Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Aerzte . Von Gottfried Reinhold Treviranus. Fünfter Band. Mit vier Kupfertafeln . Göttingen, bey Johann Friedrich Röwer. 1818 . Inhaltsverzeichniss . Geschichte des physischen Lebens . Sechstes Buch. Wärme, Licht und Elektri- cität der lebenden Körper. S. 1. Erster Abschnitt. Eigene Wärme der lebenden Körper. S. 3. §. 1. Wärme der Pflanzen. S. 4. §. 2. Wärme der niedern Thiere. S. 20. §. 3. Eigene Wärme der Vögel und Säugthiere. S. 30. §. 4. Theorie der thierischen Wärme. S. 48. Zweyter Abschnitt. Phosphorische Erscheinun- gen der organischen Natur. S. 81. §. 1. Phosphorescenz lebender Körper. S. 82. §. 2. Phosphorescenz abgestorbener Pflanzen und Thiere. S. 122. §. 3. Entwickelung von Feuer im menschlichen Körper. S. 131. §. 4. Allgemeine Resultate dieses Abschnitts. S. 139. Dritter Abschnitt. Thierische Elektricität. S. 141. Sieben- Siebentes Buch. Automatische Bewegungen der lebenden Körper. S. 183. Erster Abschnitt. Aeusserungen der bewegen- den Kraft bey den verschiedenen leben- den Körpern. S. 185. Erstes Kapitel. Erste Spuren der automatischen Bewegungen auf den untersten Stufen der lebenden Natur. S. 185. Zweytes Kapitel. Automatische Bewegungen der Pflanzen. S. 188. §. 1. Hinbewegen der Wurzeln, Zweige und Blät- ter der Pflanzen nach der Feuchtigkeit, dem Licht u. s. w. S. 188. §. 2. Schlaf und Wachen der Pflanzen. Linn é’s Blumenuhr. S. 191. §. 3. Hedysarum gyrans. S. 201. §. 4. Bewegungen der vegetabilischen Geschlechts- theile zur Zeit der Befruchtung. S. 204. §. 5. Reitzbarkeit der vegetabilischen Befruchtungs- theile. S. 206. §. 6. Reitzbarkeit der Blätter mehrerer Pflanzen. S. 217. §. 7. Bewegung der Säfte in den Pflanzen. S. 229. Drittes Kapitel. Automatische Bewegungen der Thiere. Vergleichung derselben mit den ve- getabilischen. S. 234. Zweyter Abschnitt. Grundformen der automa- tischen Bewegungen. S. 237. Drit- Dritter Abschnitt. Bewegungen der verschiede- nen organischen Systeme. S. 253. Vierter Abschnitt. Dauer der automatischen Be- wegungen in dem Ganzen und den ein- zelnen Theilen. Tenacität des Lebens. S. 264. Fünfter Abschnitt. Bedingungen und Gesetze der automatischen Bewegungen. S. 278. Achtes Buch. Verrichtungen des Nervensy- stems im Allgemeinen. S. 317. Erster Abschnitt. Vorläufige Bemerkungen über die Organisation des Nervensystems. S. 319. Zweyter Abschnitt. Reitzbarkeit der Nerven. S. 344. Erstes Kapitel. Vermögen der Nerven, Eindrücke aufzunehmen und fortzupflanzen. S. 344. Zweytes Kapitel. Unterbrechung des Fortgangs der Nerveneindrücke durch die Ganglien. S. 348. Drittes Kapitel. Consensuelle Nervenwirkungen. S. 363. Viertes Kapitel. Associationsvermögen des Ner- vensystems. S. 368. Fünftes Kapitel. Nervenreitze und deren Wir- kungsart. S. 372. Sechstes Sechstes Kapitel. Gesetze der Reitzbarkeit des Nervensystems. S. 393. Dritter Abschnitt. Autonomie des Nervensy- stems. S. 407. Erstes Kapitel. Einfluss der Nerven auf die Er- nährung. S. 407. Zweytes Kapitel. Instinktartige Nervenwirkungen. S. 429. Drittes Kapitel. Dynamische Wirkungen des Ner- vensystems. S. 451. Erklärung der Kupfertafeln. S. 469. Zusatz. Ueber die Phosphorescenz der leuch- tenden Springkäfer. S. 475. Geschichte Geschichte des physischen Lebens. Sechstes Buch. V. Bd. A Sechstes Buch. Wärme, Licht und Elektricität der lebenden Körper . Erster Abschnitt. Eigene Wärme der lebenden Körper . W ärme ist die Hauptbedingung alles Lebens. Aber nur ein mittlerer Grad derselben ist dem Le- ben der irdischen Organismen angemessen. Bey einer anhaltenden Temperatur der Atmosphäre, die + 35° des Reaumur schen Thermometers über- steigt, verwelken und verschmachten die meisten Pflanzen und Thiere eben so wohl, als bey einer Kälte, die unter — 30° herabsinkt. In wenigen Gegenden der Erde bleibt sich die Temperatur der Luft immer gleich. In den A 2 gemä- gemässigten Climaten beträgt sie im Winter oft — 20°, und wechselt im Sommer zwischen + 12° und + 26°. Wie erhalten sich die Thiere und Pflanzen jener Erdstriche bey diesem Wechsel? Besitzen sie ein Vermögen, bey äusserer Kälte sich zu erwärmen, und bey äusserer Hitze sich ab- zukühlen? Oder giebt es sonstige Einrichtungen in ihrer Organisation, wodurch sie vor den nach- theiligen Wirkungen der Kälte und Hitze ge- schützt sind? Die Beantwortung dieser Fragen lässt sich blos aus der Erfahrung nehmen. Wir werden dieselbe zu Rathe ziehen, und bey dem Pflanzenreich unsere Untersuchungen anfangen. §. 1. Wärme der Pflanzen. Schon der Verfasser des dem Aristoteles zugeschriebenen Werks Von den Pflanzen De plantis. L. I. C. 2. spricht von einer innern Wärme der Gewächse. Bacon Nov. Organ. L. II. aph. 12. p. 337. in Opp. omn. hingegen läugnete alle fühlbare Wär- me der Pflanzen. Doch diese und ähnliche Be- merkungen früherer Schriftsteller stützen sich auf zu wenige und zu mangelhafte Erfahrungen, als dass sie Rücksicht verdienten. Erst J. Hunter stellte genauere Versuche über die Temperatur der Vegetabilien an Philos. Transact. Y. 1775. p. 446. Y. 1778. p. 38. , die hier mitgetheilt zu werden verdienen. An An einer dreyjährigen Fichte, die Hunter unter Wasser in eine künstliche Temperatur von 15 bis 17° Fahrenh . gebracht hatte, erfror blos der jüngste Trieb. Dieser blieb auch welk, nach- dem die Fichte wieder gepflanzt war; die ältern Triebe aber vegetirten fort. Von einer jungen Haberpflanze, die erst mit drey Blättern versehen war, wurde ein Blatt und die Wurzel in eine Kälte von 22° Fahrenh . ge- bracht. Das Blatt erfror sehr bald; die Wurzel aber behielt ihre Lebenskraft. Zwey Blätter einer Bohnenpflanze, wovon das eine erfroren und wieder aufgethauet, das andere frisch und vorher aufgerollet war, wur- den in ein Gefäss gelegt, das eine Temperatur von 17° Fahrenh . hatte. Von dem letztern Blatt erfror blos der Rand, der das Gefäss berührte; das erstere erfror ganz und schneller als dieses. Ausgepresster Saft von Kohl und Spinat ge- fror nicht, wie das Wasser, beym 32sten Grad, sondern erst beym 29sten. Zwischen diesem und dem 30sten Grad thauete er wieder auf. Wurde der gefrorne Saft in eine kalte Mi- schung von 28° gebracht, und wurden dann die Blätter einer frischen Bohne oder Fichte auf den- selben gelegt, so thauete er an den Stellen, wo er mit den Blättern in Berührung stand, wieder auf. A 3 In In den Stamm eines Nussbaums, welcher 9 Fuss hoch war und 7 Fuss im Umfange hatte, wurde 5 Fuss über der Erde ein 11 Zoll tiefes Loch gebohrt. In dieses wurde ein Thermometer gebracht und der äussern Luft der Zugang zu der Oeffnung verschlossen. Im Frühling war der Stand des Thermometers so unbeständig, dass sich nichts Allgemeines darüber bestimmen liess; im Herbst aber stand er um einige Grade höher als ein correspondirendes Thermometer, das in der freyen Luft hing. Im Winter, bey einer Tem- peratur von 29 bis 16°, zeigten auch Thermome- ter, die in Pappeln, Platanen, Fichten, Tannen und mehrere andere Bäume eingesenkt waren, eine etwas höhere Temperatur, als die Atmo- sphäre hatte; doch betrug der Unterschied gewöhn- lich nur Einen Grad. Hunter schloss aus diesen Beobachtungen, dass die Pflanzen ein Vermögen besitzen, Wärme zu erzeugen, und zwar eine Wärme, die mit der Temperatur der Atmosphäre in einem gewis- sen Verhältniss steht. Allein seine Erfahrungen berechtigen nicht zu diesem Schluss. Die That- sachen, dass ein frisches Blatt langsamer als ein gefrornes und wieder aufgethautes gefror, und dass die Temperatur des Nussbaums im Herbst um einige Grade höher als die Temperatur der Atmosphäre war, lassen sich schon daraus befrie- digend digend erklären, dass alle vegetabilische Substan- zen schlechte Wärmeleiter sind, dass ihr Leitungs- vermögen zu verschiedenen Zeiten und unter ver- schiedenen Umständen sehr verschieden ist, und dass dieses wegen der bald grössern, bald gerin- gern Menge der in ihnen befindlichen Säfte, we- gen der veränderlichen Consistenz dieser Flüssig- keiten und wegen der ungleichen Spannung der vegetabilischen Fasern und Häute sehr verschie- den seyn muss. Für die Richtigkeit dieser Er- klärung bürgen die Resultate, die Nau Annalen der Wetterauischen Gesellsch. für die ge- sammte Naturkunde. B. 1. H. 1. S. 27. und Balde Wolfart ’s Askläpieion. J. 1811. No. 18. 19. bey Wiederhohlung der Hunter schen Versuche erhielten. Gefrorner Kohlsaft, den je- ner in einer Temperatur von 29° F., dieser in einer Kälte von — 2° R. theils mit belebten Pflan- zentheilen, theils mit leblosen Körpern bedeckte, thauete immer auf, und die Quantität des aufge- thaueten Safts richtete sich nicht nach der Be- schaffenheit des aufgelegten Körpers, sondern nach der Menge der Berührungspunkte zwischen diesem und dem Eis. Von dem geringern Lei- tungsvermögen der Pflanzensäfte, und gewiss nicht von einer eigenen Wärme derselben, rührt es auch her, dass der Punkt des Thermometers, wobey A 4 wobey vegetabilische Flüssigkeiten gefrieren, nur einige Fahrenheit sche Grade niedriger als der Ge- frierpunkt des Wassers ist. Dass endlich in Hun- ter ’s Versuchen jüngere Pflanzenzweige schnel- ler als ältere erfroren, lässt sich aus dem grö- ssern Gehalt an Säften der jüngern Zweige und aus der wässrigern Beschaffenheit dieser Säfte er- klären. Nach Hunter stellte Schöpf ähnliche Be- obachtungen, wie jener an einem Nussbaum ge- macht hatte, an mehrern Bäumen in Nordamerika an Der Naturforscher. St. 23. S. 1. . Der Stand des Thermometers war zu ver- schiedenen Zeiten und an verschiedenen Bäumen sehr verschieden. Doch hatte im Allgemeinen das Innere der Bäume vom Herbst bis in den Winter eine höhere Temperatur als die Luft, und zwar eine desto höhere, je stärker der Frost war; hingegen vom Frühling bis in den Sommer war die innere Wärme des Baums niedriger als die Temperatur der Atmosphäre, und der Unter- schied nahm mit der Hitze der äussern Luft zu. Bey diesen Erfahrungen fehlen aber vergleichen- de Versuche mit abgestorbenen Bäumen, so dass sich nichts Sicheres daraus schliessen lässt. Wichtiger sind ähnliche, von Salomé ge- machte Versuche Annales de Chimie. T. XL. Brumaire. No. 119. . Dieser bohrte im Mai ein cylin- cylindrisches Loch von 9 Zoll Tiefe in den Stamm eines Baums von 18 Zoll Durchmesser 8 Fuss hoch über der Erde, und ein ähnliches in ein Stück von einem geschlagenen Baumstamm, wel- ches noch mit der Rinde bekleidet, von einerley Durchmesser mit jenem Baum und an der Luft ausgetrocknet war. Er steckte in beyde Canäle zwey correspondirende Weingeistthermometer, und hing ein drittes ähnliches Werkzeug an der Nord- seite einer Mauer auf. Aus einer Vergleichung des Gangs der drey Wärmemesser ergaben sich folgende Resultate. Das Thermometer, welches in dem abgehauenen Baumstamm angebracht war, zeigte keine merkliche Abweichung von dem, welches in der freyen Luft hing. Das in dem lebenden Baum befindliche Thermometer hinge- gen stand immer höher als dieses, so lange die Temperatur der Luft unter 14° (vermuthlich des 100 gradigen, Celsius ’schen Thermometers) war. Stieg aber die letztere über 14°, so blieb die Wärme des Baums unter der Wärme der freyen Luft. Während in dem Verlauf eines Monats die Temperatur der Atmosphäre zwischen 2° und 26° schwankte, blieb die Wärme des Baums im- mer über 9° und unter 19°. Diese veränderte sich auch nur sehr langsam und um wenige Gra- de, und hielt sich oft mehrere Tage zu allen Stunden auf demselben Punkt, während jene bin- nen 6 Stunden zuweilen um 10° wechselte. Am A 5 mei- meisten Einfluss hatte auf diese ein anhaltender Regen, wobey sie merklich abnahm, ohngeach- tet die Wärme der Luft nicht merklich dadurch vermindert wurde. Diese Versuche beweisen dem Anschein nach allerdings ein Vermögen der Gewächse, eine ge- wisse mittlere Temperatur in sich hervorzubrin- gen. Man kann zur Unterstützung derselben auch noch anführen, dass die Temperatur des lebenden Baums ohne Zweifel noch grösser war, als Salomé’s Versuche sie angeben, indem das in dem Baum befindliche Thermometer blos un- ten mit dem Innern desselben in Berührung stand, oben aber vor dem Einfluss der Atmosphäre nicht geschützt war. Noch mehr scheinen Hermbstädt ’s Beobach- tungen für ein solches Vermögen der Gewächse zu sprechen Magazin der Gesellsch, naturf. Freunde in Berlin. Jahrg. 2. S. 316. . Hermbstädt fand, dass der Saft von Ahornen, die im Winter angebohrt waren, dann noch in flüssiger Gestalt hervordrang, wenn der schon ausgeflossene Saft in untergesetzten Gefässen zu Eis erstarrt war. Er brachte in die Oeffnung eines frisch angebohrten Zuckerahorns die Kugel eines empfindlichen Thermometers, um- gab diese mit Baumwachs, um den hervordrin- gen- genden Saft zurückzuhalten, und hing ein cor- respondirendes Thermometer neben dem vorigen in der freyen Luft auf. Zeigte nun das letztere Thermometer — 5° Reaum ., so stand das erstere auf + 2°. Die innere Temperatur des Baums war selbst dann, wenn die Temperatur der Atmos- phäre auf — 10° herabsank, noch + 1°. Auch Rüben und Kartoffeln zeigten inwendig noch eine Wärme von + 1° bis + 1,5° bey einer Tempe- ratur der Luft von — 6° bis — 7°, und erfroren erst, wenn diese — 10° bis — 12° betrug. Obst- früchte hingegen erstarrten schon bey — 2°. So scheinbar diese Beweise aber auch sind, so lässt sich doch nichts weiter aus ihnen schlie- ssen, als dass die Pflanzen ein geringes Leitungs- vermögen für Wärme besitzen, und dass ihnen durch die Wurzeln aus der Erde eine gewisse mittlere Temperatur mitgetheilt wird. In Betreff der Hermbstädt schen Versuche ist vorläufig zu bemerken, dass bey denselben in der Angabe des Unterschieds zwischen der vegetabilischen und atmosphärischen Temperatur nicht gehörig Rücksicht auf die Dauer der letz- tern genommen ist. Wenn Hermbstädt behaup- tet, Rüben und Kartoffeln gefrören erst bey — 10° R., so sind von ihm mehrere wichtige Um- stände übersehen worden. Kartoffeln, die plötz- lich in eine Kälte von — 10° R, gebracht wer- den, den, erstarren schnell zu Eis. Solche hingegen, die allmählig einer immer kältern Temperatur ausgesetzt werden, bleiben zwar bey einer Kälte von — 6° bis — 8° noch weich, und behalten eine höhere Temperatur als die äussere Luft, aber nur, weil in ihnen ein Process statt findet, wodurch Zucker erzeugt wird Einhof in Gehlen ’s neuem allgem. Journ. der Che- mie. B. IV. S. 478. . Hätten die Gewächse ein Vermögen, eine mittlere Temperatur hervorzubringen, so würde dasselbe in der Mitte des Winters am thätigsten seyn müssen, um sie vor der strengen Kälte zu schützen. Gerade zu dieser Zeit ist aber die Ve- getation ganz unthätig. Hingegen steht die Pflan- ze vermittelst ihrer Wurzeln in der genauesten Verbindung mit der Erde, die schon in einer ge- ringen Tiefe unter der Oberfläche eine Tempe- ratur besitzt, worauf die Abwechselungen der atmosphärischen Wärme wenig Einfluss haben. und diese Temperatur des Erdbodens theilt sich der Pflanze weit leichter als die Wärme der Luft mit, indem die Wärme viel leichter aus einem dichten Medium in ein dünneres, als aus einem dünnern in ein dichtes übergeht. Hieraus lassen sich Salomé ’s Beobachtungen über die langsame und geringe Veränderung der vegetabilischen Wär- me bey schnellen und bedeutenden Abwechselun- gen gen der Temperatur sehr befriedigend erklären. Es ist hieraus zugleich klar, dass Versuche über die Temperatur der Pflanzen nach dem verschie- denen Leitungsvermögen sowohl des Bodens, als der Pflanzen sehr verschieden ausfallen müssen. Am meisten wird dieses Vermögen durch Nässe abgeändert. Daher hatte in Salomé’s Beobach- tungen ein anhaltender Regen einen so grossen Einfluss auf die vegetabilische Temperatur. Für die Richtigkeit unserer Erklärung sprechen end- lich auch Nau ’s A. a. O. und Balde ’s A. a. O. Erfahrungen, nach welchen leblose Körper sich unter gewis- sen Umständen eben so wie lebende Bäume in Betreff ihrer innern Temperatur gegen die Wär- me der Atmosphäre verhalten. Vor dem Erfrieren sind die Gewächse auch noch durch andere Eigenschaften, als durch ihr geringes Leitungsvermögen für Wärme, geschützt. Bey abnehmender Wärme ziehen sich die Zellen im Umfang der Pflanze zusammen, und treiben die in ihnen enthaltenen Säfte nach der Achse hin, und bey noch mehr steigender Kälte gehen sie von hier in die Wurzel über, wo sie von der warmen Erde geschützt sind. Die Säfte sind dabey in sehr kleinen Zellen und sehr engen Röhren eingeschlossen. Nach Sennebier ’s Physiol. végét. T. III. p. 329. Ver- Versuchen aber gefriert selbst blosses Wasser in Haarröhren bey — 7° R. noch nicht. Die vege- tabilischen Säfte sind auch, vorzüglich im Win- ter, weit weniger flüssig als das reine Wasser, und die atmosphärische Kälte wirkt nur nach und nach auf sie. Blagden ’s Erfahrungen beweisen, dass alles, was die Flüssigkeit des Wassers ver- mindert, den Gefrierpunkt desselben erniedrigt, und dass das Gefrieren langsamer bey allmähli- ger Zunahme, als bey plötzlichem Eintritt der Kälte erfolgt Philos. Transact. Y. 1788. p. 277. . Auf die erste dieser Ursachen hat schon Strömer Abhandl, der Schwed. Akad. J. 1739 u. 1740. S. 116. , und auf die übrigen Sennebier Journal de Physique. T. XL. p. 173. — Physiol. vé- gét. T. III. p. 316. aufmerksam gemacht. Auch hat dieser schon erinnert, dass krautartige Gewächse nicht immer durch das Gefrieren plötzlich ge- tödtet werden. Manche andere Erscheinungen, die man sonst noch zum Beweise eines Vermögens der Pflan- zen, sich eine mittlere Temperatur zu erzeugen, angeführt hat, verdienen nach dem, was bisher über diesen Gegenstand gesagt ist, kaum noch einer Erwähnung. So hat man das Phänomen, dass dass der Schnee im Winter auf begraseten Plät- zen und an Baumstämmen früher als an andern Stellen schmilzt, aus einer eigenen Wärme der Pflanzen erklären wollen, da sich doch blos auf eine mitgetheilte Wärme daraus schliessen lässt, und so hat man aus der Kühlung, welche Bäu- me und Gebüsche im Sommer gewähren, ein Vermögen der Gewächse, Kälte zu erregen, dar- thun wollen, da doch diese, blos von den feuch- ten Ausdünstungen der Vegetabilien herrührende Verminderung der Temperatur nur 1° F. beträgt Ein Wärmemesser, der im freyen Schatten auf 70° F. stand, fiel auf 69° herab, wenn er zwischen die Kronen stark belaubter Bäume, oder in schattige Hecken gebracht wurde. ( Schrank ’s Briefe an Nau , naturhist., physikal., u. öconom. Inhalts. Erlangen. 1802. S. 169.) , und also auf die Pflanzen wenig oder gar kei- nen Einfluss haben kann. Mit unserer Meinung, dass die Wärme der Vegetabilien blos eine, aus der Erde mitgetheilte ist, stimmen auch Fontana ’s Beobachtungen Efemeride chemico-mediche. 1805. Neues Journal der ausländischen med. chirurg. Litteratur, von Har- les u. Ritter . B. V. St. 2. überein, die zwar einigen Einwendungen aus- gesetzt, doch in der Hauptsache wohl richtig sind. Fontana glaubte mit Recht, dass sich nie etwas etwas Entscheidendes über die eigene Wärme der Pflanzen würde bestimmen lassen, so lange man die Versuche mit Gewächsen machte, die mit der Erde in Verbindung ständen. Er hielt es dabey für nöthig, die Pflanzen in einer Luft zu untersuchen, die an den Veränderungen der Atmosphäre keinen bemerkbaren Antheil nähme. Seine Versuche stellte er daher auf die Art an, dass er eine Menge verschiedener Gewächse auf hängenden Platten in einen Keller brachte, des- sen Temperatur sich während der Beobachtungen nicht merklich änderte, und dessen Luft sich bey eudiometrischen Prüfungen von gleicher Rein- heit mit der äussern Atmosphäre zeigte. Mehr als 4600 Erfahrungen, welche auf diese Weise mit einem, wie Fontana versichert, sehr em- pfindlichen Thermometer gemacht wurden, gaben das Resultat, dass die Wärme der Gewächse ganz abhängig von der Temperatur des Mediums ist, worin sich die Pflanzen befinden. Nur eine ein- zige, unter dem Nahmen fungo porcino im Tos- canischen bekannte Schwammart war beständig um einen halben Grad eines hunderttheiligen Thermometers wärmer als die äussere Luft. Man kann gegen diese Beobachtungen eini- ge Einwürfe machen. Fontana sagt, dass er von dem Keller, worin er seine Versuche mach- te, den Eintritt sowohl der äussern Luft, als des des Lichts, und selbst des zurückgeworfenen Lichts abgehalten habe. Man weiss aber, wie nothwendig frische Luft und Licht den Pflan- zen sind, und wie schnell die Entziehung die- ser beyden Agentien nachtheilig auf sie wirkt. Fontana ’s Gewächse mussten sich also in einem krankhaften Zustand befinden, von welchem sich auf den Zustand der Gesundheit nicht unbedingt schliessen lässt. Zwar hat sich Fontana gegen diesen Einwurf zu verwahren gesucht. Er brach- te von Zeit zu Zeit bald eines, bald mehrere Gewächse von der nehmlichen Art, als schon im Keller waren, in diesen hinein, während die Temperatur desselben der Wärme seiner Umge- bungen gleich war oder beynahe gleich kam. Er untersuchte hierauf diese Pflanzen nach einigen Minuten, dann nach einigen Stunden, und end- lich den ganzen Tag hindurch, und fand, dass ihre Wärme mit der Temperatur der übrigen Vegetabilien, die schon seit mehreren Wochen in dem Keller hingen, übereinkam. Aber nach einigen Minuten, oder auch selbst nach einigen Stunden sollten die in den Keller gebrachten Pflanzen schon die Wärme desselben angenom- men haben? Dies ist unglaublich, und macht überhaupt die Zuverlässigkeit der Fontanaschen Versuche verdächtig. Gelangten aber die frischen Pflanzen erst nach mehrern Stunden zur Tem- peratur derer, die sich schon länger im Keller V. Bd. B befun- befunden hatten, so konnte der Mangel an Licht und frischer Luft während dieser Zeit auf jene schon genug gewirkt haben, um ihr Vermögen, Wärme hervorzubringen, sehr zu schwächen. Es ist ferner unwahrscheinlich, dass Fonta- na ’s Thermometer die zu feinern Versuchen nö- thige Empfindlichkeit besass. Fontana behaup- tet, nie einen merklichen Unterschied zwischen der Wärme der Pflanzen und der Temperatur des Mediums, worin sich dieselben befanden, be- obachtet zu haben. Nach Rumford ’s Versuchen besitzt aber jeder Körper eine eigene Tempera- tur Gilbert ’s Annalen der Physik. B. XVII. S. 33. 213. . Ein geringer Grad von eigener Wärme hätte sich also auch an jenen Gewächsen zeigen müssen, wenn Fontana ’s Thermometer hinrei- chend empfindlich gewesen wäre. Doch dieser Einwendungen ohngeachtet bleibt immer, wenn man nicht die Wahrheit dieser Versuche ganz läugnen will, so viel gewiss, dass im Allgemeinen das Vermögen der Pflanzen, Wär- me zu erzeugen, entweder gar nicht vorhanden ist, oder auf einer weit niedrigern Stufe steht, als dem Gewächs von einigem Nutzen seyn kann. Die geringe Wärmecapacität des lebenden Pflan- zenkörpers und dessen Verbindung mit der Erde, dies sind die beyden Mittel, wodurch die Pflan- ze ze vor den Abwechselungen und den Extremen der atmosphärischen Temperatur geschützt ist. Insofern jene geringe Capacität vorzüglich von der Menge, der Beschaffenheit und dem Sitz der vegetabilischen Säfte abhängt, und diese sich nach dem Grad der äussern Wärme verändern, lässt sich aber der Pflanze allerdings ein Vermögen zuschreiben, ihren Zustand nach der Beschaffen- heit der äussern Temperatur zu modifiziren. Mög- lich ist es auch, dass einzelne Pflanzengattungen unter gewissen Umständen Wärme oder Kälte hervorzubringen und so den Einwirkungen der atmosphärischen Temperatur unmittelbar zu wi- derstehen im Stande sind. La Mark Encyclop. méthod. Vol. 3. p. 9. , Senne- bier Usteri ’s Neue Annalen der Botanik. St. 9. S. 119. — Sennebier Physiol. végét. T. 3. p. 314. , und Hubert Bory de St. Vincent ’s Reise nach den vier vor- nehmsten Inseln der Afrikanischen Meere. beobachteten an der Ober- fläche des Blüthenkolben (Spadix) vom Arum maculatum L., Arum italicum Lam. und Arum cordifolium Bory de St. Vinc. um die Zeit, wenn derselbe anfängt, aus der Scheide hervorzutre- ten, eine Hitze, die vier bis fünf Stunden zu- nahm, und zwar beym Arum maculatum zwi- schen drey und vier Uhr Nachmittags, ohnge- fähr in derselben Zeit sich wieder minderte, und in B 2 in ihrer grössten Höhe die Temperatur der äu- ssern Luft beym Arum maculatum um 15 bis 16° F., beym Arum cordifolium um 60 bis 70° F. über- traf. Die sich hierbey entwickelnde Wärme zweckt wohl eben so wenig darauf ab, die Befruch- tungstheile der Pflanze vor dem möglichen Ein- fluss der atmosphärischen Kälte zu schützen, als die Kälte des Eiskrauts (Mesembryanthemum cry- stallinum), die ohne Zweifel nur von dem be- trächtlichen Salpetergehalt desselben herrührt, die- ser Pflanze zum Schutz gegen die Hitze der Luft zu dienen John (Neue chemische Untersuchungen mineral. vegetab. u. animalischer Substanzen. S. 8.) fand die Temperatur dieses Krauts 40 R. indem das Thermo- meter in der Luft auf 10° stand. . Jetzt kann es nach der Ana- logie dieser Beyspiele freylich Gewächse geben, die während der Befruchtungszeit eine zum Schutz der Blüthen dienende eigene Wärme erzeugen. Aber häufig können solche Fälle schwerlich seyn, da sich sonst gewiss schon mehr Spuren dersel- ben als blos bey einigen Arumarten gezeigt hät- ten. §. 2. Wärme der niedern Thiere. Eben so wenig als die Pflanzen. besitzen im Allgemeinen die sämmtlichen Thiere, nur die Säugthiere und Vögel ausgenommen, ein Ver- mögen mögen, Wärme zu entwickeln. Sie haben wie die Gewächse eine geringe Capacität für Wärme, und die meisten leben im Wasser, im Schlamm, unter der Erde, in Baumstämmen, überhaupt an Oertern, wo eine mittlere Temperatur herrscht. Hierdurch sind sie vor den Abwechselungen der atmosphärischen Temperatur noch mehr als diese geschützt. Manche haben auch mit einigen Ge- wächsen die Eigenschaft gemein, wieder aufzu- leben, nachdem sie gefroren und wieder aufge- thauet sind. O. F. Müller Entomostraca. p. 5. erzählt, dass er ein Glas mit Wasser, worin sich mehrere Mono- culus-Arten und kleinere Dytisken befanden, völ- lig habe gefrieren und erst nach vier und zwan- zig Stunden wieder aufthauen lassen, und dass demohngeachtet viele dieser Thiere ins Leben zu- rückgekommen wären. Andere Insekten widerste- hen einer sehr strengen Kälte ohne zu gefrieren. Reaumur Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1734. p. 256. Ed. d’Amsterd. sahe Raupen in einer künstlichen Kälte von — 17° seines Weingeistthermometers aushalten, ohne weder zu erstarren, noch getöd- tet zu werden. Bey einem Gegenversuch mit todten Raupen von der nehmlichen Art gefroren aber diese ebenfalls nicht, und es war also nicht inne- B 3 innere Wärme, wodurch die erstern vor dem Ge- frieren geschützt wurden. Alle bisherige Erfahrungen und selbst die- jenigen, woraus man auf eine eigene Tempera- tur der niedern Thiere geschlossen hat, sprechen für unsere Meinung. In den Beobachtungen, wo man solche Thiere wärmer als das Medium fand, in welchem sie befindlich waren, betrug der Unterschied nur wenige Grade und rührte gewiss blos davon her, dass die Thiere an tie- fern Stellen des Wassers oder der Erde, wo sie sich vor dem Versuch aufhielten, eine höhere Wärme mitgetheilt bekommen und während der Beobachtung noch nicht verlohren hatten. Die Fälle, wo eine wirkliche Entbindung von Wär- me bey diesen Thieren statt findet, sind nur auf wenige Arten und auf besondere Umstände beschränkt. Folgende Erfahrungen enthalten die Beweise dieser Sätze. Péron fand Haufen von Sertularien, Isis, Gorgonien, Alcyonien, Spongien, Tangen und Ulven, die an der Westküste von Neuholland aus der Tiefe des Meers hervorgezogen waren, um mehr als 3° R. wärmer als die Atmosphäre und die Oberfläche des Meers. Er schliesst hier- aus auf eine eigene Wärme der Zoophyten Annales du Muséum d’Hist. nat. T. IV. p 133. 134. . Aber Aber wer sieht nicht, dass dieser Schluss selbst dann nicht gültig seyn würde, wenn Péron die Temperatur jener Zoophyten mit der Wärme des mit ihnen aus einerley Tiefe genommenen Meer- wassers verglichen hätte? In J. Hunter ’s Versuchen Philos. Transact. Y. 1775. p. 446. brachten mehre- re, in ein Glas gelegte Regenwürmer das Fah- renheitsche Thermometer auf 58½°, indem die Wärme der Luft 56° war. In einem andern Ver- such stieg dieses von 55° auf 57°. Vier schwar- ze Schnecken brachten den Wärmemesser von 54° bis 57°, und drey Blutigel in Einem Versuch von 56° bis 57°, in einem andern von 54° bis 55½°. Diese geringen Unterschiede lassen sich aus der geringen Wärmecapacität jener Thiere und aus der Fortdauer der Temperatur, die sie im Wasser oder in der Erde angenommen hat- ten, hinreichend erklären. Nach Spallanzani Mém. sur la réspiration. p. 256. hat eine einzelne Schnek- ke (Limax, Helix) in einem verschlossenen Ge- fäss keinen bemerkbaren Einfluss auf das Ther- mometer. Wenn aber mehrere zugleich mit ei- nem Wärmemesser unter eine Glocke gesetzt wer- den, so steigt dieser um 1/12° bis ⅓° R. und zwar B 4 zwar desto höher, je mehr Schnecken sich un- ter dem Gefäss befinden, am höchsten in reinem Sauerstoffgas. Spallanzani hat aber anzuzeigen unterlassen, wie er es anfing, das Steigen des Thermometers um 1/12° wahrzunehmen und sich zu überzeugen, dass eine so geringe Erhöhung der Temperatur nicht von der Nähe seines Kör- pers bey der Beobachtung des Thermometers, von dem vorhergegangenen Anfassen der Schnek- ken und dergleichen zufälligen Ursachen her- rührte. Von ähnlichen Ursachen ist es gewiss auch abzuleiten, dass G. Martine Medical and philosoph. Essays. London. 1740. p. 330. 331. die Temperatur von Raupen um 2° F. höher fand, als die Wär- me der Atmosphäre, und dass Hausmann De animalium exsanguium respiratione. p. 68. 69. in engen Gläsern, worin eine Sphinx Convolvuli, eine Locusta viridissima, sechs Individuen des Carabus hortensis und ein Erdregenwurm mit ei- nem Thermometer eingeschlossen waren, diesen binnen 9 bis 30 Minuten um 1° bis 3° R. stei- gen sah. In Hausmann ’s Versuchen trat immer nachher wieder eine Abnahme der Wärme ein, wahrscheinlich weil sich die Temperatur, die den Insekten vor dem Versuch durch das Tra- gen in den Händen oder auf andere zufällige Art Art mitgetheilt war, nach und nach wieder ver- lohr. Bey Fischen fand Martine A. a. O. p. 331. 332. die innere Wär- me um 1° F., bey Fröschen und Landschildkrö- ten um 5° höher als die des Mediums, worin sie enthalten waren. Nach Broussonnet ’s Beobachtungen Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1785. p. 174. ist die Wärme der Fische höchstens um 1½° R. grösser als die Temperatur des Wassers, worin sie sich befinden. In J. Hunter ’s Versuchen Philos. Transact. Y. 1778. P. I. p. 26. zeigte ein Kar- pfe im Magen 69° F. Wärme, indem das Was- ser des Weihers, woraus der Fisch genommen war, 65½° Wärme hatte. Höher stieg das Queck- silber im Magen und Mastdarm einer Viper, nehmlich von 58° F. atmosphärischer Wärme auf 68°. Krafft Praelect. in Physicam thooreticam. Tubing. 1750. p. 293. fand bey einem Hecht die Wärme in der Bauchhöhle 40° F., während das Wasser, worin der Fisch schwamm, nur 33° Wärme hatte. Bey B 5 Bey einem andern Hecht war die innere Wärme 50½° und die Temperatur des Wassers 49°. In dem Magen eines Hayfisches beobachtete Perrins eine Wärme von 88° F., indem das Thermometer in der Luft auf 78° und im Meer auf 76° stand Gilbert ’s Annalen der Physik. B. XIX. S. 448. . J. Davy The Journal of Science and the Arts. Edited at the Royal Institution of Great Britain. Vol. II. p. 247. sahe das Thermometer in dem, aus der grossen Rückenvene eines Hayfisches flie- ssenden Blut auf 82° F. und zwischen den Rük- kenmuskeln auf 82,5° steigen, während es in der See auf 80,5° und in der Luft auf 79° stand. Das Blut einer Schildkröte hatte beym Austlie- ssen aus der Carotis eine Temperatur von 91°, indem das Thermometer in der Luft 79° zeigte. Nach diesen Erfahrungen wäre also bey den Fischen und Amphibien die innere Wärme um 1° bis 10° F. höher als die Temperatur des Wassers oder der Atmosphäre. Aber bey keinem der Versuche ist Rücksicht darauf genommen, dass die Thiere, ehe sie zu dem Versuch aus dem Wasser oder aus dem Schlamm gezogen wurden, sich an Stellen befunden haben können, wo eine höhere Temperatur als da, wo sie sich zuletzt befanden, statt fand. Humeoldt und Provençal , welche welche Thermometer in das Innere von Fischen brachten, die in Wasser, in atmosphärischer Luft, in Sauerstoffgas und in reinem Stickgas athme- ten, fanden nie einen merklichen Unterschied zwi- schen der Temperatur dieser Thiere und der äu- ssern Wärme Mémoires de la Societé d’Arcueil. T. II. p. 598. . Auffallend ist es auch, dass da, wo man an Fischen und Amphibien eine an- dere Temperatur als an dem sie umgebenden Me- dium beobachtet haben will, die ihrige immer höher als die des letztern gewesen seyn soll, da doch, wenn sie eine eigene Wärme besässen, ihre Temperatur bey äusserer Hitze niedriger als die des Wassers oder der Luft hätte seyn müssen. Bey manchen Fischen ist aber das Vermögen, der Kälte und Hitze Widerstand zu leisten, so ge- ring, dass sie schon in einem Medium sterben, welches nur um einige Grade unter dem Gefrier- punkt erkältet, oder über 30° R. erwärmt ist Broussonnet a. a. O. . Mit der Voraussetzung einer eigenen Wärme bey den Thieren der niedern Classen ist es ferner un- vereinbar, dass sie zwar langsam, doch in einem beträchtlich hohen Grade an den Veränderungen der äussern Temperatur Theil nehmen, wie fol- gende, von J. Hunter A. a. O. p. 25. erzählte Versuche be- weisen. Ein Ein Thermometer, das in dem Magen eines Frosches 49° F. zeigte, während die äussere Luft 45° warm war, stieg in jenem auf 64°, nach- dem die Atmosphäre durch heisses Wasser er- wärmt worden war. Ein Aal von 45° Wärme nahm in Wasser von 65° binnen einer Viertelstunde mit diesem einerley Temperatur an. An einem Schlei von 41° Wärme, der in 65° warmes Wasser gesetzt war, stieg das Thermo- meter binnen 10 Minuten auf 55°. Eine Natter, ein Frosch, ein Aal, eine Schnek- ke und mehrere Blutigel wurden in kalte Mi- schungen von 10° Wärme gesetzt. In allen die- sen Thieren sank die Temperatur auf 31°. Kam sie noch tiefer herab, so erfroren die Thiere völ- lig. Hunter will auch gefunden haben, dass le- bende und todte Schleien und Aale die Tempe- ratur des Mediums, worin sie gesetzt sind, mit gleicher Schnelligkeit aufnehmen. Diese Behaup- tung ist zwar nicht ganz wahrscheinlich und stimmt auch nicht mit Crawford ’s Erfahrun- gen A. Crawford ’s Versuche u. Beobachtungen über die Wärme der Thiere. Uebers. von Crell. S. 297. 298. überein, nach welchen ein lebender Frosch lang- langsamer als ein todter die Temperatur der Luft annimmt. Allein der Unterschied ist doch auf jeden Fall so gering, dass er sich nur von einer Verschiedenheit in der Wärmecapacität des leben- den und todten Thiers, nicht aber von einer ei- genen Wärme des erstern ableiten lässt. Zu allen diesen, gegen eine eigene Tempe- ratur der Amphibien, Fische und übrigen niedern Thiere sprechenden Gründen kommen endlich noch Braun ’s Versuche, deren Resultat ist, dass diese Thiere keine andere Wärme besitzen als die des Medium, worin sie sich befinden Nov. Commentar. Acad. scient. Petropol. T. XIII. p. 419. sq. . Braun hatte gewiss so viel Uebung im Gebrauch des Thermometers als irgend einer der angeführten Schriftsteller, und seine Erfahrungen verdienen daher mehr Zutrauen als die Beobachtungen we- niger geübter Naturforscher. Es giebt zwar einige Fälle, in welchen bey Thieren der niedern Classen eine wirkliche Ent- bindung von Wärme vorgeht. Sie finden bey den Bienen und Ameisen statt. Die eigene Wär- me der Bienen lässt sich des Winters in ihren Stöcken beobachten. Schon Swammerdamm und Maraldi kannten dieselbe Hallfr Elem. Phys. T. II. L. V. S. 2. §. 1. p. 29. 30 . Martine A. a. O. p. 331. be- stimm- stimmte sie auf 97° F., ohne aber die Wärme der Luft bey der Beobachtung anzugeben. Juch Ideen zu einer Zoochemie. Th. 1. S. 90. fand sie von + 5° R. bey einer Temperatur der Atmosphäre von — 22°, und die Wärme eines Ameisenhaufens von + 16° bey einer Temperatur der Luft von — 17°. Diese Wärme aber hat ei- nen ganz andern Ursprung als die der Säugthiere und Vögel. Die Bienen bringen sie durch ge- meinschaftliche Bewegungen ihres Körpers, in- dem sie in Trauben zusammenhängen, also auf mechanische Art hervor Maraldi , Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. 1714. Ed. d’Amsterd. p. 423. . §. 3. Eigene Wärme der Vögel und Säugthiere. Mit den bisher untersuchten Thieren gehören auch die Früchte der Säugthiere und Vögel in Betreff der Lebenswärme zu einerley Classe. Den Eyern der Vögel wird ihre Temperatur blos von der Mutter mitgetheilt. Zwar will J. Hunter A. a. O. p. 28. gefunden haben, dass frische Eyer dem Gefrieren länger als todte widerstehen. Aber die Verschiedenheit der Zeit, worin mehrere Eyer gefrieren, lässt sich schwerlich genau angeben. Ist Ist der Versuch indess richtig, so beweist er nur eine verschiedene Wärmecapacität lebender und todter Eyer. Dass auch die Früchte der Säugthiere ihre Wärme blos von der Mutter erhalten, machen Autenrieth ’s und Schüz ’s Versuche Diss. sist. exper. circa calorem foetus et sanguinem ipsius instituta, quam praes. J. H. F. Autenrieth def. G. F. Schüz . Tubing. 1799. wahrschein- lich, nach welchen Foetus von Kaninchen, die durch die Nabelschnur und den Mutterkuchen mit dem Körper der Mutter noch in Verbindung standen, aber aus dem Uterus hervorgezogen wa- ren, ihre Wärme in dem nehmlichen Verhältniss verlohren wie andere Früchte von derselben Mut- ter, die von dieser getrennt und durch das An- werfen gegen den Fussboden getödtet waren. Ganz anders aber verhält es sich mit den Säugthieren und Vögeln nach der Geburt. Alle Thiere dieser beyden Classen erlangen, sobald sie geathmet haben, eine eigene Wärme, die bis zum Tode fortdauert und nur bey denen, die den Winter in Erstarrung zubringen, während ihres lethargischen Zustandes vermindert oder aufgeho- ben ist, sonst aber bey sehr beträchtlichen Ver- änderungen der äussern Temperatur und anderer Einflüsse fast unverändert bleibt. Von Von dem Menschen ist es bekannt, dass des- sen Wärme 97° bis 98° F. beträgt. Einigen Un- terschied machen in derselben die Temperatur der Luft, die Art der Bedeckungen des Körpers, die Jahreszeiten, Speise und Trank, Schlaf und Wa- chen, Arzneymittel u. s. w. Doch beträgt die Zu- nahme und Abnahme nur einige Fahrenheitsche Grade, wenn nicht die äussern Einwirkungen ge- wisse Gränzen überschreiten und die thierischen Funktionen völlig in Unordnung gerathen Martin in den Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1764. S. 299 fg. . Ver- mindert wird unter andern die Wärme um etwa 2° F. durch den Schlaf Martin ebendas. J. 1768. S. 198. — Hunter a. a. O. . Bey den übrigen Säugthieren und den Vögeln ist diese eigene Wärme meist grösser als beym Menschen. Man fand sie bey dem Ochsen , im Mastdarm, 99½° F. Hunter a. a. O. p. 23. , dem Kalbe und Ferkel 104° Braun a. a. O. , der Ziege 101° Braun ebendas. , dem Kaninchen 99½° Hunter a. a. O. , dem dem veränderlichen Haasen (Lepus va- riabilis) in der strengsten Kälte 103½° bis 104° Pallas Nov. spec. quadrup. e glirium ordine. Ed. 2. p. 15. — Noch grösser fand Pallas die eigene Wär- me bey der schwarzen Varietät dieses Haasen. An ergo, frägt er, inter calorem animalem auctum et co- lorem insolitum aliquis nexus? (A. a. O. p. 15.) , dem Wachtelhaasen (Lepus pusillus) 104° Pallas ebendas. p. 36. , dem gemeinen Eichhorn 105½° Ebendas. , dem Bobak (Marmota Bobac) 100° bis 102° Ebendas. p. 108. , dem Souslik (Marmota Citillus) im Som- mer und im Zustand der Freyheit 103°, bey gezähmten Thieren aber nur 98° Ebendas. p. 135. 136. , der Wurzelmaus (Lemmus oeconomus) 97° Ebendas. p. 228. , dem Hamster (Cricetus germanicus) im wa- chenden Zustand 103° Ebendas. p. 86. , der Hausmaus mitten im Winter nach Pal- las Ebendas. p. 95. 107 bis 109°, hingegen nach Hun- ter V. Bd. C ter A. a. O. p. 21. in einer Temperatur von 60° nur 96¾° bis 99°, und in einer Temperatur von 13° gar nur 78° bis 83°, der Haselmaus (Glis avellanarius) 80° bis 93° Hunter a. a. O. p. 17. , der Speckfledermaus (Vespertilio Noc- tula) an einem ziemlich kalten Tage 102° Pallas a. a. O. p. 109. , der Zwergfledermaus (Vespertilio Pipi- strellus) in einer Luft von 65° Wärme 105° bis 106° Ebendas. , dem Igel im wachenden Zustand, nach Hun- ter A. a. O. Y. 1775. p. 446. , 95° bis 97°, nach Römer und Schinz Naturgesch. der in der Schweitz einheimischen Säug- thiere. Zürich. 1809. S. 126. , 28° R. (= 95° F.), dem Hunde 100° bis 102° Braun a. a. O. — Hunter a. a. O. Y. 1778. P. I. p. 22. , dem Seekalb (Phoca vitulina) 102° Martine a. a. O. p. 557. , Gänsen, Enten, Hühnern, Tauben, Pfauen, Fasanen und andern grö- ssern ssern Vögeln 107½° nach Braun A. a O. , 103° bis 108° nach Martine p. 338. , kleinern Vögeln 111° Braun a. a. O. . Diese Beobachtungen beweisen, dass im All- gemeinen die Vögel eine grössere Wärme als die Säugthiere, unter beyden die kleinern Arten meist eine höhere Temperatur als die grössern, die mehrsten eine höhere als der Mensch, und jün- gere Thiere eine höhere als ältere besitzen. Es ergiebt sich aber auch, dass diese Temperatur nicht genau auf gewisse Grade beschränkt, son- dern innerhalb gewisser Gränzen bey Individuen einer und derselben Art veränderlich ist. Am meisten verändert sie sich im Winter bey den- jenigen Säugthieren, welche diese Jahreszeit in Betäubung zubringen. Zu denselben gehören der Bobak, der Souslik, die Wurzelmaus, der Ham- ster, die Haselmaus, der Igel und die Fleder- mäuse. Die oben angegebenen Grade der Wärme dieser Thiere finden nur bey ihnen im wachen- den Zustande statt. Sobald sie in Erstarrung ge- rathen, sinkt ihre Temperatur bedeutend herab. Der Souslik, der im Sommer eine Temperatur von 103° F. besitzt, zeigt im Winter, wenn man ihn im Schlafe stöhrt und aus seiner Höhle durch Ein- C 2 Eingiessen von kaltem Wasser hervortreibt, nur eine Temperatur von 80 bis 84¾°. Souslike, die einige Tage in einem Eiskeller zugebracht hatten und dort eingeschlafen waren, hatten gar nur eine Wärme von 56°. Andere, die im Anfang des Junius in einer kalten Nacht lethargisch ge- worden, am folgenden Morgen aber durch die Sonnenwärme wieder erweckt waren, zeigten im Anfang des Erwachens, wo das Herz ohngefähr dreymal binnen zwey Secunden schlug, eine Wär- me von 59° bey einer Temperatur der Atmo- sphäre von 67° Pallas a. a. O. p. 135. 136. . Bey schlafenden Igeln fand Hunter A. a. O. die Temperatur, je nachdem die Luft kälter oder wärmer war, 30 bis 45°. Bey diesen lethargischen Thieren sieht man deutlich, dass die Wärme derselben unabhängig von der äussern Temperatur ist, und durch eine innere Thätigkeit des Organismus hervorgebracht wird. Auch mitten im Winter bey strenger Kälte aufgeweckt, erhalten sie doch eine Temperatur, die einerley mit der, welche sie im Sommer be- sitzen, oder doch nur um wenige Grade niedri- ger ist. Aber nicht mit gleicher Kraft wie bey einer niedrigen Temperatur vermögen die Säugthiere bey hohen Graden von Hitze ihre eigenthümliche Wär- Wärme zu behaupten. Alle bisherige Versuche über den Einfluss einer, die thierische Wärme übersteigenden Hitze auf Säugthiere und Vögel geben das Resultat, dass jene Wärme nur so lange ziemlich unverändert bleibt, als sie von der letztern nur um ohngefähr 8° F. übertroffen wird, dass aber eine stärkere Hitze dieselbe er- höhet und bey längerer Dauer den Tod verur- sacht. Zufällige Beobachtungen über das Vermögen des menschlichen Körpers, eine Temperatur zu ertragen, welche die Blutwärme übersteigt, hatte man schon in frühern Zeiten gemacht Haller El. Physiol. T. II. L. V. S. 2. §. 2. p. 30. . Der Erste aber, welcher eigene Versuche über die Wirkungen der Hitze auf Thiere anstellte, war ein Bremer Arzt, A. Duntze Experimenta, calorem animalem spectantia. Lugd. Bat. 1754. . Dieser fand, dass sechs Hunde binnen 4½ oder 5½ Stunden in einer Hitze starben, die von 62°, 65° und 76° F. bis 106° und 122° erhöhet wurde. Ein anderer Hund starb binnen 3½ Stunden in einer Hitze, die im Anfang des Versuchs 146° betrug. Schneller trat der Tod bey Thieren ein, mit welchen ähnliche Versuche von Braun A. a. O. p. 432. gemacht wur- C 3 wurden. In einer Hitze von 146° F. starb ein Sperling binnen 7 Minuten und ein Hund und eine Katze bald nachher. Bey einem der Hunde, die Duntze zu sei- nen Versuchen gebrauchte, betrug die Wärme 110°, indem die Temperatur der erhitzten Luft 146° war, und bey einem andern war jene 108°, indem diese 116° betrug Duntze a. a. O. p. 17. 20. . Ein Gegenversuch mit einem kupfernen Kessel, der mit einem aus Wasser und Kleye bereiteten Brey angefüllt war, und welcher der nehmlichen Hitze, worin die Hunde umkamen, eben so lange ausgesetzt wur- de, bewies aber, dass die Verschiedenheit zwi- schen der Wärme der Luft und des thierischen Körpers nur von dem geringen Leitungsvermö- gen des letztern herrührte, indem jener eben so langsam als dieser die Hitze annahm Ebendas. p. 21. . Besitzt also etwa der Organismus der Säug- thiere und Vögel nur das Vermögen, bey einer niedrigen Temperatur der Atmosphäre einen ge- wissen Grad von Wärme hervorzubringen, nicht aber die Kraft, diese Wärme gegen höhere Grade von äusserer Hitze anders, als nur durch sein geringes Leitungsvermögen zu behaupten? So viel ist gewiss, dass der menschliche Kör- per seine Wärme ziemlich unverändert behält, wenn wenn sie auch von der atmosphärischen Wärme um 6 bis 8° F. übertroffen wird. Ellis fand in Georgien die Wärme der heissesten Theile seines Körpers nur 97° F., indem das Thermometer in der Luft anhaltend auf 105° stand Philos. Transact, Vol. L. P. II. Y. 1758. p. 754. , und Frank- lin seine eigene Temperatur 96° bey einer Wär- me der Atmosphäre von 100° Journ. de Phys. T. II. p. 453. . Blumenbach sahe an einem heissen Tage auf den Schweitzer Alpen das Thermometer an seinem Körper auf 97° F. sinken, während die Temperatur der Luft im Schatten 100° betrug Blumenbach Institut. physiol. Ed. 1. p. 131. . In Nubien fand Costaz zur Zeit des Herbst-Aequinoctium das Thermometer auf 35° R. (= 110¾° F.); es fiel aber um 3° R. (= 6¾° F.), wenn man es unter die Achseln brachte Mémoire sur la Nubie et les Barabras, par M. Cos- taz . In der Déscript. de l’Egypte. Paris. 1809. T. I. . Dieser fortwährend niedrige Grad der thie- rischen Wärme bey einer nicht blos auf kurze Zeit beschränkten höhern Temperatur der Atmo- sphäre kann wohl nicht allein von dem geringen Leitungsvermögen des menschlichen Körpers her- rühren. Mehr Antheil an der Erhaltung dessel- ben scheint die verstärkte Ausdünstung des Kör- pers zu haben. Man weiss, dass alle Ausdün- stung C 4 stung Kälte erregt, und zwar desto mehr Kälte, je schneller sie vor sich geht. Der thierische, und besonders der menschliche Körper dünstet aber nicht blos nach den Gesetzen der leblosen Körper aus. Aeussere Hitze verstärkt bey ihm den Umlauf des Bluts überhaupt und besonders den Zufluss desselben zur äussern Haut; hieraus entsteht nicht nur vermehrte gasförmige Ausdün- stung, die den Körper abkühlt, sondern auch ein Hervordringen der unter der Haut angehäuften Säfte in der Form des Schweisses, welcher den Körper vor der unmittelbaren Einwirkung der Hitze schützt, und mit welchem ein Theil der eingedrungenen Wärme wieder ausgeführt wird Dass der Schweiss die thierische Wärme vermin- dert, beweisen Martin ’s Versuche. (Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1764. S. 299.) . Aus dieser Ursache ist es ohne Zweifel zu erklären, dass der menschliche Körper eine Luft, die sogar bis zu 240° F. erhitzt ist, auf kurze Zeit auszuhalten vermag. Tillet, Dobson, Blag- den und de la Roche haben Beobachtungen über das Vermögen des Menschen, so hohe Grade von Hitze zu ertragen, aufgezeichnet. Blagden glaub- te aus diesen Erfahrungen auf eine eigene ab- kühlende Kraft (a power of destroying heat) des menschlichen Körpers schliessen zu müssen. Al- lein sie enthalten nichts, was sich nicht aus der obi- obigen Ursache, ohne Voraussetzung einer sol- chen verborgenen Eigenschaft, erklären liesse. Tillet ’s Beobachtungen beweisen blos im Allgemeinen, dass der Mensch einen höhern Grad von Hitze aushalten kann, als man vormals glaub- te. Er fand bey einem Becker drey Mädchen, die gewohnt waren, von Zeit zu Zeit in den ge- heitzten Backofen zu gehen, und darin eine Hitze von 112° des Reaumur schen Weingeistthermome- ters eine Viertelstunde ohne Nachtheil ertrugen. Einige Thiere, die er in eine Wärme von 60° bis 65° dieses Thermometers brachte, hielten die- selbe besser in Leinwand gewickelt als nackt aus Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1764. p. 186. . Dobson erzählt Fälle, wo verschiedene Per- sonen in einer Hitze von 202° bis 224° F. zehn bis zwanzig Minuten verweilten. Der Puls hob sich bey einer Temperatur von 202° auf 120, bey 210° auf 164 und bey 224° auf 145 Schläge in einer Minute. Die thierische Wärme stieg bey 202° auf 99½°, bey 210° auf 101½° und bey 224° auf 102° Philos. Transact. Vol. LXV. Y. 1775. P. II. p. 463. . Mannichfaltiger sind die von Blagden be- schriebenen Versuche, die durch Fordyce veran- lasst, und theils von diesem, theils von Blag- den C 5 den, Banks, Solander und noch mehrern an- dern Physikern angestellt wurden Ebendas. P. I. p. 111. P. II. p. 484. . Fordyce liess drey in einander gehende Zimmer vermittelst Röhren, die durch den Fussboden aus dem ersten in das zweyte und dritte Zimmer gingen, und worauf, während sie erhitzt waren, Wasser ge- sprützt wurde, so stark heitzen, dass in dem er- sten Zimmer eine Hitze von 110° bis 120° F. entstand, das zweyte eine Temperatur von 85° bis 90° erhielt, und das dritte mässig warm wur- de. Fordyce ging in blossem Hemde aus dem dritten Zimmer in das zweyte und aus dem zwey- ten in das erste, und verweilte in dem letztern an dem kühlsten Ort, der eine Temperatur von 110° hatte, zehn Minuten, an dem heissesten, worin das Thermometer auf 120° stand, zwanzig Minuten. In dem zweyten Zimmer fing er an zu schwitzen. In dem ersten floss ihm das Wasser am ganzen Körper herab. Hier fand er das Ther- mometer unter der Zunge und in der Hand gerade auf 100°; auch hatte der Urin dieselbe Wärme. Der Puls war allmählig bis auf 145 Schläge in einer Minute gestiegen. Der äussere Umlauf des Bluts hatte sehr zugenommen. Die Venen waren sehr angeschwollen, und eine allgemeine, von dem Gefühl einer brennenden Hitze begleitete Röthe hatte sich über den ganzen Körper verbreitet. Das Athemhohlen aber war wenig verändert. In In einem zweyten Versuch betrug die Hitze in dem heissesten Theil des ersten Zimmers 130° bis 132°, in dem kühlsten 119°. Fordyce ging erst in diesen kühlern Theil. Nach einer halben Minute lief ihm das Wasser strohmweise vom Körper herab. An einer Flasche, die mit Was- ser von 100° Wärme angefüllt war, floss aber ebenfalls immer Feuchtigkeit herab, so oft sie auch abgewischt wurde. Nachdem Fordyce an dem kühlern Ort des ersten Zimmers funfzehn Minuten geblieben war, begab er sich in den Theil desselben, dessen Wärme 130° betrug. Um diese Zeit war die Temperatur seines Körpers 100° und sein Puls schlug 100 mal in einer Mi- nute. In der Wärme von 130° blieb er funfzehn Minuten, binnen welcher Zeit sein Puls bis auf 139 Schläge kam, die Wärme in der Hand, un- ter der Zunge und im Urin aber nicht über 100° stieg. In einem dritten und vierten Versuch wurde eine Kammer blos durch einen Ofen ohne Was- serdünste, in jenem von 150° bis 210°, in die- sem vom Siedepunkt des Wassers bis 260° er- hitzt. Ausser Fordyce setzten sich auch Blag- den, Banks und Solander dieser Hitze, doch den höchsten Graden nur zehn bis zwölf Minu- ten aus. Bey allen trat Schweiss ein, und der Puls wurde immer sehr beschleunigt. Die Tem- pera- peratur des Körpers blieb bey Blagden in einer Wärme von 150° auf 98°. Es ist zu bedauern, dass bey diesen Versu- chen keiner auf den Gedanken kam, ein todtes Thier der Hitze auszusetzen, und die Zunahme der Wärme desselben in gewissen Zeiträumen zu bestimmen. Das Resultat würde wahrscheinlich gewesen seyn, dass der thierische Körper schon vermöge seiner geringen Leitungsfähigkeit aus ei- ner, durch die starke Hitze sehr verdünnten Luft die Wärme nur langsam aufnimmt, und dass sich schon hieraus die geringe Zunahme der thieri- schen Wärme in der kurzen Zeit, welche die Versuche dauerten, zum Theil erklären lässt. Aber einige Zunahme fand doch immer statt, und da- bey schwitzten alle, die sich der Hitze aussetz- ten. Dass dieser Schweiss hinreichend war, um die niedrige Temperatur des Körpers zu unterhal- ten, lässt sich zwar nicht aus den obigen Be- obachtungen beweisen; aber sie enthalten auch nichts, was dieser Voraussetzung widerspricht, als etwa den Umstand, dass sich bey Fordyce ’s Versuchen die Wasserdünste in dem heissesten Zimmer an seinem Körper zu Tropfen verdich- teten. Blagden glaubte aus dieser Erfahrung schliessen zu müssen, dass die Ausdünstung nicht das einzige Mittel war, wodurch der Körper ab- gekühlt wurde. Allein Fordyce bemerkt aus- drück- drücklich, dass er in dem zweyten Zimmer zu schwitzen angefangen habe, und es ist nicht ein- zusehen, warum der Niederschlag der Wasserdün- ste den Schweiss sollte unterdrückt haben. Mit allen diesen Bemerkungen sind die Re- sultate der zahlreichen Versuche, welche Dela- roche und Berger über die Wirkungen der Hit- ze auf den thierischen Körper anstellten, so über- einstimmend, dass über das Unvermögen des thie- rischen Körpers, eine sehr hohe Temperatur lange zu ertragen, und über die vermehrte Ausdünstung als die Hauptursache, die dessen Wärme in einer heissen Luft auf einer niedrigern Stufe erhält, kein Zweifel weiter statt finden kann. Delaroche und Berger Expériences sur les effets qu’une forte chalour pro- duit dans l’économie animale. à Paris. 1806. setzten Thiere aus allen Classen einer Wärme von 30° bis 74° des De Luc schen Thermometers (32⅝° bis 80½° R.) aus. Im Allgemeinen ertrugen grössere Thiere eine solche Temperatur besser als kleine. Die letztern starben gewöhnlich bald in einer Hitze von 45° bis 50° (49½° bis 54⅓° R.). Sie selber wurden von einer Wärme, die 49° bis 58° (53¼° bis 63° R.) betrug und welcher sie sich abwech- selnd, jeder fünf Minuten, eine Stunde lang aus- setzten, bis zur Ohnmacht erschöpft. Berger konnte eine Hitze von 87° (94½° R.) nicht län- ger ger als sieben Minuten aushalten. Eine feuchte Luft wirkte auf beyde noch nachtheiliger als eine trockne. Sowohl an sich selber als an Thieren fanden sie immer eine Zunahme der eigenen Temperatur während des Aufenthalts in der hei- ssen Luft, die z. B. bey einer, eine Stunde und vier Minuten in einer Hitze von 49° bis 55° (53¼° bis 59¾° R.) gehaltenen Taube 5½° (6° R.) betrug. Bey Fröschen ging diese Zunahme lang- samer als bey warmblütigen Thieren vor sich. Doch verhielten sich in diesem Stück todte Frö- sche eben so wie lebende. Versuche über den Einfluss einer hohen Temperatur auf die Haut- ausdünstung bewiesen, dass diese immer dadurch sehr befördert wird, und zwar noch weit mehr durch eine feuchte Wärme, als durch eine trocke- ne, auch dass der Verlust an Gewicht, den der Körper dabey erleidet, mit dem Grad der Hitze zunimmt. Um auszumachen, ob diese Zunahme der Hautausdünstung mit dem Vermögen der Thiere, eine hohe Temperatur einige Zeit ertra- gen zu können, in Beziehung stehe, beobachtete Delaroche das Verhältniss der Erwärmung bey todten und lebenden, in heisses Wasser getauch- ten Fröschen. Er fand, dass die letztern schnel- ler als die erstern die Wärme des Wassers annah- men, also das Gegentheil von dem, was Craw- ford bey ähnlichen Versuchen bemerkt hatte. Er untersuchte ferner das Wachsthum der Tempera- tur tur bey lebenden Fröschen und Karpfen, die sich in heissem Wasser befanden. Die Thiere nahmen immer früher oder später die Wärme des Was- sers an. Endlich wurden in einen geheitzten Ka- sten erst Frösche, feuchte Schwämme und mit Wasser angefüllte irdene, poröse Gefässe der Art, die in Spanien unter dem Namen der Alcarra- zaz bekannt sind und zum Abkühlen des Was- sers gebraucht werden, und dann Kaninchen nebst diesen Alcarrazaz gebracht. Die Frösche, Schwäm- me und Alcarrazaz nahmen in einer gewissen Zeit beynahe einerley Temperatur an; die Kaninchen zeigten eine etwas höhere Wärme als die Gefässe. In spätern Versuchen setzte Delaroche Journ. de Phys. T. LXXI. p. 289. Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben und Frö- sche in eine eingeschlossene, mit erhitzten Was- serdämpfen beladene Atmosphäre, wodurch, sei- ner Voraussetzung nach, alle Ausdünstung sowohl auf der Oberfläche des Körpers, als in den Lun- gen verhindert werden sollte. Der Wärmegrad der Luft betrug bey den warmblütigen Thieren 31° bis 32,6° R., bey den Fröschen 20,5° bis 21,8°. Die Thiere verweilten darin 39 bis 75 Minuten. Die Temperatur der warmblütigen Thiere stieg in dem erhitzten Raum beständig wenigstens um 1° bis 2°, oft auch um 3° bis 4° über die Wär- me der sie umgehenden feuchten Luft. Bey den Frö- Fröschen war die Zunahme minder gross; die Temperatur derselben wurde bald der der erhitz- ten Luft gleich, und erhielt sich auch auf diesem Punkt. Wir dürfen also nach allen bisherigen Erfah- rungen annehmen, dass die Vögel und Säugthiere einen bestimmten Grad von Wärme hervorbrin- gen und diesen gegen eine kältere Temperatur der Atmosphäre fast unverändert behaupten, dass sie aber bey einer Hitze der Luft, welche jenen Grad übersteigt, ihre Wärme nur in so weit und so lange unverändert zu erhalten vermögen, als das geringe Leitungsvermögen ihres Körpers, die ver- mehrte Hautausdünstung und der Schweiss die eindringende Hitze abzuhalten und die eingedrun- gene zu binden hinreichend sind. §. 4. Theorie der thierischen Wärme. Woher aber jener Wärmegrad der beyden obersten Thierclassen, auf den die gewöhnliche Temperatur der Atmosphäre so wenig Einfluss äu- ssert? Erinnert man sich, dass die Früchte der Säugthiere und Vögel noch keine eigene Wärme besitzen und dass es vorzüglich das Athemholen ist, was das Leben nach der Geburt vor dem Leben des Embryo voraus hat; bedenkt man, dass eben diese Funktion im Winterschlaf der le- thargischen Säugthiere, so wie in Ohnmachten und und im Scheintode, worin die eigene Wärme gar nicht, oder nur in geringem Grade statt findet, aufgehoben oder sehr vermindert ist, und dass mit der Rückkehr des Athemholens diese Tempe- ratur wieder eintritt; erwägt man, dass die eigene Wärme der äussern Theile des Körpers desto grö- sser ist, je näher sie dem Herzen und den Lun- gen liegen, und dass gleich weit hiervon abste- hende Theile einen grössern oder geringern Wär- megrad zeigen, je nachdem eine grosse Arterie näher oder tiefer unter ihrer Oberfläche liegt J. Davy , Philos. Transact. Y. 1814. P. II. p. 598. , so kann man die Voraussetzung, dass die Lungen der Heerd der thierischen Wärme sind, nicht an- ders als sehr natürlich finden. Allein das Athemholen im Allgemeinen kann noch keine Wärme hervorbringen. Auch die Am- phibien und Fische athmen, und doch liegt zwi- schen ihnen und den Thieren der beyden ober- sten Classen in Betreff ihrer Temperatur eine so weite Kluft. Dieser Entfernung entspricht nichts als die Verschiedenheit des Blutumlaufs. Bey den Säugthieren und Vögeln kehrt alles Blut erst zum Herzen zurück, ehe es in den Lungen der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausge- setzt wird; bey den übrigen Thieren hingegen geht alles venöse Blut unmittelbar zu den Lun- gen. V. Bd. D gen. Blos aus diesem verschiedenen Mechanis- mus der Bewegung des Bluts lässt sich aber auch nichts, was auf unsern Gegenstand Beziehung hätte, erklären. In der blauen Krankheit, wo der Umlauf des Bluts beym Menschen mit dem der Säugthiere übereinkömmt, ist nur die Wärme der äussern Theile zuweilen geringer, die der innern aber oft grösser als im natürlichen Zustand J. R. Farre Pathological Researches. Essay I. Lon- don. 1814. — J. F. Meckel in dessen Archiv f. d. Physiol. B. 1. S. 250. . Ist jener Mechanismus also etwa nur Nebenwir- kung einer höhern Ursache, die zugleich eine eigene Beschaffenheit des Bluts der Säugthiere und Vögel begründet, und ist es vielleicht diese eigene Mischung des Bluts, die in Verbindung mit dem Athemholen das Erklärungsprincip der thierischen Wärme ausmacht? Wir sind hier auf einen Punkt gekommen, von welchem aus vielleicht eine befriedigende Theorie einer Erscheinung, zu deren Erklärung schon viele vergebliche Versuche gemacht sind, zu finden seyn wird. Ehe wir aber unsern eige- nen Weg verfolgen, wird es gerathen seyn, die- jenigen, die von unsern Vorgängern eingeschla- gen wurden, zu betrachten. Wir übergehen die Theorien der frühern Schriftsteller bis auf den ersten, der sich der Wahr- Wahrheit wenigstens näherte, wenn er sie auch nicht ganz erreichte, bis auf Crawford Versuche u. Beobachtungen über die Wärme der Thiere. Uebers. von Crfll . 2te Ausg. . Die- ser ging von den beyden folgenden Erfahrungs- sätzen aus: 1. Fleisch, Milch und Pflanzen enthalten eine geringere, Blut hingegen eine grössere Menge Wärme als das Wasser. 2. Eine beträchtliche Menge Wärme enthält die atmosphärische Luft, 18,6 mal mehr als das Wasser. Fleisch, Milch und Pflanzen sind die Materien, woraus das Blut bereitet wird. Dieses muss da- her, so schloss Crawford , seine höhere Tempe- ratur aus einer andern Quelle haben, welche, der zweyten Thatsache zufolge, die atmosphärische Luft ist. In den Lungen aber kömmt das Blut mit der Luft in Berührung. Das Blut entzieht also beym Einathmen der Luft Wärme und führt diese bey der Rückkehr aus den Lungen mit sich in alle Theile des Körpers. Zum Beweise seiner Theorie berief sich Craw- ford auf die Erfahrung, dass Sauerstoffgas fünf- mal so viel Wärme als die atmosphärische Luft enthält und, nach Priestley ’s Versuchen, auch weit länger als diese zum Athmen tauglich bleibt; dass D 2 dass die eingeathmete Luft als Stickgas und koh- lensaures Gas wieder ausgeathmet wird, von wel- chen das letztere kaum 1/67 so viel Wärme als die atmosphärische Luft enthält, und dass folglich die aus der Atmosphäre aufgenommene Wärme im Blut zurückbleiben muss. Die Art, wie das Blut der atmosphärischen Luft Wärme entzieht, setzte Crawford den che- mischen Grundsätzen seiner Zeit gemäss in einen Austausch des Phlogistons und der Wärme bey- der Substanzen. Mit dem venösen Blut gelangt aus allen Theilen des Körpers Phlogiston zu den Lungen, wo dieses mit der Atmosphäre in Wech- selwirkung tritt. Die atmosphärische Luft, die dem Phlogiston verwandter als der Wärme ist, lässt ihre Wärme fahren, nimmt jenes dafür auf, und geht in fixe und phlogistische Luft über. In dem Blut wird durch den Verlust des Phlogistons die Capacität für Wärme erhöhet; die aus der Luft entbundene Wärme geht in das Schlagader- blut über, gelangt mit demselben in die äusser- sten Zweige der Arterien, und wird auf der Grän- ze der Schlagadern und Venen dem Arterienblut wieder entzogen, indem dieses dagegen mit Phlo- giston beladen und in venöses Blut verwandelt wird. Das venöse Blut muss also eine geringere Wärmecapacität als das arterielle besitzen, und dieses wird auch durch Crawford ’s Versuche be- stätigt, nach welchen sich das erstere zu dem letz- letztern in Ansehung der Wärmecapacität wie 10: 11,4 oder 11,5 verhält. Dies sind die Hauptzüge der Crawford schen Theorie. Die Grundlage derselben wurde in der Folge von Lavoisier Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1777. p. 590. angenommen; nur die Art, wie die Wärme der geathmeten Luft von dem Blut aufgenommen wird, erhielt von diesem eine andere Erklärung. In dem antiphlogistischen Sy- stem ist es der Sauerstoff, welcher der Luft beym Einathmen entzogen wird, und bey seiner Tren- nung die Wärme, die ihn vorher im gasförmigen Zustand erhielt, entweichen lässt. Diese frey ge- wordene Wärme verbindet sich mit dem Schlag- aderblut, und verlässt dasselbe wieder beym Ue- bergang in die Venen, wo das Blut dafür Kohlen- stoff aufnimmt, den es in den Lungen von neu- em gegen Sauerstoff und Wärme austauscht. Es ist unläugbar, dass Crawford ’s Theorie, die unbewiesene Voraussetzung des Phlogistons ab- gerechnet, befriedigender war als die Erklärung Lavoisier ’s. Jene gab einen Grund des Ueber- gangs der Wärme aus der Atmosphäre in das Blut an; in der letztern hingegen ist dieser wich- tige Punkt nicht beachtet. Beyde Hypothesen sind indess schon darum unzureichend, weil sie unbe- antwortet lassen, was jede Theorie der thieri- schen D 3 schen Wärme vorzüglich zu beantworten hat, die Frage: warum blos die Säugthiere und Vögel eine so hohe und so beständige, eigene Temperatur besitzen, da doch zwischen ihrem Athemholen und der Respiration der übrigen Thiere kein so grosser Abstand ist? Beyde Theorien trifft auch der Einwurf, dass, wie Le Gallois Le Sang est il identique dans tous les vaisseaux qu’il parcourt? à Paris. 1802. p. 44. , Bunt- zen Beytrag zu einer künftigen Physiologie. Kopenha- gen u. Leipz. 1805. S. 40. und Nasse Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. XII. S. 409. gezeigt haben, bey der Zersetzung der atmosphärischen Luft in den Lun- gen zu wenig Wärme frey wird, als dass sich eine erhebliche Zunahme der Temperatur des Bluts davon ableiten lässt. Ferner müssten, wenn blos die Lungen der Heerd der thierischen Wär- me wären, alle übrige Theile des Körpers diesen Organen weit mehr an Wärme nachstehen, als wirklich der Fall ist. Dann ist auch der Satz, worauf beyde sich stützen, dass die thierische Wärme mit der Menge des zersetzten Sauerstoff- gas in geradem Verhältniss steht, nicht allgemein gültig. Die Cetaceen athmen in äusserst langen Zwischenräumen Autenrieth in der Salzburger med. chir. Ztg. 1795. B. 3. S. 328. und besitzen doch einen ho- hen hen Grad eigener Wärme Martine med. and philos. Essays. p. 336. 337. — Versuche über das Vermögen der Pflanzen u. Thiere, Wärme zu erzeugen u. zu vernichten. Uebers. von L. v. Crell . Helmst. 1778. S. 60. . Endlich lässt sich gegen beyde Theorien einwenden, dass auch ge- lassenes Venenblut die atmosphärische Luft zer- setzt, ohne dass eine merkliche Erhöhung der Temperatur dabey eintritt. Brandis Ueber die Lebenskraft. §. 17 fg. , der die Mängel der Lavoisier - schen Theorie zum Theil fühlte, glaubte densel- ben abzuhelfen, indem er annahm, das Blut ent- zöge der atmosphärischen Luft den Sauerstoff; dieser verbände sich an den äussersten Gränzen der Arterien und Venen mit dem Kohlenstoff und Phosphor der thierischen Materie; die Verbindung würde durch die Lebenskraft bewirkt, indem jede Bewegung der einzelnen thierischen Fiber etwas Aehnliches im Kleinen verursachte, was der elek- trische Funke im Grossen hervorbringt, und das Resultat jenes Processes wäre die thierische Wär- me. Allein diese Hypothese hebt nur eine schein- bare Schwürigkeit, und es steht ihr ein sehr wichtiger Einwurf entgegen. Sie soll vorzüglich erklären, woher die beym Ausathmen erscheinen- de kohlensaure Luft in einer Wärme entsteht, worin sonst nicht einmal Phosphor und noch viel D 4 viel weniger Kohlenstoff eine Verbindung mit dem Sauerstoff eingeht. Aber es ist gar nicht wahrscheinlich, dass der beym Einathmen auf- genommene Sauerstoff zur Bildung der beym Ausathmen erscheinenden Kohlensäure verwandt wird Biologie. Bd. 4. S. 207 fg. — Nasse in Meckel ’s Archiv f. d. Physiol. Bd. 2. S. 200 fg. ; und würde er dies auch, so liesse sich doch aus jener Verbindung desselben die thieri- sche Wärme auf keine Weise erklären. Die Er- fahrung lehrt nur, dass bey der Abscheidung des Sauerstoffs aus dem Sauerstoffgas Wärme entbun- den wird. Aber es ist nicht richtig, dass beym Uebergang dieses Stoffs aus einer tropfbaren Flüs- sigkeit in eine andere Materie immer Wärme ent- bunden wird. Eher würde jene Hypothese noch zu vertheidigen seyn, wenn darin angenommen wäre, dass nicht der Sauerstoff, sondern das Sau- erstoffgas der atmosphärischen Luft vom Blute aufgenommen und beym Uebergang aus den Ar- terien in die Venen seiner Basis beraubt würde. Auf ähnliche Art suchte Ackermann De combustionis lentae phaenomenis. quae vitam constituunt. Jenae. 1804. die Ent- stehung der thierischen Wärme zu erklären. Al- lein die Hauptfrage, woher es rührt, dass die Zersetzung des Sauerstoffgas nur bey den Säug- thieren und Vögeln eine so hohe und so bestän- dige dige Temperatur hervorbringt? bleibt auch bey dieser Voraussetzung unbeantwortet. Ueberhaupt kann keine Theorie der thieri- schen Wärme die wahre seyn, die nicht erklärt, warum diese Wärme blos auf die beyden ober- sten Thierclassen eingeschränkt ist. Wenn also Rigby An Essay on the Theory of the production of ani- mal heat. London. 1785. die thierische Wärme von einer Entbindung der Wärme aus den Nah- rungsmitteln bey der Verdauung ableitete, so bleibt hierbey die Schwürigkeit, dass die Amphi- bien, Fische u. s. w. eben so wohl, ja zum Theil noch weit mehr Nahrungsmittel zu sich nehmen und verdauen, wie die Säugthiere, und doch keine eigene Wärme besitzen. Wenn ferner Castberg In Rafn ’s Bibliothek for Physik, Medicin og Oe- konomie. die Ernährung für die Quelle der thierischen Wärme insofern an- nahm, dass einem allgemeinen Gesetze nach bey jedem Uebergang tropfbarer Flüssigkeiten in feste Körper gebundene Wärme frey wird, so lässt sich gegen diese Hypothese wieder der vorige Einwurf machen und ausserdem lässt sich fragen: Wie sich mit ihr die Fortdauer der thierischen Wär- me in der Auszehrung und in andern Krankhei- ten, D 5 ten, wo offenbar mehr Festes in Flüssiges, als Flüssiges in Festes verwandelt wird, erklären lässt? Ob überhaupt im gesunden Zustand und während des ganzen Lebens der Uebergang von Flüssigkeiten in feste Materie so überwiegend über die entgegengesetzte Veränderung ist, dass dabey eine beträchtliche Menge freyer Wärme entwickelt werden kann? Ob nicht vielmehr jener Ueber- gang geringer als diese entgegengesetzte Verände- rung ist, indem alle feste Nahrungsmittel erst in Flüssigkeiten verwandelt werden müssen, ehe sie zur Ernährung dienen können? Wenn auf noch andere Art Buntzen Beytrag zu einer künftigen Physiologie. , ge- stützt auf Galvanische Versuche, die thierische Wärme von der bey der Systole der Arterien statt findenden Zusammenziehung der Queerfasern dieser Gefässe ableitet, so steht seiner Meinung wieder der Haupteinwurf entgegen, dass bey ihr jene Wärme nicht blos auf die Säugthiere und Vögel beschränkt seyn könnte, und dabey lässt sie sich auf ähnliche Art wie die Castberg sche widerlegen. Buntzen hält nehmlich die Wärme für ein Produkt des aufgehobenen Gegensatzes der positiven und negativen Elektricität, und diese Aufhebung findet seiner Meinung nach bey der Zusammenziehung der Arterien statt. Ist dies der Fall, so muss bey der Herstellung jenes Ge- gensat- gensatzes in der Diastole der Arterien Kälte ent- stehen; es wird also bey der letztern eben so viel Wärme gebunden werden, wie bey der vor- hergegangenen Systole entwickelt war, und es wird keine Erhöhung der Temperatur eintreten können. Wenn endlich Roose Journal der Erfindungen u. s. w. in der Natur- und Arzneywissenschaft. St. 17. S.3 fg. glaubte, die thierische Wärme würde von den Nerven durch eine Rück- wirkung des Gehirns erzeugt und durch die Ner- ven dem Schlagaderblut mitgetheilt, so lässt sich zuvörderst gegen diese Meinung erinnern, dass sie zu unbestimmt ist. Soll der Grad der thieri- schen Wärme von der Menge der Nerven abhän- gen, so ist sie unrichtig, weil das Insekt nicht weniger Nerven hat, als der Mensch. Ist es die Grösse des Gehirns gegen die Grösse des ganzen Körpers, wie Roose an einer Stelle seines Auf- satzes (S. 18.) behauptet, so lässt sich fragen, warum die Vögel, die doch zum Theil ein klei- neres Gehirn haben, wie mehrere Säugthiere, den- noch einen eben so hoben, ja noch höhern Grad von eigener Wärme besitzen, wie die letztern; warum die Amphibien und Fische, von welchen einige ein grösseres Gehirn haben, wie manche Vögel, insgesammt kaltblütig sind, und warum zwischen den Vögeln und Amphibien eine so gro- sse sse Entfernung in Betreff der Lebenswärme ist, da doch in Ansehung ihres Gehirns und Nerven- systems kein so grosser Abstand zwischen ihnen statt findet? Ist es die Rückwirkung des Gehirns, wovon die thierische Wärme erzeugt wird, so hätte bestimmt erklärt werden sollen, was un- ter diesem Ausdruck zu verstehen ist, und es hätte bewiesen werden müssen, dass eine solche Rückwirkung nur bey denjenigen Thieren, die eigene Wärme besitzen, statt findet. Weder jene Erklärung, noch dieser Beweis ist aber von Roose geliefert worden, und dieser lässt sich auch nicht führen. Indess, wenn man die Gründe betrachtet, die für jede der erwähnten Hypothesen vorgebracht sind, so lässt sich nicht läugnen, dass in den mei- sten etwas Wahres enthalten seyn muss. Ein Kennzeichen der wahren Theorie muss also seyn, dass sie zeigt, in wie fern das Athemholen, die Verdauung, die Thätigkeit der Gefässe und der Nerven Einfluss auf die Vermehrung oder Ver- minderung der thierischen Wärme haben, ohne jedoch die Hauptquelle derselben zu seyn. Wir wollen versuchen, ob unsere obige Voraussetzung, dass eine eigene Beschaffenheit des Bluts der Säug- thiere und Vögel in Verbindung mit dem Athem- holen die thierische Wärme begründet, auf eine solche Theorie führt. Zuerst Zuerst ist so viel gewiss, dass die Verände- rung der Capacität des Bluts bey dessen Durch- gang durch die Lungen der Grund ist, auf dem sich allein eine befriedigende Theorie der thieri- schen Wärme bauen lässt. Crawford ’en wird immer das Verdienst bleiben, ihre Wichtigkeit zuerst eingesehen zu haben. Dass eine solche Veränderung wirklich statt findet, leidet keinen Zweifel, wenn auch die Grösse derselben schwer zu bestimmen ist. Aus Crawford ’s Versuchen mit dem Blut von Hunden und Schaafen, dem gleiche Gewichtstheile Wasser zugesetzt wurden, ergab sich das Verhältniss des venösen Bluts zum arteriellen in Betreff der Wärmecapacität wie 1 zu 1,14, oder wie 1 zu 1,15. Kleiner fand dieses Verhältniss J. Davy Philos. Transact. Y.1814. p.590. . Dieser bediente sich vor- züglich des aus der Jugularvene und der Carotis genommenen Lämmerbluts. Zuerst trennte er da- von durch Umrühren mit einer hölzernen Ruthe den Faserstoff. Vier Stunden nach dem Lassen des Bluts wurden beyde Arten desselben nebst Wasser bis 140° F. erwärmt, und die relativen Zeiten beobachtet, in welchen die drey Flüssig- keiten bis auf die Temperatur von 80° kamen. Auf diese Weise wurde die specifische Wärme des Venenbluts auf 0,921, die des Arterienbluts auf 0,934 bestimmt, indem die specifische Schwere des erstern = 1,050, die des letztern = 1,047 war. war. Dann wurden beyde Blutarten und Wasser bis 121° F. erwärmt und mit ohngefähr 62° war- mem Wasser vermischt. Aus den Veränderungen der Temperatur ergab sich eine specifische Wär- me des Venenbluts von 0,812 und des Arterien- bluts von 0,814. Bey den übrigen Versuchen wurde Blut angewandt, worin der Faserstoff noch zugegen war. Die Vergleichung der Zeiten, in welchen Wasser und die beyden Blutarten eines Schaafs, von welchen das venöse den einen, das arterielle den folgenden Tag aufgefangen war, von 120° F. bis 80° abgekühlt wurden, führte auf eine specifische Wärme des Venenbluts = 0,903 bey einer specifischen Schwere = 1,051, und auf eine specifische Wärme des Arterienbluts = 0,913 bey einer specifischen Schwere = 1,049. Endlich wurden die beyden Blutarten gleich, nachdem sie aus den geöffneten Gefässen geflossen waren und ihre Temperatur bestimmt war, mit Wasser von 57 bis 58° F. Wärme vermischt. Hierbey fand sich die specifische Wärme des Venenbluts = 0,839, die des Arterienbluts = 0,852, indem die specifische Schwere des erstern = 1,050, die des letztern = 1,049 war. Das höchste Verhältniss der Wärmecapacität des Bluts der Venen zu dem der Arterien war also nach diesen Versuchen nur 1 : 1,01, folglich bedeutend geringer als das, wel- ches Crawford angab. Man Man kann gegen diese Versuche einwenden, dass bey der Vermischung des Bluts mit Wasser vielleicht eine chemische Wirkung eintritt, wo- durch die Wärmecapacität des erstern verändert wird, und dass es ein unrichtiges Verfahren von J. Davy war, den Faserstoff vom Blut zu tren- nen, dasselbe vier Stunden stehen zu lassen, und dann erst dessen Wärmecapacität zu untersuchen M. vergl. Thomson ’s Bemerkungen in dessen An- nals of Philosophy. Y. 1814. March. p. 229. . Da aber bey diesen und mehrern andern Mängeln und bey der Schwürigkeit, sich reines Venen- und Arterienblut zu verschaffen, dennoch die obi- gen Erfahrungen immer eine höhere Wärmecapa- cität des Arterienbluts anzeigten, so ist zu ver- muthen, dass die letztere bey genauern Versu- chen noch weit höher ausfallen würde. Jene Er- fahrungen sprechen also für, und nicht, wie Davy selber meint, gegen die Richtigkeit der Craw- ford schen Angaben. Woher nun diese Verschiedenheit beyder Blut- arten? Der Grund kann kein anderer, als eine stärkere Ausdehnung des Bluts in den Arterien seyn. Dafür spricht die, schon von Hammer- schmidt Notabile discrimen inter sanguinem arteriosum et venosum. Gottingae. 