Ueber Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom fuͤr Liebhaber des Schoͤnen in der Kunst von Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr, Koͤnigl. Großbritannischen und Churfuͤrstlich-Braunschweig-Luͤne- burgischen Beisitzer des Hofgerichts in Hannover, und Ritterschafts-Deputirten der Grafschaft Hoya. Dritter Theil . Leipzig , bei Weidmanns Erben und Reich. 1787. Inhalt. Pallast Giustiniani. S. 1 Ueber die Wahl der Suͤjets zur sichtbaren Darstellung; Was das sagen wolle: der Kuͤnstler kann sie nicht interessant genung waͤhlen. Der angenehme Eindruck des Anblicks, der Ideen und Gefuͤhle, die mit demselben fuͤr den Augen- blick in der Seele jedes wohlerzogenen und unbe- fangenen Beschauers aufsteigen muͤssen, sind die zuverlaͤßigsten Wegweiser bei der Wahl eines Suͤ- jets fuͤr bildende Kuͤnste. Die bildenden Kuͤnste klaͤren den Verstand auf, staͤrken ihn, bessern das Herz, unterstuͤtzen den Eindruck des unsichtbar Schoͤnen nicht im Einzelnen, sondern im Ganzen. Unmittelbare Ruͤcksicht auf Besserung des morali- schen Gefuͤhls fuͤr das Gute, kann dem angeneh- men Eindruck des sichtbar Schoͤnen leicht gefaͤhr- lich werden. Eine edle Handlung im Bilde, a 2 wird Inhalt. wird von der gewoͤhnlichsten That gesagt, die mit einem edeln Anstande von edeln Gestalten unter- nommen werden kann. Eine edle That setzt edle Gesinnungen in der handelnden Person zum Vor- aus, und diese mahlt man selten gluͤcklich. Die verkoͤrperte Darstellung der Folgen des Lasters ist, da sie so leicht haͤßliche Formen und einen unedlen Ausdruck motivirt, selten ein schicklicher Gegen- stand fuͤr die Kunst. In wie fern das intellek- tuelle Vergnuͤgen Zweck der bildenden Kuͤnste sey. Von der historischen Treue bei Bekleidung der Bildsaͤulen, als oͤffentliche Denkmaͤler. Die hei- lige Geschichte, als Stoff zur bildlichen Darstel- lung ist der Sculptur, nicht der Mahlerei unguͤn- stig. Hingeworfener Vorschlag, die dramati- schen Dichter der Alten statt der epischen zu waͤh- len, um daraus Gegenstaͤnde zu Gemaͤhlden zu entlehnen. Das Neue, das Feine, das Ueber- raschende: mit welcher Behutsamkeit der Kuͤnstler auf angenehme Eindruͤcke davon rechnen duͤrfe. Bestimmtere Angabe der Hauptabsicht des Kuͤnst- lers bei Verfertigung seiner Werke, verschieden modificirt fuͤr den Bildhauer und den Mahler. Das Ideen-, oder vielmehr das Bildererweckende, die Spannung der reproducirenden Kraft unserer Seele, ist keinesweges Zweck eines vollkommenen Kunstwerks. Ueber Skizzen beilaͤufig. Ver- muthung uͤber die Staͤrke der Wuͤrkung, welche die Mahlerei in Vergleichung mit der Musik und der Dichtkunst gewaͤhre. Beschreibung des Pal- lasts Giustiniani. Mehrere Gemaͤhlde von M. A. Carravaggio. Stil des M. Angelo da Carra- vaggio Inhalt. vaggio. Heiliger Johannes von Raphael und Giulio Romano. Der Bethlehemitische Kinder- mord von Poussin. Der heil. Johannes von Domenichino. Gallerie der Statuen. Pallas Giustiniani. Vestalin. Pallast Verospi. S. 52 Plafond von Albano. Das Charakteristische seines Stils. Pallast Ruspoli. S. 56 Die drei Grazien. Ein schoͤnes Basrelief. Pallast Rospigliosi. S. 60 Zwei allegorische Gemaͤhlde von Poussin. Au- rora von Guido. Buͤste des Scipio Africanus. Pallast Costaguti. S. 69 Plafond von Domenichino. Plafond von Guercino. Pallast Casali. S. 73 Schoͤner Kopf des Caͤsars. Pallast Lancellotti. S. 74 Pallast Massini. S. 76 Discobolus. Pallast Albani. S. 78 Pallast Spada. S. 80 Die Statue Pompejus des Großen. Judith im Dankgebet von Guido Rem. Der Tod der Dido von Guercino. a 3 Villa Inhalt. Villa Mattei. S. 88 Schoͤner colossalischer Kopf des Augustus. Villa Giustiniani. S. 89 Villa Casali. S. 90 Antinous als Bacchus. Pallast Caligula. S. 92 Tuscia von Maratti. Villa Farnese, oder Orti Farnesiani. S. 93 Pallast Nicolini. S. 95 Villa Spada. S. 96 Pallast Sante Croce. S. 97 Hiob von Salvator Rosa. St. Sebastian von Guercino. Assumption der Maria von Guido. Die vier Jahrszeiten von Albano. Pallast Bologneti al Corso. S. 101 Schoͤne Madonna von Guido. Pallast Altieri. S. 102 Lucrezia von Guido Reni. Zwei schoͤne Land- schaften von Claude le Lorrain. Pallast Chigi. S. 105 Schoͤne Landschaft von Salvator Rosa. Pallast Pamfili alla Piazza Navona. S. 108 Pallast der Cancellaria. S. 108 Der Inhalt. Der kleine Pallast Farnese, oder die soge- nannte Farnesina. S. 109 Plafond von Raphael. Von mehreren Ge- maͤhlden, deren verschiedene Suͤjets aus einer Geschichte hergenommen, und an einen Ort zu- sammengestellet sind, muß jedes fuͤr sich seinen eigenen vollstaͤndigen und bestimmten Ausdruck haben. Der Autor wagt eine neue Bestimmung verschiedener Gattungen von Mahlereien. Er theilt die Gemaͤhlde in Ruͤcksicht auf Ausdruck im Ganzen analogisch ab, in beschreibende und han- delnde Darstellung fuͤr das Auge: letztere wieder, in lyrische und dramatische. Beurtheilung unsers Plafonds zur Bestaͤtigung jener festgesetzten Grundsaͤtze. Raphael, ein dramatisches Genie. Raphaels Galathea. Venus Callipyga, oder Callypig o s. Buͤste des Demosthenes. Buͤste des Homers. Colossalischer Kopf Caͤsars. Zim- mer mit Mahlereien von Giulio Romano. Nach- richt uͤber die Familie des Darius von Paolo Ve- ro nese, im Pallast Pisani zu Venedig, (in der Note). Bemerkungen uͤber den Stil des Giulio Romano. Pallast der Franzoͤsischen Academie. S. 135 Ursachen des Verfalls der Kuͤnste in neueren Zeiten. Ueber den Antheil, den die Lehrart in den Academien an der verminderten Anzahl gros- ser Kuͤnstler hat. Die Natur, erste Lehrerin des Kuͤnstlers. Nothwendigkeit, die Ausbildung der E i nbildungskraft zu gleicher Zeit mit der Erweite- rung der Kenntnisse, und der Fertigkeit der Hand a 4 zu Inhalt. zu besorgen. Nachtheil einer pedantischen und zu theoretischen Lehrmethode. Der Autor wagt es, einen Erziehungsplan fuͤr den jungen Kuͤnstler in Vorschlag zu bringen. Beschreibung der Kunst- werke in dem Pallaste der Franzoͤsischen Academie. Nachricht uͤber den Cincinnatus zu Versalles, (in der Note). Nachricht uͤber den Germanicus, eben daselbst (in der Note). Nachricht uͤber die Gruppe des Castor und Pollux in Spanien, (in der Note). Gipsabguͤsse weit unter den O r i- ginalen. Academia di S. Luca. S. 159 Der heilige Lucas von Raphael. Einige allgemeine Nachrichten. S. 162 Ueber einige noch nicht beschriebene Pallaͤste und Villen, uͤber die Baͤder des Titus, und das Columbarium in der Vigna bei dem Tempel der Minerva Medica. Ueber die Kunstwerke der Mahlerei und Bild- hauerei in den Kirchen von Rom. S. 169 Vorerinnerung. S. 171 Ueber die Kennzeichen des Kirchenstils. Zuerst: in der Bildhauerei. S. 174 Hauptunterscheidungszeichen der Bildhauer- kunst der Neueren von der der Alten. Warum der neuere Kuͤnstler das Nackende seltener, und nicht mit gleichem Gluͤcke wie der alte bildet. Diesem war Gewand Bekleidung des Koͤrpers, jenem ist sie Inhalt. sie Hauptsache, von deren willkuͤhrlichen Bildung er fuͤr sich bestehenden Reiz erwartet. Der alte Kuͤnstler hebt die Gestalt ins Ideal; der neue haͤlt sich an die gemeine Natur, jener giebt seinen Koͤpfen den Ausdruck thaͤtiger Geistesgroͤße, dieser duldsamer Demuth oder finsterer Eingezogenheit. Die Gruͤnde dieser Verschiedenheit werden aus der verschiedenen sittlichen, politischen und religioͤsen Erziehung des Menschen, und zugleich aus dem verschiedenen Gange, den die Kuͤnste bei ihrer Aus- bildung genommen haben, entwickelt. Begriffe der neueren Kuͤnstler uͤber die Personen der Gott- heit und ihrer vornehmsten Verehrer im alten und neuen Testament. Die Gottheiten und Helden der Alten sind idealisirt individuelle Bildungen einer Menschenart; das hoͤchste Wesen, die Heiligen, die Tugenden der Neueren, entweder wuͤrklich indi- viduelle Bildungen einzelner Menschen, oder alle- gorische Abstracta unsinnlicher Eigenschaften. Die Alten gaben ihren Statuen mehr physiogno- mischen als pathalogischen Ausdruck; die Neueren umgekehrt, geben ihnen mehr pathalogischen als physiognomischen. Wenn die Alten ihre Statuen in thaͤtige Bewegung setzten, so war dieser Aus- druck stets bestimmt und vollstaͤndig erklaͤrbar; die Neueren liefern meistens nur academische Stellun- gen. Letztes Unterscheidungszeichen des Stils der alten Bildhauer von dem der neueren: diese streben mit ihren Werken aus rundem Steine zu sehr nach der Wuͤrkung eines flachen Gemaͤhldes. Naͤhere Bestimmung des Herderschen Grundsatzes: die Sculptur arbeitet fuͤrs tastende Gefuͤhl, (in einer a 5 Note). Inhalt. Note). Erlaͤuterndes Beispiel einer Statue im neueren Kirchenstile. Unterscheidungszeichen des Kirchenstils in der Mahlerei. S. 204 Die neueren Kuͤnstler, welche hauptsaͤchlich fuͤr Kirchen gearbeitet haben, haben uͤber die Sorge fuͤr diejenigen Theile, welche eine große Composi- tion zu einem wohlgefaͤlligen Ganzen machen, die Erfordernisse der Schoͤnheit und Wahrheit im Ein- zelnen vergessen. Drei Branchen des Kirchen- stils werden besonders bezeichnet. Anmerkungen uͤber die einzelnen Kirchen. S. 208 Die St. Peterskirche. S. 209 Bemerkungen uͤber die Mosaische, oder besser Musivische Mahlerei. Etwas uͤber Denkmaͤler, Ehrensaͤulen und Grabmaͤler. Zufaͤllige Ideen uͤber allegorische Bezeichnungen. Soll die Figur des Verstorbenen handelnd oder ruhend gebildet werden? Die Frage wird nicht entschieden, son- dern nur zur Warnung aufgeworfen. Zweifel uͤber das Grabmal der Madame Langhans von Hrn. Nahl, (in einer Note). Bemerkungen uͤber die Kunstwerke in der St. Peterskirche im Einzelnen. Der heil. Andreas von Fiammingo. Pieta von M. Angelo Buonarotti. Catedra di St. Pietro. Grabmal des Pabstes Urban VIII. von Bernini. Grabmal Pauls III. von M. Angelo Buonarotti und della Porta. Attila, Basrelief von Algardi. Ein Basrelief ist kein Gemaͤhlde: die Anordnung desselben Inhalt. desselben folgt andern Regeln. Die zweckmaͤßig- sten Suͤjets fuͤr ein Basrelief sind solche, welche reihenweise Aufstellung der Figuren neben einander in abwechselnden Stellungen motiviren. Dieje- nigen Basreliefs sind die schoͤnsten, auf denen die Umrisse der Figuren sanft in den Grund laufen. Fortgesetzte Beurtheilung unsers Basreliefs. Cha- rakter des Algardi. Die neue Sacristei der St. Peterskirche. S. 244 Kirche S. Adriano in Campo Vaccino. S. 246 Kirche Santa Agnese, e Sta Costanza, beide vor der Porta Pia. S. 247 Kirche S. Agnese in Piazza Navona. S. 248 Kirche S. Agostino. S. 248 Esaias von Raphael. Kirche S. Andrea di monte Cavallo, oder de’ Gesuiti. S. 251 Der heil. Coska von le Gros. Kirche S. Andrea della Valle. S. 252 Mahlereien des Domenichino. Kuppel von Lanfranco. Hauptvorzug und Hauptfehler dieses Meisters. Kirche S. Antonio di Padova, gewoͤhnlich, della Concezione de’ Padri Cap- puccini genannt. S. 255 Der Inhalt. Der Erzengel Michael von Guido Reni. Ue- ber Engels- und Teufelsgestalt in der neueren Mah- lerei. Kirche bei dem Archiginnasio della Sa- pienza. S. 260 Kirche de’ S S. Apostoli. S. 261 Kirche S. Bibiana. S. 261 Santa Bibiana von Bernini. Stil des Ber- nini und seiner Nachfolger. Kirche S. Caecilia in Trastevere. S. 263 Heil. Caͤcilia von Stefano Maderno. Kirche S. Carlo ai Catinari. S. 264 Der Tod der heil. Anna von A. Sacchi. Die vier Cardinaltugenden von Domenichino. Kirche S. Carlo al Corso. S. 266 Kirche S. Carlo alle quatro fontane. S. 267 Kirche S. Catarina di Siena. S. 267 Kirche S. Cosimo e Damiano. S. 267 Kirche S. Croce in Gerusalemme. S. 268 Kirche S. Domenico e Sisto. S. 268 Kirche S. Eusebio. S. 269 Plafond von Mengs. Kirche S. Francesco a Ripa. S. 271 Pieta von Annibale Carraccio. Kirche Inhalt. Kirche il Gesu. S. 273 Kirche S. Giacomo degli Incurabili. S. 274 Kirche S. Giacomo degli Spagnuoli. S. 275 Kirche S. Giovanni Colabita. S. 276 Kirche S. Giovanni Evangelista e S. Petro- nio. S. 277 Kirche S. Giovanni de’ Fiorentini. S. 278 Grabmal des Marchese Capponi von M. A. Slodz. Vorschlag zu einem Symbol an einem unserm Leibnitz kuͤnftig zu errichtenden Grabmale, (in einer Note). Kirche S. Giovanni Battista nel fonte Late- rano, oder Battisterio di S. Giovanni di Laterano. S. 279 Kirche S. Giovanni di Laterano. S. 280 Schoͤnes Grabmal des Pabstes Clemens XII. aus dem Hause Corsini. Kapelle: Triclinium Leonis III. in der Nachbarschaft dieser Kirche. Kirche S. Girolamo della Carità. S. 283 Die letzte Communion des heil. Hieronymus von Domenichino. Kirche S. Girolamo degli Schiavoni. S. 285 Kirche S. Giuseppe a Capo le Case. S. 285 Kirche Inhalt. Kirche S. Gregorio Magno. S. 286 Capelle des heiligen Andreas mit Mahlereien von Guido Reni und Domenichino. Kirche S. Grisogono. S. 288 Kirche S. Ignazio. S. 289 Kirche S. Lorenzofuori delle Mure. S. 290 Kirche S. Lorenzo in Lucina. S. 291 Kirche S. Lorenzo in Miranda. S. 291 Kirche S. Luigi de’ Francesi. S. 292 Capelle mit Mahlereien von Domenichino. Kirche S. Marcello al Corso. S. 294 Kirche S. Maria degli Angeli, oder alle Terme di Diocleziano, auch la Certrosa. S. 295 Beurtheilung eines Gemaͤhldes von Pompeo Battoni. Marter des heil. Sebastians von Do- menichino. Kirche S. Maria dell’ Anima. S. 300 Schoͤnes Gemaͤhlde von Giulio Romano. Kinder von Fiammingo. Kirche S. Maria dell’ Appollinare. S. 301 Kirche S. Maria di Loretto. S. 301 Heil. Susanna von Fiammingo. Einige Be- merkungen uͤber den Stil dieses Meisters. Kirche Inhalt. Kirche S. Maria Maddalena al Corso. S. 303 Kirche S. Maria Maddalena e S. Salvatore delle Capelle. S. 304 Kirche S. Maria Maggiore. S. 304 Kirche S. Maria ad Martyres, oder das Pan- theon, gewoͤhnlich la Rotonda ge- nannt. S. 305 Madonna von Lorenzetto. Kirche S. Maria Sopra Minerva. S. 307 Christus von Michael Angelo. Kirche Maria di Monte Santo. S. 308 Kirche S. Maria della Navicella. S. 308 Kirche S. Maria dell’ Orto. S. 309 Kirche S. Maria della Pace. S. 309 Kirche S. Maria del Populo. S. 309 Jonas von Lorenzetto nach Raphaels Zeich- nung. Kirche S. Maria della Scala. S. 312 Kirche S. Maria de Sole, oder Stefano delle Carozze. S. 312 Kirche S. Maria in Trastevere. S. 313 Kirche S. Maria in Valicella, oder Chiesa Nuova. S. 314 Kreuzabnehmung von M. A. Carravaggio. Kirche Inhalt. Kirche S. Maria della Vittoria. S. 317 Gruppe der heil. Theresia von Bernini. Kirche S. Nicolo in Carcere. S. 320 Kirche S. Nicolo de’ Lorenesi. S. 320 Kirche S. Onofrio. S. 321 Kirche S. Pietro in Montorio. S. 323 Raphaels Transfiguration. Kirche S. Pietro in Vinculis. S. 331 Moses von Michael Angelo. Ueber den Stil dieses Meisters und seiner Nachfolger in der Bild- hauerei. Kirche S. Prassede. S. 336 Kirche del Priorato di Malta. S. 337 Kirche S. Rocco. S. 337 Kirche S. Romualdo. S. 339 Der heil. Romualdus von Andrea Sacchi. Verdienst dieses Kuͤnstlers um die Theile der Mah- lerei, welche eine große Composition zu einem wohlgefaͤlligen Ganzen machen: Ton, Harmonie der Farben, Harmonie des Helldunkeln, Contra- posto, Pyramidalgruppe, und Gruppirung. Er- klaͤrung dieser Woͤrter. Kirche S. Stefano Rotondo. S. 352 Kirche Sacre Stimate di San Francesco. S. 352 Kirche Inhalt. Kirche S. Sylvestro a monte Cavallo. S. 352 Vier runde Gemaͤhlde von Domenichino, be- kannt unter dem Nahmen: tondi del Dome- nichino. Kirche S. Trinità de’ Monti. S. 354 Kreuzabnehmung Christi von Daniel da Vol- terra. Kirche S. Trinità de’ Pellegrini. S. 356 Ueber einige Kunstwerke an offenen Plaͤtzen der Stadt. S. 357 Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Ti- tus. S. 357 Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Kai- sers Septimius Severus. S. 357 Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Kai- sers Constantin des Großen. S. 358 Pferdebezwinger in monte Cavallo. S. 360 Bildhauerarbeit an der Saͤule des Trajans. S. 361 Bildhauerarbeit an der Saͤule des Marcus Aurelius Antoninus. S. 363 Bildhauerarbeit an dem Postament der Saͤule des Antoninus Pius. S. 365 Bildhauerarbeit an der Fontaine di Termine. S. 365 Dritter Theil. b Bild- Inhalt. Bildhauerarbeit an der Fontaine di Trevi. S. 366 Bildhauerarbeit an der Fontaine della Piazza Navona. S. 366 Kleinere Fontaine ebendaselbst. S. 367 Pasquino. S. 368 Nachtrag einiger Nachrichten uͤber Kunstwerke zu Fres- cati, in den Villen der umliegenden Ge- gend, und besonders in der Kirche zu Grotta Ferrata. S. 369 Villa Aldobrandini. S. 369 Casino Aldobrandini. S. 369 Villa Mondragone. S. 369 Schoͤner colossalischer Kopf des Antinous. Villa Falconieri. S. 370 Villa Bracciano. S. 370 Kapuzinerkloster. S. 370 Kirche zu Grotta Ferrata. S. 370 Mahlereien von Domenichino: Charakter die- ses Meisters. Schluß. S. 377 Pallast Pallast Giustiniani. I ch habe mir vorgenommen, zu Anfang dieses Ueber die Wahl der Suͤjets zur sichtbaren Darstellung. Was das sa- gen wolle: der Kuͤnstler kann sie nicht interessant genung waͤh- len. dritten Theils meines Versuchs uͤber die Mah- lerei und Bildhauerkunst nach Anleitung ihrer Werke, die in Rom angetroffen werden, uͤber eine wichtige Frage zu reden: uͤber eine Frage, die auf den Genuß der bildenden Kuͤnste von dem groͤßten Einflusse ist: uͤber eine Frage, die man oft entschie- den und nie eroͤrtert hat: uͤber die Frage naͤmlich, auf welche Wuͤrkung von seinen Werken der Kuͤnstler bei dem Beschauer vorzuͤglich rechnen, und sich dar- nach bei der Wahl der Gegenstaͤnde zur Darstellung bestimmen muͤsse. Und diese Frage ist keinesweges weit hergeholt; steht keinesweges am unrechten Orte bei einem Pal- laste, der von unzufriedenen Liebhabern gemeiniglich als Rechtfertigung ihrer Klagen uͤber die wenig in- teressanten Suͤjets, welche viele Italienische Mei- ster beschaͤfftiget haben, angefuͤhret wird. Dies Fußwaschen, dieser heil. Matthaͤus dem ein Engel beim Schreiben die Hand fuͤhrt, diese Juͤnger zu Emmaus die wir hier aufgestellet sehen, Dritter Theil. A was Pallast Giustiniani. was sagen sie, so wie viele andere aus der Geschichte des neuen Testaments entlehnte Begebenheiten, un- serm Herzen, unserer Einbildungskraft? Ich raͤume ein: Nicht viel! Es waͤre zu wuͤnschen, daß man aus einem Buche, das so reich an Handlung ist, immer solche Suͤjets waͤhlen moͤchte, die außer mah- lerischer Wuͤrkung auch wohlgefaͤllige Formen und einen edeln Ausdruck motiviren. Wenn man aber nun fortfaͤhrt zu klagen, wenn man sogar verlangen will: nichts solle man mahlen, was nicht das sittliche Gefuͤhl unmittelbar bessere, den Verstand aufklaͤre, und alle Vorstellung bibli- scher Geschichte muͤsse gaͤnzlich von dem Gebiete der schoͤnen Kuͤnste ausgeschlossen werden; so merkt man, daß diese Forderungen so unbestimmt und ausschwei- fend sind, daß sie in die Classe der Anmaaßungen gesetzt werden muͤssen, denen man nichts einraͤumen kann, weil sie zu viel Aufopferung nach sich ziehen wuͤrden. Die Differenz, auf deren Entscheidung es hier ankommen wird, muß dahin genauer bestimmt werden: Soll der Kuͤnstler bei der Wahl seiner Suͤjets auf unmittelbare Besserung des moralischen Gefuͤhls fuͤr das Gute, und Aufklaͤrung des Verstandes, des Erkenntniß, Urtheilsvermoͤgen, ja! selbst auf Verstaͤrkung eines vorhin von Werken anderer Kuͤnste, die mehr als sie fuͤr das intellektuelle Ver- gnuͤgen arbeiten, erhaltenen Eindrucks seine erste Ruͤcksicht nehmen: kurz! soll er auf Nutzbarkeit zu- erst und hauptsaͤchlich rechnen; Oder Pallast Giustiniani. Oder soll ihn das bestimmen: ob die Einbil- dungskraft des Beschauers, dessen Gefuͤhl fuͤr das sichtbar Vollkommene und Wahre, fuͤr den Augen- blick der Beschauung seines Werks, ohne Ruͤcksicht auf Vorempfindung und kuͤnftigen Gewinn, an der Darstellung Unterhaltung finden werde: kurz! ob gegenwaͤrtiges Vergnuͤgen im eigentlichsten Verstande, Vergnuͤgen des Augenblicks, der Wegweiser seiner Bemuͤhungen seyn muͤsse. Ich fuͤhle, daß ich hier noch nicht ganz verstaͤnd- lich bin, aber ich werde es in der Folge werden, wenn Beispiele zur Lehre hinzutreten. Nur um einem Misverstande vorzubeugen, erklaͤre ich hier nochmals, daß ich Vergnuͤgen, als Wuͤrkung bil- dender Kuͤnste, fuͤr den gegenwaͤrtig wohlgefaͤlligen Eindruck nehme, den der bloße Anblick eines fuͤr sich stehenden Bildes giebt: Unter Nutzen aber auch das Vergnuͤgen begreife, welches uͤberhaupt die Veran- lassung zu ferneren angenehmen Sensationen jeder Art durch den Anblick des Bildes gewaͤhrt. Nur unsere Erfahrungen uͤber die wesentlichen Der ange- nehme Ein- druck des Anblicks, der Ideen und Gefuͤhle die mit demsel- ben fuͤr den Augenblick in der Seele jedes wohl- erzogenen Bestandtheile des angenehmen Eindrucks, den wir von den Kuͤnsten empfangen haben, koͤnnen uns bei Entscheidung dieser Frage zur Richtschnur dienen: nicht das Ideal, welches wir uns von dem hoͤchsten Zwecke der Kunst ohne Kenntniß ihrer Kraͤfte ma- chen: nicht der Eindruck, den wir von ihnen zum Besten des einzelnen Menschen, oder zum Besten eines idealischen Ganzen, erwarten moͤchten. Jener Torso di Belvedere ohne Kopf, Arm und Beine, was giebt er fuͤr den Augenblick meinem A 2 Herzen Pallast Giustiniani. und unbe- fangenen Beschauers aufsteigen muͤssen, sind die zuverlaͤs- sigsten Weg- weiser bei der Wahl eines Suͤjets fuͤr bildende Kuͤnste. Herzen fuͤr eine bessere Richtung; meinem Verstande fuͤr eine neue oder verstaͤrkte Vorstellung einer auf fernere Schluͤsse fuͤhrenden Wahrheit; oder endlich der reproducirenden Kraft meiner Seele fuͤr ein Bild, durch die Darstellung eines Dichters vorherempfun- den? Mir, sage ich, und ich nenne den Haufen, der auf den Genuß der Kuͤnste mit mir berechtigt ist; nicht den Antiquar, nicht den Litterator, nicht den Kuͤnstler. Denn um einen Eindruck aͤsthetisch zu nennen, muß er nicht particulair, er muß so allge- mein seyn, als der Wuͤrkungskreis der Kuͤnste es uͤberhaupt zulaͤßt. Jener flinke rasche Bauerkerl, der sein Maͤd- chen so herzlich durchs Wasser traͤgt; jene Spieler des Carravaggio, die den Neuling hintergehen; jene gute Mutter des Gerhard Daw, sind sie von dem Gebiete der schoͤnen Kuͤnste ausgeschlossen, weil mein moralisches Gefuͤhl nichts durch ihren Anblick ge- winnt, weil keine neue, oder verstaͤrkte Vorstellung einer nuͤtzlichen Wahrheit, einer schoͤnen Stelle aus einem Dichter dadurch in meiner Seele aufsteigt? Wer wird das behaupten? Ich habe die Schoͤn- heit jenes Rumpfes angestaunt, die Wahrheit seines Fleisches, so wie die Geschicklichkeit der Behandlung des Marmors bewundert; Ich habe den Ausdruck des guten Jungens, der die Gelegenheit sein Maͤd- chen zu umarmen so bescheiden zu nutzen weiß, die Wahrheit, die Abwechselung in Minen und Stel- lung der Betruͤger gefuͤhlt, und das Lachen uͤber den dummen Betrogenen nicht zuruͤckhalten koͤnnen; Ich habe selbst da wo weder Schoͤnheit der Gestalt noch Wahr- Pallast Giustiniani. Wahrheit des Ausdrucks der Affekte mein Empfin- dungsvermoͤgen in Bewegung setzte, in der Wahr- nehmung einer treuen Nachbildung, in der mahleri- schen Wuͤrkung der Farben und des Helldunkeln, endlich in dem Ruͤckblick auf die Geschicklichkeit des Kuͤnstlers, Quellen eines Vergnuͤgens gefunden, das der Mann mit seinen nuͤtzlichen Ruͤcksichten da, mir auf keine Weise wegsophistisiren soll. Er selbst, wenn er nicht durch lange Gewohn- heit seinen Sinn fuͤr das sichtbar Angenehme des bloßen Anblicks abgestumpft hat, er muß ein Ver- gnuͤgen mit mir theilen, das selbst ein Friedrich der Große als Gegenstand seiner Erholung stets gewuͤr- digt hat. Ich wuͤrde nun von ihm den Beweis erwarten duͤrfen, daß die Idee eines Nutzens fuͤr den Ver- stand und fuͤr das moralische Gefuͤhl des Guten, den Mangel der Schoͤnheit, der Wahrheit des Aus- drucks der Affekte, der kuͤnstlichen Behandlung je- mals wieder gut gemacht habe. Er wird ihn mir in Ewigkeit schuldig bleiben, und dann wuͤrde so viel bewiesen seyn, daß diese, nicht jene Stuͤcke als Be- standtheile des Wesens der bildenden Kuͤnste ange- sehen werden muͤßten. Aber sagen jene Stoiker, die so gern Aufklaͤrung und Besserung durch die Kuͤnste verbreiten wollen: Ihr Epicuraͤer, die ihr nur fuͤr den Augenblick ge- nießet, ihr thut uns Unrecht! Wir verlangen nicht, daß jene Grundlagen des sichtbar Angenehmen der Consideration des Nutzens, des außer dem Anblick liegenden Vergnuͤgens, je aufgeopfert werden sollen; A 3 sondern Pallast Giustiniani. sondern wir wollen nur, daß der wohlgefaͤllige Ein- druck des bloßen Anblicks eine nuͤtzliche Richtung er- halte, und daß in allen Faͤllen wo Vergnuͤgen und Nutzen nicht mit einander bestehen koͤnnen, die Werke der Kunst, welche nur jenes bezielen, wo nicht als Pest der Sitten, wenigstens als unnuͤtzes Spielwerk, mit den Worten Ludwig des XIV. otez moi ces magots là! aus unserm Anblick weggeschafft wer- den sollen. Also: das Nuͤtzliche soll nicht gebildet werden, wenn es nicht zu gleicher Zeit wohlgefaͤllig seyn kann: aber das Wohlgefaͤllige soll auch nicht gebildet wer- den, wenn es nicht zu gleicher Zeit nuͤtzlich seyn kann. Dieser Ausspruch scheint eine Art von Composi- tion beider streitenden Partheien zu enthalten, er hat den Anschein eines billigen Vergleichs. Allein wohl- erwogen, ist der Nachtheil ganz auf unserer Seite. Wir verlieren, wenn wir jenes Interim, jenes Ver- einigungsmittel annehmen, die halbe Italienische und Hollaͤndische Schule, ganze Arten von Gegenstaͤnden, der Mahlerei, Stilleben, Blumenstuͤcke, unbelebte Landschaften: Und sie, unsre Gegner, opfern hoͤch- stens einige Klecker auf, deren Schattenrisse nuͤtzli- cher Wahrheiten, und merkwuͤrdiger Geschichten ih- nen ohnehin kein dauerndes Vergnuͤgen machen konn- ten. Ich habe laͤngst die Gemaͤhlde aus der Aeneis von Coypel, und die Sinnbilder des Octavius van Veen vergessen, und erinnere mich immer mit dem groͤßten Interesse an die vache qui pisse von Paul Potter. Doch! Pallast Giustiniani. Doch man wird die eigentliche beschreibende Mahlerei, von der dramatischen absondern, sich blos auf historische Compositionen einschraͤnken, und von diesen erwarten wollen, daß sie nur dem moralischen Gefuͤhle, dem Erkenntnißvermoͤgen, der Erinnerung an mehr intellektuale Schoͤnheiten, interessante Ge- genstaͤnde darstellen sollen. Aber selbst in Ansehung dieser, darf man sich billigere Grundsaͤtze versprechen, wenn man erwaͤgt: Einmal, daß die bildenden Kuͤnste selbst dann, wann sie nicht unmittelbar durch jedes einzelne Werk bes- sern, aufklaͤren, an intellektuelle Schoͤnheiten sinn- lich erinnern, dennoch im Ganzen fuͤr Bildung des Geistes und des Herzens von dem wichtigsten Ein- flusse sind. Zweitens: daß die Ruͤcksicht auf unmittelbaren Nutzen, ein Wort, welches hier die Verstaͤrkung eines vorher empfundenen Vergnuͤgens anderer Art mit umfaßt, in den bildenden Kuͤnsten zu Irrthuͤ- mern verfuͤhre, welche fuͤr unser gegenwaͤrtiges Ver- gnuͤgen an dem sichtbar Angenehmen aͤußerst gefaͤhr- lich werden koͤnnen. Das Urtheil uͤber das sichtbar Vollkommene, Die bilden- den Kuͤnste klaͤren den Verstand auf, staͤrken ihn, bessern das Herz, unterstuͤtzen den Eindruck des unsicht- uͤber Wahrheit des Ausdrucks, uͤber mahlerische Wuͤrkung, uͤber das Verdienst der mechanischen Behandlung, mit einem Worte: der Geschmack in den bildenden Kuͤnsten, haͤngt von der Wahrneh- mung so feiner Verhaͤltnisse ab, daß der Mann, der sich anhaltend darin uͤbt, den Einfluß der hierbei er- langten Fertigkeit nothwendig in alle den Lagen erfah- ren muß, worin das Verhalten, die Entscheidung, A 4 nicht Pallast Giustiniani. bar Schoͤ- nen nicht im Einzelnen, sondern im Ganzen. nicht von der Befolgung festgesetzter Regeln, sondern von dem Zusammentreffen der jedesmaligen Umstaͤnde abhaͤngt. Der Geist des Menschen, der sich mit ernsthaften, und fuͤr das Wohl seiner Mitbuͤrger wichtigen Angelegenheiten beschaͤfftigt, wuͤrde der steten Anstrengung seiner Kraͤfte erliegen, wenn er nicht zuweilen eine Erholung faͤnde, die ihn abspannt, ohne ihn zu erschlaffen, oder vielmehr gaͤnzlich ein- zuschlaͤfern. Die Unterhaltung, welche die bildenden Kuͤnste gewaͤhren, scheint dazu besonders geschickt. Sie ist leicht, weil sie sinnlich ist; sie ist beschaͤfftigend, weil sie die Einbildungskraft ausfuͤllt, und das Empfin- dungsvermoͤgen zur sanften Theilnehmung einladet. Diese Kraͤfte der Seele, wenn sie gleich nicht zu den obern gehoͤren, sind bei der Ausfuͤhrung vieler Ge- schaͤffte nicht ohne Wuͤrksamkeit, sie werden durch die bildenden Kuͤnste erhalten, ausgebildet, ohne in die lebhafte Spannung und Thaͤtigkeit gesetzt zu wer- den, welche die obern Erkenntniß und Urtheilskraͤfte schwaͤchen koͤnnte. Der groͤßte Vorzug der bildenden Kuͤnste in Ruͤcksicht auf Gewinn des Verstandes aber scheint mir dieser zu seyn, daß sie die Seele zuweilen von der wuͤrklichen Welt abziehen, ohne sie dieser uͤber die Idealische vergessen zu machen. Wir erblicken vollkommnere Menschen, aber nur der Gestalt nach, nur als Gestalten. Wir werden ruhig, heiter, und nicht unbillig. Wir kehren von dem Anblick der Welt im Bilde, gleichsam als durch einen sanften Traum gestaͤrkt zuruͤck, und finden uns geschickter, die Buͤrde des Lebens wieder aufzunehmen. So Pallast Giustiniani. So schaͤrfen die Kuͤnste, so staͤrken die Kuͤnste den Verstand im Ganzen. Aber auch fuͤr das mo- ralische Gefuͤhl kann das bloße Vergnuͤgen an dem sichtbar Vollkommenen, ohne unmittelbare Ruͤcksicht auf dessen Besserung wieder im Ganzen, von den seligsten Folgen seyn. Wer wird den Anspruch des Menschen auf Er- holung, auf Muße, aufs uneigennuͤtzige Vergnuͤgen, auf jenes dolce far niente der Italiener, ver- kennen! Und wie oft wird es nur mit Verderben fuͤr Geist und Koͤrper aufgesucht! Eine Kunst die ohne der geselligen Bestimmung zu schaden, ohne eigen- nuͤtzige oder groͤbere Triebe zu naͤhren, diese Erho- lung, diese geschaͤfftlose Beschaͤfftigung gewaͤhrt, soll sie nicht wenigstens mit dem so oft misbrauchten Kar- tenspiele, und andern Unterhaltungen dieser Art in eine Classe gesetzt werden? Doch! sie hat Anspruͤche auf einen hoͤheren Rang unter den Befoͤrderungs- mitteln der Tugend! Das Gefuͤhl des sichtbar Voll- kommenen, waͤre es auch nur dasjenige, was durch die Wahrnehmung der Harmonie der Farben und der Lichter, also durch die unterste Art des Schoͤnen erweckt wird, haͤngt mit dem Gefuͤhl des moralisch Vollkommenen so genau zusammen, scheint so sehr auf einer und derselben Grundfaͤhigkeit zu beruhen, daß man sie dreist fuͤr Sproͤßlinge einer und derselben Wurzel ansehen kann, oder, wenn man lieber will, fuͤr verschiedene Trompen, mit denen eine gemein- schaftliche Nahrung zur Erhaltung und Entwickelung des einfachen Keims des Guten und Schoͤnen einge- sogen wird. Schwerlich wird der Hollaͤnder der die sichtbare Vollkommenheit in den Theilen, worin A 5 Teniers Pallast Giustiniani. Teniers Bauerschenken wuͤrklich schoͤn sind, in der Harmonie der Farben und des Helldunkeln, uneigen- nuͤtzig empfindet, gegen die moralische Vollkommen- heit der Harmonie unserer Handlungen mit unsern Gesinnungen ganz unempfindlich bleiben koͤnnen. Ist so viel bewiesen, daß das Nachstreben der bildenden Kuͤnste nach bloßer Unterhaltung des Be- schauers dem Verstande und den Sitten keinesweges nachtheilig sey; — und ich brauche hier nicht zu er- innern, daß beabsichtete Ausbildung unsers Ver- standes und Herzens von dem Misbrauche der bild- lichen Darstellung zu unanstaͤndigen, unsittlichen Gegenstaͤnden sehr verschieden sey; — so fraͤgt sich nun noch, ob die absichtliche Ruͤcksicht auf Nutzen bei der Wahl einzelner Gegenstaͤnde zur bildlichen Darstellung eben so unnachtheilig fuͤr unser Ver- gnuͤgen seyn moͤchte? Unmittelba- re Ruͤcksicht auf Besse- rung des mo- ralischen Ge- fuͤhls fuͤr das Gute, kann dem angenehmen Eindruck des sichtbar Schoͤnen leicht gefaͤhr- lich werden. Eine edle Handlung Ich wende mich zuerst zur Pruͤfung der Forde- rung, daß unser Herz zur Tugend durch den Anblick solcher Bilder aufgefordert werden solle, welche edle und erhabene Thaten verewigen, oder die Folgen der Tugend und des Lasters allegorisch versinnlichen. Edle und erhabene Thaten! Hier herrscht un- streitig Verwechselung der Begriffe, oder uͤbertriebene Anmaaßung. Man kann die edle Fassung mahlen, mit der eine edle That gethan wird, man kann eine edle Handlung mahlen, nie aber die edle Gesinnung die in der Handlung liegt, und diese allein zur edlen That macht. Alle Pallast Giustiniani. Alle Handlungen selbst uninteressante und ge- im Bilde, wird von der gewoͤhnlich- sten That ge- sagt, die mit einem edeln Anstande von edeln Gestalten unternom- men werden kann. Eine edle That setzt edle Ge- sinnungen in der handeln- den Person zum Voraus, und diese mahlt man selten gluͤck- lich. woͤhnliche koͤnnen fuͤr das waͤgende Auge mit einem gewissen Anstande unternommen werden, der, weil er auf die Idee eines zu edeln und erhabenen Thaten faͤhigen Geistes zuruͤck fuͤhrt, den Nahmen eines edeln eines erhabenen Ausdrucks verdient, und der Zusatz einer schoͤnen und dem Charakter von Erhaben- heit angemessenen Form, macht das Sitzen eines ruhenden Hercules in dem Bilde, zu einer sichtbar edlen oder erhabenen Handlung. Aber nicht zu einer edeln zu einer erhabenen That! die trauen wir dem Manne im Bilde zu, sehen aber koͤnnen wir sie selten mit Gluͤck. Denn es muß bei dem Begriff derselben die Vorstellung von Ueberwindung niedriger Leidenschaften, von ei- nem wuͤrklichen Aufwande großer Seelenkraͤfte hinzu- treten; und diese Vorstellung erweckt eine Kunst, die nur einen stillstehenden Augenblick schildert, entweder gar nicht, oder aͤußerst mangelhaft. David der seinem Feinde Saul einen Zipfel des Rocks abschnitt, anstatt ihn, da er in seiner Gewalt war, zu toͤdten, begieng eine erhabene eine edle That: aber dieser Augen- blick, der einzige der in dieser Begebenheit der sichtba- ren Darstellung faͤhig ist, enthaͤlt keine edle, erhabene Handlung im Bilde. Dagegen sagen wir von den so- genannten Pieta’s, oder Madonnen die uͤber den er- schlagenen Christus trauren, daß sie einen edlen erha- benen Gegenstand fuͤr die Kunst ausmachen, obgleich das Trauren einer Mutter uͤber ihren erschlagenen Sohn, gewiß keine erhabene, edle That, vielmehr eine aͤußerst gewoͤhnliche ist. Man vergleiche damit die Mutter der Gracchen, die auf die Nachricht von dem Pallast Giustiniani. dem Tode des letzten ihrer beiden Soͤhne antwortet: Er ist fuͤrs Vaterland gestorben! Gewiß eine viel edlere That; aber welch eine kalte todte Figur muͤßte sie im Bilde machen! Dasjenige was uns bei einer edeln That am meisten interessirt, die ruhige Geistesstaͤrke der han- delnden Person, laͤßt sich nie auf dem Bilde versinn- lichen: sie wird zur Apathie, zur Inaktion, und verfehlt aller Ruͤhrung. Edel und erhaben sind also Woͤrter, welch e in der Mahlerei von den Formen, von dem Ausdrucke der oft gewoͤhnlichsten Affekte gebraucht werden: auf das Erhabene, auf das Edle der historischen That, wenn sie auf Affekten beruhet, die sich nicht bestimmt durch Gebaͤrden ausdruͤcken lassen, soll, darf der Kuͤnstler keine Ruͤcksicht nehmen, sie ist fuͤr ihn un- brauchbar. Wie unbedeutend wuͤrde der Ausdruck eines: Soyons amis Cinna! des Augustus, gegen den Mord des heil. Petrus des Maͤrtirers; wie kalt der des Vaters der Horazier mit seinem: qu’ il mou- rut! gegen die Camilla die von ihrem Bruder er- stochen wird, in dem Bilde stehen! Ein edles Suͤjet heißt also in den bildenden Kuͤnsten ein Suͤjet, das Veranlassung zu edlen For- men und einem edlen Ausdruck gewaͤhrt. Es giebt edle Thaten, die fuͤr die Kunst auch edle Suͤjets sind, und als sichtbare Darstellung Wuͤrkung thun: aber dies haͤngt nicht von dem Edlen der That selbst, sondern von der zufaͤlligen Veranlassung ab, einen sichtbar deutlichen, vollstaͤndigen, abwechselnden, und Pallast Giustiniani. und dabei edeln Ausdruck zu motiviren. Die Ge- schichte des Regulus, des Herzogs Leopold von Braun- schweig Haͤtte man nicht vergessen, daß Veranlassung zur Empfindung und percipirte Empfindung selbst, so weit von einander verschieden sind; so wuͤrde man bei der juͤngsthin geschehenen Aufgabe, die Aufo- pferung des großen Herzogs Leopold zu mahlen, nicht auf allegorische Zeichen des Edeln das in der That liegt, gefallen seyn. Sie gehoͤrt zu den we- nigen, die sich durch den bloßen Anblick verstaͤnd- lich machen lassen, weil sie bei den handelnden Per- sonen Affekte in Bewegung setzt, die sich gern durch Gebaͤrden mittheilen, und mehr sanfter als starker Art sind. Der wahre Augenblick zur Darstellung der Ge- schichte des Herzogs Leopold zum Vortheil der Kunst ist der, wo er in das Boot steigt. Eine Aussicht auf den Fluß kann die halb von den Wel- len bedeckten Ungluͤcklichen zeigen, deren einer am Zweige eines Baumes haͤngend nach Rettung ruft. Das Boot muß leer seyn: Der Prinz haͤlt selbst das Ruder in der Hand des Arms, an den sich seine Freunde haͤngen wollen, ihn aufzuhalten. Er stoͤßt sie zuruͤck, er zeigt auf die Ungluͤcklichen, und tritt ins Boot. Ein paar Schiffer die mit ent- schuldigender Gebaͤrde am Ufer stehen, blickt der Fuͤrst mit einer Mine an, die ihnen ihre Zaghaf- tigkeit vorwirft. Dies ist der interessanteste Augenblick der Be- gebenheit: er motivirt einen vollstaͤndigen, be- stimmten und abwechselnden Ausdruck. Jeder- mann der dies Bild sieht, wird sich sagen koͤnnen: Hier sind von dieser Art. Aber die Geschichte der Pallast Giustiniani. der Decier, des Codrus sind es nicht: und ein Vo- gelschießen von Domenichino, eine Grablegung von Raphael sind es in eben dem Grade. Die verkoͤr- perte Dar- stellung der Folgen des Lasters, ist, da sie so leicht haͤßliche For- men, und ei- nen unedlen Ausdruck motiviret, selten ein schicklicher Gegenstand fuͤr die Kunst. Ich gehe weiter, und finde in den Versuchen die Folgen des Lasters und der Tugenden zu meiner moralischen Besserung zu verkoͤrpern, eben dieselbe Gefahr fuͤr mein Vergnuͤgen. Den ersten Beweis nehme ich aus einem unter uns bekannten Drama, dem deutschen Hausvater, her. Eine der handelnden Personen ist ein Mahler, der neben seinem Enthusiasmus fuͤr die Kunst, eine Tochter zum einzigen Reichthum hat. Ein vornehmer Weichling, ein Graf, hat uͤber die Unschuld des Maͤd- chens gesiegt, und ist nun im Begriff sich von ihr zu trennen. Dem Vater ist das Verhaͤltniß seiner Tochter mit dem Grafen, der ehemals sein Schuͤler in der Kunst gewesen war, ein Geheimniß. Er zeigt dem Verfuͤhrer einige seiner letzten Arbeiten, und bei dieser Gelegenheit legt ihm der Dichter folgende Worte in den Mund: „Hoͤren Sie, Graf, die Kuͤnstler des Alter- „thums wußten so stark auf ihre Nation zu wuͤrken: „Ich denke wir koͤnnten das auch, stellten wir Ge- „genstaͤnde vor, die jeden besonders angiengen. Es „ist Hier hat sich ein Prinz in eine große Gefahr bege- ben wollen, um einige Ungluͤckliche zu retten. Die Deutlichkeit, die Vollstaͤndigkeit, die dadurch ent- stehende Abwechselung des Ausdrucks ist Grund- lage des Vergnuͤgens; Die Betrachtung: das ist edel! unsinnlicher Zusatz. Pallast Giustiniani. „ist zum Beispiel ein abscheuliches Ding, ein Kin- „dermord! Ich nach meinem Gefuͤhl kenne nichts „schrecklicheres in der Natur! — Ich daͤchte es „wuͤrde Vortheile haben, wenn unsere Kunst solche „Gegenstaͤnde darstellte. Sehen Sie, Graf, ich „habe hier die Skizzen gemacht; hier das ungluͤck- „liche Maͤdchen wie es ihr Kind wuͤrgt, merken „Sie, da oben in dem Strich da, die Verzweiflung, „die Raserei der Mutter! Fuͤhlen Sie das, Graf! Vortrefflich! Vortrefflich! aber das gilt nur dem Dichter. Dem Mahler, der das haͤtte sprechen koͤnnen, duͤrften die Alten, auf die er sich beruft, die Kunst sogleich nach dieser Rede gelegt haben. Ein Kindermord! Nichts scheußlicheres in der Natur! Und dennoch soll die Vorstellung eine Quelle des Vergnuͤgens seyn! Fuͤr wen? Fuͤr den Grafen ge- wiß nicht; und der ruhige Beobachter! Was weiß der von der Veranlassung zu dieser schrecklichen That! Er sieht die Mutter zum ersten Male, und das Un- geheuer das ihr Kind wuͤrgt, mit Zuͤgen entstellt durch Verzweiflung, verzerrt durch Raserei, — auf immer. Ja! wird man sagen, das hat der Dichter im Schauspiel den Mahler wohl sagen lassen koͤnnen, was kuͤmmert den der Kuͤnstler, wo er den Menschen braucht; aber in der Natur, in der wuͤrklichen Welt — Sind vielleicht keine Hogarths, keine Chodo- wieky’s bekannt? Habe ich nicht in Paris die voͤllige Anwendung dieser Lehre auf einer ausgefuͤhrten Skizze des Greuze gesehen? Ich wollte, ich haͤtte nicht: Denn auf folgende Art hatte er die Allegorie einer un- gluͤcklichen Ehe entworfen: Zwei Pallast Giustiniani. Zwei Ehegatten fahren in einem Kahne uͤber den Strom des Lebens hin, von dem sich ein Arm zu einem schrecklichen Catarakt bildet. Das Weib, ein feistes faules Geschoͤpf, schlaͤft auf dem Hintertheile des Nachens. Der abgehaͤrmte ausgemergelte Mann erschoͤpft seine letzten Kraͤfte unter der Last des Ruders. Ihre ausgehungerte Kinder liegen sich in den Haaren uͤber ein Stuͤck Brod: Dies giebt der einen Seite des Nachens das Uebergewicht, er schlaͤgt um, er sinkt in den Abgrund! Welche Gegenstaͤnde fuͤr die Mahlerei! Wohin wird noch endlich die Sucht fuͤhren, die Vorzuͤge des Kuͤnstlers fuͤr die Vorzuͤge des Sittenlehrers hin- zugeben! Greuze hat einen Pendant zu jenem Gemaͤhlde gemacht: Es ist die Allegorie der gluͤcklichen Ehe: Zwei Personen deren Gestalten jede Schoͤnheit, jeden Reiz ihrer verschiedenen Geschlechter darbieten, fuͤhren in liebevoller Vereinigung das Ruder zu dem Nachen, auf dem sie gleichfalls uͤber den Strom des Lebens hinfahren. Ihre beiden liebenswuͤrdigen Kin- der schlafen sorglos auf dem Vordertheile des Schiffs, und Amor steuert. Gut! hier ist beabsichtete Besserung mit einer Vorstellung verbunden, die mein Auge angenehm ausfuͤllt: hier ist vielleicht durch die Verstaͤrkung der Lebhaftigkeit einer an sich unsinnlichen Idee, wuͤrk- licher Gewinn fuͤr das moralische Gefuͤhl. Aber ge- setzt! sie waͤre es nicht; der Mann und sein Eheweib waͤren der Verfuͤhrer Paris, und die bundbruͤchige Helena; statt der schlafenden Kinder saͤhen wir als- dann Pallast Giustiniani. dann einen schlafenden Hymen, den der lose Amor gebunden mit sich wegfuͤhrte: Wie dann? Wollen wir behaupten, daß hier Gefahr fuͤr unsere Seele sey; daß der Ehebruch hoͤchst sinnlich angerathen werde; und daß man mit Aufopferung alles Ver- gnuͤgens, dem Bilde denselben Weg muͤsse nehmen lassen, den einmal die Ritterromane des Ritters de la Manche genommen haben? Was wir bloß sehen, was wir mit dem Auge ohne Zuthun des Verstandes, ohne hinzutretende Auslegung percipiren, was mithin unmittelbar auf unsere groͤberen Sinne wuͤrkt, kann zuweilen unserm sittlichen Gefuͤhle schaͤdlich werden. Die nackenden Formen, die der Kuͤnstler zur Darstellung der recht- maͤßigen Liebe unserer ersten Eltern braucht, ver- moͤgen unsere Sinne in Aufruhr zu bringen; nicht die Darstellung der Entfuͤhrung eines Eheweibes, die das Auge als sittsame Schoͤne sieht. Alles koͤmmt auf die leidenschaftliche Disposition der Seele des particulairen Beschauers an, ob er in einem Bilde mehr als das bloße Bild, die sittliche Idee sehe, und darauf kann der Kuͤnstler bei der Wahl seiner Suͤjets nicht rechnen. Er rechnet auf den ruhigen Beschauer. Le Brun der die buͤßende la Valliere gemahlt hat, durfte bei der Wahl des Suͤjets nicht daran denken, daß der Anblick dieses Gemaͤhldes dereinst eine Buhlerin zur Bekehrung auf- fordern wuͤrde. Das Schlimmste ist, daß dergleichen ascetische Mittel, so lange sie in den Graͤnzen der Schoͤnheit bleiben, fuͤr die beiden ersten Tage Wuͤrkung thun, Dritter Theil. B als Pallast Giustiniani. als Erinnerung des gefaßten Vorsatzes Wuͤrkung thun, und in der Folge so wie der Vorsatz erkaltet, oder die Leidenschaft dem Nachdenken keinen weitern Raum laͤßt, vergessen werden. Einer meiner Be- kannten; der dem Jaͤhzorn unterworfen war, schaffte sich das Kupfer an, welches die Beschaͤmung des heftigen Yoricks durch den sanftmuͤthigen Moͤnch Lo- renzo vorstellt. Er ließ es hinter Glas fassen, und legte es auf seinen Tisch, um es an der Wand aufzu- haͤngen. Sein Diener brachte ihm einen Nagel von unangemessener Groͤße, und das bessernde Bild er- fuhr die erste Probe der Unzulaͤnglichkeit seiner Macht gegen einen eingerissenen Fehler anzukaͤmpfen: ein heftiger Faustschlag auf den Tisch zerschmetterte das Glas, und beschaͤdigte das Kupfer. Mein Rath ist also dieser: Der Kuͤnstler huͤte sich vor absichtlicher Veranlassung, die groͤberen Sinne in Aufruhr zu setzen, vor unedlen Formen, und niedrigem unschicklichem Ausdruck. Dies sey seine Sittlichkeit, seine Sittenlehre: und wegen des Einflusses der Kuͤnste auf das moralische Gefuͤhl, ver- lasse er sich uͤbrigens auf das Wesen der bildenden Kuͤnste selbst, auf ihre Wuͤrkung im Ganzen. Didicisse fideliter artes, emollit mores, nec sinit esse feros. Aber die Kuͤnstler des Alterthums, wie stark wußten die auf ihre Nation zu wuͤrken! Frei- lich, bei ihnen standen die Kuͤnste in besonderer Verbindung mit der Regierungsform, mit der politischen Erziehung; und die einen wuͤrkten auf die andern. Wie weit sind wir von ihrer Buͤr- Pallast Giustiniani. Buͤrgertugend, von ihren Begriffen uͤber Ehrgeiz als Triebfeder, uͤber oͤffentliche Bewunderung als Belohnung derselben entfernt! Und doch! daß diese Kuͤnstler jemals die sittliche Ruͤcksicht, der Ruͤcksicht auf schoͤne Darstellung zum Vergnuͤgen vorgezogen haͤtten, mithin daß diese nicht Hauptabsicht, jene aber nur accidenteller Vortheil gewesen sey, daruͤ- ber erwarte ich den Beweis. Ich fuͤr mich kenne keine Vorstellung aus der alten Kunst, welche als Verewigung einer edeln That, oder als Versinnlichung von Tugend und Laster, zu edeln Thaten oder zu sittlicher Vollkommenheit uͤber- haupt haͤtte auffordern sollen. Ich habe oft Liebhaber aus Gallerien, angefuͤllt In wiefern das intellek- tuelle Ver- gnuͤgen Zweck der bildenden Kuͤnste sey. mit den groͤßten Meisterstuͤcken, mit dem unmuths- vollen Ausruf weggehen sehen: Was lernt man hier! In der That die Worte jenes Mathematikers: Was beweist das? mit denen er die Phaͤdra des Racine zuruͤckgab, sind um keinen Gran laͤcherlicher. Maͤnner die nur der Affekte des Wissens und Erkennens faͤhig sind, sollten auf andern Wegen als der Beschauung der Kunstwerke, eine Unterhaltung aufsuchen, welche diese nicht im Stande sind, ihnen zu gewaͤhren. Was will man denn damit sagen, wenn man etwas von den schoͤnen Kuͤnsten lernen will? Sollte Jemand so sehr die Graͤnzen der bildenden Kuͤnste verkennen koͤnnen, um zu verlangen, daß ihre Werke ihm Vorstellungen von ganz neuen Gegenstaͤnden B 2 lieferen? Pallast Giustiniani. lieferen? So koͤnnen sie keine schoͤne Kuͤnste weiter bleiben, so werden sie zu Handwerken, hoͤchstens zu Ueberlieferungen von Gestalten herabgewuͤrdigt: So dienen sie nur dazu, eine elende Neugierde zu befrie- digen, und ihr hoͤchstes Lob wuͤrde darin bestehen, einem Forster, einem Banks und Solander durch ihre Huͤlfsleistung die Aufbewahrung der Form aus- laͤndischer Gewaͤchse, fremder Thiere erleichtert, ei- nem Haller dazu genutzt zu haben, anatomische Ent- deckungen anzuheften. Freilich! so weit geht Niemand; aber auf eine weniger auffallende Art beruhen die Forderungen der- jenigen, welche die bildenden Kuͤnste zu Verstaͤrkung der Lebhaftigkeit wissenschaftlicher Kenntnisse, oder sinnlicher aber nicht sichtbarer Eindruͤcke des Schoͤnen brauchen wollen, auf keinen bessern Gruͤnden. Die unbestimmten Aeußerungen mancher Kunst- richter: daß man auch die subtilesten Gedanken, die abgezogensten Begriffe auf der Leinewand ausdruͤ- cken, und durch sichtbare Zeichen ins Gedaͤchtniß zu- ruͤckbringen koͤnne: daß dies die Seele schildern, fuͤr den Verstand mahlen heiße; daß die feinen philoso- phischen Ideen des Kuͤnstlers nicht genung zu loben waͤren u. s. w. haben die abentheuerlichsten und den Kuͤnsten gerade zu widersprechenden Vorschlaͤge zu Gemaͤhlden und Statuen hervorgebracht, die zum Theil auch wuͤrklich ausgefuͤhrt sind. Ich darf es dreist sagen, daß Winkelmanns Versuch einer Allegorie fuͤr die Kunst, auf einer gaͤnz- lichen Verkennung ihrer Graͤnzen beruhe, und daß die groͤßte Anzahl der von ihm angegebenen neuen Allego- Pallast Giustiniani. Allegorien weiter nichts als Symbole von abstrakten Begriffen sind, welche die Seele mit weit groͤßerem Vergnuͤgen und groͤßerer Leichtigkeit unsinnlich denkt, oder sinnlich hoͤrt, als sinnlich sieht. Da ich schon an mehreren Orten ausgefuͤhrt habe, unter welchen Bedingungen ich eine Allegorie fuͤr einen schicklichen Gegenstand der Kunst halte, so will ich hier daruͤber schweigen. Ich wiederhole nur kurz, daß der Kuͤnstler nicht vergessen muß, daß er zwar mit unserer Seele, aber nur mit ihren unteren Kraͤften redet; daß sobald Ueberlegung, Nachden- ken und Anstrengung des Witzes erfordert werden, die Bedeutung des Zeichens zu errathen, dieses auf- hoͤre, sinnlich zu seyn: und damit wuͤrden gerade die interessantesten Ideen aus der Reihe sichtbarer Dar- stellungen wegfallen. Gut! sagen diejenigen, welche so gern bei Kunst- werken denken, von ihnen etwas lernen wollen: die sichtbare Darstellung gebe mir nur die Veranlassung, mich an merkwuͤrdige Thaten und Gesinnungen, an die meisterhaften Darstellungen derselben durch Dich- ter und Geschichtschreiber zu erinnern. Ich, Comtesse de Genlis, moͤchte gern meinen Untergebenen die Geschichte durch eine Folge von Gemaͤhlden beibringen, die ihre Hauptbegebenheiten darstellten: Ich, Graf Caylus und viele Franzosen und Engellaͤnder vor und nach mir, wir moͤchten den ganzen Homer, Virgil und die beruͤhmtesten Dichter aller Nationen dergestalt in Gemaͤhlde gebracht se- hen, daß, erlaͤuternden Kupferstichen gleich, mit dem Anblick des Bildes zugleich die Stellen, die B 3 sich Pallast Giustiniani. sich so schoͤn haben lesen lassen, ins Gedaͤchtniß zu- ruͤckgebracht wuͤrden. Also soll die Mahlerei durchaus zum bloßen Huͤlfsmittel lebhafterer Erkenntniß der Gegenstaͤnde ernsthafter und schoͤner Wissenschaften werden? Die Mahlerei so wenig wie die Bildhauerkunst sind nicht Ueberlieferinnen, Erzaͤhlerinnen geschehe- ner Begebenheiten. Sie sind es darum nicht, weil sie aͤußerst mangelhaft und aͤußerst untrau erzaͤhlen: Sie sind es darum nicht, weil uͤber diese Nebenab- sicht, wenn sie zur Hauptabsicht wuͤrde, ihre wesent- licheren Vorzuͤge aufgeopfert werden muͤßten: Sie sind es endlich darum nicht, weil sie alsdann, wenn jene Hauptzwecke verlohren gehen sollten, mit ihren elenden Produktionen selbst des Vortheils der Lebhaf- tigkeit des Eindrucks verlustig gehen wuͤrden, den man durch sie intendirt. Ich habe diesen Grundsatz schon an andern Or- ten ausgefuͤhrt, und will daher nur das hinzufuͤgen: Die besondern Verhaͤltnisse, deren Entwickelung eine historische Begebenheit wichtig macht, setzt eine Folge von Handlungen zum Voraus, welche die bildenden Kuͤnste nicht sichtbar darstellen koͤnnen. Wer daher nur Veranlassung sucht, sich einer Reihe von vorherge- gangenen und nachfolgenden Auftritten lebhaft zu er- innern; wer nur ein sichtbares Zeichen verlangt, welches ihn auf die Spur des unsichtbaren helfen koͤnne; der schaffe sich eine Folge von Medaillen an, die durch Bildnisse beruͤhmter Personen, und durch Symbole der merkwuͤrdigsten Begebenheiten jenen intendirten Vortheil vollstaͤndig befoͤrdern, ohne die Mahlerei Pallast Giustiniani. Mahlerei des Vorzugs, durch sich selbst verstaͤndlich und schoͤn zu seyn, ohne Noth zu berauben. Wie wenig ohne diese wesentlicheren Vorzuͤge der Kuͤnste, der Vorzug eines lebhafteren Eindrucks ge- schehener Begebenheiten erreicht werde, kann man daraus abnehmen, daß die Deutung schlechter Mo- numente, die bloß uͤberliefern, in kurzer Zeit ver- gessen wird, weil sich Niemand die Muͤhe giebt, sie aufzubewahren. Nach eben diesen Grundsaͤtzen mag nun auch die Von der hi- storischen Treue bei Bekleidung der Bildsaͤu- len, als oͤf- fentliche Denkmaͤler. Frage beantwortet werden, ob man bei den oͤffent- lichen Monumenten die großen Maͤnnern gesetzt wer- den, die wahre Form der Gewaͤnder u. s. w. die sie in ihrem Leben getragen haben, beibehalten solle? Ist das Costume dem Eindruck des Schoͤnen zu- traͤglich; warum nicht? Ist sie es nicht; keines- weges. Gegen einen Beschauer der in dem Manne mit Stiefeln von gebranntem Leder den Comte de Saxe, und in dem mit der Allongenperuͤcke den Praͤsident de Montesquieu leichter wieder erkennt, giebt es hundert, deren Verstaͤndigung durch Beibe- haltung dieser, der Schoͤnheit der Formen so unguͤn- stigen Tracht nicht um ein Haar erleichtert wird, denen man dem ohngeachtet sagen muß: dies war Moritz, dies war Montesquieu. Ein Kunstwerk ist kein Garde-meuble: der große Mann verliert durch die Veraͤnderung der Tracht nichts von seiner Individualitaͤt: und die Kuͤnste leiden ohnehin genung dadurch, daß sie gegen die Wahrheit der individuellen, groͤßtentheils unvoll- B 4 komme- Pallast Giustiniani. kommenen Form des Koͤrpers ankaͤmpfen muͤssen, als daß man ihnen den Streit durch die Nachbildung cenventioneller Beiwerke noch erschweren sollte. Das schoͤne Bildniß wird immer verstaͤndlich bleiben, wenn es nur in der Hauptsache, im Aus- druck des individuellen Charakters des vorgestellten Helden in Formen, Mine und Stellung des Koͤr- pers, aͤhnlich bleibt: Hingegen das was durch gar zu große Treue schlecht geworden ist, wandert auf der Troͤdelbude nach dem Absterben der naͤchsten Verwandten, oder man geht, wenn es als oͤffent- liches Monument aufgestellt wird, ohne aufzublicken voruͤber. Die Gefahr die mit der treuen Uebereinstimmung des Dichters und des bildenden Kuͤnstlers zum Nach- theil beider verbunden ist, hat ein scharfsinniger Kunstrichter vor mir zu gut und ausfuͤhrlich ausein- ander gesetzt, Lessing im Laokoon. als daß ich mich lange dabei auf- halten sollte. Ich kann hier nicht uͤbergehen, was noch ein anderer Philosoph nach ihm und wie mich duͤnkt, nicht minder wahr gesagt hat. Mendelsohn uͤber die Hauptgrundsaͤtze der schoͤnen Kuͤnste und Wissenschaften. „Die schwerste und fast unmoͤgliche Verbindung „der Kuͤnste ist, wenn Kuͤnste, welche Schoͤnheiten „in einer Folge neben einander vorstellen, mit Kuͤn- „sten, welche Schoͤnheiten auf einander folgend vor- „stellen, vereinigt werden sollen. Ich Pallast Giustiniani. Ich verkenne keinesweges das erhoͤhete Maaß von Interesse, welches ein Gemaͤhlde dadurch erhaͤlt, daß wir uns bei demselben einer schoͤnen Stelle des Homers oder Virgils erinnern. Aber abgerechnet, daß die schoͤnsten Stellen beim Lesen oder Hoͤren ge- rade diejenigen sind, die sich am wenigsten mahlen lassen, so bin ich auch nicht so unbillig zu verlangen, daß alle Menschen die Augen zum sehen, und ein Herz zum empfinden haben, sich dieser Stellen aus alten Dichtern lebhaft mit mir erinnern sollen: Da Die heilige Geschichte, als Stoff zur bildlichen Darstellung, ist der Sculptur, nicht der Mahlerei unguͤnstig. vielmehr die Ideen, welche den Ausdruck der Affek- ten historisch bestimmen, allen zu den Kuͤnsten be- rechtigten Menschen durch ein Volksbuch so gelaͤu- fig geworden seyn muͤssen, daß uͤber das Nachsinnen und Rathen des Verstandes die Einbildungskraft und das Herz nicht erkalten; so sehe ich den großen Nach- theil nicht ab, den die Mahlerei dadurch erlitten haben sollte, daß die Bibel dieses Volksbuch gewor- den ist. Die Sculptur hat allerdings dadurch ge- litten, wie ich an einem andern Orte zeigen werde: aber die Mahlerei, wie ich glaube, gar nicht oder wenig. Der kleine Kreis von Affekten, die zur Mah- lerei geschickt sind, weil sie sich deutlich an den Koͤr- per durch Gebaͤrden aͤußern, muß in jedem Geschicht- schreiber, in jedem handelnden Gedichte von groͤßerem Umfange wieder in Umlauf kommen, da alle den Menschen in einer gewissen Folge von Zeiten schildern. Die Bibel hat den Vorzug, daß sie von jedem et- was cultivirten Europaͤer, dem es um Erkenntniß der Wahrheit zu thun ist, gelesen, oder wenigstens ihr historischer Innhalt bei der ersten Erziehung B 5 desselben Pallast Giustiniani. desselben eingefloͤßet werden muß. Sie erzaͤhlt in einem leichten faßlichen Tone, und da sie mehr erzaͤhlt als darstellt, so behaͤlt die Imagination des Mah- lers freieres Spiel. Die Affekten zu deren Ausdruck die Begebenheiten, die sie aufgezeichnet hat, Anlaß geben, sind groͤßtentheils von der Art, daß sie sich gut mahlen lassen, weil sie mehr die zaͤrtlichen, sanf- teren Triebe des Herzens die sich gerne mittheilen, als jene hohen großen Empfindungen zur Grundlage ha- ben, die mehr concentrisch als excentrisch wuͤrken. Wir haben unstreitig dabei gewonnen, daß nicht der Tacitus statt der Bibel das Handbuch der Kuͤnstler geworden ist. Hingeworfe- ner Vor- schlag, die dramatischen Dichter der Alten statt der epischen zu waͤhlen, um daraus Gegenstaͤnde zu Gemaͤhl- den zu entleh- nen. Ich habe mich oft gewundert, daß ein Caylus und andere Kunstrichter, statt des Homers und an- derer epischen Dichter, nicht auf die dramatischen, auf einen Sophocles, Euripides, gefallen sind, um sie dem Kuͤnstler als Vorrathshaͤuser interessanter Suͤjets zu empfehlen. Dichter, welche ihre ganze Kunst in der Darstellung der Affekte setzen und dabei die Schilderung des verstaͤrkenden Ausdrucks durch Gebaͤrden dem Akteur uͤberlassen, scheinen besonders dazu geschickt, Auftritte fuͤr die Mahlerei, die selbst ein pantomimisches Drama ist, zu liefern. Doch! ich fuͤhle wohl, daß ich hier mannichfaltige Einwendungen fuͤrchten muß, welche daher genom- men werden koͤnnen, daß der Dichter bei seinen Ak- teurs hauptsaͤchlich auf Worte rechnet, und daß der Mahler auf diese gar nicht rechnen soll. Es sey also nur hingeworfene Idee, die andern zur Pruͤfung vor- behalten bleiben mag. Ich Pallast Giustiniani. Ich will statt dessen lieber zuletzt vor einer Gefahr Das Neue, das Feine, das Ueber- raschende: mit welcher Behutsam- keit der Kuͤnstler auf angenehme Eindruͤcke davon rech- nen duͤrfe. warnen, welche uns von solchen Kuͤnstlern drohet, die bei Darstellung eines der Kunst angemessenen Suͤjets, welches aber schon von ihren Vorgaͤngern behandelt ist, da sie fuͤr Einbildungskraft und Herz nicht mehr neu seyn koͤnnen, durch Hinzufuͤgung eines neuen, witzigen und feinen Gedankens unsern Verstand zu uͤberraschen hoffen. Zuweilen geschieht dies mit gu- tem Gluͤcke. Ich erinnere mich von Greuze eine schoͤne Veraͤnderung in der gewoͤhnlichen Vorstellung der Fabel der Danae gesehen zu haben. Waͤhrend daß eine alte Duegna oder Aufseherin uͤber die Unschuld des Maͤdchens beschaͤfftiget war den goldenen Regen einzu- sammeln, schluͤpfte Jupiter in die Arme der unbewach- ten Danae. Schoͤn! Aber nicht sowohl darum, weil der Gedanke: „nicht das Herz und die Unschuld, „wohl aber die Gelegenheit sind um Geld zu Kauf“ sein und neu ist; sondern vielmehr, weil dadurch ein viel vollstaͤndigerer, bestimmterer, mehr abwechseln- der Ausdruck als durch die gewoͤhnliche Vorstellungs- art motivirt wird, und wir die Feinheit und Neuheit des Gedankens uͤberher haben. Wenn hingegen Guercino, auf eine in Ruͤcksicht des Gedankens eben so neue und feine Art, die fuͤr das Herz und die Einbildungskraft so interessante Fabel der Diana und des Endymion dahin desalle- gorisirt, daß letzterer als der erste Erfinder der Astro- nomie, mit dem Sehrohr nach dem Monde guckt; so werden wir ihm fuͤr seine Fuͤrsorge fuͤr unsern Ver- stand wenig Dank wissen. Aus Pallast Giustiniani. Bestimmtere Angabe der Hauptab- sicht des Kuͤnstlers bei Verferti- gung seiner Werke, ver- schieden mo- dificirt fuͤr den Bild- hauer und den Mahler. Aus alle diesem folgt der Schluß: der Bildhauer suche bei der Wahl seiner Suͤjets sein Augenmerk zu- erst dahin zu richten, ob es ihm die Veranlassung gebe, schoͤne Gestalten, reizende Stellungen, Indi- vidualitaͤt des Charakters einer gewissen Art von Menschen, die sich durch fortdauernde Eigenschaften des Herzens und Faͤhigkeiten des Geistes und des Koͤrpers auszeichnet, darzustellen: und dabei seine Geschicklichkeit in der Bildung des Koͤrperbaues zu zeigen. Der Mahler suche solche Suͤjets aus, die einen edeln Ausdruck solcher Affekten motiviren, die sich gern durch Gebaͤrden mittheilen, ohne der Wohlge- faͤlligkeit der Gestalten zu schaden, und ihm dabei Gelegenheit geben, mahlerische Wuͤrkung durch Ab- wechselung und Einheit in Gestalten, Farbe, und im Hellen und Dunkeln hervorzubringen. Koͤnnen beide zu gleicher Zeit das Herz unmittelbar bessern, dem Verstande durch Erweckung neuer Vorstellungen, oder durch Reproduktion alter Bilder unter neuen Verhaͤltnissen Beschaͤfftigung geben; gut! Wo nicht, so werde nie der erste Zweck dem letztern aufgeopfert. Ueberhaupt: Wahl des Suͤjets in den bilden- den Kuͤnsten ist etwas, aber ungleich mehr die Wahl der Mittel zur Ausfuͤhrung, und am meisten die Be- handlung. Das Ideen, oder viel- mehr das Haͤtte Hemsterhuys dies bedacht, er wuͤrde nicht jene Stelle in seinen Brief uͤber die Bildhauerei ein- geruͤckt haben, welche es anzuzeigen scheinet, daß dieser Pallast Giustiniani. dieser feine Kopf in den wahren Genuß der Kuͤnste Bilder erwe- ckende, die Spannung der reprodu- cirenden Kraft unse- rer Seele, ist keinesweges Zweck eines vollkomme- nen Kunst- werks. Ue- ber Skizzen, beilaͤufig. nicht voͤllig initiirt war. „Es ist bekannt, sagt er, daß die ersten Ent- „wuͤrfe einem Manne von Genie und dem wahren „Kenner am mehrsten gefallen; der Grund hiezu „scheint doppelt zu seyn. Erstlich enthalten diese „ersten Entwuͤrfe mehr von der goͤttlichen Lebhaftig- „keit der ersten gefaßten Idee, als die vollendeten „Werke, welche viel Zeit gekostet haben; aber zwei- „tens setzen sie auch die dichtende und reproducirende „Faͤhigkeit der Seele in Bewegung und Thaͤtigkeit, „welche sogleich das, was der Wahrheit nach nur „angefangen und hingeworfen war, vollendet. Und „hierdurch werden sie der Beredsamkeit und der „Dichtkunst sehr aͤhnlich, die, indem sie sich der Zei- „chen und der Worte statt des Crayons und des „Pinsels bedienen, nur auf die reproducirenden Faͤ- „higkeiten der Seele wuͤrken, und folglich groͤßere „Wuͤrkung hervorbringen, als weder Mahlerei noch „Bildhauerkunst, sogar in ihrer groͤßten Vollkom- „menheit hervorzubringen vermoͤgen. Ein vortreff- „licher Zug in irgend einem großen Redner oder „Dichter macht das Herz beklemmt, macht zittern „und erblassen, erschuͤttert unser ganzes System; „aber nie traͤgt sich dieses bei dem Anblick auch des „allerschoͤnsten Gemaͤhldes oder der allerschoͤnsten „Statue zu. Es scheint, als ob der beruͤhmte Leo- „nard da Vinci ungefaͤhr eben so uͤber die ersten Ent- „wuͤrfe gedacht habe, weil er will, daß die Mahler „auf die Mauern und Waͤnde, welche Flecken und „Makel ohn’ allen Plan haben, aufmerksam seyn „sollen; diese unregelmaͤßigen Flecken meint er, er- zeugten Pallast Giustiniani. „zeugten oft Ideen zu den vortrefflichst angeordneten „Landschaften.“ Waͤre dieser Satz, waͤren diese ihm unterge- legten Gruͤnde wahr, so waͤre alle die Zeit verloh- ren, welche die groͤßten Kuͤnstler auf die langweilige mechanische Ausfuͤhrung ihrer Meisterstuͤcke gewandt haben: So waͤre ein Tintoretto, ein Tempesta, ein la Fage, ein Fuͤßli, weit uͤber Raphael, Correggio und Tizian zu setzen: So wuͤrden wir endlich zu den Punkten des Leonardo zuruͤckkommen, welche die re- producirende Faͤhigkeit der Seele noch mehr als die Skizze in Bewegung und Thaͤtigkeit versetzen. Zum Gluͤck ist weder Satz, noch Grund, noch erlaͤuternde Analogie wahr, und buͤndig. Der Mann von Genie, der zu gleicher Zeit Kenner ist, wird nie die Skizzen zu Raphaels Ge- maͤhlde von der Transfiguration, oder zu Correggio’s heiligen Magdalena mit dem Hieronymus, oder zu Tizians Peter dem Maͤrtyrer, den ausgefuͤhrten Gemaͤhlden selbst vorziehen. Er wird die Geschicklichkeit des Kuͤnstlers eine schoͤne Skizze zu entwerfen, schaͤtzen, sie wird ihm das Vergnuͤgen machen, welches jede Wahrnehmung der Vollkommenheit des Kuͤnstlers, seines Geistes in seinem Werke, hervorbringt. Aber dies Vergnuͤ- gen wird er genau von demjenigen zu unterscheiden wissen, welches die Vollkommenheit des Werkes selbst erweckt, und wenn er vollkommene Skizze ge- gen vollkommenes Gemaͤhlde haͤlt, so wird das letzte gewiß das Uebergewicht bei ihm erhalten. Die Pallast Giustiniani. Die goͤttliche Lebhastigkeit der ersten gefaßten Ideen muß dem Kenner bei der geringen Anzahl eben so gut ausgefuͤhrter als gedachter Gemaͤhlde unstreitig aͤußerst willkommen seyn. Aber wenn er nun eben diese goͤttliche Lebhaftigkeit, der langsamen Behand- lung ungeachtet, ungeschwaͤcht in dem letzten Pinsel- strich des vollendeten Gemaͤhldes antrifft; dann wird er eben fuͤhlen, warum in der Mahlerei Erfindung so weit unter Ausfuͤhrung steht. Dasjenige was Hemsterhuys aus der Aktivitaͤt der reproducirenden Faͤhigkeit der Seele folgert, was er von der Dicht- und Rednerkunst hier analogisch zur Anwendung bringt, beruhet auf einer gaͤnzlichen Vermengung der Graͤnzen verschiedener Kuͤnste und Wissenschaften, auf Verwechselung der besonderen Modificationen der bildenden Kraft der Seele, auf welche sie verschieden wuͤrken sollen. