Roͤcke so wohl, als die Maͤntel, hatten insgemein an ihrem Saume umher eine Besetzung, welche auch gewirkt oder gestickt seyn konnte, von einem oder mehr Streifen: dieses sieht man am deutlichsten auf alten Ge- maͤlden; es ist aber auch im Marmor angezeiget. Dieser Zierrath hieß bey den Roͤmern Limbus , und bey den Griechen πεζὰς, κύκλας und περιπόδιον, und war mehrentheils von Purpur Salmas. in Lamprid. p. 222. E. et in Vopisc. p. 397. A. . Einen Streifen hat- ten die gemalten Figuren in der Pyramide des C. Cestius, zu Rom Falconieri Disc. intorna alla Pir. di Cestio. ; zween gelde Streifen sieht man auf dem Rocke der Harfenschlaͤgerinn der sogenannten Aldrovandischen Hochzeit; drey rothe Streifen, mit weißem Blumenwerk auf demselben, hat der Rock der Roma im Pallaste Barbe- rini, und vier Streifen sind an einer Figur auf einem von denjenigen Her- culanischen Gemaͤlden Pitt. Erc. T. 1. tav. 4. , welche mit einer Farbe auf Marmor gezeich- net sind. ee Vom Auf- schuͤrzen des Rocks, und Die Jungfrauen so wohl, als Weiber, banden den Rock nahe unter den Bruͤsten, wie noch itzo an einigen Orten in Griechenland geschieht Pococke’s Descr. of the East, T. 2. P. 1. p. 266. , und Von der Kunst unter den Griechen. und wie die Juͤdischen Hohepriester denselben trugen Reland. Ant. Hebr. p. 145. : dieses hieß hoch- insbesondere von dem Guͤr- tel. aufgeschuͤrzt , βαϑύζωνος, welches ein gemeines Beywort der Griechischen Weiber beym Homerus Il. l. 590. Od. γ’. 154. , und bey andern Dichtern ist Βαϑυζώνομς γυναῖκας hat Barnes in der ersten angefuͤhrten Stelle gegeben profunde succinctas, und in der zwoten demissas zonas habentes, welches beydes irrig ist. Die Griechischen Scholiasten haben dieses Beywort eben so wenig verstanden, und wenn im Etymol. Magno gesaget wird, es sey dasselbe ein Beyname Barbarischer Weiber, so zielet dieses vermuthlich auf eine Stelle des Aeschylus , ( Pers. v. 155.) wo dieser Dichter die Persischen Weiber also nennet. Stanley hat den rechten Sinn dieses Worts getroffen; denn er uͤbersetzet es alte cinctarum, der hochaufgeschuͤrzten . Der Scholiast des Statius giebt ein schlechtes Kennzeichen von der Abbildung der Tugend , wenn er sagt, daß sie hochaufgeschuͤrzt vorgestellet worden. Lutat. in Lib. 10. Theb. Stat. . Dieses Band oder Guͤrtel, bey den Griechen Strophium Aeschyl. Sept. contr. Theb. v. 877. Catul. Epithal. v. 65. Hier koͤnnte fuͤglicher an statt lactantes gesetzt werden luctantes. , auch Mitra Non. Dionys. L. 1. p. 15. v. 5. p. 22. v. 12. genannt In einer noch nicht bekanntgemachten Inschrift des Codicis Palatini Anthologiæ der Vaticanischen Bibliothec, εἰς Ἀγλαονίκην ἑταίρην, scheinet im folgenden Verse, Σάγδαλα ηαϳ μαλακαϳ μαςῶν ἐνδύματα μίτρα , dieses Wort diejenige Binde zu bedeuten, die unter die Bruͤste angeleget wurde, von welcher ich oben geredet habe. , ist an den mehresten Figuren sichtbar, und von den beyden Enden desselben auf der Brust haͤngen drey Kuͤgelchen an so viel Schnuͤren herunter, an einer kleinen Pallas von Erzt, in der Villa Albani La Chausse Mus. Rom. Sect. 2. tab. 9. . Es ist dieses Band unter der Brust in eine einfache, auch doppelte Schlaͤufe gebunden, welche man an den zwo schoͤnsten Toͤchtern der Niobe nicht sieht: der Juͤngsten von diesen gehet das Band uͤber beyde Achseln und uͤber den Ruͤcken, wie es die vier Caryatiden in Lebensgroͤße haben, welche im Monate April 1761. bey Monte Portio ohnweit Frascati gefunden worden. Au den Figuren des Vaticanischen Terentius sehen wir, daß der Rock auf diese Art mit zwey Baͤndern gebunden wurde, die oben auf der Achsel befestiget gewesen seyn muͤssen: denn sie haͤngen an einigen Figuren aufgeloͤset, auf beyden B b 3 Seiten I Theil. Viertes Capitel. Seiten herunter, und wenn sie gebunden wurden, hielten die Baͤnder uͤber den Achseln das Band unter der Brust in die Hoͤhe. An einigen Fi- guren ist dieses Band oder Guͤrtel so breit, als ein Gurt, wie an einer fast Colossalischen Figur in der Cancelleria, an der Aurora an dem Bogen des Constantinus, und an einer Bacchante in der Villa Madama außer Rom. Die Tragische Muse hat insgemein einen breiten Guͤrtel, und an einer großen Begraͤbnißurne, in der Villa Mattei, ist derselbe gestickt vorgestellet Spon. Miscel. Antiq. p. 44. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 1. pl. 56. ; auch Urania hat zuweilen einen solchen breiten Guͤrtel. Die Amazonen allein haben das Band nicht nahe unter der Brust, sondern, wie dasselbe an Maͤnnern ist, uͤber den Huͤften liegen, und es die- nete nicht so wohl, ihren Rock fest oder in die Hoͤhe zu binden, als viel- mehr, sich zu guͤrten, ihre kriegerische Natur anzudeuten; ( Guͤrten heißt beym Homerus, sich zur Schlacht ruͤsten) daher dieses Band an ihnen ei- gentlich ein Guͤrtel zu nennen ist. Eine einzige Amazone unter Lebens- groͤße, im Pallaste Farnese, welche verwundet vom Pferde sinket, hat das Band nahe unter den Bruͤsten gebunden. ff Von dem Guͤrtel der Venus. Die voͤllig bekleidete Venus ist in Marmor allezeit mit zween Guͤrteln vorgestellet, von welchen der andere unter dem Unterleibe liegt, so wie den- selben die Venus mit einem Portraitkopfe Mus. Capit. T. 3. tab. 20. , neben dem Mars im Campi- doglio, und die schoͤne bekleidete Venus hat, welche ehemals in dem Pal- laste Spada stand. Dieser untere Guͤrtel ist nur dieser Goͤttinn eigen, und ist derjenige, welcher bey den Dichtern insbesondere der Guͤrtel der Venus heißt: dieses ist noch von niemand bemerket worden. Juno bath sich denselben aus, da sie den Jupiter eine heftige Begierde gegen sich er- wecken wollte, und sie legte denselben, wie Homerus sagt Il. ξ v. 219. 223. conf. Non. Dionys. L. 2. p. 95. l. 17. , in ihren Schooß, Von der Kunst unter den Griechen. Schooß, das ist, um und unter den Unterleib Man’sehe gegen diese Erlaͤuterung an, was andere uͤber den Guͤrtel der Venus vorge- bracht haben, so wird sich zeigen, daß ihre Meynung nicht bestehen kann. Es haben selbst die alten Erklaͤrer des Homerus denselben an diesem Orte nicht verstanden, und ἐγκάτϑεο κόλπῳ, lege ihn (den Guͤrtel) in den Schooß , kann nicht, wie der Scholiast sagt, eben so viel seyn, als κατάκρυψον ἰδίῳ κόλπῳ, verbirg ihn in dem Schooße. Eustathius gelanget durch seine Herleitung des Worts κεςός eben so wenig zu der wahren Bedeutung desselben. Herr Martorelli , Prof. der Griechischen Sprache zu Neapel, merket sehr wohl an , daß dieses Wort kein Substantivum, son- dern ein adjectivum sey, welches im erstern Falle von spaͤteren Griechischen Dichtern gebraucht worden. Es scheinet auch der Dichter einer Griechischen Sinnschrift auf die Venus, nicht verstanden zu haben, was κεςός fuͤr ein Guͤrtel sey, da er den gewoͤhnlichen unter der Brust (ἀμφἰ μαζοῖς κεςὸς ἕλιξ) dafuͤr angenommen. Rigalt. Not. in Onosaudri Stratagem. p. 37. seq. Prideaux Not. ad Marm. Arundel. p. 24. welche beyde es von einem Rocke verstehen. Comment. de Regia Theca Calamar. p. 153. Anthol. Epigr. græc. L. 5. p. 231. a. , wo dieser Guͤrtel an besagten Figuren lieget: die Syrer gaben vermuthlich auch daher den Statuen der Juno diesen Guͤrtel. Gori glaubet Mus. Etr. T. 1. p. 217. , daß zwo von den drey Gratien an einer Begraͤbnißurne diesen Guͤrtel in der Hand halten, welches nicht zu beweisen ist. Einige Figuren im bloßen Unterkleide, welches von der einen Achsel gg Von Fi- guren ohne Guͤrtel. abgeloͤset niederfaͤllt, haben keinen Guͤrtel: an der Farnesischen Flora ist derselbe auf den Unterleib schlaff herunter gesunken; Antiope, die Mutter des Amphion und Zethus, in eben diesem Pallaste, und eine Statue an dem Pallaste der Villa Medicis, haben den Guͤrtel um die Huͤften liegen. Ohne Guͤrtel sind einige Bacchanten auf Gemaͤlden Pitt. Erc. T. 1. tav. 31. , in Marmor, und auf geschnittenen Steinen Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 55. n. 1577. , ihre wolluͤstige Weichlichkeit, so wie Bacchus ohne Guͤrtel ist, anzudeuten; daher auch die bloße Stellung einiger ver- stuͤmmelten Weiblichen Figuren ohne Guͤrtel, uns dieselben fuͤr Bacchanten anzeiget; eine von solchen ist in der Villa Albani. Unter den Hercula- nischen I Theil. Viertes Capitel. nischen Gemaͤlden sind zwo junge Maͤdgens ohne Guͤrtel Pitt. Erc. T. 1. tav. 22. 23. , die eine mit einer Schuͤssel Feigen in der rechten Hand, und mit einem Gefaͤße zum Eingießen in der linken; die andere mit einer Schuͤssel, und mit einem Korbe: welche diejenigen vorstellen koͤnnten, die denen, welche in dem Tempel der Pal- las speiseten, aufwarteten, und Δϵιπνοφόροι, Speisen-Traͤgerinnen Suid. in Δεπνοφόροι. , genennet wurden. Die Erklaͤrer dieser Gemaͤlde haben hier keine Bedeutung der Figuren angegeben, und dieselben bedeuten nichts ohne jene Bedeutung. d Von dem Weiblichen Mantel, und besonders von dessen Cirkel- runder Form. aa Von dem großen Man- tel. Das dritte Stuͤck der Weiblichen Kleidung, der Mantel, (bey den Griechen Peplon genannt, welches Wort insbesondere dem Mantel der Pallas eigen ist, und hernach auch von dem Mantel anderer Goͤtter Non. Dionys. L. 2. p. 45. l. 17. und Maͤnner Aeschyl. Pers. 199. 468. 1035. Sophocl. Trachin. v. 609. 684. Eurip. Heracl. v. 49. 131. 604. Helen. v. 430. 573. 1556. 1645. Ion. v. 326. Herc. fur. v. 333. gebraucht wird) war nicht viereckt, wie sich Sal- masius eingebildet hat, sondern ein voͤllig rund geschnittenes Tuch, so wie auch unsere Maͤntel zugeschnitten sind; und eben die Form muß auch der Mantel der Maͤnner gehabt haben. Dieses ist zwar der Mey- nung derjenigen, welche uͤber die Kleidung der Alten geschrieben ha- ben, zuwider; aber diese haben mehrentheils nur aus Buͤchern und nach schlecht gezeichneten Kupfern geurtheilet, und ich kann mich auf den Au- genschein, und auf eine vieljaͤhrige Betrachtung berufen. In Auslegung alter Scribenten, und in Vereinigung oder Widerlegung ihrer Erklaͤrer, kann ich mich nicht einlassen, und ich begnuͤge mich jene der von mir ange- gebenen Form gemaͤß zu verstehen. Die mehresten Stellen der Alten reden uͤberhaupt von viereckigten Maͤnteln, welches aber keine Schwierigkeit veranlasset, wenn nicht Ecken, das ist, ein in viele rechte Winkel geschnit- tenes Tuch, sondern ein Mantel von vier Zipfeln verstanden wird, welche sich nach eben so viel angenaͤheten kleinen Quaͤstgen im Zusammennehmen oder im Anlegen warfen. An Not. in Fl. Vopisc. p. 389. D. Von der Kunst unter den Griechen. An den mehresten Maͤnteln an Statuen so wohl, als an Figuren auf α Von den Quaͤstgen an denselben. geschnittenen Steinen, beyderley Geschlechts, sind nur zwey Quaͤstgen sichtbar, weil die andern durch den Wurf des Mantels verdeckt sind; oft zeigen sich deren drey, wie an einer Isis in Hetrurischem Stil gearbeitet, an einem Aesculapius, beyde in Lebensgroͤße, und an dem Mercurius auf einem der zween schoͤnen Leuchter von Marmor, alle drey im Pallaste Bar- berini. Alle vier Quaͤstgen aber sind an eben so viel Zipfeln sichtbar, an dem Mantel einer von zwo aͤhnlichen Hetrurischen Figuren in Lebensgroͤße, im gedachten Pallaste, an einer Statue mit dem Kopfe des Augustus, im Pallaste Conti, und an der Tragischen Muse Melpomene, auf der ange- fuͤhrten Begraͤbnißurne in der Villa Mattei. Diese Quaͤstgen haͤngen offenbar an keinen Ecken, und der Mantel kann keine Ecken haben, weil, wenn derselbe in Viereck geschnitten waͤre, die geschlaͤngelten Falten, wel- che auf allen Seiten fallen, nicht koͤnnten geworfen werden: eben solche Falten werfen die Maͤntel Hetrurischer Figuren, so daß dieselben folglich eben die Form muͤssen gehabt haben. Es wird dieses deutlich durch das uͤber die Vorrede gesetzte Kupfer. Hiervon kann sich ein jeder uͤberzeugen, an einem mit etlichen Stichen zusammengehefteten Mantel, wenn derselbe als ein rundes Tuch nach Art der Alten umgeworfen wird. Es zeiget auch die Form der heutigen Meß- gewaͤnder, welche vorne und hinten rundlich geschnitten sind, daß dieselben ehemals voͤllig rund, und ein Mantel gewesen, eben so wie noch itzo die Meßgewaͤnder der Griechen sind. Diese wurden durch eine Oeffnung uͤber den Kopf geworfen Clampini Vet. Monum. T. 1. c. 26. p. 239. , und zu bequemerer Handhabung bey dem Sacra- mente der Messe, uͤber die Arme hinaufgeschlagen, so daß alsdenn dieser Mantel vorne und hinten in einem Bogen herunter hieng. Da nun mit der Zeit diese Meßgewaͤnder von reichem Zeuge gemacht wurden, so gab man Winckelm. Gesch. der Kunst . C c I Theil. Viertes Capitel. man denselben theils zur Bequemlichkeit, theils zu Ersparung der Kosten, diejenige Form, welche sie hatten, wenn sie uͤber die Arme hinaufgeworfen wurden, das ist, sie bekamen die heutige Form. β Von der Art den Man- tel umzuwer- fen. Der runde Mantel der Alten wurde auf vielfaͤltige Art geleget und geworfen: die gewoͤhnlichste war, ein Viertheil oder ein Dritttheil uͤber- zuschlagen, welches, wenn der Mantel umgeworfen wurde, dienen konnte, den Kopf zu decken: so warf Scipio Nasica beym Appianus Bel. Civ. L. 1. p. 168. l. 6. den Saum seiner Toga (κράσπεδον) uͤber den Kopf. Zuweilen wurde der Mantel doppelt zusammen genommen, (welcher alsdenn groͤßer als gewoͤhn- lich wird gewesen seyn, und sich auch an Statuen zeiget) und dieses findet sich von alten Scribenten angedeutet Cuper. Apoth. Hom. p. 144. . Doppelt gelegt ist unter andern der Mantel der schoͤnen Pallas in der Villa Albani, und an einer andern Pal- γ Von dem doppelten Mantel der Cyniker. las eben daselbst. Von einem so gelegten Mantel ist das doppelte Tuch der Cyniker vermuthlich zu verstehen Horat. L. 1. ep. 17. v. 25. , ohnerachtet es sich an der Statue eines Philosophen dieser Secte, in Lebensgroͤße, in gedachter Villa, nicht doppelt genommen findet Diese Statue unterscheidet sich durch eine große Tasche, wie ein Jagdbentel, welcher von der rechten Achsel herunter auf der linken Seite hanget, durch einen knotigen Stab, und durch Rollen Schriften zu den Fuͤßen. : denn da die Cyniker kein Unterkleid trugen, hatten sie noͤthiger, als andere, den Mantel doppelt zu nehmen, welches begreifli- cher ist, als alles, was Salmasius und andere uͤber diesen Punct vor- gebracht haben. Das Wort doppelt kann nicht von der Art des Umwer- fens, wie jene wollen, verstanden werden: denn an angezeigter Statue ist der Mantel, wie an den mehresten Figuren mit Maͤnteln, geworfen. δ Fernere Anzeige des Wurfs der Maͤntel. Die gewoͤhnlichste Art, den Mantel umzuwerfen, ist unter dem rech- ten Arm, uͤber die linke Schulter. Zuweilen aber sind die Maͤntel nicht umgeworfen, sondern haͤngen oben auf den Achseln an zween Knoͤpfen, wie an einer vermeynten Juno Lucina in der Villa Albani, und an zwo an- dern Von der Kunst unter den Griechen. dern Statuen mit Koͤrben auf dem Kopfe, das ist, Caryatiden, in der Villa Negroni, alle drey in Lebensgroͤße. An diesen Maͤnteln muß man wenigstens das Dritttheil uͤber oder untergeschlagen annehmen, so wie man es deutlich sieht an dem Mantel einer Weiblichen Figur uͤber Lebensgroͤße, in dem Hofe des Pallastes Farnese, dessen oberwerts untergeschlagenes Theil mit dem Guͤrtel gefasset und gebunden ist. Von einem solchen ange- haͤngten Mantel ist der Schweif heraufgenommen und unter den Guͤrtel gestecket, an einer Weiblichen Statue uͤber Lebensgroͤße in dem Hofe der Cancelleria, und an der Antiope in dem Gruppo des sogenannten Farne- sischen Ochsen. Zuweilen war der Mantel auch unter den Bruͤsten an zween Zipfeln durch einen Heft zusammen gehaͤnget Sophocl. Trachin. v. 935. , so wie Maͤntel einiger Aegyptischen Figuren, und der Isis insgemein, zusammen gebunden sind, welches im zweyten Capitel angezeiget worden. Es ist etwas besonders, daß der Sturz einer Weiblichen Statue in der Villa des Hrn. Grafen Fede , in der Villa Hadriani, bey Tivoli, uͤber ihren Mantel, welcher, wie der Mantel der Isis, auf der Brust gebunden ist, einen Ueberhang, wie ein Netz gestrickt, geworfen hat. An statt dieses großen Mantels war auch ein kleiner Mantel im Ge- bb Von dem kurzen Man- tel Griechi- scher Weiber. brauch, welcher aus zwey Theilen bestand, die unten zugenaͤhet waren, und oben auf der Achsel durch einen Knopf zusammenhiengen, so daß Oeff- nungen fuͤr den Arm blieben, und dieser Mantel wurde von den Roͤmern Ricinium genennet Varro de L. L. L. 4. c. 30. Non. Marcel. c. 14. n. 33. : bisweilen reichet dieser Mantel kaum bis an die Huͤften, ja es ist derselbe oft nicht laͤnger, als unsere Mantillen. Diese sind auf einigen Herculanischen Gemaͤlden wirklich also gemacht, wie das Frauenzimmer dieselben zu unsern Zeiten traͤgt, das ist, ein leichtes Maͤn- telchen, welches auch uͤber die Arme gehet, und vermuthlich ist dieses das- jenige Stuͤck der Weiblichen Kleidung, welches Encyclion , oder Cyclas , C c 2 auch I Theil. Viertes Capitel. auch Anaboladion und Ampechonion genennet wurde Aelian. Var. hist. L. 7. c. 9. . Als etwas besonderes ist ein laͤngerer Mantel ebenfalls aus zwey Stuͤcken, einem Vor- ter- und Hintertheile, an der Flora im Campidoglio zu merken: es ist derselbe an beyden Seiten von unten herauf zugenaͤhet, und oberwerts ge- knoͤpfet, so daß eine Oeffnung gelassen ist, die Arme durchzustecken, wie der linke Arm thut; der rechte Arm aber hat das Gewand uͤbergeworfen, man sieht aber die Oeffnung. e Von dem Zusammenle- gen der Weib- lichen Kleider. Die Kleidung der Alten wurde zusammengelegt und gepresset, wel- ches sonderlich muß geschehen seyn, wenn dieselbe gewaschen wurde: denn mit den weißen Gewaͤndern der aͤltesten Tracht des Weiblichen Ge- schlechts mußte dieses oͤfter geschehen Hom. Il. γ́ v. 419. Hesiod. Op. v. 195. Anthol. L. 6. ep. 4. ; es geschieht auch der Kleiderpressen Meldung Turneb. Advers. L. 23. c. 19. p. 768. . Man sieht dieses an den theils erhobenen, theils vertief- ten Reifen, welche uͤber die Gewaͤnder hinlaufen, und Bruͤche des zusam- mengelegten Tuches vorstellen. Diese haben die alten Bildhauer vielmals nachgeahmet, und ich bin der Meynung, daß, was die Roͤmer Runzeln ( Rugas ) an den Kleidern hießen, dergleichen Bruͤche, nicht geplattete Falten waren, wie Salmasius meynet in Tertul. de Pal. p. 334. , welcher von dem, was er nicht gesehen, nicht Rechenschaft geben konnte. C. Von der Zier- lichkeit des Weiblichen Anzuges. In der Zierlichkeit, als dem zweyten Puncte der Betrachtung uͤber die Zeichnung bekleideter Figuren, liegt viel zur Kenntniß des Stils und der Zeiten. Die Zierlichkeit in der Kleidung, welche bey den Alten vor- a An der Kleidung all- gemein. nehmlich nur den Weiblichen Kleidern zukoͤmmt, bestehet in der Kunst son- derlich in den Falten. Diese giengen in den aͤltesten Zeiten mehrentheils gerade, oder in einem sehr wenig gezogenen Bogen: ein in diesen Sachen sehr wenig erleuchteter Scribent saget dieses von allem Faltenschlage der Alten. Von der Kunst unter den Griechen. Alten Perrault Paral. T. 1. p. 179. seq. . Da nun die Hetrurischen Gewaͤnder mehrentheils in kleine Fal- ten geleget sind, welche, wie im vorigen Capitel angezeiget worden, fast parallel neben einander liegen, und da der aͤlteste Griechische Stil, wel- chem der Hetrurische aͤhnlich war, es also auch in der Bekleidung gewesen ist, so kann man, auch ohne Ueberzeugung aus uͤberbliebenen Denkmalen, chließen, daß die Griechischen Gewaͤnder des aͤlteren Stils jenen aͤhnlich gewesen seyn werden. Wir finden noch an Figuren aus der besten Zeit der Kunst den Mantel in platte Falten geleget, welches an einer Pallas auf Alexanders des Großen Muͤnzen deutlich ist; daher solche Falten allein kein Zeichen des aͤltesten Stils sind, wofuͤr sie insgemein genommen wer- den. In dem hoͤchsten und schoͤnsten Stile wurden die Falten mehr in Bogen gesenkt, und weil man die Mannigfaltigkeit suchte, wurden die Falten gebrochen, aber wie Zweige, die aus einem Stamme aus- gehen, und sie haben alle einen sanften Schwung. An großen Ge- waͤndern beobachtete man, die Falten in vereinigte Haufen zu halten, in welcher großen Art der Mantel der Niobe, das schoͤnste Gewand aus dem ganzen Alterthume, ein Muster seyn kann. An die Bekleidung derselben, nemlich der Mutter, hat ein neuerer Kuͤnstler in seinen Betrachtungen uͤber die Bildhauerey Falconet Refl. sur la Sculpt. p. 55. , nicht gedacht, wenn er vorgiebt, daß in den Ge- waͤndern der Niobe eine Monotonie herrsche, und daß die Falten ohne Verstaͤndniß in der Eintheilung sind. Wenn aber der Kuͤnstler Absicht war, die Schoͤnheit des Nackenden zu zeigen, so setzten sie derselben die Pracht der Gewaͤnder nach, wie wir an den Toͤchtern der Niobe sehen: ihre Kleider liegen ganz nahe am Fleische, und es sind nur die Hohlungen bedeckt; uͤber die Hoͤhen aber sind leichte Falten, als Zeichen eines Gewan- des, gezogen. In eben diesem Stile ist eine Diana Stosch Pier. gr. pl. 36. auf einem geschnitte- nen Steine, mit dem Namen des Kuͤnstlers ΗΕΙ ͦϒ , gekleidet: die C c 3 Schreib- I Theil. Viertes Capitel. Schreibart des Namens setzet diesen Hejus in die aͤltern Zeiten. Ein Glied, welches sich erhebet, und von welchem ein freyes Gewand von beyden Sei- ten herunter faͤllt, ist allezeit, wie in der Natur, ohne Falten, welche sich dahin senken, wo eine Hohlung ist. Vielfaͤltig verworrene Bruͤche, die von den mehresten neueren Bildhauern, auch Malern gesuchet werden, wur- den bey den Alten fuͤr keine Schoͤnheit gehalten: an hingeworfenen Ge- waͤndern aber, wie das am Laocoon ist, und ein anderes uͤber eine Vase geworfen, von der Hand eines Erato Cf. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 167. , in der Villa Albani, sieht man Falten auf mancherley Weise gebrochen. b Von dem Schmucke insbesondere. aa des Kopfs. Zur Kleidung gehoͤret der uͤbrige Schmack, des Kopfs, der Arme, und der Anzug der Fuͤße. Von dem Haarputze der aͤlteren Griechischen Figuren ist kaum zu reden: denn die Haare sind selten in Locken geleget, wie an Roͤmischen Koͤpfen; und an Griechischen Weiblichen Koͤpfen sind die Haare allezeit noch einfaͤltiger, als an ihren Maͤnnlichen Koͤpfen. An den Figuren des hoͤchsten Stils sind die Haare ganz platt uͤber den Kopf gekaͤmmet, mit Andeutung Schlangenweis fein gezogener Furchen, und bey Maͤdgens sind sie auf dem Wirbel Pausan. L. 8. p. 638. l. 22. L. 10. p. 862. l. 4 zusammen gebunden Auf einer sehr seltenen silbernen Muͤnze der Stadt Taranto sitzet Taras , der Sohn des Neptunus, wie auf den mehresten, zu Pferde; das besondere aber sind die Haare des- selben auf dem Wirbel in einen Schopf, wie bey den Maͤdgens, gebunden, so daß da- durch das Geschlecht zweydeutig wuͤrde, wenn der Kuͤnstler dieses nicht deutlich an sei- nem Orte sehen lassen. Unter dem Pferde sieht man eine alte Tragische Larve. , oder um sich selbst in einen Knauf, vermittelst einer Nestnadel Pausan. L. 1. p. 51. l. 26. , herumgewickelt, welche aber an ihren Figuren nicht sichtbar gemalt ist. Eine einzige Roͤ- mische Figur findet sich beym Montfaucon Ant- expl. Suppl. T. 3. pl. 4. , an deren Kopfe man die- selbe sieht; es ist aber keine Nadel, die Haare ordentlich in Locken zu legen, ( Acus discriminalis ) wie dieser Gelehrte meynet. Bey Weibern liegt dieser Knauf gegen das Hintertheil des Kopfs zu; und mit einer solchen Ein- Von der Kunst unter den Griechen. Einfalt trat allezeit die erste Weibliche Person in den Griechischen Trauer- spielen auf Scalig. Poet. L. 1. c. 14. p. 23. D. . Zuweilen sind die Weiblichen Haare, wie an Hetrurischen Figuren beyderley Geschlechts, hinten lang gebunden, und haͤngen unter dem Bande in großen neben einander liegenden Locken herunter: also sind dieselben an der vielmals angefuͤhrten Pallas in der Villa Albani, an einer kleinern Pallas beym Belisario Amidei , an den Caryatiden in der Villa Negroni, und an der Hetrurischen Diana zu Portici. Gori Mus. Etr. T. 1. p. 101. , welcher so gebundene Haare fuͤr eine Eigenschaft Hetrurischer haͤlt, ist also zu wider- legen. Flechten um den Kopf gewickelt, wie Michael Angelo den zwo Weiblichen Statuen an dem Grabmale Pabsts Julius II. gegeben, finden sich an keiner alten Statue. Aufsaͤtze von fremden Haaren sieht man an Koͤpfen Roͤmischer Frauen, und Lucilla, Gemahlinn Kaisers Lucius Ve- rus, im Campidoglio, hat dieselben von schwarzem Marmor, so daß man dieses Stuͤck abnehmen kann. Goͤttliche Figuren haben zuweilen ein doppeltes Band, oder Diadema, wie die oft angefuͤhrte Juno Lucina in der Villa Albani, welche um die Haare ein rundes Seil geleget hat, und dasselbe ist nicht gebunden, son- dern hinten einigemal unter einander gestecket; das andere Band, als das eigentliche Diadema, ist breit, und lieget uͤber den Haarwachs auf der Stirne. Den Haaren gab man vielmals eine Hyacinthen-Farbe conf. Huet. Lettr. p. 393. dans les Diss. recueillies par Tilladet. Pind. Nem. 7. ἰοβο- ςρύχοισι Μοἰσαις. ; an vielen Statuen sind dieselben roth gefaͤrbet, wie an der angefuͤhrten He- trurischen Diana zu Portici, und eben daselbst an einer kleinen Venus von drey Palmen, welche sich ihre benetzten Haare mit beyden Haͤnden aus- druͤcket, und an einer bekleideten Weiblichen Statue mit einem Idealischen Kopfe, in dem Hofe des Musei daselbst. An der Mediceischen Venus waren die Haare vergoldet, wie an dem Kopfe eines Apollo im Campido- glio; I Theil. Viertes Capitel. glio; am deutlichsten aber fand es sich an einer schoͤnen Pallas in Lebens- groͤße, von Marmor, unter den Herculanischen Statuen zu Portici, und das Gold war in so dicken Blaͤttern aufgelegt, daß dasselbe konnte abge- nommen werden; es waren die abgeloͤsten Stuͤckgen noch vor fuͤnf Jahren aufgehoben. Besagte Weiber ließen sich zuweilen die Haare abscheeren, wie die Mutter des Theseus Pausan. L. 10. p. 861. l. 11. , und eine alte Frau auf einem Gemaͤlde des Poly- gnotus zu Delphos Ib. p. 864. l. 27. conf. Eurip. Phoeniss. v. 375. , waren, welches vermuthlich bey Wittwen ihre be- staͤndige Trauer anzeigte, wie an der Clytemnestra und der Hecuba Eurip. Iphig. Aul. v. 1438. Troad. v. 279. 480. Helen. v. 1093. 1134. 1240. ; auch Kinder schnitten sich die Haare ab Eurip. Elect. v. 108. 148. 241. 335. Epigr. gr. ap. Orvil. Anim. in Charit. p. 365. , uͤber den Tod ihres Vaters. Auf Muͤnzen und auf Gemaͤlden finden sich Weibliche, auch Goͤttliche Koͤpfe, mit einem Netze bedecket, welche noch itzo die Tracht der Weiber in Ita- lien, im Hause ist: es hieß eine solche Art Hauben κεκρύφαλος, und ich habe davon an einem andern Orte geredet Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 417. . Ohrgehaͤnke haben zwar etliche Statuen, als die Venus des Praxi- teles, getragen, wie dieses auch die Loͤcher an den Ohren der Toͤchter der Niobe, der Mediceischen Venus, der angefuͤhrten Juno Lucina, und an einem schoͤnen Kopfe etwa einer Juno, von gruͤnlichem Basalte, in der Villa Albani, anzeigen; es sind aber nur zwo Figuren in Marmor be- kannt, an denen die Ohrgehaͤnke, welche rund sind, mit im Marmor ge- arbeitet worden, ohngefaͤhr auf eben die Art, wie dieselben an einer Aegy- ptischen Figur sind Pococke’s Descr. of the East, T. 1. p. 211. . Die eine ist eine von den Caryatiden in der Villa Negroni, die andere war in dem Eremo des Cardinals Paßionei bey den Calmaldulensern, uͤber Frascati; diese ist halb Lebensgroͤße, und nach Art Hetru- Von der Kunst unter den Griechen. Hetrurischer Figuren gekleidet und gearbeitet. Auf dem Landhause des Grafen von Fede in der Villa Hadriani, sind ein paar Brustbilder von gebrannter Erde mit eben solchen Ohrgehenken. Insgemein gieng das Weibliche Geschlecht mit unbedecktem Haupte; in der Sonne aber, oder auf der Reise, trugen sie einen Thessalischen Hut, welcher den Strohhuͤten der Weiber in Toscana, die einen sehr niedrigen Kopf haben, aͤhnlich ist. Mit einem solchen Hute fuͤhrete Sophocles die juͤngste Tochter des Oedipus, Ismene, auf Oedip. Colon. v. 306. , da sie aus Theben nach Athen ihrem Vater nachgereiset war; und eine Amazone zu Pferde im Streit mit zween Kriegern, auf einem irrdenen Gefaͤße gemalet, in der Sammlung alter Gefaͤße Hrn. Mengs, hat diesen Hut, aber auf die Schulter herunter geworfen. Das, was uns ein Korb scheinet auf den Koͤpfen der Caryatiden, in der Villa Negroni, kann eine Tracht in gewissen Laͤndern gewesen seyn, wie noch itzo die Weiber in Aegypten tragen Belon. Obs. L. 2. ch. 35. . Der Anzug Weiblicher Fuͤße sind theils ganze Schuhe, theils Sohlen. bb Der Fuͤße. Jene sieht man an vielen Figuren auf Herculanischen Gemaͤlden Pitt. Erc. T. 1. tav. 7. 21. 