1756. p. 18. bemerkte und durch J. Davy ’s obige Versuche bestätigte geringere specifische Schwere des Arterienbluts in Vergleichung mit dem Blut der der Venen. Andere Schriftsteller Autenrieth ’s Handb. der empirischen menschl. Physiologie. B. 1. S. 238. — Nasse in Reil ’s u. Au- tenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B.XII. S.421. haben zwar gerade das Gegentheil, eine Zusammenziehung des Bluts beym Uebergange aus dem venösen System in das arterielle angenommen Allein ihre Gründe sind blos von der grössern Weite der Venen gegen die der Arterien hergenommen, woraus sich nur auf eine Abnahme der Masse des Bluts beym Durchströmen durch die Lungen schliessen lässt. Jede Expansion ist mit vermehrter Wärmeca- pacität verbunden, und die ausgedehnte Materie nimmt aus dem Medium, wovon sie umgeben ist, so lange Wärme auf, bis sie von dieser so viel gebunden hat, als sie zu binden vermögend ist. Man hat hiervon einen Beweis am Fallen des Thermometers beym Verdunsten des Wein- geists und Aethers in verdünnter Luft. Das zu den Lungen gehende Blut hat also an der Wär- me der eingeathmeten Luft eine Quelle, woraus es dieses Princip schöpfen, und, da die Luft in den Lungen mit der Atmosphäre in Verbindung steht, so viel als es nur immer aufzunehmen ver- mag, mit sich verbinden kann. Bey dieser Meinung bedarf es nicht der un- wahrscheinlichen und unzureichenden Vorausset- zung einer Entbindung der latenten Wärme des Sauer- Sauerstoffgas der eingeathmeten Luft, einer Ent- bindung, die, wenn sie ihrem Zweck entsprechen sollte, eine so hohe Temperatur zur Folge haben müsste, dass die Lungen dadurch zerstöhrt wer- den würden. In den Lungen wird, dieser Theo- rie zufolge, die Luft sowohl als das Blut, dem Thermometer nach, vielmehr abgekühlt, als er- hitzt; die Erzeugung der thierischen Wärme tritt erst weiterhin bey der Zusammenziehung des Bluts ein. Nach dieser Voraussetzung muss das Venen- blut mehr freye Wärme, hingegen Arterienblut, das sich nach seinem Durchgang durch die Lun- gen noch nicht wieder zusammengezogen hat, mehr gebundene Wärme enthalten; jenes muss nach dem Ausfliessen aus der Ader den Stand des Quecksilbers im Thermometer anfangs mehr als dieses erhöhen; nachher aber, wenn das letz- tere sich zusammenzieht und seine gebundene Wärme entweichen lässt, wird der Wärmemesser in demselben eine höhere Temperatur als im Ve- nenblute anzeigen. Es giebt wirklich eine Erfah- rung, die hiermit übereinstimmt. Ashley, Cow- per und Colemann On suspended animation. fanden die Wärme des Ve- nenbluts anfangs immer um einen Grad des Fah- renheit schen Thermometers höher als die des Schlag- V. Bd. E Schlagaderbluts; das letztere hingegen wurde nach fünf Minuten nur drey bis sechs Grade wärmer als das erstere, verlohr aber diese Wärme baid wieder. Dieser Erfolg kann indess nicht in allen Fällen statt finden. Die Zusammenziehung des Bluts und mit dieser die Entbindung von Wärme fängt schon in der Aorta an. In vielen Fällen wird bey Versuchen über die Verschiedenheit der Temperatur des Arterien- und Venenbluts das Re- sultat das nehmliche seyn, das J. Davy A. a. O. p. 596. fand, indem er die Kugel eines Thermometers in die Jugularvene und in den Strohm des Bluts der geöffneten Carotis bey Lämmern, Schaafen und Ochsen brachte, wo dieses immer ohngefähr 1° F. mehr Wärme als das Blut der Vene zeigte. Bey allen jenen Versuchen darf man nicht übersehen, dass mit dem Austritt des Bluts aus den Adern die Entbindung der thierischen Wärme sich sehr verändern muss, und dass sich von Versuchen an gelassenem Blut nicht unbedingt auf die Wärme desjenigen, welches noch in den Adern befindlich ist, schliessen lässt. In dem gelasse- nen Blut entsteht gleich ein Bestreben zum Ge- rinnen, eine Art von Zusammenziehung, die ohne Zweifel von der Systole des umlaufenden Bluts sehr verschieden und vielleicht nicht, wie jene, mit merklicher Entbindung von Wärme verbun- den den ist. Fourcroy Annales de Chimie. T.VII. p. 147. glaubte zwar gefunden zu haben, dass beym Coaguliren des Rindsbluts die Wärme desselben um 5° R. zunimmt. J. Hun- ter Treatise on the blood. p.47. aber widersprach ihm hierein. Schildkrö- tenblut zeigte in einem, von dem letztern ge- machten Versuch 65° F. als es ausfloss, 66° als es gesammelt war und 65° während dem Gerin- nen. J. Davy The Journal of science and the arts. Edited at the Royal Institution. Vol. II. p.246. fand ebenfalls eine ununterbro- chene Abnahme der Temperatur des gerinnenden Bluts von einem Hayfisch und einer Schildkröte. Ein anderes Resultat erhielt der Verfasser des Ar- tikels Blood in Rees ’s Cyclopaedia (Vol.IV . P.II.). Zehn Unzen Blut wurden in einem höl- zernen Gefäss aufgefangen. Die Temperatur des- selben war beym Ausfliessen aus der Vene 93° F. Binnen 6 Minuten war das Thermometer auf 89° gesunken und das Gerinnen begann an der Ober- fläche. Als die Kugel des Wärmemessers bis zum Coagulum der Oberfläche erhoben war, stieg das Quecksilber auf 90½°; als jene wieder dem Boden des Gefässes genähert wurde, sank dieses auf 89°. Der Versuch wurde zweymal fast mit demselben Erfolg angestellt. Beym drittenmal stieg das Quecksilber auf 91°. Hier schienen also beym Gerin- E 2 Gerinnen des Bluts 2° F. Wärme entbunden zu werden. Gordon und Ellis wiederhohlten die- sen Versuch Thomson Annals of Philosophy. Aug. 1814. p. 139. . Blut aus der Femoralarterie ei- nes Hundes wurde in einem schmalen gläsernen Krug aufgefangen. Die Temperatur des Bluts beym Fliessen aus der Arterie betrug 99° F., in- dem das Zimmer, worin der Versuch gemacht wurde, eine Wärme von 46° F. hatte. Hierauf wurden die Veränderungen des Bluts beym Ge- rinnen mit einem hundertgradigen Thermometer untersucht, und zwar so, dass die Kugel dessel- ben zwanzig Minuten hindurch bald eine Minute unter der Oberfläche, bald eine eben so lange Zeit in dem untern Theil der Flüssigkeit gehal- ten wurde. Anfangs stand das Thermometer an der Oberfläche auf 34°, indem es in der Tiefe des Glases 30½° zeigte. Nachher fiel es an der erstern Stelle allmählig auf 33½°, 32°, 31°, 25½° und 24°, an der letztern auf 30°, 28,8°, 28½° und 24°. Als es an beyden Stellen auf 24° stand, schien das Blut völlig geronnen zu seyn. Gor- don findet hierin eine Bestätigung der Meinung, dass beym Gerinnen des Bluts Wärme entwickelt wird. Mir scheint aber das Resultat schon dar- aus hinreichend erklärbar zu seyn, dass das Blut unten, wo es mit dem kalten Boden des Glases in Berührung war, schneller als an der Oberflä- che abgekühlt wurde. Ich habe einen ähnlichen Er- Erfolg beobachtet, als ich blosses Wasser, das eine Temperatur von 70° R. hatte, in ein kaltes Gefäss goss, und darin ein Thermometer bald zur Oberfläche heraufzog, bald zum Boden her- absenkte. Gordon führt noch einen zweyten Ver- such an, wo ein Fahrenheit sches Thermometer, das in der Tiefe des Bluts 73° zeigte, in der Mitte des Blutkuchens auf 85° stieg. Er giebt hierbey aber nicht an, wie die Veränderungen der Temperatur an der Oberfläche vom Anfang des Versuchs an waren. Man begreift jetzt, in wiefern der Verdau- ung, der Ernährung, der Thätigkeit der Gefässe und dem Einfluss der Nerven Antheil an der Her- vorbringung der Lebenswärme zukömmt. Sie wir- ken nach unserer Theorie insofern auf diese, als theils durch sie diejenige Mischung des Bluts, vermöge welcher dasselbe fähig ist, beym Durch- gang durch die Lungen eine Erhöhung seiner Wärmecapacität zu erleiden, unterhalten, theils die in den Lungen von dem Arterienblut gebun- dene Wärme beym Fortgang desselben wieder frey gemacht wird. Die nächste Ursache jener Veränderungen ist die Einwirkung der Nerven auf das Blut. Nur hiervon kann die Ausdehnung und Zusammenzie- hung dieser Flüssigkeit, welche die Bindung und Entbindung von Wärme zur Folge hat, abhän- E 3 gen. gen. Schon im vorigen Buch Biol. Bd. 4. S.225. 226. fanden wir Be- weise für den Einfluss des Nervensystems auf die thierische Wärme. Auch schon Elliot beobach- tete, dass nach der Unterbindung des Hauptner- ven eines Theils die Wärme desselben abnimmt Esprit des Journaux. 1780. Juin. p. 74. . Bichat Allgemeine Anatomie. Uebers. von Pfaff . Th. 1. Abth. 1. S. 258. kannte eine Person, welcher der Cu- bitalnerve oberhalb dem Erbsenbein durch ein Stück Glas durchschnitten war, und in deren klei- nem Finger und Ringfinger von dieser Zeit an beständig eine Kälte zurückblieb. Er bemerkt zu- gleich, dass im Aneurysma auf die Unterbindung der Nerven oft ein Gefühl von Erstarrung und allgemeiner Kälte in den Gliedmaassen folgt; dass zuweilen in der halbseitigen Lähmung der kranke Theil eine niedrigere Temperatur als der gesunde hat, obgleich in beyden der Puls gleich stark ist; dass in den typhösen Fiebern, wobey vorzüg- lich das Gehirn leidet, oft eine auffallende Un- gleichheit in der Temperatur der verschiedenen Theile des Körpers statt findet, und dass oft auch bey Verrenkungen die Zusammendrückung der Ner- ven durch die Köpfe der Knochen eine Kälte in dem verrenkten Gliede hervorbringt. Noch mehr sprechen aber für jenen Einfluss Brodie ’s Erfahrungen. Dieser schnitt Kaninchen den den Kopf ab und unterhielt ohngefähr anderthalb Stunden das Athemholen durch Einblasen von Luft. Der Blutumlauf und die Farbenveränderung des Bluts beym Durchgang durch die Lungen dauer- ten während dieser Zeit fort. Aber die thierische Wärme nahm mit jeder Minute ab und zwar schneller als bey Kaninchen, denen nach der Ent- hauptung keine Luft in die Lungen geblasen wurde, ja sogar schneller als bey enthaupteten Kaninchen, denen vor dem Einblasen die grossen Gefässe unterbunden waren, um den Blutumlauf zu hemmen Philos. Transaet. Y. 1811. p. 36. . In der Folge bemerkte Brodie auch, dass während Gifte, welche die Funktionen des Gehirns stöhren, auf ein Thier wirken, das Vermögen desselben, Wärme zu entwickeln, in glei- chem Verhältniss mit der Nervenkraft desselben abnimmt. Unterhält man während des Schein- tods, den das Gift hervorbringt, das Athemholen durch Einblasen von Luft, so hört die Entbin- dung von Wärme eben so vollständig wie nach der Enthauptung auf, und wird das künstliche Athemholen bis zum Aufhören der Wirkungen des Giftes fortgesetzt, so kehrt die Wärme in gleichem Verhältniss mit der Nervenkraft zurück. Während dem Einblasen von Luft dauert in dem Blut der Arterien und Venen die gewöhnliche Far- ben- E 4 benveränderung fort, und es wird nach wie vor kohlensaures Gas abgeschieden Phil. Trans. Y.1812. p.378. . Um zu noch entscheidendern Resultaten zu gelangen, machte Brodie neue vergleichende Ver- suche über die Quantität Luft, welche Thiere im natürlichen Zustand beym Athemholen ver- brauchen, und die, welche bey aufgehobenem Einfluss des Gehirns in gleicher Zeit und unter möglichst gleichen Umständen aufgezehrt wird, wobey er aber von dem, wohl nicht ganz zuver- lässigen Resultat der Versuche Allen ’s und Pepy ’s ausging, dass beym Athmen das Volumen des verzehrten Sauerstoffgas dem des ausgehauchten kohlensauren Gas völlig gleich ist, das Stickgas hingegen unverändert bleibt Biol. Bd.4. S.178 fg. . Die Beobachtun- gen wurden an Kaninchen in einem besonders da- zu eingerichteten Apparat angestellt. Bey zweyen dieser Thiere wurde der Einfluss des Gehirns auf die Werkzeuge des Athemholens vermittelst Durch- schneidung des Rückgraths am Obertheil des Hal- ses und der weichen Theile des letztern über ei- ner vorher angelegten Unterbindung, bey fünf andern durch Einimpfen des Woorara-Gifts oder des wesentlichen Oels der bittern Mandeln, wel- che beyde die Funktionen des Gehirns aufhe- ben, ohne den Blutumlauf aufzuhalten, gehem- met. Brodie zieht aus diesen Versuchen das Re- sul- sultat, dass in einem Thier, in welchem das Ge- hirn seine Funktionen nicht ausübt, keine Wär- me erzeugt wird, wenn auch das Athemholen fortdauert, der Blutumlauf so wie die chemischen Modifikationen des Bluts im arteriellen und venö- sen System auf die gewöhnliche Weise unterhal- ten werden, und in gleicher Zeit eben so viel kohlensaures Gas wie sonst abgeschieden wird Phil. Transact. Y. 1812. p.378. . Diesen Erfahrungen stehen freylich andere entgegen. W. Lawrence Medico- chirurgical Transact. by the medical and chirurg. Society of London. Vol. V. p. 166. hat einen Fall von einem hirnlosen Kinde beschrieben, das vom Sonn- tag bis zum Donnerstag Morgen lebte, natürlich athmete, etwas Nahrung zu sich nahm, Stuhl- gang und Harnausleerung hatte, und bis die Kräfte sanken natürlich warm war. Das Rückenmark ragte ohngefähr einen Zoll über dem grossen Hin- terhauptsloch hervor, und hatte hier eine kleine Anschwellung, mit welcher die sämmtlichen Ner- ven vom fünften Paar bis zum neunten verbun- den waren. Doch dieser Fall beweist nur, dass nicht das ganze Gehirn zur Unterhaltung der Le- benswärme erforderlich ist. Wichtiger ist Em- mert ’s Beobachtung Hufeland ’s u. Harles ’s Journal der prakt. Heilk. J.1815. St.3. S.55. an einem alten Kaninchen, woran E 5 woran er das verlängerte Mark ohne Verletzung des kleinen Gehirns durchschnitt, das Athemho- len durch Lufteinblasen unterhielt, und in eine grosse Wunde zwischen Haut und Muskeln 2 Un- zen und nachher in den Mastdarm 1 Unze einer Abkochung der unächten, giftigen Angustura-Rin- de brachte. Der Kreislauf und die Farbenverän- derung des Bluts dauerten hierbey fort; allein von der Zerstörung des Rückenmarks an war der Herz- schlag nicht mehr sichtbar und das Klopfen der Carotiden schwächer und seltener. “Die Tempe- „ratur des Afters”, sagt Emmert , “verminderte „sich in Zeit von 75″ um 3° R., was aber bey „der verminderten Stärke und Geschwindigkeit des „Kreislaufs, bey der unvollständigen künstlichen „Respiration, welche um die Hälfte seltener als „die natürliche war, und der geringen Tempera- „tur des Zimmers von 12° R. gewiss nicht für „die von Brodie behauptete Abhängigkeit der thie- „rischen Wärme vom Gehirn spricht.” Es hält schwer, die Verschiedenheit dieser Erfahrung von den Resultaten der Versuche Brodie ’s zu erklä- ren. Indess einzelne Abweichungen müssen sich bey diesen Versuchen, auf deren Erfolg so viele zufällige Umstände Einfluss haben, immer erge- ben. Eine einzige negative Erfahrung kann hier nicht mehrere positive aufwiegen, so lange sich nicht eine bey den letztern vorgegangene Täu- schung nachweisen lässt. In In den bisherigen Theorien der thierischen Wärme konnte man die in den Classen der Am- phibien, Fische und übrigen niedern Thiere statt findende Abwesenheit der Lebenswärme blos von dem unvollkommenern Bau der Respirationsorgane ableiten. Wir haben aber schon wiederholt be- merklich gemacht, dass der Unterschied zwischen den Werkzeugen des Athemholens dieser Thiere und den Lungen der Säugthiere und Vögel nicht gross genug ist, um die so sehr viel niedrigere Temperatur der erstern aus derselben allein er- klären zu können. Die Ursache kann nur darin liegen, dass bey den Amphibien und den übrigen Thieren der niedern Classen das Blut gar kein, oder nur ein sehr geringes Vermögen besitzt, der Luft Wärme zu entziehen und Wärme zu bin- den. Mit der Abwesenheit dieses Vermögens steht der Mangel an Pulsationen in den Zweigen des arteriellen Systems und der einfache Blutumlauf jener Thiere in Verbindung. Der letztere kann schwerlich einen mechanischen Zweck haben, son- dern muss Folge einer höhern Ursache seyn, wor- in zugleich eine geringere Vitalität des Bluts be- gründet ist. Man kann gegen diese Theorie einwenden, dass in allen den Fällen, wo in einer Materie ver- mehrte Wärmecapacität eintritt, ein Uebergang der- selben aus dem festen Zustand in den flüssigen, oder oder aus dem tropfbaren in den gasförmigen statt findet, dass aber bey der Verwandlung des venö- sen Bluts in arterielles keine so grosse Verände- rung vorgeht, Gegen diesen Einwurf ist aber zu bemerken, dass mit der Veränderung, die das Blut beym Durchgang durch die Lungen erleidet, die meisten Vorgänge, bey welchen in unorganischen Körpern Ausdehnungen und Zusammenziehungen entstehen, nicht vergleichbar sind. Wo sonst Flüs- sigkeiten ausgedehnt werden, geschieht dies durch Mittheilung von Wärme. Beym arteriellen Blut ist umgekehrt die Mittheilung von Wärme Folge der Ausdehnung. Nur zwischen den Polen der Volta ischen Säule erleiden Flüssigkeiten eine ähn- liche Veränderung. Füllet man zwey Glasröhren von etwa zwey Zoll Länge und zwey Linien im Durchmesser mit frischem Blut, und verbindet durch Platinadräthe das untere Ende der einen mit dem negativen, das der andern mit dem po- sitiven Pol einer solchen Säule, indem man zu- gleich beyde Röhren in Wasser von 96° F. Wär- me taucht, so sondert sich in der negativ elek- trisirten Röhre sehr viel Wasser ab, der Blutku- chen zieht sich in eine dichte und feste Masse zusammen und das Volumen der Flüssigkeit nimmt so sehr zu, dass das Wasser nach einiger Zeit aus der Röhre überläuft, wenn es anfangs auch vier bis fünf Linien unter dem obern Rand ge- standen hat; hingegen in der mit dem positiven Pol Pol verbundenen Röhre wird das Blut in eine breyartige Masse verwandelt und das Volumen des- selben vermindert, so dass es unter seinen ersten Stand in der Röhre herabfällt. Brandis Pathologie. S. 179 fg. , der diesen Versuch zuerst anstellte, hat dabey auf die Veränderung der Temperatur in den Röhren nicht Rücksicht genommen. Buntzen A. a. O. S. 106 fg. , der die Wär- me bey der Zersetzung einer Salmiakauflösung durch eine Voltaische Säule von 1500 Plattenpaa- ren an beyden Polen untersuchte, fand, dass, als die Temperatur der Auflösung vor dem Versuch 10° R. war, das Thermometer eine Minute nach der Schliessung der Kette bey dem positiven Pol auf 12° stieg, hingegen bey dem negativen auf 8° stand. Nach einigen Minuten stieg dieses bis zu 10°, dann zu 12° und endlich blieben beyde auf 15° stehen. Dieser Versuch wurde mit einer zweymal gekrümmten Röhre gemacht, worin die Dräthe weit von einander abstanden. In einer nur zweymal gebogenen, mit Flanell umwickel- ten Röhre, worin der Abstand der Dräthe gerin- ger war, nahm die Wärme bey der Gasentwicke- lung von 14° bis 60° zu. Der positive Pol der Voltaischen Säule bringt also eine Zusammenzie- hung des Bluts und vermuthlich mehr oder we- niger aller Flüssigkeiten und damit Wärme her- vor; der negative hingegen bewirkt eine Ausdeh- nung nung derselben, womit Bindung von Wärme ver- bunden ist. Wie stark die Ausdehnung ist, die das Blut beym Durchgang durch die Lungen erleidet, wis- sen wir nicht. Ist sie aber auch nur hinreichend, um bey jedem Athemzug den Uebergang einer Wärme von einem Grad des Fahrenheit schen Thermometers ins Blut zu bewirken, so lässt sich zeigen, dass hierdurch der ganze Körper schon binnen 35 Minuten eine Temperatur von ohnge- fähr 84° F. bey einer mittlern Wärme der Atmo- sphäre von 64° erhalten muss. Nimmt man nehm- lich an, dass während jedem Athemzug 5 Unzen Blut durch die Lungen gehen Haller (Elem. Physiol. T.III. L.VIII. S.4. §.29. p. 292.) nimmt 5½ Unzen an. , und dass die Zahl der Athemzüge in einer Minute = 20 ist, so werden in einer Minute 5.20 = 100 Unzen Blut bis 20° erwärmt werden, wenn die Tempe- ratur von 5 Unzen bey jedem Athemzug um 1° erhöhet wird. Setzt man weiter voraus, dass die Quantität des Bluts im ganzen Körper 24 Pfund beträgt, und dass sich diese Masse zur Masse des ganzen Körpers wie 1 zu 6 verhält Haller a. a. O. T. I. L. I. S. 1. p. 5. , so wer- den 2,88 Minuten erforderlich seyn, um die ganze Blutmasse, und 17,28 Minuten, um den ganzen Körper bis 10° zu erwärmen. Binnen der dop- pelten Zeit, oder binnen 34,56 Minuten, wird al- so so die Erhöhung der Temperatur des ganzen Kör- pers 40° betragen. Stand nun der Wärmemesser während dieser Zeit auf 64°, und hatte der Kör- per anfangs einerley Temperatur mit der Luft, so wird die Wärme desselben nach 34,56 Minuten = 40° + 64° = 104° betragen, wenn von den 40° nichts verlohren gegangen wäre. Dieser Verlust kann indess wegen der geringen Leitungsfähigheit des thierischen Körpers während jener Zeit höch- stens 20° betragen. Die Temperatur des ganzen Körpers wird also unter den angeführten Voraus- setzungen 84° nach 35 Minuten seyn. Diese Rechnung soll nur erläutern, nicht be- weisen. Die dabey zum Grunde gelegte Voraus- setzung, dass ein thierischer Körper sich von gänz- lichem Mangel an eigener Temperatur zum Maxi- mum der Lebenswärme erhebt, findet nirgends als bey Scheintodten und bey den lethargischen Thieren statt. Ueber die Rückkehr der Wärme beym Erwachen Scheintodter giebt es keine, mir bekannte Erfahrung. Ueber die Zeit, in welcher erweckte lethargische Thiere vom Minimum ihrer Temperatur zum Maximum gelangen, hat aber Saissy Réchorches expérimentales sur la Physique des ani- maux mammiféres hybernans. à Paris. 1809. p. 19. einige Erfahrungen bekannt gemacht, nach welchen ein Murmelthier 8 bis 9, ein Igel 5 bis 6, eine Fledermaus 3 bis 4, und eine Ha- selmaus 2 Stunden gebrauchte, um das Maximum ihrer ihrer Temperatur wieder zu erhalten, Aus Sais- sy ’s Beobachtungen ergiebt sich zugleich, dass die Zunahme der Wärme in gleichen Zeiten nicht um gleiche Grade, sondern im Anfange schneller, bey der Näherung zum Maximum aber immer langsamer geschieht So betrug die Wärme einer Haselmaus, die bey ei- ner Temperatur der Luft von — 1,5° R. und bey ei- ner eigenen Wärme von + 3° aus dem Winterschlaf erweckt war, nach einer Stunde 25° und nach zwey Stunden 36°. Ein Igel, der bey der nehmlichen Temperatur der Luft im Erwachen eine Wärme von 12,5° zeigte, hatte nach einer Stunde eine Tempera- tur von 30°, und nach zwey Stunden von 32°. ( Saissy a. a. O. p. 20.). Bey der Haselmaus wuchs also . Diese Erfahrung ist auch der Theorie ganz gemäss, und aus ihr lässt sich die Beständigkeit der thierischen Wärme erklären. Bey dem Menschen und den verwandten Thieren nimmt die Wärmecapacität des Bluts desto mehr zu, je mehr sich die Temperatur der Atmosphäre dem Gefrierpunkt nähert. Bey grösserer Kälte tritt wieder Schwäche der Lebensbewegungen, Ab- nahme der thierischen Wärme und endlich der Tod ein. Beym Steigen der atmosphärischen Wär- me wird jene Capacität desto geringer, je näher die Temperatur des Bluts dem 96sten Grad der Fahrenheit schen Skale kömmt, und über diesem hört sie ganz auf. Zweyter Zweyter Abschnitt. Phosphorische Erscheinungen der or- ganischen Natur . G äbe es Thiere oder Pflanzen, die durch eigene Thätigkeit Wärme und Licht erzeugten, so wür- den die beyden Hauptbedingungen des Lebens Re- sultate des Lebens selber seyn. Von der Wärme haben wir gesehen, dass sie in der That ein Pro- dukt gewisser Formen des Lebens ist. Wir wer- den jetzt untersuchen, ob auch Licht durch vitale Processe entbunden wird. Licht kann auf eine dreyfache Art entstehen: durch Erhöhung der Temperatur, wobey es als Feuer erscheint; durch Elektricität, und durch einen chemischen Process, wobey keine Wärme entwickelt wird. Auf die dritte Art der Lichtent- bindung werden hier unsere Untersuchungen vor- züglich gerichtet seyn. Die erste findet bey einer Tem- also die Temperatur in der ersten Stunde um mehr als das Doppelte, bey dem Igel gar um das Acht- bis Neunfache, wie in der folgenden. V. Bd. F Temperatur statt, wobey das Leben nicht fort- dauern kann. Die zweyte zeigt sich blos an den Haaren einiger Thiere beym Streichen oder Rei- ben derselben Mehrere Beobachtungen von Menschen, aus deren Haaren beym Reiben Funken hervordrangen, haben Bartholin (De luce animal. p. 54. 57. 110. 121.) und Kopp (Ausführliche Darstellung u. Untersuchung der Selbstverbrennungen des menschl. Körpers. Frankf. a. M. 1811. S. 73.) gesammelt. Ich kannte ebenfalls einen, an der Epilepsie leidenden jungen Mann, des- sen Haare beym Kämmen Funken sprühten. , und ist nur als Erscheinung eines hohen Grades von eigener Elektricität die- ser Theile merkwürdig. Wir werden zuerst blos historisch die bishe- rigen Beobachtungen über phosphorische Erschei- nungen als Wirkungen der Vitalität erzählen, mit dem Pflanzenreiche anfangen, von diesem zu den Zoophyten übergehen, und im Thierreich von den niedern Stufen zu den höhern aufsteigen. §. 1. Phosphorescenz lebender Körper. Das Pflanzenreich zeigt sehr wenig, hierher gehörige Phänomene. Blos Linné nebst dessen Tochter Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1762. S. 291. , und nach ihnen Haggren Neue Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1777. S. 3. 101. und Von Szürs Szüts Trommsdorff ’s Journal der Pharmacie. B. VIII. St. 2. S. 54. bemerkten an einigen Pflanzen ein Leuch- ten. Die beyden erstern sahen ein plötzliches Hervorschiessen von Lichtstrahlen an den Blumen des Tropaeolum majus L. Linné glaubte gefun- den zu haben, dass nur diejenigen dieser Blumen die Blitze zeigten, woran die Blumenblätter roth- gelb und die beyden obersten mit schwarzgelben Streifen gezeichnet sind. Haggren beobachtete das Leuchten an der Calendula officinalis L. und einigen andern Gartenpflanzen, die er blos mit den Volksnamen bezeichnet, überhaupt aber nur an Blumen, welche die gelbe Feuerfarbe hatten. Er nahm den Schimmer vorzüglich in den Mona- ten Julius und August bey Untergang der Sonne und eine halbe Stunde nachher wahr, doch nur bey ganz klarer Luft, nicht aber, wenn diese feucht war, oder es den Tag geregnet hatte. Oft zeigte sich das Licht zwey- bis dreymal hinter einander auf einer und derselben Blume, oft aber erst nach einer Zwischenzeit von mehrern Minu- ten. Von Szüts sahe die Blätter einer Phytolacca decandra L. an einem Abend bis Mitternacht mit einem bläulichgrünen Licht glänzen, welches auch nach dem Abwischen der Blätter fortdauerte. Diese Erfahrungen sind zu eingeschränkt, um die Ursache jenes Leuchtens mit Sicherheit bestim- men F 2 men zu können. Vielleicht ist es das Ausströh- men eines, sich an der Luft entzündenden Oels, das den Schimmer hervorbringt. Auf jeden Fall scheint dieser momentane Glanz sehr verschieden von dem anhaltenden Licht zu seyn, welches aus den phosphorescirenden Thieren ausströhmt. Ein solches fortdauerndes Licht zeigt sich an mehrern Zoophyten. Aristoteles De anim. L. II. c. 7. erwähnt einiger Schwämme, Plinius Hist. nat. L. XVI. c. 8. eines Eichen- schwamms, Linné der Byssus phosphorea, und Ducluzeau Essai sur l’Hist. nat. des Conferves des environs de Montpellier. Par J. A. P. Ducluzeau . p. 18. mehrerer Conferven der Gegend von Montpellier, unter andern einer, die mit Con- ferva rupestris L. verwandt ist, als leuchtender Körper. Péron Annales du Muséum d’Hist. nat. T. V. p. 133. fand auf seiner Reise mit Baudin verschiedene Haufen von Sertularien, Isis, Gorgonien, Alcyonien, Spongien, Tangen und Ulven, die an der Westküste von Neuholland aus der Tiefe des Meers hervorgezogen waren, phos- phorescirend. Allein keiner der Beobachter, wel- che dieses Leuchten bemerkten, hat auf die Frage Rücksicht genommen, ob dasselbe eine Erschei- nung des Lebens, und nicht etwa erst bey der anfangenden Zersetzung der Zoophyten nach dem Absterben derselben entstanden war. Von der Bys- sus sus phosphorea ist es auch nicht einmal gewiss, ob die Phosphorescenz derselben nicht etwa nur von dem faulenden Holz, worauf sie sich befand, herrührte. Ausgemachter ist es, dass das Phosphoresciren eine Lebenserscheinung bey mehrern Zoophyten aus den Familien der Seefedern, Medusen und Actinien ist. Unter den Seefedern kennen wir, besonders durch Spallanzani ’s Beobachtungen Memorie di Matematica e Fisica della Società Ita- liana. T. II. p. 603. , die Pen- natula phosphorea L. als leuchtend. Nach den Er- fahrungen jenes Schriftstellers leuchten diese Zoo- phyten nur, wenn sie sich bewegen, oder bewegt werden. Sie phosphoresciren auch noch nach dem Tode, doch ebenfalls nur bey Erschütterungen. Der Stamm leuchtet niemals, sondern blos die Fahne, und auch diese nicht allenthalben gleich lebhaft. Der vornehmste Sitz ihres Lichts sind ihre polypenähnlichen Fortsätze, die des Nachts als weisslichblaue Punkte so lebhaft glänzen, dass der Schein durch eine brennende Kerze nur we- nig verdunkelt wird. Bey Berührungen der Fahne ergiesst sich das Licht plötzlich aus jenen Fort- sätzen in den Mittelpunkt dieses Theils. Nach dem Tode der Seefeder dringt aus der Fahne ein schlei- F 3 schleimiges Wesen hervor, welches die eigentliche Quelle des Lichts ist. Bey diesen Beobachtungen verdienen vorzüg- lich drey Punkte unsere Aufmerksamkeit. Wir sehen 1) dass die Eigenschaft zu leuchten nicht dem ganzen Körper, sondern nur einer besondern, in einzelnen Theilen enthaltenen Materie eigen ist; 2) dass in dieser Materie die Phosphorescenz noch einige Zeit nach dem Tode des Organismus fortdauert; 3) dass der Glanz durch Bewegung angefacht wird. Die beyden letztern Bemerkungen werden wir auch an allen übrigen leuchtenden Zoophyten und Thieren bestätigt finden. Nur von der ersten wer- den sich einige Ausnahmen zeigen. Zu den leuchtenden Zoophyten gehören vor- züglich noch mehrere Medusen, untern andern eine von Spallanzani Reisen in beyde Sicilien. Aus d. Italiänischen. 4ter Th. Leipz. 1796. S. 173 fg. in der Meerenge von Messina untersuchte Art, welche glatt, oben con- vex, unten concav, am Rande gefranzt, an den Seiten mit acht dünnern und längern, in der Mitte der untern Höhlung mit vier kürzern und dickern Fühlfäden versehen ist. Auch bey diesem Zoo- phyt phyt ist der Sitz des Leuchtens nicht der ganze Körper, sondern es sind die grossen Fühlfäden, der Rand des Deckels und der mit der Oeffnung des Deckels in Verbindung stehende Sack. In die- sen Theilen ist eine dickliche, etwas klebrige, die Haut auf eine unangenehme Art reitzende Flüssig- keit enthalten, und hiervon rührt das Licht ei- gentlich her. Durch Bewegung wird auch hier die Phosphorescenz verstärkt. In dem Deckel fin- det, wie bey allen Medusen, eine abwechselnde Zusammenziehung und Erweiterung statt, die, wie es scheint, von der Meduse willkührlich auf- gehoben werden kann. In der Systole ist das Leuchten stärker als in der Diastole. Beym Auf- hören der Bewegung vermindert sich dasselbe so sehr, dass es auf den ersten Anblick völlig erlo- schen zu seyn scheint. Doch hört es in der That nicht eher ganz auf, als bis die Meduse nach dem Tode in Fäulniss überzugehen anfängt. Nach- dem es erloschen ist, lässt es sich durch Hinzu- giessen von süssem Wasser, durch Bewegung und durch eine Wärme von 21° bis 30° R. wieder an- fachen. Bey einer andern, von Mitchill The medical Repository by S. L. Mitchill and E. Müller . Newyorck. Vol. IV. p. 375. unter dem Namen Medusa simplex beschriebenen Me- dusen- F 4 dusenart giebt es acht grosse, von dem einen Ende des Körpers zum andern gehende Rippen, in wel- chen das Leuchten statt findet. Man sieht ein bläu- liches Licht, elektrischen Ströhmungen ähnlich, darin fortschiessen. Der Glanz entsteht jedesmal, wenn die Meduse sich bewegt, oder vom Wasser fortgetrieben wird. Auch der Sand, worauf sie gelegen hat, die Körper, womit man sie berührt, und das schleimige Wesen, das sie von sich giebt, phosphoresciren. Nach dem Tode lösst sich das Zoophyt völlig in Seewasser auf, und dieses riecht dann nach phosphorhaltigem Wasserstoffgas. Mitchill hält die Rippen dieser Meduse für Gefässe, die ein phosphorescirendes Blut von ei- nem gemeinschaftlichen Stamm empfangen und im Körper umherführen. Macartney Philosoph. Transact. Y. 1810. p. 264. , der, wo nicht dieselbe, doch eine ähnliche leuchtende Art beobachtete, die er Beroe fulgens nennet, die mir aber mit Baster ’s Medusa ovata einerley zu seyn scheint, fand, dass das vermeinte Blut zarte Här- chen sind, die sich auf den Rippen befinden und beym Schwimmen der Meduse eine so schnelle rotatorische Bewegung machen, dass es aussieht, als ob eine Flüssigkeit durch die Rippen ströhmte. Macartney entdeckte an den Englischen Kü- sten noch zwey andere phosphorescirende Medu- sen, eine kleine, mikroskopische Art, die er Me- dusa dusa scintillans nennt, und die Medusa hemi- sphaerica Gronov . Bey allen drey Arten fand auch er, wie Spallanzani und Mitchill , dass Be- wegungen des Thiers, sowohl mitgetheilte, als eigene, den Glanz verstärken, und dass sich das Licht andern, mit dem zerriebenen Zoophyt be- strichenen Körpern mittheilt. Elektrische Schläge bewirkten ebenfalls eine Zunahme des Lichts der Medusa hemisphaerica, doch blos durch die me- chanische Erschütterung. In heissem Seewasser nahm der Glanz dieser Meduse ohngefähr 20 Mi- nuten lang zu, worauf sie einschrumpfte, starb und nicht weiter leuchtete. Auch geistige Flüs- sigkeiten vermehrten die Phosphorescenz. In der verdünnten Luft der Luftpumpe leuchtete sie, so wie die Medusa scintillans, wie gewöhnlich bey Erschütterungen. Der einzige Unterschied war, dass das Licht unter dem Recipienten der Luft- pumpe leichter angefacht wurde und länger an- hielt. Die beyden letztern Medusen zogen sich immer bey zunehmendem Mond in die Tiefe des Meers zurück, und verlohren ihren Glanz, wenn sie dem Tageslicht ausgesetzt wurden, erhielten ihn aber im Dunkeln wieder. Alle diese Zoophy- ten hängen sich unter gewissen Umständen zu- sammen, und hiervon entsteht, nach Macartney ’s wahrscheinlicher Meinung, das weit verbreitete Licht, das man zuweilen auf dem Meer wahr- nimmt. An einem Haufen von Individuen der F 5 Beroe Beroe fulgens, die sich unter einander verbunden hatten, bemerkte er, dass sie während dieser Ver- bindung gar keine Zusammenziehungen äusserten. Er erklärt hieraus die blasse oder weisse Farbe des auf der See verbreiteten Lichts. Die Medusa ovata Bast . wurde auch von Ti- lesius Annalen der Wetterauischen Gesellsch. f. d. gesamm- te Naturkunde. B. 3. H. 2. S. 567. beobachtet, der des Tages, statt des nächtlichen phosphorischen Scheins, einen Schim- mer von Regenbogenfarben an ihr wahrnahm. Eben dieser Naturforscher A. a. O. S. 566 fg. fand auf seiner Reise um die Welt noch drey andere leuchtende Arten der Medusenfamilie, und Banks Bey Macartney . A. a. O. p. 262. zwischen Ma- dera und Rio-Janeiro eine phosphorescirende Me- duse, M. pellucens von ihm genannt, aber wahr- scheinlich einerley mit Löfling ’s M. pelagica. Bey einer verwandten Art, der M. noctiluca Forsk . bemerkte schon Forskål Descriptiones animalium etc. p. 109. einen nächtlichen Glanz, der am Rande des Körpers stärker als in der Mitte war, und an den einzelnen Theilen des zerstückelten Zoophyts fortdauerte. Von Humboldt Reise in die Aequinoctialgegenden des neuen Con- tinent. Th. 1. S. 109. fand ebenfalls auf seiner Reise von Spanien nach den Canarischen Inseln, unter unter 34° 33′ Breite, drey leuchtende Medusen, die Medusa aurita Bast ., M. pelagica Bosc. und eine dritte, die sich der M. hysocella Vandelli näherte. Keine derselben leuchtete als bey Er- schütterungen. Diese waren aber schon in gerin- gem Grade hinreichend, den Glanz hervorzubrin- gen. Beym Galvanisiren einer Meduse erschien das Leuchten oft schon im Augenblick des Schlie- ssens der Kette, ohngeachtet die Metalle nicht in unmittelbarer Berührung mit dem Zoophyt waren. Die Finger, womit man die Meduse berührt hatte, blieben noch einige Minuten leuchtend. Holz, das mit derselben gerieben war und schon aufge- hört hatte zu phosphoresciren, fing von neuem an Licht zu geben, wenn man mit der trocknen Hand darüber hinfuhr. Ein anderes Zoophytengeschlecht, bey dem sich das Vermögen zu leuchten in hohem Grade findet, ist das Pyrosoma. Alle drey Arten, die bis jetzt von demselben entdeckt sind, phospho- resciren Le Sueur , Bulletin de la Soc. philom. A. 1815. p. 70. . Beym Pyrosoma Atlanticum Péron . verhält sich die Phosphorescenz auf ähnliche Art, wie bey der von Spallanzani beobachteten Mo- duse. Gleich dieser äussert dasselbe in regelmä- ssigen Zwischenräumen eine abwechselnde Zusam- menziehung und Erweiterung. Das Leuchten ent- steht während der Zusammenziehung und ver- schwin- schwindet bey der Ausdehnung. Mit demselben verändert sich die Farbe des Körpers. Bey der Systole bekömmt dieser die Röthe des geschmol- zenen Eisens; bey der Diastole verändert er seine Farbe in Aurora, Orange. Grün und Azurblau. Man kann die Phosphorescenz dadurch verstär- ken, dass man das Zoophyt reitzt. Nach dem Tode hört die Erscheinung ganz auf Pé ron , Annales du Mus. d’Hist. nat. T. IV. p. 443- 444. . Viele phosphorescirende Arten giebt es ferner unter den Salpen. Tilesius A. a. O. S. 364 fg. erwähnt neun Ar- ten, die er leuchtend fand. Baufort beobachtete auch eine phosphorische Dagysa Lectures on comparative Anatomy, by E. Home . Vol. I. p. 367. . Unter den Infusionsthieren des Meers endlich giebt es eine Menge Gattungen, aus welchen ein nächtliches Licht ströhmt Tilesius a. a. O. S. 367 fg. . Die abwechselnde Zusammenziehung und Aus- dehnung der Medusen und Pyrosomen ist ohne Zweifel eine dem Athemholen ähnliche Bewegung, und der Einfluss derselben auf das Leuchten kann wohl nur in der Aufnahme von Sauerstoffgas beste- hen. Macartney ’s Beobachtung, dass der Glanz der Medusen in verdünnter Luft nicht abnahm- son- sondern vielmehr anhaltender war, ist kein Ein- wurf gegen jene Meinung. Die Versuche, welche dieses Resultat gaben, wurden mit Medusen an- gestellt, die sich unter Wasser befanden. Durch die Verdünnung der Atmosphäre wurde aber die im Wasser enthaltene Luft entwickelt, und hier- von konnte das Leuchten auf einige Zeit anhal- tender gemacht werden. Da nun auch zum Leuch- ten des Phosphors das Sauerstoffgas erforderlich ist, und da die von Mitchill beobachtete Me- duse, in Seewasser aufgelöst, nach Phosphor- Wasserstoffgas roch, so lässt sich nach den obi- gen Erfahrungen schon vermuthen, dass eine phos- phorhaltige Materie, die bey einigen thierischen Körpern nur in einzelnen Theilen erzeugt wird, bey andern in der ganzen Masse der Säfte ver- breitet ist, den Grund des Leuchtens enthält. Für diese Meinung werden sich bey unsern fernern Untersuchungen immer mehr Beweise finden. Es wird sich zugleich bestätigen, was auch die an- geführten Beobachtungen lehren, dass bey man- chen Thieren die Erzeugung der leuchtenden Ma- terie nicht immer statt findet, sondern von dem Zustande des Thiers und von äussern Einflüssen abhängt. Zu der letztern Bemerkung geben vorzüglich die Pholaden (Pholas Dactylus L.) Belege. Diese Thiere sind aus der Classe der Mollusken dieje- nigen, die man durch die Beobachtungen der Mit- glie- glieder des Instituts von Bologna Comment. Instituti Bonon. T. II. P. I. p. 248. und Reau- mur ’s Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1723. Ed. d’Am- aterd. p. 287. als phosphorescirend kennt. Sie leuch- ten desto stärker, je frischer sie sind, und nicht nur auf der Oberfläche, sondern auch zerschnit- ten im Innern. Ihre leuchtende Materie hängt sich an alles, womit man sie berührt, und theilt sich dem Wasser mit, worin man sie auflöst. Der Glanz dieses Wassers wird durch mässige Wärme erhöhet, durch eine Hitze, die 45° R. übersteigt, so wie durch Gefrieren, vernichtet. Getrocknet verliert die Pholade ihr Licht; von neuem befeuchtet, erhält sie den Glanz wieder. Doch dauert das Vermögen, wieder leuchtend zu werden, an der getrockneten Materie nicht lange, und verliert sich mit der Fäulniss ganz. Zu eini- gen Zeiten ist das Licht der lebenden Pholaden stärker als zu andern, und oft scheint es ganz erloschen zu seyn. An der Küste von Poitou, wo Reaumur sie beobachtete, leuchten sie blos in der warmen Jahreszeit. Das Licht wird ver- mehrt durch nicht zu starke Auflösungen von Meersalz, Salpeter, Weinsteinsalz und Zucker, und durch den Zutritt frischer atmosphärischer Luft; aufgehoben, oder wenigstens geschwächt, durch Säuren. Weingeist, stärkere Auflösungen von Mittelsalzen und Metalloxyden, und durch ver- verdünnte Luft. Durch Reiben lässt sich das er- loschene Licht oft wieder herstellen. Reaumur bemerkt ausdrücklich, dass alle übri- ge Mollusken, die an der Küste von Poitou vor- kommen, nicht phosphoresciren. Dagegen erzählt Adanson Hist. nat. du Senegal. p. 100. , dass er bey seinem Aufenthalt auf Gorea in einer Kammer Gefässe mit lebenden Fi- schen, Muscheln, Krabben, Seesternen, und meh- rern andern Seethieren gehabt hätte, die alle ein so helles Licht von sich gaben, dass die Kammer wie in Feuer zu stehen schien. In den heissen Climaten scheinen also viele Thiere, die sonst nicht phosphoresciren, unter gewissen Umständen leuchtend zu werden. Diese Abhängigkeit der Phosphorescenz von dem Zustand des Thiers oder der Atmosphäre zeigt sich auch bey den leuchtenden Würmern. An dem Regenwurm (Lumbricus terrestris L.) be- merkten Bruguiere Journ. d’Hist. nat. T. II. und der jüngere Flauguer- gues Journ. de Physique. T. XVI. p. 311. drey Jahre nach einander im October ein bläuliches, dem Schimmer des faulen Holzes ähnliches Licht, das durch den ganzen Körper verbreitet, doch am Vordertheil des Thiers am lebhaftesten war. Von Andern ist diese Phospho- rescenz nicht wahrgenommen worden. Sie muss also also entweder, und dies ist das Wahrscheinlichste, nur unter gewissen Umständen eintreten, oder in den, von Bruguiere und Flauguergues beobach- teten Fällen von Theilen leuchtenden Holzes her- gerührt haben, die den Würmern anklebten. Beständiger ist das Leuchten der Nereiden, wovon es mehrere phosphorescirende Arten giebt. Die bekannteste ist die, von Vianelli Nuove scoperte intorno le luci nocturne dell’ aqua marina. Ven. 1749. , Grise- lini Observations sur la Scolopendre marine luisante. Ven. 1750. und Adler Linnei amoenitat. acad. Vol. III. p. 202. beschriebene Nereis nocti- luca L. Fünf andere Arten wurden von Spallan- zani Reisen in beyde Sicilien. Th. 4. S. 216. im Ligustischen und Sicilischen Meer ent- deckt. Das Leuchten der Nereis noctiluca ist nach Griselini in der Gegend von Venedig am lebhaf- testen im Sommer, vor einem Gewitter, beym Südostwind und des Winters in Nächten, die auf einen warmen Tag folgen. Die phosphorische Materie theilt sich auch, wie die von andern leuchtenden Thieren, nach dem Tode der Nereide dem Wasser mit, und der Glanz sowohl des Thiers, als der Auflösung jener Materie, wird durch Bewegung lebhafter gemacht. Unter den Crustaceen und Insekten besitzen vorzüglich folgende ein phosphorisches Licht: Eini- Einige Branchipoden. Cancer fulgens Banks . Scolopendra electrica L. Elater noctilucus L. — phosphoreus L. — ignitus Oliv . Pausus sphaerocerus Afzel . Scarabaeus phosphoricus Luc . Fulgora laternaria L. Mehrere Lampyris-Arten. Es giebt aber auch in diesen Thierclassen manche Arten, die nur in gewissen Gegenden, oder unter gewissen Umständen leuchten. So phosphoresciren die Flussgarnelen (Cancer Pulex L.) und die Mücken (Culex pipiens L.) nicht im nördlichen Europa. Thulis und Bernard fanden aber den Cancer Pulex im July zu Trans leuch- tend Journ. de Phys. T. XXVIII. p. 67. . Die nehmliche Beobachtung machte Ha- blizl im Maymonat an diesem Thier auf dem Caspischen Meer, und zugleich bemerkte dersel- be, dass die Mücken am Ufer des Astrabatschen Meerbusens im Frühling und Herbst einen leuch- tenden Schein von sich gaben Neue Nordische Beyträge. B. 4. S. 396. — Wenn Macartney (A. a. O. p. 261.) behauptet, diese, so wie die von Bruouiere und Flauguergues am Re- gen- . Zu V. Bd. G Zu den leuchtenden Branchipoden gehört ein, von G. de Riville Mém. présentés à l’Acad. des sc. de Paris. T. III. p. 269. im Meere von Malabar ge- fundenes mikroskopisches Thier, das zum Ge- schlechte Lynceus gerechnet werden müsste, wenn nicht die Fühlhörner desselben, nach Riville ’s Beschreibung, über dem Mund ständen, da sie bey diesem Geschlecht unter dem letztern befestigt sind. Zerdrückt gab dasselbe eine bläuliche, leuch- tende Flüssigkeit von sich, die vorzüglich aus den Eyerstöcken herzurühren schien, und dem Was- ser, womit es sich vermischte, die Eigenschaft mittheilte, ein sehr glänzendes Licht zu verbrei- ten, wenn es geschüttelt wurde. Banks erhielt von einem Capitain Hornsburg zwey leuchtende Thiere, wovon das eine im Ara- bischen Meer gefunden war. Macartney A. a. O. p. 263. er- kannte beyde für Branchipoden, und das letztere für eine Art des Limulus. Banks selber entdeck- te zwischen Madera und Rio Janeiro ausser der oben erwähnten Meduse auch eine leuchtende Krebs- genwurm gemachten Beobachtungen wären unrichtig- weil, wenn jene so häufigen Thiere wirklich leuchte- ten, das Licht derselben schon öfter gesehen seyn müsste, so ist dies einer von den voreiligen Macht- sprüchen, deren man in seiner Abhandlung über die leuchtenden Thiere mehrere findet. Krebsart, von ihm Cancer fulgens genannt, des- sen Licht aus allen Theilen desselben auszuströh- men schien Macartney ebendas. p. 262. . Das Licht der Scolopendra electrica L. ist nicht immer vorhanden. Reaumur Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1723. Ed. d’Amsterd. p. 295. fand dasselbe an einigen dieser Insekten eben so lebhaft, wie an den Johanniswürmchen; an andern hingegen war nichts davon zu bemerken De Geer (Mém. pour servir à l’Hist. des Ins. T. VII. p. 563.) konnte das Leuchten dieser Skolopender nie- mals entdecken. Er verwechselte aber mit der Sco- lopendra electrica die Scolopendra flava. Goeze führt in seiner Uebersetzung des De Geer schen Werks ei- nen Fall an, wo das Leuchten der Scolopendra elec- trica ebenfalls beobachtet wurde. . Linné Abhandl. der Schwed. Akad. d. Wissensch. J. 1746. S. 62. erzählt, die Skolopendern gäben, wenn man sie über den Rücken striche, Funken von sich, und Fouge- roux Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1766. Ed. de Paris. p. 340. bemerkt, manche verbreiteten erst einen Schein, wenn sie zerdrückt wären. Nach Macart- ney A. a. O. p. 281. 287. ist das Leuchten der Skolopender dem An- schein G 2 schein nach mit dem Ausströhmen einer leuchten- den Flüssigkeit aus ihrer Oberfläche verbunden. Dinge, die man mit ihr in Berührung bringt, be- halten das phosphorische Licht einige Sekunden. Doch lässt sich diese Flüssigkeit selbst auf einem sehr klaren Glase und unter der Linse nicht als eine tropfbare Materie erkennen, Macartney will auch noch gefunden haben, dass das Insekt nicht leuchtet, wenn es nicht einige Zeit, die aber nur kurz zu seyn braucht, dem Tageslicht ausgesetzt gewesen ist. Diese Beobachtung bedarf indess ge- wiss noch einer weitern Bestätigung. Die Phosphorescenz der leuchtenden Springkä- fer wurde von Brown Hist. of Jam. p. 432. und Sloane Hist. of Jam. T. II. p. 206. im Va- terland dieser Insekten, und von Fougeroux A. a. O. p. 339. an einem in Frankreich gefundenen Elater nocti- lucus, dessen Larve in Holz von Cayenne zufäl- lig übergekommen war, untersucht. Nach den Beobachtungen dieser Schriftsteller sind die Haupt- stellen, wovon das Licht ausgeht, zwey länglich- runde, mit dünnen, durchsichtigen Platten bedeck- te Stellen zu beyden Seiten des Brustschilds. Au- sserdem ströhmt, nach Fougeroux , zuweilen noch ein lebhaftes Licht am Bauche zwischen der Brust und dem ersten Bauchring aus. Nach Brown sind alle innern Theile des Thiers leuchtend; der Glanz ist ist aber nicht beständig vorhanden. Das Licht verbreitet sich auf fünf bis sechs Zoll weit, gleicht an Lebhaftigkeit dem schönsten Smaragd, und ist so stark, dass man die feinste Schrift dabey lesen kann. Macartney A. a. O. p. 277. hatte Gelegenheit, sowohl den Elater noctilucus, als den Elater ignitus zu zer- gliedern. Er beschreibt die phosphorische Sub- stanz als eine gelbe Materie, die von durchsich- tigen Theilen des Brustschildes bedeckt ist, durch welche beym Tageslicht ihre gelbe Farbe durch- scheint und beym Leuchten ihr Licht durchströhmt. Sie liegt in einer Höhlung dieser durchsichtigen Stellen, ist von eyförmiger Gestalt, und besteht aus einer grossen Menge kleiner, dicht an einan- der gedrängter Lappen. Um beyde ovale Massen ist eine Substanz, die Macartney die Interstitial- Substanz des Bruststücks nennt, in strahlenför- miger Gestalt geordnet. Der Theil des Brust- schilds, der diese strahlenförmige Substanz unmit- telbar bedeckt, ist einigermassen durchsichtig, doch weniger als der, unter welchem die ovalen Massen liegen. Aus dem Innern der letztern ent- steht ein Bündel von Muskeln, der aber, nach Macartney ’s Meinung, mit den, neben ihm lie- genden Bündeln blos zur Bewegung der Füsse dient. Beym Elater ignitus fand Macartney die Theile G 3 Theile der Schaale, unter welchen die leuchtende Materie liegt, nicht so dünn und durchsichtig, wie bey der vorigen Art. Die leuchtende Sub- stanz war hier von sehr unregelmässiger Gestalt, von lockerer Textur, als beym Elater noctilucus, und in ihrem Bau der Substanz gleich, die Ma- cartney die Interstitial-Substanz nennt. Es ist unmöglich, nach dieser Beschreibung mit Gewissheit zu bestimmen, was die phospho- rescirenden Theile bey jenen Springkäfern eigent- lich sind. Durch die Güte meines Freundes, des Herrn von Langsdorff in Rio Janeiro, der ich mehrere, in Weingeist übersandte Exemplare des Elater noctilucus und Elater phosphoreus verdan- ke, bin ich in den Stand gesetzt, Macartney ’s Angaben zu ergänzen. Ich finde die leuchtende Substanz dieser Käfer ganz einerley mit dem Fett- körper derselben, doch an den Stellen, die vor- züglich phosphoresciren, nehmlich zu beyden Sei- ten des Brustschilds, so wie zwischen der Brust und dem Bauch auf der untern Seite des Leibes, von festerer Textur als an den übrigen Stellen. Dort ist sie im Aeussern dem geronnenen Hühner- eyweiss ähnlich; hier hat sie ein mehr körniges Ansehn. Ihre Farbe scheint ursprünglich weiss zu seyn und blos von dem Tageslicht an den durchsichtigen Stellen des Brustschilds gelblich zu werden. Die zwey Massen, die zu beyden Sei- ten dieses Schildes liegen, sind von einem ovalen Ring Ring umgeben, der eine etwas dunkle Farbe hat. Hinter ihnen dringen aus den beyden, unter dem hintern Ende des Brustschilds liegenden Luftlö- chern grosse und zahlreiche Tracheen hervor, die meist zu den Muskeln der Brust und der vordern Füsse gehen, doch zugleich Bündel zarter, paral- lel neben einander liegender Röhren für die leuch- tenden Theile abgeben, die nicht die spiralförmi- gen Dräthe der übrigen Luftröhren haben, deswe- gen leicht mit Muskelfasern zu verwechseln sind, und ohne Zweifel mit der Funktion jener Theile in genauer Beziehung stehen. Der zwischen der Brust und dem Bauch liegende Theil des Fettkör- pers ist von unregelmässiger Gestalt. Hinter ihm steigen aus dem ersten Paar der Bauchstigmate zwey sehr starke Tracheen herauf, wovon er Ae- ste erhält. Nerven gehen zu keiner der leuchten- den Massen. Es ist mir, wenn ich diese Resultate meiner Zergliederungen mit den Beobachtungen Brown ’s und Fougeroux ’s vergleiche, wahrschein- lich, dass der Fettkörper der leuchtenden Spring- käfer allenthalben phosphorescirend ist, dass es die erwähnten Massen nur in höherm Grade we- gen ihres grössern Reichthums an Luftröhren sind, und dass der ganze Rumpf dieser Insekten Licht verbreiten würde, wenn die Undurchsichtigkeit der meisten Theile, womit die Brust und der Bauch bedeckt sind, das Ausströhmen desselben nicht verhinderte. G 4 Von Von dem Pausus sphaerocerus weiss man bis jetzt blos, dass die Fühlhörner einen schwachen Schein verbreiten Afzelius , Transact. of the Linnean Society. Vol. IV. p. 245. . Der Scarabaeus phosphoricus, eine von Luce Journal de Phys. T. XLIV. p. 300. beschriebene Käferart, die im Departement Du Var, und besonders in der Gegend von Grasse, von der Mitte des May bis zur Mitte des July in dunkeln Nächten sehr häufig vorkömmt, sich bey Tagesanbruch aber verbirgt, phosphorescirt am Unterleib. Der Glanz verschwindet, wenn das Thier sich zusammenzieht. Das Ausströhmen des Lichts hängt daher von der Willkühr des Käfers ab. Zerdrückt man den Unterleib, so glänzt der ausfliessende Saft, doch nur einige Minuten. Von der Fulgora laternaria ist es nach den Be- obachtungen der Merian De generat. et metamorph. insect. Surinamensium. p. 49. bekannt, dass die gro- sse Hervorragung am Kopfe dieses Insekts im Dunkeln ein sehr helles Licht verbreitet. Sieber will zwar dasselbe oft in Brasilien zu beobachten Gelegenheit gehabt, aber nie eine Spur von Phos- phorescenz daran bemerkt haben Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin f. d. neuesten Entdeckungen in der Naturk. J. 1. S. 152. . Allein ich zwei- zweifele fast, dass Sieber die wirkliche Fulgora laternaria gesehen hat. Herr von Langsdorff schreibt mir: “Die Fulgora laternaria kömmt hier” (in der Gegend von Rio de Janeiro) “nur höchst „selten vor. Ich habe sie in drey Jahren nur ein „einzigesmal gesehen, und nichts von ihrer Phos- „phorescenz gehört.” Ist indess die Brasilianische Art einerley mit der Surinamischen, so findet wahrscheinlich das Licht des Laternenträgers, wie die Phosphorescenz anderer leuchtender Thiere, nicht zu allen Zeiten und nicht unter allen Um- ständen statt. Macartney A. a. O. p. 279. , der Exemplare sowohl der Fulgora laternaria, als d er Fulgora candelaria, die in Weingeist erhalten waren, untersuchte, fand die Hervorragung derselben hohl und blos mit ei- ner Haut ausgekleidet, zwischen welcher und der hörnernen Schaale eine bleichröthliche, weiche, dünne, bey der Fulgora candelaria in breiten Strei- fen geordnete Substanz lag. Am hintern Ende der Hervorragung befand sich auf jeder Seite eine Oeffnung, die zur innern Höhlung dieses Theils führte. Die Johanniswürmchen (Lampyris) sind unter allen phosphorescirenden Thieren am häufigsten untersucht worden. Vergleicht man die darüber ange- G 5 angestellten Beobachtungen unter sich und mit den bisherigen Erfahrungen über die übrigen leuch- tenden Thiere, so ergeben sich daraus Resultate, mit welchen, wie ich glaube, die Ursache des thierischen Lichts ausser Zweifel gesetzt wird. Es giebt vier Arten dieser Käfer, woran das Vermögen zu leuchten näher beobachtet ist: Lam- pyris noctiluca L., Lampyris splendidula L., Lam- pyris hemiptera Fabr . und Lampyris italica L. Mehrere Beobachter haben diese Arten nicht im- mer gehörig unterschieden, und ihre Erfahrungen sind deshalb zum Theil fast gar nicht brauchbar. Indess beziehen sich auf Lampyris splendidula G. Forster ’s Göttingisches Magazin der Wissensch. u. Litteratur. J. 3. St. 2. S. 281. , Guénau’s de Montbeillard Nouv. Mémoires de l’Acad. de Dijon. A. 1782. Sem. 2. p. 80. , Macartney ’s A. a. O. p. 275. und meine Beobachtungen Vermischte Schriften anatom. u. physiolog. Inhalts. Von G. R. u. L. C. Treviranus . Th. 1. S. 87. ; auf Lampyris noctiluca Hermbstädt ’s Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin. J. 2. S. 248. und Hein- rich ’s Die Phosphorescenz der Körper. 3te Abhandl. Nürnb. 1815. S. 375. Versuche; auf Lampyris italica die Er- fahrun- fahrungen Spallanzani ’s Chimico Essame degli Esperimenti de Sign. Gött. ling sopra la luce del fosforo di Kunkel etc. Mo- dena. 1796. p. 119. , Corradori ’s Annali di Chimica. T. XIII. und von Grotthuss ’s Annales de Chimie. T. LXIV. p. 19. . Die Lampyris italica kömmt bey Spallanzani unter dem Italiänischen Volks- nahmen der Lucciole und Luccioloni vor, von welchen die erstern geflügelt, die letztern unge- flügelt sind. Spallanzani hält beyde für ver- schiedene Arten, weil die Lucciole sich nur einen Monat lang in ihrem Lichte zeigen, da die Luc- cioloni den ganzen Sommer hindurch leuchten. Aber die Lucciole sind sicher die Männchen und die Luccioloni die Weibchen einer und derselben Art. Es verhält sich ohne Zweifel mit der Lam- pyris italica wie mit der Lampyris noctiluca, wo- von das Männchen nur eine kurze Zeit leuch- tet Fougeroux , Mém. de l’Acad, des sc. de Paris. A. 1766. p. 342. . Bey allen diesen Arten ist an dem vollkom- menen Insekt der Sitz des Lichts die mit einer weichen, weisslichen, durchsichtigen Haut bedeck- te untere Seite der drey letzten Bauchringe. Be- sonders glänzen zwey gelbliche Punkte zu bey- den Seiten des letzten Ringes. Diese geben im- mer mer noch Licht, wenn auch alles Uebrige schon erloschen ist Spallanzani. Corradori. Hermbstädt . A. a. O. — P. W. J. Müller in Illiger ’s Magazin für Insekten- kunde. B. IV. S. 175. — Macartney a. a. O. p. 276. . Dem Weibchen ist die Phosphorescenz vor- züglich eigen. Doch scheint auch dem Männchen das Licht bey keiner Art ganz zu fehlen. Nur ist es bey diesem nicht so anhaltend. Nach Fou- geroux A. a. O. stellt sich dasselbe bey dem Männchen der Lampyris noctiluca kurze Zeit nach der Be- gattung ein. Hingegen Sorg Disquis. circa respirat. insect. et vermium. p. 35. fand, dass das Licht dieser Art nach der Begattung beträchtlich abnimmt. Die letztere Beobachtung ist wohl in Beziehung auf das Männchen die richtigere. Das Weibchen der Lampyris splendidula aber leuchtet am stärksten gegen die Zeit des Eyerlegens, und von dieser Art leuchten auch schon die Eyer Guénau de Montbeillard a. a. O. . Die Puppe und die Larve geben ebenfalls schon, und, wie es scheint, bey allen Arten, einen Schein von sich Swammerdamm Bibl. naturae. T. I. p. 283. — De Geer , Mém. présentés à l’Acad. des sc. de Paris. T. II. p. 261. — C. A. Schmid ’s Versuche über die Insek- ten. Th. 1. Gotha. 1803. S. 245. — Guénau de Mont- beillard a. a. O. . Man Man hat behauptet, die Quelle des Lichts die- ser Käfer wären zwey Bläschen, die innerhalb des Leibes unter den beyden, vorzüglich leuch- tenden Punkten lägen, und eine phosphorescirende Flüssigkeit enthielten; das Insekt könnte diese Bläschen willkührlich in den Hinterleib zurückzie- hen, und so das Leuchten vermindern oder ganz einstellen P. W. J. Müller. Corradori . A. a. O. ; man könnte aber durch einen gelin- den Druck die leuchtenden Theile wieder zum Vorschein bringen und den Glanz herstellen Spallanzani a. a. O. . Diese Angaben sind theils richtig, theils unrichtig. Wahr ist es, dass sich die Stärke und Ausdeh- nung des Lichts oft ohne alle bemerkbare Ursa- chen augenblicklich verändern, und daher das Ner- vensystem des Insekts einen Einfluss darauf haben muss. Aber eigene willkührliche Organe, worin die phosphorische Materie enthalten wäre, giebt es nach meinen Untersuchungen nicht. Die in- nern Zeugungstheile sind es, von welchen der Glanz ausgeht. Der Einfluss des Thiers auf das Leuchten geschieht mittelbar, durch das Athem- holen. Schon Perrault Oeuvres de Physique et de Mechanique. p. 472. bemerkte, dass der Glanz beym Einathmen zunimmt und beym Aus- athmen sich mindert. Der Leuchthäfer kann aber, wie alle Insekten, das Athemholen willkührlich beschleunigen und selbst auf einige Zeit ganz hemmen. Die Die aus dem Bauch der Lampyris italica ge- nommenen leuchtenden Theile behalten ihr Licht, so lange sie noch feucht sind. Selbst getrocknet fangen sie nicht selten von neuem an zu leuchten, wenn man sie in Wasser aufweicht. Doch darf das Trocknen nur bey einer gelinden Temperatur von 15 bis 20° R. geschehen, wenn das Vermö- gen zu phosphoresciren erhalten werden soll Spallanzani a. a. O. . Bey dem Männchen dieser Lampyris italica be- merkt man an den leuchtenden Ringen des Bauchs eine zitternde Bewegung, mit deren Zunahme der Glanz zunimmt und mit deren Abnahme derselbe schwächer wird. Bey beyden Geschlechtern nimmt das Licht auch während der willkührlichen Bewe- gungen zu. Nach dem Tode der Leuchtkäfer wird dasselbe durch mechanische Erschütterungen ver- stärkt. Hat der Käfer ganz aufgehört zu leuch- ten, oder phosphorescirt er nur noch schwach, be- sitzt aber in den leuchtenden Bauchringen noch einige Weichheit, so erneuert oder verdoppelt sich der Glanz, wenn man den Bauch mit einer Nadel berührt Spallanzani a. a. O. — Heinrich a. a. O. p. 376. . Einen bedeutenden Einfluss auf den Glanz ha- ben Wärme und Kälte. Nach Hulme Philosoph. Transact. Y. 1800. P. I. p. 161. — Die Art, womit Hulme seine Versuche machte, ist von ihm nicht bestimmt worden. und Hein- rich rich A. a. O. S. 376. hört das Leuchten bey gefrierenden Jo- hanniswürmchen auf, kehrt aber beym Aufthauen zurück, wird verstärkt durch eine Wärme von 36° R. und zerstöhrt durch eine Hitze von 80°. An der Lampyris italica fand Spallanzani , dass das Licht derselben in einer künstlichen Kälte von — 4° R. noch fortdauert, aber von — 5° an zu erlöschen anfängt, und bey — 7° ganz verschwin- det, doch durch Wärme wieder angefacht wird, obgleich die Thiere nicht ins Leben zurückkom- men. Hiermit übereinstimmend ist Schmid ’s A. a. O. S. 242. Bemerkung, dass das Leuchten der Johanniswürm- chen in dem Winterschlaf derselben aufhört, aber zurückkehrt, wenn man sie aus diesem Zustand durch künstliche Wärme erweckt, und mit der Zunahme der Wärme zunimmt, In der abgeson- derten leuchtenden Materie der Lampyris splendi- dula soll indess, nach Macartney A. a. O. p. 283. , der Glanz durch Hitze nicht vermehrt werden. Nicht weniger abhängig ist das Licht von der Beschaffenheit der Luft, worin sich die Thiere be- finden. Wegen des Vermögens der letztern, das Leuchten willkührlich zu vermehren oder zu ver- mindern, ist es aber bey Versuchen über diesen Gegenstand oft schwer, sichere Resultate zu er- halten. Doch stimmen fast alle Erfahrungen darin über- überein, dass der Glanz durch das kohlensaure Gas völlig aufgehoben, durch Stickgas, Wasser- stoffgas und den luftleeren Raum vernichtet, oder wenigstens sehr geschwächt wird, und dass er beym erneuerten Zutritt der atmosphärischen Luft zurückkehrt Razoumowsky , Mém. de la Soc. des sc. physiques de Lausanne. T. II. P. I. p. 240. — Spallanzani. Hulme. Hermbstädt. Von Grotthuss. Heinrich . A. a. O. — Nach Spallanzani und Hulme hört das Leuchten in Stickgas und Wasserstoffgas ganz auf; Hermbstädt hingegen nahm in diesen Gasar- ten und im luftleeren Raum noch ein schwaches Licht wahr. Blos Macartney führt (A. a. O. S. 287.) ei- nen Versuch an, wo keine merkliche Abnahme des Lichts in Wasserstoffgas eingetreten seyn soll. . An der Richtigkeit dieser Resul- tate ist um so weniger zu zweifeln, da die leuch- tende Materie, abgesondert von dem Thier, in jenen Luftarten die nehmliche Veränderung erlei- det Spallanzani a. a. O. . Nicht so ausgemacht ist der Einfluss des Sauerstoffgas auf die Phosphorescenz. G. Forster, Spallanzani und Sorg fanden, dass das Licht der Lampyris splendidula, italica und noctiluca in Sau- erstoffgas beträchtlich zunimmt. Hermbstädt be- obachtete nicht diese Zunahme, wohl aber eine längere Dauer des Leuchtens in Sauerstoffgas, als in atmosphärischer Luft. Hulme und Heinrich konnten gar keine Verstärkung des Lichts in jener Gasart bemerken. Die bejahenden Resultate sind hier hier aber gewiss die richtigern. Der Leuchtkäfer kann durch Einschränkung des Athemholens die Phosphorescenz vermindern, und indem er dies in Sauerstoffgas thut, weniger leuchtend als in atmosphärischer Luft scheinen, wenn auch der Glanz durch jenes Gas wirklich vermehrt wird. Hingegen die Verstärkung des Lichts über den höchsten Grad, den sie im gewöhnlichen Zustand hat, hängt nicht blos von der Willkühr des Thiers ab, sondern diese muss, wo sie statt findet, mit in einer äussern Ursache ihren Grund haben. Bemerkenswerth ist es endlich noch, dass das Licht der Johanniskäfer im Wasser anfangs eben so stark als in der atmosphärischen Luft bleibt, und erst nach einigen Stunden ganz aufhört, in Oel hingegen gleich schwächer wird und bald er- löscht, und dass es nach dem völligen Aufhören auf kurze Zeit mit voller Stärke zurückkehrt, wenn man das Insekt sowohl tod als lebendig in die Dämpfe der rothen rauchenden Salpetersäure bringt Spallanzani. Corradori. Hermbstädt. Von Grotthuss . A. a. O. . Nimmt man alle diese Umstände zusammen, unter welchen die leuchtende Materie der obigen Käfer Licht verbreitet, und vergleicht sie mit de- nen, unter welchen der Kunkel sche Phosphor leuch- V. Bd. H leuchtet, so lässt sich die Gleichartigkeit beyder Materien nicht bezweifeln. Beyde leuchten in at- mosphärischer Luft; bey beyden wird der Glanz durch Bewegung und durch den Einfluss des Sau- erstoffgas verstärkt; beyde erlöschen in Stickgas, Wasserstoffgas und kohlensaurem Gas. Schon G. Forster vermuthete daher mit Recht, dass die leuchtende Materie der Johanniswürmchen ein flüs- siger, mit einer thierischen Materie verbundener Phosphor sey, und Heinrich leitete aus ähnlichen Gründen, wie wir angeführt haben und noch wei- ter mittheilen werden, alle Lichterscheinungen der Thiere und Pflanzen von dem Phosphor ab. Cor- radori hat zwar gegen diese Meinung eingewandt, dass beym Glanz der Leuchtkäfer kein langsames Verbrennen wie beym Leuchten des Phosphors statt fände; dass die Johanniswürmchen auch un- ter Oel glänzten, und dass ihr Licht bey jeder Temperatur fortdauerte, wodurch die Mischung ihrer leuchtenden Materie nicht zerstöhrt würde. Allein der Phosphor der Leuchtkäfer ist in einer eigenen Materie aufgelöst, und durch diese so modificirt, dass in demselben bey einer höhern Temperatur kein plötzliches Verbrennen wie in dem reinen Phosphor entstehen kann. Dass der Phosphor wirklich solcher Modifikationen fähig ist, beweisen Heinrich ’s A. a. O. 2te Abhandl. S. 202. Versuche, nach wel- chen auch der Kunkel sche Phosphor unter gewis- sen sen Umständen in Wasser, in Oel, und selbst noch in einer Kälte von — 3° R. leuchtet. Wenn man jetzt weiter die Lichterscheinun- gen der Leuchtkäfer mit denen der übrigen phos- phorescirenden Insekten, Mollusken, Würmer und Zoophyten vergleicht, so wird man nicht anstehen können, auch für die Ursache des Leuchtens der letztern wirklichen Phosphor anzunehmen. Bey allen diesen Wesen geht das Licht von einer Ma- terie aus, die bald nur auf einen einzelnen Theil beschränkt, bald über den ganzen Körper verbrei- tet ist, überhaupt aber von dem Thier oder Zoo- phyt abgesondert werden kann, und ihren Glanz andern Materien mittheilt; bey allen wird der Glanz durch Bewegung verstärkt, und bey allen, die eine Art von Athemholen äussern, hat dieses auf denselben Einfluss. Wäre es richtig, was Macartney A. a. O. p. 284. 285. beobach- tet haben will, dass bey der Phosphorescenz der Leuchtkäfer eine Wärme von 2° bis 3° F. entbun- den wird, so würde auch diese Thatsache ein wichtiger Beweis unserer Meinung seyn, ohnge- achtet Macartney selber annehmen zu müssen glaubt, dass jene Zunahme der Temperatur nicht Wirkung, sondern blos Begleiterin der Phospho- rescenz des Leuchtkäfers, und die Natur der leuch- ten- H 2 tenden Materie des letztern von der des Phosphors ganz verschieden ist, doch aus Gründen, die wei- ter nichts darthun, als was sich von selber ver- steht, dass das Licht dieser Thiere nicht blos von den äussern Einflüssen, die das langsame Verbren- nen des Kunkel schen Phosphors bewirken, son- dern auch von dem Zustand des Thiers abhängt. Allein bey Macartney ’s Beobachtung konnte so leicht eine Täuschung vorfallen, dass sich nicht darauf bauen lässt. Bey den Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugthieren sind die Phänomene der Phosphores- cenz weit seltener, als bey den Thieren der nie- dern Classen. Von denen, die wir bey ihnen fin- den, sprechen aber ebenfalls mehrere sehr be- stimmt für die Entstehung des Leuchtens aus ei- nem, mit einem thierischen Saft verbundenen Phosphor. Jene Erscheinungen sind: das Leuchten der Eydechseneyer, der phosphorescirende Urin und Schweiss, und das nächtliche Funkeln der Augen mehrerer Säugthiere. Von den Eyern der Lacerta agilis weiss man, dass sie sehr stark im Finstern leuchten Der Naturforscher. B. 3. S. 218. — Deutschlands Fauna. Von J. Sturm . Abth. 3. H. 2. — Lienert in Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. 10. S. 85. . Die Um- Umstände, worunter diese Phosphorescenz erfolgt, sind aber noch wenig beobachtet worden. Nach Gründler Im Naturforscher a. a. O. sollen sich dunkle Eyer durch Be- wegung zum Leuchten bringen lassen. Merkwürdig ist es, dass der Harn der Viverra Mephitis und Viverra Putorius, also eine thieri- sche Flüssigkeit, die Phosphor enthält, in dem Augenblick, wo er von den Thieren gelassen wird, des Nachts einen Glanz von sich giebt Essais sur l’Hist. nat. des quadrupèdes du Paraguay par F. d’ Azara . T. 1. p. 213. — Lanosdorff ’s Be- merkungen auf einer Reise um die Welt. Th 2. S. 184. . Der Urin der letztern Viverre soll, wie Langs- dorff erfuhr, seine phosphorescirende Eigenschaft noch lange in einem Glase behalten. Auch bey Menschen kömmt zuweilen ein leuchtender Urin vor, wie schon im 4ten Band der Biologie (S. 604.) erwähnt ist. Jurine und Pictet in Genf bemerk- ten ihn mehrere mal an ihrem eigenen Harn Journal général de Médécine, redigé par Sedillot . T. XLVIII. A. 1813. Septbre. . Ein leuchtender Schweiss ist bey mehrern Men- schen, unter andern von Henkel In dessen kleinen Schriften. und Hermb- städt A. a. O. , beobachtet worden. In dem von Hermb- städt erwähnten Fall war der Phosphorgeruch an H 3 an dem Schweiss nicht zu verkennen. Selbst vom Körper getrennt, leuchtete dieser noch fort; es war aber nicht möglich, ihn zur Entzündung zu bringen. Mit Recht glaubt Hermbstädt , dass hier ein wahrer Phosphor aus dem Körper entwickelt wurde, den seine Verbindung mit der Materie des Schweisses vor der Entzündung schützte. Das nächtliche Leuchten der Augen ist vor- züglich den Katzen und Hyänen eigen Th. Bartholinus de luce animalium. p. 187. — Bruce ’s Reise nach Abyssinien. Th. 5. S. 116, der Voikmann schen Uebers. . Man findet es aber auch bey den Schaafen F. A. A. Mayer in Lichtenberg ’s Magazin f. d. Neueste aus der Physik u. Nat. Gesch. B. VIII. St. 3. S. 106. , den Pfer- den, den Geschlechtern Canis und Mustela Pallas in Rudolphi ’s Beyträgen zur Anthropologie u. allgem. Naturgesch. S. 57. , und selbst beym Menschen. Bey den Katzen und dem Menschen scheint es im Sommer häufiger als im Winter, überhaupt aber nur zu gewissen Zeiten Mayer a. a. O. — Sachs Historia duorum Leu- caethiopum, auctoris ipsius et sororis eius. Solisbaci. 