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig seyn, dies hier auseinander zu setzen, und ich kann dessen billig uͤberhoben seyn, da Herr Her- der Kritische Waͤlder: 1stes Waͤldchen nr. 9. Abhandlung: Ob Mahlerei oder Tonkunst eine groͤßere Wuͤrkung gewaͤhre? an zweien Orten wie mich duͤnkt deutlich ge- zeigt hat, daß das Bild als Werk fuͤr einen ewigen Anblick geschaffen, nicht als Energie, nicht als Folge von Eindruͤcken, die sich wechselseitig verstaͤrken, auf uns wuͤrke. Ich finde noͤthig, die Saͤtze dieses Schriftstel- lers nach meinen Ideen dahin naͤher zu bestimmen: Die Mahlerei spannt nicht die Einbildungskraft, sie fuͤllt Pallast Giustiniani. fuͤllt sie aus. Sie giebt die hellste, klaͤrste Vorstel- lung von dem, was wir zu sehen wuͤnschen, und als sichtbar zu denken gewohnt sind. Die Mahlerei er- schuͤttert das Herz nicht, macht nicht erblassen oder zittern: aber sie ladet es zur ruhigen heiteren Mit- empfindung ein. Vermuthung uͤber die Staͤrke der Wuͤrkung, welche die Mahlerei in Verglei- chung mit der Musik und der Dichtkunst gewaͤhre. Kurz! die Mahlerei hat den ausgezeichneten Charakter, (Fehler oder Vorzug?) der sie von an- dern Kuͤnsten, die mit ihr fuͤr Einbildungskraft und Empfindungsvermoͤgen arbeiten, unterscheidet: Sie giebt wenig, aber das Wenige so gut als eine. So viel umfassend wie die Dichtkunst, so maͤchtig hin- reissend wie die Musik ist sie nicht; aber den Ein- druck, den wir von der eingeschraͤnkten Gelegenheit die stumme Natur deutlich mit einem Blicke zu ver- stehen, erhalten; den gewaͤhrt sie mit einer solchen Ausfuͤllung aller Forderungen, welche Bildungs- und Empfindungsvermoͤgen daran zu machen berech- tigt sind, als die Dichtkunst und Musik ihn nicht zu geben im Stande sind. Dieser Satz muß unum- stoͤßlich bleiben, bis Dichtkunst und Musik durch hoͤrbare Schilderung der Form und des Ausdrucks der Gebaͤrden einer reuigen Magdalena, eben den Eindruck auf mich machen werden, den der Anblick des Bildes selbst von Guido Reni auf mich gemacht hat. Staͤrker, vollstaͤndiger klagen koͤnnen sie mich die Heilige hoͤren lassen, und dies Hoͤren wird staͤrker, vollstaͤndiger auf mich wuͤrken, als das bloße Sehen; Aber mich die Heilige mit Thraͤ- nenvollem Auge und zerknirschter Brust vollstaͤndi- ger, staͤrker erblicken lassen, das koͤnnen sie nicht. Alles was der bloße stumme Anblick gewaͤhrt, giebt die Pallast Giustiniani. die Mahlerei am staͤrksten: Dies Staͤrkste ist nicht so stark als das Staͤrkste der verschwisterten Kuͤnste; gut! dafuͤr ist es schmeichelnder, sicherer. Alles was der bloße stumme Anblick liefert, liefert die Mahlerei am vollstaͤndigsten: Dies Vollstaͤndigste ist nicht so voll- staͤndig als das Vollstaͤndigste der verschwisterten Kuͤnste; gut! dafuͤr ist es leichter, faßlicher. Der Wuͤrkungskreis der Mahlerei ist eingeschraͤnkt; thut nichts! um desto eifriger sind wir auf die Vertheidi- gung seiner Graͤnzen bedacht. Was endlich Hemsterhuys uͤber die Punkte des Leonardo da Vinci sagt, kann auf keine Art zum Beweise seines Satzes dienen. Man darf einen Kunstgriff die Erfindungskraft des Schoͤpfers rege zu machen, nicht mit der Wuͤrkung des bereits er- fundenen auf den Beschauer, der genießen, nicht er- finden will, und groͤßtentheils nicht kann, verwech- seln. Der Klang des Saitenspiels eines Nardini weckt in der Seele der Corilla die poetische Ader auf: will man daraus folgern, daß der Zuhoͤrer den vor- gesetzten Innhalt, den Plan des Gedichts schoͤner fin- den solle als das Gedicht selbst? Hemsterhuys scheint uͤberhaupt von Skizze keinen rechten Begriff zu haben, und sie mit der sublimen Darstellung eines hervorstechenden Zuges der Lei- denschaft, der sich ohne die ganze Reihe von Ge- danken und Empfindungen die ihn veranlaßt haben, nicht denken laͤßt, der gleichsam das Summum aller vorhergehenden und nachfolgenden ist, zu verwechseln. Das Virgilianische: Quos ego! Das beredte Stillschweigen in Trauerspielen, wor- So Dritter Theil. C auf Pallast Giustiniani. So endige ich denn eine Untersuchung, die mir in meinem philosophisch schwaͤrmerischen Jahrhun- derte, wo man so gern denken will, wo man nur fuͤhlen sollte, und so gern fuͤhlen will, wo man nur denken sollte, ein Wort zu seiner Zeit gesagt zu seyn geschienen hat. Ich gehe nun zur eigentlichen Beschreibung der Kunstwerke in diesem Pallaste uͤber, zu deren billi- gen Beurtheilung ich den Liebhaber in etwas vorbe- reitet zu haben glaube. Beschrei- bung des Pallasts Giustiniani. In dem Hofe des Pallasts Giustiniani sieht man mehrere Basreliefs in die aͤußeren Waͤnde des Hauses eingemauert. Sie verdie- nen in der schon oft angegebenen Ruͤcksicht Aufmerk- samkeit. Auch sieht man hier in Nischen einige colossa- lische Koͤpfe von großem Charakter. In dem Vorplatze des Hauses. Eine weibliche gut bekleidete Figur. Eine Hygea. Die Idee ist besser als die Ausfuͤhrung. Auf auf er sich unter andern beruft, sind so wenig Skizzen, als das verhuͤllte Haupt Agamemnons in dem Gemaͤhlde des Timanthes. Zu weit her- geholte und getriebene Analogien sind von jeher dem Wesen der bildenden Kuͤnste und schoͤnen Wis- senschaften aͤußerst gefaͤhrlich gewesen. Pallast Giustiniani. Auf der Treppe. Ein Aesculap, ein Marcus Aurclius, Ca- ligula, ein seltener Domitian, Winkelmann, G. d. K. S. 822. haͤlt ihn fuͤr aͤcht. Antinous, Jupiter, Mercur. Saͤmmtlich von geringem Werthe und zweideutiger Benennung. † Amalthea, die dem Jupiter als Kind aus dem Horne der Ziege (die andere selbst Amalthea nennen,) zu trinken reicht. Ein Bas- relief von guter Erfindung aber mittelmaͤßiger Aus- fuͤhrung. Ein geschickter Kuͤnstler, der sich des Ge- dankens bemeistern wollte, koͤnnte daraus ein sehr reizendes Werk machen. In dem großen Vorsaale. † Zwei Faunen, beide in der gewoͤhnlichen Stellung, den einen Arm auf den Stamm eines Baums gelehnt, den andern in die Seite gestuͤtzt. Sie tragen ein Ziegenfell. Einer derselben gehoͤrt unter die besten Vorstellungen dieser Art. Eine sitzende Roma. Eine Consularstatue. Eine Gruppe von zwei Streitern, deren einer im Begriff ist, den andern, den er nie- dergeworfen hat, zu durchstechen. Man nennt sie ohne Grund Hercules und Antaͤus. Das ganze Werk ist mittelmaͤßig und wahrscheinlich modern. Wenigstens sind die Koͤpfe unstreitig neu. C 2 In Pallast Giustiniani. In dem Zimmer dem großen Saale zur Linken. Mehrere Ge- maͤhlde von M. A. Car- ravaggio. Die Juͤnger zu Emmaus von Carravag- gio. Der Hund ist das Beste auf diesem Bilde. † Mariaͤ Verkuͤndigung von demselben und eines seiner besten Werke. Die heil. Jungfrau ist reizend, und die Schatten sind nicht uͤbertrieben schwarz. Bildniß eines Cardinals, scheint beinahe von demselben, es ist wahr und pikant. Grablegung von Carravaggio. Dieser Pallast enthaͤlt uͤberhaupt sehr viele Ge- maͤhlde vom Carravaggio. Stil des M. Angelo da Carravag- gio. Sein ganzer Name heißt Michael Angelo Ame- rigi und weil er 1569. zu Carravaggio im Mailaͤn- dischen gebohren war, so nennt man ihn gewoͤhnlich: Il Carravaggio. Er waͤhlte gemeiniglich sehr niedrige Suͤjets, und die edlen fuͤhrte er auf die niedrigste Art aus. Er hatte die Praͤtension, die Natur getreu nachzu- ahmen, aber er erreichte sie nur in einem Stuͤcke, naͤmlich in der Ruͤndung. Er wußte wie sehr die Abwechselung von hellen und dunkeln Partien das Auge fesselu, daher stellte er seine Modelle in schwarz gefaͤrbte Zimmer, und ließ das Licht von oben herab- fallen. Aber so sieht man die Gegenstaͤnde selten in der Natur. Seine Zeichnung ist unrichtig und schwerfaͤllig. Seine Carnation ist im Lichte gelb, in den Schatten schwarz. Zuweilen mahlte er heller, dann ist er am schaͤtz- Pallast Giustiniani. schaͤtzbarsten. Seine Behandlung war gut. Dies und die Ruͤndung seiner Figuren sind seine Hauptvor- zuͤge. Er starb 1609. Zweites darauf folgendes Zimmer. Die Marter des heil. Petrus von Salta- relli. Flucht nach Aegypten von Valentin. Bildniß des Carravaggio, der sich vermit- telst eines Spiegels, sowohl von vorn als von hinten zu abgebildet hat. Beim Zuruͤckkehren dem Vorsaale zur Rechten. Im ersten Zimmer. Eine Carita. Der Meister ist unbekannt, die Composition allerliebst, nur haͤtte die Ausfuͤh- rung eine geschicktere Hand verdient. Die Carita ist im Costume der Weiber auf der Insel Procida gekleidet. Eine Madonna mit dem Kinde, stehend in einer Glorie, von Carravaggio. Zweites Zimmer. † Christ, der den Juͤngern die Fuͤße waͤscht von Carravaggio. Dies Bild ist von großer, wiewohl gemeiner Wahrheit, und die Figuren tre- ten stark hervor. Die Schatten sind zu schwarz. C 3 Drittes Pallast Giustiniani. Drittes Zimmer. † Ein nacktes Weib von Tizian. Andere halten es von Paolo Veronese. Diesem letzten spreche ich es zu, wegen der aͤußersten Keckheit, mit der der Kopf behandelt ist. Arme und Haͤnde sind unvergleichlich. † Ein Juͤngling hat die Zerstoͤrung Jerusalems vorherverkuͤndigt, und soll des- wegen von der Wache ergriffen werden; aber er entwischt, und laͤßt den Mantel im Stich. Gherardo della Notte soll der Autor seyn. Das Bild ist von der pikantesten Wuͤrkung. Koͤpfe einer Madonna, eines Engels, und eines Alten, al Fresco, von Correggio. Es sind Bruchstuͤcke aus der Kuppel von Parma. Die Farbe ist ganz verblichen. Viertes Zimmer. Die zwoͤlf Apostel, der Christ, die Ma- donna und Johannes der Taͤufer. Alle diese Bilder sind von Albano, aber aus seiner ersten Zeit, als er sich noch genau an die Schule der Carracci hielt. Die Figuren sind etwas steif, und die Falten der Gewaͤnder zu eckigt und trocken. Der Christ vor dem Pilatus, von Ghe- rardo della Notte. Der Ausdruck ist sehr gemein, aber die Wuͤrkung pikant. Das Wunder der Austheilung der Broͤdte und der Fische, von Carravaggio. Der Pallast Giustiniani. Der heil. Johannes von Guercino, wie man sagt: Ich zweifle. Auferweckung der Tochter des Jairus, wahrscheinlich von Vouet. Fuͤnftes Zimmer. Eine nackte Frau vor dem Spiegel den ein Amor haͤlt, von Paolo Veronese. Das Bild hat gute Halbtinten. Eine Landschaft des Domenichino mit der Taufe Christi. † St. Matthaͤus mit dem Engel, der ihm die Hand beim Schreiben fuͤhrt von Car- ravaggio. Die Zusammensetzung dieses Bildes ist schlecht. Der Engel hat eine sehr affektirte Stel- lung; der Ausdruck ist gemein, und beide Figuren sind mitten aus dem schlechtesten Poͤbel hervorgesucht. Aller dieser Fehler ungeachtet ist dies Bild eines der pikantesten die man sehen kann: So viel vermag Ruͤndung und ein wohl gewaͤhltes und behandeltes Detail zum Gefuͤhl der Wahrheit beim ersten Blick; denn untersuchen darf man nicht. Man sollte die Gemaͤhlde des Carravaggio nur im Vorbeigehen in einer gewissen Entfernung betrachten, in der man wieder erkennen, aber nicht pruͤfen kann. Ganymed vom Adler weggefuͤhrt, aus der Schule des M. A. Buonarotti. Vertreibung der Verkaͤufer aus dem Tem- pel. Schule des Carravaggio. C 4 Sech- Pallast Giustiniani. Sechstes Zimmer. † St. Peter vom Engel geweckt, von Hont- horst. Das Licht, welches weit schicklicher in an- dern Vorstellungen dieses Suͤjets vom Engel ausgeht, faͤllt hier durch die Thuͤr ins Gefaͤngniß. Der Aus- druck des schlaftrunkenen St. Peters, der graͤmelnd, daß man ihn im Schlafe gestoͤrt hat, sich den Kopf kratzt, ist eben so wahr als gemein. Geisselung Christi von Carravaggio. Die Austreibung der Verkaͤufer aus dem Tempel. Wahrscheinlich von Gerhard Lairesse. Wenigstens laͤßt sich der Nahme des Meisters aus der Vermischung des niederlaͤndischen Stils mit dem italiaͤnischen, aus dem einsichtsvollen Helldunkeln, und aus der aͤußerst reichen Architektur schließen. Ein schoͤner Bassan. Siebentes Zimmer. Heiliger Jo- hannes von Raphael und Giulio Ro- mano. † Heil. Johannes von Giulio Romano nach Raphaels Zeichnung. Er schwebt in den Luͤften auf einem Adler. Sein Auge ist zu dem Gotte gekehrt, der ihn inspirirt. Er schreibt, und erhebt sich uͤber irdische Gegenstaͤnde. Eine sublime Idee! Der Kopf hat viel Adel. Vielleicht ist die Stellung des Koͤrpers ein wenig gezwungen. Die Faͤrbung faͤllt ins Braune. † Schoͤnes Bildniß eines Weibes, die einen Blumenstrauß vor die Brust heftet. Wahrscheinlich von einem der Carracci. Achtes Pallast Giustiniani. Achtes Zimmer. † Die heil. Caͤcilia von Carravaggio. Ein Gemaͤhlde voller Wahrheit. Aber der Charakter der Heiligen erhebt sich nicht uͤber den einer ge- meinen Zitherspielerin. Die Copie ist im Pallast Barberini. Christ und das Cananaͤische Weib, man sagt, von Albano. Neuntes Zimmer oder Zimmer mit der Vase. † Der Bethlehemitische Kindermord von Der Bethle- hemitische Kindermord von Poussin. Poussin. So viel Aufhebens als viele Kenner von der Schoͤnheit der Zusammensetzung dieses Bildes ma- chen, scheint sie mir nicht zu verdienen. Freilich ist die Weisheit zu loben, mit der uns der Kuͤnstler nur einen Theil einer Scene des Schreckens vor Augen gelegt hat, welche die Einbildungskraft so vieler Mahler bis zum Ekel auszudehnen, und unter ver- schiedenen Gestalten zu vervielfaͤltigen gewußt hat. Hier hat ein Henker schon dem kleinen ungluͤcklichen Opfer seiner Wuth, das vor ihm zur Erde gestreckt liegt, einen Stich in die Seite gegeben, er setzt ihm den Fuß auf die Brust, es zu erdruͤcken, und holt mit dem Arm einen neuen Streich aus, der ihm vollends den Rest geben soll. Die verzweifelnde Mutter nimmt ihre Zuflucht zum Flehen, indem sie zu gleicher Zeit alle ihre Staͤrke zusammenrafft, um diese letzte ihrer Hoffnungen zu retten. Sie liegt zu C 5 des Pallast Giustiniani. des Grausamen Fuͤßen, sie streckt den einen Arm aus, den Streich aufzufangen und klammert sich mit dem andern an seine Schulter, den Streich zu hindern. Wilde Verzweiflung und Angstgeschrei liest man auf ihrem Gesichte, ihre ganze Stellung zeigt das Streben nach Rettung an. Aber der Henker hoͤrt auf ihr Geschrei nicht, er ist ihr an Staͤrke uͤberlegen, er reißt sie mit der Hand, die er frei behaͤlt, bei den Haaren zuruͤck. Das Kind gedruͤckt durch den star- ken Koͤrper streckt Haͤnde und Fuͤße, sein Kopf schwillt, es kneift die Augen zu, und schnapt mit dem letzten Athemzuge nach Luft. Diese Gruppe ist mit vieler Einsicht gedacht, aber zu schrecklich und daher dem Wesen der Kunst nicht angemessen. Warum fuͤgte der Mahler noch andere Weiber hinzu, die ihre entleibten Kinder weg- tragen, und sich die Haare ausraufen? Entweder haͤtte der Mahler diese ganz weg, oder alle sich gegen den gemeinschaftlichen Feind ihres Geschlechts verei- nigen lassen sollen. So viel uͤber den Gedanken. Der Ausdruck in diesem Gemaͤhlde ist wahr, aber unedel. Die Zeichnung ist sehr correkt. Die graue finstere Faͤrbung, die sonst Fehler bei diesem Meister ist, scheint hier die Wuͤrkung des Eindrucks zu verstaͤrken. Der heil. Jo- hannes von Domenichi- no. † Der heil. Johannes von Domenichino, Zwei Engel halten ihm seine Buͤcher. Die Zu- sammensetzung ist schoͤn, aber schoͤner noch der Aus- druck. Der Kopf des Johannes zeigt den sanftesten und gefuͤhlvollesten der Menschen. Suͤßigkeit schwebt auf seinem Munde und seine Augen belebt das Anschauen der Gottheit, die alle niedere Regungen aus Pallast Giustiniani. aus seinem Herzen entfernet. Raphaels heil. Jo- hannes ist ein Gott, der heil. Johannes des Dome- nichino der erste seiner Diener, ein Engel. Die Zeichnung ist sehr correkt, aber das Gewand etwas zu trocken. Der Faͤrbung, die ein wenig kalt ist, und ins Graue faͤllt, fehlt es wohl uͤberhaupt an Harmonie. Die Landschaft ist sehr schoͤn. † St. Paul der Eremit, und St. An- tonius mit der Madonna und mit Engeln. Großes schoͤnes Gemaͤhlde des Guido aus seiner dunkeln Manier. Die Koͤpfe der Alten sind von großer Wahrheit. St. Marcus, aus der Schule der Car- racci. Christ im Oelgarten, aus der Schule des M. A. Buonarotti. Mehrere heilige Familien, die man fuͤr Arbeiten Raphaels, des Andreas del Sarto, des Parmeggiano und anderer ausgiebt, und entweder nur aus der Schule dieser Meister oder Copien nach denselben sind. In der Mitte dieses Zimmers steht eine Vase, die aber in ihrer urspruͤnglichen Form keine Vase war. Denn das mittelste Stuͤck hat wahr- scheinlich zur Einfassung eines Brunnens gedient, und ist nebst dem daran befindlichen Basrelief die Copie eines schoͤnen Originals, welches sich in Spa- nien befindet. Der Fuß und der Rand der Vase sind angesetzt. Rund herum stehen einige Buͤsten, unter denen aber Nichts sonderlich merkwuͤrdig ist. Die besten sind: Ein Pallast Giustiniani. Ein Lucius Verus, ein Marc Aurel, ein An- tonin der Fromme, ein Faunuskopf, Ha- drian. Beim Zuruͤckkehren durch die naͤmlichen Zimmer kann man noch einige Bildhauerarbei- ten bemerken. Im achten. Alexander, Tiber, Buͤsten. Im siebenten. Septimius Severus, Trajan, Caracalla, Buͤsten. Diana von Ephesus, eine Muse, Statuen. Im sechsten. Schoͤner Kopf eines jugendlichen Marc Aurels in Bronze. Jupiter. Ein Indischer Bacchus. Eine schlechte als Paris ergaͤnzte Statue. Im fuͤnften. Eine kleine Statue des Marsyas. Kopf eines Juͤnglings. Im vierten. Zwei Buͤsten von Musen oder von Gra- zien mit sehr geschmackvollem Kopfputz. Die eine hat ein Netz auf dem Haupte nach Art Italieni- scher Maͤdchen. Eine Pallast Giustiniani. Eine kleine Ariadne von lieblichem Aus- drucke. Eine Vase mit drei schlafenden Kindern. Die Arbeit ist schlecht. Dem ersten Zimmer zur Seite von dem Vorsaale an rechter Hand zu rechnen, tritt man in eine andere Folge von Zimmern, die noch mit Gemaͤhlden gezieret sind. Die besten scheinen: † Ein auferstandener Christ, wahrschein- lich von Carravaggio. Die Figur tritt sehr vor, und ist nicht ganz unedel. Das weiße Gewand faͤllt sehr auf. Ganz wahr ist es nicht vorzuͤglich in den Halbtinten, aber blendend weiß im Lichte. Der Christ heilt einen Blinden, wahr- scheinlich von demselben. Von hier aus koͤmmt man in die beruͤhmte Gallerie der Statuen. Statuengallerie, die durch die Kupferstiche San- drarts so sehr, und wenn ich es sagen darf, uͤber Ver- dienst beruͤhmt geworden ist. Die Statuen sind meistens sehr restaurirt, und zum Theil sehr schlecht. Hier ist das genaue Verzeichniß von demjenigen, was noch vorhanden ist. Ich bin mit Fleiß so um- staͤndlich dabei gewesen, um diejenigen, die nach dem Sandrart eine Statue als hier befindlich anfuͤh- ren sollten, vor allem Irrthume zu sichern. Die Vergleichung wird zeigen, daß die Sammlung seit Sandrarts Zeiten um ein Betraͤchtliches vermin- dert ist. † Der Pallast Giustiniani. † Der beruͤhmte Bock. Der Kopf ist nach dem einstimmigen Urtheile aller Kenner neu, und uͤberhaupt steht das Werk seinen Ruhm nicht. Meleager. Der Kopf ist neu. Noch ein Meleager. Arme und Beine neu, so wie der wilde Schweinskopf. Mann und Frau eine Gruppe. Der Mann umarmt sein Weib, und haͤlt ihre Hand. Die Ausfuͤhrung ist dem Gedanken nicht gleich. Der Kopf des Mannes ist modern. Eine Amazone. Kopf und Arme sind modern. Eine Venus mit einem Gewande, das von ihren Huͤften zu gleiten scheint. Eine Frauensperson mit einem Schleier, man nennt sie, eine Vestalin. Jupiter. Juno. Eine schlechte Diana, an welcher Kopf und Arme modern sind. Hercules mit Weinlaub bekraͤnzt. Arme und Beine neu. Es scheint ein trunkener Hercules zu seyn. Leda mit dem Schwane. Kopf und Arme modern. † Venus aus dem Bade sich aufrichtend. Sie ruhet mit untergeschlagenem Beine und geboge- ner Spitze des Fußes auf den Zehen und dem Knie. Ihr Koͤrper ist vorgebuͤckt, ihre Arme sind vor der Brust uͤber einander geschlagen. Sie blickt zur Seite und scheint im Begriff zu seyn, aufzustehen, oder sich aus dem Bade zu erheben. Neben ihr eine Vase Pallast Giustiniani. Vase oder Salbengefaͤß. Man nennt sie Cleopatra wegen des Armbandes in Form einer Schlange. Des Gedankens wegen hauptsaͤchlich zu bemerken. Hr. Bernoulli (Zusaͤtze zu den neuesten Italieni- schen Reisebeschreibungen, Theil I. S. 444.) hat diese Stellung mit dem niedersaͤchsischen Provin- cialismus huckend ausgedruͤckt. Im Franzoͤsischen hat man dafuͤr das Wort accroupié. Der Herr Hofrath Heyne Antiquar. Aufs. 1stes Stuͤck. S. 154. haͤlt sie mit Recht fuͤr eine Venus aus dem Bade. Dies zeigt auch das Salbenge- faͤß bei ihr an. Eine aͤhnliche Vorstellung wird von dem Du Cavallieri Venus Corollaria, vielleicht von dem Armbande genannt. Der Herr Hofrath Heyne zeigt aus dem Episcopius, nr. 77. wo diese Figur vor der Ergaͤnzung gezeichnet seyn soll, daß Kopf und Haͤnde neu sind. Dies ist mir jedoch nicht aufgefallen, ob ich gleich ziemlich genau die Statuen in dieser Sammlung auch in der Ruͤck- sicht, das Alte von dem Neuen abzusondern, un- tersucht habe. Es kann aber auch sehr wohl seyn, daß mir diese Bemerkung entgangen ist, weil das Werk als schoͤnes Kunstwerk wenig Aufmerksamkeit verdient. Dem Herrn Hofrath Heyne wird es wahrscheinlich, daß diese Figur urspruͤnglich eine Venus war, die das Haar mit der einen Hand trocknete. Sylen mit dem Schlauche. Frauensper- son als Bacchantin restaurirt . Gladiator . Muse . Zwei Pallast Giustiniani. Zwei Statuen, deren Gewaͤnder von schwarzem Basalt nach Art der Isis umgewor- fen, und auf der Brust zusammen geknuͤpfet sind . Der Putz der aufgesetzten Koͤpfe und die At- tribute, die man ihnen in die modernen Haͤnde gege- ben hat, deuten eine Ceres an. Ein Juͤngling mit aufgehobenen Armen . Sie sind so wie die Beine neu. Der antike Koͤrper ist gut. Pallas Giu- stiniani. † Die beruͤhmte Pallas Giustiniani . Aus der Zeit, als die Kunst noch nicht ihre ganze Fein- heit erreicht hatte. Die Umrisse sind bestimmt, aber etwas hart und eckigt. Die Formen haben viel Groͤße. Das Gewand, welches das Nackte sehr gut andeutet, ist trocken, und in viele kleine Falten gelegt. Die Lippen haben einen Rand, eine Art Einfassung, wie man sie an mehreren Statuen be- merkt. Nur der rechte Arm ist neu. Man nennt sie Medica wegen des Attributs der Schlange. Hercules . Ein stehender Hermaphrodit . Er hat viel Aehnlichkeit mit dem stehenden Hermaphroditen in der Villa Borghese. Der Kopf ist neu. Harpocrates . Ein Bock . † Ein Kopf des Vitellius . Dieser Kopf ist schoͤn, obgleich der Ausdruck in Carricatur uͤber- geht. Er ist aber nicht alt, wie viele glauben, son- dern eine Copie nach einem andern der zu Genua steht und dessen Alter zweifelhaft ist. Ein Pallast Giustiniani. Ein Faun als Floͤtenspieler . Im Cha- rakter desjenigen, der in der Villa Borghese steht, er koͤmmt diesem zwar nicht an Schoͤnheit bei, ist aber nicht ohne Verdienst. Apollo stehend . Die Beine sind ein wenig zu kurz: Kopf und Haͤnde neu. † Vestalin aus der Zeit des fruͤhesten Alters Vestalin. der Kunst. Alles ist steif, geradelinigt und eckigt. Der rechte Arm ist schlecht gearbeitet, und der linke neu. Die Falten fallen ganz gerade herab. Der Mund hat dieselbe Einfassung, die ich vorher bei der Pallas bemerkt habe. Großheit in den Formen findet man schon. Dies uralte Werk ist wahrschein- lich griechisch; die Benennung einer Vestalin uner- weislich; der Kopf mit einen Schleier bedeckt, der nur bis auf die Schultern faͤllt. Die Arme sind nackt. Mercur . Eine Muse . Genius mit einer Fackel und Mohnsten- geln . Kopf, Arme und Fuͤße neu. Diana mit einem Hunde . Sie zieht einen Pfeil aus dem Koͤcher. Der Kopf ist modern. Amor spannt den Bogen . Kopf, Arme und Beine modern. Der Koͤrper ist schoͤn. Venus aus dem Bade sich aufrichtend , eine Wiederholung der vorigen Statue in eben dieser Sammlung. Wie die vorige traͤgt sie das Armband in Form einer Schlange, wird wie jene Dritter Theil. D Cleopa- Pallast Giustiniani. Cleopatra getauft, und hat an Werth nichts vor der andern zum Voraus. Hr. Volkmann Hist. kritische Nachrichten, Edit. von 1777. Th. II. S. 463. haͤlt diese Copie fuͤr ein Werk des Bernini. Nymphe oder Bacchantin . Bei ihr der Stamm eines Baums, um den sich eine Weinrebe schlaͤngelt. Diese Figur ist nicht uͤbel. Die Arme sind neu. Gladiator . Diana . † Eine Vestalin oder eine Figur mit dem Schleier in reizender Stellung und mit einem gut ge- worfenen Gewande. Sie ist wohl erhalten, denn selbst die Haͤnde sind alt. Inzwischen scheint der Kopf, der ein Portrait ist, aufgesetzt. Statue eines jungen Helden mit dem Pa- ludamento . Man hat ihr einen neuen Kopf des Marc Aurels, und zwei neue Arme gegeben. Ein Faun mit der Schale . Gut. In einem Hofe hart an der Gallerie standen zu meiner Zeit dem Wind und Wetter ausgesetzt: Titus Vespasianus, Paris, Plotina, Julia Schwester des Titus , Buͤsten. Ein Amor in gewoͤhnlicher Groͤße, der einen kleinen Amor betrachtet, der als Em- bryo bei seinem Koͤcher und seinen Pfeilen schlaͤft . Pallast Giustiniani. schlaͤft . Eine sonderbare Idee, die sehr mittel- maͤßig ausgefuͤhrt ist. Note . Die Volkmannische Beschreibung dieses Palla- stes ist in der neuesten Edition vorzuͤglich durch die aufgenommenen Zusaͤtze des Hrn. Bernoulli fehler- haft und beinahe unbrauchbar geworden. Ich bemerke hier nur im Vorbeigehen, mit welchem Geschmack dieser letzte Gelehrte gesehen haben muͤsse. Er fand in dieser Gallerie den modernen Kopf eines Bauren mit einem Hute auf dem Kopfe. Er sah ihn fuͤr einen Cicero an, und weil er sich den Hut nicht wohl zu erklaͤren wußte, so setzte er hin- zu: Vermuthlich, wie er in Tusculum spazieren gieng!!! D 2 Pallaft Pallast Verospi . V on allen Statuen, die ehemals in diesem Pallaste standen, sind nur noch drei uͤbrig , und diese gehoͤren unter die mittelmaͤßigsten, daher ich sie uͤbergehe. Sie stehen im Hofe. In einem kleinen Porticus dieses Hofes sieht man am Plafond zwei Fresco-Gemaͤhlde des Albano . Das eine stellt Galathea mit ih- ren Nymphen vor, die dem Gesange des Po- lyphems zuhoͤren ; Das andere Acis und Ga- lathea, die der Wuth des Riesen zu entfliehen suchen . In beiden erkennt man an der Zeichnung die Schule der Carracci, und die dem Schuͤler eigenthuͤmliche liebliche Faͤrbung wieder. Letztere ist in diesen Gemaͤhlden der bessere Theil. Plafond von Albano. In der obern Gallerie des Hauses ist der Plafond von Albano gemahlt, und die weitlaͤuf- tigste Composition, die man diesem Meister kennt. Das Mittelgemaͤhlde stellet den Apollo im Thierkreise in Begleitung des Bacchus, der Ceres, des Vulcans und der Flora, als Symbolen der vier Jahrszeiten vor. Die Zu- sammensetzung ist schoͤn. Der Ausdruck im Apollo zu suͤßlich. Er sieht mehr einem huͤbschen Jungen als einem Gotte aͤhnlich. In der Zeichnung der Koͤrper maͤnnlicher Figuren findet man den Stil der Carracci, wiewohl ausgeartet, wieder. Hingegen sind Pallast Verospi. sind die Koͤrper der Weiber viel swelter, und weni- ger eckigt gezeichnet. Die Faͤrbung ist lieblich, wenn sie gleich ein wenig ins Rothe faͤllt. Linker Hand in einem andern Felde Amor, der unter der Gestalt des Abends, oder des Hesperus, seine Pfeile auf die Erde streuet . Ein angenehmer und feiner Gedanke. In einer andern Abtheilung ist die Nacht unter der Gestalt einer Frauensperson abgebil- det, die zwei Kinder mit ihren Fluͤgeln be- deckt . Der Gedanke ist gleichfalls gut, aber die Ausfuͤhrung entspricht ihm nicht. Gerade gegen uͤber Aurora, die von dem jungen Tag gefuͤhrt Blumen uͤber die Erde ausstreuet . Diese Figuren sind schlecht gezeichnet, und bei dem Wurf der Gewaͤnder ist die Natur nicht zu Rathe gezogen. Der Morgenstern schuͤttet den Thau uͤber die Erde aus . Diese vier Gemaͤhlde enthalten allegorische Vor- stellungen der vier Tageszeiten. Es folgen noch: Die Vorstellungen von sechs Planeten in einigen Handlungen die aus der Mythologie entlehnt sind . Venus nimmt dem Amor Pfeil und Bo- gen, die dieser wieder zu erhaschen sucht . Der Gedanke ist reizend. Die Ausfuͤhrung koͤmmt ihm nicht gleich. Der Kopf der Venus ist von schoͤnem Charakter, aber er ist zu stark im Verhaͤltnisse zum Koͤrper, und der Arm haͤngt nicht recht mit der Schulter zusammen. Die Farbe faͤllt ins Violette. Der Blick der Venus ist ausdrucksvoll. D 3 Mercur . Pallast Verospi. Mercur . Die Umrisse seines Koͤrpers sind fließend und swelt. Die Faͤrbung ist kraͤftig. Eine der schoͤnsten Figuren dieser Gallerie. Diana . Schlechte Figur in sehr gezwungener Stellung. Saturn zieht ein Kind uͤber die Achseln hervor . Der Stil der Zeichnung hat viel von der Schule der Carracci. Inzwischen ist sie zu schwer- faͤllig und zu wenig correkt, um den Abstand des Schuͤlers zum Meister nicht fuͤhlbar zu machen. Jupiter und Ganymed . Der Kopf des Ju- piters laͤßt mehr Gutmuͤthigkeit und Ueberreste ehe- maliger Schoͤnheit, als Wuͤrde und Adel blicken. Der Kopf des Ganymeds ist sehr reizend. Mars , eine schlechte Figur. Zwischen diesen Gemaͤhlden sind noch ei- nige kleinere von aͤußerst artiger Erfindung zur Fuͤllung angebracht. Rechter Hand vom Haupteingange ab: Ein wolluͤstiger Kampf zwischen Nymphen und Panen . Eine Nymphe, die ein Satyr belauscht . Satyren und Nymphen, die der Venus ein Opfer bringen . Noch ein Opfer . Venus an der Toilette . Des Adonis Abschied von der Venus . Eine nackte Frauensperson, die zwei Pa- nen auf den Ruͤcken eines weiblichen Pans setzen . Galathea von Meerungeheuern umgeben . Trito- Pallast Verospi. Tritonen, die um eine Nereide streiten. Waͤhrend, daß der eine den andern umbringt, entfuͤhrt sie ein Dritter . Opfer dem Priap . An den Waͤnden der Fensteroͤffnungen sieht man noch einige artige Taͤnze von Kindern und Nymphen . Diese Gallerie kann einen sehr sichern Aufschluß uͤber Das Cha- rakteristische in dem Stil des Albano. das Charakteristische in dem Stile des Albano geben. Ich will dies mit ein paar Worten zusammen zu fassen suchen. Er hatte mehr Talent zu kleinen ange- nehmen Vorstellungen, als zu großen und edlen Zu- sammensetzungen. Er war der Mahler kindlicher Reize, der Unbefangenheit und der Schalkheit des gluͤcklichen Alters, dem das Leben ein lieblicher Traum ist. Kinder sind das Beste was er gemahlt hat: Weiber haben bei ihm oft einen suͤßlichen, oft gar keinen Ausdruck, und sehen sich alle einander aͤhnlich. Von seinen Juͤnglingen gilt dasselbe. Maͤnner und Alte verstand er gar nicht zu mahlen. Er zeichnete im Stile der Carracci, die maͤnn- lichen Figuren jedoch schwerfaͤlliger, die weiblichen swelter; haͤufige Incorrektionen abgerechnet, wo- durch er sich gleichfalls von seinen Meistern unter- schied. Seine Gewaͤnder sind in dem Faltenschlage eckigt, und nicht schoͤn geworfen. Sein Colorit hat einen sehr angenehmen roͤthlichen Ton im Oel, ob dieser gleich nicht ganz wahr ist. Im al Fresco faͤllt er zu sehr ins Rothe. Er beobachtete das Helldunkle sehr gluͤcklich, mahlte harmonisch und mit einem leichten und wohl- genaͤhrten Pinsel. Er lebte von 1578—1660. D 4 Pallast Pallast Ruspoli . U nten im Hofe stehen mehrere Statuen, die keiner sonderlichen Aufmerksamkeit werth, und groͤße- sten Theils, (um mich des Lieblingsausdrucks des Cardinals Albani zu bedienen) sfacciatamente re- staurirt sind. Inwendig in den Zimmern an der Erde. † Zwei schoͤne Statuen Silens, der einen jungen Bacchus traͤgt . Wiederholungen des Silens in der Villa Borghese. Die eine dieser Sta- tuen hat einen modernen Kopf. Winkelmann, G. d. K. S. 324. redet noch von zwei jungen Faunen, die die Beine uͤbereinander geschlagen haben. Allein andere als diese beiden alten habe ich in diesem Pallaste nicht gefunden. Von diesen redet er G. d. K. S. 277. Die drei Grazien. † Eine beruͤhmte Gruppe der drei Gra- zien mit alten Koͤpfen. Die Mine derselben, sagt Winkelmann, deutet weder auf Froͤlichkeit, noch Ernst, sondern bietet eine stille Zufriedenheit dar, die der Unschuld der Jahre eigen ist. Winkelmann Gesch. d. Kunst, S. 307. Dies Urtheil ist voͤllig wahr. Sie sind sich der Staͤrke ihrer Reize nicht bewußt, und ohne Anmaaßung auf Beifall. † Ein Pallast Ruspoli. † Ein beruͤhmtes Basrelief, welches den Ein schoͤnes Basrelief. Telephus mit seiner Mutter Auge, seinem Waf- fentraͤger und einem Pferde vorstellt . Dies Basrelief gehoͤrt unstreitig unter die vorzuͤglichen un- ter den antiken. Es ist gut gedacht und ausgefuͤhrt. Auch sind die Figuren perspektivisch richtig gestellt. Die Vordersten treten mehr als die Hintersten vor. Winkelmann G. d. K. S. 307. W. E. beruft sich mit Recht auf dies Basrelief als auf einen Beweis, daß die alten Kuͤnst- ler die Zuruͤckweichung der Figuren nach der verschie- denen Entfernung zu beobachten gewußt haben. In- zwischen ist dies noch immer der seltnere Fall, der zur Vertheidigung der alten Kuͤnstler in Ansehung dieser Vernachlaͤßigung in vielen andern Faͤllen allein nicht zureicht. Am wenigsten aber wird man etwas fuͤr eine auf Regeln gebrachte Kenntniß der Linien und Luftperspektiv bei den Alten daraus folgern koͤnnen. Ganz etwas anders ist es durch bloße Aufmerksam- keit und Treue der Nachahmung, mithin durch das Augenmaaß auf die Bemerkung geleitet zu werden, daß von drei oder vier Personen in einer Gruppe die eine vortrete, die andere zuruͤckweiche, die eine uͤber die andere hervorrage; und wieder ganz etwas anders die merkliche Abweichung mehrerer Gruppen belebter und unbelebter Gegenstaͤnde von einander, durch die Verhaͤltnisse ihrer Formen, und nach dem Grade der Staͤrke des darauf fallenden Lichts dem Auge des Zuschauers fuͤhlbar zu machen. Zu jenem wird eine blos empirische Kenntniß erfordert, die nur gar zu D 5 oft Pallast Ruspoli. oft truͤgt, zu dieser eine auf Regeln gebrachte Wissen- schaft der Optik und der Perspektiv. Da viele Gruppen auf verschiedenen Planen dem Zwecke und dem Eindruck eines Basreliefs ganz zuwider sind, wie ich an einem andern Orte zeigen werde; so gebe ich es gern zu, daß mehrere Kuͤnstler unter den Alten vollkommen so viel von der Perspektiv gewußt haben, als zur Composition ei- nes Basreliefs gehoͤrt. Allein fuͤr ihre Gemaͤhlde ist daraus nichts zu folgern, vielmehr kann ich die Beweise, die man bis jetzt von ihren Kenntnissen in der Perspektiv als einer auf Regeln gebaueten Wis- senschaft angiebt, nicht als zulaͤnglich ansehen. Man findet hier eine Menge Buͤsten, unter denen freilich die meisten modern, einige aber auch antik sind. Unter diesen schien mir ein Hadrian auf halben Leib, der vorzuͤglichste. Man pflegt durch eine Nebentreppe zu den obern Zimmern gefuͤhrt zu werden. Hier geht man durch ein Cabinet , worin einige Zeichnungen, nebst einem Portrait des vorigen Duca haͤngen. Dies letztere ist des besondern Costums wegen merk- wuͤrdig. Es stellt diesen Herrn als Apollo unbe- kleidet , mit der Leier in der Hand, dabei aber in einer Allongeperuͤcke , vor. Den Plafond des obern Saals hat Tad- deo Zuccari gemahlt. Titi: Descrizione delle Pitture, Sculture e Ar- chitetture, esposte al Publico in Roma. Ed. de 1763. S. 370. giebt Giacomo Zuchi, einen Floren- tiner und Schuͤler des Vasari, als den Meister an. Ich kenne von diesem Meister Pallast Ruspoli. Meister keine weitlaͤuftigere und besser erhaltene Com- position in Rom. Er stellet mehrere Gegenstaͤnde aus der Mythologie vor, die die sonderbare und rei- che Erfindung des Mahlers hin und wieder mit eige- nen Zusaͤtzen zu bereichern gewußt hat. Die Zu- sammensetzung zeigt einen erfinderischen und witzigen Kopf an, dem es an Herz, und folglich an Ge- schmack, Empfindung des Schoͤnen, und Kenntniß des wahren Zwecks der Mahlerei gefehlt hat. Die Figuren sind auf einander gehaͤuft, und ohne Ord- nung zusammen geworfen. Die Zeichnung ist sehr manierirt, und eine Vermischung des roͤmischen und florentinischen Stils, ohne die Natur zu Rathe zu ziehen. Faͤrbung und Haltung sind gleichfalls ganz conventionell. Inzwischen leuchtet aus dem Ganzen viel Feuer hervor, und es ist zu bedauern, daß der Meister ihm nicht durch Studium der Natur und der Antike eine bessere Richtung zu geben gewußt hat. Pallast Pallast Rospigliosi . D ieser Pallast ist zwischen dem Principe Ga- gliano Ich glaube daß der Nahme dieses juͤngeren Prin- zen der Familie Rospigliosi so geschrieben wird. Ich stehe inzwischen nicht mit Gewißheit dafuͤr ein. und dem Duca Zaccarolli, so wie die Sammlung der darin befindlichen Gemaͤhlde getheilt. In den Zimmern des Prinzen Gagliano. Ein Opfer der Diana , von P. da Cortona . Poussins Bildniß, von ihm selbst ge- mahlt . Einige Thierstuͤcke von Sneyders . Einige Perspektiven von Viviani . Einige Landschaften von Tempesta . Einige große historische Compositionen von Romanelli . Eine Skizze zu einem Plafond in der Ma- nier des Paolo Veronese. Die drei Marien von Muziano . Eine Madonna mit dem Kinde von Ba- roccio , lieblich, aber zu blau. Rinaldo und Armida von Albano . Eine schoͤne Landschaft mit Wasserfaͤllen von J. Both . Eine Marine , angeblich von Claude le Lor- rain . Ein Pallast Rospigliosi. Ein heiliger Sebastian von Valentin . Der Tod des Kaisers Julianus Apostata ; und des Saulus Bekehrung beide von Luca Giordano . † Der Christ und die zwoͤlf Apostel , halbe Figuren, in dreizehn verschiedenen Stuͤcken von Rubens . Die Mutter Gottes mit dem Leichname ihres Sohnes auf dem Schooße , eine Copie nach dem beruͤhmten Gemaͤhlde des Annibale Car- raccio zu Capo di Monte. † Christus traͤgt das Kreuz , ein schoͤnes Stuͤck von Daniel di Volterra . Eine heilige Familie von Leandro Bassano . Sophonisbe von Calabrese . Die fuͤnf Sinne von Cignani . Eine heilige Magdalena von demselben . Loth mit seinen Toͤchtern von Hiacinto Brandi . Ein Genius, der uͤber einem Fuͤllhorn liegt , von Poussin . Andromeda von Guido . Adam und Eva , und Christus beide von Palma . Ein ganzes Zimmer mit Landschaften von Paul Brill al Fresco gemahlt , stark retouchirt. Zwei Plafonds von Giovanni da St. Giovanni . In Pallast Rospigliosi. In den Zimmern des Duca Zaccarolli haͤngen † Einige Seestuͤrme, Landschaften und Prospekte von Landsitzen, die der Familie Rospigliosi gehoͤren , von Manglar, dem Lehr- meister Vernets . Sie sind schoͤn gedacht. Mehrere Prospekte von Viviani . Ein Ecce Homo von Calabrese . Einige Niederlaͤnder . Einige Bamboschaden von M. A. delle Bambocciate . Ein paar historische Gemaͤhlde von Ro- manelli . Flora mit zwei Geniis , von Guercino in seiner rothen Manier. Zwei allego- rische Ge- maͤhlde von Poussin. † Die vier Jahrszeiten von Poussin . Sie drehen sich im ewigen Reihetanz nach der Harmonie der Zeit. Diese, ein Alter, lehnt sich an ein Posta- ment und spielt die Leier: Neben ihm sitzt ein Ge- nius mit einem Stundenglase. Gegenuͤber eine Terme mit einem Januskopf, und ein anderer Ge- nius der mit Seifenblasen spielt. Diese Figuren sieht man in einer wohlgedachten Landschaft. Am Himmel faͤhrt die Sonne in ihrem Wagen; um sie herum tanzen die Horen, und Aurora geht vorauf und saͤet Blumen. Diese Zusammensetzung befriedigt vorzuͤglich in dem unteren Theile alle Erfordernisse einer guten Al- legorie. Sie ist allgemein verstaͤndlich, und sollte sie es auch nicht seyn, so bleibt der Ausdruck der ver- einigten Pallast Rospigliosi. einigten Personen auch ohnehin erklaͤrbar, und in- teressant. Sind es nicht die Jahrszeiten, nicht die Bilder des Kreislaufs der Zeit, des Voruͤbergehens und des Wiederwerdens; gut! so sind es uͤberhaupt Personen, die nach dem Klange einer Leier tanzen, mit ihren spielenden Kindern; das Alles laͤßt sich in einer laͤndlichen Scene wohl zusammen denken, und der Ausdruck von Froͤlichkeit, welcher durch die Handlung hinreichend motivirt wird, kann das Auge und den innern Sinn nicht gleichguͤltig lassen. Die Figuren in der obern Haͤlfte des Bildes haͤtten eben so gut wegbleiben koͤnnen. Zur Verstaͤndigung des Betrachters tragen sie nichts bei, und zur mahleri- schen Wuͤrkung eben so wenig. Inzwischen stehen sie hier nicht unschicklich, und das ist bei dem haͤufi- gen Misbrauche allegorischer Vorstellungen schon Etwas. Die Ausfuͤhrung scheint mir hier besser als in vielen andern Bildern unsers Meisters. Die Zeich- nung ist correkt, die Koͤrper der tanzenden Figuren haben swelte Formen und abwechselnde Stellungen, und die Kinder den wahren Charakter ihres Alters. Die gewoͤhnlichen Fehler Poussins sind indeß nicht alle vermieden. Der Kopf der Zeit ist unbedeutend, um nicht stupide zu sagen; das Laͤcheln des Fruͤhlings wird zur grinzenden Ziererei; die Gewaͤnder sind trocken, und an Haltung und Colorit mangelt es gaͤnzlich. † Ein anderes allegorisches Gemaͤhlde eben dieses Meisters, stellt die Wahrheit vor, welche die Zeit aus dem Abgrunde hervorzieht, in den sie Neid und Misgunst zu stuͤrzen be- muͤht Pallast Rospigliosi. muͤht waren . Der Gedanke ist mir in diesem Ge- maͤhlde noch lieber als in dem vorigen, weil er zu einem reichhaltigern und interessantern Ausdruck Ge- legenheit giebt. In der Ausfuͤhrung vermisse ich an der Figur der Wahrheit, die edle Uebefangenheit, die Domenichino der seinigen in dem Plafond des Pal- lasts Costaguti zu geben gewußt hat. Der Ausdruck der uͤbrigen Figuren ist zum mindesten wahr, wenn er gleich edler und in dem Neide und der Misgunst weniger Carricatur seyn konnte. Die Anordnung, die Zeichnung, und das Helldunkle sind zu loben. Die Farbe ist zu finster. † Eine sehr schoͤne Landschaft mit einer Bruͤcke von Claude le Lorrain . Eine Geisselung von Valentin . Eine Fruchtkraͤmerin mit einem Kinde an- geblich von Guercino . Zwei Skizzen von P. da Cortona , die man eben so gern dem L. Giordano zuschreiben sollte. Eine Glasfabrik von Honthorst . Damon und Pythias vor dem Tyrannen Dionysius , von Guercino . Die Geschichte die- ser beiden Freunde ist bekannt. Der eine von ihnen saß auf den Tod, und da er, um in seiner Familie die letzten Einrichtungen zu treffen, auf eine Zeitlang aus der Verwahrung losgelassen zu werden wuͤnschte, so stellte sich der andere mittlerweile zum Buͤrgen, und erbot sich die Todesstrafe zu leiden, wenn sein Freund an dem zu seiner Hinrichtung bestimmten Tage nicht wiederkehren wuͤrde. Aber dieser kehrte wieder, und der erstaunte Tyrann bat um die dritte Stelle in ihrer Freundschaft. Die Wahl des Suͤ- jets Pallast Rospigliosi. jets ist bei weitem das Interessanteste in diesem Bilde. Aber es fraͤgt sich noch, ob das Interesse, selbst bei der vollkommensten sichtbaren Darstellung, nicht mehr in der Veranlassung zu interessanten Vorstel- lungen, in den Ideen liegen wuͤrde, die der Be- trachter hinzubringt, als in der gegenwaͤrtigen Percep- tion interessanter Vorstellungen aus dem Anblick des Bildes selbst: mithin ob uͤberhaupt diese Begebenheit ein mahlerisch interessantes Suͤjet ausmachen koͤnne. Man vergleiche das, was bei Gelegenheit der Pal- laͤste Barberini und Giustiniani, uͤber diese Ma- terie gesagt wird. Kopf des heil. Johannes wird dem Leo- nardo da Vinci beigelegt. † Loth und seine Soͤhne ein schoͤnes Bild von A. Sacchi . Eine Darstellung im Tempel nach Paolo Veronese . † Eine heilige Magdalena im schwarzen Gewande . Ein schoͤnes Gemaͤhld von Rubens. Eine Hirtenanbetung von Bassano . Ein heiliger Hieronymus der von dem Schall der Trompete in die ein Engel stoͤßt, geweckt wird , von Guercino . Eine heilige Familie von Poussin . Die heilige Elisabeth bringt den heil. Johannes als Kind zum Heilande. Die Zusammensetzung ist artig, die Koͤpfe sind schlecht, die Zeichnung ist trocken. Noch eine heilige Familie von demselben . Ein heiliger Philippus Neri , und Clemens der Neunte , von Carlo Maratti . In Dritter Theil. E Pallast Rospigliosi. In dem Casino des Gartens. Aurora von Guido. † Aurora von Guido . Eine der beruͤhm- testen Frescomahlereien in Rom. Phoͤbus faͤhrt in seinem Wagen unter Beglei- tung der tanzenden Horen. Der Morgenstern, un- ter dem Bilde eines lieblichen Knabens, fliegt vor- aus, und schwenkt die Fackel. Aber noch vor ihm schwebt Aurora, und streuet Rosen aus. Dieser Gedanke ist schoͤn, und sowohl in Ruͤck- sicht auf die heiteren Ideen die er erweckt, als auf die lieblichen Stellungen und Formen, zu denen er Anlaß giebt, gleich vortheilhaft fuͤr die sichtbare Darstellung. Unter den Koͤpfen scheinen die der Horen die rei- zendsten zu seyn. Sie haben den angenehmen Cha- rakter jugendlicher Froͤlichkeit. Die Gesichtsbil- dungen der Aurora und des Phoͤbus sind nicht bis zum Ideal gehoben. Die sitzende Stellung des letztern verhindert seine uͤbrige Gestalt in aller ihrer Schoͤnheit zu sehen. Hingegen sind die Koͤrper der Aurora und der Horen sehr reizend in ihren abwech- selnden Formen und Stellungen. Die erste dieser Goͤttinnen schwebt mit unbeschreiblicher Leichtigkeit dahin, und mit eben dieser Leichtigkeit flattert der schoͤne Genius mit der Fackel. Kopfputz und Ge- waͤnder, vorzuͤglich die fliegenden, sind vortrefflich. Die Zeichnung ist fein: Das Colorit hingegen weder ganz wahr, noch sehr harmonisch. Der Grund, der eine Aussicht aufs Meer zeigt, ist zu blau ge- worden. Ueberhaupt hat dies Gemaͤhlde sehr gelitten. Die Pallast Rospigliost. Die Anordnung ist zu loben, aber die Beleuch- tung zu willkuͤhrlich. Wenn diese lichtverbreitenden Koͤrper sich auch unter einander selbst nicht beleuchten konnten, so sollte wenigstens die Fackel in der Hand des Genius einige Wuͤrkung hervorbringen. Aber das Licht ist ganz außer dem Bilde angenommen. In eben diesem Zimmer Friesen von Tem- pesta, und Landschaften auf nassen Kalk von Paul Brill. In einem Nebenzimmer Simson, der die Saͤulen einreißt, ein großes Bild, das dem Lu- dovico Carraccio beigelegt wird. † Das Paradies von Castiglione: die Figuren der ersten Eltern sind von Domeni- chino. Gleichfalls ein großes Bild. † Davids Triumph uͤber den besiegten Goliath, in Gegenwart Sauls, von Dome- nichino. Eine große Composition, in der man schoͤne Weiberkoͤpfe antrifft. Im Garten. Man zeigt hier eine Statue des Domitians als eine der groͤßten Seltenheiten in Rom. Nach dem was Winkelmann G. d. K. S. 822. uͤber die Bildnisse dieses Kaisers im Allgemeinen sagt, wird die Aechtheit der- selben immer zweifelhaft bleiben. Eine Etruscische Pallas mit einem Seeunge- heuer zu ihren Fuͤßen. Der Kopf scheint neu. Die Hand in den Schleier gewickelt staͤmmt sie in die Seite. E 2 Der Pallast Rospigliost. Buͤste des Scipio Afri- canus. † Der schoͤnste Kopf des Scipio Africa- nus aus gruͤnlichtem Basalt steht in diesem Pallaste. Dieser Kopf mit voͤllig beschorner Scheitel, und der Narbe einer Wunde auf derselben, hat allen uͤbrigen Koͤpfen, die diesem aͤhnlich waren, den Nahmen ge- geben. Den Grund zu seiner Benennung nimmt man daher, daß derselbe in den Truͤmmern der Villa des aͤltern Scipio Africanus zu Liternum ausgegra- ben ist. Ob dieser durchschlagend sey, will ich nicht entscheiden, wenigstens bleibt es zweifelhaft, ob man hier das Bildniß des aͤlteren oder des juͤngeren Sci- pio sehe. S. Winkelmann, G. d. K. S. 764. Pallast Pallast Costaguti. D ie mehresten Reisebeschreibungen gehen sehr leicht uͤber diesen Pallast weg, inzwischen verdient er die Aufmerksamkeit des Liebhabers, einiger schaͤtz- baren Mahlereien wegen, die man darin antrifft. Am Plafond des ersten Zimmers Hercules und Dejanira von Albano. Die Figuren sind nicht außerordentlich, aber die Landschaft ist gut. In eben diesem Zimmer eine Landschaft in Wasserfarben von Caspar Poussin. Im zweiten Zimmer am Plafond, Acis und Galathea von Lanfranco: mittelmaͤßig. Zwei Landschaften in Wasserfarben von Poussin und wie man behauptet, eine von Claude le Lorrain. Ein Concert von M. Angelo delle Bam- bocciate. † Der Plafond des dritten Zimmers ist Plafond von Domenichi- no. von Domenichino und hat große Schoͤnheiten. Ueber einer reichen und perspektivisch richtig ge- mahlten Architektur sieht man den Himmel offen, an dem der Tag mit seinen vier Pferden hinfaͤhrt. Ge- gen ihn zu erhebt sich die Wahrheit, und die Zeit zerreißt den Mantel, der sie bedeckt. In den vier Winkeln fliegen Amorinen. Der eine traͤgt eine E 3 Loͤwen- Pallast Costaguti. Loͤwenhaut mit einer Keule, der andere einen Schaͤ- ferstab, und ein Hund steht zu seiner Seite: Der dritte haͤlt einen Pfeil, der vierte eine Violine. Wie diese Amorinen zu der sonst gut gedachten und leicht erklaͤrbaren Allegorie passen, ist schwer zu begreifen. Der Tag unter der Figur des Apollo hat ein suͤßliches und geziertes Wesen. Hingegen hat die Wahrheit ganz den Charakter edler Unbefangenheit und bescheidener Zuversicht, welche Begleiterinnen eines schuldlosen Herzens zu seyn pflegen. Ihre Fi- gur ist schoͤn: nur finde ich die Warzen auf den Bruͤ- sten zu stark angegeben, und in der Zeichnung der Beine einige Unbestimmtheit. Die Figur der Zeit ist wahr, ohne edel zu seyn. Die Kinder sind schoͤn, und vorzuͤglich hat das mit dem Hirtenstabe einen vortrefflichen Ausdruck schwebender Leichtigkeit. Irre ich, oder hat Domenichino in der Faͤrbung den Guercino, seinen Nachbar im naͤchsten Zimmer, vor Augen gehabt? Plafond von Guercino. † Der Plafond des vierten Zimmers ist von Guercino. Er stellt die Armida vor, die den schlafenden Rinaldo in einem Wagen mit Dra- chen bespannt entfuͤhrt. Dieser Plafond ist vortreff- lich componirt. Doch rechne ich einen Fehler wider die Perspektiv ab. Rinaldo konnte so nicht liegen, ohne aus dem Wagen herabzufallen. Die Figur der Armida macht kein vollkomme- nes Ideal aus. Aber wie verfuͤhrerisch sind nicht ihre Reize! wie luͤstern wacht sie uͤber den Juͤngling! Dieser ist mehr Schaͤfer als Held; aber seine Formen sind Pallast Costaguti. sind der Natur abgestohlen, und so auch der Aus- druck des Schlafs. Die Wuͤrkung, die dieser Plafond durch Ab- wechselung des Lichts und Schattens, und durch die Kraft der Farben hervorbringt, ist vorzuͤglich im al Fresco bewundernswuͤrdig. Inzwischen kann man nicht leugnen, daß wenn diese Vorzuͤge zuerst den Blick auf sich gezogen haben, der Mangel an Harmonie, die gar zu schneidenden Lichter dem Auge auf die Laͤnge wehe thun. Den Plafond des fuͤnften Zimmers hat der Cavaliere Giuseppe d’ Arpino gemahlt. Juno schlaͤft; ihr Sohn saugt an ihren Bruͤsten; Jupiter und einige andere Gottheiten sehen zu. Man begreift nicht, warum alle diese Personen da beisammen sind. Sie sind ohne allen Ausdruck. In diesem Zimmer trifft man auch einige Staf- felei-Gemaͤhlde an. Eine Aufnehmung der heiligen Magdalena in den Himmel von A. Sacchi. Sie hat viel von der Aufnehmung der Madonna des Guido im Pallast Sta Croce. Eine heilige Agatha und heilige Prasseda von Lanfranco, von sehr kraͤftigem Colorit. Bildniß des Cardinals Barberini von A. Sacchi. Daͤdalus der dem Icarus die Fluͤgel an- bindet von demselben Meister: richtige Zeichnung, und schoͤne Farbe. Zwei Landschaften von Poussin. E 4 Heili- Pallast Costaguti. Heiliger Franciscus, halbe Figur von Guido. Ein anderer heil. Franciscus von Guercino. Judith im Begriff dem Holofernes den Kopf abzuhauen von Mola: gemeiner Ausdruck und schlechte Wahl der Formen: uͤbrigens kraͤftig von Farbe, und von pikanter Wuͤrkung des Hell- dunkeln. Zwei Bildnisse aus der Venetianischen Schule. In einem andern Zimmer, der Friede und die Gerechtigkeit von Lanfranco. Er hat die Manier des Guercino nachzuahmen gesucht. Wieder in einem andern, am Plafond: Bac- chus und Ariadne. Man legt dies Werk dem Ludovico Carraccio bei: allein dies ist nicht glaublich, da der Meister sich nur wenige Tage in Rom aufge- halten hat. Pallast Pallast Casali. † E in schoͤner Sarcophag mit dem Triumph des Bacchus und der Ariadne vom schoͤnsten Stile. Unter andern Figuren sieht man einen Faun, der sich auf die Spitzen der Zehen hebt, und die Hand uͤber die Augen haͤlt, um besser zu sehen. Ein schlafender Faun, an dem die Theile, die nicht restaurirt sind, sehr schoͤn sind. † Der beruͤhmte Kopf des Caͤsars, der Schoͤner Kopf des Caͤsars. beste, der von ihm bekannt ist. Er ist aus Bronze. Herr Volkmann Hist. krit. Nachricht, S. 357 f. nennt ihn irrig: Cicero. Ein schoͤnes antikes Mosaik, welches ehemals zum Fußboden gedient hat. Es stellt die Entfuͤhrung der Europa vor, rund herum sind Arabesken ange- bracht. Diese Stuͤcke standen zu meiner Zeit zum Ver- kauf. Man konnte nur die Genehmigung des Pab- stes nicht erhalten. So viel mir erinnerlich ist, stand der Kopf des Caͤsars in der besondern Wohnung ei- nes Praͤlats aus diesem Hause. Man kann hier nachfragen. E 5 Pallast Pallast Lancellotti. I m Hofe sind einige Basreliefs angebracht. Sie sind im Ganzen unbetraͤchtlich. Dieser Hof, die Treppen und die Vorzimmer sind mit Statuen besetzt. Die besten darunter scheinen zu seyn: Ein Paris, ein Faun, eine Diana von Ephesus, und zwei Musen. Unter diesen hat die eine Aehn- lichkeit mit derjenigen, die unter dem Nahmen Clio aus diesem Pallaste ins Museum Clementinum ge- kommen ist, aber sie hat nicht ihren Werth. In den untern Zimmern. Ein Amor von weißem Marmor. Er hat gute Partien. Angelika und Medor von Guercino, sehr verdorben. Eine Copie des beruͤhmten Gemaͤhldes von Tizian in Spanien, mehrere Gruppen von Kindern vorstellend. Es war ehemals in der Villa Ludovisi befindlich, Poussin und Fiamingo haben viel darnach studirt. Eine Frauensperson, die auf der Leier spielt, von P. Veronese. Eine Muse, moderne Statue. In den obern Zimmern. † Loth mit seinen Toͤchtern von Guido. Drei Figuren auf halben Leib, aber Lebensgroͤße. Die Koͤpfe sind vortrefflich, und die Faͤrbung ist gut. Man Pallast Lancellotti. Man findet dieses Bild in Hamiltons Scuola Ita- liana in Kupfer gestochen. † Susanna zwischen den beiden Alten: ein Gegenstuͤck zu dem vorigen, von demselben Mei- ster. Dies Gemaͤhlde scheint vor dem vorigen noch Vorzuͤge zu haben, aber es hat sehr gelitten. Die Koͤpfe sind sehr schoͤn, so wie der ganze Koͤrper des Weibes. Der verlohrne Sohn von Guercino. Der Vater bekleidet seinen juͤngsten Sohn, waͤhrend daß er dem aͤlteren Vorwuͤrfe macht. Die Composition ist nicht zu loben, und die Farbe faͤllt zu sehr ins Rothe. Hamilton hat es in die Scuola Italiana aufgenommen. † Ein junger Bacchus spielt dem Silen auf der Floͤte vor, ein Gemaͤhlde in Wasserfarben, von Annibale Carraccio, welches ehemals zum Deckel eines Clavecins gedient hat. Hamilton hat es gleichfalls stechen lassen. Die Figuren sind nur klein, aber mit vielem Geiste und vieler Delicatesse behandelt. Der Ausdruck ist vortrefflich, die Formen sind nach der Antike gemodelt. Das eine Bein in der Verkuͤrzung ist unvergleichlich. Am Silen sind viel- leicht einige Partien zu trocken ausgefuͤhrt. Fuͤr Wasserfarbe ist die Faͤrbung sehr kraͤftig. † Einige Faunen tragen einen Silen, und Amorinen wiegen sich auf Weinreben. Ein Gemaͤhlde auf einem Goldgrunde von Annibale Car- raccio. Eine allerliebste Composition, die mit der vorigen zur Verzierung eines und desselben Instru- ments gedient zu haben scheint. Ein Bildniß eines Frauenzimmers von Paolo Veronese. Pallast Pallast Massini. D ie mehresten Stuͤcke, welche Herr Dr. Volk- mann Historisch kritische Nachrichten uͤber Italien, II. Th. S. 431. Edit. von 1777. als hier befindlich angiebt, sind ver- kauft. Ein großer Theil ist in die Villa Albani ge- kommen. Die Etruscischen Vasen hat der Cardinal Zelada gekauft. Der Aesculap, eine Statue, die hier noch steht, ist unbedeutend. Dagegen ist ein betraͤchtlicheres Stuͤck: Discobolus. † Ein Discobolus, Fea liefert in seiner Italienischen Uebersetzung der G. d. K. Tav. II. eine Zeichnung dieser Figur. T. II. p. 211. n. A. giebt er auch davon eine Be- schreibung. Er findet eine so große Aehnlichkeit zwischen ihr, und derjenigen, die uns Lucian von einer aͤhnlichen des Myrons aufbewahret hat, daß er die unsrige fuͤr eine Copie von jener halten moͤchte. eine Statue in Lebens- groͤße, hinzugekommen. Diese ist 1781. gefunden. Die Figur legt sich vorn uͤber, streckt den rechten Arm hinten aus, um den Discus zu werfen, richtet den Blick des umgedrehten Kopfs nach diesen Discus, steht auf dem rechten Fuße mit gekruͤmmtem Knie, und streckt das linke Bein mit umgebogenen Zehen, gleichsam um sich dadurch einen Schwung zu geben, hinter sich zuruͤck. Die linke Hand legt sie an das rechte Knie, wahrscheinlich um sich dadurch im Gleich- gewichte zu erhalten. Diese Stellung hat etwas unnatuͤrliches. Die Figur scheint außer dem Gleichgewichte zu seyn, und fallen Pallast Massini. fallen zu muͤssen. Auch thun die unterwaͤrts gebo- genen Zehen des linken Fußes dem Auge wehe; um so mehr, als sie an den Block befestigt sind, und der Koͤrper darauf zu ruhen scheint. Fea gesteht das Unnatuͤrliche dieser Stellung am angefuͤhrten Orte ein; glaubt aber, daß sich von einem so großen Meister wie Myron nicht anders vermuthen lasse, als daß sie nach der Natur ge- nommen sey. Ich stelle mir vor, der Kuͤnstler hat die Idee gehabt, der Be- schauer solle den Fuß als im Freien schwebend be- trachten: dann ließe sich die Kruͤmmung der Zehen als eine Folge der heftigen Anstrengung leicht entschul- digen. Allein aus Furcht, das Bein moͤchte als- dann nicht Halt genung haben, hat er die Zehen in den Marmorblock gefugt, und wahrscheinlich haben wir auch nur diesem Umstande dessen Erhaltung zu verdanken.. Der Kuͤnstler scheint uͤberhaupt besondere Sorge fuͤr die Conservation seines Werks getragen zu haben. Ein Stuͤck Marmor hielt den aufgehobenen Arm an den Koͤrper fest, als die Statue gefunden wurde. Weil man aber fand, daß es dem Ganzen schadete, ward es ab- genommen. Es ist weiter nichts an der Figur er- gaͤnzt, als das rechte Bein vom Knie an, bis auf die Knoͤchel, und einige Finger. Der Leib ist der schoͤnste Theil an dieser Figur, doch hat auch der Kopf viel Verdienst. Das linke Bein mit dem Knie, auch ein Theil des Halses sind nicht ganz ausgearbeitet. Der Marmor ist von der schoͤnsten Art. Vielleicht ist der Arm, mit dem der Discus geworfen wird, et- was verzeichnet. Unter Pallast Albani. Unter den Gemaͤhlden in diesem Pallaste habe ich nichts besonders gefunden, als einen heiligen Mat- thaͤus in der Wechselbank von Guercino. Pallast Albani. D ie Bildhauerwerke die hier ehemals standen, sind nach der Villa gebracht. Doch findet sich noch im Hofe ein colossalischer Fuß mit einem Schuh, der des Costume wegen zu bemerken ist. Folgendes sind die Gemaͤhlde, die mir Aufmerk- samkeit zu verdienen geschienen haben. Eine Verlobung der heiligen Catharina von Siena, von Pietro da Cortona. Zwei Studien von Andrea Sacchi zu dem Gemaͤhlde dieses Meisters: dem heil. Remualdus. Maria stehend; der Christ als Kind um- armt den heiligen Johannes. Eine Copie nach dem beruͤhmten Bilde aus Raphaels erster Manier im Palais Royal zu Paris, dessen Wiederholung man auch zu Capo di Monte bei Neapel findet. Judith mit dem Kopfe des Holofernes, von Carravaggio. Eine Maria mit dem Kinde von Carlo Maratti. Der heilige Januarius der seine Hand von einem Geistlichen kuͤssen laͤßt, ein sehr mittel- maͤßiges Bild von Solimene. Jacob mit der Leiter im Traum von Feti. Die Leiter ist sehr dunstig, wie eine Erscheinung ge- mahlt Pallast Albani. mahlt. Dem ohngeachtet bleibt die Darstellung eines Traums in Gegenwart des Schlafenden mit geschlossenen Augen immer eine Absurditaͤt. † Eine Copie im Kleinen nach der Transfi- guration Raphaels, mit großem Fleiße, und wahrscheinlich von einem Niederlaͤnder verfertigt. † Eine sehr schoͤne Landschaft im hellen Ton von Salvator Rosa. † Ein van der Werf. Der einzige seiner Art in Rom. † Eine heilige Familie von Pietro Perrug- gino, sonderbar componirt, aber fuͤr den Meister außerordentlich richtig in der Zeichnung. Pallast Pallast Spada. An der Erde. M ehrere, aber wenig betraͤchtliche Statuen. Inzwischen erinnere ich mich der Figur eines Philosophen, welche werth schien, der Stellung wegen ausgezeichnet zu werden. Die Ausfuͤhrung war trocken. † Acht Basreliefs. Sie stellen Suͤjets aus der Mythologie vor. Z. B. Paris als Hirte die Kuͤhe huͤtend: Perseus und sein Pferd: Pa- siphae und Daͤdalus: Meleager ꝛc. Der uͤbrigen Suͤjets erinnere ich mich nicht mehr. Sie sind in einem guten Stile gezeichnet, und von besorgterer Ar- beit als diejenigen, so man an den gewoͤhnlichen Sar- cophagen antrifft. Lange hatten diese Basreliefs zum steinernen Fuß- boden in den Gewoͤlbern einer Kirche gedient. Zum Gluͤck hatte die Seite mit den erhoben gearbeiteten Figuren unten gelegen, und dadurch waren diese un- beschaͤdigt geblieben. Im Vorzimmer. Die Statue Pompejus des Großen. † Die Bildsaͤule Pompejus des Gros- sen, colossal. Man glaubt es sey diejenige, zu de- ren Fuͤßen der groͤßte der Sterblichen, Caͤsar ermordet worden. Ein heiliger Schauer hat mich bei dem Ge- danken mehr als bei dem Anblick dieser Statue ergrif- fen, denn ich habe in den Formen die Idee von Schoͤn- Pallast Spada. Schoͤnheit vermißt, welche die Geschichte diesem Hel- den beilegt, und dagegen einen Ausdruck von Festig- keit des Charakters in der Mine gefunden, welche sie ihm ableugnet. Auch scheint mir das nackte Costume fuͤr den Roͤmer nicht zu passen. Inzwischen Maͤnner, deren Urtheil meine ganze Achtung verdient, haben mich versichert, bei der Ver- gleichung des Gypsabgusses des Kopfes mit dem Brustbilde auf der Medaille viele Aehnlichkeit zwischen beiden gefunden zu haben. Ist es wahr, daß die Statue bei der Cancellaria auf dem Platze des ehemaligen Rathhauses des Pompe- jus gefunden sey, so wuͤrde dieser Umstand die Angabe des Nahmens bestaͤtigen. Man setzt hinzu, der Leib der Figur habe in dem Keller des einen, der Kopf aber in dem Keller des andern Buͤrgers gelegen; die Scheidewand beider Haͤuser habe daruͤber gestanden. Wem gehoͤrte das Eigenthum? Der eine Nachbar verlangte es, weil der Kopf als der vornehmste Theil auf seinem Grund und Boden gelegen haͤtte. Der andere behauptete, der groͤßte und nicht der vorzuͤg- lichste Theil entscheide, und dieser, als der Rumpf, waͤre auf seiner Besitzung gefunden. Die Sache kam vor Gericht, und der Richter that einen Aus- spruch, der seiner Kunstliebhaberei so wenig Ehre machte, als seiner Jurisprudenz. Die Statue, er- kannte er, soll getheilt werden; den Kopf, der herab- geschlagen werden muß, nehme der Eigenthuͤmer des Bodens hin wo er lag, den Rumpf der andere. Der Pabst Julius der Dritte hinderte die Ausfuͤhrung die- ses sonderbaren Erkenntnisses durch seine Freigebigkeit. Er kaufte die Statue fuͤr 150 Ducaten, und schenkte Dritter Theil. F sie Pallast Spada. sie dem Cardinal Capo di Ferro. Wie es mit der Theilung des zahlbaren Werthes dieses Kopfs und dieses Rumpfs gehalten sey; davon sagt uns die Nach- richt nichts. Die Statue ist gut, aber zu den vorzuͤglichen gehoͤrt sie nicht. Man wirft der Ausfuͤhrung mit Recht einige Haͤrte vor. Die Arme sind modern. In einem Zimmer zur Seite. Eine Friese al Fresco. Man legt sie dem Perrino del Vaga bei. Ich glaube, sie ist von einem der Zuccheri; so bezeichnen den Meister die schlechte Anordnung, die faden Gesichtsbildungen, und die ver- zerrten Extremitaͤten. Hin und wieder zeigt sich eine gute Partie. In einem andern Zimmer. Lucretia wahrscheinlich nur eine Copie nach Guido. Judith im Dankgebet, von Guido Reni. † Judith stuͤtzt sich auf ihr Schwerdt mit der einen Hand, mit der andern haͤlt sie das abgehauene Haupt des Holofernes: Ihre Augen gen Himmel gerichtet verkuͤndigen die Dankempfindung ihres Herzens: von Guido. Wie weise ist der Zeitpunkt der interessantesten Dar- stellung aus dieser Begebenheit herausgehoben! Wie edel der Ausdruck in Mine und Stellung! Wie be- deutend, wie vollstaͤndig die Handlung in dieser ein- zelnen Figur! Mit welcher Sorge fuͤr unser Vergnuͤ- gen das Widrige des Anblicks eines abgehauenen und bluti- Pallast Spada. blutigen Kopfs im Schatten gehalten! Wirklich die- ses Bild ist ein Muster fuͤr jeden angehenden Kuͤnstler, wie man aus einer jeden Begebenheit nur das zur Darstellung herausheben solle, was der Anschauer am liebsten dargestellt zu sehen wuͤnscht. Ist in der ganzen Folge von Situationen, welche die Geschichte des Holofernes der sichtbaren Darstellung darbietet, eine einzige, die uns mehr interessiren kann, als die- jenige, in der sich Judith nach dem Tode des Holo- fernes befand? Ich rede von dem Mahler. Dem Dichter kann vielleicht das zweifelhafte Anstehen einer empfindungsvollen Seele in dem Augenblicke vor einer Handlung, die nur die Nothwendigkeit entschuldigt: der Ermordung des Feindes im Schlafe, noch interes- santer seyn. Aber kaum weiß ich, ob die Aeußerung dieser Empfindung durch eine stillstehende Pantomime deutlich genug werden duͤrfte. Und wie hat der Mahler die Verfechterin ihres Vaterlandes und ihrer Unschuld, mit dem ganzen Gefuͤhle der Rechtmaͤßigkeit ihrer That, der Zuver- sicht und des Dankes ergriffen, den das schwache Werkzeug der Leitung einer hoͤheren Gewalt bei einer so muthigen That schuldig zu seyn glaubte. Die Zeichnung ist vortrefflich, vorzuͤglich an dem Arme und der Hand, die das Schwerdt halten. Durch das schoͤn geworfene Gewand zeichnet sich der Koͤrper einer Heldin hin. Die Farbe ist nachge- schwaͤrzt, aber sie muß sehr kraͤftig gewesen seyn. Kurz! dies Bild ist eins der schoͤnsten von Guido und mir das liebste in dieser Gallerie. Schade! daß es beim Reinigen gelitten hat. F 2 Eine Pallast Spada. Eine Heimsuchung Mariaͤ. Wenn das Bild, wie man sagt, von Andrea del Sarto ist, so ist es aus seiner ersten Manier, und keines seiner schoͤnsten. St. Anna lehrt die heilige Jungfrau spin- nen. Wahrscheinlich von Carravaggio. Der Aus- druck ist so wahr als moͤglich, aber unedel. Beide Figuren sind aus der untersten Classe des Poͤbels her- vorgesucht, und die Tracht ist diesem Stande ange- messen. Die Verkuͤrzung des Arms der heil. Jung- frau ist dem Mahler nicht wohl gelungen. Die Gefangennehmung des Heilandes von Gerhard Honthorst. Die Entfuͤhrung der Helena. Eine Copie nach dem Originalgemaͤhlde von Guido Reni im Pal- last Toulouse zu Paris. Einige Gemaͤhlde von Seuter einem teutschen Kuͤnstler, von dem man in seinem Vaterlande mehr Aufhebens macht, als nach diesen Werken zu urthei- len, der Muͤhe werth ist. Der Tod der Dido von Gnercino. † Der Tod der Dido von Guercino. Dido faͤllt in ihr Schwerdt, vor einer großen Versammlung des Volks. Dies ist der Augenblick, den der Mah- ler aus einer Begebenheit herausgehoben hat, deren Darstellung beim Virgil kein gefuͤhlvolles Herz je ohne Thraͤnen gelesen hat. Ob der Mahler nicht haͤtte interessanter waͤhlen koͤnnen, ob die Situation, in welcher Dido mit ver- wirrtem Blicke das Licht des Tages aufsucht, es fin- det und tief aufseufzet; in welcher ihre Schwester uͤber die Sterbende jammert, und das Volk die Empfin- dungen der Neugier, des Erstaunens, des Antheils in Pallast Spada. in verschiedenen Modificationen zu erkennen giebt: ob, sage ich, eine solche Situation nicht eben so sehr einer vollstaͤndigen Erklaͤrung durch den bloßen An- blick, und einer viel groͤßeren Abwechselung im Aus- drucke der Affekte faͤhig gewesen waͤre, mag ich hier nicht entscheiden. Das was wir sehen, hat zu wesentliche Fehler, um zu bedauern, daß das, was wir zu sehen wuͤnsch- ten, in diese Hand zur Ausfuͤhrung nicht gekom- men sey. Eine Menge von Figuren fuͤllet die Flaͤche: aber keine einzige nimmt wahren Antheil an der Haupt- handlung. Sie stehen da — weil sie da stehen, und noch dazu ohne leicht zu uͤbersehende Ordnung: Die Perspektiv ist gar nicht beobachtet. Dido liegt in einer unnatuͤrlichen Stellung. Das Schwerdt ohne Ende, dessen Spitze eine Elle jenseits des Ruͤckens herausragt, muß den ernsthaftesten Be- schauer zum Lachen bringen. Aber bewundernswuͤr- dig schoͤn gemahlt sind Kopf und Brust: Voll Aus- druck und Schoͤnheit: Das Blut scheint den Wan- gen zu entfliehen. Man sagt Guercino haͤtte diesen Kopf und diese Brust noch einmal genutzt, um das Brustbild einer Magdalena zu mahlen, das denn ausserordentlich schoͤn gerathen sey. Ich will es glauben, und ich habe mir oft gewuͤnscht, diese Partie aus dem großen Bilde wegschneiden zu koͤnnen. Jenes Bild der Magdalena soll ehemals im Pallast Mat- tei befindlich gewesen seyn, aber seitdem die Bruͤder sich in die Gemaͤhldesammlung getheilt haben, weiß man nicht, wo es hingekommen ist. F 3 Das Pallast Spada. Das Gewand ist aus der Troͤdelbude genommen, so wie die Kleidung der uͤbrigen Figuren. Ans Co- stume darf man nicht denken. Man sieht Maͤnner in spanischer Tracht. Das Bild hat so sehr gelitten, daß man uͤber die Farbe des Ganzen nicht mit Zuverlaͤßigkeit ur- theilen kann. Viele behaupten, dies Gemaͤhlde sey nur die Copie eines nach Frankreich verkauften Origi- nals. Allein das unsrige traͤgt zu viel Merkmale der Originalitaͤt an sich, um dieser Vermuthung Platz zu geben. Man vergleiche Richardson Description des plus fameux tabl. etc. p. 319. et suivantes. Das Bildniß des Pabsts Paul des Drit- ten aus dem Hause Farnese. Herr Dr. Volkmann Hist. kritische Nachrichten, II. Theil. S. 459. legt dies Werk dem Vasari bei. Mich duͤnkt ohne Grund. Titi descrizione di Roma, stimmt ihm darunter bei. Eine Copie des Originals von Tizian zu Capo di Monte. Das Opfer der Iphigenia von Testa. Mittelmaͤßig. Die Vestalinnen mit dem heiligen Feuer von Ciroferri, eine mittelmaͤßige Skizze. † Das Bildniß des Cardinals Spada von Guido. Die Haͤnde sind vorzuͤglich schoͤn. Richardson Description des plus fameux tabl. etc. p. 318. giebt eine sehr detaillirte Beschreibung von diesem Portrait. Der Aufruhr des Masaniello: von M. A. dem Schlachtenmahler oder Cerquozzi. Einer Pallast Spada. Einer sehr artigen Erfindung des Boromini kann man noch einen Blick schenken, ehe man diesen Pallast verlaͤßt. Es hat naͤmlich dieser Meister in dem innern Hofe einen Saͤulengang gebauet, dessen aͤußerste Colonnen nach den Regeln der Perspektiv an Hoͤhe und Dicke wuͤrklich abnehmen, und daher das Auge verfuͤhren, die Verkuͤrzung einer weiten Entfernung zuzuschreiben, obgleich an sich die Saͤulen ziemlich gedraͤngt stehen. Vielleicht ließe sich dieser Kunst- griff anderwaͤrts mit Nutzen wiederholen, aber wohl- gemerkt: Der Zuschauer muß nur einen Standpunkt in einiger Entfernung von der ersten Saͤule waͤhlen koͤnnen. F 4 Villa Villa Mattei. D as Meiste ist daraus verkauft. Man trifft noch in dem Hause an: Eine Statue Antonius des Frommen, im Panzer und Mantel. Der Kopf ist voller Charakter. Einen Kopf eines Alexanders mit dem Helme. Einige bekleidete Figuren. Eine schlechte Isis. Einen Septimius Severus. Einige schlechte Fragmente. Ein Paar gefangene Koͤnige. Kopf und Haͤnde von schwarzem Marmor: Gewand von Pa- vonazzo. Schoͤner collossali- scher Kopf des Augu- stus. Im Garten ist das einzige merkwuͤrdige † der schoͤne colossalische Kopf des Augustus von weißem Marmor. Villa Villa Giustiniani. D ie Urne mit dem Bachanale, die hier ehemals befindlich war, ist nach dem Pallaste in der Stadt gebracht. Eine andere Urne mit dem Opfer der Iphigenia ist nach Engelland verkauft. Im Hause steht eine schoͤn bekleidete Figur einer Minerva, an der aber alle Extremitaͤten neu sind. Das uͤbrige was sich hier an Statuen, Basre- liefs und Urnen findet, ist von keinem Belange, und meistens sehr restaurirt. F 5 Villa Villa Casali. Beim Hereintreten bemerkt man: Antinous als Bacchus. † D ie Statue eines Antinous als Bacchus mit Weinreben bekraͤnzt. Der Kopf wird von vielen fuͤr den schoͤnsten unter denen gehal- ten, die sich von diesem Guͤnstlinge Hadrians erhal- ten haben. Wenigstens kann man ihn den Koͤpfen in den Villen Mondragone und Albani an die Seite setzen. Das uͤbrige der Statue ist mittelmaͤßig. Ceres. Sie hat diesen Nahmen nur den Er- gaͤnzungen zu danken. Ihr Gewand kann in Ruͤck- sicht auf den Gedanken des Wurfs nicht zum Modell dienen, aber es ist ein Modell von fleißiger Ausar- beitung. Diese Figur steht auf einer Begraͤbnißurne von besonderer Form. Das daran befindliche Bas- relief stellet in sehr kleinen Figuren eine Stadt vor, die vor einem Kaiser kniet, dem eine Victoria eine Krone aufsetzt. Das Brustbild der Julia Mesa des He- liogabalus Großmutter. Man sieht noch um den Kopf die Loͤcher der Stralen, womit dasselbe als Zeichen