23 , wo sie zuweilen gelb sind Hierauf deutet χρυσεοσἀνδαλον ἴχνος beym Euripides Iphig. Aul. v. 1042. Die Furien auf einer Hetrurischen bemalten Urne haben violette Schuhe . Dempst. Etrur. tab. 86. , so wie sie Venus hatte Bartoli Pitt. ant. tav. 6. , auf einem Gemaͤlde in den Baͤdern des Titus, und die Perser trugen Aoschyl. Pers. v. 662. , und in Marmor an der Niobe, welche letztere nicht rund, wie jene, vorne zulaufen, sondern breit- lich sind. Die Sohlen sind mehrentheils wenigstens einen Finger dick, und bestehen aus mehr als einer Sohle; zuweilen waren fuͤnf zusammen genaͤhet, wie durch eben so viel Einschnitte an den Sohlen der Albanischen Pallas an- gedeutet worden, welche zween Finger dick ist. Diese Sohle war nicht sel- ten Winckelm. Gesch. der Kunst . D d I Theil. Viertes Capitel. ten von Kork, (das Korkholz hat daher den Namen Pantoffelholz bekom- men) und war unten und oben mit einer Sohle von Leder beleget, welche uͤber das Holz in einem Rand hervor tritt, wie es sich an einer kleinen Pal- las von Erzt, in der Villa Albani, zeiget; in Italien tragen noch itzo einige Nonnen dergleichen Sohlen. Es finden sich indessen auch Schuhe aus einer einzigen Sohle, welche die Griechen ἁπλᾶς und μονόπελμα ὑποδήματα nenneten Casaub. Not. in Aen. Tact. c. 21. p. 84. , und solche Sohlen haben die Statuen der beyden gefangenen Koͤnige im Campidoglio, und bestehen aus einem Stuͤcke Leder, welches um den Fuß obenher geschnuͤret oder gebunden wird, wie dergleichen noch unter den Landleuten zwischen Rom und Neapel gebraͤuchlich sind. Es trugen auch die Alten, so wohl Maͤnnlichen als Weiblichen Geschlechts, Sohlen aus Stricken zusammengelegt, wie dieselben noch itzo unter den Licanern uͤblich sind; diese Stricke gehen in laͤnglichen Kreisen um einander herum, und es war auch das Stuͤck, welches die Ferse bedeckte, aus Stricken, an der Sohle befestiget: verschiedene solcher Sohlen, auch von Personen vom zarten Alter, haben sich im Herculano gefunden. Der Cothurnus war eine Sohle von verschiedener Dicke oder Hoͤhe Cic. de Fin. L. 3. c. 14. , mehrentheils aber eine Handbreit hoch, welcher insgemein der Tragischen Muse auf erhabenen Werken gegeben ist, und diese Muse stehet in Lebensgroͤße unerkannt in der Villa Borghese, wo sich die eigentliche Form des Cothurnus zeiget, welcher fuͤnf Zolle eines Roͤ- mischen Palms hoch ist. Diesem wahrhaften Augenschein gemaͤß, muͤssen die Stellen der Alten, die wider alle Wahrscheinlichkeit von einer ungewoͤhn- lichen Erhoͤhung der Person auf dem Theater zu reden scheinen, verstanden werden. Von dem Tragischen Cothurno aber ist eine Art Stiefeln, welche eben so hieß, zu unterscheiden; diese gieng bis auf die Haͤlfte der Wade, und war bey Jaͤgern, wie noch itzo in Italien, gebraͤuchlich: Diana und Bacchus pflegen dieselben zuweilen zu tragen Spanh. ad Callim. in Dian. p. 134. . Die Art des Bindens der Sohlen ist Von der Kunst unter den Griechen. ist bekannt, und an der mehrmal angefuͤhrten Hetrurischen Diana zu Portici sind die Riemen roth, wie auch an einigen andern Figuren Pitt. Erc. T. 2. tav. 17. der alten Ge- maͤlde daselbst. Hier will ich nur den Querriem an dem Mittel der Sohle anmerken, unter welchem der Fuß konnte hineingestecket werden. Dieser Riem findet sich selten an Goͤttlichen Weiblichen Figuren, auch liegt derselbe, wie er ist, unter dem Fuße, und zwar unter dem Bug der Zehen, und man sieht nur das Ohr davon auf beyden Seiten des Fußes, um nicht durch diesen Riem etwas an der zierlichen Form desselben zu verbergen. Es ist besonders, daß Plinius von den Sohlen der sitzenden Statue der Cornelia, der Mutter der bey- den Graccher, anmerket, daß dieselben ohne besagten Riem gewesen L. 34. c. 14. . Die Armbaͤnder haben insgemein die Gestalt von Schlangen, auch cc Der Arme. mit dem Kopfe, wie dergleichen verschiedene in dem Herculanischen Museo zu Portici in Erzt und in Golde befindlich sind. Es liegen dieselben theils um den Oberarm, wie an den beyden schlafenden Nymphen, im Vaticano und in der Villa Medicis, welche daher fuͤr eine Cleopatra angenommen und beschrie- ben worden sind. Andere Armbaͤnder liegen uͤber den Knoͤcheln der Hand, und eine von den Toͤchtern des Cecrops, in dem alten beygebrachten Gemaͤlde, hat dasselbe in zween Ringen; eine von den angefuͤhrten Caryatiden, in der Villa Negroni, hat dasselbe in vier Umkreißen. Zuweilen ist dieses Armband eine gedrehete Binde, wie man es an einer Figur in der Villa Albani sieht; und diese Art Armbaͤnder sind diejenigen, welche ςρεπτά hießen. Die sogenannten Periscelides , oder Baͤnder um die Beine, sieht man an der Weiblichen Figur auf dem Steine, welcher dem folgenden drit- ten Stuͤcke dieses Capitels vorgesetzet ist, und es finden sich dieselben zuwei- len in fuͤnf Reifen, wie um das rechte Bein an ein paar Victorien auf irrde- nen Gefaͤßen, in dem Museo Hrn. Mengs: dergleichen Ringe um die Bei- ne tragen noch itzo die Weiber in den Morgenlaͤndern Hunt Diss. on the Prov. of Salom. p. 13. . D d 2 An I Theil. Viertes Capitel. C. Allgemeine Betrachtung uͤber die Zier- lichkeit an Weiblichen Figuren. An der Zeichnung bekleideter Figuren hat zwar der feine Sinn und die Empfindung, so wohl im Bemerken und Lehren, als im Nachahmen, weniger Antheil, als die aufmerksame Beobachtung und das Wissen; aber der Kenner hat in diesem Theile der Kunst nicht weniger zu erforschen, als der Kuͤnstler. Bekleidung ist hier gegen das Nackende, wie die Ausdruͤ- cke der Gedanken, das ist, wie die Einkleidung derselben, gegen die Ge- danken selbst; es kostet oft weniger Muͤhe, diesen, als jene, zu finden. Da nun in den aͤltesten Zeiten der Griechischen Kunst mehr bekleidete, als nackte Figuren gemacht wurden, und dieses in Weiblichen Figuren auch in den schoͤnsten Zeiten derselben blieb, also daß man eine einzige nackte Figur ge- gen funfzig bekleidete rechnen kann: so gieng auch der Kuͤnstler Suchen zu allen Zeiten nicht weniger auf die Zierlichkeit der Bekleidung, als auf die Schoͤnheit des Nackenden. Die Gratie wurde nicht allein in Gebehr- den und Handlungen, sondern auch in der Kleidung gesuchet, (wie denn die aͤltesten Gratien bekleidet gebildet waren) und wenn zu unsern Zeiten die Schoͤnheit der Zeichnung des Nackenden aus vier oder fuͤnf der schoͤn- sten Statuen zu erlernen waͤre, so muß der Kuͤnstler die Bekleidung in hundert derselben studiren. Denn es ist schwerlich eine der andern in der Bekleidung gleich, da sich hingegen viele nackte Statuen voͤllig aͤhnlich finden, wie die mehresten Venus sind; eben so scheinen verschiedene Sta- tuen des Apollo nach eben demselben Modelle gearbeitet, wie drey aͤhnliche in der Villa Medicis, und ein anderer im Campidoglio, sind, und die- ses gilt auch von den mehresten jungen Figuren. Es ist also die Zeich- nung bekleideter Figuren mit allem Rechte ein wesentliches Theil der Kunst zu nennen. Drittes Drittes Stuͤck. Von dem Wachsthume und dem Falle der Griechischen Kunst, in welcher vier Zeiten und vier Stile koͤnnen gesetzet werden. D as dritte Stuͤck dieser Abhandlung, von dem Wachsthume und dem Drittes Stuͤck . Von dem Wachsthume und dem Falle der Griechi- schen Kunst, in welcher vier Zeiten und vier Stile koͤnnen gered net werden. Falle der Griechischen Kunst, gehet nicht weniger, als das vorige Stuͤck, auf das Wesen derselben, und es werden hier verschiedene allgemei- ne Betrachtungen des vorigen Theils durch merkwuͤrdige Denkmaale der Griechischen Kunst naͤher und genauer bestimmet. Die Kunst unter den Griechen hat, wie ihre Dichtkunst, nach Sca- ligers Angeben, vier Hauptzeiten, und wir koͤnnten deren fuͤnf setzen. Denn so wie eine jede Handlung und Begebenheit fuͤnf Theile, und gleich- sam Stufen hat, den Anfang, den Fortgang, den Stand, die Abnahme, und das Ende, worinn der Grund lieget von den fuͤnf Auftritten oder Handlungen in Theatralischen Stuͤcken, eben so verhaͤlt es sich mit der D d 3 Zeit- I Theil. Viertes Capitel. Zeitfolge derselben: da aber das Ende derselben außer die Graͤnzen der Kunst gehet, so sind hier eigentlich nur vier Zeiten derselben zu betrachten. Der aͤltere Stil hat bis auf den Phidias gedauret; durch ihn und durch die Kuͤnstler seiner Zeit erreichete die Kunst ihre Groͤße, und man kann diesen Stil den Großen und Hohen nennen; von dem Praxiteles an bis auf den Lysippus und Apelles erlangete die Kunst mehr Gratie und Gefaͤllig- keit, und dieser Stil wuͤrde der Schoͤne zu benennen seyn. Einige Zeit nach diesen Kuͤnstlern und ihrer Schule fing die Kunst an zu sinken in den Nachahmern derselben, und wir koͤnnten einen dritten Stil der Nachahmer setzen, bis sie sich endlich nach und nach gegen ihren Fall neigete. I. Der aͤltere Stil. Bey dem aͤlteren Stile sind erstlich die uͤbrig gebliebenen vorzuͤglichen Denkmaale in demselben, ferner die aus denselben gezogenen Eigenschaften, A. Denkmaale desselben. und endlich der Uebergang zu dem großen Stil zu betrachten. Man kann keine aͤltere und zuverlaͤßigere Denkmaale des aͤltern Stils, als einige Muͤn- a Auf Muͤn- zen. zen, anfuͤhren, von deren hohem Alter das Gepraͤge und ihre Inschrift Zeug- niß geben, und denselben fuͤge ich einen Carniol des Stoßischen Musei bey, welcher zu Ende des ersten Stuͤcks dieses Capitels gesetzet ist. Die Inschrift gehet auf diesen Muͤnzen so wohl, als auf dem Steine, ruͤckwerts, das ist, von der Rechten zur Linken; diese Art zu schreiben aber muß geraumere Zeit vor dem Herodotus aufgehoͤret haben. Denn da dieser Geschichtschreiber einen Gegensatz der Sitten und Gebraͤuche der Aegypter gegen die Griechen machet, fuͤhret er an, daß jene auch im Schrei- ben das Gegentheil von diesen gethan, und von der Rechten zur Linken ge- schrieben haben L. 2. p. 65. l. 13. ; eine Nachricht, welche zu einiger Bestimmung der Zeit in der Axt zu schreiben unter den Griechen, so viel ich weis, noch nicht bemerket ist. Es fuͤhret Pausanias an L. 5. p. 444. l. 24. , daß unter der Statue des Agamemnons zu Elis (welche eine von den acht Figuren des Onatas war, die Von der Kunst unter den Griechen. die diejenigen vorstelleten, welche sich erbothen hatten zum Loose, mit dem Hector zu fechten) die Schrift von der Rechten zur Linken gegangen; welches etwas seltenes auch an den aͤltesten Statuen scheinet gewesen zu seyn: denn er meldet dieses von keiner andern Inschrift auf Statuen. Unter den aͤltesten Muͤnzen sind die von einigen Staͤdten in Groß- Griechenland, sonderlich die Muͤnzen von Sybaris , von Caulonia , und von Posidonia oder Paͤstum in Lucanien. Die erstern koͤnnen nicht nach der zwey und siebenzigsten Olympias, in welcher Sybaris von den Crotoniatern zerstoͤret worden Herodot. L. 6. p. 215. l. 3. , gemacht seyn, und die Form der Buchsta- ben in dem Namen dieser Stadt deuten auf viel fruͤhere Zeiten Anf demselben stehet , an statt ΣΤ, und eben so, nemlich wie ein Μ, stehet das Sigma auf angefuͤhrten Muͤnzen von Posidonia. Das Rho (Ρ) hat einen kleinen Schwanz . Caulenia ist geschrieben . Der Ochse auf diesen, und der Hirsch auf Muͤnzen von Caulonia, sind ziemlich unfoͤrmlich: auf sehr alten Muͤnzen dieser Stadt ist Jupiter, so wie Ne- ptunus auf Muͤnzen der Stadt Posidonia, von schoͤnerm Gepraͤge, aber im Stile, welcher insgemein der Hetrurische heißt. Neptunus haͤlt seinen dreyzackigten Zepter, wie eine Lanze, im Begriffe zu stoßen, und ist, wie Jupiter, nackend, außer daß er sein zusammengenommenes Gewand uͤber beyde Arme geworfen hat, als wenn ihm dasselbe statt eines Schildes die- nen sollte; so wie Jupiter auf einem geschnittenen Steine seine Aegis um seinen linken Arm gewickelt hat Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 40. . Auf diese Art fochten zuweilen die Alten in Ermangelung des Schildes, wie Plutarchus vom Alcibiades Alcib. p. 388. l. 4. , und Livius vom Tiberius Gracchus, berichtet L. 25. c. 16. conf. Scalig. Conject. in Varron. p. 10. . Das Gepraͤge dieser Muͤnzen ist auf der einen Seite hohl, und auf der andern erhoben, nicht wie es einige Kaiserliche Muͤnzen haben, wo das hohle Gepraͤge der einen Seite ein Versehen ist; sondern auf jenen Muͤnzen zeigen sich offenbar zween I Theil. Viertes Capitel. zween verschiedene Stempel, welches ich an dem Neptunus deutlich dar- thun kann. Wo derselbe erhoben ist, hat er einen Bart und krause Haare; hohl gepraͤget ist er ohne Bart, und mit gleichen Haaren: dort haͤngt das Gewand vorwerts uͤber den Arm, und hier hinterwerts; dort gehet an dem Rande umher ein Zierrath, wie von zween weitlaͤuftig geflochtenen Stricken, und hier ist derselbe einem Kranze aus Aehren aͤhnlich; der Zepter ist auf beyden Seiten erhaben. Es ist im uͤbrigen nicht darzuthun, wie jemand ohne Beweis an- giebt Reinold. Hist. Litter. graec. \& lat. p. 57. , daß das Gamma der Griechen nicht lange nach der funfzigsten Olympias, nicht Γ, sondern Ϲ geschrieben worden, wodurch die Begriffe von dem aͤltern Stile aus Muͤnzen, zweifelhaft und widersprechend wer- den wuͤrden. Denn es finden sich Muͤnzen, auf welchen gedachter Buchstab in seiner aͤltern Form vorkoͤmmt, die gleichwohl ein vorzuͤgliches Gepraͤge haben; unter denselben kann ich eine Muͤnze der Stadt Gela in Sicilien, geschrieben , mit einer Biga und dem Vordertheil eines Minotaurs, anfuͤhren. Ja man kann das Gegentheil von jenem Vorgeben unter andern aus einer Muͤnze der Stadt Segesta in Sicilien, mit dem runden Gamma, darthun, welche, wie ich im zweyten Theile dieser Ge- schichte hoffe darzuthun, lange nach dieser Zeit, und in der CXXXIV. Olympias, gepraͤget worden. Daß die Begriffe der Schoͤnheit, oder vielmehr, daß die Bildung und Ausfuͤhrung derselben, den Griechischen Kuͤnstlern nicht, wie das Gold in Peru waͤchst, urspruͤnglich mit der Kunst eigen gewesen, bezeugen son- derlich Sicilianischen Muͤnzen, welche in folgenden Zeiten alle andere an Schoͤnheit uͤbertroffen. Ich urtheile nach seltenen Muͤnzen von Leon- tium, Messina, Segesta und Syracus , in dem Stoßischen Museo, und zwo von diesen Muͤnzen der letztern Stadt sind zu Anfang dieses Stuͤcks in Kupfer zu sehen; der Kopf ist eine Proserpina. Die Koͤpfe auf diesen Muͤnzen Von der Kunst unter den Griechen. Muͤnzen sind gezeichnet, wie der Kopf der Pallas auf den aͤltesten Athenien- sischen Muͤnzen: kein Theil derselben hat eine schoͤne Form, folglich auch das Ganze nicht; die Augen sind lang und platt gezogen; der Schnitt des Mundes gehet aufwerts; das Kinn ist spitzig, und ohne zierliche Woͤlbung; und es ist bedeutend genug, zu sagen, daß das Geschlecht an den Weiblichen Koͤpfen fast zweifelhaft ist. Gleichwohl ist die Ruͤckseite, nicht allein in Absicht des Gepraͤges, sondern auch der Zeichnung der Figur, zierlich. Wie aber ein großer Unterscheid ist unter der Zeichnung im Kleinen und im Großen, und von jener nicht auf diese kann geschlossen werden, so war es leichter, eine zierliche kleine Figur, etwa einen Zoll groß, als einen Kopf von eben der Groͤße, schoͤn zu zeichnen. Die Bildung dieser Koͤpfe hat also nach der angegebenen Form die Eigenschaften des Aegyptischen und Hetruri- schen Stils, und ist ein Beweis der in den drey vorhergehenden Capiteln ange- zeigten Aehnlichkeit der Figuren dieser drey Voͤlker in den aͤltesten Zeiten. Gleiches Alterthum mit angefuͤhrten Muͤnzen scheinet der sterbende b Auf einem geschnittenen Steine. Othryades in dem Stoßischen Museo zu haben Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 405. . Die Arbeit ist nach der Schrift auf demselben Griechisch, und stellet den sterbenden Spartaner Othryades, nebst einem andern verwundeten Krieger, vor, wie jener, so wie dieser, sich den toͤdtlichen Pfeil aus der Brust ziehet, und zugleich das Wort „ dem Siege „ Lucianus und andere sagen, daß der Held mit seinem Blute geschrieben. Plutar- chus bemerket, daß er die beyden Worte ΔΙΙΤΡΟΠΑΙΟϒΧΩΙ „ dem siegreichen Jupiter „ auf den Schild gezeichnet. Der Kuͤnstler wird einer ver- schiedenen Nachricht gefolget seyn, da er das Wort Sieg gesetzt: oder der eingeschraͤnk- te Raum ist die Ursache, daß er ein Wort genommen, welches die Absicht des Helden uͤberhaupt, und den Gedanken von jener Schrift, enthaͤlt und ausdruͤcket. Das Wort ist in Dorischer Mundart geschrieben (welche den Spartanern eigen war) und ist der Dativus NIKAI, an statt NIKHI. Man sehe die Abhandlung uͤber diesen Stein in der Beschreibung der geschnittenen Steine des Stoßischen Musei. Contempl. c. 24. p. 523. Rhetor. praec. c. 18. p. 20. Val. Max. L. 3. c. 2. \& 4. Parall. p. 545. l. 2. auf seinen Schild schreibet. Die Argiver und Sparta- Winckelm. Gesch. der Kunst . E e I Theil. Viertes Capitel. Spartaner waren in Streit uͤber die Stadt Thyrea , und machten auf beyden Seiten von jeder Nation dreyhundert Mann aus, die gegen einan- der fechten sollte, um ein allgemeines Blutvergießen zu verhindern. Diese Sechshundert Mann blieben alle auf dem Platze, außer zween von den Argivern, und von den Spartanern dem einzigen Othryades, welcher, so toͤdtlich verwundet er war, alle Kraͤfte sammlete, und von den Waffen der Argiver eine Art eines Siegeszeichens zusammenlegte. Auf einem von den Schildern deutete er den Sieg auf Seiten der Spartaner mit seinem Blute an. Dieser Krieg geschah ohngefaͤhr zur Zeit des Croesus. Die Scribenten, unter welchen Herodotus der erste ist L. 1. c. 82. , sind verschieden in Er- zehlung dieser merkwuͤrdigen Begebenheit; zu dieser Untersuchung aber ist hier nicht der Ort. Die Arbeit des Steins ist mit Fleiß ausgefuͤhret, und es fehlet den Figuren nicht an Ausdruck: die Zeichnung derselben aber ist steif und platt, die Stellung gezwungen und ohne Gratie. Wenn wir betrachten, daß keiner von andern Helden des Alterthums, deren Tod merkwuͤrdig ist, auf gleiche Weise sein Leben geendiget, und daß des Othrya- des Tod ihn auch bey den Feinden von Sparta verehrt gemacht, (denn sei- ne Statue war zu Argos) so ist wahrscheinlich, daß diese Vorstellung auf niemand anders deuten koͤnne. Wollte man annehmen, daß dieser Held bald nach seinem Tode ein Vorwurf der Kuͤnstler geworden, welches die ruͤckwerts geschriebene Schrift auf dessen Schilde wahrscheinlich macht, und da dessen Tod zwischen der funfzigsten und sechzigsten Olympias wird zu setzen seyn, so wuͤrde die Arbeit dieses Steins uns den Stil von Ana- creons Zeit zeigen. Es wuͤrde folglich demselben der bekannte Smaragd des Polycrates, Herrn von Samos, welchen Theodorus, der Vater des Telecles, geschnitten, in der Arbeit aͤhnlich gewesen seyn. c In Werken von Marmor. Was die Werke der Bildhauerkunst in diesem aͤltern Stile betrift, so fuͤhre ich, wie uͤberhaupt von andern Werken der Kunst, keine an, als die ich Von der Kunst unter den Griechen. ich selbst gesehen, und genau untersuchen koͤnnen; daher ich von einem der aͤltesten erhobenen Arbeiten in der Welt, welche in Engeland ist, in Ab- sicht meines gegenwaͤrtigen Vorhabens nicht reden kann. Es stellet dasselbe Werk einen jungen Ringer vor, welcher vor einem sitzenden Jupiter stehet: ich zeige dasselbe zu Anfang des zweyten Theils an. Den aͤltern Stil glauben die Liebhaber des Alterthums in einem erhobenen Werke im Cam- pidoglio zu finden, welches drey Weibliche Bacchanten Fontanin. Antiq. Hort. L. 1. c. 6. p. 116. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 11. pl. 174. , nebst einem Faun vorstellet, mit der Unterschrift: ΚΑΛΛΙΜΑΧ ͦΣ ΕΠ ͦΙΕΙ. Cal- limachus soll derjenige seyn welcher sich niemals ein Genuͤge thun koͤn- nen Fontan. l. c. Lucatel. Mus. Capit. p. 36. , und weil er tanzende Spartanerinnen gemacht hat Plin. L. 34. c. 19. , so haͤlt man jenes fuͤr dieses. Die Schrift auf demselben ist mir bedenklich: sie kann nicht fuͤr neu gehalten werden, aber sehr wohl schon vor Alters nachgemacht und untergeschoben worden seyn, eben so wie der Name des Lysippus an ei- nem Hercules in Florenz, welcher alt ist, aber so wenig, als die Statue selbst, von der Hand dieses Kuͤnstlers seyn kann. Eine Griechische Arbeit von dem Stile des Werks im Campidoglio muͤßte nach den Begriffen, die wir von den Zeiten des Flors der Kunst haben, aͤlter seyn; Callimachus aber kann nicht vor dem Phidias gelebet haben: die ihn in die sechzigste Olympias setzen Felibien Hist. des Archit. p. 22. , haben nicht den mindesten Grund, und irren sehr groͤb- lich. Und wenn auch dieses anzunehmen waͤre, so koͤnnte kein X in dem Namen desselben seyn; dieser Buchstab wurde viel spaͤter vom Simonides erfunden: Callimachus muͤßte geschrieben seyn ΚΔΛΛΙΜΔΚΗ ͦΣ, oder ΚΔΛΙΜΔΚοΣ conf. Reinold. Hist. Litt. græc. \& lat. p. 9. , wie in einer alten Amycleischen Inschrift Nouv. Traité de Diplomat. T. 1. p. 616. . Pausanias setzet ihn unter die großen Kuͤnstler herunter; also muß er zu einer Zeit gelebet haben, wo es moͤglich gewesen waͤre, ihnen in der Kunst E e 2 bey- I Theil. Viertes Capitel. beyzukommen. Ein Bildhauer dieses Namens ist ferner der erste gewesen, welcher mit dem Bohrer gearbeitet hat Paus. L. 1. p. 63. l. 25. ; der Meister des Laocoons aber, welcher aus der schoͤnsten Zeit der Kunst seyn muß, hat den Bohrer an den Haaren, an dem Kopfe, und in den Tiefen des Gewandes gebraucht. Callimachus der Bildhauer soll ferner das Corinthische Capitaͤl erfunden haben Vitruv. L. 4. c. 1. ; Scopas aber, der beruͤhmte Bildhauer, bauete in der sechs und neunzigsten Olympias einen Tempel mit Corinthischen Saͤulen Paus. L. 8. p. 693. l. 19. : also haͤtte Callimachus zur Zeit der groͤßten Kuͤnstler, und vor dem Meister der Niobe, welches vermuthlich Scopas ist (wie im zweyten Theile wird untersuchet werden) und vor dem Meister des Laocoons gelebet, welches sich mit der Zeit, die aus der Ordnung der Kuͤnstler, in welcher ihn Pli- nius setzet, zu ziehen ist, nicht wohl reimet. Hierzu kommt, daß dieses Stuͤck zu Horta , einer Gegend, wo die Hetrurier wohneten, gefunden worden; welcher Umstand allein viel Wahrscheinlichkeit giebt, daß es ein Werk Hetrurischer Kunst sey, von welcher es alle Eigenschaften hat. So wie man dieses Werk fuͤr eine Griechische Arbeit haͤlt, so wuͤrden auf der andern Seite die im vorigen Capitel angefuͤhrten drey schoͤne gemalte irrdene Gefaͤße des Mastrillischen Musei zu Neapel, und eine Schaale in dem Koͤniglichen Museo zu Portici, fuͤr Hetrurisch angesehen worden seyn, wenn nicht die Griechische Schrift auf denselben das Gegentheil zeigete Diese Gefaͤße sind in Kupfer gestochen und erklaͤret zu finden in des Canonici Mazocchi Erlaͤuterung der Heracleischen Tafeln, in gedachtem Koͤniglichen Museo. Die Kupfer aber geben einen schlechten Begriff, weil sie nach elenden Zeichnungen, welche ich gesehen habe, gemacht sind. Es scheinet, daß der Verfasser die Originale weniger, als die Zeichnungen, betrachtet habe, weil ihm sonst der Betrug an einem andern kleinern Ge- faͤße dieses Musei, auf welchem, nach Anzeige der Schrift, Juno, Mars und Daͤda- lus stehen, haͤtte in die Augen fallen muͤssen. Diese Schrift ist nicht gemalet, wie auf . B. Eigenschaften dieses aͤlteren Stils. Von diesem aͤlteren Stile wuͤrden deutlichere Kennzeichen zu geben seyn, wenn sich mehrere Werke in Marmor, und sonderlich erhobene Ar- beiten, Von der Kunst unter den Griechen. beiten, erhalten haͤtten, aus welchen wir die aͤlteste Art ihre Figuren zusam- men zu stellen, und hieraus den Grad des Ausdrucks der Gemuͤthsbewe- gungen, erkennen koͤnnten. Wenn wir aber wie von dem Nachdrucke in Angebung der Theile an ihren kleinen Figuren auf Muͤnzen, auf groͤßere, auch auf den nachdruͤcklichen Ausdruck der Handlungen schließen duͤrfen, so wuͤrden die Kuͤnstler dieses Stils ihren Figuren heftige Handlungen und Stellungen gegeben haben; so wie die Menschen aus der Heldenzeit, von welchen die Kuͤnstler ihre Vorwuͤrfe machen, der Natur gemaͤß handelten, und ohne ihren Neigungen Gewalt anzuthun. Dieses wird wahrschein- lich durch Vergleichung mit den Hetrurischen Werken, denen jene aͤhnlich gehalten werden. Wir koͤnnen uͤberhaupt die Kennzeichen und Eigenschaften dieses aͤl- tern Stils kuͤrzlich also begreifen: die Zeichnung war nachdruͤcklich, aber hart; maͤchtig, aber ohne Gratie, und der starke Ausdruck verminderte die Schoͤnheit. Dieses aber ist stuffenweis zu verstehen, da wir unter dem aͤltern Stile den laͤngsten Zeitlauf der Griechischen Kunst begreifen; so daß die spaͤtern Werke von den ersteren sehr verschieden gewesen seyn werden. Dieser Stil wuͤrde bis in die Zeiten, da die Kunst in Griechenland bluͤhete, gedauert haben, wenn dasjenige keinen Widerspruch litte, was Athenaͤus vom Stesichorus vorgiebt Deipn. L. 12. p. 512. E. conf. Deser. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 275. , daß dieser Dichter der erste ge- wesen, welcher den Hercules mit der Keule und mit dem Bogen vorge- stellet: denn es finden sich viele geschnittene Steine mit einem so bewaffne- E e 3 ten auf den andern Gefaͤßen, sondern eingegraben; und auf einem andern Gefaͤße in eben dieser Sammlang ist das Wort ΔΟΡΔΩΝΟΣ mit großen Buchstaben eingeschnitteu. Die Inschrift ΜΑΞΙΜΟΣ ΕΓΡΑΨΕ auf einem gemalten Gefaͤße in der ehema- ligen Sammlung des Rechtsgelehrten Joseph Valetta, zu Neapel, kann ebenfalls Zweifel uͤber deren Richtigkeit erwecken. Wohin dieses Gefaͤß gekommen, habe ich nicht erfahren koͤnnen; in der Vaticanischen Bibliothec, wo die uͤbrigen Valettischen Gefaͤße sind, befindet es sich nicht. I Theil. Viertes Capitel. ten Hercules in dem aͤltern und zuvor angedeuteten Stile. Nun hat Stesichorus mit dem Simonides zu gleicher Zeit gelebet, nemlich in der zwey und siebenzigsten Olympias Bentley’s Diss. upon Phalar. p. 36. , oder um die Zeit, da Xerxes wider die Griechen zog; und Phidias, welcher die Kunst zu ihrer Hoͤhe getrieben, bluͤhete in der acht und siebenzigsten Olympias: es muͤßten also besagte Steine kurz vor oder gewiß nach jener Olympias gearbeitet seyn. Strabo aber giebt eine viel aͤltere Nachricht von denen dem Hercules beygelegten Zeichen Geogr. L. 15. p. 688. C. ; es soll diese Erdichtung vom Pisander herruͤhren, welcher, wie einige wollen, mit dem Eumolpus zu gleicher Zeit gelebet hat, und von andern in die drey und dreyßigste Olympias gesetzet wird: die aͤltesten Fi- guren des Hercules haben weder Keule noch Bogen gehabt, wie Strabo versichert. C. Vorbereitung dieses Stils zum hohen Stile. Die Eigenschaften dieses aͤltern Stils waren unterdessen die Vorbe- reitungen zum hohen Stil der Kunst, und fuͤhreten diesen zur strengen Richtigkeit und zum hohen Ausdruck: denn in der Haͤrte von jenem offenbaret sich der genau bezeichnete Umriß, und die Gewißheit der Kennt- niß, wo alles aufgedeckt vor Augen liegt. Auf eben diesem Wege wuͤrde die Kunst in neueren Zeiten, durch die scharfen Umrisse, und durch die nachdruͤckliche Andeutung aller Theile vom Michael Angelo, zu ihrer Hoͤ- he gelanget seyn, wenn die Bildhauer auf dieser Spur geblieben waͤren. Denn wie in Erlernung der Music und der Sprachen, dort die Toͤne, und hier die Sylben und Worte, scharf und deutlich muͤssen angegeben werden, um zur reinen Harmonie und zur fluͤßigen Aussprache zu gelangen: eben so fuͤhret die Zeichnung nicht durch schwebende, verlohrne und leicht ange- deutete Zuͤge, sondern durch maͤnnliche, obgleich etwas harte, und genau begraͤnzte Umrisse, zur Wahrheit und zur Schoͤnheit der Form. Mit einem aͤhnlichen Stile erhob sich die Tragoͤdie zu eben der Zeit, da die Kunst den großen Von der Kunst unter den Griechen. großen Schritt zu ihrer Vollkommenheit machte, in maͤchtigen Worten und starken Ausdruͤcken, von großem Gewichte, wodurch Aeschylus seinen Personen Erhabenheit, und der Wahrscheinlichkeit ihre Fuͤlle gab. Was insbesondere die Ausarbeitung der Werke der Bildhauerey aus dieser Zeit betrifft, von welchen sich in Rom nichts erhalten hat, so sind dieselben vermuthlich mit dem muͤhsamsten Fleiße geendiget gewesen, wie sich aus einigen angefuͤhrten Hetrurischen Werken, und aus sehr vielen der aͤltesten geschnittenen Steine, schließen laͤßt. Man koͤnnte dieses auch aus den Stuffen des Wachsthums der Kunst in neuern Zeiten muthmaßen. Die naͤchsten Vorgaͤnger der groͤßten Maͤnner in der Malerey haben ihre Werke mit unglaublicher Geduld geendiget, und zum Theil durch Ausfuͤh- rung der allerkleinsten Sachen, uͤber ihre Gemaͤlde, denen sie die Groß- heit nicht geben konnten, einen Glanz auszubreiten gesuchet; ja die groͤßten Kuͤnstler, Michael Angelo und Raphael, haben gearbeitet, wie ein Brit- tischer Dichter lehret Roscommon’s Essay on Poetry. : „Entwirf mit Feuer, und fuͤhre mit Phlegma aus.„ Man merke zu Ende der Betrachtung uͤber diesen ersten Stil, das unwissende Urtheil eines Franzoͤsischen Malers uͤber die Kunst, welcher setzet des Piles Rem. sur l’Art. de peint. de Fresnoy. p. 105. , man nenne alle Werke Antiquen, von der Zeit Alexanders des Großen bis auf den Phocas: die Zeit, von welcher er anrechnet, ist so we- nig richtig, als diejenige, mit welcher er endiget. Wir sehen aus dem vo- rigen, und es wird sich im folgenden zeigen, daß noch itzo aͤltere Werke, als von Alexanders Zeiten sind; das Alter in der Kunst aber hoͤret auf vor dem Constantin. Eben so haben diejenigen, welche mit dem P. Mont- faucon glauben Ant. expl. T. 3. P. 2. p. 6. §. 