1812. p. 52. , und bey den Katzen vielleicht erst in einem ge- wissen Alter Heinrich a. a. O. Abhandl. 3. S. 385. einzutreten. Das Licht der Kat- zenaugen zeigt sich vorzüglich, wenn sie in einer lauern- lauernden Stellung sitzen, wenn sie über etwas Ungewöhnlichem stutzen, und wenn sie gereitzt werden. In den beyden erstern Fällen ist es matt, trübe und grünlich; im letztern Fall schiesst es stossweise hervor, und die Augenblicke des stär- kern Leuchtens sind von Bewegungen der Augen begleitet Mayer a. a. O. — Steinbuch in Hufeland ’s u. Himly ’s Journal der praktischen Arzney- u. Wund- arzneyk. B. 35. S. 54. . Es findet auch an Orten statt, wo- hin kein Lichtstrahl dringt, und muss also, wo nicht in allen, doch in manchen Fällen aus dem Auge selber kommen Heinrich a. a. O. . An Menschenaugen ist das Leuchten blos von G. T. L. Sachs , der mit seiner Schwester zu den Albinos gehörte und mit ihr solche phosphorescirende Augen besass, näher beobachtet worden. Seiner Erzählung nach zeigte sich das Licht bey ihnen oft selbst des Tages an einem nicht zu hellen Ort als ein matter, bläu- licher Schimmer. Am späten Abend und in der Nacht erschien es als ein lebhafter, gelblicher Glanz, der in der Gestalt von feurigen Scheiben oder Kugeln aus dem Innern der Augen hervor- brach. Die Kugeln wälzten sich hin und her, und aus ihnen schossen oft zolllange Strahlen her- vor. Bey beyden Geschwistern war das Licht gleich nach der Geburt und im kindlichen Alter am H 4 am lebhaftesten und häufigsten. In ihren spätern Jahren hatte das Licht dann die grösste Stärke, wenn sie sich in tiefem Nachdenken befanden. Zu dieser Zeit war auch das Oscilliren der Augen, das sie mit andern Albinos gemein hatten, am leb- haftesten Sachs a. a. O. . Sachs bemerkt nicht, ob er vermittelst jenes Lichts im Finstern Gegenstände habe unterscheiden können. Bey einigen Menschen muss aber ein phosphorisches Licht der Augen hierzu stark ge- nug gewesen seyn. Unter andern besassen der Kaiser Tiberius Suetonius in vita Tiberii . c. 68. , Cardan und C. F. Michae- lis , ein Leipziger Arzt, bekannt durch seine viele deutsche Uebersetzungen ausländischer medicini- scher Schriften Schlichtegroll ’s Nekrolog für das 19te Jahrhun- dert. B. 3. S. 337. , das Vermögen, im Finstern zu sehen. Bey Tiberius und Cardan fand dasselbe gleich nach dem Erwachen, doch bey dem erstern dann nur auf kurze Zeit, statt. Michaelis hatte es eine Reihe Jahre vor seinem Tode sehr oft, doch in Zwischenräumen, Abends sowohl als Nachts, und bey ihm war es so stark, dass er dabey die kleinste Schrift hätte lesen können und die nächsten Gegenstände ihm rings umher er- leuchtet erschienen. Die Die letztern und Heinrich ’s erwähnte Be- obachtungen sprechen gegen Gruithuisen ’s Beyträge zur Physiognosie u. Eautognosie. München. 1812. S. 199. Mei- nung, dass Brechung, Reflexion und Opalisiren die einzigen Ursachen des Leuchtens der Augen sind. Pallas glaubte Wie Rudolphi (A. a. O. S. 57.) erzählt. , dass das Licht der Au- gen aus der Netzhaut hervorströhme und eine elektrische Wirkung derselben sey. Ich weiss nicht, welche Gründe Pallas für seine Meinung gehabt hat. Wahrscheinlich ist sie aber nicht. Aus dem Innern des Auges entsteht das Licht ohne Zweifel. Ob es aber von der Retina und nicht vielmehr von dem Pigment der Traubenhaut und des Ciliarkörpers ausgeht, darüber geben die bisherigen Beobachtungen keinen Aufschluss. Eine elektrische Erscheinung ist das Licht gewiss nicht. Der matte, trübe Schimmer desselben und das von Zeit zu Zeit eintretende stärkere Hervorschie- ssen von Strahlen, welches immer mit Oscillatio- nen des innern Auges verbunden ist, lassen ver- muthen, dass diese Erscheinung mit den übrigen leuchtenden Phänomenen der Thiere und Zoophy- ten in einerley Classe gehört, und ebenfalls in der Absonderung einer, dem Kunkel schen Phos- phor verwandten Materie ihren Grund hat. §. 2. H 5 §. 2. Phosphorescenz abgestorbener Pflanzen und Thiere. Manche vegetabilische und thierische Substan- zen, die während des Lebens keine Spur von Licht zeigen, äussern phosphorische Erscheinun- gen unter gewissen Umständen nach dem Tode, und diese verhalten sich gegen äussere Einwir- kungen ganz so wie das Licht lebender Körper. Wenn also die im vorigen §. aufgestellte Theorie des letztern Phänomens richtig ist, so werden sich dessen Bedingungen auch bey jenem Licht abgestorbener Theile von Pflanzen und Thieren wiederfinden müssen. Unter den vegetabilischen Substanzen ist es vorzüglich das abgestorbene, aber noch nicht in wirkliche Fäulniss übergegangene Holz John (Chemische Untersuchungen mineralischer u. s. w. Substanzen. 4te Forts. S. 245.) hat eine Beobach- tung von Phosphorescenz ganz frischen Fichtenholzes. der Bäu- me, besonders der Pfahlwurzeln P. Heinrich , die Phosphorescenz der Körper. Abh. 3. S. 316 fg. , welches Phos- phorescenz zeigt. Man hat zwar auch an Wur- zeln und Knollen krautartiger Gewächse, z. B. an Valerianawurzeln Kortum in Voigt ’s Magazin f. d. neuesten Zustand der Naturk. B. 2. St. 1. S. 67. und Kartoffeln Voigt ’s Magazin für das Neueste aus der Physik u. Naturgesch. B. 7. St. 2. S. 74. , ein Leuch- Leuchten wahrgenommen. Aber diese Beobach- tungen gehören zu den seltenern. Das Licht des phosphorescirenden Holzes ist mir immer als ein weisslicher Glanz vorgekom- men. Es dauert nur in atmosphärischer Luft und in Sauerstoffgas, nicht aber in reinem kohlensau- ren Gas, Wasserstoffgas, Schwefelwasserstoffgas, Salpetergas und im luftverdünnten Raum eine län- gere Zeit fort A. v. Humboldt ’s Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises. S. 200. — Spallanzani Chimico Essame degli Esperimenti de Sign. Gött- ling etc. — Gärtner in Scherer ’s Journal der Chemie. B. 3. S. 14. — Bökmann ebendas. B. 5. S. 8. — Hulme , Philos. Transaet. Y. 1801. p. 483. — Heinrich a. a. O. S. 332. , also blos in Gasarten, die nicht nur Sauerstoff enthalten, sondern denen dieser Stoff auch durch einfache Verwandtschaft entzogen werden kann. Zugleich findet zuweilen eine Ver- minderung des Volumens dieser Gasarten Spallanzani a. a. O. — Gärtner a. a. O. S. 16. 18. — Bökmann a. a. O. S. 9. — Dessaiones , Journ. de Physique. A. 1809. Juillet. p. 250. und Bildung von kohlensaurem Gas Bökmann . S. 9. 10. — Dessaignes a. a. O. , jedoch, nach Heinrich A. a. O. S. 335. , nur bey wirklicher Fäulniss des Hol- zes, statt. Nach Nach diesen Erfahrungen scheint jenes Leuch- ten ein schwacher Verbrennungsprocess zu seyn. Von andern Seiten zeigt dasselbe zwar Eigenhei- ten, die bey andern Oxydationsprocessen nicht zugegen sind. Aber diese Abweichungen lassen sich aus der Verschiedenheit der innern Bedingun- gen des Leuchtens vegetabilischer und anderer Sub- stanzen erklären. Nothwendige Bedingungen der Fähigkeit zum Leuchten sind für das Holz Feuchtigkeit und ge- hemmter Zutritt der freyen Luft. Beyde sind dies aber nur insofern, als sie die zur Phosphorescenz erforderliche Zersetzung des Holzes vermitteln Gärtner . S. 5. — Heinrich . S. 323. . Es giebt einen Grad von trockner Wärme, über welchem das Leuchten aufhört. Nach Hum- boldt ’s Versuchen A. a. O. S. 215. — M. vergl. Gärtner a. a. O. S. 11. fällt derselbe zwischen 30 und 32° R. (99½° und 104° F.). Allein diese An- gabe ist nicht allgemein gültig. Hulme A. a. O. fand, dass leuchtendes Holz bey einer Temperatur von 96° F. noch sehr schön phosphorescirte, und bey 110° noch nicht völlig erloschen war. Heinrich A. a. O. S. 326. sahe phosphorescirendes Holz auf der Platte eines eisernen Ofens, die eine Stunde lang ziemlich gleichförmig bis zum Siedepunkt erhitzt war, erst nach nach anderthalb Stunden erlöschen. Auf jeden Fall zerstöhrt die Hitze den Glanz blos dadurch, dass sie den zur Fortdauer desselben erforderli- chen Grad von Feuchtigkeit aufhebt. Aus der nehmlichen Ursache hört das Leuchten eben so- wohl beym Gefrieren, als bey zu grosser Hitze auf, kehrt aber beym Aufthauen allmählig zu- rück Hulme. Heinrich . A. a. O. . Der Glanz verschwindet binnen wenig Minu- ten in alkalischen Auflösungen, Alcohol, Schwe- feläther und tropfbarflüssigen Säuren Humboldt . S. 217. — Bökmann . S. 20. 21. — Gärt- ner . S. 15. — Heinrich . S. 329. . Etwas länger, doch höchstens nur eine halbe Stunde, dauert er in gesättigten Auflösungen von Mittel- salzen Heinrich . S. 330. . Alle diese Substanzen heben die Phos- phorescenz auf, indem sie die zum Leuchten er- forderliche Mischung des Holzes zerstöhren. Durch das Eintauchen in Alcohol, Salpeter- und Koch- salzauflösung wird die Lichtentwickelung erst ver- mehrt, ehe sie verschwindet Gärtner . S. 12. 13. — Heinrich . S. 330. — Des- saignes a. a. O. . Erhöhet wird die Phosphorescenz durch eine mässige Wärme Hulme. Dessaignes , A. a. O. , und, wie ich in Einem Fall be- bemerkt zu haben glaube, durch mässiges Reiben des Holzes. Heftiges Reiben aber zerstöhrt das Vermögen zu leuchten Gärtner . S. 9. . Das Licht dauert sechs bis vier und zwanzig Stunden fort in Wasser, sowohl frischem, als aus- gekochtem und destillirtem Humboldt . S. 212. 214. — Gärtner . S. 10. — Bökmann . S. 20. — Heinrich . S. 328. , in frischem Men- schenharn Gärtner . S. 13. , in Oel Baconi de Verul . Sylv. sylvar. Cent. IV. §. 352. — Bökmann . S. 21. und in Quecksilber Heinrich . S. 329. . Sogar im luftverdünnten Raum und in allen irre- spirablen Gasarten phosphorescirt das Holz wenig- stens eine kurze Zeit, und in einigen, unter an- dern in phosphorhaltigem Wasserstoffgas und in Phosphor-Stickgas, selbst ziemlich anhaltend. Man kann auch das Holz in irrespirablen Gasarten viel- mal nach einander erlöschen lassen, ohne dass dadurch das Vermögen des Gas, die Phosphores- cenz eines frisch hineingebrachten Stückes Holz einige Zeit zu gestatten, merklich geschwächt würde Bökmann . S. 11. 25. — Heinrich . S. 333. — Des- saignes a. a. O. . In allen diesen Fällen wird ohne Zwei- fel das Leuchten durch die in den Zwischenräu- men des Holzes befindliche Luft unterhalten. Das Das Leuchten des Holzes zeigt sich also ganz als eine Erscheinung, die dem in einer niedrigen Temperatur statt findenden Glanz des Kunkel schen Phosphors ähnlich, und mit der Phosphorescenz lebender Zoophyten und Thiere von einerley Art ist. Mit der letztern kömmt auch dasjenige Licht ganz überein, welches mehrere thierische Körper nach dem Tode verbreiten. Man hat diesen Glanz an dem Fleisch sowohl warmblütiger, als kaltblü- tiger Thiere beobachtet Beobachtungen über die Phosphorescenz des Fleisches von Menschen, Ochsen, Schaafen und andern Säug- thieren finden sich beym Bartholin (De luce animal. p. 169. 176. 180.), Fabricius ab Aquapendente (De oculo. Cap. 14.), Boyle (Works. T. III. p. 304.), Bea- le (Philos. Transact. Vol. XI. p. 599.) und Bernoul- li (Ueber das Leuchten des Meers. S. 135.). Bar- tholin führt eine Beobachtung von Vesling an, die näher untersucht zu werden verdiente. In genere, sagt er, de cerebro recentium mactatorum pecudum tenuius dissecto me monuit illustris Eques J. Veslin- gius , Anatomicorum iam splendor, nitorem aliquem luminis evidenter oculis usurpari. (L. c. p. 169.) Hul- me (Philos. Transact. Y. 1800. p. 161.) sahe Kaulquap- pen in Auflösungen von Küchensalz und Glaubersalz, und Spallanzani (A. a. O.) eine todte Sepia offici- nalis phosphoresciren. . Aber vorzüglich ge- ben ihn die Seefische von sich Heinrich (A. a. O. S. 364.) hat ein Verzeichniss der Fi- . Mit diesen Fi- schen schen stellten Canton Philos. Transact. Vol. LIX. p. 446. , Martin Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1761. , Spallan- zani A. a. O. , und Hulme Philos. Transact. Y. 1800. p. 161. Y. 1801. p. 483. Versuche an, von deren Resultaten folgende die wichtigern sind. Nur die der Fäulniss vorhergehende Zerset- zung der erwähnten thierischen Körper ist von Phosphorescenz begleitet; mit dem Eintritt der Fäulniss hört das Leuchten auf Spallanzani (a. a. O.) versichert zwar, dass an einer Sepie, die er leuchten sahe, der Glanz erst im Zustande der wirklichen Fäulniss eingetreten sey. Aber alle übrige Beobachter stimmen darin überein, dass das Licht mit der eigentlichen Fäulniss ver- schwindet. Unter andern machte schon Bartholin (De luce animal. p. 182.) diese Bemerkung an leuch- tendem Ochsenfleisch. . Eine bemerkbare Wärme-Entbindung findet bey diesem Leuchten nicht satt Hulme a. a. O. . Das Fische, woran das Leuchten bisher wahrgenommen ist, zusammengetragen, dem sich noch Hablizl ’s Be- obachtungen über das Leuchten des Acipenser Sturio und der Perca Lucioperca (in den Neuen Nordischen Beyträgen. B. IV. S. 13.) beyfügen lassen. Süsswasser- fische lassen sich ebenfalls durch Einsalzen zum Leuchten bringen. Doch gelingt der Versuch nur selten. ( Heinrich . A. a. O. S. 378.) Das Licht zeigt sich nur in atmosphärischer Luft und in Sauerstoffgas. Es erlöscht in kohlen- saurem Gas, Wasserstoffgas, Schwefelwasserstoff- gas, Salpetergas und dem luftverdünnten Raum. Das in kohlensaurem Gas, Wasserstoffgas, Schwe- felwasserstoffgas und dem luftverdünnten Raum erloschene Licht erscheint von neuem in atmo- sphärischer Luft. Salpetergas hingegen zerstöhrt dasselbe gänzlich Hulme u. Spallanzani . A. a. O. — In der Wir- kung des Sauerstoffgas und des Stickgas auf das Fisch- licht stimmen beyde Beobachter nicht überein. Hul- me fand das Licht in Sauerstoffgas nicht merklich stärker, Spallanzani hingegen doppelt so stark als in atmosphärischer Luft. Dieser bemerkte, dass der Glanz in Stickgas völlig verschwand; jener hingegen will gefunden haben, dass die Stickluft das auf ei- nen Kork gestrichene Fischlicht glänzender machte und länger erhielt, doch auch das Fischfleisch ver- hinderte, leuchtend zu werden. . In einer kälteerzeugenden Mischung von Schnee und Seesalz hört das Leuchten auf, bey einer Er- höhung der Temperatur kehrt es aber zurück Hulme a. a. O. . Eine mässige Wärme verstärkt dasselbe; bey einer höhern Temperatur aber erlöscht das Licht gänzlich Hulme a. a. O. — Nach Canton beträgt diese Tem- pera- . Was- V. Bd. I Wasser, worin Zucker, Honig, weinsteinsau- res Natron, phosphorsaures Natron, und andere Salze aufgelöst sind, nimmt die leuchtende Ma- terie auf und behält sie mehrere Tage. Doch ist dies nur der Fall, wenn die Quantität des auf- gelösten Salzes ein gewisses Verhältniss nicht überschreitet. Gesättigte Auflösungen zerstöhren das Licht sogleich. Der Glanz kehrt aber zu- rück, wenn man die Auflösung mit Wasser ver- dünnt Hulme a. a. O. . Durch die Bewegung solcher Auflösung wird das Licht derselben verstärkt Canton u. Hulme a. a. O. . Hier sind ganz die nehmlichen Erscheinungen wie bey der Phosphorescenz lebender Thiere, das nehmliche Verhalten des Lichts in respirablen und irrespirablen Gasarten, die nehmliche Zunahme des Glanzes bey einer mässigen Erhöhung der Temperatur und dessen Verschwinden bey einem höhern Grade der Hitze und Kälte, dieselbe Mit- theilung des leuchtenden Stoffs an wässrige Flüs- sigkeiten, und die stärkere Lichtentwickelung bey Bewegungen dieser Auflösungen. §. 3. peratur 118° F. Sie ist hier also um 8 bis 10° F. höher, als beym leuchtenden Holz. §. 3. Entwickelung von Feuer im menschlichen Körper. Nach den bisherigen Gründen fehlen zum völ- ligen Beweise, dass die angeführten phosphori- schen Erscheinungen Wirkungen eines wahren Phosphors sind, der im gewöhnlichen Zustand durch seine Verbindung mit andern Materien vor dem eigentlichen Verbrennen geschützt und auf das blosse Leuchten beschränkt ist, nur noch Fälle einer wirklichen Entwickelung von Feuer im In- nern lebender Thiere, die eine Entzündung jenes Phosphors zur Ursache haben müssen. Beyspiele dieser Art sind meines Wissens noch nicht bey Thieren wahrgenommen worden. Hingegen von Menschen, die durch ein, aus ihrem Innern her- vorgebrochenes Feuer verbrannt sind, giebt es mehrere Beobachtungen. Ich führe hier nur ei- nen ältern Fall und zwey neuere Beyspiele, nebst den, aus einer Vergleichung aller bisherigen Er- fahrungen sich ergebenden allgemeinen Resultaten an, und verweise wegen der übrigen Beobachtun- gen auf Lair ’s und Kopp ’s Schriften Versuch über das Verbrennen menschlicher Körper nach einem langen Missbrauch geistiger Getränke. Von P. Aimé Lair . Aus d. Franz. übers. von C. W. Ritter . Hamburg. 1801. — J. H. Kopp ’s aus- führliche Darstellung und Untersuchung der Selbst- verbrennungen des menschl. Körpers in gerichtl. medic, patholog. Hinsicht. Frankf. 1811. . Der I 2 Der ältere Fall, den ich mittheilen werde, ist nach einem Florenzer Journal in der Bibliotheque salutaire (Paris. 1801.) von Fouquet erzählt. Ich wähle diesen als Beyspiel, da er in Lair ’s Schrift nicht enthalten ist, und mehrere zu allgemeine Folgerungen des letztern dadurch eingeschränkt werden. Don G. Maria Bertholi , ein Priester, der auf dem Berge Valere im Distrikt Levizzano wohn- te, begab sich Geschäfte halber auf den Jahrmarkt zu Filetto. Nachdem er den ganzen Tag mit Hin- und Hergehen in der umliegenden Gegend zuge- bracht hatte, kehrte er gegen Abend zu Fenile bey einem seiner, dort wohnhaften Schwäger ein. Hier liess er sich in das für ihn bestimmte Zim- mer führen und ein Schnupftuch auf die Schul- tern unter das Hemd legen. Man verliess ihn, da er sein Gebet verrichten wollte. Einige Minu- ten nachher hörte man in diesem Zimmer ein Ge- räusch und dazwischen das Geschrey des Priesters. Die zu Hülfe gekommenen Hausgenossen fanden Bertholi auf dem Boden ausgestreckt und mit einer kleinen Flamme umgeben, die sich bey der Annäherung der Leute immer mehr entfernte und endlich verschwand. Man leistete ihm gleich allen Beystand, den man ihm zu verschaffen im Stande war, und rief den folgenden Tag einen Wund- arzt. Battaglia von Ponte-Bosio, herbey, den- selben, der die Nachricht von diesem Vorfall nach- her her bekannt gemacht hat. Dieser fand die Be- deckungen des rechten Arms, so wie die Haut des Vorderarms und die Integumente zwischen den Schultern und Lenden, fast ganz vom Fleische abgelöst und in Lappen herabhängend. Alle Versuche, den Brand an den verletzten Thei- len zu verhüten, waren fruchtlos. Der Kranke bekam Fieber mit Verstandesverwirrung, heftigen Zuckungen, brennendem Durst, anhaltendem Er- brechen und fauligem Stuhlgang, und starb den vierten Tag, nachdem er zwey Stunden in einem tiefen Schlaf gelegen hatte, der von den Sympto- men der äussersten Fäulniss begleitet war. Auf Befragen des Wundarztes, wie die Sache zuge- gangen sey, antwortete der Kranke, er habe einen Schlag wie von einer Keule auf dem rechten Arm gefühlt und zu gleicher Zeit einen Feuerfunken an seinem Hemde hängen gesehn, welcher dieses augenblicklich in Asche verwandelt hätte, ohne doch die Vorderermel mit zu ergreifen. Das Schnupftuch, das er sich auf die blosse Haut der Schultern hatte legen lassen, die Unterhosen und die Haupthaare fand man nicht einmal versengt. Die Mütze hingegen war ganz verzehrt. Die Nacht, worin sich der Vorfall ereignete, war ruhig und die Luft rein. Man bemerkte keinen empyreu- matischen oder harzigen Geruch und keinen Rauch im Zimmer. Die vorher mit Oel gefüllte Lampe war trocken und der Doeht in Asche verwandelt. I 3 Von Von den beyden neuern Fällen ist der eine im Märzheft des 46sten Bandes des Journal de Médécine, rédigé par Sedillot , erzählt. Am 12ten December 1812 fand man im Dorfe Morigny bey Etampes in der Nähe eines Kamins, worin Feuer angemacht gewesen, aber wieder ausgegan- gen war, die noch rauchenden und widrig rie- chenden Ueberbleibsel des Körpers einer Wittwe Paris . Die Schenkel und fast der ganze Rumpf waren eingeäschert; die Beine mit den daran be- findlichen wollenen Strümpfen, Socken und Holz- schuhen waren noch übrig; der Kopf war nicht verzehrt, doch sehr entstellt, und lag auf dem Rand eines grösstentheils verbrannten Eimers; auf dem Kopf fand sich ein Stück einer Frauenhaube. Neben der Leiche traf man einen Stuhl und einen Blasebalg an, die meist verbrannt waren. Die Umgekommene hatte gekränkelt und der Angabe nach an der Epilepsie gelitten, war aber nie dem Trunk ergeben gewesen. Zwey Tage vor ihrem Tode war sie von Etampes krank nach Hause ge- bracht geworden, und sieben Stunden vor demsel- ben hatte man sie noch gesehen. In dem andern, von Scherf in Kopp ’s Jahr- buch der Staatsarzneykunde (Jahrg. 5. S. 135.) mitgetheilten Beyspiel war der Verbrannte ein acht und vierzig jähriger, starker Branntewein- trinker, den man auch den Abend vor seinem Tode betrun- betrunken in seinen Kleidern zu Bett gebracht hatte. Das Gesicht, die rechte Hand und die grosse Zehe des rechten Fusses waren verzehrt oder verkohlt, hingegen alle vom Bett, worin der Mann gelegen hatte, und von Kleidungsstücken bedeckt gewesenen Theile unversehrt. Das Bett und die Decke hatten von dem Brand wenig ge- litten. Die letztere war aber mit einer russigen, schmierigen Materie überzogen, und das Zimmer mit einem undurchsichtigen, stinkenden Dampf angefüllt, der den darüber befindlichen Fussbo- den des zweyten Stockwerks sehr warm gemacht hatte. Feuer war nicht in dem Zimmer gewesen. Lair schloss aus den von ihm gesammelten Erfahrungen, dass alle die Personen, welche ein- geäschert wurden, Frauenzimmer, bejahrt und dem Trunke ergeben waren. Die eben erzählten Geschichten beweisen, dass dieser Satz nicht in allen Fällen gilt. Lair glaubt ferner, dass die Entzündung in jenen Fällen nicht von selber ent- standen, sondern durch ein äusseres Feuer veran- lasst worden sey. Dies ist aber eine ganz uner- wiesene Voraussetzung. Weder in der Geschichte des Bertholi , noch in mehrern, von Lair sel- ber angeführten Beobachtungen ist von einem äu- ssern Feuer die Rede, welches die Entzündung hätte verursachen können. In dem obigen, von Scherf bekannt gemachten Fall ist ausdrücklich I 4 be- bemerkt, das in dem Zimmer, worin die Verbren- nung vorfiel, kein Feuer gewesen wäre. Richtig ist es hingegen 1) dass in den meisten Fällen nicht, wie bey Bertholi und in dem von Scherf erzählten Fall, blos die äussern Theile verbrannt wurden, son- dern dass gewöhnlich vom ganzen Körper nur die Hände, Füsse und einige Knochen übrig blieben; 2) dass man vor diesem gänzlichen Verbren- nen kein Angstgeschrey hörte, dass also das Feuer im Innern des Körpers entstanden seyn und äusserst schnell sich verbreitet haben muss; 3) dass nicht selten das Feuer der ergriffenen Theile durch aufgegossenes Wasser noch stärker angefacht wurde; 4) dass das Feuer die dem brennenden Körper nahen, zum Theil sehr brennbaren Gegenstände meist sehr wenig beschädigte und oft ganz ver- schonte; 5) dass nach dem Verbrennen des Körpers eine fette, widrig riechende Asche und ein schmie- riger, stinkender Rust zurückblieben. Diese Umstände führen unmittelbar auf den Schluss, dass Selbstentzündung eines im ganzen Zellgewebe entbundenen und angehäuften phos- phorhaltigen Wasserstoffgas die Ursache jener Ver- brennungen ist. Bekanntlich hat das Phosphorgas einen einen widrigen, fauligen Geruch; es entzündet sich schon bey der blossen Berührung der atmo- sphärischen Luft mit einer Explosion und einer lebhaften Flamme, und lässt nach dem Verbren- nen einen weissen Rauch zurück. Diese Hypo- these hat die Analogie unzweifelhafter Beyspiele für sich, wo eine, sich an der Atmosphäre ent- zündende Luft, die nichts anders als Phosphor- wasserstoffgas seyn konnte, aus lebenden sowohl als aus todten Körpern hervordrang Kopp a. a. O. S. 62 fg. . Bey ihr begreift man, wie die Entzündung so augenblick- lich tödten kann. Man hat zugleich an der Ex- plosion, die in dem Phosphorgas bey der Berüh- rung mit der atmosphärischen Luft entsteht, einen sehr wahrscheinlichen Grund des Schlages, den Bertholi beym Eintritt der Entzündung auf dem rechten Arm fühlte. Nimmt man dagegen mit Lair den im ganzen Körper verbreiteten und durch ein äusseres Feuer zufällig angezündeten Dunst des im Uebermaass getrunkenen Weins oder Brannteweins für die Ursache des Verbrennens an, so setzt man voraus, was nicht ausgemacht ist, dass alle, die an einer solchen Entzündung um- kamen, Säufer waren, und dass alle zufällig von aussen in Feuer gesetzt wurden. Man nimmt au- sserdem hierbey seine Zuflucht zu der Hypothese, dass der thierische Körper von dem Dunst des Wein- I 5 Weingeiste bis zur Entzündung durchdrungen wer- den kann, einer Meinung, die jeder geradezu für unrichtig erklären muss, dem bekannt ist, dass nur der Nahrungscanal der Säufer, und dieser blos unmittelbar nach der Berauschung, einen Alcohol- geruch verbreitet, dass aber aus den Geschwüren dieser Unglücklichen ein stinkendes, fressendes Wasser hervordringt. Tritt man Kopp ’s Meinung bey, nach welcher blosses, im Zellgewebe ver- breitetes Wasserstoffgas der entzündete Stoff, und ein Funken, der aus einem hohen Grad von thie- rischer Elektricität entstand, der Grund der Ent- zündung war, so nimmt man eine doppelte Ursa- che an, wo eine einzige hinreichend ist, und über- sieht, dass die Entzündung in den meisten Fällen vom Innern des Körpers ausgegangen seyn muss, also von Orten, wo schwerlich elektrische Funken entstehen können, und dass blosses Wasserstoffgas ohne Zumischung von Sauerstoffgas, an dessen Abscheidung im menschlichen Körper nicht zu denken ist, sich nicht anzünden lässt. Kopp glaubt zwar, man könne blosses Phosphorwasserstoffgas nicht für die Ursache der Verbrennung annehmen, weil dabey der plötzliche Ausbruch des Feuers unerklärt bleibe. Aber dieser bleibt bey jeder Hypo- these unerklärt, wenn man nicht voraussetzt, dass das brennbare Gas, oder der entzündbare Dunst entweder plötzlich entbunden wurde, oder doch plötzlich an Stellen gelangte, wo er sich entzün- den den konnte. Dass übrigens häufig nur die unbe- deckten Theile des Körpers verbrannten, rührte wohl daher, weil die unter den Kleidungen stok- kende und mit Kohlenstoff überladene Luft zur Unterhaltung der Flamme nicht so tauglich als die weniger verdorbene Atmosphäre in der Nähe der unbekleideten Theile war. Es giebt also Fälle, wo der im thierischen Körper sich bildende Phosphor, der in der Regel nur leuchtet, indem er durch andere Materien an dem Verbrennen gehindert ist, auf eine krankhafte Art auch Verbindungen eingeht, vermöge welcher er in eine Entzündung geräth, die eine völlige Zerstöhrung des menschlichen Körpers nach sich zieht. §. 4. Allgemeine Resultate der Untersuchungen dieses Abschnitts. Von der Wärme sahen wir im vorigen Ab- schnitt, dass sie, die Bedingung alles Lebens ist, durch die höhern Formen des thierischen Lebens selber hervorgebracht wird. Unsere bisherige Un- tersuchungen lehren, dass sich von dem Lichte nichts Aehnliches aussagen lässt. Dieses ist nur Bedingung des vegetabilischen Lebens, und gerade im Pflanzenreich sind phosphorische Phänomene sehr selten. Blos unter den Thieren und Zoophy- ten giebt es Arten, bey welchen Lichtentbindun- gen zu den fortdauernden Erscheinungen des Le- bens bens gehören. Bey ihnen aber hat dieser Process keine unmittelbare Beziehung auf das Leben über- haupt, sondern nur Einfluss auf einzelne Funk. tionen. Das Licht mehrerer leuchtender Insekten scheint der Begattung wegen auszuströhmen. Bey den phosphorescirenden Zoophyten kann dieser Zweck nicht statt finden. Hier ist vermuthlich die leuchtende Materie ein ähnlicher Auswurfsstoff, wie bey den Thieren der höhern Classen der Harn und die Materie der Hautausdünstung. Eine eige- ne Substanz ist es aber immer, von welcher das Licht ausgeht, und diese hat alle Eigenschaften eines wahren Phosphors, den blos seine Vereini- gung mit andern thierischen Stoffen an dem Ver- brennen hindert. Bey den meisten Körpern wird diese Substanz nur in einzelnen Theilen abgeschie- den. Doch giebt es vielleicht einige, deren gan- zer Körper davon durchdrungen ist. Durch Bewe- gung und durch den Zutritt der atmosphärischen Luft zum Innern des Körpers wird das Licht der phosphorischen Materie verstärkt. Davon und von dem Athemholen rührt es her, dass der Glanz bey den Medusen und einigen andern Organismen, de- ren Körper sich abwechselnd zusammenzieht und erweitert, regelmässig zunimmt und nachlässt, auch dass er durch Anstrengungen willkührlicher Mus- keln vermehrt wird und insofern von dem Willen des Thiers abhängig zu seyn scheint. Dritter Dritter Abschnitt. Thierische Elektricität . W ärme und Licht kennen wir mit Bestimmtheit als Bedingungen des Lebens. Nicht so ausgemacht ist es, ob auch äussere elektrische Einflüsse allge- mein mitwirkend bey der Unterhaltung dieses Zu- standes sind. Wir finden allerdings bey einigen Thieren sehr auffallende elektrische Erscheinungen. Es ist möglich, dass diese nur mit gewissen ein- zelnen Formen des Lebens in Beziehung stehen. Es ist aber auch möglich, dass sie im mindern Grade allgemein verbreitet sind, und dass die Kraft, worin sie ihren Grund haben, mit zu denen ge- hört, von welchen die Fortdauer des allgemeinen Lebens abhängt. Zu einer Sammlung der bisheri- gen Erfahrungen über diesen Gegenstand scheint mir hier der passendste Ort zu seyn. Haller zog aus mehrjährigen Beobachtungen den Schluss, dass der Erdmagnetismus mit den Mondphasen zusammenhinge, indem die obere Pollänge einer senkrecht auf dem Horizont stehen- den Stange von weichem Eisen allemal beym Mond- wechsel am grössten würde. Schneider in Fulda, der der Haller ’s Beobachtungen wiederholte, fand jenes Resultat nicht bestätigt, entdeckte aber Ano- malien in den Veränderungen der Pollänge, die sich, wie er glaubt, nur von der Einwirkung des Beobachters auf den Magneten erklären lassen Meteorologische Hefte, von C. C. Haberle . B. 1. St. 2. (Weimar. 1811.) S. 111. . Die Voraussetzung einer solchen Einwirkung, die nur elektrischer Art seyn kann, ist nicht blos hypothetisch. Hemmer stellte an sich und andern Personen eine sehr grosse Menge (seiner Versiche- rung nach über drittehalbtausend) Versuche an, deren Hauptresultat war, dass von jedem Men- schen zu allen Zeiten eine Elektricität ausgeht, die in der Regel positiv zu seyn scheint, oft aber, z. B. nach starken körperlichen Bewegungen, sich in die entgegengesetzte verwandelt Hist. et commentat. Acad. sc. Theodoro-Palat. Vol. VI. physic. p. 119. . Hemmer’n gelang es zwar nicht, sie anders als durch den Condensator bemerklich zu machen. Es giebt aber auch Fälle von Entwickelung eines hohen, sich ohne Condensation äussernden Grades von Elek- tricität in Körpern aus ganz verschiedenen Classen des Thierreichs, die nicht, wie einige Fische, eigene elektrische Organe besitzen. Cotugni erhielt einen elektrischen Schlag, in- dem eine lebende Maus, die er zu öffnen im Be- griff griff war, ihren Schwanz heftig gegen einen sei- ner Finger bewegte Litterary Magazine. Y. 1790. May. p. 337. — Lich- tenberg ’s u. Voiot ’s Mag. f. d. Neueste aus d. Phy- sik u. s. w. B. VIII. St. 3. S. 121. . Wenn man, nach Remer ’s Erfahrung, eine lebende Katze bey trockner Luft auf den Schooss nimmt, ihr die linke Hand auf die Brust legt, und sie mit der rechten über den Rücken streicht, so erzeugen sich erst einzelne Funken aus dem Pelz der Katze, und dann bekömmt man einen starken Schlag, welcher oft weit über die Hand- wurzeln beyder Arme heraufgeht. In dem nehm- lichen Augenblick springt das Thier mit einer Aeu- sserung des Schreckens auf, und lässt sich selten zu einem zweyten Versuch bewegen Gilbfrt ’s Annalen der Physik. B. XVII. St. 1. S. 31. . Hiermit verwandt ist Chladni ’s Beobachtung an einem Kater, der bey trockner Luft in der Wärme durch Streichen elektrisch gemacht und isolirt, sich wie die innere und äussere Belegung einer isolirten Ladungsflasche verhielt, indem sich abwechselnd aus dem Kopf und dem hintern En- de des Rückens desselben, niemals aber aus bey- den Theilen zu gleicher Zeit, Funken ziehen lie- ssen Voiot ’s Mag. f. d. neuesten Zustand der Naturk. B. I. St. 3. S. 79. . Nach Nach Molina ’s Naturgeschichte von Chili. S. 175. und Vidaure ’s Geschichte des Königreichs Chili. S. 63, 64. Angabe bringt die Sepia hexapodia mit der blossen Hand angegriffen, in dieser eine Erstarrung hervor, die einige Augenblicke anhält. In der Naturaliensammlung des Bremischen Museum befindet sich ein Exemplar des Alcyonium Bursa mit der handschriftlichen Nachricht des ehemaligen Besitzers desselben, eines Apotheker Melm , dass er bey der Berührung des ihm von Helgolander Fischern gebrachten, lebenden Zoo- phyts eine elektrische Erschütterung erhalten habe. An die bisherigen Thatsachen schliessen sich die Erscheinungen der elektrischen Fische, (Raia Torpedo, Gymnotus electricus, Silurus electricus, Trichiurus indicus, Tetrodon electricus). Hier sind es zwar eigene Organe, welche die Elektrici- tät erzeugen. Wir werden aber finden, dass die Verschiedenheit derselben von gewissen Theilen anderer Thiere nicht so gross ist, wie man erwar- ten könnte. Der am längsten bekannte unter jenen Fischen ist der Zitter - oder Krampfrochen (Raia Tor- pedo). Schon Aristoteles Hist. anim. L. II. c. 13, 15. , Aelian De animal. nat. L. I. c. 36. , Op- pian pian Halieut. L. I. c. 104. und Plinius Hist. mundi. L. IX. c. 42. erwähnen der betäuben- den Kraft desselben. Redi Esperienze intorno a diverse cose naturale. Firenze. 1671. war der Erste, der ihn genauer beobachtete. Dieser beschrieb die Em- pfindung näher, die von der Berührung des Thiers entsteht, lieferte eine Anatomie desselben, und äu- sserte die Vermuthung, dass die beyden sichelför- migen Organe, die zwischen den Kiemen und dem Kopf liegen, die Theile wären, von welchen die Erschütterung ausginge. Nach Redi gab dessen Schüler Lorenzini seine Beobachtungen über den Zitterrochen Osservazioni intorno alle torpedine. Firenze. 1678. heraus, worin er alle innern Theile dieses Rochens, besonders die erschütternden Or- gane, noch ausführlicher als sein Lehrer und sehr genau darstellte. Hierauf erschien eine Abhand- lung von Reaumur über die Wirkungen jenes Fi- sches Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1714. p. 447. Ed. d’Amsterd. , die aber ausser der, durch spätere Er- fahrungen bestätigten Bemerkung, dass die Schläge nicht zu allen Zeiten erfolgen, und ausser einer Schilderung der erschütternden Werkzeuge, eine unrichtige Hypothese enthält. Reaumur glaubte wahrgenommen zu haben, dass der Krampfrochen, ehe V. Bd. K ehe er einen Schlag geben will, seinen sonst con- vexen Rücken einzieht und zuweilen selbst concav macht, und dass der letztere bey der Austheilung des Schlages plötzlich wieder convex wird. Auf diese Beobachtung gründete Reaumur die Meinung, dass die Wirkungen des Fisches blos mechanischer Art seyen, eine Hypothese, die durch alle nachhe- rige Erfahrungen völlig widerlegt ist. Unterdess wurde noch ein zweiter Fisch, der Zitteraal (Gymnotus electricus), als gleichfalls mit einer erschütternden Kraft versehen, bekannt. Die erste Nachricht davon gab Richer Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. T. I. p. 176. T. VII. p. 325. . Nach diesem erwähnten desselben Condamine Voyage dans l’Amérique méridionale. 1743. und In- gram Neue physikalische Belustigungen. B. 1. (Prag. 1770.) S. 288. . Gronov beschrieb ihn zuerst genauer Acta Helvet. T. IV. p. 26. , und fügte seinem Aufsatz die Beobachtungen eines Ungenannten über die erschütternden Wirkungen des Fisches bey, die manche richtige, aber auch einige, mit spätern, zuverlässigen Erfahrungen nicht übereinstimmende Angaben enthalten. In- gram hatte schon erwähnt, dass der Schlag durch Eisen, nicht aber durch Holz fortgepflanzt wird. Gravesande , Holländischer Gouverneur von Esse- quebo quebo Verhandel. van het Maatsch. te Haarlem. D. 2. Bl. 372. , und van der Lott , Wundarzt dieser Colonie Ebendas. D. 6. S. 2. Bericht. Bl. 87. , bemerkten ausserdem, dass Metalle über- haupt den Stoss des Zitteraals leiten, Siegellack und Wachs ihn aber aufhalten. Sie schlossen hier- aus, der Schlag müsse elektrischer Art seyn. Mu- schenbroek äusserte mit ihnen fast zu gleicher Zeit Hist. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1760. p. 21. , und Bankroft Essay on the natural History of Guiana. London. 1769. p. 191. einige Jahre später die- selbe Meinung. Im Jahr 1773 bewies J. Welsh durch zahl- reiche Versuche, dass auch die Schläge des Krampf- rochens elektrischen Ursprungs sind Philos. Transact. Y. 1773. p. 461. . Er fand, dass diese Erschütterungen von den Conduktoren der Elektricität geleitet, von den Isolatoren der- selben aufgehalten werden; dass dieselben sich so- wohl durch eine Kette von mehrern Personen, als durch einen beträchtlich langen Metalldrath, den zwey Personen halten, von welchen die eine die obere, die andere die untere Fläche des Fi- sches berührt, fortpflanzen, und dass die Empfin- dung, die der Schlag des Rochens hervorbringt, die K 2 die nehmliche ist, die man bey der Entladung ei- ner Leidener Flasche erhält. Bald nach Welsh machte Ingenhouss Beob- achtungen über den Torpedo bekannt Ebendas. Y. 1775. p. 1. , welche ebenfalls Gründe für die Gleichheit der erschüt- ternden Kraft dieses Fisches mit der Elektricität lieferten, und um dieselbe Zeit erschienen H. Wil- liamson ’s Ebendas. p. 94. und A. Garden ’s Ebendas. p. 102. Versuche mit dem Zitteraal, wodurch alle noch übrige Zweifel, dass dessen Erscheinungen sowohl mit denen des Krampfrochens, als mit den Wirkungen der Lei- dener Flasche im Wesentlichen übereinstimmen, gehoben wurden. Nur darin war die Uebereinstimmung noch nicht vollständig, dass man bey allen den ange- führten Versuchen weder am Krampfrochen, noch am Zitteraal jemals Funken bemerkt hatte, dass keiner dieser Fische auf das Elektrometer wirkte; dass der Schlag schon durch einen Zwischenraum der einander gegenüberstehenden Enden zweyer Messingdräthe, der nach Williamson beym Zit- teraal nur den funfzigsten Theil eines Zolls be- trug, unterbrochen und daher auch nicht durch eine messingene Kette fortgepflanzt wurde, wenn dieselbe nicht sehr gespannt, oder der Schlag sehr heftig war. Diese Diese Verschiedenheiten hatte indess schon Welsh A. a. O. p. 475. von der verschiedenen Verdichtung der Elektricität abgeleitet. Er bemerkte, dass die Elek- tricität einer geladenen Flasche von nicht mehr als sechs Quadratzoll Belegung eine zolldicke Luft- schicht durchbricht und die Erscheinungen von Licht, Schall, Anziehung und Abstossung hervor- bringt, dass aber die nehmliche Kraft über eine vierhundertmal so grosse Fläche vertheilt, nicht durch eine Luftschicht geht, die nur den hun- dertsten Theil eines Zolls dick ist, keinen Funken und keinen Schall bewirkt, und auf leichte Kör- per weder anziehend noch abstossend wirkt, doch aber bey Herstellung des elektrischen Gleichge- wichts einen beträchtlich langen Leiter durchbricht und ihren Durchgang den Personen, die sich in der Kette befinden, fühlbar macht. H. Cavendish Philos. Transact. Y. 1776. p. 196. bewies die Richtigkeit die- ser Meinung Welsh ’s durch noch andere Erfah- rungen, und verfertigte einen künstlichen Zitter- rochen, womit sich die Erscheinungen des wirk- lichen Fisches nachahmen liessen. Der Apparat bestand anfangs aus einer hölzernen, mit Leder überzogenen, nachher blos aus einer ledernen, auf beyden Seiten mit einer Zinnplatte belegten Tafel. An jede der beyden Belegungen war ein Metall- drath K 3 drath gelöthet, der durch eine Glasröhre ging. Der eine Drath wurde mit der äussern, der andere mit der innern Belegung einer aus 49 Flaschen von sehr dünnem Glase bestehenden Batterie verbun- den, nachdem der lederne Ueberzug der Tafel vor- her mit Salzwasser getränkt worden war. Wurde die Batterie geladen und berührte eine Person die Tafel mit der einen Hand an der einen, mit der andern an der entgegengesetzten Belegung, so er- hielt sie einen ähnlichen Schlag wie vom Zitterro- chen, und, wenn die Belegung hinreichend stark war, auch dann, wenn sich die Tafel unter Wasser befand. Der künstliche Zitterrochen gab zwar auch einen Schlag, wenn man ihn nur mit Einer Hand an der einen Belegung berührte. Nach spätern Erfahrungen verhält sich aber der wirkliche Fisch auf dieselbe Weise. Während Cavendish mit diesen Untersuchun- gen beschäftigt war, erhielt Welsh vier lebendige Zitteraale aus Surinam, woran es ihm glückte, auch das, was bisher zum völligen Beweise des elektrischen Ursprungs der Schläge dieses Fisches noch gefehlt hatte, elektrische Funken, sichtbar zu machen. Er leitete den Schlag durch einen, auf eine Glasscheibe geklebten und in der Mitte durchschnittenen Staniolstreifen, und sahe mit Pringle, Magellan und Ingenhouss den Fun- ken von der einen Hälfte des Streifens zur andern über- überspringen Journ. de Phys. A. 1776. Oct. p. 331. — Ingenhouss ’s vermischte Schriften, physisch-med. Inhalts. Uebers. von Molitor . B. 1. S. 412. . In der Folge wiederhohlte Fahl- berg diesen Versuch an einem, von Surinam nach Stockholm gebrachten, lebenden Zitteraal mit glei- chem Erfolg Vetensk. Acad. nya Handlingar. 1801. Quart. 2. p. 122. . Anziehung oder Zurückstossung leichter Körper, und Wirkungen auf das Elektro- meter zeigten sich indess auch bey diesen Versu- chen eben so wenig als bey den frühern und bey den neuesten, durch Humboldt und Bonpland Récueil d’observat. de Zoologie et d’Anat, comparée. Vol. 1. p. 81. gemachten Beobachtungen. Die drey übrigen elektrischen Fische (Silurus electricus, Trichiurus indicus, Tetrodon electri- cus) sind noch bey weitem nicht so häufig und so genau wie die beyden erwähnten Arten unter- sucht worden. Den lebenden Zitterwels beobach- teten bisher blos Adanson Hist. nat. du Sénégal. p. 134. und Forskål Descriptiones animalium. p. 16, unter der unrichti- gen Benennung Raia Torpedo . , den Trichiurus indicus Nieuhof Brasiliaense Zee- en Lant-Reize. Amsterd. 1682. p. 270. Nieuhof nennt diesen Fisch Meeraal . Was er von den elektrischen Wirkungen desselben sagt, und den elek- tri- K 4 ist trischen Tetrodon Paterson Philos. Transact. Y. 1786. p. 382. . So mangelhaft die Nachrichten dieser Schriftsteller aber auch sind, so ergiebt sich doch daraus, dass die erschüttern- den Wirkungen jener Fische mit denen des Krampf- rochens und Zitteraals im Wesentlichen ganz über- einstimmen Den Schlag des Zitteraals vergleicht sowohl Adan- son als Forskål mit dem der Leidener Flasche, und jener bemerkt, dass die Erschütterung sich durch ei- nen 5 bis 6 Fuss langen eisernen Stab fortpflanzte. . Ueber den elektrischen Ursprung der eigenen Erscheinungen aller dieser Thiere findet also kein Zweifel weiter statt. Aber schwürig ist die Beant- wortung der Frage, wie die Elektricität derselben erzeugt wird? Ausser den schon erwähnten Schrif- ten enthalten vorzüglich Kämpfer ’s Amoenitat. exot. p. 514. , Spallan- zani ’s Journ. de Phys. A. 1783. Sept. — A. 1786. Avril. , Aldini ’s, Mojon ’s und Galvani ’s In Aldini ’s Essai théorique et experimental sur le Galvanisme. T. II. p. 61. , Gay-Lussac ’s und Humboldt ’s Annales de Chimie. T. LXV. p. 15. , und Todd ’s Philos. Transact. Y. 1816. p. 120. Beob- ist blos Folgendes; Men bespeurt iet byzonders in deze meir-aelen: want de genen, die hen dooden of ontwyden, worden als met schriken beving, ja by- wyle met slaeute bevangen: hoewel die niet lang deurt: maer anstonts overgaet en ophoudt. Beobachtungen über den Zitterrochen, so wie Ba- jon ’s Mém. pour servir à l’Hist. de Cayenne. T. II. p. 288. , Bryant ’s Transact. of the American Society. Vol. II. p. 166. und Flagg ’s Ebendas. p. 170. Erfahrungen über den Zitteraal, Gründe zur Beantwortung die- ser Frage, die wir jetzt in Betrachtung ziehen und dann mit dem, was die bisherigen anatomischen Untersuchungen der elektrischen Fische in Betreff des Baus ihrer erschütternden Organe gelehrt ha- ben, vergleichen wollen. Ein Hauptresultat, das sich aus allen jenen Beobachtungen ergiebt, welches aber zugleich die Bestimmung der Gesetze, nach welchen die Kraft der elektrischen Fische wirkt, sehr erschwert, ist dieses, dass die Schläge von der Willkühr des Thiers abhängen Welsh , Phil. Trans. Y. 1773. p. 472. — William- son , A. a. O. — Spallanzani A. a. O. Avr. 1786. — Gay-Lussac u. Humboldt , A. a. O. — Todd , A. a. O. p. 125. . Humboldt Récueil d’Observat. Vol. I. p. 71. 72. glaubt sogar aus seinen Versuchen schliessen zu müssen, dass der Zitteraal dem Schlage eine willkührliche Rich- tung zu geben vermag. Man hat hierauf nicht immer Rücksicht genommen und nach einzelnen trüglichen Beobachtungen Gesetze aufgestellt, die keinesweges gültig sind. Ich werde diese, nicht hin- K 5 hinreichend begründete Erfahrungen von den zu- verlässigern absondern, und zuerst die letztern zusammenstellen. Der Krampfrochen besitzt das Vermögen, elek- trische Schläge zu geben, schon als Foetus Spallanzani , a. a. O. Sept. 1783. . Der Sitz der elektrischen Kraft sind bey ihm sowohl, als beym Zitteraal und Zitterwels, die schon im ersten Bande der Biologie (S. 293. 299. 302.) erwähnten, eigenen Organe. Mit der Ausschnei- dung dieser Theile geht jene Kraft verlohren Spallanzani ebendas. Avr. 1786. . Die elektrischen Organe stehen durch starke und zahlreiche Nervenstämme mit dem Gehirn oder Rückenmark in Verbindung, und in diesem ihrem Zusammenhang liegt eine Hauptbedingung ihrer Wirksamkeit. Man kann den elektrischen Fischen das Herz ausschneiden, und sie sind noch eine Zeitlang im Stande, Schläge zu geben. Aber mit der Zerstöhrung des Gehirns, oder der Durch- schneidung jener Nerven hört ihr Erschütterungs- vermögen auf Spallanzani ebendas. — Humboldt u. Bonpland , Récueil. I. p. 73. — Todd . p. 123. 124. 125. . Doch bleibt beym Zitterrochen das elektrische Organ der einen Seite noch wirk- sam, wenn auch das der andern Seite ausgeschnit- ten ist, oder wenn dessen Nerven durchschnitten sind Todd . p. 124. . Spal- Spallanzani A. a. O. fand, dass der Krampfrochen seine erschütternde Kraft nach dem Abziehen der Haut von der Oberfläche der elektrischen Organe verliert. Wenn diese Erfahrung richtig ist, so scheint eine zweyte Bedingung der Wirksamkeit dieser Organe bey jenem Rochen zu seyn, dass das Innere derselben unentblösst seyn muss. Die Schläge der elektrischen Fische fanden alle frühere Schriftsteller denen der Leidener Flasche ähnlich. Diese Analogie findet auch nach neuern Beobachtungen statt. Doch ist sie nach Gay-Lus- sac ’s, Humboldt ’s und Bonpland ’s Récueil. I. p. 72. Erfahrun- gen durchdringender, erschütternder, im mindern Grade mit dem Gefühl des Sehnenhüpfens verbun- den, und der Empfindung zu vergleichen, welche das Galvanisiren der durch ein Blasenpflaster der Oberhaut beraubten Schultermuskeln erregt. Die Stärke der Schläge steht mit der Lebens- kraft des Fisches in Verhältniss. Starke Zitterro- chen geben heftigere Stösse als schwache Todd . p. 123. . Kurz vor dem Tode gehen die Schläge dieses Thiers in leichte, schnell auf einander folgende Erschütte- rungen über, die ohngefähr die Empfindung ver- ursachen, wie ein klopfendes, zwischen den Fin- gern gehaltenes Herz Spallanzani a. a. O. Sept. 1783. . Mit Mit der Austheilung der Schläge ist ein be- trächtlicher Aufwand an Lebenskraft von Seiten des Fisches verbunden Humboldt u. Bonpland . p. 72. . Ein Torpedo, dem Todd die Nerven der elektrischen Organe zerschnit- ten hatte, ohne ihn vorher zu Aeusserungen sei- ner elektrischen Kraft zu reitzen, behielt länger seine Lebhaftigkeit und starb später als ein ande- rer, der sich durch öfteres und anhaltendes Aus- theilen von Schlägen erschöpft hatte Todd . p. 124. . Die Ein- gebohrnen von Venezuela rauben dem Zitteraal die Elektricität, um sich seiner bemächtigen zu kön- nen, indem sie ihn reitzen, seine Kraft an Pferden auszulassen, die in den Sumpf getrieben sind, worin er sich aufhält. Die von der Anstrengung ihres Erschütterungsvermögens entkräfteten Fische kommen zur Oberfläche des Wassers, vielleicht um durch Athmen der atmosphärischen Luft ihre verlorne Kraft zu ersetzen, wozu ihnen eine Schwimmblase behülflich zu seyn scheint, die zwi- schen den elektrischen Organen liegt und weit län- ger als bey den nicht elektrischen Gymnotusarten ist Humboldt u. Bonpland . p. 55. 63. . Von schwächern Schlägen können indess diese Fische, so wie die Krampfrochen, eine sehr grosse Menge ununterbrochen austheilen. Welsh p. 470. erwähnt erwähnt eines Versuchs, wo ein Torpedo über 100 Stösse in einer Minute gab. Der Krampfrochen und der Zitteraal wirken heftiger in der Luft als im Wasser Bajon . p. 301. — Welsh . p. 466. — Fahlberg a. a. O. — Gay-Lussac u. Humboldt a. a. O. — Hum- boldt u. Bonpland . p. 79. . Die Elektricität, sowohl die Galvanische, als die der elektrischen Maschine, bringt eben so starke Zusammenziehungen in den Muskeln der elektri- schen Fische, als in denen der übrigen Thiere, hervor Aldini . T. l. p. 49. . Humboldt erregte die heftigsten Zuk- kungen im Körper eines Zitteraals, indem er ei- nen Einschnitt an der Brustflosse mit Zink armirte und dieses durch Silber mit der Spitze der Flosse in Verbindung setzte Humboldt u. Bonpland . Recueil. p. 80. — Bey ei- nom andern Galvanischen Versuch an den beyden, noch sehr reitzbaren Hälften eines unter dem Herzen durchschnittenen Gymnotus wirkte hingegen der Me- tallreitz blos auf das Herz, nicht auf die willkührli- chen Muskeln. (Ebendas. p. 73.) Diese, aller Analo- gie widersprechende Beobachtung bedarf aber wohl einer nähern Bestätigung. . In Betreff der bisherigen Thatsachen sind alle Beobachtungen übereinstimmend. Frägt man aber, ob an den elektrischen Fischen eine ähnliche Po- larität wie an der Leidener Flasche statt findet, so erhält erhält man sehr verschiedene Antworten. Welsh p. 473. fand, dass eine isolirte Person, welche die elek- trischen Organe des Zitterrochens blos oben, oder blos unten berührte, keinen Stoss erhielt; dass die Erschütterung erfolgte, wenn sie Einen Finger an eine Stelle der Organe legte und zugleich mit ei- nem andern Finger einen der umliegenden Theile berührte, und dass der Schlag am heftigsten war, wenn die entgegengesetzten Oberflächen der Orga- ne mit einander in Verbindung gesetzt wurden. Er schloss hieraus, dass die obern und untern Flä- chen der elektrischen Organe eine entgegengesetzte Elektricität hätten. Spallanzani A. a. O. Avr. 1786. bemerkte hin- gegen, dass man einen, obgleich nur schwachen Stoss erhält, wenn man diese Theile nur an Einer Fläche berührt, man mag dabey isolirt seyn, oder nicht. Gay-Lussac ’s und Humboldt ’s A. a. O. p. 18. Erfah- rungen stimmen mit Spallanzani ’s Beobachtung überein. Ihrer Angabe nach erhält man, wenn der Fisch den Schlag geben will, die Erschütte- rung, man mag die elektrischen Organe nur an einer einzigen Stelle auf der einen Seite, oder an zwey Stellen auf beyden Seiten anfassen, und man mag auf einer isolirenden Unterlage, oder auf ei- nem leitenden Fussboden stehen; doch nimmt die Stärke des Schlages mit der Grösse der Berührungs- fläche fläche zu, und eine isolirte Person bekömmt nur bey der unmittelbaren Berührung einen Schlag. Auch die besten elektrischen Leiter halten bey der lsolirung den Stoss auf. Setzt man sich aber mit zwey verschiedenen Stellen des Rochens durch Lei- ter in mittelbare Verbindung, so erfolgt die Er- schütterung. Werden bey dem letztern Versuch die beyden Leiter mit einander in Berührung ge- bracht, so ist wieder alle Wirkung des Fisches auf die Person, die beyde Leiter in Händen hat, aufgehoben. Diese Beobachtungen scheinen zu beweisen, dass Polaritäten an den elektrischen Organen des Zitterrochens vorhanden sind. Aber sie lassen auch noch eine andere Deutung zu. Welsh glaub- te bey seinen Versuchen mit dem Zitteraal einen eigenen Sinn dieses Fisches entdeckt zu haben, vermittelst welchem derselbe wahrnähme, ob er an den Thieren, die in seinen Wirkungskreis kä- men, seine volle Kraft auslassen könne, oder nicht. Er fand z. B., dass wenn von mehrern Personen, die eine Kette bildeten, die beyden äussersten den Fisch berührten, die Erschütterung immer eintrat, wenn die Kette völlig geschlossen war, dass aber kein Schlag erfolgte, wenn die Kette vor der Be- rührung unterbrochen wurde Ingenhouss ’s vermischte Schriften. B. 1. S. 415. . Giebt es wirk- lich einen solchen Sinn und besitzt diesen auch der der Zitterrochen, so kann es seyn, dass bey den obigen Versuchen über die Unwirksamkeit des Tor- pedo auf eine isolirte, ihn nur an einer einzelnen Stelle berührende Person, die Erschütterung nicht darum ausblieb, weil die Person isolirt war, son- dern weil der Fisch seine Kraft gar nicht äusserte, und so beweisen jene Erfahrungen nicht, was sie sonst beweisen würden. Die elektrischen Organe des Zitterwels und Zitteraals sind von denen des Krampfrochens zu verschieden, als dass sich von ihnen auf diese schliessen liesse, wenn über ihr elektrisches Ver- hältniss auch keine Ungewissheit übrig wäre. Dies ist aber auch noch keinesweges der Fall. So viel ist gewiss, dass der Schlag der beyden erstern Fische empfunden wird, wenn man sie auch nur an einer Stelle unmittelbar oder durch einen Lei- ter berührt Forskål a. a. O. — Garden a. a. O. — Hum- boldt u. Bonpland , Récueil. I. p. 70. . Allein bey den bisherigen Versu- chen über diesen Punkt geschahe die Berührung immer von nicht völlig isolirten Personen, und es bleibt zweifelhaft, ob nicht eine Zuleitung zu noch andern als den berührten Stellen des Fisches durch den Fussboden oder durch das Wasser dabey statt fand. Einige Beobachtungen scheinen für eine sol- che Zuleitung zu sprechen. Humboldt Récueil. I. p. 75. erhielt kei- keinen Schlag von einem Zitteraal, als er diesen reitzte, während derselbe auf trocknem Holz lag und er ebenfalls auf solchem Holz stand; er be- kam aber Erschütterungen in den Knien und Ar- men, als er den Versuch auf trocknem, von den Sonnenstrahlen erhitzten Quarzsand anstellte. Gar- den A. a. O. berührte einen Zitteraal, der schon sehr entkräftet war, ohne allen Erfolg blos mit Einer Hand. Hielt er aber die eine Hand an den Fisch, so erfolgte der Stoss schon, wenn er die andere Hand blos in das Wasser tauchte, worin sich das Thier befand, ohne dasselbe zu berühren. Der Zitteraal, womit Fahlberg A. a. O. V. Bd. Versuche machte, gab einen Schlag, wenn man ihn auch nur mit Einer Hand berührte, doch einen schwächern, als wenn man ihn mit der einen Hand um den Hals, mit der andern um den Schwanz fasste. Diese Er- fahrungen sind indess, näher geprüft, von keinem grossen Gewicht. Es ist unwahrscheinlich, dass bey dem Humboldt schen Versuch trockner und heisser Quarzsand weniger sollte isolirt haben, als trocknes Holz, und dass der Schlag des Zitteraals, der bey Williamson ’s Versuchen schon durch eine messingene Kette aufgehalten wurde, wenn er nicht sehr heftig oder die Kette sehr gespannt war, durch den Quarzsand sollte fortgepflanzt seyn. Noch L Noch schwerer ist es mit den Gesetzen der Leidener Flasche zu vereinigen, dass wenn jemand, nach Williamson A. a. O. drey Fuss, nach Bankroft A. a. O. acht oder zehn Fuss weit von dem Zitteraal einen Finger im Wasser hält, er in dem Augenblick, wo der Fisch von einer andern Person berührt wird, einen heftigen Stoss erhält, und dass man, einer der von Gronov A. a. O. mitgetheilten Beobach- tungen zufolge, schon die Wirkung des Zitteraals empfindet, wenn man funfzehn Fuss weit von demselben, und selbst in einer noch grössern Ent- fernung, die Hand ins Wasser taucht. Das Wahrscheinlichste nach allen den erwähn- ten Erfahrungen ist, dass die Kraft der elektri- schen Fische mehr mit der Elektricität der Volta - ischen Säule, als mit der der Leidener Flasche übereinkömmt. Volta hat eine Einrichtung sei- ner Säule angegeben, bey welcher in der That auch diese Uebereinstimmung sehr auffallend ist. Er stellt zwey oder mehrere Säulen so neben ein- ander, dass sie nur eine einzige bilden, wenn ihre obern Enden mit einander verbunden werden. In einer geringen Entfernung über diesen obern En- den ist ein stark genässtes Leder angebracht, wel- ches heruntergedrückt eine Leitung zwischen ih- nen bewirkt. Von den beyden Enden des ganzen Appa- Apparats gehen zwey Dräthe in ein Gefäss mit Wasser, und stehen in demselben einige Zoll von einander ab. So oft man das nasse Leder herab- drückt und dadurch die Kette schliesst, erhält der, welcher seine Hände unweit der Dräthe im Was- ser hält, einen Schlag. Ist die Säule sehr stark und das Wasser sehr rein, so bekömmt man den Schlag, auch wenn die Hände sich eine Spanne und noch weiter ausserhalb dem Kreislauf befin- den; ist hingegen Salz im Wasser aufgelöset, wenn auch so wenig, dass man es kaum schmeckt, so weicht der elektrische Strom nicht so weit seit- wärts aus, und man erhält viel schwächere Schlä- ge, oder fühlt sie auch erst, wenn man die Hände in die Kette selbst bringt Bibliotheque britannique. Vol. 58. No. 4. — Volta hat noch verschiedene Abänderungen dieses Apparats beschrieben, die aber im Wesentlichen mit dem obi- gen übereinstimmen. . Eine andere Frage, auf welche man ebenfalls von den bisherigen Beobachtern keine übereinstim- mende Antworten erhält, ist die: Ob der Zitterro- chen beym Austheilen seiner Schläge auch Bewe- gungen äussert? Reaumur wollte, wie schon an- geführt ist, Zusammenziehungen der Rückenmus- keln kurz vor der elektrischen Wirkung am Tor- pedo bemerkt haben. Welsh Phil. Trans. Y. 1773. p. 463. hingegen fand, dass L 2 dass jedesmal, wenn der Fisch einen Schlag gab, seine Augen sich niederzogen, an dem übrigen Körper aber nur eine geringe Erschütterung längs der Knorpel, welche die elektrischen Organe be- gränzen, statt fand. Spallanzani A. a. O. Avr. 1786. nahm weder dieses Niederziehn der Augen, noch am ganzen Körper des Rochen irgend ein anderes Merkmal wahr, woraus sich schliessen liess, dass eine Er- schütterung erfolgen würde. Nach Gay-Lussag und Humboldt A. a. O. bewegt das Thier die Brustflos- sen convulsivisch, so oft es den Schlag giebt. Tott A. a. O. p. 122. fand wieder Welsh ’s Angabe von der Be- wegung der Augen des Fisches bey der elektri- schen Wirkung desselben bestätigt. Dieser bemerk- te zugleich dabey ein Anschwellen der obern Flä- che der elektrischen Organe, besonders nach vorn. In einigen Fällen konnte er aus diesen Bewegun- gen jedesmal abnehmen, ob eine andere Person, die den Torpedo in der Hand hielt, eine Erschüt- terung bekam. Er gesteht indess, dass in man- chen Fällen auch Schläge erfolgen, ohne dass sich eine Bewegung des Fisches wahrnehmen liess. Die richtigste Folgerung aus diesen widersprechenden Beobachtungen ist wohl, dass die Bewegungen des Zitterrochens bey den Aeusserungen seiner elektri- schen Kraft nichts Wesentliches sind. Wären sie dies, dies, so müssten sie auch bey den elektrischen Er- scheinungen des Zitteraals statt finden, von dem es aber ausgemacht ist, dass er die heftigsten Er- schütterungen bey völliger Ruhe seines Körpers giebt Humboldt u. Bonpland , Récueil. Vol. I. p. 71. . Ausser Widersprüchen giebt es aber auch Un- richtigkeiten in den bisherigen Erfahrungen über die elektrischen Fische. So ist es nach Welsh ’s Versuchen A. a. O. p. 471. ganz unrichtig, wenn Kämpfer er- zählt, eine Person, die bey der Berührung des Zitterrochens den Athem anhielte, bekäme keine Erschütterung. Wahr ist es aber, dass es Men- schen giebt, die eben so unempfänglich für die Stösse der elektrischen Fische, wie einige für den Schlag der Leidener Flasche sind Sparrmann (Reise nach dem Vorgeb, der guten Hoffn. Uebers. von Groskurd . S. 26.) kannte einen Mann, der den Zitterrochen ohne alle Erschütterung handhaben konnte. Nach Flagg ’s Versicherung (A. a. O.), die mir indess wenig Glauben zu verdienen scheint, sollen Menschen, welche die Auszehrung ha- ben, den Zitterrochen ohne Nachtheil berühren kön- nen. — Beyspiele von Unempfindlichkeit für Elektri- cität erzählen Muschenbroek (Introd. ad philos. na- tur. §. 832. No. 3.), Fahlberg (A. a. O.) und Clos (Journ. de Phys. T. LIV. p. 316.) — Man könnte vermuthen, dass auch der Zitteraal diese Unempfind- lich- . Zu den Un- rich- L 3 richtigkeiten gehören auch G. W. Schilling ’s Be- hauptungen Nouv. Mém. de l’Acad. des sc. de Berlin. A. 1770. p. 68. , dass der Zitteraal vom Magnet an- gezogen wird und die Magnetnadel in Bewegung setzt; dass er in der Nähe eines Magnets seine elektrische Kraft verliert, diese aber wieder er- hält, wenn man ihn mit Eisenfeile bestreuet. In- genhouss A. a. O. S. 413. , Humboldt und Bonpland A. a. O. p. 82. be- wiesen den Ungrund dieser Angaben. Aber auf- fallend bleibt es doch, dass ein sonst guter Beob- achter, wie Schilling war, eine solche Wirkung des Magnets wahrgenommen zu haben sich über- reden konnte, und noch mehr, dass Humboldt und Bonpland Ebendas. den Glauben an diesen Einfluss auch bey den Einwohnern der Savannen von Ca- raccas allgemein herrschend fanden. Es ist uns jetzt noch übrig, die eigenen Or- gane der elektrischen Fische näher in Betrachtung zu lichkeit besitzt, indem nach einem Versuche Hum- boldt ’s (Récueil. Vol. I. p. 79, 80.) der Schlag eines solchen Fisches durch den Körper eines andern Zit- teraals gehen kann, ohne dass der letztere davon er- schüttert wird. Allein dieser Hypothese widerspricht die Empfänglichkeit der elektrischen Fische für den Schlag der Leidener Flasche und für den Galvanischen Reitz. zu ziehen, als es im ersten Band der Biologie ge- schehen konnte, und zu sehen, ob sich aus dem Bau dieser Theile in Betreff ihrer Wirksamkeit etwas schliessen lässt. Die Struktur der elektrischen Organe des Tor- pedo wurde von Lorenzini A. a. O. , Reaumur A. a. O. p. 456. , Gi- rardi Memorie di Verona. T. 3. p. 553. und besonders von J. Hunter Philos. Transact. Y. 1773. p. 481. , zu des- sen Beobachtungen Todd A. a. O. noch einige Beyträge geliefert hat, beschrieben. Die Resultate der Un- tersuchungen dieser Naturforscher sind folgende. Jene Organe liegen beym Zitterrochen auf bey- den Seiten des Schädels und der Kiemen. Sie er- strecken sich in der Breite bis zu den halbkreis- förmigen Knorpeln der beyden grossen Seitenflos- sen, der Länge nach vom vordern Ende des Thiers bis zu dem Queerknorpel, wodurch der Thorax vom Leibe getrennt ist. Ihre Lage zwischen den Knor- peln der Seitenflossen ist so, dass sie bey jeder Bewegung der letztern zusammengedrückt werden. Innerhalb jener Gränzen nehmen sie den ganzen Raum zwischen der untern und obern Fläche des Thiers unter der äussern Haut ein. Sie sind am dicksten an ihrem, nach der Mittellinie des Fisches gekehr- L 4 gekehrten Rand, und werden nach den Enden hin allmählig dünner. Am innern Rand hat jedes Organ einen unregelmässigen Ausschnitt, der sich genau an den Umriss des Schädels und der Kie- men anschliesst. Der Rand der äussern Seite ist ein convexer elliptischer Bogen. Das vordere Ende macht einen Abschnitt eines kleinern Kreises aus. Das hintere Ende bildet fast einen rechten Winkel mit dem innern Rand. Beyde Organe hängen mit den umliegenden Theilen durch eine dichte Lage von Zellgewebe und durch kurze, von ihrem äu- ssern Rand zu den halbkreisförmigen Knorpeln ge- hende Sehnenfasern zusammen. Oben und unten sind die Organe durch die äussere Haut des Fisches bedeckt. Unter der letz- tern breitet sich über jene eine, aus längslaufen- den Sehnenfasern bestehende Binde aus, die allent- halben zwischen den Fasern Oeffnungen zu ha- ben, und mit ihren Enden in das Zellgewebe der äussern Haut überzugehen scheint. Auf diese Bin- de folgt eine zweyte, ebenfalls sehnige, mit der erstern zusammenhängende Membran, deren Fa- sern die der vorigen durchkreutzen, und deren Ränder theils mit den halbkreisförmigen Knorpeln, theils, wie die der obern Binde, mit der äussern Haut verbunden sind. Die Organe selber bestehen aus Säulen, die senkrecht von der obern zur untern Fläche dieser Theile Theile gehen. Die Länge der Säulen ist an ver- schiedenen Stellen verschieden und ihre Gestalt nach ihrer Lage und nach andern Umständen un- regelmässig, doch ursprünglich wohl cylindrisch. Der Queerdurchschnitt der meisten ist ein irregu- läres Fünf- oder Sechseck. Ihre Wände bestehen aus einer sehr dünnen und durchsichtigen Haut. Sie hängen unter einander durch ein schlaffes Netz- werk von Sehnenfasern zusammen, die der Queere nach und in schiefer Richtung zwischen ihnen durchgehen und Fortsätze der innern von den beyden, die Organe einschliessenden Binden sind. Sowohl die Zahl, als die Grösse der Säulen nimmt mit dem Wachsthum zu. Bey einigen Fischen zählte Hunter in jedem Organ 470 Säulen; bey einem andern, sehr grossen Fisch fand er deren 1182. Jede Säule ist durch horizontale, in geringen Entfernungen über einander liegende Scheidewände in Fächer abgetheilt, die eine gallertartige Flüssig- keit enthalten. Die Scheidewände bestehen aus ei- ner sehr dünnen Haut und sind mit ihren Rän- dern durch zartes Zellgewebe an die innere Wand der Säulen befestigt. Die Zahl der Abtheilungen in einer Säule von der Länge eines Zolls beträgt ohngefähr 150. Bey dem Wachsthum des Fisches vergrössern sich wahrscheinlich die Fächer nicht, sondern es werden neue am Ende der Säulen hin- zugesetzt. L 5 Die Die Abtheilungen sind sehr gefässreich. Ihre Arterien sind Zweige der Kiemenarterien. Die Stämme dieser Gefässe gehen mit den Nerven der elektrischen Organe zu den Säulen, und verthei- len sich an den Rändern der letztern, indem sie zu dem Umfang jeder Abtheilung kleine Aeste senden, die sich darauf verbreiten und, von ei- nem Fach zum andern gehend, mit den Gefässen der zunächstliegenden Abtheilungen anastomosiren. Die Venen der elektrischen Organe treten eben- falls neben den Nerven dieser Theile aus densel- ben hervor, und führen ihr Blut durch die Kie- men zum Herzohr. Es giebt, nach Hunter ’s A. a. O. p. 486. und Todd ’s A. a. O. p. 121. ausdrücklichen Zeugnissen, selbst bey den höhern Thiergattungen keine Theile, die so reichlich mit Nerven versehen sind, als die elektrischen Organe. Die Stränge, woraus dieselben entspringen, sind grosse Zweige des herumschweifenden Paars, wel- ches beym Torpedo weit dicker als bey den übri- gen Rochen ist. Der Zitterrochen hat zugleich, nach Arsaky De piscium cerebro et medulla spinali. (Halae. 