ihrer Vergoͤtterung umgeben gewesen ist. Kopf einer schoͤnen Muse, den man auf eine moderne Buͤste gesetzt hat. Eine kleine Statue einer Victoria. Ein alter Faun, der Wildprett traͤgt, an dem aber Kopf, Arm und Fuͤße neu sind. Der Rumpf ist gut. Eine Villa Casali. Eine Venus, die das von den Huͤften gleitende Gewand aufhaͤlt, oder eine soge- nannte Venus Victrix, mittelmaͤßig und stark restaurirt. Wahrscheinlich ist dieses die Schaam- haftigkeit, von der Herr Dr. Volkmann redet. Historisch kritische Nachrichten von Italien S. 192. Edition von 1777. † Mercur, an dem Kopf, Arme und Fuͤße neu sind. Der Koͤrper, der schoͤn ist, koͤmmt mit dem Mercur im Pallast Farnese uͤberein: und folg- lich auch mit dem sogenannten Antinous im Bel- vedere. † Ein kleiner Bacchus mit einem Satyr. Der Gedanke ist artig. Eine Buͤste eines jungen Mannes, der ein Nero zu seyn scheinet. Die Drapperie ist von Afri- canischem Marmor. Am Ende einer Allee im Garten stehet auf einem Sarcophag eine schoͤne Meta Circi. Pallast Pallast Caligula. Tuscia von Maratti. † M an zeigt in diesem Pallaste eines der besten Gemaͤhlde des Carlo Maratti: Tu- scia oder die Vestalin, die zum Beweise ihrer Unschuld Wasser in einem Siebe traͤgt. Eine halbe Figur von lieblicher aber unbedeutender Ge- sichtsbildung. Die Faͤrbung ist angenehm, auch herrscht ein sehr harmonischer Ton in dem Ganzen, und vorzuͤglich in dem weißen Gewande. An diesen Vorzuͤgen erkennt man den Schuͤler des Andrea Sacchi wieder. Von Caspar Poussin findet man hier ein paar Landschaften, die aber unbedeutend sind; hingegen sieht man eben daselbst: Drei Landschaften von Schwanefeld ganz im Stile des Claude le Lorrain. Nur faͤllt der Ton zu sehr ins braͤunlich Gruͤne. Zwei Marinen in der Manier des Sal- vator Rosa. Eine heilige Familie aus Tizians erster Manier. Zwei Gemaͤhlde von Ciroferri. Einige Landschaften von Orizonte, und Eine der besten Sammlungen von Ge- maͤhlden niederlaͤndischer Meister in Rom. Villa Villa Farnese oder Orti Farnesiani. In der Beschreibung, die Herr Dr. Volkmann in seinen Historisch kritischen Nachrichten uͤber Italien, II. Theil. S. 617. Edit. von 1777. geliefert hat, herrscht große Unordnung. Man hat sie hier in Ruͤcksicht auf die Kunstwerke zu verbessern gesucht. B eim Eintritt durch das große Thor, welches zu diesen Gaͤrten fuͤhret, trifft man in einer Art von Schuppen die Materialien zu einem Triumph- bogen an, der von dem Hause Farnese jedesmal er- richtet wird, wenn ein neuer Pabst Possession vom Lateran nimmt. Hier steht † der beruͤhmte Torso eines jun- gen Helden, von dem Winkelmann mit Recht viel Gutes sagt. Die Umrisse sind aͤußerst fließend, und die Arbeit ist sehr besorgt. Weiterhin unter den Terrassen trifft man meh- rere mittelmaͤßige Statuen an, die aus dem Co- losseo hieher gebracht seyn sollen. Auf der ersten Terrasse findet man einen Porticus mit Arcaden und einer Grotte. Hier stehen wieder mehrere Statuen: Eine sitzende Frauensperson, zwei gefangene Barbaren auf halben Leib, an denen Koͤpfe und Haͤnde neu sind, und einige an- dere meistens unbetraͤchtliche Figuren: imgleichen einige Buͤsten. Das Vorzuͤglichste was hier ehe- mals stand, ist nach Neapel gegangen, unter an- dern auch die schoͤne Statue der Agrippina. Auf Villa Farnese. Auf der Terrasse daruͤber: Ein Casino mit einer Grotte: Zu beiden Seiten zwei weibliche Figu- ren von Basalt. Der Tracht nach zu urtheilen ist die eine, eine Isis. Koͤpfe und Haͤnde sind an beiden von weißem Marmor. Sollten diese Theile auch antik seyn, woran ich jedoch zweifle, so haben sie urspruͤnglich diesen Figuren nicht gehoͤrt. Sie be- zeichnen jetzt die Figur einer Juno. Die Drapperie der Isis ist schoͤn. † Zwei gefangene Barbaren mit phrygi- scher Muͤtze als Caryatiden, von Basalt; schoͤn. Herr Dr. Volkmann am angefuͤhrten Orte, S. 618. fuͤhrt eine Venus Callypiga an. Sie steht nicht hier, sondern in dem kleinern Farnesischen Pallast, der Farnesina. Winkelmann G. d. K. S. 653. in der Note, spricht von einer unbekleideten Figur etwas unter Lebensgroͤße, die sich ein Band um die Stirn bin- det, welches als etwas seltenes sich nebst der Hand die das Band faßt, erhalten habe. Er haͤlt sie fuͤr eine Copie des Diadumenus des Polyclets. Sie ist hier nicht mehr zu finden. In dem Kuͤchengarten weiterhin sollen die Baͤder des Augusts und der Livia liegen. Ich habe nur drei Saͤle finden koͤnnen: Das uͤbrige ist wieder zugeworfen. In diesen erkannte man mit Muͤhe einige Verzierungen von Gold und an- dern Farben, und ein Paar schlechterhaltene Gemaͤhlde. Dagegen fand man viele Spuren von solchen die ausgehoben worden, um sie nach Neapel zu bringen, und dort zwei Zimmer damit zu ver- zieren. Pallast Pallast Nicolini. I m Hofe steht in einem Verschlage uͤber einer Fontaine, eine Gruppe des Mars und der Venus in einer etwas freien Stellung. Sie soll von Moschino, oder Francesco Mosca einem Sohne des Simone Mosca seyn. Die Zeichnung ist ganz im Florentinischen Geschmack, und die Aus- arbeitung zu wenig besorgt. Es fehlt nicht ganz an Ausdruck, aber es ist doch nicht derjenige, den man wuͤnschen sollte, der Grazie, und der Waͤrme, die der Vorwurf zu erfordern scheint. Villa Villa Spada. D iese Villa ist zuletzt von einem Franzosen be- sessen worden, der sie wieder an den kaiser- lichen Agenten, dessen Nahmen mir entfallen ist, verkauft hat. Der Franzose hat stark darin graben lassen, und bald so viel Antiken gefunden als noͤthig war, ihm das Kaufgeld zu ersetzen, und ein ansehnliches Capital vor sich zu bringen. In diesen Excavationen findet man große Ge- woͤlber, Saͤle, Zimmer, die ehemals mit Marmor und Mahlereien bekleidet gewesen sind: aber alles dies ist uͤber die Seite geschafft. In dem Gebaͤude findet man mehrere nackte Figuren von Nymphen und andern Goͤt- tinnen. Sie sind aus der Schule Raphaels, und Marc Antonio hat mehrere derselben in Kupfer ge- stochen. Am Plafond sieht man zwei Gemaͤhlde im Stil antiker Basreliefs, gleichfalls von Raphaels Schuͤlern, wahrscheinlich nach dessen Zeichnungen ausgefuͤhrt. Das eine schien mir den Hercules mit der Alceste vorzustellen, das andere habe ich nicht entziffern koͤnnen. Ein anderes Zimmer war als Grotte, man sagt, nach Raphaels Angabe decorirt. Noch ein anderes ist von den Zuccheri vermahlt. Pallast Pallast Santa Croce. Im Hofe. E inige moderne Friesen, welche Meerun- geheuer vorstellen. Gegen uͤber. Einige Basreliefs, welche von antiken Sar- cophagen genommen zu seyn scheinen, und Opfer- handlungen vorstellen. Sie sind nicht betraͤchtlich. In dem Vorzimmer. Einige Statuen; mittelmaͤßig. Im ersten Zimmer. Ein Kind mit einer Gans, von angenehmen Charakter. Im zweiten. Ein Kind von Bronze, aus der Schule des Fiamingo. Im dritten. † Hiob auf dem Misthaufen umgeben von Hiob von Salvator Rosa. seinen Freunden die ihm Vorwuͤrfe machen: von Salvator Rosa, und eines seiner besten Stuͤcke. Die Figuren sind in Lebensgroͤße. Der Dritter Theil. G Aus- Pallast Santa Croce. Ausdruck graͤnzt an Carricatur. Die Farben sind sehr kraͤftig aufgetragen. Eine Zeichnung von Giuseppe d’ Arpino. Sie stellt eine Schlacht vor, und hat Verdienst. St. Seba- stian von Guercino. † St. Sebastian von Guercino. Die Ge- sichtsbildung ist von gewaͤhlter Natur, und die Zeich- nung im Ganzen wahr. Was man aber vorzuͤglich bewundern muß, ist die Ruͤndung dieser Figur, vor- zuͤglich in den Lenden und Beinen. Gewiß! dies Bild gehoͤrt zu den schoͤnsten, die aus dem Pinsel des Meisters gekommen sind. Die Farbe ist aus seiner besten Zeit. Herodias empfaͤngt den Kopf Johannes des Taͤufers aus den Haͤnden des Henkers von Guido. Eine heilige Familie. Man sagt aus der ersten Manier Raphaels. Aber Raphael mahlte nicht so gut zur Zeit als er schon besser zeichnete. Wahrscheinlicher ist dies Bild von einem andern Schuͤler des Perrugino. Der heilige Hieronymus von Guercino, halbe Figur. Der Ton zu braunroth. † Derselbe Heilige auf den Knien liegend, indem er einen Brief zusiegelt: gleichfalls von Guercino. Sehr brav. Ein Homerskopf, aus der Schule des Car- ravaggio. Einige Landschaften von Costanzi. Andere von Heinrich von Lint, in Italien Studio genannt. Eine Pallast Santa Croce. Eine kleine Galathea. Die Zusammen- setzung ist allerliebst: Die Ausfuͤhrung selbst wahr- scheinlich Copie nach Albano. Einige Landschaften von Pandolfino, Schuͤ- ler des Bourguignone. Im vierten Zimmer. † Venus von Amorinen umgeben. Große Figuren von Albano. Dies Gemaͤhlde ist um so interessanter, weil es gegen die Gewohnheit des Meisters bei Figuren in Lebensgroͤße, richtig gezeich- net ist. Die Gesichtsbildung der Venus ist diejenige, die er gewoͤhnlich seinen Weibern giebt, aber sie hat hier nicht das Fade, was sie anderwaͤrts so oft ent- stellt. Das Colorit ist aͤußerst angenehm. Die Entfuͤhrung der Europa von Guido. Schoͤne Schlacht von Salvator Rosa. Im großen Saale. † Die Assumption der heiligen Jungfrau Assumption der Maria von Guido. von Guido. Ein Hauptstuͤck in dieser Galierie. Die Figur der heiligen Jungfrau hat die edelste Stel- lung, und zeigt die sweltesten Formen durch ein vortrefflich geworfenes Gewand durch. Ihr Kopf ohne jene idealische Schoͤnheit, die Guido in andern Gemaͤhlden zu erreichen wußte, hat jedoch einen er- habenen Ausdruck. Die Engel die sie tragen, sind huͤbsch aber unbedeutend. Das Colorit hat gelitten. aber es bleibt noch angenehm. G 2 † Die Pallast Santa Croce. Die vier Jahrszeiten von Albano. † Die vier Jahrszeiten von Albano, gehoͤ- ren zu den artigsten und weitlaͤuftigsten Compositio- nen, die dieser Meister im Kleinen ausgefuͤhrt hat. Es sind vier Ovale. Flora schlaͤft, Amorinen pfluͤ- cken Blumen: dies ist das Bild des Fruͤhlings. Die Hitze treibt die Amorinen ins Bad, Bacchus feiert die geendigte Weinlese mit einem Triumph: so wer- den Sommer und Herbst bezeichnet. Der Winter, mir das liebste Bild unter den vieren, stellt die Vor- uͤbungen der losen Amorinen zu dem Unheil vor, das sie im kommenden Fruͤhling anzurichten denken: Sie schmieden Pfeile, und schießen damit nach angenom- menen Zielen. Herrliche Cabinetstuͤcke, die denen, die man zu Turin von diesem Meister sieht, voͤllig an die Seite gesetzt zu werden verdienen! Ein Christuskopf von Guercino sehr sorg- sam gearbeitet. In einigen Zimmern zur Seite trifft man meh- rere Copien nach guten Gemaͤhlden an. Merkwuͤr- dig ist diejenige, die Giulio Romano nach Ra- phaels Madonna zu Loretto verfertigt hat. Pallast Pallast Bologneti al Corso. D er Pallast ist vor nicht gar langer Zeit gebauet: und so viel ich weiß, sind die darin befindlichen Kunstwerke noch von keinem Reisebeschreiber angezeigt. Erstes Zimmer. † Kopf eines Poeten mit Lorbeern be- kraͤnzt von Carravaggio, mit bewundernswuͤrdi- ger Wahrheit gemahlt. † Eine Hirtenanbetung von Baroccio: ei- nes seiner angenehmsten Bilder. Die Idee ist zum Theil aus einem aͤhnlichen Gemaͤhlde des Correggio zu Florenz entlehnt. Die heilige Jungfrau betet das Kind Jesus in der Krippe an, und der heilige Joseph oͤffnet die Thuͤr, durch welche die Hirten hereintreten. Es ist ein Reiz uͤber dieses Gemaͤhlde ausgegossen, der wider die Gewohnheit dieses Meisters nicht bis zur Affektation getrieben ist. † Das Bildniß des Annibale Carraccio von ihm selbst gemahlt. † Moses wird als Kind dem Pharao vor- gestellt, und laͤßt dessen Krone fallen. Skizze von Guido, mit vortrefflichen Gesichtsbildungen und Gewaͤndern. Aus der Behandlung der letzten laͤßt sich vorzuͤglich viel lernen. Bacchus troͤstet die verlassene Ariadne. Skizze zu dem Gemaͤhlde, welches Guido im Großen auf dem Capitole ausgefuͤhrt hat. Hier sind mehr G 3 Figuren. Pallast Altieri. Figuren. Frey hat seinen Kupferstich nach dieser Skizze verfertigt. Schoͤne Ma- donna von Guido. † Eine Madonna von Guido. Sie blickt gen Himmel mit dem Ausdruck des hoͤchsten Zutrauens und der froͤmmsten Zaͤrtlichkeit. Ihre Haͤnde liegen kreuzweise auf ihrer Brust. Die Zeichnung ist cor- rekt, die Farbe von hoͤchst angenehmen Tone. Man kann nichts wahreres, edleres, schoͤneres sehen. Mehrere Gemaͤhlde von Carravaggio: Unter andern ein Christ, der im Tempel lehret. † In der Capelle, ein Crucifix aus Bronze, in natuͤrlicher Groͤße von Algardi. Der Christ, ohne von idealischer Schoͤnheit zu seyn, ist doch von gewaͤhlter Natur, und das Spiel der Mus- keln mit großer Einsicht behandelt. Pallast Altieri. Auf der Treppe. S turz eines gefangenen Koͤnigs von weis- sem Marmor. In dem Vorzimmer. Mehrere Statuen. Beinahe alle mittelmaͤs- sig. Ein Septimius Severus ist darunter zu bemerken, weil ihn Winkelmann G. d. K. S. 860. irrig fuͤr einen Pescennius Niger hielt. In Pallast Altieri. In der Wohnung des Prinzen. Mehrere Buͤsten. Die merkwuͤrdigsten sind: Ein Septimius Severus aus Bronze. Marc Aurel, Antonin der Fromme, Ha- drian. † Ein Faun: Statue von weißem Marmor, die auf den Guͤtern des Prinzen gefunden ist. Er haͤlt eine Schale in der Hand. Der Kopf ist von der aͤußersten Wahrheit, und man kann uͤberhaupt von dem ganzen Werke viel Gutes sagen. † Eine Lucrezia von Guido Reni, ist das be- Lucrezia von Guido Reni. ruͤhmteste unter den Gemaͤhlden in dieser Gallerie. Der Ausdruck ist gut, und der Ton der Farbe kraͤftiger als gewoͤhnlich. Inzwischen wenn ich dem großen Rufe, den das Bild hat, unterschreiben sollte; so wuͤrde ich wuͤnschen, daß die Gestalt edler, und vorzuͤg- lich die Haͤnde mit mehrerer Feinheit gezeichnet waͤren. Das Bildniß einer Aebtissin von Engeln gehalten. Man nennt Bernini als den Meister. Eine Carita Romana. Das Originalge- maͤhlde ist beim Pallast Borghese angezeigt, und vom Guercino. Ein Bethlehemitischer Kindermord von Poussin, hat sehr gelitten. Eine Grablegung Christi von Vandyck. Eine Schlacht von Bourguignone. † Eine Sibylla Cumana von Guercino, die viel Verdienst hat. † Einige kleine aber allerliebste Landschaf- ten von S. Rosa. G 4 In Pallast Altieri. In den Zimmern der Prinzessin. Zwei schoͤne Landschaften von Claude le Lorrain. † Zwei Landschaften von Claude le Lor- rain, die zu den schoͤnsten Werken dieses Meisters gehoͤren. Die eine stellt die Landung des Aeneas in Italien, und die andere ein Opfer vor, das in dem Tempel der Sibylla zu Tivoli der Fortuna gebracht wird. Den Plafond eines Saals hat Carlo Ma- ratti gemahlt: eine große aber mittelmaͤßige Com- position. In einer großen Reihe von Zimmern in dem obern Theile des Hauses finden sich noch eine Menge Ge- maͤhlde, die aber nicht betraͤchtlich genung sind, um den Liebhaber darauf aufmerksam zu machen. Herr Dr. Volkmann Hist. krit. Nachrichten uͤber Italien, S. 503. hat verschiedene derselben als Ori- ginale angefuͤhrt, die gewiß Copien sind. Pallast Pallast Chigi. Untere Reihe von Zimmern. E in heiliger Antonius von Bacciccio. † Zwei Gemaͤhlde von Poussin, welche Kinderspiele vorstellen. Sie sind ein wenig zu voll von Figuren, uͤbrigens aber von artiger Zusam- mensetzung. Ein heiliger Franciscus. Eine heilige Magdalena. Beide in der Manier des Guercino. † Eine heilige Caͤcilia, die ein Engel kroͤ- net. Eines der besten Gemaͤhlde von Romanelli. Der Kopf der Heiligen wuͤrde eines Guido nicht un- werth seyn. Ein heiliger Johannes unter andern Hei- ligen. Noch eine Versammlung von Heiligen. Eine Himmelfahrt, drei Gemaͤhlde von Ga- rofalo. Eine liegende Frauensperson. Amorinen lassen Perlen auf sie herabfallen, die sich in einem schluͤpfrigen Orte verlieren. Ein ziem- lich mittelmaͤßiges Gemaͤhlde des Albano, welches in der Scuola Italiana unter dem Nahmen: Ne- reide, gestochen ist. Eine heilige Familie. Wahrscheinlich aus Tizians erster Manier. Ein Ecce homo, ohne Grund dem L. da Vinci zugeschrieben. G 5 Ein Pallast Chigi. Ein Schutzengel von P. da Cortona. Eine Geisselung von Guercino, kraͤftig an Faͤrbung. † Venus an der Toilette. Allerliebste Composition von Albano. Zwei gute Koͤpfe, aus der Venetianischen Schule. † Mehrere Kinder mit ihren Schutzengeln, ein Bild voll des lieblichsten Ausdrucks, von Albano. † Ein Satyr inspirirt einen Poeten. Großes Gemaͤhlde von Salvator Rosa. Eine Skizze zu einem Plafond, den An- drea Sacchi im Pallast Barberini ausgefuͤhrt hat. Obere Reihe von Zimmern. Eine Schlacht von S. Rosa. † Amorinen, die einen ihrer Bruͤder tra- gen, allerliebste Gruppe von Salimbeni, oder Vanni da Siena. Das Colorit ist sehr ange- nehm, und warm. Die Gesichtsbildungen sind rei- zend, aber die Zeichnung incorrekt. Ein Gegenstuͤck zu diesem Bilde stellt einen Amor vor, der den andern schlaͤgt. Man legt es demselben Meister bei, aber es macht ihm weni- ger Ehre. Zwei sehr verdorbene Landschaften von Claude le Lorrain. Im folgenden Zimmer. Schoͤne Landschaft von Salva- tor Rosa. † Mercur schlaͤfert den Argus ein, in der schoͤnsten Landschaft, die man von Salvator Rosa in Rom kennt. Eine Pallast Chigi. Eine Lucrezia von Guido. Schwach. Eine Madonna, die dem Kinde Rosen reicht, von Guercino. Einige andere Gemaͤhlde, die man den beiden letztgenannten Meistern beilegt, scheinen verdaͤchtig. Ein heiliger Joseph, dem von einem En- gel befohlen wird, zu fliehen, und Eine Ruhe auf der Flucht, von Mola. † St. Peter und St. Paul, von demsel- ben. Gut. † Eine schoͤne Landschaft von Claude le Lorrain. Die Figuren darauf sind von fremder Hand. † Zwei Marinen von Claude le Lorrain, vortrefflich, aber die See zu gruͤn. Ein heiliger Johannes von Cignani. Hymen verbrennt die Pfeile des Amors, der gebunden ist, von Guido Reni. Ein schlafender Amor, in der Gestalt eines Juͤnglings. Man sagt von Guido Reni. Aber man hat Muͤhe, es zu glauben. In dem Zimmer der Zeichnungen hat Baccic- cio die Fabel der Diana mit dem Endymion am Plafond gemahlt. Die uͤbrigen von Herrn Dr. Volkmann, S. 339. angefuͤhrten Gemaͤhlde habe ich nicht gefunden, oder ihrer mir anscheinenden Unbetraͤchtlichkeit we- gen uͤbersehen. Pallast Pallast Pamfili alla Piazza Navona. D er Plafond von Pietro da Cortona ist ein mittelmaͤßiges Werk, dem man die Eilfertig- keit anmerkt, mit der es verfertiget worden. Der Ausdruck fehlt gaͤnzlich, die Stellungen hingegen sind uͤbertrieben, und die Incorrektionen haͤufig. Inzwischen, die gewoͤhnlichen Vorzuͤge die- ses Meisters, die angenehme Farbe und die aͤußerst kecke Behandlung des Pinsels zeichnen auch diese seine Arbeit aus. Die Staffeleigemaͤhlde von denen Herr Dr. Volkmann spricht, sind nicht mehr hier. Pallast der Cancellaria. H ier haͤngen einige Cartons von Franceschini, welche in der Kuppel von S. Peter in Mosaik gebracht sind. Figuren in uͤbertriebener Stellung ohne wahren Ausdruck. Einige andere Saͤle sind von Salviati, Va- sari und andern Meistern vermahlt. Die Mah- lereien von Vasari sind der Innschrift nach in hundert Tagen auf Befehl des Pabstes verfertiget. Man koͤnnte wuͤnschen, daß man dem Meister mehr Zeit gelassen haͤtte. Denn alles zeigt, daß die Natur nicht von ihm zu Rathe gezogen sey, sondern daß er sein Werk aus der Erinnerung verfertiget habe. Der Der kleine Pallast Farnese oder die sogenannte Farnesina. Zimmer an der Erde. Erster Saal. D er Plafond ist nach Raphaels Zeichnun- Plafond von Raphael. gen unter seiner Aufsicht groͤßtentheils von seinen Schuͤlern ausgefuͤhrt. Er selbst hat aber auch an verschiedene Figuren selbst Hand angelegt. Diese Mahlereien bestehen zum Theil aus zwei großen Gemaͤhlden, die als Tapeten oder Decken an das mittelste Gewoͤlbe angenagelt zu seyn schei- nen, mithin nicht plafonniren. Rund herum sind aber auch Gemaͤhlde von einer weniger weit- laͤuftigen Composition angebracht, und jedes dieser einzelnen Gemaͤhlde, so wie der Umfang des Plafonds uͤberhaupt, ist mit Kraͤnzen von Laubwerk und Fruͤchten umgeben. Das Ganze hat Be- zug auf die Fabel der Psyche. Ich finde den Einfall eine Decke oder jede an- Von mehre- ren Gemaͤhl- den, deren verschiedene Suͤjets aus einer Ge- schichte her- genommen, und an einen Ort zusam- dere sehr weitlaͤuftige Flaͤche mit Darstellungen aus- zufuͤllen, welche aus einer Reihe von Begebenheiten hergenommen sind, die unter sich zu einer Geschichte zusammen haͤngen, sehr gluͤcklich. Die Verstaͤndi- gung uͤber die historisch bestimmte Vorstellung jedes einzelnen Gemaͤhldes wird dadurch erleichtert, und der Eindruck des Ganzen durch wechselseitige Huͤlfe verstaͤrkt. Allein so wie ich es an einem andern Orte geta- Der kleine Pallast Farnese. mengestellet sind, muß jedes fuͤr sich seinen eige- nen vollstaͤn- digen und bestimmten Ausdruck haben. getadelt habe, daß man Vorstellungen, die unter sich kein sichtbares Ganze ausmachen, unabgetheilt in einem Gemaͤhlde, Gruppen gleich, vereiniget; S. den Pallast Barberini. so muß ich es auch misbilligen, wenn die abgetheilten Gemaͤhlde, jedes fuͤr sich, keine Werke der Art ausmachen, welche ohne das sie vereinigende Local- verhaͤltniß, oder den nicht sichtbaren Zusammenhang, einen bestimmten und vollstaͤndigen Ausdruck dar- bieten. Der Mahler darf auf die Erklaͤrung eines Bildes durch die Aufstellung neben mehreren, die aus einer Reihe von Begebenheiten genommen sind, welche zusammen eine Geschichte, das Suͤjet zu einer Er- zaͤhlung, zu einem Buche ausmachen, nicht als Grundlage, sondern nur als Huͤlfsmittel der Ver- staͤndigung rechnen. Das Auge muß den Ausdruck eines Gemaͤhldes fuͤr sich betrachtet, bestimmt und vollstaͤndig finden; tritt die Erinnerung an die un- sichtbare Bedeutung hinzu, so wird jene Aufloͤsung durch den bloßen Anblick an Deutlichkeit und Voll- staͤndigkeit gewinnen, nie aber wird die Erinnerung allein den Mangel derselben ersetzen. Wo das Auge eine Abtheilung sieht, da geht der innere Sinn aus dem Kreise seiner vorigen Vorstellungen heraus, und bildet sich einen neuen, der aus dem vorigen nur so viel Ideen in sich aufnimmt, als zur Verstaͤrkung des Eindrucks noͤthig ist. Bei dem Gedichte ist dies etwas anders. Ariost der in einem Gesange die Angelica beschrieben hat, nennt sie mir nur in dem folgenden, und rechnet darauf, daß mit dem Nahmen, der mein Erinnerungs- und Bildungsvermoͤgen in Bewe- Der kleine Pallast Farnese. Bewegung setzt, die vorher beschriebene Gestalt in meiner Seele wieder reproduciret werde. Der Mah- ler aber, der in einem Gemaͤhlde die Angelica ge- mahlt hat, wie sie den Medor von seinen Wunden heilt, muß im folgenden, wo sie ihn umarmt, eben diese Angelica wieder mahlen, um ihr Bild in meiner Seele zu erwecken. Kurz! Mehrere an einander gereihete, unter sich aber abgetheilte Gemaͤhlde, muͤssen jedes fuͤr sich als Werk, bestimmt und vollstaͤndig erklaͤrbar seyn: warum aber diese verschiedene Werke neben einander an einem Orte vorgestellet sind; warum sie zusammen ein Werk ausmachen? das muß mir jene unsichtbare Vorstellung erklaͤren, daß die ver- schiedenen sichtbaren Situationen aus einer Reihe von Begebenheiten, aus einer Geschichte genommen sind. Dann wird auch die historische Bestimmung der an sich aus der alltaͤglichen Erfahrung bekannten Vor- faͤlle an Deutlichkeit gewinnen, und wir werden die allgemein natuͤrlichen Affekte darum ncht weniger den Helden einer bekannten Geschichte beilegen koͤnnen. Ich habe schon mehrere Male auf die Vermu- thung zu fuͤhren gesucht, daß in Ruͤcksicht auf Wahl des Ausdrucks, das heißt dessen, was das Bild im Ganzen dem Beschauer sagen soll, die gewoͤhnliche Abtheilung verschiedener Gattungen der Mahlerei in Bildniß, Landschaft, Blumen, historische Mahle- rei u. s. w. mir kein Genuͤge thue. Ich substituire ihr eine andere, die in Ruͤcksicht auf die Wahl des Aus- drucks von wichtigern Folgen zu seyn scheint. Alles Der kleine Pallast Farnese. Der Autor wagt eine neue Bestim- mung ver- schiedener Gattungen von Mahle- reien. Er theilt die Ge- maͤhlde, in Ruͤcksicht auf Aus- druck im Ganzen, analogisch ab, in be- schreibende und han- delnde Dar- stellung fuͤr das Auge: letztere wie- der, in lyri- sche und dra- matische. Alles gebildete Kunstwerk welches Gegenstand des Vergnuͤgens ist, theile ich ab, in beschreibende, und in handelnde Darstellung fuͤr das Auge. Die beschreibende nenne ich darum so, weil man dabei analogisch verfaͤhrt, als wollte man Je- manden im Gespraͤch einen Begriff von einer Gestalt beibringen. Das beruͤhmte Bild der Angelica von Ariost: di Persona era tanto ben formata, quanto mai finger san Pittori industri etc. ist eine Aufzaͤhlung der verschiedenen Merkmale wo- durch sich die Gestalt dieser Person von der Gestalt anderer, ohne Ruͤcksicht auf das was sie gethan hat, unterscheidet. Die bildenden Kuͤnste haben nur hier den besondern Vorzug, diese Merkmale durch eine gleichzeitige Beaͤugung zur sinnlich sichtbaren Vor- stellung zu bringen. Inzwischen, in allen Faͤllen, wo der Kuͤnstler mir nur die Gestalt sichtbar sinnlich hat erkennen lassen wollen, nicht eine bestimmte Thaͤ- tigkeit der Gestalt: da nenne ich das Bild, das die Absicht hat, mir die Gestalt in Ruhe zu liefern, analogisch: ein beschreibendes Bild. Charakter aber, Zeichen einer innern Kraft die thaͤtig seyn koͤnnte an der aͤußeren Gestalt, Phisiognomie, ge- hoͤrt mit zu ihren Merkmalen, und macht einen Theil derselben aus. Also, Landschaft, Blumenstuͤck, Stilleben, Bildniß, wuͤrkliches und idealisirtes einer Menschenart, (die Gottheit der Alten,) allegorisch idealisirte Eigenschaft der Seele, (unser neueres alle- gorisches Abstraktum,) Kurz! alle Gestalt in Ruhe, wobei der Kuͤnstler nicht den Begriff ihrer sichtbaren Thaͤtigkeit hat liefern wollen; — ist beschreibendes Bild. Die Der kleine Pallast Farnese. Die handelnde Darstellung setzt h ingegen im- mer den Begriff und die Erwartung einer innern wuͤrklich thaͤtigen Kraft zum Voraus, die sich an der aͤußern Gestalt durch merkliche Abweichung von ihrer Lage in Ruhe zeiget; und da dieses ohne einen gewissen Grad von Affekt nicht geschehen kann, so kann man sich diese Gattung von Bildern, als Darstellung des Affekts, jene als Darstellung der ruhigen Gestalt deutlicher denken. Hier aber findet sich wieder ein merkwuͤrdiger Unterschied zwischen dem einfachen Bilde des Affekts, und zwischen der zusammengesetzten Vorstellung einer affektvollen Lage mehrerer Personen gegen einander. Das einfache Bild des Affekts braucht mir die Veranlassung, die ihn rege macht, nicht zu sagen, so bald dieser nur einen Ausdruck motivirt, der sich auf mehrere Situationen einer Art anwenden laͤßt: z. E. der Ausfall eines Menschen, der sich verthei- diget, im Borghesischen Fechter: die reuige Zerknir- schung, in der Magdalena von Guido: der Ausdruck des Sterbens, im Ludovisischen Fechter: die nach- denkende Schwermuth, in der Statue aus der Villa Medicis, die ich Elektra genannt habe. Alle diese Bilder sind mir voͤllig verstaͤndlich, ob ich gleich nichts von der besondern Lage concurrirender Umstaͤnde weiß, welche die allgemein gewoͤhnliche Thaͤtigkeit veranlaßt. Ich verlange daher von dem Kuͤnstler nichts als Treue in der Darstellung der Aeußerung einer beweg- ten Seele am Koͤrper: und man duͤrfte diese Art der bildenden Kunst, in Ruͤcksicht auf Ausdruck, mit der lyrischen Poesie vergleichen, in der der Dichter den Empfindungen seines Herzens Luft macht, und alle Dritter Theil. H dieje- Der kleine Pallast Farnese. diejenigen, die sich ungefaͤhr in gleicher Situation befinden, mit ihm denselben Gang der Gefuͤhle zu gehen einladet. Man nehme an, daß der Poet sich in eine fremde Lage versetze, die so allgemein sey, daß er so gut, wie jeder andere, sie taͤglich theilen koͤnnte; so wird die Vergleichung noch zutreffender. Z. E. das Lied eines Froͤlichen, Klagen eines Mismuͤthigen ꝛc. Die zweite Gattung der handelnden Bildnerei ist die dramatische: ein Wort, welches ich dem unbestimmten der historischen, in so manchem Be- tracht vorziehen moͤchte. Diese giebt den handelnden Personen Absichten, die sie in Thaͤtigkeit setzen, und erklaͤrt den Grund, warum sie thaͤtig sind, aus con- currirenden Umstaͤnden. Hier ist voͤlliges Drama: nur mit dem Unterschiede, daß Knoten und Aufloͤ- sung mit einem Blicke erkannt werden. Damit man aber nicht etwa glaube, als laͤge bei der ganzen Abtheilung in beschreibende, lyrisch handelnde, und dramatisch handelnde Darstellung blos ein witziger Einfall zum Grunde, so wende man nur einen Augenblick von Aufmerksamkeit auf fol- gende Erfahrungen: Drei Kuͤnstler reisen mit in Wachs bossirten Fi- guren umher, um sie dem Publico fuͤr Geld sehen zu lassen. Der erste, der in meiner Vaterstadt ankoͤmmt, kuͤndigt den hochseligen Koͤnig von Preußen an, und wie auf dem Anschlagzettel steht, sehr natuͤrlich nach dem Leben. Was wird man anders dabei denken, als, der Kuͤnstler will eine sichtbar sinnliche Beschrei- bung des großen Friedrich geben. Den großen Friederich in dem Augenblicke der Schlacht, oder in einer Der kleine Pallast Farnese. einer andern affektvollen Thaͤtigkeit zu sehen, wird das Jemand erwarten? keinesweges! sondern man will den Ausdruck individueller Faͤhigkeiten der Seele zum Handeln uͤberhaupt, an den individuellen For- men des Koͤrpers in Ruhe wahrnehmen. Der zweite folgt nach: er kuͤndigt einen Kopf an, der so natuͤrlich weint, daß, wie das Anschlag- zettel wieder sagt, es unmoͤglich sey, ihn anzusehen ohne mitzuweinen. Kein Mensch wird hier daran denken, neben dem Ausdruck dieser bestimmten Thaͤ- tigkeit der Seele, nun auch die Veranlassung dazu zu sehen. Die denkt sich jeder von selbst hinzu: je- der macht sich seine Exposition, seine Erzaͤhlung. Es ist die sinnlich sichtbare Beschreibung des Aus- drucks einer bestimmten Fassung der Seele. Zuletzt langt ein Kuͤnstler mit einer Punschge- sellschaft an. Er annoncirt sie als eine Menge Fi- guren, Priester, Parlamentsglieder u. s. w. mit allen Modificationen einer lustigen Gesellschaft, welche Punsch trinkt. Ist es glaublich, daß wir unsere Erwartungen erfuͤllt halten wuͤrden, wenn uns der Kuͤnstler nun den einzelnen Priester, das einzelne Parlamentsglied, den einzelnen Betrunkenen, den einzelnen Schlafenden an der Wand des Zimmers hin aufgestellt zeigen, und uns Tisch und Punsch und Gesellschaft hinzudenken lassen wollte? Gewiß nicht! Wir wollen die voͤllige Vorstellung des Auftrittes mit dem Grade der Illusion haben, daß, wenn wir unvorbereitet die Thuͤr des Versammlungs- zimmers geoͤffnet, und aus Discretion sogleich wieder zugeschlossen haben wuͤrden, der ganze Begriff, den uns der Kuͤnstler durch sein An- H 2 schlag- Der kleine Pallast Farnese. schlagzettel hat geben wollen, von selbst in unserer Seele haͤtte aufsteigen muͤssen. Beurthei- lung des Plafonds zur Bestaͤti- gung jener festgesetzten Grundsaͤtze. Aber wozu diese ganze Ausfuͤhrung hier? Weil Raphael diese Regeln bei der Wahl seiner Suͤjets zum Theil beobachtet, zum Theil beleidiget hat, und wir bei der Vergleichung finden, wie sehr wir dabei ge- wonnen haben wuͤrden, wenn er sie durchaus beobach- tet haͤtte. Die beiden Mittelgemaͤhlde enthalten vollstaͤndige sichtbare pantomimische Auftritte. Ein Gastmahl, ein Gerichthalten oder lit de justice. Die Ecken des Gemaͤhldes an den Seiten ver- hinderten die Vorstellung von Compositionen, die zur Verstaͤndlichkeit einigen Umfang erfordern. Was haͤtte der Kuͤnstler thun sollen? Entweder wie der Wachsbossirer, der den Koͤnig von Preußen herum- fuͤhrte, blos beschreibende Bilder der Hauptakteurs liefern: der Venus, des Amors, der Psyche, ihrer Schwestern ꝛc. die uns durch Form und Individua- litaͤt des Charakters wuͤrden interessirt haben; Oder, gleich dem Herumfuͤhrer des weinenden Kopfs, diese Bilder bestimmter Personen in einer fuͤr sich erklaͤrba- ren affektvollen Situation zeigen: die traurige Psyche, den fliegenden Amor, die erzuͤrnte Venus; oder am besten, solche dramatische Handlungen waͤhlen, die durch die gemeinschaftliche Thaͤtigkeit von zwei bis drei Personen voͤllig verstaͤndlich werden: z. E. Amor und Psyche, die sich umarmen, Psyche, die ihren Liebhaber schlafend betrachtet, Amor, der den Armen seiner Geliebten entfliehet u. s. w. Eine Der kleine Pallast Farnese. Eine detaillirtere Beurtheilung der Gemaͤhlde selbst wird den Grund dieser Forderungen noch mehr ins Licht setzen. Vierzehn fliegende Amorinen fuͤllen die Win- kel, die das Gewoͤlbe bildet. Sie tragen die Attri- bute verschiedener Goͤtter, welche der Macht der Liebe gehuldiget haben, als Siegeszeichen. Diese Figuren erfuͤllen den Anspruch, den wir an die einzelne Darstellung in Thaͤtigkeit zu machen berech- tigt sind, vollkommen, durch den allgemein verstaͤnd- lichen Ausdruck des losen Frohsinns und des Fliegens. Man kann die aͤußerste Fruchtbarkeit der Einbildungs- kraft des Meisters in den verschiedenen Stellungen dieser Amorinen, deren kein einziger dem andern aͤhn- lich ist, nicht genung bewundern. Ihre Koͤpfe sind reizend. Inzwischen ist die Natur des Alters nicht treu genung beobachtet. Die Koͤpfe sind zu klein, die Koͤrper zu ausgebildet, der Muskelnbau zu stark an- gedeutet. Die groͤßern Felder, an der Zahl zehn, nehmen Vorstellungen einiger Begebenheiten aus der Fabel der Psyche ein. 1) Venus zeigt ihrem Sohne ihre Neben- buhlerin an Schoͤnheit, und fordert ihn auf, sie dadurch zu raͤchen, daß er ihr eine unzuͤch- tige Liebe einfloͤße. Amor macht sich dazu be- reit, er zielt auf Psyche mit dem Pfeile; allein man sieht diesen Gegenstand nicht. Bei dieser dramatischen Darstellung fehlt die bestimmte Veran- lassung zur Thaͤtigkeit. Das Gemaͤhlde wuͤrde ohne das Localverhaͤltniß mit den uͤbrigen Gemaͤhlden nicht verstaͤndlich seyn: Die Vorstellung ist also mangelhaft. H 3 Einen Der kleine Pallast Farnese. Einen aͤhnlichen Fehler kann man † 2) dem Gemaͤhlde der drei Grazien vor- werfen, denen Amor seine Geliebte zeigt; Sie fehlt wieder. Die Grazien sind vortrefflich zu- sammen gruppirt, und in reizenden abwechselnden Stellungen. Die Verschiedenheit des Charakters ist selbst in den Tinten des Fleisches treu beobachtet. Man bewundert vorzuͤglich den Ruͤcken der einen Goͤt- tin, an dem man deutliche Spuren der eigenhaͤndigen Behandlung des Meisters erkennt. Ueberhaupt wird dieses Stuͤck fuͤr das Beste in der Gallerie gehalten. Annibale Carraccio hat es copirt. Inzwischen sind die Formen der Weiber nicht von hoher Schoͤnheit. † 3) Venus beschwert sich gegen die Juno und die Ceres, daß sie die Psyche vor ihr ver- bergen. Der Ausdruck des zuͤrnenden Vor- wurfs in der Venus, und der Ablehnung desselben in den beiden andern Goͤttinnen ist schoͤn: Er ist aber auch vollstaͤndig. Ich sehe ein Frauenzimmer das Vorwuͤrse macht, zwei andere, welche sie ablehnen. Dies ist dem Herzen genung, die Billigkeit des Aus- drucks zu pruͤfen. Ob die Vorwuͤrfe gegruͤndet sind? Wer kennt nicht die Empfindlichkeit der Damen! Wer wird sich auf ihre Streitigkeiten einlassen! Die Figur der Ceres verdient eine besondere Aufmerksam- keit. Annibale Carraccio hat gleichfalls dieses Ge- maͤhlde copirt. 4) Venus faͤhrt durch die Luͤfte in einem Wagen mit vier Tauben bespannt, um beim Jupiter um die Strafe der Psyche zu bitten. Die Begierde anzukommen, die aͤngstliche Eile der Goͤttin Der kleine Pallast Farnese. Goͤttin ist vortrefflich ausgedruͤckt, und allgemein durch sich selbst verstaͤndlich: das Suͤjet ist dem Raum zur Darstellung angemessen. 5) Venus beschwert sich beim Jupiter uͤber das ihr angethane Unrecht. Venus hat ganz den Ausdruck eines Weibes, die gern ihrer Sache eine gute Wendung geben moͤchte, und Jupiter scheint ihre Beschwerden mit einer Guͤte anzuhoͤren, die gern durch die Aufmerksamkeit auf die Klagen der Ge- kraͤnkten beruhigen moͤchte. Auch dies Suͤjet ist nach den vorhero festgesetzten Grundsaͤtzen gut gewaͤhlt. 6) Mercur durchstreicht die Luͤfte, und kuͤndigt unter dem Klange der Trompete dem- jenigen eine Belohnung an, der den Aufent- halt der Psyche entdecken wird. Der Kopf des Mercurs stimmt mit der Schoͤnheit des Koͤrpers nicht uͤberein. Man schiebt die Schuld auf die Ausbesse- rung. Gegen das Suͤjet laͤßt sich nichts erinnern; so wenig als gegen folgendes: 7) Psyche von Liebesgoͤttern unterstuͤtzt, bringt aus der Hoͤlle die Buͤchse, welche zu oͤffnen ihr verboten war, und die das Recept zur Wiedererhaltung verlohren gegangener Schoͤnheit enthielt. Diese Gruppe ist schoͤn ge- dacht. Der Kopf der Psyche ist sehr reizend, aber die Stellung ist ein wenig gezwungen. 8) Psyche uͤberreicht der Venus diese Buͤchse. Psyche hat einen vortrefflichen Ausdruck von bescheidener Hingebung in ihr Schicksal, und eben so vortrefflich ist der Ausdruck des Erstaunens der Goͤttin untermischt mit Aerger uͤber die Erfuͤllung einer Aufgabe, an der ihre Feindin scheitern sollte. Die beschei- H 4 dene Der kleine Pallast Farnese. dene Ueberreichung einer Gabe, die misfaͤllt, ist ein allge- mein verstaͤndliches Suͤjet zur sichtbaren Darstellung. † 9) Amor bittet den Jupiter, den Qualen seiner Geliebten ein Ende zu machen. Jupiter liebkoset den artigen Knaben mit ein wenig zu viel Innbrunst, um nicht schluͤpfrige Nebenideen zu veranlassen. Dieser Vorwurf trifft aber nur die Art der Ausfuͤhrung, nicht die Wahl des Suͤjets. Ein Alter, der einen Knaben liebkoset, ist ein ge- woͤhnlicher Auftritt. Sind es nicht Jupiter und Amor, so sind es Vater und Sohn. 10) Mercur fuͤhrt Psyche zum Himmel. Der Kopf der Psyche ist sehr schoͤn, aber der Koͤrper etwas schwerfaͤllig, und eben diesen Vorwurf kann man auch dem Mercur machen, so schoͤn er auch uͤbrigens ist. Eine wohlgefaͤllige Anordnung der Stellungen, eine sehr richtige Zeichnung, sowohl des Nackenden als der Gewaͤnder, ein unvergleichlicher Ausdruck, machen die allgemeinen Vorzuͤge dieser Gemaͤhlde aus: Aber eben so allgemein verdienen sie auch den Tadel zu stark angedeuteter Muskeln, vorzuͤglich in den weiblichen Koͤrpern, und einer Faͤrbung, die zu sehr ins Rothe und Schwarze faͤllt. Vielleicht kom- men diese Fehler nicht auf die Rechnung Raphaels, sondern seiner Schuͤler, und derjenigen, die diese Gemaͤhlde ausgebessert haben. Raphael, ein dramati- sches Genie. Ich gehe nun zu den groͤßeren Compositionen uͤber, in denen ich unsern Raphael in aller seiner Groͤße finde. Raphael war zum dramatischen Mah- ler gebohren, das zeigen alle seine Werke. Aus- druck einer thaͤtigen Seele, ist so sehr Hauptzug in seinem Der kleine Pallast Farnese. seinem Charakter, daß er ihn auch dahin gebracht hat, wo bloße sichtbar sinnliche Beschreibung, Dar- stellung einer ruhigen Seele, dem Suͤjet angemesse- ner gewesen waͤre. Man vergleiche den ersten Theil, S. 145. Das eine große Gemaͤhlde an der Mitte der Decke, und zwar rechter Hand vom Eingange in den Saal ab, zeigt die Goͤtterversammlung, vor denen Venus und ihr Sohn ihre Sache vertheidigen. Dieser Zeitpunkt ist aus der Geschichte der Psyche sehr gluͤcklich herausgehoben, um einen bestimmten, vollstaͤndigen und abwechselnden Ausdruck zu motivi- ren. Ich will von diesem und der Anordnung zu- erst reden. Venus und Amor stehen am rechten Orte, um dem Beschauer in die Augen zu fallen; Mit der Stellung zeigen sie den gegenseitigen Streit an, aber ihre Augen sind wie billig auf den Praͤsidenten des Gerichts, auf Jupiter gerichtet. Dieser sitzt an dem einen Ende des Bildes als dem vornehmsten Platz der Scene in allen Gemaͤhlden, welche den Ort einer großen Versammlung im Profil zeigen: Und dies duͤrfen wir bei keinem Gemaͤhlde Raphaels vergessen. Zu seiner Zeit waren die Regeln der Luft und Linien- perspektiv, der Haltung, noch nicht zu der Vollkom- menheit gebracht als jetzt. Man nahm das Licht noch außerhalb dem Bilde, nicht in dem Bilde selbst, uͤberhaupt aber den Rahmen nicht als ein abgesonder- tes Theater an. Man durfte also die Scene nicht so vorstellen, als wenn man sie von vorn zu saͤhe, und nun die Figur, welche den vorzuͤglichsten Platz H 5 bei Der kleine Pallast Farnese. bei großen Versammlungen einnehmen sollte, wel- cher dem Eingange des Gebaͤudes immer gegenuͤber ist, in die Mitte des Bildes, die Umstehenden aber perspektivisch zu beiden Seiten hinsetzen: Denn da- durch wuͤrde die Hauptfigur zu sehr ins Dunkle gehal- ten seyn; Sondern man nahm an, der Beschauer stehe mitten auf dem Plane des Bildes, und sehe die handelnden Personen sich gegen uͤber, die vornehmste Person oben, die niedrigste unterhalb, und das Ganze meistens im Profil. Diese Anmerkung scheint mir nicht uͤberfluͤßig. Jupiter also sitzt an dem einen Ende des Bildes und zwar auf einem erhoͤheten Sitze von Wolken. Auf seiner einen Seite Juno, Pallas, Diana, auf der andern Neptun und Pluto. Jupiter zeigt die pruͤfende ernste Mine der Un- partheilichkeit; aber diese sowohl als die Stellung wuͤrden sich mehr fuͤr einen irrdischen Richter als fuͤr den himmlischen schicken. Er lehnt sich auf den Ellnbogen, den er aufs Knie stuͤtzt. Neptun hat das Ansehen eines gutherzigen Murrkopfs, mit mehr lebhaftem als sicherem Gefuͤhl fuͤr Recht und Unrecht; und dem Pluto duͤrfte man schon wagen, im Ver- trauen auf die in sich gezogene schnellblickende Mine da, ein Suͤmmchen Gold bei Wegelang in die Hand zu druͤcken. Beiden Bruͤdern scheint die Venus nicht miszubehagen, aber Pluto blickt sie nur verstoh- len und von der Seite an. Dagegen sinkt die Schale bei den drei Goͤttinnen auf des Cupido Seite. Mars ist ganz fuͤr die Venus: und Apollo, der Ricaneur, scheint mit dem Bacchus daruͤber zu scher- zen. Das gute ehrliche Blut, der Hercules, ist ziem- Der kleine Pallast Farnese. ziemlich indifferent bei dem Ausgange der Sache, so scheinen es auch Vulkan und zwei Flußgoͤtter, von denen der eine doch beinahe uͤngeduldig werden moͤchte, daß uͤber das Hin- und Hersprechen seine Ambrosia verraucht. Vielleicht sehe ich aber auch hier mehr, als der Mahler hat sehen lassen wollen, darum mag ich von dem Ausdruck in der Figur des Janus lieber ganz schweigen. Zuletzt kommen noch zwei Figuren, welche sich freilich nicht ganz in diesen sichtbaren Auftritt schicken. Es ist Mercur, welcher der Psyche die Schale der Unsterblichkeit reicht. Wird hier bereits, wie es scheint, das Urtheil vollstreckt, uͤber dessen kuͤnfti- gen Inhalt man noch am obern Ende streitet; so geht hier eine doppelte Handlung vor, und das Bild ent- haͤlt eine fehlerhafte Zusammenstellung progressiver Momente. Die Fabel hat den Mahler verfuͤhrt, denn nach dieser ließ Jupiter zu gleicher Zeit, als er die Ver- sammlung der Goͤtter hielt, die Psyche durch den Mercur in den Himmel bringen: aber man sieht aus diesem Beispiele aufs neue, wie wenig dem Kuͤnstler mit der Autoritaͤt des Dichters gerathen ist. Einige glauben in der Figur der Psyche eine Hebe zu sehen. Aber diese Meinung wird dadurch wi- derlegt, daß der Kuͤnstler den Ganymedes in dem folgenden Bilde schon Mundschenkers Dienste thun laͤßt. Um die Knie der Psyche windet sich ein kleiner Amor, der luͤstern nach der Schale blickt. Die Der kleine Pallast Farnese. Die Figuren sind nach Art eines Basreliefs an- geordnet, und in dieser Voraussetzung gut. Roch ein Wort von der Wahl der Formen und der Stellungen. Weder Venus noch Amor haben die idealische Schoͤnheit, die man an ihnen erwarten sollte. Die drei Bruͤder, Jupiter, Neptun und Pluto stimmen in einem aͤhnelnden Familienzuge uͤberein, der sich jedoch in jedem zu einem indivi- duellen Charakter modificirt. Minerva hat einen Reiz, der sich nicht zu ihrem Charakter schickt. Die beiden Goͤttinnen neben ihr sind nicht schoͤn. Mercur nebst der Psyche und dem Amor, der sich um ihre Knie windet, machen die schoͤnste Gruppe auf dem Bilde aus. Am Hercules und an den Flußgoͤttern sind die Muskeln mit einer Staͤrke angedeutet, wor- in sie sich nur bei geschundenen Koͤrpern denken lassen. Im Ganzen ist die Zeichnung mehr richtig als edel. Die Gewaͤnder sind vortrefflich. Die Faͤrbung faͤllt ins Rothe in den Lichtern, ins Schwarze in den Schatten. Maratti hat an diesem Gemaͤhlde vieles retouchirt. † Das andere von diesen beiden Mittel- Gemaͤhlden stellet die Vermaͤhlung der Psyche und des Amor, oder vielmehr den Schmaus, den die Goͤtter bei dieser Gelegenheit halten, vor. Die Ausfuͤhrung soll von Fattore seyn. Gedanke, Anordnung, Ausdruck, Stellungen, Zeichnung und Drapperie sind lauter ausgezeichnet schoͤne Theile in diesem Bilde. Amor und Psyche sitzen in der Mitte des Tisches, versunken im Ent- zuͤcken, sich, nach so vielen uͤberstandenen Gefahren, forthin ungestoͤrt dem Genuß der Liebe uͤberlassen zu koͤnnen. Der kleine Pallast Farnese. koͤnnen. Sie sind nur mit sich selbst beschaͤfftigt: Aber die froͤliche Veranlassung des Festes setzt auch die uͤbrigen Gaͤste in muntere Stimmung. Jupiter scheint die Sorgen der Regierung beim suͤßen Nektar vergessen zu wollen: Ganymed reicht ihm kniend die volle Schale; sein Weib sucht ihn einzuladen, sich mehr mit ihr zu beschaͤfftigen. Neptun uͤberlaͤßt sich der Umarmung der Amphytrite; Hercules koset mit Hebe, und diese Gruppe ist vorzuͤglich schoͤn; Vulcan ist Koch; Bacchus besorgt den Wein: die lieblichen Horen streuen Blumen aus; die Grazien salben das Haupt der Neuvermaͤhlten; Apollo fuͤhrt spielend die Musen an, und Venus, eine der schoͤnsten Figuren des Bildes, Venus selbst tanzt zu Ehren des fest- lichen Tages. Nur Pluto und sein Weib scheinen an der allgemeinen Freude keinen Antheil zu neh- men. Dieses Gemaͤhlde, so wie alle uͤbrigen in dieser vorhin offenen Gallerie, waren dem Wind und Wet- ter bestaͤndig ausgesetzet. Sie hatten sehr gelitten, als Carlo Maratti es uͤbernahm, sie auszubessern. Vielleicht ward er diesen herrlichen Kunstwerken ein gefaͤhrlicherer Feind, als der Unbestand der Jahrs- zeiten. Der grelle blaue Grund, den er ihnen gab, zerstoͤrt alle Haltung, so daß die Figuren wie ausge- schnitten darauf geklebt scheinen. Zweiter Saal zur Linken. Nur das Gemaͤhlde der Galathea ist dem Raphaels Galathea. Raphael beizulegen. Die uͤbrigen Mahlereien sind nicht vom ihm, wie Hr. Dr. Volkmann ganz irrig Der kleine Pallast Farnese. irrig behauptet, Histor. kritische Nachrichten uͤber Italien. Th. II. S. 644. sondern von Baldassero Peruz- zi da Siena und von Sebastiano del Piombo. † Die Galathea Raphaels ist stehend abge- bildet in einem Wagen bespannt mit zwei Delphinen, deren Zuͤgel sie selbst leitet. Zur Seite umarmt ein Triton eine Nereide, ein anderer Triton stoͤßt in eine Meer-Trompete, und weiterhin sitzt noch eine andere Nereide auf dem Ruͤcken eines dritten Tritons. Amor fuͤhrt den Wagen der Galathea, Amorinen schießen fliegend Pfeile herab. Die Anordnung ist nicht zu loben, die Figuren sind zu abgerissen von einander, und das Ganze thut wenig Wuͤrkung. Dem Kopfe der Galathea sieht man es an, daß vieles von der ur- spruͤnglichen Idee ihrer Schoͤnheit, durch die Reise von dem Kopfe des Kuͤnstlers ab in die Hand, ver- lohren gegangen ist. Die Augen sind zu klein, die Nase ist zu stark. Der Koͤrper der Galathea bis an die Knie ist schoͤn, aber dies Knie ist zu muskuloͤs. Die Nereide die der Triton umarmt, ist sehr reizend, allein die Schenkel sind wieder viel zu stark. Dieser Triton selbst scheint in der Mitte abgebrochen, und das Untertheil des Koͤrpers koͤmmt mit der Bewegung der Arme der Schultern nicht uͤberein. Der Amor der den Wagen fuͤhrt, ist schoͤn gezeichnet. In dem Kopfe desselben erkennt man dasselbe Modell wieder, nach welchem Raphael den Christ della Madonna della Seggia zu Florenz gemahlt hat. Die Amo- rinen in den Luͤften haben sehr reizende Stellungen. Diese Verschiedenheit in der Guͤte gewisser Theile gegen Der kleine Pallast Farnese. gegen andere laͤßt mich glauben, daß entweder das Gemaͤhlde gleich bei der ersten Verfertigung von mehr als einer Hand ausgefuͤhrt sey, oder daß es in spaͤtern Zeiten retouchiret worden. Man zeigt hier einen colossalischen Faunus- kopf, den Michael Angelo, um des kleinlichten Ge- schmacks in der Galathea Raphaels zu spotten, mit Kohlen an die Wand gezeichnet haben soll. Jetzt- lebende Kenner ziehen diese Geschichte sehr in Zweifel, und ich glaube, mit Recht. Es laͤßt sich der Stil des Michael Angelo in diesem Kopfe nicht erkennen, und er scheint im Ganzen dieses Meisters nicht werth zu seyn. In diesen beiden und einem anstoßenden Saale stehen auch mehrere Bildhauerwerke, und zwar, In dem ersten Saale der Psyche: Ein sehr angenehmer reizender Kopf ei- ner weiblichen Figur mit dem Helme. † Ein Jupiter terminalis, von dem Win- kelmann S. Winkelmann, G. d. K. S. 467. sagt, daß er einer der schoͤnsten Koͤpfe in Rom sey. Ein Euripides. Eine Faustina. Beide Buͤsten. Ein bekleideter Hercules mit einem Sal- bengefaͤße, und Jole. Die Charaktere der Koͤpfe gut. In Der kleine Pallast Farnese In dem Zimmer der Galathea. Venus Cal- lipyga. † Venus Callipyga oder Callipygas, Die Venus hatte unter diesem Nahmen einen Tem- pel in Sicilien, der durch folgende Begebenheit entstanden war. Zwei schoͤne sicilianische Bauer- maͤgdchen stritten daruͤber, wer von ihnen beiden den schoͤnsten Hintern haͤtte, und zwar auf oͤffent- licher Landstraße. Ein voruͤbergehender Juͤngling ward herbeigerufen, den Streit zu entscheiden, und nachdem man ihn in den Stand gesetzt hatte, ein sachverstaͤndiges Urtheil durch die Vergleichung der Theile, die den Streit veranlaßten, zu faͤllen, so fiel dies fuͤr die aͤlteste aus. Er hatte sich nicht ungestraft mit den geheimen Reizen dieses schoͤnen Maͤgdchens bekannt machen duͤrfen. Er verliebte sich in sie, und verfiel nach seiner Zuhausekunft in eine Krankheit. Die Ursach derselben entdeckte er seinem Bruder; dieser suchte die Maͤgdchens auf, und verliebte sich in die juͤngste. Der Vater, der einen ansehnlichen Rang unter seinen Mitbuͤrgern behauptete, wollte anfaͤnglich nicht in die Heirath seiner Soͤhne mit Personen von so ungleicher Ab- kunft willigen. Endlich siegte die Liebe, und die Maͤgdchen widmeten der Venus einen Tempel, worin ihre Bildsaͤule in derjenigen Stellung auf- gestellet wurde, die den Grund zu ihrem gelegt hatte. Der Herr Hofrath Heyne Antiq. Aufsaͤtze, 1stes Stuͤck, S. 153. glaubt, daß auch bei dieser Vor- stellung die Idee von einer Venus, die aus dem Bade koͤmmt, zum Grunde liege. Statue. Die Goͤttin sieht mit zur Seite gebogenem Kopfe Der kleine Pallast Farnese. Kopfe auf den schoͤnen Hintern zuruͤck, der ihr den Nahmen gegeben hat. Der Kopf, der linke Arm und beide Beine sind modern; und selbst dasjenige, was alt ist, verdient im Ganzen nicht das groͤßte Lob. Inzwischen sind diejenigen Theile, durch die sie ge- fallen soll, nicht ohne Reiz. Das Gewand, das unterwaͤrts in steife Falten ausgehet, dient der Figur zu gleicher Zeit zum Tronk. Ein sehr ungluͤcklicher Gedanke. Zwei Statuen der Venus, die halb kniend mit vorgebogenem Koͤrper auf den Zehen ruhen, und wahrscheinlich in der Stellung abgebildet sind, wie sie sich aus dem Bade erheben. S. den Pallast Giustiniani. Buͤsten. Ein schoͤner Kopf mit einem Schleier bis unter das Kinn verhuͤllt. Man giebt ihm die Benennung einer Vestalin. Buͤste eines Antinous, die nicht vollendet ist, und modern scheint. † Ein schoͤner Kopf, der in die Hoͤhe sieht Buͤste des Demosthe- nes. und den Hals zur Seite wendet. Die Nase ist modern. In Rom nennet man diesen Kopf Demosthenes, in Deutschland haͤlt man den Gips- obdruck fuͤr den Kopf des Schleifers in Florenz. Beide Benennungen sind gewiß falsch. Man sieht die Spur eines Riemens, welcher ein Degengehenk gewesen seyn kann, und deutlich anzeigt, daß dieser Kopf zu einem verloren gegangenen Rumpfe gehoͤret hat. Er ist schoͤn. † Ein Dritter Theil. J Der kleine Pallast Farnese. Buͤste des Homers. † Ein schoͤner Homerskopf. Er hat zwar viel gelitten, und ist an einigen Stellen restaurirt, dem ohngeachtet von vortrefflichem Charakter und schoͤner Ausfuͤhrung. Es ist der beste von den Koͤ- pfen, die man unter dieser Benennung kennt. Euripides, Socrates und einige Unbe- kannte. In einem dritten Zimmer. Colossali- scher Kopf Caͤsars. † Ein vortrefflicher colossalischer Kopf des Jul. Caͤsar. Er erfuͤllet besser als die uͤbri- gen, die Idee, die wir uns von dem Groͤßten der Sterblichen machen. Aber eine kraͤnkliche Mine be- haͤlt er immer. Wir wissen, daß Caͤsar mit der Epilepsie behaftet war. Der Hinterkopf fehlet. Er steht auf einem Altare, an dem man mehrere Gottheiten in Basrelief siehet. Ein schoͤner Kopf Jupiters. † Eine schoͤne Begraͤbnißurne, oder Sar- cophag mit mehreren Gottheiten. Eine Gruppe, die der Sonderbarkeit we- gen merkwuͤrdig ist. Ein Fleischer steckt ein Schwein in einen Kessel, waͤhrend daß ein Knabe das Feuer anblaͤst. Ein Kopf eines Sclaven der im Bade auf- wartet. Er hat viele Aehnlichkeit mit den Koͤpfen der Statuen, die man unter dem Nahmen des Se- neca kennt. Ein weiblicher Kopf, der einer der Toͤchter der Niobe gleicht. Eine Der kleine Pallaft Farnese. Eine Statue zu Pferde, halb Lebensgroͤße. Man hat dem Reiter einen modernen Kopf des Dru- sus aufgesetzt. Dies ist nicht die einzige Ergaͤnzung, die das Werk hat leiden muͤssen, das uͤberhaupt zu den mittelmaͤßigen gehoͤrt. Zimmer im zweiten Stockwerk . In dem ersten. Die Werkstatt des Vulcan. Man giebt dies Gemaͤhlde al Fresco fuͤr Raphaels Arbeit aus. Es ist aber so uͤbermahlet, daß man kaum von der ersten Idee des Kuͤnstlers urtheilen darf. Rund herum findet man Mahlereien zu denen die Gegenstaͤnde aus den Verwand- lungen des Ovidius genommen sind. Sie scheinen von Giulio Romano zu seyn. Man findet sehr vernuͤnftig gedachte Figuren bei Figuren in sehr uͤbertriebenen Stellungen. Zweites Zimmer. Ganz mit Mahlereien von Giulio Romano Zimmer mit Mahlereien von Giullo Romano. verzieret. Sie haben stark gelitten, und sind re- touchirt. Das erste stellt die Hochzeit des Alexan- der mit der Roxane vor. Die Composition ist allerliebst, obgleich hauptsaͤchlich aus einer aͤhnlichen Vorstellung Raphaels in der Villa Olgiati, wovon bereits geredet ist, entlehnt. Ja! der Kuͤnstler hat sogar einzelne Figuren aus dem eben angezeigten Ge- maͤhlde, und aus andern Gemaͤhlden seines Meisters J 2 genom- Der kleine Pallast Farnese. genommen: z. E. die Frau die das Gefaͤß auf dem Kopfe traͤgt, aus dem Incendio del Borgo. Dem ohngeachtet bleibt dem Giulio Romano noch das Verdienst einiger sehr reizenden Zusaͤtze von seiner eigenen Erfindung: z. E. einiger schoͤnen Koͤpfe, und des aͤußerst lieblichen Amors, der Roxanen aus- kleidet. Das zweite Gemaͤhlde stellet den Alexan- der und die Familie des Darius vor. Die Composition ist schoͤn, man sieht, wie le Brun sie zu nutzen gewußt hat. Aber uͤber die Ausfuͤhrung wage ich nicht zu urtheilen, da von des Meisters Hand nur einige wenige Figuren linker Hand uͤbrig sind. Der Rest ist uͤbermahlt. Nachricht uͤber die Fa- milie des Darius von Paolo Ve- ronese, im Pallast Pisa- ni zu Vene- dig. Ich kann mir hier nicht das Vergnuͤgen versagen, einer Vorstellung der Familie des Darius im Pal- last Pisani zu Venedig zu erwaͤhnen, die mir unter mehreren aͤhnlichen, durch die vortreffliche Abwech- selung in dem Ausdruck der Affekten eine vorzuͤgli- che Aufmerksamkeit zu verdienen scheint. Sie ist von Paolo Veronese, und nach meinem Gefuͤhle die beste Composition dieses Meisters. Ich will nur mit ein Paar Worten den Gedanken beruͤhren. Die ungluͤckliche Familie liegt zu des Helden Fuͤßen, der noch nicht troͤstet, sondern die erste Regung des Mitleids zu empfinden, den ersten bestuͤrzten Ruͤck- blick auf die Unbestaͤndigkeit des Schicksals zu wer- fen scheint. Dieser Augenblick ist sehr gluͤcklich ge- waͤhlt, denn er interessirt uns schon fuͤr den Ale- xander, und nimmt uns nichts von der Theilneh- mung an der Ungewißheit, worin wir die Familie des Darius uͤber ihr Schicksal sehen. Die Mutter, eine Das Der kleine Pallast Farnese. Das dritte stellet den Alexander vor, der den Bucephal zaͤhmt. Auch hier hat der Kuͤnst- ler den Heliodor seines Meisters vor Augen gehabt. An dem Plafond siehet man einige kleine Ge- maͤhlde grau in grau gemahlt, von demselben. Man erkennt zu wenig davon, um mit einiger Zu- verlaͤßigkeit daruͤber urtheilen zu duͤrfen. Giulio Romano ward 1492 zu Rom gebohren, Bemerkun- gen uͤber den Stil des Giulio Ro- mano. und starb 1546. So lange er nach den Zeichnun- gen seines Meisters, Raphaels, und unter dessen Augen arbeitete, war seine Zusammensetzung weise, und seine Zeichnung richtig: aber in der Faͤrbung unterschied er sich gleich durch gar zu schwarze Schat- ten und zu rothe Lichter der Carnation. Seine Aus- fuͤhrung war uͤbrigens sehr besorgt, und man kann sogar sagen, geleckt. J 3 Sobald eine betagte Frau, die fuͤr sich nichts mehr erwar- tet, nichts mehr fuͤrchtet, spricht, flehet fuͤr die Ih- rigen. Die Koͤnigin auf der das ganze Gefuͤhl des Verlusts ihres vorigen glaͤnzenden Standes liegt, ist in stumpfen Schmerz versunken. Die aͤlteste Tochter in den Jahren, wo das auftreibende Herz noch durch keine Versagungen den Gesetzen des Schicksals zu huldigen gelernt hat, fuͤhlt die ganze Erniedrigung ihres Zustandes. Sie, die Tochter eines Koͤnigs, zu den Fuͤßen des Siegers! Ein ed- ler Unmuth schwellt ihre Lippen, und sie blickt mit aͤrgerlicher Verachtung auf die Krone herab, die sie in den Haͤnden traͤgt. Das juͤngste Kind hin- gegen zeigt die Gleichguͤltigkeit, die seinem sorglo- sen Alter eigen ist. Der kleine Pallast Farnese. Sobald er sich aber nach Raphaels Tode seiner eigenen Willkuͤhr uͤberlassen sahe, ward er durch seine brennende Einbildungskraft zu Ausschweifungen jeder Art fortgerissen. Vielleicht darf man auch sagen, daß er nur uͤbertrieb, um dem Vorwurf, blos Kopist zu seyn, zu entgehen. Denn haͤufig findet man noch Diebstaͤhle, die er an den Werken seines Vor- gaͤngers begangen hat. Er setzte sie aber auf eine bisarre Art mit seinen eigenen nicht minder bisarren Erfindungen zusammen. Daran, und an seinen graͤmlichen Maͤnnerkoͤpfen, an den Gelenken, die mit Muskeln und Knoͤrpeln uͤberladen sind, an der krebsrothen Fleischfarbe erkennt man ihn am leichte- sten wieder. Seine Zeichnung ward nun incorrekt, er fieng an, im Geschmack der Florentinischen Schule, die Muskeln zu stark anzudeuten, und weil er gar zu geschwind arbeitete, so ward die Behandlung ver- nachlaͤßigt. Pallast Pallast der Franzoͤsischen Aca- demie. S eitdem Academien, Kunstschulen, errichtet wor- Ursachen des Verfalls der Kuͤnste in neuern Zei- ten. den, sagt man, sind keine große Kuͤnstler mehr gezogen! Daß seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, seit der Zeit als die Schulen der Kuͤnstler oͤffentliche Anstalten wurden, die großen Meister seltener ge- worden sind, ist durch die Erfahrung außer Zweifel gesetzt: Nicht aber dadurch die Frage entschieden: ob die Errichtung der Academien eine begleitende Er- scheinung des Verfalls der Kunst sey, oder der Grund desselben und die Ursach? In dem Begriff einer Academie an sich selbst, scheint wenigstens nichts nachtheiliges fuͤr die Ausbil- dung des jungen Kuͤnstlers zu liegen. Eine Anstalt, die ihm taͤglich Gelegenheit verschafft, nach den ge- waͤhltesten Formen nackender maͤnnlicher Koͤrper zu arbeiten: Eine Anstalt, die rund um den Zoͤgling her Sammlungen von Gemaͤhlden, von Kupfersti- chen, von Gipsabguͤßen der Antiken, von Buͤchern versammlet; in der geschickte Maͤnner in jedem Theile der Kunst ihre Erfahrungen und den darauf gebaue- ten Rath mittheilen; mit der nicht selten Pensionen verbunden sind, die den angehenden Kuͤnstler uͤber die stoͤrende Sorge fuͤr druͤckende Beduͤrfnisse hinaus- setzen: die endlich durch die Vereinigung mehrerer Juͤnglinge von den besten Hoffnungen den groͤßten Sporn zu hoͤherem Verdienst, die Nacheiferung, er- J 4 weckt Pallast weckt und unterhaͤlt; Was, frage ich, kann eine solche Anstalt der Ausbildung des jungen Kuͤnstlers fuͤr Hindernisse in den Weg legen? In der That! es scheint, als setze man auf die Rechnung der guten Academien viel mehr, als sie verschuldet haben. Denn wie viel andere Ursachen dieses nicht abzu- leugnenden Verfalls der Kuͤnste lassen sich bei einigem Nachsuchen nicht auffinden? Zuerst: — man mag es fuͤr Aberglauben halten oder nicht, — die gleiche Faͤhigkeit der Koͤpfe zu allen Kuͤnsten in jedem Jahr- hundert, kann ich nach meiner Kenntniß der Geschichte der bildenden Kunst nicht annehmen. Dem begraͤnz- ten Auge des Sterblichen scheint der Umstand, daß Raphael, Correggio, Tizian, alle beinahe zu der naͤmlichen Zeit an verschiedenen Orten als Lichter der Kunst hervorgiengen, daß gleich nach ihrem Tode die Kunst wieder sank, bis in Bologna die Carracci mit ihren Schuͤlern ohne besondere Aufmunterung sich wiederum hervorthaten, zum Theil nur dadurch er- klaͤrbar, daß diese Genien so gluͤcklich fuͤr die Kuͤnste gebohren wurden. Was hindert uns anzunehmen, daß, so wie die Fruchtbarkeit der Erde in Hervorbrin- gung der Kornarten in gewissen Jahren abwechselt, so auch gewisse Zeiten in Zeugung besonders organi- sirter Koͤpfe ergiebiger sind als andere? Ganz will ich inzwischen die Erscheinung großer Kuͤnstler in gewissen Epochen, aus einer so wenig erklaͤrenden Ursache nicht erklaͤren. Nein! der Ge- schmack gewisser Zeitalter an bestimmten Arten des Vergnuͤgens aͤndert sich, und muß sich aͤndern, da die Beduͤrfnisse desselben nicht in der Nothwendigkeit, sondern im Wohlstande ihren Grund haben. So bald der Franzoͤsischen Academie. bald der versatile luͤsterne Gaumen der bloßen Schluͤr- fer fuͤr den Reiz der einen Kost unempfindlich gewor- den ist, so verfaͤllt er auf eine andere, welche wenig- stens die Neuheit vor jener zum Voraus hat. Seit- dem die Kirchen und Pallaͤste Roms mit Schildereien und Statuen sattsam gefuͤllt sind, um die Nachkom- men der ausstattenden Stifter und der Besitzer der- selben der Muͤhe, sie zu meubliren, zu uͤberheben: seit- dem die Meisterstuͤcke der bildenden Kuͤnste denen, die darunter aufgewachsen sind, haben gewoͤhnlich werden muͤssen, und nur beibehalten werden, um den weniger gesaͤttigten Fremden zur Bewunderung und zum Geldaufwande herbeizulocken; seitdem hat die Musik die Mahlerei und Sculptur verdrungen. Um- sonst laͤßt hier und da ein Fremder noch sparsam ein oder das andere Stuͤck verfertigen, um es in entfernte Gegenden des Nordens mit sich fortzuschleppen: Die groͤßte Belohnung des Kuͤnstlers, der Werth, der vor seinen Augen auf sein Werk gelegt wird, die Achtung des ihn umgebenden Publici, selbst der Neid seiner Nebenbuhler, faͤllt weg: taͤglich wird der Geldgewinnst mehr und mehr die Verguͤtung seiner Arbeit, und taͤglich sinkt die Kunst tiefer zum Mittel des Erwerbes herab. Monarchen, die ihr die Kuͤnste beschuͤtzet, sie sind Toͤchter republikanischer Freiheit! Ihr verdient unsere Verehrung, wenn ihr Liebkosung und Geld- summen an den Kuͤnstler mit milder Hand ausspendet: aber glaubt nicht, daß ihr etwas anders damit ver- moͤget, als sie vor dem gaͤnzlichen Ersterben zu be- wahren! Nur der allgemeine Enthusiasmus eures Volks giebt ihnen wahre Nahrung und Leben! Kein J 5 genuͤg- Pallast genuͤgsameres Geschoͤpf als ein Kuͤnstler, aber auch kein stolzeres! Trocken Brod, ein aufgespanntes Tuch und das Gefuͤhl oͤffentlicher allgemeiner Achtung, das ist sein Beduͤrfniß, sein Leben und sein Himmel! Ein sehr wichtiger Grund, warum unsere gegen- waͤrtige Kuͤnstler ihren Vorgaͤngern nicht mehr gleich kommen, liegt darin, — daß sie ihre Nachfolger sind. In den ernsthafteren Wissenschaften ist die Grundlage der Kenntnisse, durch welche wir zur Entdeckung neuer Wahrheiten gefuͤhrt werden, immer das leichteste. Der Schuͤler steht nach ein Paar Jahren anhaltenden Fleißes immer da, wo der Meister aufhoͤrt und faͤhrt nun fort zu bauen. Das Werk geht von Genera- tion zu Generation: Wer vermag dessen Hoͤhe und Umfang zu bestimmen? Oft reißt man wieder ein, oft flickt man an: der letzte hat immer den groͤßten Anspruch auf unsere dankbare Bewunderung, wenn er seinen Zeitgenossen als Erfinder erscheint. Besitzt er die Kenntnisse seiner Vorgaͤnger neben seinen eige- nen: gut! wo nicht, er ist darum nicht der minder große Mann, weil er der kleinere Gelehrte ist. Ganz anders verhaͤlt es sich mit den schoͤnen Kuͤn- sten. In ein Paar Menschenaltern koͤmmt man uͤber die rohen Versuche der Nachahmung weg, und hier gewinnt der Nachfolger jener Meister, die durch zeit- spillige Irrungen die Handgriffe der mechanischen Be- handlung, die Regeln der Symmetrie, der Propor- tionen, des Knochenbaues, der Perspektive u. s. w. erst ausfinden mußten. Aber nun ist auch alles ge- schehen, was das fruͤhere Jahrhundert fuͤr die folgen- den thun konnte, das heißt: Das Wenige blos Wis- senschaftliche, was dabei zur Anwendung kommen kann, der Franzoͤstschen Academie. kann, ist ausgefunden. Nach dieser Zeit faͤngt nun jeder angehende Kuͤnstler in denselben Jahren seines Lebens wieder da an, wo sein Vorgaͤnger nicht auf- hoͤrte, sondern anfieng. Er muß so wie jener seine Hand und sein Auge an Richtigkeit gewoͤhnen: er muß so wie jener Handwerker werden, ehe er Kuͤnstler werden kann: er muß alle Vorzuͤge des ersten in sich vereinigen, und was schlimmer ist, er muß noch solche hinzufuͤgen, die ihm einen besondern Grad der Auf- merksamkeit von seinen Zeitgenoßen sichern koͤnnen. Hier aber haͤufen sich die Schwierigkeiten mit jedem Jahre. Der Umfang der Vorwuͤrfe, durch deren Dar- stellung Herz und Einbildungskraft interessiret werden, koͤmmt in keine Vergleichung mit dem Umfange von Kenntnissen, die unserm Kopfe Beschaͤfftigung ge- waͤhren. Der erste der waͤhlt, sucht das Praͤgnan- teste heraus: der naͤchstfolgende nimmt den Ueberrest, und die darauf folgenden stellen dasjenige vor, was schon gewaͤhlt ist, oder stellen dieselben Suͤjets, im- mer den Menschen mit seinen Leidenschaften, immer die Natur mit ihren Grundmodifikationen, unter den zufaͤlligen Abwechselungen des Costume vor. Die er- sten sind eigentlich nur Schoͤpfer, Erfinder des Suͤ- jets; die Nachfolger nur Bekleider, Ueberlieferer in einem andern Vortrage: und wehe diesen letzten, wenn sie Erfinder seyn wollen! Sie werden witzig an- statt wahr zu seyn, und endlich gar nur gelehrt. So viel schwerer ist der Stand des neuen Mei- sters gegen den des alten in Ruͤcksicht auf die Erfindung: sehen wir auf die Schwierigkeiten der Ausfuͤhrung, wir finden sie nicht vermindert. Das Pallast Das Genie, das die Kunst aufnimmt, wenn sie das Alter der Kindheit verlassen hat, fuͤrchtet noch keine Vergleichung, keinen bestimmten Geschmack, keine festgesetzte Begriffe uͤber Wahrscheinlichkeit unter seinen Zeitgenossen. Findet es wie Raphael, daß Zeichnung und Ausdruck die Wege sind, von der Darstellung eines lebenden Wesens zu uͤberzeugen, es geht ihnen nach: sieht es wie Correggio den Zauber der Harmonie und des Helldunkeln fuͤr die wuͤrksam- sten Ueberredungsmittel an, es ergreift sie: und haͤlt es endlich, wie Tizian, die Faͤrbung fuͤr den wesent- lichen Theil der Nachahmung; gut! so wendet es alle seine Kraͤfte an, sich diesen zu eigen zu machen. Es liefert mithin die Gegenstaͤnde, wie es sie sieht, und da es dem großen Haufen, der immer blindlings folgt, im Wahrnehmen vorgeht, so leitet es dessen Auge nach Gefallen. Nicht so der Nachfolger, und wuͤrde er ein Ra- phael, Tizian und Correggio mit allen ihren Anlagen aufs neue gebohren, er kann nicht sie seyn, weil er nach ihnen koͤmmt, weil ihm die Unbefangenheit fehlt, die Sicherheit, die Freiheit seiner eigenen Anschau- ungsart zu folgen. Ihm fallen die Contouren der Form am meisten auf, aber weil er in Venedig wohnt, so muß er seine Kraͤfte aufs Colorit wenden: Er fuͤhlt wie Correggio, aber er lebt in Rom und mahlt wie Raphael. Leuchtet es nicht klar in die Augen, daß derjenige, der einen bestimmten Stil vor sich sieht, der schon Gluͤck gemacht hat, nur mit der aͤus- sersten Aengstlichkeit einen andern waͤhlen duͤrfe, der nur ihm der wahre scheint; einen Stil, der, wenn er auch der wahre seyn sollte, in einer Kunst, deren Wahr- heit der Franzoͤsischen Academie. heit nur Wahrscheinlichkeit ist, seinen Zeitgenoßen im- mer unwahr scheinen wird? Aber der Nachfolger ist ein kuͤhnes Originalge- nie: kuͤhn und ehrsuͤchtig, wie alle diejenigen, die fremde Fesseln nicht vertragen koͤnnen. Er geht sei- ne eigene Bahn: Aber wie? Er studirt den Be- schauer, und seine Schwaͤchen mehr als die Natur; er waͤhlt nicht was wahr ist, sondern was Aufsehn machen kann; stellt so hin, wie man mit schiefem Blicke sieht, wird von seinen Zeitgenossen bestaunt, besungen und bezahlt wie sein wahrerer Vorgaͤnger, und von den Nachkommen uͤber seinen noch dreisteren Schuͤler vergessen. So zeigt uns die Geschichte