5. , daß sich keine Werke Griechischer Bildhauer erhalten haben, als von der Zeit an, da die Griechen unter die Roͤmer kamen, viel Unterricht noͤthig. Endlich I Theil. Viertes Capitel. II. Der hohe Stil. Endlich da die Zeiten der voͤlligen Erleuchtung und Freyheit iu Grie- chenland erschienen, wurde auch die Kunst freyer und erhabner. Der aͤl- A. Dessen Eigen- schaften. tere Stil war auf ein Systema gebauet, welches aus Regeln bestand, die von der Natur genommen waren, und sich nachher von derselben entfernet hatten, und Idealisch geworden waren. Man arbeitete mehr nach der Vorschrift dieser Regeln, als nach der Natur, die nachzuahmen war: denn die Kunst hatte sich eine eigene Natur gebildet. Ueber dieses angenomme- ne Systema erhoben sich die Verbesserer der Kunst, und naͤherten sich der Wahrheit der Natur. Diese lehrete aus der Haͤrte und von hervorsprin- genden und jaͤh abgeschnittenen Theilen der Figur in fluͤßige Umrisse zu gehen, die gewaltsamen Stellungen und Handlungen gesitteter und weiser zu machen, und sich weniger gelehrt, als schoͤn, erhaben und groß zu zeigen. Durch diese Verbesserung der Kunst haben sich Phidias, Polycletus, Sco- pas, Alcamenes und Myron beruͤhmt gemacht: der Stil derselben kann der Große genennet werden, weil außer der Schoͤnheit die vornehmste Ab- sicht dieser Kuͤnstler scheinet die Großheit gewesen zu seyn. Hier ist in der Zeichnung das Harte von dem Scharfen wohl zu unterscheiden, damit man nicht z. E. die scharfgezogene Andeutung der Augenbranen, die man bestaͤndig in Bildungen der hoͤchsten Schoͤnheiten sieht, fuͤr eine unnatuͤr- liche Haͤrte nehme, welche aus dem aͤltern Stile geblieben sey: denn diese scharfe Bezeichnung hat ihren Grund in den Begriffen der Schoͤnheit, wie oben bemerket worden. Es ist aber wahrscheinlich, und aus einigen Anzeigen der Scribenten zu schließen, daß der Zeichnung dieses hohen Stils das Gerade einiger- maßen noch eigen geblieben, und daß die Umrisse dadurch in Winkel ge- gangen, welches durch das Wort viereckt oder eckigt Plin. L. 34. c. 19. scheinet ange- gedeutet zu werden. Denn da diese Meister, wie Polycletus, Gesetzgeber in Von der Kunst unter den Griechen. in der Proportion waren, und also das Maaß eines jeden Theils auf dessen Punct werden gesetzt haben, so ist nicht unglaublich, daß dieser großen Richtigkeit ein gewisser Grad schoͤner Form aufgeopfert worden. Es bil- dete sich also in ihren Figuren die Großheit, welche aber in Vergleichung gegen die wellenfoͤrmige Umrisse der Nachfolger dieser großen Meister eine gewisse Haͤrte kann gezeiget haben. Dieses scheinet die Haͤrte zu seyn, welche man am Callon und am Hegias, am Canachus und am Calamis Quintil. Inst. Orat. L. 12. c. 10. p. 1087. , ja selbst am Myron, auszusetzen fand Plin. L. 34. c. 19. ; unter welchen gleichwohl Canachus juͤnger war, als Phidias: denn er war des Polycletus Schuͤler Pausan. L. 6. p. 483. l. 24. , und bluͤhete in der fuͤnf und neunzigsten Olympias. Es waͤre zu beweisen, daß die alten Scribenten sehr oft, wie die neuern, von der Kunst geurtheilet, und die Sicherheit der Zeichnung, die richtig und strenge angegebenen Figuren des Raphaels, haben vielen gegen die Weichigkeit der Umrisse, und gegen die rundlich und sanft gehaltenen Formen des Correggio, hart und steif geschienen; welcher Meynung uͤberhaupt Malvasia, ein Geschichtschreiber der Bolognesischen Maler, ohne Geschmack, ist. Eben so wie unerleuchteten Sinnen der Homerische Numerus, und die alte Majestaͤt des Lucretius und Catullus, in Ver- gleichung mit dem Glanze des Virgilius, und mit der suͤßen Lieblichkeit des Ovidius, vernachlaͤßiget und rauh klinget. Wenn hingegen des Lu- cianus Urtheil in der Kunst guͤltig ist, so war die Statue der Amazone Sosandra, von der Hand des Calamis, unter die vier vorzuͤglichsten Figu- ren Weiblicher Schoͤnheit zu setzen: denn zu Beschreibung seiner Schoͤn- heit nimmt er nicht allein den ganzen Anzug Imag. p. 464. , sondern auch die zuͤchtige Mine, und ein behendes und verborgenes Laͤcheln von genannter Statue. Unterdessen kann der Stil von einer Zeit in der Kunst so wenig, als in der Art Winckelm. Gesch. der Kunst. F f I Theil. Viertes Capitel. Art zu schreiben, allgemein seyn. Wenn von den damaligen Scribenten nur allein Thucydides uͤbrig waͤre, so wuͤrden wir von dessen bis zur Dun- kelheit getriebenen Kuͤrze in den Reden seiner Geschichte einen irrigen Schluß auf den Plato, Lysias und Xenophon machen, dessen Worte wie ein sanfter Bach fortfließen. B. Uebrige Wer- ke aus demsel- ben in Rom. Die vorzuͤglichsten, und man kann sagen, die einzigen Werke in Rom aus der Zeit dieses hohen Stils sind, so viel ich es einsehen kann, die oft angefuͤhrte Pallas von neun Palme hoch, in der Villa Albani, und die Niobe und ihre Toͤchter in der Villa Medicis. Jene Statue ist der großen Kuͤnstler dieser Zeit wuͤrdig, und das Urtheil uͤber dieselbe kann um so viel richtiger seyn, da wir den Kopf in seiner ganzen urspruͤnglichen Schoͤn- heit sehen: denn es ist derselbe auch nicht durch einen scharfen Hauch ver- letzet worden, sondern er ist so rein und glaͤnzend, als er aus den Haͤnden seines Meisters kam. Es hat dieser Kopf bey der hohen Schoͤnheit, mit welcher er begabet ist, die angezeigten Kennzeichen dieses Stils, und es zeiget sich in demselben eine gewisse Haͤrte, welche aber besser empfunden, als be- schrieben werden kann. Man koͤnnte in dem Gesichte eine gewisse Gratie zu sehen wuͤnschen, die dasselbe durch mehr Rundung und Lindigkeit er- halten wuͤrde, und dieses ist vermuthlich diejenige Gratie, welche in dem folgenden Alter der Kunst Praxiteles seinen Figuren zu erst gab, wie un- ten angezeiget wird. Die Niobe und ihre Toͤchter sind als ungezweifelte Werke dieses hohen Stils anzusehen, aber eins von den Kennzeichen der- selben ist nicht derjenige Schein von Haͤrte, welche in der Pallas eine Muthmaßung zur Bestimmung derselben giebt, sondern es sind die vor- nehmsten Eigenschaften zu Andeutung dieses Stils, der gleichsam uner- schaffene Begriff der Schoͤnheit, vornehmlich aber die hohe Einfalt, so wohl in der Bildung der Koͤpfe, als in der ganzen Zeichnung, in der Kleidung, und in der Ausarbeitung. Diese Schoͤnheit ist wie eine nicht durch Huͤlfe der Sinne empfangene Idea, welche in einem hohen Verstande, und in einer gluͤckli- Von der Kunst unter den Griechen. gluͤcklichen Einbildung, wenn sie sich anschauend nahe bis zur Goͤttlichen Schoͤnheit erheben koͤnnte, erzeuget wuͤrde; in einer so großen Einheit der Form und des Umrisses, daß sie nicht mit Muͤhe gebildet, sondern wie ein Gedanke erwecket, und mit einem Hauche geblasen zu seyn scheinet. So wie die fertige Hand des großen Raphaels, die seinem Verstande als ein schnelles Werkzeug gehorchete, mit einem einzigen Zuge der Feder den schoͤnsten Umriß des Kopfs einer heiligen Jungfrau entwerfen, und un- verbessert richtig zur Ausfuͤhrung bestimmet setzen wuͤrde. Zu einer deutlichern Bestimmung der Kenntnisse und der Eigen- III. Der schoͤne Stil. schaften dieses hohen Stils der großen Verbesserer der Kunst, ist nach dem Verlust ihrer Werke nicht zu gelangen. Von dem Stile ihrer Nachfolger aber, welchen ich den schoͤnen Stil nenne, kann man mit mehrerer Zuverlaͤßigkeit reden: denn einige von den schoͤn- sten Figuren des Alterthums sind ohne Zweifel in der Zeit, in welcher dieser Stil bluͤhete, gemacht, und viele andere, von denen dieses nicht zu beweisen ist, sind wenigstens Nachahmungen von jenen. Der schoͤne Stil der Kunst hebet sich an vom Praxiteles, und erlangete seinen hoͤchsten Glanz durch den Lysippus und Apelles, wovon unten die Zeugnisse ange- fuͤhret werden; es ist also der Stil nicht lange vor und zur Zeit Alexanders des Großen und seiner Nachfolger. Die vornehmste Eigenschaft, durch welche sich dieser von dem hohen A. Dessen Eigen- schaften. Stile unterscheidet, ist die Gratie, und in Absicht derselben werden die zu- letzt genannten Kuͤnstler sich gegen ihre Vorgaͤnger verhalten haben, wie unter den Neuern Guido sich gegen den Raphael verhalten wuͤrde. Die- ses wird sich deutlicher in Betrachtung der Zeichnung dieses Stils, und des besondern Theils derselben, der Gratie, zeigen. Was die Zeichnung allgemein betrifft, so wurde alles Eckigte ver- mieden, was bisher noch in den Statuen großer Kuͤnstler, als des Poly- F f 2 cletus, I Theil. Viertes Capitel. cletus, geblieben war, und dieses Verdienst um die Kunst wird in der Bildhauerey sonderlich dem Lysippus Plin. L. 34. c. 19. , welcher die Natur mehr, als des- sen Vorgaͤnger, nachahmete, zugeeignet: dieser gab also seinen Figuren das Wellenfoͤrmige, wo gewisse Theile noch mit Winkeln angedeutet waren. Auf besagte Weise ist vermuthlich, wie gesagt ist, dasjenige, was Plinius viereckigte Statuen nennet, zu verstehen: denn eine viereckigte Art zu zeichnen heißt man noch itzo Quadratur Lomaz. Idea della Pitt. p. 15. . Aber die Formen der Schoͤn- heit des vorigen Stils blieben auch in diesem zur Regel: denn die schoͤnste Natur war der Lehrer gewesen. Daher nahm Lucianus in Beschreibung seiner Schoͤnheit das Ganze und die Haupt-Theile von den Kuͤnstlern des hohen Stils, und das Zierliche von ihren Nachfolgern. Die Form des Gesichts sollte wie an der Lemnischen Venus des Phidias seyn; die Haare aber, die Augenbranen, und die Stirn, wie an der Venus des Praxiteles; in den Augen wuͤnschte er das Zaͤrtliche und das Reizende, wie an dieser. Die Haͤnde sollten nach der Venus des Alcamenes, eines Schuͤlers des Phidias, gemacht werden: und wenn in Beschreibungen von Schoͤnheiten Haͤnde der Pallas angegeben werden Anthol. L. 7. fol. 276. b. edit. Ald. 1521. , so ist vermuthlich die Pallas des Phidias, als die beruͤhmteste, zu verstehen; Haͤnde des Polycletus Ibid. fol. 278. a. deu- ten die schoͤnsten Haͤnde an. Ueberhaupt stelle man sich die Figuren des hohen Stils gegen die aus dem schoͤnen Stile vor, wie Menschen aus der Helden Zeit, wie des Homerus Helden und Menschen, gegen gesittete Athenienser in dem Flore ihres Staats. Oder um einen Vergleich von etwas wirklichem zu machen, so wuͤrde ich die Werke aus jener Zeit neben dem Demosthenes, und die aus dieser nachfolgenden Zeit neben dem Cicero setzen: der erste reißt uns gleichsam mit Ungestuͤm fort; der andere fuͤhret uns willig mit sich: jener laͤßt uns nicht Zeit, an die Schoͤnheiten der Ausarbeitung zu gedenken; und in Von der Kunst unter den Griechen. in diesem erscheinen sie ungesucht, und breiten sich mit einem allgemeinen Lichte aus uͤber die Gruͤnde des Redners. Zum zweyten ist hier von der Gratie, als der Eigenschaft des schoͤnen B. Und sonderlich die Gratie. Stils, insbesondere zu handeln. Es bildet sich dieselbe und wohnet in den Gebehrden, und offenbaret sich in der Handlung, und Bewegung des Koͤr- pers; ja sie aͤußert sich in dem Wurfe der Kleidung, und in dem ganzen Anzuge: von den Kuͤnstlern nach dem Phidias, Polycletus, und nach ihren Zeitgenossen, wurde sie mehr, als zuvor, gesucht und erreichet. Der Grund davon muß in der Hoͤhe der Ideen, die diese bildeten, und in der Strenge ihrer Zeichnung liegen, und es verdienet dieser Punct unsere besondere Aufmerksamkeit. Gedachte große Meister des hohen Stils hatten die Schoͤnheit allein in einer vollkommenen Uebereinstimmung der Theile, und in einem erho- benen Ausdrucke, und mehr das wahrhaftig Schoͤne, als das Liebliche, ge- suchet. Da aber nur ein einziger Begriff der Schoͤnheit, welcher der hoͤch- ste und sich immer gleich ist, und jenen Kuͤnstlern bestaͤndig gegenwaͤrtig war, kann gedacht werden, so muͤssen sich diese Schoͤnheiten allezeit diesem Bilde naͤhern, und sich einander aͤhnlich und gleichfoͤrmig werden: dieses ist die Ursache von der Aehnlichkeit der Koͤpfe der Niobe und ihrer Toͤchter, welche unmerklich und nur nach dem Alter und dem Grade der Schoͤnheit in ihnen verschieden ist. Wenn nun der Grundsatz des hohen Stils, wie es scheinet, gewesen ist, das Gesicht und den Stand der Goͤtter und Helden rein von Empfindlichkeit, und entfernt von inneren Empoͤrungen, in einem Gleichgewichte des Gefuͤhls, und mit einer friedlichen immer glei- chen Seele vorzustellen, so war eine gewisse Gratie nicht gesucht, auch nicht anzubringen. Dieser Ausdruck einer bedeutenden und redenden Stille der Seele aber erfordert einen hohen Verstand: „Denn die Nach- „ahmung des Gewaltsamen kann, wie Plato sagt Plato Politico p. 127. l. 43. ed. Bas. 1534. , auf verschie F f 3 „dene I Theil. Viertes Capitel. „dene Weise geschehen; aber ein stilles weises Wesen kann we- „der leicht nachgeahmet, noch das nachgeahmte leicht begriffen „werden.„ Mit solchen strengen Begriffen der Schoͤnheit fing die Kunst an, wie wohl eingerichtete Staaten mit strengen Gesetzen, groß zu werden. Die naͤchsten Nachfolger der großen Gesetzgeber in der Kunst, verfuhren nicht, wie Solon mit den Gesetzen des Draco; sie giengen nicht von jenen ab: sondern, wie die richtigsten Gesetze durch eine gemaͤßigte Erklaͤrung brauch- barer und annehmlicher werden, so suchten diese die hohen Schoͤnheiten, die an Statuen ihrer großen Meister wie von der Natur abstracte Ideen, und nach einem Lehrgebaͤude gebildete Formen waren, naͤher zur Natur zu fuͤhren, und eben dadurch erhielten sie eine groͤßere Mannigfaltigkeit. In diesem Verstande ist die Gratie zu nehmen, welche die Meister des schoͤnen Stils in ihre Werke geleget haben. Aber die Gratie, welche, wie die Musen conf. Liceti Resp. de quæsit. per epist. p. 66. , nur in zween Namen Pausan. L. 9. p. 780. l. 13. L. 2. p. 254. l. 28. conf. Eurip. Iphig. Aul. v. 548. bey den aͤltesten Griechen verehret wurde, scheinet, wie die Venus, deren Ge- spielen jene sind, von verschiedener Natur zu seyn. Die eine ist, wie die himm- lische Venus, von hoͤherer Geburt, und von der Harmonie gebildet, und ist bestaͤndig und unveraͤnderlich, wie die ewigen Gesetze von dieser sind. Die zwote Gratie ist, wie die Venus von der Dione geboren, mehr der Ma- terie unterworfen: sie ist eine Tochter der Zeit, und nur eine Gefolginn der ersten, welche sie ankuͤndiget fuͤr diejenigen die der himmlischen Gratie nicht geweihet sind. Diese laͤßt sich herunter von ihrer Hoheit, und macht sich mit Mildigkeit, ohne Erniedrigung, denen, die ein Auge auf dieselbe werfen, theilhaftig: sie ist nicht begierig zu gefallen, sondern nicht uner- kannt zu bleiben. Jene Gratie aber, eine Gesellinn aller Goͤtter Hom. hymn. in Ven. v. 95. , scheinet sich Von der Kunst unter den Griechen. sich selbst genugsam, und biethet sich nicht an, sondern will gesuchet werden; sie ist zu erhaben, um sich sehr sinnlich zu machen: denn „ das Hoͤchste hat, „ wie Plato sagt Politico, p. 127. l. 43. , „ kein Bild. „ Mit den Weisen allein unterhaͤlt sie sich, und dem Poͤbel erscheinet sie stoͤrrisch und unfreund- lich; sie verschließet in sich die Bewegungen der Seele, und naͤhert sich der seeligen Stille der Goͤttlichen Natur, von welcher sich die großen Kuͤnstler, wie die Alten schreiben, ein Bild zu entwerfen suchten Plato Politicor. ς΄. p. 466. l. 34. . Die Griechen wuͤrden jene Gratie mit der Jonischen, und diese mit der Dorischen Har- monie verglichen haben. Diese Gratie in Werken der Kunst scheinet schon der goͤttliche Dich- ter gekannt zu haben, und er hat dieselbe in dem Bilde der mit dem Vulca- nus vermaͤhlten schoͤnen und leichtbekleideten Aglaia, oder Thalia Hom. Il. σ΄. v. 382. \& Paus. l. c. p. 781. l. 4. , vorgestellet, die daher anderswo dessen Mitgehuͤlfinn genennet wird Plato Politico, p. 123. l. 9. , und arbeitete mit demselben an der Schoͤpfung der Goͤttlichen Pandora Hesiod. Gen. Deor. v. 583. . Dieses war die Gratie, welche Pallas uͤber den Ulysses ausgoß Hom. Od. θ΄. v. 18. , und von welcher der hohe Pindarus singet Olymp. I. v. 9. ; dieser Gratie opferten die Kuͤnstler des hohen Stils. Mit dem Phidias wirkete sie in Bildung des Olympischen Jupiters, auf dessen Fußschemmel dieselbe neben dem Jupiter auf dem Wagen der Sonne stand Paus. L. 5. p. 403. l. 4. : sie woͤlbete, wie in dem Urbilde des Kuͤnstlers, den stolzen Bogen seiner Augenbranen mit Liebe, und goß Huld und Gnade aus uͤber den Blick seiner Majestaͤt. Sie kroͤnete mit ihren Geschwistern, und den Goͤttinnen der Stunden und der Schoͤnhei- ten, das Haupt der Juno zu Argos Id. L. 2. p. 148. l. 15. , als ihr Werk, woran sie sich er- kannte, und an welchem sie dem Polycletus die Hand fuͤhrete. In der Sosandra des Calamis laͤchelte sie mit Unschuld und Verborgenheit; sie ver- I Theil. Viertes Capitel. verhuͤllete sich mit zuͤchtiger Schaam in Stirn und Augen, und spielete mit ungesuchter Zierde in dem Wurfe ihrer Kleidung. Durch dieselbe wagete sich der Meister der Niobe in das Reich unkoͤrperlicher Ideen, und erreichte das Geheimniß, die Todesangst mit der hoͤchsten Schoͤnheit zu ver- einigen: er wurde ein Schoͤpfer reiner Geister und himmlischer Seelen, die keine Begierden der Sinne erwecken, sondern eine anschauliche Betrach- tung aller Schoͤnheit wirken: denn sie scheinen nicht zur Leidenschaft ge- bildet zu seyn, sondern dieselbe nur angenommen zu haben. Die Kuͤnstler des schoͤnen Stils geselleten mit der ersten und hoͤchsten Gratie die zwote, und so wie des Homerus Juno den Guͤrtel der Venus nahm, um dem Jupiter gefaͤlliger und liebenswuͤrdiger zu erscheinen, so suchten diese Meister die hohe Schoͤnheit mit einem sinnlichern Reize zu be- gleiten, und die Großheit durch eine zuvorkommende Gefaͤlligkeit gleichsam geselliger zu machen. Diese gefaͤlligere Gratie wurde zuerst in der Malerey erzeuget, und durch diese der Bildhauerey mitgetheilet. Parrhasius, der Meister, ist durch dieselbe unsterblich, und der erste, dem sie sich geof- fenbaret hat; und einige Zeit nachher erschien sie auch in Marmor und in Erzte. Denn von dem Parrhasius, welcher mit dem Phidias zu gleicher Zeit lebte, bis auf den Praxiteles, dessen Werke sich, so viel man weis, durch eine besondere Gratie Lucian. Imag. p. 463. seq. von denen, welche vor ihm gearbeitet wor- den, unterschieden, ist ein Zwischenraum von einem halben Jahrhunderte. Es ist merkwuͤrdig, daß der Vater dieser Gratie in der Kunst, und Apelles Plin. l. 35. c. 6. n. 10. , welchen sich dieselbe voͤllig eigen gemacht hat, und der eigent- liche Maler derselben kann genennet werden, so wie er dieselbe insbesondere allein, ohne ihre zwo Gespiellinnen gemalet Pausan. p. 781. l. ult. , unter dem wolluͤstigen Joni- schen Himmel, und in dem Lande geboren sind, wo der Vater der Dichter einige Von der Kunst unter den Griechen. einige hundert Jahre vorher mit der hoͤchsten Gratie begabet worden war: denn Ephesus war das Vaterland des Parrhasius und des Apelles. Mit einer zaͤrtlichen Empfindung begabet, die ein solcher Himmel einfloͤßet, und von einem Vater, den seine Kunst bekannt gemacht, unterrichtet, kam Parrhasius nach Athen, und wurde ein Freund des Weisen, des Lehrers der Gratie, welcher dieselbe dem Plato und Xenophon entdeckete. Das Mannigfaltige und die mehrere Verschiedenheit des Ausdrucks that der Harmonie und der Großheit in dem schoͤnen Stile keinen Eintrag: die Seele aͤußerte sich nur wie unter einer stillen Flaͤche des Wassers, und trat niemals mit Ungestuͤm hervor. In Vorstellung des Leidens bleibt die groͤßte Pein verschlossen, wie im Laocoon, und die Freude schwebet wie eine sanfte Luft, die kaum die Blaͤtter ruͤhret, auf dem Gesichte einer Bacchante, auf Muͤnzen der Insel Naxus. Die Kunst philosophirte mit den Leidenschaften, wie Aristoteles von der Vernunft saget. Haͤtte sich der hohe Stil der Kunst nicht bis auf die unausgefuͤhrte C. Von der Kunst in Kin- dern. Form junger Kinder herunter gelassen, und haͤtten die Kuͤnstler dieses Stils, deren vornehmste Betrachtung auf die vollkommenen Gewaͤchse ge- richtet war, sich in der uͤberfluͤßigen Fleischigkeit nicht gezeiget, wie wir gleichwohl nicht wissen, so ist hingegen gewiß, daß ihre Nachfolger im schoͤnen Stile, da sie das Zaͤrtliche und Gefaͤllige gesuchet, auch die kindliche Natur einen Vorwurf ihrer Kunst seyn lassen. Aristides, welcher eine todte Mutter mit ihrem saͤugenden Kinde an der Brust malete Plin. L. 35. c. 36. n. 19. , wird auch ein mit Milch genaͤhrtes Kind gemacht haben. Die Liebe ist auf den aͤltesten geschnittenen Steinen nicht als ein junges Kind, sondern in der Na- tur eines Knabens gebildet, wie dieselbe auf einem schoͤnen Steine des Commendators Vettori zu Rom erscheinet Deser. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 137. . Nach der Form der Buch- staben in dem Namen des Kuͤnstlers, ΦΡϒΓΙΛΛοΣ, ist es einer der aͤl- testen Winckelm. Gesch. der Kunst. G g I Theil. Viertes Capitel. testen Steine mit dem Namen des Kuͤnstlers. Die Liebe ist auf demsel- ben liegend mit aufgerichtetem Leibe als spielend vorgestellet, und mit gro- ßen Adlersfluͤgeln, nach der Idea des hohen Alterthums fast an allen Goͤt- tern, nebst einer offenen Muschel von zwo Schalen. Die Kuͤnstler nach dem Phrygillus, wie Solon und Tryphon, haben der Liebe eine mehr kindische Natur und kuͤrzere Fluͤgel gegeben; und in dieser Gestalt, und nach Art Fiamingischer Kinder, sieht man die Liebe auf unzaͤhligen geschnitte- nen Steinen. Eben so geformet sind die Kinder auf Herculanischen Gemaͤl- den, und sonderlich auf einem schwarzen Grunde von gleicher Groͤße mit den schoͤnen tanzenden Weiblichen Figuren. Unter den schoͤnsten Kindern von Marmor in Rom, welche die Liebe vorstellen, sind zwey im Hause Massini, einer im Pallaste Verospi, ein schlafender Cupido in der Villa Albani, nebst dem Kinde im Campidoglio, welches mit einem Schwan spielet Mus. Capit. T. 3. tav. 64. ; und diese allein koͤnnen darthun, wie gluͤcklich die alten Kuͤnstler in Nach- ahmung der kindlichen Natur gewesen. Es sind auch außerdem viele wahrhaftig schoͤne Kinderkoͤpfe uͤbrig. Das allerschoͤnste Kind aber, wel- ches sich, wiewohl verstuͤmmelt, aus dem Alterthume erhalten hat, ist ein kindlicher Satyr, ohngefaͤhr von einem Jahre, in Lebensgroͤße, in der Villa Albani: es ist eine erhobene Arbeit, aber so, daß beynahe die ganze Figur freylieget. Dieses Kind ist mit Epheu bekraͤnzet, und trinket, ver- muthlich aus einem Schlauche, welcher aber mangelt, mit solcher Begier- de und Wollust, daß die Augaͤpfel ganz aufwerts gedrehet sind, und nur eine Spur von dem tief gearbeiteten Sterne zu sehen ist. Dieses Stuͤck wurde, nebst dem schoͤnen Icarus, dem Daͤdalus die Fluͤgel anleget, ebenfalls stark erhoben gearbeitet, an dem Fuße des Palatinischen Berges, auf der Seite des Circus Maximus, entdecket. Ein bekanntes Vorurtheil, wel- ches sich gleichsam, ich weis nicht wie, zur Wahrheit gemacht, daß die alten Kuͤnstler in Bildung der Kinder, weit unter den neuern sind, wuͤrde also dadurch widerleget. Dieser Von der Kunst unter den Griechen. Dieser schoͤne Stil der Griechischen Kunst hat noch eine geraume Zeit nach Alexander dem Großen in verschiedenen Kuͤnstlern, die bekannt sind, gebluͤhet, und man kann dieses auch aus Werken in Marmor, welche im zweyten Theile angefuͤhret werden, ingleichen aus Muͤnzen, schließen. Da nun die Verhaͤltnisse und die Formen der Schoͤnheit von den IV. Der Stil der Nachahmer, und die Abnah- me und Fall der Kunst, angefangen Kuͤnstlern des Alterthums auf das hoͤchste ausstudiret, und die Umrisse der Figuren so bestimmt waren, daß man ohne Fehler weder herausgehen, noch hinein lenken konnte, so war der Begriff der Schoͤnheit nicht hoͤher zu treiben. Es mußte also die Kunst, in welcher, wie in allen Wirkungen der Natur, kein fester Punct zu denken ist, da sie nicht weiter hinausgieng, A. Durch die Nachahmung. zuruͤck gehen. Die Vorstellungen der Goͤtter und Helden waren in allen moͤglichen Arten und Stellungen gebildet, und es wurde schwer, neue zu erdenken, wodurch also der Nachahmung der Weg geoͤffnet wurde. Diese schraͤnket den Geist ein, und wenn es nicht moͤglich schien, einen Praxite- les und Apelles zu uͤbertreffen, so wurde es schwer, dieselben zu erreichen, und der Nachahmer ist allezeit unter dem Nachgeahmten geblieben. Es wird auch der Kunst, wie der Weltweisheit, ergangen seyn, daß, so wie hier, also auch unter den Kuͤnstlern Eclectici oder Sammler aufstunden, die, aus Mangel eigener Kraͤfte, das einzelne Schoͤne aus vielen in eins zu ver- einigen sucheten. Aber so wie die Eclectici nur als Copisten von Weltweisen besonderer Schulen anzusehen sind, und wenig oder nichts urspruͤngliches hervorgebracht haben, so war auch in der Kunst, wenn man eben den Weg nahm, nichts ganzes, eigenes und uͤbereinstimmendes zu erwarten; und wie durch Auszuͤge aus großen Schriften der Alten, diese verloren giengen, so werden durch die Werke der Sammler in der Kunst, die großen urspruͤnglichen Werke vernachlaͤßiget worden seyn. Die Nachahmung befoͤrderte den Mangel eigener Wissenschaft, wodurch die Zeichnung furcht- sam wurde, und was der Wissenschaft abgieng, suchte man durch Fleiß B. Durch Fleiß in Nebendin- gen. zu ersetzen, welcher sich nach und nach in Kleinigkeiten zeigete, die in G g 2 den I Theil. Viertes Capitel. den bluͤhenden Zeiten der Kunst uͤbergangen, und dem großen Stile nachthei- lig geachtet worden sind. Hier gilt, was Quintilianus sagt Instit. Orat. L. 2. c. 3. , daß viele Kuͤnst- ler besser, als Phidias, die Zierrathen an seinem Jupiter wuͤrden gearbeitet haben. Es wurden daher durch die Bemuͤhung, alle vermeynte Haͤrte zu vermeiden, und alles weich und sanft zu machen, die Theile, welche von den vorigen Kuͤnstlern maͤchtig angedeutet waren, runder, aber stumpf, lieblicher, aber unbedeutender. Auf eben diesem Wege ist zu allen Zeiten auch das Verderbniß in der Schreibart eingeschlichen, und die Music verließ das Maͤnnliche Plutarch. de Mus. p. 2081. l. 22. , und verfiel, wie die Kunst, in das Wei- bische; in dem Gekuͤnstelten verlieret sich oft das Gute eben dadurch, weil man immer das Bessere will. Die Kuͤnstler fiengen nicht lange vor und unter den Kaisern an, in Marmor sich sonderlich auf Ausarbeitung freyhaͤngender Haarlocken zu legen, und sie denteten auch die Haare der Augenbranen an, aber nur an Portrait-Koͤpfen, welches vorher in Marmor gar nicht, wohl aber in Erzt geschah. An einem der schoͤnsten Koͤpfe eines jungen Menschen von Erzt, in Lebensgroͤße, (welches ein voͤlliges Brustbild ist) in dem Koͤniglichen Museo zu Portici, welcher einen Held vorzustellen scheinet, von einem Atheniensischen Kuͤnstler, Apollonius, des Archias Sohn Die Inschrift ist: ΑΠΟΑΛΩΝΙΟΣ ΑΡΧΙΟϒ ΑΘΗΝΑΙΟΣ ΕΠΟΗΣΕ; nicht ΑΡΧΗΟϒ, wie Bayardi a ) gelesen hat, auch nicht ΕΠΟΙΗΣΕ, wie Martorelli b ) liest. Der erste haͤlt ΕΠΟΗΣΕ, welches ΕΠΟΙΗΣΕ heißen sollte, fuͤr eine sehr alte Schreibart, welches aber nur in so ferne wahr ist, als es eine Form, von einem alten Aeolischen Verbo ποέω c ) genommen, ist. Es findet sich unterdessen dieses Verbum bey einigen Dichtern d ), und eben wie oben gesetzet, in der Inschrift der Mediceischen Venus, und in einer Inschrift in der Capelle des Pontanus zu Neapel e ), welche unstreitig von spaͤter Zeit ist. Ferner habe ich dieses Wort , gearbei- tet, sind die Augenbranen auf dem scharfgefaltenen Augenknochen sanft eingegraben. Dieses Brustbild aber, nebst dem Weiblichen Brustbilde von gleicher Groͤße, sind ohne Zweifel in guter Zeit der Kunst gemacht. Aber so Von der Kunst unter den Griechen. so wie schon in den aͤltesten Zeiten, und vor dem Phidias, das Licht in den Augen auf Muͤnzen angedeutet wurde, so wurde auch in Erzt uͤberhaupt mehr, als in Marmor, gekuͤnstelt. An Maͤnnlichen Idealischen Koͤpfen aber fieng man dieses fruͤher, als an Weiblichen, an; auch jener Kopf von Erzt, welcher von der Hand eines und eben desselben Kuͤnstlers zu seyn scheinet, hat die Augenbranen, nach der alten Art, mit einem scharfen Bogen gezogen. Der Verfall der Kunst mußte nothwendig durch Vergleichung mit C. Muthmaßung uͤber die Be- muͤhung eini- ger Kuͤnstler, aus dem einge- rissenen Ver- derbniß in der Kunst zuruͤck zu kehren. den Werken der hoͤchsten und schoͤnsten Zeit merklich werden, und es ist zu glauben, daß einige Kuͤnstler gesuchet haben, zu der großen Manier ihrer Vorfahren zuruͤck zu kehren. Auf diesem Wege kann es geschehen seyn, so wie die Dinge in der Welt vielmals im Cirkel gehen, und dahin zuruͤck kehren, wo sie angefangen haben, daß die Kuͤnstler sich bemuͤheten, den aͤltern Stil nachzuahmen, welcher durch die wenig ausschweifenden Um- risse der Aegyptischen Arbeit nahe kommt. Diese Muthmaßung veranlasset G g 3 eine Wort in folgender Inschrift in den Handschriften des Fulvius Ursinus in der Va- ticanischen Bibliother gefunden: ϹΟΛωΝ ΔΙΔϒΜΟϒ ΤϒΧΗΤΙ ϵΠΟΗϹϵ ΜΝΗΜΗϹ ΧΑΡΙΝ. Es ist auch in einer andern Inschrift in der Villa Altiere, und in dem Werke des Hrn. Grafen Caylus f ). Also ist es nicht ganz ungewoͤhnlich, wie es Gori g ) findet, und ist noch weniger ein so großer Fehler, daß Mariette h ) daher die Inschrift der Mediceischen Venus fuͤr untergeschoben erklaͤren wollen. a ) Catal. de’ Monum. d’ Ercol. p. 170. b ) de Regia Theca Calamar. L. 2. c. 5. p. 426. c ) conf Chishull ad Inscr. Sig. p. 39. d ) Aristoph. Equit. Act. 