1813.) p. 18. — Arsaky traf solche Anschwellungen noch bey mehrern andern Fischen an. Er glaubt, dass mit ihnen die Wurzeln der herumschweifenden Nerven und der Nerven des fünften Paars in Verbindung ste- hen , in der Gegend des Ursprungs die- ses ses Nerven-Paars, gleich hinter dem kleinen Ge- hirn, auf beyden Seiten eine Anschwellung des verlängerten Marks, die den andern Rochenarten fehlt. Es giebt drey jener Zweige auf jeder Seite. Der erste wendet sich bey seinem Fortgang um einen Knorpel des Schädels, sendet einen kurzen Zweig zur ersten Kieme und zum Vordertheil des Kopfs, und dringt dann in das vordere Ende des elektrischen Organs. Der zweyte Zweig geht durch die Kieme zwischen der zweyten und dritten Oeff- nung derselben, und versorgt, nachdem er an diese einen kleinen Ast abgegeben hat, den mitt- lern Theil des Organs. Der dritte theilt sich nach seinem Austritt in zwey Aeste, die sich ebenfalls durch die Kiemen, denen sie einige kleine Ner- ven mittheilen, zum elektrischen Organ begeben. Diese Zweige zerästeln sich nach ihrem Eintritt in die Organe zwischen den Säulen nach jeder Richtung, und senden zu jeder Abtheilung kleine Fäden, die sich darin verlieren. Ver- hen. Mit den erstern scheinen sie allerdings einen Zusammenhang zu haben. Dass es aber auch eine Be- ziehung zwischen ihnen und dem fünften Nervenpaar giebt, ist mir nicht wahrscheinlich. Ich fand ähnli- che Anschwellungen auch beym Maulwurf und beym Grasfrosch (Rana esculenta.). Jener hat zwar ein fünftes Nervenpaar von ausgezeichneter Grösse; aber bey diesem ist dasselbe weit kleiner, als bey vielen andern Thieren, die jene Hervorragungen nicht be- sitzen. Vergleichen wir jetzt mit dieser Struktur den, ebenfalls vorzüglich von J. Hunter Phil. Transact. Y. 1775. p. 395. und nach diesem von Humboldt Récueil. Vol. I. p. 61. und Fahlberg A. a. O. be- schriebenen Bau der elektrischen Organe des Zit- teraals, so finden wir die beyden wesentlichen Punkte, worin sich die Organe des Krampfrochen auszeichnen, unmittelbar an einander liegende häu- tige Fächer und eine grosse Menge Nerven, an diesem wieder; aber im Uebrigen weichen beyde sehr von einander ab. Beym Zitteraal giebt es zwey Paar elektrische Organe, ein grösseres und ein kleineres, die sich zu beyden Seiten des Bauchs vom vordern Ende der Afterflosse bis zum hintern Ende des Körpers erstrecken, und zusammen mehr als ein Drittel vom Volumen des ganzen Fisches ausmachen. Das kleinere Paar liegt längs dem untern Rand des Körpers, das grössere über diesem kleinern unter der Schwimmblase und den Rückenmuskeln. Je- des Organ des grössern Paars ist vorne am breite- sten; nach hinten wird es schmäler und zuletzt endigt es sich in eine Spitze. Beyde Organe die- ses Paars sind oben durch die Rückenmuskeln, in der Mitte durch die Schwimmblase, unten durch eine mittlere Scheidewand von einander getrennt. Mit der letztern hängen sie sehr fest zusammen; mit mit den übrigen umliegenden Theilen sind sie durch ein lockeres, aber ziemlich festes Zellgewe- be verbunden. Die beyden kleinern Organe haben im Allgemeinen die Gestalt dreyeckiger Pyramiden. Vorne sind sie am schmälsten, in der Mitte am dicksten; nach dem Schwanz hin werden sie brei- ter, aber auch dünner. Zwischen ihnen liegen nach Hunter die Knochen, mit welchen die Grä- ten der Afterflosse artikuliren, und deren Mus- keln; nach einer, von Humboldt gelieferten Fi- gur A. a. O. Pl. X. Fig. 2. hingegen besteht diese Zwischenlage aus Fett. Von den grössern Organen sind sie nach Hunter durch eine Haut, wovon der innere Rand mit der mittlern Scheidewand zusammenhängt, die äussere in die Oberhaut des Fisches übergeht, nach Humboldt aber durch ein Paar dünne Mus- keln getrennt. Das Innere dieser Organe besteht aus Fächern, die, gleich den Abtheilungen der elektrischen Säu- len des Torpedo, eine Art Gallerte enthalten, und von horizontalen und vertikalen Scheidewänden ge- bildet werden. Die horizontalen sind dünne, pa- rallel mit einander in der Richtung der grossen Axe des Körpers ausgespannte Häute, deren Länge und Breite an verschiedenen Stellen verschieden ist. Sie haben einen äussern Rand, der bey den grössern Organen mit der Oberhaut, mit den Sei- tenmuskeln der Afterflosse und mit der Haut, die zwi- zwischen ihnen und den kleinern Organen liegt, verbunden ist, bey den kleinern Organen sich auf der innern Fläche der Afterflossenmuskeln endigt, und einen innern Rand, der bey den grössern Or- ganen mit der mittlern Scheidewand, der Luft- blase, bey einigen auch mit den Rückenmuskeln, bey den kleinern mit den Centralmuskeln zusam- menhängt. Der äussere Rand erscheint auswendig in Linien, die parallel unter sich und mit der Axe des Fisches laufen. Der Abstand dieser Scheide- wände ist nicht an allen Stellen gleich und ändert sich mit dem Alter des Fisches. Bey einem Fisch von 2 Fuss 4 Zoll Länge fand Hunter die Breite eines der grössern Organe am breitesten Theil ohngefähr 1¼ Zoll, und darin 34 horizontale Schei- dewände, die \frac{1}{27} Zoll von einander abstanden. In einem der kleinern Organe waren diese ohngefähr \frac{1}{56} Zoll von einander entfernt, und dasselbe hatte in einer Breite von ohngefähr ½ Zoll 14 solcher Wände. Sie stellen hier dasselbe vor, was beym Zitterrochen die Säulen, und bilden Stützen zur Befestigung der queerlaufenden Abtheilungen. Die- se vertikalen Scheidewände sind dünne, zwischen den längslaufenden Membranen befestigte Häute. Ihre Breite ist dem Abstand, und ihre Länge der Breite der letztern gleich. Zwischen jedem Paar der horizontalen Scheidewände giebt es eine regel- mässige Reihe derselben, die sich vom einen Ende zum andern erstreckt. Sie sind so dünn und lie- gen gen so nahe an einander, dass ihrer 240 nicht mehr als einen Raum von ohngefähr 2 Linien ein- nehmen. Die Nerven der elektrischen Organe des Zit- teraals sind Zweige der Rückenmarksnerven. Hun- ter vermuthete anfangs, dass sie auch vom her- umschweifenden Paar, welches hier ebenfalls, wie beym Krampfrochen, ausgezeichnet dick ist, Aeste erhielten. Er konnte zwar keinen Zweig dessel- ben, der zu ihnen gegangen wäre, entdecken. Doch verdient dieser Punkt wohl noch eine wei- tere Untersuchung. Jene Rückenmarksnerven sind aber auch hier von ausgezeichneter Stärke, ob- gleich sie zusammengenommen keine so grosse Masse wie die der elektrischen Organe des Tor- pedo ausmachen. Beym Zitterwels finden wir, nach Brousson- net ’s Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1782. p. 692. und Geoffroy ’s Annales du Muséum d’Hist. nat. T. I. p. 401. Untersuchungen, wie- der eine neue Modifikation des elektrischen Appa- rats. Hier ist dieser ein fibröses Gewebe, das rings um den Fisch, unmittelbar unter der Haut liegt, und auf den ersten Anblick eine Fettmasse zu seyn scheint, mit dem Vergrösserungsglas un- tersucht aber die, den elektrischen Organen eigene, zellige Struktur zeigt. Die Zellen werden hier von Sehnenfasern gebildet, die sich nach allen Rich- Richtungen durchkreutzen. Sie enthalten auch hier eine gelatinöse Flüssigkeit. Um die ganze Masse liegt eine starke Aponeurose, die an der inwendigen Seite mit jenen Sehnenfasern innigst verbunden ist, auswendig aber mit den umliegen- den Theilen durch ein schlaffes Zellgewebe nur locker zusammenhängt. Seine Nerven erhält der Apparat vom herumschweifenden Paar, aber nicht von denen Zweigen des letztern, die zu den elek- trischen Organen des Zitterrochens gehen, sondern von denen, welche bey den Fischen längs den beyden Seitenlinien herablaufen. Diese zwey Ner- ven sind hier dicker als bey andern Fischen. Von jedem derselben gehen zwölf bis funfzehn Zweige ab, welche die äussere Aponeurose des fibrösen Gewebes durchbohren und sich in der Mitte des letztern verlieren. Die beyden elektrischen Arten des Trichiurus und Tetrodon sind in Hinsicht auf ihre erschüt- ternden Organe noch nicht untersucht. Wahr- scheinlich giebt es bey ihnen wieder andere Mo- difikationen dieser Theile. Doch das Wesentliche des elektrischen Apparats wird ohne Zweifel auch bey ihnen seyn, was sich als solches aus den obi- gen Untersuchungen des Torpedo, des Zitteraals und Zitterwels ergiebt, eine Zusammensetzung von Zellen, die eine gelatinöse Flüssigkeit enthalten und eigene Nerven besitzen. Die Lage des Appa- rats, rats, die Gestalt der Zellen und der Ursprung die- ser Nerven sind unwesentlich, und hierin können mannichfaltige Abänderungen statt finden. Ob aber auch eine sehnenartige Binde, welche die Organe umgiebt und von allen umliegenden Theilen trennt, zu den nothwendigen Bedingungen der elektri- schen Kraft des Apparats gehört, lässt sich nicht als ausgemacht annehmen. Geoffroy A. a. O. p. 395. hat zwar eine solche Bedeckung für ein wesentliches Erfor- derniss angenommen, weil es seiner Meinung nach bey den nicht elektrischen Rochenarten ähnliche Säulen wie beym Torpedo giebt, die aber nicht verschlossen sind, sondern sich auf der Oberfläche der Haut nach aussen öffnen. Allein diese Ver- gleichung ist unrichtig. Die nicht elektrischen Ro- chen besitzen allerdings häutige, einen schleimar- tigen Saft enthaltende Cylinder, die auf der obern und untern Fläche seitwärts hinter den Kiemen aus kleinen sehnenartigen, durch Scheidewände in Fächer abgetheilten und in einer ebenfalls tendi- nösen, gemeinschaftlichen Kapsel liegenden, be- cherförmigen Organen hervorgehen, und sich nach dem ganzen Umfang der Brust und des Kopfs ausbreiten. Aber ähnliche Theile liegen auch beym Zitterrochen neben dessen elektrischen Werkzeu- gen. Ihre Nerven sind nicht, wie die der letz- tern, Zweige des achten, sondern des fünften Paars, V. Bd. M Paars, von welchem zu jedem der becherförmi- gen Anfänge der Cylinder ein kleiner Ast geht. Sie sind vermuthlich, wie schon Jacobson Bulletin des sciences de la Soc. philomath. ge- gen Geoffroy erinnert hat, eine eigene Art von Sinnesorganen. Ich habe ähnliche Theile auch beym Dornhay (Squalus Acanthias) gefunden, und werde meine Beobachtungen über diesen Gegen- stand an einem andern Ort bekannt machen. Gehören nun aber zur Entstehung der Elek- tricität in thierischen Theilen keine weitern Erfor- dernisse als eine Zusammensetzung von Zellen, die mit einem gewissen thierischen Saft angefüllt sind, eigene, zu diesen Zellen gehende Nerven und vielleicht auch eine isolirende Bedeckung der sämmtlichen Zellen, so lässt sich fragen, ob nicht jeder thierische Körper Theile besitzt, welche diese Erfordernisse haben? Die Milz z. B. hat ebenfalls einen zelligen Bau; ihre Zellen enthalten, wenn auch nicht immer, doch unter gewissen Umstän- den, eine Flüssigkeit; sie besitzt eigene Nerven, die weder zur Empfindung, noch zur Bewegung, noch zur Unterhaltung einer Absonderung zu die- nen scheinen; sie liegt in einer festen Haut, ei- nem Fortsatz des Bauchfells. Was fehlt denn aber der Milz um elektrische Erscheinungen zu äussern? Ist die Ursache in einer eigenen Kraft zu suchen, welche die Nerven der elektrischen Theile des Tor- Torpedo, des Zitteraals u. s. w. besitzen, die der Milz aber nicht haben? Dies lässt sich schwer- lich annehmen, da die Nerven der elektrischen Fische nicht einmal von eigenen Stämmen herrüh- ren. Oder ist es etwa die Verschiedenheit der in den Zellen der Milz enthaltenen Flüssigkeit von der, die sich in den Fächern des erschütternden Apparats der elektrischen Fische befindet, worin die Abwesenheit elektrischer Phänomene bey der Milz ihren Grund hat? Dies ist zwar möglich. Allein da die erste Ursache der Erscheinungen die- ser Fische von dem Einfluss der Nerven abgeleitet werden muss, und alle thierische Säfte Leiter der Elektricität sind, so kann von jener Verschieden- heit nur die Abwesenheit erschütternder Wirkun- gen an der Milz herrühren; es ist aber nicht wahr- scheinlich, dass nicht auch in ihr ein gewisser Grad von Elektricität erzeugt werden sollte. Das Nehmliche gilt von vielen andern Orga- nen, besonders von den Muskeln, deren Fasern unter dem Vergrösserungsglase die grösste Aehn- lichkeit mit den Säulen der elektrischen Werkzeu- ge des Zitterrochens haben. Vielleicht ist es einer- ley Kraft, welche durch die letztern Organe elek- trische Schläge, und in den erstern Zusammenzie- hungen hervorbringt. In den Muskeln beschrän- ken sich dann ihre Wirkungen auf das Organ sel- ber; bey den Zitterfischen wirkt sie über ihr Or- M 2 gan gan hinaus. Gäbe es ein Mittel, die Bewegung eines willkührlichen Muskels während des Ner- veneinflusses, der die Bewegung veranlasst, ganz zu verhindern, so würden sich vielleicht an dem- selben elektrische Erscheinungen zeigen. Auf je- den Fall ist es nach allen den angeführten That- sachen glaublich, dass die Elektricität bey den sämmtlichen thierischen Lebenserscheinungen eine wichtige Funktion hat. Indess wie wichtig diese auch seyn mag, so bleibt es doch gewiss, was wir schon oft erinnert haben, dass sie, wie jede andere im lebenden Körper thätige, physische Kraft nur ein Glied in einer Kette von Ursachen und Wirkungen, deren Daseyn und Fortdauer von ei- ner hyperphysischen Ursache abhängt, nicht aber der letzte Grund des Lebens seyn kann. Ge- Geschichte des physischen Lebens . Siebentes Buch. M 3 Siebentes Buch . Automatische Bewegungen der lebenden Körper. A lles physische Leben äussert sich durch räum- liche Veränderungen, die zwar zum Theil durch äussere Ursachen veranlasst werden, aber mit dem Einfluss, den diese Ursachen auf Körper der leb- losen Natur haben, nicht in Verhältniss stehen. Wir nennen solche Erscheinungen automati- sche , wenn sie unter sich nicht auf eine zufäl- lige und doch zweckmässige Art verbunden sind, sondern nach blinder Nothwendigkeit erfolgen. Jene Veränderungen finden sowohl in den or- ganischen Elementen, als in den zusammengesetz- tern Theilen der lebenden Körper statt. Bewe- gungen der erstern Art sind die der organischen Elemente des frischen thierischen Saamens, des frischen Bluts und der Aufgüsse thierischer und M 4 vege- vegetabilischer Substanzen im Anfang ihrer Zer- setzung. Man sieht in solchen Flüssigkeiten Ströh- me und Wirbel, wodurch die darin befindlichen Kügelchen und Fibern mit fortgerissen werden. Die letztern verhalten sich dabey blos leidend; sie gehören keinesweges in Eine Classe mit den eigentlichen Infusionsthieren, die sich erst später in jenen Flüssigkeiten bilden und allerdings frey- willige Bewegungen äussern. Es herrscht bey die- sen Erscheinungen ein beständiges Streben chemi- scher Elemente theils zur Trennung, theils zur Vereinigung, zugleich aber ist eine höhere Kraft wirksam, wodurch beydes verhindert und ein ste- ter Kampf unterhalten wird. In ihnen äussern sich die ersten Pulse des Lebens. Die in den zusammengesetztern Theilen vor- gehenden Veränderungen ihrer Verhältnisse gegen den äussern Raum sind theils dauernd und in grössern Perioden sich ereignend, theils vorüber- gehend . Zu den dauernden gehören die Erschei- nungen des Wachsthums und der Abnahme der lebenden Körper. Die vorübergehenden sind ei- gentlich diejenigen, die wir automatische nen- nen und von welchen hier die Rede seyn wird. Erster Erster Abschnitt. Aeusserungen der bewegenden Kraft bey den verschiedenen lebenden Körpern . Erstes Kapitel. Erste Spuren der automatischen Bewe- gungen auf den untersten Stufen der lebenden Körper . W achsthum und Abnahme sind die einzigen räumlichen Veränderungen, wodurch sich das Pflan- zenleben im Allgemeinen offenbart. Insofern diese nach Gesetzen vor sich gehen, die für jede Art unveränderlich und von zufälligen Einflüssen bis auf einen gewissen Grad unabhängig sind, ma- chen sie keinen Gegenstand unserer gegenwärti- gen Untersuchungen aus. Aber zum Theil wer- den sie allerdings durch äussere zufällige Ursa- M 5 chen chen bestimmt. Diese sind den automatischen Be- wegungen der Thiere ähnlich und verdienen hier mit in Betrachtung gezogen zu werden. Merkwürdige Beyspiele solcher Lebensäusse- rungen, die blos Folgen des Wachsthums, dabey aber mit deutlichen momentanen Bewegungen ver- bunden sind, finden wir schon auf den untersten Stufen der lebenden Natur unter den, von Vau- cher als ein eigenes Geschlecht mit dem Na- men der Oscillatorien belegten Conferven. Das Wachsthum der einfachen, geringelten Fäden der Conferva limosa Dillw. ist so schnell, dass man dasselbe unter dem Mikroskop beobachten kann. Die Verlängerung ist am grössten bey einer Tem- peratur von 9° R., wobey sie ohngefähr 3 Linien in einer Nacht beträgt; unter und über dieser Wärme nimmt sie ab Adanson, Mém. de l’Acad, roy. des sc. de Paris. A. 1767. p. 564. . Während derselben sieht man an der Spitze jedes sich verlängernden Fa- dens ein durchsichtiges Bläschen, welches gleich- förmig und in gerader Richtung vorrückt, bis es an die Stelle gelangt, wo sich ein neuer Ring bildet. Hier bleibt es einen Augenblick stehen, und rückt dann wieder gleichförmig bis zu einer ähnlichen Gränze fort Roth Catal. botan. Fasc. 3. p. 198. . Dabey macht die Spitze des Fadens von Zeit zu Zeit eine drehende Be- wegung, bald zur Rechten, bald zur Linken, we- durch durch dieser stossweise etwas von der Stelle ge- rückt wird Adanson a. a. O. — Fontana , Journ. de Phys. T. VII. A. 1776. p. 47. — Vaucher Hist. des conferves d’eau douce. p. 169. — Biologie Bd. 2. S. 505. Bd. 3. S. 283. — Die Algen des süssen Wassers, nach ihren Entwickelungsstufen dargestellt, von Nees von Esen- beck . Bamberg. 1814. S. 18. — Auffallend ist es, dass Roth blos die Verlängerung und nie die fort- rückende Bewegung der Conferva limosa sahe. . Aehnliche äussere und zugleich innere Bewe- gungen sahe O. F. Müller Schriften der Berlin. Gesellsch. naturf. Freunde. B. IV. S. 171. an einer Art Was- serfaden, die, wie er sagt, mit gleichem Recht Conferva vitalis oder Vibrio vegetabilis heissen könnte. Die einfache, grünliche, unge- gliederte Röhre, woraus dieser Körper besteht, richtet sich mit dem einen stumpfen, oft etwas gekrümmten Ende etwas auf, bewegt sich lang- sam in der Weite eines Sechszehntel des Kreises ununterbrochen, oder in drey, schnell auf einan- der folgenden Pausen fort, und kehrt dann auf dieselbe Weise in ihre vorige Stellung zurück. Durch das ganze Innere der Röhre erstreckt sich der Länge nach ein zarter Strich, und an diesem gehen zuweilen sanfte Wellen bis an das gekrümmte Ende herauf. Zwey- Zweites Kapitel. Automatische Bewegungen der Pflanzen . §. 1. Hinbewegen der Wurzeln, Zweige und Blätter der Pflanzen nach der Feuchtigkeit, dem Licht u. s. w. D eutlicher noch als bey diesen Oscillatorien zei- gen sich bey den eigentlichen Pflanzen manche Bewegungen, die mit den automatischen der Thiere in einerley Classe gehören, als Folgen des Wachs- thums. Die meisten Gewächse treiben ihre Zweige nach dem Licht, und bey allen dringen die Wur- zeln nach der Seite, wo sie die meiste Nahrung finden. Warren Memoirs of the American Academy of arts and scien- ces. Vol. II. P. I. sahe einen Kartoffelausläufer in einem Keller, der blos durch ein kleines Loch etwas Licht erhielt, sich zwanzig Fuss weit über dem Fussboden nach dieser Oeffnung hinziehen. Eine nicht so unmittelbare Folge des Wachs- thums und mehr schon den thierischen Bewegun- gen ähnlich, ist eine andere Art von Bewegungen der der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih- rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver- ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu- ssern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine Selbstständigkeit, die beweist, dass sie bis auf ei- nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste- hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta- bilischen Organismus geschieht. Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine solche Stellung, dass ihre obere Seite dem Him- mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In diese Lage kehren sie, Bonnet ’s Recherches sur l’usage des fenilles. Sect. 2. Versuchen zu- folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan- der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man ihnen giebt, wie vor Bonnet schon Du Hamel Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1740. Ed. d’Am- sterd. p. 706. beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey warmem und hellem Wetter als bey kühlem und nassem, am schnellsten bey heissem Sonnenschein. Es geht desto langsamer von statten, je öfter die Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie- derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des Blatts. Blatts. Durchstechung des Stengels in den Kno- ten mindert ebenfalls jene Bewegung, und hebt sie ganz auf, wenn der Stiche viele sind. Die Sonne hat noch einen andern Einfluss auf die Blät- ter, indem sie die obere Fläche derselben hohl macht. Nach einem kalten Thau hingegen krümmt sich die untere Blattfläche. Mehrere Pflanzen, besonders krautartige, folgen auch mit ihren Blät- tern dem Lauf der Sonne. In den Blättern der Acacie, der grossen Malve und der Melde bewirkte Bonnet ähnliche Bewegungen, wie die Sonne in ihnen hervorbringt, durch ein brennendes Nacht- licht, und in geringerm Grade durch ein heisses Eisen. Blätter der Acacie, unter welche ein nas- ser Schwamm gelegt war, neigten sich nach die- sem Schwamm hin. So weit zeigen sich jene Bewegungen als ab- hängig von dem Licht, der Wärme und der Feuch- tigkeit der Luft. Aber in einem andern Versuch von Bonnet bewegte sich eine Meldenstaude, die in einer 20° bis 30° R. warmen Backröhre einge- schlossen war, nicht nach der wärmsten Seite der Röhre, sondern nach der einige Zolle weit geöff- neten Thüre hin. Eben so sahe Gouch Nicholson Journ. of Nat. Philos. Vol. III. No. 26. p. 1. abge- schnittene Zweige des Sedum acre L. nach ihrer Trennung von der Wurzel sich gegen ihre son- stige stige Gewohnheit von dem Licht wegbewegen. Die Ranken der Ampelopsis quinquefolia Mich . und des Epheus entfernen sich immer vom Lich- te Th. A. Knicht , Philos. Transact. Y. 1812. p. 314. . In Bonnet ’s Versuchen setzten die Blätter mehrerer Pflanzen ihre Bewegungen noch fort, nachdem sie mit Oel bestrichen oder unter Wasser getaucht worden waren. Hier ist ein gewisser Grad von Selbstständig- keit der vegetabilischen Bewegungen nicht zu ver- kennen. Diese Abhängigkeit auf der einen und Unabhängigkeit auf der andern Seite von äussern Einflüssen werden wir jetzt noch an vielen an- dern Bewegungen der Gewächse bemerken. §. 2. Schlaf und Wachen der Pflanzen. Linné ’s Blumenuhr. Nachdem Acosta Aromatum et medicam. in orientali India nascentium liber. Antverp. 1593. p. 266. und Prosper Alpin Do plant. aegypt. Cap. 10. p. 35. an einigen Gewächsen der wärmern Gegenden, be- sonders am Tamarindenbaum, ein Senken der Blät- ter zur Nachtzeit und ein Erheben derselben bey Tage, bemerkt hatten, wurde Linné durch einen Lotus ornithopodioides, woran er des Abends die Blumen vergeblich suchte, die er am Tage gese- hen hatte, zu weitern Untersuchungen über die- ses ses Phänomen des Pflanzenlebens veranlasst, de- ren Resultate in seiner, 1755 erschienenen Ab- handlung über den Pflanzenschlaf Amoenit. academ. T. IV. p. 333. enthalten sind. Linné unterschied die Gewächse in Bezie- hung auf diesen Schlaf in solche, die einfache Blätter haben, und in solche, deren Blätter zu- sammengesetzt sind. Bey den erstern geschieht der Schlaf, entwe- der indem sich die entgegengesetzten Blätter mit ihren obern Flächen dicht an einander legen (Atri- plex hortensis); oder indem sich wechselsweise ge- stellte Blätter erheben und dem Stengel nähern (Sida Abutilon); oder indem Blätter, die des Ta- ges horizontal stehen, des Nachts sich aufrichten und um den Stengel oder die Spitze der Zweige eine Art von Trichter bilden, worunter die jun- gen Blumen oder Blätter geschützt sind (Malva peruviana); oder auch indem die obersten Blät- ter mit ihren, vorher horizontal stehenden Sten- geln sich herabsenken und über den jungen Trie- ben ein Gewölbe bilden. (Impatiens Noli tangere.) Von den Pflanzen mit zusammengesetzten Blättern schlafen einige, indem sich die Blättchen mit ihren obern Flächen auf einander legen (Co- lutea arborescens); bey andern kommen die Blätt- chen blos mit den Spitzen zusammen, und las- sen sen zwischen sich eine Höhlung, worin die junge Pflanze beschützt liegt (Lotus tetragonolobus); von manchen legen sich die Blättchen an der Basis zusammen, entfernen sich aber von einander mit der Spitze (Trifolium coeruleum); bey andern sin- ken die Blätter herab (Robinia Pseudacacia); end- lich bey noch andern legen sich die Blättchen wie Dachziegel über einander und über den gemein- schaftlichen Stiel, und kehren sich dabey zum Theil um (Gleditschia triacantha.) Manche Pflanzen verändern auch des Nachts die Stellung ihrer Blumen. Bey Geranium stria- tum, Ageratum conyzoides, Ranunculus polyan- themos, Draba verna und Verbascum Blattaria hängen diese des Nachts herab. Eine andere Erscheinung des Pflanzenlebens, die ohne Zweifel mit dem Schlaf und Wachen der Gewächse in einerley Classe gehört, ist das Oeff- nen und Schliessen der Blumen zu bestimmten Zeiten. Dieses Phänomen wurde ebenfalls zuerst von Linné Philos. botan. §. 335. p. 272. näher untersucht. Alle Blumen, die eine bestimmte Zeit des Oeffnens und Schliessens beobachten, nannte er Sonnenblumen (Flores solares), und theilte dieselben in meteorische, tropische und Aequinoctial-Blumen . Die meteorischen Blumen sind in ihrem Oeffnen und Schlie- V. Bd. N Schliessen von äussern, besonders atmosphärischen Einflüssen abhängig, und beobachten keine ganz feste Zeit bey diesen Bewegungen. Die tropischen öffnen sich am Morgen und schliessen sich am Abend; die Zeit ihres Aufgehens und Schliessens verändert sich aber mit der Zu- und Abnahme der Tage. Die Aequinoctialblumen öffnen und schliessen sich immer zu bestimmten, unveränder- lichen Zeiten. Diejenigen der letztern, die Linné selber zu beobachten Gelegenheit hatte, brachte er in eine Tabelle Ebendas. p. 273. und gründete darauf seine Blumenuhr (Horologium Florae). R. Pulte- ney wiederholte diese Linne ischen Beobachtungen und fand sie bis auf einige Abweichungen, die von der Verschiedenheit des Englischen und Schwe- dischen Clima herzurühren schienen, bestätigt Philos. Transact. Y. 1758. (Vol. L. P. II.) p. 506. . In den Schriften neuerer Botaniker sind manche Bemerkungen enthalten, woraus sich Linné’s Tabelle vermehren liesse. So bemerkt Roth Flora German. T. II. P. I. p. 374. , dass die Drosera longifolia L. von neun bis eilf Uhr Vormittags blüht, und Thunberg Reisen in Asien u. Afrika. S. 63. Im Berliner Ma- gazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen B. 7. , dass es vorzüglich am Cap viele Pflanzen giebt, die zu bestimmten Tageszeiten blühen, z. B. die Moraea undu- undulata, die sich um 9 Uhr Vormittags öffnet und um 4 Uhr Nachmittags schliesst, und die Ixia cinnamomea, die sich jeden Nachmittag um 4 Uhr öffnet und die ganze Nacht hindurch blühet. Die Familien der Cichoraceen und Ficoideen des Jussieu- schen Systems sind übrigens diejenigen, worin sich die meisten Pflanzen finden, die ihre Blu- men zu bestimmten Zeiten entfalten und zusam- menlegen. Die Aequinoctialpflanzen beweisen, dass die erwähnten vegetabilischen Bewegungen nicht ganz abhängig von äussern Ursachen sind. Aber da bey ihnen die Zeit des Oeffnens und Schliessens durch das Clima verändert wird, so sind sie doch auch nicht ganz unabhängig von äussern Einwirkungen. Diese Einflüsse sind vorzüglich das Licht, die Wärme und die Feuchtigkeit der Luft. Dass das Licht auf die täglichen vegetabili- schen Bewegungen einwirkt, dass jedoch dieser Einfluss keinesweges ganz allgemein ist, zeigen Decandolle ’s Versuche Journ. do Phys. T. LII. p. 124. , die in zwey Kellern angestellt wurden, wovon der eine durch einen Ofen erwärmt, der andere durch sechs Lampen, die ein eben so starkes Licht wie 54 Wachslichter gaben, erleuchtet war. Auf einige Pflanzen (Con- volvulus arvensis, Convolvulus Cneorum, Silene fruti- N 2 fruticosa) hatte das künstliche Licht keinen Ein- fluss. Bey andern wurden dadurch in dem Oeff- nen und Schliessen der Blumen merkliche Verän- derungen hervorgebracht, die aber von verschie- dener Art waren. Die regelmässigsten und bestän- digsten Erscheinungen zeigten die zur Nachtzeit blühenden Pflanzen. Diese öffneten sich früher am Abend und schlossen sich später am Morgen wie sonst, wenn sie sowohl einer fortdauernden Dunkelheit, als einem anhaltenden Licht ausge- setzt wurden. Als Decandolle drey Tage lang von acht Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens die Lampen brennen liess, kamen diese Pflanzen am zweyten Tage dahin, dass sie sich am Morgen öffneten und am Abend schlossen, also Nacht aus Tag und umgekehrt machten. Das Ornithogalum umbellatum öffnete und schloss seine Blumen, je nachdem es dem Sonnenlicht oder der Finsterniss ausgesetzt wurde. Beym Convolvulus purpureus wurde die Zeit des Blühens durch das Lampen- licht verlängert. Die Anthemis maritima, die ihre Blumen zur Nachtzeit geöffnet hält, liess sie auch beym Lampenlicht beständig offen. Eben so ver- schieden war der Einfluss des künstlichen Lichts auf die täglichen Bewegungen der Blätter. Auf das Oeffnen und Schliessen der Blätter von Oxalis stricta und Oxalis incarnata hatte weder dieses, noch eine dunkele Wärme irgend eine Wirkung. Die Mimosa leucocephala öffnete und schloss sich sowohl sowohl beym Lampenlicht, als in der Finsterniss, um die gewöhnliche Zeit; doch war das Schlie- ssen am Abend unter diesen Umständen nicht so vollständig wie in der freyen Luft. Zwey Pflan- zen der Mimosa pudica hingegen, die des Tages im Dunkeln gehalten, des Nachts aber erhellet wurden, veränderten die Stunde ihres Schlafs all- mählig so, dass sie sich am dritten Tag des Abends öffneten und des Morgens schlossen. In der freyen Luft nahmen sie ihr gewöhnliches Verhalten wie- der an. An der Mimosa pudica hatte schon Hill The sleep of plants. Lond. 1757. bemerkt, dass sie sich um Mittag in den Zustand des Schlafs versetzen lässt, wenn man sie in die Dunkelheit bringt. Er fand auch, dass beym Abrus precatorius L. das Oeffnen und Schliessen der Blätter mit dem Grad des Lichts, dem die Pflanze ausgesetzt wird, in Verhältniss steht. Aber Decandolle ’s obige Versuche beweisen, dass er Unrecht hatte, aus diesen einzelnen Erfahrungen zu schliessen, das Licht müsste die allgemeine und einzige Ursache des Schlafs der Pflanzen seyn. So wirken auch die Wärme und Kälte, die Feuchtigkeit und Trockenheit, vielleicht selbst die Elektricität der Luft auf die täglichen Bewegun- gen N 3 gen der Gewächse. Aber der Einfluss derselben ist ebenfalls nicht allgemein. Adanson Familles des plantes. T. I. p. 55. bemerk- te, dass die Hitze eines glühenden Eisens eben so wie die Sonnenwärme eine Erhebung der Blät- ter bey den Pflanzen hervorbringt; dass die schla- fenden Gewächse ihre Blätter auch senken, wenn man sie einem künstlichen Thau aussetzt, und dass bey einer feuchten Hitze die Blättchen der gefiederten Blätter sich in einerley Fläche mit ih- rem gemeinschaftlichen Stiel, also in dem mitt- lern Zustand zwischen Erhebung und Senkung, befinden. Auch Linné Amoen. acad. T. IV. p. 338. beobachtete, dass bey manchen Pflanzen, z. B. bey Euphorbia Lathyris, Ocymum fruticosum, Asclepias curassavica, Sola- num bahamense, die Kälte im Herbst eine ähn- liche Veränderung in der Stellung der Blätter, wie bey andern der nächtliche Schlaf, hervorbringt. Ich fand ebenfalls in dem kalten und nassen Som- mer des Jahrs 1805 mehrere Pflanzen des Abends schlafend, woran ich sonst nie eine auffallende Veränderung in der Stellung der Blätter gegen Abend bemerkt hatte. Linné erinnerte aber auch schon Ebendas. p. 339. , dass der Pflanzenschlaf eben so wenig blos von der Veränderung der Temperatur als von der Dunkelheit herrühren könne, weil die schla- fenden Pflanzen auch in einem Treibhause, wo im- immer der nehmliche Grad von Wärme unterhal- ten wird, und selbst dann, wenn die Fensterla- den verschlossen sind, sich um die gewöhnliche Zeit schliessen und öffnen. Dass bey einigen Gewächsen das Schliessen der Blätter durch die Feuchtigkeit der Luft eben- falls befördert wird, machen nicht nur Adanson ’s angeführte Beobachtungen wahrscheinlich, son- dern auch die ausgezeichnete, sich noch an trocke- nen Pflanzen durch Oeffnen und Zusammenlegen der Blumen äussernde hygroskopische Eigenschaft einiger Pflanzen lässt dies vermuthen. Die Car- lina vulgaris bleibt nach dem Verblühen mit Sten- gel, Blättern und Kelch bis ins folgende Jahr ver- trocknet stehen, und während dieser Zeit zieht sich der Kelch bey feuchter, trüber Witterung zusammen und öffnet sich bey heiterer, trockner Luft Bierkander , Neue Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1782. S. 80. . Für den Einfluss der atmosphärischen Elek- tricität auf die täglichen Bewegungen der Pflan- zen endlich spricht eine Bemerkung von Oehme Beschäftigungen der Berlin. Gesellsch. naturf. Freun- de. B. 2. S. 88. , zufolge welcher die Blätter der Robinia Pseuda- cacia und einiger Arten des Lathyrus sich bey ein- N 4 eintretendem Gewitter schon schliessen, ehe die eigentliche Zeit ihres Schlafs gekommen ist. Ich habe übrigens noch beobachtet, dass der Schlaf auch in abgeschnittenen Pflanzentheilen noch einige Tage fortdauert, aber aufhört, wenn auch die Vegetation der Theile noch lebhaft vor sich geht. Abgeschnittene Zweige einer Colutea arbo- rescens, die schon einige Tage in Brunnenwasser gestanden hatten und des Abends ihre Blätter nicht mehr zusammenlegten, fingen mit neuer Kraft an zu vegetiren, nachdem ich sie in eine Campher- Emulsion gesetzt hatte. Aber ihr Schlaf kehrte nicht zurück. Nach allen diesen Erfahrungen lässt sich Fol- gendes als wahrscheinliches Resultat annehmen. Die vornehmste unter den äussern Ursachen, wo- von der Schlaf und das Wachen der Pflanzen ab- hängt, ist das Sonnenlicht. Durch den regelmä- ssigen, von dem ersten Ursprung des Pflanzen- reichs her statt gefundenen Einfluss dieses Agens ist aber in jedem vegetabilischen Körper eine, in sich zurücklaufende Kette von Erregungen und Gegenwirkungen gebildet worden, vermöge wel- cher jene periodische Veränderungen auch ohne den Einfluss des Lichts eine Zeit lang erfolgen können. Bey einigen Pflanzen ist diese Kette schwächer, bey andern stärker. Nur bey den er- stern ist ein künstliches Licht vermögend, die Glie- Glieder der Kette zu trennen und die Zeit des Schlafs und Wachens zu verändern. Bey den übrigen hingegen kann nur eine Veränderung des Clima, und auch diese erst nach mehrern Gene- rationen, die letztern verrücken. Obgleich indess das Licht einen Haupteinfluss auf jene periodi- sche Bewegungen im Allgemeinen hat, so giebt es doch bey einigen Pflanzen noch andere Kräfte, die ebenfalls darauf wirken, und zu diesen ge- hört vorzüglich die Temperatur, ausserdem aber auch der hygroskopische Zustand und vielleicht auch die Elektricität der Luft. §. 3. Hedysarum gyrans. Die gänzliche Abhängigkeit einiger vegetabili- schen Bewegungen von äussern Ursachen und die Unabhängigkeit anderer von denselben, die wir bisher bey verschiedenen Gewächsen antrafen, fin- den wir bey dem merkwürdigen, zuerst von Lady Monson zu Dacca in Bengalen entdeckten, und nachher von Linné Supplem. plant, p. 332. , Broussonnet Mém. de l’Acad. roy. des sc. de Paris. A. 1784. p. 616. , Pohl Leipziger Sammlungen zur Physik u. Nat. Gesch. Th. I. St. 4. S. 502. , und besonders von Hufeland Lichtenberg ’s u. Voigt ’s Magazin f. d. Neueste aus d. Physik u. s. w. B. VI. St. 3. S. 5. näher untersuch- ten N 5 ten Hedysarum gyrans in einerley Pflanze vereinigt. Jeder Stiel dieser Pflanze hat am Ende ein grösseres, elliptisch-lanzettförmiges Blatt, und neben diesem sitzen auf demselben Hauptstiel zwey kleinere, gestielte Nebenblätter. Die Haupt- stiele und Hauptblätter haben ihre eigene Bewe- gungen und die Nebenblätter ebenfalls. Beyde sind von einander verschieden und von einander unab- hängig. Die Bewegung der Hauptstiele und Haupt- blätter besteht in einem Aufrichten beym Licht und in einem Niedersinken bey der Dunkelheit. Sie geschieht in den Gelenken, wodurch das Blatt mit dem Stiel und dieser mit dem Zweig verbun- den ist. Die Abhängigkeit derselben vom Licht ist so gross, dass nach Hufeland ’s Beobachtun- gen schon der Wiederschein der Sonne von einer ohngefähr zwanzig Schritte entfernten Mauer ein deutliches Aufrichten, so wie das Abhalten des Sonnenlichts durch einen undurchsichtigen Kör- per, und eine vor der Sonne vorüberziehende Wolke ein Niedersinken der Blätter hervorbrachte. Bey voller Mittagssonne und bey dem, durch ein Brennglas concentrirten Sonnenlicht bemerkte Hu- feland eine zitternde Bewegung der Hauptblätter und der ganzen Pflanze. Das Mondlicht, ein künstliches Licht, das elektrische Bad, chemische und und mechanische Reitze hatten keinen Einfluss auf jene Bewegung. Wohl aber bewirkten elektrische Funken ein Senken der Blätter. Die zweyte Bewegung, welche blos von den kleinen Seitenblättchen ausgeübt wird, äussert sich durch ein abwechselndes Aufsteigen und Senken jedes Paars dieser Blättchen, die an einerley Zweig sich gegenüber stehen. Sie tritt erst ein, wenn die Blättchen völlig entwickelt sind, hört dann aber erst mit dem Tode der Pflanze auf. Es giebt, nach Hufeland , keine äussere Ursachen, die unmittelbar auf sie wirken, als das Abschee- ren der langen Haare, womit der Stiel in zwey Reihen vom Anfang desselben bis zu jedem Blätt- chen besetzt ist, und das einfache elektrische Bad. Jenes schwächt die Bewegung merklich; dieses, welches auf die grossen Blätter ganz unwirksam ist, verstärkt dieselbe, es mag positiv oder nega- tiv seyn. Hingegen mechanische Reitze, Wärme, Kälte, elektrische Funken, der Magnet, flüchtige Geister, das Bestreichen der Blättchen mit Oel, die Unterbindung und das Abschneiden des Stiels haben keinen Einfluss auf sie. Es kommen zwar oft Tage vor, wo die Bewegung nachlässt, und selbst Stunden lang aussetzt, doch ohne bemerk- bare äussere Ursachen. Am stärksten ist sie in- dess, nach Broussonnet , in der Zeit der Befruch- tung. §. 4. §. 4. Bewegungen der vegetabilischen Geschlechtstheile zur Zeit der Befruchtung. Eine mit dem Hinwenden der Pflanzen nach dem Licht und dem periodischen Oeffnen und Schliessen ihrer Blätter und Blumen verwandte Erscheinung ist die, blos aus innern Ursachen entstehende Bewegung, welche die Geschlechts- theile mehrerer Pflanzen zur Zeit der Befruchtung gegen einander äussern. Auch hierüber machte schon Linné Fundam. botan. — Flora Suecic. Edit. 2. p. 98. — Disquis. de sexu plantar. p. 25. — Philos. botan. p. 91. §. 145. — Amoenitat. acad. Vol. I. p. 360 sq. einige merkwürdige Beobachtungen an Parnassia palu- stris, Ruta graveolens, Nigella arvensis, Passiflo- ra, Cassia und Tamarindus indica. J. E. Stieff De vita nuptiisque plantar. p. 21. sahe solche Bewegungen bey Amaryllis formosis- sima, und Leske De generatione vegetab. Lips. 1773. p. 19. bey Aquilegia, Mespilus, Sa- xifraga Cotyledon, Allium und Lilium. Desfon- taines Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1787. p. 468. und Medicus Act. Acad. Theodoro-Palat. T. III. phys. p. 116. — Pflanzenphysiolog. Abhandl. B. 1. S. 1 fg. verfolgten jene Er- scheinungen an vielen Pflanzen, und Humboldt Usteri ’s Annalen der Botanik. 1792. St. 3. S. 7. — Hum- untersuchte sie besonders an der Parnassie. Das Das Resultat dieser und verschiedener mei- ner eigenen Erfahrungen ist, dass bey vielen Ge- wächsen in der Periode der Befruchtung ein all- mähliges Hinbewegen der Staubfäden zum Pistill eintritt; dass bey andern sich umgekehrt die weib- lichen Theile den männlichen zu jener Zeit nä- hern, und dass bey noch andern beyderley Ge- schlechtstheile sich bey der Begattung aufsuchen M. vergl. Biologie. Bd. 3. S. 349. . Die Bewegung der Staubfäden zu den Griffeln ist die häufigste. Bey den meisten Pflanzen der De- candrie, Dodecandrie, Icosandrie und Polyandrie trifft man Spuren derselben an. Die Staubfäden einiger Pflanzen beobachten dabey eine regelmä- ssige Folge. Bey Lilium superbum, Amaryllis for- mosissima und Pancratium maritimum nähern sich die Staubbeutel nach einander der Narbe. Bey Fritillaria persica biegen sie sich wechselsweise nach dem Griffel hin. Bey Rhus Coriaria heben sich zwey oder drey Staubfäden zugleich hervor, beschreiben einen Viertelskreis und bringen ihre Antheren ganz nahe an die Narbe. Bey Parnassia palustris bewegen sich die männlichen Theile zu den weiblichen in der nehmlichen Ordnung, in welcher der Saamenstaub reift, und zwar, wenn sie sich der Narbe nähern, schnell und auf ein- mal, Humboldt ’s Aphorismen aus der chemischen Physiol. der Pflanzen. Uebers. von Fischer . S. 57. mal, wenn sie sich nach der Befruchtung von derselben wieder entfernen, in drey Absätzen. §. 5. Reitzbarkeit der vegetabilischen Befruchtungstheile. Die bisher erwähnten Erscheinungen des Pflan- zenreichs erfolgen entweder ohne unmittelbare äu- ssere Ursachen, oder es sind blos das Licht, die Wärme, die Elektricität und die Beschaffenheit der Luft, also Potenzen, die auf den ganzen vegeta- bilischen Organismus wirken, wodurch sie erregt werden. Die Geschlechtstheile einiger Gewächse zeigen aber auch Empfänglichkeit für blos örtli- che Einflüsse und äussern nach denselben Bewe- gungen, die eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den Zusammenziehungen der thierischen Muskeln haben. J. Bauhin Histor. plant. univers. T. II. p. 976. war der Erste, der eine Er- scheinung des Pflanzenlebens beobachtete, die zwar nicht von wahrer Reitzbarkeit herzurühren scheint, doch den Aeusserungen der wahren Irritabilität sehr analog ist, ein Ausstreuen des Saamenstaubs aus den Antheren der Parietaria bey Berührungen der Staubfäden. Nach Nach ihm sahen P. Borel Hist. et observ. medico-physic. Cent. I. Observ. 100. , Camerarius Ephemerid. Natur. Curios. Cent. IX. ad ann. 1722. Obs. 87. p. 194. und Covolo Discorso della Irritabilita d’alcuni Fiori nuovamente scoperta. In Firenze. 1764. Bewegungen des Griffels und der Staubfäden nach mechanischen Reitzungen bey mehrern Syngenesisten, besonders der Centaurea Calcitrapa. Ferner beschrieben Vaillant Discours sur la structure des fleurs. p. 8. , Du Hamel Physique des arbres. T. II. p. 167. und Adanson Familles des plantes. T. I. p. 59. T. II. p. 239. 437. die Bewegungen der gereitzten Staubfäden von Berberis vulgaris, Cactus Opuntia und Cistus Helianthemum. Die von jenen Schriftstellern gemachten Be- obachtungen verfolgten vorzüglich Kölreuter und Medicus . Kölreuter Vorläufige Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Vers. u. Beobachtungen. S. 125. §. 66. bemerkte die von Borel, Ca- merarius und Covolo gesehenen Erscheinungen an mehrern Syngenesisten, besonders an Centan- rea spinosa, ragusina, cineraria, glastifolia, erio- phora und salmantica, doch immer nur, Covolo ’s An- Angabe gemäss, an frischen Blumen, die sich entweder eben öffnen wollten, oder in der vollen Blüthe standen. Eine und dieselbe Blume liess sich zu wiederholten Bewegungen reitzen; doch musste vor jeder neuen Berührung eine gewisse Zeit, deren Dauer sich nach der Temperatur der Atmosphäre richtete, abgewartet werden. Dieser verschiedene Grad der Temperatur bestimmte auch die grössere oder geringere Reitzbarkeit der Blu- men. Die Bewegung zeigte sich nicht immer gleich, sondern erst eine oder etliche Sekunden nach geschehener Berührung. Die gereitzten Blu- men kehrten aus ihrer gezwungenen Lage nach einiger Zeit, aber ganz unmerklich, in ihre vorige Stellung zurück. Du Hamel hatte an der indianischen Feige (Cactus Opuntia) bemerkt, dass ihre Staubfäden sich dem Pistill nähern, wenn man sie berührt; am Sauerdorn (Berberis vulgaris), dass sich des- sen Staubfäden zusammenziehen und zum Pistill hinbewegen, wenn man sie an der Basis mit der Spitze einer Nadel reitzt; am Cistus Helianthe- mum, dass ein starker Stoss die Staubfäden in Bewegung setzt, und an allen dreyen, dass schon das blosse Anhauchen eine zitternde Bewegung in den männlichen Befruchtungstheilen hervorbringt. Aehnliche Erscheinungen entdeckte Kölreuter Ebendas. S. 131. an Cactus Tuna und Cistus apenninus, Medi- cus cus Act. Acad. Theodoro-Palat. Vol. I. p.495. — Pflan- zenphysiolog. Abhandl. B. 1. S. 24. 139. an Cactus hexagonus, Cactus grandiflorus und Cistus ledifolius, Link Grundlehren der Anat. u. Physiol. der Pflanzen. S. 259. an Berberis humilis und Berberis canadensis, Bewer In Smith ’s Exotic Botany. Vol. 2. p. 13. an Ventenatia maior Sm. Kölreuter fand, dass die Bewegung der Staubfäden von Cactus Tuna und Cistus apen- ninus immer nach der entgegengesetzten Richtung des ihnen beygebrachten Stosses geschieht, und dass dabey die nehmlichen Gesetze und Bedingun- gen statt finden, nach welchen die Zusammenzie- hungen der Staubfäden bey den Syngenesisten er- folgen. In der Folge machte er noch weitere Ver- suche über die Reitzbarkeit der männlichen Theile des Sauerdorns Nov. Acta Acad. sc. Petropol. A. 1788. p. 207. . Diesen zufolge wirken auf sie nicht nur mechanische Erschütterungen, sondern auch das durch ein Brennglas concentrirte Sonnen- licht und elektrische Schläge. Am reitzbarsten sind die Staubfäden an ihrem untern Theil. Sie lassen sich noch in Bewegung setzen, wenn man ihnen auch den obern Theil abgeschnitten, oder von ihrer Blume das Pistill, die Kelch- und Blu- menblätter weggenommen hat. Verhindert man sie in dem Augenblick, wo man sie reitzt, an der Aeusserung ihrer Bewegung, so bleiben sie auch V. Bd. O auch nachher unverändert in ihrer ersten Stellung. Ist ihre Reitzbarkeit schon sehr geschwächt, so werden sie von einer wiederholten Reitzung ent- weder gar nicht, oder nur wenn der Reitz sehr heftig ist, erregt. Unter den Beobachtungen von Medicus giebt es mehrere, wobey Bewegungen der Staubfäden, die ohne Zweifel blos von der Elasticität herrüh- ren, für Wirkungen der Reitzbarkeit angenommen sind. Einige Resultate seiner Versuche an wirk- lich reitzbaren Pflanzen haben indess Werth, wo- hin besonders die gehören, dass Pflanzen der käl- tern Himmelsstriche Nachmittags und bey heisser, trockener Witterung wenig oder gar nicht, hin- gegen Morgens nach starkem Thau und den gan- zen Tag hindurch bey gelindem Regen sehr reitz- bar sind; dass Gewächse der wärmern Climate ihre Reitzbarkeit nur bey heiterm Himmel äu- ssern, und dass alle Pflanzen am reitzbarsten sind, wenn der Saamenstaub eben reift und das Pistill sich mit einem glänzenden Oel bedeckt. Nach Kölreuter und Medicus wurden neue Versuche über die Reitzbarkeit des Sauerdorns von Smith, Ritter und Nasse angestellt. Smith ’s Versuche Philos. Transact. Y. 1788. p. 158. beweisen ausser dem, was schon die Kölreuter schen gelehrt hatten, dass der eigentliche Sitz der Reitzbarkeit die in- nere nere Seite der Staubfäden ist, dass die Bewegung keinesweges von blosser Elasticität herrührt, in- dem Staubfäden, die nach dem Stigma hingebo- gen sind, gleich wieder in ihre vorige Lage zu- rückspringen, sobald man mit dem Biegen auf- hört, und dass die Reitzbarkeit nicht nur vor, sondern auch noch nach der Befruchtung statt findet. Von Ritter Gehlen ’s Journal für Chemie, Physik u. Mineralo- gie. B. 6. S. 456. und Nasse Gilbert ’s Annalen der Physik. B. 41. S. 392. wurde die Wir- kung der Volta ischen Säule, und von dem letz- tern zugleich die der Wärme und reitzender Flüs- sigkeiten Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. 12. S. 258. auf die Staubfäden der Berberitze un- tersucht. Nasse ’s Versuche sind die entscheidend- sten. Es ergiebt sich aus denselben, dass jene Theile auch von der Elektricität der Volta ischen Säule in Bewegung gesetzt werden, wenn das Innere des Blumenstiels mit dem positiven Pol einer hinreichend starken Säule verbunden wird, die Zuleitung des elektrischen Stroms zu den Staubfäden aber, die noch ihre volle Reitzbarkeit besitzen müssen, durch Berührung des der Narbe zugekehrten Endes des Blumenblatts mit dem Lei- ter des negativen Pols geschieht. In Betreff des Ein- O 2 Einflusses der Wärme auf die Staubfäden des Sau- erdorns beobachtete er, dass das Eintauchen der Blumen in Wasser, welches eine Temperatur von 90° bis 95° R. Wärme hat, die Staubfäden in Bewegung setzt, Wasser von 135° bis 162° Hitze bey längerer Einwirkung die Reitzbarkeit schwächt, und weniger warmes diese für einige Zeit min- dert. Auf gleiche Art wie 90° bis 95° warmes Wasser wirken Weingeist, Aether und andere reit- zende Flüssigkeiten. Linné Hort. Cliffort. p. 9. hatte an der Gratiola gesehen, dass deren Stigma vor der Befruchtung geöffnet ist, nach derselben sich zusammenzieht. Diese Reitz- barkeit der Narbe nahmen Adanson A. a. O. T. I. p. 122. und Köl- reuter Vorläufige Nachricht u. s. w. Forts. 3. S. 134. auch an Gentiana, Martynia annua, Bi- gnonia radicans und Bignonia Catalpa, Medicus Pflanzenphysiol. Abhandl. B. 1. S. 32. 144. an mehrern Pflanzen, doch in geringerm Grade, und Kielmeyer Autenrieth ’s und Bohnenberger ’s Blätter für Na- turwissensch. u. Arzneyk. B. I. St. 1. S. 99. an Mimulus guttatus Fisch . wahr. Die Stigmate der Martynia annua und Bi- gnonia radicans bestehen aus zwey über einander liegenden Lappen, die sich um die Zeit der Reife des Saamenstaubs von einander begeben und ihre ganze innere, mit Wärzchen bedeckte Fläche der freyen freyen Luft aussetzen. Trägt man in dieser Pe- riode etwas Saamenstaub auf die Wärzchen bey- der Lappen, reitzt man sie mit einer Nadel, einer Feder u. d. gl. oder lässt man einen Tropfen Was- ser darauf fliessen, so bewegen sie sich augen- blicklich gegen einander, schliessen sich, wenn die Hitze gross ist, fest zusammen und bleiben eine längere oder kürzere Zeit geschlossen. Verschieden von dieser Reitzbarkeit der weib- lichen Organe ist das von J. Bauhin an der Pa- rietaria bemerkte Ausstreuen des Saamenstaubs bey Berührungen. Aehnliche Erscheinungen beobach- teten P. Blair Botan. Essays. p. 261. am Maulbeerbaum. Stähelin Tentamen medic. p. 6. th. 1. an der Brennessel, Haller Enumerat. stirp. Helvet. T. I. p. 174. 177. — Histor. stirp. indigen. Helvet. T. II. p. 137. 265. an mehrern Che- nopodien und am Satyrium albidum L., der jün- gere Linné Plant. rarior. horti Upsal. Fasc. 1. p. 2. an der Forskohlea tenacissima, und J. F. Gmelin Irritabilitas vegetab. in singulis plantarum partibus explorata. Tubing. 1768. an Urtica pilulifera, Urtica Do- dartii, Urtica cannabina, Spinacia oleracea, Hu- mulus Lupulus und Atriplex patula. Der letztere glaubte auch an den Antheren von Orchis bifolia, coriophora, latifolia, maculata und Conopsea ein Zu- O 3 Zusammenziehen und Zittern nach mechanischen Reitzungen wahrgenommen zu haben. Diese Erscheinungen wurden weiter von Smith Philos. Transact. Y. 1788. p. 158. untersucht, der sie aber mit Haller blos für Wirkungen der Elasticität erklärte. Die Staubfäden der Parietarien werden, seiner Mei- nung nach, durch die Kelchblätter in einer so ge- krümmten Lage erhalten, dass sobald der Kelch sich entfaltet, oder gewaltsam geöffnet wird, die elastischen Staubfäden aufspringen und ihren Saa- menstaub aufwerfen. Etwas Aehnliches bemerkte er an den Blumen der Medicago falcata. Nasse Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. 12. S. 258. schloss dagegen wieder aus Versu- chen, die er mit der Parietaria officinalis und Ur- tica dioica angestellt hatte, dass es bey diesen Pflan- zen eine lebendige Thätigkeit und nicht blosse Schnellkraft ist, was die Bewegung ihrer Staub- fäden, wodurch der Saamenstaub ausgeworfen wird, hervorbringt. Diese Bewegung erfolgte an- fangs immer häufiger in einer eingeschlossenen Luft, die eine Temperatur von 100° bis 180° R. hatte, als in der freyen Luft bey einer Wärme von 62° bis 63°. Bey längerer Dauer einer stär- kern Hitze gingen aber die Staubfäden, die ihren Staub nicht ausgeworfen hatten, in einen Zustand von von Erschlaffung über. Auch durch die Befeuch- tung beyder Pflanzen mit Weingeist, Aether und ätherischen Oelen wurde das Ausstäuben des Saa- menstaubs befördert. Hingegen hatte die Voltai- sche Säule auf die Explosion keinen Einfluss. Mir scheinen diese Erfahrungen den Schluss, den Nasse daraus zieht, nicht zu rechtfertigen. Die Bewegung der Staubfäden des Glaskrauts und der Nessel wurde blos durch Wärme und durch schnell verdünstende Flüssigkeiten befördert. Bey- de aber ändern die Spannung hygroskopischer Sub- stanzen ab. Hätten sie einen andern als blos die- sen Einfluss auf die Staubfäden, so müssten aller Analogie nach auch mechanische Reitze und die Elektricität der Voltaischen Säule auf die letztern wirken, welches doch nicht der Fall ist. Nasse erinnert zwar gegen Smith , man könne die Kelch- blätter reifer Glaskrautblumen von den Staubfäden abbiegen, oder selbst ganz wegnehmen, und den- noch verliessen diese ihre gekrümmte Stellung nicht, wenigstens nicht gleich und nicht in der Ordnung, in welcher die Blätter weggenommen wären. Al- lein die Schnellkraft der Staubfäden ist gewiss ver- schieden nach dem Feuchtigkeitsgrad der Luft und dem Zustand der Pflanze. Es erfolgt daher bey schwächerer Elasticität jener Theile nach der Weg- nahme der Kelchblätter kein Aufspringen dersel- ben, welches zu einer andern Zeit eintreten würde. O 4 Ganz Ganz anders ist es mit den Bewegungen der Staubfäden bey den Syngenesisten, den Cisten, dem Sauerdorn u. s. w. Diese werden durch die blosse Berührung ohne alle Biegung der Theile hervorgebracht. Sie werden durch Einflüsse er- regt, die keine Wirkung auf den hygroskopischen Zustand des Gewächses haben. Ihre Stärke steht mit der Energie des Lebens der Pflanze in Ver- hältniss. Das Princip derselben wird durch hef- tige Reitze erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt. Kurz, sie haben, wie wir unten sehen werden, die grösste Aehnlichkeit mit den Muskelbewegun- gen der Thiere. Eben diese Bewegungen sind aber auf der andern Seite den im vorigen §. er- wähnten Bewegungen der vegetabilischen Ge- schlechstheile, die ohne äussere Veranlassungen ein- treten, ganz ähnlich. Bey manchen Pflanzen er- folgen auch die Bewegungen der Staubfäden bald freywillig, bald nur nach äussern Reitzungen Medicus Pflanzenphy s iol. Abh. B. 1. S. 41. . Der innere Grund beyder muss also von einerley Art seyn. Bey den freywilligen Bewegungen ist dieser ohne Zweifel der nehmliche, von welchem das Wachsthum der Pflanze überhaupt abhängt. Sind also etwa die Erscheinungen der Reitzbarkeit Wirkungen derselben Ursache, die das Wachsthum hervorbringt? Wir wollen diese Vermuthung nicht ausser Acht lassen, doch, ehe wir sie verfolgen, die verschiedenen Aeusserungen des Princips der auto- automatischen Bewegungen erst noch weiter un- tersuchen. §. 6. Reitzbarkeit der Blätter mehrerer Pflanzen. Schon Theophrast Hist. plant. L. IV. s. 3. erzählt von einem bey Memphis wachsenden Baum, dessen angerührte Blätter sich senken und nach einiger Zeit wieder aufrichten. Erst seit der botanischen Erforschung beyder Indien sind aber die Pflanzen, deren Blät- ter Erscheinungen der Reitzbarkeit zeigen, näher bekannt geworden. Die meisten, hierher gehöri- gen Arten enthält die Familie der Hülsengewächse und darunter das Linne ische Mimosengeschlecht. Folgende Pflanzen sind es, die man als mit reitz- baren Blättern versehen kennt: Dionaea muscipula L. Oxalis sensitiva L. Averrhoa Carambola L. Aeschynomene sensitiva Swartz . — — — indica L. — — — pumila L. Smithia sensitiva Ait . Desmanthus diffusus Willd . (Mimosa per- nambucana L.) Schrankia aculeata Willd . (Mimosa quadri- valvis L.) Mi- O 5 Mimosa viva L. — — casta L. — — sensitiva L. — — pudica L. — — asperata L. — — humilis Humb . — — pellita Humb . — — dormiens Humb . Die Dionaea muscipula, Oxalis sensitiva, Aver- rhoa Carambola und Mimosa pudica sind bis jetzt näher beobachtet worden. Von den übrigen weiss man nur im Allgemeinen, dass sie reitzbare Blät- ter besitzen. Die Dionaea muscipula, eine Carolinische, der Drosera verwandte Sumpfpflanze hat zahlreiche, in einem Kreis rund um den Stengel gestellte, saftige Blätter, von welchen jedes aus zwey Glie- dern besteht. Das untere Glied ist platt, länglich, fast herzförmig; das obere besteht aus zwey Lap- pen von halbovaler Gestalt, die auf ihrer obern Fläche mit kleinen rothen Drüsen, am Rande mit einer Reihe steifer Borsten und in der Mitte jedes Lappens mit drey kleinen, aufrecht stehenden Sta- cheln besetzt sind. Wird das Blatt auf der obern Seite gereitzt, so legen sich die beyden Lappen zusammen, und rührt der Reitz von Insekten her, die, durch den Saft der Blattdrüsen angelockt, die Pflanze häufig besuchen, so werden diese getöd- tet, tet, indem sich die Stacheln beyder Lappen ge- gen einander begeben. Die Reitzbarkeit der Pflan- ze steht mit der Temperatur der Luft in Ver- hältniss Ellis Beschreibung der Dionaea muscipula. Uebers. von Schreber . 2te Aufl. Erlangen. 1780. . Die Blätter der Oxalis sensitiva, die aus ohn- gefähr zwölf Paar eyförmigen Blättchen bestehen, legen sich bey Berührungen so zusammen, dass die untern Flächen beyder Seiten an einander sto- ssen. Ihr Aufrichten wird blos durch das Sonnen- licht bewirkt. Sie schliessen sich schon, wenn man sich der Pflanze nähert und den Erdboden erschüttert. Auch des Nachts und an regnigten oder stürmischen Tagen sind sie geschlossen. Des Morgens sind sie im Zustand der stärksten Erek- tion und nicht so empfindlich gegen mechanische Reitze als um Mittag, wo sie sich schon beym blossen Anhauchen zusammenlegen Rumphii Herbar. Amboinense. T. V. p. 302. . Die gefiederten Blätter der Averrhoa Caram- bola, einer Ostindischen Pflanze, die den Tag über gewöhnlich wagerecht stehen, doch ihre Stel- lung immerfort verändern, wenn sie auch vor Sonne, Regen, Wind u. s. w. geschützt sind, sen- ken sich nieder, wenn man sie an ihrem Stiel berührt, oder auf diesen durch ein Brennglas das concentrirte Sonnenlicht richtet. Auf die steifen und und harten Zweige erstreckt sich die Empfänglich- keit für Berührungen nicht. Blos die Blattstiele sind der Sitz der Reitzbarkeit, und an diesen ist die Gegenwart der Rinde zur Fortdauer der letz- tern nothwendig R. Bruce , Philos. Transact. Y. 1785. p. 356. — Auf- fallend ist es, dass Loureiro (Flora Cochinchin. Edid. Willdenow . T. I. p. 354.), der die Averrhoa Caram- bola in ihrem Vaterland zu beobachten häufig Gele- genheit hatte, ihrer Reitzbarkeit nicht erwähnt. Viel- leicht sind die von ihm und von Bruce beschriebe- nen Pflanzen verschiedener Art. . Häufiger und genauer als alle übrige reitzbare Gewächse ist die Mimosa pudica beobachtet wor- den. R. Hook Micrograph. und De Mairan Hist. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1729. Ed. d’Am- sterd. p. 47. waren die Ersten, welche Versuche mit derselben anstellten. Du Fay und Du Hamel wiederholten diese und vermehrten sie mit vielen neuen Erfahrungen Ebendas. A. 1736. Mém. p. 120. . Camus Journ. de Phys. T. VIII. p. 395. . Ingenhouss und Schwankhardt Ebendas. T. XXVII. p. 467. , Landriani Ebendas. p. 468. , Delametherie Ebendas. T. XXX. p. 26. , Percival Mem. of the litter. and philos. Soc. of Manchester. Vol. 2. , Ca- Cavallo Vollst. Abhandl. der theoret. u. prakt. Lehre von der Elektricität, A. d. Engl. 3te Ausg. S. 319. , van Marum Expér. faites par le moyen de la machine electrique Teylerienne . Continuat. IIde. p. 160. , und Ritter Denkschriften der Baierischen Akad. der Wissensch. B. 2. un- tersuchten den Einfluss der Elektricität, Giulio Journ. de Phys. T. LVII. p. 460. und C. Sprengel Ueber den Bau u. die Natur der Gew. S. 367. 368. die Wirkung der Volta ischen Säule, Ingenhouss Versuche mit Pflanzen. und Humboldt Aphorismen aus der chem. Physiol. der Pflanzen. die der Gasarten, und zuletzt Sigwart Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. 12. S. 13. den Einfluss mehrerer Reitze auf die Sinnpflanze. Ich werde, indem ich von den Resultaten dieser Versuche hier eine Uebersicht gebe, nur bey denen, worin nicht alle Beobachter übereinstimmen, oder die ich nicht aus eigener Erfahrung bestätigen kann, den Gewährsmann anführen. Bey der reitzbaren Mimose erstreckt sich die Reitzbarkeit auf die Zweige, die Stiele der zu- sammengesetzten Blätter und die einzelnen Blätt- chen. Jeder dieser Theile dreht sich bey seiner Bewegung um seine Axe und beschreibt zugleich um seinen Befestigungspunkt einen Bogen. Die Bewe- Bewegungen sind Expansionen und Contraktionen. In der höchsten Expansion, worin alle Theile von einander entfernt sind, befindet sich die Pflanze an heissen Sommertagen des Vormittags beym vol- len Sonnenlicht; in der völligen Contraktion, worin die Blättchen dachziegelförmig über dem gemein- schaftlichen Stiel liegen und die Blätter an einan- der gedrängt sind, um Mitternacht. Diesen Wechsel von Expansion und Contrak- tion hat die Pflanze mit andern schlafenden Ge- wächsen gemein. Sie geräth aber auch in den Zu- stand der Zusammenziehung durch mechanische Reitze; durch Verwundungen; durch den Einfluss der Elektricität und der Volta ischen Säule; durch den plötzlichen Zutritt des vollen Sonnenlichts zu einer im Helldunkel befindlich gewesenen Pflanze; durch schnellen Uebergang von der Wärme sowohl zur Hitze, als zur Kälte; durch das plötzliche Zulassen der freyen Luft zu einer Staude, die lange in einer eingeschlossenen Atmosphäre gestan- den hat; durch die Berührung der Pflanze mit mineralischen Säuren; durch den Dampf des bren- nenden Schwefels; durch salzsaures Gas und Am- moniakgas. Alle diese Reitze wirken jedoch nicht auf ei- nerley Art, und auch der Einfluss eines und des- selben Reitzes ist verschieden nach dem verschie- denen Zustand der Mimose. Mecha- Mechanische Reitze wirken nur insofern, als sie eine Erschütterung hervorbringen, die sich auf die Gelenke fortpflanzt. Diese sind der Hauptsitz der Reitzbarkeit. Von dem, unmittelbar gereitz- ten Gelenk geht die Zusammenziehung aus und pflanzt sich auf desto mehr Theile fort, je stär- ker die Erschütterung war. Verwundungen bringen, auch ohne alle Er- schütterung, Contraktionen, doch nur langsame und nur auf die nächsten Theile sich erstrecken- de, hervor. Elektrische Funken, plötzliche Erhitzung der Luft, das plötzlich einfallende, volle Sonnenlicht und der schnelle Zutritt der freyen Luft zu einer verzärtelten Mimose wirken eben so heftig wie mechanische Erschütterungen, hingegen die Hitze des Focus eines Brennglases, einer brennenden Kerze oder eines glühenden Eisens, mineralische Säuren und das Ammoniakgas langsam, mehr ört- lich und Verwundungen ähnlich. In Betreff der Elektricität glaubte Ritter be- obachtet zu haben, dass der Einfluss derselben verschieden ist, je nachdem die positive zum äu- ssern, die negative zum innern Ende eines Blatts, einer Blattabtheilung u. s. w. oder umgekehrt ge- leitet wird. Die Abtheilung, die von aussen + E erhält, zieht sich ihm zufolge immer am stärk- sten oder allein, die aber, welche von aussen — E auf- aufnimmt, am schwächsten oder gar nicht zusam- men. Ueber die Richtigkeit dieser Angabe kann ich aus eigener Erfahrung nicht entscheiden. Sie bedarf aber, wie viele andere Beobachtungen Rit- ter ’s, um so mehr einer weitern Bestätigung, da, nach Nasse ’s oben erwähnten Versuchen über den Einfluss der Volta ischen Säule auf die Staubfä- den der Berberitze, diese nur dann wirksam ge- reitzt werden, wenn der positive Pol mit dem äussern, der negative Pol mit dem innern Ende der letztern verbunden wird. Von der Einwirkung der Galvani schen Elek- tricität konnte Sprengel keine Veränderung an einer Mimose bemerken, obgleich er den Versuch einmal mit 60 und das andere mal mit 120 Plat- ten-Paaren anstellte. Allein nach Giulio ’s Ver- suchen, der die Volta ische Säule nicht nur auf die Mimosa pudica, sondern auch auf die Mimosa sensitiva und asperata wirksam fand, lässt sich doch der Einfluss dieses Agens auf die Sinnpflanze nicht bezweifeln. Wahrscheinlich ist die nicht immer sich gleiche Leitungsfähigkeit der Oberhaut des Gewächses eine Hauptursache des verschiede- nen Erfolgs dieser Versuche. Nach dem plötzlichen Zutritt einer Kälte, die unter dem Gefrierpunkt war, zu einem Zweig ei- ner Sinnpflanze sahen Du Fay und Du Hamel A. a. O. p. 142. 143. die- diesen sich mit seinen Blättchen erst stärker wie vorhin öffnen, dann sich sehr schnell schliessen und nachher wieder öffnen. Die Reitzbarkeit der Mimose ist eine, jedem ihrer einzelnen Organe zukommende Eigenschaft. Sie hängt in diesen nur insofern von dem Gan- zen ab, als das Leben derselben durch ihren Zu- sammenhang mit dem letztern bedingt ist. Sie dauert daher in abgeschnittenen Theilen noch fort und ist nicht immer in allen Organen von gleicher Stärke. Von dieser ihrer ungleichen Vertheilung scheint es herzurühren, dass, nach Sigwart ’s Be- obachtung A. a. O. S. 25. , heftige Reitzungen bey ihrem Fort- gang zuweilen einzelne Blättchen oder Blattabthei- lungen überspringen. Alles aber, was dem Leben der Pflanze nachtheilig ist, z. B. das Untertauchen derselben unter Wasser Du Fay u. Du Hamel a. a. O. p. 136. 137. , das Bestreichen der Blätter mit Oel oder Weingeist Ebendas. p. 136. , die verdünnte Luft der Luftpumpe Ebendas. p. 144. , eine kalte Atmosphäre und die Entwickelung der Blüthe Sigwart a. a. O. S. 36. , das kohlensaure, salpetersaure und Stickgas Inoenhouss ’s Versuche mit Pfl. B. 2. S. lxi. 11. 12. 235. — Humboldt a. a. O. S. 95 fg. , schwächt mit der Zeit V. Bd. P Zeit auch die Reitzbarkeit. Mimosen, die, unter dem Wasser gehalten, ihre Empfänglichkeit für Reitze verloren haben, äussern indess noch regel- mässig die Bewegungen des Einschlafens und Er- wachens, bis sie endlich im Zustand einer bestän- digen Expansion absterben Sigwart . S. 35. . Alle diese Erscheinungen der Mimosa pudica und der übrigen, einen hohen Grad von Reitz- barkeit besitzenden Pflanzen scheinen isolirt zu stehen, wenn man sie blos auf ihren höchsten Stufen betrachtet. Uebersieht man aber die ganze, bisher aufgezählte Folge von automatischen Pflan- zenbewegungen, so wird es einleuchtend, dass jene blos Modifikationen einer allgemeinen Eigen- schaft der vegetabilischen Natur sind. Wir fan- den, dass jedes Gewächs bey seinem Wachsthum einen gewissen Grad von Licht zu erreichen sucht. Dieses Erreichen geschieht durch eine Ausdehnung in die Länge. Die meisten Pflanzen folgen aber auch dem Licht durch ein Drehen ihrer Blätter, also durch eine Ausdehnung auf der einen und eine Verkürzung auf der andern Seite. Bey einer kleinern Anzahl findet ein regelmässiger Wechsel von Wachen und Schlaf, also von Ausdehnung und Verkürzung statt, und bey vielen von denen, welche diese Bewegungen äussern, haben noch andere Einflüsse als Licht und Finsterniss auf je- nen nen Wechsel Einfluss. Die eigentlichen reitzba- ren Pflanzen unterscheiden sich von den letztern nur darin, dass es viele verschiedenartige Ursa- chen giebt, welche bey ihnen die durch das Son- nenlicht bewirkte Ausdehnung wieder aufheben. Die Bewegungen der reitzbaren Gewäch- se sind also Folgen eines, bis auf eine gewisse Gränze beschränkten, vom Ein- fluss des Sonnenlichts herrührenden Wachsthums, dessen Produkt durch meh- rere äussere Einwirkungen wieder ver- nichtet wird . Um diese Bemerkungen über die reitzbaren Pflanzen vollständig zu machen, muss ich noch einiger Gewächse, die ebenfalls zu diesen gerech- net sind, die aber meiner Ueberzeugung nach nicht zu denselben gehören, des Apocynum androsae- mifolium L., der Drosera rotundifolia L. und der Onoclea sensibilis L. erwähnen. Am Apocynum androsaemifolium wollen Swa- germann Verhandel. van het Genootsch, te Vlissingen. D. 5. Bl. 284. D. 9. Bl. 1. und Bartolozzi Opuscoli scelti. T. 2. p. 193. , an der Drosera rotundifolia Roth Beyträge zur Botanik. Th. 1. (Bremen 1781,) S. 60. und Withering Botanical arrangement of british plants. eine ähn- liche P 2 liche Reitzbarkeit, wie die Dionaea muscipula hat, bemerkt haben. Bey der erstern Pflanze sollen es die Blätter seyn, die sich schliessen, wenn sie von einem Insekt inwendig berührt werden, und bey der letztern die Blätter, die sich oben zusam- menlegen, wenn sie auf der obern Seite gereitzt werden. Ich zweifele an der Richtigkeit dieser Beobachtungen. In den Blumen des Apocynum an- drosaemifolium habe ich häufig Insekten klebend gefunden, die von dem giftigen Saft dieser Pflanze getödtet waren. Aber nie habe ich solche Blumen geschlossen angetroffen, und nie Zusammenziehun- gen nach mechanischen Reitzungen ihrer innern Fläche wahrgenommen. An den Blättern der Dro- sera rotundifolia habe ich ebenfalls, so wie auch Link Grundlehren der Anat. u. Physiol. der Pfl. S. 259. , keine Spuren von Reitzbarkeit entdecken können. Man findet zwar oft Blätter dieser Pflan- ze, die sich zusammengelegt haben. Allein eine äussere Ursache dieses Zusammenfaltens habe ich nie bemerkt. Von der Onoclea sensibilis erzählt Hedwig In seinen Zusätzen zu Humboldt ’s Aphorismen aus der chemischen Physiol. der Pfl. S. 159. , dass an einer jungen Pflanze, die von jemandem angetastet wurde, alle die berührten Schüsse bis auf den Boden abstarben. Man hat hieraus schlie- ssen wollen, dass die menschliche Berührung ei- nen nen eigenen, nachtheiligen Einfluss auf jenes Ge- wächs hätte. Allein dieser Schluss aus einem ein- zigen, oberflächlich beobachteten Fall wird durch Rudolphi ’s Anat. der Pflanzen. S. 238. Erfahrungen widerlegt. Pohl und Humboldt Humboldt ’s Aphorismen. S. 42. 43. fanden nie Spuren von Reitzbarkeit an diesem Gewächs. §. 7. Bewegung der Säfte in den Pflanzen. Noch eine Art von automatischen Bewegun- gen des vegetabilischen Körpers sind diejenigen, die im Innern desselben vor sich gehen. Die Pflanze nimmt Flüssigkeiten aus dem Erdboden auf, und diese steigen in ihr bis zum äussersten Gipfel. Die bewegende Kraft ist hier nicht etwa die Anziehung der Haarröhrchen: denn diese würde sie, wie Van Marum Diss. qua disquiritur, quousque motus fluidorum et caeterae quaedam animalium plantarumque functiones consentiunt. Groning. 1773. gezeigt hat, nicht weiter als höchstens auf acht Zoll treiben. Es muss hier die nehmliche Kraft wirken, welche die äusser- lichen automatischen Bewegungen der reitzbaren Pflanzen hervorbringt: denn sie folgt in ihrem Verhalten gegen äussere Eindrücke denselben Ge- setzen wie diese und wie die thierische Reitzbar- keit; sie wird aufgeregt durch mässige, erschöpft durch P 3 durch zu heftige Reitze, und diese Reitze sind für sie zum Theil dieselben, die auf den thierischen Körper wirken. Nach Van Marum ’s Versuchen Journ. de Phys. T. XLI. p. 218. wird ihre Thätigkeit durch schwächere elektrische Funken beschleunigt, und nach meinen eigenen Erfahrungen, womit auch die seinigen überein- stimmen, durch stärkere aufgehoben Kressensaamen, worauf ich vierzöllige Funken aus dem positiven Conduktor einer Elektrisirmaschine schlagen liess, keimte gar nicht, oder trieb nur kleine, krüpplige Pflanzen. . Das Kei- men von Gerstenkörnern und das Wachsthum ihrer Keime sahe ich durch Begiessen mit einer Opium- Emulsion beschleunigt, hingegen durch Anfeuch- ten der Erde mit einer Campher-Emulsion, wor- in bey mir abgeschnittene Zweige einer Colutea arborescens sehr lebhaft trieben und bey Barton , so wie bey Willdenow , verwelkte Zweige und Blumen des Tulpenbaums, der gelben Iris und der Silene pendula sich schnell wieder erholten Willdenow ’s Grundriss der Kräuterk. 2te Ausg. S. 327. , aufgehalten werden Pfaff ’s u. Scheel ’s Nordisches Archiv für Natur- und Arzneywissensch. B. 1. S. 274. . Durch Begiessen mit ver- dünntem Kirschlorbeerwasser brachte ich Kressen- saamen früher als durch Anfeuchten mit blossem Wasser zum Keimen Von drey mit Gartenerde gefüllten und im April mit . Andere beobachteten eine Be- Beschleunigung der Vegetation von der oxygenir- ten Salzsäure Humboldt ’s Aphorismen. S. 63. , dem kochsalzsauren Ammoniak Coulon Diss. do mutata humorum in regno orga- nico indole, a vi vitali vasorum derivando. Praes. Brugmanns . Lugd. Bat. 1789. p. 29. und dem salzsauren Kali Vallemont Curiosités de la Nature et de l’Art. p. 157. — Trommsdorf in Gren ’s Journal der Physik. B. I. St. 1. S. 29. . Aber diese und alle übrige Reitze befördern die Vegetation, eben so wie die Elektricität, das Opium und der Cam- pher, nur unter gewissen Bedingungen. Die oxy- dirte Salzsäure z. B. beschleunigt nur bey der Mit- wirkung des Lichts und der Wärme das Keimen der Saamen, und vorzüglich nur derjenigen, die einen scharfen Stoff enthalten, wie der Kresse, des Senss, Meerrettigs u. s. w. F. Schnurrer Observata de materiarum quarundam oxydatarum in germinationem efficientia etc. Tubing. 1805. . Man mit Kressensaamen besäeten Töpfen begoss ich den einen mit blossem Wasser, den zweyten mit einer Mischung aus 2 Drachmen Kirschlorbeerwasser und 6 Unzen Wasser, den dritten mit einer ähnlichen Mischung, worin aber die Quantität des Kirschlor- beerwassers 3 Drachmen betrug. In den beyden letz- tern Töpfen keimte der Saamen drey Tage früher als in dem ersten. Nachher aber zeigte sich in dem Wachsthum der Keime kein Unterschied mehr. P 4 Man hat für den Sitz der Kraft, wodurch die Bewegung der Pflanzensäfte bewirkt wird, die Ge- fässe angenommen, und zum Beweise dieser Hy- pothese angeführt, dass Blutungen verwundeter Pflanzen durch Vitriol und Alaun, die eine Zu- sammenziehung jener Gefässe hervorbringen, ge- hemmt werden Coulon l. c. p. 12. , und dass die Stengel- und Kelchblätter der Lactuca sativa L. an Stellen, wo sie berührt werden, einen milchigen Saft aus- schwitzen Corradori , Mem. di Matematica e Fisica della So- cietà Italiana. T. XII. P. II. p. 30. — Corradori führt auch folgenden Versuch als einen Beweis der Reitzbarkeit der Pflanzengefässe an: Schneidet man eine junge Pflanze der Euphorbia Cyparissias unten ab, so dringt aus der Wunde ein milchiger Saft; schneidet man sie hierauf oben ab, so fängt die neue Wunde an zu bluten und der Ausfluss aus der untern hört auf; macht man hingegen die Operation auf die entgegengesetzte Art, indem man die Pflanze erst oben und dann unten verwundet, so dauert das Bluten aus der obern Wunde fort, aus der untern aber drin- gen nur wenige Tropfen. Ich habe diesen Versuch an der Vinca maior wiederholt. Bey dieser aber fand kein Unterschied zwischen dem Ausfluss aus der obern und untern Wunde statt. . Allein bey dem erstern Versuch wir- ken der Vitriol und Alaun vielleicht blos auf che- mische Art, und bey dem letztern wird vielleicht durch jede Berührung die feine Oberhaut der Lak- tuke tuke verletzt. Wenn aber auch in beyden Fällen eine wirkliche vitale Zusammenziehung der Ge- fässe statt findet, so lässt sich hieraus doch kei- nesweges schliessen, dass diese durch solche Be- wegungen das Aufsteigen der Pflanzensäfte her- vorbringen. Nie sahe man bey den vielen mikros- kopischen Untersuchungen, die über sie angestellt sind, an ihnen eine deutliche Spur von Reitzbar- keit. Ihr ganzer Bau widerspricht auch der Vor- aussetzung, dass sie diese Eigenschaft besitzen. Es muss hier eine ganz andere Ursache vorhan- den seyn, eine Kraft, die auf ähnliche Art wirkt, wie die Elektricität, durch welche das Ausfliessen von Flüssigkeiten aus Haarröhren beschleunigt wird. Giebt es eine solche, so wird sich diese ohne Zweifel durch ähnliche innere Bewegungen der vegetabilischen Säfte äussern, wie wir in dem thierischen Blute und Saamen entdeckten Biologie. Bd. 4. S. 654. — Vermischte Schriften ana- tom. u. physiolog. Inhalts von G. R. u. L. C. Tre- viranus . B. 1. S. 123. , und dergleichen Erscheinungen habe ich in der That an den Milchsäften des Rhus Cotinus und der Vinca maior beobachtet Vermischte Schriften von G. R. u. L. C. Trevira- nus . B. 1. S. 157. . P 5 Drit- Drittes Kapitel. Automatische Bewegungen der Thiere. Vergleichung derselben mit den ve- getabilischen . I m vorigen Kapitel habe ich alles Wichtigere zu- sammengestellt, was bis jetzt in Betreff der auto- matischen Bewegungen des Pflanzenreichs beob- achtet ist. Vergleichen wir mit den letztern in Hinsicht auf jene Erscheinungen das Thierreich, so finden wir Analogien, die uns berechtigen, ei- nerley Bewegungsprincip in beyden Reichen anzu- nehmen. Wir treffen die Empfänglichkeit der Blätter und Geschlechtstheile mehrerer Pflanzen für me- chanische und chemische Reitze, für Elektricität u. s. w. und die Aeusserung dieser Reitzbarkeit durch Zusammenziehungen bey allen thierischen Muskeln an. Wir sehen, dass auf mehrere reitzbare Theile der Thiere, z. B. auf das Herz, beständig innere Reitze wirken, wodurch in denselben ähnliche fortdauernde Bewegungen, wie beym Hedysarum gyrans in dessen kleinern Blättern, erregt werden. Wie Wie bey den meisten Pflanzen die Geschlechts- theile blos durch solche innere Reitze zu einer gewissen Zeit in Bewegung gesetzt werden, äu- ssere Erregungsmittel aber keinen Einfluss auf sie haben, so äussern auch die Muttertrompeten und die Gebährmutter der Thiere in einer gewissen Periode eigene Bewegungen, die ausser dieser Zeit durch keine sonstige Reitze hervorgebracht wer- den. Von jenen langsamen Verkürzungen der Pflan- zentheile, welche beym Hinbewegen derselben nach dem Licht, der Feuchtigkeit u. s. w. statt finden, giebt uns endlich das thierische Zellgewebe Bey- spiele, z. B. bey der Zusammenziehung desselben nach der Entleerung von Wasser, der Bauchhaut nach der Entbindung u. s. w. Nur für das Licht, das so mächtig auf die ganze vegetabilische Natur wirkt, besitzen keine andere thierische Bewegungs-Organe Empfänglich- keit als die Iris, und auch diese wird nur mittel- bar davon erregt. Alle reitzbare Theile der Thiere stehen dagegen unter der Herrschaft des Nerven- systems, und auf dieses muss allerdings das Licht ebenfalls Einfluss haben, indem von dessen Ge- genwart und Abwesenheit ein ähnlicher Wechsel von Thätigkeit und Ruhe im thierischen, wie im vegetabilischen Körper, entsteht. Wir Wir werden also bey unsern weitern Untersuchungen die thierischen und ve- getabilischen Bewegungen insofern für gleichartig annehmen dürfen, als nicht die unmittelbare Abhängigkeit der er- stern vom Nervensystem und der letz- tern vom Licht einen Unterschied macht . Zwey- Zweyter Abschnitt. Grundformen der automatischen Be- wegungen . D ie Grundformen der automatischen Bewegun- gen sind Zusammenziehungen und Ausdeh- nungen . In den thierischen Muskeln folgt auf jede Zu- sammenziehung eine Ausdehnung. Nach der verschiedenen Form der Organe, der längern oder kürzern Dauer der Zusammenziehung und Ausdehnung, und des langsamern oder schnel- lern Wechsels beyder Thätigkeiten erscheinen die Muskelbewegungen als Palpitationen, Oscillatio- nen, wurmförmige Bewegungen u. s. w. Wir wollen zuerst die Zusammenziehung näher betrachten. Die meisten Muskeln verkürzen sich hierbey der Länge nach, indem sie zugleich in der Dicke etwas etwas zunehmen. Swammerdamm Biblia naturae. T. II. p. 839. schloss ei- nen langen Froschmuskel in einer gläsernen Röhre ein, die etwas weiter im Durchmesser als der Muskel, aber kürzer als dieser war, befestigte die beyden Enden desselben ausserhalb der Röhre leicht mit Stecknadeln, und erregte in ihm Zu- sammenziehungen. Hierbey wurden die Steckna- deln gegen einander gezogen und die Röhre von den Muskeln ausgefüllt. Die Zunahme an Dicke bey der Verkürzung ist indess nicht allgemein. Sie scheint nicht bey den reitzbaren Pflanzen und auch nicht bey allen thierischen Bewegungsorganen, z. B. beym Ute- rus, statt zu finden, und da, wo sie eintritt, nicht so beträchtlich zu seyn, dass der zusammen- gezogene Theil eben so viel an Dicke gewinnt, als er an Länge abnimmt; es ist vielmehr wahr- scheinlich, dass mit der Zusammenziehung eine wirkliche Zunahme der Cohäsion verbunden ist . Durch Versuche hierüber etwas Gewisses aus- zumachen, hat zwar grosse Schwürigkeiten. Doch, glaube ich, sprechen wichtige Gründe für diesen Satz. Glisson Tractatus de ventriculo et intestinis. Cap. VIII. §. 