der Kunst einen Ba- roccio, einen Tintoretto, einen Zuccheri. Eben so haͤufig aber hatten auch die ersten Kuͤnst- ler sclavische Nachahmer angezogen, welche nicht die Natur, sondern die Werke ihrer Vorgaͤnger studir- ten, und ihren Darstellungen die verdoppelte Untreue, des Abfalls des Originals gegen die Natur, und der Copie gegen das Original, mittheilten. Unterdessen waren Critiker aufgestanden, welche in ihrem Kopfe das Ideal einer vollkommenen Dar- stellung aus verschiedenen Gemaͤhlden, die in einzel- nen Theilen ihre Forderungen befriedigt hatten, zu- sammensetzten. Zeichnet wie Raphael, sagten sie zu dem angehenden Kuͤnstler, faͤrbet wie Tizian, beleuch- tet wie Correggio, und ihr werdet neu seyn, indem ihr zuerst vollkommen seyd. Es fanden sich Maͤn- ner von Scharfsinn, welche diese Bahn betraten. Die Carracci und ihre Schuͤler leisteten so viel, — als man in der Vereinigung so vieler Vollkommenhei- ten Pallast ten leisten kann, d. h. weniger als ihre Muster in ein- zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zusammen- stimmung derselben in einem Werke. Das war noch nicht hinreichend. Die Forde- rungen wurden immer groͤßer. Die Franzosen und Engellaͤnder bemeisterten sich der Kunst. Diese Na- tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol- len, legten dem Kuͤnstler eine vollkommene Kenntniß der Geschichte, der Fabel, u. s. w. auf. Nun soll er ihren Witz beschaͤfftigen, sie auf philosophische Betrach- tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles leisten. Will er sein Gluͤck machen, er muß ein Mann von Welt seyn, seine artliche Manieren ha- ben, uͤber die Kunst poetisch philosophisch schwatzen koͤnnen, und das in mehreren Sprachen. Wie unendlich hat sich also der Umfang von For- derungen vermehrt, die man seit Raphaels, Correg- gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnstler macht! Kaum weiß er, womit er unter so vielen Beschaͤffti- gungen den Anfang machen soll. Bald zeichnet er, bald lernt er tanzen, bald studirt er die Aesthetik, bald nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt von Allem eine superficielle Kenntniß, und kommt im- mer von seinem Hauptzwecke mehr und mehr ab. Dies sind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war- um wir gegenwaͤrtig so viel weniger große Kuͤnstler zaͤhlen als sonst. Einmal, weil wahrscheinlich nicht so viele Menschen mit so bestimmten Faͤhigkeiten zur Kunst gebohren werden, als sonst: Zweitens, weil diese Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens, weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die abschre- der Franzoͤsischen Academie. abschreckenden großen Beispiele der vorausgegange- nen Kuͤnstler, und durch die erhoͤheten Forderungen der Zeitgenoßen, welche nur anschauen, vermehret sind. Also waͤren die Academien bei dem Verfall der Ueber den Antheil den die Lehrart in den Aca- demien an der vermin- derten An- zahl großer Kuͤnstler hat. Kuͤnste wohl ausser aller Schuld? Das sage ich nicht. Ich sage nur, daß sie nicht erste einzige Urheber des Unheils sind; daß sie ihren Theil dazu beigetragen ha- ben, mag ich nicht leugnen. Ich bitte sehr das, was ich hier von Academien uͤberhaupt sage, nicht von jeder einzelnen zu ver- stehen. Ich kenne deren sehr wenige. Man kann den Kuͤnsten nachhelfen, man kann sie nicht zeugen; Man muß das Genie nicht belehren wollen, man muß es nur aufmerksam erhalten; Will man Schwierigkeiten wegraͤumen, so koͤnnen es nur diejenigen seyn, bei deren Ueberwindung die Kunst, die Fertigkeit in der Kunst, nichts gewinnen. Nicht blos bei dem einzelnen Kuͤnstler, bei gan- Die Natur, erste Lehre- rin des Kuͤnstlers. zen Nationen koͤnnen wir es bemerken, wie sehr es ihnen vortheilhaft gewesen ist, daß sie in ihrer Aus- bildung stufenweise vorgeruͤckt sind. Die Muͤhe, die Unzuverlaͤßigkeit mit der sie ihre ersten Versuche mach- ten, belehrte sie von der Nothwendigkeit, von dem Nutzen sicherer Regeln: hinreichend mit diesen be- kannt, schritten sie erst zum Reize fort. Eben die- sen Weg sollte jeder angehende Kuͤnstler machen; man sollte ihn zuerst sich selbst uͤberlassen, und ihn nach und nach auf das eigene Ausfinden der nothwendigsten Bestandtheile zur Wahrheit leiten: Waͤren diese sei- nem Kopfe und seiner Hand gelaͤufig geworden, dann koͤnnte man den Begriff von Schoͤnheit hinzusetzen. Dies Pallast Dies geschieht nicht bei uns. Man setzt, mit dem Ausdruck: „Der junge Mann muß erst sehen lernen,“ diesen hinter eine fein gestrichelte Zeichnung seines Meisters, deren ungetreuer Reiz diesem viel- leicht den Platz eines Professors bei der Academie er- worben hat, und laͤßt ihn wieder nachstricheln. Der junge Mann denkt viel an die Uebereinstim- mung seines Vorbildes mit der Natur; er denkt nur an dessen wohlgefaͤllige Form, und ahmt das Zuͤfaͤl- lige zur Wahrheit mit eben der Treue nach, wie das Nothwendige. Anders genießt man, anders lernt man, das sollte bedacht werden. Selbst wenn man den Juͤng- ling zur steinernen Nachbildung der Figur bringt, so lehrt man ihn doch nur wieder, wiewohl in erschwer- ter Maaße, die Natur mit fremden Augen sehen. Was ist die Folge? Daß der junge Kuͤnstler, bei der Reproducirung eines Gegenstandes aus der Natur, nicht das liefert, was ihm, sondern was seinem Mei- ster daran aufgefallen ist: nur mit dem Unterschiede, weder so eigenthuͤmlich, noch so richtig, und wahr. Der Copist kann das Wesentliche von dem Unwe- sentlichen nicht so genau unterscheiden, wie der erste Nachbilder der Natur; er kann unter dem Wesentli- chen nicht dasjenige aussuchen, wodurch es ihm am auffallendsten wird, oder wodurch er es wenigstens dem Beschauer seiner Nachbildung vermoͤge eines be- sondern Talents vorzuͤglich auffallend wuͤrde ge- macht haben. Das junge Genie, das durch ein wahres Colorit eine mittelmaͤßig gezeichnete Figur als wahr erscheinen lassen koͤnnte, wird, wenn es viel nach Raphael copirt, nur eine Andeutung eines Bestand- der Franzoͤsischen Academie. Bestandtheils der Wahrheit, durch Contouren, ge- ben, die er an dem naͤmlichen Objekte, welches er mit seinem Vorgaͤnger in der Natur gesehen haben koͤnnte, gar nicht, oder nur schwach bemerket haben wuͤrde. In weniger auffallender Maaße ist zwischen der Zeichnungsmanier eines Raphaels und der eines Guido, als Charakter von Wahrheit, ebenderselbe Unterschied. Ueber dies Erzwingen fremder Vor- stellungs und Verfahrungsarten geht das Ergreifende der Originalitaͤt, und der Wahrheit des Details ver- loren: Der Kuͤnstler wird nur manierirt. Ferner: es ist wahr, man macht den jungen Kuͤnstler auf die Verhaͤltnisse des menschlichen Koͤr- pers aufmerksam, man praͤgt sie ihm ein. Aber wie? Mit Woͤrtern, mit todlen Zeichen von Zahlen: er sieht nicht das Eckigte, das Winkligte, welches den ausgeschweiften Formen des Reizes zur Grund- lage dient. Man laͤßt ihn nicht eine Zeitlang in dem Geschmack des ersten Griechischen Zeitalters, symme- trisch, trocken, steif fortarbeiten. Nur gar zu gern setzt sich der junge Kuͤnstler uͤber das Nachmessen die- ser unter Reiz versteckten Verhaͤltnisse weg, verlaͤßt sich immer zu sehr auf die Richtigkeit seines Augen- maaßes, und immer noch mehr auf die des Verferti- gers seines Vorbildes. Wenn er dies, so wie es sieht, vollstaͤndig liefere, so glaubt er, folgten die Verhaͤlt- nisse von selbst. Endlich bringt man ihn zum Copiren nach der Natur, aber was er nun sieht, ist nicht die Natur mehr, es ist nur die Modifikation derselben nach dem Schleier, der ihm uͤber die Augen geworfen ist. Dritter Theil. K Ich Pallast Nothwen- digkeit, die Ausbildung der Einbil- dungskraft zu gleicher Zeit mit der Erweiterung der Kennt- nisse, und der Fertig- keit der Hand zu be- sorgen. Ich kann bei dieser Gelegenheit nicht genung dar- uͤber klagen, daß man so wenig Sorge dafuͤr traͤgt, die Einbildungskraft des jungen Kuͤnstlers, neben der Ausbildung der mechanischen Fertigkeit seiner Hand zu unterhalten und zu erweitern. Erst spaͤt giebt man ihm Veranlassung sich im eigenen Compo- niren zu uͤben. Erst, sagt man, soll er treu copiren lernen, dann soll er die Anatomie, die Lehre der Ver- haͤltnisse, die Mathematik, die Statik, die Perspek- tive, die Architektur und der Himmel weiß! was alles, inne haben. Dann liest man ihm ein Colle- gium, giebt ihm Buͤcher in die Haͤnde uͤber Compo- sition, Anordnung, Leidenschaften, Sittenlehre u. s. w. und wenn er nun in dem allen perfekt ist; — dann ist er gerade zum Kuͤnstler verdorben. Zum Professor mag er taugen, alte Statuen von Kopf bis zu Fuß sehr richtig und sehr sauber zu copiren, ein Modell sehr geschickt zu stellen, Collegia zu lesen, Kunstbuͤcher zu schreiben; aber der Keim des Genies ist erstickt, und fuͤr lauter Sorge keine der ihm gegebenen Regeln zu beleidigen, erkaltet in ihm der Trieb etwas Genievolles hervorzubringen. Nachtheil einer pedan- tischen, und zu theoreti- schen Lehr- methode. Dazu nehme man die pedantische Methode, die willkuͤhrlichsten Sachen nach einer gewissen vorgeschrie- benen Form, mit einem gewissen Apprêt zu thun, den nur die salarirte Unthaͤtigkeit eines mittelmaͤßigen Kopfs zur Nothwendigkeit machen kann. Ist es er- laubt, den Schuͤler wochenlang an einer Zeichnung schraffiren oder tuschen zu lassen, die er in einem Tage à maniere estompée ruͤnden kann! Dem Kupfer- stecher mag das helfen, aber der Mahler und Bild- hauer zeichnet nicht um zu zeichnen. Wenn er den Con- der Franzoͤsischen Academie. Contour genau zu machen weiß, und Begriffe von Ruͤndung hat, das ist ihm genung. Selten aber kann der Professor vielmehr als sau- ber zeichnen, und dennoch glaubt er auf der Staffel der Kunst zu stehen, und einem Raphael gleich zu seyn, wenn nur die Liebhaber jetzt wie damals den Kuͤnstler bezahlen wollten. Er dressirt zwanzig und mehr Lehrlinge an einer Linie. Wer am besten stri- chelt und fleißig die Stunden besucht, wird als der ge- lehrigste hervorgezogen, erhaͤlt Recommendation, Un- terstuͤtzung zur Reise und Arbeit. Wie oft sind die ungelehrigsten Juͤnglinge gerade diejenigen, die sich selbst uͤberlassen am mehresten lernen wuͤrden! Raphaels Schuͤler, die Schuͤler Tizians, der Carracci, des Rubens wurden ganz anders angefuͤhrt. Wenn sie zu ihren Meistern kamen, waren sie keine Kinder mehr, sie hatten schon ihre eigene Art die Sachen anzusehen. Es ward ihnen kein Collegium daruͤber gelesen, wie sie den Pinsel oder den Crayon halten sollten; sie mußten die Augen aufmachen, zu- sehen: und sie sahen auch mit ganz anderer Aufmerk- samkeit zu, weil alles weniger leicht gemacht wurde. A bon entendeur bonne entente! Mit dem Beispiel die Lehre, und gemeiniglich die Ausfuͤhrung. Die großen Meister hatten so viel zu thun, daß sie nicht selten die Hand ihrer Schuͤler zu ihren Arbei- ten mit gebrauchen mußten. Sie machten die Zeich- nungen, ließen die Gemaͤhlde von jenen anlegen, re- touchirten das Ganze, oder mahlten nur die Haupt- partien. Kurz! Alles diente dazu, den Schuͤler praktisch zu lehren; und wie viel anders lernt man, wenn man bei jeder neu eingesammelten Kenntniß die K 2 Ver- Pallast Veranlassung zur Lehre, und die Gelegenheit sie wie- der zu nutzen, vor sich sieht! Dabei waren diese aͤlteren Mahler keine Pedan- ten; einmal, weil sie wahre Genies waren, und dann, weil sie zu viel zu thun hatten, um auf Kleinigkeiten großen Werth zu legen. Wenn ihr Schuͤler nur so viel lernte, daß sie ihn brauchen konnten; wie er es lernte, das galt ihnen gleich viel. Es ist wahr! Sie machten ihnen das Ablernen ihrer Kunstgriffe etwas schwer, aber mich duͤnkt, das Genie, das Scharfsinn genung hat, sie dennoch ab- zulauern, gewinnt dabei mehr, als wenn man ihm das Wenige, was es durch Mittheilung erhalten kann, gar zu leicht zu erhalten macht. Der Autor wagt es, ei- nen Erzie- hungsplan fuͤr den jun- gen Kuͤnstler in Vorschlag zu bringen. Derjenige Weg, auf dem sich der Mann von Geschmack, der Beschuͤtzer, der Fuͤhrer des Talents, um die Ausbildung des jungen Kuͤnstlers am mehre- sten verdient machen kann, ist, wie ich glaube, der, daß er den Geist der Originalitaͤt in ihm bewahre; vor irrigen Begriffen uͤber das Wesen der Kuͤnste, und vor fehlerhaften Mitteln zur Ausbildung warne; ihm die Gelegenheiten zur Erlernung derjenigen Theile, de- ren eigene Ausfindung einen unnuͤtzen Zeitverlust nach sich ziehen wuͤrde, naͤher bringe; seine Einbildungs- kraft und sein Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne immer rege er- halte; und endlich uͤber seinen Fleiß und seine morali- sche Auffuͤhrung wache. Ich will einen Erziehungsplan fuͤr einen jungen Kuͤnstler beifuͤgen, nicht sowohl mit der Anmaaßung, diesen als nicht zu uͤbertretende Schranken fuͤr den Weg zur Vollkommenheit auszustecken, als welches ich bei der Verschiedenheit der Koͤpfe und Charaktere beinahe der Franzoͤsischen Academie. beinahe gar nicht fuͤr moͤglich halte; sondern vielmehr, um mich deutlich zu machen, andern aber Veranlas- sung zu geben, uͤber die Sache nachzudenken, und etwas Besseres auszufinden. Die Anlagen, welche den Kuͤnstler ausmachen, scheinen zwischen denen in der Mitte zu stehen, die auf der einen Seite bei dem Genie des Dichters, auf der andern bei dem Talent des Mechanikers zum Grunde liegen. Seine Einbildungskraft darf einge- schraͤnkter als bei jenem, die Geschicklichkeit seiner Hand minder als bei diesem seyn. Aber allemal sind diese Faͤhigkeiten nothwendige Grundlagen bei der kuͤnftigen Ausbildung zum Darsteller des sicht- bar Schoͤnen, und es ist in diesem Sinne wahr, daß der Kuͤnstler gebohren, nicht gezogen werde. Ich halte es daher fuͤr gefaͤhrlich, den Faͤhigkeiten eines jungen Kopfs gerade Richtung zu den bildenden Kuͤn- sten geben zu wollen, ehe man mit Sicherheit weiß, ob die Natur ihm die seltenen Gaben dazu verliehen habe. Und diese Vorsicht scheint um so noͤthiger zu einer Zeit, wo, bei der verminderten Anzahl der Lieb- haber, die Bestimmung eines jungen Mannes zum Kuͤnstler, keine sichere Anwartschaft auf eine gluͤckli- che Lage in der buͤrgerlichen Welt zu geben scheint. Bis ins vierzehnte Jahr, duͤnkt mich, wuͤrde ich das Kind als Kind betrachten: ihm dasjenige lehren, was in jeder seiner dereinstigen Bestimmungen nuͤtz- lich, was zu erlernen ihm alsdann am leichtesten wird: Sprachen, Nahmenkenntniß. Aber ich wuͤr- de zu gleicher Zeit suchen, sein Gefuͤhl fuͤr das mora- lisch und physisch Schoͤne uͤberhaupt auszubilden, ihm gute Dichter, vorzuͤglich epische und dramatische le- K 3 sen, Pallast sen, und schoͤne Kunstwerke sehen lassen. Die Bekanntschaft mit den schoͤnen Wissenschaften und Kuͤnsten macht die Sitten sanft, wie die Alten sagen, und mildert eigennuͤtzige Leidenschaften. Dieser Zeitraum wuͤrde nun auch dazu dienen koͤnnen, Erfahrungen uͤber die bestimmte Neigung, und das Talent eines jungen Kopfs zu den bildenden Kuͤnsten anzustellen. Macht er diese anhaltend zum Gegenstande seiner liebsten Unterhaltung; bemerke ich, daß die bildende Kraft seiner Seele durch die Lesung der Dichter und Geschichtschreiber, durch den Anblick der Kunstwerke leicht zur Zusammensetzung von Ge- stalten aufgefordert wird; erkenne ich an seinen rohen Versuchen, im Detail untruͤgliche Merkmale einer ge- nauen Wahrnehmung des Wesentlichen zur Wahr- heit; ist seine Hand eben so leicht in der Ausfuͤhrung, als sein Kopf erfindrisch ist; sind seine Leidenschaften mehr sanft, theilnehmend, als stark und aͤusserlich wuͤrkend; hat er endlich Haltsamkeit bei seinen Arbei- ten ohne Quaͤlerei; gut! so wuͤrde ich ihm alle Gele- genheiten erleichtern, einen so entschiedenen Geschmack, ein so wahrscheinliches Talent auszubilden, und einen so anscheinenden Anspruch auf Kuͤnstler Gluͤck ferner zu begruͤnden. Diese Hauptsorge des Fuͤhrers wuͤrde jedoch in dieser Zeit wohl mehr dahin gehen, zu verhindern, daß nichts Schaͤdliches, als dafuͤr zu sorgen, daß et- was Gutes geschehe. Kein Meister, wenn ich bitten darf, wenigstens keiner, der nach seinen Zeichnungen oder nach Kupferstichen copiren laͤßt! Das Kind liebt diesen Zwang nicht, und es ist ihm gut, daß es, — nach der Franzoͤsischen Academie. nach Art der Kuͤnstler in der Kindheit der Kunst, — nach der Natur zu tappen lerne. Man setze den Knaben vor den Kopf eines leben- den Modelles hin, man lasse ihm ein Bildniß darnach verfertigen, und gebe ihm, besser als Papier oder Tuch, Thon zur Bearbeitung in die Hand. Durch Plastick ist wahrscheinlich das erste Bild von Menschenhand ent- standen, und so entstehe es durch die Hand des Kna- ben. Es wird ihm sein Verstaͤndniß uͤber Ruͤndung oͤffnen, es wird ihm die Verhaͤltnisse des Originales leichter auszufinden lehren, weil die Unvollkommen- heit der Nachbildung auffallender ist. Jedes Objekt werde so viel moͤglich in seiner natuͤrlichen Groͤße nach- gebildet: Man lobe das Gute mit Maaße: man tadle das Schlechte, indem man lieber wieder von neuem anzufangen, als das Alte zu verbessern befiehlt. Selbst das Spiel kann unterrichten: ein kleines Thea- ter wird gebauet, man staffirt es mit Wachs- oder Thonfiguren aus, man gruppiret, illuminirt, beleuch- tet sie nach den Regeln der Luft, der Linienperspektiv, des Contraposto, der Harmonie der Farben und des Helldunkeln. Der Zoͤgling belustiget sich damit, und lernt, was das Kind am leichtesten begreifen kann, daß die rohe Einbildungskraft an Abwechselung und Einheit im Scheine das lebhafteste Vergnuͤgen fin- det. Inzwischen die eigene Handanlegung ans Co- lorit, das in diesem Alter nur verfuͤhrerische Schmiere- rei werden kann, moͤchte ich ganz davon entfernet halten. So wird der Knabe Juͤngling, und nun keine Spielerei mehr, sondern ernsthaftes, strenges Stu- dium, und zwar zuerst, als Grundlage aller Schoͤn- heit, der Verhaͤltnisse. K 4 Wir Pallast Wir messen, wir rechnen, wir bringen die unge- wissen Formen unserer fruͤheren Versuche in eckigt Winkel und gerade Linien zuruͤck. So werden wir in dem Alter, — das mit der Epoche der fruͤheren griechischen Kunst so viel Analogie hat, — hart, trocken, steif, aber richtig, um einst schoͤn zu seyn. Bei der Entwerfung der Contours sind wir aͤusserst genau; die Ruͤndung deuten wir nur an, und zwar nicht mit Schraffirungen, als welche fuͤr jeden Kuͤnst- ler, ausser dem Kupferstecher, ganz unnuͤtz sind, son- dern mit verwischter Kreide. ( à maniere estom- pée ). Soll denn der junge Kuͤnstler blos zeichnen, nicht mahlen? Allerdings soll er zuweilen daran erinnert werden, warum er zeichnet: alle vier bis sechs Wo- chen soll er einen Kopf mahlen, und zwar nach der Natur, und einen Tizian zur Seite. Daß ich aber nie vergesse, daß, waͤhrend der Ver- stand Kenntnisse einsammelt und die Hand sich an Treue gewoͤhnt, die Bluͤthe der Einbildungskraft so leicht verloren gehe; und daß wenn es gefaͤhrlich wird, den jungen Kuͤnstler uͤber das Vergnuͤgen Schoͤ- pfer zu seyn, die Sorge gut zu schaffen vergessen zu lassen, es auf der andern Seite eben so gefaͤhrlich werde, die Mittel zur Vollkommenheit mit der Voll- kommenheit selbst zu verwechseln, und ewig Copist zu bleiben. Fruͤh und haͤufig muß der Kuͤnstler sich uͤben, das abwesende Bild gegenwaͤrtig und dauernd in sei- ner Seele zu erhalten, fruͤh aus diesen aufbewahrten Bildern neue zusammen setzen lernen. Ich werde dem jungen Kuͤnstler rathen, die Figur, die er treu nach der Franzoͤsischen Academie. nach der Natur gebildet hat, entfernt von dem Ori- ginale und seiner Copie, aufs Neue aus dem Kopfe zu bilden. Ich werde ihm rathen, es eben so mit der Antike zu machen, und dann aus beiden ein zu- sammengesetztes Bild, ein Ideal zu schaffen. Aber dieses Ideal muß Ausdruck haben, be- stimmten Ausdruck des ruhigen Charakters einer ge- wissen Menschenart, oder eines gewissen Affekts. Ich werde dem Kuͤnstler die Elektra des So- phocles zu lesen geben, oder seinen Philoktet: Durch- drungen von den Hauptzuͤgen des Charakters dieser Personen, die in jedem Worte dieses musterhaften Darstellers der Menschen so deutlich, so bestimmt, und doch, nach der Bemerkung des Aristoteles, so allge- mein nach einer Gattung von Charakteren gezeichnet sind, wird er den hohen weiblichen Geist der Elektra, den hohen maͤnnlichen des Philoktets zuerst in ihren ruhigen Formen errathen lassen wollen, bald sie zei- gen erbittert uͤber erlittenes Unrecht. Endlich wird er, wenn er Mahler ist, sie mir gar in einer vollstaͤn- digen leidenschaftlichen Lage zeigen: den Philoktet, wie er seinen Feind durchbohren will, die Elektra, die ihren Bruder wiedererkennt. Und so wird der Kuͤnstler nach und nach zur Treue im Nachbilden und im Zusammensetzen; von da zur Schoͤnheit, — zum Zeitalter des Praxite- les, — vorgeruͤckt seyn. Denn sein stetes Studium nach den Antiken und den besten Werken der Neuern, die er noch mehr betrachtet, uͤberdenkt, umschafft, als copirt, haben nach und nach seine Seele so ge- stimmt, daß jede Vorstellung, die sie aus der Na- tur aufnimmt und wiedergiebt, gleichsam wie der Ton K 5 der Pallast der alten Akteurs von den ehernen Gefaͤßen in ihren Theatern, mit wohlgefaͤlligerem Wiederhall zuruͤck- schallt. Aber dazu muß der Kuͤnstler fruͤh, sehr fruͤh, so bald nur das eigentliche strenge Studium der Kunst anfaͤngt, nach Rom gehen. Dies ist der einzige Ort, wo der gute Geschmack gleichsam in Reserve ruht. Hier thut der Kuͤnstler keinen Schritt, der nicht seinen Geschmack fuͤr das Schoͤne entweder aus- fuͤllt oder rege macht. Hier buhlt er nicht um die Gunst verwahrloseter Weichlinge, und ihrer verzaͤr- telten Freundinnen. Hier leidet die Vergleichung mit edler Schoͤnheit, mit bedeutungsvoller Wahrheit keine witzige Carricaturen, keine Schattenrisse gezier- ter Anmuth. Hier endlich ist allein Freiheit, Nach- eiferung, Antike und Raphael. Und daß ich mir hier die Ausfuͤhrung eines Pro- jekts zu einer Anstalt denken duͤrfte, die fuͤr Sitt- lichkeit und Ausbildung fremder Kuͤnstler von so un- endlichem Nutzen waͤre! Ich wuͤnschte naͤmlich Maͤn- ner von gutem Herkommen und guter Erziehung, die bei gehoͤrig gebildetem Geschmack und einer Liebhabe- rei zu den Kuͤnsten, die bis zur Aufopferung aller uͤbri- gen Neigungen gienge, den Pensionairs, die ein oder mehrere Hoͤfe hier erhalten, statt der Direkteurs der Academien, welche Kuͤnstler sind, vorgesetzt zu sehen. Ich wuͤnschte daß es Maͤnner von gewissen Jahren waͤren, die, verheirathet und reichlich besol- det, sich der moralischen Erziehung der jungen Kuͤnst- ler annehmen, ihnen bei ihrer Bildung als Kuͤnstler mit Rath und That zu Huͤlfe kommen koͤnnten, ohne gerade der Franzoͤsischen Academie. gerade zu ihre Lehrer in der Kunst seyn zu wollen. Sie koͤnnten ihnen den Zutritt in ihrem Hause ver- goͤnnen, wo sie gute Gesellschaft zu ihrer Bibliothek, wo sie Buͤcher und Kupferstiche antreffen wuͤrden. Sie koͤnnten ihnen Gelegenheit verschaffen, nach na- ckenden Modellen zu zeichnen, ihnen den Eintritt in die Gallerien erleichtern, und sie vorzuͤglich in die Werkstaͤtte der Kuͤnstler bringen, wo sie Gelegenheit zur Arbeit, und dadurch Kenntniß der mechanischen Behandlung, erhalten wuͤrden. Das eigentlich Wissenschaftliche der Kunst, die Perspektive, die Optik, die Statik zu lehren, dazu moͤchte ein eigener Professor mit geringen Kosten angesetzt seyn. Die oͤffentlichen Ausstellungen blieben, und was eben so wichtig waͤre, jeder Hof bestellte jaͤhrlich einige Ar- beiten, die nach ihrer Guͤte bezahlt werden muͤßten. Eine solche Anstalt wuͤrde, wie ich glaube, alle Vortheile einer Academie, und keinen ihrer Nach- theile haben. Das merkwuͤrdigste, was der Pallast der Fran- Beschrei- bung der Kunstwerke in dem Pal- last der Franzoͤsi- schen Aeade- mie. zoͤsischen Academie enthaͤlt, ist die Sammlung von Gipsabguͤssen der vorzuͤglichsten antiken und einiger modernen Bildhauerwerke. Sie ist bei weitem die betraͤchtlichste unter denen, die mir bekannt sind. Eine solche Sammlung kann an einem Orte wie Rom, wo so viele Originale der Meisterstuͤcke der alten und neuen Kunst angetroffen werden, uͤberfluͤßig scheinen, aber sie ist es nicht aus mehr als einem Grunde. Einmal sind jene Originale nicht immer so auf- gestellt, daß der angehende Kuͤnstler sie aus verschie- denen Pallast denen Gesichtspunkten, und eben so wenig immer aus dem vortheilhaftesten zeichnen und studiren koͤnnte. Die Abguͤsse lassen sich bequemer ruͤcken, in der vortheilhaftesten Stellung zeigen, und in dem zutraͤglichsten Lichte zur Nachbildung hinstellen. Zweitens dient die Versammlung mehrerer Mei- sterstuͤcke zur naͤheren Vergleichung mit einander, und drittens, werden hier einige Abguͤsse von Werken aufbewahrt, die nicht in Rom befindlich, oder gar verloren gegangen sind. Von dieser letzten Art ist der Cincinnatus , der nunmehro zu Versailles gezeigt wird: Nachricht uͤber den Cin- cinnatus zu Versailles. Diese Statue stand ehemals in der Villa Montal- to, nachher Negroni. Es ist eine voͤllig unbe- kleidete maͤnnliche Figur in der Natur eines Helden. Sie bindet uͤber dem rechten Fuß den Schuh zu, der linke Fuß ist blos, und neben diesem stehet der andere Schuh. Hinten auf dem Sockel liegt eine Pflugschaar. Wahrscheinlich ein moderner Zusatz, den die fruͤheren Abbildungen dieser Statue nicht anfuͤhren. Winkelmann G. d. K. W. E. S. 783 f. haͤlt sie fuͤr einen Jason. Als dieser nach der Stadt Jollos gehen wollte, mußte er uͤber den Fluß Anaurus. Eine alte Frau befand sich in eben der Noth. Er brachte sie uͤber, verlor aber dabei sei- nen Schuh. Schnell verwandelte sich die Alte in die Juno und ersetzte ihm den Verlust. Ob diese Erklaͤrung die wahre sey, lasse ich dahin gestellet seyn. So viel aber scheint ausgemacht zu seyn, die unbekleidete Figur laͤßt sich nicht gut auf den roͤmischen Consul deuten. Wie wir denn uͤber- haupt wenig Vorstellungen der alten Kunst aus der fruͤhern Der Ger- mani- der Franzoͤsischen Academie. manicus Die Statue des Germanicus stand ehemals in der Nachricht uͤber den Germanicus ebendaselbst. Villa Montalti. Der Nahme des Meisters: Cleomenes aus Athen, steht am Tronke. Unten liegt eine Schildkroͤte. Man haͤlt den Kopf nicht fuͤr genuin. ebendaselbst: Ferner die schoͤne Gruppe des Castor und Pollux , welche jetzt auf einem der Koͤnigl. Lustschloͤsser in Spanien steht. Diese Gruppe stellt zwei Genien vor, die sich mit Nachricht uͤber die Gruppe des Castor und Pollux in Spanien. Ruhe umarmen. Sie tragen Fackeln, deren eine zur Erde gesenkt ist, und eine Schale. Ihre Koͤpfe sind bekraͤnzt. Auf einer Ara neben ihnen steht eine kleine weibliche Figur mit einem Schef- fel auf dem Haupte. Der Stil an dieser letzten Figur ist etruscisch, die Ara ergaͤnzt. Dies Stuͤck hat sehr verschiedene Auslegungen erlitten. Montfaucon hielt die Figuren fuͤr Lares. Richardson Voyage d’ Italie T. III. p. 279. sahe darin den Castor und den Pollux mit ihrer Mut- ter, der Leda. Andere fanden darin bald die bei- den Dacier, die sich fuͤrs Vaterland devoviren, bald den Hesperus und Phosphorus. Winkelmann in der Vorrede zu seinen Monumenti inediti nahm sie fuͤr den Orestes und Pylades die das Todten- opfer verrichten. Die kleine weibliche Figur war ihm Elektra. Schade! daß Orestes an dem Opfer, der Fabel nach, keinen Theil nahm. Lessing in der Abhandlung: Wie die Alten den Tod gebildet, glaubte, hier sey der Schlaf und der Tod vorge- stellt, und die Nebenfigur die Nacht. Herder im Hannoͤv. End- fruͤhern roͤmischen Geschichte erklaͤren koͤnnen: son- dern immer lieber auf die griechische Mythologie zuruͤckgehen muͤssen. Pallast der Franz. Academie. Endlich ein schoͤnes Kind, welches auf dem Ruͤcken eines Delphins ausgestreckt liegt, und bereits erstarret zu seyn scheint. Dieses Werk ist nach Engelland gegangen. Wichtig wuͤrde die ganze Folge der Abguͤsse uͤber die Basreliefs an der Trajanischen Saͤule seyn, wenn sie nicht mit Staub beladen, in den Winkeln der Zimmer unter andern Monumenten ver- steckt laͤgen. Ueberhaupt scheint mir in der Aufbewahrung dieser Gipsabguͤsse nicht die beste Ordnung zu herr- schen, und undienlich scheint es mir nicht, zu bemer- Gipsabguͤsse weit unter den Origi- nalen. ken, daß selbst der beste Gipsabguß noch immer sehr in Vergleichung mit dem Originale verliert. Hannoͤv. Magazin von 1774. Stuͤck 95. vermu- thet gleichfalls, daß Schlaf und Tod in bruͤderli- cher Vereinigung traͤumend und schlafend sich um- fassend hier da stehen, haͤlt aber die Nebenfigur fuͤr die Natur. Keiner fiel darauf, daß diese Ne- benfigur von verschiedenem Stile, und zwar etrus- cisch, wahrscheinlich von dem Ergaͤnzer zu gleicher Zeit gefunden und hinzu gethan sey. Ich halte die beiden Figuren schlechthin fuͤr Genien. Sie standen ehemals im Pallast Bracciano, vorhero Odescalchi. Acade- Academia di S. Luca. D ie Zimmer dieser Academie sind in einem Nebengebaͤude der Kirche St. Martina e Luca befindlich . In dem obern Geschoß. Ein Gemaͤhlde von Philipp Wouvermann . Die Cascatellen von Tivoli , von Philipp Roos genannt da Tivoli . Eine Maske des Michael Angelo in Gips. Die Hirnschale Raphaels . Eine Alte die spinnt , von Mola . Ein Thierstuͤck von Rosa di Tivoli . Einige Aussichten von Pannini . Einige Landschaften von Bourguignone . Eine Danae angeblich von Lanfranco . Ein anatomisches Studium entweder in Gips, oder von gebrannter Erde, welches ich mir nicht so genau mehr erinnere. Man schreibt dieses Stuͤck dem M. Angelo zu. Eine schoͤne Marine mit einem Sonnen- aufgang von Manglar . Ein Sturm von Tempesta . Mehrere Katzenkoͤpfe in verschiedenen Stel- lungen , von Salvator Rosa . Der Tod der heiligen Magdalena von Carlo Maratti . † Der heilige Lucas von Raphael. Der Der heilige Lucas von Raphael. heilige Lucas mahlt die Madonna, die ihm erscheinet, und hinter seinem Stuhle steht der Mahler selbst in Per- Academia di S. Luca. Person. Das Stuͤck ist sehr beschaͤdigt, inzwischen verraͤth der Kopf des Heiligen, und dessen Arm noch den Meister. Ausdruck und Zeichnung sind vor- trefflich. Die Gewaͤnder scheinen nicht gluͤcklich ge- worfen zu seyn. Eine Madonna . Wenn sie vom Guido ist, wie man sagt, so ist es wenigstens keines seiner besten Werke. Juno uͤberrascht ihren Gemahl mit der Jo, und verwandelt diese in eine Kuh . Zwei ver- schiedene Vorstellungen desselben Suͤjet: Die eine von Antonio da Carpentano, die andere von Nolle- kens: Beide von gebrannter Erde. Auf der Treppe. Abguͤsse von den Basreliefs an der traja- nischen Saͤule . Unteres Geschoß. Im ersten Zimmer. Landschaft mit Figuren von Berghem . Ein Amor , angeblich von Guido . Zwei Landschaften von Poussin . Sissera von Carlo Maratti . St. Hieronymus von Salvator Rosa . Eine Landschaft mit Thieren von Stan- dardo , gut. Im folgenden . † Eine herrliche Marine von Vernet . Die Farbe vortrefflich. Eine Academia di S. Luca. Eine Zeichnung von Salvator Rosa . Ein Knabe mit Silbergeschirr von Sub- leyras . Die Hoffnung von Angelica Kaufmann . Ein kleiner Christuskopf von Tizian , schoͤn. † Ein Berghem , von groͤßter Schoͤnheit. Ein kleines Miniaturgemaͤhlde von der Ro- salba . Der Heiland erscheint der heiligen Catha- rina von Genua. Oben Gott der Vater in einer Glorie mit Engeln . Ein Gemaͤhlde, dessen obern Theil Mengs angelegt hat, und dessen unterer Theil von seinen Schuͤlern ausgefuͤhrt ist. Man trifft hier noch mehrere Gemaͤhlde neuerer, zum Theil noch lebender Kuͤnstler an. Unter diesen sind einige von dem Casselschen Tischbein . Dritter Theil. L Allge- Allgemeine Nachrichten Allgemeine Nachrichten uͤber verschiedene Pallaͤste und Villen in Rom, deren Merkwuͤrdigkeiten in Ruͤcksicht auf Mahlerei und Bildhauer- kunst noch nicht angezeigt worden. I ch will nach alphabetischer Ordnung gehen. Pallaͤste. Pallast Acaramboni enthaͤlt Copien oder unbe- traͤchtliche Originale. Ich habe die Sammlung ge- sehen. Die Pallaͤste Altemps und Alberini , sonst Cicciaporci , sind der Versicherung nach leer von Kunstwerken: so wie der Pallast Baldassini . Im Garten des Pallasts Bufalo hat Polydoro da Car- ravaggio einige Gemaͤhlde grau in grau gemahlt, die ich aber nicht gesehen habe. Im Pallast Bracciano , ehemals Odescalchi, ist eine schoͤne Sammlung von Medaillen. Man sieht sie aber nicht anders, als wenn die Herzogin sie selbst zeigt. Vortrefflicher Gemaͤhlde und Statuen wegen ist dieser Pallast nicht bekannt. Den eingezogenen Nachrichten nach, verdienten in dieser Ruͤcksicht auch folgende Pallaͤste nicht ge- sehen zu werden. Caffarelli, Capizucchi, Cenci, Cesi, Con- ti, Corca, Crescenzi . Im Collegio Clementino waren ehemals zwei große Badewannen aus einem seltenen gruͤnen Basalt uͤber verschied. Pallaͤste u. Villen. Bafalt befindlich, und Hr. Dr. Volkmann S. 396. Hist. krit. Nachrichten. fuͤhrt sie hier an. Aber sie sind jetzt ins Museum Clemen- tinum gekommen. Die Pallaͤste del Drago, Ferrini , sind fuͤr die Liebhaber der bildenden Kuͤnste unbedeutend. Der Pallast Falconieri enthaͤlt einige Ge- maͤhlde, die ich aber groͤßtentheils fuͤr Copien halte. Eine heilige Familie von Poussin, welche Herr Dr. Volkmann S. 437. Hist. krit. Nachrichten. anfuͤhrt, ist es gewiß: Das Original ist nach Engelland gegangen. Die Madonna mit dem Christ von Guido gleichfalls. Die uͤbrigen von ihm angezeigten Gemaͤhlde fehlen. Der Raphael sollte in dem Schlafzimmer der Prinzessin haͤngen, so sagte der Custode; ich habe ihn nicht gesehen. Die Pallaͤste Giraud, del Gran Duca , Imperiali enthalten nichts merkwuͤrdiges. Im Pallast Lanti soll nach Winkelmann G. d. K. S. 311. ein Perseus mit einem Medusenkopfe in der Hand seyn. Ich selbst habe ihn nicht gefunden, aber auch Anti- quare die ich gefragt habe, kannten ihn nicht. Im Hofe des Pallasts stehen: Ein Kopf einer Juno . Eine Minerva . Zwei Amorinen, die den Bogen spannen , und welche nicht zu den besten Vorstellungen dieser Art gehoͤren. Ein Ringer . L 2 Eine Allgemeine Nachrichten Eine weibliche Figur mit einem Kinde auf dem Schooß . Der Gedanke ist besser als die Ausfuͤhrung. Die Pallaͤste: Madama oder del Governo, Maffei, Muti, St. Marco, Nari, Gabrieli , sonst Orsini, Ottoboni, Paluzzi sind in Ruͤck- sicht auf Gemaͤhlde und Statuen jetzt eben so unbe- traͤchtlich, als die Pallaͤste: Picchini, Pio , Ich finde inzwischen in der Scuola Italiana von Hamilton einen Jupiter und Antiope nach Palma, aus diesem Pallaste genommen, in Kupfer ge- stochen. Propaganda Fide, Ricci, Ranuccini, Rocci . Der Pallast Rondimini soll eine vortreffliche Sammlung von Kunstwerken enthalten, und dar- unter einige Frescomahlereien von Correggio aus der Kuppel des Doms zu Parma. Er war aber zu meiner Zeit, weil der Besitzer lange Jahre abwesend war, verschlossen. Die Pallaͤste: Sacchetti und Sacripanti , enthalten, der Versicherung nach, nichts, was die Aufmerksamkeit des Liebhabers zu reizen im Stande waͤre. Im Pallast Salviati sollen einige Mahlereien aͤlterer Florentinischer Meister anzutreffen seyn. Der geringe Geschmack den ich an Werken dieses Stils finde, hat mich gehindert, sie zu sehen. Das Gute, was im Pallast Santobuono stand, soll nach dem Tode des Cardinals dieses Nahmens, nach Neapel gegangen seyn. Endlich sollen die Pallaͤste Savelli, di Sciarra, Serlupi nichts Interessantes fuͤr die Kuͤnste uͤber verschied. Pallaͤste u. Villen. Kuͤnste enthalten, mit denen sich das gegenwaͤrtige Buch beschaͤfftigt. Villa Altieri . Das Gemaͤhlde aus dem Gra- Villen. be der Nasonen, von dem Winkelmann G. d. K. S. 560. redet, ist hier oft vergebens gesucht worden. Die besten Sta- tuen sind auf entlegene Landguͤter des Prinzen ge- bracht, und der Rest verdient wenig Aufmerksamkeit. Villa Madama und Villa Mellini sind mehr der herrlichen Aussicht wegen zu bemerken, die man von ihnen aus uͤber Rom und die umliegende Ge- gend hat, als der Truͤmmer von Statuen wegen, die hier noch aufbehalten werden. Villa Pia, Sciarra und Strozzi sind gleich- falls in Ansehung der dort befindlichen Kunstwerke unbetraͤchtlich. Auf gewisse Weise gehoͤren die antiken Mah- Nachricht uͤber die Baͤ- der des Ti- tus. lereien und Stuccaturarbeiten in den Baͤdern des Titus zu den Kunstwerken in den Villen, weil sie in der Vigna eines Particuliers befindlich sind. Ich will die wenigen Bemerkungen, die ich daruͤber gemacht habe, hersetzen; gestehe aber zu gleicher Zeit, daß sie sehr mangelhaft sind. Ich liebe ein Kunst- werk mit Ruhe und Bequemlichkeit zu sehen: und beides wurde mir hier versagt. Diese Souterrains sind so verschuͤttet, daß man auf allen Vieren kriechen muß, um aus einem Zimmer ins andere zu kommen: dabei so feucht, daß sich der Salpeter allenthalben in Zapfen ansetzet, und derjenige, dessen Gesundheit L 3 nicht Allgemeine Nachrichten nicht fest ist, Gefahr laͤuft, sie ohne den geringsten Gewinn fuͤr sein Vergnuͤgen zu verderben. Denn die Mahlereien und Stuccaturarbeiten sind durch den haͤufigen Dampf der Fackeln so angeschwaͤrzt, daß man Muͤhe hat, etwas davon zu erkennen. Die sogenannten Baͤder des Titus sind weit- laͤuftige Souterrains, die wahrscheinlich nicht blos zum Baden, sondern uͤberhaupt zu einem kuͤhlen Sommeraufenthalte gedienet haben. Man kann in einem Garten oder Vigna durch zwei Eingaͤnge so- wohl nach den alten bekannten, als zu den neu wie- der aufgefundenen Saͤlen gelangen, und beide haͤngen durch unterirrdische Communicationen zusammen. Der neuaufgefundenen Zimmer ist eine unzaͤh- liche Menge, aber bemahlt sind hoͤchstens drei bis vier. Den Fußboden hat man bis jetzt noch nicht aufgefun- den, noch gereiniget. Diese Souterrains sind von unendlichem Um- fange: in einigen findet man Spuren einer ehemali- gen Wasserleitung. Die Mahlereien und Verzierungen aus Stucco sind an den Decken und an einem Theil der Waͤnde angebracht. Die besten in den fruͤher entdeckten Kammern scheinen diejenigen zu seyn, die auf einen schwarzen Grund gemahlt sind. Hier zeigt man auch das sogenannte Gemaͤhlde der Mutter des Coriolanus vor ihrem Sohne. Ich konnte kaum die Figuren er- kennen. Die Verzierungen sind in dieser Reihe von Zimmern von gutem Geschmack, aber sehr leicht weggemacht. Ueberhaupt ist das Ganze doch nur eine bloße Decorationsarbeit. Unter uͤber verschied. Pallaͤste u. Villen. Unter den neuaufgefundenen Kammern ver- dient vorzuͤglich ein langer Saal oder Corridor be- merkt zu werden, der sehr schmal und hoch ist. Die Waͤnde sind mit einer Art von Mahlerei bedeckt, die der chinesischen Architektur oder Landschaftsmahlerei aͤhnelt: an der Decke aber sind drei Gemaͤhlde von dramatischer Composition. Kaum daß man den Umriß, und Spuren einer sehr rothen Carnation darin erkennt. Die Figuren von Stucco sind mei- stens abgefallen. Die Verzierungen aus Stucco in einem andern Zimmer dieser Suite sind, wie man noch jetzt sieht, vergoldet gewesen. Die Stuccaturarbeit in diesen Kammern uͤber- haupt ist gemeiniglich in Felder abgetheilt. Diese sowohl, als die Mahlereien, sind von vielfacher Erfin- dung. Die Friesen stellen Opferthiere, Vasen, Ge- nien, Seeungeheuer, Weinranken, Arabesken u. s. w. vor. Wer mehr von diesen Verzierungen und den groͤße- ren Gemaͤhlden wissen will, den verweise ich auf ein Werk, welches vor ein Paar Jahren unter dem Titel: le antiche Camerae delle terme di Ti- to etc. da Ludovico Mirri, herausgekommen ist. Man muß aber wissen, daß die Einbildungskraft der Kuͤnstler, vorzuͤglich beim Illuminiren, vieles hinzugesetzt hat. Alle haben den Charakter des Swelten, Leichten, Fliegenden an sich, der dem lieblichen Ein- druck von Verzierungen so unentbehrlich ist. Man beschuldigt den Raphael, daß er diese Kammern, nachdem er manches Suͤjet, und vor- L 4 zuͤglich Allgemeine Nachrichten uͤber ꝛc. zuͤglich die Arabesken daraus entlehnt, wieder zu- schuͤtten lassen. Gewiß ist es, daß eine große Aehn- lichkeit zwischen seiner Decoration der Loggie del Va- ticano, und der dieser neuaufgefundenen Souterrains herrscht. Inzwischen sind letztere viel sparsamer an- gebracht, und simpler in der Erfindung; hingegen auch weniger fleißig ausgefuͤhrt. Ludovico Mirri hat die neueren entdeckt. Columba- rium bei dem Tempel der Minerva Me- dica. In dem Garten, worin der Tempel der Minerva Medica steht, findet man ein sogenanntes Columbarium. An der Decke sieht man einige artige Ornamente aus Stucco, und Spuren aͤhnlicher bereits abgefallener, die man leicht fuͤr Zeichnungen aus einer Farbe, fuͤr Monochromata, halten koͤnnte. Ueber Ueber die Kunstwerke der Mahlerei und Bildhauerei in den Kirchen von Rom . L 5 Vorerinnerung. I ch verlasse die Pallaͤste und Villen in Rom, um noch einen Blick auf Kunstwerke in Kirchen, und nachher auf einige andere an offenen oder freien Plaͤtzen daselbst zu werfen. Aber meine Anmerkun- gen duͤrfen hier kuͤrzer seyn: Die Schriftsteller, welche sich mit der Beschreibung Roms beschaͤfftigt haben, sind wenigstens bei der Nomenclatur der Kunstwerke in oͤffentlichen Gebaͤuden und an freien Plaͤtzen genauer und umstaͤndlicher gewesen, als bei der Anzeige der Sammlungen in Privatgebaͤuden, woruͤber sich mehr als eine Ursache zur Erklaͤrung angeben laͤßt. Ich habe auch bereits bei den Pallaͤsten das Meiste von dem gesagt, was ich uͤber die Kuͤnste em- pfunden habe, und ich habe es besser und schicklicher sagen koͤnnen, weil die Anzahl belehrender Beispiele dort groͤßer ist, und die Gelegenheit sie gut zu sehen, bequemer. Sollte ich mich mit der Hoffnung schmeicheln duͤrfen, daß die Liebhaber, welche mein Buch mit den Kunstwerken, von denen es handelt, verglichen haben werden, die darin enthaltenen Grundsaͤtze sich zu eigen gemacht haben koͤnnten; so wuͤrden sie von selbst Vorerinnerung. selbst und ohne fernere Leitung, die wenigen, noch nicht beschriebenen Kunstwerke ausfinden, die ihrer Auf- merksamkeit werth seyn moͤgen. Inzwischen, vielleicht beduͤrfen meine Saͤtze, meine Vermuthungen, meine Zweifel noch mehrerer bestaͤtigenden Erfahrungen, und vielleicht muß ich noch selbst diese Erfahrungen zu machen helfen, den Gesichtspunkt anzeigen, aus dem ich die Werke der Kunst angesehen habe, um, wenn mich der Vorwurf treffen sollte, nicht den richtigen gewaͤhlt zu haben, wenigstens denjenigen abzulehnen, aus dem einmal falsch gefaßten nicht alles gesehen zu haben, was sich daraus sehen ließ. Ein anderer Grund tritt hinzu, warum zur Vollstaͤndigkeit meines Werks auch Bemerkungen uͤber die Kirchen Roms erfordert werden. Der Stil der Kunstwerke, die sie zieren, weicht, vorzuͤglich in der Sculptur, merklich von demjenigen ab, den wir an den Kunstwerken in den Pallaͤsten kennen gelernt haben. Ist jener nach meinen Ideen nicht ge- macht, seiner Vorzuͤge wegen zum Muster der Befol- gung aufgestellt zu werden, so werden wenigstens seine Fehler zum warnenden Beispiel dienen: und der gute Geschmack, der durch den Anblick der alten Kunst- werke jetzt befestiget seyn muß, kann nur dabei gewin- nen, neben der praktischen Lehre von dem, wie es seyn Vorerinnerung. seyn soll, auch diejenige zu finden, wie es nicht haͤtte seyn muͤssen. Ich wuͤrde aber in unzaͤhlige und unnuͤtze Wie- derholungen fallen, wenn ich bei jedem einzelnen Denkmale des schlechten Geschmacks die Kennzeichen, durch die es sich von dem schoͤnen Kunstwerke unter- scheidet, anzeigen wollte. Ich will lieber eine allge- meine Vergleichung der Kunstwerke in den Kirchen mit den Kunstwerken in den Pallaͤsten, eine allge- meine Einleitung in den Kirchenstil voraus schicken; hernach dasjenige, was unsrer Aufmerksamkeit im Einzelnen werth bleibt, herausheben, und den Rest mit einem Stillschweigen, oder mit einer so kurzen Beruͤhrung uͤbergehen, daß das Urtheil, welches ich daruͤber faͤllen zu muͤssen glaube, sich von selbst aus- sprechen wird. Ueber Ueber die Kennz. des Kirchenstils Ueber die Kennzeichen des Kirchenstils. Zuerst: in der Bildhauerei. N ichts kann beim Eintritt in die Kirchen von Rom auffallender seyn, als die Verschiedenheit, die wir zwischen den mehresten der neueren Statuen und den Werken der alten Bildhauerei antreffen, die wir in den Pallaͤsten verlassen haben. Hauptunter- scheidungs- zeichen der Bildhauer- kunst der Neueren, von der der Alten. Hier lauter verhuͤllete Figuren; dort beinahe lauter nackte, oder doch so bekleidet, daß dem Auge von dem Reize der Formen des Koͤrpers nichts entzo- gen wird: Hier oft niedrige und gemeine Natur, immer demuͤthige, hoͤchstens liebliche Gesichtsbildung; dort idealische Schoͤnheit, Hoheit des Geistes, große Bedeutung in Mine und Tragen des Koͤrpers: Hier das steinerne Bild in unbestimmter Bewegung; dort in Ruhe oder vollstaͤndig deutlicher Handlung: End- lich, hier den deutlichsten Anspruch das Werk aus rundem Stein, als ein flaches Gemaͤhlde erscheinen zu lassen; dort die Bescheidenheit von der Statue nicht mehr zu verlangen als sie giebt, naͤmlich die treueste Abbildung eines von mehr als einer Seite zu beschauenden Koͤrpers. Es ist interessant die Gruͤnde dieser Verschieden- heit in den inneren und aͤußeren Verhaͤltnissen aufzu- spuͤren, unter denen die Kuͤnstler beider Epochen ge- arbeitet haben. Die Griechen sahen die Darstellung der nacken- den Gestalt des Menschen als den Triumph der Bild- hauer- in der Bildhauerei. hauerkunst an. Ich glaube mit Recht. Sie ist es, Warum der neue Kuͤnst- ler das Na- ckende selte- ner und nicht mit gleichem Gluͤcke wie der alte bil- det. die mit Treue darzustellen der Meissel die groͤßten Schwierigkeiten zu uͤberwinden hat. Sie ist es, die ihrer glatten und weißen Oberflaͤche wegen, dem bearbeiteten Marmor am meisten aͤhnelt. Sie ist es, welche die mehreste Abwechselung angenehmer Formen den aͤußeren Sinnen darbietet, und sie ist es endlich, die auch der innere durch selbstische Vergleichung mit seiner eigenen Huͤlle am interessantesten in der Nach- bildung findet. Diese nackende Gestalt stellt der neue Kuͤnstler nicht mit gleichem Gluͤcke dar: er kann es nicht, er will es nicht, er darf es nicht, wenn er es auch koͤnnte und wollte. An und fuͤr sich ist das Blut der Griechen schoͤ- ner als aller uͤbrigen Voͤlker der Erde. So finden es alle Reisende in diesem von der Natur beguͤnstigten Lande noch jetzt, zu einer Zeit, wo mit der Ernie- drigung des moralischen Menschen der physische von seiner urspruͤnglichen Vollkommenheit gewiß herab- gesunken ist. Denn dem Menschen, dessen Eltern nie unter dem Druck von Tirannei geseufzt haben, wird eine Gestalt angebohren, die das Gepraͤge der sorglosen Heiterkeit an sich traͤgt, unter der er gezeugt ist. Diese angebohrne Heiterkeit, deren sich die Griechen als eines eigenthuͤmlichen Geschenks der Goͤtter ruͤhm- ten, gehoͤrte daher sowohl ihrer Regierungsform zu, als dem Clima, unter dem sie lebten. Gemaͤßigte Leidenschaften waren die Folge von beiden. Kein Luxus, der den Koͤrper unmittelbar zerstoͤret, keine Krankheit, die mit der Befriedigung des natuͤrlich- sten Ueber die Kennz. des Kirchenstils sten Triebes die schrecklichsten Folgen der Entstellung des Koͤrpers verbunden haͤtte, vermochten dazumal die urspruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit zu verderben; hingegen diente die ganze, mit den Beduͤrfnissen des Staats und der engern Geselligkeit so genau verbun- dene Erziehung dazu, jene Anlage zur koͤrperlichen Schoͤnheit bis zum hoͤchsten Grade der Vollkommen- heit auszubilden. Die Art der Alten Krieg zu fuͤhren, Mann an Mann, machte Uebungen von Kampf und Spielen nothwendig, in denen der Koͤrper Behendigkeit und Festigkeit gewinnen sollte. Die Art der Alten, in dem Umgange mit dem weicheren Geschlechte Unter- haltung aufzusuchen, erhoͤhete den Werth solcher Ta- lente, die von koͤrperlichen Vorzuͤgen den hoͤchsten Reiz entlehnen. Daher Gymnasien, Baͤder, Spiele des Wettrennens, des Discuswerfens, des Ringens, pantomimische Taͤnze bei oͤffentlichen Festen: Ja! so- gar Wettstreite der Schoͤnheit unter Juͤnglingen und Maͤdchen unter Autoritaͤt der Gesetze. Wie viel anders dies alles bei uns! Weniger urspruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit, und beinahe durchaus keine Veranlassung, fuͤr die Ausbildung die- ses Vorzugs eine ausgezeichnete Sorge zu tragen. Selbst das Weib, das bei uns einen besonderen Werth auf ihre Gestalt legt, macht sich nach unsern Begrif- fen von sittlicher Vollkommenheit laͤcherlich. Warum soll der neue Kuͤnstler das vorzuͤglich gern vorstellen wollen, was nicht vorzuͤglich gern ge- sehen wird? Doch es sey! Angefeuert durch das Bei- spiel der Griechen, haͤlt er die nackte Gestalt noch jetzt fuͤr den wuͤrdigsten Vorwurf des Meissels; wie selten in der Bildhauerei. selten bietet sich ihm ihr Anblick dar, und wie noch sel- tener in der Vollkommenheit, die ihn zur Nachbil- dung anfeuern koͤnnte! Bei den Griechen sahe der Kuͤnstler die nackten Formen der edelsten Jugend beider Geschlechter in dem Grade von Vollkommenheit, wozu sie besorgte Erziehung, die Folge des Wohlstandes, nur immer zu bringen im Stande war. Er sahe sie taͤglich, bei ihren Festen, bei ihren Spielen, uͤberall, indem Clima und falsche Begriffe von Anstand gaͤnzliche Verhuͤllung des Koͤrpers nicht nothwendig machten. Die schoͤnsten der griechischen Maͤdchen und Juͤnglin- ge hielten es sich zur Ehre, als eine Venus, als ein Apollo der Gegenstand oͤffentlicher Verehrung zu werden. Hingegen bei uns waͤhnt sich die Buhlerin, die ihre Reize zu jedem andern Gebrauche feil bietet, durch den Antrag entehrt, dem Kuͤnstler zum Mo- delle zu dienen. Rauheres Clima, andere Begriffe von Anstand, und phantastische Mode haben eine gaͤnzliche Verhuͤllung nothwendig gemacht; und sel- ten gluͤckt seitdem dem Bildhauer der Anblick eines nackten Koͤrpers. Auge und Hand entwoͤhnen sich der Bekanntschaft mit Gegenstaͤnden, deren Nach- bildung nothwendig Sicherheit des Blicks, und Ue- bung der Hand erfordert. Es ist eine bekannte Er- fahrung, daß der neuere Kuͤnstler die Extremitaͤten des Koͤrpers, die er oft entbloͤßt sieht und nachahmt, wenn gleich nicht mit gleicher Schoͤnheit, dennoch mit gleicher Wahrheit als der alte bildet; nur die uͤbri- gen Theile des Koͤrpers erfuͤllen selten die Forderungen, zu denen uns die Werke der Alten berechtigt haben. Dritter Theil. M Der Ueber die Kennz. des Kirchenstils Der neue Kuͤnstler arbeitet also groͤßtentheils aus der Erinnerung, oder wenn ihm auch ein lebendes Modell zur Nachbildung zu Theil wird, wie erhaͤlt er es? Entstellt durch pressende Bekleidungen, die dem Wuchs des Koͤrpers eine schiefe Richtung gegeben ha- ben Z. E. Schnuͤrbruͤste, Schuhe. Beinahe kein Fuß ist noch jetzt in seiner urspruͤnglichen Form. : gewelkt durch Sorgen der Nahrung, abge- mergelt durch muͤhselige Arbeit, erschlafft durch ent- ehrenden Genuß der Freuden des Lebens, oder gar durch Krankheiten, ihre Folgen. In der That! solch ein Anblick ist eher im Stande Ekel als Enthusiasmus zu erregen, und ich weiß nicht, ob der Bildhauer Ursach hat, sich zu be- klagen, daß das, was er so ungern darstellen moͤchte, da er es nur so mangelhaft darstellen kann, ihm nun auch nach den Begriffen seiner Religion sogar darzu- stellen verwehrt wird. Denn seitdem sich die Begriffe uͤber den Umgang beider Geschlechter und deren endlichen Zweck sehr ver- aͤndert haben; seitdem die nackte Gestalt so selten ge- worden ist, daß ihre Erscheinung allemal mit einer maͤchtigen Regung der Einbildungskraft, und durch diese mit einer starken Wuͤrkung auf die Sinne ver- knuͤpft ist; seitdem hat man sehr wohl gethan, die Ver- huͤllung des Koͤrpers an Orten, wo unser Geist mit Dingen dieser Welt nicht beschaͤfftigt seyn soll, zur Nothwendigkeit zu machen. Diese Gruͤnde entwickeln den ersten Unterschied zwischen dem Stile der Alten und dem neuen Kirchen- stile in der Sculptur. Jene verschleiert die nackte Form in der Bildhauerei. Form des menschlichen Koͤrpers weniger als diese, und entzieht sie nie dem Auge ganz. Unvermerkt und gleichsam von selbst, komme ich Dem alten Kuͤnstler war Gewand Be- kleidung des Koͤrpers: dem neuern ist sie Haupt- sache, von deren will- kuͤhrlichen Bildung er fuͤr sich be- stehenden Reiz erwar- tet. hier auf ein zweites charakteristisches Unterscheidungs- zeichen. Die Alten, wenn sie ja bekleideten, thaten es immer auf eine Art, bei der die nackte Form eher gewinnen als verlieren mußte. Man verfolgt deren Umrisse noch immer unter dem Gewande, und es scheint nur darum ihr angelegt zu seyn, um die stets sich schlaͤngelnden Linien des fleischigten und muscu- loͤsen Koͤrpers, durch einige eckigter und gerader lau- fende zu unterbrechen, und contrastiren zu lassen. Hingegen nach unserm Kirchenstile ist ein Gewand ein Laken oder Teppich, den der Kuͤnstler nach Art des Tuchhaͤndlers vor den Augen des Kauflustigen aus- breitet, oder einem Seegel gleich dem Spiel der Winde uͤberlaͤßt. Er verfaͤhrt mit der Bildung der Falten so willkuͤhrlich, als der Arabesken- oder Car- touchenmahler mit seinem Laub- und Muschelwerk. Es sind nicht Gewaͤnder mehr, es sind Felsklumpen, Marmorbloͤcke taillirt en Facettes, auf denen das Licht buntscheckig spielt, und die man nie fuͤr dasjenige er- kennen wuͤrde, was sie seyn sollen, wenn nicht Kopf und Beine an den Ecken hervorragten. Gewand ist also in unserer neuen Bildhauerkunst eine fuͤr sich ste- hende Hauptsache geworden: eine Schadloshaltung fuͤr die entzogene nackte Gestalt: oder, wenn man lie- ber will, ein Werkzeug der Rache des beleidigten Ehr- geitzes, indem man durch die neue Erfindung selbst der Andeutung des Versagten entbehren zu koͤnnen ge- glaubt hat. M 2 Aber Ueber die Kennz. des Kirchenstils Der alte Kuͤnstler hebt die Ge- stalt ins Ideal; der neue haͤlt sich an die gemei- ne Natur: Jener giebt seinen Koͤ- pfen den Ausdruck thaͤtiger Gei- stesgroͤße; dieser duld- samer De- muth, oder finsterer Ein- gezogenheit. Aber selbst in den Theilen des Nackenden, welche dem neueren Kuͤnstler mit den alten zum Vorwurf bildlicher Darstellung auf gleiche Art geblieben sind: in den Koͤpfen, in den Extremitaͤten, treffen wir eine wesentliche Verschiedenheit zwischen beiden an. Der letzte scheint vermittelst des idealen Schoͤnen immer uͤber die Graͤnze der uns bekannten Natur hinauszu- gehen, waͤhrend daß der erste nicht blos aus Unver- moͤgen, sondern mit Vorbedacht bei der Darstellung der gewoͤhnlichen Natur stehen bleibt. Mehr! der Ausdruck in den Koͤpfen der Figuren des mythischen Cirkels der Alten, der physiognomische, nicht der pathalogische Charakter ist viel bedeutungs- voller, hoͤher, edler, als in den Koͤpfen der Personen unserer Gottheit, unserer Patriarchen, Apostel und Heiligen, welche mehrestentheils das Gepraͤge finste- rer Eingezogenheit, oder duldsamer Demuth auf ih- ren Gesichtsbildungen tragen. Es ist hier der Ort, die Gruͤnde dieses neuen Unterscheidungszeichen des alten und des Kirchenstils aufzusuchen. Die Gruͤnde dieser Ver- schiedenheit werden aus der verschie- denen sittli- chen, politi- schen und re- ligioͤsen Er- ziehung des Menschen, und zugleich aus dem ver- Einer derselben ist durch die vorhergegangene Be- merkung angezeigt, daß die Griechen von einer schoͤ- neren Natur umgeben waren. Aber dieser Grund allein erklaͤrt nicht Alles. Die brittische Nation ist seit langer Zeit die schoͤnste des heutigen Europa; aber erst spaͤt haben diese Insulaner die Kuͤnste geliebt, und noch jetzt ist nicht Schoͤnheit der erste Zweck der Bemuͤhungen, die sie ihnen widmen. War der physische Nervenbau der Griechen em- pfaͤnglicher fuͤr die Empfindung des Schoͤnen? Es ist nicht unwahrscheinlich. War ihre politische, sittliche und religioͤse Erziehung mehr dazu gemacht, den Sinn in der Bildhauerei. Sinn des Schoͤnen in ihnen zu entwickeln? Das ist schiedenen Gange, den die Kuͤnste bei ihrer Ausbildung genommen haben, ent- wickelt. gewiß. Jedes Individuum eines so freien, und in so viele kleine Staaten getheilten Volkes als die Griechen waren, sahe sich als ein wesentliches Stuͤck des Gan- zen an, welches zur voͤlligen Ausbildung seiner Kraͤfte durch Patriotismus, Ehrgeitz und Selbstgefuͤhl auf- gefordert wurde. Der Antheil an der Administra- tion des Staats, der Dienst im Kriege, nahmen nur einen Theil derselben hin, und mit dem Ueberrest wu- cherten sie zum Besten der Kuͤnste: es sey durch den unmittelbaren Antheil, den sie an ihrer Ausuͤbung nahmen, es sey durch den Fleiß, den sie auf solche Talente wandten, die mit jenen in Verbindung stan- den, oder doch das Gefuͤhl fuͤr sichtbare Schoͤnheit mittelbar entwickelten. Denn das Denken um zu denken, das Wissen um zu wissen, war bei den Griechen, zur Zeit wie die Kuͤnste aufbluͤheten, weniger gewoͤhnlich. Sie speculirten gemeiniglich mit unmittelbarer Beziehung aufs handelnde Leben, und Kenntnisse, welche den Affekt des Wissens, des Erkennens spannen, waren zu schwer zu erlangen, um die bloße Neugierde nicht ab- zuschrecken. Nichts natuͤrlicher also, als daß sie ihre Muße auf solche Gegenstaͤnde wandten, die, ohne ei- nen großen Umfang von Vorerkenntnissen vorauszu- setzen, dennoch eine solche Unterhaltung geben, welche die Thaͤtigkeit in ernsthafteren Geschaͤfften nicht hin- dert, vielmehr in manchen Faͤllen unterstuͤtzt: Dies sind die schoͤnen Kuͤnste. Der Geschmack an densel- ben war also viel ausgebreiteter, viel allgemeiner, und da die Schoͤnheit der menschlichen Gestalt des M 3 Nutzens Ueber die Kennz. des Kirchenstils Nutzens im Kriege und der Annehmlichkeit im Frie- den wegen, ein eben so allgemein geschaͤtzter Vorzug war, so erhielt natuͤrlicher Weise jener Geschmack die Richtung, die Darstellung der schoͤnen koͤrperlichen Form als die hoͤchste Stufe der Kunst zu betrachten. Vieles muß auch daraus erklaͤrt werden, daß die schoͤne Gestalt des Menschen bei den Griechen das Symbol der Wesen war, denen sie ihre religioͤse Ver- ehrung widmeten. Der rohe Mensch, der den Stein oder Klotz, bei dem ihm die hoͤchste Kraft ein besonderes Gluͤck oder Ungluͤck hatte wiederfahren lassen, erst als das Wiedererkennungszeichen seiner Hoffnung oder seiner Furcht geliebt und gescheuet, bald als Ursach von bei- den angebetet hatte, gerieth bei stufenweiser Verfeine- rung auf den Gedanken, erst diesen Klotz in Kopf, Arme und Beine zu spalten, dann als treue Abbil- dung des Menschen, endlich als Ideal seiner Gestalt in seinem Tempel aufzustellen. Denn als die lebhafte Thaͤtigkeit der Griechen, welche durch die Unabhaͤngigkeit und durch die Wett- eiferung so vieler nahe an einander liegenden Staaten immer unterhalten wurde, ihnen hohe Ideen von thaͤtiger Tugend, Freiheit, Ehre, Vaterlandsliebe, und zu gleicher Zeit ein starkes Gefuͤhl ihrer eigenen Wuͤrde gegeben hatte; so wurden sie durch den En- thusiasmus zur Vergoͤtterung ihres Gleichen getrieben und legten jenen rohen Ahndungen einer hoͤheren Kraft erst den Begriff des Menschen uͤberhaupt, bald aber von menschlicher Vollkommenheit in dem hoͤchsten Grade, den sie sich denken konnten, bei. In in der Bildhauerei. In diesen Begriff von Vollkommenheit nahmen sie koͤrperliche Schoͤnheit aus den angefuͤhrten Ursa- chen als ein nothwendiges Ingredienz auf: sie setzten aus den verschiedenen Erfahrungen, die sie im Ein- zelnen gemacht hatten, ein schoͤneres Ganze zusammen, und verehrten nun das vollkommenste Wesen unter der Bildung des schoͤnsten seiner Geschoͤpfe. Anfangs war eine solche bildliche Darstellung nur idealische Versinnlichung hoͤherer Kraͤfte, nach Er- fahrungen aͤhnlicher aber bekannter Tugenden. Ju- piter war wuͤrklich Gott, der beste aller Beherrscher nach dem Zuschnitt der guten wuͤrklichen Regierer der Voͤlker. Nachher verdiente der Mensch, der diesen Begriff am mehresten in seinem irrdischen Leben aus- fuͤllte, der naͤchste nach dem hoͤheren Wesen, der Halbgott, der Held, eine Erhaltung seines Anden- kens von seinen dankbaren Mitbuͤrgern. Man idea- lisirte seine Form, um ihn zu vergoͤttern, oder wenig- stens seine Nachkommen durch den sinnlichsten aller Eindruͤcke zur fernen Verehrung und Nacheiferung anzufeuren. So wurden Tempel, oͤffentliche Plaͤtze, jedes Privatgebaͤude bevoͤlkert. Das Kind, dessen Haͤnde zum erstenmale von der Mutter zum Dienst der Gott- heit gefaltet wurden, sahe in dem Bilde der hoͤchsten Kraft nur den schoͤnsten der Sterblichen; und der aͤltere Sohn, dem der Vater das oͤffentliche Monu- ment, den Zierrath seiner Wohnung erklaͤrte, erblickte in dem schoͤnsten der Menschen nur das Bild der inne- ren Wuͤrde seiner Vorgaͤnger. Soll ich es erst sa- gen, wie sich Hoheit der Seele und Gefuͤhl der Schoͤn- heit hier wechselseitig verstaͤrkten, wie sich kein schoͤner M 4 Koͤrper Ueber die Kennz. des Kirchenstils Koͤrper denken ließ, ohne eine schoͤne Seele, und keine schoͤne Seele ohne einen schoͤnen Koͤrper! Soll ich es erst sagen, wie sehr der Kuͤnstler, der fuͤr die innere Bildung seiner Landsleute, wie fuͤr ihr Vergnuͤgen arbeitete, der Mann des Staats, der Liebling der Nation wurde! Wie das Bewußtseyn dieses wichti- gen Antheils an dem allgemeinen Wohl ihn zu hohen Ideen emporhob, den Begriff des wahrhaft Großen und Edeln in ihm gruͤndete, und wie die Bezeugung oͤffentlicher Achtung ihn spornte, an hoͤhere Vollkom- menheit stets hinanzustreben! So trug sittliche, religioͤse und politische Erzie- hung zu dem ausgezeichneten Geschmack der Griechen an Schoͤnheit der Gestalten bei: an Gestalten mit hoher Bedeutung eines zum Besten der Menschheit thaͤtigen Wesens, an Gestalten, die neben jener Be- deutung auch das Bewußtseyn ihres Werthes zu ha- ben scheinen: An schoͤnen, an maͤchtigen, aber auch an stolzen Gestalten! Ehe ich zu der Abweichung unserer Begriffe uͤber die Bildung der Personen, die den Gegenstand unse- rer religioͤsen Verehrung ausmachen, uͤbergehe, muß ich noch eine Anmerkung uͤber den Gang der Kuͤnste bei den Griechen hinzufuͤgen, welche es erklaͤren wird, warum sie bei ihrem unaufhoͤrlichen Streben nach Schoͤnheit und hoher Bedeutung, dennoch die Grund- regeln derselben, Simplicitaͤt, Ebenmaaß, Regelmaͤs- sigkeit, Richtigkeit der Verhaͤltnisse, kurz! alle Grund- lagen unsers Vergnuͤgens an dem Wohlgeordneten und Uebereinstimmenden der Gestalt nie verlassen ha- ben. Denn diese Schranken finden wir nicht uͤber- schritten, selbst in den spaͤtesten Werken der alten Kunst in der Bildhauerei. Kunst nicht, und die Fehler, die dagegen begangen sind, scheinen mehr dem Unvermoͤgen zuzugehoͤren, die Vollkommenheit, zu der sie fuͤhren, zu erreichen, als der wissentlichen Absicht, sie Feldein auf einem andern Wege zu verfolgen. Fruͤh, in den ersten Zeiten des Wachsthums der Kuͤnste, finden wir die Bildsaͤulen menschlicher Figu- ren als Symbole derselben behandelt: nicht anders wie Gebaͤude Symbole von Huͤtten sind, mit dem Senkblei und dem Winkelmaaß in symmetrische Ge- stalten geschnitten. Es sind keine Nachbildungen der Menschen, es sind fuͤr sich stehende Geschoͤpfe, an denen die einzelnen Theile zu dem Ganzen nach inne- ren, aus der Masse selbst hergenommenen, Verhaͤlt- nissen harmoniren. Alles ist viereckigt, steif und oh- ne Wahrheit; aber alles stimmt an der willkuͤhrlichen Composition zu einem leicht von der Seele zu fassen- den Begriff uͤberein: alles ist wohlgeordnet. Von dort ist man zur Wahrheit fortgeschritten, man hat die urspruͤngliche Simplicitaͤt, das Ebenmaaß der Theile zu einander, das Verhaͤltniß derselben zum Ganzen beibehalten; man hat aber auch mehr Ver- schiedenheit der Formen in die Theile gebracht, und uͤberhaupt die Uebereinstimmung des Nachgebildeten mit dem Vorbilde mehr besorgt. Das Viereckigte hat mehr Rundheit, die Linie mehr Ausschweifung, das Detail mehr Treue erhalten. Endlich hat man den Reiz hinzugefuͤgt, die wellenfoͤrmigen Contouren, die Abwechselung in den Stellungen und Formen der ein- zelnen Glieder. Auf solche Art ist die symmetrische Verfahrungsart unter Leichtigkeit, unter Schein des Regellosen, und unter Mannichfaltigkeit der Formen M 5 zwar Ueber die Kennz. des Kirchenstils zwar versteckt, nicht aber ganz aus den Augen gesetzt worden: und hierbei ist man stehen geblieben. Diese Erziehung der Idee von Schoͤnheit scheint nun mehrere gluͤckliche Folgen gehabt zu haben. Ein- mal hat man nie das Nothwendige dem Ueberfluͤssi- gen, nie Treue und Wahrheit, am wenigsten aber den leichten Begriff des Wohlgeordneten und schnell zu Fassenden der Sucht aufgeopfert, eine Menge von unbestimmten Gefuͤhlen durch Abwechselung ungewis- ser Formen in dem Beschauer zu erwecken. Sim- plicitaͤt in Mine und Stellung, Simplicitaͤt und Ebenmaaß in den Verhaͤltnissen der Theile zum Gan- zen, jene Grundpfeiler der Schoͤnheit, und hoher Be- deutung, sind stets mit aͤußerster Gewissenhaftigkeit beobachtet worden. Ferner: Da die alten Kuͤnstler die Schoͤnheit immer auf einer und derselben Straße verfolgt ha- ben, so haben sie auch alles was darauf lag, viel voll- staͤndiger aufsammeln koͤnnen, als unsere neueren, wel- che, bald auf diesem, bald auf jenem Wege, Vergnuͤ- gen und Unterhaltung fuͤr uns aufzusuchen bemuͤht gewesen sind. Dies scheinen mir die hauptsaͤchlichsten Ursachen der Hoͤhe zu seyn, auf der die Alten gegen die Neueren in Ruͤcksicht auf idealische Form, und auf Bedeutung idealischer Geistesgroͤße stehen. Physische Anlage und moralische Verfeinerung des Gefuͤhls fuͤr Schoͤnheit: ein erhabener, mit der Religion und politischen Ver- fassung in genauer Verbindung stehender Zweck der Kunst: die davon abhaͤngende Achtung des Kuͤnst- lers: und endlich der einfache Gang der Kuͤnste, die aus in der Bildhauerei. aus der Grundquelle der Uebereinstimmung der Theile zum Ganzen entwickelte Idee der Schoͤnheit. Alle diese Ursachen fallen bei uns weg. Wir denken uns den sittlich vollkommenen Menschen wohl ganz getrennt von dem physisch vollkommenen: we- nigstens braucht der moralische Held nach unsern Be- griffen nicht der schoͤnste Mensch zu seyn. Unsere po- litischen Verhaͤltnisse geben uns gar keine, und unsere geselligen nur eine sehr geringe Veranlassung, auf koͤrperliche Gestalt einen besondern Werth zu legen. Unsere groͤberen Sinne werden durch fleischigte aus- geschweifte Formen viel staͤrker in Bewegung gesetzt, als durch einfache und uͤbereinstimmende Ordnung der Theile zum Ganzen. Das Vergnuͤgen, was wir an einer schoͤnen Ge- stalt empfinden, gehoͤrt unserm Verstande, unserm Nachdenken: es ist ein gequaͤltes Werk, ein fremder von den Griechen hergeholter Geschmack, der hier, wie in so vielen andern Dingen, mit unsern sittlichen und religioͤsen Begriffen gerade zu im Widerspruche steht. Denn unsere von der Religion gebildete Moral verbietet uns auf einen so zufaͤlligen Vorzug, als der einer schoͤnen Gestalt ist, irgend einigen Werth zu le- gen, und es hat Zeiten gegeben, in denen man es zur Gewissenssache hat machen wollen, den Heiland, der uns zum Vorbilde menschlicher Vollkommenheit aufgestellet ist, der sich aber aller weltlichen Vortheile entaͤussert, Schmerzen und Leiden in seinem Leben auf sich genommen hatte, unter einer schoͤnen und gesun- den Gestalt zu denken. Am wenigsten aber laͤßt eben diese christliche Sittenlehre den Ausdruck des Bewußtseyns einer thaͤti- Ueber die Kennz. des Kirchenstils thaͤtigen Seelengroͤße zu, jenen Charakter von Ho- heit, der uns bei dem Anblick einer Statue der Alten den Ausruf abpreßt: Welch ein Mann! Welche Thaten duͤrften wir von ihm erwarten, wenn er wie- der ins Leben hervorgienge! Es ist interessant zu sehen, welchen Begriff die neueren Kuͤnstler mit den Personen der Gottheit, und ihrer hauptsaͤchlichsten Verehrer verknuͤpft haben. Begriffe der neueren Kuͤnstler uͤber die Per- sonen der Gottheit, und ihrer vornehmsten Verehrer im alten und neuen Testa- mente. Sie haben das alte Testament von dem Neuen getrennt. Aber der Gott Israels ist ihnen in der Geschichte des neuen Bundes die erste Person der Dreieinigkeit geblieben. Gott der Vater also, der die Suͤnden der Vaͤter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied straft, der erzuͤrnt uͤber das mensch- liche Geschlecht nur durch das Leiden seines Sohnes versoͤhnt werden konnte, hat die ernste, finstre und strenge Mine eines aufgebrachten Richters Ich bin sehr weit entfernt, die Art, wie die Kuͤnst- ler die Personen unserer heiligen Geschichte aus Irrthum und falschen Begriffen sich gedacht haben, zu der meinigen zu machen. Man sieht hier leicht, daß ich blos davon spreche, wie es ist, nicht da- von wie es seyn koͤnnte und sollte. er- halten, und die Patriarchen, von Adam an bis auf den juͤngsten Propheten, scheinen durch das lange Harren