1. Sc. 3. Theocrit. Idyl. 10. v. 38. e ) Sarno Vit. Pontan. p. 97. f ) Rec. d’ Antiq. T. 2. pl. 75. l. 8. g ) Mus. Flor. T. 3. p. 35. h ) Pier. grav. T. 1. p. 102. I Theil. Viertes Capitel. eine dunkle Anzeige des Petronius Satyr. c. 2. p. 13. ed. Burm. , welche auf die Kunst zu seiner Zeit gehet, und uͤber deren Erklaͤrung man sich noch nicht hat vergleichen koͤn- nen. Da dieser Scribent von den Ursachen des Verfalls der Beredsam- keit redet, beklaget er zugleich das Schicksal der Kunst, die sich durch einen Aegyptischen Stil verdorben, welcher, nach dem eigentlichen Ausdrucke der Worte zu uͤbersetzen, ins enge zusammen bringet oder ziehet. Ich glaube hier eine von den Eigenschaften und Kennzeichen des Aegyptischen Stils zu finden; und wenn diese Erklaͤrung statt faͤnde, so waͤren die Kuͤnstler um die Zeit des Petronius und vorher auf eine trockene, magere und kleinliche Art im Zeichnen und Ausfuͤhren gefallen. Diesem zu folge koͤnnte man voraus setzen, daß, da nach dem natuͤrlichen Lauf der Dinge, auf ein aͤußerstes das ihm entgegen gesetzte zu folgen pflegt, der magere und dem Aegyptischen aͤhnliche Stil die Verbesserung eines uͤbertriebenen Schwulstes seyn sollen. Man koͤnnte hier den Farnesischen Hercules an- fuͤhren, an welchem alle Muskeln schwuͤlstiger sind, als es die gesunde Zeichnung lehret. Einen diesem entgegen gesetzten Stil koͤnnte man in einigen erhobenen Arbeiten finden, welche wegen einiger Haͤrte und Steife der Figuren fuͤr Hetrurisch, oder fuͤr alt Griechisch, zu halten waͤren, wenn es andere Anzei- gen erlaubeten. Ich will zum Beyspiel eins von denselben in der Villa Albani anfuͤhren, welches uͤber der Vorrede dieser Schrift in Kupfer ge- stochen stehet. Dieses Werk stellet vier Weibliche bekleidete Goͤttinnen gleichsam in Proceßion vor, unter welchen die letztere einen langen Zepter traͤgt, die mittlere, welches Diana ist, hat den Bogen und den Koͤcher auf der Schulter haͤngen, und traͤgt eine Fackel; sie fasset an den Mantel der ersten, welches eine Muse ist, und auf dem Psalter spielet, und mit der einen Hand eine Schaale haͤlt, in welche eine Victoria, neben einen Altar stehend, eine Libation ausgießt. Dem ersten Anblicke nach koͤnnte es Von der Kunst unter den Griechen. es ein Hetrurischer Stil scheinen, welchem aber die Bauart des Tempels widerspricht. Es scheinet also, daß dieses Werk eine Arbeit sey, in welcher ein Griechischer Meister, nicht aus der aͤltern Zeit, den Stil derselben nach- ahmen wollen. Es finden sich in eben der Villa vier andere diesem aͤhnliche erhobene Arbeiten von eben derselben Vorstellung. Das eng zusammen- gezogene gefiel sogar in der Tracht der Kleidung selbiger Zeit: denn da vorher die Redner zu Rom in einem Gewande mit praͤchtigen großen Fal- ten auftraten, so geschah dieses unter dem Vespasianus in einem engen und nahe anliegenden Rocke Dialog. de corrupt. eloq. c. 39. : zu Plinius Zeiten fieng man an, Maͤnn- liche Statuen mit einem engen Kleide ( paenula ) vorzustellen L. 34. c. 10. . Man koͤnnte auch die Klage des Petronius auf die haͤufigen Figuren Aegyptischer Gottheiten deuten, welches damals der herrschende Aberglau- be in Rom war, so daß die Maler, wie Juvenalis sagt, von Bildern der Isis lebeten. Durch diese Arbeit der Kuͤnstler in dergleichen Figuren, koͤnnte sich ein Stil, welcher den Aegyptischen Figuren aͤhnlich war, auch in andern Werken eingeschlichen haben. Es finden sich noch itzo einige Statuen der Isis voͤllig auf Hetrurische Art gekleidet, die aus offenbaren Zeichen von der Kaiser Zeiten sind; ich kann unter andern eine in Lebens- groͤße im Pallaste Barberini anfuͤhren. Diese Meynung wird diejenigen nicht befremden, welche wissen, daß durch einen einzigen Menschen, wie Bernini ist, ein Verderbniß in der Kunst bis itzo eingefuͤhret worden; um so viel mehr koͤnnte dieses durch viele, oder durch den groͤßten Theil der Kuͤnstler, geschehen seyn, die in Aegyptischen Figuren arbeiteten. Man kann aber hier nicht behutsam genug gehen, in Beurtheilung D. Behutsamkeit im Urtheilen uͤber die Origi- nale, oder schon vor Alters nachgeahmte Werke. des Alters der Arbeit; und eine Figur, welche Hetrurisch, oder aus der aͤl- tern Zeit der Kunst unter den Griechen, scheinet, ist es nicht allezeit. Es kann dieselbe eine Copie oder Nachahmung aͤlterer Werke seyn, welche vie- len I Theil. Viertes Capitel. len Griechischen Kuͤnstlern allezeit zum Muster dieneten Excerpt. ex Nic. Damasc. p. 514. v. Τελχῖνες. , wie auch vom angefuͤhrten erhobenen Werke koͤnnte gesagt werden. Oder wenn es Goͤtt- liche Figuren sind, die aus andern Zeichen und Gruͤnden das Alterthum, welches sie zeigen, nicht haben koͤnnen, so scheinet der aͤltere Stil etwas angenommenes zu seyn, zu Erweckung groͤßerer Ehrfurcht. Denn wie die Haͤrte in der Bildung und in dem Klange der Worte, nach dem Urtheile eines alten Scribenten Demetr. Phal. de elocut. p. 26. l. 19. , der Rede eine Groͤße giebt, so macht die Haͤrte und Strenge des aͤltern Stil eine aͤhnliche Wirkung in der Kunst. Die- ses ist nicht allein von dem Umrisse der Figur zu verstehen, sondern auch von der Kleidung, und von der Tracht der Haare und des Bartes, wie sie an den Hetrurischen, und an den aͤltern Griechischen Figuren sind. Ein Jupiter erwecket in solcher Gestalt gleichsam mehr Ehrfurcht, und erhaͤlt mehr Urspruͤnglichkeit; und so war die Figur desselben mit der Inschrift Spon. Misc. Sect. 3. p. 71. conf. Descr. des Pier. gr. du Cap. de Stoseh, p. 46. , IOVI EXSVPERANTISSIMO , welche aber, wie ein jeder urthei- len kann, nicht von den aͤltesten ist. Eben diese Beschaffenheit kann es mit dem Kopfe der Pallas, von der Hand des Aspasius, haben Stosch. Pier. gr. pl. 13. , an welchem der Stil einer Zeit aͤhnlich ist, die aͤlter scheinet, als diejenige, welche die Form der Buchstaben in dem Namen des Kuͤnstlers andeutet. Es muthmaßet daher auch Gori Mus. Etr. p. 91. , daß der Griechische Meister desselben etwa eine Hetrurische Figur vor Augen muͤsse gehabt haben. Die Hoff- nung findet sich sehr oft in dem aͤltesten Stile vorgestellet, wie auf einer Muͤnze Kaisers Philippus des Aelteren Pedrusi Ces. T. 6. tav. 6. wo aber das Kupfer einen unrichtigen Begriff giebt. , so wie auch eine Hoffnung von Marmor in der Villa Ludovisi ist Auf der Base diesrr Figur stehet folgende von mir anderwerts zuerst bekannt ge- machte Inschrift: Q· AQVILIVS· DIONYSIVS· ET· NONIA· FAVSTINA· SPEM· RE STITVERVNT. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 302. ; und auf drey geschnittenen Stei- nen Von der Kunst unter den Griechen. nen des Stoßischen Musei ist dieselbe jenen aͤhnlich. Man kann hier zum Bey- spiele die auf van Dykische Art gekleidete Portraits anfuͤhren, welche Tracht noch itzo von Engelaͤndern beliebet wird, und auch dem Kuͤnstler sowohl, als der gemalten Person, weit vortheilhafter ist, als die heutige gezwungene Kleidung. Eben so verhaͤlt es sich mit den sogenannten Koͤpfen des Plato, welche nichts anders, als Koͤpfe von Hermen, sind, denen man mehrentheils eine Gestalt gegeben, wie man sich etwa die Steine, auf welche die ersten Koͤpfe gesetzet wurden, vorstellete: es haͤngen auf beyden Seiten insgemein Haar- strippen herunter, wie an den Hetrurischen Figuren. Der schoͤnste von sol- chen Koͤpfen in Marmor, gieng etwa vor fuͤnf Jahren aus Rom nach Si- cilien. Vollkommen aͤhnlich und gleich ist demselben der Kopf einer Maͤnn- lichen bekleideten Statue von neun Palmen hoch, welche im Fruͤhlinge des 1761. Jahres, nebst vier Weiblichen angefuͤhrten Caryatiden, bey Monte Porzio (wo, besage einiger vorher entdeckten Inschriften, eine Villa des Hauses Portia war) gefunden wurde. Die Statue hat ein Unterkleid von leichtem Zeuge, welches die gehaͤuften kleinen Falten anzeigen, in welche es bis auf die Fuͤße herunter haͤngt, und uͤber dasselbe einen Mantel von Tuch, unter dem rechten Arme uͤber die linke Schulter geschlagen, so daß der linke Arm, welcher auf die Huͤfte gestuͤtzet ist, bedeckt bleibet. Auf dem Rande des uͤber die Schulter geworfenen Theils des Mantels stehet der Name ϹᾺΡΔᾺΝᾺΠᾺλλΟϹ, geschrieben mit zwey Lamda, (λ) wider die gewoͤhnliche Schreibart. Dieser Buchstabe aber findet sich auch anderwerts uͤberfluͤßig und gedoppelt, wie auf einer seltenen Muͤnze Diese Muͤnze findet sich in dem Mused Hrn. Joh Casanova, Koͤnigl. Pohln. Pensio- nirten Malers zu Rom, uͤber dessen seltene und einzige Muͤnzen ich eine Erlaͤuterung unter Haͤnden habe. der Stadt Magnesia in Erzt, mit der Inschrift: ΜΑΓΝΗΤΠ ΠΟΛΛΙΣ, an Winckelm Gesch. der Kunst. H h I Theil. Viertes Capitel. an statt ΠΟΛΙΣ. Es ist hier kein anderer, als der bekannte Koͤnig in Assyrien, zu verstehen, welchen aber diese Statue nicht vorstellen kann, und dieses aus mehr, als aus einem Grunde: es wird hier genug seyn, zu sagen, daß derselbe, nach dem Herodotus, ohne Bart und bestaͤndig geschoren war, da die Statue einen langen Bart hat. Es zeuget dieselbe von guten Zei- ten der Kunst, und allem Ansehen nach ist sie nicht unter den Roͤmischen Kaisern gemacht Ueber die Form der Buchstaben finden sich einige Anmerkungen zu machen. Die Buch- staben, welche oben einen Winkel machen, haben die eine Linie hervorspringen; und so gezogen kommen sie vor auf Inschriften, auch auf irrdenen Lampen a ). Der her- vorspringende Stab an denselben aber ist bisher fuͤr ein Kennzeichen spaͤterer Zeiten, etwa von den Antoninern, gehalten worden: folglich koͤnnte die Statue nicht so alt seyn, als sie es nach der Kunst scheinet. Es finden sich aber in den Herculanischen Papiren, und auf einem Stuͤcke Mauerwerk daselbst c ), die Buchstaben auf eben die Art geformet; und unter andern in der Abhandlung des Philodemus von der Rede- kunst, welcher mit dem Cicero zu gleicher Zeit lebete: und diese seine Schrift scheinet aus den vielen Verbesserungen und Aenderungen die eigene Handschrift dieses Epicuri- schen Philosophen zu seyn. Es waren also Griechische Buchstaben mit hervorsprin- genden Staͤben schon zur Zeit der Roͤmischen Republic uͤblich. Von den Herculani- schen Buchstaben kann man sich einen Begriff machen aus drey Stuͤcken von eben dergleichen Papir in der Kaiserl. Bibliothec zu Wien d ); diese sind jenen voͤllig aͤhnlich, mit dem Unterschiede, daß die Wienerischen etwa um eine Linie groͤßer sind. a ) Passeri Lucern. T. 1. tab. 24. b ) Bandelot Vtilité des voy. T. 2. p. 127. c ) Pitt. Ercul. T. 2. p. 221. d ) Lambec. Comment. Bibl. Vindob. T. 8. p. 411. . Die vier Caryatiden, welche von mehrern uͤbrig geblieben, haben vermuthlich ein Gesimms eines Zimmers getragen: denn auf ihren Koͤpfen ist eine erhoͤhete Rundung, in welchem Rande ein Ca- pitaͤl oder Korb wird gestanden haben. E. Von den Kennzeichen des Stils in der Abnahme der Kunst. Daß der Stil der Kunst in den letzten Zeiten von dem alten sehr ver- schieden gewesen, deutet unter andern Pausanias an, wenn er sagt L. 3. p. 247. Dem letzten Franzoͤsischen Uebersetzer des Pausanias sind hier seine Moden eingefallen, und er hat einen Kopf verstanden „nach der heutigen Mode.„. , daß eine Priesterinn der Leucippiden, das ist, der Phoebe, und der Hilaira, von einer von beyden Statuen, weil sie gemeynet, dieselbe schoͤner zu machen, den alten Kopf abnehmen, und ihr einen neuen Kopf an dessen Stelle Von der Kunst unter den Griechen. Stelle machen lassen, welcher, wie er saget, „nach der heutigen Kunst gearbeitet war.„ Man koͤnnte diesen Stil den kleinlichen, oder den plat- ten, nennen: denn was an den alten Figuren maͤchtig und erhaben war, wurde itzo stumpf und niedrig gehalten. Es ist aber uͤber diesen Stil nicht aus Statuen zu urtheilen, die durch den Kopf ihre Benennung bekom- men haben. Da sich endlich die Kunst immer mehr zu ihrem Fall neigete, und da F. Von der gro- ßen Menge Portraitkoͤpfe gegen wenig Statuen aus dieser Zeit. auch, wegen der Menge alter Statuen, weniger, in Vergleichung der vori- gen Zeit, gemachet wurden, so war der Kuͤnstler vornehmstes Werk, Koͤpfe und Brustbilder, oder was man Portraits nennet, zu machen, und die letzte Zeit bis auf den Untergang der Kunst hat sich vornehmlich hierinn gezeiget. Daher muß es nicht so außerordentlich, wie es vielen vorkommt, scheinen, ertraͤgliche, ja zum Theil schoͤne Koͤpfe des Macrinus, des Septi- mius Severus, und des Caracalla, wie der Farnesische ist, zu sehen: denn der Werth desselben bestehet allein im Fleiße. Vielleicht haͤtte Lysippus den Kopf des Caracalla nicht viel besser machen koͤnnen; aber der Meister dessel- ben konnte keine Figur, wie Lysippus, machen; dieses war der Unterschied. Man glaubete eine besondere Kunst in starken hervorliegenden Adern, G. Niedrige Be- griffe der Schoͤnheit in der letzten Zeit. wider den Begriff der Alten, zu zeigen, und an dem Bogen Kaisers Septi- mius hat man solche Adern auch an den Haͤnden Weiblicher Idealischer Figuren, wie die Victorien sind, welche Tropheen tragen, nicht wollen mangeln lassen; als wenn die Staͤrke, welche vom Cicero als eine allge- meine Eigenschaft vollkommener Haͤnde angegeben wird, sich auch auf Weibliche Haͤnde erstreckte, und auf vorbesagte Weise muͤßte ausgedruckt werden. An den Stuͤcken der Colossalischen Statuen im Campidoglio, welche von einem Apollo seyn sollen, sind die Adern oben ungemein sanft angedeutet. H h 2 Die Acad. Quaest. L. 1. c. 5. I Theil. Viertes Capitel. H. Von den Be- graͤbnißurnen, welche bey na- he alle aus spaͤtern Zeiten sind. Die mehresten Begraͤbnißurnen sind aus dieser letzten Zeit der Kunst, und also auch die mehresten erhobenen Arbeiten: denn diese sind von solchen vier- eckigt laͤnglichen Urnen abgesaͤget. Einige erhobene Werke, die besonders gearbeitet sind, unterscheiden sich durch einen erhobenen Rand oder Vor- sprung umher. Die mehresten Begraͤbnißurnen wurden voraus und auf den Kauf gemacht, wie die Vorstellungen auf denselben zu glauben veran- lassen, als welche mit der Person des Verstorbenen, oder mit der Inschrift, nichts zu schaffen haben. Unter andern ist eine solche beschaͤdigte Urne in der Villa Albani; auf deren vordern Seite, in drey Felder getheilet, ist auf dem zur Rechten Ulysses an den Mastbaum seines Schiffs gebunden vorge- stellet, aus Furcht vor dem Gesange der Sirenen, von welchen die eine die Leyer spielet, die andere die Floͤte, und die dritte singet, und haͤlt ein gerolletes Blatt in der Hand. Sie haben Voͤgelfuͤße, wie gewoͤhnlich; das besondere aber ist, daß sie alle drey einen Mantel umgeworfen haben. Zur linken sitzen Philosophen in Unterredung. Auf dem mittlern Felde ist folgende Inschrift, welche nicht im geringsten auf die Vorstellung zielet, und ist noch nicht bekannt gemacht: ΑΘΑΝΑΘωΝ ΜϵΡΟΠωΝ ΟϒΔϵΙϹ· ϵΦϒ· ΤΟϒΔϵ· ϹϵΒΗΡΑ ΘΗϹϵϒϹ· ΑΙΑΚΙΔΑΙ ΜΑΡΤϒΡϵϹ· ϵΙϹΙ· ΛΟΓΟϒ ΑϒΧΩ· ϹωΦΡΟΝΑ· ΤϒΝΒΟϹ· ϵ ΜΑΙϹ· ΛΑΓΟΝϵϹϹΙ· ϹυΒΗΡΑΝ ΚΟϒΡΗΝ· ϹΤΡϒΜΟΝΙΟϒ· ΠΑΙ ΔΟϹ· ΑΜϒΜΟΝ ϵΧωΝ. ΟΙΗΝ· ΟϒΚ· ΗΝϵΙΚϵ· ΠΟΛϒϹ ΒΙΟϹ. ΟϒΔϵ. ΤΙϹ· ΟϒΠω ϵϹΧϵ. ΤΑΦΟϹ· ΧΡΗϹΤΗΝ ΑΛΛΟϹ· ϒΦ ΗϵΛΙωΙ Es Von der Kunst unter den Griechen. Es bleibet im uͤbrigen dem Alterthume bis zum Falle der Kunst der I. Von dem gu- ten Geschma- cke, welcher sich auch in dem Verfalle der Kunst erhal- ten hat. Ruhm eigen, daß es sich seiner Groͤße bewußt geblieben: der Geist ihrer Vaͤter war nicht gaͤnzlich von ihnen gewichen, und auch mittelmaͤßige Werke der letzten Zeit sind noch nach den Grundsaͤtzen der großen Meister gearbeitet. Die Koͤpfe haben den allgemeinen Begriff von der alten Schoͤnheit behalten, und im Stande, Handlung und Anzuge der Figu- ren offenbaret sich immer die Spur einer reinen Wahrheit und Einfalt. Die gezierte Zierlichkeit, eine erzwungene und uͤbel verstandene Gratie, die uͤbertriebene und verdrehete Gelenksamkeit, wovon auch die besten Werke neuerer Bildhauer ihr Theil haben, hat die Sinne der Alten nie- mals geblendet. Ja wir finden, wenn man aus dem Haarputze schlies- sen kann, einige treffliche Statuen aus dem dritten Jahrhunderte, welche als Copien anzusehen sind, die nach aͤltern Werken gearbeitet worden. Von dieser Art sind zwo Venus in Lebensgroͤße in dem Garten hinter dem Pallaste Farnese, mit ihren eigenen Koͤpfen; die eine mit einem schoͤnen Kopfe der Venus, die andere mit einem Kopfe einer Frau vom Stande, aus gedachtem Jahrhunderte, und beyde Koͤpfe haben einerley Haaraufsatz. Eine schlechtere Venus, von eben der Groͤße, ist im Bel- vedere, deren Haarputz jenen aͤhnlich ist, und dem Weiblichen Geschlechte aus dieser Zeit eigen war. Ein Apollo, in der Villa Negroni, in dem Alter und in der Groͤße eines jungen Menschen von funfzehen Jahren, kann unter die schoͤnen jugendlichen Figuren in Rom gezaͤhlet werden; aber der eigene Kopf desselben stellet keinen Apollo vor, sondern etwa einen Kaiserlichen Prinzen aus eben der Zeit. Es fanden sich also noch einige Kuͤnstler, welche aͤltere und schoͤne Figuren sehr gut nach zu arbeiten verstanden. H h 3 Ich I Theil. Viertes Capitel. K. Beschluß die- ses dritten Stuͤcks von einem außer- ordentlichen Denkmale fremder und ungestalter Kunst, von Grichischen Kuͤnstlern ver- fertiget. Ich schließe das dritte Stuͤck dieses Capitels mit einem ganz außer- ordentlichen Denkmale im Campidoglio aus einer Art von Basalt. Es stellet einen großen sitzenden Affen vor, dessen vordere Fuͤße auf den Knien der hinteren Fuͤße ruhen, und wovon der Kopf verlohren gegangen ist. Auf der Base dieser Figur stehet auf der rechten Seite in Griechischer Schrift eingehauen: „ Phidias und Ammonius, Soͤhne des Phi- dias, haben es gemacht Reines. Inser. Class. 2. n. 62. \& ex co Cuper. Apotheos. Hom. p. 134. .„ Diese Inschrift, welche von wenigen bemerket worden, war in dem geschriebenen Verzeichnisse, aus welchem Reinesius dieselbe genommen, leichthin angegeben, ohne das Werk an- zuzeigen, woran sie stehet, und koͤnnte ohne offenbare Kennzeichen ihres Alterthums fuͤr untergeschoben angesehen werden. Dieses dem Scheine nach veraͤchtliche Werk, kann durch die Schrift auf demselben Aufmerk- samkeit erwecken, und ich will meine Muthmaßung mittheilen. Es hatte sich eine Colonie von Griechen in Africa niedergelassen, die Pithecusaͤ in ihrer Sprache hießen, von der Menge Affen in diesen Gegenden. Diodorus sagt Hist. L. 20. p. 793. , daß dieses Thier heilig von ihnen gehal- ten, und, wie die Hunde in Aegypten, verehret worden. Die Affen liefen frey in ihre Wohnungen, und nahmen, was ihnen gefiel; ja diese Griechen nenneten ihre Kinder nach denselben, weil sie den Thieren, wie sonst den Goͤttern, gewisse Ehrenbenennungen werden beygeleget haben. Ich bilde mir ein, daß der Affe im Campidoglio ein Vorwurf der Ver- ehrung unter den Pithecusischen Griechen gewesen sey; wenigstens sehe ich keinen andern Weg, ein solches Ungeheuer in der Kunst, mit Namen Griechischer Bildhauer zu reimen: Phidias und Ammonius werden diese Kunst unter diesen Barbarischen Griechen geuͤbet haben. Da Agathocles, Koͤnig in Sicilien, die Carthaginenser in Africa heimsuchete, drang dessen Feld- Von der Kunst unter den Griechen. Feldherr Eumarus bis in das Land dieser Griechen hindurch, und eroberte und zerstoͤrete eine von ihren Staͤdten. Annehmen zu wollen, daß dieser goͤttlich verehrte Affe damals, als etwas außerordentliches unter Griechen, zum Denkmale weggefuͤhret worden, giebt die Form der Buchstaben nicht zu, als welche spaͤtere und den Herculanischen aͤhnliche Zuͤge hat. Es waͤre also zu glauben, das dieses Werk lange hernach gemacht, und vielleicht unter den Kaisern aus dem Lande dieses Volks nach Rom ge- fuͤhret worden; und dieses machen ein paar Worte einer Lateinischen In- schrift auf der linken Seite der Base wahrscheinlich. Es war dieselbe in vier Zeilen gefasset, und man liest, außer den Spuren, welche sich von denselben zeigen, nur noch die Worte: SFPT· QVE· COS· Die- ses Griechische Geschlecht in Africa haͤtte also, diesem zu Folge, noch um die Zeit unsers Geschichtschreibers bestanden, und sich bey seinem Aber- glauben bis dahin erhalten. Ich merke hier bey Gelegenheit eine Weib- liche Statue von Marmor an, in der Gallerie zu Versailles, welche fuͤr eine Vestale gehalten wird, und von welcher man vorgiebt, daß sie zu Bengazi, der vermeynten Numidischen Hauptstadt Barca, gefun- den worden. Um das obige dieses dritten Stuͤcks zu wiederholen, und zusammen L. Widerholung des Inhalts dieses Stuͤcks. zu fassen, so wird man in der Kunst der Griechen, sonderlich in der Bild- hauerey, vier Stuffen des Stils setzen, nemlich den geraden und harten, den großen und eckigten, den schoͤnen und fließenden, und den Stil der Nachahmer. Der erste wird mehrentheils gedauert haben bis auf den Nouv. Merc. de France, a. 1729. Ianv. p. 64. I Theil. Viertes Capitel. den Phidias, der zweyte bis auf den Praxiteles, Lysippus, und Apelles, der dritte wird mit dieser ihrer Schule abgenommen haben, und der vierte waͤhrete bis zu dem Falle der Kunst. Es hat sich dieselbe in ihrem hoͤch- sten Flore nicht lange erhalten: denn es werden, von den Zeiten des Pe- ricles bis auf Alexanders Tode, mit welchem sich die Herrlichkeit der Kunst anfieng zu neigen, etwa hundert und zwanzig Jahre seyn. Das Schick- sal der Kunst uͤberhaupt in neuern Zeiten ist, in Absicht der Perioden, dem im Alterthume gleich: es sind ebenfalls vier Haupt-Veraͤnderungen in derselben vorgegangen, nur mit diesem Unterschiede, daß die Kunst nicht nach und nach, wie bey den Griechen, von ihrer Hoͤhe herunter sank, sondern so bald sie den ihr damals moͤglichen Grad der Hoͤhe in zween großen Maͤnnern erreichet hatte, (ich rede hier allein von der Zeichnung) so fiel sie mit einmal ploͤtzlich wieder herunter. Der Stil war trocken und steif bis auf Michael Angelo und Raphael; auf diesen beyden Maͤn- nern bestehet die Hoͤhe der Kunst in ihrer Wiederherstellung: nach einem Zwischenraume, in welchem der uͤble Geschmack regierte, kam der Stil der Nachahmer; dieses waren die Caracci und ihre Schule, mit deren Fol- ge; und dieser Periode gehet bis auf Carl Maratta. Ist aber die Rede von der Bildhauerey insbesondere, so ist die Geschichte derselben sehr kurz: Sie bluͤhete in Michael Angelo und Sansovina, und endigte mit ih- nen; Algardi, Fiamingo, und Rusconi kamen uͤber hundert Jahre nachher. Viertes Viertes Stuͤck . Von dem Mechanischen Theile der Griechischen Bildhauerey. E ndlich folget, nach Anzeige der Ursachen des Vorzuges der Griechischen Viertes Stuͤck. Von dem Mechanischen Theile der Griechischen Bildhauerey. Kunst, und zweytens des Anfangs und des Wesentlichen derselben, nebst der Untersuchung des Wachsthums und des Falls der Kunst, das vierte Stuͤck dieses Capitels, welches die Betrachtung des Mechanischen Theils derselben enthaͤlt. Dieser Theil der Kunst begreift erstlich die Ma- I. Von der ver- schiedenen Materie, in welcher die Griechischen Bildhauer ge- arbeitet haben. terie, in welcher die Griechischen Bildhauer gearbeitet haben, und zum zweyten die Art der Ausarbeitung selbst. Von der verschiedenen Materie zu Statuen der Griechen so wohl, als anderer Voͤlker, ist uͤberhaupt im ersten Capitel eine historische Anzeige ge- geben worden; hier ist insbesondere von dem Marmor zu reden. Garofalo A. Vom Marmor und dessen Ar- ten. hat in einem besondern Werke von den verschiedenen Arten Marmor, deren die alten Scribenten gedenken, mit umstaͤndlicher Anfuͤhrung aller Stellen, welche er finden koͤnnen, nebst ihrer Uebersetzung, gehandelt, und dessen Arbeit wird vornehmlich von denen geschaͤtzet, die bloß auf die Belesenheit gehen; mit aller Muͤhe aber, die er sich gegeben hat, lehret er nicht, wor- inn der Werth des schoͤnsten Marmors bestehe, und es sind demselben viel merkwuͤrdige Stellen alter Scribenten unbekannt geblieben. Es ist bekannt, daß die Antiquarii, wenn sie den Werth einer Sta- tue, oder ihre Materie, erheben wollen, sagen, daß sie von Parischem Marmor sey, und Ficoroni zeiget nicht leicht eine Statue oder eine Saͤule an, die er nicht fuͤr Parischen Marmor haͤlt. Dieses ist aber wie ein an- genommenes und geschwornes Handwerks-Wort, und wenn es etwa zu- Winckelm. Gesch. der Kunst. I i trifft, I Theil. Viertes Capitel. trifft, daß es wirklich dieser Marmor waͤre, so ist es Zufall ohne Kennt- niß. Woher Belon wissen wollen, daß die Pyramide, oder das Grab- mal des Cestius, aus Marmor von Thasus sey de Oper. antiq. præst. L. 1. c. 7. p. 2551. , ist mir unbekannt. Die vorzuͤglichsten Arten des Griechischen weißen Marmors sind der Pa- rische, von den Griechen auch λύγδινος (von dem Gebuͤrge Lygdos in der Insel Paros Palmer. Exerc. in auct. græc. ad Diodor. p. 98. genannt, und der Penthelische, dessen Plinius conf. Caryoph. de Marm. p. 32. keine Meldung thut, welcher bey Athen gebrochen wurde; und aus diesem wa- ren zehen Figuren gegen eine aus jenem gearbeitet, wie die Anzeigen des Pausanias darthun koͤnnen. Den Unterscheid dieser beyden Arten aber wissen wir nicht eigentlich. Es giebt weißen Marmor von kleinen und großen Koͤrnern, das ist, aus feinen und groͤbern Theilen zusammengesetzet: je feiner das Korn ist, desto vollkommener ist der Marmor; ja es finden sich Statuen, deren Mar- mor aus einer milchigten Masse oder Teige gegossen scheinet, ohne Schein von Koͤrnern, und dieser ist ohne Zweifel der schoͤnste. Da nun der Pa- rische der seltenste war, so wird derselbe diese Eigenschaft gehabt haben. Dieser Marmor hat außer dem zwo Eigenschaften, welche dem schoͤnsten Carrarischen nicht eigen sind: die eine ist dessen Mildigkeit, das ist, er laͤßt sich arbeiten wie Wachs, und ist der feinsten Arbeit in Haaren, Federn und dergleichen faͤhig, da hingegen der Carrarische sproͤde ist, und aus- springt, wenn man zu viel in demselben kuͤnsteln will; die andere Eigen- schaft ist dessen Farbe, welche sich dem Fleische naͤhert, da der Carrarische ein blendend weiß hat. Aus dem schoͤnsten Marmor ist das erhobene Brustbild des Antinous, etwas uͤber Lebensgroͤße, in der Villa Albani. Es ist also irrig, wenn Isidorus vorgiebt Orig. L. 16. c. 5. p. 1214. , der Parische Marmor werde nur in Stuͤcken gebrochen, von der Groͤße, welche zu Gefaͤßen dienen koͤnnen. Von der Kunst unter den Griechen. koͤnnen. Perrault Paral. des anc. \& mod. Dial. 2. , welcher den großkoͤrnigten fuͤr Parischen Marmor haͤlt, hat sich nicht weniger geirret; er konnte aber dieses, ohne aus Frank- reich gegangen zu seyn, nicht wissen. Die großen Koͤrner im Marmor glaͤnzen wie Steinsalz, und ein gewisser Marmor, welcher Salinum heißt, scheinet eben derselbe zu seyn, und seine Benennung vom Salze bekom- men zu haben. Von der Art der Ausarbeitung ist zu erst allgemein, und hernach II. Von der Ausarbeitung der Bildhauer. insbesondere von der Materie, dem Elfenbeine, dem Steine, und so viel man von der Arbeit in Erzt wissen kann, zu reden. Was die Ausarbei- A. Ueberhaupt. tung uͤberhaupt betrifft, so ist uns von einer besondern Art, in welcher die Griechischen Bildhauer verschieden von den neuern Kuͤnstlern, und von unserer Vorstellung, koͤnnen gearbeitet haben, nichts besonders bekannt; gewiß aber ist, daß sie zu ihren Werken Modelle gemacht. Ein beruͤhm- ter Scribent glaubet Caylus sur quelq. passag. de Pline sur les arts, p. 285. , Diodorus habe das Gegentheil anzeigen wollen, wo derselbe sagt, daß die Aegyptischen Kuͤnstler nach einem richtigen Maaße gearbeitet, die Griechen aber nach dem Augenmaaße geurtheilet haben. Das Gegentheil von dieser Meynung kann ein geschnittener Stein im Stoßischen Museo darthun Deser. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 315. n. 6. , auf welchem Prometheus den Menschen, wel- chen er bildet, mit dem Bleye ausmißt. Man weis, wie hoch die Mo- delle des beruͤhmten Arcesilaus, welcher wenige Jahre vor dem Diodorus gebluͤhet hat, geschaͤtzet wurden; und wie viel Modelle von gebranntem Thone haben sich erhalten, und werden noch taͤglich gefunden! Der Bild- hauer muß mit Maaß und Zirkel arbeiten; der Maler aber soll das Maaß im Auge haben. Die mehresten Statuen von Marmor sind aus einem Stuͤcke gear- beitet, und Plato giebt seiner Republik so gar ein Gesetz, die Statuen I i 2 aus I Theil. Viertes Capitel. aus einem einzigen Stuͤcke zu machen Leg. L. 12. p. 956. A. . Aus zwey Stuͤcken waren, außer dem im zweyten Capitel angefuͤhrten Aegyptischen Antinous, zwo Sta- tuen, des Hadrianus und des Antoninus Pius, in dem Pallaste Ruspoli, wie die deutliche Spur der Fugung an dem erhaltenen Obertheile zeiget. Merkwuͤrdig ist, daß an einigen der besten Statuen in Marmor schon an- faͤnglich bey ihrer Anlage die Koͤpfe besonders gemacht und angesetzet wor- den sind: dieses ist augenscheinlich an den Koͤpfen der Niobe und ihrer Toͤchter, welche in die Schultern eingefuget sind, und es findet hier kein Verdacht einer Beschaͤdigung oder Ausbesserung Platz. Der Kopf der mehrmals angefuͤhrten Pallas, in der Villa Albani, ist ebenfalls eingese- tzet, so wie die Koͤpfe der ohnlaͤngst gefundenen vier Caryatiden. Es wurden auch zuweilen die Arme eingefuget, wie die Pallas und ein paar gedachter Caryatiden dieselbe haben. B. Ins besondeꝛe. Ueber die Ausarbeitung der Materie ist erstlich des Elfenbeins zu ge- a Von der Arbeit in Elfenbein. denken. Elfenbein zu Statuen scheinet auf der Drehbank gearbeitet zu seyn, und da Phidias sich vornehmlich in dieser Arbeit hervorgethan, wel- cher die Kunst, die bey den Alten Torevtice, d. i. das Drechseln, heißt, erfunden, so koͤnnte dieses keine andere Kunst seyn, als diejenige, welche das Gesicht, die Haͤnde, und die Fuͤße ausdrechselte. Auf der Drehbank arbeitete man auch das Schnitzwerk an Gefaͤßen, wie dasjenige von dem goͤttlichen Alcimedon beym Virgilius war, welches als ein Preiß unter zween Schaͤfer ausgesetzet wurde. b Von der Ar- beit in Stein. Die Ausarbeitung, in Absicht auf den Stein, gehet vornehmlich den aa In Mar- mor. Marmor, den Basalt, und den Porphyr an. Figuren von Marmor wur- den entweder mit dem bloßen Eisen geendiget, ohne sie zu glaͤtten, oder sie wurden, wie itzo geschieht, geglaͤttet. Es ist nicht zu sagen, ob dieses oder jenes aͤlter sey, da die aͤltesten Aegyptischen Figuren aus den haͤrtesten Steinen Von der Kunst unter den Griechen. Steinen auf die muͤhsamste Art geglaͤttet worden. Es finden sich aber einige der schoͤnsten Statuen in Marmor, denen die letzte Hand bloß mit dem Eisen, ohne Glaͤtte, gegeben worden, wie die Arbeit am Laocoon, an dem Borghesischen Fechter des Agasias, an dem Centaur in eben der Villa, an dem Marsyas in der Villa Medicis, und an verschiedenen an- dern Figuren zeiget. Am Laocoon sonderlich kann ein aufmerksames Auge entdecken, mit was fuͤr meisterhafter Wendung und fertiger Zuversicht das Eisen gefuͤhret worden, um nicht die gelehrtesten Zuͤge durch Schleifen zu verlieren. Die aͤußerste Haut dieser Statuen, welche gegen die geglaͤttete und geschliffene etwas rauchlich scheinet, aber wie ein weicher Sammt gegen einen glaͤnzenden Atlas, ist gleichsam wie die Haut an den Koͤrpern der alten Griechen, die nicht durch bestaͤndigen Gebrauch warmer Baͤder, wie unter den Roͤmern bey eingerissener Weichlichkeit geschah, aufgeloͤset, und durch Scha- beeisen glatt gerieben worden, sondern auf welche eine gesunde Ausduͤnstung, wie die erste Anmeldung zur Bekleidung des Kinns, schwamm Diese Vergleichungen koͤnnten zum Verstaͤndniß des bisher nicht verstandenen Ausdrucks im Dionysius von Halicarnassus Epist. ad Cn. Pompej. de Plat. p. 204. l. 7. , χνοῦς ἀρχαιοπινής, und χνοῦς ἀρχαιότητος, in Absicht der Schreibart des Plato, und einiger andern gleichbedeutenden Stellen, als z. E. Litterae πεπινωμέναι beym Cicero ad Attic. L. 14. ep. 7. , vielleicht mehr Deutlichkeit geben, als die gelehrten und hestigen Streitschriften des Salmasius Not. in Tertul. de Pal. p. 234. seq. Confut. Animadv. Andr. Cercotii, p. 172. 189. und des P. Peta- vius Andr. Kerkoetii ( Petavii ) Mastigoph. Part. 3. p. 106. seq. uͤber diesen Ort. Man koͤnnte gedachte Redensart, allgemein genommen, „ das sanfte rauchliche und gesalbete des Alterthums „ uͤbersetzen. Das Wort χνοῦς nehme man nicht, wie jene, in seiner entfernteren, sondern in seiner ersten und natuͤrlichen Bedeutung, nemlich der sich meldenden Bekleidung des Kinns, und man halte sie zusammen mit meiner Anwendung dieses Bildes auf die bearbeitete Oberhaut des Laocoons, so wird es scheinen, Dionysius habe eben dieses sagen wollen. Har- dion Sur une Lettre de Denys d’ Halic. au Pompée, p. 128. welcher diese Stellen nach beyden angefuͤhrten streitigen Gelehrten hat er- klaͤren wollen, laͤßt uns ungewisser, als vorher. Eben dieses Bild giebt das Wort χνοῦς, in welcher es von andern Scribenten angewendet worden, als vom Aristopha- nes Nub. v. 974. , die wolligte Haut der Aepfel anzuzeigen. . Die I i 3 zween I Theil. Viertes Capitel. zween große Loͤwen von Marmor, welche am Eingange des Arsenals zu Venedig stehen, und von Athen dahin gebracht worden, sind ebenfalls mit dem bloßen Eisen ausgearbeitet; es ist aber diese Art solchen und so großen Werken in Marmor mehr eigen. Die Coloßische Statue aber, von welcher im Campidoglio beyde Fuͤße, Stuͤcke von den Armen, und eine Kniescheibe uͤbrig sind, (die von dem Colossus des Apollo, welchen Lucul- lus aus Apollonien nach Rom fuͤhrete, seyn sollen) war geschliffen und geglaͤttet. Die Fuͤße sind neun Palme lang, und die Naͤgel der großen Zehe achthalb Zolle, und diese Zehe selbst hat im Umkreise uͤber vier Palme. Die Geschicklichkeit und Fertigkeit der Ausarbeitung mit dem bloßen Eisen hat nicht anders, als durch lange Uebung, erlanget werden koͤnnen, zu wel- cher unsere Zeiten nicht Gelegenheit genug haben. Die mehresten Statuen in Marmor aber wurden geglaͤttet, und man wird ohngefaͤhr auf eben die Art, wie itzo, verfahren seyn. Einer von den Steinen, welcher zur Glaͤttung dienete, kam aus der Insel Naxus Plin. L. 36. c. 10. , und Pindarus sagt, er sey der beste hierzu Nem. Od. 6. v. 107. . Alle Statuen werden, wie bey den Alten Vitruv. L. 7. c. 9. Plin. L. 33. c. 40. , noch itzo mit Wachs geglaͤttet: aber dieses Wachs wird voͤllig abgerieben, und bleibet nicht, wie ein Firniß, eine Oberhaut auf demselben. Die unten angefuͤhrten Stellen sind von allen irrig vom Abputzen der Sta- tuen verstanden worden. Der schwarze Marmor kam spaͤter, als der weiße, in Gebrauch: die haͤrteste und feinste Art desselben, wird insgemein Paragone, Probier- stein, genannt. Von ganzen Griechischen Figuren aus diesem Steine, ha- ben sich erhalten ein Apollo in der Gallerie Farnese, der so genannte Gott Aventinus im Campidoglio, beyde groͤßer, als die Natur, zween Centaure des Hrn. Cardinals Furietti, von Aristeas und Papias, aus Aphrodi- sium, Von der Kunst unter den Griechen. sium, gearbeitet, und ein junger Faun, in Lebensgroͤße, in der Villa Albani, zu Nettuno gefunden. In Basalt, sowohl in dem eisenfaͤrbigen, als in dem gruͤnlichen, ha- bb In Ba- salt. ben sich die Griechischen Bildhauer zu zeigen gesucht; es hat sich aber von ganzen Statuen keine einzige erhalten. Ein Sturz von einer Maͤnnlichen Figur in Lebensgroͤße, in der Villa Medicis, ist uͤbrig, und dieser Rest zeu- get von einer der schoͤnsten Figuren aus dem Alterthume; man kann den- selben so wohl in Absicht der Wissenschaften, als der Arbeit, nicht ohne Ver- wunderung betrachten. Die uͤbrig gebliebenen Koͤpfe von diesem Steine veranlassen zu glauben, daß nur besonders geschickte Kuͤnstler sich an den- selben gemacht haben: denn es sind dieselben in dem schoͤnsten Stile, und auf das feinste geendiget. Außer dem Kopfe des Scipio, von welchem ich im zweyten Theile Meldung thue, ist im Pallaste Verospi ein Kopf eines jungen Helden, und ein Weiblicher Idealischer Kopf, auf eine alte be- kleidete Brust von Porphyr gesetzt, in der Villa Albani; das schoͤnste aber unter diesen Koͤpfen wuͤrde der von einem jungen Menschen, in Lebens- groͤße, seyn, welchen der Verfasser besitzet, woran aber nur die Augen, nebst der Stirn, das eine Ohr und die Haare unversehrt geblieben sind. Die Arbeit der Haare an diesem so wohl, als an dem Verospischen Kopfe, ist verschieden von der an den Maͤnnlichen Koͤpfen in Marmor, das ist, sie sind nicht, wie an diesen, in freye Locken geworfen, oder mit dem Bohrer getrieben, sondern wie kurz geschnittene und fein gekaͤmmete Haare vorge- stellet, so wie sie sich an einigen Maͤnnlichen Idealischen Koͤpfen in Erzt finden, wo gleichsam jedes Haar insbesondere angedeutet worden. An Koͤpfen in Erzt, welche nach dem Leben gemacht sind, ist die Arbeit der Haare verschieden, und Marcus Aurelius zu Pferde, und Septimius Se- verus zu Fuß, dieser im Pallaste Barberini, haben die Haare lockigt, wie ihre Bildnisse in Marmor. Der Hercules im Campidoglio, hat die Haare I Theil. Viertes Capitel. Haare dick und kraus, wie am Hercules gewoͤhnlich ist. In den Haaren des zuletzt genannten verstuͤmmelten Kopfs ist eine außerordentliche, und ich moͤchte fast sagen, unnachahmliche Kunst und Fleiß: fast mit eben der Feinheit sind die Haare an dem Sturze eines Loͤwens von dem haͤrtesten Basalte, in dem Weinberge Borioni, gearbeitet. Die außerordentliche Glaͤtte, welche man diesem Steine gegeben, auch geben muͤssen, nebst den feinen Theilen, woraus derselbe zusammengesetzet ist, haben verhindert, daß sich keine Rinde, wie an dem glaͤttesten Marmor geschehen, angesetzet, und diese Koͤpfe sind mit ihrer voͤlligen ersteren Glaͤtte in der Erde gefunden. cc In Por- phyr. Von der Arbeit in Porphyr ist zum dritten besonders zu reden. Hierinn sind unsere Kuͤnstler weit unter den Alten, nicht, daß jene den Porphyr gar nicht zu arbeiten verstaͤnden, wie insgemein von unwissenden flattrigen Scribenten vorgegeben wird Carlencas Essay sur l’ hist. des belles lettr. T. 4. , sondern darinn, daß die Alten hier mit groͤßerer Leichtigkeit, und mit uns unbekannten Vortheilen, zu Werke gegangen sind. Daß die alten Kuͤnstler besondere Vortheile in die- ser Arbeit erlanget gehabt, zeigen ihre Gefaͤße in Porphyr, welche wirklich auf der Bank ausgedrehet sind. Der Herr Cardinal Alexander Albani besitzet die schoͤnsten in der Welt, und zwey unter denselben sind uͤber zween Roͤmische Palme hoch, von welchen das eine vom Pabst Clemens XI. mit dreytausend Scudi bezahlet worden. Die heutigen Kuͤnstler, so weit sie in Bearbeitung des Porphyrs gelanget sind, haben das Wasser nicht, welches Cosmus, Großherzog von Toscana, soll erfunden haben Vasar. Vite de Pitt. Proem. p. 12. , die Eisen zu haͤrten, sie verstehen aber dennoch diesen Stein zu baͤndigen. Es sind auch in neuern Zeiten nicht allein große Werke in Porphyr gearbeitet, wie der schoͤne Deckel der herrlich großen alten Urne, in der Capelle Corsini, zu St. Johann Lateran, ist, sondern auch verschiedene Brustbilder der Kaiser, unter welchen die Koͤpfe der zwoͤlf ersten Kaiser in der Gallerie des Von der Kunst unter den Griechen. des Pallastes Borghese sind. Hierinn bestehet die groͤßte Schwierigkeit, und der besondere Vorzug der alten Kuͤnstler nicht, sondern, wie gesagt ist, im Ausdrehen der Gefaͤße. In kleinern Arbeiten hat man zu un- sern Zeiten angefangen diesen Stein zu drehen, aber groͤßere Gefaͤße sind entweder nicht hohl gemacht, wie die im Pallaste Verospi von gruͤnlichem Porphyr sind, oder, wenn sie hohl sind, wie die im Pallaste Barberini, und in der Villa Borghese, so sind sie Cylindrisch ausgehoͤhlet, ohne Bauch, und ohne Pfalze und Hohlkehlen. Daß aber das Elliptische Ausdrehen der Gefaͤße von Porphyr, nach Art der Alten, kein verlornes Geheimniß sey, hat der Herr Cardinal Alexander Albani in einem wohlgelungenen Versuche zeigen lassen, welcher der Arbeit der Alten nichts nachgiebt, indem der Porphyr bis auf die Dicke einer Feder ausgedrehet ist; aber das Ausdrehen kostet dreymal so viel, als die Form des Gefaͤßes, und es ist dasselbe dreyzehen Monate auf dem Drehgestelle gewesen. Man merke hier, daß sich an Statuen von Porphyr weder Kopf, noch Haͤnde und Fuͤße, aus eben demselben Steine finden, sondern sie haben diese aͤußeren Theile von Marmor. In der Gallerie das Pallastes Chigi, welche itzo in Dreßden ist, war ein Kopf des Caligula in Porphyr; er ist aber neu, und nach dem von Basalt im Campidoglio gemacht; in der Villa Borghe- se ist ein Kopf des Vespasianus, welcher ebenfalls neu ist. Es finden sich zwar vier Figuren, von welchen zwo und zwo zusammen stehen, aus einem Stuͤcke, am Eingange des Pallastes des Doge zu Venedig, welche ganz und gar aus Porphyr sind; es ist aber eine Arbeit der Griechen aus der spaͤ- tern oder mittlern Zeit, und Hieronymus Magius muß sich sehr wenig auf die Kunst verstanden haben, wenn er vorgiebt, daß es Figuren des Harmodion und Aristogiton, der Befreyer von Athen, seyn Miscel. L. 2. c. 6. p. 83. . Was endlich die Arbeit in Erzt betrifft, so waren schon lange vor c Von der Arbeit in Erzt. aa An sich selbst. dem Phidias viele Statuen darinn gearbeitet, und Phradmon, welcher aͤlter, Winckelm. Gesch. der Kunst. K k I Theil. Viertes Capitel. aͤlter, als jener, war v. Franc. Iun. Ind. Artif. , hatte zwoͤlf Kuͤhe in Erzt gemacht Holsten. Not. in Steph. v. Ιτων. p. 151. , die von den Thessaliern als eine Beute entfuͤhret, und am Eingange eines Tempels ge- stellet wurden. In den aͤltesten Zeiten und vor dem Flore der Kunst wur- den, wie Pausanias berichtet, Figuren von Erzt aus Stuͤcken zusammen gesetzet, und durch Naͤgel verbunden, wie ein Jupiter zu Sparta Pausan. L. 3. p. 257. von einem Learchus, aus der Schule des Dipoenus und Scyllis, gewesen. Fast auf eben die Art aber, und stuͤckweis, sind sechs Herculanische Weibliche Fi- guren von Erzt, in und unter Lebensgroͤße, gearbeitet: Kopf, Arme und Beine sind besonders gegossen, und der Rumpf selbst ist kein Ganzes. Diese Stuͤcke sind bey ihrer Vereinigung nicht geloͤthet, als wovon sich beym Aus- putzen derselben keine Spur gefunden, sondern sie sind durch eingefuͤgte Hefte, welche in Italien von ihrer Form Schwalbenschwaͤnze ( Co- de di rondine ) heißen, verbunden. Der kurze Mantel dieser Figuren, welcher ebenfalls aus zwey Stuͤcken bestehet, einem Vorder- und Hintertheile, ist auf den Schultern, wo er geknoͤpft vorgestellet ist, zusammengesetzet. An einer jugendlich Maͤnnlichen Statue, von welcher der Kopf ehemals in dem Museo der Cartheuser zu Rom war Monum. a Boriono collect. p. 14. Von denen, welche die alten Koͤpfe zu kennen, und zu taufen behaupten, wird dieser Kopf Ptolemaͤus, Sohn des letzten Mauritanischen Koͤnigs Juba, genannt. conf. Ficoroni Rom. mod. p. 55. , und itzo in der Villa Albani ist, war die Schaam besonders eingepasset, welches vermuthlich ein wieder- holter Guß seyn wird. Es verdient angemerket zu werden, daß innerhalb der Schaam, an dem Stuͤcke, wo der Haarwachs seyn wuͤrde, drey Griechi- sche Buchstaben Ι͘ Π͘ Χ͘ von einem Zolle lang stehen, welche nicht sichtbar seyn koͤnnten, wenn die Figur ganz gefunden worden waͤre: dieses Stuͤck ist in den Haͤnden des Verfassers. Montfaucon Diar. Ital. p. 169. ist uͤbel berichtet, wenn er sich sagen lassen, daß die Statue des Marcus Aurelius zu Perde nicht gegossen, sondern mit dem Hammer getrieben worden sey. bb Von dem Loͤthen. Mit Loͤthen arbeitete man an den Haaren, und an freyhaͤngenden Lo- cken, wie man an einem der aͤltesten Koͤpfe aus dem ganzen Alterthume, in dem Herculanischen Museo zu Portici, sieht. Es ist derselbe ein Weib- liches Brustbild, und hat vorwerts uͤber der Stirn bis an die Ohren funf- zig Von der Kunst unter den Griechen. zig Locken, wie von einem starken Drathe, beynahe einer Schreibefeder dick, eine lange und eine kurze neben und uͤber einander haͤngen, jede von vier bis fuͤnf Ringeln: die hintern Haare gehen geflochten um den Kopf herum, und machen gleichsam das Diadema. Ein anderer Maͤnnlicher Kopf da- selbst mit einem langen Barte, welcher etwas von der Seite gewandt ist und unterwerts sieht, hat die krausen Locken in den Schlaͤfen ebenfalls an- geloͤthet. Dieser Idealische Kopf, welcher mit dem Namen des Plato bezeichnet wird, ist fuͤr ein Wunderwerk der Kunst zu achten, und wer denselben selbst nicht aufmerksam betrachtet, dem kann kein Begriff davon gegeben werden. Das seltenste Stuͤck aber in in dieser Art ist ein Maͤnn- licher jugendlicher Kopf, und eine Abbildung einer bestimmten Person, welcher acht und sechzig angeloͤthete Locken um den Kopf herum hat, und im Nacken unter jenen noch andere Locken, welche nicht frey haͤngen, und mit dem Kopfe aus einem Gusse sind. Jene Locken gleichen einem schma- len Streifen Papier, welches gerollet, und hernach aus einander gezogen wird: diejenigen, welche auf der Stirne haͤngen, haben fuͤnf und mehr Win- dungen; die im Nacken haben bis an zwoͤlf, und auf allen laufen zween eingeschnittene Zuͤge herum. Man koͤnnte glauben, es sey ein Ptolemaͤus Apion, welchen man auf Muͤnzen mit langen haͤngenden Locken sieht. Die besten Statuen in Erzt sind unter andern drey in eben diesem c c Von den besten Statuen in Erzt. Museo, und zwar in Lebensgroͤße: ein junger sitzender und schlafender Sa- tyr, welcher den rechten Arm uͤber den Kopf geleget, und den linken haͤngen hat: ein alter trunkener Satyr auf einem Schlauche liegend, uͤber welchen eine Loͤwenhaut geworfen ist. Er stuͤtzet sich mit dem linken Arme, und schlaͤgt mit der erhobenen rechten Hand ein Knipgen, wie die Statue des Sardanapalus zu Anchialus Strab. L. 14. p. 672. l. 2. , zum Zeichen der Freude, wie noch itzo im Tanzen gewoͤhnlich ist. Die vorzuͤglichste unter den dreyen ist ein sitzender Mercurius, welcher das linke Bein zuruͤck gesetzet hat, und sich mit der rechten Hand stuͤtzet, mit vorwerts gekruͤmmetem Leibe. Unter den Fuß- sohlen ist der Heft der Riemen von den angebundenen Fluͤgeln, wie eine Rose, gestaltet, anzudeuten, daß diese Gottheit nicht zu gehen, sondern zu fliegen habe. Von dem Caduceo ist in der linken Hand nur ein Ende ge- K k 2 blieben; I Theil. Viertes Capitel. blieben; das uͤbrige hat sich nicht gefunden, woraus zu schließen ist, daß diese Statue auswerts hergebracht sey, wo dieses Stuͤck muß verloren ge- gangen seyn: denn da dieser Mercurius, den Kopf ausgenommen, ohne alle Beschaͤdigung gefunden worden, haͤtte sich auch dessen Stab finden muͤssen. dd Von der Vergoldung. Viele oͤffentliche Statuen von Erzt wurden vergoldet, wie das Gold α Allgemein. noch itzo zeiget, welches sich erhalten hat an der Statue des Marcus Aure- lius zu Pferde, an den Stuͤcken von vier Pferden und einem Wagen, die auf dem Herculanischen Theater standen, sonderlich an dem Hercules im Campidoglio Maffei Stat. n. 20. . Die Dauerhaftigkeit der Vergoldung an Statuen, welche viele hundert Jahre unter der Erde verschuͤttet gelegen, bestehet in den star- ken Goldblaͤttern: denn das Gold wurde bey weiten nicht so duͤnne, als bey uns, geschlagen, und Buonarroti Osserv. sopr. alc. Medagl. p. 370. zeiget den großen Unterschied des Verhaͤltnisses. Daher sieht man in zwey verschuͤtteten Zimmern des Pal- lastes der Kaiser, auf dem Palatino in der Villa Farnese, die Zierrathen von Golde so frisch, als wenn dieselben neulich gemacht worden; ohngeach- tet diese Zimmer wegen des Erdreichs, womit sie bedecket sind, sehr feucht seyn: die Himmelblauen und Bogenweis gezogenen Binden mit kleinen Figu- ren in Golde koͤnnen nicht ohne Verwunderung gesehen werden. Auch in den Truͤmmern zu Persepolis Greave Descr. des Antiq. de Persep. p. 23. hat sich noch die Vergoldung erhalten. β Von den zwo Arten derselben. In Feuer vergoldet man auf zweyerley Art, wie bekannt ist; die eine Art heißt Amalgema, die andere nennet man in Rom allo Spadaro, d. i. nach Schwerdfeger Art. Diese geschieht mit aufgelegten Goldblaͤttern, jene Art aber ist ein aufgeloͤsetes Gold in Scheidewasser. In dieses von Gold schwangere Wasser wird Quecksilber gethan, und alsdenn wird es auf ein gelindes Feuer gesetzet, damit das Scheidewasser verrauche, und das Gold vereiniget sich mit dem Quecksilber, welches zu einer Salbe wird. Mit dieser Salbe wird das Metall, wenn es vorher sorgfaͤltig gereinigt worden, gegluͤhet bestrichen, und dieser Anstrich erscheinet alsdenn ganz schwarz; von neuem aber aufs Feuer gelegt, bekommt das Gold seinen Glanz. Diese Vergoldung ist gleichsam dem Metalle einverleibet, war aber den Alten nicht bekannt; sie vergoldeten nur mit Blaͤttern, nach dem das Von der Kunst unter den Griechen. das Metall mit Quecksilber beleget oder gerieben war, und die lange Dauer dieser Vergoldung lieget, wie ich gesagt habe, in der Dicke der Blaͤtter, deren Lagen noch itzo an dem Pferde des Marcus Aurelius sichtbar sind. Auf dem Marmor wurde das Gold mit Eyerweiß aufgetragen, wel- γ Von der Vergoldung auf Marmor. ches itzo mit Knoblauch geschieht, womit der Marmor gerieben wird, und alsdenn uͤberziehet man den Marmor mit duͤnnem Gipse, auf welchen die Vergoldung getragen wird. Einige bedienen sich der Milch der Fei- gen, welche sich zeiget, wenn sich die Feige, die zu reifen anfaͤngt, von dem Stengel abloͤset. An einigen Statuen von Marmor finden sich noch itzo Spuren von Vergoldung an den Haaren, wie oben gedacht worden, und vor vierzig Jahren fand sich das Untertheil eines Kopfs, welcher einem Laocoon aͤhnlich war, mit Vergoldung; diese aber ist nicht auf Gips, sondern unmittelbar auf den Marmor gesetzt. Zur Arbeit in Erzt gehoͤren auch die Muͤnzen, deren Gepraͤge unter d Von der Arbeit auf Muͤnzen. den Griechen verschieden ist, nach dem verschiedenen Alter der Kunst. In den aͤltesten Zeiten ist es flach, und in dem Flore der Kunst so wohl, als in den folgenden Zeiten, mehr erhoben; dort zum theil sehr fleißig, hier groß ausgefuͤhret. Von den aͤltesten Muͤnzen mit zween Stempeln habe ich oben zu Anfang des dritten Stuͤcks dieses Capitels geredet. Ich fuͤge hier eine noch nicht bekannt gemachte Inschrift in der Villa Albani bey, in welcher der Vergoldung der Muͤnzen gedacht wird: D. M. FECIT. MINDIA. HELPIS. IVLIO. THALLO MARITO. SVO. BENE. MERENTI. QVI. FECIT. Sic OFFICINAS. PLVMBARIAS. TRASTIBERINA. ET. TRICARI. SVPERPOSITO. AVRI. MONETAE. NVMVLARIORVM. QVI. VIXIT. ANN. XXXII. M. VI. ET. C.IVLIO. THALLO. FILIO. DVLCISSIMO. QVI. VIXIT. Sic MESES. IIII. DIES. XI. ET. SIBI. POSTERISQVE. SVIS. K k 3 Fuͤnftes Fuͤnftes Stuͤck. Von der Malerey der alten Griechen. Fuͤnftes Stuͤck. Von der Ma- lerey der alten Griechen. A uf dieses vierte Stuͤck, nemlich die Betrachtung des Mechanischen Theils der Kunst, folget in dem fuͤnften und letzten Stuͤcke dieses Capitels die Abhandlung von der Malerey der Alten, von welcher wir zu unsern Zeiten mit mehr Kenntniß und Unterricht, als vorher geschehen konnte, konnte, urtheilen und sprechen koͤnnen, nach viel hundert im alten Hercu- lano entdeckten Gemaͤlden. Bey dem allen muͤssen wir bestaͤndig, außer den schriftlichen Nachrichten, von dem, was dem Augenscheine nach nicht anders, als Mittelmaͤßig, hat seyn koͤnnen, auf das Schoͤnste schließen, und uns gluͤcklich schaͤtzen, wie nach einem erlittenen Schiffbruch, einzelne Bret- ter zusammen zu lesen. Ich werde zuerst von den vornehmsten entdeckten Gemaͤlden einige Nachricht ertheilen, und zum zweyten von der Zeit reden, in I Theil. Viertes Capitel. in welcher dieselben muthmaßlich gemacht sind, nebst einer Anzeige von Grie- chischen und Roͤmischen Gemaͤlden unter denselben; und zum dritten die Art der Malerey selbst untersuchen. I. Von der Malerey auf der Mauer, allgemein. Alle diese Gemaͤlde sind, außer vier auf Marmor gezeichneten Stuͤcken, auf der Mauer gemalet, und obgleich Plinius sagt L. 34. c. 37. , daß kein beruͤhmter Maler auf der Mauer gemalet habe, so dienet eben dieses ungegruͤndete Vorgeben desselben mit zum Beweis von der Vortrefflichkeit der besten Werke im Alterthume, da einige von denen, welche uͤbrig geblieben sind, und gegen so viel geruͤhmte Meisterstuͤcke geringe seyn wuͤrden, große Schoͤn- heiten der Zeichnung und des Pinsels haben. Die ersten Gemaͤlde wurden auf der Mauer gemalet, und schon bey den Chaldaͤern wurden die Zimmer ausgemalet, wie wir bey dem Prophe- ten lesen Isai. c. 23. v. 14. , welches nicht, wie jemand meynet, von aufgehaͤngten Gemaͤlden zu verstehen ist Cuper. Lettr. p. 363. . Polygnotus, Onatas, Pausias, und andere beruͤhmte Griechische Maler, zeigeten sich in Auszierung verschiedener Tem- pel und oͤffentlicher Gebaͤude; Apelles selbst soll zu Pergamus einen Tempel ausgemalet haben Solin. Polyh. c. 27. . Es gereichete zur Befoͤrderung der Kunst, daß, weil ausgeschlagene Zimmer mit Tapeten nicht uͤblich waren, die Zimmer bemalet wurden: denn die Alten liebeten nicht die Waͤnde bloß anzusehen, und wo es zu kostbar war, dieselben mit Figuren anzufuͤllen, wurden sie in verschiedene angestrichene Felder durch ihre Leisten eingetheilet. II. Von den uͤbrig gebliebenen Gemaͤlden auf d e r Mauer. Die gegenwaͤrtigen alten Gemaͤlde in Rom sind, die sogenannte Ve- nus und die Roma im Pallaste Barberini, die Aldrovandinische Hochzeit, der vermeynte Marcus Coriolanus, sieben Stuͤcke in der Gallerie des Col- A. Die ehemals in Rom entde- cket worden. legii S. Ignatii, und eins, welches der Herr Cardinal Alexander Albani besitzet. Die Von der Kunst unter den Griechen. Die zwey erstern Gemaͤlde sind in Lebensgroͤße: die Roma sitzet, und die Venus liegt; der Kopf derselben, nebst dem Amorini und andern Neben- werken, wurde von Caro Maratta ergaͤnzet. Es wurde diese Figur ge- funden, da man den Grund zu dem Pallaste Barberini grub, und man glaubet, daß die Roma eben daselbst gefunden worden. Bey der Copie dieses Gemaͤldes, welches Kaiser Ferdinand III. machen ließ, fand sich eine schriftliche Nachricht, daß es im Jahr 1656. nahe an dem Battisterio Constantini entdecket worden Lambec. Comment. bibl. Vindob. L. 3. p. 376. ; und aus diesem Grunde haͤlt man es fuͤr eine Arbeit aus dieser Zeit. In einem ungedruckten Briefe des Commen- dator del Pozzo an Nic. Heinsius ersehe ich, daß dieses Gemaͤlde ein Jahr vorher, nemlich 1655. den siebenden April gefunden worden; es wird aber nicht gemeldet, an welchem Orte: La Chausse hat dasselbe be- schrieben Mus. Rom. p. 119. . Ein anderes Geinaͤlde, das triumphirende Rom ge- nannt Spon Rech. d’ antiq. p. 195. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 1. pl. 193. , welches aus vielen Figuren bestand, und in eben dem Pallaste war, ist nicht mehr vorhanden. Das sogenannte Nymphaͤum, an eben dem Orte Holsten. Comment. in Vat. Pict. Nymph. , hat der Moder vertilget, und ich muthmaße, daß es jenem ebenfalls also ergangen sey. Die beyden letzten Gemaͤlde bestehen aus Figuren von etwa zween Palmen hoch. Die sogenannte Hochzeit wurde nicht weit von S. Maria Maggiore, in der Gegend, wo ehemals des Maͤcenas Gaͤrten waren, ent- decket Zuccar. Idea de’ Pittori, L. 2. p. 37. . Das andere, nemlich der Coriolanus, ist nicht unsichtbar ge- worden, wie Duͤ Bos vorgiebt Refl. sur la Poes. etc. T. 1. p. 352. , sondern man sieht es noch itzo in dem Gewoͤlbe der Baͤder des Titus, wo ehemals der Laocoon stand in einer großen Nische, welche bis an dessen Bogen verschuͤttet ist. Die Winckelm. Gesch. der Kunst. L l I Theil. Viertes Capitel. Die sieben Gemaͤlde bey den Jesuiten sind aus einem Gewoͤlbe an dem Fuße des Palatinischen Berges, auf der Seite des Circus Maxi- mus, abgenommen. Die besten Stuͤcke unter denselben sind ein Satyr, welcher aus einem Horne trinkt, zween Palme hoch, und eine kleine Land- schaft mit Figuren, einen Palm groß, welche alle Landschaften zu Portici uͤbertrifft. Das achte Gemaͤlde bekam der Abt Franchini, damaliger Großherzoglich Toscanischer Minister in Rom; von demselben erhielt es der Cardinal Paßionei, und nach dessen Tode der Herr Cardinal Alexan- der Albani; es stellet ein Opfer von drey Figuren vor, und ist in dem An- hange der alten Gemaͤlde des Bartoli von Morghen gestochen. In der Mitten stehet auf einer Base eine kleine ungekleidete Maͤnnliche Figur, welche mit dem erhobenen linken Arm einen Schild haͤlt, und in der rechten einen kurzen Streitkolben mit vielen Spitzen umher besetzet, von eben der Art, wie vor Alters auch in Deutschland in Gebrauch waren. Auf dem Boden neben der Base stehet auf einer Seite ein kleiner Altar, und auf der andern ein Gefaͤß, welche beyde rauchen. Auf beyden Steiten stehet eine Weibliche bekleidete Figur mit einem Diadema, und die zur linken Hand traͤgt eine Schuͤssel mit Fruͤchten. Die Stuͤcke kleiner Gemaͤlde, welche in der Villa Farnese in den Truͤm- mern des Pallastes der Kaiser entdecket, und nach Parma gebracht wurden, sind durch den Moder vertilget. Es blieben dieselben, wie die andern Schaͤtze der Gallerie zu Parma, welche nach Neapel geschafft wurden, an zwanzig Jahre in ihren Kasten in feuchten Gewoͤlbern stehen, und da man sie hervor zog, fand man nichts, als Stuͤcke Mauer, auf welchen die Ge- maͤlde gewesen waren, und diese sieht man auf dem unvollendeten Koͤnig- lichen Schlosse Capo di Monte zu Neapel. Unterdessen waren sie sehr mittelmaͤßig, und der Verlust ist nicht sehr groß. Eine gemalte Caryatide mit dem Gebaͤlke, welches sie traͤgt, die auch in besagten Ruinen gefunden worden, Von der Kunst unter den Griechen. worden, hat sich erhalten, und stehet zu Portici unter den Herculanischen Gemaͤlden. Diese Gemaͤlde sind theils im Jahre 1722. in der Villa Farnese gefunden worden, theils standen sie an den Waͤnden eines großen Saals von vierzig Palmen in der Laͤnge, welcher 1724. entdecket wurde. Die Waͤn- de in demselben waren durch ein gemaltes Werk von Architectur in ver- schiedene Felder getheilet: in einem derselben steiget eine Weibliche Figur aus einem Schiffe, und wird gefuͤhret von einer jungen Maͤnnlichen Figur, die außer dem Mantel, welcher hinten von der Schulter haͤngt, unbekleidet ist. Dieses Stuͤck hat Turnbull in Kupfer stechen lassen Treat. of ant. paint. . Die Gemaͤlde in dem Grabmale des Cestius Bellor. Sepolcr. Fig. 66. sind verschwunden, und die Feuchtigkeit hat dieselben verzehret, und von denen in dem Ovidi- schen Grabmale (welches auf der Via Flaminia anderthalb Meilen von Rom entfernet war) ist von verschiedenen Stuͤcken nur der Oedipus, nebst dem Sphinx, uͤbrig Ejusd. Pitt. del sepolc. de’ Nasoni, tav. 19. , welches Stuͤck in der Wand eines Saals der Villa Altieri eingesetzet ist. Bellori redet noch von zwey andern Stuͤcken in dieser Villa, welche itzo aber nicht mehr vorhanden sind; der Vulcanus, nebst der Venus, auf der andern Seite jenes Gemaͤldes, ist eine neue Arbeit. Im sechzehenden Jahrhunderte waren noch Gemaͤlde in den Truͤm- mern der Baͤder des Diocletianus zu sehen Fabric. Rom. p. 212. . Ein Stuͤck eines alten Gemaͤldes im Pallaste Farnese, welches Duͤ Bos angiebt Refl. sur la poes. \&c. T. 1. p. 351. , ist in Rom ganz und gar unbekannt. Die groͤßten Herculanischen Gemaͤlde sind auf der Mauer hohler B. Die Hercula- nischen Ge- maͤlde. Nischen eines runden maͤßig großen Tempels, vermuthlich des Hercules, gewesen, und diese sind, Theseus nach Erlegung des Minotaurs, die Ge- burt des Telephus, Chiron und Achilles, und Pan und Olympus. The- L l 2 seus I Theil. Viertes Capitel. seus giebt nicht den Begriff von der Schoͤnheit dieses jungen Helden, wel- cher unerkannt zu Athen bey seiner Ankunft fuͤr eine Junfrau gehalten wurde Pausan. L. 1. p. 40. l. 11. . Ich wuͤnschte ihn zu sehen mit langen fliegenden Haaren, so wie Theseus so wohl, als Jason, da dieser in Athen zum erstenmal ankam, trugen. Theseus sollte dem Jason, welchen Pindarus malt Pind. Pyth. 4. , aͤhnlich sehen, uͤber dessen Schoͤnheit das ganze Volk erstaunete, und glaubte, Apollo, Bacchus, oder Mars, waͤre ihnen erschienen. Im Telephus sieht Hercules keinem Griechischen Alcides aͤhnlich, und die uͤbrigen Koͤpfe sind gemein. Achilles stehet ruhig und gelassen, aber sein Gesicht giebt viel zu denken: es ist in den Zuͤgen desselben eine viel versprechende Ankuͤndigung des kuͤnftigen Helden, und man liest in den Augen, welche mit großer Auf- merksamkeit auf den Chiron gerichtet sind, eine voraus eilende Lehrbegier- de, um den Lauf seiner jugendlichen Unterrichtung zu endigen, und sein ihm kurz gesetztes Ziel der Jahre mit großen Thaten merkwuͤrdig zu machen. In der Stirne erscheinet eine edle Schaam, und ein Vorwurf der Unfaͤhig- keit, da ihm sein Lehrer das Plectrum zum Saytenschlagen aus der Hand genommen, und ihn verbessern will, wo er gefehlet. Er ist schoͤn nach dem Sinne des Aristoteles Rhet. L. 1. p. 21. l. 10. ed. Opp. Sylburg. T. 1. ; die Suͤßigkeit und der Reiz der Ju- gend sind mit Stolz und Empfindlichkeit vermischet. In dem Kupfer die- ses Gemaͤldes denket Achilles wenig, und sieht in die weite Welt hinein, da er die Augen auf den Chiron gerichtet haben sollte. Es waͤre zu wuͤnschen, daß vier Zeichnungen daselbst auf Marmor, unter welchen eine mit dem Namen des Malers und der Figuren, welche sie vorstellen, bezeichnet ist, von der Hand eines großen Meisters waͤren: der Kuͤnstler heißt Alexander, und war von Athen. Es scheinet, daß die andern drey Stuͤcke ebenfalls von dessen Hand seyn; seine Arbeit aber giebt keinen großen Begriff von ihm: die Koͤpfe sind gemein, und die Haͤn- de Von der Kunst unter den Griechen. de sind nicht schoͤn gezeichnet; die sogenannten Extremitaͤten aber geben den Kuͤnstler zu erkennen. Diese Monochromata, oder Gemaͤlde von einer Farbe, sind mit Cinnober gemalet, welcher im Feuer schwarz gewor- den ist, wie es pfleget zu geschehen: die Alten nahmen diese Farbe zu sol- chen Gemaͤlden Plin. L. 33. c. 39. . Das allerschoͤnste unter diesen Gemaͤlden sind die Taͤnzerinnen, Bac- chanten, sonderlich aber die Centauren, nicht voͤllig eine Spanne hoch, auf schwarzem Grunde gemalet, in welchen man die Hand eines gelehrten und zuversichtlichen Kuͤnstlers erkennet. Bey dem allen wuͤnschte man mehr ausgefuͤhrte Stuͤcke zu finden: denn jene sind mit großer Fertigkeit, wie mit einem Pinselstriche, hingesetzet, und dieser Wunsch wurde zu Ende des Jahres 1761. erfuͤllet. In einem Zimmer der alten verschuͤtteten Stadt Stabia, etwa acht C. Beschreibung der zu letzt ge- fundenen Ge- maͤlde daselbst. Italienische Meilen von Portici, welches bey nahe ganz ausgeraͤumet war, fuͤhleten die Arbeiter unten an der Mauer noch festes Erdreich, und da man mit der Hacke hineinschlug, entdeckten sich vier Stuͤcke Mauerwerk, aber zwey waren durch die Hiebe zerbrochen. Dieses waren vier anderwerts mit sammt der Mauer ausgeschnittene Gemaͤlde, welche ich genau beschrei- ben werde: sie waren an der Mauer angelehnt, und zwey und zwey mit der Ruͤckseite an einander gelegt, so daß die gemalte Seite auswerts blieb. Vermuthlich waren dieselben aus Griechenland, oder aus Groß-Griechen- land, geholet, und man wird im Begriffe gestanden seyn, dieselben an ihren Ort zu setzen, und sie in die Mauer einzufuͤgen. Diese vier Gemaͤlde ha- ben ihre gemalte Einfassung mit Leisten von verschiedener Farbe. Der aͤußere ist weiß, der mittlere violet, und der dritte gruͤn, und dieser Leisten ist mit braunen Linien umzogen; alle drey Leisten zusammen sind in der Breite der Spitze des kleinen Fingers; an diesen gehet ein fingerbreiter L l 3 weißer I Theil. Viertes Capitel. weißer Leisten umher. Die Figuren sind zween Palme und zween Zolle Roͤmisches Maaß hoch. Das erste Gemaͤlde bestehet aus vier Weiblichen Figuren: die vor- nehmste ist mit dem Gesichte vorwerts gekehret, und sitzet auf einem Sessel; mit der rechten Hand haͤlt sie ihren Mantel, oder Peplon, welcher uͤber das Hintertheil des Kopfs geworfen ist, von dem Gesichte abwerts, und dieses Tuch ist violet, mit einem Rande von Meergruͤner Farbe; der Rock ist Fleischfarbe. Die linke Hand haͤlt sie auf die Achsel eines schoͤnen jungen Maͤdgens gelehnet, welche neben ihr im weißen Gewande steht, und sich mit der rechten Hand das Kinn unterstuͤtzet; ihr Gesicht stehet im Profil. Die Fuͤße hat jene Figur auf einem Fußschemmel, zum Zeichen ihrer Wuͤrde, gesetzet. Neben ihr stehet eine schoͤne Weibliche Figur, mit dem Gesichte vorwerts gekehret, die sich die Haare aufsetzen laͤßt; die linke Hand hat sie in ihren Busen gesteckt, und die rechte Hand herunter haͤngen, mit deren Fingern sie eine Bewegung macht, als wollte jemand einen Accord auf dem Claviere greifen. Ihr Rock ist weiß, mit engen Ermeln, welche bis an die Knoͤchel der Hand reichen; ihr Mantel ist violet, mit einem gestick- ten Saum, einen Daum breit. Die Figur, welche ihr den Haarputz macht, stehet hoͤher, und ist in Profil gekehret, doch so, daß man von dem Auge des abgewandten Theils die Spitzen der Augenbrane sieht, und an dem andern Auge sind die Haͤrchen der Augenbrane deutlicher, als an andern Figuren, angezeiget. Ihre Aufmerksamkeit liest man in ihrem Auge und auf den Lippen, welche sie zusammen druͤcket. Neben ihr stehet ein kleiner niedriger Tisch mit drey Fuͤßen, fuͤnf Zolle hoch, so daß derselbe bis an die Mitte der Schenkel der naͤchsten Figur reichet, mit einem zierlich ausge- pfalzten Tischblatte, auf welchem ein kleines Kaͤstgen ist, und uͤberher ge- worfene Lorbeerzweige; neben bey liegt eine violette Binde, etwa um die Haare der geputzten Figur zu legen. Unter dem Tischgen steht ein zierli- ches hohes Gefaͤß, welches nahe bis an das Blatt reichet, mit zween Hen- keln, Von der Kunst unter den Griechen. keln, und zwar von Glas, welches die Durchsichtigkeit und die Farbe anzeigen. Das zweyte Gemaͤlde scheinet einen Tragischen Poeten vorzustellen, wel- cher sitzet, mit vorwerts gewandtem Gesichte, und in einem langen weißen Rocke bis auf die Fuͤße, wie ihn die Personen des Trauerspiels trugen Lucian. Jupit. Tragoed. p. 151. l. 28. ed. Graev. , mit engen Ermeln bis an die Knoͤchel der Hand. Es zeiget derselbe ein Alter etwa von funfzig Jahren, und ist ohne Bart Es ist nicht zu sagen, welcher von den Griechischen beruͤhmten Verfassern der Trauer- spiele hier vorgestellet sey. Denn Sophocles und Euripides haben den Bart, und auch Aeschylus ist baͤrtig auf einem Steine des Stoßischen Musei a ), wo ihm ein Adler eine Schildkroͤte auf den Kopf fallen laͤßt, woran er starb. . Unter der Brust liegt ihm eine gelbe Binde, von der Breite des kleinen Fingers, welches eine Deutung auf die Tragische Muse haben kann, die mehrentheils einen brei- teren Guͤrtel, als andere Musen, hat; wie im zweyten Stuͤcke dieses Capi- tels angezeiget worden. Mit der Rechten haͤlt er einen stehenden langen Stab, in der Laͤnge eines Spießes, ( hasta pura ) woran oben ein Beschlag, eines Fingers breit, mit gelb angedeutet ist, so wie ihn Homerus auf sei- ner Vergoͤtterung haͤlt An der beschaͤdigten sitzenden Figur des Euripides, mit dessen Namen, auf der Villa Al- bani, zeigten sich die Spuren von einem solchen langen Stabe, und die erhabene Wen- dung des verstuͤmmelten Arms bekraͤftigte dieses. Die Comici haben einen kurzen krummen Stab, λαγώβολος genannt, d. i. „womit man nach Hasen wirft,“ und einen solchen Stab hat insgemein die Comische Muse Thalia. Man koͤnnte dem Eu- ripides, so wie andern Tragicis, auch einen Thyrsus in die Hand geben, nach der Inschrift auf diesen Dichter b ): — — — ἦν γὰρ ἰδέϑαι, Οἷά τέ τον ϑυμέλῃσιν ἐν Ἀτϑἰσι ϑύρσα τινάσσων. a ) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 417. n. 51. b ) Anthol. L. 5. p. 225. b. . Mit der linken Hand hat er einen Degen ge- fasset, welcher ihm quer uͤber den Schenkeln liegt, die mit einem rothen Tu- che, aber von colore cangiante, bedecket sind, welches zugleich uͤber das Gesaͤß des Stuhls herunter faͤllt; das Geheng des Degens ist gruͤn. Der Degen I Theil. Viertes Capitel. Degen kann mit demjenigen, welchen die Figur der Ilias auf der Vergoͤt- terung des Homerus haͤlt, einerley Bedeutung haben: denn die Ilias ent- haͤlt die mehresten Vorstellungen zu Trauerspielen. Den Ruͤcken wendet ihm eine Weibliche Figur, welche die rechte Schulter entbloͤßt hat, und in gelb gekleidet ist Barnes hat in Eurip. Phoeniss. v. 1498. ςολίδα κροκόεσσαν, Stolam simbriatam uͤbersetzet, als wenn er gezweifelt haͤtte, ob die Alten gelbe Kleider getragen. ; sie kniet mit dem rechten Beine vor einer Tragischen Larve, mit einem hohen Aufsatze von Haaren, ὄγκος genannt, und ist auf einem Gestelle, wie auf einer Base, gesetzet. Die Larve stehet wie in einem nicht tiefen Kasten, dessen Seitenbretter von unten bis oben zu aus- geschnitten sind, und es ist dieser Kasten, oder Futteral, mit blauem Tuche behaͤnget, und von oben haͤngen weiße Binden herunter, an deren Enden zwo kurze Schnuͤre mit einem Knoten haͤngen. Oben an der Base, an welche die kniende Figur ihren Schatten wirft, schreibet sie mit einem Pinsel, vermuthlich den Namen einer Tragoͤdie: man sieht aber nur an- gegebene Zuͤge an statt der Buchstaben. Ich glaube, es sey die Tragische Muse Melpomene, sonderlich da die Figur als Jungfrau vorgestellet ist: denn es hat dieselbe die Haare auf dem Scheitel gebunden, welches, wie oben gesagt ist, nur allein bey unverheiratheten Maͤdgens in Gebrauch war. Hinter dem Gestelle und der Larve sieht man eine Maͤnnliche Figur, wel- che sich mit beyden Haͤnden an einen Spieß stuͤtzet. Der Tragicus hat sein Gesicht nach der schreibenden Muse gekehret. Das dritte Gemaͤlde bestehet aus zwo nackten Maͤnnlichen Figuren mit einem Pferde. Die eine sitzet, und ist vorwerts gekehret, jung und voll Feuer und Kuͤhnheit im Gesichte, und voll Aufmerksamkeit auf die Rede der andern Figur; es scheinet Achilles zu seyn. Das Gesaͤß seines Stuhls ist mit blutrothem Tuche, oder mit Purpur, belegt, welches zugleich auf den rechten Schenkel geworfen ist, wo die rechte Hand ruhet: roth ist auch der Mantel, welcher ihm hinterwerts herunter haͤnget. Die rothe Farbe ist Von der Kunst unter den Griechen. ist kriegerisch, und es war die gewoͤhnliche Farbe der Spartaner im Felde; es wurden auch der Alten ihre Ruhebetten mit Purpur belegt Corn. Nep. Fragm. p. 159. ed. in us. Delph. . Die Lehnen des Stuhls erheben sich auf Sphinxen, welche auf dem Gesaͤße lie- gen, wie an dem Stuhle eines Jupiters Bartoli Admir. Rom. n. 48. Montfauc. Ant. expl. T. 1. pl. 15. welchen Sphinx Bar- toli fuͤr einen Greif angesehen. auf einer erhobenen Arbeit, im Pallaste Albani, und wie sie an dem Stuhle auf einem Cameo auf knien- den Figuren ruhen Pitt. ant. di Bartoli, tav. 15. , und folglich sind dieselben ziemlich hoch; auf einer Lehne liegt der linke Arm. An einem Fuße des Stuhls ist ein Degen in der Scheide von sechs Zoll lang angelehnet, mit einem gruͤnen Gehaͤnge, wie an dem Degen des Tragici, an welchem der Degen, vermittelst zweener Ringe, haͤnget, die an dem obern Beschlage der Scheide beweglich sind. Die andere stehende Figur, welche etwa Patroclus seyn wuͤrde, lehnet sich auf seinen Stab, welchen er mit der linken Hand unter der rechten Achsel gesetzet hat, und der rechte Arm ist erhaben, wie im Erzaͤhlen; ein Bein hat er uͤber das andere geschlagen: an dieser Figur fehlet der Kopf, wie auch an dem Pferde. Das vierte Gemaͤlde ist von fuͤnf Figuren. Die erste ist eine sitzende Weibliche Figur, mit einer entbloͤßten Schulter, und mit Epheu und mit Blumen gekroͤnet, und haͤlt in der rechten Hand eine aufgerollete Schrift. Sie ist violet gekleidet, und ihre Schuhe sind gelb, wie an der Figur des ersten Gemaͤldes, die sich den Kopf putzen laͤßt. Gegen ihr uͤber sitzet eine junge Harfenschlaͤgerinn, welche mit der linken Hand die Harfe schlaͤgt, die fuͤnfthalb Zoll hoch ist, und in der rechten Hand haͤlt sie einen Stimm- hammer, welcher oben zween Haaken hat, fast in der Gestalt eines Grie- chischen Υ, nur daß die Haaken sich kruͤmmen, wie man deutlicher an ei- nem solchen Stimmhammer von Erzt in diesem Museo sieht, dessen Haa- ken Winckelm. Gesch. der Kunst. M m I Theil. Viertes Capitel. ken sich mit Pferdekoͤpfen endigen, und fuͤnf Zolle lang ist. Und vielleicht ist das Instrument, das Erato in diesem Museo in der Hand haͤlt Pitt. d’ Ercol. T. 2. tav. 6. , kein Plectrum, sondern ein Instrument zum Stimmen: denn es hat das- selbe zween Haaken, die sich aber einwerts kruͤmmen: das Plectrum war nicht noͤthig, da sie mit der linken Hand den Psalter schlaͤgt. Die Harfe hat sieben Wirbel auf der Walze stehen, welche ἄντυξ χορδᾶν hieß Eurip. Hippolyt. v. 1135. , und also eben so viel Sayten. Zwischen ihnen sitzet ein Floͤthen- spieler, in weiß gekleidet, welcher zwo gerade Floͤthen, von einem halben Palm in der Laͤnge, zugleich blaͤst Zwo lange gerade Floͤthen waren vermuthlich diejenigen, welche Dorische hießen, und Phrygische muͤssen seyn, wo von beyden eine krumm ist: denn auf allen erhobenen Arbeiten, welche die Cybele angehen, sieht man zwo Floͤthen von dieser letzten Art, welches diejenigen, welche besonders von Floͤthen geschrieben, ( Meursius, Bartholinus ) nicht bemerket haben. , die in den Mund durch eine Binde gehen, welche ςομιον hieß, und uͤber die Ohren hinterwerts gebunden wurde: an den Floͤthen sind verschiedene Einschnitte angedeutet, welche eben so viel Stuͤcke anzeigen. Die Stuͤcke der Floͤthen aus Knochen in diesem Museo haben keine Einfuͤgungen, (hier fehlet mir das deutsche Wort) und muͤssen also auf ein ander Rohr, oder Scheide, gezogen und gestecket werden: dieses Rohr war von Metall, oder von ausgebohrtem Holze, wie es sich hier in zwey Stuͤcken von Floͤthen versteinert angesetzt erhalten hat, und in dem Museo zu Cortona ist eine alte Floͤthe von Elfenbein, deren Stuͤcke auf ein silbernes Rohr gezogen sind. Hinter der ersten Figur ste- hen zwo Maͤnnliche Figuren in Maͤntel eingewickelt, unter welchen der vorderste Meergruͤn ist. Die Haare der Maͤnnlichen so wohl, als der Weiblichen Figuren, sind braun. Diese Farbe der Haare aber giebt keine Regel: auf den Gemaͤlden, welche Philostratus beschreibet, hatten Hia- cynthus und Panthia schwarze Haare, wie sie auch die Liebste des Ana- creons haben sollte: Narcissus hingegen und Antilochus hatten dieselben blond. Von der Kunst unter den Griechen. blond. Es muͤssen auch dem Achilles, nach dem Homerus und Pindarus, blonde Haare gegeben werden, und Menelaus heißt bey jenen allezeit der blonde, wie die Gratien bey dem letzten Dichter. Solche Haare hat Gany- medes auf dem beschriebenen alten Gemaͤlde, ingleichen die Weiblichen Figuren auf dem sogenannten Coriolano. Es ist also ein sehr ungegruͤn- detes Urtheil, welches sich Athenaͤus einfallen lassen, zu sagen, daß ein Apollo bloß deswegen schlecht gemacht zu achten seyn wuͤrde, wenn man ihm nicht schwarze, sondern blonde Haare gegeben haͤtte Deipnos. L. 13. p. 604. B. . Die Griechischen Weiber faͤrbeten so gar ihre Haare blond Eurip. Dan. v. 92. , wenn sie es nicht waren. Ich bin in Beschreibung dieser Gemaͤlde nach dem Grundsatze verfah- ren, daß man schreiben sollte, oder nicht, was wir wuͤnschten, daß die Alten geschrieben, oder nicht geschrieben haͤtten: denn wir wuͤrden es dem Pausa- nias Dank wissen, wenn er uns von vielen Werken beruͤhmter Maler eine so umstaͤndliche Beschreibung, als von des Polygnotus Gemaͤlden zu Del- phos, gegeben haͤtte. In Rom selbst ist, nach gemeldeten Entdeckungen in der Villa Farnese, von alten Gemaͤlden nichts besonders zum Vorschein gekommen. Im Fruͤhlinge 1760. da man in der Villa Albani, zu einem gewoͤlbten Abfluß des Wassers den Grund grub, fanden sich in der Erde verschiedene Stuͤcke abgerissener oder abgefallener Bekleidung der Mauren, vermuthlich von einem alten Grabmale, auf welchen theils Zierrathen, theils Figuren, auf trockenem Kalke gemalet waren. Auf den zwo besten Suͤcken ist auf rothen Grunde ein Amorino zu sehen, mit einem fliegenden blaͤulichen Gewande, welcher auf einem gruͤnen Meerthiere reitet. Auf dem andern Stuͤcke hat sich ein schoͤner Leib einer kleinen Weiblichen sitzenden Figur, nebst der rech- ten Hand, erhalten, an welcher der sogenannte Goldfinger einen Ring hat. Ueber diesen Arm und uͤber den Unterleib ist ein roͤthliches Gewand gewor- fen. Diese beyde Stuͤcke besitzet der Verfasser. M m 2 Von I Theil. Viertes Capitel. D. Von den Ge- maͤlden in den Grabmaͤlern bey Corneto. Von den Gemaͤlden, welche in den Graͤbern bey Corneto, ohnweit Civitavecchia, waren, finden sich einige in Kupfer gestochen angegeben Dempster. Etrur. tab. 88. ; itzo aber ist von denselben nichts mehr zu sehen, außer einer Spur von einer Weiblichen Figur in Lebensgroͤße, weche einen Kranz um den Kopf hat. Einige hat die Luft verzehret, nachdem man ein Grab eroͤffnet, andere sind mit der Hacke abgehauen worden, in der Meynung, etwa hinter dem Ge- maͤlde einen Schatz zu finden. In dieser Gegend, die von den alten He- truriern, welche Tarquinier hießen, bewohnet wurde, sind viele tausend Huͤgel, welches eben so viel Graͤber sind, in Stein, welcher ein Tufo ist, gehauen: der Eingang zu denselben ist verschuͤttet, und es ist nicht zu zwei- feln, wenn jemand die Kosten auf Eroͤffnung einiger derselben verwenden wollte, daß man nicht allein Hetrurische Inschriften, sondern auch Gemaͤl- de auf den uͤbertragenen Mauern finden wuͤrde. E. Beschreibung der Gemaͤlde, welche neulich außer Rom an einem noch unbekannten Orte gefunden worden. Nachdem man in langer Zeit keine alte voͤllig erhaltene Gemaͤlde in und um Rom entdecket hatte, und wenig Hoffnung darzu uͤbrig schien, kam im September des 1760. Jahres ein Gemaͤlde zum Vorschein, des- gleichen niemals noch bisher gesehen worden, und welches die Herculani- schen Gemaͤlde, die damals bekannt waren, so gar verdunkelt. Es ist ein sitzender Jupiter, mit Lorbeer gekroͤnet, (zu Elis hatte er einen Kranz von Blumen Pausan. L. 5. p. 439. l. 12. im Begriffe, den Ganymedes zu kuͤssen, welcher ihm mit der rechten Hand eine Schaale, mit erhobener Arbeit gezieret, vorhaͤlt, und in der linken ein Gefaͤß, woraus er den Goͤttern Ambrosia reichete. Das Gemaͤlde ist acht Palme hoch, und sechs breit, und beyde Figuren sind in Lebensgroͤße, Ganymedes in der Groͤße eines sechzehenjaͤhrigen Alters. Dieser ist ganz nackend, und Jupiter bis auf den Unterleib, welcher mit einem weißen Ge- wande bedecket ist; die Fuͤße haͤlt derselbe auf einem Fußschemmel. Der Liebling des Jupiters ist ohne Zweifel eine der allerschoͤnsten Figuren, die aus dem Alterthume uͤbrig sind, und mit dem Gesichte desselben finde ich Von der Kunst unter den Griechen. ich nichts zu vergleichen; es bluͤhet so viel Wollust auf demselben, daß dessen ganzes Leben nichts, als ein Kuß, zu seyn scheinet. Dieses Gemaͤlde entdeckte ein Fremder, welcher sich etwa vier Jahre vorher wohnhaft zu Rom niedergelassen hatte, der Ritter Diel von Mar- silly, aus der Normandie, ehemals Lieutenant von der Garde Grenadiers des Koͤnigs in Frankreich. Er ließ dasselbe von dem Orte, wo es stand, heimlich von der Mauer abnehmen, und da das Geheimniß dieser Entde- ckung nicht erlaubete, die Mauer zu sagen, und mit derselben das Ge- maͤlde ganz zu erhalten, so nahm er die oberste Bekleidung der Mauer stuͤck- weis ab, und brachte auf diese Art diesen seltenen Schatz in viel Stuͤcken nach Rom. Er bedienete sich, aus Furcht verrathen zu werden, und alle Anspruͤche zu vermeiden, eines Maurers, welcher in seinem Hause arbei- tete, von welchem er eine Lage von Gips in der Groͤße des Gemaͤldes ma- chen ließ, und auf diesem Grunde fuͤgte er selbst die Stuͤcke aneinander. Einige Zeit nachher ließ der Besitzer dieses Gemaͤldes zwey andere insgeheim nach Rom kommen, ebenfalls in abgeloͤseten Stuͤcken, deren Zusammensetzung aber durch Kunstverstaͤndige besorget wurde. Diese zwey Stuͤcke sind kleiner, und die Figuren zween Palme hoch. Das eine stellet drey tanzende Weibliche Figuren, wie in Froͤlichkeit nach der Wein- lese, vor, welche sich angefasset haben, und ein schoͤn gestelletes Gruppo machen: sie heben alle dreye das rechte Bein auf, wie in einem abgemesse- nen Tanze. Sie sind nur im Unterkleide, welches ihnen bis auf die Knie gehen wuͤrde, im Springen aber bleibt ein Theil des Schenkels entbloͤßt, so wie es die Brust ist, unter welcher das Unterkleid an zwo Figuren mit einem Guͤrtel angelegt ist. Das obere Gewand, oder Peplon, haben zwo derselben uͤber die Achsel geworfen, und es flieget an der einen Figur, in geschlaͤngelte Falten, nach Art Hetrurischer Gewaͤnder, geworfen: die dritte Figur ist ohne dieses Gewand. Eine Maͤnnliche Figur, mit be- M m 3 kraͤnztem I Theil. Viertes Capitel. kraͤnztem Haupte, in einer kurzen Weste, welche, an eine Saͤule gelehnet, mit geraden Beinen und Fuͤßen vorwerts stehet, spielet jenen auf einer Schalmeye zum Tanze auf: neben demselben auf einem Basamente stehet eine Leyer. Zwischen ihm und den tanzenden Figuren stehet auf gedachter Base ein hohes Piedestal, oder Cippus, und auf demselben eine kleine Figur, welche nicht sehr kenntlich ist, und ein Indischer Bacchus mit einem Barte zu seyn scheinet. Auf der andern Seite stehen drey Thyrsi der tanzenden Personen, wie an der Mauer, und unterwerts ist ein Korb mit Fruͤchten, dessen Deckel abgenommen ist, und hinter demselben liegt, nebst einer um- geworfenen Flasche. Die Umrisse dieses und des folgenden Gemaͤldes sind diesem fuͤnften Stuͤcke vorgesetzet. Das zweyte Gemaͤlde von gleicher Groͤße stellet die Fabel des Eri- chthonius vor. Pallas, welche dieses Kind heimlich erziehen wollte, gab dasselbe in einem Korbe verschlossen der Pandroso, des Cecrops, Koͤnigs von Athen, Tochter, in Verwahrung. Die zwo Schwestern derselben, wel- che das anvertrauete Pfand zu sehen, sich nicht enthalten konnten, beweg- ten jene, den Korb zu eroͤffnen, und sie sahen mit Erstaunen ein Kind, wel- ches an statt der Beine Schlangenschwaͤnze hatte. Die Goͤttinn bestrafte diese Neugier mit Raserey an den Toͤchtern des Cecrops, welche sich von dem Felsen der Burg zu Athen stuͤrzeten; Erichthonius aber wurde in ih- rem Tempel daselbst erzogen. So erzaͤhlet Apollodorus diese Fabel Biblioth. L. 3. p. 131. ed. Rom. . Der Tempel ist auf der rechten Seite des Gemaͤldes durch ein einfaͤltiges Portal angedeutet, und stehet auf einem Felsen conf. Eurip. Hippol. v. 30. : vor dem Tempel ste- het ein großer runder Korb, in Gestalt einer Cista Mystica, dessen De- ckel ein wenig eroͤffnet ist, und aus demselben kriechen wie zwo Schlangen hervor, welches die Fuͤße des Erichthonius sind. Pallas, mit ihrem Spieße in der linken Hand, fuͤhret die rechte Hand zu dem Deckel des Kor- bes, Von der Kunst unter den Griechen. bes, um denselben zu schließen; zu ihren Fuͤßen stehet ein Greif, und auf einer Base ein Gefaͤß. Gegen ihr uͤber stehen die drey Toͤchter des Cecrops, in Gebehrden und in Action von Rechtfertigung und Entschuldigung ihrer That, welche die Goͤttinn ernsthaft ansieht. Die erste von den Toͤchtern des Cecrops hat ein Diadema und Armbaͤnder gegen die Knoͤchel der Hand, welche dreymal herumgehen. Aus der Kleidung scheinet es, daß es die aͤltesten von allen alten Gemaͤlden seyn. Der Besitzer derselben starb schleunig im Monate August 1761. ohne jemanden von seinen Bekannten den Ort der Entdeckung eroͤffnet zu haben, welcher noch itzo, da ich dieses schreibe, (im April 1762.) unbekannt ist, aller Nachforschung ohngeachtet, die man angewandt. Nach dessen Tode hat sich in einer Quittung von dreytausend fuͤnfhundert Scudi gefunden, daß derselbe aus eben dem Orte drey andere Gemaͤlde, unter welchen zwey von Figuren in Lebensgroͤße waren, weggeholet: das eine stellete Apollo mit seinem geliebten Hiacynthus vor. Weiter ist nichts von denselben be- kannt geworden, und die Gemaͤlde sind vermuthlich nach Engeland gegan- gen, nebst dem siebenten, wovon ich ebenfalls nur die Zeichnung gesehen, welches vor viertausend Scudi verkauft worden: es ist dasselbe zu Anfang des zweyten Theils vorgestellet. Die vornehmste Figur ist Neptunus, in Lebensgroͤße, wie die andern Figuren, nackend bis auf das Mittel: vor demselben stehet Juno mit Minen und Gebehrden einer bittenden Erzaͤh- lung, mit einem kurzen Zepter in der Hand, in der Laͤnge, wie ihn die Juno anderswo Beger Spicileg. Antiq. p. 136. , und eine Herculanische Figur haͤlt Pitt. Ercol. T. 1. tav. 24. . Neben dersel- ben stehet Pallas, welche das Gesicht nach jener gewandt hat, und auf- merksam zuhoͤret. Hinter dem Stuhle des Neptunus stehet eine andere junge Weibliche Figur, welche in ihrem Mantel eingewickelt ist, und vol- ler Betrachtung das Gesicht mit der rechten Hand gestuͤtzet hat, welche durch I Theil. Viertes Capitel. durch die linke Hand unter dem Ellenbogen in die Hoͤhe gehalten ist. Das Gewand des Neptunus ist Meergruͤn; der Rock der Juno ist weiß, und das Oberkleid lichtgelb; Pallas ist roͤthlich violet, und die vierte Figur dunkelgelb gekleidet. Ich habe irgendwo gelesen, daß Thetis eine Ver- schwoͤrung einiger Goͤtter wider den Jupiter entdecket, unter welchen Ju- no die vornehmste war; vielleicht ist dieselbe hier vorgestellet, und die juͤng- ste Figur waͤre Thetis. III. Von der Zeit, in welcher die mehresten an- gezeigten Ge- maͤlde gemacht worden. Was zum zweyten die Zeit betrifft, in welcher die so wohl in und um Rom , als im Herculano gefundene Gemaͤlde gemacht worden, so ist von den mehresten von jenen darzuthun, daß sie von der Kaiser Zeiten sind, und von andern giebt eben dieses der Augenschein: denn sie sind in den verschuͤtteten Kammern des Pallastes der Kaiser, oder in den Baͤdern des Titus, gefunden worden. Die Barberinische Roma ist augenscheinlich von spaͤterer Zeit, und die im Ovidischen Grabmale waren, sind, wie dieses, von der Zeit der Antoniner, welches die daselbst gefundenen Inschriften darthun. Die Herculanischen (die vier zuletzt gefundenen ausgenommen) sind ver- muthlich nicht aͤlter, als jene: denn erstlich stellen die mehresten derselben Landschaften, Hafen, Lusthaͤuser, Waͤlder, Fischereyen und Aussichten vor, und der erste, welcher diese Art Malereyen anfieng, war ein gewisser Ludio zu Augustus Zeiten. Die alten Griechen waren nicht fuͤr leblose Vorstellungen, welche nur das Auge belustigen, den Verstand aber muͤßig lassen. Zum andern zeigen die daselbst angebrachten ganz ausschweifenden Gebaͤude, und deren ungruͤndliche und abentheuerliche Zierrathen, daß es Arbeiten von Zeiten sind, in welchen der wahre gute Geschmack nicht mehr regierete. Es beweisen auch dieses die daselbst gefundenen Inschrif- ten, unter welchen keine einzige vor der Kaiser Zeit ist. Von den aͤlte- sten will ich hier ein paar anfuͤhren: DIVAE͘ Von der Kunst unter den Griechen. DIVAE͘ AVGVsTAE͘ L͘ MAMMIVs͘ MAXIMVs͘ p͘ s͘ ANTONIAE͘ AVGVS;TAE͘ MATRI͘ CLAVDI͘ CAEsARIs͘ AVGVsTI͘ GERMANICI͘ PONTIF͘ MAX͘ L͘ MAMMIVs͘ MAXIMVs͘ p͘ s͘ Verschiedene sind von Vespasianus Zeit, wie diese: IMP͘ CAESAR͘ VESPASIANVS͘ AVG͘ PONT͘ MAX͘ TRIB͘ POT͘ VIII͘ IMP͘ XVII͘ COS͘ VII͘ DESIGN͘ VIII͘ TEMPLVM͘ MATRIS͘ DEVM͘ TERRAE͘ MOTV͘ CONLAPSVM͘ RESTITVIT͘ Wie wir von Gemaͤlden dieser Zeit urtheilen sollen, lehret Plinius, wenn er sagt, daß damals die Malerey schon in letzten