9. stellte zuerst einen solchen Ver- such an. Er liess einen starken Mann den Arm in in eine weite Glasröhre stecken, die an dem untern Ende verschlossen war, oben zur Seite aber eine kleine, sich trichterförmig erweiternde, senkrechte Röhre hatte, verstopfte sorgfältig alle Zwischen- räume zwischen dem Arm und dem obern innern Rand der Röhre, goss durch den Trichter so lange Wasser ein, bis ein Theil davon in die kleinere Röhre trat, und liess nun den Mann seinen Arm bald so stark wie möglich anstrengen, und bald wieder ruhen. Bey der Zusammenziehung der Muskeln fiel das Wasser in der kleinen Röhre, und beym Nachlass derselben stieg es wieder. Man hat gegen diesen, in neuern Zeiten von Carlis- le Philos. Trausact. Y. 1805. p. 22. mit gleichem Erfolg wiederholten Versuch eingewendet, dass das Fallen des Wassers viel- leicht von der Zusammendrückung der Adern des Arms entstanden wäre. Allein so gross ist schwer- lich der Druck der bewegten Muskeln auf die Blutgefässe, dass sich davon eine erhebliche Ver- minderung des Raums eines angestrengten Gliedes ableiten liesse. Mit mehr Recht lässt sich einwen- den, dass die ganze Einrichtung des Versuchs kein genaues Resultat zulassen konnte. Nach Glisson untersuchte Swammerdamm A. a. O. p. 846. den Zustand zusammengezogener Muskeln. Er füllte das Herz eines lebenden Frosches durch ei- nes der grossen Gefässe mit Luft an, unterband das- dasselbe, brachte es in eine gläserne Sprütze, wo- von das eine Ende in eine feine Röhre ausgezo- gen war, und füllte diese Röhre durch Zurück- ziehen des Stempels mit einer Flüssigkeit an. Diese sank jedesmal, wenn das Herz sich zusam- menzog, und stieg bey der Erweiterung dessel- ben. Der Versuch gelang auch mit einem Herz, welches nicht unterbunden war; doch liess sich hierbey das Steigen und Fallen des Wassers nur durch ein Vergrösserungsglas wahrnehmen. Swam- merdamm schloss in den nehmlichen Apparat auch willkührliche Muskeln ein. Er gesteht aber, dass es ihm mit diesen nicht gelingen wollte, das Stei- gen und Sinken der Flüssigkeit bemerklich zu machen, weil es ihm nicht möglich war, die Mus- keln auf eine solche Art zu reitzen, dass der Zu- gang der äussern Luft zum Innern der Sprütze ganz verhindert wurde. Die erstern Versuche scheinen mir allerdings eine vermehrte Dichtigkeit der Substanz des Herzens bey der Systole darzu- thun. Man hat zwar den Einwurf gemacht, sie bewiesen blos eine Verminderung der innern Höh- lung des Herzens bey der Zusammenziehung. Al- lein ich sehe nicht ein, wie die Höhlung veren- gert werden konnte, wenn nicht jene Zunahme an Dichtigkeit statt fand. In dem zweyten Ver- such hätte aber auch eine solche Verengerung al- lein das Fallen des Wassers nicht verursachen kön- nen, da hier das Herz offen war, sich also beym Unter- Untertauchen ohne Zweifel gleich mit Wasser an- füllte, und bey der Systole von diesem eben so viel herausgedrückt wurde, als bey der Diastole hineingetreten war. Auf eine weit rohere Art als Swammerdamm verfuhr nach ihm G. Blane A lecture on muscular motion, read at the Roy. Soc. the 13 Nov. 1788. London. 1791. . Dieser schloss ein Stück von der hintern Hälfte eines lebenden Aals in einer Flasche ein, deren Hals in eine dünne Röhre ausgezogen war, füllte das Gefäss so lange mit Wasser, bis dasselbe in die Röhre hinaufgestiegen war, und brachte zugleich durch die letztere einen feinen Eisendrath in die Flasche, womit er das Aalstück reitzte. Es entstanden in diesem Zusammenziehungen, aber in der Höhe des Wassers war keine Veränderung zu bemer- ken. J. Barzellotti Esame di alcune moderne Teorie intorno alla causa prossima della contrazione muscolare. Siena 1796. sahe ein, dass Blane ’s Ver- such nichts entschied, weil es unmöglich war, den Stand des, durch die Bewegung des Eisen- draths umgerührten Wassers genau zu beobach- ten, und die, blos mechanisch gereitzten Muskeln sich schwerlich kräftig und anhaltend genug zu- sammenzogen, um diesen Stand merklich zu ver- V. Bd. Q verändern. Barzellotti glaubte auf folgende Weise zu einem sicherern Resultat zu gelangen. Er verschloss die weitere Oeffnung eines kegel- förmigen Gefässes von Glas, aus welchem nahe am Boden eine enge Röhre senkrecht in die Höhe stieg, und worin an einem messingenen Haken ein Froschschenkel hing, dessen Nerve mit einem Zinkplättchen armirt war, mit weichem Wachs, so dass dieses den Stiel des Hakens umgab, legte auf den Boden des Gefässes eine Silbermünze, füllte das Gefäss mit Wasser, bis dieses ohnge- fähr 2 Zoll hoch in der Seitenröhre stand, und bewirkte nun Contraktionen, indem er den Stiel des messingenen Hakens niederbog, und dadurch sowohl die Muskeln, als die Nervenarmatur des Schenkels mit der Silbermünze in Berührung brach- te. Der Erfolg war, dass der Stand des Wassers in der kleinen Röhre bey den Zusammenziehun- gen des Schenkels unverändert blieb. Es ist aber offenbar, dass auch bey diesem Versuch das Nie- derbiegen des Hakens nicht ohne Einfluss auf den Stand des Wassers bleiben konnte. Die durch den einfachen Galvanismus bewirkten Muskelbe- wegungen sind zudem nicht anhaltend genug, um genaue Beobachtungen zuzulassen. Entscheidender sind Erman ’s und Gruithui- sen ’s Versuche. Er- Erman Gilbert ’s Annalen der Physik, Jahrg. 1812. St. 1. S. 1. verschloss einen, an beyden Enden offenen Glascylinder unten mit einem Kork, durch welchen ein Platinadrath ging, und füllte ihn mit Wasser. In dieses brachte er ein Stück von dem Schwanz eines lebenden Aals, und verstopfte dann die obere Oeffnung des Cylinders ebenfalls durch einen Kork, durch welchen auch ein Platinadrath und ausserdem noch eine, an beyden Enden offe- ne, enge Glasröhre ging. Bey dem Eindrücken des letztern Korks trat etwas Wasser in die Röhre, dessen Stand genau bezeichnet wurde. Als hier- auf Erman das Rückenmark mit dem einen, die Muskeln mit dem andern Drath verband, und beyde Dräthe mit den Polen einer Volta ischen Säule in Berührung setzte, fiel jedesmal das Was- ser in der kleinen Röhre bey der Zusammenzie- hung der Muskeln um 4 bis 5 Linien, und zwar stossweise. Während dem Geschlossenseyn der Kette stieg dasselbe wieder auf den vorigen Punkt, aber viel langsamer als es gefallen war, und auf diesem erhielt es sich, so lange das Geschlossen- seyn dauerte. Bey der Trennungszuckung fiel es von neuem eben so schnell und eben so tief, wie bey der Schliessung, und kehrte nachher auf den vorigen Stand zurück. Gruithuisen ’s Versuche wurden auf ähnliche Art und mit gleichem Erfolg wie die Erman schen, aber Q 2 aber mit Froschschenkeln und vermittelst Durch- lassung des Strohms einer Batterie von Leidener Flaschen angestellt Salzburger med. chirurg. Ztg. J. 1811. No. 84. S. 91. . Erman glaubt auch etwas ganz Analoges von jener, beym Zusammenziehen der Muskeln eintre- tenden Zunahme ihrer Cohäsion bey der Wirkung der Elektricität auf das Quecksilber entdeckt zu haben. Eine an dem einen Arm einer empfindli- chen Wage hängende Adhäsionsplatte, die mit ei- ner dünnen, eine Quecksilberfläche bedeckenden Wasserschicht so verbunden war, dass die ganze Wassermasse sich unter ihr cylindrisch anhäufte und sie dem Abreissen möglichst nahe kam, wurde bey Verbindung derselben mit dem einen und des Quecksilbers mit dem andern Pol einer Volta ischen Säule heruntergezogen, indem das Wasser rund um ihren Umkreis hervortrat; beym Oeffnen der Kette erfolgte eine Bewegung der Platte in entge- gengesetzter Richtung, wobey sie sich immer vom Wasser losriss, und während des Geschlossen- seyns der Kette fanden Schwingungen und wel- lenförmige Bewegungen in dem Wasser und Queck- silber statt. Wir haben, nach Erman ’s Meinung, an die- sen Bewegungen eines unorganischen Systems ein treues Bild der Veränderungen, die unter gleichen Umständen der Muskel erleidet. Er hält die Schlie- ssungs- ssungs- und Trennungszuckung der Wage für Wir- kungen vermehrter und verminderter Cohäsion des Wassers und des Quecksilbers. Mir scheint aber Alles blos Folge von Anziehung und Abstossung zwischen der Platte und dem Quecksilber, und die Analogie zwischen dem Resultat jenes Ver- suchs und den Erscheinungen, die ein Muskel bey der Einwirkung der Volta ischen Elektricität äussert, nicht so bedeutend zu seyn, wie sie Er- man findet. Bey jenem Versuch reisst sich die Platte im Augenblick des Oeffnens der Kette vom Wasser los, und es tritt das Entgegengesetzte wie bey der Schliessung ein; der Muskel hinge- gen zieht sich auf einerley Art beym Eintritt in die Kette und beym Austritt aus derselben zusam- men. Ferner ist die Schwürigkeit, dass an dem Muskel während des Verweilens in der Kette keine Spuren von Bewegung zu bemerken sind, die doch unter den nehmlichen Umständen im Wasser und Quecksilber statt finden, von Erman keinesweges befriedigend gehoben. Er glaubt zwar aus andern Thatsachen, z. B. aus der Empfindung eines Wech- sels von Zusammenziehung und Erschlaffung bey einer anhaltenden Kraftäusserung eines Gliedes, schliessen zu müssen, dass auch in dem Muskel bey dem Geschlossenseyn der Kette ein Wechsel der Cohäsionszustände vorgeht. Allein der Mus- kel geräth nach der Schliessungszuckung in eine Ausdehnung, die bis zum Oeffnen der Kette fort- Q 3 dau- dauert; in den Fällen hingegen, wo uns das Ge- fühl von zitternden Bewegungen in willkührli- chen Muskeln überführt, befinden sich diese im- mer im zusammengezogenen Zustand. Beyde Phä- nomene gehören also ganz und gar nicht in einer- ley Classe. Inzwischen diese unrichtige Analogie thut den Erfahrungen Erman ’s keinen Eintrag. Sie bewei- sen allerdings, in Verbindung mit den von Gruit- huisen und Swammerdamm gemachten Beobach- tungen, dass bey der Zusammenziehung des Mus- kels eine Zunahme der Cohäsion desselben ein- tritt, und reihen sich an die, von Borelli De motu animal. L. II. c. 5. entdeckte und von Carlisle Philos. Transact. Y. 1805. p. 3. bestätigte Thatsa- che, die ohne sie schwer zu erklären seyn wür- de, dass die Muskeln während des Le- bens im zusammengezogenen Zustand Lasten tragen, wovon sie nach dem Tode zerrissen werden Der eine Schenkel eines Frosches, dem durch Ein- tauchen in Wasser von 115° F. Wärme seine Reitz- barkeit genommen war, und dem man die Schenkel- knochen in der Mitte zerbrochen hatte, ohne die Muskeln zu verletzen, wurde schon von 5 Pfund zerrissen, indem der andere, noch reitzbare, unter denselben Umständen 6 Pfund trug. In einem zwey- ten , so wie an Carlisle ’s Er- Erfahrung, dass zusammengezogene Mus- keln eine grössere specifische Schwere als erschlaffte haben Bey Fischen, die durch einen Schlag auf den Kopf getödtet sind und gleich nachher in kaltes Wasser gelegt werden, kräuseln sich die Muskeln. Eine Scholle, die auf diese Weise behandelt war, hatte eine specifische Schwere = 1,105; bey einer andern ungekräuselten betrug die letztere nur 1,090. ( Car- lisle a. a. O. p. 23.) . Von dem verschiedenen Grad dieser Zunahme der Cohäsion muss ohne Zweifel auch die ver- schiedene Stärke der Thiere und ihrer einzelnen Muskeln abgeleitet werden. Es fehlt hierüber noch an Erfahrungen, die vielleicht auf manche wich- tige Schlüsse führen würden. So viel ist aber wahr- scheinlich, dass sich bey näherer Untersuchung die grösste Stärke bey den Fischen finden würde, die sich zum Theil in ihrem dichten Element mit reissender Geschwindigkeit bewegen und oft mit- ten in einem Wasserfall zu einer ausserordentli- chen Höhe emporschwingen Barrow ’s Reise nach Cochinchina. Uebers von Ehrmann . S. 79. . Auf ten Versuch trugen Froschschenkel, denen die Le- benskraft durch Opiumauflösung und Kirschlorbeer- Oel entzogen war, ein Sechstel weniger als ein reitz- barer Schenkel. ( Carlisle a. a. O.) Q 4 Auf jeden Fall ist es klar, dass alle Muskel- bewegungen nicht von mitgetheilter, sondern von neu erzeugter Kraft entstehen, und es bedarf nicht zum Beweise dieser Wahrheit der, den ersten Grundsätzen der Statik widersprechenden Behaup- tung eines sonst sehr verdienten Schriftstellers, “ein Mensch, der auf einer frey aufgehängten „Wage stehe, könne durch schnelles Anziehen des „Arms der Wage mit seinem Arm das Gewicht „auf eine Zeit lang in die Höhe heben, das ihm „in der andern Wage vorher das Gleichgewicht „hielt.” Wir kommen jetzt zur zweyten Grundform der automatischen Bewegungen, der Ausdeh- nung . Die Sinnpflanze ist während des Schlafs und nach Reitzungen einem zusammengezogenen Mus- kel gleich; ihre Stiele und Blättchen liegen so fest an und auf einander, dass sie sich ohne Ver- letzung nicht von einander entfernen lassen. Am Tage, bey der vollen Einwirkung des Sonnen- lichts, befindet sie sich in einem ganz entgegen- gesetzten Zustand, der aber keinesweges blosser Nachlass der vorigen Zusammenziehung ist, son- dern in einer Anschwellung aller Theile besteht. Eine ähnliche Turgescenz finden wir an allen Thieren während des Lebens. Ihr ganzer Körper hat eine Vollheit und Rundung, die sich mit dem Tode Tode verliert, in Krankheiten und nach nieder- schlagenden Gemüthsbewegungen abnimmt, hin- gegen durch Freude, Liebe, Wein u. s. w. ver- mehrt wird. In mehrern einzelnen Theilen zeigt sich dieses Anschwellen unter gewissen Umstän- den noch weit auffallender, z. B. in den Augen der Thiere überhaupt und im Kamm der Hähne beym Zorn, in den weiblichen Brustwarzen beym Säugen und in den Zeugungstheilen beym Ge- schlechtstrieb. Woher diese Erscheinung? Ist sie etwa, wie die Zusammenziehung, Wirkung einer lebendigen Kraft, oder blos eine, von vermehrtem Andrang der Säfte herrührende, mechanische Ausdehnung? Die meisten frühern Schriftsteller waren der letz- tern Meinung. Nur Pechlin De fabrica et usu cordis. Art. 12. Kilonii. 1676. In Halleri Disp. anat. select. Vol. II. p. 326. wagte es, in Be- treff der Diastole des Herzens ihnen zu wider- sprechen. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhun- derts erklärte Krause In dessen Uebersetzung der Haller schen Abhandl. von den empfindlichen u. reitzbaren Theilen des menschl. K. Leipz. 1756. die Ausdehnung der thieri- schen Theile für eine lebendige Thätigkeit. Bar- thez Nouveaux Elémens de la science de l’homme. Mont- pellier. 1778. p. 72. führte diesen Gedanken weiter aus. Heben- streit Q 5 streit De turgore vitali. fasste die erwähnten Erscheinungen als Wirkungen einer eigenen Kraft unter der gemein- schaftlichen Benennung der Lebensturgescenz (Turgor vitalis) zusammen, und Langguth G. A. Schumann Diss. de vi imaginationis in foe- tum. Viteb. 1790. — Journal der Erfindungen u. s. w. in der Natur- u. Arzneywissensch. St. 3. S. 129. machte gegen die Meinung von dem Entstehen der Erektion des männlichen Gliedes aus einer Anhäufung des Bluts Erfahrungen bekannt, wo- bey die schwammigen Körper der angeschwolle- nen, unterbundenen und amputirten männlichen Ruthe von Thieren keinesweges von Blut ange- füllt und ausgedehnt waren. Roose Physiologische Untersuchungen. Braunschw. 1796. erhielt in- dess bey Wiederholung der Langguth schen Ver- suche ein entgegengesetztes Resultat. So viel ist allerdings wahrscheinlich, dass mit der Turgescenz einzelner Theile gewöhnlich auch ein vermehrter Zufluss der Säfte verbunden ist. Allein wenn man diesen für die Ursache und nicht für Folge der Anschwellung annimmt, so ist es unerklärbar, wie bey einem plötzlichen Tod der ganze thierische Körper augenblicklich seine Voll- heit und Ründung verliert, wie die in allen ihren Theilen zusammengezogene Mimose sich beym Sonnenlicht so schnell wieder ausbreitet, und wie selbst abgeschnittene Theile dieser und anderer reitz- reitzbarer Pflanzen, die keine Feuchtigkeit mehr aus dem Erdboden aufnehmen können, sich noch ausdehnen. Doch dies beweist freylich noch nicht, dass auch die Ausdehnung der Muskeln Wirkung einer höhern Kraft ist. Pechlin führte zwar mehrere Gründe für seine Meinung an, dass die Diastole des Herzens gleich der Systole eine lebendige Thä- tigkeit sey, z. B. dass, wenn jene blos mechanisch durch das einströhmende Blut hervorgebracht wür- de, dieselbe sich durch einen Druck verhindern lassen müsste, welches doch unmöglich ist. Allein bey diesem und allen seinen übrigen Beweisen bleibt doch immer die Möglichkeit, dass blosse Elasticität die Ursache der Ausdehnung des Her- zens und aller übrigen Muskeln seyn kann. Von grösserm Gewicht würde Bichat ’s Allgem. Anatomie. Uebers. von Pfaff . Th. 2. Abth. 1. S. 330. Erfahrung seyn, dass bey der Reitzung eines lebenden Her- zens mit mechanischen Schärfen zuweilen der Zusammenziehung eine Ausdehnung vorhergeht, wenn man sich auf die Richtigkeit dieser Beobach- tung verlassen könnte. Ein Grund, gegen welchen meines Erachtens keine Einwendungen statt finden, und den ich an einem andern Ort Vermischte Schriften, anatom. u. physiol. Inhalts, von G. R. u. L. C. Treviranus . B. 1. S. 138. umständlicher vorgetragen habe, habe, lässt sich von den willkührlichen Bewegun- gen der Mollusken und Zoophyten hernehmen. Die Fühlfäden und Fangarme dieser Organismen ziehen sich eben so kräftig wie die thierischen Muskeln zusammen. Sie wirken aber eben so sehr durch Anschwellungen, als durch Zusammen- ziehungen, und ihre Turgescenz tritt so schnell ein, ist so stark und so anhaltend, dass diese sich auf keine Weise von vermehrtem Zufluss der Säfte ableiten lässt; sie sind dabey so weich und so ganz unelastisch, dass auch die Federkraft durch- aus keinen Antheil an ihrer Anschwellung haben kann. Hiernach dürfen wir die Ausdehnung der Muskeln überhaupt als eine lebendige Wirkung ansehen, und wir können ferner schliessen, dass, wie mit der Zusammenziehung der leben- den Theile eine vermehrte Cohäsion ih- rer Elemente, so mit der Anschwellung derselben eine Verminderung dieses Zu- sammenhangs verbunden ist . Drit - Dritter Abschnitt. Bewegungen der verschiedenen or- ganischen Systeme . D ie automatischen Bewegungen gehen theils nur zu bestimmten Zeiten, theils ununterbrochen das ganze Leben hindurch vor sich. Zu jenen gehö- ren die Bewegungen der Verdauungs- und Zeu- gungstheile, so wie aller Organe der Ortsverän- derung; zu diesen die, an einen festen Rhythmus gebundenen Bewegungen des Herzens, der Lun- gen und des Gehirns. Diese, die einen Haupt- charakter des thierischen Lebens ausmachen, und die wir mit dem Namen der rhythmischen oder tonischen bezeichnen werden, verdienen eine be- sondere Untersuchung. Im Thierreich giebt es zweyerley rhythmische Bewegungen, wodurch sich das Leben vorzüglich äussert: die eine Art ist dem Herzen und dem Blut, die andere den Werkzeugen des Athemho- lens und dem Gehirn eigen. Die erstern kann man man die hämatodischen , die letztern die ana- pnoischen nennen. Bey allen Thieren der vier höhern Classen ha- ben diese Bewegungen einen verschiedenen Rhyth- mus; bey manchen niedern Thieren fliessen sie in einander. Ganz aber fehlen sie nirgends als erst bey den Zoophyten der untersten Classen. Selbst die Medusen äussern fortdauernde Zusammenzie- hungen und Erweiterungen des Deckels, die in dem muskulösen Gewebe dieses Theils ihren Sitz haben und noch in abgeschnittenen Stücken des- selben fortdauern Spallanzani ’s Reisen in beyden Sicilien. Th. 4. S. 186 fg. . Beyde Bewegungen stehen unter sich in be- ständiger Wechselwirkung. Sie bilden eine Kette von Thätigkeiten, woraus kein Glied ohne Auf- hebung des ganzen Lebens genommen werden kann. Von den anapnoischen Bewegungen hängen die hämatodischen ab. Der Blutumlauf kann zwar bey unterbrochenem Athemholen noch einige Zeit fortdauern, eine kürzere bey den Thieren der hö- hern, eine längere bey denen der niedern Clas- sen Biologie. Bd. 4. S. 257. . Aber er wird doch bey dieser Unterbre- chung immer langsamer und hört endlich ganz auf. Ist völliger Stillstand desselben eingetreten und und sind die Kräfte des Nervensystems und des Herzens noch nicht völlig geschwächt, so lässt er sich auf die, nach R. Hook benannte, doch schon vor ihm von Vesal, Highmore und W. Croone angewandte Art, durch künstliches Einblasen von Luft in die Lungen, wieder herstellen Haller Elem. Physiol. T. III. L. VIII. S. 4. §. 12. p. 247. . Dass, so wenig als die hämatodischen Bewe- gungen ohne die anapnoischen, umgekehrt auch diese ohne jene einen dauernden Fortgang haben können, leidet keinen Zweifel. Eine andere Frage aber ist: Ob auch die Bewegungen des Athemho- lens durch die des Bluts wieder erweckt werden können? Nach einer Beobachtung Bremond ’s Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1793. p. 342. , zufolge welcher bey Hunden, denen nach Oeff- nung der Brusthöhle die Lungen zusammengefal- len waren, der Blutumlauf sich zwar durch Auf- blasen der Lungen herstellen liess, hingegen nach dem Aufhören des Blutumlaufs Reitzungen des Zwerchfellsnerven die Bewegung des Herzens und der Brustmuskeln, nicht aber die der Lungen wie- der anfachten, scheint dies nicht der Fall zu seyn. Allein diese Beobachtung ist nicht von Gewicht, weil die Thätigkeit der Werkzeuge des Athemho- lens nicht blos vom Zwerchfellsnerven, sondern auch vom zehnten Nervenpaar abhängt. Bey Schein- Scheintodten, die ohne Einblasen von Luft in die Lungen wieder erwachen, scheint die erste Be- wegung vom Herzen und nicht von den Lungen auszugehen. Der Puls ist bey ihnen schon fühl- bar und das Gesicht röthet sich wieder, ehe sich eine Spur von Athemholen bemerken lässt Emmert in Reil ’s Archiv f. d. Physiol. B. 5. S. 414. . Sowohl die anapnoischen als die hämatodi- schen Bewegungen werden durch den Einfluss des verlängerten Marks und des Rückenmarks, und zwar die erstern vermittelst des Zwerchfellsnerven und der herumschweifenden Nerven, die letztern vorzüglich durch den Intercostalnerven, unterhal- ten, wie schon im fünften Buch der Biologie Bd. 4. S. 215. §. 3. — S. 266. §. 5. — S. 644. III. gezeigt ist. Wir werden unten sehen, dass aber auch umgekehrt jener Einfluss des verlängerten Marks und Rückenmarks zunächst von den häma- todischen Bewegungen abhängt. In dem Fall, wo nach dem Aufhören beyder Bewegungen der Blut- umlauf durch Aufblasen der Lungen wieder an- gefacht wird, wirken also die anapnoischen Be- wegungen unmittelbar auf die hämatodischen, diese auf das Nervensystem und das letztere wieder zu- rück auf beyde; hingegen da, wo die Herstellung beyder Bewegungen vom Blutumlauf ausgeht, werden die Werkzeuge des Athemholens durch diesen nicht unmittelbar, sondern vermittelst der Ein- Einwirkung desselben auf das Nervensystem und der Rückwirkung des letztern auf jene wieder in Thätigkeit gesetzt. Das Athemholen hat aber ausser dem Einfluss, den es vermöge der, dabey statt findenden chemi- schen Processe durch das Blut auf das Gehirn und Rückenmark äussert, noch eine andere Wir- kung auf diese Theile. An dem entblössten Ge- hirn eines lebenden Säugthiers bemerkt man eine auf- und absteigende Bewegung, die zuerst von Schlichting als mit dem Athemholen in Verbindung stehend beobachtet, von Haller und Lamure als Folge der Anhäufung des Bluts im Kopfe beym Ausathmen und der Entleerung desselben beym Einathmen erkannt Wegen der nähern Geschichte dieser Entdeckung bis auf Haller verweise ich auf dessen Elem. Physiol. T. II. L. VI. S. 4. §. 8. p. 330. — T. IV. L. X. S. 5. §. 38 sq. p. 171. , und von Portal Mém. de l’Institut national. T. II. p. 40. auch an dem obern Theil des Rückenmarks wahrge- nommen wurde. Beym Ausathmen stockt das Blut im ganzen Venensystem. Man sieht in einem ge- öffneten lebenden Thier die obere und untere Hohlvene mit deren sämmtlichen grössern Zwei- gen, besonders auch die Drosseladern, bey der Zusammenziehung der Brustmuskeln und der Lun- gen V. Bd. R gen anschwellen und bläulich werden, hingegen beym Einathmen zusammenfallen und eine blas- sere Farbe bekommen. Mit dem Anschwellen der Venen ist die Erhebung, mit der Entleerung der- selben das Senken des Gehirns und Rückenmarks verbunden. Man kann das Anschwellen des Ge- hirns selbst noch bey einem todten Thier hervor- bringen, wenn man das Blut durch Zusammen- drücken der Brust nach dem Kopfe hintreibt Lamure , Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1749. p. 545. . Die Bewegung des Hirns und Rückenmarks ist also blos mechanischer Art. Dorigny Journal de Médécine etc. par Corvisart, Leroux et Boyfr . T. XVII. A. 1809. Juin. , der gegen diesen Schluss einwendet, das Anschwellen nähme allemal zu, wenn irgend ein Reitz auf das Rückenmark wirke, das Athemholen und der Blutumlauf aber trügen nichts dazu bey, weil die Bewegung des Gehirns auch dann durch Reitzun- gen des Nervensystems beschleunigt würde, wenn die Carotiden und die Luftröhre unterbunden wä- ren, hätte wissen können, dass Lamure A. a. O. p. 563. schon die nehmlichen Beobachtungen gemacht hat, dass sie aber als Einwürfe von keinem Gewicht sind, indem jeder Nervenreitz auf das Athemholen und den Blutumlauf wirkt, und der Einfluss der ana- pnoi- pnoischen Bewegungen auf das Gehirn nicht nur bey unterbundenen Carotiden, sondern selbst bey unterbundenen Jugularvenen durch die Wirbel- adern fortdauert. Ob indess, wie Haller annahm, die Anhäufung des venösen Bluts beym Ausath- men ebenfalls blos von mechanischen Ursachen, dem Druck des zusammengezogenen Thorax auf die Lungen und dem weniger freyen Durchgang des Bluts durch die gekrümmten Gefässe der ver- engerten Brust, herrührt, scheint mir nicht so ausgemacht zu seyn. Wenigstens sehe ich nicht ein, wie ein zu lange fortgesetztes Einathmen ebenfalls den Rückfluss des Venenbluts hemmen kann, wenn blos diese Hindernisse jene Anhäu- fung veranlassen. Die auf- und absteigende Bewegung des Ge- hirns und Rückenmarks findet blos bey den Säug- thieren statt. Schlichting bemerkte sie nicht bey Vögeln und Fischen, und ich habe keine Spur davon bey Fröschen wahrgenommen Bibiena sahe im Rückenmark des Schmetterlings der Seidenraupe eine fortdauernde, oscillirende Bewe- gung, die blos durch Zerreissung, nicht aber durch Zerschneidung jenes Organs geschwächt oder aufge- hoben wurde. (Comm. Bonon. T. V. P. 2. Opusc. p. 61 sq.) Aber hing vielleicht das Rückenmark noch mit den Bauchmuskeln zusammen, und rührten etwa hier- . Dieser Um- R 2 Umstand spricht gegen eine, von Roose Anthropologische Briefe. Leipzig. 1803. S. 115. und Bartels Die Respiration, als vom Gehirn abhängige Bewe- gung und als chemischer Process. Breslau. 1813. S. 99. geäusserte Meinung, die auf den er- sten Anblick Einiges für sich zu haben scheint. Beyde nehmen an, dass die Anhäufung des venö- sen Bluts im Gehirn während dem Ausathmen ei- nen Einfluss auf die Hirnwirkung hat, wodurch das Athmen hervorgebracht wird. Roose glaubte, diese würde durch die Anhäufung erregt; Bar- tels hingegen setzte voraus, die Hirnwirkung verursache das Ausathmen, sie werde gehemmt durch den stockenden Lauf des Venenbluts, und das Einathmen erfolge vermöge einer eigenen Kraft der Werkzeuge des Athemholens. So würde frey- lich die Bewegung des Gehirns und Rückenmarks Wirkung und zugleich Ursache des Athemholens seyn. Allein ausser der erwähnten Abwesenheit jener Bewegung bey den Vögeln, Amphibien und Fischen ist auch noch dies ein Beweis, dass hier eine andere, höhere Ursache vorhanden seyn muss, weil meiner Erfahrung nach bey Fröschen, denen sowohl die sämmtlichen Blutgefässe, als die Lun- gen unterbunden sind, und wo also aller Einfluss des Athemholens auf das Gehirn aufgehoben ist, die anapnoischen Bewegungen der Kehlmuskeln noch hiervon die Palpitationen her? Mir wenigstens ist nie bey Insekten etwas Aehnliches vorgekommen. noch eine ziemlich lange Zeit fortdauern, und, nach Le Gallois ’s Expériences sur le princips de la vie. p. 29. Beobachtungen, auch ent- hauptete Kaninchen den Mund noch wiederholt zum Athmen öffnen und schliessen. Das Anschwellen und Zusammenfallen der Ve- nen und die damit verbundene Bewegung des Ge- hirns und Rückenmarks ist heterochronisch mit dem Ein- und Ausathmen. Hingegen synchronisch mit den Lungen bewegen sich, ausser den eigent- lichen Respirationsmuskeln, mehr oder weniger auch die sämmtlichen Muskeln der Brust, des Unterleibs, des Halses und des Gesichts. Diese drücken bey ihren Zusammenziehungen alle un- ter ihnen liegende Organe, besonders die des Un- terleibs zusammen, und so nehmen alle Theile des Körpers, nur die äussern Glieder ausgenom- men, an den anapnoischen Bewegungen einen thä- tigen oder leidenden Antheil. Noch weiter erstreckt sich das Gebiet der hämatodischen Bewegungen. Bey jedem Schlag des Herzens erleidet der ganze Körper eine Er- schütterung, wie man z. B. an dem Heben und Senken des einen Fusses bey über einander ge- schlagenen Schenkeln sieht. Das arterielle Blut wirkt zugleich als Reitz auf alle muskulöse Or- gane, und bringt darin fortdauernde Palpitatio- nen R 3 nen hervor, die man durch das Gehör wahrnimmt, wenn man das eine Ohr mit Baumwolle u. d. gl., das andere mit einem Finger selber verschliesst, oder durch einen andern verschliessen lässt. In diesem Ohr wird man ein fortwährendes, schwin- gendes Sausen hören, das nicht etwa von Ströh- mungen der Luft im Gehörgang herrührt, indem es nicht statt findet, wenn man statt des Fingers oder eines andern muskulösen Theils ein Stück Holz, Metall, Siegellack u. d. gl. in das Ohr bringt, hingegen zurückkehrt, sobald man einen sol- chen Körper, der jedoch fähig seyn muss, in schwingende Bewegungen zu gerathen, mit dem Finger berührt. Nur dann hört man bey dem letztern Versuch auch ohne diese Berührung das Sausen, wenn man die Kinnladen fest zusammen- drückt. In diesem Fall aber empfindet man die Palpitationen der Kaumuskeln, die zum Hörner- ven durch die Kopfknochen fortgepflanzt werden. Diese Schwingungen sind freylich weit häufiger, als der Puls Wollaston schätzt ihre Zahl auf 20 bis 30 in einer Sekunde. (Philos. Transact. Y. 1810.) . J. L. Roger De perpetua fibrarum muscularium palpitatione. Got- tingae. 1760. , der zuerst ihre wahre Ursache erkannte, so wie nach ihm Er- man Gilbert ’s Annalen der Physik. J. 1812. St. 1. S. 1. und Wollaston A. a. O. glaubten deshalb den Reitz Reitz des Bluts nicht für die Veranlassung dersel- ben halten zu müssen. Allein der Strohm des Bluts fliesst ununterbrochen, und nicht blos wäh- rend der Systole des Herzens. Wären die Schwin- gungen von dem Reitz dieser Flüssigkeit unab- hängig, so würden sich ohne Zweifel unter star- ken Vergrösserungen auch noch in abgeschnittenen Faserbündeln lebender Thiere Spuren derselben zeigen, die ich indess nie wahrgenommen habe. R 4 Vier - Vierter Abschnitt. Dauer der automatischen Bewegun- gen in dem Ganzen und den einzelnen Theilen. Tenacität des Lebens . D ie hämatodischen und anapnoischen Bewegun- gen sind Ursache und zugleich Wirkung alles thie- rischen Lebens und als solche gleichsam die Zei- ger des Zustandes jedes thierischen Organismus. Sie machen in ihrer, den Zwecken des Individu- ums angemessenen Stärke, Dauer und wechselsei- tigen Einwirkung das aus, was Stahl den Le- benston (Tonus vitalis) nannte. So lange sie dauern, währt das Leben, und so lange das Band, wodurch sie unter sich und mit dem Ganzen ver- bunden sind, unverletzt ist, findet die Fähigkeit zum Leben statt. Auf der Dauer dieser Fähigkeit beruht die Tenacität des Lebens, welche bey den verschiedenen lebenden Körpern von sehr ver- schiedener Stärke ist, und womit im Allgemeinen die Dauer der automatischen Bewegungen in ein- zel- zelnen, vom Ganzen getrennten Theilen in gera- dem Verhältniss steht. Man hat in Betreff dieser Lebenstenacität den Satz aufgestellt, dass sie von den Säugthieren und Vögeln an bis zu den niedrigsten Stufen des Thier- reichs zunehme. Hiervon giebt es aber manche Ausnahmen. Unter den Säugthieren haben der Aï Pisonis de Indiae utriusque re natur. et med. L. XIV. p. 322. — Buffon Hist. nat. Quadr. T. VI. p. 69 der Octav-Ausg. , die Seelöwen und Seebären, unter den Vö- geln die Pinguine Forster ’s Reiss um die Welt. Th. 2. S. 406. fast ein eben so zähes Le- ben wie die Amphibien. Unter den Säugthieren giebt es auch mehrere, die noch eine andere Art von Lebenstenacität besitzen, die Eigenschaft, den Winter in Erstarrung zuzubringen. Der Aï, die Phoken und die Pinguine sind Thiere von wenig Lebhaftigkeit. Man könnte hier- aus folgern, dass es der Grad der Reitzbarkeit sey, wovon die Lebenstenacität abhange. Allein dieser Schluss würde durch die lethargischen Säug- thiere widerlegt werden, die in ihrem wachenden Zustand sehr reitzbar sind. Mir scheint ein allgemeiner Charakter der Le- benstenacität die Abhängigkeit des Rhyth- mus der tonischen, besonders der ana- pnoi - R 5 pnoischen Bewegungen von äussern Ein- flüssen zu seyn . Ueber das Athemholen des Faulthiers fehlt es zwar an Beobachtungen. Die Phoken und Pinguine aber besitzen das Vermö- gen, dieses beym Untertauchen auf längere Zeit auszusetzen, und bey den lethargischen Säugthie- ren wird der Rhythmus desselben durch die Tem- peratur der Atmosphäre bestimmt. Jene Abhängigkeit nimmt nach den untersten Stufen des Thierreichs immer mehr zu, und im Allgemeinen steigt auch zu diesen herab die Le- benstenacität desto mehr, je näher sie den Pflan- zen stehen, deren Athemholen ganz abhängig von äussern Einflüssen ist, und die im Ganzen ein dauerhafteres Leben als die Thiere besitzen Brandis (Ueber die Lebenskraft. S. 105.) erzählt eine, von Pott gemachte, merkwürdige Beobachtung über die Lebenstenacität der Fritillaria regia. Eine noch auffallendere Erscheinung habe ich am Sedum Telephium bemerkt. Ein frisches Exemplar dieser Pflanze, das zum Einlegen ins Herbarium mehrere Minuten in kochendem Wasser gehalten und dann vierzehn Tage unter der Presse gewesen war, hatte nach Verlauf dieser Zeit einen Stengel von der Länge eines halben Zolls mit Blättern getrieben. . Doch ist hierbey nicht zu übersehen, dass diese Tenacität nicht immer in jeder Beziehung gleich gross ist, dass sie bey einigen Arten sich durch Dauer der Lebensfähigkeit nach Entziehung der äussern äussern Einflüsse, wodurch das Leben unterhal- ten wird, bey andern durch Fortwähren des Le- bens nach getrenntem Zusammenhang der Orga- ne, auszeichnet, ohne dass beyde Eigenschaften immer mit einander verbunden sind. Die Amphibien besitzen beyde Eigenschaften in höherem Grade als die Säugthiere. Von dem Winterschlaf derselben, so wie der übrigen Thie- re, werden wir in der Folge handeln. Wir erin- nern hier an die Beyspiele von Kröten und Ei- dechsen, die man in völlig verschlossenen Höh- lungen von Steinen lebend antraf Biol. Bd. 2. S. 11 fg. — Eine neuere Beobachtung von zwey Eidechsen, die in einem Kreidefelsen 15 Fuss tief unter der Oberfläche zu Elden in Suffolk entdeckt wurden, finden sich in Tilloch ’s Philos. Magazine. Y. 1816. Decbr. p. 469. Die beyden Thiere schienen anfangs völlig leblos zu seyn. Nach und nach fingen sie an, Zeichen von Leben zu äussern, besonders nachdem sie in die Sonne gelegt waren. Beyden war der Mund durch eine klebrige Materie verschlossen, wodurch sie am Athemholen verbin- dert wurden, und die ihnen sehr beschwerlich zu seyn schien. Die eine Eidechse wurde in Wasser ge- setzt, die andere auf dem Trocknen gelassen. Jener gelang es, sich von der klebrigen Substanz zu be- freyen, worauf sie mehrere Wochen lebte, endlich aber entkam. Die andere starb in der folgenden Nacht. . Jede Er- klärung dieser Thatsachen hat ihre Schwürigkei- ten. ten. Aber welche man auch wählen mag, so be- weisen doch die Fälle selber einen hohen Grad von Lebenstenacität jener Thiere. Andere Beweise dafür sind: die Fortdauer des Lebens mancher Am- phibien in heissen Quellen Cochi in Spallanzani ’s Opuscules de Physique anim, et végétale. Traduits par Sennebier . T. I. p. 55. , im Nahrungscanal des Menschen M. s. die Citate in Blumenbach ’s Specimen Physiol. comp. inter anim. calidi et frigidi sanguinis. p. XIX. , mitten im Eise Einen Fall von der Lacerta lacustris erzählt Du Fay (Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1729. p. 200 der Octav-Ausg.), von der Rana arborea Blumenbach (A. a. O. p. XXI.) , und in gei- stigen Flüssigkeiten R. Forster (In der Anmerkung zu S. 24 seiner Ue- bersetzung von Vaillant ’s neuer Reise in das Innere von Afrika, B. 1.) sahe eine kleine Schlange in einem Glase voll Weingeist, dessen Stöpsel diesen dicht be- rührte, drey Tage leben. ; ihr Vermögen, länger als die Säugthiere und Vögel im luftleeren Raum Tentamina exper. natur. captor. in Academia del Ci- mento. p. 102. , in mephitischen Gasarten Carminati de animal. ex mephitibus et c. interitu. p. 96. und ohne Nahrung Die Salamander können sechs Monate fasten. ( Du Fay a. a. O. S. 200.) ihre Lebensfähigkeit zu behalten, und das lange Fort- Fortwähren ihrer automatischen Bewegungen nach dem Verlust der wichtigsten Eingeweide Haller Elem. Physiol. T. IV. L. XI. S. 2. §. 6. p. 450. — Blumenbach a. a. O. p. XXI. — Ich habe bey einer Lacerta agilis, der ich alle Eingeweide bis auf das Herz ausgenommen hatte, dieses nach drey Tagen noch reitzbar gefunden. . Zu allen diesen Thatsachen lassen sich nicht nur ähnliche, sondern noch weit auffallendere un- ter den Fischen, Mollusken, Insekten, Würmern und Zoophyten auffinden. Fische und Schnecken leben ebenfalls in hei- ssen Quellen Biologie. Bd. 2. S. 16. . Von Insekten und deren Larven, die nicht nur im Darmcanal, sondern auch in andern Thei- len des menschlichen Körpers gefunden wurden, giebt es eine Menge Beobachtungen M. s. die Citate in Reuss Repertorium Commentat. a Societ. litter. editarum. Scient. natur . T. I. p. 377 sq. und Ploucquet Litteratura medic. digest. T. IV. p. 216. 314. . Ich er- hielt vor mehrern Jahren ein Glas mit einer Menge Oestrus-Larven, die von einer Bäurin des Flecken Bassum der Gegend von Bremen ausgebrochen waren, und dabey von dem dortigen Arzt die Nachricht, dass solche Fälle dort häufig vorkä- men. Dass Dass manche Insekten ohne Nachtheil für ihr Leben lange eingefroren seyn könnem, haben wir im vorigen Buch gesehen, und dass sie, durch Weingeist scheintodt gemacht und dann in warme Asche gelegt, wieder erwachen, zeigen Socoloff ’s Versuche mit Fliegen, Käfern, Wanzen, Schaben und Spinnen, von welchen ein Paar Individuen der beyden letztern Geschlechter auf diese Weise binnen drey Stunden fünf mal erstarrten und wie- der auflebten Nov. Act. Petropol. T. V. p. 245. . Von dem Mangel an atmosphärischer Luft lei- den manche Fische noch weniger als die meisten Amphibien. Bey Buniva ’s Versuchen lebten Schlei- hen in völlig ausgekochtem Wasser, welches auch bey der Abkühlung gegen den Zutritt der Luft verschlossen war, eben so lange als in frischem Flusswasser Mém. de l’Acad. de Turin. A. X et XI. Sc. mathém. et phys. p. 78. . Noch weit unempfindlicher gegen diesen Mangel sind mehrere Mollusken, Insekten und Würmer. Eine Auster starb unter dem aus- gepumpten Recipienten der Luftpumpe erst nach 24 Stunden Boyle , Phil. Transact. Y. 1670. p. 2035. , und eben so lange lebte darunter eine nackte Schnecke (Limax) Derham Théol. phys. Traduite de l’Anglois. p. 11. . Fliegen, Wes- pen, Bienen und mehrere andere Insekten werden bald nach Entziehung der Luft scheintodt, keh- ren ren aber nach 24, und selbst nach 40 Stunden noch ins Leben zurück Boyle a. a. O. p. 2011. 2035. — Derham a. a. O. — Tentamina experim. natural. captor. in Acad. del Ci- mento. p. 98. — Réaumur Mém. pour. servir à l’Hist. des Ins. T. I. Mém. 2. — Hausmann de animal. ex- sang. respir. p. 9. . Blutigel leben eine lange Zeit in Oel Morand , Mém de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1739. p. 106. — Corradori , Opuscoli scelti sulle scienze etc. T. XX. p. 204. , und, nach Thomas Mém. pour servir à l’Hist nat. des sangsues. p. 79. über 24 Stunden, nach Boyle A. a. O. fünf Tage im luft- leeren Raum. In diesem sahe auch Musschen- broek Tent. exper. nat. capt. in Acad. del Cimento. p. 99. Regenwürmer 15 Stunden ohne Nach- theil zubringen. Von mephitischen Luftarten leiden die Thiere der niedern Classen ebenfalls weit weniger als die der höhern. Mehrere Käfer, z. B. Scarabaeus ster- corarius, Coccinella 7 punctata, Chrysomela po- puli, Elater aterrimus, Curculio germanus, kön- nen in Wasserstoffgas zwey bis drey Tage leben Hausmann l. c. p. 63. 64. . Die Ausdauer mancher dieser Thiere ohne alle Nahrung gränzt ans Unglaubliche. Dass sie meh- rere Monate fasten, ist etwas ganz Gewöhnli- ches. ches Haller Elem. Physiol. T. VI. L. XIX. S. 2. §. 5. p. 169. . Ich habe Weinbergschnecken ein halbes Jahr, und O. F. Müller Hist. verm. Vol. 2. p. XII. XXXIV. Waldschnecken (Helix nemoralis) und nackte Schnecken, denen sogar der Kopf abgeschnitten war, über ein Jahr ohne Nahrung leben sehen. Selbst aber Schnecken, die funfzehn Jahre in einem Naturaliencabinet gelegen hatten, sollen wieder lebendig geworden seyn, nachdem sie zufällig in ein Gefäss mit Wasser ge- rathen waren Macbride , Philos. Transact. Y. 1774. p. 432. . Das Wunderbare dieser Thatsachen wird noch dadurch erhöhet, dass die lange Fortdauer des Le- bens jener Thiere selbst dann statt findet, wenn sie nicht nur aller Nahrung entbehren, sondern selbst die wichtigsten Organe verloren haben. Vaillant Neue Reise in das Innere von Afrika. B. 1. nahm am Cap aus dem Bauch einer grossen Heuschrecke die Eingeweide, stopfte den- selben mit Baumwolle aus, und steckte das Thier mit einer Nadel, die durch den Vorderleib ging, in eine Schachtel. In diesem Zustand bewegte die Heuschrecke nach fünf Monaten noch die Beine und Fühlhörner. Doch alle diese Beyspiele kommen bey wei- tem nicht denen gleich, die wir auf den unter- sten Stufen der thierischen Natur antreffen. Hier giebt giebt es Fälle von Lebenstenacität, die man be- zweifeln müsste, wenn sie nicht zu wichtige Au- toritäten für sich hätten. Die Räderthiere ziehen sich zusammen und verlieren alle Bewegung, wenn ihnen das Wasser entzogen ist; sie kommen ins Leben zurück, sobald ihnen dieses zurückgegeben wird. Leeuwenhoek erweckte sie auf diese Weise nach zwey, Spallanzani nach vier Jahren noch. Dieser liess eines derselben sogar eilf mal sterben und wieder aufleben Spallanzani Opuscules de Phys. anim. et végét. T. II. p. 309. . Fontana Abhandl. über das Viperngift. S. 62. liess ein Räderthier drittehalb Jahre in sehr trockener Erde liegen, und setzte es des Sommers aller Sonnen- hitze aus. Als es hierauf ins Wasser gesetzt wur- de, bekam es nach zwey Stunden Leben und Be- wegung wieder. Ein anderes, das auf einer trok- kenen, den ganzen Sommer der Sonnenhitze aus- gesetzten Glasplatte gelegen hatte, auf welchem es so eingetrocknet war, dass es einem Tropfen trocknen Leim glich, wurde ebenfalls durch einige Wassertropfen wieder lebendig gemacht. Auch die mikroskopischen Aale, die man verdorret und trocken im Mutterkorn findet, kommen, sowohl Fontana ’s A. a. O. S. 61. , als Home ’s Lectures on comparative Anatomy. Vol. I. Versuchen nach, und dem V. Bd. S dem erstern zufolge auch der Gordius L., mit Wasser angefeuchtet ins Leben zurück. Bey allen diesen auffallenden Beyspielen be- sitzen aber doch die niedern Thiere eben so we- nig als die höhern diese starke Lebenstenacität alle in gleichem Grade, gegen einerley Einwirkungen und zu allen Zeiten. Unter den Räderthieren le- ben bey weitem nicht alle Arten nach dem Ein- trocknen wieder auf. Mehrere, womit Du Tro- chet Annales du Muséum d’Hist. nat. T. XIX. p. 377. Versuche machte, zeigten nie eine Spur der auffallenden, von Leeuwenhoek, Spallan- zani und Fontana beobachteten Erscheinungen- Manche Insekten, welche ohne Nahrung und bey grossen Verletzungen ihrer wichtigsten Organe lan- ge fortleben, ertragen nur eine sehr kurze Zeit den Mangel an athmenbarer Luft. Pringle sahe eine Libellenart 71 Tage nach abgeschnittenem Kopf leben, hingegen ungeköpft unter ein Glas gesetzt sehr bald ersticken Lichtenberg ’s Magazin f. d. Neueste aus d. Physik u. Nat. Gesch. B. 1. St. 1. S. 184. . Der Salamander, der von andern Seiten ein so höchst zähes Leben hat, stirbt sehr schnell, wenn er mit Salz be- streuet wird Du Fay a. a. O. p. 203. . Den Mangel an athmenbarer Luft und wichtige Verletzungen erträgt übrigens eine und dieselbe Thierart desto länger, je näher sie dem dem Zustand des Embryo ist. Eintägige Kanin- chen äussern nach Ausschneidung des Herzens und nach dem Untertauchen unter Wasser eine vierzehn mal längere Zeit Lebenszeichen als drey- ssigtägige, und von jenem bis zu diesem Alter nimmt die Lebenstenacität mit jedem Tage ab Le Gallois Expériences sur le principe de la vie. p. 78. . Beym Vogel im Ey schlägt das Herz nach dem allgemeinen Tode ungleich länger als beym er- wachsenen Vogel Tiedemann ’s Anatomie u. Nat. Gesch. der Vögel. B. 1. S. 577. — Nach Hartig sollen männliche Thiere auch zur Brunstzeit ein zäheres Leben als sonst ha- ben. (Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin. J. VII. Q. 1. S. 77.) Er führt indess nur Ein Beyspiel von einem Hirsch an, das vielleicht eine andere Erklärung zulässt. Bey Amphibien erinnere ich mich nicht, die Dauer der Reitzbarkeit zur Zeit der Paarung grösser als in andern Perioden gefunden zu haben. . Das Vermögen, automatische Bewegungen zu äussern, dauert auch in den einzelnen Organen noch eine Zeit lang nach ihrer Trennung vom Ganzen fort. Das ausgeschnittene Herz fährt noch fort zu pulsiren, der Darmcanal wurmförmige Be- wegungen zu machen, der willkührliche Muskel sich nach Reitzungen zu verkürzen u. s. w. Man hat S 2 hat in Betreff dieser Reitzbarkeit der einzelnen Theile ebenfalls das Gesetz aufgestellt, dass sie bey den Vögeln früher als bey den Säugthieren, bey diesen früher als bey den Amphibien, Fischen und Mollusken, und bey ältern Thieren früher als bey jüngern erlöscht Nysten nouvelles expériences Galvaniques, faites sur les organes musculaires de l’homme et des animaux à sang rouge. Paris. An 11. — Tiedemann a. a. O. S. 574. — J. F. Meckel ’s Handb. der menschl. Ana- tomie. B. 1. S. 504. . Man hat eine Stufen- leiter der Dauer der Reitzbarkeit angenommen, auf welcher die oberste Stelle das Herz einnimmt, dann der Magen und die Gedärme folgen, hierauf das Zwerchfell kömmt, und auf der untersten Stufe die willkührlichen Muskeln stehen Haller Opp. min. T. I. p. 434. — Ejusd . Elem. Phys. T. IV. L. XI. S. 2. §. 11. p. 463. . Man hat aus den Aeusserungen der Muskelkraft in den einzelnen Theilen des Herzens, von welchen die sehr muskulösen Kammern früher als der weni- ger starke Lungenvenensack zu schlagen aufhören, und dieser früher als der noch schwächere Hohl- venensack zur Ruhe kömmt, geschlossen, dass die Stärke und Dauer der automatischen Bewe- gungen im umgekehrten Verhältniss gegen einan- der stehen Tiedemann a. a. O. S. 577. . Alle Alle diese Sätze gelten aber nur in Beziehung auf gewisse Arten von Reitzen, und auch in Be- treff dieser bringen das Alter und die Constitution des Individuums, die Temperatur der Atmosphäre und eine Menge anderer, nicht zu berechnender Ursachen Abweichungen hervor. Die willkührli- chen Muskeln, die nach der Haller schen Stu- fenleiter von mechanischen Schärfen bey weitem nicht so lange als das Herz zu Bewegungen auf- geregt werden, zucken noch lange bey Anbrin- gung des Galvanischen Reitzmittels, wenn das Herz schon längst zu schlagen aufgehört hat. Ue- berhaupt hat jeder Theil wie jedes Ganze der le- benden Natur seine eigenen Verhältnisse gegen die Aussenwelt. Keiner kann mit dem andern in je- der Beziehung verglichen werden. Das Ganze und mit diesem jeder Theil ist zwar am nächsten durch das Athemholen mit der übrigen Natur ver- bunden, und insofern ist die Beschaffenheit der anapnoischen Bewegungen ein Maassstab aller übri- gen Thätigkeiten. Aber das einzige Band zwi- schen dem Organismus und der Aussenwelt ist das Athemholen auch nicht, und ohne Einschrän- kung gilt daher auch von diesem kein Schluss auf die übrigen automatischen Bewegungen. S 3 Fünf - Fünfter Abschnitt. Bedingungen und Gesetze der auto- matischen Bewegungen . F ür jede automatische Bewegung lässt sich eine äussere Ursache angeben, wodurch sie veranlasst wird. Für die willkührlichen Bewegungen ist diese der Wille, für den Herzschlag das Blut, für die Zusammenziehungen des Nahrungscanals die ge- nossenen Speisen und der Einfluss der gastrischen Säfte, für die Verengerung des Augensterns das Licht u. s. w. Ein abgeschnittener, willkührlicher Muskel bewegt sich ebenfalls ungereitzt nicht. Das Herz und andere unwillkührliche Muskeln scheinen zwar, getrennt vom übrigen Körper, ihre Bewegungen ohne äussere Veranlassung fortzuset- zen. Allein auch auf diese wird man nach ge- nauer Untersuchung immer noch Eindrücke wir- kend finden, wodurch schon während ihrer Ver- bindung mit dem Ganzen ihre Bewegungen be- schleunigt werden, z. B. den Einfluss der Luft, der Wärme oder Kälte, des Drucks, den jeder ab- ge- geschnittene Theil auf irgend eine Weise erleidet, man mag ihn hinlegen oder aufhängen, die Fort- pflanzung der Erregungen von den ursprünglich gereitzten Fasern nach andern und von diesen wieder nach jenen u. s. w. Man hat hieraus geschlossen, dass alle auto- matische Bewegungen unter den Gesetzen der Reitzbarkeit stehen, und diese Folgerung seit Haller ’s Zeit auf alle Erscheinungen des Lebens übertragen. Hierin ist man, wie wir im folgen- den Buch sehen werden, zu weit gegangen. Von den automatischen Bewegungen scheint sie frey- lich zu gelten. Nur ist es sehr unrichtig, unter der Benennung Reitz die verschiedenartigsten Einflüsse zu begreifen. Die Ursache, die in ei- nem Theil Anschwellungen hervorbringt, ist ge- wiss von ganz anderer Art als die, welche in ihm Zusammenziehungen erregt. Es kann Eindrücke geben, die nur dadurch Reaktionen veranlassen, dass sie das Hinderniss der Einwirkung eines, vor- her schon statt findenden Reitzes entfernen. Diese und ähnliche Fälle bedürfen einer nähern Unter- suchung, ehe sich über die Wirkungsart der Reitze etwas bestimmen lässt. Ein grosser Theil des Muskelsystems wird durch den Willen in Bewegung gesetzt. Hierbey aber findet schon gleich die erwähnte Schwürig- keit statt. Veranlasst der Wille nicht vielleicht da- S 4 durch durch die Zusammenziehung eines Muskels, dass er in dessen Antagonisten die ihr entgegenwirken- de Spannung aufhebt? So dachte sich der, der Welt und den Wissenschaften zu früh entrissene L. H. C. Niemeyer Materialien zur Erregungstheorie. Göttingen. 1800. S. 3 fg. die Entstehung der willkühr- lichen Bewegungen. Allein so scharfsinnig und folgerecht diese Meinung von ihm durchgeführt ist, so beruhen doch die Beweise, die er für sie, und die Einwendungen, die er gegen die gewöhn- liche Theorie anführt; ganz auf der einseitigen Brown schen Erregungslehre, und es steht seiner Hypothese entgegen, dass der Wille noch in einem Muskel, dessen Antagonist durchschnitten ist, Ver- kürzungen zu bewirken vermag, auch dass das System der willkührlichen Muskeln im Schlaf bey aufgehobenem Einfluss des Willens sich nicht in einem gespannten, sondern in einem turgesciren- den Zustand befindet. Wenn indess auch der Wille allerdings als unmittelbare Ursache der Muskelbewegung betrach- tet werden muss, so giebt es doch andere veran- lassende Ursachen automatischer Bewegungen, de- ren Wirkungsart sich nicht bestimmen lässt, so lange nicht die innern Bedingungen dieser Bewe- gungen aufgeklärt sind. Wir werden uns daher zuvörderst hierüber Licht zu verschaffen suchen. Die Die erste Bedingung der Reitzbarkeit eines Muskels ist das ungehinderte Einströhmen des Ar- terienbluts in das innere Gewebe desselben. Sten- son machte zuerst die Beobachtung, dass Unter- bindung der absteigenden Aorta den Verlust des Bewegungsvermögens in den hintern Gliedmaassen nach sich zieht. Der Versuch ist nachher von mehrern Physiologen und auch an andern Arte- rien, z. B. in neuern Zeiten von Arnemann Ueber die Reproduktion der Nerven. S. 26. , Bichat Allgem. Anatomie. Uebers. von Pfaff . Th. 2. Abth. 1. S. 225. und Emmert Hufeland ’s u. Harles ’s Journal der prakt. Heil- kunde. J. 1815. St. 3. S. 59. wiederholt worden Die ältern, hierher gehörigen Citate hat Haller (Elem. Phys. T. IV. L. XI. S. 3. §. 19. p. 544.) gesam- melt. . So viel geht aus diesen Versuchen hervor, dass die Lähmung immer eintritt, wenn die Aorta im Bauche so unterbunden ist, dass kein Blut zu den hintern Gliedmaassen weiter gelangen kann, dass sie jedoch nicht plötzlich und oft gar nicht er- folgt, wenn blos die Arterie eines einzelnen Glie- des, z. B. die Cruralarterie, unterbunden wird. Towler ’s Experiments and observations relative to the influ- ence lately discovered by Mr. Galvani . p. 122. Versuche beweisen zugleich, dass auch S 5 auch die Empfänglichkeit für den Galvanischen Reitz nach Unterbindung der Arterie eines Glie- des weit schneller als nach Durchschneidung der Nerven desselben abnimmt. Es sind zwey Erklärungen dieser Thatsache möglich. Man kann annehmen, dass die Ligatur entweder wegen des gehemmten Zuflusses des Bluts zu den Muskeln, oder wegen des gehinderten Laufs desselben zu den Nerven eintritt. Bey der erstern Voraussetzung hat die Unterbindung der blossen Cruralarterie deshalb nicht immer diesen Erfolg, weil dabey noch Blut durch anastomosi- rende Gefässe zu den Muskeln gelangen kann; bey der letztern, schon von J. Lallemant An actio muscularis a solis spiritibus. Paris. 1745. In Halleri Disput. anat. select. Vol. III. p. 426. vor- getragenen und von Percy In seinem Bericht über Le Gallois ’s Expériences sur le principe de la vie. p. 318. erneuerten Hypo- these geht die Bewegungsfähigkeit darum nach Unterbindung der Aorta, nicht aber beständig nach Zusammendrückung der blossen Cruralarterie ver- loren, weil in jenem, nicht aber in diesem Fall, der Blutumlauf in dem Theil des Rückenmarks, woraus die Nerven der Hinterfüsse entstehen, auf- gehoben ist. Die letztere Meinung aber ist offen- bar sehr einseitig. Die Grösse und Weite der Ar- terien eines Muskels steht immer mit dem Grad der der Thätigkeit desselben in Verhältniss. Die Glied- maassen der rechten Seite haben deshalb weitere Arterien als die der linken H. F. Isenflamm in dessen u. Rosenmüller ’s Bey- trägen für die Zergliederungskunst. B. 1. II. 1. S. 30. . Beym Lemur tar- digradus, Lemur Lori, Bradypus didactylus und Bradypus tridactylus bilden die Arterien der Extre- mitäten Bündel, die aus einer Menge paralleler, mit einander anastomosirender Cylinder bestehen; die Schlagadern des übrigen Körpers hingegen zer- ästeln sich auf die gewöhnliche Weise Carlisle , Philos. Transact. Y. 1800. p. 98. . Dieser Bau steht ohne Zweifel mit den langsamen Bewe- gungen jener Thiere in Beziehung, und so giebt es noch manche andere Eigenheiten in dem Fort- gang der Arterien zu einzelnen Muskeln, die ge- wiss auf die Wirkungsart der letztern selber, und nicht blos der Nerven, einen Einfluss haben. Eine andere Frage ist: Ob bey der Zusam- menziehung eines Muskels ein vermehrter Zufluss des Arterienbluts zu demselben eintritt? Ein sol- ches stärkeres Einströhmen wurde in frühern Zei- ten von Cowper. Baglivi, Le Cat u. s. w. Haller Elem. Physiol. T. IV. L. XI. S. 3. p. 543. §. 19. und unter den Neuern von Prochaska De carne musculari. ange- nommen. Man berief sich dabey auf Erfahrun- gen, nach welchen Wasser, das in die Arterie eines Gliedes gesprützt ist, eine Anschwellung und Mus- Muskelbewegung desselben hervorbringt. Die An- schwellung bey diesem Versuch entsteht aber wohl blos von der mechanischen Ausdehnung der Gefä- sse Haller l. c. §. 20. p. 247. . Die dabey eintretenden Muskelbewegungen scheinen von der Reitzung der Muskelfasern herzu- rühren, besonders wenn es richtig ist, was Va- ter Physiolog. experiment. Ed. 2. p. 17. versichert, dass der Versuch nur mit kal- tem, nicht aber mit warmem Wasser gelingt. Da indess kaltes Wasser, blos auf die Oberfläche ei- nes Muskels gegossen, ebenfalls Zusammenziehun- gen in demselben verursacht, so lässt sich aus jenem Versuch nichts in Betreff der Mitwirkung des Bluts bey der Muskelbewegung schliessen. Barzellotti ’s Esame di alcune moderne Teorie intorno alla causa prossima della contrazione muscolare. Erfahrungen und meine eige- nen Beobachtungen sind aber auch der obigen Meinung entgegen. Jener fand an den geöffneten Blutgefässen der Muskeln von Froschschenkeln, die er vor und nach dem Galvanisiren mit dem Vergrösserungsglas untersuchte, nie eine Spur von Blut, das bey der Zusammenziehung der Muskeln aus den Oeffnungen der Gefässe hervorgedrückt worden wäre, und ich habe in den Schwimmhäu- ten von Fröschen, die ich auf einer Lieberkühn- schen Maschine ausgespannt hatte, und in deren Schenkeln ich durch den Metallreitz Zuckungen erreg- erregte, niemals eine beschleunigte Bewegung des Bluts wahrgenommen, sondern im Gegentheil oft bemerkt, was auch J. Thomson Lectures on inflammation. Edinb. 1813. p. 75. beobachtete, dass dieses während den Zusammenziehungen der Muskeln auf Augenblicke stockte Barzellotti (A. a. O.) fand auch Froschmuskeln, die eine Zeit lang in einer Kälte unter dem Gefrier- punkt gelegen hatten, noch reitzbar, indem Blut von denselben Fröschen, welches eben so lange in der nehmlichen Temperatur gestanden hatte, unterdess geronnen war. Er glaubt, dass ein Gerinnen auch bey dem Blut in den Gefässen habe eintreten müssen, und dass also die Reitzbarkeit der Muskeln noch fort- dauere, wenn schon das Blut in den Gefässen coagu- lirt ist. Dieser Schluss ist aber unrichtig. In den Gefässen verhält sich das Blut ganz anders als ausser- halb denselben. Auch wird das Gerinnen durch Kälte mehr zurückgehalten, als befördert. . Hängt aber die Muskelbewegung auch von dem Einfluss der Nerven ab? Diese schwürige Frage war vorzüglich im letzten Decennium des achtzehnten Jahrhunderts ein Gegenstand vieler Streitigkeiten unter den damaligen Physiologen Für die Unabhängigkeit der Muskelkraft von dem Einfluss der Nerven stritten vorzüglich Haller (El. Physiol. T. IV. L. XI. S. 2. §. 10. p. 457. — Opp. min. T. I. p. 434. 482.), Fontana (Beobacht. u. Versuche über die Natur der . Sie Sie blieb im Grunde unbeantwortet, theils weil die der thierischen Körper. Uebers. von Hebenstreit . S. 63.), Metzger (Exercitat. academ. p. 157. — Ueber Ir- ritabilität u. Sensibilität als Lebensprincipien in der organisirten Natur. Königsberg. 1794.), Sömmerring (Muskellehre. S. 29. §. 44.), Behrends (Diss. qua demonstr. Cor nervis carere. Mogunt. 1792. In Ludwioii script. neurol. min. T. III. p. 13.), und Bichat (Recherches physiol. sur la vie et la mort. p. 388. §. 1.). Die Hauptgegner dieser Lehre waren Whytt (Essay on vital and other involuntary mo- tions of animals. Edinb. 1751. — Physiological Es- says. Edinb. 1755.), A. Monro (Ueber die Struktur und Verrichtungen des Nervensystems. S. 67.), Unzer (Erste Gründe einer Physiologie u. s. w. S. 378.), Hebenstreit (In Fontana ’s angeführtem Werk. S. 265.), Prochaska (Opp. minora. T. II. p. 90.), Platner (Quaest. physiolog. p. 103.), J. U. G. Schäffer (Ueber Sensibilität, als Lebens- princip in der organisirten Natur. Frankf. a. M. 1793. — Vertheidigung einiger Sätze in seiner Schrift über Lebensprincip u. s. w. Ebendas. 1795.), Reil (in Gautier ’s Diss. de irritabilitatis notione, natura et morbis. Halae. 1793.). Scarpa die eigentliche Streitfrage nie fast genug bestimmt wurde, theils weil zur entscheidenden Beantwor- tung der Frage Gründe erforderlich sind, die den Streitern fehlten. Der Einfluss der Nerven auf die Muskeln kann auf eine doppelte Art Bedingung des Wirkens der letztern seyn: Erstens , insofern die Nerven den Muskeln die zum Wirken derselben erforderliche Kraft mit- theilen, oder die Erzeugung dieser Kraft vermit- teln; Zweytens , insofern alle Reitze, welche die Muskeln zur Thätigkeit erwecken, nur durch die Nerven zu den Muskeln gelangen. Beyde Wirkungen können wieder auf eine zweyfache Art statt finden: 1. Der Muskel wird von dem Nerven in dem der Zusammenziehung entgegengesetzten Zustand der Turgescenz erhalten, und der Reitz wirkt da- durch, dass er unmittelbar, oder vermittelst des Nerven diesen Zustand in den entgegengesetzten umwandelt. 2. Scarpa (Tabulae neurol. ad illustr. hist. anat. car- diacorum nervorum.) Kielmeyer und Pfaff (Ueber thierische Elektrici- tät und Reitzbarkeit. S. 236.) Le Gallois (Expér. sur le principe de la vie.) und Percy (Ebendas. p. 252.) 2. Der Zustand der Turgescenz wird durch den Einfluss des arteriellen Bluts hervorgebracht und unterhalten, und der Reitz wirkt, indem er un- mittelbar, oder durch Vermittelung des Nerven diese Turgescenz aufhebt. So viel ist gewiss, dass es zur Entstehung blo- sser Zusammenziehungen keines Nerveneinflusses bedarf. Pallas Neue Nordische Beyträge. B. 2. S. 355. beobachtete, dass sich verschie- dene Spongien, selbst wenn sie schon viele Jahre ausserhalb ihrem Element aufgehoben gewesen sind, mit einer bewunderungswürdigen Schnellig- keit und Gewalt augenblicklich zusammenziehen, als ob sie lebten, wenn man sie in kaltem Was- ser weichen lässt, bis sie zu ihrer völligen Aus- dehnung gelangen, und dann mit siedend heissem Wasser übergiesst. Hier ist ein Beweis, dass es auch ohne Vitalität Bewegungen geben kann, die den Zusammenziehungen der Muskeln ganz ähn- lich sind, und dass, wie im 1ten Band der Biolo- gie (S. 61.) erinnert ist, nicht die Art der Reaktio- nen, sondern die gleichförmige Fortdauer dersel- ben bey ungleichförmigen Einwirkungen den Cha- rakter des Lebens ausmacht. Dieser Charakter kömmt zwar den automati- schen Bewegungen der Gewächse zu, die ohne Nerven vor sich gehen. Allein die Pflanzenreitz- bar- barkeit ist von dem Lichte abhängig, welches auf die thierische Reitzbarkeit keinen Einfluss hat. Auch die Arterien der Nabelschnur, welche pulsiren, ohne Nerven zu haben, könnte man als einen Beweis für die Unabhängigkeit der Muskel- kraft von der Nervenkraft anführen. Aber dass die Pulsationen der Arterien Wirkungen einer Mus- kelkraft derselben sind, ist eine unwahrscheinliche Voraussetzung. Ich zweifele zwar nicht, dass diese Gefässe zum Theil Reitzbarkeit besitzen. Bichat Allgem. Anatomie. Th. 1. Abth. 2. S. 36. , der ihnen diese absprach, weil ihre Fasern mit den eigentlichen Muskelfasern nicht ganz übereinkommen, scheint mir eben sowohl Unrecht zu haben, als Berzelius A View of the Progress and present State of animal Chemistry. p. 24. , der aus der Verschiedenheit ihrer Mischung von der chemi- schen Zusammensetzung der willkührlichen Mus- keln auf die Abwesenheit der Reitzbarkeit bey ih- nen schloss. Die Organe der automatischen Be- wegungen bey den Pflanzen haben ebenfalls eine ganz andere Textur und Mischung als die thieri- schen Muskeln, und sind doch dabey zum Theil sehr reitzbar. Allein wenn sich nach Zimmer- mann’s, Lorry’s, Bicker ’s und besonders Ver- schu- V. Bd. T schuir ’s De arteriarum et venarum vi irritabili. Groningae. 1766. Versuchen nicht läugnen lässt, dass ein Theil der Arterien Rückwirkungen gegen Reitze äussert, so beweisen doch Bichat ’s A. a. O. S. 73. entgegen- gesetzte Erfahrungen, dass nicht allen Schlagadern Reitzbarkeit zukömmt. Es lässt sich aber auch aus einer blos örtlichen Verengerung einer gereitz- ten Arterie keinesweges schliessen, dass der Puls von automatischen Bewegungen des arteriellen Sy- stems herrührt. Diese müssten in einer fortschrei- tenden Zusammenziehung der Arterier bestehen, die von mir und andern Beobachtern bey mikros- kopischen Untersuchungen des Blutumlaufs wohl an den Arterienstämmen in der Nähe des Herzens, die freylich Muskelkraft zu besitzen scheinen, nie aber an den Zweigen und Aesten wahrgenommen ist. Nur wenn das Thier gereitzt wird, sieht man zuweilen einzelne Blutströhme sich veren- gern, oder ganz verschwinden M. vergl. J. Thomson ’s Lectures on inflammation. p. 75. . Allein es lässt sich nicht unterscheiden, ob diese Zusammenzie- hung in den Gefässen oder im Blute selber vor- geht. Im ruhigen Zustand fliesst das letztere so gleichförmig, dass an keine Verengerung oder Er- weiterung der Gefässe zu denken ist. Von Von diesen Thatsachen lassen sich also keine Gründe wider die Abhängigkeit der Muskelbewe- gungen von dem Einfluss der Nerven hernehmen. Folgende Erfahrungen werden uns hierüber Auf- schluss geben. 1. Alle willkührliche Muskeln werden in Be- wegung gesetzt, man mag ihre Fasern selber, oder ihre Nerven reitzen. Der mächtigste unter allen Reitzen dieser Muskeln ist die bey der Berührung zweyer verschiedener Metalle entstehende Elektri- cität, (der Galvanismus und die Voltaische Säule) die am kräftigsten dann wirkt, wenn man beyde Metalle, oder beyde Pole der Voltaischen Säule mit zwey verschiedenen Stellen des Muskels oder Nerven, oder auf der einen Seite mit jenem, auf der andern mit diesem unmittelbar oder durch ei- nen leitenden Körper in Verbindung setzt. Eben so heftig, doch weniger anhaltend wirkt der elek- trische Funken. Ferner bringen plötzliche Verän- derungen der Temperatur, ätzende Alkalien und mineralische Säuren Muskelbewegungen hervor. Die mineralischen Säuren bewirken aber auch in leblosen thierischen Substanzen Zusammenziehun- gen und geben daher oft unsichere Resultate. 2. Das Herz geräth in Bewegung, wenn man die Muskelfasern desselben reitzt. Hingegen Reit- zungen der Herznerven haben auf dasselbe kei- T 2 nen nen Einfluss Biologie. Bd. 4. S. 269. — Valli in Gren ’s Journal der Physik. B. VI. S. 391. — Dessen Experiments on animal electricity. p. 15. — Volta in den Schrif- ten über die thierische Elektrieität, herausgegeben von Mayer . S. 140. — Behrends Diss. qua demonstr. Cor nervis carere. p. 21. In Ludwioii Script. neurol. T. III. — Die Richtigkeit der Beobachtungen Fow- ler ’s, Pfaff ’s und Humboldt ’s, dass Reitzung der Herznerven durch den Galvanischen Reitz Reaktionen des Herzens bewirkt, ist mir, wie ich schon in der eben angeführten Stelle der Biologie erinnert habe, zweifelhaft. Wenn aber auch bey den Versuchen die- ser Schriftsteller keine Täuschung statt gefunden hat, so traten doch die von ihnen wahrgenommenen Be- wegungen des Herzens blos bey Fröschen ein, an deren Herznerven es keine Ganglien giebt und von welchen sich daher nicht auf die warmblütigen Thie- re unbedingt schliessen lässt. . Nur nach heftigen Erschütterun- gen des ganzen Nervensystems, z. B. nach dem plötzlichen Einstossen eines Metalldraths in die Höhlung der Wirbelsäule und nach Anbringung von Weingeist, Opium, Tabacksöl und ähnlichen Substanzen an das Gehirn und Rückenmark, be- obachtet man einen veränderten, jedoch immer noch regelmässigen Rhythmus der Schläge des Her- zens, während es durch den Reitz des Bluts fort- dauernd in Bewegung gesetzt wird Le Gallois Expér. sur le principe de la vie. p. 62. 312. . Wo- Woher diese Verschiedenheit zwischen dem Herzen und den willkührlichen Muskeln? Ha- ben etwa die Herznerven etwas Eigenes in ihrer Bildung, wodurch die Fortpflanzung der an den- selben angebrachten Reitzungen aufgehalten wird? Aber wenn dies ist, wozu hat denn das Herz Nerven, und zwar Nerven, die sich, nach Scar- pa , darin auf ähnliche Art wie in andern Mus- keln verbreiten? Man erhält die Antwort auf diese Fragen und zugleich die Erklärung der übrigen, bey den au- tomatischen Bewegungen statt findenden Umstän- de, wenn man voraussetzt, dass die Nerven Bedingungen der Muskelreitzbarkeit sind, dass aber nicht alle Reitze durch die Vermittlung derselben auf die Mus- keln wirken . Mit dieser Theorie harmonirt die bey jeder andern Hypothese nicht befriedigend zu erklärende Wirkung des Opiums und anderer narkotischer Mittel. Wässrige Auflösungen der letztern erregen nicht Muskelbewegungen, man mag die Muskeln selber oder deren Nerven damit bestreichen. Wohl aber bestehen oft nach der Anwendung derselben stär- 312. — Vermischte Schriften, anatom. u. physiol. Inhalts von G. R. u. L. C. Treviranus . B. 1. S. 103 fg. — Philip . Philos. Transact. Y. 1815. p. 63. 424. T 3 stärkere Reaktionen als vorher, wenn an die be- strichenen Stellen andere Reitze, besonders der Metallreitz, angebracht werden. Befeuchtet man mit den nehmlichen Substanzen das verlängerte Mark und Rückenmark, so wird, je nachdem die Quantität des Giftes grösser oder kleiner war, der Herzschlag dadurch beschleunigt oder langsamer gemacht, und die schwächende Wirkung mancher dieser Mittel tritt nicht als Folge vorhergegan- gener heftiger Reaktionen, sondern unmittelbar ein Philip a. a. O. p. 429. . Der natürlichste Schluss aus diesen That- sachen ist, dass jene Mittel nicht als Reitze wir- ken, sondern, in geringerer Quantität angewandt, die Empfänglichkeit für Reitze erhöhen, und dass sie diese Exaltation durch ihren Einfluss auf die Nerven hervorbringen. Hätten sie auf das Herz eine reitzende Wirkung, so würden sie auch in den willkührlichen Muskeln Zusammenziehungen erregen müssen. Philip Ebendas. p. 76. hat zwar aus den obi- gen Thatsachen die der unsrigen ganz entgegen- gesetzte Folgerung gezogen, dass die Reitzbarkeit des Herzens und der übrigen Muskeln nicht vom Nervensystem abhängt, dass aber die Fortpflan- zung der Reitze zu jenen Organen durch die Ner- ven geschieht. Zum Beweise seiner Meinung führt er an, dass die Reitzbarkeit der willkührlichen Muskeln durch heftige Reitzung ihrer Nerven er- schöpft schöpft wird, obgleich sie fortdauert, wenn diese blos durchschnitten werden, und dass auf gleiche Weise plötzliche Zerquetschung des Rückenmarks den Schlag des Herzens bedeutend schwächt, der bey blosser Durchschneidung des Rückenmarks un- geschwächt fortdauert. Diese Thatsachen führen aber gerade auf das Gegentheil von dem, was Philip daraus folgert. Heftige mechanische Reitze erschöpfen die Reitzbarkeit der willkührlichen Mus- keln erst, nachdem sie anhaltende convulsivische Bewegungen in denselben hervorgebracht haben. Der Herzschlag hingegen wird durch Zerstöhrung des Rückenmarks augenblicklich geschwächt. Die- se Verschiedenheit beweiet, dass die letztere Ope- ration eine ganz andere als reitzende Wirkung auf das Herz hat. Die Erscheinungen der reitzbaren Pflanzen stimmen ebenfalls mit unserer Theorie überein. Die Irritabilität der Gewächse hat ganz den nehm- lichen Charakter wie die thierische Erregbarkeit; nur ist das, was für die letztere die Nerven sind, für jene das Licht. Dieses unterhält die Reitz- barkeit der Vegetabilien. Es hat aber diese Wir- kung nur, so lange der Einfluss desselben gleich- förmig ist. Ein plötzlich einfallendes, heftiges Licht verursacht bey der Mimosa pudica eben so wohl ein Schliessen der Blätter, als die Finster- niss und als ein mechanischer Reitz. Auf ähnli- che Weise erfolgen im thierischen Körper Muskel- T 4 bewe- bewegungen, wenn die beyden innern Bedingun- gen der Muskelreitzbarkeit, der Zufluss des arte- riellen Bluts und die gleichförmige Einwirkung des Nervensystems, bey Verblutungen und bey Durchschneidungen der Nerven plötzlich aufgeho- ben werden. Nach dieser Aufhebung behält aber der Muskel immer noch auf einige Zeit ein ge- wisses Maass von Reitzbarkeit, und so besitzt auch die Mimose, selbst nach gänzlicher Entzie- hung des Lichts, an den Blattstielen noch Em- pfänglichkeit für mechanische Reitze Sigwart in Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. XII. S. 23. 35. . Da nun bey diesen Reitzungen alle unmittelbare Mitwir- kung des Lichts ausgeschlossen ist und die thie- rischen Muskeln sich in allen übrigen Stücken wie die reitzbaren Theile der Pflanzen verhalten, so sind gewiss auch bey jenen die Nerven blos Bedingungen der Reitzbarkeit, nicht aber noth- wendig der Reitzung. Nach allen den bisherigen Gründen ist es wahr- scheinlich der Einfluss der Nervenkraft auf eine gewisse, aus dem Arterienblut in die Substanz der Muskeln abgesetzte Ma- terie, was die Reitzbarkeit derselben hervorbringt und unterhält . Diese Materie kann kein anderer als der Ey- weissstoff seyn. Schon im fünften Buch der Bio- Biologie Bd. 4. S. 573. ist erinnert worden, dass man in halb- durchsichtigen, muskulösen Theilen mancher Thie- re, z. B. in der Bauchscheibe der Weinbergschnek- ken, während der Thätigkeit derselben wellenför- mige Bewegungen sieht, die ganz wie die Bewe- gungen flüssiger Körper erscheinen. Hieraus lässt sich schliessen, und andere Erfahrungen, wie die Verminderung des Volumens der Muskeln bey der Zusammenziehung derselben und die zuckenden Bewegungen, welche das Blut beym Gerinnen äu- ssert Biol. Bd. 4. S. 654. , stimmen damit überein, dass die Verkür- zung der Muskelfasern in dem plötzlichen Ueber- gang einer gewissen Substanz derselben aus dem flüssigen Zustand in den der Festigkeit besteht. Der Eyweissstoff ist die einzige unter den Ele- mentarsubstanzen sowohl der Pflanzen, als der Thiere, welche eines solchen Ueberganges fähig ist. Wir finden ihn auch, und zwar in demsel- ben Zustand, worin er als Faserstoff im geronne- nen Blut enthalten ist, in allen muskulösen Or- ganen. Er macht den Hauptbestandtheil derselben aus. Er ist desto flüssiger in ihnen, je jünger das Thier ist, und je reitzbarer die Muskeln sind. An Fröschen, die ich in siedendem Wasser hatte sterben lassen, fand ich alle Muskeln eben so starr wie Eyweiss, das in der Siedehitze erhärtet ist. T 5 ist. Nach Carlisle Philos. Transact. Y. 1805. p. 25. entsteht diese Zusammen- ziehung bey kaltblütigen Thieren in einer Hitze von 100° F., bey warmblütigen in einer Hitze von 110°. Nach Nysten Recherches de Physiologie et de Chimie pathologi- que. Paris. 