auf die Zukunft des Mittlers in nicht geringe Sorgen, Schwermuth und Graͤmelei versunken. Lauter unaufgeraͤumte Graubaͤrte, die mit den muͤr- rischen Flußgoͤttern der Alten die groͤßte Aehnlichkeit haben. Zeichnet sich einmal ein Joseph oder David unter ihnen aus; die Geschichte des Patriarchalischen Zeit- in der Bildhauerei. Zeitalters zeigt diese Koͤnigssoͤhne als Hirten: und so erscheinen sie in unsern Gemaͤhlden. Der Heiland wird uns in der Bibel als der sanftmuͤthigste, duldsamste, liebendste aller Menschen geschildert. Dieser Charakter laͤßt sich mit einer schoͤnen Figur verbunden als moͤglich denken, aber die Nothwendigkeit dazu liegt so wenig am Tage, daß man vielmehr bei alle dem Leiden, welches er waͤh- rend seines Wallens hienieden ausgestanden hat, nur durch eine kraͤnkliche abgehaͤrmte Figur den Begriff seines historischen Daseyns in der Kunst voͤllig deut- lich zu machen glauben kann. Auch finden wir so wenig ihn als seine Nachfolger, die Apostel und Hei- ligen unter sehr schoͤnen Gestalten gebildet. Und das nicht sowohl aus Unvermoͤgen, als aus Absicht. Der Begriff von christlicher Entaͤußerung und Demuth hat dies verhindern muͤssen, bei einigen haben be- stimmte Nachrichten und Legenden im Wege ge- standen. Die Apostel waren Personen von gemeiner Herkunft und schon bei Jahren: Nur Paulus und Johannes machen hier Ausnahmen; der letzte wird mit schuͤchterner Lieblichkeit gebildet. Der heil. Pe- trus ist der Tradition zufolge kurz, untersetzt und von eckigter Form gewesen, andere Apostel waren eben dieser Tradition nach nicht schoͤner: die Stifter der Orden aber meistens ausgehungerte, durch Krank- heiten, Fasten und Casteien abgemergelte Menschen. Ahndung von Geistesgroͤße finden wir nirgends. Thaͤtige Tugend wie die Griechen sie bildeten, schien dem Geiste einer Religion zuwider, nach deren Lehren man Kindern aͤhneln soll, um das Reich Gottes zu erwerben. Bewußtseyn unsers Werthes, Ausdruck des Ueber die Kennz. des Kirchenstils des Geelenadels graͤnzt in der sichtbaren Darstellung an Stolz. Man haͤtte den Maͤrtyrern den Aus- druck der Standhaftigkeit geben koͤnnen, aber in den bildenden Kuͤnsten ist dieser Ausdruck nicht bestimmt genung, und mit sanfter Einfalt verbunden, wird er unbedeutend. Die Gott- heiten und Helden der Alten sind idealisirt, in- dividuelle Bildungen einer Men- schenart: das hoͤchste Wesen, die Heiligen, die Tugenden der Neueren entweder wuͤrklich in- dividuelle Bildungen einzelner Menschen oder allego- rische Ab- stracta un- sinnlicher Eigenschaf- ten. Die Gottheiten der Alten unterscheiden sich noch besonders von den Heiligen der Neueren und selbst von der letztern Vorstellungsart des hoͤchsten Wesens da- durch, daß jene personifiirte Menschengattungen wa- ren, diese hingegen personifiirte einzelne Individuen von Menschen oder personifiirte Abstrakte, allegorische Bilder unsinnlicher Eigenschaften sind. Es ist naͤm- lich eine bekannte Erfahrung, daß sich nicht blos die hervorstechenden Neigungen des Herzens, die Faͤhig- keiten der Seele und des Koͤrpers, an der Gestalt des Menschen aͤußern, sondern daß auch die Lage in der sie sich im handelnden Leben befinden, die be- sondere Richtung, welche die Eigenschaften ihrer Seele und ihres Koͤrpers zu einer bestimmten und an- haltenden Thaͤtigkeit oder Beschaͤfftigung erhalten ha- ben, sich auf die aͤußere Form des Koͤrpers ein- druͤcken. Dies geht so weit, daß Maͤnner, die es in der Be- merkungskraft zu einem gewissen Grade von Fer- tigkeit gebracht haben, auf den ersten Blick die ver- schiedenen Handwerker: Schneider, Schuster u. s. w. blos nach der Gestalt zu unterscheiden wissen. Die Alten scheinen aus vielen Erfahrungen, aus mehreren Beispielen im Einzelnen, die praͤgnantesten Zuͤge der Gestalt herausgehoben zu haben, worin mehrere in der Bildhauerei. mehrere Menschen von gleichen Neigungen, Faͤhig- keiten, unter aͤhnlichen Lagen, und mit gemeinschaft- licher Beschaͤfftigung zusammentreffen, und sich da- durch unverkennbar von andern unterscheiden, die von entgegengesetzten Neigungen und Faͤhigkeiten sind, unter andern Lagen handeln, und ihrer Thaͤtigkeit eine verschiedene Richtung geben. Indem sie nun diese besondere Gattung von Zuͤgen um etwas uͤber die Natur verstaͤrkten, erhielten ihre Gottheiten jene idealisirte Physiognomien, welche der Beschauer fuͤr individuelle Bildungen, nicht des einzelnen Menschen, sondern einer gewissen Art von Menschen, erklaͤrt. Jede Gottheit der Alten war Individuum, wenn man ihre Bildung gegen die einer andern Gottheit hielt; nicht aber Individuum in Vergleichung mit dem einzelnen Menschen. Jupiter, der große und guͤtige Beherrscher, bekam den Ausdruck einer Ehrfurcht und Vertrauen einfloͤßenden Majestaͤt: Apollo den sanften und edeln Charakter eines Beschuͤ- tzers der Kuͤnste und Wissenschaften: Mercur den ei- nes gewandten und behenden Ringers: Hercules den eines biedern und starken Kaͤmpfers: Juno den einer vorsichtigen, aber stolzen Hausfrau: Minerva den eines kalten aber geschickten Weibes u. s. w. Kurz! jeder Gott war ein Individuum mit einer Art von Charakter, wie die Alten glaubten, daß er unzaͤhli- gen Beispielen der naͤmlichen Gattung zufolge seyn sollte, um sich von Charakteren einer andern, nach eben so unzaͤhligen Beispielen abstrahirten Gattung, deutlich und bestimmt zu unterscheiden. Dies hatte sehr gluͤckliche Folgen fuͤr die Kunst. Die Alten gaben ihren Es brachte Bedeutung und Abwechselung in den Aus- druck Ueber die Kennz. des Kirchenstils Statuen mehr phy- siognomi- schen als pa- thalogischen Ausdruck; die Neueren umgekehrt, geben ihnen mehr patha- logischen als physiogno- mischen. druck und in die Formen, ohne jener ruhigen Ord- nung und Uebereinstimmung der Zuͤge zu schaden, welche die Schoͤnheit fordert. Der alte Kuͤnstler konnte seine Begriffe von Wohlgefaͤlligkeit der For- men nur mit diesem Ausdruck eines allgemein indivi- duellen Charakters vereinigen; so war die voͤllige Schoͤnheit da, die sich ohne Ahndung eines lebenden Wesens eben so wenig denken laͤßt, als diese Ahn- dung ohne wohlgefaͤlligen Eindruck der Formen. Und von dieser Vereinigung, nicht von dem Wohl- gefaͤlligen der Formen allein, ist das zu verstehen, was Cicero Orat. 2. speciem pulchritudinis exi- miam quandam nennt. Hier ist die ganze Stelle, die zur Erklaͤrung desjenigen, was im Texte gesagt ist, dienen kann. Nec enim Phidias, cum fa- ceret Jovis formam aut Miuervae, contemplaba- tur aliquem, e quo similitudinem duceret: sed ipsius in mentem incidebat species pulchritudi- nis eximia quaedam , quam intuens in eaque de- fixus ad illius similitudinem artem et manum dirigebat. Der Beschauer fand sich bei der Aufloͤsung des Ge- dankens hinreichend beschaͤfftigt, seine Anspruͤche auf Treue und Bedeutung wurden hinreichend ausgefuͤllt, ohne gerade Aehnlichkeiten mit bestimmten Personen ausfinden zu wollen, oder gar eine affektvolle Thaͤtig- keit von dem Steine zu verlangen. Mit einem Worte, die physiognomische Darstellung des Men- schen war schon eine so schwere und unterhaltende Auf- gabe fuͤr den Kuͤnstler, als daß man ihm die patha- logische nicht gern geschenket haben sollte. Unsere in der Bildhauerei. Unsere Neueren entbehren dieses Vortheils ganz oder groͤßtentheils. Ihr hoͤchstes Wesen ist ein solches Abstraktum aller moͤglichen Vollkommenhei- ten, daß sie die eine zum Nachtheil der uͤbrigen nicht hervor heben duͤrfen. Sie haben es zuweilen gewagt, gewisse Tugenden zu personifiiren, gewissen Figuren einen allgemeinen Charakter zu geben; aber hier ist der allgemeine Charakter zu allgemein geworden, das heißt, die besondere Modification, welche die eine tugendhafte Neigung der Gestalt giebt, laͤuft so sehr mit den Modificationen, welche tugendhafte Neigun- gen der Gestalt uͤberhaupt geben, zusammen, daß man nothwendig Attribute zu Huͤlfe nehmen muß, um die besondere Bestimmung dem Beschauer zu er- leichtern, und dem Ueberdruß, der aus Einfoͤrmig- keit entsteht, vorzubeugen. Ein Apollo der Alten, dessen Leier verloren ge- gangen ist, unterscheidet sich noch deutlich von einem Jupiter ohne Adler und Donnerkeil: Eine Klugheit ohne Spiegel aber ist von einer Gerechtigkeit ohne Waage nicht auszukennen. Haben die Neueren auf den Physiognomien der Heiligen einen allgemeinen Charakter hervorstechend zeigen wollen; so hat es, so lange die Figur in Ruhe blieb, hauptsaͤchlich nur der sehr eingeschraͤnkte und der Schoͤnheit wenig vortheil- hafte eines demuͤthigen, mit steten Uebungen der An- dacht beschaͤfftigten Menschen seyn koͤnnen. Diesen Mangel von Schoͤnheit der Gestalt, und bestimmten Ausdruck einer allgemein indwiduellen Physiognomie, haben die neuen Kuͤnstler dadurch zu ersetzen gesucht, daß sie durch Abwechselung particu- laͤr individueller Bildungen und durch den pathalo- Dritter Theil. N gischen Ueber die Kennz. des Kirchenstils. gischen Ausdruck transitorischer Bewegungen der Seele, wo nicht schoͤn, wenigstens treuer, wo nicht so bedeu- tungsvoll, wenigstens repraͤsentirender und gezierter, wo nicht so faͤhig zur Thaͤtigkeit, wenigstens emsiger, beflissener in ihren Figuren erscheinen wollten. Mich duͤnkt das Mittel ist schlimmer als das Uebel selbst. Denn da man nun recht abwechselnd in den Bil- dungen seyn wollte, und doch gewisse Physiognomien, nach den vorher angegebenen Grundsaͤtzen nothwendig ausfallen mußten, so konnte man, um immer neu zu bleiben, in der Wahl nicht ekel seyn. Nicht selten entlehnte man daher die Gestalten der Heiligen von den niedrigsten Pilgrimmen, Einsiedlern und andern Bettlern dieser Art. Wenn die Alten ihre Statuen in thaͤtige Be- wegung setz- ten, so war dieser Aus- druck stets bestimmt und vollstaͤndig erklaͤrbar; die Neueren liefern mei- stens nur academische Stellungen. Mit dem pathalogischen Ausdruck, den die Neue- ren beinahe in allen ihren Statuen dem physiognomi- schen vorgezogen haben, hat es in der Sculptur, wie schon oͤfterer bemerkt ist, seine eigenen Bedenklichkei- ten. Selten besteht damit der Eindruck des Wohl- geordneten und leicht zu Fassenden, der dem Gefuͤhl der Wohlgefaͤlligkeit der Formen zur Grundlage dient. Gegen eine Figur in Affekt haben die Alten zehn in Ruhe gebildet. Aber wenn sie auch zuweilen (und zwar hauptsaͤchlich, um dem Meissel Veranlassung zu geben, seine Kunst in der Darstellung des Muskeln- spiels zu zeigen:) den Koͤrper in thaͤtige Anstrengung versetzt haben, so ist doch wenigstens dieser patha- logische Ausdruck zu gleicher Zeit hinreichend motivirt, deutlich und erklaͤrbar. Man erinnere sich, was ich bei dem Pallaste der Farnesina in diesem Theile meines Buchs von dem Unterschiede zwischen dem analogisch lyrischen Aus- druck in der Bildhauerei. druck des Affekts, und dem analogisch dramatischen gesagt habe. Der erste ist allemal durch sich selbst verstaͤndlich. Die Absicht, in der die Seele dem Koͤrper eine gewisse Richtung giebt, beruht auf einer so allgemein bekannten Situation, oder affektvollen Fassung der Seele, daß der Beschauer uͤber die Frage, was sie in dem besondern Falle veranlaßt haben koͤnne, freiwillig weggeht. Der lachende Faun, die schwer- muͤthige Elektra sind von dieser Art. Gesetzt aber auch die Vorstellung ist dramatisch, das heißt, das Bild will mir mit der affektvollen Fassung zu gleicher Zeit die concurrirenden Umstaͤnde wissen lassen, deren Folge sie ist; so haben die Alten diese dramatische Vorstellung doch immer so gewaͤhlt, daß die Lage der einzelnen Figur, oder die Zusammenstellung derselben mit einem Gegenstande von geringem Umfange zu gleicher Zeit die Exposition und die Aktion, oder, so zu sagen, den Prologus und den Exodus der alten Tragiker enthielte. Ein Verwundeter, der seine letzten Kraͤfte an- strengt, um sich in die Hoͤhe zu richten: eine im Aus- fall gestreckte Figur mit Schild und Degen: ein Al- ter, der ihn umwindende Schlangen abwehrt, In einer Landschaft von Poussin sehen wir eine solche Vorstellung. Es ist nicht Laocoon; es ist ein Mann, der von Schlangen angefallen ist. Mehr wissen wir von ihm nicht, aber es ist genung, um seine Lage zu verstehen und zu fuͤhlen. sind lauter einzelne Figuren, die eine vollstaͤndig deutliche Handlung mit Ursach und Wuͤrkung dem bloßen Auge darbieten. N 2 Bei- Ueber die Kennz. des Kirchenstils Beinahe alle neueren Statuen haben nun einen pathalogischen Ausdruck: d. h. ihr Koͤrper zeigt eine Anstrengung, die auf eine thaͤtige Lage der Seele schließen laͤßt; aber zum Ungluͤck wissen wir selten, was sie mit ihrer Thaͤtigkeit intendiret. Es sind groͤß- tentheils bloße akademische Stellungen nach der Regel des Contraposto geordnet. Der Kuͤnstler, der sie darin versetzt hat, hatte keine andere Absicht, als eine wohl- gefaͤllige Abwechselung in die Lage der Glieder zu brin- gen. Die Absicht gehoͤrte also ihm, nicht dem le- benden Wesen in der Figur. Wenn der eine Arm ausgestreckt ist, so muß der andere sich zuruͤckziehen: tritt das eine Beine vor, so muß das andere zuruͤck- weichen: beugt sich der Obertheil des Koͤrpers auf die rechte Seite, so muß sich der untere auf die linke wen- den. Sehr selten wissen wir warum? Der Kuͤnstler rechnet oft zur Verstaͤndigung die- ser besondern Thaͤtigkeit auf unsere Vorerkenntnisse von den Lebensumstaͤnden seines Helden; aber er soll nur in sofern darauf rechnen, als die Situation aus der Geschichte einen an sich durch den bloßen Anblick erklaͤrbaren Ausdruck motivirt. Der weinende Petrus kann von jedermann verstanden und gefuͤhlt werden, es ist die Darstellung e ine r allgemein bekannten leiden- schaftlichen Fassung der Seele; aber eben dieser Hei- lige, der in den dritten Himmel entzuͤckt wird, macht eine viel zu particulaire Situation aus, als daß wir bei der Auslegung des Ausdrucks, bei der Pruͤfung seiner Billigkeit nicht leicht in die Irre gefuͤhret wer- den sollten. Dazu koͤmmt, daß die Legenden der Heiligen ge- meiniglich dem Inhalte und der Schreibart nach viel zu in der Bildhauerei. zu uninteressant sind, um einem Manne von Ge- schmack anmuthen zu koͤnnen, sich damit bekannt zu machen. Ein Vorzug, dem die neueren Bildhauer vor Letztes Unter- scheidungs- zeichen des Stils der al- ten Bild- hauer von dem der Neueren: diese streben mit ihren Werken aus rundem Steine zu sehr der Wuͤrkung eines flachen Gemaͤhldes nach. jedem andern nachgestrebt haben, besteht in der mah- lerischen Wuͤrkung der Bildhauerarbeit. Ich habe schon mehrere Male gesagt: daß mahlerische Wuͤr- kung von Einheit und Abwechselung in Farben, For- men und Helldunkeln abhaͤnge. Keines von diesen drei Stuͤcken darf zur wahren mahlerischen Wuͤrkung fehlen, und die Farben machen ein Hauptingredienz derselben aus. Inzwischen muß sich die Sculptur, wenn sie anders nicht in bloße Spielerei, in kindische Nachaͤffung verfallen will, die uns ihre Unvollkom- menheit in diesem Stuͤcke eher auffallend macht, als zu verstecken im Stande ist, ganz enthalten. Schon aus diesem Grunde erhellet, daß man ihr mahlerische Wuͤrkung nur unvollstaͤndig einraͤumen koͤnne, und sie blos auf die Wuͤrkung des Helldunkeln, und der eigentlichen Gruppirung einschraͤnken muͤsse. Daß diese eingeschraͤnktere Art durch das Wohl- gefaͤllige der eigentlichen Bestandtheile des Scheins, oder durch den angenehmen Eindruck der Masse bei dem ersten Anblicke zu ruͤhren, kein gleichguͤltiger Zu- satz zu unserm Vergnuͤgen sey, ist nicht zu leugnen. Die Alten haben diese Art mahlerischer Wuͤrkung be- sorgt, an mehreren Statuen der Neueren thut sie die gewuͤnschte Wuͤrkung. Es koͤmmt auf den Ort der Aufstellung, auf die Art wie das Licht geleitet wird, auf die Lage der Glieder unendlich viel an, ob unser Auge den Begriff des Ganzen mit Leichtigkeit faßt, auf die interessantesten Theile zuerst gezogen, und im N 3 Detail Ueber die Kennz. des Kirchenstils Detail angenehm unterhalten wird. Der Jupiter Verospi thut bei Tage wenig Wuͤrkung, und bei der hoch gehaltenen Fackel am Abend sehr viel: Warum? Weil das Auge gleich die großen Massen von Schat- ten von den hellen Partien absondert, von diesen hellen, welche die schoͤnsten sind, zuerst angezogen wird, und nun, ohne Nachtheil fuͤr das schon ge- ordnete Ganze, gern bei dem Einzelnen verweilet. Wer wird es leugnen wollen, daß die abwech- selnde Lage der Glieder im Laocoon, die sich zu einer leicht zu umfassenden Form vereinigen, dem Auge angenehmer sey, als die gar zu einfoͤrmige Stellung der Pallas Giustiniani? Naͤhere Be- stimmung des Herder- schen Grund- satzes: die Sculptur arbeitet fuͤrs tastende Ge- fuͤhl. Darf ich nicht glauben, daß diese Erfahrungen schon allein den vielleicht nur zu weit getriebenen Grundsatz widerlegen, daß die Sculptur fuͤrs ta- stende Gefuͤhl arbeite? Herr Herder hat diesen in seiner Plastik (Riga 1778.) festzusetzen gesucht. Aber so viel Verehrung ich auch fuͤr diesen scharf- sinnigen Gelehrten habe, so glaube ich doch, daß es ihm zu sehr an praktischen Vorerkenntnissen in der Kunst fehle, als daß seine Saͤtze und die dar- aus gezogenen Folgerungen nicht das Gepraͤge bloßer Speculationen an sich tragen sollten. Mich duͤnkt unsere Sinne werden zu fruͤh gewoͤhnt, sich wechselseitig zu Huͤlfe zu kommen, als daß wir in der Epoche unsers Lebens, wo wir die Kuͤnste zu genießen anfangen, dem Auge befehlen koͤnnten, der Hand nicht weiter ins Amt zu greifen. Auch sey es mir erlaubt zu bemerken, daß die tastende Hand des Blinden zwar uͤber die Wahrheit der Koͤrper von geringerem Umfange urtheilen, von der Aber in der Bildhauerei. Aber dies Vergnuͤgen muß nie mit Aufopferung wesentlicherer Anspruͤche besorget werden, die der Be- N 4 schauer der eigentlichen Schoͤnheit der Formen aber, welche auf Uebereinstimmung vieler Theile zu einem Gan- zen beruht, und eine gleichzeitige Beaͤugung vor- aussetzt, schwerlich einen richtigen Begriff erhalten moͤge: vorzuͤglich bei Koͤrpern von groͤßerem Um- fange. Daß die Statue in allen Faͤllen, wo wir, so zu sagen, einen Koͤrper mit der Hand greifen moͤchten, die Pruͤfung des tastenden Gefuͤhls muͤsse bestehen koͤnnen, ist augenscheinlich gewiß: und dies ist eine schoͤne Bemerkung, die wir Herrn Herder verdanken. Allein außerdem daß der an- genehme Eindruck einer Statue noch von etwas mehr abhaͤngt als von der bloßen Illusion, so ist es auch sicher, daß selbst diese durch das tastende Gefuͤhl allein nicht absolviret wird. Die Wahrnehmung der Verhaͤltnisse ist ein Haupt- ingredienz des Gefuͤhls der Wahrscheinlichkeit, und diese wird die nach und nach oder progressiv fort- schreitende Hand schwerlich genau ausfinden. Die Anekdoten von blinden Plastikern sind viel zu unzu- verlaͤßig, als daß man einen Gegenbeweis daraus fuͤhren koͤnnte. Sind es Blindgebohrne gewesen? Haben sie nicht von fremden Augen Lehren uͤber blos sichtbare Verhaͤltnisse erhalten? Und dann: was haben sie geliefert? Bildnisse, Copien, und zwar von Koͤpfen, nicht von ganzen Figuren. Auch scheinen die Folgerungen, die Herr Herder aus diesem Grundsatze herleitet, zu weit getrieben, lassen sich aus andern concurrirenden Ursachen leichter erklaͤren, und haben zum Theil die Erfah- rung wider sich. Am sichersten geht man, wie ich glaube, Ueber die Kennz. des Kirchenstils schauer an Wahrheit und Schoͤnheit einzelner Theile zu machen berechtigt ist. Nie muß der bloßen Ab- wechselung ohne begleitende und die einzelnen Theile vereinigende Ordnung nachgestellet werden. Dies ist der Fehler in den die neueren Kuͤnstler gefallen sind. Sie haben vergessen, daß der Mahler dem Beschauer nur ein Profil seiner durch Licht und Schatten geruͤndeten Figuren zeigt, und daß der an- schauende Blick nur dieses pruͤfen koͤnne, um sich von der Wahrheit der Formen zu uͤberzeugen; daß hin- gegen der Blick, der die Wahrheit der Form an der wuͤrklich runden Statue untersucht, nach Art der be- tastenden Hand verfaͤhrt, sich bald ausdehnt, bald zuruͤckzieht, bald von dieser, bald von jener Seite herumwendet, mithin den runden Koͤrper in mehr als glaube, wenn man Herrn Herders Satz als eine sehr brauchbare Regel, aber nicht in allen Faͤllen, nicht als die einzige annimmt, nach der sich der Bildhauer zu richten habe. Dieser bilde nicht fuͤr den blos anschauenden allein, sondern zugleich fuͤr den betastenden Blick: das heißt, wenn der An- blick, das eigentliche Anschauen seines Werks der Eindruck der Schoͤnheit, der Uebereinstimmung der leicht zu fassenden Ordnung, der Abwechselung und Einheit auf das Auge gemacht hat, so rechne er darauf, daß dies naͤmliche Auge nun auch uͤber Treue und Wahrheit, die es vorzuͤglich aus den Modificationen der Ruͤndung eines jeden Thals wahrnimmt, urtheilen will: daß es mithin das Detail nun analogisch betastet, es aus mehreren Profilen beschauet, und sich rund an dem Kerper herwendet. in der Bildhauerei. als einem Profile sieht. Wie oft ist es nun hier ge- schehen, daß der Bildhauer, weil er zu sehr auf einen festen Gesichtspunkt von dem Beschauer rech- nete, daraus die Umrisse recht in den Grund ver- schmolzen, Licht und Schatten recht abwechselnd er- scheinen lassen wollte, aus allen uͤbrigen unwahr werden mußte! Wie oft wird ein Arm im neueren Geschmack des Bernini von der einen Seite weiches Fleisch, und von der andern ein unfoͤrmlicher Wachs- klumpe! Wie oft ein Gewand im Geschmack desselben Meisters von der einen Seite ein Flor, und von der andern eine willkuͤhrlich gereifte Steinmasse. Ein Werk von runder Bilderei, kann aus einem Gesichtspunkte schoͤner als aus dem andern seyn: aber es muß aus allen gleich wahr erscheinen. Ferner! Man haͤtte bedenken sollen, daß es Koͤr- per giebt, bei denen die Farbe ein wesentliches Merk- mal ihrer Verschiedenheit von andern Koͤrpern aus- macht: daß die innere Beschaffenheit dieser Farben, je nachdem sie mehr oder weniger Lichtstrahlen auf- fangen, auch gewisse Theile mehr hervorstechend, an- dere mehr zuruͤckweichend darstellen. Wenn wir jetzt an so mancher neueren Statue das flatternde Haar, den wallenden Bart, mit so vieler Liebe besorgt sehen, und um mahlerische Wuͤrkung hervorzubringen, mit anscheinender Unordnung in große Gruppen gelegt finden, die einem Netz gleich das Licht und den Schat- ten auffangen; so wird das Auge mehr auf die Be- deckung des Antlitzes, als auf das Antlitz selbst ge- zogen, und wenn auch das marmorne Haar nicht dar- uͤber zu Kletten werden sollte, so schadet doch das zu besorgte Nebenwerk dem Eindruck des Haupttheils. N 5 Aus Ueber die Kennz. des Kirchenstils Aus eben dieser laͤcherlichen Anmaaßung mit Marmor mahlen zu wollen, sind nun auch die schlaf- fen Formen entstanden, die Bernini und seine Schuͤ- ler von den fleischigten Weibern des Rubens fuͤr ihre weiblichen Statuen entlehnt haben. Sie haben ge- glaubt, wahres Fleisch zu bilden, und haben verges- sen, daß dieses nicht schlaff, sondern elastisch ist, und daß die blos convexen Formen gerade den Ueberdruß verbreiten muͤßten, den zu vermeiden sie so aͤngstlich bemuͤht waren. Endlich haben sie gesehen, daß in Gemaͤhlden von groͤßerer Composition Abwechselung in den Stel- lungen nothwendig wurde, theils der Gruppirung we- gen, theils auch die Einfoͤrmigkeit zu unterbrechen. Ohne diesen wahren Zweck des Contraposto zu beden- ken, haben sie ihn nun auf die abentheuerlichste Weise in ihre einzelnen Figuren uͤbertragen. Wie oft ist seitdem uͤber die unnatuͤrliche, unerklaͤrbare Drehung des Koͤrpers, die Idee von zweckmaͤssiger Ordnung verloren gegangen, ohne welche Schoͤnheit und Wahr- heit nicht bestehen koͤnnen! Erlaͤutern- des Beispiel einer Statue im neueren Kirchenstile. So’ wuͤrden denn die Hauptunterscheidungszei- chen des Kirchenstils in der Sculptur aus ihren Grundursachen hergeleitet, und zu gleicher Zeit be- stimmt seyn. Er hat verschiedene Epochen gehabt, in denen man sich weniger oder mehr von dem Stile der Alten entfernt hat. Von den besondern Stilen der hauptsaͤchlichsten neueren Meister, werde ich bei Gelegenheit noch weiter reden. Auszeichnungsweise kann man aber denjenigen Stil, der aus dem Algar- dischen in der Bildhauerei. dischen und Berninischen zusammengesetzt ist, und den le Gros, Puget, Monnot, Raggi, Mazzuoli, Fer- rata, Rusconi, und so weiter, angenommen haben, den Kirchenstil nennen, weil er in den Bildhauerwer- ken, welche die Kirchen zieren, am haͤufigsten ange- troffen wird. Eine Figur also mit einer particulair individuel- len Bildung, einer verzerrten oder unbedeutend reizen- den Mine, einer academischen, nach den Regeln des Contraposto angeordneten Stellung, einer raͤthselhaf- ten Bewegung, knoͤchernen und magern oder wachs- aͤhnlichen glatten Formen, ohne auffallende Incor- rektionen in der Zeichnung, eingehuͤllet in ein Gewand, in welches sich noch vier andere mit ihr huͤllen koͤnnten, und mit unverkennbarer Ruͤcksicht auf mahlerische Wuͤr- kung gearbeitet, — ist eine Statue im Kirchenstile: ein Werk das auf den ersten Blick durch Wuͤrkung des Ganzen frappirt, aber bei der Pruͤfung des De- tails kein anderes Vergnuͤgen nachlaͤßt, als der Be- wunderung des kuͤnstlich behandelten Marmors, und einer Treue, die an die Haupttheile so wie an die Ne- bensachen verschwendet ist. Falconet, das sind deine Goͤtter! Ich habe schon an einer andern Stelle gesagt, daß wir dem Cardinal Albani, wo nicht die Ausrottung dieses Stils, wenigstens den Sieg des wahren Ge- schmacks uͤber den falschen schuldig sind. Seitdem sind einige neuere Kuͤnstler aufgestanden, die sich dem Stil der Alten mehr genaͤhert haben. Allein die Verblendung der Franzoͤsischen Schule dauert noch fort. Natur! Natur! rufen sie, und ver- gessen Ueber Ueber die Unterscheidungszeichen Ueber die Unterscheidungszeichen des Kirchenstils in der Mahlerei. Die neueren Kuͤnstler, wel- che haupt- saͤchlich fuͤr Kirchen ge- arbeitet ha- ben, haben uͤber die Sor- ge fuͤr dieje- nigen Theile, welche eine große Com- position zu einem wohl- gefaͤlligen Ganzen ma- chen, die Er- fordernisse der Schoͤn- heit und Wahrheit im Einzelnen vergessen. D as Charakteristische des Kirchenstils in der Mahlerei beruhet hauptsaͤchlich in dem Fehler, daß die Nachfolger des Andrea Sacchi, und Pietro da Cortona den angenehmen Eindruck des bloßen Scheins, der eigentlichen mahlerischen Wuͤrkung, auf Kosten der Wahrheit und Schoͤnheit im Einzelnen verfolgt haben. Da die Flaͤchen, welche die Kuͤnstler in den Kir- chen zu bedecken hatten, von großem Umfange wa- ren, so strebten sie vorzuͤglich nach Vollkommenheit in den Theilen der Mahlerei, welche ein großes Ganze dem ersten Anblick wohlgefaͤllig machen. Welches diese gessen, daß es auch eine ausgesonderte Natur, eine vernuͤnftige Auswahl in den Gegenstaͤnden der Treue giebt. Zu meiner Zeit that sich ein junger Kuͤnstler, ein Venetianer, Canova genannt, (der vielleicht mit der Zeit die Ehre der alten Kunst auf die Neueren bringen kann,) durch zwei Werke her- vor. Das erste hatte er in Venedig gearbeitet, ehe er die Antike kannte. Es stellte den Daͤdalus vor, der seinem Sohne die Fluͤgel anbindet: Das Ver- dienst daran war treue Nachbildung der Natur. Die Franzoͤsische Academie schrie: Wunder! Bald darauf bildete derselbe Kuͤnstler einen Theseus, der auf dem erschlagenen Minotaur ruhet. Die Haupt- figur war im Stile der Antike gedacht, und die Franzosen glaubten, das junge Genie sey verloren. des Kirchenstils in der Mahlerei. diese Theile sind, habe ich schon fruͤher gesagt, und werde es bei Gelegenheit meiner Anmerkungen uͤber die Kirche St. Remualdo noch weiter ausfuͤhren. Hier will ich nur einige Kennzeichen des Kirchenstils im Allgemeinen vorausschicken. Alle Werke dieser Art treffen darin zusammen, daß die poetische Erfindung gemeiniglich schlecht ist, dagegen die mahlerische Anordnung desto besser: daß der Ausdruck in den Minen unbedeutend ist, hinge- gen in den Stellungen uͤbertrieben und anmaaßend geziert: daß kein gemeinschaftlicher Antheil an einer Handlung die Figuren verbindet, sondern blos die Regel des Contraposto und der Gruppirung: daß die Nebenfiguren den Hauptfiguren selten aufgeopfert sind: daß man beinahe alle Glieder in Verkuͤrzung sieht; daß die Gewaͤnder das Nackende nicht anzei- gen: daß das Colorit nach der Palette ausgedacht ist: daß man das Helldunkle mit der bloßen Abwech- selung von Licht und Schatten verwechselt hat: und endlich daß sich durchaus keines dieser Werke uͤber die Harmonie einer seligen Mittelmaͤßigkeit in den einzel- nen Theilen der Zeichnung des Colorits und des Hell- dunkeln hervorhebt. Inzwischen muͤssen die Kuͤnstler in der Epoche von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an, bis auf Mengs, welches die eigentliche Lebenszeit des Kir- chenstils (hoffentlich) gewesen ist, noch in drei Bran- Drei Bran- chen des Kir- chenstils wer- den beson- ders bezeich- net. chen abgetheilt werden, die sich durch besondere cha- rakteristische Kennzeichen von einander abgesondert haben. — Einige Ueber die Unterscheidungszeichen Einige sind blos der Manier des Pietro da Cor- tona gefolgt, und haben sie noch verschlimmert. Dies sind die eigentlichen Mahler con Brio, spirito e fuoco, an deren Spitze Luca Giordano, Solime- ne, Corrado, Tiepolo stehen, und deren Troß die ganze neuere Venetianische, Neapolitanische Schule, und ein Theil der Franzoͤsichen seit le Moine, in Deutschland aber die Augsburgische Academie aus- macht. Diese haben sich so wenig um Wahrheit und Richtigkeit bekuͤmmert, daß sie auch sogar den Schein derselben vernachlaͤssigt haben. Ihre Contouren sind auseinandergeflossen, die Gewaͤnder in willkuͤhrliche Falten geworfen, die Farben und die Lichter willkuͤhr- lich geleitet. Dagegen aber herrscht große Harmonie im Ton der Farbe, das Helldunkle ist aͤusserst pikant, die Figuren haben einen repraͤsentirenden Ausdruck, die Weiber besonders buhlerische Reize, und das Ganze scheint wie ein Hauch auf die Flaͤche gezaubert In Werken, die nicht fuͤr Kirchen bestimmt gewe- sen sind, kann man den Stil dieser Meister auch an den witzigen Allegorien ohne Vernunft, die sie so oft zur Darstellung, besonders an Plafonds, ge- waͤhlt haben, wieder erkennen. . Die andern sind dem Stile der Carracci treuer geblieben. Sie haben sich angelegen seyn lassen, durch keine auffallende Fehler in der Zeichnung zu be- leidigen, bei der Wahl der Formen zuweilen die ge- meine Natur zu Rathe zu ziehen, große Massen von Falten in den Gewaͤndern anzubringen, und ihre Gruppen gut anzuordnen. Dagegen ist auch ihre Behand- des Kirchenstils in der Mahlerei. Behandlung weniger leicht, und ihr Colorit matter, als bei jenen. Carlo Maratti, Costanzi, Cignani, der groͤßte Theil der neueren Roͤmischen und Bolo- gnesischen Schule, unter der Franzoͤsischen einige aͤltere Mahler, Mignard, Boulogne, Soubleyras u. s. w. sind dieser Manier gefolgt. Endlich haben einige Kuͤnstler beide Manieren mit einander zu verbinden gesucht, und zu diesem rechne ich Benedetto Lutti, Pompeo Battoni Unstreitig der beste von diesem Geschwader. und einen großen Theil der Franzoͤsischen und der neueren Deutschen Schule. O Imitatores, servum pecus! Wie groß erscheint unser Landsmann Mengs, wenn wir ihn nach diesen Menschen nennen! Anmer- Anmerkungen Anmerkungen uͤber die einzelnen Kirchen. I ch gehe nun zur Pruͤfung einiger Kunstwerke in verschiedenen einzelnen Kirchen uͤber. Eine sehr detaillirte Anzeige liegt aber, wie schon oft gesagt ist, außer meinem Zweck: vorzuͤglich wo bereits Beschrei- bungen vorhanden sind. Ich verweise meine Leser theils auf das, was Hr. Dr. Volkmann in seinen historisch kritischen Nachrichten uͤber Italien Ed. 1777 im 2ten Theile uͤber die Kirchen von Rom aufgezeich- net hat, theils auf folgendes Buch: Descrizione delle Pitture, Sculture e Architetture esposte al Pubblico in Roma, da Filippo Titi. Ich habe eine neuere Edition mit Zusaͤtzen, vom Jahre 1763, vor mir. Beide Schriftsteller will ich zum Grunde legen, und die Nachrichten des ersten bei Wegelang zu berichtigen suchen. Mit der St. Peterskirche mache ich den Anfang, da sie die Neugierde des Liebhabers zuerst zu reizen pflegt. Nachher will ich der alphabetischen Ordnung folgen, weil es mir nun nicht mehr darauf ankoͤmmt, den Liebhaber stusenweise von gewissen Ideen zu an- dern fortzufuͤhren. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die St. Peterskirche. Hr. D. Volkmann S. 62. Titi P. I. D ies merkwuͤrdigste unter allen neueren Gebaͤuden in Ruͤcksicht auf Baukunst, scheint in Anse- hung der Mahlerei und Bildhauerkunst nicht einen ganz gleichen Anspruch auf die Aufmerksamkeit des Liebhabers zu verdienen. Diese haben sich, gefaͤlli- gen Schwestern gleich, mit ihrer Schoͤnheit hinter die Baukunst zuruͤckgezogen, und dieser nur ihren Schmuck geliehen, damit ihre eigene besser zu zieren. Zwei Stuͤcke dieses von den verschwisterten Kuͤn- sten entlehnten Schmucks dienen dem Gebaͤude beson- ders zur Verschoͤnerung. Die Gemaͤhlde in Mosaik, und die Statuen an den Grabmaͤlern oder Monu- menten. Ueber beide muß ich einige Bemerkungen voraus- schicken. Mosaische, oder besser Musivische Gemaͤhlde Bemerkun- gen uͤber die Mosaische oder besser Musivische Mahlerei. (von dem Lateinischen Worte opus Musivum ) sind, wie bekannt ist, Mahlereien, welche durch Zusammensetzung feiner Glasstifte von verschiedenen Farben verfertigt werden. Es ist mir unbegreiflich, wie der Herr von Scheib in seinem Koͤremon S. 393. im 2ten Theile. habe sagen koͤnnen; „daß diese „Gemaͤhlde so vortrefflich in Mosaik glaͤnzten, als sie „kunstreich auf ihrer Leinewand erschienen; daß sie das „Auge der scharfsinnigsten Kenner entzuͤckten u. s. w. Mit Dritter Theil. O Anmerkungen Mit aller Billigkeit beurtheilt koͤnnen Mahle- reien dieser Art nie fuͤr Werke der schoͤnen Kunst gel- ten, es sind Kunststuͤcke, unvergleichliche Handwer- kerarbeiten, an denen man den Kunstfleiß nicht ge- nung bewundern kann, welche als architektonische Verzierungen des Innern eines großen Gebaͤudes ei- nen vorzuͤglichen Werth haben, und den zufaͤlligen fuͤr die Nachkommen haben koͤnnen, ihnen gewisse Ideen uͤber die Art, wie wir ein großes Ganze gefaͤllig an- ordneten und beleuchteten, sicherer zu uͤberliefern. Aber als fuͤr sich bestehende, treue und schoͤne Nach- bildungen der Natur, duͤrfen und koͤnnen sie nicht angesehen werden. Andere vor mir Hr. D. Volkmann S. 677. und Koͤremon, S. 388. im 2ten Theile. Peretti Lexicon der bildenden Kuͤnste, in dem Anhange: von verschiedenen Arten der Mahlerei S. 41. haben die mechanische Ver- fahrungsart bei Verfertigung mosaischer Gemaͤhlde umstaͤndlich beschrieben, und ich will hier nur in so fern einige Nachrichten daruͤber in Erinnerung brin- gen, als sie noͤthig sind, mein Urtheil zu rechtfertigen. Mosaische Gemaͤhlde sind immer Copien nach Gemaͤhlden in Oel, oder nach Cartons in Wasser- farben, welche eigends zu dieser Nachbildung eben so ausfuͤhrlich verfertigt worden, als sie nachher in Mo- saik gebracht werden sollen. Denn daß man Origi- nale nach bloßen Skizzen, oder gar nach Zeichnungen in dieser Art von Mahlerei verfertigen koͤnne, laͤßt sich bei der stuͤckweisen und langsamen Behandlung, wobei der Effekt des Ganzen nicht so zu uͤbersehen ist, kaum uͤber die einzelnen Kirchen. kaum denken. Selten aber wird sich der Kuͤnstler, der Genie genung hat, eine eigene Erfindung zu ent- werfen, zu einer so tedieusen Ausfuͤhrung, als das Mosaik erfordert, verstehen. Der Kuͤnstler also, der ein Original, oder einen ausgefuͤhrten Carton in Mosaik bringen will, sucht sich zuerst eine genaue Zeichnung von seinem Originale in gleicher Groͤße mit diesem zu verschaffen. Dann stellt er das Original selbst sich zur Seite, und gerade vor sich hin eine steinerne Platte auf. Nachher wird ein Netz von Quadraten uͤber das Original gezogen und eben ein solches auch uͤber die Zeichnung und uͤber die steinerne Flaͤche. Die Quadrate sind saͤmmtlich numerirt, und correspondiren in ihren Nummern auf allen drei Flaͤchen. In der Naͤhe hat der Arbeiter sein Kaͤstchen mit den Stiften von verglaseter Compo- sition, die in sehr verschiedenen Nuͤancen, jeder zwei Zoll lang und ohngefaͤhr drei Linien eines Zolls ins Ge- vierte breit, in eben so viel verschiedenen Faͤchern liegen. Nun faͤngt der Kuͤnstler seine Arbeit an: bringt z. E. auf das Quadrat nr. 1. so viel Kitt, als er den Tag mit Stiften besetzen zu koͤnnen glaubt: denn wuͤrde er viel mehr nehmen, so laͤuft er Gefahr, daß der Kitt vertrockne, und die Stifte nicht halten. Auf diesen Kitt traͤgt er die Zeichnung des Quadrats nr. 1. von seiner Vorzeichnung, welche der Bequemlichkeit des Auflegens wegen in mehrere Stuͤcke getheilt zu seyn pflegt. Er staͤubt sie entweder durch, oder druͤckt sie mit einem Griffel ein. Endlich richtet er sich in Ansehung der Farben nach dem Quadrate nr. 1. auf O 2 dem Anmerkungen dem Originalgemaͤhlde, Peretti giebt eine andere Verfahrungsart an, die sich aber nicht wohl denken laͤßt. indem er er eine Nuͤance von Stiften neben der andern in den weichen Kitt einfugt. So wie ein Quadrat fertig ist, geht der Arbeiter zu dem folgenden uͤber; zuweilen arbeiten auch meh- rere zu gleicher Zeit an verschiedenen Quadraten; und endlich, nachdem das Ganze geendigt ist, wird es, falls nicht die Stuͤcke bestimmt sind, an einem Pla- fond befestiget zu werden, mit feinem Schmergel und Wasser polirt. Wenn nun schon jede Copie an Harmonie des Ganzen und zuverlaͤßiger Behandlung des Details verliert: so sieht man, wie besonders bei dieser Ver- fahrungsart jene Maͤngel noch vergroͤßert und mit neuen vermehrt werden muͤssen. Wie laͤßt sich ein freier Schwung bei Umrissen denken, die so abgebrochen und stuͤckweise angelegt wer- den! Wie Bestimmtheit der Zeichnung bei Stiften, die, wenn sie auch noch so verschieden an Form sind, in die feine Linie des im Originale dem Auge des Be- schauers oft ganz entzogenen Contours nicht gleichmaͤs- sig passen koͤnnen! Wenn also auch die Kuͤnstler, die bei diesen Arbeiten gebraucht werden, einen Raphael in der Zeichnung uͤbertraͤfen, (sie sind aber gemeini- glich sehr unwissend in der Zeichnung,) so wuͤrden sie doch nie im Stande seyn, ihre Staͤrke darin bei einer so widerstrebenden Verfahrungsart zu zeigen. Aus eben diesem Grunde muß auch die Wahrheit des Ausdrucks verloren gehen, die auf Bestimmtheit der uͤber die einzelnen Kirchen. der Zeichnung vorzuͤglich in den kleinern Theilen des Gesichts beruhet, welche mit den ziemlich breiten Stiften aͤußerst unvollstaͤndig und unzusammenhaͤn- gend dargestellt werden. An Wahrheit des Colorits ist so wenig als an Harmonie desselben zu denken. Colorit ist Farben- mischung, Modification einer Localfarbe von dem hoͤchsten Grade des Lichts an, bis in den tiefsten Schatten. Man spricht von 3000 Nuͤancen der musivischen Farben: Ich bin uͤberzeugt, daß Tizian eine diese Anzahl weit uͤbersteigende Menge zur Faͤr- bung eines einzigen Kopfes gebraucht hat. Jeder Pinselstrich ist fuͤr den geschickten Coloristen eine neue Nuͤance: und wo der Mosaikenmahler, seiner Mei- nung nach, zwei sich genau vermaͤhlende Farben an einander gesetzt hat, da wuͤrde der Mahler in Oel blos durch das Vertreiben der einen in die andere, wieder eine dritte schaffen. Nimmer laufen daher die Schattirungen so in einander, daß man den An- fang und das Ende nicht deutlich erkennen sollte. Das Aufblicken des Lichts, die Drucker im Schatten, die kecke Andeutung der Haare und der Falten der Haut, den Schmelz der Farben, das sfumato, kurz! alle Kunstgriffe der Behandlung des Pinsels, welche die Franzosen le faire nennen, druͤckt das Mosaik ent- weder gar nicht oder hoͤchst unvollkommen aus. Wahre Harmonie ist gleichfalls von einem so stuͤckweisen Auftrage der Farben nicht zu erwarten. Nun nehme man hinzu: die Fugen die allemal zwischen den Stiften bleiben, und fuͤr gute Augen, in der Entfernung, worin ein Gemaͤhlde beurtheilt werden muß, immer ein Steinpflaster bilden: den O 3 falschen Anmerkungen falschen Widerschein der Glaͤtte, welcher verhindert, die Figuren anders als aus einem Gesichtspunkte zu erkennen; — Genung! Ein Gemaͤhlde in Mosaik ist die schoͤnste Tapete eines großen Gebaͤudes, gemacht die Flaͤchen der Waͤnde bequem zu fuͤllen, und den Eindruck von Pracht und Dauerhaftigkeit, den ein Gebaͤude geben muß, durch den Ruͤckblick auf die Geschicklichkeit des Kuͤnstlers, und die Festigkeit und Kostbarkeit der Materie zu erhoͤhen. Doch! ich will noch billiger seyn: Mosaiken koͤnnen schaͤtzbare Ueberlieferungen solcher Gemaͤhlde werden, deren Hauptvorzug in den Theilen besteht, die ein großes Ganze dem ersten Anblick wohlgefaͤllig machen. Sie geben uns die gute Anordnung der Gruppen des Vorbildes, den Gedanken der Stel- lung einzelner Figuren, den Stil der Gewaͤnder, die Wahl des herrschenden Tons der Farbe und des Lichts, die Leitung dieses letztern ziemlich getreu wieder. Aber an Schoͤnheit und Wahrheit des Details ist nicht zu denken. Und so wuͤrde sich das bestaͤtigen, was ich an einem andern Orte bereits geaͤußert habe: Die musi- vische Mahlerei steht auf der Graͤnze zwischen dem schoͤnen Kunstwerke und der bloßen Handwerkerarbeit. Sie hat einen gegruͤndeten Anspruch auf unsere dank- bare Verehrung, weil sie die sinnliche Erinnerung manches Gemaͤhldes erhaͤlt, dessen leicht zu zerstoͤ- render Stoff nach Verlauf von einigen Jahren, nicht einst den Schatten seiner ehemaligen Vortrefflichkeit zeigen wird. Dadurch erhaͤlt sie den Vorzug vor den tapisseries des Gobelins, sie erhaͤlt ihn aber auch dadurch, daß sie fuͤr ein festes, massives, und in uͤber die einzelnen Kirchen. in allen seinen Theilen praͤchtiges Gebaͤude, einen mehr harmonirenden Schmuck abgiebt. Ich komme nun zu der Bildhauerarbeit an Etwas uͤber Denkmaͤler, Ehrensaͤulen und Grab- maͤler. Monumenten. Monument, Denkmal, scheint mir von zweier- lei Art seyn zu koͤnnen. Die oͤffentliche Achtung hat es aufgerichtet, und zwar an einem Orte, wo es das Auge des Publicums zur Dankbarkeit und Nacheife- rung auf sich ziehen soll; dann nenne ich es Ehren- saͤule, und darauf hat der große Mann im Leben wie noch dem Tode Anrecht. Je simpler eine solche Ehrensaͤule ist, um desto mehr scheint sie den Begriff der Groͤße auszufuͤllen, die sich ohne Einfachheit, oder wenn man lieber will, Einfalt, nicht denken laͤßt. Jede bezeichnende Alle- gorie scheint ihm etwas zu entziehen: es waͤre denn, daß sie irgend eine merkwuͤrdige Handlung zu gleicher Zeit mit dem Charakter des großen Mannes auf die Nachwelt braͤchte, oder daß der wohlgefaͤllige Ein- druck der Form ansehnlich dabei gewoͤnne. Sonst ist der bloße Nahme ein sattsam treuer und verstaͤnd- licher Ueberlieferer der großen Eigenschaften der Ge- stalt; ein Text, den die Bewunderung des Volks von einer Generation zur andern commentirt. Monumente, Denkmaͤler in Kirchen, auf Kirch- hoͤfen, sind aber von anderer Art. Ordentlicher Weise errichtet diese nicht die Achtung des Volks, sondern die Anhaͤnglichkeit der Freunde, der naͤchsten Verwandte: und es sind Grabstaͤtte, Grabmaͤler, oder werden wenigstens dafuͤr angenommen. Diese Veranlassung, diese Bestimmung, bringt den Grabmaͤlern einen von der Ehrensaͤule verschie- O 4 denen Anmerkungen denen Charakter zu Wege, auf den bei der Erfin- dung Ruͤcksicht zu nehmen ist. Die Urne, das Sarcophag, abgerechnet, wel- ches die Grabstaͤtte unter der Erde oberhalb derselben uͤberhaupt bezeichnet; kann auch in der Composition etwas liegen, welches zur Mitempfindung derjenigen Stimmung der Seele einladet, in der sich die Nach- gelassenen bei Errichtung des Monuments befunden haben. Ist es Traurigkeit; traurende Figuren am Grabe: Ist es troͤstende Hoffnung; allegorische An- deutung des Schlafs des Gerechten, der Wiederaus- stehung u. s. w. Ferner: das Grabmal darf schon mehr durch sich selbst uͤberliefern, da es weniger auf das allge- meine Interesse des lebenden und kommenden Jahr- hunderts rechnen kann: Daher Symbol, allego- rische Vorstellung der Tugenden, Eigenschaften, Faͤ- higkeiten, Beschaͤfftigungen des Verstorbenen: Ja! auch Innschrift. Sehr oft wird beides, die Andeu- tung dessen, was der Mann im Leben war, und dessen, was er seinen Freunden nach dem Tode geblieben ist, bequem mit einander in einer Figur verbunden; z. E. die traurende Gerechtigkeit u. s. w. Endlich tritt die Ueberlieferung des Verstorbenen selbst hinzu. Sie ist dasjenige, was den Nachge- bliebenen der Erhaltung am meisten werth bleibt: und mit Recht! Es ist wahr, was ich mich erinnere einmal gelesen zu haben, daß die Gestalt des Men- schen oft den besten Commentar zu seinem Charakter mache. So wuͤrde dann ein Grabmal ein sehr compo- nirtes Kunstwerk seyn, bei dem sich mehrere Kuͤnste und uͤber die einzelnen Kirchen. und Kunstarten die Hand bieten, den Eindruck: Wan- derer stehe still! hier liegt ein Mann begraben, der deiner Sehnsucht werth war! hervorzubringen. In- zwischen bleibt auch hier immer erste Ruͤcksicht: ist das Ganze ein Werk der schoͤnen Kunst? und alle Bestimmungen, die ich daruͤber bisher festzusetzen ge- sucht habe, treffen auch hier zu. Das Werk muß durch Zweckmaͤßigkeit und Schoͤnheit der Form im Ganzen, als Gebaͤude: durch Schoͤnheit der Form und Ausdruck der Individuali- taͤt des Charakters im Einzelnen, als Bildhauerwerk: da wo Handlung angebracht ist, durch einen bestimm- ten, vollstaͤndigen, abwechselnden Ausdruck, als dra- matische Darstellung, einen wohlgefaͤlligen Eindruck auf den stillstehenden Anblick machen. Selbst die eigentliche mahlerische Wuͤrkung, Abwechselung und Einheit im Helldunkeln, in vielfaͤrbigen Steinarten, in der Gruppirung, koͤmmt hier in Anschlag. Ver- anlassung zum weitern Nachdenken, Reiz und Be- friedigung der Neugierde uͤber das nicht mit dem An- blick zu Fassende, Spannung des Herzens und der reproducirenden Kraft unserer Seele zu hoͤheren un- sinnlichen Empfindungen und Bildern, — ist so wie anderwaͤrts, auch bei dem Grabmal hinzutretendes, verstaͤrkendes Vergnuͤgen: Jedoch mit dem Unter- schiede, daß der Beschauer hier mehr berechtigt ist, es zu erwarten. Diese Regel im Allgemeinen ist auf die Erfah- rung gegruͤndet, daß das schoͤne Werk der Kunst un- sere Aufmerksamkeit immer fesselt und anzieht, da hin- gegen das blos dichterisch oder philosophisch gut zu- O 5 sammen- Anmerkungen sammengesetzte in der Beschreibung lieber gelesen oder gehoͤrt, als in der Ausfuͤhrung gesehen wird. Durch naͤhere Bestimmungen mag ich die Wahl unter den Mitteln zu Erreichung jenes Eindrucks dem Kuͤnstler nicht beschraͤnken. Inzwischen will ich ei- nige Bemerkungen auflesen, welche hin und wieder zur Richtung dienen koͤnnen. Zufaͤllige Ideen uͤber allegorische Bezeichnun- gen. Wie weit darf der Kuͤnstler mit seinen allegori- schen Bezeichnungen gehen? So weit als er allen Menschen, die zu dem Genuß der Kuͤnste berechtigt sind, verstaͤndlich zu bleiben glauben darf: und er darf es alsdann, wann das Zeichen von der Art ist, daß wir dabei mehr an die bezeichnete Sache, als an das Zeichen selbst denken. Das Zeichen kann aber zwiefacher Art seyn, entweder ein bloßes Sym- bol, ein allegorisches Bild, oder eine allegorische Vor- stellung. Die einzige Art, wie wir in den bildenden Kuͤn- sten daruͤber verstaͤndigt werden, daß ein vorgestell- tes Objekt das Merkmal einer von seiner natuͤrli- chen Bedeutung abweichenden Vorstellung sey, ist die oͤrtliche Zusammenstellung eines Objekts mit ei- nem andern, das wir in der Natur mit diesem zusam- men anzutreffen nicht gewohnt sind. Indem wir dem Grunde der Vereinigung nachspuͤren, so treffen wir auf das unsichtbare Verhaͤltniß, und dies Verhaͤlt- niß muß die unsichtbare Vorstellung ausfuͤllen. Ein Hirt mit einem Lamme, ist fuͤr den bloßen Anblick ein Hirt mit einem Lamme. Ein Heiliger mit einem Lamme, ist ein Mensch voll Sanftmuth: denn das Verhaͤltniß zwischen beiden ist die Eigen- schaft, worin sie beide zusammentreffen, und ohne welche uͤber die einzelnen Kirchen. welche wir die Vereinigung uns nicht erklaͤren koͤnnen. Wenn man alle guten, das heißt, leichtver- staͤndlichen Symbole durchgehen will, ich bin gewiß, man wird meinen Satz bestaͤtigt finden. Eine Hieroglyphe ist vom Symbol dadurch un- terschieden, daß ihre Verstaͤndlichkeit blos auf Ver- abredung beruht. Sie sollte eigentlich ganz von dem Gebiete einer Kunst ausgeschlossen seyn, die blos durch den Anblick lehrt. Aber viele derselben sind einmal aufgenommen. Der Kuͤnstler wende bei ihrem Ge- brauche nur die Behutsamkeit an, daß er pruͤfe: ob sie allgemein anerkannte Attribute sind; das heißt, ob sie in der Welt des Kuͤnstlers in Gemaͤhlden, Sta- tuen u. s. w. stets mit einem gewissen Objekt verbun- den angetroffen werden? Von dieser Art sind die Nachteule der Weisheit, der Spiegel der Klugheit u. s. w. Die besten Symbole in Ruͤcksicht auf Deutlich- keit, sind diejenigen, welche die Natur der Attribute haben; und unter diesen scheinen wieder diejenigen die besten zu seyn, welche die unsinnliche Kraft, die bezeichnet werden soll, als Werkzeug anwendet, wenn die Menschen ihr Daseyn aus ihren Wuͤrkungen er- kennen. Das Buch des Gelehrten, der Pinsel des Mahlers, die Keule des Starken u. s. w. sind von dieser Art Vielleicht aber gehoͤren diese Wiedererkennungszei- chen auch gar nicht zu Symbolen. . Den zweiten Rang nach diesen scheinen diejeni- gen Symbole einzunehmen, welche sich durch eine Ei- gen- Anmerkungen genschaft auszeichnen, die der Eigenschaft, die ich be- zeichnen will, voͤllig aͤhnlich ist. Z. E. das Lamm, Bild der Sanftmuth, der Adler, Bild des Scharf- sinns, der Loͤwe, Bild der Staͤrke u. s. w. Die allergewoͤhnlichsten Erfahrungen leiten auf die Aehn- lichkeit, auf den Grund des Verhaͤltnisses, den ich mir sichtbar nicht erklaͤren wuͤrde. Aus dieser Bemerkung sind, wie ich glaube, jene allegorischen Bilder entstanden, welche unter mensch- lichen Figuren die Abstrakta gewisser Tugenden oder moralischer Vollkommenheiten darstellen, und blos in dieser Ruͤcksicht koͤnnen sie fuͤr deutlich, mithin fuͤr gut gehalten werden. Man hat naͤmlich bemerkt, daß eine hervorstechende Eigenschaft der Seele, die Fertigkeit nach gewissen Regeln uͤbereinstimmend zu handeln, auf die Formen des Koͤrpers einen solchen dauernden Eindruck mache, daß man sich auf gewisse Weise berechtigt halten koͤnne, in allen Faͤllen, wo man dieselbe Form antrifft, auf einen aͤhnlichen Hauptzug im Charakter zu schließen. Diese Form hat man nach den einzelnen Erfahrungen zu einem Architypus, zu einem Modell aller aͤhnlichen Cha- rakterbezeichnungen verstaͤrkt, und daraus sind nun unsere Sanftmuth, Glaube, Gerechtigkeit, und wie die uͤbrigen Abstrakta alle heißen moͤgen, entstanden. Das Ungluͤck ist, daß viele dergleichen Beschaffenhei- ten der Seele der bloßen Form nach nicht wohl von einander zu unterscheiden sind, daher denn eine große Unbestimmtheit uͤber diejenige, die hier eigentlich ge- meinet sey, entstehen wuͤrde. Um diesem Uebel ab- zuhelfen, hat man wieder seine Zuflucht zu unbelebten Symbolen nehmen, auch wohl, um die Einfoͤrmig- keit uͤber die einzelnen Kirchen. keit zu vermeiden, die Figuren in Handlung setzen muͤssen. Hier warne ich den Kuͤnstler nur vor dem Fehler: seiner allegorischen Menschenfigur keine Form zu ge- ben, ihr keine Handlung beizulegen, welche der ur- spruͤnglichen Faͤhigkeit oder Fassung der Seele wider- spricht, welche die bezeichnete Eigenschaft voraussetzt. Das Attribut wird den Fehler der Zweideutigkeit und Unverstaͤndlichkeit eher verstaͤrken, als verbessern. So viel uͤber allegorische Bilder. Wie ich uͤber allegorische Vorstellungen denke, daruͤber habe ich mich schon an mehreren Orten erklaͤrt; ich will hier weiter nichts daruͤber anfuͤhren. Bei Grabmaͤlern kann eine besondere Art von allegorischen Bildern und Vorstellungen angebracht werden, welche Algarotti Saggio sopra la pittura. und nach ihm Mendel- sohn Ueber die Hauptgrundsaͤtze der schoͤnen Kuͤnste und Wissenschaften. angerathen haben: naͤmlich die Darstellung specieller Begebenheiten aus der Geschichte, bei denen die unsinnliche Eigenschaft, von der man einen Be- griff geben moͤchte, bei aͤhnlichen Veranlassungen be- sonders geschaͤfftig gewesen ist. So hat die Kaiserin von Rußland auf die Dien- ste, welche der Fuͤrst Orlow dem Vaterlande durch seine nuͤtzlichen Anstalten zur Abwendung der Pest, selbst mit der augenscheinlichsten Gefahr des Lebens, geleistet hat, eine Medaille schlagen lassen, auf deren einen Seite das Brustbild des Fuͤrsten, auf der an- dern aber Curtius, der sich in den Abgrund stuͤrzt, um sein Anmerkungen sein Vaterland von einer verderblichen Plage zu ret- ten, sehr gluͤcklich abgebildet sind. In ein aͤhnliches Verhaͤltniß ließe sich ein Basrelief von dieser Bege- benheit mit dem Grabmale des Fuͤrsten bringen. Andere, aber, wie ich glaube, minder gluͤcklich ge- waͤhlte Beispiele fuͤhren die angezogenen Schriftsteller an; nur darin haben sie voͤllig Unrecht, wenn sie glauben, daß die Darstellung einer solchen wuͤrklichen Begebenheit auch im Gemaͤhlde allgemein verstaͤnd- liche Allegorie seyn koͤnne. Ein Gemaͤhlde ist ein fuͤr sich bestehendes Ganze, wobei das oͤrtliche Verhaͤlt- niß wenig oder gar nicht in Anschlag koͤmmt: Kein unbefangener Beschauer wird darauf fallen, daß der gemahlte Curtius etwas anders bedeuten solle als die Geschichte selbst: und als gemahlte Erklaͤrung des gemahlten! — dafuͤr eben so gut den Zettel aus dem Munde. Muͤnzen hingegen, Grabmaͤler, Kunstwerke, wo viele Kuͤnste und Kunstarten zusam- mentreten, um ein Ganzes zu bilden, das nebenbei absichtlich uͤberliefern soll; da giebt das oͤrtliche Ver- haͤltniß des einen Theils zu den uͤbrigen die Bezie- hung, die ich auffinden moͤchte. Soll die Fi- gur des Ver- storbenen handelnd oder ruhend gebildet wer- den? Die Frage wird nicht ent- schieden, son- dern nur als Soll die Figur des Verstorbenen handelnd oder ruhend gebildet werden? Ich will die Gruͤnde fuͤr und gegen hier nicht eroͤrtern. Nur die einzige Bemerkung: Die Alten, bei denen die liegende Figur, außer in Flußgoͤttern, un- gewoͤhnlich war: legten gemeiniglich die Abbildungen der Verstorbenen auf den Deckel ihrer Sarcophagen nieder. War es blos die bessere Form des Sarco- phags, oder war es die Nebenidee von Ruhe im Tode, die ihnen dieses anrieth? Ich uͤber die einzelnen Kirchen. Ich entscheide nichts! Allein darum bitte ich den Warnung aufgewor- fen. Kuͤnstler: keine Handlung, die dem Eindruck von Schoͤnheit schade, keine, die eine Thaͤtigkeit anzeige, deren Grund nicht vollstaͤndig aus dem Bilde selbst zu erkennen sey! Ich muß bei dieser Gelegenheit ein Wort uͤber das Zweifel uͤber das Grab- mal der Ma- dame Lang- hans von Hrn. Nahl. Grabmal der Madame Langhans von Hrn. Nahl sagen, welches sehr beruͤhmt ist — bei Schriftstel- lern. Ich habe es nicht gesehen, aber nach dem Kupfer zu urtheilen, muß es doch viel wider sich haben. Der Stein zerspringt bei dem Schall des himmlischen Machtworts der Auferweckung, die Auferstehende steigt hervor mit dem Kinde, dessen Geburt ihr das Leben gekostet hatte, und das gleich darauf seiner Mutter folgte. Der Ausdruck dieser Handlung, sagt man, sey vortrefflich. Allein Ausdruck einer Handlung ist in der Sculptur nicht Hauptsache, es sind die Formen des Koͤrpers, und diese sind durch den zerspringen- den Stein groͤßtentheils versteckt. Dazu hat der Kuͤnstler nicht bedacht, daß ein zerspringender Stein in der Sculptur immer nur ein halbzersprungener bleibe, der die arme Frau, die dazwischen steckt, fuͤr das Auge kneift. — Die aͤhnliche Idee der Mut- ter des le Brun, die beim Schall der Posaune aus dem Grabe steigt, in der Kirche St. Nicolas du Chardonnet zu Paris, mag wohl zu dieser die Ver- anlassung gegeben haben. Ich gehe nun zu den Kunstwerken selbst uͤber. Bemerkun- gen uͤber die Kunstwerke im Einzel- nen. In der Halle vor der Kirche. Die Ritterstatuen Constantins, und Carls des Großen, die erste von Bernini, die zweite von Anmerkungen von Cornaccini: beide mittelmaͤßig. Die Statue des Bernini gleicht einem Theatergott, der auf einer Maschine durch die Luͤfte fahren will, und sich fuͤrch- tet, daß das Seil zerreisse. Inwendig in der Kirche. Nicht weit vom Eingange, vier Kinder von weißem Marmor, welche Gefaͤße von gelben Marmor halten, worin Weihwasser aufbehalten wird. Die Kinder sind so aufgebla- sen schwuͤlstig, daß man sie fuͤr wassersuͤchtig halten sollte. Die Gefaͤße haben die Form von Muscheln. Der Geschmack, der darin herrscht, scheint mir zu willkuͤhrlich. In den Nischen der Pilaster des Schiffs und des Kreuzganges: Statuen der Stifter verschiedener geistlichen Orden, von weißem Marmor. Die mehresten sind unter aller Kritik. St. Domenico von le Gros, und St. Bruno von Slodz, verdienen vielleicht allein eine Ausnah- me von diesem Urtheil. Der erste hat einen guten Kopf, ob gleich nicht von edlem Charakter. Die Stellung ist immer noch zu gezwungen, weil der Kuͤnstler die Regel des Contraposto ohne Ueberlegung angewandt hat; das gewaltsame Vor- und Zuruͤck- strecken der Glieder ohne sichtbare Veranlassung zur Bewegung, wird, vorzuͤglich bei einzelnen Figuren, immer eine Thorheit bleiben. Das Nackende scheint richtig, aber hart und eckig gezeichnet zu seyn. Man vermißt in dem Spiele der Muskeln das Fließende, die feinen und zarten Uebergaͤnge, die man selbst in den colossalischen Figuren der Alten bewundert. Der Falten- uͤber die einzelnen Kirchen. Faltenschlag ist schlecht, und der Bildhauerei nicht angemessen. St. Bruno ist in der Handlung vorgestellt, wie er die Bischoffsmuͤtze ausschlaͤgt, die ein Engel ihm darbietet, und sich an dem Rosenkranze und dem Todtenkopfe genuͤgen laͤßt. Der Ausdruck ist gut, weil er bestimmt, deutlich und vollstaͤndig ist; aber der Stellung merkt man doch wieder die unselige Ma- nier des Contraposto an. Die Gewaͤnder sind so schwer- faͤllig, daß man sie eher fuͤr steinernes Symbol von Gewaͤndern, als fuͤr wuͤrkliche Darstellung derselben halten sollte. In den Nischen unter der großen Kuppel, vier Statuen, unter denen allein bemerkt zu wer- den verdient: † Der heilige Andreas von Fiammingo. Der heilige Andreas von Fiammingo. Man hatte mir immer diese Figur unter den beruͤhm- testen der neueren Zeit genannt. Es kann seyn, daß mein Geschmack durch den Anblick der Antiken ver- woͤhnt war, als ich zu dieser Statue hinzutrat; ich fand nichts als eine große Masse von Stein, die ei- nem Menschen sehr aͤhnlich sahe, und der der Bild- ner gern recht viel Leben und Thaͤtigkeit haͤtte geben moͤgen. Es kam mir vor, sage ich, als wenn Fiammingo, um dem prophezeienden Vorwurf des Bernini zu entgehen, daß er nur ein großes Kind bilden wuͤrde, den Einfall jenes alten Kuͤnstlers habe realisiren wollen, der sich erbot, dem Berge Athos die Gestalt Alexanders des Großen zu geben. Die Wahl der Formen paßt sich zu dem Begriff eines gemeinen Fischers; Schoͤnheit der Formen, Dritter Theil. P Indi- Anmerkungen Individualitaͤt eines allgemeinen Charakters sucht man vergebens. Die Stellung ist academisch, der Ausdruck affektirt. Die Gewaͤnder bilden Falten von großen Massen, in denen das Licht vortrefflich aufgefangen, und bequem vom Schatten abgetheilet wird: aber sie verhuͤllen das Nackende anstatt es zu bedecken. Die Zeichnung, die Verhaͤltnisse sind im Ganzen richtig, inzwischen wirft man dem linken Beine vor, daß es nicht recht mit der Huͤfte zusam- menhaͤnge. Und wie sehr fehlen die feinen Ueber- gaͤnge einer Muskel in die andere, welche die colos- salischen Statuen der Alten auszeichnen! Die Mosaiken an der Kuppel sind schlecht gezeichnet, und viel zu sein fuͤr die Entfernung und die Groͤße des Orts. In der ersten Capelle zur Rechten. Pieta von M. Angelo Buonarotti. † Eine beruͤhmte Pieta, oder Madonna bei dem todten Christ, Gruppe aus Marmor von M. Angelo Buonarotti. Hr. Dr. Volk- mann ruͤhmt den Ausdruck von Traurigkeit in der heil. Jungfrau: aber mir scheint er verfehlt, und mehr muͤrrische Unzufriedenheit als Schwermuth auszudruͤcken. Die Figur Christi ist zu mager, zu knoͤchern, und die Gelenke sind wie zerschlagen. Die Madonna ist zu jung gegen ihren Sohn. Taille und Huͤften sind zu lang, die Extremitaͤten zu klein. Man wirft dem einen Arm vor, daß er ausgesetzt sey. Ihr Gewand beutelt sich statt Falten zu schla- gen: eine Wuͤrkung die man von einem nassen Ge- wande, das an der Haut klebt, vermuthen kann. Diese uͤber die einzelnen Kirchen. Diese Fehler abgerechnet, ist die Zeichnung richtig, und die Behandlung weich. In einer kleinen Capelle darneben. Ein antiker Sarcophag , in dem ehemals die Gebeine des Probus Anicius geruhet haben, mit ei- nigen Basreliefs. Er diente lange in dieser Kirche zum Taufstein. Auf dem Wege aus dieser Capelle in die zweite. Das Grabmal der Koͤnigin Christina von Schweden . Nicht das Ganze, wie Hr. Volkmann schreibt, ist von Theodon, sondern nur das Basrelief. Das Sarcophag ist sehr klein, und das Medaillon mit ihrem Bildnisse, von Giar- dini in Metall gegossen, sehr groß. Der Rumpf dieses Kopfes koͤnnte in dem Sarcophag nicht liegen. Dies macht einen Uebelstand. Der Todtenkopf mit einer Krone von gefluͤgelten Seraphims ist eine laͤcher- liche Idee. Die Kinder aus Marmor sind von Ottoni , das Basrelief ist von Theodon . In der zweiten Capelle. Eine Copie des heiligen Sebastians nach Domenichino , von Christofari Fabius und Petrus Paulus Christofori oder Chri- stofari, Vater und Sohn, die Fuͤßli irrig Christo- fano nennt, haben die musivische Mahlerei zuerst zu einem gewissen Grade von Vollkommenheit ge- bracht. in Mosaik gebracht . P 2 Zwischen Anmerkungen Zwischen dieser Capelle und der dritten . Grabmal des Pabstes Innocentius XII. Der Pabst ist sitzend vorgestellt. Die Gerechtigkeit und die christliche Liebe stehen zur Seite. Das Werk ist von Filippo della Valle , und mittelmaͤßig. Grabmal der Graͤfin Mathildis . Ihre Figur steht in einer Nische. Unter ihr ein Sarcophag mit einem Basrelief, und dabei zwei Engel, welche ein Schild mit der Innschrift halten. Bernini hat das Ganze angegeben, die Statue der Graͤfin aber selbst verfertigt. Der Kopf ist reizend, die Figur aber zu kurz: die Gewaͤnder haben keine Wahrheit. Die Engel sind schlecht componirt. Der eine beißt sich in den Finger, der andere stuͤtzt sich auf den Elnbogen. Das Basrelief stellt den Kaiser Heinrich den IV. vor, der zu Canossa vor dem Pabste Gregorius dem VII. auf den Knien liegt. Es ist von guter Anordnung, aber schlecht ausgefuͤhrt. Die uͤbrige Arbeit, selbst an den Zierrathen ist sehr besorgt, und das Ganze bildet eine schoͤne Gruppe. In der dritten Capelle. Die heilige Dreieinigkeit von Pietro da Cortona . Der Ausdruck in der Figur Gottes des Vaters ist uͤbertrieben. Die Faͤrbung aber kraͤftig. Außerhalb. Grabmal Gregors XIII. von Camillo Rus- coni . Der Sarg ist gegen die Statue des Pabstes zu klein. Zu den Seiten, die Statuen der Religion und uͤber die einzelnen Kirchen. und der Staͤrke; die eine haͤlt die Werke des Pabstes, die andere hebt das Tuch auf, womit der Sarg be- deckt ist. Die Stellungen sind uͤbertrieben. Das Fleisch scheint von Wachs zu seyn, und das Gewand ist zu schwerfaͤllig, zu eckigt in den Falten. Die Figur des Pabstes ist die beste unter den dreien. Das Vasrelief an dem Sarcophag stellt die von Grego- rius dem XIII. veranstaltete Verbesserung des Kalen- ders vor. Vierte Capelle. † Die Communion des heil. Hieronymus, nach Domenichino von Christofari in Mosaik gebracht . Es ist eines der besten in der Kirche, und wird immer dazu hinreichend seyn, die musterhafte Anordnung in diesem Gemaͤhlde auf die Nachwelt zu bringen. Auf dem Altare linker Hand an dem großen Kuppelpfeiler. Der heilige Basilius der vor dem Kaiser Valens, der in Ohnmacht faͤllt, Messe liest, nach Subleyras in Mosaik gebracht . Es ge- hoͤrt zu den guten musivischen Arbeiten. Diesem Altare gegen uͤber ist jetzt das Grabmal Benedikt des XIV. von den Cardinaͤlen die er ernannt hatte, errichtet worden. Es ist von Guaspro Sibilla , einem Roͤmer. Die Zusammen- setzung ist nicht schlecht. Der Pabst steht, und er scheint der erste zu seyn, der in dieser Stellung, we- nigstens in der St. Peterskirche, vorgestellet ist. Die Figur hat etwas edles: inzwischen wuͤnschte ich sie P 3 noch Anmerkungen noch natuͤrlicher, weniger gedreht in der Stellung. Von den zwei Figuren zur Seite stellt die eine die Uneigennuͤtzigkeit vor: sie schlaͤgt das Geld aus, das ihr angeboten wird. Die Bedeutung der andern habe ich vergessen. Sie haben keinen Ausdruck, und das Gewand traͤgt das Gepraͤge des Kirchen- stils an sich. Auf dem Altare zur Rechten ist der heilige Wenceslaus nach Caroselli , Schuͤler des M. Angelo da Carravaggio. ein hoͤchst mittel- maͤßiges Gemaͤhlde. Auf dem Altare zur Linken, die Marter des heiligen Erasmus, nach Poussin , von Christofari in Mosaik gebracht. Das Gewoͤlbe ist blos mit vergoldeter Stuccaturarbeit geziert , nicht, wie Herr Volk- mann berichtet, zu gleicher Zeit mit Mahlereien nach Tapeten von Raphael. Am großen Kuppelpfeiler linker Hand, Petrus der auf dem Meere wandelt. Mosaik nach Lanfranco . Ueber dem folgenden Altare zur Rechten . Der Erzengel Michael, Mosaik nach Gui- do Reni , nicht nach Giuseppe d’ Arpino, wie es Hr. Dr. Volkmann anzudeuten scheint. Die Arbeit ist von Calandra. Gegen uͤber. † Die heilige Petronilla nach Guercino , das Meisterstuͤck des Christofari und das schoͤnste musivische Gemaͤhlde, das mir bekannt ist. Das uͤber die einzelnen Kirchen. Das Monument des Pabsts Clemens X. ist in jedem Betracht mittelmaͤßig. An dem Gewoͤlbe der hintersten Tribuͤne sind keine Gemaͤhlde, wie Hr. Dr. Volkmann schreibt, sondern blos Zierrathen von Stucco. Der Stuhl des heil. Petrus , la Catedra Catedra di St. Pietro. di St. Pietro, ist in einem andern Stuhle von ver- goldetem Bronze aufbewahrt. Diesen halten die vier Kirchenlehrer: Ambrosius, Augustinus, Athana- sius, und Chrysostomus, alle in Bronze. Sie stehen auf einem Postamente von Marmor. Am Fuße des Ganzen ist ein Altar, uͤber dem Stuhle aber ist die paͤbstliche Krone befindlich, und noch hoͤher schwebt eine Glorie von Engeln. Diese wird von den hintersten Fenstern, welche gelb sind, er- leuchtet, und der heilige Geist schwebt dazwischen in Gestalt einer Taube. Die Erfindung dieser Masse ist sehr ingenioͤs: aber in der Ausfuͤhrung frappirt sie nur das erste Mal, nachher verliert sie immer mehr und mehr. Selbst bei dem ersten Anblick bemerkt man eine gewisse Un- ordnung die misfaͤllt. Aber wenn man nun im Ein- zelnen zu untersuchen anfaͤngt, so wird man so un- willig, daß ich fuͤr mein Individuum dies fuͤr die bildende Kunst so unbetraͤchtliche Werk nie habe an- sehen koͤnnen, ohne das Metall zu bedauern, was daran verschwendet ist. Theatralische Stellungen, unbedeutende oder gezierte Gesichtsbildungen, Ge- waͤnder wie Felsen, uͤberladene Zierrathen von schlech- tem Geschmack: Alles erinnert an die Fehler des Kirchenstils, dessen Hauptbefoͤrderer, Bernini , auch Verfertiger dieses Werkes ist. P 4 Zur Anmerkungen Zur Rechten von dem Stuhle Petri ab : Grabmal des Pabstes Ur- ban VIII. von Bernini. Das Grabmal Urbans VIII. gleichfalls von Bernini . Der Kopf an der Figur des Pabstes aus Bronze ist ein gutes Bildniß, obgleich das Spiel der Muskeln fließender seyn koͤnnte. Aber der Koͤr- per ist zu kurz: und der Faltenschlag des Gewandes unnatuͤrlich, und dem Nackenden wenig vortheilhaft. Um sich davon zu uͤberzeugen, darf man nur die Partie auf dem rechten Knie betrachten. Unter dieser Statue ein Sarcophag an dem der gebrochene Giebel keinen reinen Geschmack verraͤth. Zu beiden Seiten eine Carita und die Gerechtigkeit. Die Carita hat ganz das Aussehn einer niederlaͤndi- schen Amme: ihr Laͤcheln wuͤrde einer Buhlerin anste- hen, und die schlaffen Formen, die ungeheuren Bruͤ- ste mit großen Warzen widersprechen diesem Charakter nicht. Die Kinder sind von gemeiner Natur und wassersuͤchtig; ihre Stellungen sind schlecht gewaͤhlt. Die Gerechtigkeit hat noch weniger Anspruch auf un- sern Beifall. Das Gewand schwerfaͤllig, im kleinli- chen Stile, entzieht das Nackende dem Auge ganz. Der Tod als Skelett, der den Nahmen des Pabstes in ein Buch zeichnet, ist eine ekelhafte, und die drei Bienen, die von dem Wappen des Pabstes aus an den Sarg hinaufkriechen, eine kindische Idee. Was hat denn dieses Werk fuͤr sich, daß