Zuͤgen lag. Wenn hier die Frage ist, ob die mehresten alten Gemaͤlde von Grie- IV. Ob sie von Griechischen oder Roͤmi- schen Meistern seyn. chischen, oder von Roͤmischen Malern gearbeitet worden, so waͤre ich ge- neigt, das erstere zu bejahen, weil der Griechischen Kuͤnstler vorzuͤgliche Achtung in Rom und unter den Kaisern bekannt ist; unter den Hercula- nischen Gemaͤlden zeiget dieses die Griechische Unterschrift der Musen. Es sind aber unter den dasigen Gemaͤlden auch Stuͤcke eines Roͤmischen Pinsels, wie die lateinische Schrift auf den gemalten Rollen Papier be- weiset, und waͤhrend meines ersten Aufenthalts daselbst, im Jahre 1759, fand sich eine schoͤne halbe Weibliche Figur im kleinen, neben welcher die Buchstaben DIDV noch zu lesen sind: diese Figur ist in ihrer Art so schoͤn, Winckelm Gesch. der Kunst. N n als I Theil. Viertes Capitel. als irgend eine andere daselbst. Es wird auch im zweyten Theile angefuͤh- ret werden, daß Nero seinen goldenen Pallast durch einen Roͤmischen Ma- ler auszieren lassen. V. Von der Art und Weise der Malerey auf der Mauer insbesondere. Von dem dritten Puncte dieser Betrachtung, nemlich von der Art der alten Malerey, sind verschiedene besondere Anmerkungen zu machen, welche theils die Anlage zu Gemaͤlden, oder die Bekleidung und Uebertuͤn- chung der Mauer, theils die Art und Weise der Malerey selbst betreffen. Die Bekleidung der Mauer zu Gemaͤlden ist verschieden nach den Orten, sonderlich in Absicht der Puzzolana, und es unterscheidet sich diejenige, welche in alten Gebaͤuden nahe um Rom und nahe um Neapel gefunden wird, von der an alten Gebaͤuden, entfernt von beyden Orten. Denn weil nur allein an beyden Orten diese Erde gegraben wird, so ist die erste und unmittelbare Bekleidung der Mauern, von Kalk mit Puzzolana durchge- schlagen, und daher graͤulich: an anderen Orten ist diese Bekleidung von gestoßenem Travertino, oder Marmor, und es findet sich auch dieselbe an statt anderer Steine mit gestoßenem Alabaster vermischet, welches man an der Durchsichtigkeit der kleinen Stuͤcke erkennet. Die Gemaͤlde in Grie- chenland hatten also keine Anlage von Puzzolana, welche daselbst nicht war. Es ist diese erste Bekleidung der Mauer insgemein einen guten Finger dick. Der zweyte Auftrag ist Kalk, mit Sand oder mit fein gestoßenem Marmor vermischt und durchgeschlagen, und diese Lage ist beynahe das Dritttheil so dick, als jene. Solche Bekleidung war gewoͤhnlich in ausge- malten Grabmaͤlern, und auf dieser Art Mauer stehen die Herculanischen Gemaͤlde. Von der Kunst unter den Griechen. Gemaͤlde. Zuweilen ist die obere Lage so fein und weiß, daß es reiner fei- ner Kalk oder Gips scheinet, wie an dem Jupiter und Ganymedes, und an den andern an eben dem Orte gefundenen Gemaͤlden, und diese Lage ist einen starken Strohhalm dick. An allen Gemaͤlden, so wohl auf trockenen, als nassen Gruͤnden, ist die aͤußerste Lage auf gleiche Weise auf das sorgfaͤl- tigste geglaͤttet, wie ein Glas, welches in der zweyten Art Malerey, wenn der Grund sehr fein war, eine sehr große Fertigkeit und geschwinde Aus- fuͤhrung erforderte. Die heutige Zurichtung des Auftrages zum Fresco -malen, oder auf nassen Gruͤnden, ist etwas verschieden von der Art der Alten; es wird derselbe von Kalk und von Puzzolana gemacht: denn der Kalk mit fein ge- stoßenem Marmor durch einander geschlagen, wird zu schnelle trocken, und wuͤrde die Farben augenblicklich in sich ziehen. Die Flaͤche wird auch nicht, wie bey den Alten, geglaͤttet, sondern rauchlich gelassen, und wird mit einem Borstpinsel wie gekoͤrnet, um die Farben besser anzunehmen: denn auf einem ganz glatten Grunde wuͤrden dieselben, wie man glaubet, ausfließen. Zum zweyten ist die Art und Weise der Malerey selbst, die Anlage und Ausfuͤhrung derselben auf nassen Gruͤnden, welches udo tectorio pingere hieß, und die Malerey auf trockenen Gruͤnden zu beruͤhren: denn von der alten Art auf Holz zu malen, ist uns nichts besonders bekannt, außer daß die Alten auf weiße Gruͤnde maleten Galen. de usu part. L. 10. c. 3. ; vielleicht aus eben dem Grunde, warum zum Purpurfaͤrben, wie Plato sagt, die weißeste Wolle gesucht wurde Polit. L. 4. p. 407. l. 6. edit. Basil. . N n 2 Die I Theil. Viertes Capitel. Die alten Kuͤnstler werden ohngefaͤhr wie die Neueren, in Anlagen der Gemaͤlde auf nassen Gruͤnden, verfahren seyn. Itzo, nachdem der Carton in groß gezeichnet ist, und so viel feuchter Grund, als in einem Ta- ge kann ausgefuͤhret werden, angeleget worden, wird der Umriß der Figu- ren, und der vornehmsten Theile derselben, auf dem Carton mit einer Nadel durchloͤchert. Dieses Stuͤck der Zeichnung wird an den aufgetragenen Grund gehalten, und man staͤubet fein gestoßene Kohlen durch die gesto- chenen Loͤcher, wodurch die Umrisse auf dem Grunde angedeutet werden. Dieses nennet man im Deutschen durchbaußen; und eben so verfuhr auch Raphael, wie ich an einem mit schwarzer Kreide gezeichneten Kinderkopfe desselben, in der Sammlung der Zeichnungen des Herrn Cardinals Alexander Albani, sehe. Diesen angestaͤubten Umrissen faͤhrt man mit einem spitzigen Stifte nach, und es werden dieselben in dem feuchten Grunde eingedrucket; und diese eingedruckten Umrisse zeigen sich deutlich auf den Werken des Mi- chael Angelo und des Raphaels. In diesem letzten Puncte aber sind die al- ten Kuͤnstler von den Neuern verschieden: denn auf alten Gemaͤlden findet sich der Umriß nicht eingedruckt, sondern die Figuren sind, wie auf Holz, oder auf Leinewand, mit großer Fertigkeit und Zuversicht gemalet. Die Malerey auf nassen Gruͤnden muß bey den Alten weniger ge- mein, als auf trockenen Gruͤnden gewesen seyn: denn die mehresten Hercu- lanischen Gemaͤlde sind von dieser letzten Art. Man erkennet dieselben an den verschiedenen Lagen von Farben: denn an einigen ist z. E. der Grund schwarz; auf diesem Grunde ist ein Feld von verschiedener Form, oder auch ein langer Streif, mit Cinnober aufgetragen, und auf diesem zweyten Grun- de Von der Kunst unter den Griechen. de sind Figuren gemalet. Die Figur ist unscheinbar geworden, oder abge- sprungen, und der zweyte rothe Grund ist so rein, als wenn nichts darauf gemalt gewesen waͤre. Andere aber, die von eben dieser Art scheinen, sind auf nassen Gruͤnden gemalet, aber mit trockenen Farben zuletzt uͤbergangen, wie der Ganymedes und andere, welche an eben dem Orte gefunden worden. Einige glauben ein Kennzeichen der trockenen Malerey in den erhobe- nen Pinselstrichen zu finden; aber ohne Grund: denn auf den Gemaͤlden des Raphaels, welche auf nassen Gruͤnden sind, bemerket man eben dieses. Die erhobenen Pinselstriche sind hier Zeichen, daß dieser Kuͤnstler seine Werke zuletzt trocken hier und da uͤbermalet hat, welches auch von den nachfolgen- den Malern in eben dieser Art geschehen. Die Farben der alten Gemaͤlde auf trockenen Gruͤnden muͤssen mit einem besondern Leimwasser aufgetragen seyn: denn sie haben sich in so vielen hundert Jahren zum Theil frisch erhalten, und man kann ohne Nachtheil mit einem feuchten Schwamme oder Tuche uͤber die- selben hinfahren. Man hat in den durch den Vesuvius verschuͤtteten Staͤd- ten Gemaͤlde gefunden, welche mit einer zaͤhen und harten Rinde, von Asche und Feuchtigkeit angesetzt, uͤberzogen waren, und welche man nicht ohne große Muͤhe durch Feuer abloͤsen konnte; aber auch durch diesen Zufall ha- ben solche alte Gemaͤlde nichts gelitten. Diejenigen, welche auf nassen Gruͤnden sind, koͤnnen das Scheidewasser ausstehen, womit man den An- satz der steinigten Unreinigkeit abloͤset, und die Gemaͤlde reiniget. Was die Ausfuͤhrung betrifft, so sind die mehresten alten Gemaͤlde geschwinde, und wie die ersten Gedanken einer Zeichnung, entworfen; und so leicht und fluͤchtig sind die Taͤnzerinnen, und andere Herculanische Figu- N n 3 ren, I Theil. Viertes Capitel. ren, welche alle Kenner bewundern, auf einem schwarzen Grunde ausge- fuͤhret: diese Geschwindigkeit aber war so sicher, als das Schickfal, durch die Wissenschaft und Fertigkeit geworden. Die Art zu malen bey den Alten war geschickter, als die heutige, einen hohen Grad des Lebens und des wahren Fleisches zu erreichen: denn da alle Farben in Oel verlieren, das ist, dunkeler werden, so bleibet die Malerey in Oel allezeit unter dem Leben. In den mehresten alten Gemaͤlden sind die Lichter und Schat- ten durch parallele, oder gleichlaufende, und zuweilen durch gekreuzte Stri- che gesetzt, welches im Welschen tratteggiare heißt, und an diese Art hat sich auch Raphael zuweilen gehalten. Andere, sonderlich groͤßere Fi- guren der Alten, sind auf Oelfarben Art vertieft und erhoben, das ist, durch ganze Massen von degradirten und anwachsenden Tinten, und diese sind in dem Ganymedes meisterhaft in einander geschmolzen. Auf eben diesem großen Wege ist die Barberinische vermeynte Venus, und die zu- letzt entdeckten viel kleinen Gemaͤlde des Herculanischen Musei, gemalet, welche dennoch auch in einigen Koͤpfen uͤber die Schatten mit Strichen schattiret sind. An den Herculanischen Gemaͤlden ist zu beklagen, daß dieselben mit einem Firnisse uͤberzogen worden, welcher nach und nach die Farben ab- blaͤttert und abspringen macht; ich habe innerhalb zween Monaten Stuͤcke von dem Achilles abfallen sehen. Zuletzt ist mit ein paar Worten von dem Gebrauche bey den Alten zu reden, die Gemaͤlde vor dem Nachtheile, welchen sie von der Luft oder der Feuchtigkeit leiden koͤnnten, zu verwahren. Dieses geschah mit Wachse, Von der Kunst unter den Griechen. Wachse, womit sie dieselben uͤberzogen, wie Vitruvius L. 7. c. 9. und Plinius L. 33. c. 40. melden, und dadurch erhoͤheten sie zu gleicher Zeit den Glanz der Farben. Dieses hat sich in einigen Zimmern verschuͤtteter Haͤuser der alten Stadt Resina, nahe bey dem alten Herculano gelegen, gezeiget. Die Waͤnde hatten Felder von Cinnober, von socher Schoͤnheit, daß es Purpur schien, da man dieselben aber nahe an das Feuer brachte, um den angesetzten Tarter abzuloͤsen, zerschmolz das Wachs, womit die Gemaͤlde uͤberzogen waren. Es fand sich auch eine Tafel von weißem Wachse unter Farben liegen, in einem Zimmer des unterirrdischen Herculanum; vermuthlich war man beschaͤftiget, dasselbe auszumalen, da der ungluͤckliche Ausbruch des Vesuvius kam, und alles uͤberschuͤttete. Ich habe dem Liebhaber so wohl, als dem Kuͤnstler, das Vergnuͤgen nicht nehmen wollen, uͤber die in den fuͤnf Stuͤcken dieses Capitels ent- haltene Lehren und Anmerkungen eigene Betrachtungen zu machen, und hinzuzuthun; und es wird aus jenen in Schriften der Gelehrten, die sich in dieses Feld gewaget haben, etwas zu verbessern uͤbrig seyn. Beyde aber, wenn sie unter Anfuͤhrung dieser Geschichte die Werke Griechischer Kunst zu betrachten, Gelegenheit und Zeit haben, setzen bey sich fest, daß nichts in der Kunst klein sey, und was leicht zu bemerken gewesen scheinen wird, ist es mehrentheils nur wie des Columbus Ey. Es kann auch alles, was ich angemerket habe, ob gleich mit dem Buche in der Hand, in einem Monate (die gewoͤhnliche Zeit des Aufenthalts der deutschen Reisenden in Rom) nicht durchgesehen und gefunden werden. Aber I Theil. Viertes Capitel. Aber so wie das Wenige mehr oder weniger den Unterschied unter Kuͤnst- lern macht, eben so zeigen die vermeynten Kleinigkeiten den aufmerksamen Beobachter, und das Kleine fuͤhret zum Großen. Mit Betrachtungen uͤber die Kunst verhaͤlt es sich auch anders, als mit Untersuchungen der Ge- lehrsamkeit in den Alterthuͤmern. Hier ist schwer, etwas neues zu entde- cken, und was oͤffentlich stehet, ist in dieser Absicht untersucht; aber dort ist in dem bekanntesten etwas zu finden: denn Kunst ist nicht erschoͤpft. Aber es ist das Schoͤne und das Nuͤtzliche nicht mit einem Blicke zu grei- fen, wie ein unweiser Deutscher Maler nach ein paar Wochen seines Aufenthals in Rom meynete: denn das Wichtige und Schwere gehet tief, und fließet nicht auf der Flaͤche. Der erste Anblick schoͤner Statuen ist bey dem, welcher Empfindung hat, wie die erste Aussicht auf das offene Meer, worinn sich unser Blick verlieret, und starr wird, aber in wieder- holter Betrachtung wird der Geist stiller, und das Auge ruhiger, und gehet vom Ganzen auf das Einzelne. Man erklaͤre sich selbst die Werke der Kunst auf eben die Art, wie man andern einen alten Scribenten er- klaͤren sollte: denn insgemein gehet es dort, wie in Lesung der Buͤcher; man glaubet zu verstehen, was man liest, und man verstehet es nicht, wenn man es deutlich auslegen soll. Ein anders ist, den Homerus lesen, ein anders, ihn im Lesen zugleich uͤbersetzen. Das Das fuͤnfte Capitel. Von der Kunst unter den Roͤmern . Erstes Stuͤck. Untersuchung des Roͤmischen Stils in der Kunst. N ach der Abhandlung von der Griechischen Kunst waͤre nach der ge- Erstes Stuͤck. Untersuchung des Roͤmischen Stils in der Kunst. meinen Meynung der Stil der Roͤmischen Kuͤnstler, und hier insbesondere ihrer Bildhauer zu untersuchen: denn unsere Antiquarii und Winckelm. Gesch. der Kunst. O o Bild- I Theil. Fuͤnftes Capitel. Bildhauer reden von einer eigenen Art Roͤmischer Arbeit in der Kunst. I. Von Werken Roͤmischer Kuͤnstler. Es waren ehemals und sind noch itzo Werke der Kunst, so wohl Figuren, als erhobene Arbeiten, mit Roͤmischen Inschriften, und einige Statuen A. Mit Roͤmi- schen Inschrif- ten. mit dem Namen der Kuͤnstler. Von der erstern Art ist diejenige Figur Gruter. Inscr. p. 989. n. 3. , welche vor mehr als zwey Jahren bey St. Veit im Erztstifte Salzburg entdecket, und durch den bekannten Erzbischoff und Cardinal, Matthias Lange, in Salzburg aufgestellet wurde: es ist dieselbe von Erzt, in Lebens- groͤße, und gleichet in der Stellung dem faͤlschlich sogenannten Antinous im Belvedere. Eine jener voͤllig aͤhnliche Statue, von Erzt, mit eben derselben Inschrift, und an eben dem ungewoͤhnlichen Orte, nemlich auf dem Schenkel, befindet sich in dem Garten des Koͤniglichen Lustschlosses Aranjuez in Spanien, wo mein Freund, Herr Anton Raphael Mengs, dieselbe gesehen, und mir als ein altes Werk angiebt. Ich habe mit aller Muͤhe, die ich mir gegeben, von der Statue zu Salzburg nicht die geringste Nachricht erhalten koͤnnen, aus welcher, wenn sie richtig und umstaͤndlich gewesen waͤre, man vielleicht haͤtte sehen koͤnnen, ob eine nach der andern gearbeitet worden; so viel sehe ich wohl, daß die Streitaxt, welche die Salzburgische in dem Kupfer haͤlt, ein neuer Zusatz der Unwissenheit seyn muͤsse. Eine andere kleine Figur, uͤber drey Palme hoch, welche die Hoff- nung vorstellet, in der Villa Ludovisi, ist wie im Hetrurischen Stile ge- arbeitet conf. Winckelmann Descr. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 301. seq. , und hat eine Roͤmische Inschrift auf der Base, welche im vorigen Capitel angefuͤhret ist. Von erhobenen Arbeiten mit Roͤmischer Inschrift habe ich eine zu Anfang des dritten Capitels beruͤhret, in der Villa Albani, welche eine Speisekammer vorstellet; und in eben der Villa ist eine andere, wo ein Vater, als ein Senator gekleidet, auf einem Stuh- le sitzet, mit den Fuͤßen auf eine Art von Fußschemmel, und haͤlt in der rechten Hand das Brustbild seines Sohns: gegen ihm uͤber stehet eine Weibliche Von der Kunst unter den Roͤmern. Weibliche Figur, welche Rauchwerk auf einen Leuchter zu streuen scheinet, mit der Ueberschrift: C. LOLLIVS͘ ALCAMENES͘ DEC͘ ET͘ DVVMVIR͘ Von der zwoten Art bringet Boissard ein Statue mit der Inschrift Antiquit. T. 3. Fig. 132. : B. Mit dem Namen der Kuͤnstler selbst. TITIVS͘ FECIT͘ Auf einer Statue des Aesculapius, im Pallaste Verospi, stehet der Name des Kuͤnstlers Stosch Pref. aux Pier. grav. p. XI. , ASSALECTVS͘ Geschnit- tene Steine mit Namen ihrer Roͤmischen Kuͤnstler, eines Aepolianus, Ca- jus, Cnejus u. s. f. will ich nicht anfuͤhren. Diese Denkmale aber sind hinlaͤnglich zu einem Systema der Kunst, II. Von der Nach- ahmung He- trurischer und Griechischer Kuͤnstler. und zur Bestimmung eines besondern von dem Hetrurischen und Griechischen verschiedenen Stils: es werden sich auch die Roͤmischen Kuͤnstler keinen eige- nen Stil gebildet haben, sondern in den alleraͤltesten Zeiten ahmeten sie ver- muthlich die Hetrurier nach, von welchen sie viele, sonderlich heilige Ge- braͤuche, annahmen, und in ihren spaͤteren und bluͤhenden Zeiten werden ihre wenigen Kuͤnstler Schuͤler der Griechischen gewesen seyn. Von der Nachahmung der Hetrurischen Kunst in Werken Roͤmischer Insbesondere in Absicht der Erstern aus einer Vase von Erzt gezeiget. Kuͤnstler in der Zeit der Republik, giebt ein Walzenfoͤrmiges Gefaͤß von Metall, in der Gallerie des Collegii S. Ignatii zu Rom, einen deutlichen und unwidersprechlichen Beweis. Denn erstlich stehet auf dem Deckel der Name des Kuͤnstlers selbst, und die Anzeige, daß er dieses Werk zu Rom gemacht habe; ferner offenbaret sich der Hetrurische Stil nicht allein in der Zeichnung vieler Figuren, sondern auch in den Begriffen derselben. Es ist dieses Gefaͤß, dessen Form am Schlusse dieses Capitels vorstestellet ist, ohngefaͤhr zween Palme hoch, und haͤlt etwa anderthalb Palme im Durch- messer: auf der Binde unter dem obern Rande, und auch unten, hat dasselbe Zierrathen; auf dem mittelsten Raume desselben aber ist rund herum, in O o 2 ein- I Theil. Fuͤnftes Capitel. eingegrabner Arbeit mit einem Grabstichel, die Geschichte der Argonauten, ihre Anlaͤndung, der Kampf und der Sieg des Pollux uͤber den Amycus u. s. f. vorgestellet: und aus diesem letzten Stuͤcke habe ich die drey Figu- ren, den Pollux, den Amycus, und die Minerva, herausgenommen und gewaͤhlet, einen Begriff von der Zeichnung auf diesem Gefaͤße zu geben, und dieses Stuͤck ist zu Anfang dieses Capitels in Kupfer gestochen. Rund herum auf dem Deckel ist eine Jagd vorgestellet, und oben auf demselben stehen aufrecht befestiget drey von Metalle gegossene Figuren, von einer halben Spanne hoch, nemlich die verstorbene Person, welcher zu Ehren und zum Gedaͤchtniß dieses Gefaͤß etwa in ihr Grab gesetzet war, und diese haͤlt umfasset zween Faune mit Menschenfuͤßen, nach dem Begriffe der He- trurier, welche diese Halbgoͤtter entweder so, oder mit Pferdefuͤßen und Schwaͤnzen (und diese sind auch hier) bildeten. Unter diesen Figuren stehet die angefuͤhrte Schrift; auf der einen Seite der Name der Tochter ihrer verstorbenen Mutter DINDIA͘ MACOLNIA͘ FILIA͘ DEDIT NOVIOS͘ PLAVTIOS͘ ME͘ ROMAI͘ FECIT͘ MED, an statt ME, und ROMAI, ROMAE. Diese Inschrift zeiget die alleraͤlteste Form Roͤmischer Buchstaben, und sie scheinen noch aͤlter, wenigstens mehr Hetrurisch, als die auf der Inschrift des L. Corn. Scipio Barbatus, in der Barberinischen Bi- bliothek, welches die aͤlteste Roͤmische Inschrift in Stein ist, von welcher ich in den Anmerkungen uͤber die Baukunst der Alten geredet habe, p. 5. : Auf der andern Seite der Name des Kuͤnstlers: Die drey Fuͤße, auf welchen das Gefaͤß ruhet, haben ein jeder ihre beson- dere Vorstellung in Metall gegossen, und auf dem einen stehet Hercules mit der Tugend und der Wollust, welche aber nicht Weiblich, wie bey den Griechen, sondern hier Maͤnnlich persoͤnlich gemacht sind. Das Von der Kunst unter den Roͤmern. Das Vorurtheil von einem den Roͤmischen Kuͤnstlern eigenen und III. Irrige Mey- nung von ei- nem besondern Stile in der Kunst. von dem Griechischen verschiedenen Stil, ist aus zwo Ursachen entstanden. Die eine ist die unrichtige Erklaͤrung der vorgestelleten Bilder, da man in denen, welche aus der Griechischen Fabel genommen sind, Roͤmische Ge- A. Aus falschen Erklaͤrungen. schichte, und folglich einen Roͤmischen Kuͤnstler finden wollen. Ein sol- cher Schluß ist derjenige, welchen ein seichter Scribent aus der erzwunge- nen Erklaͤrung eines herrlichen Griechischen Steins in dem Stoßischen Mu- seo macht Scarfo Lettera \&c. p. 51. . Es stellet dieser Stein die Tochter des Priamus Polyxena vor Winckelm. Descr. des Pier. gr. du Dab. de Stosch, p. 395. , welche Pyrrhus auf dem Grabe seines Vaters Achilles aufopferte; jener aber findet gar keine Schwierigkeit, die Nothzuͤchtigung der Lucretia hier zu sehen. Ein Beweis seiner Erklaͤrung soll der Roͤmische Stil der Arbeit dieses Steins seyn, welcher, sagt er, sich deutlich hier zeiget, nach einer umgekehrten Art zu denken, wo aus einem irrigen Schlusse ein fal- scher Vordersatz gezogen wird. Es wuͤrde derselbe eben den Schluß ge- macht haben, aus dem schoͤnen Gruppo des vermeynten jungen Papi- rius, wenn der Name des Griechischen Kuͤnstlers nicht da waͤre. Die B. Aus uͤbel ver- standener Ehr- furcht gegen die Griechi- schen Werke. zwote Ursache liegt in einer unzeitigen Ehrfurcht gegen die Werke Griechi- scher Kuͤnstler: denn da sich viele mittelmaͤßige Werke finden, entsieht man sich, dieselben jenen beyzulegen, und es scheinet billiger, den Roͤmern, als den Griechen, einen Tadel anzuhaͤngen. Man begreift daher alles, was schlecht scheinet, unter dem Namen Roͤmischer Arbeiten, aber ohne das ge- ringste Kennzeichen davon anzugeben. Aus solchen ungegruͤndeten und C. Widerlegung der irrigen Meynung. willkuͤhrlich angenommenen Meynungen glaube ich berechtigt zu seyn, den Begriff eines Roͤmischen Stils in der Kunst, in so weit unsere itzigen Kennt- nisse gehen, fuͤr eine Einbildung zu halten. Ich will indessen, um nichts zu uͤbergehen, zum ersten die Umstaͤnde anzeigen, worinn sich die Kunst zur Zeit der Roͤmischen Republik befunden hat; und da ich hier von der vor- O o 3 gesetzten I Theil. Fuͤnftes Capitel. gesetzten Ordnung in Abhandlung der Zeichnung des Nackenden so wohl, als des Bekleideten, abgehen muß, so will ich hier wenigstens von der Klei- dung der Maͤnner, mehr nach dem was man sieht als liest, handeln. IV. Geschichte der Kunst in Rom. Was den ersten Punct betrifft, so ist wahrscheinlich, daß sich unter den Koͤnigen wenige oder gar keine Roͤmer auf die Zeichnung, und insbe- A. Unter den Koͤnigen. sondere auf die Bildhauerey, geleget haben, weil nach den Gesetzen des Numa, wie Plutarchus lehret Numa, p. 118. l. 26. , die Gottheit nicht in Menschlicher Ge- stalt durfte gebildet werden, so daß nach hundert und sechzig Jahren, nach den Zeiten dieses Koͤnigs, oder in den ersten hundert und siebenzig Jahren, wie Varro berichtet ap. S. Augustin. Civit. Dei, L. 4. c. 36. , weder Statuen noch Bilder der Goͤtter in den Tempeln zu Rom gewesen. Ich sage und verstehe in den Tempeln, welches also auf eine Gottesdienstliche Verehrung derselben muͤßte gedeutet werden: denn es waren Statuen der Goͤtter in Rom, welche ich so gleich anfuͤhren werde; es werden also dieselben nicht in den Tempeln gesetzt gewesen seyn. Zu andern oͤffentlichen Werken bedienete man sich Hetrurischer Kuͤnst- ler, welche in den aͤltesten Zeiten in Rom waren, was nachher die Grie- chischen Kuͤnstler wurden, und von jenen wird die im ersten Capitel ange- fuͤhrte Statue des Romulus gearbeitet seyn. Ob die Woͤlfinn von Erzt, welche den Romulus und Remus saͤuget, im Campidoglio, diejenige ist, von welcher Dionysius, als von einem sehr alten Werke, redet Ant. Rom. L. 1. p. 64. l. 19. , oder die- jenige, welche nach dem Cicero vom Blitze beschaͤdiget wurde de divinat. L. 2. c. 20. , wissen wir nicht; wenigstens sieht man einen starken Riß in dem Hinterschenkel des Thiers, und vielleicht ist dieses die Beschaͤdigung vom Blitze. Tarquinius Priscus Plin. L. 35. c. 45. , oder, wie andere wollen, Superbus Plutarch. Poblic. p. 188. l. 20. , ließ einen Kuͤnstler von Fregellaͤ aus dem Lande der Volsker, oder, nach dem Plutarchus, Hetrurische Kuͤnstler von Vejaͤ kommen, die Statue des Olym- Von der Kunst unter den Roͤmern. Olympischen Jupiters von gebrannter Erde zu machen, und dergleichen Quadriga wurde oben auf diesen Tempel gesetzet, und andere sagen, es sey dieses Werk zu Vejaͤ gearbeitet worden. Die Statue, welche sich Caja Caͤcilia, des Tarquinius Priscus Gemahlinn, in dem Tempel des Gottes Sanga setzen ließ Scalig. Conject. in Varron. p. 171. , war von Erzt. Die Statuen der Koͤnige Appian. de Bel. civ. L. 1. p. 168. l. 17. stan- den noch zur Zeit der Republik, in den Gracchischen Unruhen, am Ein- gange des Capitolii. In der Einfalt der Sitten der ersten Zeiten der Republik, und in ei- B. In den ersten Zeiten der Republik. nem Staate, welcher auf den Krieg bestand, wird wenig Gelegenheit ge- wesen seyn, die Kunst zu uͤben. Die hoͤchste Ehre, die jemanden wieder- fahren konnte, war eine Saͤule, die ihm aufgesetzet wurde Plin. L. 34. c. 11. , und da man anfieng, große Verdienste mit Statuen zu belohnen, wurde die Maaß der- selben auf drey Fuß gesetzet Plin. l. c. ; eine eingeschraͤnkte Maaß fuͤr die Kunst. Die Statue des Horatius Cocles, welche ihm in dem Tempel des Vulca- nus aufgerichtet wurde Plutarch. Poblic. p. 192. l. 20. , die Statue der Cloͤlia zu Pferde Plin. l. 34. c. 13. , welche noch zu den Zeiten des Seneca stand Consolat. ad Marciam. , beyde von Erzt, und viele ande- re in den ersten Zeiten zu Rom gemacht, muͤßte man sich also in dieser Maaße vorstellen. Aus Erzt wurden auch andere oͤffentliche Denkmale daselbst gemacht; und neue Verordnungen wurden auf Saͤulen von Erzt eingegraben, wie diejenige war, wodurch das Volk zu Rom Erlaubniß bekam, auf dem Aventino anzubauen Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 10. p. 628. l. 40. , zu Anfang des vierten Jahrhun- derts der Stadt Rom; und bald hernach die Saͤulen, in welchen die neuen Gesetze der Decemvirs aufgestellet wurden Ibid. p. 649. l. 35. . Die mehresten Statuen der Gottheiten werden der Groͤße und Be- schaffenheit ihrer Tempel in den erstern Zeiten der Republik gemaͤß gewesen seyn, I Theil. Fuͤnftes Capitel. seyn, welche zum Theil, aus dem in Jahresfrist geendigten Tempel des Gluͤcks zu schließen Dionys. Halie. Ant. Rom. L. 8. p. 305. l. 12. , nicht praͤchtig gewesen seyn koͤnnen; wie auch an- dere Nachrichten Nonn. ap. Scalig. Conject. in Varron. p. 17. , nebst den erhaltenen Tempeln, oder ihren Truͤmmern, zeigen. Gedachte Statuen werden vermuthlich von Hetrurischen Kuͤnstlern gearbeitet seyn: von dem großen Apollo von Erzt, welcher nachher in der Bibliothek des Tempels Augusti stand, versichert es Plinius L. 34. c. 18. . Spurius Carvilius, welcher die Samniter schlug, ließ diese Statue aus jener ihren Harnischen, Beinruͤstungen und Helmen, durch einen Hetrurischen Kuͤnstler, gießen, im 461. Jahre der Stadt Rom, das ist, in der 121. Olympias. Diese Statue war so groß, sagt man, daß sie von dem Albanischen Berge, itzo Monte Cavo genannt, konnte gesehen werden. Die erste Statue der Ceres Ibid. c. 9. in Erzt, ließ Spurius Cassius machen, welcher im 252. Jahre Consul war. Im 417. Jahre wurden den Consuls L. Furio Camillo und C. Moenio, nach dem Triumphe uͤber die Lateiner, als etwas ganz seltenes, Statuen zu Pferde gesetzt Liv. L. 8. c. 14. ; es wird aber nicht gemeldet, woraus sie gemacht gewesen. Eben so bedieneten sich die Roͤmer Hetrurischer Maler, von welchen unter andern ein Tempel der Ceres Plin. L. 35. c. 45. ausgemalet war, wel- che Gemaͤlde man, da der Tempel anfieng baufaͤllig zu werden, mit der Mauer, auf welcher sie gemalet waren, wegnahm, und anderwerts hin versetzte. Der Marmor wurde spaͤt in Rom verarbeitet, welches auch die be- kannte Inschrift Sirmond explic. hujus Inscr. conf. Fabret. Inscr. p. 461. des L. Scipio Barbatus conf. Liv. L. 35. c. 10. , des wuͤrdigsten Mannes seiner Zeit, beweiset; es ist dieselbe in dem schlechtesten Steine, Peperino genannt, Von der Kunst unter den Roͤmern. genannt, gehauen. Die Inschrift der Columna Rostralis des C. Duil- lius von eben der Zeit, wird auch nur von solchem Steine gewesen seyn, und nicht aus Marmor, wie aus einer Stelle des Silius vorgegeben wird Rycq. de Capitol. c. 33. p. 124. : denn die Ueberbleibsel von der itzigen Inschrift sind offenbar von spaͤterer Zeit. Bis an das Jahr 454. der Stadt Rom, das ist, bis zu der 120. Olympias, hatten die Statuen in Rom, wie die Buͤrger, lange Haare, und lange Baͤrte Varro de re rust. L. 2. c. 11. p. 54. Cic. Orat. pro M. Coelio, c. 14. , weil nur allererst in gedachtem Jahre Barbierer aus Sicilien nach Rom kamen Plutarch. Camil. p. 254. l. 24. ; und Livius berichtet L. 27. c. 34. , daß der Consul M. Li- vius, welcher aus Verdruß sich von der Stadt entfernet, und den Bart wach- sen lassen, sich denselben abgenommen, da er von dem Rathe bewegt wurde, wiederum zu erscheinen. Der aͤltere Scipio Africanus trug lange Haare Liv. L. 28. c. 35. , da Masinissa die erste Unterredung mit demselben hielt: dessen Koͤpfe aber in Marmor und Basalt sind alle ganz kahl geschoren vorgestellet, nemlich in spaͤtern Maͤnnlichen Jahren. Die Malerey wurde in dem zweyten Punischen Kriege auch von den C. Bis zu der CXX. Olym- pias. edlen Roͤmern geuͤbt, und Q. Fabius, welcher nach der ungluͤckl. Schlacht bey Cannaͤ an das Orakel zu Delphos geschickt wurde, bekam von der Kunst den Namen Pictor Id. L. 