1811. tritt bey allen Thieren, die ein deutlich entwickeltes Nervensystem haben, nach dem völligen Tode, also nach dem gänzli- chen Aufhören des Nerveneinflusses, eine gänzli- che Steifheit ein, und blos die Muskeln sind der Sitz dieser Erstarrung, die nicht aus blossen phy- sischen Eigenschaften abgeleitet werden kann, son- dern von der lebenden Contraktilität abhängt. Die Zusammenziehung des Muskels entsteht also von dem Gerinnen des im Blutwas- ser enthaltenen und aus den letzten En- den der Arterien in die Substanz der Mus- keln abgesetzten Eyweissstoffs . Während der Ruhe des Muskels befindet sich dieser Stoff im flüssigen Zustand, und der Ein- fluss der Nerven ist es, der ihn darin erhält. Für die letztere Voraussetzung spricht das Aufhören des Blutumlaufs und das Gerinnen des Bluts in einem einzelnen Theil nach der Durchschneidung der sämmtlichen Nerven desselben Biologie. Bd. 4. S. 647 fg. — Vermischte Schriften von G. R. u. L. C. Treviranus . B. 1. S. 109. — Phi- lip a. a. O. p. 443. , so wie die Fort- Fortdauer der Flüssigkeit und Bewegung dieses Safts in Gliedern, deren Muskeln zwar das Zu- sammenziehungs-Vermögen verloren haben, de- ren Nerven aber noch Empfindlichkeit besitzen. Alle Einwirkungen erregen Muskelbewegun- gen, indem sie jenen Nerveneinfluss ganz aufhe- ben, oder unterbrechen. Durch gänzliche Aufhe- bung desselben verursachen heftige elektrische Schläge, plötzliche Zerstöhrungen des Rücken- marks und starke Gaben narkotischer Mittel Zuk- kungen. Durch temporäre Unterbrechung des Ner- veneinflusses bringen alle örtliche Muskelreitze Zu- sammenziehungen hervor. Viele von diesen be- wirken zugleich ein Gerinnen des Eyweissstoffs. Allein aus einem unmittelbaren, blos chemischen Einfluss der Reitze auf diesen Stoff lässt sich die Verkürzung der Muskeln doch nicht erklären. Al- kalien sowohl, als Säuren, also ganz entgegen- gesetzte chemische Agentien erregen Muskelbewe- gungen, welches nicht seyn könnte, wenn sie blos auf chemische Art wirkten. Auch lässt sich von den blos mechanischen Reitzen nicht anneh- men, dass sie den Eyweissstoff unmittelbar gerin- nen machen. Diese scheinen auf ähnliche Weise Muskelbewegungen zu veranlassen, wie Erschüt- terungen das Wasser, das unter den Gefrierpunkt erkalten kann, ohne seine Flüssigkeit zu verlie- ren, so lange es in Ruhe ist, bey der Frostkälte so- sogleich zum Gefrieren bringen. Es ist ohne Zwei- fel ein elektrisches Verhältniss zwischen dem le- benden Muskel und dem Reitz, worin der Grund aller Reitzungen liegt. Nach der Rückkehr des, durch die Reitzung unterbrochenen Nerveneinflusses wird der Eyweiss- stoff des Muskels wieder flüssig und dieser geräth in den entgegengesetzten Zustand der Anschwel- lung. Die Nerven wirken hierbey auf ähnliche Art wie das Licht, welches die Blätter der reitz- baren Pflanzen, die sich bey der Abwesenheit des- selben zusammenziehen, in Expansion versetzt. Wenn es verstattet ist, auf dieser Analogie weiter zu bauen, so wird man annehmen dürfen, dass die Nerven gleich dem Licht eine desoxydirende Wirkung haben. Hiermit harmonirt auch die Mei- nung, die ich im fünften Buch der Biologie Bd. 4. S. 561, wo in der 20ten Zeile statt “Folgende Theorie der Ernährung” zu lesen ist: “Folgende „Theorie der Gerinnung des Bluts.” geäussert habe, dass der Eyweissstoff im Blute durch ein Alkali aufgelöset ist, und dass das Ge- rinnen desselben eintritt, wenn dieses Alkali durch eine Säure gesättigt wird. Die Nerven erhalten hiernach den Eyweissstoff der Muskeln im flüssi- gen Zustand, indem sie die Verbindung der alka- lischen Auflösung desselben mit Sauerstoff verhin- dern. Dieser Idee gemäss muss bey jeder Mus- kel- kelcontraktion eine neutrale Verbindung von Al- kali und Säure entstehen. Eine solche finden wir in der That auch in den Muskeln an dem Thou- venel schen Fleischextrakt ( Thenard ’s Osmazo- me), einer Zusammensetzung aus milchsaurem Na- trum und einem thierischen, der Gallerte ähnli- chen Stoff, von der schon Berzelius Veiw of the progress and present state of anim. che- mistry. vermu- thet hat, dass sie von einer Zersetzung der ge- reitzten Muskeln herrührt. Mit dieser Hypothese ist aber freylich der ganze Process der Muskelbewegung noch keines- weges erklärt. Eine wichtige Rolle spielt gewiss auch dabey der Kohlenstoff. Wir sahen in fünf- ten Buch dieses Werks Bd. 4. S. 93. , dass eine Hauptwir- kung des Lichts auf die Pflanzen die Bildung die- ses Stoffs ist. Wirkt also in der That das Ner- vensystem im thierischen Körper auf ähnliche Art wie das Licht im vegetabilischen Organismus, so muss der Nerveneinfluss auch auf die Hervorbrin- gung von Kohlenstoff gerichtet seyn. Wie bey den Pflanzen in der Abwesenheit des Lichts koh- lensaures Gas entweicht, so wird dieses auch bey dem, während der Muskelbewegungen unterbro- chenen Nerveneinfluss abgeschieden werden, und hieraus ist dann der Ursprung des bey der Aus- dün- dünstung und dem Ausathmen entweichenden koh- lensauren Gas erklärbar. Nach unserer bisherigen Theorie können die Muskelfasern keinesweges der einzige Sitz der au- tomatischen Bewegungen seyn. Diese Meinung hat schon Home Philos. Transact. Y. 1795. p. 202. geäussert und mit dem Bey- spiel der Blasenwürmer zu beweisen gesucht, de- ren Bewegungen ganz den Zusammenziehungen und Ausdehnungen der Muskeln gleichen, obgleich sich an den frischen Häuten derselben selbst mit dem Mikroskop keine Fasern entdecken lassen. Es fehlen überhaupt aber, nach Rudolphi ’s Entozoorum hist. nat. Vol. I. p. 213 sq. und meinen Untersuchungen Verm. Schriften von G. R. u. L. C. Treviranus . B. 1. S. 137. , Muskelfasern den mei- sten Eingeweidewürmern und den Polypen. Selbst bey den Mollusken bestehen die Bewegungsorgane meist aus einer schwammigen Substanz, worin sich nur an einzelnen Stellen Fasern unterscheiden lassen. Alle Bewegungen jener Zoophyten und dieser Thiere sind auch mehr Anschwellungen als Zusammenziehungen. Bey ihnen scheint zum Theil die Verkürzung blos Folge der aufgehobe- nen Expansion zu seyn, so wie umgekehrt bey den Thieren, die wahre Muskelfasern besitzen, die Ausdehnung oft das Ansehn einer blossen Er- schlaf- schlaffung hat. Der Bau der wahren Muskelfa- sern ist aber auch vorzüglich auf Verkürzung ein- gerichtet. Sie zeigten sich mir immer als lange, häutige Cylinder, die inwendig mit einer halbflüs- sigen Materie, worin sich die organischen Elemente des Eyweissstoffs unterscheiden lassen, angefüllt und auswendig ihrer ganzen Länge nach in kur- zen, regelmässigen Zwischenräumen mit ringför- migen Queerstrichen besetzt sind Ebendas. S. 134. . Gäbe es in diesen Ringen Scheidewände, so würden die Mus- kelfasern den nehmlichen Bau besitzen, wie die Cylinder, woraus die elektrischen Organe des Zit- terrochens bestehen. Indess solche Scheidewände habe ich nicht entdecken können. Die Queerringe scheinen mir Falten zu seyn, worin die Verkür- zung der Fasern vorgeht. Wir haben bisher die äussern, auf die Bewe- gungsorgane wirkenden Kräfte blos als Reitze be- trachtet. Es giebt aber auch äussere Agentien, welche die Reitzbarkeit verändern, ohne über- haupt Erregungen, oder wenigstens solche, die mit ihrem Einfluss auf die Reitzbarkeit in Verhält- niss stehen, hervorzubringen. Ich habe schon vor zwanzig Jahren im ersten Theil meiner Physio- logischen Fragmente (S. 70 fg.) das Vorhan- denseyn solcher exaltirender und deprimi- render Potenzen gelehrt, und zugeich gezeigt, dass der Ausdruck der erhöhten Reitzbarkeit Tur- ges- gescenz ist, so wie sich die verminderte Erreg- barkeit durch Zusammenziehung äussert. Man hat mir in der damaligen Zeit, wo Alle dem Systeme Brown ’s huldigten, widersprochen, und mich mit Gründen bestritten, die ich nicht für gültig aner- kennen konnte. Jetzt, da man nicht mehr in dem engen Kreis einer Lehre befangen ist, worin das Wort Reitz das Schwerdt war, mit dem alle Knoten zerhauen wurden, wird es jedem einleuch- ten, dass es Thatsachen in Menge giebt, die sich nur aus meiner Meinung genügend erklären las- len. Auf die reitzbare Mimose wirkt offenbar das Licht nicht als reitzende, sondern als exaltirende Potenz; die Folge des Einflusses der Sonnenstrah- len ist Anschwellung aller Theile, also gerade das Gegentheil von der Zusammenziehung, welche durch wirkliche Reitze hervorgebracht wird, und die Expansion tritt so schnell ein, dass man ein vermehrtes Einströhmen von Flüssigkeiten in die ganze Pflanze wohl als Folge, nicht aber als Ursa- che derselben annehmen kann. Durch eine gleich- förmige Wärme wird ebenfalls die Reitzbarkeit al- ler Thiere und Pflanzen, und zugleich die Tur- gescenz derselben erhöhet, obgleich sie für sich weder in den reitzbaren Gewächsen, noch in thie- rischen Bewegungsorganen, die vom Ganzen ge- trennt sind und worauf keine wirkliche Reitze Einfluss haben, Reaktionen erregt. Das Bestrei- chen eines Muskels mit wässriger Mohnsaftauflö- sung sung verursacht keine Zusammenziehungen des- selben; reitzt man aber die bestrichenen Stellen, so erfolgen oft stärkere Reaktionen als vorher. Lässt man hingegen Salpetergas auf ihn wirken, so findet man ihn aller Reitzbarkeit beraubt Bichat ’s allgem. Anatomie. Th. 2. Abth. 1. S. 227. . Nur aus jener Voraussetzung lässt es sich auch erklären, wie die von der anhaltenden Ein- wirkung eines und desselben Reitzes erschöpfte Reitzbarkeit durch Reitze anderer Art wieder auf- geregt und durch diese sogar die Empfänglichkeit für den erstern wieder erweckt werden kann. Zahlreiche Beobachtungen über solche Herstellun- gen der Empfänglichkeit für den Galvanischen Reitz durch chemische Mittel enthält Humboldt ’s Werk Ueber die gereitzte Muskel- und Nervenfaser . Pfaff Pfaff ’s u. Scheel ’s Nordisches Archiv für Natur- und Arzneywissensch. B. 1. St. 1. S. 17. hat dagegen erinnert, dass hier nicht die Reitzbarkeit ersetzt, sondern die absolute Stärke des Galvanischen Reitzmittels durch die chemischen Agentien vermehrt worden wäre. Diese Einwendung gilt allerdings gegen manche jener Versuche. Allein nach meinen Er- fahrungen muss ich doch glauben, dass chemi- sche Agentien auch einen Einfluss auf die Reitz- barkeit selber haben. Unter andern machte ich im V. Bd. U im April 1799 an den abgeschnittenen Hinterschen- keln eines Frosches, woran eine Nervenarmatur von Zink mit einer Muskelarmatur von Eisen starke Zusammenziehungen hervorbrachte, folgen- de Beobachtungen. Ich bestrich sowohl die Ner- ven als die Muskeln mit Belladonna-Extrakt, rei- nigte dann beyde wieder aufs sorgfältigste mit destillirtem Wasser, und prüfte jetzt die Reitz- barkeit der Schenkel von neuem mit den beyden vorigen Armaturen. Es erfolgten nur noch drey sehr schwache Bewegungen. Ich tauchte den Schenkel in Oleum tartari per deliquium, wusch ihn sorgfältig ab, und brachte die vorigen Arma- turen auf die nehmliche Weise wie vorhin an. Das Glied zuckte wieder lebhaft. Als auch jetzt die Reitzbarkeit wieder so weit gesunken war, dass eine Nervenarmatur von Zink mit einer Mus- kelarmatur von Silber keine Zusammenziehung mehr bewirkte, gelang es mir durch nochmaliges Eintauchen des Schenkels in Oleum tartari per deliquium, denselben von neuem für den Reitz des Zinks und Silbers empfänglich zu machen. Diese Erfahrungen beweisen zugleich, dass die Vermehrung oder Verminderung der Reitzbar- keit, welche die exaltirenden und deprimirenden Po- Potenzen hervorbringen, nicht immer nach allen Richtungen, sondern oft nur von gewissen Seiten statt findet, und zwar insofern, als bey Erhö- hung der Empfänglichkeit für eine gewisse Art von Reitzen die Receptivität für Reitze anderer Art unverändert bleibt oder selbst herabgestimmt wird, und umgekehrt. Das Nehmliche zeigt sich, wenn man die Nerven eines Froschmuskels mit Zink, den Muskel selber mit Silber armirt, und die Kette eine Zeit lang geschlossen lässt. Eine solche Kette bewirkt oft eine erhöhete Reitzbar- keit, die sich durch sehr heftige, bey der Tren- nung der Metalle eintretende Zuckungen äussert. Diese Erhöhung findet aber blos in Beziehung auf jene Kette statt. Ich habe in mehrern Fällen Froschschenkel, die sich zwischen den erwähnten, geschlossenen Armaturen befanden, mit zerflosse- nem Weinsteinöl bestrichen, aber niemals nach diesem Reitz unter solchen Umständen stärkere Zusammenziehungen erfolgen sehen, als er schon vorher in den unbewaffneten Gliedern erregt hatte. Es ist überhaupt ein Gesetz, welches, nach- dem der Begriff der Reitzbarkeit einmal festge- setzt war, bald entdeckt werden musste und auch U 2 bald bald entdeckt wurde, dass jedes organische Sy- stem seine eigenen Reitze hat, von denen es vor- zugsweise in Thätigkeit gesetzt wird, dass es eine specifische Reitzbarkeit der einzelnen Theile giebt Man hält gewöhnlich Reil für den Entdecker die- ses Gesetzes. Allein schon vor ihm war es von Bar- thez (Nouveaux Eléments de la science de l’homme. à Montpellier. 1778. p. 62.) und Hebenstreit (In dessen Anhang zu Gardiner ’s Untersuchungen über die Natur thierischer Körper. Leipz. 1786. S. 297.) aufgestellt. Blumenbach (De vi vitali sanguinis neganda) will dasselbe auch schon bey dem Englän- der Blane gefunden haben. . So besitzen die willkührlichen Muskeln eine specifische Empfänglichkeit für den Reitz des Willens, das Herz für den Reitz des Bluts, die Iris für den Einfluss des Lichts u. s. w. Diese Eigenschaft erstreckt sich auch auf die verschie- denen Arten der lebenden Körper und auf die ver- schiedenen Individuen einer und derselben Art. Jedes Wesen wird von der äussern Welt auf seine eigene Weise erregt. Es giebt, wie im dritten Abschnitt des vorigen Buchs erwähnt ist, Bey- spiele von Menschen, worauf sogar die Kraft, die sonst auf alles Lebende heftiger als jeder an- dere Reitz wirkt, die Elektricität, keinen Ein- druck machte. Man Man kann mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Reitzbarkeit durch jede anhaltende Ein- wirkung nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität verändert wird, und dass alle Reitze in Beziehung auf andere zugleich als exal- tirende und deprimirende Potenzen wirken. Jeder Reitz vermindert nach einer gewissen Dauer sei- nes Einflusses für sich selber die Empfänglichkeit der Organe; aber er vermindert sie nicht noth- wendig für andere Reitze, so lange noch Ersatz der Reitzbarkeit möglich ist. Erst wenn das Blut seine zum Leben nothwendige Beschaffenheit ver- loren hat und das Nervensystem erschöpft ist, tritt allgemeine Abstumpfung der Reitzbarkeit ein. Die Verminderung der Erregbarkeit, die ein Reitz, der nicht so heftig ist, dass er gleich völ- lige Erschöpfung nach sich zieht, bey längerer Einwirkung in Beziehung auf sich selber hervor- bringt, erfolgt aber oft erst nach vorhergegange- ner Zunahme der Lebensbewegungen. Der Ein- fluss desselben ist nicht auf die Theile, die er unmittelbar trifft, beschränkt. Immer werden auch andere Organe mit in Thätigkeit gezogen, die wieder auf den ursprünglich erregten Theil zu- rückwirken, und bey der neuen Einwirkung des U 3 er- ersten Reitzes die Erregung verstärken. Man sicht dies vorzüglich bey mechanischer Reitzung des Ventrikels eines ausgeschnittenen Froschherzens, dessen Erregbarkeit schon so weit gesunken ist, dass die Bewegungen desselben nicht mehr zu schnell auf einander folgen. Die nach der ersten Anwendung des mechanischen Reitzes folgende Zu- sammenziehung des Ventrikels wirkt dann als er- regend auf die Aurikel, die Systole der letztern zurück auf jenen, u. s. w. Durch wiederholte Anbringungen des äussern Reitzes werden diese Bewegungen verstärkt, doch nur bis zu einer ge- wissen Gränze, jenseits welcher wieder Abnahme derselben und endlich völlige Ruhe eintritt. Et- was Aehnliches lässt sich auch an willkührlichen Muskeln, deren Reitzbarkeit schon gesunken ist, bey Anwendung des Metallreitzes beobachten, wel- cher in solchen Theilen oft erst nach wiederhol- ten Oeffnungen und Schliessungen der Kette Zu- sammenziehungen erregt, die anfangs nur auf ein- zelne Faserbündel beschränkt sind, und erst bey fortdauernder Reitzung sich über den ganzen Mus- kel ausbreiten. In diesen Fällen ist es nicht Zu- nahme der Reitzbarkeit, sondern der Stärke des Reitzes, was die Vermehrung der Lebensbewegun- gen gen verursacht. Es bleibt also zwar ein Grund- gesetz der Biologie, dass die Erregbarkeit bey fort- dauernder Erregung vermindert wird, doch ein Gesetz, das nur von einerley, nicht von verschie- denartigen Reitzen gilt. Wenn die bisherigen Sätze richtig sind, so muss die Reitzbarkeit des einzelnen Theils immer abhängig von der Beschaffenheit des ganzen Kör- pers und von andern vorhergegangenen Einwir- kungen seyn. So verhält es sich in der That auch. Nie wirkt ein Reitz zu der einen Zeit ganz wie zu der andern. Ich habe viele Versuche über den Einfluss des Opiums, der Belladonna, des Kirschlorbeerwassers und des Weingeists auf die Reitzbarkeit der willkührlichen Muskeln und des Herzens an Fröschen gemacht, von keinem dieser Mittel aber eine beständige Wirkung wahr- genommen. Bald erhöheten sie die Erregbarkeit, bald deprimirten sie dieselbe, und bald brachten sie gar keine Veränderung hervor. Man hat jene Wahrheit nicht gehörig anerkannt oder anerken- nen wollen, und nach einzelnen Erfahrungen Ge- setze der Muskelbewegung aufgestellt, die nichts weniger als allgemein sind. Besonders trifft die- ser Vorwurf Ritter ’n, der aus seinen Versuchen U 4 über über den Einfluss der Galvanischen Ketten auf die thierische Reitzbarkeit mehrere Sätze gefolgert hat, die höchstens als Regeln, nicht aber als Ge- setze gelten können. Er gab als ein allgemeines Gesetz an, dass die Reitzbarkeit in einzelnen Mus- keln erhöhet wird, wenn deren Nerven mit Sil- ber, sie selber mit Zink armirt sind, und diese Kette eine gewisse Zeit geschlossen bleibt J. W. Ritter ’s Beweis, dass ein beständiger Galva- nismus den Lebensprocess in dem Thierreich begleite. Weimar. 1798. . In vielen Fällen haben solche geschlossene Ketten freylich diese Wirkung. Dass der Erfolg aber nichts weniger als beständig ist, sondern durch den Zustand der Reitzbarkeit, durch den Einfluss anderer, vor der Anbringung der Metalle ange- wandter Reitze und durch eine Menge sonstiger Umstände modifizirt wird, ergiebt sich sowohl aus meinen Erfahrungen Gilbert ’s Annalen der Physik. B. VIII. S. 44. , als aus Pfaff ’s Versu- chen Pfaff ’s u. Scheel ’s Nordisches Archiv für Natur- u. Arzneywissensch. B. IV. St. 3. S. 3. . Späterhin glaubte Ritter auch eine entgegengesetzte Reitzbarkeit in den Extensoren und Flexoren der Gliedmaassen bemerkt zu ha- ben ben Ritter ’s Beyträge zur nähern Kenntniss des Galva- nismus. B. II. St. 3 u. 4. S. 65. . Aber diese Entdeckung hat sich gar nicht bestätigt Pfaff a. a. O. . Alles dies setzt voraus, dass Erregbarkeit nicht eine Eigenschaft ist, wovon jeder lebende Körper bey seinem Entstehen nur ein gewisses Maass empfängt, sondern dass es einen Ersatz derselben giebt. Die Anhänger Brown ’s haben diesen ge- läugnet, oder wenigstens behauptet, die Erschei- nungen, die für denselben zu sprechen schienen, liessen sich auch ohne ihn erklären. Allein ihr Beweis fängt von der unbewiesenen und uner- weislichen Behauptung an, dass der Ersatz der Erregbarkeit von vorhergegangener Erregung ab- hängen müsse. Nie ist auch von ihnen genügend die Frage beantwortet worden: Wie eine, sich fortdauernd gleich bleibende und mit gleichen Zwi- schenräumen von Ruhe abwechselnde Erregung ohne Ersatz der Erregbarkeit möglich seyn könne? Der scharfsinnigste unter ihnen, Niemeyer Materialien zur Erregungstheorie. S. 170. , sahe keinen andern Ausweg als vorauszusetzen, dass U 5 dass das Aufhören und die Erneuerung der Er- regung in diesem Fall eben so gut von der, aus dem Gegenwirken der gereitzten Organe entste- henden Verzehrung des Reitzes, als von der Ver- zehrung und dem Ersatz der Erregbarkeit abge- leitet werden könne. Niemeyer übersah aber, dass der Reitz von dem erregten Organ nicht ver- ändert werden kann, ohne dass dieses selber eine Veränderung erleidet, und dass hiervon nothwen- dig eine Veränderung der Reitzbarkeit die Folge seyn muss. Die sämmtlichen bisherigen Sätze sind noch einer weitern Ausführung fähig. Eine solche wür- de indess tiefere Untersuchungen über die Wir- kungsart des Nervensystems erfordern, wozu erst im folgenden Buch der Ort seyn wird. Auf die- ses versparen wir daher die nähere Erklärung der- jenigen Erscheinungen der Bewegungsorgane, die mit den Funktionen des Nervensystems in enge- rer Beziehung stehen. Ge- Geschichte des physischen Lebens . Achtes Buch. Achtes Buch. Verrichtungen des Nervensystems im Allgemeinen . D as ganze Leben ist ein tiefes Geheimniss, aber vorzüglich sind es die Erscheinungen des Systems, wozu wir uns jetzt wenden. Man hat sich einge- bildet, das Dunkel wäre erhellet, indem man diese Phänomene unter die nehmlichen Gesetze brachte, welchen die automatischen Bewegungen unterworfen sind. Es giebt freylich Thätigkeiten des Nervensystems, die nur auf Veranlassung äu- sserer Einflüsse erfolgen; es giebt aber auch Wir- kungen desselben, die entweder ununterbrochen das ganze Leben hindurch vor sich gehen, oder in gewissen Perioden entstehen, ohne unmittelbar durch äussere Ursachen erregt zu seyn. Mit an- dern Worten: die Verrichtungen jenes Systems sind theils Folgen einer ähnlichen Reitzbarkeit , wie den Muskeln eigen ist, theils aber in einer Autonomie desselben begründet. Diese, bisher ent- entweder ganz verkannte, oder zu wenig gewür- digte Autonomie desselben näher zu bestimmen, wird ein Hauptzweck unserer gegenwärtigen Un- tersuchungen seyn. Ehe wir aber die Funktionen des Nervensy- stems betrachten, werden wir zuvörderst Eini- ges über die Organisation desselben bemerken. Erster Erster Abschnitt. Vorläufige Bemerkungen über die Organisation des Nervensystems . W as ist das Charakteristische der Nervensub- stanz? Ist sie einerley mit der Substanz des Hirn- und Rückenmarks, oder von dieser verschieden? Giebt es wesentliche Verschiedenheiten zwischen der grauen Materie und dem Mark dieser Einge- weide? Wie verhält sich die innere Bildung der Nerven in den Geflechten, den Ganglien und den Organen des animalischen und vegetativen Le- bens? Welche Veränderungen der Gestalt erleidet das ganze Nervensystem in den verschiedenen Clas- sen und Familien der Organismen vom Menschen an bis zu den Zoophyten? Auf diese Fragen stossen wir bey allen Unter- suchungen über die Verrichtungen des Nervensy- stems. Es fehlt noch Vieles an der Zahl sicherer Erfahrungen, die zu ihrer genügenden Beantwor- tung erforderlich ist. Was mir indess von eige- nen nen und fremden Beobachtungen über jene Ge- genstände der Wahrheit am nächsten zu kommen scheint, werde ich als Bruchstücke eines grössern Werks hier mittheilen. Man hat bisher bey der Untersuchung des thierischen Baus die Beschaffenheit der organischen Elemente desselben entweder, aus einem unge- gründeten Vorurtheil gegen den Gebrauch der Ver- grösserungsgläser, zu wenig beachtet, oder doch mit zu wenig Methode bestimmt. Wer das Mi- kroskop gehörig anzuwenden versteht und mit demselben die ursprünglichen organischen Bestand- theile der Hirn-, Rückenmarks- und Nervensub- stanz unbefangen beobachtet, wird mit mir fin- den, dass diese ni chts anders sind als ein Schleim- stoff, welcher mit einer eigenen weisslichen Flüs- sigkeit getränkt ist. Jener Stoff besteht aus den- selben Elementen, wie alles übrige thierische Zell- gewebe; dieser Saft hingegen ist eine eigene, dem männlichen Saamen verwandte Materie. Nur in dem letztern lässt sich also der Grund der eigen- thümlichen Funktionen des Nervensystems aufsu- chen. Zwischen der grauen Substanz und dem Mark des Gehirns finde ich keinen andern als blos den Unterschied, dass jene reicher an Blutgefässen ist. Es giebt nur bey den Thieren der vier höhern Classen, die rothes Blut führen, einen deutli- chen chen Unterschied zwischen Rinde und Mark, und bey ihnen hat das Mark in der ersten Zeit des Lebens, wo dasselbe mehr Cruor als in spä- tern Zeiten enthält, eine nicht viel hellere Farbe als die Rinde. Bey den Amphibien und Fischen ist jener Unterschied geringer als bey den erwach- senen Säugthieren. Am Gehirn der Insekten und Würmer habe ich nie verschiedene Substanzen be- merken können Doch will ich nicht geradezu behaupten, dass nicht auch hier eine geringe Verschiedenheit zugegen ist, und dass Swammerdamm (Biblia Nat. T.I. p.498.) und J. F. Meckel (In seinen Zusätzen zu Cuvier ’s Vorlesungen über vergl. Anatomie. B.2. S.49.), die graue und weisse Substanz in dem Gehirn und den Nervenknoten einiger Insekten wahrgenommen zu ha- ben glaubten, sich getäuscht haben. . Wir finden auch in den Nie- ren, in der Leber Biol. Bd.4. S.414. und selbst in den gelben Körpern der Eyerstöcke Wrisberg , Commentat, Societ. scient. Gotting. Vol. IV. p.78. eine Verschiedenheit der äussern und innern Substanz, die offenbar nur von der Vertheilungsart der Gefässe herrührt. Die Rinde würde in Weingeist nicht so schnell ihre Farbe verlieren und dem Mark ähnlich wer- den, wie in der That der Fall ist, wenn sie eine andere Mischung als diese besässe. Die Farbe der Rin- V. Bd. X Rindensubstanz endlich wird eben so wie die Far- be des Bluts durch Alkalien erhöhet. Nach Gall Anat, et Physiol. du Systême nerveux. Vol. I. ist die Rinde die erzeugende und ernährende Materie des Marks, weil allent- halben, wo das letztere an Masse zunimmt, auch jene in grösserer Menge vorhanden ist, und alle Nerven aus einer Anhäufung von Rinde entsprin- gen, deren Quantität mit der Grösse dieser Ner- ven in Verhältniss steht. Gegen diese Behauptung sprechen mehrere Gründe. Man vergleiche das Gehirn der Vögel mit dem des Menschen in Hin- sicht auf das Verhältniss beyder Hirnsubstanzen. Dort wird man sehr viel Rinde und wenig Mark, hier umgekehrt viel Mark und wenig Rinde fin- den. Zur Hervorbringung des Edlern sollte es also eines geringern Aufwandes von ernährender Substanz als zur Erzeugung des Niedern bedür- fen? Dass alle Nerven aus grauer Substanz ent- stehen, ist ungegründet. Die Nerven des Rücken- marks haben gar keinen Zusammenhang mit der grauen Substanz dieses Theils. An einer dünnen Scheibe von dem Rückenmark des Frosches und einer mit demselben verbundenen Nervenwurzel habe ich unter dem Vergrösserungsglas die Sub- stanz der Wurzel in das Mark übergehen sehen, nicht aber irgend eine Verbindung zwischen ihr und der Rinde gefunden. Die Die Hirn- und Rückenmarkssubstanz enthält geronnenen Eyweissstoff, dessen Erhärtung mit dem Alter zunimmt, und durch alle die Mittel, die sonst auf denselben wirken, z. B. Hitze, mi- neralische Säuren, Weingeist, Naphten und Me- talloxyde, vermehrt wird. Dieser Stoff coagulirt immer in parallelen Schichten, wie man an jedem hart gesottenem Ey und an allem, in der Hitze geronnenem Blutwasser sieht. Solche Schichten findet man in jedem Gehirn, das während des Lebens von Alter einen gewissen Grad von Härte angenommen hat, oder nach dem Tode dem Ein- fluss der erwähnten Mittel ist ausgesetzt worden. In einem völlig erhärteten Gehirn entsteht von ihnen der muschlige Bruch, wovon Reil in sei- nen Aufsätzen über das Gehirn Archiv für die Physiologie. B. VIII, IX, XI. spricht, bey dessen Untersuchung er Salpetersäure, Alcohol und andere der stärksten zusammenziehenden Mittel anwandte. In einem Gehirn, das noch einige Weichheit besitzt, nehmen sie, mit dem Stiel des anatomischen Messers geschabt, oder nach gewis- sen Richtungen durchschnitten, die Gestalt von Fasern an. Von solcher Art sind viele der Fa- sern, die Gall im Gehirn entdeckt zu haben glaubt. Aber der grösste Theil dieses Eingewei- des hat nicht eine fasrige, sondern blättrige Tex- tur. Aus Blättern bestehen alle Windungen des gro- X 2 grossen und kleinen Gehirns, so wie auch der Balken und die äussere Substanz der Varolischen Brücke. In jenen liegen sie meist perallel mit der äussern Fläche der Windungen; im Balken und der Varolischen Brücke haben sie eine ver- tikale Stellung. Auf den Flächen solcher Durch- schnitte dieser Theile, worauf blos die Ränder der Blätter sichtbar sind, glaubt man Fasern zu erblicken. Biegt man aber diese scheinbaren Fa- sern aus einander, so findet man concentrische Schichten. Wirkliche Fasern giebt es in den Py- ramiden des verlängerten Marks, den Schenkeln des grossen Gehirns, den gestreiften Körpern, den Sehehügeln, dem vordern und hintern Queerbänd- chen und dem Gewölbe. Sie machen, wie die Ner- venfasern, Bündel aus, die sich verbinden und zer- ästeln. Im Innern der Varolischen Brücke, in den Hirnschenkeln und den Sehenervenhügeln liegen sie schichtenweise. Neben ihnen findet man al- lenthalben Massen sowohl von Mark als von Rin- de, die theils aus Blättern bestehen, theils weder blättrig noch fasrig sind. Eben so wenig als das ganze Gehirn hat das Rük- kenmark allenthalben einen fasrigen Bau. Keuf- fel Diss. de medulla spinali, in Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. X. S. 163 fg. fand zwar in sehr dünnen Queerscheiben von Stücken des Rückenmarks, die in einer Lauge von ätzen- ätzendem Kali gelegen hatten, ein netzförmiges Gewebe der feinsten Fasern, die in der äussern weissen Masse zum Theil vom Umfange zum Mit- telpunkte gingen und mitunter ziemlich dick wa- ren, in der innern grauen Masse eine völlig netz- artige Struktur ohne alle vorherrschende Richtung und nicht die Dicke wie jene hatten. Zugleich sahe er in dem, der Länge nach aufgeschnittenen Rückenmark deutliche Längenfasern. Er nimmt an, dass die über einander liegenden Queerfibern, obgleich sich nicht völlig deckend, doch in Häu- ten zusammenfliessen, die sich in der Länge vom Anfang bis zum Ende des Rückenmarks, in der Breite wie die einzelnen Fibern vom Umfange zum Mittelpunkt erstrecken, und neben einander liegen- de, längslaufende Canäle bilden, worin das Mark enthalten ist. Aber diese Hypothese muss jeder höchst unwahrscheinlich finden. Ich kann die Queerfibern für nichts anders als Blutgefässe halten. Wahre, längslaufende Fasern habe ich bis jetzt nie in frischem Rückenmark gesehen. In solchem, welches in Alcohol oder Sublimatwasser gelegen hatte, traf ich zwar hin und wieder längslaufende Streifen an. Diese aber zeigten sich bey genaue- rer Untersuchung als die Ränder ähnlicher con- centrischer Schichten, wie in den Hirnwindungen enthalten sind. Nur da, wo die Wurzeln der Nerven des Rückenmarks aus der Substanz des- selben ihren Ursprung nahmen, waren die, an X 3 den den übrigen Stellen unregelmässig neben einan- der liegenden, organischen Elemente des Marks bis auf eine kurze Strecke in geraden Linien an einander gereihet. Anders verhält es sich mit den Nerven. In diesen bildet die nehmliche Substanz, woraus das Gehirn und Rückenmark besteht, längslaufende, äusserst zarte Fäden, die sich, von ganz frischen Nerven genommen und so behutsam wie möglich behandelt, unter starken Vergrösserungen als ein- fache Reihen von Kügelchen zeigen. In den Ner- ven der rothblütigen Thiere ist jeder dieser Fä- den in einer häutigen Scheide ( Reil ’s Neuri- lem ) eingeschlossen. Fontana Abhandlung über das Viperngift. S. 368 fg. glaubte gefun- den zu haben, dass die letztere aus einer äussern und innern Haut bestände, und dass die äussere aus höchst feinen, längslaufenden, geschlängelten Cylindern zusammengesetzt wäre. Diese Cylinder scheinen mir aber blos Falten zu seyn, in wel- chen das Nervenmark mit der innern Wand der häutigen Röhren genauer als andere Stellen ver- bunden ist. Eine doppelte Haut der Scheide habe ich nie bemerken können. In den Nerven der Mollusken, Insekten und Würmer konnte ich nicht einmal einfache Scheiden an den letzten Nerven- fäden mit Bestimmtheit wahrnehmen. Ich fand zwischen den letztern zwar dunkele, längslaufen- de de Streifen, und ich glaube auch, dass hier eben so wohl als bey den höhern Thieren die letzten Nervenfasern in Häuten eingeschlossen sind. Aber diese müssen wenigstens hier von ausserordentli- cher Feinheit seyn M. vergl. Vermischte Schriften, anat. u. physiol. In- halts. Von G. R. u. L. C. Treviranus . B. 1. S. 128 fg. . An vielen Stellen gehen die Nervenfäden auf ziemlich weite Strecken parallel neben einander fort, ohne sich mit einander zu verbinden. Al- lenthalben aber, wo die Nerven Geflechte ma- chen, anastomosiren die Scheiden der Fäden mit einander. Ob sich diese Vereinigung auch auf die Marksubstanz der Fäden erstreckt, habe ich bis- her nicht erkennen können. Sehr verschieden von den blossen Geflechten (plexus) sind die Knoten (ganglia) der Nerven. Es fehlt uns noch viel an einer genauen Kennt- niss des innern Baus der letztern. Allein dass nicht blosse Verbindungen und Trennungen der Nervenfäden in ihnen statt finden, kann man we- nigstens für ausgemacht annehmen. Vergleiche ich die bisherigen Untersuchungen dieser Organe, besonders die von Lancisi De structura usuque gangliorum, in Morgagni Ad- versar. anat. V. , Haase De gangliis nervorum, in Ludwioii scriptor, neu- rol. T. I. , Pfef- fin- X 4 finger De structura nervorum. Sect. I. §. 22 sq. Ibid. , Scarpa Anatom. annotat. L. I. cap. 1. , Reil Archiv für die Physiologie. B. VII. S. 219. und Carus Versuch einer Darstellung des Nervensystems. S. 60 fg. an- gestellten, unter sich und mit den meinigen, so scheinen mir folgende Sätze die Summe dessen zu seyn, was sich mit Wahrscheinlichkeit von der innern Struktur dieser Theile angeben lässt. Die Ganglien sind in einer doppelten Haut eingeschlossen. Beyde bestehen aus verdichtetem Zellgewebe und sind an verschiedenen Knoten von verschiedener Dichtigkeit. Von ihrer grössern oder geringern Stärke rührt die verschiedene Härte der Knoten her. Die meisten Ganglien zeichnen sich durch eine röthliche Farbe vor den übrigen Theilen des Ner- vensystems aus, die ohne Zweifel in einem gro- ssen Reichthum an Blutgefässen ihren Grund hat. An dieser Farbe nehmen auch die aus ihnen ent- springenden Nerven bis auf eine gewisse Strecke Antheil. Nerven, die selber keine Knoten haben, sich aber mit den Knoten anderer Nerven ver- binden, sind bis zu dieser Verbindung von wei- sser, nach derselben aber von röthlicher Farbe. Die Masse aller Nervenknoten ist weit grösser als dass sie blos von den zu ihr gehenden Ner- ven ven und Gefässen gebildet seyn könnte. Es muss zur Substanz der letztern noch ein anderer Be- standtheil hinzukommen, wovon sie ihre grössere Masse haben. Dieser zeigt sich an den meisten Knoten der Rinde des Gehirns ähnlich. Sie sind also in gewisser Hinsicht untergeordnete Gehirne. Es findet nicht, wie in den Geflechten, eine blosse Verbindung, sondern eine völlige Auflösung der zu ihnen gehenden Nervenfäden statt, und die aus ihnen entspringenden Fäden sind nicht Fortsätze der letztern, sondern, zum Theil we- nigstens, ganz neue Sprösslinge. Indess hiervon giebt es auch Ausnahmen. In Betreff der Rückenmarksknoten hat Scarpa A. a. O. ge- zeigt, dass sie von den übrigen Ganglien sehr verschieden sind, indem die Fasern der zu ihnen gehenden Nerven in ihnen fast parallel neben ein- ander fortlaufen, sich blos von einander entfer- nen und in die Fäden ihrer Zweige sich unmit- telbar fortsetzen, auch dass blos die hintern Rük- kenmarksnerven zu diesen Knoten anschwellen, die vordern hingegen nur durch Zellgewebe mit denselben verbunden sind und sich erst bey ih- rem weitern Fortgang mit den hintern Nerven inniger vereinigen. Auf ähnliche Weise laufen die Fasern der kleinern, und, wie es scheint, auch X 5 auch mehrere der grössern Portion des fünften Hirnnerven an dem Gasserschen Ganglion, zu wel- chem die letztere bey ihrem Durchgang durch die harte Hirnhaut anschwillt, herab, ohne darin ein- zudringen G. H. Niemeyer de origine paris quinti nervorum cerebri. Halae. 1812. §.57. In Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv für die Physiol. B. XI. S.72. . Die meisten Knoten haben mehrere Wurzeln. Manche sind auch blos Anschwellungen eines ein- zigen Nerven. Man hat diese bisher nicht genug beachtet, und es sind daher einigen Nerven, die Ganglien zu besitzen scheinen, dieselben nicht von allen Anatomen zugeschrieben. Dies ist nament- lich mit dem herumschweifenden Nerven der Fall, der, wie Prochaska De structura nervorum. p.61. schon erinnert hat, in der Gegend des Halses eine knotenartige Stelle besitzt. Nach Gall A. a. O. p.44. ist die Substanz der Ganglien die ursprüngliche, ja sogar die ernährende Materie der Nerven. Diese Hypothese, die blos zum Be- huf des Systems ihres Urhebers ersonnen ist, fällt sogleich zusammen, wenn es wahr ist, dass die Nerven ein weiteres Gebiet als die Ganglien ha- ben. So aber verhält es sich wirklich. Die Ner- vensubstanz ist viel weiter bis zu den Zoophyten herab verbreitet, wie man bisher geglaubt hat. Ot- Otto Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin. Jahrg. VII. Q.3. S.223. fand Nerven in der Leber-Egel (Fascio- la hepatica), Tiedemann J. F. Meckel ’s Archiv f. d. Physiologie. B.I. S.161. in den Asterien, Le Sueur Bulletin des sc. par la Societé philomathique. A. 1815. Mai. p.70. in den Pyrosomen, Cuvier Mémoires du Muséum d’Hist. nat. T.II. p.24. , J. F. Meckel und H. F. Schalck Diss. de ascidiarum structura. Halae. 1814. p.8. in den Ascidien. Es giebt hier freylich auch Ganglien. Aber die Grösse derselben ist so gering gegen die der Ner- ven, dass es widersinnig seyn würde, diese von ihnen abzuleiten. Auch bey den Würmern sind die Ganglien nur sehr geringe Anschwellungen der Nerven. Bey den Mollusken und Insekten treten diese Theile sehr ausgebildet hervor. Sie verlie- ren sich aber wieder bey den Fischen und Am- phibien. An dem Nervensystem des Frosches habe ich keine wahre Ganglien als die Rückenmarks- knoten gefunden, und diese sind nicht viel grö- sser als der erste Brustknoten der Biene Vermischte Schriften, von G. R. u. L. G. Trevira- kus . B.I. S.94. . Die Rückenmarksknoten sind überhaupt unter allen Ganglien am weitesten im Thierreich ver- breitet. Der Bauchstrang der Insekten und Wür- mer mer lässt sich nur mit den, zu einem symmetri- schen Ganzen verschmolzenen Rückenmarkskno- ten der höhern Thiere vergleichen Ich habe diese Meinung über den Ursprung des Bauchstrangs der niedern Thiere schon in meiner, am 6ten Januar 1816 erschienenen Recension des 1ten Theils von Gall ’s und Spurzheim ’s Anatomie et Physiologie du Systême nerveux in den Göttingischen gelehrten Anzeigen (St. 4. S. 29.) bekannt gemacht. Herrn E. H. Weber , der sie jetzt (anderthalb Jahre nach der Erscheinung meiner Anzeige) in seiner Ana- tomia comparata nervi sympathici (Lipsiae. 1817. p. 95.) als die seinige vorträgt, ist vielleicht jene An- zeige nicht bekannt geworden. . Man nennt zwar jenen Theil das Rückenmark, aber sehr uneigentlich. Schon seine Lage auf der Bauchseite deutet auf eine grosse Verschiedenheit desselben von dem Rückenmark der vier obern Thierclas- sen. Bey den Spinnen und Phalangien, die doch in andern Stücken mit den übrigen Insekten ver- wandt sind, giebt es auch einen solchen Strang nicht mehr, sondern, wie bey den Mollusken, einzelne Ganglien, die nicht in gerader Richtung hinter einander liegen G. R. Treviranus über den innern Bau der Arach- niden. Tab.V. Fig.45. — Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Treviranus . B.1. Tab.IV. Fig.24. . Ein wahres Rücken- mark findet sich blos bey den Säugthieren, Vö- geln, Amphibien und Fischen, und dieses ist, wie man besonders deutlich am Frosche sicht, eine eine aufgerollte Platte. die auswendig aus Mark, inwendig aus Rinde besteht, und woran sich ih- rer ganzen Länge nach nirgends eine Verschieden- heit der Textur bemerken lässt. Gall ’s A. a. O. p.54. Be- hauptung, dass dieser Theil eine Zusammenset- zung von Ganglien sey, und zwar eben so vie- ler, als Nervenpaare daraus entstehen, ist eben so unrichtig, wie viele seiner übrigen Sätze. Ich finde so wenig wie Keuffel A. a. O. S.148. , Arsaky De piscium cerebro et medulla spinali. p.8. und Carus A. a. O. an jeder Stelle, wo ein Nervenpaar aus dem Rückenmark hervortritt, eine Anschwellung. Nur bey den Triglen scheint das verlängerte Mark, von oben angesehen, aus Knoten zusammenge- setzt zu seyn Tiedemann in Meckel ’s Archiv f. d. Phisol. B. II. H. 1. S. 103. . Indess sehe ich bey Trigla Gurnardus, dass die Anschwellungen blos auf der obern Fläche des verlängerten Marks vorhanden sind; dass der untere Theil des letztern von dem obern durch eine Furche getrennt ist und nichts Aehnliches zeigt; endlich, dass von den Nerven jenes Organs nur die drey vordersten aus den Anschwellungen, die übrigen hingegen aus die- sem untern Theil entspringen. Eine Eine andere Hypothese hat J. F. Meckel Beyträge zur vergl. Anatomie. B. II. H. 1. S. 84. vorgetragen. Dieser glaubt. dass bey den niedern Thieren das Rückenmark und der sympathische Nerve der Wirbelthiere zu einem einzigen Gan- zen verschmolzen sind. Aber der Bauchstrang der Insekten und Würmer hat eine ganz symmetri- sche Bildung, die dem sympathischen Nerven fehlt; hingegen haben die zerstreuten Ganglien des Ner- vensystems der kopflosen Mollusken nichts von der Symmetrie des Rückenmarks. Meines Erachtens lässt sich also keine Ansicht des Bauchknotensystems der niedern Thiere als die obige rechtfertigen. Nach dieser erscheint aber auch Cuvier ’s Leçons d’Anat, comp. T. II. p. 124. Meinung, dass der grosse sym- pathische Nerve blos den rothblütigen Thieren an- gehört, als unrichtig. Gerade dieser ist der am weitesten verbreitete, der ursprüngliche aller Ner- ven. Nur ist er in den verschiedenen Thierclas- sen auf verschiedene Art modificirt. Bey den Wür- mern und Insekten giebt es blos Rückenmarkskno- ten ohne die coeliacischen Ganglien der Säugthiere und Vögel; bey den kopflosen Mollusken sind diese Knoten ohne jene vorhanden; bey den Sepien und Schnecken sind einzelne Rückenmarksknoten mit einzelnen coeliacischen Ganglien zugegen. Alle diese niedern Thiere haben kein Rückenmark. Die Die Fische und Amphibien besitzen dasselbe und zugleich Rückenmarksknoten; aber die coeliaci- schen Knoten sind bey ihnen noch nicht vorhan- den, oder doch nicht so ausgebildet wie bey den Vögeln und Säugthieren. Bey den Würmern zeigen sich von einem Ge- hirn entweder noch gar keine, oder nur undeut- liche Spuren. Erst bey den Insekten und Mollus- ken giebt es eine grössere Masse, welche zusam- mengesetzter als einer der übrigen Knoten ist und den Sinnesnerven zum Ursprunge dient. Bey manchen Arten, z. B. den Skolopendern, besteht dieses Gehirn nur aus zwey Anschwellungen, aus welchen die Kopfnerven unmittelbar entspringen. Bey andern, z. B. den Bienen, Wespen, Hornis- sen u. s. w. sind mit diesen noch besondere An- schwellungen verbunden, woraus einzelne Nerven hervorgehen. Bey allen haben die beyden hin- tern Wulste einen bald breitern, bald schmälern Fortsatz von Hirnsubstanz, welcher von ihren beyden Seiten-Enden ausgeht und ringförmig die Speiseröhre umfasst. Dieser Hirnring verschwin- det mit der Bildung eines wahren Rückenmarks. Mit dem letztern entwickeln sich bey den Fischen und Amphibien zugleich die ersten Keime eines grossen Gehirns, welches sich auf den höhern Stufen der thierischen Organisation immer weiter ausbildet und immer mehr das Uebergewicht über die übrigen Theile des Nervensystems erlangt. Söm- Sömmerring sprach bekanntlich zuerst das wich- tige Gesetz aus, dass dieses Uebergewicht des Ge- hirns am grössten beym Menschen und nächst dem- selben bey denjenigen Säugthieren ist, welche ihm an geistigen Fähigkeiten zunächst verwandt sind. Dieses Gesetz hat sich bis jetzt bey allen Thie- ren der höhern Classen im Allgemeinen bestätigt. Bey den Mollusken und Insekten finde ich eben- falls, dass das Gehirn in Vergleichung mit den Ganglien des Bauchstrangs desto kleiner ist und einen desto einförmigern Bau hat, je unentwickel- ter die Sinne und die Kunsttriebe jener Thiere sind. Das Zuckerthier (Lepisma saccharinum), die Skolopendern und mehrere andere, ungeflü- gelte Insekten, die in Hinsicht auf die letztern eine niedrige Stufe einnehmen, haben ein sehr wenig ausgebildetes Gehirn. Beym Zuckerthier ist dasselbe nicht bedeutend grösser als jeder der drey vordersten und der hinterste Rückenmarksknoten, und auch in der Gestalt von diesem Knoten we- nig verschieden Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Trevira- nus . B. 2. H. 1. Tab. IV. Fig. 3. . Hingegen bey den Hymenop- teren, unter welchen sich so kunstreiche Geschöpfe finden, besteht dasselbe aus mehrern bedeutenden und sehr genau unter sich verbundenen Anschwel- lungen. Das Gehirn der Bienen hat nicht nur besondere Anschwellungen für die Nerven der zu- sammengesetzten Augen, sondern auch für jedes der der drey einfachen Augen und für die Fühlhör- ner. Auch alle Larven haben ein weit einfache- res Gehirn als die vollkommenen Insekten. Bey den Raupen giebt es im Kopfe zwey Halbkugeln, die nicht grösser als die obern Ganglien des Bauch- strangs sind und nirgends besondere Anschwellun- gen haben, nicht einmal für die Nerven der Fühl- hörner und Augen, von welchen überdies noch die erstern zu andern Organen als den Antennen Nebenzweige abgeben. Das Gehirn der Schmet- terlinge hat einen weit zusammengesetztern Bau. Bey der Liguster-Sphinx besteht dieses aus zwey vordern Hemisphären, von welchen auf beyden Seiten die beyden grossen kegelförmigen Sehener- ven ausgehen, und aus drey Paar kugelförmigen, zwischen den Sehenerven und dem Anfang des Bauchstrangs liegenden Anschwellungen, von wel- chen das mittlere den Nerven der Fühlhörner zum Ursprunge dienet. So richtig indess das Gesetz von dem Abneh- men der relativen Grösse des Gehirns gegen die Grösse der übrigen Ganglien und der Nerven mit der Abnahme der höhern thierischen Kräfte im Allgemeinen ist, so bedarf dasselbe doch noch nä- herer Bestimmungen, besonders bey den Thieren der niedern Classen. Nach meinen Beobachtun- gen glaube ich annehmen zu müssen, dass es vorzüglich die Ganglien und Nerven des vegeta- V.Bd. Y tiven tiven Lebens sind, in Vergleichung mit welchen die Grösse des Gehirns vom Menschen zu den untersten Thieren herab immer mehr abnimmt, dass aber bey den Nerven der willkührlichen Mus- keln und der Sinnesorgane manche Ausnahmen eintreten. Bey der Biene ist das Gehirn gegen die Nerven der Baucheingeweide und die Knoten dieser Nerven weit grösser als bey irgend einem andern Insekt. Hingegen mit den Sehenerven und dem Brustknoten, aus welchem die Nerven der Füsse und Flügel entspringen, verglichen, ist das- selbe keinesweges grösser bey ihr, wie bey an- dern, weniger kunstreichen Insekten. Jene Ner- ven und diese Knoten sind überhaupt bey allen geflügelten Insekten von vorzüglicher Dicke. Beym Cimex rufipes z. B. ist der Brustknoten eben so gross als das Gehirn. Die beyden Nerven der zusammengesetzten Augen machen in der Mitte eine Anschwellung, die ebenfalls nicht viel klei- ner als das Gehirn ist. Die aus jenem Brustkno- ten entspringenden Nerven der Bewegungswerk- zeuge sind auffallend dick gegen die der Bauch- eingeweide und der Zeugungstheile. Beym Dytis- cus marginalis laufen die Sehenerven von ihrem Ursprung an nach den Augen hin kegelförmig zu und erreichen eine Dicke, welche der des Vorder- theils des Gehirns nichts nachgiebt. Der dritte Rückenmarksknoten ist auch hier nicht viel klei- ner als das Gehirn. In den höhern Thierclassen ist ist es bey den meisten Arten nicht mehr der Sehe- nerve, sondern der, den Mollusken und Insekten ganz fehlende Geruchsnerve, der sich durch vor- zügliche Dicke auszeichnet. Die Nerven des ve- getativen Lebens aber stehen auch hier weder mit der Grösse der Eingeweide, zu welchen sie ge- hen, noch mit der Mannichfaltigkeit, Dauer und Stärke der Funktionen dieser Organe in Verhält- niss. Die den Processen der Ernährung und Repro- dnktion vorstehenden Nerven zeichnen sich über- haupt von manchen Seiten vor den übrigen aus. Sie haben einen weit weniger symmetrischen Bau und einen weniger regelmässigen Ursprung und Verlauf als die Nerven der Sinne und der Be- wegungsorgane. Von dem Mangel an Symmetrie jener Nerven giebt es zwar Ausnahmen, beson- ders bey den Harnwerkzeugen und den Geschlechts- theilen Mehrere andere Beyspiele hat J. F. Meckel in sei- nen Beyträgen zur vergl. Anatomie (B. 2. H. 2. S. 85 fg.) gesammelt. . Aber diese beweisen nur, was sich ohnehin versteht, dass es keine scharfe Gränze zwischen dem vegetativen und animalischen Le- ben giebt. Immer bleibt es wahr, dass die Ver- dauungsorgane und die kopflosen Mollusken, also die Theile und die Thiere, in welchen das ve- geta- Y 2 getative Leben das Uebergewicht über das anima- lische hat, im Ganzen und beso ders auch in ihren Nerven weit weniger Symmetrie als dieje- nigen zeigen, bey welchen das Uebergewicht auf der entgegengesetzten Seite ist. In Betreff der Entstehung und des Fortgangs der Nerven überhaupt lässt sich in den meisten Fällen annehmen, dass dieselben bey Nerven ähn- licher Theile von ähnlicher Art sind. Aber dieser Satz ist nur Regel, nicht Gesetz, und die Aehn- lichkeit geht nicht bis zur völligen Gleichheit. Schon unter den Sängthieren finden wir bey meh- rern sehr grosse Abweichungen von dem Typus, nach welchem die Nerven des Menschen entsprin- gen und verlaufen. Beym Maulwurf haben die Nerven des ersten, zweyten und fünften Paars einen Bau, der sich von der Struktur dieser Ner- ven bey den übrigen Säugthieren sehr entfernt. Die Form der Geruchsnerven selber ist die nehm- liche, wie bey den Nagethieren und Fledermäu- sen. Sie stehen aber nur zum Theil auf jeder Seite durch einen länglichen Markbündel mit dem mittlern Lappen des grossen Gehirns in Verbin- dung. Ihren Hauptursprung haben sie aus zwey eigenen, rundlichen Abtheilungen des grossen Ge- hirns, die den vordern Hirnlappen der höhern Säugthiere zwar analog, aber von ungewöhnlicher Gestalt sind. Zwischen diesen Abtheilungen und dem dem Trichter entspringen die Nerven des zweyten Paars auf die, von Carus A. a. O. S. 240 fg. der Natur ganz ge- mäss angegebene Weise, als zwey graue Fäden, die nicht viel dicker als ein Menschenhaar sind und in der Gestalt zweyer, mit ihren untern En- den gegen einander gekekrter , Römischer S fort- gehen, ohne sich an irgend einem Punkt mit ein- ander zu verbinden. So klein diese Nerven des Maulwurfs sind, so gross sind bey ihm die des fünften Paars, und diese ersetzen durch ihre Grösse die Kleinheit der vorigen. Der eigentliche Sehe- nerve ist hier ohne Zweifel (wie ich schon im 1sten Bd. der Biologie [S. 209.] mit Zinn bemerkt habe) ein Ast des fünften Hirnnerven. Der Nerve des zweyten Paars lässt sich zwar nicht bis zum Auge verfolgen. Allein das letztere hat eine, ob- gleich auch nur kleine, doch weit grössere Netz- haut, als ein so zarter Nerve erzeugen kann. Hingegen trennt sich von dem mittlern Ast des fünften Nervenpaars, gleich nach dessen Ueber- gang zur Kinnlade, ein Zweig, welcher in gera- der Richtung zum Auge läuft, und derjenige Nerve zu seyn scheint, von welchem die Retina eigentlich entspringt. Der Grösse dieses fünften Nervenpaars entspricht ein sehr ausgezeichneter Ursprung desselben aus dem verlängerten Mark. Die Wurzeln der grössern Portion werden ganz durch Y 3 durch die Seitentheile des letztern gebildet. Es giebt zu beyden Seiten des verlängerten Marks eine, von dem Anfang des Rückenmarks bis zum Austritt jener Nerven aus der Hirnmasse sich er- streckende, durch ihre weisse Farbe sich aus- zeichnende Anschwellung. An einem, in Wein- geist erhärteten Gehirn fand ich diese Wulste mit einer dünnen, aus queerlaufenden Fasern beste- henden, von dem äussern Rand der Pyramiden entspringenden Markhaut bedeckt, nach deren Ab- sonderung sich beyde Anschwellungen als unmit- telbare, bis zum Rückenmark gelangende Fort- sätze der Nerven des fünften Paars zeigten. Wie der Maulwurf in Betreff der Sehenerven, so weicht der Delphin in Ansehung der Geruchs- nerven von allen übrigen Säugthieren ab. Sie fehlen zwar bey ihm nicht ganz, wie man früher geglaubt hat. Ich habe Blainville ’s und Jacob- son ’s Beobachtung Bulletin des sciences par la Societé philomath. A. 1815. p. 195. , dass sie allerdings vorhan- den sind, bestätigt gefunden. Aber sie bestehen blos in zwey weissen, äusserst dünnen Fäden, die sich nur mit Hülfe eines Vergrösserungsgla- ses deutlich unterscheiden lassen. Stärker wie bey den übrigen Säugthieren sind dagegen beym Delphin die Nerven des siebenten und zehnten Paars. Eine Eine Menge ähnlicher Beyspiele kommen in den niedern Thierclassen vor. Bey den Insekten herrscht vorzüglich in dem Ursprung und Verlauf der Fühlhörner-Nerven eine grosse Verschieden- heit. Meist sind diese eigene Hirnnerven, oft aber auch (z. B. bey den Raupen) Zweige von Nervenstämmen, die zugleich andern Organen an- gehören. Bey der Scolopendra flava De Geer ., die keine Augen, dafür aber weit dickere Fühl- hörner als die Scolopendra forficata L. hat, ent- springen die Nerven der Antennen an derselben Stelle des Gehirns, aus welcher bey der Scolo- pendra forficata die Augennerven hervorkommen, und die Nervensubstanz, welche bey der letztern die Sehenerven bildet, ist bey der erstern ganz auf die Nerven der Fühlhörner verwandt Vermischte Schriften, von G. R. u. L. C. Trevira- nus . B. 2. H. 1. Tab. VII. Fig. 2. 5. . So viel habe ich geglaubt, über die Organi- sation des Nervensystems vorläufig bemerken zu müssen. Ueber manches, was ich hier nur habe berühren können, werde ich mich in der Lehre vom Gehirn und den Sinnesorganen umständlicher erklären. Y 4 Zwey - Zweyter Abschnitt. Reitzbarkeit der Nerven . Erstes Kapitel. Vermögen der Nerven, Eindrücke auf- zunehmen und fortzupflanzen . R eitzungen eines Nerven erwecken Empfindun- gen in der Seele und Bewegungen in den Mus- keln, worin sich Zweige von ihm verbreiten Die Belege zu diesem Satz findet man in Hal- ler ’s Elementis Physiologiae (T. IV. L. X. S. 7. §. 1. p. 269. §. 24. p. 322. §. 26. p. 324.), worauf ich bey allen, schon durch frühere Erfahrungen ausgemach- ten Lehren verweisen werde. . Es findet also in den Nerven eine doppelte Thä- tigkeit statt: eine, wodurch Eindrücke von innen nach den äussern Theilen geleitet werden, und eine andere, wodurch die Fortpflanzung äusserer Ein- Eindrücke zum Sensorium geschieht. Die letztere wird blos durch das Nervenmark bewirkt. Die Nervenscheiden besitzen keine Empfindlichkeit Bichat ’s allgem. Anatomie. Uebers. von Pfaff . Th. 1. Abth. 1. S. 238. . Heftige Aeusserungen der einen dieser Thätigkei- ten, die von innen nach aussen geht, heben die andern auf. Stark zusammengezogene Muskeln sind fast ganz unempfindlich. Beyde Thätigkei- ten hören auf, wenn der Nerve durchschnitten, zusammengedrückt oder unterbunden ist Haller a. a. O. §. 14, 15. p. 295 sq. §. 25, 26. p. 323 sq. . Die Wirkungen der Nerven hängen also nicht nur von der Mischung, sondern auch von der Struktur derselben ab; sie verhalten sich bey der Fortpflan- zung der Reitze nicht blos als leitende Conduc- toren. Nimmt man sie nur für diese an, so muss man freylich mit Humboldt Ueber die gereizte Muskel- und Nervenfaser. Th. 1. S. 482. gestehen, dass es nichts Schwürigeres giebt, als die Beant- wortung der Frage, wie bey den Galvanischen Versuchen ein um den Nerven gelegtes feuchtes Band, dass doch seiner Natur nach nicht isoli- rend ist, die Leitung hemmen kann. Wie lässt sich auch die unendliche Mannichfaltigkeit der Em- pfindungen blos aus der einförmigen, nur einer quan- Y 5 quantitativen Verschiedenheit fähigen Bewegung einer feinen Materie erklären? In einer, schon vor zwanzig Jahren geschrie- benen Abhandlung stellte ich die Hypothese auf, dass die Fortpflanzung der Willensreitze zu den Muskeln und die Ueberbringung der äussern Ein- drücke zum Gehirn Wirkungen verschiedener Be- standtheile der Nerven seyen, dass jene durch die Nervenhäute, diese durch das Nervenmark ge- schehe Reil ’s Archiv f. d. Physiologie. B. 1. H. 2. S. 3. — Physiologische Fragmente, von G. R. Treviranus . Th. 1. . So vieles sich seit jener Zeit in mei- nen Ansichten geändert hat und so wenig ich die Art, wie ich als Jüngling diese Hypothese weiter ausgeführt habe, als Mann vertheidigen will, so halte ich doch so viel noch für richtig, dass die Veränderung der Nerven, wodurch Muskelbewe- gungen erregt werden, blos durch die Nerven- häute zu den äussern Theilen fortgepflanzt werden kann, obgleich ich keinesweges behaupte, dass bey der Entstehung jener Veränderung das Nervenmark nicht mitwirkend ist. Die Fortpflan- zung der Willensreitze zu den Muskeln ist ein einfacher Act, der sich blos aus einer gewissen Spannung der Nervenhäute erklären lässt. Die Ueberbringung der verschiedenen Sinneseindrücke zum Sensorium hingegen kann nur durch eine höchst höchst zusammengesetzte, der mannichfaltigsten Mischungsveränderungen fähige Materie, von wel- cher Art das Nervenmark ist, geschehen. Die von Arnemann gemachte Erfahrung, dass durch- schnittene Nerven das Vermögen, Muskelbewe- gungen hervorzubringen, wieder erlangen, wenn sie nur durch einfaches Zellgewebe vereinigt sind, dass sich aber nicht das Vermögen. Empfindun- gen zu erwecken, damit wieder einstellt, ist eben- falls ein triftiger, noch von Niemandem wider- legter Grund für jene Meinung. Auch scheint das entgegengesetzte Verhalten der Nervenhäute und des Nervenmarks gegen Säuren und Alkalien auf einen Gegensatz in der Wirkungsart beyder Substanzen hinzudeuten. Zwey - Zweytes Kapitel. Unterbrechung des Fortgangs der Ner- veneindrücke durch die Ganglien . N icht alle Nerven aber pflanzen äussere Ein- drücke zum Sensorium und innere zu den äussern Theilen fort. Der Wille hat auf die Ernährungs- und Zeugungsorgane und auf die innern Sinnes- werkzeuge keinen unmittelbaren Einfluss. Mecha- nische oder chemische Reitzungen der Herzner- ven beschleunigen den Herzschlag nicht, und das Herz ist zugleich ein sehr wenig empfindlicher Theil Harvey de generatione. . Die Lungen, die Leber, die Milz und die Nieren zeigten in Haller ’s Opp. min. T. I. p. 357. Versuchen we- nig oder gar keine Empfindlichkeit. Die Trau- benhaut des Auges ist fast ganz unempfindlich Daviel , Journal de Médécine. A. 1762. Mars. , und gehört doch zu den nervenreichsten Theilen des thierischen Körpers. Ueberhaupt steht die Empfindlichkeit eines Theils nicht immer mit der Zahl der Nerven desselben in Verhältniss. Die Markhaut der Knochen ist sehr empfindlich, obgleich noch keine Nerven in ihr entdeckt sind sind Duverney , Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1700. p. 252 der Ausg. in 8. ; hingegen sind die willkührlichen Mus- keln weniger empfindlich, als man bey ihrem Reichthum an Nerven erwarten sollte. In diesem Mangel an Leitungsvermögen ein- zelner Theile des Nervensystems herrscht zwar eine Verschiedenheit unter den verschiedenen Ar- ten der Thiere und selbst unter den verschiede- nen Individuen einer und derselben Art. Zum Magen, der bey den Säugthieren der Herrschaft des Willens ganz entzogen ist, scheinen bey den Vögeln geistige Eindrücke fortgepflanzt zu wer- den Tiedemann ’s Anatomie u. Nat. Gesch. der Vögel. B. 1. S. 441. . Bey den Räderthieren fängt ein Organ, welches zwar von Spallanzani und Fontana un- richtig für das Herz gehalten wurde, das aber doch ein, zum Nahrungscanal gehöriger Theil zu seyn scheint, an, sich zusammenzuziehen und zu erweitern, sobald das Thier seine Räder willkühr- lich in Bewegung setzt Fontana ’s Beobacht. u. Versuche über die Natur der thierischen Körper. Uebers. von Hebenstreit . S. 201. — Dessen Abhandl. über das Viperngift. S. 59 fg. — Blumenbach ’s Handb. der Nat. Gesch. 3te Ausg. S. 518. — Du Trochet , Annales du Mu- séum d’Hist. nat. T. XIX. p. 361. . Die Bewegungen der Iris, worauf bey dem Menschen der Wille kei- nen nen Einfluss hat, scheinen bey den Hunden, den Katzen und den meisten Vögeln von geistigen Eindrücken abhängig zu seyn Porterfield Treatise on the eyes. T. II. p. 147. 151. — F. Muck dissert. de ganglio ophthalmico et nervis ciliaribus. Landshuti. 1815. p. 84. . Einige Men- schen sollen die Bewegung des Herzens, des Nah- rungscanals und anderer Organe, die sonst der Willkühr ganz entzogen sind, willkührlich haben unterdrücken können. Beyspiele von Menschen, die sich willkührlich in eine Art von Scheintod versetzen konnten, hat Martin Abhandl. der Schwedischen Akademie. J. 1777. S. 11. 12. gesammelt. Fontana versichert in zwey seiner letzten Briefe, durch lange Uebung es dahin gebracht zu haben, dass die Bewegungen der Iris, des Herzens und der äussern Ohren seiner Willkühr ganz unter- worfen waren Neues Journal der ausländischen med. chirurg. Lit- teratur. Herausgegeben von Harles u. Ritter . B. V. St. 2. S. 41. . Perrault Oeuvres de Physique et de Mechanique. p. 278. erwähnt eines Menschen, der sich willkührlich erbrechen konnte, und Darwin Zoonomie. Uebers. von Brandis . Th. 1. S. 63. eines Mannes, der sich durch willkührliche Anstrengung zu jeder Zeit binnen einer halben Stunde eine Darmausleerung zu be- wirken vermogte. Es ist indess wahrscheinlich, dass dass in keinem dieser Fälle ein unmittelbarer Ein- fluss des Willens auf die Verdauungsorgane, das Herz u. s. w. statt fand. Bey den Thieren lässt sich nicht unterscheiden, ob es nicht vielmehr eine Gemüthsbewegung als der Wille ist, was die erwähnten Bewegungen zur Folge hat. Fontana hat das Wichtigste für den Physiologen, die Art, wie er dahin gelangt ist, sich einen willkührli- chen Einfluss auf die Iris, das Herz und die äu- ssern Ohren zu erwerben, nicht angegeben. Die Einwirkung auf das Herz geschahe ohne Zweifel in allen Fällen durch den Einfluss des Willens auf das Athemholen, oder auf das ganze System der willkührlichen Muskeln. Jeder kann, wie Ra- sori gegen Fontana sehr richtig bemerkt hat Hufeland ’s u. Harles ’s Journal der prakt. Heilk. J. 1816. St. 2. S. 50. , die Zahl der Pulsschläge in einer Minute um 30 bis 40 willkührlich steigen machen, wenn er die willkührlichen Muskeln in eine anhaltende Span- nung versetzt, die nicht einmal sichtbar zu seyn braucht. Das willkührliche Erbrechen, wovon Perrault erzählt, wurde vielleicht durch Ver- schlucken von Luft hervorgebracht, und in dem, von Darwin erzählten Fall wirkte der Wille viel- leicht nicht unmittelbar auf die Gedärme, sondern auf die Bauchmuskeln und das Zwerchfell. Zur Erklärung der Thatsache, dass nicht alle Nerven empfangene Eindrücke fortpflanzen, giebt es es zwey Wege: man muss entweder vorausset- zen, dass der ganze Nerve vermöge seiner Or- ganisation zu dieser Fortpflanzung untüchtig ist; oder man muss annehmen, dass es einzelne, be- sonders organisirte Stellen des Nervensystems giebt, welche die letztere verhindern. Jeder Sinnesnerve besitzt eine eigene Empfäng- lichkeit für gewisse Eindrücke. Der Geruchsnerve ist unempfänglich für den Schall, der auf den Gehörnerven wirkt; die Geschmacksnerven wer- den nicht von dem Licht gereitzt, das den Ge- sichtsnerven so mächtig erregt. Diese specifische Reitzbarkeit muss ihren Grund in einer eigenen Organisation jedes Nerven haben. Nun aber giebt es Nerven, die blos den Ernährungsprocessen vor- stehen und denen jede Empfänglichkeit für äussere Einwirkungen bey ihren Funktionen hinderlich seyn würde. Haben wir also nicht Grund, in diesen eine eigene Organisation vorauszusetzen, wodurch ihnen alle Empfänglichkeit für Reitzun- gen benommen ist? Dies ist es, was zu Gunsten der erstern Mei- nung von den Vertheidigern derselben Gall , Anatomie et Physiologie du Système ner- veux. T. I. p. 37. — Stieglitz über den thierischen Magnetismus. S. 504 fg. gesagt ist. Man kann noch die Fälle von Verlust des Gefühls bey fortdauernder Beweglichkeit der Glied- maa- maassen Z. B. in den Med. chirurg. Transact. published by the med. and chirurg. Society of London. Vol. III. als Beweise anführen, dass das Lei- tungsvermögen eines Nerven von gewissen Seiten aufgehoben seyn und doch eine andere Funktion desselben fortdauern kann. Allein wenn man auch zugeben muss, dass die verschiedenen Theile des Nervensystems einen verschiedenen Grad von Lei- tungsvermögen besitzen, so bleibt doch so viel gewiss, dass alle Sinnesnerven neben ihrer speci- fischen Reitzbarkeit auch Empfänglichkeit für die Einwirkung mechanischer und chemischer Schär- fen besitzen, dass die Analogie nicht erlaubt, de- nen Nerven, welchen das Vermögen Eindrücke fortzupflanzen fehlt, die allgemeine Reitzbarkeit abzusprechen, und dass also ein anderer Grund als Mangel an der allgemeinen Reitzbarkeit die Ur- sache jenes Unvermögens derselben seyn muss. Wenn man diesen Grund in eine eigene Orga- nisation einzelner Stellen des Nervensystems setzt, so hat man eine wichtige Analogie für sich. Die Unterbindung eines Nerven hebt die Fortpflan- zung aller Reitzungen, sowohl innerer als äusse- rer, auf, ohne die Reitzbarkeit desselben zu zer- stören. Giebt es Theile des Nervensystems, die auf ähnliche Art wie eine Ligatur wirken, so lässt sich ohne weitere Voraussetzungen erklären, nicht V. Bd. Z nicht nur warum gewisse Nerven unempfindlich sind, sondern auch warum das Herz und der Nahrungscanal, Organe, deren Muskelfasern durch unmittelbare Anbringung mechanischer und che- mischer Reitze so leicht in Thätigkeit zu setzen sind, von keiner Nervenreitzung erregt werden, obgleich in der Art, wie sich die Nerven mit ihnen verbinden, nichts ist, was eine Hemmung des Fortgangs dieser Reitzung vermuthen lässt, Solche Theile giebt es wirklich. Sie sind die Nervenknoten. Lässt man diese Organe gelten, wofür man sie ihrer ganzen Struktur nach gelten lassen muss, für untergeordnete Gehirne, so muss man auch zugeben, dass durch sie die Nerven- eindrücke nicht auf dieselbe Weise wie durch die Nerven fortgepflanzt werden können. Zur unge- hinderten Leitung dieser Eindrücke ist ohne Zwei- fel ein ununterbrochener Fortgang der Nervenfä- den nothwendig. Wo der letztere aufgehoben ist, muss ein Hinderniss der Leitung statt finden. Eine solche Unterbrechung finden wir in denjenigen Ganglien, die von Scarpa Anatom. annotat. L. I. C. 1. §. 4. zusammengesetzte genannt sind. Hier lösen sich die Fäden, die in den Nerven zwar anastomosiren, doch übrigens ununterbrochen fortgehen, in ein netzförmiges Ge- webe auf; die Zweige dieser Knoten haben mit den Wurzeln derselben keine unmittelbare Verbin- dung mehr. Von diesen Ganglien, besonders von dem dem halbmondförmigen und dem obern und un- tern Halsknoten, wissen wir auch aus Bichat ’s Allgem. Anatomie. Th. 1. Abth. 1. S. 305. 311. und Magendie ’s Précis élémentaire de Physiologie. T. I. (Paris. 1816.) p. 151. Erfahrungen, dass sie unem- pfänglich für Reitzungen sind. Wie aber bey ei- nem heftigen Reitz, oder bey einem hohen Grade von Reitzbarkeit einer Unterbindung ohngeachtet, die den organischen Zusammenhang der Nerven- fäden nicht ganz aufhebt, die Reitzung dennoch fortgepflanzt wird, so können unter ähnlichen Um- ständen auch die Ganglien aufhören zu isoliren. Diese Gründe werden noch durch andere That- sachen unterstützt. Den Blutigel, der einen Kreis- lauf des Bluts hat, bey dem aber jeder einzelne Ring des Körpers sein eigenes Gangliensystem be- sitzt, kann man zur Hälfte in Kirschlorbeeröl oder Weingeist tauchen, und die andere Hälfte lebt noch fort, wenn jene schon abgestorben ist Fontana ’s Versuche u. Beobacht. über die Natur thierischer Körper. S. 240. — Ebendesselben Abhandl. über das Viperngift. S. 435. 441. . Von der knotigen Struktur des Rückenmarks der niedern Thiere, vermöge welcher jede einzelne Abtheilung des Körpers ihr eigenes Nervensystem hat, rührt es auch her, dass nicht nur mecha- nische Z 2 nische und chemische Schärfen, sondern selbst der Galvanische Reitz, an das Rückenmark der Würmer und Insekten angebracht, weit weniger heftige Muskelbewegungen als bey den Säugthie- ren, Vögeln, Amphibien und Fischen erregt J. F. P. Braun ’s systematische Beschreibung einiger Egelarten. S. 19. — Pfaft über thierische Elektri- cität u. Reitzbarkeit. S 116, 117. . Bey den Thieren der vier obern Classen haben alle, ganz der Willkühr unterworfene Organe, zu welchen vorzüglich die der örtlichen Bewegung und der Stimme gehören, Nerven, deren Zusam- menhang mit dem Gehirn durch keine Knoten unterbrochen ist. Die Fäden, woraus die Nerven der willkührlichen Muskeln dieser Thiere entste- hen, gehen, wie ich im vorigen Abschnitt nach meinen eigenen Beobachtungen bemerkt habe und wie auch Bichat ’s A. a. O. S. 204. Untersuchungen lehren, zum Theil sehr weit fort, ohne sich mit andern Fä- den zu vermischen, obgleich sie oft ihren ur- sprünglichen Stamm verlassen und nach andern Stämmen ablenken. Hingegen alle andere Theile, die, obgleich Bewegungen äussernd, doch nicht unter der Herrschaft des Willens stehen, z. B. die Iris, das Herz, der Darmcanal, die Saamen- bläschen, die Fallopischen Röhren und der Ute- rus, besitzen Ganglien-Nerven. Diejenigen Theile endlich, deren Nerven theils unmittelbar vom Ge- hirn hirn und Rückenmark, theils von Ganglien ent- stehen, z. B. das Zwerchfell, die Harnblase und der Mastdarm, sind sowohl von dem Einfluss des Willens, als von andern Reitzen abhängig. Der Urheber dieser Meinung von der Eigen- schaft der Ganglien, die Fortpflanzung der vom Willen herrührenden Reitzungen aufzuheben, war J. Johnstone Essay on the use of the ganglions of the nerves. Shrewsbury. 1771. — Philos. Transact. Y. 1764. p. 177. Y. 1767. p. 118. 120. Y. 1770. p. 30. . Dass auch die Leitung der Ein- drücke äusserer Reitze zum Gehirn durch die Ner- venknoten unterbrochen würde, scheint zuerst Metzger Opusc. anat. et physiol. p. 90. gemuthmasst zu haben. Haller Supplém. à l’Encyclop. de Paris. Amsterd. 1777. machte einige Einwürfe gegen Johnstone ’s Hy- pothese, die aber, wie Pfeffinger De structura nervor. §. 31. In Ludwigii soript. neurol. min. T. I. p. 27. zeigte, auf einem Missverständniss beruheten. Wichtiger waren Haase ’s De gangliis nervor. §. 17 sq. Ibid. p. 80 sq. Einwendungen, dass alle Rük- kenmarksnerven, die doch zum Theil zu den In- tercostalmuskeln, also zu willkührlichen Organen gehen, Ganglien bilden, dass hingegen der Ma- gen, auf welchen der Wille keinen Einfluss hat, Zweige vom herumschweifenden Paar, woran es keine Z 3 keine Knoten giebt, erhält. Der erstere Einwurf ist von Scarpa L. c. L. I. c. 1. §. 10. und nach ihm fast von allen neurologischen Schriftstellern wiederholt worden. Aber wir haben schon im vorigen Abschnitt ge- sehen, dass die Rückenmarksknoten nach Scar- pa ’s eigenen Untersuchungen eine besondere Bil- dung haben, indem die Fäden ihrer Wurzeln zum Theil in die der Zweige unmittelbar übergehen, und sie weit mehr der Durchkreutzung der Sehe- nerven, deren Fäden an dieser Stelle ebenfalls ih- ren ununterbrochenen Fortgang behalten, als den übrigen Nervenknoten ähnlich sind. Die aus dem Rückenmark entstehenden Nerven willkührlicher Muskeln können auch Fortsätze der vordern Rük- kenmarksnerven seyn, welche blos durch Zellgewe- be mit den Rückenmarksknoten verbunden sind. Dies sahe schon Pfeffinger A. a. O. §. 30. p. 25. ein. Auch Bichat A. a. O. S. 311. gestand, dass die Rückenmarksknoten mit den übrigen Ganglien weder in Hinsicht auf ihren Bau, noch in Betreff ihres Verhaltens ge- gen Reitzungen in einerley Classe gesetzt werden können. Nur die Schwürigkeit, dass das herum- schweifende Paar, welches doch keine Knoten ha- ben soll, Zweige für Theile abgiebt, die nicht unter der Herrschaft des Willens stehen, wusste Pfeffinger nicht zu heben. Er fand auch noch eine eine andere in Zinn ’s Beobachtung, dass es zu- weilen Ciliarnerven giebt, welche zur Iris gehen, ohne in den Augenknoten getreten zu seyn A. a. O. §. 