es ungebildete Augen noch anzieht? Niederlaͤndische Treue im Detail, den Schein mahlerischer Wuͤrkung, und die Behandlung des Marmors, der unter Ber- ninis Haͤnden zu Wachs wurde. Mit dem Bronze verstand er nicht so gut umzugehen. Gegen uͤber die einzelnen Kirchen. Gegen uͤber, zur linken Seite der Catedra Petri. † Das Grabmal Pauls des Dritten von Grabmal Pauls III. von M. An- gelo Buona- rotti, und della Porta. M. Angelo Buonardtti angegeben, und von Guglielmo della Porta ausgefuͤhrt . Es scheint mir das Beste in der Kirche zu seyn, weil es die meisten Schoͤnheiten im Detail hat. Die Masse des Ganzen kann hingegen nicht zum Muster dienen, und die Zierrathen sind von schlechtem Ge- schmack. Die Figur des Pabstes in der Hoͤhe ist gut gedacht, und hat der Incorrektionen in der Zeich- nung ungeachtet, (denn das Obertheil ist zu lang und das Untertheil zu kurz,) einen wahren und bestimm- ten Ausdruck. Es ist der eines gutmuͤthigen Alten. Die unten liegenden allegorischen Figuren stellen die Klugheit und Gerechtigkeit vor Nicht die Religion, wie Hr. Volkmann schreibt, sie haͤlt die Fasces. . Der Kopf die- ser letzten Tugend scheint ein Portrait zu seyn, und laͤßt auf einen muntern Charakter und viel Tempe- rament schließen. Er ist nicht idealisch schoͤn, aber doch wohlgefaͤllig. Die Haare sind nicht gut gear- beitet, und aͤhneln Schlangen. Das Ohr scheint unproportionirlich klein zu seyn. Die Stellung ist fuͤr den Ort zu wolluͤstig. Man kann das bronzene Gewand, mit dem sie bedecket ist, abnehmen lassen, dann bemerkt man an dem Koͤrper, was auch schon die Extremitaͤten anzeigen, daß die Formen zu rund gearbeitet sind, und das Spiel der Muskeln nicht ge- nung andeuten. Inzwischen bleibt es immer eine schoͤne Figur. P 5 Die Anmerkungen Die Klugheit ist unter der Figur eines alten Wei- bes abgebildet; sie aͤhnelt aber mehr einem ruͤstigen Greise, dem man Frauenskleidung angezogen hat. Das Spiel der Muskeln ist gut. Das Gewand zeigt das Nackende gehoͤrig an. Man darf von diesen Statuen im Ganzen sagen, daß wenn sie gleich keineswegs fehlerfrei sind, sie dennoch ihrer ausdrucksvollen Koͤpfe, natuͤrlichen Stellungen, vieler Schoͤnheiten im Einzelnen, und der guten Behandlung des Marmors wegen, unter die besten neueren Werke gehoͤren. Das Grabmal Alexanders des VIII. von Rossi ist mittelmaͤßig. Das Basrelief, welches eine Canonisation vorstellt, ist daran das Beste. Linker Hand am ersten Altar des Kreuz- ganges: Der Apostel Petrus der einen Lah- men heilt, nach Mancini , einem Schuͤler des Ci- gnani, in Mosaik . Am Altare darauf. Attila, Bas- relief von Al- gardi. † Das beruͤhmte Basrelief des Algardi. Attila wird auf Befehl des Pabstes Leo von den Aposteln Paulus und Petrus vor den Mauern Roms weg vertrieben . So hat unser Kuͤnstler die Idee Raphaels, der den Barbaren geruͤhrt von einem heiligen Schauer zuruͤckkehren laͤßt, abgeaͤndert, und dadurch mehr Feuer in seine Composition gebracht. Ich will ihn nicht ganz tadeln; vielleicht ist der letzte Ausdruck be- stimmter, und allgemein verstaͤndlicher. Hier haben wir ein Basrelief, ganz nach Art ei- nes Gemaͤhldes angeordnet: Es sind nicht blos meh- rere Figuren, sondern auch mehrere Gruppen auf ver- schiedenen uͤber die einzelnen Kirchen. schiedenen Planen nach den Regeln der Gruppirung und des Helldunkeln hinter einander gestellt. Dies war die Art der Alten nicht. In ihren guten Bas- reliefs, stellten sie die Figuren entweder neben einan- der, oder doch auf einen Plan, oder wenigstens nicht mehr als zwei derselben hinter einander. Ich glaube, die Alten hatten Recht, und wir Neu- eren, die wir ein Basrelief als ein Gemaͤhlde betrach- ten, wir vermengen die Graͤnzen, welche die Natur der Sache fuͤr beide Kunstarten festgesetzt hat. Es laͤßt sich besser fuͤhlen als beschreiben, welcher Ein Basre- lief ist kein Gemaͤhlde: die Anord- nung dessel- ben folgt be- sondern Re- geln. Nachtheil fuͤr Illusion und Harmonie der Schatten und Lichter aus der mahlerischen Anordnung eines Basreliefs zu befuͤrchten steht. Ich will nur einen Theil desselben angeben, auf die Gefahr von dem blos- sen Leser nicht ganz verstanden zu werden. — Wenn mehrere weiße runde Koͤrper auf einer weißen Flaͤche von einander abstehend erscheinen sol- len, so kann dies nicht anders geschehen, als wenn der Kuͤnstler diese Flaͤche aushoͤlet: Die groͤßte Er- hobenheit fuͤr die erste Figur, die nachfolgende fuͤr die zweite, und so immer stufenweise weiter ausspare. Natuͤrlicher Weise muͤssen aber der Plan, auf dem diese Figuren stehen, der Himmel, unter dem sie han- deln, die Seitenwaͤnde, die sie umschliessen, u. s. w. mit ausgehoͤlet werden. Hier ist es nun fast unmoͤglich, dem Beschauer einen Raum zu zeigen, der mit dem Umfange der Koͤrper, die darin befindlich sind, nur in einem entfernten Verhaͤltnisse staͤnde. Die Figuren scheinen auf einem abhaͤngenden Orte zu schwanken, und wir versehen uns zu ihnen mit jedem Augenblicke, daß sie herabglitschen, und uns entgegen rollen werden. — Es Anmerkungen Es liegt schon bei dem Basrelief, das eine ein- zige Figur erhoben zeigt, eine gewisse Verabredung zum Grunde, die halbrunde Form als ganz rund an- zunehmen. So hart an die Flaͤche gepreßt steht kein runder Koͤrper, daß der seitwaͤrts fallende Lichtstrahl nicht durch die Abweichungen jenes Koͤrpers von der Mauer an einigen Stellen durchfallen sollte: und allemal wird der Umfang des Schlagschattens, die Staͤrke des hoͤchsten Lichts, und die Degradation der Halbschatten uns gar leicht belehren, ob die Figur halb oder ganz rund sey. Inzwischen diese kleine Unwahrscheinlichkeit schenken wir zu Gunsten des Ver- gnuͤgens, das uns die Darstellung uͤbrigens macht. Wenn nun aber der Kuͤnstler mehrere Koͤrper auf einander poͤckelt, mir respektive sechsachtel, vierachtel, zweiachtel, einachtel runde Figuren fuͤr vier Ganze versellen, und das Streiflicht, welches durch die Ab- weichungen eines Koͤrpers von dem andern nothwen- dig durchfallen muß, uͤberher in den Kauf haben will, so heißt dies doch offenbar meine Gutherzigkeit misbrauchen. — Man pflegt oft die vorher angegebene stufen- weise Proportion zu uͤberschreiten, die dem Beschauer zunaͤchst stehende Figur einer Gruppe stark hervorzu- heben, die entfernteren aber sehr flach zu halten, so daß ohngefaͤhr die erste sich zu der folgenden wie siebenachtel zu einachtel oder wenigstens wie drei- viertel zu einviertel verhaͤlt: Neue Unwahrschein- lichkeit! Warum erscheint von zwei bis drei Fi- guren, die sich einander so nahe stehen, um eine Grup- pe zu bilden, die eine meinem Auge so nahe, die an- dere so fern? Sie sind alle drei noch in der Distanz, in uͤber die einzelnen Kirchen. in der ich die Form voͤllig pruͤfen, das Runde als wuͤrklich rund wuͤrde betasten koͤnnen. — Geht nicht ohnehin bei dieser Verfahrungsart alle Harmonie von Licht und Schatten verloren? Die starken und ungleichen Absaͤtze bringen Schlag- schatten von so verschiedenem Umfange hervor, daß die zum wohlgefaͤlligen Eindruck des Ganzen so noͤ- thige Degradation des Hellen zum Dunkeln gaͤnzlich zerstoͤrt, und mein Auge durch unangenehme Spruͤn- ge von dem sehr hellen Lichte, und dem damit corre- spondirenden starken Schatten der hoch erhobenen Fi- gur, auf das matte Licht, auf den damit wieder im Verhaͤltniß stehenden matten Schatten der flach ge- haltenen Figur gefuͤhret wird. — Bei der Darstellung großer Fernen hat der Kuͤnstler im Basrelief mit noch groͤßeren Schwierig- keiten zu kaͤmpfen. Verkleinert, verschmaͤlert er seine Figur nach den Regeln der Linienperspektiv in einem betraͤchtlichen Grade, so wird, wenn er zu gleicher Zeit die Regeln der Luftperspektiv beobachten will, die ent- fernte Figur so flach, so duftig erscheinen muͤssen, daß sie einer Erhobenheit nicht mehr faͤhig bleibt, mithin fuͤr den Meissel, der ihr Daseyn nur durch Erhoben- heit begreiflich machen kann, verschwindet. Beob- achtet er die Luftperspektiv nicht, will er die Figur erhobener bilden als die Ferne, als das Ziel des vorn zufallenden Lichtstrahls es zulaͤßt; so wird die kleine aber dicke Figur zum nahen Zwerge. — Man hat Unrecht ein Basrelief mit einem Ge- maͤhlde aus dem Grunde zu vergleichen, weil beide auf einer Flaͤche arbeiten. Der Pinsel hat ganz an- dere Mittel Cavitaͤten zu bilden, sich Raum zu ver- schaffen, Anmerkungen schaffen, als der Meissel. Er stellt den Beschauer an einen dunkeln Ort, und zieht den Vorhang eines er- leuchteten Theaters auf. Die dunkle Figur auf dem Vorgrunde, die nicht anders, als zwischen jenem und dem Orte im Hellen angenommen werden kann, loͤ- set sich gleich von dem uͤbrigen ab, tritt vor, und stoͤßt die hellerere Partie zuruͤck. Diese wird durch ein Licht erleuchtet, dessen Quelle in dem Bilde selbst liegt. Der Mahler kann es daher leiten wie er will: er kann es hinter die Figuren her fallen, und diese dadurch rund erscheinen lassen: er kann, wenn er ein neues Repoussoir fuͤr noͤthig haͤlt, nur einen Streif- schatten in der Mitte des Bildes anbringen, der wie- der den helleren, aber nach den Regeln der Luftper- spektiv abgeschwaͤchten Hintergrund zuruͤckschiebt. Er braucht nicht zu fuͤrchten, daß das Licht, das er hinten wieder zustroͤmen laͤßt, dem vorderen Schaden thue: Er hat den Grad der Staͤrke der Farben in sei- ner Gewalt, er laͤßt sie so erscheinen, wie die Maaße der zwischentretenden Luft sie in der Ferne modificirt, mithin unterscheidet mein Auge durch den bloßen An- blick der Farbe das Licht auf zehn Schritt von dem Lichte auf hundert. Endlich darf man nicht verges- sen, daß in einer sehr großen Entfernung, wo die Im- pression, welche das Licht auf Erhoͤhung und Vertie- fung der Formen macht, den Koͤrper von der Flaͤche nicht mehr abheben wuͤrde, wo dieser so zu sagen mit der Lust zusammen fließt, die Wahrnehmung der bloßen Farbe diesen als Form von der Flaͤche abhebt. Diese Gruͤnde, der Mangel an Wahrheit, und eigentlich mahlerischer Wuͤrkung, hingegen der hoͤhere Anspruch, den die runde oder halbrunde Bildnerei auf uͤber die einzelnen Kirchen. auf Darstellung schoͤner Formen im Einzelnen hat, bestimmen meinen Geschmack fuͤr solche Basreliefs, die eine Reihe schoͤner Gestalten in abwechselnden Stel- lungen neben, nicht hinter einander, vorstellen. Ich Die zweck- maͤßigsten Suͤjets fuͤr ein Basrelief sind diejeni- gen, welche reihenweise Aufstellung der Figuren neben einan- der in ab- wechselnden Stellungen motiviren. finde dazu solche Suͤjets am geschicktesten, die ich mir als Processionen, Taͤnze u. s. w. an einer Wand her- gehend denken kann: und diese finde ich von den Alten am haͤufigsten vorgestellt. Vielleicht tritt auch dieser Grund hinzu: das Basrelief ist seiner urspruͤnglichen Bestimmung nach nicht dazu ausersehen gewesen, als fuͤr sich bestehendes Kunstwerk zu gefallen. Es ist eigentlich architekto- nischer Zierrath: Friese, in der die menschliche Figur statt Laubwerks dient. Leichtigkeit, die mit der An- haͤufung mehrerer Figuren in Gruppen schwerlich be- steht, muß dessen Hauptcharakter ausmachen. Das Basrelief, die halberhobene Arbeit wuͤrde sich demnach von der runden Bildnerei dadurch bei mir unterscheiden, daß sie die einzelne Gestalt neben der einzelnen Gestalt in solchen Handlungen vorstellt, die abwechselnde Stellungen, sich reizend schlaͤngelnde Formen motiviren und in der Natur mit der Absicht vorgenommen werden, vor dem Beschauer aufzuzie- hen. Bacchusfeste, Taͤnze, triumphalischer Ein- zug, Begraͤbnisse, Hochzeiten u. s. w. scheinen mir hierzu besonders geschickt. Auch glaube ich, daß das Basrelief dazu bestimmt sey, mir Personen aus der Geschichte oder Fabel aufzuzaͤhlen, die ich mir in numerirter Vereinigung neben einander denke, z. E. die neun Musen, eine Goͤtterversammlung u. s. w. Denn Ausdruck einer dramatischen Situation vermag das Basrelief, so wie das runde Bild, aus ander- waͤrts Anmerkungen waͤrts angegebenen Ursachen, nur selten vollstaͤndig zu liefern. So staͤnde also das Basrelief zwischen der Sta- tue und dem Gemaͤhlde in der Mitte, sowohl was Erfindung, als Anordnung betrifft. Auf mahlerische Wuͤrkung aber, glaube ich, muß das Basrelief ganz Verzicht leisten. Unter an- dern auch darum: Jene Wuͤrkung besteht nicht ohne starke Abwechselung von Licht und Schatten, mithin im Basrelief nicht ohne starke Erhoͤhung und Vertiefung. Ich habe aber gefunden, daß diejenigen Basreliefs Diejenigen Basreliefs sind die schoͤnsten, auf denen die Umrisse der Figuren sanft in den Grund lau- fen. Fortgesetzte Beurthei- lung unsers Basreliefs. den wohlgefaͤlligsten Eindruck auf mich gemacht haben, die wie ein sanfter Hauch auf die Flaͤche geblasen wa- ren, und vorzuͤglich am Rande des Umrisses sanft und ohne Kante in den Grund liefen. Selten wird dies erreichbar seyn, wo die Figuren gar zu hoch her- ausgearbeitet sind. Kann man sich daruͤber hinaussetzen, daß das Werk des Algardi Basrelief ist, so wird es als Ge- maͤhlde großen Anspruch auf eine schoͤne Erfindung und Anordnung haben. Die Figuren stehen jede am rechten Orte, die mahlerische Gruppirung, die Linien und Luftperspektiv sind gut angedeutet . Der Ausdruck des Zorns in den Aposteln scheint mir uͤbertrieben: Man kann ihnen mit Recht zurufen: Tantaene animis coelestibus irae! Die Wahl der Formen ist nicht die edelste, und in den Koͤpfen herrscht zu viel Einfoͤrmigkeit. Die Zeichnung scheint ziemlich correkt zu seyn: Die Gewaͤnder der Apostel sind in Ruͤcksicht auf mahleri- sche Wuͤrkung gut, in Ruͤcksicht auf Wahrheit und Schoͤn- uͤber die einzelnen Kirchen. Schoͤnheit der Form zu willkuͤhrlich und schwerfaͤllig. An der Behandlung des Marmors ist die Kunst, mit der die vordersten Figuren von dem Grunde abgeloͤset sind, zu bewundern. Ich habe von Mengs gefagt , daß ein vortreff- Charakter des Algardi . licher Bildhauer an ihm verloren gegangen sey, ich moͤchte vom Algardi sagen, es sey Schade, daß er kein Mahler geworden. Er war der Annibale Car- raccio unter den Bildhauern: Ein großer Freund der Bestimmtheit und der Treue, und ein noch groͤßerer von mahlerischer Wuͤrkung. Idee von Schoͤnheit war ihm fremd: daher waͤhlte er nicht immer edle Ge- stalten und opferte das Gewand dem Nackenden nicht genung auf. Er legte jenes in willkuͤhrliche Falten, die zwar das Licht gut auffangen, denen man aber das Willkuͤhrliche, das Studirte zu sehr anmerkt. Den Ausdruck der Minen uͤbertrieb er, ordnete die Stellungen nach der Regel des Contraposto, und dachte sich uͤberhaupt das Werk aus rundem Stein als ein flaches Gemaͤhlde. Seine Verhaͤltnisse sind richtig, aber nicht von swelten Figuren genommen. Ich erinnere mich nicht sehr schoͤne weibliche Figuren von ihm gesehen zu haben: aber desto mehr Kinder von treuer aber gewoͤhnlicher Natur, Crucifixe und alte Koͤpfe. Seine Behandlung war fertig, aber nicht so weich und besorgt als die des Michael Angelo, Fiamingo und Bernini. Er lebte von 1598—1654. Er ist der Held des neueren Kirchenstils: die Mei- ster, die sich darin ausgezeichnet haben, haben vom Bernini nur den Zusatz einer weichern Behandlung entlehnt. Dritter Theil. Q Grab- Anmerkungen Grabmal Alexanders des VII. uͤber der kleinen Kirchthuͤre von S. Martha angegeben von Bernini , der selbst die Figur der Wahrheit ver- fertigt hat. Ich mag nicht daruͤber sprechen. Es ist die Staffel des schlechten Geschmacks, ohne Wahr- heit, ohne Richtigkeit, ohne Adel. Gegen uͤber am Altare. Fall Simon des Zauberers von Vami , Schuͤler des Baroccio. Man erkennt die Schule in einigen Gesichtsbildungen, die jedoch nicht so geziert sind, als die seines Meisters, und in der Faͤrbung, die lieblich ist. Die Anordnung verdient Lob. Auf den folgenden Altaͤren bemerke ich noch: St. Thomas und den Christ von Passignani . Den heil. Petrus, der einen Besessenen heilt , von Romanelli . Statt des Gemaͤhldes der Kreuzigung Petri, welches Hr. Dr. Volkmann hier anfuͤhrt, hat man jetzt eine Copie von der Transfiguration Ra- phaels in Mosaik , aufgestellt. Sie ist, wie vor- auszusehen war, sehr schlecht gerathen. Solche Bil- der, deren Schoͤnheit hauptsaͤchlich auf Bestimmtheit der Zeichnung und des Ausdrucks beruhet, bildet das Mosaik nicht nach. Besser: Den heil. Gregorius, der ein blutiges Kelchtuch zeigt , von A. Sacchi . Ich halte mich bei der Beurtheilung dieses Mosaiks nicht auf, da ich schon Gelegenheit gefunden habe, von dem Originale selbst zu reden. Dies gilt auch von den uͤbrigen Mosaiken nach guten An uͤber die einzelnen Kirchen. An einem andern Altare: Der Tod der Sapphira von Roncalli, Mosaik . Das Grabmal Leo des XI. von Algardi ge- hoͤrt gewiß nicht zu den besten Arbeiten dieses Meisters. Die Figur des Pabstes ist zu kurz und schwerfaͤllig: das Sarcophag zu klein. Die beiden Tugenden haben ganz artige Koͤpfe und gute Gewaͤnder. Das Basrelief, welches Heinrich des IV. Ab- schwoͤrung der reformirten Religion und Wiederver- einigung mit der katholischen vorstellt, verdient außer dem Vorwurf einer doppelten Handlung, auch den mehrerer Incorrektionen. Das Grabmal Innocentius XI. ist hoͤchst mittelmaͤßig. Das Altargemaͤhlde der Empfaͤngniß Ma- riaͤ nebst dem heil. Franciscus und Antonius von Padua ist nicht, wie Hr Volkmann schreibt, von , sondern nach Bianchi in Mosaik gebracht. Das Grabmal Innocentius des VIII. ganz in Bronze von Antonio Pallajolo . Darstellung Mariaͤ im Tempel nach Ro- manelli in Mosaik . Das Grabmal der Maria Clementina So- biesky ist von guter Erfindung. Es macht ein mah- lerisches Ganze aus, und dieser Vorzug ist hier nicht am unrechten Orte. In der letzten Capelle die Taufe Christi nach Carlo Maratti . Mosaik. Q 2 Das guten Gemaͤhlden, die entweder schon angezeigt sind, oder noch angezeigt werden. Anmerkungen Das Taufgefaͤß von Porphyr , das ehemals zum Deckel des Grabes Otto des II. gedient hat. Bald wird in dieser Kirche das Grabmal Cle- mens des XIII. von der Hand eines geschickten jun- gen Kuͤnstlers, Canova , eines Venetianers, zu sehen seyn. Die Figur des Pabstes, die zu meiner Zeit schon modellirt war, ist stehend gebildet. Die neue Sacristei der St. Peters- kirche. An Kunstwerken findet man hier Die Statue des Pabstes Pius des VI. von Agostino Penna einem Roͤmer. Sie war waͤhrend meines Aufenthalts in Rom noch in der Arbeit. Auf dem Altare der Sacristei war zu mei- ner Zeit ein schoͤnes Mosaik nach Guido Reni, die Kreuzigung des heil. Petrus , befindlich. Der Ort war aber so schlecht erleuchtet, daß man we- nig davon erkennen konnte. Man vermuthete, es wuͤrde weggenommen werden, um ein Basrelief an dessen Stelle zu setzen. In der Capelle der Canoniker haͤngt auf dem Altare ein Bild, welches die heil. Jungfrau, St. Anna und die Apostel Petrus und Paulus vorstellt . Viele halten es fuͤr ein Werk des Fatto- rino, andere des Carravaggio. Ich glaube, daß es aus der Schule des A. del Sarto sey. Gegen uͤber eine Madonna mit dem Kinde , die man fuͤr eine Arbeit des Giulio Romano ausgiebt. Wahrscheinlicher gehoͤrt sie einem andern Schuͤler Ra- phaels. Ueber uͤber die einzelnen Kirchen. Ueber den Thuͤren ein Paar Gemaͤhlde von einem neueren Meister, Cavallucci da Sermoneta . Sie sind sehr schlecht. In dem Zimmer, worin sich das Capitel versammelt . Eine aͤußerst schlechte Statue des heil. Pe- trus aus weißem Marmor . Eine Grablegung von Lorenzo Sabbatini . Wie man behauptet, nach einer Zeichnung des M. A. Buonarotti. Mehrere mittelmaͤßige Gemaͤhlde von Ghezzi . † Sieben ziemlich wohl erhaltene Ge- maͤhlde von Giotto: Der Heiland mit Engeln, der h. Petrus mit einem Cardinale, die Enthauptung des h. Paulus, die Kreuzigung des h. Petrus, meh- rere Apostel und Heilige. Sie sind auf Goldgrund gemahlt, und ganz im Stile der Mosaiken aus der mittleren Zeit, in dem man eine uͤberlieferte, aber freilich sehr alterirte Idee von dem Stile der Alten antrifft. In der Capelle bei der Sacristei der Bene- ficiaten . Der heil. Petrus, der die Schluͤssel em- pfaͤngt , von Muziano , sehr retouchirt. Zwei schlechte Gemaͤhlde von Cavallucci . In der Garderobe des Capitels . Ein sehr verdorbenes Bild von Domeni- chino, den h. Joh. Chrysostomus vorstellend . Zwei kleinere von Muziano , gleichfalls sehr verdorben. Q 3 Die Anmerkungen Die h. Veronica von Ugo da Carpi , ohne Pinsel gemahlt. In der Gallerie die zur Kirche fuͤhret . Die Buͤsten des Cardinals Barberini, Benedikts VIII. und Pauls IV. In einer Rotunde dicht vor dem Eingange in die Peterskirche . Der heilige Andreas, eine Statue, die 1570 vom Cardinal Piccolomini verfertigt worden . Der Himmel bewahre, daß sich die Car- dinaͤle nicht viel mit Verfertigung von Statuen ab- geben! Dieses Probestuͤckchen ist graͤßlich gera- then. Eine sehr umstaͤndliche Beschreibung dieser Sa- cristei findet man in einem Buche unter dem Titel: Sagrestia Vaticana eretta dal regnante Pontefi- ce Pio VI. e descritta da Francesco Cancellieri Romano 1784. Im Posaunentone geschrieben. Kirche S. Adriano in Campo Vaccino. Hr. D. Volkmann S. 557. Titi S. 201. D er heil. Nolascus von Engeln getragen, am Altare bei der Sacristei , wird von einigen dem Carlo Veneziano, von andern dem Savonanzio Bo- lognese, und wieder von andern, dem Guercino zuge- schrieben. Die Behauptung der Letztern scheint kei- nen uͤber die einzelnen Kirchen. nen andern Grund fuͤr sich zu haben, als daß die Schatten sehr schwarz sind: Denn uͤbrigens hat es nichts von dem Stile des Guercino. Die Gruppe ist gut componirt. Kirche Santa Agnese e Sta. Costanza, beide vor der Porta Pia. Hr. D. Volkmann S. 260. Titi S. 293. In der ersten. E ine Statue der heil. Agnese. Gewand von orientalischem Alabaster, Extremitaͤten von Bronze. Der Meister ist Cordieri. In der andern. Alte Mosaiken, von schlechter Erfindung, und eben so schlechter Ausfuͤhrung. Sie stellen Wein- ranken, Faunen, Knaben, Wagen mit Ochsen be- spannt, und mit Oliven ꝛc. beladen, vor. Ein schoͤner antiker Leuchter. Eine große Begraͤbnißurne von Porphyr, mit Kindern, welche Bullen am Halse tragen, Blu- menranken u. s. w. in Basrelief. Die Arbeit ist schlecht, allein man sieht, daß sie eine Copie nach ei- ner viel besseren ist. Ich vermuthe, daß beide Stuͤcke jetzt ins Museum Clementinum gekommen seyn werden. Wenigstens hatte man dazumal, als ich in Rom war, die Absicht, sie dahin zu bringen. Q 4 Kirche Anmerkungen Kirche S. Agnese in Piazza Navona Hr. D. Volkmann S. 425. Titi S. 130. und 467. . S ie ist voll von Basreliefs und Statuen, die aber alle mittelmaͤßig sind. Das Basrelief der heil. Agnes ist von Al- gardi. Es stellt die Geschichte dieser Heiligen vor, wie ihre Unschuld vor den Begierden der unzuͤchtigen Soldaten, denen sie Preis gegeben war, gerettet ist. Der Himmel ließ naͤmlich durch ein Wunder seiner Allmacht ihr Haupthaar zu einer solchen Laͤnge an- wachsen, daß ihr ganzer Leib unabloͤslich damit bede- cket wurde. Die Wahl des Suͤjets ist nicht vortheil- haft, und die Ausfuͤhrung mittelmaͤßig. Kirche S. Agostino Hr. D. Volkmann S. 408. Titi S. 400. . Esaias von Raphael. D as Wichtigste in dieser Kirche ist † der Esaias von Raphael, der an dem dritten Pfeiler linker Hand haͤngt. Man kann das Bild nicht recht mehr beurtheilen, da es aͤusserst gelitten hat. Der Kopf scheinet von großem Charakter, und im Stile der Antiken gedacht zu seyn. Der Stel- lung und den Gewaͤndern merkt man Raphaels Be- kanntschaft mit dem Fra Bartolomeo da S. Marco an. Diese sind in große Falten geschlagen, welche das Nackende gut bezeichnen. Das Knie ist bei den aͤltern Kuͤnstlern sehr beruͤhmt gewesen, es hat aber am meisten gelitten Einige Anekdoten, welche dies Bild betreffen, kann man . Drei uͤber die einzelnen Kirchen. Drei Gemaͤhlde von Guercino in einer Capelle des Kreuzganges rechter Hand. Das Mittelgemaͤhlde stellet die Heiligen, Franciscus, Rochus und Gregorius vor. Gedanke und Anord- nung sind schlecht, Koͤpfe und Stellungen gut. Die Farbe, ob sie gleich kraͤftig ist, faͤllt in den nachge- schwaͤrzten Schatten zu sehr ins finstre Rothe Hr. D. Volkmann nennt die Heiligen im Bilde anders. . Der heil. Franciscus, der die Ketzerei zu Boden wirft, ist ein ziemlich mittelmaͤßiges Ge- maͤhlde; dagegen ist Der heilige Jacob mit einem Alten und zwei Kindern ein desto merkwuͤrdigeres Bild. Vielleicht gehoͤren die Koͤpfe des Alten und eines der Kinder zu den besten, die Guercino je gemahlet hat; der Rest aber ist so schwach an Farbe, daß man ihn kaum diesem Meister beilegen sollte. † Die andere Capelle im linken Kreuz- gange hat Lanfranco gemahlt. Die Decke stellt die Himmelfahrt der Maria vor; das Altar- blatt, die Kroͤnung der Maria; eins der Sei- tengemaͤhlde den heil. Augustinus, der uͤber das Geheimniß der Dreieinigkeit nachdenkt: Bei ihm steht ein Knabe, der Wasser aus dem Meere schoͤpft. Man will in diesem Knaben einen Engel sehen, der dem heiligen Augustinus die War- nung giebt: es sey leichter das Meer auszuschoͤpfen, als jenes große Geheimniß zu ergruͤnden. Q 5 Waͤre man beim Richardson nachsuchen T. III. p. 150. description des tabl. etc. Anmerkungen Waͤre dies wuͤrklich der Gedanke des Kuͤnstlers gewesen, welches ich dahin gestellet seyn lasse, so waͤ- re es ein sehr ungluͤcklicher. Aber wenn ich den En- gel aus dem Bilde wegnehme, oder mir blos einen spielenden Knaben darunter denke; so ist der Aus- druck des Bildes vortrefflich, und ganz der Fassung angemessen, mit der die Seele uͤber einen wichtigen Gegenstand nachdenkt. Die pruͤfende Mine des Heiligen stimmt sehr gut mit dem oͤden Orte, mit der Aussicht auf die unabsehliche Flaͤche des Meers, und mit der finstern Farbe des Bildes, die einer Daͤmmerung aͤhnelt, uͤberein. Das Gemaͤhlde auf dem Hauptaltare ist die schoͤnste unter diesen von mir angegebenen Mahle- reien des Lanfranco. Es sind Partien darin, welche Annibale Carraccio nicht besser haͤtte angeben koͤnnen. Ueberhaupt gehoͤren diese Werke unter die besten, die ich von diesem Meister kenne. Der heil. Thomas, welcher Almosen aus- theilt, von Romanelli, ist beinahe ganz verblichen. In der ersten Capelle beim Eingange lin- ker Hand eine Hirtenanbetung von Michael Angelo da Carravaggio, von niedriger Wahrheit. In der Capelle Pamfili † der heil. Tho- mas von Villanuova, welcher einer schoͤnen Bettlerin, die ihr Kind saͤugt, ein Almosen reichet, von Ercole Ferrata in Marmor Richardson behauptet, Ercole Ferrata habe das Werk blos geendigt. Die Idee gehoͤre einem ge- wissen Caffa, einem Maltheser. . Der Ausdruck in dem Heiligen scheint verfehlt. Die Bettlerin zeigt eine reizende, obgleich etwas ge- drehete uͤber die einzelnen Kirchen. drehete Stellung. Das Ganze hat viel vom Stil des Bernini, aber der Gedanke ist vernuͤnftiger. † Das Monument des Cardinals Impe- riali ist besser gedacht als ausgefuͤhrt. Eine Fama hebt den Deckel des Sarges ab, aus dem der Adler zum Himmel fliegt, welchen diese Familie im Wap- pen fuͤhrt. Der Tod und die Zeit sind zu beiden Seiten des Grabmals in Fesseln geschlagen. Ueber dem Ganzen zu oberst, das Brustbild des Cardinals. Der Kuͤnstler dieses Werks ist Domenico Guidi Hr. Volkmann muß hier verbessert werden. Der Adler hebt nicht im Fluge den Deckel des Sarges ab, sondern die Figur der Fama, welche zu denen von diesem Schriftsteller angefuͤhrten Figuren der Zeit und des Todes hinzuzufuͤgen ist. . Es giebt noch einige andere Bildhauerwerke aus der Florentinischen Schule in dieser Kirche, und einige nicht schlechte Gemaͤhlde. Man kann beim Titi nachsehen. Kirche S. Andrea di monte Cavallo oder de’ Gesuiti. Hr. D. Volkmann S. 240. Titi S. 302. D ie inwendige Verzierung dieser Kirche ist artig. Einige Gemaͤhlde von Baciccio, manierirt in der Zeichnung, und gruͤngelb in der Farbe. Die Mahlereien von Hiacynthus Brandi sind sehr schwarz, und gleichfalls manierirt. Der heilige Andreas, dem ein Engel auf der Geige vorspielt, ein laͤcherlicher Einfall, der sehr mittelmaͤßig ausgefuͤhrt ist. Im Anmerkungen Der heil. Coska von le Gros. Im Kloster, und zwar in der Capelle des heil. Coska, dieser Heilige sterbend auf seinem Lager, von le Gros. Das Bette ist von gelben, das Gewand von schwarzem, Kopf, Haͤnde und Fuͤße sind von weißem Marmor. Diese Art mit vielfaͤrbigem Steine die natuͤrliche Faͤrbung eines Gegenstandes nachzuaͤffen, ist nur fuͤr Kinder verfuͤhrerisches Spielwerk. Der Mann stutzt bei dem ersten Anblick, und fuͤhlt, so bald ersich sammelt, das Unharmonische der Farbenverbindung, und den auffallender gemachten Mangel der Illusion in dem was durch das bloße Anschauen erkannt wird. Das Gewand ist hart und willkuͤhrlich gefaltet: Die Haͤnde und Fuͤße sind weich und wahr. Der Kopf aber hat keine schoͤne Form, und man vermißt den Ausdruck einer edlen Resignation, die man er- warten duͤrfte. Kirche S. Andrea della Valle Hr. D. Volkmann S. 475. Titi S. 136. . Mahlereien des Dome- nichino. D ie Mahlereien des Domenichino machen diese Kirche der Aufmerksamkeit des Liebhabers besonders werth. An den Pfeilern der Kuppel hat Domenichino † die vier Evangelisten gemahlt. Es sind aca- demische Figuren in etwas gezwungenen Stellungen. Die Koͤpfe, und besonders der des Johannes sind gut gewaͤhlt. Die Engel, die zu seinen Fuͤßen spie- len, sind sehr schoͤn, und ganz im Geist des Correg- gio gedacht. Die Gewaͤnder sind nicht gluͤcklich ge- worfen. uͤber die einzelnen Kirchen. worfen. Die Farbe ist von ausserordentlicher Staͤrke fuͤr al Fresco; sie koͤmmt der Faͤrbung in den guten Oelgemaͤhlden des Annibale Carraccio bei. Im Chor sieht man folgende Mahlereien vom Domenichino: Johannes der Taͤufer zeigt den Christ und ist von zweien Aposteln umgeben. Die Assumption des heil. Andreas. Die Vocation des heil. Andreas. Die Geißelung des heil. Andreas und seine Hinfuͤhrung zum Richtplatze. Außerdem sieht man oben sechs Tugenden in colossalischer Groͤße, von eben diesem Meister. Calabrese hat die Kreuzigung des Apo- stels, denselben wie er am Kreuze haͤngt, und seine Grablegung gemahlt. Diese letzten Gemaͤhlde sind schwerfaͤllig, ohne Praͤcision und Wahrheit. † Die Kuppel von Lanfranco zeigt das Ta- Kuppel von Lanfranco. lent dieses Mahlers, ein so weitlaͤuftiges Feld, wie ein Plafond, mit sehr abwechselnden Stellungen zu besaͤen. Dies war wuͤrklich das vorzuͤglichste Talent die- Hauptvor- zug und Hauptfehler dieses Mei- sters. ses Meisters, der 1581. gebohren wurde, und 1647. starb. Erlernte bei dem Carracci, und bil- dete sich besonders nach dem Correggio, von dem er aber doch hauptsaͤchlich nur die Verkuͤrzungen ent- lehnte, in denen er ein großer Meister wurde. Er war zu manierirt. Seine Farbe ist sehr unange- nehm. In der ersten Capelle rechter Hand sieht man ein Basrelief von Raggi. Es stellt den Befehl Anmerkungen Befehl vor, den der heil. Joseph vom Engel erhielt, nach Aegypten zu fliehen. In der Anordnung hat es viel vom Stil des Pietro da Cortona, und in der Ausfuͤhrung vom Bernini. † Die Capelle Strozzi ist vielleicht eine der schoͤnsten in Rom, was die Einrichtung und archi- tektonische Verzierung anbetrifft. Michael Angelo hat sie angegeben, und wie man sagt, auch die Mo- delle zu der Bildhauerarbeit verfertiget. Die bron- zenen Statuen, die Sarcophage von schwarzem Marmor, die edle Einfalt der Baukunst fuͤllen ganz den Begriff aus, den man sich von einer Begraͤbniß- capelle macht. Der Stil in den Figuren ist etwas manierirt, aber die Leuchter sind von schoͤner Form. St. Andrea Avellino von Lanfranco, ein Bild, welches man im Kreuzgange antrifft, faͤllt zu sehr ins Schwarze. Der heil. Sebastian von Giovanni de Vecchi hat viel von der Manier des Rubens. St. Maria mit dem Kinde von Giulio Ro- mano, welche Hr. Volkmann angiebt, wird hier nicht mehr vorgefunden. Nach Titi soll in dieser Kirche eine Copie nach einem Gemaͤhlde von Giulio Romano haͤngen; aber sie stellet ein ganz anderes Suͤjet vor, und haͤngt an einem andern Orte als Herr Volkmann anzeigt. Die Mahlereien in der Capelle Barberini, nicht Barberi, wie Herr Volkmann schreibt, sind von Domenico Passignano, und haben viel vom Stil des Ludovico Carraccio. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Antonio di Padova, gewoͤhnlich della Concezione de’ Padri Cap- puccini genannt. Rechter Hand vom Eingang. Erste Capelle. † D er Erzengel Michael schlaͤgt den uͤber- Der Erzengel Michael von Guido Reni. wundenen Satan in Fesseln. Der Engel schwebt uͤber dem Satan in einer sehr theatralischen Stellung. Sein flatterndes Gewand und seine ausgebreiteten Fluͤgel bilden uͤbrigens eine angenehme Masse, welche die Flaͤche vortrefflich ausfuͤllt. Der Kopf ist kleinlich an Charakter, und unbedeutend an Ausdruck. Der Teufel ist eine Carricatur von Haͤßlichkeit und Ver- worfenheit. Worin liegt der Grund, daß unsere neueren Ueber En- gels- und Teufelsge- stalt in der neueren Mahlerei. Mahler, wenn sie den oberen Geistern Koͤrper bil- deten, selten solche Formen gewaͤhlt haben, welche auf Hoheit und Groͤße des Geistes schließen lassen? Warum hat eben der Guido, der einen Erzengel Michael als einen huͤbschen blonden Jungen mahlte, eine Judith mit so erhabenen Formen und einem so hohen Ausdrucke von Seelenstaͤrke dargestellt? Ich glaube ein Theil dieser Erscheinung ist auf Rechnung unserer Religionsbegriffe zu setzen. Ho- heit des Geistes laͤßt sich bei dem Manne ohne ein ge- wisses Gefuͤhl seines Werthes nicht denken, das bei der Aeußerung in Mine und Stellung gar leicht mit Stolz und Uebermuth verwechselt wird. In einer Religion, wo Derjenige, der uͤber Engel thront, als Herr Volkmann S. 264. Titi S. 336. Anmerkungen als der sanfteste duldendste, der Menschen zum Muster der Demuth und der Ergebung in den goͤttlichen Wil- len aufgestellet wird; wo Ehrgeiz, Selbstgefuͤhl als Fehler gezeichnet werden; wie koͤnnen da die Kuͤnstler darauf verfallen, vollkommene aber dienstbare Gei- ster wie Helden, wie Maͤnner in der Bluͤthe der Jahre und im ganzen Gefuͤhl ihrer Kraͤfte zu bilden? Der Ausdruck der Seelenstaͤrke im Weibe ist immer mehr Kraft der Duldung, leidende Kraft, oder, wenn auch wuͤrkende, wenigstens Kraft des Augenblicks der Situation, die durch Verzweiflung oder Schwaͤr- merei auch dem Schwaͤchsten eingefloͤßet wird. Man muß aber mehr sagen: Ausdruck einer Heldenseele, wenn er nicht zur Carricatur werden soll, ist in allen darstellenden Kuͤnsten immer das Schwerste. Wie selten gerathen sie auf dem Theater und im Bilde! Ein Ruͤckblick auf den Apollo im Belvedere, wird meine vorigen Bemerkungen, und auch diese bestaͤtigen. Noch ein Wort von dem Teufel. Dieser Ge- genstand gehoͤrt uns Neueren allein: wir konnten hier Schoͤpfer seyn, und sind es auch geworden. Aber wie? Wir haben ihm nicht allein eine scheußliche, sondern auch laͤcherliche Bildung gegeben. Die neueren Kuͤnstler konnten zwar nicht wie der Dichter entweder ins Gigantische gehen, oder den Abscheu fuͤr ein Wesen, das sein Vergnuͤgen im Boͤses thun findet, durch die Wichtigkeit der Veranlassung, durch das Planmaͤßige in der Ausfuͤhrung mildern. Aber wenn sie die Gestalt der guten Geister veredelt haͤtten, so waͤren fuͤr die schlimmen gemeine Formen uͤbrig geblieben, die mit dem Ausdruck der Staͤrke und lauren- uͤber die einzelnen Kirchen. laurender Bosheit vereinigt, den Begriff des Wesens voͤllig haͤtten ausfuͤllen koͤnnen. Man wuͤrde Unrecht thun, wenn man die Sa- tyren, die Centauren und andere willkuͤhrliche Zusam- mensetzungen der Alten mit einem Ungeheuer, wie der Teufel bei uns ist, vergleichen wollte. Aber die Art wie die Griechen viele religioͤse Ideen der Aegyp- tier verfeinert haben, koͤnnte zu einem naͤher liegenden Muster dienen, wie man Geschoͤpfe des Aberglau- bens zum Vortheil angenehmer Eindruͤcke nutzen soll. Der Kopf eines Carracalla mit vergrelltem scheelen Blicke auf dem staͤmmigen Rumpfe des aͤgyptischen Antinous duͤrfte in Vereinigung mit einigen bezeich- nenden Attributen des Pluto (z. E. der braͤunlichen Farbe, der zweizackigten Gabel, des straͤubigten Haars und Bartes, allenfalls auch mit einem Zusatz von Fluͤgeln schwarzer Nachtvoͤgel) den Begriff des Wi- dersachers Gottes, und des Feindes der Menschen, eben so vollstaͤndig versinnlichen, als eine Figur mit Ochsenschwanz, Hoͤrnern, Pferdefuß, und Krallen. In Guido’s Bilde findet man diese Attribute nicht: Aber wie haͤufig in vielen andern! Die Giganten der Alten, die Bestuͤrmer des Him- mels, finden wir sie nicht auf einigen ihrer geschnitte- nen Steine als bloße Menschen von ungewoͤhnlicher Groͤße und Staͤrke vorgestellt! Und wenn ich gleich jene andere Vorstellung zur Nachahmung nicht em- pfehlen moͤchte, wo die Giganten als Menschen auf halben Leib mit einem Untertheile von Schlangen ge- bildet Dritter Theil. R Anmerkungen bildet sind; Man sehe das Titelkupfer zu dem 2ten Theile der Winkelmannischen G. d. K. Wiener Ed. wie viel vortheilhafter fuͤr die Kunst ist dennoch selbst diese Zusammensetzung, als die mo- derne Abbildung unserer Teufel! Ich kehre zu Guido’s Bilde zuruͤck. Die Zeich- nung ist nicht ganz fehlerfrei, aber sehr fein. Die Faͤrbung kraͤftiger und wahrer als in den mehresten Bildern, die ich von diesem Meister kenne. Die Figuren heben sich gut vom Grunde ab, und im Ganzen ist das Licht wohl geleitet. In der dritten Capelle. † Der heilige Franciscus in den Armen des Engels von Domenichino: eine schoͤne Zu- sammensetzung. Der Grund stellt eine Landschaft vor, die Koͤpfe sind wohl gewaͤhlt, und haben Aus- druck; aber die Farbe faͤllt, wider die Gewohnheit des Meisters, zu sehr ins Graue. In der vierten Capelle rechter Hand. Der heilige Antonius, der einen Todten auferwecket von Andrea Sacchi. Der Gedanke ist nicht uͤbel; Schade! daß in der Ausfuͤhrung so viel Unbestimmtheit herrscht. Linker Hand an dem Grabmale des Koͤ- nigs in Polen Johann Sobiesky: Zwei Genii von Rusconi, welche aussehen, als haͤtte man ihnen, Kaͤlbern gleich, die Haut aufgeblasen. In uͤber die einzelnen Kirchen. In der ersten Capelle vom Altare ab. Maria mit dem Kinde und dem heiligen Buonaventura, von Andrea Sacchi, mittel- maͤßig. In der zweiten. Die Geburt Christi von Lanfranco, bei- nahe eine Copie von der beruͤhmten Nacht des Cor- reggio. In der letzten Capelle. † Saul der vom Ananias sein Gesicht wieder erhaͤlt, unstreitig eins der schoͤnsten Staffe- leigemaͤhlde, die ich von Pietro da Cortona kenne. Die Anordnung ist gut, die Farbe angenehm, kraͤf- tig, und aͤußerst harmonisch; das Helldunkle sehr gut behandelt; der Grund zeigt eine reiche Architektur. Es waͤre zu wuͤnschen, daß der Ausdruck wahrer, und die Zeichnung richtiger seyn moͤchten. Auf dem Altare sieht man † die heilige Jung- frau in einer Glorie von Lanfranco. Der Kopf der Heiligen ist lieblicher als ich sie gewoͤhnlich von diesem Meister kenne. Die Gewaͤnder sind in zu willkuͤhrliche Falten geschlagen, aber sie zeigen die swelten und reizenden Contouren sehr gut an. Die Farbe ist zu grau, man kann inzwischen dies Bild unter die vorzuͤglichen des Lanfranco setzen. Im Chore. Ein heiliger Franciscus von Muziano. Dieser Franciscus, der die Naͤgelmale empfaͤngt, haͤngt nicht, wie Hr. Volkmann und Titi schreiben, in R 2 Kirche Anmerkungen Kirche bei dem Archiginnasio della Sapienza. Hr. Volkmann S. 474. Beim Titi kann ich diese Kirche nicht finden. Auf dem Hauptaltare. S t. Yvo, der als Advocat der Armen ihre Memoriale empfaͤngt, von Pietro da Cortona. Da der Raum zu hoch war, um durch dies Suͤjet gefuͤllt zu werden, so hat der Kuͤnstler eine Decke bis auf die Haͤlfte des Gemaͤhldes herabfallen lassen, und darauf den Christ in einer Glorie vorgestellt, dem ein Heiliger ein Buch uͤberreicht. Dieser Einfall, ein Gemaͤhlde im Gemaͤhlde an- zubringen, scheint mir unter der Bedingung gluͤcklich zu seyn, daß er den Ausdruck der Haupthandlung unterstuͤtze, und daß das Nebengemaͤhlde dem Haupt- gemaͤhlde hinreichend untergeordnet sey, um der mah- lerischen Wuͤrkung keinen Schaden zu thun. Alsdann wird das Gemaͤhlde im Gemaͤhlde zur Tragoͤdie des Herzogs in der Tragoͤdie Hamlets. Allein hier ist die bemahlte Decke viel kraͤftiger gehalten, als der wuͤrk- liche Auftritt, dessen Beiwerk jene ausmacht, und uͤberher theilt sie das Gemaͤhlde in zwei Theile. Die Zeichnung ist unrichtig, und die Farbe ohne Har- monie: Oben zu roth, unten zu gran. Kirche in der zweiten Capelle rechter Hand. Im Chore findet man die vom erstern S. 269. angefuͤhrten Bilder von Carravaggio, Tizian und Gnido nicht. Es haͤngen dort einige Gemaͤhlde, aber sie sind mit- telmaͤßig, und gutentheils Copien. uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche de’ S. Apostoli. Hr. Volkmann S. 301. Titi S. 313. S ie enthielt zu meiner Zeit nichts Merkwuͤrdiges an Kunstwerken. Hr. Volkmann fuͤhrt ein antikes Basrelief an, welches ich uͤbersehen habe. Bald aber wird Das Grabmal Clemens des XIV. von der Hand eines jungen geschickten Kuͤnstlers Canova, eines Venetianers, den ich schon mehrere Male mit Ruhm genannt habe, da es hier seinen Platz finden soll, die Aufmerksamkeit kuͤnftiger Reisenden zu reizen im Stande seyn. Kirche S. Bibiana. Hr. D. Volkmann S. 214. Titi S. 228. † D ie Statue der heiligen Bibiana ist eins Santa Bi- biana von Bernini. der besten Werke des Bernini. In der Hand haͤlt sie einen Palmzweig, und nicht eine Schuͤssel, wie Hr. Volkmann irrig schreibt. Auch ist es unrichtig, was ich mich erinnere, beim Winkelmann gefunden zu haben, daß die Heilige einen Guͤrtel uͤber den Mantel trage. Wenn man genau darauf achtet, so sind es dreierlei Kleidungsstuͤcke, welche sie traͤgt: ein Hemd oder Unterkleid, ein Maͤntelchen auf hal- ben Leib mit Stickerei, und noch einen großen Man- tel daruͤber. Das Hauptverdienst dieses Werkes ist die mecha- nische Behandlung des Marmors. Den Fleiß ist R 3 bis Anmerkungen bis zu den geringsten Beiwerken verschwendet. Die Stellung ist zwar weniger gezwungen als in den uͤbri- gen Werken des Bernini, es fehlt ihr aber immer noch sehr viel, um natuͤrlich zu seyn. Die suͤßlich laͤchelnde Mine des Kopfs misfaͤllt auf die Laͤnge. Das Fleisch scheint wahres Wachs zu seyn. Das Gewand ist in zu viele kleine Falten getheilet, und zeigt das Nackende nicht hinreichend an. Stil des Ber- nini und sei- ner Nachfol- ger. Der Cavaliere Giovanni Laurentio Bernini, der von 1598 bis 1680. lebte, ward von der Wuth in Stein zu mahlen, zu gleicher Zeit mit dem Algardi ergriffen. Aber er begnuͤgte sich nicht wie dieser, der ernsten Manier der Carracci und ihrer Schuͤler treu zu bleiben; er verfiel auf die falsche Manier des Pie- tro da Cortona, und was schlimmer war, zuletzt in die Manier des Rubens. Die große Fertigkeit die dieser Kuͤnstler in der Behandlung des Marmors hatte, welcher wuͤrklich unter seinem Meissel zu Wachs wurde, hat ihn wahrscheinlich zu den ausschweifen- den Irrthuͤmern verfuͤhrt, in die er verfallen ist. Michael Angelo vergaß, daß der menschliche Koͤrper mit Fleisch und Haut bedeckt ist: Bernini vergaß, daß das Fleisch ohne elastische Muskeln und Knochen, die zum Halt dienen, zum Schlauch, und die Haut zur Porcellainglasur wird. Niedrige, ja! kindi- sche Gedanken, oft unedler immer gezierter Ausdruck, haͤufige Incorrektionen, schlaffe Formen, nach Art der Figuren des Rubens, Gewaͤnder in kleine Falten gekniffen, oder in große geworfen, die das Nackende gar nicht anzeigen, endlich verschwendeter Fleiß an Nebenwerke, sind die Hauptunterscheidungszeichen dieses Meisters, als Fehler. Ein gewisser Schwung in uͤber die einzelnen Kirchen. in der Erfindung, Treue in der Nachahmung indi- vidueller Gesichtsbildungen, und eine vortreffliche Behandlung des Marmors sind hingegen Vorzuͤge, denen der Liebhaber in den Werken des Bernini Ge- rechtigkeit wiederfahren lassen wird. Eine sehr interessante Lebensbeschreibung von die- sem Meister liefert Mellizia Memorie degli Ar- chitetti. Parma 1781. T. II. p. 221. Unter dem großen Altar, ein Sarcophag aus orientalischem Alabaster. Man sieht hier Mahlereien von Pietro da Cortona. Sie haben stark gelitten. So viel man noch urtheilen kann, fehlen ihnen nicht die ge- woͤhnlichen Vorzuͤge und Fehler des Meisters. Kirche S. Caecilia in Trastevere. Hr. D. Volkmann S. 657. Titi S. 53. I n dem Hofe steht eine vortreffliche Vase mit sehr schoͤn gearbeiteten Griffen. Sie ist antik und sehr groß. Aus derselben heraus ist ein Lorbeer- baum gewachsen. Hr. Volkmann hat unrecht, diese Vase, Prachtge- faͤß, fuͤr eine Begraͤbnißurne auszugeben, wozu sie niemals gedient zu haben scheint. Inwendig in der Kirche sieht man † eine Santa Caͤci- lia von Stc- fano Ma- derno. Statue der heiligen Caͤcilia, in der Lage wie sie im Grabe gefunden worden, von Stefano Maderno. Nicht von Carlo Maderno, wie Hr. Volkmann schreibt. Dieser war Baumeister. Stefano ar- beitete im Stil des Bernini. Der Gedanke, den Kopf zu ver- R 4 huͤllen, Anmerkungen huͤllen, ist ungluͤcklich. Sonst ist die liegende Stel- lung sehr natuͤrlich: und dieser Vorzug giebt ihr auch einen Anspruch auf die Achtung der Kenner. Kirche S. Carlo ai Catinari. Hr. D. Volkmann S. 432. Titi S. 96. Auf dem Hauptaltar. D ie Procession des heil. Carls waͤhrend der Pestzeit in Malland, von Pietro da Cortona, ist mittelmaͤßig und schlecht erhalten. Von einem Gemaͤhlde des Guido hinter dem Altare, welches den heiligen Carl bis auf den halben Leib vorstellen soll, sieht man beinahe nichts, da der Ort schlecht erleuchtet ist. Der Tod der heil. Anna von A. Sac- chi. † Der Tod der heil. Anna von Andrea Sacchi, ist ein sehr beruͤhmtes Gemaͤhlde in Rom, welches aber meiner Einsicht nach keinesweges seinen Ruhm stehet. Die heil. Anna liegt sterbend im Bette, der heil. Joachim soll im Schmerz versunken seyn, die Madonna bringt das Kind Jesus zu ihrer Mutter, der heil. Joseph steht zur Seite der Kran- ken, einige andere Personen nehmen einen etwas ent- ferntern Antheil an der Handlung. Kurz! der Mahler scheint den Augenblick zur Darstellung ge- waͤhlt zu haben, in dem die heilige Anna von dem- jenigen was ihr hiernieden theuer war, den letzten Abschied nimmt. Diese Wahl ist in Ruͤcksicht auf Ausdruck gar nicht ungluͤcklich, nur muͤßte die Aus- fuͤhrung besser seyn. Der heil. Joachim sieht wie ein uͤber die einzelnen Kirchen. ein Kalb aus, dem man die Gurgel abschneidet. Die heil. Jungfrau ist ganz gleichguͤltig, und eben so unbedeutend sind die uͤbrigen Figuren. Die Zeich- nung ist incorrekt, die Faͤrbung falsch. Hingegen diejenigen Theile der Mahlerei, in denen Andrea Sacchi seine groͤßte Staͤrke besaß, die Anordnung, die Vertheilung heller und dunkler Partien in Ruͤck- sicht auf mahlerische Wuͤrkung, die Harmonie der Farben und der Ton, sind auch hier vortrefflich. Oben an den Pfeilern unter der Kuppel Die vier Car- dinaltugen- den von Do- menichino. hat Domenichino † vier Cardinaltugenden, die Klugheit, die Staͤrke, die Maͤssigkeit und Gerechtigkeit, auf nassen Kalk gemahlt. Unter jeder dieser vier Tugenden sieht man noch eine andere Figur, die in geselliger Bezie- hung mit der Eigenschaft stehen soll, deren Abstrak- tum uͤber ihr abgebildet worden, z. E. Milde bei Gerechtigkeit. Diese Mahlereien zeigen die schoͤnsten Frauens- koͤpfe in Ruͤcksicht auf Uebereinstimmung der Zuͤge und den Ausdruck des sittsamen Reizes und ruhiger Lie- benswuͤrdigkeit, die mir in der neueren Kunst vorge- kommen sind. Die Gerechtigkeit nebst der unter ihr liegenden weiblichen Figur, welche Milch aus ihrer Brust druͤckt, und die Milde vorstellen soll, haben einen Eindruck auf mich gemacht, den ich von keiner einzelnen Figur in Ruhe (oder nach meiner gewagten Classification, von keiner sichtbaren Beschreibung der Gestalt,) in einem Gemaͤhlde der Neueren erfahren habe. Es liegt in diesen edlen Formen der unver- kennbare Ausdruck einer schoͤnen Seele, einer Liebens- wuͤrdigkeit des Herzens, die keine Bewegung zu ma- R 5 chen Anmerkungen chen braucht, um ihren Beschauern reizend zu erschei- nen. Domenichino scheint den Ausspruch jenes Alten gerechtfertiget zu haben: daß, wenn die Tugend ver- koͤrpert erschiene, die ganze Welt sie lieben wuͤrde. Selbst der eifrigste Verehrer des Alterthums, dessen Auge durch den Anblick ihrer Meisterstuͤcke verwoͤhnt ist, wird durch Gesichtsbildungen, die so sehr in ih- rem Geiste gedacht sind, in diesem Stuͤcke seine For- derungen an die neuere Kunst ausgefuͤllt finden, und sie dienen zum Beweise, daß es eben so sehr an dem Mangel innerer Faͤhigkeiten, als an dem Widerstre- ben aͤußerer Verhaͤltnisse liegt, wenn der moderne Bildhauer seinem fruͤheren Vorgaͤnger in der Bildung schoͤner weiblicher Koͤpfe nicht gleich gekommen ist. Die Farbe ist dem Charakter des Geschlechts an- gemessen, und fuͤr eine Freskomahlerei ziemlich kraͤftig; die Gewaͤnder koͤnnten besser seyn. Die Mahlereien des Lanfranco in dieser Kirche zeigen das Talent dieses Meisters, die Flaͤche, die sie ausfuͤllen soll, auf eine gute Art zu bedecken: das ist sein Charakter, das ist sein Verdienst. In der Sacristei, das Bildniß des heil. Carls von Pietro da Cortona, von kraͤftigerer Faͤrbung und bestimmterer Zeichnung, als sie sonst diesem Meister gewoͤhnlich sind. Kirche S. Carlo al Corso. Hr. D. Volkmann S. 358. Titi S. 371. A uf dem Hauptaltare die Jungfrau Maria, welche den heil. Carlo ihrem Sohne vorstellet, von uͤber die einzelnen Kirchen. von Carlo Maratti. Ein sehr schwaches Bild, wel- ches dadurch noch mehr an Wuͤrkung verliert, daß es in einem sehr schlechten Lichte gesehen wird. Die mahlerische Anordnung ist das Beste darin. Das Gemaͤhlde des Mola, welches den heil. Barnabas, wie er das Evangelium prediget, vorstellt, hat gleichfalls kein anderes Verdienst, als das einer guten Gruppirung. Die Farbe hat sehr nachgeschwaͤrzt. Kirche S. Carlo alle quatro fontane. Hr. D. Volkmann S. 244. Titi S. 300. E ine Verkuͤndigung und die heilige Dreieinig- keit auf dem Hauptaltare sind, von Mignard, grau und schwach gemahlt. Eine Madonna mit dem Kinde und einem Engel mit Passionsinstrumenten, von Roma- nelli. Kirche S. Catarina di Siena. Hr. D. Volkmann S. 233. Titi S. 275. D ie Communion der heil. Magdalena von Benedetto Lutto. Die Zeichnung ist incorrekt, der Ausdruck manierirt, die Farbe weinhefenartig. Kirche S. Cosimo e Damiano. Hr. D. Volkmann S. 558. Titi S. 302. T iti ist in der Anzeige der Gemaͤhlde umstaͤndlicher als Hr. Dr. Volkmann. Was Anmerkungen Was mir am meisten aufgefallen ist, sind Mosai- ken aus den Zeiten der ersten Christenheit. Ich mag die Empfindungen nicht beschreiben, die bei ihrem Anblick in mir rege geworden sind. Die zwoͤlf Apostel sind hier unter den Symbolen von zwoͤlf Laͤmmern abge- bildet! Ich glaube, ich darf nichts weiter hinzusetzen. Kirche Sta Croce in Gerusalemme. Hr. Volkmann S. 207. Titi S. 223. D er Plafond ist von Corrado. Bunt, nach der Palette ausgedacht, und bloßer Schimmer. In dem Kloster wird man ein sehr beruͤhmtes Gemaͤhlde von Carlo Maratti finden. Titi nennt es, Scisma di Pietro Leone; ich selbst habe ver- gessen das Suͤjet aufzuzeichnen. Ferner einige Gemaͤhlde von Rubens, aus seiner ersten Zeit. Sie stellen die Geisselung und die Kreuzigung Christi vor. Man findet einige gute Partien und Ausdruck darin. In der Faͤrbung und im Helldunkeln aͤhnelt er dem Guercino, oder wenn man lieber will, dem Carravaggio. Kirche S. Domenico e Sisto. Hr. Volkmann S. 232. Titi S. 273. I n der ersten vom Bernini angegebenen Ca- pelle ein noli me tangere, Gruppe der Magda- lena, die den Christ beruͤhren will, von Raggi: un- bedeutend sowohl in Ruͤcksicht des Ausdrucks als der Zeich- uͤber die einzelnen Kirchen. Zeichnung. Selbst die mechanische Behandlung ist nicht sonderlich. Maria, die einer Nonne einen Rosenkranz giebt, von Romanelli. In der Stellung und in dem Luxurioͤsen der Formen hat diese Figur viel vom Stil des Pietro da Cortona: aber das Verblasene der Um- risse, der Schwung von Originalitaͤt, und die Har- monie der Farben, welche uns mit der conventionel- len Manier des letzten Meisters versoͤhnen, fehlen hier. Drei heilige Frauen, die einem Moͤnche das Bildniß des heil. Domenicus bringen, von Mola: grau und hart. Kirche S. Eusebio. Hr. D. Volkmann S. 215. Titi S. 227. N icht hier, sondern in S. Lorenzo muß man das Capital mit dem Frosche und der Eidexe suchen, des- sen H. Volkmann erwaͤhnt. Das Merkwuͤrdigste in dieser Kirche ist † ein Plafond von Mengs. Plafond von Mengs, welcher die Himmelfahrt des heil. Eusebius vorstellt. Der Grund des Gemaͤhldes ist die Luft, wie man sie bei durchgebrochener Decke der Kirche sehen wuͤrde. Hier wird der Heilige von einer Gruppe von Engeln durch eine Glorie von andern Engeln durch, in die obersten Regionen des Himmels getragen. Dies ist der Gedanke. Der Mahler hat den Standpunkt fuͤr den Be- schauer an der Thuͤr der Kirche angenommen: Mit- hin erscheinen die Engel, welche der Thuͤr zunaͤchst befind- Anmerkungen befindlich sind, groͤßer als diejenigen, welche dem Altare in der Laͤnge des Bildes die naͤchsten sind, der Heilige in der Mitte aber nebst denen ihn tragenden Engeln am allergroͤßten, um anzuzeigen, daß sie von einer untern uns naͤheren Region zu einer hoͤheren aufsteigen. Diese Bestimmung des Standpunktes wider- spricht aber der Natur der Sache, und der Gewohn- heit des Betrachters. Man wirst bei dem Eintritte in ein Gebaͤude nicht zuerst den Blick in die Hoͤhe, sondern um sich herum. Gegen dem, daß man da- mit fertig geworden ist, und nun auch nach der De- coration der Decke sieht, ist man in die Mitte des Gebaͤudes, mithin auch des Plafonds gekommen, und nun findet man die Perspektiv falsch. Freilich konnte der Mahler aus einem andern Gesichtspunkte das Emporsteigen des Heiligen uͤber die Engel auf gleicher Sphaͤre hin nicht wohl sinnlich machen; aber so haͤtte er es unsinnlich lassen sollen. Die Gruppe des Heiligen ist schoͤn gedacht, nur der Kopf der Hauptfigur ist nicht edel genung, auch scheint das weiße Gewand der Carnation Schaden zu thun, und die Hand fehlerhaft gezeichnet zu seyn. Hingegen sind unter den Engeln verschiedene, die nichts zu wuͤnschen uͤbrig lassen: welche die ganze Lieblichkeit der Engel des Correggio mit den richtigern Contouren eines Genius der Antike verbinden. Um bei der Beurtheilung des Colorits mit Bil- ligkeit zu verfahren, muß man wissen, wie dies Ge- maͤhlde verfertiget ist. Mengs wuͤnschte sich durch ein Gemaͤhlde al Fresco bekannt zu machen. Er erbot sich gegen einen sehr geringen Preis, der ihn nur uͤber die einzelnen Kirchen. nur der Kosten wegen schadlos halten koͤnnte, diesen Plafond zu mahlen. Es ward ihm zugestanden: allein er hatte noch nie al Fresco gemahlt, und ver- stand daher nichts von der Behandlung dieser Art von Mahlerei. Sein Schwager Maron gab ihm darin den ersten Unterricht, und um die Anwendung mit der Lehre zu verbinden, legte dieser einige Figuren nach den Zeichnungen des Mengs mit Farbe an. Dies ist der einzige Antheil, den Maron an diesem Werke hat, das Uebrige ist ganz von der Hand des Mengs. Wie unter solchen Umstaͤnden die Faͤrbung so gut habe gerathen koͤnnen, bleibt zu bewundern. Inzwischen sieht man auch deutlich, wie waͤhrend der Arbeit seine Hand an Fertigkeit zugenommen hat. Die unterste Gruppe nach der Thuͤr zu ist falsch an Faͤrbung, und faͤllt ins Rothe und Gruͤnliche. Die zweite ist schon besser gerathen, und die dritte ist so kraͤftig und warm colorirt, daß sie einem Oelge- maͤhlde nichts nachgiebt. Aber eben diese Verschie- denheit zerstoͤrt die Harmonie des Ganzen. Der Himmel ist uͤbrigens sehr duftig gehalten. Man sieht in dieser Kirche ein Paar Gemaͤhlde von Solmiena, die ich anfuͤhre, weil sie von die- sem Meister in Rom selten sind. Kirche S. Francesco a Ripa. Hr. D. Volkmann S. 661. Titi S. 47. D ie Statue der sterbenden heil. Albertoni ist von Bernini. Dem Ausdrucke nach zu urtheilen, scheint sie an heftigem Bauchgrimmen zu leiden. Sie reißt Anmerkungen reißt den Mund auf und verdreht die Augen. Ihre Finger sind wie Spindeln gestaltet. Die Gewaͤnder von schlechtem Geschmack. Bernini, der immer in der Sculptur mahlen wollte, hat wenigstens den Vor- theil daraus gezogen, daß er seine Statue vortresflich zu stellen wußte. Die unsrige steht in einem vortheil- haften Lichte. Das Bild der heil. Maria, welche der heil. Anna das Kind Jesus uͤbergiebt, von Baciccio, hat viel von der Manier des Pietro da Cortona; aber es ist incorrekter gezeichnet, und nicht so leicht behandelt. Pietà von Annibale Carraccio. † Die Mutter Gottes bei dem Leichnam Christi, von Annibale Carraccio. Winkel- mann fuͤhrt aus diesem Gemaͤhlde die Figur Christi, als Muster einer edlen, dem Begriff des Gottmen- schen angemessenen Gestalt an. G. d. K. S. 297. Die Anordnung dieses Bildes ist sehr gut. Der Leichnam Christi ruhet nur auf halben Leib an den Knien der Madonna, welches mir viel natuͤrli- cher scheinet, als sie mit dem ganzen Gewicht eines todten Koͤrpers erdruͤcken zu lassen. Auf der einen Seite steht die heil. Magdalena, und auf der andern der heil. Franciscus. Zwei Engel zeigen die Wun- den des Heilands. Man sieht, daß unsere Composi- tion ganz verschieden von den Wiederholungen dieses Suͤjets zu Capo di Monte und im Pallast Doria ist. Der Ausdruck in den Koͤpfen ist sehr wahr und sehr edel. Dasselbe kann man von den Stellungen uͤberhaupt sagen, und von der der heil. Magdalena noch besonders, daß sie reizend ist. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Zeichnung ist vortrefflich, nur scheinen die Gewaͤnder, vorzuͤglich das der heil. Magdalena, et- was trocken. Der Farbe fehlt es an Harmonie: sie ist vortrefflich in der heil. Magdalena, und sehr schlecht in dem heil. Franciscus. Ueberhaupt scheint diese Figur nicht die beste zu seyn. Schade, daß man das Bild in keinem bessern Lichte siehet! Das antike Basrelief an dem Grabmale der Laura Mattei, welches Herr D. Volkmann anfuͤhrt, habe ich hier nicht finden koͤnnen. Dage- gen sind zwei andere Grabmaͤler, das eine von einem Herzog von Zaccarolli, das andere von einer Person aus dem Hause Pallavicini, hier befindlich, an denen Figuren mit reizenden Gesichts- bildungen stehen. Kirche il Gesu Hr. D. Volkmann S. 497. Titi S. 172. . † D ie Religion, welche die Ketzereien unter der Gestalt eines Mannes und eines Weibes zu Boden schleudert, von le Gros. Die Composition ist voller Feuer und die Gruppe gut geordnet, aber die Ausfuͤhrung des Details scheint mir weniger Verdienst zu haben. Die Figur der Religion ist ohne wahren Ausdruck und ohne Schoͤnheit. Die Stellung ist gezwungen. Der alte Mann zu ihren Fuͤßen ist eine wahre Carricatur und das alte Weib ekelhaft; inzwischen das Mus- kelnspiel am Ruͤcken des Alten ist leicht und natuͤrlich, und die Gewaͤnder sind gut geworfen. † Die Dritter Theil. S Anmerkungen † Die Religion vertilgt die heidnische Ab- goͤtterei und der Koͤnig von Bungo in Japan nimmt die christliche Religion an: eine Grup- pe von Theodon. Die Zusammensetzung ist nicht uͤbel, und die Figur der Religion hat einen ziemlich edeln Ausdruck. In dem Paradiese des Bassano sind schoͤne Koͤpfe. Das Bild des heil. Ignatius von Carlo Maratti hat sehr nachgeschwaͤrzt. Die Beschneidung Christi auf dem Haupt- altare von Muziano hat schoͤne Gewaͤnder, und ist im großen Stile gezeichnet. Der heil. Franciscus Xaverius von An- nibale Carraccio haͤngt zu schlecht, als daß man daruͤber urtheilen koͤnnte. Titi redet von einem Ecce homo von Guido Reni, als in der Sacristei befindlich. Herr D. Volkmann fuͤhrt dieses Bild gleichfalls an. Es ist aber nicht mehr daselbst anzutreffen. Kirche S. Giacomo degli Incurabili. Hr. D. Volkmann S. 386. Titi S. 384. M an sieht hier ein großes Basrelief von le Gros, welches den heil. Franciscus auf den Wolken vorstellet, wie er ein Marienbild um Genesung der unter ihm befindlichen Kranken anflehet. Die Anordnung ist daran zu loben. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Giacomo degli Spagnuoli Hr. D. Volkmann S. 471. Titi S. 143. . I n der Capelle des heil. Diego, ist das Altar- blatt von Annibale Carraccio. Der heil. Franciscus segnet den jungen Diego ein, oben der Christ unter vielen Engeln. Dies Bild, welches man fuͤr eins der letzten des Annibale Carraccio haͤlt, gehoͤrt nicht zu seinen schoͤn- sten. Die Zeichnung hat nicht einmal die diesem Mei- ster gewoͤhnliche Correktion. Zum Beweise moͤgen die Haͤnde des heil. Franciscus dienen. Inzwischen ist der junge Diego eine schoͤne Figur. Hingegen sind die Gewaͤnder wieder sehr willkuͤhrlich geworfen, und die Farbe des Ganzen ist unangenehm. In den Verzierungen des Altars sieht man noch, den heil. Petrus und Paulus nebst andern Mahlereien, welche von der Hand des Annibale seyn sollen. Diese Gemaͤhlde sind alle in Oel. Zu den Frescomahlereien soll Annibale blos die Zeichnungen verfertiget haben. Sie sind gewaltig verdorben. Gott der Vater in der Kuppel scheint von Albano ausgefuͤhrt zu seyn. Zur rechten Hand in der naͤmlichen Ca- pelle: St. Ivo, der einen Kranken mit dem Oele aus der Lampe heilet, von Domenichino, der dieses Suͤjet oͤfterer behandelt hat. Die aus- drucksvollen Koͤpfe und Stellungen sind dieses Mei- sters wuͤrdig; doch moͤchte ich den erschrockenen Mann auf dem Vorgrunde tadeln. Er ist eine wahre Car- ricatur. S 2 An Anmerkungen An dem Grabmale des Praͤlaten Montoja sieht man einen Kopf von der Hand des Ber- nini. Eben dieser Kuͤnstler hat in der Sacristei einen mit Blumen bekraͤnzten Weiberkopf mit dem Ausdrucke lachender Froͤlichkeit, und einen Mannskopf mit aufgesperrtem Maule und vorge- streckter Zunge gebildet. Man will darin die Vor- stellungen eines Seligen und eines Verdammten er- kennen. Sie sind sehr manierirt, aber von vortreffli- cher Behandlung. Man zeigt hier außerdem ein Basrelief, wel- ches die Taufe Christi vorstellet, und gleichfalls dem Bernini beigelegt wird. Die Statue des heil. Jacobs von San- sovino ist eine sehr vernuͤnftig componirte Figur. Die Gewaͤnder sind im Stil des Albert Duͤrer ge- kniffen, und hart anliegend, aber die Ausfuͤhrung ist vortrefflich. Kirche S. Giovanni Colabita Hr. D. Volkmann S. 572. Titi S. 60. . D as mittlere Gewoͤlbe ist von Corrado ge- mahlet, von dem man noch mehrere Mahlereien in dieser Kirche antrifft. Wer noch mehr von dieser Flaͤchen-Schminke wissen will, den verweise ich auf Herrn D. Volk- manns Anmerkungen uͤber diese Kirche. Ich un- terschreibe sein daruͤber gefaͤlltes Urtheil. Das Gemaͤhlde des Lenardi, worin dieser Meister die Seelen im Fegefeuer gebildet hat, welche zu uͤber die einzelnen Kirchen. zu ihrer Erfrischung von einem Engel mit Wasser besprenget werden, ist allerdings ein sehr laͤcherlicher Einfall. Kirche S. Giovanni Evangelista e S. Petronio. Titi S. 105. D iese Kirche scheint von Hrn. D. Volkmann ganz ausgelassen zu seyn. Sie liegt zwischen dem Pallast Spada und Farnese. † Auf dem Hauptaltar ein Gemaͤhlde von Domenichino. Es stellt eine Madonna mit dem Kinde Jesus, und in der Hoͤhe eine Glorie von Engeln vor, deren einige musica- lische Instrumente halten: Unten sieht man den heil. Johannes und den heil. Petronius. Weder Erfindung noch Anordnung sind zu loben, aber das Detail ist hin und wieder vortrefflich. Der Kopf der Madonna hat viel Aehnliches mit den Koͤ- pfen des Guido. Unter den Engeln rund herum haben einige einen Reiz, der sie des Pinsels des Correggio wuͤrdig machen wuͤrde, und die Halbschatten sind aͤußerst zart behandelt. Der heil. Johannes ist eine schoͤne Figur, die der Vorstellung im Pallast Giusti- niani von eben demselben Meister aͤhnelt. Das Bild hat im Ganzen sehr gelitten, behaͤlt aber noch hin und wieder eine schoͤne Faͤrbung. Die Gewaͤnder sind nicht gut. Man traͤgt sich mit der Nachricht, daß Mengs den Auftrag gehabt habe, dieses Bild um 30000 S 3 Scudi Anmerkungen Scudi fuͤr die Gallerie zu Dresden zu erstehen, daß aber aus dem Handel nichts geworden sey, weil man die Summe zu gering gefunden habe. Kirche S. Giovanni de i Fiorentini. Hr. D. Volkmann S. 390. Titi S. 422. A uf dem Altare der Capelle Nerli sieht man den heil. Cosmus und den heil. Damianus auf dem Scheiterhaufen, welche durch die Erscheinung einiger Engel von den Flammen gerettet werden: ein abentheuerliches Werk des Salvator Rosa. Zwei an der einen Seite her- vorragende Beine sehen wie abgehauen aus. Nach der Idee des Kuͤnstlers soll man sich den Koͤrper aus- ser dem Rahmen hinzu denken. Das Beste an dem Bilde ist die Behandlung. Das Grabmal des Praͤlaten Corsini hat Algardi, und das des Praͤlaten Acciajoli, Ercole Ferrata verfertiget. Von den Mahlereien einiger Florentiner will ich nicht reden. Man kennt bereits das unbedeutend Gezogene ihrer Physiognomien, und das Verdrehete ihrer Stellungen. Grabmal des Marchese Capponi, von M. A. Slodz. † Das Grabmal des Marchese Capponi von Michael Angelo Slodz, scheint mir eins der edelsten Monumente in Rom zu seyn. Eine weib- liche Figur lehnt sich auf einen Sarcophag, auf dessen Deckel zwei Genii das Bildniß des Marchese halten, und betrachtet dasselbe mit traurigem Blicke. Zu ihren uͤber die einzelnen Kirchen. ihren Fuͤßen liegt ein Lamm auf einem Buche. Der Kuͤnstler hat dadurch, wie mich duͤnkt, die beschei- dene Gelehrsamkeit des Verstorbenen sehr gluͤcklich angedeutet. Vielleicht duͤrfte eine von diesem Monumente ab- Vorschlag zu einem Sym- bol an einem unserm Leib- nitz kuͤnftig zu errichten- den Grab- male. strahirte Allegorie eines Adlers, der sich von einem Buche aufschwingt, an dem Grabmale, — nicht an der Ehrensaͤule, — welches man unserm großen Leibnitz setzen koͤnnte, nicht ungluͤcklich gewaͤhlt seyn. Der weit umfassende Scharfblick des Adlers kann in der Zusammenstellung mit dem Buche, und der Figur des Philosophen, nicht leicht einer Misdeu- tung oder Unverstaͤndlichkeit unterworfen seyn: und wie sehr wuͤrde das Werk als Gruppe dabei gewinnen! Die weibliche Figur ist reizend ge- dacht, und die Gewaͤnder haben nicht den unnatuͤr- lichen Faltenschlag des neuern Kirchenstils. Inzwi- schen wuͤrde man doch wuͤnschen, daß sie die Umrisse des Koͤrpers ein wenig genauer bezeichneten. Kirche S. Giovanni Battista nel fonte La- terano, oder Battisterio di S. Gio- vanni di Laterano. Hr. D. Volkmann S. 192. Titi S. 209. D as Taufgefaͤß von Porphyr hat die Form eines antiken Sarcophags. Es stehen aber nicht die Statuen des Pabsts Sylvester und Constantins dar- auf, wie Hr. D. Volkmann schreibt, sondern es ist blos mit einigen Basreliefs aus Bronze geziert, welche neu scheinen. S 4 Die Anmerkungen Die Gemaͤhlde in der Kuppel sind von An- drea Sacchi. Sie stellen nicht blos Suͤjets aus dem Leben der Maria, sondern auch andere heilige Geschichten des neuen Testaments, vorzuͤglich aus dem Leben Johannes des Taͤufers, vor. Sie haben das Verdienst einer guten mahlerischen Anordnung, ein Vorzug der diesem Meister eigen ist. Uebrigens gehoͤren sie nicht unter seine besten Sachen. Unten in der Capelle sieht man an den Waͤnden mehrere Gemaͤhlde von Giminiani, Camassei und Carlo Maratti. Die Zerstoͤ- rung des Goͤtzendienstes von Carlo Maratti wird fuͤr das Beste gehalten. Es ist aber sehr be- schaͤdigt, und so viel man noch urtheilen kann, ist der Ausdruck uͤbertrieben und doch kalt gewesen. In der Nebencapelle, die dem heiligen Jo- hannes dem Taͤufer gewidmet ist, findet man auf dem Altare die Figur dieses Heiligen von Donatello. In der Capelle Johannes des Evange- listen aber, eine Statue in Bronze nach dem Modelle des Giov. Batista della Porta. Kirche S. Giovanni di Laterano. Hr. D. Volkmann S. 294. Titi S. 210. I n der vordern Halle sind einige mittelmaͤßige Basreliefs von Bracci befindlich. Hier sieht man auch die antike Statue Con- stantins des Großen, die jedoch mehr des Alters, als der Schoͤnheit wegen merkwuͤrdig ist. In uͤber die einzelnen Kirchen. In der Kirche selbst findet man eine Menge Mahlereien von aͤlteren und neueren Roͤmischen und Venetianischen Meistern. Sie sind von geringem Werthe. Titi hat sie sehr sorgfaͤltig ange- geben. Das beste darunter ist die Himmelfahrt Christi von Cavaliere d’ Arpino uͤber dem Altare des hei- ligen Sacraments. In den Nischen stehen: die Statuen der zwoͤlf Apostel. Sie sind colossalisch. Der heil. Petrus ist von Monnot. Der heil. Paul von demselben. Der heil. Andreas von Rusconi. Der heil. Jacob von demselben. Der heil. Johannes von demselben. Der heil. Thomas von le Gros. Der heil. Jacob der juͤngere von Angelo de’ Rossi. Der heil. Philipp, von Joseph Mazzuoli. Der heil. Bartholomaͤus von le Gros. Der heil. Matthaͤus von Rusconi. Der heil. Simeon von Moratti. Der heil. Taddeus von Ottoni. Diese Figuren koͤnnen besonders dazu dienen, uns mit dem Kirchenstile bekannt zu machen. Sie gehoͤren unter die besten dieser Art. Ich habe bereits oben die Kennzeichen dieses Stils angegeben, und beziehe mich darauf. Man kann sagen, daß die ebengenannten Meister den Stil des Algardi in der Zeichnung mit dem des Bernini in der Behandlung des Fleisches und der Gewaͤnder zu vereinigen gesucht haben. Sie copirten uͤbrigens S 5 die Anmerkungen die Natur. Ihre Werke stehen auf der seligen Stufe der Mittelmaͤßigkeit, die durch keine ausgezeichnete Vorzuͤge und Fehler das Auge besonders anzieht oder beleidigt. In der Sacristei findet sich eine Verkuͤndi- gung Mariaͤ von Venusti nach der Zeichnung des Michael Angelo Buonarotti. Schoͤnes Grabmal des Pabstes Cle- mens des 12ten aus dem Hause Corsini. Die Capelle des Hauses Corsini, worin † das Grabmal des Pabstes Clemens des XII. aus diesem Hause befindlich ist, ist die schoͤnste Partie in dieser Kirche. Dies Grabmal ist unstreitig eines der schoͤnsten Monumente, die in neuerer Zeit errichtet sind. Die Urne in der die Gebeine des Pabstes ruhen, und die ehemals das Behaͤltniß der Gebeine des Agrippa gewesen seyn soll, weil sie unter der Halle des Pantheons stand, ist von schoͤnster Form, und sehr fleißig bis auf die geringsten Zier- rathen ausgefuͤhrt. Die Statue des Pabstes aus Bronze nach Maini hat viel Gutes. Rund umher stehen mehrere Statuen im Stil des Bernini. Die beste ist die Maͤßigkeit von Filippo Valle. Das Altargemaͤhlde ist ein beruͤhmtes Mosaik von Christofani nach dem schoͤnen Originale des Guido Reni im Pallast Barberini. Es stellet den heil. Corsini vor, und ist so gut, als ein Mosaik seyn kann. Man trifft in dieser Kirche auch das Monu- ment des Cardinals Casanata von le Gros an. Es ist von guter Erfindung, aber von kleinlichem Geschmacke in der Ausfuͤhrung, und manierirt. Ich bemerke zuletzt, daß die sogenannten Sellae Stercorariae hier nicht mehr befindlich sind, und daß uͤber die einzelnen Kirchen. daß der große porphyrne Sarg der heil. Helena nach dem Museo Clementino gebracht ist. Capelle: Triclinium Leonis III. Hr. D. Volkmann S. 205. Hier findet sich ein Mosaik, welches Chri- stum unter den zwoͤlf Aposteln vorstellt. Die von Benedikt dem XIV. hinzugefuͤgte Innschrift zeigt, daß es nur die Copie nach einem ganz verdor- benen alten Mosaik sey. Kirche S. Girolamo della Carità. Hr. D. Volkmann S. 438. Titi S. 116. † D ie letzte Communion des heil. Hierony- Die letzte Communion des heil. Hie- ronymus von Dome- nichino. mus von Domenichino. Eins der Hauptgemaͤhlde in Rom. Man hat behauptet, daß der Meister den Ge- danken seines Gemaͤhldes vom Agostino Carraccio Hr. D. Volkmann schreibt irrig Annibale Carraccio. entlehnt habe, der dasselbe Suͤjet in der Karthause zu Bologna behandelt hat. Die Sache ist an sich nicht zu leugnen: die erste Veranlassung zu Erfindung des Ganzen und einiger Details hat Domenichino sei- nem Vorgaͤnger zu danken; aber er hat auch viel darin veraͤndert, und es fraͤgt sich, mit welchem Gluͤcke? Unstreitig ist der Heilige in dem Gemaͤhlde des Agostino edler gedacht. Er faltet die Haͤnde uͤber die Brust, und diese Gebaͤrde sowohl als seine Mine zeigen die andaͤchtige Innbrunst, mit der er das letzte Liebesmahl zu empfangen bereit ist. Hingegen in dem Anmerkungen dem Gemaͤhlde des Domenichino ist er ein bloßer Sterbender, der kaum so viel Kraͤfte uͤbrig hat, sich zu dieser heiligen Handlung von den Umstehenden schleppen zu lassen. Aber dies abgerechnet, hat auch das Gemaͤhlde des Domenichino in allen uͤbrigen Theilen der Mah- lerei den augenscheinlichsten Vorzug vor dem Vorbilde, und man kann sagen, daß ihm dieses nicht mehr Dienste geleistet habe, als ein schlechtes antikes Bas- relief dem Raphael, wenn dieses durch die schwache Andeutung eines guten Gedankens der Keim zu der schoͤnsten Darstellung wurde. Ich habe das Originalgemaͤhlde des Agostino in Bologna gesehen. Die Composition ist mit Figuren uͤberladen, von denen mehrere nicht den geringsten Antheil an der Handlung nehmen. Die Vertheilung der Figuren ist sehr unordentlich. Der Ausdruck ist wahre Carricatur, das Helldunkle fehlt gaͤnzlich, und die Farbe ist sehr finster. Hingegen besteht das Gemaͤhlde des Domeni- chino aus wenigeren Figuren, die vortrefflich ange- ordnet sind. Diese haben einen aͤußerst wahren Aus- druck, durch den sie einen gut motivirten Antheil an der Haupthandlung nehmen. Ich rechne jedoch die Alte, welche dem Heiligen die Hand kuͤßt, ab. Diese Episode ist fuͤr die feier- liche Handlung stoͤrend; aber eine gluͤckliche Um- schmelzung der Idee des Loͤwen, der in dem Bilde des Agostino seinem Begleiter die Fuͤße leckt. Die Stellungen, vorzuͤglich die des jungen Mannes auf dem Vorgrun- de, sind sehr reizend. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Zeichnung ist fein, nur moͤchte man sie in den Extremitaͤten correkter wuͤnschen. Die Gewaͤnder sind im Ganzen von kleinlichem Geschmack, und zu eckigt in den Falten. Man sieht, daß dies Bild kraͤftig, harmonisch und wahr colorirt gewesen ist. Auch das Helldunkle kann dieses Verdienst gehabt haben. Die Figur des jungen Mannes, der auf dem Hintergrunde im Halb- schatten gehalten ist, thut vortreffliche Wuͤrkung. Aber ungluͤcklicher Weise hat das Bild sehr nachge- schwaͤrzt, und man urtheilt nur sehr unzuverlaͤssig uͤber die Vorzuͤge desselben in Ruͤcksicht auf diese Theile der Mahlerei. Die Capelle Spada ist sehr ingenioͤs decorirt. Zwei Engel von Marmor halten ein ausgespanntes Tuch, welches statt der Balustrade dient. Kirche S. Girolamo degli Schiavoni. Hr. D. Volkmann S. 387. Titi S. 396. H err D. Volkmann ruͤhmt die Marien beim Grabe Christi von Giuseppe del Bastaro. Seine Manier hat in Ansehung abstechender Lichter von den Schatten, Aehnlichkeit mit der Manier des Guercino; aber Zeichnung und Farbe, die diesem eigen sind, fehlen, und die Koͤpfe sind sehr gemein. Kirche S. Giuseppe a Capo le case. Hr. D. Volkmann S. 325. Titi S. 341. D ie heil. Maria mit dem Kinde und einem Engel, welcher den heil. Joseph aus dem Schlafe Anmerkungen Schlafe wecket, von Andrea Sacchi, gehoͤrt nicht unter seine besten Werke. Die heil Theresia mit der Maria von Lan- franco. Hat gute Koͤpfe und Haͤnde und viel vom Stil der Carracci. Schade, daß die Farbe zu sehr ins Nußbraune faͤllt! Kirche S. Gregorio Magno. Hr. D. Volkmann S. 607. Titi S. 74. D er Plafond der Kirche von Plazido Co- stanzi stellt die Aufnahme des heiligen Grego- rius in den Himmel vor. Er ist schlecht. Das Merkwuͤrdigste in der Kirche ist ein Ge- maͤhlde des Battoni, welches einige Heiligen in der Anbetung eines Marienbildes vorstellet. Es sind vortreffliche Koͤpfe darauf, inzwischen ist die Gesichtsbildung der heiligen Jungfrau unbedeutend. Die Faͤrbung ist sehr harmonisch. Capelle Salviati zur Linken. † Das Gemaͤhlde des Altars stellt den heil. Gregorius vor, welcher zwischen zwei Engeln betet. In der Hoͤhe eine Glorie von Engeln von Annibale Carraccio. Die Figur des Heiligen ist weder sehr edel noch sehr ausdrucksvoll; aber die Engel sind von großer Schoͤnheit. Die Gesichtsbil- dungen haben viel Correggianisches. Ueberhaupt sieht man auch, wie Annibale den Correggio in der Farbe und im Helldunkeln nachzuahmen gesucht habe. Diese Theile der Mahlerei sind in diesem Bilde besser besorgt uͤber die einzelnen Kirchen. besorgt als in vielen andern dieses Meisters. Inzwi- schen fehlt der Schmelz der Farben. Man sieht hier noch ein Basrelief, welches den Einzug unsers Heilandes in Jerusalem vor- stellet und einen gewissen Costi, einen Florentinischen Kuͤnstler, zum Meister hat. Capelle der heiligen Silvia. Guido Reni hat hier ein Concert von Engeln gemahlt, wel- ches in Ansehung der Zusammensetzung nicht gluͤcklich gerathen ist. Die Figuren stehen gerade und ohne Verbindung. Das Gemaͤhlde ist uͤbrigens so sehr ver- blichen, und hin und wieder retouchirt, daß man nicht weiter daruͤber urtheilen kann. Die Statue der heiligen Silvia von Cor- dieri ist mittelmaͤßig. Capelle des heil. Andreas. Sie ist sehr Capelle des heiligen An- dreas mit Mahlereien von Guido Reni und Domenichi- no. merkwuͤrdig, weil Guido Reni und Domeni- chino hier in die Wette gemahlt haben. † Das Gemaͤhlde des Guido stellet den heil. Andreas vor, der zum Tode gefuͤhrt wird. Der heil. Andreas wirft sich, als er das Kreuz von weitem erblickt, auf die Knie nieder, es anzubeten; aber die Henker noͤthigen ihn wieder aufzustehen. Die Anordnung ist gut, das Colorit faͤllt zu sehr ins Rothe. Die Figur des Heiligen ist vor- trefflich. † Domenichino hat die Geisselung des naͤmlichen Heiligen vorgestellt. Man sagt, daß, wie Annibale Carraccio die Mah- lereien dieser seiner beiden Schuͤler verglichen, er den Ausspruch gefaͤllet habe, Domenichino habe als ein Lehrling, Guido als ein ausgelernter Kuͤnstler gear- beitet; Anmerkungen beitet; aber der erstere werde dereinst ein groͤßerer Meister als der letzte werden. Dieser Ausspruch scheint mir viel Wahres zu enthalten. Domenichino hatte noch nicht seine ganze Staͤrke, als er mit Guido Reni wetteiferte. An- ordnung, Helldunkles und Perspektiv, kurz! alle Theile, welche zur mahlerischen Erfindung einer groͤs- seren Composition gehoͤren, und Ueberlegung, Wis- senschaft voraussetzen, sind hier weniger gut, als in dem Bilde seines Nebenbuhlers. Hingegen uͤber- trifft er diesen an Richtigkeit der Zeichnung, vorzuͤg- lich in den Extremitaͤten, und an Wahrheit des Co- lorits. Wenn ich die einzelne Figur des Heiligen in dem Bilde des Guido ausnehme; so leidet es keinen Zweifel, daß Domenichino auch an Wahrheit des Ausdrucks jenem uͤberlegen ist. Man sieht hier einige Mahlereien in einerlei Farbe, welche viele dem Domenichino beilegen. St. Petrus und Paulus zu beiden Seiten des Altars, sind von Guido Reni. In der Sacristei ein schlechtes Gemaͤhlde von Federico Zuccari. Kirche S. Grisogono. Hr. D. Volkmann S. 756. Titi S. 56. D ie Assumption des Schutzpatrons dieser Kirche von Guercino an der Decke, ist eine schlechte Composition. Form und Ausdruck sind schlecht ge- waͤhlt. Die Lichter sind zerstreuet, die Schatten haben nachgeschwaͤrzt; der Grund ist zu blau, die Farbe uͤbrigens kraͤftig. Man uͤber die einzelnen Kirchen. Man sieht außer denen von Hrn. D. Volkmann angezeigten Monumenten noch ein neueres des Cardinals Milo, welches jedoch nicht viel Ver- dienst zu haben scheint. Kirche S. Ignazio. Hr. D. Volkmann S. 483. Titi S. 167. D ie architektonischen Mahlereien des Pater Pozzi sind sehr verblichen. Dem ohngeachtet ma- chen sie noch Illusion. An Gemaͤhlden ist die Kirche ziemlich arm, hin- gegen enthaͤlt sie einige gute neuere Bildhauerwerke. Das Monument des Pabsts Gregorius des XV. und seines Neffen des Cardinals Lu- dovisi zu seinen Fuͤßen, ist eine gute Zusammen- setzung, die auf den ersten Blick Wuͤrkung thut. Schade, daß die Ausfuͤhrung vernachlaͤßigt ist. Es ist theils von le Gros selbst, theils nach dessen Zeich- nungen von Monot ausgefuͤhrt. Die Koͤpfe des Ue- berflusses und der Religion haben eine zu suͤßliche Mine, und die Gewaͤnder sind zu eckigt. Die beiden Figu- ren der Fama von Monot, zieren sich auf eine uner- traͤgliche Weise. Die Capelle des heil. Ludewig Gonzaga ist eine der praͤchtigsten in Rom. † Das Basrelief am Altare stellet diesen Heiligen vor, wie er in den Himmel getragen wird. So beruͤhmt dieses Werk des le Gros ist, so ge- stehe ich doch, daß ausser dem Verdienst einer guten Anordnung, welches in der Mahlerei interessanter seyn Dritter Theil. T Anmerkungen seyn wuͤrde, als in der Sculptur, ich diesem Basre- lief kein sonderliches beizulegen wisse. Die Figur des Heiligen ist affektirt; sein Kopf gleicht mehr einem gu- ten Kinde, als einem heiligen Manne. Die Engel haben uͤbertriebene Stellungen, die ganz nach der Re- gel des Contraposto erfunden sind. Die Wolken von Stein thun eine sehr schlechte Wuͤrkung. Die Ge- waͤnder haben lauter viereckigte Falten, und sind oh- ne Zartheit behandelt. Die Engel der Balustrade von Ludovisi sind ganz im Stile des Bernini gedacht und ausge- fuͤhret. Gerade gegen uͤber die Capelle della S. S. Nun- ciata. Das darin befindliche Basrelief von Fi- lippo della Valle ist mittelmaͤßig. Die Engel auf der Balustrade sind von Bracci. Die Gemaͤhlde von Pozzi, die nicht archi- tektonisch sind, sind unter der Critik. Kirche S. Lorenzo fuori delle Mure. Hr. D. Volkmann S. 212. Titi S. 225. M an findet hier ein Paar antike Begraͤbniß- urnen, deren eine sehr groß und von Porphyr, mit Weinreben, Trauben und Voͤgeln in erhobener Ar- beit geziert ist. Von den beiden Grabmaͤlern an den Sei- ten der Thuͤre, die zu den Catacomben fuͤhret, hat das eine Pietro da Cortona angegeben. Die Saͤule mit der Eidexe und dem Fro- sche im Capitale, die Winkelmann in dem Ver- suche uͤber die einzelnen Kirchen. suche uͤber die Baukunst der Alten auf dem Titelku- pfer hat stechen lassen, muß man bey der Kanzel suchen. Es soll dieses Capital die Nahmen der Bau- meister Saurus und Batracus anzeigen. Kirche S. Lorenzo in Lucina. Hr. D. Volkmann S. 257. Titi S. 367. D er gekreuzigte Christus von Guido wird unter die beruͤhmten Gemaͤhlde von Rom gezaͤhlet. Ich gestehe es zu, daß das Spiel der Muskeln wahr, und die Zeichnung sehr fleißig ist. Aber uͤbrigens scheint mir die Figur steif, ohne edlen Ausdruck und ohne Ruͤndung. Die Farbe faͤllt zu sehr ins Graue. Kirche S. Lorenzo in Miranda. Hr. D. Volkmann S. 557. Titi S. 202. A uf dem Hauptaltare hat Pietro da Cortona die Marter des heil. Laurentius gemahlt. Das Bild sieht seinen uͤbrigen aͤhnlich, und ist nicht ein- mal eins von seinen besten. Die heil. Maria mit den beiden Aposteln Andreas und Jacobus von Domenichino ist kaum noch zu erkennen. Titi sagt, daß der Cava- liere Vanni es verwaschen habe. So viel man noch urtheilen kann, war es eine schlechte Composition mit einigen guten Koͤpfen. T 2 Kirche Anmerkungen Kirche S. Luigi de’ Francesi. Hr. D. Volkmann S. 469. Titi S. 145. und 468. A uf dem Hauptaltare ist die Assumption der Maria von Francesco Bassano gemahlt. Die Anordnung hat viel vom Paolo Veronese. Die Gewaͤnder sind gut, auch finde ich die Formen weniger unedel, als gewoͤhnlich gewaͤhlt; die Koͤpfe aber sind alle nach einem Modelle gebildet. Capelle mit Mahlereien von Dome- nichino. † Die zweite Capelle rechter Hand ist wegen verschiedener Mahlereien des Domenichino be- ruͤhmt. Beim Eintritt, rechts, sieht man die heilige Caͤcilia, welche ihre Kleider unter die Armen vertheilt. Die Anordnung ist schlecht. Die heil. Caͤcilia steht so versteckt, daß man sie beinahe gar nicht sieht. Der Ausdruck ist niedrig, aber aͤußerst wahr. Jede Figur sagt das, was sie sagen soll; Schade nur, daß dies Gesagte nicht viel werth ist! Hin und wieder faͤllt der Ausdruck gar ins Niedrige: Zum Beispiel, der Jude, der von weitem den Preis, den er fuͤr ein Kleidungsstuͤck bietet, mit den Fingern anzeigt; die Mutter, die ihrem Sohne ein Paar Ohr- seigen giebt, da er seinem Bruder ein Camisol weg- nehmen will; die Straßenjungen, die sich uͤber ein Stuͤck Zeug in den Haaren liegen. Inzwischen muß man immer die Kunst bewundern, mit der Domeni- chino die geheimsten Affekten der Seele durch die Be- wegung des Koͤrpers dem Auge des Beschauers ver- staͤndlich zu machen gewußt hat. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Zeichnung ist incorrekt, die Luftperspektiv scheint vernachlaͤßigt; inzwischen will ich uͤber diese nicht urtheilen, da das Bild durch Feuchtigkeit des Orts und durchs Retouchiren so sehr gelitten hat. Der Tod der heil. Caͤcilia gegen uͤber. Dies Suͤjet war eines edleren Ausdrucks faͤhig und der Kuͤnstler hat ihn zu erreichen gewußt. Die Anord- nung ist sehr gut, und die Gruppen greifen gut in ein- ander. Die heil. Caͤcilia hat einen vortrefflichen Ausdruck von duldender Hingebung: jedoch duͤrfte dieser mehr einem gutmuͤthigen Kinde als einer Heili- gen mit wahrer Standhaftigkeit gehoͤren. Die Figur scheint mir im Ganzen zu klein gegen die Umstehenden. An diesen bemerke ich einen sehr schoͤnen Ausdruck und herrliche Stellungen. Die Gewaͤnder sind schlecht. Das Bild hat sehr gelitten. Die heil. Caͤcilia vor dem Richter, der sie zwingen will, den falschen Gdttern zu opfern, eine Composition im Stil alter Basreliefs. Unter den Koͤpfen, welche die diesem Meister gewoͤhnlichen sind, sind einige sehr schoͤn. Die Figur der Heili- gen scheint sich ein wenig zu zieren. Dies Gemaͤhlde ist besser als die vorigen erhalten. Diesem Bilde gegen uͤber eben diese Heilige, welche in Gesellschaft eines andern Heiligen die Maͤrtyrerkrone von einem Engel erhaͤlt. Eine allerliebste Composition; der Ausdruck in Minen und Stellungen ist vorzuͤglich zu bemerken. In der Mitte die Assumption der heil. Caͤ- cilia. Die Anordnung ist nicht zu loben, aber sonst hat das Bild viel Gutes. Der Ausdruck der Heili- gen ist voller Adel und himmlischer Heiterkeit. Sie T 3 kniet Anmerkungen kniet auf einem Gewande, welches ein Engel uͤber seinem Kopfe ausgespannet haͤlt. Diese Idee ist aus einem Basrelief in der Villa Medicis genommen, welches das Urtheil des Paris vorstellt. Die Engel sind liebliche Gestalten und angenehm colorirt. Man zeigt in dieser Kirche † eine Madonna mit dem Kinde und legt sie dem Correggio bei; andere halten sie von Procaccini. Ich halte sie von Cambiasi. Man erkennt an dem Mangel des Schmel- zes der Farben, daß das Bild nicht vom Correggio sey: obgleich sonst der Ausdruck viel von der diesem Meister gewoͤhnlichen Lieblichkeit hat. Kirche S. Marcello al Corso. Hr. D. Volkmann S. 323. Titi S. 321. D ie Schoͤpfung der ersten Eltern, und die bei- den Evangelisten S. Marcus und S. Johan- nes sind von Perrino del Vaga angefangen und von Daniel da Volterra geendiget. Die Bekehrung Pauli ist eins der besten Ge- maͤhlde von Federico Zuccheri und die umstehende Mahlerei al Fresko, in der naͤmlichen Capelle von seinem Bruder Taddeo. Salviati hat hier einige Gemaͤhlde verfertigt. Algardi, Raggi, Naldini haben die Kirche mit ver- schiedener Bildhauerarbeit gezieret, deren Verzeichniß beim Titi nachzusehen ist. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Maria degli Angeli, oder alle Terme di Diocleziano, auch la Certrosa. Hr. D. Volkmann S. 251. Titi S. 285. † D er heil. Hieronymus von Muziano. Ein schoͤnes Bild, das immer die Augen des Kenners auf sich ziehen wird, wenn gleich die Farbe verblichen ist. Der Gedanke ist gut, die Koͤpfe und die Ge- waͤnder sind wohl gewaͤhlt, und die Zeichnung ist correkt. † Der Fall Simons des Zauberers, von Beurthei- lung eines Gemaͤhldes von Pompeo Battoni. Pompeo Battoni, verdient als eins der Haupt- werke dieses braven neueren Meisters Gerade als ich im Begriff bin, das Mspt. mei- nem Herrn Verleger zu schicken, erfahre ich, daß der alte verdienstvolle Kuͤnstler gestorben ist. Er hatte große Fehler, aber sie wurden auch durch große Vorzuͤge, besonders in der mechanischen Ausfuͤh- rung, compensirt: und ich fuͤrchte, seitdem die Mahler zu sehr Philosophen und Dichter geworden sind, moͤchte der geschickte Handwerker, der an je- nem verloren gegangen ist, so bald nicht wieder er- setzt werden. einige beson- dere Aufmerksamkeit. Zuerst Gedanke und Anordnung: Der heilige Petrus flehet mit in die Hoͤhe gerichteten Augen den Himmel an, daß er die Werke des Teufels zerstoͤren moͤge, und seine Hand, gegen die Erde ausgestreckt, zeigt den Wunsch, daß der fliegende Zauberer herab- geschleudert werden moͤge. Um ihn herum stehen T 4 mehrere Anmerkungen mehrere Glaͤubige, welche voll Zuversicht dieses Zei- chen der hoͤheren Allmacht erwarten. Sie bilden die erste Gruppe unter einem Porticus. Weiterher liegt ein Sclave, der mit dem Ausdruck, der seinem nie- drigen Stande eigen ist, den fallenden Simon angafft und einen Hund, der diesen anzubellen scheint, zuruͤck- haͤlt. Dies auf dem rechten Theile des Vordergrun- des. Zur Linken, mehrere Zuschauer, die Erstaunen und Furcht durch ihre Gebaͤrden zu erkennen geben: Eine Mutter, die sich sitzend uͤber ihr Kind herbeugt, und es außerdem durch den ausgestreckten Arm vor der Zerschmetterung durch den fallenden Zauberer zu beschuͤtzen sucht. Ein Mann, der, um ein aͤhnliches Ungluͤck von sich selbst abzuwehren, die Haͤnde uͤber den Kopf ausbreitet. Etwas tiefer herab eine Gruppe dreier Personen, die in der Bestuͤrzung uͤber einander stolpern. Im Hintergrunde: eine Statue des Hercules, und der Praͤtor auf der Sella curu- lis, umgeben von Senatoren, Tribunen und Kriegs- knechten. In der Hoͤhe: der Zauberer in Begleitung von ein Paar Teufeln bereits fallend. Das Bild ist zu voll; die Gruppen sind zu un- ordentlich gestellt; das Auge findet nirgends Ruhe. Der Ausdruck ist ziemlich wahr, aber zu niedrig. In der Wahl der Koͤpfe herrscht zu viel Monotonie, sie scheinen beinahe alle nach einem Modelle verfer- tigt zu seyn. Die Zeichnung ist keinesweges ohne Incorrektionen, vorzuͤglich in dem fallenden Zaube- rer, durchaus aber ohne Feinheit und Bestimmtheit. Die Gewaͤnder sind von kleinlichem Stile ohne hin- reichende Bezeichnung des Nackenden. Das rothe Gewand der Frauen mit dem Kinde zeigt inzwi- schen uͤber die einzelnen Kirchen. schen sehr mahlerische Massen heller und dunkler Partien. Das Colorit ist nicht wahr, aber es hat den Vorzug, welcher diesem Meister vorzuͤglich eigen zu seyn scheinet: Die Farben der ganzen Tafel machen ein fuͤr sich bestehendes harmonisches Ganze aus. Der Ton ist, von der obersten Spitze des Gemaͤhldes an bis unten hinaus, einer und derselbe. Es ist eine schoͤn gefaͤrbte Tafel, eine liebliche Farbenleiter, ein angenehm in einander fließender Regenbogen. Wenn man weiß, auf welche Art Battoni seine Gemaͤhlde verfertigt hat, wird dieses Verdienst der Farbenharmonie noch groͤßer. Er bedeckte seine großen Gemaͤhlde mit einem Tuche, und mahlte nun von oben bis unten hinunter, so wie er eine Stelle aufdeckte, das Gemaͤhlde auf den ersten Strich fertig. In Ruͤcksicht auf Haltung hat aber das Ge- maͤhlde nicht dieselben Verdienste. Der Mahler hat naͤmlich gewagt, das Bild durch den Blitz zu er- leuchten, durch den er den fliegenden Zauberer her- abschleudern laͤßt. Dieser kuͤhne Gedanke bringt zwar einige pikante Schlagschatten hervor, zerstreuet aber zu gleicher Zeit das Licht, und erhellet den Hin- tergrund zu sehr. Denn nun tritt der Praͤtor, der dort sitzt, so nahe an die Personen der vordersten Gruppe, daß man nicht absieht, wohin der Zaube- rer fallen soll, ohne alles Lebende unter sich zu zer- schmettern. Der Kaiser Constanz, der bei der Cele- bration der Messe durch den heil. Basilius in Ohnmacht faͤllt, von Subleyras. Das Bild T 5 ist Anmerkungen ist nicht ohne Verdienst, inzwischen hat die poetische Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt, unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann zum Muster dienen. Der Ausdruck in dem Kaiser ist zu affektirt. Die Gruppe der Priester ist das Beste im Bilde: Man sieht darunter gute Koͤpfe. Die Zeichnung ist ohne auffallende Fehler, die Faͤr- bung schlecht, und das Helldunkle besser gedacht als ausgefuͤhrt. Die Auferweckung des Lazarus von Co- stanzi. Die Anordnung ist gut, der Ton der Faͤrbung, obgleich harmonisch, faͤllt zu sehr ins Schwarze. Die Marter des heiligen Sebastians von Dome- nichino. † Die Marter des heiligen Sebastians von Domenichino. Weder die poetische Erfin- dung noch die mahlerische Anordnung verdienen ein besonderes Lob. Die Menge der hier vorgestellten Figuren ist dergestalt auf einander gehaͤuft, daß das Auge Muͤhe hat, sie aus einander zu sondern. Die Episode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus einander treibt, schadet der Einheit der Handlung, weil sie die Aufmerksamkeit zu sehr an sich zieht, und den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns machen sollte, auf keine Weise unterstuͤtzt. Man muß die Figuren einzeln sehen, um sich von ihrer Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede sagt das, was sie sagen soll. Man sieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem des Heiligen scheint der Mahler den Laocoon vor Au- gen gehabt zu haben. Der Koͤrper ist nicht so edel Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Figur Christi in der Glorie ist schlecht. In der Zeichnung, vorzuͤglich der Haͤnde, trifft man meh- rere Incorrektionen an. Die Farbe ist gut aufge- tragen, und kraͤftig. Ueber Luftperspektiv, Hal- tung und Harmonie kann man nicht mehr urtheilen. Das Bild hat sehr gelitten; indessen scheinen diese Theile niemals vorzuͤglich gewesen zu seyn. Dies Gemaͤhlde ist al Fresto. Ueber die Art, wie es aus der Wand genommen, und von seiner vor- maligen Stelle hieher gebracht ist, liefert Koͤremon im 2ten Theile interessante Nachrichten. Die Darstellung Mariaͤ im Tempel von Romanelli. Das Bild ist zu sehr verdorben, um mit Zuverlaͤßigkeit ein Urtheil daruͤber zu faͤllen. Sollte man etwas daruͤber sagen, so waͤre es dies: Die poetische Erfindung ist schlecht, die mahlerische Anordnung gut; der Ausdruck unbedeutend, die Stellung reizend; die Zeichnung unbestimmt, aber ohne auffallende Unrichtigkeiten; die Faͤrbung falsch, aber die Harmonie gut; Kurz! die charakteristischen Fehler und Vorzuͤge des Kirchenstils finden sich neben einander. Die Taufe Christi von Carlo Maratti. Ich wuͤßte nicht, welches Verdienst dieses Bild ha- ben koͤnnte. Alle Theile der Mahlerei sind darin schlecht; die Stellungen Christi und des heil. Johan- nes ekelhaft geziert. Die Strafe des Ananias und der Sapphira von Roncalli oder Pomeranzio, auf Schiefer: ganz verdorben. Herr Volkmann sagt, daß dieses Bild in einem großen Stile gemahlt sey. Dieses kann Anmerkungen kann nur so viel heißen, daß die Gewaͤnder große Massen darbieten, welche das Licht gut auffangen; denn uͤbrigens ist weder Hoheit des Ausdrucks noch Richtigkeit der Zeichnung darin anzutreffen. Kirche S. Maria dell’ Anima. Hr. D. Volkmann S. 403. Titi S. 414. Schoͤnes Ge- maͤhlde von Giulio Ro- mano. † M adonna mit dem Christkinde, ein heiliger Jacob betet es an; der heilige Joseph lehnt sich auf den Ellnbogen, und sieht zu; der heil. Rochus wird dem Heiland durch den heil. Johannes vorgestellt, und hinten futtert die heil. Anna die Huͤner: von Giulio Romano. Es ist ein Hauptbild dieses Meisters, ob es gleich auf mancherlei Art, durch Retouchiren, schlech- ten Firniß ꝛc. gelitten hat. Auch sind Erfindung und Anordnung nicht zu loben; man muß allein auf das Detail sehen. Der Kopf der Madonna hat viel Aehnlichkeit mit dem der Madonna in der heil. Familie von Raphael zu Versailles. Eben daher ist auch die Stellung des heil. Josephs genommen, der sich auf den Arm stuͤtzt; aber, recht nach Art der Nachahmer, hier sehr uͤbertrieben wieder ange- bracht. Die Madonna ist die reizendste Figur auf dem Bilde, dabei in vortrefflichem Geschmack drap- pirt. Der Kopf des heil. Rochus, und einige Engel sind auch sehr schoͤn. Dagegen gehoͤren die Knie des Christkindes einem ausgewachsenen Bootsknechte, und die Beine des heil. Johannes sind offenbar zu klein gegen die uͤbrige Figur. † Ein uͤber die einzelnen Kirchen. † Ein Paar Kinder von Francesco Fiam- Kinder von Fiammingo. mingo an dem Grabmale Ferdinands van der Einda, — irrig schreibt Hr. Volkmann: Monu- ment von Ferdinand Vander, — eines Antwer- pers. Sie sind aͤußerst delicat behandelt, und haben sehr liebliche Physiognomien. Vielleicht duͤrften sie ein wenig zu fleischigt seyn. Kirche S. Maria dell’ Appollinare. Hr. D. Volkmann S. 407. Titi S. 405. I n der dritten Capelle rechter Hand, der heil. Franciscus Xaverius von le Gros. Die Stel- lung ist affektirt, der Kopf ohne Ausdruck, und das Gewand in zu viel kleine Falten gelegt. Kirche S. Maria di Loretto. Hr. D. Volkmann S. 175. Titi S. 277. † D ie heilige Susanna von Fiammingo. Diese H. Susanna von Fiam- mingo. Statue ist unstreitig eine der besten von denen, die in neueren Zeiten verfertigt sind. Der Kopf hat Reiz, aber er reicht nicht an das hohe Ideal von Schoͤnheit der Alten. Man kann nur sagen: er sey gefaͤllig. Vielleicht sind die Wangenknochen ein wenig zu stark. Die Stellung ist simpel, und der Kuͤnstler hat die Regel des Contraposto, die unter seinen Zeitge- nossen so oft gemisbraucht wurde, auf eine vernuͤnf- tige Art genutzt. Inzwischen werfen einige Kenner dem Anmerkungen dem linken Fuße immer noch eine unnatuͤrliche Stel- lung vor. Der Wurf des Gewandes ist gut gedacht, so auch der Faltenschlag. Die Uebergaͤnge aus einer Falte in die andere duͤrfte man in der Ausfuͤhrung weicher wuͤnschen. Man kann den Werth dieser Statue nicht besser beurtheilen, als wenn man den Gipsabdruck der- selben auf der Franzoͤsischen Academie mit dem der heil. Bibiena vom Bernini, der ihr dort gegen uͤber steht, vergleicht. Man wird alsdann finden, daß Fiammingo’s Werk vielleicht nur darum einen so großen Vorzug vor dem Werk seines Nebenbuhlers erhaͤlt, weil er sich weniger von dem Stile der Antike entfernt hat. Der Ausdruck ist der einer sanften, gottesfuͤrchtigen Seele voll sittsamen Reizes, und stiller Tugend. Die Hand, mit der sie auf den Altar zeigt, duͤrfte ein wenig zu groß und zu steif seyn. In der andern haͤlt sie einen Palmzweig. Sie steht nicht in der Nische uͤber der Thuͤre, wie Hr. Volkmann sagt, sondern in einer Nische dem Altare zur Seite. Einige Be- merkungen uͤber den Stil des Fiam- mingo. Franßois Quesnoy, genannt Fiammingo, lebte von 1594 bis 1648. Er verdient mit Recht den Nahmen des groͤßten Bildhauers neuerer Zeiten. Er hat mehr als alle andere im Stil der Antike gedacht, und er wuͤrde vielleicht seinen Mustern noch naͤher gekom- men seyn, wenn der zu seiner Zeit herrschende Kir- chenstil ihn nicht wider seinen Willen davon zuruͤckge- halten haͤtte. In Kindern hatte er seine groͤßte Staͤrke: Er bildete sie mit der anschmiegenden Lieb- lichkeit die ihrem Alter eigen ist. Der Kopf seiner Susanna zeigt gefaͤllige Unbefangenheit, sanfte Zu- vor- uͤber die einzelnen Kirchen. vorkommung. Der Ausdruck des Affekts in seinem heil. Andreas in der Peterskirche, ist hingegen uͤber- trieben und affektirt. Mehr Werke kenne ich nicht von diesem Meister. Wenn sie mich nicht hinreichend berechtigen, ein allgemeines Urtheil uͤber die Vorwuͤrfe zu faͤllen, in deren Darstellung unser Meister seine groͤßte Staͤrke besaß; so scheinen jedoch jene Erfah- rungen in Verbindung mit der Nachricht, die wir von dem ausgezeichnet ungluͤcklichen Schicksal haben, womit Fiammingo in seinem Leben zu kampfen hatte, die Vermuthung zu bestaͤrken, daß der Ausdruck ei- ner holden Seele in einem zart organisirten Koͤrper ihm am besten gegluͤckt sey, daß er sich hingegen schwerlich bis zur Bildung eines hohen Geistes, zur Darstellung starker Affekte werde hinaufgeschwungen haben. Kirche S. Maria Maddalena al Corso. Hr. D. Volkmann S. 333. Titi S. 348. † D ie heil. Magdalena, der die Engel die Instrumente der Passion zeigen, ein sehr schoͤ- nes Bild von Guercino. Schade, daß die Schatten zu sehr nachgeschwaͤrzt haben, und daß es zu schlecht im Lichte stehet, um es genau zu erken- nen. Die Gesichtsbildungen sind, so viel man noch sehen kann, wohl gewaͤhlt. Vielleicht duͤrfte es ein wenig an Ausdruck fehlen. Die Zeichnung ist gut, vorzuͤglich fallen der Arm und die Haͤnde des Engels, der den Christ in den Wolken zeigt, sehr auf. Auch loͤsen sich die Figuren gut von dem Grunde ab. Kirche Anmerkungen Kirche S. Maria Maddalena e S. Salva- tore delle Capelle. Hr. D. Volkmann S. 352. Titi S. 363. D iese Kirche kann sowohl in Ruͤcksicht auf Bau- kunst als Mahlerei und Bildhauerarbeit, fuͤr ein Modell des schlechten Geschmacks dienen. Kirche S. Maria Maggiore. Hr. D. Volkmann S. 218. Titi S. 249. D ie Sixtinische Capelle hat fuͤr die Kunst nichts Merkwuͤrdiges. Capelle Borghese hat Gemaͤhlde von Giuseppe d’Arpino, und Guido Reni, sie sind aber dem Auge zu entfernt, und zu schlecht erleuchtet, als daß man sie gehoͤrig beurthei- len koͤnnte. Sie stellen verschiedene Patriarchen und Lehrer des neuen Testaments vor. Die Sculptur in dieser Capelle ist durchaus mit- telmaͤßig. Die Urne die zum Altar dient ist aber sehr schoͤn. Das Beste von Bildhauerarbeit in dieser Kirche scheint das Grabmal Clemens IX. zu seyn. Die Arbeit ist von Schuͤlern des Bernini. Gegen uͤber das Grabmal Nicolaus IV. Beide tragen viel zur Auszierung der Kirche bei. Das Grabmal des Agostino Favoriti hat der Bischoff von Fuͤrstenberg errichten lassen; es ist aber nicht, wie Hr. D. Volkmann irrig schreibt, das Grabmal dieses Praͤlaten selbst. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Capelle Cesi ist von guter Erfindung. Man schreibt sie dem Martino Lunghi zu. Die Grabmaͤler sind von della Porta, und besser gedacht als ausgefuͤhrt. Titi fuͤhrt hier zwei Grabmaͤler des Santarelli und des Costanzo Patrizi an, die vom Algardi verfertigt seyn sollen. Die Capelle Sforzi soll nach den Zeichnun- gen des Michael Angelo Buonarotti decorirt seyn. Die Auferweckung des Lazarus von Muziano, von der Hr. Dr. Volkmann redet, ist nicht mehr hier, sondern soll, wie Titi berichtet, nach dem Pal- last des Quirinals gebracht seyn. Im Eingange der Sacristei sieht man ein Monument des Antonio Grata, Gesandten des Koͤnigs von Congo. Es ist von der Hand des Ber- nini, aber mittelmaͤßig. Ein gleiches Urtheil darf von der Himmelfahrt Mariaͤ, einem Basrelief auf dem Altare im Chor, gelten. Es ist von dem Vater des Bernini. In der dritten Capelle von der Sacristei ab sieht man eine Verkuͤndigung von Pompeo Battoni. Kirche S. Maria ad Martyres oder das Pantheon, gewoͤhnlich la Rotonda genannt. Hr. D. Volkmann S. 346. Titi S. 360. D ie Statue der Madonna von Lorenzetto Madonna von Loren- zetto. wird fuͤr das beste Kunstwerk in dieser Kirche gehal- ten. Dritter Theil. U Anmerkungen ten. Der Kopf der Madonna ist von schlechter Wahl, und ohne Ausdruck; das Christkind schlecht gezeichnet, und so hart ausgefuͤhrt, daß es aus Holz geschnitzt zu seyn scheint. Ueberhaupt ist das Na- ckende nicht mit genugsamer Zartheit behandelt. Besser ist das Gewand, immer aber bleibt es noch zu schwerfaͤllig und unbestimmt in dem Faltenschlage, wenn man gleich die Nachahmung der Antiken darin spuͤrt. Man trifft hier noch mehrere Bildhauerarbeit und verschiedene Mahlereien an, welche aber der Aufmerksamkeit des Liebhabers weniger werth zu seyn scheinen. Zu denen von Hrn. Dr. Volkmann angezeigten Grabmaͤlern sind noch folgende in neuern Zeiten hinzugekommen. Das Monument von Mengs, welches ihm der Cavaliere Azara mit der Innschrift: Pictori Philosopho, hat setzen lassen. Das Monument Poussins, welches auf Kosten des Marquis d’Azincourt errichtet ist. Das Monument Winkelmanns verdanken wir dem Patriotismus des Herrn Hofraths Reiffen- stein, und mit wenigem Anspruch auf eine so ehrbrin- gende Gesellschaft, hat ein neuerer Mahler Bene- fiali, ein eingebohrner Roͤmer, von den Kuͤnstlern unter seinen Landesleuten gleichfalls hier ein Monu- ment erhalten. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Maria sopra Minerva. Hr. D. Volkmann S. 489. Titi S. 155. † C hristus von Michael Angelo, steht meiner Christus von Michael An- gelo. Einsicht nach nicht seinen Ruhm. Er ist von gemei- ner Natur, sowohl was Kopf als Koͤrper anbetrifft. Er traͤgt einen Stutzbart; die Beine sind schwerfaͤl- lig, die Haͤnde unnatuͤrlich; die ganze Stellung ist verdreht und unedel; die Muskeln sind viel zu stark angegeben. Inzwischen ist die Kenntniß des Kno- chen- und Muskelnbaues und die Behandlung des Marmors unserer Aufmerksamkeit werth. Die Gruppe gegen uͤber von Francesco Si- ciliano, welche Hr. Dr. Volkmann eine heilige Magdalena nennt, ist eine Carita, und ein mittel- maͤßiges Werk. Das Monument Benedict des XIII. ist von den Schuͤlern des Bernini ziemlich mittel- maͤßig ausgefuͤhrt. Die beiden Monumente Leo X. und Cle- mens VII. sind von schoͤner Erfindung. Sie sind wie Triumphboͤgen gebauet, welches eine gute Wuͤr- kung thut. Die daran befindliche Bildhauerei im Stile des Michael Angelo ist unbedeutend. Die beiden Monumente der Cardinaͤle Alessandrino und Pimentelli, das erste von Gia- como della Porta, das andere von Schuͤlern des Bernini, verdienen gleichfalls keine sonderliche Aufmerksamkeit. Eben dasselbe Urtheil kann von der uͤbrigen Bildhauerarbeit in dieser Kirche gelten. U 2 Unter Anmerkungen Unter den Gemaͤhlden ist gleichfalls nichts aus- serordentliches. Das Bild des Carlo Maratti gehoͤrt nicht zu seinen besten. Mit mehrerem Interesse wird man die Mahle- reien des Venusti betrachten. Titi bemerkt ein Abendmahl von Federico Ba- roccio auf dem Altare der Capelle Aldobrandini. Ich habe es uͤbersehen. Kirche Maria di Monte Santo. Hr. D. Volkmann S. 385. Titi S. 385. I n der ersten Capelle zur rechten Hand hat Salvator Rosa einige Mahlereien verfertigt, welche, wie gewoͤhnlich, von schlechter Anordnung, uͤbertriebenem Ausdrucke und incorrekter Zeichnung, zugleich aber auch kraͤftig an Farbe und pikant an Wuͤrkung des Helldunkeln sind. Eine heilige Familie von Carlo Maratti im Stile des Pietro da Cortona. Der heil. Franciscus und Rochus, welche die Madonna anbeten, von demselben Meister. Die Figur der Madonna hat etwas edles. Kirche S. Maria della Navicella. Hr. D. Volkmann S. 187. Titi S. 207. D ie Friese von Giulio Romano und Perrino del Vaga sind uͤbermahlt und verdienen daher die Aufmerksamkeit des Liebhabers nicht mehr. † Vor uͤber die einzelnen Kirchen. † Vor der Kirche liegt ein antiker Kahn aus Marmor. Er ist des Costums wegen merk- wuͤrdig. Kirche S. Maria del Orto. Hr. D. Volkmann S. 659. Titi S. 51. D ie Mahlereien in dieser Kirche sind so verdorben, daß wenn sie auch jemals Verdienst gehabt haben, dies nicht mehr zu erkennen ist. Kirche S. Maria della Pace. Hr. D. Volkmann S. 403. Titi S. 414. † D ie Mahlereien von Raphael, die unter dem Nahmen der Sibyllen bekannt sind, haben aͤußerst gelitten. Das Wenige, was man sieht, verraͤth den Meister. Kirche S. Maria del Populo. Hr. D. Volkmann S. 381. Titi S. 388. I n der zweiten Capelle rechter Hand hat Ma- ratti die Empfaͤngniß der Maria gemahlt. Un- ten steht der heil. Johannes in Unterredung mit dem heil. Gregorius, der in einem Lehnstuhl sitzt und sich von dem heil. Geist, in Gestalt einer Taube, etwas ins Ohr sagen laͤßt. Dieser Gedanke ist laͤcherlich, der Ausdruck aber uͤbertrieben. Die Stellungen sind theatralisch. Ueberhaupt kann man bei einer sehr in- correkten Zeichnung, einer schlechten Wahl der Falten, U 3 einer Anmerkungen einer Farbe, die nach der Palette riecht, und einem gaͤnzlichen Mangel an Ruͤndung diesem Bilde keinen andern Werth beilegen, als den, daß der Kopf der Madonna viel vom Stil des Guido hat. In der dritten Capelle sind Gemaͤhlde von Pintoricchio, mit artigen Koͤpfen. In dem Gemaͤhlde von der Heimsuchung Mariaͤ von Morandi trifft man Aehnlichkeit mit dem Stile des Andrea Sacchi an. † In der ersten Capelle zur Linken: die Himmelfahrt Mariaͤ von Annibale Carraccio. Der Mahler hat nicht Raum gehabt, seine Ideen in der Maaße auszufuͤhren, wie er sie in der Skizze zu diesem Gemaͤhlde im Pallast Doria ange- zeigt hat. Die Figuren sind daher zu sehr auf einan- der gehaͤuft. Diesen Fehler abgerechnet, hat das Bild große Schoͤnheiten. Der Ausdruck in den Koͤpfen ist vortrefflich und die Zeichnung sehr correkt. Vorzuͤg- lich schoͤn ist die Hand des heil. Petrus in Verkuͤrzung. Die Gewaͤnder sind trocken ausgefuͤhrt und die Farbe ist im Ganzen schlecht. Zu den beiden Seiten hat Michael Angelo Carravaggio die Bekehrung Pauli und die Kreuzigung Petri gemahlt, an denen die Ruͤn- dung das Merkwuͤrdigste ist. Hr. Volkmann ist hier zu verbessern. Diese beiden Bilder des Carravaggio haͤngen nicht in einer besondern Capelle zu Ende der Seiten Navaten; und in der ersten zur Linken vom Altare ab, finden sich keine andere, welche aufgemahlt seyn koͤnnten, als diejenigen, welche angegeben sind. Die uͤber die einzelnen Kirchen. Die Capelle Chigi ist vorzuͤglich wegen der Jonas von Lorenzetto nach Ra- phaels Zeich- nung. Statue des Propheten Jonas beruͤhmt, zu der Raphael die Zeichnung angegeben hat. Die Aus- fuͤhrung ist von Lorenzetto. Ob die Stellung gleich nicht so uͤbertrieben ge- ziert als viele andere neuerer Meister ist, so fehlt ihr doch der ruhige Reiz der Antiken. Der Kopf hat viel aͤhnliches mit dem Antinous im Belvedere, aber der feine Ausdruck des Originals ist nicht erreicht. Der Koͤrper ist mit einer Zartheit behandelt, die sich auf eine sehr gluͤckliche Art von der uͤbertriebenen Muskelnandeutung des Michael Angelo unterschei- det, aber der Meissel hat die Feinheit von Ra- phaels Crayon nicht ganz erreicht. Ist diese Statue, wie man behauptet, das Meisterstuͤck der neueren Bildhauerkunst in nackenden Figuren, so verdient sie diesen ehrenvollen Platz haupt- saͤchlich durch die weise Einfalt des Gedankens. Wie viel mangelt ihr noch an Schoͤnheit, Bestimmtheit der Zeichnung, und Ausdruck des Charakters, um mit einem Apollo, Antinous, und andern Meister- stuͤcken der Alten in Vergleichung gesetzt zu werden! Die Statue des Propheten Elias gegen uͤber soll gleichfalls von Lorenzetto nach Raphaels Zeichnung verfertiget seyn. Sie ist mittelmaͤßig. und nur die Gewaͤnder verdienen Aufmerksamkeit. Diese Statue steht der vorigen ins Kreuz gegen uͤber. Die beiden andern Statuen stellen den Pro- pheten Habacuc und den Propheten Daniel vor. Sie sind von Bernini, und nach Gewohnheit sehr manierirt. U 4 Man Anmerkungen Man will, daß die Mahlereien in dieser Ca- peile von Sebastiano del Piombo und Sal- viati nach den Zeichnungen Raphaels ausge- fuͤhrt seyn sollen. Ist dies gegruͤndet, so haben jene Meister bei der Ausfuͤhrung sich vieler Freiheiten be- dienet. Doch, ich mag daruͤber nicht urtheilen: Der Ort ist viel zu schlecht erleuchtet, um es mit Zu- verlaͤßigkeit zu thun. Kirche S. Maria della Scala. Hr. D. Volkmann S. 664. Titi S. 41. † I n der ersten Capelle rechter Hand hat Ger- hard Honthorst die Enthauptung des heil. Johannes vorgestellet. Es ist eins seiner schoͤnsten Bilder. Die Koͤpfe sind voller Wahrheit: Die Farbe ist voller Kraft, die Wuͤrkung der Fackel sehr pikant. Die uͤbrigen Kunstwerke in dieser Kirche kann man beim Titi und Volkmann nachsehen. Kirche S. Maria del Sole, oder Stefano delle Carozze. Hr. D. Volkmann S. 576. Titi S. 62. H r. Dr. Volkmann wuͤrde hier eine Berichtigung beduͤrfen: Allein da seine Fehler blos die Architektur und einige antiquarisch historische Nachrichten be- treffen, so gehoͤren sie nicht in meinen Plan. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Maria in Trastevere. Hr. D. Volkmann S. 662. Titi S. 43. D as Mosaik in der Tribune von 1143 wird die Liebhaber Gothischer Mahlereien reizen; wir gehen dabei voruͤber. An der Kuppel sieht man eine schoͤne As- sumption der Jungfrau von Domenichino. Der Ausdruck des Kopfs in der heil. Jungfrau ist vortrefflich, auch sind die Formen schoͤn. Daran und an den Haͤnden erkennt man den Domenichino wieder. Auch die kraͤftige Farbe al Fresco gehoͤrt ihm. Die Gewaͤnder und die Engel haben viel vom Stil des Carraccio. In der sechsten Capelle sieht man noch die Spuren eines Kindes, welches Blumen aus- streuet, von Domenichino. Man hat dieses Kind aus Respekt fuͤr den Meister stehen lassen; der Rest ist uͤbergeweißet. Wenn man Hr. Volkmann lieset, sollte man glauben, daß noch andere Gemaͤhlde, nach den Zeich- nungen des Domenichino ausgefuͤhrt, an der Decke befindlich waͤren. Aber dieses ist nicht. Alles uͤbrige ist vergoldetes Schnitzwerk. Der Irrthum ist daher entstanden, daß Titi sagt, di cui, naͤmlich Domenichino, e disegno bizarrissimo tutta la soffita; das heißt, er hat die Zeichnungen zu den Verzierungen angegeben, nicht zu den Mahlereien. In der Capelle des heil. Johannes ist dieser Heilige in der Wuͤste, von Antonio Carraccio, einem natuͤrlichen Sohne des Agostino, gemahlt. Es hat viel von der ersten Manier des Guido Reni. U 5 Kirche Anmerkungen Kirche S. Maria in Valicella, oder Chiesa nuova. Hr. D. Volkmann S. 415. Titi S. 124. Kreuzab- nehmung von M. An- gelo Carra- vaggio. † D ie Kreuzabnehmung von Michael Angelo Carravaggio ist eins der schoͤnsten Gemaͤhlde dieses Meisters. Der Gedanke und die Anordnung sind nicht besonders, und die Formen nicht sehr edel ge- waͤhlt. Aber man kann ihnen wenigstens nicht das Ekelhafte und niedrig Haͤßliche vorwerfen, was man in so vielen andern Bildern dieses Meisters antrifft. Der Ausdruck ist sehr wahr, die Faͤrbung sehr kraͤf- tig. Was man aber vorzuͤglich bewundern muß, ist die Ruͤndung. Die Figuren treten wuͤrklich aus dem Grunde hervor. Die Zeichnung, vorzuͤglich in den Extremitaͤten, ist incorrekt. Am mittelsten Gewoͤlbe hat Pietro da Cortona die Legende vorgestellet, wie die Jung- frau Maria auf Vorbitte des heiligen Phi- lippus Neri die alte Kirche vor dem Einsturz bewahret. Maria haͤlt die Kirche, und das Volk nimmt die Flucht. Diese Mahlerei ist eine huͤbsche Schminke, welche den Platz auf eine angenehme Art ausfuͤllt. Die Perspektiv in der Architektur verdienet Lob. Von eben diesem Meister ist die Himmel- fahrt der Maria an der Tribune, wie auch die Kuppel, woran man Christum sieht, welcher Gott dem Vater die von Engeln getragene Passionsinstrumente zeigt. In uͤber die einzelnen Kirchen. In der dritten Capelle rechter Hand ist das Gemaͤhlde der Himmelfahrt von Muziano. Die Koͤpfe und die Gewaͤnder haben Verdienst, und die Faͤrbung ist kraͤftiger, wie gewoͤhnlich. In der Capelle Spada sieht man den heil. Carl Barromaͤus und den heil. Ignatius, welche die Maria anbeten. Sie sind von Carlo Maratti. Dem Kopf der Madonna fehlt es an Seele, die uͤbrigen sind geziert. Die Farbe ist an- genehm und harmonisch. Neben dem Altare haͤngen drei Bilder von Rubens, aus seiner fruͤheren Manier. Man er- kennt schon seinen Stil in der Zeichnung der Koͤrper und Gewaͤnder, aber die Faͤrbung hat noch nicht den angenehmen Glanz, der ihn in der Folge beruͤhmt gemacht hat. In der Capelle des heil. Philippus Neri haͤngt das Bildniß dieses Heiligen im Gebete an die Maria, nach Guido in Mosaik. † In der naͤchstfolgenden Capelle, die Darstellung der Maria im Tempel, von Fede- rico Barroccio. Die Figur der Maria hat den Reiz, der diesem Meister gewoͤhnlich ist, und einen angenehmen Ton der Farbe im Ganzen. Man sieht aber schon allerwaͤrts deutliche Spuren des Verfalls des guten Geschmacks: Uebertriebenen Contraposto, gezierte Grazie, Mangel an wahrem Ausdruck, an- genehme aber falsche Farben, und schwerfaͤllige Drapperien. Eben dieses kann man von der Heimsuchung der Maria von demselben Meister sagen. Es haͤngt in der vierten Capelle. Die Anmerkungen Die Decke der Sacristei hat Pietro da Cortona al Fresco ausgemahlt. Ein großer Erzengel fliegt mit dem Kreuze, und kleine Cherubims tragen die uͤbrigen Passionsin- strumente. Die Figur des Erzengels fliegt sehr gut, hat nur eine etwas gezwungene Stellung. Das Kreuz, welches er traͤgt, und welches in der Ver- kuͤrzung von unten auf gesehen wird, ist ein Meister- stuͤck von Perspektiv. Die Farbe ist frisch, kraͤftig, und hat schoͤne Mitteltinten. Die Gruppe des heil. Philippus Neri mit dem Engel ist von Algardi. Sie ist nicht ohne alle Incorrektion, aber dennoch ein gutes Werk, an dem die Koͤpfe schoͤn, das Fleisch zart, und die Ge- waͤnder gut geworfen sind. In dem zu dieser Kirche gehoͤrigen Kloster sieht man zwei Capellen. In der untersten, wo der Stuhl des heiligen Philippus Neri aufbewahrt wird, hat Guercino † den Heiligen gemahlt, dem ein Engel erscheint. Dieses Bild ist aus seiner besten Manier. Man bewundert seine Kunst vorzuͤglich an dem Kopfe und an den Haͤnden des Heiligen, in denen, was Guer- cino’s Staͤrke uͤberhaupt war, die feinen Uebergaͤnge einer Muskel in die andere vortrefflich ausgedruͤckt sind. Das Gemaͤhlde ist schlecht erleuchtet, man muß ein Licht fordern, um es recht zu sehen. In der obern Capelle, wo das Gemaͤhlde des Heiligen aufbewahrt wird, hat Pietro da Cor- tona die Assumption des Heiligen gemahlt. Es ist eine schoͤne Verkuͤrzung, die mit einem frischen und kraͤftigen Pinsel ausgefuͤhrt ist. Hie- uͤber die einzelnen Kirchen. Hieher hat man auch das † Originalbild des heil. Philippus Neri im Gebet an die Madon- na von Guido gebracht, dessen Copie in Mosaik in der Kirche haͤngt. Es hat viel Aehnlichkeit mit dem heil. Andreas Corsini im Pallast Barberini; nur die Stellung und die Beiwerke sind in etwas veraͤndert. Auch steht es an Werth weit unter jenen. Es giebt auch noch einige andere Gemaͤhlde in dieser Capelle, die nicht ohne alles Verdienst sind. Kirche S. Maria della Vittoria. Hr. D. Volkmann S. 277. Titi S. 294. In der zweiten Capelle rechter Hand. D er heilige Franciscus, der das Kind Jesus aus den Haͤnden der Maria empfaͤngt, von Domenichino. Man sollte eher glauben, daß es nur in der Manier dieses Meisters gemahlt waͤre. Inzwischen der heilige Franciscus ist voller Ausdruck, und die Maria von angenehmen Charakter; aber der Christ und die Engel in der Glorie sind des Meisters unwuͤrdig. In der dritten Capelle zur Linken. Hr. D. Volkmann schreibt unrichtig in der neun- ten, und das Bild der heil. Lucretia und Gertru- dis, welches er als in der dritten befindlich angiebt, ist in dieser Kirche gar nicht anzutreffen. Eine heilige Dreieinigkeit von Guercino. Es hat so sehr nachgeschwaͤrzt, daß man nur mit Muͤhe einige schoͤne Figuren von Engeln erkennet. Gott der Vater ist eine unedle Figur, Christus gleich- falls, und dieser letzte ist noch dazu eine sehr steife. In Anmerkungen In derselben Capelle. Christus am Kreuze von Guido. Das Bild ist so schlecht aufgehangen, daß man beinahe nichts davon erkennen kann. Gruppe der heiligen The- resia von Bernini. † Die Gruppe der heiligen Theresia, der die goͤttliche Liebe unter der Gestalt eines Amors mit dem Pfeile das Herz durchbohrt, von Bernini, und von ihm selbst fuͤr das beste seiner Werke erklaͤrt. Ausdruck der hoͤchsten Empfindung von Wollust macht den Charakter der Figur der heili- gen Theresia aus. Ihre Augen schließen sich halb schmachtend, und ihre Nerven sind erschlafft von uͤber- triebener Spannung des Vergnuͤgens: Sie ruht auf Wolken in Gestalt elastischer Polster: Ihre Haͤnde sinken matt herab, ihre Beine scheinen der Kraft be- raubt, ihr Huͤlfe irgend einer Art zu leisten: Sie laͤßt sich zu allem gehen, was mit ihr vorgenommen wer- den kann: Ihre Brust scheint sich zu heben, und der halbgeoͤffnete Mund mit Muͤhe Odem zu schoͤpfen. — In diesem gefaͤhrlichen Zustand naht sich ihr ein En- gel mit grimassirender Suͤßlichkeit, sucht das Ge- wand von ihrer Brust abzuheben, und neckt sie mit dem Pfeile, der seine Hand bewaffnet. Diese Gruppe hat der Kuͤnstler in eine Capelle gestellt, durch deren in der Hoͤhe angebrachtes Fen- ster der Tag durch gelbe Glasscheiben faͤllt, und das den Geheimnissen der Liebe so guͤnstige matte Licht in der uͤbrigens duͤstern Capelle verbreitet. Beim Himmel! an diesem Orte moͤchte ich nicht beten. Eine Stunde hier, duͤrfte ich mit Emilia Galotti sagen, und welcher Tumult wuͤrde sich in meiner Seele erheben, den die Uebungen der streng- sten uͤber die einzelnen Kirchen. sten Andacht auszuloͤschen nicht im Stande seyn moͤchten. Kurz! das ganze Werk gehoͤrt nicht in eine Kir- che. Im dem Boudoir eines Pariser Freudenmaͤd- chens, da wuͤrde es an seiner Stelle stehen. Gegen die Ausfuͤhrung habe ich zu erinnern, daß die Mine des Engels wahre Ziererei ist. Die Formen des Nackenden an der heiligen Therese sind zu weichlich, im Geschmack des Fleisches eines Ru- bens; das Gewand, welches nach Art der Gewaͤn- der des Pietro da Cortona in zu viele kleinliche Fal- ten gelegt ist, bezeichnet nicht genung die Umrisse des Koͤrpers. Bernini hat sich uͤberhaupt den mahlerischen Effekt zu sehr zum Zweck gemacht. Man muß in- zwischen gestehen, daß unter allen Werken runder Bildnerei, die mir bekannt geworden sind, dieses die Forderungen, die man an ein Gemaͤhlde machen kann, am meisten ausfuͤllet. Der Grund ist dieser: weil die Gruppe in einer solchen Lage angebracht ist, so sehr ein ihr eigen adaptirtes Licht erhaͤlt, und dergestalt von andern Koͤrpern separirt ist, daß man sie nicht wohl anders als mit stillstehendem Blicke aus einem bestimmten Gesichtspunkte anschauen kann. Die Behandlung des Marmors ist ein Meister- stuͤck von Sorgsamkeit und Zartheit. Herr Bernoulli in seinen Zusaͤtzen zu den neuesten Reisebeschreibungen von Italien, Leipzig 1777. 1ster Theil, S. 401. bemerkt, daß die Gruppe der heiligen Theresia bis auf wenige Veraͤnderungen nach aus einem in der Kirche zu Grotta Ferrata befind- Kirche Anmerkungen Kirche S. Nicolo in Carcere. Hr. D. Volkmann S. 631. Titi S. 60. E in antiker Sarcophag von schwarzgruͤnem Porphyr dient zum Altare. Die Koͤpfe daran sind aber nicht, wie Herr Dr. Volkmann meint, aͤgyptisch, sondern griechisch. Kirche S. Nicolo de i Lorenesi. C orrado, Corrado, ein Neapolitaner, und Schuͤler des Solimene, war Koͤnigl. Hofmahler in Spanien, zur Zeit als Mengs dahin berufen wurde. Seine Werke sind das non plus ultra des Spirito der neueren Italienischen Mahler. ein neuerer Mahler, hat diese Kirche mit Gemaͤhlden al Fresco und in Oel gezieret. befindlichen Gemaͤhlde, welches man dem Guido Reni zuschreibe, entlehnt sey. Diese Nachricht ist voͤllig falsch. Das Bild zu Grotta Ferrata ist keinesweges von Guido, und gleicht unserm Bilde in keinem Stuͤcke als in der Hauptidee, welche aber in den katholischen Kirchen aus einer allgemein an- genommenen Legende sehr gewoͤhnlich ist. So trifft man sie in der Kirche S. Maria della Traspontina, in dem Chore der gegenwaͤrtig beschriebenen, und in vielen andern an; die Ausfuͤhrung gehoͤrt un- serm Kuͤnstler eigenthuͤmlich. Noch faͤllt mir eine aͤhnliche Vorstellung von Guido Cagnacci bei, im Pallast Colonna. Ob diese es seyn mag, die Hrn. Bernoulli irre gefuͤhrt hat? uͤber die einzelnen Kirchen. gezieret. Die letzten uͤbertreffen bei weitem die er- sten. So unbestimmt die Zeichnung, so unbedeu- tend der Ausdruck, so falsch und blos nach der Pal- lette ausgedacht die Farbe ist; so muß man doch den Pinsel bewundern, der dieses Blendwerk auf die Flaͤche hingezaubert hat. Kirche S. Onofrio. Hr. D. Volkmann S. 635. Titi S. 29. D as Monument des Torquato Tasso wird allen, welche die schoͤnen Wissenschaften lieben, nicht gleichguͤltig seyn. Man sieht daran sein Bildniß, das nicht sehr schoͤn ist, nebst einer Innschrift, welche den Cardinal Bevilacqua als den Errichter angiebt. In der andern Capelle rechter Hand, hat Annibale Carraccio die Madonna di Loretto gemahlt. Es ist eine laͤcherliche Composition, wel- che aber wahrscheinlich nicht von der Wahl des Kuͤnst- lers abgehangen hat. Einige Engel tragen das hei- lige Haus durch die Luͤfte; auf dem Dache sitzt die heil. Jungfrau mit dem Kinde, welche drei Engel halten, damit sie nicht auf die Erde falle. Unten im Bilde sieht man ein Stuͤckgen Erde, auf dem ein Mann die heil. Jungfrau anruft. Die Zeichnung ist vortrefflich, die Engel haben sehr angenehme Koͤpfe. Die Gewaͤnder sind etwas trocken, die Farbe aber ist kraͤftig. Auswendig uͤber der Thuͤre ist eine Ma- donna hinter Glas. Man giebt sie fuͤr des Do- menichino Arbeit aus. Das vorgesetzte Glas ver- hindert Dritter Theil. X Anmerkungen hindert die Wahrheit dieser Angabe zu beurtheilen. Mir schien sie unrichtig. Ich vermuthe vielmehr, daß diese Madonna diejenige sey, welche Vasari als hier befindlich, dem Leonardo da Vinci unter vielen Lobeserhebungen beilegt. Ich habe wenigstens kein anderes Bild mit dieser Vorstellung hier finden koͤnnen. In der aͤussern Halle hat Domenichino drei Gemaͤhlde al Fresco gemahlt. Sie schei- nen schoͤn zu seyn, aber sie sind dergestalt durch das Glas, womit man sie bedeckt hat, verfinstert, daß man kein zuverlaͤßiges Urtheil daruͤber faͤllen kann. Das erste stellt die Taufe des heil. Hiero- nymus vor. Die Zusammensetzung ist vernuͤnftig, und der Ausdruck vorzuͤglich in den Catechumenen unvergleichlich. Man erkennet von diesem Bilde noch mehr als von den uͤbrigen. Das zweite stellet die Zuͤchtigung dieses Heiligen vor, die er daruͤber erlitt, daß er den Cicero gelesen hatte. Was man davon sieht, zeigt schoͤne Koͤpfe und einen guten Ausdruck. In dem dritten sieht man eben diesen Hei- ligen, wie er nach langen Fasten, in einer Ein- oͤde in den Himmel entzuͤckt wird. Der Aus- druck in dem Heiligen scheint etwas kleinlicht. In dem Hofe sind Mahlereien von Giu- seppe d’ Arpino, die, wenn sie gleich manierirt, und aus dem Gedaͤchtniße gemahlt, dennoch nicht ohne alles Verdienst sind. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Pietro in Montorio. Hr. Dr. Volkmann S. 651. Titi S. 38. T ransfiguration von Raphael. Ein junger Raphaels Transfigu- ration. Besessener wird zu den Juͤngern Christi gebracht, damit sie ihn heilen moͤgen; aber diese koͤnnen ihm nicht helfen, ihr Meister ist abwesend: — er wird auf dem Berge Thabor verklaͤrt. Dies ist der Ge- danke des Bildes. Es wuͤrde eine schwere Aufgabe seyn, uns die bestimmte Ab vesenheit Christi, als Ursach des Un- vermoͤgens der Juͤnger den Kranken zu heilen, auf andere Art begreiflich zu machen, als daß wir den Christ vor unsern Augen bei einer andern Handlung beschaͤfftigt sehen, die mit derjenigen, wo seine Ge- genwart vermißt wurde, keinen sichtbaren Zusammen- hang hat. Beide Handlungen lassen sich nicht nur als coexistirend, Richardson Description des plus fameux ta- bleaux etc. en Italie p. 614. leugnet dies. Er will aus dem Evangelisten Lucas den Beweis fuͤhren, daß die Verklaͤrung Christi den Tag vorher gesche- hen sey, ehe man den Besessenen zu seinen Juͤngern gebracht habe. Wie er zur Unzeit gelehrt ist! Der Evangelist Lucas sagt davon kein Wort. Zu Christo ward der Besessene den Tag nach der Ver- klaͤrung gebracht, nicht zu den Juͤngern. Der Vater des Besessenen sagt ausdruͤcklich: Und ich habe deine Juͤnger gebeten, daß sie ihn austrieben, aber sie konnten es nicht. Seit diesem Vorfall, war ein Haufen Volks mit dem Kranken Christs entgegen gekommen. sondern auch als zusammen sicht- X 2 bar Anmerkungen bar in einer großen Entfernung fuͤr den Zuschauer denken. Ueberdem brauchte der Kuͤnstler diese Ver- bindung der Begebenheit, die sich mit den Juͤngern zutrug, und derjenigen, die ihrem Meister wieder- fuhr, zur Fuͤllung seiner Flaͤche. Aber aller dieser Gruͤnde ohngeachtet kann ich doch die Vereinigung der ausfuͤhrlichen Darstellung der Verklaͤrung Christi mit der Darstellung der Be- gebenheit, die sich zu gleicher Zeit aber an einem ent- fernten Orte zutrug, weder der sichtbaren Wahrschein- lichkeit gemaͤß, noch dem wohlgefaͤlligen Eindruck des Ganzen fuͤr zutraͤglich halten. Um beide zusammen sehen zu koͤnnen, muͤßte der Zuschauer in solcher Ent- fernung stehen, daß die obere Glorie nur ein heller Punkt, die Juͤnger unten aber Lilliputter wuͤrden. Weiter: der Raum war zu eng, als daß der Berg eine betraͤchtliche Hoͤhe haͤtte erhalten koͤnnen, vorzuͤg- lich da der Kuͤnstler seinen Figuren in der Hoͤhe bei- nahe natuͤrliche Menschengroͤße gelassen hat. Dar- aus aber entsteht die Unbequemlichkeit, daß die unten handelnden Personen, welche mit ihrer Statur bei- nahe den Berg ausgleichen, zu wenig von den Perso- nen oberhalb desselben abgesondert werden, um sie sich nicht, dem ersten Anblick nach, bei der obern Erscheinung mit interessirt zu denken. Von dem Nachtheil, den es fuͤr mahlerische Wuͤrkung hat, will ich nicht einmal reden. Warum beleuchtet der nahe obere Glanz nicht die unteren Figuren? Und wenn er sie beleuchtet, wie kann er es aus der Ferne? Zer- stoͤrt er nicht die Harmonie? Wird das Bild nicht zu vollgepfropft von Figuren? u. s. w. Daß uͤber die einzelnen Kirchen. Daß ich sogleich das Hauptverdienst unsers Ra- phaels, den dramatischen Ausdruck, in diesem Ge- maͤhlde wie in jedem seiner uͤbrigen aufsuche! Und um dies besser zu koͤnnen, daß ich die obere Partie von der unteren trenne! Raphael ist bei der Darstellung der Verklaͤrung Christi den Nachrichten gefolgt, die uns der Evan- gelist Lucas Lucas Cap. 9. V. 32. von dieser Begebenheit liefert: „Pe- „trus aber und die mit ihm waren, (Johannes und „Jacobus) waren voll Schlafs. Da sie aber auf- „wachten, sahen sie seine (naͤmlich Christi) Klarheit „und die zween Maͤnner (den Moses und Elias) bei „ihm stehen.“ Dies ist der Zeitpunkt, den der Kuͤnstler aus dieser Begebenheit herausgehoben hat. Ganz falsch nimmt Richardson den Augenblick an, wo die Apostel eine Stimme aus der Wolke ver- nahmen, welche sie uͤberschattete. Der Beweis davon liegt am Tage. Damals waren Moses und Elias, wie der Evangelist ausdruͤcklich sagt, schon wieder verschwunden. Anderer Gruͤnde, der Ab- wesenheit der Wolke, des Ausdrucks des Erwa- chens in den Aposteln nicht zu gedenken. Richard- sons Raisonnements, die auf diese falsche Suppo- sition gebauet sind, fallen also von selbst weg. S. Description des plus fameux tableaux etc. p. 617. Christus schwebt gen Himmel: Seine Haͤnde sind mit dem Ausdruck der dankbarsten Verehrung fuͤr dies bestaͤtigende Zeugniß seiner goͤttlichen Sendung in die Hoͤhe gerichtet. Eine Glorie umgiebt ihn. Zu seinen Seiten, aber etwas niedriger und kleiner an X 3 Statur, Anmerkungen Statur, schweben Moses und Elias. Der Ausdruck dieses Schwebens ist vortrefflich: aber die Formen sind weder sehr edel, noch sehr schoͤn. Unter diesen Figuren auf der oberen Platte des Berges ruhen die Juͤnger, die in seiner Begleitung waren. Jacobus scheint zuerst erwacht zu seyn: durchdrungen von der uͤbernatuͤrlichen Erscheinung hat er sich mit dem Antlitz zur Erde geworfen und betet an. Der heilige Johannes ist eben erwacht, er er- schrickt vor der unerwarteten Klarheit, stuͤrzt mit dem Obertheile des Koͤrpers zuruͤck, und haͤlt die Hand vor die geblendeten Augen. Petrus hingegen hat die sei- nigen noch nicht geoͤffnet, er ist im Uebergange vom Schlaf zum Wachen gebildet, er reibt sich die ge- schlossenen Augenlieder. Diese drei Figuren sind sehr wahr in ihrem Ausdruck und ihre Stellungen schoͤn und abwechselnd. Zur Seite des Berges stehen zwei junge Moͤnche, die ihr frommes Erstaunen zu erkennen geben. Sie sind bloße Zuschauer, der Handlung fremd, und scheinen als Bildnisse der ehemaligen Besitzer des Ge- maͤhldes hier ihren Platz aus zu weit getriebener Ge- faͤlligkeit des Kuͤnstlers gefunden zu haben. Unten geht nun die Begebenheit mit dem Besesse- nen vor. Der Kranke, ein junger Mensch, be- koͤmmt eben einen Anfall von Convulsionen. Seine Augen verdrehen sich, er reißt den Mund auf, er spreitet die Arme mit den gezuckten Fingern aus, sein Koͤrper erhaͤlt eine gezerrte Stellung. So schrecklich wahr dieser Ausdruck ist, er hat nichts Widriges, nichts Ekelhaftes. Der Vater faßt ihn von hinten mit uͤber die einzelnen Kirchen. mit beiden Haͤnden um die Brust, Laͤcherlich ist Richardsons Critik: der Vater haͤtte ihn an den Armen halten sollen, der Kranke koͤnnte leicht mit diesen den Umstehenden einen boͤsen Schlag ins Gesicht geben. sein aͤngstlich rollendes Auge, seine bebenden Lippen, der vorge- streckte Kinn, sprechen die sublimen Worte der Schrift: Sehet meinen Sohn, er ist mein einziger Sohn! Mutter, Schwestern, Anverwandten, alles um ihn herum unterstuͤtzen durch Minen und Stellung dies aͤngstliche Flehen nach Besserung fuͤr den Gelieb- ten ihres Herzens. Einige suchen die Juͤnger auf die schrecklichen Symptome dieser Krankheit aufmerksam zu machen, andere wollen sie von der Ursache derselben verstaͤndigen, andere begnuͤgen sich zu bitten. Dieser Anblick bringt bei den Aposteln die natuͤr- lichsten und abwechselndsten Bewegungen des Herzens hervor, die sich auf das bestimmteste durch die Ge- baͤrden ihres Koͤrpers aͤußern. Der heil. Andreas, auf dem Vorgrunde sitzend, hat bis jetzt in einem Buche gelesen: durch das Ge- schrei in seiner Meditation gestoͤrt, schlaͤgt er seine Au- gen auf, und erschrickt vor dem Anblick des Leidens. Ein kaͤlterer Alter, ihm zur Seite, zeigt auf den Berg, und bedeutet die Huͤlfe suchenden Personen, daß sie dort allein zu finden sey. Ein anderer Juͤn- ger neben ihm im Juͤnglingsalter, dessen großes offe- nes Auge, glattes Antlitz und schoͤngelocktes Haupt- haar ein weiches theilnehmendes, aber mit eigenem Lei- den noch unbekanntes Herz verrathen, beugt sich aͤngst- lich vorwaͤrts, geht gleichsam aus sich selbst heraus, X 4 und Anmerkungen und moͤchte mit zur Brust gekehrten Haͤnden sein In- neres oͤffnen, und, damit der Kranke weniger litte, einen Theil seiner Marter in sich selbst aufnehmen. Nicht von weicherem Herzen, aber von reizbarerm Nervenbau scheint der aͤltere Juͤnger zu seyn, der ihm zunaͤchst kniet: man sieht an seiner zuruͤckschaudernden Mine, an seinen weggekehrten Haͤnden, daß nicht blos seine Seele, daß auch sein Koͤrper den Schmerz des vor ihm Leidenden mitempfindet: Es ist der Cha- rakter eines physisch sympathisirenden Menschen. Hinter diesen Aposteln oder Juͤngern drei andere, in einer Unterredung begriffen. So viel man aus den Gebaͤrden schließt, bedauern sie, daß ihr Mei- ster abwesend ist, und daß ihre Kraͤfte nicht hin- reichen, eine so schwere Krankheit zu heilen. Im Hintergrunde, hart am Berge, erblickt man zwei Figuren, von denen die eine der anderen, die eben herzu gekommen zu seyn scheint, das Suͤjet des Auftritts erklaͤrt. Beide scheinen kalte unempfind- liche Seelen zu seyn; aber der Zuhoͤrende hat be- sonders einen solchen Ausdruck von stumpfen Egois- mus, daß nur das moralische Ungeheuer, das in der Folge seinen Wohlthaͤter und Lehrer um dreißig Silber- linge verrieth, zum Voraus damit gebrandmarkt werden konnte. Dennoch fraͤgt es sich, ob der Kuͤnst- ler nicht zu weit gegangen sey. So viel uͤber die poetische Erfindung und den Ausdruck. Die mahlerische Anordnung ist in so fern zu loben, daß der Raum gut genutzt ist, so viele Personen ohne Unordnung neben einander zu vereini- gen. Aber in Ruͤcksicht auf leichte Uebersicht des Ganzen uͤber die einzelnen Kirchen. Ganzen, auf mahlerische Wuͤrkung, moͤchten dieser Figuren doch zu viel seyn. Die Formen sind, so wie die Stellungen, sehr ab- wechselnd, und gut gewaͤhlt: Einige reizend. Zu diesen gehoͤrt das kniende Maͤdchen auf dem Vor- grunde. Weder das Colorit noch das Helldunkle haben Wahrheit und Harmonie. Aber vielleicht ist dem Kuͤnstler hiervon nichts zur Last zu legen. Die Farbe ist verblichen, die Schatten haben nachgeschwaͤrzt. Ich glaube meinen Lesern einen Gefallen zu thun, wenn ich ihnen die Bemerkungen, die Mengs Opere di Mengs edit. di Parma, T. I. p. 145. uͤber das Colorit dieses Gemaͤhldes gemacht hat, hier im Auszuge liefere. Der Liebhaber konnte diese nicht machen, er war nicht Kenner genung, das Gemaͤhlde hieng zu entfernt von ihm, und in keinem vortheilhaf- ten Lichte. „Man bemerkt, sagt Mengs, in einigen Thei- „len des Gemaͤhldes von der Transfiguration ein „sehr gutes Colorit. Aber es ist sich nicht allenthal- „ben gleich; die maͤnnlichen Figuren sind von besserer „Faͤrbung als die Weiber. Einige Partien sind nicht „von Raphael gemahlt: Dies vielgeltende Zeugniß mag Richardsons Be- hauptung widerlegen, daß das Gemaͤhlde ganz von Raphaels Hand sey. Z. E. die Gruppe des „Besessenen, in der man den furchtsamen Pinsel des „Giulio Romano wahrnimmt. Die Koͤpfe der „Apostel gegen uͤber hat Raphael retouchirt, denn „hier zeichnen sich seine kecken und meisterhaften Pin- X 5 „selzuͤge Anmerkungen „selzuͤge aus. Inzwischen ist der Ton des Colorits „hier dennoch zu einfoͤrmig: das Fleisch scheint hart „und aufgetrocknet zu seyn. . . . . . . „Es ist zu bedauern,“ faͤhrt eben dieser Schrift- steller bald darauf fort: „Es ist zu bedauern, daß „Raphael seine Gemaͤhlde von seinen Schuͤlern anle- „gen ließ, und daß er in dieser (naͤmlich seiner letz- „ten) Zeit kein einziges Bild mit eigner Hand aus- „fuͤhrte. Wir wuͤrden dann gesehen haben, wie „viel er im Colorit vermocht habe. Denn die Koͤpfe „der Apostel, die er uͤbermahlt hat, und die ihrer „Natur nach einen kraͤftigen und wohlgenaͤhrten Auf- „trag zulassen, sind von vortrefflichem Colorit. Der „Kopf des Weibes auf dem Vorgrunde ist sehr kalt „und grau. Ich glaube jedoch, daß er gleich nach „der Verfertigung des Bildes diesen Fehler nicht „hatte. Aber um die besorgte und beinahe geleckte „Behandlung des Giulio Romano nicht zu zerstoͤren, „mußte Raphael die Ueberlage der Farbe beim Re- „touchiren nur sehr duͤnn machen. Diese hat nun „dem Einfluß der. Zeit nicht widerstehen koͤnnen. „Hingegen bemerkt man an den großen Zehen der „naͤmlichen Figur, eine Verbesserung, bei der, um „den Fehler der Anlage zu bedecken, der Auftrag „stark seyn mußte; und dieser Fleck ist viel besser „gemahlt und colorirt als der Rest. Eben eine solche „Verbesserung findet man an dem Daumen der ver- „kuͤrzten Hand des Apostels auf dem Vorgrunde, „und aus dem naͤmlichen Grunde ist dieser Theil „gleichfalls besser gemahlt und erhalten auf uns ge- „kommen.