22. c. 7. . Ein paar Jahre nach gedachter Schlacht, ließ Tiberius Gracchus die Lustbarkeit seines Heers zu Benevent, nach dem Siege uͤber den Hanno bey Luceria, in dem Tempel der Freyheit zu Rom malen Id. L. 24. c. 16. . Die Soldaten wurden von den Beneventanern auf den Gassen der Stadt bewirthet, und da der mehreste Theil bewafnete Knechte waren, de- nen Gracchus, in Ansehung der einige Jahre geleisteten Kriegsdienste, vor die- ser Schlacht, mit Genehmhaltung des Senats, die Freyheit versprochen hatte, so speiseten diese mit Huͤthen und mit weißen wollenen Binden um den Kopf, zum Zeichen der Freylassung. Unter diesen aber hatten viele nicht voͤllig ihr Gebuͤhr bewiesen, welchen zur Strafe auferlegt wurde, daß sie waͤhrend den Krieg nicht anders, als stehend, essen und trinken sollten; in Winckelm. Gesch. der Kunst. P p I Theil. Fuͤnftes Capitel. in dem Gemaͤlde lagen also einige zu Tische, andere standen, und andere warteten ihnen auf. D. Nach dem zweyten Puni- schen Kriege. In diesem zweyten Punischen Kriege, in welchem die Roͤmer alle Segel ihrer Kraͤfte aufspanneten, und, ohnerachtet vieler gaͤnzlich niederge- hauenen Heere, so daß in Rom nur 137000. Buͤrger uͤbrig waren Liv. L. 27. c. 36. , den- noch in den letzten Jahren dieses Krieges mit drey und zwanzig Legionen Id. L. 26. c. 1. , welches wunderbar scheinen muß, ins Feld erschienen; in diesem Kriege, sage ich, nahm der Roͤmische Staat, so wie der Atheniensische in dem Krie- ge mit den Persern, eine andere Gestalt an: sie machten Bekanntschaft und Buͤndnisse mit den Griechen, und erweckten in sich die Liebe zu ihrer Kunst. Die ersten Werke derselben brachte Claudius Marcellus nach der Eroberung von Syracus nach Rom, und ließ das Capitolium, und den von ihm eingeweiheten Tempel an der Porta Capena, mit diesen Statuen und Kunstwerken auszieren Id. L. 25. c. 40. . Die Stadt Capua betraf, nach deren Erobe- rung durch den Q. Fulvius Flaccus, eben dieses Schicksaal Id. L. 26. c. 34. ; es wurden alle Statuen nach Rom gefuͤhret. In so großer Menge erbeuteter Statuen, wurden dennoch neue Sta- tuen zu Rom gearbeitet; wie um eben diese Zeit von den Zunftmeistern des Volks Strafgelder angewendet wurden, Statuen von Erzt in den Tempel der Ceres zu setzen Id. L. 27. c. 6. . Im siebenzehenden und letzten Jahre dieses Krieges ließen die Aediles drey andere Statuen von Strafgeldern im Capitolio setzen Id. L. 30. c. 39. , und eben so viel Statuen von Erzt, der Ceres, des Liber Pater, und der Liberaͤ, wurden nicht lange hernach gleichfalls aus Strafgeldern gemacht Id. L. 33. c. 25. . L. Stertinius ließ damals aus der Beute, die in Spanien gemacht worden, zween Bogen auf dem Ochsenmarkte aufrich- ten, und mit vergoldeten Statuen besetzen Id. L. 33. c. 27. . Livius merket an, daß damals die oͤffentlichen Gebaͤude, welche Basilicaͤ hießen, noch nicht in Rom waren L. 26. c. 27. . In Von der Kunst unter den Roͤmern. In oͤffentlichen Proceßionen wurden noch Statuen von Holz umher getragen, wie ein paar Jahre nach Eroberung der Stadt Syracus Liv. L. 27. c. 37. , und im zwoͤlften Jahre dieses Krieges geschah. Da der Blitz in den Tempel der Juno Regina auf dem Aventino geschlagen hatte, wurde zu Abwendung uͤbler Vorbedeutung verordnet, zwo Statuen dieser Goͤttinn von Cypres- sen-Holze, aus diesem ihren Tempel umher zu tragen, begleitet von sieben und zwanzig Jungfrauen in langen Kleidern, welche einen Gesang auf die Goͤttinn anstimmeten. Nachdem der aͤltere Scipio Africanus die Carthaginenser aus ganz Spanien vertrieben hatte, und da er im Begriffe stand, dieselben in Africa selbst anzugreifen, schickten die Roͤmer an das Orakel zu Delphos Figuren der Goͤtter, welche aus tausend Pfund erbeuteten Silber gearbeitet wa- ren, und zugleich eine Crone von zweyhundert Pfund Gold Id. L. 28. c. 45. . Nach geendigtem Kriege der Roͤmer wider den Koͤnig Philippus in Macedonien, den Vater des letzten Koͤnigs Perseus, brachte L. Quinctius von neuem eine große Menge Statuen von Erzt und Marmor, nebst vielen kuͤnstlich gearbeiteten Gefaͤßen, aus Griechenland nach Rom, und fuͤhrete dieselben in seinem dreytaͤgigen Triumphe (welches in der 145. Olympias geschah) zur Schau Id. L. 34. c. 52. . Unter der Beute waren auch zehen Schilder von Silber, und einer von Golde, und hundert und vierzehen goldene Kronen, welche letztere, Geschenke der Griechischen Staͤdte waren. Bald nachher, und ein Jahr vor dem Kriege mit dem Koͤnige Antiochus dem Großen, wurde oben auf dem Tempel des Jupiters im Capitolio eine vergoldete Quadriga gesetzet, nebst zwoͤlf vergoldeten Schildern an dem Gipfel Id. L. 35. c. 41. . Und da Scipio Africanus als Legat seines Bruders wider gedachten Koͤnig zu Felde gieng, bauete er vorher einen Bogen am Aufgange zum Capitolio, und besetzte denselben mit sieben vergoldeten Statuen, und mit zween Pferden; vor dem Bogen setzte er zwo große Wasserschaalen von Marmor Id. L. 37. c. 3. . P p 2 Bis I Theil. Fuͤnftes Capitel. E. Nach dem Kriege mit dem Koͤnige Antiochus. Bis an die hundert und sieben und vierzigste Olympias, und bis zum Siege des Lucius Scipio, des Bruders des aͤltern Scipio Africanus, uͤber Antiochus den Großen, waren die Statuen der Gottheiten in den Tempeln zu Rom mehrentheils nur von Holz, oder von Thon Plin. L. 34. c. 11. , und es waren wenige oͤffentliche praͤchtige Gebaͤude in Rom Liv. L. 40. c. 5. . Dieser Sieg aber, welcher die Roͤmer zu Herren von Asien bis an das Gebuͤrge Taurus machte, und Rom mit einer unbeschreiblichen Beute Asiatischer Pracht erfuͤlle- te, erhob auch die Pracht in Rom, und die Asiatischen Wolluͤste wurden daselbst bekannt und eingefuͤhret Id. L. 39. c. 6. ; um eben die Zeit kamen die Baccha- nalia von den Griechen unter die Roͤmer Ibid. c. 9. . L. Scipio fuͤhrete unter an- dern Schaͤtzen in seinem Triumphe auf, von silbernen getriebenen und ge- schnitzten Gefaͤßen tausend vierhundert und vier und zwanzig Pfund Id. L. 37. c. 59. ; von goldenen Gefaͤßen, die eben so ausgearbeitet waren, tausend und vier und zwanzig Pfund. Nachdem hierauf die Griechischen Goͤtter unter Griechischen Namen von den Roͤmern angenommen Cic. Orat. pro Corn. Balbo. c. 24. , und unter ihnen eingefuͤhret worden, denen man Griechische Priester setzte, so gab auch dieses Gelegenheit, die Statuen derselben entweder in Griechenland zu bestellen, oder in Rom von Griechischen Meistern arbeiten zu lassen, und die erhobenen Arbeiten von gebrannter Erde an den alten Tempeln wurden laͤcherlich, wie der aͤltere Cato in einer Rede sagt Liv. L. 34. c. 4. . Um eben die Zeit war die Statue des L. Quinctius, welcher in der vorhergehenden Olympias nach dem Mace- donischen Kriege seinen Triumph hielt, mit einer Griechischen Inschrift in Rom gesetzet Rycq. de Capitol. c. 26. p. 105. , und also vermuthlich von einem Griechischen Kuͤnstler verfertiget: so wie die Griechische Inschrift auf der Base einer Statue, welche Augustus dem Caͤsar setzen ließ, eben dieses zu ver- muthen veranlasset. Nach Von der Kunst unter den Roͤmern. Nach geschlossenem Frieden mit dem Antiochus ergriffen die Aetolier, F. Nach Erobe- rung von Ma- cedonien. welche mit jenem verbunden gewesen waren, von neuem die Waffen wider die Macedonier, welches folglich auch die Roͤmer, als damalige Freunde derselben, betraf. Es kam zu einer harten Belagerung der Stadt Ambracia, die sich endlich uͤbergab. Hier war ehemals der Koͤnigliche Sitz des Pyr- rhus gewesen, und es war die Stadt angefuͤllet mit Statuen von Erzt und Marmor, und mit Gemaͤlden, welche sie alle den Roͤmern uͤberliefern mußten, von denen sie nach Rom geschickt wurden Liv. L. 38. c. 9. c. 43. ; so daß sich die Buͤr- ger dieser Stadt zu Rom beklagten, sie haͤtten keine einzige Gottheit, welche sie verehren koͤnnten. M. Fulvius fuͤhrete in seinem Triumphe uͤber die Aetolier zwohundert und achtzig Statuen von Erzt, und zwohundert und dreyßig Statuen von Marmor in Rom ein Id. L. 39. c. 5. . Zum Bau und zur Auszierung der Spiele, welche eben dieser Consul gab, kamen Kuͤnstler aus Griechenland nach Rom Ibid. c. 22. , und damals erschienen zuerst nach Grie- chischem Gebrauche, Ringer in den Spielen. Dieser M. Fulvius, da er mit dem M. Aemilius Censor war, im Jahre der Stadt Rom 573, fieng an die Stadt mit praͤchtigen oͤffentlichen Gebaͤuden auszuzieren Id. L. 40. c. 51. 52. . Der Marmor aber muß noch zur Zeit nicht haͤufig in Rom gewesen seyn, da die Roͤmer noch nicht ruhige Herren waren von der Gegend der Ligurier, wo Luna, itzo Carrara, lag, woher ehemals, so wie itzo, der weiße Marmor geholet wurde. Dieses erhellet auch daraus, daß gedachter Censor M. Fulvius die Ziegel von Marmor Id. L. 42. c. 3. , womit der beruͤhmte Tempel der Juno Lacinia bey Croton, in Groß-Griechenland, gedecket war, abdecken, und nach Rom fuͤhren ließ, zum Dache eines Tempels, welchen er selbst, vermoͤge eines Geluͤbdes, zu bauen hatte. Dessen Col- lege, der Censor M. Aemilius, ließ einen Marktplatz pflastern, und, wel- ches fremde scheinet, mit Pfahlwerk umzaͤunen Id. L. 41. c. 32. . P p 3 Wenige I Theil. Fuͤnftes Capitel. Wenige Jahre hernach, und im 564. Jahre der Stadt Rom, wur- de von dem aͤltern Scipio Africanus, in dem Tempel des Hercules, dessen Saͤule gesetzet Liv. L. 38. c. 35. , und zwo vergoldete Bigaͤ auf dem Capitolio; zwo vergoldete Statuen setzte der Aedilis Q. Fulvius Flaccus dahin. Der Sohn desjenigen Glabrio, welcher den Koͤnig Antiochus bey den Ther- mopylen geschlagen hatte, setzte diesem seinen Vater die erste vergoldete Statue, und, wie Livius sagt, in Italien L. 40. c. 34. ; man wird es von Statuen beruͤhmter Maͤnner zu verstehen haben. In dem Macedonischen Kriege wider den letzten Koͤnig Perseus beklagten sich die Abgeordneten der Stadt Chalcis, daß der Praͤtor C. Lucretius, an welchen sie sich erge- ben hatten, alle Tempel auspluͤndern, und die Statuen und uͤbrigen Schaͤtze nach Antium abfuͤhren lassen Id. L. 43. c. 9. . Nach dem Siege uͤber den Koͤnig Perseus, kam Paullus Aemilius nach Delphos, wo an den Basen ge- arbeitet wurde, auf welche gedachter Koͤnig seine Statuen wollte setzen lassen, welche der Sieger fuͤr seine eigene Statue bestimmte Id. L. 45. c. 27. . Dieses sind die Nachrichten, welche die Kunst unter den Roͤmern zur Zeit der Republik betreffen; diejenigen Nachrichten, von der Zeit an, wo ich hier aufhoͤre, bis zum Falle der Roͤmischen Freyheit, weil sie mehr mit der Griechischen Geschichte vermischet sind, hat man in dem zweyten Theile zu suchen. Wenigstens haben diese Nachrichten diesen Werth, daß, wenn jemand dieselben weitlaͤuftiger ausfuͤhren wollte, derselbe sich einen Theil der Muͤhe ersparet findet, welche diese Art aufmerksamer Nachlesung der Alten, und die Zeitfolge derselben, verursachet. Zweytes Zweytes Stuͤck. Von der Roͤmischen Maͤnner-Kleidung. D as zweyte Stuͤck dieses Capitels soll, wie angezeiget ist, kurze An- Zweytes Stuͤck Von der Roͤ- mischen Maͤn- ner-Kleidung. merkungen enthalten, uͤber die Form der Roͤmischen Maͤnner- Kleidung, (denn die Kunst hat vornehmlich mit der Form zu thun) und zwar so viel ohne Figuren kann verstanden werden: das mehreste gilt zu- gleich von der Griechischen Maͤnner-Kleidung. Unter der Maͤnnlichen Kleidung begreife ich zugleich die Bewaffnung des Koͤrpers, ohne mich in Untersuchung ihrer Waffen einzulassen. Zuerst ist von derjenigen Be- kleidung, welche den Leib insbesondere bedeckete, und hernach von der Bekleidung einzelner Theile, zu reden. Das Unterkleid wurde von einigen Voͤlkern der aͤltesten Zeiten als I. Bekleidung des Leibes. eine Weibliche Tracht angesehen Herodot. L. 1. p. 40. l. 33. , und die aͤltesten Roͤmer hatten nichts, als ihre Toga, auf den bloßen Leib geworfen Gell. Noct. Att. L. 7. c. 12. ; so waren die Statuen A. Das Unter- kleid. des Romulus und des Camillus auf dem Capitolio vorgestellet Cic. Orat. pro M. Scauro. . Noch in spaͤteren Zeiten giengen diejenigen, welche auf dem Campo Martio sich zu Ehrenstellen dem Volke vorstelleten, ohne Unterkleid Plutarch. ῾Ρωμαϊκὰ, p. 492. l. 31. , um ihre Wunden auf der Brust, als Beweise ihrer Tapferkeit, zu zeigen. Ueberhaupt aber war nachher das Unterkleid, so wie den Griechen, die Cynischen Philosophen ausgenommen, also allen Roͤmern gemein, und wir wissen vom Augustus, daß derselbe im Winter an vier Unterkleider auf einmal angeleget. An Statuen, Brustbildern, und auf erhobenen Arbeiten, ist das Unterkleid nur allein am Halse und auf der Brust sicht- bar, weil die Figuren mit einem Mantel, oder mit der Toga, vorgestellet sind, I Theil. Fuͤnftes Capitel. sind, und man sieht nur in den alten Gemaͤlden des Vaticanischen Te- rentius und Virgilius Figuren bloß im Unterkleide. Es war ein Rock mit Ermeln, welcher uͤber den Kopf geworfen wurde, und wenn derselbe nicht aufgeschuͤrzet war, bis an die Waden herunter gieng. Die Ermel sind zuweilen sehr kurz, und bedecken kaum die obere Muskel des Arms, wie an der schoͤnen Senatorischen Statue in der Villa Negroni; diese hießen gestumpfte Ermel Salmas. ad Tertul. de Pall. p. 44. , κολόβια. Enge und lange Ermel, die, wie an der Weiblichen Kleidung, bis an die Knoͤchel der Hand reicheten, trugen, wie Lipsius will Antiq. Lect. L. 4. c. 8. , nur Cinaedi und Pueri meritorii. Die Knechte, welche keinen Mantel trugen, hatten ihr Unterkleid, bis uͤber die Knie hinaufgezogen, gebunden. Auf einer gereiften Vase von Mar- mor, in dem Pallaste Farnese, welche einige tanzende Weibliche Bac- chanten und den Silenus, herrlich gearbeitet, vorstellet, ist das Unter- kleid an einem Indischen und baͤrtigen Bacchus sichtbar, und sonderlich zu merken, weil es auf der Brust geschnuͤret ist: dieses findet sich nirgend anderswo. B. Die Toga. Die Toga war bey den Roͤmern, wie der Mantel der Griechen Quintil. L. 11. c. 3. p. 844. l. 1. Isidor. Orig. L. 19. c. 24. , und wie unsere Maͤntel, Cirkelrund geschnitten: der Leser wiederhole, was ich im vorigen Capitel von dem Mantel der Griechischen Weiber ge- sagt habe. Wenn aber Dionysius von Halicarnassus sagt, daß die Toga die Form eines halben Cirkels gemacht Antiq. Rom. L. 3. p. 187. l. 29. , so bin ich der Meynung, daß er nicht von der Form derselben im Zuschnitte rede, sondern von der Form, welche dieselbe im Umnehmen bekam. Denn so wie die Griechischen Maͤn- tel vielmals doppelt zusammen genommen wurden, so wird auch das Cir- kelrunde Gewand der Toga auf eben die Art gelegt worden seyn, und hierdurch wuͤrde alle Schwierigkeit, in welche sich hier die Erklaͤrer der Kleidung Von der Kunst unter den Roͤmern. Kleidung der Alten verlieren, gehoben. Die Gelehrten wissen unter der Toga und unter dem Mantel, sonderlich der Philosophen, keinen Un- terscheid zu finden Casaub. Not. in Capitolin. p. 58. A. Salmai. in Tertul. de Pal. p. 13. , als daß dieser auf dem bloßen Leibe, nicht, wie jener, uͤber ein Unterkleid, getragen wurde. Andere haben sich die Griechischen Maͤntel viereckt vorgestellet, und vier Enden desselben auf dem Kupfer der Figur des Euripides Ruben. de re vestiar. L. 2. c. 6. p. 161. , so wie ein anderer eben so viel Enden an dem Mantel der Figur auf der Vergoͤtterung des Homerus im Pallaste Co- lonna Cuper. Apotheos. Hom. p. 34. , welche neben der Hoͤhle auf diesem Werke stehet, zu sehen ge- glaubet. Beyde aber haben sich geirret, und die vier Enden oder Quaͤst- gen sind weder an der einen, noch an der andern Figur. Die kleine Figur mit dem Namen Euripides auf dessen Base Fulv. Vrs. Imag. , wurde fuͤr verloren gehal- ten, und kam vor kurzer Zeit aus der Kleiderkammer des Farnesischen Pal- lastes wiederum zum Vorschein: es ist dieselbe einige Zeit unter meinen Haͤnden gewesen, und also kann ich davon Rechenschaft geben. Die Toga wurde, wie der Mantel, uͤber die linke Schulter geworfen, und der Hanfe Falten, welcher sich zusammenlegte, hieß Sinus Turneb. Advers. L. 3. c. 26. . Ge- woͤhnlich wurde die Toga nicht geguͤrtet, wie auch andere anmerken; in einigen Faͤllen aber kann es dennoch geschehen seyn, wie aus unten ange- zeigten Stellen des Appianus zu schließen ist Bel. Civ. L. 1. p. 173. l. 6. Οἱ πολιτικοὶ τάτι ἱμάτια διαζωσάμενοι, ϰαϳ τὰ προστύχοντα ξύλα ἁρπάσαντες, τοὺς ἀγροίκους διέςησαν. conf. L. 2. p. 260. l. 7. . Im Felde trugen die Griechen keinen Mantel Casaub. in Theophr. p. 38. , und die Roͤmer keine Toga, sondern einen leich- tern Ueberwurf, welcher bey diesen Tibenum, oder Paludamentum, bey jenen Chlamys hieß, und ebenfalls rund war Etymol. magn. v. χλαῖνα. , und nur in der Groͤße von dem Mantel und von der Toga muß verschieden gewesen seyn: was Winckelm. Gesch. der Kunst. Q q I Theil. Fuͤnftes Capitel. was andere von verschiedenen Formen desselben vorgeben, wird durch den Augenschein widerleget. Denn alle Statuen mit einem Panzer, auch ei- nige andere, als ein nackender Augustus in der Villa Albani, Marcus Aurelius zu Pferde, und zween gefangene Koͤnige von schwarzem Marmor im Campidoglio, auch die Kaiserlichen Brustbilder, haben diesen Mantel, und man sieht deutlich, daß derselbe nicht viereckt, sondern rund gewesen seyn muß, welches auch bloß die Falten zeigen, die anders nicht, wie sie sind, haͤtten koͤnnen geworfen werden. Dieser Mantel wurde durch einen großen Knopf, insgemein auf der rechten Achsel, zusammengeheftet, und hieng uͤber die linke Achsel, welche er bedeckte, herunter, so daß der rechte Arm frey blieb. Zuweilen aber sitzet dieser Knopf auf der linken Achsel, wie an den Brustbildern des Drusus, des Claudius, des Galba, des Trajanus, eines Hadrianus und eines Marcus Aurelius, im Campidoglio. C. Zierrathen der Kleidung. Die Zierrathen und Verbraͤmungen der Maͤnnlichen Kleidung, welche auf Denkmalen nicht sichtbar sind, gehoͤren nicht fuͤr diese Abhandlung; da sich aber auf einem alten Herculanischen Gemaͤlde, welches die Muse Thalia vorstellet, ein vermeynter Clavus befindet Pitt. Erc. T. 2. tav. 3. p. 18. n. 2. , so ist dieses wenig- stens anzuzeigen. Auf dem Mantel dieser Figur ist da, wo derselbe den Schenkel bedecket, ein laͤnglicher viereckigter Streif von verschiedener Farbe hingesetzet, und die Verfasser der Beschreibung der Herculanischen Gemaͤl- de suchen daselbst zu beweisen, daß dieser Streif der Clavus der Roͤmer sey, welches ein aufgenaͤhetes oder eingewuͤrktes Stuͤck Purpur war, und durch dessen verschiedene Breite die Wuͤrde und den Stand der Person anzeigete. So viel habe ich zu erinnern gehabt uͤber die Bekleidung des Leibes. II. Bekleidung der Theile des Koͤrpers. Die Bekleidung einzelner Theile betrifft das Haupt, die Beine, und die Haͤnde. Was das Haupt betrifft, so war kein Diadema unter den Roͤ- mern im Gebrauche, wie bey den Griechen, bey welchen diese Hauptbinden zuweilen Von der Kunst unter den Roͤmern. zuweilen von Erzt gewesen seyn muͤssen, wie die Binde an dem Kopfe eines A. Des Haupts. vermeynten Ptolemaͤus von Erzt, in der Villa Albani, zu zeigen scheinet: denn in demselben sind umher laͤngliche Einschnitte, vermuthlich zum ein- hacken Man koͤnnte also das Wort χαλκεόμιτωρ, welches Euripides vom Hector gebraucht, Troad. v. 271. von dieser Binde fuͤglicher, als von dem Panzer, wie Barnes will, verstehen. . Der Bart wurde zuweilen unter dem Kinne in einen Knoten geschuͤrzet Casaub. Animadv. in Athen. Deipn. L. 3. c. 19. p. 119. l. 24. , wie man an einem Kopfe im Campidoglio, und an einem andern Herculanischen zu Portici sieht. Die Spartaner durften keinen Knebelbart tragen Ibid. L. 4. c. 9. p. 170. l. 3. . Das Haupt bedeckten sich die Reisenden, und die im offenen Felde sich vor der Sonne, oder vor dem Regen, zu verwahren hatten, mit einem Hute, welcher wie der unsrige geformet war, aber insgemein nicht mit aufgeschla- genen Krempen, und der Kopf war niedrig, wie ich bey dem Hute der Weiber im vorigen Capitel angezeiget habe. Dieser Hut war mit Baͤn- dern, welche unter dem Halse konnten gebunden werden, und wenn man mit unbedecktem Haupte gieng, wurde der Hut hinterwerts auf die Schul- ter geworfen, und hieng an dem Bande: das Band aber ist niemals sicht- bar. Mit einem hinterwerts geworfenen Hute ist Meleager auf verschie- denen geschnittenen Steinen vorgestellet, und auf zwey einander aͤhnlichen erhobenen Werken, in der Villa Borghese und Albani, welche den Amphion und Zethus, mit ihrer Mutter Antiope, vorstellen, hat Zethus den Hut auf der Schulter haͤngen, um das Hirtenleben, welches er ergriffen, abzubil- den. Dieses Werk habe ich auch anderwerts zuerst bekannt gemacht Descr. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 97. . Einen solchen Hut trugen auch die Athenienser in den aͤltesten Zeiten Lucian. Gymnas. p. 895. , welches aber nachher abkam Philostr. Vit. Sophist. p. 572. . Es findet sich eine andere Art von Huͤten Q q 2 mit I Theil. Fuͤnftes Capitel. mit aufgeschlagenen Krempen, welche vorne eine lange Spitze machen, und an der Seite eingeschnitten sind, um dieselben vorne gerade hinaufzuschlagen, auf die Weise, wie einige Reisehuͤte sind, die man in Deutschland auf der Jagd traͤgt. Diesen Hut hat ein sogenannter Indischer Bacchus auf der angefuͤhrten Vase von Marmor im Pallaste Farnese: einen Hut mit weit angezogenen niedrigen Krempen, nach der Art, wie die Priesterhuͤte gestutzt sind, traͤgt eine Figur auf der Jagd auf der beschriebenen Walzenfoͤrmigen Vase von Erzt. Eine besondere Art von Huͤten trugen die Roͤmischen Auri- gatores, oder diejenigen, welche auf Wagen Wette liefen; es gehen die- selben oben ganz spitzig zu, und sind den Sinesischen Huͤten voͤllig aͤhnlich. Man sieht diese Huͤte an solchen Personen auf ein paar Stuͤcken von Musaico im Hause Massini, und auf einem nicht mehr vorhandenen Werke beym Montfaucon. Es waͤre hier auch mit ein paar Worten der Phrygischen Muͤtzen zu gedenken, welche so wohl Maͤnnern, als Weibern, gemein waren, um eine bisher nicht verstandene Stelle des Virgilius zu erklaͤren. In dem Hause der Villa Negroni befindet sich ein Maͤnnlich jugendlicher Kopf mit einer Phrygischen Muͤtze, und hinten von derselben geht wie ein Schleyer her- unter, welcher vorne den Hals verhuͤllet, und das Kinn bedecket bis an die Unterlippe, auf eben die Art, wie an einer Figur in Erzt der Schleyer gelegt ist Ficoroni Rom. p. 20. , nur mit dem Unterschiede, daß hier auch der Mund verhuͤl- let wird. Aus jenem Kopfe erklaͤret sich der Paris des Virgilius: Maeonia mentum mitra crinemque madentem Subnixus. Aen. 4. v. 216. uͤber welchen Ort man die vermeynten Erklaͤrungen und Verbesserungen des- selben bey unten angefuͤhrten Scribenten finden kann Turneb. Advers. L. 29. c. 25. Gevartii Elect. L. 1. c. 7. p. 17. . Bein- Von der Kunst unter den Roͤmern. Beinkleider waren bey den Roͤmern und Griechen im Gebrauche, wie B. Von Bein- kleidern. man auf Herculanischen und andern Gemaͤlden sieht Pitt. Erc. T. 1. p. 7. 267. : es werden also hierdurch einige Gelehrten, die das Gegentheil behauptet haben, widerlegt. Die Hosen des vermeynten Coriolanus auf dem Gemaͤlde in den Baͤdern des Titus, gehen der Figur bis auf die Knoͤchel der Fuͤße, so daß sie an den Beinen wie Struͤmpfe anliegen, und sind blau. Bey den Griechen tru- gen die Taͤnzerinnen Hosen, wie bey uns geschieht Athen. Deipnos. L. 13. p. 607. . Der Gebrauch der Hosen aber war bey den Maͤnnern nicht gemein, und an statt der Bein- kleider waren Binden im Gebrauche, womit die Schenkel umwunden wur- den; aber auch dieses wurde fuͤr eine Weichlichkeit gehalten: diese wirft Cicero deshalb dem Pompejus vor, welcher dergleichen trug ad Attic. L. 2. ep. 3. . Solche Binden um die Lenden gelegt, waren zu Trajanus Zeiten unter dem ge- meinen Volke noch nicht uͤblich Dio Chrysost. Orat. ad Tyrann. : an den Bildnissen dieses Kaisers an dem Constantinischen Bogen sieht man die Schenkel bis unter das Knie bekleidet. Die Hosen der Barbarischen Voͤlker sind mit den Struͤm- pfen aus einem Stuͤcke, und unter die Knoͤchel des Fußes durch die Rie- men der Sohlen gebunden. Die Struͤmpfe wurden nachher in spaͤteren Zeiten von den Hosen abgeschnitten, und hierinn liegt der Grund des deutschen Worts Strumpf, welches etwas abgestutztes bedeutet, wie Eck- hart dieses in dem Ebnerischen Kleinodien-Kaͤstlein zeiget. Michael An- gelo hat sich also wider die alte Kleidertracht an seinem Moses vergangen, da er demselben Struͤmpfe unter die Hosen gezogen gegeben, so daß diese unter den Knien gebunden sind. Von den mancherley Arten von Schuhen der Alten ist von andern C. Von Schuhen umstaͤndlich gehandelt. Die Schuhe der Roͤmer waren von den Griechi- schen verschieden, wie Appianus angiebt Mithradat. p. 114. l. 17. ; diesen Unterschied aber koͤn- Q q 3 nen I Theil. Fuͤnftes Capitel. nen wir nicht zeigen. Die vornehmen Roͤmer trugen Schuhe von rothem Leder, welches aus Parthien kam Vales. Not. ad Ammian. L. 22. c. 4. p. 300. , und etwa der heutige Corduan seyn wird. Die edlen Athenienser trugen einen halben Mond von Silber, und einige von Elfenbein auf den Schuhen, und dieses auf der Seite unter dem Knoͤchel Philostrat. Vit. Sophist. L. 2. in Herod. Att. p. 555. l. 24. , wie es scheinet. Ich finde weiter nichts anzumerken, als die Statue des Hadrianus in der Villa Albani, welche mit einem Panzer barfuß vorgestellet ist. Diese Statue ist von mir an einem andern Orte beruͤhret Pref. à la Descr. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 24. , und gezeiget, daß dieser Kaiser oͤfters in seiner Ruͤstung zwan- zig Meilen zu Fuß zu gehen pflegen, und dieses barfuß. Diese Statue aber ist nicht mehr kenntlich: denn da man glaubte den Kopf derselben zu einer andern Statue noͤthig zu haben, so wurde derselbe mit einem Kopfe des Septimius Severus verwechselt, wodurch die bloßen Fuͤße ihre Be- deutung verloren haben. D. Von Hand- schuhen. Handschuhe haben einige Figuren auf Begraͤbniß-Urnen in den Haͤnden; welches wider den Casaubonus zu merken ist, welcher vorgiebt, daß weder bey den Griechen, noch Roͤmern, Handschuhe im Gebrauche gewesen Animadv. in Athen. L. 12. c. 2. p. 523, l. 29. . Dieses ist so irrig, daß sie gar zu Homerus Zeiten bekannt waren: denn die- ser giebt dem Laertes, des Ulysses Vater, Handschuhe Odyss. ώ. v. 229. . III. Bewaffnung des Koͤrpers. Zu der Bekleidung des Koͤrpers gehoͤret auch die Bewaffnung dessel- ben, deren Stuͤcke sind der Panzer, der Helm, und die Beinruͤstung. Der A. Von dem Panzer. Panzer war bey den Alten doppelt, und bedeckte die Brust und den Ruͤcken: es war derselbe theils von Leinewand, theils von Metall verfertiget. Von Leinewand trugen ihn die Phoͤnicier Herodot. L. 6. p. 261. l. 5. und Assyrier Ibid. p. 257. l. 40. , in dem Heere des Xerxes, Von der Kunst unter den Roͤmern. Xerxes, auch die Carthaginenser Pausan. L. 6. p. 499. l. 12. , welchen die drey Panzer abgenom- men waren, die Gelo nach Elis schickte, ingleichen die Spanier Strab. L. 3. p. 154. C. . Die Roͤmischen Heerfuͤhrer und Kaiser werden, wie Galba, von dem es ange- zeiget ist, mehrentheils dergleichen Panzer getragen haben, und die man an ihrem Statuen sieht, scheinen Panzer von Leinewand vorzustellen: denn es sind in denselben oft alle Muskeln ausgedruͤckt, welches leichter mit Leinewand uͤber eine Form gepresset, als in Erzt konnte geformet wer- den. Diese Leinewand wurde mit starken Wein, oder Eßig, und Salz zu- gerichtet Casaub. ad Sueton. p. 202. A. , acht bis zehenmal verdoppelt. Es finden sich aber auch andere Panzer, die augenscheinlich dergleichen Ruͤstung von Erzt vorstellen, und einige sind den Panzern unserer Cuiraßier voͤllig aͤhnlich: so haben ihn unter andern ein schoͤnes Brustbild des Titus, und zween liegende Gefan- gene, in der Villa Albani, die Panzer haben alle ihre Charniere oder Angeln auf beyden Seiten. Ueber die Helme der Alten merke ich, nach dem, was bereits von an- B. Von dem Helme. dern gesagt ist, nur an, daß sie nicht alle von Metall waren, sondern es muͤssen einige auch von Leder, oder von anderer geschmeidigen Materie, ge- wesen seyn: denn der Helm unter dem Fuße der Statue eines Helden, in dem Pallaste Farnese, ist zusammengetreten, welches nicht mit Erzte geschehen konnte. Beinruͤstungen finden sich haͤufig auf erhobenen Werken, und ge- C. Von der Beinruͤstung. schnittenen Steinen; von Statuen aber findet sich nur eine einzige, wel- che diese hat, und zwar in der Villa Borghese. Unter den Hetruriern, und in Sardinien, waren auch Beinruͤstungen im Gebrauche Winckelm. Descr. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 201. , die an statt I Theil. Funftes Capitel. statt des Schienbeins, wie gewoͤhnlich, die Wade bedecketen, und auf dem Beine offen waren: von dieser Art an einer uralten Sardischen Figur eines Soldaten von Erzt, werde ich in dem von mir in der Vor- rede angezeigten Werke handeln. So viel von der Maͤnnlichen Bekleidung der Roͤmer, und von dem, was ein Kuͤnstler von derselben zu wissen noͤthig hat. Hiermit beschließe ich den ersten Theil dieser Geschichte.