31. p. 27. . Die von dem herumschweifenden Nerven hergenom- mene Schwürigkeit fällt aber weg, wenn man Fol- gendes erwägt. Die Eigenschaft der Ganglien, die Leitung der Reitzungen zu verhindern, beruht auf der in ihnen statt findenden Unterbrechung des Fortgangs der Nervenfäden. Es ist nicht ein- zusehen, warum zu dieser Unterbrechung ein An- schwellen der Nervensubstanz durchaus erforder- lich seyn sollte. In Gilbert ’s Annalen der Phy- sik B. VIII. S. 44. habe ich Versuche mit dem Galvanischen Reitzmittel an Fröschen bekannt gemacht, die auf den Schluss führen, dass es Stellen giebt, an wel- chen die Leitung der Reitzungen geschwächt oder aufgehoben wird, obgleich keine Ganglien an den- selben bemerkbar sind. Dass namentlich der her- umschweifende Nerve eine solche Stelle in der Gegend des Halses hat, habe ich schon im vori- gen Abschnitt erinnert. Vielleicht wird die Lei- tung allenthalben gehemmt, wo die Nervenfäden wirklich mit einander anastomosiren und sich nicht blos an einander legen. Die Schwürigkeit, die Pfeffinger ’n aus Zinn ’s Beobachtung von dem, oft anomalen Verlauf der Ciliar- Z 4 Ciliarnerven zu entstehen schien, ist von gerin- gem Gewicht. Woher weiss man denn, dass in den Fällen, wo einzelne Ciliarnerven nicht durch den Augenknoten gingen, nicht ein gewisser Grad von willkührlicher Beweglichkeit der Iris vorhan- den war? Aber diese Frage auch bey Seite ge- setzt, so entspringen ja die Ciliarnerven aus dem ersten Hauptast des fünften Hirnnervenpaars, wel- cher aus dem Gasserschen Knoten des letztern entsteht. Die Fortpflanzung willkührlicher Ein- drücke durch die Ciliarnerven wird also nicht nur durch den Augenknoten, sondern auch durch das letztere Ganglion verhindert. Von dem Gasserschen Knoten des fünften Paars hat Prochaska Disquis. anatom. physiologica organismi corp. hum. eiusque processus vitalis. p. 83. einen Einwurf gegen Johnsto- ne ’s Meinung hergenommen. Die drey Haupt- äste dieses Knotens geben Zweige an die Stirn- muskeln, an die Muskeln der Augenlieder, an die Lippenmuskeln, an die Zunge, kurz an Theile, die sowohl zur willkührlichen Bewegung, als zur Empfindung dienen. Wie lässt sich dies mit jener Hypothese vereinigen? Ich glaube, sehr gut, wenn man nicht übersieht, dass der Gassersche Knoten nur von der grössern Portion des fünften Hirnnerven gebildet wird, dass aber die kleinere Portion mit diesem Ganglion in keiner Verbindung steht, steht, sondern sich erst hinter demselben mit den Hauptästen der grössern, besonders mit dem drit- ten Hauptast (maxillaris inferior) vereinigt, auch dass nicht einmal alle Fäden der grössern Portion in diesen Knoten zu dringen scheinen. Es ist hier derselbe Fall wie bey den Rückenmarksner- ven. Von den Zweigen jenes Nervenpaars, die zur willkührlichen Bewegung und zur Empfin- dung dienen, entsteht vielleicht keiner aus dem Gasserschen Knoten. Johnstone ’s Meinung ist also durch alle bis- herige Einwendungen noch nicht erschüttert wor- den, und schwerlich wird sich eine befriedigen- dere an die Stelle derselben setzen lassen. Es sind auch meines Wissens seit jener keine andere Erklärungen des Unvermögens gewisser Nerven, Reitzungen fortzupflanzen, gewagt worden, als die, wobey dasselbe von der Organisation des gan- zen Nervens abgeleitet wird, und die von Le Gallois Expériences sur le principe de la vie. p. 152. — Dictionaire des sciences médicales par une Societé de médesins et de chirurgiens. Art. Coeur . p. 461. gegebene, nach welcher die Nerven der willkührlichen Muskeln blos aus einer einzi- gen Stelle des Gehirns oder Rückenmarks, die der unwillkührlichen Organe hingegen mit meh- rern Wurzeln aus verschiedenen Stellen des Rük- ken- Z 5 kenmarks entstehen. Von der erstern Hypothese ist schon oben die Rede gewesen. Die letztere beruhet auf einer ganz willkührlichen Vorausset- zung. Es ist mit nichts bewiesen, dass z. B. die Nerven der Zwischenrippenmuskeln nur aus Einer Stelle des Rückenmarks entspringen. Die Hirn- nerven haben ja auch mehrere Wurzeln. Diese kommen zwar zum Theil neben einander aus der Hirnmasse hervor. Aber die grössere oder gerin- gere Entfernung der Stellen ihres Ursprungs kann hier keinen Unterschied machen. Drittes Drittes Kapitel. Consensuelle Nervenwirkungen . W ir kennen den innern Bau der Nervenkno- ten nicht genug, um bestimmt sagen zu können, dass nicht immer eine gänzliche Unterbrechung des Verlaufs der Nervenfasern in denselben statt fin- det, sondern dass diese Fasern zum Theil nur von ihrem geraden Wege ablenken und in andere Nerven übergehen. Lässt man diese Vorausset- zung aber gelten, so ergiebt sich daraus die Er- klärung mehrerer, im thierischen Körper vorkom- mender Erscheinungen. Häufig folgen auf Ner- venreitzungen sowohl Muskelbewegungen als Em- pfindungen in ganz entfernten Theilen. Man be- greift diese Erscheinungen unter dem Namen der consensuellen . Sie entstehen gewiss nicht alle auf einerley Weise. Einige aber scheinen aller- dings in Nervenverbindungen gegründet zu seyn. So scheint helles Licht Niesen hervorzubringen, indem sich die Reitzung der Ciliarnerven zu den mit ihnen verbundenen Nasennerven, und von diesen über Zweige des sympathischen Nerven zu den phrenischen Nerven fortpflanzt. So entste- hen bey Magenentzündungen Schmerzen in den Schul- Schulterblättern nebst Steifheit dieser Theile und des Kopfs wegen der Verbindung des zum Ma- gen gehenden Stimmnerven (Nervus vagus) mit dem Beynerven (Ad par vagum accessorius), von welchem der Kopfnicker (Musculus sterno- et clei- do-mastoideus) und der Kappenmuskel (M. cucul- laris) Zweige erhalten. Und so lässt sich aus der Verbindung des Antlitznerven mit dem dritten Halsnerven, von welchem der Zwerchfellsnerve entspringt, erklären, warum sardonisches Lachen ein Symptom der Verletzungen des Zwerchfells ist. Mehrere andere consensuelle Erscheinungen, von welchen jedoch einige vielleicht einen andern Grund haben, hat Scarpa A. a. O. L. I. c. 4. auf ähnliche Art zu erklären gesucht. In manchen jener Fälle äussert sich die an einzelnen Nerven heraufsteigende Reitzung durch einen Schmerz, ein Gefühl von Kälte oder Amei- senkriechen. Diese Empfindung kömmt immer höher herauf und bringt endlich entweder blos partielle Zuckungen bey fortdauerndem Bewusst- seyn hervor, wenn sie noch unterhalb dem Ge- hirn reflektirt wird, oder allgemeine, wenn sie bis zum Gehirn gelangt. Beobachtungen der er- stern Art haben Piso Select. observat. et consil. p. 92. und Collingwood Duncan Med. Comment. Dec. 2. Vol. 3. er- zählt. Piso ’s Kranke, ein zwölfjähriges Mädchen, bekam bekam nach einem heftigen, halbseitigen Kopf- weh am kleinen Finger der linken Hand die Em- pfindung des Ameisenkriechens, welche zu den übrigen Fingern, zum Arme und Halse fortging, eine krampfhafte Zurückziehung des Kopfs erregte und zuletzt einen Kinnbackenzwang verursachte, der zwar mit völliger Ermattung des ganzen Kör- pers, aber nicht mit Verlust des Bewusstseyns ver- bunden war. In Collingwood ’s Fall war es ein Frauenzimmer, das nach einem Flussfieber plötz- lich einen heftigen Schmerz im kleinen Finger der linken Hand empfand, der am Arm zum Halse, der Brust und dem Magen heraufstieg, worauf Convulsionen aller Gliedmaassen der linken Seite erfolgten. Häufiger sind die Fälle der letztern Art, von welchen man mehrere im 2ten Theil meiner Physiologischen Fragmente (S. 42 fg.) ge- sammelt findet. In beyden Fällen lässt sich der Fortgang der Reitzungen durch Ligaturen verhin- dern. Umgekehrt verbreiten sich auch Nervenreit- zungen, die Empfindungen zur Folge haben, z. B. der Schmerz, den das Zusammendrücken der Ellenbogennerven am Ellenbogen oder des Waden- beinnerven am Unterschenkel erregt, der Gesichts- schmerz, das Hüftweh u. s. w. von dem Stamm zu den Zweigen Bichat a. a. O. S. 241. . Es Es ist wahrscheinlich, dass in den Fällen, wo eine, an einem Nerven heraufsteigende Reit- zung auf Bewegungsorgane reflektirt wird, ohne zum Gehirn zu gelangen, Ganglien dasselbe thun, was da, wo die Empfindung zum Gehirne fort- geht und allgemeine Convulsionen erregt, durch das Gehirn geschieht. Jene wirken dort eben so auf die ihnen unterworfene Sphäre, wie dieses hier auf den ganzen Körper. Haller Elem. Physiol. T. IV. L. 10. S. 7. §. 23. p. 321. suchte die erwähnten consensuel- len Erscheinungen auf eine andere Art zu erklä- ren. Er nahm nicht die Nervenknoten, sondern das Gehirn selber für das Organ an, wodurch die Fortpflanzung der Reitzungen einzelner Theile auf andere entfernte Organe geschähe. Für eine solche partielle , ohne Bewusstseyn vor sich gehende Rückwirkung des Gehirns giebt es aber keinen Grund als die Thatsache, dass nicht der unmittelbare Einfluss des Lichts auf die Iris diese in Bewegung setzt, sondern dass blos dann eine Verengerung der Pupille erfolgt, wenn das Licht in das Innere des Auges dringt. Hier, sagt man, bewirkt die Reitzung der Sehenerven eine Reak- tion des Gehirns auf die Iris durch die Ciliar- nerven. Aber diese Erscheinung lässt vielleicht eine andere Erklärung zu. Haller setzte vor- aus, was unbewiesen und unwahrscheinlich ist, dass dass jede Nervenreitzung zum Gehirn fortschrei- tet. In den erwähnten Beobachtungen Piso ’s und Collingwood ’s wurde die aufsteigende Nerven- reitzung schon reflektirt, ehe sie zum Gehirn ge- langt war. Haller ’s Hypothese erklärt auch blos die Entstehung consensueller Muskelbewegungen, nicht aber die der consensuellen Empfindungen, die sich begreiflich machen lässt, wenn man an- nimmt, dass die in einem gewissen Nerven er- regte und aus ihm durch ein Ganglion in einen andern Nerven geleitete Reitzung in dem letztern zum Gehirn aufsteigt und von der Seele nicht auf den ursprünglich gereitzten, sondern auf den zuletzt durch Mittheilung gerührten Nerven be- zogen wird. Auf jeden Fall ist so viel gewiss, dass wenn auch einige consensuelle Erscheinun- gen aus einer Rückwirkung des Gehirns entste- hen, andere doch blos aus einer Reaktion der Ganglien abzuleiten sind. Viertes Viertes Kapitel. Associationsvermögen des Nervensy- stems . A usser den consensuellen Nervenwirkungen giebt es noch eine andere, von äussern Eindrücken ab- hängige Thätigkeit der Nerven, die ebenfalls ohne den Einfluss des Willens vor sich geht, nehm- lich die, welche in dem Associationsvermö- gen derselben ihren Grund hat. Nervenwirkungen, die in einer gewissen Fol- ge vor sich gegangen und entweder ursprünglich durch einen heftigen Reitz erregt, oder oft in der nehmlichen Ordnung wiederholt sind, werden so mit einander verbunden, dass bey jedem zufäl- ligen Eindruck, der die eine veranlasst, auch die übrigen in der ursprünglichen Folge wieder eintreten. Dieses Vermögen ist blos der thierischen Na- tur eigen. Bey den Pflanzen giebt es keine Er- scheinung, die sich nicht ohne Voraussetzung des- selben erklären liesse. Die Thiere besitzen das Associationsvermögen in desto höherm Grade, je mehr ihr Gehirn ge- gen gen das übrige Nervensystem ausgebildet ist. Am vollkommensten findet es sich beym Menschen. Die meisten seiner Empfindungen und Bewegun- gen sind Folgen desselben. Auf dem Associations- vermögen beruhen alle Fertigkeiten bey Künsten und mechanischen Arbeiten. Man könnte hieraus schliessen, dass dieses Vermögen blos eine Eigenschaft des Gehirns sey. Dies ist aber nicht der Fall. Frösche, denen man das Rückenmark durchschnitten hat, deren Hinterschenkel also mit dem Gehirn gar keine Verbindung mehr haben, ziehen sich, wenn sie an den Zehen gestochen oder gedrückt werden, eine Zeit lang noch eben so zurück, als wenn sie noch unter dem Einfluss des Gehirns ständen. Hier sind diese Bewegungen Folgen einer Asso- ciation zwischen der, von einer äussern Ursache herrührenden Reitzung der Zehen und den Zu- sammenziehungen der Schenkelmuskeln, die nur im Rückenmark oder in den Schenkelnerven ihren Grund haben kann. Bey den Associationen des Menschen sind indess die höhern Hirnwirkungen immer so sehr mit im Spiel, dass es schwer hält, die Gränzen zwischen dem Geistigen und Kör- perlichen dabey zu bestimmen. So entsteht häufig beym Geruch einer Speise, womit man sich ein- mal den Magen überladen hat, Uebelkeit und Er- brechen. In diesem Fall rührt aber die antipe- V. Bd. A a ristal- ristaltische Bewegung des Nahrungscanals wohl nicht unmittelbar von einer Association derselben mit einer gewissen Reitzung der Geruchsnerven, sondern von einer, mit dieser Reitzung associir- ten Idee her. Ueberhaupt scheinen unter den Bewegungsorganen nur die willkührlichen der As- sociationen fähig zu seyn. Sie verketten sich un- ter einander und mit Empfindungen als Folgen von ihnen. In den unwillkührlichen Bewegungs- organen können sich gewisse Bewegungen mit ge- wissen Ideen, aber wohl nicht mit blos körper- lichen Empfindungen oder mit willkührlichen Be- wegungen associiren. Auch verbinden sich selten blos körperliche Empfindungen mit andern solchen Empfindungen oder mit Muskelbewegungen so, dass die Erneuerung der letztern jene Empfindun- gen selber, und nicht blos die Vorstellungen da- von, wieder hervorriefen. Zuweilen aber finden diese Associationen doch statt. Ich habe ein Frauen- zimmmer gekannt, der ein, hinter das eine Ohr gelegtes Blasenpflaster immer zugleich Schmerzen hinter dem andern erregte. Je öfterer Bewegungen in einer gewissen Folge wiederholt werden, desto fester associiren sie sich in derselben Ordnung mit einander. Manche sol- che, sehr fest begründete Associationen scheinen sogar erblich werden zu können. Hieraus ent- steht vielleicht die grössere Tauglichkeit mancher Thier- Thier-Raçen und Menschen-Familien zu gewis- sen Arbeiten und Künsten. Es kann auch seyn, dass manche Bewegungen, die jetzt im thieri- schen Körper immer auf einander folgen, z. B. die gemeinschaftliche Bewegung beyder Augen, bey den ersten Stammeltern der Thiere in keiner genauen Verbindung standen, sondern erst nach und nach sich associirt haben und von dieser erblich gewordenen Association ihre jetzige Ver- bindung haben. Einige dieser, in dem Associa- tionsvermögen begründeter Erscheinungen sind von den consensuellen, die blos auf Nervenverbin- dungen beruhen, schwer zu unterscheiden. A a 2 Fünftes Fünftes Kapitel. Nervenreitze und deren Wirkungsart . A lle die bisher erwähnten Erscheinungen des Nervensystems lassen sich aus einer ähnlichen Reitzbarkeit desselben, wie wir an den Muskeln fanden, ableiten. Der Nerve nimmt nach den- selben Gesetzen wie der Muskel Eindrücke auf; nur äussert sich sein Wirkungsvermögen nicht wie bey diesem durch Bewegungen, sondern durch Fortpflanzung der empfangenen Eindrücke. Die Reitze der Nervenkraft sind so mannich- faltig wie die Kräfte der ganzen, sowohl geisti- gen, als materiellen Welt. Aber nicht jeder Nerve besitzt Empfänglichkeit für den Einfluss jeder die- ser Kräfte, und nicht jeder reagirt gegen gleiche Eindrücke auf gleiche Weise. Der Schall wirkt nur auf den Gehörnerven, das Licht nur auf den Gesichtsnerven. In jedem Nerven erregt ein me- chanischer Eindruck eine verschiedene Empfin- dung. Beym Amputiren des Schenkels ist der Schnitt durch die Haut mit einem andern Schmerz als der Schnitt durch die Muskeln, und dieser mit einem andern als die Trennung des Kno- chen- chenmarks verbunden Bichat a. a. O. S. 240 fg. . Der Galvanische Reitz bringt im Auge einen plötzlichen Glanz, auf der Zunge Geschmacksempfindungen, und an entblöss- ten Hautnerven einen stechenden Schmerz her- vor. Die verschiedenen Nerven besitzen also wie die verschiedenen Muskeln eine specifische Reitzbarkeit . Es giebt für jeden Nerven innere Reitze, wo- durch derselbe zu ähnlichen Reaktionen wie durch äussere aufgeregt wird. Wirken diese Reitze auf Sinnesnerven, so entstehen Phantome, denen keine äussere Gegenstände entsprechen. Hysterische und hypochondrische Personen sehen häufig des Abends vor dem Einschlafen bey verschlossenen Augen, zuweilen auch am Tage bey offenen Augen, aller- hand Bilder, die sich mit solcher Lebhaftigkeit aufdrängen, dass sie kaum von Eindrücken äusse- rer Dinge zu unterscheiden sind C. Bonnet ’s analytischer Versuch über die Seelen- kräfte. Aus d. Franz, übers. von Schütz . Th. 2. S. 62. — Reimarus im Götting. Magazin der Wissensch. u. Litteratur, von Lichtenberg u. Forster . Jahrg. 1. St. 6. S. 381. — Scheidemantel ’s Beytr. zur Arz- neyk. Abth. 2. S. 324. — F. Nicolai in der Berliner Monatschrift. . Aehnliche Phantome erscheinen in den Sin- nesorganen, so oft ein stärkerer Reitz auf diese gewirkt A a 3 gewirkt hat und dann der Einfluss anderer Reitze von ihnen abgehalten wird. An den Nerven des Gehörs, Geruchs, Geschmacks und Gefühls lässt sich das Letztere nicht bewerkstelligen. Aber in den Gesichtsnerven, von welchen sich durch Ver- schliessung der Augenlieder alle äussern Reitze ab- halten lassen, erscheint immer eine gewisse Reihe von Farbenbildern, wenn die Augen eine Zeit lang unverwandt auf einen hellen, farbigen Ge- genstand gerichtet gewesen sind und sie dann plötzlich geschlossen werden. Erasmus Darwin schloss aus diesen Erscheinungen, dass die Netz- haut und die übrigen Sinnesnerven ein Bewe- gungsvermögen besitzen, und dass die Bewegun- gen der einzelnen Nervenfasern unsere Ideen aus- machen E. Darwin ’s Zoonomie. Uebers. von Brandis . Th. 1. Abth. 1. S. 18 fg. — Vor E. Darwin sind diese Farbenbilder schon von D’Arcy (Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1743. p. 215), Jurin (in Smith ’s Optik), Aepinus (Nov. Comment. Petropol. T. V. p. 10.), Buffon (Hist. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1767.), Beguelin (Mém. de l’Acad. des sc. de Berlin. A. 1771.), Godart (In Rozier ’s Observat. sur la Physique etc. A. 1776. Juillet, Octobre, No- vembre.) und R. W. Darwin (Philos. Transact. Y. 1786. p. 313.) untersucht worden. . Allein jene Phänomene lassen sich eben so gut mit der Voraussetzung reimen, dass das Licht gewisse chemische Veränderungen in den Sinnesnerven bewirkt. So So viel beweisen indess jene Farbenbilder, dass in den Nerven, wie in den übrigen erreg- baren Theilen, nach jeder Reitzung nicht blos eine einfache Reaktion, sondern mehrere, auf einander folgende Rückwirkungen entstehen. In einzelnen Fällen finden wir dieses Gesetz auch an andern Nerven bestätigt. Dem nervenkranken Moses Mendelssohn klangen des Nachts die Töne wieder, die er am Tage gehört hatte. Eine Reitzung, die nur einen einzelnen Ner- ven trifft, hat aber blos örtliche Wirkungen, wenn dieser nicht zu denen gehört, von welchen die anapnoischen und hämatodischen Bewegungen ab- hängen, oder wenn die Erregung desselben sich nicht auf Nerven, welche mit diesen Bewegun- gen in Beziehung stehen, fortpflanzt. Zu den letztern gehören vorzüglich der herumschweifen- de, der phrenische, der sympathische und die Rückenmarksnerven. Alle Reitzungen derselben wirken auf die Quelle des Lebens selber und sind häufige Ursachen allgemeiner Krankheiten. Eine allgemeine Wirkung auf das Nervensy- stem haben auch chemische Reitze, die durch den Nahrungscanal, die Lungen und die Ober- fläche des Körpers, oder durch Einsprützung in die Adern, zur Blutmasse gelangen. Dieser Satz bedarf aber einer nähern Erläuterung, ehe wir darauf weiter bauen. A a 4 Felix Felix Fontana war der Erste, der zahlrei- che und genaue Erfahrungen über den Einfluss der thierischen und vegetabilischen Gifte auf den thierischen Körper machte. Seine Versuche betra- fen vorzüglich das Vipern-, Tikunas- und Kirsch- lorbeergift und das Opium F. Fontana ’s Abhandl. über das Viperngift, die Amerikanischen Gifte u. s. w. Aus d. Franz. übers. Berlin. 1787. . Das Endresultat derselben ist, dass diese und ähnliche Gifte ihre allgemeinen Wirkungen auf den thierischen Kör- per nur hervorbringen, wenn sie in die Blut- masse gelangen, dass sie aber auf die Nerven keinen andern, unmittelbaren Einfluss als einen blos örtlichen haben. Man hat diesen Satz, der mit herrschenden Meinungen in Widerspruch stand, mit Unrecht angefochten. Alle zuverlässige Er- fahrungen, die in spätern Zeiten gemacht sind, nachdem der Galvanische Reitz, ein sichereres Mittel zur Prüfung der Vitalität thierischer Or- gane als Fontana besass, entdeckt war, stimmen mit demselben ganz überein. Fontana fand un- ter andern, dass schon der tausendste Theil eines Gran Viperngifts, durch einen Einschnitt in das Fleisch gebracht, einen Sperling tödten kann A. a. O. S. 157. , und der hundertste Theil eines Grans, der in die Adern von Tauben und andern kleinen Thieren gelangt, binnen wenig Minuten den Tod verur- sacht sacht Ebendas. S. 162. . Ein so heftiges Gift müsste, unmittel- bar an einen Nerven angebracht, seine tödlichen Wirkungen noch weit schneller äussern, wenn es geradezu auf das Nervensystem Einfluss hätte. Aber diese Anwendung hat keinesweges so nach- theilige Folgen Ebend. S. 184 fg. . Versuche mit dem Tikunas- gift und dem Opium gaben das nehmliche Re- sultat Ebend. S. 306 fg. 450 fg. . Kirschlorbeeröl und Mohnsaft tödteten zwar, wenn sie auf das Gehirn getröpfelt wur- den Ebend. S. 434, 447. . Aber das Kirschlorbeeröl hatte auch eine starke örtliche Wirkung auf die Nerven; es be- nahm denselben an der Stelle, wo es angebracht war, alle Reitzbarkeit Ebend. S. 434. . Eine solche örtliche Wirkung musste freylich beym Gehirn tödlich ausfallen. Dass der Mohnsaft, das Kirschlorbeerwasser und ähnliche Gifte entweder gar keinen, oder blos einen örtlichen, unmittelbaren Einfluss auf die Nerven äussern, ergiebt sich auch aus den Versuchen, die mit dem Galvanischen Reitzmit- tel angestellt sind. Humboldt Ueber die gereitzte Muskel- u. Nervenfaser. glaubte grosse Veränderungen der Reitzbarkeit bey der Anbrin- gung A a 5 gung dieses Reitzes an Nerven, die mit jenen Giften bestrichen waren, beobachtet zu haben. Spätere Erfahrungen haben zwar gezeigt, dass die Reaktionen durch sie nicht immer vermehrt werden, indem sie die Reitzbarkeit erhöhen oder herabstimmen, sondern indem sie als Glieder der Galvanischen Kette den Reitz vermehren oder ver- mindern Pfaff in dessen u. Scheel ’s Nordischem Archiv für Natur- u. Arzneywissensch. B. 1. St. 1. S. 17. . Doch von manchen derselben, be- sonders den narkotischen Giften, lässt sich nicht läugnen, dass sie auch die Reitzbarkeit selber verändern. Diese Wirkung ist aber beständig nur auf die mit dem Gift berührte Stelle des Nerven eingeschränkt. Ich bestrich die Nerven beyder Hinterschenkel eines Frosches mit Kirschlorbeer- wasser und galvanisirte sie mit Zink und Silber. Die Zuckungen blieben unverändert, wenn ich die Silberarmatur der Nerven an einer nicht be- feuchteten Stelle der letztern anlegte. Brachte ich hingegen das Silber an einer befeuchteten Stelle an, so erfolgten sowohl beym Oeffnen, als beym Schliessen der Kette lebhaftere Zuckungen wie zuvor. Es ist ein Beweis von Fontana ’s Be- obachtungsgeist, dass es ihm, der doch blos me- chanische Reitzmittel zur Ausmittelung der Reitz- barkeit anwenden konnte, gelang, diese örtliche Wirkung der Gifte zu entdecken. Eben so äu- ssern auch die narkotischen Mittel einen blos loka- len len Einfluss, wenn sie auf die Oberhaut, oder auf seröse, nicht entzündete Häute gebracht wer- den. Nie verursachen sie bey dieser Anwendung Betäubung Brandis ’s Pathologie. S. 461. . Ganz übereinstimmend mit den Erfahrungen Fontana ’s sind ferner die Resultate neuerer, von Magendie, Delille, Brodie, Emmert und J. Schnell angestellter Versuche. Magendie und Delille brachten eine Sub- stanz, die mit der grössten Heftigkeit auf das Nervensystem wirkt, das Upas-Tieute-Gift, an Theile, die blos noch durch Blutgefässe mit dem übrigen Körper zusammenhingen. Sie trennten von einem Darmstück alle Anhänge des Gekrö- ses, so dass blos die Arterien und Venen unver- letzt blieben, schnitten die beyden Enden dessel- ben ab, und unterbanden diese, nachdem sie die innere Fläche des Stücks mit Upasgift bestrichen hatten; sie schnitten den Schenkel eines Thiers so weit ab, dass er nur durch die Blutgefässe mit dem Körper in Verbindung blieb, und ver- gifteten den Fuss; sie nahmen endlich, um allen Verdacht von unsichtbaren lymphatischen Gefä- ssen zu entfernen, die etwa in den Häuten der Blutgefässe befindlich seyn und das Gift leiten möchten, von jedem Gefäss ein Stück weg und ersetzten dessen Stelle durch eine Röhre von ei- ner ner Federspuhle, so dass das Gift vom Fusse aus einzig und allein durch das Blut zum Gehirn und Rückenmark gelangen konnte. In allen diesen Fällen erfolgten allgemeine Convulsionen und der Tod eben so, als wenn die Thiere im unver- letzten Zustand vergiftet gewesen wären Dissertat. sur les effets d’un poison de Java, appelé Upas tieuté , présentée et soutenue à la Faculté de Médecine de Paris le 6 Juillet 1809 par R. Delille . . Brodie Philos. Transact. Y. 1811. p. 178. Y. 1812. p. 207. legte die Achselhöhle eines Kanin- chen blos, durchschnitt sorgfältig die hier zum Vorderfuss gehenden Nerven, gerade vor ihrer Vereinigung zum Achselgeflecht, und brachte Woo- rara, eine Pflanzenmaterie, womit die Eingebor- nen von Gujana ihre Pfeile vergiften, in zwey Wunden des Fusses. Er unterband aufs genaue- ste den Brustgang eines Hundes da, wo sich die- ses Gefäss durch den Winkel der linken Schlüs- selbein- und Drosselader begiebt, und streuete etwas gepulverte Woorara in zwey Wunden des linken Hinterbeins. Beyde Thiere bekamen in weniger als einer Viertelstunde die Zufälle der Vergiftung und starben einige Minuten nachher. Hierauf entblösste er bey drey Kaninchen den Schenkelnerven an dem obern und hintern Theil des Schenkels, zog unter dem Nerven ein Band durch, und schnürte vermittelst des letztern alle weiche weiche Theile des Gliedes mit Ausnahme des Ner- ven zusammen, nachdem er mit Wasser ver- mischte Woorara in eine am Bein gemachte Wunde gebracht hatte. Keines der Thiere, bey welchem die Gefässverbindung zwischen der verwundeten Stelle und dem übrigen Körper auf jene Weise unterbrochen war, wurde vergiftet. Als aber bey dem einen Kaninchen nach einer Stunde das Band gelöst worden war, erfolgten binnen zwanzig Mi- nuten alle Zufälle der Vergiftung. Diese Symp- tome deuteten insgesammt, sowohl bey den obi- gen, als andern, mit Weingeist, dem wesentli- chen Oel der bittern Mandeln, Eisenhutsaft, brenz- lichem Tabacksöl und dem Wooraragift gemach- ten Versuchen auf ein Leiden des Gehirns. Sie waren ganz denen der Hirnerschütterung ähnlich. Die Thätigkeit der Lungen war die erste auto- matische Bewegung, die durch jene Gifte gehemmt wurde. Der Herzschlag dauerte nach dem Auf- hören des Athmens immer noch eine Zeit lang fort. Die Bewegung des Bluts liess sich, wie bey enthaupteten Thieren, durch künstliche Her- stellung des Athemholens vermittelst Lufteinbla- sen unterhalten. In Einem Fall wurde ein, mit dem wesentlichen Oel der bittern Mandeln ver- giftetes Kaninchen, und in einem andern eine junge Katze, der Woorara in eine Wunde ge- bracht war, durch dieses Einblasen aus dem Scheintod erweckt. Tabacksaufguss, der in den Darm- Darmcanal gesprützt war, und in eine Wunde gebrachtes Upasgift wirkten dagegen zuerst auf die Bewegung des Bluts. Bey Thieren, die mit diesen Mitteln vergiftet waren, schlug das Herz schwach und unregelmässig, ehe noch die Ver- richtungen des Gehirns und der Lungen zu lei- den schienen. Emmert Salzburger medic. chirurg. Ztg. J. 1813. No. 61. S. 162. — Hufeland ’s u. Harles ’s Journal der prakt. Heilkunde. J. 1815. St. 3. S. 3. — Meckel ’s Archiv f. d. Physiologie. B. 1. S. 176. und Schnell Diss. sist. historiam veneni Upas Antiar, nec non experim, et ratiocinia quaedam de effectibus illius. Tubingae. 1815. , deren Versuche vorzüglich mit der unächten Augusturarinde und dem Upas-Antiar-Gift angestellt wurden, fanden nicht, dass das letztere, wie Brodie glaubt, zu- nächst den Blutumlauf hemmt. In allen übrigen Stücken stimmen ihre Erfahrungen mit den Re- sultaten der Versuche Fontana ’s, Magendie ’s, Delille ’s und Brodie ’s ganz überein. Sie be- obachteten überdies noch, dass die Heftigkeit der Wirkung jener Gifte immer mit der Lebhaftig- keit des Kreislaufs und der Blutmenge der Or- gane, womit sie in Berührung gebracht sind, in Verhältniss steht; dass alle Gifte von den ver- schiedensten Theilen des Körpers aus beständig die die nehmlichen Zufälle des Nervensystems erre- gen; dass die Wirkungen derselben desto schnel- ler und gleichförmiger, und die organischen Ver- änderungen, welche einige sonst verursachen, de- sto geringer sind, je grösser ihre Menge ist; dass sie durch die Wände der Blutgefässe auf ähnliche Art dringen, wie die eingeathmete Luft durch die Wände der Lungengefässe, und durch Töd- tung eines Thiers äusserst wenig an Gewicht ver- lieren; dass endlich die meisten vegetabilischen und animalischen Gifte den Grund ihrer Wirk- samkeit in einem der Blausäure ähnlichen Bestand- theil zu haben scheinen. So viel ist also gewiss, dass diejenigen Gifte, die vorzüglich das Nervensystem angreifen, erst auf das Blut wirken müssen, ehe sie ihren Ein- fluss auf den ganzen Körper äussern können. Es scheint aber, dass überhaupt die Hauptwir- kung aller Arzneyen, die nicht blos mechanische Veränderungen erregen, erst eintritt, nachdem das Blut von ihnen auf eine gewisse Art verän- dert ist. Schon aus den ältern Versuchen mit der Infusion von Arzneyen in die Adern der Thiere ergiebt sich, dass Substanzen, auf solche Art bey- gebracht, die nehmlichen Zufälle verursachen, die sie vom Magen aus hervorbringen. Schon Olaus Borrichius Oratio de sanguine. Hafniae, 1676. wusste, dass Purgiermittel, in in die Adern gesprützt, Abführen erregen. Fon- tana A. a. O. S. 339. 454. bemerkte dasselbe nicht nur von diesen, sondern auch von den Brechmitteln und beson- ders vom Tabacksöl. Neuere Versuche haben ge- zeigt, dass noch viele andere Mittel eben so von den Adern, wie vom Nahrungscanal aus, wir- ken Pfaff ’s u. Scheel ’s Nordisches Archiv für Natur- u. Arzneywissensch. B. 1. St. 3. S. 535. — B. 2. St. 1. S. 119. St. 3. S. 630. 652. — B. 3. St. 2. S. 91. . Brechweinstein und salzsaure Schwererde erregen nicht nur in die Adern gesprützt, son- dern auch blos in Wunden gestrichen, Erbre- chen Scheel ebendas. B. 2. St. 1. S. 137 fg. — Magen- die Mém. sur le vomissement. p. 16. 30. — Idem de l’influence de l’émétique sur l’homme et les ani- maux. p. 35. — Brodie , Philos. Transact. Y. 1812. p. 218. 221. . Das Veratrum album bringt schon, den Pferden als Haarseil an den Brustmuskel gelegt, Brechen hervor Viborc in Pfaff ’s u. Scheel ’s Nordischem Archiv. B. 1. St. 3. S. 543. . Die nach Arsenikvergiftungen entstehende Magenentzündung erfolgt schneller und heftiger, wenn der Arsenik in eine Wunde gebracht wird, als nach der innerlichen Vergif- tung Jäger de effectu arsenici in varios organismos, in Gehlen ’s Journal f. d. Chemie. B. 6. S. 289 fg. — Brodie a. a. O. p. 209. . Wie lässt sich annehmen, dass bey die- sen sen Versuchen die örtlichen Wirkungen der dem Blute beygemischten Substanz etwas Anderes, als Folgen eines allgemeinen Einflusses auf das Ner- vensystem sind? Arsenik, salzsaure Schwererde und Brechweinstein tödten auch ganz auf die- selbe Art, wie der Tabacksaufguss und das Upas- gift, deren Wirkung auf das Nervensystem sich nicht bezweifeln lässt. Sie hemmen, wie diese, die Bewegung des Bluts, indem sie eine Läh- mung des Nervensystems hervorbringen. Die Ma- genentzündung, die nach der Arsenikvergiftung entsteht und die man sonst für die Ursache des nach der letztern erfolgenden Todes hielt, tritt weder so schnell, noch mit solcher Heftigkeit ein, dass man sie mit Recht dafür annehmen kann Brodie a. a. O. p. 208. 218. 221. . Der in die Blutmasse gebrachte Brech- weinstein wirkt vorzüglich auf die herumschwei- fenden Nerven. Thiere, denen man denselben in die Adern gesprützt hat, sterben nicht so schnell, wenn man ihnen vor dem Einsprützen diese Nerven durchschnitten hat, als wenn sie unverletzt geblieben sind Magendie de l’influence de l’émétique etc. p. 41. . Es giebt aber auch zahlreiche Erfahrungen, die beweisen, dass viele in den Magen gebrachte Substanzen wirklich in die Blutmasse übergehen. Li- V. Bd. B b Lister Philos. Transact. Vol. XIII. p. 6. , Musgrave Ebendas. Vol. XXII. p. 996. und Haller Elem. Physiol. T. VII. L. 24. S. 2. §. 3. p. 62. — L. 25. S. 1. §. 4. p. 207. fanden den Chylus in den Milchgefässen von Hunden, denen, nachdem sie einige Zeit gehungert hatten, eine mit Indigo gefärbte Flüssigkeit eingegeben war, von blauer Farbe. Das Pigment der Fär- berröthe geht unzersetzt in die Knochen über, und zwar indem es von dem Eyweissstoff des Bluts aufgelöst und aus diesem durch den phos- phorsauren Kalk der Knochen niedergeschlagen wird Berzelius in Gehlen ’s neuem allgem. Journal der Chemie. B. IV. J. 1805. S. 120. . Bredin entdeckte bey Pferden und Eseln, denen Salpeter und Salmiak eingegeben waren, diese Substanzen im Blute wieder Procès verbal de la Séance publique ténue à l’Ecole vétérinaire à Lyon. 1809. . Au- tenrieth und Zeller fanden bey der Destilla- tion des Bluts aus dem rechten Herzohr, der untern Hohlvene und der Pfortader einer Katze, eines Hundes und eines Kaninchen, denen man sechs bis sieben Tage lang täglich Quecksilber- salbe eingerieben hatte, in der Vorlage Queck- silberkügelchen Reil ’s u. Autenrieth ’s Archiv f. d. Physiol. B. 8. S. 213. , und Hamilton traf bey einer Frau, Frau, die eine beträchtliche Menge eben dieses Mittels gebraucht hatte, dasselbe in der Milch wieder an A Dissertation on Milk. By S. Ferris . London. 1779. — Mehrere ähnliche Beobachtungen sind schon im 4ten Band der Biologie (S. 498.) angeführt wor- den. . Man hat sich oft gesträubt, eine Wirkung der Gifte und Arzneyen durch das Blut einzu- räumen, weil man voraussetzte, dass, so lange die Nerven des Magens und Darmcanals nicht krankhaft verändert wären, keine andere als assi- milirte Stoffe in die Milchgefässe aufgenommen würden. Diese Meinung ist vielleicht richtig. Nach Brugmann ’s Bemerkung In C. G. Ontyd Diss. de causa absorptionis per vasa lymphatica. Lugd. Bat. 1795. saugen die Lymph- gefässe niemals scharfe und giftige Materien ein, so lange sie nicht krankhaft verändert sind. Al- lein das lymphatische System ist nicht das Mit- tel, durch welches die Gifte auf das Nervensy- stem wirken. In Brodie ’s Versuchen traten die tödlichen Folgen des innerlich gegebenen Wein- geists und Wooraragifts auch ein, wenn der Brust- gang unterbunden war Philos. Transact. Y. 1811. p. 183. 199. . Blos durch das Blut geschieht die Wirkung jener Substanzen. Es ist sogar B b 2 sogar wahrscheinlich, dass einige derselben nicht von den Blutgefässen absorbirt zu werden brau- chen, um das Blut zu verändern. Der Einfluss mancher unter ihnen auf diese Flüssigkeit ist ge- wiss ein plötzlicher, sich schnell über die ganze Blutmasse verbreitender Eindruck, der mehr nach den Gesetzen der Elektricität, als der Auflösung wägbarer Substanzen geschieht. Nimmt man dies nicht an, so ist es unerklärbar, wie die betäu- benden Wirkungen des Weingeists so augenblick- lich erfolgen, wenn man nicht der Hypothese Brodie ’s A. a. O. p. 182. beytreten will, dass durch dieses Mit- tel das Gehirn ohne Vermittlung des Bluts an- gegriffen wird, einer Meinung, die nicht nur den Einwurf, dass der Weingeist im Wesentli- chen auf die nehmliche Art und nicht schneller als das Vipern- und Wooraragift wirkt, von de- nen es doch ausgemacht ist, dass sie nicht einen unmittelbaren Einfluss auf das Gehirn haben, son- dern auch den Umstand, dass der Weingeist, an entblösste Nerven angebracht, immer nur eine örtliche Veränderung bewirkt, gegen sich hat. Es war nöthig, diese Sätze ausführlich zu beweisen, weil von der Wahrheit derselben die Befugniss abhängt, aus den Erscheinungen, wel- che nach der Anwendung der Gifte und Arz- neyen erfolgen, auf die Wirkungsart der Nerven zu zu schliessen. Aus demselben Grunde werden wir die Wirkungen der Miasmen und Contagien in Betrachtung ziehen müssen. Diese haben meist keinen so unmittelbaren Einfluss auf die Nerven, als viele Gifte und Arz- neyen. Einige, z. B. die Krätze, die Gonorrhoe u. s. w. wirken blos örtlich, und zwar nur auf die Haut, oder auf absondernde Organe, nicht aber, als etwa zufällig, auf die Nerven. An- dere, z. B. das Gift der Lustseuche, haben einen allgemeinen Einfluss, der sich aber anfänglich blos auf die Ernährungsprocesse beschränkt. In der Folge leiden zwar auch die Nerven, doch nur weil die Ernährung derselben krankhaft verändert ist. Bey vielen ansteckenden Krankheiten, z. B. den Pocken, dem Scharlachfieber, den Masern, den Nerven- und Faulfiebern, der Hundswuth u. s. w. findet allerdings ein Leiden des Nerven- systems statt, das nur von einem sehr heftigen Reitz herrühren kann. Aber auch hier ist die Ernährung immer die Funktion, von welcher das Uebel ausgeht. Die Contagien jener Krankheiten verändern nicht ganz auf dieselbe Art das Blut wie die Gifte. Ihre Wirkungen hängen nicht von ihrer Quantität ab; sie können Wochen und Mo- nate im Körper verborgen liegen, ehe sie be- merkbare Symptome hervorbringen; die Krank heiten, die sie erregen, sind immer von einerley B b 3 Art Art mit denjenigen, in welchen sie entstanden sind; nach ihrem Einfluss auf den Körper bildet sich wieder die nehmliche ansteckende Substanz, wodurch sie erzeugt sind, und der Verlauf der Krankheiten, die sie veranlassen, hält feste Pe- rioden, welche sich durch kein Mittel aufheben lassen. Alles dies beweist, dass die Contagien erst eine gewisse Mischungsveränderung in den Säften verursachen, ehe das Nervenleiden nach ihrer Mittheilung ausbricht. Die Symptome der ansteckenden Krankheiten sind also zwar zum Theil ähnliche Folgen einer heftigen Reitzung des Nervensystems, wie die Gifte hervorbringen; aber manche rühren auch von andern Ursachen her. Es lässt sich daher aus diesen Phänomenen nur unter gewissen Einschränkungen auf die Wirkungs- art der Nerven schliessen. Einen reinen und allgemeinen Einfluss auf das ganze Nervensystem hat dagegen der thieri- sche Magnetismus. Die Zeiten sind vorüber, wo man an Täuschung und Betrug dachte, so oft dieses Wort genannt wurde. Es wird keiner Be- weise der physischen Wirkungen desselben und keiner Widerlegung der Hypothesen, woraus man diese zu erklären gesucht hat, bedürfen. Nur über die psychischen Erscheinungen des magne- tischen Schlafs können noch Zweifel statt finden. Auf diese werden wir indess in der Folge kom- men. men. Hier wird blos von den körperlichen Wir- kungen jenes Mittels die Rede seyn. Man weiss, unter andern aus Pechlin ’s Observat. physico-med. p. 476. 485. Erzählungen, dass der Einfluss gewisser Berüh- rungen von Menschen auf andere Menschen schon längst beobachtet ist. Mesmer scheint zuerst ent- deckt zu haben, dass dieser Einfluss sich vor- züglich dann äussert, wenn der zu Magnetisi- rende vom Gehirn nach den peripherischen En- den der Nerven durch den Manipulirenden ge- strichen wird. Dieses Streichen ist wirksamer als blosse Berührung. In Fällen, wo die Em- pfänglichkeit für den thierischen Magnetismus sehr gross ist, kann aber auch schon das blosse Auf- legen der Hände, oder selbst schon das nahe Zusammenleben mit gewissen Personen alle Er- scheinungen des Somnambulismus hervorbringen. Ich habe einen Fall gehabt, wo ein siebenzehn- jähriges, sonst gesundes und starkes Mädchen, die in der Entwickelungsperiode plötzlich von Zuckungen befallen war, nach und nach in einen Schlafwandel gerieth, der in seiner grössten Höhe acht Tage ununterbrochen anhielt, ohne dass ich mehr als blos ein Streichen mit der flachen Hand im Anfang der Krankheit, und auch dieses nur einige male bey ihr versucht hätte. Der Som- nam- B b 4 nambulismus ist aber immer eine seltene Wir- kung des Magnetismus. Gewöhnlich erfolgen nach der Anwendung desselben nur Fieberregungen, wobey sich vorher unterdrückt gewesene Aus- leerungen, besonders die monatliche Reinigung, wieder einstellen Deleuze (Histoire critique du Magnétisme animal. P. I. Paris. 1813. p. 138.) fand unter mehr als drey- hundert, von ihm magnetisirten Personen nur zwölf, welche merkwürdige Erscheinungen des Schlafwan- delns zeigten. . So viel über die Wirkungsart der Reitze des Nervensystems als Einleitung zum folgenden Ka- pitel, welches die Gesetze der Erscheinungen, die in der Reitzbarkeit dieses Systems ihren Grund haben, enthalten wird. Sechstes Sechstes Kapitel. Gesetze der Reitzbarkeit des Nerven- systems . A lle Gesetze der Reitzbarkeit, die wir im vier- ten Abschnitt des vierten Buchs dieses Werks Biol. Bd. 3. S. 566. aus den Erscheinungen des Wachsthums und der Abnahme der lebenden Körper und im vorigen aus den Erscheinungen der Muskelkraft ableite- ten, gelten auch für das Nervensystem. Manche lassen sich noch strenger bey diesen als bey jenen beweisen. Wir werden hier bey den letztern und bey denen, die den Nerven vermöge ihres Baus und ihrer Verrichtungen eigenthümlich sind, län- ger verweilen, die übrigen aber nur berühren. 1. Die nächste Wirkung jedes Reitzes sind Erregungen. Jede reitzende Flüssigkeit, die man einem Thier durch die Carotis in das Gehirn sprützt, verursacht immer zuerst Convulsionen Bichat ’s allgem. Anatomie. Th. 2. Abth. 1. S. 217. . Dieselbe Wirkung ist die erste, welche erfolgt, wenn ein narkotisches Gift in stärkerer Dose ge- nom- B b 5 nommen ist, oder wenn der thierische Magne- tismus bey reitzbaren Personen angewandt wird. Ist die Dose des Gifts nur gering, und geschieht die Anwendung desselben bey weniger reitzbaren Menschen, so beschränkt sich die Erregung auf vermehrte Thätigkeit des Herzens und erhöhete Neigung des Bluts zum Gerinnen. Durch krampf- hafte Bewegungen äussert sich auch der Anfang jeder ansteckenden Krankheit. 2. Bey fortgesetzter Wirkung eines und des- selben Reitzes nimmt die Empfänglichkeit für denselben immer mehr ab. Die Abnahme ist um so grösser, je mehr der Reitz specifisch auf das ganze Nervensystem wirkt. Man beobachtet sie daher vorzüglich bey der Anwendung des Mohn- safts und der übrigen narkotischen Mittel, doch in minderm Grade auch bey örtlichen mechani- schen Reitzungen der Nerven Bichat a. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 239. . Auf diesem Gesetz beruhet das Gewöhnungsvermögen der Thiere. Die Abstumpfung gegen einen und den- selben Reitz findet indess nur in Beziehung auf den unmittelbaren, reitzenden Einfluss desselben statt. Jener kann aber Nebenwirkungen äussern, die durch keine Angewöhnung aufgehoben wer- den. Die Oxyde des Arseniks, Bleys, Queck- silbers u. s. w. können nach und nach ihren un- mittelbaren schädlichen Einfluss auf das Nerven- system, system, aber nie ihre nachtheiligen Nebenwir- kungen verlieren. Das Quecksilber wird immer fortfahren, Speichelfluss hervorzubringen, so oft dasselbe auch genommen wird. Mit jener Ab- nahme der Reitzbarkeit ist übrigens nicht immer schnelle Abnahme der Erregung verbunden. Der in kurzer Zeit wiederholte Einfluss eines und des- selben Reitzes oder ähnlich wirkender Irritamente auf einen isolirten Nerven kann die Erregung bis auf einen gewissen Punkt steigern, indem nach jeder Reitzung nicht blos eine einfache Reaktion, sondern eine Reihe von Reaktionen entsteht, und daher jede folgende Reitzung durch die fortdau- ernde Wirkung der vorhergehenden vermehrt wird. Diese Zunahme der Erregung hat jedoch eine ge- wisse Gränze, jenseits welcher sie wieder sinkt, wenn nicht der Reitz in eben dem Verhältniss, wie die Reitzbarkeit abnimmt, verstärkt wird. 3. Jede Art von Reitzen erregt eine eigene Art von Empfindungen. Ausser der Wirkung, die ein Irritament als solches überhaupt hat, muss dasselbe also noch gewisse Nebenwirkungen her- vorbringen, worin die Verschiedenheit der Em- pfindungen ihren Grund hat. Durch diese Ne- benwirkungen wird die Reitzbarkeit auf verschie- dene Art gestimmt; sie wächst für eine andere Art von Reitzen, indem sie für diejenige, wo- durch ihre Erhöhung bewirkt wurde, abnimmt. Vor- Vorzüglich erhöhen gewisse geistige Eindrücke die Empfänglichkeit für äussere Reitze und brin- gen dadurch manche Ausnahmen von dem Gesetz des Sinkens der Reitzbarkeit bey fortdauerndem Einfluss eines und desselben Reitzes hervor. So erregt oft ein Brechmittel, zum zweyten mal ge- nommen, leichter Brechen als einige Zeit vorher, blos weil die widrigen Gefühle, die das erste mal bey der Wirkung des Mittels entstanden, nachher schon beym Einnehmen wieder rege wer- den und die Neigung zum Brechen vermehren. Noch mehr wird die Empfänglichkeit für einerley Eindrücke in den Sinnesnerven durch die Auf- merksamkeit erhöhet, wodurch zugleich die äu- ssern Sinnesorgane dem Grade des Eindrucks im- mer genauer angepasst werden. Geringe Gaben narkotischer und spirituöser Mittel vermehren eben- falls die Empfänglichkeit der Sinnesnerven für die äussern specifischen Sinnesreitze. Grössere Dosen vermindern diese, erhöhen aber die Receptivität für innere Reitze und verursachen Phantasmen, denen keine äussere Gegenstände entsprechen. Umstimmungen der Reitzbarkeit, vermöge welcher Reitze, die sonst nur einen schwachen Eindruck machen, heftig wirken, andere, wofür die Em- pfänglichkeit sonst gross ist, wenig oder gar nicht percipirt werden, und noch andere Reaktionen erregen, die von den gewöhnlichen ganz abwei- chen, sind überhaupt in jedem krankhaften Zu- stand stand die häufigsten Symptome. Durch äussere Eindrücke wird vorzüglich die Reitzbarkeit der Geschmacksnerven schnell verändert. Der Genuss säuerlicher Getränke erhöhet die Empfänglichkeit der Zunge für süsse Sachen, und fast nach jeder genossenen Speise ist der Geschmack für eine andere Kost auf eigene Weise modifizirt. An den Nervenwärzchen der Zunge bemerkt man auch ein Anschwellen, so oft ihre Empfänglichkeit für diejenigen Reitze, wofür sie besonders organisirt sind, erhöhet ist Haller Elem. Physiol. T. V. L. XIII. S. 2. §. 2. p. 115. . Wahrscheinlich findet eine solche Turgescenz unter ähnlichen Umständen in den peripherischen Enden aller Nerven eben so, wie in den Bewegungsorganen, statt. 4. Durch jede Reitzung, wofür ein Nerve eigends organisirt ist, wird eine entgegengesetzte Aktion erregt, welche die, durch jenen erschöpfte Reitzbarkeit wieder ersetzt. Auf diesem Gesetz beruhet das Vermögen, die Empfänglichkeit für gewisse Reitze durch Uebung zu verstärken, eine Eigenschaft, die mit dem Gesetz des Abnehmens der Erregbarkeit bey fortdauernder Wirkung eines und desselben Reitzes in Widerspruch stehen würde, wenn nicht die erwähnten Gegensätze vorhanden wären. Die Nothwendigkeit derselben für jeden lebenden Körper haben wir schon im drit- dritten Band der Biologie (S. 589.) aus dem Be- griff des Lebens abgeleitet. Für die allgemeinen Reitze sind es vorzüglich die anapnoischen und hämatodischen Bewegungen, die mittelbar durch sie vermehrt werden und durch welche die ver- zehrte Reitzbarkeit wieder ersetzt wird. Durch manche jener Reitze wird auch dieser Ersatz ver- mittelt, indem sie die Thätigkeit der Verdauungs- organe und das Bedürfniss nach Nahrung ver- mehren. Für die blos örtlichen Reitze ist es im Allgemeinen verstärkte, lokale Thätigkeit des Bluts, was dem erschöpfenden Einfluss derselben auf die Reitzbarkeit entgegenwirkt. In einigen Organen findet aber auch ein solcher Gegensatz zwischen Nerven und Nerven statt, dass Reit- zung des einen den andern zur Hervorbringung gewisser Veränderungen in äussern Theilen auf- regt, wodurch für den erstern die Stärke hefti- ger Reitze vermindert, schwacher vermehrt wird. Im Auge lässt sich ein solcher Gegensatz zwischen dem Sehenerven und den Ciliarnerven nachwei- sen. An den übrigen Sinnesorganen ist noch zu Vieles dunkel, um bey ihnen diesen Beweis eben so leicht führen zu können. Mehrere, von Bran- dis Pathologie. S. 233. — Brandis führte jene Gegen- sätze auf Galvanische Polaritäten zurück. Diese Mei- nung lässt sich schwerlich vertheidigen. Allein dass bey aufgestellte Gründe lassen aber vermuthen, dass dass auch bey ihnen ähnliche Gegensätze vorhan- den sind. 5. Sowohl die allgemeinen, als die örtlichen Reitze haben specifische Wirkungen auf einzelne Theile. Wer blos die Erfahrung kennt, dass Brechweinstein in den Magen gebracht, Brechen erregt, wird sich überreden, dass jener nur durch seine unmittelbare Wirkung auf den Magen diese Bewegung verursacht. Wer aber weiss, dass auch das Einsprützen einer Auflösung des Brech- weinsteins in Blutgefässe Brechen erregt, wird zugeben müssen, dass dieses nur örtliche Folge eines allgemeinen Eindrucks auf das Nervensy- stem seyn kann. Aber auch alle Reitze, von denen es ausgemacht ist, dass sie einen allgemei- nen Einfluss auf das Nervensystem haben, äu- ssern doch specifische Nebenwirkungen. Die Bel- ladonna, der Hyoscyamus und andere narkotische Mittel verursachen eben so wohl in den Magen, als blos an das Auge gebracht, eine Erweiterung der Pupille. Sie machen zugleich einen eigenen Eindruck auf den Schlund und auf die Retina, indem sie Brennen im Halse und Funkeln vor den Augen erregen. Unter den Giften wirken einige bey jeder Thätigkeit eines Sinnesorgans Gegensätze zwischen den eigentlichen Sinnesnerven und den Hülfsnerven eintreten, ist allerdings von ihm be- wiesen worden. einige mehr auf das Gehirn, andere mehr auf das Rückenmark oder den Intercostalnerven. Jene heben zuerst die Lungenthätigkeit, diese die Be- wegung des Bluts auf. Ohne Zweifel hat jede kräftige Arzney eine specifische Nebenwirkung. Viele sind darum wohlthätig in gewissen Krank- heiten, weil sie diesen ähnliche, specifische Zu- fälle verursachen. Aber wo sie auf solche Art heilbringend sind, betrifft die Aehnlichkeit ihrer Wirkungen mit den Symptomen gewisser Krank- heiten nur die Form; dem Wesen nach stehen sie den letztern gerade entgegen. Jene Analogie, die Hahnemann zur Grundlage der Heilkunst machen wollte, kann daher den Arzt nicht lei- ten, so lange er die Krankheiten und die Wir- kungen der Arzneyen blos der Form und nicht dem Wesen nach kennt. 6. Es giebt für jeden thierischen Organismus einen bestimmten Grad der Nerventhätigkeit, wel- cher nicht fortdauern kann, ohne von Zwischen- räumen der Ruhe unterbrochen zu werden. Die vornehmste dieser Intermissionen ist der Schlaf. Es findet aber in demselben nicht gänzliches Auf- hören aller Nervenwirkungen, sondern blos Ruhe des Empfindungs- und Bewegungsvermögens statt. Diejenige Thätigkeit der Nerven, welche der Er- nährung und den von der Ernährung abhängen- den Processen vorsteht, ist, wie wir in der Fol- Folge, wo dieses Gesetz umständlicher erläutert werden wird, sehen werden, während des Schlafs erhöhet. 7. Treten jene Intermissionen nicht ein, so erfolgt nach heftigen, anhaltenden Reitzungen ent- weder der Tod, oder Lähmung einiger Organe, indem sich die Thätigkeit des Nervensystems auf den übrigen Organismus concentrirt, und zugleich oft die Reitzbarkeit so umgestimmt wird, dass jene Reitzungen aufhören. Viele betäubende Gifte, besonders das Opium, bewirken in starken Ga- ben genommen apoplektische Zufälle und Läh- mungen in den Organen der willkührlichen Be- wegung. Man nimmt gewöhnlich die letztern für Mitwirkungen der Apoplexie an. Indess kann es auch seyn, dass sie erst mit dem Aufhören der Lähmung des Gehirns entstehen. Nach Bleyver- giftungen hört die Colik auf, sobald die äussern Gliedmaassen paralytisch werden, und schmerz- stillende Mittel, wodurch jene besänftigt wird, z. B. Opium und ölige Substanzen, befördern den Ausbruch der Lähmung. 8. Die Erregbarkeit und das Reaktionsvermö- gen der Nerven stehen nicht immer in gleichem Verhältniss. Die Reaktionen können schwach und von kurzer Dauer bey sehr hoher, so wie stark und anhaltend bey geringer Empfänglichkeit für Reitze seyn. Stärke und Ausdauer des Reaktions- V. Bd. C c ver- vermögens hängen von der Beschaffenheit der Er- nährungsprocesse ab. Sie sind immer mit anhal- tend starken, hämatodischen und anapnoischen Bewegungen und mit vermehrter Gerinnbarkeit des Bluts verbunden. Wo sie vorhanden sind, wirkt jeder allgemeine Reitz mehr auf jene au- tomatische Bewegungen, als auf die Nerven der Empfindung und willkührlichen Bewegung. Bey schwachem, bald erschöpftem Reaktionsvermögen hingegen geht die Reitzung mehr auf die Em- pfindungs- und Bewegungsthätigkeit der Nerven über, und hier tritt häufig ein Wechsel dieser Thätigkeit in den verschiedenen Organen ein. Fast bey jeder, mit Schwäche verbundenen, ho- hen Reitzbarkeit der Nerven wechseln convulsi- vische Bewegungen mit Schmerzen, diese mit Phantasmen u. s. w. Convulsionen befallen plötz- lich einen Theil, verlassen eben so plötzlich diesen, und ergreifen ein anderes, oft sehr ent- ferntes Organ Fälle dieser Art findet man unter andern in den Me- dical observat. and inquiries by a Society of phy- sicians, Vol. I, no. 20, und bey Brandis (Ueber die Lebenskraft. S. 156.) . Es ist, als ob hier ein flüch- tiges, der Elektricität ähnliches Wesen sein Spiel triebe. Ob dieses Wesen Substrat der Erregbar- keit oder des Reitzes ist, lässt sich nicht in allen Fällen ausmachen. Oft aber scheint allerdings ein Wandern der Reitzbarkeit von Theilen zu Thei- Theilen, eine Anhäufung derselben in einigen auf Unkosten anderer, statt zu finden. Aus einer solchen ungleichen Vertheilung der Nervenreitz- barkeit entstehen eine Menge Erscheinungen, die das Ansehn sympathischer haben, welche aber von denen sehr verschieden sind, deren Grund in dem organischen Zusammenhang der Nerven und dem Associationsvermögen der thierischen Or- gane liegt. So zeigt sich bey Leberkrankheiten oft ein consensueller Schmerz in den Waden Hollerii Comment. 2 ad libr. 2 Coac. Hippocra- tis . p. 348. — Metzger ’s verm. med. Schriften. B. 3. S. 110. , also in Theilen, die mit jenem keine unmittel- bare Verbindung durch Nerven haben. Man kann hier blos annehmen, dass die Krankheit der Le- ber einen Einfluss auf das ganze Nervensystem hat, der eine Erhöhung der Reitzbarkeit in den Wadennerven nach sich zieht. Aus der nehmli- chen Ursache entsteht in manchen Fällen von Entzündung des Zwerchfells, so wie von Verlet- zungen der Hoden, sardonisches Lachen Plater Mantiss. observat. 55. — Bilouer ’s Wahr- nehmungen. S. 502 fg. , und von einigen Krankheiten des Unterleibs Erweite- rung der Pupille. Dieselbe Erklärung ist viel- leicht auch auf einen, von Odier Manuel de Médecine pratique. Edit. 2. Paris et Génève. 1813. beobachte- ten C c 2 ten Fall von einer, nach einem Säbelhieb ent- standenen Epilepsie anwendbar, deren Anfällen Zuckungen im kleinen Finger der rechten Hand vorhergingen, die sich nach dem Kopf verbrei- teten, und wobey doch die materielle Ursache der Krankheit eine Geschwulst im Gehirn sel- ber war. 9. Eine partielle Erhöhung der Nerventhätig- keit tritt auch ein, wenn ein Theil des Nerven- systems, der keine Funktion bey der Ernährung des ganzen Körpers hat, lange unthätig geblie- ben, oder vertilgt ist. Hier wird jene Thätigkeit oft in einem andern Theil dieses Systems weit über die gewöhnliche Gränze vermehrt. Die häu- figsten Beyspiele dieser Exaltation geben die Sin- nesorgane. Besonders wird das Gefühl auf Un- kosten des Gesichts erhöhet Pechlin Observat. physico-med. p. 407. — Mar- tin , Abhandl. der Schwed. Akad. der Wissensch. J. 1777. S. 3. 101. — Wienholt ’s Heilkraft des thie- rischen Magnetismus. Th. 3. Abth. 1. S. 100 fg. — Comstock , London med. and physical Journ. Sept. 1808. . Aber auch an den Organen der willkührlichen Bewegung zeigen sich ähnliche Erscheinungen. Man weiss, in welchem Grade Menschen, die ohne Hände ge- boren wurden, den Mangel dieser Gliedmaassen durch die Füsse haben ersetzen können. Zum Theil lässt sich dieses Gesetz zwar auf das der Uebung Uebung zurückführen, doch ganz nicht. Durch Uebung wird nur die Empfänglichkeit für einer- ley Eindrücke erhöhet. Aber bey vielen Blinden war das Gefühl nicht blos verfeinert, sondern es schien ein ganz neuer, dem Gesicht ähnlicher Sinn bey ihnen erwacht zu seyn Ich verweise wegen dieses Satzes auf Wienholt ’s Vorlesungen über den natürlichen Somnambulismus (A. a. O. Th. 3. Abth. 1.), wo für denselben sehr triftige Gründe angeführt sind. In vielen Fällen, besonders in denen, die Martin gesammelt hat, scheinen zwar nach dem Verlust eines Sinns die übri- gen blos innerhalb ihrer Sphäre erhöhet worden zu seyn. Dass dies aber immer der Fall sey und nie ein Sinn aus seinem Gebiet heraustrete, kann ich nicht mit Stieglitz (Ueber den thierischen Magne- tismus. S. 593.) annehmen. . 10. Bey einer allgemeinen Erhöhung der Ner- venthätigkeit kann keine örtliche Zunahme der- selben eintreten, ohne dass das ganze Nervensy- stem daran Theil nimmt. Im entzündlichen Sta- dium fieberhafter Krankheiten wird das Fieber durch blasenziehende Mittel und ähnliche örtliche Reitze verstärkt. Ist aber die Nerventhätigkeit bis auf einen gewissen Grad geschwächt, so nimmt sie im übrigen Körper ab, indem sie in einzel- nen Theilen wächst. Diese partielle Zunahme kann unter gewissen Umständen einen hohen Grad C c 3 Grad in Hinsicht sowohl auf die Dauer, als auf die Heftigkeit erreichen. Immer aber geschieht sie auf Unkosten des Ganzen. So schlafen Thiere in einer Stellung, die sie wachend nicht lange würden behaupten können. Aber ihr Nervensy- stem hat im Schlaf nur diese Eine Stellung, im Wachen hingegen noch viele andere Verrichtun- gen, von welchen jede nur bey einem mittlern Grad von Stärke und Dauer der übrigen voll- zogen werden kann, zu unterhalten. Auf dem- selben Grund beruhet die Erklärung der in der Catalepsie statt findenden Fortdauer der Stellung, die der Kranke im Anfang des Paroxysmus an- genommen hat, oder worin er während demsel- ben versetzt ist, bey gänzlicher Unthätigkeit aller übrigen willkührlichen Organe und aller Sinnes- werkzeuge. Dritter Dritter Abschnitt. Autonomie des Nervensystems . Erstes Kapitel. Einfluss der Nerven auf die Ernährung . W ir kommen auf einen Gegenstand, worüber schon in mehrern der obigen Abtheilungen unsers Werks einzelne Bemerkungen mitgetheilt sind. Es ist jetzt nöthig, dieses Einzelne von einem höhern Standpunkt zu betrachten und die allge- meinen Gesetze des Wirkens der Nerven bey der Ernährung aufzusuchen. Vorläufig erinnern wir, was schon im Anfang des vierten Bandes erinnert ist, dass wir das Wort Ernährung in der allgemeinsten Bedeu- tung nehmen, und alle Funktionen darunter be- greifen, deren nächster Zweck die Erhaltung und Ausbildung der Organisation ist. Wir verstehen das Nehmliche darunter, was von mehrern neuern C c 4 Schrift- Schriftstellern mit dem nicht ganz passenden Na- men der Reproduktion bezeichnet ist. Bey unsern frühern Untersuchungen fanden wir Beweise für den Einfluss der Nerven auf die Verdauung Biologie. Bd. 4. S. 342. , die beym Athemholen eintretende Veränderung des Bluts Ebend. S. 225. , die eigene Bewegung dieser Flüssigkeit Ebend. S. 260 fg. und die thierische Wärme Ebend. S. 226. — Bd. 5. S. 70 fg. . Zu allen diesen und den übrigen, ebenfalls schon angeführten Gründen Ebend. B. 4. S. 619 fg. kommen noch folgende, die in Verbindung mit jenen bey dem Unbefan- genen keinen Zweifel in Betracht des gedachten Einflusses übrig lassen können. 1. Mit der Zerstörung eines Sekretions-Or- gans hört die Absonderung der eigenthümlichen Flüssigkeit desselben auf. Nach der Exstirpation der Brüste und der Hoden wird keine Milch und kein Saamen weiter secernirt. Die Bildungskraft, die den Organismus hervorbrachte, ist also nach dieser Hervorbringung von ihrem Produkt abhän- gig. Jede besondere Thätigkeit derselben ist jetzt an einen besondern Theil gebunden. Durch die Zerstörung dieses Theils wird die Mannigfal- tigkeit ihrer Aeusserungen vermindert und ihre Sphäre Sphäre beschränkt. Nach der Zerstörung eines Organs schwinden aber zugleich oft andere, mit demselben in Sympathie stehende Theile. Die Folgen der Castration sind Aufhören des Wach- sens der Barthaare bey dem Menschen und der Geweihe bey den Hirschen. Nach der Exstirpa- tion der Eyerstöcke fallen die Brüste zusammen Ebendas. Bd. 3. S. 481. . Die Organe der Sympathie sind die Nerven Ebend. Bd. 3. S. 541. . Jene Thatsache beweist also, dass die Nerven es sind, durch welche die Bildungskraft zu wirken fortfährt und woran sie gebunden ist, nachdem ihre ursprüngliche, bey der Zeugung statt fin- dende Thätigkeit aufgehört hat. 2. Man kennt die heftigen Wirkungen der Leidenschaften auf die Absonderungen, z. B. des Zorns auf die Galle, der Wuth gereitzter Thiere auf den Speichel, der Furcht auf den Darmsaft u. s. w. Man weiss, dass nach Furcht und Schrek- ken plötzlich scirrhöse Verhärtungen in drüsen- artigen Theilen entstanden sind J. U. G. Schäffer ’s Versuche aus der theoretischen Arzneyk. H. 2. S. 192. . Diese Wir- kungen geschehen gewiss durch die Nerven. Man kann nicht sagen, dass hier Aktionen der letz- tern eintreten, denen nichts Aehnliches im ruhi- gen C c 5 gen Zustand entspricht. Nervenwirkungen kön- nen vermehrt, vermindert und verändert werden, aber keine können entstehen, wo keine vorhan- den waren. 3. Es giebt eine Art von Auszehrung, wo- bey alle Verdauungs- und Sekretionsorgane gesund sind und blos das Nervensystem der ursprüng- liche Sitz der Krankheit seyn kann (Tabes dor- salis). Diese kann aber nur von demselben aus- gehen, wenn jenes einen regelmässigen Einfluss auf die Werkzeuge der Verdauung und Absonde- rung hat, der hier entweder aufgehoben, oder von seiner natürlichen Beschaffenheit abgewichen ist. 4. Zerrüttungen des Gehirns, die in der Ju- gend entstanden sind, haben immer einen gro- ssen Einfluss auf das Wachsthum. Ein blödsin- niger Knabe, bey welchem der Hirnknoten eine solche Härte hatte, dass man ihn kaum durch- schneiden konnte, die Marksubstanz der Schen- kel und einiger anderer Theile des kleinen Ge- hirns eine Menge erdiger Theile enthielt, und das grosse Gehirn, so wie der obere Theil des kleinen, ungewöhnlich weich waren, hatte bey seinem, im sechszehnten Jahr erfolgten Tode vom Kopfe an die Grösse eines dreyjährigen Kindes; der Kopf hingegen war s o gross, wie bey einem zwölfjährigen Knaben Home , Philos. Transact. Y. 1814. p. 485. . 5. 5. Die Pflanze ist ganz abhängig, das Thier ganz unabhängig bey der Ernährung von dem Einfluss des Lichts. Woher diese Verschiedenheit bey Organismen, wobey es nicht einen völligen Gegensatz in der Ernährungsweise giebt, als da- her, dass der thierische Körper eine Kraft be- sitzt, die eben so den Ernährungsprocess bey ihm von innen regelt, wie er bey der Pflanze durch einen äussern Einfluss geleitet wird? Und wel- ches andere organische System kann bey jenem der Sitz dieser Kraft seyn, als das einzige, wel- ches das Thier vor der Pflanze voraus hat, das Nervensystem? Bey allen diesen Gründen ist es zu erwar- ten, dass sich hier, wie in jedem Theil der Bio- logie, Umstände finden werden, die auf den er- sten Anblick mit Sätzen, welche von andern Sei- ten noch so fest begründet sind, unvereinbar zu seyn scheinen. In der That sind von Bichat A. a. O. Th. 1. Abth. 1. S. 253 fg. Th. 2. Abth. 1 . S. 134 fg. Gründe aufgestellt worden, aus welchen er schloss, dass die Nerven keine wesentliche Funktion bey der Haargefässcirculation, der Aushauchung und Einsaugung, der Absonderung, kurz bey den sämmtlichen Ernährungsprocessen haben. Alles, was er zum Beweise seiner Meinung vorgebracht hat, lässt sich indess auf folgende Sätze zurück- füh- führen, wovon sich bey näherer Prüfung zeigen wird, dass sie als Einwürfe gegen unsere Mei- nung von keinem Gewicht sind. 1. “Jene Processe werden nicht beschleunigt, „wenn sich die Nerven in einem gereitzten Zu- „stand befinden, und nicht immer geschwächt „oder aufgehoben, wenn der Nerveneinfluss ver- „mindert oder gehemmt ist.” Hierauf dient Fol- gendes zur Antwort. Dass unter Umständen, wo die Nerven willkührlicher Bewegungsorgane ge- reitzt sind, oder die Bewegung in diesen Thei- len aufgehoben ist, die Haargefässcirculation, die Aushauchung u. s. w. im erstern Fall nicht ver- mehrt sind, im letztern noch fortdauern, be- weist weiter nichts, als was sich auch aus an- dern Erfahrungen ergiebt, dass diese Processe von einer Thätigkeit der Nerven abhängen, die mit der, welche die Muskelbewegung hervor- bringt, in keiner nothwendigen Verbindung steht. Dass aber in einem Theil, dessen Nervenverbin- dung mit dem Gehirn oder Rückenmark gänzlich aufgehoben war, die Ernährung fortgedauert hätte, dafür spricht keine Thatsache, sondern alle Er- fahrungen sind diesem Satz völlig entgegen. 2. “Die erwähnten Processe gehen mit der- „selben Stärke in Theilen, die wenig oder gar „keine Nerven haben, z. B. in den Knorpeln, „Sehnen, Bändern u. s. w. als in nervenreichen „Orga- „Organen vor sich.” Dieser Einwurf beruhet auf der unrichtigen Voraussetzung, dass die Nerven nur bis so weit wirken, als sie sich mit dem anatomischen Messer verfolgen lassen. Alle Er- nährungsprocesse werden durch Flüssigkeiten ver- richtet, die in beständiger Bewegung sind, und welchen der Impuls zu den Mischungsverände- rungen, die bey jenen Processen in ihnen vor- gehen, an einem ganz andern Ort als dem, wo diese Veränderungen eintreten, von den Nerven mitgetheilt seyn kann. Die Arterien sind die Organe, worauf der Nerveneindruck bey der Er- nährung gerichtet ist. In diese verbreiten sich immer zahlreiche Nerven, wenn auch zum Pa- renchyma des zu ernährenden Theils nur wenige gehen. 3. “Die Entzündung, die eine Exaltation der „Haargefässcirculation ist, entsteht eben so wohl „in Organen, die wenig Nerven besitzen, z. B. „in den Knorpeln, Flechsen, Bändern, den serö- „sen Häuten und dem Zellgewebe, als in sehr „nervenreichen Theilen; ja, in den letztern ist „sie nicht sehr häufig, wie die Muskeln, die „Zunge, die Nervenhäute, die Nerven selbst, und „die innere Substanz des Gehirns beweisen.” Die Entzündung ist nicht blos eine Exaltation der Haargefässcirculation. Eine Bedingung derselben ist ohne Zweifel die Mitwirkung der Nerven; eine eine zweyte ist aber auch die Struktur des Theils. Wo die letztere nicht zur Entzündung geeignet ist, kann ein grosser Reichthum an Nerven statt finden, ohne dass jene Krankheit eintritt. Alle obige Einwürfe lassen sich also heben, und wir können als ausgemacht annehmen, dass es eine Kraft der Nerven giebt, die der Ernäh- rung vorsteht. Wir werden diese die plasti- sche Nervenkraft nennen, und dieselbe jetzt näher zu bestimmen suchen. 1. Diese plastische Kraft wird nicht auf ähn- liche Art, wie das Empfindungs- und Bewegungs- vermögen der Nerven, durch Reitze in Thätig- keit gesetzt. Fände eine solche Aufregung bey ihr statt, so müsste sich diese zuerst durch eine, unmittelbar nach Anbringung eines Nervenreitzes eintretende, partielle Beschleunigung der Bewe- gung des Bluts äussern. Aber schon Spallan- zani, Fontana Abhandl. über das Viperngift. S. 342. und Bichat A. a. O. Th. 1. Abth. 2. S. 73 fg. bemerken, dass sie niemals diese Bewegung in einem einzelnen Theil nach Reitzung der Nerven desselben haben zunehmen sehen, und ich habe ebenfalls in den Schwimmhäuten von Fröschen, worin ich den Blutumlauf unter einer Linse beobachtete, keine andere Veränderungen des letztern nach dem Gal- vanisiren der Schenkelnerven als solche, die offen- bar bar durch den Druck der zusammengezogenen Schenkelmuskeln verursacht wurden, entdecken können. Von dieser mechanischen Ursache rührte vermuthlich auch die stärkere Bewegung des Bluts her, die Thomson Lectures on inflammation. Edinb. 1813. p. 75. in den Schwimmhäuten von Fröschen, an deren Gefässe chemische Reitze angebracht waren, beobachtete Philip , Philos. Transact. Y. 1815. p. 439. . Wenn dies nicht der Fall war, so fand hier wahrscheinlich eine Zusammenziehung der gereitzten Gefässe, schwerlich aber eine unmittelbare Einwirkung der Nerven auf den Blutlauf statt. Home Philos. Transact. Y. 1814. p. 583. will zwar eine Zunahme des Klopfens der Carotis bey einem Hunde und Eichhörnchen wahrgenommen haben, deren Intercostalnerven er mit ätzendem Laugensalz bestrichen hatte. Allein in der Be- schreibung seiner Versuche sind die nähern Um- stände mit zu wenig Genauigkeit angegeben, um beurtheilen zu können, ob das vermehrte Pulsi- ren der Schlagader eine unmittelbare Wir- kung der Reitzung des Intercostalnerven war. Man kann die Wirkungsart der plastischen Nervenkraft mit der Wirkung des männlichen Saamens vergleichen. Wie dieser der weiblichen Bildungskraft eine bestimmte Richtung giebt, so wird durch jene der Bildungstrieb der Säfte, der sich sich ohne ihren Einfluss in zwecklosen Produk- ten erschöpfen würde, zu einer, dem Organis- mus angemessenen Thätigkeit geleitet. Der männ- liche Saamen und die Nervensubstanz zeigen auch in ihren physischen und chemischen Eigenschaf- ten Analogien. Beyde sind weissliche, halbflüs- sige Substanzen, die im frischen Zustand aus Kügelchen und einer schleimigen Flüssigkeit be- stehen; beyde enthalten Phosphor in Verbindun- gen, worin dieser in keiner andern thierischen Materie vorkömmt John ’s chemische Untersuchungen mineralischer u. s. w. Substanzen. Forts. 4. S. 175: “Bemerkenswerth „ist die ungemein grosse Analogie, welche in Rück- „sicht der Fischmilch und des Hirnmarks statt fin- „det.” , und beyde haben einen ähnlichen, specifischen Geruch Magendie Précis élémentaire de Physiologie. T. I. p. 164. . 2. Obgleich aber die plastischen Nervenwir- kungen nicht durch Reitze veranlasst werden, so sind sie doch einer mittelbaren Erhöhung und Verminderung durch äussere Einflüsse fähig. Ihre Erhöhung äussert sich entweder durch Vermeh- rung der Sekretionen und Exkretionen, oder durch Beschleunigung der eigenen Bewegung des Bluts und vermehrte Ausdehnung desselben. Beyspiele der erstern Art sind: der stärkere Zufluss des Spei- Speichels beym Käuen scharfer Sachen, die Zu- nahme der Absonderung des Darmschleims bey ört- lichen Reitzungen des Mastdarms u. s. w. Durch örtlich wirkende Ursachen können sogar Theile, die sonst nicht absondern, z. B. die männlichen Brüste, zu Sekretionsorganen gemacht werden Man kennt mehrere Beobachtungen dieser Art. Nicht so bekannt ist es, dass, nach der Erzählung des Jesuiten Dos Santos , im Caffernlande manche Männer eben so gut wie Weiber ihre Kinder säu- gen. Histoire de l’Aethiopie Orientale, composée en Portugais par le R. Pere Jean dos Santos , et traduite en Français par le R. P. D. Gaetan Charpy . A Paris 1684. — Bayle Nouvelles de la Republ, des lettres. T. 3. p. 1162. . Die zweyte Art von Erhöhung der plastischen Nerventhätigkeit ist immer mit Erhöhung der thie- rischen Wärme und der Sensibilität verbunden. Sie macht, wenn sie örtlich ist, die Entzün- dung , wenn sie allgemein ist, das Fieber aus. Für beyde Krankheiten sind vermehrte Sekretio- nen und Exkretionen die Mittel, wodurch die un- regelmässig erhöhete Thätigkeit auf den der Ge- sundheit angemessenen Grad zurückgeführt wird. Bey der Entzündung entsteht eine neue und eigene Art von Sekretion, die Eiterung . Beym Aus- gang des Fiebers, der Crise , bildet sich viel- leicht in der ganzen Blutmasse Eiter, der aber in V. Bd. D d in den Exkretionsorgenen abgesetzt und hier so verändert wird, dass er nicht mehr als solcher deutlich zu erkennen ist. 3. Alle Thätigkeit der plastischen Nervenkraft geht auf zweckmässige Erhaltung jedes Theils für das Ganze, und des Ganzen sowohl für jeden Theil, als für die übrige Natur. Jede Erhöhung derselben über die gesetzmässige Gränze ist also ein krankhafter Zustand. Diese Zunahme kann extensiv oder intensiv seyn. Die exten- sive setzt immer vermehrten Zufluss des Mate- rials, worauf sich die Wirksamkeit der bilden- den Kraft richten kann, und dieser Verstärkung der automatischen Bewegungen, wodurch das letz- tere herbeygeführt wird, voraus. Die automati- schen Bewegungen aber werden durch Reitzun- gen beschleunigt. Extensiv erhöhete Thätigkeit der plastischen Nervenkraft ist also immer eine mittelbare Folge von Reitzen, welche auf dieje- nigen Bewegungsorgane, wodurch der Stoff zur Ernährung herzugeführt wird, wirken, und durch diesen Einfluss ein stärkeres Zuströmen des letz- tern veranlassen. Intensive Zunahme jener Thä- tigkeit hingegen kann nur aus der Wirkung ge- wisser Potenzen auf die plastische Kraft selber entstehen. Wie die erstere Folge, so ist diese Ursache der verstärkten automatischen Bewegun- gen. Bey ihr wird der Nahrungsstoff schneller als als im gesunden Zustand verbraucht; es entsteht grösseres Bedürfniss desselben und daher Beschleu- nigung der automatischen Aktionen. Erhöhete Thätigkeit der plastischen Nervenkraft ist daher mit einer solchen Beschleunigung stets als Ur- sache oder Wirkung verbunden. Wie dieses Cau- salverhältniss in jedem einzelnen Fall beschaffen ist, lässt sich aber selten bestimmen. Immer sind die Wirkungen jener Kraft mit denen des Empfindungs- und Bewegungsvermögens der Ner- ven vermischt, und hieraus entstehen auf der einen Seite Analogien, auf der andern Verschie- denheiten zwischen diesen Kräften. 