“ † Eine uͤber die einzelnen Kirchen. † Eine Kreuzabnehmung. Man kann sich uͤber den Nahmen des Meisters nicht vereinigen. Wahrscheinlich war er ein Niederlaͤnder und Schuͤler des Carravaggio. Der Gedanke ist zum Theil aus dieses Meisters Kreuzabnehmung in der Chiesa nuova genommen. Die Farbe ist kraͤftig, und die Behandlung meisterhaft. Dies Bild wird in Rom sehr geschaͤtzt. So sehr, daß, als ich einmal einen Franzosen fragte, ob er dieses Gemaͤhlde kennte, dieser aus- rief: Wie! kennen? Mein Herr, wissen Sie, daß Raphaels Transfiguration viel darum geben sollte, nicht an der Seite eines so gefaͤhrlichen Nachbars zu haͤngen! Wie viel anders dies Bild gemahlt ist! Mit welcher Keckheit! Cric, Crac! und dabei machte er die Pantomime des Luft durchsaͤgenden Anstreichers. Die Geisselung Christi von Sebastiano del Piombo, nach der Zeichnung des Michael An- gelo Buonarotti. Man sagt, dies Bild sey mit dem Gemaͤhlde Raphaels in die Wette gemahlt. Wahr- scheinlich um ihm zur Folie zu dienen. Einige Bildhauerarbeit aus der Floren- tinischen Schule. Kirche S. Pietro in Vinculis. Hr. D. Volkmann S. 225. Titi S. 239. † D ie beruͤhmte Statue des Moses von Mi- Moses von Michael An- gelo. chael Angelo ist dasjenige, was in dieser Kirche am meisten Aufmerksamkeit verdient. Sie ist am Grab- Anmerkungen Grabmale Julius des II. befindlich, und mit allen ihren Fehlern eines der besten Werke, das die neuere Kunst hervorgebracht hat. Eine große Kenntniß der Anatomie, Praͤcision der Zeichnung, und schoͤne Be- handlung des Marmors sind die Hauptverdienste dieser Figur. Aber eben weil sie diese Verdienste hat, die den jungen Kuͤnstler und den Liebhaber leicht zu sehr anziehen koͤnnten, muß ich die Fehler der- selben um so genauer anzeigen. Wie leicht koͤnnten sie verfuͤhrt werden, nach diesem Vorbilde ihren Ge- schmack uͤberhaupt bilden zu wollen! So ruhig die Stellung ist, so hat sie doch etwas Gezwungenes, welches um so mehr beleidigt, weil sich kein Grund dazu angeben laͤßt. Moses haͤlt das Gewand mit einer Anstrengung als wenn er Zentner- lasten zu halten haͤtte, und die Lage des Arms ist zu gedreht. Er scheint beschaͤfftigt und ist doch muͤßig. Dies gegen den Gedanken im Ganzen. Der Kopf hat nichts Edles, nichts das auf den Gedanken eines Gesetzgebers und Fuͤhrers seines Volks zuruͤckfuͤhren koͤnnte. Die vielen kleinen Partien, die durch die gar zu starke Andeutung der Muskeln entstehen, con- trastiren mit den großen Massen des Bartes, zum Nachtheil des Charakters von Groͤße der in dem Kopfe liegen muͤßte. Dieser Bart ist viel zu lang, und gleicht in der Ausfuͤhrung mehr einem wollar- tigen Stoffe als wuͤrklichen Haaren. Vielleicht ist es diesem Barte zuzuschreiben, daß einige Liebhaber eine so auffallende Aehnlichkeit mit einem Bocke in diesem Kopfe gefunden haben. Die Be- kleidung ist gleichfalls nicht passend. Die thrazischen Bein- uͤber die einzelnen Kirchen. Beinkleider gehoͤren nicht hieher. Auch hat das Gewand viel zu gekuͤnstelte Falten. Man sieht ihm an, daß der Kuͤnstler es mit Vorbedacht so gelegt hat. Ueber das Grabmal im Ganzen mag ich nicht urtheilen. Man weiß, daß die Idee des M. Angelo nicht ausgefuͤhrt ist. So wie es da steht, ist es von schlechtem Geschmacke. Die uͤbrigen Figuren sind nach den Zeichnungen des Michael Angelo von seinen Schuͤlern ausgefuͤhrt. Sie sind ziemlich mittelmaͤßig. Die sogenannte theologia contemplativa hat den Ausdruck fin- sterer Grillenfaͤngerei, und die theologia activa stumpfer froͤmmelnder Andacht. Wir kennen Michael Angelo Buonarotti be- reits als Mahler: wir muͤssen suchen ihn auch als Bildhauer kennen zu lernen. Als die Bildhauerkunst durch Donatello, der Ueber den Stil des M. Angelo und seiner Nach- folger in der Bildhauerei. 1466. starb, aus ihrer ersten Kindheit gezogen, Wahrheit und Bestimmtheit wenigstens in den aͤus- seren Umrissen der Glieder eingefuͤhrt waren; so be- maͤchtigte sich M. Angelo dieser Kunst, und verbes- serte sie nach der Lehre des Knochen- und Muskeln- baues und nach den Verhaͤltnissen der Antike. Un- streitig besteht sein Hauptverdienst in dem großen Stile der Zeichnung, in der tiefen Kenntniß der aͤusseren Anatomie, und in der vortrefflichen Behandlung des Marmors. Dieser sieht man eine solche Gewißheit des Meissels an, daß man glauben sollte, er habe den Marmor wie Holz gespalten. Aber ungluͤcklicher Weise besaß er keinen wahren Begriff von dem Haupt- zwecke seiner Kunst, der Schoͤnheit der Formen, und dem Anmerkungen dem Ausdruck eines einer Gattung von Menschen all- gemein individuellen Charakters. Er dachte sich sei- ne particulair individuellen Bildungen in zu starken Bewegungen, deren Absicht gemeiniglich raͤthselhaft bleibt. Er waͤhlte die Natur nicht aus der edelsten Classe der Menschen, und bildete seine Maͤnner fin- ster muͤrrisch, seine Weiber aber gezogen unbedeu- tend. Bei den ersten scheint er die Flußgoͤtter der Alten, bei den letzten ein schlankes Florentinisches Bauermaͤdchen zum Vorbilde genommen zu haben. In den Koͤpfen herrscht große Einfoͤrmigkeit. Sei- ne Koͤrper sind gemeiniglich zu gestreckt, zu riesen- maͤßig, und um seine Kenntniß im Muskeln- und Knochenbau zu zeigen, vergaß er oft, daß sie von Fleisch und Haut bedeckt werden. Viele Kenner behaupten, daß M. Angelo mit alle seinem Prunk von Anatomie, sie dennoch weder gut verstanden, noch gut angewandt habe; daß seine Gelenke zu steif, die Muskeln zu aͤhnlich an Form und Dicke sind; daß keine Muskel je in Ruhe bleibt; daß die Sehnen sich alle gleich sind, die Umrisse viel zu stark ausschweifen, und daher nicht sanft wieder einlenken. Ja, sie sagen sogar: M. An- gelo sey so manierirt gewesen, daß man mit einer Figur, alle uͤbrigen gesehen habe. Ganz moͤchte ich dieses harte Urtheil nicht unterschreiben, aber zum Theil ist es nicht ungegruͤndet. Giovanni Bologna aus Flandern, Bandi- nelli und Guglielmino della Porta dachten in M. Angelo’s Geiste. Aber als Nachahmer, die sie waren, uͤbertrieben sie seine Fehler, ohne seine V or - zuͤge zu erreichen. Man uͤber die einzelnen Kirchen. Man legte nunmehro den Ausdruck allein in die Stellung, verdrehte diese, uͤberhaͤufte die Muskeln, die nicht mehr in ihrer wahren Lage und Form blieben, und verschwendete den mechanischen Fleiß an Neben- werke. Man erkennt Werke aus dieser Zeit noch ausserdem an den gezogenen Gesichtern der Weiber ohne bestimmten Ausdruck, an dem poͤbelhaften An- stande der Helden, an dem finstern Charakter der Alten, an den großen Bruͤsten, dicken Huͤften und Schenkeln, an den unproportionirlich kleinen Extre- mitaͤten, und den convulsivisch verzerrten Fingern. Ueber M. Angelo als Bildhauer finde ich noch noͤthig zu erinnern, daß er zwei verschiedene Manie- ren hatte. Die erste aͤhnelt der des Donatello. Der Geschmack ist kleinlich, Koͤpfe und Koͤrper fuͤhren auf den Begriff durch Krankheit niedergedruͤckter und abgemergelter Personen zuruͤck, und die Gewaͤnder, wenn sie gleich das Nackende gut andeuten, scheinen doch, als naß, zu fest daran zu kleben: Die Falten gleichen den Beuteln des Albert Duͤrers. In der Folge vergroͤßerte er seine Manier: Hier ist der Fal- tenschlag freier, groͤßer, und zeigt die Bekanntschaft des Meisters mit der Antike. In der ersten Capelle rechter Hand ein heiliger Augustin mit andern Heiligen von Guercino da Cento, aber so sehr verdorben, daß man wenig davon erkennt. Ueber dem Grabmale des Cardinals Mar- gotti, dessen Bildniß von Domenichino. Ob das Bildniß des Cardinals Agucchi an dessen Grabmale gegen uͤber gleichfalls von Domenichi- no Auf Anmerkungen Auf dem Altare der zweiten Capelle, die Befreiung des Apostels Petrus, eine Copie nach Domenichino. Das Original ist vom Kloster. In der letzten Capelle am Ende dieses Ganges: Die heilige Margaretha von Guercino. Es ist keines der besten Werke dieses Meisters. Hr. D. Volkmann hat Unrecht, hier einen hei- ligen Johannes vom Guercino anzufuͤhren. Er ist nicht vorhanden. Beilaͤufig bemerke ich, daß der Brunnen im Hofe des Klosters nicht von M. Angelo, sondern von Simone Mosca, einem Florentiner, ist. Kirche S. Prassede. Hr. D. Volkmann S. 223. Titi S. 245. I n der zweiten Capelle rechter Hand ist die Kuppel von Borguignone, von dem man sonst wenig geistliche Gegenstaͤnde behandelt sieht. In der Capelle Olgiati ist das Altarbild, eine Kreutztragung, von Federico Zuccheri, das Gewoͤlbe aber von Cavaliere d’ Arpino. Dieser Kuͤnstler hat sich einen Stil gemacht, der aus dem Roͤmischen und Florentinischen zusammengesetzt ist. Allein er hat die Natur dabei vergessen, und von der Wahrheit nur den Schein, von dem Reize nur das Ungezwungene erborgt. In no sey, wie es Titi anzuzeigen scheint, getraue ich mir nicht zu entscheiden, ich habe es uͤbersehen. uͤber die einzelnen Kirchen. In der Sacristei haͤngt † die Geisselung Christi von Giulio Romano. Die Figuren ha- ben keinen Ausdruck, und Christus steht wie ein Taͤn- zer. Die Umrisse sind hart, die Muskeln sind zu stark angegeben. Das Colorit ist nußbraun. Die Friesen am Altare dieser Sacristei sollen von demselben Meister seyn. Kirche del Priorato di Malta. Hr. D. Volkmann S. 582. Titi S. 64. D ie beiden Schriftsteller, welche ich bei den Anmer- kungen uͤber die Kirchen von Rom zum Grunde lege, kannten die Kirche in ihrer gegenwaͤrtigen Form nicht. Sie ist neuerlich von Piranese decorirt worden. Die Zierrathen sind uͤberhaͤuft und von keinem ganz reinen Geschmacke. Bei dem Eingange rechter Hand, ein anti- ker Sarcophag mit den neun Musen, Apollo und Minerva. Dies Basrelief scheint eine Wiederholung derer zu seyn, die man im Pallast Mattei, auf dem Capitol und im Pallast Barberini antrifft. Auf dem unsrigen tragen die Musen saͤmmtlich Federn auf dem Kopfe. Die Figur, welche Hr. D. Volkmann fuͤr einen Roͤmer haͤlt, ist der Apollo Musagetes. An den beiden Ecken sieht man sitzende Figuren, welche Poeten oder Philosophen vorstellen. Die Arbeit ist sehr schlecht. Was an diesem Werke allein interessi- ren kann, ist das Gewand der komischen Muse, wel- ches mit kleinen Loͤchern besaͤet ist. Vielleicht um ein vielfarbiges Kleid anzudeuten? Grab- Dritter Theil. Y Anmerkungen Grabmal des Cardinals Portocarrero. Zwei Engel halten sein Portrait in Mosaik. Auf dem Hauptaltar die Assumption des heil. Basilius aus Stucco. † Das Merkwuͤrdigste in dieser Kirche ist ein antiker Leuchter, den Piranese, dessen Bild- saͤule man nahe dabei antrifft, der Kirche geschenkt hat. Er ist einer der groͤßten von denen, die sich aus dem Alterthum erhalten haben, und mit vielen Zier- rathen an Blaͤtterwerk, Loͤwenkoͤpfen, Masken, Rohrpfeiffen, ganzen Figuren, welche Zweige anhef- ten u. s. w. nicht blos versehen, sondern uͤberladen. Dies schadet der Form im Ganzen, aber die Arbeit des Details ist vortrefflich. Die Figuren sind im guten Stile gezeichnet. Dieser Leuchter stehet auf einem Piedestal mit Widderkoͤpfen, Sphynxen, die in Drachenschwaͤnzen endigen u. s. w. Das Urtheil, welches uͤber den Leuchter gefaͤllet ist, kann auch von dem Piedestal gelten. Kirche S. Rocco. Hr. D. Volkmann S. 386. Titi S. 394. D ie Kunstwerke, die hier befindlich sind, verdienen nicht die Aufmerksamkeit des Liebhabers. Wer nur eine gemessene Zeit zum Aufenthalt in Rom hat, dem rathe ich nicht, sich dabei aufzuhalten. Kirche uͤber die einzelnen Kirchen. Kirche S. Romualdo. Hr. D. Volkmann S. 313. Titi S. 317. D er heil. Romualdus wie er den Camaldo- Der heil. Ro- mualdus von Andrea Sacchi. lensern in der Wuͤste predigt, von Andrea Sacchi. Eines der beruͤhmtesten Gemaͤhlde in Rom. Der Gegenstand ist keines sehr interessanten Ausdrucks faͤhig, und bei der ersten Wahl hat die Einfoͤrmigkeit der weißen Gewaͤnder der Camaldolen- ser selbst der mahlerischen Wuͤrkung gefaͤhrlich schei- nen muͤssen. Diese letzte Schwierigkeit hat der Mahler gluͤck- lich zu uͤberwinden gewußt. Durch den Schatten eines Baums, den er auf einen Theil der handelnden Personen fallen laͤßt, hat er die Weiße der Gewaͤn- der gebrochen, und Abwechselung in die Farbe ge- bracht. Die poetische Erfindung ist keinesweges fehler- frei. Die Figur, die sich umdreht und fortgeht, scheint der Aufmerksamkeit nicht angemessen, welche die Rede des heil. Romualdus von seinen ihm unter- gebenen Moͤnchen verdient. Die mahlerische An- ordnung ist dagegen vortrefflich. Die Stellungen sind gut gewaͤhlt, so auch der Faltenschlag. Die Zeichnung ist incorrekt und un- bestimmt, vorzuͤglich an dem einen Camaldolenser Moͤnch, der den Kopf auf die Hand stuͤtzt. Der Ausdruck null. Das Colorit ohne wahr zu seyn, hat einen sehr angenehmen und harmonischen Ton. Das Y 2 Haupt- Anmerkungen Hauptverdienst dieses Gemaͤhldes ist das Helldunkle, welches, einige wenige Fehler abgerechnet, als Muster angepriesen werden kann. Diese Fehler scheinen mir zu seyn: in der ersten Gruppe der Kopf, der, um den dunkeln vor ihm vom Grunde abzuheben, zu hell gehalten ist, um nicht der Haltung zu schaden; der Baum hinter dem heil. Romuald, der zu hart seyn moͤchte; end- lich die weißen Moͤnche, welche den Calvarienberg hinaufgehen, und die Luftperspektiv unterbrechen. Ueberhaupt ist der Hintergrund nicht der vorzuͤg- lichste Theil des Gemaͤhldes. Verdienst des Andrea Sacchi um die Theile der Mahlerei, welche eine große Com- position zu einem wohl- gefaͤlligen Ganzen ma- chen: Ton, Harmonie der Farben, Harmonie des Helldun- keln, Con- traposto, Pyramidal- gruppe und Gruppirung. Erklaͤrung dieser Woͤr- ter. Andrea Sacchi lebte von 1599 bis 1661. Raphael und seine Schuͤler hatten ein groͤßeres historisches, oder besser dramatisches Gemaͤhlde als die Darstellung eines Auftritts betrachtet, der in eini- ger Entfernung von dem Beschauer, aber an einem von ihm durch keine Abtheilung des Raums, durch kein fremdes Licht abgesondertem Orte vorgeht. Ihre Mahlereien sind auf gewisse Weise mehr Basreliefs als Gemaͤhlde. Wir treten in ein Zimmer, in eine offene Straße, in der Mitte geht die Handlung vor sich; nichts trennt uns von den vor uns aufgestellten Personen; dasselbe Licht, das sie beleuchtet, beleuch- tet uns; sind ihre Formen, ist ihr Ausdruck in- teressant, wir duͤrfen nur wenige Schritte thun, so sind wir mitten unter ihnen. Nicht so Correggio, Paolo Veronese, die Schule der Carracci, Pietro da Cortona, Andrea Sacchi und alle neuere Mahler nach ihnen. Wer von meinen Lesern ist je durch eine finstere Hoͤle durch- gegan- uͤber die einzelnen Kirchen. gegangen, und hat am Ende derselben jenseits des Ausgangs die wieder erhellte Natur gesehen? Oder besser: wer von ihnen hat sich in einem dunkeln Saale befunden, schnell ist ein Fenster geoͤffnet, schnell ein Vorhang aufgezogen, und er hat auf der Straße erleuchtet durch das Licht der Sonne, auf dem Theater erleuchtet durch unzaͤhlige Laͤmpchen, ei- nen Haufen Volks erblickt, angethan mit vielfarbi- gen Kleidern, disponirt in abwechselnde Stellungen und Gruppen, umgeben von einer reichen Architek- tur oder einer reizenden Landschaft? Die Wuͤrkung, die dieser erste Anblick auf ihn hervorgebracht hat, die erwarten diese neueren Kuͤnstler fuͤr ihre Beschauer von jedem ihrer Gemaͤhlde von groͤßerer Composition. Von groͤßerer Composition sage ich, und ich glaube mit Recht zwischen diesen und Gemaͤhlden, die aus einer oder zwei Figuren bestehen, einen Unter- schied machen zu muͤssen, den viele Critiker vor mir uͤbersehen zu haben scheinen, uͤber dessen Wichtigkeit in Ruͤcksicht auf Ausdruck und poetische Erfindung ich schon mehrere Winke gegeben habe, und den ich in Ruͤcksicht auf eigentliche mahlerische Wuͤrkung, und Wahl der Mittel sie zu erreichen, gleichfalls von dem wichtigsten Einflusse halte. Denn die einzelne Figur oder die Gruppe von zwei bis drei Personen ohne Bezeichnung einer be- sondern Scene, was sind sie viel mehr als Statuen, hoͤchstens als Figuren in Basrelief, die von dem ersten Lichtstrahle beleuchtet werden, den mein Auge außer dem Gemaͤhlde aufnimmt, und zur Pruͤfung ihrer Ruͤndung zu ihnen hinbringt? Nichts zwingt mich sie an einem andern Orte handeln zu sehen, als Y 3 an Anmerkungen an demjenigen auf dem ich mich mit ihnen befinde: ich sehe sie von Angesicht zu Angesicht, wie ich den Menschen wahrnehmen wuͤrde, der mit mir auf dem naͤmlichen Boden eines Zimmers staͤnde. Aber das Gemaͤhlde von groͤßerer Composition zeigt mir gemeiniglich mit den handelnden Personen, zugleich den Ort wo sie gehandelt haben: ein Gebaͤude, eine Landschaft; und dieser Ort, der nicht das Zim- mer oder Tempel ist, aus dem ich beschaue, der von dem Lichtstrahle der mich beleuchtet, so fernhin nicht erhellet werden koͤnnte, hat allen Anspruch darauf, mir als ein besonders aufgeschlagener Schauplatz zu erscheinen. Irre ich, oder liegt wuͤrklich in diesem, von Raphael und den Nachfolgern des Correggio so ver- schieden angenommenen, Standpunkte des Bo- schauers einer dramatischen Composition, ein Theil des Grundes, warum sie so verschiedene Wege einge- schlagen sind, fuͤr mein Vergnuͤgen zu arbeiten? Ich denke mir die Einrichtung des Franzoͤsischen Theaters, als noch die eifrigsten Liebhaber desselben ihren Platz auf der Scene selbst einnahmen. Der Eindruck des Ganzen war unstreitig geringer als jetzt, wo das Theater frei ist; aber jedes Wort, jede Mine des Akteurs ward genauer gewogen: der Menschen die genossen, waren weniger; aber diese genossen staͤr- ker und besser. Vielleicht duͤrfte das Gleichniß nicht unpassend seyn. Eine Person die mit mir in einem Zimmer, in einem Lichte handelt, ist ein Wesen wie ich, an dem ich alle Bestandtheile der Wahrheit, Ausdruck, Richtig- keit der Form, Treue des Colorits, der Beleuchtung, der uͤber die einzelnen Kirchen. der Stellung genau pruͤfe. Aber ein Gegenstand den ich auf dem Theater, aus einem offenen Fenster er- blicke, wird, so zu sagen, selbst ein Coup de theatre, ein Schein, der mich im Ganzen frap- piren soll, und mit dem ich es schon so genau nicht nehme, wenn er auch hier und da ein wenig untreu ist. Wie fern die Darstellung von mir! Wie schwach mein Auge, das, wie der Apostel sagt, aus einem dunkeln Orte in ein helles Licht sieht! genung, wenn ich durch Harmonie des Tons, der Farben, durch Helldunkles, durch Gruppirung, kurz! durch alle die Theile, die eine so weitlaͤuftige Erscheinung zu einem wohlgefaͤlligen Ganzen machen, fuͤr einige Un- bestimmtheit, Incorrektion, und Unwahrheit im Einzelnen, — wenn diese Fehler anders nicht zu arg sind, — wieder schadlos gehalten werde. So wie ich hier raisonnire, so und nicht anders ist A. Sacchi verfahren. Es ist der Muͤhe werth seine Vorzuͤge, seine Fehler etwas genauer zu pruͤfen. Einer der Hauptvorzuͤge eines großen Gemaͤhldes ist die Harmonie des Tons und der Farben. Ich will sie genauer bestimmen, ich will sagen, wie sie erreicht werden. Es ist bekannt, daß die wesentliche Farbe eines jeden Objekts, diejenige, welche ich unter jedem Grade des Lichts, und unter jeder Art desselben wie- dererkenne, und auf gleiche Art benenne, dennoch nach der Verschiedenheit in dem Grade der Staͤr- ke und der Art des darauf zustroͤmenden Lichtes, verschiedene Modificationen annimmt. Man er- leuchte ein Zimmer mit der Flamme des Wein- geistes; alle Gegenstaͤnde in demselben werden einen Y 4 blaͤu- Anmerkungen blaͤulichen Anstrich erhalten, und dennoch werde ich die blaue Carnation von dem blaurothen Gewande noch immer zu unterscheiden im Stande seyn: der Schein der brennenden Oellaͤmpchen faͤrbt die Gegen- staͤnde gelb; inzwischen das gelblich weiße Gewand ist noch deutlich von dem gelblich rothen zu unter- scheiden: eben so verhaͤlt es sich mit dem roͤthlichen Abglanz der Morgenroͤthe, mit dem finstern Lichte der Daͤmmerung u. s. w. Nun nehme man an: der Decorateur eines Theaters ließe die Personen zur Rechten der Scene von der Flamme des Weingeistes beleuchtet werden, die zur Linken von der Flamme brennender Oel- laͤmpchen; weiterhin aber ließe er das Tageslicht auf die daselbst stehenden Figuranten fallen; was wuͤrde daraus entstehen? natuͤrlicher Weise eine große Disharmonie der Farben. Das Auge wuͤrde Abtheilungen machen, und die einzelnen gefaͤrbten Theile zu einem faͤrbigten Ganzen nicht vereinigen koͤnnen. Hingegen wenn alle Figuren mit einer und derselben Lichtart beleuchtet wuͤrden, mithin einen gleichfaͤrbigen Anstrich erhielten; so muͤßte daraus ein einstimmiger Ton der Farbe entstehen, und es wuͤrde alsdann ein Hauptgrund zur Harmonie vor- handen seyn. Der einstimmige Ton der Lichtstrahlfarbe un- terstuͤtzt zwar die Harmonie der Farben unter sich, aber er macht sie nicht allein aus. Die verschiede- nen wesentlichen Farben eines jeden Objekts haben ohne Ruͤcksicht auf die Art des zustroͤmenden Lichts die Beschaffenheit, daß sie in der Zusammenstellung sich uͤber die einzelnen Kirchen. sich mehr oder minder mit einander vermaͤhlen. Der vielfarbige Regenbogen giebt das Beispiel wohl- harmonirender Grundfarben. Hingegen die Beklei- dung eines Menschen mit einem hochrothen Mantel uͤber einem hochgelben Unterkleide das Beispiel einer schreienden Vereinigung heterogener Farben. Diese innere Uebereinstimmung der wesentlichen Farben mehrerer Objekte nennen viele Kunstbuͤcher, unter andern Mengs, auszeichnungsweise, Harmonie der Farben. Inzwischen beruht auf dieser doppelten Uebereinstimmung des Tons, (oder des An- strichs, den eine Art des zustroͤmenden Lich- tes den verschiedenen wesentlichen Farben meh- rerer Gegenstaͤnde auf einem Bilde giebt,) und auf jener eigentlichen Harmonie der Farben, (die aus der Zusammenstellung mehrerer, ihrer inneren Beschaffenheit nach sanft in einander uͤbergehenden Farben entspringt,) das Geheim- niß der Einheit in der Abwechselung, oder der Harmonie der Farben, in einem ausge- breiteterm Sinne. Das Mittel, dessen sich der Kuͤnstler bedient, um seinen vielfaͤrbigen Gegenstaͤnden den einstimmigen Ton des faͤrbenden Lichts zu geben, besteht darin: er macht sich eine Mischung, welche der Farbe des besondern Abglanzes einer gewissen Lichtart nahe koͤmmt, und sucht damit in jede Farbe zu spielen, die er in seinem Gemaͤhlde anbringt. Aber hierbei ist mehr als eine Behutsamkeit anzuwenden. Der Mahler muß so treu im Einzelnen und so angenehm Y 5 im Anmerkungen im Ganzen seyn, als das Gesetz der Harmonie im weitlaͤuftigern Verstande es nur immer zulassen will. Hier zeigt sich eine große Verschiedenheit zwi- schen einem Correggio und einem Sacchi, und noch mehr zwischen jenem und den neueren Neapolitani- schen und Venetianischen Meistern. Wenn ich eine Wange, jeden andern fleischigten Theil in einem Gemaͤhlde des Correggio fuͤr sich be- trachte, und das Uebrige des Bildes bedecke; so er- kenne ich diese gefaͤrbte Stelle fuͤr das, was sie seyn soll, fuͤr Fleisch. Hingegen eben dieser Theil in ei- nem Gemaͤhlde des Corrado oder Tiepolo unter eben der Bedingung gesehen, ist nur ein bunter Fleck, den ich eben so gut fuͤr ein roͤthliches Gewand, oder fuͤr sonst etwas halten koͤnnte. Woher koͤmmt dieser Unter- schied? Natuͤrlich daher, weil der letzte Kuͤnstler zu viel von seiner Lichtstralfarbe in die wesentliche Far- be des Objekts gemischt hat, um diese letzte nicht zu zerstoͤren: oder, weil er auf den Effekt der Tafel im Ganzen, auf die Vergleichung eines Theils mit den uͤbrigen zu viel, und zu wenig auf die Vergleichung des einzelnen Koͤrpers in der Nachbildung mit dem Vorwurfe in der Natur, gerechnet hat. Mit einem Worte, weil das Colorit nach der Palette ausge- dacht ist. Es fließt aus dieser doppelten Art, das Colorit ei- nes Gemaͤhldes in Ruͤcksicht auf Harmonie, und in Ruͤcksicht auf treue Nachbildung zu beurtheilen, auch eine doppelte Art, die Wahrheit desselben zu pruͤfen. Eine conventionelle, die blos nach der Verschie- denheit und Uebereinstimmung der einzelnen Theile zum Ganzen angestellet wird, und eine urspruͤngliche nach den uͤber die einzelnen Kirchen. den Grundsaͤtzen der treuen Nachahmung der Natur. Selten, sehr selten ist es moͤglich, die Wahrheit der Farbe im Einzelnen mit der Harmonie im Gan- zen zu verbinden. Vielleicht ist dies selbst einem Correggio nicht immer gegluͤckt. Wenn man aber von der Wahrheit des Colorits eines Andrea Sacchi redet, so kann man nur soviel damit sagen wollen, daß er einen Schein von Treue in der wesentlichen Farbe des Objekts mit einer ziemlich treuen Nachbil- dung des faͤrbenden Anstrichs des Lichtstrals zu ver- binden gewußt habe. Denn auch der faͤrbende Lichtstrahl kann hoͤchst untreu dargestellt werden. Ich kenne diese und jene neuere Fechtelmahlerei mit einem Tone, wie wir ihn gar nicht in der Natur finden. Blau, Ponßoroth, Hochgelb, Gruͤn, u. s. w. Dergleichen decidirte Mischungen, die den Hauptton des Gemaͤhldes be- stimmen sollen, sind an und fuͤr sich unnatuͤrlich, und den wesentlichen Farben uͤberher gefaͤhrlich. Der Ton muß nie decidirt seyn, er muß sich schwer ent- raͤthseln lassen. Wenn man von einem Gemaͤhlde sagt, es faͤllt ins Rothe, so heißt dies nichts weiter, als: die Farbe des Ganzen koͤmmt der rothen naͤher als der gelben, der weißen, und andern: sie ist mehr roth als gelb u. s. w. Der beste, angenehmste Ton, den der Mahler seinen gefaͤrbten Gegenstaͤnden geben zu koͤnnen scheint, ist der, den der Abglanz des warmen Sonnenstrals uͤber sie verbreitet. Aber in seiner urspruͤnglichen Staͤrke wuͤrde ihn die Kunst des Mahlers nicht errei- chen. Er nimmt ihn also lieber gebrochen an, wie er Anmerkungen er ungefaͤhr von einem bemooßten Mauerwerk von Backsteinen auf die Gegenstaͤnde zuruͤckprallen wuͤrde. Der Anstrich, den die Objekte dadurch erhalten, steht ungefaͤhr zwischen roth, gelb und braun in der Mitte. Ich sage ungefaͤhr, decidirt darf der Ton nimmer seyn. Aber so erscheint er in vielen Bildern von Cor- reggio, von Albano, und dies macht auch in den mehresten des A. Sacchi den kraͤftigen warmen Ton aus, den wir so sehr darin lieben. Die Harmonie des Helldunkeln, oder wie an- dere es zu eingeschraͤnkt nennen, die Harmonie von Licht und Schatten, ist von Harmonie des faͤrben- den Lichtstrahls oder des Tons und von Harmonie der wesentlichen Farben eines jeden Objekts noch sehr ver- schieden. Die hellen Theile muͤssen mit den dunkeln durch sanfte Uebergaͤnge und leicht zu ordnende Massen zu einem Ganzen vereinigt werden. Dies wird, wie schon an einem andern Orte ausgefuͤhrt ist, durch Wahl der Farben, die ihrer innern Consistenz nach mehr oder weniger Lichtstrahlen auffangen, mithin lichter oder dunkler sind, und durch Wahl in der Lei- tung des zustroͤmenden Lichts erreicht. Es ist begreiflich, daß die Wuͤrkung, welche diese Harmonie des Helldunkeln hervorbringt, von der Wuͤrkung, die von der Abwechselung in Licht und Schatten uͤberhaupt abhaͤngt, wesentlich verschieden sey. In Guercinos Gemaͤhlden sind die Lichter oft sehr zerstreuet, ohne alle Harmonie ausgetheilet, und dennoch thun sie auf ungebildete Augen Wuͤrkung. Auch ist das begreiflich, daß die Harmonie des Hell- dunkeln uͤber die einzelnen Kirchen. dunkeln entweder die Natur zur Begleiterin haben, oder von derselben getrennt seyn koͤnne. Ich kann, um Harmonie hervorzubringen, helle Partien dahin setzen, wo der Haltung Haltung ist Ingredienz der Wahrheit: Gehalt an Staͤrke in Licht und Farbe eines Gegenstandes, gegen den Gehalt des andern an Staͤrke in eben diesen Stuͤcken, nach dem Tariff der Naͤhe und Entfernung. Im Grunde von Luftperspektiv we- nig verschieden: außer daß man diesen letzten Aus- druck hauptsaͤchlich von Fernen braucht, wo man das Hervorstechende nicht mehr nach der Staͤrke der Schlagschatten, sondern hauptsaͤchlich nach der Staͤrke der wesentlichen Farbe abmißt. zufolge dunkle stehen muͤßten: Ich kann wieder zu Gunsten der Harmonie das Licht dahin zufließen lassen, wo ein vorstehender Koͤrper es eigentlich hemmen wuͤrde u. s. w. Diese Forderungen der Harmonie und der Treue des Helldunkeln sind wieder schwer mit einander zu befriedigen. Dem Correggio ist es oft gelungen, dem A. Sacchi seltener; bei ihm ist Treue immer mehr Heuchelei als Gewissenhaftigkeit. Aus dem bisher Gesagten wird man beilaͤufig ge- merkt haben, wie sehr der Kuͤnstler durch Erbauung eines eigenen Theaters fuͤr Ton und Harmonie des Lichts gewonnen habe. Er kann sich die Art seines Lichtstrals besser waͤhlen, da er die Quelle desselben in dem Bilde selbst annimmt; er kann es besser leiten, da der Beschauer durch die Wahl eines unrichtigen Standpunkts die Zustroͤmung des Lichts, die der Kuͤnstler intendirt hat, nicht hemmen mag. Wir werden nun auch sehen, was der Gruppirung daraus fuͤr Anmerkungen fuͤr Vortheile geworden sind, indem wir die Verdienste des Andrea Sacchi um diese Vollkommenheit eines groͤßeren Gemaͤhldes noch zu pruͤfen haben. Indem ich aus einem dunkeln Orte in einen hellen sehe, so ruͤckt die Figur, die der Mahler zwischen mir und dem Anfang des Lichtstrals hinstellt, merklich hervor. Dieser dunkele Gegenstand auf dem Vorgrunde ist das, was wir le Repoussoir nennen, er schiebt den Auftritt der handelnden Personen im Hellen weiter hinaus. Schon durch dieses Mittel allein koͤmmt eine groͤßere Cavitaͤt, Vertiefung in die Flaͤche des Gemaͤhldes. Hierzu tritt der Umstand, daß der Lichtstral, den ich erst in der Mitte des Gemaͤhldes aufnehme, viel weiter reicht, als derjenige, den ich außer demselben aufnehme und in den Rahmen hinein- bringe. Ja! der Mahler, der die Quellen des Lichts ganz in seiner Gewalt hat, laͤßt dieses weiter- hin aus neuen zustroͤmen, und fuͤhrt meinen Blick so weit hinaus, als das Auge nur immer reichen kann. Durch alle diese Kunstgriffe aber gewinnt er Raum mir viele Gruppen auf verschiedenen Planen hinter- einander auf einmal vorzustellen; und dieser Reich- thum ist bei einer guten Anordnung der Gruppen kei- nesweges unbedeutend. Die abwechselnde Lage der Glieder einer Figur, der sogenannte Contraposto, wird in einem Gemaͤhlde, das mehrere Figuren enthaͤlt, zur wahren Nothwen- digkeit, um das Einfoͤrmige gleicher Stellungen zu unterbrechen. Diese Figuren in abwechselnden Stel- lungen zu einer Gruppe vereinigt, deren breite Flaͤche sich unvermerkt zu einer schmaͤleren Hoͤhe zuspitzt, und die Form einer Traube, einer Pyramide bildet, haben den uͤber die einzelnen Kirchen. den Reiz einer Masse von angenehmer Form vor sich. Lasse ich diese Gruppen mit andern von verschiedener Form abwechseln, und sich unter einander bequem verbinden, so entsteht daraus ein so leicht zu ordnen- des, und eben dadurch wohlgefaͤlliges Ganze, daß ich durch diese Wuͤrkung in Verbindung mit der Har- monie des Tons, der Farben, des Helldunkeln, uͤber die Maͤngel in einzelnen Theilen, wenigstens auf den ersten Blick beschwichtiget werde. Freilich darf der Ausdruck nicht ganz unedel und unnatuͤrlich, die Zeichnung nicht auffallend unrichtig, das Colorit und das Helldunkle nicht voͤllig conventionell seyn; aber wenn nur ein Schein von Wahrheit in allen die- sen Theilen vorhanden ist, — wie ihn denn A. Sacchi mit jenen Vorzuͤgen zu verbinden wußte, — so giebt sich der voruͤbergehende Beschauer ziemlich leicht zu- frieden. Und so wuͤrde die Bestimmung des Verdienstes unsers Meisters so ziemlich vorbereitet seyn: Er war der beste Flaͤchendecorateur, den wir kennen; aber auch nur das: Anschminker, nicht treuer Darsteller der verschoͤnerten Natur. Pietro da Cortona, Luca Giordano, die ganze neuere Neapolitanische und Ve- netianische Schule, die im Grunde so wie er, nur fuͤr den ersten voruͤbergehenden Anblick arbeiteten, nur den Vorhang eines Theaters aufziehen, und wieder fallen lassen, nur frappiren, nur blenden; stehen ihm dennoch nach. Er hat einen Schein von Ausdruck der Minen, da wo sie nur Schein des Ausdrucks in Stellungen haben: Er hat einen Schein von Carraccisch richtiger Zeichnung, da wo sie ungescheut Incorrektionen begehen: Er hat einen Schein Anmerkungen Schein von Correggianisch wahrer Faͤrbung, da wo sie nur nach der Palette mahlen: Er wandte endlich Gedult auf die Ausfuͤhrung, und sie setzten ihr groͤß- tes Verdienst in eilfertiger Geschwindigkeit. Kirche S. Stefano rotondo. Hr. D. Volkmann S. 191. Titi S. 207 und 473. M an zeigte hier zu meiner Zeit den untern Theil eines Helden im Panzer. Er war gut gearbeitet. Die Mahlereien von Tempesta und Po- meranzio sind schlecht. Kirche Sacre Stimate di San Fran- cesco. Hr. D. Volkmann S. 496. Titi S. 165. † E in heil. Franciscus von Trevisani, eins der besten Gemaͤhlde dieses Meisters. In dem Gemaͤhlde des Hyacintus Brandi von tausend Maͤrtyrern, welchen diese Kirche ge- widmet ist, sieht man zwar nur wenige, aber doch noch immer zu viel dieser uninteressanten Figuren. Kirche S. Sylvestro a Monte Cavallo. Hr. D. Volkmann S. 235. Titi S. 279. N ur eine Capelle zur Linken des Kreuzganges, wel- che man unter dem Nahmen Capelle Bandini er- fragen kann, scheint der Aufmerksamkeit des Liebha- bers werth zu seyn. An der Kuppel derselben hat Dome- uͤber die einzelnen Kirchen. Domenichino an den Pfeilern † vier runde Ge- Vier runde Gemaͤhlde von Domeni- chino, be- kannt unter dem Nah- men: tondi del Domeni- chino. maͤhlde gemahlt, welche unter dem Nahmen gli tondi del Domenichino bekannt sind. Die Figuren haben ungefaͤhr zwei bis drei Fuß Hoͤhe. Das erste Gemaͤhlde stellet die heilige Judith vor, welche dem Volke den Kopf des Holo- fernes zeigt. Die Anordnung und der Ausdruck sind gut. Die Figur der Judith steht am rechten Orte; Kopf und Stellung sind edel. Die Gruppe zweier Kinder, deren eines dem andern den Kopf des Holofernes zeigt, uͤber dessen Anblick das letzte die Haͤnde freudig in die Hoͤhe hebt, ist gut gedacht, voller Wahrheit und Reiz. Die Gewaͤnder zeigen das Nackte gut an, sie sind nur schwerfaͤllig. Die Faͤrbung ist harmonisch. David tanzt vor der Bundeslade. Die Anordnung ist nicht so gut als in dem vorigen, aber der Ausdruck und die Stellung der einzelnen Figuren, deren Zeichnung im Geschmack der Antike ist, halten dafuͤr schadlos. Die Gewaͤnder sind schlecht. Salomon empfaͤngt die Koͤnigin von Saba. Dies Bild scheint das schoͤnste unter den vieren zu seyn, und wuͤrde, wenn die Faͤrbung kraͤfti- ger waͤre, in allen Theilen der Mahlerei vollkommen seyn. Ahasverus und Esther. Sehr gut gedacht und angeordnet. Alle Figuren des Bildes nehmen einen sehr wahren und sehr wohl ausgedruͤckten Antheil an der Handlung. Esther, die in Ohnmacht faͤllt, zeigt eine reizende, decente und aͤußerst wahre Stellung. In eben dieser Capelle sieht man zwei Figu- ren von Algardi, den heil. Johannes und die Dritter Theil. Z heil. Anmerkungen heil. Maria, Schwester der Magdalena. Beide sind von Stucco, und gehoͤren nicht zu den besten Ar- beiten dieses Meisters. An der letzten Figur ist der Ausdruck des Gesichts grimmassirend, und an dem Gewande, dem Hr. Volkmann ein so großes Lob bei- legt, finde ich nichts außerordentliches: vielmehr scheinen die Falten am Beine eine unangenehme Er- hoͤhung zu bilden. In der zweiten Capelle rechter Hand vom Eingange ab haͤngt ein Gemaͤhlde des Giacomo Palma, welches aber sehr verdorben ist. Die Camayeux von Polydoro und Mar- tino da Carravaggio, in der Capelle der heil. Magdalena, sind sehr leicht weggemacht, und die Mahlereien des Giusepped’ Arpino sehr manierirt. Titi fuͤhrt eine Geburt Christi von Venusti und ein Paar Gemaͤhlde von Raphaelino da Reggio als hier befindlich an, auf welche ich die Liebhaber, des Nahmens der Meister wegen, aufmerksam mache. Denn uͤber den Werth der Werke selbst kann ich nicht urtheilen, da ich sie uͤbersehen habe. Kirche S. Trinità de’ Monti. Hr. D. Volkmann S. 365. Titi S. 375. Kreutzabneh- mung Christi von Daniel da Volterra. E s ist nur das Gemaͤhlde des † Daniel da Volterra, die Kreuzabnehmung Christi, welches diese Kirche der Aufmerksamkeit des Liebhabers werth macht. Der Gedanke dieses Bildes ist folgender: Sieben Men- schen sind beschaͤfftiget, den Leichnam Christi vom Kreuz abzunehmen. Einige derselben lassen ihn herunter, andere fangen ihn auf, andere halten die Leiter, auf der uͤber die einzelnen Kirchen. der wieder andere auf- und absteigen. Sie sind alle gut in Handlung gebracht. Joseph von Arimathia, der den Leichnam Christi in seine Arme faßt, scheint bei diesem traurigen Liebesdienste aͤußerst bewegt zu seyn. Am Fuß des Kreuzes liegt die Mutter Gottes in Ohnmacht, und mehrere Weiber sind beschaͤfftiget, sie wieder zu sich selbst zu bringen. Der heil. Jo- hannes laͤuft herzu, und breitet seine Arme aus, im Begriff den Leichnam darin aufzufassen. Alle diese Figuren sind edel, natuͤrlich und wahr. Inzwischen der Figuren sind ohnstreitig zu viel. Sie bedecken die Flaͤche anstatt sie zu fuͤllen, und sind zu unordentlich vertheilt. Die Gruppe der Frauen am Fuße des Kreuzes verdient von diesem Urtheil ausgenommen zu werden. Die Figuren derselben sind sehr gut zusammen gestellt. Der Ausdruck ist wahr, nur sollte die heil. Mag- dalena, welche die in Ohnmacht gefallene Mutter Gottes in den Armen haͤlt, auf diese blicken, nicht zur Seite. Der Christ ist nicht sehr edel. Die Koͤpfe sehen sich alle aͤhnlich, aber das ge- meinschaftliche Vorbild ist gut gewaͤhlt, und die Zeich- nung durchaus richtig. Die Gewaͤnder zeigen das Nackte gut an, aber die Ausfuͤhrung ist etwas trocken. Die Stellungen haben nichts von der Florentinischen Affektation: die Verkuͤrzungen sind vortrefflich. Es wuͤrde schwer seyn, uͤber das Helldunkle und die Farbe zu urtheilen, da das Bild schon sehr verdorben ist, und noch taͤglich mehr verdirbt. Zu beiden Seiten sind noch Gemaͤhlde des- selben Meisters. Im Ganzen mittelmaͤßig, aber in einzelnen Partien nicht ohne Verdienst. Z 2 Hr. Volk- Anmerkungen uͤber einzelne ꝛc. Hr Volkmann ist in der uͤbrigen Beschreibung dieser Kirche ziemlich unrichtig. Es ist aber nicht der Muͤhe werth, ihn zu verbessern. Kirche S. Trinità de’ Pellegrini. Titi S. 103. und 462. A uf dem Hauptaltare hat † Guido die Drei- einigkeit auf eine sonderbare Weise vorgestellet. Oben sieht man Gott den Vater, der die Arme aus- breitet, mit Koͤpfen von Cherubims, die reihenweise gesetzt sind, umgeben. Gleich unter dem Barte von Gott dem Vater ist der heil. Geist als Taube vorge- stellet, welche auf den Kopf Christi herabzufliegen scheint. Christus haͤngt gleich darunter am Kreuze, welches auf einer Kugel ruhet, und auf den Seiten von ein Paar Engeln sehr zierlich gehalten wird. Ein Paar große Engel in den Wolken beten das Kreuz auf den Knien an. Die Ausfuͤhrung ist nicht viel besser als der Gedanke, und das Bild gehoͤrt sowohl in An- sehung der Stellungen, welche affektirt sind, als der Zeichnung, welche incorrekt ist, und der Farbe, wel- cher es an Kraft und Harmonie fehlet, zu den schwaͤch- sten Werken dieses Meisters. Ueber Ueber einige Kunstwerke an offenen Plaͤtzen der Stadt. Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Titus. In dem Durchgange selbst. † Z wei Basreliefs, welche den Triumph des Kaisers Titus, nach erfochtenem Siege uͤber die Juden, und Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem vorstellen. Sie gehoͤren zu den schoͤnsten des Alterthums, und sind nicht nur in einem richtigen, sondern auch schoͤnen Stile gezeich- net. Schade! daß sie so sehr gelitten haben. Die Friesen stellen den fernern Zug des Triumphs, und besonders die Priester mit den Opferthieren vor. Die Apotheose des Kaisers. Er beschreitet einen Adler, der ihn gen Himmel traͤgt. † Vier Victorien außen am Bogen, sind Muster leicht schwebender Figuren. Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Kaisers Septimius Severus. D ie daran befindlichen groͤßeren Basreliefs stellen Begebenheiten vor, die auf den Krieg des Kaisers mit den Parthern Bezug haben. Z 3 So Ueber einige Kunstwerke So sehr die Ausfuͤhrung den Verfall der Kunst verraͤth, der Gedanke zeigt immer treue Anhaͤnglich- keit an dem urspruͤnglichen Stile ihres Flors. Im- mer sind noch die Verhaͤltnisse ziemlich richtig, die Juncturen natuͤrlich, die Stellungen simpel, und die Gewaͤnder vernuͤnftig. Die Arbeit ist manierir- tes Handwerk; aber die Manier ist gut: die Hand verraͤth den Schuͤler; aber den Schuͤler, der einer guten Lehre entlaufen ist. In Koͤpfen und Stellun- gen herrscht große Einfoͤrmigkeit: Man sieht, — wenn ich mich dieses erklaͤrenden Beispiels bedienen darf — daß die Figuren auswendig gelernte Woͤrter einer uͤberlieferten Kunstsprache sind. Die Friesen stellen Triumphzuͤge vor. In den Ecken uͤber den Bogens sieht man Genien mit den Attributen der Jahrszeiten. Victo- rien, Flußgoͤtter, u. s. w. Das Ganze ist mit Figuren uͤberhaͤuft. Die Zeichnung, die Bellori Veteres arcus Augu- storum etc. liefert, hat viele Zusaͤtze nach Muͤnzen, welche diesen Triumphbogen vorstellen, erhalten. Die Quadriga, nebst den uͤbrigen Figuren oben auf der Spitze, sind in der Natur nicht mehr vor- handen. Bildhauerarbeit am Triumphbogen des Kaisers Constantin des Großen. A uf den Saͤulen stehen sieben Statuen von gefangenen Daciern. Die achte ist ins Museum Capitolinum gekommen. Unter den noch stehenden soll an offenen Plaͤtzen der Stadt. soll die eine ganz neu seyn, die andern sollen neu auf- gesetzte Koͤpfe haben. So meldet Hr. D. Volkmann. Die Basreliefs die hier angebracht sind, sind von sehr verschiedener Guͤte. Einige, die man wahr- scheinlich von alten Monumenten des Trajans genom- men hat, zeichnen sich, wo nicht durch Schoͤnheit, wenigstens durch vernuͤnftige Anordnung, Ausdruck und Richtigkeit der Zeichnung aus. Hingegen die Figuren aus der Zeit Constantins sind auf einander gehaͤuft, incorrekt, unbedeutend: Kurz! Alles zeigt in diesen letztern den gaͤnzlichen Verfall der Kunst. Nur der alte Stil ist noch immer vorhanden; noch immer zeigen sich Spuren vortrefflicher Grundsaͤtze, bei der Ohnmacht sie in Ausuͤbung zu bringen. Die alten Kuͤnstler aus dieser Epoche kommen mir wie Invaliden vor, denen man die Dressur der Jugend, selbst in der Art wie sie die zitternden Glieder fort- schleppen, anmerkt. Unter den Basreliefs aus der Zeit des Trajans sind vorzuͤglich zwei beruͤhmt. † Das eine stellt eine Schlacht dieses Kai- sers wider die Dacier: das andere eine alle- gorische Vorstellung des Sieges, seine Kroͤ- nung mit einem Lorbeerkranze durch die Hand einer Victorie, vor. Die Figuren sind ein wenig schwerfaͤllig, und vielleicht schon zu sehr nach einer gewissen Manier gearbeitet, ohne die Natur gehoͤrig zu Rathe zu ziehen. Dies abgerechnet, haben sie viel Verdienst. Die uͤbrigen Basreliefs sind meistens Ovale. Sie stellen den Trajan in verschiedenen Handlungen vor: wie er den Parthern einen Koͤnig giebt, wie er Z 4 seine Ueber einige Kunstwerke seine Soldaten anredet, wie er opfert, zur Stadt zuruͤckkehrt, verschiedene Arten von Jagden haͤlt u. s. w. Auch sieht man hier zwei allegorische Vorstellungen, die eine des Occidents, und die andere des Orients, unter zwei weiblichen Figuren, deren eine mit ihrem Wagen in die Hoͤhe, die andere ins Meer faͤhrt. Ein geschickter Compositeur koͤnnte hier Veran- lassung zu mancher guten Idee finden. † Pferdebezwinger in Monte Cavallo. S o nennt man zwei Juͤnglinge, welche an- springende Pferde halten, in colossalischer Groͤße. Sie stehen auf dem Monte Cavallo. Auf der Basis der einen Figur steht die lateinische Innschrift: Phidiae opus; auf der Basis der an- dern: Praxitelis opus, Wahrscheinlich neuere Zusaͤtze: wenn es gleich moͤglich bleibt, daß diese Nahmen zur Aufbewahrung einer Ueberlieferung schon von den aͤltern Roͤmern hinzugefuͤgt sind. Die richtigste Erklaͤrung scheint diese zu seyn: Die Figuren stellen den Castor und Pollux vor. Bildhauer von großer Einsicht setzen diese beiden Statuen unter das Beste, was sich aus dem Alter- thume auf uns erhalten hat, und M. Angelo nannte sie seine Lieblinge. Ich will nur dasjenige sagen, was ich selbst gesehen, selbst gefuͤhlt habe. Die Pferde sind den Menschen aufgeopfert. Letztere ha- ben etwas sehr großes und sehr edles in Stellung und Koͤpfen. Dieser Eindruck des Ganzen bleibt, wenn gleich mehrere Beschaͤdigungen und Ergaͤnzungen der urspruͤnglichen Schoͤnheit im Einzelnen vieles entzo- gen an offenen Plaͤtzen der Stadt. gen haben. Den Gipsabguß des einen Kopfs ha- be ich in der Naͤhe gesehen: es ist zum Erstaunen, mit welcher Delicatesse der Marmor behandelt ist, und dennoch thut diese Weichheit der Wuͤrkung in der Ferne keinen Schaden. Fuͤr den Liebhaber der bildenden Kunst haben sie durch die neuere Ruͤckung, die mit ihnen vorgenom- men ist, eher verloren als gewonnen. Bildhauerarbeit an der Saͤule des Trajans. D as Piedestal, worauf die Saͤule ruht, ist mit Waffen in erhobener Arbeit geziert. Sie schei- nen zu unordentlich gelegt, uͤbrigens von schoͤner Aus- fuͤhrung zu seyn. Vier Adler stehen auf den Seiten, die im Verhaͤltniß zum Ganzen zu klein scheinen, aber eben sowohl als der Lorbeerkranz, auf dem der Schafft der Saͤule ruht, vortrefflich gearbeitet sind. An dem Schaffte der Saͤule sind mehrere Begebenheiten, die mit den Feldzuͤgen des Tra- jans in Beziehung stehen, abgebildet. Sie lau- fen schneckenfoͤrmig von unten bis oben hinauf, und die Figuren in der Hoͤhe sind groͤßer als die untern, damit sie durch die weitere Entfernung dem Auge nicht entzogen wuͤrden. Inzwischen diese Vorsicht scheint nicht viel geholfen zu haben. Ich kann mich ziem- lich guter Augen ruͤhmen, aber in der Hoͤhe, worin sich diese ungefaͤhr drei hoͤchstens vier Fuß großen Fi- guren befinden, habe ich sie nicht deutlich unterschei- den koͤnnen. Z 5 Ich Ueber einige Kunstwerke Ich kenne nur einige Theile dieser weitlaͤuftigen Composition aus Gipsabguͤssen, und das Ganze aus Kupfern. Nach diesen glaube ich auf folgende Art daruͤber urtheilen zu muͤssen. Die Forderungen, die wir an eine gute drama- tische Darstellung, und an einen damit correspondi- renden Ausdruck zu machen berechtigt sind, werden wenig befriedigt; die Regeln der mahlerischen Anord- nung, der Luft und Linienperspektiv, sind auf das ent- setzlichste beleidigt. Ich tadle die Kuͤnstler nicht so- wohl darum, daß sie die davon abhaͤngende Wuͤrkung nicht erreicht, als vielmehr darum, daß sie ihr uͤber- haupt nachgestrebt haben. Alles was nicht menschliche Form und Gewand ist, hat nicht den mindesten Schein von Wahrheit. Hingegen ist der physiognomische Ausdruck der Koͤpfe so abwechselnd, als die beinahe durchaus wohlgefaͤlli- gen Stellungen verschieden sind. Der Liebhaber wird an den richtigen Verhaͤltnissen, an der natuͤrli- chen Einfuͤgung der Juncturen, an der Simplicitaͤt der Stellungen und der Zweckmaͤßigkeit der Gewaͤn- der und des Faltenschlags Vergnuͤgen finden: Der Kuͤnstler Veranlassung zu neuen Ideen, und Auf- klaͤrung uͤber das Costume der Alten. An der Stelle, wo diese Werke angebracht sind, thun sie so weit das Auge ihnen folgen kann, gut: Abgenommen, einzeln besehen, verlieren sie den An- spruch auf schoͤne, fuͤr sich bestehende Kunstwerke. Die Wahl der Formen ist gut, aber nicht schoͤn, nicht edel. Die Verhaͤltnisse sind richtig, aber nicht von swelten Figuren genommen. Die Umrisse sind be- stimmt, aber nicht zierlich. Die an offenen Plaͤtzen der Stadt. Die Behandlung verraͤth die fertige Hand, die oft den naͤmlichen Vorwurf oder aͤhnliche ausgefuͤhrt hat, sie hat aber nicht die Weichheit eines mit sorg- samer Liebe behandelten Werkes. Auch fehlt die In- dividualitaͤt von Treue, die nicht erreicht wird, ohne die Natur zu Rathe zu ziehen. Es ist und bleibt Handwerk, Manier, von so vortrefflicher Art sie im- mer seyn mag. Laͤcherlich ist es zu behaupten, die 2500 halbe und ganze Figuren, die an dieser Saͤule befindlich sind, waͤren alle von einer Hand verfertigt. Von der Hand einer Schule, das zeigt die aͤhnliche Ver- fahrungsart, aber von der Hand eines Meisters, das ist aus mehr als einem Grunde unmoͤglich. Die Umrisse der Figuren heben sich kantig von der Flaͤche ab. Fuͤr den Ort gut; fuͤr den angeneh- men Eindruck im Einzelnen, nicht gut. Die Statue des heiligen Petrus aus Bronze oben auf der Saͤule, ist nach dem Modelle des Tho- mas della Porta gegossen, und mittelmaͤßig. Bildhauerarbeit an der Saͤule Anto- nins: richtiger, des Marcus Aurelius Antoninus. D ie daran befindlichen Basreliefs stellen Bege- benheiten aus den Feldzuͤgen des Marcus Au- relius Antoninus vor. Es ist der naͤmliche Stil, der sich in den Figuren an der Trajanischen Saͤule findet: nur die Ausfuͤhrung ist schlechter, die Arbeit mehr beschaͤdigt, und die Composition noch fehlerhaf- ter Ueber einige Kunstwerke ter als an jener. Man sieht hier Fluͤsse, die in per- pendiculairer Richtung an den Figuren hinauf lau- fen. Verschanzungen, Mauern, welche die Men- schen von Kopf bis zu Fuß mit einem Zirkel umschlies- sen, und worin diese wie Voͤgel in einem Reife ste- hen u. s. w. Schoͤn gedachte Stellungen, Koͤpfe, Gewaͤnder, Juncturen, kurz! der Stil der Alten, ziehen immer noch unsere Aufmerksamkeit auf sich. Sonderbar ist die Idee des Jupiter Pluvialis, wie man ihn nennt. Die Roͤmer litten von der Duͤrre, und vom Durst, dessen Folge. Die Quadi hielten sie einge- schlossen. Es erfolgte ein Gewitter. Blitz, Hagel und Schloßen fielen auf die Quadi und zerstreueten diese. Die Roͤmer erhielten Labung, den gewuͤnsch- ten Regen. Diese Begebenheit ist auf folgende Art allegorisch vorgestellt. Ein gefluͤgelter Genius, dem Wasser vom Kopfe, Augenbraunen, Bart, und von dem uͤbrigen Theile des Koͤrpers auf halben Leib herabstroͤmt, hebt die Rechte gegen die Roͤmer auf, von der der sparsamere Regen sanft herabtreufelt, den die Soldaten in aufwaͤrts gehaltene Schilde aufsam- meln; die Linke laͤßt der Genius auf ihre Feinde schwer herabsinken, und hier stuͤrzet alles zu Boden. Zur Nachahmung will ich die Vorstellung eben nicht anrathen, wenigstens nicht als Vorwurf der schoͤnen Sculptur. Bild- an offenen Plaͤtzen der Stadt. Bildhauerarbeit an dem Postament der Saͤule des Antoninus Pius. D as Postament zur Antoninischen Saͤule ist mit † Basreliefs geziert, welche zu den besten Kunstwerken dieser Art in Rom gehoͤren. Auf der einen Seite sieht man die Vergoͤtterung des Antonins und der Faustina. Ein Genius traͤgt sie auf den Fluͤgeln, und haͤlt eine Kugel mit einer Schlange in der Hand. Zu den Fuͤßen des Genius eine allegorische Figur mit einem Obelisk, den man fuͤr das Symbol der Unsterblichkeit haͤlt. Gegen uͤber eine Roma mit einem Schilde, worauf die Woͤl- fin, die den Romulus und Remus saͤuget, abgebildet ist. Alle diese Figuren sind schoͤn, aber die Figur der Roma wird den uͤbrigen vorgezogen. Die beiden andern Basreliefs stellen das Leichen- begraͤbniß des Kaisers vor. Bildhauerarbeit an der Fontaine di Termine. † Z wei Loͤwen von Basalt mit Platten von der- selben Materie, worauf Hieroglyphen befindlich sind: antik. Sie sind voller Kraft und Majestaͤt. Zwei andere von weißem Marmor, unbe- deutend. Moses, der das Wasser aus dem Felsen schlaͤgt, eine Statue aus weißem Marmor. Sie ist plump, unbedeutend in Ausdruck der Mine, af- fektirt in der Stellung, und schlecht bekleidet. Bild- Ueber einige Kunstwerke Bildhauerarbeit an der Fontaine di Trevi. D ie Bildhauerarbeit an dieser Fontaine kann nur als architektonischer Zierrath betrachtet werden. Sie thut im Ganzen Wuͤrkung, und wuͤrde noch mehr thun, wenn der Platz groͤßer waͤre, um sie aus der Ferne zu betrachten. Im Detail verdient sie nicht, daß man daruͤber spreche: Der Neptun in der Mitte sieht aus wie ein Tanzmeister. Bildhauerarbeit an der Fontaine della Piazza Navona. O bgleich die Bildhauerarbeit auch hier wieder mehr im Ganzen als im Detail betrachtet werden muß, so haͤt sie doch mehr Verdienst als diejenige, welche an der Fontaine di Trevi befindlich ist. Das Ganze ist nach der Angabe des Ber- nini verfertigt, und bildet eine schoͤne Masse. Ein großer Obelisk von orientalischem Granit mit Hieroglyphen ruhet auf einem großen durchgebrochenen Felsen, aus dem ein Loͤwe und ein Wasserpferd hervorgehen, und an den Seiten ruhen vier colossalische Figuren, wel- che die groͤßten Fluͤsse aus den vier Weltthei- len vorstellen. Der Loͤwe und das Pferd sind von Lazaro Morelli. Mellizia Memorie degli Architetti, T. II. p. 246. legt sie dem Bernini bei. Der Fels von Bernini selbst, an dem an offenen Plaͤtzen der Stadt. dem man die Verbindung der Festigkeit und Groͤße mit der swelten Form bewundert. Der Fluß della Plata ist von Francesco Baratta. Die Donau von einem gewissen Claudio. Hr. D. Volkmann nennt ihn Clandio Framese. Aber dies ist ganz falsch. Titi sagt: Claudio Francese. Der Nahme Claudio ist Vornahme. Ob der Zusatz Francese auf die Nation uͤberhaupt gehe, oder einen bestimmten Zunahmen anzeige, daruͤber bin ich ungewiß. Ich finde beim Fueßli einen gewissen Claude Francin, einen Pariser; aber die Zeitrechnung trifft nicht zu. Dieser lebte 1736. Vielleicht befindet sich in der Lebensbeschreibung des Bernini von Baldinucci, die ich nicht bei der Hand habe, bessere Auskunft. Sie wird besonders geschaͤtzt. Der Nil von Giacomo Antonio Fancelli. Er verhuͤllt das Haupt: eine witzige Allegorie seines ungewissen Ursprungs, die eben so gut in der Bild- hauerei unausgefuͤhrt haͤtte bleiben koͤnnen. Der Ganges als Mohr von Antonio Raggi. Auf der einen kleineren Fontaine zur Seite Kleinere Fontaine ebendaselbst. steht ein aͤlterer Triton von der Hand des Ber- nini. Er ist beruͤhmt. Die vier kleineren Tri- tonen, die ihn umgeben, sind von der Hand des Flaminio Bacca und anderer Meister. Oben: vier Masken von Michael Angelo. Pasqui- Ueber einige Kunstwerke Pasquino. S o nennt man eine sehr verstuͤmmelte Statue aus weißem Marmor. Sie bekam den Nahmen von einem lustigen Schuhflicker, der in der Naͤhe wohnte, und seine witzigen Einfaͤlle daran anklebte. Wenn Bernini, wie man behauptet, gesagt hat, daß die- ser Sturz das schoͤnste Ueberbleibsel des Alterthums sey, so ist dies wahrscheinlich auch nur ein witziger Einfall im Geschmack des Pasquino, auf die Vor- liebe des M. Angelo zu dem beruͤhmten Torso di Belvedere. Inzwischen Verdienst hat das Stuͤck immer, nur muß die Maaße nicht uͤbertrieben wer- den. Es ist zu sehr beschaͤdigt, um mit Zuverlaͤßig- keit daruͤber zu urtheilen. Die Figur scheint eine andere zu tragen. Diese Handlung hat zu mehreren Auslegungen Gelegenheit gegeben. Wahrscheinlich stellt sie einen Krieger vor, der seinen verwundeten Cameraden aus der Schlacht wegbringt, und der verstorbene Abbate Visconti hat darin den Menelaus mit dem Leichnam des Pa- troclus bestimmt wieder erkennen wollen. S. Fea in der Ital. Uebers. der Winkelmannischen Gesch. der Kunst, T.I. Prefaz. p. 26. n. A. Nachtrag Nachtrag einiger Nachrichten uͤber Kunstwerke zu Frescati, in den Villen der umliegenden Gegend, und besonders in der Kirche zu Grotta Ferrata. In der Villa Aldobrandini. Villa Aldo- brandini. E inige Landschaften mit den Thaten des Apol- lo von Domenichino, sie haben sehr gelitten. Einige Gemaͤhlde von Cav. Giuseppe d’Ar- pino. Dasjenige, welches Judith mit der Magd vor- stellet, ist das beste. In dem Casino Aldobrandini zu Casino Aldo- brandini. Frescati selbst. E inige schoͤne Landschaften von Philipp Hackert. Villa Mondragone. Villa Mon- dragone: schoͤner colos- salischer Kopf des Anti- nous. † C olossalischer Kopf des Antinous. Von he- her Schoͤnheit, mit Weinreben statt der Haare bedeckt. Dritter Theil. A a † Ein Nachtrag. † Ein Kopf des Cardinals Scipio Bor- ghese, von Bernini. Ein wahrer Vandyk in Mar- mor. Die mechanische Behandlung vortrefflich. Villa Falco-nieri. Villa Falconieri. M ehrere Plafonds von Carlo Maratti. Schwach in allen Theilen der Mahlerei: kaum daß ein Paar huͤbsche Weiberkoͤpfe den Blick belohnen, den man auf diese Gemaͤhlde wirft. Einige Carricaturen von Ghezzi. Einige Landschaften von — kaum weiß ich, ob ich den Nahmen des Meisters, den ich nicht beim Fueßli finde, nicht verhoͤret habe, — von Hetzen- dorf. Villa Brac-ciano. Villa Bracciano. M ehrere Plafonds von Domenichino und seinen Schuͤlern. Die Himmelfahrt des Elias ist von ihm selbst. Kapuziner-kloster. Kapuzinerkloster. H ier soll ein † beruͤhmtes Crucifix von Guido Reni haͤngen, welches ich aber nicht zu sehen bekom- men konnte, weil die Kirche verschlossen war. Kirche zu Grotta Fer-rata. Kirche zu Grotta Ferrata. I m Hofe: ein schoͤnes antikes Basrelief, welches den Leichnam des Patroclus vorstellt, den man aus der Schlacht wegtraͤgt. Eine Nachtrag. Eine seitwaͤrts von der Kirche liegende Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge- Mahlereien von Dome- nichino. ziert. Sie machen das weitlaͤuftigste Werk aus, das man von diesem Meister kennt; die Suͤjets sind aus der Geschichte des heil. Nilus genommen. † Der heilige Nilus heilet einen Befes- senen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe. Der Gedanke des Bildes ist gut, und die An- ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh- resten unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist der Ausdruck der Affekte. Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den Sohn mit der aͤngstlichen Unruhe haͤlt, welche die Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunsches ist: die Mutter, die mit glaͤubiger Zuversicht die ersten Symptome der Besserung ausspaͤhet: die aͤlteren Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge warten, die da kommen werden: das juͤngste Kind, das sich bange hinter die Mutter verkriecht: der An- verwandte voll des geruͤhrtesten Antheils: endlich der Heilige im inbruͤnstigen Gebete zum Himmel; alles dies ist so wahr, so sprechend, daß wir keiner Stimme beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieser hier versammelten Personen deutlich zu verstehen und zu fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen, aber treu. Die Zeichnung ist sehr fein, in den Ex- tremitaͤten duͤrfte man sie correkter wuͤnschen. Die Stellung der Mutter ist reizend. Fuͤr Fresco ist das Bild ziemlich kraͤftig colorirt. † Der heilige Nilus wird vom Kaiser Otto dem Dritten umarmt. A a 2 Das Nachtrag. Das Bild ist nicht gut angeordnet; aber der Ausdruck ist wieder vortrefflich. Man bewundert vorzuͤglich die guͤtige Zuvorkommung in dem Kaiser, den bescheidenen Anstand in dem Heiligen, die Maͤn- ner im Gefolge des Kaisers, die das Horn blasen und in die Trompete stoßen, die Gruppe des Juͤnglings, der sein wildes Pferd nicht halten kann, und dem der Vater zu Huͤlfe kommt u. s. w. Die Koͤpfe sind schoͤn gewaͤhlt, der des Kaisers koͤnnte edler seyn: der Heilige thut ihm Schaden. Sehr ausdrucksvoll sind noch die Cavaliere, die dem Kaiser zur Seite stehen: der Juͤngling, der den Hut mit dem Federbusche traͤgt u. s. w. † Der heilige Nilus betet ein Crucifix in der Wuͤste an, das ihn segnet. Die Figur des Heiligen ist von unvergleichlichem Ausdrucke. Gegen uͤber. Der heilige Nilus betet um Regen zur Zeit der Erndte; weniger schoͤn als die vorigen. Dem heiligen Nilus wird der Plan einer Kirche vorgelegt: auf dem naͤmlichen Bilde haͤlt er eine Saͤule, welche fallen will. Außer dem Vorwurf einer doppelten Handlung, die man dem Bilde machen kann, verdient es auch den Tadel, mit zu vieler Eilfertigkeit ausgefuͤhrt zu seyn. Man sieht inzwischen einzelne schoͤne Gruppen und unvergleichliche Koͤpfe darauf. Die Madonna erscheint dem heil. Nilus in Begleitung eines andern Heiligen, und giebt ihm einen Apfel. Auf dem Altare Gott der Vater. Rund Nachtrag. Rund herum, Engel und einige weibliche allegorische Figuren in Ovalen. Eine darun- ter ist unter dem Nahmen la frascatana sehr beruͤhmt. Mehrere Suͤjets aus der heiligen Ge- schichte en Camayeu. Sie haben sehr gelitten. Das Bild der heiligen Theresia in der Kirche, ist nicht von Guido und keinesweges die Veranlassung zu der Gruppe der Theresia von Bernini in der Kirche Madonna della Vittoria gewesen, wie Hr. D. Volkmann dem Hrn. Bernoulli Histor. krit. Nachr. uͤber Italien, Th. I. S. 923. nachschreibt. Ich habe es schon bei Gelegenheit meiner Anmer- kungen uͤber diese Kirche gesagt. Das hiesige ist ganz verschieden gedacht, und von schlechter Aus- fuͤhrung. Bei dem letzten Werke, welches ich vom Dome- nichino anzeige, will ich dessen Charakter noch zu zeichnen suchen. Seit Raphael ist kein Mahler wieder aufgestanden, Charakter des Domeni- chino. der den Ausdruck der dramatischen Mahlerei, der Affekte, die sich durch Gebaͤrden gerne mittheilen und verstaͤndlich machen, so sehr in seiner Gewalt gehabt haͤtte als Domenico Zampieri, il Domenichino ge- nannt. Sein Talent in diesem Stuͤcke war aber weniger ausgebreitet als das seines Vorgaͤngers. Die- ser sahe wie ein Mann, weitumfassend, klar, deutlich, richtig: jener wie ein Weib, fein, scharf, aber ein- zeln und unzuverlaͤßig. Domenichino bemerkte und empfand, Raphael that beides in weit groͤßerem Um- fange, dachte und schuf uͤberher. Domenichino schraͤnkte sich hauptsaͤchlich auf die gewoͤhnlichen Affekte der Naivetaͤt, der Unschuld un- A a 3 erfahr- Nachtrag. erfahrner Jugend, der Schwaͤche des Alters ein. Ueber die meisten seiner Gemaͤhlde ist ein Zug von kraͤnklicher Schuͤchternheit ausgegossen, welcher in dem persoͤnlichen Charakter des Meisters nach den vielen Versagungen, Leiden und Kraͤnkungen, die er in seinem Leben erfahren hatte, der herrschende wer- den und sich nothwendig seinen Werken mittheilen mußte. Das Genie des Domenichino scheint zwischen dem eines Guido und eines Raphaels in der Mitte gestanden zu haben. Er fuͤhlte feiner und ausgebrei- teter als der erste, aber er hatte weniger Sinn fuͤr edle hohe Affekte, und viel weniger mechanisches Ta- lent zur Ausfuͤhrung. Raphael hatte den Reichthum der Ideen in Verbindung mit jenen Vorzuͤgen vor beiden zum Voraus. Haͤtten alle drei Meister ihre Talente zur Dichtkunst angewandt; Raphael, glaube ich, waͤre als Dichter des historischen Schauspiels oder als epischer groß geworden, Guido haͤtte den hohen aber eingeschraͤnkten Flug der Ode oder Elegie ge- nommen, und Domenichino wuͤrde in der Fabel, in der Idylle, oder uͤberhaupt in der poetischen Darstel- lung der Scenen des gewoͤhnlichen Lebens im buͤrger- lichen Drama, im Romane, unser Herz zur sanften Theilnehmung eingeladen haben. Domenichino wechselte nicht oft mit der Wahl seiner Suͤjets ab; er entlehnte sie oft von andern. Nicht selten, wenn er sich seinem eigenen Flu- ge uͤberließ, opferte er die Hauptpersonen den Neben- figuren auf, und verwebte Episoden mit der Haupt- handlung, welche dieser gefaͤhrlich wurden. Erha- bene Ideen sind bei ihm sehr selten. Das Nachtrag. Das Verdienst seiner Anordnung ist sich nicht immer gleich, doch in Ruͤcksicht auf mahlerische Wuͤr- kung groͤßer, als in Ruͤcksicht auf poetischen Ausdruck des Ganzen. Von dem Ausdruck der einzelnen Figuren habe ich schon geredet. Ich muß noch hinzusetzen, daß schmerzhafte Empfindungen sehr oft zur Carricatur in seinen Gemaͤhlden wurden. Seine Weiberkoͤpfe haben vortreffliche Formen. Es ist nicht die hohe Schoͤnheit des Guido die sie ziert, aber es ist der gefaͤllige, sittsame Reiz der unbe- fangenen Jahre. Guido scheint die Mutter Niobe belebt zu haben; Domenichino die Toͤchter. Seine Juͤnglinge sind nicht so schoͤn: Die Alten abgehaͤrmte Einsiedler, gute aber schwache Menschen. Die Ex- tremitaͤten sind plump, und vorzuͤglich die Finger seiner Haͤnde kurz und dick. In allen Theilen der Mahlerei, die neben einer weisen Wahl mechanisches Talent der Hand erfordern, merkt man ihm an, wie mich duͤnkt, daß er zum Handwerker nicht gebohren war: daß ein feiner Ge- schmack ihn bei der Ausfuͤhrung leitete, aber daß die- ser den Mangel angebohrner Faͤhigkeiten nicht ganz ersetzen konnte. Er stand hoͤher als Poussin in die- sem Stuͤcke, aber er war doch weit unter Mengs, vor- zuͤglich in einzelnen Figuren. Seine Zeichnung ist schwerfaͤllig und nicht durchaus correkt. Inzwischen hat er oft sehr bestimmt gezeichnet, und er ist sich hier wie in andern Talenten, die eine fertige Hand erfor- dern, ungleich: Die Gewaͤnder sind nicht als Muster anzupreisen. Der Kopfputz gluͤckte ihm besser. A a 4 Sein Nachtrag. Sein Colorit naͤhert sich, so wie bei allen Schuͤ- lern der Carraccischen Schule, in den besten Wer- ken und in einzelnen Partien dem Correggio. In andern faͤllt er zu sehr ins Kreideweiße und gruͤn- lich Schwarze. Ueberhaupt fehlt es wohl an Waͤrme, Harmonie und Haltung. Die Lichter theilte er gemeiniglich sehr gut aus, aber den sanften Uebergang der hellen zu den dunkeln Partien, die Luftperspektiv finden wir gleichfalls oft vernachlaͤßigt. Seine Behandlung ist sehr fleißig: so fleißig, daß sie zuweilen ins Aengstliche und Trockene faͤllt. Man zieht seine Frescogemaͤhlde den Oelgemaͤhl- den vor. Dieser Meister mahlte allerliebst gedachte Land- schaften, deren Ausfuͤhrung nur nicht immer wahr und treu ist. Er lebte von 1581 — 1641. Schluß Schluß. S o endige ich denn diesen Versuch uͤber die bil- denden Kuͤnste in Rom, nicht ohne eine Besorg- niß zu empfinden, die derjenigen aͤhneln muß, mit der ein Vater sich von seinem Kinde trennt, ehe des- sen Bildung vollendet ist. Ich habe mein dreißigstes Jahr noch nicht er- reicht, und ein Werk wie dieses, haͤtte, um dem Pu- blico vor Augen gelegt zu werden, das reifste Alter erfordert. Aber ich fuͤhlte, daß mit jedem Tage die Ein- druͤcke schwaͤcher wurden, welche die Kunstwerke Roms auf mich gemacht hatten: ich lief Gefahr zu einer Zeit, wo ich an Staͤrke im Raisonniren wuͤrde ge- wonnen haben, die Bilder, welche noch lebhaft in meiner Seele schweben, verloschen, meine noch war- men Empfindungen erkaltet zu sehen. Ich hatte keine Hoffnung meine Erinnerungen durch eine zweite Reise nach Rom wieder aufzufrischen, wohl aber die Aussicht zu einer Lage vor mir, in der eine anhaltende Beschaͤfftigung mit den schoͤnen Kuͤnsten, mir auf im- mer verwehrt werden duͤrfte. Diese Gruͤnde haben mich bewogen, mein Buch schon jetzt dem Druck zu uͤbergeben, und als mir zur Bedingung des Verlags gemacht wurde, daß alle drei Theile auf Ostern 1787. zu gleicher Zeit er- scheinen sollten, auch diese einzugehen. Dies geschah um Michaelis vorigen Jahrs. Die Materialien waren gesammelt, mir blieb Zeit zum Ord- A a 5 nen Schluß. nen und Feilen. Haͤtte ich an sich nichts ausseror- dentliches hervorgebracht; ich haͤtte das Wenige was ich geben konnte, so gut geliefert, als meine gegen- waͤrtigen Kraͤfte es zulassen. Aber auch hieran bin ich behindert, durch eben so unvermeidliche, als unvorhergesehene Abhaltungen behindert; und ich darf es behaupten, daß selten ein Buch unter so unguͤnstigen Verhaͤltnissen fuͤr ruhige Sorgfalt ausgearbeitet worden. Meinen mir naͤheren Landesleuten ist meine Lage bekannt: sie werden sie bei der Pruͤfung des Werths meines Buchs in Anschlag bringen; bei Fremden darf ich aus diesem Grunde auf Billigkeit keinen An- spruch machen. Dennoch belebt mich eine Hoffnung auf allgemei- nere Nachsicht. Mein Versuch wird die Nothwen- digkeit einer Anleitung zur Kenntniß der Kunst fuͤr Liebhaber, eben durch seine Maͤngel, fuͤhlbarer machen. Es wird ein Mann aufstehen, der mit eben so vieler Liebe zu den Kuͤnsten als ich, mehr Genie und Muße verbindet, der meine Nachrichten ergaͤnzt, meine Saͤtze naͤher bestimmt. Daß so wenigstens mein schwaches Bemuͤhen die naͤhere Veranlassung zu einem Werke werde, das Aller Forderungen in der Maaße befriedigt, — wie sie in Sachen des Ge- schmacks zu befriedigen nur immer moͤglich bleiben! Kann ich mit einem schoͤnern, kann ich mit ei- nem fuͤr das Publicum und mich gluͤcklichern Wun- sche endigen?