4. Die Bildungskraft wirkt periodisch wie das Empfindungs- und Bewegungsvermögen der Nerven. Dieser Charakter derselben zeigt sich deutlicher im kranken, als im gesunden Zustand. Doch finden wir auch in dem letztern, dass wäh- rend dem Wachen die Verdauung und die Ab- scheidung der auszuleerenden Materien, hingegen während dem Schlaf die Absonderung der edlern Theile, z. B. des Saamens, und die Ernährung der festen Theile am lebhaftesten vor sich gehen. Unter den Krankheiten sind es vorzüglich die fieberhaften, die sich durch periodisches Ab- und Zunehmen der Thätigkeit jener Kraft auszeich- nen. Cosmische Agentien haben vielleicht einen Einfluss auf diesen Wechsel. Doch muss man D d 2 auch auch Associationen, die sich nicht nur bey dem Individuum gebildet haben, sondern die zum Theil von vielen Generationen her angeerbt sind, einen Antheil daran einräumen. 5. Auch unter den örtlichen Wirkungen der bildenden Kraft finden nehmlich Associationen, wie unter denen der übrigen Nervenkräfte, statt. Von ihnen rühren die Rückfälle mancher Krank- heiten her, die vorzüglich bey denen, deren Ur- sache in den Verdauungsorganen liegt, z. B. bey den Wechselfiebern, so häufig sind. 6. Erblichkeit bestimmter Richtungen ihrer Thätigkeit ist ein Hauptcharakter der Bildungs- kraft. In der Degeneration der Thiere und der Fortpflanzung zufälliger Verstümmelungen äussert sich derselbe am auffallendsten M. vergl. Biologie. Bd. 3. S. 448. — Carlisle , Philos. Transact. Y. 1814. P.I. . Aber auch all- gemeine Krankheiten sind erblich, und zwar vor allen die, welche sich durch unregelmässige Wir- kungen der plastischen Kraft am meisten aus- zeichnen, z. B. die Gicht und die Skropheln. Sie erben von dem Vater oder der Mutter vorzüglich auf die Kinder, die jenem oder dieser am ähn- lichsten sind Van der Haar über die Beschaffenheit des Ge- hirns, der Nerven und einige Krankheiten derselben. S. 186. , und oft bis ins dritte Glied fort. 7. 7. Die Thätigkeit der plastischen Kraft wird, wie jede der übrigen Nervenwirkungen, bey ei- nerley Individuen zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Art durch äussere Einflüsse verän- dert. Die Miasmen und Contagien, diejenigen Potenzen, wovon sie unter gewissen Umständen aufs heftigste angegriffen wird, äussern unter an- dern Umständen gar keine Wirkung auf sie. Die Veränderung ihrer Thätigkeit durch äussere Ur- sachen ist indess von ganz anderer Art als die der Nervenwirkungen, welche Folgen der Reitz- barkeit sind. Die Contagien einiger Krankheiten, z. B. der Pocken und Masern, verursachen eine Erhöhung derselben, die sich mit der Bildung neuer Sekretionsorgane auf der Oberfläche der Haut endigt, und mit dieser Bildung hört alle Empfänglichkeit für eine neue Ansteckung auf, Für andere Contagien, z. B. das der Pest, bleibt hingegen die Empfänglichkeit ungeschwächt, so oft auch das Nervensystem von ihnen ist angegrif- fen worden. Manche Materien, die anfangs für die plastische Kraft unbezwinglich waren, werden durch Gewöhnung zur Assimilation fähig gemacht. Dies sind Vorgänge, die sich unter die Gesetze der Reitzbarkeit, denen das Leitungsvermögen der Nerven unterworfen ist, nicht bringen lassen. 8. Es giebt für jeden Zustand des Organis- mus ein bestimmtes Maass von Thätigkeit der D d 3 plasti- plastischen Kraft. Erhöhung derselben in einzel- nen Theilen zieht ihre Abnahme in andern nach sich. Häufig folgt auch umgekehrt auf ihre Ver- minderung in einigen Organen Zunahme dersel- ben in andern. So vermindert sich der Abfluss des Harns bey vermehrter Hautausdünstung, und umgekehrt. Ueberhaupt finden sich die meisten Belege zu diesem Gesetz bey den Exkretionen. Die Sekretionen werden nicht so leicht in ihrem Gang gestöhrt. Vermehrte Absonderung des Spei- chels kann einen Einfluss auf die Ernährung im Allgemeinen und auf die Exkretionen haben; es giebt aber nichts, woraus sich schliessen liesse, dass irgend eine andere Sekretion, z. B. die der Galle, des Saamens u. s. w. besonders dadurch verändert würde. Die in diesen Fällen eintre- tende, örtliche Zu- und Abnahme der plastischen Thätigkeit scheint blos extensiv zu seyn. 9. Die secernirenden Organe aber überneh- men in manchen Fällen eines des andern Funk- tion. Die gehemmte Thätigkeit des einen zieht nicht nur vermehrte Wirkungen des andern nach sich, sondern dieses secernirt bey einer solchen Hemmung eine Flüssigkeit, welche der des er- stern ähnlich ist. Dieses Gesetz des Metasche- matismus bedarf indess noch einer nähern Be- stimmung. Nicht immer erfolgt eine stellvertre- tende Absonderung nach der Unterdrückung einer Sekre- Sekretion. Man hat nie gesehen, dass nach der Castration in andern Organen eine saamenartige Materie wäre abgesondert worden; im Gegentheil hören nach jener Operation alle übrige Ernäh- rungsprocesse auf, die mit der Saamenbereitung in enger Verbindung stehen, z. B, das Wachsen der Barthaare beym Manne und der Geweihe bey Thieren. Wohl aber hat man eine Beobachtung von einem Hervordringen des Saamens bey un- verletzten Hoden, anfangs durch den After und einige Monate nachher sogar durch die innere Fläche beyder Hände, welches auf dieselben Ver- anlassungen und mit denselben Empfindungen wie der Abgang auf dem gewöhnlichen Wege erfolg- te Martin , Recucil des Actes de la Societé de Santé de Lyon. An VI. p. 387. . So giebt es auch kein Beyspiel, dass nach der Exstirpation der Brüste in andern Theilen Milch wäre abgesondert worden. Anders aber ist es, wenn bey unverletzter Struktur der Brüste die Funktion derselben gehemmt ist. Es giebt hier zwey Fälle, die man nicht immer gehörig unterschieden hat. Die Hemmung betrifft entwe- der blos die Ausleerung; oder sie erstreckt sich auch auf die Absonderung. In jenem Fall wird die secernirte, aber stockende Materie von dem Zellgewebe aufgenommen und in andern Organen abgesetzt; es findet hier eine Metastase statt. So D d 4 So fand Galvani Commentar. Bonon, T. V. P. II. p. 502. , dass die Unterbindung der Harnleiter bey Vögeln binnen einigen Tagen den Tod verursacht, und dass nach dem Tode alle Theile, vorzüglich die Membranen, und unter diesen besonders das Bauchfell, mit einer weissen, erdigen Materie bedeckt sind. Bey diesem Ver- such dauert die Sekretion des Urins in den Nie- ren fort, aber der abgesonderte Harn, dessen Ausleerung verhindert ist, setzt sich auf den in- nern Häuten ab. Ist hingegen auch die Sekretion in einem Absonderungsorgan aufgehoben, so tritt unter gewissen Umständen eine wahre vicarii- rende Thätigkeit eines andern Organs ein. Bran- dis , dem das Verdienst angehört, die Wirklich- keit des letztern Falls in seinem Versuch über die Metastasen zuerst bewiesen zu haben, hat doch das Gebiet desselben zu weit ausge- dehnt. Der erstere Fall ist ohne Zweifel der häu- figere. Der letztere scheint immer aus einer, auf das ganze Nervensystem wirkenden Ursache zu entstehen, und Integrität der Nerven desjenigen Organs, dessen Funktion unterdrückt ist, voraus- zusetzen. An der stellvertretenden Sekretion ha- ben die Nerven Antheil. Wo sie zerstört sind, können keine vicariirende Thätigkeiten weiter statt finden. Diese Thätigkeiten übrigens ganz zu läug- nen, und zu meinen, die Natur würde die Or- gane nicht so kunstreich gebildet, denselben Bau eines eines jeden in Modifikationen bey allen Thieren nicht durchgeführt haben, wenn ein Theil wie der andere wirken könnte Rudolphi in den Abhandl. der Königl. Preussi- schen Akad. der Wissensch. f. d. J. 1812 u. 1813. S. 219. , ist sehr unrichtig. Aus dem Bau der Organe lässt sich nichts erklä- ren, als ihre mechanische Wirkungsart. Ueber ihre höhern Funktionen giebt dieser nicht den mindesten Aufschluss. Es ist eben so begreiflich, dass unter der Oberhaut ein gallenartiger Saft ab- gesondert werden kann, als dass die Leber Galle bereitet, oder dass die von der Leber secernirte Galle unter der Oberhaut abgesetzt wird. 10. Wie Organe in Hinsicht auf die Ernäh- rung gegen andere und die Aeusserungen des Empfindungsvermögens gegen die des Bewegungs- vermögens in Antagonismus stehen, so werden auch oft die beyden letztern Nervenwirkungen durch erhöhete Thätigkeit der plastischen Kraft, und umgekehrt, unterdrückt. Man sieht oft so- wohl convulsivische Zufälle, als Schmerzen nach vermehrter Sekretion des Speichels, der Galle, des Darmsafts u. s. w. aufhören, und umgekehrt auf Unterdrückung einer Sekretion Krämpfe oder Schmerzen folgen. Bey einer, von Wienholt Heilkraft des thierischen Magnetismus. Th. 1. S. 1 fg. behan- D d 5 behandelten Kranken, die sechszehn Jahre mit der Epilepsie behaftet gewesen war, trat nach der Anwendung des thierischen Magnetismus an die Stelle der Fallsucht ein Schweiss, der über fünf Jahre täglich drey bis vier Stunden dauerte. Das Empfindungsvermögen steht indess mit der plasti- schen Kraft häufiger in Sympathie als in Antago- nismus, und ist mit dieser enger als das Bewe- gungsvermögen verbunden. Bey jeder Entzün- dung eines äussern Theils nimmt darin die Em- pfindlichkeit in gleichem Verhältniss mit der Thä- tigkeit der plastischen Kraft zu, indem die Be- weglichkeit abnimmt. Entzündungen einiger Ein- geweide sind zwar oft wenig schmerzhaft, doch wohl nur, weil der Einfluss derselben auf das Gehirn durch Ganglien unterbrochen ist. Die Ernährung kann auch bey gänzlichem Verlust der Beweglichkeit fortdauern, wie man häufig an ge- lähmten Gliedern sieht. Umgekehrt kann diese in einem Glied, worin die Ernährung und die Empfindlichkeit grösstentheils aufgehoben sind, noch einige Zeit übrig bleiben. Bey einer, in Zimmermann ’s Werk Von der Erfahrung in der Arzneykunst (Th. 2. S. 249.) erwähnten Kriebelkrankheit verloren die Glieder so sehr alle Empfindlichkeit, dass selbst Verwundungen der- selben keine Schmerzen erregten; der Blutum- lauf und die thierische Wärme hörten zugleich darin auf; aber es blieb doch einige Beweglich- keit keit in ihnen übrig. Hingegen ist mir kein Fall bekannt, wo in einem Glied, das nicht etwa blos an der Oberfläche, sondern auch im Innern aller Empfindlichkeit beraubt war, die Ernährung noch fortgewährt hätte. 11. Alles Missverhältniss zwischen der Thä- tigkeit der plastischen Kraft und den übrigen Nervenwirkungen ist mit dem höchsten Leben un- vereinbar. Doch kann innerhalb gewisser Grän- zen die Gesundheit dabey bestehen. Je veränder- licher aber die Thätigkeit jener Kraft ist, desto leichter wird die Disharmonie zu einem krank- haften Zustand anwachsen. Diese Veränderlich- keit findet vorzüglich in der Jugend statt, wo die bildende Kraft nicht blos für die Erhaltung, sondern auch für die Ausbildung des Organismus wirkt, und wo ihre Thätigkeit sich bald mehr gegen diese, bald mehr gegen jene Theile wen- det. Hier entstehen aus dieser Quelle Entwicke- lungskrankheiten , Abweichungen vom ge- sunden Zustand. die ohne wichtige äussere Ur- sachen ausbrechen, und sich, gemäss dem obigen Gesetz, dass die plastische Kraft vorzüglich mit dem Bewegungsvermögen in Antagonismus steht, besonders durch krampfhafte Zufälle äussern. 12. Zweckmässigkeit in ihren Wirkungen ist ein anderer Charakter der plastischen Nervenkraft, und diesen hat sie mit der ursprünglichen Bil- dungs- dungskraft, von welcher sie ein Ausfluss ist, ge- mein. Aber im gesunden Zustand ist ihre Thä- tigkeit ein regelmässiges, dem der Wärme, des Lichts und der Elektricität ähnliches Wirken. Sie verbindet im thierischen Körper, wie die Wärme in der leblosen Natur, den Sauerstoff mit dem Kohlenstoff; sie bildet in jenem Eyweissstoff und andere Substanzen, die in den Gewächsen durch den Einfluss des Lichts hervorgebracht werden; sie hält in demselben, wie die Elektricität in der Voltaischen Säule, Säuren und Alkalien von ein- ander getrennt, die ohne ihren Einfluss vereinigt seyn würden. Nur bey der periodischen Ausbil- dung des ganzen Körpers und seiner einzelnen Theile zeigen sich im gesunden Zustand Spuren ihrer eigenmächtigen Thätigkeit. Diese scheint in demselben Verhältniss abzunehmen, wie das Em- pfindungs- und Bewegungsvermögen an Stärke wächst. Sie erwacht aber in Krankheiten, und zwar oft desto mehr, je mehr die beyden letz- tern Kräfte geschwächt sind. Sie äussert sich dann als Heilkraft der Natur , als eine hö- here Kraft, worauf keine Gesetze der Reitzbar- keit anwendbar sind, und deren Wirkungen in einerley Classe mit den instinktartigen Handlun- gen der Thiere gehören, von welchen im fol- genden Kapitel die Rede seyn wird. Zweytes Zweytes Kapitel. Instinktartige Nervenwirkungen . E in Thier, dass blos unter den Gesetzen der Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir- kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So sahe Unzer die thierische Natur an, und noch einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt von Brown und Darwin betrachtet. Aber es waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun- gen schon das Alterthum als göttlich pries, und deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird. Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le- ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs- kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge- stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist, wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der Instinkt . Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei- ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck nur nur durch den Willen mit Bewusstseyn hervor- gebracht werden, wobey aber ursprünglich kein Bewusstseyn weder des Zwecks, noch der Mittel statt findet. Solche Handlungen nennen wir in- stinktartige , und die innere Ursache derselben den Instinkt , oder den Naturtrieb . Alle diese Handlungen beziehen sich entwe- der auf das Individuum , oder auf die Gat- tung . Zu den erstern gehören die Triebe der Selbsterhaltung und der Selbstvertheidigung; zu den letztern die Tiebe der Fortpflanzung und die, welche die Nachkommenschaft betreffen M. vergl. Unzer ’s erste Gründe einer Physiologie. S. 240 fg. — Zu einer dieser Classen lassen sich alle, von Reimarus (Ueber die Triebe der Thiere. 3te Aufl. S. 140 fg.) aufgezählte Arten bringen. . Sie haben insgesammt den Charakter hoher Zweck- mässigkeit. Zwar ist nicht jedes Resultat instinkt- artiger Handlungen Zweck derselben, sondern Folge von Nebenursachen. So rührt z. B. nach Wollaston ’s Bemerkung die regelmässige Ge- stalt der Bienenzellen, die man dem Kunstsinn der Bienen zugeschrieben und für eine so wun- derbare Erscheinung gehalten hat, blos von dem Druck her, den die weichen Cylinder gegenseitig auf einander äussern. Sie nehmen die eckige Form auf dieselbe Art an, wie das vegetabilische Zell- gewebe. Die Zellen der einsamen Bienen sind im- immer walzenförmig. Eine ähnliche Regelmässig- keit, wie an den Zellen der gesellschaftlichen Bie- nen, findet man an mehrern andern thierischen Kunstprodukten. Es giebt Galläpfel, in welchen sechs, sieben und mehr Larven von Gallwespen ihre Wohnung haben. Diese liegen aber nicht, wie bey solchen Galläpfeln, worin nur Eine Larve wohnt, in einer einzigen Oeffnung mitten in der Frucht beysammen, sondern der Mittelpunkt ist ganz frey; um diesen befinden sich so viel Zel- len, als Larven vorhanden sind; jede Zelle hat ihre eigenen Scheidewände, und alle stehen in einer so regelmässigen Ordnung, wie die Fächer, in welcher die Kerne der Aepfel und Birnen lie- gen Rösel ’s Insektenbelustigung. B. 3. S. 215. Tab. XXXVI. Fig. 10. . Woher diese Regularität? Sie ist gewiss nicht Folge absichtlicher Handlungen der Gall- wespe, sondern blos der Art, wie sie ihren Kör- per beym Eyerlegen zu wenden genöthigt ist. Die Ausbildung der Zellen geschieht nachher durch den vegetabilischen Bildungstrieb. Indess wenn wir auch in vielen Fällen den Naturtrieben ganz andere Zwecke unterlegen, als sie wirklich ha- ben, oder von dem Instinkt Wirkungen ableiten, die von ganz andern Ursachen herrühren, so bleibt es doch unläugbar, dass ihnen allen Zweck- mässigkeit eigen ist. Das Das Gebiet des Instinkts ist so ausgebreitet, dass ohne denselben die thierische Natur nicht würde vorhanden seyn können. Selbst der ein- fache, mit den Pflanzen so nahe verwandte Polyp muss Instinkt besitzen, um seine Beute zu ken- nen und die zweckmässigsten Bewegungen zum Haschen derselben zu machen. Indess sehen wir selten die instinktartigen Handlungen in ihrer ur- sprünglichen Reinheit. Fast immer sind sie mit Wirkungen der Seele und des Associationsvermö- gens so eng verbunden, dass es leicht ist, die letztern für ihre einzige Ursache anzunehmen. In diesen Irrthum gerieht Condillac Traité des animaux. Amsterd. 1755. P. 2. ch. 1-5. , indem er alle jene Handlungen für erworbene Fertigkeiten hielt. Er würde auf seine, schon von Reima- rus A. a. O. S. 243 fg. gründlich widerlegte Meinung nicht ver- fallen seyn, wenn er den Instinkt mehr in sei- nen einfachsten Aeusserungen betrachtet hätte. Er- worbene Fertigkeiten haben ursprünglich in See- lenwirkungen ihren Grund, werden aber in der Folge durch öftere Wiederholung unter sich und mit andern Nervenwirkungen so verkettet, dass sie endlich ohne Zuthun der Seele vor sich gehen. Diese Bedingungen finden nicht bey jenen Hand- lungen des neugebornen Thiers statt. Durch Uebung erlangt dasselbe zwar grössere Leichtig- keit im Gebrauch seiner Glieder; aber es gebraucht sie sie doch schon vor aller Uebung auf eine zweck- mässige und von aller Uebung unabhängige Flinders sahe auf der Bruntiful-Insel am Van- Diemens-Cap auf Neuholland eine Art Meerschild- kröten, deren Jungen von gewissen Vögeln, die Flinders Trappen nennt, verzehrt werden, von ei- nem wunderbaren Instinkt getrieben, gleich, nach- dem sie dem Ey entschlüpft waren, eiligst und in der geradesten Richtung dem Meere zulaufen, als wüssten sie, dass die Trappen ihnen nachstellten. Wenn Flinders und seine Begleiter sie in einer, von der See abgewandten Richtung niedersetzten, so dreheten sie sich um und nahmen den kürzesten Weg nach dem Meere. (M. Flinders ’s Reise nach dem Austral-Lande. Uebers. von Götze . Weimar. 1816. S. 391.) Hier ist offenbar nichts Erlerntes. Dass es aber auch Handlungen selbst der kleinsten Thiere giebt, die auf Erfahrungen beruhen, ist freylich eben so gewiss. Auf den Pellew-Inseln im Carpentaria- Busen von Neuholland giebt es eine Art schwarzer Fliegen, die anfangs, als Flinders diese Inseln zu- erst besuchte, sich mit der nehmlichen Sorglosigkeit auf jeden Theil des Körpers der Engländer wie auf einen Baum setzten, nach einigen Tagen aber eben so scheu wie die Europäischen Fliegen wurden. ( Flinders a. a. O. S. 405.) Weise. Das Ueben in willkührlichen Bewegun- gen ist auch nur den Thieren der höhern Clas- sen eigen, die nach der Geburt mütterlicher Pflege genie- V. Bd. E e geniessen. Der Schmetterling bedient sich seiner Flügel, seiner Füsse und seines Rüssels gleich, nachdem er seine Hülle abgestreift hat und diese Theile sich entfaltet haben, mit der nehmlichen Leichtigkeit wie in der Folge. Alle willkührliche Bewegungen setzen schon Instinkt voraus. Die Seele giebt zu diesen den Befehl; doch ohne den Instinkt würden ihre Befehle nicht ausgeführt werden. Sie handelt nach Ueberlegung; sie wählt ihre Mittel, verwirft die unpassenden und ver- bessert die unvollkommenen. Ueberlegen, Wäh- len, Verwerfen und Verbessern ist ihr aber nur bey Gegenständen der äussern Sinne möglich. Sie kennt nicht die Nerven, worauf sie zu wirken hat, um gewisse Bewegungen hervorzubringen. Der Instinkt lässt sich auch keinesweges von dem Gefühl des körperlichen Zustandes, von dem, was Reil das Gemeingefühl nannte, ableiten. “Der junge Vogel”, sagt dieser Schriftsteller Abhandl. über das Gemeingefühl. S. 174. In De la Roche ’s Zergliederung der Verrichtungen des Ner- vensystems. Uebers. von Merzdorf . Th. 2. , “der auch ohne seine Mutter erzogen wird, fühlt „die Kraft seiner Brustmuskeln und die Bestim- „mung seiner Flügel, und versucht zu fliegen, „das Kalb zu stossen.” Aber das Gefühl der Kraft eines Muskels enthält nicht den Grund der zweckmässigen Anwendung desselben. Dieser liegt allerdings in dem Gefühl der Bestimmung des Mus- Muskels. Doch das letztere ist der Instinkt sel- ber, der sich nicht unter das Gemeingefühl brin- gen lässt, wenn man nicht unter dieser Benen- un g die verschiedenartigsten Dinge zusammen- fassen will. Obgleich aber die Seelenkräfte ursprünglich an den Aeusserungen des Instinkts keinen Antheil haben, so erwacht doch bey der fortdauernden Wirksamkeit desselben das Bewusstseyn des Zwecks und der Mittel, und dann können freylich Hand- lungen erfolgen, die nicht mehr von dem reinen Trieb herrühren Belege hierzu findet man bey Reimarus . A. a. O. S. 172 fg. . Bey den Thieren beschrän- ken sich indess alle Abänderungen der instinkt- artigen Handlungen auf Modifikationen derselben nach den äussern Umständen. Die Affen erwär- men sich an dem, von Menschen angelegten Feuer; aber sie wissen nicht, das Feuer zu un- terhalten. Nur der Mensch weiss die Umstände nach sich zu modifiziren. Er hat deswegen Per- fektibilität vor den Thieren voraus; aber er steht ihnen darum auch in dem Besitz von Kunsttrie- ben weit nach. Einige Kunsttriebe erfordern immer zur Mo- difikation ihrer Aeusserungen auf jeden einzelnen Fall die Mitwirkung der Seelenkräfte. Hierzu sind E e 2 sind die letztern bey jedem Thier besonders de- terminirt, und in dieser Bestimmung hab sehr enge Schranken, aber auch eine hohe kommenheit. In Beziehung auf jene Art des en- stinkts hatte Reimarus A. a. O. S. 404. nicht Unrecht, in seine Erklärung des Kunsttriebs die Seelenkräfte mit einzumischen. Aber diese Erklärung gilt nicht von dem Instinkt im Allgemeinen, den Reimarus nicht immer genug vor Augen hatte. Dauern die erwähnten Modifikationen fort, so kann endlich das Bewusstseyn bey der Hervor- bringung derselben verloren gehen, und der In- stinkt eine andere, sogar erbliche Richtung be- kommen. Auf diese Weise sind die Kunstfertig- keiten unserer Hausthiere, besonders der verschie- denen Hunderaçen, entstanden. Der Jagdhund äussert in seinem jetzigen Zustand schon gleich nach der Geburt einen andern Instinkt wie der Pudel, dieser einen andern wie der Schäfer- hund u. s. w. Aber dass die ersten Stamm- eltern dieser Thiere ganz andere, ihrem ursprüng- lichen Zustand angemessenere Naturtriebe beses- sen haben müssen, zeigt sich an den verwil- derten Hunden, die in Heerden von mehrern Hunderten leben, gemeinschaftlich auf Raub aus- gehen, vereinigt die stärksten Thiere anfallen, in Südamerika ihre Jungen in Höhlen aufzie- hen hen Narration of the distresses of J. Morris etc. p. 27 , und in einigen Gegenden von Afrika das Bellen verlernt haben Mehrere gute Bemerkungen über diesen Gegenstand findet man in F. Cuvier ’s Observat. sur les chiens de la Nouvelle-Hollande, précedées de quelques re- flexions sur les facultés morales des animaux. (An- nales du Muséum d’Hist. nat. T. XI. p. 458.) . Darum sind jedoch keinesweges, wie E. Dar- win glaubt, die instinktartigen Handlungen der Thiere zufällige, den Künsten der Menschen ähn- liche Fertigkeiten, die sie von ihren Zeitgenossen gelernt, oder durch Ueberlieferung von ihren Vor- fahren erhalten haben. Keine Meinung führt auf so ungereimte Folgen als diese. “Was bewegt”, sagt Darwin Zoonomie. Uebers. von Brandis . Th. 1. S. 336. , “die Biene, welche von Honig „lebt, einen vegetabilischen Staub für ihre Jun- „gen aufzubewahren? Was bewegt den Schmet- „terling, seine Eyer auf Blätter zu legen, da er „selber Honig frisst? Was bewegt die andern „Fliegen, für ihre Jungen eine Nahrung zu su- „chen, die sie sonst nicht verzehren? Wenn „das nicht Ableitungen von ihren vorhergegange- „nen Erfahrungen oder Beobachtungen sind, so „lassen sich auch alle Handlungen des Menschen „in Instinkt auflösen.” Ich würde dagegen sa- gen: E e 3 gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge- leitet sind, so muss man den Thieren einen Be- obachtungsgeist, ein Gedächtniss und einen Scharf- sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See- lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind. Der Schmetterling muss sich dann noch erinnern, als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er muss den Schluss machen können, dass aus den Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer- den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er muss endlich die Pflanze, worauf er im Raupen- zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch ein, dass nichts so widersinnig ist, was nicht ein Philosoph behauptet hätte! Darwin ist übri- gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be- stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we- nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs- männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar specifisch verschieden sind Z. B. bey dem, was er (A. a. O. S. 338, 339.) über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei- sen in verschiedenen Gegenden sagt. . Wovon hängt denn aber der Instinkt ab, wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt? Die Die Antwort auf diese Frage ergiebt sich, wenn man folgende Thatsachen erwägt. Boyle De utilitate philos. oxperiment. Exp. 116. be- obachtete, dass Fliegen, denen die Köpfe abge- schnitten waren, sich noch paarten, und Lyon- net In seiner Anmerkung zu Lesser ’s Théologie des in- sectes. p. 84. sahe den Körper einer Raupe ohne Kopf noch einige Tage herumkriechen, den Rumpf ei- nes Regenwurms, den ein Wasserinsekt fast um ein Drittel an beyden Enden verkürzt hatte, noch eine Woche nachher im Wasser leben, und den Vorder- und Hintertheil einer durchschnittenen Wespe sich noch drey Tage bewegen. Berührte Lyonnet die Raupe, so machte sie die nehmli- chen Bewegungen wie vorher, als sie noch ihren Kopf hatte, und setzte er die Berührungen fort, so ergriff sie die Flucht. Wurde der Rumpf des Regenwurms angetastet, so setzte dieser sich, selbst wenn er in völliger Ruhe gewesen war, gleich in Bewegung. Reitzte man den Vordertheil der Wespe, so biss sie in alles, was man ihr vorhielt, und berührte man ihren Rumpf, so streckte sie ihren Stachel aus und bewegte ihn nach allen Seiten, als wenn sie stechen wollte. Ich habe ähnliche Versuche an Fliegen und Wes- pen gemacht. Schnitt ich diesen Thieren den Kopf E e 4 Kopf ab, so verfielen sie anfangs in Betäubung, erholten sich aber bald wieder und machten dann, wenn sie gereitzt wurden, Bewegungen, denen nichts fehlte, als dass sie nicht durch Gesichts- empfindungen geleitet wurden, um denen, die vor der Enthauptung statt fanden, völlig zu glei- chen. Hier wurden zweckmässige Handlungen ohne Einfluss des Gehirns vollzogen. Blos Ner- ven konnten diese hervorbringen. Die nächste Ursache der instinktartigen Bewegungen eines Or- gans liegt also in den Nerven desselben. Das Gehirn regiert die Wirkungen dieser Nerven in- sofern, als es durch die Sinne mit der äussern Welt zunächst in Verbindung steht. Bey äussern Eindrücken aber, die unmittelbar zu einem Ner- ven gelangen, bewirkt dieser die, jenen Eindrük- ken entsprechenden Handlungen ohne Hülfe des Gehirns. Nur fehlt hier das Vermögen, die Hand- lungen nach den äussern Umständen zu modifizi- ren. Der Grad des Instinkts steht ja auch kei- nesweges mit der Ausbildung des Gehirns in Ver- hältniss. Die ausgezeichnetsten Kunsttriebe sind den Insekten eigen, einer Thierclasse, in welcher dieses Organ eine sehr niedrige Bildungsstufe einnimmt; der Mensch hingegen, bey welchem dasselbe einen zusammengesetztern Bau als bey allen übrigen Thieren hat, besitzt weniger Na- turtriebe als irgend ein anderes Thier. Aber Aber hat etwa, wie Reimarus A. a. O. S. 325. glaubte, jeder Haupttheil der niedern Thiere eine Seele, “deren jede zur Erhaltung dieses Haupttheils, „und so zur Vollkommenheit des Ganzen geschäf- „tig ist, insofern ihre Naturtriebe mit einander „harmoniren, und von einer Hauptseele im Kopfe „regiert werden?” Diese Meinung, zu deren Annahme Reimarus gezwungen war, weil er die instinktartigen Handlungen überhaupt für Wirkun- gen geistiger Kräfte hielt, hemmt alle weitere Forschungen. Es giebt Fälle bey der Untersu- chung der Natur, wo es wichtig ist, jeder Ana- logie nachzugehen, deren Folgesätze sich mit der Erfahrung vergleichen lassen; hingegen eine Ana- logie, die auf eine Theilbarkeit der Seele, oder auf eine Vielheit derselben in einem und demsel- ben organischen Ganzen führt, ist nie zu verfol- gen. Der reine Instinkt ist gewiss eine Nerven- thätigkeit. Die Frage ist nur, ob er für eine eigene Nervenwirkung angenommen werden muss, oder ob er sich von den übrigen Nervenkräften ableiten lässt? Um hierüber zu urtheilen, ist es nöthig, die Entstehung des Instinkts und der von ihm herrührenden Handlungen näher zu unter- suchen. Die instinktartigen Handlungen sind vorzüg- lich darum die räthselhaftesten Erscheinungen der thie- E e 5 thierischen Natur, weil das Grundgesetz aller au- tomatischen Bewegungen, dass jeder Wirkung eine Reitzung vorhergegangen seyn muss, auf sie nicht allgemein anwendbar ist. Welcher Reitz ist es, der den Vogel zum Bau seines Nestes und zum Brüten, die Biene zur Anlegung ihrer Zellen, die Spinne zur Verfertigung ihres Gewebes treibt? Man kann nach der Analogie des Begattungs- und Nahrungstriebes annehmen, dass so wie von diesen der Reitz gewisser, abgesonderter Säfte die erregende Ursache ist, so auch innere Reitze jene Kunsttriebe rege machen. Aber die Absonderung der Säfte wird durch den Einfluss des Nerven- systems vermittelt. Hat man nicht eben so viel Grund, die Nerventhätigkeit, welche die Sekretion der gastrischen Säfte und der Zeugungsflüssigkei- ten hervorbringt, für Mitwirkung, als für Ur- sache derjenigen, die sich als Nahrungs- oder Geschlechtstrieb äussert, anzunehmen? Ist nicht vielleicht jeder Trieb eine ungehemmte Thätig- keit des Nervensystems, und zwecken nicht etwa alle instinktartige Handlungen auf diese Hem- mung, nicht aber auf die Entfernung eines Reit- zes ab? Liegt nicht überhaupt in den Aeusserun- gen des Instinkts etwas Wundervolles, aus kei- nem Gesetz der blossen Reitzbarkeit Erklärbares? Woher entsteht bey beyden Geschlechtern der Be- gattungstrieb zu einerley Zeit, und zwar bey beyden, wenn sie auch ganz von einander ge- trennt trennt sind? Woher weiss das Männchen gleich beym ersten Anblick des Weibchens, dass dieses der Gegenstand seines Sehnens ist? Wer lehrte beyde durch eine körperliche Vereinigung ihr Seh- nen stillen, und diese Paarung durch eine Folge sehr mannigfaltiger Handlungen bewerkstelligen? Die Beantwortung dieser Fragen beruhet auf folgenden Punkten. Das Erwachen des Triebes setzt immer eine körperliche Veränderung voraus, die nicht unmit- telbar durch einen Reitz bewirkt seyn, sondern nur in der fortdauernden und auf eine eigene Art modifizirten Thätigkeit des ursprünglichen Bil- dungstriebs, der einzigen unter den Lebenskräf- ten, die, gleich dem Instinkt, bey ihren Wir- kungen Zweckmässigkeit und einen Schein von Spontaneität zeigt, ihren Grund haben kann. Diese Abstammung des Instinkts von dem Bil- dungstrieb ergiebt sich auch noch aus andern Gründen. Die Kunsttriebe finden sich am ausge- zeichnetsten bey den geschlechtslosen Insekten. Sie hören bey vielen Thieren nach der Begattung auf, da sie vorher sehr rege waren. Sie sind alle Stellvertreter des Bildungstriebes. Der In- stinkt ist ferner ohne allen Zweifel Wirkung des nehmlichen Princips, worin die Heilkraft der Na- tur ihren Grund hat. Diese äussert sich selbst in manchen Fällen als reiner Instinkt. Sie erregt in in Krankheiten unwiderstehliches Verlangen nach heilsamen Dingen und unbezwinglichen Abscheu gegen schädliche Einflüsse. Es giebt sogar in den Schriften der Aerzte Beyspiele von Vorgefühlen in Krankheiten, die den Wirkungen des Instinkts bey manchen Thieren ähnlich sind, z. B. bey Tulpius Observat. med. L. I. Cap. 15. einen Fall von einem melancholischen Jüngling, der auf den Rath eines Wundarztes Euphorbiensaft nahm, und darauf in eine Ner- venkrankheit verfiel, deren Paroxysmen er unfehl- bar immer auf acht Tage vorhersagte M. vergl. Brandis ’s Pathologie. S. 441. — F. B. Osiander über die Entwickelungskrankheiten in den Blüthen-Jahren des weibl. Geschlechts. Göttingen. 1817. . Die Heilkraft der Natur aber ist eine Modifikation des Bildungstriebes. Auch der Instinkt muss also von dem letztern abstammen. Einige Arten des Instinkts enthalten indess nicht den einzigen Grund der Handlungen, die sie zur Folge haben, sondern blos die Anlage zu denselben. Durch den Geschlechtstrieb werden Bewegungen, die auf dessen Befriedigung ab- zwecken, erst dann hervorgebracht, wenn ein Thier des andern Geschlechts die Sinne reitzt. Ohne diese Reitzung erregt jener Trieb nur eine Unruhe, ein blosses Schmachten nach einem un- bekann- bekannten Gegenstand. Hat die Reitzung schon einmal statt gefunden, so steigt mit dem Wieder- erwachen des Triebes die Erinnerung an den Ge- genstand desselben auf, und nun können freylich Handlungen, die auf die Befriedigung des Seh- nens abzwecken, hervorgebracht werden, ehe noch der Gegenstand wieder auf die Sinne ge- wirkt hat. Diese Veranlassung durch äussere Eindrücke findet aber nicht bey allen Arten des Instinkts statt. Es ist nicht ein äusserer Reitz, wodurch die Spinne zur Verfertigung ihres Gewebes, der Vogel zum Bau seines Nestes angetrieben wird. Selbst da, wo äussere Einflüsse die erregenden Ursachen gewisser instinktartiger Handlungen zu seyn scheinen, sind jene doch schwer zu bestim- men. Schon die Entstehung des Hungers und Durstes, zweyer Triebe, die doch eine sehr ma- terielle Ursache zu haben scheinen, ist nicht leicht zu erklären. In Dumas ’s Versuchen Journal général de Médécine. An XI. Ventose. stillten Opium, Campher, spirituöse und tonische Mittel, kaltes Wasser und oxygenirt-salzsaures Queck- silber den Hunger bey Hunden, die eine Zeit lang gefastet hatten; Oel, Emulsionen und lau- warmes Wasser bewirkten dieses nicht. Bey aus- gehungerten Hunden fand sich der Magen zusam- mengezogen; die Eingeweide waren verrückt und die die Säfte der Verdauungswerkzeuge absorbirt. Bey einem Hunde, der vor Hunger umgekommen war, schienen die einsaugenden Gefässe auf die Substanz der Digestionsorgane selber gewirkt und diese angegriffen zu haben. Der Durst wurde vermehrt durch Opium, geistige, in Uebermaass genommene Getränke, oxygenirt-salzsaures Queck- silber und künstlich erregtes Fieber, hingegen vermindert durch Wasser, Salpeter und Aderlässe. Bey einem sehr durstigen Hund, dem der Durst durch ein Aderlass gestillt worden war, hatte sich auf dem Blut eine Entzündungshaut gebildet. In einem andern, von Durst sehr gemarterten Hund, den man öffnete, fand man die Einge- weide entzündet, an einigen Stellen des Magens und der Gedärme wirklichen Brand, und das Blut in der Nähe des Herzens geronnen. Dumas schliesst hieraus, dass alles, was das Nervensy- stem und die absorbirenden Gefässe reitzt, Hun- ger verursacht, was aber die Thätigkeit des Sy- stems der Blutgefässe vermehrt, Durst hervor- bringt. Diese Versuche sind die einzigen, die bis jetzt über die Entstehung des Hungers und Durstes angestellt sind. Es lässt sich daran aus- setzen, dass vielleicht nicht gehörig zwischen ge- stilltem Hunger und krankhaft verminderter Ess- lust unterschieden ist, und dass Nebenwirkungen für Ursachen angenommen sind. So viel ist aber wohl gewiss, dass jene Triebe nicht blos von einer einer örtlichen Reitzung der Magennerven, son- dern von einer Umstimmung der Nervenreitzbar- keit überhaupt, die in einer gewissen Mischungs- veränderung des Bluts ihren Grund hat, her- rühren. Eben so schwer hält es, den äussern Reitz anzugeben, wodurch der Wanderungstrieb gewis- ser Thiere geweckt wird. In Betreff einiger Ar- ten ist vielleicht die, von Reimarus A. a. O. S. 452. geäusserte Vermuthung richtig, dass es die atmosphärische Wärme ist, was sie nach gewissen Gegenden hin- zieht. Allein diese Ursache findet nur bey wenig Thieren statt. Die meisten wandern aus, oder bereiten sich ein Winterlager, lange vorher, ehe sich die Temperatur der Luft ändert. Der Bo- back (Marmota Bobac), der im Sommer kein Nest hat, bereitet sich im Herbst ein Lager, worin er den Winter schlafend zubringt. Was ihn zu dieser Arbeit antreibt, ist aber nicht die abnehmende Sommerwärme: denn er macht sich auch ein Nest, wenn er in einem Zimmer ge- halten wird, wo immer eine gleiche Temperatur herrscht Pallas Novae species quadrup. e glirium ordine. Ed. 2. p. 106. . Er muss also eine Vorempfindung der Annäherung des Winters haben. In Canada sind die Wanderungen der wilden Tauben, der Bären Bären und Eichhörnchen ein unfehlbares Vorzei- chen eines bevorstehenden strengen Winters Weld ’s Reisen durch die Staaten von Nordamerika. S. 366. Im Berlin. Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen. B. 20. . Diese Thiere haben also eine Vorempfindung nicht nur von der Ankunft des Winters überhaupt, sondern auch von der Beschaffenheit desselben. Nach C. A. Schmid ’s Versuche über die Insekten. Th. 1. S. 47 fg. Beobachtungen findet ein solches Vorempfindungsvermögen auch bey den Insekten statt. Er bemerkte, dass die meisten dieser Thiere, die überwintern, sich, wenn ein anhaltender und harter Winter folgte, ungewöhn- lich früh in ihre Winterlager begeben hatten, dass hingegen in Herbsten, die gelinden und verän- derlichen Wintern vorhergingen, die gewöhnlichen Zufluchtsörter der Insekten im Winter oft noch tief in den November hinein von überwinternden Käfern leer waren. Manche Thiere zeigen durch ihr Verhalten auch vorübergehende Veränderungen der Witterung an. Von dem Laubfrosch und dem Schlammpeitzger (Cobitis fossilis) ist diese Eigen- schaft allgemein bekannt. Sie erstreckt sich aber auch auf manche Zoophyten, z. B. auf die See- anemonen (Actinia senilis), die einen bevorste- henden Sturm ankündigen, indem sie sich zu- sammenziehen und schliessen Dicquemare , Philos. Transact, Y. 1775. . In In diesen und ähnlichen Fällen wirken gewiss cosmische Kräfte. Bey manchen ist vielleicht die atmosphärische Elektricität die erregende Ursache. Aber bey allen kann es diese nicht seyn. Herr Jacobson aus Kopenhagen und Herr Professor Heineken , die hier in Bremen Versuche über den Einfluss des elektrischen Bades auf den Schlamm- peitzger mit einer starken Elektrisirmaschine mach- ten, bemerkten gar keinen Einfluss davon auf diesen, für Veränderungen des Wetters so em- pfindlichen Fisch. Von welcher Beschaffenheit die hier wirken- den Einflüsse aber auch sind, so ist es doch ge- wiss, dass sie eine gewisse Stimmung des Ner- vensystems verursachen, wodurch Vorstellungen erweckt werden, die das Begehrungsvermögen in Thätigkeit setzen und dadurch die instinktartigen Handlungen hervorbringen. Bey dieser Art des Instinkts, welche auf die Erlangung oder Abwen- dung eines künftig eintretenden Eindrucks ab- zweckt, sind also immer die Seelenkräfte mit thätig. Von ihr lässt sich nicht annehmen, dass sie nach der Trennung des Gehirns noch eine Zeit lang fortdauert. Ein solches Fortwähren fin- det nur bey der Art statt, die durch einen ge- genwärtigen Eindruck veranlasst wird und sich blos auf diesen bezieht. Enthauptete Fliegen und Wespen suchen nur zu entfliehen, oder strecken V. Bd. F f nur nur ihren Stachel hervor, wenn sie berührt wer- den. Eine Schlange aber, die, wie Perrault Oeuvres de Physique et de Mechanique. Vol. I. p. 271. erzählt, nach abgehauenem Kopf noch auf dem Hof nach einem Steinhaufen kroch, unter wel- chem ihr gewöhnlicher Aufenthalt war, und zwey Seeschildkröten, die, wie Azara Voyages dans l’Amérique méridion. sahe, nach- dem ihnen in ziemlich weiter Entfernung vom Meer die Köpfe abgeschlagen waren, umkehrten und in die See liefen, hatten schwerlich mehr als blos den vordersten Theil des Gehirns ver- loren. Bey beyden Arten des Instinkts können jedoch in den meisten Fällen die nächsten ver- anlassenden Ursachen der instinktartigen Handlun- gen nicht blosse Sinnenreitze seyn. Diese Ursa- chen müssen auf einem Verhältniss der Aussen- welt zum Nervensystem beruhen, das von dem Verhältniss der Gegenstände zu den äussern Sin- nen sehr verschieden ist und wovon im folgenden Kapitel die Rede seyn wird. Drittes Drittes Kapitel. Dynamische Wirkungen des Nerven- systems . N ichts ist gewisser, als dass es unter Allem, was Leben hat, eine Verbindung giebt, die nicht blos materieller Art ist. Myriaden lebender We- sen gehen täglich unter; Myriaden kommen täg- lich zum Daseyn; von tausend Zufällen ist ihr Entstehen, ihr Daseyn und ihr Vergehen abhän- gig; und doch fliesst der Strohm des allgemeinen Lebens stets in demselben Bett, in derselben Rich- tung und in gleicher Fülle. Woher diese ewige Beständigkeit bey allem Wechsel? Woher die be- ständige Gleichheit in dem Verhältniss der Ge- borenen gegen die Gestorbenen, der männlichen. Individuen gegen die weiblichen und der Arten gegen Arten? Es lässt sich aus Gründen der Wahrscheinlichkeitsrechnung darthun, dass diese Unveränderlichkeit nicht vom Zufalle abhängig seyn kann La Place Essai philosophique sur les probabilités. 2de édit. (Paris. 1814.) p. 95. 99. 103. . Aber alle Individuen der lebenden Natur sind dem Zufall unterworfen. Giebt es nicht F f 2 nicht höhere Wesen, die immer wieder ausbes- sern, was das Ohngefähr verrückt hat, so ist nichts übrig, als eine Abhängigkeit aller Kräfte, die der Erzeugung und dem Daseyn der einzel- nen lebenden Wesen vorstehen, von einander, oder von einer gemeinschaftlichen Urkraft anzu- nehmen. Für ihre Abhängigkeit von einer ur- sprünglichen Kraft kann uns die Erfahrung keine weitere Beweise als die erwähnten Thatsachen lie- fern. Hängen sie aber auch wechselseitig von einander ab, so ist es möglich, dass noch andere Erscheinungen in diesem ihrem gegenseitigen Ver- hältniss begründet sind. Hier erheben sich aber Schwürigkeiten. Jene Abhängigkeit kann nicht an die materielle Sphäre des lebenden Wesens gebunden seyn, sondern muss auf reinen Kraftäusserungen ( dynamischen Wirkungen) beruhen. Aber worin besteht das Kennzeichen der letztern? Licht, Wärme und Elektricität gehören vielleicht ebenfalls zu densel- ben. Mehrere lebende Körper wirken durch diese Agentien in die Ferne. Allein ein solcher Wir- kungskreis ist ein blos physischer, von welchem manche merkwürdige Erscheinungen in der leben- den Natur herrühren können und wirklich herrüh- ren, wovon sich aber nicht jene höhere, zwischen den sämmtlichen Individuen und Arten des Thier- und Pflanzenreichs statt findende Verbindung ab- leiten leiten lässt. Besonders scheint ein elektrischer Wirkungskreis der Thiere den Grund mehrerer Phänomene zu enthalten. Vielleicht lassen sich alle, blos physische Erscheinungen des thierischen Magnetismus aus demselben erklären. Humboldt Versuche über die gereitzte Muskel- u. Nervenfaser. B. 1. S. 211 fg. entdeckte, dass bey der Anwen- dung des Galvanischen Reitzmittels an abgeschnit- tenen, noch sehr reitzbaren Gliedern von Thieren oft schon Muskelbewegungen erfolgen, wenn die Armaturen noch nicht mit dem Nerven oder dem Muskel in unmittelbarer Berührung sind, oder auch wenn der Nerve durchschnitten und das obere, armirte Ende desselben von dem untern um einen Zwischenraum von 1 bis 5/4 Linien ent- fernt ist. Er glaubte hierin einen Beweis für eine dynamische Wirkungssphäre der thierischen Organe gefunden zu haben. Allein auch aus die- ser Erfahrung, so wie aus allen übrigen, wobey Metalle und andere leblose Körper aus der Ent- fernung auf den thierischen Körper Einfluss ha- ben Z. B. Wienholt ’s Versuchen über den Einfluss von Metallen auf Schlafende, in dessen Heilkraft des thie- rischen Magnetismus. Th. 3. Abth. 1. S. 233 fg. , lässt sich, wie Rudolphi Beil ’s Archiv f. d. Physiol. B. 3. S. 188. mit Recht erin- F f 3 erinnert hat, blos auf elektrische Wirkungen schliessen. Erheblicher ist der Grund, den Reil Gren ’s Neues Journal der Physik. B. 1. H. 1. S. 113. — Reil de structura nervorum. Cap. VIII. p. 28. von der krankhaften Empfindlichkeit in Theilen, die keine Nerven haben, z. B. in den Knochen, für jenes dynamische Wirken hernahm. Indess die Möglichkeit bleibt auch hierbey, dass mit den Blutgefässen solcher Theile Nervenmasse verwebt seyn kann, deren Reitzbarkeit in gewissen Krank- heiten erhöhet wird, oder zu welcher durch die krankhaft veränderten, umliegenden Organe Reit- zungen gelangen, die im gesunden Zustande kei- nen Eindruck machen Rudolphi a. a. O. — Derselbe in den Abhandl. der physikal. Klasse der Königl. Preussischen Akad. d. Wissensch. f. d. J. 1812-13. . Die eigentlichen Beweise für ein Wirken des Lebendigen, das nicht durch materielle Conduk- toren und nicht durch blosse physische Kräfte vermittelt wird, sind in Erscheinungen zu suchen, bey welchen die Seele mit thätig ist, die man deswegen von dieser abzuleiten leicht verführt wird, die aber näher untersucht eine andere Quelle haben müssen. Zuerst gehören hierher alle solche Aeusserun- gen des Instinkts, die auf einer Anziehung thie- rischer rischer Individuen gegen einander zu beruhen scheinen. Eines der merkwürdigsten Beyspiele ist die Begattung der Frösche. Die Männchen dieser Thiere haben kein äusseres Zeugungsglied. Sie können das wollüstige Gefühl, wodurch andere männliche Thiere bey der Begattung zur Auslee- rung des Saamens gebracht werden, nur durch die Ballen der Vorderfüsse erhalten, welche bey ihnen gegen die Brunstzeit anschwellen, die mit dieser Turgescenz sehr empfindlich zu werden scheinen, und die sie dey der Paarung gegen den Bauch des Weibchens drücken. Aber was treibt sie, sich hierdurch und nicht durch Umfassung eines jeden andern weichen Gegenstandes das Ge- fühl der Wollust zu verschaffen? Ist es ein eige- ner, materieller Eindruck, den das Weibchen auf die Sinnesorgane des Männchens hervorbringt? Die Annahme eines solchen Eindrucks erklärt nur die Erregung des Triebes, nicht die Anziehung des Männchens zum Weibchen, und noch weni- ger das Gleichzeitige der Ausleerung des männ- lichen Saamens und der weiblichen Eyer. Fin- den wir doch selbst im Innern des thierischen Körpers, besonders an den innern weiblichen Zeugungstheilen, Bewegungen gewisser Organe gegen andere, die sich schwerlich anders als aus einer, durch ein wechselseitiges, dynamisches Wirken vermittelten Anziehung, einer thieri- schen Affinität , wie Laplace sie genannt F f 4 hat hat La probabilité de l’existence du sentiment décroit, à mesure que la similitude des organes avec les nô- tres, diminue; mais elle est toujours très-forte, même pour les insectes. En voyant ceux d’une même espèce, exécuter des choses fort compliquées, exactement de la même manière, de générations en générations, et sans les avoir apprises; on est porté à croire qu’ils agissent par une sorte d’affinité, ana- logue à celle qui rapproche les molécules des cri- staux, mais qui se mêlant au sentiment attaché à toute organisation animale, produit avec la régularité des combinaisons chimiques, des comhinaisons beau- coup plus singulières: on pourroit peut-être nommer affinité animale , ce mélange des affinités électi- ves et du sentiment. ( La Place a. a. O. p. 173.) , erklären lassen. Wie gelangen sonst bey den Fröschen die Eyer in die Muttertrompeten? Schon Swammerdamm sahe dieses Räthsel für ei- nes der schwersten in der Anatomie an Motus ovi ex ovario per tubam in uterum ranae non modo valde obscura est, sed etiam adeo difficilis demonstratu, ut in universa Anatome haud sciam aliud quidpiam aeque absconditum reperiri. Fateor, isrius motus ratio in aliis quidem animalibus pa- riter obvoluta tenebris latet: at vero in rana penitus inexplicabilis est. ( Swammerdammii Biblia Nat. T. II. p. 802.) , und jeder, der die Struktur und Lage der weiblichen Zeugungstheile jener Thiere kennt, wird geste- hen müssen, dass hierbey noch andere Gesetze als als die, nach welchen die übrigen automatischen Bewegungen im thierischen Körper erfolgen, zu herrschen scheinen. Zu den erwähnten Erscheinungen gehören zweytens die Phänomene der sympathetischen Reitzbarkeit , des Vermögens der Thiere, von dem Anblick gewisser Bewegungen anderer, mit ihnen der Art nach gleicher, oder wenigstens verwandter Individuen unter gewissen Umständen zu ähnlichen Bewegungen gezwungen zu werden. Am auffallendsten äussert sich dieselbe bey den Affen, den Kindern, mehrern uncultivirten Na- tionen und in krankhaften Fällen. Unter den Lappen fand Högström mehrere, die alle Be- wegungen Anderer unwillkührlich nachahmten. “Wenn jemand den Mund zusammenzieht”, sagt Högström Beschreibung des Schwedischen Lappland. , “oder mit den Fingern auf etwas „hinweist, oder tanzt, oder andere Gestikulatio- „nen vornimmt, so ahmen sie alles dies auf das „Vollkommenste nach, und wenn dies geschehen „ist, so fragen sie, ob sie sich ungeberdig auf- „geführt hätten, indem sie, wie sie selber ge- „stehen, nicht wissen, was sie gethan haben. „Eben diese Lappen sind in einem so hohen „Grade reitzbar, dass sie durch den kleinsten un- „erwarteten Schall und durch die unbedeutendste, „nicht F f 5 „nicht vorhergesehene Erscheinung, z. B. durch „einen abspringenden Feuerfunken, in Ohnmach- „ten oder Zuckungen versetzt werden.” Boer- haave De morbis nervorum. p. 421 sq. führt das Beyspiel eines Mannes an, der zwar klein und mager, sonst aber gesund, von Kindheit an der sympathetischen Reitzbarkeit so sehr unterworfen war, dass er alle Bewegun- gen Anderer wider seinen Willen nachahmte M. vergl. Tissot ’s Traité des nerfs. T. III. p. 303. . Hierbey erstreckt sich zwar jene Sympathie blos auf willkührliche Bewegungen, und darum scheinen auf den ersten Anblick die Aeusserungen derselben psychischen Ursprungs zu seyn. Allein mit ihnen hat offenbar der Uebergang unwillkühr- licher und mit Verlust des Bewusstseyns verbun- dener Bewegungen auf Andere beym Anblick epi- leptischer, cataleptischer und ähnlicher Zufälle einerley Grund Das neueste Beyspiel ist das von Fritze in Hufe- land ’s Journal der praktischen Heilk. (B. 12. St. 1.) erzählte. Ein junges Mädchen wurde in der Berliner Charité von Zuckungen befallen. Vierzehn anwe- sende weibliche Personen, auf welche der Schreck von diesem Anblick wirkte, bekamen ähnliche Zu- fälle. . Die blosse Gesichtsempfindung und der Schreck über das Uebel kann nicht den Grund des Ausbruchs der nehmlichen Krankheit bey dem sich Entsetzenden enthalten. Die Form der der letztern muss von einer andern Ursache ab- hängen, einer Wirkung des Lebenden auf das Lebende und besonders verwandter Wesen auf einander, vermöge welcher vielleicht auch ohne sinnliche Eindrücke jener Uebergang der Epilepsie und anderer Nervenübel von Menschen auf an- dere eintreten kann. Wer ohne Voraussetzung einer solchen, von dem denkenden Princip ver- schiedenen Ursache jene Thatsachen zu begreifen glaubt, der erkläre, wie selbst der Anblick von leichten Augenentzündungen, wobey nicht die mindeste geistige Rührung vorgeht, in manchen Menschen die nehmliche Krankheit veranlasst. Wir leiten überhaupt vielleicht zu Vieles aus blossen psychologischen Gründen ab, dessen Haupt- ursache in jener Sympathie und Synergie der or- ganischen Individuen liegt. Die wunderbarsten und verwickeltsten aller willkührlichen Bewegun- gen, diejenigen, wodurch die Sprache hervorge- bracht wird, lernt der Mensch in der Periode des unbewussten Lebens. Es ist, sagt man, der Nachahmungstrieb, vermöge welchem die erste Bildung der Sprachtöne geschieht. Aber jeder Trieb, der ohne Bewusstseyn durch den Orga- nismus auf die äussere Welt wirkt, ist nicht rein geistiger Art, sondern mit in der Organi- sation begründet. Er ist weit stärker bey dem blos sinnlichen, als bey dem geistigern Men- schen. schen So besitzen die rohen Bewohner von Neu-Süd- Wallis eine ausgezeichnete Fertigkeit im Nachahmen der Bewegungen Anderer. ( Turnbull ’s Reise um die Welt, im Berlin. Magazin der Reisebeschreibun- gen. B. 27. S. 32. . Höchst langsam und meist nur sehr unvollkommen würde der Mensch den Gebrauch der Sprache erlangen, wenn die Sprachorgane ursprünglich blos durch freye Willkühr und nicht zugleich durch dieselbe Synergie, wodurch in den Werkzeugen des Athemholens beym Anblick eines Gähnenden wider unsern Willen die Bewegung des Gähnens entsteht, in Thätigkeit gesetzt würden. Auch die wunderbare Einwirkung mancher Raubthiere auf andere Thiere, die ihnen zur Beute dienen, lässt sich mit Recht als ein Beweis des dynamischen Einflusses lebender Organismen auf andere anführen. Montaigne Gedanken u. Meinungen über allerley Gegenstände. Uebers. von Bode . B. 1. S. 176. erzählt von einer Katze, die einen Vogel auf einem Baum in die Augen fasste, und der sich dieser, nach- dem sich beyde eine Zeit lang starr angegafft hat- ten, wie tod in die Krallen stürzte. Gäbe es blos diese einzelne und etwa noch einige ähn- liche Beobachtungen, so würde sich nichts Siche- res in Beziehung auf unsern Gegenstand daraus schliessen lassen. Allein in den verschiedensten Welt- Weltgegenden herrscht allgemein unter den Ein- gebornen der Glaube an ein Bezauberungs- vermögen gewisser Schlangen, wodurch diese aus der Entfernung dergestalt auf andere Thiere wirken, dass dieselben sich ihnen nähern müs- sen, als ob sie von ihnen angezogen würden. Kalm Abhandl. der Schwed. Akad. der Wissensch. J. 1753. S. 61. — Reise nach dem nördl. Amerika. B. 2. Gör- tingen. 1764. S. 457 fg. . Michaelis Göttingisches Magazin. Herausgegeben von Lich- tenberg u. Forster . Jahrg. 4. St. 1. S. 114 fg. und Bartram Reisen in Nordamerika. S. 255. Im Berlin. Magazin der Reisebeschreibungen. B. 10. fanden diesen Glauben in Nordamerika allgemein herr- schend, wo vorzüglich der Klapperschlange (Cro- talus horridus L.) und der schwarzen Schlange (Coluber Constrictor L.) das Bezauberungsvermö- gen zugeschrieben wird. Dobrizhoffer Geschichte der Abiponer. Th. 2. S. 388, 392. traf unter den Spaniern und Eingebornen in Paraguay die Meinung an, dass der Blick der dortigen Am- palaba-Schlange bezaubernd wirke. Nach Vail- lant , J. R. Forster Le Vaillant ’s zweyte Reise in das Innere von Afrika. Mit Anmerk. von J. R. Forster . B. 1. Im Berlin. Mag. der Reisebeschr. B. 12. und Barrow Reisen in das Innere von Südafrika in den J. 1797 u. 1798. A. d. Engl. Leipzig. 1801. S. 174. wird die die Bezauberung ganz mit denselben Umständen in Südafrika wie in Amerika erzählt. Vaillant erhielt ferner von einem Gouverneur Blamhot die Versicherung, dass am Senegal ebenfalls kei- ner der Eingebornen an einem Bezauberungsver- mögen der Schlangen zweifele, welches sich so- gar auf Menschen erstrecke. Dass auch schon die Alten dieses Vermögen der Schlangen kann- ten, beweist sowohl eine Stelle des Plinius Hist. nat. L. VIII. Cap. 14. , wo von Schlangen am Flusse Rhyndacus im Pon- tus die Rede ist, welche vorbeyfliegende Vögel zu sich herabzögen, als die Sage derselben von dem bezaubernden Blick des Basilisken M. vergl. Zimmermann ’s Anmerk. zu S. 7 seiner Uebersetzung von B. S. Barton ’s Abhandl. über die vermeinte Zauberkraft der Klapperschlange u. s. w. Leipzig. 1798. . An der Wahrheit der Sache selber lässt sich nach diesen übereinstimmenden Zeugnissen nicht nur der verschiedensten und in keiner Vesbindung mit einander stehenden Völker, sondern auch un- terrichteter Augenzeugen Von welchen unter andern Michaelis (A. a. O. S. 115.) mehrere anführt. nicht zweifeln. Nur über die Ursache der Erscheinung können Zwei- fel statt finden. Man hat mehrere Erklärungen derselben gegeben, unter welchen aber nur zwey eini- einigen Schein für sich haben: Eine, wobey die giftigen Ausdünstungen der Schlangen für die Ursache ihrer Einwirkung auf andere Thiere an- genommen wird, und eine zweyte, wobey man voraussetzt, dass die Zauberkraft der Schlangen sich nur auf Vögel erstreckt, die Nester mit Jungen in der Nähe haben, und dass die Angst dieser Thiere und ihr Herabkommen zur Schlange blos Wirkungen der elterlichen Liebe sind, die das Thier antreibt, seine bedroheten Jungen mit eigener Lebensgefahr zu vertheidigen Beyde Erklärungen rühren von Kalm her (Ab- handl. der Schwed. Akad. J. 1753. S. 63.) Die letz- tere hat Barton in seiner angeführten, sehr ober- flächlichen Schrift, nicht nur ohne Nennung des wackern Kalm als ihren Urhebers, sondern selbst mit Herabsetzung desselben, weiter ausgeführt. . Für die erstere Erklärung scheint zwar dies zu sprechen, dass die Ausdünstung der Klapperschlange giftiger Art ist. Allein nach den Beobachtungen von Mi- chaelis A. a. O. S. 105. äussert dieses Gift betäubende Wir- kungen, also ganz andere als die, welche der Blick der Schlange hervorbringt. Thiere, die jener mit einer Klapperschlange in einerley Be- hälter setzte, wurden still, schläfrig und wie be- rauscht. Vögel. Eichhörnchen u. s. w. hingegen, die von einer Schlange angestarrt werden, blei- ben nicht unbeweglich, sondern hüpfen von Zweig zu zu Zweig den Baum herab, worunter diese liegt. In Betreff der zweyten Erklärung hat schon Mi- chaelis Ebendas. S. 119. erinnert, dass ihm Beyspiele bekannt seyen, wo schwerlich ein Nest des bezauberten Thiers in der Nähe seyn konnte, und die Schlange anfangs sehr weit von dem Vogel entfernt war, der ganz zu ihr herabkam. Nach einigen, von Kalm A. a. O. S. 65. , Vaillant und dem ältern Forster In Vaillant ’s angeführter Reise. erzählten Beyspielen scheint sich ferner die Be- zauberung auch auf Menschen zu erstrecken, worauf diese Erklärung keine Anwendung leidet. Was ihr aber alle Wahrscheinlichkeit benimmt, ist die Thatsache, dass der Armpolyp einen Ein- fluss auf seine Beute äussert, der jenem Bezau- berungsvermögen analog ist. Der Regenwurm, der sonst ein so zähes Leben hat, erstarret in dem Augenblick, da ihn der Polyp angreift. Nach der Erstarrung findet man an ihm keine Spur einer Verletzung, die der Polyp, dem es an jedem verwundenden Werkzeug fehlt, auch nicht hervor- bringen kann, und die auch den Regenwurm, der selbst zerstückelt noch fortlebt, nicht tödten würde. Fontana Beobacht. u. Versuche über die Natur thierischer Kör- per. Uebers. von Hebenstreit . S. 192, 198. — Ab- handl. über das Viperngift. S. 55 der Deutschen Uebers. , dem diese Erscheinung auf- fiel, fiel, nahm an, dass der Armpolyp jenen Einfluss durch ein Gift äussere, welches auf ähnliche Art wie das Viperngift wirke. Aber es giebt unter den Zoophyten nur Beyspiele von scharfen Giften bey den Seeblasen (Physalis), die allenthalben, wo man mit ihnen in Berührung kömmt, einen brennenden Schmerz und Bläschen auf der Haut wie von Brennessein erregen Tilesius in Krusenstern ’s Reise um die Welt. Th. 3. S. 1 fg. , keines aber von Absonderung einer narkotischen Substanz, wie man hier doch voraussetzen müsste. Einen Hauptbeweis für ein dynamisches Wir- ken der lebenden Körper liefert noch die Entste- hung der Muttermäler , Abweichungen des Embryo von der regelmässigen Gestalt, die nach der ersten Bildung desselben als Folgen gewisser Empfindungen oder Vorstellungen der Mutter ent- standen sind und mit diesen in einer unverkenn- baren Beziehung stehen. Es lässt sich nicht läug- nen, viele Fälle von solchen Mälern, die man in ältern Schriften, besonders in den Abhandlun- gen der Kaiserlichen Akademie der Naturforscher, findet, ertragen keine genaue Prüfung. Seitdem Haller Elem. Physiol. T. VIII. L. XXIX. S. 2. §. 21 sq. p. 135 sq. sie einer Critik unterwarf, sind ähn- liche Beobachtungen auch in den Werken der Aerzte und Naturforscher immer seltener gewor- den. Aber nach der strengsten Sichtung bleiben doch noch eine Menge Fälle übrig, die man für Beweise einer Einwirkung von Empfindungen oder Vorstellungen auf die Gestalt der Frucht gelten lassen V. Bd. G g lassen muss, wenn man nicht jeden Schluss durch Induktion für ungültig erklären, oder glaubwürdi- gen Beobachtern allen Glauben entziehen will. J. D. Brandis hat unter andern einen Fall von einem zwölfjährigen Knaben bekannt gemacht, bey welchem er eine sehr glücklich operirte Ha- senscharte zu bemerken glaubte, der diese aber mit auf die Welt gebracht hatte, nachdem die Mutter in ihrer Schwangerschaft bey der Opera- tion einer Hasenscharte zugegen gewesen war Hufeland ’s u. Harles ’s Journal der prakt. Heilk. 1815. St. 8. S. 38. . Nach Klein ’s Beobachtung gebahr eine Frau, die im achten Monat ihrer Schwangerschaft plötzlich ihren geschlagenen Mann mit seiner blau gesch wol- lenen, linken Seite des Gesichts und Ohrs, mit seiner aufgequollenen, herabhängenden Unterlippe und geschwollenen Nase erblickte, im neunten Monat ein Mädchen mit einer aufgequollenen Nase, sehr aufgedunsenen, herabhängenden, blauen Un- terlippe und einem blaulichrothen, schwammigen Auswuchs, der die ganze linke Hälfte der Stirne und das obere Drittel der linken Wange be- deckte Meckel ’s Archiv f. d. Physiologie. B. 2. S. 353. — Einige ähnliche Beobachtungen Klein ’s findet man in Siebold ’s Journal f. d. Geburtshülfe. B. 1. H. 2. . Nach einer Anzeige in den Abhandlun- gen der Londoner Linneischen Gesellschaft wurde eine trächtige Katze von einer Magd zufällig auf den Schwanz getreten. Das Thier warf fünf Junge, von welchen vier einen Schwanz mit zur Welt brachten, dessen hinteres, nach der linken Seite gekehrtes Ende mit dem vordern einen rech- ten ten Winkel machte und welcher an der Spitze dieses Winkels einen Knoten von der Grösse einer Erbse hatte Transact. of the Linnean Society of London. Vol. IX. p. 323. . Lässt sich aus diesen und so vielen ähnlichen Fällen nicht auf ein Causalverhältniss zwischen dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken von Seiten der Mutter schliessen, so ist der grösste Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch weit schwächern Grunde gebauet. Muss man aber ein solches Verhältniss hier gelten lassen, so muss man auch zugeben, dass die Ursache des Mals nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven und keine durch Blutgefässe statt. Ein nährender Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo. Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter jener Einwirkung M. vergl. Wienholt ’s hinterlassene ärztliche Mis- cellen. Herausgegeben von Scherf . (Bremen. 1807.) S. 19 fg. . Bechstein Gemeinnützige Nat. Gesch. Deutschlands. erzählt aus eigener Erfahrung, dass aus den Eyern von schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte Schleiertauben ausbrüten lässt. Wenn diese Er- fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen freyen, G g 2 freyen, und geübten Beobachters richtig ist, so lässt sich nicht an einem inmateriellen Einfluss der Mutter auf die Frucht zweifeln. Und ge- schieht er bey den Säugthieren auch durch den nährenden Stoff, den der Foetus von der Mutter empfängt, so bleibt er doch wenigstens eben so sehr hyperphysisch, als der Einfluss des Vaters auf die körperliche und geistige Beschaffenheit des Kindes. An alle diese Gründe reihen sich endlich noch die Erscheinungen der höhern Grade des Som- nambulismus. Es giebt bey den Schlafwandlern sehr viele, denen, die wir an Thieren finden, ähnliche Beyspiele von Erwachen eines wunder- baren und unwiderstehlichen Instinkts, von Sym- pathie und Antipathie, von einem, durch nichts Materielles vermitteltem Wirken des Geistigen auf das Körperliche verschiedener Individuen; diese Fälle wurden von sehr verschiedenen Beobachtern und unter den verschiedensten Umständen wahr- genommen, und unter ihnen herrscht im Wesent- lichen die grösste Uebereinstimmung. Man kann bey manchen derselben ohne Aberglauben oder Leichtgläubigkeit Nebensachen nicht für richtig anerkennen; aber man kann auch bey den mei- sten ohne übertriebenen Skepticismus die Haupt- sachen nicht verwerfen. Zu bestimmen, wo auf diesem Felde die Gränze zwischen Wahrheit und Irrthum liegt, ist hier indess noch nicht der Ort. Wir werden im folgenden Buch, welches die Seele in biologischer Hinsicht zum Gegenstande ha- ben wird, auf jene Erscheinungen zurückkommen. Erklärung Erklärung der Kupfertafeln . Die vier, dem gegenwärtigen Band beygefügten Kupfertafeln dienen zur Erläuterung dessen, was ich im ersten Abschnitt des achten Buchs über das Nervensy- stem der Bienen, des Maulwurfs und des Delphins be- merkt habe, und zugleich als Proben eines grössern Werks über das Nervensystem der verschiedenen Thiere, wovon jener Abschnitt ein Auszug ist. Tab . I. Das Nervensystem der männlichen Moosbiene (Apis muscorum L.) von der Bauchseite. I. I. Die vordere Gränze des Kopfs. II. II. Die des Halses. III. III. Die des Bauchs. IV. IV. Das hintere Ende des Bauchs. c. Die beyden vordern Halbkugeln des Gehirns. a. a. Die beyden hintern Hemisphären des letztern. t. Die Oeffnung des Hirnrings, durch welche der Schlund und der Speichelgang dringt. o. o. Die Sehenerven. 1. Der Halsknoten. 2. Der erste, 3. der zweyte Brustknoten. 4‒8. Die fünf Bauchknoten. Tab . II. Fig. 1. Das Gehirn einer andern männlichen Moos- biene von der obern Seite unter einer stärkern Ver- grösserung vorgestellt. G g 3 d. d. d. d. Zwey runde Hügel, aus welchen die Nerven der Fühlhörner entspringen. δ. Der zur Oeffnung des Hirnrings gehende Schlund. o. o. Die Nerven der zusammengesetzten Augen. p. p. Das Pigment, womit die äussern Enden die- ser Nerven bedeckt sind. r. r. r. Die drey einfachen Augen. h. h. Zwey kugelförmige Hervorragungen des Ge- hirns, auf welchen die beyden äussern einfachen Augen ruhen. n. n. Zwey, aus den hintern Hemisphären des Ge- hirns hervorgehende Nerven, deren Verlauf mir unbekannt ist. x. Die beyden Stränge, wodurch das Gehirn mit dem ersten Brustknoten zusammenhängt. Mit diesem Gehirn der Moosbiene kömmt das der Erdbiene (Apis terrestris L.) im Wesentlichen über- ein. Auch der Bauchstrang der Honigbiene (Apis mellifica) zeigt keine erhebliche Abweichungen von dem auf der 1ten Tafel vorgestellten Bauchstrang der Moos- biene. Hingegen finden zwischen dem Gehirn der männlichen Moosbiene und dem der geschlechtslo- sen Arbeitsbiene (Apis mellifica operaria) bedeu- tende Verschiedenheiten statt. Fig. 2 und 3. Das Gehirn der geschlechtslosen Arbeitsbiene , in Fig. 2 von der obern, in Fig. 3 von der untern Seite. d, d, δ, o, o, p, p, r, r, r, h, h bezeichnen die nehmlichen Theile, wie in Fig. 1. z. Der mit dem Schlund δ zur Oeffnung des Hirn- rings gehende Speichelgang. π. π. π. π. Die beyden, zu den Speichelorganen sich fortsetzenden Seitenzweige dieses Gangs. v. v. Die Nerven des Rüssels. i. i. Ein zartes Nervenpaar, das zu den Zungen- muskeln und zum Pharynx zu gehen scheint. In Fig. 3 sieht man ausserdem noch bey c die vordern Halbkugeln des Gehirns; bey Δ und Δ vier zu beyden Seiten der Hervor- ragungen, worauf die einfachen Augen ruhen, liegende Anschwellungen; bey t die Oeffnung des Hirnrings. Vergleicht man diese Organe mit dem Nervensy- stem anderer, in Rücksicht der Kunsttriebe eine nie- drigere Stufe einn hmenden Insekten, so fällt gleich der weit zusammengesetztere Bau des Gehirns der Bie- nen und die Kleinheit der Brustknoten dieser wunder- baren Thiere gegen das Gehirn derselben auf. Aber selbst zwischen dem Gehirn der männlichen Moosbiene und dem der geschlechtslosen Honigbiene zeigt sich eine bedeutende Verschiedenheit. An jenem hat der mittlere Theil grössere, aber nicht so zahl- reiche Hervorragungen, wie an dem letztern. Unter den Hirnnerven der Bienen sind die der zusammengesetzten Augen (o. o.) von ausgezeichneter Dicke. Sie bestehen aus parallelen, vom Hirnringe ausgehenden Fasern. Nach dem äussern Ende hin tren- nen sich diese, werden mit einem schwarzbraunen Pig- ment (p) bedeckt und gehen zu den einzelnen Abthei- lungen jener Augen. Von den drey einfachen Augen (r. r. r.) liegen die beyden äussern auf zwey halbkugelförmigen Her- vor- vorragungen; das mittlere scheint Nervenfasern aus die- sen Anschwellungen zu erhalten. Die Stellen, worauf die Hornhäute jener Augen ruhen, sind mit einem ähn- lichen braunen Pigment wie die Enden der Nerven beyder zusammengesetzter Augen überzogen. Der Zwischenraum zwischen dem Gehirn und dem Schädel ist mit einer körnigen Masse ausgefüllt. wo- von Ramdohr Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin. Jahrg. 4. S. 287. vermuthet hat, dass sie mit den Funktionen der Sinnesorgane in einer Beziehung stehe, die mir aber zu den Speichelorganen zu gehören scheint. Vielleicht hat das Gehirn der Biene auch Muskeln. Bey einer Arbeitsbiene fand ich auf demselben Bündel von Muskelfasern, die sich in die Hirnhaut zu inseri- ren schienen. Inzwischen dieser Punkt bedarf noch näherer Untersuchungen. Tab . III. Fig. 1. Das Gehirn eines männlichen Maulwurfs, von der Grundfläche angesehen. h, h die vordern, H, H die hintern Lappen der Hemisphären des grossen Gehirns. p. Die Varolische Brücke. q. Das verlängerte Mark. o. Das Ruckenmark. m. m. Die Seitentheile des kleinen Gehirns. Σ. Σ. Anschwellungen des grossen Gehirns neben der Varolischen Brücke, die durch den geroll- ten Wulst gebildet werden. r. Der Trichter. x. x. x. x. Markfortsätze der beyden hintern Lappen des grossen Gehirns zu den Riechkolben. 1. 1. Die Riechkolben. 2. 2. Die Sehenerven. a. a. Wulstige Seitentheile des verlängerten Marks und der Brücke, die sich in die Nerven des fünften Paars fortsetzen. 5. 5. Nerven des fünften Paars. Die übrigen Nervenpaare sind unbezeichnet geblie- ben, um die Figur nicht mit Zahlen und Buchstaben zu sehr zu überladen. Fig. 2. Fortgang des mittlern Asts der Nerven des fünften Paars am Oberkiefer des Maulwurfs. 5. Der Anfang dieses Asts nach seinem Austritt aus der Schädelhöhle. r. Zweig desselben, welcher sich zum Auge o be- giebt. t. Seitenfäden, die sich von diesem Zweig trennen. k. k. Ausbreitung der Fäden des Hauptzweigs des Astes 5 am Oberkiefer. D. Die Zähne des Oberkiefers. A. Der mit dem Fell bedeckte Vordertheil des Rüssels. N. Die Nase. Fig. 3. Ursprung der grössern Portion des fünften Hirn- nervenpaars des Maulwurfs aus dem verlängerten Mark. P. Die Varolische Brücke. p. p. Die Pyramiden des verlängerten Marks. 5. 5. Die Nerven des fünften Paars. q. q. Ursprung dieses Nervenpaars aus dem ver- längerten Mark. V. Bd. H h ψ. ψ. Eine dünne, aus queerlaufenden Fasern bestehen- de, hier rechter Hand zurückgeschlagene Mark- haut, welche diese Nervenwurzeln q, q bedeckt. χ. Starke, von dem Rückenmark heraufsteigende Faserbündel, die sich in dem Zwischenraum zwischen den Pyramiden p, p und den Nerven- wurzeln q, q nach den letztern hin ausbreiten. Tab . IV. Das grosse Gehirn des Delphins (Delphinus Phocaena) von der untern Seite mit den Gesichts- und Geruchsnerven. A, A die vordern, B, B die mittlern Lappen des grossen Gehirns. 1. 1. Die Geruchsnerven. 2. 2. Die Gesichtsnerven. Bey der ersten Auffindung der Geruchsnerven des Delphins war ich ungewiss, ob diese dünnen Fäden nicht Gefässe wären. Auch Herr Dr. Albers , dem ich sie zeigte, wagte nicht, sie für Nerven anzuneh- men. Als ich sie aber, abgesondert vom Gehirn, un- ter einer 150maligen Vergrösserung untersuchte, fand ich in ihnen die Struktur der Nerven. Ich konnte übrigens diese Zeichnung erst entwerfen, nachdem das, ohnehin von Fäulniss schon sehr erweichte Gehirn seit mehrern Tagen aus dem Schädel genommen gewesen war. Sowohl das ganze Gehirn, als die einzelnen Windungen sind deswegen hier mehr in die Länge und Breite gezogen, als sie im frischen Zustand ge- wesen seyn würden. Zusatz . Zusatz . Ueber die Phosphorescenz der leuchten- den Springkäfer . (Zu S. 103.) Nachdem diese Seite schon abgedruckt war, erhielt ich in einem Briefe des Herrn von Langs- dorff aus Rio de Janeiro vom 18. Mai 1817 fol- gende Bemerkungen über die leuchtenden Spring- käfer, wodurch meine Vermuthung, dass das Licht dieser Insekten mehr oder weniger aus dem ganzen Rumpf ausströhmt, bestätigt wird: “Sie „haben vollkommen Recht zu behaupten, dass „diese Insekten im Innern zwiechen der Brust „und dem Hinterleib und in der Nähe der Zeu- „gungstheile leuchten; doch habe ich diese Be- „merkung nur zweymal gemacht. Der Elater „noctilucus leuchtet nur zu gewissen Zeiten, d. h. „z. B. nach Willkühr im Fluge, und dann leuch- „tet er wie eine helle glühende Kohle. Sein Flug „ist ganz gerade und stark, so dass man ihm „leicht mit einem Satz entgegenkommen und ihn „fangen kann. Beym Ruhigsitzen auf Blättern. „an Baumrinden, auf Häusern u. s. w. macht er „sich zuweilen bey Nachstellungen durch gänz- „liches Nichtleuchten unsichtbar, und entgeht „seinen Verfolgern. Ich sollte denken, dass wohl „die Phosphorescenz mit der Periode der Begat- „tung zusammentrifft, so wie überhaupt diese „Käfer nur in einer gewissen Periode des Jahrs „erscheinen, besonders in den Sommermonaten.” Druck- Druckfehler . S. 8. Z. 1 von oben. Statt nur lese man um . — 20. — 12 — — — — Jetzt l. m. Indess . — 66. — 2 — — — — nur l. m. um . — 77. — 20 — — — — zweymal l. m. einmal . — 141. — 16 — — — — Haller l. m. Heller . — 142. — 1 — — — — Haller ’s l. m. Heller ’s. — 228. — 3 — — — — Blätter l. m. Blumen . — 281. — 18 — — — — Towler ’s l. m. Fowler ’s. — 293. — 24 — — — — bestehen l. m. entste- hen . — 301. In dem Citat t). — Veiw l. m. View . — 326. Z. 21 von oben. — andere l. m. an andern . — 345. — 6 — — — — andern l. m. andere . Ebend. — 13 — — — — leitende l. m. leidende . S. 443. — 24 — — — — alle l. m. also . — 456. — 24 in dem Citat e) Z. 2 st. non modo l. m. res non modo . — 463. — 2 von oben st. giftigen Ausdünstungen l. m. giftige Ausdün- stung .